Grobianische
literatur
Adolf Häuften
O U/V/
I
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN
ZU I!
SPRACH- UND CULTÜRGESCHTCHTE
DER
GERMANISCHEN VÖLKER.
HERAUSGEGEBEN
VON
HERN HAH!) TEN 1SKIKK, ERNST MARTIN,
ERICH SCHMIDT.
LXVI.
CASPAR SCHEIDT DER LEHRER FISCH ARTS. STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER
OROUIANISCHEN L1TTERATUR IX DEUTSCH LAND VON DR. ADOLF II AUFFEX.
STRASS1HJRG.
VERLAG- VON KARL J. TRÜBNER.
1889.
1
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CASPAR SCHEIDT
DER LEHRER F1SCHARTS.
STUDIEN ZUR GESCHICHTE
DER
GROBIANISCHEN LITTE KATUR IN DEUTSCHLAND
VON
DR. ADOLF HAUFFEN.
STRASSBURG.
VERLAG VON KARL J. TRÜBNER.
1889.
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o » Hof-Uuchdruckcrci in Darmstadi.
MEINEM LIEBEN BRUDEK
JOSEF HERMANN HAUFFEN.
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V O R R E D E.
Äussere Gründe, die mir einen rascheren Abschluss
meiner Arbeit wünschenswerth machten und der Umstand,
dass Herr Prof. Strauch eine Monographie über Caspar
Scheidt vorbereitet, bestimmten mich, meinen früheren Plan,
das Leben und die Werke dieses Dichters ausführlich im
Zusammenhange zu behandeln, abzuändern. So beschränkte
ich mich auf Scheidts 'Grobianus' und seine zweite anti-
grobianische Schrift, die 'Lobrede von wegen des Meyen,
verfolgte hiebei natürlich die StofTkreise und Tendenzen
nach vor- und rückwärts, so dass meine Studien mehr die
Darstellung eines ganzen Litteraturzweiges, der grobianischen
Dichtungen in Deutschland , als die Würdigung eines ein-
zelnen Mannes enthalten.
Der Grobianismus ist keine erquickliche, wohl aber
eine sehr wichtige Erscheinung des deutschen Lebens und
der carikirenden Satire im XVI. Jahrhundert; die hier
zu behandelnden Dichtungen können nur geringen ästhe-
tischen Werth beanspruchen , verdienen aber eine um so
grössere Aufmerksamkeit in cultur- und literarhistorischer
Beziehung. Was sonst mit den grobianischen Dichtungen
zusammenhängt, die Trink- und Narrenlitteratur , die An-
standsregeln , Sittenspiegel und Lehrdichtungen , die paro-
distischen und Thierdichtungen des Mittelalters und der
Reformationszeit habe ich hier nur insoweit berücksichtigt,
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VIII
VOR KfcDE.
als sie für die grobianischen Schriften als Quellen in Be-
tracht kommen oder im Zusammenhang der Wechselwirkung
stehen.
Doch die Einwirkung Scheidts als Lehrer auf den
jungen Fischart glaubte ich hier in einem eigenen Capitel
besprechen zu dürfen, weil sie gerade auf dem Felde der
grobianisch-satirischen Litteratur besonders sichtbar wird.
Es erhöht die Bedeutung des anspruchslosen Scheidt um
vieles, dass eine Darstellung seines Wirkens zu Fischart auf-
steigen muss und der Nachweis möglich ist, Scheidt habe die
Anfange eines der ersten deutschen Satiriker kräftig gefordert.
An dieser Stelle fühle ich mich auch verpflichtet, meinen
aufrichtigen Dank Herrn Prof. Erich Schmidt abzustatten,
der mir während meines zweijährigen Aufenthalts in Berlin
vielseitige wissenschaftliche Anregung zu Theil werden
Hess und mir besonders bei der vorliegenden Arbeit mit
Rath und Hilfe zur Seite stand.
Schliesslich schulde ich noch herzlichen Dank Herrn
Prof. August Sauer in Prag für manchen freundlichen Wink,
sowie den Vorständen der königlichen Bibliothek zu Berlin,
der Stadtbibliothek zu Breslau und der Bibliotheken zu
Darmstadt, Dresden, Gotha, Graz und Wolfenbüttel für die
bereitwillige Mittheilung ihrer Schätze.
Laibach, März 1889.
A. H.
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INHALT.
Seite
l. capitel. Anatandsregeln und Tischzuchten dos Mittelalters.
1. Die altdeutschen Tischzuchten 1
2. Englische, Französische und MittellateinUche Tischzuchteu. !4
3. Der Übergang zur Parodie 18
Ii. capitel. Dodekinds und Scheidts Grobianus 82
iil capitel. Nachgeschichte des Grobianus 63
Dedckinds zweite Ausgabe tili
Grobiana 72
Hellbachs Bearbeitung 77
Kienheckeis Bearbeitung 8t
Schorffürs Übersetzung 83
Dio Nachwirkung des Grobianus 89
iv. capitel. Scheidts 'Lobrode von wegen des Meyen* .... 94
v. capitel Schoidt und Fischart ilO
Eulenspii'gcl Rcimenswoiss 113
Fischarts Trunkenlitanci 122
ANHANG.
1. Dio Wormser Bearbeitung de» Freid.iuk vom Jahre 153S. 130
2. Zu Scheidts 'Frölichor Heimfart* 13t
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I. CAPITEL.
ANSTANDSREGELN UND TISCHZUCHTEN DES
MITTELALTERS.
1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.
Eine mittelalterliche Sage, durch Konrad von Würz-
burg in deutsche Verse gebracht, erzählt uns folgende Be-
gebenheit, die sich auf einem Osterfeste des Kaisers Otto
mit dem Barte zugetragen haben soll. Die Tische standen
schon, mit Gebäck und Geschirr besetzt, für die erwarteten
Gäste bereit, als der junge Sohn des Herzogs von Schwaben,
nach Kinderart dem Hunger folgend, an die Tafel trat,
ein Weissbrot ergriff und verzehrte. Diesen groben Ver-
stoss gegen die Tischzucht bemerkte der kaiserliche Truch-
sess, der eben das Zeichen zum Beginne des Mahles geben
wollte, und da er von heftiger Gemüthsart war, schlug er
mit seinem Stabe den edlen Knaben also auf das Haupt,
dass dieser blutüberströmt zur Erde sank. Des Knaben
Zuchtmeister Heinrich von Kempten sprang sofort herbei
und stellte den Truchsess zur Hede. Dieser aber versetzte
höhnisch, es komme ihm zu, einen Schalk, der se hove nn-
zühtec 1 sei, also zu strafen. Darüber ergrimmte der Zucht-
meister und erschlug den Truchsess.
1 V. 121. Die ganze Begebenheit bei Lambel, Erzählungen und
Schiränke S. 246 - 249. Ähnlich Pauli, Schimpf und Ernst S. im
Kr. 256; dazu Oeaterley ebenda Ö02.
QF. um. 1
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2
I. CAPITEL
Dio ältere Sage und diese jüngere dichterische Be-
arbeitung erweisen uns hier, wie schwer in der höfischen
Zeit des Mittelalters die Verletzung der Tischzucht geahndet
wurde. Und dass sie innerhalb der ritterlichen Gesellschaft
nur selten vorkam, zeigen uns andere Dichtungen an zahl-
reichen Stellen. Niemals vergessen Ritter und Frauen, die
sich zur Tafel setzen, die allgemeingiltigen Gebote der
Tischzucht, etwa das Waschen der Hände, selbst in den
unbehaglichsten Situationen. So fanden, um nur ein Bei-
spiel zu nennen, Herzog Ernst 1 und Genossen nach monate-
langer Seefahrt im Lande Grippia eine reichbesetzte Tafel.
Heisshungrig stürzten sie hinzu, um sich zu sättigen, ehe
noch die rechtmässigen Besitzer zurückkehrten, doch — sie
wuschen vorher ihre Hände. Das Unterlassen der Hände-
waschung insbesonders gilt als sprechendstes Zeugnis bäu-
rischer Unsitte - und noch im XVI. Jahrhundert den Fana-
tikern als Sünde3. Bei Hofe und auf den Kitterburgen
aber schätzte man die Abstammung und den Stand des
unbekannten Gastes nach dessen Benehmen bei Tische und
verhöhnte den Ungeschickten4. Ehrgeizige Bauernjungen
zogen an den Hof, um zu lernen, wie man essen soll5; wer
an der Zucht festhielt, galt als Liebling Gottes, der Unge-
zogene aber wurde des Himmelreichs für verlustig erklärt6.
So viel galt in den massgebenden Kreisen die Kenntnis
der Tischzucht.
Der Grund hierfür ist ein doppelter. Einmal gebot
die Art des Essens eine grosse Reinlichkeit. Man ass ohne
Gabel mit der blossen Hand, gewöhnlich ein Herr mit einer
Dame, seiner Tischgenossin, von einem Teller7; deshalb
» Herzog Ernst, ed. Bartsch. V. 2398 ff.
« Witten weilers Ring, ed. Beckstein 34 « V. 3. Kainer do sein hende
tcHoseh.
% Murners Narrenbeschwörung, Cap. 77 V. 30 ff.
4 t. d. Hagens Gesammtabenteuer, Nr. 10. K. v. Würzburgs Die
halbe Bim, V. 90, 106 f., 114 u. a.
6 Ebenda Nr. 63. Heinz des Kellners Turandot, V. 49, 1 1 1, 1 1 7 u. a.
« Tannhäusers Hofzocht, V. 229—240, siehe unten 8. 9 f.
' A. Schultz, Das hufische Leben zur Zeit der Minnesänger I,
S. 325.
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1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.
geben die mittelalterlichen Tischzuchten genaue Bestim-
mungen, wann man die rechte, wann die linke Hand ge-
brauchen dürfe, deshalb auch das abermalige Händewaschen
vor dem Nachtisch. Mehrere Gäste tranken aus einem
Glas, oder ein grösseres Gefäss kreiste, daher die häufigen
Ermahnungen, nicht mit fetten Lippen den Becher zu be-
sudeln, nicht in den Wein zu pusten und anderes mehr.
Daher auch die Verordnungen für die bedienenden Knaben,
welche den Wein herumreichen, den vorgelegten Braten
zerschneiden mussten.
Ferner aber war die Mahlzeit der Mittelpunkt des
geselligen Lebens. Sie wird von den Dichtern der besten
Zeit mit grossem Behagen geschildert1, bei feierlichen An-
lässen mit reichem Aufwand unter der sorgfaltigen Auf-
sicht des Truchsess oder Seneschalls vorbereitet. Die Tafel-
runde war die eigentliche gesellige Vereinigung, wo man
besonders seine zuht gegen Frauen erweisen konnte. Die
hervorragendste Tugend des mittelalterlichen Ritters be-
stand aber gerade in der zuht, welche auch als Frau Zucht2
personificirt erscheint und die nicht nur eine edlere Bil-
dung des Gemüthes als Frucht einer sittlichen Erziehung,
sondern auch Selbstbeherrschung und äussere feine Sitte3
bedeutete. Die ritterliche Moral vermengte eben Sitte und
Sittlichkeit und stellte sie einander gleich. Der Unge-
schickte, dörperltche, galt für böse, der hövesche hingegen
für ehrenwert.
Als in der weltfreudigen Blütezeit mittelalterlichen
Lebens und Dichtens die alte strenge Sittlichkeit sich zu
lockern begann und sofort Lehrdichter auftraten, um in
gereimten Ermahnungen und Rügen die Gefahr abzuwehren,
da setzten sie bei den Anstandsregeln ein und klammerten
sich an die äusseren Formen der gesellschaftlichen Über-
einkunft, um mit der Schale des sittigen Betragens auch
den Kern der Tugend zu retten.
1 A. Schultz a. a. O. I 293.
» Grimm, Mythologie 8. 846 ff.
» Mhd. Wtb. 3, 9J1R.
1*
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4
I. CAPITEL.
Einer der ältesten mittelhochdeutschen Didaktiker, der
Ritter Winsbeke (1210 — 1215) gibt seinem Sohne die
schönsten allgemeingiltigen Lehren von innerer Würde
und Frömmigkeit, aber er vergisst nicht, ihm auch die be-
sonderen Pflichten des Ritterstandes ans Herz zu legen,
und rühmt neben Tugend und rechter Scham immer wieder
zuht] und hoveliche site2 und tcol gezogene^ Benehmen. Und
schon sein nächster Nachfolger, Thomasin von Zirclaria
(1216), ein Italiener, doch aus dem deutschen Grenzgebiete
Friaul stammend und von deutscher Bildung und Gesinnung,
eröffnet die lange Reihe allgemeinerer Anstandsregeln und
besonderer Hofzuchten und Tischzuchten, die einander bis
in die Mitte des XVI. Jahrhunderts zu Dedekind und Scheidt
hin ununterbrochen folgen und alle unmittelbar oder mittel-
bar von ihm beeinflusst sind.
Thomasin stellt den wankenden sittlichen Grundsätzen,
den beginnenden religiösen Verwirrungen seiner Zeit als
ethischen Halt die stvcte, die Beharrlichkeit im Guten ent-
gegen, welche die zehn Bücher seines Wälschen Gastes als
grundsätzlichen Anfang aller Tugenden im Gegensatz zur
umtäte als der Mutter aller Laster preisen. Mit philosophi-
schen Erörterungen und praktischen Vorschlägen zur Besse-
rung rückt er den Hauptgebrechen seiner Zeit zu Leibe
und schöpft seine Lehren und Beispiele, wie die meisten
späteren Lehrdichter, aus den Classikern, der Bibel und
den Kirchenvätern, doch auch aus der unmittelbaren ritter-
lichen Umgebung, die er mit gesundem Herzen und klarem
Blick beobachtet hat.
Gewissermassen als Einleitung zu dieser Tugendlehre
gibt er im ersten Buche Rittern und Frauen Vorschriften
für den geselligen Verkehr. Er hat hierfür den Inhalt
seines früheren verloren gegangenen italienischen Werkes
über höfische Sitten verwcrthet 4 und lehrt hier anschlies-
send den Hauptgrundsatz der ritterlichen Moral, man müsse
! Winsbeko ed. Haupt 11,7 f., 22,3 u. a.
38, 1.
» 39, 8.
« V. 1173 f.
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1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.
2uht und hüfscheit in seiner Jugend haben Von den Frauen
verlangt er ein tugendhaftes Herz, doch auch feine Sitten.
Eine schöne Gebärde und eine freundliche Rede krönt die
guten Werke der Frau2. Mit sanfter Stimme soll sie
sprechen, nicht ein Bein über das andere schlagen, nicht
fest auftreten3, die Reize ihres Körpers sorgfältig ver-
hüllen4, sich nicht umsehen, nur sprechen, wenn sie gefragt
wird, und — besonders während des Essens — nicht zu
viel plaudern. Den Ritter lehrt er Mässigung, Vermeidung
jedes rohen, lärmenden Wesens5, Ruhe in Rede und Hal-
tungr>, den richtigen Sitz zu Pferde und endlich die höfische
Tischzucht7.
Ohne die Beispiele gröberen Unfugs, wie sie spätere
Tischzuchten bieten, ertheilt hier Thomasin jene strengeren
Vorschriften, welche noch in den besten Kreisen seiner
ritterlichen Zeitgenossen beobachtet wurden. Doch für die
äussere Form der Lehre und für die überall geltenden Re-
geln benutzte er eine fremde Quelle: die Disciplina cleri-
calis9, ein in Deutschland und Frankreich viel benutztes
Werk, das im Anfang des XII. Jahrhunderts von einem
spanischen Juden, Petrus Alphonsi, nach morgenländischen
Vorbildern lateinisch abgefasst wurde. Die Einkleidung:
Ein weisser Vater belehrt den scheidenden Sohn, kennen
die Bibel, Nordländer und Romanen, und unter den deut-
schen Lehrdichtungen : König Tirol, der Winsbeke und Cato.
Bei Petrus beginnt der Vater auf die Frage des Sohnes ,J
Die ergo quomodo ubique debeam comedere mit der Regel,
die in den meisten Tischzuchten an erster Stolle steht:
Quum ablueris tnanus ut comedas, nihil tangas nisi prandium
1 V. 1708 f. Ähnlich V. 182 f an h. und an guoten dingen.
1 V. 203 f.
* V. 400 ff.
♦ V. 451 ff.
1 V. 297 ff.
« V. 443 ff.
1 V. 471-626.
8 Der wälsoho Gast, ed. Rückerf, Anm. S. 521. — Disciplina
clericalis, ed. Fr. W. Val. 8chmidr, Berlin 1827.
» Cap. XXVIII, 7.
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I. CAP1TEL.
tionec romedas. Iss nicht das Brod vorher ne duaris im-
patiens. Nimm nicht so grosse Bissen dass dir's vom
Munde träuft, schling' sie nicht hinab ehe sie gut gekaut
sind, trink' nicht mit vollem Mund ne dicaris vinosus, sprich
nicht mit vollem Munde dass es dir nicht eine Ursache
des Todes werde. Gefallt dir ein Bissen bei deinem Tisch-
genossen, so greif nicht danach ne dicatur prava rusticitas.
Nach dem Mahle wasche die Hände, quin physictim est et
cnrabile. Der Einladung einer vornehmen Person leiste
sogleich Folge. Diese knappen Regeln sind das Gerippe,
um welche sich immer weitere Ausführungen ansetzen bis
zu den dickleibigen Sittenbüchern des XVI. Jahrhunderts.
Auch die Form der directen Lehre, die später zu einem
kunstvollen Schema ausgestaltet wird, liegt hier im ein-
fachsten Umriss vor: Thue es nicht, weil entweder —
Rücksicht auf das durch den Verstoss hervorgerufene Ur-
theil — du als vinosus, deine Handlungsweise als rusticitas
bezeichnet würde, oder — Rücksicht auf das eigene Wohl
— weil es dir schaden, dich tödten könnte. Ja selbst die
Ansätze zur parodistischen Behandlung der Tischzucht finden
wir hier, indem der Vater dem Sohn räth, an einer
fremden Tafel viel, an der eigenen möglichst wenig zu
essen1, und ihm die schlauen Entschuldigungen eines trägen
Dieners2 und den grobianischen Schwank eines gefrässigen
Spielmanns8 erzählt.
Thomasin nimmt also die meisten Regeln des Petrus
auf und vermehrt sie um einige besondere Vorschriften, die
ihm in seinen Kreisen entgegentraten. Wie: man solle
sich nicht zum Genossen mit dem Becher wenden, ehe man
diesen vom Munde absetzt4, nicht trin aus dem Becher
sehen, nicht mit beiden Händen essen, sondern mit der
linken, wenn der Genosse zur rechten sitzt, nicht gleich-
zeitig mit diesem in die Schüssel greifen ; auf die von den
Gästen abgelehnte Speise muss auch der Wirth verzichten.
i Cap. XXVIII, 12. Cap. XXIX, 1.
» Cap. XXIX, 3-6.
9 Cap. XXII, 1-8.
« V. 490 ff.
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1. DIB ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.
7
Nur die Ritter dürfen sich nach dem Mahle des herum-
gereichten Wassers bedienen, die Junker und Knappen
müssen sich abseits waschen1. Zwischen diesen Regeln
fehlen auch nicht die ürtheile: so V. 496 duz stät hü/schliche
niht oder umgekehrt V. 482 deist wol getdn.
Die eben besprochenen Theile aus dem ersten Buche
Thomasins wurden bald hernach ausgeschrieben, erweitert,
zu drei Abschnitten von den Männern, den Frauen und der
Tischzucht bearbeitet und unter dem Titel Hofzucht in
mehreren Handschriften verbreitet2. Diese beginnt mit der
Fabel vom Esel und der Löwenhaut, welche mit Abände-
rungen Boners Edelstein Nr. 67 nacherzählt wird. Daran *
anschliessend wird die Hofzucht gelehrt, das Benehmen
gegen Frauen, gegen Genossen und Fremde ; vor übermässigem
Weingenuss und Spiel, vor unanständigem Betragen bei
Tische wird gewarnt und hiebei über Thomasins Regeln
hinaus manche ärgere Unschicklichkeit getadelt, die sich
die rohere Zeit erlaubt: man solle sich nicht auf den Tisch
legen, nicht mit dem Tischtuch den Mund abwischen, nicht
in den Zähnen stochern. Solch ein Gebahren wird mit dem
Ausdruck umuht verurtheilt 3. Mit den Vorschriften für
Frauen, die zum Theil wörtlich aus Thomasin entlehnt4
sind, schliesst die Hofzucht.
Weiters wurde das Excerpt aus Thomasin interpolirt
in spätere Bearbeitungen des deutschen Cato. Der Cato ist
die älteste jener mittellateinischen Spruchdichtungen, die einen
grossen Einfluss auf die deutsche Lehrdichtung hatten,5 er
ist, wie bekannt, spätestens im vierten Jahrhundert abgefasst
* V. 519 ff.
a Vgl. Geyer, Altdeutsche Tisohzuchten, Progr. Altenburg 1882,
8. 33 f. Auf die einzelnen Fassungen der Hofzucht gohe ich nicht
genauer ein, weil Geyer eine Abhandlung darüber verspricht und weil
ich die für vorliegende Arbeit wichtigeren Theile derselben bei der
Gruppe der Tisch züchten bespreche.
8 Keller, Erzählungen aus altd. hss. (Bibl. d. lit. Ver. Nr. 35),
Stuttgart 1855. Die Hofzucht 8. 631 ff. Die Tischzucl.t 8. 541Jff. bes.
8. 542 V. 19.
* Die Parallelstellen verzeichnet Keller, 8. 543 f.
* Darüber unten 8. 19 f.
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8
I. CAPITEL.
und seit der Mitte des dreizehnten frei und mit Benutzung
Freidanks ins Deutsche übertragen worden. Er enthält
Regeln für das Verhalten vom Morgen bis zum Abend, die
mit gelegentlichen Tugendlehren verwoben sind. Fünf Cato-
Handschriften 1 aus dem XV. Jahrhundert haben nun nach
Thomasin drei längere Dichtungen eingeschoben von den
manen, von den frowen2 und eine Tischzucht3; die beiden
ersteren haben ausser den Erweiterungen der Hofzucht noch
einige Aussprüche Freidanks zu Thomasin hinzugefügt,
während der dritte Abschnitt um die Lehren der Rossauer
Tischzucht, die wir gleich näher kennen lernen werden,
'vermehrt ist. Nur sein Anfang ist selbständig:
So du ze tische wellest gdn
die erbern soltu sitzen län
vor dir und dich erst setzen, wenn's dir der Wirth sagt. Die
nassen Hände wisch' nicht am Gewand ab ; falls kein Hand-
tuch zur Stelle ist, mag die Luft sie trocknen. — Im Verlaufe
der weiteren bunt durcheinander gemengten Regeln ist ein
Widerspruch mit Thomasin auffallend: V. 301 swer trinkt und
in den becher siht, hingegen der Wälsche Gast V. 495 swer
trinkend ü% dem becher siht, ist unanständig4.
Diese Cato-Interpolation hat von neuem Clara Hätzlerin
für ihr Liederbuch5 frei bearbeitet; ihre zahlreichen selb-
ständigen Zusätze sind für die Entwicklung dieser Gruppe
von Dichtungen ohne Belang. Interessant nur ihre Special-
bestimmungen V. 170 ff.: man dürfe nach Mus und Äpfeln
nicht trinken, doch sicher nach Birnen und ähnliches mehr.
Ausser diesen Hofzuchten gibt es eine grössere Gruppe
meist in Reimpaaren abgefasster altdeutscher Dichtungen,
die mehr oder weniger zusammenhängen und nicht inner-
» Zarncke, Der Deutsche Cato. Leipzig 1852. S. 126 ff.
2 Ebenda 8. 134 ff.
3 8. 136 ff. Die Parallelstellen zu Thomasin usw. verzeichnet
Zarncke in den Anmerkungen.
4 TannhäuserB Hofzucht V. 89 über den becher.
5 Ed. Haltaus 8. 276 ff. Die PanilleUfellon verzeichnet Geyer
a. a. 0 8. 34.
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1. DIE ALTDEUTSCHEN TlöCHZUCHTEN.
0
halb eines grösseren Werkes, sondern selbständig unter
dem Namen Tischzucht die Regeln über das Verhalten
bei Tische zusammen fassen. Sie bedürfen nun zu ihrer
Abrundung eines eigenen Anfangs und Schlusses, die in
allgemeinen Bemerkungen über Zucht und Unzucht und
Gebeten vor und nach dem Mahle, in Benedicite und Gratias
oft von grösserem Umfange bestehen. Die einzelnen Vor-
schriften werden sehr vermehrt und specialisirt und immer
gröbere Misstände getadelt, wie sie oben mit dem raschen
Sinken der Sitte den Moralisten entgegentraten. Je nach
der milderen oder strengeren Auffassung des Autors werden
dieselben als Ungezogenheiten, Thorheiten oder Verbrechen
bezeichnet. Im Laufe der Zeit schliessen sich die Be-
stimmungen für den bedienenden Knaben und das Gesinde
an und es werden zunächst jene Untugenden besprochen,
die bei Tische besonders auffallen, wie das übermässige Zu-
trinken (bald mit Motiven wie in der Trinklitteratur des
XVI. Jahrhunderts), die Geschwätzigkeit, Prahlsucht, Verleum-
dung, Gotteslästerung, aber auch andere Laster, wie der
Kleiderluxus, die Üppigkeit, Unkeuschheit, die sieben Haupt-
sünden insgesammt, Verstösse gegen die zehn Gebote.
Thomasin und Freidank steuern viel bei zu diesen Aus-
sprüchen der Sittenstrenge. Allmählich wird dann auch die
Beschäftigung vor und nach dem Mahle behandelt. Da die
Hauptmahlzeit am Morgen eingenommen wurde, tritt das
Aufstehen, die Morgentoilette und der Kirchgang leicht in
den Rahmen der Lehre ein, ebenso nach der abendlichen
Kneipe der Heimweg, und zu Hause die Behandlung des
Weibes und des Gesindes. Wie sich die Tischzuchten von
allgemeineren Lehrdichtungen losgelöst haben, so schwellen
sie wieder langsam an zu Verhaltungsmassregeln für das
ganze Tagewerk, zu vollständigen Sittenspiegeln.
Obschon diese altdeutschen Tischzuchten erst in Hand-
schriften des XIV. und XV. Jahrhunderts erhalten sind, ist
der Sprung von Thomasin zu ihnen kein sehr weiter. Sie
stammen alle von einer verloren gegangenen strophischen
Dichtung ab, deren älteste Bearbeitung in der dem Tannhäuser
zugeschriebenen Hofzucht C vorliegt, die in der Mitte des
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10
I. CAPITEL.
XIII. Jahrhunderts entstanden sein dürfte1. Nach den all-
gemeinen Bemerkungen, mit welchen die Tischzuchten ge-
wöhnlich beginnen, ermahnt C2 bei Tische der Armen zu
gedenken um Gottes willen und gibt dann die üblichen
Vorschriften für ein anständiges Verhalten. Ausserdem
aber verbietet C noch gröbere Unschicklichkeiten. Man
dürfe nicht aus dem Löffel oder gar aus der Schüssel
schlürfen, mit dem Munde schmatzen, sich in das Tischtuch
oder gar in die Hand schneutzen, mit den blossen Fingern
das Salz anfassen, abgenagte Beine oder abgebissene
Brocken in die Schüssel zurücklegen; ebenso sei es nicht
erlaubt, sich während des Essens den Gürtel weiter zu
schnallen oder aus Nase, Auge und Ohr den vnfldt zu neh-
men. Diese und andere Verordnungen werden natürlich
wieder unterbrochen von den üblichen Urtheilen: da% übele
stet V. 80; sälh vnzuht iegent die hübsclien nider V. 48; ja
sogar als grö$ missetät werden solche Verstösse bezeichnet
V. 52, 81 u. a. Mit Rücksicht auf die Nachbarn V. 115:
Die zuokapher merkent da%, Swer sülhe mizuht niht verbirt;
mit Rücksicht auf die Gesundheit des Leibes und der Seele
V. 168 ff.: vom Überessen und vielen Trinken kommen
Krankheiten und Sünden. Das komische Element beginnt
hier bescheiden mit Vergleichen: man soll nicht das Brot
beim Schneiden an die Brust setzen wie schwache Frauen
V. 75, oder die Finger auf das Messer wie ein Kürschner
V. 101; essen wie ein Schwein V. 42; schnaufen wie ein
Wasserdachs V. 62 ; und mit Übertreibungen : mancher ist so
gierig, dass er sich in die Finger und die Zunge beisst
V. 145—149. Der Hinweis auf Gott und allgemeine Be-
merkungen beschliessen auch wieder diese Tischzucht. Dir
am nächsten stehen nun die allerdings viel kürzeren, unter
einander eng verwandten Fassungen Ä und B, die Rossauer
1 Die meisten Bearbeitungen sind abgedruckt bei Geyer a. a. 0. ;
daselbst ist auch das Verhältnis der Handschriften sorgfältig darge-
stellt. Den überzeugenden Beweis, dass C älter als A ist, hat Martin
gegon Geyer geführt im Anzeiger f. deutsches Alterthum (Zs. 26) 8,
309 f.
» Bei Geyer B. 9 ff.
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1. DIE ALTDEUTSCHEN T18CHZUCHTEN.
11
und Karlsruher Tischzucht K Neu ist bei diesen vor allem
die besondere Bestimmung für das Eieressen V. 93— 102,
die in allen späteren Tafelregeln wiederkehrt: spitzt das
Brot hiefür mit den Fingern, taucht damit in das Ei, legt
die Schalen nicht in die Schüssel zurück. In der nieder-
deutschen Fassung D2 finden wir dann die weiteren Be-
stimmungen, man dürfe sich nicht in den Busen greifen;
nicht sprechen, wenn schon ein anderer spricht. Wer
sich gegen den Anstand vergeht, der ist nach D ein Thor
V. 42, 106, oder ein Affe V. 92, und thut den Leuten weh,
die es sehen müssen V. 96. Und hier schon die Weiter-
führung der Regeln für die Zeit nach dem Mahle V. 123 ff.
Man gehe auf der Strasse nur mit ehrlichen Leuten und
auf dem besten Wege, man schlafe nur bei guten Menschen,
thue das, was dem Nächsten lieb ist, und erziehe seine
Kinder streng. — Die zahlreichen Fassungen (Handschriften
und Drucke) der Gruppe V* vermehren noch die bisher er-
örterten Gebote und führen einen oder den anderen humo-
ristischen Zug ein (so durch Hinweis auf einen Schwank:
man mache sich nicht um den Mund fett, gleich einem
Hunde, der Wischdenbart heisst, V. 98 — 100) und erweitern
die in den älteren Tischzuchten angedeuteten Motive und
Bilder durch eine derbere Ausdrucksweise, durch Anfänge
drastischer Schilderungen. Ich gebe nur wenige, bezeich-
nende Beispiele dieser stufenweisen Ertwicklung. C V. 43:
so er i%et) als ein swin; AB 33 f.: rehte als ein stein, der
schol bt anderm vilie sin und mehrere Drucke der Gruppe V
(Variantenverzeichnis V. 105 f.): als ain eberschwein, der
sol pei anderen sauen sein; oder C 46 f.: wer die Bissen in
die Schüssel zurücklegt näch gebürischen siten; AB 36: näch
gar gebiurischen siten4; V V. 112: näch der groben pauren
1 Geyer 8. 8.
* a. a. ß. 12 ff. Die niederdeutsohe Litteratur, in welche auch
der Cato, der Renner und Freidank aufgenommen wurden (Zarncke,
Der deutsche Cato 8. 155), betheiligt sich noch mit anderen Tischzuchten
und Anstandsregeln an dieser Gattung.
3 8. 14 ff.
♦ Diese Beispiele treten wohl bekräftigend zu Martins Erweis
hinzu, wonach C älter als Ä ist.
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12
I. CAWTEL.
siten mit dem Zusatz : sie beschmieren ihre Finger und ver-
dienen der Welt Fluch, denn sie sind gröber als Kitteltuch.
— Auch zu der Lehre in C 93 und AB 65, die Lippen vor
dem Trinken zu reinigen fügt V. 126 die Begründung hinzu,
das der wein nicht yewinn vaiste zinken, und einzelne Fas-
sungen von V überdiess : die schweben dann in dem trinckge-
schir oben, fürwar es mag das niemandt geloben. Auch ge-
wagtere Situationen vermeidet V nicht mehr, V. 138—142
umschreibt aber noch den stärksten Ausdruck: man verstet
wol, was ich mein. — Der interessanteste Druck dieser
Gruppe ist gl; in Worms im Jahre 1538 bei Sebastian
Wagner, dem Vorgänger von Scheidts Verleger Hoffmann
edirt, dürfte er dem Verfasser des kleinen Grobianus2 so-
wie Scheidt kaum entgangen sein, g hat grössere Erwei-
terungen; nach V. 150 3 warnt es die Tafelnden vor dem
Ehrabschneiden, das man so häufig bei Tische pflegt, vor
Gotteslästerung, Schwören und Fluchen, vor unkeuschem Ge-
schwätz, vor viehischer Völlerei und dem argen Zutrinken,
das die Leute zu Narren macht, sodass sie auf ebener Erde
straucheln und alles wieder von sich geben wie die Hunde.
Zur Strafe für diese Lnzucht hat uns Gott in dieser Zeit
die vielen Plagen gesendet. Wir hören den Moralprediger
des XVI. Jahrhunderts aus diesen Versen heraus. Auch ein
längeres Gratias fügt g nach dem Mahle hinzu4 und ge-
meinsam mit den übrigen Drucken das Gedicht Wie jung
knaben vor dein tisch sollen stan , ein häufiger Anhang der
Tischzuchten : die bedienenden Knaben sollen nicht unnütz
hin und hertreten und mit den Händen herumarbeiten. Sie
sollen immer aufpassen, ob nichts mangle, jedem Befehl so-
gleich und ohne Widerrede Folge leisten, Mädchen sollen
schweigsam und schamhaft sein. Einige Drucke geben noch
die Verse vom Hausgesinde5 bei, welchem die Reinigung
der Tische, Bänke, Gläser und Messer, aufmerksame und
1 Geyer S. 8.
2 8ieho unten 8. 47.
3 Geyer 8. 18 Varianton.
♦ Nach V. 234 8. 20 Varianten.
* Im Text V. V. 234 ff.
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1. DIE ALTDEUTSCHEN TISCHZUCHTEN.
13
rasche Bedienung, Ehrfurcht vor den Priestern, Eltern und
Hausherren in sprichwörtlichen Wendungen eingeschärft
wird.
Ausser diesen auf ein Original zurückführenden Tisch-
zuchten finden sich besonders in späteren Handschriften und
Drucken des XV. und XVI. Jahrhunderts zahlreiche andere
Vorschriften für den Anstand beim Mahle, welche zwar von
den bisherigen formell unabhängig sind, aber dieselben oder
ähnliche Regeln enthalten. Bei einer flüchtigen Besprechung
sollen nur charakteristische Momente der einzelnen Gedichte
erwähnt werden, die zugleich zur Entwicklung der ganzen
Gattung beitragen.
Die Siegburger Tischzucht1 stellt nach den alten und
einigen neuen Verboten (nicht beim Händewaschen ins
Becken zu spucken, nicht in die heisse Brühe aus vollen
Backen zu blasen) die Vorzüge zusammen, die aus dem
guten Anstand sich ergeben. Männer und Frauen hassen
den Unschicklichen V. 114, halten ihn für einen Thoren,
den Geschickten aber für einen Weisen V. 126 und 12.
Von drastischer Anschaulichkeit sind hier V. 87 f. dat yeboirss
vnpen dat ich lass, dat synt dry vynger in dem saltzfas.
Auch aus dem Anfang des XVI. Jahrhunderts stammt die
'Rinderzucht* 2. Sie schärft in der üblichen Weise ein, wie
man essen und bei Tische bedienen soll , beginnt aber bereits
mit der Morgentoilette, gebietet das Kämmen, das Ausspülen
des Mundes, die sorgfältige Reinigung der Kleider, fügt
allgemeine Lebensregeln hinzu und tadelt zum Schluss den
Zutrinker als unchristlich und wirft ihm vor, er sei schlechter
als eine Kuh, die ja nur zur Befriedigung ihrer Nothdurft
saufe.
Auf der gleichen Stufe der Entwicklung stehen die
ersten drei Tischzuchten von Hans Sachs3, die sich unter-
einander inhaltlich decken. Auch er tadelt neben den be-
kannten Unschicklichkeiten das Zutrinken, böse Nachrede,
1 Ed. tod Rud. Sohmidt nach einer Darmstädter Hs., Anfang des
XVI. Jahrb. Zeitschrift f. deutsches Alterthara 28, 64 fT.
2 Geyer 8. 27 ff.
» Oeyer 8. 29 ff., o, h u. c aus d. J. 1534, 1542 u. 1543.
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14
I. CAPITEL
unanständige Worte und Streit bei Tische. Ein beliebtes
komisches Motiv des gegen Frauen so ungalanten XVI. Jahr-
hunderts klingt hier an V 60 f. : Dergleichen maid, jungk-
fraw vnd frauen Solln nach keym ftoch hinundter-fischen.
Viel Neues bietet die niederdeutsche Tischzucht aus
Wolfenbüttel Sie beginnt von einem heiligen Orden zu
erzählen, dem jene Leute angehören, welche die Regeln der
Tischzucht kennen. Dem Laien aber sollen sie hier ge-
lehrt werden. Mit originellen Vergleichen: man stecke
nicht vor den Leuten den Finger in den Mund als wollte
man pipen den gasen, man lasse nicht ein Knie über dem
andern hängen olse me Pilatus plecht to malen. Die Ver-
gleiche aus dem Thierreiche sind hier zu einer Reihe zusam-
mengesetzt, welche die verschiedenen Unarten beim Trinken
geisselt S. 425 Z. 30 ff. Du sollst nicht über den Becher
starren wie eine Kuh, nicht laut trinken wie ein Ochs, wie
ein Pferd, wie ein Schaf usw.
Ein Widerspruch gegen frühere Regeln ist hier die
Erlaubnis, das Brod beim Schneiden vor die Brust zu setzen,
weil es in freier Hand zu gefahrlich sei. — Diese im Gegen-
satze zu den bisherigen prosaisch abgefasste Tischzucht
ermahnt zum Schlüsse: fragt dich ein Unsinniger, ein
Bezechter oder gar ein Jude nach heiligen Dingen und un-
begreiflichen Lehren des Christenglaubens, so vermeide die
Antwort. Zwei Schwanke exemplificiren diese Ermahnung.
2. ENGLISCHE, FRANZÖSISCHE UND MITTELLATEINISCHE
TI8CHZUCHTEN.
Die Tischzucht ist keine eigenthümlich deutsche Gat-
tung der Lehrdichtung, sondern wie Thomasin durch eine
fremde Quelle zu der ersten deutschen Tischzucht angeregt
wurde, so nahmen an der Ausgestaltung dieser Gattung
1 Ed. Lübben, Germania 21, 424 ff.
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2. AUSSERDEUTSCHE TISCHZUCHTEN.
15
neben Deutschland alle Culturländer des Mittelalters theil
und besonders die internationale mittellateinische Litteratur.
Durch die gemeinsamen Ideale des Ritterthums und der
katholischen Hierarchie war die mittelalterliche Cultur
Europas auf Jahrhunderte hinaus kosmopolitisch geworden
und so wie die Ritter in Südfrankreich oder Thüringen die
Damen ihres Herzens mit ähnlichen Liebesliedem feierten,
in Baiern oder in England mit ähnlichen Märchen und Sagen
die Ohren der Hörer erfreuten, so galten auch bei allen
die gleichen Vorschriften für Turniere und hohe Festlich-
keiten, für den feinen Verkehr mit Frauen und Jungfrauen,
für den Anstand bei Tische. So zeigen die unter gleichen
Bedingungen erwachsenen Anstandsregeln untereinander eine
grosse Verwandtschaft und zahlreiche parallele Erscheinungen
zu den deutschen Lehrdichtungen. Ein Blick auf die eng-
lische und französische Didaktik erweist diese Behauptung.
Ob aber eine der zahlreichen lateinischen Tischzuchten
eine gemeinsame Quelle der deutschen und ausserdeutschen
Tischzuchten ist, ob in der Abhängigkeitsreihe Zwischen-
glieder vorhanden oder verloren sind, ob eine unmittelbare
gegenseitige Beeinflussung zwischen den verschieden-
sprachigen Vorschriften stattgefunden hat, muss vorläufig
unentschieden bleiben ].
Auch in England gibt es grössere didaktische Werke
und besonders im XV. Jahrhundert gnomische Lehrdichtungen,
Anstandsregeln und Sittenbücher. Lehren, die der Vater
seinem Sohne, die Mutter ihrer Tochter gibt, ohne wörtliche
Anlehnung an die Winsbeken, aber mit ähnlichem Inhalt,
Hofzuchten und Tischzuchten in Versen und in Prosa.
Furnivall 2 hat von diesen eine grössere Zahl nach Drucken
und Handschriften des XV. und XVI. Jahrhunderts gesammelt.
1 Ich gehe am so weniger auf dieses schwierige Kapitel der in-
ternationalen Beziehungen ein, weil Geyer a. a. 0. S. 34 verspricht, in
einem Programm das Verhältnis der deutschen Anstandsiehren zu der
verwandten germanischen, lateinischen und romanischen Littoratur zu
behandeln.
* Early english text society Nr. 32. The Babees Book etc. ed.
Furnivall, London 1868.
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16
I. CAPITEL.
Gleich das erste Gedicht The babees book 1 ist eine erwei-
terte Tischzucht. Die bekannten Ermahnungen kehren hier
insgesammt wieder. Junge Leute müssen sich bei Tische
ruhig verhalten, den Würdigeren Platz machen und ihnen
reines Wasser und das Handtuch reichen; sie dürfen nicht
in den Zähnen stochern, nicht mit unreinen Lippen trinken,
nicht die besten Bissen aussuchen, gierig essen, lachen und
schwatzen usw. Auch hier die Urtheile dazwischen: for
that is curtesy, V. 161; for yt ys nouhte yuys convetiyent,
V. 172; for so ytvys yee shalle a name deserve, Off' gentyl-
nesse and of good govemaunce V. 187 f.; auch hier wird
nach dem Mahle ein Gratias gebetet und mit dem Hinweis
auf Gott die Tischzucht geschlossen. Strengere Vorschriften
zeigt Urbanitatis S. 13 ff. für den Anstand vor höheren
Personen, während das dritte Gedicht eine religiöse Kinder-
zucht ist: The lytylle childrenes lytil boke etc. 1480. Hier
erklärt der Autor in der Einleitung nachdrücklich that curtesy
from hevyn come 2 und verlangt wie C, dass man zu Beginn
des Mahles an Gott und die Armen sich erinnere. Die
weiteren Regeln bieten nichts Neues, abgesehen von einigen
drastischen Vergleichen, wie V. 47 Bulk not as a Bern were
yn thi throte. Den bedienenden Knaben sind hier ganze
Lehrgedichte gewidmet, S. 27 fF. Stans puer ad tnensam.
Mit der bekannten Weiterführung nach beendigtem Mahle
V. 18, walke detnurely be streetis in the town*. Von grossem
Umfang sind jene englischen Anstandsbücher, welche ausser
der Tischzucht genaue Verordnungen für den Dienst bei
Hofe, Fürsten und Grafen, Kochrecepte und Speisezettel,
diätetische Vorschriften, Lehren für den Kellermeister, Senne-
schall und Badediener enthalten 4. Ein Verstoss gegen den
Anstand gilt hier begreiflicher Weise als moralisches Ver-
1 Ebenda S. 1 ff. aus d. J. 1475.
2 Vgl. Tisohzuoht C V. 239 f. Kein vngezogev man der kan Ze
himelriche nimmer komen u. a.
» Vgl. Tiachzuoht D V. 123 f. Ga gi mit erliken Iwhn vp der
Straten usw.
* Furnivall 8. 115 ff., 297 ff. u. a.
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2. ArssfcKDEUTSCHK TISCHZUCHTEN.
gehen that is a vyee Und wie die deutsche Lehrdichtung
so enthält auch die englische Verhaltungsmassregeln für
das ganze Tagewerk, die sich vorn und hinten an die
Tischzucht angeschlossen haben. The boke of Nurture- etc.
und The srhoole of Vertue* etc. behandeln das Aufstehen
und die Morgentoilette, den Gang in die Kirche und in die
Schule, das Verhalten gegen Eltern und Lehrer sowie bei
Tische, sie enthalten Gebete, Ermahnungen zur Reinlichkeit,
Wahrheitsliebe , Bescheidenheit , dazu andere Sittenlehren,
nieist in sprichwörtlichen Wendungen. Und wie die deutschen
Epiker, so berücksichtigen auch die englischen in ihren
Darstellungen die Tafelsitten. So schildert Chaucer4 seine
Priorin als strenge Beobachterin der höfischen Sitte beim
Mahle: nie entfiel ein Bissen ihrem Mund, nie tauchte sie
die Finger in die Brühe, und sie wusch die Lippen vor dem
Trinken so rein, dass nicht ein Schimmer von Fett an dem
Becher haften blieb. Man merke, dass also hier am Ende
des XIV. Jahrhunderts dieser feine Anstand als auffallend
verzeichnet wird.
Alle diese Erscheinungen zeigen sich ebenfalls in der
französischen Lit-teratur. Tischzuchten nach Handschriften
des XV. Jahrhunderts sind z. B. La mattiere de se Content r
a table und mehrere andere, inhaltlich vollkommen mit dieser
übereinstimmend, bei Furnivall!i und die Contenaticc de table''.
Alle beginnen mit dem Gebet vor Tisch, dem Waschen der
Hände und fahren in der bekannten W eise fort, unterbrochen
von den Urtheilen, die wie im Deutschen verschiedene
Arten und Grade der Auflassung bekunden. Thu es nicht,
si tn e.< sai'je — um c'est untj let [*oinf — honnestt' ne si
1 8. 30:2, vgl. Twolizucht C V. 52 u. 81, miasetät.
2 Ebenda 8. 61 ff.
1 8. 338 ff.
* Canterbury tales, cd. Morris, London 188U. V. 118-141, be-
sonders V. 127: Ät nute ivel i-tuuyht was sehe trithulle. V. 132: In
citrtesie teas sett al Iure teste.
» n. a. O. II. Theil S. 3 ff.
fc AltdeutHch» IHiitter Ton ll .upi ... llullii.H.m l, 2G(J ff.
QF. i.XM. •>
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18
t. CA HTM.
accorde 1 — car ccst rhose desrotivenoble oder gar r'est rhose
traf) cillaine-.
Ein französisches Beispiel allgemeiner Anstandsregeln
ist Robert de Blois' Chastiement des Daines*5 aus dem XIII.
Jahrhundert. Nicht nur das Essen und Trinken, auch das
Benehmen auf der Strasse, bei Besuchen, dem Bewerber
gegenüber wird hier den Frauen gelehrt. Das Beispiel
einer Tischzucht innerhalb einer grösseren erzählenden
Dichtung bietet der Kornau de la Hose V. 14 825 ff, 14 34« ttY1
Die lateinischen Tischzuchten bei Furnivall (11. S. 2b* ff.)
wiedelholen unter den sprechenden Titeln Ut te geras ad
Mensam; Staus Buer ad Mensam und Modus Cenandi nur
bereits Bekanntes. Die Zwischenbemerkung der Autoren,
die dann noch bis auf Dedekind im Gebrauch bleibt, ist liier:
si vis urfumus haberi .
X DK 11 ÜBERGANG ZUR PARI) IHK.
Ausser den oben erwähnten kurzen Vorschriften gibt
es eine hYihe grösserer niittellateinischer Aiistandslehren,
die nicht mir als beachtenswerte parallele Erscheinungen,
sondern neben den altdeutschen Tischzuchten als wichtige
nachwirkende Erscheinungen für die Entwicklung der
« Bei Furnivall V. 4!>, '2>, '21. Zu 4<1 vgl. Siegbur-.-r T. V. p>
so spryrht man du syst uyss. Kbeuso Fucetus V. 178.
* Altd. Hl. S. '210.
s Abgedruckt in Fnbliaux et eoutes publica pur linrbiunn et
Mfion, Paris 18(J8. S. 196—201.
* Auch ein ähnliches Verhältnis wio zwischen den Vierzeilern
und Reimpaaren der deutschen Tisc hzuehten C und A (Vgl. Geyer a.
n. O. S. 2) finden wir in der französischen Litterat ur.
Quatrnin Nr. I (Altd. Bl. S. Tr2): Furnivall II ;]
Enfunt qiti reult estre cowtoyx t$c tu venlx enive hien courtoys
Et ä toutes gens ayreubles Keyarde res reiyles tu franfoys.
Et prhtcip dement ä table
Garde ees reyles en frangoys.
5 Die lateinische Tisohzucht des Erasmus erwähne ich später S. 34.
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3. 1>KR C'BKRÖANO» ZtU PAttOMK
-
19
deutschen Lehrdichtung überhaupt und für den Übergang
der Sittenvorschriften zur Parodie insbesondere ins Auge
zu fassen sind. Es sind dies vorerst zwei Schriften, die
sich selbst im Titel als Fortsetzungen der Disticha Ca-
tonis bezeichnen , der Moretus der die Jugend ermahnt
wahrheitsliebend , verschwiegen , bescheiden usw. zu sein,
der Facetus, in welchem allgemeine Lebensregeln und
Lehren der Tischzucht einander ungeordnet ablösen, und
endlich des Keinerus Phagifacetus oder die Thesmophagia.
Diese lateinischen Sittenbüchlein gehen den früher darge-
stellten deutschen Anstandsregeln zeitlich und dem Grade
der Entwicklung nach weit voraus (der Phagifacetus
stammt aus dem XII. Jahrhundert), aber sie haben keinerlei
Einfluss auf diesen Zweig der deutschen Lehrdichtung, be-
vor sie am Ausgange des XV. Jahrhunderts von einem
Manne in die deutsche Litteratur eingeführt wurden , der
als Sittenrichter an der Schwelle der kirchlichen Refor-
mation steht und kurz vor Beginn des neuen Zeitalters
das alte in strafenden Bildern, in geisselnden Schilderungen
fest hält, von Sebastian Brant. Brant hat den Cato neu
übersetzt und dadurch alle älteren Fassungen verdrängt,
er hat sich durch die Bearbeitung der ('ato-Fortsetzungen -
und der Thesmophagia auf sein Hauptwerk, das Narren-
schiff, vorbereitet, das — von beispielloser Einwirkung auf
alle nachfolgenden Satiriker und Didaktiker — auch für
die besonderen Gattungen der Grobianus- und Trinklitte-
ratur den unmittelbaren Ausgangspunct bildet.
Zwei Jahre vor dem Narrenschiffe (1490) übertrug
Brant die Thesmophagia ins Deutsche". Er hielt sich
1 Er beginnt ähnlich wie die obenerwähnte französische Tischzucht :
Facetos fili cupievs perdiscere mores, Itigenuosque cito perlege parvum
opus hoc.
2 Diese Übersetzungen sind abgedruckt bei Zarncke: Brants
Narrenschiff, Leipzig 1854, und zwar der Cato S. 131 ff. ubersetzt i. J.
1498. Faoetue 8. 137 ff. J. 14W5. Moretus 8. 142 ff. J. 1499. Im Fa-
cetus ist für Brant charakteristisch die Ausdrucksweise: man blase nicht
mit nerscher wise ins Glas.
3 Die lateinische und deutsche Fassung edirt von H. Lemcke,
Stettin ISSO (Z ir Beprinsung der deutschen Philologen und Pädagogeu-
2*
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20
1. CAPlTfcL.
hiebei streng an den Inhalt des Originals und wollte nur die
mythologischen Tropen vermeiden; für Vutcanus sagt er
die hitz, für Najade limpidior : vi! tut er dann das weisser,
für Scylla : wirbel. Er hat sprichwörtliche Wendungen und
Sätze mit ausdrücklichen Hinweisen auf die Zucht, z. B.
V. 574 Gemein hof sucht ob allen disch int . . usw. hinzu-
gefügt. Die Thesmophagia ist die umfangreichste Tischzucht.
Die üblichen Kegeln sind hier nur Ü berschrifteu kurzer
(Japitei, die in einem Dutzend oder mehr Versen den In-
halt der Vorschrift genau bezeichnen. So De manilus laium-
dis ; De discumbendi ardine. Durch diese breite, mit Be-
hagen durchgeführte Darstellung der Unschicklichkeiten,
die getadelt werden, der Situationen, die abschreckend
wirken sollen, tritt die Thesmophagia aus dem Kähmen
einer einfachen, theoretisch lehrenden Tischzucht heraus und
bildet den Übergang zur Satire, ja zur Parodie.
Man darf nur etwa zu der Schilderung des Fressers,
(V. 584 ff.) der gierig nach Geflügel, Wildpret und Fisch
herumtappt, mit den besten Stücken gierig seinen Wanst
füllt und die mageren Bissen dem Nachbar vorlegt, statt
der Warnung dies nicht zu thun die Aufforderung hinzu-
fügen dies zu thun, und die Parodie in der Art von Dede-
kind-Scheidt ist vollzogen. Übrigens rühmt auch die Thes-
mophagia im Gegensatze zu anderen Tischzuchten den Wein
in begeisterten Apostrophen. Und einige .Jahre spater hat
Braut selbst in der zweiten Auflage seines Narrenschiffes
1495 in einein neuen Capitel 110 a den gleichen Inhalt be-
handelt, doch auch der Form nach bereits als völlige Satire.
Schon der Titel ist bezeichnend: Von discltes unzmhl, denn
hier wird nicht mehr Zucht gelehrt, sondern Unzucht
absehreckend geschildert. Brant nimmt also auch die
Versammlung). Nur die latuiniMche: Httbich, Gymn.-Prograram, Gotha
1860. Nur die deutsche: Zurncke a. a. O. ^. 147. Kino Besprechung
der Beziehungen zwischen der Thesmophagia und anderen lateinischen
Lohrdichtungen würde den Rahmen dieses einleitenden Capitels über-
schreiten. Hoffentlich wird unn Geyer auch darüber nähere Aufklärung
geben. Die Thesmophagia wurde schon vor Brant, doch ohne weitere
Nachwirkung, ins Deutsche übertragen.
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3. DER ÜBERGANG ZUR PARODIE.
21
Ungezogenen in die Zahl seiner Narren auf, doeh an letzter
Stelle, weil sie nicht so gänzlich der Ehrbarkeit und Gottes
vergessen1 haben wie die früheren Narren. Das unschick-
liche Betragen ist demnach bei Brant ein weit geringeres
Gebrechen als in der ritterlichen Zeit. Für die einzelnen
Ungezogenheiten selbst benutzt er die Thesmophagia 2, zu-
weilen wörtlich, meist verändernd und frei umstellend, ver-
meidet alle ihre unerquicklichen Längen (statt der vierzehn
W»r»ei über das Händewaschen hat Brant nur zwei: V. 15 f.)
und lässt alle genaueren Bestimmungen etwa über das Zer-
schneiden der Speisen und alle moralischen Bemerkungen
bei Seite. Durch einen selbständigen Anfang und Schluss
hat er die Darstellung der unho/firhai Narren in die neue
Fmgebung eingefügt und mit der an Redensarten und
Sprichwörtern reichen Sprache, in der das ganze Narren-
schiff abgefasst ist, durchtränkt. Im Ausdruck ist er viel
derber und drastischer als seine Vorgänger, die deutschen
Tischzuchtdichter, und macht auf dem Wege zu denGrobianus-
dichtungen einen weiten Schritt, indem die von ihm ge-
schilderten Narren zur Ausbildung des Typus des Grobianers
vieles beitragen. Eine Haupteigenschaft , die schlaue und
rücksichtslose Verfolgung der eigennützigen Absichten, tritt
in vielen Einzelheiten hervor : der Grobianer legt hier allen
Fleiss darauf, nur sich selbst zu füllen, V. 65; er dreht die
Schüssel herum, bis der beste Bissen vor ihm liegt V. 104 ;
er schwatzt laut über Tisch und lässt keinen anderen zu
Wort kommen V. 119; er ärgert sich, wenn ihm der Nachbar
freundlich etwas reicht, denn selbst hätte er sich Besseres
genommen V. 160, und ist auf dem Gebiete des Unappetit-
lichen seinen nächstenNachfolgern bereits ebenbürtig. Epische
Züge (Anspielung auf einen bekannten derben Schwank
V. 139 ff.) und dramatische Anfänge (directe Rede V. 21 ff.)
erhöhen die drastische Wirkung des Capitels.
Doch nicht nur zur Zeichnung des Helden und zu den
Einzelheiten der Handlung hat Brant beigesteuert, er hat
1 Capitel 110a V. 8-11.
2 Die Parullelstellen in den Anmerkungen zum Narrensohiff,
Ooedekes Ausgabe 8. 232 ff.
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22
1. CAPITEL.
der ganzen Richtung einen Schutzpatron und dadurch auch
einen Namen gegeben. Ein nuer heilig heisst Grobian, den
will ittz füren iederman, so beginnt Brant sein 72. Capitel,
in welchem er die Schlemmer geisselt1. Mit dieser scherz-
haften Heiligsprechung hat Brant den Vogel abgeschossen.
Sanct Grobianus wird nun dem ganzen XVI. Jahrhundert
Schutzherr und Anwalt jedes derben Spasses, jedes unan-
ständigen Benehmens, all des rohen Schmutzes in der Kneipe
und in der Familie. Er wurde, wie Brant klagt, mit schänd-
lichen Worten, wüsten Werken und Weisen, die man als
Scherz betrachtete, verehrt. Den Namen selbst fand Brant
schon vor. Eine Bildung aus grob', wie später Grobhard
und Grobhans (bei Scheidt), mit einer fremden Bildungs-
silbe nach Art des Dummrian, Schlendrian ist er zuerst nach-
gewiesen 1482 in Zeningers Vocabularius theutonicus2 als
Übersetzung für rusticus'. Aber auch die Heiligsprechung
ist einigermassen vorbereitet. Einmal mussten die Heiligen
des Mittelalters für alles Erdenkliche herhalten und wie
S. Urban der Patron der Gicht oder gleich dem heil. Ulrich
ein Helfer in den Nöthen des Magens s, wie S. Martin (durch
Einwirkung der Martinalien) der Anwalt des Schlemmens
war*, so weihte man den letzten Trunk vor Beendigung eines
Gelages dem heil. Johannes r> ; andererseits verdankten viele
komische Heiligennamen dem Mis verstand ihre Entstehung,
so der heil. Hosianna und Celebrant und die heil. Halleluja t:,
und endlich lag es dem lästerlichen wortspielenden Witze
1 Darüber mehr in meinem 5. Capitel.
* Bl. C 4a. Den Nachweis liefert Wrampelmeyer : „Cordatus"
Tagebuch über Luther. Zu Gespräch 1738.
3 Scheidt, Grobianus, Randbemerkung S. 9*1, Fischart, Gesdiicht-
klitterung, Neudruck S. 147.
4 Unland. Volkslieder Nr. 205— 207. Gocdeke-TiMmann, Lieder-
buch 8. 173. d. Hagen, Gesammtabonteucr II, Nr. 50 (die Erzählung
Sente Mirttnes naht).
5 Vgl. Germania 21, 8. 213 ff. Mhd. Wtb. 1. S. 773. Soheidt,
Grob. Randbom. S. 121. Pauli, Schimpf u. Ernst S. 300 Nr. 522. Un-
land, Volkilieder Nr. 309. Zingerle, Wiener Sitzungsberichte 1862.
6 Piper. Die Spielmannsdichtung 1.8.245 f. Germania 13,8.301).
28, 8. 9 u. 512.
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3. DER ÜBERGANG ZI K PARODIE.
23
des XV. und XVI. Jahrhunderts nahe, scherzhalte und unan-
ständige Heilige willkürlich zu erfinden, da die Scheu vor
kirchlichen Dingen überhaupt gewichen war. Man veröffent-
lichte komische Predigten1 und Parudirungen der Messe-,
nia.ii erdichtete einen S. Nemo:; und Nimmerlein, Schwann
und Kosman4. Die Zahl dieser Schutzpatrone wächst noch
in der Zeit nach dem Narrenschiff: Hans Sachs nennt einen
heil. Kolbman und Stolprian \ Wickram einen S. Nimmers-
tag-'. Fischart einen S. Schmossmann \ einen jüdischen S.
Thalmutlr und einenS.Schweinhardus'\ noch Grimmelshausen
einen S. Nitglass. Keiner von diesen aber kommt an Ansehen
und Verbreitung dem heiligen (jirobianus gleich. Hasch be-
mächtigt sich Murner 1,; dieser Figur und stattet sie mit
vielen neuen Zügen aus. Im .1. 1537 erscheint dieser Heilige
in einem Colmarer Fastnachtspiel11. Mit wörtlichen Ent-
lehnungen schliesst sich an das 12. Capitel des ßrantschen
Narrenschiffes ein ReyyeHlied von Sunt Grobian V2 aus der
Mitte des XVI. Jahrhunderts an. Hans Sachs nennt die un-
anständigen Menschen, indem er das Bild erweitert, Ordens-
le ute im Kloster Sant Grobian y\ Luther gebraucht den Aus-
druck als Schimpfnamen, den späteren Verkehrten Tisch-
zuchten' ist er ein willkommener knapper Titel, ja er dringt
sogar mit dem Kahlenberger und dem Eulenspiegel in den
französischen Wortschatz ein.
Zur Popularisirung des Narrenschiffs haben die Pre-
» Wackerna^el, Fisohart S. 102 Anm. 216.
I Ebenda S 103 Anm. 218.
1 Ebenda S. 101.
* Weirnarisehes Jahrbuch 5, S. 479 ff.
* Brants NarrenschifF, ed. Goedeke, 8. 137 Anm.
6 Rollwa^enbüehlein 8. 72.
: Eolenepiegel Reimensweiss löOn.
* Ebenda 102 b.
9 Nachtrabe S. 220. Geschiel. tklitterung S. 68.
,J S^helmenzunft 21 cap. d*. Näheres später.
II Zarnckc, Brants Narronschiff S. CXX.
1! Wackernagel, Fischart S. 111 Anm. 236.
,J Goyer a. a. O. S. 33 V. 97 f. Mehr darüber in Goedekes
Xarreoschiff 8. 137 Anmerkung und in meinem 4. Capitel.
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2X
1. CAP1TKL.
digten des Geiler von Kaisersberg kraftig beigetragen.
Die breitesten Volksschichten machte Geiler mit dem Inhalt
der einzelnen Capitel vertraut *, die er der Reihe nach
vornahm und — nach einem bestimmten Schema Brants
System weiterführend — genau zergliederte. Setzt Braut
jedem Lasterhaften die Narrenkappe auf, so unterscheidet
Geiler noch die einzelnen Schellen daran, welche ihm die
Unterabtheilungen des betreifenden Lasters vertreten. In
eigenartigen Erklärungen und satirischen Erzählungen,
die er frei hinzufügt, bietet er bei Besprechung eines jeden
menschlichen Gebrechens neues interessantes Material. Die
Unzucht bei Tische wird gar zweimal besprochen ; zu dem
16. Capitel, bei Brant nur gegen das Zutrinken gerichtet,
fügt Geiler die landläufigen Regeln der Tischzucht. Er
vergleicht die Trunkenen mit verschiedenen Thieren3, schilt
die Schlecker nnd gierigen Fresser und zählt dann die ein-
zelnen Unarten auf — z. B. Decimu quinta nola est inordinatio
in scindendo panem, masticando cibum etc., 16: brachia eri-
yere ((/not Lossen triben) etc., neugierig herum blicken, die
fetten Hände an die Kleider wischen etc. — und schliesst mit
den Übertreibungen im Trinken 27: Cum crepitu vitri (tut
pocuti bibere, 28. bibere cum bu ryinarum effusione . . dass
es aufs Gewand herabträuft, oder dass der Athem ausgeht.
Und Capitel 110a verwendet Geiler zu sechs Predigten4, in
denen er die Narren an der Menschen Tafel und an Gottes
Tisch (beim Empfang des Altarsacraments) , Reinlichkeit
des Körpers und Reinheit der Seele vergleicht und so die
Regeln der Tischzucht symbolisch verwerthet. Die erste
Schelle ist hier Manus mm lavare, eine Unschicklichkeit
an der Menschen Tisch, eine Sünde vor Gottes Tisch.
Dann erfolgt die Deutung : Aqua est contritio, lotio est con-
fessio, moppet est satisjactio. Dies wird im Detail ausgeführt:
1 Nauicula siue speoulum fatuorum etc., vgl. Qoedeke GrundrisB
1, 400, 16. Vom Jahre 1511 Berliner König]. Bibl. Yg. 5824.
* Oolosorum turba XVI.
3 Ein bekanntes Motiv, schon in der Bibel angedeutet. Mehr
darüber 8. 42 f.
4 Turpium commeosalium turba Bl. CVII ff.
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H. DER fRKKUANil /AR PAR0D1K. 25
»las Wasser der Reue rnuss warm und sauber sein usw..
ebenso bei den andern Regeln. Die zweite Schelle ist
EHyvre pr int tun locttm — auch vor Gottes Tisch muss man
deiniithig sein. Und weitere Vergleiche: an der Tafel darf
man nicht die Speisen prüfend kosten — am Altare nicht
über das rätselhafte Wesen der Gottesspeise nachgrübeln.
Bei Tische darf man nicht Flöhe und Läuse suchen — beim
Altare darf man nicht an Sünden denken. So geht es
weiter durch 12 Schellen. Die strenge Durchführung dieses
Vergleiches ist hier neu, ein oder der andere Ansatz hiezu
kommt schon früher vor, so im Beginn des XV. Jahrhunderts
in dein Ritterspiegel von Johannes Rothe der den Rittern
Massigkeit im Essen und Trinken und sittiges Betragen
dringend anempfiehlt. An einer Stelle gebietet er: gib dem
frommen Ritter nach Tische Handwasser und ein reines
Tuch: er denke dabei, dass er sich an kein böses Weib
kehre, sondern die eheliche Treue bewahre, seine Hände
wasche er rein von unkeuscher Begierde * . Später 1514
hat Murner in seiner geistlichen Badenfart* das Baden in
allen Einzelheiten als allegorisches Bild für die Reinigung
von den Sünden durchgeführt. — Geiler fügt den obener-
wähnten Vergleichen noch eine ähnlich abgefasste Predigt
hinzu, in welcher er von den Freuden des Schlaraffenlandes
ausgehend die Wonne des Himmels zu deuten und zu schildern
versucht. Er setzt hier alle Motive dieses alten Märchens
bereits als bekannt voraus, während Brants 108. Capitel trotz
der Uberschrift tfas schhtr äffen schiff nichts davon erwähnt. Die
Einführung des Märchens vom Schlaraffenlande oder doch
dessen weitere Verbreitung in der deutschen Litteratur fallt
eben in die Zwischenzeit, in den Anfang des XVI. Jahr-
hunderts. Die Griechen hatten dieses alte Motiv bereits '
ins Scherzhafte3, die romanischen Völker des Mittelalters
1 Ed. Bartsch, Mitteldeutsche Gedichte. Litter. Verein Nr. 33.
Stuttgart 1860, 8. 89 ff., besonders V. 1557 ff., 2667 ff., 3261-3312.
4 V. 2065 -2D75.
1 Job. Poeichel : Das Märchen yom Schlaraffenlande. Paul und
Braune, Beiträge 5, 2 ff. 8. 7.
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26
l. CAl'lTEL.
ins Grobianische 1 gezogen. Im XV. Jahrhundert taucht der
Name2, im XVI. Jahrhundert die ersten poetischen Darstel-
lungen des Schlaraffenlandes in Deutschland auf. Hier erfreut
sich dieses Märchen bald einer grossen Beliebtheit. Die Mo-
ralisten benutzen es als Tendenzdichtung, um Üppigkeit und
Unfleiss zu verspotten, die trägen (lenussmenschen als will-
kommenen Spielplatz der Lüste und Wünsche ihrer ungezügelten
Einbildungskraft. Essen, Trinken und Schlafen ist die Haupt-
beschäftigung der faulen Zunft in den deutschen Schlaraffen-
dichtungen. Der Träge, Gefrässige, Unanständige wird
reichlich belohnt, ein Motiv, das sich mit der neu auf-
kommenden Richtung der Grobianusdichtungen, welche den
Schlemmer und Säufer, den unhöflichen Egoisten beloben
und als nachahmenswertes Vorbild für den Leser schildern,
sehr nahe berührt. So erstehen diese verwandten Dich-
tungen nebeneinander und fördern sich durch gegenseitige
Beeinflussung in ihrer Ausbildung. Eine Dichtung wie das
Schlaraffenlied eines fliegenden Blattes5, das jedem, der
vom unmässigen Trinken und Essen speien inuss, zehn
Kronen für den Löffel voll verspricht, ein Pfund für jede
Stunde, die er verschläft, zwei Pfund für die Verunreinigung
des Bettes, unterscheidet sich von der Dedekindschen Pa-
rodie nur dadurch, dass dem Grobianer klingender Lohn
und dort lobende Anerkennung zu Theil wird; ja ein
späteres Schlaraffenlied \ das für jeden Trunk drei Batzen,
für jeden Wind einen Thaler verheisst, wTeisti direct hin
auf den Grobianus. Wer dort (d. h. im Schlaraffenlande)
will sein ein tjlehrter Mann Mass gstudiert haben Grobian.
Es waltet in der Litteratur eine Periode der Narr-
heit, des derben Scherzes, der ironischen Satire. Wie gross
die Lust nach Verkleidung und Maske, wie empfänglich* die
Stimmung für das Unwahrscheinliche, Wunderbare, und
Verbotene war. zeigt die eifrige Wiederaufnahme bestimmter
1 Ebenda 8. 23.
2 Keller, Fdstnachtspielü Ö. 53, 27; S. 721, 2.
3 Zarncke, Brants Narrenschiff 8. 455, bes. Strophe 5
* Altdeutsohe Blätter 1. 8. 168 ff.
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3. 1)EK ÜMKKCMNM ZUR 1'AKODIK.
27
älterer Erscheinungen, wio der verkehrten Welt der Lügen-
diehtnngen, der volkstümlichen Räthsel- und Lügenlieder,
der Erzählung von fernen Gegenden und wunderbaren
Menschenarten (besonders der Fabeleien im Herzog Ernst,
im St. Brandau, im hürnen Siegfried), des Thierepos,
der komischen ärztlichen Vorschriften1, die möglichst star-
ken Weingenuss und Ahnliches anrathen, das bekunden
auch neue Erscheinungen, wie die Epistolae obscurorum
virorum, des Erasmus Lob der Thorheit und zahlreiche
andere Encomien, die Trunksucht und Unkeuschheit, das
Podagra und sonstige unwichtige und schädliche Dinge in
ernst gehaltenen Lobsprüchen feiern. Die meisten unter
ihnen wurden zu moralisch-satirischen Zwecken verwendet
und machten den Boden fruchtbar zum Aufkeimen der ver-
kehrten Sittenbücher, der Strafpredigten, die sich in das
Gewand einer unflätigen Komik hüllen.
Die Vorbereitung zu dieser Umkehrung der Lehre
konnte aber auch auf dem Gebiete der Tischzuchten und
Anstandsregeln selbst bereits verfolgt werden. Schritt für
Schritt geht die Verwandlung vorwärts. Humoristische
Anspielungen, drastische Vergleiche und Witze blitzen auf,
derbe Schwanke und satirische Genrebilder werden hinzu-
gefügt, unappetitliche Situationen, die abschreckend und
komisch zugleich wirken sollten, mit Behagen dargestellt.
Endlich im Jahre 1492 enthält die ernstgemeinte Tischzucht
Köbels2 mitten in den Sittenlehren, die sie dem Regimen
moralitatis, und in den Tischregeln, die sie der Karlsruher
Tischzucht B entlehnt, eine schlaue Anweisung, wie man
den Nachbar betrügend den besseren Bissen erhasche
(V. 93—100), und nach der humoristischen Ausführung eines
unanständigeren Betragens den Rath, alsbald so zu thun,
denn es ist deinem leib gut vnd gesund (V. 227—232). Vor
der Mitte des XVI. Jahrhunderts entstehen dann jene con-
sequent durchgeführten Parodien, in welchen sich der Autor
selbst unter die volle, grobe Rotte setzt, mit ihr kneipt
1 Germanin 8, 63. Zs. 15, 510 f. Keller, Fastnachtsjiiele 3,
1197 ff.
2 Geyer a. a. O. S. 22-27.
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28 I. CA PIXEL.
und johlt, ihre wüsten Scherze und schrankenlosen Unflätig-
keiten verherrlicht.
Es ist in Anbetracht dieser allmählichen Entwicklung
autfällig, doch bei der rohen Lustigkeit, die schon zu Heginn
des XV. Jahrhunderts herrscht, immerhin begreiflich, dass
der erste kurze Versuch einer solchen Uinkehrung der An-
standsregeln bereits ein Jahrhundert früher fällt, nämlich
die Parodie des Cato 1 : Wie der meister sein sun lernet. Die
Sprüche Catos in einer späteren erweiterten Fassung werden
einfach umgekehrt und was dort verboten war wird hier
gerühmt. Steh nicht zu früh auf, dass dich nicht das Haupt
schmerze, zieh dich unordentlich an, damit aus dir ein Bieder-
mann werde — ebenso das Verhalten bei Tische und auf
dem Heimweg (dem Grüssenden danke mit einem Fluche oder
einer anderen Unhüflichkeit), endlich zu Hause: da schlage
Weib und Gesinde. Rücksichtslosigkeit gegen die Umgebung
wird ihm eingeprägt: acht nit wer da% für viel hab (V. 60
u. a.); ja eine handgreifliche Antwort auf jeden Wider-
spruch: eine Maulschelle oder Kanne an den grind. Durch
die Betonung des Nutzens da$ zimet deinem wagen wol V.
110 und durch erneutes Einschärfen so tuost du nach dem
willen mein V. 71 oder gedenk vnd werfe, wa% ich dir sag
V. 111 u. a. sucht der Meister seine Lehre zu bekräftigen.
Diese Form, sowie der Inhalt wirken noch lange nach auf
die späteren parodistischen Sittenlehrer, die alle, wie etwa
Dedekind und Scheidt, auch die ernsten Sprüche des Cato
kennen und sie citiren. 2 Doch den ersten Platz als Meister
und Lehrer der Sitten, den Cato durch Jahrhunderte ein-
genommen hatte, macht ihm nun mit Erfolg der heilige
Grobianus streitig, der Archon Eponymos der verkehrten
Tischzucht.
Die erste wüste Tafel unter dem Vorsitz des Gro-
bianus finden wir in Murners Schelmenzunft 1512. Grobianus
ist hier ein Schwein, das im Kreise der Zecher herzlichst
1 Zarncke, Der dentschn Cato 8. 143 ff., ed. nach einer Ha. des
XV. Jahrhunderts.
2 Bei Dod. Cap. 4 Str. 68.
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3. DER ÜBERGANG ZUR PARODIE.
begriisst und feierlichst gekrönt wird; worauf das Mahl be-
ginnt. Die Vorschriften, die hiezu gegeben werden, laufen
den Kegeln der Tischzucht schnurstracks entgegen.
Ist schon ein edler do, den ir
Des achtendt nit greyfst in das geschirr
Wo das best lege anderswo
Greifst domoch vnd nemens do
Und achtendt uit vor wem es lig.
Nimm vom Karpfen die Zunge, vom Kalbskopf das
Hirn, hau drein wie ein Eber, stochre mit dem Messer in
den Zähnen! Das ist nur ein kurzer Anfang1.
Im Jahre 1538 aber erscheint und zwar in Worms,
der Heimat Scheidts, schon ein selbständiges Büchlein:
der sogenannte 'kleine Grobianus' unter dem Titel : Grobianus
Tischzucht hin ich geHaut, <<en Brüdern im Seirordett uolbekant
von \V(ilhelm ?) S(alzmannr') '-. Der Humor dieser prosaisch
abgefassten Lehre liegt hauptsächlich in der Gesetzmässig-
keit, mit welcher in IG Artikeln dem Grobianer die schlauesten
Kathschläge zur rücksichtslosen Befriedigung seines Appetites
ertheilt werden. Artikel' nennt bereits die Parodie des Cato
ihre Vorschritten: V. 191 f. ieheltst cht die artikel gemein
«er höc/isten krön gib ich dir ein , und die strenge mit Ord-
nungszahlen versehene Reihenfolge der einzelnen Unarten
zeigen bereits die Narrenschellen in Geilers Predigten und
eine Tischzucht in Liedform", die wahrscheinlich kurz vor
dem kleinen Grobianus in Nürnberger Meistersingerkreisen
entstanden ist. Diese gebietet : Zum erstenmal all svhamper
irort vn werck vermeid, zum andern mal keinen andern sein ehr
nhxehneid - zum fünfften mal so bist du weiss, mit dem
messet- sture nicht in deinen zeenen — dies geht so weiter
bis zu dem Schluss: zum zehenden so wasch die hend vnd
1 Cap. 21. d5, Deutsche Drucke alter Zeit etc., ausgewählt von
W. Scherer, Berlin 1881. Auch in seiner Narrenbeschwörung, 18. V. 86 f.,
erwähnt Murner die Grobianer im Verein mit Schelmen und moren.
1 Merlin, Kgl. Bibl. Yz330l; und der spätere Abdruck mit ortho-
graphischen Abweichungen Y2 3302. Die Titel bei Goed. Grdr. 2, 4nj.
3 Ein Schön New Lied, die Tischzucht. In des Römers yesang
weiss. (Mit zwei Tischgebeten) Nürnberg bei Gutknecht o. J. Berl.
Kgl. B. Hytnn. 651. Heyse, Büehorsuhutz 1177.
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t. CAPITEIj.
sprich auch Deo gratias. im kleinen Grobianus aber ge-
hören diese Artikel zur systematischen Einkleidung der
ganzen Schrift, welche in der Form eines Erlasses an die
Brüder und Schwestern der neu geschaffenen Bruderschaft
vom Säu-Ordcn abgefasst ist. Schon das Mittelalter kannte
den Ordo vagorum. Die niederdeutsche Tischzucht hat
von einem Orden der Züchtigen berichtet, der Witz
des XVI. Jahrhunderts aber schuf nach Analogie der ver-
breitetsten und wichtigsten socialen Körperschaft der da-
maligen Zeit: der Zunft und der vielen religiösen und
Betorden, eine Schelmen- und eine Narrenzunft, einen
Trinkerorden und hier den Säuorden der Grobianer. Diese
Zusammengehörigkeit verstärkt die Eindringlichkeit der Vor-
schrift. Dem Ordensbruder wird nun die Ungezogenheit
angerathen, nicht nur weil es nicht schadet oder weil es wohl-
gethan ist. sondern auch weil dann im Orden um so mehr von
ihm gehalten wird. Ein fruchtbares Motiv, das später mit
vielem Glück reichlich ausgebeutet wurde, das aber der Ver-
fasser des kleinen Grobianus nur kurz berührt hat, so wie
er in seinen Artikeln einen reichen Inhalt von Unarten und
Kniffen kurz aneinanderreiht , die breite Ausmalung, die
satirische Durchführung und die Exemplificirung geschick-
teren Nachfolgern überlassend. Sein zweiter Artikel allein
enthält eng zusammengedrängt den Inhalt mehrerer langer
Capitel Dedekinds und Scheidts. Er beginnt folgendermassen :
Das du so malzeit ist, vleissig fragest, wo das beste mal be-
reit sey. Ob dich der wirt nicht gebeten oder sonst engem
sihet, schat nicht * setz dich nur frey nider an die beste stet,
od der oben an, mit vngewaschenen hendenf langen vnd schwartzen
negeln an den fingern, vnd das du dein stet wol bewarest,
ob jemand von Priestern oder andern Erbarn leuten keine,
nicht weichtsty so lang bis der tisch vol wird. Hierauf er-
mahnt der Artikel, wenn die Speisen aufgetragen werden,
den Genossen bei den besten Bissen zuvorzukommen: des
darffestu dich nicht Schemen; nach fetten Speisen sich die
Finger abzulecken und mit vollen Backen zu trinken, fällt
dann etwas Fettes ins Trinkgeschirr das stehet wol rnd macht
ander levte nach dir lustig zu trinken. Soll auch trinken»
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i\. DKK ÜBEROAtfU ZUR 1'AKODIK. M
nicht außhörcti, so fang bis dir der odem zu kurtz, oder die
äugen vot wassers stehen, ( der der Lecher oder glas ledig ist.
Du soll (unh das uort alireg allein behalten darbe g erkent
man dein geschicklichkeit. - Wie vieles ist nicht in diesen
kurzen Sätzen berührt und wie vieles das sich die Nach-
folger zu Nutze gemacht folgt in den übrigen Capiteln !
Bestimmte Unarten beim Wechseln der Teller, beim Hände-
waschen. Besondere Vorschriften beim Essen von Wildpret,
Fischen, Krebsen, Eiern, Mehlspeisen, Käse und Obst.
Dem Grobianer wird geboten, sich in das Tischtuch zu
schneuzen und andere ärgere Ungezogenheiten, wo möglich
vor Frauen und Jungfrauen, zu begehen; dann werden sie
ihn heimlich lieben und wird //// guUn deiner v<n jnen ge-
dacht, irie Pilatus im Credo \ Er soll singen und trinken und
Streit beginnen, nach dem Mahle im tiefsten Schmutz nach
Hause gehen , damit er nicht an die Häuser stosse , jeden
der entgegen kommt mit bösen Worten anfahren und erst,
wenn er durchgeprügelt wurde, sich schlafen legen. — Aber
bei all dem stofflichen Reichthum kennt der Verfasser des
kleinen Grobianus weder eine Disposition noch eine Mannig-
faltigkeit in den Mitteln der Darstellung, er kommt an zwei,
drei Stellen auf die gleichen Dinge zu sprechen und be-
hält die ganze Schrift hindurch in eintönigster Weise die
deichen Redensarten und Zwischensätze, den gleichen Wort-
laut der Ermahnung und des Urtheils bei. — So hat ei-
sernen Inhalt glücklicheren Nachfolgern überliefert und ist
von diesen, eben wegen seiner mangelhaften Darstellung,
völlig verdrängt worden.
1 Audi die ml. TinHizucht orwal nr »Ion l'ihitus.
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II. CA1MTKL.
DEDEKINDS UND SCHEIDTS GKOBIANUS.
Das Hauptwerk der ganzen grobianischen Litterat ur,
die verbreitetste Satire gegen die unhöflichen Schmarotzer
und wüsten Zecher, der lateinische Grobianus führt uns
vom Rhein ab nach dem Nordosten, auf sächsisches Gebiet.
In der protestantischen Universitätsstadt Wittenberg ver-
fasste der Studiosus Theologiae und angehende Magister
Friedrich Dedekind kurz vor der Mitte des XVI. Jahr-
hunderts , in sittlicher Entrüstung über das rohe Gebahren
seiner Genossen, eine ironische Sittenlehre, der er als
treffenden Titel den volksthümlich gewordenen Namen
seines Helden vorsetzte. Die zahlreichen lebenden Grobianer,
die in Wittenberg herumlärmten, sowie ältere Didaktiker,
Satiriker und Trinkdichter steuerten Beispiele und grobe
Stücklein, Wirthausscenen und tölpelhafte Streiche in ge-
nügender Zahl zum Inhalt des Werkes bei, das Dedekind
in dem Umfange von 2400 Versen (Distichen) und — da
es vorwiegend für seine Commilitonen berechnet war —
in lateinischer Sprache zusammenschweisste. In einer Vor-
rede, die er im Mai 1549 unterzeichnete, entwickelt er den
Anlass zu seiner Schrift und erklärt, wie er diese ver-
standen wissen will. Da alle seine Vorgänger, die in ernsten
Worten zur rivilitas ermahnt hatten, einfach verlacht wurden,
so will er den umgekehrten Weg versuchen, um diese
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DEDEKINDS UND SCHEIDTS 0R0BIANU8. 33
Krankheit worum foedifotew zu befehden, so wie die Arzte
von der erfolglosen warmen Behandlung zu der kalten
übergehen. — Die Lacedämonier nachahmend, welche ihren
Kindern trunkene Sclaven vorführten — ein Beispiel, auf
welches in der Trinklitteratur des XVI. Jahrhunderts sehr
häufig hingewiesen wird — will er nun das Treiben der
Grobianer recht possenhaft und abschreckend schildern und
das Verabscheu ungswürdige preisen. Den völlig Verdorbenen
wird seine Schrift nichts nützen, aber er hofft, üass besse-
rungsfähige Zecher bei dieser Leetüre über ihre eigenen
Thaten erröthen werden. Auch dieser Gedanke ist in den
Vorreden der Trinkdichter sehr häufig. Die vorgeführten
Schv änke — so meint Dedekind — können kaum jemand
verderben, denn er habe ja nichts erfunden um ein böses
Vorbild aufzustellen, sondern nur geschildert was aller Orten
thatsächlich betrieben werde.
Dedekind hüllt also wieder, wie so viele seiner Vor-
gänger, die ernste sittliche Lehre in das Gewand des
Scherzes und huldigt so mit einer parod istischen Darstel-
lung dem Geschmack seiner ^ o it. Aber er wagt mehr als
seine Vorbilder. Er setzt sich selbst an den schmutzigen
Tisch der Zechgenossen, athmet mit scheinbarem Wohl-
behagen die Stickluft der Kneipe ein, belacht herzlichst
die rohen Witze der Grobianer und bewundert die dreiste
Rücksichtslosigkeit ihres Auftretens gegen Höhere und
Frauen. Ja er reizt sogar als Lehrer und Rathgeber seine
Schüler zu möglichster Roheit auf und lehrt sie die
schlauesten Ausreden zur Verteidigung dieses Gebahrens.
Er bezieht sich hierbei auf die Anschauungen und Regeln
des Ordens der Grobianer, die er als die einfältigen, natür-
lich-derben Sitten der alten, unverdorbenen Zeit zu erweisen
sucht
Die Zahl der Vorgänger, die Dedekind kennt und theil-
weise benutzt hat, muss als eine grosse angenommen
werden. Dedekind selbst nennt in den Titelversen unter
1 Vgl. Charakteristik und bibliographische Nachrichten in Soherer»
Artikel Dedekind der A. d. Riographi,. 5, 1?-I5.
QF. lxvi. :i
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34
IL CA.PITEL
anderen auch Cato 1 und Erasmus Roterodamus. Die mittel-
lateinischen Disticha Catonis und die Cato-Parodie können
ihm nicht unbekannt geblieben sein. Wie diese, so bespricht
auch Dedekind das ganze Tagewerk des Grobianers, beginnt
mit dem Aufstehen und der Morgentoilette und geleitet
seinen Schützling auf dem W ege nach Hause, lässt ihn da-
selbst Weib und Gesinde raishandeln und zu schwerem
Schlaf ins Bett sinken. — Den Mittelpunct der gesammten
Darstellung aber bildet die Tafel. Für das Benehmen
bei Tisch und für den bedienenden Knaben hat nun Dede-
kind alle die Kegeln verwerthet, die wir in den verschiedensten
Tischzuchten kennen gelernt haben. Er dürfte besonders
lateinische Quellen benutzt haben, die Stans puer ad mensam
und die Modus Cenandi, da er neben dem Inhalt auch deren
Redewendungen beibehält. Auch an die lateinische Tisch-
zucht des Erasmus 2, den ja Dedekind nennt, muss gedacht
werden. Sie bewegt sich in dem gleichen Geleise wie die
übrigen Tafelregeln. Bete vor Tisch, nimm den Platz ein
der dir angeboten wird, trinke nicht zu viel, fahre nicht
mit der Hand in die Schüssel, verschlinge nicht gierig, rede
nicht mit vollem Mund usw. Die Urtheile hierüber boten
in ihrer Mannigfaltigkeit für Dedekind eine reiche Auswahl
dar: ridiculuin est, inelegans, rusticanum est, viciodatur, ineptüte
tiibuitur, mit Steigerungen: inurbanum, inurbanissimum est,
mit Vergleichen aus dem Thierreich : ossa dentibus arrodere
caninum est, Lingua lambere felinum est. Doch auch einige
neuere Bestimmungen, die sich Dedekind zu Nutze machte,
erscheinen bereits bei Erasmus: In conviriis assit Maritas,
absit pettdantia, — nam in conviviis nec tristein esse decet,
nec contristure quenquam :i , oder Candelam emuncturus,
prius iliam e mensa tollito, quodque emunctum est, protinus
aut arenae immer gito , aut solea proterito, ne quid ingrati
1 Und später I, 4 I, 9. Noch öfter in der zweiten Fassung.
Siehe unten S. 70.
2 Erschienen in Erasmi Roterodami De civilitate morum puerilium
libelluB. In Scheidts Übersetzung lautet der Hinweis auf Erasmus (S. 2,
V. 18 f.): Erasmus hat gelert darbet/, Wie sich züchtig zu hatten sey.
* Ded.»kindl,5 Selieidt,V. 1.325 ff. Dedekind II, 1. Seit. V. 2559 ff. u.a.
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ÜEDEKlNDS UND SCHEIDTS GROßlANUfc?. 35
nidoris offendat naresK Erasmus veröffentlichte ausserdem
in seinen Colloquia familiaria mehrere Tischgespräche, in
denen er die Unmässigkeit und den Trinkzwang bei Tische
heftig bekämpft, die Lebensansichten der Stoiker und
Epicureer2, antike Vorbilder von Zucht und Sitte, die
Schädlichkeit oder Nützlichkeit einzelner Gerichte 3 usw.
ausführlich bespricht.
Den grössten Antheil an diesen Partien des Dede-
kindschen Buches hat aber, wie bereits erwähnt 4, der kleine
Grobianus, dessen kurze Artikel hier zu langen Capiteln
ausgedehnt werden. Besonders bei einzelnen Verordnungen,
wie für das Krebsessen oder das Wechseln der Teller zwischen
den einzelnen Gängen, bei den drei Trinkregeln 5 herrscht
zwischen den beiden Grobianusdichtungen eine so genaue
inhaltliche Übereinstimmung, als sie nur bei der Verbreite-
rung, die Dedekind durchführt, möglich ist.
Brant hatte, wie bereits oben gezeigt wurde fi, zur
Zeichnung des Grobianertypus und zur Bereicherung der
Handlung wesentlich beigetragen. Aber auch Thorheiten
und Laster, wie die Liederlichkeit, die Prahlsucht, die tollen
Kleidermoden, die Trägheit usw., die Dedekind gelegent-
lich in seine Satire aufnimmt, berühren sich in dieser Dar-
stellung mit den entsprechenden Capiteln des Narrenschiffes.
Endlich bildet Brants 16. und 72. Capitel den Ausgangspunct
für die sogenannte Trinklitteratur. Diese aber bot auch
Dedekind besonders zu jenen Abschnitten, welche Wirths-
hausscenen , allgemeine Saufgelage und Einzelleistungen des
zechenden Grobianers schildern, so manche Quelle dar.
Die Trinklitteratur ist im XVI. Jahrhundert ein wich-
tiger, umfangreicher Zweig der deutschen Dichtung, dessen
i I, 7 Sch. V. 1706-1712.
* Nach der Ed. Budisninae 1566 (Prag). D 8 ff. Con?mum Pro-
phannm.
8 I 2 ff. ConT. fabulosura.
« Vgl. oben S. 30 f.
» Dedekind II 8 Scheidt V. 4269 ff. D. II 3 Sch. V. 2942 ff. u. 3257 ff.
< S. 21 f.
3*
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II. CAF1TEL.
Anfänge bereits imXIII. Jahrhundert beobachtet werden können.
Schon von der guten mittelhochdeutschen Zeit ab beginnen
die Lehrdichter, Satiriker und Prediger, ein Thomasin und
Freidank, später ein Berthold von Regensburg und Hugo
von Trimberg neben anderen Lastern der Zeit auch die
Trunksucht zu befehden, die allmählich in die besseren
Kreise eindrang. Im XVI. Jahrhundert aber, da die Trunk-
sucht zu einem allgemeinen furchtbaren Nationalübel wird,
entsteht auch eine eigentliche Trinklitteratur : zahllose
satirische und didaktische Schriften, die nicht allgemeine
Sittenlehren enthalten, sondern nur gegen oder für das
Trinken das Wort ergreifen. In den verschiedenartigsten
Einkleidungen, in deutscher und lateinischer Sprache, in
Prosa und in Versen abgefasst, zeigen doch die meisten
dieser Schriften einen verwandten Aufbau der Vermahnung
und der Aufmunterung und ganz ähnliche technische Mittel
der Darstellung. Die Beweisgründe für die Vertheidigung
und die Bekämpfung des Weingenusses, die Motive zur
Schilderung der Saufgelage lagen bereits in Dichtungen des
XIII. Jahrhunderts, dem Weinschwelg, der Wiener Meerfahrt
usw. vor. Die Schriftsteller des XVI. Jahrhunderts schöpften
aus diesen und ähnlichen Werken nicht direct, aber durch
Vermittlung zahlreicher späterer litterarischer Erzeugnisse,
und sie besassen in den genannten Capiteln des Narrenschiffes
eine gemeinsame Fundgrube biblischer und historischer Bei-
spiele, derber Redensarten, ironischer Bezeichnungen und
drastischer Vergleiche. Die nahen Beziehungen zwischen
den einzelnen Schriften der Trinklitteratur werden noch
durch den Umstand vermehrt, dass jeder spätere Dichter
seine Vorgänger kennt, diese ausschreibt oder doch leicht
benutzt und dass sich nur ein bestimmter Kreis von Männern
mit gleichartigen Ansichten und verwandtem Bildungs-
grad an dieser Litteratur beteiligt: in früherer Zeit Huma-
nisten, später nach dem Auftreten Luthers, der selbst besonders
in seinen Tischreden gegen den Epicureismus und das Voll-
saufen gedonnert hatte, meist protestantische Prediger, Schul-
meister und Professoren. Verfassten die Lehrer der Hoch-
schulen moralische Schriften, so boten ihnen die Studenten
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DEDKKINDS UND SCHEIDTS GROBIANUS.
37
auf ihren zügellosen Kneipen reichen Stoff zur schildernden
Satire dar. Manche Schrift dieser Art ist aus Universi-
tätskreisen hervorgegangen, gleich die Erfurter Scherzrede
De generibus ebriosorum, walche eigentlich den Reigen der
Schriften gegen die Trunksucht eröffnet. So konnte Dede-
kind zu Wittenberg diesen Zweig der Lehrdichtung leicht
näher kennen lernen.
Auch die Bühne des XV. und XVI. Jahrhunderts liefert
ihren Beitrag zur Vorgeschichte des Grobianus, des wüsten
Helden und seiner zechenden Genossen. In den Fastnacht-
spielen eines Rosenblüt und Folz 1 hat der Trunkenbold,
der berauscht nach Hause wankt, Woib und Kinder prügelt,
oder von seiner gestrengen Hausfrau eine kräftige Straf-
predigt zu hören bekommt, eine grosse Rolle inno. An ehe-
lichen Streitscenen, allgemeinen Prügeleien im Wirthshause,
Flüchen und gegenseitigen Beschimpfungen, grotesker Per-
sonalschilderung, an den unerquicklichsten Darstellungen des
Speiens und ärgerer Dinge, an unsauberen Krankheitsge-
schichten und den unflätigsten Witzen ist hier kein Mangel.
Diese Spiele unterscheiden sich aber dadurch wesentlich von
den eigentlichen Grobianus-Dichtungen , dass bei ihnen die
schamlose Besprechung der geschlechtlichen Verhältnisse
den breitesten Raum einnimmt. Lebendige Wirthshausscenen
lieben ferner die Komödien vom Studentenleben2, die Prodi-
gus-3 und Hecastus-Dramen4.
Auch einzelne Persönlichkeiten sind schon lange vor
Dedekind zu Helden einer Reihe zusammenhängender grobi-
anischer Schwänke geworden. Die bekanntesten unter ihnen
der Pfaff vom Kahlenberg, Markolf und Eulenspiegel. Ihr
Charakter zeigt eine Verbindung von Schlauheit und Un-
flätigkeit. Sie begehen eine grosse Zahl von losen Streichen
zum Schaden ihrer Umgebung aus schnödem Eigennutz, zur
1 Fastnachtspiele aus d. XV. Jahrhundert ed. A. r. Keller, Litt.
Verein Nr. 28-30, Nr. 46.
2 Erich 8ohmidt, Komödien vom Studentenleben aus d. XVI. u.
XVII. Jhdt. Leipzig 1880.
» Spengler, Der verl. Sohn im Drama d. XVI. Jhdts. Innsbruck 1888.
4 Goedeke, Eteryman, Homulus u. Hecastus. Hannorer 1866.
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H8
II. CAPITEIj.
Befriedigung ihrer materiellen Genusssucht oder aus blosser
Freude an tollem Schabernak und schmutzigen Spässen.
Von dem weiblichen Geschlecht ihrer Zeit haben sie eine
sehr geringe Meinung. Ihre innere Verwandtschaft mit der
Figur des Grobianus ist unverkennbar und Scheidt hat auch
in seinem Prologe jeden dieser drei groben Heiligen um
seinen Beistand angefleht1.
Was Dedekind so mit der grössten Belesenheit von
den verschiedensten Seiten aufnahm, vermehrte er noch um
einige grobianische Anekdoten und verarbeitete es zu einer
consequent durchgeführten Parodie. Allerdings disponirt
er nicht sehr geschickt, kommt öfters auf bereits Erwähntes
zurück und wiederholt sich in Witz und Situation. Diesen
Mangel fühlt er selbst und entschuldigt sich mit der
drängenden Eile, die ihn zum raschen Abschluss nöthigte.
Die Vorzüge seiner Schrift aber sind die staunenswerthe
Erfindsamkeit in drolligen Einzelheiten, der unverwüstliche
Humor des Ganzen, die herbe satirische Strenge, welche
ununterbrochen den deutlich erkennbaren Grundgedanken
bildet. Und trotz dem gröbsten Ton, trotz den gewagtesten
Situationen in allen 17 Capiteln nicht ein unsittlicher Witz,
nicht einer jener unzüchtigen venerischen Schwanke, die zum
täglichen Gesprächsstoff aller Kreise der Zeit und in den
Schandsammlungen eines Montanus, Schumann, Lindener
zu der gangbarsten Waare damaliger Unterhaltungslitteratur
gehörten.
Dedekinds Grobianus zerfällt in zwei Theile. Im ersten
wird der Held als Diener oder Sohn des Hauses aufgefasst,
im zweiten als Gast im fremden Hause oder als Gastgeber.
Eine Scheidung, wie sie schon früher, z. B. in Röbels
Tischzucht, angedeutet erscheint. Nach dieser Eintheilung
wird dann entweder geschildert, wie sich ein Muster-Grobianer
aufführt, oder gelehrt, wie sich der Leser und Schüler be-
nehmen soll. Beide Arten der Darstellung gehen immer
ineinander über.
Der Inhalt ist folgender. Ein echter Grobianer soll
• V. 63-56.
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DF.DEKIND8 VHI) SCHEIDTS GUORIANITS.
39
nicht aufstehen, ehe er den Tisch gedeckt sieht, soll den
Morgengruss der niemand Nutzen bringt im Bett vergessen,
soll sich schleuderisch anziehen in der warmen Familien-
stube, ob auch Frauen und Jungfrauen dabei stehen. Ein
sorgfaltiges Waschen und Kämmen ist überflüssig und un-
angenehm. Auch die Zähne mögen gelb bleiben, Safran
und Gold haben ja die gleiche Farbe. Lachen und niesen,
husten und sich räuspern soll man möglichst laut, möglichst
empfindlich für die ganze Umgebung. Ein schmutziger Hut
und kothige Schuhe, ein kurzes Affenröcklein oder ein
überlanger Mantel kleiden am besten. W er im Grobianer-
Orden Ruhm und Lob erwerben will, der misachte bei
Tisch alle Gesetze des Anstands und der Höflichkeit, ver-
kehre unehrerbietig mit den Standespersonen und frech
und zudringlich mit jungen Mädchen, der lasse den Bedürf-
nissen und Äusserungen seines Magens in jeder Beziehung
den freiesten Spielraum. Ein Diener, der wie billig seinen
eigenen Vortheil im Auge behält, stellt sich dumm und
schwerhörig und entgeht so mancher lästigen Arbeit. Was
er aber besorgen muss, das thut er ungenau und unge-
schickt. Er verschüttet den Wein und zerbricht die kost-
barsten Gläser. Ehrbare und langweilige Gäste sucht er
rasch trunken zu machen oder schenkt ihnen den sauersten
Wein, damit sie eher heimgehen. Den richtigen Schlemmern
aber schanzt er die besten Sachen zu und setzt sich möglichst
bald in ihre Mitte. Dann erklingen wüste Lieder und tolle
Gespräche: der eine erzählt, wie viele Mädchen er er-
obert, der andere beichtet seine Miserfolge auf dem gleichen
Felde, der dritte renommirt mit Jagd- und Kriegsabenteuern,
der vierte berichtet von fernen Ländern. Dazwischen fallen
dreiste Bemerkungen über die Seelenwanderung, über die
Unsterblichkeit der Menschen, über die materialistische Welt-
anschauung. Erhebt sich dann ein allgemeiner Streit, so
wirft der schlaue Diener alle Gäste zur Thür hinaus, legt
sich rasch noch angekleidet ins Bett und lässt den Haus-
herrn die Lichter auslöschen und die Pforten sperren.
Ist aber der Grobianer als Gast geladen, dann soll er
sich vorerst bei dem Diener seines Wirthes nach dem
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40
11. CAl'ITKti
Speisezettel erkundigen und, wenn sich der Besuch lohnt,
bei Tafel ohne Rücksicht auf den Gastgeber und die Tisch-
genossen nur auf seinen Vortheil bedacht sein. Er soll erst
in später Stunde heimgehen, auf der Strasse Lärm schlagen
und sich in jeder Beziehung ungebührlich betragen. Zu
Hause soll er seiner keifenden Frau mit Prügeln antworten
und dem Gesinde durch Verunreinigung der Stube noch
böse Arbeit machen. Als Wirth behandle er seine Gäste
möglichst schlecht, damit sie nicht wiederkommen. Eine
Fülle grobianischer Exempel, den Schülern zum Vorbild
erzählt, beschliesst den zweiten Theil.
Durch diese wirksame ironische Lehre hat der Sitten-
prediger Dedekind den bäurischen Gesellen des damaligen
Deutschlands einen Hohlspiegel vorgehalten, in welchem
sie sich in ihrer ganzen Lächerlichkeit und Verkommenheit
abschreckend dargestellt sahen. Und wurde auch der
Grobianus in diesen Kreisen vielfach nur zur Belustigung
gelesen, so mag er doch manchen Verständigeren aus dem
Sumpfe der Verrohung gerettet haben. Aber auch gesittete
und gebildete Zeitgenossen Dedekinds begrüssten mit dank-
barem Beifall ein Werk, das dem Umsichgreifen der Sitten-
verwilderung in bestimmten Kreisen einen dauerhaften
Damm entgegensetzen sollte. So war dem Grobianus ein
rascher, aber auch ein lang nachwirkender, allgemeiner
Erfolg beschieden. In dem gleichen Jahre, 1549, in welchem
er zu Frankfurt a. M. erschien, vervielfältigten drei Nach-
drucker die gesuchte Schrift an verschiedenen Orten in gleich-
lautenden Ausgaben1.
Erwägt man, dass im XVI. Jahrhundert wichtigere
deutsche Lehrdichtungen ins Lateinische übersetzt wurden,
so Brants Narrenschilf von Jac. Locher, Murners Schelmen-
1 Milchsack in seinem Neudruck: Dedekinds Grobianus verdeutscht
von Scheidt, Einleitung 8. IX f. wirft die Frage auf, ob die Frank-
furter Ausgabe oder einer der von ihm unter I A 2. 3. 4. beschriebenen
Drucke die editio princeps sei. Ich habe die 4 Drucke sorgfaltig mit-
einander verglichen und aus den zahlreichen orthographischen und
grammatikalischen Fehlern der übrigen Ausgaben die Gewissheit
erlangt, dass die Ausgabe I A 1. (Frankfurt a. Main), welche immer
die richtige Lesart zeigt, thatsächlich die editio princeps ist.
-
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DEDEKISDS UND SCHEIDTS GROBIANUS.
41
zuntt von Job. Flittner, dann ist die weite Verbreitung des
Dedekindschen Grobianus trotz dessen lateinischer Fassung
kein erstaunliches Ereignis. Sollte aber diese Schrift in
jene Kreise eindringen, denen sie am meisten Noth that, zu
dem groben Gesind und sewischen volck , das ja lateinisch
gar nicht verstand so war ihre Verdeutschung ein dringen-
des Bedürfnis. In der That meldeten sich gleich nach dem
Erscheinen des Originals mehrere Dichter zu dieser Auf-
gabe ; da sie aber durch mannigfache Zwischenfälle daran
verhindert wurden, so gingen mehr als zwei Jahre ins
Land, ehe der berufenste Übersetzer Caspar Scheidt seine
Bescheidenheit, in welcher er den Rivalen nicht zuvorkommen
wollte, ablegte2 und, Ende des Jahres 1551, seinen deut-
schen Grobianus veröffentlichte3.
Vor dieser Übersetzung hatte der Wormser Schul-
meister Caspar Scheidt4 zwei Flugblätter verfasst , welche
der Trinklitteratur angehören und sich dem Inhalt und
der Darstellung nach mit älteren Schriften dieser Art eng
berühren. Sie erschienen zu Worms in der zweiten Hälfte
der vierziger Jahre. In der ersten von beiden: De Gene-
ribus Ebriosorum et Ebrietate Vitanda* (I) stellt Scheidt
in lateinischen Distichen mit starker, zum Theil wörtlicher
Benutzung der gleichnamigen Erfurter Scherzrede die
Schlemmer beim Wein als Thiere dar, bedauert die Trunk-
sucht, weil sie die deutsche Nation entkräfte und die ein-
zelnen Glieder des Körpers schädige, und schildert im
Einzelnen das Gebahren des Berauschten. Diesen Distichen,
> 8oheidts erste Vorrede bei Mihhsack 9. 6. f.
- Ebenda.
5 Edirt von Milchsack a. a. O. mit erschöpfenden bibliographi-
schen Nachrichten.
4 Über ihn besonders Scherer, Literaturgeschichte 8. 291 f. ;
Wackernagel, Job. Fischart von 8trassburg S. 105 ff., 110 ff. ; Wendeler,
Fischart-Studien des Freiherrn von Meusebach. Hallo 1879 S. 140 f.
u. a. Goedeke 2. 455 f. Scheidts Neue Zeitung vom Jahre 1549 (Weiler,
Die ersten deutschen Zeitungen S. 148, Nr. 188) ist, wie mir Prof. Strauch
mittheilt, nicht wieder aufzufinden.
6 Von Strauch aufgefunden und veröffentlicht, Vierteljahrschrift
f. Literaturgeschichte 1, 64 ff. Vgl. besonders die Anm. S. 69.
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42
IL CAP1TEL
welche also De generibus ebriosorum handeln, folgt eine
lateinische Prosarede, welche De ebrietate vitanda christlich-
religiöse Beweggründe angibt, die auch sonst früher und
später häutig vorgebracht werden. Scheidts zweites Flug-
blatt 'Die volle Bruderschaft' 1 (11), von grösserem Umfang
und in deutschen Knittelversen abgefasst, benutzt wieder
einige Andeutungen der Erfurter Scherzrede und zeigt eine
unverkennbare Abhängigkeit von Bocks 'Der vollen brüder
orden'2. Gleich der Titel zeigt die Berührung, dann die Ein-
gangsverse, in welchen die Schritt den Trinkern als
Spiegel vorgehalten wird3, ferner die Charakterschilderung
der einzelnen Thiere (beim Schwein4, Esel5, Bär, Hund6
mit wörtlichen Anklängen) , im Beschluss die gleichen Er-
wägungen: die Thiere sind vernünftiger als die Menschen,
die sich betrinken7, die Heiden waren massiger als die
Christen von heutzutage8, und endlich der Hinweis auf Gott.
— Den Inhalt dieses Scheidtschen Schriftchens bildet haupt-
sächlich die Metamorphose berauschter Menschen zu Thieren.
Dieses Motiv geht auf eine alte jüdische Überlieferung
zurück9. Als Noah den Wein pflanzte, da düngte er die
Erde mit dem Mist von Schafen, Bären, Schweinen und
Affen. Darum hat der Wein auf jene, die von ihm be-
rauscht werden, eine vierfache Wirkung, der Eigenart dieser
Thiere entsprechend. So lautet die Sage, welche Rosenblüt
in seinem 18. Weinsegen 10, Hans Sachs in einem Spruche11,
Pauli in einem Schwank 12 und viele andere wiedererzählen.
1 Zum ersten Male vollständig abgedruckt von Strauch a. a. O.
8. 71-82.
* Strauch Ö. 90 ff.
5 Sohoidt V. 6 daxu Strauchs Anm. 8. 7*2.
* Ebenda S. 74 Anm.
6 S. 75, Vgl. dazu Murners Narrenbeschwörung Cap. 72, V. 11
6 8trauch S. 76 ff.
' Scheidt V. 176-181, Book V. 21-28, Strauoh, S. 96.
8 Scheidt V. 181-187, Bock V. 17-20 u. s. w.
9 Vgl. 8trauoh S. 88.
"> Altdeutsohe Blätter 1. S. 412.
» Keller 4, 237.
•* Österley 162.
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DEDEK1XDS Ü2il> SCHEIDTS GRüBIAKUB.
43
Aber auch die griechische Sage von der Zauberin Circe
trug zur Ausbildung dieses Motivs bei. Wie diese Zauberin.
— so führte man aus — verwandelt auch der Wein die
bezechten Menschen, je nach ihrer Charakterverschiedenheit
in ähnlich geartete Thiere, deren Zahl bald auf 9—12 erhöht
wurde. Scheidt (I V. 10) schreibt der Ebrietas Circeas
artes zu. In den älteren Darstellungen dieser Thiermeta-
morphose, in der Erfurter Scherzrede, in Obsopöus Ars biben-
di, in Schertlins 'Künstlich trincken wird das üebahren jedes
Thieres nur mit kurzen Strichen skizzirt. Bock in 'Der vollen
brüder orden vergleicht in breiter Darstellung die Eigenart
verschiedener Thiere mit den verwandten Unarten eines
Zechers und entrollt, über den Vergleich hinausgehend,
manches satirische Genrebild. Scheidt aber hat in seiner
'Vollen Brüderschaft5 bei jedem Thiere nur die Eigentümlich-
keiten der verschiedenen Zecher charakterisirt und dieses
Motiv, die mannigfaltigen Wirkungen des Rausches zu
exemplificiren, am klarsten und schematisch gleichförmigsten
durchgeführt. Das Titelbild zu diesem Flugblatt, eine
zechende thierköpfige Gesellschaft, 1 verwendet Scheidt noch
einmal für seine erste Grobianusausgabe. — Die beiden
Schriftchen, in welchen Scheidt den wüsten Zechern seiner
Zeit ihre thierische Verkommenheit auch in einem Spiegel-
bilde entgegenhielt, waren ihm eine Vorbereitung für die
mit der gleichen moralisirenden Tendenz durchgeführte
schwierigere und umfangreichere Arbeit den lateinischen
Grobianus frei zu verdeutschen.
Auch in allen späteren Schriften Scheidts tritt uns
derselbe sittlich strenge , tüchtige Charakter entgegen. Sei
es nun dass er in der 'Lobrede von wegen des Meyen die
Aufmerksamkeit der Jugend von der dunstigen Kneipstube
und den üppigen Genüssen des Herbstes auf die reinen
Freuden der erwachenden Natur unter Gottes freiem Himmel
zu lenken sucht2, sei es dass er in der 'Fröhlichen Heimfahrt*
i Straaob 8. 66—68.
» Darüber Näherei in meinem 4. Capitel.
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44
II. CAPITEL.
einer eben verstorbenen treuen Gattin und liebevollen
Mutter ein poetisches Denkmal setzt, dass er die Lehren
und Ereignisse des alten Testamentes in Verse kleidet,
oder im Todtentanz durch den Hinweis auf das rasche
Schwinden jeder irdischen Pracht und Glückseligkeit zur
Reue und Bekehrung auffordert. Er knüpft mit diesen
Schriften an die verschiedensten wichtigeren Litteratur-
strömungen des Jahrhunderts an, er hat die humanistische
Bildung seiner Zeit in sich aufgenommen, kennt die clas-
sischen Autoren und entnimmt der antiken Mythologie
allegorische Figuren und lehrhafte Beispiele. Seinem Wohn-
orte nach, mitten in einem litterarisch angeregten Gebiet
kann er auch leicht den Vermittler zwischen der franzö-
sischen Litteratur und dem kunstsinnigen Heidelberger Hofe
bilden er citirt und übersetzt französische und italienische
Verse und scheint seinem eigenem Zeugnis zufolge2
selbst in Frankreich gewesen zu sein. Dabei vergisst ei-
nteilt der heimischen Schöpfungen, versificirt die Satzungen
der Wormser Meistersinger, kennt zahlreiche Volkslieder
und jüngere Darstellungen der deutschen Heldensage, be-
herrscht den Schatz volkstümlicher Redensarten und Aus-
drücke, wie kaum Einer vor ihm, zeigt ein warmes Gefühl
für die Nation, für die Würde des Reiches ;, für ein tüchtiges
Bürgerthum und die junge protestantische Kirche4. Alles
Keime, die er mit dem Vorbild satirischer Darstellung in
das empfangliche Herz seines begabten Schülers und Vetters
Johann Fischart legte, wo sie zu reicher Blüte gediehen \
Scheidt wurde nach kaum zwanzigjähriger segensreicher litte-
1 Darüber Nähere« in meinem 4. Capitel.
- Grobianus V. 4411, In Welschland hab ich das erfarn. Unter
Wälsch versteht Scheidt Französisch. Darüber mehr S. 60 und im
4. Cap.
3 Z. B. Die frolich Heimfart B 2.
♦ Z. n. Die frolich Heimfart M 4 f. P I. P 3. wo die Leotüre
der Bibel sehr anempfohlen, D3, wo Rom als ein Herd aller Laster
bezeichnet wird.
•s Darüber Näheres in meinem 5. Capitel.
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DEDEK1KD8 UND SCHEIDTS OR0BIANU8.
45
rarischer Wirksamkeit, wie uns Hellbach1 erzählt. 1565
mit Weib und Kindern von der Pest dahingerafft.
Auf den ersten Blättern seines Grobianus wendet sich
Scheidt in bescheidenen und herzlichen Worten an Dede-
kind, dem er den Anlass zu einer Verdeutschung des be-
rühmten Originals auseinandersetzt. Im weiteren Verlaufe
dieser anspruchslos vorgetragenen Einleitung wiederholt er
— seltsam genug — den Inhalt von Dedekinds eigener
lateinischer Vorrede und führt besonders dessen Begründung
weiter aus, warum zu der ernsten Ermahnung ein humo-
ristisches Gewand gewählt wurde. Hiefür verweist Scheidt
auf des Persius Satiren, die auch in ergetzlichen Schilderungen
einen lehrhaften Zweck verfolgen sollten, und auf das Ovi-
dische Nitimnr in vetitum. Darum will er das Laster, das
er befehdet, in unterhaltender Darstellung loben, gleich den
Ärzten, welche bittere Pillen mit süssem Gewürz und Zucker
bedeckt den Kranken eingeben. Von Dedekind völlig un-
abhängig ist Scheidts zweite Vorrede an seine lieben unflii-
thigcn , groben und unhöflichen Schüler und angenommenen
Kinder. Der Verfasser tritt hier als Lehrmeister Grobianus auf,
der seinen zahlreichen Jüngern alle grobianischen Regeln
im vorliegenden Büchlein zu ewigem Gedächtnis zusammen-
stellt. Dieses Motiv, durch welches Dedekinds Andeutungen
ausgebaut werden, erscheint durch alle Theile der deutschen
Übersetzung folgerichtig durchgeführt, in Zusätzen und
Zwischenbemerkungen, die immer wieder auf die Gesetze
der Schule, auf die Lehren des Meisters hinweisen. Durch
die Figur des Schulmeisters hat Scheidt den Grobianus,
der vorerst nur ein Heiligenname und hernach als Schwein
bei Mumer und als Abt in Grobiani Tischzucht2 nicht
mehr als eine typische Bezeichnung war, zu einer sprechenden
Person, zu einem lebendigen Charakter erhoben 5. Mit einem
« Vgl. unten S. TS.
2 Worms lf>38. VrI. ol>on S. 29 f.
5 Herford, Studie« in rhe litorary relution« of En?luni und Ger-
man v in tlto 8ixt«enth wnlury. CftmlirMso IBSfi. S. 8*7.
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II. CAWTfcL.
bei ähnlichen Vorreden üblichen scherzhaften Datum schliesst
Scheidt: Geben zu Lourdemont 1 den 31. februarij, im jar
meiner weisterschufft on zal2.
Mit dieser Einleitung hat Scheidt alle Grobianer zur
Schule gerufen, sowie Brant die Narren in sein Schiff ge-
laden hatte. Wie hier der Narren, so ist dort der Grobianer
eine unzählbare Menge, und wie sich Brant zuletzt selbst in die
Reihen der Narren begibt, so tritt Scheidt zuletzt selbst
in die Sippschaft der Grobianer8. So hat Brants Narren-
schiff, das weit über das XVI. Jahrhundert hinaus durch
eine fortlaufende Reihe von Ausgaben4 die Aufmerksamkeit
der Lehrdichter wach erhielt und dessen Redensarten in den
Sprachschatz der Nation übergingen, auf die Einkleidung
der Scheidtschen Parodie im Grossen und Ganzen, doch
auch, wie wir später sehen werden, auf den Inhalt mehrerer
Erweiterungen, auf die humoristische Ausdrucksweise und
den Wortlaut Scheidts eingewirkt. Auch Murner, dessen
Schelmenzunft er in einer Randbemerkung (S. 1 13) erwähnt,
blieb nicht ohne Einfluss, besonders auf den poetischen Be-
schluss, den Scheidt zum Original frei hinzugefügt hat.
Hier erklärt der Autor, dass er im Grobianer-Orden Pedel und
Partner (V. 4898) und auch bereit ist des Ordens Schreiber
zu werden. Ganz ähnlich beginnt Murner die Scheliuenzunft :
Die Schelmenzunft hat mich erweit
Und für eyn Schreiber her ye stell.
und später eb:
So ich diß jor zun ffm eyster byn.
So stell ich sy fdie Soholrae) nach meynen syn.
Scheidt eröffnet den Beschluss V. 4875 ff:
* Gebildet aus frz. lourd, ungeschickt, dumm, grob; lourdaud,
Tölpel. Vgl. Scheidts Randbemerkung 8. 88 f. La belle contenance des
lourdaulx u. 8. 104. Imm frowenzimmer zu Lourdemont. Eine Art
Sohlaraffeuland. Vgl. Der volle Berg bei Hans Sachs ed. Keller 5, 339.
* Vgl. hiezu Grobiani Tischzuolit, Vorrede: Geben zu Nasteden
um Fassnachttag, eine stunde nach mittemacht etc.
■ Herford u. a. O. 8. 379 ff. (bei Scheidt S. 140, Randbemerkung
und V. 4885 ff.
* Bis WO. VkI. Zurnrke 8. LXXIX.
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DEDEKtNDS UKD SCHEIDTS GROBUNtTS.
47
Wolan es ist zum theil gemelt
Vnform vnd grobheit diser weit.
Das Buch wird vielen nützlich sein, weil jeder sich an den
geschilderten Fehlern erkennen dürfte. Dazu die Randbemer-
kung Grobiitnurum infinitus est numerus. Ebenso beginnt
Murner seine Schlussrede, die er Entschuldigung betitelt (f 5h)
Ich wolt der weite tandt beschriben
Do müsl ich vff dem achlagk beliben . .
So gatt es werl ich nit fast wol
All diß weit ist schelmen fol.
Weitere Beziehungen: Scheidt versichert (V. 4905—4925),
er habe durch seine Schrift niemand beleidigen, sondern
nur jedermann nützen wollen.
Ob mir schon einer drumb wolt fluchen
So werd ich jn im Zedel suchen.
Denn nur getroffene Hunde schreien. Wer sich also
einer Schuld bewusst ist, thäte besser daran zu schweigen.
Ahnlich Murner 5b: Treff ich Einen
Dass er mit fluchen wider redt
So wisst ich da 88 ich troffen hett.
Dorum wer weissheit brachen wil
Der selbig schweig nur luter Stil —
dann lasse ich ihn in Frieden, will er aber zornig schnurren
und gegen meine Zunft murren, so muss er sich stellen Ion von
myr in disse zunfft. Gegen Schluss erklären beide Dichter,
dass sie zu Gottes Ehre diese Lehren verfasst haben, und
nennen ihre Namen.
In der ersten Einleitung und im Beschlüsse nimmt
Scheidt die Maske der Parodie ab und zeigt seinen Lands-
leuten sein wirkliches bekümmertes, ernstes Antlitz.
Scheidt übersetzt Dedekinds Grobianus, Capitel für
Capitel dem Inhalt des Originales getreu folgend. Er
lässt nichts weg, vermehrt aber das Werk um das Doppelte
und verändert wesentlich die äussere Form. Die Art
seiner Bearbeitung charakterisirt er selbst in der Vorrede
(S. 7) mit den Worten: Nehmt mir's nicht übel, so ich
etwan vom Text geschteeifft^ vnd wie sichs bißweilen auff
Teutsche art vnd sprach geschickt, wie mirs zugefallen, hinzu
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IT. CAPITEL.
gethon, vnd mit ein gemischet, vnd wie die Musici nff'termals
vnder die fürgeschribne notten jre läuflin machen, vnd das
gesang coler leren, doch altveg wider in schlag komen . . ich
habe nichts abgehrochen oder genomen, sondern mit mancher-
lei/ Scholien gespickt und gesaltzen. Die Composition des Ori-
ginals hat Scheidt allerdings nicht verbessert ], weil er an der
Reihenfolge des Erzählten gar nichts ändert. Sein Verdienst
liegt im Vortrag. Grobianus musste deutsch reden. Durchweg
hat er den richtigen Ton angeschlagen, das Schema der Dede-
kindschen Parodie vertieft und so deren Wirkung verstärkt.
Er hat die Form dem grobianischen Wesen des Werkes ange-
glichen durch eine anschauliche, drastische Ausdrucksweise,
durch eine Fülle derber Redensarten und köstlicher Witze,
die mit den inhaltreichen Randbemerkungen eine Fundgrube
des deutschen Humors im XVI. Jahrhundert und eine wichtige
Stufe der Vorbereitung zu Fischart bilden. So hat Scheidt
den Grobianus durch seine Überarbeitung nicht nur zu
einem interessanten und volkstümlichen, sondern erst zu
einem wirklich deutschen Werke umgestaltet.
Erste Gruppe der Zusätze und Abände-
rungen. Dedekinds Schema der Parodie wird
von Scheidt entschiedener durchgeführt und vor
allem mit solchen Zusätzen vermehrt, welche die besonderen
Lehren des Schulmeisters für den Schüler und An-
gehörigen des Gr o bianer ordens enthalten. Der
Corpsgeist der unhöflichen Schlemmerzunft tritt kräftiger
zu Tage.
Dieser Standpunct erscheint schon im kleinen Grobianus
vom Jahre 1538, wo gegen das gesittete Betragen die gegen-
teiligen Vorschriften des Säuordens ins Feld geführt
wurden. Aber auch der einfache Grundriss zu einem be-
1 Scherers Urtheil a. a. 0. 8. 291 Scheidt wusste die Unflätereien
zu vermehren, ohne die Composition und den Vortrag zu verbessern'
wird den Verdiensten des Bearbeiters entschieden zu wenig gerecht.
Milchsacks Bemerkung, Einl. S. VIII f., Scheidt wäre zu solcher Eile
genöthigt worden, das» er in einem Schlussenpitel (II, 8) vorher Über-
sehenes nachholen musste, ist ein Irrthum, denn die betreffenden Verse
42*25— 4228, worin dieser Orund nngegoben wird, sind einfach dem
Original entnommen.
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DEDEKINÜS UNI) SCHEIDTS GROBI ANUS.
49
stimmten Schema der Parodie wird allmählich sichtbar.
Die Thesmophagia schildert ausführlich grobes Benehmen und
fügt hinzu: thue es nicht. Der umgekehrte Cato schildert
dasselbe, aber fordert zur Nachfolge auf. Der kleine Gro-
bianus zeigt schon ein Schema von vier Theilen : a) Kurze
einleitende Aufforderung, b) Schilderung des grobianischen
Streiches, c) Egoistische Begründung oder schlaue Ausrede,
d) Erwähnung der beiwohnenden Personen, die unter dem
Streiche leiden oder sich über diesen freuen. Bei Dedekind
und noch mehr bei Scheidt werden diese Ansätze compli-
cirter, ja kunstvoll weiter gegliedert und die einzelnen Unter-
abtheilungen werden in der mannigfaltigsten Weise ausge-
führt.
a) Die ein leitende Ermahnung ist bei Dedekind-
Scheidt entweder ein kurzes Befehlswort : fac, Druwb hör
V. 228 oder eine längere Belehrung mit dem Hinweis auf die
Tischzucht und Sitte der Grobianer Zusätze dieser Art
fugt nun Scheidt in grosser Zahl dem Originale bei, er
fordert immer von neuem zu möglichster Ungezogenheit
auf und wendet sich ausdrücklich an seine Kinder oder
Schüler, denen er die Regeln und Gesetze seiner Schule
oder seines Ordens vortragt2. Hiebei bringt er so häufig als
möglich die Bezeichnung grob und Zusammensetzungen mit
diesem Ausdruck an : Ihr groben Kinder schämt euch keines
groben Schwanks; das ziemt eurer Grobitet ; Drumb lieber
mein Grobharde* glaub V. 2678; Grobhaus V. 3032; so will's
der Grobianer Zunft4. Mehrere dieser Ermahnungen eröffnet
Scheidt mit dem Befehlswort lüg oder brauch dich, etwa:
So lüg bey Zeiten V. 3194 (ähnlich V. 3681, 4605 u. a.) , Vud
brauch dich sehr V. 1080, Ein jung man sol Ja brauchen
i Z. B. V. 2851 für Valde urbanus eris si.
» V. 3036 f. 445, 625, 354, 274, 888, 978.
3 Zu dieser Bildung vergleiche man: Seuhanl (kl. Grobianus),
Schweinhart (Fischart), Nithart, Narrenschiff Cup. 53 c.
♦ V. 171, 585, 1068, 1340, 1759, 2707, 3507 u. s. w. Bei Dede-
kind hiefür meist nur: nimplicitas.
QF. LXVI. 4
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II. CAPITEL.
sich V. 1049; Wendungen, die auch Brant in ermahnenden
Sätzen häufig bietet1.
b) Die grobianischen Streiche, die dem Schüler
als nachahmen8werthes Vorbild erzählt werden, sind am
breitesten ausgeführt und bilden natürlich den eigentlichen
Inhalt des Werkes2.
c) Egoistische oder sc he rzhafte Begründung
des groben Streichs. Allerdings bringt hier Dedekind keine
geistreichen philosophischen Motivirungen vor3, aber die
mannigfaltigsten schlauen Ausreden und dummdreisten Ent-
schuldigungen. Begeh den Streich, so lehrt er seinen Schüler,
weil er dir reichen Vortheil bringt und weil das Gegentheil
oder die Unterlassung schädliche Folgen nach sich ziehen
würde; begeh ihn, weil er unserer Ansicht nach sehr schön
ist oder weil ihn eben die Situation erheischt.
Die grösste Rücksicht wird hiebei natürlich dem kör-
perlichen Wohlbefinden gezollt: Lange nach den besten
Speisen , iss reichlich , trink' in grossen Zügen , halte mit
der nöthigen Entleerung deines Körpers nirgends und nie
zurück, dann wirst du gesund bleiben. Diese Begründung
leuchtet ein; doch auch für ganz zwecklose und verwerf-
liche Situationen und Streiche zieht der erfindsame Meister
irgend einen Vortheil bei den Haaren herbei. Welch ein-
schmeichelnde Farben wählt er, um die angenehmen Seiten
des Gefängnisses zu schildern, das den Sträfling vor der
Verfolgung der Feinde, vor Hegen und Sonnenhitze, vor
Reif und Schnee behütet4. Vor allem betont er die Be-
rechtigung der Unhöflichkeit , zeigt an vielen Beispielen,
welche nutzung sie groben Gesellen gebracht hat5, und
rühmt es als schönen bossen, etwa das Kleid des Nachbars
aus Ungeschicklichkeit zu begiessen und Ähnliches mehr6.
1 Thesmophagia V. 212, Lug oiich wenn du dich setzen W//,
ähnlich V. 653, Cato V. 440, Narrenschiff 110* V. 87; — Narronachiff
38 V. 26, wer eigens kopfs sich brachen will, der soll usw.
- Mehr darüber bei Besprechung der zweiten Gruppe S. 53 ff.
* Scherer, A. Biographie.
♦ V. 3891 ff. ähnlich V. 301 ff. 1050 ff.
5 V. 2529, 4540 ff.
« V. 1622, ähnlich V. 243.
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DEDEK1NDB UND SCHEIDTS OROBUMIS.
51
Auch Zusätze dieser Art hat Scheidt über Dedekind
hinaus in grosser Zahl. Er fügt zu den angeführten Be-
gründungen noch neue hinzu1, vertheidigt und beschönigt
Handlungen, die jener nur erwähnt 2, und hilft der mangel-
haften Beweiskraft seiner Entschuldigungen mit Redens-
arten und Sprichwörtern auf die Beine. Er räth seinem
Schüler träge zu bedienen denn Von eylen kam doch nie
kein gut V. 1687, frech an die Mädchen heranzutreten
denn Kein zager bült kein schönes weih V. 1078, und lehrt
ihn die unverschämtesten Bemerkungen : Erzähle neue Zei-
tungen, die du erfunden hast denn Wir schreiben doch kein
Chronick nit V. 979, zerschlage den Ofen denn der Hafner
kann jn schöner machen* V. 3802.
d) Verhältnis zur Umgebung, zu den Tisch-
nachbarn und Hausgenossen. Dedekind stellt die ironische
Behauptung auf, dass die unflätigsten Scherze und das
albernste Gebahren allgemeinen Beifall und grosse Freude
hervorrufen4. Wenn du dich ungebührlich benimmst, so
versichert er immer von neuem, dann lacht Alles über deinen
Witz, rühmt den guten Schwank und bewundert deine Kühn-
heit. Man hält dich für einen Hauptmann, wenn du mit
den Händen herumfuchtelst, für einen Weisen, wenn du
dich in die buntesten Farben kleidest, hingegen für einen
albernen Tropf, wenn du anständig und bescheiden auftrittst"'.
Protestirt aber einer der Betroffenen gegen dein Vorgehen,
so versetze ihm eine gepfefferte Antwort6. Scheidt, der
eine Menge ähnlicher Sätze zum Original hinzufügt, ge-
braucht hier meist die Anrede 'Landsmann' oder 'Gesell'.
Z. B. V. 665 Sprich, auf lantzmann setz dich hiehar, Geh aus
meim ort, dann ich gh6r dar. 7 Ähnlich V. 3150, 525 f. u. a.
* V. 3902 ff. V. 369 ff.
* V. 692, 852 f. 2370 f 3876 f. 3987 f.
» Aua»erdem vgl. V. 1489, 2633 f. 2950, 3884 f.
♦ V. 2762 f. 1625 f. 1639.
» V. 476, V. 4662, V. 280.
• V. 689 f.
' Vgl. dazu in der gleichen Situation Braut« Narrenschiff. 110*
V. 21 f. ho! uolnf yiit frilnil xitz abhar dol
4*
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II. CAPITEL.
e) Beispiele, Aussprüche von Gewährsmännern.
Zur Vertheidigung des grobianischen Streiches weist Dede-
kind auf berühmte Muster hin, führt Beispiele aus der Ge-
schichte und bekannten Schriften an, Gutachten der Arzte,
die Ähnliches gestatten1, oder stellt mit einer Steigerung
der Ironie Thiere als Vorbilder auf. Er citirt Catos Lehren,
wo sie ihm in den Kram passen2, und weiss von Asop,
Antonius und Eulenspiegel nachahmenswerthe derbe Stück-
lein zu erzählen 3. Die fernliegendsten Ereignisse zieht er
zum Vergleich heran, z. B. : Befiehlt dir ein Gast einen Dienst,
dann mach' als hörtest du s nicht, Dessgleichen auch Ulysses
thet, Do er Syrenen gfunden het V. 2193 f.4. Blecke die Zähne
wie ein Hund, leg' die Stirn in Falten wie ein Stier. Folge
jenen Fritzen, den allzeit jre ermel glitzen usw.5 Uhige-
kehrt werden zu dem Rath, eine oder die andere Höf-
lichkeit zu unterlassen, Individuen genannt, denen man's
nicht nachmachen soll. Z. B. Du brauchst dich nicht zu
schämen, denn Dieb und lecker scheinen sich (V. 275). Scheidt
fügt noch viele Beispiele und Vergleiche von grösserem Um-
fang hinzu.
f) Ein Theil des Schemas , den eigentlich nur Scheidt
ausgebildet hat. Ähnlich wie in a, als Einleitung zu
dem erzählten Schwank, rühmt hier zum Beschlüsse der
Meister den Schüler wegen seines unflätigen Benehmens,
preist seine That als Meisterstück, das den Gesetzen des
Ordens entspricht und den echten Grobianer ehrt. Bei den
unappetitlichsten Handlungen ruft Scheidt aus: Das ist
ein sonder adlich stück, damit bekuntpstu gunst vnd glück V.
889f. Oder: Das ist ein guter Tafelschwank, das hat Fug;
das zeigt dich als einen Mann, der die Kunst der Höflich-
keit versteht; kein Doctor kann dir besser rathen". Natürlich
i V. 1010 ff.
* V. 673, 2379.
3 4114 ff. 1000 ff. 919 f.
* Vgl. dazu Narrenacbiff 36, V. 31. Das brutto Wistes uf dem
do er sach der Sirenen her.
» V. 300, 211, 255 ff.
' V. 672, 1019 usw.
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DEDEKIÄD8 UND SCHEIDTS GROBIANUS
53
gefällt solch eine That am besten dem Meister selbst und
der Grobianerzunft. V. 2768 So hob ich gross gefallen
drab, V. 3072 So wiirstu vnsern orden zieren1. Und sehr
häufig entfährt dem Verfasser das anerkennende Urtheil.
Das ist ein rechter Grobian; Der ist von Grobianer gschlecht.
Das ist der Grobianer bscheid, oder er spornt den Schüler
zum Eigenlob an V. 677 Vnd rhüm die that mit grossen
freiden; V. 4744 Vnd sag du habst tcol auss gericht.
Nattirlich ist nicht jede einzelne Belehrung so abge-
rundet, dass alle Glieder des Schemas von a — f in ihr ver-
treten sind; häufig fehlt das eine oder das andere Glied,
manche sind länger ausgeführt, andere nur angedeutet,
mehrere treten in einer Gruppe doppelt und dreifach auf,
oder in etlichen von einander getrennten Theilen, bei Scheidt
immer reichlicher gegliedert als bei Dedekind2.
Zweite Gruppe der Zusätze und Abände-
rungen. Getreu dem bereits erwähnten Grundsatze, die
an ssere Form dem Inhalt des Werkes anzupassen
ist Scheidt bemüht, durch realistische Schilderungen, durch
launige Einfälle den humoristischen Grundton der Quelle zu
heben, die Ausdrucksweise bis in's Einzelste mannigfaltig
zu beleben, volksthümlicher und derber zu gestalten.
Kurze Bilder und Vergleiche fehlen nicht in
Scheidts Zusätzen, aber sie sind dem Inhalt entsprechend
meist drastischer Natur. Das Thierreich liefert willkommene
Beispiele. Der Grobianer soll einen kurzen Rock tragen,
Gleich wie ein Äff vnd Bavian V. 374; er soll darauf los
essen, als hätte er ein magen wie ein strauss V. 2896;
er soll im geeigneten Augenblicke brummen wie ein Bär,
schreien wie ein Ochs, hüpfen wie ein bleiern Vöglein, sich ge-
1 Wo Dedekind alle Grobianer meint, dort spricht 8oheidt seinen
speziellen Schüler an : ornat Mos qui cultum simplicitatis amattt Soheidt
V. 232 Das ziert dein nasen vberaiiß.
2 Als Beispiel nenne ioh die Gruppe V. 659—680. Hier finden
wir b + c + b (wieder ein Theil des Streiches) + f (V. 672, Zusatz
Scheidts) + e + b + d (die beiden letzteren V. 676—679 und Y. 680
wieder Zusätze Soheidts).
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54
II. CAIMTKL.
bärden wie Wölfe und wilde Schweine *. Aus den Reihen der
Mitmenschen werden natürlich nicht die besten Schichten zum
Vergleich herangezogen: sclielmmschinder und faulhenßlin*
Diebe, Lotterbuben und 'Credentzer 2. Der Teufel 3 fehlt nicht
in dieser Gesellschaft. Auch leblose Gegenstände niederer Gat-
tung: faul wie Mist, still wie ein Stein 4. Nur der Renommist,
der am Kneiptische die Schönheit seines Liebchens preist,
bedient sich höherer Vergleiche : ihre Augen brennen wie
der schön Carfunckel, ihr Mund ist rot tvie ein rubin, ihre
Stirn wie Elfenbein und weisser Marmor, ihre Wangen Ge-
temperiert wie milch vnd blüt (V. 2124 — 2142). Sprich-
wörter verwerthet Scheidt in reichlichem Masse5. Im
Streit und Gezänke fliegen volksthümliche Redensarten gleich
Bällen hin und wieder. Heisst euch braten eine Wurst; ich
wollte euch nicht eine Schnalle drum geben; du musst
einen andern Löffel suchen; ich will dir auf die Hochzeit
kommen, dir eine alte Sau in den Bart werfen und einen
Fuchsschwanz streichen6. Verlogenheit wird öfter ange-
raten: fiders (leufj) dass sich die baickcn biegen (V. 312. 4610)7.
Zuweilen klingt Scheidts Ausdrucksweise an bekannte Volks-
lieder an8. Die üblichsten Flüche und Betheuerungen des
XVI. Jahrhunderts finden wir auch hier. : Z. B. botz verden
blut, V. 1742; botz Frantzosen willen V. 1723; Sant Veitin
V. 2794; 0 guckule* 2414; infs ritten namen V. 1556; dass
euch der jarrit schütt V. 71 w. Ebenso häufig sind Schimpf-
wörter wie voller flegel, suppenwüst, Weinschlauch, Unflat usw.
* V. 425, 2323, 8995 u. a.
* V. 626, 1686, 2112, 3425.
* V. 4692.
* V. 947 u. a.
* Vgl. oben 8. 51.
* V. 3080, 1803, 8143, 4297, 4634, 1367, 3829.
1 Diese Wendung sehr häufig bei Murner, Wickrum u. Fischart;
ausserdem vgl. Müller-Fraurouth, Die deutschen Lügendichtungen 8. 29
und S. 111.
8 V. 2161, 3690 f. 4217 f. Vgl. Uhland, Volkslieder 8. 55 u. 450.
9 her Cucule, Narrenschiff 65 V. 21.
10 Ausserdem V. 1546, 2798 usw. ebenso bei Murner, H. Saohs,
Fischart usw,
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DEDEKIND8 UND SCHEIDTS OROBIAKÜ8. 55
Die gewöhnlichste Art der Erweiterungen des Übersetzers
bilden die Zusätze sinnlich bezeichnender Natur, welche
den eigentlichen Inhalt weder abändern noch vermehren,
die aber durch eine genauere Darstellung, durch einen
bestimmten Hinweis die gegebene Situation heller beleuchten.
Zuweilen sucht Scheidt nur durch einen kurzen Satz die
Art und Weise der angeführten Dinge näher zu bezeichnen l.
Häufig aber malt er die von Dedekind angedeutete Hand-
lung mit Interesse und Behagen aus, steigert und überbietet
die rohen Spässe durch neue Unflätigkeiten, setzt besonders
die unsaubersten Scenen der Quelle mit einem gewissen
Vergnügen fort und scheut nicht eine ekelerregende
Detailmalerei2. Lange Schilderungen drehen sich um die
Bedürfnisse und Beschwerden des Magens, um die Leiden
einer durstigen Kehle, um die Ausflüsse von Nase und
Mund3. Seine Meisterschaft in der anschaulichen, oft
dramatisch belebten Darstellung erweist Scheidt durch
zahlreiche grössere Erweiterungen, in denen er das Treiben
der Bezechten, die verschiedensten Grade des Wortwechsels
und Streites, Wirtshausscenen aller Art, das gierige Essen
der Grobianer, das gegen jede Tischzucht verstösst, Namen
und Gattung der aufgetragenen Speisen, erregte Gespräche
zwischen Herr und Diener, den Verkehr mit Mädchen,
die Pflege des Haupthaars und seiner Bewohner, das Aus-
ziehen und Schlafengehen usw. mit einem nie versiegen-
den Vorrath der drolligsten Einfalle schildert4.
Wo Dedekind eine Thatsache in einfachen Worten trocken
berichtet, da wählt Scheidt eine drastische Ausdrucksweise
und volksthümliche Redewendungen: z. B. te pugnacem esse
* Z. B. V. 3214, 3292, 4015, 4029, 4742 u. a.
• V. 964—969, 1033—1039, 4198 f. u. a.
5 V. 252—254, 939 f. u. s. w.
♦ V. 1862-1865, 2079-2082, 2043 f., 1652—55, 1658 f., 1908—18,
1921—23, 1298-1319, 670-672, 675-677, 3137—43, 523—529, 824-856,
871—876, 2790 -2804, 1530—1533, 1086—1091, 1110 — 1114, 1280-1200,
2365—68. Als Beispiele ergetzlicher Einfälle dienen V. 149 f. 2280,
2694—2704. Auch philosophische and roedioinisohe Fragen erörtert ßoheidt
in witzigen Zusätzen V. 2468 ff., 3324 f. 3229-3232.
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-
II. CAPITEL
V. 474 f. Dann stell die hend in beide seilten, als wölstu jrer
vier bestreitten ; coenantes V. 1651 Vnd lüg wie jn die meuler
gehn; nec reliquis purum te magis esse reor V. 333 Du
darffst dich nit so mausig machen1; und verwandelt die
meisten indirecten Reden des Originals in directe, ja er
gibt dort, wo Dedekind einen Befehl, eine Ansprache nur
erwähnt, den ausführlichen Wortlaut des Befehls usw.
Z. B. Sin fueris jussus V. 590 Spricht man zu dir, hebs auff
du laur; pelle loco socium V. 665 f. Sprich, auff lantzmann,
setz dich hiehar, Geh auss meim ort, dann ich ghör dar2. Bis
ins Einzelste lässt sich Scheidts Bemühen nach dieser Rich-
tung verfolgen ; er versieht die Substantive mit bezeichnen-
den Attributen : für calceus V. 683 grobe paurenschüch. ebenso
die schuartzen ktiie V. 145, der adlich arm V. 1118; er
fügt zu den grobianischen Streichen adverbiale Bestim-
mungen: mit Schall, mit Lust, behend, fein heimlich, bei
guter Zeit usw.; setzt statt des allgemeinen Gattungs-
wortes oder eines Pronomens einen besondern Ausdruck : für
escam V. 2827 das kraut; für cibus V. 3068 braten hün; tua
facta V. 327 solcher zott; cuique V. 3758 Manch schlücter;
multi V. 1516 viel freyer knöpff ; Semper V. 700 in> allen
zechen; auch ein derberes Wort: für os V. 238 gfress; bara-
thri fauces V. 295 die wüst spelunck; uxori V. 4027 dem
bösen suppenwüst usw. Auch die mythologischen Tropen
und fremdwörtlichen Ausdrücke vermeidet Scheidt: für Plutus
V. 42 1 7 nach grossen güt ; Mavortius miles V. 2153 Hauptmann ;
Bacchum et Cerealia V. 1849 wein vnd hier; Lucifer Ocea-
num surgens cum liquerit almus V. 4202 Biss dass die
morgenröt her geh; Tullius Ausonia Consul in urbe V. 433 f.
Burgermeister zu Rom; Sithonias niues V. 2743 weiss wie
der schnee; ne longius ipsa Iliade V. 2455 f. (Schreibe ich
mehr, so wird mein Buch) schwerer dann ein Bibel.
Wie für die Belebung des Vortrags, so sorgt Scheidt
gleichzeitig für eine reichere syntaktische Gliederung im
1 V. 472 f. für gestus; 1544 f. für hunc codas looum usw.
a V. 2028 - 31 für Conuiuasqoe suos iussit abire doraum; V.2546
—48 für: mox plena mero pocula posce uaw.
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DEDEK1NDS UND SCHEIDTS GliOBIANUS.
57
einfachen Satze und im Satzgefüge. Der sprachliche Aus-
druck wird lebendiger, mannigfaltiger.
Hieher gehören die zahlreichen, im XVI. Jahrhundert
allgemein beliebten, gepaarten Ausdrücke statt des ein-
fachen im Original. Wie etwa für gemmas V. 225 edel
gsiein vnd perlin güt; für conuiuis V. 1614 frembd gest vnd
güte freund; res minor V. 3087 dergleichen ding vnd kinder-
spiel; matula V. 4195 kachel oder kübel. Scheidts Absicht
derbe Bezeichnungen zu häufen tritt auch hier hervor: os
V. 329 das maul vnd seinen kropff ; caput V. 4028 gefrdss
rnd lenden usw. Auch bei Adjectiven und Verben zeigt
sich die Paarung: für terenda V. 3300 zergrümelt vnd ver-
bröckelt gar; quam sis gracilis V. 421 Ob du seist mager
oder feisst; abire V. 142 Der geh hinauss vnd jrr mich nicht;
reuocaverit V. 556 der bell vnd grumm dir jmmerzü. Auch
drei- und mehrgliedrige Ausdrücke statt des einen sind
nicht selten: z. B. de choreis V. 3239 Von tantzen freudeti-
spiel vnd springen; tibi V. 4234 deinem alter, stand vnd wesen;
pro regibus V. 2278 Von Keiser, König, Fürsten Herren;
tantos clamores V. 3852 Da plerr, rumor, sing, jauchts vnd
schrey ; excellens corpus V. 1047 jungen, graden, stoltzen
leib; ignavos V. 1437 zaghafft, faul, vngschickt; varias V. 4659
geel, grün, blaw vnd rot; referent V. 2427 auffghaben, hin-
gstellt, auffgeraumpt usw. Zu ganzen Sätzen dehnt sich
die Zweigliedrigkeit der Bezeichnung aus z. B. Sobrius
ut mensa surgere nemo queat V. 3151 f. Vnd sorg dass
keiner lehr auf steh , Vnd nüchtern von der taffei geh ; Et
patulas nares hic novus intrat odor V. 4575 f. Vnd wirf,
der new zur nasen streichen, Vnd müss der erst dem letzten
weichen. In ähnlicher Weise fügt Scheidt Sätze hinzu, die
eine parallele Ergänzung oder die Erweiterung des Bildes
durch den Gegensatz enthalten : z. B. interitum V. 1434 f.
Der sichs todts nicht erweren mag, der leben möcht noch
manchen tag; (Geh den breitesten Weg) Zusatz V. 1353
Zur tugent geht ein schmaler steg; (Ein alter Wein ist
gut) V. 1314 f. Alt eyer ich nit loben thüy Vnd acht keins
alten gauls darzü; (Ist's kalt, so muss der Knecht die
Thür schliessen) V. 1541 Ist's heiss, so müss er's öffnen baldt.
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58
II. CAPITEL.
Zwecklose Zusätze, überflüssige Wiederholungen; Füllsel
des leichteren Keimwortes wegen sind bei Scheidt nur wenige
zu finden. Ebenso selten lässt er ein schmückendes Bei-
wort oder einen ganzen Satz der Quelle weg. Wenn es
geschieht , so trifft es einen oder den anderen einleitenden
oder von einer Periode zu der zweiten überleitenden Satz,
welcher der lateinischen Rhetorik mehr entspricht als der
deutschen. Und nur da, wo Scheidt eine zu volltönende
oder gelehrt klingende Stelle vermeiden will, bedient er
sich einer knapperen Ausdrucksweise. Z. B. Cumque trium-
phalst iam de ratione fugata, Mensque erit e solio praeci-
pitata suo V. 2218 Vnd die vernunfft mn dannen fleuyt.
Oder für: Hoc ubi dixisti, nihil amplius ille loquetur, Verba-
que continuo per tua victus erit V. 530 Also ist jm cer-
sto^fft das maul.
Endlich zeigt Scheidt an zwei Stellen V. 784 und 911
die gleiche Ausdrucksweise Vnd Schweilers wider in die phtt
für verschiedene lateinische Sätze : patinae vis reddere und
in mediam injice lancem.
Dritte Gruppe. Umfangreichere selbständige
Erweiterungen und neu hinzugefügte Schwänke.
Scheidt erzählt unabhängig von seiner Quelle eine
grosso Zahl von Spässen , Thorheiten und Unarten der
Grobiancr. Er gibt in detaillirter Ausführung an, welche
Possen ein Grobianer während der Mahlzeit mit seinem
Hunde treiben soll wie er seinen Tischnachbam die Regeln
der Wahrsagekunst vorführen, als Diener seinen Herrn beim
Wein betrügen, als Wirth seinen Gästen die Güte und Kost-
barkeit der aufgetragenen Speisen rühmen soll2.
Über die lächerlichen und anstössigen Kleidertrachton,
welche in das damalige Deutschland aus fremden Ländern
eingedrungen waren, äussert sich Scheidt an mehreren Stellen
in ähnlicher Weise wie Brant, Geiler und andere Moralisten
der Zeit3.
« V. 2S64-66, 2*71-2890, 2916-26.
2 V. 2290-2303, 1493-1509, 4140 -4163.
' V. 361-383, 430-435, 1593—97. Scheidt schläft dem Grobianer
vor: einen langen nachschleppenden Mantel, oder ein kurzes Röcklein,
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DUDEKINDS UND SCHEIDTS OROBIANUS.
59
Im achten Capite! erzählen Dedekind -.Scheidt sehr
hübsch von den renommistischen Gesprächen der Kneipbrüder.
Scheidt aber setzt hier viele neue und gelungene Züge
hinzu, sowohl bei der Beschreibung des Liebchens (V. 2133 f.
2137- 39. 214H— 51) als bei jener des Soldatenlebens (V. 2155
62) und erwähnt unter den Prahlereien des Jägers (V. 2163
—2172) jene bekannte Lügengeschichto von dem grossen
Hirsch, der mit einer Kugel durch Kopf, Ohr und Fuss ge-
troffen wurde1. Später beginnen etliche von fremden
Ländern zu erzählen (und Scheidt gibt hier selbständig die
Stoffe dieser Berichte an) V. 2246 — 2267, von Menschen
die sich mit ihren breiten Füssen vor dem Regen schützen
und jedem Thier entfliehen, von anderen die mit ihren langen
Ohren den ganzen Leib bedecken oder die Augen auf der
Brust haben, von Sirenen, Meerwundern und Herzog Emsts -
bewährtem Schiff,
Dum sich biss auf die hüfft kaum streck, Vnd dir tiit wol den hindern
deck, ein möglichst zerrissenes Wainms oder so leichte Bekleidung, dass
man seh wo das f&nlin hangt, Wo dir der sturtz zum gsess nauss brangt.
Vgl. Brants Narrenschiff Cap. 4, V. 19 f. 25 f. Man trägt heutzutage
wildkappen, menteU umblouf dran ; der jüdisch sit wil ganz ufsian odor
kurz schfintlich und beschroten rock, das einer kum den nobel bdöck. In
der Ausgabe N. (8trassburg 1494) an dorselben Stelle: Wie sy in seltzen
kleidern walten, Und ketschen ein teil vff der erde, (die Kleider haben
einen Spalt) man tnoss im sehen wamsz vnd hosen. Geiler: Tales
Testes 8candalosae oocasionem malarum coneupiscentiarum feminis
praestantes. Job. Pauli : Du siclist ouch da die erlosse kurtzen Bock,
die nit allein den hindern nit decken, ja die lenden vnd den Nabel nit.
Weitere Parallelstellen in Zarnckos Anmerkungen zum Narronscliiff
8. 306 ff.
1 Die gleiohe Oeeohiohte erzählt Hans Sachs, Der verlogene
Edelmann, ed. Goedeke 1, 128, daselbst weitere Nachweise; Egenolfs
Sprichwörter etc. Über Jägorlügen Müller-Fraureuth 8. 40 ff.
- Hundsköpfe, Plattfüsse, Langohren, Brustaugon , der Kar-
funkel usw. werden erwähnt in Isidor, Gesta Romanorum , Rolands-
lied, Annolied, S. Brandau usw., aber auch im Herzog Ernst V. 4667 ff.,
den ja 8cheidt auch anführt. Als Scheidts Quelle käme das in Prosa
abgefasste Volksbuch vom Herzog Ernst in Betracht, bei Bartsch, Einl.
8. LXXII-LXXVIII u. 227 -308, Goedeke 1» S. 341 f.
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f)()
II. CAPITEL.
Vnd wie Signot den Berner 1 trug
Vnd wie Wolf Dietrich wurm erschlug
Vnd wies sanl Brandon* vbel gieng . . .
An drei Stellen schiebt Scheidt ganz selbständig
grobianische Schwanke ein. So V. 3552 — 3565. Ein Junrk-
frawknecht wollte in höflicher Weise ein Licht reinigen, doch
in seiner Verwirrung steckte er es statt in die Sandbüchse
in das Weinglas der Braut. — Ferner V. 1445— 1481. Ein
junger Grobianer, dem der Lehrer das Alphabet beizubringen
suchte, wollte trotz allen Streichen und Ermahnungen keinen
Ton von sich geben. Eines Tages sprach ihm ein Bekannter
zu, er möge doch wenigstens a sagen. Nein, antwortete
der fleissige Schüler, wenn ich a sagte, müsste ich auch b
und c sagen und mit all den übrigen Buchstaben viel Plage
und Mühe haben. Dazu die köstlichen Randbemerkungen
Principijs obsta und du müst dm hraten bey Zeiten schmucken.
— Endlich nach einer spasshaften Einleitung erzählt Scheidt
V. 4410—4540 einen Schwank, den er in Wälschland3 ver-
nommen haben will. Zwei Klosterjungen erhalten den Auf-
trag ein Ferkel am Spiesse zu braten, während der Koch
mit dem Prior und den Mönchen in der Kirche weilt. Das
schöne Aussehen des Bratens verleitet die Jungen nach und
nach die ganze Haut zu verzehren. In der Angst, die sie
* Von dorn Borner, dem Ecke usw. ist in mehreren Kneipdarstel-
lungen die Rede, im Renner V. 10307 f., in Wittenweilers Ring 36d V. 3.
2 8. Brandau, ed. Schröder, Erlangen 1871. Auch sehr beliebt
im XV. u. XVI. Jhd. Der Pfaffo Amis zieht mit dem Haupt des
h. Brandau herum, bei Lambel 8. 32 f. Wickram in seiner Vorrede
zu den Sieben Hauptlastern spricht von alten Exempeln, die nicht mehr
im Gebrauch sind, wie sant Brandans Lügend. Also schon 1556.
* Damit dürfte Frankreich gemeint sein. Vgl. darüber mehr
im 4. Capitel. Auf dem Holzschnitt zu Brants Narrenschiff, Cap. 2,
braten zwei Narren eine Sau am Spiesse. Ähnliche Erzählungen,
in denen ein Freund oder die Frau während der Abwesenheit des
eigentlich Berufenen das vorgesetzte Gericht verzehren und sich dann
durch scherzhafte Ausreden zu retten suohen, finden wir öfter; Eulen-
spiegel Nr. 37 Der Pfarrer und die rothen Würste. Die Hasen von
dem Vriolsheimer, unl der reiger (v. d. Hagen Gosamm tabenteuer II,
Nr. 30 u. 31); Pauli, Schimpf u. Ernst S. 224 Nr. 364. (Nachweise von
Oosterley dazu S. 514).
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DEDEKINDS UND SCHEIDTS GROBIANUS.
61
darüber befällt, eilen sie in jene Capelle, worin der Prior
um Abwendung jeglichen Unheils betet und flehen Gott um
eine neue Schwarte an. Unterdessen verbrennt das ganze
Ferkel, und Prior und Koch, die zurückgekehrt sind und
den Schaden entdecken, gerathen in die grösste Wuth. Doch
nachdem der Prior die Schuldigen gefunden und ihr offenes
Geständnis entgegengenommen, verzeiht er und schenkt
ihnen die guten Reste des verunglückten Bratens. Daraus
ersieht man, folgert Scheidt, dass aus einer einfältigen That
dem Grobianer nur Glück und Vortheil erwächst.
Ausser diesen verschiedenartigen Erweiterungen, welche
das Werk gegenüber dem Original um das Doppelte ver-
grössern (Dedekind hat 2400, Scheidt 5000 Verse), versieht
Scheidt die einzelnen Capitel mit Überschriften, welche
kurz deren Inhalt angeben und den ironischen Ton beibe-
halten (z. B. 1. Buch 2 Cap. von höfligkeit des nasen-
butzens, niesens, lachens , hüstens , vnd vil anderem wohtand
der kleider oder 2. Buch das VIII vnd htst Capitel, begreift
einen gantzen hauff'en, lieblicher , höflicher Grobianischer hoff-
bösslin, allen Grobianern notwendig), und ausserdem mit zahl-
reichen Randbemerkungen. Diese sind nach der
litterarischen Sitte jener Zeit entweder knappe Inhaltsan-
gaben oder kurze Ausrufe zum Texte; auch am Kande
ertheilt der Verfasser dem Schüler Rathschläge: Gib güte
Exempel S. 59 , Brauch das maul auch ein mal S. 72 , Sey
vnuerschawpt gnüg S. 78 usw. oder gibt ihm Kosenamen,
wie Märzenkalb, Unflat, Hüpsih hensslin S. 22 >, feiner gEsel
S. 96*, O ungeschickter Grobian S. 81. Mit Art und
Wesen der Grobianer beschäftigen sich die Randbemerkungen
überhaupt sehr viel: z. B. Grobianer seind auch leuty sind
aber nicht leut , nie ander leut S. 30 usw.8. Scheidt ver-
sichert mehrmals, dass ihre Menge unzählbar ist wie jene
der Narren4, und bezeichnet die tölpelhaften Streiche des
1 Vgl. Brants Nar ronschiff 26, V. 55 die hübschen /Innseti, Murner
mehrmals, s. Zarncke Anm. 8. 345.
2 Vgl. Strauch a. a. O. 8. 76. Anm. 68.
> Ähnlich S. 89, 96 u. a.
♦ 8. 75, 121, 140.
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62
II. CAPITEL.
Textes als schöne Tischzucht und ausgewähltes feines Hof-
recht l. Unter den fremdsprachigen Randbemerkungen sind
mehrere französisch und italienisch die meisten lateinisch.
An zwei Stellen hat Scheidt Dedekindsche Verse an den
Rand geschrieben S. 44 und 97; Bibelcitate, Hinweise auf
bekannte Lieder, Schwanke und Fabeln sind sehr häufig3.
Im Übrigen bieten die Randglossen eine reiche Blütenlese
derber deutscher Sprichwörter. Hie und da scheint Scheidt
zu dem Erzählten gereimte Sprüche selbst zu bilden, so
S. 63 Xantippe noch vil töchter hat Die tvolteti es uiird nie-
mands satt. Selten stehen die Randglossen im Widerspruch
zu dem Toxte, wie etwa S. 15 im Texte: Dann werden
dir alle Jungfrauen hold, am Rande: Jede sagt: nimm du
jn , ich will jn nicht, oder S. 66 im Text wird die Schön-
heit des Liebchens gepriesen, am Rande: Sie hat die sieben
schön, sie seind aber vmbgewent 4. Endlich S. 62 im Text: Den
guten, gesitteten Leuten bring' ein schlechtes Getränk, denn
ein starker Wein würde ihnen Schaden bringen, am Rande :
Eine fatde entschuldigung.
So gehören die Randbemerkungen nicht nur zur humori-
stischen Einkleidung der Parodie, sie lassen auch an ein-
zelnen Stellen die moralisirende Tendenz des Werkes durch-
schimmern.
* 3. 84, 96, 103.
2 8. 59, 83. S. 70, 110 u. a.
* ö. 46, 117, 71, 103 u. a.
* Vgl. Keller, Fastnachtspiele I, S. 72 V. 6.
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III. CAPITFX.
NACHGESCHICHTE DES GROBIANUS.
SPÄTERE AUSGABEN, BEARBEITUNGEN UNI) ÜBERSETZUNGEN.
NACHWIRKUNG AUF SCHRIFTEN VERWANDTEN INHALTS.
Dedekinds Grobianus in seinor ersten Gestalt vom
Jahre 1549 wurde in den nächsten zwei Jahren noch ein
paar Mal aufgelegt, ausserdem im Jahre 1612 in die
Grutersche Sammlung neulateinischer Dichtungen Delitiae
poetarum germanorum aufgenommen und erlebte noch 1624
einen verspäteten Nachdruck1. Im Übrigen aber wurde
diese Fassung völlig verdrängt durch die neue, bedeutend
veränderte und vermehrte Gestalt, die Dedekind selbst im
Jahre 1552 seinem Grobianus gab. Diese in Leipzig ver-
öffentlichte Ausgabe hat nunmehr 4600 Verse, statt der
früheren 2400 ; sie ist in drei Büchern abgefasst, mit mehreren
neuen Capiteln und dem Anhang Grobiana versehen. Ob-
wohl die Grobiana erst in der Ausgabe des Jahres 1554 im
Titel erscheint und dieser noch öfter sich ändert, so bleibt
doch der Text des lateinischen Grobianusinall den
zahlreichen nachfolgenden Ausgaben2 bis zum Jahre 1704
immer wörtlich gleichlautend mit der umgearbeiteten
zweiten Fassung des Jahres 1552. Diese ist also für die
Nachgeschichte die wichtigste Ausgabe. Doch herrschte
1 Nähere bibliographische Mittheilungen von Milohgack a. a. O.
8 XV f. Nr. 5—10.
* Milchnack, S. XVII-XXI, Nr. 1 1—26.
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64
III. CAPITFX.
bis jetzt über die Art der Vermehrungen, die ihr Dedekind
einverleibte, eine wesentlich irrige Ansicht. Hellbach 1 er-
zählt nämlich in der Vorrede S. 6b seiner späteren Ver-
deutschung darüber Folgendes : Caspar Scheyd hat in
seinem Grobianus die sack im Teutschen weitleufftiger
tradiert, dann das Latein mit sich bracht hat. Solch s wie
es für den Herren Dedekwdum kommen, hat es jhme der-
mussen gefallen, dass er etliche derselbigen digression Latinis
nersibns reddiert, denn es sich nicht durchauß hat schicken
wöllen, sintemalen sich oft solche Teutsche uÖrter zütragen,
die man ins Latein nit bringen oder Lateinisch außsprechen
kan. Vnd dardurch vrsach genommen sein Büchlein zü ver-
mehren. Diese etwas unklare Stelle sowie die Thatsache,
dass Dedekind in seinem zweiten Grobianus eine grosse Zahl
neuer grobianischer Streiche und Anekdoten hinzugefügt
hat, verleitete alle Literarhistoriker , die sich mit dieser
Frage beschäftigt haben, Wackernagel2, Kurz3, Scherer4,
Gervinus5, Milchsack6, Herford7 u. a. zu der Ansicht, die
oft ausgesprochen und nachgeschrieben wurde, Dedekind
habe die Änderungen und Zusätze der Scheidtschen Über-
setzung für die neue Fassung seines Grobianus vom Jahre
1552 benutzt. Eine genaue Vergleichung dieser Ausgabe
mit Scheidt aber erweist das Gegen theil. Dedekind hat
schlechterdings keinen einzigen Zusatz Scheidts
aufgenommen, er hat alle seine neuen Erweiterungen
völlig unabhängig von diesem verfasst, ja er hat wahrschein-
lich zur Zeit seiner zweiten Bearbeitung von Scheidts
Übersetzung keine Kenntnis gehabt, jedenfalls
* Vgl. unten 8. 77 ff.
*
2 Johann Fischart von StrasBburg 8. 105.
3 Gesch. d. deutschen Lit. 2, 62.
* A. d. ß. ö, 14 'Soheidts Vermehrungen benutzte Dedekind zum
Theil*.
* Gesoh. d. deutschen Dichtung 3* S. 201. Änm. 186.
(i a. u. 0. 8. VI f. Dedekind habe Scheidts Zusätze 'reichlich be-
nutzt und in einem dritten Buche hinzugefügt*.
7 a. a. 0. 8. 386. 'Dedekind adopted a large number of bis trans-
lators suggestions'.
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NACHGESCHICHTK des orobianüs.
aber diese noch nicht zu Gesicht bekommen. Um die Wende
des Jahres 1551 auf 1552 erschien der deutsche Grobianus
zu Worms, bereits im März 1552 unterzeichnet Dedekind
zu Wittenberg die Vorrede zu seiner zweiten Bearbeitung;
so wird es wohl kein affectives Stillschweigen sein, wenn
Dedekind in seiner wesentlich veränderten Vorrede der Ver-
deutschung seines Werkes durch Scheidt mit keinem Worte
gedenkt. Auch im Texte sprechen zahlreiche Stellen dafür,
dass er Scheidts Zusätze nicht kannte. Nur einzelne Bei-
spiele mögen herausgegriffen werden. In der ersten Aus-
gabe (II, 4) erzählt Dedekind die bekannte Geschichte 1 von
einem jungen Thüringer, der zu einer Hochzeit geladen sich
wählend der Mahlzeit ungebührlich benimmt und da er vor
Scham entfliehen Will, mit den Spornen das Tischtuch und
alles, was darauf steht, nach sich zieht. Scheidt hat diesen
Schwank mit vielen köstlichen Erweiterungen, ausgeführten
Gesprächen und neuen humoristischen Zügen2 versehen.
Nichts von alledem verwerthet Dedekind in seiner zweiten
Ausgabe, obwohl er hier (III, 5) die gleiche Geschichte auch
seinerseits vermehrt. Im Gegentheil, während Scheidt z. B.
erzählt, der Jüngling habe das lahm gerittene Pferd auf
dein Heimweg beim Zügel genommen furts hinden nach vnd
gitng zu füss usw., lässt sich Dedekind diesen gelungenen
Einfall entgehen und sagt in zwei neuen Versen ausdrück-
lich: Hoc aucto clauduui comcendit eaballum, et repetit etc.3.
— In den nächsten Jahren hat Dedekind jedenfalls Scheidts
Übertragung kennen gelernt und scheint diese auch in den
neuen Capitelüberschriften der Ausgabe vom Jahre 1554
benutzt zu haben, soweit nicht der veränderte Inhalt der
Capitel auch andere Überschriften erheischte l. Trotzdem
1 Mit kleinen Abänderungen erzählt sie auch Frey, Gartenge-
selliichnfr (Ausgabe vom Jahie 1Ö75 R1. l'22b ff.) Von einem Studenten
zu Francfort an der Ader etc.
* Diese sind V. 838-1-34:?.% 3490- 38, 3456-61, 3170-75, 3182
-3513.
' Vgl. noch unten 8. 60.
* Als Beispiel : 8cheidt I, 1 Von auflsiehen, anziehen, langem hare
und oeelen zenen, Dedekind Quae modeslia A<krtiamlii »it unine in ueshtu,
QF. LXVL Ö
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66
HL CAPITEL.
hat Dedekind in dieser und allen späteren Ausgaben weder
Scheidt erwähnt, noch dessen Zusätze aufgenommen1.
DKDEKINDS OROB1AKU8 IN DER ZWEITEN VERMEHRTEN FASSUNG VOM
Die Einleitung an den Leser, die Widmung an Bingius
(die früher in Prosa, jetzt in Distichen abgefasst ist), den
poetischen Prolog hat Dedekind in der neuen Ausgabe um
viele Verse, doch um keinen bedeutenderen Gedanken ver-
mehrt, den Text des Werkes selbst aber hat er einer völ-
ligen Umänderung unterzogen. Auch dort, wo er den gleichen
Inhalt beibehielt, unternahm er die saure Arbeit fast jeden
Vers umzuarbeiten oder doch um ein Geringes zu ver-
ändern. Er corrigirt den Ausdruck, verschiebt die Wort-
folge, gebraucht neue Bezeichnungen; in den meisten Fällen
ist der Grund dieser Änderung ganz unerfindlich, zuweilen
scheint Dedekind einen reineren oder prägnanteren Aus-
druck anzustreben, was ihm nicht überall gelingt-. Da er
ferner nach jedem zweiten oder dritten Vers einen oder
mehrere neue einfügt und wegen der geänderten Buch- und
Capiteleintheilung auch die Reihenfolge des Erzählten ver-
eapillis, facie et dentibus niundaiid:*. Oder I 3 Von digehzucht, im
dischdienen, auff rtid abfrage», vnd ander grachtritidiykeit. Ded. Mensa,
quomodo adornandn, et removenda et de mensu» ministerio eto.
' Von 1564 ab lautet der Titel: Grobianus et Orobiana. Bei
den Ausgaben vom Jahre 1631 u. 1704: Ludus satyricus de morum sirn-
plicitatc. Einige wenige Druckfehler und nebensächliche Abweichungen
des Wortlautes haben sieh vom Jahre 155*2—1704 in den Text einge-
schlichen.
* Einige Beispiele solcher Änderungen:
Noo surgens membris uestes super- Nec reliquis surgens te uestibus
At te, si nolit cernero abire iube. Cernere ni talom nolit abire iube.
Ut defendSris noeiturao a frigoro Tutus ut a tristi rigidae sis frigore
JAHRE 1552.
1549
Cap. I.
1552
indue.
indue.
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DEDEKIND8 ZWEITE AUSGABE
schiebt1, so hat er vom alten Bau kaum einen Stein auf
dem anderen gelassen.
Dedekind hat kaum 4—5 Verse2 seiner ersten Aus-
gabe völlig gestrichen ; folglich besteht die wesentlichste
Eigenart der neuen Fassung in den hinzugefügten Vor-
schriften und Beispielen*.
Die grösseren Erzählungen, die Dedekind zum Vor-
bild der Grobianer in seine Lehren einschiebt, hat er ein-
fach Bebels Facetien und anderen verbreiteten Schwank-
sammlungen entlehnt, in den kürzeren aber verwerthet er
reichlicher als zuvor seine Kenntnis der römisch-griechischen
Anekdotenlitteratur. Den grössten Thcil der Vermehrung
aber bilden jene zahlreichen kleinen Zusätze, die oft nur
aus zwei Zeilen bestehen und jeden Augenblick den Text
der ersten Fassung unterbrechen. Diese verbreitern das
Werk in höchst ungünstiger Weise, sie hemmen und ver-
zögern den früheren flotten Gang der Erzählung, sie machen
die Darstellung schleppend und eintönig. Sie vermehren
1549 1552
Cup. II
To quocunque Übet tibi, lumen Quo tibi ci:mqu<> libot tu lumen
utrumquc uagari. utrumquo uugnri.
CaP. VI.
Sed Hol occiduaH declinat fesftus 8ed modo caerulea» declinat Phoe-
ad undas. bus ad undnti.
1 Die Capitel der beiden Ausgaben entsprechen sich in folgender
1549
1552
1519
1552
1549
1552
1. Buch.
1. Buch
<>
7
2
2
Cap. 1
1
7
8 + 9
3
3 + 4
2
2
8
10
4
5
3
8
9
11
5
0 + 7
4
4+5
2. Buch
2. Buch
6
8
5
6
1
1
—
<
9
Für das alte 8. Capitel hat nun die zweite Aufgabe: 3. Bu:?h, Cap. 1—7
mit sehr grossen Erweiterungen.
* Bei Soheidt V. 299-302 und 13f>9 f.
1 Wie das schon der Titel besagt: Libri tres plerisquu in locis
cum praeeeptts tum exemplis aueti.
5*
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68
HI. CAPITEL.
die Unflätigkeiten, steigern sie ins Abgeschmackte und
Ekelhafte und brechen so durch die unerhörteste Uber-
treibung dem Scherz vollends die Spitze ab. Auch unter-
scheiden sie sich zu ihrem Nachtheil von Scheidts Zusätzen
darin, dass sie meist ganz witzlos und höchst albern sind,
oft eine mislungene Bemerkung zusammenhangslos an die
andere reihen und durch die erneute Wiederholung über-
flüssiger allgemeiner Aussprüche thatsächlich lästig fallen.
Der muntre Wittonberger Student vom Jahre 1549 hatte mit
seinem Werke, das in geschickter Verbindung aus dem wirk-
lichen Leben und den Schriften bedeutender Vorgänger
schöpfte, einen glücklichen Griff gethan. Die überaus rasche
Verbreitung, die Zustimmung aller Freunde und wahrschein-
lich auch das Drängen des Verlegers verleiteten den Ver-
fasser nun zu der irrthümlichen Ansicht, er müsse Dar-
stellungen, die so sehr eingeschlagen hatten, erweitern und
überbieten. Doch der Neustädter Pastor vom Jahre 1552
hatte sich bereits ausgeschrieben und traf — fern von
seinem früheren studentischen Kreis — nicht mehr den alten
Ton. Und wo er sich nun nicht wiederholt oder durch eine
Anleihe bei fremden Kräften seinem geschwächten Witz
auf die Beine hilft, um den erweiterten Rahmen von drei
Büchern, den er sich jetzt zugeschnitten , auszufüllen, da
wird der Inhalt ganzer Capitel recht kläglich, langweilig
und widerlich.
Dedekind führt nun fast jeden grobianischen Streich
seiner ersten Ausgabe weiter. Die meisten dieser Fort-
setzungen aber haben nicht mehr den Werth einer Satire,
denn sie lehren Unmögliches, erzählen Beispiele, die nicht
glaubwürdig oder in der sichtbar erzwungenen Erfindung
nicht mehr komisch sind. Etwa III, 4 : Lass dir den Bart
übers Maul wachsen, damit du durch diesen alle Getränke
durchseihst und allen Schaden von dir fern hältst. Auch der
Ausfluss deiner Nase kommt dir dann nicht in den Mund,
sondern bleibt am Barte hangen usw. Oder1 nach V. 463:
1 Ich citiro, wo es angeht, statt der lateinischen Verse die ent-
sprechenden deutschen, weil nur dieso mit Zahlen vesehen sind.
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DEDEKINDÖ ZWEITE AUSGABE.
69
Deine Hose sei so lose angenestelt, dass du sie mit der rechten
Hand halten musst, um sie nicht völlig zu verlieren, während
du mit der linken Hand den Gästen servirst. — Die neuen
sinnlosen Trinkregeln, die Dedekind jetzt aufstellt (z. B.
nach V. 3286 : Aus leeren Bechern sollst du nicht trinken und
wären sie auch aus ungarischem Golde) und die neuen Aus-
reden könnten auch vom Standpunct des Grobianerordens
nicht als stichhaltig betrachtet werden. Nach V. 620 er-
mahnt er: Wasch' dir nicht die Hände vor dem Mahle, denn
ist etwa das Wasser reiner als deine Hand ? Die Erde ver-
schluckt ja das unsaubere Wasser und gibt es wieder. Wenn
also alles was von der Erde kommt rein ist, dann muss ja
deine Hand auch rein sein. Man vergleiche mit diesem hellen
Blödsinn die gelungene Begründung Scheidts V. 621 — 624:
Du müst sie sonst erst trücknen wider, Dieweil setzt sich ein
ander nider. Vnd nimpt dir ein dein beste statf So mrstu
dann kaum halb so sat. Wären Dedekind diese und ähnliche
Zusätze seines Übersetzers bekannt gewesen, so hätte er's
doch kaum gewagt sein albernes Geschwätz an die Stelle
dieses echten Spasses zu setzen. Einen un verhältnismässig
breiten Raum nehmen in den neuen Erweiterungen die
ausfuhrlichen Beschreibungen aller Naturalia ein. Ganze
Capitel des dritten Buches sind nur den Functionen der Ver-
dauung u. dgl. gewidmet.
Besser gelingen Dedekind jene Zusätze, in denen er
sich an fremde Vorbilder anschliesst. Jedenfalls hat er
wieder die eine oder die andere Tischzucht durchgesehen 1
und für das neue Capitel III, 2 Kneipschilderungen wie die
von Obsopöus, Franck usw. benutzt, deren typischer In-
halt auch bei ihm in allen Einzelheiten wiederkehrt2.
Die antike Welt wird häufiger als früher zur Auf-
stellung eines Beispieles herangezogen. Trink' die Suppe
aus statt den Löffel zu benutzen, so wie Diogenes den Becher
entbehrte (I, 5). Oder nach 3318: Wie Demosthenes Kiesel-
1 Nach V. 692 erwähnt er den Schlüsselring (Köbels Tischzucht
V. 23) und nach V. 3308 und III, 1. mehrere Tischzuchtregoln über
das Schneiden des Brotes, über das Salzfass usw.
* Vgl. unten in meinem 5. Capitel.
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70
III. CAHTEL.
steine, so wälze du Fleischstücke im Mundo herum. Nach
3953: Prügle dein Weib, doch nicht ohne Grund, das thun
nur die Cyklopen in Sicilien. Nach 370 : Dein Gewand sei
rings mit Schmutz verbrämt, dann hält man es für eine
römische Toga. — Viel öfter als in der ersten Fassung wird
Cato hier erwähnt : im Anfang des ersten Capitels , im An-
fang von II, 1, in den verschiedenen Vorreden usw.
Endlich sucht Dedekind sein Werk, besonders die
letzten inhaltleeren Capitel des dritten Buches mit land-
läufigen Anekdoten aufzuputzen. Einige von diesen erscheinen
schon in Bebels Facetien und später in den Schwanksamm-
lungen Lindeners , Kirchhoffs und anderer. Mit Sicherheit
lässt sich wohl nicht die Quelle bezeichnen, der Dedekind
die einzelnen Erzählungen entlehnt, denn mehrere dieser
beliebten groben Stücklein verdankt er jedenfalls der starken
mündlichen Verbreitung; überdies hat er, wie es scheint,
etliche Nummern vor der Aufnahme in seinen Grobianus
umgemodelt. Nach V. 1509 und 3617 sind kleine Ge-
schichten eingeschaltet, welche die Schlauheit eines be-
quemen Knechtes und verschiedene ungezogene Spässe beim
Händewaschen schildern ; die eigentlichen Schwänke aber be-
ginnen erst III, 5: Ein reicher Bürger hat einen Fürsten zu
einem prächtigen Mahl geladon und überreicht ihm daselbst
einen kostbaren Fisch. Doch dieser entschlüpft den Händen
des Bürgers und fällt in dessen weite Stiefelröhren. Der
unerschrockene Mann zieht den Flüchtling beim Schwänze
heraus und sagt zum Fürsten: Esst ihn trotzdem, mein
Knecht hat heute Morgen meine Stiefel ganz blank geputzt.
Im Anschluss daran wird weiter erzählt, wie ein Bürger an
der Tafel eines Fürsten vor Verlegenheit einen vollen Becher
umstösst. - Femer: Herr und Diener sind gemeinsam zu einem
Mahle geladen. Der hungrige Diener füllt sich vor den übrigen
Gästen seinen Teller. Sein Herr, darüber erzürnt, winkt
ihm heftig ab. Der Diener versteht ihn falsch und wirft
das Stück, das er eben erfasst hat, unter den Tisch. Da
ihm der Herr wieder winkt, wirft er auch das zweite und
die übrigen Stücke nach , denn er glaubt, der Herr gebe
ihm ein Zeichen, dass alles vergiftet sei. — Ein Bauer isst
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HEDEKINDS ZWEITE AUSGABE.
71
bei dem Mahle seines Vetters in der Stadt die Nieren völlig
auf und versichert den Vetter, der ihm davon abräth, es
werde ihm ganz gut bekommen. — An einer andern Tafel
aber hält sich kein Gast für würdig die Nieren zu essen,
sodass sie unberührt zum Gastgeber zurückkehren. Dieser
aber wirft sie dem Hunde vor, weil er nicht ein Gericht
essen will, das alle Gaste verschmähten1.
III, 6. Eine längere und sehr unsaubere Geschichte
von einem jungen Mann, der bei Tafel zwischen jungen
Damen sitzend sich schämt einmal auf die Seite zu gehen,
mit allen unangenehmen Folgen dieser falschen Scham. In
den Schluss ist geschickt der Bebeische Schwank von dem
Narren verknüpft, der Nachts des Herrn weite Stiefelröhren
gröblichst misbraucht2. — Ein Doctor kommt auf Reisen
in ein Gasthaus, wo er sehr schlecht behandelt wird, zu
unterst sitzen und sauren Wein trinken muss. Als es ihm
zu arg wird, gibt er sich als Doctor zu erkennen und wird
nun auf das aufmerksamste bedient und prächtig bewirthet3.
— In einer lustigen Gesellschaft wird ausgemacht: wer
beim Rundtrunk mit seinen fetten Lippen den Wein verun-
reinigt, soll die ganze Zeche zahlen. Ein schlauer Fuhrmann
aber, dem eigentlich diese Falle gestellt wurde, leert, so-
bald er an die Reihe kommt, den ganzen Becher und be-
merkt lächelnd, es sei weder Wein noch Fett darin4.
— Der Bürgermeister einer huldigenden Stadt überreicht
seinem Fürsten einen Krug Wein. Da sieht er eine Feder
oben auf schwimmen und weil kein anderes Instrument zur
Hand ist , nimmt er sie mit einer Lichtschere wieder heraus.
—Ein Zecher hat mancherlei Weine durcheinander getrunken,
die sich in seinem Magen nicht vertragen wollen, sondern
1 Die gleiche Geschichte erzählt Kirchhoff, Wemlumnuth eto.
Frankfurt 1563 1 Nr. 169 und Lindener, Katzipori 1558 Nr. 100 weist
darauf hin.
1 Facetiarum Henrioi Bebeiii libri tres. (ioh benutze die spätere
Ausgabe Tubingae 1550) III Bl. I02b De fatuo cuiusdam prineipis.
1 Dasselbe erzählt Bebel von einem Amtmann. II Bl. 33 De
quodam tribuno plebis.
« Lindener, Raatbüchlein 1558 Nr. 27.
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72
III. CAPITEL.
grossen Streit erheben. Der Zecher befiehlt ihnen, wieder
Frieden zu schliessen. Da sie ihm nicht Folge leisten, speit
er in grossem Zorne alle Ruhestörer gleichzeitig aus1. —
Ein anderer Zecher speit einen Hut voll. Sein Diener setzt
hierauf diese schwerwiegende Behauptung einem Nachbar
auf den Kopf2.
III, 7. Einem Redner entfährt, da er vor einer Fürstin
sein Knie beugt , etwas Ungebührliches. Eine Jungfrau aus
dem Hofstaat begeht vor Lachen den gleichen Verstoss.
Schnell gefasst, schliesst der Redner daran eine witzige Be-
merkung, die ihn vor Schande und Strafe bewahrt3. — Ein
paar Geschichten vom Rülpsen und ärgerer Unschicklich-
keit beschliessen dieses Capitel.
In dieser zweiten Fassung fällt Dedekind öfter noch
im Texte des Werkes selbst aus dem Tone der Ironie.
Am Ende des ersten Buches hält er eine lange Strafpredigt
gegen die Grobheit der Welt und klagt in bitteren Worten
darüber, dass Greise in weissen Haaren, Fürsten und hohe
Herren den Jüngeren und dem Volke mit so schlechtem
Beispiel vorangehen. Am Anfange des dritten Buches und
am Ende der ganzen Schrift wendet er sich in persönlichen
Äusserungen an seinen Gönner Bingius.
GROBIANA.
Die interessanteste Neuerung der zweiten Fassung ist
das völlig selbständige letzte Capitel des dritten Buches.
Für die litterarische Zukunft und Nachwirkung des Werkes
von grosser Wichtigkeit, bildet es wahrscheinlich auch den
Hauptgrund zu der Bevorzugung der zweiten Ausgabe vor
der ersten. Wie im Grobianus dem jungen Manne, so werden
in diesem Anhange der Jungfrau die Vorschriften und Vor-
1 Bebel III Bl. 68 Ebrij ouiusdam dictum iooosum.
3 Ähnlich Wickram, Rollwagenbachlein 1555 Nr. LH.
1 Dio gleiche Geschichte bei Bebel II, 8. 43. De quodara consule
Ulmensi (am Hof der Erzherzogin Mechthild von Österreich). Ebenso
Kirohhoff, Wendunmuth, 1. Nr. 121. Frey , GartengeseDschaft 1575
Cap. 99. 8chcrz mit der Wahrheit 1550 Bl. 50. Fischart, Geschieht-
klitterung Cap. 22. 8. 285.
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GKOBiANA.
73
bildcr zu einein möglichst groben und ungezogenen Betragen
auf der Strasse, bei öffentlichen Schaustellungen, daheim
und in der Kneipe, zu einem freimüthigen, ja zudringlichen
Verkehr mit Männern gegeben. Auch der Inhalt dieses
Capitels zeigt keine weiteren Beziehungen zu Scheidts Zu-
sätzen. Bemerkenswerth aber ist, dass Scheidt in seiner
humoristischen Vorrede (S. 8) die Bezeichnung Grobiana,
so weit es bekannt ist, zum ersten Male gebraucht und
wahrscheinlich selbst gebildet hat. Er spricht hier von
seiner aller liebsten zarten vnd tugenthafften hauss/rawen
Grobiana, enr elter Spinnerin der groben vn gezognen diernen
vnd faulen mägd. Diesen Ausdruck aber kennt Dedekind
in seiner zweiten Ausgabe noch nicht ; hier überschreibt er
den betreffenden Abschnitt nur mit Caput ultimum ; erst in
der dritten Ausgabe vom Jahre 1554 taucht im Titel des
ganzen Werkes und in der Überschrift des Anhangs der
Name Grobiana auf, ein Beweis mehr für die oben ausge-
sprochene Behauptung, Dedekind habe erst vor seiner dritten
Ausgabe Kenntnis von Scheidts Übersetzung erlangt Die
Schilderung der Grobiana aber ist vielfach vorbereitet. Seit
dem neuen Erblühen der Lehrdichtung am Beginne des
XIII. Jahrhunderts wandten die Didaktiker ihre Aufmerk-
samkeit dem Benehmen der Frauen und Jungfrauen in der
Kirche der Gesellschaft, der Familie, sowie dem Freier und
Verehrer gegenüber zu. Die Mutter Winsbekin unterwies
ihre Tochter in der Frömmigkeit und Sittsamkeit, aber auch
in der Kunst Männern zu gefallen. Thomasin hatte in einem
eigenen Abschnitte des Wälschen Gastes, der dann, wie wir
oben gesehen haben, auch in die Hofzuchten und Catos
Distichen aufgenommen wurde, das Leben der höfischen Frau
in die strengen Regeln der ritterlichen Gesellschaft gebannt
und lehrte in dem sechsten Capitel die besondern weiblichen
1 Herford, der diesen Umstand nicht erwog oder nicht kannte,
behauptete den Einfluss Scheidts schon für die zweite Fassung, a. a. O.
8. 3S8 a new chapter, stujgested by Scheidts picture of Grobiana. Ausser
dem Namen gibt es aber, wie erwähnt, keine Beziehungen zwischen
Scheidt uud Dedekinds letztem Capitel.
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74
III. C&PITEL
Tugenden, verlangte von den Frauen eheliche Treue, von
den Jungfrauen die richtige Mitte zwischen einem gewinnen-
den Wesen und spröder Keuschheit. Aber von dieser Höhe
der moralischen Vollkommenheit und des feinsten Umgangs
entfernten sich die Frauen fast eben so rasch wie die
Männer. Bald erheben die Lehrdichter, Freidank1 voran,
ihre tadelnde Stimme. Hugo von Trimberg2 entwirft eine
beissende satirische Schilderung von den Verführungs-
künsten und der Männersucht der üblen Weiber. Meister
Reuaus gibt den Frauen alle Schuld an dem Verfall der
Sitten, Brant spricht schon in der Vorrede3 zu seinem
Narrenschiff von den Närinnen, die mit spiten Schuhen,
seltsamem Kopfputz und ausgeschnittenen Kleidern einher-
steigen, und weiss in einer Reihe von Capiteln von den
Frauen viel Schlechtes zu erzählen4. Ein ärgeres Sünden-
register aber, als es den Frauen in den Fastnachtspielen
des XV. Jahrhunderts vorgerückt wird, ist kaum denkbar;
die Ehemänner beschuldigen hier ihre Gattinnen der Streit-
lust, der Trunksucht und des Ehebruchs, die Freier ihre
Bräute heimlicher Buhlschaften. Die auftretenden jungen
Weiber selbst — unter ihnen Zerrbilder schmutziger Häss-
lichkeit - ergehen sich in den schamlosesten Witzen, auf-
dringlicher Geilheit, unersättlicher Genusssucht. Neben den
alten Weibern dieser Kreise aber erscheint der Teufel nur
als schwacher Stümper.
In der Litteratur des XVI. Jahrhunderts tritt ein
starker misogyner Zug hervor ; wo Frauen erwähnt werden,
geschieht es meist um über sie zu klagen, billige Witze zu
reissen oder sie zu beschimpfen. Von der Galanterie, von
der idealen Frauenverehrung der ritterlichen Sänger keine
Spur mehr. Ein grosser Theil des zarten Geschlechtes im
XVI. Jahrhundert scheint, mannigfachen Lastern ergeben,
die Misachtung der Männer verdient zu haben. Sie
1 Cap. 37.
• IV. 8. 11.
• V. 110—120.
• Cap. 13, 32, 33, 64.
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GKOBIANA.
75
frtfhnten nicht nur in aussergewöhnlichem Masse dem Luxus
und der Wollust, sondern auch der Trunksucht. Murner
wendet sich in dem 18. Capitel seiner Narrenbeschwörung
hauptsächlich gegen die Weintrinkerinnen, und die Trink-
litteratur sowie zahlreiche Schwanke berichten, dass sich
Frauen zu den wüsten Gelagen jener Zeit fleissig einfanden,
um daselbst die rohesten Scherze, die schändlichsten Er-
zählungen ohne Erröthen zu belachen.
Und als sich die Parodie der Lehrdichtung be-
mächtigte, musste sie auch die Frauen in ihren Kreis auf-
nehmen. Schon Grobiani Tischzucht richtet Vorrede und
Schlusswort neben den Brüdern auch an die Schwestern
des Säuordens, und Scheidt vermählt dem Lehrer tölpischer
Gebärde Meister Grobianus die zarte Hausfrau Grobiana.
Dedekind bietet schon in seiner ersten Ausgabe Stellen, die
zur Zeichnung einer Grobiana fruchtbare Motive andeuten
Er hat diese Anspielungen in der zweiten Ausgabe er-
heblich vermehrt und lüsterne Witze hinzugefügt, die er
früher sorgfältig vermieden hatte.
Die parodistische Lehre seiner Grobiana hat Dedekind
ebenso aufgebaut wie im Grobianus und diesen auch dem
Inhalt nach öfter als Vorbild gebraucht. Für die weitere
Darstellung aber mag er einfach die Regeln dieser oder
jener Jungfrauenzuchten und Frauenspiegel umgekehrt und
mit Witzen verbrämt haben.
Der Verfasser erklärt im Beginne dieses Abschnittes,
sich kurz fassen zu wollen, da ja die Mädchen an Grobheit
die Männer noch weit übertreffen. Dann folgen die Lehren :
Auf der Strasse lass die Augen frei umhergehen ; nur Leute,
die etwas verbrochen haben, blicken zur Erde2. Heb' das
Kleid hoch über die Kniee auf, entblösse Hals und Schultern,
so wirst du bei jungen Knaben Gunst erlangen und mancher
wird dich zur Frau begehren ; nur was man sieht, kann
i V. 1070 ff. u. 1664 ff.
* Vgl. Grobianus I, 2 Esse pudens caueas ullaue rubescere culpa,
Criminis admissi quos piget, illud ayant.
Digitiz
76
III. CAJMTRL.
man lieben1. Kommst du mit einer Freundin zusammen, so
gebraucht die Gabe der Geschwätzigkeit, die euch Gott
verliehen hat. Da gibt es viel zu klagen, über die
strenge Mutter, über die Nachbarn, über den ungetreuen
Buhlen 2. Auf dem Heimweg nasche Apfel und Birnen oder
renne zu einer Schaubude, wo närrische und leichtfertige
Dinge aufgeführt werden. Über die rohen Spässe darfst
du dich nicht verfärben. Lache nur mit, dann hält man dich
für ein unschuldig Kind, das den Handel nicht versteht.
Vor allem aber geh in die Kneipen, dort kannst du viel
bäurische Dinge sehen und die Heimlichkeiten der Männer
erfahren. Gefallt dir einer besonders, so setze dich zu ihm,
gib deine Liebe durch Zeichen zu erkennen, trink' ihm ge-
hörig zu, erlaub' ihm dann alle Freiheiten, die dir selbst
angenehm sind, reiz' ihn durch kleine Geschenke zu reicheren
Beweisen der Erkenntlichkeit und Liebe3. Was aber das
Buhlen betrifft, so lies Nasos Schrift, der lehrt es dich viel
besser4.
Gehst du zum Tanze, so setz' den Kranz möglichst
fremdartig auf, am besten auf die Nase. Führe auch ein
Hündlein mit, das reisst dich aus mancher Verlegenheit.
Dann beginnt ein neues Motiv:
Perpetua« agitant pulices et loemina litea
Bellaque iu aeternum non dirimonda gerunt,
Insidius paruus tenebriB defcnaus iniquis,
Collocat, cxiguo pungat ut orc pulex . . .
Gegen diesen lichtscheuen Feind richte deine Wuth.
Und sieht auch jemand deinem Treiben zu, vestibus ex-
cussis such' den Verbrecher aus seinen Schlupfwinkeln her-
1 Vgl. Grobianus I, 1 : Erscheine in lässiger Kleidung, lass deine
Kniec seilen Nam sie uirginibus nitre, tacita ratione placcbisy Teque
sibi optabit quaeque puella uirum u. vgl. Vorrede zu Braute Namnschiff.
* Vgl. Qrobianue I, 8 (V. 2107). Ein Mann erzählt dem anderen,
welchoa Unglück er in der Liebe erlitten hat.
1 Vgl. Orobianus II, 5 (V. 3666 ff.) eine ganz ähnliohe 8cono.
♦ Catos Distichen, älteste Rumpfübersetzung V. 247 ff. teil du aber
dtne sinne keren an wibes minne* duz sol dich Ndsö leren.
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HELLBACHS BEARBEITUNG.
77
vor und schone keinen. Nur durch Grausamkeit wirst du
vor deinen Feinden Frieden erlangen.1
Hierauf gibt Dedekind noch ein grobianisches Exempel
und ermahnt seine Schülerin auch allen Lehren, die für das
männliche Geschlecht gegeben wurden, nachzufolgen. Er
könnte noch Besseres vorbringen,
Sed mea nie fessos reuoeare Thalia iugales
Et modio oursu runipere coepta iubef.
Krgo uale et si quid oionitis profoceri* illis
Prospera «loetori fata precare tuo. a
H ILLBACHS VERDEUTSCHUNG DES ERWEITERTEN OROBIANÜ8.
Der deutsche Grobianus von Scheidt machte auch seinen
Weg. Mehr als ein dutzendmal wurde er bis in die Mitte
des XVII. Jahrhunderts hinein aufgelegt. Besonders rasch
hintereinander in den ersten .Jahren nach dem Erscheinen".
Der Text blieb in allen Ausgaben der gleiche, abgesehen
von kleinen Änderungen , wie V. 77 zerstrohelt (1554 ff.)
für ztrzöbelt oder Erstlich soll dir zun ohren yehu V. 123
für Zum ersten soltu mich versteht usw. Auffallend ist
es aber, dass bereits in der Ausgabe des Jahres 1554
alle Randbemerkungen und die Verse des Beschlusses
4875—4882, 4973—5000 wegfallen und auch später nicht
wieder auftauchen. Nach dem Jahre 1568 wird die Pause
bis zur nächsten Ausgabe (1002) 4 eine sehr grosse. Ur-
sache dieser Unterbrechung ist die inzwischen erschienene
neue Übersetzung von Hellbach.
1 Ygl. das altere Volkslied in Fihchtirts Flöhhuz (llr.iunes Neu-
drucke 5, Hall«- 1877 S <W) besonders V. 1 f. Die Weiber mit den
Flöhen, Die han ein stäfen krieg. V. 9 f. J-er krieg hebt an am morgen^
Vnd icerd biss in die Narht. V. 13 f. Vnd so sich die Schlacht Jahet
<iw, Werffen sie das Gewand da man. — Auf Fiachnrt selbst mng Dede-
kind sninorseit* dureh obige Darstellung eingewirkt haben.
2 Facetus (Zarncke, BrnnM Nnrrenpehiff 8. 142) V. 515 ff. Ob du
das thust (was irli dich gelehrt habe) so trurslu icerdi All Menschen
ehren dich rff erdt. (Doch zu viel darf umn nicht lehren) Drumb wil
ich hye bliben ston. Myn roß ist mued, es will nym gon.
» Milohsaek 8. XXI ff. Nr. l-lö.
* Nr. 18 bei Milchsnck 8. XXV ist naeh Druuriius Bibliotheca
I, 731 vom Jahre lfi02, »l«o vor Nr. 1*2 anzusetzen.
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78
III. CAPITEL
Scheidt hatte sich aus naheliegenden Gründen zu einer
Übertragung des zweiten erweiterten Grobianus vom Jahre
1552 nicht entschliessen können und als er vollends im
Jahre 1565 starb, bewog der erste Verleger 1 des Dedekind-
schen Werkes den Pfarrherrn von Eckhardtshausen in der
Grafschaft Büdingen, Wendelin Hellbach2 zu dieser Arbeit.
Hellbach, gebürtig aus Mühlberg in Thüringen, der schon
vorher einige kleine deutsche Epitaphien veröffentlicht hatte
und später im Jahre 1593 einen Lusus poeticus de causis
nigredinis vel fusci coloris corporis humani verfasste,
vollendete seinen Grobianus im Jahre 1567 3. In seiner
Vorrede erklärt er, er habe es sich zur Aufgabe gemacht,
alle Zusätze Scheidts mit den Dedekindschen Erweiterungen
der zweiten Fassung zu verbinden dass keinen nichts möchte
genommen oder ausgelassen werden, was ihm viele und grosse
müfie bereitete, ausserdem habe er über Wunsch des Auftrag-
gebers der selbigen Ezempel eins odder ztceg hinzugefügt. Damit
also nichts verloren gehe, hat Hellbach neben seiner
Vorrede noch Scheidts Widmung an Dedekind A und dessen
Ansprache an die Grobianer, Dedekinds Widmung an Bingius
und beider Dichter Eingangsverse an den Leser wörtlich
abgeschrieben, beziehungsweise getreu übersetzt. Von Scheidt
und Dedekind benutzte er spätere Ausgaben; von Scheidt:
weil auch bei ihm die Randbemerkungen und die oben er-
wähnten früh weggefallenenen Verse des Beschlusses fehlen,
von Dedekind : weil er im Titel die Grobiana führt und in den
1 Johann Cnipius Andronicus seonndtis der Schwiegersohn der Ege-
nolphin, übernahm nunmehr den alten Frankfurter Verlag von Egenolphs
Erben, bei denen die editio princeps erschienen war.
a Ooedeke, Ordr. 2, 112 u. 456.
3 Genaue Ausgabe des Titels usw. Milchsack XXVI f.
♦ Hier schiebt Hellbach nach den Versen Ovids des Alberus
Commentirung dieser Verse ein, zu 8. 4: Mit Geld bekompt einer ein
Weib, mit eittem zarten schönen leib. — In aller Welt, regiert das Gelt,
Dass man bettet die Juden an, Gelt solche zuuegen bringen kan usw.
und zu 8. b\ Z. 7: Von den thörieluen und kostspieligen Kleidern der
Landsknechte und Haiidwerksbiirschen.
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HELLBACHS BEARBKITUNO.
79
Capitelüberschriften eine Übertragung der späteren latei-
nischen Fassung zu erkennen gibt
Wie sämmtliche Vorreden, so hat Hellbach auch die
von Scheidt hinzugefügten grobianischen Schwanke aufge-
nommen. Ausserdem hat er nicht nur alle Erweiterungen
der zweiten lateinischen Ausgabe übertragen , sondern sehr
häufig auch daneben die abweichende Fassung von 1549 in
der Übersetzung Scheidts verwerthet. Diese Verzahnung
besorgt er mit peinlicher Sorgfalt und sichtlicher Anstrengung,
nicht selten mit Geschick2, dehnt aber so das Werk bis
auf 6ÜU0 Verse aus. Wo Hellbach Scheidtsche Verse auf-
nimmt, behält er deren Wortlaut bei und weicht von
1 Er berücksichtigt aber hiebei nach Möglichkeit den Wortlaut
Scheidts. Die Überschrift von I, l ist gleichlautend mit Scheidt, hin-
gen I, 2 Vom Frühstück höfiigkeyt der Augen Stirn nasenbutzens
Schwatzen s% niesensy lachend, Hüstens rnd vom Gehen vnd kleydung auff
der Gassen stimmt — weil der Inhalt auch theilweise ein anderer
wurde — mit Dedokind (1554) überein: De jentaculo et m od est in
oculuruni, frontis, narium, item de garrulitatc, sternutation« , obscoe-
uitate, tussi, ructu et de incessu ot habitu in platcis.
« Ein Beispiel. I, 1 sagt Dedo-
kind 1549:
Egregic ciuilis eris, si nulla pn-
rentes
Mane salutandi sit tibi cura tuos.
Pronpera quantumuis optes quid
proderit illis?
Com dare non possis, quamlibet ua-
que uelis.
Dedekind 1552 Egregie -tuos
ebenso, für die nächsten *wei Verse
aber:
Non homini cuiquam felioia fata
preeerts
Saepe tibi gratea dioere ne sit opus.
Prospera qunntumnis optes quid
proderit illis?
Optima non damnum est perdere
uerba leue.
Hellbach (S. 37) fügt zu Scheidt
127—130 noch eine Übertragung
der 2. Fassung Dedekinds :
Soll auch niemand bey meiner gunst
Einen guten morgen wünschen sunst
So darß dir keiner danckm drumh
Dasselbig tcol zu hertzen nimm
Denn was hilft sies mSeht ich
gern wissen
Wenn du sie gleich thetst alle
grüßen ?
Es ist ftineur ein schade groß
Gut Wort verlieren also bloß.
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80
Iii. CA.PITEL.
diesem nur unwesentlich und selten ohne Grund ab. Da
aber, wo Scheidt das lateinische Original mit grösserer
Selbständigkeit übertragen hat, corrigirt ihn Hellbach in
der kleinlichsten Weise: Sagt z. ß. Scheidt für Talis erit
iuueni generoso uultus habendus V. 21b* Solch sitteu müss
ein junger hon so verbessert es Hellbach 39,9 Ein solch
GsiclU . . Ebenso ergänzt er Scheidts Text, wo dieser
einen oder den andern Vers Dedekinds weggelassen hat,
und vermeidet beharrlich jeden Dreireim Scheidts 1 dadurch,
dass er einen Vers einfach streicht oder, wo es nicht
angeht, an Stelle des dritten zwei neue, anders gereimte
Verse setzt-.
Was aber Hellbachs Übertragung des lateinischen
Originals betrifft, so ist Schritt für Schritt zu ersehen, dass
er von Scheidt gelernt hat. Wie dieser schiebt er gern
Sätze ein, welche den Grobianer ob seiner That rühmen
und ihm die Zustimmung aller Nachbarn und Genossen ver-
heissen, z. B. I, 4 So acht man dich für einen Held; Dass
jedermann darob wirt lachen. Er sorgt für die Belebung
der Ausdrucksweise durch eine sinnlich bezeichnende Über-
setzung, entnimmt gleich Scheidt seine Vergleiche dem Thier-
reiche' und ist um derbe Redensarten' und Schimpf-
wörter r' nicht* verlegen. Er vermeidet mythologische oder
minder verständliche Bezeichnungen: z. B. für Regna paler
quando Saturnus prisca tenebat H. 38,6 die Gulden zeit ; für
Natus et Attaeis esse ftrere iocis H. 59,10 Vnd seist geboren zu
gütcn bossen, setzt directe Reden statt indirecter, ausge-
führte Gespräche statt der blossen Erwähnung, breite humo-
ristische Schilderungen statt der kurzen Andeutung im Ori-
ginal 6.
1 Duruber mehr im 5. Capitel.
* Z. B. für 602 hat H. 49, 18 Vnd alle sampt einhelliglieh Darmnb
zum höchsten loben dich.
s II. 37, 2. Du dehnst dich wie ein Hund usw
4 Für 'kneipen' häufig die liebe Heyde walten laßen (II, 7) oder
da 8 Kalb redlich außtreiben.
5 Z. ß. lC9b.
6 Für Delicias faciat protinus ille tibi führt Hellbnch 11*2, 10 in
mehr nh 20 Veraen an, worin dies«, deliciae bestehen. Ebenso vermehrt
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KlKNH ECKELS BEARBEITUNG.
81
Bei der oben besprochenen 1 Wirthshausscene, in der
sich die Kneipgenossen altdeutsche Heldensagen erzählen, er-
wähnt Hellbach 94, 10 auch den hornin Seufried2 und den
Schneblerkönig , fügt zwei neue Jagdlügen hinzu 92 , 5 und
ein neues Liebesabenteuer, 90' ff. : Ein Buhler will zu seinem
Mädchen durch das heymliche Gmach einsteigen, fällt aber
in den Mist*.
Endlich nimmt Hellbach in seine letzten Capitel zwei
neue Schwänke auf 187": Auf einem Schlosse im Harz
hat ein Küchenjunge einen Hasen zu braten, isst aber
während des Drehens den Spicken auf. Da ihn der Amt-
mann zur Strafe dafür prügeln will, schreit der Junge : 'ich
hab's nicht gern gethan. Der Amtmann fängt darüber an
zu lachen und verzeiht ihm 4. Endlich H. 200, 8 : Ein Fuhr-
mann und elf Junker sitzen um einen Tisch zum Mahl. Der
Wirth bringt eine Gans und elf Krammetsvögel. Nachdem
sich jeder von den Junkern einen solchen zugelangt, sagt
der Fuhrmann: 'Jeder von euch hat seinen Vogel, zuletzt
will ich den meinigen nehmen, ergreift die Gans und ver-
zehrt sie5.
PETER KLENHECKEL8 BEARBEITUNG IX PROSA 1607.
Ein sonst völlig unbekannter Mann , der Nürnberger
Peter Kienheckel entschloss sich zur Vertreibung der müssigen
zeit in seinem trawrigen Wittibstand — womit im XVI. und
XVII. Jahrhundert öfters die Wendung zur Schriftstellerei
begründet wird — den Hellbachschen Grobianus in prosam
orationem umzuarbeiten und im Jahre 1607 in bedeutend
H. 81, 12 die von Dedekind I, 8 aufgezahlten Bieraorten um das
Doppelte und erweitert die Anekdoten aua dem Alterthum. H. 71b usw.
1 Oben S. 59.
2 Auch bei Fischart häufig, vgl. W. Grimm, Heldensage Nr. 1Ö0,
S. 311 (2. Au«. 8 316).
8 Theilweise ähnlich Boccaccio, Dccamerone 2, 5. Keller, Fast-
nachtspiele aus d. XV. Jh. 1, 119 V. 13-28.
» Vgl. 8cheidt oben 8. 60 f.
5 Kirchhoff, Wendunmuth 1, Nr. 213. Von einem Kochersperger
bauren.
QF. LXVI. ö
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82
III. CAPITEL.
gekürzter Fassung unter dem Namen Grobianus Rediuiuus 1
zu veröffentlichen. In fünfzig einleitenden, gesucht reimlosen
Versen tritt der Verfasser als Grobianer auf und spricht seine
Schüler an: Der Grobiuner bin ich genant \ Manch groben
gselln wol bewusst. In Grobheit hin ich Doctor worden. Grob-
heit geht allen Künsten vor2. Ich hab* genug daran studirt,
um nun euch zu lehren. Korn her du Heiter schuler mehi,
Vnnd lern rleissig dein Capitl, dann wirst du unsere Reihen
vermehren.
Hierauf folgt eine kurze prosaische Vermahnung, in
der ein Platzregen von Schimpfwörtern auf den armen
Schüler niedergeht und nach dieser beginnen die Lehren
des ersten Capitels : Vnnd erstlich, wann du nun die gantze
Nacht über, biß an hellen Hechten Tag fein sanfft geschlaff etu
geschnarcht, dich im Beth (du habst gleich vff einen, oder
beyderley weg ein hoffrecht darein gemacht^ oder nit, gilt gleich)
genugsam hin vnd wider geschlegelt* gewältzt, gestreckt, vnd
aussgienet hast, Wie dann dasselb der Artzney gelerten meinutig
nach, dem Leib gar gesund vnd erf rißlich seht soll, So darffstu
doch wider deinen guten willen ehe nicht aufstehen, dann
du seyest zuuor vffs wenigst einmal, oder zwölffe gewecket
worden usw.
Die Art seiner Bearbeitung bietet nichts Bemerkens-
werthes. Aus dem Inhalt ist ersichtlich, dass er den zweiten
erweiterten Grobianus, aus dem Wortlaut, dass er nicht
das lateinische Original, sondern die Übersetzung; Hellbachs
benutzt hat3. Die Reihenfolge des Erzählten ändert er will-
kürlich ab, und da er sich befleisst vff das Kürtzte hindurch
zu gehen , lässt er alle längeren Schilderungen und ein-
geschobenen Schwanke weg. Mit dem Ende des zweiten
1 Tito] und Beschreibung bei Milchssek S. XXIX. Hier auch
schon der Hinweis darauf, dass KienheckelJHellbachs Fassung benutzte.
2 Grobheit als erste Kunst, sowio das Schmarotzen , das Trinken usw.
haufi? im XVI. Jh.
8 z. B. Kienheckel A 3 sondern hob ein grenlichs krumbs Ge-
sicht, vgl. Scheidt V. 4J01 ; oder A 4 Du habst ein pf äffen mag dt ge-
fressen, die z6pf hangen dir noch w Nasen herauß, vpl. Hellbach
40, 9.
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8C1IKRFFERS ÜBKRSETZUNO.
83
Buches bricht er ab. Vom dritten Buche und der Grobiana keine
Zeile! Für seine selb/J eigenen Jungen^ denen er die Schrift
bestimmte, wäre dies auch keine passende Leetüre gewesen.
WfiXZEL 8CHERFFER8 ÜBERSETZUNG.
Wenzel Scherffer von Scherffenstein, Organist zu Brieg,
übersetzte im Beginn seiner litterarischen Thätigkeit unter
dem Titel Der Grobianer vnd die Grobianerin, Das ist, Drey
Bücher Von Einfalt der Sitten. Brieg 1640 etc.1 die er-
weiterte Fassung des Dedekindschen Grobianus nach einer
späteren Ausgabe2 direct aus dem Lateinischen, ohne Scheidts
oder Hellbachs Übertragung zu kennen3. Für die äussere
poetische Form befolgt er Opitzens Lehre und Beispiel und
weist im Titel und in der Vorrede ausdrücklich daraufhin4.
Nach OpitzensVorschrift baut er Alexandriner von zwölf Silben
bei stumpfem und dreizehn Silben bei klingendem Ausgang und
häufigem Enjambement5. Wie Opitz vermeidet er Fremd Wörter
und deckt den Ausfall durch neue zusammengesetzte Aus-
drücke. Wie der Meister der deutschen Renaissance- Poeten
ziert er seine Darstellung mit dem Schmucke der antiken
mythologischen Bilderwelt und fordert die Anschaulichkeit
der poetischen Sprache durch zierende Beiwörter und eine
sinnlichere Bildhaftigkeit der Bezeichnung. Wie jener eifert
er gegen Nachäfferei fremder Moden und Sitten und erzieht
den Geschmack für das Vaterländische ß. Aber eben hierin
eilt er den gelehrten Poeten weit voraus, denn er schöpft
1 Beschrieben von Milchsack 8. XXX f.
2 Dies erweisen wieder der Titel und die Capitelüberschriftcn.
3 Paul Drechsler, W. 8cherffer, Inaugural-Dissertation, Breslau
1886. 8. HS. Milchsacks entgegengesetzte Behauptung (8. VII) ist falsch.
Scherffer erwähnt nirgends Scheidt und Hellbach, er nimmt an keiner
Stelle deren Zusätze auf und erklärt in der Vorrede ausdrücklich, dass
er sein Werk aus dem Latein übertragen habe. Auch seine Capitel-
überschriften sind abweichend von Seheidt und Hellbaeh genaue Über-
setzungen der lateinischen.
* In Alexandrinische Reime, nach atnvcisung H. Opitij gegebenen
reguln, genaiv vnd vleissig gebracht. — (Ich bin) Opitij endungen der
Syllaben stracks nachgegangen.
1 Vgl. O. Witkowski, Opitzens Aristareh und Buch von der
deutschen Poeterey S. 59, Hl, 98 u. 101.
* Ebenda, S. öf>.
Ü*
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84
III. CAPITEL.
aus dem frischen Born des volkstümlichen Wortschatzes
und des wirklichen Lebens. Gerade Scherffers Grobianus
ist reich an schlesischen Dialektausdrücken und realistischen
Bildern heimischer Zustände1.
Die Beobachtung der eben erwähnten Momente aber
nöthigte Scherffer unwillkürlich zu einer Verbreiterung. Der
Teutschen Muttersprache Weit Schweifung 2 zwingt ihn den In-
halt eines lateinischen Verses auf zwei oder mehr deutsche
auszudehnen. Weniger die zahlreichen Zusätze, als eben
diese Umständlichkeit der Ausdrucksweise, dieser gezierte
schleppende Ton:* verlängern das Werk bis zu 8400 Versen4.
i Drechsler, 8cherffer S. 21, 8. 48 ff.
1 Über diese beklagt sieh Scherffer in der Vorrede zu seiner
Übersetzung der Pia Desideria des Hugo. Drechsler a. a. O. 8. 43.
3 Als Beispiele gebe ich einige Verse von I, 1. Man vergleiche
diese mit den entsprechenden ß lateinischen Versen von Egregie bis uerba
Jene und der Übersetzung Scheidt-Hellbachs, oben 8. 79 Anmerkung.
So wird es wunder/ein und hüpsck und höfflich stehn
Wenn Du zu solcher Zeit die Eltern heg zu gehn
Dich schweigend nimmest an ; vnd jhnen weder grüß
Noch sonsten bringest zu den ehr- vnd liebes-kuß.
Wünsch keinem Menschen auch nicht einen gutten Morgen
So dar ff er nimmer nicht vmb Dankens worte sorgen
Und ob du jhnen gleich viel wünschest gutte zeit
Wo* haben sie davon? Dir aber sey es leid
Viel außerlesner wort also dich zu entladen.
Viel Worte zu verlieru ist nicht ein gringer Schaden.
Als zweites Beispiel diene die Floh-Episode in der Orobiana
274, 1. Man vgl. die lateinischen Verse oben 8. 76.
Sonst führen steten krieg die Weiber vnd der Floch
Der vor der Welteinfall nicht kriegen mSvht ein loch.
Im finstern dieser schalck ohn sonderlich gezabel
Jetzt da jetzt dorten hin einsetzet seinen schnabel.
Das Jungferliche Fleisch kost er an jedem ort
Vnd durch die zarte haut mit seinem Stachel bort
Das schmertzt das liebe Volck so so das sie mit schlagen
An diese schwartze macht manch ernstlich gänglein wagen.
Bekämpft dich dieser Feind rnd arge Bösewicht
Der gern im finstern zeucht vnd scheut daß tagesliecht 9
So setz getrost jhm nach vnd jhm das Uder zause
Bey frembden oder sonst vor Leuthen vnd zu hause.
♦ Wie das anwächst 1 Dedekind (1549) hat 2400 Verse, Dedekind
(1552) 4H00, Scheidt 5000, Hellbach 6000 und Scherffer 8400 Verse.
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SCHKKFFERS ÜBERSETZUNO.
85
Im Vergleich zu der knappen Derbheit, zu den rasch
einander folgenden drastischen Wendungen Scheidts macht
die steifleinene Übersetzung Scherffers einen schlechten
Eindruck. Z. B. für nulla uerendarum tibi sit reuerentia
matrum, Ntdla puellarum cura nec ulla uirüm sagt Scherffer
62: Schew du zu keiner zeit ein erbare Matron, Noch die
freyledig ist, noch keine Mannssperson, Zu reden und zue thun
sey dir anlieim gestellet, Es ist genung, dass dirfs alleine
tcohlgefdlfet. Vgl. dazu Scheidt V. 1664-1668. Oder sagt
Scheidt V. 3731 kurz: Sprich es sagt niemant war dann ich,
so wird Scherffer gegen den Sinn dieser Stelle beinahe höf-
lich 171, 21 : Ihr Herren seid gefraget, Ob einer hat von
euch die Wahrheit so gesaget , Alss eben Ich, ia Ich ; für
Scheidt: V. 207: (Lass) Beide Kalbsaugen utnbher schiessen
sagt Scherffer 7,22 du aber fasse frey dein äugen rumher-
gehn. So drückt sich Scherffer viel anständiger, aber auch
viel farbloser und eintöniger aus. Seine derben Ausdrücke
und unflätigen Stellen aber, die er natürlich weder ver-
meiden kann noch will, widersprechen dem gezierten Ton der
hochtrabenden Alexandriner zu sehr und erscheinen weit
widerlicher und abstossender, als in den flotten Reimpaaren
Scheidts. Im XVI. Jahrhundert ist die rohe Sprache eine
naive, ursprüngliche, bei Scherffer ist jeder derbe Witz ein
bewusster. Solch eine unnatürliche, absichtliche Grobheit
sinkt rasch zur Gemeinheit herab, die nicht nur anstössige,
sondern geradezu unsittliche Situationen erzeugt. Eine pi-
kante Anspielung wie Scherffer 204, 25 : Von Artischocken,
du doch diese lehre merke, Sie sind ad coitum, das ist zur
Magensterke wird man bei Dedekind und Scheidt vergebens
suchen.
Mythologische Bilder und Anspielungen auf antike
Sagen behält Scherffer nicht nur an allen Stellen bei, wo
die Quelle sie darbietet, sondern gebraucht sie auch unab-
hängig von dieser sehr häufig, z. B. für quos lenis urit amor
Scherffer 4, 10 Bey denen Venus wil vnd Amor einfurieren;
für solis ab aestu Sch. 185,7 Von Phoebus hitz befreyt; für:
Virigineo in coetu Sch. 290,8 Der schönsten Nymphenschaar,
Ebenso für Wein: Bacchus usw.
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86
III. CAPITEL.
Für die Ausschmückung der Rede sorgt Scherffer ausser-
dem noch durch Beiwörter z. B. 46,22 rosenrother Mund,
durch Specialisirung einer allgemeinen Andeutung z. B.
für longitiquis missus ab oris 262,23 Weit, weit noch hinder
Schweden und durch Redensarten z. B. für Cedere maiori
praecipit ipse Cato 26,5 Das allemal der scherff dein groschen
weichen sol usw.
Übi •igens ist die Ausdrucksweise Scherffers im ein-
zelnen eine von Scheidt und Hellbach wesentlich verschie-
dene. Besonders die Kosenamen, welche hier dem Schüler,
seiner Sippe, und seinen Heldenthaten zuerkannt werden,
sind ganz neu. Der Meister, der hier die Gröbeleien,
Gröbelstücke, die Regeln des Gumpelbuches und der Gröbel-
zunft lehrt, ruft seinen Schüler bei den Namen Simpel,
Lümmel, Pürschlein, Gröbel, Schelm usw.
In der Mehrzahl der grösseren Erweiterungen erzählt
Scherffer neue unflätige Stücklein und grobe Verstösse
gegen den Anstand bei Tische, auf der Strasse usw., die er
lebenden Repräsentanten der Grobianer-Zunft in seiner
Heimath abgelauscht hat, zeichnet deren Treiben mit
manchem hübschen realistischen Zug1 und erweitert die
Schilderungen dor Tafelfreuden mit den Kenntnissen eines
Feinschmeckers durch die Aufzählung der seltensten culi-
narischen Genüsse und der feinsten Weinsorten2. Unter
den Zusätzen der letzteren Art zeigt einer die merkwür-
digste Übereinstimmung mit dem sechsten Artikel aus Gro-
biani Tischzucht vom Jahre 1538. 8 Daraus lässt sich mit
1 Beispiele bei Drechsler a. a. 0. 8. 40 f.
2 Besonders II 2.
» 8cherffer 205, 13 -206, 4 gibt die gleichen Vorschriften für die
Vorspeisung von Gründein und Schmerlen und den Rath, von kleinen
Fischen eine grosse Menge auf das Brod zu streichen , wie der kleine
Orobianus. Den letzten Witz von den kleinen Fischen erzählen auch
Pauli, Schimpf und Ernst Anhang 5 und Hans Sachs 5, 394. Eine
Anspielung darauf bei Wickram, Eine schöne kurtzwoil (Loosbuch)
1539 E 3. — Beziehungen finden ferner statt zwischen dem 5. Artikel
von Grobiani Tisohzucht und Soherffer 206, 6 ff. bei Aufzählung der
Fisch-Delicatesscn und etwa dem vierten Artikel: (beim Eier essen) vnd
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SCHERFFERS ÜBERSETZUNO.
87
Sicherheit schliessen, dass Scherffer in dieser oder ver-
wandten Schriften nach Stoffen für seine Einschiebsel ge-
fahndet hat.
In jener Kneipscene I, 10, die auch Scheidt und Hellbach
mit grösseren Erweiterungen versehen haben, führt Scherffer
mehrere neue Charaktere und Vertreter bestimmter Stände
ein, die in der Trunkenheit —jeder nach seiner Art — redselig
werden. Ein Adelsstolzer, ein Zungendrescher, ein Stumpf-
sinniger usw. Der Landmann bringt seine Bauernregeln
vor : 97,7 Vmb Benedictus strew er Haber in das Land, Vnd
vmb Ambrosi steck er Zwiebeln in den Sand usw. Der Hofmann
berichtet von seiner Toilette: 94,2 Vnd das die haare sich
vnförmlicJi nicht erweisen, So brennet er sie vor mit einem
heissen eysen. Der Soldat erzählt vom grossen Kriege, wie
er bald dem Kaiser, bald den Schweden gedient habe.
Aus diesen EinschÜben ersieht man bereits, dass
Scherffer in seiner Bearbeitung auf die veränderten Zu-
stände seiner Zeit Rücksicht nimmt. So hat er sich auch
die Befehdung der modernsten Unsitten, der Ausländerei
und des Fremdwörterunfuges, in dieser ironischen Sitten-
lehre zur Aufgabe gemacht. Er warnt seinen Schüler
112,25 vor dem Krimskrams der höflichen Bewegungen,
denn diese nennt man Ceremonien und das ist kein deutsches
Wort. Er lehrt den Grobianer : 123,9 Fang Wdlsch zureden
an; Frantzösich wo du kannst, Damit die Leuth auch hörn,
dass nicht in deinem wanst, Allein nur deutsches lieg, und
verhöhnt an mehreren Stellen die Sprachmenger
Ein weiteres neues Laster, das der glückliche Dede-
kind noch nicht kannte : das 'Tabactrinken* behandelt Scherffer
in einem grösseren Abschnitt III2 (215,7 — 219,12) Nun hat
der Geyer jetzt ein new getränk erwehlet, Jahrhunderte lang
hat Deutschland seinen Durst mit Bier und Wein gelöscht,
nun führte Mars der Prahler eine neue Art des Trinkens
zuletzt mit dem daumen rund vmbher faren odder mit der zungen aus-
lecken und 8eherffer 19S, 19 So was inwendig dann an schalen bleibet
hangen, das kau der Finger Prinz der daumen leicht erlangen.
1 Die aswei booten Beispiele druckt Drechßler ab S. 39.
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88
III. CAPITEI .
ein. Scherffer erzählt dann, wie in den Winterlagern ge-
dampft wird, welche Übel ein Neuling dabei durchzukosten
hat und schimpft, des ironischen Tones satt, wacker auf
das Rauchen l.
An einer Stelle 36,5 weist Scherffer darauf hin, dass
sich die Tracht seit dem XVI. Jahrhundert verändert hat.
Er wiederholt Dedekinds Lehre vom Aufnesteln (I, 5),
bemerkt aber : Zu solcher Xcsteley gab immer recht und
fug, Die Zeit da man den Bauch im deutschen Wümmes
trug; heute sind die Nesteln kein Riegel mehr, sondern nur
Zierrath, sodass der Bauch sich nach Lust blähen kann.
Im Jahre 1654 erschien eine Titelauflage von Scherffers
Übersetzung; im Jahre 1708 wurde sie noch einmal abge-
druckt unter dem Titel: Der unhöfliche Monsieur Klotz2.
Auch die Grobiana erhält hier den neuen Namen die Ma-
demoiselle Klotzin. Vor dieser Schrift steht statt der vielen
Vorreden und Eingangs verse Dedekinds und Scherffers ein
kurzer Vorbericht. Am Schlüsse sind zwei Anekdoten hin-
zugefügt vom Käsehändler und Backtrog-Schläffer: Ein Mann,
der selbst alle Einkäufe besorgt, wird bei einem Streite
von den Marktweibern über und über mit Käse beworfen.
Daheim legt er sich einmal im Rausch statt in sein
Bett in den Backtrog, der eben voll Teig ist3. Ein
* Ahn lieh den Schrifton der Trinklitteratur erschienen nun auch
mehrere BQcher gegen oder für das Rauchen. In einem Mischbande
der Berliner legi. Bibl. Tu 7991 findet man: Der politische Tobacks-
bruder d. i. eine sonderliche Beschreibung des Edelen Krauts Toback etc.
Ton Michael Kautzschen 1684. Tobacksstadt und: Neu erfunden und
wohlgegrundete Tabacks-Zunfft-Ordnung, allen Liebhabern dos edlen
Krauts, des Tobacks, zum Besten und ihren Aufnehmen vorgestellet,
von der sämtlichen Zunfft, Altmannern, Obermeistern, vnd andern Bey-
sitzern. o. O. 1676. Vgl. ferner Goedeke 3, 64 Nr. 4. 8. 114 Nr. 17.
Weimarisches Jahrbuch 2, 243 - 260 und eine englische Orobianusdichtung
vom J. 1609, vgl. Herford a. a. O. 8. 392.
2 Vgl. Milchsack a. a. 0. S. XXXI.
1 Trotzdem diese Erzählungen niohts Anstössiges enthalten, wurde
der neue Herausgeber H. Bockemeyer mit der Confiscation des Buches
bestraft. Goedeke 3, 54.
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IHK NACHWIRKUNG DES GROBIANUS.
Kupfer illustrirt diese Geschichte und den Schwank vom
Thüringer auf der Hochzeit (III, 5).
So wurde der Grobianus in lateinischer und in deutscher
Fassung in seiner Heimath bis zum Anfang des XVIII. Jahr-
hunderts immer von neuem verlegt und bearbeitet. In mehr
als fünfzig Ausgaben erschien er in den verschiedensten
deutschen Städten von Worms und Frankfurt am Main bis
nach Brieg, von Nürnberg bis nach Köln und Hamburg,
er wurde in Leyden und London nachgedruckt und schliess-
lich auch ins Ungarische und Englische1 übersetzt. Mit der
zweiten englischen Übertragung von Roger Bull 1739 be-
schloss er seine nahezu zweihundertjährige litterarische
Lebensdauer.
DIE NACHWIRKUNG DE8 GROBIANUS.
Von einer grobianischon Litteratur neben dem Hauptstrang,
auf welchem die unmittelbaren Bearbeitungen des Dedokindschen
Grobianus einander folgen, kann eigentlich nicht die Rede sein. Die
wenigen hieher gehörigen Schriften nach der Mitte des XVI. Jahr-
hunderts haben gerade bezüglich des Orobianismus keinen selbständigen
Werth, weil sie Derlekind oder den 'kleinen Grobianus* benutzen oder
ausschreiben. Die späteren Tisclizuohten, die innerhalb grosserer An-
standsbfloher oder humoristischer Welt- und Sittenspiegel nicht Beiton
sind, gehören der Culturgeschichte an.
Dem Grobianus von Dedekind-Scheidt folgt als nächste Tisch-
zucht-Parodie ein 'Schwank* von Hans Sachs : Die verkehrt dischzuecht
Grobianj von J. 1563. (d)2 Hier ist aber Hans Sachs von jenen Sati-
rikern völlig unabhängig. Er hat nur die Regeln seiner früheren
Tischzuchten von J. 1584 (a) 5 und 1542 {bc)* einfach umgekehrt und
für etliche parodistische Zusätze die Wormser Grobianus' Tischzucht 5
vom J. 1538 benutzt. Die neuen verkehrten Regeln haben meist die
Fassung von bc, mit einer Negation verschon. Z. B. bc V. 1 f. Hör mensch
wen dw zw disch teilt essen, Wasch dein hend ee dw pist gesessen.
Und d V. 5 f. Hör mensch, wen dw zv gast wilt essen, Wasch dein hent
nicht e dw pist gsessen.
» Milchsack 8. XXXII f. Bd. I: R. J. Sent verbessert Herford
8. 389 in R. 8. Gent.
* d abgedruckt bei Geyer, Altdeutsche Tisohzuchten. Progr. Alten-
burg 1882 8. 32 f.
» Ebenda 8. 30.
♦ 8. 8t u. vgl. oben 8. 13 f.
5 Vgl. oben 8. 29 ff.
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90
HI. CAPITEL.
Hin und du wird die neue Passung drastischer: a V. 30 gleich
eint hund; d V. 52 gleich aim ßaischacker hund. Von Grobian ua*
Tischzaeht entnimmt Hans Sachs den Titel den Zusatz V. 45 — 48 von
den kleinen Fischon2, die Beschönigungen jeder unflätigon That, wie
V. 58, 70 usw., besonders die Wondung vnd achatt dir nicht \ schliess-
lich die Ermahnung sich beim Hftndewaschen ungebührlich zu benehmen
mit der Versicherung V. 96 — 98 Den spricht iederman wol dein triezen,
Vnd helt dich fuer ain ordensmann, In dem klont er Sant Grobian.
Denn auch dort ist vom Säuorden die Rede, und von den pnro-
diBtischen Klosterwürden des Abtes Grobianus und des Subpriors Setc-
hardus.
Dem Titel nach schliesst sich an die Hellbachsolio Bearbeitung-
die niederdeutsche Schrift *Orauianus vnd Grauiana. Von vntüohtigen,
grauen, vnhönisohen Seden, vnd Bflrisohen geberdon. Lis wol dith
Bökelin offt vnd veel, Vnd ilo alltydt dat wedderspeel' o. 0. 1583. Scheidts
Gedicht 'An den Leser* ist hier abgedruckt und seine zweite Vorrede
nachgebildet; sonst ist der Text einfach eine niederdeutsche Übersetzung
des 'kleinen Grobianus' vom Jahre 1Ö38. Natürlich auch in Prosa.
Die 16 Abschnitte sind hier nicht mehr 'Artikel', sondern 'Capittel'
überschrieben«.
In unmittelbarer Abhängigkeit von dem Grobianus (in der Hell-
bachsohen Fassung) aber stehn einige Capitol der Erhographia Mundi
(I. Theil 1607») von Johannes Sommer (Variscus). In der Vorrede zu
diesem Sittenspiegel entschuldigt sich der Verfasser wegen seiner groben
Schilderungen und beruft sich auf Fisoharts Gargantua und Dedekinds
Grobianus (A 4), benutzt in dem achten der darauf folgenden Naturge-
mäßsten Gesetz etc. der weltliebenden Zunfft die ersten Capitel des
Grobianus (besonders E 6b, E 7) und gibt unter anderem auch den Rath :
auß der schönen Tischzucht deß Herrn Grobiani die außerlesene Lehren
zu Practlciren. (E. 7b)«.
Die übrigen Tischzuchten nach der Mitte des XVI. Jahrhunderts
sind koine Parodien, sondern ernste Anstandsiehren. So: 'Kurtze
Tisohzucht für die vngehöfelten Grobianusknochte in 44 gute Rogein
1 Die Parodie des Gato (Milchsack S. IV) kann nicht Vorbild sein.
Sio zeigt keine näheren Beziehungen und enthält auoh nicht den Aus-
druck Grobianus.
* Artikel 6 Vgl. oben S. 86 Anmerkung.
• Vgl. oben 8. 80.
♦ Milchsack S. V. Goedekc, Grundriss 2, 457 Nr. 5.
* Titel usw. bei Goedoke 2, 584 Nr. 8. Obige ältere Ausgabe
befindet sich in der herzogl. Bibliothek zu Gotha. Miscell. Poes. 8. 2860.
6 Auf Blatt E 8b sind Regeln die mit Hellbaoh I. 4 u. III 5 zu-
sammenhängen. Auf Bl. F. b — F. 2. b G 5— G 8 ist Fisoharts Trunken-
litanei ausgeschrieben (Neudruck S. 124, 134, 142 f., 148).
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DIE NACHWIRKUNG DES GROBIANUS.
91
gefasset etc. von Kys.* Vierte Ausgabe Erfurt 1594 *. Hier wird neben
den gewöhnlichen Tischzuchtregeln gelehrt: 9) Wenn einem Fett
an dem Messer klebet und er dasselbige an den Sehnen abreibet1 . . •
das ist grob, dSlpisch vnd abscheulich, 10) . . es geht nicht an seine
Grobheit mit einem PoRsen zu entschuldigen, 20) Schneid nicht die
Rinde rund herum vom Brod ab, darnach das ander da liege (wie die
deutschen sagen) geschindet als S. Botholomeus s\ 27) Du darfst nicht
nur gewisse Thoile von den Gerichten nehmen, etwa von der Gans nur
da* Leder , 28) Nicht die Hand lausen , Blattern aufstechen , auf die
Teller klopfen K 44) Geh nicht im Hemd oder halb angekleidet in die
8tnbe, wo andere Leute sind. Vor anderen darfst du dir nicht Strümpfe
und Wamms aufnesteln, besonders nicht vor Jungfrauen *. Zum 9chluss
wird die Episode aus Reineke Fuchs (Braun der Bär als Bote) als Bei-
spiel angefahrt, wie grobe Individuen von scharfsinnigen betrogen
werden. Kys nennt keine Quellen , doch Hellbachs Grobianus wird
nicht ohne Einwirkung auf ihn geblieben sein.
Der Ausdruck 'Grobianus' begegnet uns in der zweiten Hälfte des
XVI. Jahrhundert sehr häufig*. Theils ist es Brants Heiliger Grobianus
der im Volksmund.' und bei den Schriftstellern weiterlebt, theils Dede-
kinds "Werk, das als Mustersammlung grober Streiche citirt wird, theils
eine humoristische Redeweise, welche sich dieser treffenden und ge-
meinverständlichen Bezeichnung bemächtigt hat. Nur wenige Beispiele:
Wickram erzählt in seinem Rollwagonbüohlcin 1655 Nr. LII (ed. Kurz
8. 93), dass in den Abendzechen saut Grobianus mit seinem seytenspil
zum Sewtrog geloffen kommt, und erwähnt oine bruderschttfft S.Grobianus.
L. Hollonius, Freimut : Das ist vom vorlornen Sohn usw. Newo Comoedia
1603 III, 4 bemerkt Brantisch: Dem newen Heilgen Grobian , Beim
schwelgen dient fast Jedermann.
Bei Lindencr, Rastbüohlein 1558 Nr. 28 lautet eine Verordnung
des Königs Volnarri: Zum andern soll ein yeder . . sich aller hdfflig-
» Goedeke Grundriss 2, 457. Nr. 6 Berliner kgl.Bibl.Yz 3341. Hier
befindet sich auch die dritte Ausgabe Miscell. Fa 4921 Nr. 6. Etwas kürzor
in '40 Regeln' 1585. Da dieser Ausgabe mehrere Blätter fehlen, so citire ich
oben naoh der vierten. Eine erste und zweite Ausgabe kenne ich nioht.
« Vgl. Scheidt V. 683-686.
5 Vgl. 8cheidt V. 4376—78 Vnd macht ein Bartolmeum drauß
(aus der Gans), bei Hellbach ausserdem I 7 (73, 5. u. 6) genauere Be-
stimmungen über das Wegschneiden der Brodrinde. Ferner Oeilers
Predigten, Qbersetzt v. Nie. Höniger, Basel 1574, gedruckt in Scheibles
Kloster I, 311. Dann es seind et lieh, die sein also vn züchtig in dem
Brot schneiden, das sie dasselbig schinden vnd machen ein Bartholome y
darauß, indem sie die Rinden darvon schneiden vnd essen.
4 Hellbaohs Zusatz I 4.
• Soheidt-Hellbaoh I 1.
6 Vgl. oben 8. 23 und bei Fisohart unten S. 122 Aum. I.
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92
III. CAPITEL.
keyt* wie dann im Grobiano vil/eltiger weiß begryffen , ernstlich be-
ßeyssen. N. Hönigers Übersetzung der Geilerschen Predigten (ßoheibles
Kloster I; 8 617) 1574 : Wer noch mehr von säuischen Narren hören
will der lese den Grobianum , der er zeit jr schöne fugend all in einer
summa. H. Kornmann, De Linea Amoris Commentarorius Francofurti
1629 p. 37 zählt unter den lihris obscenis et prohibitis auch den Gro-
bianus auf. Und noch Moscherosch in den Gesichten erwähnt ihn.
In einem gesprech des Herrn mit S. Petro (Schade, Satiren und
Pasquille, Hannover 1856. 1, 158 u. 163) beklagt sich S. Petrus
über das Schlemmerleben der Schulmeister: statt den Cisioianum zu
repctiren, decliniren sie den Grobianum, statt fromme Lieder zu
singen, deolamiren sie den Grobianum.
Von dem Gipfel, welchen die grobianische Litteratur in der
Parodie Dedekind-Scheidts erreicht hat, geht sie den gleichen Weg
abwärts, den sie einst zurückgelegt hatte. Statt der Parodie finden
wir bald wieder die Schilderung der Ungezogenheit und hernach ernst-
gemeinte Tischzuchten, die selten als selbständige Schriften erscheinen,
sondern in allgemeine Sitten- und Anstandsregeln aufgenommen werden.
Die Zahl dieser Complimentir- und Zuchtbüchlein, dieser 'politischen'
Lebensregeln und moralischen Erziehungsschriften ist — besonders im
XVII. Jahrhundert — eine sehr grosse. Meist in schmuckloser, pro-
saischer Darstellung, ohne grössere Verschiedenheiten untereinander
abgefasst, sind sie ohne literarhistorischen Werth, aber von cultur-
historischem Interesse
1 Die Titel einzelner wichtigerer Schriften dieser Art mögen hier
folgen :
Simon Verepeo: Zuchtbüchlein (für die Jugend). Innsbruck 1587. 16.
Joh. Gasa Galateus: Büchlein von ehrbaren Sitten. Frankfurt
1587. 8.
Othomani Sigberti von der Lippe Schöner und polierter Spiegel
von allerlei Ständen. Erfurt 1593. 4.
Stephani Guazzi Vom Bürgerlichen Wandel vnd zierlichen Sitten
Frankfurt 1599. 4.
Melchioris Haganaei Vnderweisung zum Bürgerlichen Leben
Justi Lipsij. Frankfurt 1599. 4.
Aegidius Albertinus : Institutiones vitae aulioae oder Hofschul etc.
Münohen 1600. Bl. 48-55 eine Tischzucht für Hofleute.
(P. Beda Stubenvoll, Geschichte des kgl. Erziehungsinstitutes
Festschrift, Münohen 1874, theilt zwei Tischzuchten aus den Jahren
1607 u. 1635 mit).
Trincier oder Vorlegbuoh darinn berichtet wird, wie man aller-
hand . . Speiss auf fürstlichen Taffein zerlegen soll (nach dem Italie-
nischen des Procacehi) Leipzig 1620 Fol.
Peregrination oder Reyse-Spiegel aus Anangkyloraitens , eines . .
grob- vnd vnhöflichen vermeinten Cavalliers oder Alamodo-Monsieure
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DIE NACHWIRKUNG DES GROBIANUS.
Zur Nachgeschichte des Grobianus aber gehört indirect auch ein
zweites Werk von Caspar Scheidt, das in innerem Zusammenhang mit
dessen Grobianus steht, die 'Lobrede von wegen des Meyen'.
aus Frankreich in Teutschland gethanon . . Reisebeschreibung. Allen
. . grob-vnhöfflich vnd bäwrischen gEsellen . . new polieret offgestellet
von Urban Politico zu Civil Hausen 12. Leipzig 1631.
Anleitung zu einem Adelichen Leben, nach dem Französischen
des Bernhardt von Hanss-Michel Mosch erosch, Strassburg 1645.
Simler, Teutsche Gedichte (III. S. 208-212, eine Tischzucht).
Zürich 1648.
Philipp Zesen : Kurze doch gründliche Anleitung zur Höflichkeit
Hamburg 1649.
Schmiede des politischen Glücks, darinnen viele nützliche Lehren,
angefügt des Herrn von Limburgk Thesaurus paternus und William
Cecill von Burghleys Lehren an seinen Sohn. Hamburg 1669. 16.
Georg Greflinger: Ethica complementoria, das ist Complementir-
Büchlein mit angefügtem Trenchir-Büchlein. Amsterdam 1675. 8.
J. Christstein : Der heutige Weltmann in seinem politischen Habit,
o. 0. 1675. 12.
Der moralische Robinson, ein Stück Reise in die Provinz der ün-
höfflichkeit. Halberstadt o. J., um 1750.
Vgl. noch die Schriften von Christian Weise, Good. 3. 278 f.,
Gerrinus, Geschichte d. d. D. 35, 8. 525 und Draudius, Biblioth. libr.
germ. classica 1620. 8. 596 f. S. 611. 1625. S. 441.
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IV. CAP1TKL.
SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MEYEN.
Swenne ich sihe bringen
In irizem becher guoten whi
Daz mm ich für des meien schin
Und für der rogelin gesanc.
So sang der Zecher im 'Weinschlund* und so dachten
alle seine Genossen im XII. wie im XVI. Jahrhundert und
zu jeder Zeit. Im geraden Gegensatze hiezu aber schrack
Scheidt als Freund der Sommerlust vor dem Dunste der
Kneipe zurück. Und dem wüsten Treiben seiner zechenden
Landsleute setzte er in seinem zweiten Werke die ewige
Heilquelle aller menschlischen Laster und Leiden, die Natur,
entgegen. Im XVI. Jahrhundert war die Freude an der
Natur in neuer Stärke erwacht und bildete ein Gegengewicht
gegen die Verrohung und den Schmutz, die in die satirischen
Schriften des Jahrhunderts eingedrungen waren.
Scheidt aber erscheint in allen seinen Werken als
ein getreuer Eckart jeder gesunden und edlen Bestrebung
seiner Zeit. Und war er durch die derbe Satire seines
ersten grösseren Werkes, des Grobianus, bemüht seinen
Zeitgenossen die Freude am Schlemmen und Prassen gründ-
lich zu verleiden, so bot er ihnen jetzt in seiner 'Lobrede
von wegen des Meyen einen Spaziergang durch Wald und
Feld mit schönen Mädchen, duftenden Blumen und singenden
Vögeln als Ersatz an. In ausdrücklichem Gegensatze zum
Herbst, der Jahreszeit der Weinlese, des Schweineschlachtens,
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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES ME YEN
95
der grossen Schmause, erhebt er den linden Frühlingsmonat,
das erfrischende Wasser, Massigkeit und Gottesfurcht.
Zu einem Kampf zwischen idealer und realistischer
Lebensführung gestaltete sich so allmählich der Streit
der Jahreszeiten, der schon in altgermanischer Zeit im
Gegensatze der Naturkräfte des Winters und Sommers zu
heidnischen Mythenbildungen Anlass bot und im christlichen
Mittelalter in allegorischen Gesprächsliedern und Bühnen-
spielen, die zu Mittfasten aufgeführt wurden, weiterlebt.
Vom VIII. bis zum XVI. Jahrhundert sind solche Streitgedichte
zwischen Sommer und Winter erhalten1, in denen der
letztere die frohen Mahle, die süsse Rast am warmen
Herdfeuer, Fastnachtspiele und Schlittenfahrt als seine Vor-
züge preist, der Sommer aber den Trägen schilt, dass er
alle Schätze, welche die früheren Jahreszeiten in fleissiger
Arbeit aufspeichern , ruhig verzehrt. Die eigentlichen Früh-
lingsfeste aber wurden von Alters her im Monat Mai gefeiert,
weil da erst Wald und Haide im neuen Schmucke prangten
und der Sommer als entschiedener Sieger2 begrüsst werden
konnte. Mairitte, Tänze, Freischiessen, Umzüge und Lust-
barkeiten jeglicher Art wurden zu Beginn dieses Monats
von der fröhlichen Menge begangen3. Der 'Herr Maie wird
als Vertreter des Frühlings und Sommers wie eine lebendige
Persönlichkeit aufgefasst4. Im Eingang zahlreicher Liebes-
lieder des Volkes5, der Spielleute6 und der Minnesinger7
wird er mit heller Freude begrüsst. Im Mai gehen die
Frauen wieder in die freie Natur und enthüllen ihre schönen
1 De cuculo, Uhland, Schriften 3, 23 f.; 'Sommer und Winter',
Unland, Volkslieder S. 19 Nr. 8. Ein Gespräch y. H. Sachs 1538.
Unland, Schriften 3, 19 usw. Germania 5, 284.
2 Uhland, Schriften 3, 30.
3 Scheibles Kloster 7, 309 ff. Frey tag, Bilder II 2, 298 ff. Böhme,
Geschichte des Tanzes in Deutschland 1, 151 ff. 2, 194. Grimm, Mytho-
logie S. 736 ff. 725 ff.
* Grimm, Mythologie 720 f.
5 Uhland, Volkslieder S. 87-92. Goedcke-Tittmaon , Liederbuch
147 160.
* Piper, Die Spielmannsdichtung 1, 26.
7 Zs. f. d. A. 6, 72 ff. Uhland, Sohriftcn 5, 120 ff.
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96
IV. CAPITÜL.
Wangen den lauen Lüften; der Mai kann die Liebenden von
neuem vereinigen oder durch die Macht der wannen Sonne
und des süssen Vogelsangs das Herz der spröden Schönen
rühren.
Bei den späteren Minnesingern aber gedeiht die derbe
Gattung der Herbstlieder, welche den Mai und seine
Freuden verhöhnen, dagegen des Herbstes reiche Gaben
verherrlichen und bald zu Preisliedern auf dasSchlemmerleben
übergehen. Steinmar eröffnete den Reigen dieser Dichtungen,
wie es scheint durch lateinische Vagantenlieder1 dazu an-
geregt. Von seiner Geliebten verschmäht, wendet er sich
unmuthig von den Freuden des Sommers überhaupt ab : V.
11 — 13 Herbest, underwint dich min, wan ich wil din helfer
sin, gegen dem glänzen meien. Er verlangt dann vom Wirth
Fische, Hühner, Schweinebraten und Wein und will sich
völlig dem materiellen Genüsse hingeben : V. 47. herbest,
trütgeselle mm noch nim mich zingesinde. Nachfolger Stein-
mars auf dem gleichen Gebiete sind Büwenburc, Fürst Witz-
law IV. von Rügen und Johannes Hadloub, der Steinmar im
Aufzählen der Speisen noch überbietet und diese den
Freuden des Mais gegenüber stellt : V. 38 f. tüben . . und
ouch vasant wilde: daz nent si vürs meien bluot.2 In den
Fressliedern des Neidhart Fuchs wird ebenfalls die Partei des
Herbstes ergriffen. Endlich finden wir den Streit zwischen
Mai und Herbst in einer längeren Dichtung auch bereits
vor Scheidt behandelt. Der Herbst und der May' ist ein
erzählendes Gedicht aus dem XV. Jahrhundert betitelt '*,
das einen solchen Kampf schildert. Beide Gegner treten
gewappnet auf. Der Mai hat einen Panzer von grünem
Gras, darüber ein Koller aus weissem Klee usw. Doch
der Dichter wagt es nicht ihn zu sehr zu loben, sonst
wird ihm der Herbst böse, dessen Wein er so gerne trinkt.
1 Neumann, Über d. Leben u. d. Gedichte des Minnesänger«
Steinmar, Leipzig 1886. S. 85 ff. — Bartsch , Schweizer Minnesinger
8. 170 ff. Unland, Schriften 5, 245 u. 279.
* Bartsch, S. 109, Nr. 18.
3 A. v. Keller: Erzählungen aus ad. hss. Stuttgart 1855. 8. 588 ff.
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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES ME YEN.
97
Die Rüstung des Herbstes besteht aus Ochsenbraten,
Würsten usw., sein Helmschmuck sind vier gebratene
Gänse, sein Pferd ein Fass. Sein Diener ist der luderer,
der den Knappen des Mais den mynner 1 verhöhnt (S. 593,
V. 35) : Solt ich bei liechten bluemmen rot, Vor hunger leyden
grosse not ? Der Kampf endigt mit dem Siege des Herbstes.
Eine zweite Dichtung ähnlichen Inhalts ist ein Bühnenstück :
Ain $i>ill votn May vnd dem herbst, yetbeder tail mit fünf
knechten2 v. J. 1512. Hier betheiligen sich auch die Knechte
lebhaft an dem Wortwechsel. Des Maien Ritter sind der
rosn platt, der trasn schmakh, der zart frauenlob usw., die
in bekannter Weise die Macht ihres Herrn preisen. Trotz
allen Bemühungen gelingt es ihnen nicht, die Partner des
Herbstes den schlauch und den Schlendrian, den trunkenpolt,
den gross f ulier usw. zu widerlegen und zu überzeugen.
Interessant ist schliesslich ein ähnliches Streitgedicht, das
uns Clara Hätzlerin3 mittheilt, weil hier dem Mai auch
ein Monat, als Vertreter des Herbstes, der August, ent-
gegentritt.
So war der Gegenstand, den Scheidt in seinem zweiten
Werke behandelt, schon lange beliebt. Den äusseren Anlass
zu seiner Schrift aber bot ihm ein Fest am Hofe zu
Heidelberg.
In Heidelberg regirte seit dem Jahre 1544 Friedrich II.
als Kurfürst und Pfalzgraf bei Rhein, ein ritterlicher, ehr-
geiziger, abenteuerlustiger Fürst4. Ehe er die Regierung
antrat, hatte er ein verschwenderisches Leben geführt,
weite Reisen unternommen und lange an fremden Höfen,
besonders in Wien, Paris und Madrid geweilt. Er besass
eine feine höfische Bildung, hatte gern wissenschaftlich her-
1 Vgl. Dichtungen wie Der mynner u. der trinker, Lassbergs
Liedersaal 2, 329.
2 Sterzinger Spiele, ed. Zingerle 2 S. 1. ff. (Sauers Wiener
Neudrucke 11).
3 Liederbuch II Nr. 60 S. 248 ff. Ain krieg von dem Mayen vnd
dem Äugst Mon.
4 Leodius (Hubert Thomas) Annalium de vita et rebus gestis
Friderici II comitis palatini libri XIV. Frankfurt 1665.
<|F. lxvl ' . 7
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98
IV. CAPITEL.
vorragende Männer zur Seite, deren Rath er befolgte, und
förderte im Sinne seiner älteren Vorfahren die huma-
nistischen Studien. Er verbannte die scholastischen Streitig-
keiten von der Universität, schuf neue Lehrstellen und
berief fremde Gelehrte. Zu dem nahen Frankreich und
den litterarischen Centren des Oberrheins unterhielt er
enge Beziehungen. Vor allem aber liebte er als Regent
festliche Turniere, Gastmähler und Trinkgelage, an denen
er seine Umgebung zu heiteren Gesprächen und improvi-
sirten Dichtungen über Gegenstände des Lebens und der
Kunst aufmunterte. Im November 1551 ergab sich ihm
eine dreifache willkommene Gelegenheit zu einem grossen
Feste. Einmal trat der Fürst selbst sein siebzigstes Lebens-
jahr an und ausserdem feierten an seinem Hofe ihre Ver-
mählung der Graf Philipp von Hanau mit Helena, der Tochter
des Pfalzgrafen Johann von Simmern, und der Graf Philipp
von Leiningen, Herr zu Westerburg und Schwanenberg mit
der Grätin Amalie von Zweibrücken und Bitsch. Tage lang
währten die Mahlzeiten, Aufführungen und Ritterspiele
dieses prächtigen Festes. Nicolaus Cisnerus1, ein hervor-
ragender Jurist und Professor an der Heidelberger Univer-
sität, berichtet in einem längeren lateinischen Gedicht 2 mit
mythologischer Einkleidung über die Vorbereitungen und
den glänzenden Verlauf des Festes, die Abstammung der
Brautleute, die Ansprachen und Geschenke des Fürsten.
Für diese Feier verfasste nun Scheidt seine 'Lobrede
von wegen des Meyen, die er kurz vor dem Feste dem Pfalz-
grafen Friedrich widmete und übersandte. Zur Begründung
dieser Sendung sagt Scheidt in seiner Vorrede3, er habe
zwei lateinische Bücher zu Gesicht bekommen: eines
'das Lob des Meyen' von Nicolaus Cisnerus, das andere die
* Vgl. Goedeke, Gr. 2, 110 Nr. 163.
* N. Cisueri Palatini Dcseriptio corum, quae iu nuptiis duorutn
Comitum . . Hcidelbcrgae acta sunt. In : Delitiac poetarum üerma-
norum. Frankfurt 1612. 2, 411 ff.
3 Diese Vorrede und der grössere Theil der Schrift sind abge-
druckt bei Hub, Die Komische und humoristische Literatur der deutschen
Prosaisten des XVI. Jahrhunderts 2, 291) -329.
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SCHEIDTS LüBRKDK VON WEGEN DES HEYEN. 99
'Nutzbarkeit des Herbstes betreffend* von Joannes Mercu-
rius. Auch habe er erfahren, dass am kurfürstlichen Hofe
darüber Gespräche gepflogen wurden , dass das Hofgesinde in
Maimänner und Herbstleute sich geschieden habe, der Kur-
fürst aber sammt Gemahlin dem Mai günstiger gesinnt sei
und wünsche, dass derlei Bücher auch in Teutsch gebracht
würden. So entschloss sich Scheidt ein Lob des Maien rasch
zu verfassen, damit seine Schrift auf dem geplanten Feste
vnder anderen materien bei den Tischgesprächen zur Kurzweil
diene.
Die genannte Dichtung des mehrerwähnten Cisnerus
ist das Idyllion de Man et veris laudibus1. In lateinischen
Hexametern streiten sich hier zwei Schäfer, — eine Ein-
kleidung, die den Vergilschen Eclogen, beziehungsweise den
Theokl itschen Idyllen entlehnt ist — ob dem Mai, der auch
hier als Vertreter des Lenzes und Frühsommers überhaupt
erscheint, oder dem Herbst der Vorzug gebühre. Corydon
rühmt vorerst mit einem grossen Aufwand mythologischer
Bilder die Schönheit des Frühlings, die Farbenpracht
der Blumen, die Freude der Thiere, die von Venus Flammen
erhitzt sind. Und erst nachdem sein Gegner Bassarus
den Nutzen des Herbstes und seiner Früchte preisend er-
hebt, betont auch jener die materiellen Vorzüge: wie der
Mai Milch , Käse , Schafwolle spende, weist darauf hin,
dass bereits im Lenz und Sommer die Herbstfrüchte im
Keim entstehen , behütet und gezeitigt werden, und zählt
alle schädlichen Einflüsse der winterlichen Jahreszeit auf.
Ein dritter Schäfer unterbricht den Wortschwall der Gegner
und erkennt dem Mai den Sieg zu.
Nur weniges hat sich Scheidt von dem Inhalt dieses
Idylls zu Nutze gemacht, wie die folgenden Zeilen erweisen
sollen. In noch geringerem Masse dürfte dementsprechend
auf ihn das Werk des Mercurius- eingewirkt haben, das
ja schon der Tendenz nach von Scheidts Lobschrift ab-
weicht.
1 Delitiae poetaruni Germ. 2 S. 446—477.
Meine Versuche, diese Schrift in einer «1er grösseren deutsehen
Bibliotheken zu finden, hlieben erfolglos.
7*
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100
IV. CAPITKL
Seine Lobrede von wegen des Meyen eröffnet Scheidt
mit einer gereimten Einleitung, in welcher er einen Traum
erzählt. Ein Beginn, der den epischen und didaktischen Dich-
tungen der Meistersinger, besonders des Hans Sachs sehr ge-
läufig ist. Dem Dichter erscheint unter süssen Melodien
der Lenz in Gestalt eines engelschönen Jünglings, mit einem
Gewand von grüner Seide angethan, und drückt sein Er-
staunen darüber aus, dass ihn jener nicht erkennt.
Vnd bist so offt zu mir in grünen Waldt
Spatzieren kamen zu den Brünlin kalt . .
Gedeukstu nun derselben zeit nit me
Wie du offt sassest in dem grünen kle
Vnd sähest zu dem lautern b&chlin klein
Das lieblich rauscht rber die glaten stein . .
Da gaben dir die Musen :
Des süssen trancks zu Ion
Auß jrem klaren brünlin Helicon.
Scheidt hat also selbst die Wirkung des Lenzes empfunden
und ist von seiner Schönheit zu dichterischem Schaffen an-
geregt worden. Darum sind auch die Schilderungen, die
er im Laufe der Schrift vom Mai entwirft, anschaulich,
lieblich und der Wirklichkeit getreu Der Dichter fühlt
sich um so eher berufen für den Mai einzutreten , als
dieser in dem Zeitpunct , da Scheidt die Lobrede verfasste
(Ende November), nicht durch seine eigene Erscheinung
für sich selbst sprechen konnte. Mit einer innigen Be-
geisterung ergreift er die Partei des Frühlings und kehrt
in allen Theilen seiner Schrift deren anti-grobianische
Richtung hervor, durch die bittere Befehdung des Herbstes,
seiner Gaben, Freuden und Anhänger. Er schilt die Herbst-
leute, die saufen allzeit voll, dass sich der Herbst warlich
jr sollt beschernen, die mit saufen prassen vnd der laster
vil, Beim wein in vnzucht, oder grossein spil ihre Zeit ver-
geuden1. Im Herbst ist Bacchus auff die ban geschlichen,
vnd hat sein vbel lautende, vnd von grober matery gegossene
1 Sehr hübsch beschreibt Scheidt den Mai auch in seiner 'Frölich
Heimfart' B 2 f .
2 B 2 u. B 2b.
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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES ME YEN. 101
glock vor den beweglichen ohren viler, die jm on das geneigt
gewesen, tag vnd nacht on vnderlass gehütet, so dass mancher
den Sang der Vögel überhörte ]. Bei der Weinlese da
werden vä vnnützer wort , vppiges schandtliches geschwätz
laut, da wirt nur des bauchs gedacht., Vnd röhmet sich
der Herbst wie ein Epicurer nur seines fressens vnd sauffens -.
Scheidt erzählt weiter, wie der Wein verfälscht und ver-
pestet wird und tritt offen auf die Seite des Wassers:
Wasser trinken wer das best, als sie auch vor dem Sündfluß
kein wein getruncken denn es war das Wasser besser dann
vnser Maluasier, oder was wir sonst für getränck zum geschleck
vermischen mögen*. Und so geht stellenweise bei Scheidt
der Streit zwischen Mai und Herbst in den Streit zwischen
Wasser und Wein über, der im XVI. Jahrhundert oft zum
Gegenstand moralisirender Dichtungen gewählt wurde4, und
Scheidt citirt auch5 eine Dichtung dieser Art von dem
weltberöhmten Teutschen Poeten Hans Sachs6.
Scheidt richtet seine Ausführungen unmittelbar an
die Versammlung am kurfürstlichen Hofe und theilt seine
Zuhörerschaft in vier Gruppen7: Jünglinge, Frauen,
Jungfrauen und Männer. Die ersten drei Gruppen rechnet
er schon ihrer Natur, Jugend und Schönheit nach zu den
Mey günstigen, in der letzten Gruppe aber vermuthet er et-
liche Herbstleute, zu deren Bekehrung er nun den Mai
' C2.
> Hub 8. 306.
' Hub 8. 314.
4 Z. B. Jörg Wickrams Dialogus von der Trunkenheit und ähn-
liche Dichtungen der Trinklitteratur . Ferner AVitzstat, Wein und
Wasser, Strassburg 1630. u. a. Oder unter den Volksliedern im Anschluss
an den Mai, aber vom 8tandpunct des Schlemmers: Gocdcke-Tittraann,
Liederbuch 8. 135 Nr. 128 Mancher spricht: im waten, sind uns
die brünnlein gsund, des sich die leut erfreuen ; ich sprich es hob feein
grund. . . ich lob die edlen reben, die geben uns gu4 wein. Mit Abände-
rungen in Fischarts Trunkonlitanei 8. 125.
* Hub 8. 307.
8 Ein kampfgesprech zwischen tr asser und wein. Ausgabe des
litt. Vereins. Stuttgart 1870. 4, 247-254.
' C 2b-C 4.
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102
IV. CA ITTEL.
herausstreichen will. Er entwirft hiezu vorerst ein klar
geordnetes Programm 1 , woran er sich auch während der
ganzen Arbeit streng hält. Er beginnt mit dem Namen
des Maien und bespricht sodann dessen Natur, Eigenschaft
und Complexion, die Farben und den Nutzen des Frühlings,
seine Wirkung auf das körperliche Befinden der Menschen
und Thiere und schliesst mit der Aufzählung der wichtigsten
Ereignisse und Wunder, die sich im Frühling begeben
haben.
Scheidt erweist aus den Namen primauera und prin-
temps, dass der Frühling die erste Zeit des Jahres ist und
behauptet in einer launigen Stelle, in welcher er den
Schulmeister hervorkehrt, dass dem Mai schon nach der Zu-
sammenstellung seiner lautlichen Bestandteile der Vorrang
vor dem Herbst gebühre2. Ausserdem zeichne den Frühling
Wärme und Feuchtigkeit aus, also Bedingungen des Ent-
stehens und Gedeihens, den Herbst aber Kälte und Trocken-
heit, also Ursachen des Verderbens. Der Mai sei sangui-
nischer, der Herbst melancholischer Complexion3. Die Farben
des Mai seien grün und blau , die des Herbstes schwarz und
grau, zugleich die Farbe der Bettler, Mönche und Esel4.
In diesem ersten Theile, sowie in der Einleitung
schildert Scheidt besonders die siegreiche Anmuth des
Frühlings, geht aber dann zur Besprechung der nutz-
barkeit über, gleich Cisnerus aus dem Grunde, weil der
Herbst sich so aufdringlich seiner materiellen Vorzüge
rühme5. Scheidt erwiedert dem Prahler an mehreren
Stellen6, dass er alle seine Gaben nur dem Frühling und
■ C 4 u. C 4\
2 Hub S. 302.
3 Ebenda 8. 303 ff.
♦ 8. 309. Dieser antikatholisehc Witz, Mönche und Esel der
Farbe wegen zusammenzustellen, ist auch bei Fischart überaus häufig
z. B. Barfüsser Sekten und Kuttenstreit (Kurz I, 112) d' Kult soll
hellgrau' sein , wie Eselfarb rttd teie die schweift . . Ach du fttein
Eselgraices Kleid. S. Dominici Loben 8. 136 Die Eselgntwen Münch usw.
* Hub 8. 310 u. 319.
<• Hub 8. 310, 317, 319.
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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MEYEN. 103
Sommer verdanke. In diesen Jahreszeiten werde geackert
und gesäet, würden die Felder von der Sonne erwärmt,
und die Früchte gezeitigt. Keine Traube könne der Herbst
allein zur Reife bringen. Und Scheidt folgt weiter den
Beweisführungen des Cisnerus, wenn er die schön tempe-
rirte Luft des Maien rühmt, die der Gesundheit so zuträg-
lich sei, die kräftigenden Maibäder, den fruchtbaren Boden,
der den Menschen heilende Kräuter, den Thieren gute
Weide biete, den Wohlgeruch der Blüten1, Milch, Butter
und Käse, die im Mai am schmackhaftesten zubereitet
würden2, die langen Sommertage, an denen so viel Arbeit
verrichtet werden könne, die Freude der Menschen, die
wieder in die schöne Natur hinauswallen, ihre Wohnungen
lüften und reinigen3, und die Freude aller Thiere4 ; während
der Herbst durch die nebeligen Tage, die langen Nächte,
die rauhe Kälte jedermann beschwerlich falle 5. Schliess-
lich stellt Scheidt die Ereignisse zusammen, die sich im
Frühling zugetragen haben. Im März wurde Adam erschaffen,
Christus empfangen, im April fiel die Sintflut und führte
Moses die Juden aus Aegypten, im Mai fuhr Christus in
den Himmel und sandte seinen Jüngern den heiligen Geist.
In den Frühling fällt die Erschaffung der Welt und das
goldene Zeitalter6. All diese Ausführungen belegt und
unterbricht Scheidt mit Aussprüchen der Bibel, der Kirchen-
schriftsteller und bekannter Dichter. Sitch in den Büchern ,
lauff durch die Poeten1 rieth ihm der Mai vor Beginn der
Arbeit und so fülirt Scheidt zu Gunsten des Maien Hans
Sachs, Brant, Königsperger, ein unechtes Neidhart-Lied 8, ein
Volkslied vom Mai9 und andere ins Feld. Weiters rieth
» 315—320.
* S. 320 f. Cisnerus 8. 451 gelegentlich mit wörtlichen Überein-
stimmungen.
» Hub S. 322.
* 8. 325 f.
* 8. 323.
* 8. 328 f. Originalausgabe K lb— K 2*.
' B3b.
8 8. 326, der Anfang von Neidhart Fuchs.
9 Unland, Volkslieder 8. 87 Nr. 57 ; bei Hub 8. 326.
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104
IV. CAPITEL
der Mai : Auch weil es in derselben werden Statt, Gelerte leut
vnd vil Doctores hat, So misch Lateinisch verß zuweilen ein l,
darum erzählt Scheidt antike Anekdoten und verwerthet
lateinische Sprüche und Redensarten, Ovids Verwandlungen
und Vergils Georgica. Endlich ermahnte der Mai :
Darbey wiß daß der Chur/ürst hochgelert
Satnpt seim Gemahel gern Frantzösisch hört.
May 8t tcol in Welschen bxichern vmbher ßschcn
Vnd jrer Verß auch etlich drunder mischen *.
und Scheidt nimmt französische Kalendersprüche3, ein fran-
zösisches Volkslied4 auf und liefert zu den Eingangsversen
von Clement Marots Le temple de Cupido6:
Sur le printemps, que la bella Flora [bei Ouiffrey : belle]
Les chatnps couuers de diuerse fleura [bei G. couuerts u. ßoura]
Et son amjf Zephirus les esuente
Qu and doulcemenf en Vair suspire et uente [O. Vaer souspire.]
eine eigene Übersetzung:
Im Freiing wann Flora die schSne meidt
Die Felder mit vil Blumen hatt bekleidt
Vnd sie erwehet Zephirus jr fründt
Sausend im lufft so ttS/J mit sanfftem windt.
Mit diesen Versen führt Scheidt Marot in die deutsche
Litteratur ein. Der Ruhm Marots (1495 — 1544) hatte da-
mals in Frankreich seinen Gipfel erreicht. Dieser Dichter
vermied die humanistischen Übertreibungen der Schule
Ronsards und blieb in seinen Dichtungen dem eigenartigen
Geist seines Volkes treu, er lernte es aber auch auf dem
heiteren, kunstsinnigen Hofe Franz I, seine Gefühle in zier-
lichen , formvollendeten , höfisch feinen Dichtungen aus-
zusprechen; so war er in allen Kreisen beliebt und
drang in der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts all-
mählich nach Deutschland, vorerst an die Höfe. Es ist
darum bemerkenswerth, dass Scheidt zuerst Marot gerade
am Heidelberger Hof präsentirt, wo diesem französischen
1 B 3b.
1 Desgleichen; U tisch also für Französisch, vgl. oben S. 60
Anmerkung 3.
« 8. 306 u. 113.
♦ D 3 u. D 3b.
s D 3b In Guiffreys Marot- Ausgabe 2 S. 67 bei Jannet 1 ö. 8.
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SCHEIDTS LOBREDE VON "WEGEN DES MEYEN.
105
Lyriker späterhin noch eine wichtige Rolle beschieden war.
Durch die Einführung des Calvinismus in der Kurpfalz —
unter Friedsich III. im Jahre 1562 — nahm daselbst der
französische Einfluss sehr überhand und eine Folge dieser
confessionellen und litterarischen Abhängigkeit war die
Übertragung der Psalmen in der französischen Bearbeitung
von Marot und Beza durch den Heidelberger Gelehrten Paul
Melissus Schede im Jahre 1572.
Scheidt ist aber auch ein Vorgänger von Melissus in
der Nachahmung französischer Metra. In seinem Grobianus
hatte er sich noch der Reimpaare mit viermal gehobenen
(8— 9 silbigen) Versen bedient, welche bis zur Mitte des
XVI. Jahrhunderts allgemein üblich waren. Nur einige
Dramatiker wie Kolros, Rebhun, u. a. versuchten neue Formen
nach antikem Vorbild in Verse einzuführen. Für diese Anläufe
aber zeigte die Zeit noch kein Verständnis. Scheidt aber
lernte von den Franzosen. Marots Lieblingsmetrum waren
die vers communs, jambische Verse von 10 (beziehungs-
weise bei klingendem Ausgang 11) Silben. Marot erfand
dieses Metrum nicht, aber er bediente sich desselben ausser-
ordentlich häufig, führte die Cäsur nach der vierten Silbe
ein und brachte es durch seine gewandte Behandlung zu einem
hohen Grade leichten Flusses und vollendeter Anmuth In
dem gleichen Metrum übersetzt nun Scheidt die vier Verse
Marots, die er in seine Lobrede einschiebt2, und versucht
ausserdem in seiner langen gereimten Vorrede die vers
communs nachzuahmen. Die Bemerkung, welche Scheidt
seinem Prologe vorsetzt: Sind rheimen von zehen sylben
wöüen lind außgesprochen werden, sagt deutlich, dass wir es
hier mit einer Neuerung zu thun haben, die der Verfasser
ausdrücklich hervorhebt. Scheidt hält in diesen neuen Versen
an der natürlichen Wortbetonung nahezu ausnahmslos fest
und gebraucht gleich Marot häufig klingenden Ausgang; nur
über die Cäsur stolpert er häufig, so wie Ambrosius Lob-
wasser, der im Jahre 1573 Marots Psalmen ins Deutsche
1 Ste. Beuve, Tableau historique etoritique de la poesie francaise..
an XVI« siecle. Paris 1843. 8. 30—32.
* Vgl. oben 8. 104.
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106
IV. CAPITEL.
übersetzte, während Melissus die Cäsur in jedem Verse
streng beobachtet
1 Über Melissus und Lobwassers Psalmeniibersetzung vgl. Höpfner,
Reformbestrebungen nuf dem Gebiete der deutschen Litteratur des XVI.
und des XVII. Jahrhunderts. Berlin 1866. S. 25 f. — Man vergleich©
die folgenden Beispiele von Zehnsilblern Scheidts, Lobwassers und
Melissus'. Der Letzte beobaohtet die Cäsur am strengsten, der Erste
die natürliche Wortbetonung. Lobwasser und Melissus haben eine
•böse romanische Silbenzählung* durchgeführt. Vgl. Erich Schmidt
A. d. B. Bd. 21, 296. — Scheidt: Einführung in die 'Lobrede' B 1
und B lb.
Ich kleid die bergy ich deck die treffe thul
Ich bin der selbig der all Bäum bekleidt
Ich bin, der Mann vnd Weib mit Lust erfreidt
Dann ich bescher den Feichten jre blüt,
Das schafft allein mein tilgend vnd mein güt
Dann ich bin milt getrew, vnd tugenlhafft
Bescher gesundheit, macht vnd grosse kr äfft . . .
Der edel Mey bin ich mit lob genant
Soviel Poeten durch gedieht bekant
Vnd thu euch menschen souil dienst vnd güts
Ich mach euch frSlich fraidig, vnd güts müts.
Vgl. den Anfang des ersten Psalms
bei Lobwassor:
Psalmen nach Frantzösischer
Melodcy vnd reimen art. — Durch
A. Lobwasser. Heidelberg 1574.
Berl. königl. Bibl. Eh 3024.
Wer nicM mit den Gottlosen geht
zu raht
Vnd nicht tritt in sündlicher leut
fußpfaU
Der auch nic)U mit sitzt auf der
spätter bencken
Sonder auff Gots gesetz mit fleis
thut dencken
Vnd sich deß tag vnd nacht nimpt
hertzlich an
Fürwar das ist für Gott ein selig
Man
Denn er wirt gleich sein einem
bäum der fein
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bei Melissus:
Di Psalmen Davids In Tou-
tischc gesangreimen, nach Frant-
zösischer melodeien ünt sylben
art .. von Melisso. - Heidelberg
1572. Berl. kgl. Bibl. Eh 2970.
Wär nicht in rat gotloscr leute
geht
Noch auf dem weg verwegner pulen
stet,
Noch üf der bank der spÖtter ist
gesessen
Sonder bedenkt tag ünt nacht on
vergessen
Des Hern gesetz, ünt hat sein lüst
darän
Selig furwar preis ich daenselben
man
Gleich wird aer sein aim hübschen
bäum gerdd
SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MEYEN. 107
Wenn ferner Melissus und noch mehr Lobwasser die
mannigfaltigsten französischen Versmasse der beibehaltenen
Melodien wegen Silbe für Silbe getreu übersetzen und auf
diesem Wege eine grosse Zahl neuer Strophenformen und
Weisen in Deutschland einführen, so geht ihnen Scheidt
auch hierin voraus und zwar ebenfalls der Melodie wegen.
In seiner Lobrede citirt er (D 3 u. D 3b) ein trioletmässiges
FratizSsisch Meyenliedlin:
Ce moy de May au ioly verd bosquet
Cet ung plaisirt que Desire soulz Votnbrage
1j ung faict chapeaux, Vaultre faxet ung bouquet
Ce moy de May au ioly uerd bosquet
Tout cueur fachi lors reprent son couraiye
Le Rossignol en son plaisant langaige
Faict rage.
Au boscage
Son chant ramaye
Triumphe assis sur le ßeur du muguet
Ce moy de Moy au ioly uerd bouquet,
Weichs in eyl also mag geteutschet werden (folgt die silben-
getreue Übersetzung; nur im achten Verse eine Silbe zu
viel, im zehnten zwei zu wenig):
In disem Mey, im schönen grünen waldt
Ist freud vnd Iwt, im schatten sich erschwingen
Eins macht krentzlin, jhens streußlin wolgestalt
In diesem Mey, im schönen grünen waldt
Manch trawrigs hertz laßt jm mit Jreud gelingen
Fratv Nachtigall mit jrem scltöuen singen
Laßt klingen
In grünen dingen
Ir stimm erklingen
Sitzend auf blümlin manniyfalt
In disem Mey, im schönen grünen toaldt.
Gepflantzet steht an einem wessei'- Lustig gepflanzt an klarer queln
lein gestdd
Oer seine frucht zu seinen zeiten Daer sein f rächt bringt bei zeit in
treget schönem wetter
Dtß laub auch nimmer abzufallen Daes faln nicht ab noch welken
pfleget, seine biet t er :
So auch was solcher mensch thut Auch alles was sölcher thüt wil
rnd begint begint
Dasselb allzeit ein glücklich end Gerit ym wöl ünt gut gedeien
gewint, find.
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108
IV. CAPITEL.
Scheidt fügt hinzu: Ich hob nit on vrsach diß liedlin an-
ziehen wollen . . . mag es doch den Musicis oder Spielleuten . . .
ein vrsach geben, den Mey anstatt der wolsingenden vögel,
auch mit gesang vnd Instrumenten zü loben, vnd diß Lied
(gemeint ist die Melodie) in Französischen Partibus, da es
mit vier stimmen meins bedunckens schön vnd krauß genüg ist
zü suchen.
Scheidts zweite Schrift macht einen sehr erfreulichen
Eindruck. Ein, im Vergleich zum Grobianus, überaus wohl-
thuender Stoff erscheint hier durchwegs mit aufrichtigem,
warmem Gefühl behandelt. Scheidt reiht nicht die in älteren
Streitliedern typisch wiederkehrenden Vorzüge des Früh-
lings trocken aneinander, sondern bietet unter dem frischen
Eindrucke dieser Jahreszeit, die ihn selbst in Tagen
der Krankheit und des Schmerzes mit neuem Muthe be-
seelt hat ,, das Ergebnis persönlicher Empfindung und ein-
gehender liebevoller Naturbeobachtung dar. Er selbst nennt
seine Schrift eine Rede und wirklich tritt er hier mit der
Eindringlichkeit des gesprochenen Wortes für seine Sache
ein, wendet sich in lebendigem Vortrag direct an die Zu-
hörer2, schmeichelt den Gesinnungsgenossen und bemüht
sich durch zahlreiche Beweggründe die Gegner zu über-
reden. Er fordert seine Zuhörer auf selbst die vorgeführten
Vorzüge und Nachtheile der beiden Jahreszeiten gegen-
einander abzuwägen und prophezeit den halsstarrigsten An-
hängern des Herbstes, dass sie beim Einzug des Frühlings
ihrem alten Herrn die Gefolgschaft kündigen werden. Nach
einem klaren Plane hat Scheidt seine Lobrede gegliedert.
In aufsteigender Linie preist er zuerst die Anmuth, dann
die nutzbarkeit des Maien und führt endlich religiöse Momente
auf, welche den Frühling auszeichnen. Zu dem Ausbau
dieser Glieder hat er ein reiches Material von Aussprüchen
der Bibel , antiker und moderner Schriftsteller , von Volks-
bräuchen und Redensarten verwerthet. Zusammenstellungen,
wie die über die Farben grün und blau (bei Hub S. 308 f.)
können als Vorläufer des 13. Capitels in Fischarts Gargantua
» B4»
» Bei Hub S. 302, 304, 314 f.
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SCHEIDTS LOBREDE VON WEGEN DES MBYEN. 109
(über die Farben blau und weiss) betrachtet werden. Zu-
weilen schweift er von dem strengen Gang der Beweis-
führung ab und entrollt realistisch ausgeführte Genrebilder 1
oder ergeht sich in Lehren und Warnungen damit auch nutz
bty kurteweyliger red gespurt werde2. Aber er vermeidet
Weitschweifigkeit und eine verwirrende Häufung von Be-
weisgründen und erhöht durch öftere Ruhepuncte 3, in denen
er den Inhalt der früheren Abschnitte kurz zusammenfasst
und auf das Folgende hinweist, die Klarheit der Anordnung.
Ob die 'Lobrede', die an mannigfache ältere Motive
der deutschen Dichtung anknüpft und auf neue litterarische
Bestrebungen einen Ausblick eröffnet, in Heidelberg nach
Scheidts ausdrücklichem Wunsche ein Gegenstand des Vor-
trags und der Unterhaltung wurde und Herbstleute bekehrt
habe, darüber schweigen die Berichte. Cisnerus, der in
Versen, und Hubert Thomas, der im prosaischen Chronikstil
das Hochzeitsfest beschreibt 4, erwähnen nur die vielen Ge-
lage und ritterlichen Spiele. Doch sicherlich ist die Schrift
am Hofe des Kurfürsten, dem sie Scheidt gewidmet und
übersendet hatte, nicht ungelesen und unbeachtet bei Seite
gelegt worden.
' S. 322 f. Original B 1«.
• S. 307 u. a.
3 S. 314, 325. K 2h u. a.
♦ Oben 8. 97 f.
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V. CAP1TEL.
SCHEIDT UND FISCHAKT.
Scheidt hat durch seine Ubersetzung des Dedekind-
schen Grobianus einen üppigen Zweig der deutschen Dich-
tung des XVI. Jahrhunderts gepflegt und eben durch seine
Verdeutschung zu der Verbreitung und langen Lebensdauer
des Stoffes wesentlich beigetragen. Doch sein Einfluss auf
spätere Darstellungen verwandten Inhalts ist — sofern man
von Hellbachs Bearbeitung absieht — durchaus nicht per-
sönlicher Natur, sondern der Inhalt der ironischen Sitten-
lehre, der bereits in der lateinischen Quelle lag, wirkte zwei
Jahrhunderte lang nach. Mehr Berücksichtigung aber als
diese in den grossen Zeitläuften verblasste Nachwirkung
erheischt der volle, frische Eindruck, welchen Scheidt, als
Verfasser des deutschen Grobianus, aber auch als Mensch
und Dichter überhaupt auf seinen grossen Schüler Johann
Fischart ausübte.
Scheidt war der Lehrer und zugleich ein Blutsver-
wandter Fischarts und, noch erheblicher, beide einander
auch an Geist verwandt, da musste der jugendlich streb-
same und bildsame Sinn des letzteren doppelt und dreifach
empfanglich für Lehre und Beispiel sein' K Zeitlebens er-
scheint Fischart von seinem Lehrer angeregt, nicht nur in
1 Wackernagel, J. Fischart von Strassburg S. 106. Vgl. auch
Scherer, Ltg. 8. 291 f. und Zeitschr. f. oster. Gymn. 1867 S. 477 ff.
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SCHEIDT UND FISCH ART. 111
der Wahl der Stoffe, in der Art der Behandlung, sondern
auch in der sittlichen Richtung der ganzen schriftstellerischen
Thätigkeit. Scheidt und Fischart sind in ihren Stoffen nicht
originell, sie übersetzen aus fremden Sprachen oder knüpfen
ihre Dichtung an eine äussere Gelegenheit an1. Aber beide
schaffen die fremden Werke zu neuen, völlig deutschen Er-
zeugnissen um und erheben sich, weitausblickend über den
geringfügigen, zufalligen Anlass zu einer Darstellung von
dauerndem Werthe2 aus dem Gebiete des Erdenglücks oder
der menschlichen Laster und betheiligen sich an den wich-
tigsten litterarischen Richtungen ihrer Zeit. Beide kennen
die Classiker des Alterthums und die französischen Zeit-
genossen, aber von der Höhe ihrer Bildung neigen sie sich
herab zu dem Volk ihrer Heimath, auf das Engste ver-
traut mit dessen Leben und Sitten, Wortschatz und Redens-
arten, mit dessen historischer Vergangenheit und reicher
Sagenwelt3. Beide zeigen Beziehungen zu anderen Künsten,
verfassen Bildergedichte4 und rühmen die Musik5. Beide
behandeln volksthümliche Stoffe in humoristischer Form und
suchen durch ironische Lobschriften belehrend und bessernd
zu wirken. Sie verschonen ihre Landsleute nicht mit herber
Scheltrede wegen einheimischer Laster und der tollen Nach-
äffung fremder Modethorheiten6. Aber trotz der ungemeinen
Derbheit ihrer Satire, halten sich beide fern von dem
raffinirten Cynismus der zeitgenössischen Erzählungslitte-
ratur7 und zeichnen sich durch ehrenhaften Biedersinn,
1 Bei Scheidt: 'Die freilich Heimfart' auf den Tod der Frau Anna
von Emtrawt, 'Lobrede von wegen des Meyen' auf Wunach des Kurfürsten
Friedrich v. d. Pfalz zu einer Doppelhochzeit.
2 Vgl. Erich Schmidt A. d. B. 7 8. 40 u. a.
» Vgl. oben 8. 44 u. 59 f. und Dederding, Zur Charakteristik
FiscbartB, Progr. Berlin 1876 8. 6- 10. Alemannia I, 113 ff.
♦ Wackernagel 8. 107.
5 Fischart: Lob der Laute; Scheidt: Reformation, Lob und
Satzung der Musika. Erich Schmidt, A. d. B. 7 8. 33.
* Scheidt vgl. oben 8. 58 und Vorrede zum Grobianus 8. 4. Für
Fischart: Dederding a. a. O. 8. 12 f.
7 Vgl. oben im 2. Cap. u. Fischart in der Vorrede zum Eulen-
spiegel Keiinen8weiss.
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112
V. CAPITEIj.
strenge Sittlichkeit und durch unbedingte Anerkennung der
Heiligkeit der Ehe aus. Sie sind fromm und wahrhaft
christlich gesinnt. Als Protestanten aber treten sie für
Glaubensfreiheit ein, wie als Söhne unabhängiger Reichs-
städte für die politische Freiheit l.
Noch spät gedachte Fischart dankbar und in Ehren
seines Meisters2 und wandelte auf den Wegen, die ihm
dieser gewiesen, aber schon als Jüngling wuchs er — ein
kraftstrotzendes Genie — gewaltig über Scheidt hinaus.
In den späteren Schriften Fischarts kann man unter den
üppig wuchernden Gebilden seiner überreichen Phantasie jene
Keime nicht mehr erkennen, die er der liebevollen Saat
seines Lehrers verdankte. In den Anfängen der litterarischen
Thätigkeit Fischarts aber treten die Beziehungen zu Scheidt
natürlich greifbarer zu Tage. Nicht in den allerersten Werken !
Diese sind religiöse Streitschriften und persönliche Angriffe,
wie sie Scheidt niemals versuchte. Aber auch hier trotz
dem völlig verschiedenen Inhalt blickt Verwandtes hervor.
In den Randbemerkungen zu S. Dominici Leben3 können
wir dieselben mannigfaltigen Abstufungen unterscheiden
wie in jenen zu Scheidts Grobianus4.
Auch Fischart setzt ausser Bibelci taten und Anspielungen
auf antike Erzählungen, deutsche, lateinische und französi-
sche Sprüche, ironische Bemerkungen zum Text und Schimpf-
wörter an den Rand5. Einmal berührt sich die Situation
der Erzählung und die Glosse mit einer Stelle in Scheidts
Grobianus 6.
* Vgl. Scheidt in allen Vorreden u. Beschlüssen s. oben S. 44.
für Fischart: Dederding a. a. O. S. 16 f.
2 Diese vielberufenon Stellen sind zusammen abgedruckt in
Wackernagels Fischart S. 107 Anm. 232.
8 Kurz, Fischarts sämmtliche Dichtungen I.
* Vgl. oben 8. 61 f.
* Beispiele : V. 3599 f., 4460, 2379 , 3041 , 2837 ff., 2444, 2862 f.
4350 ff. usw.
6 Soheidt V. 2083 ff. Die Zecher erzählen sich allerlei, besonders
S. 67 f.: 'Nauita de uentis*. Die gleiche Randbemerkung macht Fischart
zu V. 3517 ff. (Geschwätz der Mönche im 'Sprachhaus').
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SCHEIDT INI) FISCIIART.
113
Doch von einer eigentlichen erkennbaren Abhängig-
keit kann erst in jenen Schriften Ficharts die Rede sein,
welche grobianischen Inhalts sind. Vor allem im 'Eulen-
spiegel Reimensweiss', Fischarts viertem Werke das er als
freie Bearbeitung des Volksbuches vom Till Eulenspiegel
nach dem Erfurter Texte (1532) 2 im Jahre 1571 verfasste
und vor der Fastenmesse des Jahres 1572 veröffentlichte3.
Ursprünglich war diese Arbeit von Scheidt selbst geplant, der
durch Dedekind (I, 4 Nr. 17) auf Eulenspiegel gewiesen wurde
und der in seinem Prolog zum Grobianus neben anderen
(frohen Heiligen auch den Eulenspiegel als Helfer zur Arbeit
herbeiwünscht4. Scheidt wurde von wegen SchuUjescheJft rml
1 Die Reihenfolge der ersten Schriften ist nach Scherer, Zeit-
schrift f. öster. Gymn. 1867 S. 476: Nachtrabe. Sekten- und Kutten-
streit. S. Dominici Leben. Eulenspiogel Reimenswoisa. Lob der Laute.
» Beschrieben wird diese Erfurter Ausgabe bei Lappenberg,
Murners ülenapiogel , Leipzig 1854 S. 162 ff. und Till Eulenspiogel,
Halle 1884. (Braunes Neudrucke Nr. 55 u. 56) S. XVI f. Lappenbergs
und Knusta Angabe, Fischart habe gerade diese AuagHbe benutzt, be-
stätigt sich.
* Das Jahr 1572 steht fest nach Willers Messcatalog. Vgl. Wen-
deler, Meusebach« Fischartstudien 8. 187. Weller, Annalen 2, 380.
Zacher und Below , Fischarts geistliche Lieder 8. 1135. Bekräftigend
treten hinzu: Fischarts eigener Ausspruch im FJöhhnz 1573 (Auagabe
Halle 1877, 8. 67 V. 67 ff.) Was soll ich vom Eulenreimer melden, der
vor eim Jar im Enlenhelden, den Eulenspiegel eic. und die Thatsaehe,
dass Fischart, wo er in den späteren Schriften des Eulenspiegels gedenkt,
immer ausdrücklich seine eigene gereimte Bearbeitung nennt (die
Stellen bei Flögel, Geschichte der komischen Lilteratur 3, 374 ff.) vor
dem Jahre 1572 aber überall nur das Volksbuch erwähnt. So 8. Dominici
Leben V. 163*2 ff. Weist nicht, trau dich gelehret hat, der Eulenspiegel
mit dem lenopff etc.
Exemplare des Fiachnrtschen Eulenspiegel sind vorhanden in
Berlin, London (Brit. Museum), Wien, Zürich. Neugedruckt sind in
Goedekes Deutacher Dichtung, 161 ff. die Capitel 1, 23 , 30 , 33 , 35
und 70. Der ganze Titel und dio Vorredo bei Wackernngel, Fischart
8 138 ff.
Über das Verhältnis zwischen Fischart und seiner Quelle gibt
Lappenberg a. a. O. S. 186 ff. einen kurzen Bericht. Ich bospreehe
hier Fischarts Umarbeitung nur insoweit diese von Scheidt abhäugig
ist and behalte mir eine genauere Darstellung für einen eigenen Auf-
satz vor.
* S. 12, besonders V. 53—58.
QF. lxvl 8
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114
V. CAIMTEL.
ernstlicherem studieren von der Ausführung dieses Planes
abgehalten und bestimmte zu dieser Arbeit seinen Schüler
Fischart, der sich schon mit dem Eulenspiegel beschäftigt
hatte 1 .
Mit dem Plane hat Fischart auch Ideen zu dessen
Ausführung von seinem Meister übernommen. Gleich die
abred an die Eulenspiegler erinnert an Scheidts Vorrede zum
Grobianus, wenn sie auch die letztere an Umfang und ge-
drängtem Gedankenreichthum, sowie durch eine Fülle von
Anspielungen und Witzen übertrifft. Wie Scheidt bekennt
er in grosser Bescheidenheit, er habe sich erst an die
Arbeit gewagt, als andere daran verhindert wurden und
Freunde und Gönner ihn dazu gedrängt hätten ; er berichtet
dann über den Grund, warum er das Original umgearbeitet und
über die Art und Weise, wie er dies gethan habe2, und
entwickelt gleich Scheidt mit vielen Citaten aus den clas-
sischen Autoren das moralische Programm seines Werkes :
Durch Scherz will er belehren, denn Ist es nicht angenemer,
ermant werden mit sehertzen, dann mit schmertzen? Viut
mit süsse, dann mit hüssen? Die heutige Welt vertrage
weder Tadel noch Strafe; was bleibe übrig dann daß man
jr in schimpf}' auch die warheit sage, rmul jren durch ein
Prill oder Spiegel zeige t was sie für ein schalckhafft ver-
schmitztes Jünckerhin sege3. Mit seinem Eulenspiegel hat
er sich vorgenommen die Welt nicht nur zu ergötzen,
sondern er will ihr zugleich mit dem ergetzen, dest süsser
das gute einsehwetzen , daß jren mit dem spotten vnd
sehertzen, die lasier desto mehr giengen zu hertzen4. Eine
grobe Darstellung konnte der Verfasser nicht vermeiden,
es freut ihn aber, dass dennoch im Eulenspiegel kein Jio-
cacische Sehandparkeit, rnd vnzimliche Jlulereg fürfallet oder
« Vgl. Anm. 3 zu 8. 113.
2 B>i Wackornagel a. a. O. 8. 130 u. 144.
" Wack©rniiff»'l S. 140 f.
4 Ebenda S. 143. Vgl. Scheidts Vorrede S. ö. mder dem schein
eines aussen fmlrerlins , auch (ins bitter zu jretn nütz rnd fhsundheit
einbringen u. 8. 7 damit das se wisch rolck beij Zeiten ein spieyel het,
darin es sich besehen mSrht.
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sCHKiriT INI» Kl SCHAUT.
115
gefunden trirdt, dar mit man doch heut alle Bücher, so kurz-
weilig heissen sollen, spicket vnd füllet \ Ähnliche Gedanken
spricht in der gereimten Vorrede der Eulenspiegel zum
Leser aus. Nachdem er sich auf seinen Pegasischen Esel
geschwungen, bietet er statt des Schildes jedem schalck zu
einem trutz. Den Spiegel, daß er sich drinn mutz. Da treiser
raht gar nichts erschießt , Auch schärpffe nur die leut ver-
drießt, so versucht er's auf umgekehrtem Wege : Dann durch
sj>ott vnd ergetzlichkeit. Bringt man zur Weißheit offt die leut.
Von dieser sittlichen Tendenz, die Fischart nicht nur
in der Vorrede ankündigt, sondern in der Darstellung wirk-
lich überall zur Geltung bringt -, ist im Volksbuch vom Till
Eulenspiegel keine Spur vorhanden. Hier war es die aus-
gesprochene Absicht des Sammlers nur: ein jrölich gemüt
zu machen in schweren Zeiten* vnd die lesenden vnd zuhören-
den mögen gute kurtzweUige fröden vnd schtcvnck daruß fabu-
lieren*. Ausser an dieser lehrhaften Tendenz lässt sich in
Fischarts Eulenspiegel die Schule Scheidts noch aneinergrund-
sätzlichen Änderung der ganzen Darstellung erkennen, die
schwerer ins Gewicht fallt, als all die zahlreichen inhalt-
lichen Zusätze. Im Volksbuche werden nämlich das Leben
und die Thaten des Eulenspiegel vollkommen objectiv er-
zählt. Nirgends tritt der Autor hervor, nirgends eine Be-
ziehung zwischen diesem und dem Melden. Ganz anders
bei Fischart, der den Eulenspiegel, wie es schon Scheidt
beabsichtigte, dem Gr ob i an o gleichmessig4 behandelte; das
heisst das Verhältnis zwischen Fischart und Till Eulen-
* Waekernagcl 8. 145.
2 In zahlreich«!) Aussprüchen allgemeiner Lebensweisheit oder
geiner persönlichen Ansichten und Erfahrungen entwickelt er Rein,,
strenge moralische Überzeugung. Am Sellins* eines Cupitels gibt er
gewöhnlich dessen Moral in nuce. Seine grosse satirische Kraft, die
er in den ersten Schriften im Kampfe gegen die katholische Geistlich-
keit übte, bewährt er jetzt gegen alle Stände: Juristen, Gelohrte,
Hofraänner, Kaufleute usw. Hier fehlt mir der Raum, dies weiter
auszufuhren.
3 Till Eulenspiegcl , Halle 1885 (Braunes Neudruck Nr. 55 und
56) S. 3.
♦ Wackernagel S. VM
8*
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116
V. CAWTKI,.
spiegel entspricht hier völlig demjenigen zwischen dem Meister
Grrobianus und dessen gelehrigem Schüler bei Scheidt. Der
Verfasser tritt hier mit starker Subjectivität hervor, er
spricht den Leser an, verweist auf frühere Theile seines
Werkes1 und unterhält vor allem dauernden Verkehr mit
seinem Helden. Der Verfasser betrachtet den Eulenspiegel
als seinen Schützling, er ermahnt und belehrt ihn, treibt
ihn an oder warnt ihn. Er rühmt oder tadelt dessen Thaten,
gar zu grobe Streiche begründet und entschuldigt er dem
Leser gegenüber zuweilen mit wörtlichen Anklängen an
Scheidt. Mein Tyll, mein Eulenspiegel, mein guter Eulen-
traber 212\ meinem alten künden Tyll 284\ mein kumlt
88a, 120b, vnserem armen Eulenknaben 287'' usw., so spricht
er ihn an, so redet er von ihm. Unabhängig vom Erfurter
Texte bildet Fischart Sätze, in denen er sein Urtheil fällt:
Z. B. Eulenspiegel hat Brot gestohlen, Fischart 15" Biß war
sein aller ei'ste prob Vnd war fürwar schier allzu grob und
setzt die Ermahnung hinzu : Doch wolt ich Eulenspiegel </*>,
Auch ratheny daß nit für vnd für, Mit diesen groben bossen
kernst, Das nit ein böses end mol nemst2 und ferner 16":
Drumb dich mein Eulenspiegel hüt, Der bossen wird man sehr
baldt müd. Er tröstet den Till, als ihn die Arzte mit ihrem
Hass verfolgen 42a: Drumb laß dich mein Tyl nicht er-
schrecken, Vnder Doctor find man auch geckm usw. Fischart
betont aber auch bei sonstigen Streichen, dass sich Eulen-
spiegel damit bei anderen Dank verdiene oder sich selbst
einen Vortheil errungen habe. So 183b, Eulenspiegel spielt
seinem Herrn als Koch einen tollen Possen; dies that er
den Gästen zu Liebe: Daß sie auch was zu lachen hetten'\
1 Z. B. Blatt 8b. Zum Leser: Aber nun hf/rt ein (/rossen scheid.
Die gleichen Zusätze fügt Scheidt zu Pt-dckinds Text hinzu z. B.
V. 3445 Nun hurt, wie sich mgluck zütregt. Aul ein I ruh eres Capitel
verweist Fisehart z B. Bl. 171*: Zu Erfurt war Eulenspiegel gut be-
kannt, weil er dasolbst ein groben Esel lesen lehrt.
2 Scheidt V. 616 Das wer zu grob vnd stund nit wol. V. 2833
Vnd ist fürwar schier gar zu grob.
3 Bei Scheidt sehr häufig: Treibe Possen, V. 600 Vnd werden
alle gest dein lachen. V. 1245 So lachen dein die nachpanrn all.
V. 3052 So lachen alle disch genossen. V. 2884 Daß man zu lachen
vberkumb.
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SCHK1DT t Nl) FISCH AKT.
117
Vnd nil von ärgern suchen redten. Oder 36b Durch einen
derben Spass gewinnt er einem Pfaffen eine Tonne Bier
ab; Fischart fügt hinzu: Secht wie er jm solch schleckere
So fein kan nützlich wachen frey Eulenspiegel erhält
wegen seiner geheuchelten Frömmigkeit grosse Geschenke ;
Fischart 65*: Secht. wo die ein fall kommet hin, Was ist dar-
bey nur für gewinn? Da Eulenspiegel die Menschen mit
Benutzung ihrer eigenen Geldgier betrügt, ruft Fischart
aus 287b: Das ist ein rechtes Meisterstück2 Zu zeigen der Welt
jre tück und sie bei der Nase herumzuführen, weil Reich-
thumb fr Heiligthumb ist. Oder 10' : 0 Eulenspiegel es gfalt
mir recht. Daß du nit so erschrickest schlecht wenn dir der
erste Streich misslingt, sondern dass du weitere Versuche
anstellst. Was Eulenspiegel trieb 4* das stund jm so visier-
lieh an, oder Fischart bezeichnet es 69* als ein visierlich
that3. Aber in der Senfgeschichte treibt es ihm Till zu arg
und er fahrt ihn an 26*: Pfu dich du grosser vnflat jriß jn
. . man möcht schier kotzen für cnglust. Oder Fischart klagt
ein ander Mal 4b: 0 Eulenspiegel es ist schad, Daß man die
Rut gespar et hat.
Mit regem Interesse erfüllt Fischart auch das innere
Leben und die Charakterentwicklung seines Helden. Zu-
weilen kurze Andeutungen der Quelle benutzend, meist aber
ganz frei von dieser, führt Fischart genau aus, was Till
vor oder nach jedem Streich sich denkt, seine Angst und
seine Freude, seine Pläne und Absichten, gibt Übergänge
von einem Streich zum anderen, innere Erklärungen für
den häufigen Berufswechsel des Helden. Meist verlässt
Eulenspiegel seinen Dienst und den Aufenthaltsort, wenn
Strafe und Gefahr droht. In mannigfaltiger Weise spricht
er an den verschiedenen Stellen diesen Entschluss der Flucht
1 Scheidt V. 4Ö42 ff. Daß du auch wißt was guts drauß kumb, . .
Wann man sich grob vnd vngschickt helt V. 2529 Nu lüg was das
(seil, eine Grobheit) für nutzung bring.
2 Scheidt V. 889 Das ist ein sonder adlich stück. Randbe-
merkung 8. 34 Ein meisterstück eines vnflats.
8 Scheidt V. 1862 Wann du dich so visierlich steht. V. 2562
Vnd treibt visierlich äffen spiel.
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118 V. CA FIT KL.
aus z. B. 77*: Sand Veltens leyden wird dich bscheissen, Nun
ist zeit warlich außzureissen ; 87b: Sie wurden mir den Beltz
sonst weschen usw. Kommt er davon, so fügt Fischart noch
hinzu 27b: So mocht er seiner Lenden schonen1 oder 70b:
Von glück ich nun wol sagen muß. Gelingt ihm das Spiel,
dann denkt sich Till selbst, er müsse es noch einmal wagen
171b: Dess guten thut man nicht zuviel. Oder 18b: Er dachte
auff all weiß vnd weg, wie er sich rächen sollte, bis er fand
letzlich diesen fund, Der jetzund folget zu der stund. Fischart
erklärt meist gleich zu Beginn der Capitel, wie Eulenspiegel
in die neue Situation hineingerieth. So Cap. 27 (Hist. 28
des Volksbuchs): Teglich nahm Eulenspiegel zu, An kunst vnd
schalckheit, die er thu, Das Mahlen ist jm wol abgangen, Der-
haWen hett er Jetzt verlangen, Versuchen, wie studieren thet,
Wann man mit den Gelehrten redt usw.2.
Eulenspiegel ist unter den Händen Fischarts ein echter
Grobianer worden. Unflätig war er vom Hause aus, aber
jetzt nähert er sich durch seine eigennützigen Ausreden,
sowie durch seine fortwährend ausgesprochene Freude an
Speise und Trank auch äusserlich dem Helden Dedekind-
Scheidts. Z. B. 23b Eulenspiegel sieht, dass es noch finster
ist, da denkt er sich, jetzt magstu schlaffen auch mit fug
. . Daß jn eine grosse Sund bedaucht, Daß er solt wachen
in der nacht, Die doch zu schlafen wer gemacht* oder 15 lb
der Kürschnermeister macht Till Vorwürfe wegen seines
ungebührlichen Benehmens, dieser antwortet: Wie thut jr
so , sprach Eulenspiegel , Ich hob am Furtz noch Zaum , noch
Ziegel, Daß ich's anbindt vnd halte4.
* Scheidt V. 3963 f. So müssen* da . . frer lenden fürchten sehr
U. 80119t.
2 Die längsten Erweiterungen widmet Fischart seinem Helden
in dun letzten Capitelu Bl. 273* ff. Hier schildert er die letzte Krank-
hoit und den Tod Eulenapiegels mit vielen sinnigen Aussprüchen,
treffenden Wortspielen und Witzen.
3 Vgl. Scheidts langero Ausführung V. 2395 — 2422. Besonders
V. 2419 f. Vnd schliß mit rhu on sorgen hin, Biß dir die Sonn in
d\tugen schein.
4 Vgl. Scheidt V. 960 ff. Wolt aber jimandt dich drumb straffen . .
Sprich, es ist nicht in meinem gwalt, Daß ich die fürtz in henden halt.
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SCHEIDT UND FISCHAKT.
119
Fischarts Eulen spiegel trinkt noch viel öfter und mehr
als der des Volksbuches. Er ist immer der erste voll und thut
mit Freuden Bescheid, so 191" Ein trincklein ist mir nicht
erleidt. Seine Erwägungen sind natürlich auch auf diesem
Gebiet ganz grobianischer Natur. Im besten Essen denkt
er sich 194ü: Ich kan nit auff der Post so fressen, Ich muß
auch vor ein trünklin holen1 Der Anblick von Speisen er-
regt seinen grössten Appetit (29*) und im Fressen steht er
seinem Vorbilde durchaus nicht nach 96" : Vnd frasse dapffer
weidlich gnug, Mit Handvoll er zum Maid zutrug, Er dacht
du teilt das Gelt gewinnen, Mit fressen wilt kein seiden
spinnen. Er hats auch Ritterlich bewissen, Es weich kaum
ein dem andern bissen. Er fuhr so weidlich da zu
loch*, Daß man nit viel vom Tisch meh brocht. Dazu hat
er tapffer auch gesoffen, Daß jm der Bauch ist auffgelojfm.
Ähnlich an zahlreichen andern Stellen. Zuweilen, wenn sich
Fischart über die allgemeinen Zustände seiner Zeit auslässt,
verfällt er in den Ton der Trinklitteratur. So z. B. 178":
Die Leute werden krank und brauchen Brillen, Weil sie sich
gar vngmässig halten, In sauffen . . Sie fressen sich tod, doli
vnd blind . . Vnd vberschütten gar das Hirn, Saufen die
Augen auß der Stirn, Bekommen zittrecht Köpff vnd Glieder,
Groß rote Nasen hin vnd wider. Er spricht vom vollen
Orden 179* den vollen Brüdern 245b und klagt patriotisch,
158": Vns Teutschen fdlts Gelt durch den Bauch. Von allen
Fressgelagen entwirft Fischart eine genaue Schilderung,
ebenso gut wie von sämmtlichen unappetitlichen Situationen,
Grobianixcho Ausreden gebraucht Fiscbart auch für andere Personen:
2b Die Leute gingen in ein Wirthshaus, es war sehr heiss. So mußten
sie ja Labung suchen. Wer wolle darumb jnen fluchen?
» Vgl. Scheidt Y. 2897 ff. Vnd ob die speiß dir wer zu dürr . .
So trink darzwischen offt vnd dick, bo fleußt hinab manch großes
stück u. a.
2 Vgl. Scheidt hat an mehreren Stellen, ähnlicho Schilderungen
z. B. V. 694 ff. besonders V. 698 Vnd also bald zu loch mit far;
Das . . kompt dem bauch vnd »tagen tcol. Oder V. 3293 ff. Schlucke
nur grosse Stücke herab, denn V. 3296 Dein mxitter spann dich nit
auß seiden usw. Ähnlich V. 531.
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120
V CAPITEI..
die in der Quelle nur flüchtig skizzirt sind. So von den
Blähungen und Absonderungen des Magens (151b, 68b, 224*
u. a.). Und gut grobianiseh sagt Fischart bei einem höchst
unflätigen Streich 68*: Es war schad Eulenspiegel jmmer,
Daß nicht da war das Frauenzimmer. Ein ander Mal ver-
pestet Eulenspiegel die Luft 226*; der Verdacht fällt zuerst
auf die Hunde, dann auf die Kinder, schliesslich auf die
Frauen: die man auch darumb an wolt schauen. Das kein
wunder gewesen ist, Es iver vor angst jn was entwischt.
Zu den erwähnten Beziehungen zwischen Fischart und
Scheidt treten noch einige wörtliche Übereinstimmungen.
Fischart beschliesst seine zweite gereimte Vorrede auf den
Eulenspiegel mit den Worten Es butz die Naaß wers fiSren mag.
Ähnlich Scheidt, auch am Schluss seiner gereimten Vorrede
V. 115 f. wer hören will, Der butz die naß vnd schweig fein
still. — Fischart 248*: Holländer haben einen Magen wie
Sträuß die Eysen tragen. Scheidts Randbemerkung S. 65
Verddwcn ein hüffeisen wie ein Strauß l. F. V. 105b Till zum
Wirt: Sag ich euch drumb Grand meng. Sch. V. 746 Sag
jm kein Grammer cy darumb. Fischart erwähnt auch Dietrich
von Bern 68b2, den heiligen Grillus 90* 3 und thoilt mit
Scheidt die gleichen landläufigen Redensarten4.
Die dichterische Rede Fischarts steht weit hinter
seiner virtuosen Prosa zurück5. Fischart betheiligt sich
gar nicht an der Opitz zustrebenden Reform, zeigt keine
metrischen Feinheiten und öfters bei klingendem Ausgang
unreine Reime. Trotzdem zeichnen sich seine Verse vordem
hölzernen Geklapper der übrigen Reimpaare des XVI. Jahr-
hunderts vortheilhaft aus6. Er verhindert häufig durch eine
geschickte Anwendung der Synkope die naturwidrige Be-
tonung tonloser Silben, lässt die stumpfen Reime mit zahl-
> Wickram, Loosbuch 1539. E 3b.
2 Scheidt V. 2259.
« V. 4947.
4 8iehe unten 8. 128.
5 Jacob Grimma ürtheil vgl. Wendelor, Meusebachs Fischart-
studien 8. 310. Gervinus, Gesch. d. d. D. 3* 192 ff.
6 Vilmar, Ersen u. Grubor Encyklopftdie 1, 51 8. 169 ff. Diesen
berichtigend Erich Schmidt, A. d. B. 7, 44.
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SCHEIDT UND FISCHAKT.
121
reichen klingenden abwechseln und schreitet bei Vermeidung
aller Flickwörter und Füllsel rasch und lebhaft vorwärts.
Alle diese Vorzüge zeigt schon Scheidts Metrik: Sie zeigt,
wo man den Grobianus aufschlägt, mit Hilfe der Synkope
eine vernünftige Betonung \ klingende Keime, nirgends eine
schwerfällige und unbehilfliche Breite. Auch den Dreireim,
den nach Hans Sachs und anderer Vorbild manche zeit-
genössische Dichter zum Abschluss der Acte und gewisser
Abschnitte verwenden-, gebrauchen Scheidt und Fischart
häufig am Schlüsse der CapiteR
Im Jahre 1573 behandelte Fischart wieder ein gro-
bianisches Thema im 'Flöhhaz', zeigt aber hior ausser einer
wörtlichen Übereinstimmung keine engere Beziehung zu
Scheidt4. In dieser Zeit schrieb er vielleicht, auch durch
seines Lehrers Flugblätter veranlasst, eine 'Volleseuord-
nung 5.
Endlich ist der Grobianus auch ein Vorläufer von
Fischarts Geschichtklitterung0. Schon das Original, Rabelais'
Gargantua,^ stellt das Urbild aristokratischer Schlemmeroi
jener Zeit dar. Fischart aber hat in seiner freien Übertragung
und in den überreichen Vermehrungen das grobianische Ele-
ment dieses Fürstenbildes sehr verstärkt. Des Vaters Grand-
goschier Appetit, seine Thesen und Beweisführungen 7
würden auch dem Helden Dedekind-Scheidts alle Ehre
machen. Auch citirt und erwähnt Fischart öfters Scheidts
1 z. U. V. 225 ff. Auch edel gstein , vnd perlin <jut , Daß tnans
an d'nu8en he ticken thüt. Solch yiit hat 'dir das glück nit bschert, lirumb
hör was zu deiner nasen Jiört usw.
2 Kachel , Heimbrechung und Dreireim im Drama de» Hans
Sachs etc. Progr. Freiberg 1870.
3 Im Eulenapiegol Reimonsweiss 15 mal, im Grobianus 7 mal.
♦ Fischarts Flöhhaz. Neudruok, Halle 1877 V. 1283 f. und Sohoidt
V. 73 f.
5 8trauch, Viorteljahrschrift f. Lg. 1, 97.
« Gervinus 31, 202.
' Fischarts Geschichtklitterung. Neudruok, Halle 1886. S. 69—73.
ö. 60-62. 8. 76-87. 8. 57, 59, 82.
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122
V. CAPITEL
Grobianus1, verwendet die gleichen Redensarten* und er-
weist eine nähere Verwandtschaft mit dieser Schrift in
seinem achten Capitel, der Trunkenlitanei.
F1SCHARTS TRUNKES LITANEI.
Fischarts Trunkenlitanei bildet den Gipfelpunct aller
Darstellungen wüster Gelage. Mit unnachahmlicher Meister-
schaft hat Fischart in diesem Capitel der Gesehichtklitterung
den tatsächlichen Verlauf einer Kneipe festgehalten, dem
Charakter einer geisselnden Satire gemäss alles Derbe und
Gemeine stark aufgetragen, doch in allen Einzelheiten des
Bildes das wirkliche Leben nachgezeichnet. Neben der
treuen Beobachtung seiner Umgebung flössen ihm noch
ältere und jüngere litterarische Quellen, die ihm sowohl fin-
den ganzen Aufbau und den Gang der Handlung, als auch
für die reichlich mitgetheilten Gespräche, Spottreden,
Sprüche und Schlemmerlieder Vorbilder und Fundgruben
waren. Bereits die älteste Kneipschilderung in der 'Wiener
Meehrfahrt' (1254-1283) enthält im Keim alle Motive und
Mittel zur Darstellung eines Saufgelages. Hier schon die
mannigfaltigen, aber in typische Unterabtheilungen ge-
gliederten Unarten und Thorheiten der Berauschten, ihre
tollen Gespräche und Prahlereien, die allmähliche Steigerung
aus den Anfängen harmloser Freude bis zu dem lärmenden,
eklen Ende mit allgemeiner sinnloser Verwirrung und den
unheilvollen Wirkungen des schweren Rausches. Hugo von
Trimberg, der in seinem Renner die Fabel der Wiener
Meerfahrt aufnimmt (V. 10210 ff.) überbietet in drastischen
Häufungen die Kneipdarstellung der letzteren und verzeichnet
in langer Reihe die verschiedenartigen Thaten der Be-
zechten. Den Mittelpunct von Wittenweilers 'Ring* (vor 1453)
1 S. 25 und sohroibt hier aus dem Grobianus ab : V. 95 f.
V. 105-108. V. 111—114. Ferner Cap. 24. (Schoiblos Kloster 8, 296.)
Des Grobians zwölf Tafeln. Cap. 43. (Scheible S. 405) Anspielung auf
Scheidt V. 223—231.
* Wackernage) 8. 56. Anm. 125, ausserdem Scheidt V. 3949
u. 3951 gloich Geschichtklitterung Cap. 43 S. 462 u. unten S. 128.
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KIHCHAKTtt TKt/NKENLITANEI
123
bildet eine Bauernhochzeit1, auf der im ausgesprochenen
Gegensätze zu den Regeln der Tischzucht gegessen und ge-
trunken wird. Keiner wäscht sich vor dem Mahle die
Hände, jeder hält das Brod heim Schneiden an die Brust,
lässt Speise vom Mund in die Schüssel triefen , erfasst
den Krug mit beiden Händen, schlürft aus den Schüsseln
und legt sich mit den Ellenbogen auf den Tisch. Die Gäste
trinken, bis es ihnen an Athem gebricht, bis die Augen
übergehen , die Ohren niederhangen und der Gürtel platzt.
Sie verlangen vom Wirth immer weitere Getränke, indem
sie sich dabei auf ärztliche Vorschriften oder auf volks-
tümliche Redensarten berufen; sie erlauben sich mit einer
von Gang zu Gang wachsenden Roheit immer derbere
Scherze, immer unanständigere Gebärden, bis die Witze und
Hohnreden in eine allgemeine Prügelei ausarten. In Brants
Narrenschiff liefert der Holzschnitt zum 16. Capitel einige
Wirthshaustypen : ein Feinschmecker der schmunzelnd
einen ganzen Schinken zum Munde führt, ein renommistischer
Biersäufer der ein ganzes Glas geleert hat und einen
schwächeren Trinker zum Bescheid zwingt, ein anderer
der nach der Kanne greift weil ihm das Glas zu klein ist,
ein Schwärmer der in die Luft hinein declamirt, ein
Mürrischer der im Hintergrunde dem ganzen Treiben zu-
sieht2. Und im 72. Capitel taucht mitten in den Witz-
reden das neue Evangelium der deutschen Schlemmer das
epicureische post mortem nulla voluptas auf. V. 76 ff.
nach dem strafenden Bibelwort: Lasst uns fröhlich sein und
prassen, dieweil wir noch leben, nach dem Tode gibt es
keine Freude mehr; niemand hat uns noch von Hölle und
Himmel erzählt, der dort gewesen wäre.
Im XVI. Jahrhundert waren Saufgelage der gewöhn-
lichste Zeitvertreib in vielen Kreisen. Starke Anspan-
nung der körperlichen und geistigen Kräfte verlockte
die Menschen zu ausserordentlichen Genüssen; ausserdem
suchten breite Schichten des Volkes, deren Gut und Blut
* ed. Bechstein, Stuttgart 1851. Litt. Verein Nr. 23 V. 34d— 38°.
2 Zarncke S. LI Anni. 1.
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124
V. CAPITEL.
durch die dauernde Unsicherheit der Verhältnisse, stete
Kämpfe und ansteckendo Krankheiten jeden Augenblick ge-
fährdet oder verderbt wurde, ihre Sorgen und Qualen
bei den Scherzen zügelloser Kneipgenossen und bei den
Phantasiegebilden, die der Rausch erzeugte, auf Stunden zu
vergessen. Zahlreiche volksthümliche Schlemmerlieder hul-
digen dieser Richtung. Sie besingen den Genuss des Augen-
blicks, verklären dichterisch die Armuth und preisen den
Leichtsinn. Sie begrüssen den Wein als Buhlen und lieben
Freund und lassen ihn mit reicher Einbildungskraft in den
verschiedensten Gestalten auftreten. Sie schildern in rea-
listischer Zeichnung das Treiben der Zecher, wie sie einander
zutrinken, den Rundtrunk um den Tisch senden, Saufturniere
abhalten und den Wirth hohnnecken.
Aber auch die Lehrdichter, als Gegner der Trunksucht
schildern Gelage. Sie warnen vor diesem Laster nicht nur
durch die Darstellung seiner schädlichen, vernichtenden Folgen
für Seele und Leib, sondern auch durch die abschreckende
Schilderung des lächerlichen und widerlichen Verlaufs einer
Kneipe und der mannigfaltigen Wirkungen des Rausches
auf verschieden geartete Personen. Die Erfurter Scherz-
rede, Franck (Von dem Laster der Trunkenheit) Friederich
(Wider den Saufteufel) und — von diesen abhängig —
Obsopöus (De arte bibendi), Nigrinus (Wider die Bacchanten),
Scheidt in seinem ersten Flugblatt und im Grobianus 1. Buch
Cap. 8., Dedekind in der zweiten Fassung des Grobianus III, 2
und andere entwerfen zusammenhängende Bilder vom Treiben
der Schlemmer. Auf der Kneipe, so erzählen sie, werden
Halbe und Ganze vorgetrunken nicht nur aus Gläsern und
Bechern, auch aus Kannen und Kübeln, aus Küchengeschirren,
Stiefeln und Hüten, ja oft aus den unsaubersten Gefässen \
Wer im Bescheidthun säumig ist, den trifft unbarmherzige
Verhöhnung. Die Sauglocke wird geläutet2, die Zecher
1 Friederich 2. ed. N 3. Dedekind , Grobianus , 2. Ausgabe III, 2.
Albertinus, Der Landstärtzer Guaman 1615 S. 472.
a Franck C 4. Obsopöus E 4b. Dedekind a. a. 0. Brant, Narren-
schiff 72, V. 9 u. 21.
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FISCH ART8 TRÜNKENLITANKI. 125
fluchen und schwören, plaudern das Geheimste aus und ver-
breiten ihre eigene Schande. Andere hinwiederum lügen, dass
sich die Balken biegen, rühmen ihre Weiber und Kinder, prahlen
mit ihren tapfern Kriegsthaten \ erzählen von fernen Landen,
wundersamen Menschen und kühnen Rittern. Viele fangen
Streit und Hader an, andere springen toll umher wie Affen
oder beweinen ihr 'trunken Elend'2; etliche fressen Kerzen
und Gläser, die Ärgsten entblössen sich zum Gelächter der
Genossen, machen ein 'Hof recht für die Hunde und singen
die 'Trunken Metten* , dass lange Noten zu Boden fallen 3.
Jeder wird zum Trinken genöthigt: aut bibat aut abeat',
mit den Wölfen muss man heulen. So geschieht's, dass
mancher unter der Bank liegen bleibt oder auf dem Heim-
weg Rock und Mütze verliert. Am nächsten Morgen
richten sie durch Branntwein ihre schmerzenden, wirren
Köpfe wieder ein und rühmen einander, wie sie am Abend
vorher 'das Rädlein fröhlich herumgehen Hessen' und alle
anderen darniedersoffen4. Hat die Besinnungslosigkeit und
Verkommenheit der Zecher den ärgsten Grad erreicht, so
werden freche Scherze über heilige Dinge laut, die Be-
rauschten beginnen zuerst von der heiligen Schrift zu reden,
erheben Zweifel an Christi Gesetz und Gnade, schwören
und fluchen bei Gottes Leiden, beschimpfen die Priester,
läugnen die Höllenstrafen und lästern Gott5.
Was diese und verwandte Kneipschilderungcn an Mo-
tiven darbieten und alle Mittel wirksamer Darstellung, die sie
versuchen, hat Fischart in seiner Trunkenlitanei ausgeführt,
aufgehäuft und überboten. Aber ohne epische Beschreibung!
Er gibt uns nur eine verwirrende Fülle von Witzreden und
1 Franok u. Obsopüus ebenda. »Scheidt, Grobianus S. 67.
2 Scheidt I V. 34. Frnnck K 4b. Schertlin bei Strauch S. 89.
V. 9 ff.
8 Franck , Obaopöus a. a. O. Friederich 2. ed. N 3. f. Scheidt,
Orobianus S. 37 f.
* Obsopöus F. Friederich 2. ed. 0 2. Nigrinus S. 40 ff. u. a.
5 Obsopöus B 2. K 3b. Zarncke, Deutsche Universitäten im MA.
S. 121. Pauli, Schimpf und Ernst 8. 183 Nr. 280. Albertinus, De con-
vjvii« etc. S. 27b.
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126
V. CA ITTEL.
Tischgesprächen verschieden gearteter Zecher, Schlemmer-
liedlein, Citate, Wortspiele, Redensarten und Anspielungen
auf die Zustände und Misbräuche der Zeit und zwar mit
solchem Geschick verwerthet, mit solch folgerichtiger
Steigerung zum Drastischen hin, mit so vollendeter Rea-
listik und Anschaulichkeit, dass uns aus den gedruckten
Zeilen förmlich der jauchzende Chor der Kneipsänger, das
Geschrei der Bezechten, der betäubende Lärm der vorge-
schrittenen Stunde entgegentönt. Natürlich hat Fischart
hier auch das entsprechende (5.) Capitel Rabelais' benutzt *.
Gleich im Beginn: die Aufzählung der verschiedenen Trink-
geschirre, die Rufe nach neuem Wein, die Aufforderung
vom Trinken zu parlieren. Aber wie dürftig erscheint
Rabelais' Darstellung gegenüber dem üppigen Reichthum
Fischarts, der für jeden Begriff, für jede Redensart des
Originals bis zum Übermass synonyme Ausdrücke und
deutsche Sprichwörter aufeinanderhäuft. Der Rundgesang
hebt bei Fischart immer wieder von neuem an. Und an
den Wortlaut der mitgetheilten volkstümlichen Lieder
schliessen sich scherzhafte Wechselreden an. Ein Lied wird
parodirt, das andre gibt Anlass zu Schimpfnamen,. Bei-
fallsbezeigungen oder Hohnreden. Der Wirth und die Wirthin
mengen sich in das Gespräch. Kleine Gruppen rücken zu
Trink- und Würfelspielen zusammen. Schwänke, gelehrte
Anekdoten werden vorgebracht, lateinische Verse citirt
bis wieder ein kerniges Lied dieses Tintendeutsch unter-
bricht. Wein und Bier messen in Strömen und steigen den
Kneipanten gewaltig zu Kopfe. Die Gespräche drehen sich
bald nur noch um das Trinken. Wer viel verträgt wird
gerühmt, der Mässige verhöhnt. Für neue Züge werden
die albernsten Gründe erdacht. Den Grazien zu Ehren wird
dreimal getrunken, auf die Musen neunmal. Mit viel gro-
teskeren Kosenamen als in den Weingrüssen wird dem
edlen Nass geschmeichelt. Aber auch von seinen unan-
genehmen Wirkungen auf dem Heimweg und am Morgen, von
1 Vgl. Ganghofer, Fischart u. seine Verdeutschung des Rabelais.
Mflnchen 1881. S. 27-37.
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FISCHARTS TR U N KEN L1TA N EI .
127
der Gardinenpredigt der Hausfrau ist die Rede. Die üblen
Nachwehen stellen sich bald ein, dem Sodbrennen und
Rülpsen folgt St. Urbans Flage, dass die Noten klafterlang
zur Erde fallen und vom Hausknecht ausgekehrt werden1
(S. 147). Und wie Rabelais die Zecher gotteslästerliche
Witze reissen lässt: In meinem Mund ist Gottes Wort,
Sitio, ich dürste usw., so unterhalten sich auch die Be-
rauschten bei Fischart (S. 146 und 150) über Himmel und
Hölle und parodiren die Dreieinigkeit: Das walt sie der
V atter Der Son trinckt ; das walt sie der Teufel. Die all-
gemeine Verwirrung und Besinnungslosigkeit hat den höchsten
Grad erreicht, hie und da erhebt sich ein heftiger Wort-
wechsel oder eine Prügelei. Die Gespräche werden immer
unverständiger und unflätiger, die Lieder immer unge-
reimter; die dreistesten Vergleiche, die krausesten Ideen,
Philosophie, altdeutsche Heldensage, Schlaraffenland, Worte
in fremden Sprachen, die obscönsten Witze, die tollsten
Laute, das alles tönt und schwirrt durcheinander, bis end-
lich auch die tapfersten Zecher unter dem Tische liegen
bleiben oder mit Mühe und Noth heimwärts taumeln.
Trotz Fischarts umfassender Kenntnis der heimath-
lichen Zustände, der volksthümlichen Lieder, Redensarten,
Trinkregeln usw. ist anzunehmen, dass dieser für manche
seiner Zusammenstellungen ältere Compendien, die uns noch
unbekannt sind, unmittelbar benutzt hat. Sicher ist nur,
dass er die Erfurter Scherzrede De generibus ebriosorum
stellenweise ausgeschrieben hat - und dass mehrere seiner
• Vgl. darüber oben S. 22 u 125 Anni. 3, Friedend), Saufteufel
2. ed. N 3b Das er anfehet die truncken Metten mit den langen Nolten zu
singen. Scheidt V. 1018 tnd singst mit dicken notten und Kaiidbem.
S. 37 Nr. 0. Wickram, Irreitend Hilter S. LV1 /darinnen sie die resper
xangen, Das an den wenden bliben hangen, Die nofhen. Ähnlich Uell-
bach 13 lb Saiten klingen.
2 Die Zusammensetzungen mit Löffel (Fischarts Trunkenlitanei,
Neudruck S. 131) ist sicher angeregt durch die allerdings kürzere
Reihe in De generibus ebriosorum (Zarnckc, Die deutschen Uni-
versitäten im Mittelalter S. 124) : leßehneiiler sewlejfel, genßleffel usw.
Ferner Fischart S. 142 Z. 9 Ede bibe lüde usw. besonders aber von
Z. 21 ab Nun ist bibendum, nun pede libero . . . stimmt nahezu
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12S
V. CAI'ITRL.
Liederanfänge, Sprichwörter und Kneipwitze J sich auch in
älteren Schriften der Trinklitteratur z. B. in Bocks 'Der vollen
Brüder orden 1 dann in Lindeners Katzipori2 und in Scheidts
Grobianus vorfinden.
Abgesehen von den Motiven, die allen Kneipschilde-
rungen gemeinsam sind, zeigt Fischart noch weitere Be-
ziehungen zu Scheidt. Er führt ähnliche Gespräche mit
dem Tischjungen aus, erzählt von den Hunden, die sich in
der Kneipstube ungebührlich benehmen 8, erwähnt den Rath
der Ärzte sich zweimal im Monat zu besaufen und Ähn-
liches4, verwendet dieselben Trinkregeln5 und anj vielen
Stellen dieselben Redensarten c\
Noch in den jüngeren Werken Fischarts sind, aller-
dings nur spärlich verstreut, einzelne Spuren des Grobianus
zu entdecken7.
Aber auch durch seine 'Lobrede von wegen des Meyen*
geht Scheidt in mehreren Puncten seinem Schüler voran.
Eine in der Lobrede kurz angedeutete Skizze vom Krieg
der Weiber mit den Flöhen gehört mit zu der Vorgeschichte
wörtlich mit DGE 8. 121 Z. 4 ff. überein. Dann citirt DGE den An-
fang des Liedes; Kein besser freud auß Erden. Fischart schreibt das
Lied bis zu Ende auf, kommt aber S. 143 Z. 26 mit der Erwähnung
des Schlaraffenlandes wieder zu den Ausführungen von DGE zurück.
Die Redensart bei Fischart S. 140 Z. 23 f., die Schimpfname« Z. 15 f.
u. ähnliches finden wir auch bei DGE S. 124 f.
• Fischart S. 125 Z. 7 f. S. 141 Z. 21 f. und noch einmal S. 140.
Z. 15 f. stimmt überein mit Bock A4 und D3 (Strauch S. 95).
» Fischart S. 141 Z. 1 und 8. 135 Z. 18 berührt sich mit Lin-
deners Katzipori Nr. 78 und S. 188.
s Fischart 8. 130. Scheidt 8. 51. S. 8G f. u. a.
♦ F. 8. 135. Z. 1. 8ch. V. 1010 ff. - F. S. 149. Z. 9 ff. 8ch. V. 2927 ff.
» F. 8. 148. Z. 29 ff. Sch. V. 2357 ff.
6 F. 8. 126. Z. 24. Sch. V. 1557. - F. 8. 128 Z. 5 f. Sch. Rand-
bem. 8. 58. — F. 8. 129 Z. 11 f. Sch. Randbem. 8. 32. — F. S. 140.
S. 23. Soh. V. 1569. - F. 8. 151. Z. 20. Sch. Randbem. S. 60. —
F. 8. 153 Z. 3. t. u. 8ch. V. 817 usw.
7 Im Philosophischen Ehzuchtbüchlein 1578 citirt Fischart zu
einem Wortwechsel zwischen Mann und Frau : criminor te kratzenor
ä te (Scheibles Kloster 10, 641), wie Scheidt an einor ganz ähnlichen
Stelle (8. 116).
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FISCH ARTS TKU.NKENL1TANKI.
129
des Flöhhaz In der Aufnahme neuer französischer Strophen-
formen und Melodien, welche Scheidt hier zum ersten Male
versuchte2, folgt Fischart ebenfalls den Spuren seines
Meisters. Er verdeutscht französische Rondeaus und Alle-
mand d'amours in den Tönen des Originals und übersetzt
im Jahr 1576 französische Psalmen in den Versmassen
und Weisen, welche ihnen die evangelische Kirche in Frank-
reich gegeben hatte :\ Die gleiche Freude an der Natur,
welche Scheidt erfüllte, spricht auch aus Fischarts 'Lob des
Landlustes 4, einer freien Bearbeitung der Epode des Horaz,
Beatus ille. In umfangreichen selbständigen Erweiterungen
entwirft Fischart hier ein überaus anmuthiges Bild von den
Heizen der ländlichen Natur. Und wie Scheidt im ausge-
sprochenen Gegensatze zu den Schlemmern die Schönheit
des Mai preist, so wendet sich auch Fischart in seinem
Lob der Laute'5 direct gegen die vollen brüder. Lasst diesen,
so ruft er aus, ihren Bratspiess, Bier und Wein,
Vnd harnten klopfen, glässer brechen
Der thon tvürd sich icol an jn rechen
Vnd jhn zerst&ren leib vnd seel,
ich aber lobe mir den süssen Seitenläany . . Und mit warmer
Empfindung rühmt er dann die veredelnde nachhaltige
Wirkung der Frau Musica.
Beide, Scheidt und Fischart, gehören nicht zu jenen
Satirikern, die wie etwa Braut alle Laster ihrer Zeitge-
nossen mit ascetischer Strenge, mit einer Verbissenheit,
die jeden heiteren oder hoffnungsvollen Gedanken ausschliesst,
verdammen. Scheidt und Fischart bieten in ihren satirischen
Schriften reichliche Mittel zur Verschönerung und Veredlung
des Lebens, zur Milderung der Übel dar. Ihr Streben geht
dahin, die Besserungsfähigen von jenen, die in der Nacht
des Lasters wandeln, zu den lichten Höhen eines frommen
und schönen Erdendaseins emporzuführen.
» Wackernagel, Fischart S. 107 Anm. 230
* Vgl. oben S. 107 f.
* Wackernagel S. 124. Erich Schmidt, A. d. B. 7 S. 45.
4 ed. Kurz III, besonders V. 705 — 730.
5 ed. Ooedeke, Dichtungen von J. Fischart S. 253 ff.
qf. i.xvi. \)
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ANHANG.
1. DIE WORMS ER BEARBEITUNO DES FREIDANK VOM
JAHRE 1338.
Goedeke spricht in seiner Einleitung zu den Dichtungen von
J. Fischart S. XXII f. die Vermuthung aus, dass die neuen Ausgaben,
die von 'Freidunk' löJW. von der 'äusunna' Rebhuns lf)38, vom
'Sehlauralten Lanut' 1541 in Worms bei Seh. Wagner erschienen sind,
durch Scheidt bearbeitet wurden. Da Wagner der Vorganger von
Gregorius Hoffmann, dem späteren Verleger Seheidts, ist, da ferner
einige Zusätze der nouen Freidank-Ausgabe Themata der Trinkliitc-
ratur behandeln, so entbehrte diese Vermuthung nicht jeder Grundlage.
Sie kann trotzdem bei einer näheren Untersuchung nicht bestätigt
weiden. Die vier Abschnitte über die Trunkenheit auf Iii. XVIII und
XIX der Wonuser Ausgabe stimmen wörtlich überein mit einzelnen
Partien aus Leonhaid Sehcrtlin« 'Künstlich trinken' (Strassburg 1538)
und zwar bie Trunckenheyt zu jren dienern von Merckt di/J ist meiner
diner Ion bis l ud also Nobis huuß erwirbt mit Schertlin Bi] u. B4;
dann Klay übers ziisaufftn von 0 Gott vom himmcl sihe darein bis Il-
leben ehe verlassen yar mit Schertlin C lb u. C 2 (abgedruckt von
Strauch, Vierteljahrsehrift für Liiteraturgeschh-hte 1 S. 88 f.; V.3-10
fehlen im Freidunk); Ziculff eygenschafft der Trincker von Zuülfl
eyymsehufft ich zeyy hie an bis Wieteol jn Qot das selb hat bschei't mit
Sehcrtlin C 4 (bei Strauch S. 89 f.), endlieh Von schaden da' truncken-
heyt durch exempel anyezeyyt bis Die thund den hüten vil zu leydt bei
Schert» n D 2 u. D2b.
Die anderen eingeschobenen Capitel Von dem Ehlichen standl
(eine Aufzahlung berühmter keuscher Ehefrauen aus der Bibel und
der alten Geschichte) und Von nutz der Messen, Von Rom vnd dem
Bapst (protestantische Tendenzpoesie) sprechen nach keiner Richtung
für Scheidt als Verfasser.
In der Wormser Bearbeitung von Rebhuns Susanna sind die
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ANHANG.
131
antikiMi V rsmasse in die gebräuchlichen Reimpaare umgeschrieben
und alle Feinheiten der Form plump zerstört worden. Sollte diese
Arbeit von demselben Scheidt besorgt sein, dessen reges Interesse für
neue Motra oben (S. 1<>5 ff.) dargelegt worden ist?
2. ZU SCHEIDTS FRÖLICHER II KI MF ART.
Auch in seinem dritten Werke 'Die frölieh Heimfart' verleugnet
Scheidt nicht seinen Oroll gegen die Schlemmer. Er beklagt sich in
der Vorrede üb°r die Vielen, die irie die vnuernünft igen Bestien
als JCjn'atrische sew* dahin leben rnd nichts anders int mund haben
dann Iriß, spil vnd sauff zu diser Frist* Dann nach dem todt kein trollust
ist2; er sagt an einer Stolle B 2 im Sinno seines Maienlobs: So
schmackt jr baß des Brunlins ström, Dann der gut Griechisch teein zu
Born, er gedenkt bei Gelegenheit einer Götterversammlung M 2 verächtlich
de« Bacchus, Bachus der trang sich auch mit ein, Vnd bracht mit jm
ein flaseh toi icein; er behauptet M 4 ähnlich wie in seiner Vorrede
zum Orobianus (S. 4 ): Wer nicht Geld mit bringt und wäre es Homer
selbst, der wurde nirgends aufgenommen werden — So aber einer mag wol
saufen, «o liebt man ihn, In allen Hufen kom/d er toi, Vnd uürt geuent
ein weidlich Man.
Scheidts 'Frölicho Heimfart' gehört zu der überaus reichon Eho-
litteratnr des XVI. Jahrhunderts. Im Gegensatze zu der geringon
Achtung, welche sonst dem weiblichen Geschlecht dieser Zeit gezollt
wurde, ehrte man in der nouen evangelischen Kirche, welche die jung-
fräuliche Himmelskönigin entthront hatte, aus praktischen und moraliHchon
Erwägungen dio bravo Gattin und Hausfrau, einen frommen und glück-
lichen Ehestand. In zahllosen Gospräehcn, Komödien, GelogenheitH-
dichtungen und Abhandlungen pries man — besonders in der zweiten
Hälfte des Jahrhunderts — dio Ehe und auch Fischart betheiligte sich
im Jahre 1578 durch sein 'Philosophisch Ehozuohtbüchlein' an die»er
Litteratur. — Scheidt beschreibt in seiner 'Frölichon Heimfart' das Leben
und dio Ehe der im Jahre 1552 verstorbenen Frau Anna geb. von
Erntrawt und widmet es dem betrübten Witwer Jacob von Wachen-
heim als Trostschrift. Durch Johann von Schwarzenbergs 'Kummertrost',
der im Jahre 1534 aus einem ähnlichen Anlasse entstand, wurde Sohoidti
wie er selbst gesteht 3, zu seiner Arbeit angeregt, hielt sich aber in
» Vgl. Strauch 8. 75 Anm.
a Epicurs Edo lüde übe; vgl. Fischart, Trunkonlitanot, Noudruck
142 und oben S. 127.
* Vorrede A 2. Der Kümmert rost so weilend Herr J. r>. Sch. in
absterben seiner Haußfruwen, beyde loblicher gedechtnuß, jm zu trost
sellbs geschriben hat . . Hat mich für gut angesehen, ettwas dergleichen
auffs erst zu beschreiben.
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132
ANHANG.
Beinen Ausführungen völlig unabhängig von jenem. Nur die Vorrede,
in der 8cheidt berühmte Frauen der Bibel, der Griechen und Römer
als Vorbilder nennt, die Verderbtheit der gegenwärtigen Welt beklagt
und auf den raschen Tod warnend hinweist , verräth Beziehungen zu
Schwarzenberg1. Scheidt hat aber seinerseits zweifellos auf Jörg
Wickrams 'Irreitend Bilger' eingewirkt, der 1550 gedruckt wurde, doch
schon im Fröhsoromer des Jahres 1555 fertig war2. Wickram hatte
keinen bestimmten äussern Anlass wie Scheidt, aber auch keinen innern,
die Schrift zu verfassen. Er erklärt in seiner Vorrede, er habe sich
in seiner Krankheit zur Zerstreuung nach einem schriftstellerischen
Thoma umgesehen. Da fiel ihm wahrscheinlich Scheidts 'Frölich Heim-
fart' in die Hände, denn seine Erzählung ist eine gerade Fortsetzung
der Scheidtsohen. Diese borichtet nämlich im Sohlusscapitel , der
Witwer habe sich dem Lesen der heiligen Schrift und anderer Trost-
bücher hingegeben, um vor sinnlichen Anfechtungen und der Not-
wendigkeit einer neuen Heirath bewahrt zu bleiben. Hier setzt Wickram
zunächst mit Reminiscenzen aus dem „Ackermann von Böhmen"
(E. 8chmidt, Archiv 8, 327), ein; der Held seiner Erzählung ist ein
Witwer, der in einsamer Zurückgezogenheit gelehrte und fromme BGcher
liest, doch trotzdem von sinnlichen Anfochtungen geplagt wird. Um diese
zu ertödten unternimmt er eine Reise, deren Wochselfälle den weiteren
Inhalt der Erzählung bilden.
Scheidt und Wickram klagen in ihren Vorroden über ihr'Hauptweh',
crmahnen dio Menschen mit einem Hinweis auf den plötzlich eintreten-
den Tod zur Busse und ciriren 8irach , Hiob usw. Beide beschreiben
einen Garten, Blumen und Brunnen9, beide berichten gegen das Ende
der Darstellung Thatsachen, di» sich früher ztigotragen haben, beide
gebrauchen Figuren der antiken Mythologie sehr häufig und unbedenklich
neben Christus und seinen Engeln* und berühren sich hie und da nahezu
wörtlich.
Man vorgleiche folgende Stellen.
Bei Wickram S. LXX Boi Scheidt Bf. (Viele Vögel
Die vogel sungen, das es zw Uzet t singen)
Die Nachtigall süs Tünorirt Da ztvitzert manches züngle in
Die Lerch dar un der discantirt. klein . .
» Der 'Kummertrost* ist abgedruckt in Sehwarzenborgs 'Der Teutach
Cicero', Augsburg 1534. Für Scheidt wichtig Bl. CLIX, CLVII u. CLI .
a Dio Vorredo ist unterzeichnet am Petri u.Pauli-Tag(29. Juni) 1555
> Bei Wickram 8. LXXXIIII, bei Scheidt M 4.
4 Bei Scheidt z. B. gleich im Beginn, wo der Invocatio pia eine
Invooatio poetica folgt, oder L 1 : Phöbus führt, von Engeln begleitet,
die Seele in den Himmel.
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ASHANG
133
Die Trostel und die Ameltz gilt
Sungen den Alt mit /reifem tnut
Der Distelzweig vnd Gintlein
klein
Sungen gar stark den Alt mit ein
Dadurch der gantz wald über all
Ertönen thet von solchem hall,
dasses den Reisenden ausserordent-
lich gefiel >.
Die Troschel vnd fraw Nachtigall
Hört man vor andern rSgel all.
Die Troschel fürt st ei ff den Tenor
Die Lerch den Alt sang hoch
entbor :
Ein Di sie If i n k h ich den Di s-
cant
Fraw Nacht igalt braucht jm Vagant'
Auch ein par Turteldauben saß
Die fürten jn darzu den Baß
In Harmnny die fanden sie
Baß dann ichs kann beschreiben hie'
Und an oiner andern Stolle genauere Beziehungen.
Wickram 8. XIX beschreibt
Gemälde :
Ja wann Apelles dis ab-
sanken
Gtnalt het, dürfft er sein
n it schamm e n
Oder der künstlich Teurer zart
So Z'nürenberg vergraben war dt
Der sein kunst hat so weit außbracht
Daß sein würt ewig werden
g da cht.
Dazu die Randbemerkung: Apel-
les der aller ber&mptist maier ge-
wesen bei den alten. Albrecht Teurer
aber zuNierenberg bey vnsern Zeiten.
Eine ahnliohe Stolle forner
8. LXXIX-
Dis alles stund gemalt so schon
Als wanna Apelles selb het
gton
Der aller Maler maister was,
Wiewol zu unsern Zeiten sas
Albrecht Teilrer zuNtlrenberck
Sogmacht hat manig künstlich werk
Ob schon Apelles wider kumen
Er het im gwiß kein bensei
gnummen.
Scheidt F. 4 boschreibt don
Grabstein der Frau:
Von Malern auch Apelles kam
Der gute Meister mit jm nam
Es war auch hoch geacht bei jnen
Der thewr berumpt vnd hoch von
sinnen
Alb recht Durer der scins Ver-
stands
Ein zier war gantzen Teutschen
lands
Sein Werck noch machen offenbar
Wie trefflich vor jr Meister war
Farnemiich ist der Taflen ein
Noch in einr statt ligt an dem
Main
Solt sie Apelles han ge-
mach t
Er het sich noch viermal
bedacht
Ich gsweig der Kunststück die er hat
Gstochen in der werden Statt
On was er sun&l in Truck hat geben
Des muß sein Nam auch
ewig leben.
« Das Volkslied vom 'Ritt durch den Wald' (Böhme, Altd. Liedor-
buch 8. 275 Nr. 189) hat vielleicht auch auf Wickram eingewirkt, doch
ist noch über dieses hinnuH diu Verwandtschaft mit Scheidt auffällig.
Die 8tclle des Volksliedes lautet: (Ich hörte singen) die röglein jung
und alt, die Trossel und Frau Nachtigall, sie sungen von heller stimmen,
daß in dem wald erhal.
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134
ANHANG.
Inh erwilhne nur heilfiufi?, da«** auch in der NVerth^'h'i'Z'inij
Dürers Fiachart seinem Lehrer nachfolgt. In der Vorrede zu den Arcu-
rütae effigies 1.Y73, in welcher Fischart Oberhaupt mit grosser WSrmo
die Partei der deutschen Kunst gegenüber der fremden ergreift, rühmt
er Albrecht Dürer als Ku{dVr*teoher, das noch heutigen tages alle Volcker
sich seines fleiß im reissen vnd stechen hoben zu verwundern. Und später :
Xun diser Albrecht Durer hat ein solche an zahl fvrnnner Mdcr hin
mnd wider in Höcht eutschland erwecket das* sie >ille andern Nationen
übertreffen (Wackernajjel S 153 f.)
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NAMENS VERZEICHNIS.
Ackermann von Böhmen 132.
Albertinus, Agidiun 124 f.
Alberus, Erasmus 2S*
Amalie. Gräfin von Zweibrücken
und Biisch 98.
Amis üü.
Annolic«! 59.
Ayrer 12L
Bebel ßL 70 f. 22.
Bertholii von Ri-gensburg 'Sit.
Beza 105.
Bingius titi. 22.
Blois, Robert de, iE.
Boccaccio 8_L
Bock, Hieronymus 12.
Bockemeyer 88.
Bouer !L
Brandau, Sannt 22. 59 f.
Braut, Sebastian 19—25. 35 f . üL
HL 49— fr>. ÜL 58—61. LL HL
HL 103. 123 f. 129.
ßuwenburc 96.
Cato, der Deutsche 5. 7 — 9. LL 19»
28 f . 34. 49. ÜL Iß. 90.
Chaucer iL
Circe 43.
Cisnerus, Nicoluus 98 f. H12 f. 109.
Clara Hätzlerin 8. 92.
De generibus ebriosorum 32. 121 f.
Egenolf 59.
Epistolae obscurorum virorum 22.
Erasmus Boterodamus 22. 31 f.
Ernst, Herzog 2. 2L 59 f .
Erntrawt, Anna Ton 1 1 1. 1HL
Eulenspiegol, das Volksbuch 22 f. ßÜ.
Facetus 19* 22.
Fastnachtspiele 32. 74.
Fischart 22 f. 44. 4£ f. 54. 22. TL
8L 90. 1Ü1 f . 10& 110-129. 131.
134.
Flittner 4L
Folz, Hans 32.
Franck, Sebastian 69. L24 f .
Franz 1 von Frankreich IUI.
Freidank 8. LL 36. 24. 130.
Frey 65^ 22.
Friedlich. Matthen» 124 f. 12L
Friedrich II von der Pfalz 92 f.
109. LLL
Friedrich III von der Pfalz 105.
Geiler von Kaisersberg 24 f. 29.
5d f. 91 f.
Gengenbach 121-
Gestu Romanorum 51).
Grimmelshausen 23.
Grobiani Tischzucht '29—31. 35.
45 f . 18 f. 25. 8fi. aa f.
Gruter 03.
Hadloub, Johannes 96.
Hcoast us-Dramen 32.
Heinz der Kellner 2.
Helena von Simmern 98.
Hellbach Wendelin 45. OL 77—84.
8ß f . 90 f. 110. 12L
Höniger, Nicolaus 91 f.
Hoffmann, Gregorius 12. 130.
Hofzucht 2 f.
Hollonius, Ludwig SLL
13(»
NAMENSVEHZKICHMS.
Hugo von Trimberg 36. 74. 122.
(der Renner) 11. 60.
Isidor 59.
Johann, Pfalzgraf von Simmeru 98.
Kahlenberg, Pfaff vom 23. 37.
Karlsruher Tischzucht 11. 27.
Kautzsch, Michael 88.
Kienheckel, Peter 81-83.
Kinderzucht 13.
Kirohhoff, Hans Wilhelm 70—72. 81.
Kübels Tischzucht 27. 3S.
König Tirol 5.
Königsperger 103.
Kolros, Johannes 105.
Konrad von Würzburg 1 f.
Kornmann, Heinrich 92.
Kys 91.
Leodiui, Hubert Thomas 97. 109.
Lindener 38. 70 f. 91. 128.
Lobwasser, Ambrosius 10.'»- 107.
Locher, Jacobus 40.
Luther 22 f.
Markolf 37.
Marot, Clement 104 f.
Mclissus (Paul 8chede) 105- 107.
Mercurius, Johannes 99.
Montanus 38.
Moretus 19.
Murnor 2. 23. 25. 28 f. 36. 40. 42.
45-47. 54. 61. 75.
Neidhart Fuchs 96. 103
Nigrinus Georg 124 f.
Obsopöus 69. 124 f.
Opitz 83.
Ovid 45. 78. 104.
Pauli, Johannes 1. 22. 42. 59 f. 86.
125.
Petrus Alphonsi 5 f.
Philipp, Graf von Hanau 98.
Philipp, Graf von Leiningen 98.
Prodigus-Dramen 87.
Rabelais 121. 126 f.
Rebhun 105. 130.
Reiner us 19-21. 49 f.
Reuaus, Meister 74.
Roger Bull 89.
Rolandslied, das 59.
Roman do la Rose 18.
Rosenblür, Hans 37. 42.
Rossauer Tischzucht 10 f.
Rothe, Johannes 25.
Sache, Hans 13 f. 23. 42. 59. 8«.
89 f. 95. 100 f. 103. 121.
Scherffer, Wouzol 83—88.
Schertlin, Leonhard 43. 125. 130.
Scherz mit der Wahrheit 72.
' 8ch)aruffen]an<i, das Märchen vom
25 f. 130.
Schumann, Valentin 38.
Schwarzenberg, Johann von 131 f.
Siegburger Tischzucht 13.
Siegfried, der hürnen 27.
Sommer, Johannes (Variscus) 90.
Steinmar 96.
Studeutenlobon, Dramen vom 37.
Tannhäusers Hofzucht 2. 9 f.
Theocrit 99.
Thomasin von Zirelaria 4 9. 14.
36. 73.
Vergil 99. 104.
Vriolühoimer, der 60.
Wachenheim, Jacob von 131.
Wagner, Sebastian 12. 130.
Weinschwolg, der 36. 126.
Wickram Jörg 23. 54. 60. 72. 86.
91. 101. 120. 127. 131 f.
Wiener Meerfahrt 36. 122.
Wiosbeke, der 4 f. 15.
Winsbekin, die 73.
Wittenweiler 2. 60. 122 f.
Witzstat 101.
Witzlaw IV von Rügen 96.
Wolfenbüttler Tischzucht 14.
Zeninger 22.
Die Namen Dedekind und Scheidt, sowie dio der Büchertitol auf
S. 92 f. habe ich in das vorliegende Verzeichnis nioht aufgenommen.
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Verlag von Gebr. Henninger in Heilbronn.
Hochbedeutendes litteratur- und kulturgeschichtliches Werk.
QUELLEN ZUR GESCHICHTE
DES
GEISTIGEN LEBENS
IN
DEUTSCHLAND
WÄHREND DES SIEBZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
NACH HANDSCHRIFTEN
herausgegeben und erläutert
von
DR. ALEXANDER REIFFERSCHE I .
O. ö. PROPK8SOR DEtt DEUTSCHEN Pnil.OI.OOIK IK OKE1F8WAI.D.
I.
BRILFF G. M. LINGELSHEIMS, M. BERNEGG F. RS UND IHRER FREUNDE
Nach Handschriften
der kgl. Bibliotheken in Kopenhagen und Stockholm, der Stadtbibliotheken in Bremen,
Breslau. Danzig, Hamburg und Lübeck, der Universitäts-Bibliotheken in Leiden und
Stockholm, der Bibliothek der kgl. Ritterakademie in Liegnitz, des kgl. Staatsarchivs
in Breslau und des Reichsarchivs in Stockholm.
XIX, 1048 S. Lex. 8. geh. M. 30.—
Die „Quellen zur Geschichte des geistigen Lebens in Deutschland während des
XVII. Jahrhunderts'4 sollen in mehreren Bänden auf Grund planmassiger Durchforschung
der Bibliotheken und Archive Deutschlands sowie des Auslandes eine sorgsam gesichtete
Auswahl aus der reichen handschriftlichen Litteratur des XVII. Jahrhunderts geben,
welche freier und rückhaltloser auftritt, als die durch verschiedene Rücksichten ge-
bundene gedruckte, und daher auch in höherem Grade als diese das Verständnis des
damaligen Geisteslebens zu erschliesscn vermag.
Dieser 1. Band, der endlich nach langer Vorbereitung erscheint, enthält Briefe
aus dem Heidelberg-Strassburger Kreis«* , der eigentlichen Geburtsstätte der neueren
deutschen Litteratur. Den geistigen Mittelpunkt bilden der Geheimrat Georg Michael
Lingelsheim, <ier später in seiner Vaterstadt Strassburg lebte, der von ihm angeregte
Professor Matthias Bernegger und die von ihnen vertretenen Interessen. In einem An-
hange folgen Auszüge aus Briefen des Strassburger Schulrektors Job. Sturm an einen
vertiauten Freund. Nur wenige Briefe sind gedruckten älteren Sammlungen entnommen,
da sie zum Verständnis der übrigen unentbehrlich sind Die meisten waren bisher
ungedruckt.
Briefwechsel zwischen Jacob Grimm und Friedr. David
Graeter aus den Jahren 1810— 1813. Herausgegeben v.
Hermann Fischer. Geh. M. I. 60.
Briefe von Jacob Grimm an Hendrik Willem Tydemann.
Mit hinein Anhange und Anmerkungen hrsg. v. Dr. Alexander
Reifferscheid, ordentl. Professor der deutschen Philologie zu
Greifswald. Geh. M. 3. 60.
Briefwechsel des Freiherrn Karl Hartwig Gregor von
Meusebach mit Jacob und Wilhelm Grimm. Nebst
einleitenden Bemerkungen Ober den Vorkehr des Sammlers mit
gelehrten Freunden, und einem Anhang von der Berufung der
Bruder Grimm nach Berlin. Hrsg. v. Dr. Camillus Wendeler.
Mit einom Büdnias (Meusebachs) in Lichtdruck. Geh. M. 11. 50.
Freundesbriefe von Wilhelm und Jacob Grimm. Mit An-
merkungen hrsg. von Dr. Alexander Reifferscheid. Mit
einem Bildniss in Lichtdruck von W. u. J. Grimm. Geh. M. 4. — .
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Verlag von Gebr. Henninger in Heilbronn.
Die deutschen Neuphilologentage
Rückblicke und Wünsche
von
■glicßarö 3Kaßrcn$oCn.
Geh.' «0 4..
Internationale Zeitschrift
für
allgemeine Sprachwissenschaft
herausgegeben von
F. Techmer.
Abonnementspreis für den Band von 2 Teilen cH> 12. —
IV. Band 1. Hälfte. Mit 1 Stahlstich, 2 Tafeln und 8 Figuren.
Einzelpreis <?eh. *M> 7. 50.
Literatur tolatt
für
germanische und romanische Philologie
herausgegeben von
Professor Dr. Otto Belia«rhel und Professor Dr. Fritz Neumann.
AbonneraentHprpis für das Semester von 6 Nummern <M 0. —
IX. Jahrgang I. Semester.
Geh. Jix 5. —
Deutsche Litteraturdenkniale
des 18. und 19. Jahrhunderts
in Neudrucken herauatfeeebf n von
33ei:nljart> gieuffert.
2?. Briefe Ober Merkwürdigkeiten in der LHteratur (llerauftgegoben von Alexander
von Weile n.) Ernte und iwtnio Sammlung geh. M 1. SO., für Abonnenten M. 1. 4U.
'M. Über die bildende Nauhabmu .g den Schönen von Karl Philipp Moritx. (Heraus-
gegeben von 8. Auerbach ) lieh. 90 Pf , für Abonnenten 70 Ff. In eleg. Leinen-
band jeder Band 50 Pf. mehr. Hand 29 und 30 nach Erscheinen von Band 30 tu-
samtnengeb. »0 Pf. mehr.
Bit Darias
unfexcv g>prad?e.
£inc eaminluiift von VclFeauefcrucfcn
ton
Dr. ftranj SolntS.
®cl). M 2. -
Sdlriftfiiradic und 3)iafpftte im SftttfAcn
narfj 30uöiü(Tcii alter unö nsutr 3cit.
Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache
von
jUoff £octtt.
Geh. c& 10. -
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN
ZUR
SPRACH- UND CULTUßGESCHICHTE
DER
GERMANISCHEN VÖLKER.
HERAU8GEGEHEN
VON
BERNHARD TEN BRINK, ERNST MARTIN,
ERICH SCHMIDT.
LXVII.
ULRIC HS VON HUTTEN DEUTSCHE SCHRIFTEN.
ttNTRKSUCIIKNGKS NKJIST KINKK NACHI.KSK VON SIK1.I K1KI) SZAM ATÖt.SM.
STRASSRURG.
KAHL J. T K Ü Ii N E R.
18IM.
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ULRICH8 VON HUTTEN
DEUTSCHE SCHRIFTEN.
UNTERSUCHUNGEN NEBST EINER NACHLESE
VON
SIEGFRIED SZAMATÖLSKI.
/
STRASSÜUUU.
KAKL J. T M Ü K N K K.
1891.
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<7
U. Otio's Hol Buchdrucker«! in Darmutailt.
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MK1XKM VKI.'KIIKTKX LKlIHKIi
PROFESSOR DR ERICH SCHMIDT
IN TREUER DANKBARKEIT
ZUGEEIGNET.
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VORWORT.
In der Huttenforschung ist seit dem gewaltigen Fort-
schritt, den sie durcli Strauss und Pöcking erfuhr, ein Still-
stand eingetreten: mit der Darstellung des congenialen Bio-
graphen und der Sammlung des scharfsinnigen Editors schien
sie nach dem allgemeinen Urtheil zum Abschluss gediehen zu
sein. An ihre Stelle trat eine Litteratur, die sich fast aus-
schliesslich auf die Popularisirung der von jenen Forschern
erzielten Ergebnisse beschränkte und ihrerseits allenfalls nur
eine Verschärfung der politischen und confessionellen Ten-
denzen hinzufügte; so dass sich mehr und mehr das für die
Forschung leicht verhängnisvolle Wort von Strauss erfüllte,
eine Schrift über Ulrich von Hutten bedeute notwendiger-
weise Streit. Auch die vorliegende Schrift knüpft an die
Arbeiten von Strauss und Böcking an, jedoch nicht in dem
angedeuteten Sinne, sondern um ein von diesen durchaus
nicht erschöpfend behandeltes Gebiet von neuem zu durch-
forschen, das in litterarischer wie historischer Hinsicht einen
der wichtigsten Abschnitte in Huttens Schaffen bildet: die
deutschen Schriften.
Wenn diese Untersuchungen zu neuen Ergebnissen ge-
langt sind, so danken sie diese neben dem überkommenen
Material besonders der Entdeckung einer Fülle unbekannter
Urkunden. Meine Nachforschungen nach dem handschrift-
lichen Nachlass Ulrichs von Hutten setzten dort ein, wo
Böcking die Verfolgung der vom Begründer der Hutten-
forschung, Jacob Burckhard. aufgestöberten Spuren eingestellt
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vm
VORWORT.
hatte: in Eichstätt. Für die nicht ungegründete Annahme,
dass durch den Fürst-Bischof Moritz von Hutten dorthin ein
handschriftlicher Nachlass Ulrichs von Hutten gekommen sei,
fand sich jedoch kein Beweisstück, weder in den Bibliotheken,
die ich mit freundlicher Unterstützung des Bibliothekars, des
Herrn Prof. M. Romstoek selbst durchsuchen konnte, noch
in dem Archiv , für das ich mich auf die kundige Aussage
des Archivars, des Herrn Geistlichen Rathes Prof. M. Lefflad
berufen dnrf. In eine neue Bahn wurden die Nachforschungen
durch die gütige Unterstützung Sr. bischöflichen Gnaden des
hochwürdigsten Herrn Bischofs von Eichstätt Dr. Franz Leopold
Freiherrn von Leonrod gelenkt, der unter Hinweis auf analoge
Zeugnisse der eigenen Familiengeschichte die Vermuthung
aussprach, dass der fragliche Nachlass nach dem Tode des
Fürst-Bischofs an die Familie derer von Hutten zurückgefallen
sei. Eine Durchsicht des Würzburger Familienarchivs, die
auf Veranlassung des Besitzers, des k. b. Majors ä la suite
Karl Freiherrn vou Hutten der dortige k. b. Archivar, Herr
Reichsarchivrath Dr. A. Schäffler für mich vorzunehmen die
Güte hatte, war jedoch wiederum ganz ergebnislos. Hier ist
aber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen , dass sich Stücke
dieses Archivs, Ulrich von Hutten betreffend, noch in dem
Nachlasse des jüngst verstorbenen k. b. Generals Ulrich von
Hutten befinden. Ebenso wenig wie das Würzburger ergab
das Steinbacher Familienarchiv ein Beweisstück für den Eich-
stätter Nachlass. Aber die Ausbeute einer Durchsuchung dieses
bisher ganz unzugänglich gewesenen Steinbacher Archivs,
die der Besitzer Fritz Freiherr von Hutten mir persönlich
versprach und alsbald auch ausführte, war trotzdem über-
raschend reich. Dank der Güte des verehrten Gönners Jtanu
ich wenigstens das Hauptstück seiner Schätze veröffentlichen:
Huttens letzte deutsche Schrift, den 'libellus in tyrannos'. Und
noch ein drittes Huttenarchiv, aus dem bereits Burckhard,
wie ich später aus seinen Wolfenbüttler Collectaneen ersah,
ein Stück erhalten hatte, erschloss sich mir. Ich empfing
den Hinweis auf das Archiv von Birkenfeld durch die Güte
des Freiherrn Karl von Hutten, der mich auf diesen Stamm-
sitz der im vorigen Jahrhundert ausgestorbenen protestantischen
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VORWORT.
IX
Linie der Freiherren von Hutten aufmerksam machte. Dank
der gastfreundlichen Liebenswürdigkeit Sr. Erlaucht des (j rufen
Friedrich zu Ortenburg konnte ich das Birkeufelder Archiv
selbst durchsuchen : dns Ergebnis war, neben anderen wich-
tigen Urkunden zur Reformationsgeschichre, ein Bündel Briete
von, au und über Ulrich von Hutten aus der Zeit des Reichs-
tages von Worms.
So war diese neueste vergebliche Ausfahrt nach dem
Eichstatter Nachlass doch reich an ungeahnter Ausbeute, und
dankbar für die gespendeten Schätze verzeichnet die Huttcn-
forschung in Ehren die Namen des Freiherrn Fritz von Ilutien
zum Stolzenberg und Sr. Erlaucht des Grafen Friedrich zu
Ortenburg.
In aufrichtiger Dankbarkeit bringe ich dies Buch meinem
verehrten Lehrer dar, der mir für meine Arbeit nicht nur,
durch den Hinweis auf die stilistische Forschung, die erste
Anregung, sondern auch bei ihrer weiteren Ausdehnung stete
Förderung hat zu Theil werden lassen.
Berlin, den 1. Dcceniber 1890.
SIEGFRIED SZAMATOLSKI.
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STILISTISCHES
Mit einer Antithese, die zu den dauerhaftesten Erb-
stücken der deutschen Literaturgeschichte zählt, wird in
Ulrich von Hutten ein eleganter lateinischer und ein schwer-
fälliger deutscher Schriftsteller contrastirt. Die deutschen
Schriften werden an den lateinischen gemessen und nach
modernem Stilgefühl ohne stilhistorische Erwägungen ab-
geurtheilt. Naturgemäss müssen der Schärfe einer solchen
Antithese, die durch Rücksichten auf die Grundunterschiede
der lateinischen und deutschen Sprache, die Besonderheiten
der deutschen Sprache des XVI. Jahrhunderts und die eigenen
Absichten Huttens nicht gemildert wird, die deutschon
Schriften zum Opfer fallen.
Nicht minder verderblich wirkt die Antithese zwischen
Hutten und Luther. Neben das abfällige Urtheil der ersten
Antithese wird das preisende Urtheil über Luthers Sprache
gestellt, das immer noch, soweit es eben nicht lautliche und
grammatische, sondern stilistische Fragen angeht, viel mehr
auf der Schwärmerei früherer Zeit als auf moderner wissen-
schaftlicher Untersuchung beruht. Da nun seltsamer Weise
die Schwärmerei des XVIII. Jahrhunderts für die Wucht
und Kraft der Lutherischen Sprache bei denselben Leuten
sich wirksam erweist, welche Huttens deutsche Schriften
tadeln, weil sie in ihnen die leichte Eleganz der lateinischen
Werke nicht wiederfinden, so kann es geschehen, dass man
Hutten im allgemeinen aus demselben Grunde verwirft, aus
dem man Luther erhebt.
Noch ein drittes Vorurtheil steht einer gerechten Wür-
digung der deutschen Schriften Huttuns im Wege. Man
QF., LXVil. i
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2
STILISTISCHES
glaubt auf sie geringschätzig herabblicken zu dürfen, weil
sie 'lediglich aus praktischen Gründen entstanden seien. Mit
gleichem Recht könnten gerade die bekanntesten Schriften
Luthers bei Seite geschoben werden. Denn Luther wurde
ebenso wie Hutten von der lateinischen zur deutschen Sprache
durch den rein praktischen Grund geführt , dem ganzen
Volk zu weisen, 'welches die braut sey, darumb man jm
tantzen zägemüt'. Sollte aber jener Vorwurf eigentlich sagen
wollen, dass Hutten durch praktische Gründe zu einer Auf-
gabe gedrängt worden sei, für welche ihm ebenso die An-
läge wie die Übung fehlte, so verkennt man durchaus die
Stellung der deutschen Schriften in seiner Entwicklung.
Hutten war ein Schriftsteller des deutschon Volkes geworden,
ehe noch die erste deutsche Schrift unter seinem Namen
ausging.
Die folgende Untersuchung will dem Vorurtheil über
Huttens deutsche Schriften an die Wurzel gehen und daher
zwar ebenfalls den deutschen Schriftsteller mit dem latei-
nischen vergleichen, aber nicht bei einem allgemeinen anti-
thetischen Urtheil stehen bleiben, wie man es über eine
lateinische Schrift des Humanismus und ein deutsches
Werk des XVI. Jahrhunderts a priori fällen kann, sondern
zu einer wirklichen Darstellung von Huttens deutschem Stil
vordringen und zwar auf dem Wege aller wahren Stilkritik:
durch empirische Beobachtung und historische Vergleichung.
Ein brauchbares System für stilhistorische Unter-
suchungen ist nicht vorhanden. Auf der Grundlage der
Stilistik des Altertums lässt sich eine charakteri sirende
Darstellung eines gegebenen Stils nicht errichten. Ebenso
wenig gibt es für die deutsche Stilgeschichte des XVI. Jahr-
hunderts jene einzelnen fruchtbaren Gesichtspuncte, die für
die mittelalterliche Litteratur in so grosser Anzahl bereits
aufgestellt sind. Einige scheinbar feste Gesichtspuncte, von
denen aus man die Beobachtungen beurtheilen zu können
glaubt, erweisen sich bei näherer Prüfung als schlecht be-
gründet. So müssen die Kriterien, nach welchen die
Beobachtungen gruppirt werden können , im Verlaufe der
Arbeit durch stete Vergleichung gewonnen weiden.
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ULRICH VARNliÜLKK
3
Zinn Gegenstand der Untersuchung ist daher die Schrift
Huttens gewählt worden, welche im reichsten Mass die Mög-
lichkeit der Vergleichung gewährt: die Übersetzung des Va-
discus. Neben Huttens eigenes Werk können wir eine selb-
ständige, fast gleichzeitige Übertragung Ulrich Varnbülers 1
legen. Ferner bietet der Vadiscus Ausblicke auf zwei be-
deutsame Werke ähnlichen Inhalts, Huttens eigenes Gedicht
'Clag vnd vormanung' und Luthers Schrift 'An den Christ-
lichen Adel deutscher Nation'.
Trotz den angedeuteten Schwierigkeiten darf die Unter-
suchung hoffen, in den Kern der Frage eingedrungen zu sein
und das Charakteristische des Huttenschen Stiles getroffen zu
haben, denn ihre Ergebnisse bestehen die Probe, die ihnen
in der Untersuchung über die anonymen Ubersetzungen ge-
stellt wird.
ULRICH VA UN HÜ LEU.
Der stilistischen Untersuchung möge vorangestellt
werden, was über Ulrich Varnbüler zu erkunden war, denn
für eine gerechte Beurtheilung der zweiten Ubersetzung des
Vadiscus ist einige Kenntnis der Persönlichkeit und der
Absichten ihres Verfassers nicht zu entbehren. Leider hat
dieser den Brauch jener Zeit verschmäht, in einem An-
hange seines Werkes über diese Fragen selbst Auskunft zu
ertheilen. Der Name mit seinem Zusatz und die Jahreszahl
sind die einzigen Anlialtspuncte, welche er der Forschung
an die Hand gibt. Der Name als solcher lenkt den Blick
auf einen Mann, der im Vordergrunde der deutschen Kunst-
geschichte des XVI. Jahrhunderts steht: das grösste und
bedeutendste Porträt, welches Albrecht Dürer in Holzschnitt
veröffentlicht hat, ist das Bildnis des Protonotarius Ulrich
Varnbüler. In die Bestrebungen dieses Mannes, über welchen
genügende Forschungen vorliegen, würde ein Werk wie die
Übersetzung des Vadiscus sich sehr gut einfügen lassen.
i Eyn lustiger vnd nutzlicher Dialogus, Herr Vlrichen von Hutten,
Vadiscus . . . genant. Durch Vlrichen Varnbülor dm jüngern, auli dem
Latevn neulich verteüt»ehet . . . Oetiuekt zu Strasburg Key H.Beck 1544.
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4
STILISTISCHES.
Doch all die Fäden, welche man zwischen diesem Varnbüler
und unserer Ubersetzung ziehen könnte, werden gesprengt
durch den Zusatz des Namens. Der Jüngere' wird sich
zwar auch der Protonotarius sicherlich einmal genannt
haben zum Unterschiede von seinem gleichnamigen Vater,
dem berühmten Bürgermeister von St.. Gallen. Dieser war
jedoch bereits 1496, also fast ein halbes Jahrhundert vor
dem Erscheinen unserer Ubersetzung, gestorben. Nimmt
man nun selbst an, dass der allein nachweisbaren Ausgabe
von 1544 eine Ausgabe vorangegangen ist, die etwa un-
mittelbar nach dem lateinischen Werk Huttens, also schon
1520 erschienen wäre, so würde auch dadurch die Schwie-
rigkeit nicht gehoben sein; denn man kann nicht annehmen,
dass der Sohn noch ein Vierteljahrhundert nach dem Tode
des Vaters jenen Zusatz geführt hätte. Thatsächlich hat
nun auch der Protonotarius schon 1519 in der Übersetzung
von des Erasmus Erklärung des Sprichworts 'dulce bellum
inexperto auf dem Titelblatt und unter der Vorrede einfach
Virich Varnbüler gezeichnet. Man kann sich somit der Ver-
muthung nicht verschliessen, dass der Verfasser unserer Uber-
setzung in einem jüngeren Mitgliedo des Hauses Varnbüler
zu suchen ist, das sich gerade von dem auch litterarisch
bekannten Protonotarius durch den Zusatz 'der Jüngere*
unterscheiden wollte. Die Adelsbücher, in denen die Varnbüler
als altadeliges Geschlecht verzeichnet sind, melden von
keinem Ulrich Varnbüler, auf den unsere Voraussetzungen
passten. Die auf den Protonotarius folgende Generation ist
nur durch seine Neffen, die Söhne seines einzigen Bruders
Johann Varnbüler, Bürgermeister von Lindau, vertreten.
Unter ihnen führt keiner den Vornamen Ulrich. Die Adels-
bücher scheinen jedoch eine Lücke zu haben, welche dadurch
erklärlich ist, dass die Linie Ulrichs, des Protonotarius,
nicht wie die Johanns den alten Adel, den sie um diese
Zeit beide nicht mehr führten, später wieder aufgenommen
hat. In zwei alten Chroniken finden sich auch über den
bürgerlich gebliebenen Zweig der Varnbüler Angaben, aus
denen sich die Persönlichkeit unsers Ulrich feststellen lässt.
Schweizer Chronik von Stumpf 1606 S. 389: Item der
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ULRICH VARNBÜLER
5
teur, kunstreyeh, weyß vnd verstendig mann, Herr Ulrych
VarnbOler von S. Gallen, war der Rom. Keys. Maiestet Ver-
walter der Kammergerichts Cantzley, vil jar in grossem
thun : welcher auch zween geschickte männer, nämlich
Herrn Hans Ulrichen vnd Frentzen, die Varnbüler, beid
Burger zu Strassburg, hinder jm verlassen hat rc. wie
gleichfalls sein Bruder Johanns Varnbüler, Burgermeister zu
Lindow, vier Söhn gelassen, so alle beyder Hechten Doctores
gewesen, nämlich Dr. Hans Jacoben, deß Marggrafen von
Niderbaden Kaht vnd diener, Dr. Georgen am Kammergericht
zu Speyr. Dr. Niclausen zu Tübingen ein Läser vnd Dr.
Hans Ludwigen rc, welche alle Herrn Ulrichen Varnbülers
Weyland Bürgermeister zu S. Gallen säligen söhn und sohns-
söhn gewesen.
Schwäbische Chronik von Crusius II, 2:J8 (Tübinger
Matrikel von 1534) : Johann Jacob Varnbyler von Lindau,
Ulrich und Frantz Varnbyler von Worms'.
In dem Hans Ulrich oder Ulrich dieser Nachrichten
ist der Verfasser unserer Übersetzung gefunden. Alles, was
wir von ihm wissen oder vermuthen können, entspricht den
Voraussetzungen genau. Er führt den Zusatz zum Unter-
schied von seinem Vater, dem Protonotar. Er scheint um
die Mitte des zweiten Jahrzehnts geboren zu sein, wie sich
aus dem Jahr der Immatriculation annähernd vermuthen
lässt. Seine akademische Bildung scheint er zu keinem Ab-
schluss geführt zu haben, da die Schweizer Chronik von ihm
im Gegensatz zu seinen Vettern als von einem einfachen
Bürger spricht. Die Motive seiner Übersetzung lassen sich
mit ziemlicher Sicherheit vollständig erschliessen.
Die Erneuerung einer Huttenschen Schrift im Jahre
1544 ist eine auffallende Erscheinung, denn deutsche wie
lateinische Ausgaben seiner Werke Überschreiten nicht oft
die Mitte des dritten Jahrzehnts. Nun fällt gerade in dieses
Jahr auch eine Erneuerung des lateinischen Vadiscus: Pas-
quülorum Tonti dito. Quorum primo uersibus ac rhythmis,
altero soluta oratime conscripta (juampluritna contiuentur,
ad eahilarandum, confirnuindumque, hoc perturbatissimo reriwt
statu pii lectoris animum, appriwe conducentia. Elvuthrropoli
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6
STILISTISCHES.
1544. Diese in Strassburg oder Basel gedruckte Sammlung
kann jedoch die Vorlage und somit die Anregung nicht ge-
bildet haben, weil in ihr der Vadiscus um seine Einleitung
gekürzt ist, die bei Varnbüler nicht fehlt. Seine Vorlage
lässt sich unzweifelhaft bestimmen aus der Übersetzung
eines im Zusammenhang ganz sinnlosen Wortes, das sich
durch ein Versehen des Druckers in die älteste Ausgabe
eingeschlichen hat. Nur in dieser findet sich avaritia statt
amicitia, die Veranlassung zu Varnbülers sinnlosem Satz:
'vnd nit zu zeitten ein stund oder zwo zum studieren vnd
zum geitz (H. güter geselschafft 167) stälest'. Die Heran-
ziehung jener Pasquillsammlung ist jedoch nicht ganz
nutzlos. Sie weist gleich im Titel auf einen Grund ihrer
Entstehung, aus welchem auch wol unsere Übersetzung
erwachsen ist. Es scheint kein Zufall zu sein, dass diese
Ubersetzung in Strassburg verfasst und gedruckt ward. Ge-
rade in der von der Schweizer Chronik überlieferten That-
sache, dass Ulrich Varnbüler der Jüngere Bürger von
Strassburg war, liegt ein Keim seines Werkes. Strassburg
ist im zweiten Viertel des XVI. Jahrhunderts eine Hoch-
burg der Reformation, in welcher in enger Freundschaft
neben einander Wolfgang Capito (1523 — 1541) und Martin
Butzer (1523 — 1548) für Luthers Sache kämpfen. Die an
sich wahrscheinliche Vermuthung, dass die Übersetzung des
Vadiscus nicht ohne Einfiuss dieser Männer entstanden ist,
wird weiter dadurch gestützt, dass zwischen dem Protonotar
Ulrich Varnbüler und Capito engere Beziehungen nachzu-
weisen sind, die sich ohne Zweifel auch auf den Sohn über-
tragen haben werden. Capito hatte im Jahre 1525 seine
Institutionum hebraicarum libri rfuo dem Huhlerico Varnbidi ro
Cancellario Reyimenti Imperialis gewidmet. Es muss endlich
in Betracht gezogen werden, dass Capito wie Butzer als
ehemalige Freunde Huttens der Übersetzung eines seiner
Werke ganz besonders geneigt sein mochten. War doch
sogar Butzer selbst als Übersetzer Huttens thätig gewesen.
Weniger gesichert ist die Annahme, dass auch vom Vater
auf die Übersetzung gewirkt wurde. Der ältere Varnbüler
hat eine lange Reihe von Jahren gerade mit dem fränkischen
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KANZLEISPRACHE.
7
Humanisten kreise, welchem auch Hutten angehörte, in ebenso
regem wie vertrautem Verkehr gestanden. Sein Interesse
für die Bestrebungen dieses Kreises bewies er durch eine
eigene Übersetzung, und in mannigfachen Geschenken und
Widmungen wissenschaftlicher und künstlerischer Werke
empfing er die Beweise der Liebe und Anerkennung seiner
Genossen. Die Unterschrift des Dürerschen Bildes ist be-
zeichnend : Albertus Durer nork( u)s hac imagine Vlrichum
co(jnom(en)to Vambuler, Ro. Caesarei Reghninia in Imperio
(i Secretis* simul (ar Jchigramwateum, ut quem amet vnice, etiam
Posterität i (ruljt cognitum reddere, (colere)que amutur. Einen
gleichen Beweis herzlicher Freundschaft lieferte Wilibald
Pirckheimer in der Widmung zu seiner lateinischen Uber-
setzung der Lucianischen Navis. Kleinere Zeugnisse können
hier übergangen werden. Dürer und Pirckheimer, welche
aus diesem Kreise am meisten mit Hutten befreundet waren,
mögen nun die persönliche oder auch nur litterarische Be-
kanntschaft zwischen ihren Freunden vermittelt haben. Jenes
Kxemplar der ältesten Ausgabe der Dialoge mag der jüngere
Varnbüler aus dem Besitze des bücherliebenden Vaters über-
kommen haben.
KANZLEISPRACHE.
Hulderich us de Hutten Eq. Sebastiano de Rotenhan equiti
nur. adfini mo salutem dulcissime adfinis, . . . 'Dem
Strengen vnd Ernuesten her Sebastian vom Rotenhan Ritter
meinnem lieben Schwager entbeüt ich Virich von Hutten
Poet vnd Orator meinen freüntlichen Gruss, Freüntlicher
lieber Schwager vnnd freünd,' . . . (I, 322 f.)
W7enn man die beiden Fassungen der Überschrift der
Widmung auch nur flüchtig vergleicht, entdeckt man das
Eindringen eines eigenthümlich deutschen Elements, das den-
jenigen überraschen muss, welcher in Hutten ausschliesslich
den Humanisten sieht, der in der deutschen Sprache nicht
geübt ist. Wenn man sich jedoch vergegenwärtigt, dass
er über sein eq. germ. stets eifersüchtiger gewacht hat —
eigenhändige Notizen beweisen das — als über sein poetu
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8
STILISTISCHE*.
laureatus, dass eine Reihe von Sendschreiben von ihm über-
liefert ist, welche den Regeln der 'Formulare vnd Tütsch
rhetorika', der 'Titel'- und Cantzleybüchlein genau ent-
sprechen, so wird man es für ganz natürlich erachten, dass
Hutten für diejenigen Begriffe des öffentlichen Lebens, für
welche die Kanzleisprache besondere Formeln bot, statt
Nachahmungen der lateinischen Ausdrücke die eigentümlich
deutschen einsetzte. So zeigt gleich die Überschrift statt
einer einfachen Ubersetzung den Eintritt einer kunstgerechten
'Salutatz', die im Aufbau wie in den einzelnen Stücken vom
Latein charakteristisch abweicht. Der Name des Angeredeten
ist vorangestellt und nach dem formelhaften entbeut' folgt
der Name des Redners. Der Zusatz 'streng vnd emuest*
zeigt, dass sich Hutten eng an die Vorschrift der fränkischen
Kanzleisprache gehalten hat: ein Cantzleybüchlin von 1522
hebt hervor, dass dieser Zusatz, 'als manß am Rheinstrom
vnd im land zu Francken pfligt', der passendste sei. Auch
der Zusatz 'Poet vnd Orator' ist auf die Kanzleisprache
zurückzuführen, welche die Titel sorgsamer als das Latein
behandelt. Was etwa ein vom Latein abhängiger Über-
setzer aus einer solchen Überschrift macht, kann man aus
folgendem Beispiel abnehmen (II, 47): Vlrichus ab Hutten
eques Carolo V Romanorum imperatori salutem 'Huldrich von
Hutten tzu Carolo Romischen kaiser des namen dem fünften,
seinen grus tzu vor.
Die Einflüsse der Formeln der Kanzleisprache sind
überall sichtbar. Auf sie ist es zurückzuführen, wenn an
die Stellen der Namen der weltlichen und geistlichen
Herrscher die Bezeichnung der Würde tritt oder doch zu
dem Namen hinzugesetzt wird: a Maximilyano ... ad
Leonem X. 'von dem keyser Maximiliano ... an den bapst
Leonem' (232, 39. V. 'vom Maximiliano brieff begeret zum
Bapst Leo ), a Leone von dem Bapst' (176, 15. V. 'dem Bapst
Leo'). Hierher gehört auch voronavit zü Keyser krönen (17(5,
28. V. 'krönen'). Aus der Menge derjenigen Fälle, welche
Einfluss oder Ersatz durch die Kanzleisprache zeigen, seien
einige herausgehoben: omnium in Germania urbium 'vnter
allen Stetten teütscher Nation* (149, 23), t>d in caeteris pro-
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KVNZLEISI'RACHK.
9
chiciis oder in andern vnsern landen (1(52, IS), Imperium
occidentis das gantz Komisch Heych gegen niderganck der
sunnen' (172, 30. V. 'die Herschung des nidergangs der
Sonnen ), in Germania 'in Teütschen landen (195, 29. V. 'inn
dem Teütschen landt') , principe^ viroa fürsten vnd herren'
(235, 32. V. 'Fürsten vnd fürnämbsten leuten), quanto quisque
nobilior est was vom adel ist* (156. 20. V. ye ein edler . . .
gemüt einer hat'), Imperium des Heyens würde vnd herlicheit
(159, 23. V. 'der gewaltf).
Zur Kanzleisprache zu rechnen sind diejenigen Begriffe
der Kirchensprache, welche sich mit der Hierarchie und den
äusseren Formen der Kirche beschäftigen. In den Kanzlei-
büchern ist ein Theil stets der Kirche gewidmet, sacerdotia
'geistlichen lehen' (178, 29. VT. 'Priesterschafft'), prineipes eccle-
*/<is Yürstliche lehen der kirchen' (199, 28. V. 'die fürnämbsten
kirchen'). Wenn Hutten für pedum oseufationes 'demütig kussz
seiner säligen fuß' setzt, so ist dies keine willkürliche Ironie,
sondern die ironische Verwendung der gebräuchlichen Formel
(225, 37). Auch seine Behandlung der Fremdwörter der
Kirchensprache, auf welche wir an anderer Stelle kommen,
zeugt für seine Kenntnis der deutschen Kirchenkanzlei-
sprache, wenn man von einer solchen reden darf.
Noch stärker zeigt sich überall das Eindringen der
deutschen Kirchensprache im engeren Sinne. Es werden
zunächst die heidnischen Anklänge ausgemerzt, welche in
den rhetorischen Formeln der Anrufungen Gottes im Latein
liegen: dii boni o got' (172, 39. V. 'Lieber Gott'). Dieselbe Ab-
wendung von heidnischen Formeln tritt in der Neubearbeitung
lateinischer Schritten hervor. So sind in den handschriftlichen
Bemerkungen, mit denen Hutten zum Zweck des Neudrucks
mehrere seiner lateinischen Schriften versah, stets immortalis
X* oder hrm Imortals für dii oder deos immortales der alten
Texte eingesetzt (III, xxi, xxv). Zu den Namen der
Heiligen tritt fast immer das Zeichen ihrer Heiligkeit:
Petri sant Peters (171, 24. V. Petri). Überall wird das
Christenthum durch das Wort selbst stärker hervorgehoben:
pacis . . . caritatis Christlichen friden .... Christlichenn
liehe (181, 19), ecclesia heyligen Christlichen kirchen' (223,
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STILISTISCHES.
22), per officium caritatu 'in Christlicher lieh' (235, 22).
Statt einer wörtlichen Ubersetzung der lateinischen Ausdrücke
tritt stets die eigentümlich deutsche Wendung ein : spiritalis
grutiae gnad des hoyligen geystes (163, 38), revirtura 'auff-
ersteen (177, 21. V. 'lebendig werden), vitam, beafitudinem
'das ewig leben, vnd der seien säligkeit' (179, 28), vitae
'ewig leben' (181, 25), in divos 'in die schar der heyligen*
(232, 32), iurent 'zn got vnd den heiligen zu vorschweren*
(179, 34). Varnbüler folgt genau der Vorlage.
Hier ist auch zu erwähnen, dass Hutten die Schlag-
wörter des Kirchenstreites ganz geläufig sind : einendatio,
emendare wird meist 'Reformation, reformieren', piacuhnn
ketzerey' (201, 20). Zuweilen setzt er um der Deutlichkeit
willen das letztere Schlagwort frei hinzu: propter detestatidnui
novitatem umb der ketzerischen verflüchten newerung willen'
(192, 37).
RITTERSPRACHE.
Ein Vergleich der Gebiete, aus welchen Hutten im
Latein und im Deutschen seine Bilder schöpft, ergibt ganz
deutlich den stärkeren Einfiuss der Sprache des Ritterlebens
für das Deutsche. Ein gleiches lässt sich unschwer für die
einfache Wortwahl nachweisen. So sind manche Ausdrücke,
die unter der Urkundensprache behandelt sind, ebenso sehr
der engeren Rittersprache zuzurechnen : z. B. quanto quisque
nobilior est was vom adel ist" (156, 20). Ist doch die Kennt-
nis und strenge Handhabung der Urkundensprache überhaupt
vorzüglich Huttens Eigenschaft als deutscher Ritter zuzu-
schreiben. Die besten Beweise für die Wirkung seiner
Standessprache hat Hutten jedoch in dem übertragenen Ge-
brauch einer Reihe von Verben gegeben, welche zunächst
Thätigkeiten des ritterlichen Standes bezeichnen. Die Be-
deutung der Beispiele wird klarer durch einen Vergleich
mit Varnbüler und dem auch an der späteren Stelle heran-
gezogenen Gedichte 'Clag vnd vormanung: coenobia invudunt
'fallen sye die klöstcr an' (206, 27. V. sy greifen an'. 01.
V. 1056. mich fallen an, vnd mit gewalt züfüren hin ), omnes
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KITTERSPK ACHE.
11
eins obserearent motus wo sich die hjnwegt. bestelt . . . .
werde' (212, 2:5. V. jr, wa sy sich regte, waraiimen. CI.
V. 1140. Man stell der Curtisanen lauft"), quid eaptent 'wo
nach sye stellen' (224, 3o\ V. warauff sye es thünd. Cl. V.
1080. 'was stellest du nach meinem blut?) omvem oppugnn-
t ionein propelhmt alle anfechtung überstreiten' (249, 33. V.
aller widerstand hinweg genommen1. Cl. V. 1178. da seind
wir u berst ritten von), aliquot ltnliav urbibus multarit cum
'hat jn . . . vmb etzliche stat, die er jm hat müssen über-
geben, geschätzt' (176. 33. V. jhn ertlicher statt in Italia
beraubt. Cl. V. 798.' *do gehetzt man dann die armen leüt. /
nimpts hör hinweg vnd auch die heiiC); der Zusatz 'wenn
sye einem zü wollen' (210, 23) ist zu vergleichen mit Cl. V.
950. 'Wollauff, ist zeyt, wir müssen dran'; non invadent
gehen sye die nit an* (25b\ 28. V. 'wollen sy nit angreiften'),
quo intaetos uos siiwnt 'darmit sye vns nit angeen gedorffen
(208, 32. V. darmit sy vns nitt auch berüren'). Die Wahl
solcher standeseigenthümlicher Wörter ist als Kriterium
Huttenschen Stiles zu verwenden.
HOFSPRACHE.
Die deutsche Übersetzung Huttens ist von ihrer latei-
nischen Vorlage im allgemeinen durch hellere Beleuchtung
und grellere Farben deutlich unterschieden. Eine um so mehr
auffallende Erscheinung ist die Dämpfung und Verdunkelung
einer Reihe von Stellen, in denen die Unsittlichkeit im
engeren Sinne behandelt wird. Huttens Sprache verfügt
über eine ausgebildete Technik dieses Verfahrens, das in
ausgeprägtem Gegensatz zu dem gewöhnlichen Stil seiner
Zeit steht. Während Varnbülers grobianischer Stil mit dem
antiken an naiver Nacktheit wetteifert, entfernt sich Hutten
von beiden, indem er der klassischen Nacktheit nach höfi-
scher Sitte ein Feigenblatt aufklebt. Ein Vergleich der
drei Texte bringt ihre Unterschiede zu klarem Ausdruck.
Nur in zwei Fällen, welche bezeichnender Weise in zweien
jener 'Gedritte' stehen, die besonders scharf Roms Laster
zusammenlassen, hat Hutten die eindeutigen Ausdrücke
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STILISTISCHES.
wiedergegeben: lenones 'hörenjnger' (239, 20. V. 'Hürenwirt')
und scortis 'hören (239, 35. V. 'Hören). Alle übrigen
Stellen bekunden die Einwirkung jenes Verfahrens in ver-
schiedener Weise. Die erste Art zeigt am deutlichsten den
höfischen Ursprung. Statt klarer deutscher Wörter werden
romanische Fremdwörter eingesetzt, welche damals wie
heute eine formale Abschwächung des groben Inhalts aus-
üben. So gibt Hutten zweimal lenones mit 'rüffianer' (242,
31; 188, 18. V. 'hörenwirtenV So gibt Hutten caUnnitis
mit 'buseronen' (188, 19. V. "schandtböben). Dies Wort ist
so wenig in die Litteratur aus den höheren Kreisen ge-
drungen, dass bis jetzt seine Bedeutung in den Wörter-
büchern nicht sicher angegeben werden konnte. Die beiden
Stellen bei Hans Sachs und in Luthers Tischreden reichen
nicht aus. Grimm im D. W. schwankt zwischen mendujr
und concuhinus. Dietz im Lutherwörterbuch zieht die letztere
Übersetzung als die wahrscheinlichere vor. Durch unsere
Stelle wird seine Auffassung gesichert. Bs ist nicht zu
begreifen, wie Böcking mit Diez' Etym. Wörterbuch und
Grimm 'Lästerer ansetzen kann.
Die zweite Art des Verfahrens besteht in der Er-
setzung der eindeutigen Wörter durch solche, welche noch
nicht ausschliesslich niedrige unsittliche Bedeutung erlangt
haben: scortari 'Bülen' (185, 18. V. 'Hörerei treiben'), scor-
tandi 'zu bübischem unzüchtigem unfrommlichem leben (181,
38. V. Tiörerey zutreiben'); meretricatio 'büberey' (182,
19. V. 'hörerey'), meretrices 'vnreyne frawen' (242, 20. V.
'Hören'), 'gemeyne frawen' (212, 35. V. 'Hören'), stnprum
intuhrit 'sich vermischet nett* (230, 38. V. 'hett geschendet'),
scortandi 'zö vnerlichem leben* (199, 18. V. 'hörerey zu
treiben), meretrices 'ire weyber' (256, 35. V. 'hören').
Die leitende Absicht tritt am klarsten und unzweifel-
haftesten da hervor, wo Hutten über den Gegenstand wider
seine sonstige Gewohnheit den Schleier einer abstracten
Wendung wirft: cum meretricibus libidinari 'durch vnkeüsch-
heit lusts pflegen' (181, 35. V. 'denen hören am liebsten sein),
in yanenm ad amicam 'zö einer brasserey vnnd vff die böl-
schafft' (254, 31. V. 'in ein Frawenhauß oder sunst auff die
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HOFSPRACHE.
bülschaft'), viryinein errlesiam prostituistis lr hapt die reinig-
keit der iungfrewlichen kirchen geschendet, vnnd vorunrey-
niget' (168, ;32. V. 'die reyn junckfrawen die Kirchen, zu
einer schandtlichen hären gemacht'). Die letzte Über-
setzung Varnbülers gibt am schroffsten den Gegensatz des
grobianischen Stils.
An Unterdrückung streift die Behandlung folgender
Stelle: meretrices et catamitos 'ire weyber vnd ander* (250,
34. V. 'ire hären vnd schandtbüben ).
Hutten steht in der Litteratur seiner Zeit nicht allein
mit seiner hier durch die That ausgesprochenen Ansicht,
dass die Nacktheiten des Lateins im Deutschen zu verhüllen
seien. Einen genau entsprechenden Fall bietet die Vorrede
Jac. VVimpfelings zu seiner Übersetzung von des Philippus
Beroaldus Declamationes de trihus frutrilnts, in der VVimpfe-
ling die in der Übersetzung gebrauchten grobianischen Aus-
drücke entschuldigt: 'wol mir uwer strengkeyt verzeihen
grobe unzüchtige, ungeschickte usslegunge etlicher wort als
huren vnd hurerig vnd desgleichen, dann ich von dem latin
nit haben wollen wychen vmb merer kreftiger nachtrück
zur inbildung vnd herzigung der Verachtung vnd Verwerfung
diser grossen laster. Dass der gute Wimpfeling, theil weise
wenigstens, hier aus der Noth eine Tugend gemacht hat,
verräth er selbst in dorn Schlusssatz der Widmung: 'V. G.
woll dise ungezirt vnd vngeschmuckt usslegung, dann ich
hofttichs vnd verbliempts dutschens ungeübt bin, gutwillig-
lich annehmen'. Es ist beachtenswerth, dass Wimpfeling in
seiner lateinischen Ausgabe des Beroaldus über die groben,
unzüchtigen' Worte der Lateiner sich nicht auslässt und
seine beiden Nachfolger in der Ubersetzung, Frank und
Frölenkint, ohne ein Wort der Entschuldigung in Varnbülers
Weise stets das Ding grobianisch beim derbsten Namen
nennen. W ie deutlich solche Unterschiede der Wortwahl ge-
fühlt wurden, zeigt auch folgende Beobachtung Panzers. Indem
ersten Nachdruck von Emsers Bibelübersetzung, welche ihrer-
seits nur ein Plagiat der Lutherschen Übersetzung ist, wird
versprochen, dass gewisse 'freche und ärgerliche' Wörter, die
Luther gebraucht und Emser übersehen habe, in 'züchtigere'
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u
STILISTISCHES.
Wörter umgewandelt werden sollten. Panzer hat keine
anderen Veränderungen fesstellen können, als dass Hurerey,
Hure, huren durch Unkeuschheit, Bulin, vnkeuschen ersetzt
sind (Grotefend, Luthers Verdienste u. s. w. S. 62 f.). Der
Schlusssatz der Widmung Wimpfelings weist zugleich
von neuem auf die Quelle, aus welcher Hutten den Ersatz
für die Wörter seiner Vorlage schöpfte : die höfische Sprache.
Die Gewandtheit, mit welcher Hutten in diesen wie in an-
dern Dingen die höfische Sprache handhabt, erklärt sicli
aus seiner gesellschaftlichen Stellung. Hutten ist als Ritter
und Hofmann ein nicht unbedeutsamer Vertreter der höfi-
schen Sprache der deutschen Litteratur seiner Zeit und
steht als solcher im Gegensatz zu Luther, dessen Stellung
in der deutschen Stilgeschichte durch die bewusste Ver-
wendung und Vertheidigung der Volkssprache gegen die Hof-
sprache bezeichnet wird. Luthers Schrift an den deutschen
Adel bietet zwar keinen Stoff zu einem durchgängigen Ver-
gleich, jedoch einen vorzüglichen symptomatischen Beweis
für seine Stellung zu der hier behandelten Frage: Ist das
nit ein hurhauß vbir alle hurhewßer, die yemant erdencken
mocht, ßo weiß ich nit was hurhewser heyssen. Ein solcher
Satz ist bei Hutten unmöglich. Wenn von Luther ein Urtheil
Über Huttens Verfahren gefordert worden wäre, so würde
er es gemisbilligt haben, weil die Sprache nach seiner
Meinung nur brauchen darf 'verba simplicia, non castremia
nee aulica. Unser modernes Stilgefühl, das sich in Strauss*
Ubersetzung darstellt, steht zwischen Luther und Hutten.
FREMDWÖRTER.
Paul Pietsch sucht in seinem Buch über Luther und
die hochdeutsche Schriftsprache seinen Vorwürfen gegen
Huttens deutsche Schriften durch einige allgemeine Vor-
würfe gegen den Humanismus einen Halt zu geben: 'Un-
willkürlich oder auch wol überlegt musstc sich ihnen (den
Männern der humanistischen Richtung) die deutsche Rede
mit lateinischen Worten mischen, nuissten dem über alles
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FREMDWÖRTER.
15
hochgeschätzten Latein nachgebildete Ausdrücke und syn-
taktische Fügungen in ihre deutsche Rede einfliessen. In
welcher Ausdehnung dies geschehen, können wir am besten
erkennen, wenn wir wahrnehmen, dass auch der doch sonst
so kerndeutsche Luther sich nicht von allen aus dieser
Quelle stammenden Einflüssen hat frei machen können'.
Unsere Aufgabe ist nur, diese Vorwürfe so weit zu prüfen,
als sie Hutten betretfen. Eine Prüfung jenes allgemeinen
Vorwurfs gegen die Humanisten, der ebenso verbreitet
wie unbewiesen ist, lässt sich erst anstellen, wenn eine
Geschichte des Eindringens der Fremdwörter vorliegt. So
viel kann aber schon jetzt behauptet und mit sympto-
matischen Beweisen belegt werden, dass in der bisherigen
Auffassung eine Verwirrung herrscht zwischen dem Hu-
manismus und den Bestrebungen zur Heception des römi-
schen Hechts. Die Klagen über das Fremdwörterunwesen
richten sich von jeher ganz ausdrücklich gegen die Hechts-
gelehrten. Die Fremdwörterbücher nehmen stets unmittel-
bar Bezug auf die Bräuche des Gerichts. Es lässt sich
auch an einzelnen Beispielen jetzt bereits nachweisen, wie
das Eindringen der Fremdwörter genau mit dem Eindringen
römischer Juristen zusammenfällt: so geht aus den Ur-
kunden des Mainzer Erzbisthums hervor, dass der Wechsel
zwischen 'Kanzler in dütschen Landen' und 'Kanzler in Ger-
manien mit den ersten Einwirkungen des römischen Hechts
zeitlich zusammenfällt. Es ist anzunehmen, dass erst von
den Kanzleien, welche die Sammelbecken für den Einfluss
römischer Fremdwörter bilden, sich der Strom über Deutsch-
land ergiesst und je nach der Anlage seine Spur in huma-
nistischen und nicht humanistischen Schriften zurücklässt.
Allerdings darf nicht geläugnet werden, dass |eine immer
mehr verbreitete humanistische Halbbildung einen sehr em-
pfänglichen Boden darstellte. Dem gegenüber lassen sich
Zeugnisse beibringen, dass gerade die Humanisten die
ersten und einzigen gewesen sind, welche deutlich und
klar die Reinheit der Sprache verlangten. Bereits aus
früherer Zeit ist die scharfe Polemik Aventins gegen
das 'felschen mit zerbrochnen lateinischen Wörtern* be-
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IG
STILISTISCH KS.
kannt. Neuerdings hat Hartfelder in einem aus Heidel-
berger Handschriften schöpfenden Programm ein Wort
Reuchlins veröffentlicht, welches allein jene alte Behauptung
erschüttern könnte: 'Merk hie, das man sich schemmen sol
in dütschen reden vnd predigen vil latyns darunder zu
müschen. Der Humanist, der die Forderung der Reinheit
zuerst bei einer fremden Sprache zu würdigen gelernt hat,
ist naturgemass der erste, der gleiche Forderungen an seine
eigene Sprache stellt. Kluge hat in seinem Buch 'Von
Luther bis Lcssing diese Bestrebungen der Humanisten
gewürdigt, aber leider immer noch in einem Capitel 'Latein
und Humanismus'. Das Fremdwörterwesen gehört nicht in
dieses Capitel, sondern, wenn man zu den obigen Bemer-
kungen noch die Hindeutung auf die ungeheuren Einflüsse
der Kirchensprache hinzunimmt, unter den Titel: 'Fremd-
wörter und Kanzel- und Kanzleisprache'.
Nach Pietschs Worten, welche nur die landläufige
Ansicht wiedergeben, stellt Hutten die Verkörperung übler
humanistischer Eigenheiten dar, und in Luther sind nur die
Nachwehen der gewaltigen Verheerungen zu spüren, welche
vom Humanismus ausgingen. Diese Combination hat nach
den allgemeinen obigen Andeutungen wenig Wahrschein-
lichkeit. Hutten ist ebenso sehr wie Luther ein Feind der
römischen Juristen und Priester. Seinem Widerwillen gegen
ihre Sprache gibt er deutlichen Ausdruck schon in seinem
lateinischen Dialog Vadiscus : 'Huttenus: Sed nimm pracfari
oportet , vores barbare insuni ', ne te moveatit. Emholdus:
Ali moveant, quasi ita delicatae mihi au res sint, aut ignorem
suis uti barbarant Curiam vorabuiis. Dir igitur de Curtisarm,
de Copiistis, de scobatoribus, de beneficiis curatis et non curatis,
de famltatibus, de f/ratiis, de reservatiombus. de reyressibus,
de annatis etiam, et cruciata, si libet^ de devisiunfom rotae ac
iure patronatus, nihil dederis molestiae (lö8, 13 ff.). Solche
Wörter der römischen Kirchensprache, deren Contrast dem
humanistischen Latein gegenüber in ähnlicher Weise fast
überall spöttisch hervorgehoben wird, werden von Hutten
auch in der deutschen Übersetzung mit einer bestimmten
Absichtlichkeit gehandhabt, während Luther sie meist als die
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FREMDWÖRTER.
17
natürlichen Ausdrücke ohne einen starken ironischen Ton
anwendet. Ein Vergleich mit der Schrift an den Adel
liefert überraschend viele Parallelen, welche auf Luther
durchaus nicht das Licht werfen, in welches er bei Pietsch
gerückt ist. Auch ein Vergleich mit Varnbüler ist lehr-
reich, weil in ihm gewissermassen der allgemeine Hinter-
grund des Durchschnittsstils gegeben ist.
Da die Stellung zu den Fremdwörtern hier nicht den
Gegenstand einer eigenen Erörterung, sondern nur die
Unterabtheilung einer Stiluntersuchung bildet, so können und
müssen einige Andeutungen genaue statistische Vergleiche
und Aufzählungen ersetzen.
Die oben angeführte Äusserung Huttens ist bedeut-
sam für sein Verhalten in der Fremdwörterfrage. Fast
überall, wo er ein Fremdwort anwendet, liegt ein ironischer
oder agitatorischer Ton. Varnbüler hat hierfür kein Gefühl.
Während er sonst in einer Fülle von Fremdwörtern schwelgt,
pflegt er gerade an besonders bezeichnenden Stellen die
Fremdwörter zu übersetzen : tibi pnlchre observant praeriara
üla prineipum concordata 'die kostlichen bullen, Concordata
prineipum genandt' (199, <V.\. V. 'der Fürsten verwilligung').
Es liesse sich eine grosse Menge von Beispielen dafür an-
führen, dass Hutten mit seinen Fremdwörtern in der deut-
schen Sprache, ebenso wie mit denselben kirchenlateinischen
Worten in seinem Humanistenlatein, eine bestimmte Ab-
sicht verfolgt. So besonders in Aufzählungen, wie der
oben erwähnten, die Varnbüler ohne Verständnis für
ihren Zweck einfach ausgelassen hat.
Bei Bräuchen der römischen Kirche, welche in Deutsch-
land so eingebürgert waren, dass sich deutsche Bezeich-
nungen gebildet hatten, wendet Hutten diese an: Bann,
Ablass, Bischofsmantel setzt er ineist statt Interdict, Ab-
solution, Pallium. Varnbüler übersetzt auch unübertragbare
Fachausdrucke: ordinär io 'ordinarius' (205, 35. V. 'ordenlich
Herr). Niemals fast verfehlt Hutten, fremden Ausdrücken,
deren Verständnis für den Fortgang des Dialogs wichtig
ist, die deutsche Übersetzung beizufügen.
qf., lxvu. 2
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STILISTISCHES.
Luthers Stellung wie die Varnbülers ist in diesem
Theil schon angedeutet.
Bezeichnender für die allgemeine Stellung zur Fremd-
wörterfrage ist die Aufnahme nicht technischer Ausdrücke
fremder Sprachen. Die Fremdwörterliste aus Huttens
Übersetzung des Vadiscus ist nicht grösser als die eines
heutigen Schriftstellers. Fast alle seine Fremdwörter sind
auch bei Strauss zu finden. Luther dagegen hat manche
Wörter aus der rechten helgrundsuppen heraufgeholt : tribu-
Heren, contentiern, Comment, Valete, Auditoribus, Germanien
und eine Reihe, die schon nicht mehr als einzelne Fremd-
wörter, sondern als lateinische Citate zu rechnen sind. So
hat Varnbüler: stumptieren, vacieren, registrieren (statt
reformieren) u. s. w.
Auffallende Fremdwörter bei Hutten sind: Item' (190,
17), 'compact' (224, 19) und in, einer bei ihm nicht seltenen
Verbindung, 'die summa daruon zu reden' (181, 20); phisicant'
(209, 21) und 'falsirer' (189, 27) als Scheltwörter.
Im Gegensatz zu Luther und Varnbüler wendet Hutten
nur im Singular und zuweilen im Nom. Acc. Plur. latei-
nische Endungen bei Fremdwörtern an, gleichviel ob es
Appellativa oder Eigennamen sind. Im übrigen Plural
kommen nur bei Titeln von Bullen u. dgl. lateinische En-
dungen vor : an stat der alten Scipion, Marcellen, Maximen,
Caton, Metellen, Ciceron, vnd Marien, . . Vitellien, Othen, . .
Nerones . . Domitiani' (178, 20. V. 'Scipionum, Marcellorum,
Maximorum, Catonum, Mettellorum', . . . .)
Wichtiger noch als eine Feststellung der Wörter,
welche Hutten gebraucht, ist eine solche der von ihm nicht
gebrauchten. Hutten hat niemals 'Germanien' gebraucht,
ebenso wenig 'Alpes'. Grotefend hebt einmal mit besonderem
Nachdruck hervor, dass 'selbst das Wort Religion, wel-
ches wir jetzt kaum zu entbehren verstehen', bei Luther
nicht vorkommt. Auch Hutten bietet es niemals, sondern
übersetzt rd'ujio mit den verschiedensten deutschen Wen-
dungen : gemeyner christlicher glaube, geystlicheit, Glauben,
recht Glaube' u. s. w.
Hutten hat in seiner Übersetzung keine lateinischen
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SYNONYMA
19
Wortspiele, wenngleich sie die Vorlage bietet und wenn-
gleich mehrere neu geschaffene deutsche Wortspiele seine
Neigung bezeugen, auch die Ubersetzung mit Wortspielen
zu zieren : superstitione . . religionem : *aberglaubens . . rechten
glauben (219, 37), sine reliyiom 'vnangesehen was geboten
oder verbotten ist* (186, 27). So lässt er das Wortspiel
pretio prece (162, 13) fallen. Geschickt gibt er wieder
discordem concordiam zwiträchtigen eintracht' (191, 19), mit
bewunderungswürdiger Geschicklichkeit concilium . . con-
ciiiabtdum rat . . rott' (217, 25). Diese geschickte Über-
setzung überrascht um so mehr, als bei Luther in der
Schrift an den Adel sich das lateinische Wortspiel findet
(C 1 b): 'nit ein Christlich Concilium . . . Conciliabulum'.
Luther hat auch sonst lateinische Wortspiele: 'Es heyssen
Compositiones, freylich compositiones, ja confusiones (E 2 a).
Endlich muss betont werden, dass sich in der Über-
setzung Huttens nicht ein einziges lateinisches Citat findet,
während solche ohne Erklärung die ursprünglich deutsche
Schrift Luthers in nicht geringer Anzahl bietet.
SYNONYMA.
„Luther hat 'die Neigung, denselben Begriff in kräf-
tiger Variation des Wortes mehr als einmal und dadurch
der Phantasie um so viel drastischer, dem Gemüt um so
viel wärmer auszusprechen. Damit steht Luther durchaus
auf deutsch volksmässigem Boden. Diese Neigung ist von
jeher in unserer Sprache vorhanden gewesen und nicht nur
da, wo dieselbe im Gewände der Poesie auftritt, sondern
in weiter Ausdehnung zum Beispiel auch in der Rechts-
sprache. Luther hat also auch hier aus dem Born wahr-
haften Volkstums geschöpft, der ihm vor allen Zeitgenossen
so unendlich frisch und lebendig sprudelte, und man darf
sagen, dass ein Teil der wunderbaren Wirkung, welche
Luthers Schriften auf den Leser ausüben, auf der reichlichen
und doch nicht überreichlichen Anwendung dieser uralten
deutschen Stil form beruht. Und wir verdanken es wol
2*
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STILISTISCHES.
zu einem nicht geringen Teile Luther, dass sich unsere
Schriftsprache ein Gefühl für die Wirkung der Sprach-
formeln bewahrt hat, welches auch heute, wo dieselbe in
mancher Hinsicht so sehr nüchtern geworden, noch nicht
erloschen ist."
Mit diesen Worten hat Paul Pietsch in seiner Schrift
'Luther und die hochdeutsche Schriftsprache die zwei- und
dreigliedrigen Formeln bei Luther zu würdigen gesucht, für
welche Heinrich Kückert, auf dessen Ausführungen Pietsch
unmittelbar zurückgeht, in seinem Buch 'Geschichte der
neuhochdeutschen Schriftsprache' eine Sammlung alpha-
betisch geordneter Beispiele gibt. Diese Redeform ist auch
für die Charakteristik des Huttenschen Stiles von der höch-
sten Bedeutung: in der Übersetzung des Vadiscus finden
sich nicht weniger als ungefähr dreihundert mehrgliedrige
Ausdrücke, welche in der Vorlage nicht vorhanden sind.
Stellt man sich nun ohne weiteres auf den Boden der An-
sichten von Kückert und Pietsch, so wird man in dieser
Erscheinung eine mächtige Wirkung volkstümlicher Ein-
flüsse und Bestrebungen sehen und Hutten als einen deut-
schen Schriftsteller rühmen dürfen, der wie Luther zu den
Quellen volkstümlicher Sprache hinuntergestiegen ist. Von
einem solchen Urtheil halten jedoch zwei Bedenken fern,
die aus unmittelbarer Beobachtung des von Kückert ge-
botenen Materials und aus einer diese Stilerscheinung ver-
folgenden Vergleichung der Huttenschen Schriften unter
einander sich ergeben.
Wunderlich genug hat ein so feinsinniger Forscher
wie Heinrich Kückert übersehen, dass in der grossen
Masse der mehrgliedrigen Ausdrücke jene alten Formeln,
auf welche er sich bezieht, eine solche Nebenrolle spielen,
dass man kaum allgemeine Schlüsse auf sie bauen kann.
Weil eine Minderzahl in der Liste sich als alte Ver-
bindungen erweist, wird für die ganze Sammlung in un-
klarer Verallgemeinerung das unmittelbare Wirken altehr-
würdigen und volkstümlichen Sprachbewusstseins ange-
nommen. Auch wenn man sich mit Kückert und Pietsch
auf das einfache Stilgefühl allein verlässt, muss man er-
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SYNONYMA.
21
kennen, dass Verbindungen, welche nach Rückert nur die
Erklärung von Fremdwörtern bezwecken, wie 'ansehen und
autorität, exempel und fürbild, condition und mitter u. s. w.
und die Menge loser Häufungen, die sich besonders
unter den dreigliedrigen Ausdrücken finden, einer anderen
Quelle entstammen als jene alten Formeln, die durch
AUitteration, Assonanz, Reim oder auch innere Klammern
logischer Natur verbunden sind. Wer nicht den Blick
ganz einseitig auf diese alten Bestandteile richtet, kann
nicht in der Masse der mehrgliedrigen Ausdrücke einen be-
sonderen Beweis der Volkstümlichkeit finden.
Schwerer und zwingender als diese Beobachtung ist
das Ergebnis, welches man aus einer Vergleichung der
Huttenschen Schriften erhält. Wenn man dieselben auf die
Häutigkeit jener Stilform untersucht, so tritt ganz deutlich
eine Steigerung hervor von den Gedichten zu den Über-
setzungen der Gespräche, von diesen zu den Übersetzungen
der Klagschriften, von diesen wieder zu ursprünglich deut-
schen Schriften wie der 'Endtschüldigung, von diesen end-
lich zu den eigentlichen deutschen Sendschreiben. Während
in den Gedichten meist nur die alten Formeln zu finden
sind, drängen sich in den Sendschreiben die Fremdwörter-
erklärungen und losen Häufungen am meisten auf. Doch
gerade diese Sendschreiben haben für ihre Form im allge-
meinen wie ganz im einzelnen eine zähe Überlieferung,
welche bis auf die Anfänge des Buchdrucks unschwer zu
verfolgen ist.
Die Vereinigung dieser Beobachtungen führt auf eine
sonderbare Spur, denn das Gebiet, auf das wir bei der
Forschung nach dem Ursprung dieser Volkstümlichsten'
Stilform gelenkt werden, ist kein anderes als gerade das-
jenige, in dem jene beiden Forscher, die diese Frage ange-
regt haben, alle Gegensätze der von ihnen allzu modern
construirten volkstümlichen Sprache suchen: die Kanzlei.
Es würde vom Gegenstande zu weit abführen, wenn auf
die Prüfung jener Ansicht eingegangen werden sollte, die
entgegen einem bekannten deutlichen Wort Luthers auf
Grund geringfügiger Angriffe, die er gegen die Kanzlei
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STILISTISCHES
richtete, einen absoluten Gegensatz zwischen Luther und
der Kanzlei aufstellt. An die Schwäche ihrer Grundlagen
soll nur erinnert werden, damit das Ergebnis dieser Unter-
suchung vom Scheine des Paradoxons frei bleibe.
Die Zeugnisse der Kanzleisprache sind erhalten in den
Urkunden und in den Lehrbüchern. Diese Lehrbücher sind
nun eben jene 'Formulare vnd tütsch Rhetorica, aus deren
Untersuchung Pietsch sich mit Recht neue Ergebnisse ver-
sprach. Schlägt man ein solches Formulare auf und geht
die Urkunden und Briefe durch, die sich als Musterzeugnisse
des Kanzleistils geben, so findet man sie mit einer erstaun-
lichen Masse von jenen Formeln geziert. Man kann sogar
sagen, dass ihr einziger rhetorischer Schmuck eben darin
besteht. Geht man nun zur Einleitung der Formulare zu-
rück, in der unter anderem Schmuckstücke für Urkunden
und Briefe in einzelnen Abtheilungen zusammengestellt sind,
so findet man die Beobachtung von neuem bestätigt. Wenn
man etwa in der Rhetorica von 1483 die Abschnitte 'Merck
hernach schön gcleychnuß' und 'Hyenach volgend etlich co-
lores vnd exempla rethoricales mit hübschen beschliessungen
vnd hofrlichem teütsch von allen reden außgezogen* einer
genauen Prüfung unterzieht, so wird man mit verschwindend
wenigen Ausnahmen überall nur synonyme mehrgliedrige
Ausdrücke als bezeichnendes Merkmal feststellen können.
Spätere Formulari vnd tütsch rhetorica* wie das von 1488
unterscheiden sich fast nur in den Überschriften: 'Schon
geplönite red* und Hienach volgent aber ander colores
rhetoricales, mitt exompeln vnd hibschen beschiessungen,
vßzogen von vil reden. Endlich findet man einen Ab-
schnitt, der sich überall ganz offen gibt als das, was er
ist : Sinonima rethoricalia (1483) oder 'Sinonima oder glych-
bedeutende Wörter (1488). Es kann nach den früheren
Beobachtungen kein Zweifel über den Zweck bestehen, zu
welchem diese Sammlungen gegeben wurden : dem Schreiber
sollte die Möglichkeit geboten werden, sich aus den ein-
zelnen Synonymen mehrgliedrige Ausdrücke nach Art der
geplömpten red' und der colores rhetoricales' für den
eigenen Bedarf selbst zusammenzusetzen. Diese Ansicht
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SYNONYMA.
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wird gestützt durch die Worte, mit denen die Synonyma
im Register angezeigt werden : Hie hebendt an die Syno-
nima durch die man wolgeziert geplompt red vnd kostlich
Collores der Rhetorica formieren mag'. Eine fernere Be-
stätigung finden wir in einem gleichzeitigen Zeugnis, in der
Polemik, welche der unter starkem lateinischen Eintluss
stehende Verfasser des bekannten 'Spiegels der waren Rhe-
toric, Friedrich Riederer von Mühlhausen gegen diesen
Gebrauch der Synonyma unternimmt: 'etlich redner vnd
schreyber gebrauchend sich vil Synonima inn ein red zftuer-
sammlen, vnnd vermeynend damit die red zeweytren vnd
züzyeren, so doch der selben wort keins weyter oder ge-
meyner bedeütnuß hat, dann das ander, auch keins das
ander erklart, noch einig frucht noch nutz inn der red ge-
bürt, dann inn yeder red sollen die wort nit müssig, noch
on vrsach stehen, sonder etwas nutz tragen. Das beschicht
inn den gantz gleychen Synonimis nit, dann gantz unnütz, vnd
nit zierlich ist die red, Also, du hast mich meiner eheren
beschuldiget, belümbdet, gescholten, geschmächt vnd ge-
schmutzt. Angesehen das der selben wort keins das ander
inn bedeütnuß vbertrifft. Aber bestendig ist, wann sie inn
vil reden, oder teylen der red, also das andere wort, da
zwyschen kommend, gebraucht werdend sollicher form, Peter
hat Jacoben beschuldiget, Conrathen verlümbdet, Katherinen
gescholtenn, Vrsulen geschmächt, vnd alle menschen an
eheren geschmutzt. Vnd ist zewissen, dz Synonima darumb
erfunden sind, wann ein wort sich auff vil artickel, wie inn
nechst vorgehendem beyspyl zebrauchen gebürt, das wir
dann ein anders, das jm inn bedeütnuß gleych sey, an sein
statt zebrauchen haben, dadurch vermitten bleyb, die vbel-
thönend red: Peter hat Jacoben verlümbdet, Katherinen
verlümbdet, Vrsulen verlümbdet, vnd alle menschen ver-
lümbdt* (Ausgabe von 1535, 35 a). Ungemein bezeichnend
ist es, dass Riederer in dem praktischen Theil seiner Rhe-
torik sich nicht nach dieser Regel richtet, die er selbst mit
nachdrücklichster Breite vorträgt, sondern fast überall die
Pfade des allgemeinen Kanzleistils wandelt. In seinem
Werk fehlen allerdings die oben angeführten drei syno-
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STILISTISCHES
nymischen Abschnitte. Spätere compilatorische Thätigkeit
hat den armen Riederer mit den von ihm bekämpften
Bestrebungen zusammengespannt. In den Egenolffschen
Rhetoriken ist vorn mit der Vorrede des 'Spiegels' der Aus-
fall gegen die Synonyma gegeben, hinten aber eine zum
grossen Theil auf den alten Sammlungen der Formulare be-
ruhende Synonymenliste abgedruckt, über deren praktische
Anwendung die Zeit nun einmal andere Ansichten hatte als
Riederer.
Man ist nicht berechtigt, Schlüsse aus diesen alten
Rhetoriken auf die Zeit Huttens und Luthers zu verbieten ;
denn erstens sind die Rhetoriken fast ganz unverändert bis
in das sechzehnte Jahrhundert hinein wiedergedruckt worden,
zweitens sind in den späteren Rhetoriken wie in der des
Hug von 1527 zwar jene allgemeinen synonymischen Theile
wie die ganze Einleitung der alten Formulare fortgelassen,
in den Beispielen aber doch überall befolgt; endlich hat sich
vorläufig wenigstens ein Büchlein gefunden, welches den
unbestreitbaren Beweis liefert, dass auch in dem hier zu
untersuchenden Zeitraum noch genau dieselben Ansichten
lebendig waren, welche sich aus den alten Formularen er-
gaben. Bereits der Titel dieses Büchleins bestätigt auch
für unsern Zeitraum unmittelbar die obigen Beobachtungen,
nach welchen das Wesen des rhetorischen Schmuckes des
ganzen Kanzleistils allein in der Synonymik zu suchen ist.
Der Titel lautet: Hie hebent an die synonima die man
nent gezierte geblümte, vnd colores der schonen hoffkunst-
rethorieken formieren' (o. 0. 1522).
Dieser Titel spricht das Ergebnis der Untersuchung
aus: die mehrgliedrigen Formeln sind für das XVI. Jahr-
hundert nicht Bestandteile der Volkssprache, sondern
der 'hoffkunstrethoriken*.
Die Aufgabe einer umfassenden Untersuchung wäre es,
den Quellen dieser stilistischen Erscheinung nachzugehen.
Es wäre zu erforschen, in welchem Zusammenhang die
Synonyma mit jenen alten Formeln der Poesie und Rechts-
sprache stehen, denen man sie bisher einfach gleich-
setzte. Es wird sich ohne eine solche Untersuchung vor-
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SYNONYMA
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läufig nicht entscheiden lassen, ob die Synonyma eine un-
mittelbare Ausartung der alten Formeln oder ein neues
Erzeugnis der Kanzlei sind, welche vielleicht auf diese Weise
die mühsam gesammelten Schätze der Synonymik zur
Schau stellen wollte.1 Für die erste Annahme scheint zu
sprechen, dass in den Synonymensammlungen, so also auch
in der zuletzt angeführten, sich unter den einfachen Syno-
nymen nicht nur alte durch Reim oder Allitteration ge-
bundene Formeln, sondern auch Auflösungen von solchen
alten Formeln finden, die gar keine synonymische Verbin-
dung haben : 'Biegen, Schmiegen' (c 6), 'Glitzet, Plitzet' (c 2) ;
'Schirm, Schutz' (a 7) ;'Schand, Schaden (b 1),' Wandeln, Handeln'
(b4); 'Willen Wissen, (b2). Zuweilen ist sogar das be-
zeichnende 'vnd' mit eingeschlichen: 'Lob vnnd eer (b3).
Diese Erscheinung ist aber ebenso gut dadurch zu erklären,
dass bei der aus anderen Gründen entstandenen Synonymen-
jagd mit den gesuchten alten Formeln durch Unachtsamkeit
auch solche eingefangen wurden, die in die neuen Samm-
lungen eigentlich gar nicht passten. Für unsern Zweck
kann diese Frage unbeantwortet gelassen werden, da schon
in den dargelegten Beobachtungen ein hinreichend fester
Standpunct zur Beurtheilung der im Eingang aufgeworfenen
Frage geschaffen ist.
Halten wir das Ergebnis der Untersuchung zunächst
neben Rückerts Aufstellungen über die Bedeutung der Syno-
nyma bei Luther, so sind wir nicht nur berechtigt jenen
Satz Rückerts umzustossen, in welchem er auf Grund seiner
Beobachtungen über die Synonyma Luthers Sprache 'das
Centrum oder den Mikrokosmus des volkthümlichdeutschen
Sprach bewusstseins nennt, sondern wir müssen sogar an
seine Stelle den Gegensatz rücken, dass Luther in keiner
stilistischen Erscheinung deutlicher zeigt, wieviel er von
der Kanzlei gelernt hat, als in dem Gebrauch der Synonyma.
Jene Worte der Tischreden, in denen Luther sein Verhältnis
zu den Kanzleien ausspricht, können also nicht allein auf
lautliche und grammatische, sondern auch auf stilistische
• Vgl. Joh. Müller, Der deutschsprachliche Unterricht 8. 371.
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STILISTISCHES
Eigenheiten bezogen werden. Ein Wirken volksthümlichen
Sprachbewusstseins ist nur insoweit zuzugeben, als Luther
die in den Synonymen enthaltenen alten Formeln be-
sonders pflegt und durch allitterirende und reimende Neu-
bildungen vermehrt.
Was ergibt sich hieraus für die dreihundert mehr-
gliedrigen Ausdrücke des Vadiscus? Dass wir nicht be-
rechtigt sind, in jedem mehrgliedrigen Ausdruck ein er-
freuliches Zeichen frischer Volkssprache zu sehen, dass wir
vielmehr im einzelnen prüfen müssen, wie Hutten sich der
von der 'hoffkunstrhetoriken erlernten Mittel zur Gestaltung
seiner Sprache bedient hat.
Man darf nicht meinen, dass die Übersetzung dadurch,
dass sie jene dreihundert mehrgliedrigen Ausdrücke auf-
genommen hat, in den Kanzleistil verfallen wäre. Den
charakteristischen Unterschied ergibt ein Vergleich mit einem
eigentlichen Sendschreiben Huttens. In einem solchen Er-
zeugnis des Kanzleistils, welches in einer gewissen Breite
und Fülle seine Würde sucht, sind die cohres rhetoricahs
in einer gleichmässig dicken Schicht über die ganze Rede
gestrichen, so dass die Zeichnung meist nur verwischt und
verdeckt wird. In der Übersetzung des Vadiscus dagegen
benutzt Hutten die colores rhetoricales fast stets, um an den
bedeutsamen Stellen hellere Lichter aufzusetzen, welche
das ganze Gemälde heben.
Naturgemäss entwickeln sich also die doppel- oder
mehrgliedrigen Ausdrücke am häufigsten aus den vielen
Scheltworten der scharfen Polemik gegen Rom. Der Vor-
gang ist so einfach, dass wenige Beispiele für die grosse
Menge der Fälle genügen: nefarium sünd vnd schand* (180,
20), infatuatum 'betöret vnd geaffet' (245, 22). Besonders
bevorzugt wird diese Art der Übersetzung für die Steige-
rungsgrade der Adjectiva mit tadelnder Bedeutung: ocerbior
vordrißlicher vnnd' vnleydlicher (158, 28), nefandissima
'vnzimlichst schalckhafftigst lästerlichst* (189, 23). Theil-
weise dient der zweigliedrige Ausdruck geradezu als Ersatz
für den im Latein sehr verbreiteten rhetorischen Superlativ :
(jravissimo schwärem vnnd vnträglichem' (192, 35).
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SYNONYMA.
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Eine kleinere Zahl von Fällen zeigt den entsprechenden
Vorgang bei solchen Wörtern, die einen Ton der Zuneigung
in sich schliessen : innoeeniibus 'frommen vnd vnschuldigen"
(210, 18), liberalitas 'miltiglich, freüntlich, vnd dinstlich
geberen (239, 33).
In all diesen Fällen ist deutlich zu bemerken, wie sich
unter dem Druck des rhetorischen Tones das einzelne Wort
in mehrere spaltet und so der Ton gewissermassen ver-
körpert wird. Eine Minderzahl der mehrgliedrigen Aus-
drucke hat sich nicht aus der Rede heraus entwickelt,
sondern ist als fertige Formel übernommen worden. Hier-
her gehören die an anderer Stelle besprochenen Formeln
der Kanzlei-, Kirchen- und Hofsprache, unter welche auch
fast alle Fremdwörterverbindungen fallen.
Zum Schluss noch eine Bemerkung über die Form der
mehrgliedrigen Ausdrücke, weil sich aus ihr ein sicheres
Merkmal Huttensehen Stiles ergibt. Es ist oben erwähnt
worden, dass in der Zahl der colores rhetorirales auch die
allitterirenden und reimenden Formeln vertreten sind. So
hat denn auch Hutten gifften und gaben, schänden vnd
schaden, liegen vnd triegen, rupften vnd rauben u. s. w.
Das Muster solcher Verbindungen hat nun zu Neubildungen
Anlass gegeben. Wie sich bei Luther manche allitterirenden
und gereimten Verbindungen finden, die sicherlich nicht
übernommen, sondern von ihm geschaffen sind, so hat auch
Hutten eine allitterirende Verbindung, welche er mit Vor-
bebe anwendet, während sie sonst nicht zu belegen ist:
molles et delicati weych, weybisch, vnd wollüstig' (243, 37).
Clag vnd vormanung : 'Ein weybisch volck, ein weyche schar*
(1174). Inspicientes: mollitie et luxu weychmütigkeit vnd
weybischem leben (282, 36). Varnbüler sagt an unserer Stelle
'weych vnd verwänt'. Varnbüler hat die mehrgliedrigen Aus-
drücke als Kind seiner Zeit auch nicht selten. Da es ihm
aber an jedem rhetorischen Talent gebricht, so sind sie fast
immer unnöthiger Ballast an unrechter Stelle.
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STILISTISCHES.
ABSTKAOTA.
'Ex abunduHtia ronlis os loquitur. Wenn ich den Eseln
sol folgen, die werden mir die Buchstaben fürlegen, vnd
also dolmetschen, Aus dem vberflus des hertzen redet der
mund. Sage mir, Ist das Deudsch geredt? Welcher Deudscher
verstehet solchs? Was ist vberfluss der Hertzen für ein
ding ? . . . . also redet die Mutter im hause vnd der gemeine
Man: Wes das herz vol ist, des gehet der mund vber.
Das heist gut Deudsch geredt, des ich mich geflissen vnd
leider nicht allwege erreicht noch getroffen habe. Denn die
Lateinischen Buchstaben hindern aus der massen sehr, gut
deudsch zu reden'.
Die stilistische Frage, welche Luther mit diesen Worten
im Sendbrief vom Dolmetschen erörtert, betrifft die Bc-
handlung der lateinischen Abstracta bei der Übertragung
ins Deutsche. Luther deckt einen Grundunterschied der
beiden Sprachen auf, der nur in der modernen Schriftsprache
fast völlig überbrückt erscheint, und er hat Recht, seine
Gegner, welche den Unterschied übersehen, der Unkenntnis
deutscher Sprache zu zeihen.
In den Reihen dieser Gegner müssten wir Hutten
finden, wenn wirklich seine Prosa sich jenem Übersetzer-
deutsch des Nicolaus von Weil, einem Deutsch, hinter
welchem Wort für Wort das Lateinische liegt' mit Wacker-
nagel gleich setzen Hesse. In einer überwältigend grossen
Anzahl von Stellen hat jedoch Hutten deutlich bewiesen,
dass auch in dieser Frage sein deutsches Sprachgefühl ihn
nicht verlassen hat. Wenn er dann auch in manchen Fällen
dem Einfhiss des Lateins erliegt, so muss daran erinnert
werden, dass auch Luther nach eigenem Geständnis sich
demselben nicht immer ganz entziehen konnte.
Es ist kein Zufall, dass in dem von Luther angezogenen
Beispiel gerade ein Verbum das Abstractum ersetzt; denn
in der grössten Zahl der Fälle findet ein Austausch zwischen
Abstract und Verbum statt. Diese Erscheinung ist aus der
Entstehung der Abstracta leicht zu erklären.
Diese Ersetzung durch ein Verbum braucht nicht immer
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ABSTRACTA.
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eine Veränderung des Satzbaus zur Folge zu haben. Der
Satzbau bleibt ungeändert, wenn ein mit einem Hilfsverb
verbundenes Abstract entweder allein oder sammt dem Verb
in ein Verb verwandelt wird: qua rioleutia quae possit esse
yraviur. quae foedior contumelia, quae f>eior servitus? Ist
das nit ein vngehörter vnbillicher gewaltsam? Oder wie
möcht man vnß nier, vnnd höher beschweren? Wie möcht
man voriichtlicher vnnd schmälieher vntertrucken ein
volck? (156, 28). Dies Beispiel ist dadurch besonders
bemerkenswert!! , dass es die allmähliche Trennung vom
Abstract zeigt, ne sit svortandi ittrum occasio 'vff das
sye .desto weniger zü vnerlichem leben vorursacht werden'
(199, 18) miseria (est) 'ist zü erbarmen* (249, 28).
In allen übrigen Fällen wird jedoch durch die Um-
wandlung des Abstracts in ein Verbum ein neuer Nebensatz
bedingt: summae spei adulesceuti prineipi 'dem edlen iüng-
ling, zu dem yederman alles güt vorhoffen ist' (159, 25); in
tunta verum pvuuriu 'die weyl der stifft sollicher massen
vorderbt ist' (193, 21); umnes eins observarent motus, omnem
»crluderent exitum 'wo sich die hjnwegt, bestelt, wohjn auß
sye wolt, beschlossen werde (212, 23); 'imyudenfia autem
oerer uudiain dissipat, et quo minus pudeat ftagitii, ipsa efficit
Wer aber zu Rom auff kummen wil, darff nit vast schewen,
ein groß böß wichts stuck züthün. Hyrumb muß man zü
Horn vnuorschampt sein , vnd vor keiner begangen schand
bald rot werden (202, 34 ff.). Das letzte Beispiel über-
schreitet bereits die Grenzen der einfachen Ersetzung des
Abstracts durch ein Verb, konnte aber nicht übergangen
werden, da es klar zeigt, wie aus der Verdrängung der Ab-
stracta sich andere Verdeutlichungen unmittelbar ergeben.
Eine zweite Art der Umwandlung des Abstracts ist
die Einsetzung durch ein Adjectiv: Magna cum utilitate et
publica commodo 'das würt auch nutz güt, vnd yderman
erschißlich sein' (198, 23), 'ad vitae beatitudinem 'in dem
seligen leben' (227, 17).
Nicht alle Fälle, welche die auffallende Bewahrung
oder gar Einführung eines Abstracts zeigen, beweisen ein
Erliegen vor lateinischem Einflüsse. Fügungen wie 'auß
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STILISTISCHES
Bäpst liches geytzes anreytzung vnd bewegnülj für ooarifiae
pontificalis insünctu (174, 23) können allerdings den latei-
nischen Einfluss nicht verläugnen. Dagegen sind zahlreiche
Fälle, in denen das Verb in Abstract und Verb zerlegt
wurde, aus Forderungen des deutschen Satzaccents zu er-
klären. Andere Fälle sind im Abschnitt 'Hofsprache' bereits
erklärt.
Die hier beobachteten Erscheinungen liefern keinen
Beitrag zu den individuellen Stilkriterien. Überall lassen
sich bei Varnbüler ähnliche Wandlungen aufweisen. Charakte-
ristisch sind die Beobachtungen trotzdem, weil sie Hutten
in freier Bewegung gegenüber denjenigen Kräften des Latein
zeigen , denen selbst der Sprachgewaltigste und endlich
unsere Sprache als solche nachgeben musste.
PRONOMINA.
Die pronominalen Bestandtheile haben bei der Über-
setzung sich eine wesentliche Einschränkung gefallen lassen
müssen. An die Stelle der substantivischen und adjecti-
vischen Pronomina und der Pronominaladverbia sind in sehr
vielen Füllen die Nomina selbst getreten. Diese Wendung
lässt sich zunächst aus einem allgemeinen Stilunterschied
der beiden Sprachen begreifen. Dem lateinischen Stil ist
ein Beichthum an pronominalen Bildungen und dessen aus-
gedehnteste Verwerthung eigenthümlich. Er wird durch den-
selben weder in seiner Natürlichkeit noch in seiner Deut-
lichkeit beeinträchtigt. Von dem deutschen Stil, soweit
nicht die moderne Schriftsprache in Betracht kommt, darf
man in allen Puncten das Gegentheil behaupten. So erklärt
es sich, dass jede Übersetzung, die sich nicht die peinlichste
Nachahmung der lateinischen Vorlage zur Aufgabe gesetzt
hat, also auch Varnbüler, nicht wenige Beispiele dieser Er-
setzung aufzuweisen hat : haer ille detestabatur Christus
hat die krieg gescholten* (181 , 32. V. 'hat Christus den
selben verflucht'), illius . . huius Pij . . Julij' (216, 17. V.
an dem . . an dem)' ; hoch honore 'Bischoffl icher Eeren (194, 19.
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PRONOMINA.
31
V. 'zum ßistumb'); hie 'in .teütschland' (l.r>8, 34. V. 'haussen').
An einigen Stellen ist der Übergang vom Pronomen zum
Nomen bei Hutten noch erhalten: ille er Carolus' (176, 15.
V. 'der Keyser Carolus), Uli 'sye die Komanisten' (210, 34.
V. sy ).
Dieser einfache objective Ersatz der Pronomina kann,
da er einem ganz allgemeinen Zug des deutschen Stils ent-
springt, für Huttens Stil nur insofern bedeutsam sein, als
er bei ihm ungewöhnlich häufig durchgeführt ist. An sich
charakteristisch ist dagegen derjenige Ersatz, den man am
besten den subjectiven nennen kann. Das subjective Urtheil,
das vielfach in dem lateinischen Pronomen nur angedeutet
ist, wird in deutliche Worte umgesetzt: nemo arhitrutnr
'das narrisch volck glaubt nit' (228, 22. V. vil leüt meynen
. . kein'), hae 'die gütten frommen weyblinn (228, 35. V.
ettliehe); mores hos 'ire böße sitten (219, 34. V. 'dißer boß-
heit'j, illml bellum ein vast schädlicher krieg (195, 24. V. 'der
krieg'). Wenn sich auch zuweilen ein solcher Fall bei
Varnbüler findet, so ist doch' die Erscheinung, zumal in
ihrer vollen Ausbildung, fast nur bei Hutten festzustellen.
Es ist seinem Stil eigen, dass die Flamme des Unwillens,
welche der lateinische Kedner durch jene Pronomina halb
verdeckt, im Deutschen überall durchbricht und in scharfen
Worten hell auflodert.
Um ein statistisches Beispiel der Wirkung dieser Be-
strebung zu geben, mögen die Zahlen verglichen werden,
welche das Auftreten des Namens Teutsch oder Teutsch-
landt lind Germani oder Germania bezeichnen. Allerdings
kann hier zuweilen nicht bloss die Abneigung gegen das
Pronomen, sondern auch eine patriotische Neigung für den
Namen wirksam gewesen sein. Der Umstand aber, dass
dieselbe Erscheinung auch bei gleichmütigen Städtenamen
(z. B. 150: viermal Meilitz, während es im Latein gar nicht
vorkommt) sich zeigt, beweist zur Genüge, dass hauptsäch-
lich die hier zu besprechende Kichtung gegen das Pronomen
wirksam gewesen ist:
Latein: 57. Varnbüler: 64. Hutten: 79.
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STILISTISCHES.
BILDER.
Die Behandlung der bildlichen Ausdrücke bietet einen
vorzüglichen Massstab für die Sorgfalt und Gewandtheit
des Ubersetzeis und die Lebendigkeit und Anschaulichkeit
der Übersetzung. Es lassen sich mehrere Arten der Be-
handlung deutlich von einander scheiden : der bildliche Aus-
druck wird übernommen, wird weiter ausgeführt, wird durch
einen neuen ersetzt, wird in einen unbildlichen umgewandelt.
Ein Vergleich der beiden Übersetzungen ergibt fast durch-
gehend* einen Unterschied zwischen Hutten und Varnbüler,
welcher stets zu Gunsten des ersteren spricht. Es kann
kein Streit darüber bestehen, dass man von einem Über-
setzer die Bewahrung der Bildlichkeit eines Stils fordern
muss, wenn man diesen nicht in seinem Charakter und
in seiner Wirkung schädigen lassen will. Während nun
Hutten alle jene Arten der Behandlung pflegt, welche die
Bildlichkeit des Stils bewahren oder erhöhen, gibt sich Varn-
büler am häutigsten der Umwandlung des bildlichen Aus-
drucks in einen blassen unbildlichen hin, die bei Hutten
uns gar nicht begegnet. Aus der grossen Menge der Fälle,
welche sich hier zur Beurtheilung bieten, sollen nur einige
hervorstechende ausgewählt werden, um an ihnen die Gründe
und Wirkungen der verschiedenen Behandlungsweisen dar-
zulegen. Sie werden geordnet nach der Art der Behand-
lung, welche Hutten ihnen angedeihen lässt.
Der bildliche Ausdruck wird von Hutten nicht so oft
einfach übernommen, wie man erwarten möchte. Die Gründe
der Abweichungen werden mit diesen zusammen behandelt.
Anulhemate conßxit pontifex 'hat der Bapst mit dem bann
geschossen (192, 2<i. V. 'hat der Bapst in den Bann gethon),
vix jHiuca attiyissv 'er hette noch erst ein wenig obenhyn
berurt' (207, 38. V. 'er hett vil vergessen'), levare adversum
se digitum einen finger gegen jnen auffheben (237, 28. V.
'ein finger wider sy auffheben').
Die Fälle der einfachen Übernahme sind eingeschränkt
zunächst dadurch, dass Hutten durch seine Neigung zu
grösserer Sinnlichkeit im Deutschen dazu geleitet wird, die
v
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BILDER
bildlichen Ausdrücke weiter auszuführen und so fast zu
einem Gleichnis zu gestalten: qni cerebro carent 'in deren
kopffen kein hyrn meer ist' (210, 32. V. 'der nit bei sinnen
ist ), spiriUdki nobis seminareut 'sye einen geistlichen somen
vnder vns würffen' (222, 19. V. 'sy vns nur geystliche gütter
saeten), eertum est veteri nausea desuetum denuo vexare
stomachwn, ut haue breviter devoremus molestiam et obduetam
refriceniHS ckatrirem 'dann ich hab mir vorges&tzt, meinen
magen. der solliches grawens schon entwonet was, widerumb
vff ein newes zu belastigen, damit wir kürtzlich diße vnlü-
stige speyß vorschlicken, vnd den ruf, damit die alte wund
überzogen was, widerumb abklawben (189, 34. V. dann ich
muß ye sollich feyndtselig ding noch ein mal hören, wie
wol ichs schier entwonet binn). Der Unterschied der beiden
Übersetzungen und die Eigenheit einer jeden kann nicht
klarer hervortreten als in der letzten Parallele.
Am meisten liebt Hutten die Ersetzung durch ein
neues Bild, während Varnbüler hier wie vorher meist der
Umwandlung in einen unsinnlichen Ausdruck huldigt : conni-
ret aheriter gar frölichen durch die hnger sycht' (214,
:17. V. 'verwilligt'), laqueos iniciendi Christionac libertati
'Christlicher freyheit hand an zulegen' (224, 28. V. 'der
Teütschen freyheit mochte strick anwerfen1), execrationibus
ftdmhiabunt 'werden mit bannen vnd maledeyung vmb sich
werfen* (237, 30. V. 'vnd verfluchen vnd in Bann thftn), ei
quod sie peperis deereto 'was er also zymmert' (225, 27. V.
'was er dann also beschleußt'). An einer langen Reihe von
Beispielen Hesse sich immer dieselbe Erscheinung aufzeigen,
dass bei Hutten zwar oft das Bild der Vorlage wegge-
schnitten wird, immer jedoch ein neues zum Ersatz an
derselben Stelle hervorspriesst.
Für den Übergang des bildlichen Ausdrucks in einen
unbildlichen sind in Huttens Verdeutschung kaum sichere
Beispiele zu finden, während Varnbülcrs Übertragung solche
fast bei jedem Griff geboten hat.
Die angeführten Beispiele rechtfertigen den Eingangs-
satz. Aus den Zusammenstellungen ergiebt sich, wie hin-
gebend und gewandt Hutten gearbeitet hat und wie an-
Q.F. LXVII. 3
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STILISTISCHES.
schaulich und lebendig seine Arbeit geworden ist. Die
lebendige Anschaulichkeit ist ein Haupterfordemis des
volksthümlichen Schriftstellers. In auffallender Stärke hat
sich diese Seite von Huttens Stil in seinen ursprünglich
deutschen Schriften weiter entwickelt. Schon oben wurde
erwähnt, wie der bildliche Ausdruck ins Gleichnis übergeht.
Ein vorzügliches Beispiel solchen Ubergangs bietet eine
Parallele der '(lag vnd vormanung zu einer oben ange-
führten Stelle des Vadiscus (224. 2S) :
Hyerumb wo etwas frey noch wer,
bald bringen sye ein vrsach her
zfi fassen das mit einem strick.
do werden gstellet garn vnd rick,
vff dass nur hye kein frcyheit bleib. |74S tt.)
Während im Latein das Bild so leise angedeutet war,
dass es leicht durch ein anderes ersetzt werden konnte,
hat Hutten es im deutschen Gedicht zu einem Gleichnis
erweitert, das ganz deutlich die sinnliche Anschauung
als Quelle verräth. In demselben Gedicht finden sich noch
mehrere Beispiele, welche die grössere Sinnlichkeit als einen
Vorzug der deutschen Schritten Huttens beweisen. Auch
sie sind Spiegelungen des Ritterlebens:
vil frommer Teütschen seind bedacht
die werden greyffen eiich in zaum
dann werdt ir vns entryten kaum. (450 ff.)
Doch ist der geytz der sye das heisszt
der Bapst mit dilien falcken bcisszt,
die jagen jm das wiltprecht auff. (403 ff.J
Solche Beispiele hat Huttens Latein nicht aufzuweisen.
Der Humanist wirthschaftet mit den Stellen antiker
Schriftsteller, die schon oft zur Belebung und Ausschmückung
verwendet sind. Ein fertiges Bild zu übernehmen erfordert
nicht die gleiche Kraft der Sinnlichkeit wie die Schöpfung
eines neuen Bildes aus eigener Anschauung. Die grössere
Kraft der Sinnlichkeit, welche sich mithin in den ursprüng-
lich deutschen Schriften olfenbart, ist auch wirksam ge-
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CITATfc.
wesen bei der Übersetzung. Die eigentümliche Weise, in
welcher Hutten im Gegensatz zu Varnbüler die bildlichen
Ausdrücke behandelt, und die Schöpfung neuer Bilder aus
der eigenen Anschauung liegen auf derselben Linie der Ent-
wicklung seines Stils.
CITATE.
Der Dialog ist von einer langen Reihe von Citaten
durchzogen, die zum grösseren Theile aus römischen und
griechischen Schriftstellern und nur zum kleineren aus der
Bibel stammen. Die Übersetzung der biblischen Citate als
solcher bietet wenig Charakteristisches. Hingegen lassen
sich mehrere wichtige Eigenthümlichkeiten Huttenschcn
Stiles aus der Behandlung der classischen Citate abnehmen.
Für diese hat Hutten, da sie nicht als Beweisstücke, son-
dern als Schmuckstücke der Rede eingefügt sind, mit Recht
ihre wesentliche Form zu bewahren gesucht. Während Varn-
büler auch die Citate in gebundener Sprache prosaisch um-
arbeitet, hat sie Hutten in metrischer Form herübergenommen.
Statt der lateinischen Hexameter ist jedoch überall die
deutsche Form der Reimpaare gewählt. Wenn man sich
vergegenwärtigt, dass vor der Übersetzung des Vadiscus
bereits die Clag vnd vormanung liegt, so ist es erklär-
lich, dass in diesen metrischen Übersetzungen Hutten eine
solche Gewandtheit zeigt, dass er beispielsweise in den
ungefähr fünfzig Versen Vergils, die er citirt, die Murnor-
sche Arbeit, die er übrigens nicht gekannt hat, weit über-
trifft. Seine Verdeutschung ist treffender und knapper.
Eine sehr gewichtige Änderung zeigt die Art der
Einfügung der Citate. In der lateinischen Fassung sind
mit wenigen Ausnahmen die Citate ohne irgend welcho
Quellenangabe zu finden. Wie sehr hiervon die Behandlung
in der Übersetzung verschieden ist, lässt sich an den zehn
Vergilcitaten zeigen. Im Latein sind sie ausser zwei Fällen
(Virgilianum 244, 10; Vergiliano 247, 4) ohne "weiteres in
die Rede aufgenommen. In der Übersetzung heisst es drei-
3*
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36
STILISTISCHES.
mal als (wie) Virgilius sagt (spricht)' (I6.r>, 29; 235, 24 ;
237, 19); je einmal als der poet sagt' (243, 32), 'von den
geschrieben (244, 19); in einem der beiden bezeichneten
lateinischen Fälle tritt auch die Person hinzu, die bei Vergil
gemeint ist: 'die reüber (244, 28); in zwei Fällen findet sich
mit der Nennung des Dichters auch der Name der Person
ein: 'Sinonis, von dem Vergilius schreybt' (159. 35), als sye
jm Virgilio Dranccs zürn Turno sagt' (173, 23). Nur einmal
fehlt wie im Latein die Nennung des Dichters (257, 20).
Varnbüler hält sich in dieser Hinsicht streng an das Latein.
Ein analoger Fall für biblische Citate : wie Christus gesagt*
(229, 32). Wie schon aus den Vergilischen Beispielen zu
sehen ist, will die Einleitung zuweilen nicht mehr als eine
Art hörbarer Anführungsstriche für das ungeschultere
deutsche Publicum sein: als man spricht* (237, 26). als das
Sprichwort sagt* (236, 36).
Auch der Inhalt der Citate erfahrt bei Hutten eine
charakteristische Änderung. Die individuellen Bestandteile
der Citate werden ausgemerzt, da sie zwar der Leser des
lateinischen Dialogs, nicht aber der Leser der Übersetzung
sich zu erklären weiss. So werden die Namen aus Ver-
gilischen Versen entfernt : Murpesia ccwtes 'felß' (165, 31. V.
'fels). Dass Varnbüler hier den Namen nur fortgelassen
hat, weil er ihn nicht verstand, und welche Verwirrung
durch die einfache Übernahme der Namen angerichtet wird,
zeigt sich an einem anderen Beispiel, das auch zu den
früheren Beobachtungen stimmt: nemo ausu* est tarnen recla-
nia re Uli vel Iiis rerbiat,
(Juid miaeroa totus in operta pericula cires
Proiici\ o Latio caput horum et cauasn tmilortim? [Verg. 11, 360 f.]
Hutten: yedoch hat jm sollichs niemant vnbilligen gedornten,
noch entgegen reden, auch nür mit Worten, der gleychen als
sye jm Virgilio Drances zum Turno sagt.
0 haupt vud vrsprung aller sach
Die vns hau bracht in vngciiiaoh,
Wenn hörest auff, in offne not
Das volck zu fAren vnd den tot?' (173, 22 ff.)
Varnbüler: so dorffte dannocht niemants das maul gegen
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CITATK.
87
jra auffthnn , oder dise wort zu jhm sagen , Was bringstu
die armen Burger in solche grosse gefärligkeyt, der du eyn
anfang vnnd hauptsacher bist alles jamers, so über das
Welschlandt geht*.
Zum Vergleich der Versübersetzung möge auch Murner
angeführt werden:
0 Turne wie so manigs mul
in sachen die seind Schadens vol
Stosscstu dein burger drein
die wol zufrieden mochten sein
Du bist ales bösen vnfals
das haupt, den welschen lendern alli. (154 b.)
Bei der unmittelbaren Einfügung des Citats durch Varn-
büler muss die Klage über das 'Welschland', da doch im
Latein von der ganzen Christenheit die Rede ist, ganz
unverständlich bleiben.
In ähnlicher Weise hat Hutten qiiantam riov y.axiov
llhudu mit 'weihe einen hauffen großes Übels ertzelest du
(215, 27) übersetzt, während Varnbüler ans dem Parallel-
glied ijiude praesHyium für das ihm unverständliche Griechisch
was verzweifelten dings ergänzt.
Einmal hat Varnbüler ein griechisches Citat richtig
übersetzt, wol mit fremder Hilfe, weil die griechischen
Worte in seiner Übersetzung sonst falsch oder gar nicht
wiedergegeben werden. Der Fall mag angeführt werden,
denn er zeigt, wie umständlich Hutten bei der Verdeutlichung
der Citate seinem deutschen Publikum gegenüber sein zu
müssen glaubt: at Bomanornm virtutem pro extineta habent
omnes, ut in hac re proverbium iactetur etium,
HdXai .vor' tjaav uXxtfiot Ahbjmot.
'Der Römer macht haltt man vor auß gestorben vnd ver-
gangen, so gar, dz auch ein Sprichwort, so etwan vff die
Milesier geredet, yetzo auff die Kömer gezogen würt. das
ist, 'Etwan waren Römer. (250, 34. V. 'der Römer dapffer-
keyt langest abgangen vnd erloschen ist, also,' das man
auch derhalben das Griechisch Sprüchwort auff sy deüttet,
die Milesier seind etwan streng vnd dapffer gewesen').
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38
STILISTISCHES.
Wie leicht wird im Latein das Citat auf die Römer
übertragen, wie schwer und vorsichtig im Deutschen auf
sie hinüber gezogen!
Aus der Behandlung der Citate geht uns recht klar das
Bild des Humanisten auf, der zu seinem Volk herabsteigt.
ERKLÄRUNGEN.
Die Erkenntnis des Unterschiedes zwischen den beiden
Leserkreisen der lateinischen uud der deutscheu Schrift hat
Hutten am deutlichsten belegt durch die 'vorred vnd auß-
legung\ die er der Übersetzung des Dialogs 'lnspicientes' bei-
fügte.1 Für den Leser des lateinischen Werkes hatte es nach
seiner Meinung keines Commentars bedurft, der dio zahl-
reichen antiken Elemente des Dialogs in ihrer historischen
und litterarischen Bedeutung erläuterte. Dem Leser des
deutschen Gesprächs glaubte er jedoch einen solchen Leit-
faden an die Hand geben zu müssen, weil 4diß nachfolgend
büchlin, etzwas mer dann die vorigen, vff poetische art zü-
gericht1 sei. Auch in dem unmittelbar vorhergehenden Stück
des Gesprächbüchleins, dem Vadiscus, zeigt Hutten, wenn
auch nicht in einer zusammenfassenden Einleitung, so doch
in mannigfachen Zusätzen, dass er auf die geringeren Kennt-
nisse seines deutschen Publikums Rücksicht nimmt. Durch
kleine Änderungen sucht er sowohl Elemente der antiken Sage
und Geschichte wie des römischen Kirchenrechts für seine
deutschen Leser in ein helleres Licht zu rücken. So setzt
Hutten an die Stelle eines allgemeinen Hinweises auf die
Verdienste des Tacitus Tacitum . . authorem, quo nemo de ve-
teri nationis huius laude meritus est melius eine Erklärung
dieses Lobes 4Tacitum . . , so doch kein historien schreyber
mer von vuserm volck geschriben, vnd vnsere alten lob höch-
licher gepreist hat1 (154, 35). Den Vergleich zwischen der
Aufnahme der römischen Legaten seitens der Deutschen und
der Einholung des hölzernen Pferdes seitens der Trojaner
1 H. W. 4, 270 f.
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ERKLÄRUNGEN.
39
macht er durch den Zusatz des Vergleichuugspuuktes, deu
die Leser der lateinischen Fassung aus ihrer Kenntnis des
Trojanerkriegs selbst ergänzen konnten, für das Publikum
der deutschen Übersetzung verständlich: 'vnd vff die ver-
storung zogen' (230, 31). Statt der leise andeutenden Worte
ceterum Mos spmtrias setzt Hutten den klareren Hinweis
•den keyser Tyberium, vnd seine künstiger, die er Spintrias
nennet' (182, 26). Wie nöthig diese Erklärung war, zeigt
Varnbülers Auslassung der Stelle. Dass Hutten nicht immer
sich ganz auf den Standpunkt seiner deutschen Leser zu
stellen vermochte, beweist eine zweite Auslassung Varn-
bülers: den Hinweis auf das Prytaneum (184, 34), den Hutten
ohne jeden Zusatz übernehmen zu dürfen meinte, hat sicher-
lich das deutsche Publikum ebenso wenig verstanden, wie
Varnbüler. Vorsichtiger noch als dieser ist Hutten, wenn er
das Vergilische ultima Thüle durch ietsten Ißlandt' (242, 26)
ersetzt.
Auch auf kirchcnrechtlichem Gebiet kommt Hutten dem
Verständnis seiner Leser entgegen. Auf die Übersetzungen,
die er den Fachausdrücken beigibt, wurde schon in Abschnitt
'Fremdwörter' hingedeutet: pectoralis reservatio 'die vorbe-
haltung im hertzen, pectoralis reseruatio genennt' (180, 22).
Vielleicht gar zu bedächtig erklärt er patronis durch 'patron
(das ist einer der ein lohen gestifft hat)' (241, 31). Zuweilen
hebt er den technischen Ausdruck, den er verdeutlichen will,
aus dem Satzgefüge heraus, in das er in der Vorlage zu tief
hineingearbeitet ist, um das nöthige Licht erhalten zu können :
eorum qtiae semel locavit pontifex regressum, ut vocant 'Etwan
was gewonheit, wann der Bapst schon ein mol etzwas ver-
lyhen hatt, das es doch darnoch wider an den Ordinarien fyelc.
daß hyessz man Regressz' (206, 31).
Auch Varnbüler hat, abgesehen von den Übersetzungen
der Fachausdrücke, einen eigenen Erklärungsversuch unter-
nommen, der jedoch kaum anders als aus dem Bestreben zu
begreifen ist, das Verständnis für eine Anspielung Huttens
zu bekunden : Nimirum Petri successores piscari decet (226, 26)
versieht er mit dem gänzlich überflüssigen Zusatz: 'dieweil
er auch ein vischer gewesen ist'.
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40
STILISTISCH KS.
POLEMIK.
Aus dorn tiefgründigen Quell des Zornes, dem der Va-
discus entsprang, hat auch die deutsche Übersetzung un-
mittelbare Zuflüsse erhalten. Die Strömungen des Zornes,
die den Vadiscus durchziehen, gehen durch die Verdeutsch ung
mit noch stärkerem Wellenschlag. Diese Erscheinung ist
nicht allein daraus zu erklären, dass die polemischen Stellen
unter dem Einflüsse der Gefühle, aus denen sie vor kurzem
entstanden waren, bei der erneuten Bearbeitung auch ohne
bewusste Absicht des Verfassers anschwellen mussten. An
der Verstärkung der Polemik hat vielmehr eben so sehr die
Rücksicht auf das veränderte Publicum ihren Autheil. Der
lateinische Schriftsteller, der auf einen feinhörigen gebildeten
Leserkreis rechneu kann, darf sich der derben Mittel ent-
schlagen, die der deutsche Schriftsteller anwenden muss, um
auf die breite Masse des Volkes kräftig zu wirken.
Von den zahlreichen Mitteln, die Hutten zur Verstärkung
der Polemik braucht, ist eines der allerwirksamsten schon
unter anderem Gesichtspunkte gewürdigt: die Synonyma.
Eine verwandte Erscheinung ist das Hinzutreten eines oder
mehrerer Attribute zu einem Substantiv; denn wie bei den
Synonymen liegt die beabsichtigte Wirkung in der Wucht
des mehrgliedrigen Ausdrucks: avaris 'geytzigen geltfressern1
(153, 10), impostoriöm 'eytelen auffsätzigen betriegern' (1 72, 24).
Zum kräftigen Ausdruck des Mitleids und der Gering-
schätzung bedient sich Hutten gern des Deminutivs, so dass
er zu den in der Vorlage gegebeneu noch neue hinzufügt. Varu-
büler hingegen lässt die Deminutive fallen und giebt auch
keine neuen, wenn mau von Verbindungen wie 'nit ein
diugle, nit oiu würtlin' absieht: palliolum 'hüpsch mäutelin'
(192, 34. V. 'pallium'), oratorculum 'ein legatlm' (245, 27. V.
'vermeynten Redner') ; ovibiis 'schäfnin' (204, 29. V. 'schaffen),
populum 'volckliu' (220, 21. V. fehlt), midieres 'die guten
freülin (228, 32. V. 'die weiber').
AVenn es gilt, einen Begriff wirksam herauszuhebeu,
greift Hutten oft zur Litotes, während Varnbüler sie nur selten
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POLEMIK.
wählt. Sie tritt nicht nur für einen positiven Ausdruck ein,
sondern entsteht auch neu als Attribut eines Substantivs:
iniquissime comparatum est 'es ist ye nit wol verglichen' (22b*,
28. Y. 'das rheymet sich ye gar über), grave sit 'nit behaglich'
(230, 20. V. 'nitt gern'); periculum est 'es ist nit ein kleine
farne* (207, 31. V. 'ein grosse gefar), nefas ducant 'nit vor
ein gering missethat achten' (225, 21. V. 'eyn grosse sünd).
Die beiden letzten Beispiele sind ausserordentlich bedeutsam
dadurch, dass beide Übersetzer einen verstärkenden Zusatz
für nöthig finden und Hutten in beiden Fällen die Litotes
einsetzt.
Das wirksamste rhetorische Mittel neben den Synonymen
ist die antithetische Herausarbeitung der in der Vorlage nicht
immer scharf genug abgehobenen Gegensätze. Entweder
wird zu der einfachen Aussage das Gegentheil gesetzt und so
der Satz antithetisch gestaltet oder es werden die in der
Vorlage zerflossenen oder nur augedeuteten Gegensätze scharf
in einem eigenen Satz einander gegenübergerückt: indignum
'nit billich oder recht, auch vngebürlich' (158, 26), qnando
detravtum huiuscemodi omne prope velum est 'dann der Homer
trngerey (die bißher vordeckt gewest vnd nit idermau bo-
kendt) hat yetzo iren deckel verloren' (160, 22). Durch
die Hinzufügung des Gegensatzes wird die Aussage selbst
wirksam eingeleitet und wie durch kräftiges Ausholen dem
Hieb grössere Wucht verliehen. Die neu eingefügten anti-
thetischen Sätze sind von sehr verschiedenem Umfange. Bald
wird der antithetische Sinn vorhergehender Sätze ganz kurz
in einem 'er sey reych oder arm' (228? 24) zusammeugefasst,
bald auch der in der Vorlage nur angedeutete Gegensatz mit
nachdrücklicher Breite ausgeführt: quid autem refert quibus
armis vincatur Germania 'weissz kevn vuterscheid, ob Teütsch
land mit eysen, pley, oder anderm metall überwondeu werde,
dann das sich zü schämen ist, vus die auch gegen stahel vnd
eysen, vnüberwiudtlich bleiben solten, mit pleyeneu Schwerfen
gezwungen werden' (244, 33). Hierher gehört auch die Verbin-
dung zweier Sätze durch ein *vnd nit allein', das den Inhalt
des mit 'sonder' folgenden Satzes antithetisch vorbereitet: ita
luimus, ut iniitriam adhuc fingert rotidie patiamur "entgeltung
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42
STILISTISCHES.
tragen, vnd das nit allein, sondern auch lassen wir vns nach
täglich mer vnd weyter mit beschwärungen überladen' (191,
23). Ein solcher Satz mit *nit allein' wird zuweilen aus den
vorhergehenden Sätzen heraus neugeschaffen: Immo quem
meminimus veterum relatione etiam aut literarum traditione
aliquot iam seculis? 'Nit allein mag vns keines sollichen ge-
dcncken, sonder auch hör ich nit von den alten, das bey iren
zeyten einer gewesen' (183, 27).
Nicht sowol auf eine einfache Hebung des polemischen
Tones, wie zumeist die bisher besprochenen Mittel, als viel-
mehr auf die Deutlichkeit der Polemik wirkt eine Erscheinung,
die theilweise schon berührt wurde : das gerade Aussprechen
des subjectiven Urtheils. Wie Hutten statt der Pronomina
charakteristische Nomina setzt, so fügt er zu den objectiven
Angaben der Vorlage Randbemerkungen seiner persönlichen
Ansicht, die er ebenso wie den Inhalt der Pronomina von
den Lesern der lateinischen Schrift einfach hatte errathen
lassen: arbitrantes 'so gantz närrisch, das etliche meinen'
(154, 21), existimant 4Vnd meynen die törechten menschen'
(228, 30). Mit Vorliebe verwendet Hutten zu diesem Zweck
den losen parenthetischen Einschub: suadefite diabolo Stuß
rot des teüfcls (als sye das nennen)1 (230, 35), vetustissimam
donationem (Constantini) Von dißer so alten (wie sye sprechen)
Übergebung (174, 36).
Hierher gehört auch die Behandlung der rhetorischen
Fragen, die häufig in Aussage- und Aufforderungssätze um-
gewandelt werden, um die Deutlichkeit und Eindringlichkeit
für den deutschen Leser zu erhöhen: quid posset fieri nefa-
rium magis? 'so möcht doch grösser sünd vnd schand nit
geschehen' (180, 20), nam quid Diocletianum ethnicum sie
detestari oportet 'Derhalben mich offt wondert das man dem
heyden Diocletiano . . . den grösten hochmüt zü schreibt' (182,
36), Immo quid illorum convenit? 'Wie sich auch andere ire
sachen reümeu vnd fügen' (184, 21), quid orari te pateris?
iassz dich nit lang bitten' (167, 26). Varnbüler bewahrt fast
ohne Ausnahme die rhetorischen Fragen der Vorlage.
Die Form der parenthetischen Zusätze wählt Hutten
auch, um neue Stösse auf den Gegner zu fuhren : ubi rescisso
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POLEMIK.
43
foedere in contraria*» deelinare partem placuit 'So bald er
aber (als sein gewonheit was) das bündnuß zerschnitten, viid
vff die gegen seiten gefallen ist' (238, 25); die Parenthese ist
nicht immer deutlich bezeichnet: qitia Leonis X. bulla can-
tnm sitf nequis enm denuo excudat decennium intra *vnib einer
bullen willen, die der Bapst deßhalben hat lassen außgeheu,
darinnen er vff das der Komisch trücker desto mer gewinne,
vnd auß keiner anderen vrsach, vorbeut, das man genanten
Tacirum in zehen iaren nit wider soll trocken' (153, 34).
An solchen den Gegner noch mehr erniedrigenden Zusätzen
hat wol mehr die Berechnung auf das Publikum als die
innere Erregung gearbeitet.
Auch in formell und inhaltlich selbständigen Einschoben
macht sich das Bestreben geltend, die schwachen Seiten des
Feindes mit noch grösserer Wucht anzufallen, als es bereits
in der lateinischen Schrift geschehen war. Wenn in der
Vorlage eine Reihe von Vergehen und Verbrechen augeführt
wird, für die Ablass zu erlangen ist, so tritt in der Über-
setzung mit einem 'Ja noch mer' die steigernde Angabe hinzu,
dass man auch für zukünftige Sünden Vergebung kaufen
könne (230, 25). Wenn in der Vorlage eine einfache Hin-
deutung auf den Nutzen der Schamlosigkeit in Rom genügt,
werden in der Übersetzung ausführlich die Vortheile erwogen,
die dort 'wolgestalt des leybs' gewährt (202 f.). Bei Varn-
büler darf man solche Verschärfungen nicht erwarten , da
er sich inhaltlich keine Abweichungen von der Vorlage ge-
stattet. Dass aber auch eine gewisse Milde der Ge-
sinnung dieser Zurückhaltunjg zu Grunde liegt, lässt sich aus
einer auffallenden Lücke seiner Übersetzung abnehmen.
Während er sonst nur solche Sätze auslässt, die er, wegen
der griechichen Sprache oder der feinen Anspielungen auf
antike Verhältnisse, nicht verstehen kann, hat er den sehr
verständlich ausgedrückten Wunsch Huttens, dass Rom, mit
Ausnahme der echten Priester, lieber von den Türken ver-
nichtet werden möge, als dass die 'gemeyne ergernuß' weiter
bestehe, einfach unter den Tisch fallen lassen (219, 39).
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44
STILISTISCHES.
SYNTAX.
Die Syntax kommt für unsere Untersuchung nur so
weit in Betracht, als sie für die Frage der Abhängigkeit vom
Latein von Bedeutung sein kann. Die niedere Syntax bleibt
also ausserhalb der Beobachtung, und nur die grösseren Satz-
gefüge als solche werden für die Entscheidung der Frage
hier skizzenhaft, herangezogen.
Als Eigenthümlichkeit der frühesten Prosa der Neuzeit
ist mit Recht die Anlehnung an das Latein in Infinitiv- und
Participialconstructionen hervorgehoben worden.1 Naturgemäss
richtet sich bei der Prüfung der Ubersetzung eines Huma-
nisten die Aufmerksamkeit zunächst auf diese Klippen der
ersten deutschen Prosa, zumal gerade Hutten in der bereits
erwähnten kühnen Charakteristik seiner deutschen Sprache
dem Hauptvertreter der latinisirenden Richtung, Niklas von
Wyle, unmittelbar an die Seite gestellt wird.2
Die Construction des Accusativs mit dem Infinitiv
kann mit Rücksicht auf die Ergebnisse historischer Betrach-
tungen nicht an sich als Zeichen lateinischen Einflusses gelten:
erst die Häufigkeit ihres Auftretens giebt den Ausschlag.
Prüft man Huttens Übersetzung von diesem Gesichtspunkt
aus, so wird man ihn weit eher neben Luther als neben Wyle
stellen; denn die Verwendung des Accusativs mit dem In-
finitiv bleibt vollkommen innerhalb der Grenzen des Gebrauchs
dieser Zeit. Eine eigene syntactische Untersuchung würde
für diese einfache Form den statistischen Beweis erbringen
können.
Die Participialconstructionen der lateinischen Vorlage
machen sich in der deutschen Prosa gewöhnlich nicht nur
durch die strenge Nachahmung, sondern vor allem durch die
ungeschickten Auflösungen hemerklich; sie äussern sich in
Fehlern der logischen Verknüpfung und am häufigsten durch
1 H. Rückert, Geschichte der neuhochdeutschen Schriftsprache, 1,
392 ff.
* W. Waokernagel, (i (»schichte der deutschen Littcratur, zweite
Auflage besorgt von K. Martin, 2, :m.
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SYNTAX.
eine Überlastung des Satzgefüges. Nachahmungen der latei-
nischen Form sind jedoch bei Hutten nicht in dein Masse
zu bemerken, dass man wie bei Wyle bewusste Anlehnung
an die Vorlage behaupten dürfte; die häufigere Anwendung
des activen Participiums ist auf Rechnung des damaligen
Sprachgebrauchs zu setzen. Dass Fehler in der logischen
Verknüpfung nicht vorhanden sind, ist bei der Übertragung
eines eigenen Werkes selbstverständlich. Aber auch eine
Überlastung des Satzgefüges vermeidet Hutten fast überall,
da er für die Auflösung neben Relativ- und Conjunctional-
sätzen mit besonderer Vorliebe coordinirte und ganz selb-
ständige Sätze verwendet.
Dasselbe Streben nach Einfachheit und Übersichtlich-
keit zeigt sich auch in der allgemeinen Behandlung des
Satzbaus. Hutten sprengt nicht nur in der überwiegenden
Mehrzahl der Fälle die sogenannte relative Anknüpfung,
sondern löst auch sehr häufig conjunctionale Gliederungen.
Grössere Sätze zerlegt er öfters in mehrere selbständige oder
erleichtert sie durch Aufnahme einzelner Theile iu Paren-
thesen. Nur selten bringt er kurze selbständige Sätze der
Vorlage durch die Übersetzung in ein Satzgefüge. Behält er
die langen Perioden der lateinischen Vorlage bei, so schreckt
er nicht vor zwei vorwiegend deutschen Mitteln zur Erhöhung
der Übersichtlichkeit und Verständlichkeit zurück: er ver-
wendet den zusammenfassenden Einschub und besonders gern
die Anakoluthie, die wieso viele Eigentümlichkeiten der ge-
sprochenen Sprache in der damaligen deutschen Schriftsprache
in voller Blüthe steht. Diese Beobachtungen, die nicht erst
durch Beispiele erläutert zu werden brauchen, erweisen zur
Genüge, dass von der behaupteten sclavischen Abhängigkeit
vom Latein nicht die Rede sein kann, dass vielmehr überall
sich ein lebendiges Gefühl für die Eigentümlichkeiten der
deutschen Sprache zeigt. Eine genauere Würdigung wird
erst dann möglich sein, wenn die historische Syntax solchen
Urtheilen die erforderliche Grundlage gegeben haben wird.
Zum Schlüsse mag nur noch das eine gesagt werden, dass
das wegwerfende Urtheil über Huttens Satzbau sich allerdings
vor dem modernen Stilgefühl, das sich auf die heutige Schrift-
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40
STILISTISCH KS.
spräche gründet, vollkommen rechtfertigt: dem modernen
Leser, der etwa in Höckings Ausgabe deutsche und lateinische
Fassungen neben einander durchgeht, muss Huttens Deutsch
sicherlich recht schwerfällig erscheinen. Wenn man jedoch
daraufhin Huttens deutsche Schriften für einen misslungenen
Versuch und im allgemeinen für eine Niederlage des Huma-
nismus auf deutschem Sprachgebiet erklärt, so begeht man
einen groben sprachgeschichtlichen Anachronismus: den ab-
soluten Vergleich mit der heutigen Schriftsprache und dem
humanistischen Latein kann vor dem modernen Stilgefühl
auch der Satzbau des Sprachmeisters jener Zeit nicht be-
stehen; mit vollem Recht sagt Strauss in der Vorrede zu
seinen Übertragungen der Dialoge von Hutten1: 4Sein classi-
sches Latein steht unserm heutigen Deutsch näher als Luthers
Kirchenlatein uud ttibeldeutsch'.
KLAOSCHRIFT AN DEX KÜRFÜRSTEX VON SACHSEN.
Die Ergebnisse der rein darstellenden Untersuchung
haben practische Bedeutung für die Frage der Verfasserschaft
Huttens an den anonymen I bersetzungen seiner Schriften.
Sobald aus anderen Gründen die Vermuthung entsteht, dass
eine anonyme Ubersetzung Hutten zum Verfasser hat, ist in
der stilistischen Vergleichuug eine sichere Gegenprobe ge-
boten. Diese stilistische Probe soll nun hier allein bei der
bisher nicht neugedruckten anonymen Übertragung der Klag-
schrift an den Kurfürsten Friedrich den Weisen, als deren
Verfasser Hutten auch auf anderem Wege zu erweisen ist2,
zur Ausführung gebracht werden, weil sich gerade für diese
in einer bisher Hutten zugeschriebenen Ubersetzung ein Gegen-
bild, wie Varnbülers Verdeutschung des Vadiscus zu Huttens
eigener, bietet.3
' Strauss, 8. IX.
» Vgl S. 70 ff.
« Die erste Übersetzung steht S. 127 ff., die zweite H. W. 1, 383 ff.
Letztere wird mit A bezeichnet.
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KLAGSCflRlFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 47
Wie im Vadiscus Huttens Stellung; zur Kanzleisprache
schon in der Überschrift der Widmung hervortritt, so zeigt
sich auch hier an derselben Stelle bereits ein für Hutten be-
zeichnender Unterschied der beiden Übertragungen : 7ww-
ctis&imo i>rincipi Fridericho Saxonum duci ehetori Vlrichus
de Hutten eques Germanus salutem 'Dem Durchleüchtigen
Hochgebornen Fürsten vnd hern, hern Friderich Hertzogeu zu
Sachsen vnd Chürfursten etc. Entbeut ich Ylrich von Hutten
meinen vnterthänigen willigen dienst' (E 3a. A; 383, 29
kDurchleuchtigstcr hoch geborner Churfürst gnedtigster Her').
Gleich dieser doppelseitigen 'Salutatz' entsprechen Huttens
Gepflogenheiten auf diesem Gebiet Übersetzungen wie : Decimo
denn Bapst' (E 3b. A; 384, 35 'Leo den zehenden'), De-
ämus kbapstLeo' (F 3b. A; 393, 23 'Der Leo der zehend'),
Gennaniam nostram 'vnser vatterland Teütsch Nation' (E 3 b'
A: 385, 21 'vnser Teütsch land'), bonis 'frommen Christen'
(E 4 b. A; 386, 30 'frumen'). Besonders wichtig ist fol-
gende Parallele: nie equitem 'mich einich armen edelman
(F 3a. A; 392, 22 'mich reutter'). Niemals wird Hutten, der
'reutter' zur Bezeichnung von Söldnern in seinem bekannten
Liede neben 'landßknecht' gebraucht (H. W. 2, 94), sich
selbst mit diesem Ausdruck bezeichnen.
Auch die Rittersprache macht sich im Gegensatz zu
der Übersetzung bemerklich: invade 'an zufallen' (F 3a. A;
392, 27 'greiff dar nach') , nobiscum faciant 'würden sye sich
zü vns schlagen' (G lb. A; 397, 20 'werden sie es mit vns
halten'); ein entscheidender Fall ist bei der Behandlung der
Bilder zu besprechen.
Bei der Übertragung der auf die Unsittlichkcit bezüg-
lichen Stellen übt auch hier die Hofsprache ihre mildernde
Wirkung: scortorwn utriusque sexns innumerabifan turbam
ac lenonum exercitum 'ein vnzälich schar Hären vnd bäben,
vnd ein grosszes hör der ruffianer' (F 3 b. A; 393, 30 'ein
vnzcllig schar hären, püben, ruffiener, vnd kupier'). Ist hier
die Wirkung wie auch in einzelnen Fällen des Vadiscus noch
gering, so zeigt sie sich in ihrem vollen Umfang bei folgender
Parallele: mater scortationim et abominationum terrae, quae
corrupit terram prostitutione sui 'ein mätter aller bfiberey,
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48
STILISTISCH KS.
schand vnd laster der weit, die durch abwcrffung irer schäm
vnd orea, hat die gantzen weit georgert' (E 4 a. A; 380, 17
'ein müter der hfircrey vnd büberey vnd der allergrowliehsten
vnmenschlichen handlung des erdtriehs, welche das erdtrich
hat durch jr hürisch vnwesen vergifft vnd verderbt').
Die Behandlung der Fremdwörter in den beiden Über-
setzungen weist alle Unterschiede auf, die man zwischen
einem Huttenschen Werk und einer Durchschnittsübersetzung
erwarten muss: yloria 'lob' (F 3 a. A; 802, 25 'glorien^
Epicureorwn 'trunckeuen vollen pfaffen' (G 2a. A; 397, 34 'der
Epicurer vnd lustbegirigou') ; Othones 40tthen' (F 2 a. A; 390,
30 'Ottones'), Cymbros et Teutone* 'Cymbren vnd Teütoncn'
(F 2a. A: 390, 30 'Cimbris vnd Teutoncs). Bezeichnend
ist der Unterschied in der Übersetzung von Germania:
während die fremde Übersetzung wiederholt 'Germanien oder
(vnd) Teutsch land' (384, 30; 389, 35; 390, 23; 391, 34)
auwendet, giebt die nunmehr Hutten zugesprochene Über-
setzung an allen Stellen teutsch land (nation)'.
Ein Vergleich mit dem Vadiscus bezüglich des Auf-
tretens synonymer Ausdrücke führt zu dem allgemeinen Er-
gebnis, dass die Huttensche Übersetzung, wiederum im Gegen-
satz zu der fremden, sich wie der Vadiscus in der Auwen-
dung dieser Ausdrücke von logischen und rhetorischen Rück-
sichten geleitet zeigt. Schlagende Beweise bieten im übrigen
auf diesem Gebiet zwei Stelleu (vgl. S. 27): molltbus et
effoeminatis ' weychen . . . vnd wey bischen' (F 2 a. A; 390, 28
'verzagten vnd weibischen'), mollis et delicatus vel avarus 'die
weychen weybischen wollüstiger, noch auch die geytzigen
geldtsüchtigen' (F 4 b. A; 395, 37 Sveybischer, blöder, lust-
süchender, oder geitziger'). Zum letzten Teil der zweiten
Stelle ist zu vergleichen im Vadiscus: avaris 'geytzigen gelt-
fressern' (4, 153, 19).
Während die Beobachtungen über die Abstracta natur-
gemäss keine Beweise liefern können, ist eine Prüfung der
pronominalen Bestandteile um so fruchtbarer: tunc 'Dann so
bald ich das vermercke' (F 1 a. A; 388. 23 'dan'), Mim
'Römische' (F 4 a. A; 394, 30 'benants'), te 'einem solichen
Fürsten' (G 3 a. A; 399, 30 'E. C. G.'), sihi 'irem künigreich
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KL ABSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 49
vnd land zü güt? (G lb. A; 397, 20 'jnen selbst'). Dieselbe
Erscheinung, die am Schlüsse des Abschnittes über die Pro-
nomina bezüglich der Häufigkeit von Teutsch oder Teutsch-
lands bemerkt ist, zeigt sich auch hier: Latein 12, Anony-
mus 12, Hutten 20.
Das Gebiet der Bilder liefert, ohne daneben irgend
welchen Widerspruch zu bieten, einen Fall, der einen schlagen-
den Beweis für Hutton darstellt: Posses autem lachrymas
eff andere tu si , cum multa egregie gessissent maiores tut,
nullam tibi reliquam adeundae gloriae occasionem fecissent.
at optimam reliquerunt et fertilissimam ; tu modo invade et
occupa! 'Hotten deine ältern allewog lob zü erwerben einge-
nommen vnd besatzt, also das dir kein vrsach oder bequem-
nussz cor zü erlangen über blieben wär, möchtest billich weynen.
Sye haben dir aber den aller breytsten vnd fruchtbaresten zü-
ganck offen gelassen, hyrumb dir den on weytter harre oder
bitt an zufallen vnnd eiuzünomou gebürt' (F 3 a. A; 392, 24
'Nün mocht E. C. G. weynen, so weyl ewr vorfordern vil
löblicher "vnd grosser geteth vnd geschieht gethan, jr kein
vrsach vud golegenheit gelassen hett auch rüm, ere, vnd
glorien zü erlangen. Aber sie haben E. C. G. die aller best
vnd aller fruchtbarst gelegenheit gelassen. E. C. G. greiff
nur kecklich vnd küulich dar nach'). Huttens Vorliebe für
die Ausführung von Bildern, besonders solcher aus dem Kitter-
leben, zeigt sich hier ganz deutlich, indem das in der
Vorlage nur angedeutete Bild, das der Anonymus verwischt,
bis in alle Einzelheiten entwickelt wird.
Wie im Vadiscus classische Citate, so werden hier
biblische Citate, die aus dem Text stärker hervortreten, als
solche kenntlich gemacht: 'dar von in Apocalypsi geschriben
stot' (G 2b; ähnlich E 4a zweimal, E 4b); 'dar von ge-
schriben' (G 2 b). Derartige Einschübe kommen bei dem
Auonymus nicht vor.
Auch erklärende Zusätze sind nicht bei dem Anony-
mus, wol aber bei Hutten vorhanden : dure aliquo Othone
'etwan einen grosszmütigen haubtman als Keyser Otho der erst
gewesen ist' (F 4 a. A; 395, 19 'ein haubtman den alteu keyser
Otton gemeß"), expulm indigenis Anglos ex se et Scotos
U.V. lxvh. 4
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50 STILISTISCHES.
deduxerunt 'nach außtreibung der inwoncr ein newes volok auß
jn darein gesetzt, die sye Engellischen vnd Schotten genennt
haben' (F 2 a. A; 390, 35 'nach vertreybung der einwoner,
die Engeilender von jnen vnd Schotten darein gesetzt'),
Cherusci . . . eximium virtutis suae specimen dederunt hello Bo-
nano '. . . in dem Römischen kryeg, den etwan der keyser Oc-
tauianus mit vnsern vorfaren gefürt' (F 2 a. A; 390, 20 'in
dem Römischen krieg').
Einen besonderen Reichthum an Entsprechungen finden
die beim Vadiscus beobachteten Eigentümlichkeiten in Huttens
polemischem Stil. Dass die Synonyma zu polemischen Zwecken
eingesetzt werden, ist schon oben angedeutet. Auch die
Vorliebe für die Verwendung der Deminutive zeigt sich
deutlich dadurch, dass Huttens Übersetzung sechs, der Ano-
nymus eins und die lateinische Vorlage gar keines hat: Corona
'krentzlin' (E 4a. A; 385, 34 'krön'), agno 'lämblin' (E 4b.
A; 387, 29 iamm'), scintillam 'füncklin' (F Ib. A; 389, 30
'funcken'), plebi 'völeklin' (G la. A; 396, 21 'folek'), apes
'byenlin' (G 2a. A; 398, 27 'pyn') , agninam innocentiam
'vnschuldigen gedultigen schafTflin' (G 1 a. A ; 396 , 26 'vn-
8chuldigc lemblein'). So tritt auch die Litotes ohne Anregung
der Vorlage bei Hutten viermal auf, während sie beim Ano-
nymus ganz fehlt: omnino prope 'nit weyt dar von' (E 4a. A:
385, 35 'gentzlich nahend') , magno malo 'nit on grosszen ver-
dörblichen schaden' (F2a. A; 391, 19 'mit grossem schaden'),
vel tantillum 'nit ein harbreyt' (G 2 b. A; 398, 36 'das we-
nigst'), periculi 'nit kleine far' (G 2 b. A; 399, 23 'ferlickeit').
Häufiger als in dem dialogischen Vadiscus werden zur
Belebung der fortlaufenden Rede der Klagschrift die anti-
thetischen Fügungen eingeführt: expulsis autem ignavis fucis
melliferae advolabunt apes 'So bald dann abgetriben werden
die vnfruchtbaren wespen, vund humelen die honig essen,
machen aber keins, werden herzu fliehen die honig machenden
byenlin' (G 2a. A; 398, 26 'Wen wir nün die müssigen vnd
faulen prenisen oder bummeln vertriben haben, so werden
die honigbringende pyn zufliegenn') , et genio indulgentes se-
cure deliciantur 'vund on allen abbruch, was zfi ires leibs nit
allein uotturfft, sonder auch lust gehört, schaffen sye jn zfi
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KLAOSCIIRIFT AN I>KN KURFÜRSTEN VON RWII8KK. ">1
guten rüwen1 (F 3 b. A; 393, 33 'vnd warten jrcr wolust on
alle sorg') ; servire non possum . etiam Germaniam videre ser-
viertem non possum. '. . . Vnd nit allein meynet halben, sonder
auch mag ich nit sehen . . (G 2 b. A; 399, 25 '. . . Ich kan
auch nicht sehen , . .'). Der Anonymus wagt derartige Ab-
weichungen nie.
Dasselbe Verhältnis besteht bezüglich des Ileraustretens
des subjectiven Urtheils: tanta fiducia 'sich des selbigen ge-
walts also mißbraucht' (E 4 a. A; 386, 28 'mit so grossem
durst); nm quod tu iAitherum foves 'Wie wol du allein dich
nechst fürstlich bewison hast, do du../ (F Ib. A; 389, 28
'allein das E. G. G. Doctor Martinus Luther . . /). Endlich
findet auch die Umwandlung der rhetorischen Frage in einem
Dutzend von Fällen statt, während sich der Anonymus streng
an die Vorlage hält.
Auf dem Gebiet der Syntax, deren Gesammtcharakter
den allgemeinen Beobachtungen über den Vadiscus völlig
entspricht, fallen besonders die zusammenfassenden Zusätze
auf: 'Hyerumb wo wir den selbigen vnterworffen' (F 1 b),
4 wo sollich gelt bey vns bleibe' (G 1 b).
An diese mehr syntaetischen Zusätze schliessen sich
verschiedene Einschübe ganz freier, mehr inhaltlicher Art an,
die ebenso wie die bisher besprochenen stilistischen Kriterien
die Annahme bestätigen, dass nur der Verfasser der Vorlage
der Übersetzer sein kann: so wird der Antrag, aus den
Geldern, die man von den römischen Abgaben ersparen
könne, unter anderem die Mittel zur Erhaltung von Heeren
und zur Belohnung tugendhafter Leute zu entnehmen, näher
erklärt durch die Zusätze: 'stets bereyten vnd verordneten
kryegs volcks' (G 1 a) und 'dardurch man zu wolthat gereytzet
würd' (G 1 b). Der erste Zusatz ist von besonderer Bedeutung,
da durch ihn erst der Vorschlag Huttens seine vollkommene
Klarheit erhält.
Zum Schluss dieser stilistischen Vergleiehung und Probe
möge die Vorrede des Sammelhefts, in der sich diese Über-
setzung befindet, durch eine einfache Gegenüberstellung in
ihre Huttenschen Elemente zerlegt werden, um aueh für sie
ausdrücklich Hutten als Verfasser zu erweisen. Der ausge-
4*
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52
STILISTISCHES.
'Virich Vom Hutten, entbeüt
allen Christlicher Freyheit lieb-
haberen, nlles gftts/
(Vorrede der «Coocill*'. U.W. 2, 78.)
'Yetzt ist die zeit, züheben an
vmb freyheit kryegen, gott wilshan.'
(Clag vnd Vormanung, V. »39 f.)
'ich wil dir wecken auff zu gut,
vnd reytzen manchen stoltzen hilt.'
(C. V., V. 895 f.)
führte Beweis für die übrigen Theile der Sammlung kann
alsdann um so eher erspart werden (vgl. S. 71).
'Ein vnbekanter liebhaber der
göttlichen warheit, vnd des vatter-
lands, enbeüt allen frey en Teütschen
heyl.
Wolauff lieben frommen Teüt-
schen, es ist zeyt, das wir vnsere
yetzo lang har verlorne freyheit,
widerumb zu erlangen vntersuchen.
Hye habt ir den rechten anreitzer,
der vns ob gott wil, die grossen
hopter, als Reiser, Fürsten, vn
den Adel zu hilff in diser Sachen
erwecken sol. Dorzfi, vnd anderem
seinem lobliohen fftrnemen, geb jm
glück vnd heyl der allmechtig Oott,
welchem zu eeren, uns allen zu nutz
vnd gut er dißes on zwyfel vor-
genommen hat. Vmb gemeynes
nutzs willen hab ioh ettliohe seiner
schrifften, als mir die zü henden
kommen, auli dem latin ins teütsoh
transferiert, so vil das die zyer
latinischer sprach (die in ettlichem
nit züverteütsohen ist) hat leiden
mögen. Got geb eüch allen vil
heyles, vnd ein bestendig vest ge-
mut, Christliche warheit, vnd frey-
heit des vatterlands zü verfeohten.
Hyeneben lassent eüch den from-
men Hutten befolhen sein. Trotz
KomaniHt'.
'vom latein in dz deutsch, wie
wol das im latein vyl lieplichcr
vnd kunstlioher dann im deutschen
lauten mag,'
(Vorred© zur Febrii, H. W. 1, 24T.)
'in teutsche sprach, so best ich
jmer mag, vnd sich das schicken will,
zü tranßferieren vnd auflegen'
(Nachwort zur K Umschrift an
alle Deutschen, H.W. 1,419.)
'Gott geb jm heyl, der bey mir
kempfft.' (C. t. v., v. 1570.)
'Last Hutten nit verderben.*
(Lied, H.w. 8, 94.)
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HISTORISCHES.
Huttens Wirksamkeit als deutscher Schriftsteller wurde
zuerst von G ervin us als eine der bedeutsamsten litterarischen
Erscheinungen des beginnenden sechzehnten Jahrhunderte
erkannt, und mit Recht wurde von ihm für diese Uberbrückung
der Kluft zwischen lateinischer Humanistonpoesie und deutscher
Volksdichtung auf die grosse kirchlich - politische Bewegung
der Zeit als Grundlage hingewiesen. 1 Wenngleich nun auch
Strauss diese Beziehungen im allgemeinen richtig erkannt
hat, ist es ihm doch nicht gelungen, die organische Verbin-
dung zwischen Huttens deutschen Schriften und den einzelnen
Phasen seiner politischen Entwicklung aufzuzeigen und dar-
zustellen: so trefflich sie meist analysirt und charakterisirt
sind, schweben sie doch haltlos und wirr durcheinander.
Dieser Mangel ist vorzüglich durch die Geringschätzung und
die aus ihr folgende flüchtigere Behandlung der deutschen
Schriften, zum Theil auch durch die damalige rnvollkommen-
heit des biographischen Materials zu erklären. Der inzwischen
erfolgte Zuwachs an neuen Quellen hat wenig gefruchtet, da
man sie bisher gar nicht oder falsch benutzte. Der einzige
Forscher, der die Schwäche dieses Theils der Straussschen
Darstellung erkannte und zuerst aus den neuen Nachrichten
über Hutten schöpfte, hat die biographischen Verhältnisse nur
noch mehr verwirrt und überhaupt nicht daran gedacht, dass
die deutschen Schriften, wie sie aus der politischen Stellung
zu begreifen sind, auf diese ihrerseits Licht werfen.2
1 Geschichte der deutgehen Dichtung, 2*, 383.
Ä W. Maurenbrecher, Ulrich von Hutton, Grenzboten 1871, ferner
'Studien und Skizzen zur Geschichte der Reformationszeit', 1874 und
endlich *Geschiohte der katholischen Reformation', 1880. Von Schrift
zu Schrift steigert sich die ungerechte Behandlung Huttens.
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54
HISTORISCHE«.
Die ungelöste Aufgabe will nun die folgende Unter-
suchung behandeln, die ausser dem bereits allgemein zugäng-
lichen Material noch eine Reihe neuer Entdeckungen benutzen
kann, durch welche die Grenzen Huttens deutscher Thatig-
keit vorwärts wie rückwärts erweitert werden. Die Unter-
suchung geht aus von einem neu entdeckten Brief, in dem
wir, wenn man von Widmungs- und Fehdeschreiben und
ähnlichen Schriftstücken absieht, den ersten und, neben zwei
anderen später zu besprechenden neuen Briefen und zwei
bereits bekannten Fragmenten, den einzigen deutschen Brief
Huttens besitzen1; sie schliesst mit einer ebenfalls neu ent-
deckten Schrift, die wahrscheinlich Huttens letztes deutsches
Werk ist.
Jener erste deutsche Brief muss schon deshalb den
Ausgangspunkt der Untersuchung bilden, weil er den Anfang1
der Bewegung, in der Hutten zum Schriftseller des deutschen
Volkes wurde, zum ersten Male klar legt: er zeigt Hutten
am Scheidewege.
Bei Hutten besteht neben dem steten Vorwärtsdrängen
zum kirchlich-politischen Kampf gerade vor dessen Ausbruch
eine starke Gegenströmung, in der sich seine Sehnsucht nach
einem friedlichen Gelehrtenleben geltend macht. Aus den
bisher bekannten Anzeichen, die besonders in den gegen
Fischer und Glauberg geäusserten Eheplänen enthalten sind,
glaubte Straus8 nur auf eine oberflächliche Bewegung schliessen
zu können.2 Aber das neue Zeugnis lehrt, dass Strauss diese
Erscheinung unterschätzt hat, wenn er sie in der etwas ro-
mantischen Beleuchtung eines einmal auftauchenden und dann
für immer versinkenden Traumes zeigte. Aus dem neuen Brief
geht hervor, dass Hutten sich durch das Scheitern seiner
vorjährigen Pläne nicht hindern liess, im Frühling 1520
wiederum dem Hafen der Ehe zuzusteuern. Hatte er damals
sich um eine Frankfurter Patriziertochter beworben uud um
1 Vgl. 8.126 f. — Die von Böcking veröffentlichten deutschen Briefe
werden sämmtlich mit Unrecht Hutten zugeschrieben; vgl. den Anhang I.
Für die Brieffragmente vgl. Waltz in der Ztschr. für Kirchengeschichte
Bd. II.
a Hutten, Viorte Auflago S. 260 ff.
■
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EINLEITUNG.
55
ihretwillen seine Niederlassung in der freien Reichsstadt ge-
plant, so scheint er nunmehr, wenn man von der Person der
Mittlerin schliessen darf, ein Mädchen aus dem fränkischen
Adel und ihr zu Liebe als Wohnsitz den bischöflichen Hof
von Bamberg gewählt zu haben.1
Dass Hutten trotz der nicht weit zurückliegenden Con-
flicte am Mainzer Hofe wiederum Dienst bei einem geist-
lichen Fürsten suchte, muss um so mehr überraschen, als er
um diese Zeit durch die Herausgabe der Schrift 'de unitate
ecclesiae conservanda', durch die Drucklegung der Dialoge
und die geheimen Verhandlungen mit Melanchthon sich dem
Kampfplatz schon genähert hatte. Wenn er nichts desto
weniger solche friedlichen Lebenspläne schmiedet, so geht hier-
aus wie schon aus den Briefen an Fischer und Glauberg hervor,
wie wenig er vorläufig daran dachte, mit seiner eigenen
Person sich in den Kampf zu begeben.
In dem Bamberger Aufenthalt hat bereits Kampschulte,
dem wir die erste Nachricht über ihn verdanken, einen
Wendepunkt in Huttens politischer Stellung erkannt.2 Aber
mit Unrecht suchte er den Anlass dieses Umschwunges
in dem Zusammentreffen mit Crotus. Den wahren Urheber
offenbart der neue Brief: Sickingen. Noch war Hutten mit
1 8trau88 meint den Frankfurter Heirathsplan bis in das Jahr
1520 hinein verfolgen zu können, weil am 8. Februar dieses Jahres
Cochläus aus Frankfurt schreibt, Hutten werde bald eine edle und
reiche Frau heimführen, wenn seine Hoffnung nicht fehlschlage. Der
Frankfurter Ursprung dieser Nachricht bedingt aber durchaus nioht
eine Beziehung auf den Frankfurter Heirathsplan. Zudem zeigt ja auch
der vom 1. Januar datirte Dialog Fortuna, den Strauss selbst ganz
richtig auf die Frankfurter Angelegenheit bezieht, dass Hutten damals
seine Hoffnung auf jenes Mädchen bereits aufgegeben hatte. Folglich
muss die ) Nachricht des Cochläus mit ihrem bedächtigen Zusatz, in
dem man seine Mitwisserschaft um das Fehlschlagen des ersten Planes
spüren könnte, auf den zweiten Plan zu beziehen sein; Huttens un-
datirter Brief an Glauberg (H. \V. Suppl. 2, 798 f.) ist demnach aus
dem Februar 1520, in den ihn Bückling und Strauss setzton, weiter
rückwärts zu legen und zwar etwa in den Octobor 1519: auch zu dieser
Zeit begab sich Hutten von Mainz nach der väterlichen Burg und wird
auf dem gewöhnlichen Wege sowol Frankfurt wie Steinheim berührt haben.
» Die Universität Erfurt 2, 60 ff.
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50
HISTORISCHES.
der Verfolgung seiner friedlichen Pläne beschäftigt, als ihn
plötzlich vor der Entscheidung ein Brief Sickingens, der ihm
Aussicht auf eine freilich noch unbestimmte Stellung beim
Bruder des Kaisers eröffnete, aus der Bahn riss. So stand
Hutten am Scheidewege: in Bamberg winkte dem Hu-
manisten der Friede eines sicheren Gelehrten- und Beamten -
lebens, in Brüssel dagegen erwartete den revolutionären Poli-
tiker der Streit mit feindlichen Parteien. Ehe wir Hutten
mif dem letzteren Wege folgen, den er bekanntlich einschlug,
wollen wir wenigstens einen Blick auf die Bahn werfen, die
sich ihm mit dem Eintritt in Bambergische Dienste eröffnete.
Der Bamberger Bischof, Georg III., Schenk von Lim-
purg, ist unter den Kirchen fürsten seiner Zeit einer der
freiesten und feinsten Geister.1 So ist es begreiflich, dass
Hutten schon 1517, als er nach seiner Rückkehr vom zweiten
italienischen Aufenthalt einen deutschen Hofdienst sucht, neben
den glänzenden Höfen des Kaisers und des Mainzer Kur-
fürsten auch Bamberg in Betracht zieht, dessen Fürst den
neuen poeta laureatus augenscheinlich gern an sich gefesselt
hätte2; und so erklärt es sich, dass Hutten auch 1520 seine
Hoffnung auf Bamberg setzt. Mehr aber noch als der Schutz
und die Unterstützung des Bischofs selbst hätte für seine
litterarische und politische Entwicklung der Einfluss des
Mannes bedeuten können, der am Bamberger Hof das höchste
weltliche Amt bekleidete. Es ist kein Zufall, dass unser
Brief Hutten mit diesem Manne in engster litterarischer Ge-
meinschaft zeigt8: der Bambergische Hofmeister Johann von
Schwarzenberg steht in politischer und litterarischer Hinsicht
Hutten sehr nahe. Er gehört wie dieser zu dem Theile des Rittor-
standes, der eine Reform des Reiches und der Kirche anstrebt.
Aber die Besonnenheit des gereifteren Alters, die Stellung
als fürstlicher Beamter und endlich der, in der Halsgerichts-
ordnung bewiesene, streng rechtliche Charakter zeichneten
Schwarzenberg einen anderen Weg vor als den, auf welchem
der jugendliche, heimatlose und alle Schranken durchbrechende
1 Vgl. Leit8chuh, Oeorii: III., Schenk von Limpurg, Bamberg 1884.
* LeitRChuh, 8. 15 f.
3 Vgl. S. 66 ff.
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EINLEITUNG.
,57
Ritter zum Ziele gelangen wollte. Schwarzenberg konnte
niemals mit Hutten sich einer Partei anschliessen, die ihre
Reformgedanken auf dem Wege der Gewalt durchsetzen wollte;
er vertrat sie vielmehr bedächtig, aber beharrlich auf dem Boden
des Rechtes und Gesetzes. In der Gleichheit der politischen
Gesinnung und des litterarischen Strebens war die Grundlage
für ein Bündnis zwischen Hutten und Schwarzenberg gegeben,
das für Huttens Entwicklung und Schicksal wesentlich andere
Folgen gezeitigt hätte als die spätere Verbindung mit Sickingen.
In der kühlen Besonnenheit und der parlamentarischen Be-
gabung Schwarzenbergs1 lag das einzige wirksame Gegen-
gewicht zu Huttens radicalem und fanatischem Charakter. Man
wird natürlich kaum erwägen, geschweige denn entscheiden
können, welche Bahn Hutten gegangen wäre, wenn er sich
am Scheidewege Schwarzenberg statt Sickingen zugewandt
hätte; aber man muss doch die Frage wenigstens aufwerfen,
wenn man die Entwicklung dieser beiden Männer auch nur
für wenige Jahre verfolgt. Drei Jahre später, im Frühling
1523, ist Sickingen am Ende seiner Pläne und kann nur
trotzig den Todesstreich der Fürsten erwarten ; Schwarzenberg
aber steht auf der Höhe des Lebens : denn er ist es haupt-
sachlich gewesen, der während des Nürnberger Reichstages
in regelrechter Verhandlung mit dem reformfreundlichen Papst
Adrian VI. die Beschwerden und Forderungen des deutschen
Volkes zur Geltung und zum Ausdruck brachte und so den
nationalen Bestrebungen einen bedeutsamen Sieg erfocht.2
Man kann es sich sehr gut vorstellen, dass Hutten unter dem
Einfluss Schwarzenbergs ebenfalls zu einer Art parlamenta-
rischer Thätigkeit gelingt wäre, wie er sie im Anfang seiner
politischen Laufbahn auf dem ersten Reichstag dieser Reform-
epoche in Augsburg selbst schon ausgeübt hatte.
Aber diese friedliche Unterströmung, die wir eben auf-
zudecken und zu verfolgen suchten , brach Sickiugen , der
Hutten durch die Berufung nach den Niederlanden mitten
1 Vgl. Luthers Auaspruch in der Schrift von Concilien und Kirchen
bei Weißel, Schwarzenberg S. :J6.
2 Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation 28,
37 ff. und Buumgarten, Geschichte Karls V. 2, 247.
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58
HISTORISCH KS.
ins politische Leben hineinriss. Erst aus dieser Anregung"
Sickingens ist Huttens vielbesprochene Reise an den Hof
Erzherzog Ferdinands zu begreifen. In den früheren Dar-
stellungen inusste der plötzliche Übergang von dem Streben
nach Ruhe und persönlichem Zurücktreten zu dem Sprung
auf den offenen Kampfplatz vollkommen unerklärlich bleiben ;
und das ganze Unternehmen, in dem man nur einen persön-
lichen Einfall und Versuch sehen konnte, hatte das Ansehen
einer Donquixotiade, wie man sie Hutten gerade damals nicht
zutrauen darf. Wenn in der bisherigen Beleuchtung da«
Misslingeii der Reise ganz natürlich erscheinen muss, so
würde man aus den Vorbedingungen, auf die wir sie nun-
mehr gegründet sehen, eher einen günstigen Erfolg erwarten.
Die beiden Männer, die Hutten ihre Hand zur Einführung
bei Hofe boten, hätten auch ein weniger sanguinisches
Temperament mit freudiger Zuversicht erfüllen köuuen : denn
ebenso wie Franz von Sickiugen stand der Bischof von Lüttich,
Graf Eberhard von der Mark, wegen der um die Wahl
Karls V. erworbenen Verdienste in hoher Gunst am Brüsseler
Hofe.1 Die Aussicht, an der Seite dieser beideu Männer, von
denen er den einen auf dem Augsburger Reichstag für die
Kirchenreform2, den anderen im wirtemberger Kriege für
die Reichsreform als Parteigenossen erkannt hatte, fast un-
mittelbare Einwirkung auf das neue Oberhaupt des Reichs
auszuüben, war glänzender als Hutten selbst hätte erwarten
können. In der That wurde er durch Sickingens Eröffnung
überrascht, aber allem Anschein nach doch nicht durchaus
freudig; denn obgleich er schon im Januar Ferdinaud als
eiuen nothwendigen Bundesgenossen bezeichnet hatte und
ihm ausdrücklich in diesem Sinne im März die Ausgabe der
Schrift 'de unitate ecclesiae conservanda' mit einer begeisterten
1 Baumgarten, Geschichte Karls V. 1, 389. Ulmunn, Franz von
Sickingen 8. 162 f.
2 Eberhard ist jener Lütticher Bischof, der damals eine so scharfe
Denkschrift gegen die Missbräuche der Curie an den Reichstag sandte,
dass Luther ungläubig von einem 'siuutltttus' episcopus Leodiensis schrieb
(Luthers Briefwechsel, herausgeg. von Ludwig Enders, 1, 303).
3 II. W. 1, 321; 325 ff.
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EINLEITUNO.
Od
Vorrede widmete3, scheint er doch eine persönliche Berufung
weder erwartet noch gewünscht zu haben : sonst würde er sie
mit grösserer Freude und weniger Bedenken angenommen
haben. Neben den allgemeinen Sorgen über die Schwierig-
keit der neuen Verhältnisse, in die er sich begeben sollte,
regte sich wol besonders die Unlust, auf dem eben erst be-
tretenen Wege zu einem ruhigen Leben umzukehren einer
Stellung zu Liebe, die noch nicht einmal bestimmt gesichert
war. 1 Wenn nun Hutten trotzdem Sickingens Wunscho
Folge gab, so wirkten wol zunächst auf ihn das Pflicht-
gefühl gegen seinen Beruf und die Achtung vor dem be-
wunderten Freund, sodanu aber auch die verlockende Aus*
sieht auf die Ehre eines, wenn auch nur vorübergehenden,
Hofdienstes beim Bruder des Kaisers. Gewiss erleichterte
ihm den Abschied von der Heimat auch der Misserfolg seines
zweiten Heirathsplans, von dem er nach seinem Aufbruch von
Bamberg durch seine Base Gertrud in Birkenfeld unterrichtet
wurde, und andrerseits die Hoffnung, im Glanz der neuen
Ehre mehr Glück in seinen Bewerbungen und somit in seinen
Ruheplänen zu haben.2 So nahm er denn den Ruf an, je-
doch nicht ohne vorher seinen Vetter Bernhard gebeten zu haben,
ihm inzwischen eine Stellung in der Heimat zu verschaffen.
Noch bevor er abreiste, wurden die Wirkungen der neuen
Wendung bei ihm sichtbar. Hatte er bis dahin immer eine
gewisse Deckung in seinen Angriffen gegen Rom bewahrt,
so geht er bereits während der zwei Monate, die er aus un-
bekannten Gründen bis zum Aufbruch hinzögerte, offen aus
sich heraus. Das Widmungsschreiben an alle freien Deutschen
und der erste Brief au Luther zeigen3, dass er sich nunmehr
in doppeltem Sinne berufen glaubte, mit eigner Person an
1 Vgl. H. W. 4, 689: Hodie enim Femandum accessurus exeo,
curarum plenus maxinuirum. De condiciotie nova nun dum est ut yra-
fnlen'8. — Ferner H. W. 1, 341 und 358. H. W. 1, 344 legt der Mainzer
Leibarzt Stromer dem Ritter die Titel eines Mainzisohen und Erzherzog-
innen Käthes bei, obgleich ihm der eine nicht mehr, der andere noch
nicht gebührte.
* Vgl. den Brief des Erasmus vom «. Mai 1524 H. W. 2, 410;
dazu Böcking8 (ebenda) und Strauss' (21, 66) Bemerkungen.
3 H. W. 1, 349 ff.; 355 f.
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60
HISTORISCHES.
die Spitze der nationalen Bewegung zu treten. Um so starker
musste er den Rückschlag fühlen, den all seine Hoffnungen
in Brüssel erfuhren. Am Hofe des Erzherzogs fand er die
ihm feindliche Geistlichkeit in so mächtiger Stellung, dass er
auf den Rath seiner Freunde, die sogar von meuchlerischen
Nachstellungen sprachen, unverrichteter Sache sofort wieder
umkehrte. Zur vollständigen Erkenntnis seiner plötzlich so
veränderten Lage gelangte Hutten aber erst, als er Anfang
August bei seiner Einkehr in Frankfurt bestimmte Kunde er-
hielt, dass der Papst selbst seine Hand nach ihm ausgestreckt
habe und ihn vom Kaiser und den Fürsten als Gefangenen
nach Rom vor sein Gericht fordere. Während er sich eben
noch als Führer der nationalen Bewegung träumte, sah er
sich mit einem Schlage in die Rolle eines Märtyrers versetzt,
in der er noch unlängst Luther bewundern zu müssen glaubte.
Huttens ferneres Verhalten erklärt sich aus dem Kampf
gegen die päpstliche Verfolgung. Man hat ihm seine Grund-
lage durch den Hinweis zu entziehen gesucht1: 'der. ganze
„päpstliche Anschlag auf Huttens Freiheit und Leben" be-
ruht auf Huttens Aussagen !' Mit Recht bemerkt allerdings
Strauss, dass sich in den erhaltenen Briefen an den Kurfürsten
von Mainz, d<»u Hutten besonders als Beauftragten des Papstes
bezeichnete, die angeführte Forderung der Festnahme und
Auslieferung nicht befinde. 2 Die nein sten reforinatious-
geschichtlichen Veröffentlichungen aus dem Vaticanischen
Archiv8 gewähren jedoch in ebenso überraschender wie schla-
1 Kumpschulte, Die Universität Erfurt, 2, 82.
2 S. 319. Ähnlich im feindlichen Sinne (Jarcke), Studien und
Skizzen zur Geschichte der Reformation S. 193; Janssen, Geschichte
des deutschen Volkes 22, 115. — Böcking hat des Kurfürsten Antwort-
schreiben auf das päpstliche Breve in die Mitte des Juli gesetzt (H. W.
1, 363 IT.), während e9 doch mit der Angabe beginnt, dass Albrecht
die Breven erst am 25. October empfangen habe. Vgl. auch Baum-
garten, Geschichte Karls V. 1, 395, wo Böckings Irrthum gerügt ist.
Demgemüss ist auch der Brief an Capito (H. W. 1, 365 f.) nicht mit
Bocking vom Ende Juli zu datiren, aber wol auch nicht mit Baum-
garten vom Ende October, sondern mit Rücksicht auf die Erwähnung
der Clag vnd Vormanung' vom Anfang November.
5 Monumenta reformationis Lutheranae ex tabuluriis secretioribus
,S. Sedis 1521 — 1525. ed. Petrus Balan, 1884, S. 8 ff.
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EINLEITUNG.
61
gender Weise eine Bestätigung der Huttensehen Angaben.
Unter den bisher unbekannten Stücken befindet sich eine In-
struction für den Nuntius Aleander, die ohue Zweifel mit den
übrigen auf ihn bezüglichen Geleitschreiben iu die Mitte des
Juli zu setzen ist. Diese Instruction ermächtigt eingangs den
Nuntius, Luther und seine Genossen nach Verkündigung der
Bulle und Ablauf der Widerrufsfrist ins Gefängnis zu
werfen und sogar zum Tode zu verurtheilen, ferner die Hilfe
weltlicher und geistlicher1 Fürsten in Anspruch zu nehmen
unter Androhung des Bannes für den Weigerungsfall. Am
Schlüsse beauftragt sie den Nuntius mit der Forderung an
den Kaiser und alle Fürsten, zu der genannten Zeit Luther
zu fangen und gefesselt der römischen Curie zuzuführen -, da-
mit ihn die gebührende Strafe treffe. Luthers Anhänger
könnte der Nuntius auf Grund seiner Inquisitionsvollmacht
namentlich bekannt machen, damit sie ähnlich bestraft oder
doch aus Deutschland vertrieben würden. Mit Rücksicht auf das
Breve an den Kurfürsten von Mainz wäre mau ohne weiteres be-
rechtigt, unter den Genossen Luthers besonders Hutten zu
verstehen. Aber die Instruction selbst giebt dieser Annahme
eine ausdrückliche Bestätigung dadurch, dass es am Schlüsse
des Absatzes über die in gleichem Sinne verurtheilten Bücher
heisst: 4. . sicut est Hutteni epistola prefixa libro cujusdam
scismatici, Trias et similia.' Huttens Augaben beruhen mit-
hin auf Tbatsachen. Demnach würde er kaum zwei Wochen
nach der wahrscheinlichen Abfassung der Instruction und fast
zwei Monate vor dem Eiutreffen jenes Breve an den Mainzer
um die Pläne des Papstes gewusst haben. Dies Ergebnis
würde unglaublich erscheinen, wenn nicht gerade durch die
Aussage des Nuntius Aleander bezeugt wäre, dass z. B. die
berühmte, von Hutten glossirte und von Luther verbrannte
1 Unter diesen ist merkwürdiger Weise nur Huttens Gönner, der
Bischof von Lüttich, namhaft gemacht.
* . . . Murtinu» capiatur, et ut vinetus duc.utnr ad Curinm Bo-
manatn .., dazu Huttens Aussage (H. W. 1,408): ... iam literis con-
tendere a quibusdam in Germania principibu* episcopum Bomunum,
nonnullis suo iure et iam imperure, ut vinetum me Bornum miltant. Ganz
ähnlich schon am 8. August in dem Brief an Capito (H. W. 1, 367).
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62
HISTORISCHES.
Bulle in Deutschland bereits gedruckt war, bevor sie in Rom
publicirt wurde.1
Dieses Ereignis schürte in Hutten den Gedanken eines
Pfaffen krieges, der in den eigentümlichen Elementen seines
Standes und Temperamentes schon vorher Nahrung gefunden
hatte, zur hellen Flamme an. Der erste Brief, der aus der
Zeit nach der niederländischen Reise vorliegt, gipfelt in dem
Ruf: 'Quam gestiunt gladii mihi.7 Jetzt besonders übte die
Verbindung mit Sickingen ihre verhängnisvolle Wirkung:
das Vertrauen zu dem waffenmächtigen Freunde, der in
geistlichen wie weltlichen Rechtshäjideln mit eiserner Faust
kurzen l'rozess zu machen gewohnt war, musste Hutten in
seinen Plänen befestigen. Wenn auch Sickingeu zunächst
von Gewalt massregeln abrieth und auf den Schutz des Kaisers
hinwies, so musste Hutten doch von dem Mann, der noch un-
längst auf seine Veranlassung für Reuchlin gegen den Prediger-
orden die Hand drohend ans Schwert gelegt hatte, die sichere
Hoffnung hegeu, dass er auch für ihn mit dem ganzen
Nachdruck seiner Waffeumacht eintreten werde. Es wäre
mithin vollkommen falsch, dem temporisirenden Verhalten
Sickingens einen wirklich mässigenden Einfluss auf Hutten
zuzuschreiben, wie ihn nur das principielle Entgegentreten
eines Schwarzenberg hätte ausüben können. Das nächste
Ergebnis ist eine Reihe von Klagschriften über die drohende
Gewaltthat des Papstes, in denen sich die innere Zwiespältig-
keit Huttens spiegelt. Während er in der ersten von ihnen,
die wol zumeist unter Sickingens Einfluss verfasst und von
diesem dem Kaiser überbracht wurde, seine Sache bedingunglos
in die Hände des neuen Herrschers legt, zeigt er doch schon
dadurch, dass er sich ausserdem iu vier anderen Schriften an
den Kurfürsten Friedrich von Sachsen als weltlichen Fürsten
und Beschützer Luthers, an den Kurfürsten Albrecht von
Mainz als geistlichen Fürsten und seinen eigenen Gönner, an
den Ritter Sebastian von Roten ha n als Verwandten und Ver-
treter des Adels, sowie endlich au das gesammte deutsche Volk
wendet, wie wenig er geneigt ist, auf eigene Thätigkeit in
1 Th. Brieger, Aleander und Luther S. 32.
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CBERG AN<iSZKIT.
63
seiner Sache zu verzichten. Wahrend er in der Klarschrift
an den Kaiser hervorhebt, dass er dessen Entscheidung der
Anwendung von Waffengewalt vorziehe, verräth er an vielen
Stellen der übrigen Klagschrifton gegen seinen Willen, dass
er insgeheim doch den Plan eines Pfaffenkrieges iu eigener
wie des Volkes Sache unablässig verfolgt. Die sicherste
Handhabe für den Nachweis solcher revolutionären Pläne
bietet Hutten jedoch in jener Stelle am Schlüsse des letzten
Klagschreibens, welche Strauss mit Recht als Markstein einer
Epoche in Huttens Schriftstellerei herausgehoben hat: aus
der Angabe, dass er bisher lateinisch geschrieben habe, um
das Volk nicht in die kirchenpolitischeu Verhältnisse einzu-
weihen und so einen allgemeinen Aufruhr zu vermeiden,
lässt sich mit vollkommener Sicherheit abnehmen, dass der im
Herbst 1520 vollzogene öffentliche Übergang zur deutschen
Sprache einen entschiedenen Fortschritt auf der revolutionären
Bahn bedeutet. Hiermit sind wir an dem Punkte angelangt,
von dem wir uns zu einer eingehenden Untersuchung dieser
bedeutsamen litterarischen Entwicklung wenden müssen.
Jene Worte am Schlüsse der lateinischen Klagschrift
an alle Deutschen und einige Verse der 'Clag vnd Vormauuug'
haben die Grundlage für eine ganz falsche Darstellung dieses
Problems abgegeben. Strauss schreibt 1 : 'Noch in dem Send-
schreiben an die Deutschen aller Stände, mithin Ende Sep-
tember 1520, hatte sich Hutten . . . darauf berufen, dass er
bisher lateinisch geschrieben habe. . . . Noch war das Jahr
nicht zu Ende, als er diesem Aulass Folge gab, und deutsch
zu schreiben begann: Latein ich vor geschrieben hab u. s. w.'
Wenngleich Strauss weiterhin richtige Erwägungen über die
politischen und persönlichen Motive giebt, durch die Mutten
zu diesem Wechsel geführt wurde, so haftet doch seinen Dar-
stellungen ein schwerer Fehler an: Huttens Übergang zur
deutschen Sprache erscheint als ein durch äussere (i runde
erzwungener plötzlicher Sprung in ein unbekanntes Land,
iu dem er sich denn auch nie ganz habe zurecht fiuden
' S. 345.
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04
HISTORISCHE».
können.1 Strauss trägt hauptsächlich die Schuld daran, dass
man Huttens deutschen Schriften überall als schlecht vorbe-
reiteten und übereilten Erzeugnissen einer politischen Unter-
nehmung mit schlimmem Vorurtheil begegnet.
Eine erneute Prüfung dieses Problems führt jedoch zu
dem entgegengesetzten Ergebnis. Man wird sich zunächst
von dem Glauben lossreisssen müssen, dass Hutten sich vor
jenem ersten Bekenntnis überhaupt nicht auf dem Felde der
deutschen Sprache versucht habe. Allerdings liegen die Be-
weise dieser früheren deutschen Sehriftstellcrei nicht ganz klar
am Tage und sind zum Theil erst neu entdeckt.
Schon im Frühling lr>17 scheint sich Hutten an einem
der hervorragendsten Werke deutscher Litteratur- und Sprach-
geschichte jener Zeit, der Ciceroübertragung Johanns von
/ Schwarzenberg, betheiligt zu haben, bei der er die Revision
des Buches vom Alter besorgte. Wenn man einem seiner
Genossen an dem grossen Wrerke glauben darf, wnr eine
solche Revision gleichbedeutend mit einer selbständigen Über-
setzung; denn Schwarzenberg Hess die Schriften Ciceros zueist
von einem Lateinkundigen ins Deutsche übersetzen, änderte
dann selbst ohne Kenntnis der lateinischen Sprache die Ver-
deutschung im Sinne der von ihm anerkannten 'hoffränkiseheif
Sprache und übergab sie endlich zur Revision einem zweiten
Lateinverstäudigen.- Bedenkt man, dass eine solche Revision
die sorgsamste Vermittlung zwischen dem lateinischen Original
und dem hoffränkischen Ideal bedingte, duss ferner grund-
1 Vgl. 8. 358.
* Leitschuh S. 17 hat wie andere vor ihm diese Thntigkeit
Huttens in den Bamberger Aufenthalt des Jahres 1520 verlegt. Hier-
gegen spricht jedoch, dass nach dem folgenden Zeugnis Behnims Schwar-
zenberg gerade zur Zeit von Huttens erstem Aufenthalt in Bamberg mit
der Revision seines Übersetzungawerkes beschäftigt ist, und auch der Um-
stand, dass Hutten in dem weiter unten besprochenen Brief von 1520 von
einer Betheiligung am Cicerowerk nichts erwähnt. — Behaim an Pirck-
heimer, September 1517 (H. W. 1, 154): Opi quandam durum pro-
vinciam revidendi translat ionem Cicerouis officiorum de Todvsco in 7b-
descum, id est de malo in peius, quin rideu errorem purere error tm :
natu utrobique aliqnando non aequuntur von modo iextunt, sed ne seusutn
ifuidnn fi.r1us; <1 sie quasi tertimn fatio fo<h*cnn r/r.
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ÜBEK0ANUSZE1T.
65
bätzlich eine Übersetzung 'nit von Worten zü Worten, sunder
von synuen zü synnen1 verlangt wurde \ so wird man, selbst
wenn man den angeführten Ausspruch Lorenz Behaims nicht
ganz für wahr nimmt, doch die technische Leistung und den
bildenden Einfluss eines solchen Unternehmens mindestens
ebenso hoch wie den einer selbständigen Übersetzung an-
schlagen müssen.
In die Reihe dieser früheren deutschen Schriften sind
aller Wahrscheinlichkeit nach auch die anonymen Übersetzungen
der beideu Huttenscheu Dialoge Febris und Phalarismus- zu
setzen, obgleich sie in auffälliger Weise eine fremde Flagge
aushängen: 'durch .. Virich vom Hutten in lateiu beschriben,
yetz durch gut gunner zu deutsch gemacht' und 'Erstlich
durch . . Vlrichen von Hutten . . jm lateiu seer zirlich beschriben,
darnach durch andere, jn das teutzsch, wie sich das hat schicken
wöllen, bracht.' Die stilistische Prüfung kann allerdings bei
dem ersten Dialog nur wenige Beweise erzielen; dagegen
enthält der zweite eine Reihe von Merkmalen Huttenschen
Stiles. Für Huttens Verfasserschaft spricht im zweiten Fall
auch die popularisireude Einleitung, mit der dieses 'etwas
meer vfF poetische Art zugerichte' Gespräch ebenso versehen
ist wie die sicher von Hutten stammeude Übertragung des
gleichfalls sich an die Antike anlehnenden Gesprächs 'Iu-
spicientes'; ferner auch das Bild, die Ermordung Hans' von
Hutten darstelleud, das sonst nur von Hutten selbst be-
sorgte Drucke, die erste Ausgabe des Phalarismus und die
Steckelberger Sammlung, enthalten. Gegen Hutten scheiut
bei der Febrisübersetzung zu sprechen, dass er selbst in der
Widmung au Sickiugen bemerkt, er habe den Dialog über-
setzen 'lassen'/* Dies Bedenken wird jedoch reichlich dadurch
aufgewogen, dass er dieselbe Übersetzung in einem 'fast nur
in Betreff der Rechtschreibung und der Scheidezeicheu ab-
weichenden'4 Neudruck seinem Gespräch büchlein einverleibte,
das er wiederum Sickingen als sein eigenes Werk widmete.
1 Joh. v. Schwarzenberg, Der Teütsch Cicero, 1534, 8. XXI", XL1".
» H. W. Ind. bibl. XXI, 4, 27 ff. ; 1 ff.
• H. W. 1, 247.
* Böckings Urtheil in seiner Vorrede H. W. 4, 28.
<JF. LXV1I. 5
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66
HISTORISCH Ksä.
Der Anlas» des Versteckspiels muss aus der Ent-
stehungszeit erschlossen werden. Die Febrisübertragung ist
nach der Widmung in den Februar 1519 zu setzen. In die-
selbe Zeit fällt auch sicherlich der deutsche Phalarismus.
Der Zweck jener Zusammenkunft, bei der Hutten von Sickingen
zur Verdeutschung der Febris angeregt wurde, war eine Be-
rathung über den gemeinsamen Feldzug gegen Herzog Ulrich
von Wirtemberg. 1 Da nun Hutten um jene Zeit bereits
die Steckelberger Sammlung plante, in der er seine sämt-
lichen Schriften gegen den wirtembergischen Fhalaris her-
ausgab, so musste sich ihm aus Sickingens Anregung zur
Übertragung der Febris der Gedanke ergeben, den einzigen
Dialog unter diesen Schriften in einer gemeinverständlichen
Form ins "Volk zu senden, damit dort wenigstens dieser Theil
die agitatorische Wirkung übe , die er von der lateinischen
Sammlung nur für engere Kreise erwarten durfte. Aus der
Zeit der Entstehung folgt für die Geheimhaltung des Namens
die einfache Erklärung, dass Hutten aus humanistischem
I Schriftstellerstolz Bedenken trug, selbst mit Verdeutschungen
'seiner Schriften hervorzutreten: zwischen der verdeckten Aus-
gabe der deutschen Febris und ihrer Aufnahme in das Ge-
sprächbüchlein liegt eben Huttens öffentlicher Übergang 7ur
deutschen Sprache. Die merkwürdige Art des Versteckspicls
lässt sich gerade bei Hutten leicht erklären. Die Erinne-
rung an das grosse 8chwarzenbergsche Cicerowerk mit seiner
vielköpfigen Ubersetzergesellschaft mag es ihm eingegeben
haben, auch für seine kleinen Übertragungen stets ein ganzes
Collegium vorzuschieben. Aber diese 'guten gunner, die
sich weiter sogar noch in die schemenhaften 'anderen' ver-
flüchtigen, können mit ihrer luftigen Namenlosigkeit den
wahren Verfasser nicht verdecken.
Doch nicht nur in Übersetzungen fremder und eigener
Werke, sondern in selbständigen Schöpfungen hat Hutten die
deutsche Sprache verwendet, ehe noch politische Motive ihn
veranlassten, sie offen zu gebrauchen: um Ostern 1520 ver-
fasste er zwei Reimgedichte, wahrscheinlich politischen In-
1 Strausa, Hutten 8 252.
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ÜBERGANGSZEIT
67
halte. Leider sind beide Gedichte uns verloren bis auf
einen winzigen Rest, der in der Quelle dieser Nachricht er-
halten ist, in eben jenem neuen Brief, mit dem Hutten in den
Wege einlenkt, der ihn zur offenen Verwendung der deut-
sehen Sprache führen sollte. Die Nachrichten über den
Inhalt der Gedichte fliessen nur spärlich. Ober das erste
Gedicht, das Hutten für seinen Vetter Bernhard als Ersatz
für ein von diesem verfasstes und ihm zur Prüfung übersandtes
Werk schrieb, lässt sich weiter nichts erschließen, als dass
es allgemein interessanten, wahrscheinlich politischen Inhalts
gewesen sein muss. Nähere Vermuthungen gestatten die An-
gaben über das zweite Gedicht, das er in Gemeinschaft mit
Johann von Schwarzenberg, dem Genossen vom Cicerowerk,
hervorbrachte: nach dem mitgetheilten Titel und der Analogie
verwandter Dichtungen Schwarzenbergs und Huttens scheint
es sich um ein satirisches Gedicht gegen den Kaufmannstand
zu handeln. Diese bisher ganz unbekannten Nachrichten be-
weisen aber nicht nur, dass Hutten um Ostern 1520 den deut-
schen Reimvers zu handhaben verstand, sondern mit einiger
Sicherheit auch, dass er hierin schon damals eine längere,
anerkannte Übung und Fertigkeit besessen haben muss. Sonst
würde er von dem selbst dichtenden Vetter kaum um sein
Urtbeil und seine Hilfe angegangen wordeu sein, noch hätte
er das Gedicht so scharf kritisiren und so schnell durch ein
eigenes ersetzen können. Ferner ist sonst schwer zu erklären,
wie Schwarzenberg, ein im Reimgedicht bereits so gewandter
Mann, der damals sein grösstes Gedicht, wenigstens in erster
Fassung, und eine Reihe von Sprüchen geschrieben hatte, sich
Hutten zu poetischer Thätigkeit gesellen konnte.1 Aus dem
Briefe geht ferner hervor, dass Hutten sich schon zu einer
verfeinerten Technik des Verses durchgearbeitet hatte. Da
derselbe Grundsatz strenger Achtsilbigkeit auch von Schwarzen-
berg ausdrücklich betont wird 2, so erhebt sich die Frage, von
1 Der 'Kummertrost' ist in seiner ersten Fassung (die leider
immer noch im Sohwarzenbergschen Archiv zu Wiltingen verborgen
liegt, vgl. Weißel, Schwarzenberg 8. 38) schon 1502 entstanden, die
Sprüche der Halsgerichtsordnung wenige Jahre später.
2 Teütsch Cicero, 1534, S. XCVIP. Abgesehen von don Versen
5*
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CS
HISTORISCHES.
welchem der beiden Ritter er zuerst aufgestellt wurde. Da
nun Schwarzenberg in den früheren Versen der Halsgerichts-
orduung ganz unregelmässig verfährt, so scheint die Bewegung
von Hutten auszugehen, der mit ihr etwas von der strengeren
Metrik der antiken Poesie in den deutschen Reimvers einge-
führt hätte. Noch schwerer ist aus dem vorhandenen Material
die Frage zu entscheiden, inwieweit Schwarzenberg mit seiner
bereits befestigten Technik des didactischcn Reimgedichts auf
Hutten eingewirkt hat oder ob dieser sich selbständig einen
ähnlichen Stil schuf. Auf jeden Fall aber ist durch die Thnt-
sache der gemeinsamen poetischen Beschäftigung mit Schwarzen-
berg der unzweifelhafte Beweis erbracht, dass Hutten kein
Neuling auf dem Gebiet war, auf dem er sich ein halbes
Jahr später unter dem Drange politischer und persönlicher
Verhältnisse öffentlich zeigte.
Ebenso wenig lässt sbh das zweite Vorurtheil halten,
dass Hutten in überhasteter Eile als deutscher Schriftsteller
aufgetreten sei. Strauss' Darstellung erweckt den Anschein,
als habe Hutten ganz plötzlich eine Production in deutscher
Sprache entwickelt, die selbst mit Rücksicht auf die eben auf-
gedeckte Vorbereitung, mit der Strauss nicht einmal rechnen
konnte, ganz unerklärlich und unglaublich ist. Setzt man
Strauss allgemeine Andeutungen in Daten um, so müssen die
1578 Verse der 'Clag vnd Vormanung' in dem Zeitraum vom
28. September bis zum 13. November beschlossen, gedichtet,
gedruckt, verbreitet und beurtheilt worden sein: denn am
letztgenannten Tag kann Hutten an Erasmus schon über die
Aufnahme dieses Gedichts in Basel berichten.1 Die Unwahr-
scheinliclikeit dieser Annahme wird noch gesteigert, wenn
man zu der Erkenntnis kommt, dass nicht die 'Clag vnd Vor-
inanung', wie Strauss meint, die Schrift ist, mit der Hutten
der 1507 zuerst erschienenen Halsgeriohtsordnung liegen die Gedichte
nur in undatirten Drucken oder den posthumen Ausgaben des Teütsch
Cicero' vor.
1 Bei dieser Berechnung ist die Zeit zu beachten, die durch Be-
förderung von Schriften und Nachrichten zwischen der Ebernburg und
Basel und in umgekehrter Richtung verbraucht wurde. — Vgl. H. "W.
1, 425.
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I
ÜBERGANGSZEIT. 69
den deutschen Boden betritt, dass vielmehr zwei andere deutsche
Schriften noch zwischen dem 28. September und der Ausgabe
des Gedichts erschienen sind.
Die erste Schrift ist die von Hutten selbst in einem
Nachwort als sein Eigenthum bezeichnete Übersetzung der
Klagschrift an alle Deutschen.1 Der Beweis für diese Da-
tirung liegt in einer schon von Strauss benutzten, aber falsch
ausgelegten Stelle der 'Entschuldigung'. In dieser Schrift er-
wähnt Hutten neben 'etlichen klag geschrifften vber die Curti-
sanen' lein klagschrifft', die er 'außgehen lassen vnd öffentlich an-
geschlagen' habe.2 'Jegen Strauss' Annahme, dass die lateinische
Klagschrift an alle Deutschen geineint sei, sprechen folgende
Gründe. Die lateinischen Klagschriften sind nur in einer
Sammlung erschienen : iu der angeführten Stelle wird aber
deutlich eine Einzelausgabe unterschieden. Hutten erwähnt,
dass er die fragliche Schrift öffentlich angeschlagen habe: dies
ist weit eher auf eine deutsche als auf eine lateinische Ausgabe
zu beziehen. Ferner zeigt das Nachwort, das übrigens ganz
im Stile eines öffentlichen Anschlages gehalten ist, dass diese
Verdeutschung der erste Vorsuch ist, dem Volke zu zeigen,
'welches die braut sey, darum!) man jm tantzen zügemüt\
Nimmt man endlich hinzu, dass Hutten in der 'Entschuldigung'
mit klaren Worten erzählt, dass er erst nach der eben be-
stimmten Schrift die 'Clag vnd Vormanung1 habe erscheinen
lassen {: so kann trotz jeueni vielcitirten Vers dieses Gedichts,
der sich später erklären wird, nicht mehr darau gezweifelt
werden, dass nicht mit dein Gedicht, sondern der Verdeutschung
der Klagschrift an alle Stände der öffentliche Übergang zur
deutschen Sprache erfolgte.
Unmittelbar an diese Schritt schliesst sich ein Werk au,
das bisher als Huttens Eigenthum noch nicht erkannt worden
ist : die anonyme Sammlung von Ubersetzungen aller fünf
1 H. W. 1, 405 ff., besonders 419.
« H. W. 2. 130 f.; dazu Strauss, Hutten 21, 92.
3 8trauss, Hutten S. 346, folgert aus dieRer Stelle, dass Hutten
durch das Geschrei der Curtisnnon über seine Klarschrift an alle
Deutschen zur 'Abfassung* des Gedichts bewogen sei. Hutten sagt aber
nur: 'ich einen sprach .... hnb „auß gehen*4 lassen' (H. W. 2, 131 J.
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70
HISTORIXJHKS.
Klagschrift.cn.1 Bevor dies Huttensche Werk datirt wird.
mu88 es als solches erst erwiesen werden.
Ein Versuch, die Ergebnisse stilistischer Beobachtungen
über eine Gesprächsübersetzung an den verdeutschten Klag-
schriften zu erproben, führte zu der Aufgabe, Huttens Ver-
hältnis zu den anonymen Übersetzungen seiner Klagachriften,
die man bisher mit fast unbeschränkter Willkür ihm zutheilte
oder absprach, einer neuen eingehenden Prüfung zu unter-
werfen. Es waren nämlich zu jenem stilistischen Vergleich
herangezogen die eben besprochene Einzelübertragung der
Klagschrift an alle Deutschen, die ja Hutten selbst anerkennt,
und eine anonyme Einzeln bersetzung der Klagschrift an Kur-
fürst Friedrich von Sachsen, die Strauss und Böcking wie
alle ihre Vorgänger als ein Werk Huttens betrachten.2 Das
Ergebnis der stilistischen Probe war ein auffallend zwiespäl-
tiges: wie sie an der ersten gelang, so versagte sie bei der
zweiten. Infolgedessen erschien die von Strauss und Böcking
ohne Angabe von Gründen aufgestellte Behauptung über die
zweite Schrift zum ersten Male bedenklich und behufs weiterer
Untersuchung die Heranziehung auch der anderen anonymen
Verdeutschung der Klagschrift an den Kurfürsten Friedrich,
die sich eben in der fraglichen Sammlung findet, berechtigt
und geboten. Obgleich diese Sammlung nicht einfach anonym,
sondern als Werk 'eines vnbekanten liebhabers der göttlichen
Wahrheit' auftritt und die Einleitung von Hutten als einer
fremden Person redet, war doch das Ergebnis der stilistischen
Vergleichung bei ihrer Klagschrift an den Kurfürsten Friedrich
im Gegensatz zu der Einzelübertragung eine vollkommene
Übereinstimmung mit der Gesprächsübertragung.3 Diese merk-
würdige Feststellung regte nun einen neuen Vergleich an,
nämlich zwischen der mehrfach erwähnten Huttenschen Über-
* H. W. Ind. bibl. XXXI, A, a.
«KL1 H. W. 1, 383 ff. Vgl. 8trau88, Hutten 8. 356. Jacob Burk-
hard hatte in «einem grundlegenden Werke (1717—1723) 2, 119 sich
noch mit einem m/W ontnia me fallunt salvirt; Meiners (1797) da-
gegen giebt 8. 214 die Yermuthung seines Vorgängers als Thatsache.
Diesolbe Meinung scheint Pnnaer (1798) S. 135 zu vertreten.
' Vgl. 8. 4P, ff.
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I'BKRGANUSZEIT.
71
setzung der Klagschrift an alle Deutschen und der ent-
sprechenden Übersetzung der Sammlung. Der Vergleich er-
gab eine überraschende Eutdeckung.
Die Sammlung ist bereits von Böcking benutzt und ge-
druckt worden, aber nur insoweit als er nicht Huttensche
Übersetzungen gefunden hatte. Da er nun eine solche in der
Einzelübertragung der Klagschrift an alle Deutschen besass
und in der an Kurfürst Friedrich wenigstens zu besitzen
glaubte, so entnahm er der Sammlung nur die übrigen drei
Stücke, also die Klagschriften an Kaiser Karl, den Kurfürsten
Aibrecht von Mainz und den Ritter Sebastian von Rotenhan1;
die beiden anderen Ubersetzungen hat Böcking und ebenso
Strauss sicherlich nicht angesehen, wenngleich letzterer gerade
über diese Sammlung scharf gegen eine thörichte Vermuthung
Münchs polemisirt2 Hätten Böcking und Strauss auch diese
beiden Stücke verglichen, so würden sie entdeckt haben, dass
die Übersetzung der Kingschrift an alle Deutschen in dieser
Sammlung keine andere ist als Huttens eigene Einzelüber-
tragung.3
Die aus textkritischer Vergleichung gewonnene Be-
obachtung, dass das Stück der Sammlung ein Abdruck der
Einzelübertragung ist4, könnte zu der Vermuthung verleiten,
dass es sich hier nur um ein Plagiat seitens 4eines vnbekanten
liebhnbers' handle. Da jedoch die stilistische Vergleichung
nicht nur für die Klagschrift an Kurfürst Friedrich, sondern
ebenso für die übrigen drei Stücke vollkommene Überein-
stimmung mit den Merkmalen Huttenschen Stiles ergiebt, so
ist vielmehr die Annahme geboten, dass die ganze Sammlung
» H. W. 1, 371 ff., 400 ff., 403 ff.
* Münch hatte in seinem confusen Huttenwerk 5, 3 f. im An-
schlug» an Panzer (S. 135) und Burckhard (2, 120), der sioh allerdings
wieder vorsichtiger ausdrückt, die Vermuthung aufgestellt, dass Huttens
Ausfall in dem oben erwähnten Nachwort sich auf diese Schrift beziehe.
Mit Strauss1 Ausführungen stimmt Meiners (8. 214) überein.
3 Dass Huttens Nachwort auch in der Sammlung steht, hat
Böcking bemerkt, aber nur ganz flüchtig erwähnt, entgegen seiner
sonstigen Gepflogenheit, auch die Lesarten selbst modernster Neudrucke
im Apparat zu verzeichnen (H. W. 1, 419).
* Vgl. die Lesarten S. 142 ff.
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<2
HISTORISCHES.
ein Werk Huttens ist. Dies wird durch die weitere Unter-
suchung bestätigt.
Der einzige Grund, aus dem die anonyme Einzeln* ber-
setzung der Klagschrift an Kurfürst Friedrich von Böckiug und
Strauss Hutten zugesprochen wird, liegt, abgesehen von dem
verführenden Vorgang früherer Forscher, wol dariu, dass
die als fremd angesehene Sammlung gar nicht den Ge-
danken aufkommen Hess, neben ihr das Einzelheft als zweite
fremde Übertragung anzunehmen. Den einzigen Grund aber,
aus dem die Sammlung von beiden Forschern ebenso wie von
ihren Vorgängern Hutten abgesprochen wurde, stellt sicherlich
deren Vorrede dar, in der eben jener 'vnbekante liebhaber'
die Verfasserschaft für sich iu Anspruch nimmt.
In Anbetracht der litterarischen Gepflogenheiten jeuer
Zeit, die wie kaum eine andere das Versteckspiel der Autoren
liebte, könnte aber diese Vorrede sich den stilistischen Be-
weisen gegenüber selbst dann nicht behaupten, wenn sie auch
in sich festgeschlossen uud unaugreifbar wäre. Nun ist aber
ihre Glaubwürdigkeit und somit ihre Beweiskraft durch den
Nachweis einer unzweifelhaft Huttenseben Übersetzung in-
mitten der Sammlung vollkommen erschüttert. Entweder
ist der Verfasser der Vorrede 'ein vnbekanter liebhaber':
dann ist er nicht der Verfasser aller von ihm herausgegebenen
Übersetzungen, und mau ist der Vorrede als einem unwahr-
haftigen Zeuguis nicht zu glauben verpflichtet. Oder er ist
der Verfasser sämmtlicher Stücke: dann ist er kein lvube-
kanter liebhaber', sondern Ulrich von Hutten.
Das merkwürdigste Ergebnis einer genauen Untersuchung
dieser Vorrede ist aber die Beobachtung, dass sie vollkommen
im Hutteuscheu Stile geschrieben ist.
Hierzu kommen noch die Beweise aus den Eigenthüm-
iichkeiteu der Einrichtung und Ausstattung des Werkchens:
iu beider Hinsicht zeigt es genaueste Übereinstimmung mit
einer Reihe wenig späterer deutscher Schriften Huttens. Ge-
nau wie diese zeigt die Sammlung am Rande die reich liehen
Inhaltsangaben, die bei fremden Übersetzungen z. B. bei der
Einzelübertragung der Klagschrift an Kurfürst Friedrich fehlen.
Die Identität des Druckes wird durch das unparteiische Urtheil
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fJBERGANOSZElT.
73
Söckings bestätigt.1 Ferner enthält die Sammlung das be-
rühmte Bild Huttens, das sonst nur in sicher Huttenschen
Werken bekannt ist.
Endlich scheinen für unsere Annahme drei briefliche
Zeugnisse zu sprechen, die Böcking und Strauss theils nicht
gekannt, theils nicht gewürdigt haben. In den Briefen des
bekannten Nürnberger Rathssyndicus Lazarus Spengler an
Wilibald Pirckheimer, die von der Huttenforsch uug bisher ganz
übersehen worden sind, stehen zwei Äusserungen über unsere
Sammlung-: am 11. November 1520 berichtet Spengler,
Hutten habe 'sein lateinisch conquestion' verdeutscht und so
veröffentlicht; am 26. November giebt er an, zwei Bücher
empfangen zu haben 'gedruckt latein und teutsch, so Virich
von Hutten gemacht', und führt dann die Titel der lateini-
schen Klagschrifteu zum Tlioil an. Die wörtlich angeführte
Stelle des ersten Berichts lässt zwar auf grammatischem Wege
keinen Schluss zu, ob er eine einzelne Klagschrift oder
aämmtliche meint. Da aber für den ersten Fall diese einzelne
Klagschrift hätte namhaft gemacht werden müssen und ferner
1 H. W. Ind. bibl. 8. 59 : 'Tübingen bei Anshelm ?' und 8. 50 die
Vermuthung, dass das Gosprächbüchlein, die Concilia, die Anzöig, die
Dialogi novi u. a. m. zuerst bei Anshelm in Tübingen erschienen seien.
~ Mit dieser Vermuthung tritt Böcking Zarncke gegenüber, der für
diese 8chriften als Druokor Johann Schott in Strassburg behauptet.
Die ron beiden Forschern vorgenommene typographische Vergleichung
braucht nicht erst naohgeprüft zu werden, um in dieser Streitfrage
für Zarncke gegen Böcking entscheiden zu können, denn erstens ist
das bekannte grosse Bild Huttens, das die meisten der hier in Bctraoht
kommenden Drucke schmückt, sonst nur in einem sicher Schottschen
Druck, der Expostulatio cum Krasmo, nachzuweisen (H. W. Ind. bibl.
XLV, 1); zweitens aber liegt ein Brief Sohotts an Hutten vom 3. Sep-
tember 1521 (H. W. 2, 80 f.) vor, dessen Anfang vollkommen uncrklfirlieh
ist, wenn sämmtliche fraglichen Drucke Anshelm zugesprochen werdon,
über dessen Beziehungen zu Hutten zudem nuch nicht das geringste Zeugnis
vorliegt: 'Naohdem vnd Ewer Streng Ernuest vnd gunst mich bisher mit
bucher zutrucken vor eim andern beschucht behuldct vnd gunstlich be-
gabt, des ich nit wenig Nutzbarkeit vnd wolthat befunden . . . Böcking
hat es unterlassen anzugeben , auf welche Drucke sich diese Worto
Schotts beziehen könnten, wenn nicht auf die oben angeführten Werke,
welche sftmmtlich in die dem Brief unmittelbar vorhergehende Zeit fallen.
» Vgl. 8. U9.
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74
IIISTOKISCIIES
der zweite Bericht sich unzweifelhaft auf sämmtliche Klag-
schriften bezieht, so ist sicherlich auch der frühere Bericht
vou der Gesammtheit zu verstehen. Demnach liegt in diesen
Aussagen Spenglers aus Huttens engerem Kreise ein Zeuguis
für seine Verfasserschaft an der anonymen Sammlung vor.
Im selben Sinne zeugt eine bisher nicht beachtete Stelle in
Huttens eigenem Brief vom 2h. November 1520 an seinen
Genossen Bucer: lHabebas nescio quot Conquestionum Lati-
narum exemplaria'.1 Wollte er die lateinischen Conquestionen
nur von der einen Übertragung der Klagschrift an alle Deut-
schen unterscheiden, so hätte er sich einfach mit der Form
der Mehrzahl begnügen und auf den attributiven Zusatz ver-
zichten können. Letzterer ist nur dann erklärlich, wenn er
als Gegensatz zu den 'Conquestiones latinae' die anonyme
Sammlung der deutschen Klagschriften im Sinne hatte.
Auf diese Zeugnisse, insbesondere den ersten Brief Speug-
lers kann man zugleich die Datirung der Schrift gründen: sie
ist ungefähr Anfang November erschienen.2
Der Anlass dos Versteckspiels lässt sich nur vermuthen.
Von humanistischem Schriftstellerstolz kann nicht mehr die
Rede sein, da dies Unternehmen eigentlich nur die Erfüllung
eines Versprechens darstellte, das Hutten ganz offen in dem
Nachwort seiner ersten Übersetzung gegeben hatte. Es scheint
bei ihm vielmehr das Bestreben wirksam gewesen zu sein,
|rlen einfachen Übersetzungen durch die Form der Darbietung
einen neuen Reiz zu verleihen und zugleich unter der Maske
eines 4vnbekanten liebhabcrs' sich selbst ein Vertrauensvotum
darzubringen, wie er solche damals in Wirklichkeit von ver-
schiedeneu Seiten öffentlich erhielt.
Zieht man nun von der Zeit, in die nach den obigen
Ausführungen die *Clag vnd Vormanung' gesetzt werden
müsste, noch die auf diese beiden Schriften verwendeten Tage
ab, so bleibt für die Abfassung des grossen Gedichts so wenig
übrig, d iss man eine mehr als Hans Sächsische Eloquenz und
l'roductivirat für Hutten behaupten müsste?.
1 II. W. 1, 429.
1 Mit völliger Sicherheit ist die Priorität der anonymen Samm-
lung gegenüber der 'Clng vnd Yormiinuiiff' nicht zu erweisen.
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f BKK-- *N«i>ZHT.
Diese Schwierigkeit lasse sieh nur auf einem Wege fort-
schaffen: man muss annehmen, dass Hutten den Übergang
zur deutschen Sprache bereits beschleusen und vollkommen
vorbereitet hatte, als er am 2>. September 1520 in der latei-
nischen Klagschrift an alle Deutschen die Worte niederschrieb:
*ut intelligatis quam non fuerit meum consilium publicam isti
statui eversionem moliri. La t ine scripsi, quasi secreto admonens\
Liest man aufmerksam weiter, so bemerkt man auch, wie der
nächste Satz mit *Xunc quia* deutlich auf die Verkündigung
eines fernerhin veränderten Verhaltens hinstrebt, dann al>or
mit einer in diesen Klarschriften häutiger zu beobachtenden
vorsichtigen Halbheit plötzlich abbiegt.1 Aber trotzdem Hutten
das positive Geständnis unterdrückt , leuchtet doch gerade
durch die auffallige Negation klar und fest der INau und die
Drohung hindurch, nunmehr den Kampf iu deutscher Sprache
auszufechten : man hört zum ersten Male das Schwert der
deutschen Sprache klirren. Nur als eine Art Selbstverrath
lässt sich der vielcitirte Satz erklären. An sich ist er eine
Sophisterei, die Hutten selbst kaum ernstlich vertheidigt hätte :
wenn er bis dahin lateinisch geschrieben hatte, war durchaus
nicht die Absicht massgebend gewesen, sich nur einem kleinen
Kreise anzuvertrauen ; hatte er sich doch wie gerade in dieser
Schrift selbst so auch in zwei früheren Fällen ausdrücklich
an alle Deutschen gewendet.2 Latein hatte er bis dahin ge-
schrieben, weil er als humanistischer Dichter und Schriftsteller
gar nicht an die öffentliche Verwendung der deutschen Sprache 1
dachte. Mit jener Sophisterei unternimmt er den Versuch,
aus der (Jewohnheit eine Tugend zu machen.
Huttens Umwandlung muss stattgefunden haben, als er
einsah, dass für seine eigene wie für die allgemeine Sacho die
1 . . . adtnonens ; ue<jue vulgum habere sfatitn canscium rolni, auf
populäres tnox coniingere nures, qua »tri* cur hoc facerem, plus satis
caussae haberein. Nunc quid sanifatis capnees esse pie "dtnaniti unn riden-
turf seil fraternae adhuc correptioni exitinm obrertunt, nihil vel sie gra-
vius consulnm. (H. W. I, 418.)
1 Die zweite Ausgabe der Türkenrede in ursprünglicher Gestillt
hatte er schon Anfang 1519, eine Sammlung alter Sendschreiben im
Mai 1520 allen freien Deutschen gewidmet. (H. W I, 240 tf. und 349 ff.)
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76
HISTORISCHES.
Einwirkung auf die breiton Massen des Volkes erforderlich,
diese aber nur durch die Anwendung der deutschen Sprache
möglich sei. Auch der vorbildliche Einfluss der Anfang August
erschienenen Schrift Luthers an den christlichen Adel deutscher
Nation muss in Betracht gezogen werden.
Alle diese Erwägungen führen zu der Annahme, dass
die 'Clag vnd Vormanung' gleichzeitig mit den lateinischen
Klagachrifteu, theilweise vielleicht noch früher entstanden ist.
Hierfür spricht auch die vollkommene Identität des Inhalts.
Während z. B. die etwas später entstandene ^Entschuldigung'
gerade die zwischen der Verdeutschung der Klagschrift an
alle Deutschen und der 'Clag vnd Vormanung' vorgekommenen
Drohungen und Verfolgungen als Grund für die Herausgabe
des Gedichtes angiebt, geht dieses selbst auf jene Ereignisse
mit keinem Wort ein, sondern behandelt neben den allge-
meinen Zuständen nur dieselben persönlichen Angelegenheiten
wie die Klagschrifteu. Auch der Umstand, dass die gemäss
Huttens eigener Aussage erst nach der ersten Verdeutschung
erschienene Dichtung den Vers 'Latein ich vor geschriben
hab' enthält kann allein durch die Annahme erklärt werden,
dass sie bereits vor jener geschrieben ist: die 4Clag und Vor-
manung' muss also im August und September entstanden sein.
Die Voreinigung aller dieser Beobachtungen giebt ein
wesentlich verändertes Bild von dem bedeutsamen Wende-
punkte in Huttens schriftstellerischer Entwicklung: als Hutten
im Herbst 1520 plötzlich zum eisten Male das Schwert der
deutschen Sprache wider seine Geguer schwingt, führt er
keine ungewohnte und erst im Toben des Streites aufgeraffte
Wehr, sondern eine längst erprobte Waffe, die er für diesen
grossen Kampf zur rechten Zeit erwählt und bereit ge-
macht hatte.
Die Veröffentlichung der ersten deutschen Schriften, die
weniger eine Klärung als ein?4 Verschärfung seiner politischen
Ansichten und Absichten bedeuten, wird begleitet von einer
Steigerung seiner persönlichen Thätigkeit. Derselbe Brief
Spenglers, der die erste Nachricht über Huttens deutsche
Schriften enthält, liefert auch den Beweis, dass Hutten gleich-
zeitig insgeheim die geplant.» Waffonthat vorbereitete. Auf
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REICHS l AU VON WORMS. 77
Grund geheimer Mittheilungen eines vertrauten Freundes kann
Spengler angeben, dass Hutten 'sich bey etwouil fursteu vnd
denen von Adel wider alle Bapstischen vnd Curtisan hoch
beworben hat; so hat er ainen den Ir auch kennt der reit
heimlich vmb, dieselben Romanist« u außzuspehenV Mau
kann mithin in den verschiedentlichen Stellen von Privat-
briefeu, wo Hutten offen von kriegerischen Plänen spricht,
nicht mehr hohle Rodomontaden sehen. Unentschieden muss
dagegen bleiben, ob damals Sickingeus und anderer Freunde
Mahuungeu, auf die er wiederholt hinweist, ihn vom Los-
schlagen zurückhielten oder ob nicht vielmehr das Ver-
sagen der erhofften Unterstützungen, das er einmal erwähnt,
ihn zum Abwarten zwang.- Seine Thatenlust regte sich be-
sonders heftig, als er die ersten Nachrichten von der in den
Niederlanden mit Karls Erlaubnis veranstalteten Verbrennung
Lutherscher Schriften empfing; sie wurde jedoöh paralysirt
durch das von Sickingen vermittelte Versprechen des Kaisers.
Hutten seinem Wunsche gemäss nicht ohne Verhör verur-
theilen zu lassen/5 So konnten jene Feuergerichte sogar ihren
Weg durch Deutschland nehmen, ohne dass ihnen Hutten
etwas Anderes als Worte entgegenstellte: in den Anfang
December fällt nach Strauss' Datirung — der einzigen, die
ihm bei deutschen Schriften gelungen ist — 4Eyn Klag über
den Luterischen Brandt zu Mentz'.4
Hutten fühlte sich in seinen Hoffnungen bestärkt durch
die Aussicht auf den Reichstag, gelegentlich dessen er mit
Sickingen eine nationale Umstimmung des Kaisers seitens
der deutschen Fürsten erwartete.5 Aber bald sollte der Hoff-
nungsstrahl, der in den Versprechungen und Vermuthungen
Sickingens aufzuleuchten schien, wieder erlöschen. Während
Ende November unmittelbar nach der Ankunft des Kaisers
in Worms dessen Räthe verkündet hatten, es sei unmöglich,
1 Ygl. 8. 149. — Hierzu stimmt Huttens Mahnung an Luther und
8palatin in dem Brief vom 9. December (H. W. 1, 437; vgl. S. 151).
* H. W. 1, 435.
* H. W. 1, 365 f. (vgl. S. 60, Anm. 2); 436.
* H. W. 3, 451 ff. Hutten 2», 99.
6 H. W. 1 436
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78
HISTORISCHES.
einen Deutschen zu verdammen, ehe man ihn gehört habe,
und infolgedessen der Kurfürst von Sachsen aufgefordert war,
Luther auf den Reichstag mitzubringen, schrieb der Kaiser,
in dem politische Motive inzwischen einen Umschwung herbei-
geführt hatten, am IT. December dem Kurfürsten, er solle
Luther nur für den Fall eines Widerrufs und auch dann nur
bis Frankfurt mitbringen.1 Aus dieser Wendung der kaiser-
lichen Politik zog Hutten, wie aus einem neuerdings ver-
öffentlichten Brief hervorgeht,2 den Schluss, dass der Kaiser
auch ihm gegenüber das im November gegebene Versprechen
nicht halten und er selbst dadurch auf den Weg der Gewalt
gedrängt werde. In diesem entscheidenden Zeitpunkt griff
er von neuem zur Feder, um zum letzten Male seinen gegen-
wärtigen Standpunkt und seine ferneren Wege zu bezeichnen
und so den Freunden eine Mahnung, den Feinden eine War-
nung zu Theil werden zu lassen : er schrieb die "Enudtschül-
digung Wyder etlicher vnwarhafftiger außgeben, von ym, als
solt er wider alle geystlichcit vnd priesterschafft sein, mit
erklärung etlicher seiner geschrifften'.3
Die chronologische Einordnung dieser Schrift ist bisher
nicht gelungen. Während Strauss, der sie einfach im An-
schluss an die durch sie vorzüglich commentirte 'Clag vnd
Vormauung' bespricht, sich mit dieser Frage nicht beschäftigt,
hat sich Böcking zweimal über sie geäussert.4 Zunächst setzte
er die 'Entschuldigung' ohne Angabe irgend eines Grundes,
also wol nur mit Rücksicht auf die ebenso unbegründeten
Behauptungen seiner Vorgänger5, ins Jahr 1522. Von dieser
argen Verirruug kam er erst zurück, als er in einem nach-
1 Baumgarten, Geschichte Karls V. 1, 383, 396 f.
1 Johannes Bolte, Ein ungedruckter Ii rief Huttens. (Deutsche
Dichtung 4, 66.)
3 H. W. 2, 130 ff.
* Hutten, S. 361 ff., II. W. 2, 130, Suppl. 2, 805.
5 Burckhard, de Ulr. Hutteui Tita commentarius, 3, 260 f.;
Meiners, Über das Leben uud die Verdienste Ulrichs von Hutten 8. 306 f.
der sich trotz eines richtig erkannten Widerspruchs iu dieser Annahme
fest zu Burckhard bekennt. — Nur (Jarckc), Studien und Skizzen zur
Geschichte der Reformation 8. 203, hat, allerdings mit unzulänglicher Be-
gründung, das Frühjahr 1521 als Eutstehungszeit vennuihet.
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I
REICHSTAG VON WORMS. ?.)
träglich aufgefundenen Brief eine aller Wahrscheinlichkeit
nach auf diese Schrift bezügliche Stelle entdeckte, nach welcher
sie schon Ende März 1521 im Druck vorgelegen hätte, und
glaubte nun, die Schrift in diese Zeit verlegen zu müssen.
]Sun mag Böcking zwar vollkommen Recht haben, wenn er
diese Nachricht auf die von ihm als original angesehene Aus-
gabe der 'Entschuldigung' bezieht; aber daraufhin darf er
nicht behaupten, dass im März 1521 die Schrift zum ersten
Male erschienen sei; denn nicht der von ihm Vorgezogeue,
sondern ein anderer Druck, in dem er nur eine 'durch
Auslassungen und Verderbungen entstellte1 Erneuerung sah
ist die wahre erste Ausgabe und jene nur eine durch-
gehends überarbeitete Wiederholung. Von den zwei Klassen
nämlich, in die Böcking die Varianten eintheilt. ist die der
Verderbnisse eine verschwindend kleine, und beide Ausgaben
haben ihrer ungefähr gleich viel; die überwältigend grössere
Anzahl der Varianten besteht in den sogenannten Auslassungen,
die nach Böcking die zweite gegen die erste Ausgabe sich
erlaubt haben soll. Wenn schon die grosse Reihe solcher Aus-
lassungen etwas seltsam erscheinen muss, so wird Böckings
Auffassung doch erst dann bedenklich, wenn man entdeckt,
dass fast sämmtliche Auslassungen einzelne Worte betreffen
und dass auch ohne diese stets ein sinnvoller und einheitlicher
Text bleibt: während nun die Gründe des Bearbeiters, der
solche Auslassungen auf das sorgsamste bewerkstelligt haben
müsste, schlechterdings unfassbar bleiben, ist das umgekehrte
Verhältnis, dass nämlich ein Bearbeiter in den ursprünglichen
Text überall einzelne Wörter einfügt, um den Gegenstand in
Inhalt und Form klarer zu gestalten, durchaus begreiflich.
Bemerkt man sodann, dass die angeblich secuudäre Ausgabe
an mehreren Stellen eine richtigere Fassung hat als die an-
geblich originale, ohne dass an die Thätigkeit eines fremden
Bearbeiters gedacht werden kann; bemerkt mau ferner, dass
eine Anzahl sachlicher Verschiedenheiten nur aus der erneuten
Thätigkeit des Verfassers selbst erklärlich ist; bemerkt man
endlich, dass auch einzelne stilistische Änderungen die charak-
' H. W. Ind. bibl XL1V.
*
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so
HISTORISCHES.
teristischen Züge Huttenscher Schreibweise zeigen, so gelangt
mau auf diesem Wege textkritischer Beobachtuug zu dem Er-
gebnis, dass Hutten selbst der Verfasser beider Ausgaben ist und
dass das von Böckiug behauptete Verhältnis der beiden Drucke
umgekehrt werden muss. Hieraus ist aber nur zu folgern,
dass die von Böckiug verkaunte erste Ausgabe vor Ende
März erschienen ist. Die engeren Zeitgrenzen dagegen müssen
aus inneren Gründen erschlossen weiden. Die diesseitige
Grenze ist dadurch gegeben, dass der Reichstag von Worms
noch mit keinem Wort erwähnt wird und die ganze Erörterung
der Keformationsangelegeuheit noch als bevorstehend erscheint;
insbesondere wird Huttens Erbieteu und Verlangen, sich in
einem Verhör vor dem Kaiser zu rechtfertigen, nochmals vor-
getragen.1 Wenn hiernach die diesseitige Grenze für die
Abfassung der Schrift vor den Reichstag verlegt werden kann,
so liegen in dem Umstände, dass Hutten die 'Entschuldigung'
noch nicht in dem Brief an Luther vom 9. December wie
seine übrigen eben erschienenen und nah bevorstehenden
Schriften erwähnt, sowie in der Erwägung, dass der hoff-
nungslose Ton, in dem er die erwähute Forderung ausspricht,
nur durch die Wendung des 17. Decembers veranlasst sein
kann, Anhaltspunkte genug, um als jenseitige Grenze die
zweite Hälfte des Decembers zu bestimmen : die 'Entschul-
digung' ist um die Wende des Jahres 1520 entstanden.
Diese Schrift, die eine Verteidigung, ein Programm
uud eiu Ultimatum zugleich darstellt, giebt zum ersten Male
das offene uud deutliche Geständnis, dass Hutten entschlossen
ist, seine und des Volkes berechtigte Forderungen, wenn sie
nicht vom Kaiser uud deu Fürsten beachtet würden, gegen
die Curtisanen und liomauisteu mit Waffengewalt durchzu-
setzen. Während diese rein sachliche Schrift merkwürdiger
uud doch, wie sich alsbald zeigen wird, erklärlicher Weise
von den realen Machten, auf die Hutten seine Drohungen
baut, nichts verlauten läs.st, gewinnen wir durch die vom
13. Januar lfvJl datirte Sammlung der kDialogi uovf auch
hierüber Klarheit: Sickingeu, den Strauss mit Recht den
1 Vgl. besonder« II. W. 2, 144 f.: Abschnitt X.
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REICHSTAG VON WORMS.
81
Helden dieser Dialoge geuannt hat, wird in ihnen überall
als der kriegerische Vorkämpfer der Reformation gefeiert.1 Am
deutlichsten enthüllt Hutten die auf Sickingeu gerichteten Hoff-
nungen gegen Schluss der beiden Dialoge 'Bulla' und 'Monitor
secundu*'. Die Schlussscene des ersten Werkes, die Strauss
gar nicht gewürdigt hat, zeigt Hutten im Streit mit der per-
sonificirten Bulle ; bevor er sie aber thätlich angreifen kanu,
ruft sie zu ihrem Schutze den unzähligen Schwärm der
Curtisauen herbei, so dass er nun auch seinerseits seine
Stimme um Hilfe ertönen lassen muss: und wirklich trifft
diese alsbald ein und zwar in Gestalt Franzens von Sickingeu,
der an der Spitze von hunderttausend Deutschen das Heer
der Curtisanen in die Flucht jagt, um dann mit Hutten vor
den versammelten Reichstag zu treten und, während dieser
nur in eigener Angelegenheit spricht, für rKe allgemeine Sache
der Nution gegen Rom das Wort zu führen; und diese poe-
tische Reichstagsverhandlung schliefst mit einem bedeutsamen
Lakonismus des Kaisers, der auf die Frage der Rulle 'utetur
ne (Leo) obsequeuti filio?' weiter nichts erwidert als 'sumidem
pater est ipse1. In dem zweiten Dialog, der später geschrieben
ist und daher keine so ideale Auffassung des Kaisers mehr
zeigt, wird Sickingen ganz ohne Rückhalt als Nachfolger
Ziskas dargestellt: er selbst beruft sich auf ihn und erklärt,
dass er, wenn alle Mahnungen nichts fruchten sollten, gerade
aus Rücksicht für den Kaiser auf eigene Faust etwas wagen
würde, möge es ablaufen, wie es wolle; zuweilen sei Ungehor-
sam der wahre Gehorsam.
Nimmt man hierzu noch die berühmte Vorrede zum
Gesprächbüchleiu vom M. December 1520, in der Hutten
Sickingeu mit den wärmsten und innigsten Worten, die er
jemals einem Manne widmete, als seinen treueu Beschützer
und besten Freund pries und Sickingens Burgen als Herbergen
der Gerechtigkeit im Kampfe gegen die Curtisauen feierte2,
so begreift man, wie der in Worms sich versammelnde Reichs-
tag zu der festen Überzeugung gelangte, dass die beiden auf
1 H. W. 2, .1; 4, 309 ff.: besonders 328 ff. nnd :*57.
* H. W. 1, 447 ff.
V.F LXVIL 6
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82
HISTORISCHES
der Ebernburg vereinigten Ritter an der Spitze einer wol
organisirten Adelsbewegung ständen, die auf ihren Befehl
jeden Augenblick losbrechen könnte. Hat doch auch die
moderne Geschichtsforschung Huttens Darstellungen seiner
Lage und den Schilderungen in den Depeschen des päpst-
lichen Nuntius Aleander so vollkommen Ülaubon geschenkt,
dass sie folgerichtig das Ausbleiben des befürchteten Gewitters
als ein ungelöstes Problem bezeichnen musste.1
Durch die Entdeckung eines Bündels von Briefen, die
zwischen Hutten, Sickingen und einer Reihe vertrauter Per-
sönlichkeiten zu Beginn des Jahres 1521 gewechselt wurden,
lässt sich endlich Huttens Lage in ihrer wahren (testalt er-
kennen und somit, in Verbindung mit den Depeschen Ale-
anders, auch jenes Problem lösen. Das nächste Ergebnis
dieser Briefe ist kein geringeres, als dass zur selben Zeit, da
Hutten jene poetischen Verherrlichungen Sickingens, in denen
die beiden Ritter zu Schutz und Trutz wie etwa auf dein
modernen Denkmal bei einander stehen, abschloss und aus-
gehen Hess, eine Auseinandersetzung zwischen ihnen statt-
fand, in der Sickingen Hutten nicht nur die Mitwirkung an
seinen gewaltsamen Plänen, sondern sogar, falls er in Fehde
mit den Curtisauen käme, den weitereu Schutz seiner Burgen
versagte.
Diese Klärung ihres Verhältnisses wurde offenbar durch
das Hernnnahen des Reichstages herbeigeführt, der nuf den
Dreikönigstag ausgeschrieben war. Mit Hinblick auf die
Eröffnung dieses Reichstages, auf dem die Entscheidung über
sein Schicksal fallen musste, wird Hutten in den ersten Tagen
des neuen Jahres Sickingen um seine endgiltigen Erschlies-
sungen befragt haben. Das Ergebnis einer solchen Unter-
redung ist ein Brief Sickingens an den Grafen Robert von
der Mark, den 'Eber der Ardennen'. 2 Dieser Brief, der in
einer wahrscheinlich von Hutten selbst veranlassten Abschrift
erhalten ist, stellt gegenüber der grossen Menge von Äusse-
rungen Sickingens, die uns von Hutten in Briefen und Schriften
1 Maurenbreoher, Ulrich von Hutten, Grenzboten 1871, S. 1011.
2 Vgl. 8. 153 ff.
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REICHSTAG VON WORMS.
83
übermittelt sind, das einzige unmittelbare Zeugnis Sickingens
über Hutten dar; in seiner Einleitung bildet er ein Seiten-
stück zu der nur um eine Woche älteren Widmung des Ge-
sprächbüchleins, wenngleich seine Lobpreisung Huttens infolge
der geringeren rhetorischen Gaben des Schreibers und der
peinlichen Veranlassung des Schreibens jene an Feuer und
Fülle nicht zu erreichen vermag. Die Fortsetzung und der
eigentliche Inhalt des Briefes bietet wiederum zu einer der
oben angeführten Äusserungen ein Gegenstück und zwar im
eigentlichsten Sinne des Wortes. Hatte Sickingen im 'Monitor
secundus' verkündet, dass er auch gegen den Willen des
Kaisers zu handeln entschlossen sei, und dies mit der spitzen
Sentenz begründet, dass Ungehorsam zuweilen der wahre
Gehorsam sei, so beruft er sich hier gerade auf seine Dienst-
pflicht gegen den Kaiser als Hinderungsgrund für die Unter-
stützung Huttens im Kampfe gegen die Curtisauen und bittet,
da dieser unvermeidlich zu sein scheint, den Grafen von der
Mark um Unterschlupf für seinen Schützling. So klar dieser
Brief Sickingens Stellung zu Hutten beleuchtet, lässt er doch
seine tieferen Gedanken und Absichten nur vermuthen. Die
Berufung auf den Willen dea Kaisers ist wol nur ein Vor-
wand, um sich von dem ungestümen Stürmer und Dränger
zu befreien, der ihm seine besonnereren, aber auch selbstsüch-
tigeren Pläne zu stören drohte. Auch die Wahl des Zu-
fluchtsortes scheint geheime Pläne Sickingens zu verrathen.
Zunächst wird man allerdings den auffälligen Umstand, dass
Sickingen keine Scheu trug, die Schlösser eines Mannes zu
wählen, der in immerwährendem Schwanken zwischen Deutsch-
land und Frankreich sich gerade kurz vorher wieder vom
Kaiser getrennt hatte1, aus dem Schutz- und Trutzbündnis
erklären können, das Sickingen früher mit ihm geschlossen
und sogar von seinen Verpflichtungen gegen den Kaiser aus-
genommen hatte.2 Doch die geheimnisvollen Andeutungen
Huttens in seinem Brief vom 27. December, dass noch andere
dem Beispiele Roberts folgen würden \ ferner das nicht be-
1 Ulmann, Sickingen 8. 56 f., 85 f., 192 ff.
* Ulmann S. 57, 161.
3 Vgl. S. 78, Anm. 2.
6*
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84
HISTORISCHES.
deutungslose 'noch', mit dem Sickingen seine Pflichten gegen
den Kaiser zu begreuzen scheint, endlich die Rücksicht auf
Sickingens früheres und späteres Verhalten führen zu der
Vermuthung, dass dieser Brief aus der Absicht uutsprungen
ist, durch Hutten eine Brücke zur Verbindung mit. Frank-
reich zu schlagen, um sich gleich dem Grafen von der Mark in
dieser kritischen Zeit eine Herrschaft von souveräner Bedeutung
zwischen den beiden Reichen zu schliffen. Dass man von
französischer Seite solchem Unternehmen geneigt war, beweist
der Umstand, dass höchst wahrscheinlich um diese Zeit Her
König von Frankreich Hutten eine Pension von vierhundert
Kronen anbieten liess.1
Aber eben diese Beziehungen zu Frankreich, über die
Sickingen mit der Freiheit eines hierzu privilegirten deut-
schen Fürsten dachte, scheinen Hutten von vornherein He-
denken gegen den Schutz eingeflösst zu haben, den er auf
Sickingens Fürsprache bei dem Grafen von der Mark sicher
erwarten konnte. Zu der Nachricht, dass Hutten aus patrio-
tischen Gründen jene Pension abgelehnt habe, stimmt es
vollkommen, wenn nun Hutten am selben Tage, an dem er
mit Sickingen zugleich und wol auf dessen Wunsch an
Robert schreibt, sich in der gleichen Angelegenheit auf eigene
Hand an seine Familie wendet, obwol er auf wiederholte»
frühere Gesuche keinerlei Antwort erhalten hatte.
Huttens Beziehungen zu seiner Familie sind nur für die
Zeit der Lehr- und Wanderjahre ziemlich klar beleuchtet.
Für den wichtigsten Abschnitt seines Lebens aber besitzen
wir bisher nur eine Notiz in der Verteidigungsschrift des
Brunfels. Eine Reihe unbekannter Briefe von, an und über
Hutten gewährt nunmehr den interessanten Anblick, seine
welthistorische Unternehmung in der Spiegelung verwandt-
schaftlicher Meinungen und Beschlüsse zu betrachten.2 Der
1 H. W. 2, 840. StrauBs (S. 447) setzt das von Brunfels be-
richtete Anerbieten gegen Ende 1522 an. Es ist jedoch schlechterdings
kein Gmnd zu finden, warum König Franz sich damals um Hutten
hatte bemühen sollen, während er zu Beginn 1521 thatsächlich ohne
Unterlass Anknüpfung mit den Gegnern des Kaisers sucht.
* II. W. 2, 329. Vgl. S. 153 u. S. 157 ff.
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REICHSTAG VON WORMS.
85
Brief vom achten Januar ist wie das in ihm erwähnte ver-
lorene Schreiben an die; Gesammtfamilie derer von Hutten
mit dem Ersuchen gerichtet, über seine Bitte um Hilfe gegen
den Papst und seine Curtisanen einen Beachluss zu fassen
und ihm mitzuthcilen. Unter den Familienmitgliedern, die in
der Aufschrift namentlich aufgeführt worden, steht ?ils Erster
Frowin von Hutten. Seine Stellung als Hofmeister des Kur-
fürsten von Mainz verschaffte ihm innerhalb der Familie die
Geltung eines Oberhaupts Uber ihn sind mehrfache Lob-
sprüche Huttens bekannt: neben Ludwig von Hutten, dem
Vater des vom Württembergischen Herzog ermordeten Hans,
rühmt er ihn als freigebigen Förderer seiner Studien, neben
seinem väterlichen Freund Eitel wolf von Stein als Gönner
des Humanismus. So hatte Hutten neben Steiu besonders
Frowin seine eigene Stellung am Main/.ischen Hof zu danken.1
Nach seinen bisherigen Erfahrungen durfte also Hutten auf
Frowin einige Hoffnung setzen, wenngleich bei diesem aller-
dings jene Oesinnung, die ihn später zu einem hervorragenden
Bundesgenossen Sickingens im Kriege gegen Trier machte,
damals noch nicht nachzuweisen ist.2
Aber zunächst verlautete wiederum nichts von einem
Familieubeschluss; dagegen liefen schon wenige Tage später
zwei Antwortschreiben des Grafen von der Mark an Sickingen
und Hutten ein Roberts Brief an Sickiugen hat eine hervor-
ragende Bedeutung nicht nur als Zeugnis über Hutten, son-
dern mehr noch als einzig dastehendes Selbstbildnis des Ebers
der Ardennen. Bedenken wie Sickingen braucht er nach
seiner neuesten Schwenkung natürlich nicht zu hegen; er er-
klärt sich gern bereit, Hutten gegen Papst und Kardinäle
wie jeglichen Fürsten zu vertheidigen. Hierzu fügt er mit
einer Schärfe, die eine ins Haudegenhafte übersetzte Familien-
ähnlichkeit mit dem Auftreten seines Bruders, des Bischofs
von Lüttich, zeigt", den Wunsch, Hutten möge seinetwegen
gleich ein halbes Schock Kardinäle mitbringen. Seinen Höhe-
punkt erreicht das Schreibeu in einem zweiten vierschrötigen
1 Struuss 8. 5, 24, 77, 204 f.
- Ulnmnn 8. 309.
: Vgl. 8. 58, Anm. 2.
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HISTORISCHES
Scherz, dem eine historische Bedeutung zukommt, weil
er wie kein früheres Zeugnis die allgemeine Meinung mit
scharfer Pointe zum Ausdruck bringt: 'ich mag leiden, das
jr auch den luttor mit dem vom Hutten allezeit zu mir
schicket, do mit ßie einander gut gesellschaft mechtenV Der
Brief schliesst mit der Bitte an Sickingou, nebst dem Danke
für das entgegengebrachte Vertrauen Hutten seine Ent-
schuldigung zu übermitteln, wenn er ihm nur kurz antworte,
da dieser nicht Französisch könne und er selbst dessen 4vhast
zirlich vnd künstlich' abgefassteu Brief nicht recht verstehe.
Ahnlich beginnt Roberts Schreiben an Hutten mit der Be-
merkung, dass er von dem gelehrten Briefe, den er leider
nicht mit eiuem gleichen erwidern könne, nur den auch von
Sickingen besprocheneu Hauptpunkt ganz verstanden habe.
Er stelle ihm gerne all seine Schlösser zur Verfügung, vor-
züglich das der deutschen Grenze zunächst gelegene Schloss
Florgingen, wo Hutten auch seine Gemahlin und ausserdem
einen zuverlässigen Amtmann finde, der ihn auf seinen Wunsch
weiter führen möge. Überall könne er bei ihm auf beste
Unterstützung rechnen, sowol um Sickingens Fürsprache
willen wie auch wegen seines guten Rufes und endlich wegen
des Vertrauens, das er ihm entgegenbringe.
Aber Huttens Vertrauen, über das Robert sich so aus-
drücklich erfreut zeigt, war doch nicht so stark, wie dieser
annahm; und es war auch nach den verheissungsvollen
Briefen Roberts nicht gewachsen. Hatte er vorher sein Miss-
trauen durch das Mahnschreiben an die Gesammtfamilie ver-
rathen, so jetzt unmittelbar nach dem Empfang dieser Briefe
durch ein Schreiben an einen auch dort genannten Vetter,
den oben erwähnten Bernhard von Hutten.2 Dieser Ritter,
der selbst den Adelsgenealogien kaum mehr als dem Namen
nach bekannt ist, verdient in der Huttenbiographie, die von
ihm bisher überhaupt nichts weiss, einen hervorragenden
Platz; denn ausser den oben berührten persönlichen und lit-
terarischen Beziehungen verbindet ihn mit Ulrich, wie neben
' Vgl. S. 155.
2 Vgl. S. 59, 67; l.">7 f.
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REICHTSTAG VON WORMS.
87
den hier zu besprechenden Briefen vorzüglich ein späterer
Brief seines Sohnes bezeugt1, die Neigung zu den von die-
sem vertreteneu kirchlichen Bestrebungen. Zu einem beson-
deren Briefwechsel zwischen Ulrich und Bernhard gab zu
dieser Zeit ein Familienereignis den Anlass. Ohne eine
Ähnung von Huttens gegenwärtiger Lage und dem Schreiben
an die Oesammtfamilie zu haben-, hatte ihm Bernhard eine
Einladung zur Hochzeit seiner Tochter gesandt und ihn zu-
gleich in einem beigelegten Zettel auf die günstige Gelegen-
heit aufmerksam gemacht, sich einmal selbst unter den Töch-
tern des Landes umzusehen. An diese doppelte Einladung
knüpft Huttens Brief vom 19. Januar an. Er bedauert, an
dem Fest in Anbetracht des Standes seiner Sache nicht theil-
nehnien zu können, und schickt unter den herzlichsten Glück-
wünschen als seinen Vertreter seinen Bruder Lorenz, offenbar
seinen Vertrauten in politischen Angelegenheiten5, wol in
der Hoffnung, dass er bei diesem Familienfeste auch für seine
Sache wirken könne. Bezüglich der zweiten Einladung nimmt
er wiederum die Vermittel ung seiner Base und seines Vetters
in Anspruch und verleiht der Hoffnung auf einen glucklichen
Erfolg ihrer Bemühungen Ausdruck. Von diesem freund-
lichen Zukunftsbild geht er dann gleich zur düsteren Gegen-
wart über und giebt nun, obgleich er auf den mündlichen
Bericht des Bruders verweist, die ausführlichste und intimste
Darstellung seiner Lage, die wir von ihm aus dieser kriti-
schen Zeit besitzen. Die Gegner hätten es durchgesetzt, dass
der Kaiser weder ihn noch andere zum Verhör zulasse, ob-
achou alle verständigen Fürsten und redlichen Leute über
dieses Verfahren erbittert wären. Wie man Luther von
Worms durch Androhung des Interdicts für die Stadt fern-
zuhalten suche, so wolle man Sickingen dahin bringen, ihn
aus seiner Burg zu vertreiben. Wenn Hutten nun weiter
1 In einem Brief, der sich im Archiv zu Birkenfeld befindet, wird
Bernhard von seinem Sohn Moritz, dem späteren Bischof von Eichstätt
gewarnt, noch weiterhin mit Entschiedenheit für die Lutherische Sache
einzutreten.
2 Vgl. S. 161.
3 Vgl. auch H. W. 1, 365, 4:30.
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88
HISTORISCHES.
erzählt, Sickingen habe gesagt, 'so lang man vnß nit zu vor-
hör kommen lasse, w611 er bey der such halten, jn allen auß-
gangk\ so berichtet er von ihm wieder einmal mehr, als
er selbst ernstlich glauben und hoffen kann. Stand statt
des Verhöres die baldige Yerurtheilung bevor, so war
auch der Losbruch eines Kampfes zwischen Hutten und den
Curtisanen nahe; und für diesen Fall hatte sich Sickingen
ven Hutten bereits losgesagt. Dass das Bündnis nicht so
ganz solidarisch ist, verräth Hutten selbst mit dem Hinweis
auf den bereits besorgten 'weiteren 'Enthalt'. Nachdem er
dann nochmals die Aussichtslosigkeit aller Hoffnungen auf
rechtliche Verhandlung betont hat, erzählt er als Beweis für
die ihm drohenden Nachstellungen, dass ein grosser Curtisau
seinen Kopf auf dreihunderttausend Gulden geschätzt habe,
weil dem geistlichen Stand noch grosses Unheil von ihm be-
vorstehe. Behalte der Curtisan in dieser Voraussage Recht,
so sei es nicht seine Schuld, denn er habe — hier berührt
er sich mit der 'Entschuldigung' — nur die Curtisanen ge-
meint und nicht die übrige Geistlichkeit, die sich jetzt auch
in die Angelegenheit mische. Da nach alle dem der Kampf
unvermeidlich sei, so bittet er, zum Schluss und Kern des
Schreibens gelangend, Bernhard und die übrigen Vettern, ihm
doch wenigstens eine Zuflucht nach vollbrachter That und
zwar auf der anderen Seite des Rheins, im Hennebergischeu
oder im böhmischen Gebirge, zu verschaffen.
Auch auf dieses Schreiben blieb Hutten vorläufig ohne
Antwort, da Bernhard sich erst nach Kenntnisnahme von
den Beschlüssen der anderen Hutten äusserte. Es dauerte
aber fast noch einen ganzen Monat, ehe Huttens Rund-
schreiben bei der Familie ordentlich in Gang kam. Erst am
13. Februar meldet Dietrich von Hutten1 an Friedrich von
Hutten, dass er einen Brief von Frowin erhalten habe. So
weit der unleserliche und undeutliche Brief Dietrichs ein
Urtheil gestattet, begab dieser sich eines eigenen Votums und
stimmte im voraus dem Beschlüsse der übrigen Familie zu.
1 Vgl. S. 159. — Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre
Besitzer 3, 27C: Dietrich ist das Haupt der Stolzenberger Linie.
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REICHSTAG VON WORMS.
80
Ein vom 15. Februar datierter Brief Friedrichs von
Hutten \ den mit ihm auch sein Sohn Eitel unterzeichnete-,
£ri«»bt der Sache eine neue Wendung. Während Frowin uach
Friedrichs Aussage in seinem an Dietrich und alle übrigen
Hutten gerichteten Briefe den Vorschlag gemacht hatte, auf
einein allgemeinen Farnilientag über Ulrichs Antrag Beschluss
zu fassen, tritt Friedrich diesem Vorschlag mit dem Hin-
weis auf die dadurch bedingte Verzögerung der Angelegen-
heit entgegen und beantragt seinerseits, dass dem Mainzischen
Hofmeister, der sich in Worms in der Nähe des Kaisers, der
Kardinäle und Fürsten befinde und jedenfalls das beste Urtheil
besitze, Vollmacht ertheilt werde, Ulrich auf sein Gesuch, falls
es begründet sei, eine befriedigende Antwort zu geben : 'wer
vnß al vom hutten ein bracht vud groß ere, ein drostlich ant-
wort geben, damit her Virich auch hört vnd se, daß wir alß
die freundt jm gern nach vnserm vermögen hilfflieh vnd radt-
lich wo wir konden sein wolten/
Dieses Schreiben , das sich an die auch von Ulrich ge-
nannten Ritter Ludwig3 und Bernhard 4 und ferner an die
Ritter Erasmus, Georg, Ulrich und Wendel5 von Hutten rich-
tete, scheint die Zustimmung der Familie gefunden zu haben.
Allerdings liegen über die Meinung der Einzelnen keine
Zeugnisse vor ausser einem Briefconcept Bernhards und einem
weder datirten, noch unterzeichneten Blatt , das die Beilage
zu einem anderen Briefe gebildet haben muss. Der unbe-
kannte Schreiber dieses Blattes*' erzählt, dass gelegentlieh eines
1 Vgl. 8. 159 f.— Landau S.309: Friedrich ist dorVatersbruderUlrichs.
2 Landau 8. 331: Eitel Sebastian oder Eitel, wie ihn Humbracht
(Die höchste Zierde Teut9ch- Landes 8. 167) nennt, hatte von seinem
Vater bereits bei dessen Lebzeiten alle Güter übernorameu; hieraus
erklärt sich wol die Mitunterzeichuung.
• Landau 8. 294: Ludwig ist der Bruder des bekannten Hans
von Hutten.
4 Landau 8. 295: Bernhard ist das Haupt der Birkenfelder Linie.
6 Landau 8. 290: Erasmus ist das Haupt der Arnsteiner Linie;
Georg ist ein Bruder Ludwigs (Humbracht 8. 168); Ulrich ebenso
(Landau 8. 294); Wendel ist ein Sohn des Vatersbruders unseres Ulrich
(Humbracht 8. 167).
« Vgl. 8. 160. — Aus den Namen Murstnt (vielleicht für MunerstadM
und Siluester ist mit Hinblick auf das bekannte Schreiben Silvesters von
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00
1IISTORUSCHKS.
Gesprächs über den Briefwechsel Huttens, Siekiugeus und
Roberts davon abgerathen worden sei, dass Ulrich sich in den
Schlitz des G raten begebe; wenn dieser auch selbst zuverlässig
sei, so seien doch seine Diener zum grösseren Theil Welsche
und somit Feinde der Deutscheu. Man rathe vielmehr, Hutten
solle vou den Zufluchtsorten Gebrauch macheu, die im Henne-
bergischen sicherlich zur Verfügung stäuden. Vor Robert müsse
er um so dringlicher gewarnt werden, als hinter dessen guten
und biederen Worten sich jedenfalls nur die Absicht ver-
berge, Huttens und Luthers Sache zum Anlass einer neuen
Fehde zu nehmen: er gehe nach dem Winde bald mit Frank-
reich b'ald mit Deutschland.
Das wichtigste Zeugnis ist aber der Entwurf des Briefes,
den Beruhard wahrscheinlich gegen Ende Februar an Ulrich
schickte. Das ebenfalls nicht unterzeichnete Schriftstück
ist schon auf Grund der Handschrift, deren Unleserlich-
keit kaum ihresgleichen hat, Bernhard zuzuweiseu. Nach
diesem Brief scheint in der That die Übertragung einer Voll-
macht auf Frowin stattgefunden zu haben. Erst nach einem
solchen Hinweis auf den Familienbeschluss wendet sich Bern-
hard zur Beantwortung vou Huttens letztem Schreiben. Da
Hutten für das Verhör auf sein gutes Gewissen und im
anderen Falle auf Sickingens Schutz bauen könne, der ihn
ja unverhört nicht vergewaltigen lassen wolle, so solle er nur
vorläufig Gott uud der Zeit vertrauen.1 Er für seine Persou
würde eine gewaltsame Unternehmung weder veranstalten
noch zulassen, bevor die Entscheidung des Reichstags gefallen
sei: 'besser allenhalb gelassen dan getan'. Käme es doch uoch
zum Verhör, so glaube er, dass zu der Zeit die von Hutten
uud deren wie Ulrichs Freunde so stattlich in Worms vertreten
sein würden, dass er schon bestens bestehen solle.2 Geriethe
Schaumburgs an Luther, das von Munerstadt datirt ist, zu vermuttien*
dass es sich um ein Mitglied der Familie Hutten handelt , das zu den
Sohauraburg in Beziehungen stand.
1 Vgl. S. 161 f. In diesem Bescheid rächt sich Huttens übertriebene
Darstellung der Sickingenschen Bundesgenossenschaft; vgl. S. 87 f.
8 Eine unklare Bemerkung scheint ihre Mitwirkung auch für staat-
liche Reformen in Aussicht zu stellen.
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RK1CHSTAG VON WORMS.
91
Ulrich nach dem Verhör ungerechter Weise in Noth und Gefahr,
so hoffe er, gute Freunde und Gesellen genug zu finden, d it»
ihm mit Rath und That zur Seite stehen würden. Ulrich brauche
dann nur die Vettern und Freunde au einem gelegenen Ort,
etwa der Kizigbrücke, zusammonberufen. Dann sei er zu allem
bereit. Nach diesen waffen klirrenden Rathschlägon schliesst
der Brief mit einer idyllischen Nachricht: er habe sich mit
seiner Hausfrau zwar umgethan, aber kein Mädchen gefunden,
das hinsichtlich ihrer Familie und ihres Besitzes seinen An-
sprüchen genügen könne; er müsse sich daher auf die Zu-
kunft vertrösten.
Wenn man von diesen Ausführungen Bernhards einen
Schluss auf die Stimmung der übrigen Familie ziehen darf,
so war diese geneigt, im Nothfallc für Ulrich zu einem Fami-
licnkrieg zusammenzustehen, wie sie es zur Rache für den er-
mordeten Hans von Hutten gegen Herzog Ulrich von Würt-
temberg gethan hatten. Einen Nothfall aber sahen sie in dorn
gegenwärtigen Stand der Dinge nicht im entferntesten. Auch
Bernhard beschränkte sich vorläufig darauf, sich nach Ulrichs
Wunsch um einen Zufluchtsort auf der rechten Suite des
Rheins zu bemühen: um die Wende des Februar schrieb er
zu diesem Zweck an Hans Pflug von Rabenstein auf Vetschau
und Königswardt und an Kaspar Eilbegh zu Trausuit, Land-
richter und Pfleger zu Parkstein. Die Antwort des böhmischen
Herrn, die vom 6. März datirt ist, war eine ablehnende.
Er sehe aus den ihm zugesandten Briefen, daas Hutten im
Kampf für die Wahrheit und das Wol des deutschen Adels
sowie anderer Stände unschuldiger und ungerechter Weise in
eine gefährliche Lage geraten sei. Gälte es weltlichen Händeln,
so wäre er zu seiner Unterstützung schon durch die Pflicht
der Dankbarkeit veranlasst, zu der er und seine Brüder der
Familie Hutten verbunden seieu. Da es sich aber um 're-
formacion vnd dispitacion des kristlichen Glaubens' handele
und diese Bestrebungen, wie er aus Luthers Schriften wisse,
mit dessen Sache zusammenhingen, so könne er über Ulrichs
Angelegenheit eine entscheidende Antwort nicht geben, ehe
nicht die königliche Krone von Böhmen oder deren Re-
giment sich über die Glaubensfrage geäussert habe. Im
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HISTORISCHES.
Gegensatz zu dieser Antwort, die sich auf «'ine kundige und
politische Erwägung der Sachlage gründet, steht das zwei
Tage später erlassene Schreiben Eilbeghs, der als Verwandter
und Freund Meinhards sich ohne weiteres zur Erfüllung seines
Wunsches bereit erklärt.1
Durch diese Briefe wird die wahre Grundlage enthüllt,
von der ans allein Huttens Verhalten auf dem Höhepunkt
seines Lebens zu begreifen ist. Bei diesem Blick hinter die
Coulissen des politischen Schauplatzes gewahrt man die über-
raschende Erscheinung, dass. Hutten in dem Augenblick ver-
einsamt dastand, als er angesichts der Eröffnung des Reichs-
tages und der nahenden Entscheidung das Schwert zückte,
um alle (i leichgesinnten zum Kampfe zu sammeln und hinaus-
zuführen. Das völlige Ausbleiben der von der deutschen
Ritterschaft erwarteten Hilfe und besonders die entschiedene
Ablehnung Sickingens brach seinen kriegerischen 1 Manen die
Schwingen, uachdem er sie eben zum ersten Male, in der 'Ent-
schuldigung', frei eutfaltet hatte. Statt durch gewaltige Waffeu-
that musste er wiederum durch litterarische Leistungen auf
den Gang der Dinge einzuwirken suchen und die Eutwicklung
seines eigenen Schicksals bis zum äussersten abwarten. So
sehen wir denu Hutten während des Reichstages in seinem
persönlichen Verhalten wie in seiner litterarischen Thätigkeit
mit unermüdlicher Beweglichkeit dem fortgesetzten Wechsirl
der politischen Constellationen folgeu. Die scheinbar halt-
lose Beweglichkeit hat ihm gerade von Seiten der protestan-
tischen Geschichtschreibung den Vorwurf der Charakterlosig-
keit eingetragen. Eingehende Betrachtung jedoch erweist,
dass nicht Maurenbrecher2, sondern der Jesuit Pallavicini
Recht hat, der unter Benutzung derselben Quelle, aus der jener
seine Anklageakte schöpft, zu dem Ergebnis kam, bei Hutten
eine nicht gewöhnliche Charakterfestigkeit anzuerkennen. :J
Der Reichstag wurde statt am Dreikönigstage erst am
27. Januar eröffnet. Auch dann noch verging Tag auf Tag,
ohne dass die von Hutten mit Spannung erwarteten Ver-
' Vgl. 8. 162 ff.
8 Mnurenbrecher, Geschichte der katholischen Keformntion S. 199.
3 Pullavicini. Gewch. d. Tridentiner Concils deutsch. 1, 80.
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REICHSTAG VON WORMS.
93
handlungen über die kirchlichen Angelegenheiten begannen;
denn inzwischen hatte thatsächlich der Kaiser, wie Siekingen
vorausgesehen, «eine Meinung nuter dem EinHuss der deutschen
Fürsten wiederum geändert , so dass von einem sofortigen
Einschreiten gegen Luther und seine Anhänger vorläufig
keine Rede mehr war. 1 Diese günstige Wendung und andrer-
seits das Ausbleiben der von der Familie und insbesondere
von Bernhard erwarteten Briefe scheint Hutten veranlasst zu
haben, Ende Januar in friedliche Bahnen einzulenken: er
schrieb die Vorrede zu einem Buche, in dem er eine alte
Schrift aus der Zeit des Basler Concils und eine neue von
dem Bamberger Vicar Konrad Zärtlin herausgab.2 Ehe diese
Veröffentlichung in ihrer Bedeutung gewürdigt werden kann,
imiss die hier angenommene Datirung begründet werden, die
sich von der Festsetzung Strauss' und Böekings wesentlich
unterscheidet. '' Strauss glaubte auf Grund folgender Beweis-
führung, der sich auch Böcking anschloss, die Vorrede auf
den 14. Juni verlegeu zu müssen Hutten datirt seine Vor-
rede, in der er angiebt, dass er die erste Schrift vor kurzem
in der Ebernburger Bibliothek gefunden , die zweite bald
darauf von Zärtlin empfangen habe, 'vff den tag Valerif;
Zärtlin datirt die Widmung seiner Schrift, die er dem Hilter
Johann Schott darbringt, vom 20. Februar. Da nun Strauss
nieinte, dass Huttens Vorrede, die ja ausdrücklich auf Zärtling
Schrift Bezug nimmt, später geschrieben sein müsse als dessen
Widmung, und er neben dem eigentlichen Tag Valerii, der
auf den 29. Januar fällt, noch auf einen Tag Valerii und
Ruflmi verweisen konnte, der den 14. Juni bedeutet, so
bezog er das Datum der Vorrede auf den letzteren. Ab-
gesehen davon, dass für eine solche Veröffentlichung zu dieser
Zeit innere Gründe schlechterdings unauffindbar sind4, er-
1 Baumgarten, Geschichte Kar!« V. 1, 397, 400, 437.
* 'Concilia wie man die halten sol. Vnd von verhyhung geyat-
licher lehenpfründen . . . Ermanung das ein jeder bey dem rechten alten
Christlichen glauben bleiben, vnnd sich zu keiner newerung bewegen
lassen soll . . H. W. [nd. bibl. XL.
3 Strauss, Hutten 21, 167 ; Böcking H. W. 2, 78.
4 Vierzehn Tage nach dem Schluas des Wormser KeichstageR,
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94
HISTORISCHES
scheint Strauss' Behauptung auch schon an sich durchaus
haltlos; denn die Thatsache, dass in einer vom Januar datirten
Vorrede eine Schrift erwähnt wird, deren Widmung erst im
Februar geschrieben ist, läsat sich ganz einfach dadurch er-
klären, dass diese Widmung erst nachträglich, etwa während
des Druckes, hinzugefügt wurde. Diese Erklärung gewinnt
an Sicherheit durch eine genauere Prüfung der Zärtlinschon
Widmung und Schrift, welche ergiebt, dass beide eine genaue
Kenntnis der von Hutten aufgefundenen Schrift zeigen: denn
auf sie weist unter ausführlicher Angabe des Inhalts der
Schluss der Widmung1, und der zweiundsiebzigste Artikel
enthält überhaupt weiter nichts als einen Fingerzeig auf
'das obgetruckt büchlin'.2 Wenn man sich nun nicht etwa
zu einer Annahme entschliessen will, die mit Rücksicht auf
Huttens klare Auseinandersetzung in der Vorrede unzulässig
erscheint, dass nämlich Zärtlin vor der Ubersendung seiner
Schrift von Hutten ausführliche Mittheilungen über das von
diesem aufgefundene Werk erhalten habe, so muss man in den
erwähnten Stellen die Beweise für eine Umarbeitung der ur-
sprünglich au Hutten gesandteu Fassung sehen, die stattge-
funden haben müsste, als der Druck der von Hutten aufge-
fundenen Schrift vollendet war und der des Zärtlinschen
Werkes eben beginnen sollte. Wenn man also annimmt dass
Zärtlin an der Drucklegung betheiligt war und auf Grund der
fertigen ersten Bogen der Ausgabe seinem Manuscript noch
die Widmung und den erwähnten Artikel zufügte, so ist alles
befriedigend erklärt, sowol die Einwirkung der 'Concilia'
auf Zärtlin wie die Priorität der Huttenschen Vorrede.
mit dem für Hutten alle friedlichen Verhandlungen endeten und der
Krieg begann, soll er sich mit dieser friedlichen Schrift an den Kaiser
gewandt haben (vgl. die Schlussverse : 'O Carle, keyßor lobesam, griff
du die sach zum ersten an, Gott würts mit dir on zweyfel han'), dem
er wegen seiner antilutherischen Gesinnung nahezu die Fehde angesagt
hatte (vgl. S. 107 Anm. 1).
1 H. W. 2, 79.
2 G 3 a: 'Was aber biß her verwandelung besehenen in denn
geystlichen lehen, vß etlicher mosß angezöigt, von dem so beschriben hat
das obgedruckt buchlin, des titel ist, von haltung der Conoilien, vnd ver-
leyhung der geystlichen lehen1.
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REICHSTAG VON WORMS.
95
Zärtlins Schrift ruht auf dem Grundgednuken , dass
die Reformation keine Neuerung, sondern eine Umkehr be-
deute und richtet in diesem Sinne ihre Angriffe besouders
gegen Beichte, Bann, weltliche Herrschaft des Papstes und
Beitelmönchswesen. Das dürftige Werkeheu, dem es an
Neuheit und Wucht der Gedanken mangelt, enthält einen
Artikel, der von grosser Bedeutung ist, nicht sowol an sich
als vielmehr dadurch, dass Hutten ihn durchgehen Hess und so
gewisse rmassen anerkannte: 'Doch soll niemant aufrürig sein,
niemant dem anderen das sein nemen, vnd niemant die alten
titel crmessen, wie yeder zü dem seinen kommen. Sunst würd
ein seltzam entborung. wie dann den weltlichen auch allerley
zesagen wer*.1 Einem solchen Satz konnte Hutten nur zu
einer Zeit beistimmen, da ihm ein friedliches Verfahren wegen
seiner eigenen Machtlosigkeit und der günstigen Stimmung
der kaiserlichen Regierung gerathen schien.
Die friedliche Gesinnung, die der negative Artikel
Zärtlins verkündet, wird in positiver Form in der von Hutten
herausgegebenen alten Schrift vertreten, deren praktische
Bedeutung für die Gegenwart er selbst auf dem Titel in den
dreimaligen Ruf 'ConciliunT zusammenfasst. Diese Schrift
erhebt mit ausführlicher Begründung die Forderung, dass alle
zehn Jahr an einem Ort, an dem nicht der Papst und die
Kardinäle die Macht in Händen hätten, ein ( oncilium abzu-
halten sei, an dem sich auch der Kaiser betheiligen müsse,
damit er Spaltungen verhüte und für die Ausführung der
Beschlüsse sorge. Auf diesem Concil seien nicht nur kirchliche
Angelegenheiten, wie vor allem die Pfründenverleihung, sondern
auch staatliche Fragen, wie der allgemeine Landfrieden, das
Knmmergericht uud allgemeine Reichsabgaben2 zur Berathung
zu stellen. Ein zweiter Theil der Schrift beschäftigt sich mit
der Aufgabe, die Superiorität des Concils über den Papst
' 0 3a; Artikel 75.
2 Wegen dieser Vorschläge gebührt den 'Concilia' neben den von
Ranke, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation l6, 69 ff., be-
handelten Bohriften ein Platz in der Vorgeschichte des Wormser Reichs-
tages von 1495.
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HISTORISCHES
aus der Bibel, den Kirchenvätern und der Geschichte nach-
zuweisen. Den Schluss bildet eine Vertheidigung des Basler
Concils. Indem Hutten diese alten Forderungen, die zum
grossen Theil bereits erledigt, aber wieder vergessen waren1
von neuem zur Sprache bringt, bekennt er sich bereits zu
einer Partei, der er wenige Zeit später thatsächlich beitreten
sollte.2 Man würde sich niemals durch die Umstände?, unter
denen dieser Schritt erfolgte, zu der Ansicht haben verleiten
lassen, dass er nicht aus Uberzeugung, sondern aus käuflicher
Nachgiebigkeit geschehen sei, wenn mau erkannt hätte, das*
Hutten das Programm, auf das er sich durch ihn verpflichtete,
schon vorher selbständig durch die 'Concilia' verkündet hatte.
Wenn Hutten sich unmittelbar nach der Eröffnung des Reichs-
tages entschließen kann, bei dem Kaiser für die Concils-
, forderung einzutreten, so zeigt er damit, dass er die radikalere
Entwicklung Luthers nicht mitgemacht hat, sondern auf dem
Boden der älteren Reformation stehen geblieben ist. der auch
die kaiserliche Regierung, besonders der Kanzler Gattinara
und der Beichtvater Glapion, und der grössere Theil der
deutschen Fürsten angehören. Während schon aus seinen
eigenen Schriften hervoigeht, dass er dieser Partei näher
steht als Luther, weil er nicht sowol das Dogma als die
Verwaltung, nicht den Glauben, sondern die Politik der alten
Kirche angreift und somit weniger eine religiöse als eine
kirchenpolitische Reformation anstrebt, ergiebt diese Ver-
öffentlichung mit Huttens Vorrede und Versen, dass er auch
praktisch, nachdem er vorläufig die revolutionären Kriegs-
plane aufgegeben hat. sich an die gemässigte Partei an-
schliesst, da er im Gegensatz zu der von Luther schon in
Leipzig ausgesprochenen radikalen Opposition den Weg con-
ciliarer Verhandlung eingeschlagen wissen will. Wären die
Concilia' noch in der ersten Hälfte des Februar im Druck
fertig gewesen und dem Kaiser zugekommen, so hätten sie
nicht nur gleich den hundert hirchenpolitischen Beschwerden
1 Vgl. Johann Friedrich, Der Reichstag zu Worms 1521 (Abhand-
lungen d. hist. Cl. d. Kgl. Bayerischen Akademie der Wissenschaften
XI, III, 61 ff.J.
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REICHSTAG VON WORMS.
97
der deutschen Nation gegen Rom, welche um weniges später
die Stände, wie schon ein Zeitgenosse und Mitglied jenes
Reichstages bemerkte, unter dem Einfluss der Huttenschen
Schriften verfassten1, die Billigung der kaiserlichen Regierung
finden müssen, sondern zugleich eine neue Auffassung von
Huttens politischer Stellung erwecken und damit seiner per-
sönlichen Lage eine entscheidende Wendung geben können.
Schon in der Mitte des Februars jedoch trat in Luthers
Angelegenheit und zugleich auch, wie man wiederum aus
Balans Veröffentlichungen aus dem Vatikanischen Archiv2
entnehmen kann, in Huttens Sache eine gefährliche Krisis
ein, die in der friedlichen Entwicklung sofort einen Stillstand
hervorrufen musste. Am 10. Febrnar langte in Worms mit
der ersten Fassung der bekannten Bulle vom 3. Januar ein
vom selben Tage datirtes Breve des Papstes an, welches
dem Kurfürsten von Mainz, den es zum Generalinquisitor für
ganz Deutschland ernannte, sowie den päpstlichen Nuntien
Instructionen zur Ausführung der Bulle ertheilte. Während
nun die uns erhaltene zweite Fassuug der Bulle neben Luther
dessen Anhänger nur gauz allgemein erwähnt, nennt das
Breve, sicherlich in Übereinstimmung mit der verlorenen ersten
Fassung der Bulle, nicht nur Luther als dem Banne verfallen,
sondern in einer Reihe mit ihm Wilibald Pirckheimer, Lazarus
Spengler und Ulrich von Hutten.3 Zieht man in Betracht,
dass Pirckheimer und Spengler kurz vor dem Eintreffen der
Bulle ihre Absolution empfingen4, dass mithin ihre Nennung
im Breve keine praktische Bedeutung mehr hatte, so finden
1 Waltz, Der Wormser Reichstag (Forschungen zur deutschen
Geschichte 8, 32). Vgl. auch B. Gebhardt, Die Gravamina der deutschen
Nation 8. 90 f. — Auf der Kgl. Bibliothek zu Berlin befindet sich ein
bisher unbeachteter Auszug der Gravamina für Laien (Cu 7272. 4°).
* Balan, Monumenta reformationis Lutheranae S. 17 ff.
* Auf Grund dieses Breve ist Briogers Conjectur zu Aleanders
Depesche vom 5. April (S. 121), alli di pnssati' statt 'alli de 4 passati*
zu lesen, als überflüssig und falsch zu verwerfen.
* F. Roth, Die Einführung der Reformation in Nürnberg 1517 —
1528 S. 85.
Q.F. LXVIL 7
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98
HISTORISCHES.
wir ganz entsprechend der allgemeinen Auffassung jener Zeit,
die auch Huttens eigene war, Luther und Hutten als Häupter
der verurtheilten Bewegung auch vom Papste anerkannt. Das
Breve ertheilt Befehl, gegen die genannten Ketzer wegen
Ablaufs der Widerrufsfrist die Bulle zur Ausführung zu
bringen und ebenso gegen alle ihre Anhänger, gleichviel
welches Standes, sogar gegen Kurfürsten, Universitäten und
Städte zu verfahren. Während aber diesen für den Fall
ihrer Umkehr die Absolution auf gewöhnlichem Wege zuge-
billigt wird, behält der Papst die Hauptschuldigen besonders
und ausdrücklich seinem eigenen Urtheil vor. Eine Vertheidi-
gung und Appellation sei diesen nicht mehr zu gestatten,
und für die Vollstreckung solle man nöthigen Falls den
Kaiser als katholischen König von Spanien und Anwalt der
römischen Kirche sowie andere katholische Fürsten um Hilfe
angehen.
Während Hutten gewiss keine Kenntnis von dem Inhalt
der Bulle und des Breve erhalten hat, die ihm die längst
erwartete endgiltige Verurtheilung seitens der Kirche brachten,
sollte er bald diese Wendung seines Schicksals mittelbar
durch die Verhandlungen des Reichstages über die Lutherische
Sache erfahren. Der Kaiser wurde durch die Schreiben des
Papstes zur Aufnahme dieser Angelegenheit veranlasst und
war nunmehr geneigt, sie im Sinne des päpstlichen Nuntius
Aleander zu entscheiden.1 Da er jedoch fürchtete, durch
einen eigenmächtigen Beschluss sich das Wolwollen der
überwiegend national und antirömisch gesinnten Stände zu
verscherzen, dessen er für seine politischen Pläne dringend
bedurfte, so zog er sie zur Entscheidung mit heran, indem
er den Nuntius beauftragte, ihnen die Forderungen des Papstes
darzulegen, und seinerseits ihnen das Edict, mit dem er diese
Forderungen erfüllen wollte, zur Begutachtung unterbreitete.
Trotz der geschickten Rede des Nuntius, der unter absicht-
licher Vermeidung der kirchenpolitischen Fragen Luther als
Feind des alten Glaubens und Gegner der Concilien behan-
delte, billigten die Stände nach längerer Berathung nicht ohne
' Baum garton, Karl V. 1, 437 ff.
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REICHSTAG VON WORMS
99
weiteres das kaiserliche Edict. Wenngleich sie hinsichtlich
der vom Nuntius behandelten Fragen völlig mit diesem und
dem Kaiser übereinstimmten, beantragten sie mit Rücksicht
auf die allgemeine Stimmung des Volkes, dass Luther nicht
ohne Verhör verurtheilt, sondern unter sicherem Geleit berufen
werde, um die gegen den christlichen Glauben gerichteten
Schriften und Artikel ohne weitere Disputation zu widerrufen.
Wenn er widerrufe, so solle er in anderen Punkten und
Sachen gehört und nach Billigkeit darüber verfügt werden.
Andernfalls sei das kaiserliche Edict zu veröffentlichen.
Zum Schlüsse betonten sie die Beschwerden der deutschen
Nation gegen den römischen Stuhl. Der Kaiser, der sich
durch seine politische Lage zu ferneren Zugeständnissen gegen
die Stände gezwungen sah, lud durch ein am 6. März aus-
gefertigtes und am 15. März abgeschicktes Schreiben Luther
behufs Befragung über seine Schriften vor den Reichstag
und forderte die Stände auf, ihre Beschwerden zu weiterer
Berücksichtigung schriftlich einzureichen.
Hutten war schon am Morgen des 14. Februar über die
Rede des Nuntius genau unterrichtet.1 Aber erst Ende März
entschloss er sich , seinem Zorn offenen Ausdruck zu ver-
leihen. Der Grund dieses Schweigens ist aus den dargelegten
Verhältnissen leicht ersichtlich. Zunächst hinderte ihn die
Erkenntnis seiner eigenen Machtlosigkeit an einem sofortigen
Losbruch. Sodann konnte er aus der Einmischung der Stände
von der er gewiss ebenfalls sehr bald Kunde erhielt, Hoff-
nung genug schöpfen, um sich vorläufig abwartend zu verhalten.
Endlich aber scheint Hutten auch durch eine Annäherung der
kaiserlichen Regierung boeinflusst worden zu sein. Aleander
erzählt in seiner Depesche vom 8. März, dass Hutten von dieser
Seite durch ein Schreiben veranlasst worden sei, bis auf
weitere Anweisung zu schweigen. Man gehe im kaiserlichen
Rath sogar mit der Absicht um, Hutten in Dienst zu nehmen und
dadurch stumm zu machen; es sei nicht leicht, einen deutschen
Edelmann ohne grossen Aufruhr, zu strafen, zumal wenn er
so mächtige Genossen wie Franz von Sickingen habe, und
1 H. W. 2, 14.
7*
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100
HISTORISCHES.
den in Deutschland populären Krieg gegen die Kirche be-
treibe.1 Zu diesem Bericht Aleanders passt Brunfels' An-
gabe, dasB Hutten von dem Haupt des kaiserlichen deutschen
Rathes, dem Kardinul-Erzbischof Matthäus Lang von Salzburg,
verlockende Anerbietungen erhalten habe.2
Aus dieser Zurückhaltung trat Hutten erst heraus , als
plötzlich ein neuer Umschwung in der wechselvollen Behand-
lung der Lutherschen Sache einzutreten schien. Während
Luther sich bereits auf der Reise nach Worms befand und
die Stände mit der Zusammenstellung ihrer Beschwerden be-
schäftigt waren, erliess der Kaiser eine Veröffentlichung, die
in diesem Zeitpunkt Freunden wie Feinden gleichbedeutend
mit einer Verurtheilung Luthers und der ganzen Reformations-
bestrebungeu erschien : am 26. März wurde in Worms an den
Kirchenthüren ein Mandat vom 10. März angeschlagen, das
die Aualieferung aller Schriften Luthers gebot. Als erste
Folge dieses Sequestrationsmandats meldet nun Aleander am
5. April das Eintreffen einer Reihe von Briefen, in denen
Hutten sämmtlichen Geistlichen und den Nuntien insbesondere
die Fehde ansagt. Hutten war also auf den Standpunkt der
'Entschuldigung7 zurückgekehrt, indem er durch drei In-
vectiven an die Nuntien Aleander und Caracciolo sowie alle
antilutherischen Geistlichen und durch ein rückhaltloses Mahn-
schreiben an den Kaiser klärlich das Ultimatum stellte, ent-
weder die Forderungen der Nation zu erfüllen oder eines
Pfaffenkrieges gewärtig zu sein.3 Obgleich Hutten so keck
von neuem den Kriegspfad wandelt, ist doch nicht abzusehen,
auf welche realen Mächte er sich bei seiner Drohung stützte.
Weder die Antwort seiner Familie, die er inzwischen erhalten
haben rauss, noch das Verhalten Sickingens konnte ihm irgend-
welche Zuversicht einflössen.4 Dagegen mag er vielleicht
1 Brieger 8. 92.
* H. W. 2, 340.
* Briegor 8. 122 ff. H. W. 2, 12 ff. Strauss, Hutten 8. 396 ff. —
Über Nutzers verlorene Übersetzungen vgl. H. W. Suppl. 2, 806.
* Uhnann, Sickingen 8. 177 f., hat mit Recht eine von Butzer Ic-
riohteto kriegerische Äusserung Sickingens auf eine augenblickliche
Aufwallung zurückgeführt; sie ist zudem sehr unwahrscheinlich, da nach
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REICHSTAG VON WORMS.
101
einerseits auf freiwillige Hilfe bei den grossen gährenden
Massen des niederen Adels und andrerseits mit der schon ein-
mal bewiesenen Ängstlichkeit und Hilflosigkeit der kaiserlichen
Regierung gerechnet haben.
In der That verfehlte auch dieses Mal der Nimbus der
Vereinigung mit Sickingen nicht seine Wirkung. Da man in
Hutten überall den Herold Sickingens sah1, so hielt man die
Invectiven für die Ankündigung einer nahe bevorstehenden
grossen Umwälzung. Mau muss an der Hand der Depeschen
Aleanders verfolgen, wie übertriebene Befürchtungen von einer
allgemeinen Bewegung des 'armen Adels' Huttens ganzes
Auftreten in Worms erregte, um zu begreifen, dass diese In-
vectiven wie das Brausen des Sturmes vor dem Gewitter auf
die Gemüther wirkte. Die kaiserliche Regierung entschloss
sich, da es ihr an Zeit und Mitteln zur Anwendung von
Gewalt gebrach, der gefürchteten Erhebung durch gütliche
Verhandlung zu begegnen. Zugleich verfolgte sie aber auf
diesem Wege noch andere Zwecke. Sie hatte nicht erwartet,
dass Luther von der Citation , in der sie nur ein formelles
Zugeständnis an die Stände sah, Gebrauch machen würde, und
befürchtete, als nun sein Nahen sogar trotz dem Mandat ge-
meldet wurde, von seinem Eintreffen in Worms die schlimm-
sten Unruhen. Zur selben Zeit steigerten sich die Sorgen der
äusseren Politik durch neue Verwicklungen mit Frankreich.
Die Verhandlungen auf der Ebernburg sollten deshalb gleich-
zeitig dahin gehen, Luther von Worms fern zu halten und
Sickingens Hilfe für den Krieg gegen Frankreich zu sichern.
Als äusseres Zeichen der kaiserlichen Zustimmung, welche die
Gesandtschaft nicht officiell melden durfte, wurde Hutten die
Verdoppelung seiner bisherigen Pension angeboten.2
Die Gesandtschaft, zu der man deu Kämmerer und den
Beichtvater des Kaisers, den Ritter von Armstorff und den
diesem Bericht Sickingen in der ganz unmöglichen Rolle eines zur That
treibenden Berathers des friedlichen Hutten erscheint.
1 Brieger S. 125.
» Brieger S. 123 ff. ; 132 ff. ; Waltz in der Zeitschrift für Kirchen-
geschiohte 2, 124 ff.; Ulmann S. 179 ff.; Mauerbrecher, Studien und
8kizzen S. 267 f.
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102
HISTORISCHES.
Franziskaner Glapion bestimmte, hatte also eine dreifache
Aufgabe zu lösen : die Insassen der Ebernburg davon zu über-
zeugen , dass der Kaiser geneigt sei, die Forderungen der
deutschen Nation durchzusetzen; sie zu der Ansicht zu be-
kehren , dass es für Luther und die Sache der Reformation
im allgemeinen besser sei, wenn er nicht nach Worms komme,
sondern sich durch ihre Vermittlung bereits vorher mit der
kaiserlichen Regierung verständige; endlich Sickingens Macht,
auf die sich die Revolution zu stützen drohte, dorn Kaiser zu
gewinnen. Die Verhandlungen zerfielen mithin in einen theo-
retischen und einen practischen Theil. Die Leitung des ersteren
und schwereren übernahm der Beichtvater des Kaisers, dessen
Stellung zur Reformation durch die Verhandlungen mit dem
sächsischen Kanzler Brück bekannt ist: als Anhänger der
spanischen Reformbestrebungen war er einer Abstellung der
Missbräuche und Uebelstände in der Verwaltung und den
Sitten der alten Kirche lebhaft zugethan; dagegen kannte er
für alle Angriffe in Sachen des Glaubens nur das Gebot des
Widerrufs. Zieht man nun Huttens oben angedeutete Stellung
zu den beiden Seiten der kirchlichen Reformation, der dogma-
tischen und der politischen, in Betracht, so muss man das Er-
gebnis der Disputation zwischen dem Ritter und dem Mönch ganz
folgerichtig und natürlich finden: Hutten gab die Erklärung
ab, dass er mit Luther durchaus nicht in allen Stücken über-
einstimme, auch seine Sache nicht mit der Luthers vermischen
wolle; er verlange nur, dass die Priester in Zucht genommen
würden und die grossen Reichthümer lassen sollten, die ihnen
ihr lasterhaftes Leben ermöglichten.1 Hatte sich im Feuer
der Disputation mit dem scharfsinnigen Franziskaner Huttens
Stellung nun einmal so weit geklärt, dass er sich im wesent-
lichen zu dem Programm der spanischen, also katholischen
und kaiserlichen Reformpartei bekennen konnte, so stand einer
practischen Verbindung nichts mehr im Wege, zumal dadurch
die öffentlichen und persönlichen Anliegen Huttens nur ge-
fordert werden konnten.
So übernahm Hutten mit grosser Freude den Auftrag
1 lirioger S. 133 f.
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REICHSTAG VON WORMS
103
des kaiserlichen Beichtvaters, Luther durch private Verhand-
lungen zu veranlassen, dass er die offenbaren und verurtheilten
Angriffe gegen den Glauben widerrufe, damit alsdann die
ganze Angelegenheit bis zum nächsten Concil verschoben
werden könne.1 Bei der Dunkelheit, die über den auf Luther
bezüglichen Besprechungen liegt, ist leider nicht zu entscheiden,
ob auch bestimmte Abmachungen für den Fall getroffen
wurden, dass Luther weder auf der Ebernburg noch in Worms
auf seine dogmatischen Streitsätze verzichtete. Wenn Hutten
später seinen ersten Brief nach Luthers Abreise mit der Klage
anhebt, gewisse Kaiserliche hätten ihn mit der Angabe be-
logen, Luther werde zu rechtlicher Verhandlung nach Worms
berufen2, so darf man hieraus vielleicht schliessen, dass die
Gesandtschaft in der sicheren Hoffnung, dass er schlimmsten
Falles wenigstens in Worms Widerruf leisten werde, eine
öffentliche Besprechung der kirchenpolitischen Forderungen
Luthers fest zugesagt hat.
Eine einfache Folge dieser theoretischen wie practischen
Vereinbarung war es, wenn Hutten den kaiserlichen Gnaden-
beweis unbedenklich annahm und alsbald die mehr als frei-
müthige Sprache seines Mahnschreibens durch einen Ent-
schuldigungsbrief an den Kaiser gut zu machen suchte.3 Das
litterarische Ergebnis dieser Verbindung bildet Huttens Schrift:
'Anzoig, wie allwegen sich die Römischen Bischöfi, oder Bäpst
gegen den teütschen Kayßeren gehalten haben, vff daz kürzst vß
Chronicken vnd Historien gezogen, K. maiestät fürzübringen.'4
Strauss und Böcking haben die 'Anzeig' in die Mitte
des Novembers 1520 gesetzt, weil Hutten in dem Brief an
Erasmus vom 13. November seine Hoffnung auf eine Um-
kehr des Kaisers mit dem Satz begründet, dass es leicht sei,
ihn durch eine Menge von Beispielen daran zu mahnen, dass
es in Rom keine Treue gebe.5 Wenngleich selbstverständ-
lich zugegeben werden muss, dass in diesem Satz der Grund-
1 Brieger, Neue Mittheilungen über Luther in Worms S. 8 ff.
8 FI. W. 2, 59.
s H. W. 2, 47 ff.
4 H. W. 5, 363 ff.
5 Strauss, Hutten 21, 112 f.; H. W. 1, 425.
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104
HISTORISCHES
gedauke der fraglichen Schrift ausgesprochen ist, so kann
doch an die Abfassung oder gar Veröffentlichung zu dieser
Zeit noch nicht gedacht werden. Zunächst hat man über-
sehen, dass die 'Anzeig' in dem sonst vollständigen Schriften-
verzeichnis fehlt, das Hutten am l). December 1520 Luther
mittheilt. Sodann aber zeugt entschieden gegen Strauss' An-
sicht das eben besprochene Mahnschreiben an den Kaiser vom
27. März 1521. 1 Da nämlich Hutten hier den Kaiser vor dem
Rathe der Priester warnt, weil sie, wie sich mit nicht weit
hergeholten Beispielen lehren lasse, wegen ihrer Abhängig-
keit von Rom keine Treue halten könnten, und weiterhin vor
der Freundschaft mit Leo X., weil noch niemals ein römischer
Papst und nun gar ein Florentiner seinem Bundesgenossen
Treue bewahrt habe; da Hutten endlich auch das Wort
Kaiser Maximilians anführt, mit dem er die historische Be-
trachtung der 'Anzeig' wirkungsvoll abschliesst, und bei alle-
dem mit keinem Wort auf diese Schrift hinweist, die doch
nach Strauss längst erschienen und dem Kaiser, sogar mit
günstigem Erfolg für Hutten, überreicht sein sollte, so muss
man annehmen, dass die 'Anzeig', wenn auch vielleicht schon
vorher begonnen, so doch erst vollendet und herausgegeben
wurde in der Zeit nach dem 27. März und zwar zwischen den
Verhandlungen auf der Ebernburg und denen in Worms, als
Hutten von neuem der Hoffnung lebte, auf die Erschlies-
sungen des Kaisers einwirken zu können. Aus dem Gefühl,
als officiÖ8er Berather des Kaisers auftreten zu können, erklärt
sich auch der auf den Kaiser bezügliche Zusatz des Titels.
Die Ebernburger Zusammenkunft hatte nicht den von
allen Seiten erhofften Erfolg. Huttens Lage wurde durch sie
allerdings vorläufig bedeutend gebessert ; sie brachte ihn nicht
nur in die verhoissungsvollen Beziehungen zum Kaiser, sondern
bewirkte auch zugleich einen Rückzug des Nuntius, der in
ihr eine so unzweifelhafte Anerkennung von Huttens Macht
sah, dass er das Vorgehen gegen Hutten einzustellen be-
schloss, ehe er noch die Ergebnisse der Sendung wissen konnte :
schon am 5. April richtete er an den päpstlichen Vicekanzler
1 H. W. 2, 41 ; 43 f.
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KKIC11STAG VON WORMS.
105
Medici ein Gesuch, das er am 29. April dringend wieder-
holte, ihm für die am 10. Februar crhalteue Bulle vom
3. Januar eine neue gleichdatirte zu senden, in der Hutten
nicht genannt sei, da er es nicht wagen könne, vor seiner
Abreise aus Deutschland gegen diesen aufzutreten; und er
erhielt auch wirklich am 8. Mai eine Bulle in der erbetenen
Form.' Dagegen gewannen die Ebernburger Abmachungen
keinen Einfluss auf den Gang der Lutherschen Angelegen-
heiten; denn der Reformator lehnte den angeboteuen Com-
promiss mit der kaiserlichen Regierung unter der Begründung
ab, dass er sich keinem Concil unterwerfen wolle, da auf einem
solchen wol bezüglich der Sitten Besserungen geschehen
könnten; aber die evangelische Wahrheit sei noch nie gut
behandelt worden auf den Concilien. Somit war die ge-
sammte Entscheidung von dem Reichstag zu erwarten. Wie
sie ausfallen würde, war kaum noch zweifelhaft.
Hutten gab gleichwol noch nicht alle Hoffnung auf,
sondern sprach Luther noch an dem Tage, an dem er vor
den Reichstag treten sollte, sein Vertrauen auf einen end-
lichen Sieg der gemeinsamen Sache aus; während er ihn aber
auch für seine eigene Person eines treuen Ausharrens ver-
sicherte, fasste er doch zugleich, wol in Erinnerung an die
Disputation mit Glapion und die Ablehnung Luthers, den
Unterschied ihrer Ziele und Wege in die klaasischen Worte:
4in eo differunt utriusque consilia, quod mea humana sunt, tu
perfectior iam totus ex divinis dopendes'.- Doch der grosse
Entscheidungskampf, der nunmehr im Reichstag erfolgte, ver-
wischte diese Grenzen innerhalb der gemeinsamen Bestrebungen,
zumal für ein so feuriges Temperament, wie es Hutten be-
sass. Wenngleich das Ergebnis von Luthers Auftreten vor
dem Reichstage gerade durch sein Festhalten an denjenigen
Sätzen bedingt war, die Hutten selbst nicht vertheidigte, und
durch seine Opposition gegen denjenigen Ausweg, den Hutten
selbst aus eigenem Antrieb und auf Veranlassung Olapions
vorgeschlagen hatte, so fühlte «ich Hutten doch eben durch
1 Brieger 8. 129; 169; 191 f.
» H. W. 2, 55 f.
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106
HISTORISCHES.
die Verurtheilung als solche wieder zu Luther gedrängt, weil
er in ihr einen Angriff auf die gemeinsame Sache, die deutshe
Freiheit, und eine Schmach für das Vaterland sah : *Me pudere
ineipit patriae7. 1 Hatte er schon vorher Jodocus Jonas ge-
standen, wie ungern er sich bei diesem Augenblick als ruhiger
Zuschauer verhalte , so schrieb er am 20. April an Luther,
dass er sicherlich durch eine kriegerische Demonstration auf
den Gaug der .Verhandlungen eingewirkt hätte, wenn er nicht
durch die Klugheit seiner Freunde zurückgehalten worden
wäre'-; allerdings verräth er nicht, dass diese ihn ebenso sehr
wie auf die Gefahr, die aus solchem Unternehmen für Luther
selbst in Worms zu befürchten war, auch auf seine Ver-
pflichtungen gegen den Kaiser hinweisen konnten, die er nicht
so leichthin verletzen durfte. Auch in dem offenen Schreiben
an Pirckheimer, der ersten Äusserung nach Luthers Abreise,
lässt Hutten wiederum kriegerische Pläne durchblicken , bei
denen er, wie bereits früher iu dem Dialog 'Praedones', auf
die Städte und, wie immer bei einem Auftauchen von Kampf-
gedanken, wenigstens Anderen gegenüber, auf Sickingen
rechnet. In seiner kriegerischen Stimmung wurde er noch
befestigt durch einen Brief Hermanns von dem Husche, der
ihn unter Hinweis auf den Übermuth und Spott seiner Gegner,
die Hutten bereits mit einem zwar bellenden, aber nicht
beissenden Hunde verglichen, dringend aufforderte, die ange-
sagte Fehde endlich zu eröffnen und vor allem die Haupt-
schuldigen, die päpstlichen Nuntien nicht ungestraft entwischen
zu lassen. In gleichem Sinne richtete Eobanus Hesse ein
Mahngedicht au ihn, mit Sickingen zusammen die deutsche
Sache mit dem Schwerte zu vertheidigen, da es mit Schriften
und Versen nicht mehr gethan sei.3
Hutten wartete nunmehr die endgiltige Verurtheilung
Luthers, die nur noch eine Frage der Zeit war, nicht erst ab,
sondern eröffnete bereits vor der Veröffentlichung des Edicts
1 H. W. 2, 59 ff. Eine Übersetzung des Briefes an Pirckheimer
giebt in sinnloser Voreinigung mit dem zweiten Brief an den Kaiser
das anonyme Heft. H. "W. Ind. bibl. XXXVII, a.
* H. W. 2, 56; 58.
8 II. W. 2, 62 ff.; 6n ff.
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ITAFFEN KRIEG.
107
die Feindseligkeiten folgerichtig dadurch, dass er auf das Sti-
pendium des Kaisera Verzicht leistete, weil er bei den» völligen
Gegensatz ihrer Gesinnungen ihm weder dienen könne noch
wolle.1 Zugleich entschloss er sich, die Ebernburg zu ver-
lassen; wahrscheinlich auf Verlangen Sickingens, der gerade
zu dieser Zeit sich dem Kaiser neu verpflichtet hatte und die
Folgen einer gewaltsamen Unternehmung seines Schützlings
nicht auf sich nehmen wollte.2 Am 31. Mai endlich schritt
Hutten zur That; aber die Nuntien, denen er einen Hinter-
halt gelegt hatte, entkamen unter dem Schutze des kaiser-
lichen Gefolges. Da dieser Anschlag, von dem wir nur durch
Hutten selbst wissen, kaum bekannt wurde und jedenfalls
ohne Folgen blieb3, da es ferner an einem Ziele für neue
Angriffe fehlte und endlich Hutten auch durch einen Anfall
seiner Krankheit zur Unthätigkeit gezwungen war , so ver-
änderte sich in seiner äusseren Lage vorläufig gar nichts.
Erst später scheint er sich aus Furcht vor den Nachstellungen
seiner Feinde auf der Sickingenschen Burg Dürmstein ver-
steckt zu haben. Er musste sich damit begnügen, seinen
Zukunftsplänen in Worten Ausdruck zu verleihen. In einer
Antwort auf das Carmen Eobans verkündete er den Ent-
schluss, an dem von diesem gewünschten Pfaffenkriege wenn
auch nicht als Führer, so doch als Kämpfer theilzunehmen.4
Die Stimmung dieser Zeit aber verewigte er in dem berühmten
1 Brieger 8. 227, wo auch die frühere Litteratur über diesen
wichtigen Schritt verzeichnet ist, der Huttens Charakterstärke über allen
Zweifel erhebt. Vgl. Ellinger in Geigers Vierteljahrsschrift für Kultur
und Litteratur der Renaissance 1, 244 ff. und 2, 107 ff., der mit be-
rechtigter Schärfe Maurenbrechers Darstellung gegentibertritt.
9 H. W. 2, 76 ; Suppl. 2, 807.
* Strauss, 8. 412, hat in einer von Böcking aufgefundenen Nach-
richt mit diesem den Beweis gesehen, daas Hutten einen Begleiter
der Nuntien erschlagen habe. Waltz, Zeitschrift für Kirehengeschichte
2, 126, hat diese Geschichte als Legende erwiesen, die übrigens aus
dem Zusammen stoss mit Hochstraten sich entwickelt zu haben scheint.
* H. "W. 2, 71 ff. — Böcking setzt dies Gedicht, das doch den
Anschlag gegen die vom Reichstag ziehenden Nuntien berichtet, selt-
samer Weise schon in die Mitte des Mai und das mit ihm beantwortete
Mahngedicht Eobans erst in den Sommer,
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108
HISTORISCHE8.
einzigen deutschen Liede, das als Krone seiner deutschen
Dichtungen angescheu werden muss: 'Ich habs gewagt mit
sinnen*.1 Strauss hat dies Gedicht in die Zeit der 'Clag vnd
Vermanung' setzen wollen.2 Während aber für diese Datirung,
für die Strauss keinen Grund angiebt, schlechterdings nichts
spricht, weisen auf die Zeit nach dem Wormser Reichstage
und während des Dürmsteiner Aufenthalts folgende Stellen :
erst nach Schluss des Reichstages kann Hutten sagen, dass
er nicht zum Verhör zugelassen worden sei; und nicht von
dem allbekannten Aufenthalt auf der Ebernburg, sondern nur
von dem sorgsam verheimlichten Versteck auf Dürmstein kann
er sagen, dass er zwar vorläufig geflohen sei, aber wiederzu-
kommen hoffe. Das Lied bildet also den Schluss der Höhe-
zeit in Huttens Leben.
Wie Strauss diese Höhezeit und die in ihr liegende
Krisis nicht richtig erkannt und dargestellt hat, so vermochte
er auch den folgenden Niedergang nicht zu würdigen. Seine
Charakteristik dieser Zeit lässt sich in die beiden Sätze zu-
sammenfassen, dass in Huttens Schriftstellerei eine Pause der
Verlegenheit eingetreten sei und dass er dem Unmutli über die
Vereitelung seiner grossen Pläne in einer Reihe kleinerer
mehr persönlicher Fehden Luft gemacht habe.3 Man kann
diese Zeit nicht unglücklicher charakterisiren, als wenn man
sie auf solche Weise als ein Intermezzo behandelt. Huttens
Verhalten während des Jahres vom Herbst 1521 bis zum
Herbst 1522 ist vielmehr die genaue Ausführung des Planes,
den er infolge des Ausgangs des Wormser Reichstages ge-
fasst und verkündet hatte: die Fehden dieses Jahres sind
Theile eines grossen Pfaffenkrieges. Dass Strauss die Be-
deutung der Fehden unterschätzte und verkannte, ist zunächst
daraus zu erklären, dass er sie gar nicht in ihrem vollen
Umfang übersah. Wenn er nur die rein persönliche Fehde gegen
die Strassburger Karthäuser und den allerdings schon mehr
principiellen Streit mit dem Frankfurter Pfarrer Meyer heran-
1 H. W. 2, 92 fT.
2 Strauss 8. 365 f.
8 Strauss 8. 414, 416.
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PFAFFENKR1EO.
109
zog1, so konnte er allerdings kaum zu einer anderen Auf-
fassung gelangen; dass es sich aber um mehr als rein per-
sönliche und einzelne Fehden handele, hätte Strauss schon aus
der von ihm selbst entdeckten Kriegserklärung Huttens vom
11. April 1522 schliessen können, in welcher dieser den Pre-
digermönchen und den Curtisanen sammt ihren Genossen in
Deutschland und Welschland die Fehde ankündigte, wenn sie
seine Forderungen nicht erfüllten.2 Wie wenig diese An-
kündigung als eine leere Drohung anzusehen ist, konnte Strauss
aus den allerdings dürftigen Nachrichten in Jungs Beiträgen
zu der Geschichte der Reformation entnehmen.3 Diese Nach-
richten, die bisher von der Huttenforschung nicht beachtet
worden sind, müssen uns die in ihnen benutzten, wahrschein-
lich verlorenen Urkunden fast ausschliesslich ersetzen. Am
6. Mai, also noch während des Streites mit dem Pfarrer
Meyer, beklagten sich die Vorsteher des Strassburger Domi-
nikanerklosters bei dem Rath über einen Fehdebrief Huttens.
Kurz darauf erhielten die Stifter zum Jung St. Peter, St. Thomas
und Alt St. Peter Fehdebriefe. Aus einem Schreiben, das
Hutten einige Wochen später an dun Bischof von Strassburg
richtete, theilt Jung mit, dass er von den drei Stiftern verlangt
hatte, sie sollten keinem Curtisan mehr etwas von ihren Ein-
künften bezahlen, und ihm viertausend Goldgulden geben, weil
sie dieser Aufforderung Folge geleistet hätten. Einer dieser
Fehdebriefe ist erhalten, das Schreiben an das Stift zum
Jung St. Peter vom Mai. Es übertrifft an Werth die vielen
uns sonst erhaltenen Fehdebriefe, weil es allein die princi-
pielle Bedeutung der Fehde betont4: 'Wisset Probst Capitel
1 Strauss S. 416 ff., 419 ff. Für eines der Hauptstücke aus dem
Streit mit den Karthäusern, die Ehrenerklärung und Abbitte für Hutten,
die bisher nur in dem Entwurf vorlag, hat sieh im Archiv zu Steinbach
eine Abschrift der vollzogenen Urkunde gefunden : sie trägt das Datum
'Strassburg vff Donnorstag nach Conceptionis Mariae. In dem Jare nach
der Geburt Christi vnsers Herren Tausend fünffhundert Ein und zwantzig*.
* H. W. 2, 119.
s A. Jung, Beiträge zu der Geschichte der Reformation, zweite
Abtheilung 1, 64; 227 ff.
4 Das Arohiv zu Steinbach besitzt eine Abschrift dieses bisher
unbekannten 'Feinds oder warnungs BriffV. Vgl. auch S. 175.
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110
HISTORISCHES.
Vicarien vnnd alle des Stiffts zum Jung S. Peter zu Stras-
burg Vorwanten, das wie wol nach dem jch lang hievor auß bil-
lich ehrlich Christlich Vrsachen aller Curtisanen vnd Romanisten
jnhaldt ettlichcr offenen drücke darüber außgegangenen feynt
worden , liehst verschiner zeyt ein vormanungsschrüVt vnter
meynem jnsigel allenthalben angeschlagen, darinnen jch jeder-
mau sich hinfur derselbigen Curtisanen vnd Romanisten zu
entschlagen weder theyl noch gemein mitt jhnen zu haben ge-
warnet genugsamlich angezeigt So höre vnd sehe jch doch . .
Da trotzdem das Stift zum Jung St. Peter Curtisanen und
Romanisten bei sich beherberge, so fordere er es auf, diese
binnen acht Tagen zu entlassen oder seiner Feindschaft ge-
wärtig zu sein. Diese Händel endeten nach Jung damit,
dass Sickingeu Huttens Forderung zunächst übernahm, dann
aber in Rücksicht auf sein Unternehmen gegen Trier fallen
Hess. Sicherlich ist auch mit diesen Fehden, wie man schon
aus den weiteren Nachrichten über Gewaltthaten an verschie-
denen Geistlichen vermuthen kann1, die Reihe der Unter-
nehmungen Huttens noch nicht abgeschlossen : es mögen viel-
leicht noch manche Fehdebriefe zu Tage kommen. Aber
schon aus den mittelbar und unmittelbar erhaltenen Zeug-
nissen, insbesondere dem letzten neuaufgefundenen, geht mit
vollkommener Sicherheit hervor, dass diese Fehden die con-
sequeute Erfüllung von Huttens Verkündigungen im Frühling
1521 und 1522 bedeuten2; man kann mithin auch nicht von
1 Strauas S. 424.
* Dass Strausa die Bedeutung dieser Fehden unterschätzt hat, zeigen
auch die allerdings übertriebenen Besorgnisse, die durch die oben er-
wähnte Kriegserklärung in Rom hervorgerufen wurden. Während nach
den bisherigen Darstellungen, die sich allzusehr auf Busches Aussagen
beschränkten, Huttens Drohungen seit dem Wormser Reichstag keine
Wirkung mehr thuten, liegt nunmehr in einem von Balan (8. 297 ff.)
zuerst veröffentlichten Breve Papst Adrians VI. an den kaiserlicheu Statt-
halter Erzherzog Ferdinand ein Zeugnis vor über den gewaltigen Ein-
druck, den Hutten durch sein Vorgehen gegen die Predigermönche in
Rom erzielte. Dns ziemlich umfangreiche Breve stellt an den Erzherzog
unter Hinweis auf die Kriegserklärung Huttens und die Bedeutung des
bedrohten Ordens das Verlangen, den Papst und die heilige Kirche
gegen einen solchen 'Mahumethanisohen' Angriff zu sohützen, damit
Hutten Deutschland nicht aus einem Freund zu einem Feind des Glaubens
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FÜH8TKNKRIEG.
111
einer Pause der Verlegenheit in seiner Schriftstellerei reden,
wenn sie sich in dieser Zeit auf die Fehdebriefe beschränkt.
Aus den niederen Bahnen, in die seine litterarische Thätig-
keit durch den hartnäckigen kircheupolitischen Kampf hinab-
gesunken war, konnte sie sich erst aufschwingen, als sich für
Hutten ein neues Feld zu publicistischer Thätigkeit eröffnete:
der Krieg des Ritterthums gegen das Fürstenthum.
Nicht zum ersten Male betrat Hutten diesen Kampf-
platz. Schon in der Fehde gegen den Herzog von Wirtera-
berg war ihm der Gedanke einer Reichsreform auf Kosten
des Fürstenthums aufgegangen; und in der Programmrede,
mit der er sich auf dem Reichstag von Augsburg in die
politische Welt einführte, hatte er gleichmässig scharfe Kritik
an der Kirche und dem Fürstenthum geübt. Wenn er im
Sommer 1522 diese Bestrebungen nach langer Pause wieder
aufnimmt, indem er ein Gedicht an die freien Reichsstädte
verfasst, so ist dies aus verschiedenen Gründen zu erklären.
Durch den Wormser Reichstag, der ein vom Fürstenthum
beherrschtes Reichsregiment geschaffen hatte, war das Ritter-
thum, das schon durch den Landfrieden von 1495 in seiner
Existenz schwer bedroht worden war, zum Entscheidungs-
kampf gedrängt.1 Als Rufer auch in diesem Streit aufzutreten
musste Hutten um so eher geneigt sein, als er nach dem
Ausgang des Reichstages mit den Hoffnungen, die er für seine
kirchenpolitischen Pläne auf die Fürsten gesetzt hatte, auch
die Rücksichten aufgeben konnte, die er ihnen zu Liebe sich
für seine staatlichen Reformpläne augenscheinlich auferlegt
hatte. Die stärkste Anregung zur litterarischen Betheiligung
an diesem Kampf mag er aber dadurch empfangen haben,
dass Sickingen sich endlich entschlossen hatte, die ihm längst
zugedachte Führerrolle zu übernehmen. Der Grundgedanke
des Gedichtes an die Reichsstädte ist die Umformuug eines
Planes, den Hutten bisher für den kirchenpolitischen Kampf
zu wiederholten Malen und so noch zuletzt in der 'Ermanung
mache: die Bekämpfung Huttens sei wichtiger als der Türkenkrieg.
Das Breve schliesst mit einem bedeutsamen Fingerzeig auf das erfreu-
liche Verhalten Kaiser Karls gegen Luther auf dem Wormser Reichstag.
1 Ulmann, Sickingen 8. 230 f.
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112
HISTORISCHES.
an Worms' verfolgt hatte1: Vereinigung des Adels und der
Städte.
Obgleich Strauss dem Gedicht eine recht ausführliche
Wiedergabe gewidmet hat2, macht sich doch auch hier die
unzulängliche Würdigung der deutschen Schriften geltend:
die textkritische Behandlung des Werkes, die zudem für die
historische Auffassung nicht geringe Bedeutung hat3, ist bei
ihm wie auch bei Böcking völlig verfehlt. Das Gedicht liegt
. in zwei undatirten Fassungen vor : 'Beklagunge der Freistette
deutscher Nation' und 'Vormanung an die freien vnd reich
Stette deutscher nation'. Wie nun Strauss ohne nähere Aus-
führungen die 'Beklagung' als den besseren Druck behandelt,
so giebt Böcking einer gleichen Meinung dadurch Ausdruck,
dass er beide Ausgaben für Abdrücke verschiedener schlechter
Handschriften erklärt und für seine kritische Herstellung des
Gedichtes die 'Beklaguug' zu Grunde legt, die 'Vormanung'
aber nur in zweiter Linie heranzieht.4 Für diese Auffassung
muss der Umstand entscheidend gewesen sein, dass die 'Be-
klaguug' um sechs Verse reicher ist als die 'Vormanung'.
Sieht mau zunächst von diesen Versen ab, die ohne engeren
Zusammenhang am Anfang und am Schluss des Gedichtes
stehen, so bieten sich zwei Arten von Kriterien, um den
Werth der beiden Drucke zu bestimmen: neben den inhalt-
lichen Merkmalen ist durch Huttens metrische Bemerkung
' über die verlorenen Gedichte in der Betrachtung des Vers-
baus eine hichere Handhabe gewährt.5 Dass bei den inhalt-
lichen Variauten die 'Vormanung' deu Vorzug verdient, hat
Böcking selbst anerkannt, indem er fast überall deren Les-
arten in seine Herstellung einführt. Dass auch in metrischer
Hinsicht die 'Vormanung' dem Original näher steht, kann
man daraus entnehmen, dass sie nur eine ganz geringe
Anzahl von Unregelmässigkeiten enthält, die alle leicht aus
Unachtsamkeit des Setzers zu erklären sind, während in der
1 II. W. 2, 87 ff.
2 8trau88 S. 425 ff. 2', 211 f.
3 Vgl. S. 113.
4 H. W. Ind. bibl. XLII; 3, 527 ff.
5 Vgl. S. 67 ff.
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Ff KSTENKKIKG. Iii*
-Beklagung' durchschnittlich auf jedeu dritten Vera ein Ver-
stoss kommt und ein grosser Theil dieser Fehler durch Zu-
sätze und Umstellungen veranlasst ist. Nach textkritischen
Gesetzen müsste also die 4Vermanung' ohne weiteres der Her-
stellung zu Grunde gelegt werden, wenn nicht die erwähnten
sechs Verse dieser Auffassung noch zu widersprechen schieueu.
Doch auch dieses Hindernis schwindet vor einer kritischen
Beleuchtung; denn diese Verse Verstössen sämmtlich gegen
Huttens Gesetz der Achtsilbigkeit und zwar in so arger \
Weise, dass sie ausser dem ersten auch durch gewagte Con-
jekturen nicht einzurenken sind. Nimmt mau hinzu, dass sie,
wie schon oben angedeutet, nur in ganz losem Zusammenhang
mit dem eigentlichen Gedicht stehen, so wird man vermutheu
müssen, dass man es mit Zusätzen eines fremden Heraus- ,
gebers zu thun hat. Mit diesen Versen fällt zugleich der ein- i
zige Grund gegeu eine einfache Herleitung der lBeklagung'
aus der 'Vermanung* fort. Auf Grund dieser textkritischeu
Feststellung lässt sich auch folgende historisch wichtige Va-
riante würdigen (V. 241 ff.):
Yermanung.
. . in dissem reginient.
Drumb muß es werden bald zertrent.
Deß ist vnß allen grosse not.
Dan es ist widder er vnd got.
Entgegen aller erbarkeit.
Der Nihilismus, der durch die Fassung der 'Beklagung'
vertreten wird, widerspricht durchaus den politischen An-
schauungen Huttens: im Gegensatz zu Böcking, der diese
Variante seiner kritischen Bearbeitung einverleibte, wird man
in ihr nur eine willkürliche Entstellung sehen müssen, die
sicherlich von demselben Herausgeber herrührt, der auch an
dem metrischen Gesetze Huttens seine revolutionäre Gesinnung
in so rücksichtsloser Weise bethätigt hat.
Mit diesem Gedicht musste bisher jede Darstellung von
Huttens deutschen Schriften abbrechen; zum Abschluss kann
sie erst jetzt geführt werden, nachdem ein längst verloren
gegebenes Werk entdeckt worden ist: 'Ein gegenredt oder
ausschreiben Virichs von Hutten widder pfaltzgraf Ludwigen
Q.V. LXVll. 8
Beklagung.
. . in diesem regement
Drümb mhfisens werden baldtzutrent
Dan es ist wider eher vnd got
Drumb wider zustreben ist yns not
Entgegen aller Aberkeit.
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114
HISTORISCHES.
Chürfürstcu.' Zwei Nachrichten in den Briefen Huttens
und Erasmus' hatten bereits früher über den Kreis der be-
kannten Werke auf eine Schrift dieses Inhalts hingewiesen.
Unzweifelhaft ist die Beziehung allerdings nur bei der
Äusserung des Erasmus: 'roganti mihi quamobrem Huttenus
scripsisset amarulentum libellum in comitem Palatinum, quem
etiam aediturus erat siquem typographum tarn insanum nan-
cisci potuisset, 'quoniam' inquit 'fidclissimum illius famulum
et innoceutissimum (summo supplicio affecit)\l Weniger sicher
dagegen ist es, ob Hutten selbst diese Schrift gemeint hat,
wenn er an Eobanus Hessus am 21. Juli 1523 schreibt: 4Qui
has perfert, habet a me libelli quiddam in tyrannos, quod
curet typis imprimendum ; ibi quaeso tuam mihi atque i 1 Ii
aecomoda operam: potest silentio transigi negocium et occulte; . . .
extet et in luce sit uovae et iuauditae improbitatis protestatio;
videant et cognoscant futura post nos secula quales fuerint
qui honestati, legibus, iuri, fidei ac religioni scelere et audacia
so opposuerint.'2 Strauss, der zuerst die Frage aufwarf, ob
der 'libellus in tyrannos1 identisch sei mit dem Schreiben
gegen den Pfalzgrafen, war geneigt, sie zu verneinen, weil
der Plural und die Art, wie Hutten in obigem Briefe den
Inhalt jenes Mibellus' bezeichnet, ihm auf ein allgemeineres
Werk, etwa gegen die zu Sickiugens Bekämpfung vereinigten
Fürsten, zu deuten schien/5 Diese Auslegung der Huttenscheu
Worte haftet aber wol zu sehr am Buchstaben: sie sind
durchaus erklärlich , wenn man annimmt, dass Hutten mit
ihnen nur einen allgemeinen Ausdruck für die principielle
Bedeutung der älteren Schrift geben wollte, die eben jetzt,
nachdem sich mit dem Schicksal Sickingeus der Kampf zwischen
Fürstenthum und Ritterthum entschieden hatte, von neuem
einen actuellen Werth erhielt und daher einen ueueu Versuch
zur Veröffentlichung zu verdienen schien; und die Annahme
eines allgemeineren Werkes gegen die Fürsten erscheint um
so weniger nothwendig, als Hutten ein solches ja bereits in
dem Gedicht an die Reichsstädte gegeben hatte.
* II. W. 2, 430 f.
2 H. W. 2, 253.
s StruusH, Hutten 2\ 313.
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! -TKSTKXKlilKti.
11,*)
Die Entstehungszeit der undatirten Schrift kann aus ihr
selbst annähernd erschlossen werden. Eine jenseitige Grenze
liegt in der Erwähnung des Verfahrens gegen den Kurfürsten
von Mainz, das in die zweite Hälfte des Oktobers fällt.1 Eine
diesseitige Grenze bietet der Umstand, dass von dem Ver-
lassen Deutschlands, das etwa Anfang November erfolgte,
noch nicht gesprochen wird : das Werk ist um die Wende des
Oktobers 1522 entstanden.
Das Ausschreiben gegen den Pfalzgrafen ist nicht, wie
man nach der Überschrift vermuthen könnte, ein einfacher
Fehdebrief, der auf Grund rein sachlicher Darlegung das
Ultimatum stellte; der Charakter der Schrift wird am besten
getroffen, wenn man sie als Huttens einzige deutsche Invective
bezeichnet. Ihre ganze Anlage und Ausführung macht sie
zu einem vollkommenen Seitenstück jener lateinischer In-
veetiven, in denen Huttens kirchenpolitische Stellung ihren
schärfsten Ausdruck gefunden hat. Auch darin gleicht die
deutsche den lateinischen Schriften, dass der wild dahin-
brausende Strom ihrer Rhetorik sich nicht in eine ruhige
Analyse überleiten lässt ; diese muss sich darauf beschränken,
die Hauptpunkte sprungweise zu verfolgen, ohne dabei dem
Werk eine Gliederung aufzuzwingen, die nicht in ihm liegt.
Die Schrift geht aus von zwei ungerechten Thateu, die
Hutten von dem Pfalzgrafen widerfahren sind: dieser habe
seinen Diener, der in seinem Auftrag zwei Abte angefallen
habe2, als Strassenräuber aufgegriffen und hingerichtet; ferner
ihm selbst Bücher und Kleider fortgenommen, die er Fuhr-
leuten zur Beförderung durch pfälzisches Land übergeben
hatte. Er wolle den Pfalzgrafen zur Verantwortung ziehen
und nachweisen, dass der Kaiser keinem Schlechteren als ihm
das Amt des Vicars «in vertrauen konnte. Der Pfalzgraf wolle
nur die Freiheit Deutschlands vernichten und vergewaltige
daher jedeu, der ihm zu selbständig uud mächtig erscheine.
Man müsse ihm um des Friedens willen seine Macht nehmen.
Insbesondere müsse sich der deutsche Adel gegen ihn erheben.
Der Hauptgrund seiner frevelhaften Unternehmungen sei sein»»
1 Vgl. S. 167, Ulmann. Siekingen S. 311 f.
i Such Krnsnius (11. W. 2, 40!)) waivn »*s drei Abt»;.
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118
HISTORISCH KS.
Begehrlichkeit. Das Rechtsverfahren sei nur ein Vorwand,
den Landfrieden zu brechen. In einer langen Reihe von
Antithesen werden uun Hutten und der Pfalzgraf als wahrer
und falscher Beschützer des Landfriedens contrastirt. Er habe
das Unglück, dass der Pfalzgraf gerade an ihm eiu Exempel
seiner Gerechtigkeit statuiren wolle. Gott werde den Tyrannen
strafen wie dessen Verwandten, den Herzog von Wirteniberg;
und nun giebt Hutten eine Geschichte des Pfalzgrafen von
der Kaiserwahl bis zum Wormser Reichstag: ein letztes Glied
in dieser Kette von Handlungen gemeinster Begehrlichkeit
sei der Überfall auf ihn. Der Pfalzgraf habe die schlechten
Priester für Geld iu seinen Schutz genommen und leite hier-
aus sein Recht zum Einschreiten gegen Hutten her; er habe
seinen Diener getödtet, um einen Beweis seiner Macht zu
liefern und so noch andere zur Erkaufung seines Schutzes zu
verlocken. Aber die Curtisanen würden trotzdem keinen Frieden
geniessen, weil sie allein die Herrschaft des Papstes über
Deutschland aufrecht erhielten und den glaubensfeindlichen
römischen Hof unterstützten. Der Pfalzgraf vertheidige die
Curtisanen nur um des Geldes willen; da er allein auf dieses
sehe, könne er nur schlechte Genossen haben. Er habe auf
Hutten schon vor dem Angriff auf die Abte streifen lassen,
weil er diese Enthüllungen befürchtet habe. Aber wenn er
ihn auch heimlich getödtet und dann eines Verbrechens be-
schuldigt hätte, so würde man doch den wahren Grund er-
rathen haben, ldu kanst doch sclbs nit, ob du schon gern
woltest, vorwar kanstu nit, verhelen, das du förchtest, die
weil ich der bin, der warheit zu offenbaren, vnd laster zu
schelten pflege, das nit etwa vil ding, vnbillich von dir be-
sehenen, durch meyne schrifft zu erkanntnuß kommen. Vnd
dir nit vnwrisscn, das ich tyrannen zu verfolgen geboren bin.'
Der Dieuer, der ihm abgefangen sei, dürfe nicht als Strassen-
räuber betrachtet werden : er habe ihm nach alter Rittersitte
in einem Kriege gedient, den er auf gemeinem Reichstag
angekündigt hatte, ohne Einspruch zu erfahren. Wenn der
Pfalzgraf dieses Recht abschaffen wolle, müsse er zunächst
selbst Alles herausgeben : sein Vater habe nur durch Krieg
Reich, Out uud Ehren, die er durch die Acht verloren hatte,
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FÜRSTEXKRIEG.
117
wiedererlangt. Dann müsse er den ganzen deutschen Adel
vernichten, da jeder Ritter einmal eine Fehde geführt oder
unterstützt habe. Auf eine allgemeine Vernichtung des Adels
scheine ihm auch das Wüthen des Pfalzgrafen zu zielen.
Weil das Verfahren gegen ihu ein Präjudiz über alle Edel-
leute bedeute, hoffe er von diesen kräftigen Schutz nicht für
sich, sondern auch für die alten Ritterbräuche : 'wir iu vnsere
vehden thun nit widder gewonheyt, recht vnd gute sitten,
dan wir verthedingen vnser gut mit woffen, Beschirmen die
vnschultigen gegen gewalt der mechtigen, erheben die vor-
gwaltigten vnd vnderdruckten mit hilf vnd beistand ; versagen
keinem frömen vnser arm und vermögen widder die bösen.
Disses ist ein alte vnd vnstr&ffliche der Teutschen gewon-
heit, welche, wo du abthun, ach got wie ein tyranney würstu
dan vffrichten.' Hoffentlich aber scheitere der Plan des
Pfalzgrafen. Zunächst müsse dieser sich selbst wegen seiuer
Cbelthaten rechtfertigen ; vor allem wegen dieses Krieges, den
er ohne Erlaubnis des Kaisers und Regiments führe. Die
Schrift schliesst mit einer zusammenfassenden Charakteristik
des Pfalzgrafen und der Androhung eines Rachekrieges.
Durch einen persönlichen Streit, der sich aus den kirchen-
politischen Verhältnissen entwickelt hatte, war Hutten, der
bereits den allgemeinen Kampf gegen das Fürstenthum auf-
genommen hatte, in unmittelbaren Conflict mit einem Fürsten
gerathen. Wie der kirchliche, so wird auch der politische
Kampf erst dann von Hutten mit ganzer Kraft geführt, als
seine Person hineingezogen wird. Der Conflict mit dem Kur-
fürsten von der Pfalz ruht auf derselben Grundlage wie der
allgemeine Streit zwischen Fürstenthum und Ritterthum, dem
Fehderecht der Reichstage zu Worms von 1495 und 1521.
Stellt man sich auf den Boden des gegebenen Rechts, so ist
es leicht, eine Rettung des Fürsten zu bewerkstelligen, 'der
von Hutten in dieser Schrift als Tyrann sondergleicheujdar-
gestellt ist; insbesondere ist das Verfahren gegen Hutten selbst
aus den Bestimmungen über die 'Nacheile' gewiss zu recht-
fertigen.1 Auf eine solche Entscheidung aus den vorhandenen
1 Vgl. Ulmann, Sickingen 8. 242.
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118
IIISTOUISCIIKS.
Rechtsverhältnissen lässt sich Hutten aber gar nicht ein; und
eben darin liegt die grosse Bedeutung der Schrift. Ihre
Eigenart erhellt am besten aus einem Vergleich mit der Ver-
theidigung des von Hutten als Leidensgefährten erwähnten
Hartmut von Kronberg1 : auf eine juristische Erwägung seines
Falles gründet dieser das Verlangen nach einem Schiedsgericht.
Ein solches Rechtserbieten kommt Hutten gar nicht in den
Sinn. Die ganze neuere Entwicklung des Fehderechts, aus
der Alles zu begreifen ist, scheint spurlos an ihm vorüber-
gegangen zu sein: die Thatsache, dass durch das bestehende
giltige Recht dem Ritter, nicht aber dem Fürsten das Schwert
entwunden ist2, scheint für ihn nicht vorhanden. Indem
Hutten diese Rechtsverhältnisse, in denen der Sieg des Fürsten-
thums über das Ritterthum seine gesetzliche Bestätigung ge-
funden hatte, vollkommen eliminirt, nimmt er den grossen
principiellen Kampf von neuem auf uud zwar in der ihm
eigentümlichen persönlichen Art. Die Bestrebungen des
Fürstenthums, die dieses im Kampf mit dem Ritterthum
leiteten, werden dem Pfalzgrafen persönlich beigelegt, der
doch nur das überkommene Recht vertritt: statt aus Rechts-
verhältnissen wird Alles aus dem persönlichen Charakter des
Mannes erklärt. So wird von dem Fürsten, den die unpartei-
ische Geschichtschreibung zu den besten seiner Zeit zählt, ein
Bild entworfen, das man auch ohne Huttens Hinweis neben
das Ulrichs von Wirtemberg stellen würde; und im Gegen-
satz zu dem Tyrannen Ludwig zeichnet sich Hutten selbst
als Vertreter eines idealen Ritterthums. Von diesem Stand-
punkte aus erscheinen die Persönlichkeiten der beiden Gegner
in einer Beleuchtung, die, ohne dass im Einzelnen Entstellungen
nachzuweisen wären, doch historisch falsch genannt werden
muss. In litterarischer und publicistischer Hinsicht verdient
trotzdem diese Schrift den ersten Platz in der gesammten
Litteratur des Ritterkampfes; denn neben der äusseren rhe-
torischen Form, die au Wucht, Schärfe und Beweglichkeit
1 Die bisher verloren geglaubten Schreiben haben sich im Archiv
tu Hirk»'iifeld gefunden.
2 Ulmnnn, Sickingen S. 231.
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fCkstknkrieo.
119
alle früheren deutschen Schriften übertrifft, ist es gerade der
mit der Naivität des Ideologen vorgetragene Grundgedanke
der Gleichberechtigung von Fürstenthum und Ritterthum, der
ihr die gewaltigste Wirkung verschafft hätte, wenn sie zu
ihrer Zeit an die Öffentlichkeit gelangt wäre: unter all den
Fehdebriefen und Klagschriften des Ritterthums hat allein
Huttens Ausschreiben an den Kurfürsten von der Pfalz die
Bedeutung eines 'libellus in tyrannos'.
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ANHANG I.
Während Böcking in der grossen Briofsammlung auch
nicht einen einzigen deutschen Brief Huttens aufzuführen ver-
mochte, glaubte er nachträglich mit einem Male deren vier
geben zu können.1 Aber genauere Prüfung ergiebt mit mehr
oder minder grosser Sicherheit, dass alle vier Briefe nicht von
unserem Ulrich, sondern von dessen Vater gleichen Namens
herstammen.
Am leichtesten und sichersten ist die Beweisführung für
die ersten drei Briefe, da sie den diplomatischen Weg be-
nutzen kann. Böcking giebt für diese Briefe ausdrücklich an,
dass sie von Huttens Hand geschrieben seien. Den Beweis
für diese durch keinerlei Vergleiche gestützte Behauptung
scheint das beigegebene Facsimile des zweiten Briefes dar-
stellen zu sollen.2 Man braucht dieses jedoch nur mit dem
Facsimile eines lateinischen Briefes bei Böcking selbst zu ver-
gleichen3, um einen Unterschied wahrzunehmen, der nicht
durch die wenigen zwischen beiden Handschriften liegenden
Jahre, sondern einzig aus der Verschiedenheit der Schreiber
erklärt werden kann. Noch klarer wird diese Beobachtung,
wenn man das deutsche Facsimile mit eiuem der sicher auto-
graphen deutschen Briefe Huttens vergleicht, die hier zum
ersten Male veröffentlicht werden. Schon auf Grund dieser
negativen Feststellung ist die Annahme gerechtfertigt, dass
nicht unser Ulrich, sondern der ältere Ulrich von Hutton zum
1 H. W. Suppl. 2, 785 ff.
2 H. W. Suppl. 1.
» H. W. 2.
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ANHANG I.
121
Steckelberg der Schreiber dieses Briefes ist. Ein glücklicher
Zufall ermöglicht nun auch den positiven Beweis. Bei den
Schreiben unseres Ulrich liegt im Birkenfelder Archiv ein
Brief, dessen Schrift genau der des facsimilirten Briefes gleicht;
und sein Schreiber ist unzweifelhaft eben jener ältere Ulrich
von Hutten zum Steckelberg. Will man sich also nicht etwa
zu der Annahme entschüesseu, dass Böcking auch die Identität
der Handschriften der drei Briefe unter einander mit Unrecht
behauptet habe, so ist zugleich für den ersten und dritten
Brief der diplomatische Nachweis ihres Schreibers erbracht.
Bei dem ersten Brief kommen auch noch inhaltliche
Gründe in Betracht. Da dieser vom 13. Februar 1513 datirt
ist und dem Inhalt nach in der Heimat, wahrscheinlich in
Steckelberg geschrieben sein muss, so würde man durch dieses
einzige Schriftstück zu der sonst ganz uugegründeten Annahme
genöthigt sein, dass Hutten seinen ersten italienischen Auf-
enthalt im Winter 1513 unterbrochen habe. Diese Folgerung
erschien bereits Strauss so bedenklich, dass er sich ihr durch
die Annahme ein Schreib- oder Lesefehlers zu entziehen suchte.1
Aber selbst wenn man sich entschliesst , diese Schwierigkeit
auf solchem Wege zu umgehen, bleibt doch iu einer bisher
übersehenen Stelle ein unüberwindliches Hindernis bestehen.
In dem ersten Satze nennt der Schreiber einen Bruder Fried-
rich: für unseren Ulrich jedoch ist kein Bruder, wol aber ein
Vatersbruder dieses Namens erweisbar.2
Von dem vierten Brief hat Böcking leider anzugeben
unterlassen, ob er von derselben Hand wie die ersten drei
Briefe geschrieben ist. Obgleich man aus dem Schweigen
eher für als gegen diese Annahme entscheiden könnte, muss
sich doch die Beweisführung vorläufig auf die inhaltliche
Untersuchung beschränken. Zunächst scheint für diesen Brief
allerdings keiu Zweifel an der Urheberschaft Huttens bestehen
zu können , weil er genau zu dem Bericht einer Erfurter
« 8traus8 8. 72.
2 G. Landau, Die hessischen Ritterburgen und ihre Besitzer,
Tabelle »u S. 346, und J. M. Humbracht, Die höchste Zierde Teutsnh-
Landes, S. 167 Vgl. auch oben 8. 89.
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122
ANHANG I.
Chronik passt1, den man bisher anstandslos auf unseren Ulrich
bezogen hat: wenn man nach diesem Bericht annimmt, dass
er schon in der ersten Hälfte des Jahres 1514 in Mainzischem
Dienst befindlich und thätig war, so wird man auch diesen
Brief, der wie jener Bericht einen Ulrich von Hutten in
Erfurt für Mainz thätig zeigt, unserem Ulrich zuschreiben
müsseu. Aber die Voraussetzung dieser Schlussfolgerung, die
Identificirung des Ulrich von Hutten der Erfurter Chronik
mit unserem Ulrich, ist schlecht begründet. Nach allen zu-
verlässigen Nachrichten ist unser Ulrich erst 1517 nach seinem
zweiten italienischen Aufenthalt in Mainzische Dienste getreten,
wie ihm dies nach seiner eigenen Aussage bei seinem ersten
Aufenthalt am Mainzer Hof im Jahre 1514 versprochen
worden war.2 Dass er schon vorher als Mainzischer Com-
missar verwendet worden wäre, ist um so weniger glaublich,
als er in seinen gleichzeitigen genauen Berichten über seine
Beziehungen zu Mainz hiervon nichts erwähnt und auch von
Seiten der Erfurter Humanisten, mit denen er bei seinem
dortigen Aufenthalt 150(5 in Verbindung getreten war, nichts
verlautet. Hingegen geht aus dem dritten der oben be-
handelten Briefe des älteren Ulrich mit ziemlicher Sicherheit
hervor, dass dieser schon Ende 1513 und zwar in Erfurt mit
dem späteren Kurfürsten von Mainz über seinen Eintritt in
dessen Dienste verhandelte.3 Hiernach ist man berechtigt
den Maiuzischen Commissar wie den Schreiber des vierten
Briefes wiederum in dem Vater unseres Ulrich zu suchen.
Würde man somit auf die hübsche Anekdote von dem ge-
waltsamen Rechtsverfahren für unseren Ulrich verzichten
müssen, so fiele andrerseits der ohnehin wenig gegründete
Verdacht Böckings, dass Hutten dem traurigen Richter-
collegium angehört habe, das den 'falschen' Pfefferkorn ver-
• H. W. i, 32 f.
- Hutten S 77 und H. W. 1, 43.
3 Allerdings fällt unter den Gründen, mit denen Böcking auf
Albrecht von Brandenburg als Adressaten schloss, die Verfasserschaft
Huttens fort; dafür muss man berücksichtigen, dass dieser Brief sich
mit dem ganz gleiohgearteten und sicher an Albrecht geriohteten vierten
Brief zusammen erhalten hat.
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ANHANG II.
1 2:5
urtheilte.1 Wonu gegen dieses Ergebnis eingewendet werden
kann, dass eben jene Anekdote vorzuglich zu dem Charakter
Huttens passt und ferner seine 'exclamatio in sceleratissimam
Joannis Pepericorni vitam' eine genaue Kenntnis mit dem
Hallenser Ereignis voraussetzt, so ist auf diese Einwände zu
erwidern, dass erstens die betreffende Charakterähnlichkeit
zwischen Vater und Sohn ebeuso begreiflich wie bewiesen ist
und dass zweitens Hutten die bezüglichen Kenntnisse sehr
wol durch ein damals sehr verbreitetes Flugblatt erhalten
haben kann.2
ANHASG IL
Eine Untersuchung über Huttens Wendung zur deutschon
Sprache darf nicht an einer neuesten Erklärung stillschweigend
vorübergehen, die bisher von keinem Kritiker beanstandet
worden ist. In dem Buche 'Von Luther bis Lessing' stellt
Friedrich Kluge auf Grund eines Fundes in der Jenenser
Bibliothek eine Erklärung jenes Vorganges auf, die er schwer-
lich für eine einfache Ergänzung zu Strauss' Ausführungen
gehalten hätte, wenn ihm von diesen mehr als die eine halbe
Seite gegenwärtig gewesen wäre, mit der er seinen Fund in
seltsame Verbindung bringt.
Der bekannte Stadtschreiber und Buchdrucker Jacob
Köbel hat im Vorwort einer 1519 erschienenen Schrift an
Hutten die Mahnung gerichtet, sein *hohe kftnst vn lere vnscre
teutschen zungen durch seyn Translation auch ynzugyessen1.
Hieran knüpft nun Kluge folgende Bemerkungen (S. 13):
lDieser vor der Nation ergangene Mahnruf, der vielleicht nicht
vereinzelt geblieben ist, dürfte auf den ritterlichen Humanisten
Eindruck gemacht haben; er rechtfertigt alsbald seine la-
» H. W. 3, 343 ff.; Strauss, 8. 74.
8 H. W. 3, 349 ff.
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124
ANHANG II.
tüinische Schriftstellerei, mit welcher er die „Kirchenhäupter
gleichsam unter vier Augen nahe warnen wollen". „Latein
ich vor gesebriben hab u. s. w.u So wurden conservative
Gemüther, die zu einer friedlichen Ausgleichung der Gegen-
sätze hin neigten, in die revolutionäre Bewegung gezogen,
welche jedem unabhängigen, jedem national gesinnten Kopf
einen gewaltigen Einttuss auf die Tagesfragen und eine bleibende
populäre Berühmtheit versprach.' Kluge hat augenscheinlich
folgenden Anfang des bezüglichen Kapitels bei Strauss mehrfach
missverstanden : 'Noch in dem Sendschreiben an die Deutschen
aller Stände . . . hatte sich Hutten als auf einen Beweis, wie
wenig es ihm um gewaltsamen Umsturz zu thun gewesen, darauf
berufeu, dass er bisher lateinisch geschrieben habe, um die
zu reformirenden Kirchenhäupter u. s. w.' Strauss hat diese
Vertheidigung nur angezogen, um zu zeigen, wie spät noch
Hutten seiner Meinung nach der deutschen Sprache fern stand;
Strauss hat diese Vertheidigung sicherlich ebenso wenig ernst
genommen wie Hutten selbst, der gewiss gestaunt und seine
Verfolger weidlich verspottet hätte, weun auch nur einer von
ihnen auf diesen sophistischen Beweis seiner Friedfertigkeit
eingegangen wäre und darauf hin den Herausgeber der Schrift
'de unitate ecclesiae conservanda', den Verfasser der 'Trias
Romana' hätte laufen lassen als — 'ein conservatives Gemüth,
das zu einer friedlichen Ausgleichung der Gegensätze hin-
neigte'. Mehr noch wäre Jacob Köbel, der überdies trotz
seiner Beziehungen zu Luther und Hutten der katholischen
Reformpartei angehörte, überrascht gewesen, hätte crjseinem
ästhetisch - philolologischen Verlangen die Wirkung zuge-
schrieben gesehen, jenes 'conservative Gemüth' 'in die revolu-
tionäre Bewegung gezogen' zu haben.
Doch Kluge hat nicht nur die Vertheidigung fälschlich
ernst genommen, sondern zugleich auch deren Inhalt verkehrt:
aus Strauss' Angabe, dass Hutten seine kirchenpolitische
Stellung durch den Hinweis auf die lateinische Abfassung seiner
Werke zu rechtfertigen gesucht habe, wird — eine Recht-
fertigung der lateinischen Schriftstellerei und zwar^auf Röbels
Mahnung.
Der wichtigste Punkt in Kluges Darstellung ist die
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ANHANG II.
125
Behauptung, dass vorzüglich Röbel Hutten zur deutschen
Sprache geführt habe. Eine solche Behauptung könnte wenig-
stens einen Schein der Berechtigung haben, wenn zwischen
Kübels Vorrede und Huttens Übergang keine anderen Motive
für diese Ereignisse zu finden wären. Nun hätte aber Kluge,
statt mit einem 'alsbald' über diese Frage fortzugehen, auch
nur die Folge jener verhängnisvollen halben Seite sich gegen-
wärtig zu halten brauchen, um die persönlichen und politischen
Motive aufgezählt zu finden, die thatsächlich den Ausschlag
gegeben haben. Neben diesen kann Köbels Mahnruf ebenso
wenig ins Gewicht fallen wie Schwarzenbergs Aufforderung zur
Catorevision oder Sickingeus Anregung zur Febrisüberserzutig.
Schliesslich noch die Bemerkuug,^dass* bereits in einem Auf-
satz über Röbel in den historisch -politischen Blättern für das
katholische Deutschland 1878, Bd. 82, die Widmung au
Hutten angeführt wird.
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NACHLESE.
Birkenfeld 12. Apr. 1520.
Ulrich von Hutten an Bernhard von Hutten.
Meynn dinst zeu vor lieber veter vff gester Oster
mitwoch bin jeh alhir geyu birckenfelt körnen vnd von meyner
basen so vyl vorstanden, das es der jungfrawen halben, jr
wol wist gar mit nicht vor mich jst. Nün solt ihr vornemen
wy es eyn gestalt vmb mich hat. Jtzo do jeh zu bamberg
bin gewest, der meinug bey dem bischoff dinst an zeu nemen,
jst mir schrifft von frantzen von Sickingen körnen, deß jn-
halts, er hab mir durch den bischoff zu lüttich, doch selbs
auch bey wesend, dinst bey dem Hertzogen ferdinando kor Mt
bruder zu wegen bracht, der hab eyn sonderlichen gefallen
ab mir, vnd sey seyu rat, das ich alle ding zu rück ge-
schlagen, mich eylents erheb vnd hinab körnend mich guedt^
hertzog^ anzceyg. Was meyn sold, stand, vnd beuelh seyu,
würd er frantz mich vnterweg^ wan jeh jm anspreche berichten.
Gibt mir vortröstüng dißer dinst werde gantz vor mich seyn,
myt er vnd nutz erschißlich darvmb ich mich erhaben, vnd
denck jtzo in eine reyten hin ab, was mir dan hernach be-
gegnet, wil ich euch zu seine> zeyt nit vorhält^, Vnd bitte jr
wollet jn mitler zceyt vmbsehen vnd gedencken, ab hie zcü
land etwas vor mich sey, off das ich mich nit jn eync) fremb-
deu art indtschlagen dörff. Wo jr dan etwas vornemet, so
wollet all vmbstend erfragen, vnd sehen, off was woge man
es angehen müsse, darnach mir sollichs zeu erkenen geben,
2C. Was jeh euch vud den ewern dan auch hernach an dem
oder andern enden libs vnd dinsts magk fügen, werd jr mich
gantz ewers gefallens haben. Ewern sprüch wüst ich gantz
I IUI . —
Anm. Für die Textgestnltung sind Böckings Grundsätze mass-
gebend goweseii.
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ULRICH AN BERNHARD VON HUTTEN.
12t
nit zü bessern, dan die reymen gar nicht dochten, Off das
euch aber gefallen widerfür, hab jeh die arbeyt daran gelegt,
vnd jn gleycher meynflg eynr* sprüch gedieht, den jeh euch
alhie lasse, mit bitt den je in keyne wegk vnter meyne namen
auß zu breytt^, oder jmants zu weysen, dan ir wol zu ermessen
hapt, was mir auß sollichem mocht erschis9en, So vordenckt
man mich an das, so bald etwas newes auff kümpt. So schicke
jeh euch auch eyne sprüch von kauffleut^ haben her hanß
v. Schwarzbergk vnd ich gemacht. Wenn ir dy ausschreybet,
so wollet je acht haben das jr nichtes darinnen vorwandelt,
dan die reymen seyn nach der kunst mit sylben gemessen
vnd lassen sich nit ander aussprechen. Als nemlich jn dissem
wo er dan fürchtend sollich bschwerdt
Seynn schaden fleucht, das recht nit gerdt,
Wenn jr hie wolt die worter vorwandeln vnd schreybt be-
schwerdt, vnd begerdt, wären die reymen vngleych vnd hett^ nit
iren gutt^ laut, der gleychen an andern orten, ic. frantz hat mir
geschrieben ko. Mt. werd in dissen meyen heratlß seyn. Sunst
weyß ich nichts newes dan das der frantzoß, venediger, vnd
bapst eyn new bündtniß haben zu samen gemacht. Hirmit
seyt got beüolhen der frist euch lang gesundt.
Dat^ zu birkenfeit meyn hand vff dounerstagk nach dem
heylig^ Ostervest jm jar je xx
Virich vom Hutt^ ?c
DEm ErnVesten bernhart vom
Hutten zu birckenfeldt meync lieben
vetern zu hand^.
[Huttens eigene Handschrift. Archiv zu Birkonfeld.J
Ebernburg U. Sept. 1520.
Ulrich von Hutten an den Kurfürsten Friedrich von
Sachsen.
Dem Durchleüchtigen Hochgeboruen Fürsten vnd hern,
hern Friderich Hertzoge zü Hachsen vnd Ohürfurston ic.
Entbeut ich Virich von Hutten meinen vnterth&uigen willigen
dienst.
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12S
NA ('Uli KSK.
JEtzo erst sych ich 0 Edler Fürst, das man den Römischen
tyranneii entgegen grymineu müß, ia ytzo erst, nachdem
vnsere freund die Romanisten, offt bruderlich vermäte, offt
mit darbrachten vrsachen vberdisputiret, wollen nitt alleyn in
den dingen do mit sie vnß bcschwern etwas uachlossen, sonder
ye mer, vnd mer vntersthen sye sich gätz trotzlich die frey-
licher dft sye hievor gepflagcn, zü. treyben. Villeicht hastu
wol gebort wie sie mich gefangen gen Rom fordern, vnd wie
billich oder jnen gemaslich das besehen verstanden. Aber
ytzo, hilft1 gott, wie ein vngestüme, wie ein grymmige bullen,
habenn sie wider Doctor Luther her geschickt.1 Fürwar das
ist ein rechtes lewen geschrey , dz die armsalige' schoff
Christi hörend, nitt als ein güttige stini jres hirtens erkennen,
sonder als gege einem blütdörstigen gral eines nachstellen-
den böstes erzittern. Dan der massen wütet vnd tobt der
bapst Leo,2 in seynem zorn, das ich keyn füßstapfen Christ-
licher miltikeyt, kein anzeygens d' Aposteln sitlicheyt bey
jnen finde. Vnd am meynsten erscheynet seyn grimikeit
wen er (als offt in gedachter bullen) sich selbs birget, 3 vnd
ein erdichte gütte vfl gütwillikeit fürwedet. Als nämlich an
de ortt, do er de |* Luther ge Rom erschmeicheln vnd'stet,
als ob wira nit vor wüsten wie er vns halten werde, wo
eynweders Luther von jm mit gütten Worten vberschwätzt
gen Rom käm, oder b ich mit gewalt0 do hin gezoge würde.4
Hyrumb will Luther meynes ratzs volgen, sol er nymmer
in den gewissen todt gehen. Aber meinet halben wundert
mich vast, wer denn Rapst überredt, das ich so leichtlich zü
fahen, vnd gefangen vber das hoch, vnd schwerlich zü er-
steygen gebirg hin zü füren sey, ob er das schonn vermocht,
so gehört doch je keine hirtö zü, 5 seyne schaff ermorden,
einem bischoff oder stathalter gotes, seynen nechsten Christen
menschen vnbeklagt, vnuerhort, on gericht vnd recht mitt
grymm vnd gewalt zü der marter vnd dem todt nemmen.
1 Bapstlich bulen wider doctor Martin Luther. *• ob ir wir.
a Griramung vnd wuttag des bapst. b- odet.
3 Vuie der bapst seyne bösen willen zu bergen | bilgera] melt [meitj.
4 Dein bapst nit zu glauben. c- gewalr.
6 Kyne« birtcMi oder bisohofT [ bischoff j nmpt. * i'iijl».
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KLAGSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 120
So habenn wir* nichtes vbcls gehandelt,1 mä gibt vns auch
keynes lästere schult, sonder voruolget vnß vmb das wir die
Ewangelischen warheyt, vormals lang zeit von den bäpsten,
vmb gewinstes, vnd jres eygene" nutzes willen, auß gebrauch
gesätzt vfi nahet gätz abgetilget, wider zü jrem weßen vnd
dem lecht zä bringen vnterstandeu , vnd nitt haben leyden
mögen, vnser vatterlannd Teütsch Nation, der doch vor andere
allen freyheit gebürt, in gefegnüßb vnd dinestbarkeyt gesatzt
werde. Disses hat dem bapst mißfallen , aber gott behagt,2
der verdampten deß Römischen stülcs geytzikeyit schaden
bracht, aber vnsermc vatterland, das lang her seiner freyheit
beraüpt gewest zü schelbarlihe nutz vild fröme gericht.2 Nu
möge" wir nit in de wir got thiene wölle, d* begirlichheyt
eines yden sundtliche menschens zü gefalle vnnd in dem wir
gemeynen nütz deß vatterlädß ra |* ten dar neben auch der
Romanisten willes8 gelebe. Hierumb mögen wir mit jnu keynen
friden habe, dan sie kriegen wider die warheyt/ Darumb
sag ich wie vor, ytzo mflß jm entgegen gestalt werden, dan
ytzo ist jr rauberey am gröste, ir mißlebe vnd vnfrökeit vffs
höchst auff gestigen. 3 Vn nit allein auß der vrsach , sonder
auch die weil es als mich bedunckt, zeyt ist, das got (als
der Prophet sagt)4 den hochfertigen der do stöltzlich steigt
vber die schwellen deß gottes hauß, vnd erfüllet das mit be-
trug vn vngerechtigkeit, besuche vfi rechtfertige, vff dz zer-
knütschet werde, dz krentzlin d' trückenne vö Effraim.6 Fürwar
mich betriegen da" alle meinne synn, ist es nit weyt dar von,
das (als im buch der heymlichen Offenbarungen geschriben) fi
nider falle die groß stat Babylon ein müttcr aller buberey,
schand vfi laster der weit, die durch abwerffung irer schäm
vnd eren, hat die gantzen weit geergert. Jch meyne den
stül zü Rom, wie wol der aller schandt vnd vnreynigkeit vol
mit allen übelthätten, bößheiten vnd argem leben verwickelet,7
1 Luthers vnd Huttgs sach. *• mir.
* Oott vnd de bapst thinne b- ingefegnüß.
$ Der Romaniste sach ytzo am höchsten c- vnsetm.
4 Sophonias.i. d- vn vor schelbarlihö.
5 Bsaias. .xxvüj. «• willes.
6 ApocajLvij. t werheyst.
7 Der stul au Rom. * e iiij a.
QF. LXVIL 9
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1 30
KACIILKSK
sich gantz weyt außwondig von Christi lär holt, wil doch an
gotcs statt geacht, vnd allein ein haupt der gantzen kirchen,
vrl ein oberkait aller Christenheyt geuennt* sein, vn weyset
vns seinen abgot, den gekrönten bapst.1 der wiewol nichtes
mer da weltlich regierüg, zeytliche reichtiunb , vnnd W ol-
lust deß körpers achtet, auch vmb dorn willc krieg füret, vn
blütt vorgeüßt, wirfft er doch für die äugen Christ glaubiger
loütt, seynne Schlüssel, mit de er die hymmel auff züb schlissen
vernieit,2 vn sich des selbige gewalts also mißbraucht, j* das
er vns heylig, geystliche, vnd hymelischc ding taglich vmb
gelt verkaüff't, auch etwan der selbige gebraüch,3 so offt jin
geliebet, frommen Christo verbeut, vnd benympt. Fürwar er
wirt fallen, er würt ye falle. Vnd ist mir gleich als ob ich
ytzo horte, die stym in Apocalypsi,4 die vns wider das vil-
köpticht thier reytze, sprechend, Gebt jm wider nach wert
seiner gaben vnd zwifaltiglich gebt jm belouüg nach seynen
wercken , das getrenck es euch gemischt das mischet jm
zwifaltiglichen wider.5 Als ser vnd stöltzlich0 sich erhocht, vnd
in wollust gelebt, also brengt es zu peyu vnd iamerlicheni
leyd. Dä es hat in seynem herzen gesprochen, ich sitze ein kü-
nigin, bin nit ein wittib, vnd werde nyemer trubnuß erkennen.0
Eindt weder dißes wirt sich ytzo begeben , oder aber mich
betrügt ein so ebene vergleichung als ich nie gesehen. Auch
so seind diße ding vffs höchst auffgestigen, vfl mögen höher
nit kommen, der halben zu achten, das sie fallen werden.
Wer sol aber jr jnne räch geben? Wer müß das böß
regiment vnd mißleben straffen, vnd in besserung setzen?
Wirt es got thttn?7 Ja er würt eß tliil , aber wie er oft't
hye vor gethau durch die hend der mentschen. Jn weihe euch
Fürsten gebüren wil,8 vnns mit rat vnd hilff züuorsehen,
znuorau dir, als vff den geerbt ist, der teütschen freyheyt
1 Der bapst ein abgott *• geneint.
2 Des bapstet» angenomner gewalt. zu.
J Des bapstea angenomener gewalt. r- stotzliHi.
4 Apoc.xviij. * e iiij b.
,; Huttens meinung vnnd glaub.
7 Gottes straff
* Der furstnu gebtir.
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KLAGSC1IKIFT AN DEN KUKKÜKSTKN VON SACHSKN. I H
wider zubringen. Ilirumb duck wie du dissen dingg ratgebest,
in wz wegs, mit was anfangk, denn sachen zü helfen sey.1
Wolt gott eyndtwederß der müt wer bey eüch, die jr macht
habt, od' aber wir bey den müt ist, hetten die macht,2 das
wir nebe de vnschuldige lumblin, dem selig macher des
menschlichen geschiiehtos , möchten kriegen ge |* gen dem
gehörnte thier, dz aller Christenheit beschwerlich vnd schäd-
lich,3 mit aller macht anficht die warheit, bekömert die hey-
ligen, vnterdruckt mit gefengnus die freyhen, beuimpt vns
vnsere guter, vorschlindt vnsere naruug, ergert die gemeynr
sitten , läßt sich anbette von denen, deren namen nit ge-
schriben stund in dem büch des lebens. die selbigen sagen
vns. Wer mag sich mit dem thier verglichen? oder wer
gedarff wid' dz kryegc? Hyrumb, wolauff ire die macht habt,
kompt d' gemeyn zü hilff. lasszet vch ewere macht mit vnserer
künheit vermischen, vn zü same thün. Dan wo das geschieht,
mag dem gemeyne gebresten geholfen werden.4 Als vil
in mir ist, wil ich mit güten vermanungen von eüch nit
lassen, sonder alzeit fleyssigklich anhangen, bitz so lang ich
entweders sehe frucht darvon komen, od' aber wisse das ich
vorter mer kein vnnutz arbeit an eüch lege solle. Dan so
bald ich das vermercke, mag ich darnoch vff andere weg, vns
zü helfen trachten. Jr sollt aber daruor sein, dz solichs nit
vö uöten werde. Dan ir das wol vermöget. So wil eüch übel
nach geredt werde, das yemant and's dan ir, de dinge dere
ir häupter seyt, hilff bringe.5 Xit allein wir, die icli yetz
vennane, trage dieser ding beschwernussz, sond' alle Teütschen
in gemeyn, dencken die Komanisten irer freyheit zü berauben,
vn in verderbnussz zü siitzen. Dißer zweyer, solt ir dz erst
nit leyden, als freye Teütschen. Das and' verhüten, als
vnsere fürsten. Etwan zü Rom pflag der alt Cato zü sprechen,6
man solt die oberste eines regiments mit steynen außwerfen,
' * fia.
2 Apoca.xvij.
3 Der Bapst
4 Hutten vuil mit [nit] vermuiiüg Anhalten.
5 Das dises ein gemyn sach aller teütschen
ß Cato der nit
'.»*
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l:*2
NACHLESE.
die wol mochten vnd doch nit verhüten da« yemants gewalt
geschah. Dan dißes meynt er von nöten sein, wo man wol
regiere wolt.1 So ist es ye vnzimlich, übelständig, vil schand-
licli , ein Nation die über alle weit regiere |* vnd herrscheu
sol, yemäts dienstbar gefundeu werden, ich geschweyg, d'
müssigghede vnnutzö pfaffen. Wolt gott die Türcke herr-
schten ec über vns.2 dafl die Türcken seind doch redlieh
leüt, streng, Btarckmütig, vnnd der kryeg so verstendig, als
man yergett ein nation finden mag. Hyerüb wo wir de
selbigen vnterworffen , mochten wir doch dem glück (das in
kryegen vil vermag) die schuldt geben. Vber das, so regieren
auch die Türcken miltigklicher, dan die bäpst, halten bassz
gerechtigkeit in ireni regiment. So hör ich auch, sye kryegen
nit vmb des glaubens willen, sonder vmb das sye eer er-
werbe, vnd ir gebyet weyteren.3 Aber diße vnsere herren,
halten kein massz in betrigen vn beraube. So möeht d' glaub
tieffer nit verdruckt werden, dann wenn die fürsten der geyst-
licheit, in allen dingen der leer vnd gesätz Christo, auch
warer geystlicheit entgegen leben.4 Offt schäm ich mich
des teütschen namens, wen ich hör, das der bapst eüch
fürsten sein gebott, das er dan so offt im geliebt .vn sein
nutz ist, thüt hyeher senden, vn ir seyt im gehorsam.5 Wie
wol du allein dich nechst fürstlich bewisen hast, do du dem
Luther von allen verlassen, zu enthalten vnterwunden. vnd
wirtst gesehen0, noch ein füncklin alter b tugent der teütschen
bey dir haben, voun welchem ich hoffe, werd sich noch ein
grossz heylsam fewer anzünde dz ich dich flehelich bit, lang
thün wölst. nit allein darumb dz es vö nöte, sond' auch vni
dz wir sollichs zu keinem and'n fürstP billiche verhoffen.6
Dali alweg sein die Sachsen frey vnd vnüberwindtlich ge-
west. vnnd offt weil gantzes teütsch land ist bezwunge ge-
west, so haben die noch widerstridt , vnd seind allein die
Sachsen, unter allen andern teütschen, die nye einem auß-
1 TeütschC läd gebürt freyheit «• gesehen.
2 Die Türcken. b- aller.
5 Der bapst regiment. * f i b.
4 H. Schämet sich des teütschen namens.
6 Herrzog Friderich
6 Lob der Sachsen.
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KLAGSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. UIH
lendige hern» vnterworfen, nyc kein joch getragen od' be-
zwanck j* gelitten. Jn sollicher rechnung, gib ich eüch die
Westphole auch zü, vfi die man vor zeitö Cheruscos vii Caucos
hatt genendt. Die selbigen haben sich übcrauß redlich vnd
erlieh beweisen in dem Römischen kryeg, den etwan d' koyser
Octauianus mit vnsern vorfaren gefürt. Von jnen ist auch
herkommen, der aller vnüberwindtlichst, vnd starckmütigst
heldt Arminius 1 (welchem gezeügnussz vnuerglichlicher tugent
vnd eeren sein eygeue feynd geben) der nit allein sein ort,
gebyet vnd vatterland, sonder die gantzen teütschen nation,
vö den hendr» der Romer, vff die zeit, so sye am aller
mächtigsten vnd in der bluet irer herrschung waren, erlößet
vnd wider in freyheit gesetzt, den Römern grosszen vfi vnuer-
glichlichen schade zugefügt, sye zü letst gestrenckiich ver-
jagt vnd außgetribe.2 Was mag nun wol derselbig heldt, in
jhener weit sagen, wenn er sieht vns teütschen, über die er
doch die Römer etwan, do sye redtlich vfi adenlich leüt vn
herren der gantze weit wäre, nit gewolt herrschen lassen,
den weychen zarten pfaffen, vnnd weybischen bischöffen vnter-
worffen seind?3 Fürwar er würt sich seiner nachkömende schä-
men. Was seindt dafi die drey keyser Otthen für leüt gewest ?
Vnd etliche keyser Heinrichö die ewers geblüts. Auch hat
sich, was Sachsen für leüt seind, in dem kryeg, den sye
etlich vfi dreyssig jar gegen dem grosszen Carolo gefürt bc-
wisen.4 Dan vff dz selbig mal habe sye scheinbarlich irer
macht vn tugent anzöigung gebe. Es seind auch Sachsen
gewest, die zürn letstö die überbliben Gothen abgetilget habe,
die Engellant bezwüge,5 vn nach außtreibng d' inwöer ein
newes volck auß jn darein gesetzt, dio sye Engellischen vn
Schotte genent haben.6 Wz sol ich sage vö den alten Cymbrc vü
Teütonen , die seind vor zeitö nit on grossze verdörbliche |**
schaden, der statt Rom, auß Sachsen in «Italien gezogen7. So
1 Arminius der aller stärokest Teütsch. * f ij a.
2 Vuie uuir teütschen vns geergert habe [nahe]. ** f ij b.
3 Den uuibischg pfaffen nntervuorffen sein.
4 Karolus Magnus.
5 Die Gothen.
* Engellender vnd Schotten.
7 Saohsen in Italien.
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NACHLESE.
ist auch nachmols offt ewcre nation in .Italien geruckt, das
geplündert, vnd der glichen Gallien verwüstet, die Hispanier
angegriffen. Auch habt ir dapfere that gegen den Polen geübt.
Dein landßknecht haben auch grossz lob erworben, vnd schont?
überwindtnussz erstlich von den Hünen, darnoch Yngern bracht.
Vil wil ich yetzt nit verzelen. Dan eins ist genüg, das allein die
Sachsen nie keyne außlenderu vntersvorfen gewest.1 Das stot
eüch wol zu bedencken. vff das nit ewer alten (die sollich
leüt gewesen) ire tilget au eüch schwinde* sehen. Jr habt sye
hyeb vor, so wol als wir andern vö den Bapsteu überschwätzt,
dz joch der dienstbarkeit vff eüch auch genömen.2 dieweyl
dz aber, als für ein gemeyne plag vfl straff christliches voleks
zü achten, möcht ir die selbige nachred6, mit einer neweu eer bald
abtilgen, wo ir werd sein anfängor vnd forderer, einer erlichen
vnd loblichen sacheu. das durch eüch teütsch Nat-iö wider
in freyheit gesetzt werd, vnd zü ir selbst körne, die noch
yetzt (dz gott geklagt) nit versteht, vfi leyder nit mercket
mit wz vnbillicher beschwerde sye belade.3 Dafl wiewol
all«1 menschen bezwanck vnnd dienstbarkeit übel anstcndiga,
so ist doch zü vor an schandtlich , das die allen andern ge-
biete sollen, yemant mit dienst vn pflichten vnterworfen sein.4
Hyrumb solten wir teütschen, entweders vus den titel des
Römischen reychs nit züschriben, vnd alhye einen Keyser
wolen,5 der allein den namen, so er von der sache weyt ist,
habe, oder aber mänlich die Bäpstliche tyräney ablegen, vnd
ehe wir andern gebieten, vns zü vor selbs frey machen. Plato
sagt,6 alle tugent sey frey, vfl allein die bösen seyen dienst-
barkeit würdig. Wolle wir nun lieber vnd' de bösen gezelt,
dafl für tugcn tsam geacht werd j* en? Wen der streng haubt-
man Themistoclos noch lebte,7 möcht er wie vor zeyten, denS
von Eretria, also auch yetzo vns Teütschen sagen, ir habt
das schwort, mangelt aber des hertzen. Dan es ist vast die
1 Einig lob der Sachse «• winde.
2 Ein gemeyn plag der Christenheit. b hye.
;* Vnser tcütsohen Schunde «• nachfrid.
1 d- aanstendig.
5 ein tcütschcr keyser * f iij a.
• Plate.
7 Themistocles
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KhAGSCHKIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON SACHSEN. 135
selbig mcynng. darinnen ich mich ser verwunder, 1 was doch
ir Hörsten gedenckent, wen ir mich einich arme edelman seht,
mit vngedult diße vnbillikeit leydeu. Dan vil mer solt bey eüch
solliche sorg sein.2 Hetten deine altern alleweg lob zu erwerben
cingenömen vnd besatzt, also das dir kein vrsach oder be-
quemnussz eer zü erlange über blibe war, mochtest billich
weynen. Sye haben dir aber den aller breytsten vn frucht-
baresten züganck offen gelassen, hyrumb dir den on weytter
harre od' bitt an zäfallen vnd einzünemen gebürt0. Vnser
fursatz kan aber nit wol on schwertschlagk vnd blüt vergiessen
fürganck haben.3 dz gib ich den zü besorgen, die vnsz b irer
Verfolgung vrsach geben, wiewol die vast würdig seind, zü
letst mit dem schwert geschlagen werden, damit sye so lange
her andere geschlagen vn gemordt haben. So pflege die
weißen Ertzte, schwer kranckheiten mit bitterer ärtzney auß
zü triben.4 Also müssz man auch hye thün, wo vif andere
weiß nit mag geholfen werde. Jch acht das ich dir vö schimpf-
licher nachred vnnd schmach die wir in dißen dinge leyden
müssen (das ich dan billich zü forderst gethan) genüg gesagt
habe, von dem schaden vnd nachteyl den vns Kömische
tyräncy bringt, darff ich nit lang wort mache. Daß yeder-
man wie dz gestalt bey jm selbst ermessen kan.5 Wir sehen
das wir nahet kein golt, noch silber mer in teütschen lande
haben. Jst aber noch etwz hye, dz selbig dem allerheyligstcn
stÜl zü Rom mit vnsprächlichem grosszem geytz, vnd täg-
liche new erfunden künsten vnd listen, zü jm. zyehen. vnd
wefi er das daü |* also an sich bracht hatt, zürn aller hosten
gebrucht werden/' Dan ob ir teütsche wolt wissen was doch
vnser gelt zü Rom machte, wil ich eüch des, so vil ich ge-
sehen, auch berichten. Es thüt wol etwz. Dan ein teil zer-
strewet bapst Leo vnter seine neue, vettern vnd fründ, der
er so vil hat, das zü Rom ein geineyn Sprichwort ist." Bapst
1 Teütsche fürsten gebürr.
8 KrmanUg zu Hertzog Fridorichen b- vssz.
3 Vuie ein reforiiiation gescheen möge * f iij b.
4 Gleychuus8z uon den Ertzte
s Schaden uon Ko. tyranncy
* Vuie die Rö. unser gelt brauchen.
7 Des bapstes früinle.
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136
NACHLESE.
Leonis freünd. ein teil verzeren also viel hochwürdigsten,
der Leo vff einen tag .xxxj. hat gemacht,1 also vil Referen-
darie, Auditores, Prothonotarie», Abbreuiatores , Bapstliche
Cäntzler vnd schriber, des bapstes kämercr, Official, vnnd der
glichen andere, die fürnämsten der Römischen kirchen. Welche
darnoch weyter nach jn haben andere ämpter vnd dienst die
auch mit grosszem gelt erhalten werden müssen, das seind
Copisten, Pedellen, Leüffer, Koch, jnkeüffer, Außkerer, Esel-
krätzer, Stallbüben, ein vnzälich schar Hüren und büben, vnd
ein grosszes hör d' ruffianer.2 Solliche halten hund, pferde,
merkatzen, aflFen, vnd ander gethir von lust wegen. Etliche
bauwen heüser von eytel marmelstein, essen und trincken
reylich vnd wol, kleyden sich kostlich, vnnd on allen abbruch,
was zü ires leibs nit allein notturfFt, sonder auch lust gehört,
schaffen sye jn zü guten rüwe.3 Die Sum daruon zü reden,
findt man alzeit ein vnaußsprechliche grossze zal böser, vn-
flatiger, vntüglicher leüt zü Rom, auff vnser gelt müssig gehen.4
So denckt zü Rom niemant vff göttliche oder geistliche ding, ja
mä veracht die, vnnd mer dafi bey dem Türcken selbs ge-
schieht. Vnd sein der Römer werck, betriegen, auffsatzen,
mit Worten wercken gewin süchen, vn gemeynlich ist ir aller
sin vnd gedencken, wie sye nur \T> vns teütschen gelt bringe
möge.r) Jr leben ist allein wol essen, trincken, vnnd (ob schon
mit grosszem kosten) alles leiblichen |* lusts pflegen, das sye
dafi mit vnsermb gelt ausfüren c. Zü dißem gebruch schicke
wir järlich ein großes gelt geyn Rom, vnd wollen noch nit
verstehen vnd mercken wie übel das angelegt, vnd das es also
gar verloren ist was wir do hin gebe.6 Wicwol nit dz ärgest
zü schetzen das es verloren ist. noch bößer achte ich, das
es zü anrichtüg vnd stifftung vnsprächlichs grosszes Übels
kompt. Hyerumb wo aller teütschen meynung wär, etzlichen
alten Philosophen glich zü leben, vnd das gelt hinweck werfen,
1 Di© Rümiachö ämpter. «• Prothonatorie.
8 Köstlich leben der Romanisten. vnsern.
8 Müssigganger zu Rom. c- ausfürom.
4 Oeystlieheit zu rom • f inj a.
& Der Ro. leben.
* Das uuir mit unserem gelt schand uD übel stifften.
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KLAU SCHRIFT AN i)KN KURFÜRSTEN VON SACHSKN. 137
so stossen grosszc see vnd mör au teütsch land, es sindt auch
grossze wasser vnd flüssz, alhye bey vns der Meyn weyter
hinüber der Rheyn, dort bei euch* die Elb, vfl andere der
glichen, werffen wir das selbig gelt da hinein, vnd verlieren
das selbig lieber, dann das wir sehen wem es bleybt. Die
leüt vmbs gelt wille verlöre" werden, dieweyl wir alle schand
vfi laster zü Rom domit enthalten vnd ernert,1 vnd die sel-
bigen so überflüsszigklich, das etwas vonn dannen her zü vns
reicht, dardurch wir Zerstörung gtiter sitten, vnd ein gemeyn
ergcrnussz menschlichs lebens vnter vns sehen. Es ist aber
nit von nöte das wirs gelt hinwerffen. Allein wer güt, das
wir das vö vns zü andern nit kommen Hessen.2 Das war
dz erst vnd beste werck, vnnd nützlichst vnd verfängklichste
weiß die Römische tyrannney zö zerbrechen. Dann fürwar,
so bald wir die narüg ires überflüssigen vnkeüscheu lebens
hinweg genome, werde sye sich mind' erheben, vnd würt
als dafi bassz mit jn zü handien sein. Darnoch müsse wir
vnter jnc etwa ] eine grosszmütige haubtman als Keyser Otho
d' erst gewesen ist, Rom bestichen3 der Romanisten regiment
weiß vnd leben erkfnen, jnen ein ordenüg machen, vil <V
bösen außtribe, vfi ein wenig |* gütter an die statt setzen, den
selbigen beuelhen das sye irer kirchen vnd geystlicheit
warten, nit landt vnd leüt regieren.4 Den Keyser (wo er das
anders sein wil) widerumb in seine still zü Rom setzen, den
Römischen bischoff in die rechte gewaltliche ordnüg bringen,
vfl schaffen, dz alle bischoff widerüb gleich seye.5 Den
geistliche hye bey vns ire zinß vnd rendt minderen, vff das
sye ein mässzig nüchters leben füren mögen. Sye auch vff
ein geringere zal bringen, auß hundert einen bleyben lassen.
Was sollen wir aber mit den, die wir Münich nenne, machen ?6
Was and's dafl wie alweg meyn meynung gewesen, alle mü-
nichs örden zü gleich abthün.7 Do ist zü bedencken, was
1 Vuie gros ergernu8 uon Rom herauaz. »• auch.
* Vnie die Rö. Tyraney zu benemen sey. * f iiij b.
3 Rom visiteren.
4 Der keyser.
5 Die geistlichen reforniiren
• Die münich
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138
NACHLESE
nutzes vnd was Fracht, wo solichs beschäh, daruon körnen
möcht.1 Erstlich, weil so vil secte, so vil vnterschidlicher
leben, so vil Orden, die sich vnter jn mit nicht verglichen,
abgethan, vn auß allen widerumb ein gleichmässzig weiß vfl
gewonheit einbracht, wirt aufFhören aller heymlicher vergunstv
der gemeynn hassz vnd neyd, so ein orden gegen dem anderen
hat, vn wirt nit mer vrsach sein, zwcytracht vnter jnen sich
zü erheben.2 Werden all einen herren Christa haben, vnnd
vnter dem werden wir einhellig sein, vnd in Fridsamcr ver-
sünung einträchtigklich leben. Ynter vns Christen wirt ver-
glichung vnd einigkeit sein. vfF das wir desto bassz nebe"
de vngläubige" abgesünd't vn vnterschidlich erkänt werden
möge.3 Dafl werde nit mer die weychen wey bischen wol-
lüstiger, noch auch die geytzigen geldtsüchtige Wucherer, als
yetzo, noch geistlichen lehe trachten. Man würt die Frömen
vnd gelerten darzü erwelen. vfF dz sich and' leüt, irer gütten
beyspiel", am lebe, irer predigen vn vnterweisung, an den
sinnen vnd vernüfft besseren mögen. Darnoch (das wir all
vornämlich begere |* sollen) werden ein end haben , so vil
gleisszner, die yetzo dem gemeynen v61cklin yemer Falsche
glantz Für gebe, sich Frömklich erzeygend, der armen schweyssz
vfl blüt auß bettlen, yederman außlere, sich erFülle. vnter
einer angenömen scheyn der geistlicheit, liegen, bctriege vnd
auFs^tzen.4 Dann sichstu nit, wie vil grosszer höben, vil
dückenschcr bößwicht, sich vnter der münichs kugelen ver-
bergen, vnd ofFt grossze schand vnnd schalckheit zä richten?
Sichstu nit wie vil listiger vfl reytzendcr geyer der vnschul-
digeu taube eiuFaltigkeit betrüglich an sich nemen? Wieuil
gnmiger wölfF der vnschuldige gedultigen schäFfliu vnschuld
Fürwende.5 Semd aber etliche schö nit eins bösen willös vnter
jn, die selbigen doch in iremb aberglauben, halten ire eygen
vnd menschliche gesätz vnd stifFtung also strengklich vn vest,
das syo vnter deß, von Christi vnsers herren leer vnd gebott,
1 Vuiw uon solliohcn nutz bequänie. a- beyspeil.
2 Einigkeit unter den Christen. b- iorrn.
;' Besserug der geistlichen. * g i u.
4 Vuas offt unter den kutten.
r' Aborgliiub dor munieh.
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KLAUSCHRIFT AN DEN KIKFÜKSTKN VON SVCHSKX. VW)
sich nit cid wenig absündern vnd trcnen. Wo nun solliehe
vetzt in einer kurtze erzalte beschwernussz, vö de dißer nation
giitter ye mer vn mer veretzet vnnd nahet gar verschulden
werden, abgenömen, vnd den Romanisten die ire rauberey
getrage, vnd entgegen gehakt» würde, möcht ein vngläub-
lich grosszes güt vd gold vn silber bey vns teütschen bleyben.1
Des sey nuu vil oder wenig, so woltc wir doch mit
dem selbige, wie vil oder wenig das war, etwan einen
bessere" nutz schaffen. Vn villicht würd geraten sein, das
wir Sollichs gelts ein teyl zü erhaltung, eines stets bereyten
vn verordnete kryegs volcks braucheten, damit man das Rcych
beschirmen vn auch mere mocht*, od' den Türcken bekryegen.2
Do würden vil armer gesellen, deren sunst ein teil armüts
halben raube vfl stelen, vonn einer redlichen belonung zü
leben haben.3 Mau möcht auch sunst vil armen leüten, mit
stewer vfl *almüß der gemeyn zü hilff körnen, ein teyl möchten
wir wende zü ernärung vnd besoldüg gelerter leüt, von den
die tugent in der schriff't vnd güten künsten vff erzogen würde.4
Die sum dar vonn zü reden, wo sollich gelt bey vns bleibe,5
mochten wir hye die tugent belonen, dardurch man zü wol-
that gereytzet würd, vnnd der heymischen bedürfflicheit zu
stewer kommen. Als dann würden auch die trägen, vü vn-
nützen mfissiggenger nit statt habe, würd vil betrüglecheit
hinweck genöme. So bald dan Bohemen das ersehen,6 würde
sye sich zü vns schlagen , vnd in alle dingen mit vns übereil}
kömen. Dan biß her seind sye, vmb das sye irem künig-
reich vnd land zü güt wid' geytigkeit der geistlichen gehandlet
hatten, vö vns abgescheyde gewesen. Der gleichen auch die
kryechen,7 mit vns über ein körnen werden, die dann ein
lang zeit bitz här, dieweyl sye der Romanisten tyranney nit
haben leyden mögen, noch wollen, durch anrichtung vnd
1 Vuie teütsch lud reioh uuerde niöoht. a- möcli«*.
* Ein stets bereit kriygsuolck zu halten * g i b.
3 Armen leüten helffen
* Gelert leüt zu besolden
" Behenien
1 Kryechen.
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! 40
NACHLKSK.
gewaltsam der Bapst, vor abgesünderten, vnd vö der kirchen
abgeteylten gehalten sein. Zü vns werden auch tretten die
Reüssen,1 die das auch nechst gethan hetten, wo sye nit vö
dem Bapst,2 der ine vier mal hüdert tausent gülden järlich
gen Rom zü geben , abfordert verjagt vnd abgestelt wären.
Mer, würden vns auch die Türcken weniger hasszen,3 vnnd alle
vngläubigen würden vortau nit vrsach haben vns zü ver-
achtenn, oder schelten,4 so bitz her, das schandthafftig leben,
der jhenen, die vnßer geystlicheit fürsten vn regierer sein,
de Christlichen nammen bey allen vuglaubigeu verhasszt ge-
macht hatt. Wo aber nfi obgemelter Vorsatz eine außgangk
gewinnen würd, müst man auch sprechen, wir hettö das be-
kömort sanet Peters schifflin angefochten,5 die heylig Christ-
lichen kirchen zerstört, vnd (als schon |* yetzt die kirchendie-
bischen Romanisten vnd trunckene vollen pfaffen außschreyen
vnnd rüffen) den vngeneheten rock des herren zerrissen.6
Oder aber mÖcht man billich sagen, wir hetten den Christen
glauben durch züzyehung oben angezöigten völckorn vnnd
nation, auch besserung gemeyner sitten, hinwecklegung d'
ergerlichen vnd wcyt vmb sich verletzenden reüdigkeit ge-
reyniget, gefordert, vnd gemört. Darauß magstu erkenen,7
wie gar nit mein fürnemen ist, Christliche lieb vnnd einigkeit
abtilgen, sonder die selbigen durch ablegung alles des, so
engegen ist, statt machen. Das ich auch nit dencke die kirchen
zü erstören, sonder durch außtreibug des betrüglichen auf-
sätzigen Entchrists,8 den frommen Christlichen vnnd gelerten
geystlichen, einen zügangk schaffen vfi anrichten. Das würt
sein,9 rechte früntliche lieb vnnd einigkeit wider bringen, den
glauben meere, die kirchen besseren, vnnd nit allein der
» Reussen. * gij «.
2
3 Turoken.
* Xuoh bis her uns Christen uerhasszt gemacht.
6 S. Peters schifflin.
ö Der rock des herren
7 Ob Huttens uorsatz gut oder bösz.
8 Endtchrist.
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KLAGSCHRIFT AN DEN KURFÜRSTEN VON* SACHSEN. 14!
ga ntzen Christenheit in gemeyn raten , sonder auch darneben
vnserem vattcrlandt, eine grosszö vnuerglichlichen nutz vn
frömen schaffen. Die sich in irem leben gegen ein ander
verglichen, vnter den mag sich bald lieb vnd freüntschafft
erheben.1 So bald dan abgetribe werden die vnfruchtbaren
wespen, vnnd humelen die honig essen, machen aber keius,
werde herzü fliehe die honig machede byeulin, vnd vns die
verwüsten byen stock widerüb anrichten vnnd bauwen. Als
denn würt ein wäre geystlicheit sein vnnd in grosszer Sicher-
heit bleyben.2 Dann do würt nit sein anreytzung zürn
bößen, die man vorhin vö überflüsszigkeit vnd richthümb ge-
habt. Vnnd dieweyl sye die geystlichen von dem vnkeüschen
boßen leben abgewendet, worden sye auch inH irem ange-
hörenden wesen vortan nit also nachlässzig, träg vnnd ver-
seümig sein. |* Diße ding zu volbringe, wünsch ich dz entwed's
ir wölet, das ir wol vermügt, oder aber ich vermög das ich
gern wolte.3 Mag ich euch aber nit bewegen, vnd sunst auch
kein fewr, darin die widerwertigen ding verbreneu, anzünden,
so wil ich doch so vil an mir ist, mich herin als ein ge-
hertzter wol gemüter Edelman beweysen. Vnd so laug ich
sinn vn vernunfft hab, wil ich vö meynem fürsatz nit ein
harbreyt weychen noch lencke. Werde ich dan sehen, das
bey eüch Fürste" gar kein hilff ist,4 wil ich erbärmnussz mit
euch habe, das ir also vertzAglich von mänlicher tugent weychet.
Vnnd soll von Hutten nymer gehört werden, das er sich
einem außlendischeu Fürsten oder künig, wie grosszmechtig
der auch gesein mag, vnterwerff, ich geschweyg, das ich des
weybischen vunützen Bapsts gebott vnd geheyssz thün solt.r»
Also weyt sol von mir sein, das ich dz vilköpfigt gehörnte thyer,
dar von in Apocalypsi geschriben stot, mit eüch andern an bette.
Dafi mein natur würt das nit mögen leyden, so achte ichs
auch nit meiner gebür, vnd förchte wo ich das schon thät,
die schale des göttliche zorns6 (dar von geschriben) möchten
1 Merok ein gleichnusz »• ün.
* Vuas die geystlichc yetzo zu bösem reytzet. * g ij b.
* Vuas jm Hutten uorgesetzt
* Die teütschen fürsten.
* De bapst anbetten.
* Apooal. 16
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142
KACHMtoti.
vff mich gegossen werden. Mitler zeyt, verlassz ich die stett,1
vmb das icli von d' warheit nit lassen mag, vn Verberg mich
in meyner freyheit. dan ich mag vnter de leüten wie ander
nit thiene. \\i wiewol mir nit kleine far zfi stot, achte ich
die doch gering. Dan sterben ist mir nit so erschrockenlich*,
als ou freyheit leben. Darumb ich schew bezwanck vnd
dienstbarkeit, nit den todt. Yii nit allein meynet halben,
soud' auch mag ich nit sehen, teütsch natiö irer freyheit
mägeleu.2 Aber villicht werde ich etwan ein mal, auß dißer
hole herfür springen , die teütschen irer redlicheit ermanen,
vnd wo die grossz Versandung ist, außschreyen. Jst i* yemant
der ein hertz hatt, mit Hutten vmb gemeyner freyheit wille
zu sterben?3 Hab ich dir nit wolle verhalten, wiewol ich dir
hye vil freymutiger, dan einem solichen Fürsten gebürt schreib.
Jch hab aber ein güte hoffuung zu dir, vnd darumb hab ich
zu einem freyen Fürsten, ein freye schrifft thün wollen. Bissz
gesuudt, vil erwecke dich selbs. Data zü Ebernburgk am
.xj. tag des Septembris. Anno .ic. xx.b
[H. W. Ind. bibi. XXXI, A, a.J
1H.
Ebernburg. 28. Sept 1"»20.
Ulrich von Hutten an die Deutschen aller Stände.
(Lesarten zu H. W. 1, 405 ff.)
405 19-25 Ein klagschriffr her Virichs vo Huttenn an ge-
meyn Teütsche uation gegen vnnd wider [widen] den tyran-
nischen gewalt des Bapstes Rom vn seyuer Komaniste. 26 teüt-
schen herren. Edelleütc, Burgeren 27 entbcüt vn Orator,
meine 28 willige vnd Gnädige" 29 vfi früud vnnd züney-
gung Cliristenlichen H0 wolmevnung Natiö christlich
40ß 19 gebür anngezeygt, vnnd hatt 20 vbermas-
sige vnzimlicheu des bapsts dem statt Randnote:1* vuas
Hutten geschribeu' 21 voun vnordenlichem vberfluß vu-
ersätzlichem goystlichen 22 Simoneischen vnfromkeyt
Curtisauen, in 28 Geystiich de geyst fleistlichem lebe
1 Hutten auß den stette uertrieben. erscliroekenticli.
8 Vuas Hutten gedeneke. b- x. . . . xxj.
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KLAOKSCIUUKT AN ALLK DEUTSCH KN.
24 trachtenn (Konstitution gos&tzen 25 vnd vcrneüwen, vonn
dem tyrannische 20 vmbher der gleichen dingen Christe-
liche 27 abgezogen , teütschland 28 vnd äugen warenn
29 das werden möchten R. : 'Huttens gcvuisscn vnd ver-
trauucn' 31 darüb gewarten sonder erkante dardurch
ich 33 gehabt, als vormanung sollicher ding Christe-
lieber 33 dann glauben nutz Ii.: *Vuas huttes vornemen
gevuest' 34 noturfFtig. dan mein gewest wie ich gütige
verschaffen 35 möcht da geystlichen erifierteu. vff das
sie nit viel 37 lautere Christenlichem 38 etzlicher
ich Standts vnterfangö 39 R. : 4Jn uuas farh [färb] Hutten
kommen.'
407 30 dan emßigklicher gramschafft hefftige
21 gegenwärtiger solt mich b&pstliche gefengnuß
22 öffentliche bin auch 7?. : 'Vuie hutten geuuarnet'
23 keynes gedeck 24 ermorden. Vn ich gleich inn
25 wol vnd sich 26 sye sie offenbaren ge-gedörffen,
So 27 durch? wes vfl 28 geschehenu ich inn da
hoffe des R. : 'Yuas Hütte am .K. hoff begegnet' 29 groß-
machtigsten vnsers gnadigsten herre Künig Carolus meyner
halbenn 30 verharrete, ist vonn bekante ich des 31 ge-
schehe wol mein von 32 an de das 33 anderß,
dann vorkommen 34 in vnnd sache 35 nitt vnd
36 ich nit eyletes danne 37 nit mir naehgestalt
88 warheit Sonder gfttte 39 lebt" ytzo nit ich
408 20 ich Ii. : 'Yon vuem er färbe zu gevuarten'
21 ich dene geschafften außen eine 22 wolle zu nit
23 grüntlich ich 24 auffgezogen, seind die offetlich Ii. :
*Leo der bapst.' 25 alle bapst 26 auff vnd vcruolge. Vn
da ich 27 Mentz kommen, haben gütte vnd entpfangenn
23 zükunfft gefreüdt, vnd ich sie 29 mann 30 de
sie ein lebe v'zagt 31 fürchtend geschehenn diß mol
32 daselbst erfaren. Da ich vortet Ii. : 'vuie der bapst hutten
gefange gen Rom forderet1 33 botten güten gereyset, an-
zeygend 3* vnnd botschafften, vonn etlichen 35 dene füge
gebotte ge 36 vö groste 37 haben angeheckter 36 von
geschäche früud halten, sonder R. : 4Huttes frund vnd
gunder.* 519 sein von wedc mär uußgebroche ist.
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144
409 20 vnd verwädt von 21 kleinmütigen vnnd er-
schrockenen als 22 kau niderlandt zü 23 geschickte,
ytzo Römisch. B. : 'Des Bapstes Orator.' 24 allehalbe reych
anzügreyffen bekommen 25 de gewalt, vber 'mich zft
dergleychen 26 erschröcklichen warnunge vfi nach seit-
mal wz 27 vorhie ytzo 28 fürnemen, zü gemeine 29 vatter-
Ifids rechte vnd waren geystlicheyt 30 habe niemäts
schelten 31 nöten yderraä warheyt pflegen wollte, be-
zeugt werden 82 vmb willen der B. : Sruas Hutten
unrath hirrausz entstet/ 83 züforchten od1 weyß 34 fürst-
liehen hofeu hab, noch herren fründeu diene mag,
vfi 35 dz scheuung (Jurtisanen, deren allen orte 36 vfi on
zweyfel dem Bapst 37 offeulicheu entschlagen 38 gc-
schweyge sonder dere irem mißleben leyden 39 war-
heit außgeben wil ich der selbigen leüt vnd
410 20 entweyche gemeinen vnd öffentlichen 21 dz
bezeügung B. : 'Huttes vueyter vuorsatz.' 22 d' warheyt
gezogen werden sollenn vö beschirmung freyheit 23 vatter-
läds förchte dä züthtin 24 vorlange allem vuderstanden
früntliehe vermanungen nit do]|hin bringen B.: 'Hurtes fllnttes]
frütlich vuormanung/ 25 dinng warheyt vfi vatterlands
entgegen 26 zülest 27 leüte hanthabeu, vnd 27 vatter-
lands vorfechten helffe meinem lebe behalte 29 d' gantze
betraeht die 30 Christeu liehe vortruckten leid vft
B. : 'die Christelich vuarheit' 31 selbige mit zeytt
onu vü naehteil 32 vnsers verpledt abwüscheten
dz joch so etwan 33 vnßerin herre vü aufgelegt vö
B. : 'Vntertruekung christlicher freyheit.' ?3 angezeigt?
34 gorsser bitterkayt vü abwerfen, vn ausschlügen 35 vnnd
schädlichen teütsche 36 vü vndertruekt gewest, hinlegten,
vfi widerbrachtenn freyheit, welche gott 37 seine miltiglich
Bapst vufrüutlieh 38 vn außgctilget habe selbigen 39 ich
vmbgeben nachtrachtunge, getribi» veruolgüg werd ge-
zwungen'
411 19 beim yederman ratt 20 vfi züschryen wes
bit Gnedigen 21 herre vfi gemeyne teüsche ich Euch
B. : 'AnrufTung teuscher nation/ 22 ich. Wolt ir vßtreybenn
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KLAOÖCURIFT AN ALLE DEUTSCHEN
145
verdinten: Wolt ir vnschuldigen ^peynigc? . vö eüch
dz einem 24 heymische" vn lands 25 teüschen frembde auß-
ledern vft erzeigt habii. R. : 'Miltigkeyt der teuschen vö alte"
her.' 26 dz ir verliessent, ich bezwungen 27 vnnd rüffen
sond' 28 vnd meiner widerwertigc vberfalle rechlich R. :
'Das er wider recht vorgewaltiget' 29 ersucht, sonder mitt
mutwilligen grymm meyne feindt R. : 'Ermanung durch der
tauschen er vnd tugent.' 30 vnd teüschenn vnd manheyt
31 vnd teüschc, beschirmen do hatt 52 eüch Da in
Römische vö R. : 'Das er dises vm aller teutschen vnnd
Christen willen leyde.' 33 wolle vatterlandt gemeinem
nutz wende dz mit 84 ien meine harte vft schwären
vil gcgefel 35 widerwertigkeyt glückes gesucht et-
worben hab. darum 36 vnd breyt vil muhe gehabt 37 ein
vnd getragenn vill jare eilend
412 16 vfi meinen blüenden jaren 17 vnnd vatter-
lands jnen gezoge. Desto mer R.: 'Begert seyner dienst
zu geniessen.' 18 dienste Ynud ir entpfahen 19 lassen,
aliein vff dienst haben 20 ye zü das wiewol nic-
niants nyemants R. : 4Das er nie beklagt oder hört sey.'
21 hat vor vnd nie keyne missethat 23 werde, vnnd
nymmer fügen mich vnuerhört 24 ertotte wiewol teüt-
achen vnnd 25 vbelthat ob die ich oder betrieben 26 ge-
floge vber alles, zü spot vnd eyner frembden ober-
keyt 27 werden all wegen vnd bit euch. Wo R. : 'Er-
beut [Erdeut] sich zu recht vor [von] K.M.' 28schreybens
trüg= vnd des halben 29 wolt de meynem natür-
lichen, einigen, vnd 30 herre M. vnd vn R. : "vuas
er am fordeste hirin forchte.' 31 werden vmb wille
dat got 32 willen fürnemeu nah, vmbrächte meinem
33 erdichten meinenthalbcu od' R. : 'Bit durch seyner früt-
schaft uuillen.' 31 od' früntschafft hierin verschonen selbige
vnd 35 angehangen bitten eüch zü gleych mitt mir, vnder-
thänigklich 86 meyne betrübt«" vnnd 37 jhenen eereu
vnnd güunen ritter vnnd R. : 'Ernianung [Ermunuug]
seynes uerdiensts.' 38 eüch schrifft gemeiner
413 17 Natiö eüch beuolhen 18vnsers preyß vber er-
barmen 19vonn R. : 'Beuuegungzu barmhertzigkeyt.' 20 vnnd
<^.F. LXV1I. 10
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146
NACHLESE.
werden vonn meyncr geburt empfange? 21 früntlieh
22 hab, mein wonüg verlassen, die heymischen herdtstatt
vnnd vnd 23 dz elled doselbst lebe, söd' grausame
24 marter schantlich sterben abgenome werde? TIeliFt
25 frömen betrangten vfi binde d' 26 eüch wol-
le meyner feinden R. : 'Der Bepst ungcburlich [ungebut-
lich] geuualt/ 27 jaren 28 meinem leben schaden dienstes,
der viileicht 29 widergeltung zü v'hoffen. ontschütz der
erkant R. : 'Bit gege" auszlendisehc gewalt enthalten werden/
30 vnder eüch gestrafft solt werden) gegen vßlendigeu land-
sleüt, als 31 willen vngebürliche vnformliche 32 vfi gewalt-
sam. Dan 33 gebaren vm dan wid' wertigen gezimen.
Wie dan 34 werde dz keynes keyner od' vnd
35 rede danoch 36 waffe wirt, vnd 37 hertzen ethit-
ziget, iren äugen ein R. : 'Grimikeyt seyner feind.' 38 ymät
vubärhertzig disses
414 20 weyne bewegt. 0 almechtiger der all din
rechfertige R. : 'Anruffung gottos.' 21 dissen wenden
teüschen mich ewern landßman, vnd vnschuldigö 22 vin
willen krigende, seit mol eüch 23 antrifft. Dan schein
wz nachürteil verdänuug volgen mögen R.: 'Dz disze sach
alle teutschen in gemein betreffe/ 24 hierumb verhüttet,
das disses weyter bei eüch meinro verderbög 25 todj
nor d gefecknüß 26 erkennet wo hin it Manu schul-
diget R. : 'Das er vmb seyne woltat ueruolgt werde.' 27 deckt
sttaffen wetd 28het meuschenn geletzt vorgenommen, sonder
vmb das zü hilff 29 kummen Nimant Hüten ymät
30 schade v'gwaltigen 31 zü hilff komme. So nit schuld
gebe eyn newes feür R. : 'Das er allein de romische geytz
entgegen gewest sey.' 32sünder vnnd werden 33 vmb
brennenden Lconischß] Römischen 34 verderbung vnd'-
stauden 33 zü gemessen, sonder eberkait entgelten. Kein
sendet R. : 'ermät al teutschen durch ire redlichkeyt.' 36 trew
teütschc, verbeugt nitt 37 überwinden nitt fechteu.
Lassendt vndertrucke, denen 38 eüch vndertruckte vn
415 19 Vfl dz eüch weitter ermäe dz R. : 'Bit
vm recht' 20 keine v'sagt eüch erwerben vnd
21 kommen gewonheyt, Afi 22 vnbeschüldigte vfi
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Klagschrift an alle deutschen.
147
meschen vö 28 minste zü döte, od' eine 24 vn er-
kent ma eim armen 25 R. : 'Das er kein schevu ab de
rechten hab/ 26 überwinden krieg? 27 wolt. wiewol 28 dann
vonn vertrau wen 29 vorzagen, dan got dz R. : 'IToff-
niig zu got/ 30 verzucke, wo 31 habenu vmb geben vn
boßwilliger leüt hat warte R. : 'Der Bapst Leo/ 32 be-
reyt abwenden R.: 'Die Curtisanen/ 33 vnnd er-
strewen iagende vn dem scharpffen 35 Bapstes
breunende 3fi würt vngestümmigklich getriben von
37 sicherheyt zeyt von Curtisanen, 38 vnnd selbigen
39 gütt schmertze angefochten 40 vnd verhinderten
practikr veruolgen zweyfel
416 18 leben got eüch meinen thalben 19 on, red
vnnd seine 20 habe teütscli Nation denken sye all, die
2 Heimlichkeit habe zä dz teütschen leide? ire ^hoch-
fertigen mütwille entgegen werden? Vnd dz ver-
stannd haben R. : 'Von wem er voruolgt werd/ 23 nach-
stelle, das vn 24 vf> geschriffte 25 vnnd hett 2fi gebe
hilff, radt vnd 27 de geschunden R.: 'Beschwerüg
teutscher Nation/ 28meinne verflücht symoneischen v'haste,
23 schädtliche haben daruß vnd v'spotett R. : Tuas ubels
von Curtisanen komm/ 30 warheyt teütsche vnd be-
raubüg 31 vnnd sonder von 32 bringe gemeine site
v'kert vn geergt Dan dienner 33 schattier Bapst
den R. : 'Das desz bapst macht durch die curtisane erhalte
werde.' 34 on komme verhoffen hendlen vfi 35 aber-
glaub, vnd außgeschlossen. Durch R. : 'Bapstlich gesatz/
36 feindt worden dz sie warhafftige Euangelischcn B" ge-
schrifft des vnd gesetzt gewin eyge"
417 20 habe attze Roinischen geschlundt, vn
de vnersätlichen R.: 'Romisch geltschlüd vnnd geytzworm/
21 geytzworm v&tterlichen gütter vnnd von widerumb
22 gütter do hin dz 23 angelegtt dan auff knupffen
möge. R. : 'Curtisanen des Bapstes iager/ 24 vatterlands ge-
bore, diß deß Römischen 25 selbigen fresserey jagen
jagen züuil. dä 26 sollicher vnersetlich äugen teüt-
schen, vn 27 eüch beraubt frebde lade brlg vö
nieinste 28 nachteil, vnnd Nept schalkhafftige an-
10*
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148
Nachlese.
laß 29 kremer der, schedliche kaufflcüt die euch dispen-
sation vn R. : 'Aplas Krämer.' 80 die kauffmäschatz
geistliche heiige d' 31 daruß etwan vfl nur vn
R. : 'KaufFmanschatz in der Kirche gotes' 32 vfl kunstreiche
83 gesehyden vö dene herküptt verdrucküg gefenck-
nuß R. : Svas die Romanisten wider Hutten beweg.' 34 läds
verhindernüß vnrüig, vfl 5 vn vm andern willen,
dau vßgebenn ™ schäd rauborey gewest, irer vmbarm-
hertzige vcthinderuüß 37 gewin entzogen Ii. : 'Dz er bisz-
her vffrur vermitte hab vnd darüb latiu gescribe'
418 14 zügange v'mitte 15 geben. Vn mercktet
vmkerung 16 geystliche das mißleben vn 17 heTlich jro
gebrechen angezeigßd. Dan wie wol 18 füg, vfl dan de
19 hauffe oflfebare. Die weil ytzo syeh, dz sie nit allein
durch R. : 'Vuas er nun vorter gedencke.' 20 v'manüg
bekere send' auch gegg brüd'licher getrewer v'manüg, mor-
derey vfl 21 wil dänoch gegen vornemenn 22 vnd 23 be-
werben, vfl jr 24 enthalten Dan R. : 'Bitt allein vorthin
zu enthalt werden.' 25 vrsachen gegeben, wil dz jre werde
26 das hinfür od' yemants für zäneme weißen, 27 welehs
achten, dz schö vm eüch snch 2S euch erlangen nirt,
dz die also zä hertze nemet R. : 'Bit man wol seyn sach
behertzigen'. 29 auge her nach eüch an zü süche nicht
30 notte werde mall meyner begirde 31 sacheuu cü-
wercun troüenu, Genadonn günsteun, als 32 anhengeren
Euaugelischenu warheit gerechtigkeit 33 vatterläds frey-
hoit, vfl schänden, vnd laster versieh 34 vö vutertänigklich
vnd freüntlich 3*' meinem vermögen Geben bis xx om.
419 9 Über SEitmal etc. : Beschluß red. SEitmal dz R. ;
4Vuie seine bucher ubel auszgelegt worden.' 10 außlegen,
vnnd anderß, dan sebs verstände 11 werden verteütscheu,
do mit dä vnd 12 man vnnd 13 Komanisten oben-
angezeigter zu veruolgen 14 hab fürgenomme alle 7?. :
'Gcdäck alle seyne sehrifft zuuor teutschen lassen/ 15 vfl
darinnen dan uünn sych seinnes gefallens nitt ,6teütsche
schicke 17 transferieren vfl Dan trag sonde= R. :
'Vuil dasz ydermä wisz wz er geschriben.' 18 welche= | es
darüb tantzen 19 zweiffei gsehrifftg kommen dan
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SPEN<iI/ER AN l'IKKHEIMER.
140
20 geschcen anderß nitt, dan erbarlichen, cerliehen 21 vo
notdrufft 22 zuor anzeige vfi v'kftnde wollen Virich bis
supra om.
LH. W. Ind. bil. XXXI, A, a. j
TV.
Nürnberg. 11. Nov. 1520.
Lazarus Spengler an Wilibald Pirkheimer.
— — Jch main, vnser Huttenus, der sein lateinisch con-
question geteutscht auch hat lassen außgeen, sollt noch ain
Heltzam vnfursehen spil zurichten. Jch waiß in Gehaimd durch
ain vertrauten freund, das er sich bey etwouil fursten vnd
denen vom Adel wider alle Babstischen vnd Curtisan hoch
beworben hat, so hat er ainen den Jr auch kennt, der reit
heimlich vmb, dieselben Romanisten außzuspehen, lasse vider,
wir wollen zusehen. - - Jch hab Huttenus buchlein herru
Ti. Adelmann, der mir darnach geschriben, zustundt zu-
geschickt. Will Euch in kurtz wol ain anders zuwegen
bringen. — —
| J. B. Biederer, Nachrichten zur Kirchen- Gelehrten- und Bucher-
geschiohte, AUdorf 1765. 2, 190 f.]
V.
Nürnberg. 26. Nov. 1520.
Lazarus Spengler an Wilibald Pirkheimer.
Mir sind zwai puchlein zu kommen, gedruckt latein
vnd teutsch, so Virich von Hutten gemacht vnd den Titel ge-
geben hat: Vlrici Hutteni ad Carolum Tmperatorem aduersus
intentatam sibi a Romanistis uim et iniuriam conquestio. Eius-
dem ad prineipes et uiros (iermanie de eadem re conquestio.
Darinn keert er dem Bapst vnd gaistlichen, zuuor im teutschen,
also grob ab, das Luther noch ain heilig dabey ist. Vnd
wann vns gott auß dem spil einmal hülff, wolt wir dem neben
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150
NACHLKSE.
au (lern auch lang hclffen zu scheu. Aber wir müssen dauuoehr
auch sehen, wie wir herauB kommen. ■— ~-
Ricdercr a. n. O. S. 188 f.]
VI.
Nürnberg. 5. TVe. 1520.
Lazarus Spengler an Wilibald l'irkheimer.
Huttens püehlein durfft Jr mir nit mer schicken,
dann ich hab aiu anders vberkomen. — —
[Ricderer, a. a. 0. S. li)0.|
VIII.
Ebernburg. 9. Doe. I 520.
Ulrich von Hutten an Martin Luther.
(Lesarten zu H. W. I, 435 ff.»
435 1 Divini Verbi prwconi 5 Ulrichus Hnttenus Martino
LUTHERO. Sal. 6fueris si meas. Ita 7 Jides. dum 8 qvis-
qve (und so stets qv statt qu) lmprimis 9 est, adver sari
Pontifici 10 Sceleratissimus sit 10 tarnen neque 12 coegerant,
qvi Uli, qvo3 13 nnnqvam arbitror Scripsisti, persvuaserant
14 mei, id 15 Adversariis 17 facultate reddidi negotium,
paulo t 18 vidit, qvo fundamento, qvam heec audet, ait, qvis-
piam convellere, aut si ausit, poterit? 20 animum. Ädeo
jam 22 judicii 23 Tum aeeipit, efferendi amplificandi?
24 adsertorem, et 25 sunt, qvi illum conentur magno
adsidue opere. Sed 26 Scio. Ita 29 adßrmans. Nam Pra>~
terea Beipubl. 31 LUTHE RE. 436 1 fecerim. Sed 2 me
tanto 4 caussain * promisit, non H agitur ut 7 Existimant
8 #W0'/; videbimus confirma, et 9 partim. Habet 11 ifiaw,
<?w 12 est. Qvanqvam Pfändern quid m muH um. Sed opor-
Urne 17 bullam deeimi a me qvantum CHRISTUM xs potuit
Sugillatam Ajunt 19 vidi, qvam alia, qva? 20 miror ad
22 arbitror, non inurbana. Qvem fuerit aeeipies statim.
Simul 24 incendium, versibm latinis et germanicis. Utrosqm
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HUTTEX AN LUTHER. — CONZ LEFFEL.
151
initto. J teilt -6 plectar. Ita me. Qood 27 judicet, qcid Bei-
puhlicae ^oporteat. Uli jam damnatum me pronunciaverunt.
Sed 29 deo, qvos 3,1 tum? Igitur homines? Imo vero tibi
LUTHERE, 32 profuit, unam curare. Qvinetiam 33 Ale-
ander amici 34 edere} satis. 4H7 1 complexus. Ut 4 Scrip-
seram, Principis 5 perscriberet. Scire cupio, qvid 6 sit, non
tibi, jam hoc habere cognitum enim videor, Sed iis etiam, qvi
7 colent. Qcod 8 te. Nescis 9 velit, cel 11 vos. Nam 13 cele-
riter. Nam :4 jubetque 15 vale f rater 16 optime ex Idns.
decembr. 18 PSct. om. 19 describantur : "Per notorium. A in
Rande: crassiore calamo 20 propediem, ita vocanti Fran-
cisco. Am Rande: nigriore atramentu.
[Cod. lat. Mon. 2106. Abschrift des XVII. Jhrts., der, wie aus den Be-
merkungen des Abschreibers über Tinte und Feder hervorgeht, das
Original zu Grunde liegt.]
IX.
Conz Leffcl.
Ain hüpsch new lied
vnd ist in dem thon
Von erst so wöll mir loben Maria die rayne mayd.
Gott wöll das werd gebrochen
der Bischoff Übermut
es bleybt nit vngerochen
jr werden Christen gut
sv thond vns vil vertreyben
die vns recht warheit schreyben
sie lassen keinen beleyben
das mag sie helffen nicht
als Virich von Hutten spricht.
[A. a. 0. Strophe 6.]
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152
NACHLESE.
X.
Thomas Murncr.
Von dem teutschen adel.
Vnd wil mich kurtz abfertigen in allen dg stucken dy
vnsern glauben nit beriere, vn in der taden stond, vn nie in
de" rechten dau ob das oder diß güt sei, wil me in erfarener
fürsichtikeit ermessen werde, dan in büchlin verschriben.
Darumb laß ich das die hochuerstendigen vfl die obcrkeit
vnsers glaubens verordenen, welcher sache sich die Offitiel
sollen vndcrzieheu, od' ob ein gemein consistorium in tütschen
lande sol vff gerichtet werden, vn kein Curtisan die priester
laß citioren, die vor behaltenen Casus vnnd feil ab zü thün,
auch die Bäpliche vorbehaltung, dz der bapst offitia vnd
sein hoffgesinde miudre, die v'pflichtüg in eids krafft nit
me besehehe sollent. Das der bapst vber den Keiscr kein
gewalt habe, Der keiser im auch nit sol schuldig sein zü
hulde. Der bapst allein geistliche vn nit weltliche empter vollen-
bnge, vnd ob die gab Cöstantini falsch sey, das er Sicilie
vnd Neapolis nit sol lehenher sein, im seine fieß nit sollen
geküsset werden, die walfarten gen Rom ab sollen gestellet
werdß, ettlich clöstcr abdieg, die münch nit mer predigen
vn beichthören solten , nit so mancherley orden seient die
gilüpt der geistliche ab sey, dz die priester möge ee weiber
nemen, das interdict abgethon werde, vfl den ban nit miß-
bruchen, kirchweihüg, fil feirtag, vft fastag, feltkirchen vnder-
thün, vfl deren gleiche fil, so du in langer ordenüg mit leren
worten allein vnd on alle gelchrifft an tag bringst vnd ofFen-
lichen beklagest, welche beklage beschwerden, vfl mißbruch
der christliche kirchen vor dir noch von andren mer treffen-
licher seint geklaget worden in Aluaro in dem büch von dem
truren der kirchen, vfl in dem büch Speculum humane vite
genant, vnd von Erasmo Roterodamo in seiner Moria, vnd in
dem biechlin das man nennet de Petro saneto et Julio sanc-
tissimo, vnd in filen Pasquillis, in Triade romana, vnd fil
andren mer, wie wol ettlichs schmachbiechlin mögen erachtet
werden, vnd ist dennocht alles vngebesseret biß har also
beliben.
|'A. a. O. F 4b-G 1 r.J
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TU. MURNKR. — ULRICH AN DIE FAMIUK VON HUTTEN. 15.3
XI.
Ebernburg. 8. Jan. 1521.
Ulrich von Hutten an die Familie von Hutten.
Mevnen freuntlichen dinst zu vor lieben herren vnd
vetern. Vormals hab ich euch meynes handels halben, den
bapst vnd seyne Curtisanen betreffend, geschrieben, welher
maß ich von den selbigen vorgwaltiget, angezceygt, ewere rat
vnd hilff in dem angesucht, vnd gebeten, mir vff sollichs meyn
ansuchen, eyn schrifftlich antwort, darauß zu vorstehen, weß
ich mich in disscr sachen zu euch vorsehen solle, zu geben.
Seyt mal nün meyn bruder Lorentz nchst selbs bey ewer
eyns teyls gewest, vnd mir doch keyn antwort weder durch
jnn noch andere, von euch biß her zu körnen, ist nochmals
an euch meyn dinstlich bite, jr wollet, mir vff das förderlichst
zu vorstehen geben, was ich in angezceygter sach hilff vnd
rat, zu euch als meyneu vetern vnd freunden zu gewarton.
Das wil ich also von euch besehenen, alezeyt vmb euch
sampt vnd sonder zu vorthieneu willig vnd gefliessen gefunden
werden Hirmit alle got beuolheu. Dat^ zu Ebernburgk vff
den achten den heyligen dreykünig jm jar nach xvu dem xxj.
meyn handt.
Virich vom Hutten jc.
Dennc Strengen Vnd ErnVesten Hern fröbin vnd
hern Ludwige rittern friderichen ditherichen Bern-
hart^ 2G vnd allen andern dcß geschlechtes vom
Hutten meyne f^ lieben herren vnd vetern Sampt
vnd sonderlich.
[Huttens eigene Handschrift. Archiv zu Birkenfeld.]
XII
Ebernburg. 8. Jan. 1521.
Franz von Sickingen an Robert von der Mark.
Wolgeborner g^ her euern gnaden sein mein gantz willig
dinst mit vleys selbs vormogens zuuor bereyt her Virich vom
Hutten ein frenckichser hoch erfarner vnd gelerter edelman
durch Theuthchs vnd welchs nacion berumet stett mit den
Romischen Curtizanen jn Jrrung vnd fare von wegen etlichen
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154
NACHLESE.
schrifften die er gemeinen geistlichen standt besonder Thenther
vnd andern naciou mit entdeckung der warheit zu ere nutz
vnd gutten ansehen lassen hat vnd ßo er bej etlichen geist-
lichen vnd weltlichen furstcn vorschoben ist vnd geobert
wurt mag sich begeben das er ader sein frantschafft von des
selben wegen den Curtizaue jn vhedt ader tetlicli handelung
komen mochten Szo mir aber die weill ich noch Komischer
Keyr Matt vnsers aller genedigsten herrn diner bin des solch s
vileicht zu mißfallen rechen mocht selbst enthalt zur tadt zu
geben nit gebureu will vnd ich dan mir seines herkomens
furtreffenter kunst vnd offenbarer der warheit antzeig halb
die er wider der Roinischen Curtizanen practicken vner-
schrockenlich thutt zu aller forderung geneigt bin bit ich
euer g^ mit sonderm vleis ob sein herrn Virichs frantschafft
ichtz mit vhedt vnd der tadt durch name gefengnus ader
anders wes ßie jne einem euern gnad^ oder der Sone heuser
wie euer gnad gcuellich gewise offenus vnd enthalt hetten
were dan eynicher dem euer gnad gut» gunt der gegen ymante
Jhener seitten enthalts begerdt sollen e g^ mein vnd meiner
heuser jn dem widermechtig sein vnd wollen sich hirjnne mir
zu genedig^ gefallen gutwillig beweisen vnd mich hirauff
gemuts eigentlich vorstentigen Herrn Ylrichen vnd seiner
frantschafft an czu zeigen darnach zu richten wissen das will
ich vmb die selb e g^ die mir schaff zu gebietten mit allem
vleis gutwillich vordinen.
Dat^ dinstagk nach der heiligen drey konig tagk Anno
ac jm xxj
Gantz dinstwilliger
Franciscus von Sickingen
Auch g^ her die weill e g^ Sone mein her von Brenne
mit dem Ronlichen Königs halb jn jrrung hat also das sie
bede vhast gleich jn anstandt stehn hab ich bedacht ob
euer g^ juem des endts enthalt verschaff^ dat^ vt jn Irls.
[Abschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu ßirkenfeld.j
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SICKINUEN AN MARK. — MARK AN SICKINGEN. 155
XTTT.
Jamiens. 13. Jan. 1521.
Rupricht von der margk je Frantzen von Sigking^
Lieber frantz ich sag euch ein grus vom hertzen vud guts
so vill ich vormagk ich hab euern briffe mir geschriben vor-
lesen vnd vorstanden des edelmans halben den jr mir schreibt
jn euer landt art nit woll sicher sein welche zeit nuu der
selbig von euch geschickt zu mir komen wurdt er mir wil-
kome sein vnd genem ich hab auch meine amptmann zu
florgingen Johan lepage bcuolcn wen er kumpt jm ein czu
lassen vnd furter jn meine heuser füren jme die wale geben
wue er meint am basten zu sein er wurdt auch mein haus
frauen zu florgingen finden jr mocht jnc frey vertrösten das
er bej mir vor dem Bapst vnd seinen Cardinalen sicher sein
soll vnd wolt er mocht ein halb^ Schilling Cardinalu gefangen
mit jme brenge dar zu wolt jeh jme gern heln\_ dan ich wolt
mir gar kein gewissen darvber machen ob ich den leinten
vill abnemen oder zu leidt thun mocht weitter mocht jr jme
auch zu sage von meinet weg^ das keiu fürst ist er sein
werbe er woll der jme leidts zu fugen wolt ich sey jme hilff
vnd beistentig zu thun bereyt vnd jne zu beschirmen Szo
lang ich mein heuser weren wiewoll jr on das wist das euch
alwegen hieuar mein heuser offen gewest sollen auch hernach
sein [art] vnd mit allen euch sonder auch allen den jhennen
für die mein hilff vnd beistandt begerendt ob jm schon jntzunt
kein herrn hab Szo will ich doch nit vntt erwogen lassen
auch alleczeit wo mit ich vermagk zu dienen warvmb ich
dem keyser mein dinst hab auff geschriben vnd wie ich von
dem abgeschied^ sey will ich euch jn einer kurtz vrsach schrift-
lich antzeigen do mit jr wo sich der halb etwan redt bej
euch begeben die warheit do von sagen mocht der andern
Sachen halb^ do von jr mir auch gosehrib^ hab ich dem hotten
beuolen euch muntlich berieht zu thun ich mag leiden das
jr euch den lutter mit dem vom Hutten allezeit zu mir
schicket do mit ßie einander gut geselschaft mechten Jme
dem vom Hutten hab ich ein kurtze schrifft gethan vmb des
willen das er nicht fruntzosichs vorstehet vnd auch das ich
sein schrifft die er mir dan vhast zirlich vnd kunstlich ge-
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156
NACHLESE.
than ßo gruntlich nit hab vorstehn mögen das jeh jrae dar-
aufF genügsamen antwort het geben mog^ darvmb wolt mich
bej jnc entschuldigen vnd jme von meinet wegen dancksagen
das er sich so vill guts zu mir vorsiecht vnd mir vortraudt
das er jn mein heuser begerdt ich weis euch merhe nicht
zu schreiben dan got gebe euch alles das euer hertz begerdt
dat^ zu Jamiens am xnj tag des
[Abschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu Birkenfeld.]
XIV.
Janiieiis. 13. Jan. 1521.
Hupricht von der Margk Vlrichcn vom Hutten
Lieber vom Hutten jeh wünsch euch mein frantlichen
grus vnd wes ich guts vormagk jeh hab euer schrifft mir
jntzun gethan vorlesen vnd die meinüg do von mir auch frantz
schreibt vorstanden wolt geren das ich ßo geleret were das
ich euer schrifft mit gleichen antworten begegen mocht doch
hab ich zu czimlicher mas vorstanden vnd vormergkt das jr
jn euer laut« art nicht vhast sicher seyt von weg^_ viller euer
widerwertig^ der halben mocht jr frey zu mir komen dan ich
sag euch zu das jr in allen meinen heusern sicherheyt vnd
offenüg haben solt jeh hab auch einen meinem diner ge-
nant Johan lepage den frantz woll kendt wo jr ghen florging^
das dan vor andern meinen heusern dem theutzchen landt
am nechsten gelegen soll er euch einlassen vnd ein den selbs
ader durch andere sol er euch darnach weitter jn andere
mein heuser füren das jr jn[ie] welchem euch gcfeldt sein
moget mocht euch kunlich vortrosten wz ich euch lieb vnd
guts thun mag das ich do mit vleis thun will vch vmb
frantzen willen vnd auch euerm gutten gerucht do mit er
euch dan auch selbst hochlich belobet auch vmb des willen
das jr euch solcher gutte zu mir vorsehen habt weitter hab
ich frantzen meine meinüg angetzeigt von dem ir acht ich .
des woll bericht werdet merhe weis ich euch diß mals nit
zu schreib^ Sunder got gebe euch alles was jr begerdt Dat^
zu Jamiens am xnj tag Januarij.
[Abschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu Birkenfeld.]
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MARK AK Hl'TTES. — ULKICH AN BEKM1ARD V. HTTTEK. 157
XV.
Ebernburg. 19. Jan. 1521.
Ulrich von Hutten an Bernhard von Hutten.
Meyue freuntliehen diust vnnd was jch libs vnd guttes
vormagk freuntlicher lieber veter ewer schreybeu mir nehst
gethan, hab jch vorlesen vnd vorstanden, vnd als jr nüch vff
ewer dochtcr hochzceyt geladen, war ich vorwar wo es je meyue
gelegcnheyt hett mögeu seyn, von hertzen gern selb« kömen,
die weyl sich meyn sachen aber also halten, das jch das mal
personlich bey euch nit erscheynen mag, so schicke jch hie
meyne bruder Loreutzen von meynet wegen, mit euch vnd
ewer fruntschafft frolich zu seyn, vnd wünsche ewer dochter
vnd jrem breutgam glück vnd wolfart, got woll seyn guadt
thün das sie in aller Eynikeyt vnd guten trewen vnd lieb
bey eynander, vnd lang leben. jc. Lieber veter wie jr mir
darneben jn eym zcetelen geschrieben, ich soll selbs körnen
vnd [ich] mich an dem ort vmb sehen, das wer wol gut
gewest, die weyl es aber nit seyn mag, so wist jr doch selbs
was vor mich ist, oder nit, vnd zweyfel nit wo jr vnd meyn
baß ewer hausfraw vff das mal wölt fleyß thun, jr werd wol
etzwas zu wegen bringen. Vorsehe mich aber zu euch jr
werdet es thün. Wie es der Curtisanischen sachen halber
stehe, würt euch meyn bruder lorcntz berichten. Jch vorsehe
mich nftu mer keyner vorhör. Dan die b&pstischen vnd
geystlichen ligen dem keyser also jnn oren, das er nit alleyn
mich, sonder auch andere, an den jm mer gelegen vbergibt
das jch achte, jm zu grosser vordörbnüß reyclien werde. Dan
was vou redlichen leuten am hof ist, auch ander fürsten, vnd
die ecztwas verstand, haben eyn groß misfallen jn dem regi-
meut vnd ist nymant der sich beßerung, ja jderman vorsieht
sich je mer grosser ergernüß. Dan der glaub jst gering, vnd
geht all ding leychferticklich zu. Die bäpstischen trowen
öffentlich, wo Luther gegen Worms körne, wollen sie jnterdict
dahin legen. So arbeyt man vest bey meyne wirt, das er
sich meyn entschlagen wöll vnd mich von jm thun, dan sie
meynß, wen jch hie ausgetriben, wölten darnach wol weyter
rat finden, vnd förchten vast den namen meynes wirts vnd
158
XAC1ILK8K
scyno) hoüsor. Er spricht aber, so lang man vnß nit zu vorhör
kdmon lasse, wöll er bey der sach halten, jn allen außgangk.
So bin jch schon, wie es kam mit weyterm enthalt wie euch
meyn bruder würt anzceygen, vorsorget. Vnd dörfft der vorhör
halber, weyter kcyu zuvorsicht haben. Dan es würt nichtes
draüß. Vnd ist wie jch alweg gesagt. Es ist nit müglich,
das die leut vorhör diser sachen leyden mögen. Wie hert
sie mir aber nachstellen hapt jr auß dem zu ermessen, das
sich nehst eyn grossen' Curtisau hat hören lasßen , wo man
meync tot mit drey mol hundert tausent guldeu kauften möcht,
wer er wolfeyl. Dan es werde dem geystlichen stand noch
großes vnglück vnd zerbrechung von mir bekömen. Dar zü
sag jch, würt das selbig geschehen, haben sie schuld doran.
Dan meyn meynüg nit gwest andere jn das spil zu zihen,
dan die Ourtisan wollen sie aber mütwilligkliehen sich dareyn
mischen, da kan ich nit für. Jch müß meynes besten gedencken
das ist mir von nöteu, Gott mögen leyden, sie hett^ sich förm-
licher jn diser sachen gehalten. Hir vmb über veter, jst
anders nit, dan man muß mit der that nun mer handien, Nün
bite jch euch vnd ander meyue vetern, jr wollet mir das wol,
mit nit mer beholfen seyn, [das] dan das jch etwa vff jhener
8eyten des reyns enthallt hab. Es sey am gebirg jn behemen,
jn der hennebergeschen art, oder wo es sey. Das koutt jr
woll vorschaffen. So wil ich euch alhie schicken das ich
ob got wil auch vorsorgt. Das hab ich euch f^ guter mey-
nüg nit verhelen wollen. Euch mit allem vormögen zu thin
bin jch bereyt vnd gantz willig dat^ Ebernburgk vffSonnaben
vor fabianj jm jar je xxj
Virich vom Hutten.
DEm EmVesten Bernhart
vom Hutten meyuem f^ lieben
vetern.
| Huttens eigene Hnndschrift. Archiv zu Birkenfeld, j
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FAMILIE VON HUTTEN.
159
XVI.
? 13. Febr. 1521.
Dietrich von Hutten an Friedrich von Hutten.
Meyfl f^ dinst zuuor lieber vetter mjr jst eyü schrjfft
von her froweu zu kome wje denn hjrjnn zu vornemeu hast
. . . dan dijsse sach groß vnd dapffer vnd auß meyfier vor-
stendnuß darin zu raden docli waß uwer aller gut dünckou
vnd meynung .... auch den hab ich dir njt ver-
hallten wollen dat^ vff dem eschermjt wochen anno xxj
Dittrh von Hutt^
Dem ernvesten frjderich von hutt^ mejfi f^ lieben vetter
[Original. Archiv zu Birkenfeld ]
XVII.
? 15. Febr. 1521.
Friedrich und Eitel von Hutten an die Familie von
Hutten.
Vusern willig^ vud gancz fruntlich dinst zuuor liber her
vnd vettern wir schick^ euch hie briff von her frowert vnd
her Virich vom hutt^ an vnß alle vom hutt^ ausgangeu sein
vnß vff gestert donerstag von ditherich vom hutt^ zu geschickt
word^ der inhalt ir zu vernemen, deweil her frowen ritU hoff-
meister je jn seino>> schrifft anzeigt daß er vor gut au sehe
das wir alle vom hutt^ zu samen keinen vnd vnß einer ein-
trechtig^ antwort her vlrichen zu geben entslossen lisseu wir
vnß auch gefal, aber wir besorge lancksam al zu saffien zu
komon, der halb sehen wir vor gut an nach dem her frowen
iezt bey Kr Mat ist, auch sunst bey etlichen cardinein vnd
forsten zu wormbß, vnd hott an zweiffei des haudelß auch
gedenck daß ir her frowen gosehriben het, das er her Vl-
richen von vnser aller weg^ als den freunden, wo sein sach
ein guden grundt hett, alß wir honen, wer vnß al vom hutt^
ein bracht vnd groß ere, ein drostlich antwort geben, damit
her Virich auch hört vnd se, daß wir alß die freundt jm gern
nach vnserm vermöge hilfflich vnd radtlich wo wir kond^ sein
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NAClILfcSE.
wolt^, so hapt ir in ditherichß schrifft an mich friderich ge-
thau sein gemut auch zu verneinen, hie mit euch allen zu
dinen seint wir zu thun willig geben vff freitag nach saut
feltestag jm xxj
friderich vnd eyttel vom hutten ?c
Den strengen vnd Ernvcsten hern
ludewig rittet bernhart Eßrom Jorg Ylrich
vnd Wendel alle vom hutten vnsern frunt-
lichen üben hern vnd vettern je
[Original. Archiv zu Birkcnfeld. ]
XVIII.
? Febr. 1521.
?
Auch freuntlicher lieber Oheim vff dato bin ich gein
murstat kumen in meynüg mich mit den burgern morgen
donerstags zulethen, hau ich gedacht hern Vierich vö hutten
der schrifft ßo frantzssßcus von Sickingen dem [von] Ruprecht
von Arnberg gethan auch Ruprecht den beid^ vü lest jm
der Cumethor nit gefal das sich h) Vierich zu dem von arn-
berg thun [oder] sagt er ken ju vnd ob er gleich seiner persou
im gleuben liilt ßo hab er doch den merertheyl seiner diuer
welsch dy gennen keine deutschen keines lobs oder gutheu
inecht jm zum mynsten vergeben werd^, er sol sich zun deut-
schen halthen, der gleich reth Siluester auch vnd sagt in der hen-
nebergischen Art zum hutsberg sey jm wol für ein ort enthalt
zuerlang^ ßo versehe er sich auch zum Rottenberg wurd er
auch angenome dweil es dem dy meynüg mocht Ruprecht von
Arnberg 10 Vierich vnd doctor Martin Luther mit guthen wort-
ten zu jm bring wer feth sich an jm zuerholen weß an den
beid^ bgang^ nach dem ich v'stehe er wanckels muts yzo
keiserichs yzo frantzoses wy der winth geth welch ich dir
guther fr^er meynüg jn Eyl nit bergen ob du es hern Vierich
weß anzuzeig^ datum ut supra.
[Original. Arohiv zu Birkcnfeld].
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BERNHARD VON HUTTEN AN ULRICH.
161
XIX.
? Febr. 1521.
Bernhard von Hutten an Ulrich von Hutten.
Lieber \et) ich hab e schr^. sampt vber schickten ewrn
buchleu verlessen [vnd] mit beger entpfang^ [vnd] disser
sachen ewrnhalb vor nit wissn gehabt dan [als ich icz gen
arnstein komen] ewr sclir^ darine wes jr vnß [alle] vetter
allen semptlich gschr^ auch daneben her frowen schr^ als
ich gen arnst^ komen da fund^ [v'lessen] darvff her lutwig
vnd wir andern vet) hera frowe [vnsser — geschr^ geschickt —
antwurt geben] euch [zu behenden] wes vnser meynung ant-
wurt zu geben gcschr^, vnd zu geschickt je It^ vnd erst-
lich . . als jr vnter anderm schr^ dz jr ewrß schr^ ge-
grünt (?) vnd zu v'antwurt^ wist auch zu ebernberg bey m)
swagJ franczen seyt hör ich [meins deyls] ser gern [zu ebern-
berg] da jr wol sicher vor welsch vnd deutsch [vnd] des er-
freydt zu forderst wol ich wolt jr des last vnd var vberig
so aber nit muß man es got vnd der zeit befelhen [befelhen
vnd] sich gotes der gerechkait vnd warheyt trost^ [vnd]
kainer vngnadt zu hoch erschrock^ allein vor gewalt sich
waren vnd nit vil v'trawen vnd als jr verner schr^ wie jr
an francze v'trost euch vnvhort nit vergewelg^ lassen ist
fürstlich vnd loblich Darvff mcy rat vnd ich thon wolt [ich]
wan die sach m) wer mich [mich zur zeit vnd sonderlich]
vof reichstag jn kain that für mich selbst begeben auch
nymer [nit] verwillg^ die zeit [mit deinen gesellen] etwas vö
m) weg^ [. . . nymer] zu thon ader für zu nemen wolt ein
ander etwas thon für sich an ewr wissen vnd befelch kont
jr nit als wend^ doch besser allenhalb gelassen dan getan
dan wan etwas vbers [. . .] [. . .] wan
dan der reichtag wer vnd jr vff . . . reichstag [gefordert . . .]
verhört v'hoff ich wir vö hut^, zu theyl auch ewr vnd ander
vnsser aller hern vnd frunt sollen die zeit so statlich auch
da [zu worm] sein auch ander vermöge euch beystant zu
thon damit jr [jr] abgot brechlich vnd wol besten salt ver-
hoff auch wie jr schr^ es sol in vil stent^ (?) ein endrung
gemacht wo nit wil ich mit pastuln (?) zu sant Jacob wo jr
Q.F. LXVIL 11
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162
NACHLESE.
dan nach v'hor vnd vbor bilkait not vnd abentewr stcn most
jr als dan aber [aber] thon wie jm sein wil verhoff wir wollen
jr jm rat frunt vnd so vil guter frunt vnd gesellen haben
die der sach auch wider volg^ (?) vnd helff^ vnd rat^
sollen mocht jr als dan die vetern vnd andere ewf hern
vnd frunt an gelegt art vff die kizig prucken ader ander
ent bescheyd^ ferner mit rat handeln was ich dan dar jn
rat^ helff^ vnd [dan] thon kan solt jr mich willg haben It^
der andern Sachen halben haben mey hausfr^ vnd ich vnß
an etlichen end^ beerbet aber nicht erlange meg^ an
es gern gesehen wer wol etwas zu
erlange dan es nit sunders furderlich mit der fruntschaft
oder narung ist dz ich an d . . selben Sachen auch nit rat^
wolt wo wir aber etwas dz vnssers ansehen euch mit frunt-
schaft vnd narung dienstlich wer wolt wir euch nit vhalt^
auch die sach jren lassen
her Virich vö
| Bernhards Handschrift. Archiv zu Birkenfeld. |
XX.
Petschau. 6. MÄrz 1521.
Hans Pflug von Rabenstein an Bernhard von Hutten.
MEin dienst zuuor Edler vnd Vester Lieber Bernhardt
von Hutten guether freundt euer schreiben wie her Virich
von Hutten euer vetter vms lieb dayczs adels auch anderer
stendt vmb der warhait willen vmuorschuldt vnuberwunden
ainicher vorhoer oder Rechtens vber alles sein rechtlich er-
biethen jn vngenad vnd vnsicherhait vnd villeicht gar zue
fedth des babst seiner kardisanen etlicher kuemen welche
maynung jeh auch jn franciscus von Sigkingen ic schrifften
eezwas klerer vorstanden derwegen ewer Bett an mich ge-
dachtem her Vlrichen von Hutten euthaldt zuegeben jc hab
jeh weithers Besags vornuemen vnd were euch jn deine vnd
anderm so es werntlich hendel vnd nicht mit reformacion
vnd dispitacion des kristlichen Glaubens belanget als vill mir
zuuerantwerthen hirinnen zue wilfarn ane vorzueg wol ge-
naigkt dan jr von Hutten mir vnd meinen Bruedern etwas
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HANS PFLUG AN BERNHARD VON HUTTEN.
163
mit freundtschafft vorwant Aber nach deme jch beriecht vnd
nit änderst wais diese sache dar durch dieße fedth gegen dem
Babest vnd seinen kardisanen vnd als ich vornim gegen allen
gaistlichen von doctor Marthinus Luther her fliese etwau
den Bapst die kardinal vnd gaistlykait zue reformiern jn
ander Ordnung stendt vnd weßen zuebringen darinnen eczwas
vil des kristlichen glaubens dispitacion eingefuerdt wirdet wie
jch das mehr dan einest jn den außgegangenen des Luthers
buchern als vil mir der zuekuemen geleßen vber welchs
Luthers ausschreiben als vil mich mein ainfeldiger vorstandt
weist jn eczlichen sachen nicht vngefallen vnd zuemtayl nit
genung vorstendig bin dieweil dan dye obgemeldt hern Virichs
widerwertikayt vnd wue es zue fedth geraichen gegen dem
Babst vnd seinen kardisanen wue ich änderst recht darane
bin Auch die dispitacion des glaubens mit sich bringkt vnd
diese hendel jn der kran zue pehem noch nit weitt erleuthert
vnd ausgebrayt sin dt domit von meiner oberherschafft der
königlichen wirdt zue vngern vnd behem 2c meius gnedigsteu
hern vnd dem regiment gemelther kran vnd sunderlich an
wissen jrer königlichen wird vnd beruerts regiments mich
dieser großmechtigen sachen jn enthaltung Auch dieweils die
sei vnd glauben mit Beruerdt alßo gehling vnd vmbedecht-
lich zuebegeben auch hiemit zuezueschreiben nicht gebuern
will vnd mochte mir darumbe von Gemelther königlicher
wird meinem gnedigsten erbhern vnd dem regiment sollich
sachen ane wissen vnd auch ane antragen jn der kran zue
pehem ein zuefuern zueubel auffgelegkt vnd zuegemessen
werden Auch zuuor mein gewissen hirjnnen zuerindern dye
natdorfft erfordert Aus dem allem wil jch euers gesinnens
vnd anfuerhens eiu Bedacht nemen vnd nachtrechtig sein
Auch woe mich vor noth oder vor guet ansehen wirdet an
dy hochgenant königliche wirde oder zum wenigisten an das
regiment der krane zu pehem gelangen lassen vnd als dan
wes mich jn dieser sachen mein gewissen gemelther enthal-
dung furschueb vnd forderung halben weißen mir meiner sehl
vnd ehrn nach zuethuen geziemen wil solle euch ferner
vnuorhalthen bleyben das habe jch euch vff euer schreiben
Als deme ich liebs vnd dienst zuerzaygeu genayget zu ant-
11*
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164
NACHLESE
wordt nit vorhalthen wollen datum zue petschau am Mitwoch
Nach dem sontage oculj jn der fasten Anno *c xxj°
Hans ppflueg her vom Rabenstein
vff petschaw vnd konigswardt ?c
Dem Edlen vnd vesten
Bernhardt von Hutten zue
Birkenfcldt meinem Guethen
freundt ?c
(Unter der Adresse von Bernhards von Hutten Hund:)
her Ylrich b^
[Original. Archiv zu Birkenfeld.]
XXL
? 8. Milrz 1521.
Caspar Eilbegkh an Bernhard von Hutten.
Mein besundcr gauczs willig fraundtlich dienst zuuor
lieber sbager pernhart dein sehreiben mir gethan her vlrichen
von hutten deynem vettern pelangeu deß jnhalczs hab jch
neben deynem ansuchen vernomen will mich dir zue fraundt-
licher wilfarung vmb ein euthaldt pemuen am waldt vnd zue
pehaim vnd au den arten da jch mich glaubens vnd traueus
verbaißs vnd waß jch außricht daß will jch dich mit dem
furdcrligsten .... Sigmundt von wirßpergkh mit schritt^
wißen laßen dan jch versieh mich daß jch dir wol außricht^
darober du ein gefallen haben soldt zu dem pistu meins haußs
traußnit jn dem eß dir ader den deynig^ genuezen mag
mechtig daß hab ich dir jn fraundtlicher wilfariger autburt
nit wellen verhalt^ dar mit will jch dich vnd wer dir lieb jst
got vnd der lieben zeit pefolhen haben Dat^ freitag nach
oculj A xxj
Casper eilbegkh zu traußnit
Landricht>> vnd pfleger zum pargkstain ?c
Dem erbern vnd vesten
Bernhart von hutten zue bircken-
fels meynem fraundtlichen lieben
Sbager vnd gutten Fraundt 2C
[Original. Archiv zu Birkenfeld. |
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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 165
XXII.
? Oot. 1522?
Ein gegenredt oder ausschreiben Virichs von Hutten
widder pfaltzgraf Ludwigen Chürfürsten.
Christus hat mich erhört, vnd als mein Eynige bit ge-
weseu. das allen mentschen kundt werde, wie du mich so
gar on alle vrsach, mit eynem so grlmigem gewaltsam be-»
leydiget, hat er mich der gantz miltiklichen gewert, dan du
selbst mit deynen vberhauffteu vbclthaten, machst mir zu
letzt glauben, bey denen, die nehst meyncten, ich thät im
zu vil, in allem dem, so ich von dir klagte, als ob ich vß
schmertzen des entpfangenen leyds, die sach villeicht grösser,
dan die an jr selbs, machte. Aber jetzo sehen sie, wie glaub-
lich sey, das du mir solliche bitterkeyt angelegt, jn dem du
jtzo widdcrüb gegen mir, darnach auch gegen vielen anderen,
mit demselbigen deinem grausamen mordsgrim, wütest. Vnd
erkennen zum letzten, das ich nit vnbillichen bewegt, das
auch war sey die redt, die ich al wegen von mir vßgegeben,
es sey mir niemandt veind, er sey dan auch vnsers Vater-
lands, vnd aller frofiien veind, jo wöll ich auch keinem nye-
mer veind werden, ich erkenne jn dan, der gantzen gemeyn
schädlich. Dan als ich noch nit gnugsamlich verschmirtzt
hatte den todt, deß, den du, vmb das er mir eynn billichen
thienst widder meyne veinde die Curtisanen gethan, vn-
wirdigklichen ertötet, hastu dir schnellicklichen, jnn sin ge-
nömen, den gewalt, so du mit mir angefangen, öffentlich vnd
in gemeyn vorzuwenden. [Hast daruff ein grosse Schätzung,
vff alle geistlichen, die in deim gepiet sindt, gelegt, damit
ein kriegsvolck vffbracht,] vnd bist daruff also in die Lands-
knecht, die von frantzen beurlaubt, vß dem Trierischen Land
zogen, gefallen, allen den deinen erlaubt, wen sie von den
selbigen wollen, zu berauben vnd ormörden. Wie ich nun
in dem meyne kleider vnd bücher, etzlichen wagenleüten
sond' alle hclung, vnd in gutem v'trawen, durch dein Landt
zu füren, beuolhen, hastu mir dieselbigen auch mitsambt den
wagenleüten, vffgefangen vnd entraubt. Villeicht vß der vr-
sach, das du zweyfeltest, die weil ich noch kein räch gegen
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166
NACHLESE
dir furname, ob du mir mit der ersten that leydlich genüg
zugesätzt hättest. Ynd darumb woltestu meyner gedult eyn
newe wunden schlagen, vnd mir also den ersten schmertzen
erncwern. Hast das nit on vrsach in dem raub zu forderst
vnderstanden, dan dir was wol wissen, das du mit keinem
anderem ding, meyn bestendige gedult mer crreitzen möch-
test, dan wo du mich meyner bücher, die ich vor den wer-
dcsten schätz halte, beraubtest. O ein vnmilte vnbarmhertzige
that! "Wer hat solichs vor dir je vnderstanden ? Oder wer
ist je so grob vnd vihisch gewesen, der ab eynem so Er-
8amen Raub, seine Hend nit enthalten? Sindt auch die
Liberien nit sicher vor dir? Oder wie magstu mich, den du
vormals so Jämerlichen betrübt, jtzo widderfib beleydigcn,
vnd mein vorigs wo, mit eyner newen peyn erwecken? Wie
ein grosses vbel möcht mir dan zü handen stan, daran du
ersatigt? Oder was woltestu wol gegen eynen veind vben,
so du mich, der mich noch fründschafft vnd gnaden zu dir
vorsehen, so härtigklichen anfechtest? Aber vnder alleu thut
mir am leydesten, das du, als meynen thiener tötest, vßgc-
geben hast, du straffest eynen straßraub7, als sey meyn krieg
ein straßrauberey , hast es auch öffentlich also lassen vs-
schreyen, vff das du mich zu dem angelegten schmertzen,
noch auch mit schmach vbergüsscst. Also muß ich bekennen,
das du meyn gedult vberwunden, vnd von dissem tag an,
muß nit mer schuld t in mir seyn, gegen d eyn er grossen arge
vnd boßheit. Dir sol auch hinfür, kain sölliche that durch
mich nicmer verschwigen bleyben. Dan ich werde dich zu
bekäntnuß forderen, bey einer gantzen gemeyn zu reden
setzen, vnd Teutscher nation anzeigen, disses die elendesten
zeit sein, do dir eynem sollichem die öberkeyt des Regiments
beuolhen. Jn welhem billich eynn jeden des frömen Keisers
Caroli erbarmen sol, der in abschied, dir das Reych in friden
zu vorwaren beuolhen. Vnd muß jetzo sehen, das du das-
selbig mit vffrur vnd zwittracht beunrüigst. Dan wo zu anders
thient dein anfang, dan zu einer ferlichen, vnd die von nöten
sein muß, vffrur, gantzes Teutschen Lands. Deß vberblybene
freyheit du zu zerstrcwen vnd vßzutilgen meynst ? Derhalben
auch jtzo stets vorsamlüg gehalten werden, vnd bundtnuß
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AUSSCHREIBEN «iEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 167
gemacht, zuuoran vnder dem gemeynen Adel, den du dir vor-
genomen hast, aller seyuer freyheit bloß zu machen . Zü
welhem vorsatz als du dir zugesellt, die du dir gemeynt
eben sein werden, bistu mit einem her, das du dau von der
Schätzung deyner priesterschafft, vnd geistlichen schirmsvor-
wanten vnderhultest , vber deyne nachpaurcn gezogen, vnd
in dem du die selbigen mit rauben vnd nemcn verwücstest,
sprichstu du stillest die Straßräuber. Wer sin dt aber solliche
straßräuber O biderman? Wer? Vorwar alle, die darzü sie
recht haben vorthcdingcu wöllen, oder deren gemüter zur
freyheit gericht, oder deren gewalt vnd macht dir verdacht-
lich. Jn welher zal du haltest den Bischoff von Meyntz,
dem du mit zökerung desselbigon deines fridschaffenden heres,
fünf vnd zweintzig taüsent gülden abgetroet hast, vnange-
schen, das er sich vor den Keiser in eigener person, vnd das
Regiment, auch zu allem rechten vnd billikeit erboten hat.
Heist sollichs des Keisers stat vorwesen ? den Landfriden be-
schirmen? Vnd das Reych in ein rü setzen? Du sagst* Ja,
aber alle mentschen mercken vnd sehen, wie zu eynem grossen
vnd schädlichen zu kunfftigen krieg du samen strewest, vnd
wie mit einer vnheilsamen wunden du Teutsche nation vor-
serest. Weihe du auch ein zeither wol versucht hast, was
sie leyden möge. Darumb saltu nit zweyfelen, sie hat niemer
verstandt, wes jr gegen dir zu trachten von nöten sey. Ja
sie hat verstandt, würt eigentlich etzwas gegen deyner vn-
sinnikeit vnderstehen. Vnd wil sie meyns rats in dem pflegen,
so sal sie nit allein deiner Tyranney weren, sond' gentzlich
deine macht zerbrechen. Dan wie mag frid jm Landt sein,
vnd eym jeden das seyn bleyben, so lang du ein solliche
macht hast, vnd dieselbigen nit zu Verfechtung der billikeit,
sonder zu vnd'druckung der vnschultigen brauchest? Vorwar
würt diß eyn erbärmlicher stand seyn. Derhalben muß man
dir entgegen trachten, vnd ob jrgent jemant nachlässig vnd
träg worden war, sol man jn ermüntern vnd vffwecken. Dan
wir sehen alle, das Recht vnd gesätz vorgwaltigt werden,
boßheit oben schweben, die siten sich verkeren, geistlich vnd
* 'Do entbrist nichts.' (Auf der folgenden sonst leeren Seite.)
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NACHLESE
weltlich in gleicher achtung sein, vnd alle ding sich ergern.
Drumb wil ich sagen, das ich gedultigere leüt nie gesehen,
dan den Teutschen Adel, wo der nit bald, vnd vor allen
anderen, seyne freyheit mit sch werten vnd woffen gegen dir
entschütet. Jch wil auch fragen, ob je eyner in vnsern landen
gewest, den hoher von nöten, vnd der gemeyn nutzlicher war,
vßgeiagt vnd zerbrochen werden? Weiher du, alwegen zü
viel begerest, vnd hast doch an keinem gewin noch züfal
genügen. Dein geitz ist so groß, das ich glaub, der gantzen
weit gold möcht dich nit ersättigen. Des sollen wir alle jn-
gedächtig seyn, vnd gut vffsehens haben, wie weyt den bösen
nachzulassen sey, zu voran jtzo, so du gesellen an dich ge-
henckt, die von deiner brinnenden begirlicheit entzündt,
villeicht nierget nit mit dir vort rucken werden, also das man
nun mit krieg vorfolgen müß, die man billich mit recht
zwingen sollte. Das wirt ein schädliche vnrfir jm Teutschen
Land. Dan wir werden die woffen gegen dem jngeweid*
vnsers Vaterlands keren. Weiher dinge du eyn Häubt vnd
anfang bist. Du hättest dich aber sollichs nie vnderstanden,
wenn dir nit zu dem schweren kosten, den du weyter dan
deyne zynß vnd einkömen, auch Schätzung deiner armen leüt
reichen, fürest, gelts gebrochen hette. Meynst dich also mit
vnserem raüb zufüllen, vnd hast dir das so gar trötzlich vor-
genömen, das du auch die, so etwa all jr gut, auch jr leib
vnd leben vor dich gesetzt, jtzo mit allem gcwalt vnd vnrecht
vberfellst. Vnder weihen dir am aller mynsten geziempt,
Frantzen von Sickingen zü vberziehen. Dan er hat dir etwa
sonderlich vnd vor anderen lieb vnd thienst gethan, vber das,
alwegen dasselbig geschlecht deinen vorfarcn getreulichen
gethient hat. Das dir dan nit vnwissen. Es ist aber dein
beger gut zu haben, vnd vns zü vnderdrucken so gros, das
du leichtlich alle danckbarkeit zü ruck setzest. Wer ist aber
den nit erbarme, aüch an deinem hof, vnd in der schar
deines thienst volckes, das rdfi Hartmüt von Cronbergk, den
vnschuldigsten, vnd frömesten in vnserm orden, on alle ver-
schuldt vnd vrsach, besitzung aller seiner hab vnd güter,
* 'Jnngewaid, deß Vatterlandts,* (Am Rande yon anderer gleich-
zeitiger Hand.)
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AUSSCHREIBEN OEGES DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 169
beraubt? Es ist zü achten, die weil du den also zugericht,
dastn hinfur, deine räuberische hend von keiner vnschuld
entzihen, sond' die allenthalben anwerffen werdest. Ja bey
glaüben allenthalben, vnd gantz Teutsch land würstu zeichen,
mit fuosstepfen sollicher deyner gewaltsamer mißhandelungen.
Dan bey den bisher beschehenen dingen kan mä abnemen,
was du dir zu könfftig vorgesetzt, vnd waruff taglich dein
gemüt eylet. Wiewol ich achte, du habst der gleichen lang
hieuor zu beginnen gedacht, aber vß gebrechen der geschick-
licheit nit mögen vollenden, vnd dir sey etwa an gelegenheyt
der zeit abgangen, aber an willen vbel zuthun, hab dir nie
gemangelt. Also bistu vnser zuchtmeister , der die freyheit
der geistlichen widder vns schützest, in dem du die, der erst
von allen, mit einer schweren Schätzung jres gelts beraubst,
vnd der Teutsch Land von Raubereien reinigest, wenn du
selbst raubst vnd nimbst, den deinen erlaubung gibst die
vn8chuldigen zu ermorden, vnd welher von den schuldigen
vnd bösen beschirmt sein wil, der hat macht zu dir zu fliehen,
den man etwa für schlaffericht vnd melancholisch hilt, der
aber jtzo , die weyl sich gelegenheit begeben , frisch vnd
wacker worden bist. Wer hat dein träge natur, so balt mit
newer geschicklicheit ermintert? Sag mir aber ein anders,
wie vil meynstu wol aus denen, deren bey zweyhundert vff
dein geheysß ertötet , wol taüsent beraubt sein , haben dich
mit äugen ye gesehen, jch geschweig, das sie dich je erzörnt
oder geletzt haben solten? Doch wil ich von anderer vn-
schuldt, andere mit dir reden lassen. Was hastu mit mir je
zu schaffen gehapt? Od' wo hab ich dir je vrsach gegeben,
das du mir so freuelich das meyn abnemest? Od' weihe
so grosse vrsach mich zu veruolgen hab ich dir gegeben, das
du mögst eynem der mir mit Eren gethient, das leben nemen?
Aber du thüst es, vnd darffst ein so gewaltsame, grimige
vnbarmhertzige vnd Tyrannische that, ein straff nennen, vnd
deine mißhandelüg mit eim vmbhang der gerechtikeit be-
schönen. O seligmacher Christo, wie gar nichtes schämen
sich die gotlosen. Beschirmestu den landtfriden? Ja wer
hat freuelich', mit erweckung eyns grössern tumults vnd grau-
samer beschadigüg guter leüt den friden betrübt vnd verkort?
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NACHLESE
Vbestu gerechtikeit? Ja ist auch jrget ein kleins weniglin
billikeit od' gerechtikeit in dir ? Oder wer ist jrget vnbillich
oder vngerecht, wo du, der so gar on vrsaeh raubest vnd
mordest, für einen, der gerechtikeit Vorsorge, salt gehalten
werden? Beschirmestu dan die geistlichen, die du heimische
vnd frembde mit gewalt vnd vnrecht schätzest vnd plonderst?
Weihe leüt aber, den du nur bekant bist, werden glauben,
das du rauberey straftest, der allen deynen anstössern, mit
nemen vnd rauben beschwerlich bist? Das dan in eim ge-
meynen vnd landrüchtigen gespräch jdermans, auch von
vilen mit äugen gesehen, mag nit glaubens mangelcn. Des
du aber mir schuldt gibst, mfiß mit bezeugung redlicher
leüt, als falsch vnd erdicht widdersprocheu werden. Dan
mache jeh vffrur im Reych, das du nehst vngehörter weys,
vnd dergleichen zu keiner Zeit nie erkannt, verkaufft hast?
Oder briche ich den Landtfriden, den du mit so freue-
licher vorgwaltung, als nie keiner vor dir, gantz hinweg
gethan, mit erbärmlicher beschädigung der gemeyn, vnd tot-
schlag viler mentschen, abdringest vnd vsschleüst? Oder
handele ich die geistlichen vbel, der sie albegen, wie wol
für eym veihend geacht, erlicher gehalten hab, dan du, in
des schirm sie sich mit gelt gekaufft? Oder sal man mich
vß Teutschem land, dem ich alwegen ein anzeiger d' war-
heyt vnd gerechtikeit gewest bin, vortreiben, vnd dich darjnn
halten, der es an so vil seinen orten beschwerest vnd ver-
derbest? Dan mir zweyfelt nit, du hörest vmb dich, das
erbärmlich geschrey, vnd vngewönliche klag Teutsches lands,
das täglich vber dein raubgirige h&nd, vnd vnersätlicheu geitz,
weinet vnd heület, das dan auch vßländer erbarmet. Aber
du nimbst dir kein maß für, stets auf newe weiß zu schinden
vnd schätzen. Vnd je vnbillicher deine thaten von iederman
geacht werden, je hefFtiger vnd trötzigklicher du noch jemer
wütest. Hirumb, o wie ein schöner Vicarius des Reichs, Ver-
fechter der gerechtikeit, beschirmer des landfridens bist du,
Aber ich muß vnglückhalf't sein, das du eben vber mir, die
erste anzeigung deiner redlicheit solt geben. Nun hin, far
vort, volfnr deinen anhäb, vnd iasß nit ab von sollichen siten.
Also fahen an, die zergehen sollen. Dan ich meyne je nit
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AUSSCHREIBEN GEHEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 171
gotes oron, so gedultig sein, das Er dich eiun sölhen
Tyrannen, milticklicher straffen werde, dan deinen Schwager,
des glück dir freilich beschert sein sol, vnd den du niemer
hettest vortreiben lassen, wenn du nit etwa an seine stat zu
treten vorhofft. Das du dan erlaugt. Aber du hast es in
dem vil besser dan derselbig, dan nach dem du von höherni
stand vnd grösserm gewalt bist, magstu weit' vmb dich
greiffen. Derhalben wär zu wünschen, das wir den widderüb
hätten, wo du lenger solt geliten werden. Es hat sich auch
zur selbigen Zeit Teutsch nation nit wol vorgesehen, do sie
eynn Tyrannen vßtrieb, das sie nit vffdencken hätte, wer
etwa an desselbigen stat treten möchte. Aber du hütest dich
domals still vnd glimpflich, wartend vff ein zeit, da einß
andern verdörbnuß, deinem glück stat gäbe. Darnach hat
sich das glück, mit newen vnd vilfeltigen zufeilen, vber dich
ergossen. Das Römisch Reich wart Keisere 1er, da meyntestu
dein gelt kast wär müntz 1er, vnd nit vnbillieh, dan er was
ler, du hast jn aber alda gefüllet, vnd daruff geruhet, biß
er balt darnach widderüb ler würdt. Dau du bist nit weniger
gelt zuvorthun geüdisch, dan das zu samlen geitzig. Dariib
möchtestu wünschen, das das Reich widderumb ler würde,
vnd ich glaub du hettest die harr nit leyden mögen, wenn
das glück dir nit balt eynn newen bissen jn deynn geinenden
mund geworffen hette. Dan es meynen viel, etzliche hallten
es auch fürwar, das auch du mit den güldenen gebenedei-
ungen, die Bapst Leo widder vns gen Worms schickte, be-
sprengt seiest. Lasß das aber schon ein jrrige meynüg sein,
so hastu aber balt nach demselbigen Reichstag, deyuen hin-
derhalt, der bißdahin verborgen gelegen, ich meyne den newen
güldenen zol, den dir der Keiser zu Ion, das du dein Chur-
8tini so wol angelegt, hatt gegeben, herfürbracht. Denselbigen
so feisten raub, hette jderman gemeynt, deynen geitz zu er-
füllen genug sein. Die weil du aber nit getrawen dörffen,
also viel von dem zol gefallen mögen, als du dir zu vor-
geüden vorgesätzt, vnd auch die weil du durch so viel gaben
vnd geschenck vernascht gemacht, dicli bedacht hattest, sol-
licher süssikeit mit offenem rächen nach zulauffen, bistu von
stund an vff meyne sach gefallen, die ich doch nye gemeynt,
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NACHLESE
dir oder jemants gewinstlich sein mögen. Aber der geitz hat
dich nachsuchend gemacht. Dan in dem ich mich nichtes
dan not vnd arbeit vorsehen hastu lust vud gewin errochen.
Derhalben beginnen dich jtzo die lcüt zu kennen, welhs teyls
du seiest. Dan man hielt dich etwa für Lutherisch, das ist
für Euangclisch. Vnd ich glaub auch du wärest es noch,
wo das Euangelium seinen beschirmern, geinelf maß ge-
winstlich wäre. Do du aber daselbst an verzagt, hastu dich
von dannen, zu den frofilen Curtisanen vnd prediger munchen
gewendt, vnd deinen Teüfelischen schirm vil veyl geboten.
Weihen dan so bald nit fröme geistlichen priest', dan dic-
sclbigen sind alwegen frey vnd sicher vor mir gewesen, vnd
noch, sond' alle die cyns bösen gewissens sindt, von dir er-
kaufft haben. Also bistu ein eynige Zuflucht worden, allen
den jhenen, die vber jr herbracht leben nit rechenschafft
geben mögen. Jn dissen staffeln bistu zu der vestg deiner
Tyraney vffgestigen, vnd disses ist der zugang, in dem du
bist ein fridbeschirmer vnd handhäber der gerechtikeit worden.
Weihe berümung wenn die Leüt von dir hören, so wondert
sie, was dan an deinem, deß fridbeschirmers, Hof machen
etzlich redlich gesellen, die etwa mer dan jemant ander, ru
vnd friden jm Reich vertrübten, werden auch sollichs zu
wondern nit vffhoren, biß du sie vnderweisest, einem der die
rauber vertilgen wöll, von nöten sein, das er rauber daruff
bey jm halte. Was werden nun solliche leüt jtzo dencken,
wenn sie sehen, das du nit Rauber veruolgest, sonnd' deine
rauber widder Erbare Leüt vnd bezeüg' der warheit brauchest?
Werden sie dich auch noch für eynn fridbeschirmer halten?
Wiewol mir nit vil zu schaffen gibt, wofür sie dich halten.
Aber meyne Er, wil ich gegen dir biß vff dem letzten adem
Verthedingen. Wil mich vnderstehen, alle weit zu berichten,
das du meynen thiener tötend, nit rauber gestrafft, sond'
denen, die dich jnen mit jrem gelt vorpflicht gemacht, zu ge-
fallen, das vnschuldig blut vergossen hast, vnd das ich vnd
andere, das du sollichs uit thätest, wedder mit bit noch gaben
vmb dich erwerben haben mögen. Das du auch denselbigen
schlagregen, vngewarnter sach, als ich mich sollichs gantz
nit zu dir vorsach, auch aller schuld vnd vorhandclung, gegen
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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 173
dir frey wüste, als du dich dan kurtz da vor keiner vngnaden,
in deinen mir vberschickten briefen , hatst mercken lassen,
vfF mich geworffen. Dan es ist je wissenlich, das ich mein
lebenläg, mit dir in vngutem nichts zu thun gehapt. Aber
du suchtest vrsach, dich zu beweisen, vff das, ob etzliche
wären, die sich noch nit in deinen schirm gekaufft betten,
in disser that erkenneteu, das du kuntest meinen veinden
widder mich dienen , vnd derhalben bald , mit schweren
seckelen zu dir Helfen, frid zu kauffeu, den sie doch nit haben
sollen. Dan sich gepürt nit in friden zu leben denen, die
alwegen aller vffrur vnd zwittracht vrsach gewesen sindt, die
alle sachen des Reichs vßländern verraten, gelt von vns ge-
fürt, vnd her widder ergerliche böse siten bracht haben. Ja
sag ich keins fridens sollen sich gebrauchen deine schirms-
vorwonten die Curtisanen, vnd dergleichen
* Aber du wilt
sie schirmen, nit das sie des werd (dan du sihst nit an, was
ein jeder werd sey) sond' darub das sie gelt habeu, vnd
künnen schirm von dir kautfen. Vnder denen einer dir nehst
als du gelt bedörfftest, siben tauseut gülden gelihen, vnd die
alten Heichsstat Oppenheim zu pfandt, von dir eingenmnen.
Zu welher Zeit uiemant zweifelte, wenn ich mit solhem gelt,
deiner notdurfft zu Ilülf körnen vermocht, du bettest mir
gegen den Curtisanen durch die finger gesehen. Aber der
Adel vnd gemein ersufftzten kläglich darüber, vnd alle die
es gern gut jm Reich sahen, vnd jr Vaterland liebhaben,
trugen deü schmertzen, das dir zugelassen werde, ein so alte
keiserliche Stat, einem schandthafftigen besitzer zu vnder-
gebeu, vnd alda ist erst scheinbarlich erkannt worden, in
was jamer wir gefallen, seither du zu sollichen dingen er-
haben. Nun werden sie, mich betriegen dan alle meyn ge-
dancken, sehen, das du noch vil vnbillichere ding würst für-
nemen, nach dem du ein mal vorpflicht worden bist denen,
die nichts erbars oder billichs begeren, an denen du auch
(wenn dich jtzo einer zu eroffnung deins gemüds zwüngt)
* Auf Wunsch des Besitzers der Handschrift bleibt ein Abschnitt
von wenigen Zeilen ungedruokt.
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174
NACHLESE.
nichts zu loben weist, dan das sie gelt haben, damit sie gern
zu bösen dingen helfen. Dicweil du nun so gar on frund
bist, das du von nöten zu frundschafft der aller bößsten flihen
muest, vnd keiner von den frömen ist, wenn er dir schon
hold sein wölte, der dein vncrsätliche begirlicheit gut zu
haben, erffillen mochte, so hastu dir ein ebene vnd deinen
siten gemcsse geselschaft funden. Dan allein sind on massen
reich, die sich nit schämen gut durch schalckcit zu erwerben.
Sihstu das mir nichtes verborgeu deren dingen, die du heim-
lich halten wilt, vnd vff das sie nit offenbar werden, meynen
tod begerest? Derhalben du auch lang davor ehe meyne
thiener die zwcn Epte angegriffen (welchs du jtzo zu vrsach
deiner vorgenömenen widder mich vervolgüg nimbst) deinen
Reittern beuolhcn hattest, vff mich zu streüffen, vnd meynes
vß vnd ein reiteus, ob sie mich jrget vorzucken möchten,
acht zu nemen. Heist das den landfriden schirmen? Ynd des
Rcychs frömen schaffen? Denen heimlich nachtrachten, die
du öffentlich zu erfordern nit vrsach hast? Was wöltestu
nun vor vrsach deiner that angezeigt haben, wenn ich zur
selben Zeit, vff deine streftffende reüter gcstossen wäre?
Wes wöltestu mir schuld gegeben haben? Vorwar hettestu
mich jewo ich zu Verantwortung körnen, nit verurteilen mögen.
Darüb hättestu dir villeicht, mich heimlich vmb zubringen,
damit du vff den töten etzwas erdichtest, vorgesätzt. Hoffestu
aber auch jrget an einem ort so grobe verstäntnuß sein, da
man nicht scheinbarlich mercke, warüb du mich tot wöllest
haben? Du kaust doch selbs nit, ob du schon gern wöltest,
vorwar kanstu nit, vorhelen, das du forchtest, die weil ich
der bin, der warheit zu offenbaren, vnd laster zu schelten
pflege, das nit etwa viel ding, vnbillich von dir besehenen,
durch meyne schrifft zu erkänntnuß körnen. Vnd dir ist nit
vnwissen, das ich tyrannen zu verfolgen geborn bin. Hirumb
wie teur wöltestu es wol kauffen, das ich hette mögen zu
der zeit, do du dich noch keins vnwillcns gegen mir annamest,
vnd ich mich gar nichtes arges zu dir versah, von dir ver-
dempft werden ? Dan jtzo blib vil von dir verschwigen, vud
du möchtest on sorgen deiner bößheit pflegen. Wan das nun
nit Vorgang gehapt, vnd dir doch von nöten gewest, meinen
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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 175
veinden, wöltestu du änderst gelt von jn haben, widder mich,
in was gestalt du möchtest, zu thienen. Hastu mir meine
nam abgefangen, den der mir in meiner offenen vorkundten
vnd zugeschribnen vehdt, ein vngeferliche Reyß, wie von
alter herkömen, vnd al wegen bey der Ritterschafft in brauch
gewesen, gethient, ertötet, vnd sprichst du straffest die Straß-
rauber. Billicher sal ich dich nennen eynn alter vbelthatigsten
straßraüber vnd morder, der auch vnbarmherzigklicher vnd
schädlicher dan keiner nye, raubest vnd mordest. Aber jch
füre eynn öffentlichen krieg, in dem ich kein vnschuld nie
vorletzt, vnd weis vmb meinen handel red vnd antwort zu
geben. Dan warüb solt mir nit gezimen vnd zugelassen seiu,
vß billicher vrsach, wie eyn alte gewonheit, eynn krieg zu-
füren, weihen do ich ansagt vnd verkündiget, vff einem go-
meyng Reichßtag, vnd versamlung der Christlichen Kirsten,
hat sich niemant funden, der mir darein spräche, oder den,
als vnbillicher weiß furgenömen, verböte? Du vnmiltister
aller Rauber vnd mörder, die jrget sin dt, darffstu mich eyn
rauber schelten, der alwegeu melier abschewung von vor-
loümüg d' Rauberey getragen, dan du je eynig laster zu be-
ginnen gezweifelt hast? An dem auch gewieß ist, ob du
heut vermöchtest, dissen alt her kömenden Teutscher uation
gebrauch, krieg zu füren abzuthun, das man mit gutem recht,
alles das du hast, von dir fordern möchte. Dan do dein
vater nach sollicher gewonheit kriegte, wart er von Kciser
vnd allen deß Reichß ständen, durch öffentliche verkundiguug
der schweren acht, nit alleyu seiner guter, sonder auch Eren
vnd wirden stand* entsetzt, vnd sein leib vnd leben wart
joderman erlaubt. Vnd wiewol dein also, faudt er dannoch
leüt, die jn widder dieselbigen macht beliilteu. Die saltu
erst vordammen, dan sie auch widder das Reych gekriegt,
ehe dann du raüber nennest, die mir in Einer billichen vehdt,
die ich on menigklichs verbot vnd eintrag, meynen veihenden
öffentlich verkundt vnd zugeschriben hab, thienen. Ja sag
ich, ehe mustu allen Teutschen Adel vertilgen, dan du eynen
aus den meynen, in sollicher gestalt mit recht ertötest. Dan
kaum würstu jemant vom Adel, der anders hämisch füre,
finden, der nit etwa, ein wedders selbs dergleichen vehd ge-
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176
KACHLESE.
hapt, ader aber andern in jren vehden, gethient sey. Wie-
wol du noch nit vil anders thuest. Dan ich sich dich nie-
mant vorschonen, sond' mit gleicher vngestümikeit freund
vnd veihend vberfallen, vnd auch die jhenen die dir gut ge-
than, vbel handelen. Das ich glaub, du habst dir streng-
lichen vorgesetzt, solliche wütterey, so weit dir das glück
vorhengen wöll, zu volffiren, daruff zu wachen vnd dich be-
flcissigen, wie du den Adel von grund an vßreüttest. Darumb
ich auch iu dissem meyuem schmertzeu eynn einigen vnd
sondern trost hab, das vff meinen schaden, Hu cht* gevolgt
haben, schaden vnd nachteyl viller redlicher leüt, vnd das
sollich deiu gegen denn meynen vßgegangen vrteyl ist vber
alle Edelleut eyn für vrteyl ist vber alle Edelleüt Tcutscher
natiou. Ob nun keyner vom Adel wäre, der mir widdcr
deinen gewalt hilff oder beistandt thun wölte, so ist doch
disse saoh nun nur also gestalt, das eim jeden vor sich selbs,
sein eigen stand, wesen, wolfarn, heyl, Er vnd glimpf hierjnn
zu bedencken. Was ansehens mag dan haben, das ich in
meinem krieg veruolgt die jhenen, die von allen frömen,
oft entlich verhasset, vnd die niemant jn abreden ist, wo an-
ders das Komisch Reych, vnser glaub, vnd das heilig Euan-
gelium , in wesen bleiben soll , vertilget vnd außgoreüttet
werden müssen. Magstu nun, wenn du, die sollicher gestalt
vehd haben, tötest, sprechen, du habst vber straßraüber ge-
richt gesessen? Oder ob du das mit warheit sprechen möch-
test, sihstu dan nit, o du, den der geitz vorblendt vnd vor-
steckt hat, das mau billich sechßhundertfelticklichen billich
sollich gericht vber dich sitzen solte? Vnd ob man einem
vbel reden möchte, der sich gegen gewalt der pfaffen eut-
büre, wie viel desto mer dan du vor gotloß sölst geacht
werden, der auch den vnschultigen , vnd deiner eygeuen
priesterschafft vnd geistlicheit, das jr mit gewalt, entnimest.
Ynd man solt es von rechts wegen thun, vnd ein streng vr-
teil vber dich gehen lassen. Dan du pflegst warhch rauberey,
vnd vff das aller vnbillichst vnd grlmigest raubest vnd mor-
dest du, vnd hast daselbst kein vnderschid vnder bösen vnd
guten. Wir aber in vnseren vehden thun nit widder gewon-
heyt, recht, vnd gute siten, dan wir verthedingen vnser gut
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AUSSCHREIBEN GEGEN DEN KURFÜRSTEN VON DER PFALZ. 177
mit woffen, Beschirmen die vnschultigen gegen gewalt der
mechtigen, Erheben die vorgwaltigten vnd vnderdruckten mit
hilf vnd beistand, versagen keynem frömen vnser wer vnd
vermögen widder die bösen. Bisses ist ein alte vnd vn-
sträffliche der Teutschen gewonheyt, Weihe wo du abthun,
ach got wie ein tyranney würstu dan vffrichten. Vnd du
würst eigentlich etzwas anrichten, wo nit balt geschürt, das
wir alle hoffen seyn, das du in mittelem lauff deiner vbel
thaten, vffgehalten vnd verruckt werdest. Dan nun mer
Begindt man zu verstan, was du sonst willen, vnd vmb was
belonung du die Curtisanen in deinen schirm gegen mir ge-
nomen. Weihes ob schon vß verthienst geschah, vnd die
Curtisanen mit jresgleichen, solliche leüt waren, das man sie
bey gemeinem friden solt handhaben, so hette ich dich doch
zu fragen, wo her du billicher den frömen fried zuuerkaufen,
dan ich die bösen mit woffen zu vervolgen hette P Oder vß
was rechten dir gepüre sollich kauffmanschatz zu treiben?
Ob dan ich ein sollicher wäre, das jd'man zugelassen, wie
er wölt gegen vnd widder mich zuhandelen, so wölte ich
dich aber fragen, wie du andere deinen thaten verantworten
wöltest. Vnd zuuoran sag mir, wie wiltu dich entschuldigen,
das du mit eynem schändlichen geding, dein stim in d' keiser-
lichen Chur verkaufft, vnd vber den geschwornen Eyd, dastu
nit vmb gunst noch gab, welen wölst, vff ein compact, vmb
Ion gewelet hast? Wie dan das bundnuß, so du mit dem
Abt von Weissenburgk nehst eingegangen bist? Darjnnen
du, als jed'man vermerckhen kan, zwifaltigen betrug suchtest,
Erstlich wo du de nen vnträglichen zol geiß Wissenburgk
legtest, das du dieselben Erlichen Stat, die vormals auch
jämerlich durch dich beschwerdt, gantz inn grundt verderbtest,
•larnach auch das du mit der zeit, die Ebtev vnd' deinen
gewalt rissest. Was würstu vns dan vor vrsach anzeigen,
waröb dir der Keiser den selbigen zol gegeben, vnd mit was
recht od' billikeit du den vif hebest? Noch sag mir ein anders,
in was gestalt wiltu mir nit zu lassen, vß den geistlichen,
die mir vrsach gegeben, mit krieg vorzunemen, so doch du
vmb deines eygne" nutzes willen, des gantzen geistlichen Stands
fireyheit vor nichts achtest, vnd die auch vmb jr gelt schirm
qp. Lxvn. 12
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178
NACHLESE.
von dir erkaufft haben, zwingst dir Schätzung zu geben? Jtem
mer ist es auch billich, mir vor ein vbelthat zu zuschreiben,
das ich gegen mynders Stands geistlichen kriege, so du einen
Ertzbischoff vnd Chürfürsten, on vrsach widder all recht vnd
Billikeit, dir gelt zu geben, das er dir nie schuldig wart, zu
zwingen? Was wiltu dan antworten, ob dich einer fragte,
so du in abwcseu des Keisers seine stat als ein Vicarius ver-
treten das Reych vor vffrur vnd jnwendigem krieg bewaren
soltste, warunib dannoch niemants durch dich beschirmet, in
sich'heit durch dein Land wandere, er keuff dan zu voran
sond'lich vmb sein geld geleit von dir? Wer kan dan jrget
so wol reden, das er dich disses deines freuelichen Herzugs
mit Eren entschultigen möge, da du so viel redlicher leüt
beschädiget, den landfriden, der dir zu handhaben vnd zu
schützen beuolhen, widd' deifl Eyd vnd pflicht geschwäht
vnd zerbrochen, vber wen du magst mit raub vnd totschlag,
in erbarmnuß vnd mitleiden aller gemein, weit vnd breit,
wütest vnd tobest? Oder nach was beispil fürestu du frids-
beschirmer eynn krieg, den keine gsätz der alten zugelassen,
kein newe Statut vorhengt, sond' den du on geheyß vnd er-
leubuuß des Keisers, vnd obersten Regiments, vß keinem
guten vorsatz, sond' mit begir des raubs vnd plonders, durch
grausame vnd'druckung vieler vnschultigen, vmbfürest vnd
vbest? Nembt war, disses ist der fridbeschirmer , der die
rauber strafft, rauberey abtilget, die wegfertigen sichert, vnd
Strassen rein helt, ein handhäber der gerechtikeit, Beschirmer
des fridens, Schützherr der geistlichen, vnd Vicarius deß
Keisers. Aber die leüt beginnen jn anders zu kennen, eynn
vrsacher viller vffrur, enthalter d' vnbillikeit, handhäber der
laster, vnd diplichen bücherrauber, der das arm volk vnbarm-
hertzigklichcn schätzt vnd schindt, gemeyne freyheit vnder-
druckt, vnd die summ dauon zu reden, eynn Schirmherren
der Curtisanen. Mit sollichen färben gepürt mir dich zu
malen, vff das dein leben, das du mit eim schein der Er-
barkeit zu verdecken, vnd anders dan es was vßzugeben
pflagst, der gantzen weit durchsichtig werde. Magstu nun.
so weyse her gegen, tugent vnd wolthaten mit den du solliche
laster vorgleichest. Jch wil vff diß mal nit mer wort mit dir
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AUSSCHREIBEN' GEGEN DEN KURFÜRSTEN VGN OER PFALZ. 179
haben. Dan ich muß dahin oyleu, das ich alle mentschen,
vmb hilff vnd beistand anrüffe, mein vnschuld gegen dir zu
vorthedingen, dein vnmilte that, schalckhafftige handlung vnd
schändliche morderey mit feur vnd eisen an dir rechen. Amen.
(Von anderer Hand seitwärts geschrieben.)
Auschreiben Herr Virichs vom Hutten wieder Pfaltzgraf
Ludwige Cuhrfürste^.
[Handschrift des XVI. Jhrts. Archiv zu 8teinbach.J
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BIBLIOGRAPHIE.
Zu H. W. Ind. bibl. XXVI.
MS. tles Briefes an Rotenhan, des VadiscuB, des Epi-
gramms , der zweiten Febris und der Inspicientes im Cod.
lat. Mon. 22 121, foll. 2 a— 65 b. Am Ende der Febris steht
als Datum des Abschlusses in profesto Divi Galli abbatis
1520* (16. October).
Zu II. W. I, LVII.
Das Original der Urkunde, mit welcher Kaiser Maxi-
milian Ulrich von Hutten zum Poeta Laureatus ernannte, be-
findet sich im Archiv zu Birkenfeld. Burckhards vortreffliche
Wiedergabe geht, wie ein von Böcking seltsamerweise nicht
erwähnter Briefwechsel in den Wolfenbütteler Collectaneen
zeigt, unmittelbar auf dies Original zurück.
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN
ZUR
SPRACH- UND CULTURGESCHICHTE
DER
GERMANISCHEN VÖLKER.
HERAUSGEGEBEN
VON
BERNHARD TEN BRINK , ERNST MARTIN,
ERICH SCHMIDT.
LXVIII.
CUKtt Dl K 81'KACHE DER OBTGOTKN IN ITALIEN.
STKASSISITKO.
K AHL .1. T K C H N E K.
1*91.
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ÜBER DIE
SPRACHE DER OSTGOTEN
IN
ITALIEN.
VON
FERDINAND WREDE.
/
HTRASSBUlUi.
KAHL .1. TRÜBXKK.
1801.
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G. Otto» s Hof-Buchdrucker«! In DannsUdU
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IXIIALTSCBERSICHT.
A. Einleitung 8. 1-18:
Dialect und Überlieferung der gotischen Bibel S. 1. - Datierung
mit Hilfe der Eigennamen S. 3. — Betonung der diabetischen
Namenforschung S. 4. — Überlieferung und sprnchgcschichtücher
Wert der Eigennamen S. 6. — Die Ostgoten S. 10. -— Fremdo
Cultureinflüs9e S. 12. — Romanismus S. 13. — Mundart 8. 16. —
Quellen 8. 16.
B. Quellen 8. 19 42:
I. Quellen bis zum Ausgang de« 5. Jahrhunderts:
Trebellius Pollio 19. Flavius Vopiscus 20. — Ammianus
Marcellinus 20. — Claudius Claudianus 20. — Zosimus 20.
Idatius 21. — Apollinaris Sidonius 21. — Malchus 21.
II. Quellen aus dem 6. Jahrhundert:
Joannes von Antiochia 21. — Ennodius 21. — Eugippius 22.
— Genoratio rogum et gontium 22. — Avitus 22. — Boethius
22. — Marccllinus Cornea 22. — Cassiodorius 23. — Anony-
mus Cuspiniani 26. — Vita Fulgentii 26. — Liber pontificalis 26.
— Epistolae romanorum pontifieum 28. - Anonymus Valesii
29. — Pnpiri diplomatici 29. — Jordanes 30. — Procopius 32.
— Epitome constitutionum Justiniani de reformanda Italia 34.
— Liberatus Diaconus 34. Auctarium Prosperi 34. — Victor
von Tunnuna 35. — Gregor von Tours 35. — Agathias 35. —
Marius von Avenches 36. — Gregor dor Grosse 36. — Euagrioa
37. — Chronicon breve 37. — Menander 37.
III. Quellen seit dem 7. Jahrhundert:
Randglossen zur Chronik des Vict. Tunn. 37. — Isidor 38. —
Chronicon paschale 38. — Joannes Malalas 3S. — Fredegar
3h. — Paulus Diaconus 39. — Gesta episcoporum Neapolita-
norum 40. - Theophanes 40. — Chronicon Moissac. 40. —
Agnellus 41. — Vita et translatio S. Sabini 41. — Geschiohto
von Monte Cusino 41. - Erchempert 41. — Andreas 41. —
Vita 8. Launiitii rj. 8uidus 42. Ilistoria iiiUcdln 42.
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Die osmotischen Sprachigste S. 43-1(50:
Ostgoten 44. — Greotinge 49. — Araalen 50. — Theoderic 51.
— Walamcr 57. — Thcodomcr 60. — Horelouva 00. — Thcodc-
mund 62. — Amalafrida 63. — Amnlaberga 64. — Theodegoto 64.
— Ostrogoto 65. - Anmlaswintha 66. - Eutliaric 67. Cillica 67.
— Harigern 68. - Bedewulf 69. Gudila 71. Pitzin 72. —
Bauto 73. - Gevica 74. — Erdwih 74. - Thancila 75. - Thrnse-
mund 76 — Thorisa 76. -1 Triggwa. Triggwila 78. ~ Mammo 80.
— Tbba 80. — Gattila 81. - Huniniund 82. — Hildewara 82. —
Cunigast 83. Odwin 83. - Athalaric 84. — Sigiwulth 85. —
Dumildi 86. - Goda 87. - Wiljarith 87. — Theodahath 89. -
Theodennnthn 90. — Theodegisl 91. — Grippa 92. — Asinarius
92. — Sinderith 92. - Tzitta 93. — Ebremuth 94. - Witigis 95.
Mutoswintlia 96 - Optarith 97. ~ Leuderith 99. — Marcja 100. —
Hunila 100. - Wiligisl 100. - Wigand 101. - Wandalari 101. —
Waci 102. - Albi 103. - Wilja 103. - Wilithcu 104 - Gibiiner
104. — Albila 104. — Morra 104. — Oraja 105. - Wacimuth 105. —
Sisigis 105. — — Aus Cassiodors Varien: Anna 107. — Matja
107. — Umbisuo 108. - Nandwin 108. — Sajo 109. — Hunsla 111.
- Candnc 111. — Bojo III. — Oswin 111. — Suna 113. — Fruma-
rith 113. - Butila 113. - Wiligia 114. — Adila 114. — Aloiso
114. - Suniwath 114. - Marabadu 115. — Wundtl 116. —
Hunigis 116. — Leodifrith 117. Sonarius 117. — Gcsila 117.
— Geberic 118. — Tutizar 119. — Amara 119. — Duda 120. —
Tufa 121. — Theodagundi 121. — Guda 122. — Gudiscale 122. —
Fridibadu 122. Mannila 123. - Wera 123. - Gudinanth 123. —
Aliwulf 123. — Tnta 124. - Wilihari 125. — Bacauda 125. —
Gudwin 125. — Neudi 125. - Andwit 126. — Oppa 126. - Cos-
tula 127. — Daila 127. — Brandila 127. — Pa(h)tja 127. —
Wilithanc 128. — Liuvirith 128. — Starchedi 128. - Sigismer
129. — Tolwin 129. - Quidila 130. — Sibja 130. — Dumerith
130. - Thanca 131. — Gildila 131. — Witigisl 131. — Wiligisl
131. — Wacca 131. — Gudeli(n)va 131. — Ranildi 132. — Wisibadu
132. Dan 133. Tulgilo 133. - Witterith 133. - Hildcbadu
133. — Sendefara 134. — 8eda 134. — Totila 134. — Badwila 136.
— Bleda 137. — Ruderic 138. Sisifrith 138. - Ricimund 138. -
Uöda 138. — — DicUrkuuden von Neapel und Arezzo
138. — Wul})r- 140. - Der gotische Hexameter 140. —
Sunjefrith 141. Theudila 142. - Mirica, Merila 142. - Sindila
142. - Gudeleub 142. - Guderith 143. — Malatheu 143.
Alamud 144. - Willjonanth 144. - Igila 144. Angelfrith 144. -
- Scipwar 145. Gibila 145. - Gundwulf 145. - Hildwulf 145.
— Goar 145. - Usdrila 146. - Darida 146. - Riggo 147.
Wnlth 147. Blidin, Widin 147. - Zalla 148. - Tila, Teja 148.
Fridigern 150. - Aligcrn 150. — Ragnaritlt 150. - Ade-
mund 151. — Aderith 151. -- Felithanc 151. - Ruuilo 152. -
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VII
Sisewera 152. - Theudifara 153. - Gundihildi 153. — Landn-
rith 153. - Gundwulf 153. - Adiuth 153. - Rosemud Faffo 154.
— Gundirith 154. — Lendarith 154. — Tzalico 155. — Gudila
155. - Wilifara 155. - Hildiwada 155. - Sindula 156. — Anila
150. — Gundimer 156. - Ranihildi 156. — Guderith, Gunderith
156. — Manna 156. — Nandorith 156. ~ Riccithane 156. —
Otratarit 156. - Winigild 156. - Wiljnric 157. - Thrasaric
157. Holdigcrn 157. - Odoric 15*. — Boherde 158. — Tzita
158. - Hildigern 158 _ Wadwulf 158. - Siccifrida 158.
Giverit», Giberith 151*. - Hardica 15'J. — Ce«sa 159. - Sifilo 160.
I>. Diabetische Merkmale des Ostgotischen S. 161 — 199:
Yocalismus :
o 161. - t 161. - / 162. — f, r, i 162. — « 164. — A 164. —
<t 164. — Wulf, di > ostgot. ! 165. - Wulf an > ostgot.
u 165. - m 167.
Consonantismus :
Halbvucale 167. — Labiale 169. — Dentale 170. - Gutturale
173. — /, r, »t, n 175.
Declination:
Starke Declination: Masculina 176 (Schwund des Nominativ-*).
— Feminina 182. — Schwache Declination : Masculina 182. —
Feminina 183.
Wortbildung :
Nominale Compositum 183 (der ostgot. Eigennamen; der wulf.
Nouiinnj. — Suffixbildung 190 ( Suffix a: primäre und socundaro
Hypocorismen). — Nnmongebung 196.
K. Schluss S. 200-201.
F. Index S. 202-208.
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EINLEITUNG.
Im Jahre 1874 sagte Adalbert Bezzenberger in seiner
Abhandlung »Über die /1-Reihe der gotischen Sprache" (Göt-
tingen 1874) 8. b* f.: .Die Sprache, welche uns in der go-
tischen Bibelübersetzung vorliegt , kann nicht für so alt
gelten, dass auf ihre Lautverhältnisse die der übrigen deut-
schen Dialecte ohne weiteres zurückgeführt werden dürften.
Wir wissen, dass die Bibelübersetzung Wulfilas ein Gegen-
stand fortwährender Beschäftigung für die Goten war, welche
dieselbe durch Änderungen des Textes, Glossen u. dgl. ver-
besserten und verschlechterten. Diese Änderungen und Zu-
sätze haben dazu gedient, die Altersverhältnisse der gotischen
Handschriften zu bestimmen und die einstige Existenz ver-
lorener Vorlagen festzustellen. Die uns vorliegende Bibel-
übersetzung kann deshalb nur ihrem Kern nach für das
Werk Wulfilas gelten , in der Tat ist sie das Resultat
einer hundertjährigen, ja wohl einer zweihundertjährigen
Arbeit. Scheinen doch sogar verschiedene Schulen der Text-
kritik und Textüberlieferung unter den Goten bestanden zu
haben. Dass die Sprache der Bibelübersetzung wenigstens
die der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts war. be-
weisen die den einzelnen Büchern hinzugefügten Überschriften
und Schlussbemerkungen, und dass sie die von den Ostgoten
in Italien gesprochene war, beweist die Einteilung des Textes
in laiktjons, d. h. Leseabschnitte beim Gottesdienst. Im wesent-
lichen bleibt sich diese Sprache überall gleich, in dem Bibel-
text wie in der Skeireins. in dem Kalender wie in den
QF. I.XVHI. l
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1 —
Urkunden von Arezzo und Neapel. Wir haben also die
Sprache einer bestimmten Periode vor uns, und als solche
miiss die der ostgotischen Herrschaft in Italien, von 49:j
bis ,V>:H. gelten; kurz, die uns überlieferten gotischen Texte
repräsentieren die Sprache des sechsten Jahrhunderts". In
dem Nachwort zum dritten Bande von Ficks .Vergleichen-
dem Wörterbuch der indogermanischen Sprachen* (rt. Auf-
lage. Göttingen 1x74 > zieht Bezzenberger entsprechende
Folgerungen, er will z. B. die germanischen Kürzen <
und o auch dem Dialect Wultilas zuerkennen und die con-
stanten gotischen / und // auf die ostgotische Aussprache
der italienischen Schreiber des sechsten .lahrhunderts zurück-
führen (S. :if»S|. Bezzenberger hat mit seiner Theorie keinen
Erfolg gehabt. Von vorn herein sind ihre historischen
Stützen belanglos; denn es ist nicht einzusehen, was die
einstige Existenz verlorener Vorlagen, was die verschiedenen
Schulen der Textkritik, was die später- hinzugefügten Über-
schriften und Schlussbemerkungen, was die jüngere Ein-
teilung des Textes in laiktjons für die Annahme ost go-
tischen Dialects und gegen die Annahme einer von
Codex zu Codex und von Schule zu Schule vererbten me-
chanischen Textab schrift beitragen. Vielmehr ist die
Anschauung herrschend geblieben, dass uns in der gotischen
Bibelsprüche wirklich Wultilas Dialect des vierten Jahr-
hunderts vorliege, und dass nur gelegentliche Schwan-
kungen der Handschriften, wie die zwischen *' und ei, zwischen
o und u, den jüngeren ostgotischen Abschreiber verraten.1
Nur Julian Kremer begann 1HS2 seine , Behandlung der
ersten Compositionsglieder im Gotischen* 2 mit den Worten:
„In den uns erhaltenen gotischen Sprachdenkmälern haben
wir den Dialect der Ostgoten vor uns. und zwar in der Ge-
stalt, wie er während der Herrschaft dieses Stammes in
Italien <4!JM — 55:1) und früher, also durch ca. anderthalb
Jahrhunderte, lebte." Aber Klemers Arbeit, welche von
Anfang bis zu Ende auf vorgefasster Meinung beruht und
1 Vgl. z. B. die Zusammenstellungen in Braunes Gotischer Gram-
matik» § 221, 1.
2 Paul und Urämie, Beiträge VIII, *n0 ff.
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noch ausführlicher zu betrachten sein wird, bringt für
.seine und Bezzenbergers Auffassung ebenso wenig einen
positiven Beweis, wie ein solcher bis jetzt gegen dieselbe
unternommen worden ist.
Kin solcher wäre erbracht, wenn es gelänge aus den
ausserbiblischen Spracbresten der Ostgoten in Italien den
Lautstand ihres Dialects festzustellen und danach zwischen
ihm und dem Bibeldialect bestimmte Abweichungen zu con-
statieren.1 Dieses ausserbiblische Material darf nicht etwa in
den beiden bekannten gotischen Urkunden bestehen; denn die
Übereinstimmung ihrer Sprache mit der biblischen legt so-
fort die Vermutung nahe, dass sie, aus geistlichen Kreisen
stammend, in dem diesen geläutigen traditionellen Bibel-
gotisch, also in einer über dem Dialect stehenden Schrift-
sprache verfasst seien. Dieses ausserbiblische Material sind
vielmehr die zahlreichen ostgotischen Eigennamen. Müllen-
hoff hat in der Vorrede zu den «Denkmälern* gezeigt,
wie aus den Eigennamen alter Urkunden der Lautstand
einer Mundart gewonnen weiden kann, und auf diese Weise
den althochdeutschen Tatian localisiert, und andere sind ihm
gefolgt.2 Tst Ähnliches mit den ostgotischen Eigennamen
zu erzielen, dann wird eine solche Arbeit zu den ahd.
Localisierungsversuchen in dasselbe Verhältnis der Wert-
schätzung treten dürfen wie die gotische Bibel zu den ahd.
Denkmälern.
Damit hat denn die vorliegende Untersuchung auch
in den Augen derer eine Berechtigung mehr aufzuweisen,
welche von einer auf den Eigennamen fussenden Scheidung
und P]inzelbehandlung der gotischen oder wandilischen Dia-
lecte sonst nicht viel wissen wollen.3 Ich habe eine solche
1 8treng genommen, wÄre die Beweisführung pro et contra erst
zu Ende geführt, wenn sieh andrerseits Übereinstimmung der Bibel-
sprache mit den» Lautstand erwiese, welchen die mösogotiachen Eigen-
namen aus der Epoche des Wulfila darstellen. Allein in jener frühen
Zeit fliesscn die Namenquellen noch spärlich, und Stammesunterschiede
der Goten sind nur in seltenen Füllen präcisiert.
» Vgl. Anzeiger f. deutsch. Altert. XVI, 289.
* Henning, Singer, vgl. unten S. 4, 1.
1*
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mit der «Sprache der Wandalen" hegeiincn1, ich setze sie
hier mit der Sprache der Ostgoten fort: die verschiedenen
Ergebnisse beider Untersuchungen bestärken mich in der
eingeschlagenen Methode. Auf Procops Zeugnis, der (d. b.
Vand. I. 2) allen Wandiliern nicht nur gleiche Statur, gleiches
Recht, gleiche Religion, sondern auch gleiche Sprache giebt,
ist natürlich kein Gewicht zu legen; schon die geringere
Zuverlässigkeit der griechischen Quellen gegenüber der der
lateinischen in der Wiedergabe germanischer Namen- ver-
bietet, dem Historiker ein feineres mundartliches Unter-
scheidungsgefühl zuzutrauen. Dass zwischen den einzelnen
Stämmen der grossen Goten- oder Wandiliergruppe diabe-
tische Unterschiede vorhanden sein oder sich entwickeln
mussten, ist a priori wahrscheinlich, wenn man sich ihre
politische Geschichte, die selbständige Gründung eines Wan-
dalen-, Ostgoten-, Westgotenreiches, namentlich ihre locale
Isolierung in Afrika, Italien. Spanien vergegenwärtigt. Und
wenn es heute noch möglich ist, nach den alten Quellen eine
selbständige Wandalen-, Ostgoten-. WTestgotengeschichte zu
schreiben, dann ist es auch wahrscheinlich, dass genügend
zahlreiche, in den Quellen politisch und damit mundartlich
geschiedene Personennamen sich vorfinden. Hierzu halte
man folgende Tatsachen. Ich erwies für das Wandalische
Fortbestehen der alten Diphthonge, namentlich des wulf.
ui als wand, ei, ich erweise im folgenden für das Ost-
gotische durchgeführte Monophthongierung von wulf. ui zu
e, von wulf. du zu o; ich erwies für das Wandalische be-
ginnenden Abfall des Nominativ-.«? nach Dentalen und seine
feste Erhaltung nach Gutturalen. ich erweise im folgenden
für das Ostgotische durchgeführten Schwund des Nomina-
1 Quellen und Forschungen L1X, Straasburg 1886; besprochen
von Kaiser im Jahresbericht ü. d. Ersehnen, a. d. Geb. d. germ. Phil.,
Jahrg. 1886, S. 28: von Bhdr. im Lit. Contralbl. 1887, Sp. 1009; von
Henning in der Dtsch. Littcraturzeitg. 1887, Sp. 1548; von Elingmann
im Literaturbl. f. germ. u. rom. Phil. 1887, Sp. 467; von Singer im Anz.
f. d. A. XIV, S. 82; von Goebel in den Mod. Lang. Notes 1888, Sp. »9;
von Bartsch in der Germania XXXIll, S. 122. Im folgenden kurz citiert
als „Wand.*
* Vgl. u. S. G.
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5 -
tiv-.<. Bei solchen Ergebnissen handelt es sich nicht etwa
nur um chronologische Entwicklung derselben Sprache: beide
(iermanenreiche blühten lange Zeit neben einander, und der
Untergang des einen erfolgt nur zwei Jahrzehnte nach dem
des andern. Beide Dialecte gingen vielmehr ihre eignen
Wege, und nur bei consequent durchgeführter Scheidung
sind ihre Unterschiede festzustellen. Sie wären nicht in
gleicher Klarheit hervorgetreten, wenn ich sofort an die
Zusammenstellung eines gotischen Namenbuches im allge-
meinen herangetreten wäre: man berücksichtige hierfür allein
den Umstand, dass gelegentlich z. B. in ostgotischen Ge-
schichtsquellen Wandalennamen in ostgotischer Dialectum-
sihrift auftreten und umgekehrt.
In der folgenden Untersuchung gebietet daher erstens
die Absicht, textkritische Gesichtspunkte für die gotische
Bibel zu gewinnen, eine chronologische Beschränkung auf die
italienische Zeit, und zweitens die Absicht, grammatische
Gesichtspunkte für wandilische Dialectseheidung zu ge-
winnen, eine locale Beschränkung auf die Ostgoten: sie darf
sich nur auf speciellen Ostrogoticis der italienischen Zeit
aufbauen, und Ausblicke auf sonstige Wandiliea, ausser
Eigennamen auch auf die gotischen IJunenroste1, die Salz-
burg-Wiener Handschrift, das Krimgotische2, dürfen nur
gelegentliche und vergleichende sein. Eine Gesamtdar-
stellung der wandilischen Dialectgruppe aber kann nicht
eher versucht werden, als bis namentlich das Westgotische
eine specielle Untersuchung erfahren hat3 und auch Wacker-
1 Rudolf Henning, Die deutschen Runendenkniäler , Strasaburg
188«, 8. 141.
* Obwohl die Krimgoten Nachkommen der Ooti Tetraxitae und
diese ostgotische Reste Hein sollen: Zeuss, Die Deutschen und die
Nachbarstamme (München 1837), S. 4.'t<) ff.; vgl. jedoch Tomaachek,
Die Goten in Tnurien ( Wien 1881), S. 10. 12 und jetzt ßraun, Die letzten
Schicksale der Krimgoten (Petersburg l*i>0), S. 8 f. Zu Busbecks Notizen
sehr richtig Bezzenberger 8. 14, Tomaschek S. 57, Braun S. 55 f.
3 Eine solche wird von all den wandilischen Einzelgrammatiken
zweifellos die ergebnisreichste sein, ist aber andrerseits mit grossen
Schwierigkeiten verknüpft. Bei dem langen Bestand des westgotischen
Reiches durch mehrere Jahrhunderte hat sie nicht nur ciuon bestimmten
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nagels „Burgunder" ' einer eontrolierenden Umarbeitung unter-
zogen sind.2
Im übrigen sei auf die allgemeine Einleitung meiner
Wand, verwiesen und auf die dortigen Bemerkungen über
den spraehgesehichtlichen Wert der Eigennamen. Vorar-
beiten auf ostgermanischem Gebiet, Quellenkritik. Einiges
hier zur Ergänzung. Wenn ich oben so kühn war Müllen-
hoffs Localisierung des Tatian mit dem litterarhistorisehen
Endziel meiner Abhandlung in Parallele zu stellen, dann
bin ich den Nachweis schuldig, dass die gotischen Eigen-
namen bei den Historikern in einer Überlieferung erhalten
sind, welche wenigstens annähernd dem Werte alter gleich-
zeitiger Urkunden entspricht. Deshalb zu Wand. r>f. noch
Folgendes. Dass zwischen griechischer und lateinischer
Uberlieferungstreue bei solchen germanischen Sprachresten
ein praetischer Unterschied zu machen, ist bekannt. Es
findet sich bei den Griechen namentlich für den germanischen
Vocalismus wenig Verständnis, für seine Qualität1 wie für
seine Quantität,4 während sie für consonantische Reflexe
gelegentlich über genauere graphische Mittel vertilgen (z. B.
diabetischen Lautstand festzustellen, sondern innerhalb der »»inen Mund-
art mit lautlichen Wandlungen zu rechnen. Ferner ist das westgotisehe
Sprachmaterial von ausserordentlichem Umfang, und seine annähernd
vollständige Sammlung erfordert noch longo Jahre. Augenblicklich
wäre es nutzlos, den reichen Namenschatz der westgotischon Concilien-
aeten mühsam aus der indexlosen Ausgabe Mansis zusammenzusuchen
und nicht erst die Fortsetzung von Duchennes Liber pontificalis und
Thiels Epistoloe romanorum pontificum mit ihren textkritischen Resul-
taten abzuwarten. Die westgotischen Inschriften sind sehr zahlreiche
und hier ausser den spanischen besonders noch die des Corp. inscr.
lat. XU zu berücksichtigen.
1 Sprache und Sprachdenkmäler der Burgundcn, Kleinere Schriften
III, 334 ff.
2 Von den sonstigen kleinen Wandilierstämmcn ist zu wenig er-
halten, um eine Darstellung ihres mundartlichen Lautstandes versuchen
zu lassen. Ihr Namenmatcrial findet man im wesentlichen in Dahns
„Königen" bei einander; ich stelle es vielleicht demnächst in einer
unserer Zeitschriften textkritisch zusammen.
3 Vgl. z. B. Kossinnn, Anz. XIII, 205.
« Vgl. z. B. Kossinna, Zeitschr. f. d. A. XXIX, 268.
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7
gr. .*> = gut. />). Andrerseits ist der linguistische Wert
lateinischer t berlieferung von je her gewürdigt und ausge-
nutzt. Sagte doch schon 1819 Jacob Grimm im Vorwort
zum ersten Bande der Grammatik 8. XXXIX: „Es ist falsch
davon auszugehen, dass die deutschen Wörter von den
Römern entstellt und ihrer lateinischen Aussprache bequemt
worden seien : im Gegenteil wird man bei gründlicher Unter-
suchung sich immer mehr von der Zuverlässigkeit über-
zeugen : bloss die Endungen sind luteinisiert, aber mit wohl-
verstandener Uücksicht auf die Analogien zwischen beiden
Sprachen* Und alle späteren Forscher auf gleichem Ge-
biete, unter welchen Karl Müllenhoff der oberste Platz ge-
bührt, haben Grimms Wort bestätigt gefunden. Für die
vorliegende Untersuchung sei es in folgenden Einzelpunkten
erwiesen.
Als dialectische Eigentümlichkeiten der ostgotischen
Bibelabschreiber hat man immer schon, wie oben erwähnt,
in erster Linie die gelegentlichen handschriftlichen Schwan-
kungen von et ei, i2 und o, w3 angesehen. Aber solche feine
lautliche Xüancierungen nach dem ausserbiblischen Sprach-
material zu controlieren, sie bei den Historikern in den ost-
gotischen Eigennamen wiederzufinden, dieses Unternehmen
droht von Anfang an daran zu scheitern, dass in allen unsern
lateinischen Handschriften der Wechsel von e und /, o und
n ein ganz gewöhnlicher und mechanischer ist und deshalb
grade die erwähnten diabetischen Lautwandlungen in den
gotischen Eigennamen nicht überwachen lässt. Aus gleichem
Grunde verzichtet z. B. auch Bezzenberger (S. 14) darauf,
seine westgotischen Namenzusammenstellungen lautlich zu
verwerten. Es fragt sich jedoch , ob diese Schwankungen
in der Wiedergabe der germanischen Dialectbrocken in der
Tat ebenso geläufig sind wie im lateinischen Texte. Dass
sich die lateinischen e- und /- , o- und w-Laute sehr nahe
gestanden haben , ist durch zahllose Vertauschungen , nicht
1 Vgl. noch Kossinna, Hochfränkische Sprachdenkmäler, QF XLVI,
S. 81 ff.
8 Braune3 §g 7, 2. 3. 4. 9, 2. 10, :>. J6, 2. 17, 1.
» Braune» §§ 11, 2. 12, 1. 13, 2. t4, 3. 15, 3,
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8 -
nur handschriftliche, auch inst hriftliehe, zur Genüge belegt : 1
die Verschiedenheit der lateinischen Einzeldialecte mag die
Verwirrung vollendet haben. Daraus folgt aber für die
lateinische Niederschrift unlateinischer Sprachteile noch
nichts. Kluge hat zuletzt darauf hingewiesen,- wie schwer
und unbequem den classischen Organen der germanische
Lautcharacter erscheinen musste, und wie ferner nirgends
eine Urverwandtschaft zwischen Germanen. Körnern und
Griechen geahnt wird. Mag daher der Römer auch häufiger
gebrauchte und gehörte Germanen-, zumal die Völkernamen
grade so nostrifieiert haben, wie wir heute von Franzosen
und nicht von Francais sprechen, so blieb ihm für die bar-
barischen Bildungen der Einzelnamen doch nichts übrig als
ein genaues dem Gehör folgendes Nachmalen : und je fremder
und unlateinischer ihm solcher Einzelname klang, um so
weniger konnte er bei dessen Schreibung orthographischen
Licenzen folgen, die ihm sonst für seinen lateinischen Text
geläufig waren. Die späteren Abschreiber und Verfertiger
der uns erhaltenen Handschriften mögen dann in den latei-
nischen Teilen ihre grammatische Weisheit durch alle mög-
lichen Correcturen angebracht oder lateinische Lautschlüsse
durch blinde mechanische Vertauschung von / und e, u und
o unmöglich gemacht haben : die Germanennamen hingegen
waren für sie in der Kegel grade so wie für ihren alten
Autor monströse Bildungen, denen sie nur durch mechanisches
Abmalen gerecht werden konnten. Insofern erscheint der
Lautstand der germanischen Eigennamen in den lateinischen
Quellen von vorn herein in zuverlässigerem Lichte. Und
nun betrachten wir unser ostgotisches Material, wie es sich
unten im Quellenteil aus den lateinischen Fundgruben dar-
bietet, indem wir einige etymologisch sichere Fälle heraus-
greifen. In den zahlreichen mit germ. rik~ componierfcm
Namen [Theoderie, Eut harte, Athalarie, Wiljarie u. s. w. u. s. w.)
begegnet bei keinem Autor, in keiner Handschrift, in keiner
Inschrift auch nur ein einziges -reeun o. ä. ! Germ, a zeigt
1 Vgl. z. R. Seelmann, Dio Aussprache des Latein ( Hcilbronn 1885),
SS. 183 f. 189 f. 200 ff. 211 f. 214. 216 f.
2 In Pauls Orundrisa der germ. Philologie I, 315,
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0
sich in Runilo und den mit hun- gebildeten Namen iHuui-
tumid, Himila u. s. w.) ohne jede abweichende Lesart! Unter
den Kürzen ist da.s gemeingermanische e vor r (wulf. «0 in
Erdmh und den Namenbildungen auf -berga , -(fern durch
constantes, in keiner Handschrift zu t übergehendes e refiec-
tiert! Das gemeingermanische u in den zahlreichen Com-
positis mit mund- , tculf- , gunp- hat auch nicht ein o in
etwaigen Varianten neben sich ! Das nach gemeingermani-
schem Gesetz durch ableitendes i oder /' bedingte * in Wurzel-
silben ist in den vielen mit teil ja-, sigis-, ivini- zusammen-
gesetzten Namen, auch in den besonders häutigen Koseformen
auf -da (Quidila , Igiia , S'ifilo u. s. w.) ebenso fest! Ich
denke , das sind für die Zuverlässigkeit der lateinischen
Gesehiehtsquellen in dei* Wiedergabe ostgotischer Namen
deutlich redende Zeugen. Es versteht sich von selbst, dass
für spätere Epochen germanischen Sprachlebens diese Sicher-
heit nachlassen wird, je mehr die Germanen alle Teile des
alten Römerreichs durchsetzt haben, Germanennamen auch
romanischem Munde geläutiger und selbst germanische Dialect-
unterschiede bekannter werden. Aber für jene ältesten Sprach-
perioden, die noch den brausenden Wellen der Völkerwande-
rung und dem ersten intimeren Verkehr zwischen Germanen
und Romanen näher liegen, ist der Wert des uns aus roma-
nischer Feder bewahrten germanischen Sprachmaterials
zweifellos und gestattet positive Rückschlüsse auf alte Sprach-
gesetze und Lautwandlungen. Obige Zeugnisse gehörten ins
Gebiet des Vocalismus : sie finden für alle andern Felder der
altgermanischen Grammatik ihresgleichen. Was den Conso-
nantismus anlangt, so ist es z. B. ein characteristisches
Zeichen des Vulgärlateins, dass vom dritten Jahrhundert ab
d und b vollständig zusammenfallen und promiscue geschrieben
werden. 1 Dem gegenüber ist in der lateinischen Wiedergabe
unserer Gotennamen für germ. w zwar oft v. aber nirgends
b geschrieben ! Und für germ. b findet in den Schreibungen
ein Wechsel mit v nur im Inlaut zwischen Vocalen statt,
während im Anlaut b fest ist: genau seinem lautlichen
' Scelmann 239 f.
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10
Charaeter entsprechend, welcher im Anlaut auf Verschluss-,
im Inlaut auf Reibelaut weist ! Endlich eine ähnliche (Konse-
quenz auf dem Gebiet der Flexion : germanische a-, t-, n-
Stämme zeigen auch in der Interpretatio romana im allge-
meinen die urverwandte lateinische o-, n- Declination,
worauf im einzelnen bei vielen Namen zurückzukommen
sein wird.
Diese Sicherheit, mit welcher wir somit an das ost-
gotische Sprachmaterial herantreten dürfen , wird weiter
bestärkt, wenn mit dem Lautstand der so characterisierten
handschriftlichen Überlieferung auch der Lautstand der in-
schriftlichen oder urkundlichen Sprachreste übereinstimmt,
und die Berechtigung der folgenden ostgotischen Grammatik
wird nicht weiter verteidigt zu werden brauchen. —
Das grosse Goten volk hatte im Strome der Völker-
wanderung die Ufer des Schwarzen Meeres erreicht und
das gewaltige Römerreich in Schrecken zu setzen gewusst.
Aber dem Ansturm der Hunnen war es nicht gewachsen:
die Westgoten wichen nach Süden aus, die Ostgoten erlagen
und traten in hunnische Botmässigkeit. Erst nach Attilas
Tod erlangten sie ihre Selbständigkeit zurück und besiedelten
unter dem Herrscherhause der Amalen Pannonien. Von hier
zog der Kern des Volkes mit Theodemer über die Donau
nach Mösien. Und dessen Sohn Theoderic führt es 488 im
Einverständnis mit dem Kaiser Zeno die Donau aufwärts,
steht im Sommer 489 in der Lombardei und überwältigt bis
49M den Odowacar. Italien, ein Teil Pannoniens, die Alpen-
landschaften und das südwestliche Gallien bildeten allmäh-
lich das mächtige Ostgotenreich, das zumal unter Theoderic
die Hegemonie über den ganzen Occident ausübte. Nach
dessen Tode (526) ging es schnell mit dieser Machtstellung
abwärts, wozu innerer Zwist das Meiste beitrug, und nach
aufreibendem Kriege fand 553 der Ostgotenstamm durch die
Börner dasselbe Ende, wie es zwei Decennien vorher das
Wandalen volk erlebt hatte.
Es bedarf keiner eingehenderen Ausführung, wie intensiv
in jenen Jahrhunderten der Völkerwanderung und Völker-
mischung die germanischen Stämme das gesamte Römerreich
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11
zu durchdringen beginnen: barbarische Söldner nehmen schon
seit dem dritten .Jahrhundert mehr und mehr zu , und von
Jahrzehnt zu Jahrzehnt werden die Barbarennamen häutiger.1
Um so grössere Vorsicht und Zurückhaltung ist geboten,
wenn aus jener bunten Periode ein specieller germanischer
Dialect eruiert werden soll : wir werden uns streng und
ausschliesslich an Germanennamen zu halten haben , deren
ostgotische Herkunft direct durch die historischen Quellen
oder das politische Auftreten ihrer Träger gesichert erseheint ;
und so viele Germanennamen z. B. Procop im Heere Beiisars
kennt, und so viele von ihnen ostgotische sein mögen, sie
müssen hier ausser Betracht bleiben und können nur auf-
gespart werden bis zur zusammenfassenden Behandlung im
gotischen oder wandilischen - Namenbuch. Führen wir hier
aber eine solche Beschränkung consequent durch, dann darf
auf eine zuverlässige und sichere philologische Grundlage
für die ostgotische Grammatik gerechnet werden. Denn die
Schaaren, welche unter Theoderic nach Italien zogen, waren
kein buntes Völkergemisch wie die Massen des Odowacar,
sondern sie bildeten eine einheitliche, fest zusammenhängende
Nation. «Alle Stammesgenossen, wo sie sich auch befinden
mochten , wurden zu einem einzigen Kriegsheer vereinigt.
Niemand, sagt Ennodius, wurde geduldet, der nicht ein Ver-
wandter war".3 Und wenn auch nach der Eroberung Italiens
-die daselbst ansässigen Germanen , soweit sie nicht von
Theoderic ausgerottet oder ausgetrieben wurden, ihn sämt-
lich als ihren Stammfürsten anerkannten", wenn somit auch
die italienischen Goten „in der Tat eine durch Samteid unter
sich geeinigte und an ihn geknüpfte Conföderation germa-
1 Brunner, Deutsche Rcchtsgeschichte I, 38 f.
■ Für die Gesamtbezeichnung der einen Ostgermanenhälfte ist
„wandilisch" der älteste bis auf Plinius und Tacitus aurückzuvorfolgende
Terminus (vgl. Wand. 6); der geläufigere, „gotisch", ist ungenauer,
geht jedoch bis auf Procop zurück (nror»ixn *>rjya). In grammatischer
Hinsicht behalten wir im folgenden die Bezeichnung „gotisch" im her-
kömmlichen Sinne bei und verwenden nur bei beabsichtigter Differen-
zierung „wulfilanisch" und „ostgotisch.41
5 Ranke, Weltgeschichte IV, I, 387.
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12
nischer selbst künigsloser Gaue" sind 1 . so zeigt doch das
Beispiel der Rügen , wie trotz dem gemeinsamen Amalen-
scepter die nationale Selbständigkeit der einzelnen Stämme
gewahrt blieb : die Rügen haben immer eine ganz nach Ab-
stammung ausgeschiedene selbständige Colonie im Gotenstaate
gebildet, sie verheirateten sich nur unter einander und hielten
in jeder Beziehung auf strenge Wahrung ihres Geschlechts
und ihres Namens.2 — Die Confession ist bei den Ostgoten
für die angestammte Nationalität nicht so ausschlaggebend
wie bei den Wandalen :* und auch bei den Westgoten ; kein
fanatischer Arianisinus. keine blutigen Katholikenverfolgungen
wie bei jenen, sondern äusserste Toleranz , ja eine gewisse
Ehrerbietung vor der orthodoxen Kirche herrschen im Ost-
gotenreiche, und vereinzelte Übertritte von einer Confession
zur andern lassen sich beiderseits belegen. 4
Eine ganz andre ist die Frage, was die Ostgoten in
ihren Eigennamen schon aus voritalienischer Zeit an exo-
tischem Sprachmaterial mitbringen, wie weit sie ihre Namen
von andern Stämmen entlehnten u. s. w. Hierfür wird man
sich zuerst der Zeit der hunnischen Herrschaft erinnern
müssen; wie Attilas Name ein gotischer ist und sein Hof
gotische Sitten annahm, so ist auch der Übergang von hunni-
schen Namen auf Goten nicht ohne weiteres abzuweisen.
wenn auch das ,nomina Gothi plerumque mutuantur
Hunnorum" des Jordanes (70, 8 ff.) eine starke Übertreibung
enthält \ Zweitens aber müssen die Goten in früheren Jahr-
hunderten mit keltischen Stämmen in enger Berührung ge-
standen haben , wovon keltische Gotennamen Zeugnis ab-
legen6; und dieser Gesichtspunkt verdient um so mehr Be-
achtung, als grade Kelten und Germanen in der Bildung
1 Momni8en, Neues Archiv f. 5. d. G. XIV, 538 f.
2 Dahn, Könige II, 127. 227. III, 3. Und so bleibt auch in der
folgenden sprachlichen Untersuchung der Name des Rügen trarius
(Mnrccll. Com. bei Rone. II, 328; Jordanes 50, 18) ausser Betracht,
obwohl er im Jahre 541 fünf Monate ostgotischer König war.
3 Vgl. Wand. 9.
* Zu Dahn III, 199, 4 noch die Ereleuva-Eusebia.
5 Dietrich, Aussprache des Gotischen, S. 28.
• Kremer, Beitr. VIII, 447.
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1:>
ihrer Eigennamen die weitgehendste Urverwandtschaft zeigen,
die enger ist als die der Germanen mit den Indem oder
Griechen J. Wenn man somit darauf gefasst sein muss. unter
den ostgotischen Eigennamen auf nngermanische Bildungen
zu stossen . und wenn andrerseits die sicher germanischen
unter denselben in lautlicher und etymologischer Beziehung
die durchsichtigste Klarheit aufweisen werden, dann dürfen
bei dunklen Namenbildungen keine etymologischen Kunst-
stücke versucht werden. 2 Dass solche Namen den Goten
selbst schon vielfach unverständlich gewesen , wird u. a.
durch den Umstand bewiesen . dass von den Doppelnamen,
die bei den Ostgoten begegnen werden, häufig der eine
dunkel und etymologisch rätselhaft bleibt , so dass zu ihm
der zweite Name als ein gewisser Ersatz später hinzuge-
treten zu sein scheint.3 Übrigens sagt auch Jordanes a. a. ().,
dass die Entlehnung fremdländischer Eigennamen nichts Auf-
fallendes mehr sei.
Zu solchen ungermanischen ('ultureinflüsson tritt nun
in Italien der romanische ! Für die gotischen Verwaltungs-
vcrhältnisse hat ihn letzthin Mommsen aufzudecken gesucht : 4
sie sollen allein mit römischem Massstab zu messen sein,
es sollen unter den Ostgoten alle unter römischer Herrschaft
eingeführten Institutionen bestehen geblieben sein. Und ein
solches Vordringen und Durchdringen des Humanismus hat
für alle Culturgebiete zu gelten. Komische Bildung, römische
Sprache waren schon bei den Wandalen, die in aussereuro-
päischer Provinz Roms hausten, von so gewaltigem Einfluss:5
wie erst bei den Ostgoten, die im alten italienischen Stamm-
lande sich niedergelassen ! Stiessen zwei generell und graduell
so verschiedene ( 1ulturen auf einander wie die gotische und
1 Vgl. zuletzt Kluge in Pauls Gruudriss I, 304 f. Im übrigen
wird Alfred Holders angekündigter „Altceltischer Sprachschatz" grade
für die altgermanische Namondeutung von nicht zu unterschätzender
reinigender Bedeutung «ein.
? Vgl Wand. 7.
3 Vgl. letztes Capitel unter „Namongebung".
4 S. unten S. 17 Anm. 1.
1 Wand. 8.
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14
die römische, dann bedarf der ausschliessliche Sieg der letz-
teren, aller nationalen Opposition zum Trotz, keiner Erklärung.
Es sind nur Ausnahmen, wenn der Patricicr Cyprian neben
dem Lateinischen und Griechischen auch des Gotischen mächtig
war und seine Söhne, pueri stirpis romanae. Gotisch lernen,
Ausnahmen . die König Athalaric ausdrücklich anerkennt
(Cass. Var. VIII. 2\). Hingegen verstehen und sprechen
Theoderic und alle seine Nachfolger Latein, Latein ist die
Amtssprache, Latein ist die Sprache in Cassiodors Valien,
Latein die Sprache aller specifisch ostgotischen Inschriften
u. s. w. Und solche Komanisierung findet ihren wirksamsten
Nachdruck in den romanisierenden Neigungen des amalischen
Herrscherhauses selbst. Das ganze Streben Theoderics. der
nach Odowacars Vernichtung seine gotische Kleidung mit
der römischen Tracht vertauschte, geht in seiner inneren
Politik darauf aus, die nationale und die geistige Differenz
zwischen Hörnern und Goten auszugleichen, und Cassiodor
wie .Jordanes geben diesen seinen Anschauungen Ausdruck,
so oft sich Gelegenheit bietet ; ihre Identificierung von Goten
und Geten ist nichts weiter als ein Versuch, die Kluft zwischen
historischem Horner- und Gotentum historisch zu überbrücken.
Theodahath und Amalaswintha. Amalafrida und Amalaberga
sind der nationalen Sitte völlig entfremdet 1 ; und die schliess-
liche Verschwägerung der Amalen mit den Byzantinern, die
Heirat der Mateswintha und des Germanus, erscheint als
glücklicher Abschluss der ersehnten nationalen Ausgleichung.
Natürlich ist dieses Aufgehen in antiker Bildung, wie es
die Amalen charakterisiert, nicht in gleichem Grade auf alle
Schichten des Gotenvolkes auszudehnen, hier hatte die clas-
sische Cultur vielmehr mit der alten gotischen erst zu ringen,
bis ihr der Sieg zufiel. Man erinnere sich nur des oben ei-
wähnten festen nationalen Zusammenschlusses aller Ostgoten ;
man bedenke, dass das Heer, das typische Abbild aller ger-
manischen Stammesgemeinschaft, sich so gut wie ausschliess-
lich aus Nationalgoten remitiert und Börner ausschliesst? :
• Dahn, Könige II, 158. III, 256.
1 Dahn, Könige III, 57 ff., Urgeschichto I, 2U4.
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15
man berücksichtige auch, dass es Berichte aus griechischer
oder römischer Feder sind . welche für die ostgotische Ge-
schichte vorliegen, dass diese die Tatsache einer unrömischen
Regierung gern verdecken und deshalb das alte einheimische
Element in den Vordergrund drängen. Eine oppositionelle,
d. h. nationalgotische Partei ist schon unter Theoderic zu
spüren , gegen Amalaswintha regt sie sich schon stärker,
und sie stürzt ihren Nachfolger, der sich ganz in römische
Cultur verliert und alles Nationalgefühl verleugnet Freilich
es ist gewiss unrichtig, aus den beiden erhaltenen gotischen
Urkunden den allgemeinen Schluss zu ziehen, dass die gotische
Sprache auch als Geschäftssprache im Gebrauch gewesen sei ;
man bedenke, dass die Parteien, welche sie ausstellen, aus-
schliesslich Geistliche sind2, dass andrerseits diesen zwei
gotischen Urkunden alle die andern in lateinischer Fassung
bei Maring entgegenstehen. Aber die gotischen Helden-
lieder sind noch zu Theoderies Zeit gesungen worden, und
die Sprache des arianischen , vom katholischen getrennten
Gottesdienstes war die gotische4. Im allgemeinen wird die
Fügung der Goten unter römische ('ulturverhültnisse in den
einzelnen Provinzen eine verschieden abgestufte gewesen
sein je nach der verschiedenen Besiodelungsdiehtigkeit : in
den von Goten zahlreicher bevölkerten Landesteilen Ober-,
Ost- und Mittelitaliens werden altgotische Eigentümlichkeiten
leichter bewahrt und den vorgefundenen römischen überge-
ordnet worden sein als im Süden und Westen der Halbinsel,
wo die gotische Bevölkerungsdichtigkeit eine viel geringere
war r\
Es ist nur ein blasser Abdruck aller dieser Verhält-
nisse, wenn sich, wie bei den Wandalen,6 auch bei den
Goten vereinzelte Namen griechischen oder römischen Ur-
sprungs finden. Dazu gesellen sich dann noch etliche bib-
1 Dahn, Könige III, 256 f.
* Vgl. oben 8. 3.
3 Vgl. in den beiden nächsten Capiteln.
4 Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquollen P, 63.
5 Dahn, Könige III, 8 ff.
• Wand. 8 f.
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lische. Es genügt hier auf das Nebeneinander von gotischen
und ungotischen Namen in den beiden Urkunden, auf das
unten unter Ariagne, PiUia, Asuiarius, Athodatus u. ä. Ge-
sagte, sowie auf Dahns .Könige" III. 00, 4. 198. 1VT. 147,
1 zu verweisen.
Aber alle culturelle Beeinflussung braucht noch keine
physiologische im Gefolge zu haben: das gotische Idiom
selbst wird sich so gut wie unberührt von romanischem
Sprachcharacter zeigen. Dass gelegentliche Assibilations-
erseheinungenf/Vtem, Tzitta, Mazenis, Baza, Tut fcar, PaUenis,
Zolin, dazu kawtsjö) ungotisch und romanische Schreiber-
gewohnheiten sind, darüber vgl. unter „Pitzia\ Auch die
vereinzelten Endungen -o für gotisches schwaches -a ent-
stammen nicht dem volkstümlichen Gotisch, worüber unter
^Schwacher Doclination**. Vgl. ferner über vereinzeltes gu
statt got. w unter „Wiljarith" und über romanische Nasa-
lierung in Gensimund unter „Gesila*.
Quellen für die folgende Untersuchung waren zunächst
die erhaltenen Silber- und Kupfermünzen der Könige Atha-
laric, Theodahath. Witigis, Hadwila. Teja (Thela). 1 Dazu
kommt eine Reihe von Inschriften, soweit sie bei dem torso-
haften Zustand des grossen Corpus inseriptionum latinarum
zugänglich waren.2 Namentlich im umfangreichen sechsten
Bande, der die Inschriften der Stadt Rom bringt, mag noch
mancherlei ostgotisches Material stecken, das vorläufig bei
dem Fehlen der Indices nicht gehoben werden kann. Trotz-
dem giebt das Gefundene und Verwertete für unsere gram-
matischen Resultate schon eine solche Gewähr, dass man
einer etwaigen Ergänzung des inschriftlichen Materials go-
1 Friedländer, Die Münzen der Ostgoten, Leipzig 1844; Ergän-
zungen in seinen Münzen der Wandalen, Leipzig 1849; dazu Dahn,
Könige III, 147 ff., Urgeschichte I, 298 f. 300 f. Die Münzen von
Theoderic und Mateswintha tragen nur deren Monogramme, nicht ihre
ausgeschriebenen Namen.
2 Throdrricus, Tioda, Euthuricus, CHUga, Cellica, Gudila, Gottila,
Timilhli, Alhalaricus, Dumilda, Wiliarit, Guiliarit, Tzitlani, Aniora,
Guntio, Guntclda, Quiddila, Fandir/tl-*, Sendefara , Seda , Ustarric,
Guderit, Alututicus, Ahtt/ildus, Wilifara, Wiliuric, Tranaric.
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- 17 -
trost entgegensehen kann. Nach Erscheinen jener schmerz-
lich vermissten Indices wird eine solche leicht an passendem
Ort zusammengestellt werden können. Die nächst wert-
volle Fundgrube waren Marinis Papyrusurkunden , über
welche unten S. 29 f. Und dann folgen alle die lateinischen
und griechischen Historiker, deren linguistische Zuverlässig-
keit oben characterisiert wurde. Der Weg zu ihrer Be-
nutzung ist wieder in erster Linie durch Felix Dahn gebahnt ;
man mag über Dahns Arbeiten vom rechtshistorischen Stand-
punkt aus urteilen, wie man will, Anerkennung für seine
Art die Quellen zu beherrschen kann ihm nicht versagt
bleiben, und Band II— IV seiner „ Könige" werden lange
die Grundlage ostgotischer Geschichtsforschung bleiben.
Alle sonstige Litteratur findet man bei ihm verzeichnet ; ich
nenne hier noch seine „Urgeschichte* und die Arbeiten von
Manso, v. Glöden. Kohl, Mommsen.1 Die Quellen selbst
habe ich in derselben Ausdehnung verfolgt, wie bei den
Wandalen. Viele der kleinen Einzelchroniken, wie sie na-
mentlich in der fränkischen Zeit entstehen, konnten ausser
Acht bleiben, weil die historischen Vorlagen, welche sie
ausschreiben, von uns berücksichtigt waren;- wie weit diese
unselbständigen Nachzügler bei dem definitiven Bau des
wandilischen Namenbuchs zu beachten sein werden, bleibt
noch zu überlegen. Den Vorrang unter unsern ostgotischen
1 Dahn, Die Könige der Oermanen, München und Würzburg
1861—1870, zweite Auflage von Bd. VI Leipzig 1885; Dahn, Urge-
schichte der germanischen und romanischen Völker, I, Berlin 1881;
Manso, Qoschichto des ostgotischen Reiches in Italien, Breslau 1824;
v. Glöden, Das römische Recht im ostgotischen Reiche, Jena 1843;
Kohl, Zehn Jahre ostgotischer Geschichte (526—536), Leipzig 1877 ;
Mommsen, Ostgotische Studien, Neues Archiv für altere deutsche Ge-
schichtskunde XIV, 223 ff. 451 ff.
* Beispielshalber der Catalogus imperatorum, rog. ital., dueum
Benevent, et Spol. Farfensis (Mon. Germ., Script, rer. Langob. et Ital.
521 ff.), welcher im Anfang des 12. Jhs. entstand und aus Paulus
Diaconus schöpft. Ebenso die Gesta Theoderici regis (Mon. Germ.,
Script, rer. Merow. II, 200 ff.); denn so sicher auch eine sonst ver-
lorene Vita Theoderici Gotorum regis dem 57. Capitel von Fredegars
zweitem Buche zu Grunde liegt, entstammen doch diese Gesta frühstens
dem 12. Jahrh. und basieren auf sonst erhaltenen Quellen.
QK. i.xvni. 2
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^ 18 -
Geschichtsquellen nehmen Cassiodors Varien ein, über welche
unten S. 24 ff.
Eine Vorarbeit, die den ostgotischen Dialect nach
seinem ausserbiblischen Material im Zusammenhange be-
handelt hätte, war nicht zu berücksichtigen; sie fehlt selbst
im zweiten Bande von Förstemanns „Geschichte des deutschen
Sprachstammes 1 Über sonstige gelegentliche Benutzung
des ostgotischen Namenschatzes wird noch an verschiedenen
Stellen zu urteilen sein.
* Vgl. Wand. 3. 10.
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(HELLEN.
Wir teilen die Quellen in drei Gruppen:
I. bis zum Ausgang des 5. Jahrhunderts,
II. aus dem (>. Jahrhundert,
III. seit dem 7. Jahrhundert.
Sonst vergleiche man zum folgenden Abschnitt Wand.
12. Münzen und Inschriften fehlen in demselben, weil sie
bei seinem chronologischen Aufbau doch nicht zusammen-
hängend aufgeführt werden konnten, und folgen im nächsten
Capitel unter den einzelnen Namen. 1 Es sind ferner nur
die Quellen genannt, welche specielle Ostrogotiea der ita-
lienischen Epoche überliefern, und alle die übergangen,
welche nur den Volksnamen der Goten im allgemeinen
nennen.- Wurde eine Quelle schon für die Wand, benutzt,
so ist ein Hinweis auf jene beigefügt, damit ihre Über-
lieferung wandalischer und ostgotischer Sprachreste ver-
glichen werden kann.
I. QUELLEN BI8 ZUM AUSOANO DES 5. JAHRHUNDERTS.
Trebellius Pollio, einer der sechs Scriptores
historiae augustae,3 schrieb zwischen :*02 und 30(>; vita
Claudii (reo. Peter, Lips. 1884, XXV):
1 Vgl. oben S. 16 und hinton den Index.
a Strubon, Geogr. VII, 3 rtwrtoit; {? Rovrtor*:, Hoütovh); Plin.,
Hist. nat. IV, 99 finfoms {(inumrs, GiHotten), XXXVII, 35 Xhttoms
(Guioites); Tac, Genn. 43 (i'othonrs, Ann. II, 02 Gottnun; Ptolem.,
Geogr. III, 5, 20 rtf*«w; u. s. w.
8 Vgl. über sie jetzt Dessau, Hermes XXIV, 337 ff. und Mommsen,
Hermes XXV, 228 ff.
2*
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- 20 -
6,2 Aus tro goti (Austor goti ) ; sonst Gothi.
Grutungi (Trutungi): mit Müllenhoff, Zs. IX, 185
entstammt die Stelle griechischer Quelle, ver-
mutlich Dexippus, und das Trutungi der Hss. ist
aus ronvütyyot verlesen.
Seine biographischen Arbeiten wurden bald nachher
von Flavius Vopiscus aus Syracus wieder aufgenommen;
vita Probi (ib. XX VIII):
Gothi.
18,2 Grouth u ngi ( Gautunni).
Als ein Fortsetzer der tacitcischen Annalen schreibt
in Rom um 390 der Grieche Ammian us Marcellinus
ausAntiochia (ca. 333- 400) seine nur zum Teil (353—378)
erhaltenen Kerum gestarum libri (ed. V. Gardthausen, Lips.
1874. 1875):
Gothi.
27, 5, 6 Greuthungi (Grutungi, Greutungi), 31,
3,1 Greuthungi (Geuthungi), 31, 3, 5 ac Gheuthun-
gorum [ugere ut ungorii), 31, 4, 12 Greuthungi
(Greustongi), 31, 5, 3 Greuthungi.
Claudius Claudianus, um 400 (sicher bis 404),
aus Alexandria (Wand. 14); ich citiere nach der Ausgabe
von Jeep, Lps. 1876. 1879, doch war mir durch die Freund-
lichkeit des Herrn Professor Birt der Einblick in den von
ihm für die Mon. Germ, besorgten Apparat gestattet:
XX, 153 Östrogöthi (Osdrogothi, Ostrogoti, Obstro-
goti).
VIII, ()23Grüthungi (Grutungi, Gruthongi. Grotonni,
Grotuwpm), VIII, 035. XX, 153. 196. 399. 576
Grüthungi (mit den vorigen und anderen belang-
losen Varianten).
Zosimus (Wand. 15) verfasste seine erst nach dem
Tode herausgegebene tetootu vta (bis 410) in Constantinopel
zwischen 450 und 501 (ed. Lud. Mendelssohn, Lips. 1887):
rd t ü oi.
IV, 38, 1 l'oo&t yyoi (von Salmasius aus llgodiyyoi
gebessert, vgl. Müllenhoff a. a. ().).
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21
Idatius aus Gallicien, um 395 470, (Wand. 16)
setzt die Chronik des Hieronymus fort, für die Jahre
427 — 467 aus eigener Anschauung (ed. Roncallius, Vetu-
stiora Latinorum chronica, Patavii 1787, II; auch verglichen
die edit. Sirmondi, Lutet. Paris. 1619):
Gothi.
Hone. II, 10 Greothingi (ad a. 386); in dem viel-
leicht von Idat. herrührenden Oonsulnverzeich-
nis ib. 96 Greothingi.
Apollinaris Sidonius, um 430 488 , ( VVrand.
17) (ed. Luetjohann 1887, Mon. Germ. auet. antiqu. VIII):
137 v. 36. C. II. 377. V, 477 Öströgöthus , sonst
Gothus, Gothia, Gothicus.
Malchus von Philadelphia in Syrien (Wand. 17)
fuhrt in den erhaltenen Fragmenten (474 - 480) die Er-
zählung des Priscus weiter (ed. Niebuhr, Bonn. 1829):
i'o r 9 oi.
II. QUELLEN AUS DEM 6. JAHRHUNDERT.
Aus der \Jo/ain).oyuc des Joannes von Antiochia,
mit Sotiriadis (vgl. u. Malalas) früh ins 6. Jahrb. zu setzen,
(ed. Momnisen, Hermes VI);
326, 2 (itvttoi/oc, 326, 16. 21. 332, 1. 5. 10.
14 (')hod(ootyo^.
Der Gallier M a gnus F e 1 i x E n n o d i u s (473 521),
Bischof von Pavia, schrieb ausser einer Vita seines Vor-
gängers Epiphanias einen Panegyricus regi Theoderico dic-
tus zwischen 504 und 508 (Wand. 20) (ed. Vogel 1885, Mon.
Germ. auet. antiqu. VII): .
G uii (so in der Hegel die ältesten Codd. statt der
Gothi der jüngeren), CIA XX 11 gotietm (rotinta B).
Theorieric hs.
231, 24. 26. 31 Jiauto, -onis.
116, 20. 23 Gecieo.
227, 20 GVDILtiVO,
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22
36, 26 Erdui (sie cod., Erduic Sirm.; Acc).
210, 34 Herd uic.
210, 34. 211, 28 Pitsia, 210, 37.211, 5 Pitzh
(Pi^ia).
73, 27 Tancila.
116, 24 Trasemundus.
73, 28 Torisa.
306, 28 Trig gua.
Aus der Vita S. Severini (gest. 482) des Eugippius
von 511 (Wand. 21) (ed. Sauppe 1879, Mon. Germ. auet.
antiqu. I, 2):
Gothi.
44, 4 Theo der ic us (Tcudericus).
In der G e n e r a t i o regum et gentium, der
sogen, fränkischen Völkertafel, um 520 (Wand. 21) (ed.
Möllenhoff, Germania antiqua. Berlin 1873. p. 163 squ.):
11 Gotos Wala ff ot hos (Butes Guolariffutos, Gothos,
Gothi Uualaffothi).
Schon vorher hätte die Chronik Cassiodors vom Jahre
519 ihren Platz finden müssen, und hier wäre der Ort für
das sogen. Anecdoton Holden vom Jahre 522. Jedoch
mögen beide, um Cassiodors Werke nicht aus einander zu
reissen, aufgespart bleiben bis zur Erwähnung der Varien.
A 1 c i m u s E c d i c i u s A v i t u s (ed. Peiper 1 883,
Mon. Germ. auet. antiqu. VI, 2), seit 490 Bischof von
Vienne und nach 523 gestorben:
195, 14 Ostroffotus (Histroffotus).
64, 27 Theo d e r i c u s (Theuderich us).
A n i c i u s M a n 1 i u s Torquatus Severinus
Boethius, Consul 510, auf Theoderics Befehl 524 hinge-
richtet, verfasste noch im Kerker seine fünf Bücher De
consolatione philosophiae (ed. Peiper, Lips. 1871):
I, 4. 29 Co ni (jastus.
I, 4, 31 Tri ff ff ui IIa (Triffuilla).
Die 534 in Constantinopel verfasste Chronik des llly-
riers M a r c e 1 1 i n u s C o m e s (Wand. 24) umfasst die
Zeit von 379 — 534, hat jedoch von fremder Hand zwei
Fortsetzungen erfahren, die bis zu den Jahren 548 und 566
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23 —
gehen und hier gleich angeschlossen werden mögen (ed.
Rone. IT: verglichen auch und übereinstimmend mit der
edit. Sirmondi, Paris HU IM:
G o t h i.
Rone. II, 299 u. ö. T heod o r ic us , 300 Theoioricus
cocjnoniento Vala m e r.
322 Theodahadus (Thcodahatus), 323 Theodatus
{Theodahat us), Theodatus, 324 Theodahadus (Theo-
dahatuS). Theodahadus* Thtodatus (bis).
322 A m a fasuenth a (-suntha).
323 Tz Uta (Trita).
323 Ebremud.
324 u. ö. V i t i (j e s.
324 M atesuent h a (svinta).
32fi. 328 Orajo.
328 Heldebadus (ter).
328 u. ü. Totila, 330 ein Tofilas.
329 Ruder it.
329 V iiiarid.
329 Bleda.
Die oberste Stelle in einer Quellensammlung zur ost-
gotischen Geschichte gebührt Magnus A u r e l i u s C a s s i o -
dorius Senator, etwa 481 570 (Wand. 22 f.). Nach-
dem schon sein Vater unter Odowacar und Theoderic hohe
Staatsämter bekleidet hatte, wurde er selbst unter Theoderic
und seinen Nachfolgern Quaestor, Consul (514). Magister
ofticiorum und wiederholt praetorischer Praefect und be-
währte sich stets als energischer Vorkämpfer von Theoderics
Politik (vgl. oben S. 14). Von seiner historischen Schrift-
stellerei, die in erster Linie dem Ruhme des mächtigen
Amalenhauses dienen soll, fällt die schwülstige Chronik, auf
Prosper und die ravennatischen Annalen zurückgehend, ins
Jahr 519 (ed. Mommsen , Abhandl. d. Kgl. Sachs. Ges. d.
Wiss. VIII):
Gothi.
489. 515 Theoderic us (-richus), 490 Theoderichus
(Theodoricus), 491. 493. 500 Theodericus {Theo-
dorichns), 502. 504 Theodericus.
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24
515 A m a l a s n t n t a.
515. 518. 519 Eutha ricus.
518. 519 Cillica.
Aus dem Jahre 522 stammt das sogen. Anecdoton
Holderi (ed. Usener, Bonn 1877). ein Exeerpt aus einer sonst
unbekannten Schrift Cassiodors, erhalten in einer Reiche-
nauer Hs. seiner Institutiones humanarum rerum aus dem
10. Jahrh.f mit Notizen über Symmachus, Boethius, Cassio-
dorius :
4, 23 Gothi, 27 Gothicus.
4, 13. 22. 27 Theodorichus.
Es müssten Cassiodors zwölf Bücher gotischer Ge-
schichte folgen, die er auf Theoderics Anordnung frühstens
519 und spätestens 521 abschloss, wären sie uns anders als
in dem dürftigen Auszüge des Jordanes erhalten (s. S. 30 ff.).
Um so ergiebiger ist das grosse Sammelwerk des
Cassiodor . welches er nicht vor 538 und nicht nach 540
herausgab, seine Variarum libri XII: eine Sammlung von
468 amtlichen Erlassen aus der von ihm geleiteten könig-
lichen Kanzlei , und zwar lib. I— V — 235 Schreiben des
Königs Theoderic, lib. VI— VII — 72 Formulare ohne Namen
und Daten für verschiedene Verleihungen und Ernennungen,
lib. VIII- IX 58 Schreiben des Königs Athalaric. lib.
X — 35 Schreiben, nämlich 4 der Königin Amalaswintha, 22
des Königs Theodahath, 4 der Königin Gudeliva, 5 des Königs
Witigis, lib. XI -XII — (>8 Schreiben des Cassiodor selbst als
Praefectus praetorio. Die mitgeteilten Decrete, von denen
keins vor das Jahr 501 fällt, scheinen principiell chronologisch
geordnet zu sein. Das gotische Namenmaterial in dieser
Collection amtlicher Schreiben ist natürlich ein reiches; es
könnte noch reicher sein , wenn nicht so häutig statt des
Personennamens blosses „ille et ille" gesetzt wäre unter
Hinweis auf sonstige verlorene Beischreiben und Listen,
besonders bei Gesandten nach auswärts 1 ; trotzdem bean-
1 Schaedel, Plinius der Jüngere und Caasiodorius Senator, Darm-
stadt 1887, 8. 17.
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25 -
sprucht das Gebotene volle Dankbarkeit für Cassiodors in
seiner Praefatio ausgesprochene Absicht, durch die Samm-
lung das Andenken manches verdienten Goten der Vergessen-
heit zu entreissen. Nimmt man hinzu, dass Cassiodor ver-
mutlich gotisch verstand \ dann muss die linguistische Aus-
beute der Varien als eine ganz bedeutende erscheinen. Leider
aber fehlte bis jetzt eine kritischen Anforderungen auch nur
annähernd entsprechende Ausgabe Mit um so grösserer
Freude muss es begrüsst werden , dass diesem Mangel in
nächster Zeit abgeholfen werden soll : Theodor Mommsen
will seinem Jordanes in den Auetores antiquissimi der Monu-
menta Germaniae nun auch Cassiodors Varien folgen lassen.
Die germanistischen Beiträge für die Indices wird Edward
Schröder liefern, wie sie Karl Müllenhoff für die Indices
des Jordanes geliefert hat. Und der freundlichen Vermitt-
lung des Herrn Professor Schröder habe ich es zu danken,
dass mir Herr Professor Mommsen Einblick in den Teil
seines kritischen Apparates gestattete, welcher sich auf die
gotischen Eigennamen bezieht, nachdem er mir früher schon
für die ersten fünf Bücher die von Mor. Haupt hergestellte
Collation des wichtigsten Codex, eines Leidensis aus dem
zwölften Jahrhundert3, zur Verfügung gestellt hatte. Beiden
Gelehrten sei auch hier mein aufrichtiger Dank gesagt und
dafür der Hoffnung Ausdruck gegeben , dass die gramma-
tischen Kesultate dieses Buches für die Herstellung des Varien-
textes oder wenigstens der Indices gelegentlich von Nutzen
sein möchten. — Die meisten Personennamen der Varien
sind für die Ostgoten nur hier belegt; und da die Erlasse
im einzelnen nicht datiert sind, so behandele ich im nächsten
Capitel das gesamte den Varien entstammende ostgotische
Namenmaterial in ununterbrochenem Zusammenhange: es
wäre daher eine Wiederholung dasselbe auch hier hinter
1 Mommson, Jordanes, praef. XXXVII; Schaedel 20.
2 Vgl. z. B. Schaodel S. 3. 33, 1.
* Die Schreibungen dieses Cod. sind teilweise schon zu finden
in Ludovici Trossii in Cassiodori Variarum libros sex priores symbolao
criticae (Hammone 1853), ohne dass darin Förstemanns Zutaten das
gotischo Naroenroaterial entsprechend zu verwerten gewusst hätten.
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2(>
einander aufzuführen, und es genügt auf -Anna" ff. zu ver-
weisen. Zur Textkritik darf ich nach Moniinsens Notizen
erwähnen, dass er die Uberlieferung im allgemeinen für zu-
verlässig hält, obwohl die Hss. sämtlich nicht alt sind und
nicht über das 12. Jahrh. zurückgehen. Die Inscriptionen
der Briefe pflegen in den besten Hss. zweimal zu stehen,
einmal zusammengefasst als Latercula an der Spitze des
Briefes, einmal im Text, was Mommsen unterscheidet durch
L\ I/, M\ M*. Was die Hss. im einzelnen angeht, so sind
für lib. I VII die zwei Codd. L (der oben erwähnte Leidensis)
und I* massgebend, die beide aus gleicher Urhs. stammen,
von denen aber L weit zuverlässiger als P ist. Für I - IV.
39 kommt noch ein viel schlechterer, aber von LP unab-
hängiger M hinzu. Lib. VIII XII stützen sich vornehmlich
auf BZGr, von denen B und Z derselben Familie angehören ;
B ist die beste Hs., hat aber die Inscriptionen nur in lib. X :
(i ist nur ein sehr incorrecter Auszug, aber von BZ unab-
hängig; daneben noch T für VIII, 1 —10.
Der sogenannte Anonymus Cuspiniani (Wand. 19)
ist eine Chronik, welche in der Wiener Hs. mit dem Chrono-
graphen vom Jahre 354 verbunden ist und eine doppelte
Fassung zeigt: eine ausführlichere bis 49o', die in Kavenna
geschrieben und namentlich für das letzte halbe Jahrhundert
wertvoll ist , und eine knappere mit verschiedenen Lücken
bis 539 (ed. Mommsen, Abh. d. K. Säehs. Ges. d. Wiss. II.
phil.-hist. I, p. fiotf):
ad a. 490. 491. 493 (bis) TheoderivH«, 493 (ter).
523 Thcodoricus.
519 Eutarcus Villi gu.
533 Thcodatus.
533 Guitigis.
Aus der Vita Fulgent ii (Wand. 25) um 540 (ed. Migne,
Patrol. lat. H5):
XIII, 27 (Sp. 130) Theodericus (Theodor ictis).
Die Namen aus der jüngeren Fortsetzung des Marcel-
linus Comes s. schon bei letzterem, o. Ü. 23.
Es sei hier, gegen die Mitte des 0. Jahrhs., der Li her
pontificalis eingereiht (ed. Duchenne, I, Paris 1886). Diese
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27
Sammlung von Papstviten , welche früher dem Anastasius
Bibliotheearius (gest. 886) zugeschrieben wurde, ist nach
den Forschungen ihres neuen Herausgebers sicher nicht vor
dem Pontificat des Symmachus (498 — 514) begonnen, jedoch
ist ihr erster Teil (bis Silverius 537) noch zur Gotenzeit
redigiert und enthält ausserdem Notizen von zeitgenössischer
Hand über die Periode von Bonifatius IL bis Silverius. Die
wenigen Gotica, welche aus späteren Abschnitten für uns
in Betracht kommen , sind im folgenden unmittelbar ange-
schlossen. Da der erste Band noch ohne Register ist, führe
ich alle von mir excerpierten Stellen an :
287, 5 Gothi {Guti, Goti) , 290, 10. 11. 14 Gothi,
291, 2 Gothi (Goti), 3 Gothi, .8. 11 Gothi (Goti).
12 Gothi (Goti, Gotthi), Gothi (Goti), 18 Gothi
(Gotthi), 292, 14 Gothi (Guti), 293, 1 Gothi (Gutti),
296, 2 Gothi (Guti), 298, 12 Gothi, 299, 2 Gothi
(Guti), 305, 9 Gothi, 312, 11 Gothi (Guti).
252, 2. 255, 1 Theodor icus (Teodoricus, Theodericus).
258, 2 Theodoricus {Theudoricus, Theodericus), 260,
2 Theodoricus (Theodericus, Teodericus), 5 Theodo-
ricus (Teode-l 11 Theodoricus (Teodo-), 269. 2. 7
Theodoricus, 270. 7. 17. 271, 15. 275, 2. 3. 6
Theodoricus (Thcode-) , 17. 270, 3. 5. 10. 279, 1
Theodoricus. 287, 7 Theodoricus (Theode-).
279. 5 Athalaricus (Atcda- , Adalricus) . 281, 2
Athalaricus (Atala-), 285, 2 Athalaricus (Adtala-).
281, 1 Sigibuldus (Gisiboldus, Sigivuldns).
287, 5 Theodatus (Teodotus), 6 Theodatus (Theodadus,
Teodotus) , 290, 2 Theodatus (Theodotus) , 2. 7. 9
Theodatus.
287, 7 Amalasuenta (-suuinta , -subita, -sunta,
-suincta , -sinda , -sumta, -suitha), 290, 8 Amala-
suenta (-suinta, -sunta, -sinta, -sintha).
290, 7. 8 Witigis [Guitigis), 17 Witigis (Withigis,
Guitigis, Gutigis, Guitiges), 291 . 3 Witigis, 10 Witigem
(Acc: al. Witigitem, Gitigim , G tätigem) , 296, 2
Witigis (Acc. ; al. Guitigem, Gothicem).
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- 28
298, 12 Badua qui Totila nuncupatur (Bandua,
Vadua; Totilla).
309, 1 Unigildus (Unigeldus , Winnigildus , Wim-
gildus, VingüiiiSf Gildus).
An diese Lebensdarstellungen der Päpste mögen sich
ihre Briefe im Zusammenhang anschliessen, obwohl dieselben
chronologisch correcter nach ihren Daten verteilt werden
könnten: Epistolae romanorum pontificum, rec. Andreas
Thiel, I, Brunsbergae 1868 :
pag. 390 (anno 494—495) Zeja (nur in neueren
Ausgaben Ezechia).
489. 490. 658 (a. 501). 695 (a. 507). 768 (a. 516).
938 (a. 520) Theodoricus, 670 (a. 501). 672 (a.
501) Theodericus, 678 (a. 501) Theudencus.
502 Hereleuva.
662 (a. 501) Arigemus (pleraque mss.» al. Aligermis,
Aliernus, AriermiS, Aligenus).
662 (a. 501) Gndila (JudUa, Godila, Gudela).
662 (a. 501) Bedeulf us (Vedeulphus , Bereulphus,
Bideulfus, Verdulfus).
675 (a. 501) (bis). 681 (a. 501) Gndila } Bedeulphus,
Arigemus.
854—904 (a. 519) Eutharicns (11 mal).
Dazu kommen aus der Britischen Sammlung von Papst-
briefen, welche P. Ewald im Neuen Archiv V (1880) abge-
druckt hat, aus Briefen von Gelasius (a. 492—496):
pag. 511. 515 Theodericus, 522 Thedericus (= Thiel
489).
513 Zeia (Teia Hs.), 523 Zeia (= Thiel 390).
521 Ereleuua.
Aus Briefen von Pelagius I. (555—560):
pag. 533 Hisdevalde (Gen.; al. Hildivade , Hil-
viade).
543 Sindua (Siudtda), 558 Sindula.
556 An i laut (Dat.).
559 Gurdimeri (Dat.).
Mögen die genannten Ausgaben des Liber pontificalis
wie der Epistolae bald fortgesetzt werden ; für unsern Zeit-
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— 29 -
räum reichen sie aus , während man bei weiteren Unter-
suchungen, etwa westgotischen, zu der umfangreichen Samm-
lung von Mansi (Sacrorum Conciliorum nova et amplissima
collectio, Florentiae et Venetiis 1759— 1798) seine Zuflucht
zu nehmen hätte, und diese Folianten sind bei dem Mangel
eines Registers sehr unbequem für unsere Zwecke zu ge-
brauchen, von ihren textkritischen Schwächen zu schweigen.
Vgl. oben S. 5, 3.
Der sogen. Anonymus Valesii (in Gardthausens
Ammianus Marcellinus) geht auf zwei verschiedene Quellen
zurück: während die erste Hälfte etwa 390 geschrieben
wurde, entstand der zweite Teil, die Jahre 473—526 um-
fassend, in Kavenna um die Mitte des 6. Jahrhs. :
Gothic Gothiciis.
Theodericus.
§ 58 Ereriliua {Erereliua).
63 Areuagni (Acc. ; al. areec agni).
68 Amalafrigda.
70 Amalübirga.
63 Theodegotha.
80. 81 Eutharicus, 82 Eutharicus (Euthericus).
82 Cilliga.
96 Athalaricus.
68 Odoin.
82 Triuuane (Abi.; al. Triam).
In cultur- und wirtschaftsgeschichtlicher Beziehung sind
die von Marini 1805 veröffentlichten Papiri diplomatici,
Abdrucke ravennatischer Papyrusurkunden , eine wertvolle
Quelle. Marinis Lesungen dürfen als zuverlässig gelten
wenn man nur der grossen graphischen Ähnlichkeit einge-
denk bleibt, welche namentlich die Zeichen für a und w,
sowie für r und s in dieser ravennatischen Cursive unter
einander haben. Trotzdem lässt der Umstand, dass Marini
nur eine nach ganz äusserlichem Gesichtspunkt zusammen-
gestellte Auswahl bietet, den dringenden Wunsch gerecht-
fertigt erscheinen, dass alle diese Schätze, vielleicht mit
Trotz der Recension in den Heidelb. Jahrb. d. Lit. 1809.
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einer hochherzigen staatlichen Unterstützung . noch einmal
an Ort und Stelle grundlich durchforscht werden mochten.
Die meisten der für uns in Be tracht kommenden Urkunden
entstammen der Mitte des b\ Jahrhs. : doch habe ich auch
.solche, welche erst nach 55:5 entstanden sind, berücksichtigt,
soweit Form oder rüstiges Vorkommen ihrer Namen auf
Gotenreste hinweist. Da die meisten der Namen aus Marini
aber für die Ostgoten nur hier belegt sind, so erfahren sie
im nächsten Capitel eine selbständige Behandlung im Zu-
sammenhange, und es genügt dorthin zu verweisen. Dazu
gehören auch die beiden bekannten gotischen Urkunden von
Arezzo und Neapel, über welche gleichfalls im nächsten Ab-
schnitt.
Für Jordan es sei auf Wand. 26 f. verwiesen. Er
war nach eigner Aussage Gote und gehörte wohl zu den
Volksteilen, welche nicht mit Theoderic nach Italien aufge-
brochen waren. Seine historische Schriftstellern fällt ins
Jahr 551. Dass seiner Gotengeschichte das sonst verlorene
Werk Cassiodors zu Grunde liegt (s. o. S. 24), dass sie zum
Teil wörtliche Excerpte aus demselben enthält, spricht genug
für den Wert des Jordanes speciell für unsere Zwecke. Die
Ereignisse nach 52ö' erzählt er nach eigner Kunde. Was
die Überlieferung betrifft, so gehen alle Hss. auf denselben
Archetypus zurück, welcher bereits Fehler enthielt, die
nachweislich von ihm auf alle Abschriften vererbt sind.
Ich citiere im folgenden nur die Schreibarten der ostgoti-
schen Namen aus der italienischen Zeit : grade für die No-
mi na propria giebt Mommsens Apparat erschöpfende Les-
arteiizuMammenstellung (vgl. S. 1(17 seiner Ausgabe). Für
alles andere genügt ein Hinweis auf die Indices in seiner
Ausgabe (18H2, Mon. Germ. auct antiqu. V, 1) und Möllen-
hoffs dortige Beigaben.
59, 12. <>4, 22 u. ö. Ostr ogothae (vereinzelte Vari-
anten Hostro-) ; sonst immer Gofhi, Gothicus ; 7;t,
15 Goihia, 75, 9 Gotia (Goihia l
59, 11 „Mixi, Eragre, Otingis": s. i. nächst. Cap.
u. „Greotinge*.
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- 31
64, 23. 76, 18 u. ö. Amali (nur 76 . 18 mit der
Variante Hawaii).
44, 30 u. ö. Theodorieus (dazu die häufige, aber
nicht regelmässige Variante Theodericus, ausser-
dem zu 45, 10. 128, 12. 15 Thederirm , 51, 13
Theodorricus). 77, 5 (bis: Acc. Nom.) Theoderinnn
Theodericus { Theuderieuw).
128, 2 Erelieva (Herilieua, herili sua).
135, 3 Ämalafrida i-freda).
134, 17 Thiudiyoto {Tiudigotho, Theodieodo, Theudi-
codo, Theudigotum).
134, 17 Ostrogotho (-gotam).
135, 5 Amalaberya {Maleberga).
48, 12 u. ö. Amalasuentha (al. <4f»«-, Atnalae-,
Amale-, Mala-, Mathe- ; -suuentha, -suerda, -suinta,
-senta), 77, 10 Amalasuintha {-suentha usw.).
77, 6 Eutharicns (Deutha-, Deuthe- , Deuthari, de
atharico), 77, 9. 122, 19. 134, 21. 136, 8 £«f/ta-
r/Vw* (al. Euthe-, Eotha- , Ertha- , Atha- , Ente-,
Euta-; -rius).
135, 6 Pitzamum (Acc; al. PiUamum} Piztamum,
Petzamin, Pitzamin, Pitzam), 135, 17 /^te« (Pezza,
Pizza, Pitza).
135, 19 766« (Hibba, Iba, Biba).
48, 11 u. ö. Athalaricus (al. Athalricus , .4Z/a-,
^U/m-, <4ta/a-, Alatha-).
48, 14 u. ö. Theodahadus (al. Theodo-, Theuda-,
Teodö-, Theode-; -adus, -baldus, -badus; Theodatus,
Theudatohalus).
48, 20 Sinder ith (-n7) . 137, 6 Sinderith {-rit,
-rieh).
48, 27. 137, 8. 10 Evermnd (-muth, -mut , -moth,
-mor, -mundus, -mund).
49, 1 Fi *t>8 (Cfaitf-), 49, 6. 15. 51, 13 F*%/s, 77,
11 {Uuidicis, Uuidechis), 77, 12 PiViV/ü
(Uuiticis, Uuidechis), 137, 14 F/fi^w (F/te-, Fi'tfi-,
I/tiüi-; -<//s), 137, 18 Vitigis {Uuiti-, VUti- ; -gim,
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-gern, -gen [Aec.]), 137. 20 Vitigis (Vitti- ; -ges),
137, 15. 138. 3. 6. 13 17%^.
49 , 9 u. ö. 37 a athesuenta , Mathesuentha , Mate-
suentha, Mathesuenta (al. Athe-, Math«-; -scuntha,
-suerita, -subita, -suenda, -seueutha).
49, 13 H minil a, 138. 3 i/wiS/a (T/z/Va).
50. 15 Heldebailus (Eide-, Hilde-), 50. 17 J/*7<fr-
6ar/t/jf (7///<M, 19 Heidebad us (Eide-).
50. 29 u. ö. TofiV« (al. 7Vrf?7fo).
50, 19. 29 Baduila.
Über Procopius von Caesarea vgl. Wand. 28. In
seinem Geschichtswerk behandeln die Bücher 1. II die Perser-
kriege, III. IV den Wandalenkrieg. V— VIII den Gütenkrieg
(bis 553). Procops Stellung als Secretär Beiisars seit 527
kennzeichnet seine Bedeutung als Geschichtsschreiber seiner
Zeit; vgl. Mommsens Urteil Ober seine Zuverlässigkeit im
Neuen Archiv XIV, 519, 2. Ed. Dindorf. I— III , Bonnac
1833:
7^0 T ^ Ol.
0 s v J fc p i x 0 £ •
I, 346, 9. 349, 23. II. IG, 20. 65, 7. 593, VJ\1u<t-
X ct(f () / da.
II, 65, 7 \i,ueXoflboya.
II, 65, 5 Qfvöt/ovoa.
I, 370, 19 u. ö. 'JftuXc<doiv$a.
I, 370, 18 u. ö. \ixa Xtioi/ og (al. l-ird(M/o^).
II 61, 11 Hin ruanZvSa, 185, 22 Mnraaovvtta
(MaXa-), 264, 11 Muvaoovria (JftaXa-), 447, 1
Maraanvv&a (Marm-, !\Ihru-).
I, 357, 8 U. ö. r,odug.
II, 16, 19 u. ü. Qfvddrog, 21, 11 QtvttiTOj
(-dnirnc); 29, 8 (^iJaroc f-«r«c).
II, 18, 21 OvXiant,;, 296, 20 OviXiaoi*; (OvdXuoiq,
OvaXiuyig , OvaXiapioq) , 297. 6. 11. 18. OviXiaoig.
II, 33,8 / oinnac (l\una), 37. 1. 6. 21. 38. 11
roiTMuq.
II, 33, 7 U. ö. \4atvdotog.
II, 39, ü'EptßitiovO (Kfioiiiov, '%«o5-).
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— 33 —
II, 61, 8 u. ö. .Jevdcyif.
II, 58, 24 OtvdtytoxXog.
II, 39, 4 Qsvötvdvd n (Dat.).
II, 58, 10. 12. 13 vO TT x apiq.
I, 156, 7. 216, 1 Oviztiyi^y 216, 2 Ovirriyttoj
(Gen. ; al. 'lovrriytJoc), II, 58. 6. 10 und immer Ovmyt*,
II, 71, 13 u. ö. Mapxiag.
II, 99, Vö'AXtirjv (Acc).
II, 76, 20. 77, 2 llixlaq, 81. 18 H/rf«* (vulgo
Hl 0 Gag).
II, 81. 18 OvviXav (Acc).
II, 92, 22. 93. 6 Oi'oxi?.
II, 82. 18. 187, 18 OiXiyioaXo*
II, 91, 12 ßa^a^io.o,-.
II, 91, 12. 17 Oviauvdn*, 188, lOvioardog (.tyo?).
II, 187, 17 Vi fi i ft f q u (Acc.).
II, 174, 19 OvXiav (Acc).
II, 184, 17 OvXidtog,
II, 187, 18. 226, 13 'AXßUag.
II, 188, 2 MoQoa (Dat.; al. rrJ ,,wo(<), 223, 2 itfo^«c.
II, 196, 3 u. ö. Ovgataq.
II, 265, 4 Ziotyig.
II, 197. 12. 22 Oiaxt^oc.
II, 272, 4 u. ö. 'iXöifiaAog.
TutziXag (TovriXXag Vat., ToviiXag Reg.).
II, 298, 14 HXeÖav (Acc).
II, 298, 14 Pov dogt/oq, 358, 21 PovdtQtXng (-**<*),
360, 4 'Poyöeotyoc.
II, 326, 9 2i<iifp(>ttoc.
II, 358, 1 vO er «Ja ? (fc Jf).
II, 354, 15 P t x i jti o v v ö o g.
II, 577, 12. 579, 9 riflXag (npaX).
II, 577, 12 f. rovvtovXy (Acc; 7oi>nWX, JotwW.),
oontQ , rmc Jf at'mv 'IrÖQvXy ('IvönvX)
txaXow; 579, 9'hdovX(f> (' IXöoixf, /ovi'iWA«/), 584,
9 ' lrdnvX(f> ('/AJoi'y , /ori'<WA), 642, 20 */hWA'/>
(7?.<Wy).
qp. lxviii 3
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- 34
II, 577, 12. 579, 8. 625, 5 Jxitio,
II, 600, 19 u. ö. Tm«?.
II, 602, 21 u. ö. / oao.
II, 633. 15. 634, 13 'P«/f«/,/c.
II, 606. 21. 608. 14. 21 Ovaöißi 608, 4 Omi-
duiXu^ (OvdgiXa*;), 608, 8 OvOdgiXa^ (-AAtts-).
II, 10, 7 «AÄrt (vV/£ Tt du{iiOß xa't.ox fitvoc , nvno yuy
aif-oiv rot'V ijyffi6v(t$ oi ßcigßagoi xnkfTv rtvoftixaGi.
In .luliani epitome latina novellarum Justiniani (instr.
G. Haencl, Lps. 1873) findet sich (pag. 185 ff.) eine Epi-
t o in e c o n s t i t u t i o n u in Justiniani de r e f o r -
in «i n (I a 1 1 a I i a (gewöhnlich citiert als Sanctio pragmatica
pro petitione Vigilii) vom 13. August 554 (ich gebe die
Schreibungen des Cod. 2, eines ..luliani Novellarum exem-
plar vetustissimum*, daneben in Klammern die Abweichungen
in 3 a und 7):
XV Gothicus [Gut-, Gotth-, Guth-).
VIII Theodor icus (Theudericus 7), XXII Theodo-
ricus (Theudericus, Theodericus).
I Amalaeuncta (-ct/uta, Malauncta), Amalasuitttha
{-subita, -siuntha).
I Attalaricüs (Atalaricus 7), Attalaricus (Athula-,
Adula-).
I Teudatus (Theodatus, Teodatus), l^eodatus (Theo-
datus, Teudatus), Theodatus.
II Totilanem (Acc), Totilane (Abi.), V Ttttela (Abi. ;
al. Totila). VIII Tutelae (Gen.; al. Totilae), XXIV
Tutelae (Gen. ; al. Totilae, Atile).
Aus des L i b e r a t i D i a c o n i breviarium von 556
(ed. Migne, Patrol. lat. 68):
p. 1039 u. ö. Gothi.
Ib. Theodatus.
Zu Tiro Prosper Aquitanus und seinen späteren Be-
arbeitern vgl. Wand. 16. 24. 31. Die jüngste Fortsetzung
seines Geschichtswerkes, das bis 560 gehende sog. Aucta-
r i u m P r o s p e r i . gewährt folgende Gotica (ed. Rone. I) :
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725. 727 Theodorieus.
730 Entarte us.
730 Cilliea.
Die Chronik des Victor von Tunnuna (Wand. 29)
ist erhalten für die Jahre 444 5W> und setzt Hieronymus
und Prosper fort. Über die Randbemerkungen zu derselben
vgl. unten S. 37. Ed. Rone. II. mit dessen Lesungen auch
die der ed. Canisii (1600) übereinstimmen:
345 u. ö. Gothi.
3bl Amata/ rida.
375 Totila.
Die Historiae Francorum des Gregor von Tours
(538 594; Wand. 30) stammen in drei Absätzen etwa aus
den Jahren 57.") (lib. I IV. hier allein in Betracht kommend),
580 — 585 (V. VI), 591 (VII X) und zeigen in den bis ins
7. Jahrh. zurückgehenden Hss. die ganze Verwilderung des
merowingischen Zeitalters (ed. Wr. Arndt 1885, Mon. Germ,
script. rer. Meroving. I. 1):
52, 7 Goti, 70. 15 u. ö. Gothi {Goti), weiter allge-
mein Gothi (mit vereinzelten Varianten Ghoti,
Goti,Gothii,Ghothi, Ghotti), 18(i, 20 Ghotia [Gothia,
Ghotia^ Gotia).
10H, 2. 112, 2. 10. 21. 134, 17 Theudorieus
(The<«ht-i Theude-; Theuderiehns , Theodtrichus) ;
in Gregors Liber in gloria martyrum 513. 13
Theodcrirus (Theodo-, Teodv-), 540. 1 Theodorieus
(Theode-, Theoriem).
III, 9 A mala her ff a.
135, 11 Theodadus (Theudadus, Theodafus, Theu-
dotus), 17 Theodadus (Theodotus).
VM , 20 Tra <j uilane m (Acc. ; al. Trayuillanem,
Trauuilanem) , 135, 2 Trayuihnem (Acc; al.
Tranfjuilanem).
Agathias aus Myrina in Kleinasien (ca. 530—582)
schrieb nach 577 als Fortsetzer Procops fünf Bücher löraniat
(ed. Niebuhr, Bonnae 1828):
for^o t.
13, 13. 27, 4 Grvdi pr^o,-.
.V
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- :y, —
13, 14. 10 0frJ«ros-.
13. 10 0 J V r r / f
14. 2. 11. 21. 3. 31. S TwnA«.
14, 1. 23. 10. 31. 9. 50. 1 T* '/'«•;.
14, 3. r>r». 20 0 ü ( J / j* f o >' o c-
31 , 15 u. ü. V/ A i y f ö r o j,.
92. 9. 9:5. 9. 12 Tay rngih:
Der Annalist Marius. Bisehof von Avenehes 574
59:}, lieferte eine wertvolle Fortsetzung des Chronieon im-
periale für die Jahre 455 581, welche nur in einer, Ortho-
graphie und Sprachgebrauch der Vorlage, ja damit des
Archetypus bewahrenden Hs. erhalten ist (ed. VV. Arndt.
Lps. 1875):
Gothi, nur ad a. 508 einmal Goti und so immer
in der jüngeren Fortsetzung.
Ad a. 4H4 Theodor icus, 4K<) Themloricus , 493
Theudericua, 520 Theudorkm.
500 Odoind.
509 M a m m o.
519 Euter ins.
520 Atalari c u s.
540 Witte gis.
547. 553. 508 Bad u Ha.
55:*. 554. 508 Tei«.
Papst Gregor der Grosse (540 — 004) schrieb zum
Ruhme der italienischen Ahnen seine Dialoge 593 — 594
(Mon. Germ. Script, rer. Ital. et Langob. 525):
525, 34 Gothi (Guti), 520, 31 Gothi (Godi), 527, 1
u. ö. Gothi, 530, 10 Gothi (Goti).
540, 9 Theudoricuif (Teude- , Teodo- , Theode-),
20 Theudericus (Theodc-, Theodo-).
Tot ila.
527. 9 Ruderte (Roder igo, Rudirig, Ruderid, Ruo-
dirich).
527, 9 £J/irf#M (Blindiu).
525, 34 Dur ida (I, 2).
527. 0. 12. 15 Riggo.
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527. 9 Vul (Vult, Vuhl).
528. 24 Zu IIa (Tzulla).
Die Ecclesiasticae historiae libri VI (431- 594) des
Euagrios, des mit dem Patriarchen Gregor (57(» 5iKi)
befreundeten Quiistors und Präfecten in Antiuehia, sind eine
letzte Fortsetzung des Eusebius (ed. Migne , Patrol. graee.
86 \ col. 2415 squ. , nach der Edit. Henrici Valesii, Lond.
1720):
IV. IS. 20 I'ot&oi.
III. 27. IV, 18 Qsrt£<>tXos.
IV. 18 \ l (.i a h a et o v v Ü a.
IV, 18 \4 tcc'Auoi /oc.
IV, 18 (mß t vö droc'
IV, 18 OvtTTtytdog ((teil. ) , Oumyi^ , Ovivviytv
(Acc).
IV, 20. 2:? T(ör,Xa.
IV. 2* Tsiav (Acc).
Das Chronicon breve unbekannten Verfassers
oder Chron. Kuinart. (nach seinem eisten Herausgeber) aus
dem Ende des <>. Jahrhs. (Wand. 31: ed. Rone. II):
258 Gothi, 259. 260. 201. 262 Gotthi.
262 Th eode r i c it s tOfjnumcnto V ala m e r , 263
TheodericHs.
263 Athalari c u s.
(iegen 600 setzt Menander in Constantinopel die
Geschichte des Agathias fort für die Jahre 558 - 582 (ed.
Niebuhr, Bunnae 1829):
r 6 x »> o /.
283, 4 Ovtxxtyiv (Acc).
III. QUELLEN SEIT DEM 7. JAHRHUNDERT.
Aus den oben S. 35 erwähnten Randglossen zur
Chronik des V i c t. Tun n., welche von dem (H9 ver-
storbenen Maximus von Saragossa herrühren sollen (Kuno. II):
357. 358 Theodoricus.
357 Hclbane (Abi.).
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38 -
Isidor von Sevilla (gest. 636) (Wand. 32) schrieb
sein bis 615 reichendes Chronicon im Anschluss an Jul.
Africanus, Hieron., Vict. Tunn. (ed. Rone. II; ed. Matrit.
1778) und sodann seine auf Hieron., Oos., Idat., Vict. Tunn.,
Joh. Biclar. fussende Historia de regibus Gotthorum, Wanda-
lorum et Suevorum (253—625) (ed. Matrit. 1778: auch bei
Hugo Grotius, Hist. Got. Wand, et Langob., Amsterdam 1655):
chron., Rone. II, 419 u. ö. Gotthi (Gothi), 458 Ostro-
f/otthi, Matr. 145 Gothi, Gotthi, 147 u. ö. Gotthi,
151 Ostrogotthi; bist,, Matr. 203 u. ö. Gotthi, 210
Ostro'/otthi, Grot. 705 ff. Gothi, Ostroyothi.
Chron., Rone. II, 457 Theodoricus, Matr. 149
Theodoricux {Theudo-)\ hist., Matr. 209 u. ö. Theu-
dericus, Grot. 720 f. Tudericus, Theodericns, Teu-
dericus.
Hist, Grot. 721 Ebbava (Abi.; Mommsen, Jord.
151, liest Ebbane).
Chron., Rone. II, 458, Matr. 151 Tottila.
Aus dem Chronicon paschale, 629 630. (Wand.
32; ed. Dindorf, Bonnae 1832):
604, 15 Oso6f(ji'/((mhodw(n'xiü), 602. 19 Qsoduiw/oc.
605, 12 \4 x a X X d (j t x o g.
Die X/jovoyyu(fta des Joannes M a 1 a 1 a s (bis 565)
wird von Sotiriadis (Kritik des .loh. v. Antioehia, Lpz. 1887)
ins 7. Jahrh. unter Phoeas und Heraelius (603 641) gesetzt,
während man sie früher in die Zeit Justins II. (565 578)
wies (Wand. 30; ed. Dindorf, Bonnae 1831):
To x D o i.
380, 4 u. ö. vö t (ji/oc.
460, 1 \l i> aXa (>i yoq.
465, 9. 11 TU t vag.
Aus den Ergänzungen zu den ersten sechs Büchern
(bis 584) von Gregors Frankengeschichte, der sogen. Historia
Francorum epitomata, die dem Seholasticus Fredegar
zugeschrieben werden und um 660 in Burgund entstanden
sind (Wand. 33; ed. Krusch 1888, Mon. Germ, script. rer.
Merov. II):
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39
•
43 u. ö. Goti, Gothi, Ghotki.
44. 78 u. ö. The uder icns.
103, 30 Am all er (ja.
106, 2 Theothatus (Teuthadus, Thedatus, Theo-
thadus), 6 Theuthadus (Teodatus, Theodatus).
10«. 7 Tutila.
Die römische Geschichte des Paulus Diaconus
(um 725—797; Wand. 33) entstand vor 774 (Mon. Germ,
auct. antiqu. II), die langobardische nach 787 (Mon. Germ,
script. rer. Langob. et Ital., p. 45 squ.):
rom. Gothi, 209, 17 Ostrogothae (-gothi) u. ö.,
214. 1 Ostrogothi; lang. Gothi.
Korn. 21«, 5 Amali (Alami, Halumi, Halani, Alaui).
Rom. 211. 15 u. Ö. The oder icus (gelegentliche
Varianten Teode-, Theodo-, Theude-; Theoricus),
217, 14 Theodoricus; lang. 87, 18 Theude ricus
(Teude-, Theode-, Teode-', Thiadric, Thiadricus),
124, 1 Theuderichs (Federicus), 196. 26 Teodoricus,
29 Theodoricus.
Rom. 212, 4 Ar Heu tut (-leuba, -leua).
216, 1. 2 Amalafreda.
216, 3 Theodicodo (Acc).
216, 3 Ostrogotho (Acc: al. -godo).
216, 2 Am alab er g a (Malaberga, Malauer •ga).
216, 4 A mala su in ihn (suinda, Atualauintha),
219, 18. 220, 7. 221, 12 Amalasuinta (suuintu,
-suuinda, -subinta, -sunta, -muintha; Amasuuinta,
Amalsuinta).
216, 4 Eutharicus (Autha-).
219, 6 Ibba (Ibbla, Ippia).
220, 8. 221, 7. 9. 11 Theodatus, 220, 11 Theo-
datus (Theodotus).
221, 11 u. ö. Witigis (gelegentliche Varianten
Wittigis, Guitigis, Guittigis, Guitiguis) ; lang. 62,
20 Witichis (Abi.; al. M7//// , t/nfi-, Winti-, Vinti- ;
Withids, Witigis, Witavhis, Witichisi, Withichisi,
WUihisi, Withigiso, Withisi, Wittisi, Wilticis).
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40
Rom. 224. 1 Heläebadus (Hille-).
224, 3 Bad uila (Baduilla).
224, 3. 9. 19 Totila; lang. 72, 20. 2."» TWi/ei.
Lang. 73, 4 IT/rf/w (HW/#n, WWw, ]lriV/i. GmVm),
6 Widin.
Die G e s t a episeoporum Xeapolitanoruni,
welche unter dem Namen des Diaeons Johannes gehen,
zerfallen in drei verschiedene Teile, von denen der erste
um 800 entstand, im wesentlichen aus den Gesta pontif.
rom. schöpfte, aber weiter alle bekannteren kirchen- und
weltgeschichtlichen Vorarbeiten benutzte (Mon. Germ. Script,
rer. Lang, et Ital. 402 squ.):
Goth i.
410, 8. 16 Theodericus, 20. 23 u. ö. Theodor icus.
411, 9 Amalesuinta.
410, 43 Athalaricus.
411 Theodatus.
411, 33. 34 Guitiyis, 38 Vitigen (Acc).
Aus den zehn Büchern der Chronograph ia des Theo-
phanes Isaacius Confessor, 758—817, (Wand. 34;
ed. Clausen, Bonnae 1839. 1849):
r o t & o t.
288, 11 --/ fiaXaff ot Sa (MaXuyotdu), 289, 15 \ 1tuaXa-
tfgiöa.
293, 11 \1 fiaXaoov t'Ü a.
293, 12 \4xald{n y og.
291, 14 royta*
354, 3 TfottXa (TwnXXa vulg. et sie ubique), 5
TwrtXa.
Das im Kloster Moissac bei Toulouse ca. 818 ent-
standene Chronicon (Wand. 35) umfasst den Zeitraum vom
4. bis 9. Jahrh. (Mon. Germ, script. I):
Gothi.
285 Athular icu s.
285 Theudann s.
285 Tot i IIa.
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41
A g n e 1 1 u s . der Verfasser des Lib. pontitic. ecclesiae
Itavenn., schrieb sein Werk in verschiedenen Absätzen un-
gefähr 835 -846, nur wenige Quellen wie Paul. Diac, Anon.
Vales., Annal. consul. Itavenn. u. a. spärlich verwertend,
(Mon. Germ. Script, rer. Lang, et Ital. 275 squ.):
Gothi.
303, 5 Theodoricus (Theude-, Theode-) u. ö., 318,
22. 335. 9. 337, 15 Tlieodericus , 334, 19 Theu-
dericus.
326, 27 U nun und hs (Uitimundus), 334 22 Uni'
tnundus.
322, 12 Malasintha.
322, 11 Athalaricus.
322, 12. 16 Deodatus.
322, 21 Tutilano (Abi).
322, 22 Teia, 331, 13 Theia.
Aus der Vita et translatio S. Sab in i episc.
Canusini, vermutlich um 850, (ib. 586 squ.):
Gothi.
587, 12 Totila.
Aus der ältesten Geschichte des Klosters von Monte
Casino, vermutlich um 870, (ib. 468 squ.):
Gothi.
487, 23 Theodericus.
Erchemperti historia Langobardorum Beneventa-
norum, bald nach 886, (ib. 230 squ.):
244, 37 TrasaricusJ
Im Ausgang des 9. Jahrhs. setzt der Presbyter An-
dreas die langobardische Geschichte des Paulus Diaeonus
bis auf seine Zeit fort (ib. 220 squ.):
Gothi.
222, 6. 9 Totila (aus Paul.).
1 Es bleibt ganz zweifelhaft, ob er hierher gehört. Nur das
Erscheinen desselben Namens auf der unten unter „Wiljaric* citierten
Inschrift lässt ihn mich hierher setzen, weil letztere möglicherweise mit
seinem bei Erchempert erwähnten, sonst aber völlig unbekannten Denk-
mal zusammenhängt.
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42
Die Vita S. L a u r e n t i i e p i s c. S i p o n t i n i , aus
dem 9. Jahrh. oder später, beruht gleichfalls auf Paulus
(ib. 543 squ.):
Gothi.
544, 12 Theodor ic us.
545, 24 Badiula.
545 Totila.
Das Lexicon des S u i d a s , etwa von 976, (reo. G. Bern-
hardy, Halle u. Braunschweig 1853) giebt II, 789 unter
dem Stich worte -ix// den Dativ
r gov $ fyyoitf (—r{Mnt9iyywc, rpovfriyyotc).
Und endlich aus der H i s t o r i a m i s c e 1 1 a des Lan-
dolfus Sagax, zwischen 977 und 1026, (Wand. 35; Mon.
Genn. auct. antiqu. II):
Gothi, Gothic iis.
365, 1. 366, 23 Theo der i cns.
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DIE OSTGOTISCH KX SPRACHIGSTE.
Das hier folgende Capitel hat die Aufgabe . für die
einzelnen Ostgotennamen nach all den Schreibungen, welche
der vorhergehende Quellenteil aufgezählt hat. die specitisch
ostgotische Form zu gewinnen und damit das Material zu
liefern für da« letzte Capitel, den Versuch einer ostgotischen
Grammatik. Die Reihenfolge ist die ungefähr chronologische.
Bei der etymologischen Deutung der Namen ist mehr als
bisher die nahe Verwandtschaft in Betracht gezogen worden,
welche die einzelnen indogermanischen Völker grade in der
Bildung ihrer Nomina propria verbindet, weshalb man Fick,
Die griechischen Personennamen (Göttingen 1874). häutiger
citiert finden wird. Sonst sei für diesen Abschnitt auf
Wand. :*6 f. verwiesen.
Es wäre leicht gewesen, unsere übliche grammatische
Orthographie auch in den ostgotischen Namen consequent
durchzuführen : aus practischen Gründen nahm ich hiervon
Abstand. Denn wenn z. B. die ostgotische Namensform
peuderik auch zweifellos ist , so werden wir doch schwer-
lich dahin kommen, dass unsere Historiker in ihren Dar-
stellungen eine so weit vom quellengemässen Theodericus
abweichende Schreibung einführen. Und diese Rücksicht-
nahme auf den historischen Usus veranlasste mich bei der
Schreibung Thcoderir zu bleiben, obwohl eo statt ostgot. eu
gewiss nur dem romanischen Schreibgebrauch sein Dasein
verdankt. Wir wollen schon zufrieden sein , wenn die Hi-
storiker sich zu der Schreibung Themler \c bequemen statt
des herkömmlichen Theoderich und damit eine Bildung auf-
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II
geben, welche inconsequent im Auslaut hochdeutschen Laut-
stand angenommen . im Anlaut den gotischen beibehalten
hat: entweder Theoderic oder Dietrich, alles Sonstige bleibt
Willkür ; Theoderic aber gleicht ja dem quellenmässig über-
lieferten Theodericus vollkommen . abgesehen von der nur
lateinischen Endung. Also aus Rücksicht auf die Historiker
zwänge ich die Ostgotennamen die Einzelüberschriften
im folgenden geben sie in der Form, die ich für den modernen
hi sonographischen Gebrauch empfehlen möchte nicht
unter das System einer einheitlichen phonetischen Trans-
scription, sondern schreibe jeden einzelnen in der Laut-
gebung, welche seine Quellen zeigen. Für die Orthographie
gilt daher das Wand. 37 Gesagte.
OSTGOTEN.
Für die Etymologie des Gotennamens seien nur Zeuss
134, Lottner in Kuhns Zeitschrift V, 154, Kremer in den
Beiträgen VIII. 44t>. 447 citiert. Wer die Zeuss-Grimmsche
Deutung der , Wandalen" als der »Umherziehenden* an-
nimmt, wird auch gegen die .Goten" als die .Ausgebreiteten*
kein Bedenken haben : got. giutan an. gjöta ags. geotan as.
giotan ahd. giozan Rundere*.
Für die Schreibungen ist immer noch auf Rassmann
bei Ersch und Gruber, Sect. I. LXXV, S. 204, 1 zu ver-
weisen. Die in den historischen Denkmälern des gesamten
Mittelalters herrschenden Formen Gothic sind römische
und griechische Nostriftcierungen des Volksnamens 1 und
machen für seine gotische Form und Aussprache nichts aus.
Nach dieser wäre vielmehr lat, *Guti zu erwarten. Das
ursprüngliche n der Stammsilbe wird durch das Gutpiuda
des Kalenders, das runische gutanio des Goldringes von
Pietroassa2 und für den ostgotischen Dialect durch die
sonstige feste Bewahrung des wultilanischen w3 bewiesen.
1 Vgl. oben 8. 8.
2 Hönning, Runendonkmaler 32.
* Vgl. oben S. 9 und unten im „VocalismuB44.
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4:>
Für die lateinischen Historiker ist es bei dem bunten Wechsel
von lat. 11 und o 1 nicht zu entscheiden, ob vereinzelte u auf
derselben mechanischen Vertauschung beruhen oder etwa
als reconstruierte germ. u aufzufassen sind. Nur (abgesehen
von den fraglichen /Vro>if c bei Strabon 2 ) die Gutones bei
Plin. . die /Vtfe/m; bei Ptol. sind besonders aufzuführen,
vielleicht auch die Gvthi bei Marini Nr. 140. Das ursprüng-
liche / des Wurzelauslauts3 zeigt sich im gotischen Gut-pinda4,
im runischen gutanio , in den an. Gotar und ags. Gotan.h
Bei den Historikern classischer Zunge beginnt die Unsicher-
heit in der Aspiration schon mit Tac. : Germ. Gothones, Ann.
Gotones ; und mit den FvOmv^ des Ptol. wird das ungerm.
/// fest und bleibt es für die Geschichtschreibung aller Jahr-
hunderte. Über das bunte und regellose Vertauschen von /
und th für germ. t und p vgl. unten unter „Consonantismus*.
Daher ist auch schwerlich an bewusste Herstellung der
germanischen Tenuis zu denken bei den Austrogoti des Treb.
Pollio, den Goti des Ennod. . den Ostrogoti des Avit. . den
Goti bei Marini Nr. 117, der aclisiu gotica der Neapeler
Urkunde, dem goticum im gotischen Trinkspruch, dem gleich-
massigen Goti im Prosp. Vatican. (Konc. 1, 706 ff., nur 711
einmal Gotht).*
1 Vgl. oben 8. 7.
* Vgl. oben 8. 10, 2.
5 Möllenhoff, Zs. IX, 244.
* Die Deutung Kremers (Beitr. VIII, 447, dazu 429), der Gut-
])i\u1a als nachahmende Schreibung von gr. for.tot auflagst und got.
*ynp- oder *</udapit(da herstellt, bedarf nuch Ablehnung seiner Ety-
mologie keiner Widerlegung mehr; vgl. jedoch unten. Das an. Goppjöp
(Grimm, Heldensage* 5. 6) zeigt jüngere Assimilation.
* Nähere Nachweise bei Kassmann a. a. O.
* Noch ein Wort Über die gr. rördm. Das feststehende lat.
Gothi, das die etwa durch amtliche Berichte aus Rom sanetionierte
Form war, in gr. nlftoi umzuschreiben, widersprach der bei den Griechen
üblichen Aussprache des bekannten Volksnamens, da ihr v 8pirans war :
daher entstand /ortfo. als graphische Compromissform. Oder aber
r,ir9oi erklärt sich, ahnlich wie der Name der Schweden aus Svhpfip,
aus Gut-piuda, also mit Hereinziehung des Anlauts vom zweiten Compo-
sitionsglied in den vermeintlichen Stamm, d. h. grade umgekehrt wie
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4«
Was die Flexion des Gotennamens anlangt, so weisen
die ältesten Quellen übereinstimmend auf einen M-Stamm :
Gutones Plin. u. s. w. 1 , d. i. got. *Gututis2, entsprechend
dem an. Gotar Gotna (dazu das Appellativum gotnar . das
Adjectivum gotneskr) und dem ags. Gotati Gotena. Alle
späteren Quellen hingegen zeigen nur Gothi , filrdoi, d. i.
got. *Gutösz; hierauf führt auch das Compositum Gutpiuda,
für welches bei erhaltener //-Flexion seines ersten Gliedes
*Gutapiuda zu erwarten wäre4: und das an. Gotar zeigt
neben dem schw. Gen. Gotna auch den jüngeren st. Gota.
Nun aber hat .lord. (und mit ihm Paul. Üiac.) neben gleich-
massigem Gothi ebenso gleichmässiges Ostrogothae, das nur
auf dem Sing, -gotha , d. h. auf schwacher Declination be-
ruhen kann. Es läge nahe, den Grund hierfür speciell bei
Jord. in der Anlehnung an den Namen des ostgotischen
Ahnherrn zu suchen, welcher in der Urgeschichte des Jord.
(77, 1. 78, 6) eben Ostrogotha (und ebenso bei Cass. Var.
XI, 1) genannt wird, zumal alle früheren Quellen, die den
zusammengesetzten Volksnamen geben, diesen stark flectieren :
Austrogoti Treh. Pollio, Ostrogot(h)i Claud., Apoll. Sid., Avit.,
später noch Isid. Aber Jord. schreibt auch Vesegothae!
Vielmehr hat man aus dem Namen des ( >strogota „mit Recht
schon auf das Alter des Volksnamens geschlossen* 5 , und
wenn auch „der epischen Sage so viel Glauben zu schenken
ist , dass Ostrogota eine historische Person", so bedarf es
doch keines Wortes mehr, dass der Name des Heroen nichts
weiter als der ältere Volksname ist und nicht etwa erst
Kremer (s. o.J will; jedoch bleibt dann die Beschränkung dieser Form
auf die gr. Quellen rätselhaft, man niüsste denn alle lat. Gothi zu Göttin
bessern wollen. Jedenfalls vergleiche man nicht Chatthi (ahd. Hcsxi)
aus ursprünglichem Cot-ti o. &.
1 Vgl. oben S. 19, 2.
* Hennings Deutung des oben citierten runi sehen (tutuuio aU
got. •tjutanjo, schw. Ncutr. des Adj. *<jnf<niei*} (KuiuMidenkmäler 40 f.)
knüpft ebenfalls an den alteren «-Stamm an.
* J. Grimm, Kleinero Schriften III, 41 3.
4 Kremer, Beitr. VIII, 394 ff.
& Möllenhoff, Zs. IX, 136.
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47
dem Stamme seinen Namen gegeben hat Ostroyota ist
„der Ostgote4 ; einen Beweis hierfür von andrer Seite er-
brachte ich im Neuen Archiv XV, 583 f. , wo ich zeigte,
dass Ostrogoto, wie eine Tochter des Theoderic genannt wird,
nichts ist als diacritisther Zuname, als das movierte Fem.
unseres Volksnamens. „die Ostgotin". Damit ist erwiesen,
dass der Gotenname im Simplex stark (*Gutös). in der Kom-
position schwach flectiert wird (-guta -gutö). Wenn bei den
übrigen genannten Historikern die starke Flexion frühzeitig
in das Compositum gedrungen ist, so hat das seinen Grund
darin , dass in den geschichtlichen Quellen , zumal den öst-
licheren (gewöhnlich bei den Griechen , immer bei Proc),
unter Goten schlechthin die Ostgoten verstanden werden2;
man beachte z. B. beim Anon. Vales. und Cass. Var. die
Gothi neben den Wisigothae, bei Proc. (d. bell. Vand. I, 2)
die ausdrückliche Unterscheidung /orfloi und Ovidtyor&ot a ;
waren somit Goten und Ostgoten dem Sinne nach identisch,
so konnte die Gleichheit der Function um so leichter Gleich-
heit der Flexion nach sich ziehen, wenigstens bei den latei-
nischen und griechischen Geschichtschreibern. Die Goten
selbst hielten an dem alten Flexionsunterschied fest, wie eben
Ostrogota* Ostrogoto beweisen, und es ist das ein weiterer
Beleg für den im Germanischen zu beobachtenden Trieb, eine
Komposition durch schwache Flexion gegenüber dem starken
Simplex zu kennzeichnen : got. leih und mankika, daür und
augudaurö, an. stafr und rnpstafe, ags. trum und wyrttruma,
ahd. tac und svontago u. a. 4 Aus gleichem Unterscheidungs-
trieb hat liier das Compositum die ursprüngliche w-Flexion
des Gotennamens zäher bewahrt (vgl. oben Gxttones u. s. w.)
als das frühzeitig zur starken Bildung übergehende Simplex.
1 Dahn, Könige II, 84; Möllenhoff a. a. O. und im Index zu
Mommsens Jord.
* Cber deren ältestes Vorkommen Möllenhoff Zs. IX, 134 ff.
* Das Umgekehrte, dass der Oesamtname Goti die Westgoten
bezeichnet und die Ostgoten spooialisiert werden, kenne ich aus der
oben S. 22 erwähnten Oeneratio regum et gentium (Möllenhoff, Abh.
d. Herl. Akad. 1862, 8. 536), wo die Westgoten Goti, die Ostgoten aber
Walayoti heissen; über letztere vgl. unten unter „Walamer*.
* Kluge in Pauls Orundriss I, 396.
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48 --
Treb. Pollio schreibt im Anfang des 4. Jahrhs. noch
diphthongisches Austro-, alle späteren Historiker mono-
phthongisches Ostrogothi( -ae). Dieselbe Monophthongierung
von germ. (und wulf.) au zu o wird als ostgotisches Crite-
rium noch weiter zu belegen sein.
Der Compositionsvocal o 1 , der durchgängig in allen
Quellen von Treb. Pollio bis Isid. und Paul, erhalten ist,
muss in so später Zeit auffallig erscheinen, wenn man in
ihm mit Kluge 2 altes idg. o sehen will , das in tonloser
Silbe die Tonerhöhung zum germ. a noch nicht mitgemacht
hat , um so auffälliger , als das Ostgotische dieses germ. a
in der Compositionsfuge vielfach schon zu e geschwächt
oder gar zu i palatalisiert hat3. Wahrscheinlicher liegt uns
eine Form des internationalen Verkehrs, eine nostrifizierte
Römerbildung vor (wie oben Gothi). Grade o hatte in den
idg. Einzelentwicklungen als Compositionsvocal weite Aus-
dehnung gewonnen4, ganz besonders sich im Griechischen
verallgemeinert5, und wenn es in lateinischen Bildungen
wie albo-galerus u. a.6 mit griechischer oder gallischer Be-
einflussung erklärt wird , so mag in unserm Ostro- gegen-
über sonstigem ostgot. -a- -e- -i- eine ähnliche ungermanische
Anlehnung zu Grunde liegen. Dass dieses Ostro- mit ge-
legentlichem Theodo-ricus nicht auf eine Stufe zu stellen,
darüber unter diesem.
Ostgot. ostro-, wulf. *austra- (an. oustr ags. edster as.
ahd. östar) ist eine suffixale Weiterbildung des Stammes
*ausa-1 der unten noch im Namen Oswin begegnen wird
und dort zu vergleichen ist , eine Weiterbildung , wie sie
z. B. aus got. gis-tra- ahd. ges-taron ags. geos-tra bekannt
ist gegenüber ai. hyds gr. ;r#7c lat. /im. 7
1 Grimm, Gramm. II (1H78), 890. 391.
* Pauls GrundriBS I, 316. 317.
3 Vgl. unten unter „Wortbildung44.
4 Brugmann, Grundriss der vergleichenden Grammatik der idg.
Sprachen II, I, 27.
6 Ib. 45.
e Ib. 55.
7 Wie Os-tcin zu Osfro-gotha wird sich auch das auffällige lfV.s/-
golhae zu Venfr-olpmi u. A. verhalten, sodass man Sievers' Bedenken
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4<»
GREOTINGE.
Neben der politisch-geographischen rntorscheidung in
( Istiroten und Westgoten steht in alterer Zeit die ursprüng-
lichere und nationale in Greotinge und Terwinge. Man vgl.
üher beide, speeiell auch über die Identität der Greotinge
und Ostgoten, besonders Müllenhoff, Zs. IX, 184 ff., vorher
schon Manso :*08 , Zeuss 407 ff. Dieser alte ostgotische
Stammname trat uns in folgenden Quellen und Formen ent-
gegen : Grutungi Treb. Poll., Grauthungi Flav. Vopisc. Greu-
thungi Amin. Marc, Gruthungi Tlaud., fyofriyyoi Zos., Greo-
thhigi Idat., l'oovttiyym Suid. Die richtige Etymologie des
Namens steht schon bei Zeuss 407, dann bei Grimm in der
Gesch. d. dtsch. Spr. 448 u. s. f.: an. gr/ot ags. greot as.
griot ahd. gr'wz -Gestein: Sand". Dazu darf die bei .Jord.
59. 11 corrupte Stelle aus König Rodwulfs Diathese von
Scadinavien gestellt werden : dehinc Äfiri, Eragre, Otingh
(so bei Mommsen). welche Müllenhoff scharfsinnig und zweifel-
los richtig emendiert in dehinc mixfi Evagreotingh , wenn
dabei das eva- auch noch dunkel bleibt Derselben Stelle
folgt bei Jord. die Bestätigung der obigen Etymologie : hi
omnes excisis rupibus quasi castellis inhabitant. Auch für
die gesamte Textkritik der andern Quellenstellen ist nur
auf Müllenhoff. Zs. IX, zu verweisen. Fraglich ist allein,
ob er berechtigt war überall den Diphthong eu herzustellen.
Locale un<l temporale Herkunft der einzelnen Uberlieferungen
ist so verschieden, dass der auf dialectische Verschiedenheit,
zurückgehende Ablaut au (Vopise.) n (Poll., Zos., ('lauri.. Suid.)
hi (Amm., Idat., .lord.) nicht beseitigt zu werden braucht;
man vgl. vielmehr an. grjot und graut r , ahd. grioz und
yruzzi, auch die ahd. Mannsnamen Gruzing und Griuzing
(Schannat 120). Dass für unsere Zeit der Diphthong eu
anzusetzen, beweist Jord.; über die Schreibung eo bei ihm
in Pauls Grundr. I, 408, Anm. nicht zu teilen braucht; vgl. auch unter
„Oswin" und Brugmann, Vgl. Gramm. II, I, 185 Anm.
1 Deutsche Altertumskunde II, 63 f. Vgl. wostgot. Kuva -■
Kortens, Evnrix\ Stark, Die Kosenamen der Germanen (Wien 1868), 8. 15.
QF. I.XVIII. 4
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50 -
und Idat. vgl. unter /f heoderic \ Das häufige unorganische
th bedarf keiner Erklärung mehr. 1
Das ableitende Suffix zeigt Ablaut in dem ung der
vier älteren Quellen gegenüber dem ing der vier jüngeren ;
vgl. got. gadiliggs, skilliggs, wand. Hasdhtg-, Silhig-, gar-
ding-.2 Mit der in der Kegel starken Flexion des Suffixes
im Germanischen stimmt die Flexio romana et graeea des
Greotingnamens überein.
AMALKN.
Das ostgotische Königshaus benannte sieh nach dem
vierten Hehlen der jordanischen Stammtafel: lat. Awali.
Es sind die aus den deutschen und angelsächsischen Helden-
gedichten bekannten Anialunge oder Amulinge: der Name
des ostgotischen Künigsgesehleehts ist in der Sage für den
Gotennamen überhaupt eingetreten, wie der Name der Has-
dinge (Hartunge) für den Wandalennamen u. ä. 3 Die goti-
schen *Amalös 4 - die starke Flexion wird durch das gleich-
mäs.sige lat. A-mali bewiesen sind die strenui, industrii,
infatigabiles (vgl. ahd. em-azzig ; auch ahd. atn-eizza ags.
<vm-ette?h an. anri Jabor, molestia") 0 und mit den west-
gotischen Bairhen zu vergleichen. Vgl. über das Suffix in
Am-al- Wand. Tu den Hawaii des Cass. unorganische
Aspiration, ohne class deshalb an dem eddischen Ilamull1
gedacht zu werden brauchte. Der Urenkel des Gapt, welcher
dem Hause den Namen gab. ist Amal ; während die Gcnea-
1 Vgl. oben S. 45.
2 Wand. 42. Über das 8uffix vgl. Sütterlin , Gesch. d. Nomina
ngentis im Germ. (Strassb. 1887), S. 18 ff.; Brugmann, Vgl. Gramm. II,
I, 252; Streitberg, Beitr. XIV, 224; Henning, KunendenkmÄler 145.
3 Weitere Beispiele bei Heinzel, Üb. d. ostgot. Heldengage, Wien.
Sit7..-Ber. CXIX (18S9), 8. 18 des 8A.
4 So nach den Ältesten Quellen ; patronyinische Ableitung mit -ung
-ing erst seit dem 7. Jahrh., vergl. MdHenhoff, Zs. XII, 262; ib. 415
das Älteste deutsehe Zeugnis für Amelunge als Volksnamen.
5 Kluge, Etymol. Worterbuch,4 „Ameise**.
• Eine mythologische Deutung des Namens unter Anknüpfung
an gr. ä^ula versuchte J. Grimm, Zs. VII, 394.
' Henning, Runendenkmaler 12.
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- 51 -
logie bei Cass.-Jord. jedoch sonst die Namen von Vater und
Sohn kurz, nur durch „genuit" verbunden, aufzählt, beisst
es hier: eum , qui dietus est Anial; es ist hier also nicht
sein eigentlicher Name, sondern ein charakteristischer Bei-
name überliefert 1 in der Form eines st. Adj. , ohne dass
der ursprüngliche Personenname des Heroen neben jenem
erhalten wäre : .lord. Amal für wulf. * Antäte mit ostgoti-
schem Schwund des Nominativ-^ (vgl. Frida mal Wand. 75),
Cass. mit entsprechender Latinisierung Amatas-.
TIIEODERIC.
Der grosse Ostgotenkönig heisst (mit lateinischer En-
dung) Theodericns. Diese Nainensform wird aus sämtlichen
erhaltenen Inschriften erwiesen3, auch aus der auf einem
Gewichte1, während die Münzen neben dem Namen des
Kaisers nur das Monogramm des Königs tragen \ Theode-
ricns heisst der König auch bei den meisten lat. Historikern
(vgl. im vorigen Capitel unter Ennod., Eugipp., Avit., Cass.,
Vita Fulg.. Anon. Val. u. s. w.J. Die griechische Form lautet
in der Kegel 0M/Jt'(/f/o»* (Malch.. IVoo., Agath.. Euagr. u. s. w.J.
Sonst erscheint häutigei' nur Thcodoricus (Marcel!., Lib.
pontif., Ep. pontif. , .lord. u. s. w.)? entsprechend, jedoch
weit seltener, Gtodtoyt/oq. Dieses Thcodoricus mit seinem
zweiten o als Fugen vocal hat mitgewirkt, dass das regel-
mässige Theo- der Überlieferung bisher erklärt winde als
gelehrte Anähnlichung des got.piuda an gl*. &to- (vgl. Gtodovtjg,
htoÖMyo^ u. s. w.).6 Diese Erklärung ist überflüssig, Grade
1 Dahn, Könige II, 119.
* Die Varianten Atnala bei Jord. zeigen nicht die schwache Form
denselben Adj., Hundorn eine primäre Kosebilduug aus älterem Voll-
namcii , etwa Anialaric o. ü. ; so z. B. ein Franke Anuilo bei Greg.
Tur. u. ö.
3 CIL VI, 1665. 1794. IX, 6078, 7. X, 6850. 6851. 8041, 2. XI,
10. 280. 310. 317. XIV, 4092, 18.
4 Friedländer, Münzen der Oatgotcn, 8. 29.
'' Friedländer 24 ff. Zwei Kupfermünzen mit Theodm'icus sind
unecht, ib. 28.
• Beispielshaibor von Schuchardt, Vocalismus des Vulgärlateins
11, 149. III, 213; auch von mir noch Wand. 66.
4*
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in derartiger Wiedergabe des germ. Diphthongs tu hei den
lateinischen Historikern liegt vielmehr ein vortrefflicher
Beleg für die (ionauigkeit. mit der sie germanische Namen
aufzufassen und niederzuschreiben suchten. Dass eine An-
gleichung an gi*. tha- vorliegt, wird einmal durch das regel-
mässige (-hi- der Griechen unwahrscheinlich und dann durch
das Erscheinen desselben eo in Schreibungen wie Greothingi,
Leo</efridus widerlegt. Aber auch an Wirkung des rM'm-
lauts darf man nicht denken, wie Jacobi wollte', weil das
tv der (xriechen dagegen spricht und weil diese Wirkung
bei der einfachen Kürze m des Ostgotischen fehlt. Der (liund
liegt vielmehr in dem verschiedenen ('haracter von got. und
lat. eii. Der eigentliche idg. Diphthong, der dem wulf. im,
ostgot. cm, gr. m entspricht . ist dein Italischen überhaupt
fremd2: lat. neuter ist dreisilbig11 -= neunter; seit, neu.
reit r.,- Si'f w, n> -f rr {vgl. mrv)A; heu, heus sind irreguläre
Interjektionen, nach gr. i/t-v gelehrt so geschrieben5: und
was ursprünglich griechische Namen betrifft wie Theseus%
Nereus u. a.. so nimmt das volkstümliche Latein Dihärese
jedes gr. fv vor (vgl. die Schreibung OrphaeusY'. Der got.
Diphthong durfte also durch cm nicht wiedergegeben werden,
damit man auf ihn nicht die zweisilbige Aussprache des lat.
cm oder die spirantische des er anwandte, sondern das im
übrigen phonetisch correcte cm bedurfte einer graphischen
Modifizierung. Zu einer solchen benutzte man hier einmal
bewusst den aus der lat. Schrift sonst geläutigen Wechsel
von e und i, o und u und schrieb daher entweder im" oder
* Beitrage zur deutschen Grammatik (Berlin 184:0. 8. 117. Kr
mu8H aber ib. Halbst zugestehen, dnss „in I rkurnlun hei Unterschriften
von Kranken wie von Goten, soweit uns dergleichen erhalten sind, d. i.
seit 500 n. Chr., gleichmütig bald t u bald ro erscheint, ohne das« dabei
consequont dem <n ein / oder u nachfolgt.**
2 Birt, Rheinische« Muaeum XXXIV, 1 ff.
5 Ib. 2 ff.
* Ib. 10 ff.
6 Ib. 33.
c Ib. 33.
7 8o entstandene tu in got. Eigennamen darf man also nieht ohne
weitere« mit wulf. in identificieren ; vgl. auch lat. Sehreibungen wie
Iw/rnior, i ii >i ui'/i ii s , Birt 34.
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58
häufiger <o,} graphische Verbindungen, die um so überlegter
erscheinen müssen, als sie sonst dem Lat. fremd sind. Hin-
gegen stand der griechischen Transscription tv nichts im
Wege, da gr. u- und germ. en demselben idg. Diphthong
entsprechen. Hei den Lateinern wird dann Volks- oder
Helehrten-etymologische Angleichung an gr. &ro- allerdings
später hinzugekommen sein und die Schreibung befestigt haben.
Dass sie für diese aber nicht die Veranlassung gewesen,
ergiebt sich auch aus der Chronologie der Quellenbelege.
Die Form Theodoricus , deren zweites o in Erinnerung an
gr. ('hodoryg, (^foJfr/^o^, (-hodumi/n^2 geschrieben, ist jünger
als Theodei'icu8 : die ältesten Lateiner, welche den König
nennen, schreiben nur letztere Form ( Knnod.. Eugipp. u. s. w.,
vgl. oben S. 51), wie andrerseits (•hvdsoiyog die griechischen
Quellen beherrscht. Das graecisierende Theodoricus hingegen
findet sich zwar schon vereinzelt Ihm Marceil. und im Anecd.
Hold, (doch bei Cass. im Chron. und in den Var. Theodericus),
kommt aber erst zur vollen Geltung in den kirchlichen
Quellen (Lib. et epist. pontif.) und findet hier in der ge-
lehrten Bildung geistlicher Autoren seine genügende Er-
klärung. Auch Jord. schreibt Theodoricus f seiner Tendenz
gemäss gewiss mit Befriedigung darüber, den Namen des
Germanenfürsten damit aus einer classischen Sprache zu
deuten: Theodericus steht bei ihm nur 77,5 in der amalischen
Stammtafel, welche ganz aus Cassiodors Gotengeschichte
stammt. L'nd erst jetzt herrscht Theodoricus (Jul. opit,
Prosp. auct.. Mar. Avent.. Isid. u. s. w.). Das entsprechende
C'Jtodo'tpt/og6 fand ich erst im späten f'hron. pasch, neben
('hodtoi/, vorher bei Joann. Antioch. neben ("JFvdfoi/og.
Dass der Königsname in den meisten, namentlich den
gleichzeitigen Quellen als Theodericns so constant ist, wird
seinen Grund in amtlicher Tradition haben, wie sie durch
die Inschriften und Cassiodors amtliche Erlasse repräsentiert
1 In den zahlreichen lat. Quellen für Theodahath z. B. kein
einziges eu.
* Fick, Personennamen 35 f. 176.
* ftfo-Atoq-ixo; ein bekannter griech. Kosename, zu dessen Suffix-
bildung Fick XLII.
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wird. ]uh*-r mu h das f*-te th, V. nur -rlt.-n sr.n-t üblicher
WVch-el mit f, r.
IM- Name ge wahrt Malaiin <w_:<.t. tur wulf. i":
77*/»"/- findet ri*.*h für den er«ten irot»-nk«"inig auf itaii-chem
Boden in keiner Quelle: reine-» hinir» ^»n . wrlche?» dr-
oben u*-t\i-\i\fU: ;:raphw-he Änderung in eo nicht erfahren,
findet -ich. abge-ch* n von gelegentlichen Varianten, in einem
f'ap-tbriefe von r,ol . ferner bei Greg. Tur.. Mar. Awnt..
Greg. Magu.. Fredeg.. Paul, und wird al> o>tgotische Form
de Diphthongs noch wiederholt zu belegen sein. Lk-r Name
zeigt ft-nur Ab-chwächung des ursprünglichen Fugenvocals
" (wulf. *piudff-reikff) zu irrationalem
Dan zweite Glied des Namens, got. r«*/.» steht in lat.
Form als -ricu*, in gr. als -oiy/H fi'^t. Neben ersteiem wird
gelegentlich -ruhuH geschrieben, ohne dass dasselbe auf eine
gr. Vorlage zurückzugehen braucht, so schon bei i.'ass. im
Chron. und Anccd. Hold. Diese Schreibungen lat. rh und
gr. / können die aspirierte Natur des germ. c [k) bezeugen,
mit welcher der reine hauchlose Kxplosivlaut des lat. und
gr. Alphabets nicht übereinstimmte. Ks bedarf keines Hin-
weises, wie die aspirierende Tenuisarticulation einen wesent-
lichen l'nterschied zwischen germ. und idg. Consonantisinus
bildet und sich in der Tenuisverschiebung geltend gemacht
hat. Iler (irieche aber kannte bei seiner Tennis ebenso
wenig eine Aspiration wie der Romane.2 Germ, k war also
im Ohr des Griechen von seinem x verschieden: er hatte
jedoch zur Bezeichnung der germ. Aspiration ein Mittel in
seiner „Aspirata" /, die tatsächlich nichts als p uh war '•;
vgl. hierzu schon bei Wulf. Mulkus .loh. 18. 10 für gr.
MdXxac, AntifU/a Gal. 2. 11 Antimtkia 2. Tim. 11 für
gr. \lvuox*iu, fhakma für gr. d(ju/ft?j u. ä. Der Lateiner
hatte eine ähnliche Bezeichnung nicht so geläufig bei der
Hand; das oxaetero rh, wie es gelegentliches -richus zeigt,
1 Grimm, Oramm. II (187S), 500.
* Blas*, Ühcjr die Au8spnu;ho dos Griechischen* (Berlin 1882),
8. 71). Hüolmatm 252. 201.
8 Vgl. besonders Blass 84 ff. »7.
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55
war ihm etwas Fremdartiges, und selbst für die beiden lat.
Worte, wo die Aspiration noch am meisten beglaubigt wird,
für pulcher und Gracchus, sind die Angaben der alten Gram-
matiker schwankende1; daher lat. -richus seltener als gr.
-öi/os-: bemerkt sei noch, dass in gebildeten hoehlateinischeu
Kreisen aspirierte Aussprache der Tennis eine häufige sprach-
liche Affektiertheit und deshalb nicht ganz unbekannt war.2
Man denkt bei diesen aspirierten Schreibungen an die gleiche
Erscheinung im ahd. Isidor3, wo ebenso wenig wie hier bei
den Ostgoten eine Lautverschiebung gemutmasst werden darf.
Keine Quelle giebt auch nur an einer Stelle Theoderics
Namen ohne lat. oder gr. Endung, auch hier wohl infolge
des Bannes amtlicher Gewohnheit. Wir müssen daher, um
auf die ostgot. Endung zu sehliesscn . alle ostgot. Namen
durchgehen, welche dasselbe zweite Compositionsglied auf-
weisen. Für die Wandalen waren einige sicher belegte Fälle
vorhanden, welche wand, -rix, also wulf. -reifes erwiesen.
Für die Ostgoten kann ich gleichfalls einige Citate geben,
wo die Latinisierung -ricus nicht eingetreten ist: der späte
fcjfojfoi/ im Chron. pasch, nur nebenbei ; aber C'ass. Var.
IV, 20 heisst ein Senator unter Thcoderic Geberic (al. Gebe-
rich); derselbe Name bei Mai ini 1:11. 2b' Ghiv<ric ; bei Greg.
Magn. dial. II , 527 , !) ein Ruderte aus der Zeit Totilas ;
vom Jahre 5S!) ein inschriftlicher Wiljaric, vielleicht auch
Trasuric bei Kossi, Inscript. christianae urbis Komae (Komae
18bl) I, 1120 (vgl. Ephem. epigr. IV z. S51); CIL X, 7116
L'starric (freilich undatiert): also wulf. reiks, wand, rix —
ostgot. nV, d. h. Abfall des Nominativ-^! Hierüber aus-
führlich unten u. „Declination". Jord. schreibt 77, 2 auch
HermenerUj (al. -rieh) und an fünf Stellen Gebevich (al. -rirj,
-nc, -W/Ä), doch gestattet das für dieses Auslautsgesetz keinen
chronologischen Schluss, weil es nicht feststeht , ob diese
Schreibung überkommen ist oder von Jord. herrührt. Müllen-
hoff hat zwar davor gewarnt4, in solchen Wortausgängen
1 Seelraann 252 ff. 256 ff. 259.
• Seelmann 253. 258.
3 Braune, Ahd. Gramm. § 143, 3.
4 In Mommseng Jord. 150.
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- 56 -
germanische Eigentümlichkeiten zu sehen, und sie durch
hunnische oder andere orientalische Einwirkungen erklären
wollen ; aber es bleibt ganz unerfindlich , wie der Gotu
Jordanes so durchsichtige got. Bildungen wie llenm nvri<f,
Heinrich durch ungotische Jlvrnac, Sa f räch u. ä. beeinflussen
lassen sollte. Der (>n$ bei IVoc. als i)ytii(,)v nov rtaofiuQoiv
ist belanglos, weil hier Iat. rex vorsehwobt, wie der Ate.
Qtjya (II, 204. 15) beweist. Wenn andrerseits .lord. auch
Wandalen (luntharic, llderich nennt, während das Wand.
-rix orfordert, so giebt er diese Namen eben nicht in wand.,
sondern got. Dialectform.1 Das hier constatierte Auslauts-
gesetz bringt auch die Erklärung, weshalb die mit -ric-
componierten (Termanonnamen in älterer Zeit als -rix bei
den Historikern erscheinen {Bohr ix f Mulorix u. s. w.}. - in
jüngerer als -riats: -rix mit erhaltenem gorm. Nom.-.< bot
eine auch dem lat. Schriftsteller genügende Flexionsendung,
während ric mit Abfall desselben einer solchen entbehrte
und deshalb zu -ricits latinisiert wurde. Aus demselben
Grunde in der wandalischen Königsgeschichle bei den Histo-
rikern gelegentlich Hunirix* Hildirix, in der ostgotischen
ausschliesslich Theoderkus. Die Endung in -rinnt, -oi/o^ bei
dem ursprünglich consonantischen Stamme erklärt sieh aus
der auch in das wulf. Paradigma schon hineinspielenden
'/-Declination.
Die auf gleichmässigem amtlichen Gebrauch beruhende
Übeleinstimmung der Quellen hindert auch, dass wir den
Namen des Theoderic einmal in gekürzter Koseform finden
könnten/* Eine solche wäre z. B. das inschriftliche Tcodo
einer silbernen Fibel4 oder, statt der hypocoristischen un-
Bildung eine ja- Bildung. 5 der Name von Theoderics Vice-
könig in Spanien und nachherigem westgotischen Könige
1 Demgemäss Wand. 55 zu ändern.
2 Rieger, Zs. f. dtsch. Phil. VI, 335, i.
' Eine fabuloae Geschichte bei Froumund von Tegernsee um
1000, deren Held Tftrodo heinst , geht auf Fredegar als letzte Quelle
zurück, bei welchem eine ähnliche Geschichte von dem gotischen Theo-
deric erzählt wird. Vgl. Miillenhoff, Zs. XVIII, 2.
* CIL IX, 60«)0, 7.
5 Darüber ausführlich unten u. „Huffixbildung".
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(f>:U - 548) Thiudis .Jord.. favü^ f)Mr.c Proc. : und wenn
zahlreiche osmotische Beispiele secundäre Weiterbildung
solcher Koseformen auf -/7u noch belegen werden, so ist
unter ihnen auch Theudila : Thettderic — Theuda Theudi 1
— Theudila giebt eine normale onomatologische Keihe.
WALA M ER.
Die germanische und ostgotische Sitte der Doppelnamen
ist auch für Theoderic nachweisbar. Wenigstens heisst, er
bei Marcell. Iheodorivus vognomento Valatmr und ebenso
im Chron. breve. Zwar kann hier ein historischer Irrtum
vorliegen: Walamer hicss Theoderics Oheim, der Bruder
seines Vaters.'- .ledoch ist für Theoderic ein solcher Zu-
name leicht verständlich als Unterscheidung von dem gleich-
namigen Sohne des Triarius. ;
Jener Bruder des Theodemer (Jord. 77. \) erscheint
sonst noch bei Apoll. Sidon. carm. II. 225 im Gen. als
Välämeris, bei Cass. Var. XI, 1 als Wahimer, Anon. Val.
g 42 Walamer § 5S Wahtmir , Jord. 42, 2o u. ö. Valamir
Valanier, IVosp. Vatic. (Rone. Ii 711* Valamer, Paul. bist,
rom. 201. 12 u. ö. Walamir. Uber die Schreibung des halb-
vocalischen Anlauts vgl. unten u. Jlalbvoeale*. Die erste
Hälfte des Namens ist entweder als wulf. *wala- ~ an.
ralr ags. wa>l «Haufe der Erschlagenen" ahd. wal „clades,
strages4* 4 oder als wulf. *walha- zum Ausfall des /* vgl.
letztes ( apitel ags. Wealh ahd. Walh mhd. Walch
(dazu an. valskr ahd. irulhisc ; vgl. kelt. coh' ir. folg „celer,
velox, alacer1*). Beide Etyma finden sich zur Genüge in
germ. Eigennamen.5 Für das letztere sei citiert Müllenhoff,
1 Über diese Nominativform unten u. „Declination44.
a Heinzel, Ostgotische Heldensage, 8. 17 dos SA..
' Vgl. bei v. Oloden 19 b den Nachweis von acht historischen
Trägern des Namens Theoderic.
4 Henning, DLZ 1890, 8p. 228.
5 Müllenhoff, Nordalbingische Studien I, 210; Förstemann, Alt-
deutsches Namenbuch I, 1229 ff.
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58
DA II, 279: „Der Germane begriff unter Walk, plur. Walhds
oder Walhos, eliedem alle seine lateinisch oder romanisch
oder keltisch redenden Süd- und Westnachbarn. Dass die
(toten und Ostgermanen den Namen gebraucht, kann man
zwar nicht belegen,1 muss man aber unbedingt sehliessen,
weil er nur durch sie so früh, zunächst in der Anwendung
auf die Komanen der griechischen Halbinsel, dann auch
wohl schon in der weiteren Bedeutung an die Slawen vererbt
sein kann44.- Die Form Wala- ohne Abschwächung
des Stammesauslauts in der Composition steht quellenge-
inäss fest.
Für den zweiten Teil des Namens, got. niers (in waila-
mers) an. mfrrr ags. tmPre as. ahd. märi, beweist der Mirica
im ei sten allgemeinen lateinischen Passus der Urkunde von
Neapel gegenüber dem Mörila der gotischen Unterschrift
die extreme ostgot. Färbung des wulf. i. Hei sonstigem
Vorkommen desselben Wortes in den ostgot. Namen zeigt
die lat. Uberlieferung beständigen Wechsel zwischen -mer
und -mir, doch so, dass die -mer zu den -mir sich verhalten
ungefähr wie 2:1; und wenn nun andrerseits gerin. t bei
den Lateinern constant als /, ohne solches Schwanken in e
geschrieben wird, so folgt daraus, dass dieses jüngere ostgot.
/ < wulf. e doch nicht völlig mit dem alten /, wulf. ei zu-
sammengefallen war; weiteres unter „Vocalismus*. Die
Griechen schreiben fast ausnahmslos -//*p ; dass sie mit dem
t aber einen gern). /-Laut wiedelgeben wollen, zeigt z. B.
Pravn\)n'Ptxtfiowdo$ für Rtci-; und wenn Wulfila dem griech.
seiner Natur nach offenen /?3 auch noch sein e entsprechen
1 Vielleicht eben doch mit obigem Walatner und dem Valtiravattit
(Jord. 77, tt, Neffe de» Krmanaric) — wulf. *Wal(h)a-hrabua. Die
Walotfothi der Oeneratio regum (oben S. 22. 47, 3), eine Bezeichnung,
welche sich nur hier und sonst nirgends findet und die Ostgoten in
Italien von den Westgoten in Südfrankrcich und Spanien unterscheidet
(Müllenhoff, DA II, 280; Hcinzel, Ostgotische Heldensage, S. 18 f. des
SA), werden schwerlich gotischer Zunge entstammen.
* Ist danach auch das Pferd, welches Beiisar reitet (Proc. II, 87,
21), welches ganz grau, nur von der 8tirn bis zu den Nüstern schnee-
weiss ist, und welches die Barbaren fidiav nennen, ein „welsches" Ross ?
3 Blass 24.
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59
lassen durfte, konnte ein Grieche das ostgot. e des ti. Jahrhs.
nicht mehr durch sein n wiedergeben, sondern schrieb statt
dessen / oder wie hier f, dessen Wert ein geschlossener,
dem i genäherter war.1
Fehlen des Nomin.-.s (ostgot. mer < wulf. mtrs) ist
wie im Wandalischen auch im Ostgotischen für alle hierher
gehörigen Eigennamen zu belegen : man vgl. mit obigen
Citaten für Walamer den Theodemir Thiudimer bei Jord.,
Thettdimer bei Cass., sonstige Namen auf -mer -mir nament-
lich bei Jord. u. a. und beachte hier den häufigen endungs-
losen Gebrauch der Namen auch für die Casus obliqui. Was
sonst gelegentliche lat. oder gr. Flexion betrifft, so ver-
wendet für die obliquen Casus des obigen Walamer Apoll.
Sidon. die /-Deelination. Jord. zweimal die o-, viermal die
/-Deel., Anon. Val. wie Paul, die i-Decl., ebenso die Griechen
Prise, und Theoph. die t-, nur Malch. die o-Decl., für Theo-
demer Jord. einmal die o-, zweimal die/-, Paul, die t-DecI.,
für Sigismer Cass. und für Gibimer Proc. die /-Deel., ebenso
der Dativ Gurdimeri oben S. 28; und auch in der Behand-
lung der nicht in unsern ostgotisch-italischen Kähmen ge-
hörenden Namen auf -mer überwiegt die /-Deel. Diese
Flexionsweise kann zur Geschichte des germ. Adjectivums,
got. mPrs u. s. w. , einen Beitrag liefern. Sie ist letzthin
wiederholt behandelt worden, am ausführlichsten von Ost-
hoff, Beitr. XIII, 4:11 ff., womit noch Streitberg, Beitr. XIV,
170 zu vgl. Danach ist der ursprüngliche //-Stamm im Germ,
geschwunden und durch ja- oder /-Bildung ersetzt. Das
Ostgermanische bevorzugte die letztere, wie got. mers urn.
mariR finn. marin zeigen , und zu ihr stimmt das obige
Uberwiegen der /-Deel, in der Flexio rom. et gr.2 Die lat.
-merns, welche sich bis zum Segimerus bei Tac. zurückver-
folgen lassen, könnten zwar noch den alten «-Stamm reflec-
tieren, zeigen aber wohl eher, dass neben dem secundären
« Blas« 24. 31.
* Man beachte noch den Gotenkönig Vithimiris (so der Nomin.!)
bei Ammian 31, 3, 3 und vgl. Burg, Die alteren nord. Runeninschr.
(Berlin 1885), 8. 25.
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60
/'-Stamm ein setundäror «-Stamm hergegangen ist.' Ein
secundärer /«-Stamm fohlt im Kot.; für das Alem. beweisen
ihn die Vadoniariits Chnodtnmirim Snowarins Fruomarins
des 4. Jahrhs. hei Ammian., cli<* genaue Latinisierungen
der auf germ. * Hierjas- beruhenden al. Formen zu sein
scheinen. Die in Wurzelvocal und Flexion zusammengehende
Abweichung dieser al. und unserer got. Beispiele weist von
neuem darauf hin. wie weit seihst in diesen alten Kpochen
germanischer Sprachgeschichte mit diabetischen Scheidungen
gerechnet weiden muss.
THEODKMER.
Es folgen auf Theodora die Namen seiner Verwandten,
auch die seiner Kitern. obwohl dieselben noch in die vor-
italienische Zeit zurückreichen. Sein Vater, welcher sich
der hunnischen Oberhoheit Attilas beugen musste und damit
den historischen Irrtum der späteren Heldensage veranlasste,
wonach sein Sohn Theodcric sich hei Attila im Exil be-
funden habe, hoisst bei Cass. Tlieudimer in correcter ostgot.
Form: mit dem ostgot. Diphthong en,:i dem abgeschwächten
und zu / getriebenen Compositionsvocal und der Aufgabe
des Nomin.-.s. Dazu stimmen seine übrigen Quellen, .lord.
giebt nach Mommsens Schreibungen 4 Theode-, 2 Thiude-,
1 Thiodi-, 17 Thiudi-, die aber in den verschiedenen Hss.
wieder bunt mit einander wechseln und sich im übrigen
aus dem oben unter .Theoderic" Ausgeführten erklären: für
den zweiten Teil setzt Mommsen 7 -mir und 17 -wer ein.
und -mer schreiben auch Cass.. Paul, u. s. w., vgl. oben
unter -Walamer".
HEUELEUVA.4
Die Mutter des grössten Ostgoten war ebenso aus
unebenbürtigem Stande wie die Mutter des grössten Wan-
1 Zimmer, Anz. I, 245.
2 Streitberg, Beitr. XIV, 182.
8 Vgl. oben S. 54.
* Ich behalto da« v für spirantisches got b bei; germ. >/ trans-
scribicre ich immer mit auch im Inlaut.
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dalen. wie Geiserix war auch Theoderic Sohn einer Concu-
bina (Jord. 12*. D: sie war. obwohl Gotin, nach Anon.
Val. 5S zur römisch-katholischen Confession übergetreten
und in der orthodoxen Taufe Kusebia genannt worden.
Darauf deuten die beiden päpstlichen Briefe, in welchen ihr
ursprünglicher Name als Jlrrrleura und als Ereltuua erscheint.
Beim Anon. Val. heisst sie Ereriliua (al. Erere-), bei Jord.
Ertlievii. bei Paul. Arihuru. Weshalb Müllen hoff (.Jord. U4)
den Namen nicht als germ. gelten lassen will, ist nicht
einzusehen: weist doch der zweite Teil sofort auf got. Hubs,
und erinnert der erste z. B. an jenen Kugenfürsten , der
541 vor Totila die gotische Krone trug1: Erurius Marcell.
Jord. ' hlo(toi%o^ Proc.
Freilich die Etymologie dieses Namcngliedes bleibt
fraglich. Weder an an. eir ags. Ar as. ahd. rra noch an
an. hrrr ags. here as. ahd. heri zu denken geht an, da got.
*aiza- ostgot. *esa- lauten würde und got. har/'is ostgot.
hart lautet. Dagegen hindert nichts eine Zusammenstellung
entweder mit got. hutrus an. hjqrr ags. heoru as. heru
-Schwert", dessen Vorkommen in Eigennamen Möllenhoff,
Zs. XII. Ml. mit an. und ags. Belegen sichert, oder mit
an. harr ags. hur „grau, ehrwürdig" as. ahd. mhd. her
-erhaben" - got. *hairs, dessen Wurzel im Dat. pl. hai-zam
«Fackeln" vorliegt (Job. IS, ostgot. *hcr mit Mono-
phthongierung. Das anlautende h .richtig erhalten im ersten
päpstlichen Briefe und bei Jord. in Varianten. Paul. Ari-
fehlerhaft wie sein lutharicus in Varianten für Euthuricus
(oben S. :*9).:J
Der zweite Teil des Namens (got. Hubs an. ljufr ags.
/eof as. Hof ahd. Hob) ist in Jord. Erclitva verderbt ',
sonst aber als -leura sicher überliefert in den Papstbriofon
und bei Paul., mit ostgot. eu, mit r als correcter Bezeich-
1 Vgl. oben 8. 12, 2.
* Kluge, EW4 unter „hehr\
3 Einen hierher gehörigen aecundSren Hypocoriflinua Hrrihi belogt
Dahn, Könige III, 199, 4.
4 Ein Erklärungsversuch bei v. Orienbcrger, s. u.
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02
nimg des spirantischen hitervocalischen got. h und mit.
starker Flexion, -liua im Anon. für -Huna.*
TIIEODEMUND.
Ein Bruder des Theoderic, der 479 die gotische Nachhut
commandiertc und dabei von Zenos Feldherrn Sabinianus
verräterisch überfallen wurde, heisst bei Malch. 0tvöituovvdoc.
Erster Teil normal ostgot. Thendi-, vgl. oben 8. (>U.
Zweiter Teil zu an. ags. as. langob. wund ahd. mhd.
munt „Schutz, Hand". Die constante gr. lat. Endung -o^
-iis in den hierher gehörigen Namen (Trasewundus Ennod.,
Hunhnundus .lord. u. s. \v.) gegenüber dem /-Stamm des
germ. Appellativums führt auf ein unten u. „Suffixbildung44
ausführlich behandeltes Princip onumatologischer Wortbil-
dung: es liegt in diesen Zusammensetzungen nicht der alte
«-Stamm, sondern ein secundärer adjeetiviseher «-Stamm
vor.'-' Man vgl. an. wund neben Sigmundr u. ä. Während
jedoch die an. Eigennamen auf -mundr vielfach in die Flexion
des ursprünglichen Stammwortes zurückgefallen sind und
statt -munds den Gen. -tnundar bilden 5, seheint das regel-
mässige lat. -wundus -mnndi anzuzeigen, dass das Ostgotische
1 Der Name hat neuerdings durch v. Grienbergcr in der Oerin.
XXXIV, 410 f. in besonderem Artikelchen eine selbständige Behand-
lung erfahren. Dieselbe beruht von Anfang bis zu Ende auf Phantasie
und liefert einen deutlichen Beweis dafür, welche gefährliche Bewandtnis
es mit Bolchen onoiuntolugischcn Kunststücken hat, die einen Eigen-
namen aus seinem diabetischen Zusammenhange hcrausreissen. Eri-
soll das hd. Ehre sein: „Das r wird wohl auch schon dem späteren
Oot. gemäss gewesen sein", — sonst aber keino Frage nach weiteren
Belegen dieses r < z! Und dabei hat dieser selbständige Aufsatz für
seine Titelheldin nicht einmal alle Belege bei einander: unsere obigen
Stellen in den Epist. pontif. fehlen ihm!
8 Zimmer, QF XIII, 19. 24.
3 Noreen, An. Gramm. I § 269, 2. Eine glcicho secundäre
«-Bildung in den Namen auf lat. -fridus: wulf. *-fri]m ostgot. -/V/7/
an. -frepr. Hier weisen an. Genetive -/rtjutr natürlich auf Rückfall
in die alte u-Decliuation des Stammwortes. Diese Bildungsweisen kommen
dann in Verwirrung oder gegenseitigen Austausch, daher z. B. die
M-Flexion von an. Namen auf -mundr (vgl. run. Kmiimu(n)diu auf dem
Bracteaten von Tjurkö und Burg 8. H9).
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- 03
einer solchen Analogiewirkung des /-Stammes *munds noch
nicht nachgegeben hat, sondern den secundären tf-Stamm
der Eigennamen auch als solchen deeliniert. Der flexions-
lose Ademmit (mit incorrectem t für d) bei Marini belegt
den ostgot. Schwund des Nomin.-s auch für dieses Paradigma.
Fredeg. '21 findet sich ein Bruder des Theoderic
mit Namen Guisirieus, der jenen ermordet haben soll. Da
die betreffende Stelle auf junger Erfindung oder historischem
Irrtum beruht «lieser Bruder des Gotenkönigs sonst nicht
bekannt ist, vielmehr eine Verwechslung mit dem Wandalen
Ueiserix vorliegt, so bedarf er hier keiner Behandlung.
AM A LA FRIDA.
Mit dem mächtigen und geistreichen Wandalenkönig
Thrasamund vermählte Theoderic seine Schwester Atualafridu.
So heisst sie Übereinstimmend bei Cass., Jord.. I'roc, Vitt.
Tunn., Theoph., wogegen des Anon. Atnalafrit/da und Pauli
Amulufreda nicht in Betracht kommen.
Zum ersten Teil oben S. ."»(>;-' ohne Abschwächung des
Fugen vocals.
Der zweite Teil ist das movierte Femin. zu dem S. :\
erwähnten adjectivischen frid? Ob dieses tatsächlich als
got. Adj. bestanden hat (*frips: fripus du ups: duupus;
an. fripr „Friede* und das Adj. fri/)r .friedlich"), oder ob
die Socundärhildung nur in Eigennamen gebräuchlich war,
kann dahingestellt bleiben.' Das Abstractum fripus an.
fripr ags. fripu as. frithu ahd. fridu findet sich daneben
als erstes Namenglied, wie die zahlreichen Frithu-, Fridu-
1 8. die Note dazu in Krtfschs Ausg.
* Ich erspare mir im weiteren solche Citote und verweise ein
für nllo Mal auf den ausführlichen Index.
' Vgl. die Lesart Luit frid u. „Liuvirith".
4 Daraus würde sich auch für den Fripa-reikt'i* des got. Kalenders
zwanglos der Auslaut des ernten Gliedes erklären, wenn hier das a aus
u nicht nur verMchrieben ( Hernhardt, Wulfila LVI ; Urämie, Got. Ornim.»
§ 210, l).
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*i4
hei Förstemann zeigen, und wird auch in ostgot. Fridibadu,
Fridvjern vorliegen mit ostgot. Schwächung und Palatali-
sierung des C'ompositionsvocals. Das inten oealische d als
tönende Spirans für tonloses wulf. p wie im Wand, ist
überall sicher bezeugt.1
AM ALA BERGA.*
»Seine Nichte Amalaherga verheiratete Theoderic mit
dem Thüringerkönig. Sie war die Tochter der Amalafrida,
aber schwerlich aus deren Khe mit dem Wandalen, sondern
einer früheren.'' Die Namensform steht als Amaluberga
fest gemäss Jord., (ireg. Tur.. Paul. (Amulnbirya Anon..
■ftnkofihoya I Yoc).
Der erste Teil wie in Atnulu-frida, w. s.
Der zweite Teil ist Nomen agentis vom Fraesensstamm
got. Iminjati an. bjarya ags. beorynn as. ahd. bergan*, fast
nur in weiblichen Namen erscheinend \- vgl. an. bjory ahd.
brry« mhd. berye .Schutz. Sicherheit. Hilfe".6
THEODEGOTO.
Des Westgoten Alaric II. (184 -.r»07) Hattin wurde
eine Tochter Theoderics. welche Jord. Tltiudigofo (dazu die
1 Vgl. Wand. 104. Aber der nlte Frititferu bei Jord. hat noch
/, d. b. //*, ebenso Theoph. IUI, 11 *I>qi rr^-iq >•/?; zum Jahre 36», aber
* Jord. lusst Kom. .'586 eine Tochter der Schwester Theodahaths
einen Langobardenkünig heiraten. Martens in seiner Jordancsübersotzuntf
(GSddV, 6. Jahrb., I) 8. 10» Anm. 1 combiniert diese, also eine Tochter
obiger Amaluberga, mit Ikxh'linth , der Gemahlin Auduins. Aber die
Quellen der Langobanlengeschichte (Origo gentis Langob. 4, 10; bist.
Langob. cod. Goth. », 16; Paul. bist. Langob. GS, 33) wissen von ihrer
ostgotischen Nationalität nichts. IHt Name erscheint vielmehr speeifisch
langob., namentlich wegen des constanien ö (nicht ostgot. »/; unten u.
„Vocalismus4* und C. Meyer, Spr. u. Sprdm. der Langob., Paderb. 1877,
8. 264).
s Neues Archiv XV, 583.
4 Vgl. u. „Suffixbildung"; Müllenhoft', Nordalbingische Studien I,
211; Sütterlin, Nomina agentis 4 f.
6 Förstemann, Namenbuch I, 262.
• Zimmer, QF XIII, 246.
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05
Varianten S. M), Proc. ('hvdtyoian, Paul. Theodicodo nennt,
während nach dem Anon. Theodegotha den Burgundenfürsten
heiratet.1
Die Endung -o steht als got. fest, denn Jord. und Paul,
geben sie ohne lat, Flexionsbildung auch als Acc, während
Proc. und Anon. gr. und lat. Flexion anwenden. Das c-
bei Paul, und bei Jord. in Varianten entstammt entweder
dem häufigen mechanischen Wechsel von lat. g und r, bei
denen das Zeichen für ersteres erst aus letzterem entstan-
den ist, während in ältester Zeit regelrecht, in der Kaiser-
zeit seitens des niederen Volkes beide Gutturale durch das-
selbe r ausgedrückt wurden.2 Oder aber die Unterschei-
dung ist beabsichtigt: got. g war im Anlaut Vorsehlusslaut,
im Inlaut Spirans; trat anlautendes g durch Compositum
in den Inlaut, so blieb es trotzdem explosiv, und um einer
Aussprache wie der des sonstigen inlautenden g vorzubeugen,
dazu war die altlat. und immer noch vorhandene Schreibung
r ein bequemer graphischer Ausweg. Das / in Procops
•yovou mag man ebenso beurteilen: / = c — /t3, und sein
ov als das alte ursprüngliche u des (iotennamons auflassen4;
aber wegen des o an langob. -gu*a:% denken zu wollen, wäre
ein Anachronismus, dasselbe kann nur fehlerhaft sein.
08TROGOTO.
Die burgundische Königin heisst bei Jord. und Paul.
Oxtrogofho, für deren Namen nur auf S. 47 verwiesen zu
werden braucht. Ich zeigte im Neuen Archiv XV, 58:1 f.,
dass Ostrogoto ein unterscheidender Zuname für jene Tochter
Theoderics ist, welche der Anon. Val. Arena gut nennt, dass
' Vgl. unter nO«trogotott.
2 Scelmann 34:* f.
3 Vgl. oben S. 54 f.
4 Vgl. oben 8. 44.
5 Auxtriyumi Austrecuitu heiast die Gemahlin den langobardischen
Königs Wacho: da« Langobardische monophthongiert nicht, Meyer
204. 281.
QF. LXVIII. 5
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«6
letzteres in Arittyne verbessert werden muss, und dass diese
Ariagne als „die Ostgotin" von der gleichzeitigen byzan-
tinischen Kaiserin Ariagne unterschieden wird.
AMALA8WINTHA.
Amalaswintha. die glänzende und geistreiche Tochter
Theoderies. die Gemahlin des Kutharic, die Mutter des
nachmaligen Königs Athalarie, führte nach dem Tode ihres
Gatten und ihres Vaters für ihren noch unreifen Sohn die
Regierung ganz unter Anlehnung an den Hof zu Byzanz
und wurde etwa M,r> auf Anstiften einer nationalen Gegen-
partei unter Theodahath ermordet. Ihr Name steht als
Amalaswintha durch alle Quellen fest.1
Der zweite Teil das st. Fem. zu got. su-wps „stark,
gesund, kräftig" an. svinnr „verständig" ags. swi[) „stark,
heftig" as. swtth(i) „kräftig, tapfer" mhd. swind-e -gewaltig,
stark, schnell". Alle Quellen schreiben su-, wie z. R auch
im Ahd. u statt mm nach Konsonanten gewöhnlicher ist2;
und unsere gesamte ostgotische Uberlieferung unterscheidet
germ. w als inlautendes u und anlautendes mm. Für seine
halbvocalische Natur spricht deutlich das gr. -aowüa, wo
der Halbvocal silbenbildend erscheint und das folgende i
verschlungen hat.3 Aber das gelegentliche -suentha für
•suintha fällt auf (z. H. bei .lord. sieben e gegenüber nur
einem i, vgl. ferner unten unter „Mateswintha" ) ; wenn im
Gegensatz zu diesem Sehwanken andrerseits germ. e vor
folgendein / oder / constant durch / rehVctiert wird , so
folgt daraus, dass der Übergang von v zu i vor Nas. -|-
Conson. noch nicht in gleichem Grade durchgedrungen ist
und hier erst von einem ostgot. f, noch nicht * gesprochen
werden darf; mehr unter „ Vocalismus". Das th steht fest,
1 v. Froehde setzt in Bezz. Beitr. XIV, 110 unrichtig *Am<thi-
8ivinpö an, das nirgends belegbar.
2 Braune, Ahd. Gr min. § 105. 107.
3 An Notkers nuuümmen für »trimmen , guuünnrn für tjrwinnvn
soll dabei nach Kögels Bemerkung im Litteraturbl. 1SS7, 8p. lOtt nicht
mehr erinnert werden.
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67
EÜTIIAIUC.
519 war für Theoderic noch einmal ein glänzendes
.Jahr, als sein Schwiegersohn Eutharic, der Gatte der Amala-
swintha und gleichfalls aus amalisehem Geschlecht, das
Consulat bekleidete. Seine Adoption durch Kaiser Justin,
seine grossartigen Circusspiele in Rom, Cassiodors ihm ge-
widmete Chronik sind dafür deutliche Zeugen ; und sein
Tod 522 war für Theoderic ein schwerer Schlag. Er mag
deshalb hier behandelt werden, obwohl er einer spanischen
Nebenlinie der Amalen entstammte und Theoderic ihn erst
aus Spanien nach Italien übersiedeln hiess, sein Name also
eher als west- denn als ostgotisch gelten kann. Derselbe
steht mit lat. Endung als Eutharkus fest, namentlich durch
Inschriften aus seinem Consulatsjahr,1 aber auch durch Cass.,
Epist. pontif., Anon. Val., Jord.. Paul. u. s. w.
Der erste Teil eutha-, mit festem th und ohne die in
Theode- geläufige graphische Modifizierung des eit in eoy
= an. j6p „proles" ; vgl. die Eudoses bei Tac. c. 40 2, die
swebischen Iuthungi* und das runische htpinyur auf dem
Stein von Keidstad.4
CILLICA.
Eutharic führt einen zweiten Namen, der auf den In-
schriften Cillitjtt. (htllka, Cellica, Filicu* lautet, bei den
Historikern CiUirti (Cass. chron., Anon. Cusp.) und Cüliyu
(Anon. Val., Prosp. auct.). Die schwankende Überlieferung
scheint darauf hinzuweisen, dass der Name schon zur Zeit
seines Trägers unverstanden war, für den dann Eutharic
als verständnisvollerer Ersatz eingetreten wäre. Die Schrei-
bung Cillicu das // ist hypocoristische Consonantengemi-
nation könnte den „Cilieier44 bedeuten (lat. Cilix -im,
' Ro8«i I, 9GS. 969. 970; CIL V, 740M. Abweichungen V, n:»89:
F.hmh ricus \ IX, 410 Kufnriciis ; IX, 5*07 Kuhnens.
2 Müllenhoir, Nordalb. Stud. I, 119 und Zh. X, 5IW f.
3 Zeus* 312 ff; (Jrinim, OddH 1, 500.
4 Burg Ii:» ff.
5 Roh«! I, 968. 969. CIL V, 5426. IX, 410.
5*
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gr. Ki'ui -txoc, bei Wulf, i ilicien Kiltikia) und die Schrei-
bung -iga Anähnlichung an got. -eigs. sehw. -W<jr<i sein:
doch bleibt diese Deutung grade so fraglich wie die An-
nahme einer keltischen Bildung 1 oder Zusammenhang mit
an. kill .Meeresarm. Meer*;- eine Anknüpfung an die an.
Namen auf -kell, die aus. auf -kill -kil7, verbietet sich von
selbst , wenn diese wirklich alle auf -ketill zurückzuführen
sind, (iallica wäre zu Förstemann. Namenbuch I. \*V1. 4W>
zu stellen, der an an. gala ags. ahd. gaUin .singen, be-
zaubern" denken möchte: richtiger wird von dem gallischen
Volksnamen auszugehen >eiii. Filira scheint sveundäre Kose-
form zu einem Namen wie etwa ostgot. Felithaw.
HARIüKRX.
Während des Schismas vom Jahre oOl und später
führt über die Stadt Horn der Conus Ariijnnus {so C'ass.
Var. mid die Epist. pontif.) das Regiment.4
Got. hur/'is muss als erstes < Vimpositionnglied harju-
lauten. und dcmgcinäss heisst der alte Gotenkönig im
4. .lahrli. bei .lord. wie beim Anon. Val. collect Ariaricns.:'
Bei der ostgotischen Ne igung, den Fugen vocal zu schwächen
und zu palatalisieren . wäre zunächst über *lntrjt - ostgot.
*liarji- zu erwarten, das auch in der Int. Schreibung (It)ari-
vorliegen könnte (vgl. lat. abiecre, Pom^i , ai< 11. ä. oder
das Hca/tia für scupi ia im gotischen Hexameter). Trotzdem
wird auch die ostgot. < ompositionsform schon hari- gelautet
haben durch Einwirkung der Nominativform des Simplex,
welche ostgot. hari lautet, wie umgekehrt bei den }an-
Stämmen das Simplex auf -ja auch das -ja- der Compo-
sitionsfuge länger schützt.0 Der Unterschied kurz- und
» Stark, Wiener 8itz.-Bcr. L1X (1868), 206.
2 Cleasby-VigfusHon 340.
* Sturk, Kosenamen 52.
* Mominaen, Neues Archiv XIV, 515.
•'• S. MomniKoiiB Jordnnes 8. 146.
* Vf?l. unter „ Wil,iarith\
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— 69 -
langsilbiger ya-Stämme ist in der Zusammensetzung also
nicht mehr erkennbar wie bei Wulf, (alja-hms, andi-laus)
und die von Sievers, Beitr. XII, 486 ff. behandelte Verkür-
zung des stammauslautenden ja zu i für das Ostgot. sehr
einfach erklärt ; wie weit diese Erklärung auch auf andre
Dialecte ausgedehnt werden darf, bleibt freilich eine andre
Frage.
Das zweite Namenglied, got. yahns (in faihu-, seina-
(jairns) an. gjavn u. s. w., ist in Namen nicht selten, wird
noch in ostgot. Fridi- Ali- Hildi- Holdi-gem begegnen und
zeigt als «-Stamm überall die Latinisierung -genius.
BEDEWULF.
Gleichzeitig wie Arigern werden zwei vornehme (toten
und Maiores domus nach Horn mit militärischen Functionen
geschickt: Bedetd/us und Guddu, wie sie in den Epist.
pontif. heissen.
Für den ersteren Namen bleibt die Frage nach der
Etymologie seines Anfangsgliedes bei der schwankenden Über-
lieferung (oben S. 28) eine offene. Das häufige ph für germ.
f könnte zu der Annahme führen, dass er durch griechischen
Mund oder griechische Feder gegangen, und daher das an-
lautende ft für griech. Transscription eines germ. w ansehen
lassen (vgl. BavdiXoi u. s. w.), wie denn auch zwei Hss. v
überliefern. Danach würde der Name der selbe sein wie z. B.
der Widulf des Pol. Irm. und dasselbe erste Compositions-
element enthalten wie etwa die Goten Vidigoi« und Vidimer
bei Jord.: got. *widus an. vipr ags. loudn ahd. tvitu „lignum,
silva",1 und für das e der Wurzelsilbe (eine Iis. hat Bidndfits)
1 Hier ist also das inlautende d der Namen das alte gotische.
Bedenkt man nun, dass im spateren Got. auch das alte tonlose p tönend
wird (vgl. o. Amalafrida und unten „ConsonantismU8uJ, so kann das
inlautende d zweierlei Ursprung haben : wulf. d und p, und die häufige
Unsicherheit in der Wiedorgabe der dentalen germ. Spiranten bei den
lat. und gr. Autoren wird hierauf beruhen. Es ist nichts als sogen,
umgekehrte Schreibung, wenn z. B. dem Vidimer oder Vidiyoia des
Jord. ein Vithimiri» oder Vithicubius bei Ammian gegenübersteht, wenn
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— 70 -
wäre auf FelUhanc zu vorweisen. Bei die>er Deutung bliebe
jedoch das zweite e in Bedtidfus insofern auffallend, als das
Ostgot. sonst den Fugenvocal vor anlautendem ic des zweiten
Teils auszustossen scheint. Nimmt man hingegen für das
erste Glied ursprünglichen Auslaut ja- an, so könnte das <i
vor w geschwunden und das restierende j durch obiges e
reffectiert sein. Dann würde die Lesart Bideulfus auf got.
bidjiiH an. bißja u. s. w.' fuhren, wozu etwa der Bitheridus
om .Jahre 37:.t bei Ammian 29, 4. 7 (dessen th nach der
vorhergehenden Anmerkung zu beurteilen) oder Förstemann,
Namenb. I, 2.r>6 zu vgl. Damit wäre auch das b der Über-
lieferung bewahrt. Will man auch das erste e retten und
Bedeulf us als das ursprüngliche bestehen lassen, dann gehe
man nicht von bidj n , sondern von got. baidjan an. heipa
u. s. w. „gebieten, zwingen4*'-' aus und nehme hedr- als
ostgot. Monophthongierung; die Bedeutung würde eher für
letzteres sprechen.5
Got. wulfs an. Alfr u. s. w.4 erscheint als zweites
Compositionsglied in ostgot. Namen bald in der Form ->'//*-
bald -uulf-. Dieses Schwanken beweist, dass das halb-
vocalische tr hier noch in der Compositionsfuge erhalten ist.
Die Schreibung uu kann sowohl lat. (- t u) als germ. (— tcu)
sein, und man vgl. damit die ahd. Orthographie5: aber auch
bei letzterem »I, 3, 3 Viderichus, jedoch 31, 4, 12 Vithcricus zu lesen
ist. Dass Witiyis alte Tennis enthalt, darüber unter diesem. Kr ist
daher vom Vidiguja fernzuhalten und nur dieser allein mit Müllenhoff,
Zh. XII, Ü55 ff, für die historische Grundlage des WiUye der deutlichen
Hcldcnsago anzusehen ( Witugouuo Wilugö Witigo Witcge ; vgl. aa.
Widttgö ags. Wudgd W!di<>\. A. a. O. warnt Müllenhoff auch vor
Verwechslung von ahd. Witioio as. U iom/o mit ahd. Wifuliho as. H
und für letzteres hat er Jord. 155 auf den got. „VeducHts* hingewiesen ;
aber letzterer heisst Jord. 85, 18 im Nomin. Vcduco, d. i. got. *Widuka,
eine Koseform etwa zu * Widuganja o. Ä., wo das Suffix gegenüber
sonstigem -ika 8uffixablnut aufweist.
1 Osthoff, Beitr. VIII, 140 ff.
* Osthoff, a. a. 0. 145 f.
* Aus der Litteratur über Beda Fimmilena (Scherer, Woinhold,
Jaekel) ist zu Gunsten obigen Namens nichts beizubringen.
4 Grimm, Gr. II (1878), 313 f.
5 Braune, Ahd. Gr. § 105.
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- 71
die Schreibung u kann für gerui. tcu stehen wie ebenfalls
im Ahd.1 Besonders bezeichnend ist bei Marini Waduulftts
neben Wadoitulfus, und Ficks Behauptung, Zs. XXVII, 244,
trulf- werfe als zweites Oompositionsglied sein w ab, ist für
das Ostgot. haltlos2; dasselbe schützt das w hier vielmehr
grade so wie in den vielen Namen auf -win, -icih u. s. w.
und steht darin mit dem Ags. auf gleicher Stufe im Gegen-
satz zum Ahd.5
Der Abfall des Nomin.-* zeigt sich schon bei Jord. in
den Amalennamen Achiulf, Oduulf, Ediulf, VultuulfS ebenso
bei dem Ostgoten rovvdovXq oder '/ycW/.y Proc. Sonst, dem
M -Stamm gemäss, immer die lat. Flexion -ulfus -ulfi.
Für die Bedeutung dieses häutigsten germ. Namen-
gliedes sei kurz auf W. Grimms Aufsatz über die mythische
Bedeutung des Wolfes hingewiesen "' und an die Wülfinge
erinnert, wie Hildebrands Familie und die Ostgoten der
Heldensage überhaupt heissen.
GUDILA.
Bedewulfs College heisst nach Cass. Var. und den Epist.
pontif. Gtktila, ebenso auf einer fragmentarischen Inschrift
von Ravenna, CIL XI. 2b8. Denselben Namen führt ein
späterer Gote in einer Urkunde von 5.">7.rt Vorher ist schon
in .lordanes' gotischer Urgeschichte der Ko^Xa^ o xwv
Opaxoiv flaotXevq des Satyrus bei Athenaeus 13, 5 p. 557d
1 Braune, ib. § 105, 2.
2 Vgl. Martin, Anz. XIV, 285. Der got. Bibelübcraetzer dea
4. Jahrhf*. hieaa mit Caaa. und Jord. Vuljila, nicht mit Auxentius Ulßla,
wie Fick a. a O. will, indem er den Namen als eine vom zweiten
Compoaitionsglied -ulf hergeleitete Koacform auffaaat; vgl. Bernhardt,
Wulfila VII; Sievera in Paula Grundr. II, 67, 4.
3 Kluge, Boitr. XII, 378.
* Zu Achiulf vgl. u. „Thoriaa*, Oduulf u. „Odwin" ; zu Ediulf
mit Monophthongierung im Anlaut vgl. u. „Starcediua" und bei Malch.
248, 9 den Amalen AMotyyos a. 479 ; zu Vultuulf u. „8igiwulthu.
5 Z». XII, 203 ff., jetzt auoh Kl. Sehr. IV, 402 ff., besondere 404.
« Dahn, Könige IV, 32, 2.
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72
zu einem Gudib.i geworden.1 Der Xame ist ein secundärer
Hypocorismus . zu welchem der primäre Guda Cass. Var.
IV. :W erscheint und der ursprüngliche Vollname in einem
der ostgot. Gudinand, Gudtcin, Gndihtib, Guderith vorliegen
mag. Mit allen diesen steht auch die Schreibung yud- und
damit Anknüpfung an got. an. gup ags. as. </od ahd. f/ot
fest. Da das Ostgot. die wulf. Länge 6 zu m färbt, könnte
auch wulf. fjoda- (got. (jods an. gopr ags. as. <jod ahd. <juot\
vorliegen, doch wäre dann die Schreibung u für o seil weil ich
so consequent.2
PITZ(I)A.
Ein weiterer Comes Theoderics, der o04 die (upiden
schlägt, heisst bei Jord. Pitza Petz«; der Acc Pitzamum
1:15, b ist gewiss nur ein Schreiberversehen, welches dem
Acc. Pitzam ein lat. nochmals anhängte, wie XYZ auch
allein Pitzam haben. Ennod. nennt ihn Pitzia. Ob er der-
selbe gotische Feldherr ist, den Proc. unter Witigis ">M
///ru«c nennt, bleibe dahingestellt.3 Der Name ferner als
Pitzia bei Gass. Var.4
Dietrich S. 84 versuchte noch eine germanische Ety-
mologie des Namens, während schon Grimm, GddS 47t) Anm.,
ihn lieber für ungotisch hielt. Für letzteres spricht schon
das anlautende p. Es ist der gr. Uv&ia<; oder Ilvdtagh.
Für das constante tz statt th oder thi erinnere ich an Wand.
H8, wonach derselbe Feldherr bei Coripp. Stutias (d. i. got.
*Stutja), bei Jord. u. a. Stotzas heisst. Wir haben es hier
nicht mit einem germ. Dialectmerkmal zu thun,6 sondern
allein mit einer bekannten Erscheinung gr. und lat. Schrift,
1 Grimm, Zs. VII, 395. Dass Dahn, Könige III, 66, 1, Unrecht
hatte, den Quidila bei Casa. Var. VIII, 26 in Gwlila zu bessern, darüber
unter „ Quidila".
* Vgl. unter „GudiHcalc".
J Dahn, Könige IV, 174.
4 Dahn, Könige IV, IV.K
4 Academy ISH7, 8. 206. Fiek, Personenn. 74.
6 Wie »Sie vera in Pauls Grundriss I, 416 will.
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73
mit dorn bekannten Assibilationsprocess der Dentale, für
welchen ich kurz auf Seelmann 320 ff. verweise und eben-
daher lat. inschriftliche Beispiele entnehme wie Caritze für
Ca ritte, Bonizza für Bonitia; auch an Scandza, Burgun-
dzones u. a. bei Jord. sei erinnert : und wenn bei I'roc. zu
IIi'tLüu; die Variante Tliaaaq lautet, so vgl. man bei Seel-
mann Crassano für Gratiano u. ä. Dass diese Assibilation
nicht got., nur röm. ist. das zeigt deutlich das katetsjö der
got. Urkunde: wäre got. t assibiliert gewesen wie lat. t.
dann hätte der Göte nicht nötig gehabt die Assibilation
zu kennzeichnen und lat. cautio als got. hawtjo transscribiert ;
da sein t jedoch von dem lat. verschieden war, so gab
er das cautio, ganz der lat. Vulgärsprache folgend, als
kawtsjö.
Ennod., Cass.. Jord. geben dem Namen got. Endung
-a statt gr. Häutiger begegnet das Umgekehrte, wenn
Totita als Totiias erscheint u. ä.
BAUTO.
Für ungotisch halte ich den Namen des Kegiae doinus
conduetor. welcher nach Ennod. wegen rückständiger Steuern
verklagt wird1: Bauto. Denn wenn das au alt, müsste es
ostgot. zu o ge worden sein : und junges durch Epenthese
aus hadw- entstandenes aa anzunehmen,2 hindert das t; die
Überlieferung gotischer Namen ist aber sonst bei Ennod.
sehr correct. Der Name ist sonst nicht selten und docu-
mentiert sich vielleicht auch als ungernianisch . wenn ihn
ein Consul des Jahres 385 3 oder ein Feldherr des (iratian4
u. ä. führen. Nur nebenbei sei an die Gruppe der keltischen
Boudius Bomlus erinnert.''
1 Dahn, Könige IV, 141, 2.
« Wand. 67 f. 76: lUnuhi*.
» CIL XIV, 2934.
* Zosim. IV, .13, 1. 53, 1.
* Zeuss-Ebel, Gr. colt. 34.
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74 -
OEVICA.
Geeint, bei Ennod. ein Impulsor ordinatus. für gut.
Gihica (vgl. u. a. den Gihica der Lc* Burg. :i und über-
haupt den fi/faV/t der Heldensage: an. Gjüki < *Gibuki ags.
*7 ///(•({ as. Iii ceko ahd. Kipieho nihil. Gibcche1) mit ostgot. f
für wulf. /, mit spirantischem r für intervocalisches 6 und
mit hypocoristisehem Suffix, zu einem ursprünglichen mit
got. an. ///;>/" u. s. \v. componierten Vollnamen . vgl.
unten ostgot. Gibimer, Geber'w. Mit anderem Seeundürsuffix
auch ein ostgot. Gibila, w. s.
ERDWIH.
Bei Ennod. führt 210, M ein nobilissimus Gotus den
Namen Herduic, 3b\ 2b ein illustris vir Ticinensis den Namen
Erdui, Ob beide identisch, steht dahin.
Da für got. hairda an. hjqrp ags. heord ahd. herta
die gleiche Bedeutung wie für das urverwandte ai. rärdhas
„Schar" durch nichts bewiesen ist , so liegt got. lürpu an.
jqrp ags. eorpe as. ertha ahd. erda näher, vgl. die Bedeutung
von an. jqrp jarpir .Liegenschaften, Grundbesitz".2 Der
Fugen vocal fehlt vor folgendem Halbvocal.
Was das zweite Namenelement betrifft, so zeigen zu-
nächst beide Citate das ostgot. Fehlen des Nom.-.v. Ferner
scheinen sie einen got. Beleg zu geben für das in den andern
germ. Dialecten vorhandene Nebeneinander von germ. weg
wig und weh wih: Herduic mit auslautendem e für g das
hier schwerlich auf römischer Umschreibung aus gr. % (vgl.
'Ylowdiovxoc, \iXäßi/n^) beruhen, sondern nur lat.. nach S. b.r>
zu beurteilende Schreibung sein wird, zumal der Lateiner
kein auslautendes g kannte, und Erdui mit gewöhnlicher
Unterdrückung des got. Ii. Die Geschichte dieses in an. vi
ags. wih weoh wig weg as. will weg ahd. wih „Tempel* u. s. w.
1 Grimm, Zs. I, 572; Müllenhoff, Zs. X, 153 f.; Wackernagel,
Kl. Sehr. III, 399.
2 Möbius, Altn. Gloss. 223.
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75 —
und vielen Eigennamen, namentlich den westfränkischen auf
-ceckus -reu* , den an. auf -rir, den ahd. und as. auf -eins
-leieh -iria -teilt, vorliegenden germ. Wortes behandelt Henning,
Kunendenkmäler :M ff., ausführlich, auch unter Heranziehung
reichen Namenmaterials, und auf ihn sei hier verwiesen.
Der Wechsel in der auslautenden Consonanz erklärt sich
aus ursprünglich verschiedener Betonung. Aber dem germ.
trih könnte nur ein got. tea'ih entsprechen, sodass bei dem
correcten Ennod. Erdue zu erwarten wäre. Wir lesen des-
halb bei ihm besser Erdui und Herditie und legen das den
gleichen Accentwechsel wie oben teih wig aufweisende und in
germ. Namen nicht minder beliebte *icihan *iei(jan m kämpfen,
streiten" (got. teeihan an. ceya ags. irhjan ahd. trihan teiyan)
zu Grunde, wovon der zweite Teil unseres Namens als
adjectivisches Nomen agentis mit dem Suffix <i gebildet ist
(vgl. das an. Adj. e'ujr .kampftüchtig, streitbar" zu an. viy
as. icig ahd. wiy nie .Kampf"). Wieweit Abschwächung der
Bedeutung und Beeinflussung durch das andere irih tr'uj
stattgefunden,1 bleibt dahingestellt, zumal die Identität der
beiden Personen bei Ennod. unerwiesen ist.
THANCILA.8
Der sublimis vir comes Taneihi bei Ennod. ist wahr-
scheinlich der (Zornes von Comum: Tant ila Cass. Var. Ostgot.
Thamila wulf. *patjkda ist wiederum ein secundärer
Hypocorismus, woneben auch der primäre Thanea bei Cass.
Var. erhalten ist, zu einem ursprünglichen zweigliedrigen
Vollnamen wie etwa ostgot. WUithune, Felifhaiie, Rieifhanc.
Vgl. got. payks (Acc. pauk Luc. 17. 9) an. pqkk u. s. w.,
in Namen1 noch mit ganz allgemeiner Bedeutung (vgl. z. B.
im Hei. thank ■■=- „Freude, Wille" und seine Bedeutung in
Compositis 4). Man denke an die vielfache Verwendung von
1 Henning 33, 3. 35.
2 Zu (iurfilero bei Ennod. unter „Gudeleub".
3 Förstemann, Namenbuch I, 1149 ff.
• Zimmer, QF XIII, 119.
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76
huys huyjan in Xanienbildungen 1 : das häufig fränkische
Huyo ist eine dem ostgot. Thanca völlig analoge Bildung.
THRASEMlWi).
Bei Ennod. llfi, 24 Trasemundus der Name eines un-
glücklichen Mailänders, während 24 der .vir illustris*
und .regiae stirpis germen4" Trasimundus vermutlich der
gleichnamige Wandalenkönig ist. Wulf. *pras«munds} vgl.
Wand. 74.
THORISA.
Gocbel, Mod. Lang. Not. 1888. Sp. 99 . möchte bei
Thraaemund nicht nur an got. prasa-fxilpei, sondern auch
an den westgot. Thursimnnd denken und beide Formen auf
die gemeinsame Wurzel dhurs zurückführen, wozu air.
treu gr. &(>aovg an. purs u. s. w. zu vergleichen wären.
Abel* zu gr. &oaavq &aoa£w ai. dhdrsatni lit. dräsa stellt das
Got. speciell ya-dars (ags. dear as. yi-dur ahd. yi-tar), und
das Ostgot. hat beide Stämme neben einander: neben obigem
TruAemnndus überliefert derselbe Ennod. auch einen Torisa.2
Letzteres ist ein primärer Hypocorismus, etwa zu Thoris-
ntttth, der so in der amalischen Stammtafel bei .lord. und
Cass. Var. XI, 1 vorkommt. Als Komposition wie got.
siyis-laun liefert die feststehende Schreibung Thoris-muth
zu an. pars ahd. durs ags. pyrs (letzteres secundäre ja-
Bildung, vgl. mhd. turse) .Kiese* die got. Entsprechung
*paüris. Das Wort ist mit dem bekannten Nominalsuftix
es is gebildet und hat in den aussergotischen Mundarten
seinen Suffix vocal cingebüsst analog an. siyr, hatr u. ä.
gegenüber got, sigis, hatis; doch belegt Grimm, Myth. 488,
noch eine Glosse dtiris (— lat. dis ditis) und thuris (orcus).
Der Dental des Suffixes ist s, nicht zt und got. *Jmurh
stellt sich zu got. rimis (Gen. rimisis). ayis (vgl. ahd. eyis-lih
1 Försteniann I, 750 ff.
2 Dahn, Könige III, 117, M.
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77 -
eyiso, ags. eyesn), nicht zu got. siyis. hatis, riqis, hariz-eins
(vgl. an. cS'/Vyr, r»Wr, /«»;•/•).< Das Suffix bildete auch
(oncreta, wie z. B. ahd. find ags. Ar/^#r got. *hrinpis be-
weist.2 Got. *pauris an. /wr* ahd. </nrs ist ^-Ableitung
eines primären */>«///•-. welches im an. Verbum /)or« .wagen*
got. *paüran (wie an. pda zu got. pulan) vorliegt, und fern-
zuhalten3 von got. panrsHs ya-pa'nsan u. s. w. , deren s
vielmehr wie das in ai. trsu- t/syati gr. rtymfuu lat. /onw
(*/orwo) schon der idg. Wurzel angehörte. Gleich dem
secundären *pauris wird auch das primäre *paura- zur
Naincnbildung verwertet, wie der got. Thnrvarus, der gepid.
Thurisind zeigen,4 und neben dem amalischen Tharis-muth
steht ein Hauptmann Beiisars, der bei IVoe. (•Jopi-ftovU heisst.
Das liefert einen weiteren Beleg für das häufige Neben-
einander von a- und s-Stümmen im Germ., vgl. got. lutis
und ahd. hei gehet, got. «As ahd. ahir und ah, ebenso ags.
hriper und hrip-hyrde? Für das Got, wird neben gewöhn-
lichem hatis das primäre /<«///- belegt durch den Gen. hatis
Eph. 2. :5 im Tod. B, welchen ich also nicht mit Kremer6
und Braune7 als liest consonantischer Flexion des ^--Stammes
betrachtet Man vgl. ferner den A malen Aehiulf für Ayialf
bei .Jord. mit got. ayis (s. o.)9. Holthausens ltequa-livahanusw
mit got. riqis, möglicherweise auch den oben behandelten
Walamer mit got. ivalis. Mit letzterem Adj. wäre unser
1 Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 394.
- Kluge, Nomin. Stammbildg. § 84.
3 Kntgegen Zimmer, <JF XIII, 29.
4 Henning, Runcndcnkmulcr !)S.
' Zimmer, QF XIII, 218; Kremer, Beitr. VIII, 389; Kluge in
Paul» Grundr. I, 399.
6 Beitr. VIII, 388.
7 Got. Gramm.3 § 94, 5.
* Vgl. Heyne, Ulfilas8, im Glossar, wo jedoch das an. Imlr zu
streiohen ist: denn hier ist r suffixal und nieht etwa maHC. Nomin.-r,
wie H. anzunehmen scheint: an. iuttr ist Ncutr. (vgl. Clensby-Vig-
fusson 241).
» Wenn hier nicht die Schreibung Achlhdf in XYZ auf got.
ayls weist.
40 Jahrb. d. Vereins von Altortumsfreunden im Rheinl., Hoft 81
(Bonn 1880), 8. 81.
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78
*[taüris auch zu vgl., wenn die Erhaltung des .« im westgerm.
(Iuris auf Oxytonierung und damit auf ursprünglich adjec-
tivische Function weist.1
TRIGOWA. TRIGGWILA.
Bei Ennod. findet sich ein Triggua und bei Boeth.
ein Praepositus regiae domus Triggui/fa (al. Triguilla), ver-
mutlich derselbe, welcher als Praepositus cubiculi beim Anou.
Val. Triuua (Ahl. Triuuaue) heisst,2 Dazu kommt noch der
Sajo bei Cass. Var. III, 20. dessen Name nach der Later-
cula-Lesart des Leid, und dem Gros der besseren Hss. jetzt
als Triuuila sicher gestellt ist.3 Ein primärer und ein sceun-
därer Hypocorismus neben einander und ausserdem jeder
voti beiden in der doppelten Form Triuua Triggua — 'Triuuila
Trigguila! Triggua wulf. *Triggtca ist identisch mit dem an.
Tryggvi und geht, wie dieses auf Siytryygr, l'tryggr, Tor-
tryggr o. ä..4 auf einen zweigliedrigen Vollnamen zurück,
der mit got. triggus (an. trygyr ags. treowe frf/ive as. triuiri
ahd. gi-triuui) eomponiert war. Man könnte nun versucht
sein in Triuua Triuuila das uu als germ. ir aufzufassen
und so zwischen *Triiva und Triggwa denselben grammati-
schen Wechsel wie zwischen an. trür und trygyr zu sehen;
dies geht jedoch deshalb nicht an, weil die ganze ostgot.
Überlieferung inlautendes w nur als m, nicht als uu wie-
dergiebt und weil dann speciell Tass. Triuila. nicht Triuuila
geschrieben hätte.5 Auch diphthongische Entwicklung und
Zusammenfall mit dem ursprünglichen Diphthong germ. eu°
1 Möllenhoff, Zs. XXIII, 172 f. (Hierher auch der Mars Thing-
mm — *pingis).
2 Dahn, Könige III, 200, 3: Mommsen, NA XIV, 512, 1.
3 Ferner vielleicht ein servus Antalasunthae bei Greg. Tur. 134,
20. 13f>, 2, wenn hier Traguila (al. Trmtttilu) in Tviguila {Triuuila)
herzustellen wäre ( vgl. Krusch ib.). Ander« Dietrich 76, ß8.
4 Cleasby-Vigfusson 043.
Andernfalls wäre hier eine 8tüty.e für Bechtcls problematischen
Versuch gewonnen (Gotting. Nachr. 1885, 235 ff.), die ostgeriii. Ver-
schärfungen nu* ursprünglichen AceentverhiiKuiftsen zu deuten.
,; Wie im Ahd., Braune § 113.
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79
ist des «instanten i wegen fernzuhalten: denn das Ostgut.
hat diesen in seiner alten Form eu nuch festgehalten und
lässt ihn nur selten durch iu transscribieren. Hingegen
könnten, da die ostgerm. Verschärfung ggw mit Braune 1
auf gemeingerm. trw beruht , obige Trimm Triuuila beim
Anun. und bei Gass, dieses germ. trw reflektieren gegenüber
dem speeifiseh gut. ggu bei Ennud. und ßoeth. ; aber das
gut. ggw kennt bereits bei Wulfila im 4. Jahrb. kein solches
Schwanken mehr,'' und obige Trigguu und TrigguiUa des
6. Jahrhs. sprechen für dessen Festigkeit grade so wie seine
treue Erhaltung im ital. span. port. tregua tregoa? Viel-
mehr werden jene Trimm Triuuila nur auf abweichende
Schreibung zurückzuführen sein. Der Guttural in der got.
Verschärfung ggw war Verschlusslaut, lat. intervocalisches
g hingegen wurde spirantisiert : 4 es machte sich daher für
die lat. Niederschrift des got. Lautes das Bedürfnis einer
graphischen Modifieierung grade so geltend, wie oben S. u">
beim Explosivlaut g im Anlaut, der durch Composition in
den Inlaut trat. Das Uesultat derselben war jedoch hier ein
anderes: Triggua wurde vielmehr für den Lateiner zu Triuua}
wie das gr. any^ta , Packsattel* von dem römischen Ohre
als sauma, gr. Tiijyfia «Gerüst1* als peuma aufgefasst winde.*
Dieselbe Nüancierung finde ich .ford. lOrt, (>. 7, wo das
* Beitr. IX, 545.
* Dan* die Gemination gg im Got. zwei ganz verschiedene Laut-
verbindungen repräsentiert, gilt aus theoretischen Gründen langst für
selbstverständlich (Braune8 § 68 >: obige Triggua TrigguiUa bringen
dafür gegenüber dem sonstigen vg auch positive Belege. — Ich weiws
nicht, ob dieser doppelte Lautwert derselben Buchstabengruppe bei
Wulfila schon analogice für die got. Diphthongfrnge verwertet ist : das
nasale gg entnahm er dem Griech., dan explosive gg ist einfache Laut-
fügung g + g\ ebenso entspricht got. ai — m dem damaligen Lnutwort
von gr. ««, got. ai äi ist diphthongisches a f ?.
* Es ist also nicht der einzige Beleg dafür, das« germ. w auch
im romon. Inlaut durch gu refleotiert wird, wie Diez, Gramm. Is, 325
will; es beruht eben nicht auf westgerm. *trtwu'u (ahd. triuwa as.
treu wu ags. treöwe)y sondern auf got. trigguu.
4 Seelmann :t49. — Oder liegt volksetyniologische Anlehnung an
triu „arbor" vor? Vgl. zu Triuila den römischen Frauennamon Arbu»cula,
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80 —
gallische leura oder lenga .Meile" («las Schwanken von r
und g beweist auch hier den Verschlusslaut) in der Mehr-
zahl der Hss. mit leuua retlectiert wird.1
MAMMO.
Bei dein Dux Gotorum Mamma, den Mar. Avent. zum
.lahrc 509 erwähnt, kann an got. mammo .Fleisch4* denken,
wer hei dem Wcstgotenkünig Wambu an got. tratnba .Hauch"
denkt. Und diese Auffassung letzteres Namens als Neck-
name bleibt trotz Stark - immer noch die plausibelste. Der
neckende Heiname hat den ursprünglichen Namen ver-
drängt, was auch sonst genügend belegbar. (irade in Starks
„Wambu (fui et Petrus" (I)iacon von (i:{S) liegt ja noch solche
Doppelbenennung vor.
IBBA..
Ibba heisst bei Cass., .lord.. Paul.. Helba (1. Hrbba) in
den Kandglosscn zu Vict. Tunn., Ebba bei lsid. der Tomes
Theoderics, welcher, Katholik und möglicherweise Gepide,
wahrsclieinlicher jedoch3 Commandant des gepidischen
Armeeteils der Goten, ein gotisches Heer 508 über die See-
alpen führte und die verbündeten Franken und Hurgunden
schlug.4 Die Randglosse Helba könnte auf *I/ba weisen r>
und einen weiteren Beleg liefern für die Assimilation des / an
den folgenden Consonanten in Kosenamen (vgl. ßadäo, Abbo,
Woffo < Ihddo, Albo, II W/V ). Dennoch scheint diese Deutung
1 HPVLA, nur fruca O, leugu BY; fogwt in X zeigt Metathcsis
wie sp. leijutt pg. legm (Diez, Wörterh. I3, 246). Die umgekehrte
Metathcsis im mlat. treuga.
2 Kosenamen 108 ff. Vgl. Wackernngel, Kl. Sehr. III, 850.
* Dahn, Könige IV, 171, 1.
4 Vgl. Mommsens Jord. 8. 151.
6 Försteniann, Namenbuch I, 774.
0 Henning, Kunendenkm. 60. Hier kann Hennings Deutung des
Wortes 1 (Ulan auf der bürg. Spangeninschrift von Charnay als Hihian
aus obigen Gründen gleichfalls zweifelhaft scheinen, zumal er daneben
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- 81
bedenklich. Derartige kindliche Lall- und Koseformen — nur
um solche, nicht um historische Lautübergänge handelt es
sich bei den erwähnten Assimilierungen haben freilich
zu allen Zeiten existiert, zur Aufzeichnung aber wurden
sie erst verwandt, als sie in der Umgangssprache fest ge-
worden waren und wie ursprüngliche Namen angesehen
wurden; und das ist in der ostgotischen Periode schwer-
lich schon der Fall gewesen: von Stark» Belegen1 geht
keiner über das 8. Jahrb. hinaus, und ein ostgot. Kurzname
wird uns noch als AM begegnen, obwohl kosendes *Abbi
den Goten grade so geläufig gewesen sein wird wie andern
Stämmen. Dazu ist llba nicht einmal sicher germanisch.2 Dass
Jbba* die got. Entsprechung zum ags. ebba nd. ebbe bietet
(gewöhnlich zu got. ibuks , rückwärts", ahd. ippihhön „zu-
rückrollen" gestellt) und einen entsprechenden Beinamen
repräsentieren könnte, sei nur nebenbei bemerkt.
«ATTILA.
Eine Mailänder Inschrift vom Jahre 5 12 4 nennt einen
Goten im Gen. Gatti/anis. Man beachte die w-Flexion und
die hypocoristische Consonantengemination, die hier den An-
laut des zweiten Bildungselements ergriff wie im inschrift-
lichen lrsfarric (s. u. „Usda"). Gatiht, zu got. ya-tils „passend,
tauglich*4 (ags. ///, dazu an. /// ahd. zil „zu"), würde als
characteristischer Zuname in seiner schwachen Form auf-
fallen und wird daher eine Substantivierung sein wie got.
yamamja zu yamains, unhulpa neben hnlps u. a/'
Yoliiiamcn wie hhlofrctlo, Ii alter ga belegen kann. Ware es nicht mög-
lich, nach dem Vorbilde von Titorte- und Thor- oben S. 77 neben dem
got. *idte ags. uhs as. täte ahd. Ute (Grimm, Myth. 372) ein primäres
*i«7- anzusetzen? Vgl. J. Grimm schon in der Vorr. zur 1. Aufl. von
Gramm. I , p. XLII. Sonst «ei noch an das an. Fem. ipa „Wirbel,
Meeresstrudelu erinnert (Cleasby-Vigf. 313).
1 Kosenamen 28 f.
2 8tark, ib 113.
3 Förstemann, Namenbuch I, 7f»9.
4 CIL V, 617«.
Leo Meyer, Diegotisch«» Sprache ( Rerlin 18M), § 354 ; Lichten-
held, Zs. XVI, 303 ; Kögel, Beitr. XIV, 102.
QF. LXVHI. 6
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- 82 -
HUXIMUXD.
Der in der Amalentafel zweimal erscheinende Name
Hunimund {llun{n)imuudns Jord., Utrimundvs Cass.) findet
sieh aueh im ostgotischen Zeitraum wieder: anno 24.
Theod. wird bei Aguellus ein arianiseher Bisehof von Kavenna
Ummtindus genannt.
Nachdem Müllenhoff mit huu- componierte Germanen-
namen schon vor dem historischen Erscheinen der Hunnen
nachgewiesen,1 wird das Namenglied, wieder mit Müllen-
hoff.2 am besten zu an. humi gestellt, mag man es nun
mit „eatulus, ursinus" übersetzen und zu den übrigen ono-
matologisch verwandten Tiernamen stellen oder als „rccens
natus" mit pius, tiiwi, vtnc in Eigennamen auf eine Stufe
bringen. Hingegen erseheint ] tiegers Anknüpfung an die
norddeutschen Hünengräber und den vermeintlichen Namen
der vorgermanischen Bewohner Norddeutsehlaiids3 zwar
geistreich, aber grade der vielen hierher gehörigen ger-
manischen Personennamen wegen (bis zu unserm lltnnhert,
Humboldt u. v. a. herab) wenig wahrscheinlich.
w
HILDE NY AUA.
Eine Urkunde aus dem .Jahre 52U handelt von den
kirchlichen Schenkungen einer Gotin Hildevara ;4 so die
Namensform bei Marini Nr. 85. 12. 15. 22.
/um eisten Teil, got. Vuldi an. hildr ags. as. hi/d
ahd. Inf t ja hiltea hilta, vgl. unter „Dumilda."
Der zweite Teil, got. -war«, ist das femin. Nomen
agentis vom Pracsensstamme der germ. Wurzel trar »auf-
merken" (gr. Quam), wozu das Masc. noch im ostgot. Sdp-
war begegnen wird, auch in dem Goten Thantar al. Thuruar
bei Jord. 85, 18 vorliegt.'' Er ist identisch mit dem Adj. got,
' Zu. XI, 284.
2 Zu. XIII, 57fi. Vgl Wand. 04.
8 Areh. f. he««. Oesoli. XV, 4.
* Dahn, Konipe IV, 184.
* Dazu Müllenhoff im Index.
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83 -
tears1 an. varr ags. wcer as. war ahd. gi-war und zu trennen
von dem /«-Stamm, der in dem bekannten -varii der Völker-
namen vorliegt, obwohl die Namen auf -war häufig die in-
eorrecte Latinisierung -tvarius zeigen.2
CUNIOAST.
Der bei Boeth. erscheinende Conigastus ist vermutlich
jener Vir illustris, der bei (Jass. Var. Cnnigastus heisst:
wulf. *K6mgasts, ostgot. Conigast.
Erster Teil got. *k6m an. kenn ags. cPm ahd. chuoni.
Bei Boeth. noch das alte o, bei Cass. das jüngere ostgot.
u ; wenn andrerseits germ. ü bei den Lateinern constant
als n ohne solches Schwanken in o geschrieben wird,3 so
folgt daraus, dass dieses jüngere ostgot. u < wulf. 6 doch
nicht völlig mit dem alten wulf. ti- zusammengefallen war.
Für den zweiten Teil weist die lat. Flexion an beiden
Quellenstellen nicht direct auf got. gasts, sondern wiederum
auf eine secundäre. speciell onomatologische «-Bildung.
ODWIN.
Der Comes, welcher einen Anschlag auf Theoderics
Leben mit seinem Haupte bezahlen musste,4 heisst beim
Anon. Val. Odoin, bei Mar. Avent. Odoind. Mit der älteren
Quelle lese ich Odoin, d. i. Oduin, statt des germ. w
reflectierenden u wird öfter o geschrieben — ostgot, Odtrin.
Das auslautende d bei Mar. wird spätere romanische Zutat
sein, die sich nach germ. w öfter einfindet.5 Oduin (ags.
Eadwinc VVids. 74. 98) - wulf. *Audatrins mit ostgot.
1 So, nicht mit Braune, Got. Gr.3 § 124, 1, Vw netze ich an;
vgl. unter „Deelination44.
* Möllenhoff, 7m. XVI, 153 ff.
3 Vgl. oben S. 8 f. und unten u. „VocaliftmuR44.
* Dahn, Konige III, 90.
5 Vgl. noch frz. ulhmnml , normand, Rertrmul: Diez, Gramm.
I3, 311.
6*
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- 84 -
Monophthongierung , Einbusse des Gompositionsvoeals vor
w und Aufgabe des Nomin.-s.
Das erste Namenglied , als solches überaus häutig,
liegt in got. auda hafts „beseligt," attduys „selig" vor und
entspricht dem an. aupr ags. ead as. od ahd. ot „Besitz,
Gut, Reichtum" : vgl. noch Oderic, auch den alten GJreoting
Odotheus bei Claud., (Ji^oOtn^ bei Zosim.1 (wulf. *AuduJ>ius)
und bei Jord. den alten Amalen Od wulf (hingegen bei ihm
die Frankin Ande.fleda)~
Der zweite Teil, got. *wins an. vinr ags. wine as.
wim ahd. wim „Freund", wird noch in ostgot. Natidwiti,
Oswin, Guil whi , Tulwin begegnen8 und zeigt überall in
der Gompositionsfuge intactes w*.
ATHAL ARIC.
Enkel und Tronerbe Theoderics war Athalaric. der
Sohn des Eutharic und der Amalaswintha, 5*J(> 5iU König
der Ostgoten , jedoch noch unter Vormundschaft seiner
Mutter und Cassiodors.
Die Überlieferung triebt ganz gleichmässiges Atlm-
laricus (Gass., Lib. pontif., An. Val.. Jord. u. s. w.), auch
die inschriftliche und diese Schreibung wird durch pietäts-
volle Anlehnung an den alten Amalen, welcher bei Jord.
77, 1 Alhttl, bei Gass. Var. XI, 1 Athala hoisst.6 und dann
wie Tiwodcrirus durch amtliche Tradition so constant gewor-
den sein. Erster Teil got. *<//>«/ an. apal ags. ajwhi (pl.) as.
(tduli ahd. adal,1 ein weiterer Beleg für das Suffix al im Got.s
1 Dahn, Könige II, 96.
2 Sicher falsch sind die westgot. Etymologien hei Ilozzenberger:
Adamir audamt'rs, Adeliutiis uitdtdiubs, zumal er selbst jüngere
weatgot. Audibertus, Andemuudwt beibringt. Ebenso bei Dietrich 3.r>. «1.
5 Hierher auch der ßatu ins des got. Kai.
* Möllenhoff, Deukmfller« 365.
5 Vgl. seine Münzen bei Friedländcr 30 ff. und z. R. Spreti
Rnv. 2, 2 p. 243; CIL V, 641 8.
6 Möllenhoff in Momm*eus Jord. 143, 8.
7 Kluge, KW 4 unter „Adeltt; Möllenhoff, Zur Runenlehro 56.
" Wand. 30.
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85 -
SIGIWÜLTH.
Papst Bonifatius II. (530 — 5:*2) war der Sohn eines
Goten,1 für dessen Namen die Hss. des Lib. pontif. Sige-
bald ns, (Usiholdus, Siginddus geben. Man braucht nach
dem ostgot. Sigimer bei Cass. seinen ersten Namensteil
nicht in Sigis- zu bessern, obwohl Sigisciddits ein auch
sonst in dieser Form bekannter got. Name ist.2 Denn
schon die -fyiftt]onc, Segimcrus , Seginumdits bei Strabon
und Tacitus bezeugen einen Stamm ohne s- Ableitung, und
in germ. Eigennamen gehen von jeher Sigi- und Sigi$-
neben einander her, wie Thum- und Thoris- oben S. 77.3
Ob von den beiden Bildungen got. sigis an. sigr ags. sigor
und got. signs 4 ahd. sign sigi as. sigi ags. sige die ^-Ab-
leitung ursprünglicher ist als die starke Stammform,5 oder
ob letztere von Anfang an neben jener vorhanden war, ist
unentschieden; doch sprechen die uralten Zeugnisse bei
Strabon und Tacitus eher für letztere Annahme.6 Und so
ist Sigitculth zu got. sigiis zu stellen wie Wisibadn zu got.
*icisu} Felithnnc zu got. filu.
Der zweite Teil -Dtdclus die singulare Variante
-buldus wird auf griech. Einfluss beruhen, der für diese
pontificalen Quellen auch sonst constatierbar scheint7 — ist
nicht identisch mit dem got. widpns „Herrlichkeit" * (dazu
widpags „herrlich, geehrt"), sondern latinisiert aus einem
wiederum mit dem Suffix a gebildeten adjectivischen wulf.
*tndps, wie es durch den Namen Vulth repräsentiert wird.
In Sigivuldus tönende Spirans d im Inlaut, im ostgot. Auslaut
vermutlich noch tonlose, wozu die Schreibung Vidi zu vgl. ist.9
1 Dahn, König* III, 243, 2.
8 Vgl. z. B. Bachlcchner, Zs. VIII, 203.
5 Vgl. z. B. für das Burgundischo Waokcrnagcl, Kl. Sehr. III, 374.
* So gewiss mit Bethge bei Braune, Got. Gr.» § 106, 1.
5 Kremer, Beitr. VIII, 3S8; v. Borries, Das erste 8tadium dos
i-Umlauts im Germ. (Strasse. 1887), S. 21.
a Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 395, 2.
7 Vgl. schon oben 8. 69 zu Bedcwulf\ ferner gelegentliches Gotthi^
Uni' neben Winigildus.
* So Bachleohner a. a. O.
9 Aber bei Jord. der alte Araale noch VuU(h)uulf.
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— 86 —
DUM IL DA.
Dieser Name auf* einer Inschrift vom Jahre f»:U bei
Rossi I, 1027.
Der erste Teil, noch im Dumcrit des Cass., ist got.
döms .Urteil, Erkenntnis41 an. domr ags. as. dorn ahd. tuom,
mit ostgot. u für wulf. 6. Der Coinpositionsvocal ist bei
der grossen Schwäche des got. // geschwunden wie bei fol-
gendem vocalischen Anlaut.
Das zweite Namenglied zeigt sich mit gleicher Flexions-
weise noch in einer Ran'dda bei Cass., Ranihildu bei Marini.
auch in einer (freilich undatierten) Guntelda auf einer In-
schrift von Comum.1 Dagegen steht „Tattilldi vicatu auf
einer der Wahrscheinlichkeit nach aus Italien stammenden
Bronzeh'bel2 und in der Urkunde Nr. 79 bei Marini vom
Jahre 557 Gumiihildi VA. 14. 5b\ Gundiildi 110, und zwar
letztere Form für verschiedene Casus, d. h. unuYctiert/1
Wenn es nun schon feststand, dass die meisten germ.
Frauennamen auf -hild- -lind- -gvnji- u. s. w. yo-Stämme
sind,4 nicht /-Stämme,5 so bringen hierfür obige TanWdi
und Gund ihildi auch gesicherte got. Belege: got. hildi wie
an. hildr und ahd. hiltja (Hildebrandsl.). Demgemäss sind
Dnmilda und die andern -dda nur Latinisierungen solcher
ostgot, -Udi.
* CIL V, 5415.
* Erworben durch den verstorbenen Alex. Castellani. versteigert
im Mai 1886 zu Paris (vgl. Bulletin opigrnphique IV (1886) p. 150,
Mitteilung naeh dem Catalog); die Wiedergabe kann als ^exaetement
transerit" angesehen werden (Mowat, Memoire« de la Soci6te nationale
des Antiquaires de France t. XLIX, Paris 1S89, S. 7 des SA: Note sur
des bijoux antiques ornös de devises ä propos d'une iibule de repoqno
ostrogothe). — Der erste Teil des inschriftlichen Namens bleibt ety-
mologisch dunkel; vgl. Förstemann, Namenbuch I, 831 f. 1141, wenn
nicht etwa Taticilldi, d. i. ostgot. Thanc-hildif zu conjieieren wäre.
a Danach ist auch ohne Bedenken Gundihild 1. 16 und Guudihil
17. 22. 25. 27 zu bessern.
* Braune, Ahd. Gr. § 210, 5; Noreen, An. Ur. I, § 298.
5 Grimm, Gr. I (1870), 690.
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- 87 -
«ODA.
Torlos,- to ytvog wird von Proc. der wandalisehe Statt-
halter auf Sardinien genannt,' welcher im Jahre 533 die
Insel zum Abfall von den Wandalen brachte. Bei Proc.
heisst er T tofac, bei Theoph. /o')J«c, an beiden Stellen mit
gräeisierter Endung. Die gr. Oberlieferung giebt keinerlei
Gewähr, ob ostgot. Gada, Gada (zu got. gods) oder Göda
(Monophthongierung aus Gauda, vgl. die westgot. Bischöfe
Gaudila von 688 und Gundula von (>532) zu Grunde liegt.
WILJARITH.
Der Commandant von Neapel i. .1. 534 heisst bei
Proc. Gvhiupig. Auch sonst erscheint der Name bei Proc.3,
in der Hegel correcter Ovtklagt^ (Gen. -pidoq) geschrieben,
so für jenen Sieger von Mueella , den Marcell. Viliarid
nennt: bei Oass. Var. Wiliarit und ebenso in der Neapeler
Urkunde jener VuiUavit, der sich in seiner got. Unter-
schrift Wiljarip schreibt; eine Inschrift bei Kossi I, 1028
aus dem Jahre 532 nennt gleichfalls einen Wiliarit und eine
Uapuaner Inschrift des folgenden Jahres (CIL X, 4497) einen
Guiliarit.4
Das erste Compositionsglied, got. teil ja (auch in wilja-
halpei) an. eile ags. tcdla as. williu ahd. willo, zeigt noch
intacten Fugenvocal, welcher, im Gegensatz zu sonstiger
Abschwächung im Ostgot., hier durch den Gleichlaut des
Simplex geschützt wurde, wie andererseits die starken ja-
Stämme, die ostgot. auf -i auslauten, ihren Stammesauslaut
in der Composition durch Einfluss ihrer appellativen Form
schneller abschwächen und palatalisieren/' Doch zeigen
1 Wand. 85.
3 Dietrich 37. 40.
* Dahn, Könige IV, 174.
4 Den Romanisten wird dieacs friiho gu für germ. w interessieren :
die Belege hierfür bei Diez, Gr. P, 324 gehen nicht über das 8. Jahrh.
hinaus.
5 Vgl. zu Haritjern oben 8. 68,
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- 88 -
weitere Zeugnisse, wie der gleiche Reductionsprocess auch
bei den /"//-Stämmen wirkt. Ungeschwächt wie in obigen
Namen ist die Compositionsfuge noch in dem inschriftlichen
Wiljaric von 589. 1 Aber die nächste Stute WH je- liegt
schon vor in dem WiUjenant der Neapeler Urkunde. Und
wenn auf dieses Wilje- die ostgotische Neigung wirkt den
Fugenvocal in der /-Färbung zu geben, so wird aus 117///-
leicht H77/-2, und dieses liegt in den ostgot. Namen Oi'Xr/t-
auln^ (Proc), OvXifon*; (Proc), Wilh/is (Cass.). Wilitaneus
(Cass.), Wilifara (Kossi I, 109:1) vor, vielleicht auch in
W Marius (Cass.), wenn hier nicht Syncope aus Wilja-harius
älter ist. Im übrigen beachte man die ganz gleichmässige
Schreibung H77-, die nie in Wel- schwankt des folgenden
/ wegen.
Das zweite Compositionsglied kann als ostgot. -r/7/*
entweder auf wulf. *reips oder wulf. *reps (mit ostgot.
Färbung) weisen.3 Ersteres , mit dem «-Suffix aus got.
*reidan an. ripa u. s. w. gebildet und namentlich in zahl-
reichen an. Namen auf -ripr von Bugge nachgewiesen 4.
ist jetzt ausführlicher von Henning behandelt. h Die Be-
deutung des vorliegenden Namens und die got. Schreibung
Wiljunp (nicht -reip) spricht für got. *rips, mit demselben
'/-Suffix zu got. redan an. rapa u. s. w.6 In Bezug auf das
consonantische Auslautsgesetz seien die ostgot. Namen auf
-rith hier zusammengestellt: ausser obigen Viliarid und
Wiljarit(h) noch Sinderith (Jord. , der auch ebenso correct
den Vater des Geberich Hilderith nennt). Frunmrith (Cass.),
Liuvirit (Cass.), Dumerit (Cass.), Witterit (Mar. Nr. 1U),
Optant (Neap. Urk.), Guderit (Neap. Urk.; Mar. Nr. 80;
CIL V, 1588), Aderit (Mar. Nr. 80), Landarit, Lcudarit (Mar.
Nr. 79), Gundirit (Mar. Nr. 79. 80. 88), Nunderit, Otrutarit
1 Kossi I, 1126.
2 Vgl. obon 8. 68.
8 Zimmer, QF XIII, 43. 45.
* KZ III, 26 ff.
s Runendenkmäler t f.
* Wand. 68 f. 05. Zur Bedeutung Bezzcnbergcr in seinen Beitr.
IV, 327.
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89
(Mar. Nr. 75), Giber U (Mar. Nr. 131). Also in keiner Quelle
auch nur eine Erinnerung an das ursprüngliche Nomin. -s.
Man vermute es deshalb auch nicht in der gr. Transscription
-ni^. Wenn Prot*. OvtXinytc, O^r«^/^, .■/<■ tiUp/^ Prot*, und
Agath. ' Puyrruitc schreiben, so ist das c eine blosse Schreibung
für das spirantische »V -.--= got. p,} welche für das im gr.
Auslaut ungeläutige # eine gr. Endung schafft (vgl. die ent-
sprechenden Aec. auf "jir bei Proc.2); wer aber dieses -c für
got. -s nimmt, müsste erst für den gleichmässigcn Schwund
des vorhergehenden Dentals eine Erklärung beibringen. —
Die constante Überlieferung des / scheint darauf hinzuweisen,
dass *rtps und *reif>$ als Namenelcmente ihre Bedeutung längst
abgeschwächt hatten und vielleicht kaum noch geschieden
wurden. Auf ähnliche Keducierung der Function häufigerer
Namenglieder wird man auch durch sonstige Verwechslungen
geführt, und für -rith wird noch mechanischer Tausch mit
•ric und -hart begegnen u. ä.3
THEODAHATH.
Nach Athalarics Tode 5;U nahm Amalaswintha ihren
Vetter Theodahath, den Sohn der Amalafrida, zum Mit-
regenten an.
Auf seinen Münzen4 heisst er Theodahathm -hatm -hadut,
— ein treffender Beweis für den im Werden begriffenen
Übergang der tonlosen dentalen Spirans zur tönenden, der in
dem Theodahudua bei Marcell., Cass.\ Jord. vollendet scheint.
Den ersten Teil schreiben alle lat. Quellen Theod-, alle
gr. Gtrd-.
Das zweite Glied zu got. *liapns an. Hqpr ags. Itaipo-
ahd. hadu- mhd. ha<icrH, welches in den späteren germ.
1 Gr. .*» damals schon Spirans, nicht mehr Aspirata: Blass 82.
* Wand. 69; Waokernagcl, Kl. Sehr. III, 394 f.
* Wand. 55.
* Friedlander 36 ff.
6 Ob der Vir Senator Theodahadus Var. III, 15 der spätere König,
bleibt dahingestellt; Dahn, Könige III, 94, 5.
* Fiok, Vgl. Wörterb. III3, 60 f.; Kluge, EW« unter „Hader".
Gallisch catu-.
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90
Epochen als Appellativuni verloren ging und sich nur in
Eigennamen hielt grade wie das alte *////<//, vermutlieh weil
beide Appellativ* zugleich Götternamen waren 1 und deshalb
aus religiöser Scheu, später aus Aberglauben in der gewöhn-
lichen Hede durch Synonyma ersetzt wurden. Spätere, be-
sonders ahd. Namen weisen darauf hin, dass nicht got. *h«f)us
selbst, sondern wieder eine secundäre «-Bildung im obigen
Namen vorliegt , wulf. *https, ostgot. *hath (mit noch ton-
losem //* im Auslaut wie oben in ritit), obwohl der Abfall
des Nom.-s hier nicht belegt, sondern immer lat. oder gr.
o-Flexion angetreten ist.
Die schon bei Dnmilda beobachtete Syncope des Stammes-
auslauts vom ersten Gliede mit dem Anlaut des zweiten muss
auch bei Theodahath entweder schon vorhanden gewesen sein
oder jedenfalls in gewöhnlicher Hede sein- nahe gelegen
haben. Einmal zeigt dies das fiki»J«rrv der gr. Quellen
(Proc, Agath.. Euagr.) und dann die spätere Neigung der
gelehrten Autoren den Namen als T/no-datns zu etymologi-
sieren2: Theodatns (in Varianten mit gelegentlicher Graeci-
sierung Theodotus) schreiben Marcoll. (viermal neben drei
Thtodahadiis), Anon. Cusp., die gelehrten Schreiber des Lib.
pontif., die Epitome Justin., Liberatus, Fredeg.. Paul. u. s. w.,
auch einzelne Hss. des Cass. und .lord. Daneben zeigt der
Theodii d us des Greg. Tur. die organische Syncope ohne
solche lat. Deutung. Der späte Thetulanns des Chron. Moiss.
braucht nicht auf Schreibfehler zu beruhen, vgl. unter
„Anna".
THKODKXANTIIA.
Eine Tochter des Theodahath war die Gemahlin des
Überläufers Ebremuth (s. u.): ("hvösvnv&a Proc.
Der zweite Teil, wulf. -nanpa, mit starker Endung und
noch unveränderter Spirans, (vgl. Amalaswintha) zu *nanps
1 Jlopr hcisftt Ballier« Bruder; H<fp und Hildr sind Walküron-
namcn, beides nicht Koseformen, sondern mythologische Personifikationen:
der Kampf, Krieg *«r* *{|o/»/V.
3 Agnellus schreibt sogar Deodatua; vgl. Förstemann, Namen-
buch I, 1179. Ein Adeodafus z. B. Cass. Yar. III, 46; ähnlich />«<*-
dedit XII, 21.
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91 -
(ostgot. in Gudinunth, Wiljenanth, Namlwin, Nanderit), vgl.
got. nanpjan an. nenna ags. nfipan as. nadian ahd. mnden
„ wagen 44 (ahd. //<///</ ,. Verwegenheit*). Vgl. noch Xawta,
den Namen von Haiders Gattin.1
THEODEGISL.
Einen Sohn des Theodahath hält Witigis in Gewahrsam:
Für -yiscl verweise ich auf Wand. .V2, wo es als romani-
sierte Schreihung für germ. -yisl- gefasst ist. Wenn ich
aber dort das zu Grunde liegende von welchem -yisl-
eine /-Ableitung wie got. ptrahl von pivahun, fairuvitl von
Wz. /r/72, als schwache Ablautsform zu dem starken *'yitiza-
an. y<ri/*r ags. ycir as. ahd. //tV erklärte, so wird das zu
moditicieren sein.3 Denn in *yaiza- ist der Diphthong uralt
und ablautsfrei, wie ai. hi'sas ^Geschoss44, gr. yaloc „Hirten-
stabfc, air. yai „Speer* zeigt sowie das Nebeneinander von
ursprünglich oxytoniertem *yaiza- und paroxytoniertem
*yais- an. yeisl ahd. yeisala. Beide aber sind unverwandt
mit got. us-yaisjan , -yeis/ian -erschrecken",4 an welches
ich das onomatologisch so häutige -yU- anknüpfen möchte,
also als ein Synonymon zu dem ebenfalls in Namen geläufigen
atjis «Furcht*4. Wie got. *6yan „sich fürchten* öyjun „in
Furcht setzen" auf ein starkes Verbum *«y<tn zurückgehen
(un-ayands) und der Stamm des letzteren in der /-Ableitung
uyls , unschicklich, schimpflich*5 erhalten ist, so entspricht
dem got. yais-jan und yeis-nun ein präsentischer Stamm
*yeis- und mit derselben /-Ableitung das vorliegende -yisl.6
« Zimmer, QF XIII, 279.
2 Grimm, Gr. II (1878), 95.
s Ebenso Hildebrand im DWB u. ^Geisel*; doch vgl. man da-
selbst die reiche Namensammlung, auch das Nebeneinander der Appol-
lativa an f/isl ags. (/isel ahd. gisal und mnd. nrh. yis gisv „obses, vades**.
4 Feist, Grundriss der gotischen Etymologie (Strassburg 1888), 8. 41 ;
Webster, Zur Gutturalfrage im Gotischen (Boston 1889 ), S. 22.
* Vgl. oben 8. 77, 9.
" Präsentisches gis, nicht prateritales gis, entsprechend fairweitl
zur Wz. wit ; vgl. WUegisen : wisen Rabenschi. 732, 5 (Singer, Anz.
XIV, 34). — Über da« /-Suffix vgl. Sütterlin , Nomina agentis 29 ff.,
besonders 35 ff. die zahlreichen Nom. agentis adjectiva.
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92 -
GRIPPA.
Ein Anführer gotischer Hinfalle nach Dalmatien i. J.
535 heisst bei Proe. rahnng. Per Name, mit hypocoristischer
Consonantendehnung und graecisierter Endung, ^ ostgot.
Gripa, ist primäre Koseform zu einem Vollnamen, dessen
eines Glied zu got. yreipan an. yr'ipa u. s. w. gehörte1;
vgl. an. -yrtpr in den an. Compositis vinyripr, vipyriprr
ASINAUIUs.
Ein weiterer got. Befehlshaber neben Grippa in Dal-
matien heisst 535 und 537 bei Proc. . iötruomc. Da das
Uot. des Wultila im 4. .lahrh. schon ttsilus hat mit vollen-
detem Übergang des ursprünglichen n in l (got. asilus ags.
esol eosol as. ahd. est'/ gemeingerm. Lehnwort aus lat. asiwts),
so verbietet es sich , Asiwtrius etwa als *Asiht-h(irjis zu
fassen, vielmehr bleibt es lat. Bildung.3 Oder aber es ist
in Asniarins umzustellen: ostgot. Asni-hari wäre „ Führer
der Söldlinge", zu got. asneis und harjis.
SINDERITH.
Beiisar begann den gotischen Feldzug 535 auf Sieilien,
wo sich ihm alsbald der got. Kommandant von Syracus
ergab: Sinder äh bei Jord.
Das erste Namenglied , auch in der inschriftlichen
Sendefara, im Sindila Sinthila der Neapeler Urk. (wieder mit
dem Schwanken zwischen d und />) und im Sindida der Ep.
pontif., zu got. stups an. sinn ags. stp as. std ahd. sind
„Heise, Heereszug" (dazu got. yasinpa ahd. yisittd as. yisid).
Unrecht hat Kremer,4 wenn er wulf. *Swinpartps, Swinpila
herstellt, da die sichere Überlieferung z. B. der Amalaswintha
1 Förstemann, Namenbuch I, 551.
8 Zimmer, QF XIII, 45.
9 Dahn, Könige IV, 174.
4 Beitr. VIII, 437. 450.
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die ostgot. Erhaltung dos w beweist. Andrerseits bezeugt
der Name auch die Bewahrung des alten n vor Dental ; 1
und wenn ein Amale und Verbündeter Theoderics aus der
voritalienisehen Zeit von 475 2 bei Malch. 248, 5. 17 u. ö.
^AÖtfHwvdo^ heisst, so hat der erste Teil seines Namens mit
obigem Sind' nichts zu tun, sondern beruht auf gut. sidns an.
sipr ags. as. sidn ahd. situ; bei Förstemann3 sind freilich
beide Stämme durch einander geworfen.
TZ ITT A.
Ein Fatricius in Mysien tritt zum Jahre 5:15 bei
Marcell. auf, mit Namen Tzitta. Die wunderliche Gestalt
des letzteren (ebenso Turnte; bei Malal.) ist dennoch nicht
anzutasten, denn auch eine Inschrift vom Jahre 508 (CIL
V, 7793) giebt den Gen. Tzittuni (man beachte den Reflex
des n- Stammes), und in der Urkunde Nr. 122 bei Marini
vom Jahre 591 steht dreimal die Form Tzita, einmal Tzitta,
einmal Tazitta, einmal Zita, einmal Khtu*
Für das tz oder z verweise ich auf das S. 72 f. unter
„Pitzia" Gesagte und füge hinzu, dass assibiliertes ts(i) tz(i)
zz{i) z(i) si sich auch im Anlaut findet, dass lat. dies als
zes erscheint u. s. w.'' Im übrigen weiss ich keine andere
Deutung als den Namen zu Mamma, Wamba u. ä. zu stellen
und ihn als einen auf eine körperliche Eigentümlichkeit
hinzeigenden Zu- oder Necknamen zu fassen : got. *titta ist
die Entsprechung zu ags. tit nd. titte mhd. zitze und wird
der romanischen Entlehnung ital. tetta zizza frz. fette span.
teta v' zu Grunde liegen.7
1 Wand. 108.
* Dahn, Könige II, 72.
s Namenbuch I, 1103 ff.
* Dahn, Könige IV, 186.
6 Scelmann 322 f.
0 Kluge, EW4 unter „Zitzo".
7 Ein« ganz vage Hypothese könnte nach der einen griech.
Umschrift in der citierten Urkunde einen ursprünglichen Guttural an-
setzen und die übrigen tz und z als dos Resultat dos romanischen Pala-
talisierungsproeesses betrachten, welchen letzthin Hönning (Runendenkm.
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94
EBRKMUTH.
Der Schwiegersohn des Theodahath ging vor Kegium
r>:J»i mit seinen Goten zu Heiisar über, um dann in Byzanz
mit Ehren als Patricius aufgenommen zu werden. Ebretnud
nennt ihn Marcel 1., Everumd Jord., ' Eflyiuov» Proc.
Für den ersten Teil, das an. jqfnrr („Eber* und
übertragen „Fürst") ags. eofor ahd. ebur, weisen Marcell.
und Proc. auf ein got. *ibru$. Will man danach das Evcr-
des Jord. nicht in Ecrr- umstellen, so kann sein Evermud
auf einen got. Mittelvocal deuten, der bei ihm zu e min-
dert, bei Marcell. und Proc. ganz unterdrückt wäre: ent-
weder wulf. *ibants (vgl. unten ostgot. wisattd gegenüber
an. ri.wtidr ahd. irismtt) oder *iburtts (vgl. got. inihiks gegen-
über an. mjolk < *meluk ags. meulnr as. tniluk ahd. wiluh).
Man beachte das r bei Jord. für intervocalisches b und das
constante <• für wulf. /.
Das zweite Glied, inud bei den Lateinern, ftnvü bei
dem Griechen, mit ostgot. m für wulf. o (doch bei Jord. in
Var. o) und ohne Noniin.-s, ist ein zum wulf. wops ags.
as. tuod ahd. mtwt1 gehöriges secundäres Adj. *möps (ahd.
-möt -moti,2 as. ~mod in yHmöd „übermütig*3); sonst vgl.
Wand. ()7* In der Urkunde von Arezzo der ostgot. Ahnnud
gegenüber dem wulf. Dativ Ahimmhi. Eine dem (/-Stamm
entsprechende Flexio latina auf -us fand ich bei Jord. 12:1,
6. KU, 21 für Tltorlsmitth , 21 für dessen Sohn
Herimnth?
Ol ff.) in ähnlichem Zusammenhang behandelt bat. Im Inlaut zwischen
Vocnlen hat man denselben bin ins 0. Jahrb. hinein zurückvcrfolgt.
So problematisch dieser Deutungsversuch bleiben würde, ho gestattet
er doch einen Verweis auf Forstcmanu, Namenbuch I, 810 oder 1370.
» Zimmer, QF XIII, 233.
* Oraff II, 084 ff.
3 v. Orienberger, Germ. XXXIV, 407.
4 Bei der dort aufgestellten Parallele //(»o-^«,?-™; verbleibe ich
trotz Ehrismann, Literaturbl. 1887, Sp. 408; diese dor. Form ist z. R
Pind. Ol. 7, 81 belegt.
b Kin obigem Ebremuib analoges Compositum mit got. *baira
an. hjom ags. bera ahd. bero. Über den lieriy der got. Ursage bei
Jord. s. Müllenhoff im Index 147.
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95
WITIGIS.
Theodahaths Nachfolger wurde VVitigis, sein früherer
Waffenträger und nicht aus edlem Geschlechte, bis 540.
Er heisst auf .seinen Münzen 1 (auf welchen das regel-
mässige anlautende fr zu beachten) Wittges Witigis Wittiges,
bei Marcell. Vitiges, bei Cass., Lib. pontif. Witigis, beim
Anon. Ousp. Guitigis, bei Jord. (abgesehen von den Var.)
sechsmal Vitiges und siebenmal Vitigis, bei Proc. Oviviyiq,
bei Agath., Euagr., Menand. Ovitnyic, bei Mar. Avent.
Wifttgis, bei Paul. bist. rom. Witigis, bist. Langob. Witichis,
in den Gesta episc. Neap. Guitigis und Vitigen (Acc).
Danach steht zunächst Witi- fest. Gelegentliches tt
ist hypocoristiseh. Die ganz constante Überlieferung des
ersten / verbietet , an got. uaihts an. vettr ags. as. ahd.
wiht zu denken,2 weist vielmehr auf germ. / oder besser
/, mag man nun got. *treita- ansetzen, entsprechend frawnt
idireit, oder *weitja-, entsprechend an. viti ags. icite as.
witi ahd. wUi „Strafe-.8 Ferner warnt das feststehende t,
Namen wie den des A malen Weimer hierher zu stellen,
und lehnt als grammatisch unmöglich die Hypothese ab,
welche den Witege der Heldensage mit unserm Witigis in
Verbindung bringt, mag sie diesen ganz für Widigoja ein-
setzen oder neben ihm gelten lassen.4
Der zweite Teil lautet nach der Majorität der Quellen
-gis, d. i. -gis, worüber oben 8. 91. Daher5 kann das
häufige -ges nicht auf einfacher graphischer Verwechslung
beruhen , sondern wird wiederum eine Vertausehung von
zwei namenschliessenden Compositionselementen bezeugen :
1 Friodländer 40 ff.
2 Acadcmy 18S7, 206. Eutharics Vater, der Solin de« Bcriniuth,
ein spanischer Amale, heisst bei Jord. an fünf Stellen Vetericns, einmal
Vitirichns; hier mag daher utt- - wulf. waiht* sein; dazu Stark,
Kosenamen 18; Möllenhoff, Beovulf 61 f.
3 Schlüter, Die mit dem Suffixe ja gebildeten deutschen Nomina
lüöttingcn 1874), S. 29.
* So noch Symons in Paul« Grundrias II, I, 46. Vgl. oben 8. 69, 1.
6 Vgl. oben 8. 8 und u. „ Vocalismus". Auch findet sich nie
-ge*(r)l- für -tjig(c)l-.
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- 96
wir kennen got. *gaiza- an zweiter Stelle aus Hariogaisus
u. ä. und werden in Gestio seine ostgot. Monophthongierung
constatieren; somit geht Wittges auf wulf. *Weitigai$ zurück,
und ostgot. -gis und -yrs sind vertauscht worden. Zu ver-
einzeltem -eis und -ehis oben »S. <>">. Der Name erscheint
meist unflectiert ; selten ist sein -is als lat. oder gr. Nomin.-
Eudung angesehen , der eorrectere lat. Gen. -chisi nur in
zwei Hss. bei Paul.
MATE8WINTH A.
Mateswintha, die Schwester Athalarics, wurde von
Witigis zur Ehe gezwungen, heiratete nach dessen
Tode Justinians Neffen Germanus. der r>.r)() Oberbefehls-
haber gegen die Goten wurde, und wurde die Mutter des
jüngeren Germanus, welcher nach dem Tode seines Vaters
552 als der Erbe des Ostgotenreiches galt.
Sie wird von Marcel). Motesuentho (al. -srinto), von
Jord. Mothesuentho , von Proc. MuTttmwvUu genannt. Für
den ersten Teil des Namens darf weder an got. mots noch
mohts gedacht werden , weil beides i-Stämme sind , die
schon bei Wulf, in der Composition moti- mohti- erfordern
würden. Anknüpfung an got. inopo hindert dessen Be-
deutung, da mapa nur den „sich krümmenden Wurm", be-
sonders den w Regenwurm fc bedeutet, nicht etwa mit an.
Ii mir ahd. Und synonym ist. Kremer 1 will *tuopo zu
Grunde legen, die got. Entsprechung zu dem ahd. »todu
einer Tegernseer Glosse,2 das andana (?), palidonia, eine
Art Lied bedeuten soll, den suffixlosen Stamm zu got.
mop-l an. mo-l ags. mep-el as. ahd. mohal: dann würde
der Name zu jener Gruppe gehören , welche Förstemann :i
unter moth zusammenbringt.4 Ich stelle dieser Vermutung
1 Beitr. VIII, 426, mit Dreeke, Verwnndtschaftanamcn 168.
* Oraff H, 658.
• Namenbuch I, 917 ff.
4 Die kleine Sammlung von German entminen mit Mad- bei Henning,
Runemlenkm. 114, ist fern zu halten, du hier das d germ. ist, wenn
Henning» Anknüpfung an ags. tneadn n«. madtt mhd. male (Müllenhoff,
Zs. XXIII, 5 f.) oder an kelt. math mad „bonus* (zu letzterem noch
Stark, Kosenamen 81. 42 1 richtig ist.
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97
eine andere gegenüber, ohne mehr als eine solche geben
zu wollen. Der biblische Name Mattathias steht Luc. 3,
25. 2t) zweimal im Gen.: gr. Marrudiov; zu letzterem wurde
von Wulfila unrichtig ein Nom. Marratfioc, lat, Mattathim
angesetzt und danach Luc. 3, 26 ein got. Gen. Mattapiaus
mechanisch nach der i/-Declination gebildet, während ihm
Luc. 3, 25 der Ausgang des Namens als got. Pius vor-
schwebt und demgemäss Maftapiicis fleetiert wird. Hieraus
folgt zweierlei: einmal dass got. pius in Namenbildungen
nicht ungeläufig war, ferner dass ein germ. Mata- (Malta-
hypocoristisch) in Eigennamen bekannt scheint. Dann ist
Mute-, nicht Mathesirentha zu schreiben, und der Name
stellt sich zu Förstemanns twu-Gruppe.1 Freilich bleibt
auch hier seine etymologische Deutung zweifelhaft; viel-
leicht ist an die Bezeichnung einer Waffe zu denken von
der Wurzel mat „behauen", vgl. ags. engl, mattock „Hacke",
got. *matja ahd. stebmiezzo; letztere scheinen zwar aus dem
Lateinischen entlehnte ("ultur Wörter (vgl. lat. mateola ital.
mazzuola)? aber doch aus sehr früher Periode, wie die ahd.
Lautverschiebung mezzo erweist.
Zum zweiten Gliede oben S. 66. Wenn Friedländer3
die Monogramme auf den Münzen mit Sicherheit als Mata-
sunda auflösen will, so kann trotzdem irgend ein Grundstrich
noch ein i vertreten sollen, andernfalls würde Matasunda
sich als Graecisierung zu Proc.'s Mutaöovvda stellen und
sich aus dem byzantinischen Aufenthalt der Fürstin er-
klären. Im übrigen bemerke man wiederum das jüngere d
dieser Monogramme.
OPTAMTH.
Der Mörder des Theodahath, welcher diesen im Jahre
536 auf Befehl des Witigis, zugleich persönlichem Uache-
drang folgend, überfiel und „wie ein Opfertier abschlachtete14,
heisst bei l'roc. Onvagig.
1 Namenbuch I, 92G f.
Ä Bugge, Beza. Beitr. XIV, 57.
3 Münzen der Ostgoten 42.
QF. lxviii.
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Oft -
Derselbe Name im Optovit 1 der Neapeler Urkunde,
der in der speciellen got. Unterschrift desselben Mannes
ebendort als Ufitahari* wiedergegeben wird.
Für das Anfangsglied des Namens braucht man an
Grimms Deutung2 nicht zu zweifeln,3 da auch sonst all-
gemeine Adverbien zur Namenbildung verwandt werden
(vgl. airman-, filn- u. a.), mag man nun eine ursprünglich
vollere Bedeutung zu Grunde legen oder nicht: got. nf ta-
rn, opf ags. oft as. oft(o) ahd. o/to. Aber auffallend ist
das lat. gr. o, während sonst das Ostgot. den a-Vmlaut
des it kaum zu kennen scheint:4 vielleicht ist deshalb
daran zu erinnern, dass das gegenseitige Verhältnis von
got. nfta „oft" und auf tu „ vielleicht" noch nicht aufge-
klart ist : wenn aber für letzteres Matth. 27, f>4 ufto ge-
schrieben wird, dann ist eine derartige wechselseitige Be-
einflussung beider Partikeln in Eigennamen erst recht
möglich, wo sie durch die Bedeutungsabschwächung der
Namenglieder befördert wurde. Über das geläufige lat. gr.
pt vgl. Wand. 47 und die dort gegebenen Citate;5 dass es
sich nur um ungermanische Schreibung, nicht um Dialect-
entwicklung wie im späteren An. handelt.6 wird eben durch
das got. Ufta- bewiesen ; 7 dazu kommt, dass inlautendes
f dem Lateiner nur in seltenen Entlehnungen bekannt, sonst
aber unlateinisch war.8
1 Bernhardt liest Ojjfrit, welches aber nach der got. Sehreibung
und nach Proc. ohne Bedonken in Optant zu bessern. Umgekehrt
erklärt die lat. und die gr. Umschrift das i im got. Ufita- für Schreib-
fehler ( mit Massmann I, da für eine phonetische Erklärung — das *
könnte etwa den Übergang vom bilabialen ./' zum alveolaren / markieren
- jede Analogie in der got. Schrift fehlt.
2 Zs. III, 147 ff.
8 Forstemann, Namenbuch I, 1210.
* Vgl. unter w Vocalismus".
6 Dazu noch Wackernagel, Kl. Sehr. III, M41, auch Kluge in
Pauls Grundriss I, 315.
6 Noreen § 185. Die älteste isl. Hs., AM 2.17 fol., schreibt in
den hierher gehörigen Fällen immer noch //.
7 Vgl. auch unter „Oppa4*.
" Seelmann MO. Dnzu noch Pnul, lieitr. I, 15(1.
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Wenn die Neap. Urk. dein got. Uftahari ein lat.
Optant gegenüberstellt, so sind wieder zwei namenschliessende
Compositionsglieder vertauscht worden. In diesem Falle
beweist die Vertauschung zugleich, dass die Syncope der
Compositionsfuge schon vollendet war, denn nur auf der
Ähnlichkeit von *Uft-ari und *Ufta-rith kann sie beruhen,
sodass das got. Uftahari sich als historische oder etymo-
logische Schreibung erweist. Sie gewährt aber andrerseits
zu wulf. harjis an. herr ags. here as. ahd. heri die ostgot.
Form hart: mit Einbusse des Nom.-s! Näheres über
dieses weitere Stadium des Auslautsgesetzes , namentlich
über die Frage, ob der Schwund des s als organischer
oder analoger Vorgang (etwa nach dem Acc.) zu fassen,
unter „Declination". Die Bedeutung von harjis in Eigen-
namen ist die auch beim ahd. Appellativum bekannte von
„miles, dux, hostis" ; 1 aber die Abschwächung derselben in
den Namen ist, wie obige Vertauschung zeigt, gross und
mitunter wird nicht gesagt werden können, wie weit es
als blosses onomatologisches Suffix empfunden wurde, das
mit dem Suffix -ano- (got. -areis an. -ere -are ags. afr.
-ere as. -eri ahd. -äri -ari -eri mhd. -aere-) zusammenfiel.
Sonst in der Interpretatio romana et graeca, dem a-Stamm
entsprechend, -arim -upio^.
LEUDERITH.
536* werden in Horn 4000 Goten befehligt von .tevöfgts
(Proc.) = ostgot. Leuderith.
Zum ersten Teil, auch im Leodifridus des Cass., vgl.
ags. leode ahd. liuti? das in Namen wie piuda nur ver-
stärkende oder verallgemeinernde Bedeutung haben wird,
wenn man nicht an ags. leod „ Fürst4* denken will.4
1 Möllenhoff, Zs. IX, 247.
* Süttcrlin, Nomina agontis 77 ff.
3 Wackernagel, Kl. Sehr. III, 404.
4 Zimmor, QF XIII, 35.
7*
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loo
MARCJA.
Zuerst als Heerführer in Gallien, dann als Commandant
eines der sieben Lager vor Koni erscheint 5;U> und .r>:i7 bei
Proc. Mayy.iaq ; wieder mit griech. Endung für got. Mark ja ;
als characteristischer Beiname entweder secundäre /Vw-Ablei-
tung zu got. marka „Mark, Grenze, Gebiet" an. m^r&ags. mearc
as. marca ahd. marcha oder einfacher Nomen agentis zu *mark-
jan an. merk ja ahd. merken „bezeichnen, wahrnehmen, ver-
stehen" (vgl. das mhd. Adj. merke „aufmerksam");1 Anknüpfung
an got. *marh an. marr ags. mearh alid. marah verbietet die
Schwäche des got. //, Proc. hätte dann Maytaq geschrieben.
H TN ILA.
Der Feldherr des Witigis, welcher i. .1. W7 zusammen
mit Pitzia vor IVrusia von einem römischen Heere ge-
schlagen und gefangen wurde, heisst bei .Jord. Hiwtrifa
Hiniila , bei Proc. OvviXa^: ein secundärcr Hypocorismus,
zu dessen Stammwort oben S. 82.
WILIOISL.
Ein Commandant von (>00 Goten in Tudertum 537
und TMS: OvhylöaXnq Proc.
Zum ersten Teil oben S. H7 f.; Ovh- für OviXt- wie
-aowita für -oovtr&a u. ä. giebt den besten Beweis für die
halbvocalische Natur des got. u\ das im Ohre des Griechen
silbenbildend klingt und den eigentlichen Wurzelvocal
verschlingt.
Zum zweiten Teil oben S. 91. Die dem Nichtgermanen
unbequeme Lautverbindung sl ist hier nicht als sei, sondern
1 Für die A mal in dea 4. Jahrhs., welche jetzt in Mommsens Jord.
122, 6 Vadawerctt heisst, geben OBXY riclitigeres -»nur- (s. Müllen-
lioff im Index); ja vielleicht ist das -marica XY in -mareia umzustellen,
welches obigem Markja an die Seite träte; dann wilrc das Etymon
auch in zweigliedrigem Ootennamon erwiesen, und aus pinem solchen
wäre obiger Mai'kja Koseform.
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101
durch Svarabhakti umgangen oder mundrecht gemacht,
während der gleichnamige Wiligisclus bei Cass. den andern
Ausweg zeigt.
W IS AND.
Öviauvöog ist bei Proc. an zwei Stellen Name eines
gotischen Heerführers, vermutlich eines und desselben.1
An der ersten Stelle führt er den Doppelnamen Oxhavdoq
ßavtidkdmoc, und hiervon ist letzteres der ursprüngliche,
normal zweigliedrige Name des Goten, ersteres characteri-
stischer Zuname. Dieser, als solcher im Germ, nicht ver-
einzelt,- ist nichts anderes als das ursprünglich dem Keltischen
entstammende an. visundr ags. wesend ahd. wisnnt mhd.
wisent wisente wisant „Wisend. Bisonochse" ; got. *wisands
mit derselben Ablautsstufe in der Ableitungssilbe wie z. B.
im got. Vogelnamen ah-aks gegenüber den an haukr <
Viqb-ukr ags. heafoc ahd. hab-uh (ebenso chran-uh). Ein
solcher Beiname passt nur zu gut für den gotischen Helden,
welcher in dem Kampfe vor Korns Toren vom Ansturm
auf Beiisar erst abliess, als ihn die dreizehnte Wunde nie-
derstreckte, welcher dann für tot auf dem Schlachtfelde
liegen blieb und erst am dritten Tage noch lebend aufge-
funden und gerettet wurde.
WANDALARI.
Sein eigentlicher Name BavdaXdgio^ ist öfter fälschlich
als secundärer Beiname gefasst und mit .Bannerträger"
übersetzt worden.3 Jedoch einmal sind bei Proc. die germ.
Titel nie mit in den griech. Text übernommen, und z. B.
alle duces, comites. saiones heissen bei ihm gleichmässig
ug/ovTfg; ferner ist das gelegentliche appellativische fidvdov
1 Dahn, Könige IV, 174.
* Ein gleichnamiger Heruler bei Proo., ein Westgote Whandus
683. 688; Förstemann, Namenbuch I, 1331.
• Wackernage), Kl. Sehr. III, 389; Dahn, Urgeschichte I, 258;
Coote, GSddV, Proc. Got. S. 54, Anm.
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102
(z. B. I, 415, 20), wenn auch sein germ. Ursprung zweifel-
los, grade das römische Heereszeichen (ebenso I, 448, 5
ßuvöntfÖQoq der römische Bannerträger); endlich bliebe für
BavdaXaQioc der ableitende Zusammenhang mit got. bandtca
handwö rätselhaft. Vielmehr ist der Name derselbe wie
der, welchen ein Amale des 4. Jahrhs. führt: Vandalarius
(al. Vandiliarius) Jord., d. i. ostgot. Wandalari, syncopiert
aus *Wandala-hari , ein mit einem Völkernamen com-
ponierter Personenname, ähnlich dem Vhiitharius bei Jord.
(Winitarius Cass. Var. XI, 1), wie Ermanarics Nachfolger
heisst, d. i. der „Wendenkämpfer".1 BavdaXu(jtog ist die un-
mittelbare Übertragung aus dem lat. Vandalarius (daher
auch das anlautende ß), ungeachtet des sonst als BavdiXm
graecisierten Volksnamens (vgl. die Var. VandilUtritts, noch
ohne Syncope und mit i als Compositionsvocal, bei Jord.
und den Ostgoten Wand'd bei Cass.). Sonst zum ersten
Teil des Namens Wand. 38 f.
WACI.
Ein weiterer aQ/fivrojv tt$ ot x urf urtjq ni'tjo- aus dem
Jahre 5:57: Ovaxi^ Proc, vielleicht derselbe wie jener Maior
domus, dessen Name bei Cass. Var. X, 18 im Acc. Waccenem
lautet. Der zu Grunde liegende , auch sonst im germ.
Namenschatze erscheinende Stamm3 kann kein andrer sein
als der in nhd. wach. Dieses aber ist ein ganz junges,
erst seit dem vorigen Jahrh. belegtes Adj.4, das in den
älteren Perioden und Dialecten durch die r-Ableitung
*wakrs an. vakr ags. wacor ahd. wacchar ersetzt wird (auch
in Namen, vgl. Odowacar u. ä.). Bei Namen ohne diese
r-Ableitung ist unmittelbar vom verbalen got. wakan an.
oaka ags. wacian as. wakön ahd. wahhen auszugehen, und
1 Müllenhoff, Zs. XII, 291, Mummsens Jord. S. 144, DA II,
8S. 120.
* Dahn, Könige IV, 174.
3 Fürstentum], Namenbuch I, 1222 f.
« Kluge, KW«.
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103
ostgot. Waci = wulf. *Wakjls ist primäre Koseform mit
dem ya-Suftix zu einem Vollnamen wie ostgot. Wacimuth
oder dem iiischriftlichen westgot. Ebrovaccus von 527 1
oder dem inschriftlichen bürg. Onovaccus von gleichem
Jahr,2 von denen die beiden letzteren deutlich das secundäre
Nomen agentis zu wakon mit dem a-Suffix zeigen. Cass.'s
Acc. Waccenem reflectiert alte /«-Bildung (vgl. wulf. * \\ akhts
* Wakin), und so scheint neben dem /«-Hypocorismus Waci
der (///-Hypocorismus Waca bestanden zu haben wie oben
S. 56 f. Theudi neben Theoda.
ALBI
Der Name des (-roten, welcher eine Gesandtschaft des
Witigis i. .1. 5:i7 zu Beiisar führte und bei Proc. im Acc.
"Jhflqv heisst , ist ein gleicher /fl-Hypocorismus zu einem
mit an. dl/r ags. wlf ahd. mlid. alp gebildeten Vollnamen:
ostgot. Albi, wulf. * Albeis. Dazu das secundäre Albila
weiter unten. Über Alp- in Eigennamen s. W. Grimms .Ein-
leitung über die Elfen",3 welcher aus der Häufigkeit solcher
Namen schliesst. „dass man sich dabei nichts Böses noch
Gehässiges dachte- ; dazu kommt, „dass seit der Bekehrung
das christliche tngil ebenso wie früherhin alp zu Namen-
bildungen gebraucht wurde und insoweit an seine Stelle
trat" : vgl. neben Albi AWila weiter unten Anyelfrith.
WILJA.
.W8 wird ein Ovh'ac (Proc.) als gotische Geisel gegen
einen Köhler eingetauscht : ostgot. Wilfa, wie der Name
bei Cass. an fünf Stellen vorkommt; primäre Koseform.4
1 CIL XII, 2.YS4.
? Wackernngel, Kl. Sehr. III, 351. 406.
3 Kl. Sehr. I, 40*) ff., besonders 439 f. 44").
* Zu dem Inrilia bei .Toni. 131, 2G h. Möllenhoff im Index. Für
Alaricus findet sieh bei Cass. Vur. die Lesart Inalaricus V (III, 1. 2. 4J.
Das in- wird hier steigernde Function haben und die ehrenvolle JJe-
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101
W1LITHEÜ.
Ein Oheim des Witigis fallt i. J. 538: bei Proc. im
Aec. Ovti&tov. Der zweite Teil, got. plus an. -per ags.
peöw ahd. deo,x bedeutet in Namen den Wehr- und
Waffenfähigen,2 womit auch eine funetionelle Stütze dafür
gewonnen ist, dass germ. *petvaz und *peg-naz (ags. pegn
ahd. degan) nur durch den grammatischen Wechsel ge-
schiedene Formen desselben Stammes sind.3
G1BIMER.
Der Oommandant von 1000 Goten in Clusium 538 bei
Proc. im Ate. rifii,ut()u.
ALBILA.
Der gotische Commandant von Orvieto in den Jahren
538 -539: l-iXptkag Proc.
MORUA.
Der Führer von 2000 Goten in Urbinum 538 : /IVo^r«,
Proc. Ostgot. Aforra, Kosebildung zu einem mit dem mau-
rischen Volksnamen (lat. Maurus, ahd. mhd. mar4) com ponierten
deutung des Namens noch besonders hervorheben sollen. Einen solchen
steigernden Zweck hat es auch sonst in der got. Composition: vgl.
htati8 „verständig* inahei „8ittsamkeitu mit aha „Sinn, Verstand",
inmaidjan und tnaidjan „verändern", 8tcinpjan, inswiiipjan, gaste i»p ja n
„stärken". Mit lnwilja vgl. man den Namen einer Gemahlin dos
Frankonkönig» Chlothars I. Ingundis bei Fredeg. 106, 19 oder den
eines Burgunden von 537 Ingildus CIL XII, 2405. Anders Wacker-
nagel, Kl. Sehr. III, 374.
1 Wand. 85 und oben S. 97; reiches Namenmaterial Zs. f. d.
Mythol. III, 141 ff.
* Müllenhoff, Zs. XII, 298.
* Vgl. schon J. Grimm, Kl. Sehr. III, 110 ff.
* Vielleicht zu vgl. Müllenhoff, DA II, 97.
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- 1 05
Vollnamen, mit ostgot. Monophthongierung1 und hypocori-
stischer Consonantendehnung.
ORAJA.
In den Jahren 538—540 wird ein Neffe des Witigis
erwähnt: Oraio Marcoll., Ovodtu^ Proc. Die schwache got.
Endung -a bei dem Lateiner entsprechend latinisiert, bei
dem Griechen in andrer Weise graecisiert. Sonst aber
bleibt die Namenbildung rätselhaft. Vielleicht steht Oruja
für Oragja mit dem unter „Sajo" näher zu behandelnden
Schwund eines g\ dann könnte Oragja = Or-hagja sein
(ostgot. ör- = wulf. *aur- „ feucht", vgl. ahd. Or-eniil und
unten u. „ Oswin", und hagja eine jcut- Ableitung zu an.
hage ags. haga ahd. hag) und als Beiname seinen Träger
als den Besitzer eines feuchten Weideplatzes (so hage im
An.) bezeichnen. Oder etwa ostgot. O-ragJa = wulf.
*Hauh-hragja „der Hochragende", vgl. ags. ofer-hragian
„überragen" ?
WACIMUTH.
Ovaxtfiog, der Sieger von Ancona 5:39, Proc. Dahn
nennt ihn WachwnU* und diese Auffassung des Namens
ist ansprechend: -/ioc bei Proc. für . ostgot. -moth, wulf.
-mops würde genau seinem ständigen -ote für ostgot. -rUh,
wulf. -rep 8 entsprechen , worüber oben S. 89 ; vgl. zu
'Eß{Hfiov& bei ihm die Var. 'Eßgi/no*;.
SISIGIS.
^ufr/ig gotischer Commandant in der Provinz der
cottischen Alpen 539, Proc.
1 Hingegen zwei Westgoten Maureco bei Julian. Toi. (Dietrich,
Aussprache d. Got. 35) und Maurila vom 3. Conc. Toi. (Dietrich 37).
• Könige IV, 174.
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Das erste in germ. Eigennamen häutige Compositions-
glied 1 Jiat man entweder als Contraction von ursprüng-
lichem sigisi-2 zu deuten gesucht3 oder an das alte sisna4
„Totenklage ~, dann überhaupt .carincn magicum" fauch in
sisesang sesspilon u. s. w.5) angeknüpft.6 Beide Er klärungs-
versuche können Kecht behalten. Das alte sisna lässt
schon in ahd. sisesang u. ä. sein w-Suftix nicht mehr er-
kennen und wird daher ebenso in vielen der Sisinand,
Sisebut, Sesuald u. s. w. stecken.7 Gut. *siswa (gegenüber
lat. sermo < *ses-mo mit selbständigem ?r-Suftix wie got.
taths-tra gegenüber lat. dex-ter) hätte als erstes Compo-
sitionsglied wulf. siswa- zu lauten, mit späterer Abschwä-
chung sistec- siswi-; wenn nun die vocalische Natur des post-
consonantischen w schon in der Wurzelsilbe so stark war,
dass es im griechischen Ohre den eigentlich silbenbildenden
Vocal übertönte, wie regelmässiges -aow$a für got. -strinfia,
häutiges Oiü/- für got. WM- zeigen, dann konnte um so
leichter obiges siswi- zu sisn- in der Compositum werden,
und dieses ist dann, wie got. filn- in Felithanr. *wisn- in
Wisibadn, sign- in Sigiwulth weiter behandelt worden.
Andrerseits jedoch wird noch in saio für got. *sagja, Dada
für *J)agila der gelegentliche Schwund des intervocalischen
spirantischen g bei folgendem * oder j zu eonstatieren sein,
und demgemäss kann Sisi- auch aus * Sigisi- über *8iisi- hervor-
gegangen sein. Wir entscheiden uns hier für die erstere Deu-
tung, weil Cass. einen Sigistner, nicht Sigisimer überliefert.
Aber die Ähnlichkeit beider Bildungen kann bei ihrer Bedeu-
1 Förstemann, Namenbuch I, 1108 ff.
* Vgl. oben 8. 85.
8 Dietrich 74; Bezzenberger, ,4-Reihe 11.
4 Graff VI, 2X1.
6 Grimm, Gdd8 235; Müllenhotr, Dm.» 550; Jcllinghuus, Korre-
spondcnzbl. d. V. f. nd. Spr. 1887, S. 77.
6 Müllcnhoir, De antiqu. Gt-rm. poesi cliorica 25; zuletzt Kögel
in Pauls Grundriß 11, 169.
' Henning will DLZ 1887, Sp. 15')0 den Wandalen Scrsao Sesao
bei Vict. Vit. ebenso als Settno, d. i. SfSico erklären. Meinen Deutungs-
versuch Wand. 06 gebe ich danach und aus andern Gründen gern auf,
möchte aber den Namen überhaupt für ungermanisch halten.
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I
107
tungsschwäche in Eigennamen früh zu mechanischer Ver-
wechslung geführt haben.
Wir behandelten bis hierher die Namen der Ostgoten,
welche uns in den historischen Quellen bis zum Ausgang
der Regierung des Witigis überliefert und mehr oder weniger
genau datiert sind. Ks mögen sich hier die Ostrogotica
aus Cassiodors Varien anschliesscn, da letztere zwischen
538 und 540 herausgegeben wurden. Ich verweise auf 8.
24 ff. , namentlich auch auf das S. 2o' Gesagte von der
Überlieferung der Varien und füge hinzu, dass es mir bei
der Niederschrift des folgenden Abschnittes vergönnt war,
die ersten 29 Aushängebogen der neuen Ausgabe (bis üb.
VIII, 2) einsehen zu dürfen. Ich gebe zunächst die Schrei-
bungen denjenigen Namen in den Varien, welche von uns
bereits behandelt wurden, weil sie noch in anderen älteren
Quellen erschienen, und schliesse dann alle die an, welche
hier zuerst begegnen.
Immer Gothi (doch Wisigothae III, 1. 3). Hawaii IV,
1. 39. V. 43 u. ö. Immer Theodericus. Amalafrida IX, 1
(Amale- Gb). Amalasuintha X, 1. 3. 8. 10. 32. Arigermis III,
3(i. 45. IV, Iii. 22. 23. 43. Gudila II, 18. V, 29. Pitzia
V, 29 (al. Pithia). Tancila II, 35. Triuuila III, 20. Jhba
IV, 17. Cunigastus VIII, 28. Immer Atlmlaricus. Wiliarit
I, 38. Immer Theodahadus. Witigis X, 31-35. Wilia I, 18.
V, 18. 19. 20. IX, 13.»
ANNA.
I, 5. IV, 18; eine primäre Koseform mit hypocoristi-
scher Doppel consonanz zu einem Vollnamen, wie ihn etwa
Anagastus. der thracisehe Befehlshaber von 4<>9, trägt;2 zu
ahd. ano mhd. am em; dazu das secundäre Anila weiter
unten, das also in seiner Function ungefähr mit Attila synonym
ist. Wieder eine Vertauschung dieses Namengliedes mit
1 Daa amalische Almenverzcidini* XI, 1: Jfamolits, Oxfroyothu,
Äthala, Winitarius, l'nimandm, Thörixmuth, Walamen Theiulinier.
* Müllenhoff, Z». X, 17.>: Stark, Kosenamen 52.
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- los
*hapus scheint vorzuliegen, wenn das Chron. Moiss. für
Thcudathus Theudadus vielmehr Theudanus schreibt.
MATJA.
I, 5 der Gen. Mazenis,* zu dessen Flexion oben S.
102 f. der Acc. Waccettem zu vgl. Das z für ti beruht auf
römischer Assibilation, über welche oben 8. 72 f. Mut ja ist
ein Neckname und bedeutet den „Esser*: got. matjan (vgl.
das matzia im got. Hexameter) zu tnats an. matr u. s. w.
„Speise".
VMBISVO.
Gehört dieser Dativ I, \\) überhaupt zu einem gotischen
Namen, so könnte Umhin- zu schreiben sein und an ags.
umbor „reeens natus" erinnert werden, das einem got.
*ttmbis entsprechen könnte wie ags. sigvr got. siyis* Aber
der Schluss des Namens bliebe trotzdem rätselhaft.
NANDWIX.
I, 24 ist der Acc. eines Sajonennamens, Nandum, schon
von Tross S. b' richtig in Nanduin gebessert. Man vgl.
den Nunticin Nentwin der Heldensage.3
Die Schreibung Nandum Hesse an sich auch eine
Auflösung als Nanduui zu, d. h. -wi(h), über welches oben
S. 74 f. Die sonstige Oberlieferung der Valien zeigt je-
doch, dass Cass. für germ. fr nur im Anlaut uu schrieb,
im Inlaut hingegen und hier auch beim ursprünglichen An-
laut der zweiten Compositionsglieder consequent einfaches
u ; so nach LPM wie nach BZG.4 Noch wäre Nandum
zu lesen möglich und damit altes got. tviu erzielt, das
Müllenhoff annahm/' da neben dem a-Stamm wih noch ein
1 Dahn, Könige IV, 164.
2 Leo, Ags. Glossar (Halle 1877), 4M2.
3 W. Grimm, Heldensage 103. 137 f.
« Vgl. oben 8. 78.
5 Schmidts Zs. f. Gesch. VIII, 210. 264. Zs. f. d. A. VI, 431,
IX, 247.
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los*
v- oder wi-Stamm herging 1 ; und wenn der Name des
Frankenkönigs Ohlodowech in den Var. II, 41. III, 3. 4
Lmluift oder Luduni geschrieben wird, dann könnten z. B.
die Chlodovius der merovingisehen Originalurkunden zu der
Conjectur Luduiu veranlassen; diese wird aber durch das
Fehlen einer grade hier so nahe liegenden lat. Flexionsen-
dung unwahrscheinlich und verbietet sich ferner durch den
Lodoin bei Jord. ; es bleibt daher auch hier bei Luduin, d. i.
Ludwin, dessen zweite Hälfte hier wiederum aus der Ver-
wechslung zweier ähnlicher Namenelemente hervorgegangen.
SAJO.
Nandwin ist der erste Sajo, welcher in den Varien
begegnet. Dieser amtliche Titel erseheint liier sein- häufig
(I. 24. II, 4. VX 20. III, 20. 48. IV, 14 u. s. w.) und ist
immer gleichmässig als sah sahnis überliefert.
Was das ostgotische Amt selbst betrifft, so sei der
Reihe nach verwiesen auf Manso M4, v. ülöden 70 f., Dahn,
Könige III, 181 ff. (hier auch ältere Litteratur), Monunsen,
NA XIV, 472 f. Nach letzterem ist der Sajo ein Subaltern-
beamter, der Agens in rebus gegenüber den Untertanen
gotischen Hechts, welcher königliche Befehle jeglichen In-
halts an die davon betroffenen Personen zu übermitteln und
ihre Ausführung zu überwachen hat. Dem Character einer
derartigen königlichen Vertrauensstellung entspricht es,
wenn wir für die Sajonen nur gotische Namen finden, wenn
also nur unmittelbare Stammesgenossen des Königs sie be-
kleiden durften.
Für die Etymologie des Wortes sind alle früheren
Deutungsversuche2 annulliert durch den Aufsatz Kögels über
die „Sacebaronon" der hex salica3. Nach dieser dankens-
werten Abhandlung gehört es zu der Wurzel seq „ folgen*
(ai. sac gr. frro/mt lat. sequi) und ist ein hieraus mittels
' Henning, RunenUenkm. 35 f.
* Zu lat. sayitm; spiitor zu an. xnjjtt ags. trct/nn a«. scf/yian
ahd. xayt'n.
3 z*. xxxiii, n m
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110
Suffixes ja abgeleitetes Adj. sagja- „folgend, begleitend":
letzteres entstand aus älterem *sagtrja- wie an. ylyr aus
*uidywjä- oder ags. meeg (pl. meegas) aus *tnagwja- (zu
magu got. magus) und deckt sich sowohl lautlich wie in
der Bedeutung mit lat. socius aus *sorp*h-s. Und wenn
dieses Adj. sagja- nach Kögel in substantivischer Function
vorliegt in as. segg ags. seeg an. aeggr, dann bietet unser
sr//0, d. i. got. *sayja, eine schwache Substantivierung dar
wie got. gamainja zu gawains u. ä.
Die graphische Consequenz in dem einheitlich über-
lieferten sah erklärt sich aus amtlichem Usus, und man ist
deshalb noch lange nicht berechtigt, ihre Eigentümlichkeiten
auf gotische Lautverhältnisse zurückzufuhren. Ein derartiger
amtlicher conservativer Kanzleieinfluss zeigte sich schon
öfter; wir fanden regelmässiges Theodericus, regelmässiges
ungeschwächtes Amala- in Compositis. regelmässiges Theo-
dahadus ohne Syneope, alles amtliche oder historische Formen,
welche eben durch ihren häufigen Gebrauch in Erlassen und
Urkunden auch für Historiker und Steinmetzen fest geworden
waren. Daher auch die lat. Endung -o; für die ostgot.
Appellati va aber darf aus dem amtlichen Terminus noch nichts
geschlossen werden, vielmehr zeigen die zahlreichen Hypo-
corismen auf -er, -//ff, -ica u. s. w. . dass got. schw. -a im
Ostgot. intact geblieben. Ebenso verhält es sich in saio
mit dem Ausfall des g. Es handelt sich hier nur (ähnlich
wie beim got. h) um eine organische Schwäche des spiran-
tischen intervocalischen g, welche letzteres mitunter in der lat,
Transscription unterdrücken Hess; dieselbe Neigung äussert
sich in lat. inschriftlichen Frualitas, Auste, Trienta, Cytheo
(— Cethego)1; und mit Hecht sagt Arth. Schmidt: .Aller-
dings ist die Form sagio gegenüber der von andern Quellen
gebrauchten Form des sah sajo als die ältere zu bezeichnen ;
die Form sah sajo hat jedoch die Fassung sagio nicht ver-
drängt, vielmehr kommen beide Formen neben einander vor,
und lässt sich speciell die Schreibweise sagio bis ins Y.\. Jahrb.
hinein verfolgen. * 2 Wenn daher auch das latinisierte sah
1 Soelmann 34«.
2 Zh. <J. Savigny-Stiftunj? IX, 2X>.
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- tu
als die Urkundenform des Titels feststeht, so ist das vul-
gärgot. Appellativuni doch ohne Bedenken als *xa</ja zu
restituieren.1
HUNSLA.
I. 20 Umcilae (Gen.): Name eines Geistlichen. Mit
dieser Lehensstellung harmoniert die, wie ich nieine, einzig
mögliche Etymologie des Namens: *Hunshi, als primäre
Koseform zu *Hunslamtmd o. ä. , von got. Inmsf „Opfer,
heiliger Dienst" an. hual ags. html. Das genn. d ist hier
zu seil bequemt.2
OANDAC.
I, M Camlacis (Gen.). Auch hei Jord. erscheint der
Name: des .Jord. Grossvater war hei einein Alanen Candar
(120, 20. 21. 22) Notar. Der Name ist also alanisch, nicht
gotisch.
BOJO.
T. 38 Boioni LJ\ Coiotri M (Dat.): Name eines unge-
treuen Vormunds; 3 Knschildung zu einem Mannesnamen,
der mit dem Volksnamen der Bojer zusammengesetzt war
(vgl. fioiorix*), keltischer Lautgehung entsprechend.5 Die
Lesart Coio wird für Goio stehen,0 d. i. ostgot. (*oja, wulf.
*Gnuja (*Gawjn)7, Koseform zu Widiyoja o. ä.
OSWIN.
Oswin heisst der Vir illustris eomcs, an welchen T, 40.
III, 20. IV. 9. IX, 8 gerichtet sind (dazu noch in IX. 9)
1 Vgl. übrigens schon Diefenbach , Vgl. Wörtorb. ilor got. Spr.
(Frankf. n. M. 1851) H, 184.
9 Wand. ö2; oben S. 100.
« Dahn, Könige IV, 147.
4 Möllenhoff, DA II, 119. 120.
s Möllenhoff, DA U, 328.
c Vgl. oben S. 05.
7 Dietrich 07. Wuml. 93.
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und welcher zweimal als Comes Dalmatiae et Suaviae er-
scheint. Die übereinstimmende Form des Namens in den
Codd. ist Osuhi (M Asnin I. 40, Osum III, 2<>, LT' Osunin
III, 20).
Man denkt zuerst an einen importierten ags. Namen
(ags. Oswine, Wids. 20, der natürlich auf *ons- *an$- zu-
rückgeht). Aber Cass. (resp. der Ostgote) pflegt die Eigen-
namen der nichtgotischen Stämme zu gotisieren: den Wand.
Geiserir nennt er mit ostgot. Monophthongierung Ge(n)sirints,
den Franken Cklodowech mit ostgot. Unterdrückung des im
Frank, stark articulierten Gutturalanlauts und mit ostgot.
Schwund des Compositionsvocals vor fr Lttduin. Demgc-
mäss würde er auch ein ags. Oswine als Atisuin wieder-
geben, zumal das erste Namenglied auch in wandil. Namen
geläufig war: sogar ein Amale heisst Atisila Jord. 77, 2,
ebenso ein Wandale Wand. 72. Wir müssen Oswin deshalb
als ostgot. Form zu deuten suchen. Der erste Teil des
Namens kann bei dem festen, nicht in u sehwankenden o
der Stammsilbe nur ostgot. Monophthongierung zeigen aus
*ans- *ausa-, der altidg. Benennung der Morgenröte: ai.
usus gr. r,(6g lat. aurora lit. auszrä.1 Nicht hierher gehört
ahd. Ör-entil2 ags. Edr-endel an. Aur-randUl, denn diese
1 Die Weiterbildung 'uus-fra- oben S. 48 in den Ostrogotae. An.
austr ags. edxt nhd. dstan „Osten" und alle hierher gehörigen Ablei-
tungen zur Bezeichnung Östlicher Himmelsrichtung sind in ihren Bil-
dungen ursprünglich zu trennen von ags. edster ahd. öntara „Ostern"
(vgl. Sievers, Beitr. V, 526): letzteres ist eine schon idg. Bildung oder
Ableitung, und das / im Namen der altgerm. Frühlingsgöttin Auströ ist,
wie das ai. usrd zeigt, nur das phonetische, nicht ableitende gerra. /
(wie in xwextr- gegenüber ai. srdsä, Dat. svasri u. s. w.) ; dagegen ist
in den Bezeichnungen für Ost und ostlich der Dental suffixal und zwar
ursprüngliches />, der an obiges aus- (vgl. lat. ausser gr. aty-ior) antrat
und nach dem * zu / wurde. Ebenso wes-t- (an. vestr ahd. tcestan) zu
it rs- m's- (vgl. lat. ven-per gr. h-xe'ea, Wisi-gothae oben 8. 48, 7); ver-
mutlich auch stid-, d. i. sund- (an. sunnan ags. sup as. süth ahd. sundan)
aus germ. sun-p- zu sun- (got. sun-n6); endlich nord- (an. norpr ags.
norp as. north ahd. novd), d. i. germ. nor-p- (vgl. an. wor-n, pl. nor-nir?
Weinhold, Zs. VI, 460).
8 Kluge stellt es hierher, EW4 254 und ebenso in Pauls Grund-
riss I, 399; dgl. W. Müller, Zur Mythologie der griechischen und
deutschen Heldensage I18H9), S. 100.
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- Ii:;
müssen gemeingerm. r, nicht 2 enthalten, weil andernfalls
im An. 7?-Umlaut, also *Eyr-vamlill zu erwarten wäre (vgl.
an. et/ra — got. amö *au2Ö, an. reyrr — got. raus *rauza l) ;
sie stellen sich vielmehr zu an. aurr Jiumus, Feuchtigkeit*1
ags. edr „Meer, Ocean--, welche demnach germ. aura-
voraussetzen 3 ; man beachte auch in der Heldensage das
Nebeneinander von Namen wie Orendel u. ä. einerseits,
Oserich (im Biterolf) u. ä. andrerseits.4
8UNA.
Ein Comes Sutia II. 7, Sana III, Kr»: an erster Stelle
mit extremem ti, an zweiter mit altem 6 geschriebene Kose-
form eines Namens, dessen eines Glied sich zu an. sdti
„Sühne" ahd. suoita .Urteil. Gericht" stell t.'''
FRUMARITH.
Ein Sajo Theoderics II, V\ Fruma rith LT, -r/7 L'M.
Das erste Glied zu got. fruma „primus*. fr ums
„initium", an. ags. frum- (ags. fruma „Anfang", as. ahd.
fruma „Nutzen, Vorteil").7
BUTILA.
II, 17 der Name eines Presbyters im Dat. Butilaui*:
//-Flexion zum Nomin. Butila , wulf. *B6tila; got. böta
1 Noreen § 68, 5.
« Zimmer, QF XIII, 57; Möllenhoff, DA I, 34, jedoch nicht
got. *auz.
» Fick, Vgl. Wörtern. III*, 7. Für das ngs. Appellativuni räremhl
— lat. Jübar* bloibt dann freilich keine andre Erklärung als die von
Müllenhoff, DA I, 33 f. versuchte, dass hier ein Eigenname zu einem
Appellativum herabgesunken sei (vgl. das an. Aurvatuiil* tä).
* Bei letzterem nimmt freilich Müllenhoff, Zs. X, 172, altes got. 6
an, weiss aber sonat ebenso wenig eine Deutung wie Heinzel, Anz.
IX, 249.
* Dahn, Könige III, 179.
* Vgl. Sunilda Jord. 91, 15 und Müllenhoff im Ind.
1 Förstemann, Namenbuch I, 436 f.; «eine locale Beschränkung
ib. widerlegt obiger Ostgote.
" Dahn, Könige III, 143.
qf. i.xviu. s*
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1U
„Nutzen* an. böt .Besserung, Ersatz, Busse" ags. bot
„Nutzen" as. böta .Heilung, Busse" ahd. bitoza .geistliehe
und rechtliche Busse". Hatte das ostgot. Appellativuni schon
eine specielle theologische Bedeutung, so kann sich Rutila
als Name eines Geistlichen zu obigem Huvsla (S. 111) stellen.
WILIGIS.
II, 20 der Dat. Wiliyis; L' Willigis mit hypocoristischer
Gemination, M' romanisiert Guiligis.
ADILA.
Die Verwaltung kirchlicher Güter in Sicilien übernimmt
nach II. 29 ein Graf Adila.
Ein secundärer Hypocorismus \ zu welchem die ostgot.
Vollnamen Aderith, Ademund, Adiuth zu vgl., und daher
nicht mit Athafa (oben S. 84) als ursprünglich suffixablautend
zu verbinden. Ad- mit tönender Spirans flu- wulf. ist
die suffixlose Wurzel zu *apal (oben a. a. ().).-
ALOISO.
So der Name eines Architecten H, :tt> im Dat. Schwer-
lich gotisch; schon sein Gewerbe spricht dagegen.
SUN1WATH.
III, VA Suvhivado der Dat. eines Namens, dessen Träger
.ad finienda iurgia" nach Samnium geschickt wird.*
Zusammenstellung des ersten Namengliedes mit obigem
Suva (S. 11:5) hindert der Stammesauslaut -i, welcher vor
folgendem Halbvocal wahrscheinlich geschwunden wäre.
Vielmehr liegt got. suuju- vor (vgl. Sunjefvith), dessen a
vor dem folgenden w getilgt wurde, sodass sunt- übrig
1 Mit dem andern .SecundäreufRx ein Westgote Adica 564, CIL
XII, 2187.
« Vgl. den westgutischen König Mh)auul/us bei Jord. (a. 410—415).
Sonst Förstemann, Namenb. I, 130 ff.
3 v. Glödcn 5">.
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115
blieb: möglich, dass die Schreibung sunhi- den alten Halb-
vocal eharacterisieren soll1; got, nun ja 2 „Wahrheit" an.
syn „Leugnen, Verweigerung" as. sannea „Not* ahd. summ
„auf Wahrheit beruhendes Rechtshindernis".
Das zweite Glied des Namens ist starkes Nomen agentis
mit dem (/-Suffix zu got. *wadan an. vapa ags. wadan ahd.
watan „gehen, dringen", wulf. *waps ostgot. wath (nach rith).'
Henning4 stellt die hierher gehörigen Namen lieber zu got.
wadi „Unterpfand" : wenigstens für die ostgot. Namen ist
das abzulehnen, weil in ihnen von der /«-Bildung des got.
Appellativums nichts zu merken ist. Wenn aber Dietrich
und nach ihm Bezzenberger 5 -vadus lesen, d. i. wulf. ~wrp-,
so ist das der gleiche Fehler, wie wenn Kremer c den Goten
Erpaniara als Erpa-mara fasst! Die Variante Sunibado
in Ml darf nicht mit dem üblichen Wechsel von v und b im
Lateinischen abgetan werden, denn got. anlautendes b blieb
natürlich auch in der Komposition explosiv: vgl. ebenso
zum //oben S. t>5 und sonst 8. !); auch kommt dieser Wechsel
z. B. bei den mit -win, -wulf componierten Namen nie vor,
obgleich deren w in der Komposition immer als v erscheint
(S. 108). Ks wird daher wiederum eine Y'ertausehung zweier
namenschliessender Konipositionsglieder, nämlich -wud- und
•bad- vorliegen."
MAIiABADU.
Marabadus, Kornes in Massilia, III, IV, 12. 4(J;
in 7i ofiäxo*\s Der erste Teil — got. *tnarha- (an. marr
1 Vgl. unter „Gundwulf".
' Schlüter, Suffix ja, 42.
8 Vgl. auslautendes -wat -und bei Förstemann, Namenbuch I, 1224.
* Runendenkmüler 113.
5 Aussprache 63. yl-Reihe 12.
6 Beitr. VIII, 43<J. Vgl. unter „Amara*.
7 Von den beiden zu Suniwath möglichen Hypocurismen kann
der eine vorliegen in Sunnia (mit hypocoristiseher Gemination), dem
Namen eines der beiden got. Geistlichen in dem bekannten Briefe des
Hieronymus um 390, der andre in dem *\Vada an. Vapi ags. IIW«
der Heldensage (Müllonhoff, Zs. VI, 02 tf.).
9 MüUcnhoff, DA II, 120.
8*
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in;
ags. mearh ahd. nutrah) „Pferd" mit geläufigem Schwund
des got. Anknüpfung an *mar warei (wulf. mari-
saiics) hindert der Stammesauslaut, dessen Färbung zu ost-
got. / hier vielleicht grade aus diacritisehen Gründen auf-
gehalten wurde.
Der zweite Teil, wulf. *badns badwa-, ist secundäre ^-Bil-
dung zu *badwa- an. bop ags. beadu „ Kampf"; vgl. den secun-
dären Hypocorismus Badwila unten.1 Dass für wulf. *badns
ostgot. Hadn ohne Nomin.-s anzusetzen, ist nach Vftahari nur
zu vermuten, nicht durch Belege zu erweisen.
WANDIL.
III, WandU, got. Befehlshaber in Avignon; so als
Dat. Ks liegt also kein secundärer Hypocorismus Wmidüa
vor . sondern ein selbständiges starkes wulf. *Wandih,
ostgot. M'andil. Der Wandalenname erseheint hier uncom-
poniert als Personenname, wie weiter unten der Dänenname,
und zwar mit der Suffixstufe des griech. Bavdilot, während
der Volksname in damaliger Zeit lat. gleiehmässig Wandalus
lautet2: der Commandant in Avignon mag also schon in
voritalienischer Zeit zu Theoderics Gefolge gehört haben
und sein unterscheidender Beiname Wandil der byzantini-
schen Periode entstammen.3 Ein solcher wird in der Be-
zeichnung vorliegen und den ursprünglichen Namen ver-
drängt haben, womit oben S. (>5 Ostrogoto „die Ostgotin"
zu vgl., und an den Namen des wandilischen Eponymus
braucht man nicht zu denken.4
IIUNIGIS.
Umgis III, 43 ein königlicher Spatharius. Mommsens
Vermutung,5 dass der Name für Vitiges verschrieben sei,
1 Sonst die reiche Sammlung bei Föratemann, Namenbuch I, 196 ff.
- Wand. 39.
8 Vgl. umgekehrt den Bavdaid^oy oben S. 102.
* J. Grimm, GddS 775.
fl NA XIV, 513, 5.
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117
weil auch dieser königlicher Spatharius heisse, scheitert an
dem Umstand, dass die Var. germ. w im Anlaut erster
Compositionsglieder immer mit vv wiedergeben. Die Schrei-
bung entbehrt nur wieder der Aspiration (vgl. Unimundus
XI, 1), und der Mann hiess Hunigis.
LEODIFRITH.
III. 48 ein Sajo Theoderies : Leodifredus, Leodefridtts V.
SENARIUS.
Senarius IV, 3. 4. 7. 11. 13 ist wohl Römer.1 Sonst
wäre ostgot. Sen-hari — wulf. Sin-harjis denkbar2 und
zum ersten Teil got. sin-teins? zu vgl.
OESILA.
Ein Sajo Theoderics . der in Tuscien ausstellende
Steuern eintreiben soll, heisst IV, 14 Gestio; ein secundärer
Hypocorismus, etwa zu Geshnund o. ä.. wie der alte Amale,4
der Typus germanischer Gefolgstreue und historischer Vor-
läufer des mythischen Hildebrand der Heldensage, heisst:5
Jord. 121, 23 Gesi- (Gise- L, Gisi- OB), Cass. Var. VIII, 9
Gensi- B, Gest- TG, Gensmund us Z. Hier kann das e der
ersten Silbe nach der oben S. 1H gegebenen Etymologie
von gis, welches idg. i enthält, nicht für i stehen : viel-
mehr ist gesi- nichts anderes als gesi- < *gaisi- < wulf.
*gaiza-*: an. geirr ags. gär as. ahd. ger? Die Varianten
1 Momm8en, NA XIV, 465, 1.
* Förstemann, Namenbuch I, 1102.
3 Feist, Got. Etymol. 8. 101.
4 Vgl. Mommsens Jord. S. 143 f.
5 Möllenhoff, Zs. XII, 251.
* Wand. 56 ff.
7 Müllenhoff, Zs. XXIII, 24; DA II, 206.
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IIS
Gis- bei Jord. werden sich umgekehrt erklären wie oben
S. 9.r> f. die Witi-ge$.x und das Gens- bei Oass. ebenso aus
romanischem Schreibereinfluss wie sein Gemhicus I. 4.2 Für
letzteren steht Geis- als die allein berechtigte wand. Dialect-
form fest , und Cass. hat den ihm etymologisch klaren
Namen in ostgot. Umschrift wiedergegeben, worüber oben
8. 112. Ge(n)siricus und Ge(n)simundns (vgl. auch V. 4:i
den westgot. Prätendenten Gesalecus mit zweifachem ey) be-
zeugen also ostgot. ges-, und für um so gesicherter kann
diese Monophthongierung gelten, als ihr Analogon 6 < au
festgestellt ist.4
GEHERIC.
IV, 20 (reberic (als Dat.: -rieh V). Senator unter Theo-
deric.:> Derselbe Name für einen Zeugen bei Marini Nr.
1:U, 2<i Gliivcrir, 51 Giberit* Endlich der alte Gotenkönig
aus der Mitte des 4. Jahrhs. bei Jord. Geberich (al. Gibe-:
-rig, rith, -riet, r/V).
Das gh des einen Citats wird zu erklären sein wie
die gleiche Schreibung im ahd. Isidor." wo vermutlich „durch
das h spirantische (bez. nach romanischer Weise palatale)
Aussprache des g vor <?, i ausgeschlossen werden" soll und
wozu germ. Lehnworte im Ital. wie ghiera, Gherardo u. s. w.
zu vgl.h.
1 Danach modificiert sich meine Erklärung vom Gizevicus des
Jord. und r#;^t^o; der Griechen Wand. 59.
2 Wand. 58; dazu besonders Seelmann 285. Joli. 8chmidts Ver-
mutung (Vocal. I, 136 f.), dass Ginxcricus Getisericus auf Vertauschung
mit einer andern selbständigen Namenbildung beruhe , bleibt ebenso
fraglich wie deren nppellative Anknüpfung an *us-gins~tian > us-
yeis-nun.
8 Vgl. hingegen Dietrich 33 f.
* Vgl. unter „Vocalismusa.
* Dahn, Könige III, 99, 5.
« Dahn, Könige IV, 187.
7 Brnunp, Ahd. Gr. § 148, 4.
8 Diez, Gr. P, 318.
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— 11<J
Sämtliche obige Stellen weisen auf ostgot. ric ohne
Nomin.-s! An der zweiten Stelle bei Marini wieder Ver-
tauschung von ric und ritIO
TUTIZAR.
IV, 27 ein Sajo Tutizar L. Tzutizar I\ Tzatzar M\
Tznttzur M'.2 Sein Name bleibt völlig dunkel.8 Vielleicht
weist seine Endung auf alanischen Ursprung: unten u.
„Goar".
AM ÄRA.
IV. 27. 2S ein Sajo Amata.'1 Eine Conjectur Aniaht,
welche nahe liegen könnte, verbietet sich durch die varianten-
freie Uberlieferung: dazu ist die gleiche Gestalt des Namens
in einer Inschrift von Aquileja bewahrt:* und sie ist auch
in der Benennung des got. Nationalhelden enthalten, der
hei Jord. b5. 4 Eterpamara heisst. Letztere Stelle lautet
jetzt in Mommsens Text: „Ante quo* etiam maiorum facta
moitulationibus citharisque canehant , Eterpamara , Hanale,
Fridigerni, Vidigoiae et aliorum, quorum in hac gente magna
opinio est, \ und Möllenhoff im Index weiss für Eter-
pamara keine Deutung. Ich schlage vor zu lesen :
canebant et Erpamara et aliorum mit
correspondierendem et — et (vgl. () und besonders XY)."'
In dem so hergestellten Erpamara vgl. man das erste Glied
Erp- etwa mit dem Franken Erpo Herpo bei Fred. 120,
11. 140, 14. 141, 22 u. ö. oder dem an. Erp, dem Stief-
bruder der Schwanhild, oder dem mhd. Erpfe, dem Sohn
1 Da die Bedeutung hier wohl nur * Giba-repn, nicht *Gfb«-reip$
zulftsst, so ist für diese Charta damnntae litis der ostgot., nicht langob.
Ursprung erwieson ; denn die Langobarden habon schon d für got. e
(Meyer 8. 263), müssten also Giberdt haben. Damit ist Dahns Zweifel
(Kön. IV, 187) gehoben.
2 Dahn, Könige III, Iis, 2.
3 Vgl. Müllcnhoff in Monimsen» .lord. S. 149.
4 CIL V, 1583.
1 Ähnlich schon Dietrich 98.
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Etzels im Biterolf, u. s. w. : an. jdrpr „dunkelbraun" ags.
eorp ahd. erpf .fuscus".1 Der zweite Teil ist obiger Amara,
dessen Etymologie freilich fraglich bleibt. Am nächsten
läge Erpamara einfach als w Goldammer" zu übersetzen
(ahd. amero *amaro) und in ihm irgend einen bezeichnenden
Beinamen zu sehen. Oder Amara stellt sich als Hatnara
zu got. *hamars an. hamarr ags. hamor as. hamur ahd.
ha mar, das ursprünglich eine steinerne Waffe bedeuten soll.2
DUDA.
Name eines Comes IV. 27 Dada, IV. 28 Duda M1,
Dudda LPM1 (mit hypocoristischer Consonantendehnung) ;
eines Sajo IV. 32. M Duda L'PM*. Dudda L'M1. Dahn und
Mommsen :1 sehen kein Hindernis beide zu identificieren.
Dagegen überliefern die Hss. IV, Guda, nicht Duda.
Die Ausführungen von Stark4 über die vorliegende
und ähnliche Namenbildungen sind haltlos und kommen zumal
für unsere frühe Sprachperiode nicht in Betracht. Die Auf-
zählungen bei Förstemann/ namentlich ahd. Formen wie Tuata
Tuota (dazwischen freilich in bunter Verwirrung auch 'louta und
andere ganz heterogene Bildungen ), scheinen auf ein got. *D6da
zu führen, wovon obiger Duda dieostgot Entwicklung mit ex-
tremer Vocalfärbung zeigen könnte : jedoch dann wäre dieses A
für a wohl kaum an allen Stellen so consequent geschrieben, und
die Etymologie dieses Dada bliebe ebenfalls dunkel. Ich weiss
keinen andern Ausweg als wieder einen Spitznamen anzu-
nehmen , der auf eine körperliche Eigentümlichkeit seines
Trägers anspielte, und in ihm die got. Entsprechung zu ahd.
tut(t)o tut(t)a mhd. ttdte {tüttel, tütelin) „ Brustwarze, Brust" zu
1 Grimm, Zs. III, 152; 8. auch Kroraer, Beitr. VIII, 436, aber
nicht *Erpa-mar», oben S. 1 15. Vgl. das urverwandte gr. opprdt „dunkel"
und den gr. Eigennamen 'O^ftv (Fick, Vgl. Wörterb. III*, 37); zur
Bedeutung etwa auch Zimmer, QF XIII, 33.
2 Kluge, EW4 untor ,Haramertt. Förstemann, Namenbuch I, 601.
» Könige III, 181; NA XIV, 478, 3.
* Kosenamen 33 ff.
5 Namenbuch I, 339 ff.
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121
sehen (vgl. got. daddja ahd. tdju .säuge", zur Bedeutung
vielleicht lett. dein .Sohn" zu de ja „ sauge" Das se-
cundäre Dud'da im Namen eines Westgoten von 64b.2
TUFA.
Tufa IV, 32 3 wird von Mommsen4 mit dem Mag. mil.
Odowacars identifiziert, welcher zu Theoderic überging (z. B.
Anon. Val. § 51). Folglich ist er kein Ostgote von Haus
aus, und seine rätselhafte Namensform5 kann hier ausser
Betracht bleiben.
THEODAGUNDI.
IV, 37 heisst eine Femina illustris Theodagunda L\
-(junta nach den meisten Laterculis.ß
Für die Endung des zweiten Teils kann ganz auf das
oben S. 86 über got. *hildi Gesagte verwiesen werden.
Danach ist -gunda wahrscheinlich Latinisierung von ostgot.
-gundi wulf. *gunj>i an. gupr gunnr ahd. gundia. Wieder
ostgot. tönende Spirans wie noch in Gundih'ddi Gun-
dirit Gundimer für wulf. welches bei Jord. im Namen
seines Chefs Gunthicis (126, 23) 7 und des alten Goten-
1 Feist, Got. Etymol. S. 22.
2 Wollte man ausnahmsweise ein Abstractura als characteristis -hen
Zunamen einer Person gelten lassen, so wäre an das Suffix ~dApi- zu
denken (got. ajuk~, intkil-, gotnain-düps); aus einer solchen Bildung
( vgl. lat. Heren-tas als Namen der pftlign. Venus mit demselben Suffix,
Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 202) könnte D&da (mit jüngerem ostgot d
im Inlaut) eine Koseform sein, und das Suffix wäre wie das zweite Glied
eines Compositum« empfunden: Brugmann 291 Anm.
* Dahn, Könige IV, 139, 1.
4 NA XIV, 505, 3.
5 Stark, Kosenamen 117. Fersteroanns Deutung aus an. dubba
„schlagen*, KZ III, 311, bleibt willkürlich.
• Dahn, Könige III, 27 f.
' D. i. Gunthigis, zu dem c oben S. 65. Sein Zuname Baza
(Batzas auch ein Führer gegen die Saracenen bei Marcell., Rone II,
325) steht mit Assimilation {8. 72) für *Baia oder *Batja und ist Kose-
form zu einem Vollnamen, der wie der Bat-wins des got. Kai. entweder
mit dem Volksnanicn der Butaver, Batten componiert war f J. Grimm,
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fuhrers Gunthericns aus der Zeit Ostrogotas (81, 16). auch
in Guntio, d. i. got. *Gunpja, und Guntelda einer freilich
undatierten Inschrift von Comum 1 bewahrt geblieben.
OÜDA.
IV. «9 GW« (nicht Uiicfa, S. 120). Vgl. oben S. 72.
GUD1SCALC.
Der Name eines Sajonen Theoderics lautet IV. 47 im
Dat. Gudisal V, Guodiscalco U, Godiscalco P, sodass die
Herstellung Gudiscalc- unbedenklich ist.2 Da die zahlreichen
mit got. f/H/> componierten Gotennamen ganz constantes u
in der Überlieferung zeigen . so wird dieser vereinzelte
Wechsel von Gudi- und Godi- für ostgot. o, wulf. 6, also für
got. f/öds an. gopr u. s. w. sprechen.
Der zweite Teil zu got. skalks an. skälkr ags. sceah
as. »kalk ahd. scalch .Dienstmann % ohne dass über die
ostgot. Endung etwas überliefert wäre.3
FRIDIBADU.
Laut IV. 49 wird Fridibadus an die Spitze der Pro-
vinz Suavia gestellt.
Zs. VII, 471 ff.; Müllenhoff, Zs. IX, 235) oder einfacher mit germ. batn-
„gut" (Dietrich 84; Zimmer, QF XIII, 89); da letztere«, abgesehen vom
ahd. mhd. Adv. baz, nur aus den comparativen und Superlativen Bil-
dungen bekannt ist, ho wäre an die griech. Eigennamen mit «//;6a» ugtaro;
zu erinnern (Fick, Personennamen 9. 14. 101. 104).
1 CIL V, 5415.
1 Der Name rodltioxloi eines Goten bei Proc. 1, 39, 22 ist da-
gegen leicht in roSiyiaxko; gebessert, wie er den gleichnamigen Wan-
dalenkönig (al. /Wi-) nennt; zum zweiten Teile oben 8. 91, sonst
Wand. 51 f.
3 Jedoch Ascutr, der Name eines Clienten des Thorismud, Jord.
110, 12.
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12:t
MANNILA.
V. o ein Sajo Theoderics Mannila. Wiederum ein se-
cundärer Hypoeorismus , woneben der primäre in dem
Testamentsaussteller Manna bei Marini Nr. 75 überliefert.
Letztere Koseform deckt sich also ganz mit dem got. Appel la-
tivum manna (an. mapr ags. mon as. ahd. man). Vergleicht
man das massenhafte Vorkommen von gr. dvrjo avdyo- in
gnech. Personennamen, 1 so ist es überflüssig für die Be-
deutung von manna in Eigennamen eine Verallgemeinerung2
oder mythologische Beziehung3 anzunehmen.
WERA.
V, 10 ein Sajo Vera (Dat. Verani, Verano V mit Cha-
racterisierung der >j-Flexion). Auffallig ist die Schreibung
r. da die Varien sonst im germ. Wortanfang w schreiben,
doch wird sie auf Beeinflussung durch das tatsächlich ur-
verwandte lat. verus zurückzuführen sein. Letzteres be-
günstigte auch die Schreibung e, nicht / für ostgot. e\ vgl.
unten Sisivera neben -cira. Wera ist primäre Koseform,4
zu welcher der Wöreka, d. i. Werika des got. Kai. die se-
cundäre Bildung stellt, Got, *trers (davon alla-werei) ags.
iah- u. s. w. ; zur Bedeutung (ursprünglich freund lieh",
vgl. unwerjan .unwillig sein"; „wahr" ist got. sunjis) s.
Kluge im KW 4 unter „albern".
GUDINANTH.
V. 19 ein Sajo Gudinandus. Auf die ostgot. Endung
-nanth führt der Willjmant der Neapeler Urkunde.
ALI WULF.
V. 2i) der Dat. Aliulf o (Ailuffo P'). Der halbvocalische
Anlaut des zweiten Compositionsgliedes führt für das erste
1 Kick II. 102. 153.
* Denkendes, sinnbegabtes Wesen: Müllenhoff, Zs. f. Gesch.
VIII, 219.
» Mannus bei Tbc: Fiok, Vgl. Wß IIP, 230.
4 Ebenso heisHt ein Westgote von 693.
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nicht auf wulf. sondern alja- (vgl. alja-kuns, alju-leikö):
got. aljis „alius" (in an. elli-gar ags. eli-cor el-cor as. ef-ror
ahd. eli-chor), in Namen wohl mit der Bedeutung „pere-
grinus" wie in ahd. eli-lenti as. eli-lendi. Die Schreibung
AiU P' braucht nicht nur auf graphischer Umstellung zu
beruhen, sondern kann auf Verwechslung mit Agil- weisen
(oben S. 91), dessen g wie das in saio schwand.
TATA.
V, 2.'.t der Acc. Tatanem. Zur Etymologie weiss ich
hier noch ebenso wenig beizubringen wie Wand. 84. 1 Die
Deutung Kögels, welcher2 das Nebeneinander von Tatto
und Tusso in langob. Urkunden für einen Beleg des im
Werden begriffenen Lautwandels tt > ss (wie Ckatti > Hassi)
hält, beruht auf einem Anachronismus. Für diesen Laut-
process können wohl Formen wie Chatti und Hassi sprechen,
zwischen deren Überlieferung Jahrhunderte liegen3; ganz
unwahrscheinlich aber bleibt, dass das junge Langobardische
des sechsten und späterer Jahrhunderte Tatto und Tasso
neben einander haben soll, während schon das Got. des 4.
Jahrhs. den gleichen Lautvorgang vollendet hat, wie mw-
gatass 1 beweist. Kögel verschweigt jedoch , dass in den
erwähnten Urkunden neben Tatto auch Tuto erscheint*;
hiernach ist das tt in Tatto vielmehr nichts weiter als die
geläufige hypoeoristische Gemination und Tato = ostgot.
Tata. Da die Langob. aber germ. t sonst verschieben," so
bleibt Meyers Deutung des Namens , welche von einer
internationalen kindlichen Lallform ausgeht, vorläufig der
einzige Ausweg.7
1 Die dort für die Schreibung Tföior gemutmasste germ. Grund-
form i»t mit obigem Tata belegt.
- Beitr. VII, 197; ebenso Brugmann, Vgl. Gr. I, 384.
5 Kögel a. a. O. 178.
4 Kögel a. a. 0. 177.
5 Meyer, Langob., im Glossar.
8 Meyer 267.
7 Vgl. noch Diefenbach I, 81; J. Grimm, GddS 272, Kl. Sehr.
III, 412; Wackernagol, Kl. Sehr. III, 410 f.
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- 125
WILIHARI.
Ein Comes V, 23 im Acc. Wiliarium.
BACAUDA.
Dieser Name des Tribuns von Mailand V, 25 ist
keltisch,1 und Mommson2 erkennt in ihm überhaupt keinen
Goten, wie Dahn.!*
GÜDWIN.
Ein Sajonenname V, 27 Gudui LP\ Guduin P1 und V,
30 Gudui L, Guduin P.
Schwund des Fugenvocals vor Halbvocal. Ist in Gudui
nicht nur der Kürzungsstrich für n über dem i vergessen,
dann liegt Yertauschung von -w/(A) und -irin vor.
NEUDI.
Der Name eines Vir illustris, der V, 29 im Dativ
Neudi L, Heudi P\ Nendi P* lautet,4 ist Hypocorismus mit
dem Ja-Suffix zu einem mit got. *niups ags. neöd as. niud
ahd. niot „ Verlangen * 5 (dazu as. niudsam ahd. nietsam „an-
genehm*, mhd. nietliche „mit Eifer") componierten Voll-
namen. Will man nach P1 Heudi in Theudi bessern, so ist
dazu auf S. 56 f. zu verweisen. Doch könnte Heudi auch für
Eudi stehen und eine gleiche Koseform etwa zu Eutharic reflec-
tieren. Man beachte wieder das ostgot. eu. Die Endung
-t kann sowohl dem lat. Dat., wie dem unflectiert ge-
brauchten ostgot. Nomin. entsprechen.
1 Vgl. z. B. Kremer, Beitr. VIII, 450. 8. noch die Anm. u.
„Totila \
* NA XIV, 495, 6.
3 Könige III, 175, 5. Ein gleichnamiger Westgotc 652.
4 Dahn, Könige IV, 164.
5 Zimmer, Zg. XIX, 457, führt dies zwar als Bpeoifisch westgerm.
Wort an, man vgl. jedoch hierzu seine eigenen Bedenken ib. 43S.
<
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ANDWIT
V, 29 Andtiit 1 als Gen., also unflektiert gebrauchter
ostgot. Noniin. ohne -s. Denselben Namen führt ein wand.
Presbyter, man vgl. daher Wand. o2;4- doch kann das zweite
Namenglied auch wulf. -ir«7- sein, dann wäre oben S. 95
zu vgl. und Amhrit etwa = „Vergelter".3
OPPA.
V, 29 der Abi. Oppaae. Diese Kosebildung Oppa.
welche auch ein Westgote von b'8:t führt, kann nicht zu
späterem deutschen Oppa Oppo gestellt werden , welche
wohl aus ahd. Otbert, doch nicht aus ostgot. * Odabert- con-
trahiert werden konnten. Desgleichen verbietet sich die
Annahme einer Assimilation aus *Opta im Hinblick auf den
S. 97 ff. behandelten Optarith, denn hier war ja pt nur un-
germ. Schreibung für genn. //. und eine Assimilation könnte
allenfalls Ojfa ergeben, wie der Name im Ags. bekannt ist,4
wird aber überhaupt unwahrscheinlich durch das secundäre
Optila bei Jord. 10, das die ursprüngliche Consonanz
A
unangetastet zeigt. Will man daher Oppa nicht als Oppa
(mit hypocoristischem pp) fassen, d. i. ostgot. Höjw < wulf.
* Ilaapa zu *haups (neben *htipah) .Haufe, Schaar," also
als Koseform etwa zu *Haupareiks o. ä.r*, dann wird Storks
Annahme7 einer keltischen Bildung die beste Lösung bleiben.
' Dahn, Könige IV, 150, Iiier Ochar genannt: geringere Hss.
haben für Anduit rätselhaftes Oceri.
* Vgl. noch Wackernagel, Kl. Sehr. III, 374.
* Der Name eines A malen erscheint Jord. 111, 22. 126, 23 im
Gen. als Audagi.s Andages. Es ist nicht einzusehen, weshalb Möllenhoff
im Index den Nomin. als Andng herstellt: Anda-gis ist eine normale
got. Namensform , zu deren zweitem (Jliede obon 8. 91 zu vgl. Der
Vater dieses Andugis heisst Jord. 126, 24 im Gen. Amhlc, d. i. Andehte
Andilae^ und Audila ist secundärer Hypocorismus.
* Möllenhoff, Beovulf 71 ff.
5 Kluge, E\V< unter „Haufe".
6 Vgl. Opi, Ilopi, Aopi bei Förstemann I, 971.
7 Kosenamen 118, 1.
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121
COSTULA.
V. 30 Costula; derselbe Name, nur mit Suffixablaut,
im Costila der Neap. Urkunde. Das gleichmässige o in
beiden Quellen hindert die gewöhnliche Zusammenstellung
mit got. kustus n Prüfung" oder yakusts an. kostr as. kust
ahd. chost „arbitrium",1 und Stark*2 keltische Deutung des
Namens behält ihre Geltung.
DAILA.
V, 30 Dada. Da das Ostgot. altes ai zu e mono-
phthongiert, so kann Daifu nur Dayila sein mit Ausfall des
spirantischen y vor folgendem / wie in s<j/o.3 Dayila, auch
Name eines Wandalen,4 ist secundärer Hypoeorismus eines
mit got. days an. dagr u. s. w. (in Namen etwa Jux, splen-
dor*) tomponierten Vollnamens.
BRANDILA.
Der Name eines Ehebrüchigen , Über den Theoderic
V, 32. 33 verhandeln lässt , lautet an beiden Stellen im
Texte BrandUa, in den Laterculis zu V, 32 Bland da. An.
brandr ags. brand ahd. brant; für die Bedeutung vgl. mhd.
brant „ Brand, blitzendes Schwert4" und das aus dem Deutschen
entlehnte gemeinromanische brando „Schwert". Die Schrei-
bung Blundda zeigt jüngeren romanischen Schreibereinfluss,
indem postconsonantisches germ. r mit / verwechselt ist/'
PA(H)TJA.
Der Name eines got. Soldaten V, 32. 33 im Gen.
Patzenis (al. Pathenis, Pattenis). Zur Schreibung U s. oben
1 Dietrich 70.
* Wiener Sitz.-Ber. LIX, 219 f.
* Hoohfrfink. Teino < Tayino: Kostiinna, QF XLVI, 19.
4 Wand. 62.
6 Stark, Kosenamen 59; Diez, Gr. I", 311.
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12H
S. 72 f., zur Endung vgl. Waccenew S. ll>3, Mozems S. 108.
P(///Vi kann für *Pahtja stehen und der Name möglicher-
weise, „Pächter* bedeutend, für eine frühzeitige germ. Ent-
lehnung des lat. iKictum pactus zeugen: vgl. mhd. pfahte
neben paht.
WILITIIANC.
V, 33 ein Dux Wilitancus. Die lat. Flexion entspricht
dem Nomen agentis mit Suffix a.{ Den ostgot. Abfall des
Nomin.-« werden Felithanc und Riccithanc bezeugen.
LIUVIRITH.
Ein Comes unter Theoderic heisst V, 35 Livvirit L,
Liuuri P\ Luit fr id Vy ; dazu der Vir sublimis V, 39 Liuerit
L\ Libertino L'P. Die beiden ersten Schreibungen weisen
auf got. Hubs an. ljufr u. s. w. : Livvi- ist Liuvi- mit v
für spirantisches got. b; dagegen ist got. *hliwa- (vgl. den
IIlewagastiR des goldnen Horns1) fernzuhalten, weil die
Varien für inlautendes germ. w nur v schreiben. In Liuerit
steht u für uu wie oben in Aliulf o.
STARCHEDI.
V, 3« der Dat. Starcedio. *St«rce-dius als wulf. *Starki-
pius zu lesen verbietet das d. Daher ist Starc-edius zu
trennen, das ich als ostgot. Starc-rdi, wulf. *Stark-aipeis
fasse, d. i. „der fest Vereidete1* (vgl. uf-aipeis): an. sterhr
ags. stearc u. s. w. und got. aips an. eipr ags. Ctp as. Sth
ahd. eid.z Man vgl. den Gotenführer Argaithus aus der
Zeit Ostrogotas bei Jord. 81, 16 (dazu Möllenhoff im Index)
1 Ebenso Alatattcus CIL V, 8738, Untancus CIL VIII, 8650,
letzterer mit pmativem Präßx, vgl. Fick, Personennamen CXCI1I.
2 Burg 19. 21.
8 Förstemann, Namenbuch I, 1121 ff. 581 ff. Zum zweiten Teil
vgl. noch KiHulf ohon S. 71, 4.
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- 129 —
noch ohne Monophthongierung (ebenso ein Langobarde Argait
bei Paul. bist. Langob. 173, 2. 4. 12).
SIGISMER.
VIII, 2 der Name eines got. Grafen im Acc. Sigis-
merem.
TOLWIN.
Der vornehme und mit dem Geschlechte der A malen
verwandte Gote Tohvin beteiligte sich an den Expeditionen
504 nach Sirmium, 510 gegen die Franken, 523 nach Gallien
und ist der einzige Gote, welcher zum Patriciat gelangte.1
Für seinen Namen citiere ich folgende Lesarten:
VIII, 9 Tuluitn ß Tuluin Z Tholuin G,
VIII, 10 Tolu(i)n B Tolnin Z Tolnm GT,
VIII, 25 Tholui B Thohn Z Thohtii G,
VIII, 25 Toluit B Tholuit Z Thohtii G,
weil sie ein deutliches Bild davon geben können, wie leicht
ähnlich klingende zweite Namenelemente mit einander ver-
tauscht werden: tritt (-um VIII, 10 G' T — - -ttin\ -otii VIII.
25 G ~ oiny wozu unter „Halbvocale"), irili, trit. Der erste.
Teil des Namens scheint mit seinem o- und «-Wechsel
auf ostgot. wulf. 6 zu deuten und wäre dann mit an.
toi ags. töf „Werkzeug* identisch; und damit fiele die auch
sonst unwahrscheinliche Etymologie Leos2, der für letzteres
Contraction aus teorel mutmasst. Jedenfalls spricht die
sonstige Überlieferung des germ. kurzen u im Ostgot.3
nicht für hier vorliegendes got. pulan an. fwla ags. poliatt
as. tholian tholön ahd. dolett mhd. doln, das hier etwa grade
so zur Namenbildung verwandt wäre wie sonst seine dentale
Weiterbildung (ahd. diäten)* und im übrigen die zahlreichen
1 Dahn, Könige IH , 29 f., Urgeschichte I, 291 f.; Mommsen,
NA XIV, 515.
• Ags. Glos«. 129.
* Vgl. unter „Vooalismus*.
4 Förstemann, Namenbuch I, 1199.
QF. LXVIII. 9
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IM)
mit gr. raXai- -rka*; rlrj- rokuo- gebildeten tiriechennamen 1
vergleichen hiesse.
QUIDILA.
Quidila (im Acc. -anem) heisst VIII, 26. IX, 10 der
Prior für die Goten in Reate und Nursia.2 Seine Namens-
form wird bestätigt durch die Inschrift einer ostgotischen
Fibel von Silber, gefunden in Casteldavio bei Mantua, an-
gekauft von dem Antiquar Amilcar Ancona in Mailand;
dieselbe lautet nach Mowat:3 Quiddüa vivas in deo; also
derselbe Name wie der obige bei Oass., nur mit hypoco-
ristischerConsonantendehnung. Ob Quidila als der ,, Schwätzer"
zu got. qip an an. kvepa ags. cwepan as. quedan ahd. quedan
gehört oder zu got. qipus an. kvipr ags. cvip ahd. quiti,
bleibt dahingestellt; in letzterem Falle wäre an Watnba,
Mamma u. ä., sowie an griechische mit yaartjg gebildete Per-
sonennamen4 zu erinnern.
8IBJA.
VIII, 2b' der Vater des vorigen: Sibia; primäre Kose-
form (die secundäre im *Sibika an. Sifka ags. Sifeca mhd.
Sibiche der Heldensage) zu einem Vollnamen, der compo-
niert war mit got. sihja an. sifjar (pl.) ags. sibb as. sibbea
ahd. sippa (dessen ursprüngliche Bedeutung „Friede,
Freundschaft- Ä hier erhalten sein mag) oder dem Adj. got.
sibjis an. sifr si/i ahd. sippi.
DUMERITH.
VIII, 27 ein Sajo Athalarics Dumerit (so der Dat.).
1 Fick, Personcnnamen 80. 135. 213.
» Dahn, Könige IV, 173, 4. Die Änderung in Gudila III, 6C, 1
verbietet sich noch Obigem.
» Vgl. oben 8. 86, 2.
* Fick 20. 161.
* Grimm, Rochttmltertumer 407.
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— 131 -
THANCA.
VIII, 28 der Abi. Tancane.
GILDILA.
Der Cornea von Syracus unter Athalaric IX, 11. 14
Gildila; Koseform etwa zu Whwßld o. ä.
WITIOISL.
IX, 11 Witigisclus.
WILIGI8L.
IX, 12 Witigisclus. Z sehreibt Ubili-, wozu Henning,
Runendenkmäler 113 zu vgl.1
WACCA.
X, 18 der Acc. Waccenem. Vrgl. oben S. 102 f.
GUDELICüjVA.
Von der Gemahlin des Theodahath, die nur hier ge-
nannt wird, rühren X, 20. 21. 23. 24 her: Gudeliua (al.
-lina, -uela). Das zweite Glied -liua kann zunächst -liva
— got. -liba mit spirantischem b und daher ein Nomen
agentis mit dem Suffix ä sein zu got. liban an. Ufa u. s. w. :
dann wäre an Holthausens * Requa-liva-hanm- zu erinnern
und an die zahlreichen Namen, welche dieselbe Wurzel
mit starker Ablautsstufe enthalten (got. laiba an. leif as.
leba ahd. leiba). Wahrscheinlicher jedoch werden wir -liua
als -liuua zu lesen haben wie oben S. 128 Liuerit als
Liuueril und S. 123 Aliulf o als Aliuulfo, d. i. -liuva — wulf.
1 Momm8on transscribiert in der neuen Varien-Ausgabe germ.
anlautendes w mit VV; nicht glücklich ; wollte er die zunächst liegende
Ligatur W durchaus vermeiden, wäre Uv dio correcteste Dihftrese
gewesen.
* Vgl oben S. 77, 10.
9*
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1*2
liuba, dann ist nur auf Here-leiwa oben S. bl f. zu verweisen
(GudeueUt X, 24 B vorschrieben aus Gndeleua, d. i. -leura),
und der Name ist die movierto Form zu Gudeleuh (s. u.).
RANILDI.
X, 1(> heisst eine Gotin, welche zum orthodoxen Ka-
tholieismus übergetreten, Ramida. Derselbe Name bei Marini
Nr. SU. II, 4 ohne Syneope als Ramhilda. Sein erstes Com-
positionsglied hat letzthin Henning1 ausführlich behandelt;
er giebt ein reiches, kritisch gesichtetes Namenmaterial
und knüpft an got. *rana an. rani an, das die Schnauze
des Ebers, vor allem aber in technischer Anwendung die
keilförmige Spitze der nach dem Eberkopf als svinfylcing
zubenannten Schlachtordnung bedeutet, so dass die Namen
mit rani- sich dem Sinne nach zu denen mit liari- und
folc- stellen.
WISIBADU.
Ein gotischer Graf aus edlem Geschlechte2 heisst X,
29 Visibadus B, Wisivadus Z, Winsibaidas G. Wisi- ist nicht
mehr an ahd. tcisan u. s. w.,3 auch nicht mehr an ahd.
irisa „pratum* 4 anzuknüpfen, sondern entweder an das
erste Oompositionsglied der Wisi-gothae (s. o. S. 112, 1 und
vgl. Os-u itt) r* oder wahrscheinlicher an das in Eigennamen
allen lndogermanen geläufige *wesu .gut" wulf. *tcisu- ost-
got. ivisi- (vgl. ai. väsu- av. vohu- illyr. res- agall. vesu-
ahd. www-).6 Für den zweiten Teil des Namens ist nach
den von einander unabhängigen B und G der Anlaut b- zu
acceptieren und v- in Z durch Vertauschung von -tcaih und
-badu zu erklären, wozu oben S. 115 zu vgl.
1 Runendenkmäler 10 ff. 135 ff.
• Dahn, Konige III, 28. IV, 165.
' Wand. 48.
4 Henning, ÜLZ 1887, Sp. 1550: Milllonhoff, DA II, 216.
6 Ehri8mann, Literaturblatt 1887, Sp. 468.
6 Kogel, ib. 108: ßrugmann, Vgl. Or. II, I, 25.
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DAN.
XI, 10 erscheint der Dänenname als Personenname für
einen kranken Famulus, wie oben S. 116 der Wandalen-
name. Lat. Dauns (der Gen. Dani ist überliefert) -~ wulf.
*Dans (wie *Guts .der Gote1*) ostgot. Dan; man vgl. den-
selben Namen in den dänischen Königslisten und sonst
Möllenhoff, Beovulf 29 f. 34 if.
TULGILO.
An das damit abgeschlossene ostgotische Namen-
material aus den Varien schliesst sich zunächst die Urkunde
Nr. 114 bei Marini, die aus den Jahren 539 — 546 stammt
und über den Grundstückverkauf einer Witwe Tulgilo
ausgestellt ist.1 Der Name der letzteren lautet 21. 39. 76
Thulgilo. 79 Tulgilo, 99 im Abi. Tulgilam. Tulgilo ist se-
cundärer Hypocorismus Feminini'- zu einem Vollnamen,
dessen eines Glied zu got. tulgus „fest, standhaft", as.
tulgo „sehr" gehört.3
WITTERITH.
-
Ib. 14 Witterit. Der gleiche Name lautet für einen
Wandalen bei Vitt. Vit. Vitarit* Witterith mit hypoeo-
ristischem tt.
HILDEBADU.
Der Commandant von Verona, Oheim des Totila und
Neffe des Theudi, wurde 540 durch die nördlich vom Po
ansässigen Goten auf den Tron berufen, blieb in hitzigem
Gefecht Sieger gegen den kaiserlichen Feldherrn Vitalius,
starb aber bald durch Meuchelmord: Heldebadus Marcell.,
Jord. (al. Eide-, Hilde-), Paul. (al. Hilde-), ' IWßaöoq Proc.
1 Dahn, Könige IV, 183.
1 Der primäre Maso. z. B. im Namen eines Westgotenkönigs
Tulga Fredeg. 121, 20. 162, 20. 163, 1.
3 Förstemann, KZ III, 117, denkt an an. dohj u. 8. w., was an
dem Anlaut des Namens scheitert.
* Wand. 68.
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134
8ENDEFARA.
Eine Inschrift aus Dertona vom Jahre Ml1 liefert
den Namen Sendefara. Zum Wurzelvocal des ersten Gliedes
vgl. -suentha und unten u. „Vocalismus". Das zweite Glied
liegt noch in Theudifara, Wilifara vor und hezeugt mit
diesen das Femininum trotz dem in der Inschrift folgenden
„qui vixita, welches ein im späteren Inschriftenlatein keines-
wegs vereinzelter grammatischer Fehler ist:2 -fara ist
Nomen agentis mit dem d-Suffix zu got. ags. as. ahd. faran
an. fara und als solches formell identisch mit dem Ab-
stractum an. for ags. faru ahd. fara? Sonst vgl. man
Förstemann, Namenbuch I, 398 ff. und griech. Namen wie
8EDA.
Eine ravennatische Inschrift von 541 5 nennt den bei
Thcoderics Tode 25jährigen Vir sbl. Seda iynncus et cubi-
cularius regis Theoderici. Sgda ist primäre Koseform eines
mit got. sidus an. sipr ags. as. sidu ahd. situ componierten
Vollnamens. Man vgl. schon den Quaden Sido bei Tac.
Ann. 12, 29, ferner Förstemann T Namenbuch I, 1110 f.
und griech. Namencomposita mit /)#oc.6
TOTILA.
Nachfolger des Witigis oder genauer des Hildebadu
wurde der Neffe des letzteren, Totila (541—552). Die grosse
Schlacht bei den Busta Gallorum 552 brachte ihm den
Heldentod.
1 CIL V, 7414.
* Vgl. unten 8. 155.
a Zimmer, QF XIII, 250. Das Mase. zu obigem -fara in ahd-
ein-far (Graff III, 574) „soliyagus*.
4 Fick, Personennamen 133.
» CIL XI, 310.
8 Fick 114.
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135
Die Form seines Namens steht als Totila fest. Über
die graecisierte Endung in gelegentlichem Totilas vgl. unter
„Declination". Grimm1 und danach Wackernagel2 fassten
Totila als Koseform auf, welche im Ablautsverhältnis zu
Tata stehe und wie dieses nichts als ein zärtliches „Väter-
chen" oder dgl. besage. Aber wenn Tata* als interjectionales
Kinderwrort einen Naturlaut wiedergeben soll, der ausserhalb
der Lautgesetze steht und deshalb der Lautverschiebung ent-
behrt (gr. rar« lat. tata), dann scheint es fraglich, ob man
ihn andrerseits für ablautsfahig halten darf. Später4 nahm
Grimm Totila ahd. Zuozilo als Spottnamen in der Bedeutung
.Nase".5 Stark endlich6 will „Pracht, Ruhm* etymo-
logisieren und citiert an. tütna „tumescere" ags. tötjan
„eminere" getot „pompa\ Alle diese Deutungsversuche nehmen
germ. got. 6 der W urzelsilbe an, und wenn wir letzteres als
ostgot. ö schon öfter in der lat. Transscription zwischen o
und u schwanken sahen, so findet sich auch hier die Schrei-
bung Tutila wenigstens bei Fredeg. und Agnell. , Tutela
neben Totila in der Epit. Justin. Trotzdem versuche ich
eine andre Erklärung. Denn es muss auffallen, dass alle
die älteren lat. Quellen diesen o- und «-Wechsel absolut
nicht kennen, auch nicht in isolierten Varianten, dass Marcel 1.,
welcher doch Ebremud und Ruderit schreibt, Jord., dessen
Hss. zwischen -muth und -motk wechseln, Greg. Magn.,
welcher Ruderte überliefert, Vict. Tunn., Isid., Paul. u. s. w.
in dem vorliegenden Namen ganz constantes o geben ; eine
fest gewordene amtliche? Schreibung kann hier nicht vor-
liegen wie bei ständigem Theodericus, sajo u. s. w., denn
die amtliche Form des Königsnamens war gar nicht Totila,
1 Gdd8 272.
* KI. Sehr. III, 416.
a Vgl. oben 8. 124.
4 Zs. VI, 540.
* Trotz des kurzen o in „an. tota nasus, ro8trurau ; Cloasby-Vig-
fu88on 638 übersetzt „teat or ieat-like protuboranco". Grimm hatte
daher besser an tüta (Cloasby 645 „a teat-like prominence") angeknüpft,
welches als Zwergname belegt ist.
6 Kosenamen 150, 1.
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sondern Baduila, wie die Münzen zeigen. Mögen daher
auch die späteren Fredeg. und Agnell. mit ihrem Tutila eine
Vertauschung bezeugen mit dem aus ahd. Zuozo Zuozilo u. ä.
bekannten Namengliede (der Tutela der Epit. neben Totila
beruht auf P^influss des lat. Abstraetums), so scheint doch das
feste o der älteren Lateiner nicht auf ostgot. u, sondern ostgot.
6 < wulf. au zu weisen. Freilich für Totila < *Tautila ver-
lässt uns wieder die germ. Etymologie. Aber der König
führte einen zweiten Namen, gleichfalls in der Form eines
secundären Hypocorismus , eben Badwila, und dieser kann
dafür sprechen, dass älteres Totila schon damals den Goten
unverständlich geworden war und deshalb einen inhalts-
reicheren Ersatz forderte. Ich deute Totila aus dem Kel-
tischen. Die idg. Diphthonge au und eu sind im Kelt. zu-
sammengefallen, vgl. got. raups mit gall. Namen wie Roudus
Anderoudus und andrerseits got. piuda mit gall. Namen wie
Toutus Toutobocio.* Und so identifiziere ich das ostgot.
Totila mit dem kelt. Toutela Toutillus? welchem eben ein
mit got. piuda urverwandtes kelt. *touta zu Grunde liegt
(air. tuath cymr. bret. tut corn. tus). Den Namen eigneten
sich die Goten in früher Zeit regen Verkehrs mit den Kelten
an, aus welcher alle ihre keltischen Namen stammen ; kelt.
Toutila wurde germ. Tautila und ostgot. mit Monophthongie-
rung Totila? das also in seiner Function mit got. Tlieudila
ursprünglich identisch ist.
BADWILA.
Im Gegensatz zu obigen Andeutungen hat man Badwila,
den andern Namen des Königs, sonst meist für den ur-
sprünglicheren gehalten und Totila als späteren Beinamen
1 Zcuss-Ebel, Gr. celt. 84; Brugmann, Vgl. Gr. I, 56. 77.
* Zeuss-Ebel a. a. 0.; Brugmann II, I, 33.
3 Letztere ist in dem gleichfalls keltischen Bacauda (oben 8. 142)
unterblieben, da dasselbe noch vollkommen als Fremdwort erkannt und
gefühlt wurde; Bacaudae als Name eines Volksstammes z. B. bei Salvian,
einer Partei z. B. bei Eutrop u. 8. w.
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t:*7
aufgefasst, namentlich aus dem Grunde, weil die erhaltenen
Münzen des Königs allein den ersteren tragen.' Aber es
müsste auffallen, in dem jüngeren Zunamen Totila eine
etymologische Schwierigkeit vor sich zu haben, während das
ältere Badwila an sich schon eine hypocoYistische und dabei
etymologisch klare Benennung repräsentiert. Umgekehrt
jedoch ist alles klar: der König hatte von Hause aus den
Namen Totila und war unter diesem allgemein bekannt,
wie die Historiker beweisen (Badwila als alleiniger Name
nur bei Mar. Avent, Badwila neben Totila bei Jord., Lib.
pontif., Paul., Vita Laurent., sonst immer nur Totila);
das jüngere Badwila, welches das unverstandene Totila
zu ersetzen hatte, wurde dann vom König auch als seine
amtliche Namensform acceptiert und deshalb auf die Münzen
geschlagen. Und mit dieser Auffassung des Doppelnamens
stimmt auch die in der ältesten Quelle überein: „Totila qui
Baduilau heisst es Jord. 50, 29, nicht umgekehrt.-
Die Überlieferung giebt gleichmässig Baduila, mit u
für germ. w im Inlaut wie gewöhnlich, so die Historiker
(nur im Lib. pontif. steht statt des secundären Hypocoris-
mus der primäre Badua), so die Münzen 3 (vereinzelt Baduefa,
einmal Badwila, zweimal Baduil*, auf dem Freilaubersheimer
Exemplar Baduilla b).
BLEDA.
Die Sieger von Mucella 541 sind Bleda, Ruderic, 117/-
jarith. Zu letzterem (OvtXt'aQig Proc, Viliarid Marceil.) vgl.
oben S. 87 ff.
Bleda (Marceil., vgl. ebenso den gleichnamigen Bruder
des Attila bei Jord.), BX&dft (Proc.) ist immer zu got. bleips
„gütig, mitleidig" an. Mipr ags. blipe as. Midi ahd. Midi ge-
stellt worden;6 dann wäre bei Proc. die Vocalschreibung
1 Grimm, Zs. VI, 540; Wackernagel, Kl. ßchr. III, 416.
* Ygl. hierzu Wackernagel a. a. O.
1 Friedländer 12. 45.
4 Friedländer 12, Münzen der Wandalen 45.
* Henning, Runeridenkmälcr 79.
6 Förstemann, Namenbuch I, 267 ff.
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l:*8 -
die gleiche wie in seinem 'Pexiuovvtio^, und für den Dental
wären die Varianten bei Jord. zu beachten: Bleta, d. i.
Bletha. Aber das constante e der Lateiner spricht nicht für
diese Deutung, und vielleicht stammt Bleda aus hunnischem
Sprachschatze.1
RUDERIC.
Ruderit Marcell., Povdogtxoq 'PovdsQixoq Proc, Ruderte
(al. Roder igo Rudirig Ruder id Ruodirich) Greg. Magn.
Das erste Glied zu got. *hröp$ (hröpeigs „siegreich")
an. hröpr (hröpigr „ruhmvoll*) ags. hr$p „Ruhm" (as. ahd.
hröm), das in zahllosen germ. Namen erscheint;2 hier mit
Schwund des /t, mit u für ostgot. o, mit jüngerem d und
Schwächung des Fugenvocals.
8ISIFRITH.
^lOHf nidog (Proc.) 545 Commandant in den cottischen
Alpen.
RICIMUND.
' Ptxifwwdog (Proc.) 546 Befehlshaber in Bruttien.
USDA.
546 OaSa^ „ l oT$wv(t7tdvTwv ftuxitttoTaTos* (Proc). Primare
Koseform zu einem ursprünglichen Vollnamen, der mit got.
*tuda- an. oddr ags. as. ord ahd. ort „Spitze, Waffenspitze"3
componiert war.4 Gehört zu letzterem auch der Ustarric
einer Inschrift von Catina5 als ostgot. Usda-ric ?
Um 551 wurde von Marini und Pertz die bekannte
got. Urkunde von Neapel angesetzt, und deshalb sei
1 Vgl. oben 8. 12.
9 Förstemann, Namenbuch I, 715 ff.
» Zimmer, QF XIII, 61 ; Wand. 42 f.
4 Förstemann 971 ff.
5 CIL X, 7116.
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\:\<)
ihre Behandlung hier samt der vielleicht noch etwas älteren
Urkunde von Arezzo eingereiht. Dass wir in dem Gotisch
dieser beiden Urkunden 1 nicht den volkstümlichen Dialect
aus der Mitte des 6. Jahrhs. sehen dürfen,2 folgt sofort
aus den Abweichungen, welche der Lautstand der Goten-
namen in ihren gotischen Teilen gegenüber dem in ihren
lateinischen Teilen aufweist. Man muss vielmehr in erster
Linie bedenken, dass die Aussteller Leute geistlichen Standes
sind;3 Geistliche, wie sie die Verfertiger, d. h. die mechani-
schen Abschreiber der got. Bibelhss. waren . haben das
ihnen dorther geläufige Gotisch hier wie eine Art Geheim-
schrift zu ihren Unterzeichnungen angewandt gegenüber
dem sonst überwiegenden Latein. Man kann diese got.
Stellen also nur mit ähnlichen gelegentlichen griech. Um-
schriften in den Urkunden Marinis vergleichen und darf
nicht aus ihnen den allgemeinen Schluss ziehen, dass das
Gotisch noch als schriftliche Geschäftssprache im Gebrauch
gewesen sei; alle sonstigen historischen Kriterien sprechen
gegen eine derartige Annahme. Die Sprache der beiden
Urkunden ist also eine archaisierende, stimmt mit derjenigen
der Bibelüberlieferung überein, und wir haben hier von ihr
nur dasjenige zu betrachten, worin sie von der wulf. Gram-
matik abweicht. Das ist unter ihren appellativen Bestandteilen
nur mit dem Titel diakon der Fall. VVultila flectierte diakaunus
ganz als «-Stamm (PI. nom. diakaünjus, acc. diakaümtns 1. Tim.
8. 12), während in der Neapeler Urkunde Sunjefrith den
Nomin. got. diakon schreibt und der Dat. zweimal als dia-
kuna, zweimal als diakona erscheint. Wulfilas Gotisierung
nach der w-Declination ist also einer solchen nach der a-Decli-
nation gewichen. Dass aber statt des zu erwartenden got.
*diaköns hier diakon ohne Nom.-s auch in got. Schrift
vorliegt, ist für dieses ostgot. Auslautsgesetz eine neue ge-
wichtige Stütze auch aus dem Bereiche der Nomina ap-
pellativa! Alle sonstigen Gotica der beiden Urkun-
' Bei Mnrini Nr. 119. 118. Masamann, Die got. Urk. v. Neap.
u. Arezzo, Wien 1H38. Sonst bei Bernhardt und Heyne.
* 8o Bernhardt, WulfUa 64«.
» Vgl. oben S. 3. 15.
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140
den richten »ich ganz nach der überkommenen wulf.
Grammatik. In der Bibel nicht belegt sind davon papay
das Quelhvort für das ahd. pfaffo* (doch im got. Kai.
der Acc. papan), ufmeljan, skilliggs, kawtsjo, (ein in dieser
seiner got. Transscription sehr lehrreiches Lehnwort, worüber
unter „Voealismus" und oben S. 1W zu vgl.), gahlaifs (Wul-
lila hat nur das schw. gahlaiba), frabauhtaböka, unkja, hugs.
Im Anschluss an die hier erwähnten Appellativa seien,
bevor ich zu den Gotennamen der beiden Urkunden über-
gehe, die sonstigen ausserbiblischen got. Sprachbrocken er-
wähnt. Für das gewiss ostgotischer Feder entstammende
Wort wulpr- im Cod. Brixianus der Itala, einen Term. techn.
für die richtigere Lesart, genügt es, auf Haupt8 und Bern-
hardt3 zu verweisen. Das Wort (auch Gal. 2, 6: ni waiht
tnis iculpris ist) erscheint hier leider nur in lat. Flexion:
super vulthre, in ipso vulthre, in vulthre , ipsos vulthres.
Diese aber weist auf einen i-Stamm (ebenso wie die Var.
wiilprais im Cod. A Gal. 2, 6). WTie got. totdpus, wulpags
zeigen, ist in wulprs das r ableitend. Da jedoch im Germ,
ein Suffix ri nur zur Bildung von Adjectiven bekannt ist,4
so wird das Subst. *wulprs nur das ursprünglich substan-
tivierte Adj. wulprs „wichtig, wert" (Mt. (>, 26) sein, für
dessen /-Flexion auch die allein belegte Comparativform
wulprizQm sprechen kann. Die Parallele zwischen iculp-ri-
und wulp'US widp-ags ist daher die gleiche wie die zwischen
skei-ri- und skei-ma, skei-nan, zwischen me-ri- und Osthoffs
Wz. w£-5, zwischen an. vitr (gr. ttpig) und ags. wit ahd. wiz.
Dagegen gestatten die bisherigen Resultate über den
ostgot. Dialect bereits die Folgerung, dass der got. Trink-
spruch in dem Gedichte „De conviviis barbaris* der Antho-
logia latina" nicht ostgotischer Zeit entstammt. Dasselbe
lautet :
1 v. Raumer, Zs. VI, 408, daru XXV, 99.
• Bcrl. Ind. leot. 1869 (Opuso. II, 407).
s Za. f. d. Phil. II, 297.
4 Kluge, Nomin. Stnmmbildg. § 197.
5 Beitr. XIII, 431 ff.
8 Ed. Riese I, 285, p. 187.
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- ui -
lnter eils goticum scapia matzia ia drincan
Non audet quisquam dignos ediccre versus.
Calliope madido trepidat se iungere Baccho,
Ne pedibus non stet ebria Musa suis.
Die richtige Deutung der got. Teile steht bei Dietrich 2b\
sie würden wulfil. aussehen:
. . . hails . . . skapei jah matjan jah drigkan.
Schwund des got. h und die Assibilation in matzin sind nichts
Auffallendes. Aber wulf. hails müsste ostgot. (h)el lauten mit
Monophthongierung und Abfall des sl Deshalb bleibt der
got. Hexameter einer vorostgotischen Zeit in Italien, vermut-
lich der westgot. Periode Alaries (410) zugewiesen. (Sonst
vgl. man zu dem Diphthong in eils das wand, ei < wulf.
öi, Wand. 95).
Und nun zu den Eigennamen in den beiden got. Ur-
kunden, die wegen ihres doppelten Vorkommens in got.
und lat. Transscription besonders interessant sind. Ausser
Betracht bleiben die ungotischen Petrus, Defensor , Vita-
lianus, Paulus, Minnulus,1 Danihel, Costila? Hosbat? Benenatus,
Constantius, Leontius, Donatus. Behandelt sind von uns bereits
Optarit und Vftahari oben S. 97 f., Wiliarit und Wüjarip
S. 87 f.
SUNJEFRITH.
Suniefridus im ersten allgemeinen lat. Teil, Sunjai-
fripas in seiner got. Unterschrift. Suniefridus für wulf.
*Sunjafrips mit abgeschwächtem Fugenvocal , tönender
Spirans d (im Inlaut) und lat. Endung. Dem lat. Sunie- ent-
spricht das got. Sunjai-, d. i. Sunjai-*. Das got. -fripas
enthält sicher einen Fehler: es bleibt unentschieden, ob es
nur für -fripus (als blosse Umschrift der vorhergehenden
lat. Form) verschrieben oder ob ostgot. -früh falsch als
wulf. -fripas reconstruiert ist. Jedenfalls ist Bernhardt5
1 Keltisch: Stark, Wien. Sitz.-lier. LIX, 220.
2 Keltisch: oben 8. 127.
» Keltisch : 8tark a. a. O.
4 Vgl. unter „Composition".
8 Wolflla 651.
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und Kremer 1 nicht beizupflichten . wenn sie -fripas als
Nebenform des schwachen Mascul. auffassen (vgl. satanas,
Vulfihis u. s. w.); denn der zweigliedrige Name kann nur
auf ein starkes Adj. endigen, ferner würde dann auch die
lat, Schreibung -frida{s), nicht -fridus sein müssen.
THEUDILA.
Theudda zweimal in lat. Teilen, davon einmal in seiner
eignen Unterschrift. Man beachte das ostgot, eu.
MIUICA, MERILA.
Afirica im ersten allgemeinen lat, Teil, Merila in seiner
got, Unterschrift, Vertauschung der beiden hypoeoristischen
Secundärsuffixe.
SINDILA.
Sindila im ersten allgemeinen lat. Teil, Sinthilams
(Gen.) in lat. Unterschrift. Wiederum Schwanken in der
Wiedergabe der Spirans. Gegenüber Sindila zeigt der Sindula
der Epist, pontif. Suffixablaut.2
Gt'DELEUB.
Die Neapeler Urkunde hat in lat, Teilen Gudeliuus,
Gen. Gudeliui, die A rezzoer im ersten allgemeinen lat. Teil
zweimal Gudilebus, in der got, Unterschrift Gudilub (so der
erste Druck bei Gori: die Urkunde ist seit mindestens 17H1
verschwunden) , in den lat. Unterschriften die Ablative
Gudileboy Gudüiuo. Hierzu stelle ich noch den Dat. Gudilevo
bei Ennod.
Massmanns Herstellung Gudilaib an der got, Stelle
ist mir nicht wahrscheinlich; ihr könnten zwar die 4ebus
1 Beitr. VIII, 448.
* Stark, Kosenamen 5G, 2. Wand. 39.
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- 14:1
•levus als ostgot. Monophthongierungen entsprechen, 1 nicht
aber die -Uhus, für welche dann Vertauschung zweier Namen-
elemente der einzige Ausweg wäre. Massmanns Lesung er-
fordert, das zweite u im got. (hidilub als verschrieben aus
« anzusehen und Ausfall eines i anzunehmen: ich behalte
nur letzteren bei, rette jedoch das u und lese Gudiliub.
Aus dessen Latinisierung *Gudiliubus erklären sich ohne
weiteres GudUiuws (vgl. in derselben Urk. got. Kaballarja,
lat. Caballaria und Cavallaria, sowie oben S. 128 und S. 131),
Gudileuus (mit ostgot. eu), aus letzterem Gudilebus; und
Gudiliub (man beachte das Fehlen des Nomin.-s an der
got. Stelle) ist das Masc. zu der oben behandelten Gudeliva,
•leuba. Wer ängstlich Gudilub bewahren will, der nehme
gegenüber den andern Stellen Vertauschung an von wulf.
Hufs mit einem Nomen agentis des Stammes, der in an.
lofa ags. lofian as. lobon ahd. lobön vorliegt, und denke an
got. gahihs „kostbar", auch ags. lufu „Liebe*.
GUDERITH.
In lat. Teilen der Neap. Urk. Guderit, als Nom. und
Gen., also endungslos. Ebenso ein got. Freigelassener Gude-
rit bei Marini Nr. 80, II, und ein Gttderit auf einer Inschrift
von Aquileja.2
MALATHEU.
Im ersten allgemeinen lat. Teil der Neap. Urk. Mala-
theus. Kremers3 Etymologie des ersten Teils als *mapla-
oder *malwa- entbehrt für den dann nötigen Consonanten-
schwund jeder ostgot, Analogie. Will man nicht Mala- oder
Amala- bessern, so bleibt an keltische Bildungen zu er-
innern.4
1 v. Grienbergera neuste Lesung got. Qudilaib (Germ. XXXIV,
411) bedarf kaum der Erwähnung. Vgl. oben 8. 62, 1.
* CIL V, 1588.
» Beitr. VIII, 449.
* Stark, Kosonamcn 49.
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144 -
ALAM III).
In der Neap. Urk. viermal der got. Dat. Alamöda,
in der Arezzoer derselbe einmal und zweimal Alamnd als
Acc. und als Nom. Der erste Teil des Namens ist derselbe
wie in got. ala-mans ala-parbu, an. al-rita al-eyPa al-daupa,
as. ahd. al-ung, ahd. ala-wäri ala-niuwi, mit verstärkender
Function (omnium , inter omnes ]) ; seine ostgot. Färbung
ale- ali- ist aus diaeritischen Gründen unterblieben (vgl.
ostgot. ali < wulf. alja- oben S. 123 f.); ebenso in den inschrift-
lichen AlatuHCHs Alagildns.2
WILLJEN ANTH.
Der Geistliche Minnulm des ersten allgemeinen lat.
Teils der Neap. Urk. unterzeichnet sich mit einem zweiten,
gotischen Namen , Wiliienattt. Das erste Glied mit hypo-
cori st i schein //.
IOILA.
Ebenso unterschreibt der im Anfang der Urk. Danihel
Genannte sich am Ende als lgila. Die Etymologie bleibt
dunkel.8 Vielleicht liegt eine Scherz- oder Spottbenennung
vor ähnlich wie in Wisand , und man hat an got. *igils
„Igelu anzuknüpfen4 (an. igull ags. igl U ahd. igil).
■
ANOELFRITH.
In der Urkunde von Arezzo Angelf rid- .... corrumpiert,
vermutlich aus latinisiertem -fridits. Das ei ste Glied stellt
sich entweder zu got. aggilus an. engeil ags. engel as. ahd.
engil 5 oder wahrscheinlicher zu dem Volksnamen der Angeln.'5
1 Grimm, GddS 498.
* CIL V, 8738. 8760.
3 Vgl. Wand. 47.
4 Burg, Runeninachr. 124, 2.
5 Vgl. S. 103 und Forstemann, Namenbuch I, 89 ff.
6 Müllenhoff, Beovulf 30; Schröder, Anz. XII, 181; Seelmann,
Nd. Jahrb. XII, 23.
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- 145
8CIPWAR.
An die got. Urkunden schliessen sich der Chronologie
gemäss wieder einige Namen aus Proc. «Wovap nennt er einen
Getreuen Totilas, welcher 551 vor Ancona die grosse See-
schlacht gegen Johannes mit verlor und welcher 552 seinen
tätlich verwundeten König aus dem Schlachtgetümmel rettete
und verzweifelt verteidigte. Eine normale Namenbildung
aus got. an. skip ags. as. scip ahd. seif scef und dem oben
S. 82 f. behandelten Nomen agentis und vielleicht ein be-
zeichnender Zuname in Bezug auf jene Seeschlacht, formell
aber nicht identisch mit dem an. skipveri pl. skipverjar
„Schiffsmann-. 1 Wir wissen, dass Theoderic eine Kriegs-
flotte von tausend Dromonen bauen Hess.
GIBILA.
Vor Ancona werden die Goten ausser von Scipicar
noch von Gibila und Gundwulf commandiert. Wenigstens
wird rißkag bei Proc. nicht anders als Gibila zu fassen sein.
GUNDWULF.
Proc: „ / lovpdovXq> , oonto rir^ dt avrov 'Irdoi'Xy
ixakow", also wiederum ein Doppelname. Die wiederkehrende
Variante fovi'JovA (ebenso '/fJovA) kann auf romanischen
Einfluss hindeuten (vgl. frz. Ärnoul, Raoid u. ä.2).
HILDWULF.
Jenes etymologisch rätselhafte 'häovhf wird an drei
Stellen von der Variante 'DMvtp begleitet und daher in
'Ikdovkfp zu bessern sein.
GOAR.
Einen Goten nennt Proc. jenen r6ag, der als Gefangener
nach Byzanz gekommen war und sich 552 zu den Gepidcn
1 Möllenhoff, Zs. XVI, 155.
* Dioz, Gr. I3, 324.
QP. LXVIII. 10
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- 14<> -
siegreich durchschlug. Aber sein Name ist uugotisch. Denn
schon in den Jahren 40f>. 412 erscheint' ein Alane gleichen
Namens1, und Alanennamen wie Eochar , Beorgar zeigen
die gleiche Endung. Vgl. den „alanisch benannten Goten"
Aspar.2
USDRILA.
Der OvödQi'lag bei Proc. vom Jahre 552 bleibt in dieser
Form dunkel ; denn die Lesart Ovadt'ka*;, welche Förstemann :i
nach Grimm aufführt und welche den Namen zu dem pri-
mären Uada (oben S. l:*8) stellen würde, existiert in der
Bonner Ausgabe nicht. Vielleicht steht Ova^Qtlaq mit der
im Griech. nicht vereinzelten Verwechslung von x und d 4
für Ovarptkutf, Ovt(ng{\a$f und Wistrila wäre Koseform aus
einem mit got. *Wistra~ gebildeten Vollnamen. :>
DARIDA.
Es folgen einige Namen aus der Zeit Totilas, welche
in Gregors des Grossen Dialogen überliefert sind. So der
Dux Gothorum Darida. Schon Förstemann 6 stellte Darila
Darohi Derlindis Tarro Tara Tarit Tarut zusammen und
knüpfte an an. dar „hasta" an. Darida ist die ostgot.
Entsprechung zum an. darraßr1 ags. dearod ahd. tart mit
Suffixablaut H, mit jüngerem d (wulf. />) und schwacher
Flexion. Das Stammwort, an. darr n., später dqr m., ge-
hört nicht zur Wurzel dars .wagen",9 sondern zu ahd.
terren got. *darjan „beschädigen, verletzen", und Darida
Darrapr u. s. w. ist „der Schädiger". Grade zur Bildung
1 Dahn, Könige I, 263.
8 Möllenhoff, DA II, 377.
8 Namenbuch I, 973.
4 Blass 81.
5 Förstemann, Namenbuch I, 1278.
8 KZ III, 308.
7 Cleasby-VigfuKson 1)6.
* Ein weiterer Beleg zu Sütterlin, Nom. ag. 18.
* Fiele, Vgl. Wörterb. III8, 145.
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- 147 -
solcher Kenningar, besonders für Götter- oder Spottnamen,
diente das Suffix Up ap ip gern, wozu besonders an. Nomina
agentis wie varpapr, bautupr u. v. ä. zu vgl.1 Für die vor-
liegende Form des Suffixes vgl. man den Namen des Gepiden-
königs Fastida bei Jord. 83, 4. 19 u. ä.2, zu seiner schwachen
Form auch an. edda < got. *aipidö*
RIGGO.
Für den Spatharius Gothus Biggo sollte man Rico oder
Ricco erwarten (mit latinisierter Endung und hypocoristischer
Gemination) oder herstellen 4, da auch der Ruderte bei Greg,
die Varianten Rodengo , Rudirig zeigte. Aber wenn das
eddische Gedicht den Heimdallr als Bigr auftreten lässt und
Müllenhoff5 Recht hatte hierin keltische Lautgebung zu
sehen, so mag dieselbe Erklärung auch eine Emendierung
des vorliegenden Gotennamens ersparen. Ein Rigmtmd auch
im Onomasticon des Smaragd*, und sonst -rig neben -ric
als häufige Variante.
WTLTII.
Ib. der Name Vul, al. Vult Vtrtd; kein primärer Hypo-
corismus, welcher *Vulda lauten müsste, sondern das oben
S. 85 statuierte Adj. selbst in starker Flexion (wulf. *wulps)
als ehrender Beiname, identisch mit dem an. Vllr.1
BLIDIN, WIDIN.
Ib. Blidin, al. Blindin, eine dunkle Bildung. Bei Paul,
in der Langobardengeschichte erscheint später ein Gote
1 Kluge, Nominale Stanimbildungslelire § 29b, auch Feminina
§ 43. Sütterlin, Noni. ag. 14 ff.
* Stark, Kosenamen 58, 2.
3 Burg, KuneninHchr. 108.
4 Ein Burg. Rico bei Wnckernagcl, Kl. Sehr. III, 407.
* Za. XXX, 247.
* Ze. I, 389.
7 Bnehleclmer, Zs. VIII, 203.
10*
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148
Widin \ welcher gegen Narses rebelliert . aber von ihm
geschlagen und nach Oonstantinopel geschickt wird. Ich
möchte Blidin und Widin für dieselbe Person halten, mag
nun ihr Name in der einen Quelle fehlerhaft sein oder eine
Vertauschung zweier Namenelemente vorliegen: got. bleips
(oben S. l:V7) und got. *mdus (oben S. f>9). Den Ausgang
-in lese ich als -tri und verweise auf S. 74 f.
ZALLA.
Ib. Zalla (al. Tzalla).- Das z ist die geläufige roma-
nische Assibilation , das II hypoeoristisch , das Ganze eine
primäre Koseform, zu welcher die secundäre als Tzalico,
d. i. got. Talka noch begegnen wird. Vgl. got, un-tals
„unfügsam" ; die zu Grunde liegende Wurzel nach Fortunatow3
auch in gr. «W-JmA-o*- dat-ädX-so±' «künstlich gearbeitet", und
auch Juidaloq ist im Griech. Eigenname.
TILA, TEJA.
Nach Totilas Tode wurde Teja zum Gotenkönig erwählt,
zum letzten. Er fiel bald nachher in der grossen Schlacht
am Vesuv. 55:* wurde Italien römische Provinz.
Sein Name ist auf Münzen erhalten,4 von welchen eine
erste Klasse ihn Theia, eine zweite Theia mit der Variante
Theia, eine dritte Thila nennt. Dem gegenüber zeigen die
Historiker übereinstimmend die Form Teia: Proc, Agath.,
Euagr. 7V/«c, Mar. Avent. Teia, Agnell. Teia Theia. Der-
selbe Name begegnet schon in der ersten Zeit Theoderics,
in einer Epist. pontif. als Name eines Comes: Zeia (mit
Assibilation).
Bei solcher Übereinstimmung der Historiker bleibt das
Schwanken in den numismatischen Belegen um so auffallender.
1 Dahn, Könige IV, 164. Der dort citierto Haminr ist Franke.
8 Dahn, Könige III, 246, 3.
* Bezz. Beitr. VI, 218 Anm.
* Friedender 51 IT.
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149
Seelmann (S. 327) belegt zwar inschriftliche Fiios (st. Filios),
Aureia, Comeius, Oreius, Ducix u. s. w., warnt aber selbst
davor, hierin lautliche Entwicklung statt Nachlässigkeit der
Steinmetzen zu vermuten; hiernach könnte man allenfalls
auf den Münzen Thela Thila heisteilen, schwerlich jedoch
bei der ganzen Reihe der genannten Historiker. Ich schlage
vor, wiederum einen Doppelnamen anzunehmen, wie bei dem
Vorgänger Totila Badwila. Thela Thila, mit verkehrter
Aspiration statt ostgot. Teia, erklärt sich am einfachsten
als primäre Koseform zu einem mit got. tils componierten
Vollnamen.1 Freilich findet sich ein Stamm til auch in
keltischen Namen:2 liegt er hier vor, so ward seine Un-
verständlichkeit Veranlassung zu dem Doppelnamen, grade
wie oben beim Totila. Wer das constante th retten will
(auch der Sohn Odowacars, welcher als Geisel an Theoderics
Hof lebte , heisst beim Anon. Vales. § 54 Thela) , mag an
den alten Stammesnamen der Thelae, d. i. der an. pilir (in
pelamqrk, heute Tellemarken) denken, welcher bei Jord. 60, 2
in Taetel entstellt ist3; auch er wird in Italien nicht mehr
verstanden worden sein und kann so die Entstehung eines
zweiten Namens befördert haben.
Diesen zweiten Namen, Teia, erklärte Dietrich (S. 02)
als *T$wja und stellte ihn zu got. tewa tewi -Ordnung",
teiojan .ordnen" ; aber für solchen Schwund eines ic fehlt jede
ostgot. Parallele. Ich erinnere vielmehr an den Ausfall des
intervocalischen g in sajo < *sa gja , Dailu < Dagila und
nehme Teia als *Tegja. In Tegja kann das e nicht kurz
sein, weil germ. e bei folgendem i oder / auch in unsern
Quellen schon regelmässig durch i reflectiert wird. Folglich
kann nur ^ vorliegen und, da wulf. *Tegja jeglicher etymo-
logischen Anknüpfung entbehren würde, ostgot. e < wulf.
ai. Für dieses ostgot. *Tegja < wulf. *Taigja darf an ahd.
zeigön nicht gedacht werden, weil dies eine speeihsch hoch-
1 Vgl. S. 81 und Henning, Runendonkm. 4. Aber ib. 142 sotzt
er da« i der Stammsilbe unrichtig als ursprünglich an; vgl. Feist, Got.
Etym. Nr. 571.
2 Stark, Kosenamen 121, 2.
3 Müllenhoff, DA II, 66.
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150 —
deutsche Bildung isst 1 (dazu got. taik-ns und ga-tei-hati);
und so bleibt nur eine Möglichkeit noch: Verbindung mit
an. teigr „Erd-, Wiesenstreif". Im An. erscheint teigr sim-
pliciter wie in der Composition (Hof teigr , Gullteigr) als
Orts- oder Flurname,2 und so kann auch *Tegja den Be-
wohner oder Besitzer eines bestimmten *taiyus (wulf.) be-
zeichnen.8 Oder aber es bedeutet als Xeckname den „Trinker",
wenn man schon dem got. Appellativum wie dem an. teigr
den übertragenen Sinn eines „tiefen Zuges* zumessen darf ;
das davon abgeleitete schwache Verbum teiga besagt gradezu
„einen tiefen Zug thun":4 letzterem entspricht ein got.
*taigjan, wovon *taigja Nomen agentis, und Teja wäre der
„Trinker u wie oben S. 108 Matja der „Esser". Der gleich-
massige Ausfall des g beruht bei dem Königsnamen wie
oben S. 110 bei dem Titel sajo auf amtlicher Tradition.
FRIDIGERN.
Der Vater des Teja heisst bei Agath. <!>t)tdtye(>i'o$. Vgl.
den gleichnamigen Regulus Vesegotharum z. B. bei Jord.
(05, 4 Fridigernus, 93, 2 u. ö. Fritigernus) und Möllenhoff
daselbst im Index.
ALIGERN.
Ein Bruder des Teja war 552 Commandant von Cumae,
übergab dasselbe im folgenden Jahr mitsamt dem gotischen
Königsschatze an Narses und zeichnete sich später im
römischen Heere während der Schlacht bei Capua gegen
die Franken aus: \4h'yeQvo$ Agath.
RAGNARITH.
'Pdyvaoig der Name eines Gotenführers 552 bei Proc.
und Agath. Zum ersten Teil vgl. Wand. 86: got. ragin
' Kluge, EW4 unter „zeigen".
2 Cleaaby-Vigfusson 627.
5 Vgl. Oraja oben S. 105.
4 Cleasby-Vigfuason a. a. O.
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151
an. regln as. regino (Gen.) ahd. regln- -Hat, Beschluss*, in
Namen zum Zweck höchster Begriffssteigerung , wie auch
in zusammengesetzten Appellativen des An. Ags. As.1 Zur
obigen Syncope unter ,Compositionw.
ADEMUND.
Die Schenkungsurkunde bei Marini Nr. 86 vom Jahre
«55:3 2 nennt 21 den Halbbruder der Stifterin mit Namen
Ademunt , qui et Andreas appellatur. Man beachte den
Doppelnamen. Das incorrecte t für d entstammt lateinischer
Feder.3
ADERITH.
Ademunds Vater heisst in derselben Urkunde 1. 19
Aderit (über die Schreibungen AderUnis, Aderitgis ib. für
Aderit gls, d. i. gloriosissiini, s. Marini S. 284 und danach
Förstemann, Namenbuch I, 135).
FELITHANC.
Die Schenkung geschieht mit Einwilligung des Ehe-
mannes der Stifterin, welcher 52. ()3. 73. 77 Felithanc, 66
Felethanc genannt wird 4 : eine ganz correcte ostgot. Schrei-
bung, mit ostgot. cy extrem gefärbtem Compositionsvocal,
richtiger Aspiration th und ohne Nomin.-s. Der eiste Teil
des Namens ist das got. as. ahd. filu an. fjql- ags. feolu
feala, dessen Stammvocal, germ. e \ hier wieder bewahrt
ist. Vgl. den secundären Hypocorismus Filica oben S. 68
oder den Filimer der gotischen Ursage bei Jord. oder den
Rugier Feletheus Eugipp. 8, 1. 31, 1. 33, l.6
1 Möllenhoff, Za. XVIII, 8.
1 Dahn, Könige IV, 185.
3 Vgl. z. B. Mommsen8 Jord. S. 170.
4 Die Identifizierung mit Wilithane (obon S. 128) bei Dahn IV,
185 ist willkürlich; vgl. etwa Seelmann 241 a. E.
1 Kögel, Literaturbl. 1887, Sp. 108.
* Ferner Förstemann, Nnmenb. I, 405 ff., und die zahllosen nof.v
in griech. Eigennamen (Fielt 71. 206).
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152 -
RUNILO.
Die Stifterin selbst heisst 62. 65. 68. 72. 76. 79 liunilo?
eine feminine seeundäre Kosebildung ; zu got. as. ahd. rüna
an. rün ags. nni , in vielen Frauennamen auf den Besitz
höherer Weisheit hindeutend.
SISEWERA.
Die sich hier weiter anschliessenden Namen erfordern
insofern einige Skepsis, als sie der Zeit nach 553 ange-
hören. Doch weist ihre lautliche Gestalt sie den ostgoti-
schen Kesten zu/2 welche trotz dem radicalen Aufräumen
in Italien seitens der Kömer hier noch hängen geblieben
sein werden.
In der Urkunde Nr. 93 bei Marini,3 nach 553, ist von
einer Schenkung einer Freigelassenen Sisewera an die Kirche
zu Ravenna die Rede: 65. 100 Sisioera, 70. 81. 108. 113
Sisevira, 74. 78. 104 Siseotra. 93. 96 Sesivira, 86. 90 in
griech. Transscription Ciötßtpa. Zum ersten Gliede vgl.
oben S. 106, hier ist es mit ziemlicher Sicherheit als
wulf. *sistca-f nicht *sigi$a- anzusetzen, da der Stammesaus-
laut vor folgendem Halbvocal schwinden musste, sisi- also
nur *sisu- *sisw- reflectieren kann : darauf weist auch das
zweimalige Sesi-, dessen e bei folgendem ursprünglichen
i {siyisi-) anomal wäre. Weshalb Möllenhoff4 den Namen
rätselhaft fand und seinen zweiten Teil nicht an got. wirs
anknüpfte, bleibt dunkel; man vgl. oben Wera , Wfrika
und andere Belege, die Möllenhoff selbst a. a. O. aufzählt,
dazu noch aus den westgotischen Concilienacten bei Mansi
XI, 1076 Veremundus 683, XII, 84 Vera 693, femer 533
eine Frankin Leudovera bei Pard. 118. 119, 700 Gunthivera
ib. 452.
1 Dahn a. a. O. ; fälschlich liundo III, 134, 2.
3 linnke, Woltgoadiichto IV, II, 145.
1 Dahn, Könige IV, 185.
4 Zs. XVI, 156.
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153
THEUDIFARA.
Die Herrin der Sisewera heisst ib. 23 in correcter ost-
got, Lautgestalt Theudifara.
GUXDIHILDI.
Ergiebig an got. Namen ist die Urkunde Nr. 79 bei
Marini aus dem Jahre 557. Ib. 1. 16 Gundihild, 13. 14.
56 Gundihildu 17. 22. 25. 77 Guttdihil, 90 Gundiildi. Zur
Gundihildi verhält sich die iiischriftliche, freilich nicht da-
tierte Guntelda 1 wie Theodadm zu Theodahadus.
LANDARITH.
Ib. 2 Land . . ., 48. 66 Landarit. Got. an. ags. as. land
ahd. lantr
G UND WULF.
Ib. 4. 43 Gunduhuls, 30 Gunduhts, 57 Guduhuls. Marini
stellt (S. 265, 12) Gundulf her, und ich weiss nichts besseres;
ist s jedesmal aus / verschrieben oder verlesen? oder ent-
stammt es wie an der dritten Stelle lat. -us? dann zum
Ausfall des / oben S. 145; uhu = germ. wu, und das h
als Übergang vom Halbvocal zum Vocal?3 Oder aber ist
-wids incorrecte Wiedergabe von got. wulp, wie das con-
stante gr. -()ig von ftp'i An Einwirkung von -hulps ist für
die Form Gunduhuls des ungotischen Fugenvocals wegen
schwerlich zu denken.
ADIUTH.
Ib. 43. 58 Adiud, 66. 78 Adiut. Vgl. S. 114 und
S. 67.
1 CIL V, 5415.
1 Förstemann, Namenbuch I, 829 ff.
* Vgl. oben S. 115. Man könnte an langobardische Schreibungen
wie sruldahis, marpahis, Ahistulf u. s. w. für sculäais, tnarpais, Aistulf
denken (Grimm, GddS 4SI ; Wackernagel, Kl. 8chr. III, 366 f.), auch
das inschriftliclio Ehurfericus (oben S. 67, I) vgl.
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ROSEMUD FAFFO.
Tb. 44. 58. 66. 7<) Rosemud qui Faffo coynominatur.
Das constante o in di r ersten Silbe des ersten Namens
gegenüber dem u in der zweiten weist für jenes auf wulf.
au, und der Name ist identisch mit dem des alten Goten-
führers 'Pavotttodog bei Zosim. 85, IG.1 Sein erstes Glied
ist entweder als got. *Hrauza- anzuknüpfen an got. *hriusan
an. hrjösa ags. hreosan „fallen", wozu an. hreyr (mit J?-Um-
laut) „Leichnam*,2 oder als *Rau2<t- an *riusan, wozu an.
rausa „laut sprechen % rausn „Herrlichkeit, Ruhm*.3 Wenn
ihrer Bedeutung wegen die letztere Etymologie vorzuziehen
ist, dann würde damit in dem vorliegenden Namen auch
eine got. Entsprechung zu dem an. Namen Rerir < *Reyrir
(Volsungas. 2, ferner Öp-rerir und piop-reyrir Havam. 160)
aufgefunden sein, welchen noch Müllenhoff4 ausserhalb der
nordischen Sage und in der übrigen germanischen Welt
gänzlich unbekannt nannte. Faffo bleibt dunkel ; 5 ff könnte
nur hypoeoristisch stehen, da gemeingerm. ff sonst nicht zu
belegen ist, und -o für got. schw. -a latinisiert sein: aber
was ist *Fafa? Man beachte, dass auch bei diesem Dop-
pelnamen die eine Hälfte ein etymologisches Rätsel bietet.
GCNDIRITH.
Ib. 44. 7!) Gundirit, 67 Gunderit; dazu in Nr. 80. II
(s. u.) 16 Gunderit (statt sonstigen Guderit) und in Nr. 88a
(vom Jahre 572) viermal Gunderit.
LENDARITH.
Ib. 48 Lendarit, 65 Lend .... Marini (S. 265, 1) wollte
Leudarit lesen und erinnerte an Procops AtvöfQig. Das geht
1 Dahn, Urgeschichte I, 229.
a Cleasby-Vigfusson 286. 290.
3 Ib. 484.
* As. XXIII, 118. 157.
5 Jac. Grimm» Annahme einer Lautverschiebung aus papa (Kl.
Sehr. III, 391) verbietet »ich jetzt von selbst.
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155 -
jedoch deshalb nicht an , weil ags. ledde ahd. liuti ein
/-Stamm ist. welcher allein ostgot. Leudirit bilden würde.
Es bleibt daher bei Lendarit, mit altem e wie in Mate-
suentha, Sendefara, und der Name ist entweder anzu-
knüpfen an an. Unni linnr ahd. lind „serpens" mit Grimm1
oder an an. ags. lind ahd. Unta ..tilia", in Namen nach
uraltem Tropus gebraucht, mit Müllenhoff.2
TZALICO.
In der Urkunde Nr. 140 vom Jahre 557 der Name
eines Comes, 22 im Gen. Tzaliconi, 25 Tzali . . . Vgl. oben
S. 148. Wenn statt Tzalico vielmehr Tzulico zu lesen,
dann zu S. 129.
GUDILA.
Ib. 26 Gudila. Vgl. oben S. 71.
WILIFARA.
Eine Inschrift bei Kossi 1, Nr. 1093 vom Jahre 557:
Wiliera, qui vixit deposita, also ein Frauenname.3
Bei dem inschriftlichen E ist der unterste Querstrich ganz
kurz, der oberste lang ausgezogen; jener entstand daher
vermutlich durch ein Versehen des Steinmetzen, der E statt
F meisseln wollte, jedoch seinen Fehler noch rechtzeitig
bemerkte.
HILDFWADA.
In den Briefen des Papstes Pelagius I., 555 — 560, (oben
8. 28) begegnen folgende vier Namen.
Hisdevalde, al. Hildivade Hilviade, im Gen., -e also
für ~ae. Ich stelle Hildiwadae her , mit der movierten
Form zu dem oben S. 115 behandelten masculinen Nomen
agentis.
' Gr. II (1878), 488. Myth. 652 f.
s Zs. XIII, 576 f.
3 Vgl. oben S. 134.
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- 150 -
SINDULA.
Vgl. oben tf. 142.
ANILA.
Vgl. oben S. 107. Ein Westgote Annüa 675.
G UNDIMER.
-
Der Dat. Gardimeri gewiss zu bessern in Gund-.
RAXIHILDI.
In der Urkunde Nr. 80 bei Marini, vom Jahre 564,
II, 4 Ramhilda, zu welcher oben S. 132 zu vgl.
GUDERITH, GUNDERITH.
Ib. II, 4. 11 Guderit, 16 Gxinderit.
MANNA.
In der Testamentsurkunde Nr. 75, aus dem Jahre 575,
wiederholt der Name Manna (so sicher, wie die Schrift-
tafel beweist), flectiert Mannanis oder Mannani u. s. w.: der
primäre Hypocorismus zu dem oben S. 123 behandelten se-
cundären Mannila.
NANDERITH.
Ib. sechsmal als Abi. Nattderit.
RICCITHANC.
Ib. 10 ... citanc, 39 Riccitanc, 48 Rice . . tanc.
OTRATARIT.
So ib. 42 als Gen. Ist Ostrarit zu bessern?
WINIGILD.
Ein Gote war der Vater des Papstes Pelagius II.
(578 590), der im Lib. pontif. Unigildus^ Unigeldus, Winni-
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- 157 -
yildus, Winigildus, Vingilius, Gildus heisst. Innerhalb dieser
Überlieferung wird keine Vertauschung zweier Namenele-
mente, Hunt- und Wim-, vorliegen, sondern Uni- auf griech.
Auffassung von Wini- beruhen,1 wie Ovh- für Ovth- u. ä.
Der zweite Teil des Namens ist das Nomen agentis mit
dem a-Suffix zu got. gildan an. gjalda u. s. w. „gelten,
entgelten, vergelten" und mit an. gildr „geltend, tüchtig.
tapfer"2 zu vgl. Hierher gehört auch der inschriftliche
Alagildus* und ebenso wird der Fandigil . . s einer vene-
tischen Inschrift,4 welche vermutlich der ostgot. Epoche
entstammt,5 in Fandigildus zu restituieren sein; zu fandi-
vgl. ahd. fendeo fetido „pedes, phalanx*, ags. fepa „pedes,
acics" e\ woneben ein /-Stamm *fanjn- bestanden hat, wie
viele Eigennamen beweisen.7
WILJARIC.
Einen Mag. mil. Wiljaric nennt eine Inschrift bei Rossi
I, 1126 vom Jahre 589.8
THRASARIC.
Auf derselben Inschrift der Gen. Trasaric . . Vgl. dazu
Trasaricus bei Erchempert, oben S. 41.
HOLDIGERN.
Marini Nr. 121, vom Jahre 591, 8 Iloldigernus. Got.
hulps an. hollr ags. as. ahd. hold.9 Zu der Conjectur Hildi-
gernu8 unter „ Vocalismus".
1 Vgl. oben S. 85, 7.
• Zimmer, QF XIII, 96.
• CIL V, 8760.
4 CIL V, 8747.
6 Ib. 8. 1175.
• Dazu Tac. Germ. 6 und Möllenhoff, Zs. X, 551.
7 Ausführlicher Henning, Runendenkm. 58.
• Ebenso Ephem. epigr. IV, 851.
» Ein Weatgote Uldila v. 588 bei Dietrich 79.
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- 158
ODEKIC.
Ib. 45. 05 Odericus.1
BOHKRDE.
So ib. 65 ein Gen. Völlig dunkel.
TZITA.
Marini Nr. 122. vom Jahre 591: 5. 71. 8f> Tzita, 74
Tzitta, SO Ktira, 92 Tasilta, 98 Zi'/a. Vgl. oben S. 93.
HILDIGKRX.
Ib. 16 Hildigemus.
WADWULF.
Endlich aus der Charta damnatae litis bei Marini Nr.
131,2 welche nicht näher datiert ist, jedoch dem 6. Jahrb.
entstammt: 5. 10. 2:$. 36. 43 Vuaduulfus, 29 Vuad-
ouvlfus. An den ersten fünf Stellen ist mm die gewöhn-
liche Wiedergabe von got. wu, an der letzten jedoch ist
die Schreibung die correcteste: onu ist ovu, das für «rt#
steht, worüber unter „Halbvocale*.
SICCIFRIDA.
•
Ib. 5 S(R)iccifrida, 11. 23 Seccifrida, 16. 36 Sicci/rida,
29 Sicchifrida, 43 Sisifrida. Wer die römische Cursive dieser
ravennatischen Urkunden gelesen hat, weiss, wie r und s hier
einander ähnlich sehen und leicht für einander verlesen werden
können. Deshalb könnte die Herstellung Ricci-, wie sie
1 Dass er Oote, nicht Langobarde, darüber Dahn, Könige IV,
186, und dazu Meyer, Langob. 264, wonach das Langobardische
diphthongisches au bewahrt.
* Über ihron Inhalt Dahn IV, 187 ; über ihren got., nicht langob.
Ursprung auch oben S. 119, 1.
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159
Marini an der ersten Stelle andeutet, nahe liegen; sie ver-
bietet sich jedoch durch das zweimalige Secci-, dessen <,
wenn es germ. i reflectieren sollte, ganz isoliert dastehen
würde. Es wird also bei Secci- Sicci- (mit hypocoristischer
Consonantengemination, welche hier auch in den ungekürzten
Vollnamen gedrungen) bleiben müssen, ohne dass für dessen
Etymologie etwas Positives sich beibringen liesse. Allen-
falls mag an ein got. *sika- erinnert werden, wie es dem
ahd. seh mhd. sech „Karst, Pflugschar" entsprechen würde.1
Zu dem an der letzten Stelle vertauschten sisi- vgl. oben
S. 106, zu -frida S. 63: movierte Form zu Sisifrith (oben
S. 138).
GIVERIC, GIBERITH.
Ib. 131, 26 Ghiveric, 51 Giberit.
HARDICA.
Ib. 33 Ardica, 49 Ardeca. Ein secundärer Hypocoris-
mus (etwa zu Ardaric, wie ein Gepide bei Jord. 42, 23 u.
ö. heisst); got. hardus an. harpr ags. heard u. s. w. „hart,
tapfer, strenge". Man vgl. das reiche Nainenmaterial bei
Förstemann, Namenbuch I, 604 ff., und die ebenso häufige
Verwendung des urverwandten gr. xqutvq xoutfooi; in griech.
Personennamen.2
CESSA.
Führt ib. 51 der Comes und Schwiegervater des Gibe-
rith einen got. Namen, so ist der Gen. Cessims zu Cass.'s
Mazenis, Waccemm, Patzenis zu stellen und das lat. -inis
mit got. -bis zu vgl. In Cessa fasse ich das anlautende c
als Vergröberung des explosiven gz und das $8 als hypo-
coristische Consonantendehnung und stelle das so gewonnene
*Gesa als primären Hypocorismus zu dem oben S. 117 be-
handelten secundären Gesila.
1 Kluge, EW« unter „Sech".
1 Fick 42. 46 f. 120 f. 182. Vgl. jedoch Webster, Zur Guttural-
frago im Got., 8. 25.
* Vgl. oben 8. 65. III und unter „Consonantismus*.
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SIFILO.
Vielleicht gehört dem b\ Jahrh. auch die Urkunde
Nr. 141 an, wo 14 der Frauenname Sißo erscheint: eine
femin. seeundäre Koseform zu einem mit got. sifan „sich
freuen* gebildeten Vollnamen. Das überlieferte Sifilon er-
gänzt Marini gewiss richtig zum lat. Abi. Sifilone, während
Grimm 1 darin den ursprünglichen got, Dat. sehen wollte.
Vgl. einen primären Siffo vom Jahre 788 bei Meichelb. 62u\
welchen selbst Stark - noch nicht aus Sigfrit o. ii.
deuten will.
' Gramm. I1, XLIX.
* Kosenamen 120.
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DI ALE (TISCHE MERKMALE DES OSTGOTISCHEN.
VOCAU8MU8.1
a.
Kurzes wulf. a ist in ostgot. Stamm- und Suffixsilben
unverändert erhalten. Für langes oder nasaliertes a fehlen
die Belege.
f.
•
Während Wulf, gerra. e und i unter das eine graphi-
sche i subsumierte, schied er e und ei: beide müssen daher
in der Aussprache deutlich unterschieden gewesen sein.
Dass hingegen die häufigen ei oder / statt e, dgl. die um-
gekehrten Schreibungen e statt ei oder i2 in den Hss. erst
dem jüngeren Dialect der ostgot. Abschreiber entstammen,
wird dadurch bewiesen, dass die ostgot. ausserbiblischen
Sprachreste ganz denselben Wechsel aufweisen.8 Dass aber
trotzdem wulf. $ und ei im Ostgot. noch nicht zu einem Laute
zusammengefallen sein können, wird durch die constante
Überlieferung des letzteren als i in unsem Quellen deutlich,
welche andernfalls eine gelegentliche umgekehrte Schreibung
als e schwerlich vermissen lassen würden. Demnach sind
wulf. ^ und ei auch im Ostgot, noch als ganz geschlossenes
e und als 1 zu unterscheiden.
' Der Stammsilben und stammbildenden 8uffixe. Den Vocaliarau*
der CompoBitionsfuge 8. unter „ Wortbildung", der Endungen unter
„Declination".
* Leo Meyer § 409. 449.
9 Vgl besonder« oben S. 58.
qf. Lxvm. 11
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— 1b2 —
Das lange germ. /, wulf. ei, ist im Ostgot. fest er-
halten und überall in den Quellen durch i wiedergegeben.
e, f, t,
Schon Scherer vermutete,1 dass im wulf. u und /' je
zwei Laute begriffen wären, dass das eine got. Zeichen für
i noch nicht auf völligen Zusammenfall von germ. e und i
im Got. zu weisen brauche, grade wie z. B. das mhd. e
zwei in der Aussprache genau geschiedene Laute umfasst.
Für das Ostgot. führt die Überlieferung auf eine gleiche
Unterscheidung, und entsprechend den drei ostgot. Längen
e,- (\ / können wir die drei Kürzen e, e, i eonstatieren.^
Offenes e liegt vor im gemeingerm. e, wulf. ai, vor (/* und)
r und ist als solches durch alle Quellen hin fest überliefert.4
Das ostgot. f entspricht germ. e. welchem nicht i oder /
folgte,5 und zeigt seinen geschlossenen Lautcharacter, wenn
die Oberlieferung in seiner Wiedergabe zwischen e und i
schwankt. Das ostgot i endlich ist entweder ursprüng-
liches e bei folgendem * oder j oder ursprüngliches i und
wird in beiden Fällen durch constantes / reflectiert/' Be-
achtenswert ist besonders, dass bei folgendem Nasal -f-
Consonant nur ein ostgot. r , nicht / angesetzt werden«
kann.7
1 ZGddS* 51 Anm. Dazu Braune, Beitr. IX, 548.
8 < wulf. fit; vgl. u. S. 165.
* Vgl. die drei entsprechenden Runenzeichen : Henning 142.
4 Vgl. oben 8. 9. Nachtraglich sehe ich, dass der Anon. Valcs.
Amahibirya schreibt; wenn man seine auch sonst eorrupte Wiedergabe
der Eigennamen bedenkt (8. 20), wird diese Ausnnhmc nicht ins Ge-
wicht fallen.
5 Man beachte auch Schreibungen wie Seda , Felithatic, welche
zeigen, das« ursprüngliches u auf das #• der Wurzelsilbe keinen Ein-
fluss ausübt.
0 Es bleibt dahingestellt, ob Heldebadits (8. 133) bei Marceil.,
Jord., Paul, im ersten Oliede nicht den secundaren ./«-Stamm (8. 86),
sondern primäre «-Bildung enthalt (8. 191, 2), oder ob in ersterem Falle
der I bergang des e zu / vor 7 4 ('onson. gehemmt wurde (Scherer a. a. O.).
7 Vgl. oben S. 66. 96. 134.
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163 -
Für die Chronologie germanischer Lautgeschichte kann
diese ostgot. Behandlung des gerni. e manches beitragen.
Überlieferte Formen der Urzeit wie Segimerus Segimundus
Fenni finn. telio (ahd. dilla) zeigten längst, dass älteres e
vor i oder vor Nasal -r Consonant in historischer ger-
manischer Zeit noch bestanden hat.1 Wenn jetzt das Ostgot.
des (). Jahrhs. für dieses e vor i oder j gleichmässig i zeigt,
vor Nasalverbindung aber nicht, so folgt daraus, dass viel-
leicht Leffler2 noch Recht hatte den Übergang von e zu t
vor / oder /, den er hauptsächlich für das An. erwies,
einer gemeingermanischen Periode zuzusprechen,3 andrerseits
aber dass v. Borries4 im Unrecht war diesen Wandel für
jünger zu halten als den vor Nas. Cons., dass letzterer
vielmehr nicht gemeingermanische, sondern einzeldialectische
Entwicklung ist, welche im Ostgot. noch nicht durchgedrungen.
Wenn vier verschiedene und von einander unabhängige
Quellen (S. 78) das germ. *trewwo- mit variantenfreiem
/ wiedergeben, so scheint hier nicht nur die gleiche unge-
naue Schreibung des ostgot. e vorzuliegen, sondern der Laut-
wandel e > % vor der Verschärfung vollendet zu sein, wie
im späteren Ahd.5
Auch in nicht haupttonigen Mittolsilben ist dieselbe
Tonerhöhung so gut wie zu Ende geführt, wie die Greotinge,
Thorisa, Wandil, Darida, Sigis- bezeugen, vor allem auch
die zahllosen Hypocorismen auf -ila und -ica. denen gegen-
über vereinzeltes Baduela auf Münzen6 und Ardeca neben
Ardica bei Marini kaum in Betracht kommen.
Altes germ. i war nur in den mit -frid- gebildeten
Namen erhalten und hier durchgängig als i geschrieben.7
1 Kluge in Paula Qrundriss I, 357.
• Nord. Tidskr. f. Filol. II (1874).
* Dazu v. Bornes, t -Umlaut 78 f.
4 Ib. 37, 85.
5 Braun©, Ahd. Gr. § 30, 2. Dagegen bei einfachem u> wie ahd.
kneuue, gisetcan auch ostgot. -theu (piux).
9 Zu Tutela oben 8. 136.
7 Die Amalafreda beim spaten Paul, ist belanglos, wahrend für
den Leodifredus bei Cass. in einem Teile der Hss. die andre Lesart
Leodefridu* beweist, dass e und / dort nur umgestellt sind.
w
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IM
Der aus den got. Bibelhss. bekannte Wechsel von 6
und «' entstammt dem ostgot. Dialect: wie zwischen e
und i für wulf. e schwankt seine Überlieferung zwischen
o und u für wulf. 0, nur dass die Schreibung u häufiger
ist als dort die Schreibung t.2 Aber wie e und ?, sind
auch ostgot. o und <i noch zu trennen, denn für letzteres,
das alte germ. tf, ist keine umgekehrte Schreibung 6 über-
liefert.
tf.
Das lange germ. und wulf. ist im Ostgot. fest er-
halten und überall in den Quellen durch u wiedergegeben.
u.
Wenn wir oben dem Lautwandel e > i vor Nasal-
verbindung den gemeingerm. Ursprung bestritten, so führt
auch für die u > o-Frage das Ostgot. zu ähnlichem negativen
Resultat. Denn hier ist das alte u nicht nur bei folgender
nasaler Consonantenverbindung (mund-, gund-), sondern über-
haupt trotz einem ableitenden a bewahrt geblieben (fruma-,
(jud-, -wulf, -wulth). Die etwaige Annahme, dass ein ur-
sprünglicher Wechsel von u und o, der durch den Vocal
der folgenden Silbe bedingt gewesen, bereits durch Aus-
gleichung wieder beseitigt worden wäre,8 verbietet sich für
eine so frühe Sprachperiode wie die ostgot. von selbst und
würde auch für den ausschliesslichen Sieg des u keine Er-
klärung bringen. Alle die Guditianth, Guda, Guderith, Bede-
wulf, Alhvulf, Sigiwulth, Wulth u. s. w. sprechen vielmehr
deutlich dafür, dass der (/-Umlaut des u im Ostgot. noch
nicht durchgedrungen ist und daher nicht mehr ein ge-
meingennan. Gesetz genannt werden darf.4 Daher war
1 Leo Meyer § 434.
* Vgl. oben 8. 83. 86. 94. 113. 130. 138.
* Vgl. für das An. z. B. Noreen § 172.
4 Griechische Zeugnisse sind hier ungiltig; man vgl. nur die
rQo.%yy()l des Zosim. mit den Gruthuu<ji des Claud. u. Ä., auch Braune,
Oot. Gr.» § I.i, 1, «owie oben S. 6.
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165 —
auch die Ableitung des T(h)ultmn T(h)olwin bei Cass. von
got. pulan unwahrscheinlich; und die einzige Ausnahme,
welche dann noch bliebe, der Holdigem bei Marini, fällt,
wenn man ihn in HUdufern bessert und mit dem Goten
identificiert, welcher in der bei Marini folgenden und aus
gleichem Jahre herrührenden Urkunde diesen Namen trägt.
Über Optarith s. S. 98; über den Gotennamen selbst S. 44.
Im allgemeinen ist also dem ostgot. (und germ.) e und i nur
ein ostgot. (und germ.) u gegenüberzustellen, und die wulf.
* und n haben nicht eine übereinstimmende Entwicklung
hinter sich.1
Für wulf. au war Thorisa der einzige Beleg; dazu
der fragliche Optarith.
Wulf, di > ostgot. L
Dem wulf. Diphthong di entspricht ostgot. Monophthon-
gierung e. Die Belege sind zwar nicht zahlreich2 und zum Teil
sogar etymologisch nicht ganz sicher. Trotzdem zeugt für
die Tatsache dieser Monophthongierung das Fehlen jedes
sonstigen Reflexes von altem at8, besonders aber die Ana-
logie des sicher erwiesenen ostgot. ö < wulf. au. Und
wie letzteres offene Länge ist, so wird auch der Monophthong
e als offen von dem alten % zu scheiden sein.
Wulf, du > ostgot. 6.
Dem wulf. Diphthong du entspricht ostgot. Mono-
phthongierung <5.4 Ihre ganz constante Schreibung o ohne
Variierung in w5 beweist, dass ihr Lautcharacter unter-
schieden war von dem des alten got. ö, welches ostgot. meist
als u erscheint. Wir haben also im Gegensatz zu letzterem
den neuen ostgot. Monophthong als offene Länge anzu-
setzen.6 Ihre weit offene Articulation ist auch die Ver-
1 Braune, Beitr. IX, 548.
2 Vgl. 8. 61. 70. 96. 117. 128. 149. 159.
* Zu Daila oben S. 127.
4 Vgl. 8. 48. 83. 87. 104. 112. 136. 154. 158.
• Zu Tutila oben 8. 135 f.
Ä Hierauf kann vielleicht für den Oswin der Var. (8. 112) die
Lesart Asuin in M beruhen.
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- 166 -
anlassung, dass von der neuen Länge 6 (und ebenso e) keine
Spuren in unsere Bibelhss. gelangt sind, da der phonetische
Unterschied von altem und neuem 6 (und ebenso e) zu be-
deutend war.1 Die Ostgoten des 6. Jahrhs. lasen also die
tii und du der Bibel wie £ und ö, die e und 6 wie (■ und {>.
Für die ostgot. Monophthongierung des alten Diphthongs
spricht ferner das kawtsjo der Neap. Urkunde: das vul-
gärlateinische cautio besass damals noch echten phonetischen
Diphthong,2 aber die got. Umschrift * kautj 6 hätte der Ost-
gote als kotjö gelesen, daher der Ausweg atc?
Eine Chronologie für diese Monophthongierung auf-
zustellen ist vorläufig noch nicht möglich. Geht die gotische
Urgeschichte des Cass.-Jord. auf eine andre schriftliche
Quelle , nicht nur auf mündliche Tradition zurück,4 so
mögen der Amale Augis Jord. 76, 17 und der jüngere
Gotenkönig Aoric 87, 7 erwähnt werden.5 Diejenigen aber,
welche got. di und du schon für die Zeit Wulfilas nur als
graphische Wiedergabe von offenen e- und ö-Längen an-
sehen,6 mögen sich hüten unsere ostgot. Monophthonge des
6. Jahrhs. ohne weiteres als Stützen ihrer Ansicht aufzu-
fassen und deshalb um zwei Jahrhunderte zurückzudatieren.
Es wird sich bald Gelegenheit finden die wirklich diphthon-
gischen Belege für das ausserwultilanische Gotisch des 4.
Jahrhs. zusammenzustellen; vorläufig bleibt immer noch
auf Dietrich zu verweisen;7 vgl. z. B. auch oben S. 20
(48. 49) die Austrogoti, Grauthungi des 4. Jahrhs.
1 Welche Spuren von dieser Art Möllenhoff Zs. IX, 136 meint,
ist mir nioht klar geworden.
2 Vgl. hierzu Wand. 97 oder Seelmann 223.
* Dasselbe ist hier also anders zu beurteilen wie im biblischen
Pmplutfy wo nur mechanische Umsohrift aus gr. Ilauko^ vorliegt (Dietrich
15; Braune, Got. Gr.» § 39).
* Vgl. Müllenhoff in Mommsons Jord. 143, 1.
* Das ao des letzteren eine Vorstufo der Monophthongierung wie
im Ahd.? (Braune, Ahd. Gr. § 45, 1. 2.)
* Mit Bremer, Beitr. XI, 51 ff., wogegen Wand. 96 ff.
7 Braune, Got. Gr.» § 21, I. 25, 2.
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167 -
eu.
Dass eu die germ. Urform des fragliehen Diphthongs
ist, nicht eine secundäre Compromissbildung zwischen eo
und im, ist aus Gründen der allgemeinen Sprachverglei-
chung ebenso sicher wie nach germanischen Einzelzeugnissen
wahrscheinlich.1 Auch für das ostgot. haben wir eu als Dialect-
form vorbereitet, wenn wir seine beiden Bestandteile e
und u als ostgot. nachwiesen. Und in der Tat ist ostgot.
eu durch eine ganze Reihe von Belegen gesichert. Daneben
fand sich namentlich die Schreibung eo, seltener in; dass
sie nur graphische Modificationen sind, ist oben S. 51 ff.
ausführlich gezeigt. Daneben wird sich das gelegentliche
tu häutig aus demselben Schwanken erklären, mit welchem
germ. e ostgot. ? bald als e bald als i geschrieben wird,
ohne dass damit der «Übergang des ursprünglichen eu in
das jüngere im, der auf deutschem Boden ja erst in histori-
scher Zeit durchgeführt wurde und auch im Norden in
keine ältere Zeit als um 500 gesetzt zu werden braucht"2,
schon für das Ostgot. angedeutet werden soll. Der pro-
blematische Versuch,3 noch gemeingerm. iu als secundäre
Entwicklung aus eu vor Labialen und Gutturalen nachzuweisen,
wird wenigstens durch die ostgot. Schreibungen, welche im
in Compositis mit got. piuda grade so wie in denen mit
got. Hufs anwenden, nicht unterstützt.
CONSONANTISMUS.
I. Halbvocale.
w.
Für die Orthographie des halbvocalischen w gilt in
der gesamten ostgot. Überlieferung die sehr consequent
beobachtete Kegel: im VVortanlaut mm, im Inlaut (auch als
Anlaut der zweiten Compositionsglieder) u ; also ein graphi-
1 Vgl. z. B. Bezzenberger, .4-Keilio 36.
* Norecn, Arkiv T, 165.
3 Braune, Beitr. IV, 557.
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168 -
sehet* Gesetz, wie es grade so für das Ahd. besteht.1 Uh,
d. i. ir, im Anlaut'2 herrseht bei allen unsern Historikern,
mit alleiniger Ausnahme des Marcel). , welcher noch lat. v
schreibt; für Jord. gieht zwar Mommsens Text o, die Hss.
begleiten es jedoch mit gleichmässigem w, und auch der
auf Jord. fussende Paul, hat w. Ausschlaggebend sind die
Papyrusurkunden, die Inschriften3 und die Münzen des
Witigis, welche sämtlich ohne Schwanken anlautendes w
bieten. Nur bei folgendem u ist v statt w verständlich in
VuÜh und den uulthres des Cod. Brix. und grade so im Ahd.
das Gewöhnliche. Ebenso fest ist im Inlaut u, und nur
vereinzelte Varianten haben im Anlaut zweiter Composi-
tionsglieder das uu aus dem Simplex übernommen. Dieses
inlautende lat. u reflectiert den voealischen Bestandteil
des germ. w, ist nicht etwa die lat. Spirans 0; das beweist
einmal das ov der Griechen ( Muxaoovv&a, 2£xmovaQ), sodann
der Umstand, dass w als Anlaut zweiter Compositionselemente
den vorhergehenden Stammesauslaut grade so wie jeder andre
Vocal beeinflusst.
Schon in der Einleitung wurde darauf hingewiesen,
dass der sonst in den lat. Hss. so geläufige Wechsel von
v und b in der Überlieferung des ostgot. w vollkommen
fehlt.4 Ganz vereinzelt aber wurde für das inlautende u
w) 0 geschrieben (Odoin S. 83, Tholoin 129. Wadovulfus
158); diese Schreibung ist auch sonst im Germ, bekannt5
und ihr letzter Reflex in germ. Lehnworten . besonders
Eigennamen des Romanischen bis auf heute zu beobachten
(frz. Goudoin — Gottein, ital. AdaUxildo — Adalwalt)*
Dass w vor u auch im Inlaut selbständig erhalten ist,
bewiesen die Namen auf -tculf und -wulth. Ober das w im
kawtsjö der Neap. Urk. oben S. HJ6. Über die Verschärfung
1 Braune, Ahd. Gr. § 105. Damit vgl. man die gemeinroman.
Entspreehungen den germ. w in germ. Lchnworten: im Anlaut $ru, im
Inlaut r (Diez, Gr. I", 324. 326).
* Dazu Diotrich 77 f. Wand. 38 101.
3 Vgl. oben 8. S7. 155. 157.
4 Scheinbare Ausnahmen 8. 85. 115. 132.
5 Henning. Kuncndenkm. 143.
6 Diez, Gr. I», 326 f.
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169
ggw S. 78 f. Über gelegentliche Romanisierung gu- S. 87, 4,
dazu hinten im Index.
Der Halbvocal jl zeigte sich wie im wulf. Gotisch
unverändert bei den jViw-Stämmcn : Marcja, Matja, sajo,
Sibja, Teja. Über die starken /«-Bildungen s. unter wDe-
clination", über die Wandlung ja > je > i in der Compo-
sitionsfuge S. 68 f. 87 f.
2. Labiale.
P-
Das wahrscheinlich bilabiale p fand sich anlautend in
Pitzia und Pa(h)tja, wovon ersteres griech., letzteres vermut-
lich lat. Herkunft ist, inlautend in Grippa, Oppa und Scipwar.
L ber das lat.-gr. p in Optarith vgl. S. 98 und unten Anm.H
b.
Die Differenzierung des got. b als des bilabialen tönen-
den Verschlusslauts im Anlaut und postconsonantischen
Inlaut und als des bilabialen tönenden Reibelauts im post-
vocalischen Inlaut ist im Ostgot. bewahrt und wird durch
die auch hier consequente Überlieferung bewiesen, welche
im Anlaut nur b, im intervocalischen Inlaut b im Wechsel
mit v schreibt.- Auslautend fand sich b nur im Gudüub
der Urkunde von Arezzo, für welches auf Braune, Got.
Gr.3 § 56, 1 zu verweisen. Die Analogie der Dentale kann
dafür sprechen, dass rein orthographisch das aus dem In-
laut geläufige b in den Auslaut übernommen und sonst auch
im ostgot. Auslaut labiale Spirans anzunehmen ist.
/•
Die bilabiale tonlose Spirans f hat im Ostgot. gegen-
über der wultil. Sprache keinerlei Veränderung erfahren.
Über Optarith gegenüber got. Uftahari s. S. 98.3
1 Vgl. Wand. 102.
* Vgl. Braune, Oot. Gr.s § 54, 2. Dazu die romanische Ent-
sprechung in germ. Lehnworten: Diez, Or. I*, 323.
3 Paul, Beitr. I, 150: „/> für got. / ist jedenfalls aufzufassen wie
t für p. Es mag auch sein, dass beide nicht bloss auf nachlässiger
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170 -
3. Dentale.
t.
Der alveolare tonlose Verschlusslaut besteht unver-
ändert wie hei Wulf. Nur seine graphische Wiedeigahe
erfordert einige Bemerkungen. Über gelegentliche Assimi-
lation s. o. 8. 11 f. JK'l. Ganz regellos war in den lat.
Quellen die Schreibung t oder th, in buntester Verwirrung
vertraten sie bald got. / bald got. p. Es darf aus dieser
Unsicherheit nicht ohne weiteres auf die Verschiedenheit
der Aspirationsverhältnisse, des Vocaleinsatzes u. s. w. ge-
schlossen werden ; denn einmal würde man dann wenigstens
innerhalb bestimmter, auch sonst phonetisch genauer Quellen
irgendwelche Consequcnz zu erwarten haben, ferner aber
ist der Wirrwarr in der Aspiration der Tenues durch das
gesamte Latein hin zu verfolgen.1 Trotzdem muss für den
vorliegenden Wechsel von t und th der Grund ein spe-
ciellerer sein, weil sich eine willkürliche Aspiration der
andern Tenues nur vereinzelt zeigte.2 Man wird in den
vielen statt germ. t geschriebenen th vorwiegend umge-
kehrte Schreibungen zu sehen haben. Wenn für das got.
t und p die Lateiner bald t bald th zeigen, die Griechen
dagegen wenigstens im Anlaut consequentes r oder so
ist der Grund dafür einfach der, dass die Griechen für got.
t und p in ihrem r und & zwei ebenso differenzierte Zeichen
besassen,3 dass solche den Kömern hingegen abgingen. Wenn
nun schon die lat. Wiedergabe der griech. r und # eine so
bunte und inconsequente ist,4 obwohl ihr Unterschied aus
der griech. Schrift hätte bekannt und geläufig sein sollen,
dann ist die wirre Confusion in der Transscription von
germ. t und p um so begreiflicher, als sie auf keine Vor-
lage, nur auf acustische Aufnahme angewiesen war.
Sohreibung beruhen, Bondern auch auf ungenauer Auffassung mit dem
Ohre. Bei hastiger Aussprache kann die Spirans wenigstens ebenso
gut als Tenuis aufgefasst worden, wie die Aspirata oder Affricata*.
1 Seelmann 256 ff. ; dasolbst inschriMicho Belege von der ältesten
Zeit bis ins 6. Jahrh. n. Chr.
* S. 54 f.
8 Blass 89.
* Seelmann a. a. O.
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171 —
d.
Auch das wulf. d zeigt sich im Ostgot. unverändert.
Wenn aber das wulf. p im Inlaut zum tönenden Reibelaut
geworden ist (s. u.) und als solcher mit rf, seltener noch
mit th wiedergegeben wird, so zeigt das Fehlen der umge-
kehrten Schreibung t(h) für got. d im Inlaut vielleicht an,
dass dieses alte got. d sich von dem neuen ostgot. unter-
schied, möglicherweise also bereits explosiv geworden war.
Tritt hingegen d in den ostgot. Auslaut, so zeigt seine Wie-
dergabe dasselbe Schwanken zwischen d und ///, wie bei
Wulf, vor dem Nomin.-s: die Composita mit *-reips oder
*-r$ps endigen ostgot. auf -rit -rith -rid, die mit * möps auf
-wod -mud. Hier ist also die alte Spirans bewahrt geblieben.
Sonst zu diesem Wechsel Braune, Got. Gr.:{ § 74, 1.
Got. p ist im Anlaut erster und zweiter Composi-
tionselemente intact geblieben. In der Transscription ist
gr. 0 das Regelmässige, während lat. t und th nach dem
S. 170 Gesagten bunt wechseln.
Got. p ist im ostgot. Inlaut in derselben Wandlung
begriffen wie im wand.1: die tonlose interdentale Spirans ist
tönend geworden, sowohl intervocalisch wie postconsonan-
tisch ist die Schreibung d häufiger als das ursprüngliche
t(h). Nur d fand sich zwischen Vocalen in den Compositis
mit frid-2 (an beiden Compositionsstellon), in Quidila, Rude-
rte, Darida, während Enthärte (1 Ehude-) dem Wechsel
Adhtd und Adiut(h), ständiges Athalaric den Adüa Aderith
Ademnnd Adiuth gegenüberstanden und ebenso die Münzen
zwischen Theodahat(h)us und -hadns wechselten. In post-
consonan tischer Stellung zeigte sich der Reibelaut in Erduic<
Holdigern, Sigivuldus gegenüber den appellativen vulthres?
1 Wand. 104.
* Die got. Transscription Sunjitl/ripns fällt natürlich nicht ins
Gewicht.
* Ein glänzendes Zeugnis für den sprachhistorischen Wert der
Eigennamen, welohe in diesem Falle dem Appellativum graphisch
vorausgeeilt scheinen.
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in Nandwin, -nandus gegenüber -tiantha, in Gund- gegen-
über ständigem -suentha, in Fatuiigild Sendefara Sinderith
gegenüber Sindila Sinthila. Man könnte versucht sein, zu
solchem Nebeneinander von jüngerer und älterer Stufe
Fälle wie got. awiliud gegenüber liupareis, an. fiinbul- in
verstärkende)! Zusammensetzungen gegenüber ßfl~ \ got.
naudi'Paürjts naudi-bandi gegenüber naups naupoi naupjuda'
zu stellen. Vielleicht aber warnt grade dieser blosse Schein
grammatischen Wechsels, dessen Belege sich unter keinen
gemeinsamen Gesichtspunkt subsumieren lassen, davor, auf
Accentverschiebung im germ. Compositum Rückschlüsse zu
machen.3 Richtiger wird man in dem beständigen Schwan-
ken zwischen th und d nur das Bestreben nach möglichst
genauer Wiedergabe des spirantischen d erkennen, vielleicht
auch das th als incorrectere Schreibung für das aus dem
Ahd. bekannte dh ansehen dürfen , auf welches der la-
teinische Schreiber nur nicht verfiel, weil es dem Latein
vollkommen fremd war.
8.
Wie das wand. sx zeigte auch das ostgot. von dem
wulf. keinerlei Abweichung. Tönendes und tonloses s wer-
den nicht unterschieden, h und von einem Übergange des
ersteren in r ist keine Spur vorhanden (Gesila, Usda, Rose-
mud, Cessa). Über den Abfall des Nominativ-« s. unter
„Declination*.
» Weinhold, Zs. VI, 318.
* Joh. Schmidt, Anz. VI, 12*5.
8 Kluge in Pauls Grundriss I, 338.
4 Wand. 105.
5 Bekannt ist die Verwisohung des germ. Unterschiedes von s
und z in der got. Bibel, ohne dass bisher eine befriedigende Erklärung
gefunden wäre (Paul, Beitr. VI, 547 f.); denn für den einfachen Aus-
weg der Ausgleichung sind die Inconsequenzen zu gross. Ist unser
obiges gleiohmässigcs s nicht nur graphisch, sondern spricht es für
ostgot. Zusammenfall von wulf. s und s, dann ist der Einfluss der ostgot.
Abschreiber auch in diesem Punkte für die Bibelhss. zu berücksichtigen,
und ihrer Unsicherheit n und z zu unterscheiden mögen Schreibungen
wie rausa kasa salslep einerseits, riqiz tnimz atz andrerseits (8cherer,
zUddS" 182 f.) zur Last fallen.
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- 173
4. Gutturale.
7.
Die wulf. gutturale Tenuis ist im Ostgot. unverändert.
Für vereinzelte Aspiratiouserscheinungen ist auf S. 54 f. zu
verweisen, wenn man sie nicht mit der Aspirierung des
lat. c auf gleiche Stufe stellen will.1 c und folgendes bila-
biales w in Quidila.
9-
Der für das Got. bisher wenigstens wahrscheinliche
Unterschied von explosivem g im Anlaut und spirantischem
im Inlaut2 lässt sich für das Ostgot. beweisen.
Im Anlaut ist g die durchaus reguläre Schreibung und
zwar im Anlaut sowohl des ersten wie des zweiten Com-
positionsgliedes. Während für inlautendes g vor i oder ;
häufiger Schwund und deshalb spirantischer Character so-
gleich zu constatieren sein wird, fanden wir in der Zu-
sammensetzung doch nur Fandigild Alagild Winigild Witt-
gis Sisigis Wiligis Hunigis u. s. w. ohne Spur eines ähn-
lichen Ausfalls wie in Daila xajo u. s. w.8 Dazu kommt
die gelegentliche Schreibung c für g im Anlaut: Coio Cessa
Theotlicoto \\'itic{li)is;4 vgl. über dieselbe oben S. 65. Über
Ghiveric bei Marini S. 118.
Inlautendes g ist in der Überlieferung nach Conso-
nanten fest, vermutlich also auch hier sein Lautcharacter
explosiv wie der des postconsonantischen d und b. Inter-
vocalisch hingegen kann sein Fehlen in saio für *mgio, in
1 Seelmann 260 f. ; daselbst iiischriftliche Belege.
* Braune, Got. Gr.» § 65. Jellineks Media affricata (Beitr. XV,
282) im got. Inlaut kann mich nicht überzeugen.
* Von den Beispielen, welche Dietrich 73 f. für den Schwund
des g auch im Anlaut des zweiten Wortelementes bringt, gehört dem
Ostgot. keins an. Wenn sich 693 ein wcstgot. Name Vitisclua findet,
während uns Cass. einen Ostgoten Witigisclus nannte, so ist bei jenem
die ursprüngliche Selbständigkeit des hier benutzten zweiten Compo-
sitionsgliedes nicht mehr gefühlt, dasselbe vielmehr als blosses Suffix
empfunden und behandelt worden. Auch hier kann wiedor allein
dialectisoho Scheidung helfen, welche bei Dietrich fehlt. Insohriftlich
Rchon 547 ein Westgote Gumliischm CIL XII, 2185.
* Dietrirh 7.5.
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— 174 —
Doila für JJagila, auch wohl in Oraja und Teja und manchem
Sisi- für *Sigisi~ nur auf seiner in dieser Stellung spiran-
tischen Natur beruhen. Aber sein Ausfall vor folgendem
i oder j wird in all diesen und ähnlichen Fällen 1 nur als
ein graphischer, nicht als ein lautlicher betrachtet und des-
halb von matei < *magwi ferngehalten werden müssen.
Denn er ist in der Oberlieferung nur ein gelegentlicher2
und hat andre Fälle mit Erhaltung des g neben sich (Sigia-,
hjila). Es ist bekannt, dass das lat. g dem germ. / nahe
gestanden hat und z. B. das Vorbild für die runische Ge-
stalt des letzteren abgab;3 beachtet man ferner den Um-
stand, dass in vulgären lat. Inschriften g bisweilen ein ;
vertritt,4 so ist es leicht von t>agila über *Dajila zu Daila
zu gelangen und in letzterem dasselbe „etwas diphthongische*
i wie etwa in lat. abieere ais u. ä. zu erkennen.5 Der
vorliegende Process ist also derselbe wie der aus mhd.
Formen wie treit < tregit, weit < maget u. ä. bekannte,0
nur das lautliche Resultat ist noch nicht so weit vollendet.
Aber eine sprachgeschichtliche Chronologie dieses Vor-
ganges ist gegeben, wenn unser Ostgotisch spirantisches g
bei folgendem i verflüchtigt, wenn später das Alemannische
auch sein explosives g durch folgendes i mouilliert, wenn
endlich das Mitteldeutsche den secundären Diphthong auch
ohne folgendes i entwickelt.7
Über auslautendes g vgl. zu Krduic oben S. 74. Ent-
stammt dessen -c nicht bloss lat. Schreibart, wie daselbst
angenommen wurde, so beweist es für got. g im Auslaut
die Explosiva, in keinem Falle aber spricht es für .lellineks
Affricata (a. a. O.).
Über wulf. und ostgot. ggw oben S. 78 f.
' Dietrich 73 f.; Sievern in Paul« Orundr. I, 41fi.
* Vgl. oben 8. 110.
* Henning, Runendenkm. 154.
4 Seeiniann 349.
6 Seelmann 232. 234 f. 236.
* Fischer, Zur Gesch. d. Mhd., Tübingen 1889.
7 Fischer 25.
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- 175 -
Ii.
Dass der rein gutturale Laut wert des ostgerm. /* stark
verflüchtigt und zu dein eines blossen Hauchlauts herabge-
sunken war, folgt aus der Sprache Wulfilas,1 aus seiner Be-
handlung im Nordischen2 und im Krimgotischen 3 grade so
wie aus seiner Wiedergabe im wandilischen Namenschatze:4
ganz regellos wird es im Anlaut. Inlaut, Auslaut bald ge-
schrieben bald unterdrückt. Und wie das germ. Runen-
zeichen für h dem lat. Alphabet entstammt, so zeigt auch
die gleiche willkürliche Behandlung von lat. und germ. h in
den schriftlichen Quellen ihre lautliche Verwandtschaft. Für
seine organische Schwäche im Ostgot, spricht ferner die
Möglichkeit, dass mit h anlautende Stämme an zweiter Com-
positionsstelle wie vocalische Anlaute den vorhergehenden
Stammesauslaut angreifen können. Für das Wand, bewiesen
trotzdem allitterierende Namengruppen (Hunarix und Hildi-
rix, Vater und Sohn), dass von einem gänzlichen Schwund des
h noch nicht die Rede sein konnte. Solche Beweise fehlen leider
zufällig für das Ostgotische; doch werden wir trotzdem auch
hier überflüssiges h streichen und fehlendes restituieren dürfen.
5. /, r, m, n.
Für l, r, n sind keinerlei Abweichungen von der
wulf. Grammatik zu verzeichnen.5
Die Wand. 52 behandelte Schreibung sei für germ. sl
zeigte sich in Ge vtftyiOY.\oq Witigisclus Wiligisrlus ; einen
andern Ausweg mittels Zwischen vocals zeigte der Ovhytaakog
des Proc, beide vereint der Umcila des Cass. Dass die
Lautverbindung dem römischen Organ nicht genehm war,
dafür vgl. lat. (da mit as. ahzla ahd. ahsala, lat. relum mit
aksl. veslo, lat. telvm mit ahd. dehs'ala aksl. tesla.
' Wa&rattv < *waürhstw, pfoundi < *pti8-hundi (Klugo in Pauls
Grundr. I, 330. 406).
2 Noreen § 217.
s Vgl. irt ael ano *ei* mit wulf. iwih halht* Unna saih* (Toma-
ach ek 62 ff.).
4 Dietrich 77; Wand. 107 f.
6 Vgl. Wand. WH.
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176
DECLINATION.1
Von der Aufstellung fertiger ostgot. Paradigmata müssen
wir natürlich absehen. Was die Überlieferung für ostgot.
Decliuation an die Hand gab, das beschränkte sich auf die
Nominativform und Kennzeichnung der Declinationsclassen
im allgemeinen. Zeigten erstere eine auch den alten Sprachen
geläufige Flexionsendung, so war diese gewöhnlich in der
lat. und gr. Umschrift beibehalten. Im andern Falle gaben
die Quellen den got. Namen entweder flexionslos oder
sie bekleideten ihn mit einer specifisch lat. oder gr. Endung;
aber diese Interpretatio romana gewährte trotzdem sehr
deutliche Hinweise auf die ursprüngliche Declinationsart.
wenn etwa die germ. a-, i-, n -Stämme auch im lat. Ge-
wände o-, i-, n-Flexion zeigten. Auf diese Weise war es
möglich zu folgenden Resultaten zu kommen.
1. Starke Declination.
a. Mnsculina.
Das Characteristische für die ostgot. masc. Vocal-
stämme ist gegenüber der wulf. Grammatik die Einbusse
des Nominativ-*. Dieselbe war belegt für a-, für für
/-Stämme : ric, mund (die «-Bildung secundär), iculf, wih uric,
ivulth, rith] moth, gls (hier nach stammhaftem s wie schon
bei Wulf.), Wandil, nanth, trit, thanc, diakön, l(e)ub, war,
iuth; hart; m$r, tcin.
1 Auf eine Behandlung der ostgot. Conjugation müssen wir ver-
zichten, weil uns eine phonetische Wiedergabe ostgotisoher Verbalformen
abgeht. Denn die Conjugationsformen in den beiden Urkunden weichen
von ihrer wulf. Gestalt nicht ab , stehen also unter demselben schrift-
sprachlichen Banne wie die Bibelhss. (Neap. : ufmelida, andnemum,
Arezz. : gawaüritia, andnam*ufm£lida)\ und der got. Hexameter in der
lateinischen Anthologie entstammt nicht ostgotischer Zeit (vgl. S. 140 f.).
Mehr als Rückschlüsse aus der oben skizzierten Lautlehre sind daher
für die Conjugation nicht möglich. Wenn das Ostgot. allgemein das
wulf. ai zu e monophthongiert und andrerseits das Wand, den Diphthong
in Stammsilben zwar noch fest bewahrt, jedoch in der Flexionssilbe zu
c werden lägst {armes = wulf. armais^ Wand. 92. III), dann dürfen
auch die Monophthonge in den ostgot. Flexionsendungen ausser Zweifel
stehen.
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- 177 -
Demnach ist der Process, dessen Anfange sich schon
im wand. Dialect zeigten im ostgot. zu Ende geführt, und
die Vergleichung der beiden Dialecte gewährt einen höchst
interessanten Einblick in seine Entwicklung und Chrono-
logie.2 Das Wand., dessen Lautstand für das 5. Jahrh. und
das erste Drittel des 6. sich eruieren Hess, hat das Nomin.-.<?
nur nach Dentalen abgeworfen, nach Gutturalen hingegen
fest bewahrt (labiale Belege fehlen) : das Ostgot. des 6. Jhs.
hat das Nomin.-s überhaupt getilgt!
Der erste Anfang dieses consonantischen Auslautsge-
setzes liegt bereits im wulf. Got. vor, wenn das s des Nom.
sing, nach s (ss, z) schwindet (freihals drus garum swte
u. s. w.), und ist hier ohne weiteres verständlich. Die
nächste Stufe zeigt ebenfalls Wulf, schon, wenn bei ihm
das s auch nach r zuweilen fehlt (tcair baür anpar unsar
u. s. w.). Aber die bisherigen Erklärungsversuche hierfür
befriedigen nicht. Braune3 will s nach r schwinden lassen,
wenn ein kurzer Vocal vorhergeht ; jedoch ein phonetischer
Grund für diese Unterscheidung ist nicht einzusehen, und
stiur bleibt Ausnahme. Und Brugmanns4 -r < -rr < -rz
müsste in eine auffallend frühe Zeit fallen, wo die Nomi-
nativendung noch tönendes z war, entbehrt im Inlaut jeder
Analogie (fairzna airzeis marzjan), wird besonders unwahr-
scheinlich durch das keine Spur vom z > r-Übergang ver-
ratende spätere Gotisch,5 findet selbst im An. keine Paral-
lele (hainarr annarr ypvarr u. s. w., nicht -ar); und wenn
das Nomin.-s beim Masc. der Adjectiva zur Unterscheidung
vom Neutr. sonst restituiert sein soll (hörs skeirs), so ist
nicht einzusehen , weshalb diese Hestituierung nicht auch
beim Masc. von anpar unsar eingetreten ist, zumal grade
hier das Fehlen der pronominalen Neutra auf -ata eine
1 Wand. 105 f.
* Vgl. Wand. 10G.
1 Oot. Gr.* § 78, 2.
4 Vgl. Gr. I, 519. II, II, .131.
5 Oben 8. 172. Vgl. romanische Lehnwörter wie pr. raus fr.
roseau mit got. raus, fr. bexi mit got. basi , welche somit au« dem
Gotischen entlehnt xind (Diez, Gr. I\ 315).
QF. LXVIII. 12
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- 178 —
Differenzierung der beiden Genera dringender hätte er-
heischen sollen. Das -s jener Adjectiva halte ich vielmehr
für das alte unangetastete Nom.-s, und seine Beseitigung
in anßar unsar u. s. w. ist eine analogische, veranlasst
durch Einwirkung der Verwandtschaftsnamen (hröpar daühtar
swistar fadar1) und zuerst etwa anzunehmen in Verbin-
dungen wie unsar(s) bröpar, i2trar(s) fadar. Der weitere
Anschluss des Lehnwortes kaisur an diese Gruppe wurde
durch dessen lat. Form erleichtert. Dazu kamen ferner
Wörter wie teatr2 „Mann" Ixiur „Sohn\ und bei ihnen ist
die Bedeutung in Betracht zu ziehen: wie bröpar fadar
kaisar sind es männliche Personalbenennungen: das stamm-
bildende r-Suffix aber hat ursprünglich nicht nur die Ver-
wandtschaftsbenennungen, sondern allgemein Nomina agentis
gebildet,3 und zu solchen sind icatr baür infolge ihrer
functionellen Ähnlichkeit auch in flexive Analogie getreten.
Es bleibt daher sehr fraglich, ob zu gabauram (Rom. 13.
13) und gabaurös (Gal. 5, 21) der Nom. sing, als gabaür
und nicht vielmehr als gabaürs angesetzt werden muss, zumal
zum Unterschied vom Neutr. gabaür „ Steuer".4 Und ebenso
wenig zwingend ist Braunes Ansetzung *tcar statt *warft
für das Adj.5 Dagegen kann für das nur einmal belegte
stiur (Nehem. 5. 18) gleichfalls seine actionelle Bedeutung
(„ Zuchtstier ") in Betracht kommen.6
Als eine weitere analoge Entwicklung den ausge-
dehnteren Schwund des Nom.-s im Wand, und Ostgot. auf-
zufassen, liegt zuerst am nächsten. Danach wären von
unsern Belegen die Namen auf -vier voranzustellen : der
Abfall des -s hätte sich auf alle mit r auslautenden Stämme
1 Scherer, zGddS« 179. Brugraanu, Vgl. Gr. II, II, 529.
* Kann got. tcairs „schlimmer" hier den unterscheidenden Schwund
des « befordert haben?
5 Sievers, Beitr. V, 527; Brugmann, Vgl. Gr. II. I, 354. 364.
* Zimmer, QF XIII, 30«, hält beide für identisch und mochte
den Differenzierungsversuch im Genus Wulf, zuschreiben, was aber
ganz unwahrscheinlich ist.
* § 124, 1.
« Vgl. hiermit Schulze, KZ XXIX, 271.
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— 179 —
verallgemeinert.1 Auf der nächsten Stufe hätte er alle
dental auslautenden Stämme ergriffen,2 und bis hierher ist
das Wand, gegangen. Das Ostgot. endlich macht den Ab-
fall des Nom.-s zum allgemeinen Gesetz. Es fragt sich
nur, weshalb diese ursprüngliche Analogiewirkung zu solcher
Ausnah mslosigkeit gelangte. Hierfür möchte ich keines-
wegs mit Sievers3 von den Eigennamen ausgehen und das
Fehlen des Nom.-s aus einer Vermischung des Vrocativs
mit dem Nominativ erklären ; schon das endungslose diakon
ist damit nicht zu vereinigen. Eher wird mit Braune4
eine Einwirkung des Acc. zu acceptieren sein, aber doch
nur in bestimmtem Masse; denn es ist nicht einzusehen,
weshalb eine solche Analogiewirkung sich nach dem Laut-
character der vorhergehenden Consonanz richten und im
Wand, das Nomin.-s nach Dentalen consequent tilgen,
nach Gutturalen ebenso consequent bewahren sollte. Dieser
präcise Unterschied weist vielmehr darauf hin, dass die
ursprüngliche Analogiewirkung sich zu einem wandilischen
Lautgesetz formuliert hat: das Nom.-s schwindet nach allen
homorganen Lauten. Und dann erst wird die hierdurch er-
zeugte Gleichheit von Nom. und Acc. der substantivischen
Dentalstämme auch auf die andern Auslaute gewirkt haben.
Also: 1) lautlicher Schwund des Nom.-s schon bei Wulf,
nach stammhaftem s, 2) analoger Schwund des Nom.-s
schon bei Wulf, in bestimmten Einzelfällen nach dem Vor-
bilde der Verwandtschaftsbenennungen und Nomina agentis
mit Suffix -ar-, -tar~, 3) nachwulfilanische Ausdehnung auf
alle got. -rs, 4) im Wand. Abfall des -s nach allen Den-
talen, 5) der durch die Gleichheit von Nom. und Acc. der
1 Inschriftliche Beiego auf den wand. Königsmünzen des Geilamir
(nur so; Friedländer, M. d. Wand. 34), auf einer silbernen Schale mit
derselben Namensform (Ephem. epigr. V, 826, pg. 426), auf einem
quadratischen Stein mit Geilimer (CIL VIII, 10862). (Letztere zwei
wand. Nachträge, die mir Wand. 81, 1 noch unbekannt waren, verdanke
ich meinem Freunde Dihle, der mich auch auf die wand. Inschrifton
CIL VIII, 2013. 10516. 9835 aufmerksam macht.)
2 Wand. 106, oben 8. 176.
8 Pauls Örundriss I, 416.
4 Brieflich.
12*
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180
Dentalstämme veranlasste analoge Schwund jedes Koni.-*
im Ostgot.1
Mit Recht warnt mich Braune davor, den so im
Wandilischen constatierten Abfall des Kom.-s mit dem
westgerm. in irgendwelche Verbindung zu bringen2 und
die für das Wandil. gewonnenen chronologischen Resultate
irgendwie zu verallgemeinern. Aber die zahlreichen sicheren
ostgot. Belege lassen an dem Process selbst , wenn die
wand. Stützen noch nicht genügend erschienen, nicht mehr
zweifeln; und wenn die Entwicklung desselben innerhalb
des Wand, und des Ostgot. die Vermutung nahe legt, dass
er überhaupt als ein wandil isches Dialectcharacteristicum
zu gelten hat, so spricht wenigstens der letzte wandilische
Ausläufer, das Krimgotische, nicht dagegen: Busbecks
Glossar'-' überliefert krimgot. stul wingort alt tag rinck
traghen apel schwalth kl ael statz (tz = p wie in goltz —
gulp, tzo =pu) telich für wulf. s/o/* weinagards aipeis dag*
*hriggs *wagns *aplm *swidts hails hallus staps *dwaleiks,
und in dem fraglichen Auslaut von wintch — wulf. winds,
ßsct (d. i. gewiss fisch) ■== ßsks , bars — *bards , rintsch
(mons), borrotsch (voluntas) darf man daher nicht altes
Komin.-* sehen;4 demselben geht in diesen Worten regel-
mässig ein Dental vorher, und er bedeutet nichts weiter
als eine ursprünglich ungermanische Assibiliemng oder Mouil-
lierung dieses Dentals, welche in schwalth und wintch und
borrotsch und goltz nur eine verschiedene Bezeichnungsweise
gefunden hat. — Was dieses flexive Resultat für unsere
1 Diese letzte Stufe schien auch für das Wand, schon angedeutet
zu sein, wenn eine Inschrift Kuginari (Wand. 86) bot. Aber schon
Wand. 106 warnte ich vor Verallgemeinerung dieses Einzelfalles. Die
wand. Herkunft dieser Inschrift war nur durch ihren Fundort wahr-
scheinlich. Sie mag trotzdem einen Ostgoten nennen, da rayiti auch
sonst im ostgot. Namenschatze vorkommt foben S. 150), und zum üftahari
der Neap. Urk. zu stellen sein. Jedenfalls ist meine lautliche Erklärung
(Wand. 8G): harjis > harji > hart, haltlos, denn die got. Urkunde
würde dann *harei geschrieben haben (vgl. meintti gleich daneben);
vielmehr spricht sie für die oben gebilligte Vermischung von Acc. und Nom.
2 Wand. 113.
3 Tomaschok 58 ff.
4 Sievers in Pauls Grundr. I, 416.
■
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181
historische Grammatik besagen will, braucht nicht weiter
ausgeführt zu werden: es fällt damit eine der gewichtig-
sten Stützen der ostgermanischen Einheit! 1 Sie war be-
reits angegriffen worden durch den Nachweis der westgerm.
Dative Vatvims und Afiims,- welche zusammen mit den an.
Dativen tveimr und primr und den run. gestumR und borumR
das auslautende s für die Endung des Dat. pl. als gemein-
germanisch erwiesen.3 Jetzt zeigt sich andrerseits, dass
der spätere Abfall des ursprünglich auslautenden s im Nom.
sg. nicht auf das Westgermanische beschränkt bleibt.4 —
Was die Unterscheidung der starken Masculina nach
den einzelnen Declinationsclassen betrifft, so durften nach
den oben S. 10. 176 u. ö. ausgeführten Criterion für das
Ostgot. folgende starke a-Masculina aufgestellt werden:
Gut, Greoting, Amal, -ric, -mund (secundär, vgl. unter „Suffix-
bildung"), -gern, -tonlf, -u>k -wih, -gast (secundär), -tmdth,
-rith, -hat/i, -gls, -gisly -m(>th, wisand, -wath, Wandil, -früh,
-scalc, -uanth, -wit, -thanc, Dan, -leub, diakon, -war, -euth,
-gild. — Für die ;a-Stämme giebt das Uftahari der Neap.
Urk. die ostgot. Form.5 Danach auch Starchödi (S. 128)
und die primären Hypocorismen mit Suffix ja: Theudi (=
wulf. *phideis), Waci (*\Vakjis), Alb i(* Albeis), Neudi(*Niudeis).
Letztere zeigen im lat. oder gr. Texte zwar die Endung
•is; dass diese jedoch eben nur lat. oder gr. Ursprungs
ist. wird durch ihr Vorkommen auch in westfränkischen
Namen bewiesen ; 6 -iv ist die in griech. Personennamen
geläufige Koseendung7 und hier für ihre got. Entsprechung
grade so eingetreten wie gelegentlich lat. -o gr. -cov bei
i Scherer, zGddS2 179 ff.; Zimmer, Zs. XIX, 394. 397.
* Much, Zs. XXXI, 357.
* Schorer 188.
4 8oherer 187.
5 Die normale Graeoisierung und Latinisierung zeigten der BavSa-
Xaqios des Proc. und der Wiliarius des Cass. für ostgot Wandalari und
WHiari: -aoio; -(h)ariu8 ist genaue Entsprechung zu got. *harj(w, wie die
vorhistorische Form jetzt mit Brugmaun (Vgl. Gr. I, 517 f. II, II, 532),
Kauffmann ( Beitr. XII, 539 Anm.), Streitberg(Beitr. XI V, 181 ) anzusetzen ist.
* Vgl. sohon J. Grimm, Gr. I1, p. XLIX.
7 Fiok, Personennamen XXVII.
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— 182
den schwachen (///-Stämmen. Von den wa-Stämmen
boten sicli Coniposita mit wulf. piwa- *badwa- dar, leider
nie ohne lat.-gr. Flexion, welche hier natürlich besonders
nahe lag; doch wird die Analogie aller andern a-Stämme
gestatten auch ostgot. *theu *badu anzusetzen. — /-Stämme
lagen vor in -wfr -mw* wulthr. — Für andre Casus als
den Nom. sing, ist nichts zu ermitteln ausser, wie aus
Obigem folgt, dass der Acc. sing, dem Nom. gleich lautete.
b. Feminina.
o-Stämme (movierte Formen): -leuoa, -frida, -berytt,
-swentha, -wara, -tiantha, -fara, -wem, -wada. — Als jo-
Stamm war ostgot. -hildi inschriftlich und urkundlich belegt,
und danach durfte auch die Latinisier ung -yunda als ostgot.
•gundi restituiert werden.
2. Schwache Declination.
a. Masculina.
Dass hier die wulf. Endung -a im Ostgot. intuet ge-
blieben, wurde in erster Linie durch die zahllosen primären
Hypocorismen auf -a und secundären auf -Ha -im bewiesen;
dazu noch Ostrogota, Darida. Die Belege sind so zahlreich,
dass die vereinzelten Namen auf -o (Orajo, Bojo, Biggo,
Tzalico) für die ostgot. Endung an sich bedeutungslos sind:
es ist nur die lat.-gr. Koseendung 1 an die Stelle der got.
getreten, und lat. Talko Taliconh gegenüber got. *Talika
*Talikim ist nicht anders zu beurteilen wie etwa lat.
-nandm -nandi gegenüber got. -nanps -nanpis. Innnerhin
mag in gewissen Namen die lat. oder gr. Endung fest ge-
worden sein, und wenn z. B. der bekannte Wandale stets
Stüivo lrtXi/u)v genannt wird,- so ist zu bedenken, dass
der grosso Staatsmann sich immer in römischen oder griechi-
schen Hofkreisen bewegte, seinen Namen unter lateinische
oder griechische Urkunden zu setzen hatte u. s. w. Ebenso
lautet das ostgot. Appellativuni bei Cass. regelmässig sajo
statt *$aja : sein ständiger amtlicher Gebrauch hat es der
1 Fick, Personennamen XXIII f.
» Wand. 49.
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183 -
lat, Canzleisprache accomodiert. Aber das sind alles ver-
einzelte Ausnahmen , die für die ostgot. Vulgärsprache
nichts ausmachen. Bezeichnend war hierfür auch das
Nebeneinander von Ovpa'ia und Oraio.1 Ebenso ungotisch
und durch ihre Vereinzelung als unregelmässig erwiesen
ist statt des -a die gelegentliche Endung -as (z. B. rplnnag,
Totilas); sie ist griech. Herkunft und schon aus der^wulf.
Bibel bekannt (satana und satanas, dagegen papa gotisiert
aus nannaq U. S. W.).2
/aw-Stämme : Marc ja, Oraja, Matja, Teja (mittelbar
auch Wilja, Sibja).
Die Flexion der «//-Masculina ist in den Quellen ge-
wöhnlich die der ersten lat. Deel. Daneben zeigte sich eine
mechanische Characterisierung durch Anfügung einer w-En-
dung in lat. Formen wie Thancane (Abi.), Mannani Man-
nanis (Gen.) u. ä. Correcter war die palatale Färbung des
got. Endungsvocals bewahrt in den obliquen Casus lat.
Waccenem Mazenis Patzenis Cessinisy welche auf die got.
Genetive und Dative *Wakins *Matjin u. s. w. weisen
und für ostgot. -fw(s) gegenüber wulf. -m(*) sprechen können.3
b. Feminina.
Ostrogoto Theodegoto Mammo TuUjilo Runilo Sißlo
bezeugen die Erhaltung der alten wulf. Nom.-Endung; die-
selbe, constant o geschrieben, hat die Färbung zu u also
mit den Stammsilben nicht mitgemacht, — ein Unterschied,
wie er grade so aus dem Ahd. bekannt ist.4 Die Flexio
romana zeigt die entsprechenden w-Bildungen. Vereinzelte
Latinisierungen in -a -ae sind belanglos.
WORTBILDUNG.
1. Nominale Composition.
Der Compositionsvocal, welcher bei Wulf, je nach der
Natur des Stammesauslauts des ersten Gliedes bewahrt
1 Vgl. hierzu Dietrich 82; Henning, DLZ 1887, 1549.
• Vgl. schon Jac. Grimm, Gr. I«, p. XLVIII; Kl. Sehr. III, 392.
8 Vgl. oben S. 1«2.
4 Braune, Ahd. Gr. § 38, 2. 63.
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184 -
blieb (wiga-deinö, gasti-göds, faihu-skula), zeigt in den ost-
got. Eigennamen (soweit er erhalten) eine entschiedene
Neigung zur Abschwächung und zwar in palataler Färbung :
f werden wir im allgemeinen als den ostgot. Bindevocal
bezeichnen können.1 Namentlich das wulf. u der Compo-
sitionsfuge ist diesem Process erlegen: Hereleuca (wenn -
wulf. *Hatru-liuba) , Wisibadu (*Wisu-badus) , Felithanc
(*Filu-pagks). Sonst lässt sich die lautliche Keine >
-e- > -(?- > -4- durch alle Stufen hin im Ostgot. verfolgen
und zeigt damit, wie der ganze Vorgang noch im Werden
begriffen ist. Characteristisch war bei den ja- und jau~
Stämmen die im einzelnen belegbare Stufenfolge -ja- >
-je- > worüber oben S. b'8 f. und 87 f. zu vgl. Spuren sol-
cher Vocalschwächung , d. h. Eindringen des Sehreiber-
dialects, können in den Bibelhss. die Glosse seinai-gairnai
des Cod. A zu 2. Tim. 3,2 und die Variante lausai-waurdai
in A zu lausa- Tit. 1, 10, d. i. seinal-, laasai- zeigen,2
wenn hier nicht vom gedankenlosen Schreiber die Wort-
endung mechanisch vorausgenommen worden ist. Ob dieser
Process trotzdem von den Eigennamen aus im gleichen
Umfang auf die Umgangssprache des 6. Jahrhs. wird ver-
allgemeinert werden dürfen, könnte zweifelhaft scheinen,
wenn man bedenkt, dass auch die griech. Personennamen
in der Compositionsfuge eine Vocalfreiheit zeigen, welche
weiter greift als in der appellativen griech. Composition3;
jedoch ist in der Überlieferung der letzteren schriftsprach-
liche Gewohnheit grade so in Rechnung zu ziehen wie in
den got. Codd. , und die grössere dialectische Genauig-
keit liegt in diesem Falle bei der Schreibung der Eigen-
namen.
Zweisilbige erste Compositionsglieder bewahren ihre
Zweisilbigkeit, d. h. den Fugenvocal oder Stammesauslaut,
wenn das zweite Compositionselement mit einem Conso-
1 Kremer will Beitr. VIII, 406. 426. 449 für Ähnliche Fälle Ein-
wirkung der lat. Componitionsregeln annehmen , — ein Ausweg von
bezeichnender Willkür.
2 Vgl. oben S. 141 ; Brugmann, Vgl. Gr. II, 1, 74 Anm.
9 Fick, Personennamen XIV.
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- 185 -
nanten ausser h oder w beginnt ; dagegen kann der Fugen-
vocal vom Anlaut des zweiten Gliedes verschlungen werden,
wenn dieser /*, tr oder ein Vocal ist; dreisilbige erste
Compositionsglieder werden gern auf Zweisilbigkeit redu-
ciert.1 Dies die Regeln für die Zusammensetzung der ost-
got. Eigennamen. Für ihren ersten Teil brauchen keine
Beispiele wiederholt zu werden; es sei aber betont, dass
er keinerlei Ausnahme fand und kein einsilbiges Composi-
tionsglied bei consonantischem Anlaut des zweiten Elements
vorkam. Bei vocalisch anlautendem zweiten Gliede schwand
der Fugenvocal wie bei Wulf. Die organische Schwäche
des got. h macht sich im Ostgot. wie bei Wulf, geltend,
wenn die ursprünglich mit h beginnenden Wörter an
zweiter Compositionsstelle den vorhergehenden Stammes-
auslaut grade so angreifen wie die vocalischen Anlaute ; 2
doch ist der Process noch nicht consequent durchgeführt:
die Neap. Urk. schreibt zwar got. Uftahari, aber die Ver-
tauschung mit Optarith in ihrem lat. Teil ist nur möglich,
wenn die Syncope des ersteren zu Uftari schon eingetreten
war, Uftahari also zum Teil auf historischer Schreibweise
beruht; die inschriftlichen Taniüdi und Dumikla zeigen die
Syncope vollzogen, während die inschriftlicho Guntelda der
urkundlichen Gundihildi, Cassiodors Ranilda der urkund-
lichen Ranihilda, das Theodahadus der Münzen anderem
GtvdaroQ Theodadus gegenübersteht. Für die Composita
mit w?-Anlaut im zweiten Gliede scheint die Sache ebenso
zu liegen: Scipmtr Erdwih Gudwin Tolwin Odwin Nand-
win Oswin Andwit Gundwidf Wadwulf gegenüber Suniwath
Hildiwada Hildewar a Bedewtdf Alimdf; jedoch bei den
fünf letzten hat die Frage insofern ihr besonderes Gepräge,
als der letzte Laut des ersten Compositionsgliedes hier
nicht der ursprüngliche Fugenvocal, sondern stammhaftes
j ist (wir stellten Suniwath zu got. sunjis, Hildi- zu dem
jd-Stamm *hildi3, Bedewulf zu baidjan , Aliwulf zu aljis) ;
es wird daher für das Ostgot. der Schwund des Composi-
1 Vgl. Grimm, Gr. II (1878), 890 ff.
• Vgl. Kluge in Pauls Grundr. I, H30, 3 Anm.
s Zu *llildwulj 8. 145 vgl. vorläufig 8. 162, 0.
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- 186 -
tionsvocals vor <r-Anlaut des zweiten Gliedes zu allge-
meinem Gesetz erweitert werden dürfen. Bei Dreisilbigkeit
des ersten Gliedes endlieh zeigten nur Amalafrida Amata-
berga Amatas tri ntha Athalaric Intactheit der ersten Compo-
sitionshälfte; dieselbe wird bei diesen der königlichen
Familie angehörenden Xamen auf einer historischen Pietät
beruhen , da Anud und Atluil amalische Ahnennamen
waren,1 und die gleiehmässige Schreibung Amata-, AthaUi-
(auch ohne Abschwächung des dritten a) einer traditionellen
Schreibung entstammen.2 Sonst wird die ursprüngliche
Dreisilbigkeit des ersten Namenelementes zerstört, sei es
durch Unterdrückung des Stammesauslauts, sei es durch
Syncope der zweiten Silbe: Evvrmud (Jord.) — Ebremud
(Marceil.) Eßmfiov& (Proc), Angel früh — Ragnarith. Auch
bei Wulf, linden sich schon sigislatm* piudangardi u. ä. :
die selteneren dreisilbigen Compositionselemente im ersten
Gliede accomodieren sich, gedrängt durch den nachfolgenden
Stammsilbenaccent des zweiten Gliedes, den bei weitem
überwiegenden zweisilbigen.4
Die somit gewonnenen ostgot. Compositionsgesetze
zeichnen sich durch Einfachheit und Durchsichtigkeit aus.
Es ist die Frage, ob sie zur Lösung des wulfilanischen
Compositionsproblems etwas beitragen können. Wulfila-
nische Parallelen wie guda-faur/tts und gup-blöstreis, lansa-
waurds und lans-aiprs sind ebenso bekannt und oft citiert
als bisher noch unaufgeklärt;5 namentlich Kremers aus-
führlicher Deutungsversuch kann in keinem Punkte über-
zeugend Andeutungen aus dem Folgenden gab ich bereits
im Anz. XVI, 65 f.
1 Vgl. oben S. 50. 84.
* Nur bei Fredeg. steht Amalbergu, bei Cass. Var. IX, 1 Amalc-
frida in Gb.
s Joh. Schmidt fordert in KZ XIX, 281 richtig sigisa-.
4 Weitere Corruption mehrsilbiger erster Namenglieder, wie sie
Stark, Kosenamen 41 ff., behandelt, fehlt in der ostgot. Epoche noch.
6 Holtzraann, Altdtsch. Gramm. I, II, 55; Kluge, KZ XXVI, 81;
Kremer, Beitr. VIII, 380 ff.
0 Vgl. zu scinor Characteristik in einem einzelnen Punkte auch
Streitberg, Beitr. XIV, 190 ff.
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187
Das Übereinstimmende in den wulf. und den ostgot.
Compositionsformen zweier Nomina liegt in dem Schwund
des Fugenvoeals vor Vocal. in seinem Schwanken vor h und
bei mehrsilbigem ersten Gliede. Das Neue beim Ostgot.
liegt in seinem Schwund vor w.1 Und letzterer findet in
dem Lautcharacter des w seine einfache Erklärung: iv ist
infolge seines vocalischen Anlauts in die Analogie der
Vocale überhaupt getreten. Ist damit bewiesen, dass der
Compositionsmodus der mit vocalischem Anlaut des zweiten
Gliedes gebildeten Zusammensetzungen analogice weiter um
sich greifen kann, dann steht nichts im Wege, seine Ein-
wirkung auch in Fällen wie wulf. gupblöstreis lausqiprs
u. s. w. zu erkennen. Dass wir für solcho keine speeifisch
ostgot. Parallelen zur Hand haben, hat in dem Unterschied
der Appellativa und Nomina propria seinen Grund. Für
den germ. Personennamen ist die Bildung aus zweisilbigem
ersten und einsilbigem zweiten Compositionsglied die bei
weitem überwiegende, sie darf als die typische gelten ; und
bei der mechanischen Art der germ. Namengebung, welche
die Bedeutung der Namenglieder früh abschwächte und
besonders gern aus den in der Verwandtschaft vertretenen
Namenelementen immer wieder neue Composita bildete,
kehrte jener Typus beständig wieder, auch wenn das zu-
sammengesetzte Appellativum in seiner Entwicklung bereits
vorausgeeilt war und die ursprüngliche Zweisilbigkeit des
ersten Compositionselementes angetastet hatte; in ahd.
Zeit z. B. lässt es sich beobachten, wie der Eigenname erst
später hierin nachfolgt und den Fugenvocal tilgt wie das
Appellativum.2 Wenn also auch die ostgot. Eigennamen
das Eindringen jener Analogie Wirkung nur bei to-Anlaut
des zweiten Gliedes zeigen, wo es lautlich befördert wurde,
nicht jedoch bei andern Consonanten, so darf auf die appella-
tiven Composita daraus noch nicht geschlossen werden,
1 Bei Wulf, nur all-waldands ubil'waürda twalib-wintrus , von
welchen jedoch die boiden ersten Doverbativa sind (vgl. ubilwaürdjun
— ubil teaürdjan) und das letzte sich aus Urulif wintrjus (vgl. ßmfhundn
— fimf hunda u. ä. ) erklärt.
» Vgl. dazu Kosainna, QF XLVI, 62 ff.
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188 -
vielmehr können Bildungen wie gupblostreis Ltusqiprs schon
zahlreicher gewesen sein als bei Wulf. Klemers .Behand-
lung der ersten Compositionsglieder im Gotischen" aber
muss höchst bedenklich erscheinen, wenn sie alle chrono-
logische Entwicklung ausser Acht lässt und ein allgemeines
Compositionsgesetz gleichmässig aus dem appellativen Got.
des 4. Jahrhs. und aus den got. Eigennamen aller Jahr-
hunderte herleiten will. Dabei aber ist sehr characteri-
stisch, dass die Namenbelege, welche er für Schwund des
ersten Stammesauslauts beibringt, fast vollzählig Zusammen-
setzungen mit Ii- oder «-Anlaut im zweiten Gliede oder
mit mehrsilbigem ersten Gliede, die wenigen Ausnahmen
hingegen samt und sonders verzweifelte Entstellungen und
dunkle Bildungen sind, welche er durch die kühnsten Ety-
mologien , durch manchen Anachronismus und Vernach-
lässigung jeglicher diabetischer Unterschiede für seine Zwecke
zurechtzustutzen sucht.
Fällt auf diese Weise Kremers ganzes Namenmaterial,
und streichen wir bei ihm zweitens alle die appellativen
Composita, deren zweites Glied mit Vocal, h, tc anlautet
oder mehrsilbigem ersten Gliede folgt, dann bleiben folgende
wulf. Anomala 1 übrig : gup-blöslreis wein-drugkja man4eika
ain-falps aut-lif laus-qiprs brup-faps.2 Die analoge Ein-
wirkung der Composita mit vocalischem Anlaut des zweiten
Gliedes auf consonantische Anlaute ist also bei Wulf, erst
eine ganz vereinzelte und dürfte grade so, wie sie bei den
ostgot. w-Bildungen durch die halbvocalische Natur des w
ihre besondere Beförderung fand, bei Wulf, noch Fall für
Fall durch singulare Gründe unterstützt worden sein:
gupblostreis, weitidrugkja sind nach gufi blötan, wein drigkan
gebildet; matüeika ist überhaupt keine Ausnahme, da sein
erstes Glied ein consonantischer Stamm ist, sondern zeigt
für einen solchen noch den ursprünglichen Typus, während
1 J. Grimm, Gr. II (1878), 392: „Einschleichende Entstellungen
der älteren Formen *tceitta-<h'u<jkni u. 8. w. Yu Gupblostreis weindrugfeja
lamqiprs sind nur je an einer Stelle zu belegen.
8 Alhu trein Röm. 12, 8 ist längnt richtig in alUiwtrein gebessert ;
vgl. Heyne8 130.
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— 189 —
bropra-, bröpru-lubö, nahta-mats , mana-maurpja , mana-
seps durch dieselbe Analogie vocalischer Stämme be-
reits beeinflusst sind , welche auch in die Flexion ihrer
Simplicia gedrungen war (vgl. bröprjus% bröprum, nahtam
u. s. w.); ainfaip$ erklärt sich durch die gegensätzlichen
managfalps fidurfaips ; ainlif ist Zusammenrückung aus
ain lif (dazu der Plural twa-lif) ; für lausqiprs wäre directe
Beeinflussung durch laushandus nicht undenkbar; und so
bliebe nur brtipfaps übrig, aber auch für dieses kann
der ursprüngliche mit der Bedeutung zusammenhängende
Accentwechsel Kremers nicht angenommen werden, denn
zwischen brüpfaps einerseits und hunda-, synagöga-, pusundi-
faps andrerseits ist ein Unterschied in dem functionellen
Verhältnis der beiden Compositionsglieder zu einander nicht
zu erkennen.
Und so scheint mir der gesamte grosse Aufsatz
Kremers zusammenzufallen trotz seiner unzähligen Kecon-
structionssternchen, seiner blendenden Citatenfülle und seines
sonstigen hypergelehrten Apparates. Mit obiger mechanischer
Formulierung des gotischen Compositionsmodus aber werden
wir uns begnügen müssen, bis die Nominalcomposition der
andern germ. Dialecte unter möglichster Berücksichtigung
ihrer chronologischen Entwicklung behandelt sein wird.
Die Resultate, welche Storch für das Ags. fand, sprechen
nicht gegen sie.'
1 Storch, Ags. Nominalcomposita (Strassburg 1886) 1 : „Vor dem
Ursprünge der Nominalflexion wurde die Zusammensetzung der idg.
Nominn durch Aneinanderrückung der Stämme gebildet. Das später
hinzutretende Flexionssuffix wurde als selbständiges Rlemont zu dieser
Wortverbindung nur einmal und zwar an das Ende gesetzt. So kam
es, dass das Suffix mit dem zweiten Worte zusammenwuchs, während
das erste don Character des reinen Stammes bewahrte. Die so ent-
standenen primären Composita, die von den durch Zusnmmenrückung
zweier flectierter Wörter entstandenen secundären zu unterscheiden sind,
bilden auch die Typen der urgerm. Nominalcomposita. Secundäre
Coraposita tauchen erst in jüngeren Perioden der germ. Sprachen auf,
breiten sich aber ziemlich rasoh aus und gewinnen allmählich den
Vorrang vor den primären. Die nhd. Nominalcomposita z. B. werden
gegenwärtig zumeist nach secundiirer Weise gebildet. Im Ags. kommt
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— 190 —
2. Suffixbildung.
Nach Möllenhoff1 sind alle Personennamen starker
Declination der Form und Bedeutung nach ursprüngliche
Adjectiva, die nur nicht wie die übrigen Adj. pronominale
Declination angenommen, sondern die alte nominale be-
halten haben. Und Kossinna2 hält nur diejenigen Namen
für echt, d. h. ursprünglich, welche sich als Zusammen-
setzung eines Substantivs mit einem darauf folgenden Adj.
erweisen, alle Namensformen aber , die zwei Substantiva,
Adj. und Subst. oder zwei Adjectiva enthalten, für unur-
sprünglich und einer verhältnismässig jungen Zeit ange-
hörig. Ob diese onomatologische Grundregel insofern etwas
einzuschränken ist, als Namen mit einem concretcn Sub-
stantivum personale im zweiten Gliede (wie harjis — miles,
*ttins% pius, skalks) trotzdem uralt zu sein scheinen, bleibe
dahingestellt. Für ihre Ursprünglichkeit könnten sonst die
Namen mit -rh- sprechen (dessen keltische Entlehnung
wird natürlich nirgends mehr gefühlt), die als lat. gr. -ricus
-(Ji/og erscheinen, also an das Subst. reiks anknüpfen, nicht
an das Adj., welches als /-Stamm (Nehem. 6, 17 reikjane)
auch im Lat. und Griech. entsprechende Flexion zeigen
würde. Dagegen wäre zu den mit got. skalks componier-
ten Namen ein secundäres Adj. mhd. schalk „ hinterlistig,
boshaft44 zu vgl., und ähnliche Bildungen könnten von jedem
Subst. statthaft sein, wenn sie auch appellativ nicht immer
belegt wären oder überhaupt nur für solche Namenbildungen
bestanden hätten. Diese Frage bleibt also ebenso eine offene
wie der Versuch, die Adj. im zweiten Namengliede practisch
zu scheiden in primäre Adj. (got. w/<V.s, Hubs, galms u. s. w.),
in secundäre, d. h. nur zur Namenbildung geschaffene Deno-
minativa (*-mutids, *-gasts u. s. w.) und deverbative Nomina
die sccundare Composition kaum in Betracht." Auch Storchs weitere
Ausführungen zeigen, dass der Unterschied von primärer und seeun-
dftrer Composition für den functionellen Character derselben von unter-
geordneter Bedeutung ist, und sprechen somit ebenfalls gegen Kremers
Leitmotiv.
1 Zs. XVI, 154.
• QF XLVI, 64. Anders Burg, Runeninschr. 17, 2; aber das
Vorurteil liegt bei Burg.
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191
agentis (*-reps, *-waps, -berga, -fara u. s. w.) 1 ; denn wie das
namenbildende denominative got. *-fripa- zu got. fripus tat-
sächlich als an. Adj. fripr und das namenbildende deverbative
*-wara (vergl. gr. oydio) als got. Adj. war» vorhanden ist, so
mögen *gasta- „gastfreundlich* zu gasti- u. v. ä. auch ap-
pellativ bestanden haben und nur zufällig nicht zu belegen
sein. Mögen aber alle diese Secundärbildungen einmal
selbständige Adj. gewesen sein oder nicht, das Characte-
ristische an ihnen ist die Art ihrer Bildung: das Suffix a
im Masc. , ä oder jä im Fem.2 Die Grundregel germani-
scher Namenbildung wird also vorsichtiger so zu formu-
lieren sein : enthalten die typischen zweigliedrigen Personen-
namen im zweiten Gliede nicht ein ursprüngliches persön-
liches Ooncrctum oder ein primäres, d. h. appellativ vor-
handenes Adj., so liegt eine secundäre adjectivische a-Bildung
vor. Die ausserordentliche grammatische Consequenz in
der Flexion der germ. Eigennamen bei den lat. Historikern
führt unbedingt darauf, dass z. B. in Namen wie Com-
gastus Thrasemundu» nicht einfache mechanische Zusammen-
setzungen mit den Substantiven gast» *tnunds vorliegen,
weil diese als i-Stämme auch im Lat. »-Flexion aufweisen
würden ; vielmehr haben sie ihren ursprünglichen Stammes-
auslaut abgeworfen und das Secundärsuffix a angenommen,
grade so wie zum /-Stamm got. wem- „Hoffnung" ein ad-
jectivischer a-Stamm durch alle Dialecte geht (ags. miwen,
ahd. urwänaz u. s. w.) oder zum /-Stamm wliti- das An.
die er- Adj. dqgglitr jarplitr oder zum //-Stamm fötu- das
Ags. das (i-Adj. »cäfföt „curvis pedibus" stellt.8 Ein zu-
künftiges germ. Namenbuch wird sich daher der Aufgabe
nicht entziehen dürfen, für jedes einzelne Namenglied auch
eine lat. Flexionsstatistik aus den historischen Quellen zu-
sammenzustellen.
1 Dass auch letztere ursprünglich durchaus als Adj. und sub-
stantivisch gebrauchte Adj. zu betrachten, darüber Scherer, zOddS8 458.
2 Für die Feminina ist ä deverbativ (-berga, -fara), jä denominativ
(-hildi, -gundi), ein Unterschied, der noch einer besonderen Unter-
suchung bedarf.
3 Zimmer, QF XIII, 225 f.
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— 192 —
Dass das a-Suffix persönliche Concreta bildete, dafür
brauchen appellative Beispiele nicht aufgezählt zu werden,
man findet sie bei Zimmer bei einander. Aber ihre Ent-
stehung fällt allermeist in vorhistorische Zeit; so üppig
diese Suffixbildungen ursprünglich gewuchert haben , wie
die Vergleichung der idg. Einzelsprachen ergiebt , so ist
das Suffix im germ. Sonderleben so gut wie gar nicht mehr in
lebendigem Gebrauch.1 Nur in einem Falle hat Zimmer die
letzte selbständige Wirksamkeit des Suffixes im Germ,
nachgewiesen: die aus dem Ai., Gr., Lat. bekannten «-Bil-
dungen, welche als zweite Glieder von Tatpurusha-Compo-
sitis vorkommen (vgl. -dama; -da[to<;; -dicus, -ficus, -cubus,
-fer, -ger), hat er mit zahlreichen Beispielen aus der an.
Poesie belegt (svelgr, -verkr, -oaldr, -räpr, -grtpr, -ripr
u. s. w.) und damit den interessanten Nachweis gebracht,
„wie ein Wortbildungsprincip, das der Sprache des gewöhn-
lichen Lebens längst abhanden gekommen war, in der der
Poesie üppig fortwuchert. u Und zu diesem einen letzten
Reste lebendiger a-Bildung in der poetischen Sprache stellt
sich der andere hier vorliegende in der germ. Namenbil-
dung, welche ja immer etwas Poetisches an sich hat.
Unter den ostgot. Namen begegnete der primäre Hypoco-
rismus Grtp(p)a : er mag aus zweigliedrigem Namen gekürzt
sein, dem etwa Zimmers an. vingripr, olpgripr an die Seite
zu stellen wären; und zu den zahlreichen Namen auf -rith
laufen die poetischen an. Composita aldrdpr gagnrdpr gang-
rdpr grandräpr nyrapr, atripr eykrlpr fräripr vigripr parallel.
Diese secundäre a-Bildung findet als formelles oder
flexives Grundprincip der Eigennamen darin noch eine be-
sonders beweiskräftige Stütze, dass sie als idg. zu ver-
muten ist. Seit Ficks classischem Buche über die griech.
Personennamen sind die Principien der Namenbildung in
den idg. Einzel sprachen als Übereinstimmend und damit
als proethnisch nachgewiesen.2 Und wie grade die germ.
Eigennamen ihre Urverwandtschaft mit den griech. auf Schritt
1 Zimmer 25; Sütterlin, Nom. agentis, 3.
* Selbst über die Int. vgl. Fick LXV f., über die urmeniflche
Brugmann, Vgl. Gr. II, I, 32, 2.
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— 193 —
und Tritt documentieren, so ist auch die behandelte se-
cundäre Stammbildung derselben im Grieth, vertreten. Fick
führt XIV f. eine Keine von Fällen mit zahlreichen Belegen
auf, wo im Auslaut des zweiten Namengliedes die o-Flexion
sich statt der ursprünglichen , einer consonantischen oder
andern vocalischen, zeigt, will aber hierin nur eine bequeme
Erleichterung in der Aussprache erkennen. Jedoch zu-
nächst ist nicht einzusehen, wo in Namen auf -arJprv -nav^^
-ftrjTou die grössere Sprachbequemlichkeit liegen soll im
Vergleich mit den ursprünglichen ürijy nax^ fit/typ; und
dann hätten Fick besonders Namen auf -vixoq -rifioc -<p^wg
darauf führen sollen, dass es sich hier um keine sprach-
liche Bequemlichkeit, sondern um einen functionellen Process,
um die Kennzeichnung eines Nomen agentis gegenüber den
Abstracten vtxt] ttfuj tf-tj^ij handelt. —
Das Bestreben hingegen , die Aussprache der Namen
zu erleichtern, wird auf ganz anderem Wege erreicht:
durch die kürzenden Koseformen. Die Hypocorismen ver-
einfachen das ursprüngliche Compositum, und zwar taten
dies die ostgot. durchweg durch Unterdrückung des einen
('ompositionsgliedes. Eine solche Möglichkeit hypocori-
stischen Schwundes ist für jedes der beiden Namenelemente
anzunehmen. Hiessen z. B. zwei Brüder ThemUnavth und
Giulitmnth , so lag die Unterscheidung ihrer Vollnamen im
eisten Glied, hiessen sie etwa Theuditianth und Theudimer,
so lag sie im zweiten Glied : im ersten Fall daher die Hypo-
corismen Theudiht (liidila, im zweiten Namh'la Merila.1 Der
Ersatz nun, welchen die so um ihre eine Worthälfte ge-
kürzten Namen fanden, war ein suffixaler. Diese hypo-
coristischen Suffixbildungen sind primäre oder secundäre.
Die primären zeigten entweder das vocalische Suffix -ja-
oder häufiger das consonantische -an-, die secundären die
Suffixe -ilan- oder seltener -ikan-, — alles Bildungen, welche
in der idg. Namengebung ihre Entsprechungen haben.2
1 Vgl. Stark, Kosenamen 12 ff. , und ebenso die griech. Hypo-
corismen, Fick V.
» Fick XXVII. XXIII f. L. XLII. Diese Art der Kosebildung
ist also die ursprüngliche und idg. (Brugmann, Vgl. Or. IJ, I, 33).
qf i.xvm. 13
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194 —
Ursprüngliche ^«-Bildungen 1 sind im appellativen Ger-
manisch im Aussterben begriffen.2 Um so häufiger sind
secundäre Ableitungen.8 welche nichts weiter als die Zuge-
hörigkeit zu etwas ausdrücken sollen; die zahlreichen hierher
gehörigen got. Bildungen stellt Leo Meyer S. IW3 ff. zu-
sammen , und zu ihnen gesellen sich die onomatologischen
/«-Bildungen (Theudi Waci Albi Neudi). Characteristisch
ist, dass wieder das An., besonders die an. Poesie, im Gegen-
satz zu den andern germ. Dialecten das Suffix noch productiv
handhabt.4
Bedeutend zahlreicher sind die primären Hypocorismen
auf -//«- (Theoda Gada Thanva Thorisa Trigytca Wilja
Grippa Suna Wem u. s. w.)*', entsprechend den vielen griech.
Bildungen auf -tor. Die lebendige Wirksamkeit des Suffixes
-an- im germ. Sprachleben lässt sich in allen Dialecten
noch verfolgen; es trat an die Stelle des absterbenden
Suffixes -«-, verdrängte dasselbe nicht nur aus seinem
lebendigen Gebrauch, sondern zog auch historisch feststehende,
mit Suffix a gebildete Wörter in jüngeren Sprachperioden
immer mehr zu sich herüber.'5 Leo Meyer stellt in § 354
die got. Nomina agentis auf -an- zusammen. Viele unter
ihnen sind nur substantivisch selbständig gewordene Adj.
wie blindan- neben Nitida-, ganiainjan-, unhulpan- u. s. w.7,
Starks weitere Reducierungcn der Vollformen gehören samt und sonders
jungen germ. Perioden nn. So die Assimilation von Consonantengruppen
(Stark 21 ff.): Ga<hhi und Jirtto sind bei ihm die frühesten Belege
hierfür (S. 22. 26) und zwar a. d. J. 615, alle andern entstammen erst
dem 8. oder späteren Jahrhunderten (vgl. oben 8. 80 f.). Jene Art
der Kosebildung, welehe vom Vollnamen das erste Glied ganz, dns
zweite nur in einem oder wenigen Lauten beibohftlt (8tark 104 ff.),
kann erst in eine Epoche gesetzt werden, welche die Zweisilbigkeit des
ersten Namengliedes bereits angegriffen hatte (vgl. oben 8. 126).
1 Stark, Kosenamen 53 ff.
9 Kluge, Nominale Stammbildg. § 7.
9 Schlüter, Suffix jn, 38 ; Sütterlin, Nomina agentis, 5.
* Sütterlin 7 ff.
6 Vgl. die massenhaften an. Namen auf -i (8tark 54).
8 Zimmer 170 ff; Sütterlin 30 ff.
7 Lichtenheld, Zs. XVIII, 41 Anm. Vgl. oben S. 81.
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— 195 —
und so verhalten sich die stark flectierten Vollnamen zu
den schwach flectierten Kosenamen ganz wie die starken
zu den schwachen Adj.: es sind secundäre Individualisie-
rungen 1 ; der zweigliedrige Vollname ist — man denke an
den Zeitpunkt und den Zweck der Namengebung — ursprüng-
lich praedieativ, der gekürzte Kosename specialisiert seine
Bedeutung auf eine bestimmte Person.
Die kosende Zärtlichkeit geht aber noch weiter, wenn
die so gekürzten Namen durch Diminutivsuffixe wieder
erweitert werden. Die secundären Hypocorismen mit Suffix
-Uan- sind am zahlreichsten (Theudila Gudila Thaucüa
Triggwila Albila Gesila Badirila, Tulgilo Bundo Sifilo u. s. w.).*
Von Appellativen vgl. got. wnguhi mawilö, ahd. niftila scalchilo,
an. geisle u. ä.3
Die secundären Bildungen mit einem Suffix -ikan-
waren nicht so häufig (Cillica Oevim Mirica Tulica Hardica)*
Die andern idg. Sprachen zeigen ebenfalls solche gutturalen
Weiterbildungen, aber ihre Consonantenstufe stimmt nicht
zu der germ. (ai. -aka -ika, gr. -«xoc -«£ -t/n^ -i/to^, kclt.
~iroh); ob sie zu vereinigen sind, bleibt dahingestellt; das
Ausbleiben der germ. Lautverschiebung grade bei derartigen
Kosebildungen wäre nicht undenkbar, man denke an inter-
nationales Tata (oben S. 124. 1%). Vgl. diminutive Appella-
tiva wie ahd. arnühha „paupercula", julihhtt „weibliches
Fohlen % smirihha „ Schwiegertöchterchen \
Die im Vorstehenden geschilderte onomatologische Ent-
wicklung zeigte sich im Ostgot. deutlich Stufe für Stufe,
wenn wir folgende Heihen fanden: Theoderic (-mer, -wund
u. s. w.) — Tlieoda Theudi — Theudila, Gudinanth (~leub
u. s. w.) — Guda — Gudila , Wilithanc (Ala-, Fell- u. s. w.)
~ Thanca — Thancila, (Anagast — ) Anna — Attila, Sise-
wera -- Wera — (Werira), Marabadu (Fridi-, Wisi- u. s. w.)
1 Süttorlin 65 f
* Grimm, Gr. II (1878), 108. Suffixablaut in Costila Cosluh;
Shulila SinJula.
1 Grimm a. a. O. ; Kluge, Nomin. 8tammbililg. § "»«.
* Grimm, Gr. II (1878), 270; Stark, Kosen. öG.
5 Fiele XLIt; IJrugmnnn II, I, 248.
13
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- 19«
— Dadtra — Bndwila, (Gesimund — ) Cessa — Gesila, Triggtra
— Triggwila. Alhi — Albila, Mauna — Mannila, Talla —
Talica u. s. w.
Im Anschluss hieran, obwohl nicht zur Suffixbildung
gehörig, sei noch eines weiteren Hilfsmittels der Kosebil-
dung gedacht: der hypoeoristisehen Consonantengeinination.1
Sie findet sich vor allem in den Kosenamen (vgl. Ihha
(h'ippa Tsitta Mona Anna Riggo Zalla Ccssa, Gattila Htm-
nila Qttiddila Totlila), dringt aber von hier auch in die
Vollnamen (vgl. Tanilldi Wittigis Witterith Riccithauc). Die
gleiche Erscheinung ist im Griech. genügend zu belegen2,
ihre Erklärung aber fraglich3. Wahrscheinlich drückt die
Dehnung der Consonanz den zärtlichen und deshalb gedehnten,
nicht schnell hervorgestossenen Ruf nach dem Träger des
Namens aus, wie wir ihn noch heute gradeso bei lautem
kosenden Hufen, zumal aus Kindermund, hören können.
Die vorher erörterten Suftixbildungen waren alle speciell
onomatologischer Natur. Was sich aus dem ostgot. Material
sonst für die Suffixlehre im allgemeinen ergab, bezieht sich
auf einzelne4 Namen und Wörter und ist unter diesen be-
handelt, sodass für das /-Suffix auf Amol, -gisl, Wnndil,
für -r- auf wttfpr, für -//>- auf Darida, für -ins- auf Sigis-,
Thorisa, für -mg- auf Greoting nur zu verweisen ist.
\\. Namengebung.
Storks Annahme, 1 dass in vorhistorischer Zeit alle
germ. Personennamen anfänglich einfach, aus einem Worte
gebildet waren, und dass die zusammengesetzten erst allmäh-
lich, wenn auch noch in derselben vorhistorischen Periode,
entstanden sind , ist durch Ficks Nachweise über das idg.
Namensystem r> längst widerlegt: die zweistämmigen Eigen-
namen sind die ursprünglichen, die einstämmigen sind secun-
1 Stark 19 ff.
* Fick LIX; weitere Litteratur bei Brugmann II, I, 34.
* Verfehlt B. Stark 20 f.
* 157 ff.
5 Bosomio™ CXCII.
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197
däre Kürzungen. J Letztere entstanden nach Abschwächung
der ursprüngliclien praedieativen Bedeutung des Vollnaniens.
Ein solches Bewusstsein der Bedeutung der Namenglieder
aber ist nur für die allorälteste Zeit, vielleicht überhaupt
nicht mehr für die historische Periode anzunehmen. Des-
halb wäre es überflüssig, die onomatologischen Composita
wie die appellativen nach Art der altindischen Grammatiker
zu classincieren 2 und etwa Dvandva (z. B. Hildebadn Gundi-
h'tldi), Bahuvrihi (Ebenntid), Karmadhäraya (Vftahari), Tat-
purusha (Theudimund) unterscheiden zu wollen. Von einem
ganz andern Gesichtspunkt aus könnte man viele von ihnen
am ersten noch als Dvandva, d. h. copulative Komposita
auffassen: wenn nämlich der Name des Kindes häutig aus
zwei Namenelementeri, welche in der Verwandtschaft bereits
vorkamen, gebildet wurde, dann war bei solchem Namen
nicht die Function seiner appellativen Bestandteile, sondern
eben die Kennzeichnung der Verwandtschaft die Hauptsache,
und z. B. Theudhuudh sollte nichts weiter besagen als etwa
„Sohn von Theudimund und Uudinanda\ so zu sagen „ Theudi-
mund i Gudinanda". Für das Zurücktreten der ursprüng-
lichen appellativen Bedeutung spricht ausser den Koseformen
feiner die auch im Ostgot. genügend zu belegende mecha-
nische Vertauschung von Namenelementen : von -mud und
-mund, -gis und -grs, -hart und -r/th, -wih und -whi und
-/r/7, -ric und -rith, gvd- und gund-, auch von suffixalem
-ilu und -ica.
Die Namengcbung kennzeichnete die verwandtschaft-
lichen Beziehungen ;{ entweder durch Allitteration (z. B.
Athahirk der Sohn von Enfhuric und Amalaswinthi) oder
durch gleiche Namenglieder (vgl. Thruderic , seinen Vater
Theodenier, seinen Bruder Thcodeninnd, seine Tochter Tluade-
gofo- Awtlafrid'i und ihre Tochter . iimdaberga- Theodahnth
1 Die einstämmigen (iötternnmen (ebenso die walkyrischon Fruuen-
numon) sind keine Ausnahmen, denn sie sind nieht ursprüngliche per-
sönliche Nomina propria , sondern Personifizierungen , personificierte
Nomina appellativa.
2 Wio z. B. Kosainna, QF XLVJ, 66, will,
s Wand. 115.
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und seine Kinder Thcodenantlut, Tin odvgisl ; Fridigern und
seinen Sohn Aliger n\ Advrith und seinen Sülm Adtnatnd
u. s. w.). Im übrigen sei an Namengruppen erinnert, welche
Tiernamen zur Composition verwenden ! i-tridf, hon-, FJ>n-
muth, Berimuth, Afarabadtt, AmaraY lyilu?) oder mytho-
logische Begriffe {Thorisa, Albila, Gm!-) oder Völkernamen -
(Ostrogoto, Theodegoto, Wandalari , Dan, Morra , Bojo,
Angelf rith).
Zunamen oder Doppelnamen, wie sie bei allen Ger-
manen geläufig waren :\ zeigten auch die Ostgoten. In
Ariagne üstrogoto , Theoderic Walamer waren die zweiten
Namen unterscheidende Zusätze, ebenso vielleicht (iundaulf
Ililduulf. Jüngeren christlichen Namen neben älterem gerni.
zeigen Herelen va al. Fusebia, Wiljetianth al. Minna las, Igila
al. DaniheL Ademund al. Andreas. Häutig ist bei Doppel-
benennung der eine Name unverständlich und etymologisch
dunkel, sodass der andere als Ersatz für ihn eingetreten
scheint: Futharic Cillica, Totila Badu ihi , Rosemud Faffo,
vielleicht auch Tila Teja. Gewöhnlich jedoch sind solche
seeundäre Zunamen keine selbständigen Namenbildungen,
sondern Appellativa, welche dem ursprünglichen Eigennamen
als für seinen Träger besonders characteristisch angefügt
wurden mit Bezug auf persönliche Merkmale, Geschicklich-
keiten oder sonstige Beziehungen ; es sind die häufigen
Ehren- oder Spottnamen4. Sie haben dann vielfach den
ursprünglichen Vollnamen ganz verdrängt, und es ist nicht
immer leicht solche einstämmigen appellativen Cognomina
von den primären Hypocorismen zu scheiden/' Voller zwei-
1 Schon idg. : Fick VI. Strackerjan, Der Mensch im Spiegel der
Tierwelt (Oldenburg 1885), 8. 4 ff., ist ergänzungsbedürftig; das Fehlen
des Pferdes in Namen wird mit Unrecht bestritten ( Mambadu).
2 Dietrioh 19, 19; Wuekeruagel, Kl. Sehr. III, 409 f. Müllcnhoffs
EitiHcliriliikting, Beov. 30, beruht wohl auf Zufall.
s J. Orimm, Kl. 8chr. III, 355; Stark, Kosenamen 150 ff.; Wacker-
nugel, Kl. Sehr. III, 389.
* Schon idg.: Fick VI.
5 Vgl. z. B. oben S. 51, 2; und ebenso für das (Jrieeh. Fick VI.
V.h bleibt zu erwägen, ob etwa in Italien römische Namenbildung oder
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— 1 91)
gliedriger Eigenname und secundärer Zuname liegt im ostgot.
Wandalari Wisand vor. Nur der letztere ist erhalten in
Mammo, Tzitta, Gattila, Darida, vielleicht auch in Quldila,
Sripwar, Hunda, Bittila; hierher gehören ferner die Nomina
agentis mit Suffix -jan-1 : Man ja „ der Merker Matja „der
Esser", Teja „der Trinker".
richtiger Benennungaweise die üotcn beoinflusat hat; QuidiUi, Mammo,
Wamba könnten auch Bildungen nach römischem Vorbild 8ein.
1 Sütterlin 68 ff. und die got. Zusammenstellungen 70 f.; Streit-
berg, Bcitr. XIV, 213. Vgl. S'iifja Wund. 88.
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SCHU'SS
Der ostgotische Dialect des sechsten Jahrhunderts zeigt
einen bedeutend jüngeren und entwickelteren Lautstand als
der bihelgotische. Die ostgot. Monophthongierungcn , die
Reduction des Conipositionsvocals, der Schwund des Nomi-
nativ-* u. s. w. sind dafür untrügliche Zeichen. Und dabei
bedenke man, dass jene ostgot. Grammatik fast ausschliess-
lich aus Eigennamen gewonnen wurde, von denen häufig
behauptet worden ist. dass sie hinter der Umgangssprache
in ihrer Entwicklung zurückblieben und conservativeren
Lautstand als diese aufwiesen. Bozzenbergers Hypothese,
dass das Bibelgotische dem ostgot. Dialect des b\ Jahrhs.
entspreche,1 ist damit aus der Welt geschafft. Hingegen
erwiesen sich die handschriftlichen Anomalien in der gotischen
Bibelüberliefcrung als dialectische Symptome der ostgotischen
Abschreiber. Wenn es wahrscheinlich ist, dass unter dem
einen wulf. Buchstaben / zwei verschiedene Laute begriffen
sind , welche sich allerdings sehr nahe gestanden hahen.-
so muss, wenn Wulfila andrerseits zwei verschiedene Schreib-
weisen e und ei erfand , deren Lautwert noch ein deutlich
geschiedene!- gewesen sein. Das Ostgot. jedoch zeigt, dass
letztere dicht daran sind lautlich zusammenzufallen, und
so findet das gelegentliche Schwanken zwischen e und ri
in den got. Hss. seine einfache Erklärung in dem Dialect
ihrer Entstehungsperiode, Ebenso verhält es sich mit dem
1 Vgl. oben 8. 1 ff.
* Vgl. oben S. 162.
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201
Schwanken zwischen 6 und n oder auf consonantischem Ge-
biete mit dem Wechsel von d und p . Ferner zeigen liuteip
Mt. 5, 15 für liuhteip, puirtcakands Luc. 6, 12, als Mc. 15,
38, hwarjö Mc. 15, 6\ hwamme Gal. 5, 3 B, uswaurts 2. Cor.
fi, 9 B einerseits und waurhtai Rom. 11, 17 für waurtai,
ya waurhtai Eph. 3, 18 für ya waurtai andrerseits dieselbe
Unsicherheit in der Aspiration, wie unsere specifisch ost-
gotischen Quellen, ja den in letzteren so gewöhnlichen will-
kürlichen Wechsel von t und th zeigen auch in der Bibel
«ßepanda Mc. 2, 9 für uflttandu , witups Mc. 10, 38 für
«rilttf.?, ußlöpeitiai 2. Cor. 8, 4 B für ufblöteinui A, A/w/w
2. Cor. 12, 7 A für /mw/o B, yaparhips Gal. 2, 11 für </<^/r-
Desgleichen ist die Schreibung des gutturalen Nasals
zu beurteilen in paukeip Lc. 14, 31, /miwä: 17, 9, brhiyip 15,
22, brinyandnus 15. 23. /wy/s 19, 31. Eindringen des Dia-
lects scheint sich selbst in der Oompositionsfuge zu zeigen :
luusaiwaurdai Tit. 1, 10 A, srinaiyairnai 2. Tim. 3, 2 A1,
und darauf beruhen auch Schwankungen wie undahtusaUe
1. Tim. 1, 4 A gegenüber andilausa'ue B, mipyardawaddju
Eph. 2, 14 B gegenüber mipyardiwaddju A, indem die nor-
malen wulf. Stammesauslaute -/- fälschlich als ostgot. Pala-
talisierungen gefasst und zu angeblich ursprünglichem -a-
wiederhergestellt wurden. Ja wenn der Cod. B drei Nomin.
sing, auf -ein überliefert [Ituhadehi, triljahalpein, yayudein),2
so können diese ostgot. Endung statt wulf. -eins zeigen
[Uuhadeins A), indem für die Form schwacher Nominal-
abstracta (yayudei A) die starker Verbalabstraita einge-
treten ist. lTnd so wird es die Aufgabe der Herausgeber
neuer Auttagen unserer YYruIfila- Ausgaben und -Grammatiken
sein müssen, für alle Anomalien zuerst die Erklärung im
eingeschleppten Dialect der ostgot. Hssverfertiger zu suchen,
und der hiermit beendete Versuch einer ostgotischen Gram-
matik wird daher in erster Linie für die gotische Text-
geschichte Früchte tragen.
1 Vgl. oben 8 184.
' Braune, Got. Gr.* § 113, 2. Sonst entnahm ich die vorstehenden
Beispiele der Einleitung zu Bernhardts Ausgabe (Halle 1875).
L
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1XDKX.
(Die Zahlen weinen auf die Seiten.
sind dio ostg
Abbo 80.
Achiulf 71. 77.
Achliulf 77, 9.
Adamir 84, 2.
Adoliubus H4, 2.
Ademund 63. 114. 151.
Aderith 88. 114. 151.
Adica 114, 1.
Adilu 114.
A^ittth 114. 153.
Afl'ms IM.
Ahistulf 153, 3.
A'tJoiyyo; 71, 4.
Ailulfus 124.
^Aläßivo.: 74.
/lfci<7/?d 144. 157.
Alamud 94. 144.
Alathanc 128, 1. 144.
Jtti 81. 103.
Albila 103. 104.
AI ige m 150.
Aliw.lf 123. 185.
Aloiso 114.
vl;im/ 50. 51.
Amala 51, 2.
Amalabergu 64. 18«.
Amtdaffida 63. «4, 1. 107. 18«.
Amata* w intim 66. 107. 186.
Amalberga 186, 2.
Amnli 50.
Araalo 51, 2.
Amalcfrida 18«, 2.
Amara 119.
AutXoßtQya 64.
Anaga'tus 107.
Auilavis 126, 3.
Andele 126, 3.
Die curaiv gedruckten Formen
tischen.)
Andcroudu» 136.
Andila 126, '3.
Andwit 126.
Angelfrith 103. 144. 186.
jlMi/a 107. 156.
Anna 107.
Annila 156.
Ansila 112.
Ao »i 126, 6.
Aorio 166.
Ardaric 159.
Ardica 159. 163.
Areuagni 65.
Argaithus 128.
Ariaricu8 68.
Arigernus 68. 107.
Arileuva 61.
Asinarius 92.
Ascalc 122, 3.
Aspar 146.
Aauin 165, 6.
Atauulfus 114, 2.
Athala 84. 107, 1. 114.
Athalaric 84. 107. 186.
Attila 107.
Audebertus 84, 2.
Audefleda 84.
Audcmundus 81, 2.
Augie 166.
Aurvandill 112. 113, 3.
Austrccusa 65, 5.
Auatrigusu 65, 5.
Auatrogoti 45. 4«. 48. 166.
Autharicu* 61.
Bncauda 125. 136, 3.
13addo 80.
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20* —
Badua 137.
B« diclo II«. 130. IH3.
/?«/«#• 58,2.
»«r<T«i«(,«ü. 101. 11«, 3. 181, 5.
War Wo» 11«.
Butwins 84, 3. 121, 7.
ButzttS 121, 7.
Baudiis 73, 2.
Bauto 73.
Baza 121, 7.
Bedetatlf 69. 185.
Beorgar 14«.
-fcm/rt «4. 191.
Bcrig 94, 5.
Jftrimuth 94.
Betto 194.
Bidculfus 69. 70.
Bitheridus 70.
Blnndila 127.
Bloda 137.
Bli(n)din 147.
Boherde 158.
Bojo 111. 182.
Boiorix 56. III.
Brandila 127.
Burgundzones 73.
Butila 113.
Chlodovius 109.
Chnodomariuti «0.
Dagila 127.
Daiia 127
Dan 133.
Darida 146. 168.
Darila 146.
Daroin 14«.
Darranr 146.
Deodatus 90, 2
Derlindis 14«.
diakon 139. 179
Dada 120.
Dudila 121.
Dumerith 86. 88. 130.
Dumildi 86. 185.
Eadwinc 83.
Earendel 112.
Ebba 80.
Ebremuth 94. 18«.
'£/??</io,- 105.
Ebrovaccus 103.
Ediwulf 71. 128, 3.
Ehudericus 67, 1. 153, 3.
ciU 141.
Eldebadus 133.
Eoohar 146.
Eoricu» 49, 1.
Erarius 12, 2. 61.
Erdwih 74.
Erclcuua 61.
Erelieva 61.
Ercriliua 61.
Erp 119.
Erpamara 119.
Erpfe 119.
Erpo 119.
Etcrpamara 119.
Eudoses 67.
Eutharic 67.
Euva 49, 1.
Evagreotingi 49.
Evarix 49, 1.
Evermud 94. 186.
Ezechia 28.
Faffo 154.
Fandiyild 157.
-fara 134. 191.
Fastida 147.
Feletheus 151.
Felithavc 75. 151. 162, 5. 184.
Fenni 163.
Filica 68. 151.
Filimer 151.
Fraomariua 60.
-Jridu 63.
Fridibadu 64. 122.
Eridiyern 64. 150.
Fripareikeis 63, 4.
•früh 191.
Fritigern 64, 1. 150.
Erumarüh 88. 113.
Gaddo 194.
gahlaifs 140.
Uaisiricus 63.
Gallica 68.
-gast 83. 190.
Gattila 81.
Gaudila 87.
Oaudula 87.
Geberic 55. 56. 74 118.
Geilamir 179, 1.
Geilimer 179, 1.
Oengimundus 117.
Gensiricus 112. 118.
Gcnsmundus 117.
-yer„ 69. 190.
Gesalecus 118.
Gfsila 117.
Geaimutid 117.
Gevica 74.
Ghiverio 55. 118. 159.
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Gibeehc 74.
Giborich Iis.
Giber ith 89. 118. 159.
Gibica 74.
Gibila 74. 145.
Gibimer 59. 74. 104.
ttyM«* 145.
Gifica 74.
-ffild 157.
Gildila 131.
Gildus 157.
Ginsericus 118, 2.
-gis(l) 91.
Gisiboldus 85.
Gisimundus 117.
Givoko 74.
Giriric 159.
Gizericus 118, 1.
Gjuki 74.
Goar 145.
Gada 87.
ro<Mtaxt»; 122, 2.
ro^tyinxJlo; 122, 2.
Godiscaleun 122.
röyr)a; 87.
Goti, Getönes, ninto, etc. 8. ()«t-
gotcn.
Go|injo|> 45, 4.
r uvvfiovXtp 71. 1 45.
r OVTWVfZ 45.
Grauthungi 49. 16«
Greoting 49. 52. 163.
Greuthungi 49.
Grippa 92. 169. 192.
Griuzing 49.
rK,o(vp<YYot 40. 164, 4.
Grutungi 49.
Gruzing 49.
Guda 72 120. 122.
Gndelenb 72. 142.
Gndeli(n)va 131.
Guderith 72. 88. 143. 15«.
Gudouela 132.
r?t<f///rt 71. 107. 155.
Gudilaib 142.
Gudilebus 142.
Gudilub 142. 169.
Gudinanth 72. 91. 123.
Gudisal 122.
Gudiscalc 122.
Guduhuls 153.
Gudwin 72. 84. 125.
Gullteigr 150.
Guiliarit 87.
Guiligi« 114.
Guitigis 95.
Gunderith 154. 156.
GundihildiM. 87, 3. 121. 153. 185.
Gundiisclus 173, 3.
Gundimer 121. 156.
Gundirith 88. 154.
Gundubuls 153.
<iundulu8 153.
Gundtrulf 145. 153.
Guntelda 86. 122. 153. 185.
Guntharic 56.
Gunthcricus 122.
-gunpi 121. 182.
Gunthicis 121.
Guntbivera 152.
Guntio 122.
Guodisealcus 122.
Gurdimcr 59. 156.
Gutotios etc. s. Ostgüten.
Gut|)iuda 44. 45. 46.
ri',9t,)pf - 4").
ilumali 50. 51. 107.
Hümme 148, I.
Hardiea 159.
Hart gern 68.
HariogaiBut» 96.
-halb 89.
Helba 80.
Heldcbadus 133. 162, 6.
Herduie 74.
Hereltnva 60. 184.
Herila 61, 3.
Hermcnerig 55. 56,
Hernac 56.
Herpo 119.
Heudi 125.
Hildtbadu 133.
Hilderith 88.
Hilde wara 82. 185.
-hildi 86. 182.
Hildi gern 158.
Hildirix 56.
Hildi wada 155. 1*5.
Hildr 90, I.
Hilda ulf 145. 185, 3.
Hilviade 155.
Hi.sdcvalde 155.
HlewagastiH 128.
Hofteigr 150.
Holdigern 157. 165.
llopi 126, 6.
Hosbat 141.
HojKr) 90, 1.
Hugo 76.
Humbert 82.
Humboldt 82.
Hunigis 116.
Hunila 100.
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— 205 -
Hu
Hunirix 5JL
Hunnila 100.
Hunsla 1LL
Ibbft hlL 107.
Iddan 80, !L
Iddofrcdo 80, Ü,
y.r/,7/* IM.
Ilba 8_L
Ilderich 5JL
*WH/la'hu 1 33.
5 Iltioufp 1 45.
Inalaricu* 103, 1,
Irfiovhp 7 1 . 1 4 • >.
-/«</ 5JL
Ingildu* 103, 4.
Itigundis 103. 4
Invilia 103, 4.
Itaberga W», iL
Iu|>ingar &L
Iutbungi üL
Candac 111.
kaictftjö JJL 140, lfilL
/ftir« L5JL
15t).
Kipicho IA.
Coio LLL
Oonigafltus SJL
Coatiia L2L 141.
GWula l£L 195, 2,
Cuniffftai KJL lilL
Kunimu(n)diu 62j 3.
Lnndarith SfL lüiL
Lendarith 8iL 154,
Lendifrith 52, 99, LLL 103, 7.
Leuderith 8JL 99,
Loudovora 1 52.
-liub«, -liuba GL Lii£L
LiuvirUh 8A \2&
Lodoin
Luduin ÜÜL
Luifcfrid 63, 3. 12s.
Malatheu 143.
Malorix 56.
Mammo 198, iL
3faw«a L21L CHT
Mannila l£IL
Mannup 123, 3»
Marabadu 1 15.
J/anr/a MO.
Mateswintha 9JL HIB,
i»/a(Ai 108
matzia 141.
Mauroco 105, L
Maurila 105, L
Mazenis 10S.
■mt"r QQ. 190.
Jfo'i7a äfi. 142.
Minnulus 141.
-mir s. -m er.
Af/Viea 58, 142.
Morra 104.
-w>{5//» 94.
-mund LÜIL
-muth 0_L
Nanderith 88, 9_L 156,
Nandtrin S4. 1LL 10S.
Nanna HL
-nanth(a) JML
Nantwin im
Nendi L2Ü.
Nentwin 108.
AVi«/# 125,
Ocori 12«, L
Oidiar I2(>, L
Otteric 3JTL5Ü.
Odoini d) lfiH,
Odotlii'ii« öä.
Odowacur 1 02.
Odu in
Odwulf 7_L 84.
Offa L2fi.
Olrh,*$os H4.
OnovacouR 103.
Opi 123 Q,
Oppa~T2(). h;o. im
Oppo 12f>.
Optaritb H8, 8JL 9_L L2Ü ULI 185.
Optiln L2JL
Optrit 98, L
Oraja IM, 183,
Orendol LL3.
Orontil LL2.
"Oarla; 138,
Oaerioh 113.
Ostgoton 44.
Ostrogota 41L 4L 48, L 107, L
Ostrogoto 4L
Ostein 48. 04, 11L
Otbert 12«,
öprerir 154.
Otratarit 88, 156,
Ov~ 8. aueb W- und Wi-.
Oudxtuo; 105.
Ovaxl; 102.
Ot/ifiiyoT^oi 4L
206 —
Ovvüa; 100.
OZyxtai 105. 183.
OuoJea«; 146.
Pakt ja 127. 169.
papa 140.
Pathenis 127.
Pattenia 127.
Patzonis 127.
Petza 72.
*fr(tt()iyrQVO; 150.
(t*Qnt)ytovr); 64, 1.
[Jinda; 73.
Pithia 107.
Pitz(i)a 72. 107. 169.
ff^d^tyyoi 20.
ÖMiVi/a 130. 198, 5.
Itaginari 180, 1.
Ragnarith 89. 150. 186.
Ranihildi 86. 132. 150. 185.
Ranildi 86. 132. 185.
'Ptrt/tHftodo; 154.
'PtMtuovräoi 58. 138.
Requalivahamift 77. 131.
Korir 154.
56.
•nV 54. 56. 190.
Ricci thane 75. 150.
Ricimutid 138.
Rico 147, 4.
Riggo 147. 182.
Rigmunt 147.
Rfgr 147.
-rith 88. 191. 192.
Rodelinde 64, 2.
Roderigo 138. 147.
Ro8emud 154.
PovSfQi^oi 1 38.
Roudus 136.
Ruderte 55. 138.
Ruderid 138.
Rudirig 138. 147.
Rundo 152, 1.
Runilo 152.
Ruodirioh 138.
Safrach 56.
sajo 109. 182.
Seda 134. 162, 5.
Segimeru8 59. 85. 163.
8egimundu8 85. 163.
Socoifrida 158.
Sonarius 117.
Sende fara 92. 134.
Se(r>tto 106, 7.
Seaivira 152.
8o8uald 106.
Sibja 130.
Sibiche 130.
ZirhuovrJo; 93.
Sido 134.
Sifeoa 130.
Siffo 160
Sifilo 100.
Silk« 130.
Sigibuldua 85.
Si ff ismer 59. 85. 106 120.
8igi8vuldu8 85.
Siffiwulth 85.
Sigmundr 62.
Sigtryggr 78.
Siccifridn 158.
Sinderith 88. 92.
Sindila 92. 142.
Sinduht 92. 142. 156. 195, 2.
Sinthila 92. 142.
8i8ebut 106.
Sisewera 152.
Sisifrith 138.
Si8ii/i8 105.
8i«inand 106.
£m(tp(*f1n: 138.
Sisivora 152.
8candza 73
Seiptmr 82. 145. 168. 1««».
Sana 113.
Starehedi 128.
Stilico 182.
Stotzaa 72.
Stutias 72.
Sana 113.
8unhivadu8 114. 185.
Sunjaifripas 141.
Sunibadus 115.
Sunjet'rUh 141.
Sunilda 113, «.
Sunitvath 114.
Sunnia 115, 7.
Suomarius 60.
swintha 66.
T a. auch Th.
Taotel 149.
Tanca 131.
Taneila 75. 107.
Tanilldi 86. 185.
Tara 146.
Tarit 146.
Tarro 146.
Tarut 146.
Tasso 124.
Tafa 124. 135. 195.
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— 207
Tato 124.
Tatto 124.
Tazitta 93. 158.
Teja 148.
Teino 127, 3.
Teoda 56.
Tila 148.
Toltrin 84. 129. 165. 168.
Torisa 76.
Tortryggr 78.
Totila 134. 137.
To ura 120.
Touteln 136.
Toutillus 136.
Toutobocio 136.
Toutuft 136.
Traguila 78, 3.
Trusaric 55.
Trasimundus 62. 76.
Trauuila 78, 3.
Trigytca 78.
Triggtrila 78.
Triuua 78. 71).
Triuuila 78. 7<>. 107.
Trutungi 20.
Tryggvi 78.
Tuata 120.
Tufa 121.
Tulga 133, 2
Tulgilo 133.
Tuluiri 129.
Tuota 120.
Tutila 135. 136.
Tutizar 119.
Tzalico 148. 155. 182.
7:,;:o>r 124, 1.
Tzitta 93. 158.
Tzutizar 119.
Tzuttzar 119.
Th 8. auch T.
Thttnca 75. 131.
Thnncila 75.
Tlmruar 82.
Thcia 148.
Thola 148. 149.
Pelamqrk 149.
Theodadus 90. 185.
Theotlagundi 121.
Theodahath 53, 1. 89. 107. 110.
185.
Thcodatus 90.
Theodegisl 91
Thcodegoto 64.
Theodemer 59. 60.
Theodrmund 62.
Theodenantha 90.
Theoderic 43. 51. 107. 110.
Theodicodo 65.
Tlieodo 5G, 3.
Theodoricua 51. 53.
ThoodotuR 90.
Theudanu« 90. 108.
Theudericus 54.
Theudifara 153.
Theud'ila 57. 136. 142.
Theudimer 59. 60. 107, 1.
6#vT- 8. auch Tliood-.
Gewinn,; 90. 185.
fttvÄf(>tx<>* 51. 53.
fttvthnourtlu: 62.
QMc 57.
fttuÄiX'turta 65.
Thila 14H.
iMlir 149.
Thingsus 78, 1.
Piojtreyrir 154.
Thiudigoto 64.
Thiudimer 59. 60.
Thiudia 57.
Tholoni 129.
Tholuidi) 129.
Tholuit 129.
ThoHsa 76. 163. 165.
Thoriamnth 76. 77. 94. 107, I.
Thrasaric 41, I. 157.
T/mmemund 76.
Thulgilo 133.
Thurisind 77.
Tliuraiiuuiid 76.
Thuruar 82.
Thurvams 77.
Ubiligisclu« 131.
VfOJIahariM.m. 180, 1. 181. 185.
Uldila 157, 9.
Ulfila 72, 2.
Ullr 147.
Umbisuo 108.
-ung 50.
Uuigildu» 85, 7. 156.
Unigis 116
Unimundu» 82. 107, 1. 117.
Unscila III. 175.
Unthane 128, 1.
Usda 138.
Uadrila 146.
Uatarric 55. 8|. 138.
Utryggr 78.
H'acca 103. 131.
Waci 102.
Wucimuth 103. 105.
Wada 115, 7.
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Vadameroa 100, 1.
Vadoinarius 60.
Wftdouulfus 71. 168.
Wadtculf 71. 158.
Walagotlii 47, 3. 58, 1.
Walamer 57. 77. 107, 1.
Valaravans 58, l.
Wamba 80. 198, 5.
Wnndalari 101.
Wandali 116.
Wundil 102. 110. 163.
Vandiliariu« 102.
-uar(a) Ha». 191.
-varii 83.
Vatvims 181.
-wath 115. 191.
Vaj)i 115, 7.
Vcduco 69, 1.
YVera 123. 152.
Wflreka 123. 152.
Veromundua 152.
VcHcgotlmo 46.
Vestralpua 48, 7.
Vetcricus 95, 2.
Videricliuft 69, I.
Widia 69, 1.
Vidigoia 61». 95.
Vidimer 69. 95.
Widin 147.
Widuoo 69, 1.
WidugA 69, 1.
Widulf 69.
-Wik 74.
Wilja l(>a. 107.
Wiljaric 55. 88. 157.
Wiljurith 87. 107. 137.
WiliariuH 88. 125. 181, 5.
Wilicra 155.
Wiljttwuth 91. 144.
Wilifara 88. 155.
Wilupi* 88. 114.
Wilhihl 88. 100. 131. 175.
Wilihari 125.
208
Wilithanc 75. SS. 128.
WilUheu 88. 104.
Willjennnt 88. 144.
Willigis 114.
-tri» 84.
Vingiliu» 157.
Winigild 15«.
Winitarius 102. 107, 1.
AVinnigilduB 156.
Winsibaldus 132.
Winand 101.
Wisihadu 132. 184.
Wißigothae 47. 48, 7. 107. 112, I.
Wiaivadua 132.
Vitarit 133.
Witoge 69, 1. 95.
Witigo 69, 1.
Vithoricua 69, 1.
Vithionbius 69, 1.
Vitbimiria 59, 2. 69, 1.
Witiyis 69, 1» »5. 11«.
Witigisl 131. 173, 3.
Vitiricbus 95, 2.
Vitisclus 173, 3.
Wittnith «8. 133.
Witti gos 95.
Witugo 69, l.
Witugouuo 69, I.
W'itulibo 69, 1.
Woffo 80.
WudgA 69, 1.
Vull d) 147.
-irulf 70.
Vulfila 71, 2.
uulpr HO.
Wulth 85. 147.
Vultuulf 71. 85, 9.
Zalla 148.
Zeia 148.
Zita 93. 15S.
Zuo/ilo 135. 13«.
Zuo/o 13«.
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN
ZUR
SPRACH- UND CÜLTURGESCHICHTE
DER
GERMANISCHEN VÖLKER.
HRRAU80KOKIIKK
VON
HERNHARD TEN MÜNK, ERNST MARTIN,
ERICH SCHMIDT.
LXIX.
PROTHESE UNI) AFMAERKSK DES II IM ALTHOCHDEUTSCHEN.
STKASSISUKU.
K A Kl, J. T H V H N K K.
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PROTHESE UND APHAERESE DES H
IM ALTHOCHDEUTSCHEN
VON
DR HERMANN GARKE.
/
STRA88BUKO.
KARL J. TBCBNER.
1891.
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ü. Otto»« Hof-nuch.lruckerol In Ü«rm*(a.lt.
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M K I X E X L I E B K X E L T E R X
GEWIDMET.
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Di, vorliegende Arbeit bietet vor allem eine — wie
ich hoffe ziemlich vollständige — Zusammenstellung der in
den ahd. und and. Denkmälern1 vom 8. bis zum 12. Jahr-
hundert incl. vorkommenden Fälh' von Prothese und
Aphaerese des H. Nicht aufgenommen sind die ahd.
Namen — aus Gründen, die auf S. ff. zu finden sind. Da-
gegen sind aufgenommen — der Vollständigkeit zu liebe —
manche Fälle, von denen zweifelhaft ist, ob sie wirklich
mit hierher zu stellen waren. Das gilt z. B. von dem Per-
sonalpronomen der III. Person.
Des weiteren bietet meine Arbeit eine — natürlich
durchaus unvollständige — Sammlung von Prothese- und
Aphaerese-Fällen aus der späteren schriftlichen Uberliefe-
rung und besonders aus den modernen Dialekten. Von
diesen Fällen sind diejenigen besonders für sich zusammen-
gestellt (S. 127 ff.), welche in der althochdeutschen Zeit keine
Parallelformen aufweisen, die Hauptmasse aber hat unter
diesen ahd. Parallelformen ihren Platz gefunden.
Meine Darstellung trennt die ganz beträchtliche Masse
der Prothesefälle von den wenig zahlreichen Aphaerese-
belegen, löst die ahd. Prothese von der Verbindung mit der
romanischen und weist ihren Zusammenhang mit der Pro-
1 8oweit die Glossen noch nicht bei Steinmeyer-Sievers zu finden
waren, habe ich die Drucke benutzt, dir in der Piper-Holder'schon
Zusammenstellung in Pipors Gesch. d. d. Litt, angegeben sind.
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vm
these der neueren Zeit nach, sucht die Entwiekelung und
die lautliclie Natur des prothetischen Ii zu erklären, und
zeigt, dass der bairische Dialekt von dieser Erscheinung
merkwürdig frei geblieben ist; andererseits ergiebt sich,
dass Aphaerese nur in tonlosen Silben häutiger vorkommt,
soweit es sieh um rein deutsche Denkmäler handelt.
Eingehende Darstellungen oder unifassende Samm-
lungen über diese Verhältnisse liegen nicht vor, die in
Grammatiken geäusserten Ansichten finden ihre Stelle in
der Erörterung. Von grossem Nutzen als klare Zusammen-
stellung der einschlägigen lautphysiologischen Verhältnisse
war mir A. Fan Ts Hamburger Programm (1888): „Uber
vocalische Aspiration und reinen Vocaleinsatz. Ein Beitrag
zur Physiologie und Geschichte derselben."
Herzlichsten und ehrerbietigsten Dank schulde und
sage ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr.
Martin, von dem ich die Anregung zu dieser Arbeit und
mannigfache gütige Förderung empfangen habe.
Strassburg, im Mai l8fl.
Der Vkrfasskk.
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ABKÜRZUNGEN.
Ad. Bl. Haupt m Hoffmann. Altdeutsche Blatter.
Ahd. Ol. Hoffmann. Althochdeutsche Glossen.
BirL Birlinger. Die Alemann. 8pr. r. d. Rheines.
Brem. Wb. Bremisoh-niedersäohs. Wörterbuch.
BWb.* Schmoller. Bairisches Worterbuch ed. Frommann.
Cfrt. Gonfraternitätsbuch.
Cimbr. Wb. Sohmeller. Cimbr. Wörterbuch ed. Bergmann.
D. Diemer. Deutsohe Oed. d. XI. u. XII. Jhdts.
Dfgl. Diefenbach. Glossar. Latino-germ. med. et infim aetatis.
Dfngl. Diefenbach. Novum Gloss. lat.-germnnicum.
Diefenb.-W. Diefenbach-Wfllcker. Hoch- u. niederd. Wb. d. m. u. n. Z.
iliut. Graff. Diutisca.
DWb. Deutsches Wörterbuch.
Etym. Ni. Wb. J. Franck. Etyraol. Woordenbock d. noderld. Taal.
fndgr. Hoffmann. Fundgruben f. Geschichte der d 8pr. u. L.
Gerb. Oerbert. Iter Alemannicum.
Germ. 8tud. Bartsch. Germanistische Studien.
Grf. E. O. Graff. Althochdeutscher Sprachschatz.
Matt. H. Hattemer. 8. Gallens altdeutsche Sprachschätze.
HeinzeL R. Heinzel. Gesch. der niederfränk. Geselmfrsspr.
Hess. Id. Vilraar. Idioticon von Kurhessen.
Hör. Belg. H. Hoffmann. Horae Belgicae.
Id. Fris. Hettema de Haan. Idioticum Frisicum.
K. Kausler. Denkmäler altndrld. 8pr. u. Litt., ßd. I III.
LmhdWb. Lexer. Mhd. Wörterbuch.
Mnd. Gr. Lübben. Mittelniederdeutsche Grammatik.
Mnd Wb. 8chillor-Lübben. Mittelnd. Wörterbuoh.
Mnl. Gr. Franck. Mittelniederländ. Grammatik.
P. P. Piper. (Notker u. Otfrid- Ausgaben).
Pez. Pez. Thesaurus aneedotorum.
QF. Quellen u. Forschungen.
Ruck. Rückert. Schlesische Mundart im Mittelalter.
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X
Schm. B.M.
8chw. Id.
8-N.
Strssb. 8t.
St-S.
sumerl. smrl.
Trobn. Ps.
Voc opt.
Wackern.6
Wvl. Id.
WWb.
I. II. vor den
Sehmeiler. Die Mundarten Baierns.
Schweizerisches Idioticon.
Suhm-Nyerup. 8ymbolae ad litt, teuton.
Strassburger Studien ed. Martin u. Wiegand.
Steinmeyer und Sievers. Die ahd. Glossen, Bd. I u. II.
H. Hoffmann. 8umerlaten. Mhd. Glossen.
Pietsch. Trebnitzer Psalmen.
Wackernagel. Vocabularius optimus.
Altdeutsches Lesebuch. 5. Aufl.
De Bo. Westvlaara8ch Idioticon
Woeste. Westfälisches Wörterbuch.
Belegzahlen ohno weiteren Zusatz bedeuten Bd. I oder II
der Steinmeyer-Sievers'schcn Glossen.
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EINLEITUNG
DER LAUTWERT DES DEUTSCHEN H UND SEIN VERHÄLTNIS
ZUM ROMANISCHEN. ROMANISCHE APHAERESE UND PRO-
THESE IN DEUTSCHEN DENKMÄLERN.
Das anlautende germanische h hatte beim Beginne der
ahd. Periode seinen gutturalen Charakter verloren; es war
zum Hauchlaute („Kehlkopfspiranten a) geworden und nun-
mehr identisch mit dem alten h-Aulaute der germanischen
Interjektion. Am längsten scheint der fränkische Dialekt den
gutturalen Wert erhalten zu haben ; für die andern Mund-
arten können einige Vertretungen gutturaler Laute durch h
(hrefti, harles, halagi (IIb); harac (gl. Jun.); hewinnent
(Rc); haarpit, hicoz (Pa); hiburlicuru (Merseb. gl. 12)
und umgekehrte Fälle wie chanafa (St. Paul, gl.) und
chemis (gl. Salom. 2) einmal in ihrer Vereinzelung sehr
wohl als Schreibfehler gelten (cf. das humt — chumt in der
Vorauer Wahrheit: Diemer 89, 27), und beweisen — auch
wenn man von dieser Möglichkeit absieht — noch nichts für
gutturalen Wert des anlautenden altdeutschen h, denn ähn-
liche Fälle kommen auch in den neudeutschen Mundarten
vor, wo doch nur von einem Hauchlaute h die Rede sein
kann: krink = as. hrinc (mnd. Wb. II. 171), kedder-
nettel = heiternessel (Oldenburg.), käher — häher,
kamenze =: ameise, kaucheu ™ hocken1 (Hess. Id.
189, 191, 195); umgekehrte harst = karst (mnd. Wb. II.
1 Nnd hUohe = das Hooken.
QF. LXIX. 1
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209), honsdag = godeusdag (Westfäl. Wb. 105), hauern
= kauern (D. Wb. 4, 2 582), hitzlein = kitzloin (D.
Wb. 4, 2 1586), hugel = kugel (Schweiz. Id. II. 1087).
Auch Falle wie Aschonier (Gascoguer Wein), Mnd. WTb. I.
123, enzian = gentiana (Dffb. gl. 260), galaun = alaun
(Schindler, B.M-A. S. 487) sind hier wohl in Betracht zu
ziehen.
Das deutsche h , das die Romanen bisher gern mit eh
bezeichnet hatten — eine Gewohnheit, die für den fränkischen
Dialekt noch länger nachwirkte — hatte sich so dem roma-
nischen h genähert — aber zusammengefallen ist es nicht mit
diesem Laute, es ist immer ein selbständiger Wert geblieben ;
das romanische h war Bruchteil eines Lautes, untergeordneter
Teil des anlautenden Vocales geworden und sank in seinem
phonetischen Werte so sehr, dass es schliesslich ein blosses
Lautzeichen war, dessen Bedeutung dem Sprachbewusstseiu
verloren ging.
„Es ist ein Sprachgesetz, sagt Curtius über die grie-
chische Prothese und Aphaerese, „dass die Aspiration,
wenn sie zu weichen beginnt, sich auch am falschen Orte ein-
drängt. — Wo die Aspiration des Vokalanlautes im Schwinden,
treten Verschiebungen ein im Gebrauche der Aspiration u.
Das gilt für die romanischen Sprachen in vollem Umfange
(cf. A. Paul: Über vocal. Aspiration und reinen Vocaleiusatz.
Ein Beitrag zur Physiologie und Geschichte derselben. Ham-
burg. Programm. 1888), und charakterisiert den WTert des
h-Lautes, erklärt Aphaerese und Prothese vollkommen
auch für diejenigen germanischeu Dialekte, die unter den
dominierenden Einfluss romanischer Sprachen geraten sind:
westgotische Münzen zeigen Aphärese (Weingärtner 1 S. 55),
die langobardische Orthographie zeigt ganz italienische Un-
sicherheit, der Wert des englischen h-Lautes sank nach der
französischen Eroberung, der westHandrische Dialekt gab in
diesem Punkte den intensiveu romanischen Einflüssen voll-
ständig nach, und ebenso wie bei den VII und XIII Com-
munen der „Cimbern44 im Venetianischen liegen die Verhält-
1 Ansprache des Oothischen a. Z. d. Ulfila.
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— 3
nisse vielfach bei den Deutschen in Russland, denn „sämmt-
liche Slavinen enthehren des h-Lautes in derselben Weise
wie die romanischen Sprachen." (A. Paul, S. 40).
Für Deutschland liegen solche Verhältnisse nicht vor,
hier ist das h ja ein selbständiger Laut, nicht „Aspiration
des Yokalanlautesa. Die Natur des deutschen Hauches wider-
strebt der Aphärese und Prothese: eben seine Schärfe, die
dem Romanen so unbequem wird, verhindert ja den Deutschen,
in die Sprachfehler des deutschredenden Franzosen zu ver-
fallen. Ist die Annahme solcher Sprachfehler also unmöglich,
dann liegt es nahe, die Fälle als Schreibfehler anzusehen.
„Orthographische Ungenauigkeiteu" nennt Braune (Ahd.
Gr. §. 152 anm.) die Prothesebelege, „weil sie sich nur in
Quellen mit mangelhafter Orthographie, nur vereinzelt in
sorgfältig geschriebenen Stücken Huden." Aber in den Ot-
frid-, Tatian- und Notker- Handschriften sind die Fälle
durchaus nicht so vereinzelt, wie ungenaue Statistiken an-
geben, und der blinde Zufall kann überhaupt nicht mehr
dafür verantwortlich gemacht werden, dass 213 Hdss. 755
Prothesebelege überliefern, unter ihnen 72 Hdss. 353 Fälle
aus zusammenhängenden Denkmälern; setzt man das durch-
gehends prothetische helfnnt mit 150 Belegen an — was
nicht zu hoch ist -, so sind es gar über 900 Fälle. — Für
die Aphärese mag eine solche Erklärung in manchen Fällen
genügen, wenn auch hier die Belege in guten Hdss. eben-
falls häufiger vorkommen, als Braune annimmt (§. 153 a. 2);
aber eine so weit verbreitete und so gut verbürgte Erschei-
nung wie die althochdeutsche Prothese kann damit unmög-
lich abgefunden werden. Braune greift daher, obgleich
zweifelnd, auf andere Erklärungsversuche zurück, die roma-
nischen Einfluss heranziehen.
Die deutsche Sprache hat ja nicht unter romanischem
EinHusse gestanden in ihrer lautlichen Entwicklung, wohl
aber die schriftliche Fixierung eines grossen Teiles ihrer Denk-
mäler. Für viele deutsche Klosterurkunden des 8. und 9.
Jahrhunderts haben wir direkt romanische Schreiber anzu-
nehmen, und auch die deutschen Urkundeuschreiber standen
unter dem EinHusse westfränkisch - romanischer Schreiber-
l*
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schulen und romanischer Collogen (cf. Q. F. III.1 S. 96). So
sind sicher vielfach romanische Eigentümlichkeiten in die
deutschen Namen hineingeraten und vor allem eben die
romanische Prothese und Aphärese. Andererseits haben
grosse Massen germanischer Namen aus dem romanischen
Westfranken , Burgund und Italien in die deutschen Ver-
brüderungsbücher und ähnliche Denkmäler Eingang gefunden
und auf die Schrei bung einheimischer Namen wieder ver-
wirrend eingewirkt. Sehr schlimm steht es mit dieser (Kon-
fusion z. Ii. in den Weissen burger Urkunden, denn hier zeigt
sieh auch noch besonders stark die fränkische Eigentümlich-
keit, eh für h zu schreiben. Da kommt es denn vor, dass
in einer und derselben Urkunde Trad. 178, a. 774) die Orts-
namenendung -heim 2 mal -chaim, 2 mal -ahn und 7 mal
richtig mit -haim wiedergegeben wird; der Ort Hambach
wird in der Traditio 2f>6 (a. 71.J) sowohl Aganbach wie
Uhaganbach, in der folgenden Urkunde desselben Jahres
richtig Ilagan bach geschrieben; Trad. l.r>7 (a. 7M») heisst
der Schreiber Asaph auch einmal Oasaph. Solche Fälle
erklären sich aus den romanischen und westfränkischen
Schreibergewohnheiten vollständig und lassen vielmehr gar
keine andere Erklärung zu : der Dialekt hat mit diesen Sonder-
barkeiten sicher nichts zu thun.
Darf man nun aber diese Auffassung der Prothese und
Aphärese von den altdeutschen Namen her auch auf die
übrigen Sprachdenkmäler anwenden , darf man sie aus dem
Anfange der Periode auf die ganze Ausdehnung derselben
übertragen? Meiner Ansicht nach nicht und dabei leiten mich
folgende Gesichtspunkte. — Deutsche (.Hussen und zusammen-
hängende Denkmäler zeigen unsere Erscheinungen in ganz
anderer Weise als die romanischen Hdss. und romanisierten
deutschen Namen: die romanische Prothese ist gebunden au
die Aphärese, das Schwinden des Hauches hat die Verwir-
rung erregt, Aphärese und Prothese stehen hier in gewissem
Sinne neben einander wie Ursache und Wirkung. Natnr-
gemäss ist daher in der romanischen Überlieferung die Aphä-
1 Henning. Die Sgall. ßprachdenkm. bis zum Tode Karls d. Gr.
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— 5 —
rose meist die häufigere, mindestens eine gleich häufige Er-
scheinung wie die Prothese. Das gilt auch für die alten
deutschen Namen; .jus den Sgallener Urkunden werden
Q. F. III. S. 141 bis zum Jahre 700 16 Aphärese- und 2
Prothesofälle , im ganzen bis zum Jahre 814 82 Aphärese-,
22 Prothesefalle belegt, und solche Verhältnisse herrschen bei
den Namen auch sonst — aber nirgends bei den übrigen althoch-
deutschen Sprachdenkmälern. Von helfant ganz abgesehen,
zeigen lb"i von den 228 einschlägigen Hdss. also 71 l/2°/o
nur Prothese, 15 (= 6!/20/») nur Aphärese, 50 Hdss. (nur
22°/o) zeigen beide Erscheinungen nebeneinander. Es ist also
für das Ahd. nicht richtig, dass „Prothese gewöhnlich da vor-
kommt, wo auch Aphärese sich zeigt44 — die Vorstellung von
der unbedingten Zusammengehörigkeit der beiden Erschei-
nungen muss hier aufgegeben werden. Noch deutlicher geht
das hervor aus einer Vergleichung der Gesammtzahlcn der
einzelnen Belege: über !M)0 mal findet sich Prothese — Aphärese-
belege bietet meine Sammlung nur 157, und von diesen sind
erst höchstens 86 beweiskräftig für „schwere" Aphärese am
vollbetoiiten Wortanfange (ef. 8. 40). — Der romanische Ein-
fluss auf die deutsche Schrift hat ja ausserdem auch das 0.
Jahrhundert nicht überdauert, es Hessen sich also damit die
spätalthochdeutschen 'M5 (ohne helfant) Prothese- und 77
Aphäresefalle in keiner Weise erklären , höchstens die 360
und 80 Fälle der eigentlich althochdeutschen Periode. 1 Aber
auch für diese Denkmäler ist meines Wisseus noch nirgends
ein bedeutenderer Einfluss der romanischen Orthographie
oder gar romanische Nationalität des Schreibers nachgewiesen
worden (abgesehen von den „Altdeutschen Gesprächen").
Diese letzten Einwände werden hinfällig, wenn es sich
um eine Abart des romanischen Einflusses, um die Erklärung
der Aphärese und Prothese uns dem Einflüsse der lateinischen
Schriftsprache und ihrer in dieser Beziehung bekanntlich sehr
schwankenden Orthographie handelt. Sie hat ja der deutschen
Schrift die Buchstaben geliehen und dadurch (für die Gut-
1 Die Belege verteilen sich folgendermaftgen über die Jahr-
hunderte: «aec. VIII. 25P.-8A. IX. 240-45. X. 95-27. XI. 180^30.
XII. 215-47.
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turalaffrikata z. R.) in die deutsche Lautbezeichnung viel Ver-
wirrung und I nhestimmtheit hineingetragen ; sie hat das ganze
Mittelalter hindurch den Vorrang vor der deutschen Sprache
behauptet : gar mancher deutsche Schreiher auch der spätem
Jahrhunderte mochte weit mehr l"bung haben, lateinisch /.u
sclireiben als deutsch. Durum darf man aber die Schwan-
kungen im Gebrauche des deutschen h doch nicht als „latei-
nische Schreiberunarten 44 hinstellen. Auch hier gilt voll-
ständig der Einwand, der den romanischen Einfluss wider-
legte: die lateinische Aphärese überwiest die lateinische Pro-
these naturgemäss bei weitem — im Deutschen verhalt sich
die Aphärese zur Prothese noch nicht wie 1 : 10; ebenso-
wenig wie der Lautwert des deutscheu und des lateinisch-
romanischen h ist die deutsche Prothese des h mit der latei-
nischen identisch. Wäre das der Fall . dann müssten sich
ja die vielen lateinisch-deutschen Paralleltexte darin ent-
sprechen. Aber das Latein ist in den lldss. des Keronischeii
Glossars so reich au Prothese und Aphärese wie das Latein
der llrabanischen Glossars, und doch zeigt der deutsche Text
nur im Kernnischen Glossare die gleichen Erscheinungen.
Der Text der Murbacher Hymnen (nach Sievers) ist rein
von Prothese, zeigt dagegen mehrere Aphäresefalle - die
deutsche Übersetzung zeigt keine Spur von Aphärese im Wort-
anlaute, Prothese dagegen in reicher Fülle. Das Latein ist in
allen Notkerhandschriften in dieser Hinsicht gleichförmig
und dabei bieten die Wessobrunner Hdss. weder Prothese noch
Aphärese, 27 Fälle Prothese dagegen die alemannischen Hand-
schriften. — Nirgends in den c. !M) Fällen, wo helfant das
lateinische elephas, elephantus glossiert, findet sich für
das lateinische Wort die Form helephas oder helephantus:
herbi findet sich ebensogut als Ubersetzumr von Patri-
monium wie von haereditas. — Diese beiden letzten Bei-
spiele mögen zugleich genügen zur Zurückweisung der Ver-
suche, die Prothese von Fall zu Fall aus dem Lautanklange
des glossierten lateinischen Wortes zu erklären.
Für diese Protheseerscheinuni: müssen alle derartigen
rein graphischen Erklärungsversuche scheitern: sie sind un-
haltbar, weil sie die ueudeutsche Prothese, der noch niemand
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— 7 —
ihren Lautwert hat absprechen können, vollständig ignorieren
müssen. Dass es aber unmöglich ist, etwa die Erscheinung
in der alten und in der neuern Periode auseinanderzurcissen
— das beweisen schon meine Hammlungen allein, und es
wird hoffentlich in der folgenden Erörterung noch deutlicher
hervortreten. Auch das altdeutsche prothetische h ist als Laut,
als Hauch aufzufassen — es wird meine Aufgabe sein zu
zeigen, wie sich das verträgt mit der festen Natur des deutschen
Hauchlautes und des deutschen Vocaleinsatzes.
Die Aphärese wird ihre Würdigung später für sich allein
finden — zu einer solchen getrennten Behandlung beider
Erscheinungen glaube ich nach den vorangegangenen Erör-
terungen berechtigt zu sein.
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I.
DIE DEUTSCHE PROTHESE.
A. IHR LAUTLICHER WERT.
Der deutsche vokalische Anlaut wird im Satz-
zusammenhange oft leiser und lockerer und hat in
diesem Zustande unter der Einwirkung der Folge-
consonanten den Charakter eines leisen Hauches
angenommen, den alsdann die Analogie des echten
11 zum vollwertigen Hauchlaut«» verschärfte. Dieser
volle Hauch wird fester Bestandteil des Wortes im
Dialekte, und tritt in der Schriftsprache da hervor,
wo dieselbe dem Dialekte nahe bleibt. — Das ist der
Satz, den ich mit meinen folgenden Ausführungen annehmbar
machen möchte.
Die ersten Formen dieser Entwicklung sind von ver-
schiedenen Seiten erkannt und vermutet: Möllenhoff (dkm.2
635) für das Ahd., A. Paul (prgr. S. 4X) für das As.,
Rückert (Schles. M-A. S. 166) fassen das prothetisehe h
als Spiritus Leuis, also wohl als graphischen Ausdruck für
den leisen Vocaleinsatz der zusammenhängenden Rede im
Gegensätze zu dem regelmässigen festen vocalischen Anlaute:
Weinhold (R. Gr. §. 190) geht noch einen Schritt weiter:
er spricht vom „hauchenden h", nimmt es also als „gehauchten
Vokaleinsatzu, als „Spiritus asper14. — Diese Ansichten haben
sich wohl gebildet bei Vergleichung unserer Prothese mit
jener „nicht seltenen", besonders bei den V er bis puris auf
a, uo stark belegten Erscheinung, „dass im Wortinueru ein h
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-_ 9 —
eingeschoben wird beim Zusammenstossen zweier silben-
bildender Vocale, von denen der erste stets ein langer oder
ein Diphthong ist", sahan, bluohan). — Wenn Bremer (P.
Br. Btr. XI, 62) über dieses h sagt, es wäre „rein ortho-
graphischer Natur, denn der Gebrauch zwischen 2 Vocalen
ein h zu schreiben zur Bezeichnung des unbestimmten con-
sonantischen Lautes, der sich an dieser Stelle bildet, sei gar
nicht einmal deutsch, sondern aus der lateinischen Ortho-
graphie übernommen*4, so wird durch diesen Nachweis des
lateinischen Ursprunges doch nicht bewiesen, dass dies h im
Deutschen keine phouetische Geltung haben könnte; dass es
dieselbe wirklich hat, weist Braune nach (Ahd. Gr. 152b):
„Bei dem häufigen Erscheinen dieses h auch in Quellen, die
sonst das h correkt behandeln , muss man demselben einen
bestimmten Lautwert vindicieren : es muss ein Übergangs-
laut sein , der sich zwischen den beiden Vocalen entwickelt
hat — und dass dieser t ; bergangslaut wirklich Hauchlaut
(Spiritus asper) war, geht daraus hervor, dass bei Notker
vor diesem h die gleichen Vocalwandlungen eintreten, wie vor
altem hu. -- Wir haben hier also eine analoge Erscheinung:
aus einem neugebildeten unbestimmten Geräusche entwickelt
sich im Silbenanlaute der leise Hauch.
Man hat denn auch versucht, beide Erscheinungen als
einheitlich nebeneinander zu stellen. Erdmaun bemerkt z.
B. zu Otfried III, 20, 17: „h zur Vermeidung des Hiatus
zwischen zwei Worten (sehiltun, michila hera), — nach
der Vorsilbe gi- (gihilit, gihereti, giherete) — und inner-
halb des Wortes (irkntihet)".
Aber einer solchen Auffassung widersprechen die Thar-
sachen: der Hiatus, der die Vorbedingung für die Bildung
des Hauchlautes im Wortinnern ist, fehlt bei der Prothese-
bildung in der Mehrzahl der Fälle : er kann hier also nicht
massgebend sein. Im Vi nd obon ensis selbst hat Erdmann
Fälle wie selbun hera, managfalten hehtin, wollen
h ah ton etc. nicht in Betracht gezogen, und die Hälfte der
Prothesefälle ist ja überhaupt au Glossen zu finden, wro von
Hiatus im Satzgefüge doch keine Keile sein kann; Hiatus
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-in-
zwischen Gompositionsteilen (nach gi- etc.) liegt nur 36 mal
vor, also nur bei 4°/o der Fälle.
Das Zugeständnis» konnte man Erdmann vielleicht
machen , dass die Correktorcn der Otfridhandschriften die
Prothesefalle, die sie sonst zu beseitigen strebten, dann stehen
Hessen, wenn sie durch ihre Beseitigung einen Hiatus ge-
schaffen hätten (Vl\ III. 13, 91. IV. 5, 52. IV. 12, 32. V.
IV. 4, 25. V, 4, 10. V, 16, 33). Das beweist aber doch
auf keinen Fall, dass der Hiatus der Grund zur Prothese
war, nur wieder, dass dem prothetischen Ii ein Lautwert
zugeschrieben werden muss — ein bloss graphisches h wäre
ein recht plumpes Mittel zur Uberbrückung eines Hiatus ge-
wesen.
Gewöhnlich tilgt Otfrid den Hiatus durch die Silben-
verschleifung ; das setzt aber einen leisern Vocaleinsatz vor-
aus , und ein solcher muss in der That damals auch
in der gewöhnlichen zusammenhängenden Rede Platz ge-
griffen haben. Die Differenz zwischen den Vokaleinsätzen
in der zusammenhängenden Rede des Deutscheu und des
Franzosen von heute bürgt dafür, dass darum der Unterschied
zwischen romartischem und germanischem Vokaleinsatze auch
in der althochdeutschen Periode nicht verwischt worden ist.
Hiatusbildung war und ist aber nicht nötig zu dieser Milde-
rung des Vocaleinsatzes — heute wie damals tritt dieselbe
auch nach Oonsonanten ein. cf. die Beispiele bei A. Paul
S. 41.
Mit dem leisen Anlaute verbindet sich gern ein leiser
Hauch, das zeigt der lateinisch-romanische Spiritus Lenis
(A. Paul S. 16), das zeigte sich bei jenem Silbenanlaute im
Wortinnern der Vcrba pura — und so hat sich auch der
umgebildete Wortumlaut in unserm Falle entwickelt und zwar,
wie ich nachweisen möchte, unter dem Einflüsse des fol-
genden Consonanten. Die folgende Tabelle diene zum Be-
weise.
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11
DAS VERHÄLTNIS DER WURzELCONSON ANTEN (FüLGECONSONANTEN).
ZUR ALTDEUTSCHEN l'ROTHESEBILDUNQ.
Labial.
Dental.
Guttural.
Sni a.
Affricata.
2.
3.
4.
9.
Reine Tennis.
19.
5.
24.
Spirant. Ton. (Wechsel mith in obd. ic, eic, ahs.J
16.
16.
Obd. Tennis.
3.
4.
7.
Reine Media.
35.
19.
54.
Spirant. Med.
9.
6.
4.
19.
Hauchlaut, (ahir, ahorn, ohoim, ehalt-, uohald-.)
16.
Spirant.
27.
51.
129.
207.
Sonorlaut.
w. 75.
m. 5.
r. 212.
n. 48.
1. 201.
541.
(Vocal. Ausl.
11 io. 1 ei.
12)
Summa Sni.
905.
Vocalischer Auslaut kommt also bei den Prothosefällon
nur in verschwindend geringem Prozentsätze vor, einmal bei
ei (ovum), das auf S. 47 seine Würdigung finden wird, und
in 11 Fällen bei io (eo, ie). liier könnte man ja vielleicht
an den alten w-Auslaut erinnern, aber ich glaube doch, man
muss diesem hio eine besondere Stellung einräumen: hier
hat das h wahrscheinlich einen ganz andern Lautwert und
Ursprung. Die altsächsische entsprechende Form ist nämlich
gio, die neudeutsche : je — zu diesen Formen verhält sich
hio wie zu den jetzt allein gültigen Schreibungen Jesus,
Jeremias, Jerusalem die althochdeutsch (wie lateinisch)
daneben allgemein üblichen Iliesus, liiere mias. Ähnlich
wie im Wortin nern bei herihunga, werihan (cf. Braune
Ahd. ör. 152 b, 4) bezeichnet dies h den am i leicht ent-
wickelten gewöhnlich durch g 'ausgedrückten spirantischen
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- 12 —
Lautwert. Auch vor o kann das h diesen Charakter annehmen,
wie die in sgallischen Urkunden vorkommenden Schreibungen
.Totti und Jeripol (Q. F. III. S. 142) beweiseu. — Einige
nur scheinbare Ausnahmen finden ihre Erledigung nach S. 10.
Eigentliche Prothese entwickelt sich nur vor consonan-
tischem Folgelaute. 94 von diesen 892 Fallen — 10'/20,fl
— gehören den Verschlusslauten an und verteilen sich auf
die Affricata mit 1 °/0, Tenuis mit 3 V«°/o und Media mit C>%.
Die 9 Beispiele für Prothcsebildung vor Affricaton sind
vielfach unsicher: hutz, hutz ist nur Lesart einer Hand-
schrift (für die sonst als huz, huz! überlieferten letzten
Worte Ludwigs, ein anderes hutz steht in den „ altdeutschen
Gesprächen44; von den gutturalen Fällen ist hohilari (occi-
pitium) als huo-chalvari eine sehr unsichere Deutung, ob
hechelstein hierherzurechucn ist, möchte ich nicht ent-
scheiden — kurz, die Affrikata zeigt sich der Prothesebildung
sehr abgeneigt. Auch die reine Tenuis zeigt höchstens 24
Fälle, zu denen t die Hauptmasse (19) stellt; in 16 ober-
deutschen Fällen (ic, eic, acs, aesila) kann das c nur
graphische Variante sein für die meist in demselben Denk-
male daneben vorkommenden Formen mit h, man kann das-
selbe hier also nicht wohl auf Rechnung der reinen Tenuis
setzen. Bei oberdeutschem p und k als Vertretern der
fränkischen Medien finden sich nur 7 Fälle, von denen he-
puhen (simias) (zu abuh?) noch dazu ganz unsicher, und
hepoum aus einem hebhouue (Epheu) der Vorlage ver-
dreht ist. — Die oberdeutsche Media beteiligt sich dagegen
schon mit 6°/o in 54 Fällen an der Prothese; mehr oder
weniger spirantisch sind 19 Fälle (über 2%) bei fräukischen
und niederdeutschen Medien.
Die weit überwiegende Mehrzahl der Fälle (799—89 1/2%)
gehört den spirantischen und sonoren Lauten.
Reine Spiranten liegen vor in 223 Fällen (25°/o); da-
von entfallen 27 auf die labialen (21 f, 6v), 51 auf die Den-
talen (44s, 7z), 129 auf den gutturalen und ltt auf den
„Kehlkopfspirantenu (Hauchlaut). Mit Hiuzunahme der Ver-
schlusslautc mit spirantischem Werte sind es zusammen 258
Fälle (29».
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— 13 —
Doppelt so zahlreich vertreten sind die Sonoren: 541 mal
— 60 1r/2°/o sämmtlichcr consonantischen Fälle. Naturgemäss
entfallen hier die wenigsten — nur 5 und 48 auf ni und n,
denn der enge Verschluss begünstigt die Hauchbildung wahr-
scheinlich weniger als die flüssigen, vibrierenden Laute w— 1 — r,
die denu auch 75—201—212 Fälle aufweisen. W, 1, r und
ch sind die zur l'rothesebildung besonders günstigen Laute,
sie habeu 617 Fälle geliefert (über b'9°/o).
Die ÜrTnungslaute begünstigen also die Prothesebilduug,
die Verschlusslaute verhalten sich ablehnend. Es wird sich
wohl ein Begleitlaut entwickeln bei jenen Lauten , ein dem
eigentlichen Einsetzen jener Laute vorausgehendes hauch-
artiges Geräusch, das sich dann mit dem Vocale verbindet
und nun als gehauchter Vocaleiusatz zum Vorschein kommt.
— Die lautphysiologischen Verhältnisse dieses Vorganges
kenne ich nicht. Vielleicht steht mit der Prothesobildnng
im Zusammenhange, was Wein hold (Ii. Gr. §. 1(>0) über
das anlautende r in kärntnischen, tirolischen und bairisehen
Dialekten sagt: „Jedes r— gleichgültig ob altes reines roder
(h) r — wird mit einem scharfen Hauche ausgesprochen (hrab,
bring, hrecht). Selbst in der Verbindung gr wird r as-
piriert (ghrous, ghrad)44. — Mir will es scheinen, als ob
ein ungekünstelt lautiertes r, 1 etc. überhaupt gern von einem
ziemlich starken Hauche begleitet werde. 1 Wenn dem wirk-
lich so ist, dann lässt sich vielleicht auch der ahd. Abfall
des h in den Verbindungen hr, hl, hw, hn damit erklären,
dass man, als anlautendes h zum blossen Hauche herabsank,
die besondere Bezeichnung dieses Hauches vor jenen sonoren
Lauten als unnötig empfand , weil blosses anlautendes r, 1,
w, n an sich schon einen gewissen Grad von Aspiration be-
zeichnete.
Für die altdeutsche Prothese hat noch niemand diese
Verhältnisse beachtet, wohl aber hat J. Grimm in einer
Bemerkung zu heischen, helfant, heidechsc das richtige
getroffen, wenn er sagt (Gr. I, 437): „Alle solche Fälle er-
fordern eine vernehmliche Spirans des Inlauts, die in der
Man vergleiche den 8piritu8<wper Über dem griechiflehen
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14 —
Schnelle »1er Aussprache den Anlaut ergreift und darauf
haftet*. EinHutt« der tönenden Aussprache des r hat in H iii-
sicht auf mitteldeutsche l'rothesefälle Kückcrt vermutet
(Schles. M-A. S. lßty. Die altdeutschen Verhaltnisse bezeugen
die Richtigkeit dieser Beobachtungen.
Weniger wichtig für die Entwickelung des neuen Hauch-
laute« ist der anlautende Vocal selbst. Wenn Kückert (ebenda)
sagt: „Der Spirirus Lenis ist in den altern Denkmälern bloss
auf anlautendes e beschränkt, während er in den spätem
Mundarten auch andere Voeale erfasst hat" , so gilt das für
die althochdeutschen und altniederdeutschen Verhältnisse sicher
nicht. Man vergleiche die folgende Tabelle über das
VERHÄLTNIS DKh ANLAUTENDEN VOCAL ES ZUR l'ROTHESEMLDUNG.
Laut.
Kurz. Lang.
Diphthong. Summa.
4. 125.
a. 100.
21.
c. 294.
Ii
131.
53. 478.
•
i.
57.
37.
33. 127.
H
0.
32.
25.
5.
62.
u.
25.
76.
12.
113.
Summa. 508. ' 290.
,07.
905.
Soviel ist also richtig, dass e für sich allein 53°/o aller
Fälle stellt, während auf a 14°/o, i 14%, u 12°/o, o nur
7 '/j0/« entfallen. Eh leuchtet ja auch ein, dass dieser neu-
tralste Vocal zur Übertragung des begleitenden Hauches am
günstigsten ist, und es passt hierzu, dass grade das alte e
mit 215 Fällen besonders stark vertreten ist. — Langes e
stellt 14«/*%, e-Diphthoug 6<>/o, kurzes e 32V2°/o der ge-
sammten Fälle.
Ahnlich liegen diese Verhältnisse auch für die neuere
Prothese: o und u sind schwach, a und i zahlreicher, e be-
sonders stark vertreten. Hei den Folgeconsonanten über-
wiegt der Öffnungslaut fa«t ebenso stark: 50 °/o Sonore, 2b'°/o
Spiranten (51/2 o/o spirantische Media) — zusammen 76°/o
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— 15
stehen 24°/o Verschlusslauten gegenüber (11 V2°A> obd. Media,
10°/o Tonuis, 2V2°/o Affrica ta) — ein Resultat, was sich zu
Gunsten der Offnungslaute noch bedeutend verschieben würde,
wenn man hier nicht bloss die Zahl der prothesezeigenden
Wörter, sondern auch die Ausdehnung und Intensität der
Prothese daran irgendwie genauer in Rechnung ziehen könute.
Die Ähnlichkeit und Zusammengehörigkeit der neuern
und der alten Prothese lässt sich nicht leugnen — das muss
auch die folgende Zusammenstellung der Regriffe, an denen
sich Prothese findet, darthun. — Zugleich wird sie der An-
schauung, als ob die Prothese neuem Datums geringfügig
sei, ein Ende machen: die alte Prothese erscheint au 131
Hegriffen, die spätere habe ich an 128 Begriffen gefunden,
wozu noch 87 in neuerer Zeit eingebürgerte Fremdwörter
kommen (an 7 Fremdwörtern reicht die Prothese in die alt-
hochdeutsche Zeit zurück). Die Dialekte der mittleren Periode
beteiligen sich mit 136, die modernen Dialekte mit 124 Fällen
an dieser neuern Prothese. Auf Vollständigkeit können diese
meist aus Wörterbüchern geschöpften ueuem Relege natür-
lich keinen Anspruch machen.
ZUSAMMENSTELLUNG OElt UEORIFFE MIT ALTKK UND NKUKRKU
l'KOTUKSK.
I. SL'IMTAXTIVBKCIRIFFK.
Körperteile u. ä.
Ahd.: Achsel. Achselhöhle. Ellenbogen. Auge. Ohr. (Ratze.
— Atem. Eiter.
Später: Glatze. Stirn. Auge. Ohr. Ellenbogen. Ann. Ge-
burtsteile der Kuh? Hüfte. Knöchel. Aberklaue. —
Ader.
Tiere.
Ahd.: Elephant. (Affe?) Iltis. Ochs. Eber. Elch. Igel.
Unke. Uhu. Eule. Falke. Schwan. Auerhahn.
Später: Elephant. Affe. Kaineel. Elenu. Ochse? Iltis. Eidechse.
Kröte. Ameise. Uhu. Eule, lleergans. Storch. Auer-
hahn. Elster Amsel. Goldammer.
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— 16 —
Pflanzen.
Ahd. : Eiche. Esche. Espe. Erle. Ulme. Pappel. Ahorn.
ornaO*). Arlitze. Apfel. Hagedorn. Weissdorn. Epheu.
Erbse. Ampher. Brenn nessel. — Ähre. Ast.
Später: Espe. Erle. Aberesche, anierella. Arlitze. Ebenholz.
Apfel. Epheu. Aberraute. Brennnessel. Erbse. Lauch.
Ampfer. Attieh. Olsen ig. Ysop. Hengs, agrimonia.
Ederwurz. Astrenze. — (Ast). (Ähre), (i ranne.
Gerät.
Ahd. : Ofen. Axt. Egge. Angel. Tafel. Eimer. Henkel.
Später: Tasche. Holzgestell. Wiege. Ofen. (Amboss). Pflug-
teil. Henkel. Beil. Axt. Messer. Harpune. Harnisch.
Hoboe. Elle. Himpten. Aichmass. Iuful.
Erzeugnisse und Stoffe.
Ahd. : Butter. Ei. Irch. — Erde. Erz. Eisen. Stahl. Eis.
Eiszapfen. Feuer.
Später: Oblate. Ale. Arras (-Tuch). Irch. — Erde. Eisen.
Stahl. Eis. Eiszapfen. Welle.
Persönlichkeiten.
Ahd.: Oheim. Arzt. Amme. Mädchen.
Später: Oheim. Erzbischof. Vater. Engel. Ulan. Hartschier.
Harlequill.
Räumlichkeiten und Zeitbestimmungen.
Ahd.: Alpe. Halde. Winkel. Ecke. Eude. Osten. Abend.
Mittag. Ostern.
Später: Gut. Anger. Wildlager. Dachtraufe. Ecke. Spitze.
Winkel. Ende. — Abend. Ostern. Ertag.
Rechtsleben.
Ahd. : Amt. Eid. Habe. Erbe. Handgeld. Exil. Gesetz. Lohn.
Ehre.
Später: Eid. Erbe. Handgeld. Lohn. Gesetz. Ehre.
Verschiedenes.
Ahd. : Schrecken. Kraft. Gunst.
Später: Schrecken. — Schneesturm. Schiffbruch.
Namen.
Ahd.: cf. S. 4 u. 37.
Später: Anselm. Erasmus. St. Elmsfeuer. Uetliberg. America.
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- 17 -
II. PRONOMINALBEGRIFFE.
Ahd. : ich. uns. ihr. euch, (er u. flekt. Formen).
Später: ich. uns. euch, (er u. flekt. Formen cf. S. 40.)
m. ADJECTIVBEORIFFE.
Ahd.: arg. verkehrt, übel. irre. rauh. eben, ernst, arm. alt.
eitel, offen, emsig, reich. — ein. acht. alle, etlich.
erst.
Später: arg. ekel. übel, eitel, arm. alt. offen, edel. — ein. all.
jemand, erst.
IV. VERBALBEORIFFE.
Ahd.: ächten, achten, besitzen, eilen, üben, heischen, ar-
beiten? schöpfen, essen, sein.
Später: denken? (dürfen), achten, (eilen), heischen, ahnden,
besitzen, üben, ackern, schöpfen, „acheln" (= essen),
essen, uzen (— necken), tosen, „ampeln" (— sich
ungeschickt bewegen), sein.
V. LOCALE PRAEPOSITIONEN UND ADVERBIEN.
•
Ahd. : ab. aftcr. an. in(nen). oben. über. auf. aus.
Später: (jenseit.) unten, oben. über. auf. aus. an. ab. in.
vi. PR AFFIXE.
Ahd.: eli-, it-. — ant- (int-), un.- ar- (ä.- er.- ir.- ur.-)
Später: el-. — ant er- (ar-, ur-).
VII. SATZ PARTIKEL.
Ahd. : eecorodo. aber. auch. je.
Später: cht (eecorodo). auch.
VIII. INTERJECTIÜNEN.
Ahd.: ach. uch. Später: in jeder vocal. anl. Interj. Schwan-
kungen.
IX. TECHNISCH ODER PHRASENHAFT VERWENDETE (iNTERJECTIONALE)
FREMDWÖRTER.
Später: adieu, alleluia. amen, eleeison. extra, a propos. oblige.
allegro. alerte, etc. etc.
qf. lxix. 2
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- 18 -
Wir schon : au 80 Bogriffen hat sich die altdeutsche
Prothese in die neuere Zeit hinein erhalten ; hier wie dort
sind es die concretesten Substantivbegriffe, die Prothese-
bildung vor allem begünstigen ; — wir sahen, dass die gleichen
Entstehungsbediugungen und Eutstehungsursachen vorhanden
waren: ich halte den Beweis der Einheitlichkeit unserer Er-
scheinung in beiden Zeiträumen für erbracht.
Aus dieser Einheitlichkeit folgt notwendig, dass wir
dem alten prothetischen h den vollen Lautwert des echten
h zugestehen müssen, — den unserm: Hameise, Heidechse,
Hullahne noch niemand abgesprochen hat. Es liegt kein
Grund vor zu der Annahme, dass die Prothese in jener Zeit
noch beim leisen Hauche im Satzzusammenhange — also auf
der vorhergehenden Entwickelungsstufe — stehen geblieben
wäre : dazu wirkte (wie bei bluohan etc. im Wortinnern) die
Analogie dos echten alten Hauchlautes zu stark. Man hat
gar nicht notig, deshalb überall nach Wortanklängen oder
Bogriffsanlehnungen zu suchen. Solche Analogiewirkungen
sind gewiss vielfach auch im Spiele, aber die grosse Mehr-
heit der Fälle widerstrebt solchen Erklärungen. Es ist doch
etwas sehr Gezwungenes, wenn man helfant an das Yerbum
helfan anlehnt mit der Motivierung durch „die vielfachen
Dienste des Elephanteu in Krieg und Frieden u. — Was
wird der Deutsche viel davon gewusst haben? Und wenn die
Analogie deshalb gewirkt haben soll, „weil man dem Elfen-
bein Zauberkräfte zuschrieb**, so stimmt das wenig zu der
Thatsache, die schon Graff hervorgehoben hat, dass die Pro-
these grade für die Bedeutung „Elfenbein" nicht so fest war
als für die Bedeutung „Elephant". (cf. S. 117). Lautliche
oder begriffliche Anlehnung von eiseön an heizzan ist ja
möglich, aber allzugross ist die Ähnlichkeit beider Begriffe
und Formen doch eigentlich nicht.
Die Analogie des gewöhnlichen h genügte vollauf, den
prothetischen Hauch zu verstärken. Dass dies hier oder da
nicht eingetreten sei, dass nur leiser Hauch vorhanden, —
das Hesse sich wohl für den einzelnen Fall einmal zugeben,
sicher behaupten lässt es sich meiner Meinung nach nirgends.
Wer in meiner alphabetischen Zusammenstellung Artikel
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- 19 -
prüft wie ähten, ahto, ahton, eht, eigan, elaho, era,
erda, erbi, ih, Uen, iuwih — wird sich wohl des Ein-
druckes nicht erwehren können, dass so häufige Prothese-
bildung an einem und demselben Worte in seinen verschie-
densten Formen nicht zufällig sein kann : der Hauch „ergreift4*
eben nicht bloss den Anlaut, er hat keine bloss ephemere
Existenz, die gebunden ist an den Satz und die betreffende
Lautcombination, in der er erzeugt ist — er „haftet" an dem
Worte.
Jene Lautformation , die ihn erzeugt hat, kann sich
ändern, selbst der hauchbildende Consonaut kann der Aus-
sprache entschwunden sein (ä(h)ten, e(r), e(wa), hu(w)o)
-- die Prothese dauert unverändert: sie muss dem Worte
also eigentümlich, das h muss ein vollwertiger selbständiger
Laut geworden sein. — Seine Entwicklung verdankt es der
zusammenhängenden Rede — seine selbständige Existenz
bezeugt die grosse Menge der isolierten Glossen.
Den direkten Beweis endlich liefern wohl Allitera-
tionen wie:
heigun sa Northman harto bidungan. (Ludwigslied 24).
hurolob ni habe du zi holze ni fluic du. (Lorsch.
Bienensegen).
so h evet er hufwerde den halm von der herde. (Vor.
Jerusal. 365, 16).
min herze was helende. (König Rother v. 2269).
Man vergl. S. 81 f., wo ich einige solcher Alliterationen
und Wortanklänge gesammelt habe. — Das sind keine Spiele-
reien, wie Diemer meint, keine Alliterationen fürs Auge,
sondern wirkliche fürs Ohr.
Eigentümliche Fälle liefert der Helianddichter in den
Versen 102 u. 4144: beide Male verlangt die Alliteration
die prothetischen Formen :
umbi that helaga hus endi gieng im thie giherodo
helithos usaro hobdo. Thuo sprac thar eu giherod
man.
So schreibt aber nur je einer von den beiden Schreibern
(102 der Ootronianus, 4144 der Monaoensis), das h scheint
2*
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- 20 -
ihnen nicht mundgerecht gewesen zu sein und so lässt es
jeder in dem andern Falle trotz der Allitteration weg1 —
nimmt man verschiedene Schreiber bei den verschiedenen
Fällen an, dann erklärt sich die Inconsequenz ja noch viel
einfacher — ; jedenfalls ist die Willkür der Schreiber in dieser
Hinsicht so gross, dass man kein Gewicht darauf legen darf,
wenn der Allitteration zuwider auch prothetische Formen
(besonders „Habraham" öfter im Cottonianus) eingeführt werden
— die Schreiber gebrauchen eben rücksichtslos die ihnen
geläufigen Wortformen; der Lautwert der Prothese wird
durch solche Verstösse gegen den Vers sicher nicht in Frage
gestellt.
Dass Otfrid in den uns überlieferten Handschriften den
prothetischen Hauchlaut nicht in der Allitteration verwendete,
kann nicht auffallen bei einem Schriftsteller, der die Sprache
doch gewissermassen kritisch und nivellierend behandelte;
die von mir S. 81 aus diesen Handschriften aufgenommenen
Beispiele sind nicht vollwertige Alliterationen, nur Wortan-
klänge.
Die althochdeutsche Periode kennt ja eine so scharf
ausgeprägte allgemeine Schriftsprache wie die mittelhoch-
deutsche und neuhochdeutsche allerdings nicht: der Dialekt
herrscht auch in der Schrift — wohl zeigen aber unsere alten
Denkmäler ganz bedeutende Ansätze zu solcher Entwickelung.
Die Tradition der Schreiberschulen verwischte die Differenzen
innerhalb des Dialektes und verhinderte, dass allzu indivi-
duelle Eigenheiten zur schriftlichen Fixierung allzu oft ge-
langten. ITnd milderten schon die Verfasser Provincialismen,
so regulierten Correktoren gewöhnlich die Sprache noch mehr,
sehr oft war eine solche Entwickelung des Textes die unwill-
kürliche Folge da, wo ein Denkmal durch die Hände ver-
schiedener Schreiber ging, die nicht ganz sklavisch abschrieben,
zumal dann natürlich, wenn eine Vorlage in einen auderu
Dialekt umgeschrieben ward. — In allen solchen Fällen, wo
sich das Schriftidiom vom Dialekte entfernte, schwand auch
die Prothese — im Isidor wie im Wiener Notker — , oder ist
1 cf. ftuoh : holithoa bitungre8 githuinge. Hol. Cot. 2824.
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— 21 —
zum grossen Teile nur noch aus Rasuren zu erkennen, wie
in den Otfrid- und Tatianhandachriften.
Die mittelhochdeutsche und neuhochdeutsche Schrift-
sprache ist naturgemäss darin weit consequenter : schon das
Mhd. hat sämmtliche Prothesebildungen beseitigt bis auf hel-
fant, hu wo (huwel), heischen !, und heute hält die Schrift-
sprache nur noch heischen fest. Conservativer ist das Mittel-
niederdeutsche, Mittelniederländische — vom Westflandrischen
ganz abgesehen — und Friesische gewesen, — eben weil
diese Literatursprachen mit den Dialekten stets in engerem
Zusammenhange blieben.
Die Dialekte aber haben diese Eigenheiten stetig fort-
gepflanzt bis auf den heutigen Tag, einiges fallen lassen,
anderes neu erzeugt — wie es das Wesen der lebendigen
Sprache mit sich bringt. Es ist gewiss kein Zufall, dass vor
allem an solchen Begriffen die Prothese haftet, die eben auch
sonst zu starken dialektischen Verschiebungen neigen: denn
wenig erscheinen solche intensiv concreten Begriffe, wie es
gut 70°/o der aufgeführten sind, in der Litteratur, und so
kann sich an ihnen auch heutzutage der nivellierende Ein-
fluss der Literatursprache nicht geltend machen : — kommen
und kamen sie einmal zur schriftlichen Fixierung, dann fehlt
dem Schreiber das Wortbild, er muss nach dem Gehöre
schreiben und die Dialektform bieten. Das ist zugleich die
einfache Erklärung für das besonders häufige Auftreten der
Prothese in den naturgesch ichtlichen Glossengruppen.
Man gestatte mir hier die Erörterung führt in vielen
Punkten schon zum folgenden Teile hinüber einige Aus-
führungen über einen zweifelhaften Fall, den ich in meine
alphabetische Sammlung nicht aufgenommen, sondern auf
S. 119 f. gesondert dargestellt habe: über das Pronomen
der III. Person in seinen vocalisch anlautenden
Formen.
Der niederdeutsche Dialekt zeigt für die Nominativform
des Masculinums regelmässig die Formen he, hi, der frän-
1 Mhd. ist hören sehr häufig, aber wohl nicht als Prothese auf-
zufassen, was ja auch bei dem — allerdings weit selteneren — ahd.
heren nioht durchaus sicher ist.
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kische sehr häufig he und her, he mehr an der nieder-
deutschen Grenze, her allgemein — vielleicht nicht im süd-
lichen Teile des hochfränkischen Dialektes, wenn man nach
der "Barn berger B eich tett sich hierin richten darf. Daneben
zeigt sich aber in allen fränkischen Denkmälern fast — von
Anfang an — auch sehr häufig er, teilweise neben her und
he — seltener oder gleich oft — , teilweise auch — selbst
in mittelfränkischen Denkmälern wie im Trierer Capitulare
— allein. Das Bairische zeigt keinen einzigen Beleg (über
die Fälle im Freysinger Otfrid vgl. S. 31); das Alemannische
höchstens 8 Belege, von denen jedoch nur einer in der Sgall.
Psalmen version und vielleicht eine Rasur in den Notker-
psalmen als rein alemannisch angesehen werden können. Der
Gcorgsleich zeigt nach Weinhold 1 eine Dialektmischung
und wird seine Fälle von her dann dem Fränkischen zu ver-
danken haben. Eine von Schilter überlieferte elsässische
Beichte , die den rohesten, vielleicht noch besonders vom
Niederdeutschen beeinflussten Dialekt wiedergiebt (cf. dkm*.
S. 609), zeigt einige Fälle von ye (cf. S. 11 f.). Die Er-
scheinung ist also fast ausschliesslich fräukisch-niederdeutech.
Meist werden nun diese Formen von dem Pronominal-
stamme abgeleitet, der im Gotischen himma, hina vorliegt
und diese Erklärung findet ihre Stütze in angelsächsischen
und nordischen Parallelformen.
Gewichtige Autoritäten sprechen aber auch diese Er-
scheinung als prothetisch an, Wein hold (Mhd. Gr. § 243)
für den fränkischen, Gallee (As. Laut). § 41) für den alt-
sächsischen Dialekt.
Ich möchte der letzten Auffassung beipflichten. — Die
Lautverhältnisse (der flüssigste Consonant und der leich-
teste Yocal) sind im Fränkischen wenigstens — für das
Niederdeutsche muss Gallee Abfall des auslautenden r an-
nehmen zur Entwickelung der Prothese die denkbar
günstigsten : und die vocalisch anlautenden Formen der Prono-
mina der I. u. II. Person zeigen, wie sehr diese Wortklasse
zur Prothesebildung neigt: im Mittelniederfränkischen sind
1 Isidor 8. 89.
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23
ja die Formen hu, hu wen etc. der II. Person auch vielfach
zur Regel geworden. Das Fehlen der Erscheinung im Bai-
rischen und ihre Seltenheit im Allemannischen kann nicht
gegen eine Erklärung durch Prothese sprechen — die Zahl
der Fälle, die in mehreren Dialekten zugleich Prothese zeigen,
ist ja überhaupt nicht gross. — Die Correktoren der Otfrid-
handschriften (auch des Tatiantextes an einigen Stellen) haben
wenigstens, wie die Rasuren sicher zeigen, diese Fälle als prothe-
tische aufgefasst und als solche mehrfach beseitigt, (cf. S. 31).
Wenn sich in diesem Punkte Gewissheit nur durch um-
fassende Heranziehung der gesammten germanischen Sprachen
erreichen lässt, so liegen die Verhältnisse meiner Ansicht
nach einfacher bei den flektierten Formen des Pronomens:
hier fehlt dem Fränkischen der Rückhalt am Altsächsischen
und also der Zusammenhang mit den ausserdeutschen ger-
manischen Sprachen.
Die altsächsischen Denkmäler zeigen (cf. S. 120) nur
sehr wenige und zwar nur dann h-Formen , wenn sicher
fränkische Elemente darin nachzuweisen sind : im ganzen
Heliand findet sich1 nur ein him und zwar im Cottonianus,
das hira des sächsischen Taufgelöbnisses wird aus Fulda
stammen — und das Glossar Id steht sicher (cf. auch die
Belege für his-vogel) im Zusammenhange mit den mittel-
deutschen Naturglossen. — Die Erscheinung greift auch auf
das alamannische Gebiet hinüber: von den 6 Belegen sind 3
sicher rein alamannisch, in 3 Fällen könnten die Formen
fränkischem Einflüsse zugeschrieben werden , was für die
beiden Belege aus der bairischen Überlieferung sicher gilt.
Die Fälle sind auch durchaus nicht an das gleichzeitige
Vorkommen der Pronominalform her gebunden im Frän-
kischen :das Trierer Capi tu lare wie die Albanuslegende
weisen kein einziges her oder h e , dagegen 5 resp. 3 mit h
anlautende flektierte Formen auf.
Ich halte es für ziemlich sicher, dass diese Formen erst
durch deutsche Prothese in althochdeutscher Zeit gebildet
sind — die Lautverhältnisse liegen wiederum günstig: der
1 Nach A. Behrmann Diss. Marburg. 1879. Perflonalpron. im
Heliand 8. 9.
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-
- 24 -
Folgcconsonant ist entweder sonor oder spirantisch, der Vocal
hell; die Analogie von her wird auch gewirkt haben.
So häufig wie bei der Nominativform des Masculinums
sind diese Formen übrigens nicht mit h versehen. Die Fälle
sind im hochdeutschen Gebiete nur vereinzelt, sie nehmen
zu nach der niederfränkischen Grenze hin; durchgeführt ist
dann der Vorschlag des h vor allen vokalisch anlautenden
Formen hart an dieser Grenze: im mittelfränkischcn Teile
der altniederfränkischen Psalmen (in diesen selber
nicht!), und später im Leydener Williram und der Scr-
vatiusl egende. Die niederländischen Dialekte haben in
der mittlem Periode diese Formen allgemein angewendet.
B.
DIE VERBREITUNO DER DEUTSCHEN PROTHESE.
Es ist nicht gut möglich, die Prothesebelege nach den
einzelnen Dialekten reinlich aus einander, zu legen — die
Hälfte der Fälle steckt in Glossaren, und viele zusammen-
hängende Denkmäler sträuben sich ebenfalls nicht wenig
gegen genaue Bestimmungen solcher Art: — ich erinnere
nur an die verwickelten Verhältnisse in der Vorauer Sammel-
handschrift. Es Hess sich noch nicht einmal immer der vor-
wiegende Dialektcharakter genau bestimmen, der im allge-
meinen für meine Zusammenstellung der Prothese und Aphärese
zeigenden Denkmäler das Prinzip abgeben musste, — das
übrigens da durchbrochen worden ist, wo es die Übersicht-
lichkeit der Statistik allzu sehr gestört hätte. Für die Dialekt-
bestimmung der Prothcsefalle ist ja diese Zusammenstellung
doch unwesentlich und jenes Princip nicht massgebend, denn
es ist sehr fraglich , ob dieselben wirklich jedesmal dem
„charakterisierenden" Dialekte zugeschrieben werden müssen
oder können, ob sie von der letzten Hand herrühren oder ob
sie aus Vorlagen herüber genommen sind. Diese Fragen
müssen vielmehr für jedes Denkmal dieser Art und eigent-
lich für jeden einzelnen Fall untersucht werden.
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- 25 -
Man betrachte z. B. die Verhältnisse der verschiedenen
Dialekte zu der Prothese an hu wo. Nach der Methode,
wie sie Weinhold bei der Gruppierung seiner Prothesebclege
anwendet, raüsste ich sagen: die Form hu wo ist allen Dia-
lekten gemein, von den 51 überlieferten prothetischen Formen
gehören 19 dem alemannischen, 16 dem bairischen, 12 dem
fränkischen und 4 dem niederdeutschen Gebiete. Das würde
aber ein durchaus falsches Bild geben, wie ich an der Hand
meiner Zusammenstellung auf S. 115 ff. zeigen will.
68 mal ist das Wort für jene Periode belegt, und zwar
17 mal in der protheselosen ursprünglichen Form: 10 Glossare
bieten nur diese Form, 7 diese und daneben die prothetische.
Jene 10 alleinstehenden „echten14 Formen gehören sämmtlich
der bairischen Uberlieferung an, ebenso 3 von den 7 Glossen
mit Doppelformen, 4 von dieser letzten Gruppe stehen in
alemannischen Handschriften, die Glosse St. Paul, d/82
(aus St. Blasien) ist aber vielleicht auch erst durch bairische
Hände gegangen. Jedenfalls sind 13 von den 17 prothese-
losen Fällen bairisch überliefert. Vergleicht man hiermit die
Thatsache, dass der bairische Dialekt in seiner fernem Ent-
wickelung nur die Formen auf, auff kennt (nach B. Wb %
I. 42) — für Nürnberg nur ist die Form hu belegt I. 1030
— , und dann vollends die Notiz Conrads von Hegenberg 1 :
„bubo haisst ain auf oder in an der m Däu tsch ain hawa,
so wird man vielleicht über die 16 prothetischen Formen der
bairischen Überlieferung und ihre Beweiskraft für bairische
Prothese bei uwo anders denken, zumal wenn man beachtet,
welchen Kategorien die betreffenden Glossare angehören, die
übrigens nur in 3 Fällen in das 10. Jahrhundert hinein, mit
keinem Falle darüber hinaufreichen. Er ist eine — sicher
vom Mittelrhein gekommene — Vergilglosse, eine salomonische
Glosse alemanischer Herkunft, eine gehört in das sicher mittel-
deutsche Summarium Heinrici, die übrigen 7 Naturglosscn
stammen sämmtlich sehr wahrscheinlich aus derselben Heimat;
eine sehr verwickelte Vergangenheit haben die 6 Bibelglossen
zum Leviticus — rein bairisch ist keine von ihnen, fränkische
' Pfeiffer 8. 173. 2. 'd.
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— 26 -
Vorlagen sind wohl überall anzunehmen, wenn auch manches
Zwischenglied unsere Handschriften davon trennt.
Ich glaube, die Gcsammtheit dieser Umstände giebt uns
das Recht, dem bairischen Dialekte jeden bedeutenderen An-
teil an der Prothesebildung bei h u wo abzusprechen ; und es
liegen andererseits meiner Meinung nach Oründe genug vor,
die gestatten oder gar zwingen , die Belege der bairischen
Handschriften der fränkischen oder alemannischen Vorlage
auf Rechnung zu setzen: — die fränkisch überlieferten Glossen
zeigen keinerlei Schwankungen im Gebrauche der pathe-
tischen Formen, nur alemannisch (und fränkisch) ist die ana-
loge Protheseform hiuwila, die einzigen Belege für (h)uwo
in zusammenhängenden Denkmälern bieten Notkers
Bocthius und (sgall.) Psalmen, die heutigen alemannischen
und mitteldeutschen Mundarten endlich bieten reiche Belege
für die prothetische Form hu, huf, huch etc. (cf. S. 117).
— Ich glaube demnach, es entspricht dem wahren Sachver-
halte weit besser, wenn ich sage: die althochdeutsche
Prothese beschränkt sich bei hu wo auf die alemannisch-
fränkischen Gebiete.
Ebenso wie u w o zeigt e 1 f a n t in der althochdeutschen
und mittelhochdeutschen Überlieferung Prothese bei der weit
überwiegenden Mehrzahl der Belege; der althochdeutschen
Periode können höchstens 16 Denkmäler zugeschrieben werden
cf. S. 1 17 f., die in 30 Belegen keine Prothese zeigen: 18 mal
für die Bedeutung „Elfenbein*4, 12 mal für die Bedeutung
„Elephant". 17 von diesen Fällen stehen in zusammen-
hängenden Denkmälern des 12. Jahrhunderts, die ohne Aus-
nahme dem fränkischen Dialekte angehören, 13 Belege sind
Glossen, unter ihnen sind 3 fränkisch, 2 niederdeutsch, 3
alamannisch, 5 bairisch überliefert. 2 bairische Glossen sind
blosse Abschriften einer (mittel)fränkischen Handschrift des
Summarium Heinrici — also 22 Belege sind als sicher frän-
kisch anzusetzen. Sollte man nun nicht geneigt sein, auch die
oberdeutschen Belege auf das fränkische Element zurückzu-
führen, das in allen diesen Glossenhandschriften nachgewiesen
oder anzunehmen ist?
Ich glaube, man darf behaupten : im fränkisch-nieder-
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- 27
deutschen Gebiete hatte sieh die protheseloso Form im wesent-
lichen allein erhalten durch die altdeutsche Periode hindurch,
und vom Rheine her, wo ja auch die geistliche Bildung stets
höher gestanden haben dürfte als im Osten, kam dann in
Anlehnung an die lateinisch-griechische Form die Reaktion
gegen „helfant". Dann erklärt es sich, dass das Mhd. Wb.
die Mehrzahl der Relege für die protheselose Form aus Mittel-
deutschland bringt, dass das Mnd. Wb. für die prothetische
Form überhaupt keine Belegstelle bietet, und endlich: dass
die neuhochdeutsche Schrift diese Prothese in einer Zeit auf-
gab, wo das Mitteldeutsche und Niederdeutsche bestimmenden
Einfluss auf die Schriftsprache gewonnen hatte.
Die Überlieferung wird der Entscheidung über die
Dialektfrage häufig noch grössere Schwierigkeiten bereiten als
es bei hu wo der Fall war — nicht immer blieben sich die
Dialekte in den späteren Zeiten so consequeut, — , nur oder
fast nur in Glossen belegte Prothese wird vorerst für solche
Bestimmungen wenig geeignet bleiben. Wo die Belege aus
zusammenhängenden Denkmälern und aus Glossaren stammen
wie bei elfant, können für die Dialektfrage massgebend nur
die ersten sein — Gesammtresultate haben keinen Wert, wenn
sie mit den Ergebnissen aus diesen Denkmälern nicht in vollem
Einklänge stehen.
Wenn ich nun hier eine Tabelle einschalte über die
Zahlenverhältnisse der gesammten Prothesebelege in den ein-
zelnen Dialekten und Dialektmischungen, dann kann ich wohl
versichern, dass ich mir die grösste Mühe gegeben habe, dem
jetzigen Stande der Dialektforschung gerecht zu werden ; —
dass aber die Tabelle richtig ist, wird niemand erwarten;
sie möge dem Bedürfnisse genügen, die verschiedenen Procent-
sätze ungefähr anzugeben. — WTo die Verhältnisse zu ver-
wickelt waren, und mir über die Sprache einer Glossengruppe
keine Untersuchungen vorlagen — beides fiel gewöhnlich zu-
sammen (bei den Bibelglossen z. B.) — , habe ich die Belege
dem Dialekte des letzten Schreibers bzw. des Fundortes zu-
weisen müssen.
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- 28 —
TABELLE ÜBEK DIALECT UND ALTER DER l'ROTHKSEBELEOE.
(helfant u. pron. III ausgeschlossen).
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Alamannisch könnte demnach die Prothese sein in 421,
fränkisch in 446, bairisch in 196, niederdeutsch in 46 Fällen.
Für die niederdeutsche Prothese hat dies Zahlenverhältnis
keine Bedeutung — die Anzahl der auf uns gekommenen
altniederdeutschen Handschriften steht ja zu der massenhaften
althochdeutschen Überlieferung auch in keinem Verhältnisse ;
dass die altniederdeutsche Prothese häufig war, lässt sich schon
nach der grossen Menge der mittelniederdeutschen Fälle be-
haupten. Dagegen muss es auffallen , dass die Zahl der
Belege in den durch bairische Hände gegangenen Hand-
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— 29 —
Schriften so sehr gering ist : bairische Schreiber und bairische
Klöster haben ja doch gerade besonders viele und besonders
umfangreiche Glossenwerke und überhaupt mindestens eben-
soviele Handschriften überliefert wie alemanische und sicher
mehr als fränkische!
Yergleichen wir, um festeren Boden zu gewinnen, diese
Ergebnisse mit den Dialektverhältnissen der Prothesebelege
in den zusammenhängenden Denkmälern.
72 Handschriften und Teile von Sammelhandschriften
bringen (von helfant und Pronom. III abgesehen) 353 Fälle.
Sie verteilen sich folgendermassen über die Dialekte.
Alemannischer Charakter wiegt vor in 25 Hand-
schriften mit 126 Fällen. 2 von diesen Handschriften (N. 5
u. 13) zeigen an 3 Fällen fränkische Spuren, 2 Hdss. (N. 60
u. 78) mit 8 Fällen stammen (vielleicht) von der bairischen
Grenze — sicher alemannisch verbleiben demnach 21 Hand-
schriften mit 115 Fällen.
In 19 Hdss. erscheint fÜT 67 Fälle der bairische Charakter
mehr oder weniger als der herrschende. Darunter enthalten
8 Hdss. (N. 5. 33. 34. 36. 41. 42. 48. 51) mit 28 Fällen sicher
Fränkisches, 4 Hdss. (N. 7. 40. 43. 49) mit 21 Fällen wahr-
scheinlich Fränkisches, 4 Hdss. (N. 37. 38. 46b. 47) mit 13
Fällen enthalten Alemannisches oder gehören zum Grenz-
dialekte. — 3 Hdss. (N. 6. 24. 39) mit 5 Fällen blieben übrig
für rein bairische Prothese — aber auch sie sind nicht sicher
für diese Geltung: von N. 6 und 24 lassen sich fränkische
Beziehungen nachweisen : der Text der Fassung B des Frey sing.
Paternosters zeigt Übereinstimmungen mit dem Weisseu-
burger Vaterunser (nach Dkm2. S. 510); Otlohs Gebet
ist nach der Rückkehr aus einem achtjährigen Exile in Fulda
aufgezeichnet und liegt uns wahrscheinlich in der eigen-
händigen Niederschrift des Verfassers vor. — Ob das Vo-
rauer Fragment „vom hl. Geiste (N. 39) mit 1 Belege
(hatem) nicht auch vielleicht auf eine westdeutsche Vorlage
zurückgeht, weiss ich nicht, — es Hesse sich indess nach
Analogie der übrigen Prothese und Aphärese zeigenden Teile
der Sammelhandschrift schon vermuten.
Vorwiegend fränkisch sind 26 Hdss. mit 155 Fällen.
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30 -
3 Handschriften mit 44 Füllen (N. 8. 9. 10) sind südfrän-
kisch ; N. 8 ist wahrscheinlich von einem alemannischen,
N. J) von einem bairischen Schreiber geschrieben ; 6 Hdss.
mit 16 Fällen sind oberfränkisch; 4 Hdss. mit 22 Belegen
sind hochfränkisch (die Fälle im Tatian verteilen sich über
4 Schreiber ((/*, y, J, l) und müssen, da die Begriffe, an
denen die Prothese haftet, bei den verschiedenen Schreibern
mehrfach dieselben sind, der fränkischen Vorlage zugeschrieben
werden); 13 Hdss. mit 73 Fällen sind mittelfränkisch: — sicher
fränkisch ist die Prothese in mindestens 24 Hdss. mit 115 Fällen.
Sicher niederdeutsch (altsächsisch resp. altsächsich-
niederfräukisch) sind die beiden Heliandhandschriften mit zu-
sammen 5 Fällen Prothese.
Das Verhältnis der Dialekte stellt sich nach den sicher
fixierbaren Fällen der Prothese in zusammenhängenden Denk-
mälern demnach so dar:
Niederdeutsch: 2 Hdss. mit 5 Fällen.
Fränkisch: 24 Hdss. mit 115 Fällen.
Alemannisch: 21 Hdss. mit 115 Fällen.
B a i r i 8 c h : 3? Hdss. mit 5? Fällen.
Summa: 50 Hdss. mit 240 Fällen.
Alle dialektisch vollkommen gesicherten Fälle gehören
also dem westdeutschen Oebiete an, bairische zusammen-
hängende Denkmäler zeigen nur dann Prothese, wenn sie
nicht rein bairisch sind und Spuren fremden Dialektes min-
destens vermuten lassen — es fehlt jede Veranlassung bei
solchem Stande der Uberlieferung, dem bairischen Dialekte
einen irgendwie bedeutenden Anteil an der altdeutschen Pro-
thesebildung zuzuschreiben : die bairischen Schreiber haben wohl
beim mechanischen Oopieren aus ihrer Vorlage Fälle übertragen,
meist haben sie dieselben beseitigt; nirgends lässt sich sicher an-
nehmen, dass sie neue Prothese in die Texte hineingetragen haben.
Dem widerspricht auch die Otfrid - U herlief erung nur
scheinbar. Der Codex Palatinus bietet 4, der Vindobonensis
17, der Frisingensis 24 Fälle von Prothese. Es scheint dem-
nach allerdings, als ob die Belege grösstenteils den ober-
deutscheu Schreibern „zur Last fielen k, und hiervon wieder die
Mehrzahl dem Baiern. Bedenkt man jedoch, dass die drei
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- 31 —
Handschriften die Fälle hörn, hören, (P und V den Fall
her lieh), und V-F die Prothese an ilan, ahtön, ouch ge-
meinschaftlich zeigen — und zwar durchaus nicht etwa bloss
an denselben Stellen — , dann wird wohl ein jeder, der meine
Ansichten über den Lautwert der Prothese und ihre dialek-
tische Natur teilt, erkennen, dass ein dialektischer Zusammen-
hang hier existieren muss. Damit, dass die Prothesefälle im
Palatinus und vielfach auch im Yindobonensis beseitigt sind,
ist meiner Ansicht nach doch nicht bewiesen , dass sie im
Frisingensis dem Südfränkischen ab, und dem Bairischen zu-
gesprochen werden müssen!
Man vergleiche die Verhältnisse beim Pronomen der
III. Person. Der Wei ssenbu rger Katechismus hat
nur 3mal er, sonst immer (11 mal) her und beweist damit,
dass die allgemein fränkische Form auch im südfränkischen
Idiome herrschte. Nun haben die beiden „canonischen" Otfrid-
handschriften zwar nicht, wie Braune meint, (Ahd. Gr. §
283 a. 1) nur er — vielmehr geht d rof her II. 7. 34 durch
alle Hdss., und der Yindobonensis hat ausserdem noch thaz
her (II, 12, 65) und unsih (h)er (IY, 27, 12) — aber doch
haben diese Hdss. das h in her — jedenfalls als prothetisch
— im allgemeinen beseitigt. Im Frising. finden wir dagegen
7 Belege: habet her, moht her, gruazt her, waut
her, nintweih her, tho her, io her. — Sind diese Fälle
wirklich anders aufzufassen als das durch alle Hdss. gehende
drof her? Soll man sie wirklich, wie Braune (ebenda) will,
als bairische Prothesefälle behandeln? Eine solche Trennung
wäre doch wohl sehr willkürlich. Wir haben hier den gleichen
Fall wie in Haupts Wiener Predigten: die Formen sind un-
besehen aus einer fränkischen Yorlage übernommen. Sonst
kennt die bairische Überlieferung kein her. Weinholds (B.
Gr. § 190) Beleg aus dem Muspilli habe ich in keiner Lesung
entdecken können. Wäre er wirklich vorhanden, so hätte
man damit auch nur eine weitere fränkische Spur in diesem
Denkmale.
Die Prothesefalle im Frising. stammen nach meiner
Ansicht wie diese her (uud hes: F.III, 11. 9. cf. Y. I. 5,
35) gleich den Fällen im Yindobonensis aus der allen Iland-
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- 82 -
schritten zu Grunde liegenden frühern Niederschrift, es sind
keine „Fehler der obd. Schreiber44, es sind Reste der Dialek-
ticismen, die in dieser „Kladde*4 sicher weit zahlreicher vor-
handen gewesen sind als in den vielfach durchgefeilten und
übercorrigierten Fassungen , die auf uns gekommen sind.
Erhaben über Eigentümlichkeiten dieser Art ist eben Otfrid
von vornherein nicht gewesen : die auf seinen Namen lau-
fenden Weissenburger Urkunden zeigen ebenso gut
wie die übrigen prothetische Namensformen, Strassb. Stud. I.
8. 188 finden wir sogar den Namen Hot-olf, dessen gram-
matisch-richtige Schreibung Ot-frid doch wohl gewusst hat.
Seine kritischen und nivellierenden Grundsätze haben sich
ja erst an seinem Werke gebildet und sind erst in den
Correkturen und „spätem Ausgaben44 zur Geltung gekommen;
der Frising. ist die am wenigsten „durchgesehene4*, er enthält
in dieser Hinsicht viel Ursprüngliches.
Erkennen wir die Fälle im Freysinger Otfrid als süd-
fränkisch an, so erhalten wir nach meiner Ansicht einen An-
haltspunkt für nicht bloss sachlichen — wie schon in den
Dkm. nachgewiesen, sondern auch sprachlichen Zusammen-
hang des Freysiuger Paternosters mit dem Weissenburger
Litteraturkreise : halmahtigo fügt sich dann wie das ot-
fridische ouch hellu (I, 23, 32) der Auffassung der Pro-
these vor al als einer fränkischen Dialekteigentümlichkeit.;
wofür die beiden andern Belege im König Rother und in
Schönbachs Predigten sprechen.
Die Fälle von herda im Monseer Matthaeus-
f rag in en te können sicher nicht (mit Weinhold. B. Gr. § 190)
dem bairischen Dialekte zugesprochen werden. „Der frän-
kischen Vorlage am nächsten blieb der bairische Schreiber
der Matthäus - Ubersetzung41 (Weinhold Isidor S. 90 f) —
damit erklärt sich hinreichend, weshalb gerade hier Prothese
vorkommt, und in den übrigen Fragmenten, in denen oben-
drein „der höchste Stand althochdeutscher Ubersetzerkunst44
erreicht ist, keine Spur davon — wie in der bairischen Um-
schrift, die uns die Pariser Handschrift vom fränkischen
Isidor überliefert hat. Mit den 4 Otfridfälleu zusammen be-
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— 33 -
weisen sie die Prothese an er da für den obcrfränkisehen
Dialekt.
Zum M u s p i 1 1 i bemerkte Piper (Z. Zs. XV. 101.) : „die
fränkischen Spuren beschränken sich zum grössten Teile auf
Schreibergewohnheiten, die nur von Belang wären, wenn sie
eine Verschiedenheit der Aussprache andeuteten", — den Be-
weis hoffe icli geführt zu haben, dass der Prothese Lautwert
zugeschrieben werden muss, und ich glaube, dass man nun-
mehr einigen (von Piper gar nicht beachteten) Schreiber-
gewohnheiten grösseres Gewicht beilegen wird.
Regelmässig, ohne jede Ausnahme schreibt nämlich der
Schreiber unseres Denkmals hio und heo und ebenso regel-
mässig und ausnahmslos schreibt das Ludwigslied hio. —
Sonst bietet sich als Beleg für diese Schreibung im 9. Jahr-
hundert noch eine fränkisch-alamannische Reichenauer G r e -
g o r i u s g 1 o s s e : — die Form ist für die eigentlich ahd. Periode
entschieden als fränkisch zu bezeichnen — worauf auch schon
das analoge sächsische gio (cf. S. 11) führt. Im Ausgange
der Periode findet sich die Form hie auch alemannisch,
auch die beiden Belege aus dem alemannisch-bairischen Grenz-
dialekte der Benediktbeurer Predigten saec. XII. lassen
sich für die bairische Mundart kaum heranziehen (h i e 1 i c h e i t
ist noch dazu sehr unsicher: ein in den Wbb. nirgends be-
legtes Wort, vielleicht nur für heilicheit verschrieben,
havar ist nur im Muspilli zu belegen — von neumittel-
deutschen und neuniederdeutschen Formen wie Haber-klaue
u. s. w. darf man wohl keine Rückschlüsse machen. — An
ewa ist Prothese in ahd. Zeit sonst nur in alamannisch über-
lieferten Glossen belegt, von denen 4 (Reichenauer) wieder
sicher oberfränkische Elemeute enthalten — eine davon ist
wiederum eine Gregorglosse: gewiss kein Zufall. Die 5
spätalthochdeutschen Fälle stecken im Vorauer Himmli-
schen Jerusalem, dem eine oberrheinische Vorlage zu
Grunde liegt, 3 Fälle in den oben schon als mechanische
Abschrift aus fränkischer Vorlage saec. XI charakterisierten
Wien er Pred igten, ein Fall (höwigen) ia der Mil-
steter Genesis, deren Schreiber (nach Diemer Einleitung
S. 16) entweder eiu Frauke oder ein Franken gebildet war —
qf. lxix. 3
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— 84 —
ein ähnlicher Fall also wie im Muspilli. Die Wahrscheinlichkeit
weist auch diesen Fall der fränkischen Gewohnheit zu.
Piper giebt als „fränkische Reminiscenzen" im Musp.
an: (S. 90) ua neben uo, (S. 92) ki, gi statt ka, ga, (S. 96)
das anlautende v statt f, „das in den altern bairischen Glossen
ganz fehlt". Wenn er ferner (S. 91) sagt: „die Schreibung
fuir scheint besonders fränkisch, erst die Yorauer Hds. kennt
sie in Baiern", dann geht diese Handschrift in dem betref-
fenden Teile eben wahrscheinlich auf eine fränkische Vorlage
zurück (vgl. über die Dialektverhältnisse dieser Sammelhds.
Dkm2. S. 438 f. und Btr. XI); und wenn er (S. 89) zu gen,
steu bemerkt: „dieses e ist vorzugsweise fränkisch im 9.
Jahrhundert, bairisch heisst es gän" und dann als ersten
Beleg für späteres bairisches gen eine Stelle aus Otlohs
Gebet anführt, dann hat man wohl auch das Recht, umge-
kehrt zu schliessen : als Otloh acht Jahre hindurch in Fulda
war, hat er sich verschiedene Eigentümlichkeiten der Franken
angewöhnt: erstens die Form gen und zweitens die pa-
thetischen Formen hafterund hera, — wenn er nicht viel-
leicht gar sein Gebet nach fränkischem Muster „umgedacht"
und niedergeschrieben hat, wofür die schleunige Rasur des
h von hera sprechen könnte, („h schon im Texte radiert"
Dkm2. S. 209).
Meine Behauptung, dass nach dem Staude der Über-
lieferung zu urteilen — von helfant abgesehen — im
altbairischen Dialekte keine prothetischen Formen üblich ge-
wesen sind, wird durch diese im Dialekte schwankenden
Handschriften eher gestützt als widerlegt: das Vorkommen
der Protheseformen nur in solchen Texten ist der indirekte
Beweis gegen bairische Prothesebildung.
Die Verhältnisse in den neuern bairisch-österreichischen
Mundarten stimmen zu dieser Thatsache.
In der mittleren Periode sind hier Prothesefälle ganz
vereinzelt, soweit ich sehen kann. Die ersten deutschen
Urkunden der niederösterr. Abtei zum hl. Lambert in Alten-
burg zeigen ein Hostern und ein Heritag (für welches
Wort hier auch wunderliche Verdrehungen wie Erdtag,
Erich tag zu belegen sind). Nirgends — von helfant
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- 35 -
abgesehen — findet sieh allgemeiner gültige Prothese: das
im Alamannischen und Fränkischen so überaus häufige Präfix
her- weiss Weinhold für das bairische nur aus dem „Ringa
zu belegen , der aus alamannischer Vorlage abgeschrieben
für solche Dinge keine Beweiskraft hat. Jedenfalls ist Pro-
these im Bairi8chen der mittleren Periode eine grosse Selten-
heit — soviel lässt sich sicher behaupten.
Auch die modernen bairisch-österreichischen Mundarten
bieten, trotzdem doch gerade hier der Stand der Forschung
am meisten Gewähr leistet für die Vollständigkeit der Samm-
lungen, nur äusserst spärliche Belege für die Erscheinung,
die doch im Alamannischen z. B. an 37 Wörtern nachge-
wiesen werden konnte, obwohl das Schweiz. Idiot, den Buch-
staben h noch gar nicht vollständig gebracht hat. haischen
ist nicht einmal überall durchgedrungen (cf. Bwb*. I. 166),
aisch en noch hie und da lebendig1 ; an Eidechse und Elster
zeigt das Bairische wie alle Dialekte Prothese, ebenso an
dem localen Adverb h ab aus (hinab), wo aber Contraktion
aus hie abaus nicht ausgeschlossen ist, wie auch bei dem
nach Weinhold allgemein österreichischen hiezt statt izt,
ein „hart" — ungrade an der bairischen Unterdonau soll dem
ahd. ort entsprechen. — Dagegen weist das BWb. keine
Spur auf von der sonst ziemlich überall vorkommenden Pro-
these an Worten wie Uhu, Ameise, Goldammer, Heiter-
nessel etc. Sehr unsicher zum mindesten ist meine Zu-
sammenstellung von hafen und ofen für die Bedeutung
Schlucht, Felskessel, und noch misstrauischer bin ich gegen
die Zusammengehörigkeit von oberpfälzisch hirnen mit dem
amen (= nachdenken) des bairischen Waldes. Ob die
Geburtsteile der Kuh ansen (BWb. I. 112), hansen (BWb.
I. 11H5) oder dansen (Frommann Zs. XII. 400) heissen, kann
ich nicht entscheiden, — vielleicht hilft dazu das von mir
(aus Id. Fries. 253) herangezogene friesische henszebene
(os podicis). Auf keinen Fall fällt dagegen unter den
Begriff Prothese der von Schindler für den Ost-Lech ange-
1 Auch in Ellwangen noch die Form ohne h: Kauffm. Schwab.
M-A. S. 205.
•6*
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- 36 -
merkte Wechsel zwischen h i n t e r und unter. Dieser Wechsel
zwischen den beiden vielfach sich nahe berührenden Kegriffen,
der auch auf die benachbarten alemannischen Gebiete wohl
heutzutage noch hinübergreifen wird, ist schon in den ältesten
Denkmalern dieser Dialekte zu belegen. — Ich habe die
Fälle hinten zusammengestellt. Höchstens 6 Fälle kann
man demnach dem buirischen (iebiete als vollwichtige Pro-
thesebelege anrechnen, wozu dann noch die nicht gleich-
wertigen und nicht dem Dialekte eigentlich augehörenden
Fälle an Fremdwörtern kommen: harre (arrha) kärnten,
harne (ama) , hartschier (arciero) , h a c h e 1 n (achal)
Osterr. (und hirch neben irch aus hireus?).
An dem aus der Betrachtung der zusammenhängenden
Denkmäler gewonnenen Resultate können die altbairiscfi
überlieferten G losseu belege nichts ändern. Sehen wir hier
von h e 1 f a n t und dem auf S. 25 f. erledigten h u w o ab,
so bringt die alamannischc Überlieferung in 51 Handschriften
160 Belege, die fränkische in 32 Hdss. 99 — auf jede Hds.
entfallen im Durchschnitt mehr als 3 Fälle; die buirische
Überlieferung bringt in 31 vielfach umfangreichern Glossarien
nur 59 Fälle — noch nicht einmal 2 Fälle kommen also anf
die Handschrift: die bairischen Schreiber haben auch hier
der Prothese keinen Raum gegeben. Die Relege als bairischo
Prothesefalle anzusehen — das verbietet durchaus das Ver-
halten der zusammenhängenden Denkmäler. Von keiner
dieser Handschriften ist un vermischt bairischer Charakter bis
jetzt nachgewiesen, meistens sind fränkische, in verschiedenen
Fällen auch alemannische Vorlagen vorhanden gewesen, aus
diesen sind die Formen mechanisch übernommen, nach den
Verwandtschaftsverhältnissen der Glossengruppen und naeb
den Analogien jedes einzelnen Falles hat man sie an jene
Dialekte zu verteilen.
Mit voller Sicherheit oder doch wenigstens grosser Wahr-
scheinlichkeit kann man dem Alamannischcn zusammen 44
Hdss. mit 175 Belegen, dem Fränkischen 44 Hdss. mit 167
Belegen und dem Niederdeutschen 5 Hdss. mit 12 Belegen
zuteilen — für die dialektische Fixierung der übrigen 350
Belege muss ich auf meine alphabetische Sammlung ver-
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weisen, wo ich die einzelnen Begriffe zu diesem Zwecke so
übersichtlich wie möglich zu ordnen bemüht gewesen bin.
Die althochdeutschen Namen habe ich in diese Erörte-
rungen nicht hineingezogen, ich durfte es nicht nach meinen
Ausführungen auf S. 4 ff., denn ich wollte ja die deutsche und
nicht die romanische Prothese darstellen; ich hätte es aber
auch gar nicht durchführen können — : schon darum nicht,
weil viele mit h anlautende Namen besonders in den abge-
kürzten Formen voealisch anlautenden Namen so ähnlich sind,
dass «'s oft reine Willkür gewesen wäre, wenn ich hätte ent-
scheiden wollen, ob echtes oder prothotisches h, oh Aphärese
oder vokalischer Anlaut vorliege, (cf. F ö r s t e m a n n Namen-
buchs. 1). So habe ich mich darauf beschränkt, in der
alphabetischen Zusammenstellung einige Namen unter die
übrigen Belege zu setzen sie sollen zeigen, dass auch in
diesen Verhältnissen nicht alles auf .Rechnung des Komanischen
geschrieben zu werden braucht, dass auch die deutsche Prothese
ihren grossen Anteil an dieser gewaltigen Masse von Fällen
haben kann — dasselbe gilt auch von den flandrischen Pro-
these wenigstens der mittleren Periode — : nur darf man von
mir keine Abgrenzung des Einflusses zwischen beiden Faktoren
verlangen, eine solche wird hier wohl unmöglich bleiben.
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11.
DIE DEUTSCHE APHAERESE.
A. IHR LAUTWERT.
Mein Verzeichnis der Aphärosefälle macht nach einer
Seite hin keinen Anspruch auf Vollständigkeit : Aphärcse an
hilft, halh und heit ist nicht aufgenommen, wo diese
Worte in der Stellung zweiter schwachbetonter Compositions-
teile vorkommen.
Die Fälle sind sehr zahlreich und stehen insofern ab-
seits von der sonst vorkommenden Aphärese, als das wirk-
liche Verstummen des h an dieser Wortstolle nicht gut au-
gezweifelt werden kann. Das verbieten Fälle wie Leich-
nam' und besonders der Übergang der Nachsilbe - heit zu
-keit, die — zuerst immer nach (üuttnralen schon in mhd.
Zeit vorkommt. Zumal im Satzzusammenhänge? werden diese
ganzen Silben infolge ihrer Toulosigkeit derartig herabgodrückt
(Schult hei ss zu Schulz)-, dass ein so schwacher Laut
wie das h mag es auch dem romanischen gegenüber fest
erscheinen notwendig zuerst reduciert werden musste. Die
Handschriften entsprechen also nur dem Thatbestande, wenn
sie hier das h- Zeichen ab und zu unterdrücken. Die
folgenden Fälle mögen zeigen, wie -haft durch die ganze
* Cf. Kluge, P. B. Btr. XIV, 885 ff. über die Bitdung der Formen
kater, marder, ganter (genserich) etc. durch Zusammensetzung mit dem
Bildungselemente -liaro, - h a « o.
" Zu Junker aus Jung-herr vgl. das aus Jungfrau Ähnlich
reduciortc J u n g - f e r.
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— 39 —
ahd. Periode hindurch so behandelt ist, und wie sich bei -halb
und -heit dieselbe Erscheinung im 12. Jahrhundert aus-
breitet; die besten Handschriften liefern Belege dazu.
-haft: namaaftosto. samanafric. Pa. 174, 22. 180, 33.
— triuafte II. 8, 3 triuaftemo. III. 5, 2. unrachaft VI. 1, 2.
deodrafte VI. 6, 2. X, 3, 1. lobafter XVII. 2, 1. lichanaftemu
XIX. 9, 4.: Murb. Hymnen. — redihaftlihaz. Carolsr. 10. 1. 33G,
10. mezaftotn. Oxon. J. 25. II. 766, IL eigenafto. Notkerkate-
gor. I. 465, 6. erafti, redeafti Notker psalmen II. 123 2. 493,
9. — hoptaften. Bened. Gl. u. B. III. dkm. 96 z. 70. — redi-
afto Otfrid P.II. 9. 92. scinaftin Tatian 91, 1. erafrlichcru
Trier Oap. waraft. Brüssel. Matth.-gl. I. 716, 30. unrocaft
Francf. Canon. II. 147, 78. keuoorafteme. Leipz. Canon. II.
143, 46. muazafto. Olm. 19450. Alcim. II. 1, 18. sama,,afta.
Paris. Vergil. II. 706, 22. sehadeaftin Kother Palat. v. 537.
cllentafte. Prag. II. Ernst, berinteftic. Trierer psalm. 143, 16.
ernestachte Albanuslegende I, 11. warehte Frauenlob.
-halb: neuueder4ilvo. Paris. Vergil. II. 708, 45. bedint-
albere. Srassburg. Naturgl. Ad. BI. I. 352. allentalben Tung-
dal. Btr. XIII vv. 268. 275. 282. Prag. H. Ernst II, 1. Trier,
ps. 113, 8. bedintalf. Wernh. Ndrh. 55, 13. anderalp Rolaudsl.
Palat. 267, 31. sibintalp, uzzirtalp. Trudp. Ilohel. 20, 19. 57,
5. beidintalben. Griesh. Vtrld. 287.
-heit. selfedia. Merseb. gl. 33. chinteite. Olm. 22201.
gl. I. 701, 66. boseith Voraucr Gebet. 377, 1. losait. Milst.
Hochzeit 20, 23. christait. 8pec. eccl. 46. christeneit, wareide.
Frauenlob. wareit 3 mal Wernh. v. Elmend. vv. 536 ff. wjireit
Prag. H. Ernst, schalkeit. Reinh. Fuchs v. 207. trakait, ewi-
kait, krankait, Wackern.: Goefis-Feldkirchn. Predigten.
Wie in diesen Fällen ist die Aphärese auch an 22 Num-
mern meiner Sammlung, die dieselbe am zweiten schwach-
betonten Compositionsteile zeigen , aufzufassen. Auch hier
liegt wirkliche Verschweigung des Lautes sicher vor — das
h ist auch hier verdrängt durch den Schlusslaut des ersten
starkbetonten Compositionsteiles : der End c o n s o n a n t ist
unorganisch in den folgenden Anlaut geraten, der Endvocal
ist mit dem hinter h stehenden Vocale zusammengeflossen,
der Lautwert des schwachen Hauches ist geschwunden — es
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— 40 -
sind Fälle wie zumiftii, u n g a h u r o , w i d o o p a , h o 1> o o -
wo, e a 1 1 i g e r ; s i n i w u n , n o u l d a , unursu in i , nm-
f 1 u t u s, hou r u «.
Auch wenn die zweite Compositionsstelle wirklich den
Wortton trägt, kann Voealversehleifung und Verschmelzung
und unorganische Silbentrennung ähnlich wirken und Formen
nervi abringen wie : g e a f t o , g i e f t i d , k i a c t i r , g o a 1 1 ,
g e a 1 1 1) i s si , p i a i /, g i e i z o n t u g e o 1 a d e ; mit a b e n t o,
ontabemo, intabeger, intebede, inteiz ete.
In diesen (23) Fällen bietet. der schwache Ton der Vorsilbe die
Veranlassung zu solchen unorganischen Verschiebungen, geilt i
(Otfrid V.), gaizzu, geizze, k e 1 f e n t e ni o (Notkerps.)
zeigen, dass die Versehleifung bis zur völligen (Kontraktion ge-
deihen, und e n t ta b e n t, dass auch eine Art Assimilation ein-
treten kann. Von den consonantischon Fällen stellt das weitaus
grössto Oontingent die Vorsilbe mit- (ont-, int-), und diese
ist ja auch in der That sehr geeignet zu solcher unorganischen
Silbentrennung: das n genügt, um die unbetonte Vorsilbe zu
schliessen , das t tritt gern zur folgenden hinüber, wie das
die sehr zahlreichen Fälle bei hilft, halb, heit bezeugen.
Indessen sind das doch immer bloss individuelle Eigenheiten
- die 7 Correkturen beweisen, dass man dergleichen wohl
einmal niederschrieb, sich aber darum noch durchaus nicht
gewöhnte, solche Schreibungen für eorrekt zu halten.
In 113 Fällen haben wir Aphäreso am Wort an fange.
Erumbc, erwider und ebenso einige Fälle von er statt
Herr sind die vereinzelten Vorläufer einer sich in den
folgenden Jahrhunderten weit mächtiger entwickelnden Er-
8chcinung — dort werden sie ihr*» Würdigung Huden. Wie
hier sicher, ist Tonschwäche im Satzzusammenhänge wohl auch
mit Ursache für die 6 Fälle von Aphaerese beim llülfsverbum
haben.
Hier treten nun auch schon ähnlich wie der Wortzu-
samnienhang verwirrend wirkende Sandhi-Erseheinungen her-
vor. Der Endlaut des im Satze vorhergehenden Wortes wird
in ähnlicher Weise wie der Endlaut des ersten Wortteiles
unorganisch herüber gezogen — k i u e r k o t a p e t a , k i p u -
a z z i t a p e t entsprechen den Formen a n t a b e n t o , inteiz
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- 41 -
etc. , und : du ast den valand getan zeigt dieselbe Vcr-
schleifung wie piaiz und gealt, in zius und zimile
führt sie wieder zu vollständiger Coutraktion. Solche Zu-
sammenschiebungen haben wir bei 40 Fällen aus zusammen-
hängenden Deukmällern und einigen Glossen anzunehmen,
in Fällen wie: zeiner albcn seiben, don als abes-
luge, faterhcnti, den tuwern mantil arm in,
d a t e n arte wale, vor der ei den, urdeile e 1 f a ,
t h e m o hc r e s t e n , t h a z e r z a , u f d c n o f , in o 1 e m
fclisom, in clffa, bi ungres githuinge etc. — Wie
bei der Prothese der im Worte folgende Consonant, so ist
hier der im Satze vorhergehende bedeutsam, es ist wohl kein
Zufall, dass es auch hier so sehr häufig ein souorer Laut ist.
Solcher Auffassung und Erklärung widerstreben 58 Fälle :
2 im Satzanlaute steheude h e b e des Trudp. Hohenliedes und
r>b* Glossen.
12 Glossen stammen aus den Altdeutschen Ge-
sprächen, sie können für deutsche Aphärese nicht heran-
gezogen werden; 7 andere Belege (uuale avuc = valc
h a f u c, a 1 s p o u g d, o 1 b e r g o = h a 1 s b e r g a, e r m i s o h -
then ~ harmisotun, eribethoon — heribouchan,
eriberclil — hcribercIih,orohti — horuohti (?), -
urnite(ags?) sind vollständig verderbt, und sehr unsicher
sind auch Fälle, wie usinari, ebine. Audere beruhen auf
Wortvcrwechslungen : a g a n a und a g e n sind Coufusiouspro-
oduktc aus M a s c. h a g a n (Dorn) und F e m. a g a n a (Stachel,)
erd und erdi sind an er da, h er dorn an öra, ebich
wohl an e w i g angelehnt, e i f f a 1 1 e r macht auch nicht den Ein-
druck, als ob es rein durch lautliche Vorgänge aus h i e f f a 1 1 r a
entstanden sei; der Fall [h]ouffo — der einzige, wo
Aphärese nachträglich geschaffen wäre beruht wohl auf
der Flüchtigkeit des Verbesserers: es sollte jedenfalls auch
das o noch radiert und ein Wort uffo oder dgl. hergestellt
werden, wozu man Belege wie wituffina (strues) und das
Verbum u f ö n vergleiche.
Es blieben als volle Aphäresefälle 27 Belege. h a 1 f -
tron, harlefa, humbil, agil, anif, arphin, ant-
haba, uochilichro, etan; e h n g e s t , a g a s t a 1 1 , a 1 b -
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- 42
g u r t i 1 1 a , amstra, artenhcwe, odcn, i m i 1 o t ;
havca, hahp(!rga, hovarohter, h u n r i n e r , e i -
dhRngelt, e i t i , uskinozza, overor, izzontoro,
hebe, hcbe. — Hier sind ja nun auch noch mancherlei
Wortanklänge und Begriffsanlehnungen auffindbar, es soll
aber auch dem einfachen rein zufälligen Schreibfehler sein
Recht nicht verkümmert werden, die 10 Verbesserungen bei
den 27 Fällen sprechen eindringlich genug für diese Auf-
fassung.
Einmal (in ehngest) ist Aphärese durch nachträglich«»
Schreibung des h corrigiert, eine ähnliche Korrektur zeigt der
Vorauer A 1 exander bei e h 1 m s c a r t. -- Der (»eorgsleich
hat diese sonderbare Schreibweise sogar durchgeführt: richtige
Aphärese kommt hier nicht vor, an der richtigen Stelle im
Anlaut steht h aber auch nur (»mal: 28 mal ist anlautendes
h hinter den Vocal gestellt vielleicht wollte Wisulf, der von
Orthographie keine Ahnung hatte, durch solche Umstellung
die relative Schwäche des Lautes im Satzzusammenhange
andeuten.
Nirgends ist nachzuweisen , dass jene Periode an die
Stelle des anlautenden h den festen deutschen Voealeinsatz
eingeführt hätte ; am W o r t e g e h a f t e t h a t d i e A p h a e -
rese nie, auch bei haft und halb und Ii ei t nicht — sie
hat nur augenblicklich e Berechtigung, hat ihre Existenz
nicht wie die Prothese loslösen können von den Bedingungen
ihrer Entstehung: im Wort- und Satzzusammenhänge ist sie
an die Tonverhältnisse gebunden und wird erzeugt durch
Differenzen zwischen der phonetischen und der etymologischen
Silbe, wo sie bei isolierten Wörtern wirklich vorkommt,
hängt sie von allerlei Zufälligkeiten ab.
Die j ü n gere Apliärese ist nicht anders zu beurteilen —
sie ist weit seltener als die Prothese natürlich aueh hier: nur
50 Belege habe ich auftreiben können , darunter befinden
sich noch dazu 17 Fremdwörter, bei denen von Apliärese ja
doch eigentlich nicht die Bede sein kann : Die Formen sind
eben ohne vollen Hauch uud ohne h-Zeichen übernommen
und so dann ins Volk gedrungen. Dies gilt vollständig
auch für Uhr, A b i t und ähnliche Wörter. Hätten dieselben
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— 48 —
ein volles deutsches h im Anlaute entwickelt, so würde man
sie mit mindestens demselben Rechte zur Prothese stellen
können , als darum , weil sie dies nicht gethan haben , zur
Aphärese. — Die „cimbrischen", neuflandrischen (und deutsch-
russischen) Fälle hätte ich lieber ganz fortlassen sollen —
sie fallen den romanischen (rsp. slavischen) Einflüssen zur
Last und haben für die deutsche Sprache keine selbständige
Bedeutung.
Das gilt wohl auch für die Aphärese in den Handschriften
brüggescher Schreiber des 14. Jahrhunderts. Hatte die mittel-
flandrische Prothese vielleicht noch in vielen Fällen Zusammen-
hang mit der deutschen und Hess solche Auflassung mindestens
zu, so ist dieser Rückhalt für die flandrische Aphärese , wie
wir sahen und sehen werden, nicht vorhanden — hier haben
romanische Einflüsse auf die Schreiber und auch auf die
Mundart wohl schon eingewirkt. Wie gross damals der Ein-
fliiss des Romanischen auf jene westlichen Grenzgebiete war,
beweist am klarsten die ausgedehnte Anwendung der fran-
zosischen Sprache in der Kanzlei Heinrichs von Luxem-
burg1. Vielleicht is auch schon u n o r s a m i und a r p h i n
in den Glossen von Cambrai, B o u 1 o g n e und' St. O m e r
auf diese Rechnung zu setzen, auch für die „Altdeutschen
Gespräche" bleibt es ja annehmbar, mit Grimm die-
selben einem Deutschen von der Grenze zuzuschreiben —
die Aphärese darin bleibt darum doch undeutsch. Wie heute
im Westflandrischen die romanische Aphärese um sich ge-
griffen hat, zeigt De Bo's Westvlaamseh Iditicon. Bd. I.
895 heisst es: H, früher in den vlämischen Schulen aatse
oder auch atse (!) genannt, wird vollkommen hörbar ge-
haucht in Holland, Limburg und einem Teilt? von Brabant,
bei den Westvlämingen dagegen gibt es weiter keine Aspiration
als die, welche an und für sich nötig ist, um einen Vocal
auszusprechen : ooren und hooron unterscheiden sich laut-
lich nicht44 — Man sieht, das deutsche h und der
feste deutsche Vocaleinsatz sind zum romanischen Spiritus
L e n i s geworden.
1 Des (späteren) Kaisers Heinrich VII.
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- 44 -
Die wirklich rein deutschen Fälle von Aphärese im be-
tonten Wortanlaute beruhen . soweit dieselben der Schrift
angehören, wohl meist auf blosser SchroilieiHüchtigkeit, zu-
weilen sind es „Hörfehler*, Wortverwechslungen wie of fe-
il u n g e für h o ff e n u n g e , manchmal (haggers ey inrecht etc.)
mag auch wieder unorganische Silbentrennung mit im Spiele
sein
(h)ummel ist ein tonmalendes Wort, in dem eigentlich
nur der dumpfe Vocal und der vibrierende Folgelauf nötig
sind: Die übrigen Laute schwanken wie bei manchen ähn-
lichen Gebilden - man vergleiche die bald voealisch bald
mit h anlautenden Interjektionen.
Volle» Aphärese haben wir dagegen wohl bei (h)i in beere.
Der Fall ist vereinzelt und besonders darum noch merkwürdig,
weil wir ihn in so weit getrennten Dialekten, im Alemanu.
Hess, und Wcstfäl. zugleich vorfinden was doch kein
blosser Zufall sein kann. Sind aber ampe, u in Ii i und
selbst im inerte wirklich aus hi in beere entstanden?
Dagegen tritt nun in den spateren Jahrhunderten) viel
öfter als im Ahd. Aphärese ein am zweiten schwachbetonten
Compositionsteile : Fällt; wie s c h u 1 1 e i z z e (schult.es, schulz),
kilchof; flei schauer etc. sind ziemlich häufig in der
Litteratur belegt, sanktioniert ist von der Schriftsprache, wie
schon bemerkt, das Verstummen des h von -heit nach
Gutturalen.
Auch im schwachbetonten Wortanfange 1 ist Aphärese
in einigen Fällen allgemeiner geworden : bei her-, h i n -
und dem titularen Herr. Hei diesen Worten kann man in-
dess von blosser Aphärese des h doch eigentlich nicht mehr
reden. — Die ganzen Silben werden vielmehr infolge ihrer
Tonlosigkeit im Satze so verschliffeu, dass nur der Endconso-
uant erhalten bleibt, der allerdings meist noch silbische Natur
bewahrt ; das ein e r a u s , e r a b , e r f ü r , e r z u ; enweg etc.
ist nur der graphische Ausdruck dieser vocalischen Natur des r
und u, — sicher hat man schon in mhd. Dialekten raus und
'naus, 'runter und 'nunter gesprochen.
1 cf. Kaufmann Geach. d. «chwäb. Mundart. 8. 204.
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- 45 -
E r im Titel erscheint sehr häufig in den mittelalterlichen
Urkunden; auch Luther sagt: „Glück zu, Er König!44
Dass auch hier von der ganzen Silbe mir ein vocalisches r
übrig geblieben war, beweist die (nach ])icffenbnch-\Vülcker
S. 660) in thüringischen Urkunden vorkommende Schreibung
i r — das i ist nur andere Form für das oben charakteri-
sierte e. Noch heutzutage kann man vielfach „r Pastor44,
„V Doktor44 hören.
Der ursprüngliche Sinn dieser verschluckten Titulatur
geriet zeitweise so sehr in Vergessenheit, dass in Fällen,
wo „der Begriff „Herr44 in mehr bedeutsamer Weise hervor-
gehoben werden sollte, es üblich ward, das Wort herre,
here in seiner vollen Form noch einmal zu setzen44. (F. Bech.
Zeitz, prog. 1870. S. 22). Schliesslich lehnte sich das Wort-
fragment an Titulaturen wie er bar, ersam an, und so kam
die verlängerte Form e h r auf, die noch in dem „Ehren Pastor44
des vorigen Jahrhunderts zu Tage tritt.
Aphärese im vollbetonten Wortlaute ist also undeutsch ;
wo sie in rein deutschen Quellen dennoch vorkommt, ist sie
als Schreibfehler anzusehen oder höchstens als Folge indivi-
dueller fehlerhafter Aussprache , die niemals den Anspruch
erheben kann, in das Gesammtbild der deutschen Sprache
aufgenommen zu werden, — wozu die Prothese als dialek-
tische Eigentümlichkeit durchaus berechtigt ist.
Das deutsche h hat seinen Hauchwert im Wortanlaute
bei gewöhnlichem Tone voll bewahrt; wohl haben sich in dem
geschilderten Entwicklungsgänge der Prothese neue Hauche
bilden können, — ein alter Hauch ist dagegen, auch wo er
im Satzzusammenhange weicher werden musste, nur selteu in
Gefahr geraten zu verstummen : auch in der schnellen Hede
ist das deutsche h weit entfernt, mit dem romanischen Spiri-
tus asper das gleiche Schicksal zu teilen, wenn es sich dem
Lautwerte desselben auch wirklich nähert.
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— 46 -
B.
DIE VERBREITUNO DER DEUTSCH DN APHAERE8E.
Aphärese oder besser Synärese im W o r t i u n e r n
und ebenso Aphärese am Anfange tonloser Wörter kommt zu
allen Zeiten und in allen Dialekten vor, das hat die vorher-
gehende Erörterung schon gezeigt. Ich kann hier davon ab-
sehen und mich auf die 87 Fälle „schwerer" Aphärese (im
vollbetonten Wortanfange — die Altdeutscheu Gespräche
ausgeschlossen — ) beschränken.
24 Fälle sind von bairischen, 18 von alemannischen, 25
von fränkischen, 20 von niederdeutschen Schreibern überliefert.
— Es scheint demnach, als ob zwischen den einzelnen Dia-
lekten auch hier kein grosser Unterschied bestände, höchstens
kann es auffallen, dnss die wenigen niederdeutschen Hand-
schriften so stark vertreten sind.
6 bairischc, 5 alemannische, nur 3 niederdeutsche, nur
2 fränkische Fälle sind nachträglich beseitigt: das rückt die
Erscheinung schon in ein anderes Licht.
Gehen wir nun vollends den Spuren des Fränkischen
nach in der oberdeutschen Überlieferung, so finden wir, dass
von den 67 hochdeutschen Belegen 54 fränkisch sind oder
wenigstens auf eine fränkische Vorlage zurückgeführt werden
können — höchstens 13 Nummern blieben übrig als Belege
für rein oberdeutsche Aphärese ; von ihnen stehen auch noch
5 Fälle in den nicht ganz sichern Keronischen Glossen, und
1 Fall in der Vorauer jüngern Judith ; 1 steht in der
Münchener Beichte, 1 in Olm. 14395, 2 im Trudp. Hohenliede,
2 im Rheinauer Paulus, 1 in den Züricher Predigten. —
Von alamannischen Belegen zeigen fränkische Spuren 7 Fälle,
von bairischen 10 Fälle; hochfränkisch sind 2, süd- und ober-
fränkisch 5, mittelrränkiseh 30 Fälle.
Danach lässt sich sagen: Die Erscheinung ist in den
oberdeutschen Dialekten sehr selten, häufiger im Fränkischen
— sie wächst mit der Annäherung an die niederdeutsche
Grenze. — Bis dahin bleibt sie der Prothese gegenüber rela-
tiv immer noch sehr gering, sie kommt derselben gleich in
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- 47
der "Wernher vom Niedeirhein-Handschrift, deren Schreiber
hart an der Grenze, und im Florentiner Glossar, dessen
Schreiber wohl schon jenseits der Grenze anzusetzen ist; sie
überholt die Prothese - Erscheinung im altniederdeutschen
Heliaud und einigen niederdeutschen Glossenhandschriften.
Es ist ja nun immerhin möglich, hierin ein Zeichen für
grössere Empfindlichkeit und Schwäche des Hauchlautes im
Altniederdeutschen und dem angrenzenden niederrheinischen
Gebiete zu erblicken — aber ich möchte diese Behauptung
nicht wagen. Die Anzahl der Belege — in den grossen
Heliandhandschriften sind es zusammen nur 6 hierher gehörige
• — ist doch allzu gering — andere niederdeutsche Belege
sind corrumpiert, und besonders die Wernher-Handschrift
auch das Florentiner Glossar sind zu „gräulich44 überliefert,
um <feste Stützen zu bieten. Der mittelniederdeutsche und
neuuiederdeutsche Hauchlaut ist völlig intakt — diese Unter-
drückungen des altsächsischen h sind also wohl auch nicht
mehr gewesen als Flüchtigkeiten oder höchstens individuelle
Sprachfehler. — Für das uiederfräukische Gebiet in seinem
südlichen Teile wäre ja die Annahme wohl gestattet, dass
dem im Mittelniederländischen so verwirrend hervortretenden
romanischen Einflüsse eine gewisse Schwäche des Hauch-
lautes schon entgegengekommen wäre — aber auf die Ad.
Gspr. und jene Glossen vom Cambrai, Boulogne u. St. Omer
darf man sich nicht stützen — und die altniederfränkischen
Psalmen zeigen keinen einzigen „schweren44 Fall von Aphärese.
Die hochdeutschen Idiome des fränkischen Dialektes
lassen erst recht keine solche Behauptung zu. Die Fälle
sind — von der Wernher-Hds. allein abgesehen — denn doch
viel zu selten selbst im mittelfränkischen Dialekte, um Schlüsse
auf die Natur des Lautes zu gestatten. Im grossen König
Rother, der doch sogar nahe an der Grenze abgefasst ist,
sind nur 3 Fälle, im Rolandsliede , in der Vorauer Kaiser-
chronik nur je 2 Fälle zu constatieren ; so umfangreiche
1 Hier auch der einzige Fall (h e i) eigentlicher Prothese vor
vocalisohem Auslaut, (cf. S. 11). 8ind vielleicht flandrische Bezie-
hungen anzunehmen?
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— 48 -
Denkmäler wie der Leydener Williram und die Trierer
Psalmen bieten gar keine Belege.
Flüchtiger und unsicherer ist man im Niederdeutscheu
und Fränkischen gewesen , das lässt sich wohl behaupten,
und darum hat man vielleicht das Recht, die in gemischten
fränkisch-oberdeutschen Handschriften vorkommenden Aphä-
resefälle dem fränkischen Elemente zuzuschreiben — aber
die Erscheinung kommt ja auch in sicher rein oberdeutschen
Quellen vor, und man hat keinen Grund, aus der grossem
Flüchtigkeit der Schreiber ohne weiters auf eine Schwäche
des mitteldeutschen h zu schliessen. Wie wäre wohl damit
in Einklang zu bringen, dass sich im Fränkischen die Schrei-
bung eh für h am läugsten hat erhalten können, und besonders
damit, dass (nach Frommann Zs. VII S. 47.) im Krefelder (irenz-
dialekte das h heutzutage noch einen Luutwert haben soll,
der zwischou dem Hauche und der (iutturulspirnns die Mitte
hält?
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DIE BELEGSTELLEN FÜR ALTDEUTSCHE PROTHESE
UND APHAERESE.
ÜBERSICHT NACH DEN DENKMÄLERN.
ALEMANNI8CHE DENKMÄLER.
1. Vocabular ium S. Galli. aaec. VIII. Sgall. 913.
P. 1. hahir (spicas). QF. III. gl. 72.
2. h e c h t (possessio), gl. 306.
2. S.Paul. XXV a/1. a. St. Blasien. Gl. zu Evang.
Lucae. saec. VIII.
P. 1 . h a t o u u i (VIII). I. 1 732, 62.
2. hahtozofeoriu (LXXXIV). 735, 39.
3. hih (ego). 737, 13.
3. Gl. K. Keronisch es Glossar, saec. VIII. Sgall. 911.
P. P fona herostin (a Stirpe)
I. 21, 22.
2. herhaft (exorabilis).
137, 17.
3. unharmaherz (immi-
sericors). 183, 21.
4. herhaft (infolas) 199,
20.
5. altherda (omnis
terra). 208, 30.
A. 1. eiti (8exu). 31, 14.
2. inaldhet. 43, 26.
(adcliuus).
? usinari. 197, 2.
(ostiarius).
4. in olem felisom.
252, 32. (concauis saxis).
?oroh ti mosci. 255,
21. (eornipea).
1 Die röm. Ziffern I. II. vor den Belegzahlen bedeuten Band I
oder II der Steinm.-Siever'schcn Glossen.
*iF . lxjx 4
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50 —
(L h«>ra (honorificat). 240. 29,
L halti (senium). 246, ILL
8, hocgo pugi (traniite) 256, 2.
IL habulinonsi (coudincncia). 258. 4.
4- K a. K e r o il C r 1. C a r o 1 s r. CXI. a. Reichenau, saeo. IX.
I\ L arhaltet (vetula). L 5, A. L unolda (diabulus).
32. 30,
2. (iz hintirostin (de- ? analdi (iniit). 22S,
mum). 99, 6. 2.
•IL unmezhalt (grandis iL agana (sentes).
senex). 16L 31L 247, 9.
4, h analinet (incubat). 1 93, 18.
iL holdera sahu (quam obrem), 234, 25, - ob(a).
iL Murbacher Hymnen Oxon. Jun. 25, Raec. IX.
1\ L hantheizzom (votis). III. ^ L
2. hensti (gratiae). III. 3, &
3, heitar (venena). III. 5, 4.
4* hera (honor). YI. 4.
iL herda (terra). VII. 8, 3.
IL hafter (post). VIII. L ~
L hehtim (praodiis). VIII. L
8, hupilo (male-). VIII. 9, 2.
9, hantreiti (ordine). XI. 3, L
HL harcheban (redditum). XII. 2j 4.
LL haban d sterre (vespero). XIV. 2, L
12, hantreiti (ordinem). XIV. 2j 4-
13. harbeiti (labores). XIV. 3, iL
L4. huus (nobis). XVII. 3, L
UL zahaban de (ad vesperum). XVIII. 1_, 2.
11L harstantit (surgit). XIX. 3, 4.
LL hostrun abaud. XXI. 3, L
liL hostarlicheru. XXI. 7^ 2.
liL hentriskes (antiqui). XXIV. 9, L
IL Ja. Oxon. Jun. 2iL Glossen zu Bibel u. Passioue8
naec. IX.
L 315, iÜL Genesis.
IM. L luzzil hahtonter (parvi pendeus). (8-N. 174).
— 51 —
2. gahotagoter (locupletatus). (174). 315, 39.
3. arhaughit ist (promulgatur). (178.) 364, 25. Numeri.
4. habui (averaio). (181). 543, 5.
5. habucr (veraipellia). (181). 543, 28. Parabola.
6. habui (versutia). (189). ?
7. he altiger (religiosus). (189). 587, 25. Eeclesiast.
8. hatunga (inaectatio). (189). 587, 19.
9. in healtidu (in religione). (189). 587, 52.
10. hili (atudeat). (193). ?
11. helahun (tragelafum). (184). n. 742, 7. Pass. Barth.
A. 1. healtiger (religioaua). (189). I. 587, 25. Eoclesiast.
2. in healtidu (in religione). (189). 587, 52.
3. eidhangelt (aacrilegium. (183). II. 766, 23.
Pass. Thom.
7. Ib. Oxon. Jim. 25 Alphabet. G 1. u. Gl. zu Gregor.
aaec. IX.
Alphabet Gl.
P. 1. kihabuhter (depravatua). (ß-N. 202). I. 277, 44.
2. [h]armote (egeatate). (?) 278, 52.
3. hahaala (humorua). (208). 280, 65.
? h a n t mazzistun Oimpidissimi). (212). 283,* 59.
5. hefihauna (obatetrix). (215). 285, 49.
6. harauahti (probaret). (219). 287, 45.
7. h u b a r fahenti (prevaricana). (220). 287, 69.
8. her da. herd. (aolum) (225). 291, 13.
? heimatrir. liutpaga (aeditio). (227). 292, 11.
10. h irrer (vagua). (231). 294, 36.
11. huhaldi (divexum). (203). II. 260, 16. Gre*. dial.
12. huruuafani (inhermia). (211). 316, 9. Greg, homil.
13. hunpuakkhic (idiota). (211). 316, 21.
14. heimatriti (pervicax). (222). 317, 22.
8. Rd. Carolsr. 10. a. Reieheuau. Alphabet. Gl. u. Gl. zu
Gregor, aaec. IX.
Alphab. Gl.
P. 1. hambaht (emiaaariia. miniatria). I. 279. anm. 2.
? h a n tmazziatun (limpidiaaimi). 283, 59.
3. hefihauna (obatetrix). 285, 49.
4. herda erd. (aolum). 291, 13.
4*
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- 52
? heim strit. liutpaga (seditio). 292, 11.
6. h i r r e r (vagus). 294, 36.
7. h i o kauuedarero (utrique). II. 808, 51. Greg, homil.
8. [h]unpuachik (idiota). 316, 21.
A. 1. uskinozza (domestici). i. 277, 62. Alphab. Ol.
2. ouarohter. (gyppus). 280, 48.
3. herda. erd. (solum). 291, 13.
9. T e. Oxon. Ju n. 25. ((} 1. zuCo d. h o in i l.) s a e c. IX.
T. 1. herhaft. uuih. (pius). 8-N. 245.
2. pitoilet hilit (privat). 245.
3. h e halto (pontifex). 245.
4. harmanti (rapidus). 248.
10. Rz. Carolsr. IC. a. Reichenau. Gl. zur Bibel.
saec. IX.
IM. hiru (sibi). I. 335. 16. Exodu«.
2. tatut h i r (fecistis). 335, 23.
3. h i c (ego). 335, 55.
b
4. ki a r i n d a t (exasperaveritis). 410, 34. Judicum.
5. hiuuarcr a (uestro). 425, 8. Re^um.
6. 8uli lujrino (columna* ercus). 447, 15.
7. nieri horiran (inare oreinn). 458, 55.
8. anahilton (inhiabant). 493, 31. Esther.
9. h u t mahiliin (dilic-iis). 493, 34.
10. hauuer:f (abortivum). 510, 1. Job.
11. in feter h eri b u m (in paternis). 585, 68. Eccle*.
A. 1. (tyrfahga (ligones . . . .) 678, 1. Michea.
11. Benedictinerregel. Sgall. 916. saec. anf. IX.
I\ 1. hubilan (maluin). A. l....orreu. 118.4.
Hatt. I. 55, 3. (obedire).
2. h a c h u s t i in (vitiis). 57. vorl. z.
3. ke h a u c k e n (demonstrare). 57, 1. z.
4. mitheru (cum honore). 61, 3 v. u.
5. in h eri st (imprimis [horis]. 67, 14.
6. h e i k i n i n (proprii). 112, 5 v. u.
12. P s a 1 m e n v e r s i o n a. SG allen. Dillingen-Münchnerfrgni.
SiU'V. IX.
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53
P. 1. h e 1 i diota (alienigena). A. 1 . oll a (in fern i) 1 14,
107, 9. 3.
2. hiuuuih (vos). 113, 14.
3. hiuuuih (vos). 113, 14.
4. /* i u u u e r i u (vestros). 113, 14.
5. herda (terram). 123, 7.
6. her (ipso). 129, 8.
13. Christus u. die Samariter in. Wien-Lorscher Hds.
saec. X.
P. 1. her (prius). Dkm«. 10. v. 26.
2. [h] e n i n (unum) v. 27.
14. Sgall. 183. Gl. zu Cassianus. auf. saoe. IX.
P. 1 uuio halto (quam olim). gl. II. 155, 32.
15. Carolsr. Aug. CCXVII. a. Reichenau, öl. zu Sodu-
lius. saec. IX.
P. A. 1. heialtlihia (religiosa). gl. II. 620, 52.
16. Carolsr. Aug. CCXX a. Reichenau. Gl. z. Gregor.
c. pastor. saec. IX.
P. 1. hilet (adtendit). ir. 233, 38.
2. huobare (colonus). 233, 47.
17. Sgall. 216. Gl. zu Gregor, cura pastoralis. saec. IX.
P. 1. hobit (exor(c)it. n. 243, 41.
2. hilint (moliuntur). 243, 42.
18. Sgall. 218. Gl. zu Gregor, cura pastoralis. saec. X.
IM. hist (existit). n. 243, 33.
10. Turic. (Rhonov. 35). Gl. zu Gregor, cur. past. saec.
IX/X.
P. 1. hahtont (iusecuntur). Ii. 240, 10.
A. oucror. (gibbus). II. 237, 24.
20. C h o 1 1 e n h a m. 18908. Gl. zu Gregor, dial. saec. IX.
P. 1. hufortson (supinum). 11.248, 11.
2. h ah ton. (insoctati sunt). 248, 14.
3. h e t i c (idoneus). 248, 47.
4. halda h u a haldi (clivum) 249, 21.
21. Sgall. 283. Gl. zur Bibel, saec. IX.
P. 1. heia ho (tragolaphus). I. 366, 9. doutoronnm.
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22. Sgall. 9. Ol. zur Bibel, saec. IX X.
P. 1. helaho (tragelafum). i. 367, 13. deuteronom.
(23. Sgall. 1305. (»1. zur Bibel, saec. IX.
A 1? auarah. (gurgustium.) i. 507. 28. j0b.
24. Mon herein. 127. Ol. zur Bibel, saec?
A. 1. unibanga. (cortinej. I. 329, 58. Exod.
25 Sgall. 299. Verschiedenes, saec. IX 'X.
P. 1. hirofolgarun (pedissequas eins). 1.488. 28. Esther.
2. he bah (ederam). I. G76, 1. Jonas.
? hantprahti (contractu). II. 99. Canon.
? heinstrit (seditiones). II. 204, 24. Greg. Homil.
5. haruiz (pisa). Hatt. I. 289. Natu rgeaeh ich H. OL
26. Carolsr. Aug. (XXXV. Ol. zur Bibel, saec. X.
P. ? hepuhen (siniias) zu abuh? I. 430, 40. Regum.
2. h i ru folgarun (pedissequas eins). 488, 29. Esther.
3. he bah (hederam). 070, 1. Jona«.
27. Stuttg. thcol. et phil. 218. a. Zwiefalten, gl. zur
Bibel, saec. XI.
P. 1. heia ho (tragelaphuw). i. 307. 13. Deuteron.
? he buh en al. äffen (simias). 430. 40. Regum.
3. hileut (operam detis). 774. 10. Thessalon.
28. Pauli XXV d.82. a. S. Blasien (?). Ol. zu Bibel
u. Oreg. c. past. saec. X.
P. 1. huafftaftiu(pitaciis modicis iwiolis). I. 370,8. Josua.
2. hirforscont (conprobent). 370, 20.
3. in h e r d a (in saltuin). 393. 2. Judicum.
4. ? durc huzlettida (delaturam). 502, 47. Eoclesiast
5. [hjirrinnit (generatur). n. 202, 50. Greg. c. p.
0. mit h a b i c h e ni o (aversa[hastal). 200, 0.
29. Turic. (Rhcnov. 00.). gl. zur Bibel saec. XI.
1 . h o c h i s a n (ascellas). i. 340, 1 4, Leviticus.
2. h o c h c a 1 u e r (recalvaster). 349, 49.
3. hbgasal (albugo). 351, 48.
4. hört (angulos) 301, 13. Numeri.
5. hirgaccizon (niutire). 379, 4. Josua.
A. 1. kiactir (pcrcussus) 301, 30. Numeri.
30. 8 tut tg. herm. 26. a. Weingarten. Ol. zur Bibel.
saec. XII.
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P. 1. huberlith (opcrculum). I. 361, 22. Numeri.
A. l.kiachter (percussus). 861, 31. Numeri.
2. h al s pe rga (lorica . . ) 401, 10. Judicum.
31. Angelomont. a. S. Blasien. Bibelgl. saec. XI.
P. 1. huf (desursum). I. 517, 18. Psalmen.
A. 1. indirscrenchiger. (vcrsipellis). 533, 37. Parabola.
32. Carolsr. Aug. CLXXVI1I. a. Reichenau. Bibel-
glossen. saec. XL
P. 1. aft huns (post nos). i. 713, 71, Et. Matth.
33. Selestad. Abschrift Murbacher (?) Glossen lOJhdts.
saec. XII.
P. 1. umbc hatttage (ferc dis octo) I. 727,32. Luoae.
A. 1 . antabcntu. (longo ageutc). I. 727, 27. Lueae.
2. einzugilcr (idiota). 727, 35.
3. gchilt (aspirat. fauet). II. 39, 11. Arator.
4. kihohtikoten (preditis). 214, 58. Greg. o. p.
5. heim strit (scditioncs). 264, 24. Greg, horaü.
6. enkekinh ufstonte (assurrexerint). 675, 19. VergiL
7. wassiu h i s (aspera glacies). 675, 44.
8. mer h e [ht] (prerogativa). 682, 55.
9. hisili (postliminio). 737, 6. Vita Malchi.
10. hoheT(auunculus). Zs. V.355,8. Naturgesohiohtl. Gl.
11. hohsinari (bubulcus). 355, 57.
12. ? h o h i 1 a r i (occipium). 356, 3. (für (h)uochalwari ?
13. hohsinari (bubulcus). 358, 3.
34. Brit. Mus. add. mscr. 19723. a. Ottobeuren (?). Gl. zu
J u v e n c u s. saec. X.
P. 1. zuohilinta (ruentes). Germ. XXXII. S. 354*.
35. Vadian. 336 n. S. Gallen. Gl. zu. Arator. saec. X.
P. I. hebenaltcro (coevo) II. 36, 11.
36. T u r i c. c. 1 64. Gl. zu 1* r u d c u t i u s. saec. IX X.
P. 1. firhksklkt xxbd. (firhisilit uuard) (oxulat). II. 579,
33.
37. Prag. VIII. 11. 4. Ol. zu Prudeutius. saec. IX/X.
P. 1 . helitentuo m o (postliminio). H. 406. 50.
(für h-elilent-tuomo (?) cf. ihsili).
38. S g a 1 1. 134. ( rl. zu P r u d c n t i u s. aaec. X.
P. 1. hie m er (in aevum). II. 487, 1.
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2. h u haldigun (summissum). 488, 13.
3. h o b i n tinga («umina). 488, 48.
39. Mon. horem. 316. Gl. zu Prudentius. saec. X.
P. 1. umbc h »i t Ii 1 i c h i u (inseia). Ii. 502, 5.
2. heribo (heres). 513, 30.
40. Bcru. 264. Ol. zu Prudentius. saec. X.
P. 1 h b r b m b (arania) (privates). Ii. 527. 45.
41. Pari 8. n. a e q. 241. a. Augsburg. Ol. z. P ru d e n t. saec. X.
P. 1. hehir (agris). II. 473, 28.
42. C 1 ni. 14395 a. S. !•" in in eram- Augs bürg. Ol. zu P r u d e n t.
saec.
P. 1. deantahis (tepcns glacies). II. 444, 68.
2. h c b i r (agris). 473, 28.
A. l.izzontero. 11.416. 1. (estuante).
43. C 1 m. 18922 a. Tegernsee. Ol. zu P r u d e n t i u s. saec. X.
P. 1. hebruclichan hen (legirupis). n. 477, 5.
44. V i n d o b. 247. Ol. zu Prudentius. saec. XI.
P. 1. bah zu sera (pro pudor). n. 399, 33.
45. A p p o n y i. Pressburg-Augsburg. Ol. zu Prüden t. saec.
x/xi.
P. 1. herlekanaz (residem [ovem]). Ii. 539, 28.
2. hopferhus (sacellum). 543, 21.
3. heigit (veudieat). 546, 20.
46. Augsburger I neu na bei. Ol. Salomonis. saec. ?
P. 1. vil h i r re r (multivagus). Hoff. Ahd.UI. 50, 23.
47. Sgall. 242. Naturgeschic htl. Ol. saec. X/XI.
P. 1 herda (terra). Haiti. 296«.
2. hohasa (ascella). 299*.
A. ? abageiz (de tipulla) 279\ (8t-S. setzen
ahageiz in den Text).
48. Angelomout. 14/11. Na t u rgesc h i c Ii 1 1. Ol. a. St.
Blasien, saec. XII.
P. 1 hancho (butirum). Germ. XVIII. 48.
49. Prag-Lobkowitz a. Weissenau. Naturgusehichtl.
01. saec. X. u. XI.
P. 1. haic (quercus). Ad. Bl. 211.
2. hasc (braxinus). 211.
3. h a r 1 e z b o m (cornus). 211.
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4. ebah al. hcbchuuoi (edera). z». III. 472.
5. helbez (olor). 475.
50. Prag. Mus. Gl. Salomonis. saec. XII.
P. 1. he Ina (ulnus) Graff. I. 249.
51. Clm. 17152. Gl. Salomonis. saec. XII.
P. 1. hei oho (alx). diut. III. 263.
2. heim (ulnus). Graff. I. 249.
cf. der b6m h o 1 m. Graff. IV. 926 zu ?
52. NoltesFragment. Naturgeschichtl. Gl. saec. XI.
P. 1. heloho (alx). Germ. XX. 149.
2. haspa (tremulus). 150.
53. Berolin. mscr. lat. 4°. 25. Gl. zu Vergil. saec. XI.
P. 1. heich (aesculus). I. 721, 1.
2. herilun (alni). 721, 15.
54. Zwetl. Gl. Salomonis. saec. XI/XII.
A. 1 . zuoflut u s (asylum). Hoff. Ahd. Gl. 55, 9.
55. Bern. 722, 1. Naturgeschichtl. Gl. saec. XII. Copie
X XI saec.
P. 1. h e i t e r nezila (greganega). Germ. Stud. II. 261.
56. Turic. 58. Naturgeschichtl. Gl. saec. XII.
P. 1. hasenhore (didimo). diut. II. 176.
2. heiternezzel (urtica germanica). 276.
57. Heidelberg. Summarium Heinrich saec. XII.
57». (II e i d e 1 b e r g-Salmansweiler. Sum. Hoinr. saec. XI II).
P. 1. hebirwrz (cardopana). Germ. XIX, 216 (Mone
4, 95. 16).
2. heringriez (alictum). Germ. XIX, 216 (Mone
4. 96. 63).
3. heittirnezzili (urtica germanica). Germ. XIX. 216.
58. G eorgsleich. Cod. Palatin. saec. X/XI.
Kegelrecht steht v o c a 1 i s c h e r Anlaut in 61 Fällen.
Eigentliche Prothese liegt vor in 9 Fällen.
P. huuszieen 24. uhff h e rstuont. 26. 32. 33. 41.
her 33. 27; 40. er 50. uhffherstan. 32».
Unorganisch ist h hinter vocal. Anlaut gestellt in
21 Fällen:
zz. 8. 13. 20. 20. 24. 24. 24». 26. 30. 31. 32. 33.
32b. 41. 43. 44. 46. 52. 53. 56/ 56.
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— :>s -
Flegel rocht im Anlaut steht h in 6 Fällen : zz. 3.
19 36. 32 \ 45. 45.
Eigentliche A p h ä r c s e kommt nicht vor.
Anlautendes h ist hinter den folgenden Vocal gestellt
in 28 Fällen: zz. 1. 5. 8. 9. 9. 18. 22. 24. 24. etc.
59. Ezzos Lei eh. Strassburgor Ilds. saec. XI.
P. 1 . hei na v. 1 .
60. Der «ältere Physiologus. Wiener Hds. sacc. XI.
P. 1. hcz. dkm1 32. cap. 9.
2. heissci. cap. 12.
3. h ost e rl i h e hu n. cap. 12.
61. Sgall. 232. Glaube und Beichte I. saee. XI.
P. hich 17 mal. Hatt. I. 8. 329. zz. 1. 5. 9. 12. 13. 13.
14. 15. 16. 17. 23. 25. 28. 31. 38. 39. 43.
18. hie z. 12. (überflüssig vor hich stehend).
pittich z. 18: das einzige ich im Denkmale.
19. hio z. 5.
20. h i u z. 25. dat. pl. II. p.
21. h i ue ro z. 30. anm. 1.
62. Sgall. 1394. Glaube und Beichte II. saec. XI.
P. 1. hio. Hatt. I. 327b.
4. hie 3 mal. 327b. 328*. 328b.
63. Notker. Cod. A. Sgall. 825. saec. X./Xl.
P. 1. h u u u e n unde h ü uucl a. Piper. I. 262, 1 1. Boeth.
2. sin h O h S o. 384, 4. Categorien.
A. ? kote k e 1 f e n t e m o. 228. 15. Boethiu«.
A.P ureizgoucha. Graff. IV. 1089.
64. Notker. Tod. B. Sgall. 818. saec. XI.
P. I. sin [h] o h so. Piper 1.384, 4. Categorien.
65. Notker. Cod. J. Sgall. 872. sacc. XI. Maroian. Cap.
P. ? hertinga („heroes i. e. terrigenac44). Piper. I. 822.
12. sonst erdcote für heroes (cf. 822, 9).
66. Notkor. Cod. D. Turic. 121 a. Sgallen. saec. XI.
P. 1. herista. Piper I. 604, 31. (in Aufzählung). Syllo-
gismen.
2. der hebergat. 673, 28. Rhetorik.
67. Not kor. Cod. G. Bruxoll. 8742. saec. XI/XII.
P. 1. der hoher gat. Pipor 1.673, 28. Rhetorik.
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68. Notker. Cod. L. Lipsian. Paulin. 1489. saec. XI. (?)
P. 1. [h] a h t o u u i u. Piper I. 858, 24. Musica.
69. Notker. Cod. R. Sgall. 21. a Einsiedeln saec. XII.
P. 1. er „aus h corrigiert". Piper II. 10, 17. Psalmen.
2. daz [hjunrehr. 20, 4.
3. he igen. 52, 28.
4. houene (camino). gl. 67, 3.
5. ze hübe ne heigin. 122, 13.
6. fertiligot heigin. 122, 15.
7. getän heigin. 122, 18.
8. ferslunden heigin. 122, 20.
9. can herben (coheredes). gl. 131, 7.
10. haftcr. 134, 22.
11. uuir noh ne heigin. 198, 4.
12. in haben t. 209, 18.
13. iro hören. 219, 7.
14. fiahflclG. 227, 26.
15. an mir heigin t. 393, 3.
16. den huuucnalde diehiüuuelun. 421, 24.
17. potin hora (apostolatum). 470, 9.
18. (ubefh?] er („Rasur nach ubett). 504, 18.
19. neheina fuora ne heigin. 599, 12.
70. W i 1 1 i r a ms Paraphr. d. Hohenliedes. Cod O aus.
Einsiedeln, saec. XII.
P. 1. he igen. Seemüller. 95, 3.
2. h6in. 102, 2.
71. Rheinauer Paulus- II ds. saec. XII.
P. 1. glüginden bovine, v. 7. A. di<? vereislichon izzo
2. hichzs. III. 518 f. v. 22. v. 3.
2. du in isze ulsten.v. 39.
72. Libcr con f ratern i tat u m. Aug. (saec. XII.)
P. 1. unde hirbröder. Piper. II. 677, 21.
73. Bas ler A 1 c x a n d e r 1 i e d. Abschrift, saec. XIII.
P. 1. her (pronomen). Werner, v. 2900.
74. Predigten des Cod. Turic. a. Schaffhausen. saec. XII.
Wackern. I-XIII.
P. 1. daz frone h o s t i r lamp. II, 1 4. A. 1 . z i m i 1 e. III.
2. h i u w e t e (= iowihte) 11,41. 116.
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3. herbe in der himilisgen heimuto. IN. 110.
4. himel aide herde. IX, 2.
5. ze eineme h o s t e r tage. X, 36.
6. niuwe hosteran. X, 47.
7. hunsereme herren. XI, 23.
8. gehört in himile. XIII, 5.
9. hüte loben unde heren. XIII, 11.
10. himil unde herde. XIII, 25.
75. Predigten der Engel berger Hds. saec. XII.
Wackern.
V.l. 2. hich geloube hie d. heiige. LXX1II, 1-1.
3. hich gl. u. b. d. heiigen. LXXJII, 15.
4. hubele hellewark. LXXIV, 53.
5. hic. LXXIV, 60.
7f>. Predigten aus Muri. saec. XII.
Wackern.
I\ 1. himil unde die herde a. d. haut hast. LXXVl, 24.
2. ir hör. LXXX, 9.
77. Rein hart Fuchs Heinr. d. Gl. Kasseler Hds. saec. XII.
P. 1. lieht (cht, eecorodo). v. S14.
78. Trudpert er Hohelied. Vindob.
2719. saec. XII.
Haupt.
P. la.b. huubethiuch. 6,26. A. "Ehe uf 13,7.
2. in derhoberosten. 12. 2. 2. o b e uf 13,0.
;i. in ire harmichait.46,24. 3. intabin 29.2.
4. wir uns uoben 53, 10. 4. enttabeut. 72.9.
5. von herst. 72,26. 5. ontebede 105,6.
6. nachderhuffcrte.S7, 21. 6. entabeme 133, 19.
79. W e i n g a r t n e r R e i s e s e g e n. saec. XII .
P. 1. 2. hin dir dir unde hobi dir. dkm*. 4, 8. z. 6.
80. W e r n h e r s M a r i e n 1 e b e n. Augsburger Frgm. saec.
XII/XIII.
P. 1. He daz sie. Germ. VII. 305 ff. z. 523 (317).
2. daz sie qn h ä z noch . . . z. 585 (384).
BAIRI8CHE DENKMÄLER.
1. Pa. Keron. VA. Cod. Paris 7640. saec. VIII.
P. 1. haera (honorem) I. 16, 8.
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2. foiia haerostin (a stirpe). 20, 22.
3. haerhaft (exorabilis). 136, 17.
4. her da. (terra) 168, 5.
A. 1. mi g aizzu (adsponsione). 10, 24.
2. pib a i z (promi88Us).
3. pikaltida (custodias).
96, 33.
122, 5.
2. R. Hraban. Gl. Cod. Vindob. 162. saec. IX.
P.? rehtige (dites). I. 101. 39.
3. Olm. 18550 a. Tegernsee. Gl. zu Gregor, c. p. saec. Till.
P. ? h i t uuiza (probrose). n. 220, 54.
2. epano kihereter (consenior). 222, 32.
4. Clm. 6277. a. Freysing. Gl. zu Gregor, c. p. saec. VIII/Xl.
P. 1. baten ta (insequuntur). II. 170, 55.
2. hatamas (insequamur). 175, 22.
3. hattit (insequitur). 175, 64.
4. cihatinne (insequenda). 176, 60.
5. Evang. Matthaei. Monsee-Wicner Fragment, saec. IX.
P. 1. habetgauualtinherdhu.frgm. theot.«. 1, 18.
2. in ha er da hreuue. V, 2.
3. dar her da ni hapta. VI, 7.
4. huuauta h a e r d a . . . haptun. VI, 8.
5. in guota haerda. VII, 19.
6. Freysinger Paternoster ß. ß aus. Emmeram, saec. IX.
P. 1. den halmahtigun truhtiu. z. 20.
2. der halmahtigo truhtin. z. 28.
7. Muspilli a. Emmeram, saec. IX.
P. 1. sia hauar kihalont. dkm*. 3. z. 11.
2. helias . . . pi den houigon lip. v. 41.
3. dar man dar h e o mit . v. (10.
4. dia man dar h i o sageta. v. 78.
5. scal imo hauar sin lip . v. 82.
6. dar ni is heo so listic man. v. 94.
7. der dar h i a u u i h t arlingan. v. 94.
A. 1. kiuerkot"hapeta'. v. 36.
2. kipuazzit a p e t. v. 99.
8. Clm. 19410. a. Emmeram gl. z. Isidor de officiis. saec. IX.
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— 62 -
P. 1. cahereta (coronavit). Ii. 343. 19.
9, Olm. 14747. a. Emmeram Ol. zu Hierou. in Matth, u.
vit. ptr. saec. X cop.
P. 1. huohaldi (proclivius). H. 829. 74.
2. herhafti (verecundia) 733. 34.
10. Clm. 18375. a. Tegernsee. Gl. zu Priscian. institut.
saec. IX.
P. 1. helmbüum (ulmus) n. 368, 14.
11. Clm. 19417. a. Tegernsee. Ol. zu Canoues. saec. IX.
P. 1. kaheiscoteru (contractu), n. 99, 1 5.
12. C Im. 6375. a. Freysing Gl. zu Rufinhist. eccl.saec. IX.
P. 1. hilta (operam dederat). Ii. 607, 4.
13. Clm. 6325. a. Frey sing Ol. zu I s i d o r de offieiis. saec. IX.
P. 1. hihtial. ampahtes (professionis). n. 344, 20.
14. Clm. 6225. a. Freysing. Gl. zu Hiob. saec. IX.
P. 1. uuonna hiruste(ti) (de loco suo) H. 502, 11.
15. Clm. 17403 a. Tegernsee. Ol. zur Bibel, saec. X.
P. 1. gimesthol,s en (boves pingues). I. 433,26. Regura.
? 2. oug Ii a p h e 1 (pupillam). 685, 30. Zacharia.
A. ? arch (sagma). 350, 40. Levitioua.
2. aven (olla). 518, 16. Psalmen.
3. ebicli (gravis). 659, 34. Daniol.
4. unriner (gallinaceus). 605, 1 1. Esaia.
16. V i n d o b. 2732. a. Salzburg. Ol. zur B i b e 1. saoe. X.
P. 1. wissactuomlih ha tarn (spiritus).l. 351. 30. Leviticus.
2. mest Ii o s u n t (boves pingues). 433. 26. Rcgum.
3. her es (amplifices). 579. 41. Eccleaiaat.
17. S. Florian. III. 222 B. Gl. zu Gregor cur. p. u. Canones.
saec. X.
P. 1. christanhera reverentiam). iL 224, 28. Gregor.
2. ? [h?]eiginun (fundis). II. 116.59. Canones.
18. Vindob. 969. Gl. zu AI dh clm d.i. virgiu. saec. X.
P. 1. hergab (tradidit). Ii. 21, 13.
2. h u p h (sursum). 22, 5.
19. C 1 m. 23486. Gl. zu A 1 d h e 1 m d. 1. virgin. saec. X.
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— 03 —
P. 1. heinhenti (mancubium). II. 19, 56.
2. heito (pirarum, ignium). 19, 74.
20. Olm. 14407 a. Emmeram. Gl. zu Canon es. saec. X.
P. 1. uzzariro heigine (per emancipationem). n. 103, 49.
(geheiscotoro Graff 1. 496 z. Can 8. in St-S.
nicht belegt).
A. 1. ungahuro (portentuose). 101, 57.
21. Clin. 14754 a. Emmeram, a) Gl. zur Bibel, saec. IX/X.
P. 1. after huntor (post meridiem). I. 302, 15. Genesi*.
2. h e r d f i u r (sulphur). 302, 32.
b) Onomast. Gl. saec.?
P. 1. hassala. Graff I. 140.
2. helina. „ „ 239.
22. Clm. 13079. Gl. zu Ambros. hexam. saec. XII (?).
1. P. haiche (ilices). iL 24, 9.
23. Clm. 14117. a. Emmeram. Gl. zu Ambros. s. Lucam.
saec. X/XI.
P. 1. heih (ilicem). Ii. 25, 4.
24. Otlohs Gebet, a. Emmeram. Autogramm (?) saec. XI.
P. 1. [h]era Dkm*. 83. z. 45.
2. superstes h after iro. z. 68.
25. Yindob. 301. Gl. zu Canon es. saec. XI.
P. 1. hintinuu <>rdu n t (spernunt). n. 116, 15.
A.(l. untarstanton (insumant). 109, 59.)
2. erepazari (mediocritntis). 122, 23.
26. Clm. 18140. a. Tegernsees, saec. XI. Gl. z. Bibel, u.
C a n o n e s.
P. Ii a s t a 1 o h t e n (scorpiis). I. 439. 39. Regum.
2. hirrituom (veueua). II. 127. 8. Canon.
27. Clm. 19440 a. Tegernsee, saec. XI/XII. Gl. zu Canon es.
P. 1. hehto (rerum). II. 99. 37. Canon.
2. hirrituom (venena). II. 127. 8.
28. Clm. 18059 a. Tegernsee. Gl. zu Yergi 1. saec. XI.
A. 1. amstra i. angnr (gurgulio). Ii. 627. 55.
29. Vindob. 261. Gl. zu Alcimus Avitus. saec. XI.
P. 1. nihilti (non occurrerit). n. 4, 21.
30. Admont. 269. Naturgesch i ch tl. Gl. saec. XI.
P. 1. h eich in er (queruus). z». III. S. 378.
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31. Vindob. 1757 (rec. 3355). Gl. zu Geräten, saec. XL
P. 1. heimpar (situla). diut. nL S. 405.
32. Innspruck. 711. Naturgeschichtl. Gl. aaec. XI/XII.
P. 1. hechelstein (acirum). Mone VII. 599, 70.
Vorauer Handschrift, saec. XII.
33. Kaiserchronik.
Diemer.
P. 1. mit hichte. 37. 14. A. 1. sie bevolhen im
2. werltlich here. 174. 18. di er. 8, 13.
3. her s am. 471. 32. 2. ehlmscart.
4. her s am. 524. 16. 160, 19.
5. wer(l)tliche here. 526. 25.
6. gotes here. 526. 32.
7. in grozzen heren. 527, 13.
8. desriches hdre. 527, 21.
34. Summa Theologiae.
P. 1. herzin dum. 95, 14.
2. herrin. 95, 18.
35. Jüngere Judith.
A. 1. daz er. 151, 16.
36. Alcxandcrlicd.
P. I. habe. 193, 26. A. 1. erumbc. 195,10.
2 ? wert h i u c h , here 2. orwi d e r. 212, 8.
chunich. 220, 5. 3. arte wale. 224,21.
3. hetelicher. 208, 18.
37. Lebon Jesu.
P. 1. hurlop. 235, 3.
2. ha zech . 237, 3
3. heste. . 250, 21.
4. habe hübe. 263, 12.
38. Jüngstes Gericht.
P. 1. wider hö f. 283, 17.
39. Arnolds Fragment vom hl. Geiste.
P. I. heizet sinen hat cm. A. 1. zeiner alben seibeu.
356, 36. 342, 9.
2. zeiner alben seiben.
343, 3.
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40. Himmlisches Jerusalem.
P. 1. hewen. 365, 11.
2. so hevet er hufwerde 365, 16.
3. den halm von der her de. 365, 17.
4. hin. 365, 19.
5. hiu. 367, 18.
6. hobene. 367, 20.
7. hiuch. 372, 19.
8. hiuch. 372,21.
9. di gotis he. 372, 23.
41. Milstädter Handschrift, saec. XH.
Genesis. Oiem.
P. 1. den hewigen hört. 112, 20.
42. Exodus. Diem.
P. 1. here so harte ennahest. 125, 33.
43. Hochzeit.
P. 1. wirt hin hin dir gestozzen. Karajan 8. 40, 20.
44. Wiener Handschrift (2721) saec. XII.
Jüngerer Physiologus. ? A. 1. Er got. Hogm. fndgr. I.
S. 24, 36.
45. Münchner Glaube und Beichte, saec. XII.
A. 1. oupthaftigen. dkm. 97 39.
46. Benediktbeurer Glaube u. Beichte I u. II.
saec. XII.
P. heret. dkm2. iL 94, 18.
A. 1. ich geizze i. dkm. 87, 25.
47. Benediktbeurer Predigthds. saec. XII.
P. 1. häht tage Kelle. Bpec. eool. 8. 17.
2. an dem [hjahtodintage 8. 17.
3. geh er et. 8. 25.
4. hieslichin. 8. 71.
P die hie lieh eit sinir güti. 8. 95.
6. sine heßhte. 8. 174.
7. iwer herbe. 8. 176.
48. Haupts Predigten. Cod. Vindob. saec. XII.
P. (1. do her gebot Zs. XXIIL 8. 348 ff. 26. 20.
2. in der alden h e. 3b. 7.
qf. lxix. 5
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— oo -
3. in dor niwin he. 3b. 9.
4. dor altin ho. 3b. 11.
5. zi hören in. frowin. 4*. 20.
49. Wiener P r o d i g t h n u d s e h r i f t (2050). saee. XI II.
P. 1. sehet hau. fndgr. I. 72, 5.
2. gewant h a n hete. 73, 34.
3. sc hult sie h e r e n. 78, 34.
4. wir pilliehen heren. 78, 36.
5. hinterwerts. (doorsum). 101 , 20.
(? II ih. (Hoffmann : — Ilerro ich) 113, 35.
50. Wiener M i s c e 1 1 a n - 1 1 d s. Predigten, saee. XIII.
(? P. 1. weroltliohe heri. Zs. XX. 244, 11).
51. Loy gers Predigten I — IX. Leipziger Hds. saee. XIII.
P. 1. der höh s hat sinon herren. 1, 18.
2. daz enhahto nicht vil. 4, 23.
3. daz verlorn her ho. S. 13, 28.
4. an den Worten h ah tot man. 8. 21, 10.
52. Clin. 22258. a. Windberg. P i b e 1 g 1. saee. XII.
P. 1. higli (herinaciis). I. 521, 44. Psalmen.
53. (Mm. 0217. a. Freysing. Pibolgl. saee. XII.
P. 1 . h u o s h i n (ascella). I. 53(J, 3. Parabola.
54. Clin. 14089. a. Emmeram, ßibelgl. (u. onomast. Ol.)
saee. XII.
P. 1. haflaltrinin (scorpiis). I. 439, 42. Ro^um.
2. hopoum (hedera). Graft*. I, 91.
A. ( 1 . i n t i r s <• r e n c Ii i t (versipellis). I. 533, 34. Parabola.
55. Clin. 22201. P i b e 1 g 1 o s s o n.saee. XII.
P. 1. h erheitern (urente). 1.309, 2. Geiieris.
2. uezter hosen (bove« pingues). 433,27. Regum.
3. ? hiriores (polimitarii). 333, 2. Exodus.
4. her reu (vetores). 491, 09. Esther.
5. g i h e s c h o t (expetit). 573, 1 3. Eccles.
(5. in gigrabener h e r i d e (in humo). 594, 37. Esaia.
7. herinordo in herdo (in profundum inforni) 599, 10.
8. Ii u f f e h a b o t o n (subportabant). 053, 7. Ezechiel.
A. 1. int a bog er (eontinens) 507, 10. Eccleaiast.
2. e r d i (solo), 579, 10.
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3. o 1> i n e (traeta). 579, 46.
4. e r m i s o h t h e n (calumniabantur). 646, 28. Ezechiel.
56. Ootwic. 103. liibelglossen. saec. XII (?).
1\ 1. ingrapanero hcrdo (in humo). I. 594, 33. Egaia.
FRÄNK1S0ITE DENKMÄLER.
1. Würzburg mp. th. H. 146. Ol. zu Canon es. saec. VIII.
P. 1. si gihahtot (tractetur). II. 93, 37.
2. Frankfurt. 64. a. Fulda. Ol. zu Canon es. anf. saec. IX.
I\ 1. huobit. (celebratur). (partic.) 11. 144, 10.
2. hehtio. (facultatum). 145, 43.
3. h e h t i. (possessiones). 1 46, 64.
4. hehtio. (patrimoniorum). 147, 53.
5. liehet, (reditus). 148, 1.
6. hehti. (facultates). 148, 4.
7. heihti. (reditus). 148, 73.
3. Mus. Brit. Arund. 393. Ol. zu Canon es. saec. 1X(?).
1*. 1. mein hei da n. (saerificiis). II. 149, 8.
4. Tat i an. Cod. Sgall. 56. a. Fulda, saec. IX.
I*. I . furi thie [h] a h t e n t o u inti harmenton. 32, 2.
2. thaz ir in |h]vliti habet. (p) 35, 4.
3. zi [h|eristen. (primuin). 38, 7.
4. zi h er i sten. (priniuni). 39, 6.
5. azzun h i u u a r a fatara. (patres vestri). (y) 82, 11.
6. thaz ist hiu asuuih. 82, 11«.
7. ? ih [iv]uuih („auf Rasur für Iii?*). 82, 12.
H. inuan inio [h]ahtonti. (reputans). 83, 1.
9. bidiu [h] a h t i t u n. (persequebantur). 88, 6.
10. inti h 6 r u n habenti ui gihoret. 89, 5.
11. untar iu [h]ahtot ir. 'conquiritis). 91, 32.
12. teil thero fh] e h t i. (substantiae). 97, 1.
13. teilta thia [h]eht. (substantiam). 97, 1.
14. ziuuarf sina (h] e h t. (substantiani). 97, 1.
15. fraz alla sina [hjeht mit huorun. 97, 7.
16. ? thie [hjahtözeheni. 102. 1.
17. unmahti [h]ahtüzehon iar. 103, 1.
18. gab hiu euua. (dodit vobis legem), (d) 104, 5.
19. gi[h]eret. (houorificabit). (:) 139, 4.
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5. Trierer Fragment der Lex S a 1 i c a. saec. IX.
P. 1. her ist. dkm*. 65. z. 17.
6. Fulda. Aa. 2. GL zur Bibel u. Gregors Horn. 5. IX.
P. 1. ? her dun (stuppa). 1. 382, 21. Judicum.
2. hettim (opibus). II. 318, 62. Greg. Horn il. Anh.
7. Würzburg. mp. th. fl. 3 u. 20. Gl. zur Bibel, saec. IX.
A. 1. in el ff a (in inpensas) L 472, 1 1 . E«dra.
2. ? [h] o u f f o (aggerum). 623, 45. Eaaia.
8. Otfrids Evangelien buch. Cod. Vindob. saec. IX.
A. 1. urdeile elfa. I. 28. 5.
2. ge!lti(= giheilti). HJ. 11. 12.
P. 1. mit managfalten [hjehtin. LI. 68.
2. ih [h?] e s (Rasur eines hohen Buchstaben). I. 5. 35.
t) ,. ui i /mit alter Dinte ein klei-\T 1Q k
3. bisuorgeherhcho.^ neB h eingeschoben. J1' 19' 8*
4. so i 1 1 ih (i wie in F d. Rasur a. hohem
Buchst.) L 22. 49.
5. unsan fater [h?]eren (auf Rasur). I. 22. 59.
6. man [h?]afaloti (Rasur ein. hohen
Buchst.). L 23. 21
7. (drof her (= P. F). IL 7. 34.
8. (thaz[tlh er (Rasur v. t, Kelle: von th). IL 12. 65.
9. sie 11 tun (i auf Rasur f. ein. hohen
Buchst.) II. 14. 93.
10. ther hiar gi[h]er£t (= P. F) III. 13. 91.
11. scono gihereti (= F)-P. giereti. IV. 4. 25.
12. so sehen gi hSrSte (= P. F). IV. 5. 52.
13. selbun[h]era (Rasur von h). IV. 9. 30.
14. habeton sie mihila hÄra (=P. F) IV. 12. 32.
15. sizen herlicho (= P.) F: erlicho IV. 19. 55.
16. (unsih [h]er iz. (h radiert). IV. 27. 12.
17. [h?Jinteretun (Rasur). IV. 30. 2.
18. uuoll6n [h] ah ton (Rasur v. h). IV. 37. 34.
19. giangun [h]ahtonti (Ras. v. h). V. 4. 15.
20. hiar[|] ouh (Ras. eines hohen Striches). V. 11. 31 .
21. nigihilit. V. 16. 33.
22. se hiltun. V. 4. 10.
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— m —
9. Otfrids Evangelien buch. Cod. Frising. saec.
IX/X.
A. 1. gieizenti. I. 7. 22.
2. thaz erza. I. 22. 41.
3. fatcr e n t i. II. 9. 44.
4. themo eresten.II. 8. 37.
5. iohintarquamun.il. 12. 6.
P. 1. uuoles (hjahton a. (Ras. ein. hohen
Buchstaben).
I.
1.
43.
2.
(habet her.
I.
—
5.
57.
3.
uuir h u n s i h.
I.
18.
2.
4.
bithiu h i 1 1 u n.
I.
22.
29.
5.
so[i] 1 1 ih (i wie in V. Ras. f. ein höh.
buchst.)
1.
22.
49.
6.
(fatererbe (auf Rasur).
I.
22.
54.
7.
ouh h e 1 1 u.
T
1.
23.
32.
8.
(egishchen al. legunt. hesslichcn
T
: I.
24.
2.
Dreher nach ocemuller).
9.
hunil uurtiioh her da ouh so herti.
T f
11.
1.
o
3.
10.
himil fuarit ioh h e r d u n.
t r
11.
m
1.
35.
11.
(moht h e r.
TT
II.
4.
107.
12.
(trof h e r) (= V. P.)
II.
am»
7.
34.
13.
(gruazt her.
II.
lo.
24.
14.
fon hegislichen suhtin.
II.
24.
26.
15.
(tho her (V. P: thoh er).
MI.
1.
6.
16.
(ioher ,0bi (V. P. ioh er io bi).
III.
5.
13.
17.
so er h u f an himile.
III.
7.
21.
18.
hiar in h e r d u.
III.
8.
18.
19.
(nintuueih h e r.
III.
9.
18.
20.
unerfez h u z then hunton.
III.
10.
34.
21.
(nibat si h c h (V. P : thes).
III.
11.
9.
22.
in h e r d u hiar.
III.
12.
43.
23.
ther hiar gi h e r e t (— V. P.).
III.
13.
31.
24.
hiar h o uch.
IV.
1.
27.
25.
ni eigit h e in i z i g e n.
IV.
2.
34.
26.
seono gi h e r e t i (— V.) P. gieröti.
IV.
4.
25.
27.
so sehan gi h e r e t e (— V. P.).
IV.
5.
52.
28.
adul herben.
IV.
6.
8
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70
21). habetuu sie mihila hera (= V. IV. 12. 32.
10. O t f r i d s. E v a n g e 1 i e n b u c h. ('od. Pal ati n. saec. IX.
P. 1. bisuorge h e r 1 i c Ii o (V. herlicho. F orlicho) I. 1!). 8.
3. ih zcUu h i u (Kelle: üborHüss. gesetztes enklit.-ih).
4. ther liiar filieret ( V. F). III. 13. 31.
5. so sehan gi h e re t e (- V. F). IV. 5. 52.
3. habetun sie mihila hera (V. F). IV. 12. 32.
7. sizen herlicho (-■- V.) F orlicho. ]V. 10. 55.
11. Ludwigslied. ("od. saec. X.
dkm*, n.
P. 1. heigun sa North man harto bidungaii. v. 24.
2. tröstet h i u. v. 32.
3. ob h i u rat thühti. v. 34.
4. unzih h i u gineriti. v. 35.
5. so uue hin hio thes libes. v. 54.
6. soscr hio uuas. v. 58.
12. Fränkisches T a u f g e 1 ö b n i s. B : Speyrer Hds. a.
Mainz, saec. VI H/IX.
P. 1. (then heidinernan hym za bluastrom. z. 5.
2. gilaubistü h ein an got. dkm'. 52. z. 14.
13. Fuldaer Beichte. Browcrs Druck, saec. IX.
P. 1. 2. (ihhes dkm» 75. zz. 16. 17.
14. Lorscher Beichte*. Cod. Palat. 485. saec. IX.
P. 1. minan heit brah. dkm2. 72»\ z. 24.
2. m(e)inan h e i t suuor. z. 25.
15. Lorscher Biencnsegeu. Cod. Vatican. saec. IX.
P. 1. imbi ist huce! nu tfuic dü vihu minaz hera. z. 1.
2. hurolob ni habe du: zi holze ni fluc du. z. 4.
16. T h e g a n : L u d w i g s d. Fr. letzte W o r t e. saec. IX .
P. 1. huz! huz! (var. hutz, Ii utz!) M. U. II. »>48.
30. (tho [h?Jenti (Rasur).
31. (uuant h e r.
32. ni holte.
33. hiar h o m i z e n mit hazzo.
34. thio hercru n gilusti.
IV. 24. 25.)
V. 15. 23.
V. 23. 52.
V. 23. 109.
V. 24. 143.
2. (drof Ii e r.
II. 7. 34.
II. 14. 48.
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71 -
17. S trass b u r ge r Eide. Cod. Palat. Paris, saec. X XI.
A. 1. geal'nissi. Nith. hist. III. 5.
IS. Reichenauer Beichte. Vindob. 1815. saec. IX/X.
A. 1. ci us. dkm*. 75. z. 21.
19. Mittelfränkische Psalmen, saec. IX ?
P. 1. (hcrent (haereditatem). Heine, kl. dkm. U, 8.
2. herbremot (exarserit). II, 13.
20. Brüx eil. 18725. Ol. zu Matth, saec. IX.
P. 1. herhaben uuard (fermentatuni est), i. 713. 20.
2. h ah tos (putas). 715. 3.
21. Moguntiu. uon sign. Ol. zu Matt h. saec. IX/X.
P. 1. herbarmida (compassionem). I. 714. 27.
2. Ii os t halben (ad orieutem). 715. 41.
3. zuohafdun dar ho bona (supercaput). 719. 30.
22. Berel in. niscr. theol. f. 481. a. Werden Ol. zu Co-
r i n t h e r. saec. X ?
P. 1. dfnnf h p x c h (ceterum) = deune houch. I. 7b'l,40.
23. Carolsr. S. Petri. Ol. zur Bibel, saec. XI./IX.
P. 1. grafhisarn (celatura). I. 339. 4. Exodus.
3. h i c quome (venias). 524. 5. Psalmen.
A. 1. i m i 1 o t. (poliinita). I. 318, 37. Oenosis.
24. Sgall. 292. Olosseu. saec. IX/X.
P. 1. hqome (veniam). I. 524. 6. Psalmen.
2. herholoth (dolata). II. 500. 17. Prudent.
3. herdt""hu (sugillo). 740. 7. Abdia. A. Apost.
4. herdnuz (tubaura). Ilatt. I. 291. Naturgl.
Tobias: A. 1. agastalt (peregrinis) l. 475. b\
Prudent: 2. e r i berclil (castrensis). II. 500. (i.
Abd. A. Apost. 3. al bgurtilla (seniizintia) 11.738. 25.
25. P a r i s i n. 1 8554. Ol. zu P r u d e n t i u s. saec. X.
P. 1 . 2. houer-hilind (subsistente procclla). II.
595. 42.
2b'. T r (! v i r. 1 4b'4. Ol. zu A r a t o r u. P r u d e n t i u s. saec XI.
P. (? hcrnehanctanio (non licet illi). H.30. t>2. Arator.
? hergienc (fluxit). 552. 52. Prudent.
3. hosit (populatur). 553. 74. „
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A. 1. unago a f t o n sih. (indulsere). 11.33. 1.
Arator.
27. V a t i c a n. Palat. 1716. Ol. zu A r a t o r. saec. ?
A. 1. zuo afta (subnexuit). II. 772, 51.
28. Mus. Plaut in. 120. Gl. zu Prosperi Epigrammata.
saec. X/XI.
P. 1. her (ante). II. 881. 6.
29. Pom ni Orsfeld. 2671. Gl. zu Sedul. Carmen pasch.
s. XII X.
P. 1. huobhoben (assumpsit supra). II. 615. 60.
30. Paris. 10195. a. Echternach. Gl. zu Sallust. saoe. XI.
P. 1. heigenon (patrimoniis). Ii 609. 7.
2. h e r s a m (hon est us). 609. 56.
3. hernosta (seria). 610. 61.
31. Mon. herein. 303 (155). Gl. zu Sallust. aaec. XI.
P. 1. unherun (iniuriej. 11.612, 5.
2. unhera (dedecus). 612, 12.
3. unhera (flagitium). 613, 5.
4. (d eggen (prineipiis) 612, 67. n. St. verschr.
f. h e g g e n (ecken) ?)
5. her (ante). 612, 35.
32. Paris. 9345. Gl. zu Horaz und Tcrcnz. saec. XI?
P. ? huriio (orna). II. 338, 8. ( hurno?). Horaz.
2. hichther (qui) 624, 11. Teron*.
33. Paris. 9344. Gl. zu Vergil u. N a t u r g e s c h i c h 1 1.
Gl. s. XI.
P. 1. hellandf (pulse.). II. 698. A. ehngest cjintarus).
2. huuuilon(ululeJ. 698,43. 11.707. 44.
3. (ki chi IIb (stiria). 703, 20. 2. Vrd6ni(senatus).
4. hissun (crustae). 703,17. 712. 15.
5. hahorn (platanus). 703.55. 3. geolade (excsn).
6. herzagede(discinctos).713. 24. 712. 42.
7. hfrdstat (solum). 715.55. 4. geafto (cotnmi-
8. haspa (tremulus). Zf. XV. nus). 714. 5.
Gl. 83. 5. wideopa (hupopa)
9? hör (ornus). cf. o. huriio. Zf. XV. gl. 11.
Zf. XV. gl. 86.
34. Bonn. 193 (173). Naturgeschichtl. Gl. saec. XL
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- 73
P. 1. harrunga (arrabona). Hoffm. Ahd. Gl. 21, 24.
2. hedornezzola (urtica grenatica). 21, 28.
4. ho8cnnabvlo (asparga). 22, 7.
5. hosenzunga (boalca). 22, 8.
35. Clm. 19488. a. Tegernsee. Naturgeschichtl. Ol.
sacc. XII.
P. 1. urhosse. Germ. XIX. 436.
36. Vindob. 10. Herbarius. saec. XII.
P. 1. heiternezela (grccanica). sumerlaten. 62, 65.
2. heiternezela (urtica grccanica). 64, 16.
37. Vindob. 804. a. Florian. Abcdarius u. Isidor.
gl. saec. XII.
P. ?1. twerhacs (ascia). sumerlat. 25, 1 = twerh-acs?).
2. satelhachs (bipennis). 32, 44.
38. Darmstadt. 6. S um mar. Hcinr. sacc. XI.
P. 1. hoemessunc (conso- A. 1. eiffaltra (tribulus).
brini). Germ. IX. 13 ff. p. 85b. p. 38b. (= hief-
2. hocme (avunculus). p. 85b. faltra).
3. hafte rhemede (supparis). p. 95.
4. hörgolt (inaures). p. 96.
39. Trevir. Summarium Heinrici. sacc. XII.
P. 1. höh ei m es suni (consobrini). Hoffm. Hhd. Gl. 2, 8.
2. aftirherbo (prohcres). 2, 11.
40. Erfurt. homil.F.81. Summarium Heinrici. saec. XII.
P.l. hisin (ferrum). Zf. f. d. Phil. XII. 320.
41. Vindob. 2400. Summarium Heinrici. sacc. XII /XIII.
3. h c r d nuz (tubura).
21, 31.
3. his (glacics).
4. hisin (ferrum).
5. rosthisin (craticula).
6. h e b e r spicz (excipius).
8, 1.
9, 8.
16, 7.
16, 23.
P. 1 . heben hellunge (concordia).
2. h e 1 a h e s(s)uht (clcfantia).
3. h e i 8 c (horror).
4. horringe (inaures).
5. herbe (patrimonium).
6. h i c h e 1 a (stiria, gutta, stilla).
sumerl
l. 5,12
7, 12.
9, 70.
9, 78.
14, 30.
15, 57.
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- 74 -
7. heiter nescele (vrtica). 19, 66.
8. hciterncschcl (vrtica grenanica). 20, 11.
0. heiter ncscel (greganega). 22, 40.
10. ? hertapfel (orbicularis). 23, 16.
11. herbo (heres). diut. III. 238.
12. ebinherbo (coheres). 238.
13. h i s uogel. 241.
14. hört lim. 243.
15. hanphir (= anipfer). 244.
16. h o s t e r riche (oriens). 245.
42. Olm. 2612. a. Alderspach. Summ, Heinrich saee.
xirxiu.
P. 1 . Im? r b o (heres.) diut. III. 238. A . o d e n (testi-
2. ebinherbo (coheres). 238. culi). 230.
3. h i s uögel. 241.
4. hieb da. 245.
5. hisin. 247.
43. 8 B 1 a 8 i e n. 8 u mm a r i u in H e n r i c i. saer. XII.
P. 1. ebiner herbo (coheres). (Herbert. Anh. 8. 18.
2. heitenezila (urtica grenatiea). 8. 57b.
44. Vindob. 1761. Verschiedene (ilossenkategorion. saee.
XI XII.
P. 1. stouphhisam (perpunetoria). Hoffm. Ahd. Gl. 58, 6.
45. Olm. 17153. a. 8cheftlarn. 8 u in m a r. llcinrici. saer
XI'XIII.
P. 1. basale ia (paliurus). Gniff I. 130.
2. h a g e 1 e i a (paliurus). 1 30.
3. hege da (dentilia). 112.
46. Vindob. 232. Naturgesehir h 1 1. Ol. saee. XIII.
A. 1. agon (paliurus). H. Ahd. O. 63, 6.
47. Vindob. 2524. Herbarius. saee. XIII.
I\ 1 . h a u d o r n (spina A. 1. arten hewe (agnus-
alba). suraerl. 58, 40. castus), sumorl. 54,48.
2. Im? r d ephele (cicla-
meu). 55, 5J).
48. Bamberg er (Haube und Beichte. Monac. 4460.
saee. XI.
P. 1. hergiride. dkm«. 91. z. 1 III. Vindob. ergiride).
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7")
49. F r i o d b e r g e r Fragm. 0 h r i s t u. Antichrist.
saec. XI/XII.
A. 1. ailun (= hatten), dkm*. 33. A: 9.
50. Kloster-Ncuburger Prcdigtfrgm. saec. XII.
A. 1. int c b e d c. Zf. XV. 439 ff. II. 45.
öl. Willirams Paraphr. des Hohen Liedes. Cod. Lugdun.
saec. XI. Soemüller.
P. 1.? thaz her gecrueiget uuarth ande herstarf. 93, 10.
52. W i 1 1 i r a in s Paraphrase des Hohen Liedes. Cod. T r e v i r.
saec. XI/Xn.
P. 1. hubelo. Seem. 51, 18.
2. hic (n. Graff. I. 118.)
53. Tobias sogen. Cod. Strassburg-Upsala. saec. XII.
P. 1. hofen (= offen), dkm2. 47. 4. z. 51.
54. S t r a s s b u r g - M o 1 s h e i m c r II d s. saec. XII.
P. 1. hersam. Masamann. v. B380. : Alcxandcrlied.
2. unh e b e II 0. V. 2829. : Hartmanns Glaubensbekenntnib
55. F r a u e u 1 o b (Marieulieder). saec. XII.
P. 1 . dan h a f. Zf. X. 40, 32.
56. 1) i 1 d er u in s ch r i f t en. Cod. Monac. 935 a. d. 0. v.
Bingen, s. XII/XIII.
IM. hi hist. Keinz. M. Stzgsbr. 1870. II. 117, 38.
57. Erfurter Judeneid. Originalurkunde, saec. XII.
P. 1. der Juden h e i t. dkm2. 100.
58. M i 1 1 e 1 f r ä n k i s c h e s Fragmen t. saec. XII.
P. 1. houermot. Busch. Btr. z. d. Ph. 1870. 283, 75.
59. K o 1 a n d s 1 i e d. Cod. P a 1 a t i n. saec. XII.
P. I. des swur er h e i d e. 72, 18. A. 1. inantil arm i n.
2. al din h e r e. Griram. 78, 6. Griinm 9 1 . 20.
3. hosen er ha n leite. 108,7. 2. dcualsabesluoge
4. ainehohe der halben. 119. 2. 304.9.
5. derchüninc hantwirt. 129.5.
H. min here. 132.20.
7. sin hellen. 190. 12.
«0. Hu 1 a n d s 1 i o d. .Schweriner Fragment, saec. XII.
P. 1. under den heiden hersterbe. Grimm. 49. 22.
2. huc h uü we geache dir. 49. 24.
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— 76 —
61. R o 1 a ii <1 * ) i c d. Stuüg. l<Y;igim:iit saec. XII.
P. 1. hup er huf. 151, 18. A. 1. heben sie er zu mir.
150. 17.
62. König Rother. Cod. Palatin. »aec. XIT.
I*. 1. hic(allitt.). Ma08m. v. 35. A. 1. du as t den valand
2. h e r (vos). v. 37. Maasm. getan, v. 883.
3. h i c. v. 42. 2. a r d c vreissam.
4. here. v. 119. v. 2725.
5. hic. v. 120. 3. gealt (=-- gehalt).
6. hich. v. 259. v. 21)88.
7. hercn(verb). v. 261. 4. (bitrothere uf den
8. h i s (= ist), v. 459. o f reif. v. 509S).
9. habt (octo). v. 792. verderbt statt: bit
10. here. v. 931. berhrero .... hof
11. hie vor h u w e n hauden. v. 1000. reit.
*
12. hich (allitt.). v. 1009.
13. (hume (= im), v. 1044.)
14. hdren. v. 1179.
15. here. v. 1242.
16. hereu. v. 1548.
17. uffe der h e rd e n. v. 1849.
18. her (vos). v 1971.
19. miu herze was h e 1 1 e n d e. v. 2269.
20. den holenden haftin. v. 2409.
21. heren (verb). v. 2454.
22. her von. v. 3379.
23. •°-b here. vv. 3406. 3670.
24. hic. v. 3790.
25. herron halle. v. 4046.
26. horten die her den biven. v. 4215.
27. hic. v. 5094.
63. Wem her vom Niederrhoin-Hds. saec. XIII.
P. 1. giwapint als ein h i s. A. 1. vordereiden. 4,26.
Grimm. 14, 4. 2. e r adamis. 11, 28.
(„=gcwapint all in hisen"?). 3. sin ovith. 21, 22.
2. undi hidelcheit 15, 31. 4. uf er sich. 23, 1.
3. sime h c n d e na 26, 15. 5. den owesprenken.
4. umbe ein hei 28,22, 38, 13.
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- 77
? mit der Ii e r t Ii eu 44, 27. 6. he v v i n (= huf in)
10. giherbedit. 53, 20. 9. nuavin wir 60, 3.
10. di antuueste 61, 33.
11. heaach inauin 65,6.
64. Trierer Psalmen, saec. XIII.
. 1. herbe (hacreditati). Ch-aff. 67,
9.
2. herbe (haereditati).
81,
11.
3. herbes (haereditatis).
104,
II.
4. hofferten(= opferten).
105,
34.
5. herbe (haereditatem).
105,
38.
6. ge h e t i n t ( persecuti sunt).
113,
86.
7. hehtent (persequuntur).
113,
157.
S. Ii e t h e t i n (persecuti sunt ).
113,
161.
!>. herbe (haereditatem).
m,
13.
10. gebetet (perseeutus).
142,
2.
11. du nahtest (reputas).
143,
4.
65. (Oswald. Schaffhauser Hds. saec. XV).
P. 1. hunz v. 967.
66. (Orendel. Strassburger Hds. saec. XV.)
P. 2. h e i s c h e n t vv. T. d. Hagen. 158;*. 1 885.
67. Rein hart Fuchs. Md. Bearbtg. saec. '/* XIII. Codd.
saec. XIV.
P. 1 . h e r k 1 i c h v. 80. A. er (Titel) vv. 420. 429. 453.
Cod. K. 520. 523. 5!>6.
2. dahin(- innel v. 684. Codd. P+K. 610. 785. 806.
3. erhergente. v. 837. Codd. P+K. 1442.
4. höstcr (nach . . . gekeret). v. 938. Codd. P+K.
68. Leysers Predigten II. Leipziger Hds. saec. XIV.
P. 1. gehöret. 35, 42.
2. an dem hohsen. 50, 1.
3. zu dem hohsin. 108, 4.
6. (hez ist.
7. zehers
8. nun eres
9. (bis hez
45, 8.)
47, 15.
51, 12.
53, 9.
44, 2.
? offinge (= hoffe-
nungeP) 49, 14.
8. alsslagitin 59, 9.
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NIEI >ERDEU T8CI1 K DEN K MALER.
1 . H e 1 i u n d Monnc. saec. IX
IM. hidis v. 823. A. 1. siniun. v. 1085.
2. mcn hedos v. 1504. 2. atendi. v. 2989.
3. hatogea v. 1714. 3. (gierod. v. 4144.
4. hei cor v. 5077. 4. godlicus. v. 4541.
5. gieftid. v. 5053.
2. Heliand Cotion. saec X.
I\ (him (d. sg.) v. 960. A. 1. (gier od o. v. 102.
2. hu80U. v. 2423. 2. elithos. v. 346.
3. ungres. v. 2824.
4. endi v. 4917.
5. thein o b d e v. 5550.
6. 7. er r (m.her).v. 430K
4332.
3. Merseburger Glossen, saec. X.
A. 1. seif e d i a. 33.
4. S t ra sh b u rg. C. IV, 15. Naturgescbichtl. €.31. saec. IX.
1*. 1. siimun hettar-uuitio(semiim venenorum).diut.II.193.
5. Gl. Lipsianae. Hibelglosscn. (saec. IX.)
1*. 1 . (ge b Bredes gerodostu i coronasti). Heyne, gl. 386 f.
2. bereuue (hereditas). gl. 562.
3. hoc (quoquel. gl 589. A. 1. etan saltu (voca-
beris). gl. 264.
6. 1* aris. 2685. B i b e 1 g l o s s e n. saec. IX.
I*. 1. ober b a 1 d a r a (superstitiones). I. 298. 40. Alphabet.
ExocIuh. A. 1. u r n i t e (crabrones). i. 334. 24.
Numeri. 2. e r i bethoon (signa \, 358, 7.
Job. 3. uuale auuc (herodionV 496, 34.
7. Düsseldorf. F. 1. Gl. zu P r u d o n t i u s. saec. IX.
IM. huzscricta (prosil(u)it). 11.576, 50.
2. beccor 578, 6.
8. lf. Oxon. Jun. 116. Gl. zu Prudentius. saec. IX?
A . 1 . alspougd( bacce) II. 484, 2.
2. olbergo (loricae) 484, 3.
9. Oxon. Auel. F. 1, 16. Gl. zu Vergilius. saec. X?
1*. 1. halebirie (populus). Ii. 718, 10
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— T'.i —
10. Lips. oiv. rep. 1. 36b. Ol. zu Serv. in Verg. sacc. X.
P. 1. hurhano (fasianum). II. 723, 27.
2. hich z. 97.
3. h i c h z. 98.
irao o Ii e. Cod. Paris 764 1 . saec. X.
A. 1. o bot he.
1.
2. an.
3.
3. an sco.
9.
4. e l p e.
13.
5. 6. US.
16. 19.
7. err e.
19.
8. inat.
24.
9. e r r e.
31.
10. als.
38.
11. u n d o h.
41.
12. elfe.
48.
1 3. o rre.
49.
14. coorest.
(»5.
1 5. o r r o.
75.
! 6. i u d a.
80.
17. n-ht.
saec. X. 1
saoc. XI.
Ol. zu Gregor. Moral.
saoc. XI.
in Job.
12. C a in o r i ac. 19!
13. 8. A u d o in a r. IM
14. Bonon. 1P
P.A. 1 hunorsami (inobodiontia). n. 322, 1.
2. (in 13) arpliin iploetro), Zs. V. 206.
15. Lipsiens. civ. rop. 11 A. 6. Gl. zu C anonos. saev. XI.
P. 1. Iiarrokid (exposito). 11.141, 43.
2. bunrecttiu (irrita) 142, 12.
3 fat Ii o r b (patrimoniorumj. 142,21.
4. h unholder (indevotus). 143, 3.
5. harcust (astutia). 143, .'.7.
6. hanegogun (incossoro). 143, 42.
16. Id. Cod. Oxford. Jun. 25. Nach Kategorien geordn.
Glossar, waec. XII ?
Id. Anh. — I. 055,8. Ezechiel.
P. 1. hi8uögel (aurifi- A. 1. er I ine (senesci)
ceps). 8-N. 268. Aloinaun. saec. IX.
2. h u n c (auguis). '270.
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— 80 -
17. Flrrent. Uur. plut. XYIT 5. saec. XIII XI.
Aldhelmgl. P. 1 . h i 8 i d i D ft (ambrosia) n. 1 15, 41.
Pradentgl. A . 1 . a 1 f t r o n (habenis). n. 533, 9.
Summ. P. 2. hocsal (albugo) A. 2. hantaba (ansa).
Heinr. Zs. XV. gl 39. Zs. XV. gl. 8.
3. dehsihisen C;S£„,) gl. 459. 3. anif (canniYa). 225.
484. 4. antbaba (capulus). 248.
5. hovrus (ephoebia,
654. lapanar). 348.
607. 6. arlefa (licium). 540.
1628. A.
4. ha'sila (numerus).
5. horhuD (ortigo-
metra).
6. hebirzan (orix).
Nicht fixierte Ol.
P. 7. hebeouue (hedera)
8. hahorn (planta-
nus).
1708.
9. helliunt (hiena). 1762.
uochilichro (mi-
raico). 1179.
8. huf al z e (catax) 1267.
9. liebeouue (hedera) 1628.
10. bumbil (atacus) t665.
11. agil (grando) 1693.
18. Bern. 536. Salomon. Glossar, saec. XIII.
P. 1. heiscen (deposcere). Germ. Stud. II. 278b.
19. Hern. 641. Alphabet. Glossar, saec. XIII.
P. 1. henze (ansa). A. enweg- (a-, de-)
diut. II. 200. 8.200.210. 211.
2. hangele (hamus). 217.
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BEILAGE.
PROTHETISCHES II IN ALLITTERATIONEN UND
WORTANKLÄNGEN.
A. IN POETISCHEN DENKMAELERN.
1. Ther hiar giheret III. 13, 91. Codd. V. P. F. Otfrid.
2. h abetun sie mihila hera. IV. 12, 32. Codd. V. P. F. Otfrid.
3. hiar houh. V. 11, 31. Cod. Vindob. Otfrid.
4. hiar houh. IV. 1, 27. Cod. Frising. Otfrid.
5. werfez h u z then h unton. III. 10, 34. Cod. Frising. Otfrid.
6. so er huf an h imile. III. 7, 21. Cod. Frising. Otfrid.
7. hiar hemizen mit hazzo. V. 23, 109. Cod.. Frising. Otfrid.
8. h imil uurti ioh h e r d a ouh so h erti. II. 1, 3. C. F. Otfrid.
9. himil fuarit ioh herdun. II. 1. 35. Cod. Frising. Otfrid.
10. hiar in hcrdu. III. 8, 18. Cod. Frising. Otfrid.
11. in her du hiar. III. 12, 43. Cod. Frising. Otfrid.
12. h e i g u n sa Northman h arto bidungan. v. 24. Ludwigslied.
13. hurolob ni h abe du: zi h olze ni fluic du. Lorsch. B.-Segen.
14. helias stritet pi den hewigon lip. v. 41 Muspilli.
15. sia hauar kihalont. v. 11. Muspilli.
16. h i n d i r dir unde h o b i dir. v. 6. Weingarten-Reise-Segen.
17. wert hiuch here chunich. 220,6. Vorauer Alexander.
18. h eizet sinen h a t e m. I). 356, 26. Vor. Frgm. v. hl. Geiste.
19. so h evet er hufwerde. D. 365, 16. Vorauer Himml. Jerus.
20. den halm von der her de. D. 365. 17. Vor. Himml. Jerus.
21. den he w igen hört. D. 112, 20. Milstater Genesis.
22. here so harte enuahest. D. 125,33. Milstäter Exodus.
23. habe höbe. D. 263, 12. Vorauer Leben Jesu.
24. hup er huf. 151, 18. Stuttg. Rolandslied.
25. hosen er h an leite. 108, 7 Palat. Rolandslied.
26. aine h ohe der h a 1 b e n. 119, 2 Palat. Rolandslied.
27. under den heiden hersterbe. 49, 22. Schwerin. Rolandsl.
qf. lxix. 6
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H2
28. herren halle. v. 4046.
29. h orten die h e r d e n biven.
30. min h crze was h e 1 e n d c.
31. den hellenden haften.
32. hie vor hu wen handen.
Palatin. Rother.
v. 4215. Palat. Rother.
v. 2269. Palat. Rother.
v. 2409. Palat. Rother.
v. 1000. Palat Rother.
B. IN PR08ADENKMÄLERN.
1. thie hahtenton inti harmenton. 32, 2. Tatian.
2. ir in h e h t i h abet. 35, 4. Tatian.
3. inti hörun habenti nigi höret. 89, 5. Tatian.
4. fraz alla sina heht mit huorun. 97, 7. Tatian.
5. habet gauualt in herdhu. I. 18. Monsee Matth.
6. in ha er da hreuue. V. 2. Monsee Matth.
7. dar herda ni hapta. VI. 7. Monsee Matth.
8. huuanta haerda... haptun, VI. 8. Monsee Matth.
9. himil unde die h e r d e an der h ant h ast. LXXVI, 24.
Muri. Predigt.
10. h imil unde her de. XIII, 25. Wack. Zürich. Predigt.
11. himil aide her de. Wack. IX, 2. Zürich Predigt.
12 herbe in der himilisgcn heimute. III, 1 10. Zürich. Predigt.
13. hunsereme herren. Wack. XI, 23. Zürich. Predigt.
14. geh er t in h imile. Wack. XIII, 5. Zürich. Predigt.
15. hubelehellewark. Wack. L XXIV, 53. Engelberg. Predigt.
16. der hohs hat sinen herren. Leyser 1, 18. Leipzig. Predigt.
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ÜBERSICHT NACH DEN BEGRIFFEN.
PROTHESE.
A.
ä- l.hachustim (vitiis). Hatt. 1.57. Bened.-Regel. A. IX.
2. hauuerf (abortivum). 1.510, 1. Carolsr. IC.Hiob. A-|-oF.IX.
aba. 3. babe. I>. 193, 20. Vorauer Alexander. niF-fB. XII.
4. habe. D. 203, 12. Vorauer Leben Jesu. A?F+B. XII.
5. haf. H. Zr. X. 40, 32. (Marienlieder) Frauenlob. mF. XII.
have. vv. 772. 895. 983. 5101. Flandr. Clir.
habaus (= hinab). AVeinh. B. G. § 190. Tirol,
aband. 6. habandsterre.XIV. 2, l. |
7. habande. XVIII. 1, 2. ) A' 1X'
8. habent. P.II. 209,13. Sg-all.21 . Notker-Psalmen. A.XIT/XI.
pfingest habent. Weint. I. 762. Selse: U. Elsass. a. 1310.
abuh. 9. habuhnessi. 1.258,4. Sgall.911. Keron.Gl. K. A. VIII.
10. habui (versutia). Ja. 189. Bibelgl. (V) A+oF. IX.
11. habni(aversio). I. 543, 5. Ja. 181. Parabola. A-f «F. IX.
2. habuer(versipellis).I.543.28. Ja. 181. Parabola. A+oF. IX.
3. kihabnhter (depravatas). I. 277, 44. Jb. Alph. A+oF. IX.
4. habihemo (aversa). II. 200, 0. Paul. Greg. c. p. A. X.
5. ? hebuhen (siniias) \ Statt er. 218. Regum. A. X.
/I 430 40
0. ? hepuh en (simias) I ' Carols.CXXXV.Regum. A.X.
(Vafalon. 7. [h?]afoloti. „Ras. ein. hob. Buchst." I. 23, 21. Otfr. V.
sF+A. IX.)
avar. 8. hauar v. 11. Muspilli. ,
9. hauar v. 82. Muspilil. 1H~oK 1X*
6*
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84
haberklaue. DWb. IV, 2. 84. WWb. 1 96.
haberrante. DWb. IV, 2.86. WWb. 96. MndWb. I. 754.
haberesche. DWb. IV, 2. 734. WWb. 96.
after. 20. hafter. VIII. 1,2. Murbacher Hymnen. A. IX.
1. hafter. P.II. 134, 22.Sgall.21. Notker-Psalmen. A. XII XL
2. hafter. Dkm-. 83. z. 68. Gebet d. Otloh. B. XI.
3. hafterhemede (supparis). Germ. IX, 17. Darmst, SniiilL
niF. XL
affaltra 4. haftaltrinin (scorpiis). I. 439, 42. Clin. 14689. Regum.
B-K XII.
agaleia. 5. hagaleia (paliurus). Grf. I. 130. Clin. 17153. Sinn. Heinr.
6. hageleia mF-f-B. XL
hage = age (scharfe Spitze). Mnd. Wb. IL 173.
hachel (arista). DWb. IV. 2, 98.
hach, hachelijk (granum.). Etym. XI. Wb.2 331.
hagle, hägelen^ Schw-Id.3 I. 127. 129.
högel. heglen j IL 1081. 1082 f.
ah. 7. hah zu sera (pro pudor). IL 399, 33. Vindob. 247. Prudent.
A+B. XI.
ahir. S.hahir (spicas). QuF. III. 16,72. Vocabul. S. Galli.A. VIII.
9. hehir. . . TT Armn rtr> Paris. n.a. 241. Prudent. . , T1 __
30.hehirtens) II'4/3'28- Cln, 1 1395. Prudent. A+B'X'
lieber. Cimbr. Wb. (261 f). 37*. |mF-robd. XI.
ahorn. l.hahorn (platanus). IL 703. 55. Paris. 9344. Vergil.
2. hahorn (plantanus). Zs. XV. Gl. 1708. Florent. 16.5. Natur.
nd-robd. XI1I/XI.
ahsala. 3. hahsala (humerus).L 280,65. Ib.208. Alphab. Gl. A-foF. IX.
4. jjahsele. P. 11.227,26. Sgall. 21. Notker-Psalmen. A. XII XL
5. hVsila, Zs.XV. 341. Gl. 484. Florent. 16,5. Snm. Heinr.
nd-fobd. XIII/XIL
6. hassala. Grf. I. 140. Clin. 14754. Onomast, Gl. F r B ? ?
ahten. 7. [hjähtenton (persequentibus). 32, 2. Tatian. hF. IX.
8. [hj ah t i tun (persequebantur). 88, 6. Tatian. hF. IX.
9. hatunga (insectatio). I. 537, 19. Ja. Eecles.A4 oF. IX.
1 Woeste, westf. Wörterbuch.
8 Frank. Etymol. Wörterb. d. ndrld. Spr.
• Sehwoizer. Idiotikon.
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85
40. baten ta(insequuntur). IT. 170, 55. |
1. hatainas(insequamur). II. 175, 22.fClni.
2. hattit (insequitnr). II. 175, H4.1 «reg. e. p. B-f .
3. hatinne (insequenda). II. 170, 60./6277. VIII IX.
4. hahtent. II. 240, 10. Turic. Greg. c. p. A. IX/X.
5. hahton 11.248, 18. Cheltenham. Greg. dial. A? IX.
6. h*hte. III, 174. Kelle spec. eccl. Benedb. Pred. B-fA? XII.
7. beb tent (perseqnuntur). 1 13, 157. \
8. bethetinCpersecutisunt). 113, 161. J
9. gebetint(persecuti8unt). 1 13, 86.lTriererP8,mF" XII/Xn-
50. gehetet (persecutns). 142, 2.J
hätte )
hättis l= Ähtay Trier* Wei8t* anf> 8aeC* XIIL
( (a£er. praedium). Heinzel S. 333.
hatthm ° r
habtend. gihath. Zwiefalt. Bened.-R. Schwäb.-M. S. 205.
alito. l.batogea. v. 1714. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.
2. V hahtözehani. („nicht mehr deutl.u) 102. 1. Tatian. hF. IX.
3. [h]ahtüzehan iür. 103, I. Tatian. hF. IX.
4. hahtozofeoriu I. 735, 39. Paul. XXV a/l.Lucae. A. VIII.
5. hatouuiu(VIII). 1.732,62. Panl.XXV.a/1. Lncae. A. VIII.
6. hatttaga (dies octo). I. 727, 32. Selestad. Lucae. A. XII /X.
7. [Ii | all tonuiu. P. I. 858, 24. C. Lips. Xotkerde Musiea. A. XI.
8. hazech. 1>. 237, 3. Vorauer Leben Jesu. B+A? XII.
9. habt 1,17.)
60. fb]ahtodinI,17.j Kelle Sp. eed. Benedb. Pred. B+A. XII.
1. habt. v. 792. Cod. Palat. König. Rother. mF. XII.
ahtön. 2. sigihahtot (tractetnr). II. 93, 37. Wiirzb. Canones. hF. VIII.
3. [hjahtonti (reputans) 83, 1. Tatian. hF. IX.
4. [hjahtöt ir (conquiritis). 91, 32. Tatian. hF. IX.
ahtön 5. hahtos (putas). 1.715,3. Brüssel. 18725. Matth. mF. IX.
6. |h|ahton. IV, 37, 34. (P). Cod. Vindob. Otfrid. sF-hA. IX.
7. (hjahtonti. V, 4, 15. (P.) Cod. Vindob. Otfrid. sF+A. IX.
8. [hjahton. I. lt 43. (P.) Frising. Otfrid. sF+B -j A. IX.
9. hahtonter (pendeii8)I.315.35..Ia. 174. Genesis. A-j-<»F. IX.
70. unibehathlichiu 11. 502, S.Einsiedl. Prudent. A+F ? X.
l.hachtet. 21. 10.) % .
2 hallte 4 23 fLeiPz Hds.LeysersPred.B-f F .XIII/ XII.
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86 -
73. halltest (reputas). 143,4. Trierer Psalmen. mF. XIII/XII.
hachtic. Reinart v. 2115.
aekus. 4. satelhachs(bipennis)sml. 32, 44.1 Viud. 460 (804).
5. ? twerhacs(aseia) „ 25, l.J Isidor. Gl. B+F. XII.
6. ? dverhahs(bipennis) 51,48. Vind. 901. Vocabul. B+F.XII.
helmhexse. Mnd. Wb. II. 233.
haex. Reinart v. 701.
al. 7. helhi. I. 23, 32. (P.) Fris. Otfrid sF+B. IX.
8. halmah ti go. z. 28.1 dkm. 55. Emmer. Hds. d. Freisinn.
9. halmahtigun. z. 20.J Paternoster. B^-V IX.
80. halle, v. 4046. Cod. Palat. König Rother mF. XII.
l.hal sin erbe. S. 175b. Sehönb. Predigten. F. XIV/XH.
?helzete („aus „alle Zeit" entst.?u) S.-Id. II. 1214.
von haller weite. Cimbr. Kateehism. S. 14.
alpa. 2. halben. 119, 2. Palat. Rolandsl. mF. XII.
alpari. 3. halebirie (pöpulus). 11.718, 10. Oxford. Vergil. nd-f- X.
alt. 4. halti (senium) I. 246, 33. Gl. Keronis Gl. K. A. VIII.
ö.arhaltet (vetula) I. 5, 32. Gl. Keronis. Ra. A-f-B IX.
6. unmezhalt(grandissenex)1. 161.36.Gl.Keron.Ra. A-f B.IX.
7. halto (olim). II. 155, 32. Sgall. 183. Cassianus. A. IX.
8. helte. V. 23. 52. (P.) Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.
9. oberhaldara I. 298,40.Paris. Alphab. Bibelgl. nd-f obd. XI.
holdinges. Mnd. Wb. II. 171.
heldest. Id. Fris. 250.
hout. (13 mal). Flandr. Chr. vv. 2638. 2797. 3314. 5292.
etc. Reinart. vv. 112. 2308.
ambaht. 90. hambaht (emissariis). I. 279. 2. Rd. Alphab. Gl. A-poFIX.
amphir. 1. hanphir. diut. III. 244. Vindob. 2400. SuTil. Heinr. mF.XII.
hampfere. Schw.-Id. I. 240.
ana. 2. hanalinet (ineubat). I. 193, 18. Keron. Gl. Ra.A-f B. IX.
3. hanegegun (incessere) II, 143, 42. Lips. Canon. nd -H»d. XI.
4. hanleite. 108, 7. Cod. Palat, Rolandslied. mF. XII.
ö.sehethan. 72,5.1 fndgr. I. Cod. Vindob. 2056. Predigten,
e.hanhete. 73,34.J B+F. XIII/XII.
?han. Heinzel. dial. VI. Ndrfr. Geschftsspr. S. 351.
han. Sievers. I). Dichter in Uussld. p. 18.
andorn. 7. handorn sml. 58, 40. Vind. 2524. Pflanzengl. F. XIII/XII.
angel. 8. hangele diut. II. 217. Bern. Vocabiüar nd+ ? XIII/XII.
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- 87
aneho. 9. h an cho(butirum)G.X VIII,48. Eigelb. Sam. H. A-f F? XII.
anna. 100. hefihanna (obstetrix). I. 285, 49. Rd.l Alpliab. Gl.
1. hefihanna(ubstetrix). I. 285,49(215) Ib.J A4- oF. IX.
anst. 2. hensti (gratiae). III. 3, 3. Morbach. Hymnen. A. IX.
3. hensti ger(gratiosus). Zs.XV.340,459. Florent. 165. So»».
Heinr. nd-|-obd. XIII/XI.
ant- 4. hantreiti (ordinem) XIV. 2, 4. Morbach. Hymnen. A. IX.
5. hantreiti (ordine) XI. 3, 1. Marbacher. Hymnen. A. IX.
6. hanthcizzom (votis) III. 3, 1. Morb. Hymnen. A. IX.
7. ? hantmazzistun (limpidissimi) Rd. | I. 283, 59.Alph.
8. V hantmazziston (limpidissimi) 212. Ib.J Gl. A-f-oF. IX.
9. ? hantprahti (contractu). Sgall. 299. Canones A.-r? IX/X.
1 10. hantwirt (= antwortete). 129,5. Palat. Rolandsl. mF. XII.
hantheiz. Krone. Palat. v. 24280.
handelagen (— andelangen). LmhdWb. I. 55. 1176.
MndWb. II. 184. Hess. Id. S. 11.
hantwerk (f. Belagernngsmaschine). MndWb. II. 204.
Kauffm. Schwäb. M.-A. S. 205.
henptieng, henpflohen. Birl. Alem. Spr. r. d. Rh. S. 117.
aphul. 1. ? oughaphel I. 685, 30. Clm. 17403. Zacharia. B-f-. X.
granathöpfel. Voc. opt. Wack. S. 48b.
happel. mnl. Wvl. Id.1 I. 395.
ar- 2. harcheban (redditum) XII. 2,4. Morb. Hymnen. A. IX.
3. harbeiti (labores). XIV. 3, 3. Murb. Hymnen. A. IX.
4. harstantit (surgit) XIX. 3, 4. Morb. Hymnen. A. IX.
5. harsoahti I. 287, 45. Ib. 219. Alphab. Gl. A. + oF. IX.
6. harrekid II. 143, 43. Lips. Canones. nd-f-hd. XI.
7. härenst II. 141, 35. Lips. Canones. nd-}-hd. XI.
harbot. Cimbr. Katecliism. 8. 20.
arandi. 8. ki ''arindat I. 430, 34. Carolsr. IC. Judic. A-f-oF. IX.
arliz- 9. harlezbom (cornns). Ad. Bl. II. 21 1. Weissenao. Xaturgl.
A-hB. X.
herlitze. DWb. IV, 2. 479.
arm. 120. an h arm ah erz(immisericors). 1. 183,21.Keron.Gl.K. A.VIII.
1. |hJarmote (egestate). 1.278.52. Ib. Alphab. Gl. A+oF. IX.
2. harmanti (rapidus). S-N. 248. Je. VGreg. A-f-oF. IX.
1 De Bo. Westvlaamsoh Idioticon.
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123. hbrbmb (privatos). 11.527,45. Bern. 2«4. Prudent. A. X.
4. harmiehait. 46,24. Trudp. (Hohenburg.) Hohelied. A. XII.
härm. Flandr. Chr. vv. 3381. 3440. 3446' 3457.
arra. 5. harrunga(arrabona). H. Ahd. Gl. 21, 24. Bonn. 218. Naturgl.
mF. XI.
harre, har (ital. arrha). LmhdWb. I. 1187. (Kämt.)
arwiz. 6. harniz (pisa). Halt. 1.289. Sgall. 299. Naturgl. A. X.
haerewis. Mon. Boica. XXXVI. 1,28. (Weinh.)
arzat. 7. herzindum.D. 95, 14. Vorauer Suiii.Theol. B-roF. XII/XI.
cf. heerschebiscop. v. 2175. \ „t , rn
\ rlandr. thron,
herdschebiscop. v. 443 /.I
ask. 8. hask (braxinus). Ad. Bl. II. 211. Weissenauer Natural.
A-f-B. X.
cf. Heskirich. Reichen. Cfrt. a. 830. P. II. 564, 31.
Maschinen. Regino v. Prüm. Pertz. I. 597. 608.
Hascheri. Urk. v. Stablo, a. 924. Heinzel S. 266.
aspa. 9. haspa Zs. XV. 48, 83. Paris. Natural. mF-f Obd. XI.
130. haspa (tremulus). Germ. XX. 150. Noltes Naturgl. A.V XI.
hespe. Mnd. Wb. II. 259.
hesse. Brem. Wb. 5, 387. DWb. IV, 2. 121)9.
ast. 1. hastalohten I. 439,39. Clin. 18140. Regum. B~j ? XI.
2. heste. I). 250, 21. Vorauer Leben Jesu. B-jA. XII.
hastcling-asteling. Wvl. .Td. 410*.
ätam. 3. wissaetuomlihhatam I. 351. 30. Vind. 2732. Levit. B r ? X.
4. hätem. D. 350, 26. Vorauer Hds. Arnold v. hl. Geiste.
B+? XII.
E.
cbah. 5. hebah (hederam). I. 676, 1. Sgall. 299. Jonas. A. IX X.
6. hebah (hederam). I. 676, 1. Carolsr. CXXXV. Jonas. A. X.
7. hebehuuoi(edera). Zs. III. 472. Weissen. Naturgl. A-fB. XI.
8. hebeouueZs.XV, 361. Florent. Natur, nd-fobd. XIII XI.
9. hepoum(hedera).Grf.l.9l. Olm. 14689. Naturgl. B-fF? XII.
hebheu. DWb. IV, 2. 733.
eban. 40. hebenaltero (coevo). II. 36, 11. Vadian. 336. Arator A. X.
1. hebenhellunga (concordia). diut. III. 262. Vind. 2400.
Sum. Heinr. mF. XII/XI.
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2. unh ebene, v. 2829. Molsh. Hds. Rede v. Glauben. mF. XII.
Hebinolf. P. I. 79. 21. Sgall. Cfrt. Scina (b. Reichenau).
P. II. 334, 15. Reichen. Cfrt. etc.
ebar. 3. lieber P. I. 673, 28. Turic. 121.
4. heber. P. I. «73, 28.Brüssel. 8742.'Notker Rhetorik A' XL
5. heberspiez. Ahd. Gl. 16, 23. Trier. Sum. H. inF. XII/XI.
H. hebirwrz. Germ. XIX. 216. Palat. Sum. H.mF+A. XII/XI.
7. hebirvvrz. MonelV, 95. Salmansw. Suffi.H.mF+A.XIII/XI.
8. hebirzan. Zs. XV. 344, Florent. Suüi. H. nd-robd. XIII/Xl.
Heburinga. Sgall. Urk. a. 793. QF. III. 141.
Heberuinns. Sgall. Cfrt. Gengeubaeh a. 839. I. 63, 28.
Hebrohardo. Weissenb. Urk. a. 733. 737. 739.
Hebarhart. Trier. Urk. a. 870. 871. Honth. N. 109. 167.
Heverhardo. Heinzel. dial. VII. saec. XI.
egeda. 9. hegeda (dentilia). Grf. I. 112. Olm. 17153. Sum. Heinr.
cf. hagaleia. inF.(-rI3 :) XI.
egi. 150. hegislichen. P. 11.24,26. Cod. Frising.Otfrid. sF+B.lX.
I. ?hesslichen „alii legnnt". Freher z. I. 24, 2: Otfrid.
2. heise(horror). diut. III. 263. Vind. Summ. H. mF. XII XI.
3. heise. D. 140, 18. Vorauer J. Judith. B |-F. XII.
4. hagebar t (larva). Wackern5. 122b.
Hegisher. Lorsch. Urk. N. 2841. saec. VIII.
hegi - egi (terror, disciplina). Schw.-Id. I. 143.
eht. 5. he eht (possessio). QF.III, 16.306. Vocabul. S.Galli. A.VIII.
6. hehtim (praediis). VIII. 9, 1. Murb. Hymnen. A. IX.
7. merhe[ht](prerogativa). 11.682,55. Seiest. Verg. A.XII/X.
8. ?kihohtikoten(preditis). II. 214, 58. Selestad. Greg. c. p.
Wack.: „gemeint ist „kihehtikoten". A. XII/X.
9. h e t i c (idoneus) 1 1. 248,47. Cheltenh. 18908. Greg. dial. A ? IX.
160. [hjehtim. P. I. 1, 16. Vindobon. Otfried. sF-f-A. IX.
1. hettim(opibus). 11.318,62. Fuld.Aa.2. Greg. Homil.hF.IX.
2. [hjehti. 35, 4. Tatian. hF. IX.
3. [hjehti. 97, 1. Tatian. hF. IX.
4. fhjeht. 97. 1. Tatian. hF. IX.
5. [hl eht. 97. 1. Tatian. hF. IX.
6. [h]eht. 97, 7. Tatian. hF. IX.
7. hebet. (reditus). II. 148, 1. Frankf. «4. Canones. hF. IX.
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| dkm2. 72\ Lorsch. Beichte. oF. IX.
U58. hehti. (facultates). II. 148, 4. Francf. «>4. Canones. hF. IX.
9. hehti.(possessiones). II. 1 4*>, 64. Francf. b'4. Canones. hF. IX.
170. heihti. (reditus). II. 148. 73. Francf. <H. Canones. hF. IX.
1. hehtio II. 147, 53. Francf. t>4. Canones. liF. IX.
2. h eh tio.(facn!tatum).II.l 45,43. Francf. «4. Canones. hF. IX.
3. hehto (rernm). II.99,37.Clra. 19440.Cauon.B-i-hF.XI/XII.
4. hihti II. 344, 20. Clm. «325. Isidor d. offic. B+? IX.
5. [h?]ehtige (dites). I. 101, 38. Hraban. Gl. R. B. IX.
ei. 6. hei. 28, 22. Wernh. v. Ndrhein. inF. XIII/XII.
eid. 7. menhedos v. 1504. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.
8. meinheidan II. 149, 8. Mns. Brit. Canones. hF? IX.
9. minan heit. z. 24.
180. m(e)inan heit. z. 25.1
1. heit. dkm2. 100. z. 10. Erfurter Jndeneid. hF. XII.
2. heide. 72. 18. Palatin. Rolandsl. mF. XII.
heit. Trier. Urk. a. 1257. Lacombl. II. 435.
eigau. 3. heigun. dkm2. 11. v. 24. Lndwigsl. oF. IX.
4. heigine. II. 103, 49. Clm. 14407. Canones. B+hF. X.
5. [hVjeiginun II. 1 1*5, 59. Florian. Canones. B-fhF. X.
♦i. heigenon II. *>09, 7. Paris. 10195. Sallust. mF. XI.
7. heikinin. Hatt. I. 112. Sgall Benedict.-Regel. A. IX.
8. heigit (vendicat). II. 54»i, 20. Apponyi. Prudent. A. X XI.
9. heigen. 11.52,28. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
190. heigin. II. 122, 13. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII/XI.
1. heigin. II. 122, 15. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
2. heigin. II. 122, 18. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
3. heigin. II. 122, 20. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
4. heigin. II. 198, 4. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
5. heigin. II. 599, 12. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
6. heigint. 11.393,3. Sgall. 21. Xotker-Psalm. A. XII XI.
7. heigen. 9ßf 4. Seemüller. Einsiedl. Willir. A+hF. XII/XI.
8. hein. 102, 2. Seemnller. Einsiedl. Willir. A-fhF. XII/XI.
cf. Schw.-Id. II. 890. DWb. IV, 2. 814.
haigenshaft, Kauffm. Schwab. M.-A. S. 205. a. 1293.
heigen. hein. Boners Edeln. n. LmhdWb. I. 518.
heigen. Weist, I. 7(>1 § 1H. Selse (Elsass). a. 1310.
heyn, heym. Höfer II, 37 md. n. Weinh. Mhd. Gr.
hein (proprium) heine (servus) Id. Fris. 248.
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eih. 9. heissci. dkm2. 82. cap. 12. Aelt. Physiologus. A. XI.
200. haic(quemis). Ad.Bl. 11.211. Weissen. Naturgl. A-f-B.X XI.
1. heicbiner Zs. III, 378. Admont. Naturgl. B-f A? XI.
2. heich (aesculus). II. 721, 1. Berol. Vergil. A-fF? XI.
3. heih(ilicem).II.25,4. Clm. 14117. Ambros.s. Luc. B? X/XI.
4. haiche(ilices). 11.24,9. Clm. 1 3079. Ambr. Hexara. B ? X/XI.
ein. 5. heinan. dkm2. 52, z. 14. Fränk. Taufgelöbn. B. oF. IX.
6. [hlenin.dkm2.10. v.27. Cbrist.u.d.Samarit. A-foF?X/IX.
7. beina. v. 2. Strassb. Hds. v. Ezzos. Leich. A. XI.
8. beimstrit (seditio). I. 292. 11. Rd. Alpbab. Gl.A-oF. IX.
9. beimstrit(seditio).I. 292,11. Ib.227. Alphab.Gl.A-f oF.IX.
210. hein.-striti II. 317, 22. Jb. 222. Greg. Homil. A-foF. IX.
1. beinstrit. II. 264, 24. Sgall. 299. Greg. Homil. A. X.
2. beimstrit II. 204, 24. Selestad. Greg. Homil. A. XII/X.
3. heinzugiler (idiota). 1.727,35. Selestad. Lucae. A. XII/X.
4. beinbenti(mancubium)II.19,56. Clm.23486. Aid heim. B?X.
5. beimpar (situla). diut. III. 405. Vindob. 3355. Naturgl.
B-f F. XI.
be(i)ntzeler (Einspänner). Frankfurt Dieffb.-W. S. 658.
hentel (= einzel). Mnd. Wb. II. 243.
eiscon. 6. kaheiscoterull. 99. 15. Clm. 19417. Canones. B-j-F? IX.
7. ? geheiscotoro 1 Grf. I. 496 z. Clm. 14407. Canones)
8. gibescbot Clm. 22201. I. 573, 13. Eccles. B-f V XII/X.
9. heisccnGerm.St.Il.278b. Bern.Salom.Gl. nd-f A. XIII/XII.
heischen, heisch, heischunge etc. cf. LmhdWb. I. 533.
1223. — Kauffm. Sehwilb. M.-A. S. 205. DWb. IV, 2.
897. 896. 901. BWb2. I. 166. hesken. besehen. Mnd.
Wb. II. 259' besehen. Reinart vv. 220. 3076. Flandr.
Chr. 3067. 3968.
eit. 220. heito(pira™m,ignium).II. 19, 74. Clm. 23486. Aldh. B-f ? X.
eitar. l.heitar (venena). III. 5, 4. Murbacher Hymnen. A. IX.
2. hettaruurtiö diut. II. 193. Strassb. Naturgl. nd. IX.
3. hedor-nezzola H.Ahd.Gl. 21.28. Bonn. Naturgl. mF. XI.
4. heitemescele smrl. 19, 66 Vindob. SuüT. H. mF. XII/XI.
5. heiterneschel 20, 11. Vindob. Sum. H. mF. XII/XI.
6. heiternescel. smrl.22. 40. Vindob. Sum. H. mF. XII XI.
1 Bei 8t.-8. steht nicht« davon.
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— 92 —
7. heittirnezziliGerm.XIX,216.Palat. Sum. H.mF+A.XII.
8. heitenezzila Gerb. 57b. S. Blas. Suhl. H. niF-f-A. XII/Xl.
9. heiternezela srarl. 62, 65. Vindob. Naturgl. F-i-B? XII.
230. hoiternezila Germ. St. II. 281. Bern. Naturgl. F-r A ? XII.
heiznezele (acalife). smrl. 53, 12; 50. Vind. 2824. Md. XIII.
heiznessel. Dfgl. 6".
heiternezzel. Lmhd. Wb. I. 536.
heiter-,hitter>ader-.haber-nessel. DWb. IV,2. 1 1.91581.
heder-, hidder-, hader-nettel. Mnd. Wb. II. 172.
hernitel. WWb. S. 99.
(keddernettel. (Oldenburg). WWb. S. 99.
ekka. l.hecgepugi (tramite). I. 256, 2. Keron. Gl. K. A. VIII.
2. ? deggen („stattheggenu)(principiis). 11.612,67. Einsiedl.
Sallust. F. XI.
ekkil. 3. hechelstein(acirum). Mone 7.599,70. Innspr. 711.Naturgl.
B -F. XI/XII.
hecchal = eckel (Stahl). Oinibr. Wb. S. 116.
ekkor(odo). 4. heccor. II. 578, 6. Düsseldorf F. 1. Prudent. nd-fA. IX.
5. lieht, v. 814. Casseler Hds. Reinh. Fuchs. A. XII.
hecht. Rein«rt. v. 3432. K. III. Disp. v. Regiere. 349.
elaho. 6. helahun II. 742,7. Ja. 184. Pass. Barthol. A+oF. IX.
7. helaho(tragelaphus). 1.366,9. Sgall.283. Deuteron. A. IX.
8. helaho I. 367, 13. Stuttg. 218. Deuteron. A. XI/IX.
9. helaho(tragelafum). 1.367,13. Sgall.9. Deuteron. A.IX/X.
240. heloho. (alx). diut. III. 263. Clin. 1 7 1 52. Saloingl. A.+B XII.
1. heloho. (alx). Genn. XX. 150. Noltes Naturgl. A-f-F? XI.
2. helahesuht(elefantia).smrl. 7, 12.Vindob. Suiii. H. F. XII/XI.
helenhüt. (Elenshaut). Mnd. Wb. II. 231.
(Vcf. Heichart. Sgall. Cfr. P. I. 118, 15).
elbiz. 3. helbez (olor). Zs. III. 475. Weissenau. Naturgl. A-fB. XI.
elephant. helfant cf. S. 117 f.
eli- 4. helcor. v. 5077. Cod. Monac. Heliand. ml. IX.
5. helidiota (alienigenac). 107, 9. Sgall. Psalmen. A. IX.
6. ?helitentuomo(=helilent-)(po8tliminio)II. 406,50. Prag.
Prudent. A-4-B. IX X.
7. ? hellande.(pulse).II.698.Pari8.9344. Vergil.mF-hobd.XI.
8. helende. v. 2269. Palat. Kön. Rother. mF. XII.
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eli- 9. hellende, v. 2409. Palat. Kön. Rother. mF. XII.
Halisacinse. Weissenb. Urk. a. 737. Strassb. St. I. S. 133.
Helisezo. Lorsch, ürk. (N. 1350.) saec VIII. Förstern. 8. 70.
Helisnuind. Fuld. Urk. (N. 108). a. 801. QF. 46.
Helilant. Reichenau. Cfrt. P. II. 296, 10. 418, 28. 559, 10.
cf. hei (= anders, sonst). Reinart, v. 571.
helende. Comb. Hds. K. III. S. 392. v. 388.
hellendig. Hess. Jd. S. 164.
elina. 250. helina 2 mal? Grf. I. 239. Clm. 14754. Naturgl. B-t-F? ?
1. helna(ulnuf»).Grf. 1.249. Prag.mus.Salom. Gl. B+A?XII/XI.
hellen (Mas«). Comb. Hds. K. III. S. 150 v. 384.
Katenhellenboge. Flandr. Chron. v. 6273.
ellan. 2. hellen. S. 190, 12. Palatin. Rolandsl. mF. XII.
Hellinhart. Reichen. Cfrt. P. II. 521, 32.
elm. 3. helmboum(ulmus). 11.368, l l.Clm. 18375. Priscian. B? IX.
4. helm(nlnus). Grf. 1.249. Clm. 17152. Salom.Gl. A-f-BVXII.
5. derbomholm.Grf. IV.926. ? ? ? ?
elunt. 6. ? helliunt(hiena). Zs.XV.363, 1 762. Florent 16, 5. Naturgl.
nd+obd. xin XI.
cf. heltenze. (= illintiso). Dfgl. 277*.
helsink. (ein Pelzwerk). Mnd. Wb. II. 235.
emiz. 7. hemizigen. IV, 2. 34. Cod. Frising. Otfrid sF-fB.IX/X.
8. hemizen. V. 23. 109. Cod. Frising. Otfrid. sF+B.IX/X.
enti. 9. hentriskes(antiqui).XXIV. 9, 1. Murb. Hymn. A+oF. IX.
260.? tho[h?]enti. (P). IV. 24,25. Cod. Frising. Otfr. sF-p-B. IX.
l.hcnde. 26, 15. Wernh. v. Xiederrhein. mF. XIII.'XII.
hent. hende. Flandr. Chr. vv. 837. 2862. 4402. 5637.
5885. 6916. 8633. 10478. Comb. Hds. K. III. 152,
334. 153, 346. Reinart. vv. 1929. 2571.
henden (verb.) Flandr. Chr. vv. 3833. 8948. Rein. v. 450.
hende. Mnd. Wb. II. 171.
enze ? 2. h e n z e (ansa). diut. II. 200. Bern. 64 1 . Alphab. Wb. nd. XIII.
heinze. Wvl. Jd. 299*.
erpron. III. her cf. f. 108. f.
er- 3. herbremot (exarserit) II, 13 (Niederd.) Psalm. mF. IX.
4. herhaben (fermentatum) I. 713, 20. Brüssel. Matth. mF. IX.
er- 5. h erbarm i da I. 714, 27. Mainz. Matth. mF. IX/X.
6. herdemphu II. 740, 7. Sgall. 292. Abd. A. Apost.F. IX/X.
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7. herholoth II. 500, 17. Sgall. 292. Prudent. F. IX X.
8. hergab(tradidit).II.21, 13. Vindob. 916. Aldhelm.B4-F? X.
9. -herstuont z. 20. Lied v. hl. Georg. A. X.
270. -herstuont z. 32. Lied v. hl. Georg. A. X.
1. -herstuont z. 33. Lied v. hl. Georg. A. X.
2. -herstuont z. 41. Lied v. hl. Georg. A. X.
3. -herstan z. 32b. Lied v. hl. Georg. A. X.
4. herlekanaz II. 539, 28. Apponyi Prudent. A. X/XI.
5. ?hergienc(fluxit)IL 552. 55. Trier. Prudent. inF-fA. XL
6. herzagede II. 713, 24. Paris. Vergil. mF-f A. XL
7. h erheitern. I. 309, 2. Clm. 22201. Genesis. B+F? XII.
8. herstarf 93, 10. Leydener Williram. mF. XL
9. hersterbe. 49, 22. Frgni. S. Rolands]. m¥. XII.
280. herbedit. 53, 20. Wernher u. Adrhein. mF. XIII XII.
1 . h er gen te. v. 837. Codd. P u.K. Reinh. Fuchs. o?F. XIV/XIL
cf. Weinh. A. B. Mhd. Gr. ; Birl. Aleni. Spr. rechts des
Rheins S. 117. 23Beisp.: Kauftin. Schwab. M-A. 8. 205.
herfert. weist. I. 41 7 ; herdenken 70. herbot. 83. Reyscher.
herkennen. Mone. Zf. d. Obrh. VII, 451. herkant. Pank-
rotsh. 109.
herbarmen, herbotet, usherwelten. Mone Schausp. I. 200.
herlobet 28, 298. herbaitot 28, 95. Liedersaal,
lierncrt Ortnit. 1310. herscheint.. 190, 17. herfert 133,
28. Spiegel, her- Ring. 6''. 0C. 7°. hermessen. Zimr.
Chr. IL, 8, 34. Herlöse. Cimbr. Katechism. S. 15.
herschlug, fol. 89. herblicket, fol. 93. hercante. fol. 94.
Wolfd. Palat.
Herwegen. 4, 0. herheben 8, 5. herzogen 8, 9. ) ? f! «
herbannen 1 0, 4 ; 5 ; 0. lierkennen 1 1 , 8. 1 7, 9. 1 9, 2. 5 | | s
herholn. 30, 5. herwein. 61, 10. herwinden 03,7.) *g * %
herlost. I. 11, 17. hennorden. I. 075, 0. Myst. herhörest.
Katt. Spieg. 108.
herwarb. Kttdiz Hl. Ludw. 103.
hermort. 1 18. hernern. 120. herforschte. 121.
herhub. 127. herdacht. 129. herhuben. 122.
herweycht. hersüffczte. herschrag. 134.
herquigken.l35.hersagen. UO.hergreyfr. 141.
herbannete. 1 42. herbout. 1 45. herhaben. 1 50.
Herwachte. 155. hermannet. 101.
Lcipz. Mlrehrn-
llds. aaec. XV.
Ad. Bl. I. IIS.
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95
Hess. Urkndn.
(v. Baur.)
herstorben. I. 718. herlenbt. I. 670.
herkennet. I. 687.
herfroys. III. 875. herkante. III. 1338.
herclagit. III. 1395.
hervaren. Höfer I. 2. a. 1 248.
haerbeyder. Wvl.-Id. I. 395 mnl.
herinnern. Fr. Etym. Nl. Wb. S. 365.
herbeginnen, herberen, herbiechten. Wvl. Id. I. 422 ff. etc.
er. (Erz). 2. he.rino (e^reas). I. 447, 15. Carolsr. IC. Regum. A-j-oF. IX.
3. heriran (ereum). I. 458, 55. Carolsr. IC. Regum. A + oF. IX.
er(prins). 4. Vherostin (stirpe). I. 21, 22. Keron. Ol. K. A. VIII.
5. haerostin, (stirpe). I. 20,22. Keron. Gl. Pa.B-bA?X/VIII.
6. herist. . (in primis horis) Hatt. 1. 67. Benedict-Regel. A. IX.
7. her . dkm2. 10. v. 26. Christ, u. d. Saraarit. A-foF. X/IX.
8. hererun. V. 23, 143. (P). Frising. Otfrid. sF-f-B. IX/X.
9. zi[h]eristen (primum) 38, 7. Tatian. hF. IX.
290. ziheristen. (primum) 39, 6. Tatian. hF. IX.
1. herist. dkm2. 65. S. 178. z. 17. Trier. Lex Salica. hF. IX.
2. her (ante) II. 381, 6. Mns. Plantin. Prosp. Epigr. mF. X/XI.
3. her (ante) II. 612, 35. Einsiedl. 303 (155) Sallust. m?F. XI.
4. herista.P. 1. 604, 31. Turic. 121. Notker-Syllogism. A. XI.
er(prius). 5. [hier P. II. 10, 17. Sgall. 21. Notker-Ps. A. XII/XI.
6. herst . 72, 26. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
7. He . Germ. VII. 8. 306. Augsb. Wernh. Marienl. A. XII.
8. herrin. I). 95, 18. Vorauer Summa Theol. B-HoF. XII/XI.
9. here. D. 125, 33. Milstäter Exodus. B-rF. XII.
300. ?herren (veteres). I. 491, 69. Clm. 22201 Esther.B. XII.
1. zehers. 47, 15. Wernher. v. Ndrhein. mF. XIII; XII.
2. nuheres. 51, 12. Wernher. v. Ndrhein. mF. XIII/XII.
he (priU8) 57, 10. Trebn. Ps. schles. saec. XIV.
he (prins). 89, 2. Trebn. Ps. schles. saec. XIV.
ze herscht „im heut. Frankf. a M.u I)ieffenb.-W. S. 658.
die bersten. Cimbr. Katechism. S. 14.
harra (prius). Id. Fries. 242. herest (prius).Id. Fris. 255.
6ra. 3. hera (honorificatjio]). I. 240, 29. Keron. Gl. b. A. VIII.
4. herhaft (infolas). I. 199. 20. Keron. Gl. K. A. VIII.
5. herhaft (exorabilis). I. 137, 17. Keron. Gl. K. A. VIII.
6. haerhaft. I. 136, 17. Keron. Gl. Pa. B-fA. X/VIII.
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7. haera (honorem). I. 1«. 8. Keron. Gl. Pa. B— A. X/VIIL
8. kihereter (senior). II. 222, 32. Clm. 18550. Greg. c. p.
B+A? Vitt.
9. herhaft (pius). S.-X. 245. Ic. Greg, cod. Homil. A — oF. IX.
310. hera (honor). VI. 6, 4. Murbacher Hymnen. A. IX.
1. hern (honore). Hatt. I. «1. Benedict. Regel. A. IX.
2. hera. IV. 12. 32. Tod. Vindob. Otfrid. sF+A. IX.
3. hera. IV. 12, 32. ( od. Palat. Otfrid. »F. IX.
4. hera. IV. 12. 32. Cod. Frising. Otfrid. »F-fB. IX.
5. [h]era. IV. 9, 30. (P) Cod. Vindob. Otfrid. sF— A. IX.
6. jh?]cren. I. 22. 59. Cod. Vindob. Otfrid. sF-rA. IX.
7. gib er et. III. 13. 31. Cod. Vindob. Otfrid. sF — A. IX.
8. (filieret. III. 13. 31. Cod. Palat. Otfrid. sF. IX.
9. giheret. III. 13, 31. Cod. Frising. Otfrid. sF~B. IX.
320. jriherete. IV. 5. 52. Cod. Vindob. Otfrid. sF-f A. IX.
1. sriherete. IV. 5, 52. Cod. Palat. Otfrid. sF. IX.
era 2. giherete. IV. 5. 52. Cod. Frising. Otfrid. sF-rB. IX.
3. gihereti. IV. 4, 25. Cod. Vindob. Otfrid. sF+B. IX.
4. gihereti. IV. 4, 25. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.
5. gi[h]eret (honorihcabit). 139, 4. Tatian. hF. IX.
6. ?giherodo. v. 102. (C. gierodo.) Cod.Monac. Heliand. nd. IX.
7. ?giherod. v. 4144. (M. gierod). Cotton. Heliand. nd. X IX.
8. geheredes (coronasti). 38«. Cod. Lipsian. Bibelgl. nd. IX.
9. cahereta 11.343, 19. Clin. 19410. Isidor de off. B. ? IX.
330.herhaftiII. 733, 34. Clm. 14747. Vitae patr. B-r?. X.
1. hera II. 224. 28. Florian. Greg.c. p. B-rA? X.
2. heres I. 579. 41. Vindob. 2732. Ecclesiast. B-r?. X.
3. [h]era. dkm2. 83. z. 45. Gebet Otlohs. B(-fFr') XI.
4. hergiride. dkm2. 91. z. 119. Monae. Bamb. Gl. hF. XI.
5. unhera. (flagitium). II. 613,5. Einsiedl. Sallust. m?F. XI.
«. unhera. (dedecus). II. 612, 12. Einsiedl. Sallust. mVF. XI.
7. unherun. fininrie). II. «12, 5. Einsiedl. Sallust. m?F. XI.
8. hersam. (honestus). II. 609, 5«. Paris. Sallust. m?F. XL
9. ?hergingerdint. III. 420. Prag. Gl. Salom. A+B. XII
340. potin hera P. II. 470, 9. Sgall. 21. Xotker-Ps. A. XII XI.
1. heren. XIII, 11. Wackern. Züricher Predigten. A. XII.
2. geliert. XIII, 5. Wackern. Züricher. Predigten. A. XII.
3. gelieret. II. 25. Kelle. Benedictb. Predigten. B+TA. XII.
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4. her et. dkm-. 94. 18. Benedictb. Hl u. Beichte. B. XII.
ö.ziheren. Zs. XXIII. 350. Wien. Predigt. B+F. XII.
era. 6. heren fndgr. I. 78. 34. ^Vindob. 2056. Predigten. B-}-F.
7. heren fndgr. 1. 78. 36. J XIII XII.
8. geh er et. 35, 42. Leysers Leipziger Predigten. F. XIV XII.
9. here. D. 174, 18. Vorauer Kaiserchr. mF4-B. XII.
350. here. D. 526, 25. Vorauer Kaiserchron. mF-fB. XII.
1. here. D. 526, 32, Vorauer Kaiserchron. niF-r B. XII.
2. heren. D. 527, 13. Vorauer Kaiserchron. mF-}-B. XII.
3. here. D. 527, 21. Voraner Kaiserchron. mF-f B. XII.
4. hersam. D. 471, 32. Vorauer Kaiserchron. mF-fB. XII.
5. hersam. D. 524, 16. Vorauer Kaiserchron. uiF-f-B. XII.
6. hersain. v. 6229. Strassburg. Alexander. mF. XII.
7. her s am. (n. Lexer). Palatin. Rolandsl. mF. XII.
8. here. 78, 6. Palatin. Rolandsl. mF. XII.
9. here. 132, 20. Palatin. Rolandsl. mF. XII.
360. here. v. 119. Palatin. Rother. inF. XII.
1. here. v. 931. Palatin. Rother. mF. XII.
2. heren. v. 1179. Palatin. Rother. mF. XII.
3. here. v. 1242. Palatin. Rother. mF. XII.
4. heren. v. 1548. Palatin. Rother. mF. XII.
5. here. v. 3406. Palatin. Rother. mF. XII.
6. here. v. 3670. Palatin. Rother. mF. XII.
7. heren. (verb.) v. 261. Palatin. Rother. mF. XII.
8. heren. (verb.) v. 2454. Palatin. Rother. mF. XII.
Herhart. P. I. 1, 33. Sgall. Cfrt. Schbnenwert. a. 810.
Herhart. P. II. 135, 1.319,4. 602, 18 (s. X.) Reichen. Cfrt.
Herhardi. QF. 46. Fuld. Urk. a. 841. (N. 534).
?Hericho. Str. St. 1. 127. 158. Weissenb. l'rk. a. 719. 780.
daz hArebernde laut. Walther v. d. V. 76, 37.
heren. Reinart. v. 2342. onthert. v. 668.
gebeert. Flaudr. Chr. vv. 1156. 2150.
beere. Flandr. Chr. vv. 3128. 3135. 4893. 5860. 6038.
here. Cinibr. Wb. 1 1 7".
erbi,-o. 9. fatherb (patrimon.). II. 142, 21. Lips. Canon, nd -\ obd. XI.
370. hereuue (hereditas). gl. 562. Lipsian. Bibelgl. nd. IX(?
1. he reut (statt hereve). II, 8. (Xiederd.) Psalm. mF. IX(?
2. adalherbon. IV, 6, 8. Cod. Frising. Otfrid. hF--B. IX X.
QF. LXIX. 7
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3. feter Ii erib um. I. 585, 68.Carol*r. IC. Ecclesiast. A oF. IX.
4. heribo (heres). II. 513, 30. Einsiedl. 316. Prudent. A. X.
5. canherben. P. II. 131,7. Sgall. 21. Nutk.-Psalm. A. XII XI.
6. herbe. Wackern. III. 110. Züricher Predigten. A. XII.
7. herbe. Kelle. spec. eccl. III. 176. Benedictb. Pred. B f A. XII.
8. herbe, (patrimon.) srarl. 14, 30. Vind. Sum. H.mF. XII/XI.
9. herbo. diut. III. 238. Vind. Suiu. Heini-. mF. XII XI.
380. herbo. diut. III. 238. Clin. 2612. Sum. H. mF. XII/XI.
1. aftirherbo. Ahd. Gl. 2, 11. Trier. Suni. Heinr. mF. XII, XI.
2. ebinherbo. diut, 111,238. Vindob. Sunl. Heinr. inF. XII/XI.
3. ebinherbo. diut. 111,238. Clin. 2612. Sum. H. mF. XII/XI.
4. ebiner herbo. Gerbert, Anh. 18. SBlas. Sum. H. mF. XII XI.
5. herven. v. 3379. Cod. Palatinus Rother. mF. XII.
6. herbe (liaereditati). 67,9. Trierer Psalmen. mF. XIII XII.
7. herbe (haereditate). 81, 11. Trierer Psalmen. mF. XIII XII.
8. herbes(haereditatis). 104,13. Trierer Psalin.mF. XIII XII.
9. herbe (haereditatem). 105,38. Trierer Psalm. mF. XIII/XII.
390. herbe(haereditatem).l34,13. Trierer Psalm. mF. XIII XII.
1. herbe. Leyser 13, 28. Leipziger Pred. B-pF. XIII XII.
? Herbolf (4mal). Str. St. I. S. 207. Mnrb. Urk. a. 786.
?Herfo. Sgall. Cfrt. P. I. 181, 28.
? Heribo. Reichen. Cfrt. P. II. 324, 23. 495, 13.
herbo. Btr. XIII. 481. Schwäb. Urk. 1292.
untherben. Palat. v. 6023. Iwein.
7 mal : herbe. Rück. Schles. M.-A. S. 166.
herbis. Trebn. Ps. 15, 5.
herbin. Hess. Urk. III. 1163. (Weinh. Mhd. Gr.)
herve. Höfer II. 36. Heinzel. dial. VI. S. 351.
onthervet. Reüiart. v. 668. Flandr. Chr. v. 2629.
ontheruenisse. Flandr. Chr. v. 8551.
herfelyk. nml. Wvl. Id. I. 395.
erda. 2. Valtherda. (omnis terra) I. 280, 30. Keron. Gl. K. A. VIII.
3. herda. (terra). I. 168, 5. Keron. Gl. Pa. B-r A. X VIII.
4. herda. (terra). VII, 8, 3. Murb. Hymnen. A. IX.
5. herda. I. 291, 13. Ib. Alphab. Gl. A-foF. IX.
6. herda. erd. (sohun) I. 291, 13. Rd. Alphab. Gl. A-r oF. IX.
7. herda. 123, 7. Sgall. Interl.-Vers. d. Psalmen. A. IX.
8. herda. II. 1, 3. Cod. Frising. OttVid. sF -: B. IX/X.
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9. herdun. II. 1. 35. Cod. Frising. Otfrid. sF^B. IX/X.
400. herdu. III. 8, 18. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX/X.
1. herdu. III. 12, 43. Cod. Frising. Otfrid. sF^B. IX/X.
2. herdhu. I. 18. Monseer Matthaeus. B-f-oF. IX.
3. haerda. V. 2. Monseer Matthaeus. B-j-oF. IX.
4. herda. VI. 7. Monseer Matthaeus. B-f-oF. IX.
5. haerda. VI. 8. Monseer Matthaeus. B-r oF. IX.
(>. haerda. MI. 19. Monseer Matthaeus. B- oF. IX.
7. ? herdun. (stuppa). I. 382, 21. Fuld. Aa. 2. Judic. hF. IX.
8,.?herdfiur. I. 302, 32. Clm. 14754. Genesis. B? IX/X.
9. ? htrdmiz. (tubaura). Hatt. I. 29l.Sgall. Natural. oF. IX X'
410. ? herdnuz. (tubura). Ahd. Gl. 21, 31 . Bonn. Naturgl. mF. XL.
1. ?hfrdstat.(solum). 1.715, 55. Paris. Vergil.mF r obd. XI.
2. herda.(saltum). I. 393, 2. St.Paul. XXV d 22. .ludic. A. X.
3. herda. (terra). Hatt. 1. 296. Sgall. 242. Natural. A. X/XI.
4. V hertinga. P. 1. 822, 12. Sgall. 872. Notk.-Capella. A. XI.
5. herde. Wackern. IX, 2. Zürich. Predigten. A. XII.
tf. herde. Wackern. XIII, 25. Zürich. Predigten. A. XII.
7. herde. Wackern. LXXX, 34. Muri. Predigten. A. XII.
8. herden. I). 3<>5, 17. Vorauer Hiiiil. .Terusal. AH B XII.
9. ? herin erde in herde. I. 599, l«. Clin. 22201. Es. B ; ? XII.
420. ingrapanero herdo. I. 594, Gotwic. 103.| Esaia.
1. Vingigrabanerheride. 33. Clm. 22201. J B-r? XI/XII.
2. V he rt prost, (hiatu). II. 355, 8. Clm. 14505. Lncan.B? XI?
3. V hertlim. dint.III.243. Vindob. 2400. Sum. Heinr. mF.XII.
4. ? hertapfel. smrl. 23, 1(>. Vindob. Sum. Heinr. mF. XII.
5. ? herdepliele. smrl. 55, 59. Vindob. 2524. Naturgl. F. XIII.
Ii. herden. v. 1849. Palatinus Ruther. mF. XII.
7. herden. v. 4215. PalatinUB. Rother. mF. XII.
8. ? herthen. 44, 27. Wernher v. Ndrrhein. mF. XI1I/XII.
cf. Schweiz. Id. I. 379. DWb. BWb. etc.
he(e)rde. Flandr. Chr. vv. 25<>4. 2848. 4205. 7120.
Bern. Ep. v. 128. (K. III), u. K. III. S. 117, 89.
hirde (dominium). Id. Fris. 2<>2.
herda. Cimbr. Wb. S. 117».
herdäpfel (Oberpfalz). BWb. 139.
' Wir weit in solchen Füllen die Form herd (nm*e.) heranzuziehen
ist. Ili«flt nieh nieht entnehnthu.
7*
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MIO
Birl. Alein. Spr. rechts d. Rheins. S. 117.
Kauffm. Schwäb. M.-A. S. 205.
erüa. 9. herilun (ahn). II. 721, 15. Berol. 4°. 25. Vergil. A?-f F. XI.
Herloaldus. Str. St. 1. S. 132. Weissenb. Urk. a. 739.
Herloaldo. Str. St. S. 133. Weissenb. l'rk. a. 739.
Herlulf. Försteiiiann. Lorsch. Urk. saec. VIII. (X. 690).
Herlnlf. Förstemann. Lorsch. Urk. saec. IX. (II. 1918).
Harlebeke. Reinart v. 5334. Flandr Uhr. v. 35.
hällern. Mnd. VVb. II. 287. heldern holt. Xnd.
herlarenhout. Wvl. Id. 423b.
erin- 430. heringriez. Germ. XIX. 21*». Palat. Suiii. H. A-f F. XII.
i. heringriez. (alietum). Mone 4, 95. Salmansw. Sum. Heinr.
A^-F. XIII XII.
erclich. 2. herklieh. v. 80. Cod. Kalocz. Reinh. Fnchs.oF. XIV XU.
haerch. hcrghe. Flandr. Uhr. vv. 6260. 6738.
ernust. 3. hernosta (seria). II. 610, 61. Paris. 10195. Sallnst.mF. XI.
Hernust. Sgall. Ufrt. P. I. 348, 14 u. 52, 14.
Reichenauer Ufrt. II. 434, 5.
etteslih. 4. hetelicher. I>. 208, 18. Vor. Alexander. Ht mF. XII.
ewa. 5. he altiger. I. 587, 25. Ja. 189. Ecclesiast. A + oF. IX.
6. healtidu (religione). I. 587,52. Ja. 189.Eceles. A-oF. IX.
7. hehalto (pontifex). Ic. 245. Greg, homil. A. IX.
8. heialtlihia. II. 620, 52. Uarolsr. CCXVII. Sedul. A. X.
9. heuigon. dkm2. 3. v. 41. Muspilli. B^-oF. IX.
440. hebrucliehan. II. 477. 54. Ulm. 18922. Prudent A^B. X.
1. merhe (prerogativa). II. 682. 55. Seiest. Vergil. A. XU/X.
2. hewen. I). 365, 11. Vorauer Hiinl. Jeruslm. B + AF'PXII.
3. he. D. 372, 23. Vorauer Hiinl. Jerusalem. B+AF? XII.
5.hewigen. I). 112. 20. Milstäter Genesis. B rF. XII.
he. Mnd. Gr. § 44. („in späterer Zeit4*),
ezzan. 8. hfiz. Germ. VII, 305. v. 585 (384). Augsb. Frgmt. v.
Wemb. Marienl. A. XII.
beten. Reinart v. 3137. hat. v. 271.
beten. Hausier III. 138, 250. 188, 59; 64. 209, 158.
cf. böser = öser : mhd. eser. Schw.-Id. 506.
(„zu äsen - verzehren ").
5. he. Zs. XXIII. 349. 3b. 7. t
Haupts Wiener. Predigt.
B+F. XII/XI.
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I.
idis. 9. hidis. v. 823. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.
cf. V Hiddiseckere ( = Itzehoe). Id. Fris. 259.
igal. 450. higli (herinaeiis). I. 521, 44. Clm. 22258. Psalm. B4- %i XII.
ih. l.hih(ego). I. 521. 44. 8. Paul XXVa 1. Lucae. A. VIII.
2. hic (ego). I. 385, 55. Carolsr. IC. Exodus. A-foF. IX.
3. hicquome. I. 524. 5. Carolsr. 8. Petri. Psalm. mF.XI? IX.
4. h'q^me (veniam). I. 524. H. Sgall. 292. Psalm. oF. IX X.
5. hich ther(qui). II.H24. 1 1. Paris. 9345. Terenz.mF-f-obd. XI.
H. hich. z. 97. Altd. Gspr. nF. X.
7. hich. z. 98. Altd. Gspr. nF. X.
458—474. hich. 17mal. Hatt. I. 329. Sgall. 232. Gl. u.B. I.
A. XI. zz. 1. 5. 9. 12. 13. 13. 14. 15. 10. 17. 23.
25. 28. 31. 38. 39. 43. (nur lmal: ich).
5. hic. z. 12. Hatt. I. 329. Sgall. 232. Gl. u. B. I. A. XI.
♦5. hic. Hatt. I. 327b. Sgall. 1394. Gl. u. B. II. A. XI.
7. hich. Zs. III. 519. v. 22. Rheinauer Paulus. A. XII.
8. hich. LXX1II, 14. Wackeru. Engelberg. Predigt. A. XII.
9. hich. LXXI1I, 15. Wackern. Engelberg. Predigt. A. XII.
480. hic. LXXIV, HO. Wackern. Engelberg. Predigt. A. XII.
I. hic. n. Graff. I. 118. Trierer Williram mF. XI.
2. hich. v. 259. Palatin. Rother. mF. XII.
3. hich. v. 1009. Palatin. Rother. mF. XII.
4. hic. v. 35. Palatin. Rother. mF. XII.
5. hic. v. 42. Palatin. Rother. mF. XII.
H. hic. v. 120. Palatin. Rother. mF. XII.
7. hic. v. 3790. Palatin. Rother. mF. XII.
8. hic. v. 5094. Palatin. Rother. mF. XII.
hic: ä. Lübecker Recht. Mnd. Gr. § 44.
?ih(s)illa9. kichillb(stiria).II.73(),20.Pari8. 9344.Vergil. mF-f-obdXI.
49u. hichela/gutta, \diut.III. 245. Vind.2400. Sum. H. mF.XII.
I. hichelaVstiria /diut. III.245. Clm. 2*312. Sum. H.mF. XII.
cf. kekel. kikele. Hör. Belg. VII. S. 13. u. 19.
hekel, is-hekel. Brem. Wb. I. Hl 5.
ihsil i. 2.fkrhksklktxxbd (exulat ). 11.519,33. Turic. 1 H4 . Prudent.
— firhisilit wa(r)d. A. IX/X.
3. hisili(po8tliminio).II. 737,H.Selestad. VitaMalchi. A. XII X.
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ilen. 4. liili (studrat). Suhm.-X. 1 Ja. Bibelgl. VA-oF. IX.
5. anahiltonl. 493, 31. Carolsr. IC. Esther. A-r oF IX.
6. hilit. piteilet. Suhm.-N. 245. Tc. Gregor, c homil. A. IX.
7. hilet(adtendit). 11.233, 38. Carolsr. CCXX. Greg.e.p. A.IX.
8. hilint(ni()liuntur). 11.233,42. Sgall. 216. Greg. c. p. A. IX.
9. hilta. II. 607, 4. Clm. 6375. Rutin. last. A-I-BVIX.
500. nigihilit. V, 16, 33. Cod. Vindoh. Otfrid. sF^-A. IX.
500*>. sehiltun. V, 4. 10. Cod. Vindob. Otfrid. sF + A. IX.
1. sief?] iltun. II. 14,93. (P.) Cod. Vindob. Otfrid. sF+ A. IX.
2.8o[?]iltih. I. 22, 49. (P.) Cod. Vindob. Otfrid. sF fA. IX.
3. so[?l iltih. I. 22,49. (P.) Cod. Frising. Otfrid. sF -r B. IX X.
4. hiltnn. I. 22, 29. Cod. Frising. Otfrid. sF-rB. IX X.
5. zuohilinta. Germ. XXXII. 354. Brit. M. Juvcnc. A. X.
6. geh i lt. II. 39, 11. Selestad. Arator A. XII X.
7. hoverhilind. II. 595, 42. Paris. 1854. Prudent. mF - A. X.
H. nihil ti. II. 4. 21. Vindob. 261. Alcimus. A + B? XI.
9. hilent (operam detiß). I. 744,10. Stuttg. 218. Thessal. A. XI.
hila. Id. Fris. 259.
? hille. mnd. und. ( eilig, hurtig) hierher ?
inne. 510. dahin, v. 684. Codd.Palat.u.Kalocz. Hh.Fuchs.oF.XIV XII.
hin heyn (= hinin). Rück. Schles. M.-A. S. 166.
hinnen — innen, z. B. Dieff.-W. S. 663.
hingesegel (Insiegel). Mnd. Wb. II. 171.
hindrucken (widerkäuen). Schm. B. M. § 502. Lech,
int- 1. ? hintinwerdunt (spernnnt). II. 116, 15. Vind. Can.B-r ? XI.
[h?]interetnn. IV, 30, 2. Vindob. Otfrid. sF + A. IX.
io. 2. hiokauuedarero. II. 308, 51. Rd. Greg, hom. A f oF. IX.
3. hio. dkm2. 11. v. 54. Ludwigsl. oF. IX.
4. hio. dkm-. 11. v. 58. Ludwigsl. oF. IX.
5. heo. dkm2. 3. v. 60. Muspilli B-roF. IX.
6. hio. dkm-. 3. v. 78. Muspilli B+oF. IX.
7. heo. dkm2. 3. v. 94. Muspilli B-roF. IX.
8. hiouuiht. „. v. 94. Muspilli B roF. IX.
9. hiemer. (in aevum) II. 487. Sgall. 134. Prudent. A. X.
520. hio. Hatt. I. 329. Sgall. 232. Gl. u. B. I. A. XI.
I. hie. Hatt. I. 327b. Sgall. 1394. Ol. u. B. II. A. XI.
2. hie. Hatt. I. 328». Sgall. 1394. Gl. u. B. II. A. XI.
3. hie. Hatt. 1. 32H»>. Sgall. 1394. Gl. u. B. II. A. XI.
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4. hie. Wackern. LXXIII, 14. Engelb. Predigt A. XII.
5. hiuwete. Wackeru. II, 41. Züricher Predigt. A. XII.
«.kickte. 1). 37, 14. Vorauer Kaiserchr. B-f-mF. XII.
7. hießlichin. Kellespee.eccl.71. Beuediktb. Pred. B+A. XII.
8. ? hielicheit. Kelle sp. eccl.95. Benediktb. Pred. B+A. XII.
hiemant. Comb. Hds. Kausl. III. S. 47. v. 901.
hiemende. „ „ Flandr. Chr. v. 1308.
kiakuelick (quisque). Id. Fris. 259.
hiez(t). Weink. B. § 190. „Allgem. österr."
ir.pron.II.9. tatuthir. I. 335, 23. Carolsr. IC. Exodus. A?+oF. IX.
530. her. v. 37. Palatin. Rother. mF. XII.
1. her. v. 1971. Palatin. Rother. mF. XII.
ir- 2. [k|irrinnit. II. 202, 56. Paul. d'82. Greg. c. p. A. X.
3. kirforseont. I. 376, 26. Paul. XXVd/82. Josua. A. X.
4. hirgaccizon(mntire). 1.379.4. Turic(Rhen.66.) Josua. A.XI.
irah. 5. hirieres (polimitarii). I. 333,2. Clm. 22201. Exod. B-f .XII.
daz hirch. Venezian. teutsch. Nomencl. BWb. I. 130.
irri. 6. kirrer, (vagus). I. 294, 36. Rd. Alphabgl. A+oF. IX.
7. kirrer, (vagus). I. 294, 36. Ib. Alphabgl. A-roF. IX.
8. vilhirrer (multi vagus). Ahd. G1.50, 23. Augsb. Salomgl. A. ?
9. h irri tu oin (venena). II. 127, 8. Clm. 18140. Canones. B. XI.
540.hirrituom. II. 127. 8. Clm. 19440. Canones. B+. XI/XII.
is. 1. bis. (glacies). II. 444, 68. Clm. 14395. Prudent. A+B. X.
2. Iiis, (glacies). 11.675,44. Selestad. Vergil. A. XII/X.
3. hissun. (cruste). II. 703, 17. Paris. Vergil. mF-fA. XI.
4. his. (glacies). Ahd. Gl. 8, 1. Trierer Sum. Heinr. mF. XII/XI.
5. kisuögel. diut.HI. 241. Vind. 2400. Sum. Heinr. mF. XII/XI.
6. hisuögel. diut. III. 241. Clm. 2612. Sum. Heinr. mF. XII/XI.
7. hisuögel. (auriticeps). S N. 268. Id. Natnrgl. nd.-f-F. XII?
7b. giwapint als ein his (= al in hisenV). 14,4. Wemb. v. Ndrh.
mF. XIII/XII.
Hisuanus. QF. III. S. 141. Sgall. Urk. a. 804.
Hislant. P. II. 670, 1. Reichen. Cfrt. saec. XII.
VHisker. Wagner 45 ff. Freis. Urk. a. 809. 811. 814.
? his. Roth. 459. Weinh. Mlid. Gr.
hiseln (glatteisen). Mnd. Wb. II. 273.
hijs. Reinsert. v. 2299.
isa(r)u. 8. grafkisarn. I. 339, 4. Carolsr. Petri. Exodus, in F. XI/IX.
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9. stouphhisam.Ahd.Gl.58.6. Vind. Natural. F-r B ? XI XII.
550. hisin. Zs. d/Phil. XII, 320. Erfurt. Sum. H. mF. XII/XI.
1. hisin. diut. III. 247. Clm. 2012. Sum. H.m F. XII/XI.
2. hisin. (ferriini). Ahd. G1.9,8.Trier.Suin.Heinr. mF. XII/XI.
3. rosthisen. Ahd. Gl. 16, 7. Trier. Sum. Heinr. mF. XII XI.
4. dchsihisen. gl. 459. Florent. Sum. H. mF-f nd. XIII/XI.
5. h i s\ n i n a. Zs. X V. 1 1 5, 4 1 . Flor. Aldhelm. nd -f obd. XIII XI.
Hisanharto. QF. III. 141. Sgall. Urk. a. 797.
Hysinburc. Str. St. I. S. 201. Murb. Urk. a. 767.
Hisinhart. P. II. 622. 18. Reichen. Cfrt. a. 1080.
hisern. Mnd. Wb. II. 171.
ist. 6. bist, (existit). II. 243, 33. Sgall. 218. Greg. c. p. A. X.
7. hist. M. Stzgsbr. 1870. IL 117, 38. Monac. 935-
Binger Bilderumschr. oF. XII XIII.
8. his(t). v. 8. Palatinns. Rother. mF. XII-
heist -- eist, ist. Comb. Hds. K. III. Bern. ep. v. 157.
it(a)- 9. hitnuiza. II. 220,54. Clm. 18550. Greg. B+F? VIII.
ital. 560. hidelcheit. 15, 31. Wern. v. Nied. Rhein mF. XIII/XII.
ghehidelt. Comb. Hds. K. III. S. 3. Bern. Ep. v. 63.
in(wih). 1. [hjiuuih. 82, 12. Tatian. hF. IX.
etc. 2. hiuuarä. 82, 11. Tatian. hF. IX.
3. hiu. 82, 11*. Tatian. hF. IX.
4. hiu. 104, 5. Tatian. hF. IX.
5. hiu. dkm?. 11. v. 32. Ludwigsl. oF. IX.
6. hiu. dkm-'. 11. v. 34. Ludwigsl. oF. IX.
7. hin. dkm'. 11. v. 35. Ludwigsl. oF. IX.
8. hiu. II. 14, 48. Cod. Palatin. Otfrid. sF. IX.
9. hiuuarera. I. 425, 8. Carolsr. IC. Regum A + oF. IX.
570. hiuuuih. 113, 14. Sgall. Interl.-V. d. Psalmen. A. IX.
1. hiuuuih. 113. 14. Sgall. Interl.-V. d. Psalmen. A. IX.
2. [Ä]iuuuerin. 1 13, 14. Sgall. Interl.-V. d. Psalmen. A. IX.
3. hiu. Hatt. 1.329. z. 20. Sgall. (232). Glaube u. B. I. A. XI.
4. hiuero.Hatt.I.329.z.30. Sgall. (232). Glaube u.B.I. A. XI.
5. hir. I). 367, 18. Vorauer Himl. Jerusalem. B-f-A.V XII.
6. hiuch. I). 372, 19. Vorauer Himl. Jerusalem. B | A^? XII.
7. hiuch. I). 372, 21. Vorauer Himl. Jerusalem. B-A*!? XII.
8. hiuch. D. 220, 5. Vorauer Alexander. B-i-mF. XII.
8'. hiuch. 6,26. Trudpert. Hohelied. A. XII.
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9. huwen. v. 1000. Palatin. Rother. mF. XII.
hu. Rein. vv. 66. 68. etc. fast regelm.
Flandr. Chr. vv. 492. 502. 505. 521. 523. etc.
huweetc. Rein. vv. 167. 168. 1656. 1778. 181 1. 2729. etc.
Flandr. Chr. vv. 504. 526. etc. fast regelm.
O.
oba. 580. ?holdera sahu (quainobrem). I. 234, 25. Keron. (»I. Ra.
= oba . . .? A4 B. IX.
1. darhoben a(super caput). 1.719,39. Mainz. Matth. mF.IX/X.
2. hoben, (supra) II. 6 15,69. Pommersfeld. Sedul.hF- ?XII X.
3. hobintiuga. (summa) II. 488, 48. Sgall. 134. Prudent, A. X.
4. hoberosten. 12, 2. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
5. hobi. dkm2. 4, 8. v. 6. Weingarten. Reisesegen. A. XII.
6. hobene. D. 367, 20. Vorauer Himl. Jerusalem.!*- k. XII.
hoven. Wvl. Id. I. 395. mnl.
hoben. Schweiz. Id. I, 50. etc.
ovan. 7. houene. P. II. 67,3. Sgall. 21. Notker-Ps. A. XII XI.
8. bovine. Zs. III. 519. v. 7. Rheinauer Paulus. A. XII.
hafen = Felsenschlucht. BWb. I. 44, sonst : ofen.
hoven. K. III. Disp. v. Rog. v. 1505.
offan. 9. hofen. dkm2. 47, 4. z. 31. Tobias-Segen. A? XII.
hopen. Flandr. Chr. v. 9139. K. III. S. 149, 238. 211, 24.
oheim. 590. hoheim. Zs. V. 355, 8. Selestad. Naturgl. A -f mF ? XII/X.
1. hoeme. Germ. IX, 17. Darmstad. Sum. Heinr. mF. XI.
2. hoemes. Germ. IX. 17. Darmstad. Sum. Heinr. mF. XI.
3. hoheimes. Ahd. Gl. 2,5. Trier. Sum. Heinr. mF. XII/XI.
hoheim. Nibelungen. C. /LmhdWb 1323)
hoeme. Zitt. Jahrb.
hoem. Mecklenb. Urk. saec. XIV. mnd. Gr. § 44.
hoem. Flandr. Chr. vv. 4825. 5543. 7865.
ohso. 4. hobsen. (boves). I. 433. 26 f. Clm. 17403. Regura. B + V? X.
5. hosunt. (boves). I. 433, 26. f. Vind. 2732. Regum. B + F? X.
6. hosen (boves). I. 433, 26. f. Clm . 2220 1 . Regum. B-f-F V XII.
7. hohso. P. I. 384, 4. Sgall. 825. Notk.-Kategor. A. X XI.
8. [hjohso. P. I. 384, 4. Sgall. 818. Notk.-Kategor. A. XI.
9. hohsinari. Zs. V. 355. Selestad. Naturgl. A-f-FV XII/X.
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ohsu. 600. huhsinari. Zs. V. 358. Selestad. Xaturgl. A ; F? XII X.
1. hosennabvlo. Ahd. Gl. 22, 7. Bonn. Xaturgl. mF. XI.
2. hosenzunga. Ahd. Gl. 22, 8. Bonn. Xaturgl. mF. XI.
3. vrhosse. Germ. XIX.436. Clin. 19488. Xaturgl. iiiF. XII ?
4. hohs. Leyser 1, 18. Leipziger Predigt. F-fB. XIII/X1I.
5. höh sen. Leyser. 50, 1. Leipziger Predigt. F. XIV/XII.
6. hohsin Leyser. 108, 4. Leipziger Predigten. F. XIV/XII.
? hocus pocus — Ockes Bockes. DWb. IV, 2. S. 1731. f.
^viell. entst. a. „Ochse, Bock".u
opt'ar. 7. hopferhus. (sacellum). II. 543, 21. Apponyi Prnd. A. X/XI.
8. yhouerbu8. (sacellum). II. 513, 24. Turic. Prud. A. X/XI.
9. hofierten. 105, 34. Trierer Psalmen. mF. XIII/XII.
nra. 610. horun. 89, 5. Tatian. hF. IX.
1. hören. P. II. 219, 7. Sgall. 21. Notk.-Psalm. A. XII XI.
2. ? hör. Wackern. LXXX. 9. Muri. Predigten. A. XII.
3. hasenhore. diut. II. 276. Turic. Xaturgl. A. XII XIII.
4. horgolt. Germ. IX. 17. Darmstad. Sum. Heinr. mF. XI.
5. hörringe, smrl. 9, 78. Vind. Sum. Heinr. mF. XII XI.
bockeshoren. S.-N. 165. Renner, ed. Cyr. Jacobi.
horgolt. höring. Dfngl. 212'.
hoer. mnd. Gr. § 44.
hören. Reinart. v. 678.
?orno. 6. hor| (ornus). Zs. XV. 48. f. gl. 86. Paris. 9344. Xaturgl.
mF-f obd. XI.
7. huriio(orna). II. 338,8. Paris. 9345. Horaz. mF-f obd. XI.
ort. 8. hört (angulos). I. 361, 13. Turic. (Rhen. 66). Numeri. A. XI.
hart = art, ort: ungrade. Weinh. B. § 190.
osen. 9. h osit (populatur). II. 553, 74. Trier. 1464. Prud. mF-f A. XI.
hosen. mF. hoozen. nnl. = schöpfen. Et. Nl. Wb. S. 383.
ost(ar).620. hosthalbun(ad orientem). I. 715.41. Mainz. Matth. mF. IX X.
1. hoste rriche (oriens). diut. III. 245. Vindob. 2400. Sum.
Heinr. mF. XII XI.
2. hoster. v. 938. Reinh. Fuchs. oF. XIV XII.
Hosthaim. 2mal. Str. St. I. 207. Murb. Urk. a. 811.
Hostbeke. Heinzel. dial. I/f. (Veluwegau).
Hosterveiden. Althoff. S. 49. (Cöln. Urk.).
ostrun. 3. hostrunabend. XXT. 3. 1. Murb. Hymnen. A. IX.
4. hostarlicheru. XXI. 7, 2. Murb. Hymnen. A. IX.
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— 107 —
5. Ii o s t e rl i Ii c Ii un. dkm2. 82. c. XII. Aelt. Physiolog. A. XI.
6. hostirlamp. Wackern. II, 14. Züricher Pred. A. XII.
7. hostertage. Wackern. X. 26. Züricher Pred. A. XII.
8. hosteran. Wackern. X, 47. Züricher Pred. A. XII.
? Hosterbold. Hosterh. P.II. 218, 27. 67, 38. Reichen. Cfrt.
Haostarpald. Hosterpert. H-Fr. 36, 12. 58, 42. Cfrt, v.
S. P. s. VIII IX.
Hostern. Burger S. 111. Altenb. (östr.) Urk. a. 1305.
6t-. 9. h o t mahiliin (diliciis). I. 493,34. Carolsr. IC. Esth. A-f-oF IX.
630. gahotagoter. I. 315,39. Ja. 174. Genesis. A+oF. IX.
Hautberti. Str. St. I. S. 124. Weissenb. Urk. a. 716.
Hotolf. Str. St. I. S. 188. Weissenb. Urk. (Otfrid. Sehr.)
Hotfrid. P. II. 323, 7 u. 560, 15. Reichen. Cfrt.
ouga. l.arhanghit ist. I. 364, 25. Ja. 178. Numeri. A-f oF. IX.
2. kehaucken (demonstrare). Hatt. I. 57. Bened. Regel. A. IX.
3. h ogasal (albugo). I. 357, 48. Turic. (Rh. 66). Levit. A. XI.
4. h c-csal. Zs. XV. 322,39. Florent. Suih. H. nd+ obd. XIII XI.
aus hang! (Schlittenruf). Schw.-Id. II. 1080.
hogeler (Augendiener). Mnd. Gr. §. 44.
hochsnnlyken. Mnd. Wb. III. 220.
vorhoeghet. Mnd. Wb. III. 218\
hoghe, hoeghen. Rein. vv. 1566. 1583.
Flandr. Chr. vv. 10. S. 395. 10420.
„ Kausl. III. 122,42; 43. 124, 84. 131, 19.
ouh. 5. houch. IV, 1, 27. Cod. Frising. Otfrid. sF-j B. IX/X.
6. [h]ouh. V. 11, 31. Cod. Vindob. Otfrid. sF-f A. IX.
7. hpxch. (ceterum). I. 761, 40. Berol. 481. Corinth. mF. IX?
8. hoc. (qnoque). 589. Gl. Lipsianae: Bibelgl. nd. IX.
hoc. Bremer Statut, a, 1303. Mnd. Gr. § 44.
II.
ubar. 9. hubarfahanti (prevaric). 1.287 69. Jb. Alph.Gl. A-|-oF. IX.
640. huberlith (opercul.).I.361,62.Stuttg.26. Numeri. A-RXII/
1. houerhilind.il. 5t)5, 42. Paris. 18554. Prudent. mF-f-A. X.
2. houermot. Busch. Btr.z.d. Phil. 1880.S. 238,75. Mfr.Fragm.
mF. XII.
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108
hoever (Ufer). Mnl. Gr. 114,3.
hoever (über). Reinart. v. 848.
houerhant. Flandr. Chr. v. 5803.
nbil. 3. hnpilo. VIII. 9. 2. Murb. Hymnen. A. IX.
4. hnbilan. Hatt. I. 55. Sgall. Benedict.-Regel. A. IX.
5. hubele. Wackern. LXXIV, 53. Engelb. Pred. A. XII.
6. hnbelo. Seem. 51, 18. Trierer Williram. (m)F. XI.
hevelen moede. Wvl. Id. I. 395. mnl.
nf. 7. hilf. III. 7, 21. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.
8. hufertson. II. 248,1 1. Chelth. 18908. Greg. dial. A ?sF. IX.
9. huph. (sursum). II. 22, 5 Vind. 969. Aldhelm. B+sFV X.
650. hu fstonte (surrexerint). II. 675. 1 9. Selestad. Verg. A. XII/X.
1. huf. (desursum). I. 517. 18. Engelb. Psalmen. A. XI.
2. hufferte. 87,21. Trudp. (Hohenburg.) Hohelied. A. XII.
3. htif. D. 283, 17. Vor. Jüngst, Gericht B-fAV XII.
4. hufwerde. D. 365, 16. Vor. Html. Jerusal. B- A. XII.
5. buffehabeton. 1.653,7. Clin. 22201. Ezechiel. B-f- F ? XII.
6. huf. 151, 18. Frg. W. Rolandslied. mF. XII.
hüffe = üffe. Lmhd. Wb. I. 1378.
hüfrig = ufzug. Schw. Id. II. 1065.
hof (auf). Comb. Hds. Rose. K. 2955. (K. II),
uh! 7. huchund we. 49, 24. Frgm. 8. Rolandslied. mF. XII.
un- 8. hunpuakkhic II. 316,21 . Ib (211) Greg. Homil. A + oF. IX.
9. [hjunpuaehic. II. 316,21. Rd. Greg. Homil. A J-oF. IX.
660. hunrecttiu. II. 142, 12. Ups. II. A. 6. Canones. ud + obd. X.
1. hu n holder. II. 143.3. Lips. II. A. 6. Canones. nd — obd. X.
2. hunorsami.II.322, l.Camerac. 199.Greg.iu Job.nd — obd. X.
3. hunorsami. II. 322, l.Bonon. 113. Greg, in Job.nd. -fobd. XI.
4. hunorsami. II. 322, 1. Audom. 1 1 7. Greg, in Job.nd -r obd. XI.
5. fhjunreht. P. II. 20, 4. Sgall. 21. Notkerpslm. A. XII XL
unc. 6. nunc, (anguis). Suhm-N. 270. Id. Naturgl. nd-|-hd. XII?
uns. 7. huson. v. 2423. Cottonian. Heliand. nd. X'IX.
8. hunsih. I. 18,2. Frising. Otfrid. sF + B. IX X.
9. huns. XVI. 3, 1. Murb. Hymnen. A. IX.
670. huns. I. 710, 47. Carolsr. CLXXVIII. Matth. A. XI.
l.hunsereme. Wackern. XI, 23. Züricher Pred. A. XII.
huns. Heinzel. dial. VI. S. 351.
huns. Mecklenb. Urk. s. XIV. Mnd. Gr. § 44.
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HM)
Husen. Mecklenb. Urk. f. XIV. Bind. Gr. § 44.
Unser. Bremer Statut, a. 1303. Mnd. Gr. § 44.
huns. Zwiefalt. Bened.-R. Kauffni. Schwab. M.-A. S. 205.
untarn. 2. afterbnntor. I. 802, 15. Clm. 14754. Genesis. B-f V IX X.
uo- 3. huabaldi. II. 2411, 21.Cbeltenb. 18008. Greg.dial. A. sF? IX.
4. bubaldi.(divex.). 11.2(50, 1 6.1b (203). Greg.dial. A-roF. IX.
5. buobaldi.(proclivius)]I.329,74.nni. 14747. Hieron.i.Mattb.
B-rA.V X XI.
6. huhaldigun. (summissum). II. 488, 13. Sgall. 134.Prud. A. X.
7. buastaftim.ffi^Xd,')I.37H.8.Paul.XXVd 82. Josua. A. X.
8. b o chcaluer. (rccalv.). 1. 349, 49. Turic. (Rb. 66). Levitic. A. X I.
9. ?bobilari. (occipium).Zs. V.356, 3. Seiest. Natrgl. A. XII X.
iioben. 1)80. buobit. (celebratur). II. 144, 10. Francf.64. Canones. bF.lX.
1 . Ii n o bä r e. (colon.) II. 238, 47. Carolsr. CCXX. Greg. c. p. A . IX.
2. bibit.(exercit). II. 243, 41. Sgall. 21«. Greg. c. p. A. IX.
3. lantbuoba. (ruricola) Grf. IV. 753. Salom. Gl. A4 B. XII.
4. bu°betbiucb. 0.26. Trudp. (Hobenb.) Hobel. A. XII.
5. uobenuns. 53, 10. Trudp. (Hobenb.) Hobelied. A. XII.
hübe (= üebe). Trebn. Psalmen. 118, 48.
bueb (=üeb): Wildlager; Schw.-Id. II. 956.
6. bobasa. (ascella) Hatt. I.299.Sgall. 242. Naturgl. A. X XI.
7. b6cbisan.(ascella8). 1.346, 14. Turic. (Bb. 66). Levitic. A XI.
8. buo8bin.(ascellas).I.536,3.Clm.6217. Parabol.B-+ A?XII.
9. burbano. II. 723, 27. Lips. I. 36. Serv. in Verg. mF? X.
690.borbun. Zs. XV. 344. Florent. Sum. H. nd-pobd. XIII XI.
Hurolf. QF. III. 141. Sgall. Urk. a. 781.
Hurolfus. Str. St, 200. Murb. Urk. a. 760.
Hurolfus. Str. St, I. 208. Münst. Urk. a. 768.
borrebun. Sujn. Heinr. Dfgl. 401c.
hurhun (coturnix). Brevil. MndWb. II. 336.
borliban (Auerbahn). Schw.-Id. II. 1307.
ur-. l.bnruuafani. II. 316, 9. Ib. 211. Greg, bomil. A-|-oF. IX.
2. burolob. dkm2. 16,4. Lorscher Bienen-Segen. oF. X.
3. hnrlop. D. 285, 8. Vorauer Leben Jesu. BfA? XII.
uohasa.
ür.
hoiinf. (Wetterau). /Asylplatz
herlop. (Hanau). Vb. Kinderspiel. /
Dieftenb.-W. 671.
uwo. cf. unten.
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- 110 -
uwila. 4. huuuelä. P. I. 262, 1 1. Sgall. 825. Notk.-Boeth. A. X XI.
5. hiünuelun.P.II.42l.24.Sgall.2l.Notk.-Psalm. A.XII XI.
6. huuuilon. (ulule). II. 698. 43. Paris. Yergil. mF r A. XI.
cf. huwo S. 1 1 2.
uz. 7. huzscricta. II. 576, 50. Düsseld. F. 1. Prud. nd-robd. IX.
8. hutz. z. 40. Altdeutsche Gespr. nd. X.
9. 700. huz! huz! Hon. Germ. II 648. Ludw. I. Worte. oF. IX.
1. huz. III. 10, 34. Frising. Otfrid. sF^B. IX X.
2. huce. dkm'. 10, 1. Lorscher Bienen-Segen. oF. X.
3. ? durch uz lettida. I. 562,47. Paul. XXVd/82. Eccles. A. X.
4. huuszieeu. z. 24. Georgsieich. A. X XI.
huz, hüze, hüzeu. oft. Lmhd. Wb. I. 1410
hus-stür. hus-tagen. Schw. Id. II. 956.
Uns! „Interj. d. Fortjagens". Mnd. Wb. II. 337.
huut, hut. Comb. Hds. fast regelmässig.
1.
^ •
3.
4.
•).
6.
7.
8. 9.
10.
1.2.
3. 4.
5. 6.
7.8.
9. 20.
1.2.
3. 4.
5.
6.
4 .
8.
AHD. ÜWO-UÜWO (HUC).
ovo. II. 654.9. Clm. 18059.
vuin. I. 347. 66.
uuun. I. 347. 66.
uuo. I. 347. 67.
uuo. Ad. Bl. 213.
uvo. Ad. Bl. 212.
vuo. Petz 1.400.
vfe, vue. diut. III. 154.
uf. Carm. Buran. S. 175.
huuo-uuo. I. 342, 56.
huuuo-uiio. I. 342, 56.
huuo-uuo. I. 342, 56.
Clm. 4606.
Clm. 14689.
Gotwic. 103.
Vindob. 85(1013).
Zwetl. 293.
Clm. 14747?
Vindob. 804.
Clm. 4660.
Sgall. 295.
Sgall. 9.
Vergil. B-j F. XI.
Leviticus. B4 XI.
Leviticus. B-i XII.
Leviticus. B-j- XII.
Natnrgl. B-j- XL
Naturgl. B-r- XI.
Natnrgl. B-r XII.
Naturgl. Br XU.
Naturgl. B-i- XII.
Leviticus. A-r? IX.
Leviticus. Ar? IX/X.
Leviticus. A~\-Y X.
Paul. d/82.
huwo-wo. I. 342, 57. Stuttg. th.et ph. Leviticus. A r? XI.
hno-vvo. Zs. III. 369— 376. Admont. 269. Naturgl. B~h XI.
huo- vuo. Ahd. Gl. 33, 18-49, 36. Zwetl. Salora. Gl. B+A XI/XI1.
huve-uve. diut. ifl. 241— 265. Vind.2400. Summ. H.B-f F.XII.
hnwen. I. 347, 65. Stuttg. 26. Leviticus. A-f XII.
huuo. I. 345, 18. Fulda Aa. 2. Leviticus. hF-h? IX.
huuuo. I. 355, 9. Carolsr. SPetr. Leviticus. mF+? XI IX.
huwin. I. 347, 65. Turic. Rh. 66. Leviticus. A4 ? XI.
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III
9. huwen. I. 847, 65. Engelb.-Blasien. Leviticus. A-f? XL
30. huvn. I. 347, 64. Vindob. 2723. Leviticus. B4-? X.
1. huvn. I. 347, 04. Vindob. 2732. Leviticus. B-h? X.
2. hufe. I. 347, 67. Clm. 17403. Leviticus. B4-? X.
3. huwn. I. 347, 64. Clm. 14584. Leviticus. B-j-? XII.
4. huin. I. 347, 66. Clm. 13002. Leviticus. B-r? XII.
5. huo. I. 347, 67. Clm. 22201. Leviticus. B + ? XII.
6. huo. I. 524, 29. Sgall. 292. Psalmen. oF-h? X.
7. huuuo. IL 697, 23. Melk. n. sgn. Vergil. B f- F. XL
S.huuuen. P. I. 262, 11. Sgall. 825. Notker-Boeth. A. XL
9. hunuen. P. 11.421,24. Sgall. 21. Notker-Psalm. A. XII XL
40. huo. Hatt. I. 290. Sgall. 299. Naturgl. A-f? IX X.
1. hu wo. Zs. V. 359. (36, 17). Selestad. Natural. A+? XII X.
2. huo. Gerb. Anh. 136. Einsiedl. Natnrgl. A-r? XL
3. hu we. Germ. VIII. 47. Wallerstein. Naturgl. B-f? XII.
4. huo. Ad. Bl. I. 348. Strassb. A. 157. Naturgl. A+? XII.
5. huuo.Zs. XV. 361, 1631.Florent. 16, 5. Naturgl. nd+hd. XIII/XL
6. hnwe. Zs. IX. 391, 21. Francfurt. Naturgl. F+? XII.
7. huwe. Ad. Bl. II. 214. Adraont. 106. Naturgl. B+? XII.
8. huwe. Ad. Bl. IL 214. Admont. 476. Naturgl. B+? XII.
9. hu. diut. III. 227. Clm. 14747(?) Naturgl. B-f? XII.
50. I. hufi. hauh. Germ. XIX. 436. Clm. 19488. Naturgl. B-f F. XII?
2. huo.Mone 7, 587, 551. Innspr. 711. Naturgl. B + F. XI/XII.
3. huo. Ahd. Gl. 4, 38. Trier. Sum. Heinr. mF. XII.
4. 5. 6. huo. huo.huwo.diut. III. 241.261.265. Clm. 2612. Sum. Heinr.
mF+B. XIII /XII.
7. huo. diut. III. 261. Clm. 1231. Sum. Heinr. mF-rB. XII.
8. huo. Germ. XVIII. 48. Engelb. 1. 4 1 1 . Sum. Heinr. (mF-f)A XII.
9. huo. Genn. XIX. 216. Palatin. Suüi. Heinr. (mF-f)A. XII.
60. huo. Mone 4, 96, 67. Salmannswlr. Sum. Heinr. (mF4-)A. XIII/XII.
J.huwo. Gerb. Anh. 72. S. Blasien. Suiu. Heinr. (mF-i-)A. XII.
2. hvo.Zs.XV,333, 101. Flor. 16,5. Sum. Heinr. nd+hd. XIII/XL
3. buch. I. 352, 49. Oxon. .1. 83. Leviticus. A+F. IX.
4. huc. diut. IL 193. Strassb. C. IV, 15. Naturgl. nd. IX.
5. 6. huc. huchela. Zs. XV, 48. Paris9344. Naturgl. mF+obd. XL
7. huc. Genn. IX, 20. Darmstadt. Sum. Heinr. mF. XL
8. buch. Suhm-N, 267. Id. Naturgl. nd {-hd. XII.
hüuuela. P. 1. 262, II. Sgall. 825. Notk.-Boeth. A. XL
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112
hiuuuelun. P. II. 421,24. Sgall. 21. Notker-Palm. A. XII.
huuuillon. II. ($»8, 43. Paris 9344. Vergil. mF+obd. XL
hu Ion. (ululare). II. 711), 18. Paris 9344. Verg. niF 7 obd. XJ.
inhinnilonne. V. 23, 22. V. P. (F. hiulonne). Otfrid. sF. IX.
cf. Schw. Id. I. 618 : üwlen (gyn. huwlen). zeigt uns d. nhd.
„heulen in 5. ältesten nachweisbaren Gestalt",
hule. Reinart. v. 2591. hnlden. Rose. v. 5(J79.
huwel (noctua). huwel (ulula). 43*. 43b. Vocabul. opiim.saec. XIV.
(huwe (bubo) 42", nwila (strix). 43*.).
hüwel, hTwel, huwel, huel. Masc.
höüle. Femin. Schw. Id. I. 61 8 ff.
rdas v echtere" üwel ist in der Schweiz fast ganz verdrängt,
wie üw durch hfiw".
höuler, höiler (Nachteule). Schw. Id. II. 1136.
gugge-helen (Ohreule). Schw. Id. II. 1142.
huwe, huve, huo : Lmhd. Wb. I. 1410.
auff,auff (Nachteule). BWb2. 1, 42 : Conr. v. Megenb. (173, 2; 3):
„bubo heisst ein auf oder in andern Deutsch eiu haw".
liueul (Nürnberg). BWb*. I. 1030.
hu, hub, hau, huhu, htiru. DWb. IV, 2. 1848; 562; 1883.
liük (Eule, Uhu). Mnd. Wb. 11. 328.
huck (Uhu), nd. u. md. DWb. IV, 2. 1858.
AIID. KLEFAKT.
elpfantpeinü (eburneis). I. 135, 24. Hraban. Gl. R. B. IX.
elafantiskemo (ebore). I. 639, 6. Carolsr. IC. Threnis. A-f oF. IX.
e Inf ante (ebore). I. 654, 38. Carolsr. IC. Ezechiel. A^-oF. IX.
elafantinen (eburneis). 674, 19. Carolsr. IC. Daniel. A-f-oF. IX.
elffantine (eburneis). I. 494, 16. Würzburg. Esther. hF. IX.
elefantes (ebur). II. 626, 42. Clin. 18059. Vergil. B-fF? XI.
alpantbein (ebur). II. 699, 22. Paris 9344. Vergil. mF. XI.
alpant (elephans). Germ. IX. S. 19. Darmstadt. Sunl. Heinr. mF. XI.
elefant (elephas). diut. III. 240. Vindob. 2400. Sum. Heinr. mF. XII.
elefant (elefas). diut. III. 240. Clm. 2612. Sum. Heinr. mF. XII.
elephant (elepas). S-N. 271. Id. Naturgl. nd-t-hd. XII.
elphondbeine,-beinin. 49, 14. u. 11. Leydner Williram. inF. XI.
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113 -
elphandin,-inin,-ininto. 61, 1. 3. 8. Leydner Williram. mF. XI.
elfinbein. v. 1093 u. regelm. Strassburg. Alexander. mF. XII.
elfent. v. 4174. Strassburg. Alexander. mF. XII.
ele fände, v. 4262. Strassburg. Alexander. mF. XII.
elfentiere. v. 5959. Srassburg. Alexander. mF. XII.
elphande. v. 1600. Palatin. Rother. mF. XII.
elephant. Carin. ßuran. S. 176. Clin. 4660. Naturgl. B-fF. XHI.
olfant (elefans).diut. II. 213. Bern 641. Alphabet. Gl. nd-f hd? XIII.
elefant, elefant. vv. 1333. 1997. Codd.P.u.K. Reinh. Fuchs. oF.XIV/XII.
elfenbeinin. VII, 22. Augsburger Grendel. mF. XV/XII.
LmhdWb. el(e)fant. 1.538: Pass. 329,50. H. Ernst. 4204. Megenb. 135, 1.
,. r II. 154. olifant (Wappentier). Krone 18350. 18430. 18510.
Mnd. Wb. I. 654. elefant, elifant, elpenbein.
(Keine Form mit h- belegt).
In 16 Hdss. sind also (26 -f) höchstens 30 Fälle elfant etc. belegt.
(12 Fälle: Elephant (saec. XI XII). 18 Fälle: Elfenbein).
Davon sind 22 Fälle sicher Fränkisch, 2 sicher niederdeutsch.
2 stehen in einer (fränkisch inficierten) allemann. Hds.,
3 in 3 bair. tiberlieferten Glossenhdss.
Gegentiber stehen über 150 Fälle helfant etc.
WECHSEL ZWISCHEN HINTAR UND UNTAR (INTAR).
iz hintirostin (demum). sonst untar-, undarostin. I, 99, 6. Keron. Gl. Ra.
hindir dir unde hobi dir. dkm'. 4, 8. z. 6. Weiugartner Reisesegen,
wird hin hindir gestozzen. Karaj. 40, 20. Milstäter Hochzeit,
hinterwerts (deorsnm). fndgr. I. 101, 20. Vind. 2056. saec. XIII. Pred.
(hintinwerdunt (spernunt). 11. 116, 15. Vindob. 361. saec. XI. Canones).
ioh intarquamun. I. 12, 6. Cod. Frising. Otfrid.
untar stanton (insuinant). sonst hintar-. Vindob. 361. saec. XI. Canones.
intir8crenchit (versipellis). I. 533, 34. Clm. 14689. s. XII. Parabola.
intir8crenchiger(versipelli8). 1,533,37. Engelb. a. S. Blasien. s.XI. Parab.
hinter, hünter statt unter: Ostlech. Schineller B. M-A. § 502.
Hintersewen statt Unterseen. Schw. Id. 1418.
Hinderlappen entst. a. lnterlaeus. Schw. Id. 1418.
QF. LX1X.
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114 -
PRONOMEN D. III. PERSON.
Nom. Masc.
Niederdeutsch regelmässig: he (hie, Iii, hy).
Mittelfränkisch: her-he-er.
he ausschliessl. Servatius. Orendel (Augsb. Dr.).
he — selten her: infr. Ps. (I mal her: III, 4). Wemh. v. Niederrli.
he u. her nebeneinander: Prager H. Ernst; Fränk. hegend.; Floyris.
Ii er - Ii e (-er v.obfr. Schreiber?): Rother Palat. her247-he 1 18-er Ü5iiial.
he r regelmässig : Brüssel-Mainz. Matthgl. — Leydener Williram (1 mal
er: 1.2 in enklit. Stellung. Rother Hannov. — Silvesterl.
her u. er nebeneinander: Arnst.Marienl.8her 5 er in enklit. Stellung.
Annol. : her regeln». — er regelm. in enklit. Stellung.
Aegidiusleg.: her regelm. — er regelm. in enklit. Stellg. bei Elision.
Leben Jesu II. her rglm. (Hmal) — er 1 mal in enklit. Stellung.
Wernher. v. Elmendorf,
er u. selten her: Rolandsl. Frgm.S. 22 er — 3 her. — Tnngdalus. :
her: v. H>5, sonst er. — Pilatnslegende : 8 mal her.
er regelmässig: Trier. Capit.— Albanusleg. — Rother: Badener
Frgm. — Büschs MtVänk. Fragment.
Hochfränkisch: her-he-er.
her--he (-er bei nichtfränk. Sehr. u. Z) : Tatian.
her (- 1 mal he: in he raet): Hildebrandslied.
her regelmässig: De Heinrico.
er (6 mal)- her (1 mal): Trierer Lex Salica.
er regelmässig: Bamberger Ul. u. B. etc.
Oberfränkisch, her (-he)-er.
her (28 mal) -he (1 mal) -(er 7 mal in elid. Enklise): Lndwigslied.
er regelmässig. (4 mal). Strassb. Eide. etc.
Süd fränkisch, her- er.
her- er (11 mal — 8 mal). Weissenburg. Katechismus,
er regelm. -her an 10 Stellen: Otfrid. cf. S. 81.
Vind. 8 mal: II, 7, 84. II, 12. I>5. IV, 27, 12.
Fris. 8 mal: 11, 7, 84. I. 5, 57. II. 4, 107. II, 15, 24. III. 1,
(i. 111,5, 18. III, », 18. V. 15, 28.
Palatin. 1 mal: II, 7, 84.
Alamannisch. er einzeln her. (in einem elsäss. Dkm.: ye cf. S. 22).
Int erlin. -vers. d. Ps. : 1 mal her. (ieorgsleich. 4 mal her (2 malher).
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115 -
(Notkerps.Sgall. 21 . P. 11.504, IS. übe [h]er). Nibelungen. A.993,4.
Basler Alexander v. 2900. (a. ein. tränk. Vorl. ?)
(Bairisch). a. d. fränk. Vorlage: Haupts Pred. Zs. XXIII. 348, 1. her.
PRONOMEN DER III. PERSON.
Flectierte Formen.
(Niederdeutsch).
hira. Sächs. Taufgelöbnis, z. G.
hini. Heliand. Cottonian. v. 960.
het. Gl. Id. S-N. 323. 335. 330.
Mnd. (Wb. II. 171. Gr. § 44: Bremer Statuten, a. 1303):
het, hit, her(e), herer, hereme, hören.
Nnd.: WWb. 100: het. Siedlinghausen.
Mittelfränkisch.
himo. II. 6. II. 11. III, 2. mfr. Psalmen,
hin. II, 5. mfr. Psalmen,
himo. z. 9. 13. 19. 22. Trier. Capitulare.
hin. z. 12. Trier. Capitulare.
h vor allen vocal. anl. Formen: Leyden. Williram. — Servatius.
hez. 45, 8. 53, 9. Wernher v. Niederrhein.
Imme. v. 1044. Rother Palatinus.
hun. v. 707. Annolied.
hin. v. 570. Wernh. v. Elmendorf.
hir. 1, 25. 2, 1. Albanuslegende.
hin. 4. 2. Albanuslegende.
Hochfränkisch.
lies. 2mal. Fuldaer Beichte. Browers Druck.
durch hern willen. Rückert. Sehles. M.-A. S. 160.
Ober— Südfränkisch.
hym. Fränk. Taufgelöbnis. B.
hin. v. 44. Ludwigslied.
[h]es. I. 5, 35. Vindob. Otfrid.
hes. III. 11, 9. Frising. Otfrid.
Alemannisch.
hiru. (sibi). I. 335, 16. Exod. Carolsr IC.
hirn. (eins). I. 488, 29. Esther. Carolsr. OXXXV.
8*
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im;
hiro. (eius). I. 488, 2!). Esther. Sgall. 299.
hez. cap. 9. Aelt. Physiologus.
hir. P. II. (577, 21. saec. XII. CM. Reichenau,
hire. p. 26. Armagnacs.
(Bairisch).
hiru (suo). 1. 502, 11. Job. Clm. (5220. Bt-oF.
hin. 1). 365, 19. Vorauer Himl. Jerusalem. B-r oF.
APHAERESE.
Ha.
haben. 1. kiuerkot apeta. v. 36. Mnspilli. B-+-oF? IX.
2. apet. v. 99. Muspilli. B+oF? IX.
3. adun. dkm*. 33. Aa 9. Friedb. Frgm. mF. XI XII.
4. ast. v. 883. Palatin. Rother. mF. XII.
ö.avin. 60, 3. Wernh. v. Ndr. Rhein. mF. XIII/XII.
G.avin. 65, 5. Wernh. v. Ndr. Rhein. mF. XIII/XII.
7. hantaba. Zs.XV. 332,8. Florent. Sum.H.nd+hd XIII XII.
8. antabento. (longe agente). 1. 727,37. Seiest. Luc. A.XII/X.
9. entabeine. 133, 19. Trudp. (Hohenb.) Hobel. A. XII.
10. entthabent. 72,9. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
l.inf'abin. 29, 2. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
2.intabeger. 1.567, 16. Clm. 22201. Ecclessiast.B + F? XII.
ebben, cf. Fr. mnl. Gr. § 114, 3.
adde(n) Flandr. Chr. vv. 4820. 4859. 4886. 5002. 5006.
5272. 5903. 5959. 6004. etc.
(at. Sievers. I). Dichter, in Russland. p. 19.)
habuh. 3. anale auuc. I. 496, 34. Paris. 2685. Job. nd-f hd. IX.
havan. 4. aven (olla). I. 518, 36. Clm. 17403. Psalm. B-f-F? X.
haft. 5. gieftid. v. 5053. Monac. Heliand. nd. IX.
6. anageafton sih. II. 33, 1. Trier. 1464. Arator. mF. XI.
7. zuoafta. (subnexuit). II. 772,51. Vat.Palat. Arator. mF. XI.
8. gehafto. (coniminus). II. 714,5. Paris. Verg. mF robdXI.
hagal. 9. agil. Zs. XV. 362,1693. Florent. Natur, nd-f obd. XIII/XI.
hagan. 20. agana (sentes). I. 246,9. Keron. Gl. Ra. A-f-B. IX.
I. agen(paliurus). Ahd.Gl.63,6. Vind. 232. Natgl. F. XIII/XII.
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117
hagnstalt. 2. agastalt (peregrinis). 1.475. «..Spall. 202. Tobias. oF.IX'X.
Agastalt. Ng. a. 757. Förstern,
hacken. 3. kiactir. (percussus). I. 381 ,30. Turic (Rh.66) Levitic. A. XI.
4. kiachter (percussus). 1. 361,30. Stuttg. 26. Levitic. A. XII.
halb. 5. albgurtilla. II. 738,25. Sgall. 292. Abd. A. Apost. ^F.IX/X.
6. alben. D. 342. 9. Vor. Hds. Arnold, v. hl. Geiste. B? XII.
7. alben. D. 343, 4. Vor. Hds. Arnold, v. hl. Geiste. B? XII.
alf. Wvl. Id. I. 395. mnl.
haldi. 8. inaldhet (adclivns). I. 43, 26. Keron. Gl. K. A. VIII.
9. ?analdi (iniit). I. 228, 2. Keron. Gl. Ra. A-fB. IX.
aide. Ulr. v. Türh. Willehalm. 12".
halftra. 30. al f tr on. II. 533, 9. Florent. 1 6,5. Prudent.nd +obd. XIII XL
hals. Lais. z. 38. Altd. Gespräche, nd. X.
2. alspougd. (bacce). IL 484, 2. If. Prudeut. nd {-obd. X/XI.
3. olbergo (loricae). II. 484. 3. If. Prudent. nd-f-obd. X XI.
4. älsperga (lorica). L 401, 10. Stuttg. 26. Regum. A+F?XII.
5. als. 304,9. Palatin. Rolandsl. inF. XII.
6. alslagiten. 59, 9. Wernher v. Ndrhein. mF. XIII/XII.
als. Flandr. Chr. v. 2559
halt. 7. piältida. (custodias). I. 122, 5. Keron. Gl. Pa B-f-A. VIII.
8. healtiger (religiosus).I.587,25.Ja. 189. Eccles. A + oF. IX.
9. healtidu (religione). I. 587, 52. Ja. 189. Fccles. A^-oF. IX.
40. heialtihia. II. «20, 52. Carolr.CCXVII. Sedulius. A + ? IX.
1. geaPnissi. Nithard (Holder) III. 5. Strassb. Eide. oF. X IX.
2. gealt. v. 2988. Palatin. Rother. mF. XII.
intalten. Höfer IL 857. (1287). Weinh. Mhd. Gr.
intalten. Hess. Urkdn. II. 721.
halz. 3. lmfalze.Zs.XV.355, 1267. Florent.Xtgl. nd+obd. XIII/XL
elzen. st. heizen, (ungeschickt). Wvl. Id. 302".
hanistro. 4. amstra i. angar. IL 627,55. Olm. 18059. Verg. B j-F. XL
hang. 5.umbanga (cortine). I- 329, 58. Einsiedl. 127. Exod. A XI?
anghen. Wvl. Id. I. 395. mnl.
hanif. 6. an i f. Zs. XV. 336,225. Florent. 1 6,5. Sum.H.nd^-hd. XIII/XL
hant. 7.henti. II. 9,44. Cod. Frising. Otfrid. sF+B. IX.
8. endi. v. 2989. Cod. Monac. Heliand. nd. IX.
9. endi. v. 4917. Cod. Colton, Heliand. nd X/IX.
50. an. z. 8. Altd. Gespräche, nd. X.
l.ansco. z. 9. Altd. Gespräche, nd. X.
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118
2 anthaba. Zs. XV 330, Florent. Suüi H. nd-Hid. XITI XI.
3. an t uueste. (st. hantveste) 6 1 ,33. Wli. v. Ndr.-Rh.mF.XIII XII.
antwergk. antwergkmann. Wst. von Selse (U. Elsass).
anscoen Reinart. v. 752.
andelt. Flandr. Chr. 493.
antieren. Flandr. Clir. v. 2599 u. regelm.
menigherande. „ „ vv. 1232. 2612. 4649. 6440.
harlifa. 4. irlefa.Zs.XV. 342,540. Florent. SumH. nd-f hd. XIII XI.
härm. 5. ermisohthen ftÄT). I. 646,2S.Clm. 22201. Ezechiel.
B-i-F? XII.
V ärmlich = widerlich, mürrisch. (Schwaben) BWb. I. 144.
übelschmeckend. (Nürnberg),
harmo. 6. arm in. 91,20. Palatin. Rolandsl. mF. XII.
cf Lat. mus Armenins. afrnz. ermenie.
harpha. 7 arphin (pleetro). Zs. V. 20(5. St. Omer. 150. nd — obd. XI.
hart. 8 arte. I>. 224,21. Vorauer Alexander. B i mF. XII.
9. arde. v. 2725. Palatin. Rother. mF. XII.
60. artenhewe. smrl. 54, 48. Vinci. 2524. Natnrgl. F. XIII XII
arde. Flandr. Chr. vv. 5306. 5630. 9058.
Reinart v. 153 u. ö.
ertiu (dure). Stuttg. th. et phil. 184 saec. XV.
Kaufm. Schwäb. M.-A. S. 205.
He.
heben. 1. ebeuf. 13. 7. Trudp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
2. He uf. 13.9. Trndp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
3. entebede. 105,6. Tmdp. (Hohenb.) Hohelied. A. XII.
4. ?ebine. (tracta). I. 579, 46. Clin. 22201. Eccles. B rFVXII.
5. int ebe d e. Zs. XIV. 439 ff. II, 45. Klost.-Neub.-Pi ed. mF. XII.
6. ufersich. 23, 1. Wernher v. Ndr.-Rhein. mF. XIII XII.
7. vvin uf. 42, 2. Wernher v. Ndr.-Rhein. mF. XIII XII.
hebig. 9. ebich (gravis). I. 659,34. Clin. 17403. Daniel. B-h? X.
heida. 9. vor der eiden. 4, 26. Wernher v. Ndr.-Rhein. mF. XIII XII.
heidan. 70. ei dh an gelt. II. 766, 23. Ja. 183. Pass. Thom. A r«F. IX.
heil. l.geilti. III. 11. 12. Vindob. Otfrid. sF^-A. IX.
heit. 2. eiti (sexu). I. 31, 14. Keron. Gl. K. A. VIII.
heizzan. 3. pihaiz (promissus). I. 90, 33. Keron. (Ü. Pa. B4 A.X Vlll.
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115)
4.miVaizzu. I. 10,24. Keron. (i].Pa. B4 A. X VIII.
0. 1nteiz. dkm2. 7«. z. 33. Würzbnrg. Beichte. hF. IX.
6. giheizenti. I. 7,32. Frising. Ottrid. sF+B. 1X/X.
7. etansaltu (vocaberis). Gl. 264. Lipsian. Bibelgl. nd. IX.
8. ?ureizgoucha. Grf.IV. 1089. Sgall.825.Notk'-Boeth. A.XL
9. geizze. P.Notk.IIL Eltg S. V,5. Benedictb. Gl. I. B. XII.
80. isze (— hiezze). v. 39. Rheinauer Paulas. A. XII.
cf. schulteize. z. B. Heinzel. dial. VI.
liclfa. l.elfa. I. 28, :>. Vindob. ütfrid. sF+A. IX.
2. elffa. (inpensas). I. 472, 11. Würzburg. Esdra. hF. IX.
3. elfe. z. 48. Altd. Gespräche, nd. X.
4. elpe. z. 13. Altd. Gespräche, nd. X-
5. ? kelfentemo. P. I. 228, 15. Notk.-Boeth. A. XL
helid. 6. elithos. v. 340. Cutton. Heliand. nd. XIX-
hella. 7. ? ella. Germ. II. 98 ff. 1 14, 2. Sg. Interl.-V. d. Psalm. A. IX.
heim. 8. ehlmscart. I). 100,19. Vorauer Kaiserclir. B 4-mF. XII.
hengist. 9. einigest. IL 712, 15. Paris. 9344. Vergil. mF-fobd. XL
her. 90. eresten. IL 8,37. Frising. Otfrid. sF f B. IX X.
1. erdum. (senatus)ll. 7 12,15. Paris. 9344. Verg. mF r obd. XL
heia. 2. err. v. 4308. Cottonian. Heliand. nd. X IX.
3. err. v. 4332. Cottonian. Heliand. nd. X IX.
4. sider. 42. 4. Breslauer Williram. hF. XL
5. sider. Vaterland. 285. Grieshabers Pred. A. XIII XII.
6. erumbe.D. 195, 10. Vorauer Alexander. B-j-mF. XII.
7. erwider. D. 212,8. Vorauer Alexander. B f-mF. XII.
8. erzumir. 150. 17. Frgmt. W. Rolandsl. mF. XII.
erfur. Nibel. A. 749, 4. sider. Nib. A. 47, 4.
eruz. Ködiz. Ludw. L. 103.
ernidere. Ködiz. Ludw. L. 13. Katten-Sp. 68.
erabe. Reinh. Fuclis. Palat. 100. Ködiz. 29. 163.
erwider. Berth. 459. 28.
ernach. Rückert. Schles. M.-A. S. 166.
erheim. („a. harheim") Schw.-Id. IL 1281.
er. Schweiler. B. AL-A. § 500.
ervor etc. Elsass. (Pfingstmontag v. Arnold 1, 5).
herapaziri.9. erepazari (mediocritatis). IL 122.2«. Vind. 361. Cau. B. XL
herd. 100. herda erd. (solnm). 1.293, 13. Alphabet. Gl. Rd. A -f-oF. IX.
1. erdi. (solo) I. 579, 16. Clin. 22201. Ecdesiast. Ii - F? XII.
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120
heri. 2. er ibethoon. f — heribouchan). I. 385,7. Paris. 2<>S5.
Numeri. ndH-obd. IX.
3. er iberclil. (-- heriberclih). (castrensis porta). II. 500, 6.
Sgall. 292. Prudent. oF(-}-A). IX X.
4. daz er. I>. 151, 16. Vorauer J. Judith. ß-f-mF. XII.
5. die er. D. 8, 13. Vorauer. Kaiserchron. B rmF. XII.
herlinc. 6. erlinc. (senesci). I. 655, 3. Id. Anh. (350). Ezech. A. IX V
herro. 7. erre. z. 19. Altdeutsche Gesp. nd. X.
8. erre. z. 31. Altdeutsche Gesp. nd. X.
9. erre. z. 49. Altdeutsche Gesp. nd. K.
110. erre. z. 75. Altdeutsche Gesp. nd. X.
1. V Er got. fndgr. I. 24, 30. Jüngere Physiolog. B. XII.
2. er adames. 11, 28. Wernh. v. Ndr. Rhein. mF. XIII/X1I.
cf. DWb.IV, 2. 1 125. Mnd. Wb. II. 246. Weinh. Mhd. Gr.
F. Bech. Zeitz, prgr. 1870. über doppeltes : herren hern.
ir. thüring. Nbf. zu er. Pieffenb.-W. S. 660.
selperlichait = selpherrlichk. BWb. I. 1154.
herza. 3. thaz erza. I. 22, 41. Frising. Otfrid. sF-hB. IX X.
Hl.
hieffaltra. 4. eiffalter. Germ. IX. 13 ff. gl. p. 3S\ Darmst.Sum. H. mF.XI.
himil. 5. zimile. Wackern. III. 116. Züricher Predigten. A. XII.
himilon. 6. imelot (polimita). 1. 318, 37. Carolsr. Petri Gen. mF. XI/IX.
hinaht. 7. inat. z. 24. Altdeutsche Gespräche nd. X.
hiuta. 8. lud a.z. 80. Altdeutsche Gespräche, nd. X.
eden (heute). Mnl. Gr. § 1 14, 3.
-Muri. 9. ungahnro(portentuo8e).II. 101,57. Clm. 14407.Can.B-f F?X.
hiwo. 120. sin in n. v. 1035. Monac. Heliand. nd. IX.
cf. ilch (hileich). „Anlehng an ehelich". Hess. Id. 168.
hizza. 1. izzontero (estuante). 11.416,1. Clm. 14395 Prud.A-^-B. XI.
2. izze. Zs. III. 519. v. 3. Rheinauer Paulus. A. XII.
Ho.
hodo. 3. oden(testiculi).diut.III.239. Clm. 26 1 2. Sum. H. mF. XII/XI.
hunds-oden. Schw.-Id. I. 97.
hof. 4. uf den of. v. 5098. Palatin. Rother. mF. XII.
ofstede. Wvl. Id. I. 395. mnl.
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- 121 -
hovaroht. 5. ouarohter (gyppus). I. 280,48. Alphab. Gl. Rd. A-J-of. IX.
6. ouer or (gibbus). II. 237, 24.Turic. (Rh. 35). Greg. c. p. A. X.
hol. 7. inolemfelisom. (concavissaxis). 1.252, 32. Ker. GL K.A. VIII.
8. ge o 1 ad e (exesa). II. 7 1 2, 42. Paris 9344. Verg. mF+obd. XI.
hold. 9. unolrda (diabulus). 1. 99, 30. Keron. Gl. Ra. A-f B. IX.
-hopfa. 130. uuideopa. Zs.XV.48, 11. Paris 9344. Naturgl.mF-J- obd. XI.
? hörn. 1. orohti mosci (cornipes). I. 255, 21. Keron. Gl. K. A. VIII.
hor(r)en. 2. örren (oboedire). Hatt. I. 114. Benedict. -Regel. A. IX.
3. coorest. z. 65. Altdeutsche Gespr. nd. X.
4. hnnorsami.II.322, 1. Camer. 199. Greg. inJob.nd-fobd. X.
5. hnnorsami. 11.322,1. Bonl. 113. Gr. in Job. nd-fobd.XI X.
6. hun o r s am i. II. 322, 1 . St. Omer. 1 1 6. Gr. in J. nd+ obd. XI/X .
gheorsam. Reinart. v. 2572.
gheorsam. Comb. Hds. Kansl. III. S. 113. v. 63.
hy oorde. Wvl. Id. I. 395. mnl.
houbit. 7. obde. v. 5550. Cotton. Heliand. nd. X/IX.
8. obethe. z. 1. Altdeutsche Gespräche, nd. X.
9. ovith. 21, 22. Weruher v. Ndr. Rhein. mF. XIII/XII.
140. ? oupthaftigen. dkm2. 97. z. 9. Münch. Gl. u. Bchte. B. XII.
oofd, ontooft: Wvl. Id. I. 395. mnl.
?houffo. 1. [Yjouffo (aggerum). 1.623, 45. Würzb. S. 20. Esaia. hF. IX.
oep. Flandr. Chr. v. 4681.
howi. 2.owesprenken. 38, 13. Wernh.v. Ndr. Rhein. mF. XIII 'XII.
3. hebeouue. Zf. XV, 361, Florent. Naturgl. nd+hd. XIII XI.
Hu.
huat.? 4. a«ht. z. 66. Altd. Gespraeche. nd. X.
humbil. 5. umbil.Zß. XV, 361. gl. 1665. Florent. Ngl. nd+hd. XIII/XI.
ummel, umbele. Schw. Id. IL 1295.
hund. 6. undes. z. 41. Altd. Gespraeche. nd. X.
huoh. 7. uochilichro. Zs. XV. 11 79 Florent. Sym. nd-f obd. XIII/XI.
huon. 8.unriner. (gallinac.)I. 605,8. Clm. 1 7403. Esaia. B+F?X.
hurnizza. 9. um ite. (ags?) I. 334, 24. Paris 2685. Exodus, nd-f obd. IX.
hüs. 150. Vusinari. (ostiarius). I. 197, 2. Keron. Gl. K. A. VIII.
1 . uskinozza. (domestici). 1. 277, 62. Alphab. Gl. Rd. A f oF. IX.
2. ci"us. dkm2. 75. z. 21. Reichenauer Beichte. oF. IX/X.
3. zuoflutU8. Ahd. Gl. 55,9. Zwetl. Salomon. Gl. A+B. IX/.
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122
4. us. v. 4541. Monac. Heliand. nd. IX.
5. us. z. 16. Altd. Gespraeche. nd. X.
6. us. z. 19. Altd. Gespräche, nd. X.
7. hovrus. Zf. XV, 388. Florent. 1 6.5. Suhl. H. nd-f-hd. XIII XL
JÜNGERE PROTHESE OHNE ALTE PARALLELBELEGE.
ader. ?gehäder. ..mit Sehnen und Flechsen durchwachsenes Fleisch.
Schw. Id. II. 982 f.
adebar. hadebar , halebart. und. Nbf.
hodevare. Reinart. vv. 2312. 2324.
hovaere. Wvl. Id. S. 806\
äffen. haffen. Mnd. Wb. II. 172.
aga. haga . hach etc. (cf. mnd. ogen, egen) debere. Id. Fries. 233 f.
hackt (conventus).
allouc hall auch. mnd. (mlat* alloc). Mnd. Wb. I. 57.
h o 1 1 o u c h. mkd. eine Lauchart,
alraune. höllraune. (Umdeutnng). P. Wb. IV, 2. S. 1759.
amboss. hanneposs. Cimbr. Wb. S. 1 84*.
ameise. heimeze. Bech. Btr. a. Pegauer Hdss. saec XIV/X V. L 39.
hampelte etc. WWb. S. 6.
kamenze. Hess. Id. S. 191.
h a m b e i s s i etc. etc. Schw. Id. I. 2 1 6.
hemei8e. Elsass.
ho m eise. Alem. Spr. rechts des Rheines. Birl. S. 117.
ammer. hammer, hämmerling. DWb. IV, 2. S. 316. 319.
gold h ä m m e r 1 i , gersthammer. Schw. Id. I. 218.
heramerize, Schw. Id. II. 1 276.
h a m e r e , golthamere. saec. XIV. Paul. Vocaleins. S. 40.
ampeln. hampeln = 8. ungeschickt bewegen. WWb. S. 6.
hampel (ungeschickter Mensch), hampelig. Hess. Id. S. 147.
h a m p e 1 m a n n. allgemein.
cf. gampeln-ampeln. Mnd. Wb. II. 76.
amsel. h am sei. Dfgl. 385*.
ahnden, banden. Reinart. v. 202. Rose. vv. 7950. 7951.
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123 -
anger. h an gar. Oimbr. Wb. S. 184c.
anke. hanke (ahd. ancha). Pferdehüfte. DWb. IV, 2. 455.
henkel. (Knöchel). Tirol. Weinh. B. § 190.
h a n k e-anke : Schinken. Wvl. Id. 53b.
Vansen. hansen u. ansen. Geburtateile d. Kuh. BWb". I. 112. 1135.
da n 8 e n. Fromm. Zs. VII, 400 (achwäb. Retzat).
cf ? henszebene (os podicia). Id. Fris. 253.
Anshelm. h a n 8 e 1 m e. Schw. Id. II. 1 474.
cf. Hanshelini. Q. F. III. S. 141. Sgall. Urk. a. 785.
arm harem (brachium). Comb. Hds. Kanal. III. S. 138. u. 249.
arn herne. altfries. — am. mnd. erne. holländ. Mnd. Wb. I. 128.
— - Ecke, Spitze.
Varnen. hirnen. (Oberpfalz). , , , T.,TT..> T 1163.
/u • w nachdenken; BWb-. I.
arnen (bair. Wald). 164.
asne. hast» e. (Holzgestalt). Schw. Id. I. 504.
asnen. hasnen. (Lohn, Miete.) Mnd. Wb. II. 213.
astrenze. h a r s t r ä n z e. (Pflanze). Schw. Id. I. 577.
attich. hattich. haddig (sambucus ebulus). DWb. IV, 2. 109. 560.
ebnis. hebis (Wagen-, Pflngteil). Schw. Id. 47. 1043.
edel. hedel. Flandr. Chron. v. 2476.
Bern. Ep. (Kanal. III.) v. 265.
cf. die zahlr. ahd. Eigennamen auf Hadal-.
eder. hederwnrz (coriandrum). Lmhd.Wb. I. 22.
eidechae. heidechae etc. cf. DWb. IV, 2. 802. 812. Schw.- Id. I, 94.
Birl. Alem. Spr. recht« dea Rheinea S. 1 1 7.
BWb?. I. 1053. WWb. 101. Fr. Etym. Nl. Wb. 331.
hitache etc. DWb. IV, 2. 1580.
ekel. h e ch e 1 , hekel, heikel. DWb. IV, 2. 101. Schw. Id. 1. 1 65. II. 1 1 1 8.
elmsfeuer. helmenfeuer. DWb. IV, 2. 978.
elster. häater, hätze etc. DWb. IV, 2. S. 552. 561. 1270.
hätz. hätzel. BWb-. I. 1193.
hatzle, hetali. Schw. Id. I. 625. ahd. agalaatra u. agaza.
hegeater, hextcr. Mnd. Wb. II. 224.
heiater. Brem. Wb. I. 014. hiakster. WWb. S. 101. häater. Fr.
Renter.
ende. h e n n e. (ahd. andi) = Stirn. Cimbr. Wb. 1 1 6.
engel. h e n g e 1. Mnd. Wb. II. 171.
hynghel. Wvl. Id. I. 395. mnl.
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124
cf. die asahlr. ahd. Eigennamen auf Heiigil-.
ennesit. hensit. (Frankf. a/M. saec XIV.) Dieffenb.-W. S. 664.
hemmesit. (jenseit). Mnd. Wb. II. 238.
eren. hehren (= ackern). Luther I. 314b. DWb. IV, 2, 791.
haerne = arend. Wvl. Id. I. 395. mnl.
ertag. Heritages. Altenb. (österr.) Urk. a. 1300. Burger S. 97
(sonst Erihtac. z. B. a. 1308. 1311. Erdtag. a. 1322.
heartach. Cimbr. Wb. 1 17*.
cf. Heresburg. 2mal für Eresburg. Altlioff. S. 49.
ßte. ete. heide, h6de, hßte. Hess. Id. 1162. cf. Fris. Haita-Ajita.
obese. h o v e s a c h e (?) = Dachtraufe. Schwab. Sp. 398, 3.
olbente. holf. Mnd. Wb. II. 310.
uke. büke, hucke (Kröte), cf. WWb. S. 282.
cf. ucha(bufo). If. 384. uche. Innspr. 71 1 . gl. 680. Mone 7,587 ff.
auk, auke (inhd. ouke). BWb?. I. 1311.
unten, h unten, (aus hie unten ?). Dffb.-W. S. 663.
Uetliberg. Hüetliberg. Schw. Id. II. 956. art. hiieb.
uzen. hüzen. (necken). WWb. S. HO.-Mansfeld. M.-A. (Jecht).
cf. hiuze. munter, frech. Lmhd. Wb. I. 1311.
FREMDWÖRTER.
adieu. hadje(s). häufig.
avaria. havarie, haferei. DWb. IV, 2. 126.
agouter. ? h a g ü t e". Getöse machen (v. Windstössen). Schw. Id. II. 1078.
agrimonia. hagermöndli. Schw. Id. I. 1 27.
acheln. (jüd.) h ach ein. (österr.) messen. BWb". I. 1041.
ale. ?hollys, olies. Lübeck. Urk. 4, 553. Mnd. Wb. II. 288.
alerte, halärsch. Schw. Id. I. 172. IL 1129.
allegro. h aleger etc. Schw. Id. II. 1129.
alleluia. halleluja. DWB. IV, 2. 232.
ama. ham, harne. Aichmass. Lmhd. Wb. I. 1162.
BWb. I. 1105. Mnd. Wb. I. 74. II. 171. 182.
amen. harnen. Reinart. v. 619.
amerella. h ä m m e r 1 i n g. (prunus amerella). DWb. IV, 2. 319.
America. Hameriga. E. Bormanu. Ued. eines Leibzgers.
angusti- hengs (poa angustifolia). DWb. IV, 2. 985.
ä propos. hopperobo. Schw. Id. IL 1485.
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- i 25 -
arciero. harschier, hartschier. LmhdWb. I. 1190.
Schw. Id. II. 469 f. BWb*. I. 1170.
arena. harein. Schw. Id. II. 1078. (Art. harnten),
arlequin. harlekin. DWb. IV. 2. 1480.
(h)arnes. hämisch. DWb. IV, 2. 488.
arpon. harpune. DWb. IV, 2. 492. — Fr. Etym. Nl. Wb.
Arras. h arras (mlat. arracium). Flandrisches Tuch.
cf. LmhdWb. I. 1188. MndWb. II. 251.
Rückert. Schieß. M.-A. S. 166.
ascia. hasche, hatsche. (Beü). LmhdWb. I. 1192. DWb. IV, 2.558.
hautbois.h oboe -oboe. DWrb. IV, 2. 731.
ebena. heben holz. DWb. IV, 2. 731.
eleeison. heleise (Processionsfahne). Schw. Id. II. 1142.
emina. hemete. Und. Wb, II. 238.
himpten, himten, himpen. DWb. IV, 2. 1371.
Erasmus. Her asm us. Mnd. Gr. § 44, 3.
erodius. heergans (heerfalke). DWb. IV, 2. 757.
cf. (h)eringries (alietum)?
executio. hexecution. Moscher osch. II. 811.
extra, hegätre. Schw. Id. I. 624.
infula. hifele. Schw. Id. I. 327.
isopus. hispe. DWb. IV, 2. 1579.
oblata. hoflete, hofflete. Schw. Id. S. 115.
oblige. höblische. Schw. Id. 948.
08cillum. hotze, hotzelreide. (Wiege). LmhdWb. I. 1346.
ulan. hui Iah ne. nnd. md. allgemein.
ulsnick. hulsnach (selinum palustre). „Blav.M? Mnd. Wb. 1. 60.
unda. zü den hunden. Birl. Alem. Spr. r. d. Rh. S. 117.
JÜNGERE APHÄRESE.
hachel. messachel. Messgewand, ahd. hachul. Schw. Id. 65.
hanrit. amit (— Umzäunung). Lmhd. Wb. I, 51.
ameyde. almeyde (Anlehnung an almende?). Mnd. Wb. II. 183.
hahn. aenbalke. Reinrert v. 1612.
krüane. Schw. Id. II, 1308 (nicht mehr verstanden).
Hansa. Ansestadt. Mnd. Gr. $ 44,3. cf. : mlat ansa.
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— 126 -
„Saguntina prosopopoeia der löbl. Anse- nun
Anzweh-Stadt Magdeburg. Flieg. Bl. a. 11531.
heilig. gheailighet. aüighen. Cimbr. Ratechism. S. 2 u.U.
heim. baggere ey iure cht. Mnd. Wb. II. 175.
eymelic Fr. innl. Gr. § 114,3.
herb. erbast toat. (herbste Tod). Cimbr. Wb. S. 48.
himbeere? immer te u. ambi. WWb. 6(5.
ampe. (Isenburg.). Hess. Id. 10.
imbere. Birl. Alem. Spr. r. d. Rh. S. 117.
hin- enweg- (a., de-), diut. IL 200. 210. 211. Nd. XIII.
ent au. WWb. (57. cf. Schm. B. M.-A. § 500. etc.
hippen. holippcn. (gebäck). LmhdWb. I. 1326. BWb*. I. 1139.
hoffen, offen. LmhdWb. IL 142. (Krolew. 2661. Str. Alex. 380.
M.-S. 113'. 166b. 173b. Graz. Benedict.-Reg. 24".
Trebn. Ps. 33, 23. („Hörfehler, nicht Schreibfehler"),
hoch. ochgezit. Nibel. A. 1309, 1. n. AVeinh. A.
oech. Reimert. v. 509.
oghen, oegen. vv. 79(5. 2109. 6901. oemesse. vv. 3025. 3032.
oeverdich. Flandr. Cliron. vv. 3109. 3183.
omoedicheden. 150,276. omoet. 150,278.
overden. 220, 13. Comb. Hds. : Rangier III.
holz. out. Fr. Mnl. Gr. § 114, 3.
hosen, harn esc hosen. Mnd. Wb. IL 209.
cf. Schreibungen wie Kirchof, Rilchof ;
vleichower. Rückert. Schles. M.-A. S. 166. etc.
hundert, ondert. Flandr. Chron. vv. 2669. 2789.
hunger. ungherich. Reimert. v. 1524.
cf. ungres . Heliand. Cotton. 2824.
FREMDWORTER.
habilis. abil, abel, abelike, abelheit. Mnd. Wb. I. 2 f.
habitus. ab it. Lmhd. Wb. I. 15.
abijt. Flandr. Chr. w. 78. 2785.
abyt. Id. Fris. S. 5.
haeresia. eresie. Lmhd. Wb. I. 626.
hälah. hebr. a lohen — betteln. Schw. Id. L 187.
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— 127 —
hannonia. anno nie. Lmhd. Wb. I. 95.
hectica. etica. Lmhd. Wb. I. 714.
helenium.elna. rand. (u. mlat). nnd. hilna. (inula helen.) Mnd. Wb. I. 50.
hermodactylus. ermodatten. Mnd. Wb. I. 724.
hippocras. ippencras. Mnd. Wb. II. 390. (Gewürzwein).
üpikraz. Schw. Id. I. 365 f.
homilia. omelie, omelier. Lnüid. Wb. II. 156.
höra. ore, or. Stunde, orglocke. Stundenglocke. Lmlid. W. I. 1339 f.
orolei, urlei (horologium). II. 164 f. orli, Schw. Id. I. 452.
(höre = Uhr. Mnd. Wb. II. 300. hure Comb. Hds. regelm.
horizont. orizon. Lmhd. Wb. II. 167.
horribilis. nribel. Schw. Id. I. 420.
hostia. ostie. z. B. Wack. Zur. Predigt. 41, 155. Ende saeo XIV.
ostei. BWb. I. 1 186.
humerale.umerale. Hess. Urk. II. 857. (Weinh. Mhd. Gr.)
um ler. („Anlehnung an: um"). Schw. Id. 233.
hydor-. iderslange, ydromancie. idromel. LmhdWb. I. 1412 f.
hymnus. ymne, imps, ymnodie. imnaere, Linhd. Wb. I. 1422.
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QUELLEN UND FORSCHUNGEN
ZUK
SPRACH- UND CÜLTÜRGESCHICHTE
DKR
GERMANISCHEN VÖLKER.
HKRAU8GKGEHEN
VON
BERNHARD TEN BRINK, ERNST MARTIN,
ERICH SCHMIDT.
■
LXX.
STUDIEN ZUR GESCHICHTE DER ITALIENISCHEN NOVELLE IN DER ENGLISCHEN
L1TTERATUR DES SECHZEHNTEN JAHRHUNDERTS.
HTKAS8HUKU.
K AHL J. TRÜBNER.
1892.
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STUDIEN
ZUR
GESCHICHTE DER ITALIENISCHEN NOVELLE
IN DER
ENGLISCHEN LITTE RATUR
DES SECHZEHNTEN JAHRHUNDERTS
VON
EMIL KOEPPEL.
8TRA88MT&Ö.
KARL J. TRÜBNER.
1802.
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v. 70
O. Oito'« Hof-nuohdruffkprol in Diirinmnclt.
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VORWORT.
Die Notwendigkeit der folgenden Studien ergab sich
mir bei dem Versuche einer zusammenfassenden Darstellung
des Einflusses der italienischen Novelle auf das elisabethanische
Drama. Ich vermisste bei dem Entwurf des Planes einer
solchen Schilderung auf Schritt und Tritt eine Arbeit über
die Werke, welche den Engländern die italienischen Novellen
in englischer Prosa boten. In diese Lücke sollen sich die
nachstehenden Untersuchungen einfügen — ausfüllen werden
sie dieselbe freilich nicht. Denn der Weg von München nach
England ist ein weiter, und der Wunsch, ihn zu durchmessen,
nicht so oft zu erfüllen, als mau möchte und es nöthig wäre.
Das von mir gesammelte Material wird deshalb noch manche
Ergänzung zulassen, doch hoffe ich keine der ncnnens-
werthen englischen Novelleusammlungen ganz unerwähnt ge-
lassen zu haben.
München, Juli 1891.
Emil Koeppel.
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INHALT.
Seit«..
I. William Painter's Palace of Pleasure 1
II. Geoffroy Fenton's Tragioall Discoursea 13
III. Edmund Tilnay's Flowor of Friondshippe 18
IV. George Pettie's Pettie Palace of Pettio his Ploasure . . 21
V. George Whetatone 30
VI. Robert 8myth 41
VII. Henry Wotton 43
VIII. H. Ca Forrest of Fancy 44
IX. Barnabe Riohe 47
X. Robert Greene 51
XI. Bryan Melbancke 59
XII. Tarlton's Newes 62
XIII. The Cobler of Caunterburie 65
XIV. Thomas Lodge 68
XV. Westward for 8melte 71
XVI. The Jest-Books 77
Tabelle der englischen Übersetzungen 79
I. Boccaccio 79
1. II Deoameron 79
2 II Filocolo 88
II. Bandello 89
in. Giraldi Cinthio 98
IV. 8traparola 99
V. Ser Giovanni Fiorentino 99
VI. Machiavelli 99
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I. WILLIAM PAINTER'S 'PALAOE OP PLEASURE'
156768.
„Die schlimme Winternacht und den langen Sommer-
tag soll mein Buch den Leaern kürzen, Reisenden ein heiterer
Gefährte sein. Und weil schon Tullius, der Fürst aller Redner,
sagte, es sei ein Vergnügen Geschichten zu lesen, habe ich
dieses Werk schicklich den 'Palast des Vergnügens' genannt."
In diesem Sinne äussert sich William Painter in seiner Epistel
To the Reader, die er dem ersten Bande seiner Novellen-
sanimlung vorausgeschickt hat. Dass ihm der Lohn seiner
Mühe wurde, der Beifall seiner Landsleute, beweist die rasche
Folge der Fortsetzung, des zweiten Bandes. Dem modernen
Menscheu wird hierdurch zugleich bewiesen, mit welch an-
spruchslosem und dankbarem Publikum es die glücklichen
Erzähler des 16. Jahrhunderts zu thun hatten.
Denn Painter erzählt nicht gut. Er ist ein gelehrter
Mann, ein sprachkundiger und gewissenhafter Ubersetzer —
aber er schreibt einen breiten und reizlosen Stil. Man wundert
sich, dass sich dieser ernste Mann, der, sobald er selbst das
Wort ergreift, einen hochmoralischen Ton anschlägt, zum
Dolmetscher der leichtfertigen italienischen Gesellschaft machte.
Ihm selbst scheint es bei der Sache nicht immer ganz wohl
gewesen zu sein , er bringt wenigstens wiederholt Entschul-
digungsversuche an. Wie schon Chaucer seine freie , dem
Wesen der Sprechenden angepasste Rede damit rechtfertigte,
dass ja auch Christus deutlich zu reden liebte (Crist spak
him-self ful brode in holy trrit Prol. 739), so verweist Painter,
nachdem er von dem schändlichen Leben der Countesse of
QF. lxx. 1
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2 I. WILLIAM I'AWTKR'ft I'ALACE OK IM.KASL'RK 1.W8
Celan t berichtet hat, auf die heilige Schrift, iu der auch von
lasterhaften Personen die Hede sei und die man doch lesen
müsse.
So gering der künstlerische Wert der PainterVhen
Novollensammlung ist, in der (ioschichte des italienischen
Einflusses nimmt sie, als die erste ihrer Art, gleichwohl eine
bedeutende Stelle ein. Ks ist deshalb sehr erfreulich, dass
sie jüngst weiteren Kreisen zugänglich gemacht wurde durch
einen prächtigen Neudruck , besorgt von Joseph Jacobs.1
Das uneingeschränkte Lob, welches der äusseren Ausstattung
dieses Neudrucks zu zollen ist, kann leider nicht auf den
Theil der Einleitung ausgedehnt werden, der sich mit den
» Quellen der einzelnen Erzählungen beschäftigt. J(acobs) hat
die Untersuchungen seines verdienten Vorgängers, Joseph
Haslewood, aufgenommen, ohne sie einer genauen Prüfung
unterworfen zu haben, so dass verschiedene Irrthümer Hasle-
wood's in die neue Ausgabe übergegangen sind. Wir sind
deshalb genötigt, uns die in den Bereich unserer Studie
fallenden, aus italienischen Autoren übersetzten Erzählungen
nochmals, nach ihren Quellen geordnet, vor Augen zu bringen.
1. BOCCACCIO.
Trotz seiner Bewunderung der schönen Prosa Boccaccio'*
findet Paintor doch nur den sechsten Theil seiner Novellen
»
zur Aufnahme geeignet; gar manche Erzählung des „Decn-
meron" verdiene es, zu ewigem Gefängnis* verdammt zu
werden (J. I p. 11). Er hat auch in der That nur folgende
16 Novellen Boccaccio's übersetzt:
v o 1. I (Datum der Widmung: theßrst ofjanuarie 1566) : 2
No. 30 A question of Saladine — Dec. I 3
„ 31 Ermino Orimaldi = „ I 8
1 The Palace of Pleasure. Elizabethen Veraions of Italian and
French Novels from Boccaccio, Bandello, Cinthio, Straparola, Queen
Margaret of Navarre, and others done into English by William Paintor.
Now ngain edited for the fourth time by Joseph Jacobs. 3 vols. Lon-
don, David Nutt, 1890.
* Dieser Band enthält 60 Novellen. In der dritten Auflage vom
Jahre 1575 bietet er 6 Novellen mehr (nicht 7, wie bei J. p. XLVIII
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1 . BOCCACCIO.
No. 32 Maister Alberto of Bologna — Dec. I 10
„ 33 Rinoldo of Esti = „ II 2
„ 34 The hing of England'* doughter „ II 3
„ 35 Landolpho Ruffolo — „ II 4
„ 36 Andreuccio = „ II 5
„ 37 The Erle of Angiers = „ II 8
„ 38 Giletta of Narbona = „ III 9
„ 39 Tancredi = , iVl'
vol. II (Datum der Widmung: the IUI. of November
1567) : *
No. 16 The Marchionisse of Monferato = Dec. I 5
„ 17 Mistresse Dianora — „ X 5
„ 18 Mithridanes and Nathan — „ X 3
„ 19 Mistresse Katherine of Bologna = „ X 4
„ 20 Of Maister Thorello and Saladine — „ X 9
„ 31 Mistresse Helena of Florence = „ VIII 73
Paintcr äussert sich selbst bescheiden über den Werth
seiner Übersetzungen aus dem Italienischen: Other Nouels
haue I adioyned, chosen out of diuers Italian and Frenche
tcryters. W herein I confesse my seife not to he so well tray-
neth pervduenture, as the Jim heads of suche trauailers would
desire, and yet I trust sufßciently to expresse the sense of
euerye of the same (J. I p. 10 f.). Die Worte beruhen auf
richtigster Selbsterkenutniss : Painter's Übersetzungen sind
schwerfallig, aber genau. Er hatte sich, bevor er an's Über-
setzen ging, eine für seine Zeit sehr gründliche Kenntniss
des Italienischen erworben, es lassen sich ihm in den Über-
setzungen aus dem „Decamerouu nur wenig Fehler nach-
weisen.4 Im Ganzen hält er sich ängstlich an den Text
bemerkt ist). Sämmtliche aus dem Italienischen stammenden Novellen
sind schon in der editio prinoeps zu lesen.
1 J. (p. LXXIV) verweist bei den Nachahmungen dieser Novelle
auf Turbervile Tragioal Tales* IV. Turbervile's Diohtung beruht je-
doch auf Dec. IV 9 (cf. Anglia XIII 50).
» Enthält 34 Novellen; in 2. Auflage 35 (cf. J. I p. XLIX sq.).
3 Nicht Dec. VIII 8, wie J. p. XC bemerkt.
4 Manchmal sagt er allerdings gerade das Qegentheil von dem,
was Boccaccio sagt, vgl. Dec. II 3 AUsaandro . . . feceyli la aua camern
fare nrl tueno diangiato luoyo della caaa — J. I p. 133 Almravdrn . . .
1*
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4 I. WILLIAM I'AINTER S PALACK OK l'LKASUKE 1567 8.
seiner Vorlage, eine boachtenswerthe Kürzung bemerken wir
nur in der Geschichte des Riualdo d'Asti (I 33; bei J. I
p. 129) — beachtenswert!!, weil sie als ein dem Schicklich-
keitsgefühl gebrachtes Opfer erscheint. Immer hat jedoch
diese Stimme des Anstauds nicht gesprochen, l'ainter hat in
audereu Novellen auch recht anstössige Stellen getreulich
übersetzt.
Eine Erweiterung zeigt uns nur der Schluss von I 32
(J. 1 p. 123 f.), wo Painter in ziemlich thörichter Weise ein
Stück des Rahmens des „Decameron" herübergenommeu und
breiter ausgeführt hat. Im zweiten Band, in welchem er sich,
durch den Erfolg des ersten Randes gehoben, überhaupt
etwas freier bewogt, hat er jeder Novelle eine selbständige,
mit den Früchten seiner Belesenheit geschmückte Einleitung
vorgestellt.
Die Überlieferung des Textes ist eine gute; an einigen
Stellen hätte J. offenbare Corruptelen mit Hilfe des italie-
nischen Textes mühelos beseitigen können.
eaused a Chamber to be made redie for him seife in the teorste place of
the honse ; Dec. IV 1 Ghismonda . . . dolore inestimabile senti , ed a
mostrarlo con ronwrey e con lagrime, come il pitt le /entmine fanno, fn
assai rotte ricina : nut pur qttesta viltä vincendo il sno animo ulticnt etc.
= I p. 184 Gismonda . . . coneeiued an inest imaLle sorotre, vttering Ihr
Harne mang time?, teith otttrries and schrerhes, aecording to ihc maner
of womeu (dieselbe. Entstellung de« Originals finden wir in William
Walter'* Gedicht, vgl. Zupitzn in Ooigers VierteljahrsHchrift I 80).
Weniger auffällige Fehler bemerken wir J. I p. 120, 122; II 356, 372;
III 336 z. 17, 344, 352.
1 J. I p. 158 as I see agahtst the fierie flames — lies Ist —
Dec. II 8 come il ghiaccio al fuoco ; II p. 352 f. thereby to great renowme
— Heu gel — Dec. X 3 per direnir famoso ; I p. 138 z. 1 lies •* für
das zweite in. An anderen Stellen kann man zweifeln, ob ein Versehen,
dos Übersetzers oder eine Verderbniss der Überlieferung vorliegt: I p. 170
his mother in Latce — dor Zusammenhang fordert her; p. 175 diuers
aupplications teere made rnto htm to alter his opinion, but all in raiue
— dio Vorlage vorlangt her cf. Dec. III 9; p. 187 Z. 4 v. u. cottering it
— lies uncovtring = Dec. IV 1 e quell a scoperchiata ; II p. 374 a man
of jno] great estimation = Dec. X 9 toi eavalier prorenzale di picrol
ralore ; III p. 341 Z. 17 v. u. ist wohl not zu streichen, vgl. Dec. VIII 7;
p. 336 Z. 15 v. u. zeigt der englische Text eine Lücke, vgl. Dec. ib.
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2. bandeIjLO.
2 HANDELLO.
Reichlicher als Boccaccio int im Talaee' einer seiuer
fruchtbarsten Nachfolger, Bandello, vertreten, obwohl ihn
Painter stilistisch tief unter den Vater der italienischen Prosa
stellt. Er bietet seinen Lesern deshalb nicht eine Übersetzung
der italienischen Originale, sondern der Übersetzungen der
Franzosen Pierre Boisteau, genannt Launay, und Francois
de Bollc-Forest, die den Text Bandello's mit grösster AVill-
kür behandelten und in einer, nach modernen Begriffen, uner-
träglichen Weise verbreiterten. Painter gibt ihren Versionen
jedoch unbedingt den Vorzug: Out of Bandello I haue sclvcted
seuen, chosing rather to follow Launay und Belli -fürest, the
French Translotours, than the harren soile of his oun vain
wlto bring a Lombard, doth frankly confesse himselfe to be
no /ine Florentine, or trimme Thoscane, as eloquent and gentle
Boccaccio tras (Kpistte to the Reader, J. I p. II).1 Der erste
Band des Talace* enthält allerdings 7 aus dem Französischen
übersetzte Novellen Bandellos, hiezu kommt jedoch noch eine
direct aus dem Italienischen übersetzte Erzählung, so dass er
im Ganzen 8 Novellen Bandellos bietet. J. I p. LXVI be-
merkt ausserdem bei No. 11 (King Cyrus and the Ijxdie
Fanthta) Source: Probably Bandello III 9 ; Origin: Xenophon
(giüen as source by Painter). Painter hat seine Quelle ganz
richtig angegeben, seine Erzählung hat mit Bandello's Novelle
nichts gemein; sein Bericht beruht entweder auf Xenophon
selbst oder auf einer Übersetzung der 'Oyropacdia'.2 Der
1 Painter steht mit seiner Werthsohätzung Launay 8 nicht allein.
Der Sprachlehrer Claudius Hollyband empfiehlt «einen Schülern gleich
nach der Bibel die Werke dieses beredtesten aller französiHchen Autoren:
Then let him [the leamer} take in hand <iuij of the trorkes of Monsieur
de Launay, otheraise called Pierre Boaystuau , as the best and tnost
elotfiicnt tcritev of our tomjue. His trorkes he le *Theatre du monde\
the 'Tragkall Historie*' , the 'Prodif/ious histories* (cf. The Frenche
Littelton: A most easie, Porfect and absolute way to learne the frenche
tongue: Seth forth by Claudius Hollyband. London 1581; in der Wid-
mung).
8 Auf eine englische Übersetzung Nicolas Grimoald's verweist
Warton (HEl\ 1871, IV 49); dieselbe scheint jodoch nie gedruckt
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I. WILLIAM paintkr's palacg uf plkasuke 1567 8.
erste Band des 'Palace* briugt somit folgende Novellen Ban-
dellc/a :
vol. I. No. 27 The foue of Antiochus with faire Stratonica
= Band. II 55 '
J. I p. LXX verweist als Quelle auf: Plutarch, Demetrius
(probahly in AmyoCs trunslation). Aber Paiuter gibt ja selbst
seine Quelle in unzweideutigsten Worten au: Although the
wyse Philosopher Plutarche, elegant ly and brießye describeth
this Historie , in the Life of Demetrius: yet hi cause Baudeflo
aptlye and more at large doth disrourse the same, 1 thought
good to apply my pen to his stile. Er bietet in der That
eine genaue Übersetzung der Novelle Bandello's. Belieferest
bringt diese Geschichte erst in seinem vierten, 1570 abge-
schlossenen Bändchen.2
No. 40 Hyerenee the faire Greeke — Lauuay Hist. 2 3
(Band. I 10).
„ 41-4 Ladie falslie accused ■-- Belieferest Hist. 8
(Band. I 24).
„ 42 Didaco and Violenta — Launay Hist. 5
(Band. I 42).
worden zu sein. Von den französischen Obersetzungen habe ich ver-
glichen: La Cyropedie de Xenophon .... Traduite do Graec en langue
Francoyse, par Jacques de Vintemille, Rhodien. Paris 1547. Painter's
Erzählung beruht auf Ii. V oha. 1, VI 2, 3, 9 VII 4; sein Text steht
dem der französischen Version sehr nah, doch lassen kleine Differenzen
erkennen, dass sie nicht seine Vorlage gewesen sein kann.
1 cf. La Prima, Seconda, Terza Parte de le Nouelle del Bandello.
In Lucca per il Busdrago 1554; 3 vol1
• cf. Le Quatriesme Tome des Histoires Tragiqucs . . . . A Turin,
par Jerosme Farine 1571. Datum der Widmung: De Paris ce 3. de
May 1570. Enthalt Hist. 55-80; cf. Hist. 63.
3 cf. XVIII Histoires Tragiques Extraictes des oeuures Italiennes
de Bändel, et mises en langue Francoise. Les six premieres, par Pierre
Boisteau, surnomme Launay, natif de Bretaigne. Les douze suiuans,
par Fran. de Belle - Forest , Gomingeois. L'an de grace MDLX s. !.
Ich citiere die französischen Gesohiohten nach der fortlaufenden Num-
merierung dieser Ausgabe, diu mit Belieferest keine neue Zählung be-
ginnt. Brunet yerzeichnet eine Ausgabe dieses ersten Bändelten* der
HT. vom Jahre 1559, und halt es, da die Druckerlaubnis vom 11. Januar
1558 datiert ist, für möglioh , dass noch eino frühere Ausgabe be-
standen hat.
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2. BANDELLO.
7
No. 43 Of a Ladie of Thurin — Launay Hist. 4
(Band. II 12).
„ 44 Alerane and Adelasia = Bei. Hist. 7
(Band. II 27).
„ 45 The Duchesse of Suuoie = Launay Hist. 6
(Band. II 44).
„ 40 The Countesse of Saleshurie = Launay II ist. 1
(Band. II 37, nicht II 26, wie ,1. I p. LXXVI angibt).'
Für den zweiten Band des Talace' hat Painter öfters
unmittelbar aus Bandello geschöpft. Er bringt mehrere
Novellen, die Belieferest erst im dritten und vierten Bändchen
der 'llistoires Tragiques' veröffentlichte, und eine, die der
Franzose überhaupt nicht übersetzt hat:
vol. II No. 4 Ariobarzanes — Band. I 2 (Bei. llist. 53)
,, 5 Aristotimus the Tyrant — Band. III 5 (Bei.
Hist. <>9)
„ 7 Sophonisba - Band. I 41 (Bei. Hist. 43) 2
„ 9 A Gentlewoman of Hidrusa = Band. I 50 (Bei.
Hist. (57)
,10 Faustina the Einpresse — Band. I 36 (Bei.
Hist. 59)
n 21 Anne the Queene of Hungarie = Band. I 45
(Bei. Hist. 60)
„ 22 Alexander de Medkes Duke of Florence =
Bei. Hist. 12 (Band. II 15)
1 J. I p. LXXIX vorweist ferner zu No. 58 .1 President of Gre-
uuble aduerlised of the ill gouemement of his wifey foofe such order,
thnt his honest ie was not diminished, and yet reuenged the facte, welche
Erzählung Painter au» den 'Contes do la Reine de Navarre* übersetzt
hat, wegen der Stoffflhiilichkmt auf Bandello 1 35. Diese Novelle handelt
allerdings auch von der Bestrafung einer zuchtlosen Gattin, aber die
Nebenumstände sind ganz verschieden. Die französische Erzählung ist
vielmehr eine tragisch gewendete Version von Bandello I 11: Un
Senatore trou t/ulo la inoglie in adirfterio, fa Vadtdtero fuggire. e salua
il 8UO honore insieme con quello de la tnoglie.
9 cf. Lc Troiaierae Tome des Histoires Tragiques A Turin,
par Cesar Farine 1569. Datum der Widmung: I>t Paris ce I de Xe/>-
tembre J5ötf. Enthält Hist. 37-54.
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8 1. WILLIAM PAINTER'S PALÄCE OK PLBA8URE 15H7 8.
No. 23 The Duchesse of Malfi = Bei. Mist. 19«
(Band. I 2ß)2
„ 24 7%e Countesse of Celant = Bei. Hist. 20
(Band. I 4)
„ 25 Rhomeo and Jttlietta ^ Launay Hist. 3
(Band. II «)
„ 26 2W Gentlewowen of Venire - Band. I 15
(Bei. Hist. 37)
„ 27 The Lorde of Virle =- Bei. Hist. 1 3 (Band. III 1 7).
„ 28 A Ladt/ of Boeme = Band. I 21
„ 29 Dow Z)te£o ffwrf Gineura — Bei. Hist. 18
(Band. I 27)
„ 30 Salimbene and Angelira = Bei. Hist. 2t (Band.
I 49; nicht 46, wie J. I p. XC bemerkt. J.
gibt Bandello als Quelle an, während er Belie-
ferest, aus dem Painter übersetzt hat, gar
nicht erwähnt).
„ 33 The Lords ofNocera = Bei. Hist. 23 (Band. I 55)
„ 34 (35 in der zweiten Auflage) The Kinge of
Marocco = Bei. Hist. 24 (Band. I 57).
Ausserdem citiert J. I p. XC Bandello 1 35 als Quelle
der 32. Novelle des zweiten Bandes, überschrieben: A Gmtle-
woman and Wydow caUed Camiola of hir owne winde raun-
somed Roland the Kyng's Sonne of Sicilia, of purpose to haue
htm to hir Husband, who when he was redeemed vnkindly
denied hir, agaynst whom very eloquently , she inueyed t and
1 of. Des Histoires Tragiques, Tome Seoond . . . . A Turin, par
Cosar Farine 1570. Die Widmung ist datiert: De Paris, ce vingtrnumt
d' Aoust, mil cinq cens soixeante cing. Enthält Hist. 19 36. Brunct be-
merkt 'Manuel du Libraire' (Paris 1860) s. v. Bändel, dass dem ersten
Band der H. Tr. im Jahre 1569 zwei weitere Bände folgten; das Datum
der Widmung des zweiten Bandes und Painter's und Fenton's Über-
setzungen aus demselben beweisen jedoch, dass der zweite Band schon
früher, 1565 oder, da ihn Painter erst im zweiten Bande seines 'Palacc*
benützt, 1566, erschienen sein muss.
2 Warum J. I p. LXXXVII bei dieser Novelle und bei No. 27,
29, 33, 35 Bandello als Source and Origin bezeichnet, Belleforest hin-
gegen nur unter der Rubrik Parallel» erwähnt, ist nicht ersichtlich.
Painter hat aus Belleforest übersetzt.
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2. BANDELLO.
although the Law proued him to be hir Umband, yet for his
vnkindnes, shee ctterly refused hiw. Dass hier ein Irrthura
vorliegt, erkennen wir auf den ersten Blick; J. hat ja eben
diese Novelle Bandello's, welche eine grundverschiedene, im
eigentlichsten Sinne des Wortes schmutzige Ehestands-Ge-
schichte erzählt, bereits bei der 58. Novelle des ersten Bandes
wegen der Stoffahnlichkcit angeführt (vgl. oben p. 7 Anm. 1).
Wir werden die Geschichte der Camiola bei Bandello über-
haupt vergebens suchen; aber, obwohl Painter in der Ge-
schichte selbst seinen Gewährsmann nicht erwähnt, können
wir ihn doch mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit bestimmen.
Painter nennt zu Anfang des zweiten Bandes 24 von ihm
benützte Autoren. In dieser Liste wird uns unter den neueren
Schriftstellern der Name des von Painter noch nicht in Con-
tribution gesetzten Baptista Campofulgosus auffallen, der ein
umfangreiches Compcndium verfasst hat, betitelt: 'Exemplorum,
Hoc est, Dictorum Factorumque Memorabilium, ex certae
fidei ueteribus et recentioribus historlarum probatis Autoribus,
Lib. IX'. 1 In diesem Werke finden wir Lib. V Cap. III
De Ingratis unter der Uberschrift De Rolando Petri Siciliae
regis fratre et Comiola (p. 613 ff.) Painter's Geschichte. Doch
muss dieser noch eine andere Quelle benützt haben, denn er
erzählt viel breiter als Campofulgosus, und führt Thatsachen
und Namen an, die jener nicht erwähnt.
Auch bei diesen Übersetzungen aus dem italienischen
und französischen Bandello bewähren sich Painter's sprach-
liche Kenntnisse ; wir könnten ihm nur eine verhältuissmässig
geringe Zahl von Missverständnissen nachweisen2. Auch
hier hält er sich im Ganzen gewissenhaft an seine Vorlage.
Doch bemerken wir, von den unabhängigen Einleitungen ab-
1 Basileae, ex officina Henric Petrina. Col: Anno MDLXVII
Mense Augusto.
* Ein auffalliger Lapsus ist ihm vol. I No. 41 pasßiert, wo er
Belleforcst's Bemerkung: Et Bniazet semblablement, ne feist il pas
teste au grand Tamberlatt, t/ut s'appelloit le ßeau de Dieu mit
einem groben Verstoss gegen die historische Wahrheit übersetzt: Avd
Bainzet likewyse, did not he cut of the he ad of the <ireate
Tamburlain, which called himselfc the scourye of God (cf. J. I
p. 193).
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10 I. WILLIAM PVINTERS l'VLVCK OK PI.K^URE 1 ")fi7 8.
gesehen , manchmal auch in den Novellen selbständige Er-
weiterungen Painter's. 1
:i. <ER GIOVANNI FIOHENTINO.
vol. I No. 47 Gabjano and Madonna Minorcia - Peeurotie2 1 1
„ 4S A Duke of Venice and Ricciardo - „ IX l
4. STRAPAROLA.
vol. I No. 49 Phiknio Sisterno — Piacevoli N«»tti * II 2.
5. GIRALDI CINTHIO.
vol. II No. 11 Two Maidens of Ca rth a r/e — Ilecat. ' IX S
15 Euphemia of Corinth — „ VII 1 10.
Das Ergebnis*» unserer Zusammenstellung ist, dass Paiuter
in seinen 'Palace' 4b* italienische Novellen aufgenommen hat
— 18 aus Boccaccio, 25 aus Uandello (wovon 9 aus dem
Italienischen, die übrigen aus dem Französischen übersetzt
sind), je 2 aus Ser Giovanni Fiorentino und Giraldi Cinthio,
1 aus Straparola. Er steht somit tief in der Schuld der ita-
lienischen Novellatori; doch ist es nicht unmöglich, dass er
die erste Anregung zu seiner Sammlung durch die frauzösiche
Ubersetzung Bandello's, die Histoires Tragiques', erhielt.
J. hat p. XXX f. seiner Einleitung die abfälligen
Äusserungen E. Döring 8 (1572) und Stephen Gosson's (1580)
1 So gibt er z. B. II 24 für Belleforest's Anspielung: Je «fdi/ oii
c'eut qne ma chaussure me presse et blesse die ganze Anekdoto zum
Beuten (of. J. III p. 47); II 26 findet sich ein Excurs über die Sog-
nungett der Ehe (ib. p. 143 f ) und in dieselbe Novelle ist ein Gedicht
eingeschoben (ib. p. 129 f.).
' cf. II Peoorone di Ser Giovanni Fiorentino, nel quäle si con-
tengono cinquanta noveüe antiohe, belle d'inventione e di stile. In
Milano Appresso di Giovann' Antonio de gli Antonij MDL VI II.
* cf- Le Piacevoli Notti di M. Giovan-Francesco Straparola [ge-
druckt: Straparola] da Caravaggio. Col. : In Vinegia per.jComin da
Trino di Monferrato. L'auno MDLI.
* cf. De gli Hecatommithi di M. Giovanbattiata Giraldi Cinthio
Nobile Ferrarese. In Vinegia MDL XVI. Approsso Girolamo Sootto.
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1. WILLIAM PAINTER'S FALACK OK FLEASÜRK 1567 8. 11
über den 'Palace' angeführt. Auch Francis Thynne wirft in
der 'Üebatc between Pride and Lowliness' (ca. 1580) einen
tadelnden Seitenblick auf Amadis de Gaule, the Pallas f[a]rced
with Pleasure, und die Ballads that entreate of nought but
loue !. Rühmend erwähnt fand ich den 'Palace* hingegen in der
R. B. unterzeichneten Epistel To the gentle Gentlewomcn
Readers der um 1580 veröffentlichten, vermutlilich dritten
Ausgabe von George Pettie's 'Pettie Pallace of Pettie his
pleasure'. R. B. sagt von Pettie's Geschichten : / haue
christened them with the name of a Pallace of Pleasure. 1
dare not compare this worke with the former Pallace s of
Pleasure, because comparisons are odious, and because they
containe Histories, translated out of graue authors and learned
writers: and this containeth discourses, deuised by a greene
youthfull capadtie and reported in a manner ex tempore.
Ausserdem ist der 'Palace' citiert in George Whetstonc's
'Ileptameron' (1582), als eine der Autoritäten für die Gefähr-
lichkeit von Mesalliancen: // you coueit more Authonties, to
approue so common a mischiefe, read Ouid Metamor phosis in
Latine, Segnior Lodoukus Regester in Italian, Amadis de
Gaule in French , and the Pallace of pleasure in English,
where you shall find störe of Histories to the like purpose
(in The fift Daxes Exervise). Besonders der Titel der Paiuter-
schen Sammlung scheint gefallen zu haben, er wurde öfters
imitiert. Nach dem soeben erwähnten 'Pettie Pallace' des
(ieorge Pettie begegnen wir noch einer Gedichtsammlung
'A poore Knight his Pallace of priuate pleasures (1579)-
und Gabriol Harvey betitelt in 'Greenes Memoriall, or cer-
taine Funerall Sonnet»' (1592) a da» sechste Sonnet: His
Palace of pleasure.
1 cf. J. P. Collier'« Neudruck für die Shakespeare Society ( London
1841) p. 67.
* cf. J. P. Collier's Bibl. und Criticiil Account (London 1865)
vol. II p. 181.
3 Oedruckt am 8chlu«s von Harvey'« Teure Letters and Cortaine
Sonnet«' (cf. Work« ed. A. B. Grosart vol. I p. 2*i8 ff.). Eine weitere
Anspielung auf Painter'« Titel findet «ich in Harvey'« 'Pierces Super-
crogatiou' (1593): Whut tthould 1 8peake oj the ttco brave Kiiiyhtes,
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12 I. WILLIAM PAINTKIl't» l'ALACE UK PLEASl'KE 1567/8.
Painter selbst acheint nach dem Abschlüsse seines zweiten
Bandes die Lust an seiner Arbeit verloren zu haben, wenigstens
ist der von ihm wiederholt1 in Aussicht gestellte dritte Band
nicht erschienen. Für uns hat der 'Palace' noch grosses histo-
risches Interesse und den besonderen Heiz, dass Shakespeare'*
Augen auf ihm geruht haben. Schliesslich sei noch darauf
hingewiesen , dass wohl durch Painter2 das Wort nocet in
seiner jetzt noch geltenden Bedeutung im Englischen heimisch
wurde.
Musidorus, and Pyrocles% combined in one excellent kniyht^ Sir Philip
Sidney . . . .? Will yoa needes have a tcritten Pallace of Pleatturr,
or rather a printed Court of Ilononrt (ib. II 99).
1 Im zweiten Bande, in der Prcface to the Header (cf. J. p. 157)
und in der Conclunion^ with an Adaerl isement to the Header (cf. J. III
p. 432).
* These hiatoriea (which by another ttrme I call Nouellex) (cf.
J. I p. 5).
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II. GEOFFBEY FENTON'S 'TRAG1CALL DISCOÜRSES
1507.
Der Erfolg des 'Palace of Pleasure' rief schleunigst ein
Concurrenz-lTnternehmen in's Leben. Noch bevor Painter's
zweiter Kand erschien, veröffentlichte Geoffrey Fenton „Cor-
taine Tragieall Discourses written oute of Freuche andLatin"1,
der Lady Mary Sydney gewidmet. Da gegenwärtig das Lob
der von einem so blühenden Weinstock stammenden Frucht
in aller Leute Mund sei, habe auch er eineu Theil seiner
Muße darauf gewendet, eiuige „Tragieall Discourses" aus
dem Französischen zu übersetzen.2 Der junge Fenton lebte
damals in Paris, die Widmung ist datiert At my chamber at
Paris, XXII. Junij. 1507, und so erklärt es sich, dass die
Vermittler-Kollo dos Französischen, die wir schon bei Painter
in nicht wenig Fällen zu constatieren hatten , in Fentoifs
Sammlung durchgehends zur Geltung kommt. Fenton, der
seinen Landsleuten später eine Übersetzung von Francesco
Guiceiardini's „Storia d'Italia4* schenkte, übersetzt in diesem
seinem Erstlingswerk3 italienische Stoffe aus dem Fran-
1 cf. Warton IV 345 f.; Collier Aco. I 27b ff.
8 For that now a dayes euery mans mouth is open tö commende
the /rufe distilling front so fiorishynge a vine, so for my part, heyng
more forwarde then hable to discharge my zeale in that behalfe, haue
he st ou- cd some of my voyed howers ivhilest I was in the other sides the
Sea, in foregnge certeyne Tragieall Discourses oute of theyr Freuche
ienrmes, into our English phrase.
* In einem lateinischen Empfehlungsgedicht von M. H. heisst es
Floruit antiquo Galfridus tempore Chaucer
At tua nunc primum, (Galfride) virescere virtus
Incipit, et toneras cum spe producere plantn*.
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14 II. OKOFKKEY FKNTON's TRAGICAM. DISCO URSES 1567.
zösischen ; der Zusatz and Latin ist nur als eine Verzierung
des Titelblattes anzusehen. Fenton ist gänzlich von den
'Histoires Tragiqucs' abhängig; es sind daher nicht viele, wie
Warton1 sagt, sondern alle seine Novellen auf Baudcllo
zurückzuführen. Er bietet im Ganzen 13 Erzählungen:
No. 1 Ä Wonderful Vertue in a yentlman of Syenna on the
Itehalfe of his ennemye whom he delyuered from Death etc.
- Belleforest Hist. 21 (Bandello 1 49; Painter II 30).
„ 2 The long and loyall Loue betweene Lyuyo and Catnylla
toyether with their lamentable death etc. — Bei. Hist. 22
(Band. I 33).
„ 3 A Yony Lady in Mylau . . . becoms an unnuturaU
nmrderer of the /rufe of her wandte — Bei. Hist. 9
(Band. III 52).
„ 4 An Albanoyse Capteine beiny at the poynte to dye kylhd
Iiis uyfe etc. = Bei. Hist. 10 (Band. I 51).
„ 5 Sundrye Periiis, happeninge to a yonye geutleman of
My/lan etc. = Bei. Hist. 26 (Band. 128).
„ 6 The vdleunie of an abbott in sekinge to seduce a mayde
Ity forre etc. - Bei. Hist 28 (Band. II 7).
„ 7 The disorderly Lyfe of the rountesse of Celant etc. —
Bei. Hist. 20 (Band. I 4; Painter II 24).
„ 8 Julya drowtu th her seife far that her hodye tras abused
by forre = Bei. Hist. 25 (Band. I 8).
„ 9 The impudent Loue of the Lady of Chabrye = Bei.
Hist. 16 (Band. II 33).
„ 10 Luchyn is hmye in loue with a simple mayde ~ Bei.
Hist. 34 (Band. II 26).
„ 1 1 The Crueltie of a Wydoxce -- Bei. Hist. 13 (Band. III, 17;
Painter II 27).
„12 Perillo sußreth muche for the loue of Carmosyna -
Bei. Hist. 27 (Band. I 14).
„13 A ironderfull ronstanrie in Dom Diego Bei. II ist. 18
(Band. I 27;' Painter II 29).
1 1. c. p. 346 : Most of the ston'es nre on Italian subjects, and
mau;/ from Rotuhllo.
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1!. OKOFFRKY FENTON's THAOICALL DISCOt'RSKS 15(»7. 15
"Wir finden in Fenton 's Sammlung vier Erzählungen,
die wenig«» Monat«' spater in Painter's zweitem Bande er-
schienen. Beide Engländer übersetzen aus dem Französischen,
aber sie haben die Sa«;he sehr verschieden angefasst. Painter
behält stets seine Vorlage im Auge, Fenton gestattet sieh
allerlei Verzierungen und Abschweifungen. Pninter schreibt
einen sehr nüchternen, Fenton einen übermässig geschmückt«»!1
Stil. Er trägt kein Bedenken, des Franzosen weitschweifige
Prosa noch mehr zu verbreitern J, wofür er uns allerdings
durch Beseitigung der meisten pootis«'hen Interpolationen
Belleforest's einigermassen entschädigt. Fenton ist ausserdem
viel persönlicht»r als Painter, er flicht Reise-Erinnerungen
ein8 und kehrt den Engländer mehr heraus. Während Painter,
auch wenn von französischen Siegen die Rede ist, gewissen-
haft seiner Vorlage folgt und sich nur durch eine Rand-
bemerkung über die Eitelkeit und Prahlsucht dc»r Franzosen
1 Ein Beispiel wird uns genügend zeigen, welchen Höhepunkt
der Verwasserung Bftndellö'a Prosa bei Fenton erreicht hnt. Bandello
erwähnt III 17 in der ersten Zeile Moncalieri (Ca Stella tion molto lon-
1a no da Turino) ~ Belieferest Hist. 13 Or pres de ceste süperbe, et
forte eile est assise nie petite ville, noinmee Montcal , Heu non wohin
fort, et de defense, nuc bien assis en beau et riebe paisage (— Painter
II 27 Now besides this sfately and strong city, there standet h a litle
toirtie named MonfcaH , a place tio lesse strong, and of good defence,
than trel planted in a faire and rieh soyle) = Fenton No. 1 1 (fol. 22C u )
Someuhat irithont the suburbes of this riebe and populus Citie, is planted
in a pleasant volley, a little village called Montcall, wart hie euery wag
to be ioyned in neighbourhead to so great a Citie, being inuironed on
ihone side teith the fragrant ayre of the fertil feldes al to bedeued teith
the sondrg sicete smelles of thincense of Aurora, and on tho/her side
icith the loftie hillea, breathing front the mouthe of Zephire the ayre of
health, to refresh in tinte of nede the droirsie tenan/s of the volley.
Mehr kann man für die 7 Worte Bandello*» nicht verlangen.
2 8o z. B. in No. 11 (fol. 244 b): Roan . ... the toxene , icherei n
not longe affore the Duke of Sommerset had burned the counterfait prophet
of Fraunce called La Pucelle Jeane , whome some pratinge frenchmen
do af firme to haue wrought nierueilles in armes during those tvarrs ....
and for a memory of (hat forged ydoll they kepe yet amongest oiher
relikes in the abbay of S. Dengs, whych I satre in May last, a
great roostie sworde, wherteith they are not ashamed to aduowehe that
shee performed diurrne rxpedicioti* and rielories againste thinglishe
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16 II. UEOFFREY FKNTON'S TRAQICALL DISCOURS KS 1567.
rächt 1 , besinnt sich Fenton keinen Augenblick , dem Text
eine dem englischen Nationalgcfühle weniger peinliche Wen-
dung zu geben. So berichtet Painter II 27, dass der Piemon-
tesische Hittor den Talbot sammt seinein Pferde zu Boden
warf, was eine Niederlage der Engländer zur Folge hatte.2
Fenton ist die Sache nicht glaubhaft, er erwähnt nur, dass
die beiden Ritter sich gegenseitig vom Pferd warfen, von
einer Niederlage der Engländer hören wir nichts.5 Die
beiden englischen Übersetzer sind jedenfalls ganz unabhängig
von einander.
Fenton's 'Tragicall Discourses' erlebten im Jahre 1579
die Ehre einer zweiten Auflage; eine weitere Spur dieser
Sammlung habe ich im 16. Jahrhundert bisher nicht finden
können. 4 Zu Anfang des 17. Jahrhunderts wird dieselbe
lobend, jedoch mit einem sehr verständigen, leichten Tadel
der weitschweifigen Schreibweise, erwähnt von Robert Tofte
in „The Blazon of Jealousie" , aus dem Italienischen des
Benedetto Varchi übersetzt, (Datum der Widmung: Front
my Lodging in Holborne, this 7. of Nouember, 1614; ge-
druckt 1015). Zu einigen im Text erwähnten Eifersuchts-
Tragödien bemerkt Tofte: These two first Tragedies, the one
of n Cuptoiite of Norera, a Tonne belonging to the Duke-
dorne of Spoleto in ltaly: and the other of u Knight of
nacion, whyrh Sternes as true, as that whieh they are ashamed to put in
a chronicle of credit touching the.ir na int Denys, whom they affirme tro«
executed al Parys, and came froni thenee wiih his heade in his handy
u-hich he huyried in the altbaye. Köstlich iat, mit weloher Nichtachtung
der junge Engländer die ihm unangenehmen historischen Wahrheiten
behandelt. Vgl. oben.
1 Charles the Seuenth . . . mirat-ulously (But gieue the Frencheman
leaue to flatter, and speake well of hys owne Countrey, aecordinge to the
flatteringe and vauntinge Nature of that Nation) chased the Englishetnen
out of hys Landes (cf. J. III p. 183).
» cf. J. III p. 185.
» cf. No 11 (fol. 245.): In this skirmish (if a man may fredit
a french hragge) the Pyemontoyse and Talbot met , and unhorssed eche
other.
4 Mittelbar werden wir an sie im Jahre 1574 durch Barnabe
Riehe erinnert, der zwei von Fenton erzählte Novellen erwähnt, ohne
jedoch Fenton's Namen zu nennen (vgl. p. 47).
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II. GEOFFREY FENTON's TRAG IC ALL D1SCOURSE8 1567. 17
Millane, you shall find in diuers Italian Authors, dinersly
set downe, and as well translated (but that hee is a little too
tedious in his phrase of speerh) into Enylish by Sir Geffery
Fenton Knight, one of our late Queene Elizabeths (of euer-
Utting mernory) priuy Coumell in Ireland (p. 60 z). Tofte
berichtot aus dem Gedächtnis, die traurige Geschichte von
The Lords of Nocera hatte er nicht bei Fenton, sondern bei
Painter gelesen (vol. II No. 33, vgl. oben p. 8) ; der zweiten
Tragödie entspricht Fenton's 4. Novelle.
Noch im vergangenen Jahrhundert bezeichnet Warton
Fenton's Werk als in point of selection and size, perhaps the
most capital misrellany of this kind (FIEP. IV 345). Historisch
betrachtet ist Fenton jedoch nur ein Nachfolger Painter's,
von dessen Epoche machender Leistung die „Trag. Disc.tt
bald in den Schatten gestellt wurden.
yp. LXX.
•2
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III. KOSll'NI) TILNAVS 'KLO WER OK FKIKXDSIHITI"
(ir»r>,s). ■
Im Hause der Lady Julia hat sieh eiue ( jesellsehaft
von Damen und Herren zusammengefunden, die sich ver-
gnügte Stunden machen wollen. Du es Frühling ist, werde«
für die Herren Spiele im Freien, Schiessen u. s. w. vorge-
schlafen: Hut M/aisterj Pedro fdi Lusan/ not hin y at alt
lykina oj such deuises, wherein the Ladies should he left auf, Said
that he well retnemhred huir Hoccace and Von ntie Haitizar
trith others recounted many proper deuises for ejrercise, hoth
phamnt, and profitable, which , (juofh he , irere used in the
conrts of Italie, and some mach like to them arc practised
at this day in the Emjlish court, ir herein is not onefy delec-
talde, hat pleasure ioyned tryfh profitr, and e.rercysc of the
nitte. Fr wird gebeten, solehe Unterhaltungen anzuordnen.
I >io ( iesellsehaft begibt sieh in einen (Jarteii, und lYdro
wählt eine Königin , die als Abzeichen ihrer Würde einen
Rosenkranz erhält. Fedro schlägt vor, über die I 'fliehten
des verheiratheteu Mannes zu disputieren , und übernimmt
1 Ich citiere nach einem auf der Bodleian befindlichen Exemplar
dor dritten Auflage dieser Schrift vom Jahre 1571 : A brieß mal pleanant
dineoune of dittiis in Mariage, calhd the Flow er of Friendshippe. Im-
prhitrd at London by Ihnrie Ihnham, dwelling in Paternoster Howe,
at t/n- Signe of the Starre. Anno 1~>7 1. Die Widmung an die Königin
Elizabeth ixt unterzeichnet: Yonr Maistica most hnmble Snbiect, Kdmonne
Tilnay. Vgl. Collier, Account II 434 f.; Hazlitt, Handbook p. 621.
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111. EDMUND TILNW'V FLOWER OF FRIEXDSHIPI'E 1568. Vi
selbst die Verteidigung der Ehe, während es sich a mery
gentleman, called Maister Gualter of Cawne zur Aufgabe macht,
die Frauen anzugreifen. Pedro erzählt u. A., mit einem Ver-
weis auf Haptista Fulgosa [!] die Geschichte von dem treuen
Gatten, der seiner von Seeräubern geraubten Frau nach-
schwamm, vgl. in dem oben p. 9 citierten Compendium des
Fulgosus Lib. IV Cap. VI De Conjugali Charitate : De Nea-
politani regni quodam aecola p. 526 f.
Das Thema des zweiten Tages ist: The office, or duetie
of the married icoman. Pedro, der stets das grosse Wort
führt, rühmt die Klugheit einer Edeldame, welche ihren treu-
losen Gatten nicht durch Vorwürfe, sondern durch eine aller-
dings sehr weit gehende Toleranz wieder auf den richtigen
Weg brachte Wir erkennen in dieser Anekdote die 48. Novelle
des französischen Heptameron : Memorable charitS d'vne feinme
de Tours, enuers son mury pntier, 1 welche Tilnay auch im
ersten Bande (Xo. 64) 2 von Painter's 'Palace' gelesen hatte.
Schliesslich wird Pedro beauftragt, die Gespräche aufzuzeich-
nen, und damit hat diese sehr färb- und duftlose Freund-
schaftsblume ausgeblüht.
So fragmentarisch und unbedeutend Tilnay's Schriftchen
ist, so hat es bei den Zeitgenossen doch viel Beachtung ge-
funden ; es wurde 1568 zweimal und 1571 zum dritten Mal
gedruckt. Unter der Regierung der jungfräulichen Königin
war die Ehefrage eine brennende, welche am Hofe und im
ganzen Land eifrig besprochen wurde. Collier (1. c. p. 435)
bemerkt, dass eben zur Zeit der Tilnay 'sehen Tlower' das
Gerücht einer französischen Heirath ging. Aber auch litterar-
historisch betrachtet, ist das Büchlein nicht ohne Wichtig-
keit: in ihm beobachten wir zum ersten Mal die Verschmel-
zung des Einflusses zweier italienischen Werke, des 'Deca-
1 cf. I/Heptamoron des» Nouvelles do Tresilluatro et Treaoxoellento
Prinoeaa«- Murgueritc do Vuloia, Rovno do Nauarre; Paris 1560. Modorno
AuHgnhe: Publik nur los maiiuscrits par La Kou< do Linev ot Anntolo
do Muntiiiglon; Paris 1SSO, 4 voln.
? Wozu Jacobs vol. I p. LXXX irrthümlioh auf Hopt. nov. 3S
vorweist.
o *
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20 w. EDMuao tilkay's fi.owkk of fkiendshippe 1568.
meron'1 und des < Yn-tegiano' dos (trafen Haidassar Oastiglione.
Wir werden sehen, dass Tilnav in dieser Hinsieht viele Nach-
folger fand, deren bekannteren Werken gegenüber sein
Prioritätsrecht nachdrücklich zu betonen ist.
1 Vielleicht auch des „Filoeulo", dessen fünftes Buch, eine Probe
des „Deeameron*, kurz vor Tilnay* „Flowor", im Jahre 1567, in'« Kng-
lische übersetzt worden war ( vgl. p «0 1.
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IV. (SKOKCiK I'KTTIKS l'ETTIE PALLACE OF PRTTIK
HI8 PLFASFRK'. LK'ENSEI) 157«.
Pettie's Novellensammlung ist sehr wahrscheinlich noch
im Jahre der Registrierung, l'wti, erschienen. In ihr tritt
uns ein originelles Wollen entgegen, mit dem freilich das
Können nicht Schritt hält. George Pettie bietet keine Über-
setzungen, sondern freie Variationen über bekannte Themata.
Er will seine Erzählungen im Kreise seiner Freunde aus dem
Stegreif erzählt haben, sie sollen zahlreiche Anspielungen auf
Persönlichkeiten dieses Kreises und auf des Verfassers und
seiner Freunde Privat .Verhältnisse enthalten. Er habe dabei
jedoch eine so grosse Discretion beobachtet, dass nur die Be-
troffenen selbst seine Andeutungen verstehen könnten. Unter
diesen Umstünden ist es doppelt begreiflich , dass sich für
uns dieser pikante Peigeschmack der Pettie'schen Sammlung
gänzlich verflüchtigt hat.
1 Die 'i Ältesten Drucke sind ohne Jahreszahl überliefert (cf.
Iluzlitt's 'Handbook* p. 455). Zwei derselben stimmen, wenn auch nicht
typographisch, so doch inhaltlich überein; der dritte bringt zwei neue,
für die Entstehungsgeschichte der l'ettie'sehen Sammlung sehr wichtige
Episteln: To the </en(Ie Gmtlncomen Headers, unterschrieben Front my
lofiyimj in Fleetst trete Ii. B., und The Letter of G. P. to R. D. con-
errnituf this woorke, unterschrieben From my lodffing in Iloulbom, this
12. of Juhj. Taus semper, aat saus nunquam. G. P. Ferner fehlt in
dieser Ausgabe die etwas leichtfertige Moral der H. Geschichte, und auch
im Druck bemerkt man die bessernde Hand. Der über Erwarten grosse
Erfolg des Buches scheint den Autor und den Verleger veranlasst zu
haben, dieser Auflago besondere Sorgfalt zuzuwenden.
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IV. GEORGE PKTTIES l'ETTIE PALLACE
Pcttie hat seinen Gestalten zumeist classisehe Masken
vorgebunden. Es treten in den 12 Geschichten seines Büch-
leins folgende berühmte Persönlichkeiten auf:
1. Sinorix and Camma 2. Tertus and Progne 3. Ger-
manicus and Agrippina 4. Amphiaraus and Eriphile 5. Icilius
and Virginia2 6. Admetus and Alcest 7. Scilla and Minus
8. Curiatius and Horatia 9. Cephalus and Proer is 10. Mino»
and Pasiphae 11. Pigmalion 12. ^tarttts3. In all diesen
hochtragischen Geschichten ist das Hauptgewicht auf die
erotischen Episoden gelegt, die Pettie breit ausgeführt hat.
Er lässt die classischeu Helden und Heldinnen liebeln und
schmachten und seufzen , wie es im nächsten Jahrhundert
jenseits des Canals das Fräulein von Scuderv nicht besser
verstand. Spielt die Liebe in der antiken Fabel gar keine
Holle, so wird sie von Pettie auf irgend eine Weise, und sei
es bei den Haaren, hereingezogen. Ein Beispiel wird ge-
nügen. Die von tragischen Wolken uindüsterte Eriphile wird
uns von Pettie als reiche Wirtwe vorgestellt, um welche sich
Amphiaraus bewirbt, nicht aus Liebe, sondern aus Habsucht,
und aus demselben Grund nimmt sie ihn. Durch diese Heirath
wird ein anderer Freier der Eriphile, Nnmens Infortunio, in
Verzweiflung gestürzt. Dann wird der Faden der classischeu
Sage aufgenommen und der Yerrath Eriphilens, das Ende des
Amphiaraus erzählt. Wieder zur Wittwe geworden, wirft
die Frau aufs Neue ihr Netze nach Infortunio aus, wird
* O. P. gehreibt an R. B. : Forced by your erneut importunityy
and furthered by mine otvne idle oj>ortunity, 1 haue set dotrne in uri-
tinge, and accurdynge to your regnest, sent nnto you certuine of those
TrayicaU trißes, whiche you haue heard mee in sumlrie compnnies nt
snndrye times report, and so neare as 1 could 1 haue ir ritten thrm
tooord for word as J tfien told them. R. B. versichert den Damen, dass
er von seinem Freunde George Pettie erhalten hnbe the copie of certuine
Historien by himself upon hin owne and certuine of hi.s friends primae
occasiotis drawn into discourses .... report ed in a manner ex tempore,
as I my seife for diuers of them am able to testiße.
* In Otto Rumbnur's Doctorachrift „Die Geschichte von Appius
und Virginia in der englischen Litteratur" ( Brettliiu 1890) nicht erwähnt.
* Die sehr ausführlichen Arguments dieser Geschichten sind xu
lesen in "The British Bibliographer", vol. II (London 18121, p. 393 ff.
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IV. OEOKOK I'EITIK's l'KTTIE l'ALLACE.
23
jedoch verschmäht und stirbt aus Arger. Noch wunderlicher
ist die letzte Geschichte, in der Pettic aus der heidnischen
Fabelwelt in die christliche Legende überspringt und eine
sehr sonderbare Version der Lebensgeschichte des heiligen
Alexius zum Besten gibt.
Seine Stoffe hat sich Fettie, von dessen erster Geschichte
wir vorläufig absehen, demnach nicht aus Italien geholt, «bor
seine zahlreichen Anspielungen auf die Gestalten italienischer
Novellen beweisen, dass er wenigstens den 'Falaco of Floasuro*
aufmerksam gelesen hatte. Von Boccaccio erwähut er nur die
berühmten Freundschaftstvpon Titus und (wisippua (in No. 2
p. IS, No. 5 p. 40), die im Ib. Jahrhundert in England nie
fehlen dürfen, wenn von Freundschaft die Kode ist; von
Handollo in No. 1: p. 8 Zilia und thekniyht Virle (cf. l'ainter
II 27). p. 11 E<l wurde a l'iny of England und die Conntesse
of Sali&hury (cf. ib. I 4t>), die Dttchesse of Sauoy und ihren
Ankläger, the Karle of Pancntiar (cf. ib. I 45); p. 16 Juliettu
und Romeo* (cf. ib. II 25); in No. 3: p. 23 und 2!) Adalesia
und Aleram (cf. ib. I 44); in No. 5: p. 45 Julietta und Romeo2;
in No. 7: p. 54 Adalesia und Alerane, die Herzogin von
Sattotj und den Ritter Memloza ; in No. 10: p. 78 nochmals
die Herzogin von Sanofi; in No. 11: p. 84 Faustina (cf. ib.
II 10), Blanch Maria (cf. ib. II 24). Aus dem Kreise des
'Palaee* citiert er ferner das dem französischen lleptamoron
entstammende Liebespaar Florinda und Amadour (in No. 11
p. 80, cf. l'ainter I 53), aus der italienischen Littoratur im
Allgemeinen Rojardo's und Ariost's Angelicu (in No. 4 p. 34).
Doch möchte ich nicht behaupten, dass Fettie in dieser
Litteratur sehr bewandert war. Im Gegontheil — der Um-
stand, dass er Guazzo's „Civilo (\>nversazioneu nicht aus dem
Italienischen, sondern mit Hülfe eines französischen Mittel-
1 DM Julietta dye upon the corpes of her Romeo? And shall my
bodij remayne oh earth , Sin natu* beiny buried? Ich eiticre nach dem
von Hazlitt ah «> litio prineeps angefahrte» Druck ( Brit. Mus. Sign.
C. 40. d. 5).
8 Such preciseaes of' parents brought Piramua and Thiabe to
ivofall ende, Kornea und Julieta to nntimely death.
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24
IV. GEORGE PETTIE'S PETT1E PALLACE.
gliedes übersetzt hat, 1 lässt seine Kenntniss des Italienischen
nicht im günstigsten Licht erscheinen.
Auf diese Gestalten der modernen Litteratur berufen
sich Pettie' s classisch benamste Helden ganz zwanglos, wie
sein Amphiaraus die Bibel (No. 4 p. 35) und seine Agrippina
den Grosstürkeu Muhamed kennt (No. 3 p. 25). Die Leser
sollen nicht vergessen , dass hinter den classischeu Masken
moderne Menschen, Zeitgenossen stecken. If this mislike you
in my discourses, that I make Camma use the example of the
countesse of Salisbury, the Dutches of Sauoy, and sutch icho
were of far Uder yeeres, then the auncient Camma is, with
the like in diuers other of the stories : you must consider that
my Camma is of fresher memory than any of them, and I
t hinke in your iudgement of fresher hew, than the fayrest of
them — sagt Pettie in seinem Briefe an R. B.
In unmittelbarem Anschluss an die eben citierte Stelle
berührt Pettie auch die merkwürdigste, für die Geschichte
der englischen Prosa hochwichtige Eigentümlichkeit seines
Büchleins, seinen Stil: Likewise, if you like not of some
wordes and phrases. used contrary to their common custome,
you must thinke, that seeing we allowe of new fashions in
cutting of beardes, in long wasted doublets, in little short
hose, in great cappes, in low hattes, and almost in al things,
U is as mutch reason wee should allow of netv fashions in
phrases and wordes. Schon Landmann2 hat bemerkt, dass
Pettie's Schreibweise alle hauptsächlichen Merkmale jenes
Stils aufweist, der durch Lyly's Euphues berühmt wurde.
Er nimmt deshalb an, dass Pettie Guevara's 'Libro llamado
Marco Aurelio cou el Rclox de prineipes* gekannt habe, und
macht darauf aufmerksam, dass Pettie's erste Geschichte von
1 Tho oiuile Conuersation of M. Stephen Guazzo, written first in
Itulian, diuided into foure bookea, the first thrce translatcd out
of Frenoh by George Pettie eto. London 1586. Das vierte Buch
hat Barth. Young aus dem Italienischen übersetzt. Pettie's Widmung
ist datiert: Front my lodying this sixih of Februarie. 1581.
9 Vgl. „Der Euphuismus, sein Wwen , seine Quelle, seine Ge-
schichte" (Giessen 1881) p. 74 ff. ; „Euphues. The Anatomy of Wit e^c.*
od. Fr. Landmann (Heilbronn 1887) p. XXL
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IV. GEORGE PETTIE1 S PETTIE PALLACE.
25
Sinoriz and Camma auch in Guevara's Work (II 5) zu lesen
sei. Dieser Umstand würde allerdings nicht genügen, Pettie's
Kenntniss des „Marco Aurelio" zu beweisen; denn Pettie
könnte den überaus populären Stoff1 dieser Geschichte ent-
weder, wie Guevara2, unmittelbar aus Plutarch geschöpft
haben, oder aus einem italienischen Werk, das, weit ver-
breitet und allgemein gerühmt, als das Meisterwerk der
italienischen Prosa des 16. Jahrhunderts galt, aus des Grafen
Baidassar Castiglione 'Cortegiano' (veröffentlicht 1528, in's
Englische übersetzt von Thomas Hoby im Jahre 1561). Casti-
glione lässt die Geschichte der Camma in seinem dritten Buche
von Giuliano de Medici erzählen3. Wenn wir Pettie's Ver-
sion mit diesen drei möglichen Vorlagen vergleichen, so ergibt
sich uns, dass Pettie dem Bericht des Italieners insofern
näher steht, als auch bei ihm Sinorix Gouverneur der Stadt
ist, in welcher Camma wohnt, in Übereinstimmung mit der
Angabe Castiglione's : Sinorige era . . . quasi Tiranno di
quella cittä, doue habitauano, während er bei Plutarch und
Guevara nur als sehr begüterter und einflussreicher Mann
bezeichnet wird. Auch dass Pettie den Schauplatz nach
Italien, nach Scietwa, verlegte, könnte auf italienische An-
regung deuten; Castiglione nennt die Stadt überhaupt nicht,
während Guevara nach Plutarrh In ciudad de Galacia er-
wähnt.
Aber es ist gewiss sehr wahrscheinlich , dass Pettie
Guevara'» Werk in den englischen Übersetzungen kenneu
lernte, und durchaus möglich, dass er diesen Vertretern des
englischen Guevarismus den Parallelismus des Satzbaus, die
Fülle der Beispiele und Gleichnisse abgesehen hat — viel-
leicht auch die Verschärfung der Antithese durch Alliteration,
doch würde ich diese Eigenthümlichkeit bei Landmann gern
1 Der 1569/70 sogar zu einer Ballade vorarbeitet wurde, vgl. den
betreffenden Eintrag in J. P. Colliers „Kxtract» from the Register« of
tho 8tationer'8 Company* fSbnk. Soc. London 1848) p. 224; Warton
IV im*.
2 Plutarcho en el libro de Ins yllusfres mugeres cuenta . . .
3 cf. II Cortegiano del Conto Baldeswar Castiglione. In Vinegia
MDLII; p. 120,
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2fi
IV. GEORGE l'KTTIrfsi IM.ITIK IWI.IjAC-E.
durch mehr Beispiele aus North's Übersetzungen belogt ge-
sehen haben. 1 Diese Nachbildungen zugegeben, war Pettie
doch vollkommen bere htigt, an der oben eitierten Stelle von
neuen Moden in Phrasen und Worten zu sprechen, die er
in seinem Buche eingeführt habe. Denn es darf nie ver-
gessen werden, dass Pettie es war, der dem englischen
Guevarismus seine speciell "euphuiKtischett Färbung gab, dass
er der erste war, der die Verschärfung der Antithese durch
den Stabreim zum Princip erhob und diese Figur bis zum
Übcrmass häufte2, dass er der erste war, der in die Monologe
seiner Helden die für den Euphuismus s<> bezeichnenden
Ketten von Einwürfen einfügte, die der Sprechende selbst in
eonform gebauten Sätzchen widerlegt. 3 Es scheint mir noch
nicht genügend zur allgemeinen Kenntniss gebracht, duss in
Lyly's Stil einzig und allein die überreichliehe Verwendung
der einer fabelhaften Naturgeschichte entlehnten (ileichnis.se
originell ist, obwohl sich auch dieser Zug bei Pettie bereits
angedeutet findet. 4 In allen anderen Punkten hat Lyly nur
1 Vgl. p. 71 »einer Abhandlung und p. X.1X *oiner Ausgabe.
* Vgl. z. B. in No. 2 Progne'a Monolog ( p. 20) : That fayth which
a man pro/esseth, is nothing eis bttt (orderte : trueth which he prrten-
deth, nothing eis bat trißing : \otte, \ust : woordes, wyles : deedes, deeeipt :
vowes, ranities : taithfull promises, (aithlesse practices : eamest othes,
errant wtes to deeeiue : Borrowes , Bubtylties : Big he ff , Bleightes : grones,
gttiles : crimt, cm/t es : teares, treason : yea al their dooinges nothing huf
bayles to intice vsy hookes to entangle rs, and ingtns utterly to undoe ns ;
in No. 7 die Schilderung der Pandarina (p. ">5): Bat to paynt her ont
more jdainly, she was more ooye then comelg, tnore {ine Ilten well
(auoredy more \o/ty then \oaely, more pro«'/ then proper, more preeise
then pure, more sttperstitiouB then rr//</iou8, more o/ Bpight then o/ the
spirit.
3 Vgl. z. B. in No. 7 Scilla'* Monolog I p. ö7): WViy, Xysus is
mg iather : H'/o/, Mino« will bev my Phf/v .• H7/y, Sysus gnue me \if e :
IVhy, Mino« will yeeld me laue : U'hyf Xysus nutde me a maide : HTiy,
Mino* will make me a mother : Why, Xysus eherishal me being goung :
H'hy, Minos will makv mach <>/ nur heing aide: B7/y, »ature bindet!)
me to Urne my tat her : Whg, God eommaundet/i mr to laue mg husband
* Vgl. in No. 11 (p. S4): True /riends are not like new garments
which will be the worsc for wearing : they are rather like the
statte of Seil it ia, which the more it is b-aten, the h trder
it is.or like Spices, wUich the more t'ieg are poundil, the sweeter they
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IV. OKOROK FKTTIK'S PKTTIE PALLACK.
27
den von Pettie scharf ausgeprägten Stil nachgeschrieben , in
allen anderen Punkten ist der bekannte Lyly nur ein Nach-
ahmer des vergessenen Pettie.
Die oben erwähnten, sich rasch folgenden drei ersten
Auflagen des Pettie'schen Büchleins, welches ausserdem noch
dreimal, 1598. 1608 und 1613, gedruckt wurde, und vor
allem der durchschlagende Erfolg der Lyly 'sehen Imitation
lassen erkennen, wie sehr sich die Zeitgenossen an dem künst-
lich gebauten und zierlich geputzten Stil Pettie's ergötzten.
Mit bescheidenen Worten deutet dieser selbst den Erfolg
seines Erstlingswerkes an, in der Vorrede seiner oben er-
wähnten Übersetzung Guazzo's: Hauniy (getitle Headers) by
reason of a trifling worke of tnitte ( tvhich, by reason of the
Ughtnes of it, or at least of the keeper of it, fletv abroade
hefore I kneiv of it) alreadie won such fatne, as hee which
fired the Temple of Diave, 1 thought it stood tne npon , to
purchus*' to my seife some better fatne by some better worke,
and to counteruaile my fortner vanitie with some formall
graititie. Ausserdem haben wir noch ein sehr bcachtens-
werthes Zeuguiss für die Beliebtheit der Pettie'schen Erzäh-
lungen. Wenn ein nach der Gunst des Publikums haschender,
für das Unterhaltuugsbedürfniss des Tages schreibender Autor
fortwährend mit den (.testalten eines anderen modernen Schrift-
stellers operiert, sie als Typen verwendet, so setzt er doch
gewiss voraus, dass das betreffende Werk weiten Kreisen
vertraut ist. Eine solche intime Kenntuiss des Pettie'schen
Buches setzt Kobert Greene bei seinen Lesern voraus, seine
Romane der achtziger Jahre sind mit Pettie's Gestalten be-
völkert.1 Hei dieser Verbreitung des Pettie'schen Büchleins
are etc. Es ist wohl kein Zufall, dass wir demselben Gleichnis»
auch bei Lyly begegnen: Touchhtg the yeelding to loue, albeit their
heaHes seeme temler, yet they harden them lyke the stoue of Sicilvi, the
tchich the more it is beuten the harder it in (of. Euphucs, Arber's Reprint,
London 1868, p. 56).
' Vgl. z. B. 'Mamillia* (1583), Grosart'« Ausgabe vol. II p. 34:
Horatius und Curiatia, wobei Greene mit gewohnter Flüchtigkeit dio
Namen des Pettie'schen Liebespaare» verwechselt hat: What u cold
con/eet had .... Horatius at hh Curiatia[* handjf läsut er seinen
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28
IV. GEORG B PETTIE's PETTIE PALLACE.
braucht «8 kein Spiel des Zufalls zu sein, dass Shakespeare
an der einzigen Stelle, welche eine unzweifelhafte Verspottung
des von Pettie geprägten und von Lyly nachgeahmten Stiles
enthält, in nahezu wörtlicher Übereinstimmung ein Gleichnis*
aus Pettie's erster Erzählung citiert. Camraa illustriert die
siegreiche Gewalt der verfolgten Tugend durch folgende
Bilder: As spices, the more they are beaten, the sweeter sent
they sende forth, or as the hearbe Cam/ojmile, the more it is
troden downe, the more it spreadeth abrode (p. 12 f.) — und
Falstaff sagt in seiner grossen Scherzrede in usum delphini:
For though the camomile, the more it is trodden on the faster
it grows, yet youth, the more it is wasted the sooner it wears
(I King Henry IV; II 4, 441).
Die Zeit hat Pettie's Licht bald unter den Scheffel ge-
stellt; noch zu seinen Lebzeiten (er soll 1589 gestorben nein)
sah er sein Buch durch den Euphues* verdunkelt und diesen
selbst, und damit die ganze Stilrichtung, vielseitig getadelt
und verdammt. Pettie scheint nach der Übersetzung (tuhzzo's
der litterarischen Thätigkeit Valet gesagt zu haben, ich fand
seinen Namen nur noch einmal, an einer auch von Land-
mann (p. 98) bemerkten Stolle: in dem Autoren- Verzeich-
nis vor Francis Meres* 'Palladis Tamia' (1598). Schon im
nächsten Jahrhundert fällt Antony Wood, der Grossneffe
Pettie's, ein sehr ungünstiges Urtheil über die Erzählungen
Phnriklc» sagen, wahrem! Pettie in Heiner achten Geschichte die Liebe
(Ich Curiatius für Horatia behandelt. 'Morando* (1584): Procris und
Cephalua ; Eriphile, Infortunio und Amphiarans (vol. IUI. *Arbasto
(1584?): Infortunio und Eriphila (vol. III p. 251). Gwydonius' U584):
Er i philo (vol. IV p. :i9), Er i philo und Infortunio (p. 47), Terms und
Progne (p. 146), Admetus und Alcest (p. 146). 'The Debate betweene
Follie and Linie' (1587) Scilla (vol. IV p. 219). An all diesen Stellen
geht natürlich aus Greene'* Darstellung unverkennbar hervor, dass or
nicht etwa die Gestalten der klassischen Hage, sondern, die verkleideten
Elisnbethanor Pettie's vor Augen hatte, vgl. z. B. im „ Morando4* IVhat
should I speuke of that (johlen girle Eriphilc, who bang the Mistresse
of many riche Possessions, was notwithstanding so adicted ta the desire
of pelfe, that she reiected poore ptstionote Infortunio, and cfto.se that
doting olde Pensunt, Amphiants, whom after she be/raied to the Greekes
for on ouch of gold.
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IV. GEOUGE PETTIE'S PKTTIE PALLACE.
29
seines Verwandten, 1 und der moderne Leser wird es Wood
gewiss nicht verargen, dass er diesem Stil, in wrelehem das
Wort alles, der Gedanke sehr wenig gilt, keinen Geschmack
abgewinnen konnte. Gleichwohl wird jedem, der die Ent-
wickelung der englischen Prosa verfolgt, die, wenn auch
nicht tiefe, so doch breite Spur auffallen, welche Pettie's
Werkchen in der zeitgenössischen Litrcratur hinterliess, und
von diesem Gesichtspunkte aus behält es dauerndes Interesse.
i Cf. 'Athenae Oxoniense«' ed. Philip Blisa 1813/20; vol. I p. 553;
Warton IV 337.
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V. GEORGE HETSTONE.
George Whetstone, 1 der sich als Dichter nicht über
das Niveau der elisabothanischon Mittelmässigkeit erhebt,
hat gleichwohl so viele Beziehungen zu den grossen Namen
seiner Zeit, dass es keine undankbare Aufgabe wäre, ein
zusammenhängendes Bild seines Lebens und Schaffens zu
geben, was freilich nur in England geschehen kann. Als
vorbereitende Studie für eine solche Monographie wollen wir
uns im Folgenden sein Verhältnis* zur italienischen Novelle
vergegenwärtigen.
The Hocke of Kegard (1576)-. Unter diesem wunder-
lichen Titel hat Whetstone seine poetischen und prosaischen
Jugendarbeiten veröffentlicht. In dieser Sammlung finden
wir folgende metrische Bearbeitungen italienischer Novellen :
I. The Castle of Delifjht. The disorderetl Ufr of Bianca
Maria, coiuttesse of Crlautit, in forme of her romplaitite,
suppoml at the houre of her beheadiurj, for procuring the
man/er of Ardissino Valpertpi Karle of Afassitto (fünffüssige
Jamben, b\S Strophen zu 7 Zeilen, ababbec, und nach der
44. Strophe (> Strophen zu (j Zeilen ababec) , vgl. Bandello
I 4, Belieferest 20, Uainter II 24, Feuton 7. An keine dieser
1 Das ist die jetzt allgemein gültige Form des Namens, obwohl
die Unterschrift des Dichters in den alten Drucken zumeist ein .s zeigt:
}\hrtston8 oder Whetstonett.
2 Datum der Widmung: From >»// lodging in Holharn? Ihr 15. of
Ortober l',7G; vgl. Huzlitt „Hnndbook* p. 650, Collier „ Account" H 504 ff.
Censura Literaria v.»l. V (London 1807), p. 1 ff.
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V. (iKOROK WHKTSTONK.
ihm zugänglichen Versionen dieser besonders widerlichen und
besonders beliebten Geschichte hat sich Whetstone ängstlich
gebunden, sondern sich das Kecht freier Compositum gewahrt.
Er lässt die Gräfin ihr verbrecherisches Leben selbst erzählen,
wohl nach dem Muster der Autobiographien des „Mirror for
Magistrates". 1 Wir finden iu seinen Versen die herkömm-
lichen Sprichwörter uud Gleichnisse, aber keine Eigenart,
wenn wir dieselbe nicht in einer unerfreulichen Vorliebe für
französische Wendungen sehen wollen.2 Nicht ungeschickt
hat Whetstone den Hinweis auf ein gegen die Gräfiu ge-
richtetes Epigramm, dessen Wortlaut die Prosa nicht angibt, :{
dazu benützt, ein ziemlich schneidiges Schmähgedieht einzu-
fügen : An lnvectiue writfen by Roberto Sansetarino , Kurie
of Giazzo, ayainst Bianca Maria, Countesse of Cehiut
(p. 10 f.)*
2. The Garden of Vnthrif tinesse , wherein is reported
the do/orous diseourse of Dom Dieyo a Spaniard , foyelhfr
uith Iiis triumphe, vgl. Hamleilo 1 27 ltelleforest IS J'ainter
II 2!) Feiitun l.'J. Whetstone bietet eine sehr freie Bear-
beitung dieser Novelle, halb in Versen, halb in Prosa.
'J. The Arbonr of Vertue, a Worke ronteiuiny the ehaste
und honouruble lift of a Holiemian Ladie, to the uhirh is
adioyned the ( ouijtlaint of tiro llunyarian liarons, flutt wuyerd
the spode of her Chastitie = Handcllo 121. Whetstone be-
merkt in der Widmung; I haue fuithfully (thouyh not rn-
1 Vgl. den Anfang seines Gerüchtes zu Khrcn des verstorbenen
Sir James Üier vom Jahre 1">S2 (Fronde« Caducae. Repr. ut rhe
Auchinleck Press, by Alexander Hoswell, IS1(>; vol. I):
Lidgatc, Huwldwin, nnd mniiy writers mo[e|,
The heauic fault« of naughtie mon hnuo showne ....
2 Vgl. z. B. in der 3. Strophe des obon erwähnten Schmähgedichts:
That gadding moode shee leamed of sa mere.
3 Painter ( Jacobs III p. 69): an Itaiyan Epigram irherof
the copy I cannot yet, and some suy Und Ardizzino ans the uuthor;
Feiiton (fol. 160b): an Itaiyan Epiyram . . . . compvsed na they aayd
by therle Valperyo: Bandello I 4: in publica e in prinufo narraimuo le
ribidderie di tpullu, facmdala diuenir fanola del poptdo
* Ausserhalb der Geschichte finden wir Maria liianca noch im
4. Tlieil des „Korke** in The Ortehard of repentunce (p. 81), erwähnt.
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32
V. GEORGE WHETSTONE.
riously) translated the modest and noble life of a Boemian
Lady, with the fall of ttvo Hungarian barons. Wir haben
keinen Grund, die Richtigkeit dieser Angabe zu bezweifeln,
doch hätte Whetstone nicht nöthig gehabt, auf Bandello zu-
rückzugreifen, da sich auch diese Novelle in Painrers 'Palaee'
II 28 findet. Whetstone erzählt die Geschichte selbst in
Septenareu :
p. lOß A8 aupreme hcad of Hungarie a king there whileome reignM,
Coruinus hiffht, whoae worthy force a worlde of prnises
gain'd . . .,
während The complaint of the Lorde Alberto and Vdislao,
the (wo Hungarian barons (p. 120 3) aus 13 siebenzciligen
Strophen besteht.
Ausser diesen Versionen bekannter italienischer Novellen
bringt WThetstone in der ersten Gruppe seiner Sammlung, in
dem Castle of Delight eine Prosa-Erzählung: The discourse
of Rinaldo and Giletta (p. 23 ff.) , über deren Ursprung er
sagt: This discourse was first trritfen in Italian by an un- '
knotrne authour. War das nun eine Bescheidenheitswendung
Whetstone's, oder wollte er, was wahrscheinlicher ist, seiner
Waare den currenten italienischen Stempel aufdrücken —
unzweifelhaft ist mir, dass diese sehr reizlose Erzählung keine
Übersetzung ist , sondern von Whetstone selbst nach be-
rühmten Mustern gefertigt wurde. Wie die nach Boccaccio
in Meuge auftauchenden italienischen Novellier! den Certal-
desen und sich gegenseitig plünderten und beliebte Novellen-
Stoffe mit leichten Umformungen wiederholten — man denke
z. B. an Baudello's Variierung des Romeo und Julie-Motivs
mit glücklichem Ausgang (II 41) — , so wird es bald auch
bei den Engländern Mode, neue Geschichten zu componieren,
indem sie italienische Motive mosaikartig an einander schoben.
In Whetstone's Erzählung, eine der ersten Erscheinungen dieser
Gattung, lernen sich die Liebenden ifrnaldo und Giletta auf
einem Maskenfest kennen, wie i?omeo und Julietta; ihre Liebe
wird durch Frizaldo's Intriguen gestört, der sich der Kammer-
zofe Rosina als Werkzeug bedient, wie Ariost's Polinesso der
Verbindung Ariodante's und Ginevra's mit Hülfe der Dal Inda
entgegenarbeitet (Orl. Für. V 5 ff.); Rinaldo springt in's
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V. OKORUK WIIETSTONF.
33
Wasser, besinnt sieh aber noch rechtzeitig eines Bessern 1
und erkämpft sich schliesslich als schwarzer Ritter die Ge-
liebte wie Ariodante; Frizaldo und Poliuesso wollen ihre Mit-
schuldige auf dieselbe Weise unschädlich machen, und werden
zur Strafe von ihr «entlarvt.
„Aus andrer Leute Häuten ist gut Kiemen schneiden"
— die Richtigkeit dieses Erfahrungssatzes hat Whetstono
nach obigen Ausführungen vollständig zu würdigen gcwusst,
und er ist dieser bequemen Methode der Novollon-Compo-
sition auch in seinem grössten Werk treu geblieben, in dem
Ileptamoron of riuill Discourses (1582). Auf
einer Winterreise durch Italien kommt Whetstono in einem
Walde unfern Ravonna zu einem schonen Palast, dessen Be-
sitzer Philoxenus ihn sehr freundlich aufnimmt. Philoxenus,
der jedes Jahr in der Weihnachtszeit offenes Haus hält, hat
eine grosse Gesellschaft von Damen und Herren um sich
versammelt, welche von einer durch das Loos bestimmten
Königin regiert wird. In diesem fröhlichen Kreis werden
allerlei Streitfragen über Liebe und die Vorzüge und Nach-
theile der Ehe aufgeworfen, es wird eifrig disputiert und die
streitenden Parteien lassen es sich angelegen sein, ihre Be-
hauptungen durch passende Erzählungen zu stützen :
The first Daye* e.n- reise. Chießy contayniny : A ciutll
Content ion, whyther the maryed or »ingle lyfe is the more
icorthy. Nachdem diese Frage zu Gunsten der Khe ent-
schieden wurde, erzählt ein weiberfeiudlicher deutscher Doktor,
Namens Mossonigo, eine merkwürdige Historie von einem
Wiener Sattler Borrihauder, der mit seiner Frau Ophelia in
stetem Hader lebte. Die Frau wird sterbenskrank, und wäre
gestorben, wenn sie nicht gesehen hätte, das« ihr Gatte, in
fröhlicher Erwartung ihres Hingangs, die Magd küsste. Aus
1 Turne ue In Hhtchlo, irho öfter he hod o irhiU' fett (he furie
of the floutiex, wax trearie of <li/in</, so tliat tor life he laboured tuito
the shoare, trhich recoueretl^ he feit his stomocke ot (hat instant
rather ouercharyed with unter then loue, vgl. OF. VI 5:
Ariniluntc, poi oh'in mnr fu measo,
Si penti di moriro
Si mo?so a nuoto, v ritnniossi ul lito.
<jf i xx
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34
V. GEORGE WllETSTOKE.
Wuth wird sie gesund , und macht nun ihrem liebevollen
Gemahl das Leben so sauer , dass er sich erhängt. Diese
Geschichte ist in die jüngste Vergangenheit, in die Zeit
Karl's V. verlegt. Wir erkennen in ihr eine Bearbeitung der
71. Novelle des 'Heptameron des Nouvelles' der Königin von
Navarra: Une feuime, estant aux abbois de la mort, se cour-
rouca en sorte, voyant que son mary accolloit sa chambriere,
qxCelle reuint en sante. Whetstone's Mossenigo erzählt etwas
derber, aber doch anständiger als die Frau Parlamente der
Königin.
The seconde Dayes Exerci[s]e. Contayning . . . a large
Discouerie of the inconueniences of forced Marriadges. Faliero
erzählt: In Cirene in Africa lebten zwei reiche Kaufleute,
Tryfo und Clearches, welche ihre Kinder, Sicheus und Elisa,
vermählen. »Sicheus vernachlässigt seine Gattin, die, von
Chion geliebt, diesem bedeutet, dass sie, solange ihr Gatto
lebte, nicht lieben könnte. Sicheus wird ermordet, Chiuu
zum Tode vorurtheilt, und eine Stimme verkündet Elisa's
Schuld, die in den Geburtswehen stirbt. Der märchenhaften
Sclilusswendung entsprechend, fügt der Erzähler bei, die un-
glücklichen Gatten und ihr Kind seien in Schlangen ver-
wandelt worden.
The thyrd Dayes Ewer eise. Contayning . . . a large
Discouerie of the inconueniences of Rash Mariayes. Doktor
Mossenigo erzählt: In der Nähe von Capo Verde, in alter
Zeit die Hauptstadt des Königreichs Neapel, lebte ein Jüng-
ling Marco Malipiero, der sich in Feiice, die Tochter Philippo
Provolo's verliebte. Provolo veranlasst die Liebenden zu einer
übereilten Heirath, stürzt aber selbst die Familie bald iifs
tinglück durch seine Verschwendung. Sie verarmen, und
unter dem Drucke des Mangels schenkt Feiice den Wer-
bungen eines reichen Jünglings, Marino Giorgio, the rieh
Orphant of Capo Verdo, Gehör. Ihr Gatte wird argwöhnisch,
tritt scheinbar eine Reise au, überrascht das Paar und tötet
seinen Nebenbuhler. Die Frau wird zur Strafe in ein Zimmer
mit dem Skelet des Ermordeten gesperrt und darf nur aus
dessen Hirnschale trinken. Schliesslich werden die Gatten
jedoch von einem unbetheiligteu Dritten, Cornaro versöhnt
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V. GEORGE WIIETSTONE.
35
und leben glücklich zusammen. — Die Katastrophe dieser
Erzählung, die von dem überaus matten, breit vorgetragenen
Anfang auffällig absticht, ist der 32. Novelle des französischen
'Heptameron entlehnt : Punition plus rigoureuse que la mort,
d'vn mary enuers sa femrne adultere, welche Geschichte
Whetstone auch in Painters's Talace (I 57) gelesen haben
konnte. 1
The fourth Daies exercise. Containing : varktie of neces-
sarie Di$cour8e[s], and yet wühall, the greater part apper-
taining to the generali argument of Marriage. Der Franzose
Mounsier Bergetto erzählt The adventure of Fryer Inganno:
In einem kleinen Dorf der Apenninen, in der Nähe der Be-
gräbnissstätte des h. Franciscus, wohnte eine hübsche Bäuerin,
an welcher der Franciskaner Fryer Inganno grossen Gefallen
fand. Er spiegelt ihr vor, dass sie demnächst, in Abwesen-
heit ihres Mannes, von dem h. Franciscus besucht werden
würde, was sie zwar glaubt, aber sehr gegen die Absichten
des Mönches, sofort ihrem Pfarrer mittheilt, damit dieser den
Heiligen mit Glockengeläute empfange. Von dem Pfarrer
aufgeklärt, rächt sie sich, indem sie sich von einer hässlichen
und schmutzigen Magd vertreten lässt, in deren Armen Fryer
Inganno von dem Pfarrer und den Bauern überrascht wird.
Dem falschen Heiligen werden allerlei schmerzhafte Ehren
erwiesen, und die zornigen Bauern hätten ihn schliesslich
sogar lebendig begraben, wenn sich nicht andere Mönche in's
Mittel gelegt hätten. Fryer Inganno war künftig vorsichtiger,
aber nicht besser. Denn Leute seiuer Art glauben : Fehler,
die die Welt nicht sieht, straft Gott nicht. — Whet-
stone bietet hier eine ziemlich geschickte Verschmelzung der
Abenteuer zweier liebesbedürftiger Kleriker, des Frate Alberto
und des Propsts von Fiesole, von welchen Boccaccio, „Deca-
meronu IV 2 und VJII 4 erzählt. Die Schluss-Sentenz scheint
er der abscheulichen 72. und letzten Novelle der Königin
1 Whetatnne's Text erinnert uns hin und wioder an Pninter, vgl.
z. B. Ilee l Marco Malipierof made an Anatomy of her welMoued Marino
and set htm in a fayre Chamber, within ivhiche hee inclosed his wyfe,
mit Painter f Jacobs II 98) : / <ioe locke her vp in the Chamber ... In
the chftrt of whirh Chamber l haue placed the Anatomie of her friend.
3*
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36
V. GKOKGK WHKTSTONE.
von Navarra entnommen zu haben: Le mesrhant moyne, en
parlant tousiours de Dien, paracheua auec eile Voeuure, que
soudain le diable hur auoit mis au ruettr .... Vasseurant,
gu'vn peche secret n'estoit point imputt denant Dien
(cf. 1. c. p. 211*).
An demselben Tag wird noch eine Geschichte erzahlt,
die berühmteste Geschichte des Englischen Heptameron, welche
ihm einen Platz unter Shakespeare*» Quellenwerken und damit
eine bescheidene Unsterblichkeit sicherte: 'Die rare Ilistwie
of Promos and Cassandra, reported hy Madam Isabella. Whr t-
stone wiederholt hier in knapper Prosa den Inhalt seines
weitläufigen, in Versen abgefassten Schauspiels, «las er 1578
publiciert hatte. Seine sehr frei behandelte Torlage war
höchst wahrscheinlich die 5. Novelle der 8. Dekade von Giraldi
Cinthio's "Hecatommithi'. 1
The fift Daies Exercise. Conlaining a breefe discourse,
tourhing the excellenrie of Man: and a large disrouerie of
the inronneniences of ouer loftg , and too Itase hone: tri/h
other Morall notes, needefull to be regarded. Dieser Tag
bringt viele Beispiele, aber keine ausführliche Geschichte.
Unter den warnenden Beispielen finden wir Bandello's Durhesse
of Mal ff/ und Bianca Maria, wahrscheinlich auch deu König
Astolfo aus der Erzählung des Wirths in Ariost's „Orlando
Furioso."2 Für weitere Geschichten, welche die gewünschte
1 Das italienische Original und Whetstone's beide Versionen sind
zu finden in Hazlitt's 'Shakespeare1« Library' ( London 1875) Part I vol. III
p. 155 ff., 169 ff., Part II vol. II p. 202 ff.
* Der Name de* Gatten und die Treulosigkeit der Gattin, die sieh
einem niedrig geborenen Buhlen hingibt, finden wir übereinstimmend bei
Ariost und Whetstone; die übrigen Verhaltnisse hat Whetstone seinem
Zweck entsprechend geändert, indem er die zweite Kpisode der Erzäh-
lung Ariont's, den Betrug der Wirthstochter, beniitzte. Exutnine King
Astolphusi, what constancie he found in hin three halpenie Jtiell, uhome
he had tourned out of Sheepes Hasset, into Clnth of Siluer : In auch
honours had wo otherwise alte red her manners, bat that ahe thought the
Lappen o f a Captaine was us mreete as a Kings, and therfore in all
her brauerie, she feil to her hinde ; cf. O. F. c. XXVIII 4 ff. Im Dunkeln
bin ich bis jetzt über Whetstone's Quelle für folgende Anspielung:
Andrea Zeno, a Gentleman of Vennice, was as slutishly serued teith
Via a Cooke Daughter, tvho upon her Mariadge dag, made an eatye
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V. MKUKOK WHETSTONE.
37
.Moral einschärfen, wird auf dio Metamor phosis, Seynior Lodoni-
cus Regester in Italian, Amadis de Gaule und den 'Palace of
Pleasure* (vgl. oben p. 11) verwiesen. Welches italienische
Werk gemeint ist, ist mir nicht ganz klar, doch dürfen wir
wohl annehmen, dass Whetstoue die von den Bünden ver-
heirateter Frauen handelnden Geschichten im 28. und 43.
(iesang von Ariost's Orlando im Auge hatte; Ariost wird ja
nicht selten Signor Lodovico genannt.
Ute sixt Dayes Exervise. Contayninye: Many needcfull
reyardes, for a Gentleman : with a Disconerie of the incon-
neniemes of Marriayes, where there are yreat ineqnalitie of
yeares. Auch der über diese Frage geführte Disput bietet keine
ad hoc erzählte Geschichte; die sehr farblose, wohl von Whet-
stoue selbst ersonnene Anekdote von dem tugendhaften
Floradin hat mit dem llauptthema des Tages nichts zu thun. 1
The VII. Dayes Exerrise. Containiny: a Discourse of
the excellencie of Marriaye: with many soitnd Lawes and
directions, to continue loue hetweene the married : with the
rare Historie of Pyriyeus and Pieria, reported by Seynior
Phyloxenus: And other yood notes of reyarde. Wieder ein
sehr saft- und kraftloses Elaborat. Phrigius (wie der Name
in der Geschichte selbst lautet), der Sohn des Herzogs Nebeus
von Milet, liebt Pieria, die Tochter des Fürsten Pythos von
Myos. Die beiden Städte bekriegen sich; durch die Liebe
der Fürstenkinder wird der Friede herbeigeführt und durch
ihre Vermählung besiegelt. Die Gatten leben lang und glück-
lich, und werden nach ihrem Tod in weisse Turteltauben
verwandelt.
way for her Husband, with no better man, Iben a Carpenter. Die Be-
merkung: Kiny Cofeina, the AJfrican, became enamoured of a Betjyer
erinnert un« an die alte Ballade fcf. Schröer's Percy p. 135 ff.) und
nn Shakespeare.
1 Fluradin, beiritched with the loue of faire Persida, his deare
Jriend Perirlex Wife, wrole in n table Booke : fye Floradin, f>/e, shre
is thy friend Pt rieten Wife: and sa often as idlrnes presented him with
thys p<t88'/on, he read his written remembraunce : und by aome honest
exercise, remooued hin imuqinntion. Die Krinnerung nu oines der besten
Dramen Thomas Hoywood's wird uns folgende Worte beachten lassen:
You will kill her with kindnesse, (quoth Maria lielochy ).
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38
V. GEORG K WHETSTONK
Wie in den meisten seiner ernsten Geschichten, ertappen
wir Whetstonc auch in einer humoristischen Episode des
zweiten Tages auf fremdem Boden. Mit seiner sehr ausge-
sprocheneu Abneigung gegen alles Kömisch-Katholische führt
er einen Mönch mit dem Etiquetteu-Namen Fryer Buyiardo
ein, welcher von der lustigen Gesellschaft sehr schlecht be-
handelt wird. Beim Essen plagen sie ihn mit allerlei neckenden
Fragen, welche der Mönch stets nur mit einem Wort beant-
wortet, z. B. What drivk is tcorst for the eyne? Wim. Nach
dem Grund seiner Einsilbigkeit gefragt, sagt er: Pauca
sapienti, worauf sie ihm das reichlich vorgesetzte Mahl ent-
ziehen. Der einsilbige Mönch stammt aus einer Anekdote
der 'Nouuelles Kccreutions' des Bonaventurc Des Periers:
Du Moine (jui respondoit tont par Mon[o\8Stjllabes rymez. 1
Selbsterfuuden dürfte hingegen die wunderliche Erklärung
sein, welche Whetstono am Höchsten Tag zu einem Gobelin-
Bild gibt, das ein neben einer Jungfrau schlafendes Einhorn-
ähnliches Thier zeigt.2 Ismarito — welchen Namen AVhetstone
sich selbst beigelegt hat — erzählt, ein Neapolitaner Hinautus
sei von der alten Circo, deren Liebe er verschmähte, in ein
Rhinocerot verwandelt worden. In Folge dessen bringe das
Thier alle alten Weiber um, und man könne sich seiner nur
mit Hülfe eines schönen Mädchens bemächtigen.
Auch in den Gedichten, welche der Prosa des 'Jlepta-
meron' eingefügt sind , kommt Whetstone1« Belesenheit zur
Geltung, er hat für die Lieder des zweiten Tages manche
Anleihe bei Petrarca gemacht.8
1 ef. Los Nouuelles Roerentions et .Toyeux Do vi* de fou Bonnvcn-
ture Dos Periers, Valot de Chambre de la Royne de Navarre. A Lyon
1561; p. 164 f.
* cf. Fr. Laucherfs 'Geschichte des Physiologus' (Strnssburg 1889);
p. 22 flF.
3 Das Gedicht If on firme Fnith, one Heart uncharg'd teith frawd
ist eine ziemlich genaue Übertragung von Son. CLXIX in vita: S'una
fede amoro8a, un cor non finto, während er in 2 anderen Liedern an
Petrarca'sche Anfangt» Verse eigener Mache gereiht hat, vgl. Tico
Soueraigne Dames, Ii autie and Honestie mit Son. XXIX in morte :
Ditc grün twmiche insieme erano aggiunte, sowie Hence burnyng sighes,
ic hielt nparckle front desyre mit Son. CII in vitn: Ite, caldi sospiri^ al
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V. GEORGE WHETSTONE.
39
So sehen wir in dem Geiste Whetstone*», den wir als
typischen Vertreter eiuer zahlreichen Klasse der Elisabetha-
nisehen Litteraten betrachten können, verschiedene Bildungs-
strömungen zusammenfliessen. Offenkundig ist der Einfluss
des italienischen „Decameron" und des französischen „Ilepta-
meron", aber Whetstone's Werk unterscheidet sich doch be-
deutsam von diesen beiden Rahmen-Erzählungen. In ihnen
dominiert durchaus das Bild im Rahmen, bei Whetstone der
Rahmen selbst. Er hat sich, wie Tilnay, und höchst wahr-
scheinlich angeregt von Tilnay, vor allem den 'Cortegiano'
Oastiglione's zum Muster genommen, den er auch unter den
Büchern seines Gastfreundes Philoxenus nennt. 1 Nicht in
der freien Natur, wie Boccaccio und die Königin von Navarra,
sondern in einem prächtigen Palast, wie Castiglione, bringt
uns Whetstone seinen Kreis vor Augen; dem Grafen, der
moralisch-didaktische Gespräche mit knappen erläuternden
Geschichten bietet, hat er die breite Ausführung des Rahmens
abgesehen. Auch für die einzelnen Figuren Whctstone's sind
die Gestalten der italienischen Gesellschaft Modell gestanden:
wie bei Castiglione die Gattin des Hausherrn, die Herzogin
von Urbino, ist bei Whetstone Aurelia, die Schwester des
Hausherrn, der Mittelpunkt des Kreises, Doctor Mossenigo
hat die misogyne Gesinnung des S. Gasparo Palavicino ge-
erbt, uud die Damen des Engländers sind bei der schlag-
fertigen Signora Emilia Pia in die Schule gegangen. Und
freddo core. In Godnnken berührt sich das Lied From shore to sei,
from dales to mountaines hie vielfach mit Canz. XIII in vita: Di pensier
in pensier, di mottle in nionte. Vor den erwähnten Gedichten wird
Petrarca nicht genannt, hingegen werden folgende Verse, auf welche
ich mich in den 'Rirae' nicht besinnon kann, als Citat aus Petrarca an-
geführt:
The Prince, the Peere, the Subiect and the »laue,
Loue giues with care, to him they make their mone,
And if by chaunce he graunt the grace they craue,
It comes of ruthe, by force he yeeldes to none.
1 For Gouernment, and Ciuil behauiours he read Plutarches
Moralles • Gueunraes I>ud of Princes : the Courtier of Count Baldazar
Castillio. In folge dieser Studien war Philoxenus ein so vollkommener
Gentleman, dnss er als Muster hätte dienen können für a Courtier not
inferriour to (hat of Count Bahhzar (of. The sixt Dayes Exercise).
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40
V. GEOK-5K WHKTSTONE.
wie hei t'astiglione, am Schluss dos zweiten uud zu Anfang
dos dritten Huehes, wird auch hei Whetstone am 4. Tag die
Frage, oh die Frau ein ebenso vollkommenes Wesen sei, wie
der Mann, eingehend erörtert.
Zum Loh des Stilisten "Whetstone sei es gesagt, dass
er der Modcthorheit des Kuphuismus ziemlich fem blieb ;
er gehört nicht zu den Nachahmern Lyly's, sondern zu jener
Sehriftstoller-tiruppe, deren Stil in Sidney's 'Areadia' seinen
vielgepriesenen Höhepunkt erreichen sollte. Sonst lässt sich
allerdings nicht viel Kühmons von Whetstone's Schreihart
machen , er ist breit und in der Fülle seiner Bilder und
Gleichnisse bringt er wenig Neues und Schönes. Doch sei
ihm nicht vergossen, dass er, wie dem Zusammenstoss von
Stein und Eisen den Funken, dem Meinungskampf der Menschen
die Wahrheit ontsprühen lässt. 1 Aus culturhistorischem Inte-
resse werden wir ihm ferner die Unschönhoit eines den
Hahneukämpfeu entlehnten Hildes2 vorzeihen, und aus lite-
rarhistorischem die Unhörlichkeit, dass er die Fraueuzuuge
dem Dreschflegel des Zauberers Yirgilius vergleicht, der ohne
Unterschied Freund und Feind traf. :<
1 Aa Yron and Flynt, beut toyether, haue the reritte to smite fyre
so, mens teitfes, encvuntruiuj in dautful qm-stions, openeth a passaae far
imprisoued Trueth | 1. Tag). Neu wird di« *er (k-dnnke scium zu Whet-
stonc's* Zeiten nicht geweaen sein, doch kann er ihn innnerhin selbst-
«tändig nochmals gedacht haben.
* Thouah [Beryetto] fainted in hin opinion, yet (Uhr a G>cke,
thitt haih one of Iiis eyes strich en out, und ins Imtd ha red to the brn'ueif,
yet strikt 'h untill he dyeth), he assayled the Portor trith this om more
reas»n . . : . (3. Tag).
s Marie (quoth o pleasant Cotnpanion) it is müde of the sanie
meltle, that Virgils Brase n Flayle irns off, irhirh strooke hoth Iiis Jriendes
and Joes. Hat (quoth the Gentleman) ViryyJl knete and tattyht others
howe to paeiße this enyine. 1t is trae (quoth the othtr): bat in teachiny
the .ircret e nnto his Seruant, coste hitti hin outie life \\\. Tag). Vgl.
Knrly Knglish Prose Roninnces, cd. by W. J. Thom« C2Qd ed., London
1858); vol. II p. 21 ff, und besonders p. 54 ff.
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VI. RfOBKRT] S[MYTH].
Struunye, lamentable* and Trayicall Hystorica. Trans-
lated out of French into Enylish hy R. S. London '1577.
Dieses seltene Küchlein finden wir erwähnt bei Warton
rlV :i47), Collier (II IH3) und linzlitt (p. 565), jedoch ohne
jede Inhaltsangabe. Da es mir sehr wahrscheinlich war, dass
diese aus dem französischen übersetzten Geschichten auf
italienischer Grundlage beruhten, habe ich den Librarian der
Bodleian Mr. E. B. Nicholson, um Angabe des Inhalts ersucht,
und die mir mit höchst dankenswerther Freundlichkeit er-
theilte Auskunft hat die Vermuthung italienischer Provenienz
für .'t Geschichten zur Gowissheit erhoben: K. S. hat aus
dem französischen Bandello, aus Bolleforest's „Histoires Tra-
giques" übersetzt. Das Büchlein (Sigu. Douce 11. H. 207)
hat folgenden Inhalt:
A. 2. Dedication to Henry Vvrnon , of Stocke co Salop,
and John Vernon of Sudhnry, hy Th. Newton, puh-
lisher.
A. '1, v°. T. N. to the Reader.
Ii. I. A inst fact< hut to cruelL of John Maria, Duke of
Myllayne, towarde a Priest extreme couetous [ cf. Bellef.
Hist. 29 (vol. JI p. 545Hff.): Acte iuste, mais trop
cruel, de Jean Maria Duc de Milan, a Vendroit d'un
Cure' trop auare — Bandello III 25].
D. 3. The Marques of Ferraria . . . caused his oivne
Sonne to he heheaded . . . (crossed throuyh. It is
on 'chastitye soulde for haryayned Sommes). Hier
mnss ich die (Jnelleiifrage offen lassen.
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42
vi. h[obkrt] s(myth|.
G. /, v". A Mahometan staue reuengeth the death of Ins Lord,
vpon his son [cf. Bellef. Hist. 15 (vol. I p. 337» ff):
D'un esclaue Mahometan, leqitel vengea la wart de
son seigneur, sur le fils qui en estoit l'homicide etc.
= Bandello I 52].
K. 1. The Marques of Ferraria [wie neben, cf. Bellef.
Hist. 11 (vol. I p. 241* ff): Du Marquis de Ferrare,
lequel sans auoir esgard ä Vamour paterttcl, fit
decoller son propre ßs, pour V auoir trouui en adul-
tere auec sa belle-mere etc. = Bandello I 44].
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VII. II[ENRY] WfOTTON].
A Courtlie Controversie of Ctqnd's Cautels: Conteyning
five Tragicaü Histories, very pithiey pleasant, pitifull and pro-
fitable: discoursed uppon with Argumentes of Love by three
Gentlemen and two Gentlewomen, entermedled with divers
delicate Sonets and Rithmes, exceeding delightfull to refresh
the yrksomnesse of tedious Tyme. Translated out of French
as neare as our Englishe Phrase will permit, by H. W. Gent-
leman. London 1578. Für dieses Buch bin ich auf Colliers
Mittheilungen (Account II 543 ff.) angewiesen, aus welchen
sich ergibt, dass H. W. in dem Prosa-Theil seiner „Contro-
versie" auf den Spuren Tilnay's wandelt: auch er lässt, wie
auf dem Titelblatt angedeutet, eine Gesellschaft von Damen
und Herren Geschichten erzählen und über erotische Fragen
disputieren. Collier berührt kurz den Inhalt dreier Geschichten :
in der einen hat er die Quelle der Tragödie „Soliman and
Persedau (gedruckt 1594) erkannt1; eine andere spielt in
England und hat William Kufus zum Helden; in einer dritten,
von contrarious love handelnden Erzählung sollen die Aben-
teuer zweier Scholaren, des Claribel of Poictiers und des
Floridan of Xaintes, berichtet sein. Quellen-Vermuthungen
kann ich an diese ziemlich mageren Notizen bis jetzt nicht
knüpfen.
1 VgL Übor diese Frago meinen Aufsatz „Beiträge zur Geschichte
des Elisabeth anisohen Dramas*, welohor demnächst in den Englischen
Studien erscheinen wird.
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VIII. II. CS 'FORREST OK FANOY*.
The Forrest of Funcy. \V herein is conteined uery pr<ty
Apothcymes und pleasant Historics, hoth in meeter und prose*
Sonyes, Sonrts, Fpiyrums, und Epistles, of diuerse mutier und
in (I werse munner. London l~»79. 1 Den Schluss «liest* stoff-
lich nicht interesselosen Misccllany bilden drei in Prosa er-
zählte Novellen , deren italienische Quellen leicht zu be-
stimmen sind:
XnA.Seiyneor Francisco Veryclis, for u fayr umbliny yefdiny,
suffered one Seiyneor Bichurdo Maynijfiro to tulk uith
Iiis wifc etc. - Hoccaecio, l)ec. III ö ;
„ 2. Theodore enamonred of Ma ister Emeries duuyhter . . .
yot her with chihf for the which he wus condemned to
he hunyed etc. — ib. V 7 :
„ <\. One numed Salard , departiny front Genes, cume to
Monferat wherc he transyressed tltree commuuudem» ntes
that Iiis Fat her yaue htm by Iiis last will and Testamente,
heiny condemned to dye, was deliitered, and retour ned
- (K/aine into Iiis owne countrey — Straparola, Piaeevoli
Notti l 1.
1 cf. Sir l^erton Brydjjes „Ro^tituta" vul. UM Londo n 1815 ), wo
.siel« p. 4*>«5 -7K eine ausführliche InhaltMnnifalie dieser Sammlung findet:
Collier I 2!H ff.; Huzlitt p. 70. Collier macht Aoc !, XIII mit Kocht
darauf aufmerksam , dass der Titel dieses Buches durch Forteseue's
„Foreste or Colloction of Histnrios* | I.">71 ) veranlasst sein dürfte. Di>r
"Fönest of Fände* selbst erscheint nochmals im 17. Jahrhundert auf
dem Titelblatt eines linderen Buche«: „Claraphil and Clarinda: in a
Fönest uf Fancie*-. By Tho. Jordan (out. s. a. (cf. Ilazlitt p. :U0. 231.
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viii. ii. c.'s fürrest üf fancy.
45
Es musa uns auffallen, dass II. (\ die Namen ver-
schieden von Boccaccio bildet. Diese kleinen Differenzen
bringen uns zur Erkenntnis« der wichtigen Thatsache, dass
wir hier auch für Boccaccio's Novellen ein französisches
Mittelglied anzunehmen haben. Der Engländer hat nicht aus
dem italienischen Original, sondern aus der, der Königin von
Navarra gewidmeten, französischen Übersetzung des Autoine
le Macon1 übersetzt. Boccaccio's Namen lauten Francesco
Vergeltest, Ricciard o il Zima, Amerigo — Alaeon hat Fran-
coys Vergelesi, Le magnific^ue Richard, Ewery — II. C. :
Francisco Vergelis, Richardo Ma gniffico, Enteric. Auch
für die Novelle des Straparola dürfte der Englander die
Version des Franzosen Jau Louveau2 benützt haben, man
vergleiche Straparola: Salardo, Genova, Monferi aio — Lou-
veau: Salard, Genes, Monf errat — Ii. V. : Salard, Genes,
Monferat.
Ausserdem treffen wir in dem „Forrest* the good Karle
of Engers und den Nastagio Boccaccio's (Dec. II 8, V 8),
sowie drei berühmte Liebespaare der italienischen Novelle,
Baudello's Aleran und Adelasia (Nov. II 27) und die Herzogin
von Mafji mit ihrem Mnjordomus, welchen II. C. auffälliger
Weise Ulrico nennt,3 uud Ciuthio's Euphemia und Acharisto
1 Le Decameron de M. Jean Bocence Florentin, noiiuelloment
truduict d'Italien eu Franeoy» pnr mnistre Antoine le Alaeon couseiller
du Roy etc. A Lyon, chez Guillaume Kouille, a VEscu de Venisc M I »LI.
2 Le« Faceeh'use« Nuietz du Seigneur Jim Frnneois Strapurolc . . .
Nouuellement traduittes d'Italien en l'runcois, pur Jim Louueau. X Lyon,
pur Ouill iunie Kouille 1 r>f ><l.
s Die betreffende Stelle, die sich in einem Prosa-Brief: A yong
mint, beiny in Jone nith a foyre yetitlenowan . . . desyreth to he aeeepted
for her huaband findet, lautet: Kuphijm]ia Daughter to the King and
heyre to the mnene of the Kingdome of t.'orinth, ntatehed her»elfe icith
Acharisto her fothern hondman. The Ihitehesse of Mnlfey chatte for her
hmsbande her seruaunt l'lrico Wie H. C. auf diesen Namen kam, ver-
mag ich nicht zu Hagen: bei Bandello (I 26) heisst der Gatte der Her-
zogin Antonio Bologna, und ebenso bei Belieferest und Painter. Robert
Greene hat in »einer „Card»' of Fancie" den obigen Passus des „Forrest
of Fannie1* offenbar auageschrieben: Efn/phifmjia danyhter to the hing
of Corinth, and heire apparent to his craime, who for her featnre uns
fnmonsthronghont all the Hast conntrics, vonchanfrd to nppliea snnemigne
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4ß
VIII. H. C FORRKST OF FANCY.
(Hec. VIII 10). Der italienische Stempel ist somit auch
dieser Sammlung tief eingeprägt, doch scheint H. C. seine
Kenntniss der italienischen Litteratur den französischen Über-
setzern und Painter zu verdanken.
plaister to the furioua passions oj Acharisto her fathers bondman. The
dutchesse of Malphey chosc for her husband her seruant Vlrico (vgl.
vol. IV p. 118, und oben p. 52). Der Name Ulricoy und wohl auch die
beiden Stellen gemeinsame Form Kuphiitia für Euphemia , verrathen
das Plagiat.
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IX. BARNABE KICtlE.
A right excelent and pleasaunt Dialoque, betmne Mer-
cury and an English Souldier: conteyning Iiis Supplication
to Mars : Beivtified with snndry worthy Histories, rare inven-
tions and politike deuises. Written by B. Rieh. London 1574.
Diese erste uns erhaltene Schrift des begabten Autors fällt
in die Zeit der grössten Beliebtheit der italienischen Novelle,
und obwohl das von Riehe behandelte Thema dem Gebiete
der Erzählung sehr fern liegt, hat er es doch zu Wege ge-
bracht, der Mode zu huldigen. Nachdem sich Mercur mit
dem Soldaten über militärische Diuge unterhalten hat, werden
wir an den Hof der Venus versetzt, in deren Palast Riehe
herrliche Wandteppiche sieht, geschmückt mit the pitiftdl
history of Romcus and Juletta, Gismondo and Guistardo,
Piramus and Thisbe, Livio and Camilla^ and of many other
loving wightes. Die traurige Geschichte von Livio and
Camilla stammt aus Bandello I 33: Dui Amanti si trouano
la notte insieme, e il Giouine di gioia si muore, e ht Fan-
ciulla di dolor s'aecora. Sie findet sich in Feuton's 'Dis-
courses' (No. 2 vgl. p. 14), wo sie Riehe kennen gelernt
haben dürfte, denn wir erhalten einen weiteren Beweis dafür,
dass er Fenton gelesen hatte. Er hört nämlich am Hofe der
Venus die Geschichte von der unheilvollen Liebe der Dame
von Chabry erzählen = Fenton N 9 (vgl. p. 14) = Ban-
dello II 33 Inforttmato et infausto Amore di Madama di
Cabrio Prouemale con im suo procuratore, e morte di molti.
1 cf. Collier, Account II 242 ff., auf dessen Beschreibung nieine
obigen Angaben beruhen. Das Werkohcn nelbst habe ich nicht gosehen.
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4H
IX. KARNABE RICHE.
Da Riehe schon in diesem seinem Erstlings- AVerkchen,
in welchem er als Soldat für den Soldatenstand eintritt, Lust
zum Fabulieren hekuudet, kann es uns nicht überraschen,
dass er sich in einer späteren Schritt, auf deren Titelblatt
und in deren Vorrede er der militärischen Laufbahn valet
sagt, ganz als Erzähler gibt, in Riehe his Farewell to Mili-
tarie profession : conteining cerie. pleasaunt diseourses fit for
a peamthle tyme.x vom Jahre in unserem Jahrhundert
neu herausgegeben für die Shakespeare Society-. Das Ruch
enthält im Ganzen !* Erzählungen, da auch in The Conclusion
des Verfassers «»ine Geschichte eingekochten ist. Riehe selbst
gibt in der Epistel To the Readers in generali folgende Aus-
kunft über die Entstehung seiner Geschichten : The histories
(altogether) are eight in number, whereof the first, the se> onde,
the fift, the serenth and eight, are tales that are bat foraed
onely for defight, neither *redihte to be beleved, nor hurt fall
to be perused. The third, the fourth, and the sixt are Italian
histories. written tikeicise for pteasure by Maister L. B. (p. 10).
Diese Angaben entsprechen insofern der Wahrheit, als die
8., 4. und f». Novelle in der That italienischer Herkunft sind;
die Initialen L. R. hingegen scheinen den harmlosen Zweck
zu haben, eine unbefugte Neugierde auf eine falsche Fährte
zu leiten. Denn Riehe hat diese Novellen nicht einem un-
bekannten Herrn L. R. entlehnt, sondern den 'Hocatommithf
des sehr bekannten Giraldi Ointhio, was bisher noch nicht
hervorgehoben wurde. Seine dritte Geschichte Of Nicander
and Lucilla (p. U2 ff.) entspricht der dritten Novelle der
sechsten Dekade: Don Hercole da Este, ama vna Giouane,
priuafa, la Madre di lei glie/e da in sua balia . la Giouane
lo prega a non essere eon lei, ina a darin per moglie ad vn
suo Amante ; Don Hercole cortese, e datale la dotey
adempie il desiderio delln Giouanr, e salua la sua honesta;'*
die vierte Geschichte Of Fineo and Fiamtna (p. 111 ff.) der
• et Collier 1. o. p. 247 ff.
2 Kight Noveln employed by Engliah Dramutic Poets of the reign
of Queen Klizubeih. Originally publislod by Bnrtmby Hiebe in the year
löSl. London, pr. l'or the Sh. Soc. 1846.
3 of. über ähnliche Erzählungen Dunlop-Liebreebt p. 280.
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IX. BAKXAHE RIOHK.
49
sechsten Novelle der zweiton Dekade: Fianima awa Phineo,
e egli fei, il Padre della Giouune P contrario al loro amore :
Phineo vieti j)reso, e Ugato gli le mani, c. i piedi e1 posfo in
vna harca solo, nella quäle e preso da corsali; Fugge sinril-
mente Fiammn dal Padre, per non volere altro marito, e
presa anch' ella da corsali etc. ; die sechste Geschichte Of
Gonsales and his rertuous icife Agatha (p. 157 ff.) der fünften
Novelle der dritten Dekade: Consaluo^ pigliata Agata per
moglie, s'innamora di vna meretrice, .<?/ delihera di auelenare
Agata ; Vno Scolare gli du in vece di veleno poluere da far
dormire, la da egli afla Moglie, la quak oppressa dal sonno,
e sepellita per morta etc.
In diesen drei Erzählungen lernen wir Riehe als sprach-
kundigen und gewandten Übersetzer kennen. Wenn er nun
diesen Übersetzungen seine anderen Geschichte als Inf forged
onelg for delight gegenüberstellt, so dürfen uns diese Worte
nicht glauben machen, dass wir in ihnen durchgehends freie
Gebilde seiner Phantasie zu erkennen haben. Schon der
Herausgeber des Neudruckes der Shakespeare Society hat
bemerkt, dass Kicho's zweite Novelle: Of Apolonius and Silla
(p. 67 ff.) , welche als Quelle von Shakcsponre's Twelfth
Night' berühmt wurde, 1 auf Bandello II 36 und die der
Conclusion eingefügte Geschichte auf Machiavelli's köstlicher
Historie von dem Erzteufel Kclfagor- beruht. Diese letztere
Geschichte hat Riehe verdorben, die Liebe der Silla hin-
gegen hat er, romantisch geschmückt, sehr gut erzählt; man
begreift, dass sie Shakespeare' s Aufmerksamkeit fesseln
konnte.
Auch in den übrigen Novellen Kielte'» wird man oft
durch ein bekanntes Motiv geneckt, ohne dass man bei der
Verfolgung desselben zur Quelle der ganzen Geschichte ge-
führt würde. So verbirgt z. K. in der fünften Geschichte:
Of two Urethren and their Wives (p. 126 ff.), Kielte's Mistrcs
Dorotie ihren Lawier in einem Koffer, wie Cinthio's Bice
1 Cf. „Shakespeare^ Library" Part. I vol. I p. 387 ff.
* Cf. Classici Italiani : Machiavelli vol. IX (Milano 1804) ; vol. CXVII
<ler ganzen Sammlung.
qf lxx. 4
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50
IX. BARNABE RICHE.
iliron GiudireJ und der eingekofferte erhalt derbe Schläge,
wie der in einen Mehlsack gesteckte Messer Simplicio dv'
ftossi StraparolaV — weiter geht die Übereinstimmung in
beiden Fällen jedoch nicht. Wir haben es eben auch hier
wieder mit Mosaik-Arbeiten zu thun , deren Material zum
grössten Theil aus Italien bezogen ist. Immerhin ist die
Möglichkeit keineswegs ausgeschlossen, dass sich für die eine
oder die andere der in Frage kommenden vier Novellen (Xo. 1 :
Sappho Duke of Muntona ; Xo. 5 wie neben ; Xo. 7 : Of Araman-
thun, Lome a leper ; Xo. H: Of Phylotus and Emilia) die Quelle
noch genauer bestimmen lassen wird.
1 Doeft III Nov. III: Jiiee ama Pam philo, e .sv (jode con lui\ il
quäle per ulcuni giomi #i aflontana da lei , ella in gnel tewpo si giace
con vn (Hudicr dclla c itta ; llilonia Patn philo ulhi i-pronedatu, incntrr
ella } eol (iiudice: onde, temendo di von essci t eolfn con lui, sJ, che
Camante recida Vuno, e Valtro, fa nitrure il Giodice in m cofano etc
? Notto II Favola IV.
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X. ROBERT OREENE.
Robert Greene ist in seiner erzählenden Prosa auf dem
von Tilnay und Whctstone betretenem Wege weiter gegangen.
Eines seiner ersten Werke: „Morando. The Tritamcron of
Loueu, (1584) ist vollkommen mieb dem Plane des Whet-
stono'sehen 'Heptaineron' gebaut, und auch später benüt/.t er
das bequeme, dehnbare Schema der Ivahmen-lM/.ählung sehr
häufig. Der italienischen Novelle hat aueh (Jreene manehes
Motiv entlehnt, aber das fremde (iut ist bei ihm nieht so
leieht von seiner eigenen Habe zu scheiden, wie bei Whot-
stone. Dieser wird matt, sobald er selbst zu erfinden beginnt,
dem phantasievollen (Jreene hingegen ist manche eigenartige
Schürzung des Knotens geglückt, so dass man sich hüten
muss, bei ihm nicht zur Unzeit an voleur zu rufen.
Mit Yerwerrhung der Angaben Grosarfs in seiner
grossen Ausgabe der Grcenc'schen Werke1 und auf Grund
eigener Leetüre will ich versuchen, aus der ungeheueren
Menge der Greene'schen Prosa seine Beziehungen zur italie-
nischen Novelle herauszuheben. Die dramatischen Dichtungen
bleiben, um die Gräuzen dieser Studie nicht zu überschreiten,
vorläufig unberücksichtigt.
„Mamillia" (158.'}) bietet nur eine Anspielung auf eine
bekannte Novelle liandello's (II 44): What a cold coufect
had tlte Lord Meitdozzu at the Dutcltes of Sauoyes hund?
(vol. II p. 34).
1 Cf. The Life and Complote Work« in Pioho and Verse of Robert
Orrenc In 1") Volumen London issi sß (The Iluth Library}.
r
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52
X. ROBKRT OREENK.
„Morande. TheTritamcron of Loueu (15S4): In MoraimVs
Landhaus werden von einer aus Damen und Herren be-
stehenden Gesellschaft allerlei Streitfragen erörtert. Das
Thema des ersten Tages ist: Amore Ja molto, tun uryentn
fa ttttto. Ja, bei Männern! s:igt I*anthia. Nein, lau den
Frauen! sagt IVratio. Für die Unoigennützigkeit des weib-
liehen Geschlechtes führt Laeena folgende Beispiele an: Did
not Campaspe prefer pore Appell es before tniyhlie Ah .raudt r.
aud that louelie Lady Euplnuiu rhooxe Aehnrisfo her Fntlars
bondman?1 vgl. Cinthio's „lIocatommithiu V f 1 1 10. Am
zweiten Tag (The seeonde daies diseourse) \erfheidig( Sil-
vestro die veredelnde Wirkung der Liebe mit dem schönen
Anfang einer berühmten Novelle Boecaeeio's: Aud to pruue
this premisses trith a partieular instannre, I remembvr that
nur eouutriman Boeeaee in Iiis Ihrmnvrun brinyeth in one
Chymon a Laeedemonian, trho was tnore wenlthie tlan ttittie,
aud of yreater pnssession then yood epttdities, yiuen from his
hirth to he a seruile drudye by nature, and eould not by his
friendes be haled from his ehirnish State by nurture. Sil-
vest.ro gibt eine kurze und in den Nebenumständen von dem
Original abweichende Version der wunderbaren Wandlung des
Cimone aus Pec. V 1.
„Gwydonius. The Carde of Faneieu (15S4): Gwydonius,
der die spröde Castania liebt, spielt in einem seiner Liebes-
briefe auf Eupkiniu und Aeharisfo an und fügt als weiteres
Beispiel hingebender Liebe bei: The duti lasse of Malphry
ehose for her husband her seruant Vlriro- (vol. IV p. IIS)
vgl. Bandello I 2b. Auch sein Nebenbuhler Valericus er-
innert sich der verhängnissvollen Liebe der Königstochter
von Corinth für den niedriggeboreneu Acharisto (vol. IV
p. 132).
„Perimedes the Blaeke-Smith* (1588): Grosart (vol. I
p. 93) hat bereits bemerkt, dass die erste Geschichte, welche
1 Der 'Morando' steht im dritten Bunde der Grosnrt'schen Aus-
gabe, ich muss jedoch ausnahmsweise nach dem Text der oditio prineeps
citieren.
* Vergl. über diese ganze Stelle, die Greene abgeschrieben hat,
oben p. 4."> Anm. \\.
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X. HO BEUT GREESE.
5H
lVrimode* seiner Gattin Pelia erzählt, auf Boccaccio Poe.
II »i beruht (ef. vol. VII p. 14 ff. The first niyhts <liscuurse;
p. 2't ff. Perimedes Tale). Greene hat neue Namen einge-
führt, den (rang der Handlung «bor nur wenig geändert. —
I ber die Quelle der zweiten Geschichte (The seeond niyhts
discuttrse p. 43 tf. Z)<7<V/ A/r fale p. 47 ff.) äussert sieh < J r< »-
sart nicht, obwohl sie auch dein „Pecameron" entlohnt ist.
Wir erkennen in ihr eine genaue Keproduction der zweiten
Novelle des fünften Tages : (iustttma ama Martucciu (unnitus
la ijmde udendn che inorto era, per disperuta solo si wette
in u>ui barea etc.
^Cicoronis Amor. Tullies Lone" ( I r>S!>) : In dieser
Liebes-Goschichte, deren Personen klassisches ( 'nstiim tragen,
entdecken wir mit einiger l 'borraschung «las ( 'imonc-Mntiv
Boccaceio's. Der römische Senator Vatinins hat einen schönen,
aber blöden und rohen Sohn, der wegen seiner rnbeliolfen-
heit Fabius the Foule gescholten wird. Auf ein Landgut
verbannt, findet er eines Tages im Walde ein schlafendes
Mädchen, Terentia, die Geliebte Tully's. Fabius versinkt in
den Anblick der schlafenden Schönheit, und an dieser Stelle
erhalten wir den Beweis, dass Greene den Text Boccaccio**
vor sich liegen hatte. Kr schreibt: In this huntuur he beyan
tu descaut uf her senerall beauties, praysiny hir huire tu he
uf t/ulde, hir furchend uf Juurie, hir Ups coro/, and ubuue
all hir tiro breast s whieh then beyun tu appeure like pretic
t ender bnddes, in such simple surt so distiuyuishiny uf her
fnuuurs, that front a y rosse clutene hee bet aute tu be a Judyc
uf lieuutie: esper'udly couetiny tu see hir eyes which heuuie
sfrepe lind shut up, ileferntiuiny offen io haue truhed hir tu
haue ronlenled himselfe wilh tluir siyht (vol. VII p. ISO)
in theil weise wörtlichem Anschluss an Dec. V 1 : E (juiwi
cuminrio a disfiuyuer le purti di lei, lodando i capelli, Ii
ffuali d'oro estimaca, la fronte, d nuso, e la bocen , la yola,
e le brucciu, e sommmnente il petto, poeo aneuru rilevatu.
F di laruruture, di bellezzu subitantente yiudice tfinenufo, scru
suuimamente disideraea di eeder yli occhj, Ii r/uali esstt, da
a/tu sonnt) y rannt i, tenecu chiusi: e per rederyli, piu rotte
ebbe euluntä di destarbt. Fabius wird verständig und der
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51 X. KOBKKT GREENE.
Nebenbuhler Tully's. Dann treten die lliuptge.<talten der
Erzählung in den Vordergrund, und die Ähnlichkeit mit
Boccaccio^ Novelle? verliert sieh.
„The Spanish Masquerado* (1589): In dem fünften
Abschnitt dieses gegen Spanien und den römischen Klerus
gerichteten Pamphlets fällt Greene über die Monkes. Frier.?,
und dir ging Priestes her, und tischt mit Behagen zwei der
antiklerikalen Novellen Boccaccios auf: Of this generation
John Iiuccace in Iiis Derameron tel/eth manie pretie tales: of
Iht ir Lecherie, as tvhen /\rier\ 1 Albert ttnder ihe shape of the
Angell GttbrieH lag uith Dame Lecetta: oftheirfahe Legendi*]*
von welchen er dann noch die köstliche Geschichte von dem
lernte Cipolla zum Besten gibt, der den Bauern statt der
Feder von dem Flügel des Erzengels Gabriel Kohlen von
dem Hoste des h. Lorenz zeigt (vgl. vol. V p. 2b'Ö und
Dee. IV 2. V[ 10). Diese offenkundigen Entlehnungen aus
Boccaccio sind natürlich auch Grosart aufgefallen (vol. 1
p. 101).
„Philomela. The Lady Fitzwaters Nightingale* (1502):
Schon Dunlop, der eine ausführliche Analyse dieser rührenden
Geschichte gibt,2 hat hervorgehoben, dass die Schlussepisode
derselben, die Selbstanklage der beiden Gutren, der Kata-
strophe der berühmten Freundsehafts-Novelle Boccaeeio's von
Tito und Gisippo nachgebildet ist. Dass Greene dieser Freund-
schafts-Typon selbst wiederholt gedenkt, :J verdient kaum er-
wähnt zu werden.
Sehr wahrscheinlich wird sich bei umfassenderer Be-
lcscnhcit noch für manche andere Erzählung Greene'« die
Benützung einer fremden Vorlage uachweisen lassen. Ich
erlaube mir deshalb, da Greeno's Werke auf dem Continont
nur schwer zu besehaffen sind, knappe Analysen derjenigen
Novellen Greene'* anzufügen, in welchen ich fremde Elemente
zu erkennen glaube.
„ Planotomachia ( 1 585)\ V cutis Tragedie (vol. V p. 5 1 ff.).
1 Grostirt: /<oV, wohl ein alter Druckfehler, vjrl Hoccaeeio*«
/rate Alberto
1 Cf. Dunlop-Liebreeht p. I.T> tV.
s Orosart's Ausgabe vol. IV p. 211; vol. VII p. 243.
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X. ROBERT GREESE
55
Tin *1 * »ii Sirurni« als Unheilstifter zu brandmarken, erzahlt
Venus folgende Geschichte: "In Ferrara lebte der böse
Herzog Valdracko, mit seiner Tochter Pasylla, in welche
Kodento, der Sohn des Coute Goelio, verlieht ist , trotz der
zwischen ihren Häusern bestehenden Feindschaft. Valdracko
findet in dem Gemach seiner Tochter einen Brief Rodento's,
und begünstigt die Verbindung der Liebenden, um seine
' Feinde desto sicherer verderben zu können. Nach der Hoch-
zeit lässt er den Grafen Goolio orschiessen und seinen
Schwiegersohn von dem Mundschenken vergiften. Der
Schmerz der jungen AVittwe wirkt, jedoch so erschütternd,
dass der G iftmischer selbst Gift nimmt und vor seinem Tode
Valdracko als den Vrheber des Frevels bezeichnet. Pasylla
fesselt ihren schlafenden Vater an Händen und Füssen, hält
ihm bei seinem Erwachen seine Sünde vor und ersticht ihn
mit demselben Schwerte, mit dem sie nach dem Vatermord
ihrem eigenen Leben ein Ende macht.44 Dieses Blutbad
unter Verwandten dürfte Greene dein Giraldi Cinthio nach-
erzählt haben, der in der zweiten Novelle der zweiten Dekade
ebenfalls den Schwiegervater den Schwiegersohn, die Tochter
den Vater und sich selbst töten lässt. Satunies Trayedie
(p. 104 ff.). Saturn rächt sich durch eine Geschichte, deren
tragische Verwickelungen nicht dem Hass, sondern der Liebe
entspringen: „Der schönen Buhlerin Rhodopis in Memphis
raubt ein Adler einen ihrer goldgestickten Schuhe, den er
in den Garten des Königs Psammetichus trägt. Der alte
König verliebt sich in den Schuh, ermittelt mit Hülfe des
Zauberers Nestes die Besitzerin, und erhebt sie, trotz ihres
übelen Rufes, zu seiner Gemahlin." Soweit bewegen wir
uns auf bekanntem Boden; die Genesis der oft behandelten
Geschieht«; der roseuwangigen Buhlerin hat neuerdings Julius
Riegel eingehend besprochen l. Den Schluss der Geschichte
scheint Greene selbst nach berühmten Mustern zusammen-
gestellt zu haben: „Philarkes, der Sohn des Königs, ist empört
' [n seiner inhaltsreichen Doctorsehrift 'Die Quellen von William
Morris Dichtung Tin? Karthly Paradise' (Erlanger Beitrage, IX), Er-
langen 1S90; p öl IT.
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X. KüBKRT (iRKENK.
über die unwürdige Wald seine« Vaters, aber seiu Hass ver-
wandelt sieh bald in leidenschaftliches Verlangen, dem sieh
Khodopis nicht versagt. Sie werden von dem König über-
rascht und getötet. Psammetichus vergiftet sich/
,,1'enelopcs Web-4 (1587). Ponelope erzählt ihren Mägden
beim Weben drei Geschichten. I'envlopes Tale (vol. V p. 1 08 ff.) :
„Oer Sultan Saladin von Egypten verstösst seine tilgend hatte
Gemahlin Harmenissa, und vermählt sich mit der Buhlerin
Olyuda , gegen welche sich die egyptischon Grossen ver-
schwören. Harmeuissa rettet ihre Nebenbuhlerin und ge-
winnt durch diesen Edelmuth das Herz ihres Gatten und die
Krone wieder44. — Pendopes aecond täte (p. 203 ff): „Oala-
nuis von Ithaca, ein grosser Verschwender und Wüstling,
findet Gefallen an der hübschen Häuerin Cratyna, die, mit
Lestio vermählt, von ihrem neuen Verehrer nichts wissen
will. Calamus vertreibt deu Bauern von Haus und Hof, und
entführt (Vatvna, die ihm jedoch wieder entflicht und zu
ihrem Gatten zurückkehrt, der in den Dienst eines Köhlers
getreten ist. Um weiteren Nachstellungen zu entgehen,
nimmt die junge Frau männliche Kleidung an; trotzdem
wird sie schliesslich von Calamus entdeckt, aber nicht mehr
belästigt, sondern, aus Bewunderung für ihre standhafte
Tugend, mit Gesehenken überhäuft/ — Pemlnpes third Ude
(p. 228 ff.): Arimenes, der Herrscher von Dolos, hat drei
Söhne , von welchen er denjenigen zu seinem Nachfolger
machen will, der die tugendhafteste Gattin besitzt. Zwei
der Frauen rühmen sich selbst und gerathen dabei in Streit;
die Frau des Jüngsten schweigt und sagt erst auf die Frngo
des Königs: He thal (jaimth a Crownc, getteth care: is it
not foUie Ilten to hunt after Urne? (p. 232). Ihr Gatte erhält
die Krone44. Die Ankunft des Ulysses unterbricht die Arbeit
und das Gespräch der Weberinnen.
„Greenes Vision44 (1502?). 1 In dieser Vision machen
sich Chaucer und tnoral Gower den zerknirschten Greene
1 Die Echtheit dieser Schrift ist nicht über jeden Zweifel erhaben,
vgl. Dyco „The Diunmtio and Poeticnl Works of R G. uud George
Peelew ( London 18Ü1) p. 80; Collier Account vol. I p. 337 f. Mir scheint
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X. ROBERT GRKEKE.
57
streitig. Chaucer, dem die Rolle des hosen Engels zuge-
thoilt ist, erzählt, diesem Charakter entsprechend, eine sehr
schlüpfrige Geschichte, die grosse Ähnlichkeit mit den italie-
nischen Schwänken dieser Gattung hat: (Jhawcers tule of
Jealosk (vol. Xfl p. 224 ff.) : „Der Wagnermeister Tomkins
in Gramichester hei Cambridge heirathet das hübsche Milch-
mädchen Kate, die eine Liebschaft mit einem Studenten von
Cambridge hat. Das übermüthige Paar beschlicsst, dem
eifersüchtigen Tomkins einen Possen zu spielen. Der Student
setzt ihn in Kenntniss von der Untreue seiner Gattin, und
zeigt sie ihm auf dem Schoss eines anderen Studenten.
Dann gibt er ihm einen Schlaftrunk, Tomkins wird heim-
gesehafft , und wie er erwacht und seine Frau zur Rede
stellen will, wird ihm weis gemacht, er habt; eine schwere
Krankheit überstanden, während welcher er die hässlichen
Träume gehabt haben müsse".
Aber auch zugegeben, dass meine Zusammenstellung von
Greonc's Reminiscenzon aus italienischen Novellen keine ab-
schliessende ist, zwei Thatsachen gehen jedenfalls mit ge-
nügender Deutlichkeit aus ihr hervor — erstens, dass Greene
mit Vorliebe aus dem Urquell der italienischen Novelle, aus
Boccaccio'» „Decamerou" , schöpfte; zweitens, dass er, der
mit seiner Belescnheit zu prunken und Heispiel an Beispiel
zu reihen liebt, die Gestalten der italienischen Novelle auf-
fallend selten verwendet. Das ist ein beachtenswertes Factum,
denn Greene, der von seiner Feder lebt und deshalb in engster
Fühlung mit seinem Publikum steht, ist ein verlässiger Baro-
meter, der jede Schwankung des herrschenden Geschmackes
anzeigt. Als Greene zu schreiben begann, staud Lyly's lite-
rarischer Stern in seinem Höhepunkt, und der tief einge-
prägte Stempel des Kuphuismus hat sich in Greenc's Stil nie
ganz verwischt. Aber es lässt sich in seinen Romanen doch
deutlich erkennen, wie die Extravaganzen des Euphuismus
allmählich aus der Mode kamen, von der Mitte der achtziger
-fahre an bemerken wir eine bedeutende Abschwächung des
Dyce'a Ansicht, der die Vision selbst für echt hillt, »ehr viel für sich
zu haben.
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58
X. ROBERT OREEKR.
ciipluiisrischon Elementes. Eine ähnliche Beobachtung machen
wir betreffs der Helden der italienischen Novelle, die sieh
nach dem 'Palace of Pleasure' grosser Popularität erfreuten.
In den achtziger Jahren scheint die Leser-Welt ihrer über-
drüssig geworden zu sein , und Greene , der seine ersten
Komane noch mit ihren Namen schmückt, streicht sie bald
von der Liste seiner literarischen Ornamente.
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XI. HR VAX MKLBANCKE.
Phäotimns. The Wurre hetw'wt Natureand Fortune. Com-
fiiledby Bryun Melbunclce Student in Grates Inne. London ln83.]
Der Verfasser dieses sehr oonf'usen Buches stellt uns two
distrexsrd wighles vor, l'andolpho und Feriauder; Pandolpho
erzählt, seinem niedergeschlagenen Freunde zum Trost, die
Geschichte des Philotimus. Die Haupthandlung dieser höchst
reizlosen Erzählung lässt sich in wenige Worte fassen : Philoti-
mus, der Sohn des Statthalters von Man t im, lieht Aurelia, die
ihm untreu wird; er geht auf Reisen, erlebt allerlei Aben-
teuer, und mit seinem Eintritt in den Dienst eines Fürsten
bricht die Geschichte ab. Eine in Aussicht gestellte Fort-
setzung scheint nicht veröffentlicht worden zu sein.
In den zahlreichen und breit ausgeführten besprächen
und Briefen dieser Erzählung hat Melbancke seiue Belesenheit
in sehr unkünstlerischer Weise verwerthot. Uns kann dabei
nur seine Benützung eines der weniger häufig genannten
Werke Boccaccio's, des „Filocolo", interessieren. Boccaccio
hat in die uralte? Liebosgeschiehte von Florio und Bianco-
fiore bekanntlich eine moderne, neapolitanische Episode ein-
geschoben, die als eine Vorstudie für das „Decamoron" gelten
kann: ein glänzender Kreis von schönen Damen und Herren,
der einer selbstgewählten Königin gehorcht, erzählt Geschichten,
in welchen höchst subtile Streitfragen aufgeworfen werden. -
1 Eine ziemlich eingehende Besprechung dieses Buches findet
sich in dem ., British Bibliographer" vol. II (London 1812), p. 438 ff.
a Näheres bei Gtispary OIL vol. II p. 3 ff.
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üü
XI. HKYAN MELHANCKK
Dieses von der Jlaupthandlung vollkommen unabhängige
Intermezzo, welches «las fünfte Buch des „Filoeolo44 füllt,
war schon 1507 von einem Anonymus iu's Englische über-
tragen worden, 1 und hatte vor dem „J'hilotiinus" bereits drei
Auflagen erlebt, zu welchen 1587 noch eine vierte kam.
Melbancke hat, ohne seine Quelle zu nennen, dem „Filoeolo44
zwei (ioschichten entlehnt: 1. Ein Jüngling wird bei seiner
(ieliebten von deren Brüdern überrascht, die ihm die Ver-
pflichtung auferlegen, zur Strafe ein .fahr mit einem häss-
lichcn alten Weib zusammenzuleben ; sie lassen ihm jedoch
die Wahl, mit ihrer Schwester oder mit der Alten zu be-
ginnen, und eine Dame räth ihm, sich wegen der Unsicherheit
der Zukunft zuerst <1<t Jungen zu gesellen — Queatiotie XII;
2. Die Lady Thiametta verlangt von ihrem Anbeter einen
blühenden Harten im Januar = Qttestionc IV,- von Boccaccio
im „Deeamoron44 X 5 wiederholt. Im „Filocolo44 ist die
Dame namenlos, im „Docamcron44 heisst sie Dianora, viel-
leicht hatte Melbancke Fiametta geschrieben, wie die Königin
des Kreises im Filocolo44 genannt ist.
Einer italienischen Quelle entHoss möglicherweise auch
Molhancke's Version einer sehr bekannten und weit ver-
breiteten (icschichte: Ein König belohnt einen Bauern, der
ihm eine grosse Hübe bringt, sehr reichlich, und schenkt
diese Kühe einem habsüchtigen Höfling, der ihm, in der Hoff-
nung auf entsprechend höheren (iewinn , ein schönes Fferd
dedieiertc. Diese Anekdote wird von verschiedenen franzö-
sischen Königen erzählt: in den Hecatommithi (VI *.)) von
Francesco Valrsi primo Re di ' Fntncia di tal uomv; in „I'as-
(|iiils Josts44 (ältester Druck Hi04) vou Carl V.; ' in <len
„.Mcry Tales and Quieke Answores44 (c'M54!)) von kynye Lotet s
of France;* in Domeuichrs "Facetie44 von Ludwig XL:
' Cf. Huzlitt p. 42, G; Warton IV 337.
* „II Philocopo di Motuscr Giouanni Boeeacio in fino u *jui falsa-
inoittn dotto l'hiloeolo diligentomento da Messer Tizzone Gaetano d,
Pofi Rouisto. Vcncgia 1538; p. 385 ff., 441 ff.
5 Cf. „Shakespeare'« Jost Book«*; od. by W. C. Haulitt ( London
1S04) vol. III p. 51: A deceyt of the hope of the couetous man teith a
Turne)).
* Cf. ib. vol.I p. 34: Of kynge Lowes of France, and the husb in (man.
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XI. «RYAN MKMiAXKK.
Lodonieo nndrriino He di Fratn in, Ironanthhi in Uortjoijnn
al tonpo (leiht yucrra (fei ben pnblieo, feee sttlla earria fnntiy-
linrifa eon nn rertu Cottone, 1 und von demselben König be-
richtet sie Melbnneke mit ähnliehen Worten : So it channced,
tltat Lodonick bring tronhled irith hnrltj bntiies at honte,
retnoned Iiis conti to Bnrynndie, trhere Inj http in his hnntiny
he feil acqttaitited with one Conon.
Erwähnt werden ausserdem von den Gestalten der
italienischen Novelle Tittta und Gisippns, und Romeo und
Jnliet. ßei Melhanckc's sonstigen Entlehnungen aus Helio-
dor's „Aothiopica", aus Petrarca, aus Scogghfs Spässen und
den „Merie Tales of the Mad Men of Gotham" brauchen wir
uns nicht aufzuhalten.
1 Fftcotie, Motti, et Burle, di Diuersi Signori «>tt\ Kaceolte per
M. Lodouico Domcnichi. Yenetia 1571; p. 153 f.
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XII. TARLTONS NKWRS.
Tarif ons New es out of Puryatorie. Omlye auch a icst
as Iris Jigyc, jit for Geidlemen fo lauyh at an honre. Pub-
lislud Inj an old mutpanion of Iris, Bohin Goodfellow. London
[1590], 1 Per unbekannte Verfasser dieser, 1S44 von .1. O.
Halliwell für die Shakespeare-Society neu herausgegebenen
Schrift,2 träumt, er werde» von dein Geiste des populären
Komödianten durch das Fegefeuer geführt. Zur Erklärung
der verschiedenen über die armen Seelen verhängten Strafen
werden folgende Geschichten erzählt, die zum grossen Theil
italienischer Herkunft sind :
No. 1. The Tale of Pope Bonifaee, and why he wore a
Millers Cap and a Mallem in Puryatorie (p. 50 ff.)
eine sehr plumpe Version der oft wiederholten Ge-
schichte von den drei Räthselfragen , 5 an welchen
alle Weisheit zu Schanden wird, bis sie schliesslich
von der Einfalt richtig beantwortet werden. Eine
direkte Quelle vermag ich nicht anzugeben, die Ge-
1 Cf. Collier II p. 412 ff., Hnzlitt p. 591.
* Cf. Tarlton'H Josts and Newes of Purgatory ; od. by .T. O. llnlli-
wcll (Sbsik. Soc.) London 1844.
5 Vgl. z. B. Gowcr'» „Confcssio Amantis** Lib. I iChaliuors' Eng-
liah Poots vol. II p. 41 ff.); die Halinde von „King John und the Abbot
of Canterbury", welche auch Halliwell erwähnt (cf. Schroer'a Percy
p. 466 ff.); Biirger's Ballade „Der Kaiser und der Abt" und hierzu
Dunlop-Liebrecht p. 491 Anm. 333, wo auf SaccheÜi Nov. 4 verwiesen
ist. Smu-hi'Ui erzählt n n. O. zwei Versionen «lieser Gcsi-hiehte.
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XII. TAKLTOSS NEW KS.
63
schichte liest sich wie eine frei erfundene, antipäpst-
liche Variation des bekannten Themas.
No. 2 : The Tale of Friar Ont/on : why in Purgatory he was
tormented irith Maspes (p. 06 ff.) = Boccaccio, Dec.
IV 2, indem der englische Erzähler für den Frate
Alberto den Frate Cipolla aus Dec. VI 10 einführte
(vgl. Ilnlliwell's Anmerkung p. 66 und seine Nach-
träge).
No. 3: The Tale of the Three Cuckotds, of their im presse*
and mottoes (p. 74 ff.)
No. 4 : The Tale of the Cooke, and tehy he sat in Purgatory
with a Cruues Leg in his Mouth (p. 78 ff.) Boc-
caccio, Dec. VI 4, wie schon Halliwell bemerkt hat.
No. 5: The Tale of the Virkar of Bergamo and why he
sits irith a coale in his mouthe in Purgatory (p. 82 ff.).
In dieser Geschichte sind zwei Anekdoten der reich-
haltigen klerikalen chronique scandalouse an einander
geschweisst. Von dem Kleriker, welcher Pasteton
stiehlt, die ihm nachher sehr zur Unzeit, beim Pre-
digen, aus dem Ärmel fallen, hatte der Verfasser der
„Newesu in der alten Sammlung „A Ilundrod Mery
Tales" (ältester erhaltener Druck 1526) gelesen, in
welcher die 70. Geschichte haudelt Of the frere that
stale the podyng;* eine italienische Quelle dieser
Geschichte ist mir nicht bekannt. Für die zweite
Hcldenthat des Virkar of Bergamo, die Verwand-
lung der Feder des Erzengels in die Kohlen des
heiligen Lorenz, hat bereits Halliwell auf Decameron
VI 10 verwiesen.
No. 6: The Tale of the Painter of Doncuster, and trhy in Pur-
gatory he was beuten with a hel-roape (p. 86 f.)
No. 7 : Why the Gentlewoman of Lyons sat with her Haire
clipt off in Purgatory (p. 91 ff.) — Boccaccio, Dec.
VII 6, was Halliwell nicht entgangen ist.
1 Cf. Shakespeare^ Jest Book. A Hundred Mery Taljs; od. by
Ilormnn Oestcrlcy, London 186ß; p. 120.
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«4
XII. TARLTONR NKWES.
No. 8: The Tale of thr ftro Lavers of Pisa, and irhy flieg
were whipt in Purgatory with nettles (p. *)5 ff.) 1 —
schon Punlop (p. 200) und nach ihm Hiilliwell haben
bemerkt, dass diese Geschichte dem Straparola ent-
lehnt ist, vgl. Piacevoli Notti IV 4 : Nerino Figlittofo
(Ii Galese Re di Portogallo innamorato di Genahhin
moglie di wastro Raimondo Brunello fisico, offenne
Vamore suo. Dieser letzten Erzählung verdauken wil-
den von der Shakespeare Society gelieferten Neu-
druck unserer Sammlung; es ist möglich, dass Shake-
speare dieselbe für den Plan seiner „Merry Wives of
Windsor", benützte.
1 Cf. Hazlitt'« „Shakospeare1« Library" Part. I vol. III p. ßO 11
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XIII. THE COBLER OF CAMTERüriUE.
The Cobler of Cannterburie, Or An Inuectiue Agamsi
Tarltons Newes out of Purgatorie. A merrier Jest then a
Clownes Jigge, and fitterfor Genffemens hitmors. London 1590. 1
Eine lustige Gesellschaft von Loudonern beiderlei Geschlechts
fährt auf der Themse nach Gravesend. Die kürzlich ver-
öffentlichte Schrift „Tarltons Newes" wird besprochen und
betreffs der darin erzählten Geschichten sehr geringschätzig
bemerkt, dass sie zumeist dem Boccaccio gestohlen wären,2
was freilich der Wahrheit vollkommen entspricht. Der un-
bekannte Verfasser des „Cobler" will offenbar den Glauben
erwecken, er selbst sei ganz unabhängig von den Italienern ;
er beschwört Chaucer's ehrwürdige Gestalt: wie die Cantcr-
bury-Pilger sollen sich seine Leute G »'schichten erzählen,
denen er ein möglichst englisches Colorit gibt. Halliwell
theilt zwei dieser Erzählungen mit und sie genügen, uns
erkennen zu lassen, dass er, der „Cobler44, durchaus nicht
berechtigt war , einem anderen seine Plagiate vorzuwerfen,
da er es selbst um kein Haar besser macht.
No. 1. The Smiths Täte (p. 111 ff.). Ein eifersüchtiger
Schuster, der seine Frau auf Schritt und Tritt be-
wachen lässt, wird dadurch betrogen, dass ihr Lieb-
1 Cf. Hazlitt p. 113. Ich bin für diese Schrift leider auf die
Auszüge angewiesen, welche Halliwell in der Einleitung und in dem
Appendix seiner Ausgabe von „ Tarltons Newes" gibt.
* TW/, qitoth aiiother, wost of them arr sfnlnr out of lioccace
Decnmeron (p. XLI).
QF. lxx. 5
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66 XIII. THE CÖBLKR OP CA UNTHRBÜRIE.
haber, der Schmied, die Frau bei einem Ausgang
mit schmutzigem "Wasser überschütten lässt. Die
Tugendwächterin muss nach frischen Kleidern laufen,
und die Verliebten erreichen ihren Zweck. Diese
Geschichte findet sich in den „Cent Nouvelles Nou-
velles": La XXXVII nouuelle par möseigneur de
la Roche d' üg ialoux q enregistroit toutes les facons
fjl pouoit ouyr ne scauoir döt les femmes ont deceu
leurs marys le t8ps passe : mais a la fin il fut trompe
par lorde eau que lamant de sadicte femme getta p
vne fenestre sur eile en venant de la messe. 1 Bei
Dunlop-Liobrecht (p. 296) ist bei der französischen
Novelle auf Wright „Lat. Stor.a No. 12 verwiesen;
eine italienische Version der Geschichte glaube ich
bestimmt gelesen zu haben. Die unmittelbare Quelle
des englischen Erzählers wird sich schwer feststellen
lassen. Wir sind übrigens mit den Schelmenstücken
der verliebten Schusterin noch nicht zu Ende: die
zweite Täuschung des Gatten wird bewerkstelligt,
indem ihm die Frau selbst von den Nachstellungen
des Schmiedes in Kenntniss setzt und ihn auffordert^
ein jenem bewilligtes Stelldichein zu belauschen. Das
Paar erzielt auf diese Weise wieder eine ungestörte
Vereinigung, und da sie sich dabei fortwährend gegen-
seitig mit Vorwürfen überhäufen, glaubt der lauschende
Schuster in ihr die treueste Gattin, in ihm den besten
Freund zu besitzen : / pereeiue you are as honest as
she, and shee as honest as you (p. 119). Dieser
Schlu88 erinnert uns an die Worte Egano's (Dec.
VII 7), der auch von seiner Frau selbst die ver-
brecherischen Anträge seines Dieners erfährt und
eben mit Hilfe dieses Kniffes so schlau betrogen
wird, dass auch er glaubt d'avere la piü leal donna,
1 Citiert nach folgender Ausgabe s. a. : 8'enBuyuent Les cet nou-
uelles: cCtenät oent hystoire» ou nouueaulx comptes plaisans a deuiser
on toutes bonnes compaignies par maniere de ioyeusete. Imprime nou-
uellement a Paris (Col.: per la yeufve feu Jehan Trepperei). XXX.C.
(joden falls = trentc cahiers).
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XIII. THE COBLER OE CAUNTERBURIE.
67
ed il piü fedel servidore, che mai avesse alcun gen-
tüoumo. Ob die Variierung dieses Motives in der
Erzählung des Schmiedes der Phantasie des eng-
lischen Erzählers entstammt, oder ob er auch hier
auf einem italienischen Nachahmer Boccaccio's fusst,
vermag ich nicht zu sagen.
No. 2. The Old Wiues Tale (p. 120 ff.) - auf die Heldin
dieser Erzählung sind die verliebten Abenteuer der
Monna Tessa und der Manna Sismonda Boccaccio'»
übertragen. Die alte Frau regaliert uns mit einer
Yerbindung der fantasima- (Dec. VII 1) und der Bind-
faden-Geschichte (ib. VII 8).
Die beiden Proben beweisen uns, dass der Verfasser
des „Cobler" ganz im Kreise des italienischen Einflusses
steht, und dass er bei der Wahl des zu erzählenden Stoffes
nicht durch moralische Bedenken gehemmt wurde. Wenn
Robert Greene, dem der „Cobler" zugeschrieben wurde, in
seinem Protest sagt: Notce of late there came foorth a booke
called the Cobler of Canterburie, a merrie tcorke and made
by some madde fellow, conteining plesant tales, a Utile tain-
ted with scurilitie, 1 so hat er damit das Wesen dieser Rahmen-
Erzählung richtig, wenn auch sehr nachsichtig, charakterisiert.
1 Cf. „Greene« Viaion«, Grosurt's Ausgabe vol. XII p. 212.
5*
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XIV. THOMAS LODGE.
The Life and Death of William Longbeard, the inost
famous and witty English Traitor, hörne in the Citty of
London. Accompanied with manye other nwst pleatant nnd
prettie Jlistories. By T. L.f of Lincolns Inne, Gent. London
1593. Da der jüngste Biograph des Thomas Lodge, R. Carl, 1
dioso Schrift nur mit wenigen Worten und die für unsere
Studie wichtigen Geschichten überhaupt nicht erwähnt, so
müssen wir wieder auf Collier*» Mittheilungen in seinem
„Account* vol. 1 p. 472 ff. zurückgehen. Freilich bietet auch
er nur die Titel der betreffenden Geschichten, aber diese
kargen Angaben ermöglichen es uns doch, die italienische
Herkunft dieser Erzählungen mit völliger Sicherheit zu be-
stimmen und zugleich eine neue, wohl noch nie berücksich-
tigte Quelle der elisabethauischen Prosaiker zu erschliessen.
Die „Silua de Varia Lecion* des Spaniers Pero Mexia
hat einen italienischen Fortsetzer gefunden, dessen Compilation
mir vorliegt iu einer Ausgabe vom Jahre 1587, betitelt:
Nuora Seconda Seien di Varia Lettione, che seqne Pietro
Messiu ; Diuisa in Quattro Parti etc. Nuouamente posfa in
luce, e con diligentia correfta. In Venetia, Appresso Giacomo
Cornetti MDLXXXV11. Den Namen des Verfassers lernen
wir in der an Bernardo Giustiniano, dignissimo CavaUicr di
Malta gerichteten Widmung des Druckers kennen : Hauendo
giä il Rcnerendo Missier Pre G ieroni m o G i g l io , inio
umicisshno, composto la Seconda Parte della Selua di Varia
1 Of. Angl m X 28.r> ff.; p. 253 und 282.
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XIV. THOMAS LODGE
09
Lettione, la quäle segne Pietro Messia . . . ho voluto che ella
sia proprio, e particolar dono di Vostra Illustrissima, e Rette-
rendissima Signoria. Aus diesem neuen Wald hat sich Thomas
Lodge, wie die folgende Tabelle zeigen wird, sein Holz
geholt :
Xo. 1. Die erste Geschichte handelt nach Collicr's Angabc
1. c. p. 475 von famous piruts who in times past were
Lord es of the sea (Dionides, Stilcon. Cleonides, Chi-
panda, Millia, Alcomonius, Francis Enterolles, Monaldo
Guecca) — vgl. Xuova Selva, Parte IV. Cap. XV.
(p. 1 70b ff.) : Di tnolti famosi Corsari, che sono statt
per mare (Dionide, Stilcone, Cleonide, Chipanda, Milia,
Alcamone, Francesco Entorelles, Menaldo Guerra).
Xo. 2. The historie of Partaritus, King of Lombardie —
vgl. XS. P. III. Cap. X[VII]. (p. lllb ff.): Di Par-
tarito Re de Longobardi, il quäle perseguitato da
Grimoaldo, fuggl prima a Cucano, Re delli Auari,
poi in Francia, finalmente dopo tnolti trauagli, fu
nel regno con moltp gloria restitutio, e della gran
fedeltä dyun suo paggio. Et di Vntdfo suo fami-
liäre. Von den Schicksalen des Partarito erzählt
auch Bellcforest in seinen „Ilistoires Tragiques" vol.
IV, p. 600 ff. Hist. 74™.
Xo. 3. The wonderfull dreame of Aspatia — vgl. XS.
P. IV Cap I (p. 153b ff.) : Sogno di Aspasia, ßgliuola
di Hermotimo Focense molto pouero, la quäle poi
per le sue mirabili virtü, fu prima moglie di Ciro
Re di Persia, e morto lui diuenne tnoglie di Arta-
serse.
Xo. 4. A wonderfull revenge of Megollo — vgl. X S. P. III.
Cap. XXX[VI] (p. 137- ff.): Vendetta mirabile di
Megollo Lercato Genouese contro V Imperatore di Trabi-
sonda. Diese Geschichte findet sich auch bei Ban-
dello (II 14) und in den „Histoires Tragiques" (vol I
p. 318b ff. Hist. 14"»).
Xo. 5. The memorable deeds of Valasca — vgl. XS. P. I
Cap. III (p. 12bff): Di Valasca donzella di Boemia,
la quäle hauendo fatto uccidere da Valtre donne gli
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XIV. THOMAS LÜDGE.
mariti, frateÜi, e figliuoli, signoreggiö sette anni la
Boemia. Auch in den „Histoires Tragiques44 (vol. VI
p. 587 ff. Hist. 9me in der Ausgabe vom Jahre 1583:
A Lyon pour Cesar Farine).
Xo. 6. An excellent example of continence in Frauncia Sforza
— vgl. XS. P. 1 Cap. XXV (p. 39bff.): Essempio
di continenza di Francesco Sforza.
Xo. 7. Of many learned men, ancient and moderne, who
violently and infortunatelie ended their daies vgl.
XS. P. I Cap. XXVI (p. 40bff.): Di molti huomini
letieraÜy antichi, e moderni, che infelicemeute morirono.
Xo. 8. How King Roderigo lost his kingdome — vgl. XS.
P. I Cap. XXX (p. 44* ff.) : Come il Re Roderigo,
ultimo delia casa Regale de* Goti, perde il Regno, e
la vita per la sua incontinenza . Eine poetische Grab-
schrift dieses Königs findet sich in Thomas Xewton's
„Historie of the Saraccus" vom Jahre 1575 (vgl.
Collier Account II p. 31).
Xo. 9. Of manie famous men, uhoe, leaving the goverument
of the Commonweule, gave themselves over to pi-ivate
Vife - XS. P. II Cap. 1 (p. 46bff.): Di molti huo-
mini itlustri, Ii quali lasciato il gouerno della Repu-
blik, si diedero alla vita priuata.
Xo. 10. A most subtile dispute amongst Ambasadors — XS.
P. III Cap. I (p. 92bff.): Disputa molto sottile fatta
in Antiochia al cospetto del Re Tolomeo, da sette
Ambasciutori, quäl fusse quella delle loro Republiche
c hauesse migliori leggi, e ottimi costwni.
Xo. 11 The stränge Lawes of Tyrsus the Tyrant — XS.
P. IV Cap. VII (p. 159* ff.): Strane leggi di Trizo
tiranno per uolere prouedere alle congiure.
Dass Lodge in der Wahl seiner Quelle sehr glücklich
war, kann man nicht sagen: der Italiener berichtet mit
chroni8tenhafter Dürre. Doch mag es dem schriftgewandten
Engländer wohl gelungen sein, den Thatsachen eine etwas
gefälligere Hülle zu geben.
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XV. WESTWARI) POR SMELTS.
West- ward for Sinei ts : Or the Water-mans Fare of mad-
merry Western Wenches etc. W ritten by Kinde Kit of King-
stone. London 1620 (lic. 1619). 1 Diese Rahmenerzählung
liegt jenseits der Zcitgrünze unserer Studie, muss jedoch hier
erwähnt werden, da sie nur der Reflex eines der vorstehend
besprochenen Werke ist. Der Yerfasser von „ Westward for
Smclts" hat sich nämlich in allen wesentlichen Punkten den
„Cobler of Canterbury" zum Muster genommen.2 Wie dieser
mit seiner Gesellschaft Themse abwärts nach Gravesend fährt,
rudert jener seine redseligen Fischerinnen die Themse hinauf
nach Kingston. In beiden Booten werden Geschichten er-
zählt, uud beide Yerfasser geben uns vor den Geschichten
in demselben Metrum drastische Schilderungen der erzählenden
Persönlichkeiten. Die Moral der Fischerinnen ist auch keine
strenge und in der Wahl ihrer Stoffe sind sie durchaus nicht
ängstlich, aber in der Art des Vortrags bemerken wir doch
eine gewisse Mässigung der tollen Laune und der verzweifelten
Offenheit der elisabethanischen Gesellschaft. Wie der Cobler,
1 Cf. Hazlitt p. 649; in unserem Jahrhundert wurde dieses Werk-
chen neu herausgegeben für die Percy Society: Westward for 8melts,
an early Collectiou of Stories. Ed. by James 0. Halliwell, London 1848.
Auf die nähere Bestimmung der Quellen der einzelnen Erzählungen ist
der Herausgeber nicht eingegangen.
* It ts a story book, very mtich öfter the manner of « Westward
for Smelts" with poetical descriptions and tales, sagt Halliwell von dem
Cobler in seiner Ausgabe von „Tarlton Newcs* p. XL.
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72
XV. WESTWARD FOR 8*IKLTS
ist auch sein Nachahmer bemüht , seinen fremden Quellen
entlehnten Erzählungen eine möglichst englische Färbung zu
verleihen.
No. 1. The Fishwife of Brainford (p. 10 ff.) erzählt von
einer treulosen Gattin, welche der erzürnte Ehemann in der
Nacht zur Strafe an eineu Pfeiler bindet. Ihre Ilelfershelferin
befreit sie, nimmt ihre Stelle ein und wird von dem Gatten,
dessen Frage sie nicht zu beantworten wagt, an der Nase
verwundet. Nach erneutem Rollenwechsel wird die schuldige
Frau am nächsten Morgen von dem betrogeneu Gatten, Kraft
des Wunders ihrer unverletzten Nase, als schuldlos verehrt. 1
— Über die zahlreichen Versionen dieser Geschichte wolle
man bei Dunlop-Liebrecht p. 243 und bei M. Landau nDie
Quellen des Dekameron" (Stuttgart 1884) p. 132 ff. nach-
lesen. Die unmittelbare Quelle unseres Autors glaube ich
in einem von Duulop nicht angeführten Werke gefunden zu
haben, iu der „Moral Filosophiatt des Antonfrancesco Doni.2
Dieses Werk war schon von Thomas North in das Englische
1 Oedruckt in „Shnkespeare's Library" Port. I vol. III p. 73 ff
' La Moral Filosophia del Doni, tratta da gli Antichi Scrittori;
Vinegia MDLII; Libro I p. 53 sqq. Für die Wirkung dieses sehr frucht-
baren Schriftstellers auf die englischen Litternten wird sich noch manches
Zcugniss beibringen lassen. So habe ich beim Durchlesen der „Mondi
Cclcsti, Terrestri, et Infernali, de gli Academici Pellegrini. Composti
dal Doni" (Vinegia 1567) gefunden, dass Abraham Fraunce die wunder-
liche Geschichte von den einen Weg in den Himmel suchenden C<un~
bridije scftolam, welche er am Schlüsse von „The Third pari of the
Countcsse of Pembrokes Yuyohurch* (1592, vgl. über dieses Werkchen
Anglia XI 25 ff.) berichtet, einfach mutatis mutandis wortlich aus Doni
1. c. p. 17 sqq. übersetzt hat. Ihm verdankt er somit auch die von mir
(Ztschr. f. vgl. Litt.-Gesch. und Ren. Litt. N. F. III 448) betonte Kennt-
nis» der «elm osenra Dantes: A questo passo otjni Viyuaiitolo si stilaca
il cerrdlo, iniayinandosi per aqua, come le »ari di Luciano ; per terra
per ria di qualche selva com? Dante (1. c. p. 17). In den BTre libri
di Pistoletti Amorosi del Doni" (Vinegia 1558) lesen wir p. 94 sqq.
einen Brief voll bäuerischer Liebeslieder, in deren einem (p. 97 sqq.) der
verliebte Bauer seiner Scholien seine Vorzüge aufzählt. Dasselbe Thema
variiert Thomas Howell in dem Gedicht Jacke showes Iiis qualities and
tjrent (jood a ill to Jone (cf.The Arbor of Amitie, London 156H, p. 36*).
Dem Petrarca-Übersetzer Howell können Doni's Episteln sehr wohl be-
kannt gewesen sein.
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XV. WESTWARD FOR SMELTS.
73
übertragen worden,1 hatte 1601 eine neue Auflage erlebt,
und bietet in seinem ersten Buch eine Version unserer Ge-
schichte, welcher die Erzählung der Fischerin von Brainford
in allen wesentlichen Zügen entspricht. Dass der Ehebrecherin
die Nase nur zerschnitten, nicht abgeschnitten wird, wie bei
Doni, ist eine der angedeuteten, von dem englischen Autor
angebrachten Sordinen.
No. 2. The Fishwife of Stand on the Greene (p. 20 ff.) er-
zählt die weitaus merkwürdigste Geschichte unserer Samm-
lung, eine nach England, in die Zeit Heinrichs VI., verlegte
Version der Novelle Boccaccio's (Dec. II 9) , welcher die
Haupthandlung von Shakcspeare's „( •ymbeline" entstammt.2
Neuerdings hat sich R. Ohle in seiner trefflichen Studie
„Shakespearc's Cymbeline und seine romanischen Vorläufer"
(Berlin 1890) auch mit unserer Geschichte beschäftigt (p. 80 ff.).
Er will daraus, dass in ihr der Verrnther die Untreue der
keuschen Frau nur durch ein ihr entwendetes Crucifix be-
weist, den Schluss ziehen, „dass es thatsächlich in England
Redaktionen [der] Sage gegeben hat, welche das erst später
in die Intrigue eingeführte Muttermal noch nicht kannten"
(p. 81). Ohle hat bei dieser Berechnung die Eigenart unserer
Sammlung ausser Acht gelassen — oder, richtiger gesagt, er
konnte sie nicht berücksichtigen, da ihm nicht der Neudruck
von „Westward for Smelts", sondern nur diese einzige Ge-
schichte in Leonhardt's Übersetzung vorgelegen zu haben
scheint. Ich habe bereits bemerkt, dass der Ton unserer
Sammlung, trotz der zum Theil recht lockeren Stoffe, ein
möglichst decenter ist; der Verfasser geht über die sittlich
bedenklichen Situationen seiner Erzählungen rasch hinweg,
ohne sich auf pikante Details einzulassen. Dieser Tendenz
entspricht es vollkommen, dass er — von Boccaccio, der bei
der Schilderung der schönen Nudität ziemlich lüstern ver-
weilt, abweichend dem Bösewicht keine Gelegenheit gibt,
das unter der linken Brust der Frau befindliche Muttermal
zu sehen, sondern ihm nur gestattet, ein goldenes Crucifix
1 Die editio prineeps ist nicht datiert, cf. Hazlitt p. 543 h. v.
Sendebar.
* Cf. Shakespeare^ Library Part. I vol. II p. 197 ff.
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74
XV. WESTWARD FOR SMELTS.
zu rauben, wio ja auch Boccaccio^ Ambrogiuolo nebenbei
allerlei Kleinodien au sich nimmt. Ausserdem dürfen wir
nicht vergessen, dass der Engländer das Detail seiner Vor-
lagen mit grösster Freiheit behandelt. Ich glaube nicht, dass
wir beim Suchen nach seiner Quelle über das „Decameron44
hinausgehen dürfen, in welchem auch die folgende Geschichte
zu finden ist.
No. 3. TheFishwife of Richmond (p. 37 ff.) erzählt von der
ausgesperrten Nachtschwärmerin, die es listig zu Wege bringt,
ihren betrogenen Gatten aus dem Haus zu locken und aus-
zusperren — eine wohlbekannte Geschichte, die Boccaccio
Dec. VII 4 bietet (vgl. Duulop-Liebrecht p. 239 f., Landau
p. 262 f.) Ich kann nicht umhin, auf ein unsauberes Detail
der englischen Erzählung aufmerksam zu machen: die Frau
leert vom Fenster aus auf ihren Gatten deu Inhalt jenes
Gefässes aus, welches späterhin in den Prügelscenen Smol-
lett's und auch Fielding's eine grosse Rolle spielen sollte.
Keine der mir bekannten älteren Versionen der Geschichte
kennt dieses Intermezzo. Es kommt hier die englische Derb-
heit, die englische Vorliebe für practical jdkes zur Geltuug,
welche sich frühzeitig in den englischen Umformungen inter-
nationaler Stoffe erkennen lässt. Ich denke dabei besonders
an die derben practical jokes, welche in der englischen Prosa-
version der Sage von Robert dem Teufel Robert als Narr
verübt (cf. Early English Prose Romances, ed. by W. J. Thoms;
London 1858; vol. I p. 1 ff.).
No. 4. The Fishwife of Twitnam (p. 47 ff.) bietet uns die
Verschmelzung zweier Motive der christlichen Legende: das
Keuschheitsmotiv aus der Legende des heiligen Oswald, der
selbst in der Ehe jede Regung der Sinne durch eiskalte
Bäder bekämpfte, und die Geschichte von dem selbstgenüg-
samen Einsiedler, der auf Gottes Geheiss drastisch belehrt
wird, dass eine inmitten der Anfechtungen der Welt geübte
Enthaltsamkeit noch weit schwieriger und deshalb verdienst-
voller sei, als seine weltentrückte Askese.1 Der Engländer
1 Cf. Nouveau Reoueil de Fabliaux et Contes in&tits, publik par
M. Meon, Paris 1823, vol. II p. 187 ff . : Du Prevost cTAquilte, oh Dyun
Hermite que In Dame ßst baignier tn aigtte froide ; The Bok of the
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XV. WEST WA KD FUK SMKLTS
75
schickt den Eremiten statt zu dem Profoss von Aquileja zu
dem König Oswald und seiner Gattin Beblam, der Tochter
Kynygils, des Königs der Westsachseu. Auch hier fallen
uns wieder seine beiden llaupteigenthümlichkeiten auf: er
hat die Geschichte durch die Substituierung des angelsäch-
sischen Königs nationalisiert, und er erzählt sie möglichst
anständig; seine Königin enthält sich der Avancen, welche
in den anderen Versionen die Lage des heiligen Mannes noch
bedenklicher machen. Die geschickte Verschmelzung der
beiden Mähren halte ich somit für das Werk des englischen
Übersetzers, der von den kalten Waschungen des heiligen
Oswald gehört haben musste, da or sonst schwerlich dazu
gekommen wäre, ihm die Rolle des Profossen zu übertragen.
Es wäre interessant zu wissen, woher ihm diese Kenntniss
kam. 1 An eine italienische Quelle wird man kaum denken
dürfen.
No. 5. The Fishwife of Kingstone (p. 52 ff.) erzählt von
einer vornehmen Dame, die, einem Greise vermählt, ihren
Beichtvater fragt, ob sie einen anderen lieben dürfte. In
der Hoffnung, selbst der erwählte zu sein, legt der Priester
der Sünde wenig Gewicht bei. Die Dame wählt einen anderen,
der Priester spielt durch Betrug in einer Nacht die Rolle
des Geliebten, uud die erzürnte Frau lässt ihn zur Strafe ver-
wunden (im Original vermuthlich castrieren). Es ist mir
jedoch leider nicht möglich, die Vorlage näher zu bestimmen ;
Knight of La Tour-Landry ed. by Thomas Wright, London 1868 (EETS.
No. 33) Ca. CXXXIV. llow the holy htrfy approuued the hrremyte
(p. 186 ff.), woselbst p. 186 als Quelle the booke of Vitas Pntrum an-
gegeben ist. Ich verdanke dieso bibliographischen Notizen 8. Singer's
Besprechung (AfdA. XVII 122 ff.) von Siegmar Schultze's Dootorschrift
„Die Entwickelung der deutschen Oswald-Legeude" Halle 1888. Sohultzo
verzeichnet weitere Litteratur ; die Verknüpfung der beiden Legenden
fand ich aber weder bei ihm, noch bei Edzardi, noch bei Berger an-
gedeutet. Ich schreibe sie, wie oben gesagt, dem englischen Erzähler zu.
1 Beda's und Aelfrio's Leben des angelsächsischen Königs bietet
dieses Detail seiner Selbstkasteiung nioht, vgl. Sweet's „Anglo-Saxon-
Readerta (Oxford 1884) p. 98 ff.; Körncr's „Ags Texte" (Heilbronn
1880) p. 16 ff.; Schultze p. 31 ff. Von Oswald's Keuschheits-Gelübde,
ohne weitere Ausschmückung, spricht der Mönch Reginald (8chulze
p. 34), eine keltische Legende kennt auch die Wasserkur (ib. p. 36)
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76
XV. WESTWARD FOR SMELT3
dass ich, höchst wahrscheinlich im Italicnischen , eine ganz
ähnliche Geschichte gelesen habe, steht mir fest.
No. Ii. The Fishwife of Hampton (p. 58 ff.) führt uns auf
bekannten Boden: in der spröden Schönheit Millisaut in
Devonshire erkennen wir Bandello's Zilia, die ihrem Verehrer
Filiberto zwei Jahre Stummheit auferlegt (III 17). Diese
Geschichte, deren Original wir mit vollster Sicherheit be-
stimmen können ? zeigt uns, wie willkürlich der englische
Erzähler die Nebeuumstände ändert, wie gefahrlich es ist,
auf Grund seiner Angaben das Detail seiner Vorlage recon-
struieren zu wollen, was Ohle zur Stütze seiner Hypothese
gethan hat. Ein Beispiel wird genügen: Bandello lässt den
stummen Kitter in den Dienst des französischen Königs
Karl VII. treten und im Krieg Ehre und Ruhm gewinnen;
der Engländer sendet seinen Mann zu einem Herzog von
Cornwal, dessen Kinder er in Musik uud Tanz zu unter-
richten hat.
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XVI. THE JEST-BOOKS.
Das 16. Jahrhundert hat auch in England eine grosse
Anzahl von Anekdoten-Sammlungen erzeugt, Compendien,
welche eine mehr oder minder wüste Anhäufung von Narren-
uud Schelmenstreichen aller Art enthalten. Auf dem frucht-
baren Boden dieses Jahrhunderts, dem so viele formenschöne
und duftreiche Pflanzen entkeimten, wucherte auch das üppige
Unkraut der Zote allenthalben. Am frechsten in Italien: in
PoggioTs, des hochgebildeten Humanisten, „Facetiae" ist der
Höhepunkt der Schamlosigkeit erreicht.
Auf englischem Boden sind besonders folgende Sammel-
werke dieser Gattung zu berücksichtigen :
1. A Hundred Mery Talys; 1520. 1
2. Mery Tales, Wittie Qucstions and Quicke Answeres;
Ca. 154!>.2
3. Mcrie Tales of Skelton; lic. 1500 7.
4. Scoggins Jests; lic. 1505/0.
5. The Sackfull of Newes; vor 1575.
0. Tarltons Jests; c». 1588. 3
7. Merie Tales of the Mad Men of Ootham; s. a., aus
der Zeit Heinrichs Till.
8. Pasquils Jests mixed with Mother Bunches Merri-
ments; 1004. 4
1 Cf. Shakespeare'« Jest Book. A Hundrcd Mery Talys from the
only perfect eopy known. Ed. by Herman Oenterley. London IHOfi.
* No. 1 und 2 bilden den ersten Band von 'Shakespeare Jest Books'
ed. by W\ C. Hazlitt; London 1S«4. VrI. noch Handbook p. 299 ff.
* No. 3— r» cf. ib. vol. II.
4 No. 7/8 cf. ib. vol. III.
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78
XVI. THE JE8T-B00KS.
Auch in Thomas Twync's „Schoolcmaster, or Teacher
of Table Phylosophie" (1576/83) bietet der vierte Abschnitt:
Honest jests, delectable devises and pleasant purposes. 1
Diese englischen Sammlungen haben je nach der Eigen-
art des Compilators ein ziemlich verschiedenes Gepräge. Der
eine will volksthümlich sein, er verlegt seine Geschichten in
die jüngste Vergangenheit und zeigt uns Menschen seiner
Zeit, die freilich oft einen uralten Schwank vorzutragen haben ;
der andere tritt mit litterarischen Prätensionen auf und deutet
durch Quellen-Angaben seiue Belesenheit an. Ihrem Ge-
sammt-Charakter nach beurteilt, sind sie nicht so grundver-
dorben, so tief unsittlich, wie Poggio's „Facetiae", aber oft
noch derber — sie bieten etwas weniger moralischen und
etwas mehr physischen Schmutz.
Der italienische Eiufluss kommt besonders in den „Mery
Tales, Wittie Questions etc.% in den „Hundred Mery Talys'"
und in „Pasquils Jeststt zur Geltung. Hier Rüden wir in
condensierter Form manche bekannte italienische Novelle,
welche Versionen in der den Schluss dieser Studie bildenden
Tabelle berücksichtigt sind; weit zahlreicher sind jedoch die
Entlehnungen aus Poggio und aus Domenichfs kFacetie,
Motti, et ßurle (vgl. oben p. 60 f.). Die Schuld der eng-
lischen Compilatoren an diese Männer näher zu bestimmen,
habe ich in dieser, der italienischen Novelle gewidmeten
Untersuchung keinen Anlass. Überdies verspüre ich keine
Lust, auf diesem Gebiet, auf welchem die Zote schamlos, und
zumeist auch witzlos, herrscht, weitere Forschungen anzu-
stellen.
1 Cf. Collier's Account II 453 ff.
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TABELLE DER ENGLISCHEN ÜBERSETZUNGEN.
Am Schluss meiner Besprechung der hauptsächlichen
Werke, welche den Engländern die Kenntnis» der italienischen
Novelle vermittelten, scheint es mir rüthlich, uns die Ergeb-
nisse der vorstehenden Untersuchungen übersichtlich vor Augen
zu bringen. Ich füge deshalb eine Liste aller mir bekannten,
dem 16. Jahrhundert eigenen Übersetzungen und nicht dra-
matischen Bearbeitungen italienischer Novellen an, und damit
man leicht ein Urtheil über die Beliebtheit der verschiedenen
Erzählungen gewinnt, verzeichne ich auch alle Stellen, an
welchen ich die Helden der italienischen Novellen erwähnt
fand. Wie lückenhaft dieser Theil meiner Zusammenstellung
sein wird, dessen bin ich mir sehr wohl bewusst — aber
ich hoffe, dass der eine oder der andere meiner freundlichen
Leser Anlass nehmen wird, meine unfreiwilligen Unterlassungs-
sünden gut zu machen.
Boccaccio soll den Reigen beginnen , und ihm muss
ausserdem noch dadurch eine bevorzugte Stellung eingeräumt
werden, dass wir, um zu einem befriedigenden Abschluss zu
gelangen, die Gränze des 16. Jahrhunderts überschreiten und
kurze Zeit bei der ersten vollständigen Übersetzung des
„Decameron* verweilen müssen.
I. BOCCACCIO.
1. IL DKCAMERON.
Giora. I Nov. 3 Die drei Ringe:1 Painter I 30 (1566,
cf. p. 2).
1 Den Novellen des „Dcoaraeron" gebe ioh zumeist die von Landau
gebrauchten Titel.
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80
TABELLE.
I 5 Die Marquise von Monferrat: Painter II 16 (1567,
cf. p. 3).
I 8 Guiglielmo Borsiere: Painter I 31 (1566, cf. p. 2).
I 10 Alberto da Bologna: Painter I 32 (1566, cf. p. 3).
II 2 Riualdo öVAsti und seine Wirthin: Painter I 33
(1566, cf. p. 3).
II 3 Die englische Prinzessin: Painter I 34 (1566,
cf. p. 3).
II 4 Landolfo Ruffolo : Painter I 35 (1566, cf. p. 3).
II 5 Andreuccio's Abenteuer: Painter I 36 (1566, cf.
p. 3).
II 6 Die Familie Capece: Greene (1588, cf. p. 53).
II 8 Der Graf von Antwerpen: Painter I 37 (1566, cf.
p. 3). 1 — Erwähnt in „The Forrest of Fancy (1579, cf.
p. 45), in der Prosa-Epistel : A Lotier writ'mg to his choseti
friend, icho for his sake susteyned much sorroir, exhorteth
her to conihinc constant. Der Schreiber verweist tröstend auf
das Schicksal des guten Grafen.
II 9 Die Wette: „Westward44 Nu. 2 (1620, cf. p. 73).
III 5 Zima's Monolog: „Forrest of Fancy k No. 1 (1579,
cf. p. 44).
III 9 Giletta di Nerbona : Painter 138 (1566, cf. p. 3).
IV 1 Guiscardo und Ghisnionda: 1. rThe amerous Ay-
story of Ouystorde and Sygysmonde* von William Walter
(1532); 2 2. Painter 1 39 (1566, cf. p. 3). — Erwähnt 1. von
1 Eino wenig bekannte metrische Version (in heroic couphts) dieser
Novelle entstand zu Anfang de» 18. Jahrhunderts, wohl nach dem Bei-
spiel der Drydcn'schen Übersetzungen: Viofenta, or the Rarani* of
Virtur: lum\i from Boccace itifo Verse. London 1704. Anonym; der
Katalog des British Museum nennt Mary Pit als Verfasserin.
2 Vgl. über diesen Mann und sein Werk Zupitza's bereits er-
wähnte Abhandlung „Die mittelenglischcn Bearbeitungen der Erzählung
Boccaccio^ von Ohismonda und Guiscardou in Geiger's Vierteljahrs-
schrift I 63 ff. Walters Gedicht beruht auf der lateinischen Prosn-
version des Leonardo Bruni, er nennt, in Übereinstimmung mit den
alten Drucken der Prosa Bruni's, Boccaccio'* Guisrardo : Guysfarde. Es
ist bemerkensworth, dnss wir oben auch bei Peend, Howell und Riehe
dieser Form des Namens begegnen worden , und dass Howell in der
ersten Fassung seines Gedichtes auch die Heldin mit dem bei Bruni
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TABELLE
81
Thomas Peend 1 in „The Pleasant fable of Hermaphroditus
and Salmacis". With a morall in English Verse. (1565):
Kyng Tancreds doughter Gysmond dyd loue Guistardes bewty
bryght, mit der Anmerkung : Gysmonde. Onelye daughter of
Tancrede, kyng of Salerne: which loued a sei-vaunte of her
fathers: and beinge taken in adultery together, in a Caue in
the grounde, the kinge caused her louer Guistarde to be hanged
therfore, and sent his harte unto her: whych imbraeynge it,
layd it an her breste, agaynste her owne hart, and dranke a
cnppe of poyson immedyatly, wherof dyenge : she desyred that
they myghte be buryed together; 2. von Thomas llowell, und
zwar zuerst in „Neice Sonets and pretie Pamphlets'' (s. a.,
lic. 1567/8) in dem Gedicht An humble sute to his friende,
requesting Loue for Loue, 2 welches Gedicht llowell unter
dem Titel „Loue asketh loue* mit geringfügigen Textande-
rungen in seinen vDeuises for his owne exercise, and his
Friends pleasure" (1581) wiederholt hat. In dieser Samm-
lung lauten die Boccaccio's Helden betreffenden Verse nach
dem Text der editio prineeps:
I reade howo loue did Gismond wounde
The childe of Tancred, Salerne king:
Her fauour Guistarde constante founde,
8he fanoied eise no other thing,
For riehen nought, nor for his wealth,
Whercof he had but little störe,
His vertue was her onely health,
She likte that well, she sought no more.
They had their hoped hap and ioyo,
If Tanored could contente him so,
But he by working their annoye,
Unto himselfe brought greatest wo.
You arc that Gismond fayro and bright;
Would I had Guistards vertuous Ufo,
And Tancred ehast cleane out of sight,
Then would I wyshe for such a wife.
und Walter erscheinenden Namen bezeichnet: / read the woes o/Sigis-
mondc, The chihle of Tanckred, Salerne Kinge.
1 Auch de la Peend. Das oben erwähnte Gedicht ist unterzeichnet:
T. D Peend, die Widmung seiner „Historie of the lorde Mandozze"
(cf. p. 95 f.) T. Delapeend.
* Cf. The Poems of Thomas Ho well. Ed. by A. B. Grosart s. 1.
[Manchester] 1879; p. 128 f.
qf. lxx. 6
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TABKLLE
3. von Barnabe Riehe (1574, cf. p. 47).
IV 2 Der Engel Gabriel: „Tarltons Newes" No. 2 (1590
ef. p. 63). — Nachgeahmt von Whetstone (1582, cf. p. 35 f.)
— Erwähnt von Greene (1589, cf. p. 54 f.).
IV 4 Gerbino und die Prinzessin von Tunis: Turbervile
„Tragieal Tales" No. 6 (c-. 1570). 1
IV 5 Der Rasiliontopf: Turbervile No. 7 (c\ 1576).
IV 7 Die giftige Salbei: Turbervile No. 9 (c*. 1576).
IV 8 G irolamo und Salvcstra: Turbervile No.l0(c». 1576).
IV 9 Das Herz des Geliebten: Turbervile No.4(cM576).
V 1 Erziehung durch Liebe: pleasant and delight-
full llistory of Gahsus Cytnon and Iphi genta: Describing
the ßcklenesse of Fortune in loucü. Translated out of Ha-
lt an iuto Enghshe versc, by T. C. Gent. s. a. (wird wohl mit
Recht in das dritte Viertel des 16. Jahrhunderts gesetzt).2
Den schönen Anfang dieser Geschichte verwendet Greene
zweimal (K>84, cf. p. 52 und 1589, cf. p. 53 f.).
V 2 Gostanza und Martuccio Gomito: Greene (1588,
cf. p. 53).
V 7 Teodoro und Violante: „Forrest of Fancyu No. 2
(1579, cf. p. 44).
V 8 Die Spröde und der gespenstische Jäger: 1. VA
Notable Historye of Nastagio and Trauersari, no lesse pitic-
full then pleasaunt. Translated out of Italian iuto Ettglish
verse by C T. (1569);» 2. Turbervile No. 1 (C. 1576). —
Erwähnt in „The Forrest of Faney" (1579, cf. p. 45), in dem
Gedicht The lamentable coinplaiut of a Louer: I might bring
in Nastagio if I icould.
VI 4 Der einbeinige Kranich: „Tarlton Newes44 No. 4
(1590, cf. p. 63).
VI 10 Die Reliquien des Frate Cipolla: „Tarlton Newesfc
No. 5 (1590, cf. p. 63). — Erwähnt von Greene (1589, cf. p. 54).
1 Cf. meinen Aufsatz „George Turbervile'e Verhältnis» zur ita-
lienischen Litteratur", Anglia XIII p. 42 ff.
8 Cf. Warton IV 338; Collier „Account* I 302. Da« Gedicht ist
übrigens nicht in Stanzen, wie Warton und Dunlop-Liobrecht p. 234
bemerken, sondern in paarweise gereimten Septenaren abgefasst.
a Cf. Wnrton TV 338; Collier II 19 ff.
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TABELLE.
83
VII 1 Der Liebhaber als Gespenst: „The Cobler of
Caunterburie" No. 2 (1590, cf. p. 67).
VII 4 Der ausgesperrte Ehemann: „Westward* No. 3
(1620, cf. p. 74).
VII 5 Der Eifersüchtige als Beichtvater: eine ähnliche
Geschichte findet sich nach Collier's Angabe (Account II 455)
in Thomas Twyne's „Schoolemaster" (1576, cf. p. 78).
VII 6 Liebhabor als Verfolger und Verfolgter: 1 „Tarl-
ton Newes" No. 7 (1590, cf. p. 63); 2. „Mery Tales, Wittie
Questions etc." (c*. 1549, cf. p. 77) No. 51: Of the inholders
tryfe and her two louers.
VII 7 Der geprügelte Ehemann: 1. „A Hundred Mery
Talys" (1526, cf. p. 77) No. 3: Of the tryfe that mayd hyr
husbande to go zijt in the herber in the vyght irhyle her
prentya lay with her in her bed ; 2. „The Sackfull of Nowes"
(vor 1575, cf. p. 77) p. 169 f. — Ein ähnliches Motiv findet
sich im „Cobler of Oaunterburye" No. 1 (1590, cf. p. 65 f.).
VII 8 Die verstümmelte Stellvertreterin : „The Cobler
of Caunterburie" (1590, cf. p. 67) No. 2. — Ähnliche, jedoch
aus anderen Quellen geschöpfte Erzählungen finden sich 1. in
„Merie Tales of the Mad Men of Gotham" (aus der Zeit
Heinrichs VIII, cf. p. 77), The twelfth Tale, die an „Li
Fabliau des Treces* erinnert; 1 2. in „Wcstward" No. 1 (1620;
cf. p. 72).
VIII 4 Der Propst von Fiesole: Nachgeahmt von Whet-
stone (1582, cf. p. 35 f.).
VIII 7 Die Wittwe und der Student: Painter II 31
(1567, cf. p. 3).
IX 2 Die Äbtissin und die Nonne: 1. Thomas Twyne
„The Schoolemaster" (1576, cf. p. 78)-; 2. William Warner
„Albion's England44 (1586/02). 3
IX 6 Die Wiege : über eine vermutlich zu Anfang des
16. Jahrhunderts verftisste, aber nicht auf lioccaccio's Novelle
beruhende Version dieser Geschichte, betitelt VA ryght
1 Cf. Nouveau Recueil de Fabliaux et Contes inödits, publik par
M. Meon; vol. I p. 343.
2 Cf. Collier II 455.
9 A. Chalmera' „Engliflh Poetn" vol. II (London 1810) p. 570.
G*
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84
TABELLE.
pleasaunt and merye Historie of the Mylner of Abyngton etc.tt
vgl. IL Varnhagen's Aufsatz „Die Erzählung von der Wiege*
ESt. IX 240 ff.
X 3 Gastfreundschaft: Painter II 18 (1567, cf. p. 3).
X 4 Die Scheintodte: 1. Painter II 19 (1567, cf. p. 3);
2. Turbervile No. 3 (c\ 1576).
X 5 Der Zaubergarten im Winter: Painter II 17 (1567,
cf. p. 3). — Erwähnt von Melbancke im „Philotimus" (1583,
cf. p. 60). Melbancke hatte jedoch vermuthlich die iden-
tische Erzählung des „Filocolo" vor Augen, vgl. p. 88.
X 8 Die Freunde: 1. „The hysiory of Tytus and Gesyp-
pusu frans! ated out of latyn in to englyssht by Wyliyam
Walter s. a. Walter's Quelle ist noch nicht bestimmt. 1 2. uThe
Boke named the Gouemour, deuysed by sir Thomas Elyot
knightu (1531). The seconde Boke. Ca. XII: The wonderfull
history of Titus and Gisippus, and whereby is fully declared
the figure of perfet amitie.2 3. Tlie most tconderfuU and plea-
saunt History of Titus and Gisippus . . . drawen into Eng-
lish metre. By Edward Leivicke* (1562); 4. Faithful Friend-
ship: Or, Alphonso and Gansdo. To the Tune of Fitfing
Farne. Eine Ballade in gereimten Septenaren :
In stately Rorae some timo did dwcll
A Man of Noble Farne,
Who had a 8on of seemly Shape
Alphonso was his Name etc.
Ob diese Ballade noch dem 16. Jahrhundert angehört, ver-
mag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Sie findet sich in
1 Brunet gibt bei Bandello und Walter des ersteren lateinische
Version dieser Novelle: Titi romani et Egesippi athenienais amicorum
historia, in latinum versa. Metliolani 1509 , als Quelle Walter's an.
Eine Verglcichung wird er schwerlich vorgenommen haben.
2 Wir haben einen schonen Neudruck dieses Werkes: Edited from
the first edition of 1531 by Henry H. Stephen Croft. In 2 vols. ; London
1880; cf. vol. II p. 132 ff. Croft bietet unter Elyot's Text den latei-
nischen Text des Filippo Beroaldu, betont jedoch, dass Elyot sowohl
von dieser lateinischen Übersetzung, als auch von Boocaccio's Original
erheblich abweicht.
* Nach Collier „Pootical Decameron" I p. 79 ff. hat Lewicke sich
eng an Elyot gehalten.
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TABELLE.
85
einer Sammlung, betitelt A Collection of old Balktds. Corrected
from the best and most ancient copies extant. With intro-
duetions Historical, Critical, or Humorous. London 1723/25,
3 vols; vol. II p. 145/51. Der anonyme Herausgeber war
vollkommen im Unklaren hinsichtlich der Quelle dieser Ballade:
/ remember indeed an old Novel written on the same Sub-
ject . . .,but that Novel I take to be borrowed from the Ballad,
not the Ballad from the Novel, our Song being certainly by much
the more ancient. — Theilweise nachgeahmt von Greene (1592,
cf. p. 54). Ausserdem soll Thomas Underdowne ein wahrschein-
lich verlorenes Werk uponthe friendships of Titus and Gesyppus,
Orestes and Pylades etc. verfasst haben (cf. Collier Account
I 233). — In der englischen Litteratur des 16. Jahrhunderts
finden sich zahllose Anspielungen auf die Helden dieser Er-
zählung, jeder Autor, der das Thema der Freundschaft be-
rührt, nennt ihre Namen. Es wäre zwecklos, den Leser mit
der Menge der mir vorliegenden Belege zu belästigen.
X 9 Sultan Saladin und Torello: Painter II 20 (1567,
cf. p. 3).
X 10 Griseldis: 1. The Pleasant and Siveet History of
Patient Grissel. Translated out of Italian. London s. a.
2. The Ancient True and Admirable History of Patient Grisel.
Written first in French. London 1619. Der Herausgeber
dieser zwei Versionen1 hält es für sehr wahrscheinlich, dass
1 Cf. The History of Patient Grisel. Two early Tracts in Black-
lotter. With an introduotion and Notes by J. P. Collier (Percy Soo.
voL III), London 1842; p. VIII. Die oben an erster Stelle angeführte
Version bespricht Friedrieh von Westenholz „Die Griseldis-Sage in der
Literaturgeschichte*4, Heidelberg 1888; p. 59 ff. Wenig bekannt dürften
folgende — von Westenholz nicht erwähnte — spätere Fassungen dieser
Geschichte sein: 1. nG aalt her us and Griselda: or the Clerk of Oxford* 8
Tale". Front Boccace, Petrarch, and Omucer. By George Oyle. London :
printed for B. Dodsley. 1739. In heroic Couplets (2534 Verse). Der
Verfasser, der sich auf Dryden's ruhmvolles Beispiel beruft, schliesst
sich in erster Linie an Chaucer an, will jedoch auch die Schönheiten
Boccaccio's und Petrarca's, dessen latein ische Version er über Boccaccio'»
Original stellt, berücksichtigt haben. Sein Gedicht ist ein echtes Produkt
seiner Zeit : weitschweifig und rethoriach aufgeputzt, hat es mit Chaucer'»
rührender Dichtung nur die Thatsaohen, nicht den Geist gemein.
2. „Patient Griselda: A Tale". From the Italian of Boccaccio. By Miss
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86
TABELLE.
sie vor 151*0 entstanden sind. — Erwähnt wird die durch
Chaucer nationalisierte Dulderin auch im 16. Jahrhundert
häufig als Typus weiblicher Treue und Milde.
Das 16. Jahrhundert ging zu Ende, ohne eine voll-
ständige englische Version des „Decameron" geliefert zu
haben. Erst im zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts
wurde dieses Unternehmen gewagt, und es wäre beinahe noch
in der Stunde der Ausführung vereitelt worden: die geist-
liche Behörde erhob 1619 in der Person des Erzbischofs von
Canterbury Protest gegen die Veröffentlichung dieser Über-
setzung. Gleichwohl erschien dieselbe schon im folgenden
Jahr, betitelt: The Decameron, containing an hundred [dea-
sant Novels, wittily discoursed between seven honourable
Ladies and three nobU Gentlemen. In (wo Parts. London,
printed by Isaac Jaggard, 1620. Diese scheinbare Incon-
sequcnz des geistlichen Oensors wird uns sehr verständlich,
wenn wir uns die englische Übersetzung näher ansehen und
uns überzeugen, dass der anonyme Verfasser uns nicht die
ursprüngliche, sondern die von der römischen Kirche sank-
tionierte Form des „Decameron" bietet : er hat seiner Arbeit
den beschnittenen Text des Cavalier Lionardo Salviati 1 zu
Grunde gelegt. In Folge dessen weicht diese erste eng-
lische Übersetzung des „Decameron" an zahllosen Stellen von
Boccaccio's Sinn und Wortlaut ab. Die auffälligsten Ände-
rungen sind, dass Frate Alberto die von ihm bethörte Schöne
nicht mehr als Erzengel Gabriel besuchen darf, sondern mit
der Maske Cupido's vorlicb nehmen muss,2 und dass Bruder
Sotheby. Bristol 1798. In heroic couplets. — Ausserdem findet sieh in
der Sammlung „The New Paradise of Dainty Devices: consisting of
original Poems". Dy diferent hands. London 1777 ; p. 31 ein sehr
thörichtes Gedicht, überschrieben: The Death of Patient Grizel, and
Advice to the Ladies, being the Sequel of Chaucer* s Clerkes Tale, eine
plumpe Nachahmnng des bekannten Envoy.
1 II Deeameron di Messer Giovanni Boooaooi ... Di nuovo
ristampato ... dal Cavalier Lionardo 8alviati. Quarta editiono. Fircnze
MDLXXXVII.
2 IV 2 Fryar Albert made a young Venetian Gentlewoman btleeue.
that God Cupid was falne in loue with her, and he resorted o/tentimes
unto her, in the disguisc of the same God.
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TABELLE
87
Zwiebel seinen Bauern statt einer Feder aus dem Flügel
des besagten Engels eine Feder des Phönix , der in Noah's
Arche war, vorlegen muss. 1 Für die schlimme Historie von
Alibech und Rustico (Dec. III 10) erzählt uns der Engländer
die Geschichte der schönen Syritha des Saxo Grammaticus, 2
wie er sie im vierten Bändchen der „Histoires Tragiques"
des Belleforest gelesen hatte. 3 Ausserdem Hess er es sich
angelegen sein, den Überschriften der Novellen moralische
Erläuterungen anzufügen. So lesen wir z. B. vor der ersten
Novelle: Wherein is contained, how hard a thing it is, to
distinguish goodnesse from hypoerisie; and how (under the
shadoic of holinesse) the wickednes of one man mag deeeiue
mang.
Diese Übersetzung erlebte im Laufe des 17. Jahr-
hunderts mehrere Auflagen. Der erste Theil wTurde schon
1625 neu gedruckt, und zusammen mit den noch vorhandenen
Exemplaren des zweiten Theiles der editio prineeps auf den
Markt gebracht. In Folge dessen finden sich Drucke, welche
auf dem Titelblatt des ersten Theiles die Jahreszahl 1625,
auf dem des zweiten aber 1620 tragen — eine Unregel-
1 VI 10 Fryer Onyon promised certaine honest people of the
Countrey, to shetc them a Feather of the same Phoenix, (hat was with
Noah in his Ärke. In sted whereof he found Coales, which he auouched
to he those very coate, wheretoith the same Phoenix was roasted.
* Cf. Historia Danica. Ree. P. E. Müller, Hayniao 1839; vol. I
p. 330 ff.
s Fol. 112 ff.: The wonderfull and chaste resolued continency of
faire Serictha, daughter to Siwalde, King of Denmark , who heing
80ught and sued unto by many worthy persans, that did affect her
dearly, would not looke any man in the face, until such Urne as she
was married — Hist. 75 me Merveilleuse Continence de Syrithe, fillt
du roy de Dannemarch , ne voulatit iamuis regarder homme en la
face iusques ä tant qu'clle fut marii'c. Bei Robert Greene finden "wir
wiederholt Anspielungen auf diese Sage, welche eine verschiedene
Fassung derselben voraussetzen, wenn wir nioht eine willkürliche Ände-
rung Greene1» anzunehmen haben, vgl. Mamillia (1583): Sirichia, the
Daughler of Smald, kiny of the Danes, could not be perswaded by her
father to forsake her virginitie, but the third day after his death she
was betroathed but to a meane Squire (Grosart vol. II p. 52); Gwy-
donius (1587 J : Did not Sirithia, the Princesse of Denmarke, reiect most
Itrincely Potentates, and at last aeeepte a poore ptasant (vol. IV p. 132).
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88
TABELLE
mässigkeit, die schon manchem Bibliographen aufgefallen ist. 1
Weitere Auflagen folgten in den Jahren 1634, 1655, 1657
(Neudruck des ersten Theiles, mit Verwendung der Testie-
renden Exemplare des zweiten Theiles von 1655), 1684. Den
ganzen Rahmen und 40 Novellen dieses ersten englischen
^Decamerontt hat vor einigen Jahren Henry Morley, mit
leichten Änderungen, als 15. Band von Morley's Universal
Library herausgegeben. 2
2. IL FILOCOLO.
Lib. V Questione IV Der Zaubergarten im Winter: er-
wähnt von Melbancke im „Philotimusu (1583, cf. p. 60).
Lib. V Questione XII Die schwierige Wahl: erwähnt
von demselben 1. c.
Sämmtliche 13 Geschichten wurden, wie bereits gesagt
(p. 60), von H. G. übersetzt und 1567 veröffentlicht. Betreffs
dieser Übersetzung und ihren verschiedenen Auflagen, sowie
betreffs Bartholomew Young's Version der „Fiammetta"
(1587) habe ich Hazlitt's Angaben im „Handbook" p. 42 f.
nichts anzufügen. Dagegen möchte ich noch auf eine Über-
setzung eines der weniger bekannten Werke des Certaldescn
aufmerksam machen, das die Bibliographen in dem englischen
Gewand nicht erkannt zu haben scheinen. Hazlitt 1. c. p.
234 verzeichnet: A Famous tragicall discourse of two lovers,
Affrkan and Mensola, their lives, unfortunate loces, and
lamentable deaths, together with the of^spring of the Floren-
tines. A History no lesse pleasant than füll of recreation
and delight. Newly translated out of Tuscan into Frencht
by Anthony Guerin, domino Creste. And out of French into
English by Io. Goubourne. London 1597. Über die italie-
nische Quelle äussert sich Hazlitt nicht. Schon vor ihm hatte
Collier (Account! 13) dieses Werk sehr ungünstig besprochen :
this prose romance, written in an ajfected style, and the lati-
guid story devoid of interest . . . the 18 tedious chapters of
• Cf. J. P. Collier'8 „Poetical Decamoron* vol. I p. 196.
■ The Üeoamoron of Giovanni Boooaooio inoluding forty of ita
Hundrod Novels. With an introd. by Henry Morley. 4 * ed. ; London
(Routledge and Sons) 1886.
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89
ichich the Romance consists. Obwohl er bemerkt, dass am
Schlüsse der Geschichte zu lesen ist: Thus endeth Maistcr
John Bocace to his Flossolan [!]: Data f ata secutus, scheint
er doch nicht geglaubt zu haben, dass wir es hier wirklich
mit einem Werke Boccaccio's zu thun haben, denn er schliesst
seinen Artikel mit den Worten: The whole merüs notice only
on aecount of its extreme rarity. Ooubourne's Büchlein ist
aber, neben seiner Seltenheit, auch noch aus einem anderen
Grunde merkwürdig: es bietet uns eine wahrscheinlich schon
von dem vermittelnden Franzosen in Prosa aufgelöste und
gründlich verdorbene Dichtung Boccaccio's — des Certal-
desen „Ninfale Fiesolano ossia Vinnantoramento di Affrico e
Mensola". 1
II. BANDELLO.
Parte I Nov. 2 Ariabarzane Senescalco del Re di Persia,
quello it uol uincer di cortesia: Painter II 4 (1567, cf. p. 7).
I 4 La Contessa di Cellant : 1. Pen ton No. 7 (15(37, cf.
p. 14); 2. Painter II 24 (1567, cf. p. 8); 3. Whetstone (1576,
cf. p. 30 f.). - Erwähnt 1. von Pettie (1576, cf. p. 23); 2. von
Whetstone (1582, cf. p. 36).
I 8 Giulia da Gazuolo : Fenton No. 8 (1567, cf. p. 14).
I 10 Maometto Imperador de Turchi, crudelmente am-
tnazza una sua Donna: Painter I 40 (1566, p. 6). 2
I 14 Antonio Perillo, dopo molti trauagli, sposu la sua
Amante, e la prima notte sono dal folgore morti: Fenton
No. 12 (1567, cf. p. 14).
I 15 Dui Gentilhuomini Venetiani honoratamente da
le Mogli sono ingannati: Painter II 26 (1567, cf. p. 8).
I 21 Mirabil beffa fatta da una Gentildonna ä dui
Baroni del Regno d'Ongaria: 1. Painter II 28 (1567, cf. p. 8);
2. Whetstone (1576, cf. p. 31).
I 24 Una Donna (falsamente incolpata) e posta per
esca ä i Lioni: Painter I 41 (1566, cf. p. 6).
1 Eine schöne Würdigung dieser Dichtung gibt Gtwpary, GIL.
II 15 ff.
* Im Jahre 1611 veröffentlichte William Barksted ein Gedicht:
„Hiren, or the Faire Greeke* cf. Handbook p. 26; Shakespeare'* „Cen-
turie of Praysc14. 2"* ed. (London 1879), p. 83.
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im
TABKLLK.
I 2(5 11 S. Antonio Bologna sposa la Dttcfwssa di
Malß, e tutü dui sono ammazzati: Painter II 23 (1567, cf.
p. 8). — Erwähnt 1. in „The Forrest of Fancy* (1579, cf.
p. 45); 2. von Whetstone (1582, cf. p. 36); 3. von Greene
(1584, cf. p. 52).
I 27 Don Diego da la sua Donna sprezzato, uä ä starsi
in una Grotta; e come n'usci: 1. Fenton No. 13 (1567, cf.
p. 14); 2. Painter II 2\) (1567, cf. p. 8); 3. Whetstone
(1576, p. 31) 4. „Diella, Certaine Sonnets, adioyned to the
amorous Poeme of Dom Diego and Gineura". By R[ichardj
LfynchJ. London 1506 (cf. Handbook p. 335). Dieses seltene
Büchlein bietet an erster Stelle 38 Sonette, deren letztes der
Prolog der Erzählung ist:
Sonnet XXXVIII Harken awhile (Diella) to a storie,
That teils of beauty, loue, and great disdainc,
The last, caused by suspect; but ahe was sorry
That tooke that cause, true loue so rauch to paine,
For when she knew his faith to be unfained,
Spotles, sinoere, most true, and pure unto her,
Shee ioy'd as if a kingdome sheo had gained,
And lou'd him now as when he first did woo her . . .
Reade all, my Deare, but chiefly marke the end,
And be to mee, as shee to him, a friend.
Das Gedicht selbst, überschrieben The Ijoue of Dom
Diego and Gyneura, zählt 154 Strophen, deren erste lautet
In Gatheloygnc, o'repoerd by Pyren Mountainos,
(A Prouinco seated in the East of Spaine,
Famous for hunting sports, and clcorest fountains)
A young heroyck gallant did remaine;
Hee Signier Dom Diego had to name,
Who for his constant faith had got such fame. —
Erwähnt in „A gorgious Gallery of gallant Iuuentions" (1578,
cf. Ilandbook p. 483), im 23. Gedichte dieser Sammlung,
betitelt: The Louer tvonnded with his Ladies beauty craueth
merey. To the Tune of where is the life that late 1 led.
Not wofull Monaier dorn Dieg
Or Priam8 noble sonne,
Constrayned by loue did euer mone
As I for thee haue donne. 1
1 Citiert naoh dem Neudruck des Roxburghe Club : Three Colleetions
of English Poetry of the latter part of the 16,h Century. London 1844.
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TABELLE.
91
I 28 Varii accidenti . . . auuenuti ä Cornelio per amor
(Pirna Giovane: Fenton No. 5 (1567, cf. p. 14).
I 33 Dui Amanti si trouano la notte insieme, e il Giouine
di gioia si muore, e la Fanciulla di dolor s'accora: Fenton
No. 2 (1567, cf. p. 14). — Erwähnt von Barnabe Kiche
(1574 cf. p. 47).
I 36 Disonestissimo Amore di Faustina Imperatrice:
Painter II 10 (1567, cf. p. 7). — Erwähnt 1. von Pettic
(1576, cf. p. 23) ; 2. von Whetstone in „The Rocke of Regard
(1576, cf. p. 30 ff.), in dem 4. Theil „The Ortchard of repen-
tance" : 1t seemeth his Lady Laymos . . . was in very deede
as fayre as Flora, as faithful as Faustine, as louing as
Layis, as meeke as Aledea, as honest as Hellen, as constant
as Cressed, and as modest as Maria Bianca (p. 81).
I 41 Infelice esito de V Amore del Re Masinissa e de la
Reina Sofonisba: Painter II 7 (1567, cf. p. 7).
I 42 // S. Didaco Centiglia sposa una Giouane, e poi
non la uuole, e da lei k ammazzato: 1. Painter I 42 (1566,
cf. p. 6); 2. „A most lamentable and Tragicall historie, con-
teyning the outragious and horrible tyrannie which a Spanishe
gentlewoman named Violenta executed upon her louer, Didaco,
because he espoused another beyng first betrothed unto her.
Newly translated into English meter, by TfhomasJ AfchelleyJ.
London 1576. 1
I 44 II Marchese Niccolö Terzo da Este, trouato il
Figliuolo con la Matrigna in adulterio, ä tutti dui . . . fa
mozzar il capo: Smyth No. 4 (1577, cf. p. 42).
I 45 Anna Reina d'Ungaria amata da huomo di basso
legnaggio, quello magnificamente rimeritd: Painter II 21
(1567, cf. p. 7).
I 49 Anselmo Salimbene . . . libera il suo Nemico da
la morte, e la Sarella di quello pr ende per Moglie: 1. Fenton
No. 1 (1567, cf. p. 14); 2. Painter II 30 (1567, cf. p. 8).
I 51 // Caualiero Spada per gelosia ammazza se stesso
et anco la Moglie: Fenton No. 4 (1567, cf. p. 14).
I 52 Bellissima uendetta che fece un Schiauo de la
1 Ziemlioh ausführlich besprochen in Collier'8 Account I 4 ff.
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92
TABELLE.
tnorte del suo Soldano contra un maluaggio figliuol di quello :
Smyth No. 3 (1577, cf. p. 42).
I 55 Un Castellano, trouata la Aioglie in adulterio col
suo Signore, gli ammazza : Painter II 33 (1567, cf. p. 8).
I 56 Strana e merauigliosa usanza che era attticamente
in Hidrusa: Painter II 9 (1567, cf. p. 7).
I 57 Una cortesia usata da Mansore Re e Pontefice
Maomettano di Marocco ad un pouero Pescatore: Painter II 34
(1567, cf. p. 8).
Parte II Nov. 7 UAbbate Gesualdo uuol rapir una
Giouane: Fenton No. 6 (1567, cf. p. 14).
II 9 La sfortunata tnorte di dui infeliei Amanti, che
Vuno di iteleno, e Valtro di dolore morirotio, con uarii acci-
denti (Romeo e Giulietta): 1. Hie Tragicall Historge of Romeus
and Juliet, twitten first in Italian by Bändelt, and nowe in
Engliifhe by Ar[thurJ B[rooke]. London 1562 ; 1 2. Painter
II 25 (1567, cf. p. 8). — Erwähnt 1. von G. Turbervile in
seinen „Epitaphes etc.u (1563? cf. Anglia XIII 42 Anm. 2),
in dem Gedicht An Epitaph on the death of Maister Arthur
Brooke :
ho for Myter did exoell
Ah may bo iudge[dj by Juliot and hir mato:
For there he shewde his cunning passing well
Whcn he the Tale to Englishe did translato;1
2. von Thomas Peend in „The Pleasant fable of Herma-
pliroditus and Salmacis* (1565):
And Juliet Romeus yonge for bewty dyd imbraee,
Yot dyd his manhode well agree, unto hys worthy graco.
So seemely shape dyd loue procure:
And Venus byrdes oame to the Iure,
1 Näheres über Brooke's Verh<niss zu seiner unmittelbaren Vor-
lage, der französischen Version Boisteau's, bei P. A. David, in der Ein-
leitung seines Neudrucks der beiden englischen Übersetzungen (New
Hhakspere Soo. : Originals and Analogues Part. I, London 1875). Vgl.
auch Ludwig Fränkel's Dissertation „Untersuchungen zur Entwioke-
lunga-Goschichte des Stoffes von Romeo und Julia" in der Zschr. f. vgl.
Litt-Gesch. und Ren. Litt. n. F. III 171 ff., IV 48 ff.
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TA HELLE
93
mit der Anmerkung: Juliet. A noble mayden of the Cytie
Verona in Italye, whyche loued Romeus, eldest sonne of the
Lorde Montesche, and beinge pryuely tnaryed togyther: he at
last poysoned hym seife for loue of her, she for sorotve of
hys deathet slewe her seife in the same Tombe, wyth hys dagger
3. von Barnabe Riehe (1574, cf. p. 47) ; 4. von Pettie (1576,
cf. p. 23) ; 5. in „A gorgious Gallery of gallant Inuentions"
(1578), in dem oben p. 90 erwähuten Gedicht:
8ir Romeus annoy
But trifle seems to in ine,
Whosc hap in winning of his loue
Did clue of cares untwino;
0. in „A poore Knight his Pallace of priuate pleasures44
(London 1579) in der ersten Vision des armen Ritters The
Vale of Venus:
Verona path wo left, whero Romeus doth lye,
Where Juliet with Iconia inioy a place thereby,
4
und in der dritten Vision : Justice and Judgement, pleaded at
Beauties Barre:
Next to the gate, faire Juliet dyd lye,
And in the Court young Romeus did stay:
Faire Cinthia gaue leue, to peke and pry,
But shee oft sayd, when -wilt thou oomo away.
Windows (quoth hee) I woulde aasend, faire May,
■ I looke to see the place, where erst I oamo
But Tybalt hee, hath olosed up the same.1
7. von Whetstone in „Heptamerontt (1582), The thyrd Daies
Exercise (vgl. oben p. 34 f.) : Piramtis and Thisbie, Romens
and Juliet , Arnalt and Amicia, and diuers others at the
point to possesse their loues, teere dispossest of their liues, but
yet unstained with dishonesty.
8. von Richard Stanyhurst in den seiner Virgil-Übersetzung
vom Jahre 1582 angefügten Poetical deuises (cf. Handbook
p. 632), in dem satirischen Gedicht An Epitaph entituled
Commune Defunctorum , such as our unlearned Rithmours
1 Citiert nach dem p. 90 Anm. erwähnten Neudruck des Roxburghe
Club. Beide Stellen werden auch von Collier angefahrt, in seinem
„Account«4 I 233, II 183.
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94
TAHKU.K.
accusfotnahly malte lipon the death of euerie Tom Tyler , as
if it teere a last for euery one his foote:
O you cursed Parcas, why kyld ye the good son of Atlas?
And whye, without mercy, doe ye slca the fayre ladye ThUbee,
A Sara for goodnesse, a great Bellona for hudgnesse,
For myldonosae Anna, for chastitye godlye Susanna,
Hcster in a good ehift, a Jadith stoute at a dead lift,
Also Julietta, with Dido, ritch Cleopatra ....
citiert nach dem Text der 2. Auflage von 1583 ; 9. von Mel-
bancke (1583, of. p. Gl): 0 Troylus teeepe tto more, faire
Cressed thyne is lothlye fotvle. Nor Hemdes thou häufe cause
to rannt for thy swete Omphale, nor Romeo thou hast cause
to weepe for Juliets losse, if euer Aurelia had saluted your
sight; 10. in „A Handofull of Pleasant Pelites by Clement
Robinson and Diuers Others" London 1584; in dem 17. Ge-
dicht: A Warning for Wooers . ... To Salishurie Plaine.
(st. 8) Where was thero found a happier wight
Then Troylus was, tili loue did light?
What was the end of RomeuR?
Did he not die, like Piramus?
citiert nach dem Text des Neudrucks der „Heliconia". Ed.
by T. Park, London 1815, vol. II.
II 12 // Marito ftrouata la Moglie in adulterio) fa
che impicca V adultcro : Painter I 43 (1566, p. 7).
II 14 Meyuolo Lercaro Oenouese hattuto da un Fauo~
rito de Vlwperadore di Trebisonda, gli fa di molti danni:
erzählt von Thomas Lodge (1593), aber nach einer anderen
Vorlage (cf. p. 69).
II 1 5 AlessandrOy Duca di Firenze, fa che Pietro sposa
una Mugnaia che haveva rapita : Painter II 22 (1567, cf.
p. 7).
II 26 Luchino Viualdo ama lungo tewt/w), e non t amato:
Fenton No. 10 (1567, cf. p. 14).
II 27 Aleramo et Adelasia: Painter I 44 (1566, cf.
p. 7). — Erwähnt 1. von Thomas Peend „Hermaphrodirus
etc.14 (1565):
The Emperour Othons doughter dere Adelaaie dyd so
Regarde the lyuely Aleran, that uhe wyth hym did go
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Tabelle.
95
To countreyes straungc : content by hazardo of her lyfe,
Agaynst tho wyll of all her freindes, for to beoome hys wyfe.
With pryncelyke lyfe, for hym ahme an Empyre she wolde lose,
With hym to leade a symple lyfe muoh rather she dyd chose,
All pleasureg in the worlde, in hym alone she then dyd take,
All freindes, for hym alone also she gladly dyd forsake.
With hym for nede right wel she was contented coles to makc,
To couche in cotage lowe, on symple foode to fare.
For all the world, excepted hym, she toke no kynde of care,
He was her blysse. Her ioye was hee And nothing eis ostemed shee;
mit folgender Anmerkung: Adehtsie. Doughter and onelye
chylde of the Eniperour Otho the thyrde, so excedynglye she
was enamoured of the most valiant Aleran, sonne of a Duke
of Saxony that she procnred hym pryuelye to conuey her
awaye, uhich by the helpe of an old lady her nurve, he
hrought to passe. And afiertrarde heinge rohed of suche
money as they had prouyded, they lyued long in a woode,
and made coles for theyr lyuynge^ and bare hym seuen sonnes
theare, and afteiivarde by the valyantc feates of her eldest
sonne, they were hnouen to the Emperoure: and so had hys
fauoure agayne, and enioyed the Empyre öfter hym; 2. von
Pettie (1576, cf. p. 23); 3. im „Forrest of Fancy" (1579,
cf. p. 45) zweimal.
II 33 Infortunato et infausto Amore di Madatna di
Cabrio Fronen zale con un suo procuratore: 1. Fenton No. 9
(1567, cf. p. 14); 2. Barnabe Riehe (1574, cf. p. 47).
II 36 Nicuola innamorata di Lattanzio va ä seruirh
uestito da Paggio : Rarnabe Kiche No. 2 (1581, cf. p. 49).
II 37 Odoardo III. Ee d'Inghilterra ama la Figliuola
d'un suo soggetto, e la piglia per Moglic: Painter I 46 (1566,
cf. p. 7); 2. Of King Edward III and the Fair Countess of
Salisbury, setting forth her Constancy and Endless Glory.
Eine Ballade, enthalten in der oben p. 85 citierten Samm-
lung vol. II p. 68/78. Ob diese Ballade noch im 16. Jahr-
hundert enstanden ist, lasst sich nicht bestimmen. — Erwähnt
von Pettie (1576, cf. p. 23).
II 44 Amore di Don Giouanni di Mendozza f e de la
Duchessa di Sauoia: 1. Thomas Peend „The moste notable
history of the lorde Mandozzeu (lic. 1565). Dieses (iedicht.
Digitiz
TABKMjE.
das nur als Fragment erhalten ist, hat J. J. Park in
dem „ British Bibliographer" II 523 ff. und 587 ff. ausfuhr-
lich besprochen. Seine Vermuthung, Peend habe das Ge-
dicht aus dem Spanischen übersetzt, ist hinfallig; Jacobs be-
merkt, im Anschlüsse an Haslewood's Meinung: De la Peend
must have had proof sheets of Painter (vol. I p. LXXVI),
was mir auch nicht wahrscheinlich ist. Ich bin vielmehr
der Ansieht, dass die Übereinstimmungen zwischen Peend
und Painter ihre Erklärung finden in der gemeinschaftlichen
Quelle, die beide Autoren stets im Auge behielten. Diese
gemeinschaftliche Quelle ist Pierre Boisteau-Launay's Version
der Novelle Bandello's, im ersten Bändchen der „Histoires
Tragiques* (1560), Ilist. 6-. 2. Painter I 45 (1566, cf. p. 7).
— Erwähnt 1. von Pettie (1576, cf. p. 23); 2. von Greene
(1583, cf. p. 51); 3. in „A Handefull of Pleasaut Delites"
(1584), in dem 24. Gedicht, betitelt The Iximentation of a
Woman, bring irronyfully defamed. To the Tune of Dämon
and Pithias:
(at. 4) The powoned Pancnllier ful faluly did accusc
The good DutchoRfte of 8avoy becaufic ehe did refuse
To grant unto hi« Iotc, That was so ungodlie.
II 55 Selettco Re de l'Asia, dorm la Moglw ol suo Fi-
glinolo: Painter I 27 (1566, cf. p. 6).
Parte III Nov. 5 BeUissima uendetta fatta da gli
Eliensi contra Aristotifmjo crudelissimo Tiranno: 1. Painter
II 5 (1567, cf. p. 7); 2. Turbervile No. 8 (c\ 1576).
III \) Historia de la continema del Re Ciro et amore
coniugale di Pantea: Painter I 11 (1566), aber nach einer
anderen Quelle (cf. p. 5).
III 17 // 5. Filiberto s'innamora di M. Zilia, che per
un bacio lo fa stare lungo tempo mutolo, e la uendetta che
egli altamente ne prese: 1. Fentou No. 11 (1567, cf. p. 14);
2. Painter II 27 (1567, cf. p. 8); 3. „A Discourse of the
great crueltie of a teidow towards a young gentleman, and
by what meam he requited the same. Set forth in English
verse by Jo. Gofubourne?]. London [1570?]; lic. 1509/70
(cf. Ilandbook p. 234). Von diesem Gedicht soll nach Haz-
litt nur ein Fragment auf uns gekommen seiu; der Titel
Digitized by
TABELLE.
97
lässt mich vermuthen, dass es Bandello's Geschichte von der
spröden Wittwe Zilia und der Rache Filiberto's erzählte.
4. „Wcstward* No. 6 (1620, cf. p. 76). — Erwähnt von Pettie
(1576, cf. p. 23).
III 18 Rosimonda fa ammazzare il Marito, e poi se
stessa et il secondo Marito auuelena: Turbervile No. 5 (ca.
1576).
III 19 Paolina Romana (sotto specie di Religione) h
da V Am ante suo ingannata, et i sacrificij d'Iside disfatti:
erwähnt, aber mit von Bandello's Erzählung abweichendem
Detail, von Whetstone in „The English Myrror" (1586) Lib.
III Chap. 3 : The Emperour Tyberius put the Priestes of the
Idoll Anuhis to the strorde, becatise they were the Instruments
for the iranton Knight Mundus to commit adultrey (by theyr
deceite) with the chaste Romaine Ladie Paulina (p. 219).
III 21 Uno Schiauo (battuto dal Padrone) ammazza la
Padrona con i ßgliuoli, e poi se stesso precipita da un} alta
Torre. Zwischen dem 22. Juli 1569 und dem 22. Juli 1570
finden wir in den „Registers of the Stationers' Company"
folgenden Eintrag: Rd. of Ryc. Jonnes, for his lycense for
pryntinge of a history intituled a straunge and petiefull novell
dyscoursynye, of a noble Lord and his Lady, w* thayre tre-
gicall end of them and thayre II cheldren executed by a
Hacke morryon IIIIdx Collier 1. c. bemerkt, dass diese
Ballade [? der Wortlaut des Eintrags lässt es zweifelhaft,
ob es sich um eine prosaische oder metrische Version handelt!]
nur in späteren Ausgaben erhalten ist, und führt den Titel
einer solchen späteren Ballade an. Mit einer von diesem
Titel wenig verschiedenen Uberschrift finden wir diese Ballade
in „The Roxburghe Ballads" Ed. by Charles Ilindley, 2 vols.
(London 1873/4); vol. II p. 339 ff. : A Lamentable Bailad of
the Tragical end of a Oallant Lord and a Vertuotis Lady,
toith the uniimely end of their two Children, wickedly performed
by a Heathenish Blackamor e ; vgl. ferner die p. 85 citicrte
Sammlung vol. II p. 152 ff. Meine Vermuthung, dass die
1 Cf. Extracts from the Registers of the Stationers1 Company of
Works entered for publication between the yeara 1557 — 1570. With
notes etc. by J. Payne Collier. London 1848 (Shakespeare 8oc.) p. 211.
qp. lxx. 7
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TABELLE.
1500/70 eingetragene Geschichte auf Bandcllo's Novelle, oder
einer anderen Version dieser in den meisten Literaturen er-
scheinenden Geschichte, beruht, findet in dieser jüngeren Form
ihre volle Bestätigung — die englische Ballade weist alle
wesentlichen Züge der Novelle Bandello's auf. 1
III 25 Gian Maria Vesconte, Secotido Duca di Milano
fa interrare un Parrochiano uiuo: Smyth No. 1 (1577, cf.
p. 41).
III 52 Pandora . . . per gelosia dfun suo Amante che
ha preso Moglie, ammazza il proprio figliuolo : Fenton No. 3
(1567, cf. p. 14).
III. GIRALDI CINTHIO.
Ilecatommithi, Deca II Nov. 2. Oronte, alleuato in basso
stato, ama Orbecchey figliuola del Re di Persia: vielleicht von
Greene (1585, cf. p. 55) nachgeahmt.
II 0 Fiamma ama Phineo: Barnabc Riehe No. 4 (1581,
cf. p. 48 f.).
III 5 Consaluo, pigliata Agata per moglie, sfinnamora
di vna meretrice: Riehe No. 6 (1581, cf. p. 49). — Das
Motiv der Verstossung der tugendhaften Gattin einer Buh-
lerin zu Liebe finden wir auch bei Greene (1587, cf. p. 50).
VI 3 Don Hercole da Este ama vna Giouane priuata:
Riehe No. 3 (1581, cf. p. 48).
VI 9 Francesco Valesi, primo Re di Francia di tat
nome b allogiato cortesemente in luogo solitario da vn pouero
Contadino: ähnliche Geschichte, aber einem anderen Ge-
währsmann entlehnt, bei Melbaucke (1583, cf. p. 00 f.).
VIII 5 Jurisie e mandato da Massimiano Imperadore
in hjwuchi: Whetstone (1582, cf. p. 30).
VIII 10 Euphimüi sfinnamora di Acharisto, seruo del
Padre di lei, Re di Corinto: Painter EI 15 (1507, cf. p. 10).
— Erwähnt 1. in „The Forrest of Fancy" (1579, cf. p. 45)
zweimal; 2. von Greene (1584, cf. p. 52) dreimal.
IX 8 Chera nasconde vn thesoro, Elisa h per impiccarsi
j)er la gola: Painter II 11 (1507, cf. p. 10).
1 Näheres über diese Novelle in meinem oben p. 43 Anm. er-
wähnten Aufsatz.
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TABELLE.
99
IV. STRAPAROLA.
Piacevoli Notti, Notte I Favola 1 : Saktrdo, ßgliuolo di
Rainaldo Scaglia, si parte da Genoua: „The Forrest of Fancytt
No. 3 (1579, cf. p. 44).
II 2 Philenio Sisterna scolare in Bologna uien da tre
belle dornte beffato: Painter I 49 (1566, cf. p. 10).
IV 4 Nerino Figliuolo di Galese Re di Portogallo : „Tarl-
tons NewesK No. 8 (1590, cf. p. 64).
XIII 1 Maestro Gasparino mediro con la suu uirlü
sanaua i pazzi : „Mery Tales, Wittie Questions etc." (c*. 1549,
cf. p. 77) No. 52 : Of hym that Ivealed f ranticke tnen.
V. 8ER GIOVANNI FIORENTINO.
Pccorone Giorn. 1 Nov. 1. Galgano e madonnu Minoccia:
Painter I 47 (1566, cf. p. 10).
IX 1 Ricciardo e il Doge di Vinegia : Paiutcr I 48
(1566, cf. p. 10).
VI. MACHIAVELLI.
Belfagor Arcidiavolo: Riehe (1581, cf. p. 49).
Eine zahlreiche, vielfarbige Schaar neuer Gestalten haben
wir ihren Einzug in die englische Litteratur halten sehen.
Verschiedenen Führern folgen die Fremdlinge: nach der
hohen schwarzumhüllten Gestalt der tragischen Muse schreiten,
in ihrer Liebe Glück und Leid versunken, Guiscardo und
Ghismonda, die Herzogin von Main* und Antonio, Romeo und
Julia — von dem Fluch unsühnbarer Schuld getroffen, Bianca
Maria und Violante. Mit fröhlichem Gepränge nahen die
Helden und Heldinnen, deren Stern aus stürmischen Wolken
wieder in des Himmels Klarheit treten durfte: allen voran
das Freundespaar Titus und Gisippus, dann der wackere
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SCHLUSSWORT.
Oraf von Antwerpen, Cimone, der allzugetreue Don Diego,
die verliebte Herzogin von Savoyen, Aleran und die Kaiser-
tochter Adelasia. Ihnen nach drängt sich, geführt von dem
die Pritsche des Narren und die Geissei des Satirikers
schwingenden Amor, in buntem Gewimmel das liebcstolle
Völkchen des „Decameron", schöne üppige Frauen, glänzende
Ritter, wohlhäbige Bürger, lüsterne Kleriker sonder Zahl.
Boccaccio und Bandello sind die treibenden Kräfte
dieser Invasion. Ihr Einfluss hält sich so ziemlich die Waag-
schale, nur zeitweilig, nach dem Erscheinen von Painter's
„Palacctf, bemerken wir ein Schwanken zu Gunsten Bandello's,
der durch die grelleren Farben seiner Gemälde das schau-
lustige Publikum fesselte. Zum Lob der Engländer sei ge-
sagt, dass die unsittlichsten Novellen der Italiener keinen
Übersetzer fanden.
Nicht immer haben die Engländer unmittelbar aus den
italienischen Quellen geschöpft. Im Gegentheil — in sehr
vielen, vielleicht sogar in den meisten Fällen , hat die fran-
zösische Sprache ihre hochbedeutsame Mission, zwischen
fremden Culturen die Vermittlerin zu sein, auch hier erfüllt.
Das Maass dieser französischen Vermittlung wird sich noch
genauer bestimmen lassen, als in den vorstehenden Unter-
suchungen geschehen ist.
Die englischen Litteraten, die sich zum Übersetzen be-
rufen fühlten, waren keine auserwählten Geister; eine als
Kunstwerk rühmliche und eigenwerthigo Leistung verdankt
England diesen eifrigen Iuterpreten der italienischen Erzähler
nicht. Aber sie haben doch Anspruch auf die Dankbarkeit
der Nachwelt — ihre Arbeit bestellte das Feld, welches einen
grossen Thcil der goldenen Ernte des elisabethanischen Dramas
tragen sollte.
GCNEHAL BOOK DINDING CO.
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