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Full text of "Caspar Scheidt der lehrer Fischarts. Studien zur geschichte der grobianischen litteratur in Deutschland"

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Grobianische 
literatur 


Adolf  Häuften 


O  U/V/ 


I 


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QUELLEN  UND  FORSCHUNGEN 

ZU  I! 

SPRACH-  UND  CULTÜRGESCHTCHTE 

DER 

GERMANISCHEN  VÖLKER. 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

HERN  HAH!)  TEN  1SKIKK,  ERNST  MARTIN, 

ERICH  SCHMIDT. 


LXVI. 

CASPAR  SCHEIDT  DER  LEHRER  FISCH ARTS.  STUDIEN  ZUR  GESCHICHTE  DER 
OROUIANISCHEN  L1TTERATUR  IX  DEUTSCH  LAND  VON  DR.  ADOLF  II  AUFFEX. 


STRASS1HJRG. 

VERLAG-  VON  KARL  J.  TRÜBNER. 

1889. 

1 

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CASPAR  SCHEIDT 


DER  LEHRER  F1SCHARTS. 


STUDIEN  ZUR  GESCHICHTE 


DER 


GROBIANISCHEN  LITTE  KATUR  IN  DEUTSCHLAND 


VON 


DR.  ADOLF  HAUFFEN. 


STRASSBURG. 
VERLAG  VON  KARL  J.  TRÜBNER. 

1889. 


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o  »  Hof-Uuchdruckcrci  in  Darmstadi. 


MEINEM  LIEBEN  BRUDEK 

JOSEF  HERMANN  HAUFFEN. 


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V  O  R  R  E  D  E. 


Äussere  Gründe,  die  mir  einen  rascheren  Abschluss 
meiner  Arbeit  wünschenswerth  machten  und  der  Umstand, 
dass  Herr  Prof.  Strauch  eine  Monographie  über  Caspar 
Scheidt  vorbereitet,  bestimmten  mich,  meinen  früheren  Plan, 
das  Leben  und  die  Werke  dieses  Dichters  ausführlich  im 
Zusammenhange  zu  behandeln,  abzuändern.  So  beschränkte 
ich  mich  auf  Scheidts  'Grobianus'  und  seine  zweite  anti- 
grobianische  Schrift,  die  'Lobrede  von  wegen  des  Meyen, 
verfolgte  hiebei  natürlich  die  StofTkreise  und  Tendenzen 
nach  vor-  und  rückwärts,  so  dass  meine  Studien  mehr  die 
Darstellung  eines  ganzen  Litteraturzweiges,  der  grobianischen 
Dichtungen  in  Deutschland ,  als  die  Würdigung  eines  ein- 
zelnen Mannes  enthalten. 

Der  Grobianismus  ist  keine  erquickliche,  wohl  aber 
eine  sehr  wichtige  Erscheinung  des  deutschen  Lebens  und 
der  carikirenden  Satire  im  XVI.  Jahrhundert;  die  hier 
zu  behandelnden  Dichtungen  können  nur  geringen  ästhe- 
tischen Werth  beanspruchen  ,  verdienen  aber  eine  um  so 
grössere  Aufmerksamkeit  in  cultur-  und  literarhistorischer 
Beziehung.  Was  sonst  mit  den  grobianischen  Dichtungen 
zusammenhängt,  die  Trink-  und  Narrenlitteratur ,  die  An- 
standsregeln ,  Sittenspiegel  und  Lehrdichtungen ,  die  paro- 
distischen  und  Thierdichtungen  des  Mittelalters  und  der 
Reformationszeit  habe  ich  hier  nur  insoweit  berücksichtigt, 


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VIII 


VOR  KfcDE. 


als  sie  für  die  grobianischen  Schriften  als  Quellen  in  Be- 
tracht kommen  oder  im  Zusammenhang  der  Wechselwirkung 
stehen. 

Doch  die  Einwirkung  Scheidts  als  Lehrer  auf  den 
jungen  Fischart  glaubte  ich  hier  in  einem  eigenen  Capitel 
besprechen  zu  dürfen,  weil  sie  gerade  auf  dem  Felde  der 
grobianisch-satirischen  Litteratur  besonders  sichtbar  wird. 
Es  erhöht  die  Bedeutung  des  anspruchslosen  Scheidt  um 
vieles,  dass  eine  Darstellung  seines  Wirkens  zu  Fischart  auf- 
steigen muss  und  der  Nachweis  möglich  ist,  Scheidt  habe  die 
Anfange  eines  der  ersten  deutschen  Satiriker  kräftig  gefordert. 

An  dieser  Stelle  fühle  ich  mich  auch  verpflichtet,  meinen 
aufrichtigen  Dank  Herrn  Prof.  Erich  Schmidt  abzustatten, 
der  mir  während  meines  zweijährigen  Aufenthalts  in  Berlin 
vielseitige  wissenschaftliche  Anregung  zu  Theil  werden 
Hess  und  mir  besonders  bei  der  vorliegenden  Arbeit  mit 
Rath  und  Hilfe  zur  Seite  stand. 

Schliesslich  schulde  ich  noch  herzlichen  Dank  Herrn 
Prof.  August  Sauer  in  Prag  für  manchen  freundlichen  Wink, 
sowie  den  Vorständen  der  königlichen  Bibliothek  zu  Berlin, 
der  Stadtbibliothek  zu  Breslau  und  der  Bibliotheken  zu 
Darmstadt,  Dresden,  Gotha,  Graz  und  Wolfenbüttel  für  die 
bereitwillige  Mittheilung  ihrer  Schätze. 

Laibach,  März  1889. 

A.  H. 


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INHALT. 


Seite 

l.  capitel.    Anatandsregeln  und  Tischzuchten  dos  Mittelalters. 

1.  Die  altdeutschen  Tischzuchten   1 

2.  Englische,  Französische  und  MittellateinUche  Tischzuchteu.  !4 

3.  Der  Übergang  zur  Parodie   18 

Ii.  capitel.    Dodekinds  und  Scheidts  Grobianus   82 

iil  capitel.    Nachgeschichte  des  Grobianus   63 

Dedckinds  zweite  Ausgabe   tili 

Grobiana   72 

Hellbachs  Bearbeitung   77 

Kienheckeis  Bearbeitung   8t 

Schorffürs  Übersetzung   83 

Dio  Nachwirkung  des  Grobianus   89 

iv.  capitel.    Scheidts  'Lobrode  von  wegen  des  Meyen*    ....  94 

v.  capitel    Schoidt  und  Fischart   ilO 

Eulenspii'gcl  Rcimenswoiss   113 

Fischarts  Trunkenlitanci   122 

ANHANG. 

1.  Dio  Wormser  Bearbeitung  de»  Freid.iuk  vom  Jahre    153S.  130 

2.  Zu  Scheidts  'Frölichor  Heimfart*   13t 


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I.  CAPITEL. 

ANSTANDSREGELN  UND  TISCHZUCHTEN  DES 

MITTELALTERS. 


1.  DIE  ALTDEUTSCHEN  TISCHZUCHTEN. 

Eine  mittelalterliche  Sage,  durch  Konrad  von  Würz- 
burg in  deutsche  Verse  gebracht,  erzählt  uns  folgende  Be- 
gebenheit, die  sich  auf  einem  Osterfeste  des  Kaisers  Otto 
mit  dem  Barte  zugetragen  haben  soll.  Die  Tische  standen 
schon,  mit  Gebäck  und  Geschirr  besetzt,  für  die  erwarteten 
Gäste  bereit,  als  der  junge  Sohn  des  Herzogs  von  Schwaben, 
nach  Kinderart  dem  Hunger  folgend,  an  die  Tafel  trat, 
ein  Weissbrot  ergriff  und  verzehrte.  Diesen  groben  Ver- 
stoss gegen  die  Tischzucht  bemerkte  der  kaiserliche  Truch- 
sess, der  eben  das  Zeichen  zum  Beginne  des  Mahles  geben 
wollte,  und  da  er  von  heftiger  Gemüthsart  war,  schlug  er 
mit  seinem  Stabe  den  edlen  Knaben  also  auf  das  Haupt, 
dass  dieser  blutüberströmt  zur  Erde  sank.  Des  Knaben 
Zuchtmeister  Heinrich  von  Kempten  sprang  sofort  herbei 
und  stellte  den  Truchsess  zur  Hede.  Dieser  aber  versetzte 
höhnisch,  es  komme  ihm  zu,  einen  Schalk,  der  se  hove  nn- 
zühtec 1  sei,  also  zu  strafen.  Darüber  ergrimmte  der  Zucht- 
meister und  erschlug  den  Truchsess. 


1  V.  121.  Die  ganze  Begebenheit  bei  Lambel,  Erzählungen  und 
Schiränke  S.  246  -  249.  Ähnlich  Pauli,  Schimpf  und  Ernst  S.  im 
Kr.  256;  dazu  Oeaterley  ebenda  Ö02. 

QF.  um.  1 


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2 


I.  CAPITEL 


Dio  ältere  Sage  und  diese  jüngere  dichterische  Be- 
arbeitung erweisen  uns  hier,  wie  schwer  in  der  höfischen 
Zeit  des  Mittelalters  die  Verletzung  der  Tischzucht  geahndet 
wurde.  Und  dass  sie  innerhalb  der  ritterlichen  Gesellschaft 
nur  selten  vorkam,  zeigen  uns  andere  Dichtungen  an  zahl- 
reichen Stellen.  Niemals  vergessen  Ritter  und  Frauen,  die 
sich  zur  Tafel  setzen,  die  allgemeingiltigen  Gebote  der 
Tischzucht,  etwa  das  Waschen  der  Hände,  selbst  in  den 
unbehaglichsten  Situationen.  So  fanden,  um  nur  ein  Bei- 
spiel zu  nennen,  Herzog  Ernst 1  und  Genossen  nach  monate- 
langer Seefahrt  im  Lande  Grippia  eine  reichbesetzte  Tafel. 
Heisshungrig  stürzten  sie  hinzu,  um  sich  zu  sättigen,  ehe 
noch  die  rechtmässigen  Besitzer  zurückkehrten,  doch  —  sie 
wuschen  vorher  ihre  Hände.  Das  Unterlassen  der  Hände- 
waschung insbesonders  gilt  als  sprechendstes  Zeugnis  bäu- 
rischer Unsitte  -  und  noch  im  XVI.  Jahrhundert  den  Fana- 
tikern als  Sünde3.  Bei  Hofe  und  auf  den  Kitterburgen 
aber  schätzte  man  die  Abstammung  und  den  Stand  des 
unbekannten  Gastes  nach  dessen  Benehmen  bei  Tische  und 
verhöhnte  den  Ungeschickten4.  Ehrgeizige  Bauernjungen 
zogen  an  den  Hof,  um  zu  lernen,  wie  man  essen  soll5;  wer 
an  der  Zucht  festhielt,  galt  als  Liebling  Gottes,  der  Unge- 
zogene aber  wurde  des  Himmelreichs  für  verlustig  erklärt6. 
So  viel  galt  in  den  massgebenden  Kreisen  die  Kenntnis 
der  Tischzucht. 

Der  Grund  hierfür  ist  ein  doppelter.  Einmal  gebot 
die  Art  des  Essens  eine  grosse  Reinlichkeit.  Man  ass  ohne 
Gabel  mit  der  blossen  Hand,  gewöhnlich  ein  Herr  mit  einer 
Dame,  seiner  Tischgenossin,  von  einem  Teller7;  deshalb 

»  Herzog  Ernst,  ed.  Bartsch.  V.  2398  ff. 

«  Witten  weilers  Ring,  ed.  Beckstein  34  «  V.  3.  Kainer  do  sein  hende 
tcHoseh. 

%  Murners  Narrenbeschwörung,  Cap.  77  V.  30  ff. 
4  t.  d.  Hagens  Gesammtabenteuer,  Nr.  10.    K.  v.  Würzburgs  Die 
halbe  Bim,  V.  90,  106  f.,  114  u.  a. 

6  Ebenda  Nr.  63.    Heinz  des  Kellners  Turandot,  V.  49, 1 1 1, 1 1 7  u.  a. 

«  Tannhäusers  Hofzocht,  V.  229—240,  siehe  unten  8.  9  f. 

'  A.  Schultz,  Das  hufische  Leben  zur  Zeit  der  Minnesänger  I, 

S.  325. 


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1.  DIE  ALTDEUTSCHEN  TISCHZUCHTEN. 


geben  die  mittelalterlichen  Tischzuchten  genaue  Bestim- 
mungen, wann  man  die  rechte,  wann  die  linke  Hand  ge- 
brauchen dürfe,  deshalb  auch  das  abermalige  Händewaschen 
vor  dem  Nachtisch.  Mehrere  Gäste  tranken  aus  einem 
Glas,  oder  ein  grösseres  Gefäss  kreiste,  daher  die  häufigen 
Ermahnungen,  nicht  mit  fetten  Lippen  den  Becher  zu  be- 
sudeln, nicht  in  den  Wein  zu  pusten  und  anderes  mehr. 
Daher  auch  die  Verordnungen  für  die  bedienenden  Knaben, 
welche  den  Wein  herumreichen,  den  vorgelegten  Braten 
zerschneiden  mussten. 

Ferner  aber  war  die  Mahlzeit  der  Mittelpunkt  des 
geselligen  Lebens.  Sie  wird  von  den  Dichtern  der  besten 
Zeit  mit  grossem  Behagen  geschildert1,  bei  feierlichen  An- 
lässen mit  reichem  Aufwand  unter  der  sorgfaltigen  Auf- 
sicht des  Truchsess  oder  Seneschalls  vorbereitet.  Die  Tafel- 
runde war  die  eigentliche  gesellige  Vereinigung,  wo  man 
besonders  seine  zuht  gegen  Frauen  erweisen  konnte.  Die 
hervorragendste  Tugend  des  mittelalterlichen  Ritters  be- 
stand aber  gerade  in  der  zuht,  welche  auch  als  Frau  Zucht2 
personificirt  erscheint  und  die  nicht  nur  eine  edlere  Bil- 
dung des  Gemüthes  als  Frucht  einer  sittlichen  Erziehung, 
sondern  auch  Selbstbeherrschung  und  äussere  feine  Sitte3 
bedeutete.  Die  ritterliche  Moral  vermengte  eben  Sitte  und 
Sittlichkeit  und  stellte  sie  einander  gleich.  Der  Unge- 
schickte, dörperltche,  galt  für  böse,  der  hövesche  hingegen 
für  ehrenwert. 

Als  in  der  weltfreudigen  Blütezeit  mittelalterlichen 
Lebens  und  Dichtens  die  alte  strenge  Sittlichkeit  sich  zu 
lockern  begann  und  sofort  Lehrdichter  auftraten,  um  in 
gereimten  Ermahnungen  und  Rügen  die  Gefahr  abzuwehren, 
da  setzten  sie  bei  den  Anstandsregeln  ein  und  klammerten 
sich  an  die  äusseren  Formen  der  gesellschaftlichen  Über- 
einkunft, um  mit  der  Schale  des  sittigen  Betragens  auch 
den  Kern  der  Tugend  zu  retten. 


1  A.  Schultz  a.  a.  O.  I  293. 
»  Grimm,  Mythologie  8.  846  ff. 
»  Mhd.  Wtb.  3,  9J1R. 

1* 


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4 


I.  CAPITEL. 


Einer  der  ältesten  mittelhochdeutschen  Didaktiker,  der 
Ritter  Winsbeke  (1210  — 1215)  gibt  seinem  Sohne  die 
schönsten  allgemeingiltigen  Lehren  von  innerer  Würde 
und  Frömmigkeit,  aber  er  vergisst  nicht,  ihm  auch  die  be- 
sonderen Pflichten  des  Ritterstandes  ans  Herz  zu  legen, 
und  rühmt  neben  Tugend  und  rechter  Scham  immer  wieder 
zuht]  und  hoveliche  site2  und  tcol  gezogene^  Benehmen.  Und 
schon  sein  nächster  Nachfolger,  Thomasin  von  Zirclaria 
(1216),  ein  Italiener,  doch  aus  dem  deutschen  Grenzgebiete 
Friaul  stammend  und  von  deutscher  Bildung  und  Gesinnung, 
eröffnet  die  lange  Reihe  allgemeinerer  Anstandsregeln  und 
besonderer  Hofzuchten  und  Tischzuchten,  die  einander  bis 
in  die  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  zu  Dedekind  und  Scheidt 
hin  ununterbrochen  folgen  und  alle  unmittelbar  oder  mittel- 
bar von  ihm  beeinflusst  sind. 

Thomasin  stellt  den  wankenden  sittlichen  Grundsätzen, 
den  beginnenden  religiösen  Verwirrungen  seiner  Zeit  als 
ethischen  Halt  die  stvcte,  die  Beharrlichkeit  im  Guten  ent- 
gegen, welche  die  zehn  Bücher  seines  Wälschen  Gastes  als 
grundsätzlichen  Anfang  aller  Tugenden  im  Gegensatz  zur 
umtäte  als  der  Mutter  aller  Laster  preisen.  Mit  philosophi- 
schen Erörterungen  und  praktischen  Vorschlägen  zur  Besse- 
rung rückt  er  den  Hauptgebrechen  seiner  Zeit  zu  Leibe 
und  schöpft  seine  Lehren  und  Beispiele,  wie  die  meisten 
späteren  Lehrdichter,  aus  den  Classikern,  der  Bibel  und 
den  Kirchenvätern,  doch  auch  aus  der  unmittelbaren  ritter- 
lichen Umgebung,  die  er  mit  gesundem  Herzen  und  klarem 
Blick  beobachtet  hat. 

Gewissermassen  als  Einleitung  zu  dieser  Tugendlehre 
gibt  er  im  ersten  Buche  Rittern  und  Frauen  Vorschriften 
für  den  geselligen  Verkehr.  Er  hat  hierfür  den  Inhalt 
seines  früheren  verloren  gegangenen  italienischen  Werkes 
über  höfische  Sitten  verwcrthet  4  und  lehrt  hier  anschlies- 
send den  Hauptgrundsatz  der  ritterlichen  Moral,  man  müsse 

!  Winsbeko  ed.  Haupt  11,7  f.,  22,3  u.  a. 

38,  1. 
»  39,  8. 
«  V.  1173  f. 


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1.  DIE  ALTDEUTSCHEN  TISCHZUCHTEN. 


2uht  und  hüfscheit  in  seiner  Jugend  haben Von  den  Frauen 
verlangt  er  ein  tugendhaftes  Herz,  doch  auch  feine  Sitten. 
Eine  schöne  Gebärde  und  eine  freundliche  Rede  krönt  die 
guten  Werke  der  Frau2.  Mit  sanfter  Stimme  soll  sie 
sprechen,  nicht  ein  Bein  über  das  andere  schlagen,  nicht 
fest  auftreten3,  die  Reize  ihres  Körpers  sorgfältig  ver- 
hüllen4, sich  nicht  umsehen,  nur  sprechen,  wenn  sie  gefragt 
wird,  und  —  besonders  während  des  Essens  —  nicht  zu 
viel  plaudern.  Den  Ritter  lehrt  er  Mässigung,  Vermeidung 
jedes  rohen,  lärmenden  Wesens5,  Ruhe  in  Rede  und  Hal- 
tungr>,  den  richtigen  Sitz  zu  Pferde  und  endlich  die  höfische 
Tischzucht7. 

Ohne  die  Beispiele  gröberen  Unfugs,  wie  sie  spätere 
Tischzuchten  bieten,  ertheilt  hier  Thomasin  jene  strengeren 
Vorschriften,  welche  noch  in  den  besten  Kreisen  seiner 
ritterlichen  Zeitgenossen  beobachtet  wurden.  Doch  für  die 
äussere  Form  der  Lehre  und  für  die  überall  geltenden  Re- 
geln benutzte  er  eine  fremde  Quelle:  die  Disciplina  cleri- 
calis9,  ein  in  Deutschland  und  Frankreich  viel  benutztes 
Werk,  das  im  Anfang  des  XII.  Jahrhunderts  von  einem 
spanischen  Juden,  Petrus  Alphonsi,  nach  morgenländischen 
Vorbildern  lateinisch  abgefasst  wurde.  Die  Einkleidung: 
Ein  weisser  Vater  belehrt  den  scheidenden  Sohn,  kennen 
die  Bibel,  Nordländer  und  Romanen,  und  unter  den  deut- 
schen Lehrdichtungen :  König  Tirol,  der  Winsbeke  und  Cato. 
Bei  Petrus  beginnt  der  Vater  auf  die  Frage  des  Sohnes ,J 
Die  ergo  quomodo  ubique  debeam  comedere  mit  der  Regel, 
die  in  den  meisten  Tischzuchten  an  erster  Stolle  steht: 
Quum  ablueris  tnanus  ut  comedas,  nihil  tangas  nisi  prandium 

1  V.  1708  f.    Ähnlich  V.  182  f  an  h.  und  an  guoten  dingen. 
1  V.  203  f. 

*  V.  400  ff. 

♦  V.  451  ff. 
1  V.  297  ff. 
«  V.  443  ff. 

1  V.  471-626. 

8  Der  wälsoho  Gast,  ed.  Rückerf,  Anm.  S.  521.  —  Disciplina 
clericalis,  ed.  Fr.  W.  Val.  8chmidr,  Berlin  1827. 
»  Cap.  XXVIII,  7. 


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I.  CAP1TEL. 


tionec  romedas.  Iss  nicht  das  Brod  vorher  ne  duaris  im- 
patiens.  Nimm  nicht  so  grosse  Bissen  dass  dir's  vom 
Munde  träuft,  schling'  sie  nicht  hinab  ehe  sie  gut  gekaut 
sind,  trink'  nicht  mit  vollem  Mund  ne  dicaris  vinosus,  sprich 
nicht  mit  vollem  Munde  dass  es  dir  nicht  eine  Ursache 
des  Todes  werde.  Gefallt  dir  ein  Bissen  bei  deinem  Tisch- 
genossen, so  greif  nicht  danach  ne  dicatur  prava  rusticitas. 
Nach  dem  Mahle  wasche  die  Hände,  quin  physictim  est  et 
cnrabile.  Der  Einladung  einer  vornehmen  Person  leiste 
sogleich  Folge.  Diese  knappen  Regeln  sind  das  Gerippe, 
um  welche  sich  immer  weitere  Ausführungen  ansetzen  bis 
zu  den  dickleibigen  Sittenbüchern  des  XVI.  Jahrhunderts. 
Auch  die  Form  der  directen  Lehre,  die  später  zu  einem 
kunstvollen  Schema  ausgestaltet  wird,  liegt  hier  im  ein- 
fachsten Umriss  vor:  Thue  es  nicht,  weil  entweder  — 
Rücksicht  auf  das  durch  den  Verstoss  hervorgerufene  Ur- 
theil  —  du  als  vinosus,  deine  Handlungsweise  als  rusticitas 
bezeichnet  würde,  oder  —  Rücksicht  auf  das  eigene  Wohl 
—  weil  es  dir  schaden,  dich  tödten  könnte.  Ja  selbst  die 
Ansätze  zur  parodistischen  Behandlung  der  Tischzucht  finden 
wir  hier,  indem  der  Vater  dem  Sohn  räth,  an  einer 
fremden  Tafel  viel,  an  der  eigenen  möglichst  wenig  zu 
essen1,  und  ihm  die  schlauen  Entschuldigungen  eines  trägen 
Dieners2  und  den  grobianischen  Schwank  eines  gefrässigen 
Spielmanns8  erzählt. 

Thomasin  nimmt  also  die  meisten  Regeln  des  Petrus 
auf  und  vermehrt  sie  um  einige  besondere  Vorschriften,  die 
ihm  in  seinen  Kreisen  entgegentraten.  Wie:  man  solle 
sich  nicht  zum  Genossen  mit  dem  Becher  wenden,  ehe  man 
diesen  vom  Munde  absetzt4,  nicht  trin  aus  dem  Becher 
sehen,  nicht  mit  beiden  Händen  essen,  sondern  mit  der 
linken,  wenn  der  Genosse  zur  rechten  sitzt,  nicht  gleich- 
zeitig mit  diesem  in  die  Schüssel  greifen ;  auf  die  von  den 
Gästen  abgelehnte  Speise  muss  auch  der  Wirth  verzichten. 

i  Cap.  XXVIII,  12.    Cap.  XXIX,  1. 
»  Cap.  XXIX,  3-6. 
9  Cap.  XXII,  1-8. 
«  V.  490  ff. 


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1.  DIB  ALTDEUTSCHEN  TISCHZUCHTEN. 


7 


Nur  die  Ritter  dürfen  sich  nach  dem  Mahle  des  herum- 
gereichten Wassers  bedienen,  die  Junker  und  Knappen 
müssen  sich  abseits  waschen1.  Zwischen  diesen  Regeln 
fehlen  auch  nicht  die  ürtheile:  so  V.  496  duz  stät  hü/schliche 
niht  oder  umgekehrt  V.  482  deist  wol  getdn. 

Die  eben  besprochenen  Theile  aus  dem  ersten  Buche 
Thomasins  wurden  bald  hernach  ausgeschrieben,  erweitert, 
zu  drei  Abschnitten  von  den  Männern,  den  Frauen  und  der 
Tischzucht  bearbeitet  und  unter  dem  Titel  Hofzucht  in 
mehreren  Handschriften  verbreitet2.  Diese  beginnt  mit  der 
Fabel  vom  Esel  und  der  Löwenhaut,  welche  mit  Abände- 
rungen Boners  Edelstein  Nr.  67  nacherzählt  wird.  Daran  * 
anschliessend  wird  die  Hofzucht  gelehrt,  das  Benehmen 
gegen  Frauen,  gegen  Genossen  und  Fremde ;  vor  übermässigem 
Weingenuss  und  Spiel,  vor  unanständigem  Betragen  bei 
Tische  wird  gewarnt  und  hiebei  über  Thomasins  Regeln 
hinaus  manche  ärgere  Unschicklichkeit  getadelt,  die  sich 
die  rohere  Zeit  erlaubt:  man  solle  sich  nicht  auf  den  Tisch 
legen,  nicht  mit  dem  Tischtuch  den  Mund  abwischen,  nicht 
in  den  Zähnen  stochern.  Solch  ein  Gebahren  wird  mit  dem 
Ausdruck  umuht  verurtheilt 3.  Mit  den  Vorschriften  für 
Frauen,  die  zum  Theil  wörtlich  aus  Thomasin  entlehnt4 
sind,  schliesst  die  Hofzucht. 

Weiters  wurde  das  Excerpt  aus  Thomasin  interpolirt 
in  spätere  Bearbeitungen  des  deutschen  Cato.  Der  Cato  ist 
die  älteste  jener  mittellateinischen  Spruchdichtungen,  die  einen 
grossen  Einfluss  auf  die  deutsche  Lehrdichtung  hatten,5  er 
ist,  wie  bekannt,  spätestens  im  vierten  Jahrhundert  abgefasst 

*  V.  519  ff. 

a  Vgl.  Geyer,  Altdeutsche  Tisohzuchten,  Progr.  Altenburg  1882, 
8.  33  f.  Auf  die  einzelnen  Fassungen  der  Hofzucht  gohe  ich  nicht 
genauer  ein,  weil  Geyer  eine  Abhandlung  darüber  verspricht  und  weil 
ich  die  für  vorliegende  Arbeit  wichtigeren  Theile  derselben  bei  der 
Gruppe  der  Tisch  züchten  bespreche. 

8  Keller,  Erzählungen  aus  altd.  hss.  (Bibl.  d.  lit.  Ver.  Nr.  35), 
Stuttgart  1855.  Die  Hofzucht  8.  631  ff.  Die  Tischzucl.t  8.  541Jff.  bes. 
8.  542  V.  19. 

*  Die  Parallelstellen  verzeichnet  Keller,  8.  543  f. 

*  Darüber  unten  8.  19  f. 


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8 


I.  CAPITEL. 


und  seit  der  Mitte  des  dreizehnten  frei  und  mit  Benutzung 
Freidanks  ins  Deutsche  übertragen  worden.  Er  enthält 
Regeln  für  das  Verhalten  vom  Morgen  bis  zum  Abend,  die 
mit  gelegentlichen  Tugendlehren  verwoben  sind.  Fünf  Cato- 
Handschriften 1  aus  dem  XV.  Jahrhundert  haben  nun  nach 
Thomasin  drei  längere  Dichtungen  eingeschoben  von  den 
manen,  von  den  frowen2  und  eine  Tischzucht3;  die  beiden 
ersteren  haben  ausser  den  Erweiterungen  der  Hofzucht  noch 
einige  Aussprüche  Freidanks  zu  Thomasin  hinzugefügt, 
während  der  dritte  Abschnitt  um  die  Lehren  der  Rossauer 
Tischzucht,  die  wir  gleich  näher  kennen  lernen  werden, 
'vermehrt  ist.   Nur  sein  Anfang  ist  selbständig: 

So  du  ze  tische  wellest  gdn 
die  erbern  soltu  sitzen  län 

vor  dir  und  dich  erst  setzen,  wenn's  dir  der  Wirth  sagt.  Die 
nassen  Hände  wisch'  nicht  am  Gewand  ab ;  falls  kein  Hand- 
tuch zur  Stelle  ist,  mag  die  Luft  sie  trocknen.  —  Im  Verlaufe 
der  weiteren  bunt  durcheinander  gemengten  Regeln  ist  ein 
Widerspruch  mit  Thomasin  auffallend:  V.  301  swer  trinkt  und 
in  den  becher  siht,  hingegen  der  Wälsche  Gast  V.  495  swer 
trinkend  ü%  dem  becher  siht,  ist  unanständig4. 

Diese  Cato-Interpolation  hat  von  neuem  Clara  Hätzlerin 
für  ihr  Liederbuch5  frei  bearbeitet;  ihre  zahlreichen  selb- 
ständigen Zusätze  sind  für  die  Entwicklung  dieser  Gruppe 
von  Dichtungen  ohne  Belang.  Interessant  nur  ihre  Special- 
bestimmungen  V.  170  ff.:  man  dürfe  nach  Mus  und  Äpfeln 
nicht  trinken,  doch  sicher  nach  Birnen  und  ähnliches  mehr. 

Ausser  diesen  Hofzuchten  gibt  es  eine  grössere  Gruppe 
meist  in  Reimpaaren  abgefasster  altdeutscher  Dichtungen, 
die  mehr  oder  weniger  zusammenhängen  und  nicht  inner- 


»  Zarncke,  Der  Deutsche  Cato.    Leipzig  1852.    S.  126  ff. 

2  Ebenda  8.  134  ff. 

3  8.  136  ff.    Die  Parallelstellen  zu  Thomasin  usw.  verzeichnet 
Zarncke  in  den  Anmerkungen. 

4  TannhäuserB  Hofzucht  V.  89  über  den  becher. 

5  Ed.  Haltaus  8.  276  ff.    Die  PanilleUfellon  verzeichnet  Geyer 
a.  a.  0  8.  34. 


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1.  DIE  ALTDEUTSCHEN  TlöCHZUCHTEN. 


0 


halb  eines  grösseren  Werkes,  sondern  selbständig  unter 
dem  Namen  Tischzucht  die  Regeln  über  das  Verhalten 
bei  Tische  zusammen  fassen.  Sie  bedürfen  nun  zu  ihrer 
Abrundung  eines  eigenen  Anfangs  und  Schlusses,  die  in 
allgemeinen  Bemerkungen  über  Zucht  und  Unzucht  und 
Gebeten  vor  und  nach  dem  Mahle,  in  Benedicite  und  Gratias 
oft  von  grösserem  Umfange  bestehen.  Die  einzelnen  Vor- 
schriften werden  sehr  vermehrt  und  specialisirt  und  immer 
gröbere  Misstände  getadelt,  wie  sie  oben  mit  dem  raschen 
Sinken  der  Sitte  den  Moralisten  entgegentraten.  Je  nach 
der  milderen  oder  strengeren  Auffassung  des  Autors  werden 
dieselben  als  Ungezogenheiten,  Thorheiten  oder  Verbrechen 
bezeichnet.  Im  Laufe  der  Zeit  schliessen  sich  die  Be- 
stimmungen für  den  bedienenden  Knaben  und  das  Gesinde 
an  und  es  werden  zunächst  jene  Untugenden  besprochen, 
die  bei  Tische  besonders  auffallen,  wie  das  übermässige  Zu- 
trinken (bald  mit  Motiven  wie  in  der  Trinklitteratur  des 
XVI.  Jahrhunderts),  die  Geschwätzigkeit,  Prahlsucht, Verleum- 
dung, Gotteslästerung,  aber  auch  andere  Laster,  wie  der 
Kleiderluxus,  die  Üppigkeit,  Unkeuschheit,  die  sieben  Haupt- 
sünden insgesammt,  Verstösse  gegen  die  zehn  Gebote. 
Thomasin  und  Freidank  steuern  viel  bei  zu  diesen  Aus- 
sprüchen der  Sittenstrenge.  Allmählich  wird  dann  auch  die 
Beschäftigung  vor  und  nach  dem  Mahle  behandelt.  Da  die 
Hauptmahlzeit  am  Morgen  eingenommen  wurde,  tritt  das 
Aufstehen,  die  Morgentoilette  und  der  Kirchgang  leicht  in 
den  Rahmen  der  Lehre  ein,  ebenso  nach  der  abendlichen 
Kneipe  der  Heimweg,  und  zu  Hause  die  Behandlung  des 
Weibes  und  des  Gesindes.  Wie  sich  die  Tischzuchten  von 
allgemeineren  Lehrdichtungen  losgelöst  haben,  so  schwellen 
sie  wieder  langsam  an  zu  Verhaltungsmassregeln  für  das 
ganze  Tagewerk,  zu  vollständigen  Sittenspiegeln. 

Obschon  diese  altdeutschen  Tischzuchten  erst  in  Hand- 
schriften des  XIV.  und  XV.  Jahrhunderts  erhalten  sind,  ist 
der  Sprung  von  Thomasin  zu  ihnen  kein  sehr  weiter.  Sie 
stammen  alle  von  einer  verloren  gegangenen  strophischen 
Dichtung  ab,  deren  älteste  Bearbeitung  in  der  dem  Tannhäuser 
zugeschriebenen  Hofzucht  C  vorliegt,  die  in  der  Mitte  des 


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10 


I.  CAPITEL. 


XIII.  Jahrhunderts  entstanden  sein  dürfte1.  Nach  den  all- 
gemeinen Bemerkungen,  mit  welchen  die  Tischzuchten  ge- 
wöhnlich beginnen,  ermahnt  C2  bei  Tische  der  Armen  zu 
gedenken  um  Gottes  willen  und  gibt  dann  die  üblichen 
Vorschriften  für  ein  anständiges  Verhalten.  Ausserdem 
aber  verbietet  C  noch  gröbere  Unschicklichkeiten.  Man 
dürfe  nicht  aus  dem  Löffel  oder  gar  aus  der  Schüssel 
schlürfen,  mit  dem  Munde  schmatzen,  sich  in  das  Tischtuch 
oder  gar  in  die  Hand  schneutzen,  mit  den  blossen  Fingern 
das  Salz  anfassen,  abgenagte  Beine  oder  abgebissene 
Brocken  in  die  Schüssel  zurücklegen;  ebenso  sei  es  nicht 
erlaubt,  sich  während  des  Essens  den  Gürtel  weiter  zu 
schnallen  oder  aus  Nase,  Auge  und  Ohr  den  vnfldt  zu  neh- 
men. Diese  und  andere  Verordnungen  werden  natürlich 
wieder  unterbrochen  von  den  üblichen  Urtheilen:  da%  übele 
stet  V.  80;  sälh  vnzuht  iegent  die  hübsclien  nider  V.  48;  ja 
sogar  als  grö$  missetät  werden  solche  Verstösse  bezeichnet 
V.  52,  81  u.  a.  Mit  Rücksicht  auf  die  Nachbarn  V.  115: 
Die  zuokapher  merkent  da%,  Swer  sülhe  mizuht  niht  verbirt; 
mit  Rücksicht  auf  die  Gesundheit  des  Leibes  und  der  Seele 
V.  168  ff.:  vom  Überessen  und  vielen  Trinken  kommen 
Krankheiten  und  Sünden.  Das  komische  Element  beginnt 
hier  bescheiden  mit  Vergleichen:  man  soll  nicht  das  Brot 
beim  Schneiden  an  die  Brust  setzen  wie  schwache  Frauen 
V.  75,  oder  die  Finger  auf  das  Messer  wie  ein  Kürschner 
V.  101;  essen  wie  ein  Schwein  V.  42;  schnaufen  wie  ein 
Wasserdachs  V.  62 ;  und  mit  Übertreibungen :  mancher  ist  so 
gierig,  dass  er  sich  in  die  Finger  und  die  Zunge  beisst 
V.  145—149.  Der  Hinweis  auf  Gott  und  allgemeine  Be- 
merkungen beschliessen  auch  wieder  diese  Tischzucht.  Dir 
am  nächsten  stehen  nun  die  allerdings  viel  kürzeren,  unter 
einander  eng  verwandten  Fassungen  Ä  und  B,  die  Rossauer 

1  Die  meisten  Bearbeitungen  sind  abgedruckt  bei  Geyer  a.  a.  0. ; 
daselbst  ist  auch  das  Verhältnis  der  Handschriften  sorgfältig  darge- 
stellt. Den  überzeugenden  Beweis,  dass  C  älter  als  A  ist,  hat  Martin 
gegon  Geyer  geführt  im  Anzeiger  f.  deutsches  Alterthum  (Zs.  26)  8, 
309  f. 

»  Bei  Geyer  B.  9  ff. 


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1.  DIE  ALTDEUTSCHEN  T18CHZUCHTEN. 


11 


und  Karlsruher  Tischzucht  K  Neu  ist  bei  diesen  vor  allem 
die  besondere  Bestimmung  für  das  Eieressen  V.  93— 102, 
die  in  allen  späteren  Tafelregeln  wiederkehrt:  spitzt  das 
Brot  hiefür  mit  den  Fingern,  taucht  damit  in  das  Ei,  legt 
die  Schalen  nicht  in  die  Schüssel  zurück.  In  der  nieder- 
deutschen Fassung  D2  finden  wir  dann  die  weiteren  Be- 
stimmungen, man  dürfe  sich  nicht  in  den  Busen  greifen; 
nicht  sprechen,  wenn  schon  ein  anderer  spricht.  Wer 
sich  gegen  den  Anstand  vergeht,  der  ist  nach  D  ein  Thor 
V.  42,  106,  oder  ein  Affe  V.  92,  und  thut  den  Leuten  weh, 
die  es  sehen  müssen  V.  96.  Und  hier  schon  die  Weiter- 
führung  der  Regeln  für  die  Zeit  nach  dem  Mahle  V.  123  ff. 
Man  gehe  auf  der  Strasse  nur  mit  ehrlichen  Leuten  und 
auf  dem  besten  Wege,  man  schlafe  nur  bei  guten  Menschen, 
thue  das,  was  dem  Nächsten  lieb  ist,  und  erziehe  seine 
Kinder  streng.  —  Die  zahlreichen  Fassungen  (Handschriften 
und  Drucke)  der  Gruppe  V*  vermehren  noch  die  bisher  er- 
örterten Gebote  und  führen  einen  oder  den  anderen  humo- 
ristischen Zug  ein  (so  durch  Hinweis  auf  einen  Schwank: 
man  mache  sich  nicht  um  den  Mund  fett,  gleich  einem 
Hunde,  der  Wischdenbart  heisst,  V.  98 — 100)  und  erweitern 
die  in  den  älteren  Tischzuchten  angedeuteten  Motive  und 
Bilder  durch  eine  derbere  Ausdrucksweise,  durch  Anfänge 
drastischer  Schilderungen.  Ich  gebe  nur  wenige,  bezeich- 
nende Beispiele  dieser  stufenweisen  Ertwicklung.  C  V.  43: 
so  er  i%et)  als  ein  swin;  AB  33  f.:  rehte  als  ein  stein,  der 
schol  bt  anderm  vilie  sin  und  mehrere  Drucke  der  Gruppe  V 
(Variantenverzeichnis  V.  105  f.):  als  ain  eberschwein,  der 
sol  pei  anderen  sauen  sein;  oder  C  46  f.:  wer  die  Bissen  in 
die  Schüssel  zurücklegt  näch  gebürischen  siten;  AB  36:  näch 
gar  gebiurischen  siten4;   V  V.  112:  näch  der  groben  pauren 

1  Geyer  8.  8. 

*  a.  a.  ß.  12  ff.  Die  niederdeutsohe  Litteratur,  in  welche  auch 
der  Cato,  der  Renner  und  Freidank  aufgenommen  wurden  (Zarncke, 
Der  deutsche  Cato  8.  155),  betheiligt  sich  noch  mit  anderen  Tischzuchten 
und  Anstandsregeln  an  dieser  Gattung. 

3  8.  14  ff. 

♦  Diese  Beispiele  treten  wohl  bekräftigend  zu  Martins  Erweis 
hinzu,  wonach  C  älter  als  Ä  ist. 


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12 


I.  CAWTEL. 


siten  mit  dem  Zusatz :  sie  beschmieren  ihre  Finger  und  ver- 
dienen der  Welt  Fluch,  denn  sie  sind  gröber  als  Kitteltuch. 
—  Auch  zu  der  Lehre  in  C  93  und  AB  65,  die  Lippen  vor 
dem  Trinken  zu  reinigen  fügt  V.  126  die  Begründung  hinzu, 
das  der  wein  nicht  yewinn  vaiste  zinken,  und  einzelne  Fas- 
sungen von  V  überdiess :  die  schweben  dann  in  dem  trinckge- 
schir  oben,  fürwar  es  mag  das  niemandt  geloben.  Auch  ge- 
wagtere Situationen  vermeidet  V  nicht  mehr,  V.  138—142 
umschreibt  aber  noch  den  stärksten  Ausdruck:  man  verstet 
wol,  was  ich  mein.  —  Der  interessanteste  Druck  dieser 
Gruppe  ist  gl;  in  Worms  im  Jahre  1538  bei  Sebastian 
Wagner,  dem  Vorgänger  von  Scheidts  Verleger  Hoffmann 
edirt,  dürfte  er  dem  Verfasser  des  kleinen  Grobianus2  so- 
wie Scheidt  kaum  entgangen  sein,  g  hat  grössere  Erwei- 
terungen; nach  V.  150 3  warnt  es  die  Tafelnden  vor  dem 
Ehrabschneiden,  das  man  so  häufig  bei  Tische  pflegt,  vor 
Gotteslästerung,  Schwören  und  Fluchen,  vor  unkeuschem  Ge- 
schwätz, vor  viehischer  Völlerei  und  dem  argen  Zutrinken, 
das  die  Leute  zu  Narren  macht,  sodass  sie  auf  ebener  Erde 
straucheln  und  alles  wieder  von  sich  geben  wie  die  Hunde. 
Zur  Strafe  für  diese  Lnzucht  hat  uns  Gott  in  dieser  Zeit 
die  vielen  Plagen  gesendet.  Wir  hören  den  Moralprediger 
des  XVI.  Jahrhunderts  aus  diesen  Versen  heraus.  Auch  ein 
längeres  Gratias  fügt  g  nach  dem  Mahle  hinzu4  und  ge- 
meinsam mit  den  übrigen  Drucken  das  Gedicht  Wie  jung 
knaben  vor  dein  tisch  sollen  stan  ,  ein  häufiger  Anhang  der 
Tischzuchten :  die  bedienenden  Knaben  sollen  nicht  unnütz 
hin  und  hertreten  und  mit  den  Händen  herumarbeiten.  Sie 
sollen  immer  aufpassen,  ob  nichts  mangle,  jedem  Befehl  so- 
gleich und  ohne  Widerrede  Folge  leisten,  Mädchen  sollen 
schweigsam  und  schamhaft  sein.  Einige  Drucke  geben  noch 
die  Verse  vom  Hausgesinde5  bei,  welchem  die  Reinigung 
der  Tische,  Bänke,  Gläser  und  Messer,  aufmerksame  und 

1  Geyer  S.  8. 

2  8ieho  unten  8.  47. 

3  Geyer  8.  18  Varianton. 

♦  Nach  V.  234  8.  20  Varianten. 

*  Im  Text  V.    V.  234  ff. 


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1.    DIE  ALTDEUTSCHEN  TISCHZUCHTEN. 


13 


rasche  Bedienung,  Ehrfurcht  vor  den  Priestern,  Eltern  und 
Hausherren  in  sprichwörtlichen  Wendungen  eingeschärft 
wird. 

Ausser  diesen  auf  ein  Original  zurückführenden  Tisch- 
zuchten finden  sich  besonders  in  späteren  Handschriften  und 
Drucken  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  zahlreiche  andere 
Vorschriften  für  den  Anstand  beim  Mahle,  welche  zwar  von 
den  bisherigen  formell  unabhängig  sind,  aber  dieselben  oder 
ähnliche  Regeln  enthalten.  Bei  einer  flüchtigen  Besprechung 
sollen  nur  charakteristische  Momente  der  einzelnen  Gedichte 
erwähnt  werden,  die  zugleich  zur  Entwicklung  der  ganzen 
Gattung  beitragen. 

Die  Siegburger  Tischzucht1  stellt  nach  den  alten  und 
einigen  neuen  Verboten  (nicht  beim  Händewaschen  ins 
Becken  zu  spucken,  nicht  in  die  heisse  Brühe  aus  vollen 
Backen  zu  blasen)  die  Vorzüge  zusammen,  die  aus  dem 
guten  Anstand  sich  ergeben.  Männer  und  Frauen  hassen 
den  Unschicklichen  V.  114,  halten  ihn  für  einen  Thoren, 
den  Geschickten  aber  für  einen  Weisen  V.  126  und  12. 
Von  drastischer  Anschaulichkeit  sind  hier  V.  87  f.  dat  yeboirss 
vnpen  dat  ich  lass,  dat  synt  dry  vynger  in  dem  saltzfas. 

Auch  aus  dem  Anfang  des  XVI.  Jahrhunderts  stammt  die 
'Rinderzucht* 2.  Sie  schärft  in  der  üblichen  Weise  ein,  wie 
man  essen  und  bei  Tische  bedienen  soll ,  beginnt  aber  bereits 
mit  der  Morgentoilette,  gebietet  das  Kämmen,  das  Ausspülen 
des  Mundes,  die  sorgfältige  Reinigung  der  Kleider,  fügt 
allgemeine  Lebensregeln  hinzu  und  tadelt  zum  Schluss  den 
Zutrinker  als  unchristlich  und  wirft  ihm  vor,  er  sei  schlechter 
als  eine  Kuh,  die  ja  nur  zur  Befriedigung  ihrer  Nothdurft 
saufe. 

Auf  der  gleichen  Stufe  der  Entwicklung  stehen  die 
ersten  drei  Tischzuchten  von  Hans  Sachs3,  die  sich  unter- 
einander inhaltlich  decken.  Auch  er  tadelt  neben  den  be- 
kannten Unschicklichkeiten  das  Zutrinken,  böse  Nachrede, 

1  Ed.  tod  Rud.  Sohmidt  nach  einer  Darmstädter  Hs.,  Anfang  des 
XVI.  Jahrb.   Zeitschrift  f.  deutsches  Alterthara  28,  64  fT. 

2  Geyer  8.  27  ff. 

»  Oeyer  8.  29  ff.,  o,  h  u.  c  aus  d.  J.  1534,  1542  u.  1543. 


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14 


I.  CAPITEL 


unanständige  Worte  und  Streit  bei  Tische.  Ein  beliebtes 
komisches  Motiv  des  gegen  Frauen  so  ungalanten  XVI.  Jahr- 
hunderts klingt  hier  an  V  60  f. :  Dergleichen  maid,  jungk- 
fraw  vnd  frauen  Solln  nach  keym  ftoch  hinundter-fischen. 

Viel  Neues  bietet  die  niederdeutsche  Tischzucht  aus 
Wolfenbüttel Sie  beginnt  von  einem  heiligen  Orden  zu 
erzählen,  dem  jene  Leute  angehören,  welche  die  Regeln  der 
Tischzucht  kennen.  Dem  Laien  aber  sollen  sie  hier  ge- 
lehrt werden.  Mit  originellen  Vergleichen:  man  stecke 
nicht  vor  den  Leuten  den  Finger  in  den  Mund  als  wollte 
man  pipen  den  gasen,  man  lasse  nicht  ein  Knie  über  dem 
andern  hängen  olse  me  Pilatus  plecht  to  malen.  Die  Ver- 
gleiche aus  dem  Thierreiche  sind  hier  zu  einer  Reihe  zusam- 
mengesetzt, welche  die  verschiedenen  Unarten  beim  Trinken 
geisselt  S.  425  Z.  30  ff.  Du  sollst  nicht  über  den  Becher 
starren  wie  eine  Kuh,  nicht  laut  trinken  wie  ein  Ochs,  wie 
ein  Pferd,  wie  ein  Schaf  usw. 

Ein  Widerspruch  gegen  frühere  Regeln  ist  hier  die 
Erlaubnis,  das  Brod  beim  Schneiden  vor  die  Brust  zu  setzen, 
weil  es  in  freier  Hand  zu  gefahrlich  sei.  —  Diese  im  Gegen- 
satze zu  den  bisherigen  prosaisch  abgefasste  Tischzucht 
ermahnt  zum  Schlüsse:  fragt  dich  ein  Unsinniger,  ein 
Bezechter  oder  gar  ein  Jude  nach  heiligen  Dingen  und  un- 
begreiflichen Lehren  des  Christenglaubens,  so  vermeide  die 
Antwort.  Zwei  Schwanke  exemplificiren  diese  Ermahnung. 


2.  ENGLISCHE,  FRANZÖSISCHE  UND  MITTELLATEINISCHE 

TI8CHZUCHTEN. 

Die  Tischzucht  ist  keine  eigenthümlich  deutsche  Gat- 
tung der  Lehrdichtung,  sondern  wie  Thomasin  durch  eine 
fremde  Quelle  zu  der  ersten  deutschen  Tischzucht  angeregt 
wurde,  so  nahmen  an  der  Ausgestaltung  dieser  Gattung 

1  Ed.  Lübben,  Germania  21,  424  ff. 


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2.  AUSSERDEUTSCHE  TISCHZUCHTEN. 


15 


neben  Deutschland  alle  Culturländer  des  Mittelalters  theil 
und  besonders  die  internationale  mittellateinische  Litteratur. 
Durch  die  gemeinsamen  Ideale  des  Ritterthums  und  der 
katholischen  Hierarchie  war  die  mittelalterliche  Cultur 
Europas  auf  Jahrhunderte  hinaus  kosmopolitisch  geworden 
und  so  wie  die  Ritter  in  Südfrankreich  oder  Thüringen  die 
Damen  ihres  Herzens  mit  ähnlichen  Liebesliedem  feierten, 
in  Baiern  oder  in  England  mit  ähnlichen  Märchen  und  Sagen 
die  Ohren  der  Hörer  erfreuten,  so  galten  auch  bei  allen 
die  gleichen  Vorschriften  für  Turniere  und  hohe  Festlich- 
keiten, für  den  feinen  Verkehr  mit  Frauen  und  Jungfrauen, 
für  den  Anstand  bei  Tische.  So  zeigen  die  unter  gleichen 
Bedingungen  erwachsenen  Anstandsregeln  untereinander  eine 
grosse  Verwandtschaft  und  zahlreiche  parallele  Erscheinungen 
zu  den  deutschen  Lehrdichtungen.  Ein  Blick  auf  die  eng- 
lische und  französische  Didaktik  erweist  diese  Behauptung. 

Ob  aber  eine  der  zahlreichen  lateinischen  Tischzuchten 
eine  gemeinsame  Quelle  der  deutschen  und  ausserdeutschen 
Tischzuchten  ist,  ob  in  der  Abhängigkeitsreihe  Zwischen- 
glieder vorhanden  oder  verloren  sind,  ob  eine  unmittelbare 
gegenseitige  Beeinflussung  zwischen  den  verschieden- 
sprachigen Vorschriften  stattgefunden  hat,  muss  vorläufig 
unentschieden  bleiben ]. 

Auch  in  England  gibt  es  grössere  didaktische  Werke 
und  besonders  im  XV.  Jahrhundert  gnomische  Lehrdichtungen, 
Anstandsregeln  und  Sittenbücher.  Lehren,  die  der  Vater 
seinem  Sohne,  die  Mutter  ihrer  Tochter  gibt,  ohne  wörtliche 
Anlehnung  an  die  Winsbeken,  aber  mit  ähnlichem  Inhalt, 
Hofzuchten  und  Tischzuchten  in  Versen  und  in  Prosa. 
Furnivall 2  hat  von  diesen  eine  grössere  Zahl  nach  Drucken 
und  Handschriften  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  gesammelt. 


1  Ich  gehe  am  so  weniger  auf  dieses  schwierige  Kapitel  der  in- 
ternationalen Beziehungen  ein,  weil  Geyer  a.  a.  0.  S.  34  verspricht,  in 
einem  Programm  das  Verhältnis  der  deutschen  Anstandsiehren  zu  der 
verwandten  germanischen,  lateinischen  und  romanischen  Littoratur  zu 
behandeln. 

*  Early  english  text  society  Nr.  32.  The  Babees  Book  etc.  ed. 
Furnivall,  London  1868. 


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16 


I.  CAPITEL. 


Gleich  das  erste  Gedicht  The  babees  book 1  ist  eine  erwei- 
terte Tischzucht.  Die  bekannten  Ermahnungen  kehren  hier 
insgesammt  wieder.  Junge  Leute  müssen  sich  bei  Tische 
ruhig  verhalten,  den  Würdigeren  Platz  machen  und  ihnen 
reines  Wasser  und  das  Handtuch  reichen;  sie  dürfen  nicht 
in  den  Zähnen  stochern,  nicht  mit  unreinen  Lippen  trinken, 
nicht  die  besten  Bissen  aussuchen,  gierig  essen,  lachen  und 
schwatzen  usw.  Auch  hier  die  Urtheile  dazwischen:  for 
that  is  curtesy,  V.  161;  for  yt  ys  nouhte  yuys  convetiyent, 
V.  172;  for  so  ytvys  yee  shalle  a  name  deserve,  Off'  gentyl- 
nesse  and  of  good  govemaunce  V.  187  f.;  auch  hier  wird 
nach  dem  Mahle  ein  Gratias  gebetet  und  mit  dem  Hinweis 
auf  Gott  die  Tischzucht  geschlossen.  Strengere  Vorschriften 
zeigt  Urbanitatis  S.  13  ff.  für  den  Anstand  vor  höheren 
Personen,  während  das  dritte  Gedicht  eine  religiöse  Kinder- 
zucht ist:  The  lytylle  childrenes  lytil  boke  etc.  1480.  Hier 
erklärt  der  Autor  in  der  Einleitung  nachdrücklich  that  curtesy 
from  hevyn  come 2  und  verlangt  wie  C,  dass  man  zu  Beginn 
des  Mahles  an  Gott  und  die  Armen  sich  erinnere.  Die 
weiteren  Regeln  bieten  nichts  Neues,  abgesehen  von  einigen 
drastischen  Vergleichen,  wie  V.  47  Bulk  not  as  a  Bern  were 
yn  thi  throte.  Den  bedienenden  Knaben  sind  hier  ganze 
Lehrgedichte  gewidmet,  S.  27  fF.  Stans  puer  ad  tnensam. 
Mit  der  bekannten  Weiterführung  nach  beendigtem  Mahle 
V.  18,  walke  detnurely  be  streetis  in  the  town*.  Von  grossem 
Umfang  sind  jene  englischen  Anstandsbücher,  welche  ausser 
der  Tischzucht  genaue  Verordnungen  für  den  Dienst  bei 
Hofe,  Fürsten  und  Grafen,  Kochrecepte  und  Speisezettel, 
diätetische  Vorschriften,  Lehren  für  den  Kellermeister,  Senne- 
schall und  Badediener  enthalten 4.  Ein  Verstoss  gegen  den 
Anstand  gilt  hier  begreiflicher  Weise  als  moralisches  Ver- 

1  Ebenda  S.  1  ff.  aus  d.  J.  1475. 

2  Vgl.  Tisohzuoht  C  V.  239  f.  Kein  vngezogev  man  der  kan  Ze 
himelriche  nimmer  komen  u.  a. 

»  Vgl.  Tiachzuoht  D  V.  123  f.   Ga  gi  mit  erliken  Iwhn  vp  der 
Straten  usw. 

*  Furnivall  8.  115  ff.,  297  ff.  u.  a. 


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2.  ArssfcKDEUTSCHK  TISCHZUCHTEN. 


gehen  that  is  a  vyee  Und  wie  die  deutsche  Lehrdichtung 
so  enthält  auch  die  englische  Verhaltungsmassregeln  für 
das  ganze  Tagewerk,  die  sich  vorn  und  hinten  an  die 
Tischzucht  angeschlossen  haben.  The  boke  of  Nurture-  etc. 
und  The  srhoole  of  Vertue*  etc.  behandeln  das  Aufstehen 
und  die  Morgentoilette,  den  Gang  in  die  Kirche  und  in  die 
Schule,  das  Verhalten  gegen  Eltern  und  Lehrer  sowie  bei 
Tische,  sie  enthalten  Gebete,  Ermahnungen  zur  Reinlichkeit, 
Wahrheitsliebe ,  Bescheidenheit ,  dazu  andere  Sittenlehren, 
nieist  in  sprichwörtlichen  Wendungen.  Und  wie  die  deutschen 
Epiker,  so  berücksichtigen  auch  die  englischen  in  ihren 
Darstellungen  die  Tafelsitten.  So  schildert  Chaucer4  seine 
Priorin  als  strenge  Beobachterin  der  höfischen  Sitte  beim 
Mahle:  nie  entfiel  ein  Bissen  ihrem  Mund,  nie  tauchte  sie 
die  Finger  in  die  Brühe,  und  sie  wusch  die  Lippen  vor  dem 
Trinken  so  rein,  dass  nicht  ein  Schimmer  von  Fett  an  dem 
Becher  haften  blieb.  Man  merke,  dass  also  hier  am  Ende 
des  XIV.  Jahrhunderts  dieser  feine  Anstand  als  auffallend 
verzeichnet  wird. 

Alle  diese  Erscheinungen  zeigen  sich  ebenfalls  in  der 
französischen  Lit-teratur.  Tischzuchten  nach  Handschriften 
des  XV.  Jahrhunderts  sind  z.  B.  La  mattiere  de  se  Content r 
a  table  und  mehrere  andere,  inhaltlich  vollkommen  mit  dieser 
übereinstimmend,  bei  Furnivall!i  und  die  Contenaticc  de  table''. 
Alle  beginnen  mit  dem  Gebet  vor  Tisch,  dem  Waschen  der 
Hände  und  fahren  in  der  bekannten  W  eise  fort,  unterbrochen 
von  den  Urtheilen,  die  wie  im  Deutschen  verschiedene 
Arten  und  Grade  der  Auflassung  bekunden.  Thu  es  nicht, 
si  tn  e.<  sai'je    —    um  c'est  untj  let  [*oinf  —  honnestt'  ne  si 


1  8.  30:2,  vgl.  Twolizucht  C  V.  52  u.  81,  miasetät. 

2  Ebenda  8.  61  ff. 
1  8.  338  ff. 

*  Canterbury  tales,  cd.  Morris,  London  188U.  V.  118-141,  be- 
sonders V.  127:  Ät  nute  ivel  i-tuuyht  was  sehe  trithulle.  V.  132:  In 
citrtesie  teas  sett  al  Iure  teste. 

»  n.  a.  O.  II.  Theil  S.  3  ff. 

fc  AltdeutHch»  IHiitter  Ton  ll  .upi  ...  llullii.H.m  l,  2G(J  ff. 
QF.  i.XM.  •> 


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18 


t.  CA  HTM. 


accorde  1  —  car  ccst  rhose  desrotivenoble  oder  gar  r'est  rhose 
traf)  cillaine-. 

Ein  französisches  Beispiel  allgemeiner  Anstandsregeln 
ist  Robert  de  Blois'  Chastiement  des  Daines*5  aus  dem  XIII. 
Jahrhundert.  Nicht  nur  das  Essen  und  Trinken,  auch  das 
Benehmen  auf  der  Strasse,  bei  Besuchen,  dem  Bewerber 
gegenüber  wird  hier  den  Frauen  gelehrt.  Das  Beispiel 
einer  Tischzucht  innerhalb  einer  grösseren  erzählenden 
Dichtung  bietet  der  Kornau  de  la  Hose  V.  14  825  ff,  14  34«  ttY1 

Die  lateinischen  Tischzuchten  bei  Furnivall  (11.  S.  2b*  ff.) 
wiedelholen  unter  den  sprechenden  Titeln  Ut  te  geras  ad 
Mensam;  Staus  Buer  ad  Mensam  und  Modus  Cenandi  nur 
bereits  Bekanntes.  Die  Zwischenbemerkung  der  Autoren, 
die  dann  noch  bis  auf  Dedekind  im  Gebrauch  bleibt,  ist  liier: 
si  vis  urfumus  haberi  . 


X  DK  11  ÜBERGANG  ZUR  PARI) IHK. 

Ausser  den  oben  erwähnten  kurzen  Vorschriften  gibt 
es  eine  hYihe  grösserer  niittellateinischer  Aiistandslehren, 
die  nicht  mir  als  beachtenswerte  parallele  Erscheinungen, 
sondern  neben  den  altdeutschen  Tischzuchten  als  wichtige 
nachwirkende  Erscheinungen    für   die    Entwicklung  der 

«  Bei  Furnivall  V.  4!>,  '2>,  '21.  Zu  4<1  vgl.  Siegbur-.-r  T.  V.  p> 
so  spryrht  man  du  syst  uyss.    Kbeuso  Fucetus  V.  178. 

*  Altd.  Hl.  S.  '210. 

s  Abgedruckt  in  Fnbliaux  et  eoutes  publica  pur  linrbiunn  et 
Mfion,  Paris  18(J8.    S.  196—201. 

*  Auch  ein  ähnliches  Verhältnis  wio  zwischen  den  Vierzeilern 
und  Reimpaaren  der  deutschen  Tisc  hzuehten  C  und  A  (Vgl.  Geyer  a. 
n.  O.  S.  2)  finden  wir  in  der  französischen  Litterat ur. 

Quatrnin  Nr.  I  (Altd.  Bl.  S.  Tr2):  Furnivall  II  ;] 

Enfunt  qiti  reult  estre  cowtoyx        t$c  tu  venlx  enive  hien  courtoys 
Et  ä  toutes  gens  ayreubles  Keyarde  res  reiyles  tu  franfoys. 

Et  prhtcip  dement  ä  table 
Garde  ees  reyles  en  frangoys. 

5  Die  lateinische  Tisohzucht  des  Erasmus  erwähne  ich  später  S.  34. 


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3.  1>KR  C'BKRÖANO»  ZtU  PAttOMK 


- 

19 


deutschen  Lehrdichtung  überhaupt  und  für  den  Übergang 
der  Sittenvorschriften  zur  Parodie  insbesondere  ins  Auge 
zu  fassen  sind.    Es  sind  dies  vorerst  zwei  Schriften,  die 
sich  selbst  im  Titel  als  Fortsetzungen  der  Disticha  Ca- 
tonis  bezeichnen ,  der  Moretus     der  die  Jugend  ermahnt 
wahrheitsliebend ,  verschwiegen ,  bescheiden  usw.  zu  sein, 
der    Facetus,   in  welchem   allgemeine  Lebensregeln  und 
Lehren  der  Tischzucht  einander  ungeordnet  ablösen,  und 
endlich  des  Keinerus  Phagifacetus  oder  die  Thesmophagia. 
Diese  lateinischen  Sittenbüchlein  gehen  den  früher  darge- 
stellten deutschen  Anstandsregeln  zeitlich  und  dem  Grade 
der    Entwicklung   nach    weit   voraus    (der  Phagifacetus 
stammt  aus  dem  XII.  Jahrhundert),  aber  sie  haben  keinerlei 
Einfluss  auf  diesen  Zweig  der  deutschen  Lehrdichtung,  be- 
vor sie  am  Ausgange  des  XV.  Jahrhunderts  von  einem 
Manne  in  die  deutsche  Litteratur  eingeführt  wurden ,  der 
als  Sittenrichter  an  der  Schwelle  der  kirchlichen  Refor- 
mation steht  und  kurz  vor  Beginn  des  neuen  Zeitalters 
das  alte  in  strafenden  Bildern,  in  geisselnden  Schilderungen 
fest  hält,  von  Sebastian  Brant.    Brant  hat  den  Cato  neu 
übersetzt  und  dadurch  alle  älteren  Fassungen  verdrängt, 
er  hat  sich  durch  die  Bearbeitung  der  ('ato-Fortsetzungen - 
und  der  Thesmophagia  auf  sein  Hauptwerk,  das  Narren- 
schiff, vorbereitet,  das  —  von  beispielloser  Einwirkung  auf 
alle  nachfolgenden  Satiriker  und  Didaktiker  —  auch  für 
die  besonderen  Gattungen  der  Grobianus-  und  Trinklitte- 
ratur  den  unmittelbaren  Ausgangspunct  bildet. 

Zwei  Jahre  vor  dem  Narrenschiffe  (1490)  übertrug 
Brant  die  Thesmophagia    ins  Deutsche".    Er  hielt  sich 

1  Er  beginnt  ähnlich  wie  die  obenerwähnte  französische  Tischzucht : 
Facetos  fili  cupievs  perdiscere  mores,  Itigenuosque  cito  perlege  parvum 
opus  hoc. 

2  Diese  Übersetzungen  sind  abgedruckt  bei  Zarncke:  Brants 
Narrenschiff,  Leipzig  1854,  und  zwar  der  Cato  S.  131  ff.  ubersetzt  i.  J. 
1498.  Faoetue  8.  137  ff.  J.  14W5.  Moretus  8.  142  ff.  J.  1499.  Im  Fa- 
cetus ist  für  Brant  charakteristisch  die  Ausdrucksweise:  man  blase  nicht 
mit  nerscher  wise  ins  Glas. 

3  Die  lateinische  und  deutsche  Fassung  edirt  von  H.  Lemcke, 
Stettin  ISSO  (Z  ir  Beprinsung  der  deutschen  Philologen  und  Pädagogeu- 

2* 


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20 


1.  CAPlTfcL. 


hiebei  streng  an  den  Inhalt  des  Originals  und  wollte  nur  die 
mythologischen  Tropen  vermeiden;  für  Vutcanus  sagt  er 
die  hitz,  für  Najade  limpidior  :  vi!  tut  er  dann  das  weisser, 
für  Scylla :  wirbel.  Er  hat  sprichwörtliche  Wendungen  und 
Sätze  mit  ausdrücklichen  Hinweisen  auf  die  Zucht,  z.  B. 
V.  574  Gemein  hof sucht  ob  allen  disch  int  .  .  usw.  hinzu- 
gefügt. Die  Thesmophagia  ist  die  umfangreichste  Tischzucht. 
Die  üblichen  Kegeln  sind  hier  nur  Ü  berschrifteu  kurzer 
(Japitei,  die  in  einem  Dutzend  oder  mehr  Versen  den  In- 
halt der  Vorschrift  genau  bezeichnen.  So  De  manilus  laium- 
dis ;  De  discumbendi  ardine.  Durch  diese  breite,  mit  Be- 
hagen durchgeführte  Darstellung  der  Unschicklichkeiten, 
die  getadelt  werden,  der  Situationen,  die  abschreckend 
wirken  sollen,  tritt  die  Thesmophagia  aus  dem  Kähmen 
einer  einfachen,  theoretisch  lehrenden  Tischzucht  heraus  und 
bildet  den  Übergang  zur  Satire,  ja  zur  Parodie. 

Man  darf  nur  etwa  zu  der  Schilderung  des  Fressers, 
(V.  584  ff.)  der  gierig  nach  Geflügel,  Wildpret  und  Fisch 
herumtappt,  mit  den  besten  Stücken  gierig  seinen  Wanst 
füllt  und  die  mageren  Bissen  dem  Nachbar  vorlegt,  statt 
der  Warnung  dies  nicht  zu  thun  die  Aufforderung  hinzu- 
fügen dies  zu  thun,  und  die  Parodie  in  der  Art  von  Dede- 
kind-Scheidt  ist  vollzogen.  Übrigens  rühmt  auch  die  Thes- 
mophagia im  Gegensatze  zu  anderen  Tischzuchten  den  Wein 
in  begeisterten  Apostrophen.  Und  einige  .Jahre  spater  hat 
Braut  selbst  in  der  zweiten  Auflage  seines  Narrenschiffes 
1495  in  einein  neuen  Capitel  110  a  den  gleichen  Inhalt  be- 
handelt, doch  auch  der  Form  nach  bereits  als  völlige  Satire. 
Schon  der  Titel  ist  bezeichnend:  Von  discltes  unzmhl,  denn 
hier  wird  nicht  mehr  Zucht  gelehrt,  sondern  Unzucht 
absehreckend  geschildert.    Brant  nimmt  also  auch  die 

Versammlung).  Nur  die  latuiniMche:  Httbich,  Gymn.-Prograram,  Gotha 
1860.  Nur  die  deutsche:  Zurncke  a.  a.  O.  ^.  147.  Kino  Besprechung 
der  Beziehungen  zwischen  der  Thesmophagia  und  anderen  lateinischen 
Lohrdichtungen  würde  den  Rahmen  dieses  einleitenden  Capitels  über- 
schreiten. Hoffentlich  wird  unn  Geyer  auch  darüber  nähere  Aufklärung 
geben.  Die  Thesmophagia  wurde  schon  vor  Brant,  doch  ohne  weitere 
Nachwirkung,  ins  Deutsche  übertragen. 


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3.  DER  ÜBERGANG  ZUR  PARODIE. 


21 


Ungezogenen  in  die  Zahl  seiner  Narren  auf,  doeh  an  letzter 
Stelle,  weil  sie  nicht  so  gänzlich  der  Ehrbarkeit  und  Gottes 
vergessen1  haben  wie  die  früheren  Narren.  Das  unschick- 
liche Betragen  ist  demnach  bei  Brant  ein  weit  geringeres 
Gebrechen  als  in  der  ritterlichen  Zeit.    Für  die  einzelnen 
Ungezogenheiten  selbst  benutzt  er  die  Thesmophagia 2,  zu- 
weilen wörtlich,  meist  verändernd  und  frei  umstellend,  ver- 
meidet alle  ihre  unerquicklichen  Längen  (statt  der  vierzehn 
W»r»ei  über  das  Händewaschen  hat  Brant  nur  zwei:  V.  15 f.) 
und  lässt  alle  genaueren  Bestimmungen  etwa  über  das  Zer- 
schneiden der  Speisen  und  alle  moralischen  Bemerkungen 
bei  Seite.    Durch  einen  selbständigen  Anfang  und  Schluss 
hat  er  die  Darstellung  der  unho/firhai  Narren  in  die  neue 
Fmgebung   eingefügt   und    mit  der  an  Redensarten  und 
Sprichwörtern  reichen  Sprache,  in  der  das  ganze  Narren- 
schiff abgefasst  ist,  durchtränkt.    Im  Ausdruck  ist  er  viel 
derber  und  drastischer  als  seine  Vorgänger,  die  deutschen 
Tischzuchtdichter,  und  macht  auf  dem  Wege  zu  denGrobianus- 
dichtungen  einen  weiten  Schritt,  indem  die  von  ihm  ge- 
schilderten Narren  zur  Ausbildung  des  Typus  des  Grobianers 
vieles  beitragen.    Eine  Haupteigenschaft ,  die  schlaue  und 
rücksichtslose  Verfolgung  der  eigennützigen  Absichten,  tritt 
in  vielen  Einzelheiten  hervor :  der  Grobianer  legt  hier  allen 
Fleiss  darauf,  nur  sich  selbst  zu  füllen,  V.  65;  er  dreht  die 
Schüssel  herum,  bis  der  beste  Bissen  vor  ihm  liegt  V.  104 ; 
er  schwatzt  laut  über  Tisch  und  lässt  keinen  anderen  zu 
Wort  kommen  V.  119;  er  ärgert  sich,  wenn  ihm  der  Nachbar 
freundlich  etwas  reicht,  denn  selbst  hätte  er  sich  Besseres 
genommen  V.  160,  und  ist  auf  dem  Gebiete  des  Unappetit- 
lichen seinen  nächstenNachfolgern  bereits  ebenbürtig.  Epische 
Züge  (Anspielung  auf  einen  bekannten  derben  Schwank 
V.  139  ff.)  und  dramatische  Anfänge  (directe  Rede  V.  21  ff.) 
erhöhen  die  drastische  Wirkung  des  Capitels. 

Doch  nicht  nur  zur  Zeichnung  des  Helden  und  zu  den 
Einzelheiten  der  Handlung  hat  Brant  beigesteuert,  er  hat 

1  Capitel  110a  V.  8-11. 

2  Die   Parullelstellen  in  den  Anmerkungen  zum  Narrensohiff, 
Ooedekes  Ausgabe  8.  232  ff. 


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22 


1.  CAPITEL. 


der  ganzen  Richtung  einen  Schutzpatron  und  dadurch  auch 
einen  Namen  gegeben.  Ein  nuer  heilig  heisst  Grobian,  den 
will  ittz  füren  iederman,  so  beginnt  Brant  sein  72.  Capitel, 
in  welchem  er  die  Schlemmer  geisselt1.  Mit  dieser  scherz- 
haften Heiligsprechung  hat  Brant  den  Vogel  abgeschossen. 
Sanct  Grobianus  wird  nun  dem  ganzen  XVI.  Jahrhundert 
Schutzherr  und  Anwalt  jedes  derben  Spasses,  jedes  unan- 
ständigen Benehmens,  all  des  rohen  Schmutzes  in  der  Kneipe 
und  in  der  Familie.  Er  wurde,  wie  Brant  klagt,  mit  schänd- 
lichen Worten,  wüsten  Werken  und  Weisen,  die  man  als 
Scherz  betrachtete,  verehrt.  Den  Namen  selbst  fand  Brant 
schon  vor.  Eine  Bildung  aus  grob',  wie  später  Grobhard 
und  Grobhans  (bei  Scheidt),  mit  einer  fremden  Bildungs- 
silbe nach  Art  des  Dummrian,  Schlendrian  ist  er  zuerst  nach- 
gewiesen 1482  in  Zeningers  Vocabularius  theutonicus2  als 
Übersetzung  für  rusticus'.  Aber  auch  die  Heiligsprechung 
ist  einigermassen  vorbereitet.  Einmal  mussten  die  Heiligen 
des  Mittelalters  für  alles  Erdenkliche  herhalten  und  wie 
S.  Urban  der  Patron  der  Gicht  oder  gleich  dem  heil.  Ulrich 
ein  Helfer  in  den  Nöthen  des  Magens s,  wie  S.  Martin  (durch 
Einwirkung  der  Martinalien)  der  Anwalt  des  Schlemmens 
war*,  so  weihte  man  den  letzten  Trunk  vor  Beendigung  eines 
Gelages  dem  heil.  Johannes r> ;  andererseits  verdankten  viele 
komische  Heiligennamen  dem  Mis verstand  ihre  Entstehung, 
so  der  heil.  Hosianna  und  Celebrant  und  die  heil.  Halleluja t:, 
und  endlich  lag  es  dem  lästerlichen  wortspielenden  Witze 


1  Darüber  mehr  in  meinem  5.  Capitel. 

*  Bl.  C  4a.  Den  Nachweis  liefert  Wrampelmeyer :  „Cordatus" 
Tagebuch  über  Luther.    Zu  Gespräch  1738. 

3  Scheidt,  Grobianus,  Randbemerkung  S.  9*1,  Fischart,  Gesdiicht- 
klitterung,  Neudruck  S.  147. 

4  Unland.  Volkslieder  Nr.  205— 207.  Gocdeke-TiMmann,  Lieder- 
buch 8.  173.  d.  Hagen,  Gesammtabonteucr  II,  Nr.  50  (die  Erzählung 
Sente  Mirttnes  naht). 

5  Vgl.  Germania  21,  8.  213  ff.  Mhd.  Wtb.  1.  S.  773.  Soheidt, 
Grob.  Randbom.  S.  121.  Pauli,  Schimpf  u.  Ernst  S.  300  Nr.  522.  Un- 
land, Volkilieder  Nr.  309.  Zingerle,  Wiener  Sitzungsberichte  1862. 

6  Piper.  Die  Spielmannsdichtung  1.8.245  f.  Germania  13,8.301). 
28,  8.  9  u.  512. 


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3.  DER  ÜBERGANG  ZI  K  PARODIE. 


23 


des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  nahe,  scherzhalte  und  unan- 
ständige Heilige  willkürlich  zu  erfinden,  da  die  Scheu  vor 
kirchlichen  Dingen  überhaupt  gewichen  war.  Man  veröffent- 
lichte komische  Predigten1  und  Parudirungen  der  Messe-, 
nia.ii  erdichtete  einen  S.  Nemo:;  und  Nimmerlein,  Schwann 
und  Kosman4.   Die  Zahl  dieser  Schutzpatrone  wächst  noch 
in  der  Zeit  nach  dem  Narrenschiff:  Hans  Sachs  nennt  einen 
heil.  Kolbman  und  Stolprian  \  Wickram  einen  S.  Nimmers- 
tag-'.  Fischart  einen  S.  Schmossmann \  einen  jüdischen  S. 
Thalmutlr  und  einenS.Schweinhardus'\  noch  Grimmelshausen 
einen  S.  Nitglass.  Keiner  von  diesen  aber  kommt  an  Ansehen 
und  Verbreitung  dem  heiligen  (jirobianus  gleich.   Hasch  be- 
mächtigt sich  Murner 1,;  dieser  Figur  und  stattet  sie  mit 
vielen  neuen  Zügen  aus.  Im  .1.  1537  erscheint  dieser  Heilige 
in  einem  Colmarer  Fastnachtspiel11.    Mit  wörtlichen  Ent- 
lehnungen schliesst  sich  an  das  12.  Capitel  des  ßrantschen 
Narrenschiffes  ein  ReyyeHlied  von  Sunt  Grobian V2  aus  der 
Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  an.  Hans  Sachs  nennt  die  un- 
anständigen Menschen,  indem  er  das  Bild  erweitert,  Ordens- 
le ute  im  Kloster  Sant  Grobian  y\  Luther  gebraucht  den  Aus- 
druck als  Schimpfnamen,  den  späteren  Verkehrten  Tisch- 
zuchten' ist  er  ein  willkommener  knapper  Titel,  ja  er  dringt 
sogar  mit  dem  Kahlenberger  und  dem  Eulenspiegel  in  den 
französischen  Wortschatz  ein. 

Zur  Popularisirung  des  Narrenschiffs  haben  die  Pre- 


»  Wackerna^el,  Fisohart  S.  102  Anm.  216. 

I  Ebenda  S  103  Anm.  218. 
1  Ebenda  S.  101. 

*  Weirnarisehes  Jahrbuch  5,  S.  479  ff. 

*  Brants  NarrenschifF,  ed.  Goedeke,  8.  137  Anm. 
6  Rollwa^enbüehlein  8.  72. 

:  Eolenepiegel  Reimensweiss  löOn. 

*  Ebenda  102  b. 

9  Nachtrabe  S.  220.    Geschiel. tklitterung  S.  68. 
,J  S^helmenzunft  21  cap.  d*.    Näheres  später. 

II  Zarnckc,  Brants  Narronschiff  S.  CXX. 

1!  Wackernagel,  Fischart  S.  111  Anm.  236. 

,J  Goyer  a.  a.  O.  S.  33  V.  97  f.    Mehr  darüber  in  Goedekes 
Xarreoschiff  8.  137  Anmerkung  und  in  meinem  4.  Capitel. 


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2X 


1.  CAP1TKL. 


digten  des  Geiler  von  Kaisersberg  kraftig  beigetragen. 
Die  breitesten  Volksschichten  machte  Geiler  mit  dem  Inhalt 
der  einzelnen  Capitel  vertraut *,  die  er  der  Reihe  nach 
vornahm  und  —  nach  einem  bestimmten  Schema  Brants 
System  weiterführend  —  genau  zergliederte.  Setzt  Braut 
jedem  Lasterhaften  die  Narrenkappe  auf,  so  unterscheidet 
Geiler  noch  die  einzelnen  Schellen  daran,  welche  ihm  die 
Unterabtheilungen  des  betreifenden  Lasters  vertreten.  In 
eigenartigen  Erklärungen  und  satirischen  Erzählungen, 
die  er  frei  hinzufügt,  bietet  er  bei  Besprechung  eines  jeden 
menschlichen  Gebrechens  neues  interessantes  Material.  Die 
Unzucht  bei  Tische  wird  gar  zweimal  besprochen ;  zu  dem 
16.  Capitel,  bei  Brant  nur  gegen  das  Zutrinken  gerichtet, 
fügt  Geiler  die  landläufigen  Regeln  der  Tischzucht.  Er 
vergleicht  die  Trunkenen  mit  verschiedenen  Thieren3,  schilt 
die  Schlecker  nnd  gierigen  Fresser  und  zählt  dann  die  ein- 
zelnen Unarten  auf  —  z.  B.  Decimu  quinta  nola  est  inordinatio 
in  scindendo  panem,  masticando  cibum  etc.,  16:  brachia  eri- 
yere  ((/not  Lossen  triben)  etc.,  neugierig  herum  blicken,  die 
fetten  Hände  an  die  Kleider  wischen  etc.  —  und  schliesst  mit 
den  Übertreibungen  im  Trinken  27:  Cum  crepitu  vitri  (tut 
pocuti  bibere,  28.  bibere  cum  bu  ryinarum  effusione  .  .  dass 
es  aufs  Gewand  herabträuft,  oder  dass  der  Athem  ausgeht. 
Und  Capitel  110a  verwendet  Geiler  zu  sechs  Predigten4,  in 
denen  er  die  Narren  an  der  Menschen  Tafel  und  an  Gottes 
Tisch  (beim  Empfang  des  Altarsacraments) ,  Reinlichkeit 
des  Körpers  und  Reinheit  der  Seele  vergleicht  und  so  die 
Regeln  der  Tischzucht  symbolisch  verwerthet.  Die  erste 
Schelle  ist  hier  Manus  mm  lavare,  eine  Unschicklichkeit 
an  der  Menschen  Tisch,  eine  Sünde  vor  Gottes  Tisch. 
Dann  erfolgt  die  Deutung :  Aqua  est  contritio,  lotio  est  con- 
fessio,  moppet  est  satisjactio.  Dies  wird  im  Detail  ausgeführt: 

1  Nauicula  siue  speoulum  fatuorum  etc.,  vgl.  Qoedeke  GrundrisB 
1,  400,  16.    Vom  Jahre  1511  Berliner  König].  Bibl.  Yg.  5824. 
*  Oolosorum  turba  XVI. 

3  Ein  bekanntes  Motiv,  schon  in  der  Bibel  angedeutet.  Mehr 
darüber  8.  42  f. 

4  Turpium  commeosalium  turba  Bl.  CVII  ff. 


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H.  DER  fRKKUANil  /AR  PAR0D1K.  25 


»las  Wasser  der  Reue   rnuss  warm  und  sauber  sein  usw.. 
ebenso  bei  den  andern  Regeln.    Die  zweite  Schelle  ist 
EHyvre  pr  int  tun  locttm  —  auch  vor  Gottes  Tisch  muss  man 
deiniithig  sein.    Und  weitere  Vergleiche:  an  der  Tafel  darf 
man  nicht  die  Speisen  prüfend  kosten  —  am  Altare  nicht 
über  das  rätselhafte  Wesen  der  Gottesspeise  nachgrübeln. 
Bei  Tische  darf  man  nicht  Flöhe  und  Läuse  suchen  —  beim 
Altare  darf  man  nicht  an  Sünden  denken.    So  geht  es 
weiter  durch  12  Schellen.    Die  strenge  Durchführung  dieses 
Vergleiches  ist  hier  neu,  ein  oder  der  andere  Ansatz  hiezu 
kommt  schon  früher  vor,  so  im  Beginn  des  XV.  Jahrhunderts 
in  dein  Ritterspiegel  von  Johannes  Rothe der  den  Rittern 
Massigkeit  im  Essen  und  Trinken  und  sittiges  Betragen 
dringend  anempfiehlt.  An  einer  Stelle  gebietet  er:  gib  dem 
frommen  Ritter  nach  Tische  Handwasser  und  ein  reines 
Tuch:  er  denke  dabei,  dass  er  sich  an  kein  böses  Weib 
kehre,  sondern  die  eheliche  Treue  bewahre,  seine  Hände 
wasche  er  rein   von  unkeuscher  Begierde  *  .    Später  1514 
hat  Murner  in  seiner  geistlichen  Badenfart*  das  Baden  in 
allen  Einzelheiten  als  allegorisches  Bild  für  die  Reinigung 
von  den  Sünden  durchgeführt.  —  Geiler  fügt  den  obener- 
wähnten Vergleichen  noch  eine  ähnlich  abgefasste  Predigt 
hinzu,  in  welcher  er  von  den  Freuden  des  Schlaraffenlandes 
ausgehend  die  Wonne  des  Himmels  zu  deuten  und  zu  schildern 
versucht.    Er  setzt  hier  alle  Motive  dieses  alten  Märchens 
bereits  als  bekannt  voraus,  während  Brants  108.  Capitel  trotz 
der  Uberschrift  tfas  schhtr  äffen  schiff  nichts  davon  erwähnt.  Die 
Einführung  des  Märchens  vom  Schlaraffenlande  oder  doch 
dessen  weitere  Verbreitung  in  der  deutschen  Litteratur  fallt 
eben  in  die  Zwischenzeit,  in  den  Anfang  des  XVI.  Jahr- 
hunderts.   Die  Griechen  hatten  dieses  alte  Motiv  bereits ' 
ins  Scherzhafte3,  die  romanischen  Völker  des  Mittelalters 


1  Ed.  Bartsch,  Mitteldeutsche  Gedichte.    Litter.  Verein  Nr.  33. 
Stuttgart  1860,  8.  89  ff.,  besonders  V.  1557  ff.,  2667  ff.,  3261-3312. 

4  V.  2065  -2D75. 

1  Job.  Poeichel :  Das  Märchen  yom  Schlaraffenlande.    Paul  und 
Braune,  Beiträge  5,  2  ff.  8.  7. 


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26 


l.  CAl'lTEL. 


ins  Grobianische  1  gezogen.  Im  XV.  Jahrhundert  taucht  der 
Name2,  im  XVI.  Jahrhundert  die  ersten  poetischen  Darstel- 
lungen des  Schlaraffenlandes  in  Deutschland  auf.  Hier  erfreut 
sich  dieses  Märchen  bald  einer  grossen  Beliebtheit.  Die  Mo- 
ralisten benutzen  es  als  Tendenzdichtung,  um  Üppigkeit  und 
Unfleiss  zu  verspotten,  die  trägen  (lenussmenschen  als  will- 
kommenen Spielplatz  der  Lüste  und  Wünsche  ihrer  ungezügelten 
Einbildungskraft.  Essen,  Trinken  und  Schlafen  ist  die  Haupt- 
beschäftigung der  faulen  Zunft  in  den  deutschen  Schlaraffen- 
dichtungen.  Der  Träge,  Gefrässige,  Unanständige  wird 
reichlich  belohnt,  ein  Motiv,  das  sich  mit  der  neu  auf- 
kommenden Richtung  der  Grobianusdichtungen,  welche  den 
Schlemmer  und  Säufer,  den  unhöflichen  Egoisten  beloben 
und  als  nachahmenswertes  Vorbild  für  den  Leser  schildern, 
sehr  nahe  berührt.  So  erstehen  diese  verwandten  Dich- 
tungen nebeneinander  und  fördern  sich  durch  gegenseitige 
Beeinflussung  in  ihrer  Ausbildung.  Eine  Dichtung  wie  das 
Schlaraffenlied  eines  fliegenden  Blattes5,  das  jedem,  der 
vom  unmässigen  Trinken  und  Essen  speien  inuss,  zehn 
Kronen  für  den  Löffel  voll  verspricht,  ein  Pfund  für  jede 
Stunde,  die  er  verschläft,  zwei  Pfund  für  die  Verunreinigung 
des  Bettes,  unterscheidet  sich  von  der  Dedekindschen  Pa- 
rodie nur  dadurch,  dass  dem  Grobianer  klingender  Lohn 
und  dort  lobende  Anerkennung  zu  Theil  wird;  ja  ein 
späteres  Schlaraffenlied  \  das  für  jeden  Trunk  drei  Batzen, 
für  jeden  Wind  einen  Thaler  verheisst,  wTeisti  direct  hin 
auf  den  Grobianus.  Wer  dort  (d.  h.  im  Schlaraffenlande) 
will  sein  ein  tjlehrter  Mann  Mass  gstudiert  haben  Grobian. 

Es  waltet  in  der  Litteratur  eine  Periode  der  Narr- 
heit, des  derben  Scherzes,  der  ironischen  Satire.  Wie  gross 
die  Lust  nach  Verkleidung  und  Maske,  wie  empfänglich*  die 
Stimmung  für  das  Unwahrscheinliche,  Wunderbare,  und 
Verbotene  war.  zeigt  die  eifrige  Wiederaufnahme  bestimmter 

1  Ebenda  8.  23. 

2  Keller,  Fdstnachtspielü  Ö.  53,  27;  S.  721,  2. 

3  Zarncke,  Brants  Narrenschiff  8.  455,  bes.  Strophe  5 
*  Altdeutsohe  Blätter  1.  8.  168  ff. 


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3.  1)EK  ÜMKKCMNM  ZUR  1'AKODIK. 


27 


älterer  Erscheinungen,  wio  der  verkehrten  Welt  der  Lügen- 
diehtnngen,  der  volkstümlichen  Räthsel-  und  Lügenlieder, 
der  Erzählung  von  fernen  Gegenden  und  wunderbaren 
Menschenarten  (besonders  der  Fabeleien  im  Herzog  Ernst, 
im  St.  Brandau,  im  hürnen  Siegfried),  des  Thierepos, 
der  komischen  ärztlichen  Vorschriften1,  die  möglichst  star- 
ken Weingenuss  und  Ahnliches  anrathen,  das  bekunden 
auch  neue  Erscheinungen,  wie  die  Epistolae  obscurorum 
virorum,  des  Erasmus  Lob  der  Thorheit  und  zahlreiche 
andere  Encomien,  die  Trunksucht  und  Unkeuschheit,  das 
Podagra  und  sonstige  unwichtige  und  schädliche  Dinge  in 
ernst  gehaltenen  Lobsprüchen  feiern.  Die  meisten  unter 
ihnen  wurden  zu  moralisch-satirischen  Zwecken  verwendet 
und  machten  den  Boden  fruchtbar  zum  Aufkeimen  der  ver- 
kehrten Sittenbücher,  der  Strafpredigten,  die  sich  in  das 
Gewand  einer  unflätigen  Komik  hüllen. 

Die  Vorbereitung  zu  dieser  Umkehrung  der  Lehre 
konnte  aber  auch  auf  dem  Gebiete  der  Tischzuchten  und 
Anstandsregeln  selbst  bereits  verfolgt  werden.  Schritt  für 
Schritt  geht  die  Verwandlung  vorwärts.  Humoristische 
Anspielungen,  drastische  Vergleiche  und  Witze  blitzen  auf, 
derbe  Schwanke  und  satirische  Genrebilder  werden  hinzu- 
gefügt, unappetitliche  Situationen,  die  abschreckend  und 
komisch  zugleich  wirken  sollten,  mit  Behagen  dargestellt. 
Endlich  im  Jahre  1492  enthält  die  ernstgemeinte  Tischzucht 
Köbels2  mitten  in  den  Sittenlehren,  die  sie  dem  Regimen 
moralitatis,  und  in  den  Tischregeln,  die  sie  der  Karlsruher 
Tischzucht  B  entlehnt,  eine  schlaue  Anweisung,  wie  man 
den  Nachbar  betrügend  den  besseren  Bissen  erhasche 
(V.  93—100),  und  nach  der  humoristischen  Ausführung  eines 
unanständigeren  Betragens  den  Rath,  alsbald  so  zu  thun, 
denn  es  ist  deinem  leib  gut  vnd  gesund  (V.  227—232).  Vor 
der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  entstehen  dann  jene  con- 
sequent  durchgeführten  Parodien,  in  welchen  sich  der  Autor 
selbst  unter  die  volle,  grobe  Rotte  setzt,  mit  ihr  kneipt 

1  Germanin  8,  63.  Zs.  15,  510  f.  Keller,  Fastnachtsjiiele  3, 
1197  ff. 

2  Geyer  a.  a.  O.  S.  22-27. 


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28  I.  CA  PIXEL. 

und  johlt,  ihre  wüsten  Scherze  und  schrankenlosen  Unflätig- 
keiten  verherrlicht. 

Es  ist  in  Anbetracht  dieser  allmählichen  Entwicklung 
autfällig,  doch  bei  der  rohen  Lustigkeit,  die  schon  zu  Heginn 
des  XV.  Jahrhunderts  herrscht,  immerhin  begreiflich,  dass 
der  erste  kurze  Versuch  einer  solchen  Uinkehrung  der  An- 
standsregeln  bereits  ein  Jahrhundert  früher  fällt,  nämlich 
die  Parodie  des  Cato  1 :  Wie  der  meister  sein  sun  lernet.  Die 
Sprüche  Catos  in  einer  späteren  erweiterten  Fassung  werden 
einfach  umgekehrt  und  was  dort  verboten  war  wird  hier 
gerühmt.  Steh  nicht  zu  früh  auf,  dass  dich  nicht  das  Haupt 
schmerze,  zieh  dich  unordentlich  an,  damit  aus  dir  ein  Bieder- 
mann werde  —  ebenso  das  Verhalten  bei  Tische  und  auf 
dem  Heimweg  (dem  Grüssenden  danke  mit  einem  Fluche  oder 
einer  anderen  Unhüflichkeit),  endlich  zu  Hause:  da  schlage 
Weib  und  Gesinde.  Rücksichtslosigkeit  gegen  die  Umgebung 
wird  ihm  eingeprägt:  acht  nit  wer  da%  für  viel  hab  (V.  60 
u.  a.);  ja  eine  handgreifliche  Antwort  auf  jeden  Wider- 
spruch: eine  Maulschelle  oder  Kanne  an  den  grind.  Durch 
die  Betonung  des  Nutzens  da$  zimet  deinem  wagen  wol  V. 
110  und  durch  erneutes  Einschärfen  so  tuost  du  nach  dem 
willen  mein  V.  71  oder  gedenk  vnd  werfe,  wa%  ich  dir  sag 
V.  111  u.  a.  sucht  der  Meister  seine  Lehre  zu  bekräftigen. 
Diese  Form,  sowie  der  Inhalt  wirken  noch  lange  nach  auf 
die  späteren  parodistischen  Sittenlehrer,  die  alle,  wie  etwa 
Dedekind  und  Scheidt,  auch  die  ernsten  Sprüche  des  Cato 
kennen  und  sie  citiren. 2  Doch  den  ersten  Platz  als  Meister 
und  Lehrer  der  Sitten,  den  Cato  durch  Jahrhunderte  ein- 
genommen hatte,  macht  ihm  nun  mit  Erfolg  der  heilige 
Grobianus  streitig,  der  Archon  Eponymos  der  verkehrten 
Tischzucht. 

Die  erste  wüste  Tafel  unter  dem  Vorsitz  des  Gro- 
bianus finden  wir  in  Murners  Schelmenzunft  1512.  Grobianus 
ist  hier  ein  Schwein,  das  im  Kreise  der  Zecher  herzlichst 


1  Zarncke,  Der  dentschn  Cato  8.  143  ff.,  ed.  nach  einer  Ha.  des 
XV.  Jahrhunderts. 

2  Bei  Dod.  Cap.  4  Str.  68. 


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3.    DER  ÜBERGANG  ZUR  PARODIE. 


begriisst  und  feierlichst  gekrönt  wird;  worauf  das  Mahl  be- 
ginnt. Die  Vorschriften,  die  hiezu  gegeben  werden,  laufen 
den  Kegeln  der  Tischzucht  schnurstracks  entgegen. 

Ist  schon  ein  edler  do,  den  ir 

Des  achtendt  nit  greyfst  in  das  geschirr 

Wo  das  best  lege  anderswo 

Greifst  domoch  vnd  nemens  do 

Und  achtendt  uit  vor  wem  es  lig. 

Nimm  vom  Karpfen  die  Zunge,  vom  Kalbskopf  das 
Hirn,  hau  drein  wie  ein  Eber,  stochre  mit  dem  Messer  in 
den  Zähnen!    Das  ist  nur  ein  kurzer  Anfang1. 

Im  Jahre  1538  aber  erscheint  und  zwar  in  Worms, 
der  Heimat  Scheidts,  schon  ein  selbständiges  Büchlein: 
der  sogenannte  'kleine  Grobianus'  unter  dem  Titel :  Grobianus 
Tischzucht  hin  ich  geHaut,  <<en  Brüdern  im  Seirordett  uolbekant 
von  \V(ilhelm  ?)  S(alzmannr') '-.  Der  Humor  dieser  prosaisch 
abgefassten  Lehre  liegt  hauptsächlich  in  der  Gesetzmässig- 
keit, mit  welcher  in  IG  Artikeln  dem  Grobianer  die  schlauesten 
Kathschläge  zur  rücksichtslosen  Befriedigung  seines  Appetites 
ertheilt  werden.  Artikel'  nennt  bereits  die  Parodie  des  Cato 
ihre  Vorschritten:  V.  191  f.  ieheltst  cht  die  artikel  gemein 
«er  höc/isten  krön  gib  ich  dir  ein ,  und  die  strenge  mit  Ord- 
nungszahlen versehene  Reihenfolge  der  einzelnen  Unarten 
zeigen  bereits  die  Narrenschellen  in  Geilers  Predigten  und 
eine  Tischzucht  in  Liedform",  die  wahrscheinlich  kurz  vor 
dem  kleinen  Grobianus  in  Nürnberger  Meistersingerkreisen 
entstanden  ist.  Diese  gebietet :  Zum  erstenmal  all  svhamper 
irort  vn  werck  vermeid,  zum  andern  mal  keinen  andern  sein  ehr 
nhxehneid  -  zum  fünfften  mal  so  bist  du  weiss,  mit  dem 
messet-  sture  nicht  in  deinen  zeenen  —  dies  geht  so  weiter 
bis  zu  dem  Schluss:  zum  zehenden  so  wasch  die  hend  vnd 

1  Cap.  21.  d5,  Deutsche  Drucke  alter  Zeit  etc.,  ausgewählt  von 
W.  Scherer,  Berlin  1881.  Auch  in  seiner  Narrenbeschwörung,  18.  V.  86  f., 
erwähnt  Murner  die  Grobianer  im  Verein  mit  Schelmen  und  moren. 

1  Merlin,  Kgl.  Bibl.  Yz330l;  und  der  spätere  Abdruck  mit  ortho- 
graphischen Abweichungen  Y2  3302.   Die  Titel  bei  Goed.  Grdr.  2,  4nj. 

3  Ein  Schön  New  Lied,  die  Tischzucht.  In  des  Römers  yesang 
weiss.  (Mit  zwei  Tischgebeten)  Nürnberg  bei  Gutknecht  o.  J.  Berl. 
Kgl.  B.    Hytnn.  651.    Heyse,  Büehorsuhutz  1177. 


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30 


t.  CAPITEIj. 


sprich  auch  Deo  gratias.  im  kleinen  Grobianus  aber  ge- 
hören diese  Artikel  zur  systematischen  Einkleidung  der 
ganzen  Schrift,  welche  in  der  Form  eines  Erlasses  an  die 
Brüder  und  Schwestern  der  neu  geschaffenen  Bruderschaft 
vom  Säu-Ordcn  abgefasst  ist.  Schon  das  Mittelalter  kannte 
den  Ordo  vagorum.  Die  niederdeutsche  Tischzucht  hat 
von  einem  Orden  der  Züchtigen  berichtet,  der  Witz 
des  XVI.  Jahrhunderts  aber  schuf  nach  Analogie  der  ver- 
breitetsten  und  wichtigsten  socialen  Körperschaft  der  da- 
maligen Zeit:  der  Zunft  und  der  vielen  religiösen  und 
Betorden,  eine  Schelmen-  und  eine  Narrenzunft,  einen 
Trinkerorden  und  hier  den  Säuorden  der  Grobianer.  Diese 
Zusammengehörigkeit  verstärkt  die  Eindringlichkeit  der  Vor- 
schrift. Dem  Ordensbruder  wird  nun  die  Ungezogenheit 
angerathen,  nicht  nur  weil  es  nicht  schadet  oder  weil  es  wohl- 
gethan  ist.  sondern  auch  weil  dann  im  Orden  um  so  mehr  von 
ihm  gehalten  wird.  Ein  fruchtbares  Motiv,  das  später  mit 
vielem  Glück  reichlich  ausgebeutet  wurde,  das  aber  der  Ver- 
fasser des  kleinen  Grobianus  nur  kurz  berührt  hat,  so  wie 
er  in  seinen  Artikeln  einen  reichen  Inhalt  von  Unarten  und 
Kniffen  kurz  aneinanderreiht ,  die  breite  Ausmalung,  die 
satirische  Durchführung  und  die  Exemplificirung  geschick- 
teren Nachfolgern  überlassend.  Sein  zweiter  Artikel  allein 
enthält  eng  zusammengedrängt  den  Inhalt  mehrerer  langer 
Capitel  Dedekinds  und  Scheidts.  Er  beginnt  folgendermassen : 
Das  du  so  malzeit  ist,  vleissig  fragest,  wo  das  beste  mal  be- 
reit sey.  Ob  dich  der  wirt  nicht  gebeten  oder  sonst  engem 
sihet,  schat  nicht  *  setz  dich  nur  frey  nider  an  die  beste  stet, 
od  der  oben  an,  mit  vngewaschenen  hendenf  langen  vnd  schwartzen 
negeln  an  den  fingern,  vnd  das  du  dein  stet  wol  bewarest, 
ob  jemand  von  Priestern  oder  andern  Erbarn  leuten  keine, 
nicht  weichtsty  so  lang  bis  der  tisch  vol  wird.  Hierauf  er- 
mahnt der  Artikel,  wenn  die  Speisen  aufgetragen  werden, 
den  Genossen  bei  den  besten  Bissen  zuvorzukommen:  des 
darffestu  dich  nicht  Schemen;  nach  fetten  Speisen  sich  die 
Finger  abzulecken  und  mit  vollen  Backen  zu  trinken,  fällt 
dann  etwas  Fettes  ins  Trinkgeschirr  das  stehet  wol  rnd  macht 
ander  levte  nach  dir  lustig  zu  trinken.    Soll  auch  trinken» 


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i\.    DKK  ÜBEROAtfU  ZUR  1'AKODIK.  M 

nicht  außhörcti,  so  fang  bis  dir  der  odem  zu  kurtz,  oder  die 
äugen  vot  wassers  stehen,  (  der  der  Lecher  oder  glas  ledig  ist. 
Du  soll  (unh  das  uort  alireg  allein  behalten  darbe g  erkent 
man  dein  geschicklichkeit.  -  Wie  vieles  ist  nicht  in  diesen 
kurzen  Sätzen  berührt  und  wie  vieles  das  sich  die  Nach- 
folger zu  Nutze  gemacht  folgt  in  den  übrigen  Capiteln ! 
Bestimmte  Unarten  beim  Wechseln  der  Teller,  beim  Hände- 
waschen.  Besondere  Vorschriften  beim  Essen  von  Wildpret, 
Fischen,  Krebsen,  Eiern,  Mehlspeisen,  Käse  und  Obst. 
Dem  Grobianer  wird  geboten,  sich  in  das  Tischtuch  zu 
schneuzen  und  andere  ärgere  Ungezogenheiten,  wo  möglich 
vor  Frauen  und  Jungfrauen,  zu  begehen;  dann  werden  sie 
ihn  heimlich  lieben  und  wird  ////  guUn  deiner  v<n  jnen  ge- 
dacht, irie  Pilatus  im  Credo  \  Er  soll  singen  und  trinken  und 
Streit  beginnen,  nach  dem  Mahle  im  tiefsten  Schmutz  nach 
Hause  gehen ,  damit  er  nicht  an  die  Häuser  stosse ,  jeden 
der  entgegen  kommt  mit  bösen  Worten  anfahren  und  erst, 
wenn  er  durchgeprügelt  wurde,  sich  schlafen  legen.  —  Aber 
bei  all  dem  stofflichen  Reichthum  kennt  der  Verfasser  des 
kleinen  Grobianus  weder  eine  Disposition  noch  eine  Mannig- 
faltigkeit in  den  Mitteln  der  Darstellung,  er  kommt  an  zwei, 
drei  Stellen  auf  die  gleichen  Dinge  zu  sprechen  und  be- 
hält die  ganze  Schrift  hindurch  in  eintönigster  Weise  die 
deichen  Redensarten  und  Zwischensätze,  den  gleichen  Wort- 
laut der  Ermahnung  und  des  Urtheils  bei.  —  So  hat  ei- 
sernen Inhalt  glücklicheren  Nachfolgern  überliefert  und  ist 
von  diesen,  eben  wegen  seiner  mangelhaften  Darstellung, 
völlig  verdrängt  worden. 


1  Audi  die  ml.  TinHizucht  orwal  nr  »Ion  l'ihitus. 


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II.  CA1MTKL. 

DEDEKINDS  UND  SCHEIDTS  GKOBIANUS. 


Das  Hauptwerk  der  ganzen  grobianischen  Litterat  ur, 
die  verbreitetste  Satire  gegen  die  unhöflichen  Schmarotzer 
und  wüsten  Zecher,  der  lateinische  Grobianus  führt  uns 
vom  Rhein  ab  nach  dem  Nordosten,  auf  sächsisches  Gebiet. 
In  der  protestantischen  Universitätsstadt  Wittenberg  ver- 
fasste  der  Studiosus  Theologiae  und  angehende  Magister 
Friedrich  Dedekind  kurz  vor  der  Mitte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts ,  in  sittlicher  Entrüstung  über  das  rohe  Gebahren 
seiner  Genossen,  eine  ironische  Sittenlehre,  der  er  als 
treffenden  Titel  den  volksthümlich  gewordenen  Namen 
seines  Helden  vorsetzte.  Die  zahlreichen  lebenden  Grobianer, 
die  in  Wittenberg  herumlärmten,  sowie  ältere  Didaktiker, 
Satiriker  und  Trinkdichter  steuerten  Beispiele  und  grobe 
Stücklein,  Wirthausscenen  und  tölpelhafte  Streiche  in  ge- 
nügender Zahl  zum  Inhalt  des  Werkes  bei,  das  Dedekind 
in  dem  Umfange  von  2400  Versen  (Distichen)  und  —  da 
es  vorwiegend  für  seine  Commilitonen  berechnet  war  — 
in  lateinischer  Sprache  zusammenschweisste.  In  einer  Vor- 
rede, die  er  im  Mai  1549  unterzeichnete,  entwickelt  er  den 
Anlass  zu  seiner  Schrift  und  erklärt,  wie  er  diese  ver- 
standen wissen  will.  Da  alle  seine  Vorgänger,  die  in  ernsten 
Worten  zur  rivilitas  ermahnt  hatten,  einfach  verlacht  wurden, 
so  will  er  den  umgekehrten  Weg  versuchen,  um  diese 


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DEDEKINDS  UND  SCHEIDTS  0R0BIANU8.  33 


Krankheit  worum  foedifotew  zu  befehden,  so  wie  die  Arzte 
von  der  erfolglosen  warmen  Behandlung  zu  der  kalten 
übergehen.  —  Die  Lacedämonier  nachahmend,  welche  ihren 
Kindern  trunkene  Sclaven  vorführten  —  ein  Beispiel,  auf 
welches  in  der  Trinklitteratur  des  XVI.  Jahrhunderts  sehr 
häufig  hingewiesen  wird  —  will  er  nun  das  Treiben  der 
Grobianer  recht  possenhaft  und  abschreckend  schildern  und 
das  Verabscheu ungswürdige  preisen.  Den  völlig  Verdorbenen 
wird  seine  Schrift  nichts  nützen,  aber  er  hofft,  üass  besse- 
rungsfähige Zecher  bei  dieser  Leetüre  über  ihre  eigenen 
Thaten  erröthen  werden.  Auch  dieser  Gedanke  ist  in  den 
Vorreden  der  Trinkdichter  sehr  häufig.  Die  vorgeführten 
Schv  änke  —  so  meint  Dedekind  —  können  kaum  jemand 
verderben,  denn  er  habe  ja  nichts  erfunden  um  ein  böses 
Vorbild  aufzustellen,  sondern  nur  geschildert  was  aller  Orten 
thatsächlich  betrieben  werde. 

Dedekind  hüllt  also  wieder,  wie  so  viele  seiner  Vor- 
gänger, die  ernste  sittliche  Lehre  in  das  Gewand  des 
Scherzes  und  huldigt  so  mit  einer  parod istischen  Darstel- 
lung dem  Geschmack  seiner  ^ o it.  Aber  er  wagt  mehr  als 
seine  Vorbilder.  Er  setzt  sich  selbst  an  den  schmutzigen 
Tisch  der  Zechgenossen,  athmet  mit  scheinbarem  Wohl- 
behagen die  Stickluft  der  Kneipe  ein,  belacht  herzlichst 
die  rohen  Witze  der  Grobianer  und  bewundert  die  dreiste 
Rücksichtslosigkeit  ihres  Auftretens  gegen  Höhere  und 
Frauen.  Ja  er  reizt  sogar  als  Lehrer  und  Rathgeber  seine 
Schüler  zu  möglichster  Roheit  auf  und  lehrt  sie  die 
schlauesten  Ausreden  zur  Verteidigung  dieses  Gebahrens. 
Er  bezieht  sich  hierbei  auf  die  Anschauungen  und  Regeln 
des  Ordens  der  Grobianer,  die  er  als  die  einfältigen,  natür- 
lich-derben Sitten  der  alten,  unverdorbenen  Zeit  zu  erweisen 
sucht 

Die  Zahl  der  Vorgänger,  die  Dedekind  kennt  und  theil- 
weise  benutzt  hat,  muss  als  eine  grosse  angenommen 
werden.    Dedekind  selbst  nennt  in  den  Titelversen  unter 


1  Vgl.  Charakteristik  und  bibliographische  Nachrichten  in  Soherer» 
Artikel  Dedekind  der  A.  d.  Riographi,.  5,  1?-I5. 

QF.  lxvi.  :i 


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34 


IL  CA.PITEL 


anderen  auch  Cato  1  und  Erasmus  Roterodamus.  Die  mittel- 
lateinischen Disticha  Catonis  und  die  Cato-Parodie  können 
ihm  nicht  unbekannt  geblieben  sein.  Wie  diese,  so  bespricht 
auch  Dedekind  das  ganze  Tagewerk  des  Grobianers,  beginnt 
mit  dem  Aufstehen  und  der  Morgentoilette  und  geleitet 
seinen  Schützling  auf  dem  W  ege  nach  Hause,  lässt  ihn  da- 
selbst Weib  und  Gesinde  raishandeln  und  zu  schwerem 
Schlaf  ins  Bett  sinken.  —  Den  Mittelpunct  der  gesammten 
Darstellung  aber  bildet  die  Tafel.  Für  das  Benehmen 
bei  Tisch  und  für  den  bedienenden  Knaben  hat  nun  Dede- 
kind alle  die  Kegeln  verwerthet,  die  wir  in  den  verschiedensten 
Tischzuchten  kennen  gelernt  haben.  Er  dürfte  besonders 
lateinische  Quellen  benutzt  haben,  die  Stans  puer  ad  mensam 
und  die  Modus  Cenandi,  da  er  neben  dem  Inhalt  auch  deren 
Redewendungen  beibehält.  Auch  an  die  lateinische  Tisch- 
zucht des  Erasmus  2,  den  ja  Dedekind  nennt,  muss  gedacht 
werden.  Sie  bewegt  sich  in  dem  gleichen  Geleise  wie  die 
übrigen  Tafelregeln.  Bete  vor  Tisch,  nimm  den  Platz  ein 
der  dir  angeboten  wird,  trinke  nicht  zu  viel,  fahre  nicht 
mit  der  Hand  in  die  Schüssel,  verschlinge  nicht  gierig,  rede 
nicht  mit  vollem  Mund  usw.  Die  Urtheile  hierüber  boten 
in  ihrer  Mannigfaltigkeit  für  Dedekind  eine  reiche  Auswahl 
dar:  ridiculuin  est,  inelegans,  rusticanum  est,  viciodatur,  ineptüte 
tiibuitur,  mit  Steigerungen:  inurbanum,  inurbanissimum  est, 
mit  Vergleichen  aus  dem  Thierreich :  ossa  dentibus  arrodere 
caninum  est,  Lingua  lambere  felinum  est.  Doch  auch  einige 
neuere  Bestimmungen,  die  sich  Dedekind  zu  Nutze  machte, 
erscheinen  bereits  bei  Erasmus:  In  conviriis  assit  Maritas, 
absit  pettdantia,  —  nam  in  conviviis  nec  tristein  esse  decet, 
nec  contristure  quenquam :i ,  oder  Candelam  emuncturus, 
prius  iliam  e  mensa  tollito,  quodque  emunctum  est,  protinus 
aut  arenae  immer gito ,  aut  solea  proterito,  ne  quid  ingrati 

1  Und  später  I,  4  I,  9.  Noch  öfter  in  der  zweiten  Fassung. 
Siehe  unten  S.  70. 

2  Erschienen  in  Erasmi  Roterodami  De  civilitate  morum  puerilium 
libelluB.  In  Scheidts  Übersetzung  lautet  der  Hinweis  auf  Erasmus  (S.  2, 
V.  18  f.):   Erasmus  hat  gelert  darbet/,   Wie  sich  züchtig  zu  hatten  sey. 

*  Ded.»kindl,5  Selieidt,V.  1.325  ff.  Dedekind  II,  1.  Seit.  V.  2559 ff.  u.a. 


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ÜEDEKlNDS  UND  SCHEIDTS  GROßlANUfc?.  35 


nidoris  offendat  naresK  Erasmus  veröffentlichte  ausserdem 
in  seinen  Colloquia  familiaria  mehrere  Tischgespräche,  in 
denen  er  die  Unmässigkeit  und  den  Trinkzwang  bei  Tische 
heftig  bekämpft,  die  Lebensansichten  der  Stoiker  und 
Epicureer2,  antike  Vorbilder  von  Zucht  und  Sitte,  die 
Schädlichkeit  oder  Nützlichkeit  einzelner  Gerichte 3  usw. 
ausführlich  bespricht. 

Den  grössten  Antheil  an  diesen  Partien  des  Dede- 
kindschen  Buches  hat  aber,  wie  bereits  erwähnt 4,  der  kleine 
Grobianus,  dessen  kurze  Artikel  hier  zu  langen  Capiteln 
ausgedehnt  werden.  Besonders  bei  einzelnen  Verordnungen, 
wie  für  das  Krebsessen  oder  das  Wechseln  der  Teller  zwischen 
den  einzelnen  Gängen,  bei  den  drei  Trinkregeln 5  herrscht 
zwischen  den  beiden  Grobianusdichtungen  eine  so  genaue 
inhaltliche  Übereinstimmung,  als  sie  nur  bei  der  Verbreite- 
rung, die  Dedekind  durchführt,  möglich  ist. 

Brant  hatte,  wie  bereits  oben  gezeigt  wurde fi,  zur 
Zeichnung  des  Grobianertypus  und  zur  Bereicherung  der 
Handlung  wesentlich  beigetragen.  Aber  auch  Thorheiten 
und  Laster,  wie  die  Liederlichkeit,  die  Prahlsucht,  die  tollen 
Kleidermoden,  die  Trägheit  usw.,  die  Dedekind  gelegent- 
lich in  seine  Satire  aufnimmt,  berühren  sich  in  dieser  Dar- 
stellung mit  den  entsprechenden  Capiteln  des  Narrenschiffes. 
Endlich  bildet  Brants  16.  und  72.  Capitel  den  Ausgangspunct 
für  die  sogenannte  Trinklitteratur.  Diese  aber  bot  auch 
Dedekind  besonders  zu  jenen  Abschnitten,  welche  Wirths- 
hausscenen ,  allgemeine  Saufgelage  und  Einzelleistungen  des 
zechenden  Grobianers  schildern,  so  manche  Quelle  dar. 

Die  Trinklitteratur  ist  im  XVI.  Jahrhundert  ein  wich- 
tiger, umfangreicher  Zweig  der  deutschen  Dichtung,  dessen 


i  I,  7  Sch.  V.  1706-1712. 

*  Nach  der  Ed.  Budisninae  1566  (Prag).  D  8  ff.  Con?mum  Pro- 
phannm. 

8  I  2  ff.  ConT.  fabulosura. 

«  Vgl.  oben  S.  30  f. 

»  Dedekind  II  8  Scheidt  V.  4269  ff.  D.  II  3  Sch.  V.  2942  ff.  u.  3257  ff. 
<  S.  21  f. 

3* 


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36 


II.  CAF1TEL. 


Anfänge  bereits  imXIII.  Jahrhundert  beobachtet  werden  können. 
Schon  von  der  guten  mittelhochdeutschen  Zeit  ab  beginnen 
die  Lehrdichter,  Satiriker  und  Prediger,  ein  Thomasin  und 
Freidank,  später  ein  Berthold  von  Regensburg  und  Hugo 
von  Trimberg  neben  anderen  Lastern  der  Zeit  auch  die 
Trunksucht  zu  befehden,  die  allmählich  in  die  besseren 
Kreise  eindrang.  Im  XVI.  Jahrhundert  aber,  da  die  Trunk- 
sucht zu  einem  allgemeinen  furchtbaren  Nationalübel  wird, 
entsteht  auch  eine  eigentliche  Trinklitteratur :  zahllose 
satirische  und  didaktische  Schriften,  die  nicht  allgemeine 
Sittenlehren  enthalten,  sondern  nur  gegen  oder  für  das 
Trinken  das  Wort  ergreifen.  In  den  verschiedenartigsten 
Einkleidungen,  in  deutscher  und  lateinischer  Sprache,  in 
Prosa  und  in  Versen  abgefasst,  zeigen  doch  die  meisten 
dieser  Schriften  einen  verwandten  Aufbau  der  Vermahnung 
und  der  Aufmunterung  und  ganz  ähnliche  technische  Mittel 
der  Darstellung.  Die  Beweisgründe  für  die  Vertheidigung 
und  die  Bekämpfung  des  Weingenusses,  die  Motive  zur 
Schilderung  der  Saufgelage  lagen  bereits  in  Dichtungen  des 
XIII.  Jahrhunderts,  dem  Weinschwelg,  der  Wiener  Meerfahrt 
usw.  vor.  Die  Schriftsteller  des  XVI.  Jahrhunderts  schöpften 
aus  diesen  und  ähnlichen  Werken  nicht  direct,  aber  durch 
Vermittlung  zahlreicher  späterer  litterarischer  Erzeugnisse, 
und  sie  besassen  in  den  genannten  Capiteln  des  Narrenschiffes 
eine  gemeinsame  Fundgrube  biblischer  und  historischer  Bei- 
spiele, derber  Redensarten,  ironischer  Bezeichnungen  und 
drastischer  Vergleiche.  Die  nahen  Beziehungen  zwischen 
den  einzelnen  Schriften  der  Trinklitteratur  werden  noch 
durch  den  Umstand  vermehrt,  dass  jeder  spätere  Dichter 
seine  Vorgänger  kennt,  diese  ausschreibt  oder  doch  leicht 
benutzt  und  dass  sich  nur  ein  bestimmter  Kreis  von  Männern 
mit  gleichartigen  Ansichten  und  verwandtem  Bildungs- 
grad an  dieser  Litteratur  beteiligt:  in  früherer  Zeit  Huma- 
nisten, später  nach  dem  Auftreten  Luthers,  der  selbst  besonders 
in  seinen  Tischreden  gegen  den  Epicureismus  und  das  Voll- 
saufen gedonnert  hatte,  meist  protestantische  Prediger,  Schul- 
meister und  Professoren.  Verfassten  die  Lehrer  der  Hoch- 
schulen moralische  Schriften,  so  boten  ihnen  die  Studenten 


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DEDKKINDS  UND  SCHEIDTS  GROBIANUS. 


37 


auf  ihren  zügellosen  Kneipen  reichen  Stoff  zur  schildernden 
Satire  dar.  Manche  Schrift  dieser  Art  ist  aus  Universi- 
tätskreisen hervorgegangen,  gleich  die  Erfurter  Scherzrede 
De  generibus  ebriosorum,  walche  eigentlich  den  Reigen  der 
Schriften  gegen  die  Trunksucht  eröffnet.  So  konnte  Dede- 
kind  zu  Wittenberg  diesen  Zweig  der  Lehrdichtung  leicht 
näher  kennen  lernen. 

Auch  die  Bühne  des  XV.  und  XVI.  Jahrhunderts  liefert 
ihren  Beitrag  zur  Vorgeschichte  des  Grobianus,  des  wüsten 
Helden  und  seiner  zechenden  Genossen.  In  den  Fastnacht- 
spielen eines  Rosenblüt  und  Folz 1  hat  der  Trunkenbold, 
der  berauscht  nach  Hause  wankt,  Woib  und  Kinder  prügelt, 
oder  von  seiner  gestrengen  Hausfrau  eine  kräftige  Straf- 
predigt zu  hören  bekommt,  eine  grosse  Rolle  inno.  An  ehe- 
lichen Streitscenen,  allgemeinen  Prügeleien  im  Wirthshause, 
Flüchen  und  gegenseitigen  Beschimpfungen,  grotesker  Per- 
sonalschilderung, an  den  unerquicklichsten  Darstellungen  des 
Speiens  und  ärgerer  Dinge,  an  unsauberen  Krankheitsge- 
schichten und  den  unflätigsten  Witzen  ist  hier  kein  Mangel. 
Diese  Spiele  unterscheiden  sich  aber  dadurch  wesentlich  von 
den  eigentlichen  Grobianus-Dichtungen ,  dass  bei  ihnen  die 
schamlose  Besprechung  der  geschlechtlichen  Verhältnisse 
den  breitesten  Raum  einnimmt.  Lebendige  Wirthshausscenen 
lieben  ferner  die  Komödien  vom  Studentenleben2,  die  Prodi- 
gus-3 und  Hecastus-Dramen4. 

Auch  einzelne  Persönlichkeiten  sind  schon  lange  vor 
Dedekind  zu  Helden  einer  Reihe  zusammenhängender  grobi- 
anischer Schwänke  geworden.  Die  bekanntesten  unter  ihnen 
der  Pfaff  vom  Kahlenberg,  Markolf  und  Eulenspiegel.  Ihr 
Charakter  zeigt  eine  Verbindung  von  Schlauheit  und  Un- 
flätigkeit. Sie  begehen  eine  grosse  Zahl  von  losen  Streichen 
zum  Schaden  ihrer  Umgebung  aus  schnödem  Eigennutz,  zur 

1  Fastnachtspiele  aus  d.  XV.  Jahrhundert  ed.  A.  r.  Keller,  Litt. 
Verein  Nr.  28-30,  Nr.  46. 

2  Erich  8ohmidt,  Komödien  vom  Studentenleben  aus  d.  XVI.  u. 
XVII.  Jhdt.  Leipzig  1880. 

»  Spengler,  Der  verl.  Sohn  im  Drama  d.  XVI.  Jhdts.  Innsbruck  1888. 
4  Goedeke,  Eteryman,  Homulus  u.  Hecastus.  Hannorer  1866. 


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H8 


II.  CAPITEIj. 


Befriedigung  ihrer  materiellen  Genusssucht  oder  aus  blosser 
Freude  an  tollem  Schabernak  und  schmutzigen  Spässen. 
Von  dem  weiblichen  Geschlecht  ihrer  Zeit  haben  sie  eine 
sehr  geringe  Meinung.  Ihre  innere  Verwandtschaft  mit  der 
Figur  des  Grobianus  ist  unverkennbar  und  Scheidt  hat  auch 
in  seinem  Prologe  jeden  dieser  drei  groben  Heiligen  um 
seinen  Beistand  angefleht1. 

Was  Dedekind  so  mit  der  grössten  Belesenheit  von 
den  verschiedensten  Seiten  aufnahm,  vermehrte  er  noch  um 
einige  grobianische  Anekdoten  und  verarbeitete  es  zu  einer 
consequent  durchgeführten  Parodie.  Allerdings  disponirt 
er  nicht  sehr  geschickt,  kommt  öfters  auf  bereits  Erwähntes 
zurück  und  wiederholt  sich  in  Witz  und  Situation.  Diesen 
Mangel  fühlt  er  selbst  und  entschuldigt  sich  mit  der 
drängenden  Eile,  die  ihn  zum  raschen  Abschluss  nöthigte. 
Die  Vorzüge  seiner  Schrift  aber  sind  die  staunenswerthe 
Erfindsamkeit  in  drolligen  Einzelheiten,  der  unverwüstliche 
Humor  des  Ganzen,  die  herbe  satirische  Strenge,  welche 
ununterbrochen  den  deutlich  erkennbaren  Grundgedanken 
bildet.  Und  trotz  dem  gröbsten  Ton,  trotz  den  gewagtesten 
Situationen  in  allen  17  Capiteln  nicht  ein  unsittlicher  Witz, 
nicht  einer  jener  unzüchtigen  venerischen  Schwanke,  die  zum 
täglichen  Gesprächsstoff  aller  Kreise  der  Zeit  und  in  den 
Schandsammlungen  eines  Montanus,  Schumann,  Lindener 
zu  der  gangbarsten  Waare  damaliger  Unterhaltungslitteratur 
gehörten. 

Dedekinds  Grobianus  zerfällt  in  zwei  Theile.  Im  ersten 
wird  der  Held  als  Diener  oder  Sohn  des  Hauses  aufgefasst, 
im  zweiten  als  Gast  im  fremden  Hause  oder  als  Gastgeber. 
Eine  Scheidung,  wie  sie  schon  früher,  z.  B.  in  Röbels 
Tischzucht,  angedeutet  erscheint.  Nach  dieser  Eintheilung 
wird  dann  entweder  geschildert,  wie  sich  ein  Muster-Grobianer 
aufführt,  oder  gelehrt,  wie  sich  der  Leser  und  Schüler  be- 
nehmen soll.  Beide  Arten  der  Darstellung  gehen  immer 
ineinander  über. 

Der  Inhalt  ist  folgender.  Ein  echter  Grobianer  soll 


•  V.  63-56. 


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DF.DEKIND8  VHI)  SCHEIDTS  GUORIANITS. 


39 


nicht  aufstehen,  ehe  er  den  Tisch  gedeckt  sieht,  soll  den 
Morgengruss  der  niemand  Nutzen  bringt  im  Bett  vergessen, 
soll  sich  schleuderisch  anziehen  in  der  warmen  Familien- 
stube, ob  auch  Frauen  und  Jungfrauen  dabei  stehen.  Ein 
sorgfaltiges  Waschen  und  Kämmen  ist  überflüssig  und  un- 
angenehm. Auch  die  Zähne  mögen  gelb  bleiben,  Safran 
und  Gold  haben  ja  die  gleiche  Farbe.  Lachen  und  niesen, 
husten  und  sich  räuspern  soll  man  möglichst  laut,  möglichst 
empfindlich  für  die  ganze  Umgebung.  Ein  schmutziger  Hut 
und  kothige  Schuhe,  ein  kurzes  Affenröcklein  oder  ein 
überlanger  Mantel  kleiden  am  besten.  W er  im  Grobianer- 
Orden  Ruhm  und  Lob  erwerben  will,  der  misachte  bei 
Tisch  alle  Gesetze  des  Anstands  und  der  Höflichkeit,  ver- 
kehre unehrerbietig  mit  den  Standespersonen  und  frech 
und  zudringlich  mit  jungen  Mädchen,  der  lasse  den  Bedürf- 
nissen und  Äusserungen  seines  Magens  in  jeder  Beziehung 
den  freiesten  Spielraum.  Ein  Diener,  der  wie  billig  seinen 
eigenen  Vortheil  im  Auge  behält,  stellt  sich  dumm  und 
schwerhörig  und  entgeht  so  mancher  lästigen  Arbeit.  Was 
er  aber  besorgen  muss,  das  thut  er  ungenau  und  unge- 
schickt. Er  verschüttet  den  Wein  und  zerbricht  die  kost- 
barsten Gläser.  Ehrbare  und  langweilige  Gäste  sucht  er 
rasch  trunken  zu  machen  oder  schenkt  ihnen  den  sauersten 
Wein,  damit  sie  eher  heimgehen.  Den  richtigen  Schlemmern 
aber  schanzt  er  die  besten  Sachen  zu  und  setzt  sich  möglichst 
bald  in  ihre  Mitte.  Dann  erklingen  wüste  Lieder  und  tolle 
Gespräche:  der  eine  erzählt,  wie  viele  Mädchen  er  er- 
obert, der  andere  beichtet  seine  Miserfolge  auf  dem  gleichen 
Felde,  der  dritte  renommirt  mit  Jagd-  und  Kriegsabenteuern, 
der  vierte  berichtet  von  fernen  Ländern.  Dazwischen  fallen 
dreiste  Bemerkungen  über  die  Seelenwanderung,  über  die 
Unsterblichkeit  der  Menschen,  über  die  materialistische  Welt- 
anschauung. Erhebt  sich  dann  ein  allgemeiner  Streit,  so 
wirft  der  schlaue  Diener  alle  Gäste  zur  Thür  hinaus,  legt 
sich  rasch  noch  angekleidet  ins  Bett  und  lässt  den  Haus- 
herrn die  Lichter  auslöschen  und  die  Pforten  sperren. 

Ist  aber  der  Grobianer  als  Gast  geladen,  dann  soll  er 
sich  vorerst  bei  dem  Diener  seines  Wirthes  nach  dem 


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40 


11.  CAl'ITKti 


Speisezettel  erkundigen  und,  wenn  sich  der  Besuch  lohnt, 
bei  Tafel  ohne  Rücksicht  auf  den  Gastgeber  und  die  Tisch- 
genossen nur  auf  seinen  Vortheil  bedacht  sein.  Er  soll  erst 
in  später  Stunde  heimgehen,  auf  der  Strasse  Lärm  schlagen 
und  sich  in  jeder  Beziehung  ungebührlich  betragen.  Zu 
Hause  soll  er  seiner  keifenden  Frau  mit  Prügeln  antworten 
und  dem  Gesinde  durch  Verunreinigung  der  Stube  noch 
böse  Arbeit  machen.  Als  Wirth  behandle  er  seine  Gäste 
möglichst  schlecht,  damit  sie  nicht  wiederkommen.  Eine 
Fülle  grobianischer  Exempel,  den  Schülern  zum  Vorbild 
erzählt,  beschliesst  den  zweiten  Theil. 

Durch  diese  wirksame  ironische  Lehre  hat  der  Sitten- 
prediger Dedekind  den  bäurischen  Gesellen  des  damaligen 
Deutschlands  einen  Hohlspiegel  vorgehalten,  in  welchem 
sie  sich  in  ihrer  ganzen  Lächerlichkeit  und  Verkommenheit 
abschreckend  dargestellt  sahen.  Und  wurde  auch  der 
Grobianus  in  diesen  Kreisen  vielfach  nur  zur  Belustigung 
gelesen,  so  mag  er  doch  manchen  Verständigeren  aus  dem 
Sumpfe  der  Verrohung  gerettet  haben.  Aber  auch  gesittete 
und  gebildete  Zeitgenossen  Dedekinds  begrüssten  mit  dank- 
barem Beifall  ein  Werk,  das  dem  Umsichgreifen  der  Sitten- 
verwilderung in  bestimmten  Kreisen  einen  dauerhaften 
Damm  entgegensetzen  sollte.  So  war  dem  Grobianus  ein 
rascher,  aber  auch  ein  lang  nachwirkender,  allgemeiner 
Erfolg  beschieden.  In  dem  gleichen  Jahre,  1549,  in  welchem 
er  zu  Frankfurt  a.  M.  erschien,  vervielfältigten  drei  Nach- 
drucker die  gesuchte  Schrift  an  verschiedenen  Orten  in  gleich- 
lautenden Ausgaben1. 

Erwägt  man,  dass  im  XVI.  Jahrhundert  wichtigere 
deutsche  Lehrdichtungen  ins  Lateinische  übersetzt  wurden, 
so  Brants  Narrenschilf  von  Jac.  Locher,  Murners  Schelmen- 

1  Milchsack  in  seinem  Neudruck:  Dedekinds  Grobianus  verdeutscht 
von  Scheidt,  Einleitung  8.  IX  f.  wirft  die  Frage  auf,  ob  die  Frank- 
furter Ausgabe  oder  einer  der  von  ihm  unter  I  A  2.  3.  4.  beschriebenen 
Drucke  die  editio  princeps  sei.  Ich  habe  die  4  Drucke  sorgfaltig  mit- 
einander verglichen  und  aus  den  zahlreichen  orthographischen  und 
grammatikalischen  Fehlern  der  übrigen  Ausgaben  die  Gewissheit 
erlangt,  dass  die  Ausgabe  I  A  1.  (Frankfurt  a.  Main),  welche  immer 
die  richtige  Lesart  zeigt,  thatsächlich  die  editio  princeps  ist. 

- 


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DEDEKISDS  UND  SCHEIDTS  GROBIANUS. 


41 


zuntt  von  Job.  Flittner,  dann  ist  die  weite  Verbreitung  des 
Dedekindschen  Grobianus  trotz  dessen  lateinischer  Fassung 
kein  erstaunliches  Ereignis.  Sollte  aber  diese  Schrift  in 
jene  Kreise  eindringen,  denen  sie  am  meisten  Noth  that,  zu 
dem  groben  Gesind  und  sewischen  volck ,  das  ja  lateinisch 
gar  nicht  verstand  so  war  ihre  Verdeutschung  ein  dringen- 
des Bedürfnis.  In  der  That  meldeten  sich  gleich  nach  dem 
Erscheinen  des  Originals  mehrere  Dichter  zu  dieser  Auf- 
gabe ;  da  sie  aber  durch  mannigfache  Zwischenfälle  daran 
verhindert  wurden,  so  gingen  mehr  als  zwei  Jahre  ins 
Land,  ehe  der  berufenste  Übersetzer  Caspar  Scheidt  seine 
Bescheidenheit,  in  welcher  er  den  Rivalen  nicht  zuvorkommen 
wollte,  ablegte2  und,  Ende  des  Jahres  1551,  seinen  deut- 
schen Grobianus  veröffentlichte3. 

Vor  dieser  Übersetzung  hatte  der  Wormser  Schul- 
meister Caspar  Scheidt4  zwei  Flugblätter  verfasst ,  welche 
der  Trinklitteratur  angehören  und  sich  dem  Inhalt  und 
der  Darstellung  nach  mit  älteren  Schriften  dieser  Art  eng 
berühren.  Sie  erschienen  zu  Worms  in  der  zweiten  Hälfte 
der  vierziger  Jahre.  In  der  ersten  von  beiden:  De  Gene- 
ribus  Ebriosorum  et  Ebrietate  Vitanda*  (I)  stellt  Scheidt 
in  lateinischen  Distichen  mit  starker,  zum  Theil  wörtlicher 
Benutzung  der  gleichnamigen  Erfurter  Scherzrede  die 
Schlemmer  beim  Wein  als  Thiere  dar,  bedauert  die  Trunk- 
sucht, weil  sie  die  deutsche  Nation  entkräfte  und  die  ein- 
zelnen Glieder  des  Körpers  schädige,  und  schildert  im 
Einzelnen  das  Gebahren  des  Berauschten.  Diesen  Distichen, 


>  8oheidts  erste  Vorrede  bei  Mihhsack  9.  6.  f. 
-  Ebenda. 

5  Edirt  von  Milchsack  a.  a.  O.  mit  erschöpfenden  bibliographi- 
schen Nachrichten. 

4  Über  ihn  besonders  Scherer,  Literaturgeschichte  8.  291  f.  ; 
Wackernagel,  Job.  Fischart  von  8trassburg  S.  105  ff.,  110  ff. ;  Wendeler, 
Fischart-Studien  des  Freiherrn  von  Meusebach.  Hallo  1879  S.  140  f. 
u.  a.  Goedeke  2.  455  f.  Scheidts  Neue  Zeitung  vom  Jahre  1549  (Weiler, 
Die  ersten  deutschen  Zeitungen  S.  148,  Nr.  188)  ist,  wie  mir  Prof.  Strauch 
mittheilt,  nicht  wieder  aufzufinden. 

6  Von  Strauch  aufgefunden  und  veröffentlicht,  Vierteljahrschrift 
f.  Literaturgeschichte  1,  64  ff.  Vgl.  besonders  die  Anm.  S.  69. 


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42 


IL  CAP1TEL 


welche  also  De  generibus  ebriosorum  handeln,  folgt  eine 
lateinische  Prosarede,  welche  De  ebrietate  vitanda  christlich- 
religiöse Beweggründe  angibt,  die  auch  sonst  früher  und 
später  häutig  vorgebracht  werden.  Scheidts  zweites  Flug- 
blatt 'Die  volle  Bruderschaft' 1  (11),  von  grösserem  Umfang 
und  in  deutschen  Knittelversen  abgefasst,  benutzt  wieder 
einige  Andeutungen  der  Erfurter  Scherzrede  und  zeigt  eine 
unverkennbare  Abhängigkeit  von  Bocks  'Der  vollen  brüder 
orden'2.  Gleich  der  Titel  zeigt  die  Berührung,  dann  die  Ein- 
gangsverse, in  welchen  die  Schritt  den  Trinkern  als 
Spiegel  vorgehalten  wird3,  ferner  die  Charakterschilderung 
der  einzelnen  Thiere  (beim  Schwein4,  Esel5,  Bär,  Hund6 
mit  wörtlichen  Anklängen) ,  im  Beschluss  die  gleichen  Er- 
wägungen: die  Thiere  sind  vernünftiger  als  die  Menschen, 
die  sich  betrinken7,  die  Heiden  waren  massiger  als  die 
Christen  von  heutzutage8,  und  endlich  der  Hinweis  auf  Gott. 
—  Den  Inhalt  dieses  Scheidtschen  Schriftchens  bildet  haupt- 
sächlich die  Metamorphose  berauschter  Menschen  zu  Thieren. 
Dieses  Motiv  geht  auf  eine  alte  jüdische  Überlieferung 
zurück9.  Als  Noah  den  Wein  pflanzte,  da  düngte  er  die 
Erde  mit  dem  Mist  von  Schafen,  Bären,  Schweinen  und 
Affen.  Darum  hat  der  Wein  auf  jene,  die  von  ihm  be- 
rauscht werden,  eine  vierfache  Wirkung,  der  Eigenart  dieser 
Thiere  entsprechend.  So  lautet  die  Sage,  welche  Rosenblüt 
in  seinem  18.  Weinsegen  10,  Hans  Sachs  in  einem  Spruche11, 
Pauli  in  einem  Schwank 12  und  viele  andere  wiedererzählen. 


1  Zum  ersten  Male  vollständig  abgedruckt  von  Strauch  a.  a.  O. 
8.  71-82. 

*  Strauch  Ö.  90  ff. 

5  Sohoidt  V.  6  daxu  Strauchs  Anm.  8.  7*2. 

*  Ebenda  S.  74  Anm. 

6  S.  75,  Vgl.  dazu  Murners  Narrenbeschwörung  Cap.  72,  V.  11 
6  8trauch  S.  76  ff. 

'  Scheidt  V.  176-181,  Book  V.  21-28,  Strauoh,  S.  96. 

8  Scheidt  V.  181-187,  Bock  V.  17-20  u.  s.  w. 

9  Vgl.  8trauoh  S.  88. 

">  Altdeutsohe  Blätter  1.  S.  412. 
»  Keller  4,  237. 
•*  Österley  162. 


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DEDEK1XDS  Ü2il>  SCHEIDTS  GRüBIAKUB. 


43 


Aber  auch  die  griechische  Sage  von  der  Zauberin  Circe 
trug  zur  Ausbildung  dieses  Motivs  bei.  Wie  diese  Zauberin. 
—  so  führte  man  aus  —  verwandelt  auch  der  Wein  die 
bezechten  Menschen,  je  nach  ihrer  Charakterverschiedenheit 
in  ähnlich  geartete  Thiere,  deren  Zahl  bald  auf  9—12  erhöht 
wurde.  Scheidt  (I  V.  10)  schreibt  der  Ebrietas  Circeas 
artes  zu.  In  den  älteren  Darstellungen  dieser  Thiermeta- 
morphose, in  der  Erfurter  Scherzrede,  in  Obsopöus  Ars  biben- 
di,  in  Schertlins  'Künstlich  trincken  wird  das  üebahren  jedes 
Thieres  nur  mit  kurzen  Strichen  skizzirt.  Bock  in  'Der  vollen 
brüder  orden  vergleicht  in  breiter  Darstellung  die  Eigenart 
verschiedener  Thiere  mit  den  verwandten  Unarten  eines 
Zechers  und  entrollt,  über  den  Vergleich  hinausgehend, 
manches  satirische  Genrebild.  Scheidt  aber  hat  in  seiner 
'Vollen  Brüderschaft5  bei  jedem  Thiere  nur  die  Eigentümlich- 
keiten der  verschiedenen  Zecher  charakterisirt  und  dieses 
Motiv,  die  mannigfaltigen  Wirkungen  des  Rausches  zu 
exemplificiren,  am  klarsten  und  schematisch  gleichförmigsten 
durchgeführt.  Das  Titelbild  zu  diesem  Flugblatt,  eine 
zechende  thierköpfige  Gesellschaft, 1  verwendet  Scheidt  noch 
einmal  für  seine  erste  Grobianusausgabe.  —  Die  beiden 
Schriftchen,  in  welchen  Scheidt  den  wüsten  Zechern  seiner 
Zeit  ihre  thierische  Verkommenheit  auch  in  einem  Spiegel- 
bilde entgegenhielt,  waren  ihm  eine  Vorbereitung  für  die 
mit  der  gleichen  moralisirenden  Tendenz  durchgeführte 
schwierigere  und  umfangreichere  Arbeit  den  lateinischen 
Grobianus  frei  zu  verdeutschen. 

Auch  in  allen  späteren  Schriften  Scheidts  tritt  uns 
derselbe  sittlich  strenge ,  tüchtige  Charakter  entgegen.  Sei 
es  nun  dass  er  in  der  'Lobrede  von  wegen  des  Meyen  die 
Aufmerksamkeit  der  Jugend  von  der  dunstigen  Kneipstube 
und  den  üppigen  Genüssen  des  Herbstes  auf  die  reinen 
Freuden  der  erwachenden  Natur  unter  Gottes  freiem  Himmel 
zu  lenken  sucht2,  sei  es  dass  er  in  der  'Fröhlichen  Heimfahrt* 


i  Straaob  8.  66—68. 

»  Darüber  Näherei  in  meinem  4.  Capitel. 


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44 


II.  CAPITEL. 


einer  eben  verstorbenen  treuen  Gattin  und  liebevollen 
Mutter  ein  poetisches  Denkmal  setzt,  dass  er  die  Lehren 
und  Ereignisse  des  alten  Testamentes  in  Verse  kleidet, 
oder  im  Todtentanz  durch  den  Hinweis  auf  das  rasche 
Schwinden  jeder  irdischen  Pracht  und  Glückseligkeit  zur 
Reue  und  Bekehrung  auffordert.  Er  knüpft  mit  diesen 
Schriften  an  die  verschiedensten  wichtigeren  Litteratur- 
strömungen  des  Jahrhunderts  an,  er  hat  die  humanistische 
Bildung  seiner  Zeit  in  sich  aufgenommen,  kennt  die  clas- 
sischen  Autoren  und  entnimmt  der  antiken  Mythologie 
allegorische  Figuren  und  lehrhafte  Beispiele.  Seinem  Wohn- 
orte nach,  mitten  in  einem  litterarisch  angeregten  Gebiet 
kann  er  auch  leicht  den  Vermittler  zwischen  der  franzö- 
sischen Litteratur  und  dem  kunstsinnigen  Heidelberger  Hofe 
bilden  er  citirt  und  übersetzt  französische  und  italienische 
Verse  und  scheint  seinem  eigenem  Zeugnis  zufolge2 
selbst  in  Frankreich  gewesen  zu  sein.  Dabei  vergisst  ei- 
nteilt der  heimischen  Schöpfungen,  versificirt  die  Satzungen 
der  Wormser  Meistersinger,  kennt  zahlreiche  Volkslieder 
und  jüngere  Darstellungen  der  deutschen  Heldensage,  be- 
herrscht den  Schatz  volkstümlicher  Redensarten  und  Aus- 
drücke, wie  kaum  Einer  vor  ihm,  zeigt  ein  warmes  Gefühl 
für  die  Nation,  für  die  Würde  des  Reiches  ;,  für  ein  tüchtiges 
Bürgerthum  und  die  junge  protestantische  Kirche4.  Alles 
Keime,  die  er  mit  dem  Vorbild  satirischer  Darstellung  in 
das  empfangliche  Herz  seines  begabten  Schülers  und  Vetters 
Johann  Fischart  legte,  wo  sie  zu  reicher  Blüte  gediehen  \ 
Scheidt  wurde  nach  kaum  zwanzigjähriger  segensreicher  litte- 

1  Darüber  Nähere«  in  meinem  4.  Capitel. 

-  Grobianus  V.  4411,  In  Welschland  hab  ich  das  erfarn.  Unter 
Wälsch  versteht  Scheidt  Französisch.  Darüber  mehr  S.  60  und  im 
4.  Cap. 

3  Z.  B.  Die  frolich  Heimfart  B  2. 

♦  Z.  n.  Die  frolich  Heimfart  M  4  f.  P  I.  P  3.  wo  die  Leotüre 
der  Bibel  sehr  anempfohlen,  D3,  wo  Rom  als  ein  Herd  aller  Laster 
bezeichnet  wird. 

•s  Darüber  Näheres  in  meinem  5.  Capitel. 


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DEDEK1KD8  UND  SCHEIDTS  OR0BIANU8. 


45 


rarischer  Wirksamkeit,  wie  uns  Hellbach1  erzählt.  1565 
mit  Weib  und  Kindern  von  der  Pest  dahingerafft. 

Auf  den  ersten  Blättern  seines  Grobianus  wendet  sich 
Scheidt  in  bescheidenen  und  herzlichen  Worten  an  Dede- 
kind,  dem  er  den  Anlass  zu  einer  Verdeutschung  des  be- 
rühmten Originals  auseinandersetzt.  Im  weiteren  Verlaufe 
dieser  anspruchslos  vorgetragenen  Einleitung  wiederholt  er 
—  seltsam  genug  —  den  Inhalt  von  Dedekinds  eigener 
lateinischer  Vorrede  und  führt  besonders  dessen  Begründung 
weiter  aus,  warum  zu  der  ernsten  Ermahnung  ein  humo- 
ristisches Gewand  gewählt  wurde.  Hiefür  verweist  Scheidt 
auf  des  Persius  Satiren,  die  auch  in  ergetzlichen  Schilderungen 
einen  lehrhaften  Zweck  verfolgen  sollten,  und  auf  das  Ovi- 
dische  Nitimnr  in  vetitum.  Darum  will  er  das  Laster,  das 
er  befehdet,  in  unterhaltender  Darstellung  loben,  gleich  den 
Ärzten,  welche  bittere  Pillen  mit  süssem  Gewürz  und  Zucker 
bedeckt  den  Kranken  eingeben.  Von  Dedekind  völlig  un- 
abhängig ist  Scheidts  zweite  Vorrede  an  seine  lieben  unflii- 
thigcn ,  groben  und  unhöflichen  Schüler  und  angenommenen 
Kinder.  Der  Verfasser  tritt  hier  als  Lehrmeister  Grobianus  auf, 
der  seinen  zahlreichen  Jüngern  alle  grobianischen  Regeln 
im  vorliegenden  Büchlein  zu  ewigem  Gedächtnis  zusammen- 
stellt. Dieses  Motiv,  durch  welches  Dedekinds  Andeutungen 
ausgebaut  werden,  erscheint  durch  alle  Theile  der  deutschen 
Übersetzung  folgerichtig  durchgeführt,  in  Zusätzen  und 
Zwischenbemerkungen,  die  immer  wieder  auf  die  Gesetze 
der  Schule,  auf  die  Lehren  des  Meisters  hinweisen.  Durch 
die  Figur  des  Schulmeisters  hat  Scheidt  den  Grobianus, 
der  vorerst  nur  ein  Heiligenname  und  hernach  als  Schwein 
bei  Mumer  und  als  Abt  in  Grobiani  Tischzucht2  nicht 
mehr  als  eine  typische  Bezeichnung  war,  zu  einer  sprechenden 
Person,  zu  einem  lebendigen  Charakter  erhoben  5.  Mit  einem 

«  Vgl.  unten  S.  TS. 

2  Worms  lf>38.  VrI.  ol>on  S.  29  f. 

5  Herford,  Studie«  in  rhe  litorary  relution«  of  En?luni  und  Ger- 
man v  in  tlto  8ixt«enth  wnlury.    CftmlirMso  IBSfi.    S.  8*7. 


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46 


II.  CAWTfcL. 


bei  ähnlichen  Vorreden  üblichen  scherzhaften  Datum  schliesst 
Scheidt:  Geben  zu  Lourdemont 1  den  31.  februarij,  im  jar 
meiner  weisterschufft  on  zal2. 

Mit  dieser  Einleitung  hat  Scheidt  alle  Grobianer  zur 
Schule  gerufen,  sowie  Brant  die  Narren  in  sein  Schiff  ge- 
laden hatte.  Wie  hier  der  Narren,  so  ist  dort  der  Grobianer 
eine  unzählbare  Menge,  und  wie  sich  Brant  zuletzt  selbst  in  die 
Reihen  der  Narren  begibt,  so  tritt  Scheidt  zuletzt  selbst 
in  die  Sippschaft  der  Grobianer8.  So  hat  Brants  Narren- 
schiff, das  weit  über  das  XVI.  Jahrhundert  hinaus  durch 
eine  fortlaufende  Reihe  von  Ausgaben4  die  Aufmerksamkeit 
der  Lehrdichter  wach  erhielt  und  dessen  Redensarten  in  den 
Sprachschatz  der  Nation  übergingen,  auf  die  Einkleidung 
der  Scheidtschen  Parodie  im  Grossen  und  Ganzen,  doch 
auch,  wie  wir  später  sehen  werden,  auf  den  Inhalt  mehrerer 
Erweiterungen,  auf  die  humoristische  Ausdrucksweise  und 
den  Wortlaut  Scheidts  eingewirkt.  Auch  Murner,  dessen 
Schelmenzunft  er  in  einer  Randbemerkung  (S.  1 13)  erwähnt, 
blieb  nicht  ohne  Einfluss,  besonders  auf  den  poetischen  Be- 
schluss,  den  Scheidt  zum  Original  frei  hinzugefügt  hat. 
Hier  erklärt  der  Autor,  dass  er  im  Grobianer-Orden  Pedel  und 
Partner  (V.  4898)  und  auch  bereit  ist  des  Ordens  Schreiber 
zu  werden.  Ganz  ähnlich  beginnt  Murner  die  Scheliuenzunft : 

Die  Schelmenzunft  hat  mich  erweit 
Und  für  eyn  Schreiber  her  ye  stell. 

und  später  eb: 

So  ich  diß  jor  zun ffm eyster  byn. 

So  stell  ich  sy  fdie  Soholrae)  nach  meynen  syn. 

Scheidt  eröffnet  den  Beschluss  V.  4875  ff: 


*  Gebildet  aus  frz.  lourd,  ungeschickt,  dumm,  grob;  lourdaud, 
Tölpel.  Vgl.  Scheidts  Randbemerkung  8.  88  f.  La  belle  contenance  des 
lourdaulx  u.  8.  104.  Imm  frowenzimmer  zu  Lourdemont.  Eine  Art 
Sohlaraffeuland.  Vgl.  Der  volle  Berg  bei  Hans  Sachs  ed.  Keller  5,  339. 

*  Vgl.  hiezu  Grobiani  Tischzuolit,  Vorrede:  Geben  zu  Nasteden 
um  Fassnachttag,  eine  stunde  nach  mittemacht  etc. 

■  Herford  u.  a.  O.  8.  379  ff.  (bei  Scheidt  S.  140,  Randbemerkung 
und  V.  4885  ff. 

*  Bis  WO.  VkI.  Zurnrke  8.  LXXIX. 


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DEDEKtNDS  UKD  SCHEIDTS  GROBUNtTS. 


47 


Wolan  es  ist  zum  theil  gemelt 
Vnform  vnd  grobheit  diser  weit. 

Das  Buch  wird  vielen  nützlich  sein,  weil  jeder  sich  an  den 
geschilderten  Fehlern  erkennen  dürfte.  Dazu  die  Randbemer- 
kung Grobiitnurum  infinitus  est  numerus.  Ebenso  beginnt 
Murner  seine  Schlussrede,  die  er  Entschuldigung  betitelt  (f  5h) 

Ich  wolt  der  weite  tandt  beschriben 
Do  müsl  ich  vff  dem  achlagk  beliben .  . 
So  gatt  es  werl ich  nit  fast  wol 
All  diß  weit  ist  schelmen  fol. 

Weitere  Beziehungen:  Scheidt  versichert  (V.  4905—4925), 
er  habe  durch  seine  Schrift  niemand  beleidigen,  sondern 
nur  jedermann  nützen  wollen. 

Ob  mir  schon  einer  drumb  wolt  fluchen 
So  werd  ich  jn  im  Zedel  suchen. 

Denn  nur  getroffene  Hunde  schreien.    Wer  sich  also 
einer  Schuld  bewusst  ist,  thäte  besser  daran  zu  schweigen. 
Ahnlich  Murner  5b:  Treff  ich  Einen 

Dass  er  mit  fluchen  wider  redt 
So  wisst  ich  da 88  ich  troffen  hett. 
Dorum  wer  weissheit  brachen  wil 
Der  selbig  schweig  nur  luter  Stil  — 

dann  lasse  ich  ihn  in  Frieden,  will  er  aber  zornig  schnurren 
und  gegen  meine  Zunft  murren,  so  muss  er  sich  stellen  Ion  von 
myr  in  disse  zunfft.  Gegen  Schluss  erklären  beide  Dichter, 
dass  sie  zu  Gottes  Ehre  diese  Lehren  verfasst  haben,  und 
nennen  ihre  Namen. 

In  der  ersten  Einleitung  und  im  Beschlüsse  nimmt 
Scheidt  die  Maske  der  Parodie  ab  und  zeigt  seinen  Lands- 
leuten sein  wirkliches  bekümmertes,  ernstes  Antlitz. 

Scheidt  übersetzt  Dedekinds  Grobianus,  Capitel  für 
Capitel  dem  Inhalt  des  Originales  getreu  folgend.  Er 
lässt  nichts  weg,  vermehrt  aber  das  Werk  um  das  Doppelte 
und  verändert  wesentlich  die  äussere  Form.  Die  Art 
seiner  Bearbeitung  charakterisirt  er  selbst  in  der  Vorrede 
(S.  7)  mit  den  Worten:  Nehmt  mir's  nicht  übel,  so  ich 
etwan  vom  Text  geschteeifft^  vnd  wie  sichs  bißweilen  auff 
Teutsche  art  vnd  sprach  geschickt,  wie  mirs  zugefallen,  hinzu 


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48 


IT.  CAPITEL. 


gethon,  vnd  mit  ein  gemischet,  vnd  wie  die  Musici  nff'termals 
vnder  die  fürgeschribne  notten  jre  läuflin  machen,  vnd  das 
gesang  coler  leren,  doch  altveg  wider  in  schlag  komen  .  .  ich 
habe  nichts  abgehrochen  oder  genomen,  sondern  mit  mancher- 
lei/ Scholien  gespickt  und  gesaltzen.  Die  Composition  des  Ori- 
ginals hat  Scheidt  allerdings  nicht  verbessert ],  weil  er  an  der 
Reihenfolge  des  Erzählten  gar  nichts  ändert.  Sein  Verdienst 
liegt  im  Vortrag.  Grobianus  musste  deutsch  reden.  Durchweg 
hat  er  den  richtigen  Ton  angeschlagen,  das  Schema  der  Dede- 
kindschen  Parodie  vertieft  und  so  deren  Wirkung  verstärkt. 
Er  hat  die  Form  dem  grobianischen  Wesen  des  Werkes  ange- 
glichen durch  eine  anschauliche,  drastische  Ausdrucksweise, 
durch  eine  Fülle  derber  Redensarten  und  köstlicher  Witze, 
die  mit  den  inhaltreichen  Randbemerkungen  eine  Fundgrube 
des  deutschen  Humors  im  XVI.  Jahrhundert  und  eine  wichtige 
Stufe  der  Vorbereitung  zu  Fischart  bilden.  So  hat  Scheidt 
den  Grobianus  durch  seine  Überarbeitung  nicht  nur  zu 
einem  interessanten  und  volkstümlichen,  sondern  erst  zu 
einem  wirklich  deutschen  Werke  umgestaltet. 

Erste  Gruppe  der  Zusätze  und  Abände- 
rungen. Dedekinds  Schema  der  Parodie  wird 
von  Scheidt  entschiedener  durchgeführt  und  vor 
allem  mit  solchen  Zusätzen  vermehrt,  welche  die  besonderen 
Lehren  des  Schulmeisters  für  den  Schüler  und  An- 
gehörigen des  Gr  o  bianer ordens  enthalten.  Der 
Corpsgeist  der  unhöflichen  Schlemmerzunft  tritt  kräftiger 
zu  Tage. 

Dieser  Standpunct  erscheint  schon  im  kleinen  Grobianus 
vom  Jahre  1538,  wo  gegen  das  gesittete  Betragen  die  gegen- 
teiligen Vorschriften  des  Säuordens  ins  Feld  geführt 
wurden.    Aber  auch  der  einfache  Grundriss  zu  einem  be- 

1  Scherers  Urtheil  a.  a.  0.  8.  291  Scheidt  wusste  die  Unflätereien 
zu  vermehren,  ohne  die  Composition  und  den  Vortrag  zu  verbessern' 
wird  den  Verdiensten  des  Bearbeiters  entschieden  zu  wenig  gerecht. 
Milchsacks  Bemerkung,  Einl.  S.  VIII  f.,  Scheidt  wäre  zu  solcher  Eile 
genöthigt  worden,  das»  er  in  einem  Schlussenpitel  (II,  8)  vorher  Über- 
sehenes nachholen  musste,  ist  ein  Irrthum,  denn  die  betreffenden  Verse 
42*25— 4228,  worin  dieser  Orund  nngegoben  wird,  sind  einfach  dem 
Original  entnommen. 


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DEDEKINÜS  UNI)  SCHEIDTS  GROBI ANUS. 


49 


stimmten  Schema  der  Parodie  wird  allmählich  sichtbar. 
Die  Thesmophagia  schildert  ausführlich  grobes  Benehmen  und 
fügt  hinzu:  thue  es  nicht.  Der  umgekehrte  Cato  schildert 
dasselbe,  aber  fordert  zur  Nachfolge  auf.  Der  kleine  Gro- 
bianus  zeigt  schon  ein  Schema  von  vier  Theilen :  a)  Kurze 
einleitende  Aufforderung,  b)  Schilderung  des  grobianischen 
Streiches,  c)  Egoistische  Begründung  oder  schlaue  Ausrede, 
d)  Erwähnung  der  beiwohnenden  Personen,  die  unter  dem 
Streiche  leiden  oder  sich  über  diesen  freuen.  Bei  Dedekind 
und  noch  mehr  bei  Scheidt  werden  diese  Ansätze  compli- 
cirter,  ja  kunstvoll  weiter  gegliedert  und  die  einzelnen  Unter- 
abtheilungen werden  in  der  mannigfaltigsten  Weise  ausge- 
führt. 

a)  Die  ein  leitende  Ermahnung  ist  bei  Dedekind- 
Scheidt  entweder  ein  kurzes  Befehlswort  :  fac,  Druwb  hör 
V.  228  oder  eine  längere  Belehrung  mit  dem  Hinweis  auf  die 
Tischzucht  und  Sitte  der  Grobianer  Zusätze  dieser  Art 
fugt  nun  Scheidt  in  grosser  Zahl  dem  Originale  bei,  er 
fordert  immer  von  neuem  zu  möglichster  Ungezogenheit 
auf  und  wendet  sich  ausdrücklich  an  seine  Kinder  oder 
Schüler,  denen  er  die  Regeln  und  Gesetze  seiner  Schule 
oder  seines  Ordens  vortragt2.  Hiebei  bringt  er  so  häufig  als 
möglich  die  Bezeichnung  grob  und  Zusammensetzungen  mit 
diesem  Ausdruck  an :  Ihr  groben  Kinder  schämt  euch  keines 
groben  Schwanks;  das  ziemt  eurer  Grobitet ;  Drumb  lieber 
mein  Grobharde*  glaub  V.  2678;  Grobhaus  V.  3032;  so  will's 
der  Grobianer  Zunft4.  Mehrere  dieser  Ermahnungen  eröffnet 
Scheidt  mit  dem  Befehlswort  lüg  oder  brauch  dich,  etwa: 
So  lüg  bey  Zeiten  V.  3194  (ähnlich  V.  3681,  4605  u.  a.) ,  Vud 
brauch  dich  sehr  V.  1080,   Ein  jung  man  sol  Ja  brauchen 


i  Z.  B.  V.  2851  für  Valde  urbanus  eris  si. 
»  V.  3036  f.  445,  625,  354,  274,  888,  978. 

3  Zu  dieser  Bildung  vergleiche  man:  Seuhanl  (kl.  Grobianus), 
Schweinhart  (Fischart),  Nithart,  Narrenschiff  Cup.  53  c. 

♦  V.  171,  585,  1068,  1340,  1759,  2707,  3507  u.  s.  w.    Bei  Dede- 
kind hiefür  meist  nur:  nimplicitas. 

QF.  LXVI.  4 


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50 


II.  CAPITEL. 


sich  V.  1049;  Wendungen,  die  auch  Brant  in  ermahnenden 
Sätzen  häufig  bietet1. 

b)  Die  grobianischen  Streiche,  die  dem  Schüler 
als  nachahmen8werthes  Vorbild  erzählt  werden,  sind  am 
breitesten  ausgeführt  und  bilden  natürlich  den  eigentlichen 
Inhalt  des  Werkes2. 

c)  Egoistische  oder  sc  he  rzhafte  Begründung 
des  groben  Streichs.  Allerdings  bringt  hier  Dedekind  keine 
geistreichen  philosophischen  Motivirungen  vor3,  aber  die 
mannigfaltigsten  schlauen  Ausreden  und  dummdreisten  Ent- 
schuldigungen. Begeh  den  Streich,  so  lehrt  er  seinen  Schüler, 
weil  er  dir  reichen  Vortheil  bringt  und  weil  das  Gegentheil 
oder  die  Unterlassung  schädliche  Folgen  nach  sich  ziehen 
würde;  begeh  ihn,  weil  er  unserer  Ansicht  nach  sehr  schön 
ist  oder  weil  ihn  eben  die  Situation  erheischt. 

Die  grösste  Rücksicht  wird  hiebei  natürlich  dem  kör- 
perlichen Wohlbefinden  gezollt:  Lange  nach  den  besten 
Speisen ,  iss  reichlich ,  trink'  in  grossen  Zügen ,  halte  mit 
der  nöthigen  Entleerung  deines  Körpers  nirgends  und  nie 
zurück,  dann  wirst  du  gesund  bleiben.  Diese  Begründung 
leuchtet  ein;  doch  auch  für  ganz  zwecklose  und  verwerf- 
liche Situationen  und  Streiche  zieht  der  erfindsame  Meister 
irgend  einen  Vortheil  bei  den  Haaren  herbei.  Welch  ein- 
schmeichelnde Farben  wählt  er,  um  die  angenehmen  Seiten 
des  Gefängnisses  zu  schildern,  das  den  Sträfling  vor  der 
Verfolgung  der  Feinde,  vor  Hegen  und  Sonnenhitze,  vor 
Reif  und  Schnee  behütet4.  Vor  allem  betont  er  die  Be- 
rechtigung der  Unhöflichkeit ,  zeigt  an  vielen  Beispielen, 
welche  nutzung  sie  groben  Gesellen  gebracht  hat5,  und 
rühmt  es  als  schönen  bossen,  etwa  das  Kleid  des  Nachbars 
aus  Ungeschicklichkeit  zu  begiessen  und  Ähnliches  mehr6. 

1  Thesmophagia  V.  212,  Lug  oiich  wenn  du  dich  setzen  W//, 
ähnlich  V.  653,  Cato  V.  440,  Narrenschiff  110*  V.  87;  —  Narronachiff 
38  V.  26,  wer  eigens  kopfs  sich  brachen  will,  der  soll  usw. 

-  Mehr  darüber  bei  Besprechung  der  zweiten  Gruppe  S.  53  ff. 

*  Scherer,  A.  Biographie. 

♦  V.  3891  ff.  ähnlich  V.  301  ff.  1050  ff. 
5  V.  2529,  4540  ff. 

«  V.  1622,  ähnlich  V.  243. 


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DEDEK1NDB  UND  SCHEIDTS  OROBUMIS. 


51 


Auch  Zusätze  dieser  Art  hat  Scheidt  über  Dedekind 
hinaus  in  grosser  Zahl.  Er  fügt  zu  den  angeführten  Be- 
gründungen noch  neue  hinzu1,  vertheidigt  und  beschönigt 
Handlungen,  die  jener  nur  erwähnt 2,  und  hilft  der  mangel- 
haften Beweiskraft  seiner  Entschuldigungen  mit  Redens- 
arten und  Sprichwörtern  auf  die  Beine.  Er  räth  seinem 
Schüler  träge  zu  bedienen  denn  Von  eylen  kam  doch  nie 
kein  gut  V.  1687,  frech  an  die  Mädchen  heranzutreten 
denn  Kein  zager  bült  kein  schönes  weih  V.  1078,  und  lehrt 
ihn  die  unverschämtesten  Bemerkungen :  Erzähle  neue  Zei- 
tungen, die  du  erfunden  hast  denn  Wir  schreiben  doch  kein 
Chronick  nit  V.  979,  zerschlage  den  Ofen  denn  der  Hafner 
kann  jn  schöner  machen*  V.  3802. 

d)  Verhältnis  zur  Umgebung,  zu  den  Tisch- 
nachbarn und  Hausgenossen.  Dedekind  stellt  die  ironische 
Behauptung  auf,  dass  die  unflätigsten  Scherze  und  das 
albernste  Gebahren  allgemeinen  Beifall  und  grosse  Freude 
hervorrufen4.  Wenn  du  dich  ungebührlich  benimmst,  so 
versichert  er  immer  von  neuem,  dann  lacht  Alles  über  deinen 
Witz,  rühmt  den  guten  Schwank  und  bewundert  deine  Kühn- 
heit. Man  hält  dich  für  einen  Hauptmann,  wenn  du  mit 
den  Händen  herumfuchtelst,  für  einen  Weisen,  wenn  du 
dich  in  die  buntesten  Farben  kleidest,  hingegen  für  einen 
albernen  Tropf,  wenn  du  anständig  und  bescheiden  auftrittst"'. 
Protestirt  aber  einer  der  Betroffenen  gegen  dein  Vorgehen, 
so  versetze  ihm  eine  gepfefferte  Antwort6.  Scheidt,  der 
eine  Menge  ähnlicher  Sätze  zum  Original  hinzufügt,  ge- 
braucht hier  meist  die  Anrede  'Landsmann'  oder  'Gesell'. 
Z.  B.  V.  665  Sprich,  auf  lantzmann  setz  dich  hiehar,  Geh  aus 
meim  ort,  dann  ich  gh6r  dar. 7  Ähnlich  V.  3150,  525  f.  u.  a. 


*  V.  3902  ff.  V.  369  ff. 

*  V.  692,  852  f.  2370  f  3876  f.  3987  f. 

»  Aua»erdem  vgl.  V.  1489,  2633  f.  2950,  3884  f. 

♦  V.  2762  f.  1625  f.  1639. 

»  V.  476,  V.  4662,  V.  280. 

•  V.  689  f. 

'  Vgl.  dazu  in  der  gleichen  Situation  Braut«  Narrenschiff.  110* 
V.  21  f.  ho!  uolnf  yiit  frilnil  xitz  abhar  dol 

4* 


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II.  CAPITEL. 


e)  Beispiele, Aussprüche  von  Gewährsmännern. 
Zur  Vertheidigung  des  grobianischen  Streiches  weist  Dede- 
kind  auf  berühmte  Muster  hin,  führt  Beispiele  aus  der  Ge- 
schichte  und  bekannten  Schriften  an,  Gutachten  der  Arzte, 
die  Ähnliches  gestatten1,  oder  stellt  mit  einer  Steigerung 
der  Ironie  Thiere  als  Vorbilder  auf.  Er  citirt  Catos  Lehren, 
wo  sie  ihm  in  den  Kram  passen2,  und  weiss  von  Asop, 
Antonius  und  Eulenspiegel  nachahmenswerthe  derbe  Stück- 
lein zu  erzählen  3.  Die  fernliegendsten  Ereignisse  zieht  er 
zum  Vergleich  heran,  z.  B. :  Befiehlt  dir  ein  Gast  einen  Dienst, 
dann  mach'  als  hörtest  du  s  nicht,  Dessgleichen  auch  Ulysses 
thet,  Do  er  Syrenen  gfunden  het  V.  2193  f.4.  Blecke  die  Zähne 
wie  ein  Hund,  leg'  die  Stirn  in  Falten  wie  ein  Stier.  Folge 
jenen  Fritzen,  den  allzeit  jre  ermel  glitzen  usw.5  Uhige- 
kehrt  werden  zu  dem  Rath,  eine  oder  die  andere  Höf- 
lichkeit zu  unterlassen,  Individuen  genannt,  denen  man's 
nicht  nachmachen  soll.  Z.  B.  Du  brauchst  dich  nicht  zu 
schämen,  denn  Dieb  und  lecker  scheinen  sich  (V.  275).  Scheidt 
fügt  noch  viele  Beispiele  und  Vergleiche  von  grösserem  Um- 
fang hinzu. 

f)  Ein  Theil  des  Schemas ,  den  eigentlich  nur  Scheidt 
ausgebildet  hat.  Ähnlich  wie  in  a,  als  Einleitung  zu 
dem  erzählten  Schwank,  rühmt  hier  zum  Beschlüsse  der 
Meister  den  Schüler  wegen  seines  unflätigen  Benehmens, 
preist  seine  That  als  Meisterstück,  das  den  Gesetzen  des 
Ordens  entspricht  und  den  echten  Grobianer  ehrt.  Bei  den 
unappetitlichsten  Handlungen  ruft  Scheidt  aus:  Das  ist 
ein  sonder  adlich  stück,  damit  bekuntpstu  gunst  vnd  glück  V. 
889f.  Oder:  Das  ist  ein  guter  Tafelschwank,  das  hat  Fug; 
das  zeigt  dich  als  einen  Mann,  der  die  Kunst  der  Höflich- 
keit versteht;  kein  Doctor  kann  dir  besser  rathen".  Natürlich 


i  V.  1010  ff. 

*  V.  673,  2379. 

3  4114  ff.  1000  ff.  919  f. 

*  Vgl.  dazu  Narrenacbiff  36,  V.  31.  Das  brutto  Wistes  uf  dem 
do  er  sach  der  Sirenen  her. 

»  V.  300,  211,  255  ff. 
'  V.  672,  1019  usw. 


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DEDEKIÄD8  UND  SCHEIDTS  GROBIANUS 


53 


gefällt  solch  eine  That  am  besten  dem  Meister  selbst  und 
der  Grobianerzunft.  V.  2768  So  hob  ich  gross  gefallen 
drab,  V.  3072  So  wiirstu  vnsern  orden  zieren1.  Und  sehr 
häufig  entfährt  dem  Verfasser  das  anerkennende  Urtheil. 
Das  ist  ein  rechter  Grobian;  Der  ist  von  Grobianer  gschlecht. 
Das  ist  der  Grobianer  bscheid,  oder  er  spornt  den  Schüler 
zum  Eigenlob  an  V.  677  Vnd  rhüm  die  that  mit  grossen 
freiden;  V.  4744  Vnd  sag  du  habst  tcol  auss  gericht. 

Nattirlich  ist  nicht  jede  einzelne  Belehrung  so  abge- 
rundet, dass  alle  Glieder  des  Schemas  von  a  —  f  in  ihr  ver- 
treten sind;  häufig  fehlt  das  eine  oder  das  andere  Glied, 
manche  sind  länger  ausgeführt,  andere  nur  angedeutet, 
mehrere  treten  in  einer  Gruppe  doppelt  und  dreifach  auf, 
oder  in  etlichen  von  einander  getrennten  Theilen,  bei  Scheidt 
immer  reichlicher  gegliedert  als  bei  Dedekind2. 

Zweite  Gruppe  der  Zusätze  und  Abände- 
rungen. Getreu  dem  bereits  erwähnten  Grundsatze,  die 
an  ssere  Form  dem  Inhalt  des  Werkes  anzupassen 
ist  Scheidt  bemüht,  durch  realistische  Schilderungen,  durch 
launige  Einfälle  den  humoristischen  Grundton  der  Quelle  zu 
heben,  die  Ausdrucksweise  bis  in's  Einzelste  mannigfaltig 
zu  beleben,  volksthümlicher  und  derber  zu  gestalten. 

Kurze  Bilder  und  Vergleiche  fehlen  nicht  in 
Scheidts  Zusätzen,  aber  sie  sind  dem  Inhalt  entsprechend 
meist  drastischer  Natur.  Das  Thierreich  liefert  willkommene 
Beispiele.  Der  Grobianer  soll  einen  kurzen  Rock  tragen, 
Gleich  wie  ein  Äff  vnd  Bavian  V.  374;  er  soll  darauf  los 
essen,  als  hätte  er  ein  magen  wie  ein  strauss  V.  2896; 
er  soll  im  geeigneten  Augenblicke  brummen  wie  ein  Bär, 
schreien  wie  ein  Ochs,  hüpfen  wie  ein  bleiern  Vöglein,  sich  ge- 


1  Wo  Dedekind  alle  Grobianer  meint,  dort  spricht  8oheidt  seinen 
speziellen  Schüler  an :  ornat  Mos  qui  cultum  simplicitatis  amattt  Soheidt 
V.  232  Das  ziert  dein  nasen  vberaiiß. 

2  Als  Beispiel  nenne  ioh  die  Gruppe  V.  659—680.  Hier  finden 
wir  b  +  c  +  b  (wieder  ein  Theil  des  Streiches)  +  f  (V.  672,  Zusatz 
Scheidts)  +  e  +  b  +  d  (die  beiden  letzteren  V.  676—679  und  Y.  680 
wieder  Zusätze  Soheidts). 


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54 


II.  CAIMTKL. 


bärden  wie  Wölfe  und  wilde  Schweine  *.  Aus  den  Reihen  der 
Mitmenschen  werden  natürlich  nicht  die  besten  Schichten  zum 
Vergleich  herangezogen:  sclielmmschinder  und  faulhenßlin* 
Diebe,  Lotterbuben  und  'Credentzer  2.  Der  Teufel 3  fehlt  nicht 
in  dieser  Gesellschaft.  Auch  leblose  Gegenstände  niederer  Gat- 
tung: faul  wie  Mist,  still  wie  ein  Stein 4.  Nur  der  Renommist, 
der  am  Kneiptische  die  Schönheit  seines  Liebchens  preist, 
bedient  sich  höherer  Vergleiche :  ihre  Augen  brennen  wie 
der  schön  Carfunckel,  ihr  Mund  ist  rot  tvie  ein  rubin,  ihre 
Stirn  wie  Elfenbein  und  weisser  Marmor,  ihre  Wangen  Ge- 
temperiert wie  milch  vnd  blüt  (V.  2124 — 2142).  Sprich- 
wörter verwerthet  Scheidt  in  reichlichem  Masse5.  Im 
Streit  und  Gezänke  fliegen  volksthümliche  Redensarten  gleich 
Bällen  hin  und  wieder.  Heisst  euch  braten  eine  Wurst;  ich 
wollte  euch  nicht  eine  Schnalle  drum  geben;  du  musst 
einen  andern  Löffel  suchen;  ich  will  dir  auf  die  Hochzeit 
kommen,  dir  eine  alte  Sau  in  den  Bart  werfen  und  einen 
Fuchsschwanz  streichen6.  Verlogenheit  wird  öfter  ange- 
raten: fiders  (leufj)  dass  sich  die  baickcn  biegen  (V.  312. 4610)7. 
Zuweilen  klingt  Scheidts  Ausdrucksweise  an  bekannte  Volks- 
lieder an8.  Die  üblichsten  Flüche  und  Betheuerungen  des 
XVI.  Jahrhunderts  finden  wir  auch  hier. :  Z.  B.  botz  verden 
blut,  V.  1742;  botz  Frantzosen  willen  V.  1723;  Sant  Veitin 
V.  2794;  0  guckule*  2414;  infs  ritten  namen  V.  1556;  dass 
euch  der  jarrit  schütt  V.  71  w.  Ebenso  häufig  sind  Schimpf- 
wörter wie  voller  flegel,  suppenwüst,  Weinschlauch,  Unflat  usw. 


*  V.  425,  2323,  8995  u.  a. 

*  V.  626,  1686,  2112,  3425. 

*  V.  4692. 

*  V.  947  u.  a. 

*  Vgl.  oben  8.  51. 

*  V.  3080,  1803,  8143,  4297,  4634,  1367,  3829. 

1  Diese  Wendung  sehr  häufig  bei  Murner,  Wickrum  u.  Fischart; 
ausserdem  vgl.  Müller-Fraurouth,  Die  deutschen  Lügendichtungen  8.  29 
und  S.  111. 

8  V.  2161,  3690  f.  4217  f.  Vgl.  Uhland,  Volkslieder  8.  55  u.  450. 

9  her  Cucule,  Narrenschiff  65  V.  21. 

10  Ausserdem  V.  1546,  2798  usw.  ebenso  bei  Murner,  H.  Saohs, 
Fischart  usw, 


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DEDEKIND8  UND  SCHEIDTS  OROBIAKÜ8.  55 


Die  gewöhnlichste  Art  der  Erweiterungen  des  Übersetzers 
bilden  die  Zusätze  sinnlich  bezeichnender  Natur,  welche 
den  eigentlichen  Inhalt  weder  abändern  noch  vermehren, 
die  aber  durch  eine  genauere  Darstellung,  durch  einen 
bestimmten  Hinweis  die  gegebene  Situation  heller  beleuchten. 
Zuweilen  sucht  Scheidt  nur  durch  einen  kurzen  Satz  die 
Art  und  Weise  der  angeführten  Dinge  näher  zu  bezeichnen l. 
Häufig  aber  malt  er  die  von  Dedekind  angedeutete  Hand- 
lung mit  Interesse  und  Behagen  aus,  steigert  und  überbietet 
die  rohen  Spässe  durch  neue  Unflätigkeiten,  setzt  besonders 
die  unsaubersten  Scenen  der  Quelle  mit  einem  gewissen 
Vergnügen  fort  und  scheut  nicht  eine  ekelerregende 
Detailmalerei2.  Lange  Schilderungen  drehen  sich  um  die 
Bedürfnisse  und  Beschwerden  des  Magens,  um  die  Leiden 
einer  durstigen  Kehle,  um  die  Ausflüsse  von  Nase  und 
Mund3.  Seine  Meisterschaft  in  der  anschaulichen,  oft 
dramatisch  belebten  Darstellung  erweist  Scheidt  durch 
zahlreiche  grössere  Erweiterungen,  in  denen  er  das  Treiben 
der  Bezechten,  die  verschiedensten  Grade  des  Wortwechsels 
und  Streites,  Wirtshausscenen  aller  Art,  das  gierige  Essen 
der  Grobianer,  das  gegen  jede  Tischzucht  verstösst,  Namen 
und  Gattung  der  aufgetragenen  Speisen,  erregte  Gespräche 
zwischen  Herr  und  Diener,  den  Verkehr  mit  Mädchen, 
die  Pflege  des  Haupthaars  und  seiner  Bewohner,  das  Aus- 
ziehen und  Schlafengehen  usw.  mit  einem  nie  versiegen- 
den Vorrath  der  drolligsten  Einfalle  schildert4. 

Wo  Dedekind  eine  Thatsache  in  einfachen  Worten  trocken 
berichtet,  da  wählt  Scheidt  eine  drastische  Ausdrucksweise 
und  volksthümliche  Redewendungen:  z.  B.  te  pugnacem  esse 


*  Z.  B.  V.  3214,  3292,  4015,  4029,  4742  u.  a. 

•  V.  964—969,  1033—1039,  4198  f.  u.  a. 
5  V.  252—254,  939  f.  u.  s.  w. 

♦  V.  1862-1865,  2079-2082,  2043  f.,  1652—55,  1658  f.,  1908—18, 
1921—23, 1298-1319,  670-672,  675-677,  3137—43,  523—529,  824-856, 
871—876,  2790  -2804,  1530—1533,  1086—1091,  1110 — 1114,  1280-1200, 
2365—68.  Als  Beispiele  ergetzlicher  Einfälle  dienen  V.  149  f.  2280, 
2694—2704.  Auch  philosophische  and  roedioinisohe  Fragen  erörtert  ßoheidt 
in  witzigen  Zusätzen  V.  2468  ff.,  3324  f.  3229-3232. 


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56 

- 


II.  CAPITEL 


V.  474  f.  Dann  stell  die  hend  in  beide  seilten,  als  wölstu  jrer 
vier  bestreitten ;  coenantes  V.  1651  Vnd  lüg  wie  jn  die  meuler 
gehn;  nec  reliquis  purum  te  magis  esse  reor  V.  333  Du 
darffst  dich  nit  so  mausig  machen1;  und  verwandelt  die 
meisten  indirecten  Reden  des  Originals  in  directe,  ja  er 
gibt  dort,  wo  Dedekind  einen  Befehl,  eine  Ansprache  nur 
erwähnt,  den  ausführlichen  Wortlaut  des  Befehls  usw. 
Z.  B.  Sin  fueris  jussus  V.  590  Spricht  man  zu  dir,  hebs  auff 
du  laur;  pelle  loco  socium  V.  665  f.  Sprich,  auff  lantzmann, 
setz  dich  hiehar,  Geh  auss  meim  ort,  dann  ich  ghör  dar2.  Bis 
ins  Einzelste  lässt  sich  Scheidts  Bemühen  nach  dieser  Rich- 
tung verfolgen ;  er  versieht  die  Substantive  mit  bezeichnen- 
den Attributen :  für  calceus  V.  683  grobe  paurenschüch.  ebenso 
die  schuartzen  ktiie  V.  145,  der  adlich  arm  V.  1118;  er 
fügt  zu  den  grobianischen  Streichen  adverbiale  Bestim- 
mungen: mit  Schall,  mit  Lust,  behend,  fein  heimlich,  bei 
guter  Zeit  usw.;  setzt  statt  des  allgemeinen  Gattungs- 
wortes oder  eines  Pronomens  einen  besondern  Ausdruck  :  für 
escam  V.  2827  das  kraut;  für  cibus  V.  3068  braten  hün;  tua 
facta  V.  327  solcher  zott;  cuique  V.  3758  Manch  schlücter; 
multi  V.  1516  viel  freyer  knöpff ;  Semper  V.  700  in>  allen 
zechen;  auch  ein  derberes  Wort:  für  os  V.  238  gfress;  bara- 
thri  fauces  V.  295  die  wüst  spelunck;  uxori  V.  4027  dem 
bösen  suppenwüst  usw.  Auch  die  mythologischen  Tropen 
und  fremdwörtlichen  Ausdrücke  vermeidet  Scheidt:  für  Plutus 
V.  42 1 7  nach  grossen  güt ;  Mavortius  miles  V.  2153  Hauptmann ; 
Bacchum  et  Cerealia  V.  1849  wein  vnd  hier;  Lucifer  Ocea- 
num  surgens  cum  liquerit  almus  V.  4202  Biss  dass  die 
morgenröt  her  geh;  Tullius  Ausonia  Consul  in  urbe  V.  433  f. 
Burgermeister  zu  Rom;  Sithonias  niues  V.  2743  weiss  wie 
der  schnee;  ne  longius  ipsa  Iliade  V.  2455  f.  (Schreibe  ich 
mehr,  so  wird  mein  Buch)  schwerer  dann  ein  Bibel. 

Wie  für  die  Belebung  des  Vortrags,  so  sorgt  Scheidt 
gleichzeitig  für  eine  reichere  syntaktische  Gliederung  im 


1  V.  472  f.  für  gestus;  1544  f.  für  hunc  codas  looum  usw. 
a  V.  2028  -  31  für  Conuiuasqoe  suos  iussit  abire  doraum;  V.2546 
—48  für:  mox  plena  mero  pocula  posce  uaw. 


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DEDEK1NDS  UND  SCHEIDTS  GliOBIANUS. 


57 


einfachen  Satze  und  im  Satzgefüge.  Der  sprachliche  Aus- 
druck wird  lebendiger,  mannigfaltiger. 

Hieher  gehören  die  zahlreichen,  im  XVI.  Jahrhundert 
allgemein  beliebten,  gepaarten  Ausdrücke  statt  des  ein- 
fachen im  Original.  Wie  etwa  für  gemmas  V.  225  edel 
gsiein  vnd  perlin  güt;  für  conuiuis  V.  1614  frembd  gest  vnd 
güte  freund;  res  minor  V.  3087  dergleichen  ding  vnd  kinder- 
spiel;  matula  V.  4195  kachel  oder  kübel.  Scheidts  Absicht 
derbe  Bezeichnungen  zu  häufen  tritt  auch  hier  hervor:  os 
V.  329  das  maul  vnd  seinen  kropff ;  caput  V.  4028  gefrdss 
rnd  lenden  usw.  Auch  bei  Adjectiven  und  Verben  zeigt 
sich  die  Paarung:  für  terenda  V.  3300  zergrümelt  vnd  ver- 
bröckelt  gar;  quam  sis  gracilis  V.  421  Ob  du  seist  mager 
oder  feisst;  abire  V.  142  Der  geh  hinauss  vnd  jrr  mich  nicht; 
reuocaverit  V.  556  der  bell  vnd  grumm  dir  jmmerzü.  Auch 
drei-  und  mehrgliedrige  Ausdrücke  statt  des  einen  sind 
nicht  selten:  z.  B.  de  choreis  V.  3239  Von  tantzen  freudeti- 
spiel  vnd  springen;  tibi  V.  4234  deinem  alter,  stand  vnd  wesen; 
pro  regibus  V.  2278  Von  Keiser,  König,  Fürsten  Herren; 
tantos  clamores  V.  3852  Da  plerr,  rumor,  sing,  jauchts  vnd 
schrey ;  excellens  corpus  V.  1047  jungen,  graden,  stoltzen 
leib;  ignavos  V.  1437  zaghafft,  faul,  vngschickt;  varias  V.  4659 
geel,  grün,  blaw  vnd  rot;  referent  V.  2427  auffghaben,  hin- 
gstellt, auffgeraumpt  usw.  Zu  ganzen  Sätzen  dehnt  sich 
die  Zweigliedrigkeit  der  Bezeichnung  aus  z.  B.  Sobrius 
ut  mensa  surgere  nemo  queat  V.  3151  f.  Vnd  sorg  dass 
keiner  lehr  auf  steh ,  Vnd  nüchtern  von  der  taffei  geh ;  Et 
patulas  nares  hic  novus  intrat  odor  V.  4575  f.  Vnd  wirf, 
der  new  zur  nasen  streichen,  Vnd  müss  der  erst  dem  letzten 
weichen.  In  ähnlicher  Weise  fügt  Scheidt  Sätze  hinzu,  die 
eine  parallele  Ergänzung  oder  die  Erweiterung  des  Bildes 
durch  den  Gegensatz  enthalten :  z.  B.  interitum  V.  1434  f. 
Der  sichs  todts  nicht  erweren  mag,  der  leben  möcht  noch 
manchen  tag;  (Geh  den  breitesten  Weg)  Zusatz  V.  1353 
Zur  tugent  geht  ein  schmaler  steg;  (Ein  alter  Wein  ist 
gut)  V.  1314  f.  Alt  eyer  ich  nit  loben  thüy  Vnd  acht  keins 
alten  gauls  darzü;  (Ist's  kalt,  so  muss  der  Knecht  die 
Thür  schliessen)  V.  1541  Ist's  heiss,  so  müss  er's  öffnen  baldt. 


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58 


II.  CAPITEL. 


Zwecklose  Zusätze,  überflüssige  Wiederholungen;  Füllsel 
des  leichteren  Keimwortes  wegen  sind  bei  Scheidt  nur  wenige 
zu  finden.  Ebenso  selten  lässt  er  ein  schmückendes  Bei- 
wort oder  einen  ganzen  Satz  der  Quelle  weg.  Wenn  es 
geschieht ,  so  trifft  es  einen  oder  den  anderen  einleitenden 
oder  von  einer  Periode  zu  der  zweiten  überleitenden  Satz, 
welcher  der  lateinischen  Rhetorik  mehr  entspricht  als  der 
deutschen.  Und  nur  da,  wo  Scheidt  eine  zu  volltönende 
oder  gelehrt  klingende  Stelle  vermeiden  will,  bedient  er 
sich  einer  knapperen  Ausdrucksweise.  Z.  B.  Cumque  trium- 
phalst iam  de  ratione  fugata,  Mensque  erit  e  solio  praeci- 
pitata  suo  V.  2218  Vnd  die  vernunfft  mn  dannen  fleuyt. 
Oder  für:  Hoc  ubi  dixisti,  nihil  amplius  ille  loquetur,  Verba- 
que  continuo  per  tua  victus  erit  V.  530  Also  ist  jm  cer- 
sto^fft  das  maul. 

Endlich  zeigt  Scheidt  an  zwei  Stellen  V.  784  und  911 
die  gleiche  Ausdrucksweise  Vnd  Schweilers  wider  in  die  phtt 
für  verschiedene  lateinische  Sätze :  patinae  vis  reddere  und 
in  mediam  injice  lancem. 

Dritte  Gruppe.  Umfangreichere  selbständige 
Erweiterungen  und  neu  hinzugefügte  Schwänke. 

Scheidt  erzählt  unabhängig  von  seiner  Quelle  eine 
grosso  Zahl  von  Spässen ,  Thorheiten  und  Unarten  der 
Grobiancr.  Er  gibt  in  detaillirter  Ausführung  an,  welche 
Possen  ein  Grobianer  während  der  Mahlzeit  mit  seinem 
Hunde  treiben  soll wie  er  seinen  Tischnachbam  die  Regeln 
der  Wahrsagekunst  vorführen,  als  Diener  seinen  Herrn  beim 
Wein  betrügen,  als  Wirth  seinen  Gästen  die  Güte  und  Kost- 
barkeit der  aufgetragenen  Speisen  rühmen  soll2. 

Über  die  lächerlichen  und  anstössigen  Kleidertrachton, 
welche  in  das  damalige  Deutschland  aus  fremden  Ländern 
eingedrungen  waren,  äussert  sich  Scheidt  an  mehreren  Stellen 
in  ähnlicher  Weise  wie  Brant,  Geiler  und  andere  Moralisten 
der  Zeit3. 

«  V.  2S64-66,  2*71-2890,  2916-26. 

2  V.  2290-2303,  1493-1509,  4140  -4163. 

'  V.  361-383,  430-435,  1593—97.  Scheidt  schläft  dem  Grobianer 
vor:  einen  langen  nachschleppenden  Mantel,  oder  ein  kurzes  Röcklein, 


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DUDEKINDS  UND  SCHEIDTS  OROBIANUS. 


59 


Im  achten  Capite!  erzählen  Dedekind -.Scheidt  sehr 
hübsch  von  den  renommistischen  Gesprächen  der  Kneipbrüder. 
Scheidt  aber  setzt  hier  viele  neue  und  gelungene  Züge 
hinzu,  sowohl  bei  der  Beschreibung  des  Liebchens  (V.  2133  f. 
2137-  39.  214H— 51)  als  bei  jener  des  Soldatenlebens  (V.  2155 
62)  und  erwähnt  unter  den  Prahlereien  des  Jägers  (V.  2163 
—2172)  jene  bekannte  Lügengeschichto  von  dem  grossen 
Hirsch,  der  mit  einer  Kugel  durch  Kopf,  Ohr  und  Fuss  ge- 
troffen wurde1.  Später  beginnen  etliche  von  fremden 
Ländern  zu  erzählen  (und  Scheidt  gibt  hier  selbständig  die 
Stoffe  dieser  Berichte  an)  V.  2246 — 2267,  von  Menschen 
die  sich  mit  ihren  breiten  Füssen  vor  dem  Regen  schützen 
und  jedem  Thier  entfliehen,  von  anderen  die  mit  ihren  langen 
Ohren  den  ganzen  Leib  bedecken  oder  die  Augen  auf  der 
Brust  haben,  von  Sirenen,  Meerwundern  und  Herzog  Emsts  - 
bewährtem  Schiff, 

Dum  sich  biss  auf  die  hüfft  kaum  streck,  Vnd  dir  tiit  wol  den  hindern 
deck,  ein  möglichst  zerrissenes  Wainms  oder  so  leichte  Bekleidung,  dass 
man  seh  wo  das  f&nlin  hangt,  Wo  dir  der  sturtz  zum  gsess  nauss  brangt. 
Vgl.  Brants  Narrenschiff  Cap.  4,  V.  19  f.  25  f.  Man  trägt  heutzutage 
wildkappen,  menteU  umblouf  dran ;  der  jüdisch  sit  wil  ganz  ufsian  odor 
kurz  schfintlich  und  beschroten  rock,  das  einer  kum  den  nobel  bdöck.  In 
der  Ausgabe  N.  (8trassburg  1494)  an  dorselben  Stelle:  Wie  sy  in  seltzen 
kleidern  walten,  Und  ketschen  ein  teil  vff  der  erde,  (die  Kleider  haben 
einen  Spalt)  man  tnoss  im  sehen  wamsz  vnd  hosen.  Geiler:  Tales 
Testes  8candalosae  oocasionem  malarum  coneupiscentiarum  feminis 
praestantes.  Job.  Pauli :  Du  siclist  ouch  da  die  erlosse  kurtzen  Bock, 
die  nit  allein  den  hindern  nit  decken,  ja  die  lenden  vnd  den  Nabel  nit. 
Weitere  Parallelstellen  in  Zarnckos  Anmerkungen  zum  Narronscliiff 
8.  306  ff. 

1  Die  gleiohe  Oeeohiohte  erzählt  Hans  Sachs,  Der  verlogene 
Edelmann,  ed.  Goedeke  1,  128,  daselbst  weitere  Nachweise;  Egenolfs 
Sprichwörter  etc.    Über  Jägorlügen  Müller-Fraureuth  8.  40  ff. 

-  Hundsköpfe,  Plattfüsse,  Langohren,  Brustaugon ,  der  Kar- 
funkel usw.  werden  erwähnt  in  Isidor,  Gesta  Romanorum ,  Rolands- 
lied, Annolied,  S.  Brandau  usw.,  aber  auch  im  Herzog  Ernst  V.  4667  ff., 
den  ja  8cheidt  auch  anführt.  Als  Scheidts  Quelle  käme  das  in  Prosa 
abgefasste  Volksbuch  vom  Herzog  Ernst  in  Betracht,  bei  Bartsch,  Einl. 
8.  LXXII-LXXVIII  u.  227  -308,  Goedeke  1»  S.  341  f. 


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f)() 


II.  CAPITEL. 


Vnd  wie  Signot  den  Berner 1  trug 
Vnd  wie  Wolf  Dietrich  wurm  erschlug 
Vnd  wies  sanl  Brandon*  vbel  gieng  .  .  . 

An  drei  Stellen  schiebt  Scheidt  ganz  selbständig 
grobianische  Schwanke  ein.  So  V.  3552 — 3565.  Ein  Junrk- 
frawknecht  wollte  in  höflicher  Weise  ein  Licht  reinigen,  doch 
in  seiner  Verwirrung  steckte  er  es  statt  in  die  Sandbüchse 
in  das  Weinglas  der  Braut.  —  Ferner  V.  1445— 1481.  Ein 
junger  Grobianer,  dem  der  Lehrer  das  Alphabet  beizubringen 
suchte,  wollte  trotz  allen  Streichen  und  Ermahnungen  keinen 
Ton  von  sich  geben.  Eines  Tages  sprach  ihm  ein  Bekannter 
zu,  er  möge  doch  wenigstens  a  sagen.  Nein,  antwortete 
der  fleissige  Schüler,  wenn  ich  a  sagte,  müsste  ich  auch  b 
und  c  sagen  und  mit  all  den  übrigen  Buchstaben  viel  Plage 
und  Mühe  haben.  Dazu  die  köstlichen  Randbemerkungen 
Principijs  obsta  und  du  müst  dm  hraten  bey  Zeiten  schmucken. 
—  Endlich  nach  einer  spasshaften  Einleitung  erzählt  Scheidt 
V.  4410—4540  einen  Schwank,  den  er  in  Wälschland3  ver- 
nommen haben  will.  Zwei  Klosterjungen  erhalten  den  Auf- 
trag ein  Ferkel  am  Spiesse  zu  braten,  während  der  Koch 
mit  dem  Prior  und  den  Mönchen  in  der  Kirche  weilt.  Das 
schöne  Aussehen  des  Bratens  verleitet  die  Jungen  nach  und 
nach  die  ganze  Haut  zu  verzehren.    In  der  Angst,  die  sie 


*  Von  dorn  Borner,  dem  Ecke  usw.  ist  in  mehreren  Kneipdarstel- 
lungen die  Rede,  im  Renner  V.  10307  f.,  in  Wittenweilers  Ring  36d  V.  3. 

2  8.  Brandau,  ed.  Schröder,  Erlangen  1871.  Auch  sehr  beliebt 
im  XV.  u.  XVI.  Jhd.  Der  Pfaffo  Amis  zieht  mit  dem  Haupt  des 
h.  Brandau  herum,  bei  Lambel  8.  32  f.  Wickram  in  seiner  Vorrede 
zu  den  Sieben  Hauptlastern  spricht  von  alten  Exempeln,  die  nicht  mehr 
im  Gebrauch  sind,  wie  sant  Brandans  Lügend.   Also  schon  1556. 

*  Damit  dürfte  Frankreich  gemeint  sein.  Vgl.  darüber  mehr 
im  4.  Capitel.  Auf  dem  Holzschnitt  zu  Brants  Narrenschiff,  Cap.  2, 
braten  zwei  Narren  eine  Sau  am  Spiesse.  Ähnliche  Erzählungen, 
in  denen  ein  Freund  oder  die  Frau  während  der  Abwesenheit  des 
eigentlich  Berufenen  das  vorgesetzte  Gericht  verzehren  und  sich  dann 
durch  scherzhafte  Ausreden  zu  retten  suohen,  finden  wir  öfter;  Eulen- 
spiegel Nr.  37  Der  Pfarrer  und  die  rothen  Würste.  Die  Hasen  von 
dem  Vriolsheimer,  unl  der  reiger  (v.  d.  Hagen  Gosamm  tabenteuer  II, 
Nr.  30  u.  31);  Pauli,  Schimpf  u.  Ernst  S.  224  Nr.  364.  (Nachweise  von 
Oosterley  dazu  S.  514). 


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DEDEKINDS  UND  SCHEIDTS  GROBIANUS. 


61 


darüber  befällt,  eilen  sie  in  jene  Capelle,  worin  der  Prior 
um  Abwendung  jeglichen  Unheils  betet  und  flehen  Gott  um 
eine  neue  Schwarte  an.  Unterdessen  verbrennt  das  ganze 
Ferkel,  und  Prior  und  Koch,  die  zurückgekehrt  sind  und 
den  Schaden  entdecken,  gerathen  in  die  grösste  Wuth.  Doch 
nachdem  der  Prior  die  Schuldigen  gefunden  und  ihr  offenes 
Geständnis  entgegengenommen,  verzeiht  er  und  schenkt 
ihnen  die  guten  Reste  des  verunglückten  Bratens.  Daraus 
ersieht  man,  folgert  Scheidt,  dass  aus  einer  einfältigen  That 
dem  Grobianer  nur  Glück  und  Vortheil  erwächst. 

Ausser  diesen  verschiedenartigen  Erweiterungen,  welche 
das  Werk  gegenüber  dem  Original  um  das  Doppelte  ver- 
grössern  (Dedekind  hat  2400,  Scheidt  5000  Verse),  versieht 
Scheidt  die  einzelnen  Capitel  mit  Überschriften,  welche 
kurz  deren  Inhalt  angeben  und  den  ironischen  Ton  beibe- 
halten (z.  B.  1.  Buch  2  Cap.  von  höfligkeit  des  nasen- 
butzens,  niesens,  lachens ,  hüstens ,  vnd  vil  anderem  wohtand 
der  kleider  oder  2.  Buch  das  VIII  vnd  htst  Capitel,  begreift 
einen  gantzen  hauff'en,  lieblicher ,  höflicher  Grobianischer  hoff- 
bösslin,  allen  Grobianern  notwendig),  und  ausserdem  mit  zahl- 
reichen Randbemerkungen.  Diese  sind  nach  der 
litterarischen  Sitte  jener  Zeit  entweder  knappe  Inhaltsan- 
gaben oder  kurze  Ausrufe  zum  Texte;  auch  am  Kande 
ertheilt  der  Verfasser  dem  Schüler  Rathschläge:  Gib  güte 
Exempel  S.  59 ,  Brauch  das  maul  auch  ein  mal  S.  72  ,  Sey 
vnuerschawpt  gnüg  S.  78  usw.  oder  gibt  ihm  Kosenamen, 
wie  Märzenkalb,  Unflat,  Hüpsih  hensslin  S.  22  >,  feiner  gEsel 
S.  96*,  O  ungeschickter  Grobian  S.  81.  Mit  Art  und 
Wesen  der  Grobianer  beschäftigen  sich  die  Randbemerkungen 
überhaupt  sehr  viel:  z.  B.  Grobianer  seind  auch  leuty  sind 
aber  nicht  leut ,  nie  ander  leut  S.  30  usw.8.  Scheidt  ver- 
sichert mehrmals,  dass  ihre  Menge  unzählbar  ist  wie  jene 
der  Narren4,  und  bezeichnet  die  tölpelhaften  Streiche  des 

1  Vgl.  Brants  Nar  ronschiff  26,  V.  55  die  hübschen  /Innseti,  Murner 
mehrmals,  s.  Zarncke  Anm.  8.  345. 

2  Vgl.  Strauch  a.  a.  O.  8.  76.  Anm.  68. 
>  Ähnlich  S.  89,  96  u.  a. 

♦  8.  75,  121,  140. 


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62 


II.  CAPITEL. 


Textes  als  schöne  Tischzucht  und  ausgewähltes  feines  Hof- 
recht l.  Unter  den  fremdsprachigen  Randbemerkungen  sind 
mehrere  französisch  und  italienisch  die  meisten  lateinisch. 
An  zwei  Stellen  hat  Scheidt  Dedekindsche  Verse  an  den 
Rand  geschrieben  S.  44  und  97;  Bibelcitate,  Hinweise  auf 
bekannte  Lieder,  Schwanke  und  Fabeln  sind  sehr  häufig3. 
Im  Übrigen  bieten  die  Randglossen  eine  reiche  Blütenlese 
derber  deutscher  Sprichwörter.  Hie  und  da  scheint  Scheidt 
zu  dem  Erzählten  gereimte  Sprüche  selbst  zu  bilden,  so 
S.  63  Xantippe  noch  vil  töchter  hat  Die  tvolteti  es  uiird  nie- 
mands  satt.  Selten  stehen  die  Randglossen  im  Widerspruch 
zu  dem  Toxte,  wie  etwa  S.  15  im  Texte:  Dann  werden 
dir  alle  Jungfrauen  hold,  am  Rande:  Jede  sagt:  nimm  du 
jn ,  ich  will  jn  nicht,  oder  S.  66  im  Text  wird  die  Schön- 
heit des  Liebchens  gepriesen,  am  Rande:  Sie  hat  die  sieben 
schön,  sie  seind  aber  vmbgewent  4.  Endlich  S.  62  im  Text:  Den 
guten,  gesitteten  Leuten  bring'  ein  schlechtes  Getränk,  denn 
ein  starker  Wein  würde  ihnen  Schaden  bringen,  am  Rande : 
Eine  fatde  entschuldigung. 

So  gehören  die  Randbemerkungen  nicht  nur  zur  humori- 
stischen Einkleidung  der  Parodie,  sie  lassen  auch  an  ein- 
zelnen Stellen  die  moralisirende  Tendenz  des  Werkes  durch- 
schimmern. 

*  3.  84,  96,  103. 

2  8.  59,  83.  S.  70,  110  u.  a. 

*  ö.  46,  117,  71,  103  u.  a. 

*  Vgl.  Keller,  Fastnachtspiele  I,  S.  72  V.  6. 


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III.  CAPITFX. 


NACHGESCHICHTE  DES  GROBIANUS. 

SPÄTERE  AUSGABEN,  BEARBEITUNGEN  UNI)  ÜBERSETZUNGEN. 
NACHWIRKUNG  AUF  SCHRIFTEN  VERWANDTEN  INHALTS. 

Dedekinds  Grobianus  in  seinor  ersten  Gestalt  vom 
Jahre  1549  wurde  in  den  nächsten  zwei  Jahren  noch  ein 
paar  Mal  aufgelegt,  ausserdem  im  Jahre  1612  in  die 
Grutersche  Sammlung  neulateinischer  Dichtungen  Delitiae 
poetarum  germanorum  aufgenommen  und  erlebte  noch  1624 
einen  verspäteten  Nachdruck1.  Im  Übrigen  aber  wurde 
diese  Fassung  völlig  verdrängt  durch  die  neue,  bedeutend 
veränderte  und  vermehrte  Gestalt,  die  Dedekind  selbst  im 
Jahre  1552  seinem  Grobianus  gab.  Diese  in  Leipzig  ver- 
öffentlichte Ausgabe  hat  nunmehr  4600  Verse,  statt  der 
früheren  2400 ;  sie  ist  in  drei  Büchern  abgefasst,  mit  mehreren 
neuen  Capiteln  und  dem  Anhang  Grobiana  versehen.  Ob- 
wohl die  Grobiana  erst  in  der  Ausgabe  des  Jahres  1554  im 
Titel  erscheint  und  dieser  noch  öfter  sich  ändert,  so  bleibt 
doch  der  Text  des  lateinischen  Grobianusinall  den 
zahlreichen  nachfolgenden  Ausgaben2  bis  zum  Jahre  1704 
immer  wörtlich  gleichlautend  mit  der  umgearbeiteten 
zweiten  Fassung  des  Jahres  1552.  Diese  ist  also  für  die 
Nachgeschichte  die  wichtigste  Ausgabe.    Doch  herrschte 


1  Nähere  bibliographische  Mittheilungen  von  Milohgack  a.  a.  O. 
8  XV  f.  Nr.  5—10. 

*  Milchnack,  S.  XVII-XXI,  Nr.  1 1—26. 


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64 


III.  CAPITFX. 


bis  jetzt  über  die  Art  der  Vermehrungen,  die  ihr  Dedekind 
einverleibte,  eine  wesentlich  irrige  Ansicht.  Hellbach  1  er- 
zählt nämlich  in  der  Vorrede  S.  6b  seiner  späteren  Ver- 
deutschung darüber  Folgendes :  Caspar  Scheyd  hat  in 
seinem  Grobianus  die  sack  im  Teutschen  weitleufftiger 
tradiert,  dann  das  Latein  mit  sich  bracht  hat.  Solch  s  wie 
es  für  den  Herren  Dedekwdum  kommen,  hat  es  jhme  der- 
mussen  gefallen,  dass  er  etliche  derselbigen  digression  Latinis 
nersibns  reddiert,  denn  es  sich  nicht  durchauß  hat  schicken 
wöllen,  sintemalen  sich  oft  solche  Teutsche  uÖrter  zütragen, 
die  man  ins  Latein  nit  bringen  oder  Lateinisch  außsprechen 
kan.  Vnd  dardurch  vrsach  genommen  sein  Büchlein  zü  ver- 
mehren. Diese  etwas  unklare  Stelle  sowie  die  Thatsache, 
dass  Dedekind  in  seinem  zweiten  Grobianus  eine  grosse  Zahl 
neuer  grobianischer  Streiche  und  Anekdoten  hinzugefügt 
hat,  verleitete  alle  Literarhistoriker ,  die  sich  mit  dieser 
Frage  beschäftigt  haben,  Wackernagel2,  Kurz3,  Scherer4, 
Gervinus5,  Milchsack6,  Herford7  u.  a.  zu  der  Ansicht,  die 
oft  ausgesprochen  und  nachgeschrieben  wurde,  Dedekind 
habe  die  Änderungen  und  Zusätze  der  Scheidtschen  Über- 
setzung für  die  neue  Fassung  seines  Grobianus  vom  Jahre 
1552  benutzt.  Eine  genaue  Vergleichung  dieser  Ausgabe 
mit  Scheidt  aber  erweist  das  Gegen theil.  Dedekind  hat 
schlechterdings  keinen  einzigen  Zusatz  Scheidts 
aufgenommen,  er  hat  alle  seine  neuen  Erweiterungen 
völlig  unabhängig  von  diesem  verfasst,  ja  er  hat  wahrschein- 
lich zur  Zeit  seiner  zweiten  Bearbeitung  von  Scheidts 
Übersetzung  keine  Kenntnis  gehabt,  jedenfalls 


*  Vgl.  unten  8.  77  ff. 

* 

2  Johann  Fischart  von  StrasBburg  8.  105. 

3  Gesch.  d.  deutschen  Lit.  2,  62. 

*  A.  d.  ß.  ö,   14  'Soheidts  Vermehrungen  benutzte  Dedekind  zum 

Theil*. 

*  Gesoh.  d.  deutschen  Dichtung  3*  S.  201.  Änm.  186. 

(i  a.  u.  0.  8.  VI  f.  Dedekind  habe  Scheidts  Zusätze  'reichlich  be- 
nutzt und  in  einem  dritten  Buche  hinzugefügt*. 

7  a.  a.  0.  8.  386.  'Dedekind  adopted  a  large  number  of  bis  trans- 
lators  suggestions'. 


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NACHGESCHICHTK  des  orobianüs. 


aber  diese  noch  nicht  zu  Gesicht  bekommen.  Um  die  Wende 
des  Jahres  1551  auf  1552  erschien  der  deutsche  Grobianus 
zu  Worms,  bereits  im  März  1552  unterzeichnet  Dedekind 
zu  Wittenberg  die  Vorrede  zu  seiner  zweiten  Bearbeitung; 
so  wird  es  wohl  kein  affectives  Stillschweigen  sein,  wenn 
Dedekind  in  seiner  wesentlich  veränderten  Vorrede  der  Ver- 
deutschung seines  Werkes  durch  Scheidt  mit  keinem  Worte 
gedenkt.  Auch  im  Texte  sprechen  zahlreiche  Stellen  dafür, 
dass  er  Scheidts  Zusätze  nicht  kannte.  Nur  einzelne  Bei- 
spiele mögen  herausgegriffen  werden.  In  der  ersten  Aus- 
gabe (II,  4)  erzählt  Dedekind  die  bekannte  Geschichte 1  von 
einem  jungen  Thüringer,  der  zu  einer  Hochzeit  geladen  sich 
wählend  der  Mahlzeit  ungebührlich  benimmt  und  da  er  vor 
Scham  entfliehen  Will,  mit  den  Spornen  das  Tischtuch  und 
alles,  was  darauf  steht,  nach  sich  zieht.  Scheidt  hat  diesen 
Schwank  mit  vielen  köstlichen  Erweiterungen,  ausgeführten 
Gesprächen  und  neuen  humoristischen  Zügen2  versehen. 
Nichts  von  alledem  verwerthet  Dedekind  in  seiner  zweiten 
Ausgabe,  obwohl  er  hier  (III,  5)  die  gleiche  Geschichte  auch 
seinerseits  vermehrt.  Im  Gegentheil,  während  Scheidt  z.  B. 
erzählt,  der  Jüngling  habe  das  lahm  gerittene  Pferd  auf 
dein  Heimweg  beim  Zügel  genommen  furts  hinden  nach  vnd 
gitng  zu  füss  usw.,  lässt  sich  Dedekind  diesen  gelungenen 
Einfall  entgehen  und  sagt  in  zwei  neuen  Versen  ausdrück- 
lich: Hoc  aucto  clauduui  comcendit  eaballum,  et  repetit  etc.3. 
—  In  den  nächsten  Jahren  hat  Dedekind  jedenfalls  Scheidts 
Übertragung  kennen  gelernt  und  scheint  diese  auch  in  den 
neuen  Capitelüberschriften  der  Ausgabe  vom  Jahre  1554 
benutzt  zu  haben,  soweit  nicht  der  veränderte  Inhalt  der 
Capitel  auch  andere  Überschriften  erheischte  l.  Trotzdem 


1  Mit  kleinen  Abänderungen  erzählt  sie  auch  Frey,  Gartenge- 
selliichnfr  (Ausgabe  vom  Jahie  1Ö75  R1.  l'22b  ff.)  Von  einem  Studenten 
zu  Francfort  an  der  Ader  etc. 

*  Diese  sind  V.  838-1-34:?.%  3490-  38,  3456-61,  3170-75,  3182 
-3513. 

'  Vgl.  noch  unten  8.  60. 

*  Als  Beispiel :  8cheidt  I,  1  Von  auflsiehen,  anziehen,  langem  hare 
und  oeelen  zenen,  Dedekind  Quae  modeslia  A<krtiamlii  »it  unine  in  ueshtu, 

QF.  LXVL  Ö 


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66 


HL  CAPITEL. 


hat  Dedekind  in  dieser  und  allen  späteren  Ausgaben  weder 
Scheidt  erwähnt,  noch  dessen  Zusätze  aufgenommen1. 

DKDEKINDS  OROB1AKU8  IN  DER  ZWEITEN  VERMEHRTEN  FASSUNG  VOM 


Die  Einleitung  an  den  Leser,  die  Widmung  an  Bingius 
(die  früher  in  Prosa,  jetzt  in  Distichen  abgefasst  ist),  den 
poetischen  Prolog  hat  Dedekind  in  der  neuen  Ausgabe  um 
viele  Verse,  doch  um  keinen  bedeutenderen  Gedanken  ver- 
mehrt, den  Text  des  Werkes  selbst  aber  hat  er  einer  völ- 
ligen Umänderung  unterzogen.  Auch  dort,  wo  er  den  gleichen 
Inhalt  beibehielt,  unternahm  er  die  saure  Arbeit  fast  jeden 
Vers  umzuarbeiten  oder  doch  um  ein  Geringes  zu  ver- 
ändern. Er  corrigirt  den  Ausdruck,  verschiebt  die  Wort- 
folge, gebraucht  neue  Bezeichnungen;  in  den  meisten  Fällen 
ist  der  Grund  dieser  Änderung  ganz  unerfindlich,  zuweilen 
scheint  Dedekind  einen  reineren  oder  prägnanteren  Aus- 
druck anzustreben,  was  ihm  nicht  überall  gelingt-.  Da  er 
ferner  nach  jedem  zweiten  oder  dritten  Vers  einen  oder 
mehrere  neue  einfügt  und  wegen  der  geänderten  Buch-  und 
Capiteleintheilung  auch  die  Reihenfolge  des  Erzählten  ver- 


eapillis,  facie  et  dentibus  niundaiid:*.  Oder  I  3  Von  digehzucht,  im 
dischdienen,  auff  rtid  abfrage»,  vnd  ander  grachtritidiykeit.  Ded.  Mensa, 
quomodo  adornandn,  et  removenda  et  de  mensu»  ministerio  eto. 

'  Von  1564  ab  lautet  der  Titel:  Grobianus  et  Orobiana.  Bei 
den  Ausgaben  vom  Jahre  1631  u.  1704:  Ludus  satyricus  de  morum  sirn- 
plicitatc.  Einige  wenige  Druckfehler  und  nebensächliche  Abweichungen 
des  Wortlautes  haben  sieh  vom  Jahre  155*2—1704  in  den  Text  einge- 
schlichen. 

*  Einige  Beispiele  solcher  Änderungen: 


Noo  surgens  membris  uestes  super-       Nec  reliquis  surgens  te  uestibus 


At  te,  si  nolit  cernero  abire  iube.  Cernere  ni  talom  nolit  abire  iube. 
Ut  defendSris  noeiturao  a  frigoro       Tutus  ut  a  tristi  rigidae  sis  frigore 


JAHRE  1552. 


1549 
Cap.  I. 


1552 


indue. 


indue. 


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DEDEKIND8  ZWEITE  AUSGABE 


schiebt1,  so  hat  er  vom  alten  Bau  kaum  einen  Stein  auf 
dem  anderen  gelassen. 

Dedekind  hat  kaum  4—5  Verse2  seiner  ersten  Aus- 
gabe völlig  gestrichen ;  folglich  besteht  die  wesentlichste 
Eigenart  der  neuen  Fassung  in  den  hinzugefügten  Vor- 
schriften und  Beispielen*. 

Die  grösseren  Erzählungen,  die  Dedekind  zum  Vor- 
bild der  Grobianer  in  seine  Lehren  einschiebt,  hat  er  ein- 
fach Bebels  Facetien  und  anderen  verbreiteten  Schwank- 
sammlungen  entlehnt,  in  den  kürzeren  aber  verwerthet  er 
reichlicher  als  zuvor  seine  Kenntnis  der  römisch-griechischen 
Anekdotenlitteratur.  Den  grössten  Thcil  der  Vermehrung 
aber  bilden  jene  zahlreichen  kleinen  Zusätze,  die  oft  nur 
aus  zwei  Zeilen  bestehen  und  jeden  Augenblick  den  Text 
der  ersten  Fassung  unterbrechen.  Diese  verbreitern  das 
Werk  in  höchst  ungünstiger  Weise,  sie  hemmen  und  ver- 
zögern den  früheren  flotten  Gang  der  Erzählung,  sie  machen 
die  Darstellung  schleppend  und  eintönig.    Sie  vermehren 


1549  1552 
Cup.  II 

To   quocunque  Übet  tibi,   lumen  Quo  tibi  ci:mqu<>  libot  tu  lumen 

utrumquc  uagari.  utrumquo  uugnri. 

CaP.  VI. 

Sed  Hol  occiduaH  declinat  fesftus  8ed  modo  caerulea»  declinat  Phoe- 

ad  undas.  bus  ad  undnti. 

1  Die  Capitel  der  beiden  Ausgaben  entsprechen  sich  in  folgender 


1549 

1552 

1519 

1552 

1549 

1552 

1.  Buch. 

1.  Buch 

<> 

7 

2 

2 

Cap.  1 

1 

7 

8  +  9 

3 

3  +  4 

2 

2 

8 

10 

4 

5 

3 

8 

9 

11 

5 

0  +  7 

4 

4+5 

2.  Buch 

2.  Buch 

6 

8 

5 

6 

1 

1 

— 

< 

9 

Für  das  alte  8.  Capitel  hat  nun  die  zweite  Aufgabe:  3.  Bu:?h,  Cap.  1—7 
mit  sehr  grossen  Erweiterungen. 

*  Bei  Soheidt  V.  299-302  und  13f>9  f. 

1  Wie  das  schon  der  Titel  besagt:  Libri  tres  plerisquu  in  locis 
cum  praeeeptts  tum  exemplis  aueti. 

5* 


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68 


HI.  CAPITEL. 


die  Unflätigkeiten,  steigern  sie  ins  Abgeschmackte  und 
Ekelhafte  und  brechen  so  durch  die  unerhörteste  Uber- 
treibung  dem  Scherz  vollends  die  Spitze  ab.  Auch  unter- 
scheiden sie  sich  zu  ihrem  Nachtheil  von  Scheidts  Zusätzen 
darin,  dass  sie  meist  ganz  witzlos  und  höchst  albern  sind, 
oft  eine  mislungene  Bemerkung  zusammenhangslos  an  die 
andere  reihen  und  durch  die  erneute  Wiederholung  über- 
flüssiger allgemeiner  Aussprüche  thatsächlich  lästig  fallen. 
Der  muntre  Wittonberger  Student  vom  Jahre  1549  hatte  mit 
seinem  Werke,  das  in  geschickter  Verbindung  aus  dem  wirk- 
lichen Leben  und  den  Schriften  bedeutender  Vorgänger 
schöpfte,  einen  glücklichen  Griff  gethan.  Die  überaus  rasche 
Verbreitung,  die  Zustimmung  aller  Freunde  und  wahrschein- 
lich auch  das  Drängen  des  Verlegers  verleiteten  den  Ver- 
fasser nun  zu  der  irrthümlichen  Ansicht,  er  müsse  Dar- 
stellungen, die  so  sehr  eingeschlagen  hatten,  erweitern  und 
überbieten.  Doch  der  Neustädter  Pastor  vom  Jahre  1552 
hatte  sich  bereits  ausgeschrieben  und  traf  —  fern  von 
seinem  früheren  studentischen  Kreis  —  nicht  mehr  den  alten 
Ton.  Und  wo  er  sich  nun  nicht  wiederholt  oder  durch  eine 
Anleihe  bei  fremden  Kräften  seinem  geschwächten  Witz 
auf  die  Beine  hilft,  um  den  erweiterten  Rahmen  von  drei 
Büchern,  den  er  sich  jetzt  zugeschnitten ,  auszufüllen,  da 
wird  der  Inhalt  ganzer  Capitel  recht  kläglich,  langweilig 
und  widerlich. 

Dedekind  führt  nun  fast  jeden  grobianischen  Streich 
seiner  ersten  Ausgabe  weiter.  Die  meisten  dieser  Fort- 
setzungen aber  haben  nicht  mehr  den  Werth  einer  Satire, 
denn  sie  lehren  Unmögliches,  erzählen  Beispiele,  die  nicht 
glaubwürdig  oder  in  der  sichtbar  erzwungenen  Erfindung 
nicht  mehr  komisch  sind.  Etwa  III,  4  :  Lass  dir  den  Bart 
übers  Maul  wachsen,  damit  du  durch  diesen  alle  Getränke 
durchseihst  und  allen  Schaden  von  dir  fern  hältst.  Auch  der 
Ausfluss  deiner  Nase  kommt  dir  dann  nicht  in  den  Mund, 
sondern  bleibt  am  Barte  hangen  usw.  Oder1  nach  V.  463: 


1  Ich  citiro,  wo  es  angeht,  statt  der  lateinischen  Verse  die  ent- 
sprechenden deutschen,  weil  nur  dieso  mit  Zahlen  vesehen  sind. 


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DEDEKINDÖ  ZWEITE  AUSGABE. 


69 


Deine  Hose  sei  so  lose  angenestelt,  dass  du  sie  mit  der  rechten 
Hand  halten  musst,  um  sie  nicht  völlig  zu  verlieren,  während 
du  mit  der  linken  Hand  den  Gästen  servirst.  —  Die  neuen 
sinnlosen  Trinkregeln,  die  Dedekind  jetzt  aufstellt  (z.  B. 
nach  V.  3286 :  Aus  leeren  Bechern  sollst  du  nicht  trinken  und 
wären  sie  auch  aus  ungarischem  Golde)  und  die  neuen  Aus- 
reden könnten  auch  vom  Standpunct  des  Grobianerordens 
nicht  als  stichhaltig  betrachtet  werden.  Nach  V.  620  er- 
mahnt er:  Wasch'  dir  nicht  die  Hände  vor  dem  Mahle,  denn 
ist  etwa  das  Wasser  reiner  als  deine  Hand  ?  Die  Erde  ver- 
schluckt ja  das  unsaubere  Wasser  und  gibt  es  wieder.  Wenn 
also  alles  was  von  der  Erde  kommt  rein  ist,  dann  muss  ja 
deine  Hand  auch  rein  sein.  Man  vergleiche  mit  diesem  hellen 
Blödsinn  die  gelungene  Begründung  Scheidts  V.  621 — 624: 
Du  müst  sie  sonst  erst  trücknen  wider,  Dieweil  setzt  sich  ein 
ander  nider.  Vnd  nimpt  dir  ein  dein  beste  statf  So  mrstu 
dann  kaum  halb  so  sat.  Wären  Dedekind  diese  und  ähnliche 
Zusätze  seines  Übersetzers  bekannt  gewesen,  so  hätte  er's 
doch  kaum  gewagt  sein  albernes  Geschwätz  an  die  Stelle 
dieses  echten  Spasses  zu  setzen.  Einen  un verhältnismässig 
breiten  Raum  nehmen  in  den  neuen  Erweiterungen  die 
ausfuhrlichen  Beschreibungen  aller  Naturalia  ein.  Ganze 
Capitel  des  dritten  Buches  sind  nur  den  Functionen  der  Ver- 
dauung u.  dgl.  gewidmet. 

Besser  gelingen  Dedekind  jene  Zusätze,  in  denen  er 
sich  an  fremde  Vorbilder  anschliesst.  Jedenfalls  hat  er 
wieder  die  eine  oder  die  andere  Tischzucht  durchgesehen 1 
und  für  das  neue  Capitel  III,  2  Kneipschilderungen  wie  die 
von  Obsopöus,  Franck  usw.  benutzt,  deren  typischer  In- 
halt auch  bei  ihm  in  allen  Einzelheiten  wiederkehrt2. 

Die  antike  Welt  wird  häufiger  als  früher  zur  Auf- 
stellung eines  Beispieles  herangezogen.  Trink'  die  Suppe 
aus  statt  den  Löffel  zu  benutzen,  so  wie  Diogenes  den  Becher 
entbehrte  (I,  5).  Oder  nach  3318:  Wie  Demosthenes  Kiesel- 

1  Nach  V.  692  erwähnt  er  den  Schlüsselring  (Köbels  Tischzucht 
V.  23)  und  nach  V.  3308  und  III,  1.  mehrere  Tischzuchtregoln  über 
das  Schneiden  des  Brotes,  über  das  Salzfass  usw. 

*  Vgl.  unten  in  meinem  5.  Capitel. 


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70 


III.  CAHTEL. 


steine,  so  wälze  du  Fleischstücke  im  Mundo  herum.  Nach 
3953:  Prügle  dein  Weib,  doch  nicht  ohne  Grund,  das  thun 
nur  die  Cyklopen  in  Sicilien.  Nach  370 :  Dein  Gewand  sei 
rings  mit  Schmutz  verbrämt,  dann  hält  man  es  für  eine 
römische  Toga.  —  Viel  öfter  als  in  der  ersten  Fassung  wird 
Cato  hier  erwähnt :  im  Anfang  des  ersten  Capitels ,  im  An- 
fang von  II,  1,  in  den  verschiedenen  Vorreden  usw. 

Endlich  sucht  Dedekind  sein  Werk,  besonders  die 
letzten  inhaltleeren  Capitel  des  dritten  Buches  mit  land- 
läufigen Anekdoten  aufzuputzen.  Einige  von  diesen  erscheinen 
schon  in  Bebels  Facetien  und  später  in  den  Schwanksamm- 
lungen Lindeners  ,  Kirchhoffs  und  anderer.  Mit  Sicherheit 
lässt  sich  wohl  nicht  die  Quelle  bezeichnen,  der  Dedekind 
die  einzelnen  Erzählungen  entlehnt,  denn  mehrere  dieser 
beliebten  groben  Stücklein  verdankt  er  jedenfalls  der  starken 
mündlichen  Verbreitung;  überdies  hat  er,  wie  es  scheint, 
etliche  Nummern  vor  der  Aufnahme  in  seinen  Grobianus 
umgemodelt.  Nach  V.  1509  und  3617  sind  kleine  Ge- 
schichten eingeschaltet,  welche  die  Schlauheit  eines  be- 
quemen Knechtes  und  verschiedene  ungezogene  Spässe  beim 
Händewaschen  schildern  ;  die  eigentlichen  Schwänke  aber  be- 
ginnen erst  III,  5:  Ein  reicher  Bürger  hat  einen  Fürsten  zu 
einem  prächtigen  Mahl  geladon  und  überreicht  ihm  daselbst 
einen  kostbaren  Fisch.  Doch  dieser  entschlüpft  den  Händen 
des  Bürgers  und  fällt  in  dessen  weite  Stiefelröhren.  Der 
unerschrockene  Mann  zieht  den  Flüchtling  beim  Schwänze 
heraus  und  sagt  zum  Fürsten:  Esst  ihn  trotzdem,  mein 
Knecht  hat  heute  Morgen  meine  Stiefel  ganz  blank  geputzt. 
Im  Anschluss  daran  wird  weiter  erzählt,  wie  ein  Bürger  an 
der  Tafel  eines  Fürsten  vor  Verlegenheit  einen  vollen  Becher 
umstösst.  -  Femer:  Herr  und  Diener  sind  gemeinsam  zu  einem 
Mahle  geladen.  Der  hungrige  Diener  füllt  sich  vor  den  übrigen 
Gästen  seinen  Teller.  Sein  Herr,  darüber  erzürnt,  winkt 
ihm  heftig  ab.  Der  Diener  versteht  ihn  falsch  und  wirft 
das  Stück,  das  er  eben  erfasst  hat,  unter  den  Tisch.  Da 
ihm  der  Herr  wieder  winkt,  wirft  er  auch  das  zweite  und 
die  übrigen  Stücke  nach ,  denn  er  glaubt,  der  Herr  gebe 
ihm  ein  Zeichen,  dass  alles  vergiftet  sei.  —  Ein  Bauer  isst 


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HEDEKINDS  ZWEITE  AUSGABE. 


71 


bei  dem  Mahle  seines  Vetters  in  der  Stadt  die  Nieren  völlig 
auf  und  versichert  den  Vetter,  der  ihm  davon  abräth,  es 
werde  ihm  ganz  gut  bekommen.  —  An  einer  andern  Tafel 
aber  hält  sich  kein  Gast  für  würdig  die  Nieren  zu  essen, 
sodass  sie  unberührt  zum  Gastgeber  zurückkehren.  Dieser 
aber  wirft  sie  dem  Hunde  vor,  weil  er  nicht  ein  Gericht 
essen  will,  das  alle  Gaste  verschmähten1. 

III,  6.  Eine  längere  und  sehr  unsaubere  Geschichte 
von  einem  jungen  Mann,  der  bei  Tafel  zwischen  jungen 
Damen  sitzend  sich  schämt  einmal  auf  die  Seite  zu  gehen, 
mit  allen  unangenehmen  Folgen  dieser  falschen  Scham.  In 
den  Schluss  ist  geschickt  der  Bebeische  Schwank  von  dem 
Narren  verknüpft,  der  Nachts  des  Herrn  weite  Stiefelröhren 
gröblichst  misbraucht2.  —  Ein  Doctor  kommt  auf  Reisen 
in  ein  Gasthaus,  wo  er  sehr  schlecht  behandelt  wird,  zu 
unterst  sitzen  und  sauren  Wein  trinken  muss.  Als  es  ihm 
zu  arg  wird,  gibt  er  sich  als  Doctor  zu  erkennen  und  wird 
nun  auf  das  aufmerksamste  bedient  und  prächtig  bewirthet3. 

—  In  einer  lustigen  Gesellschaft  wird  ausgemacht:  wer 
beim  Rundtrunk  mit  seinen  fetten  Lippen  den  Wein  verun- 
reinigt, soll  die  ganze  Zeche  zahlen.  Ein  schlauer  Fuhrmann 
aber,  dem  eigentlich  diese  Falle  gestellt  wurde,  leert,  so- 
bald er  an  die  Reihe  kommt,  den  ganzen  Becher  und  be- 
merkt lächelnd,  es  sei  weder  Wein  noch  Fett  darin4. 

—  Der  Bürgermeister  einer  huldigenden  Stadt  überreicht 
seinem  Fürsten  einen  Krug  Wein.  Da  sieht  er  eine  Feder 
oben  auf  schwimmen  und  weil  kein  anderes  Instrument  zur 
Hand  ist ,  nimmt  er  sie  mit  einer  Lichtschere  wieder  heraus. 
—Ein  Zecher  hat  mancherlei  Weine  durcheinander  getrunken, 
die  sich  in  seinem  Magen  nicht  vertragen  wollen,  sondern 


1  Die  gleiche  Geschichte  erzählt  Kirchhoff,  Wemlumnuth  eto. 
Frankfurt  1563  1  Nr.  169  und  Lindener,  Katzipori  1558  Nr.  100  weist 
darauf  hin. 

1  Facetiarum  Henrioi  Bebeiii  libri  tres.  (ioh  benutze  die  spätere 
Ausgabe  Tubingae  1550)  III  Bl.  I02b  De  fatuo  cuiusdam  prineipis. 

1  Dasselbe  erzählt  Bebel  von  einem  Amtmann.  II  Bl.  33  De 
quodam  tribuno  plebis. 

«  Lindener,  Raatbüchlein  1558  Nr.  27. 


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72 


III.  CAPITEL. 


grossen  Streit  erheben.  Der  Zecher  befiehlt  ihnen,  wieder 
Frieden  zu  schliessen.  Da  sie  ihm  nicht  Folge  leisten,  speit 
er  in  grossem  Zorne  alle  Ruhestörer  gleichzeitig  aus1.  — 
Ein  anderer  Zecher  speit  einen  Hut  voll.  Sein  Diener  setzt 
hierauf  diese  schwerwiegende  Behauptung  einem  Nachbar 
auf  den  Kopf2. 

III,  7.  Einem  Redner  entfährt,  da  er  vor  einer  Fürstin 
sein  Knie  beugt ,  etwas  Ungebührliches.  Eine  Jungfrau  aus 
dem  Hofstaat  begeht  vor  Lachen  den  gleichen  Verstoss. 
Schnell  gefasst,  schliesst  der  Redner  daran  eine  witzige  Be- 
merkung, die  ihn  vor  Schande  und  Strafe  bewahrt3.  —  Ein 
paar  Geschichten  vom  Rülpsen  und  ärgerer  Unschicklich- 
keit beschliessen  dieses  Capitel. 

In  dieser  zweiten  Fassung  fällt  Dedekind  öfter  noch 
im  Texte  des  Werkes  selbst  aus  dem  Tone  der  Ironie. 
Am  Ende  des  ersten  Buches  hält  er  eine  lange  Strafpredigt 
gegen  die  Grobheit  der  Welt  und  klagt  in  bitteren  Worten 
darüber,  dass  Greise  in  weissen  Haaren,  Fürsten  und  hohe 
Herren  den  Jüngeren  und  dem  Volke  mit  so  schlechtem 
Beispiel  vorangehen.  Am  Anfange  des  dritten  Buches  und 
am  Ende  der  ganzen  Schrift  wendet  er  sich  in  persönlichen 
Äusserungen  an  seinen  Gönner  Bingius. 

GROBIANA. 

Die  interessanteste  Neuerung  der  zweiten  Fassung  ist 
das  völlig  selbständige  letzte  Capitel  des  dritten  Buches. 
Für  die  litterarische  Zukunft  und  Nachwirkung  des  Werkes 
von  grosser  Wichtigkeit,  bildet  es  wahrscheinlich  auch  den 
Hauptgrund  zu  der  Bevorzugung  der  zweiten  Ausgabe  vor 
der  ersten.  Wie  im  Grobianus  dem  jungen  Manne,  so  werden 
in  diesem  Anhange  der  Jungfrau  die  Vorschriften  und  Vor- 

1  Bebel  III  Bl.  68  Ebrij  ouiusdam  dictum  iooosum. 

3  Ähnlich  Wickram,  Rollwagenbachlein  1555  Nr.  LH. 

1  Dio  gleiche  Geschichte  bei  Bebel  II,  8.  43.  De  quodara  consule 
Ulmensi  (am  Hof  der  Erzherzogin  Mechthild  von  Österreich).  Ebenso 
Kirohhoff,  Wendunmuth,  1.  Nr.  121.  Frey  ,  GartengeseDschaft  1575 
Cap.  99.  8chcrz  mit  der  Wahrheit  1550  Bl.  50.  Fischart,  Geschieht- 
klitterung  Cap.  22.  8.  285. 


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GKOBiANA. 


73 


bildcr  zu  einein  möglichst  groben  und  ungezogenen  Betragen 
auf  der  Strasse,  bei  öffentlichen  Schaustellungen,  daheim 
und  in  der  Kneipe,  zu  einem  freimüthigen,  ja  zudringlichen 
Verkehr  mit  Männern  gegeben.  Auch  der  Inhalt  dieses 
Capitels  zeigt  keine  weiteren  Beziehungen  zu  Scheidts  Zu- 
sätzen. Bemerkenswerth  aber  ist,  dass  Scheidt  in  seiner 
humoristischen  Vorrede  (S.  8)  die  Bezeichnung  Grobiana, 
so  weit  es  bekannt  ist,  zum  ersten  Male  gebraucht  und 
wahrscheinlich  selbst  gebildet  hat.  Er  spricht  hier  von 
seiner  aller  liebsten  zarten  vnd  tugenthafften  hauss/rawen 
Grobiana,  enr  elter  Spinnerin  der  groben  vn  gezognen  diernen 
vnd  faulen  mägd.  Diesen  Ausdruck  aber  kennt  Dedekind 
in  seiner  zweiten  Ausgabe  noch  nicht ;  hier  überschreibt  er 
den  betreffenden  Abschnitt  nur  mit  Caput  ultimum ;  erst  in 
der  dritten  Ausgabe  vom  Jahre  1554  taucht  im  Titel  des 
ganzen  Werkes  und  in  der  Überschrift  des  Anhangs  der 
Name  Grobiana  auf,  ein  Beweis  mehr  für  die  oben  ausge- 
sprochene Behauptung,  Dedekind  habe  erst  vor  seiner  dritten 
Ausgabe  Kenntnis  von  Scheidts  Übersetzung  erlangt Die 
Schilderung  der  Grobiana  aber  ist  vielfach  vorbereitet.  Seit 
dem  neuen  Erblühen  der  Lehrdichtung  am  Beginne  des 
XIII.  Jahrhunderts  wandten  die  Didaktiker  ihre  Aufmerk- 
samkeit dem  Benehmen  der  Frauen  und  Jungfrauen  in  der 
Kirche  der  Gesellschaft,  der  Familie,  sowie  dem  Freier  und 
Verehrer  gegenüber  zu.  Die  Mutter  Winsbekin  unterwies 
ihre  Tochter  in  der  Frömmigkeit  und  Sittsamkeit,  aber  auch 
in  der  Kunst  Männern  zu  gefallen.  Thomasin  hatte  in  einem 
eigenen  Abschnitte  des  Wälschen  Gastes,  der  dann,  wie  wir 
oben  gesehen  haben,  auch  in  die  Hofzuchten  und  Catos 
Distichen  aufgenommen  wurde,  das  Leben  der  höfischen  Frau 
in  die  strengen  Regeln  der  ritterlichen  Gesellschaft  gebannt 
und  lehrte  in  dem  sechsten  Capitel  die  besondern  weiblichen 


1  Herford,  der  diesen  Umstand  nicht  erwog  oder  nicht  kannte, 
behauptete  den  Einfluss  Scheidts  schon  für  die  zweite  Fassung,  a.  a.  O. 
8.  3S8  a  new  chapter,  stujgested  by  Scheidts  picture  of  Grobiana.  Ausser 
dem  Namen  gibt  es  aber,  wie  erwähnt,  keine  Beziehungen  zwischen 
Scheidt  uud  Dedekinds  letztem  Capitel. 


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74 


III.  C&PITEL 


Tugenden,  verlangte  von  den  Frauen  eheliche  Treue,  von 
den  Jungfrauen  die  richtige  Mitte  zwischen  einem  gewinnen- 
den Wesen  und  spröder  Keuschheit.  Aber  von  dieser  Höhe 
der  moralischen  Vollkommenheit  und  des  feinsten  Umgangs 
entfernten  sich  die  Frauen  fast  eben  so  rasch  wie  die 
Männer.  Bald  erheben  die  Lehrdichter,  Freidank1  voran, 
ihre  tadelnde  Stimme.  Hugo  von  Trimberg2  entwirft  eine 
beissende  satirische  Schilderung  von  den  Verführungs- 
künsten und  der  Männersucht  der  üblen  Weiber.  Meister 
Reuaus  gibt  den  Frauen  alle  Schuld  an  dem  Verfall  der 
Sitten,  Brant  spricht  schon  in  der  Vorrede3  zu  seinem 
Narrenschiff  von  den  Närinnen,  die  mit  spiten  Schuhen, 
seltsamem  Kopfputz  und  ausgeschnittenen  Kleidern  einher- 
steigen,  und  weiss  in  einer  Reihe  von  Capiteln  von  den 
Frauen  viel  Schlechtes  zu  erzählen4.  Ein  ärgeres  Sünden- 
register aber,  als  es  den  Frauen  in  den  Fastnachtspielen 
des  XV.  Jahrhunderts  vorgerückt  wird,  ist  kaum  denkbar; 
die  Ehemänner  beschuldigen  hier  ihre  Gattinnen  der  Streit- 
lust, der  Trunksucht  und  des  Ehebruchs,  die  Freier  ihre 
Bräute  heimlicher  Buhlschaften.  Die  auftretenden  jungen 
Weiber  selbst  —  unter  ihnen  Zerrbilder  schmutziger  Häss- 
lichkeit  -  ergehen  sich  in  den  schamlosesten  Witzen,  auf- 
dringlicher Geilheit,  unersättlicher  Genusssucht.  Neben  den 
alten  Weibern  dieser  Kreise  aber  erscheint  der  Teufel  nur 
als  schwacher  Stümper. 

In  der  Litteratur  des  XVI.  Jahrhunderts  tritt  ein 
starker  misogyner  Zug  hervor ;  wo  Frauen  erwähnt  werden, 
geschieht  es  meist  um  über  sie  zu  klagen,  billige  Witze  zu 
reissen  oder  sie  zu  beschimpfen.  Von  der  Galanterie,  von 
der  idealen  Frauenverehrung  der  ritterlichen  Sänger  keine 
Spur  mehr.  Ein  grosser  Theil  des  zarten  Geschlechtes  im 
XVI.  Jahrhundert  scheint,  mannigfachen  Lastern  ergeben, 
die   Misachtung   der  Männer   verdient   zu   haben.  Sie 


1  Cap.  37. 

•  IV.  8.  11. 

•  V.  110—120. 

•  Cap.  13,  32,  33,  64. 


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GKOBIANA. 


75 


frtfhnten  nicht  nur  in  aussergewöhnlichem  Masse  dem  Luxus 
und  der  Wollust,  sondern  auch  der  Trunksucht.  Murner 
wendet  sich  in  dem  18.  Capitel  seiner  Narrenbeschwörung 
hauptsächlich  gegen  die  Weintrinkerinnen,  und  die  Trink- 
litteratur  sowie  zahlreiche  Schwanke  berichten,  dass  sich 
Frauen  zu  den  wüsten  Gelagen  jener  Zeit  fleissig  einfanden, 
um  daselbst  die  rohesten  Scherze,  die  schändlichsten  Er- 
zählungen ohne  Erröthen  zu  belachen. 

Und  als  sich  die  Parodie  der  Lehrdichtung  be- 
mächtigte, musste  sie  auch  die  Frauen  in  ihren  Kreis  auf- 
nehmen. Schon  Grobiani  Tischzucht  richtet  Vorrede  und 
Schlusswort  neben  den  Brüdern  auch  an  die  Schwestern 
des  Säuordens,  und  Scheidt  vermählt  dem  Lehrer  tölpischer 
Gebärde  Meister  Grobianus  die  zarte  Hausfrau  Grobiana. 
Dedekind  bietet  schon  in  seiner  ersten  Ausgabe  Stellen,  die 
zur  Zeichnung  einer  Grobiana  fruchtbare  Motive  andeuten 
Er  hat  diese  Anspielungen  in  der  zweiten  Ausgabe  er- 
heblich vermehrt  und  lüsterne  Witze  hinzugefügt,  die  er 
früher  sorgfältig  vermieden  hatte. 

Die  parodistische  Lehre  seiner  Grobiana  hat  Dedekind 
ebenso  aufgebaut  wie  im  Grobianus  und  diesen  auch  dem 
Inhalt  nach  öfter  als  Vorbild  gebraucht.  Für  die  weitere 
Darstellung  aber  mag  er  einfach  die  Regeln  dieser  oder 
jener  Jungfrauenzuchten  und  Frauenspiegel  umgekehrt  und 
mit  Witzen  verbrämt  haben. 

Der  Verfasser  erklärt  im  Beginne  dieses  Abschnittes, 
sich  kurz  fassen  zu  wollen,  da  ja  die  Mädchen  an  Grobheit 
die  Männer  noch  weit  übertreffen.  Dann  folgen  die  Lehren : 
Auf  der  Strasse  lass  die  Augen  frei  umhergehen ;  nur  Leute, 
die  etwas  verbrochen  haben,  blicken  zur  Erde2.  Heb'  das 
Kleid  hoch  über  die  Kniee  auf,  entblösse  Hals  und  Schultern, 
so  wirst  du  bei  jungen  Knaben  Gunst  erlangen  und  mancher 
wird  dich  zur  Frau  begehren ;  nur  was  man  sieht,  kann 


i  V.  1070  ff.  u.  1664  ff. 

*  Vgl.  Grobianus  I,  2  Esse  pudens  caueas  ullaue  rubescere  culpa, 
Criminis  admissi  quos  piget,  illud  ayant. 


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76 


III.  CAJMTRL. 


man  lieben1.  Kommst  du  mit  einer  Freundin  zusammen,  so 
gebraucht  die  Gabe  der  Geschwätzigkeit,  die  euch  Gott 
verliehen  hat.  Da  gibt  es  viel  zu  klagen,  über  die 
strenge  Mutter,  über  die  Nachbarn,  über  den  ungetreuen 
Buhlen 2.  Auf  dem  Heimweg  nasche  Apfel  und  Birnen  oder 
renne  zu  einer  Schaubude,  wo  närrische  und  leichtfertige 
Dinge  aufgeführt  werden.  Über  die  rohen  Spässe  darfst 
du  dich  nicht  verfärben.  Lache  nur  mit,  dann  hält  man  dich 
für  ein  unschuldig  Kind,  das  den  Handel  nicht  versteht. 
Vor  allem  aber  geh  in  die  Kneipen,  dort  kannst  du  viel 
bäurische  Dinge  sehen  und  die  Heimlichkeiten  der  Männer 
erfahren.  Gefallt  dir  einer  besonders,  so  setze  dich  zu  ihm, 
gib  deine  Liebe  durch  Zeichen  zu  erkennen,  trink'  ihm  ge- 
hörig zu,  erlaub'  ihm  dann  alle  Freiheiten,  die  dir  selbst 
angenehm  sind,  reiz'  ihn  durch  kleine  Geschenke  zu  reicheren 
Beweisen  der  Erkenntlichkeit  und  Liebe3.  Was  aber  das 
Buhlen  betrifft,  so  lies  Nasos  Schrift,  der  lehrt  es  dich  viel 
besser4. 

Gehst  du  zum  Tanze,  so  setz'  den  Kranz  möglichst 
fremdartig  auf,  am  besten  auf  die  Nase.  Führe  auch  ein 
Hündlein  mit,  das  reisst  dich  aus  mancher  Verlegenheit. 
Dann  beginnt  ein  neues  Motiv: 

Perpetua«  agitant  pulices  et  loemina  litea 
Bellaque  iu  aeternum  non  dirimonda  gerunt, 
Insidius  paruus  tenebriB  defcnaus  iniquis, 
Collocat,  cxiguo  pungat  ut  orc  pulex  .  .  . 

Gegen  diesen  lichtscheuen  Feind  richte  deine  Wuth. 
Und  sieht  auch  jemand  deinem  Treiben  zu,  vestibus  ex- 
cussis  such'  den  Verbrecher  aus  seinen  Schlupfwinkeln  her- 


1  Vgl.  Grobianus  I,  1  :  Erscheine  in  lässiger  Kleidung,  lass  deine 
Kniec  seilen  Nam  sie  uirginibus  nitre,  tacita  ratione  placcbisy  Teque 
sibi  optabit  quaeque  puella  uirum  u.  vgl.  Vorrede  zu  Braute  Namnschiff. 

*  Vgl.  Qrobianue  I,  8  (V.  2107).  Ein  Mann  erzählt  dem  anderen, 
welchoa  Unglück  er  in  der  Liebe  erlitten  hat. 

1  Vgl.  Orobianus  II,  5  (V.  3666  ff.)    eine  ganz  ähnliohe  8cono. 

♦  Catos  Distichen,  älteste  Rumpfübersetzung  V.  247  ff.  teil  du  aber 
dtne  sinne  keren  an  wibes  minne*  duz  sol  dich  Ndsö  leren. 


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HELLBACHS  BEARBEITUNG. 


77 


vor  und  schone  keinen.  Nur  durch  Grausamkeit  wirst  du 
vor  deinen  Feinden  Frieden  erlangen.1 

Hierauf  gibt  Dedekind  noch  ein  grobianisches  Exempel 
und  ermahnt  seine  Schülerin  auch  allen  Lehren,  die  für  das 
männliche  Geschlecht  gegeben  wurden,  nachzufolgen.  Er 
könnte  noch  Besseres  vorbringen, 

Sed  mea  nie  fessos  reuoeare  Thalia  iugales 
Et  modio  oursu  runipere  coepta  iubef. 
Krgo  uale  et  si  quid  oionitis  profoceri*  illis 
Prospera  «loetori  fata  precare  tuo.  a 

H ILLBACHS  VERDEUTSCHUNG  DES  ERWEITERTEN  OROBIANÜ8. 

Der  deutsche  Grobianus  von  Scheidt  machte  auch  seinen 
Weg.  Mehr  als  ein  dutzendmal  wurde  er  bis  in  die  Mitte 
des  XVII.  Jahrhunderts  hinein  aufgelegt.  Besonders  rasch 
hintereinander  in  den  ersten  .Jahren  nach  dem  Erscheinen". 
Der  Text  blieb  in  allen  Ausgaben  der  gleiche,  abgesehen 
von  kleinen  Änderungen ,  wie  V.  77  zerstrohelt  (1554  ff.) 
für  ztrzöbelt  oder  Erstlich  soll  dir  zun  ohren  yehu  V.  123 
für  Zum  ersten  soltu  mich  versteht  usw.  Auffallend  ist 
es  aber,  dass  bereits  in  der  Ausgabe  des  Jahres  1554 
alle  Randbemerkungen  und  die  Verse  des  Beschlusses 
4875—4882,  4973—5000  wegfallen  und  auch  später  nicht 
wieder  auftauchen.  Nach  dem  Jahre  1568  wird  die  Pause 
bis  zur  nächsten  Ausgabe  (1002) 4  eine  sehr  grosse.  Ur- 
sache dieser  Unterbrechung  ist  die  inzwischen  erschienene 
neue  Übersetzung  von  Hellbach. 

1  Ygl.  das  altere  Volkslied  in  Fihchtirts  Flöhhuz  (llr.iunes  Neu- 
drucke 5,  Hall«-  1877  S  <W)  besonders  V.  1  f.  Die  Weiber  mit  den 
Flöhen,  Die  han  ein  stäfen  krieg.  V.  9  f.  J-er  krieg  hebt  an  am  morgen^ 
Vnd  icerd  biss  in  die  Narht.  V.  13  f.  Vnd  so  sich  die  Schlacht  Jahet 
<iw,  Werffen  sie  das  Gewand  da  man.  —  Auf  Fiachnrt  selbst  mng  Dede- 
kind sninorseit*  dureh  obige  Darstellung  eingewirkt  haben. 

2  Facetus  (Zarncke,  BrnnM  Nnrrenpehiff  8.  142)  V.  515  ff.  Ob  du 
das  thust  (was  irli  dich  gelehrt  habe)  so  trurslu  icerdi All  Menschen 
ehren  dich  rff  erdt.  (Doch  zu  viel  darf  umn  nicht  lehren)  Drumb  wil 
ich  hye  bliben  ston.   Myn  roß  ist  mued,  es  will  nym  gon. 

»  Milohsaek  8.  XXI  ff.  Nr.  l-lö. 

*  Nr.  18  bei  Milchsnck  8.  XXV  ist  naeh  Druuriius  Bibliotheca 
I,  731  vom  Jahre  lfi02,  »l«o  vor  Nr.  1*2  anzusetzen. 


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78 


III.  CAPITEL 


Scheidt  hatte  sich  aus  naheliegenden  Gründen  zu  einer 
Übertragung  des  zweiten  erweiterten  Grobianus  vom  Jahre 
1552  nicht  entschliessen  können  und  als  er  vollends  im 
Jahre  1565  starb,  bewog  der  erste  Verleger 1  des  Dedekind- 
schen  Werkes  den  Pfarrherrn  von  Eckhardtshausen  in  der 
Grafschaft  Büdingen,  Wendelin  Hellbach2  zu  dieser  Arbeit. 
Hellbach,  gebürtig  aus  Mühlberg  in  Thüringen,  der  schon 
vorher  einige  kleine  deutsche  Epitaphien  veröffentlicht  hatte 
und  später  im  Jahre  1593  einen  Lusus  poeticus  de  causis 
nigredinis  vel  fusci  coloris  corporis  humani  verfasste, 
vollendete  seinen  Grobianus  im  Jahre  1567 3.  In  seiner 
Vorrede  erklärt  er,  er  habe  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht, 
alle  Zusätze  Scheidts  mit  den  Dedekindschen  Erweiterungen 
der  zweiten  Fassung  zu  verbinden  dass  keinen  nichts  möchte 
genommen  oder  ausgelassen  werden,  was  ihm  viele  und  grosse 
müfie  bereitete,  ausserdem  habe  er  über  Wunsch  des  Auftrag- 
gebers der  selbigen  Ezempel  eins  odder  ztceg  hinzugefügt.  Damit 
also  nichts  verloren  gehe,  hat  Hellbach  neben  seiner 
Vorrede  noch  Scheidts  Widmung  an  Dedekind A  und  dessen 
Ansprache  an  die  Grobianer,  Dedekinds  Widmung  an  Bingius 
und  beider  Dichter  Eingangsverse  an  den  Leser  wörtlich 
abgeschrieben,  beziehungsweise  getreu  übersetzt.  Von  Scheidt 
und  Dedekind  benutzte  er  spätere  Ausgaben;  von  Scheidt: 
weil  auch  bei  ihm  die  Randbemerkungen  und  die  oben  er- 
wähnten früh  weggefallenenen  Verse  des  Beschlusses  fehlen, 
von  Dedekind :  weil  er  im  Titel  die  Grobiana  führt  und  in  den 


1  Johann  Cnipius  Andronicus  seonndtis  der  Schwiegersohn  der  Ege- 
nolphin,  übernahm  nunmehr  den  alten  Frankfurter  Verlag  von  Egenolphs 
Erben,  bei  denen  die  editio  princeps  erschienen  war. 

a  Ooedeke,  Ordr.  2,  112  u.  456. 

3  Genaue  Ausgabe  des  Titels  usw.  Milchsack  XXVI  f. 

♦  Hier  schiebt  Hellbach  nach  den  Versen  Ovids  des  Alberus 
Commentirung  dieser  Verse  ein,  zu  8.  4:  Mit  Geld  bekompt  einer  ein 
Weib,  mit  eittem  zarten  schönen  leib.  —  In  aller  Welt,  regiert  das  Gelt, 
Dass  man  bettet  die  Juden  an,  Gelt  solche  zuuegen  bringen  kan  usw. 
und  zu  8.  b\  Z.  7:  Von  den  thörieluen  und  kostspieligen  Kleidern  der 
Landsknechte  und  Haiidwerksbiirschen. 


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HELLBACHS  BEARBKITUNO. 


79 


Capitelüberschriften  eine  Übertragung  der  späteren  latei- 
nischen Fassung  zu  erkennen  gibt 

Wie  sämmtliche  Vorreden,  so  hat  Hellbach  auch  die 
von  Scheidt  hinzugefügten  grobianischen  Schwanke  aufge- 
nommen. Ausserdem  hat  er  nicht  nur  alle  Erweiterungen 
der  zweiten  lateinischen  Ausgabe  übertragen ,  sondern  sehr 
häufig  auch  daneben  die  abweichende  Fassung  von  1549  in 
der  Übersetzung  Scheidts  verwerthet.  Diese  Verzahnung 
besorgt  er  mit  peinlicher  Sorgfalt  und  sichtlicher  Anstrengung, 
nicht  selten  mit  Geschick2,  dehnt  aber  so  das  Werk  bis 
auf  6ÜU0  Verse  aus.  Wo  Hellbach  Scheidtsche  Verse  auf- 
nimmt, behält  er  deren  Wortlaut  bei  und    weicht  von 


1  Er  berücksichtigt  aber  hiebei  nach  Möglichkeit  den  Wortlaut 
Scheidts.  Die  Überschrift  von  I,  l  ist  gleichlautend  mit  Scheidt,  hin- 
gen I,  2  Vom  Frühstück  höfiigkeyt  der  Augen  Stirn  nasenbutzens 
Schwatzen s%  niesensy  lachend,  Hüstens  rnd  vom  Gehen  vnd  kleydung  auff 
der  Gassen  stimmt  —  weil  der  Inhalt  auch  theilweise  ein  anderer 
wurde  —  mit  Dedokind  (1554)  überein:  De  jentaculo  et  m  od  est  in 
oculuruni,  frontis,  narium,  item  de  garrulitatc,  sternutation« ,  obscoe- 
uitate,  tussi,  ructu  et  de  incessu  ot  habitu  in  platcis. 


«  Ein  Beispiel.  I,  1  sagt  Dedo- 
kind 1549: 

Egregic  ciuilis  eris,  si  nulla  pn- 
rentes 

Mane  salutandi  sit  tibi  cura  tuos. 
Pronpera  quantumuis   optes  quid 

proderit  illis? 
Com  dare  non  possis,  quamlibet  ua- 

que  uelis. 
Dedekind  1552  Egregie  -tuos 
ebenso,  für  die  nächsten  *wei  Verse 
aber: 

Non  homini  cuiquam  felioia  fata 
preeerts 

Saepe  tibi  gratea  dioere  ne  sit  opus. 

Prospera  qunntumnis  optes  quid 

proderit  illis? 
Optima  non  damnum  est  perdere 

uerba  leue. 


Hellbach  (S.  37)  fügt  zu  Scheidt 
127—130  noch  eine  Übertragung 
der  2.  Fassung  Dedekinds : 

Soll  auch  niemand  bey  meiner gunst 

Einen  guten  morgen  wünschen  sunst 
So  darß  dir  keiner  danckm  drumh 

Dasselbig  tcol  zu  hertzen  nimm 


Denn  was  hilft  sies  mSeht  ich 

gern  wissen 
Wenn   du  sie   gleich  thetst  alle 

grüßen ? 
Es  ist  ftineur  ein  schade  groß 

Gut  Wort  verlieren  also  bloß. 


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80 


Iii.  CA.PITEL. 


diesem  nur  unwesentlich  und  selten  ohne  Grund  ab.  Da 
aber,  wo  Scheidt  das  lateinische  Original  mit  grösserer 
Selbständigkeit  übertragen  hat,  corrigirt  ihn  Hellbach  in 
der  kleinlichsten  Weise:  Sagt  z.  ß.  Scheidt  für  Talis  erit 
iuueni  generoso  uultus  habendus  V.  21b*  Solch  sitteu  müss 
ein  junger  hon  so  verbessert  es  Hellbach  39,9  Ein  solch 
GsiclU  .  .  Ebenso  ergänzt  er  Scheidts  Text,  wo  dieser 
einen  oder  den  andern  Vers  Dedekinds  weggelassen  hat, 
und  vermeidet  beharrlich  jeden  Dreireim  Scheidts  1  dadurch, 
dass  er  einen  Vers  einfach  streicht  oder,  wo  es  nicht 
angeht,  an  Stelle  des  dritten  zwei  neue,  anders  gereimte 
Verse  setzt-. 

Was  aber  Hellbachs  Übertragung  des  lateinischen 
Originals  betrifft,  so  ist  Schritt  für  Schritt  zu  ersehen,  dass 
er  von  Scheidt  gelernt  hat.  Wie  dieser  schiebt  er  gern 
Sätze  ein,  welche  den  Grobianer  ob  seiner  That  rühmen 
und  ihm  die  Zustimmung  aller  Nachbarn  und  Genossen  ver- 
heissen,  z.  B.  I,  4  So  acht  man  dich  für  einen  Held;  Dass 
jedermann  darob  wirt  lachen.  Er  sorgt  für  die  Belebung 
der  Ausdrucksweise  durch  eine  sinnlich  bezeichnende  Über- 
setzung, entnimmt  gleich  Scheidt  seine  Vergleiche  dem  Thier- 
reiche'  und  ist  um  derbe  Redensarten'  und  Schimpf- 
wörter r'  nicht*  verlegen.  Er  vermeidet  mythologische  oder 
minder  verständliche  Bezeichnungen:  z.  B.  für  Regna  paler 
quando  Saturnus  prisca  tenebat  H.  38,6  die  Gulden  zeit ;  für 
Natus  et  Attaeis  esse  ftrere  iocis  H.  59,10  Vnd  seist  geboren  zu 
gütcn  bossen,  setzt  directe  Reden  statt  indirecter,  ausge- 
führte Gespräche  statt  der  blossen  Erwähnung,  breite  humo- 
ristische Schilderungen  statt  der  kurzen  Andeutung  im  Ori- 
ginal 6. 

1  Duruber  mehr  im  5.  Capitel. 

*  Z.  B.  für  602  hat  H.  49,  18  Vnd  alle  sampt  einhelliglieh  Darmnb 
zum  höchsten  loben  dich. 

s  II.  37,  2.  Du  dehnst  dich  wie  ein  Hund  usw 

4  Für  'kneipen'  häufig  die  liebe  Heyde  walten  laßen  (II,  7)  oder 
da 8  Kalb  redlich  außtreiben. 

5  Z.  ß.  lC9b. 

6  Für  Delicias  faciat  protinus  ille  tibi  führt  Hellbnch  11*2,  10  in 
mehr  nh  20  Veraen  an,  worin  dies«,  deliciae  bestehen.  Ebenso  vermehrt 


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KlKNH ECKELS  BEARBEITUNG. 


81 


Bei  der  oben  besprochenen  1  Wirthshausscene,  in  der 
sich  die  Kneipgenossen  altdeutsche  Heldensagen  erzählen,  er- 
wähnt Hellbach  94,  10  auch  den  hornin  Seufried2  und  den 
Schneblerkönig ,  fügt  zwei  neue  Jagdlügen  hinzu  92 ,  5  und 
ein  neues  Liebesabenteuer,  90'  ff. :  Ein  Buhler  will  zu  seinem 
Mädchen  durch  das  heymliche  Gmach  einsteigen,  fällt  aber 
in  den  Mist*. 

Endlich  nimmt  Hellbach  in  seine  letzten  Capitel  zwei 
neue  Schwänke  auf  187":  Auf  einem  Schlosse  im  Harz 
hat  ein  Küchenjunge  einen  Hasen  zu  braten,  isst  aber 
während  des  Drehens  den  Spicken  auf.  Da  ihn  der  Amt- 
mann zur  Strafe  dafür  prügeln  will,  schreit  der  Junge :  'ich 
hab's  nicht  gern  gethan.  Der  Amtmann  fängt  darüber  an 
zu  lachen  und  verzeiht  ihm 4.  Endlich  H.  200,  8 :  Ein  Fuhr- 
mann und  elf  Junker  sitzen  um  einen  Tisch  zum  Mahl.  Der 
Wirth  bringt  eine  Gans  und  elf  Krammetsvögel.  Nachdem 
sich  jeder  von  den  Junkern  einen  solchen  zugelangt,  sagt 
der  Fuhrmann:  'Jeder  von  euch  hat  seinen  Vogel,  zuletzt 
will  ich  den  meinigen  nehmen,  ergreift  die  Gans  und  ver- 
zehrt sie5. 

PETER  KLENHECKEL8  BEARBEITUNG  IX  PROSA  1607. 

Ein  sonst  völlig  unbekannter  Mann ,  der  Nürnberger 
Peter  Kienheckel  entschloss  sich  zur  Vertreibung  der  müssigen 
zeit  in  seinem  trawrigen  Wittibstand  —  womit  im  XVI.  und 
XVII.  Jahrhundert  öfters  die  Wendung  zur  Schriftstellerei 
begründet  wird  —  den  Hellbachschen  Grobianus  in  prosam 
orationem  umzuarbeiten  und  im  Jahre  1607  in  bedeutend 


H.  81,  12  die  von  Dedekind  I,  8  aufgezahlten  Bieraorten  um  das 
Doppelte  und  erweitert  die  Anekdoten  aua  dem  Alterthum.  H.  71b  usw. 

1  Oben  S.  59. 

2  Auch  bei  Fischart  häufig,  vgl.  W.  Grimm,  Heldensage  Nr.  1Ö0, 
S.  311  (2.  Au«.  8  316). 

8  Theilweise  ähnlich  Boccaccio,  Dccamerone  2,  5.  Keller,  Fast- 
nachtspiele aus  d.  XV.  Jh.  1,  119  V.  13-28. 
»  Vgl.  8cheidt  oben  8.  60  f. 

5  Kirchhoff,  Wendunmuth  1,  Nr.  213.    Von  einem  Kochersperger 
bauren. 

QF.  LXVI.  ö 


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82 


III.  CAPITEL. 


gekürzter  Fassung  unter  dem  Namen  Grobianus  Rediuiuus 1 
zu  veröffentlichen.  In  fünfzig  einleitenden,  gesucht  reimlosen 
Versen  tritt  der  Verfasser  als  Grobianer  auf  und  spricht  seine 
Schüler  an:  Der  Grobiuner  bin  ich  genant \  Manch  groben 
gselln  wol  bewusst.  In  Grobheit  hin  ich  Doctor  worden.  Grob- 
heit geht  allen  Künsten  vor2.  Ich  hab*  genug  daran  studirt, 
um  nun  euch  zu  lehren.  Korn  her  du  Heiter  schuler  mehi, 
Vnnd  lern  rleissig  dein  Capitl,  dann  wirst  du  unsere  Reihen 
vermehren. 

Hierauf  folgt  eine  kurze  prosaische  Vermahnung,  in 
der  ein  Platzregen  von  Schimpfwörtern  auf  den  armen 
Schüler  niedergeht  und  nach  dieser  beginnen  die  Lehren 
des  ersten  Capitels :  Vnnd  erstlich,  wann  du  nun  die  gantze 
Nacht  über,  biß  an  hellen  Hechten  Tag  fein  sanfft  geschlaff etu 
geschnarcht,  dich  im  Beth  (du  habst  gleich  vff  einen,  oder 
beyderley  weg  ein  hoffrecht  darein  gemacht^  oder  nit,  gilt  gleich) 
genugsam  hin  vnd  wider  geschlegelt*  gewältzt,  gestreckt,  vnd 
aussgienet  hast,  Wie  dann  dasselb  der  Artzney  gelerten  meinutig 
nach,  dem  Leib  gar  gesund  vnd  erf rißlich  seht  soll,  So  darffstu 
doch  wider  deinen  guten  willen  ehe  nicht  aufstehen,  dann 
du  seyest  zuuor  vffs  wenigst  einmal,  oder  zwölffe  gewecket 
worden  usw. 

Die  Art  seiner  Bearbeitung  bietet  nichts  Bemerkens- 
werthes.  Aus  dem  Inhalt  ist  ersichtlich,  dass  er  den  zweiten 
erweiterten  Grobianus,  aus  dem  Wortlaut,  dass  er  nicht 
das  lateinische  Original,  sondern  die  Übersetzung; Hellbachs 
benutzt  hat3.  Die  Reihenfolge  des  Erzählten  ändert  er  will- 
kürlich ab,  und  da  er  sich  befleisst  vff  das  Kürtzte  hindurch 
zu  gehen ,  lässt  er  alle  längeren  Schilderungen  und  ein- 
geschobenen Schwanke  weg.    Mit  dem  Ende  des  zweiten 


1  Tito]  und  Beschreibung  bei  Milchssek  S.  XXIX.    Hier  auch 
schon  der  Hinweis  darauf,  dass  KienheckelJHellbachs  Fassung  benutzte. 

2  Grobheit  als  erste  Kunst,  sowio  das  Schmarotzen ,  das  Trinken  usw. 
haufi?  im  XVI.  Jh. 

8  z.  B.  Kienheckel  A  3  sondern  hob  ein  grenlichs  krumbs  Ge- 
sicht, vgl.  Scheidt  V.  4J01  ;  oder  A  4  Du  habst  ein  pf äffen  mag  dt  ge- 
fressen, die  z6pf  hangen  dir  noch  w  Nasen  herauß,  vpl.  Hellbach 
40,  9. 


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8C1IKRFFERS  ÜBKRSETZUNO. 


83 


Buches  bricht  er  ab.  Vom  dritten  Buche  und  der  Grobiana  keine 
Zeile!  Für  seine  selb/J  eigenen  Jungen^  denen  er  die  Schrift 
bestimmte,  wäre  dies  auch  keine  passende  Leetüre  gewesen. 

WfiXZEL  8CHERFFER8  ÜBERSETZUNG. 

Wenzel  Scherffer  von  Scherffenstein,  Organist  zu  Brieg, 
übersetzte  im  Beginn  seiner  litterarischen  Thätigkeit  unter 
dem  Titel  Der  Grobianer  vnd  die  Grobianerin,  Das  ist,  Drey 
Bücher  Von  Einfalt  der  Sitten.  Brieg  1640  etc.1  die  er- 
weiterte Fassung  des  Dedekindschen  Grobianus  nach  einer 
späteren  Ausgabe2  direct  aus  dem  Lateinischen,  ohne  Scheidts 
oder  Hellbachs  Übertragung  zu  kennen3.  Für  die  äussere 
poetische  Form  befolgt  er  Opitzens  Lehre  und  Beispiel  und 
weist  im  Titel  und  in  der  Vorrede  ausdrücklich  daraufhin4. 
Nach  OpitzensVorschrift  baut  er  Alexandriner  von  zwölf  Silben 
bei  stumpfem  und  dreizehn  Silben  bei  klingendem  Ausgang  und 
häufigem  Enjambement5.  Wie  Opitz  vermeidet  er  Fremd  Wörter 
und  deckt  den  Ausfall  durch  neue  zusammengesetzte  Aus- 
drücke. Wie  der  Meister  der  deutschen  Renaissance- Poeten 
ziert  er  seine  Darstellung  mit  dem  Schmucke  der  antiken 
mythologischen  Bilderwelt  und  fordert  die  Anschaulichkeit 
der  poetischen  Sprache  durch  zierende  Beiwörter  und  eine 
sinnlichere  Bildhaftigkeit  der  Bezeichnung.  Wie  jener  eifert 
er  gegen  Nachäfferei  fremder  Moden  und  Sitten  und  erzieht 
den  Geschmack  für  das  Vaterländische  ß.  Aber  eben  hierin 
eilt  er  den  gelehrten  Poeten  weit  voraus,  denn  er  schöpft 

1  Beschrieben  von  Milchsack  8.  XXX  f. 

2  Dies  erweisen  wieder  der  Titel  und  die  Capitelüberschriftcn. 

3  Paul  Drechsler,  W.  8cherffer,  Inaugural-Dissertation,  Breslau 
1886.  8.  HS.  Milchsacks  entgegengesetzte  Behauptung  (8.  VII)  ist  falsch. 
Scherffer  erwähnt  nirgends  Scheidt  und  Hellbach,  er  nimmt  an  keiner 
Stelle  deren  Zusätze  auf  und  erklärt  in  der  Vorrede  ausdrücklich,  dass 
er  sein  Werk  aus  dem  Latein  übertragen  habe.  Auch  seine  Capitel- 
überschriften  sind  abweichend  von  Seheidt  und  Hellbaeh  genaue  Über- 
setzungen der  lateinischen. 

*  In  Alexandrinische  Reime,  nach  atnvcisung  H.  Opitij  gegebenen 
reguln,  genaiv  vnd  vleissig  gebracht.  —  (Ich  bin)  Opitij  endungen  der 
Syllaben  stracks  nachgegangen. 

1  Vgl.  O.  Witkowski,  Opitzens  Aristareh  und  Buch  von  der 
deutschen  Poeterey  S.  59,  Hl,  98  u.  101. 

*  Ebenda,  S.  öf>. 

Ü* 


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84 


III.  CAPITEL. 


aus  dem  frischen  Born  des  volkstümlichen  Wortschatzes 
und  des  wirklichen  Lebens.  Gerade  Scherffers  Grobianus 
ist  reich  an  schlesischen  Dialektausdrücken  und  realistischen 
Bildern  heimischer  Zustände1. 

Die  Beobachtung  der  eben  erwähnten  Momente  aber 
nöthigte  Scherffer  unwillkürlich  zu  einer  Verbreiterung.  Der 
Teutschen  Muttersprache  Weit Schweifung 2  zwingt  ihn  den  In- 
halt eines  lateinischen  Verses  auf  zwei  oder  mehr  deutsche 
auszudehnen.  Weniger  die  zahlreichen  Zusätze,  als  eben 
diese  Umständlichkeit  der  Ausdrucksweise,  dieser  gezierte 
schleppende  Ton:*  verlängern  das  Werk  bis  zu  8400  Versen4. 

i  Drechsler,  8cherffer  S.  21,  8.  48  ff. 

1  Über  diese  beklagt  sieh  Scherffer  in  der  Vorrede  zu  seiner 
Übersetzung  der  Pia  Desideria  des  Hugo.    Drechsler  a.  a.  O.  8.  43. 

3  Als  Beispiele  gebe  ich  einige  Verse  von  I,  1.  Man  vergleiche 
diese  mit  den  entsprechenden  ß  lateinischen  Versen  von  Egregie  bis  uerba 
Jene  und  der  Übersetzung  Scheidt-Hellbachs,  oben  8.  79  Anmerkung. 
So  wird  es  wunder/ein  und  hüpsck  und  höfflich  stehn 
Wenn  Du  zu  solcher  Zeit  die  Eltern  heg  zu  gehn 
Dich  schweigend  nimmest  an  ;  vnd  jhnen  weder  grüß 
Noch  sonsten  bringest  zu  den  ehr-  vnd  liebes-kuß. 
Wünsch  keinem  Menschen  auch  nicht  einen  gutten  Morgen 
So  dar  ff  er  nimmer  nicht  vmb  Dankens  worte  sorgen 
Und  ob  du  jhnen  gleich  viel  wünschest  gutte  zeit 
Wo*  haben  sie  davon?  Dir  aber  sey  es  leid 
Viel  außerlesner  wort  also  dich  zu  entladen. 
Viel  Worte  zu  verlieru  ist  nicht  ein  gringer  Schaden. 
Als  zweites  Beispiel  diene  die  Floh-Episode  in  der  Orobiana 
274,  1.  Man  vgl.  die  lateinischen  Verse  oben  8.  76. 

Sonst  führen  steten  krieg  die  Weiber  vnd  der  Floch 
Der  vor  der  Welteinfall  nicht  kriegen  mSvht  ein  loch. 
Im  finstern  dieser  schalck  ohn  sonderlich  gezabel 
Jetzt  da  jetzt  dorten  hin  einsetzet  seinen  schnabel. 
Das  Jungferliche  Fleisch  kost  er  an  jedem  ort 
Vnd  durch  die  zarte  haut  mit  seinem  Stachel  bort 
Das  schmertzt  das  liebe  Volck  so  so  das  sie  mit  schlagen 
An  diese  schwartze  macht  manch  ernstlich  gänglein  wagen. 
Bekämpft  dich  dieser  Feind  rnd  arge  Bösewicht 
Der  gern  im  finstern  zeucht  vnd  scheut  daß  tagesliecht  9 
So  setz  getrost  jhm  nach  vnd  jhm  das  Uder  zause 
Bey  frembden  oder  sonst  vor  Leuthen  vnd  zu  hause. 
♦  Wie  das  anwächst  1  Dedekind  (1549)  hat  2400  Verse,  Dedekind 
(1552)  4H00,  Scheidt  5000,  Hellbach  6000  und  Scherffer  8400  Verse. 


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SCHKKFFERS  ÜBERSETZUNO. 


85 


Im  Vergleich  zu  der  knappen  Derbheit,  zu  den  rasch 
einander  folgenden  drastischen  Wendungen  Scheidts  macht 
die  steifleinene  Übersetzung  Scherffers  einen  schlechten 
Eindruck.  Z.  B.  für  nulla  uerendarum  tibi  sit  reuerentia 
matrum,  Ntdla  puellarum  cura  nec  ulla  uirüm  sagt  Scherffer 
62:  Schew  du  zu  keiner  zeit  ein  erbare  Matron,  Noch  die 
freyledig  ist,  noch  keine  Mannssperson,  Zu  reden  und  zue  thun 
sey  dir  anlieim  gestellet,  Es  ist  genung,  dass  dirfs  alleine 
tcohlgefdlfet.  Vgl.  dazu  Scheidt  V.  1664-1668.  Oder  sagt 
Scheidt  V.  3731  kurz:  Sprich  es  sagt  niemant  war  dann  ich, 
so  wird  Scherffer  gegen  den  Sinn  dieser  Stelle  beinahe  höf- 
lich 171,  21 :  Ihr  Herren  seid  gefraget,  Ob  einer  hat  von 
euch  die  Wahrheit  so  gesaget ,  Alss  eben  Ich,  ia  Ich ;  für 
Scheidt:  V.  207:  (Lass)  Beide  Kalbsaugen  utnbher  schiessen 
sagt  Scherffer  7,22  du  aber  fasse  frey  dein  äugen  rumher- 
gehn.  So  drückt  sich  Scherffer  viel  anständiger,  aber  auch 
viel  farbloser  und  eintöniger  aus.  Seine  derben  Ausdrücke 
und  unflätigen  Stellen  aber,  die  er  natürlich  weder  ver- 
meiden kann  noch  will,  widersprechen  dem  gezierten  Ton  der 
hochtrabenden  Alexandriner  zu  sehr  und  erscheinen  weit 
widerlicher  und  abstossender,  als  in  den  flotten  Reimpaaren 
Scheidts.  Im  XVI.  Jahrhundert  ist  die  rohe  Sprache  eine 
naive,  ursprüngliche,  bei  Scherffer  ist  jeder  derbe  Witz  ein 
bewusster.  Solch  eine  unnatürliche,  absichtliche  Grobheit 
sinkt  rasch  zur  Gemeinheit  herab,  die  nicht  nur  anstössige, 
sondern  geradezu  unsittliche  Situationen  erzeugt.  Eine  pi- 
kante Anspielung  wie  Scherffer  204,  25  :  Von  Artischocken, 
du  doch  diese  lehre  merke,  Sie  sind  ad  coitum,  das  ist  zur 
Magensterke  wird  man  bei  Dedekind  und  Scheidt  vergebens 
suchen. 

Mythologische  Bilder  und  Anspielungen  auf  antike 
Sagen  behält  Scherffer  nicht  nur  an  allen  Stellen  bei,  wo 
die  Quelle  sie  darbietet,  sondern  gebraucht  sie  auch  unab- 
hängig von  dieser  sehr  häufig,  z.  B.  für  quos  lenis  urit  amor 
Scherffer  4,  10  Bey  denen  Venus  wil  vnd  Amor  einfurieren; 
für  solis  ab  aestu  Sch.  185,7  Von  Phoebus  hitz  befreyt;  für: 
Virigineo  in  coetu  Sch.  290,8  Der  schönsten  Nymphenschaar, 
Ebenso  für  Wein:  Bacchus  usw. 


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86 


III.  CAPITEL. 


Für  die  Ausschmückung  der  Rede  sorgt  Scherffer  ausser- 
dem noch  durch  Beiwörter  z.  B.  46,22  rosenrother  Mund, 
durch  Specialisirung  einer  allgemeinen  Andeutung  z.  B. 
für  longitiquis  missus  ab  oris  262,23  Weit,  weit  noch  hinder 
Schweden  und  durch  Redensarten  z.  B.  für  Cedere  maiori 
praecipit  ipse  Cato  26,5  Das  allemal  der  scherff  dein  groschen 
weichen  sol  usw. 

Übi  •igens  ist  die  Ausdrucksweise  Scherffers  im  ein- 
zelnen eine  von  Scheidt  und  Hellbach  wesentlich  verschie- 
dene. Besonders  die  Kosenamen,  welche  hier  dem  Schüler, 
seiner  Sippe,  und  seinen  Heldenthaten  zuerkannt  werden, 
sind  ganz  neu.  Der  Meister,  der  hier  die  Gröbeleien, 
Gröbelstücke,  die  Regeln  des  Gumpelbuches  und  der  Gröbel- 
zunft  lehrt,  ruft  seinen  Schüler  bei  den  Namen  Simpel, 
Lümmel,  Pürschlein,  Gröbel,  Schelm  usw. 

In  der  Mehrzahl  der  grösseren  Erweiterungen  erzählt 
Scherffer  neue  unflätige  Stücklein  und  grobe  Verstösse 
gegen  den  Anstand  bei  Tische,  auf  der  Strasse  usw.,  die  er 
lebenden  Repräsentanten  der  Grobianer-Zunft  in  seiner 
Heimath  abgelauscht  hat,  zeichnet  deren  Treiben  mit 
manchem  hübschen  realistischen  Zug1  und  erweitert  die 
Schilderungen  dor  Tafelfreuden  mit  den  Kenntnissen  eines 
Feinschmeckers  durch  die  Aufzählung  der  seltensten  culi- 
narischen  Genüsse  und  der  feinsten  Weinsorten2.  Unter 
den  Zusätzen  der  letzteren  Art  zeigt  einer  die  merkwür- 
digste Übereinstimmung  mit  dem  sechsten  Artikel  aus  Gro- 
biani  Tischzucht  vom  Jahre  1538. 8   Daraus  lässt  sich  mit 


1  Beispiele  bei  Drechsler  a.  a.  0.  8.  40  f. 

2  Besonders  II  2. 

»  8cherffer  205,  13  -206,  4  gibt  die  gleichen  Vorschriften  für  die 
Vorspeisung  von  Gründein  und  Schmerlen  und  den  Rath,  von  kleinen 
Fischen  eine  grosse  Menge  auf  das  Brod  zu  streichen ,  wie  der  kleine 
Orobianus.  Den  letzten  Witz  von  den  kleinen  Fischen  erzählen  auch 
Pauli,  Schimpf  und  Ernst  Anhang  5  und  Hans  Sachs  5,  394.  Eine 
Anspielung  darauf  bei  Wickram,  Eine  schöne  kurtzwoil  (Loosbuch) 
1539  E  3.  —  Beziehungen  finden  ferner  statt  zwischen  dem  5.  Artikel 
von  Grobiani  Tisohzucht  und  Soherffer  206,  6  ff.  bei  Aufzählung  der 
Fisch-Delicatesscn  und  etwa  dem  vierten  Artikel:  (beim  Eier  essen)  vnd 


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SCHERFFERS  ÜBERSETZUNO. 


87 


Sicherheit  schliessen,  dass  Scherffer  in  dieser  oder  ver- 
wandten Schriften  nach  Stoffen  für  seine  Einschiebsel  ge- 
fahndet hat. 

In  jener  Kneipscene  I,  10,  die  auch  Scheidt  und  Hellbach 
mit  grösseren  Erweiterungen  versehen  haben,  führt  Scherffer 
mehrere  neue  Charaktere  und  Vertreter  bestimmter  Stände 
ein,  die  in  der  Trunkenheit —jeder  nach  seiner  Art  —  redselig 
werden.  Ein  Adelsstolzer,  ein  Zungendrescher,  ein  Stumpf- 
sinniger usw.  Der  Landmann  bringt  seine  Bauernregeln 
vor :  97,7  Vmb  Benedictus  strew  er  Haber  in  das  Land,  Vnd 
vmb  Ambrosi  steck  er  Zwiebeln  in  den  Sand  usw.  Der  Hofmann 
berichtet  von  seiner  Toilette:  94,2  Vnd  das  die  haare  sich 
vnförmlicJi  nicht  erweisen,  So  brennet  er  sie  vor  mit  einem 
heissen  eysen.  Der  Soldat  erzählt  vom  grossen  Kriege,  wie 
er  bald  dem  Kaiser,  bald  den  Schweden  gedient  habe. 

Aus  diesen  EinschÜben  ersieht  man  bereits,  dass 
Scherffer  in  seiner  Bearbeitung  auf  die  veränderten  Zu- 
stände seiner  Zeit  Rücksicht  nimmt.  So  hat  er  sich  auch 
die  Befehdung  der  modernsten  Unsitten,  der  Ausländerei 
und  des  Fremdwörterunfuges,  in  dieser  ironischen  Sitten- 
lehre zur  Aufgabe  gemacht.  Er  warnt  seinen  Schüler 
112,25  vor  dem  Krimskrams  der  höflichen  Bewegungen, 
denn  diese  nennt  man  Ceremonien  und  das  ist  kein  deutsches 
Wort.  Er  lehrt  den  Grobianer :  123,9  Fang  Wdlsch  zureden 
an;  Frantzösich  wo  du  kannst,  Damit  die  Leuth  auch  hörn, 
dass  nicht  in  deinem  wanst,  Allein  nur  deutsches  lieg,  und 
verhöhnt  an  mehreren  Stellen  die  Sprachmenger 

Ein  weiteres  neues  Laster,  das  der  glückliche  Dede- 
kind  noch  nicht  kannte :  das  'Tabactrinken*  behandelt  Scherffer 
in  einem  grösseren  Abschnitt  III2  (215,7 — 219,12)  Nun  hat 
der  Geyer  jetzt  ein  new  getränk  erwehlet,  Jahrhunderte  lang 
hat  Deutschland  seinen  Durst  mit  Bier  und  Wein  gelöscht, 
nun  führte  Mars  der  Prahler  eine  neue  Art  des  Trinkens 


zuletzt  mit  dem  daumen  rund  vmbher  faren  odder  mit  der  zungen  aus- 
lecken und  8eherffer  19S,  19  So  was  inwendig  dann  an  schalen  bleibet 
hangen,  das  kau  der  Finger  Prinz  der  daumen  leicht  erlangen. 
1  Die  aswei  booten  Beispiele  druckt  Drechßler  ab  S.  39. 


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88 


III.  CAPITEI  . 


ein.  Scherffer  erzählt  dann,  wie  in  den  Winterlagern  ge- 
dampft wird,  welche  Übel  ein  Neuling  dabei  durchzukosten 
hat  und  schimpft,  des  ironischen  Tones  satt,  wacker  auf 
das  Rauchen  l. 

An  einer  Stelle  36,5  weist  Scherffer  darauf  hin,  dass 
sich  die  Tracht  seit  dem  XVI.  Jahrhundert  verändert  hat. 
Er  wiederholt  Dedekinds  Lehre  vom  Aufnesteln  (I,  5), 
bemerkt  aber :  Zu  solcher  Xcsteley  gab  immer  recht  und 
fug,  Die  Zeit  da  man  den  Bauch  im  deutschen  Wümmes 
trug;  heute  sind  die  Nesteln  kein  Riegel  mehr,  sondern  nur 
Zierrath,  sodass  der  Bauch  sich  nach  Lust  blähen  kann. 


Im  Jahre  1654  erschien  eine  Titelauflage  von  Scherffers 
Übersetzung;  im  Jahre  1708  wurde  sie  noch  einmal  abge- 
druckt unter  dem  Titel:  Der  unhöfliche  Monsieur  Klotz2. 
Auch  die  Grobiana  erhält  hier  den  neuen  Namen  die  Ma- 
demoiselle  Klotzin.  Vor  dieser  Schrift  steht  statt  der  vielen 
Vorreden  und  Eingangs verse  Dedekinds  und  Scherffers  ein 
kurzer  Vorbericht.  Am  Schlüsse  sind  zwei  Anekdoten  hin- 
zugefügt vom  Käsehändler  und  Backtrog-Schläffer:  Ein  Mann, 
der  selbst  alle  Einkäufe  besorgt,  wird  bei  einem  Streite 
von  den  Marktweibern  über  und  über  mit  Käse  beworfen. 
Daheim  legt  er  sich  einmal  im  Rausch  statt  in  sein 
Bett  in  den  Backtrog,  der  eben  voll  Teig  ist3.  Ein 

*  Ahn  lieh  den  Schrifton  der  Trinklitteratur  erschienen  nun  auch 
mehrere  BQcher  gegen  oder  für  das  Rauchen.  In  einem  Mischbande 
der  Berliner  legi.  Bibl.  Tu  7991  findet  man:  Der  politische  Tobacks- 
bruder  d.  i.  eine  sonderliche  Beschreibung  des  Edelen  Krauts  Toback  etc. 
Ton  Michael  Kautzschen  1684.  Tobacksstadt  und:  Neu  erfunden  und 
wohlgegrundete  Tabacks-Zunfft-Ordnung,  allen  Liebhabern  dos  edlen 
Krauts,  des  Tobacks,  zum  Besten  und  ihren  Aufnehmen  vorgestellet, 
von  der  sämtlichen  Zunfft,  Altmannern,  Obermeistern,  vnd  andern  Bey- 
sitzern.  o.  O.  1676.  Vgl.  ferner  Goedeke  3,  64  Nr.  4.  8.  114  Nr.  17. 
Weimarisches  Jahrbuch  2, 243  -  260  und  eine  englische  Orobianusdichtung 
vom  J.  1609,  vgl.  Herford  a.  a.  O.  8.  392. 

2  Vgl.  Milchsack  a.  a.  0.  S.  XXXI. 

1  Trotzdem  diese  Erzählungen  niohts  Anstössiges  enthalten,  wurde 
der  neue  Herausgeber  H.  Bockemeyer  mit  der  Confiscation  des  Buches 
bestraft.  Goedeke  3,  54. 


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IHK  NACHWIRKUNG  DES  GROBIANUS. 


Kupfer  illustrirt  diese  Geschichte  und  den  Schwank  vom 
Thüringer  auf  der  Hochzeit  (III,  5). 

So  wurde  der  Grobianus  in  lateinischer  und  in  deutscher 
Fassung  in  seiner  Heimath  bis  zum  Anfang  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts immer  von  neuem  verlegt  und  bearbeitet.  In  mehr 
als  fünfzig  Ausgaben  erschien  er  in  den  verschiedensten 
deutschen  Städten  von  Worms  und  Frankfurt  am  Main  bis 
nach  Brieg,  von  Nürnberg  bis  nach  Köln  und  Hamburg, 
er  wurde  in  Leyden  und  London  nachgedruckt  und  schliess- 
lich auch  ins  Ungarische  und  Englische1  übersetzt.  Mit  der 
zweiten  englischen  Übertragung  von  Roger  Bull  1739  be- 
schloss  er  seine  nahezu  zweihundertjährige  litterarische 
Lebensdauer. 

DIE  NACHWIRKUNG  DE8  GROBIANUS. 

Von  einer  grobianischon  Litteratur  neben  dem  Hauptstrang, 
auf  welchem  die  unmittelbaren  Bearbeitungen  des  Dedokindschen 
Grobianus  einander  folgen,  kann  eigentlich  nicht  die  Rede  sein.  Die 
wenigen  hieher  gehörigen  Schriften  nach  der  Mitte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts haben  gerade  bezüglich  des  Orobianismus  keinen  selbständigen 
Werth,  weil  sie  Derlekind  oder  den  'kleinen  Grobianus*  benutzen  oder 
ausschreiben.  Die  späteren  Tisclizuohten,  die  innerhalb  grosserer  An- 
standsbfloher  oder  humoristischer  Welt-  und  Sittenspiegel  nicht  Beiton 
sind,  gehören  der  Culturgeschichte  an. 

Dem  Grobianus  von  Dedekind-Scheidt  folgt  als  nächste  Tisch- 
zucht-Parodie ein  'Schwank*  von  Hans  Sachs :  Die  verkehrt  dischzuecht 
Grobianj  von  J.  1563.  (d)2  Hier  ist  aber  Hans  Sachs  von  jenen  Sati- 
rikern völlig  unabhängig.  Er  hat  nur  die  Regeln  seiner  früheren 
Tischzuchten  von  J.  1584  (a) 5  und  1542  {bc)*  einfach  umgekehrt  und 
für  etliche  parodistische  Zusätze  die  Wormser  Grobianus'  Tischzucht 5 
vom  J.  1538  benutzt.  Die  neuen  verkehrten  Regeln  haben  meist  die 
Fassung  von  bc,  mit  einer  Negation  verschon.  Z.  B.  bc  V.  1  f.  Hör  mensch 
wen  dw  zw  disch  teilt  essen,  Wasch  dein  hend  ee  dw  pist  gesessen. 
Und  d  V.  5  f.  Hör  mensch,  wen  dw  zv  gast  wilt  essen,  Wasch  dein  hent 
nicht  e  dw  pist  gsessen. 

»  Milchsack  8.  XXXII  f.  Bd.  I:  R.  J.  Sent  verbessert  Herford 
8.  389  in  R.  8.  Gent. 

*  d  abgedruckt  bei  Geyer,  Altdeutsche  Tisohzuchten.  Progr.  Alten- 
burg 1882  8.  32  f. 

»  Ebenda  8.  30. 

♦  8. 8t  u.  vgl.  oben  8. 13  f. 
5  Vgl.  oben  8.  29  ff. 


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90 


HI.  CAPITEL. 


Hin  und  du  wird  die  neue  Passung  drastischer:  a  V.  30  gleich 
eint  hund;  d  V.  52  gleich  aim  ßaischacker  hund.  Von  Grobian  ua* 
Tischzaeht  entnimmt  Hans  Sachs  den  Titel den  Zusatz  V.  45 — 48  von 
den  kleinen  Fischon2,  die  Beschönigungen  jeder  unflätigon  That,  wie 
V.  58,  70  usw.,  besonders  die  Wondung  vnd  achatt  dir  nicht  \  schliess- 
lich die  Ermahnung  sich  beim  Hftndewaschen  ungebührlich  zu  benehmen 
mit  der  Versicherung  V.  96 — 98  Den  spricht  iederman  wol  dein  triezen, 
Vnd  helt  dich  fuer  ain  ordensmann,  In  dem  klont  er  Sant  Grobian. 
Denn  auch  dort  ist  vom  Säuorden  die  Rede,  und  von  den  pnro- 
diBtischen  Klosterwürden  des  Abtes  Grobianus  und  des  Subpriors  Setc- 
hardus. 

Dem  Titel  nach  schliesst  sich  an  die  Hellbachsolio  Bearbeitung- 
die  niederdeutsche  Schrift  *Orauianus  vnd  Grauiana.  Von  vntüohtigen, 
grauen,  vnhönisohen  Seden,  vnd  Bflrisohen  geberdon.  Lis  wol  dith 
Bökelin  offt  vnd  veel,  Vnd  ilo  alltydt  dat  wedderspeel'  o.  0.  1583.  Scheidts 
Gedicht  'An  den  Leser*  ist  hier  abgedruckt  und  seine  zweite  Vorrede 
nachgebildet;  sonst  ist  der  Text  einfach  eine  niederdeutsche  Übersetzung 
des  'kleinen  Grobianus'  vom  Jahre  1Ö38.  Natürlich  auch  in  Prosa. 
Die  16  Abschnitte  sind  hier  nicht  mehr  'Artikel',  sondern  'Capittel' 
überschrieben«. 

In  unmittelbarer  Abhängigkeit  von  dem  Grobianus  (in  der  Hell- 
bachsohen  Fassung)  aber  stehn  einige  Capitol  der  Erhographia  Mundi 
(I.  Theil  1607»)  von  Johannes  Sommer  (Variscus).  In  der  Vorrede  zu 
diesem  Sittenspiegel  entschuldigt  sich  der  Verfasser  wegen  seiner  groben 
Schilderungen  und  beruft  sich  auf  Fisoharts  Gargantua  und  Dedekinds 
Grobianus  (A  4),  benutzt  in  dem  achten  der  darauf  folgenden  Naturge- 
mäßsten Gesetz  etc.  der  weltliebenden  Zunfft  die  ersten  Capitel  des 
Grobianus  (besonders  E  6b,  E  7)  und  gibt  unter  anderem  auch  den  Rath : 
auß  der  schönen  Tischzucht  deß  Herrn  Grobiani  die  außerlesene  Lehren 
zu  Practlciren.  (E.  7b)«. 

Die  übrigen  Tischzuchten  nach  der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts 
sind  koine  Parodien,  sondern  ernste  Anstandsiehren.  So:  'Kurtze 
Tisohzucht  für  die  vngehöfelten  Grobianusknochte  in  44  gute  Rogein 


1  Die  Parodie  des  Gato  (Milchsack  S.  IV)  kann  nicht  Vorbild  sein. 
Sio  zeigt  keine  näheren  Beziehungen  und  enthält  auoh  nicht  den  Aus- 
druck Grobianus. 

*  Artikel  6  Vgl.  oben  S.  86  Anmerkung. 

•  Vgl.  oben  8.  80. 

♦  Milchsack  S.  V.  Goedekc,  Grundriss  2,  457  Nr.  5. 

*  Titel  usw.  bei  Goedoke  2,  584  Nr.  8.  Obige  ältere  Ausgabe 
befindet  sich  in  der  herzogl.  Bibliothek  zu  Gotha.  Miscell.  Poes.  8.  2860. 

6  Auf  Blatt  E  8b  sind  Regeln  die  mit  Hellbaoh  I.  4  u.  III  5  zu- 
sammenhängen. Auf  Bl.  F.  b — F.  2.  b  G  5— G  8  ist  Fisoharts  Trunken- 
litanei ausgeschrieben  (Neudruck  S.  124,  134,  142  f.,  148). 


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DIE  NACHWIRKUNG  DES  GROBIANUS. 


91 


gefasset  etc.  von  Kys.*  Vierte  Ausgabe  Erfurt  1594  *.  Hier  wird  neben 
den  gewöhnlichen  Tischzuchtregeln  gelehrt:  9)  Wenn  einem  Fett 
an  dem  Messer  klebet  und  er  dasselbige  an  den  Sehnen  abreibet1  .  .  • 
das  ist  grob,  dSlpisch  vnd  abscheulich,  10)  .  .  es  geht  nicht  an  seine 
Grobheit  mit  einem  PoRsen  zu  entschuldigen,  20)  Schneid  nicht  die 
Rinde  rund  herum  vom  Brod  ab,  darnach  das  ander  da  liege  (wie  die 
deutschen  sagen)  geschindet  als  S.  Botholomeus  s\  27)  Du  darfst  nicht 
nur  gewisse  Thoile  von  den  Gerichten  nehmen,  etwa  von  der  Gans  nur 
da*  Leder ,  28)  Nicht  die  Hand  lausen ,  Blattern  aufstechen ,  auf  die 
Teller  klopfen  K  44)  Geh  nicht  im  Hemd  oder  halb  angekleidet  in  die 
8tnbe,  wo  andere  Leute  sind.  Vor  anderen  darfst  du  dir  nicht  Strümpfe 
und  Wamms  aufnesteln,  besonders  nicht  vor  Jungfrauen  *.  Zum  9chluss 
wird  die  Episode  aus  Reineke  Fuchs  (Braun  der  Bär  als  Bote)  als  Bei- 
spiel angefahrt,  wie  grobe  Individuen  von  scharfsinnigen  betrogen 
werden.  Kys  nennt  keine  Quellen ,  doch  Hellbachs  Grobianus  wird 
nicht  ohne  Einwirkung  auf  ihn  geblieben  sein. 

Der  Ausdruck  'Grobianus'  begegnet  uns  in  der  zweiten  Hälfte  des 
XVI.  Jahrhundert  sehr  häufig*.  Theils  ist  es  Brants  Heiliger  Grobianus 
der  im  Volksmund.'  und  bei  den  Schriftstellern  weiterlebt,  theils  Dede- 
kinds  "Werk,  das  als  Mustersammlung  grober  Streiche  citirt  wird,  theils 
eine  humoristische  Redeweise,  welche  sich  dieser  treffenden  und  ge- 
meinverständlichen Bezeichnung  bemächtigt  hat.  Nur  wenige  Beispiele: 
Wickram  erzählt  in  seinem  Rollwagonbüohlcin  1655  Nr.  LII  (ed.  Kurz 
8.  93),  dass  in  den  Abendzechen  saut  Grobianus  mit  seinem  seytenspil 
zum  Sewtrog geloffen  kommt,  und  erwähnt  oine bruderschttfft  S.Grobianus. 
L.  Hollonius,  Freimut :  Das  ist  vom  vorlornen  Sohn  usw.  Newo  Comoedia 
1603  III,  4  bemerkt  Brantisch:  Dem  newen  Heilgen  Grobian ,  Beim 
schwelgen  dient  fast  Jedermann. 

Bei  Lindencr,  Rastbüohlein  1558  Nr.  28  lautet  eine  Verordnung 
des  Königs  Volnarri:  Zum  andern  soll  ein  yeder  .  .  sich  aller  hdfflig- 

»  Goedeke  Grundriss  2, 457.  Nr.  6  Berliner  kgl.Bibl.Yz  3341.  Hier 
befindet  sich  auch  die  dritte  Ausgabe  Miscell.  Fa  4921  Nr.  6.  Etwas  kürzor 
in  '40  Regeln'  1585.  Da  dieser  Ausgabe  mehrere  Blätter  fehlen,  so  citire  ich 
oben  naoh  der  vierten.  Eine  erste  und  zweite  Ausgabe  kenne  ich  nioht. 

«  Vgl.  Scheidt  V.  683-686. 

5  Vgl.  8cheidt  V.  4376—78  Vnd  macht  ein  Bartolmeum  drauß 
(aus  der  Gans),  bei  Hellbach  ausserdem  I  7  (73,  5.  u.  6)  genauere  Be- 
stimmungen über  das  Wegschneiden  der  Brodrinde.  Ferner  Oeilers 
Predigten,  Qbersetzt  v.  Nie.  Höniger,  Basel  1574,  gedruckt  in  Scheibles 
Kloster  I,  311.  Dann  es  seind  et  lieh,  die  sein  also  vn  züchtig  in  dem 
Brot  schneiden,  das  sie  dasselbig  schinden  vnd  machen  ein  Bartholome y 
darauß,  indem  sie  die  Rinden  darvon  schneiden  vnd  essen. 

4  Hellbaohs  Zusatz  I  4. 
•  Soheidt-Hellbaoh  I  1. 

6  Vgl.  oben  8.  23  und  bei  Fisohart  unten  S.  122  Aum.  I. 


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92 


III.  CAPITEL. 


keyt*  wie  dann  im  Grobiano  vil/eltiger  weiß  begryffen ,  ernstlich  be- 
ßeyssen.  N.  Hönigers  Übersetzung  der  Geilerschen  Predigten  (ßoheibles 
Kloster  I;  8  617)  1574 :  Wer  noch  mehr  von  säuischen  Narren  hören 
will  der  lese  den  Grobianum  ,  der  er  zeit  jr  schöne  fugend  all  in  einer 
summa.  H.  Kornmann,  De  Linea  Amoris  Commentarorius  Francofurti 
1629  p.  37  zählt  unter  den  lihris  obscenis  et  prohibitis  auch  den  Gro- 
bianus  auf.    Und  noch  Moscherosch  in  den  Gesichten  erwähnt  ihn. 

In  einem  gesprech  des  Herrn  mit  S.  Petro  (Schade,  Satiren  und 
Pasquille,  Hannover  1856.  1,  158  u.  163)  beklagt  sich  S.  Petrus 
über  das  Schlemmerleben  der  Schulmeister:  statt  den  Cisioianum  zu 
repctiren,  decliniren  sie  den  Grobianum,  statt  fromme  Lieder  zu 
singen,  deolamiren  sie  den  Grobianum. 

Von  dem  Gipfel,  welchen  die  grobianische  Litteratur  in  der 
Parodie  Dedekind-Scheidts  erreicht  hat,  geht  sie  den  gleichen  Weg 
abwärts,  den  sie  einst  zurückgelegt  hatte.  Statt  der  Parodie  finden 
wir  bald  wieder  die  Schilderung  der  Ungezogenheit  und  hernach  ernst- 
gemeinte Tischzuchten,  die  selten  als  selbständige  Schriften  erscheinen, 
sondern  in  allgemeine  Sitten-  und  Anstandsregeln  aufgenommen  werden. 
Die  Zahl  dieser  Complimentir-  und  Zuchtbüchlein,  dieser  'politischen' 
Lebensregeln  und  moralischen  Erziehungsschriften  ist  —  besonders  im 
XVII.  Jahrhundert  —  eine  sehr  grosse.  Meist  in  schmuckloser,  pro- 
saischer Darstellung,  ohne  grössere  Verschiedenheiten  untereinander 
abgefasst,  sind  sie  ohne  literarhistorischen  Werth,  aber  von  cultur- 
historischem  Interesse 

1  Die  Titel  einzelner  wichtigerer  Schriften  dieser  Art  mögen  hier 
folgen : 

Simon  Verepeo:  Zuchtbüchlein  (für  die  Jugend).  Innsbruck  1587. 16. 
Joh.  Gasa  Galateus:  Büchlein  von  ehrbaren  Sitten.  Frankfurt 
1587.  8. 

Othomani  Sigberti  von  der  Lippe  Schöner  und  polierter  Spiegel 
von  allerlei  Ständen.   Erfurt  1593.  4. 

Stephani  Guazzi  Vom  Bürgerlichen  Wandel  vnd  zierlichen  Sitten 
Frankfurt  1599.  4. 

Melchioris  Haganaei  Vnderweisung  zum  Bürgerlichen  Leben 
Justi  Lipsij.    Frankfurt  1599.  4. 

Aegidius  Albertinus  :  Institutiones  vitae  aulioae  oder  Hofschul  etc. 
Münohen  1600.  Bl.  48-55  eine  Tischzucht  für  Hofleute. 

(P.  Beda  Stubenvoll,  Geschichte  des  kgl.  Erziehungsinstitutes 
Festschrift,  Münohen  1874,  theilt  zwei  Tischzuchten  aus  den  Jahren 
1607  u.  1635  mit). 

Trincier  oder  Vorlegbuoh  darinn  berichtet  wird,  wie  man  aller- 
hand .  .  Speiss  auf  fürstlichen  Taffein  zerlegen  soll  (nach  dem  Italie- 
nischen des  Procacehi)  Leipzig  1620  Fol. 

Peregrination  oder  Reyse-Spiegel  aus  Anangkyloraitens ,  eines . . 
grob-  vnd  vnhöflichen  vermeinten  Cavalliers  oder  Alamodo-Monsieure 


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DIE  NACHWIRKUNG  DES  GROBIANUS. 


Zur  Nachgeschichte  des  Grobianus  aber  gehört  indirect  auch  ein 
zweites  Werk  von  Caspar  Scheidt,  das  in  innerem  Zusammenhang  mit 
dessen  Grobianus  steht,  die  'Lobrede  von  wegen  des  Meyen'. 


aus  Frankreich  in  Teutschland  gethanon  .  .  Reisebeschreibung.  Allen 
.  .  grob-vnhöfflich  vnd  bäwrischen  gEsellen  .  .  new  polieret  offgestellet 
von  Urban  Politico  zu  Civil  Hausen  12.  Leipzig  1631. 

Anleitung  zu  einem  Adelichen  Leben,  nach  dem  Französischen 
des  Bernhardt  von  Hanss-Michel  Mosch erosch,  Strassburg  1645. 

Simler,  Teutsche  Gedichte  (III.  S.  208-212,  eine  Tischzucht). 
Zürich  1648. 

Philipp  Zesen :  Kurze  doch  gründliche  Anleitung  zur  Höflichkeit 
Hamburg  1649. 

Schmiede  des  politischen  Glücks,  darinnen  viele  nützliche  Lehren, 
angefügt  des  Herrn  von  Limburgk  Thesaurus  paternus  und  William 
Cecill  von  Burghleys  Lehren  an  seinen  Sohn.  Hamburg  1669.  16. 

Georg  Greflinger:  Ethica  complementoria,  das  ist  Complementir- 
Büchlein  mit  angefügtem  Trenchir-Büchlein.    Amsterdam  1675.  8. 

J.  Christstein  :  Der  heutige  Weltmann  in  seinem  politischen  Habit, 
o.  0.  1675.  12. 

Der  moralische  Robinson,  ein  Stück  Reise  in  die  Provinz  der  ün- 
höfflichkeit.    Halberstadt  o.  J.,  um  1750. 

Vgl.  noch  die  Schriften  von  Christian  Weise,  Good.  3.  278  f., 
Gerrinus,  Geschichte  d.  d.  D.  35,  8.  525  und  Draudius,  Biblioth.  libr. 
germ.  classica  1620.  8.  596  f.  S.  611.  1625.  S.  441. 


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IV.  CAP1TKL. 

SCHEIDTS  LOBREDE  VON  WEGEN  DES  MEYEN. 


Swenne  ich  sihe  bringen 
In  irizem  becher  guoten  whi 
Daz  mm  ich  für  des  meien  schin 
Und  für  der  rogelin  gesanc. 

So  sang  der  Zecher  im  'Weinschlund*  und  so  dachten 
alle  seine  Genossen  im  XII.  wie  im  XVI.  Jahrhundert  und 
zu  jeder  Zeit.  Im  geraden  Gegensatze  hiezu  aber  schrack 
Scheidt  als  Freund  der  Sommerlust  vor  dem  Dunste  der 
Kneipe  zurück.  Und  dem  wüsten  Treiben  seiner  zechenden 
Landsleute  setzte  er  in  seinem  zweiten  Werke  die  ewige 
Heilquelle  aller  menschlischen  Laster  und  Leiden,  die  Natur, 
entgegen.  Im  XVI.  Jahrhundert  war  die  Freude  an  der 
Natur  in  neuer  Stärke  erwacht  und  bildete  ein  Gegengewicht 
gegen  die  Verrohung  und  den  Schmutz,  die  in  die  satirischen 
Schriften  des  Jahrhunderts  eingedrungen  waren. 

Scheidt  aber  erscheint  in  allen  seinen  Werken  als 
ein  getreuer  Eckart  jeder  gesunden  und  edlen  Bestrebung 
seiner  Zeit.  Und  war  er  durch  die  derbe  Satire  seines 
ersten  grösseren  Werkes,  des  Grobianus,  bemüht  seinen 
Zeitgenossen  die  Freude  am  Schlemmen  und  Prassen  gründ- 
lich zu  verleiden,  so  bot  er  ihnen  jetzt  in  seiner  'Lobrede 
von  wegen  des  Meyen  einen  Spaziergang  durch  Wald  und 
Feld  mit  schönen  Mädchen,  duftenden  Blumen  und  singenden 
Vögeln  als  Ersatz  an.  In  ausdrücklichem  Gegensatze  zum 
Herbst,  der  Jahreszeit  der  Weinlese,  des  Schweineschlachtens, 


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SCHEIDTS  LOBREDE  VON  WEGEN  DES  ME  YEN 


95 


der  grossen  Schmause,  erhebt  er  den  linden  Frühlingsmonat, 
das  erfrischende  Wasser,  Massigkeit  und  Gottesfurcht. 

Zu  einem  Kampf  zwischen  idealer  und  realistischer 
Lebensführung  gestaltete  sich  so  allmählich  der  Streit 
der  Jahreszeiten,  der  schon  in  altgermanischer  Zeit  im 
Gegensatze  der  Naturkräfte  des  Winters  und  Sommers  zu 
heidnischen  Mythenbildungen  Anlass  bot  und  im  christlichen 
Mittelalter  in  allegorischen  Gesprächsliedern  und  Bühnen- 
spielen, die  zu  Mittfasten  aufgeführt  wurden,  weiterlebt. 
Vom  VIII.  bis  zum  XVI.  Jahrhundert  sind  solche  Streitgedichte 
zwischen  Sommer  und  Winter  erhalten1,  in  denen  der 
letztere  die  frohen  Mahle,  die  süsse  Rast  am  warmen 
Herdfeuer,  Fastnachtspiele  und  Schlittenfahrt  als  seine  Vor- 
züge preist,  der  Sommer  aber  den  Trägen  schilt,  dass  er 
alle  Schätze,  welche  die  früheren  Jahreszeiten  in  fleissiger 
Arbeit  aufspeichern ,  ruhig  verzehrt.  Die  eigentlichen  Früh- 
lingsfeste aber  wurden  von  Alters  her  im  Monat  Mai  gefeiert, 
weil  da  erst  Wald  und  Haide  im  neuen  Schmucke  prangten 
und  der  Sommer  als  entschiedener  Sieger2  begrüsst  werden 
konnte.  Mairitte,  Tänze,  Freischiessen,  Umzüge  und  Lust- 
barkeiten jeglicher  Art  wurden  zu  Beginn  dieses  Monats 
von  der  fröhlichen  Menge  begangen3.  Der 'Herr  Maie  wird 
als  Vertreter  des  Frühlings  und  Sommers  wie  eine  lebendige 
Persönlichkeit  aufgefasst4.  Im  Eingang  zahlreicher  Liebes- 
lieder des  Volkes5,  der  Spielleute6  und  der  Minnesinger7 
wird  er  mit  heller  Freude  begrüsst.  Im  Mai  gehen  die 
Frauen  wieder  in  die  freie  Natur  und  enthüllen  ihre  schönen 


1  De  cuculo,  Uhland,  Schriften  3,  23  f.;  'Sommer  und  Winter', 
Unland,  Volkslieder  S.  19  Nr.  8.  Ein  Gespräch  y.  H.  Sachs  1538. 
Unland,  Schriften  3,  19  usw.  Germania  5,  284. 

2  Uhland,  Schriften  3,  30. 

3  Scheibles  Kloster  7,  309  ff.  Frey  tag,  Bilder  II  2,  298  ff.  Böhme, 
Geschichte  des  Tanzes  in  Deutschland  1,  151  ff.  2,  194.  Grimm,  Mytho- 
logie S.  736  ff.  725  ff. 

*  Grimm,  Mythologie  720  f. 

5  Uhland,  Volkslieder  S.  87-92.  Goedcke-Tittmaon  ,  Liederbuch 
147  160. 

*  Piper,  Die  Spielmannsdichtung  1,  26. 

7  Zs.  f.  d.  A.  6,  72  ff.  Uhland,  Sohriftcn  5,  120  ff. 


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96 


IV.  CAPITÜL. 


Wangen  den  lauen  Lüften;  der  Mai  kann  die  Liebenden  von 
neuem  vereinigen  oder  durch  die  Macht  der  wannen  Sonne 
und  des  süssen  Vogelsangs  das  Herz  der  spröden  Schönen 
rühren. 

Bei  den  späteren  Minnesingern  aber  gedeiht  die  derbe 
Gattung  der  Herbstlieder,  welche  den  Mai  und  seine 
Freuden  verhöhnen,  dagegen  des  Herbstes  reiche  Gaben 
verherrlichen  und  bald  zu  Preisliedern  auf  dasSchlemmerleben 
übergehen.  Steinmar  eröffnete  den  Reigen  dieser  Dichtungen, 
wie  es  scheint  durch  lateinische  Vagantenlieder1  dazu  an- 
geregt. Von  seiner  Geliebten  verschmäht,  wendet  er  sich 
unmuthig  von  den  Freuden  des  Sommers  überhaupt  ab :  V. 
11 — 13  Herbest,  underwint  dich  min,  wan  ich  wil  din  helfer 
sin,  gegen  dem  glänzen  meien.  Er  verlangt  dann  vom  Wirth 
Fische,  Hühner,  Schweinebraten  und  Wein  und  will  sich 
völlig  dem  materiellen  Genüsse  hingeben :  V.  47.  herbest, 
trütgeselle  mm  noch  nim  mich  zingesinde.  Nachfolger  Stein- 
mars auf  dem  gleichen  Gebiete  sind  Büwenburc,  Fürst  Witz- 
law  IV.  von  Rügen  und  Johannes  Hadloub,  der  Steinmar  im 
Aufzählen  der  Speisen  noch  überbietet  und  diese  den 
Freuden  des  Mais  gegenüber  stellt :  V.  38  f.  tüben  .  .  und 
ouch  vasant  wilde:  daz  nent  si  vürs  meien  bluot.2  In  den 
Fressliedern  des  Neidhart  Fuchs  wird  ebenfalls  die  Partei  des 
Herbstes  ergriffen.  Endlich  finden  wir  den  Streit  zwischen 
Mai  und  Herbst  in  einer  längeren  Dichtung  auch  bereits 
vor  Scheidt  behandelt.  Der  Herbst  und  der  May'  ist  ein 
erzählendes  Gedicht  aus  dem  XV.  Jahrhundert  betitelt  '*, 
das  einen  solchen  Kampf  schildert.  Beide  Gegner  treten 
gewappnet  auf.  Der  Mai  hat  einen  Panzer  von  grünem 
Gras,  darüber  ein  Koller  aus  weissem  Klee  usw.  Doch 
der  Dichter  wagt  es  nicht  ihn  zu  sehr  zu  loben,  sonst 
wird  ihm  der  Herbst  böse,  dessen  Wein  er  so  gerne  trinkt. 


1  Neumann,  Über  d.  Leben  u.  d.  Gedichte  des  Minnesänger« 
Steinmar,  Leipzig  1886.  S.  85  ff.  —  Bartsch ,  Schweizer  Minnesinger 
8.  170  ff.    Unland,  Schriften  5,  245  u.  279. 

*  Bartsch,  S.  109,  Nr.  18. 

3  A.  v.  Keller:  Erzählungen  aus  ad.  hss.  Stuttgart  1855.  8.  588  ff. 


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SCHEIDTS  LOBREDE  VON  WEGEN  DES  ME  YEN. 


97 


Die    Rüstung   des  Herbstes   besteht   aus  Ochsenbraten, 
Würsten  usw.,    sein  Helmschmuck  sind   vier  gebratene 
Gänse,  sein  Pferd  ein  Fass.    Sein  Diener  ist  der  luderer, 
der  den  Knappen  des  Mais  den  mynner  1  verhöhnt  (S.  593, 
V.  35) :  Solt  ich  bei  liechten  bluemmen  rot,  Vor  hunger  leyden 
grosse  not  ?  Der  Kampf  endigt  mit  dem  Siege  des  Herbstes. 
Eine  zweite  Dichtung  ähnlichen  Inhalts  ist  ein  Bühnenstück : 
Ain  $i>ill  votn  May  vnd  dem  herbst,  yetbeder  tail  mit  fünf 
knechten2  v.  J.  1512.  Hier  betheiligen  sich  auch  die  Knechte 
lebhaft  an  dem  Wortwechsel.    Des  Maien  Ritter  sind  der 
rosn  platt,  der  trasn  schmakh,  der  zart  frauenlob  usw.,  die 
in  bekannter  Weise  die  Macht  ihres  Herrn  preisen.  Trotz 
allen  Bemühungen  gelingt  es  ihnen  nicht,  die  Partner  des 
Herbstes  den  schlauch  und  den  Schlendrian,  den  trunkenpolt, 
den  gross  f ulier  usw.  zu  widerlegen  und  zu  überzeugen. 
Interessant  ist  schliesslich  ein  ähnliches  Streitgedicht,  das 
uns  Clara  Hätzlerin3  mittheilt,  weil  hier  dem  Mai  auch 
ein  Monat,  als  Vertreter  des  Herbstes,  der  August,  ent- 
gegentritt. 

So  war  der  Gegenstand,  den  Scheidt  in  seinem  zweiten 
Werke  behandelt,  schon  lange  beliebt.  Den  äusseren  Anlass 
zu  seiner  Schrift  aber  bot  ihm  ein  Fest  am  Hofe  zu 
Heidelberg. 

In  Heidelberg  regirte  seit  dem  Jahre  1544  Friedrich  II. 
als  Kurfürst  und  Pfalzgraf  bei  Rhein,  ein  ritterlicher,  ehr- 
geiziger, abenteuerlustiger  Fürst4.  Ehe  er  die  Regierung 
antrat,  hatte  er  ein  verschwenderisches  Leben  geführt, 
weite  Reisen  unternommen  und  lange  an  fremden  Höfen, 
besonders  in  Wien,  Paris  und  Madrid  geweilt.  Er  besass 
eine  feine  höfische  Bildung,  hatte  gern  wissenschaftlich  her- 


1  Vgl.  Dichtungen  wie   Der  mynner  u.  der  trinker,  Lassbergs 
Liedersaal  2,  329. 

2  Sterzinger  Spiele,  ed.    Zingerle  2  S.  1.  ff.   (Sauers  Wiener 
Neudrucke  11). 

3  Liederbuch  II  Nr.  60  S.  248  ff.  Ain  krieg  von  dem  Mayen  vnd 
dem  Äugst  Mon. 

4  Leodius  (Hubert  Thomas)  Annalium  de  vita  et  rebus  gestis 
Friderici  II  comitis  palatini  libri  XIV.  Frankfurt  1665. 

<|F.  lxvl  '        .  7 


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IV.  CAPITEL. 


vorragende  Männer  zur  Seite,  deren  Rath  er  befolgte,  und 
förderte  im  Sinne  seiner  älteren  Vorfahren  die  huma- 
nistischen Studien.  Er  verbannte  die  scholastischen  Streitig- 
keiten von  der  Universität,  schuf  neue  Lehrstellen  und 
berief  fremde  Gelehrte.  Zu  dem  nahen  Frankreich  und 
den  litterarischen  Centren  des  Oberrheins  unterhielt  er 
enge  Beziehungen.  Vor  allem  aber  liebte  er  als  Regent 
festliche  Turniere,  Gastmähler  und  Trinkgelage,  an  denen 
er  seine  Umgebung  zu  heiteren  Gesprächen  und  improvi- 
sirten  Dichtungen  über  Gegenstände  des  Lebens  und  der 
Kunst  aufmunterte.  Im  November  1551  ergab  sich  ihm 
eine  dreifache  willkommene  Gelegenheit  zu  einem  grossen 
Feste.  Einmal  trat  der  Fürst  selbst  sein  siebzigstes  Lebens- 
jahr an  und  ausserdem  feierten  an  seinem  Hofe  ihre  Ver- 
mählung der  Graf  Philipp  von  Hanau  mit  Helena,  der  Tochter 
des  Pfalzgrafen  Johann  von  Simmern,  und  der  Graf  Philipp 
von  Leiningen,  Herr  zu  Westerburg  und  Schwanenberg  mit 
der  Grätin  Amalie  von  Zweibrücken  und  Bitsch.  Tage  lang 
währten  die  Mahlzeiten,  Aufführungen  und  Ritterspiele 
dieses  prächtigen  Festes.  Nicolaus  Cisnerus1,  ein  hervor- 
ragender Jurist  und  Professor  an  der  Heidelberger  Univer- 
sität, berichtet  in  einem  längeren  lateinischen  Gedicht 2  mit 
mythologischer  Einkleidung  über  die  Vorbereitungen  und 
den  glänzenden  Verlauf  des  Festes,  die  Abstammung  der 
Brautleute,  die  Ansprachen  und  Geschenke  des  Fürsten. 

Für  diese  Feier  verfasste  nun  Scheidt  seine  'Lobrede 
von  wegen  des  Meyen,  die  er  kurz  vor  dem  Feste  dem  Pfalz- 
grafen Friedrich  widmete  und  übersandte.  Zur  Begründung 
dieser  Sendung  sagt  Scheidt  in  seiner  Vorrede3,  er  habe 
zwei  lateinische  Bücher  zu  Gesicht  bekommen:  eines 
'das  Lob  des  Meyen'  von  Nicolaus  Cisnerus,  das  andere  die 

*  Vgl.  Goedeke,  Gr.  2,  110  Nr.  163. 

*  N.  Cisueri  Palatini  Dcseriptio  corum,  quae  iu  nuptiis  duorutn 
Comitum  .  .  Hcidelbcrgae  acta  sunt.  In :  Delitiac  poetarum  üerma- 
norum.  Frankfurt  1612.  2,  411  ff. 

3  Diese  Vorrede  und  der  grössere  Theil  der  Schrift  sind  abge- 
druckt bei  Hub,  Die  Komische  und  humoristische  Literatur  der  deutschen 
Prosaisten  des  XVI.  Jahrhunderts  2,  291)  -329. 


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SCHEIDTS  LüBRKDK  VON  WEGEN  DES  HEYEN.  99 


'Nutzbarkeit  des  Herbstes  betreffend*  von  Joannes  Mercu- 
rius.  Auch  habe  er  erfahren,  dass  am  kurfürstlichen  Hofe 
darüber  Gespräche  gepflogen  wurden ,  dass  das  Hofgesinde  in 
Maimänner  und  Herbstleute  sich  geschieden  habe,  der  Kur- 
fürst aber  sammt  Gemahlin  dem  Mai  günstiger  gesinnt  sei 
und  wünsche,  dass  derlei  Bücher  auch  in  Teutsch  gebracht 
würden.  So  entschloss  sich  Scheidt  ein  Lob  des  Maien  rasch 
zu  verfassen,  damit  seine  Schrift  auf  dem  geplanten  Feste 
vnder  anderen  materien  bei  den  Tischgesprächen  zur  Kurzweil 
diene. 

Die  genannte  Dichtung  des  mehrerwähnten  Cisnerus 
ist  das  Idyllion  de  Man  et  veris  laudibus1.  In  lateinischen 
Hexametern  streiten  sich  hier  zwei  Schäfer,  —  eine  Ein- 
kleidung, die  den  Vergilschen  Eclogen,  beziehungsweise  den 
Theokl  itschen  Idyllen  entlehnt  ist  —  ob  dem  Mai,  der  auch 
hier  als  Vertreter  des  Lenzes  und  Frühsommers  überhaupt 
erscheint,  oder  dem  Herbst  der  Vorzug  gebühre.  Corydon 
rühmt  vorerst  mit  einem  grossen  Aufwand  mythologischer 
Bilder  die  Schönheit  des  Frühlings,  die  Farbenpracht 
der  Blumen,  die  Freude  der  Thiere,  die  von  Venus  Flammen 
erhitzt  sind.  Und  erst  nachdem  sein  Gegner  Bassarus 
den  Nutzen  des  Herbstes  und  seiner  Früchte  preisend  er- 
hebt, betont  auch  jener  die  materiellen  Vorzüge:  wie  der 
Mai  Milch ,  Käse ,  Schafwolle  spende,  weist  darauf  hin, 
dass  bereits  im  Lenz  und  Sommer  die  Herbstfrüchte  im 
Keim  entstehen ,  behütet  und  gezeitigt  werden,  und  zählt 
alle  schädlichen  Einflüsse  der  winterlichen  Jahreszeit  auf. 
Ein  dritter  Schäfer  unterbricht  den  Wortschwall  der  Gegner 
und  erkennt  dem  Mai  den  Sieg  zu. 

Nur  weniges  hat  sich  Scheidt  von  dem  Inhalt  dieses 
Idylls  zu  Nutze  gemacht,  wie  die  folgenden  Zeilen  erweisen 
sollen.  In  noch  geringerem  Masse  dürfte  dementsprechend 
auf  ihn  das  Werk  des  Mercurius-  eingewirkt  haben,  das 
ja  schon  der  Tendenz  nach  von  Scheidts  Lobschrift  ab- 
weicht. 

1  Delitiae  poetaruni  Germ.  2  S.  446—477. 
Meine  Versuche,  diese  Schrift  in  einer  «1er  grösseren  deutsehen 
Bibliotheken  zu  finden,  hlieben  erfolglos. 

7* 


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100 


IV.  CAPITKL 


Seine  Lobrede  von  wegen  des  Meyen  eröffnet  Scheidt 
mit  einer  gereimten  Einleitung,  in  welcher  er  einen  Traum 
erzählt.  Ein  Beginn,  der  den  epischen  und  didaktischen  Dich- 
tungen der  Meistersinger,  besonders  des  Hans  Sachs  sehr  ge- 
läufig ist.  Dem  Dichter  erscheint  unter  süssen  Melodien 
der  Lenz  in  Gestalt  eines  engelschönen  Jünglings,  mit  einem 
Gewand  von  grüner  Seide  angethan,  und  drückt  sein  Er- 
staunen darüber  aus,  dass  ihn  jener  nicht  erkennt. 

Vnd  bist  so  offt  zu  mir  in  grünen  Waldt 
Spatzieren  kamen  zu  den  Brünlin  kalt  .  . 
Gedeukstu  nun  derselben  zeit  nit  me 
Wie  du  offt  sassest  in  dem  grünen  kle 
Vnd  sähest  zu  dem  lautern  b&chlin  klein 
Das  lieblich  rauscht  rber  die  glaten  stein  .  . 

Da  gaben  dir  die  Musen : 

Des  süssen  trancks  zu  Ion 

Auß  jrem  klaren  brünlin  Helicon. 

Scheidt  hat  also  selbst  die  Wirkung  des  Lenzes  empfunden 
und  ist  von  seiner  Schönheit  zu  dichterischem  Schaffen  an- 
geregt worden.  Darum  sind  auch  die  Schilderungen,  die 
er  im  Laufe  der  Schrift  vom  Mai  entwirft,  anschaulich, 
lieblich  und  der  Wirklichkeit  getreu Der  Dichter  fühlt 
sich  um  so  eher  berufen  für  den  Mai  einzutreten ,  als 
dieser  in  dem  Zeitpunct ,  da  Scheidt  die  Lobrede  verfasste 
(Ende  November),  nicht  durch  seine  eigene  Erscheinung 
für  sich  selbst  sprechen  konnte.  Mit  einer  innigen  Be- 
geisterung ergreift  er  die  Partei  des  Frühlings  und  kehrt 
in  allen  Theilen  seiner  Schrift  deren  anti-grobianische 
Richtung  hervor,  durch  die  bittere  Befehdung  des  Herbstes, 
seiner  Gaben,  Freuden  und  Anhänger.  Er  schilt  die  Herbst- 
leute, die  saufen  allzeit  voll,  dass  sich  der  Herbst  warlich 
jr  sollt  beschernen,  die  mit  saufen  prassen  vnd  der  laster 
vil,  Beim  wein  in  vnzucht,  oder  grossein  spil  ihre  Zeit  ver- 
geuden1. Im  Herbst  ist  Bacchus  auff  die  ban  geschlichen, 
vnd  hat  sein  vbel  lautende,  vnd  von  grober  matery  gegossene 

1  Sehr  hübsch  beschreibt  Scheidt  den  Mai  auch  in  seiner  'Frölich 
Heimfart'  B  2  f . 

2  B  2  u.  B  2b. 


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SCHEIDTS  LOBREDE  VON  WEGEN  DES  ME  YEN.  101 


glock  vor  den  beweglichen  ohren  viler,  die  jm  on  das  geneigt 
gewesen,  tag  vnd  nacht  on  vnderlass  gehütet,  so  dass  mancher 
den  Sang  der  Vögel  überhörte ].  Bei  der  Weinlese  da 
werden  vä  vnnützer  wort ,  vppiges  schandtliches  geschwätz 
laut,  da  wirt  nur  des  bauchs  gedacht.,  Vnd  röhmet  sich 
der  Herbst  wie  ein  Epicurer  nur  seines  fressens  vnd  sauffens  -. 
Scheidt  erzählt  weiter,  wie  der  Wein  verfälscht  und  ver- 
pestet wird  und  tritt  offen  auf  die  Seite  des  Wassers: 
Wasser  trinken  wer  das  best,  als  sie  auch  vor  dem  Sündfluß 
kein  wein  getruncken  denn  es  war  das  Wasser  besser  dann 
vnser  Maluasier,  oder  was  wir  sonst  für  getränck  zum  geschleck 
vermischen  mögen*.  Und  so  geht  stellenweise  bei  Scheidt 
der  Streit  zwischen  Mai  und  Herbst  in  den  Streit  zwischen 
Wasser  und  Wein  über,  der  im  XVI.  Jahrhundert  oft  zum 
Gegenstand  moralisirender  Dichtungen  gewählt  wurde4,  und 
Scheidt  citirt  auch5  eine  Dichtung  dieser  Art  von  dem 
weltberöhmten  Teutschen  Poeten  Hans  Sachs6. 

Scheidt  richtet  seine  Ausführungen  unmittelbar  an 
die  Versammlung  am  kurfürstlichen  Hofe  und  theilt  seine 
Zuhörerschaft  in  vier  Gruppen7:  Jünglinge,  Frauen, 
Jungfrauen  und  Männer.  Die  ersten  drei  Gruppen  rechnet 
er  schon  ihrer  Natur,  Jugend  und  Schönheit  nach  zu  den 
Mey günstigen,  in  der  letzten  Gruppe  aber  vermuthet  er  et- 
liche Herbstleute,  zu  deren  Bekehrung  er  nun  den  Mai 


'  C2. 

>  Hub  8.  306. 
'  Hub  8.  314. 

4  Z.  B.  Jörg  Wickrams  Dialogus  von  der  Trunkenheit  und  ähn- 
liche Dichtungen  der  Trinklitteratur .  Ferner  AVitzstat,  Wein  und 
Wasser,  Strassburg  1630.  u.  a.  Oder  unter  den  Volksliedern  im  Anschluss 
an  den  Mai,  aber  vom  8tandpunct  des  Schlemmers:  Gocdcke-Tittraann, 
Liederbuch  8.  135  Nr.  128  Mancher  spricht:  im  waten,  sind  uns 
die  brünnlein  gsund,  des  sich  die  leut  erfreuen ;  ich  sprich  es  hob  feein 
grund.  .  .  ich  lob  die  edlen  reben,  die  geben  uns  gu4  wein.  Mit  Abände- 
rungen in  Fischarts  Trunkonlitanei  8.  125. 

*  Hub  8.  307. 

8  Ein  kampfgesprech  zwischen  tr asser  und  wein.    Ausgabe  des 
litt.  Vereins.    Stuttgart  1870.  4,  247-254. 
'  C  2b-C  4. 


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102 


IV.  CA  ITTEL. 


herausstreichen  will.  Er  entwirft  hiezu  vorerst  ein  klar 
geordnetes  Programm 1 ,  woran  er  sich  auch  während  der 
ganzen  Arbeit  streng  hält.  Er  beginnt  mit  dem  Namen 
des  Maien  und  bespricht  sodann  dessen  Natur,  Eigenschaft 
und  Complexion,  die  Farben  und  den  Nutzen  des  Frühlings, 
seine  Wirkung  auf  das  körperliche  Befinden  der  Menschen 
und  Thiere  und  schliesst  mit  der  Aufzählung  der  wichtigsten 
Ereignisse  und  Wunder,  die  sich  im  Frühling  begeben 
haben. 

Scheidt  erweist  aus  den  Namen  primauera  und  prin- 
temps,  dass  der  Frühling  die  erste  Zeit  des  Jahres  ist  und 
behauptet  in  einer  launigen  Stelle,  in  welcher  er  den 
Schulmeister  hervorkehrt,  dass  dem  Mai  schon  nach  der  Zu- 
sammenstellung seiner  lautlichen  Bestandteile  der  Vorrang 
vor  dem  Herbst  gebühre2.  Ausserdem  zeichne  den  Frühling 
Wärme  und  Feuchtigkeit  aus,  also  Bedingungen  des  Ent- 
stehens und  Gedeihens,  den  Herbst  aber  Kälte  und  Trocken- 
heit, also  Ursachen  des  Verderbens.  Der  Mai  sei  sangui- 
nischer, der  Herbst  melancholischer  Complexion3.  Die  Farben 
des  Mai  seien  grün  und  blau ,  die  des  Herbstes  schwarz  und 
grau,  zugleich  die  Farbe  der  Bettler,  Mönche  und  Esel4. 

In  diesem  ersten  Theile,  sowie  in  der  Einleitung 
schildert  Scheidt  besonders  die  siegreiche  Anmuth  des 
Frühlings,  geht  aber  dann  zur  Besprechung  der  nutz- 
barkeit  über,  gleich  Cisnerus  aus  dem  Grunde,  weil  der 
Herbst  sich  so  aufdringlich  seiner  materiellen  Vorzüge 
rühme5.  Scheidt  erwiedert  dem  Prahler  an  mehreren 
Stellen6,  dass  er  alle  seine  Gaben  nur  dem  Frühling  und 


■  C  4  u.  C  4\ 

2  Hub  S.  302. 

3  Ebenda  8.  303  ff. 

♦  8.  309.  Dieser  antikatholisehc  Witz,  Mönche  und  Esel  der 
Farbe  wegen  zusammenzustellen,  ist  auch  bei  Fischart  überaus  häufig 
z.  B.  Barfüsser  Sekten  und  Kuttenstreit  (Kurz  I,  112)  d'  Kult  soll 
hellgrau'  sein ,  wie  Eselfarb  rttd  teie  die  schweift  .  .  Ach  du  fttein 
Eselgraices  Kleid.  S.  Dominici  Loben  8.  136  Die  Eselgntwen  Münch  usw. 

*  Hub  8.  310  u.  319. 

<•  Hub  8.  310,  317,  319. 


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SCHEIDTS  LOBREDE   VON  WEGEN  DES  MEYEN.  103 

Sommer  verdanke.    In  diesen  Jahreszeiten  werde  geackert 
und  gesäet,  würden  die  Felder  von  der  Sonne  erwärmt, 
und  die  Früchte  gezeitigt.    Keine  Traube  könne  der  Herbst 
allein  zur  Reife  bringen.    Und  Scheidt  folgt  weiter  den 
Beweisführungen  des  Cisnerus,  wenn  er  die  schön  tempe- 
rirte  Luft  des  Maien  rühmt,  die  der  Gesundheit  so  zuträg- 
lich sei,  die  kräftigenden  Maibäder,  den  fruchtbaren  Boden, 
der  den  Menschen   heilende  Kräuter,  den  Thieren  gute 
Weide  biete,  den  Wohlgeruch  der  Blüten1,  Milch,  Butter 
und  Käse,  die  im  Mai  am  schmackhaftesten  zubereitet 
würden2,  die  langen  Sommertage,  an  denen  so  viel  Arbeit 
verrichtet  werden  könne,  die  Freude  der  Menschen,  die 
wieder  in  die  schöne  Natur  hinauswallen,  ihre  Wohnungen 
lüften  und  reinigen3,  und  die  Freude  aller  Thiere4 ;  während 
der  Herbst  durch  die  nebeligen  Tage,  die  langen  Nächte, 
die  rauhe  Kälte  jedermann  beschwerlich  falle  5.  Schliess- 
lich stellt  Scheidt  die  Ereignisse  zusammen,  die  sich  im 
Frühling  zugetragen  haben.  Im  März  wurde  Adam  erschaffen, 
Christus  empfangen,  im  April  fiel  die  Sintflut  und  führte 
Moses  die  Juden  aus  Aegypten,  im  Mai  fuhr  Christus  in 
den  Himmel  und  sandte  seinen  Jüngern  den  heiligen  Geist. 
In  den  Frühling  fällt  die  Erschaffung  der  Welt  und  das 
goldene  Zeitalter6.    All   diese  Ausführungen  belegt  und 
unterbricht  Scheidt  mit  Aussprüchen  der  Bibel,  der  Kirchen- 
schriftsteller und  bekannter  Dichter.    Sitch  in  den  Büchern , 
lauff  durch  die  Poeten1  rieth  ihm  der  Mai  vor  Beginn  der 
Arbeit  und  so  fülirt  Scheidt  zu  Gunsten  des  Maien  Hans 
Sachs,  Brant,  Königsperger,  ein  unechtes  Neidhart-Lied  8,  ein 
Volkslied  vom  Mai9  und  andere  ins  Feld.  Weiters  rieth 

»  315—320. 

*  S.  320  f.  Cisnerus  8.  451  gelegentlich  mit  wörtlichen  Überein- 
stimmungen. 

»  Hub  S.  322. 

*  8.  325  f. 

*  8.  323. 

*  8.  328  f.  Originalausgabe  K  lb— K  2*. 
'  B3b. 

8  8.  326,  der  Anfang  von  Neidhart  Fuchs. 

9  Unland,  Volkslieder  8.  87  Nr.  57  ;  bei  Hub  8.  326. 


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104 


IV.  CAPITEL 


der  Mai :  Auch  weil  es  in  derselben  werden  Statt,  Gelerte  leut 
vnd  vil  Doctores  hat,  So  misch  Lateinisch  verß  zuweilen  ein  l, 
darum  erzählt  Scheidt  antike  Anekdoten  und  verwerthet 
lateinische  Sprüche  und  Redensarten,  Ovids  Verwandlungen 
und  Vergils  Georgica.   Endlich  ermahnte  der  Mai : 

Darbey  wiß  daß  der  Chur/ürst  hochgelert 
Satnpt  seim  Gemahel  gern  Frantzösisch  hört. 
May 8t  tcol  in  Welschen  bxichern  vmbher  ßschcn 
Vnd  jrer  Verß  auch  etlich  drunder  mischen  *. 

und  Scheidt  nimmt  französische  Kalendersprüche3,  ein  fran- 
zösisches Volkslied4  auf  und  liefert  zu  den  Eingangsversen 
von  Clement  Marots  Le  temple  de  Cupido6: 

Sur  le  printemps,  que  la  bella  Flora  [bei  Ouiffrey  :  belle] 

Les  chatnps  couuers  de  diuerse  fleura  [bei  G.  couuerts  u.  ßoura] 
Et  son  amjf  Zephirus  les  esuente 

Qu  and  doulcemenf  en  Vair  suspire  et  uente  [O.  Vaer  souspire.] 

eine  eigene  Übersetzung: 

Im  Freiing  wann  Flora  die  schSne  meidt 
Die  Felder  mit  vil  Blumen  hatt  bekleidt 
Vnd  sie  erwehet  Zephirus  jr  fründt 
Sausend  im  lufft  so  ttS/J  mit  sanfftem  windt. 

Mit  diesen  Versen  führt  Scheidt  Marot  in  die  deutsche 
Litteratur  ein.  Der  Ruhm  Marots  (1495 — 1544)  hatte  da- 
mals in  Frankreich  seinen  Gipfel  erreicht.  Dieser  Dichter 
vermied  die  humanistischen  Übertreibungen  der  Schule 
Ronsards  und  blieb  in  seinen  Dichtungen  dem  eigenartigen 
Geist  seines  Volkes  treu,  er  lernte  es  aber  auch  auf  dem 
heiteren,  kunstsinnigen  Hofe  Franz  I,  seine  Gefühle  in  zier- 
lichen ,  formvollendeten ,  höfisch  feinen  Dichtungen  aus- 
zusprechen; so  war  er  in  allen  Kreisen  beliebt  und 
drang  in  der  zweiten  Hälfte  des  XVI.  Jahrhunderts  all- 
mählich nach  Deutschland,  vorerst  an  die  Höfe.  Es  ist 
darum  bemerkenswerth,  dass  Scheidt  zuerst  Marot  gerade 
am  Heidelberger  Hof  präsentirt,  wo  diesem  französischen 

1  B  3b. 

1  Desgleichen;  U tisch  also  für  Französisch,  vgl.  oben  S.  60 
Anmerkung  3. 

«  8.  306  u.  113. 
♦  D  3  u.  D  3b. 

s  D  3b  In  Guiffreys  Marot- Ausgabe  2  S.  67  bei  Jannet  1  ö.  8. 


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SCHEIDTS  LOBREDE  VON  "WEGEN   DES  MEYEN. 


105 


Lyriker  späterhin  noch  eine  wichtige  Rolle  beschieden  war. 
Durch  die  Einführung  des  Calvinismus  in  der  Kurpfalz  — 
unter  Friedsich  III.  im  Jahre  1562  —  nahm  daselbst  der 
französische  Einfluss  sehr  überhand  und  eine  Folge  dieser 
confessionellen  und  litterarischen  Abhängigkeit  war  die 
Übertragung  der  Psalmen  in  der  französischen  Bearbeitung 
von  Marot  und  Beza  durch  den  Heidelberger  Gelehrten  Paul 
Melissus  Schede  im  Jahre  1572. 

Scheidt  ist  aber  auch  ein  Vorgänger  von  Melissus  in 
der  Nachahmung  französischer  Metra.  In  seinem  Grobianus 
hatte  er  sich  noch  der  Reimpaare  mit  viermal  gehobenen 
(8— 9 silbigen)  Versen  bedient,  welche  bis  zur  Mitte  des 
XVI.  Jahrhunderts  allgemein  üblich  waren.  Nur  einige 
Dramatiker  wie  Kolros,  Rebhun,  u.  a.  versuchten  neue  Formen 
nach  antikem  Vorbild  in  Verse  einzuführen.  Für  diese  Anläufe 
aber  zeigte  die  Zeit  noch  kein  Verständnis.  Scheidt  aber 
lernte  von  den  Franzosen.  Marots  Lieblingsmetrum  waren 
die  vers  communs,  jambische  Verse  von  10  (beziehungs- 
weise bei  klingendem  Ausgang  11)  Silben.  Marot  erfand 
dieses  Metrum  nicht,  aber  er  bediente  sich  desselben  ausser- 
ordentlich häufig,  führte  die  Cäsur  nach  der  vierten  Silbe 
ein  und  brachte  es  durch  seine  gewandte  Behandlung  zu  einem 
hohen  Grade  leichten  Flusses  und  vollendeter  Anmuth In 
dem  gleichen  Metrum  übersetzt  nun  Scheidt  die  vier  Verse 
Marots,  die  er  in  seine  Lobrede  einschiebt2,  und  versucht 
ausserdem  in  seiner  langen  gereimten  Vorrede  die  vers 
communs  nachzuahmen.  Die  Bemerkung,  welche  Scheidt 
seinem  Prologe  vorsetzt:  Sind  rheimen  von  zehen  sylben 
wöüen  lind  außgesprochen  werden,  sagt  deutlich,  dass  wir  es 
hier  mit  einer  Neuerung  zu  thun  haben,  die  der  Verfasser 
ausdrücklich  hervorhebt.  Scheidt  hält  in  diesen  neuen  Versen 
an  der  natürlichen  Wortbetonung  nahezu  ausnahmslos  fest 
und  gebraucht  gleich  Marot  häufig  klingenden  Ausgang;  nur 
über  die  Cäsur  stolpert  er  häufig,  so  wie  Ambrosius  Lob- 
wasser, der  im  Jahre  1573  Marots  Psalmen  ins  Deutsche 

1  Ste.  Beuve,  Tableau  historique etoritique  de  la  poesie  francaise.. 
an  XVI«  siecle.   Paris  1843.    8.  30—32. 
*  Vgl.  oben  8.  104. 


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106 


IV.  CAPITEL. 


übersetzte,  während  Melissus  die  Cäsur  in  jedem  Verse 
streng  beobachtet 


1  Über  Melissus  und  Lobwassers  Psalmeniibersetzung  vgl.  Höpfner, 
Reformbestrebungen  nuf  dem  Gebiete  der  deutschen  Litteratur  des  XVI. 
und  des  XVII.  Jahrhunderts.  Berlin  1866.  S.  25  f.  —  Man  vergleich© 
die  folgenden  Beispiele  von  Zehnsilblern  Scheidts,  Lobwassers  und 
Melissus'.  Der  Letzte  beobaohtet  die  Cäsur  am  strengsten,  der  Erste 
die  natürliche  Wortbetonung.  Lobwasser  und  Melissus  haben  eine 
•böse  romanische  Silbenzählung*  durchgeführt.  Vgl.  Erich  Schmidt 
A.  d.  B.  Bd.  21,  296.  —  Scheidt:  Einführung  in  die  'Lobrede'  B  1 
und  B  lb. 

Ich  kleid  die  bergy  ich  deck  die  treffe  thul 

Ich  bin  der  selbig  der  all  Bäum  bekleidt 

Ich  bin,  der  Mann  vnd  Weib  mit  Lust  erfreidt 

Dann  ich  bescher  den  Feichten  jre  blüt, 

Das  schafft  allein  mein  tilgend  vnd  mein  güt 

Dann  ich  bin  milt  getrew,  vnd  tugenlhafft 

Bescher  gesundheit,  macht  vnd  grosse  kr  äfft . . . 

Der  edel  Mey  bin  ich  mit  lob  genant 

Soviel  Poeten  durch  gedieht  bekant 

Vnd  thu  euch  menschen  souil  dienst  vnd  güts 

Ich  mach  euch  frSlich  fraidig,  vnd  güts  müts. 

Vgl.  den  Anfang  des  ersten  Psalms 
bei  Lobwassor: 

Psalmen  nach  Frantzösischer 
Melodcy  vnd  reimen  art.  —  Durch 
A.  Lobwasser.  Heidelberg  1574. 
Berl.  königl.  Bibl.  Eh  3024. 

Wer  nicM  mit  den  Gottlosen  geht 
zu  raht 

Vnd  nicht  tritt  in  sündlicher  leut 
fußpfaU 

Der  auch  nic)U  mit  sitzt  auf  der 

spätter  bencken 
Sonder  auff  Gots  gesetz  mit  fleis 

thut  dencken 
Vnd  sich  deß  tag  vnd  nacht  nimpt 

hertzlich  an 
Fürwar  das  ist  für  Gott  ein  selig 

Man 

Denn  er  wirt  gleich  sein  einem 
bäum  der  fein 


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bei  Melissus: 

Di  Psalmen  Davids  In  Tou- 
tischc  gesangreimen,  nach  Frant- 
zösischer melodeien  ünt  sylben 
art  ..  von  Melisso.  -  Heidelberg 
1572.  Berl.  kgl.  Bibl.  Eh  2970. 

Wär  nicht  in  rat  gotloscr  leute 
geht 

Noch  auf  dem  weg  verwegner  pulen 
stet, 

Noch  üf  der  bank  der  spÖtter  ist 
gesessen 

Sonder  bedenkt  tag  ünt  nacht  on 

vergessen 
Des  Hern  gesetz,  ünt  hat  sein  lüst 

darän 

Selig  furwar  preis  ich  daenselben 
man 

Gleich  wird  aer  sein  aim  hübschen 
bäum  gerdd 


SCHEIDTS  LOBREDE  VON  WEGEN  DES  MEYEN.  107 

Wenn  ferner  Melissus  und  noch  mehr  Lobwasser  die 

mannigfaltigsten  französischen  Versmasse  der  beibehaltenen 

Melodien  wegen  Silbe  für  Silbe  getreu  übersetzen  und  auf 

diesem  Wege  eine  grosse  Zahl  neuer  Strophenformen  und 

Weisen  in  Deutschland  einführen,  so  geht  ihnen  Scheidt 

auch  hierin  voraus  und  zwar  ebenfalls  der  Melodie  wegen. 

In  seiner  Lobrede  citirt  er  (D  3  u.  D  3b)  ein  trioletmässiges 

FratizSsisch  Meyenliedlin: 

Ce  moy  de  May  au  ioly  verd  bosquet 

Cet  ung  plaisirt  que  Desire  soulz  Votnbrage 

1j  ung  faict  chapeaux,  Vaultre  faxet  ung  bouquet 

Ce  moy  de  May  au  ioly  uerd  bosquet 

Tout  cueur  fachi  lors  reprent  son  couraiye 

Le  Rossignol  en  son  plaisant  langaige 

Faict  rage. 

Au  boscage 

Son  chant  ramaye 

Triumphe  assis  sur  le  ßeur  du  muguet 
Ce  moy  de  Moy  au  ioly  uerd  bouquet, 

Weichs  in  eyl  also  mag  geteutschet  werden  (folgt  die  silben- 
getreue Übersetzung;  nur  im  achten  Verse  eine  Silbe  zu 
viel,  im  zehnten  zwei  zu  wenig): 

In  disem  Mey,  im  schönen  grünen  waldt 

Ist  freud  vnd  Iwt,  im  schatten  sich  erschwingen 

Eins  macht  krentzlin,  jhens  streußlin  wolgestalt 

In  diesem  Mey,  im  schönen  grünen  waldt 

Manch  trawrigs  hertz  laßt  jm  mit  Jreud  gelingen 

Fratv  Nachtigall  mit  jrem  scltöuen  singen 

Laßt  klingen 

In  grünen  dingen 

Ir  stimm  erklingen 

Sitzend  auf  blümlin  manniyfalt 

In  disem  Mey,  im  schönen  grünen  toaldt. 

Gepflantzet  steht  an  einem  wessei'-  Lustig  gepflanzt  an  klarer  queln 

lein  gestdd 

Oer  seine  frucht  zu  seinen  zeiten  Daer  sein  f rächt  bringt  bei  zeit  in 

treget  schönem  wetter 

Dtß  laub  auch  nimmer  abzufallen  Daes  faln  nicht  ab  noch  welken 

pfleget,  seine  biet  t er  : 

So  auch  was  solcher  mensch  thut  Auch  alles  was  sölcher  thüt  wil 

rnd  begint  begint 

Dasselb  allzeit  ein  glücklich  end  Gerit  ym  wöl  ünt  gut  gedeien 

gewint,  find. 


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108 


IV.  CAPITEL. 


Scheidt  fügt  hinzu:  Ich  hob  nit  on  vrsach  diß  liedlin  an- 
ziehen wollen  . . .  mag  es  doch  den  Musicis  oder  Spielleuten  .  .  . 
ein  vrsach  geben,  den  Mey  anstatt  der  wolsingenden  vögel, 
auch  mit  gesang  vnd  Instrumenten  zü  loben,  vnd  diß  Lied 
(gemeint  ist  die  Melodie)  in  Französischen  Partibus,  da  es 
mit  vier  stimmen  meins  bedunckens  schön  vnd  krauß  genüg  ist 
zü  suchen. 

Scheidts  zweite  Schrift  macht  einen  sehr  erfreulichen 
Eindruck.  Ein,  im  Vergleich  zum  Grobianus,  überaus  wohl- 
thuender  Stoff  erscheint  hier  durchwegs  mit  aufrichtigem, 
warmem  Gefühl  behandelt.  Scheidt  reiht  nicht  die  in  älteren 
Streitliedern  typisch  wiederkehrenden  Vorzüge  des  Früh- 
lings trocken  aneinander,  sondern  bietet  unter  dem  frischen 
Eindrucke   dieser   Jahreszeit,  die  ihn  selbst  in  Tagen 
der  Krankheit  und  des  Schmerzes  mit  neuem  Muthe  be- 
seelt hat ,,  das  Ergebnis  persönlicher  Empfindung  und  ein- 
gehender liebevoller  Naturbeobachtung  dar.  Er  selbst  nennt 
seine  Schrift  eine  Rede  und  wirklich  tritt  er  hier  mit  der 
Eindringlichkeit  des  gesprochenen  Wortes  für  seine  Sache 
ein,  wendet  sich  in  lebendigem  Vortrag  direct  an  die  Zu- 
hörer2, schmeichelt  den  Gesinnungsgenossen  und  bemüht 
sich  durch  zahlreiche  Beweggründe  die  Gegner  zu  über- 
reden. Er  fordert  seine  Zuhörer  auf  selbst  die  vorgeführten 
Vorzüge  und  Nachtheile  der  beiden  Jahreszeiten  gegen- 
einander abzuwägen  und  prophezeit  den  halsstarrigsten  An- 
hängern des  Herbstes,  dass  sie  beim  Einzug  des  Frühlings 
ihrem  alten  Herrn  die  Gefolgschaft  kündigen  werden.  Nach 
einem  klaren  Plane  hat  Scheidt  seine  Lobrede  gegliedert. 
In  aufsteigender  Linie  preist  er  zuerst  die  Anmuth,  dann 
die  nutzbarkeit  des  Maien  und  führt  endlich  religiöse  Momente 
auf,  welche  den  Frühling  auszeichnen.    Zu  dem  Ausbau 
dieser  Glieder  hat  er  ein  reiches  Material  von  Aussprüchen 
der  Bibel ,  antiker  und  moderner  Schriftsteller ,  von  Volks- 
bräuchen und  Redensarten  verwerthet.  Zusammenstellungen, 
wie  die  über  die  Farben  grün  und  blau  (bei  Hub  S.  308  f.) 
können  als  Vorläufer  des  13.  Capitels  in  Fischarts  Gargantua 

»  B4» 

»  Bei  Hub  S.  302,  304,  314  f. 


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SCHEIDTS  LOBREDE  VON  WEGEN  DES  MBYEN.  109 


(über  die  Farben  blau  und  weiss)  betrachtet  werden.  Zu- 
weilen schweift  er  von  dem  strengen  Gang  der  Beweis- 
führung ab  und  entrollt  realistisch  ausgeführte  Genrebilder 1 
oder  ergeht  sich  in  Lehren  und  Warnungen  damit  auch  nutz 
bty  kurteweyliger  red  gespurt  werde2.  Aber  er  vermeidet 
Weitschweifigkeit  und  eine  verwirrende  Häufung  von  Be- 
weisgründen und  erhöht  durch  öftere  Ruhepuncte 3,  in  denen 
er  den  Inhalt  der  früheren  Abschnitte  kurz  zusammenfasst 
und  auf  das  Folgende  hinweist,  die  Klarheit  der  Anordnung. 

Ob  die  'Lobrede',  die  an  mannigfache  ältere  Motive 
der  deutschen  Dichtung  anknüpft  und  auf  neue  litterarische 
Bestrebungen  einen  Ausblick  eröffnet,  in  Heidelberg  nach 
Scheidts  ausdrücklichem  Wunsche  ein  Gegenstand  des  Vor- 
trags und  der  Unterhaltung  wurde  und  Herbstleute  bekehrt 
habe,  darüber  schweigen  die  Berichte.  Cisnerus,  der  in 
Versen,  und  Hubert  Thomas,  der  im  prosaischen  Chronikstil 
das  Hochzeitsfest  beschreibt 4,  erwähnen  nur  die  vielen  Ge- 
lage und  ritterlichen  Spiele.  Doch  sicherlich  ist  die  Schrift 
am  Hofe  des  Kurfürsten,  dem  sie  Scheidt  gewidmet  und 
übersendet  hatte,  nicht  ungelesen  und  unbeachtet  bei  Seite 
gelegt  worden. 


'  S.  322  f.  Original  B  1«. 

•  S.  307  u.  a. 

3  S.  314,  325.  K  2h  u.  a. 

♦  Oben  8.  97  f. 


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V.  CAP1TEL. 


SCHEIDT  UND  FISCHAKT. 


Scheidt  hat  durch  seine  Ubersetzung  des  Dedekind- 
schen  Grobianus  einen  üppigen  Zweig  der  deutschen  Dich- 
tung des  XVI.  Jahrhunderts  gepflegt  und  eben  durch  seine 
Verdeutschung  zu  der  Verbreitung  und  langen  Lebensdauer 
des  Stoffes  wesentlich  beigetragen.  Doch  sein  Einfluss  auf 
spätere  Darstellungen  verwandten  Inhalts  ist  —  sofern  man 
von  Hellbachs  Bearbeitung  absieht  —  durchaus  nicht  per- 
sönlicher Natur,  sondern  der  Inhalt  der  ironischen  Sitten- 
lehre, der  bereits  in  der  lateinischen  Quelle  lag,  wirkte  zwei 
Jahrhunderte  lang  nach.  Mehr  Berücksichtigung  aber  als 
diese  in  den  grossen  Zeitläuften  verblasste  Nachwirkung 
erheischt  der  volle,  frische  Eindruck,  welchen  Scheidt,  als 
Verfasser  des  deutschen  Grobianus,  aber  auch  als  Mensch 
und  Dichter  überhaupt  auf  seinen  grossen  Schüler  Johann 
Fischart  ausübte. 

Scheidt  war  der  Lehrer  und  zugleich  ein  Blutsver- 
wandter Fischarts  und,  noch  erheblicher,  beide  einander 
auch  an  Geist  verwandt,  da  musste  der  jugendlich  streb- 
same und  bildsame  Sinn  des  letzteren  doppelt  und  dreifach 
empfanglich  für  Lehre  und  Beispiel  sein'  K  Zeitlebens  er- 
scheint Fischart  von  seinem  Lehrer  angeregt,  nicht  nur  in 

1  Wackernagel,  J.  Fischart  von  Strassburg  S.  106.  Vgl.  auch 
Scherer,  Ltg.  8.  291  f.  und  Zeitschr.  f.  oster.  Gymn.  1867  S.  477  ff. 


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SCHEIDT  UND  FISCH  ART.  111 

der  Wahl  der  Stoffe,  in  der  Art  der  Behandlung,  sondern 
auch  in  der  sittlichen  Richtung  der  ganzen  schriftstellerischen 
Thätigkeit.  Scheidt  und  Fischart  sind  in  ihren  Stoffen  nicht 
originell,  sie  übersetzen  aus  fremden  Sprachen  oder  knüpfen 
ihre  Dichtung  an  eine  äussere  Gelegenheit  an1.  Aber  beide 
schaffen  die  fremden  Werke  zu  neuen,  völlig  deutschen  Er- 
zeugnissen um  und  erheben  sich,  weitausblickend  über  den 
geringfügigen,  zufalligen  Anlass  zu  einer  Darstellung  von 
dauerndem  Werthe2  aus  dem  Gebiete  des  Erdenglücks  oder 
der  menschlichen  Laster  und  betheiligen  sich  an  den  wich- 
tigsten litterarischen  Richtungen  ihrer  Zeit.  Beide  kennen 
die  Classiker  des  Alterthums  und  die  französischen  Zeit- 
genossen, aber  von  der  Höhe  ihrer  Bildung  neigen  sie  sich 
herab  zu  dem  Volk  ihrer  Heimath,  auf  das  Engste  ver- 
traut mit  dessen  Leben  und  Sitten,  Wortschatz  und  Redens- 
arten, mit  dessen  historischer  Vergangenheit  und  reicher 
Sagenwelt3.  Beide  zeigen  Beziehungen  zu  anderen  Künsten, 
verfassen  Bildergedichte4  und  rühmen  die  Musik5.  Beide 
behandeln  volksthümliche  Stoffe  in  humoristischer  Form  und 
suchen  durch  ironische  Lobschriften  belehrend  und  bessernd 
zu  wirken.  Sie  verschonen  ihre  Landsleute  nicht  mit  herber 
Scheltrede  wegen  einheimischer  Laster  und  der  tollen  Nach- 
äffung fremder  Modethorheiten6.  Aber  trotz  der  ungemeinen 
Derbheit  ihrer  Satire,  halten  sich  beide  fern  von  dem 
raffinirten  Cynismus  der  zeitgenössischen  Erzählungslitte- 
ratur7  und  zeichnen  sich  durch  ehrenhaften  Biedersinn, 


1  Bei  Scheidt:  'Die  freilich  Heimfart' auf  den  Tod  der  Frau  Anna 
von  Emtrawt,  'Lobrede  von  wegen  des  Meyen'  auf  Wunach  des  Kurfürsten 
Friedrich  v.  d.  Pfalz  zu  einer  Doppelhochzeit. 

2  Vgl.  Erich  Schmidt  A.  d.  B.  7  8.  40  u.  a. 

»  Vgl.  oben  8.  44  u.  59  f.  und  Dederding,  Zur  Charakteristik 
FiscbartB,  Progr.  Berlin  1876  8.  6-  10.  Alemannia  I,  113  ff. 

♦  Wackernagel  8.  107. 

5  Fischart:  Lob  der  Laute;  Scheidt:  Reformation,  Lob  und 
Satzung  der  Musika.    Erich  Schmidt,  A.  d.  B.  7  8.  33. 

*  Scheidt  vgl.  oben  8.  58  und  Vorrede  zum  Grobianus  8.  4.  Für 
Fischart:  Dederding  a.  a.  O.  8.  12  f. 

7  Vgl.  oben  im  2.  Cap.  u.  Fischart  in  der  Vorrede  zum  Eulen- 
spiegel Keiinen8weiss. 


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112 


V.  CAPITEIj. 


strenge  Sittlichkeit  und  durch  unbedingte  Anerkennung  der 
Heiligkeit  der  Ehe  aus.  Sie  sind  fromm  und  wahrhaft 
christlich  gesinnt.  Als  Protestanten  aber  treten  sie  für 
Glaubensfreiheit  ein,  wie  als  Söhne  unabhängiger  Reichs- 
städte für  die  politische  Freiheit l. 

Noch  spät  gedachte  Fischart  dankbar  und  in  Ehren 
seines  Meisters2  und  wandelte  auf  den  Wegen,  die  ihm 
dieser  gewiesen,  aber  schon  als  Jüngling  wuchs  er  —  ein 
kraftstrotzendes  Genie  —  gewaltig  über  Scheidt  hinaus. 
In  den  späteren  Schriften  Fischarts  kann  man  unter  den 
üppig  wuchernden  Gebilden  seiner  überreichen  Phantasie  jene 
Keime  nicht  mehr  erkennen,  die  er  der  liebevollen  Saat 
seines  Lehrers  verdankte.  In  den  Anfängen  der  litterarischen 
Thätigkeit  Fischarts  aber  treten  die  Beziehungen  zu  Scheidt 
natürlich  greifbarer  zu  Tage.  Nicht  in  den  allerersten  Werken ! 
Diese  sind  religiöse  Streitschriften  und  persönliche  Angriffe, 
wie  sie  Scheidt  niemals  versuchte.  Aber  auch  hier  trotz 
dem  völlig  verschiedenen  Inhalt  blickt  Verwandtes  hervor. 
In  den  Randbemerkungen  zu  S.  Dominici  Leben3  können 
wir  dieselben  mannigfaltigen  Abstufungen  unterscheiden 
wie  in  jenen  zu  Scheidts  Grobianus4. 

Auch  Fischart  setzt  ausser  Bibelci taten  und  Anspielungen 
auf  antike  Erzählungen,  deutsche,  lateinische  und  französi- 
sche Sprüche,  ironische  Bemerkungen  zum  Text  und  Schimpf- 
wörter an  den  Rand5.  Einmal  berührt  sich  die  Situation 
der  Erzählung  und  die  Glosse  mit  einer  Stelle  in  Scheidts 
Grobianus  6. 


*  Vgl.  Scheidt  in  allen  Vorreden  u.  Beschlüssen  s.  oben  S.  44. 
für  Fischart:  Dederding  a.  a.  O.  S.  16  f. 

2  Diese  vielberufenon  Stellen  sind  zusammen  abgedruckt  in 
Wackernagels  Fischart  S.  107  Anm.  232. 

8  Kurz,  Fischarts  sämmtliche  Dichtungen  I. 

*  Vgl.  oben  8.  61  f. 

*  Beispiele :  V.  3599  f.,  4460,  2379 ,  3041 ,  2837  ff.,  2444,  2862  f. 
4350  ff.  usw. 

6  Soheidt  V.  2083  ff.  Die  Zecher  erzählen  sich  allerlei,  besonders 
S.  67  f.:  'Nauita  de  uentis*.  Die  gleiche  Randbemerkung  macht  Fischart 
zu  V.  3517  ff.  (Geschwätz  der  Mönche  im  'Sprachhaus'). 


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SCHEIDT  INI)  FISCIIART. 


113 


Doch  von  einer  eigentlichen  erkennbaren  Abhängig- 
keit kann  erst  in  jenen  Schriften  Ficharts  die  Rede  sein, 
welche  grobianischen  Inhalts  sind.  Vor  allem  im  'Eulen- 
spiegel Reimensweiss',  Fischarts  viertem  Werke das  er  als 
freie  Bearbeitung  des  Volksbuches  vom  Till  Eulenspiegel 
nach  dem  Erfurter  Texte  (1532) 2  im  Jahre  1571  verfasste 
und  vor  der  Fastenmesse  des  Jahres  1572  veröffentlichte3. 
Ursprünglich  war  diese  Arbeit  von  Scheidt  selbst  geplant,  der 
durch  Dedekind  (I,  4  Nr.  17)  auf  Eulenspiegel  gewiesen  wurde 
und  der  in  seinem  Prolog  zum  Grobianus  neben  anderen 
(frohen  Heiligen  auch  den  Eulenspiegel  als  Helfer  zur  Arbeit 
herbeiwünscht4.  Scheidt  wurde  von  wegen  SchuUjescheJft  rml 

1  Die  Reihenfolge  der  ersten  Schriften  ist  nach  Scherer,  Zeit- 
schrift f.  öster.  Gymn.  1867  S.  476:  Nachtrabe.  Sekten-  und  Kutten- 
streit.    S.  Dominici  Leben.  Eulenspiogel  Reimenswoisa.  Lob  der  Laute. 

»  Beschrieben  wird  diese  Erfurter  Ausgabe  bei  Lappenberg, 
Murners  ülenapiogel ,  Leipzig  1854  S.  162  ff.  und  Till  Eulenspiogel, 
Halle  1884.  (Braunes  Neudrucke  Nr.  55  u.  56)  S.  XVI  f.  Lappenbergs 
und  Knusta  Angabe,  Fischart  habe  gerade  diese  AuagHbe  benutzt,  be- 
stätigt sich. 

*  Das  Jahr  1572  steht  fest  nach  Willers  Messcatalog.  Vgl.  Wen- 
deler, Meusebach«  Fischartstudien  8.  187.  Weller,  Annalen  2,  380. 
Zacher  und  Below ,  Fischarts  geistliche  Lieder  8.  1135.  Bekräftigend 
treten  hinzu:  Fischarts  eigener  Ausspruch  im  FJöhhnz  1573  (Auagabe 
Halle  1877,  8.  67  V.  67  ff.)  Was  soll  ich  vom  Eulenreimer  melden,  der 
vor  eim  Jar  im  Enlenhelden,  den  Eulenspiegel  eic.  und  die  Thatsaehe, 
dass  Fischart,  wo  er  in  den  späteren  Schriften  des  Eulenspiegels  gedenkt, 
immer  ausdrücklich  seine  eigene  gereimte  Bearbeitung  nennt  (die 
Stellen  bei  Flögel,  Geschichte  der  komischen  Lilteratur  3,  374  ff.)  vor 
dem  Jahre  1572  aber  überall  nur  das  Volksbuch  erwähnt.  So  8.  Dominici 
Leben  V.  163*2  ff.  Weist  nicht,  trau  dich  gelehret  hat,  der  Eulenspiegel 
mit  dem  lenopff  etc. 

Exemplare  des  Fiachnrtschen  Eulenspiegel  sind  vorhanden  in 
Berlin,  London  (Brit.  Museum),  Wien,  Zürich.  Neugedruckt  sind  in 
Goedekes  Deutacher  Dichtung,  161  ff.  die  Capitel  1,  23  ,  30  ,  33  ,  35 
und  70.  Der  ganze  Titel  und  dio  Vorredo  bei  Wackernngel,  Fischart 
8  138  ff. 

Über  das  Verhältnis  zwischen  Fischart  und  seiner  Quelle  gibt 
Lappenberg  a.  a.  O.  S.  186  ff.  einen  kurzen  Bericht.  Ich  bospreehe 
hier  Fischarts  Umarbeitung  nur  insoweit  diese  von  Scheidt  abhäugig 
ist  and  behalte  mir  eine  genauere  Darstellung  für  einen  eigenen  Auf- 
satz vor. 

*  S.  12,  besonders  V.  53—58. 

QF.  lxvl  8 


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114 


V.  CAIMTEL. 


ernstlicherem  studieren  von  der  Ausführung  dieses  Planes 
abgehalten  und  bestimmte  zu  dieser  Arbeit  seinen  Schüler 
Fischart,  der  sich  schon  mit  dem  Eulenspiegel  beschäftigt 
hatte 1 . 

Mit  dem  Plane  hat  Fischart  auch  Ideen  zu  dessen 
Ausführung  von  seinem  Meister  übernommen.  Gleich  die 
abred  an  die  Eulenspiegler  erinnert  an  Scheidts  Vorrede  zum 
Grobianus,  wenn  sie  auch  die  letztere  an  Umfang  und  ge- 
drängtem Gedankenreichthum,  sowie  durch  eine  Fülle  von 
Anspielungen  und  Witzen  übertrifft.  Wie  Scheidt  bekennt 
er  in  grosser  Bescheidenheit,  er  habe  sich  erst  an  die 
Arbeit  gewagt,  als  andere  daran  verhindert  wurden  und 
Freunde  und  Gönner  ihn  dazu  gedrängt  hätten ;  er  berichtet 
dann  über  den  Grund,  warum  er  das  Original  umgearbeitet  und 
über  die  Art  und  Weise,  wie  er  dies  gethan  habe2,  und 
entwickelt  gleich  Scheidt  mit  vielen  Citaten  aus  den  clas- 
sischen  Autoren  das  moralische  Programm  seines  Werkes : 
Durch  Scherz  will  er  belehren,  denn  Ist  es  nicht  angenemer, 
ermant  werden  mit  sehertzen,  dann  mit  schmertzen?  Viut 
mit  süsse,  dann  mit  hüssen?  Die  heutige  Welt  vertrage 
weder  Tadel  noch  Strafe;  was  bleibe  übrig  dann  daß  man 
jr  in  schimpf}'  auch  die  warheit  sage,  rmul  jren  durch  ein 
Prill  oder  Spiegel  zeige t  was  sie  für  ein  schalckhafft  ver- 
schmitztes Jünckerhin  sege3.  Mit  seinem  Eulenspiegel  hat 
er  sich  vorgenommen  die  Welt  nicht  nur  zu  ergötzen, 
sondern  er  will  ihr  zugleich  mit  dem  ergetzen,  dest  süsser 
das  gute  einsehwetzen ,  daß  jren  mit  dem  spotten  vnd 
sehertzen,  die  lasier  desto  mehr  giengen  zu  hertzen4.  Eine 
grobe  Darstellung  konnte  der  Verfasser  nicht  vermeiden, 
es  freut  ihn  aber,  dass  dennoch  im  Eulenspiegel  kein  Jio- 
cacische  Sehandparkeit,  rnd  vnzimliche  Jlulereg  fürfallet  oder 

«  Vgl.  Anm.  3  zu  8.  113. 

2  B>i  Wackornagel  a.  a.  O.  8.  130  u.  144. 

"  Wack©rniiff»'l  S.  140  f. 

4  Ebenda  S.  143.  Vgl.  Scheidts  Vorrede  S.  ö.  mder  dem  schein 
eines  aussen  fmlrerlins ,  auch  (ins  bitter  zu  jretn  nütz  rnd  fhsundheit 
einbringen  u.  8.  7  damit  das  se  wisch  rolck  beij  Zeiten  ein  spieyel  het, 
darin  es  sich  besehen  mSrht. 


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sCHKiriT  INI»  Kl  SCHAUT. 


115 


gefunden  trirdt,  dar  mit  man  doch  heut  alle  Bücher,  so  kurz- 
weilig heissen  sollen,  spicket  vnd  füllet  \  Ähnliche  Gedanken 
spricht  in  der  gereimten  Vorrede  der  Eulenspiegel  zum 
Leser  aus.  Nachdem  er  sich  auf  seinen  Pegasischen  Esel 
geschwungen,  bietet  er  statt  des  Schildes  jedem  schalck  zu 
einem  trutz.  Den  Spiegel,  daß  er  sich  drinn  mutz.  Da  treiser 
raht  gar  nichts  erschießt ,  Auch  schärpffe  nur  die  leut  ver- 
drießt, so  versucht  er's  auf  umgekehrtem  Wege :  Dann  durch 
sj>ott  vnd  ergetzlichkeit.  Bringt  man  zur  Weißheit  offt  die  leut. 

Von  dieser  sittlichen  Tendenz,  die  Fischart  nicht  nur 
in  der  Vorrede  ankündigt,  sondern  in  der  Darstellung  wirk- 
lich überall  zur  Geltung  bringt  -,  ist  im  Volksbuch  vom  Till 
Eulenspiegel  keine  Spur  vorhanden.  Hier  war  es  die  aus- 
gesprochene Absicht  des  Sammlers  nur:  ein  jrölich  gemüt 
zu  machen  in  schweren  Zeiten*  vnd  die  lesenden  vnd  zuhören- 
den mögen  gute  kurtzweUige  fröden  vnd  schtcvnck  daruß  fabu- 
lieren*.  Ausser  an  dieser  lehrhaften  Tendenz  lässt  sich  in 
Fischarts Eulenspiegel  die  Schule  Scheidts  noch  aneinergrund- 
sätzlichen  Änderung  der  ganzen  Darstellung  erkennen,  die 
schwerer  ins  Gewicht  fallt,  als  all  die  zahlreichen  inhalt- 
lichen Zusätze.  Im  Volksbuche  werden  nämlich  das  Leben 
und  die  Thaten  des  Eulenspiegel  vollkommen  objectiv  er- 
zählt. Nirgends  tritt  der  Autor  hervor,  nirgends  eine  Be- 
ziehung zwischen  diesem  und  dem  Melden.  Ganz  anders 
bei  Fischart,  der  den  Eulenspiegel,  wie  es  schon  Scheidt 
beabsichtigte,  dem  Gr  ob  i  an  o  gleichmessig4  behandelte;  das 
heisst  das  Verhältnis  zwischen   Fischart  und  Till  Eulen- 


*  Waekernagcl  8.  145. 

2  In  zahlreich«!)  Aussprüchen  allgemeiner  Lebensweisheit  oder 
geiner  persönlichen  Ansichten  und  Erfahrungen  entwickelt  er  Rein,, 
strenge  moralische  Überzeugung.  Am  Sellins*  eines  Cupitels  gibt  er 
gewöhnlich  dessen  Moral  in  nuce.  Seine  grosse  satirische  Kraft,  die 
er  in  den  ersten  Schriften  im  Kampfe  gegen  die  katholische  Geistlich- 
keit übte,  bewährt  er  jetzt  gegen  alle  Stände:  Juristen,  Gelohrte, 
Hofraänner,  Kaufleute  usw.  Hier  fehlt  mir  der  Raum,  dies  weiter 
auszufuhren. 

3  Till  Eulenspiegcl  ,  Halle  1885  (Braunes  Neudruck  Nr.  55  und 
56)  S.  3. 

♦  Wackernagel  S.  VM 

8* 


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116 


V.  CAWTKI,. 


spiegel  entspricht  hier  völlig  demjenigen  zwischen  dem  Meister 
Grrobianus  und  dessen  gelehrigem  Schüler  bei  Scheidt.  Der 
Verfasser  tritt  hier  mit  starker  Subjectivität  hervor,  er 
spricht  den  Leser  an,  verweist  auf  frühere  Theile  seines 
Werkes1  und  unterhält  vor  allem  dauernden  Verkehr  mit 
seinem  Helden.   Der  Verfasser  betrachtet  den  Eulenspiegel 
als  seinen  Schützling,  er  ermahnt  und  belehrt  ihn,  treibt 
ihn  an  oder  warnt  ihn.  Er  rühmt  oder  tadelt  dessen  Thaten, 
gar  zu  grobe  Streiche  begründet  und  entschuldigt  er  dem 
Leser  gegenüber  zuweilen  mit  wörtlichen  Anklängen  an 
Scheidt.    Mein  Tyll,  mein  Eulenspiegel,  mein  guter  Eulen- 
traber 212\  meinem  alten  künden  Tyll  284\  mein  kumlt 
88a,  120b,  vnserem  armen  Eulenknaben  287''  usw.,  so  spricht 
er  ihn  an,  so  redet  er  von  ihm.  Unabhängig  vom  Erfurter 
Texte  bildet  Fischart  Sätze,  in  denen  er  sein  Urtheil  fällt: 
Z.  B.  Eulenspiegel  hat  Brot  gestohlen,  Fischart  15"  Biß  war 
sein  aller  ei'ste  prob  Vnd  war  fürwar  schier  allzu  grob  und 
setzt  die  Ermahnung  hinzu :  Doch  wolt  ich  Eulenspiegel  </*>, 
Auch  ratheny  daß  nit  für  vnd  für,  Mit  diesen  groben  bossen 
kernst,  Das  nit  ein  böses  end  mol  nemst2  und  ferner  16": 
Drumb  dich  mein  Eulenspiegel  hüt,  Der  bossen  wird  man  sehr 
baldt  müd.   Er  tröstet  den  Till,  als  ihn  die  Arzte  mit  ihrem 
Hass  verfolgen  42a:  Drumb  laß  dich  mein  Tyl  nicht  er- 
schrecken, Vnder  Doctor  find  man  auch  geckm  usw.  Fischart 
betont  aber  auch  bei  sonstigen  Streichen,  dass  sich  Eulen- 
spiegel damit  bei  anderen  Dank  verdiene  oder  sich  selbst 
einen  Vortheil  errungen  habe.   So  183b,  Eulenspiegel  spielt 
seinem  Herrn  als  Koch  einen  tollen  Possen;  dies  that  er 
den  Gästen  zu  Liebe:  Daß  sie  auch  was  zu  lachen  hetten'\ 

1  Z.  B.  Blatt  8b.  Zum  Leser:  Aber  nun  hf/rt  ein  (/rossen  scheid. 
Die  gleichen  Zusätze  fügt  Scheidt  zu  Pt-dckinds  Text  hinzu  z.  B. 
V.  3445  Nun  hurt,  wie  sich  mgluck  zütregt.  Aul  ein  I  ruh  eres  Capitel 
verweist  Fisehart  z  B.  Bl.  171*:  Zu  Erfurt  war  Eulenspiegel  gut  be- 
kannt, weil  er  dasolbst  ein  groben  Esel  lesen  lehrt. 

2  Scheidt  V.  616  Das  wer  zu  grob  vnd  stund  nit  wol.  V.  2833 
Vnd  ist  fürwar  schier  gar  zu  grob. 

3  Bei  Scheidt  sehr  häufig:  Treibe  Possen,  V.  600  Vnd  werden 
alle  gest  dein  lachen.  V.  1245  So  lachen  dein  die  nachpanrn  all. 
V.  3052  So  lachen  alle  disch genossen.  V.  2884  Daß  man  zu  lachen 
vberkumb. 


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SCHK1DT  t  Nl)  FISCH  AKT. 


117 


Vnd  nil  von  ärgern  suchen  redten.  Oder  36b  Durch  einen 
derben  Spass  gewinnt  er  einem  Pfaffen  eine  Tonne  Bier 
ab;  Fischart  fügt  hinzu:  Secht  wie  er  jm  solch  schleckere 
So  fein  kan  nützlich  wachen  frey Eulenspiegel  erhält 
wegen  seiner  geheuchelten  Frömmigkeit  grosse  Geschenke ; 
Fischart  65*:  Secht.  wo  die  ein  fall  kommet  hin,  Was  ist  dar- 
bey  nur  für  gewinn?  Da  Eulenspiegel  die  Menschen  mit 
Benutzung  ihrer  eigenen  Geldgier  betrügt,  ruft  Fischart 
aus  287b:  Das  ist  ein  rechtes  Meisterstück2  Zu  zeigen  der  Welt 
jre  tück  und  sie  bei  der  Nase  herumzuführen,  weil  Reich- 
thumb  fr  Heiligthumb  ist.  Oder  10' :  0  Eulenspiegel  es  gfalt 
mir  recht.  Daß  du  nit  so  erschrickest  schlecht  wenn  dir  der 
erste  Streich  misslingt,  sondern  dass  du  weitere  Versuche 
anstellst.  Was  Eulenspiegel  trieb  4*  das  stund  jm  so  visier- 
lieh  an,  oder  Fischart  bezeichnet  es  69*  als  ein  visierlich 
that3.  Aber  in  der  Senfgeschichte  treibt  es  ihm  Till  zu  arg 
und  er  fahrt  ihn  an  26*:  Pfu  dich  du  grosser  vnflat  jriß  jn 
. .  man  möcht  schier  kotzen  für  cnglust.  Oder  Fischart  klagt 
ein  ander  Mal  4b:  0  Eulenspiegel  es  ist  schad,  Daß  man  die 
Rut  gespar  et  hat. 

Mit  regem  Interesse  erfüllt  Fischart  auch  das  innere 
Leben  und  die  Charakterentwicklung  seines  Helden.  Zu- 
weilen kurze  Andeutungen  der  Quelle  benutzend,  meist  aber 
ganz  frei  von  dieser,  führt  Fischart  genau  aus,  was  Till 
vor  oder  nach  jedem  Streich  sich  denkt,  seine  Angst  und 
seine  Freude,  seine  Pläne  und  Absichten,  gibt  Übergänge 
von  einem  Streich  zum  anderen,  innere  Erklärungen  für 
den  häufigen  Berufswechsel  des  Helden.  Meist  verlässt 
Eulenspiegel  seinen  Dienst  und  den  Aufenthaltsort,  wenn 
Strafe  und  Gefahr  droht.  In  mannigfaltiger  Weise  spricht 
er  an  den  verschiedenen  Stellen  diesen  Entschluss  der  Flucht 

1  Scheidt  V.  4Ö42  ff.  Daß  du  auch  wißt  was  guts  drauß  kumb, .  . 
Wann  man  sich  grob  vnd  vngschickt  helt  V.  2529  Nu  lüg  was  das 
(seil,  eine  Grobheit)  für  nutzung  bring. 

2  Scheidt  V.  889  Das  ist  ein  sonder  adlich  stück.  Randbe- 
merkung 8.  34  Ein  meisterstück  eines  vnflats. 

8  Scheidt  V.  1862  Wann  du  dich  so  visierlich  steht.  V.  2562 
Vnd  treibt  visierlich  äffen  spiel. 


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118  V.    CA  FIT  KL. 

aus  z.  B.  77*:  Sand  Veltens  leyden  wird  dich  bscheissen,  Nun 
ist  zeit  warlich  außzureissen  ;  87b:  Sie  wurden  mir  den  Beltz 
sonst  weschen  usw.  Kommt  er  davon,  so  fügt  Fischart  noch 
hinzu  27b:  So  mocht  er  seiner  Lenden  schonen1  oder  70b: 
Von  glück  ich  nun  wol  sagen  muß.  Gelingt  ihm  das  Spiel, 
dann  denkt  sich  Till  selbst,  er  müsse  es  noch  einmal  wagen 
171b:  Dess  guten  thut  man  nicht  zuviel.  Oder  18b:  Er  dachte 
auff  all  weiß  vnd  weg,  wie  er  sich  rächen  sollte,  bis  er  fand 
letzlich  diesen  fund,  Der  jetzund  folget  zu  der  stund.  Fischart 
erklärt  meist  gleich  zu  Beginn  der  Capitel,  wie  Eulenspiegel 
in  die  neue  Situation  hineingerieth.  So  Cap.  27  (Hist.  28 
des  Volksbuchs):  Teglich  nahm  Eulenspiegel  zu,  An  kunst  vnd 
schalckheit,  die  er  thu,  Das  Mahlen  ist  jm  wol  abgangen,  Der- 
haWen  hett  er  Jetzt  verlangen,  Versuchen,  wie  studieren  thet, 
Wann  man  mit  den  Gelehrten  redt  usw.2. 

Eulenspiegel  ist  unter  den  Händen  Fischarts  ein  echter 
Grobianer  worden.  Unflätig  war  er  vom  Hause  aus,  aber 
jetzt  nähert  er  sich  durch  seine  eigennützigen  Ausreden, 
sowie  durch  seine  fortwährend  ausgesprochene  Freude  an 
Speise  und  Trank  auch  äusserlich  dem  Helden  Dedekind- 
Scheidts.  Z.  B.  23b  Eulenspiegel  sieht,  dass  es  noch  finster 
ist,  da  denkt  er  sich,  jetzt  magstu  schlaffen  auch  mit  fug 
.  .  Daß  jn  eine  grosse  Sund  bedaucht,  Daß  er  solt  wachen 
in  der  nacht,  Die  doch  zu  schlafen  wer  gemacht*  oder  15 lb 
der  Kürschnermeister  macht  Till  Vorwürfe  wegen  seines 
ungebührlichen  Benehmens,  dieser  antwortet:  Wie  thut  jr 
so ,  sprach  Eulenspiegel ,  Ich  hob  am  Furtz  noch  Zaum ,  noch 
Ziegel,  Daß  ich's  anbindt  vnd  halte4. 

*  Scheidt  V.  3963  f.  So  müssen*  da  .  .  frer  lenden  fürchten  sehr 

U.  80119t. 

2  Die  längsten  Erweiterungen  widmet  Fischart  seinem  Helden 
in  dun  letzten  Capitelu  Bl.  273*  ff.  Hier  schildert  er  die  letzte  Krank- 
hoit  und  den  Tod  Eulenapiegels  mit  vielen  sinnigen  Aussprüchen, 
treffenden  Wortspielen  und  Witzen. 

3  Vgl.  Scheidts  langero  Ausführung  V.  2395 — 2422.  Besonders 
V.  2419  f.  Vnd  schliß  mit  rhu  on  sorgen  hin,  Biß  dir  die  Sonn  in 
d\tugen  schein. 

4  Vgl.  Scheidt  V.  960  ff.  Wolt  aber  jimandt  dich  drumb  straffen  . . 
Sprich,  es  ist  nicht  in  meinem  gwalt,  Daß  ich  die  fürtz  in  henden  halt. 


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SCHEIDT  UND  FISCHAKT. 


119 


Fischarts  Eulen spiegel  trinkt  noch  viel  öfter  und  mehr 
als  der  des  Volksbuches.  Er  ist  immer  der  erste  voll  und  thut 
mit  Freuden  Bescheid,  so  191"  Ein  trincklein  ist  mir  nicht 
erleidt.  Seine  Erwägungen  sind  natürlich  auch  auf  diesem 
Gebiet  ganz  grobianischer  Natur.  Im  besten  Essen  denkt 
er  sich  194ü:  Ich  kan  nit  auff  der  Post  so  fressen,  Ich  muß 
auch  vor  ein  trünklin  holen1  Der  Anblick  von  Speisen  er- 
regt seinen  grössten  Appetit  (29*)  und  im  Fressen  steht  er 
seinem  Vorbilde  durchaus  nicht  nach  96" :  Vnd  frasse  dapffer 
weidlich  gnug,  Mit  Handvoll  er  zum  Maid  zutrug,  Er  dacht 
du  teilt  das  Gelt  gewinnen,  Mit  fressen  wilt  kein  seiden 
spinnen.  Er  hats  auch  Ritterlich  bewissen,  Es  weich  kaum 
ein  dem  andern  bissen.  Er  fuhr  so  weidlich  da  zu 
loch*,  Daß  man  nit  viel  vom  Tisch  meh  brocht.  Dazu  hat 
er  tapffer  auch  gesoffen,  Daß  jm  der  Bauch  ist  auffgelojfm. 
Ähnlich  an  zahlreichen  andern  Stellen.  Zuweilen,  wenn  sich 
Fischart  über  die  allgemeinen  Zustände  seiner  Zeit  auslässt, 
verfällt  er  in  den  Ton  der  Trinklitteratur.  So  z.  B.  178": 
Die  Leute  werden  krank  und  brauchen  Brillen,  Weil  sie  sich 
gar  vngmässig  halten,  In  sauffen  .  .  Sie  fressen  sich  tod,  doli 
vnd  blind  .  .  Vnd  vberschütten  gar  das  Hirn,  Saufen  die 
Augen  auß  der  Stirn,  Bekommen  zittrecht  Köpff  vnd  Glieder, 
Groß  rote  Nasen  hin  vnd  wider.  Er  spricht  vom  vollen 
Orden  179*  den  vollen  Brüdern  245b  und  klagt  patriotisch, 
158":  Vns  Teutschen  fdlts  Gelt  durch  den  Bauch.  Von  allen 
Fressgelagen  entwirft  Fischart  eine  genaue  Schilderung, 
ebenso  gut  wie  von  sämmtlichen  unappetitlichen  Situationen, 


Grobianixcho  Ausreden  gebraucht  Fiscbart  auch  für  andere  Personen: 
2b  Die  Leute  gingen  in  ein  Wirthshaus,  es  war  sehr  heiss.  So  mußten 
sie  ja  Labung  suchen.  Wer  wolle  darumb  jnen  fluchen? 

»  Vgl.  Scheidt  Y.  2897  ff.  Vnd  ob  die  speiß  dir  wer  zu  dürr  .  . 
So  trink  darzwischen  offt  vnd  dick,  bo  fleußt  hinab  manch  großes 
stück  u.  a. 

2  Vgl.  Scheidt  hat  an  mehreren  Stellen,  ähnlicho  Schilderungen 
z.  B.  V.  694  ff.  besonders  V.  698  Vnd  also  bald  zu  loch  mit  far; 
Das  .  .  kompt  dem  bauch  vnd  »tagen  tcol.  Oder  V.  3293  ff.  Schlucke 
nur  grosse  Stücke  herab,  denn  V.  3296  Dein  mxitter  spann  dich  nit 
auß  seiden  usw.   Ähnlich  V.  531. 


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120 


V  CAPITEI.. 


die  in  der  Quelle  nur  flüchtig  skizzirt  sind.  So  von  den 
Blähungen  und  Absonderungen  des  Magens  (151b,  68b,  224* 
u.  a.).  Und  gut  grobianiseh  sagt  Fischart  bei  einem  höchst 
unflätigen  Streich  68*:  Es  war  schad  Eulenspiegel  jmmer, 
Daß  nicht  da  war  das  Frauenzimmer.  Ein  ander  Mal  ver- 
pestet Eulenspiegel  die  Luft  226*;  der  Verdacht  fällt  zuerst 
auf  die  Hunde,  dann  auf  die  Kinder,  schliesslich  auf  die 
Frauen:  die  man  auch  darumb  an  wolt  schauen.  Das  kein 
wunder  gewesen  ist,  Es  iver  vor  angst  jn  was  entwischt. 

Zu  den  erwähnten  Beziehungen  zwischen  Fischart  und 
Scheidt  treten  noch  einige  wörtliche  Übereinstimmungen. 
Fischart  beschliesst  seine  zweite  gereimte  Vorrede  auf  den 
Eulenspiegel  mit  den  Worten  Es  butz  die  Naaß  wers  fiSren  mag. 
Ähnlich  Scheidt,  auch  am  Schluss  seiner  gereimten  Vorrede 
V.  115  f.  wer  hören  will,  Der  butz  die  naß  vnd  schweig  fein 
still.  —  Fischart  248*:  Holländer  haben  einen  Magen  wie 
Sträuß  die  Eysen  tragen.  Scheidts  Randbemerkung  S.  65 
Verddwcn  ein  hüffeisen  wie  ein  Strauß  l.  F.  V.  105b  Till  zum 
Wirt:  Sag  ich  euch  drumb  Grand  meng.  Sch.  V.  746  Sag 
jm  kein  Grammer cy  darumb.  Fischart  erwähnt  auch  Dietrich 
von  Bern  68b2,  den  heiligen  Grillus  90* 3  und  thoilt  mit 
Scheidt  die  gleichen  landläufigen  Redensarten4. 

Die  dichterische  Rede  Fischarts  steht  weit  hinter 
seiner  virtuosen  Prosa  zurück5.  Fischart  betheiligt  sich 
gar  nicht  an  der  Opitz  zustrebenden  Reform,  zeigt  keine 
metrischen  Feinheiten  und  öfters  bei  klingendem  Ausgang 
unreine  Reime.  Trotzdem  zeichnen  sich  seine  Verse  vordem 
hölzernen  Geklapper  der  übrigen  Reimpaare  des  XVI.  Jahr- 
hunderts vortheilhaft  aus6.  Er  verhindert  häufig  durch  eine 
geschickte  Anwendung  der  Synkope  die  naturwidrige  Be- 
tonung tonloser  Silben,  lässt  die  stumpfen  Reime  mit  zahl- 

>  Wickram,  Loosbuch  1539.  E  3b. 
2  Scheidt  V.  2259. 
«  V.  4947. 

4  8iehe  unten  8.  128. 

5  Jacob  Grimma  ürtheil  vgl.  Wendelor,  Meusebachs  Fischart- 
studien 8.  310.    Gervinus,  Gesch.  d.  d.  D.  3*  192  ff. 

6  Vilmar,  Ersen  u.  Grubor  Encyklopftdie  1,  51  8.  169  ff.  Diesen 
berichtigend  Erich  Schmidt,  A.  d.  B.  7,  44. 


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SCHEIDT  UND  FISCHAKT. 


121 


reichen  klingenden  abwechseln  und  schreitet  bei  Vermeidung 
aller  Flickwörter  und  Füllsel  rasch  und  lebhaft  vorwärts. 
Alle  diese  Vorzüge  zeigt  schon  Scheidts  Metrik:  Sie  zeigt, 
wo  man  den  Grobianus  aufschlägt,  mit  Hilfe  der  Synkope 
eine  vernünftige  Betonung  \  klingende  Keime,  nirgends  eine 
schwerfällige  und  unbehilfliche  Breite.  Auch  den  Dreireim, 
den  nach  Hans  Sachs  und  anderer  Vorbild  manche  zeit- 
genössische Dichter  zum  Abschluss  der  Acte  und  gewisser 
Abschnitte  verwenden-,  gebrauchen  Scheidt  und  Fischart 
häufig  am  Schlüsse  der  CapiteR 

Im  Jahre  1573  behandelte  Fischart  wieder  ein  gro- 
bianisches Thema  im  'Flöhhaz',  zeigt  aber  hior  ausser  einer 
wörtlichen  Übereinstimmung  keine  engere  Beziehung  zu 
Scheidt4.  In  dieser  Zeit  schrieb  er  vielleicht,  auch  durch 
seines  Lehrers  Flugblätter  veranlasst,  eine  'Volleseuord- 
nung  5. 

Endlich  ist  der  Grobianus  auch  ein  Vorläufer  von 
Fischarts  Geschichtklitterung0.  Schon  das  Original,  Rabelais' 
Gargantua,^  stellt  das  Urbild  aristokratischer  Schlemmeroi 
jener  Zeit  dar.  Fischart  aber  hat  in  seiner  freien  Übertragung 
und  in  den  überreichen  Vermehrungen  das  grobianische  Ele- 
ment dieses  Fürstenbildes  sehr  verstärkt.  Des  Vaters  Grand- 
goschier  Appetit,  seine  Thesen  und  Beweisführungen 7 
würden  auch  dem  Helden  Dedekind-Scheidts  alle  Ehre 
machen.    Auch  citirt  und  erwähnt  Fischart  öfters  Scheidts 

1  z.  U.  V.  225  ff.  Auch  edel  gstein ,  vnd  perlin  <jut ,  Daß  tnans 
an  d'nu8en  he  ticken  thüt.  Solch  yiit  hat 'dir  das  glück  nit  bschert,  lirumb 
hör  was  zu  deiner  nasen  Jiört  usw. 

2  Kachel ,  Heimbrechung  und  Dreireim  im  Drama  de»  Hans 
Sachs  etc.  Progr.  Freiberg  1870. 

3  Im  Eulenapiegol  Reimonsweiss  15 mal,  im  Grobianus  7  mal. 

♦  Fischarts  Flöhhaz.  Neudruok,  Halle  1877  V.  1283  f.  und  Sohoidt 
V.  73  f. 

5  8trauch,  Viorteljahrschrift  f.  Lg.  1,  97. 
«  Gervinus  31,  202. 

'  Fischarts  Geschichtklitterung.  Neudruok,  Halle  1886.  S.  69—73. 
ö.  60-62.  8.  76-87.  8.  57,  59,  82. 


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122 


V.  CAPITEL 


Grobianus1,  verwendet  die  gleichen  Redensarten*  und  er- 
weist eine  nähere  Verwandtschaft  mit  dieser  Schrift  in 
seinem  achten  Capitel,  der  Trunkenlitanei. 

F1SCHARTS  TRUNKES  LITANEI. 

Fischarts  Trunkenlitanei  bildet  den  Gipfelpunct  aller 
Darstellungen  wüster  Gelage.  Mit  unnachahmlicher  Meister- 
schaft hat  Fischart  in  diesem  Capitel  der  Gesehichtklitterung 
den  tatsächlichen  Verlauf  einer  Kneipe  festgehalten,  dem 
Charakter  einer  geisselnden  Satire  gemäss  alles  Derbe  und 
Gemeine  stark  aufgetragen,  doch  in  allen  Einzelheiten  des 
Bildes  das  wirkliche  Leben  nachgezeichnet.    Neben  der 
treuen  Beobachtung  seiner  Umgebung  flössen  ihm  noch 
ältere  und  jüngere  litterarische  Quellen,  die  ihm  sowohl  fin- 
den ganzen  Aufbau  und  den  Gang  der  Handlung,  als  auch 
für    die   reichlich    mitgetheilten   Gespräche,  Spottreden, 
Sprüche  und  Schlemmerlieder  Vorbilder  und  Fundgruben 
waren.    Bereits  die  älteste  Kneipschilderung  in  der  'Wiener 
Meehrfahrt'  (1254-1283)  enthält  im  Keim  alle  Motive  und 
Mittel  zur  Darstellung  eines  Saufgelages.    Hier  schon  die 
mannigfaltigen,  aber  in  typische   Unterabtheilungen  ge- 
gliederten Unarten  und  Thorheiten  der  Berauschten,  ihre 
tollen  Gespräche  und  Prahlereien,  die  allmähliche  Steigerung 
aus  den  Anfängen  harmloser  Freude  bis  zu  dem  lärmenden, 
eklen  Ende  mit  allgemeiner  sinnloser  Verwirrung  und  den 
unheilvollen  Wirkungen  des  schweren  Rausches.  Hugo  von 
Trimberg,  der  in  seinem  Renner   die  Fabel  der  Wiener 
Meerfahrt  aufnimmt  (V.  10210  ff.)  überbietet  in  drastischen 
Häufungen  die  Kneipdarstellung  der  letzteren  und  verzeichnet 
in  langer  Reihe  die  verschiedenartigen  Thaten  der  Be- 
zechten. Den  Mittelpunct  von  Wittenweilers  'Ring*  (vor  1453) 


1  S.  25  und  sohroibt  hier  aus  dem  Grobianus  ab :  V.  95  f. 
V.  105-108.  V.  111—114.  Ferner  Cap.  24.  (Schoiblos  Kloster  8,  296.) 
Des  Grobians  zwölf  Tafeln.  Cap.  43.  (Scheible  S.  405)  Anspielung  auf 
Scheidt  V.  223—231. 

*  Wackernage)  8.  56.  Anm.  125,  ausserdem  Scheidt  V.  3949 
u.  3951  gloich  Geschichtklitterung  Cap.  43  S.  462  u.  unten  S.  128. 


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KIHCHAKTtt  TKt/NKENLITANEI 


123 


bildet  eine  Bauernhochzeit1,  auf  der  im  ausgesprochenen 
Gegensätze  zu  den  Regeln  der  Tischzucht  gegessen  und  ge- 
trunken wird.    Keiner  wäscht  sich  vor  dem  Mahle  die 
Hände,  jeder  hält  das  Brod  heim  Schneiden  an  die  Brust, 
lässt  Speise  vom  Mund  in  die  Schüssel  triefen ,  erfasst 
den  Krug  mit  beiden  Händen,  schlürft  aus  den  Schüsseln 
und  legt  sich  mit  den  Ellenbogen  auf  den  Tisch.   Die  Gäste 
trinken,  bis  es  ihnen  an  Athem  gebricht,  bis  die  Augen 
übergehen ,  die  Ohren  niederhangen  und  der  Gürtel  platzt. 
Sie  verlangen  vom  Wirth  immer  weitere  Getränke,  indem 
sie  sich  dabei  auf  ärztliche  Vorschriften  oder  auf  volks- 
tümliche Redensarten  berufen;  sie  erlauben  sich  mit  einer 
von   Gang   zu  Gang  wachsenden  Roheit  immer  derbere 
Scherze,  immer  unanständigere  Gebärden,  bis  die  Witze  und 
Hohnreden  in  eine  allgemeine  Prügelei  ausarten.  In  Brants 
Narrenschiff  liefert  der  Holzschnitt  zum  16.  Capitel  einige 
Wirthshaustypen :   ein    Feinschmecker    der  schmunzelnd 
einen  ganzen  Schinken  zum  Munde  führt,  ein  renommistischer 
Biersäufer  der  ein  ganzes  Glas  geleert  hat  und  einen 
schwächeren  Trinker  zum  Bescheid  zwingt,  ein  anderer 
der  nach  der  Kanne  greift  weil  ihm  das  Glas  zu  klein  ist, 
ein   Schwärmer    der   in  die  Luft  hinein  declamirt,  ein 
Mürrischer  der  im  Hintergrunde  dem  ganzen  Treiben  zu- 
sieht2.   Und  im  72.  Capitel  taucht  mitten  in  den  Witz- 
reden das  neue  Evangelium  der  deutschen  Schlemmer  das 
epicureische  post  mortem  nulla  voluptas  auf.    V.  76  ff. 
nach  dem  strafenden  Bibelwort:  Lasst  uns  fröhlich  sein  und 
prassen,  dieweil  wir  noch  leben,  nach  dem  Tode  gibt  es 
keine  Freude  mehr;  niemand  hat  uns  noch  von  Hölle  und 
Himmel  erzählt,  der  dort  gewesen  wäre. 

Im  XVI.  Jahrhundert  waren  Saufgelage  der  gewöhn- 
lichste Zeitvertreib  in  vielen  Kreisen.  Starke  Anspan- 
nung der  körperlichen  und  geistigen  Kräfte  verlockte 
die  Menschen  zu  ausserordentlichen  Genüssen;  ausserdem 
suchten  breite  Schichten  des  Volkes,  deren  Gut  und  Blut 


*  ed.  Bechstein,  Stuttgart  1851.  Litt.  Verein  Nr.  23  V.  34d— 38°. 
2  Zarncke  S.  LI  Anni.  1. 


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124 


V.  CAPITEL. 


durch  die  dauernde  Unsicherheit  der  Verhältnisse,  stete 
Kämpfe  und  ansteckendo  Krankheiten  jeden  Augenblick  ge- 
fährdet oder  verderbt  wurde,  ihre  Sorgen  und  Qualen 
bei  den  Scherzen  zügelloser  Kneipgenossen  und  bei  den 
Phantasiegebilden,  die  der  Rausch  erzeugte,  auf  Stunden  zu 
vergessen.  Zahlreiche  volksthümliche  Schlemmerlieder  hul- 
digen dieser  Richtung.  Sie  besingen  den  Genuss  des  Augen- 
blicks, verklären  dichterisch  die  Armuth  und  preisen  den 
Leichtsinn.  Sie  begrüssen  den  Wein  als  Buhlen  und  lieben 
Freund  und  lassen  ihn  mit  reicher  Einbildungskraft  in  den 
verschiedensten  Gestalten  auftreten.  Sie  schildern  in  rea- 
listischer Zeichnung  das  Treiben  der  Zecher,  wie  sie  einander 
zutrinken,  den  Rundtrunk  um  den  Tisch  senden,  Saufturniere 
abhalten  und  den  Wirth  hohnnecken. 

Aber  auch  die  Lehrdichter,  als  Gegner  der  Trunksucht 
schildern  Gelage.  Sie  warnen  vor  diesem  Laster  nicht  nur 
durch  die  Darstellung  seiner  schädlichen,  vernichtenden  Folgen 
für  Seele  und  Leib,  sondern  auch  durch  die  abschreckende 
Schilderung  des  lächerlichen  und  widerlichen  Verlaufs  einer 
Kneipe  und  der  mannigfaltigen  Wirkungen  des  Rausches 
auf  verschieden  geartete  Personen.  Die  Erfurter  Scherz- 
rede, Franck  (Von  dem  Laster  der  Trunkenheit)  Friederich 
(Wider  den  Saufteufel)  und  —  von  diesen  abhängig  — 
Obsopöus  (De  arte  bibendi),  Nigrinus  (Wider  die  Bacchanten), 
Scheidt  in  seinem  ersten  Flugblatt  und  im  Grobianus  1.  Buch 
Cap.  8.,  Dedekind  in  der  zweiten  Fassung  des  Grobianus  III,  2 
und  andere  entwerfen  zusammenhängende  Bilder  vom  Treiben 
der  Schlemmer.  Auf  der  Kneipe,  so  erzählen  sie,  werden 
Halbe  und  Ganze  vorgetrunken  nicht  nur  aus  Gläsern  und 
Bechern,  auch  aus  Kannen  und  Kübeln,  aus  Küchengeschirren, 
Stiefeln  und  Hüten,  ja  oft  aus  den  unsaubersten  Gefässen  \ 
Wer  im  Bescheidthun  säumig  ist,  den  trifft  unbarmherzige 
Verhöhnung.    Die  Sauglocke  wird  geläutet2,  die  Zecher 


1  Friederich  2.  ed.  N  3.  Dedekind ,  Grobianus ,  2.  Ausgabe  III,  2. 
Albertinus,  Der  Landstärtzer  Guaman  1615  S.  472. 

a  Franck  C  4.  Obsopöus  E  4b.  Dedekind  a.  a.  0.  Brant,  Narren- 
schiff 72,  V.  9  u.  21. 


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FISCH  ART8   TRÜNKENLITANKI.  125 


fluchen  und  schwören,  plaudern  das  Geheimste  aus  und  ver- 
breiten ihre  eigene  Schande.  Andere  hinwiederum  lügen,  dass 
sich  die  Balken  biegen,  rühmen  ihre  Weiber  und  Kinder,  prahlen 
mit  ihren  tapfern  Kriegsthaten  \  erzählen  von  fernen  Landen, 
wundersamen  Menschen  und  kühnen  Rittern.  Viele  fangen 
Streit  und  Hader  an,  andere  springen  toll  umher  wie  Affen 
oder  beweinen  ihr  'trunken  Elend'2;  etliche  fressen  Kerzen 
und  Gläser,  die  Ärgsten  entblössen  sich  zum  Gelächter  der 
Genossen,  machen  ein  'Hof recht  für  die  Hunde  und  singen 
die  'Trunken  Metten* ,  dass  lange  Noten  zu  Boden  fallen  3. 
Jeder  wird  zum  Trinken  genöthigt:  aut  bibat  aut  abeat', 
mit  den  Wölfen  muss  man  heulen.    So  geschieht's,  dass 
mancher  unter  der  Bank  liegen  bleibt  oder  auf  dem  Heim- 
weg  Rock  und  Mütze   verliert.    Am   nächsten  Morgen 
richten  sie  durch  Branntwein  ihre  schmerzenden,  wirren 
Köpfe  wieder  ein  und  rühmen  einander,  wie  sie  am  Abend 
vorher  'das  Rädlein  fröhlich  herumgehen  Hessen'  und  alle 
anderen  darniedersoffen4.  Hat  die  Besinnungslosigkeit  und 
Verkommenheit  der  Zecher  den  ärgsten  Grad  erreicht,  so 
werden  freche  Scherze  über  heilige  Dinge  laut,  die  Be- 
rauschten beginnen  zuerst  von  der  heiligen  Schrift  zu  reden, 
erheben  Zweifel  an  Christi  Gesetz  und  Gnade,  schwören 
und  fluchen  bei  Gottes  Leiden,  beschimpfen  die  Priester, 
läugnen  die  Höllenstrafen  und  lästern  Gott5. 

Was  diese  und  verwandte  Kneipschilderungcn  an  Mo- 
tiven darbieten  und  alle  Mittel  wirksamer  Darstellung,  die  sie 
versuchen,  hat  Fischart  in  seiner  Trunkenlitanei  ausgeführt, 
aufgehäuft  und  überboten.  Aber  ohne  epische  Beschreibung! 
Er  gibt  uns  nur  eine  verwirrende  Fülle  von  Witzreden  und 


1  Franok  u.  Obsopüus  ebenda.    »Scheidt,  Grobianus  S.  67. 

2  Scheidt  I  V.  34.  Frnnck  K  4b.  Schertlin  bei  Strauch  S.  89. 
V.  9  ff. 

8  Franck ,  Obaopöus  a.  a.  O.  Friederich  2.  ed.  N  3.  f.  Scheidt, 
Orobianus  S.  37  f. 

*  Obsopöus  F.  Friederich  2.  ed.  0  2.  Nigrinus  S.  40  ff.  u.  a. 

5  Obsopöus  B  2.  K  3b.  Zarncke,  Deutsche  Universitäten  im  MA. 
S.  121.  Pauli,  Schimpf  und  Ernst  8.  183  Nr.  280.  Albertinus,  De  con- 
vjvii«  etc.  S.  27b. 


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126 


V.  CA  ITTEL. 


Tischgesprächen  verschieden  gearteter  Zecher,  Schlemmer- 
liedlein, Citate,  Wortspiele,  Redensarten  und  Anspielungen 
auf  die  Zustände  und  Misbräuche  der  Zeit  und  zwar  mit 
solchem  Geschick  verwerthet,  mit  solch  folgerichtiger 
Steigerung  zum  Drastischen  hin,  mit  so  vollendeter  Rea- 
listik und  Anschaulichkeit,  dass  uns  aus  den  gedruckten 
Zeilen  förmlich  der  jauchzende  Chor  der  Kneipsänger,  das 
Geschrei  der  Bezechten,  der  betäubende  Lärm  der  vorge- 
schrittenen Stunde  entgegentönt.  Natürlich  hat  Fischart 
hier  auch  das  entsprechende  (5.)  Capitel  Rabelais'  benutzt  *. 
Gleich  im  Beginn:  die  Aufzählung  der  verschiedenen  Trink- 
geschirre, die  Rufe  nach  neuem  Wein,  die  Aufforderung 
vom  Trinken  zu  parlieren.  Aber  wie  dürftig  erscheint 
Rabelais'  Darstellung  gegenüber  dem  üppigen  Reichthum 
Fischarts,  der  für  jeden  Begriff,  für  jede  Redensart  des 
Originals  bis  zum  Übermass  synonyme  Ausdrücke  und 
deutsche  Sprichwörter  aufeinanderhäuft.  Der  Rundgesang 
hebt  bei  Fischart  immer  wieder  von  neuem  an.  Und  an 
den  Wortlaut  der  mitgetheilten  volkstümlichen  Lieder 
schliessen  sich  scherzhafte  Wechselreden  an.  Ein  Lied  wird 
parodirt,  das  andre  gibt  Anlass  zu  Schimpfnamen,.  Bei- 
fallsbezeigungen oder  Hohnreden.  Der  Wirth  und  die  Wirthin 
mengen  sich  in  das  Gespräch.  Kleine  Gruppen  rücken  zu 
Trink-  und  Würfelspielen  zusammen.  Schwänke,  gelehrte 
Anekdoten  werden  vorgebracht,  lateinische  Verse  citirt 
bis  wieder  ein  kerniges  Lied  dieses  Tintendeutsch  unter- 
bricht. Wein  und  Bier  messen  in  Strömen  und  steigen  den 
Kneipanten  gewaltig  zu  Kopfe.  Die  Gespräche  drehen  sich 
bald  nur  noch  um  das  Trinken.  Wer  viel  verträgt  wird 
gerühmt,  der  Mässige  verhöhnt.  Für  neue  Züge  werden 
die  albernsten  Gründe  erdacht.  Den  Grazien  zu  Ehren  wird 
dreimal  getrunken,  auf  die  Musen  neunmal.  Mit  viel  gro- 
teskeren Kosenamen  als  in  den  Weingrüssen  wird  dem 
edlen  Nass  geschmeichelt.  Aber  auch  von  seinen  unan- 
genehmen Wirkungen  auf  dem  Heimweg  und  am  Morgen,  von 


1  Vgl.  Ganghofer,  Fischart  u.  seine  Verdeutschung  des  Rabelais. 
Mflnchen  1881.    S.  27-37. 


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FISCHARTS    TR  U  N  KEN  L1TA  N  EI . 


127 


der  Gardinenpredigt  der  Hausfrau  ist  die  Rede.  Die  üblen 
Nachwehen  stellen  sich  bald  ein,  dem  Sodbrennen  und 
Rülpsen  folgt  St.  Urbans  Flage,  dass  die  Noten  klafterlang 
zur  Erde  fallen  und  vom  Hausknecht  ausgekehrt  werden1 
(S.  147).    Und  wie  Rabelais  die  Zecher  gotteslästerliche 
Witze  reissen  lässt:  In  meinem  Mund  ist  Gottes  Wort, 
Sitio,  ich  dürste  usw.,  so  unterhalten  sich  auch  die  Be- 
rauschten bei  Fischart  (S.  146  und  150)  über  Himmel  und 
Hölle  und  parodiren  die  Dreieinigkeit:  Das  walt  sie  der 
V atter  Der  Son  trinckt ;  das  walt  sie  der  Teufel.    Die  all- 
gemeine Verwirrung  und  Besinnungslosigkeit  hat  den  höchsten 
Grad  erreicht,  hie  und  da  erhebt  sich  ein  heftiger  Wort- 
wechsel oder  eine  Prügelei.  Die  Gespräche  werden  immer 
unverständiger  und  unflätiger,  die  Lieder  immer  unge- 
reimter; die  dreistesten  Vergleiche,  die  krausesten  Ideen, 
Philosophie,  altdeutsche  Heldensage,  Schlaraffenland,  Worte 
in  fremden  Sprachen,  die  obscönsten  Witze,  die  tollsten 
Laute,  das  alles  tönt  und  schwirrt  durcheinander,  bis  end- 
lich auch  die  tapfersten  Zecher  unter  dem  Tische  liegen 
bleiben  oder  mit  Mühe  und  Noth  heimwärts  taumeln. 

Trotz  Fischarts  umfassender  Kenntnis  der  heimath- 
lichen  Zustände,  der  volksthümlichen  Lieder,  Redensarten, 
Trinkregeln  usw.  ist  anzunehmen,  dass  dieser  für  manche 
seiner  Zusammenstellungen  ältere  Compendien,  die  uns  noch 
unbekannt  sind,  unmittelbar  benutzt  hat.  Sicher  ist  nur, 
dass  er  die  Erfurter  Scherzrede  De  generibus  ebriosorum 
stellenweise  ausgeschrieben  hat  -  und  dass  mehrere  seiner 


•  Vgl.  darüber  oben  S.  22  u  125  Anni.  3,  Friedend),  Saufteufel 
2.  ed.  N  3b  Das  er  anfehet  die  truncken  Metten  mit  den  langen  Nolten  zu 
singen.  Scheidt  V.  1018  tnd  singst  mit  dicken  notten  und  Kaiidbem. 
S.  37  Nr.  0.  Wickram,  Irreitend  Hilter  S.  LV1  /darinnen  sie  die  resper 
xangen,  Das  an  den  wenden  bliben  hangen,  Die  nofhen.  Ähnlich  Uell- 
bach  13 lb  Saiten  klingen. 

2  Die  Zusammensetzungen  mit  Löffel  (Fischarts  Trunkenlitanei, 
Neudruck  S.  131)  ist  sicher  angeregt  durch  die  allerdings  kürzere 
Reihe  in  De  generibus  ebriosorum  (Zarnckc,  Die  deutschen  Uni- 
versitäten im  Mittelalter  S.  124) :  leßehneiiler  sewlejfel,  genßleffel  usw. 
Ferner  Fischart  S.  142  Z.  9  Ede  bibe  lüde  usw.  besonders  aber  von 
Z.  21  ab     Nun    ist  bibendum,   nun  pede   libero  .  .  .  stimmt  nahezu 


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12S 


V.  CAI'ITRL. 


Liederanfänge,  Sprichwörter  und  Kneipwitze  J  sich  auch  in 
älteren  Schriften  der  Trinklitteratur  z.  B.  in  Bocks  'Der  vollen 
Brüder  orden  1  dann  in  Lindeners  Katzipori2  und  in  Scheidts 
Grobianus  vorfinden. 

Abgesehen  von  den  Motiven,  die  allen  Kneipschilde- 
rungen  gemeinsam  sind,  zeigt  Fischart  noch  weitere  Be- 
ziehungen zu  Scheidt.  Er  führt  ähnliche  Gespräche  mit 
dem  Tischjungen  aus,  erzählt  von  den  Hunden,  die  sich  in 
der  Kneipstube  ungebührlich  benehmen  8,  erwähnt  den  Rath 
der  Ärzte  sich  zweimal  im  Monat  zu  besaufen  und  Ähn- 
liches4, verwendet  dieselben  Trinkregeln5  und  anj  vielen 
Stellen  dieselben  Redensarten  c\ 

Noch  in  den  jüngeren  Werken  Fischarts  sind,  aller- 
dings nur  spärlich  verstreut,  einzelne  Spuren  des  Grobianus 
zu  entdecken7. 

Aber  auch  durch  seine  'Lobrede  von  wegen  des  Meyen* 
geht  Scheidt  in  mehreren  Puncten  seinem  Schüler  voran. 
Eine  in  der  Lobrede  kurz  angedeutete  Skizze  vom  Krieg 
der  Weiber  mit  den  Flöhen  gehört  mit  zu  der  Vorgeschichte 


wörtlich  mit  DGE  8.  121  Z.  4  ff.  überein.  Dann  citirt  DGE  den  An- 
fang des  Liedes;  Kein  besser  freud  auß  Erden.  Fischart  schreibt  das 
Lied  bis  zu  Ende  auf,  kommt  aber  S.  143  Z.  26  mit  der  Erwähnung 
des  Schlaraffenlandes  wieder  zu  den  Ausführungen  von  DGE  zurück. 
Die  Redensart  bei  Fischart  S.  140  Z.  23  f.,  die  Schimpfname«  Z.  15  f. 
u.  ähnliches  finden  wir  auch  bei  DGE  S.  124  f. 

•  Fischart  S.  125  Z.  7  f.  S.  141  Z.  21  f.  und  noch  einmal  S.  140. 
Z.  15  f.  stimmt  überein  mit  Bock  A4  und  D3  (Strauch  S.  95). 

»  Fischart  S.  141  Z.  1  und  8.  135  Z.  18  berührt  sich  mit  Lin- 
deners Katzipori  Nr.  78  und  S.  188. 

s  Fischart  8.  130.  Scheidt  8.  51.  S.  8G  f.  u.  a. 

♦  F.  8. 135.  Z.  1.  8ch.  V.  1010  ff.  -  F.  S.  149.  Z.  9  ff.  8ch.  V.  2927  ff. 
»  F.  8.  148.  Z.  29  ff.  Sch.  V.  2357  ff. 

6  F.  8.  126.  Z.  24.  Sch.  V.  1557.  -  F.  8.  128  Z.  5  f.  Sch.  Rand- 
bem.  8.  58.  —  F.  8.  129  Z.  11  f.  Sch.  Randbem.  8.  32.  —  F.  S.  140. 
S.  23.  Soh.  V.  1569.  -  F.  8.  151.  Z.  20.  Sch.  Randbem.  S.  60.  — 
F.  8.  153  Z.  3.  t.  u.  8ch.  V.  817  usw. 

7  Im  Philosophischen  Ehzuchtbüchlein  1578  citirt  Fischart  zu 
einem  Wortwechsel  zwischen  Mann  und  Frau :  criminor  te  kratzenor 
ä  te  (Scheibles  Kloster  10,  641),  wie  Scheidt  an  einor  ganz  ähnlichen 
Stelle  (8.  116). 


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FISCH ARTS  TKU.NKENL1TANKI. 


129 


des  Flöhhaz    In  der  Aufnahme  neuer  französischer  Strophen- 
formen und  Melodien,  welche  Scheidt  hier  zum  ersten  Male 
versuchte2,  folgt  Fischart  ebenfalls  den  Spuren  seines 
Meisters.  Er  verdeutscht  französische  Rondeaus  und  Alle- 
mand  d'amours  in  den  Tönen  des  Originals  und  übersetzt 
im   Jahr  1576  französische  Psalmen   in  den  Versmassen 
und  Weisen,  welche  ihnen  die  evangelische  Kirche  in  Frank- 
reich gegeben  hatte  :\    Die  gleiche  Freude  an  der  Natur, 
welche  Scheidt  erfüllte,  spricht  auch  aus  Fischarts  'Lob  des 
Landlustes  4,  einer  freien  Bearbeitung  der  Epode  des  Horaz, 
Beatus  ille.  In  umfangreichen  selbständigen  Erweiterungen 
entwirft  Fischart  hier  ein  überaus  anmuthiges  Bild  von  den 
Heizen  der  ländlichen  Natur.    Und  wie  Scheidt  im  ausge- 
sprochenen Gegensatze  zu  den  Schlemmern  die  Schönheit 
des  Mai  preist,   so  wendet  sich  auch  Fischart  in  seinem 
Lob  der  Laute'5  direct  gegen  die  vollen  brüder.  Lasst  diesen, 
so  ruft  er  aus,  ihren  Bratspiess,  Bier  und  Wein, 

Vnd  harnten  klopfen,  glässer  brechen 
Der  thon  tvürd  sich  icol  an  jn  rechen 
Vnd  jhn  zerst&ren  leib  vnd  seel, 

ich  aber  lobe  mir  den  süssen  Seitenläany  .  .  Und  mit  warmer 
Empfindung  rühmt  er  dann  die  veredelnde  nachhaltige 
Wirkung  der  Frau  Musica. 

Beide,  Scheidt  und  Fischart,  gehören  nicht  zu  jenen 
Satirikern,  die  wie  etwa  Braut  alle  Laster  ihrer  Zeitge- 
nossen mit  ascetischer  Strenge,  mit  einer  Verbissenheit, 
die  jeden  heiteren  oder  hoffnungsvollen  Gedanken  ausschliesst, 
verdammen.  Scheidt  und  Fischart  bieten  in  ihren  satirischen 
Schriften  reichliche  Mittel  zur  Verschönerung  und  Veredlung 
des  Lebens,  zur  Milderung  der  Übel  dar.  Ihr  Streben  geht 
dahin,  die  Besserungsfähigen  von  jenen,  die  in  der  Nacht 
des  Lasters  wandeln,  zu  den  lichten  Höhen  eines  frommen 
und  schönen  Erdendaseins  emporzuführen. 

»  Wackernagel,  Fischart  S.  107  Anm.  230 

*  Vgl.  oben  S.  107  f. 

*  Wackernagel  S.  124.  Erich  Schmidt,  A.  d.  B.  7  S.  45. 

4  ed.  Kurz  III,  besonders  V.  705 — 730. 

5  ed.  Ooedeke,  Dichtungen  von  J.  Fischart  S.  253  ff. 


qf.  i.xvi.  \) 


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ANHANG. 


1.  DIE  WORMS  ER  BEARBEITUNO  DES  FREIDANK  VOM 

JAHRE  1338. 

Goedeke  spricht  in  seiner  Einleitung  zu  den  Dichtungen  von 
J.  Fischart  S.  XXII  f.  die  Vermuthung  aus,  dass  die  neuen  Ausgaben, 
die  von  'Freidunk'  löJW.  von  der  'äusunna'  Rebhuns  lf)38,  vom 
'Sehlauralten  Lanut'  1541  in  Worms  bei  Seh.  Wagner  erschienen  sind, 
durch  Scheidt  bearbeitet  wurden.  Da  Wagner  der  Vorganger  von 
Gregorius  Hoffmann,  dem  späteren  Verleger  Seheidts,  ist,  da  ferner 
einige  Zusätze  der  nouen  Freidank-Ausgabe  Themata  der  Trinkliitc- 
ratur  behandeln,  so  entbehrte  diese  Vermuthung  nicht  jeder  Grundlage. 
Sie  kann  trotzdem  bei  einer  näheren  Untersuchung  nicht  bestätigt 
weiden.  Die  vier  Abschnitte  über  die  Trunkenheit  auf  Iii.  XVIII  und 
XIX  der  Wonuser  Ausgabe  stimmen  wörtlich  überein  mit  einzelnen 
Partien  aus  Leonhaid  Sehcrtlin«  'Künstlich  trinken'  (Strassburg  1538) 
und  zwar  bie  Trunckenheyt  zu  jren  dienern  von  Merckt  di/J  ist  meiner 
diner  Ion  bis  l  ud  also  Nobis  huuß  erwirbt  mit  Schertlin  Bi]  u.  B4; 
dann  Klay  übers  ziisaufftn  von  0  Gott  vom  himmcl  sihe  darein  bis  Il- 
leben ehe  verlassen  yar  mit  Schertlin  C  lb  u.  C  2  (abgedruckt  von 
Strauch,  Vierteljahrsehrift  für  Liiteraturgeschh-hte  1  S.  88  f.;  V.3-10 
fehlen  im  Freidunk);  Ziculff  eygenschafft  der  Trincker  von  Zuülfl 
eyymsehufft  ich  zeyy  hie  an  bis  Wieteol  jn  Qot  das  selb  hat  bschei't  mit 
Sehcrtlin  C  4  (bei  Strauch  S.  89  f.),  endlieh  Von  schaden  da'  truncken- 
heyt  durch  exempel  anyezeyyt  bis  Die  thund  den  hüten  vil  zu  leydt  bei 
Schert» n  D  2  u.  D2b. 

Die  anderen  eingeschobenen  Capitel  Von  dem  Ehlichen  standl 
(eine  Aufzahlung  berühmter  keuscher  Ehefrauen  aus  der  Bibel  und 
der  alten  Geschichte)  und  Von  nutz  der  Messen,  Von  Rom  vnd  dem 
Bapst  (protestantische  Tendenzpoesie)  sprechen  nach  keiner  Richtung 
für  Scheidt  als  Verfasser. 

In  der  Wormser  Bearbeitung  von  Rebhuns  Susanna  sind  die 


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ANHANG. 


131 


antikiMi  V  rsmasse  in  die  gebräuchlichen  Reimpaare  umgeschrieben 
und  alle  Feinheiten  der  Form  plump  zerstört  worden.  Sollte  diese 
Arbeit  von  demselben  Scheidt  besorgt  sein,  dessen  reges  Interesse  für 
neue  Motra  oben  (S.  1<>5  ff.)  dargelegt  worden  ist? 

2.  ZU  SCHEIDTS  FRÖLICHER  II  KI  MF  ART. 

Auch  in  seinem  dritten  Werke  'Die  frölieh  Heimfart'  verleugnet 
Scheidt  nicht  seinen  Oroll  gegen  die  Schlemmer.  Er  beklagt  sich  in 
der  Vorrede  üb°r  die  Vielen,  die  irie  die  vnuernünft igen  Bestien 
als  JCjn'atrische  sew*  dahin  leben  rnd  nichts  anders  int  mund  haben 
dann  Iriß,  spil  vnd  sauff  zu  diser  Frist*  Dann  nach  dem  todt  kein  trollust 
ist2;  er  sagt  an  einer  Stolle  B  2  im  Sinno  seines  Maienlobs:  So 
schmackt  jr  baß  des  Brunlins  ström,  Dann  der  gut  Griechisch  teein  zu 
Born,  er  gedenkt  bei  Gelegenheit  einer  Götterversammlung  M  2  verächtlich 
de«  Bacchus,  Bachus  der  trang  sich  auch  mit  ein,  Vnd  bracht  mit  jm 
ein  flaseh  toi  icein;  er  behauptet  M  4  ähnlich  wie  in  seiner  Vorrede 
zum  Orobianus  (S.  4  ):  Wer  nicht  Geld  mit  bringt  und  wäre  es  Homer 
selbst,  der  wurde  nirgends  aufgenommen  werden  —  So  aber  einer  mag  wol 
saufen,  «o  liebt  man  ihn,  In  allen  Hufen  kom/d  er  toi,  Vnd  uürt  geuent 
ein  weidlich  Man. 

Scheidts  'Frölicho  Heimfart'  gehört  zu  der  überaus  reichon  Eho- 
litteratnr  des  XVI.  Jahrhunderts.  Im  Gegensatze  zu  der  geringon 
Achtung,  welche  sonst  dem  weiblichen  Geschlecht  dieser  Zeit  gezollt 
wurde,  ehrte  man  in  der  nouen  evangelischen  Kirche,  welche  die  jung- 
fräuliche Himmelskönigin  entthront  hatte,  aus  praktischen  und  moraliHchon 
Erwägungen  dio  bravo  Gattin  und  Hausfrau,  einen  frommen  und  glück- 
lichen Ehestand.  In  zahllosen  Gospräehcn,  Komödien,  GelogenheitH- 
dichtungen  und  Abhandlungen  pries  man  —  besonders  in  der  zweiten 
Hälfte  des  Jahrhunderts  —  dio  Ehe  und  auch  Fischart  betheiligte  sich 
im  Jahre  1578  durch  sein  'Philosophisch  Ehozuohtbüchlein'  an  die»er 
Litteratur.  —  Scheidt  beschreibt  in  seiner  'Frölichon  Heimfart'  das  Leben 
und  dio  Ehe  der  im  Jahre  1552  verstorbenen  Frau  Anna  geb.  von 
Erntrawt  und  widmet  es  dem  betrübten  Witwer  Jacob  von  Wachen- 
heim als  Trostschrift.  Durch  Johann  von  Schwarzenbergs  'Kummertrost', 
der  im  Jahre  1534  aus  einem  ähnlichen  Anlasse  entstand,  wurde  Sohoidti 
wie  er  selbst  gesteht  3,  zu  seiner  Arbeit  angeregt,  hielt  sich  aber  in 


»  Vgl.  Strauch  8.  75  Anm. 

a  Epicurs  Edo  lüde  übe;  vgl.  Fischart,  Trunkonlitanot,  Noudruck 
142  und  oben  S.  127. 

*  Vorrede  A  2.  Der  Kümmert rost  so  weilend  Herr  J.  r>.  Sch.  in 
absterben  seiner  Haußfruwen,  beyde  loblicher  gedechtnuß,  jm  zu  trost 
sellbs  geschriben  hat  .  .  Hat  mich  für  gut  angesehen,  ettwas  dergleichen 
auffs  erst  zu  beschreiben. 


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132 


ANHANG. 


Beinen  Ausführungen  völlig  unabhängig  von  jenem.  Nur  die  Vorrede, 
in  der  8cheidt  berühmte  Frauen  der  Bibel,  der  Griechen  und  Römer 
als  Vorbilder  nennt,  die  Verderbtheit  der  gegenwärtigen  Welt  beklagt 
und  auf  den  raschen  Tod  warnend  hinweist ,  verräth  Beziehungen  zu 
Schwarzenberg1.  Scheidt  hat  aber  seinerseits  zweifellos  auf  Jörg 
Wickrams  'Irreitend  Bilger'  eingewirkt,  der  1550  gedruckt  wurde,  doch 
schon  im  Fröhsoromer  des  Jahres  1555  fertig  war2.  Wickram  hatte 
keinen  bestimmten  äussern  Anlass  wie  Scheidt,  aber  auch  keinen  innern, 
die  Schrift  zu  verfassen.  Er  erklärt  in  seiner  Vorrede,  er  habe  sich 
in  seiner  Krankheit  zur  Zerstreuung  nach  einem  schriftstellerischen 
Thoma  umgesehen.  Da  fiel  ihm  wahrscheinlich  Scheidts  'Frölich  Heim- 
fart'  in  die  Hände,  denn  seine  Erzählung  ist  eine  gerade  Fortsetzung 
der  Scheidtsohen.  Diese  borichtet  nämlich  im  Sohlusscapitel ,  der 
Witwer  habe  sich  dem  Lesen  der  heiligen  Schrift  und  anderer  Trost- 
bücher hingegeben,  um  vor  sinnlichen  Anfechtungen  und  der  Not- 
wendigkeit einer  neuen  Heirath  bewahrt  zu  bleiben.  Hier  setzt  Wickram 
zunächst  mit  Reminiscenzen  aus  dem  „Ackermann  von  Böhmen" 
(E.  8chmidt,  Archiv  8, 327),  ein;  der  Held  seiner  Erzählung  ist  ein 
Witwer,  der  in  einsamer  Zurückgezogenheit  gelehrte  und  fromme  BGcher 
liest,  doch  trotzdem  von  sinnlichen  Anfochtungen  geplagt  wird.  Um  diese 
zu  ertödten  unternimmt  er  eine  Reise,  deren  Wochselfälle  den  weiteren 
Inhalt  der  Erzählung  bilden. 

Scheidt  und  Wickram  klagen  in  ihren  Vorroden  über  ihr'Hauptweh', 
crmahnen  dio  Menschen  mit  einem  Hinweis  auf  den  plötzlich  eintreten- 
den Tod  zur  Busse  und  ciriren  8irach ,  Hiob  usw.  Beide  beschreiben 
einen  Garten,  Blumen  und  Brunnen9,  beide  berichten  gegen  das  Ende 
der  Darstellung  Thatsachen,  di»  sich  früher  ztigotragen  haben,  beide 
gebrauchen  Figuren  der  antiken  Mythologie  sehr  häufig  und  unbedenklich 
neben  Christus  und  seinen  Engeln*  und  berühren  sich  hie  und  da  nahezu 
wörtlich. 

Man  vorgleiche  folgende  Stellen. 

Bei  Wickram  S.  LXX  Boi   Scheidt  Bf.  (Viele  Vögel 

Die  vogel  sungen,  das  es  zw  Uzet  t  singen) 

Die  Nachtigall  süs  Tünorirt  Da  ztvitzert  manches  züngle  in 

Die  Lerch  dar un der  discantirt.  klein  .  . 


»  Der  'Kummertrost*  ist  abgedruckt  in  Sehwarzenborgs  'Der  Teutach 
Cicero',  Augsburg  1534.  Für  Scheidt  wichtig  Bl.  CLIX,  CLVII  u.  CLI  . 

a  Dio  Vorredo  ist  unterzeichnet  am  Petri  u.Pauli-Tag(29.  Juni)  1555 

>  Bei  Wickram  8.  LXXXIIII,  bei  Scheidt  M  4. 

4  Bei  Scheidt  z.  B.  gleich  im  Beginn,  wo  der  Invocatio  pia  eine 
Invooatio  poetica  folgt,  oder  L  1 :  Phöbus  führt,  von  Engeln  begleitet, 
die  Seele  in  den  Himmel. 


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ASHANG 


133 


Die  Trostel  und  die  Ameltz  gilt 
Sungen  den  Alt  mit  /reifem  tnut 
Der  Distelzweig  vnd  Gintlein 
klein 

Sungen  gar  stark  den  Alt  mit  ein 
Dadurch  der  gantz  wald  über  all 
Ertönen  thet  von  solchem  hall, 
dasses  den  Reisenden  ausserordent- 
lich gefiel  >. 


Die  Troschel  vnd  fraw  Nachtigall 
Hört  man  vor  andern  rSgel  all. 
Die  Troschel  fürt  st  ei  ff  den  Tenor 
Die  Lerch  den  Alt  sang  hoch 
entbor  : 

Ein  Di  sie  If  i  n  k  h  ich  den  Di  s- 
cant 

Fraw  Nacht  igalt  braucht  jm  Vagant' 
Auch  ein  par  Turteldauben  saß 
Die  fürten  jn  darzu  den  Baß 
In  Harmnny  die  fanden  sie 
Baß  dann  ichs  kann  beschreiben  hie' 

Und  an  oiner  andern  Stolle  genauere  Beziehungen. 


Wickram  8.  XIX  beschreibt 
Gemälde : 

Ja  wann  Apelles    dis  ab- 
sanken 

Gtnalt  het,  dürfft  er  sein 

n  it  schamm  e  n 
Oder  der  künstlich  Teurer  zart 
So  Z'nürenberg  vergraben  war  dt 
Der  sein  kunst  hat  so  weit  außbracht 
Daß  sein  würt  ewig  werden 

g da  cht. 

Dazu  die  Randbemerkung:  Apel- 
les der  aller  ber&mptist  maier  ge- 
wesen bei  den  alten.  Albrecht  Teurer 
aber  zuNierenberg  bey  vnsern  Zeiten. 

Eine  ahnliohe  Stolle  forner 
8.  LXXIX- 

Dis  alles  stund  gemalt  so  schon 
Als  wanna  Apelles  selb  het 
gton 

Der  aller  Maler  maister  was, 
Wiewol  zu  unsern  Zeiten  sas 
Albrecht  Teilrer  zuNtlrenberck 
Sogmacht  hat  manig künstlich  werk 
Ob  schon  Apelles  wider  kumen 
Er   het    im   gwiß   kein  bensei 
gnummen. 


Scheidt   F.  4  boschreibt  don 
Grabstein  der  Frau: 
Von  Malern  auch  Apelles  kam 
Der  gute  Meister  mit  jm  nam 
Es  war  auch  hoch  geacht  bei  jnen 
Der  thewr  berumpt  vnd  hoch  von 
sinnen 

Alb  recht  Durer  der  scins  Ver- 
stands 

Ein  zier  war  gantzen  Teutschen 
lands 

Sein  Werck  noch  machen  offenbar 
Wie  trefflich  vor  jr  Meister  war 
Farnemiich  ist  der  Taflen  ein 
Noch  in  einr  statt  ligt  an  dem 
Main 

Solt    sie    Apelles    han  ge- 
mach t 

Er  het  sich   noch  viermal 

bedacht 
Ich  gsweig  der  Kunststück  die  er  hat 
Gstochen  in  der  werden  Statt 
On  was  er  sun&l  in  Truck  hat  geben 
Des   muß   sein    Nam  auch 

ewig  leben. 


«  Das  Volkslied  vom  'Ritt  durch  den  Wald'  (Böhme,  Altd.  Liedor- 
buch  8.  275  Nr.  189)  hat  vielleicht  auch  auf  Wickram  eingewirkt,  doch 
ist  noch  über  dieses  hinnuH  diu  Verwandtschaft  mit  Scheidt  auffällig. 
Die  8tclle  des  Volksliedes  lautet:  (Ich  hörte  singen)  die  röglein  jung 
und  alt,  die  Trossel  und  Frau  Nachtigall,  sie  sungen  von  heller  stimmen, 
daß  in  dem  wald  erhal. 


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134 


ANHANG. 


Inh  erwilhne  nur  heilfiufi?,  da«**  auch  in  der  NVerth^'h'i'Z'inij 
Dürers  Fiachart  seinem  Lehrer  nachfolgt.  In  der  Vorrede  zu  den  Arcu- 
rütae  effigies  1.Y73,  in  welcher  Fischart  Oberhaupt  mit  grosser  WSrmo 
die  Partei  der  deutschen  Kunst  gegenüber  der  fremden  ergreift,  rühmt 
er  Albrecht  Dürer  als  Ku{dVr*teoher,  das  noch  heutigen  tages  alle  Volcker 
sich  seines  fleiß  im  reissen  vnd  stechen  hoben  zu  verwundern.  Und  später  : 
Xun  diser  Albrecht  Durer  hat  ein  solche  an  zahl  fvrnnner  Mdcr  hin 
mnd  wider  in  Höcht eutschland  erwecket  das*  sie  >ille  andern  Nationen 
übertreffen  (Wackernajjel  S   153  f.) 


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NAMENS  VERZEICHNIS. 


Ackermann  von  Böhmen  132. 
Albertinus,  Agidiun  124  f. 
Alberus,  Erasmus  2S* 
Amalie.  Gräfin    von  Zweibrücken 

und  Biisch  98. 
Amis  üü. 

Annolic«!  59. 

Ayrer  12L 

Bebel  ßL  70  f.  22. 

Bertholii  von  Ri-gensburg  'Sit. 

Beza  105. 

Bingius  titi.  22. 

Blois,  Robert  de,  iE. 

Boccaccio  8_L 

Bock,  Hieronymus  12. 

Bockemeyer  88. 

Bouer  !L 

Brandau,  Sannt  22.  59  f. 

Braut,  Sebastian    19—25.  35  f .  üL 

HL  49— fr>.  ÜL  58—61.  LL  HL 

HL  103.  123  f.  129. 
ßuwenburc  96. 

Cato,  der  Deutsche  5.  7 — 9.  LL  19» 

28  f  .  34.  49.  ÜL  Iß.  90. 
Chaucer  iL 
Circe  43. 

Cisnerus,  Nicoluus  98  f.  H12  f.  109. 
Clara  Hätzlerin  8.  92. 
De  generibus  ebriosorum  32.  121  f. 
Egenolf  59. 

Epistolae  obscurorum  virorum  22. 
Erasmus  Boterodamus  22.  31  f. 
Ernst,  Herzog  2.  2L  59  f . 
Erntrawt,  Anna  Ton  1 1 1.  1HL 


Eulenspiegol,  das  Volksbuch  22  f.  ßÜ. 
Facetus  19*  22. 
Fastnachtspiele  32.  74. 
Fischart  22  f.  44.  4£  f.  54.  22.  TL 

8L  90.  1Ü1  f .  10&  110-129.  131. 

134. 

Flittner  4L 

Folz,  Hans  32. 

Franck,  Sebastian  69.  L24  f . 

Franz  1  von  Frankreich  IUI. 

Freidank  8.  LL  36.  24.  130. 
Frey  65^  22. 

Friedlich.  Matthen»  124  f.  12L 
Friedrich  II  von  der  Pfalz  92  f. 

109.  LLL 
Friedrich  III  von  der  Pfalz  105. 
Geiler  von  Kaisersberg   24  f.  29. 

5d  f.  91  f. 
Gengenbach  121- 
Gestu  Romanorum  51). 
Grimmelshausen  23. 
Grobiani    Tischzucht  '29—31.  35. 

45  f .  18  f.  25.  8fi.  aa  f. 
Gruter  03. 

Hadloub,  Johannes  96. 
Hcoast  us-Dramen  32. 
Heinz  der  Kellner  2. 
Helena  von  Simmern  98. 
Hellbach  Wendelin  45.  OL  77—84. 

8ß  f .  90  f.  110.  12L 
Höniger,  Nicolaus  91  f. 
Hoffmann,  Gregorius  12.  130. 
Hofzucht  2  f. 
Hollonius,  Ludwig  SLL 


13(» 


NAMENSVEHZKICHMS. 


Hugo  von  Trimberg  36.  74.  122. 

(der  Renner)  11.  60. 
Isidor  59. 

Johann,  Pfalzgraf  von  Simmeru  98. 
Kahlenberg,  Pfaff  vom  23.  37. 
Karlsruher  Tischzucht  11.  27. 
Kautzsch,  Michael  88. 
Kienheckel,  Peter  81-83. 
Kinderzucht  13. 

Kirohhoff,  Hans  Wilhelm  70—72. 81. 
Kübels  Tischzucht  27.  3S. 
König  Tirol  5. 
Königsperger  103. 
Kolros,  Johannes  105. 
Konrad  von  Würzburg  1  f. 
Kornmann,  Heinrich  92. 
Kys  91. 

Leodiui,  Hubert  Thomas  97.  109. 

Lindener  38.  70  f.  91.  128. 

Lobwasser,  Ambrosius  10.'»- 107. 

Locher,  Jacobus  40. 

Luther  22  f. 

Markolf  37. 

Marot,  Clement  104  f. 

Mclissus  (Paul  8chede)  105-  107. 

Mercurius,  Johannes  99. 

Montanus  38. 

Moretus  19. 

Murnor  2.  23.  25.  28  f.  36.  40.  42. 

45-47.  54.  61.  75. 
Neidhart  Fuchs  96.  103 
Nigrinus  Georg  124  f. 
Obsopöus  69.  124  f. 
Opitz  83. 
Ovid  45.  78.  104. 

Pauli,  Johannes  1.  22.  42.  59  f.  86. 
125. 

Petrus  Alphonsi  5  f. 
Philipp,  Graf  von  Hanau  98. 
Philipp,  Graf  von  Leiningen  98. 
Prodigus-Dramen  87. 
Rabelais  121.  126  f. 


Rebhun  105.  130. 
Reiner us  19-21.  49  f. 
Reuaus,  Meister  74. 
Roger  Bull  89. 
Rolandslied,  das  59. 
Roman  do  la  Rose  18. 
Rosenblür,  Hans  37.  42. 
Rossauer  Tischzucht  10  f. 
Rothe,  Johannes  25. 
Sache,  Hans  13  f.  23.  42.  59.  8«. 

89  f.  95.  100  f.  103.  121. 
Scherffer,  Wouzol  83—88. 
Schertlin,  Leonhard  43.  125.  130. 
Scherz  mit  der  Wahrheit  72. 
'  8ch)aruffen]an<i,  das  Märchen  vom 
25  f.  130. 
Schumann,  Valentin  38. 
Schwarzenberg,  Johann  von  131  f. 
Siegburger  Tischzucht  13. 
Siegfried,  der  hürnen  27. 
Sommer,  Johannes  (Variscus)  90. 
Steinmar  96. 

Studeutenlobon,  Dramen  vom  37. 
Tannhäusers  Hofzucht  2.  9  f. 
Theocrit  99. 

Thomasin  von  Zirelaria  4    9.  14. 

36.  73. 
Vergil  99.  104. 
Vriolühoimer,  der  60. 
Wachenheim,  Jacob  von  131. 
Wagner,  Sebastian  12.  130. 
Weinschwolg,  der  36.  126. 
Wickram  Jörg  23.  54.  60.  72.  86. 

91.  101.  120.  127.  131  f. 
Wiener  Meerfahrt  36.  122. 
Wiosbeke,  der  4  f.  15. 
Winsbekin,  die  73. 
Wittenweiler  2.  60.  122  f. 
Witzstat  101. 

Witzlaw  IV  von  Rügen  96. 
Wolfenbüttler  Tischzucht  14. 
Zeninger  22. 


Die  Namen  Dedekind  und  Scheidt,  sowie  dio  der  Büchertitol  auf 
S.  92  f.  habe  ich  in  das  vorliegende  Verzeichnis  nioht  aufgenommen. 


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Hochbedeutendes  litteratur-  und  kulturgeschichtliches  Werk. 

QUELLEN  ZUR  GESCHICHTE 

DES 

GEISTIGEN  LEBENS 

IN 

DEUTSCHLAND 

WÄHREND  DES  SIEBZEHNTEN  JAHRHUNDERTS. 

NACH  HANDSCHRIFTEN 
herausgegeben  und  erläutert 
von 

DR.  ALEXANDER  REIFFERSCHE I  . 

O.  ö.  PROPK8SOR  DEtt  DEUTSCHEN  Pnil.OI.OOIK  IK  OKE1F8WAI.D. 

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BRILFF  G.  M.  LINGELSHEIMS,  M.  BERNEGG  F.  RS  UND  IHRER  FREUNDE 

Nach  Handschriften 

der  kgl.  Bibliotheken  in  Kopenhagen  und  Stockholm,  der  Stadtbibliotheken  in  Bremen, 
Breslau.  Danzig,  Hamburg  und  Lübeck,  der  Universitäts-Bibliotheken  in  Leiden  und 
Stockholm,  der  Bibliothek  der  kgl.  Ritterakademie  in  Liegnitz,  des  kgl.  Staatsarchivs 
in  Breslau  und  des  Reichsarchivs  in  Stockholm. 

XIX,  1048  S.  Lex.  8.  geh.  M.  30.— 

Die  „Quellen  zur  Geschichte  des  geistigen  Lebens  in  Deutschland  während  des 
XVII.  Jahrhunderts'4  sollen  in  mehreren  Bänden  auf  Grund  planmassiger  Durchforschung 
der  Bibliotheken  und  Archive  Deutschlands  sowie  des  Auslandes  eine  sorgsam  gesichtete 
Auswahl  aus  der  reichen  handschriftlichen  Litteratur  des  XVII.  Jahrhunderts  geben, 
welche  freier  und  rückhaltloser  auftritt,  als  die  durch  verschiedene  Rücksichten  ge- 
bundene gedruckte,  und  daher  auch  in  höherem  Grade  als  diese  das  Verständnis  des 
damaligen  Geisteslebens  zu  erschliesscn  vermag. 

Dieser  1.  Band,  der  endlich  nach  langer  Vorbereitung  erscheint,  enthält  Briefe 
aus  dem  Heidelberg-Strassburger  Kreis«* ,  der  eigentlichen  Geburtsstätte  der  neueren 
deutschen  Litteratur.  Den  geistigen  Mittelpunkt  bilden  der  Geheimrat  Georg  Michael 
Lingelsheim,  <ier  später  in  seiner  Vaterstadt  Strassburg  lebte,  der  von  ihm  angeregte 
Professor  Matthias  Bernegger  und  die  von  ihnen  vertretenen  Interessen.  In  einem  An- 
hange folgen  Auszüge  aus  Briefen  des  Strassburger  Schulrektors  Job.  Sturm  an  einen 
vertiauten  Freund.  Nur  wenige  Briefe  sind  gedruckten  älteren  Sammlungen  entnommen, 
da  sie  zum  Verständnis  der  übrigen  unentbehrlich  sind  Die  meisten  waren  bisher 
ungedruckt. 


Briefwechsel  zwischen  Jacob  Grimm  und  Friedr.  David 

Graeter  aus  den  Jahren  1810— 1813.  Herausgegeben  v. 
Hermann  Fischer.  Geh.  M.  I.  60. 

Briefe  von  Jacob  Grimm  an  Hendrik  Willem  Tydemann. 

Mit  hinein  Anhange  und  Anmerkungen  hrsg.  v.  Dr.  Alexander 
Reifferscheid,  ordentl.  Professor  der  deutschen  Philologie  zu 
Greifswald.  Geh.  M.  3.  60. 

Briefwechsel  des  Freiherrn  Karl  Hartwig  Gregor  von 

Meusebach  mit  Jacob  und  Wilhelm  Grimm.  Nebst 
einleitenden  Bemerkungen  Ober  den  Vorkehr  des  Sammlers  mit 
gelehrten  Freunden,  und  einem  Anhang  von  der  Berufung  der 
Bruder  Grimm  nach  Berlin.  Hrsg.  v.  Dr.  Camillus  Wendeler. 
Mit  einom  Büdnias  (Meusebachs)  in  Lichtdruck.    Geh.  M.  11.  50. 

Freundesbriefe  von  Wilhelm  und  Jacob  Grimm.  Mit  An- 
merkungen hrsg.  von  Dr.  Alexander  Reifferscheid.  Mit 
einem  Bildniss  in  Lichtdruck  von  W.  u.  J.  Grimm.  Geh.  M.  4.  — . 


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band jeder  Band  50  Pf.  mehr.  Hand  29  und  30  nach  Erscheinen  von  Band  30  tu- 
samtnengeb.  »0  Pf.  mehr. 


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Sdlriftfiiradic  und  3)iafpftte  im  SftttfAcn 

narfj  30uöiü(Tcii  alter  unö  nsutr  3cit. 

Beiträge  zur  Geschichte  der  deutschen  Sprache 

von 

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ZUR 

SPRACH-  UND  CULTUßGESCHICHTE 

DER 

GERMANISCHEN  VÖLKER. 

HERAU8GEGEHEN 

VON 

BERNHARD  TEN  BRINK,  ERNST  MARTIN, 

ERICH  SCHMIDT. 

LXVII. 

ULRIC  HS  VON  HUTTEN  DEUTSCHE  SCHRIFTEN. 

ttNTRKSUCIIKNGKS  NKJIST  KINKK  NACHI.KSK  VON  SIK1.I  K1KI)  SZAM  ATÖt.SM. 


STRASSRURG. 
KAHL   J.   T  K  Ü  Ii  N  E  R. 
18IM. 


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ULRICH8  VON  HUTTEN 

DEUTSCHE  SCHRIFTEN. 


UNTERSUCHUNGEN  NEBST  EINER  NACHLESE 

VON 

SIEGFRIED  SZAMATÖLSKI. 
/ 


STRASSÜUUU. 
KAKL   J.   T  M  Ü  K  N  K  K. 
1891. 


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<7 


U.  Otio's  Hol  Buchdrucker«!  in  Darmutailt. 


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MK1XKM  VKI.'KIIKTKX  LKlIHKIi 

PROFESSOR  DR  ERICH  SCHMIDT 


IN  TREUER  DANKBARKEIT 


ZUGEEIGNET. 


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VORWORT. 


In  der  Huttenforschung  ist  seit  dem  gewaltigen  Fort- 
schritt, den  sie  durcli  Strauss  und  Pöcking  erfuhr,  ein  Still- 
stand eingetreten:  mit  der  Darstellung  des  congenialen  Bio- 
graphen und  der  Sammlung  des  scharfsinnigen  Editors  schien 
sie  nach  dem  allgemeinen  Urtheil  zum  Abschluss  gediehen  zu 
sein.  An  ihre  Stelle  trat  eine  Litteratur,  die  sich  fast  aus- 
schliesslich auf  die  Popularisirung  der  von  jenen  Forschern 
erzielten  Ergebnisse  beschränkte  und  ihrerseits  allenfalls  nur 
eine  Verschärfung  der  politischen  und  confessionellen  Ten- 
denzen hinzufügte;  so  dass  sich  mehr  und  mehr  das  für  die 
Forschung  leicht  verhängnisvolle  Wort  von  Strauss  erfüllte, 
eine  Schrift  über  Ulrich  von  Hutten  bedeute  notwendiger- 
weise Streit.  Auch  die  vorliegende  Schrift  knüpft  an  die 
Arbeiten  von  Strauss  und  Böcking  an,  jedoch  nicht  in  dem 
angedeuteten  Sinne,  sondern  um  ein  von  diesen  durchaus 
nicht  erschöpfend  behandeltes  Gebiet  von  neuem  zu  durch- 
forschen, das  in  litterarischer  wie  historischer  Hinsicht  einen 
der  wichtigsten  Abschnitte  in  Huttens  Schaffen  bildet:  die 
deutschen  Schriften. 

Wenn  diese  Untersuchungen  zu  neuen  Ergebnissen  ge- 
langt sind,  so  danken  sie  diese  neben  dem  überkommenen 
Material  besonders  der  Entdeckung  einer  Fülle  unbekannter 
Urkunden.  Meine  Nachforschungen  nach  dem  handschrift- 
lichen Nachlass  Ulrichs  von  Hutten  setzten  dort  ein,  wo 
Böcking  die  Verfolgung  der  vom  Begründer  der  Hutten- 
forschung, Jacob  Burckhard.  aufgestöberten  Spuren  eingestellt 


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vm 


VORWORT. 


hatte:  in  Eichstätt.  Für  die  nicht  ungegründete  Annahme, 
dass  durch  den  Fürst-Bischof  Moritz  von  Hutten  dorthin  ein 
handschriftlicher  Nachlass  Ulrichs  von  Hutten  gekommen  sei, 
fand  sich  jedoch  kein  Beweisstück,  weder  in  den  Bibliotheken, 
die  ich  mit  freundlicher  Unterstützung  des  Bibliothekars,  des 
Herrn  Prof.  M.  Romstoek  selbst  durchsuchen  konnte,  noch 
in  dem  Archiv ,  für  das  ich  mich  auf  die  kundige  Aussage 
des  Archivars,  des  Herrn  Geistlichen  Rathes  Prof.  M.  Lefflad 
berufen  dnrf.  In  eine  neue  Bahn  wurden  die  Nachforschungen 
durch  die  gütige  Unterstützung  Sr.  bischöflichen  Gnaden  des 
hochwürdigsten  Herrn  Bischofs  von  Eichstätt  Dr.  Franz  Leopold 
Freiherrn  von  Leonrod  gelenkt,  der  unter  Hinweis  auf  analoge 
Zeugnisse  der  eigenen  Familiengeschichte  die  Vermuthung 
aussprach,  dass  der  fragliche  Nachlass  nach  dem  Tode  des 
Fürst-Bischofs  an  die  Familie  derer  von  Hutten  zurückgefallen 
sei.  Eine  Durchsicht  des  Würzburger  Familienarchivs,  die 
auf  Veranlassung  des  Besitzers,  des  k.  b.  Majors  ä  la  suite 
Karl  Freiherrn  vou  Hutten  der  dortige  k.  b.  Archivar,  Herr 
Reichsarchivrath  Dr.  A.  Schäffler  für  mich  vorzunehmen  die 
Güte  hatte,  war  jedoch  wiederum  ganz  ergebnislos.  Hier  ist 
aber  die  Möglichkeit  nicht  ausgeschlossen ,  dass  sich  Stücke 
dieses  Archivs,  Ulrich  von  Hutten  betreffend,  noch  in  dem 
Nachlasse  des  jüngst  verstorbenen  k.  b.  Generals  Ulrich  von 
Hutten  befinden.  Ebenso  wenig  wie  das  Würzburger  ergab 
das  Steinbacher  Familienarchiv  ein  Beweisstück  für  den  Eich- 
stätter Nachlass.  Aber  die  Ausbeute  einer  Durchsuchung  dieses 
bisher  ganz  unzugänglich  gewesenen  Steinbacher  Archivs, 
die  der  Besitzer  Fritz  Freiherr  von  Hutten  mir  persönlich 
versprach  und  alsbald  auch  ausführte,  war  trotzdem  über- 
raschend reich.  Dank  der  Güte  des  verehrten  Gönners  Jtanu 
ich  wenigstens  das  Hauptstück  seiner  Schätze  veröffentlichen: 
Huttens  letzte  deutsche  Schrift,  den  'libellus  in  tyrannos'.  Und 
noch  ein  drittes  Huttenarchiv,  aus  dem  bereits  Burckhard, 
wie  ich  später  aus  seinen  Wolfenbüttler  Collectaneen  ersah, 
ein  Stück  erhalten  hatte,  erschloss  sich  mir.  Ich  empfing 
den  Hinweis  auf  das  Archiv  von  Birkenfeld  durch  die  Güte 
des  Freiherrn  Karl  von  Hutten,  der  mich  auf  diesen  Stamm- 
sitz der  im  vorigen  Jahrhundert  ausgestorbenen  protestantischen 


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VORWORT. 


IX 


Linie  der  Freiherren  von  Hutten  aufmerksam  machte.  Dank 
der  gastfreundlichen  Liebenswürdigkeit  Sr.  Erlaucht  des  (j  rufen 
Friedrich  zu  Ortenburg  konnte  ich  das  Birkeufelder  Archiv 
selbst  durchsuchen  :  dns  Ergebnis  war,  neben  anderen  wich- 
tigen Urkunden  zur  Reformationsgeschichre,  ein  Bündel  Briete 
von,  au  und  über  Ulrich  von  Hutten  aus  der  Zeit  des  Reichs- 
tages von  Worms. 

So  war  diese  neueste  vergebliche  Ausfahrt  nach  dem 
Eichstatter  Nachlass  doch  reich  an  ungeahnter  Ausbeute,  und 
dankbar  für  die  gespendeten  Schätze  verzeichnet  die  Huttcn- 
forschung  in  Ehren  die  Namen  des  Freiherrn  Fritz  von  Ilutien 
zum  Stolzenberg  und  Sr.  Erlaucht  des  Grafen  Friedrich  zu 
Ortenburg. 

In  aufrichtiger  Dankbarkeit  bringe  ich  dies  Buch  meinem 
verehrten  Lehrer  dar,  der  mir  für  meine  Arbeit  nicht  nur, 
durch  den  Hinweis  auf  die  stilistische  Forschung,  die  erste 
Anregung,  sondern  auch  bei  ihrer  weiteren  Ausdehnung  stete 
Förderung  hat  zu  Theil  werden  lassen. 

Berlin,  den  1.  Dcceniber  1890. 

SIEGFRIED  SZAMATOLSKI. 


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STILISTISCHES 


Mit  einer  Antithese,  die  zu  den  dauerhaftesten  Erb- 
stücken der  deutschen  Literaturgeschichte  zählt,  wird  in 
Ulrich  von  Hutten  ein  eleganter  lateinischer  und  ein  schwer- 
fälliger deutscher  Schriftsteller  contrastirt.  Die  deutschen 
Schriften  werden  an  den  lateinischen  gemessen  und  nach 
modernem  Stilgefühl  ohne  stilhistorische  Erwägungen  ab- 
geurtheilt.  Naturgemäss  müssen  der  Schärfe  einer  solchen 
Antithese,  die  durch  Rücksichten  auf  die  Grundunterschiede 
der  lateinischen  und  deutschen  Sprache,  die  Besonderheiten 
der  deutschen  Sprache  des  XVI.  Jahrhunderts  und  die  eigenen 
Absichten  Huttens  nicht  gemildert  wird,  die  deutschon 
Schriften  zum  Opfer  fallen. 

Nicht  minder  verderblich  wirkt  die  Antithese  zwischen 
Hutten  und  Luther.  Neben  das  abfällige  Urtheil  der  ersten 
Antithese  wird  das  preisende  Urtheil  über  Luthers  Sprache 
gestellt,  das  immer  noch,  soweit  es  eben  nicht  lautliche  und 
grammatische,  sondern  stilistische  Fragen  angeht,  viel  mehr 
auf  der  Schwärmerei  früherer  Zeit  als  auf  moderner  wissen- 
schaftlicher  Untersuchung  beruht.  Da  nun  seltsamer  Weise 
die  Schwärmerei  des  XVIII.  Jahrhunderts  für  die  Wucht 
und  Kraft  der  Lutherischen  Sprache  bei  denselben  Leuten 
sich  wirksam  erweist,  welche  Huttens  deutsche  Schriften 
tadeln,  weil  sie  in  ihnen  die  leichte  Eleganz  der  lateinischen 
Werke  nicht  wiederfinden,  so  kann  es  geschehen,  dass  man 
Hutten  im  allgemeinen  aus  demselben  Grunde  verwirft,  aus 
dem  man  Luther  erhebt. 

Noch  ein  drittes  Vorurtheil  steht  einer  gerechten  Wür- 
digung der  deutschen  Schriften  Huttuns  im  Wege.  Man 

QF.,  LXVil.  i 


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2 


STILISTISCHES 


glaubt  auf  sie  geringschätzig  herabblicken  zu  dürfen,  weil 
sie  'lediglich  aus  praktischen  Gründen  entstanden  seien.  Mit 
gleichem  Recht  könnten  gerade  die  bekanntesten  Schriften 
Luthers  bei  Seite  geschoben  werden.  Denn  Luther  wurde 
ebenso  wie  Hutten  von  der  lateinischen  zur  deutschen  Sprache 
durch  den  rein  praktischen  Grund  geführt ,  dem  ganzen 
Volk  zu  weisen,  'welches  die  braut  sey,  darumb  man  jm 
tantzen  zägemüt'.  Sollte  aber  jener  Vorwurf  eigentlich  sagen 
wollen,  dass  Hutten  durch  praktische  Gründe  zu  einer  Auf- 
gabe gedrängt  worden  sei,  für  welche  ihm  ebenso  die  An- 
läge  wie  die  Übung  fehlte,  so  verkennt  man  durchaus  die 
Stellung  der  deutschen  Schriften  in  seiner  Entwicklung. 
Hutten  war  ein  Schriftsteller  des  deutschon  Volkes  geworden, 
ehe  noch  die  erste  deutsche  Schrift  unter  seinem  Namen 
ausging. 

Die  folgende  Untersuchung  will  dem  Vorurtheil  über 
Huttens  deutsche  Schriften  an  die  Wurzel  gehen  und  daher 
zwar  ebenfalls  den  deutschen  Schriftsteller  mit  dem  latei- 
nischen vergleichen,  aber  nicht  bei  einem  allgemeinen  anti- 
thetischen Urtheil  stehen  bleiben,  wie  man  es  über  eine 
lateinische  Schrift  des  Humanismus  und  ein  deutsches 
Werk  des  XVI.  Jahrhunderts  a  priori  fällen  kann,  sondern 
zu  einer  wirklichen  Darstellung  von  Huttens  deutschem  Stil 
vordringen  und  zwar  auf  dem  Wege  aller  wahren  Stilkritik: 
durch  empirische  Beobachtung  und  historische  Vergleichung. 

Ein  brauchbares  System  für  stilhistorische  Unter- 
suchungen ist  nicht  vorhanden.  Auf  der  Grundlage  der 
Stilistik  des  Altertums  lässt  sich  eine  charakteri sirende 
Darstellung  eines  gegebenen  Stils  nicht  errichten.  Ebenso 
wenig  gibt  es  für  die  deutsche  Stilgeschichte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts jene  einzelnen  fruchtbaren  Gesichtspuncte,  die  für 
die  mittelalterliche  Litteratur  in  so  grosser  Anzahl  bereits 
aufgestellt  sind.  Einige  scheinbar  feste  Gesichtspuncte,  von 
denen  aus  man  die  Beobachtungen  beurtheilen  zu  können 
glaubt,  erweisen  sich  bei  näherer  Prüfung  als  schlecht  be- 
gründet. So  müssen  die  Kriterien,  nach  welchen  die 
Beobachtungen  gruppirt  werden  können ,  im  Verlaufe  der 
Arbeit  durch  stete  Vergleichung  gewonnen  weiden. 


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ULRICH  VARNliÜLKK 


3 


Zinn  Gegenstand  der  Untersuchung  ist  daher  die  Schrift 
Huttens  gewählt  worden,  welche  im  reichsten  Mass  die  Mög- 
lichkeit der  Vergleichung  gewährt:  die  Übersetzung  des  Va- 
discus.  Neben  Huttens  eigenes  Werk  können  wir  eine  selb- 
ständige, fast  gleichzeitige  Übertragung  Ulrich  Varnbülers 1 
legen.  Ferner  bietet  der  Vadiscus  Ausblicke  auf  zwei  be- 
deutsame Werke  ähnlichen  Inhalts,  Huttens  eigenes  Gedicht 
'Clag  vnd  vormanung'  und  Luthers  Schrift  'An  den  Christ- 
lichen Adel  deutscher  Nation'. 

Trotz  den  angedeuteten  Schwierigkeiten  darf  die  Unter- 
suchung hoffen,  in  den  Kern  der  Frage  eingedrungen  zu  sein 
und  das  Charakteristische  des  Huttenschen  Stiles  getroffen  zu 
haben,  denn  ihre  Ergebnisse  bestehen  die  Probe,  die  ihnen 
in  der  Untersuchung  über  die  anonymen  Ubersetzungen  ge- 
stellt wird. 

ULRICH  VA  UN  HÜ  LEU. 

Der  stilistischen  Untersuchung  möge  vorangestellt 
werden,  was  über  Ulrich  Varnbüler  zu  erkunden  war,  denn 
für  eine  gerechte  Beurtheilung  der  zweiten  Ubersetzung  des 
Vadiscus  ist  einige  Kenntnis  der  Persönlichkeit  und  der 
Absichten  ihres  Verfassers  nicht  zu  entbehren.  Leider  hat 
dieser  den  Brauch  jener  Zeit  verschmäht,  in  einem  An- 
hange seines  Werkes  über  diese  Fragen  selbst  Auskunft  zu 
ertheilen.  Der  Name  mit  seinem  Zusatz  und  die  Jahreszahl 
sind  die  einzigen  Anlialtspuncte,  welche  er  der  Forschung 
an  die  Hand  gibt.  Der  Name  als  solcher  lenkt  den  Blick 
auf  einen  Mann,  der  im  Vordergrunde  der  deutschen  Kunst- 
geschichte des  XVI.  Jahrhunderts  steht:  das  grösste  und 
bedeutendste  Porträt,  welches  Albrecht  Dürer  in  Holzschnitt 
veröffentlicht  hat,  ist  das  Bildnis  des  Protonotarius  Ulrich 
Varnbüler.  In  die  Bestrebungen  dieses  Mannes,  über  welchen 
genügende  Forschungen  vorliegen,  würde  ein  Werk  wie  die 
Übersetzung  des  Vadiscus  sich  sehr  gut  einfügen  lassen. 

i  Eyn  lustiger  vnd  nutzlicher  Dialogus,  Herr  Vlrichen  von  Hutten, 
Vadiscus  .  .  .  genant.  Durch  Vlrichen  Varnbülor  dm  jüngern,  auli  dem 
Latevn  neulich  verteüt»ehet .  .  .  Oetiuekt  zu  Strasburg  Key  H.Beck  1544. 


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4 


STILISTISCHES. 


Doch  all  die  Fäden,  welche  man  zwischen  diesem  Varnbüler 
und  unserer  Ubersetzung  ziehen  könnte,  werden  gesprengt 
durch  den  Zusatz  des  Namens.     Der  Jüngere'  wird  sich 
zwar  auch  der  Protonotarius  sicherlich  einmal  genannt 
haben  zum  Unterschiede  von  seinem  gleichnamigen  Vater, 
dem  berühmten  Bürgermeister  von  St..  Gallen.    Dieser  war 
jedoch  bereits  1496,  also  fast  ein  halbes  Jahrhundert  vor 
dem  Erscheinen  unserer  Ubersetzung,  gestorben.  Nimmt 
man  nun  selbst  an,  dass  der  allein  nachweisbaren  Ausgabe 
von  1544  eine  Ausgabe  vorangegangen  ist,  die  etwa  un- 
mittelbar nach  dem  lateinischen  Werk  Huttens,  also  schon 
1520  erschienen  wäre,  so  würde  auch  dadurch  die  Schwie- 
rigkeit nicht  gehoben  sein;  denn  man  kann  nicht  annehmen, 
dass  der  Sohn  noch  ein  Vierteljahrhundert  nach  dem  Tode 
des  Vaters  jenen  Zusatz  geführt  hätte.    Thatsächlich  hat 
nun  auch  der  Protonotarius  schon  1519  in  der  Übersetzung 
von  des  Erasmus  Erklärung  des  Sprichworts  'dulce  bellum 
inexperto  auf  dem  Titelblatt  und  unter  der  Vorrede  einfach 
Virich  Varnbüler  gezeichnet.  Man  kann  sich  somit  der  Ver- 
muthung  nicht  verschliessen,  dass  der  Verfasser  unserer  Uber- 
setzung in  einem  jüngeren  Mitgliedo  des  Hauses  Varnbüler 
zu  suchen  ist,  das  sich  gerade  von  dem  auch  litterarisch 
bekannten  Protonotarius  durch  den  Zusatz  'der  Jüngere* 
unterscheiden  wollte.  Die  Adelsbücher,  in  denen  die  Varnbüler 
als  altadeliges  Geschlecht  verzeichnet  sind,  melden  von 
keinem  Ulrich  Varnbüler,  auf  den  unsere  Voraussetzungen 
passten.    Die  auf  den  Protonotarius  folgende  Generation  ist 
nur  durch  seine  Neffen,  die  Söhne  seines  einzigen  Bruders 
Johann  Varnbüler,  Bürgermeister  von  Lindau,  vertreten. 
Unter  ihnen  führt  keiner  den  Vornamen  Ulrich.  Die  Adels- 
bücher scheinen  jedoch  eine  Lücke  zu  haben,  welche  dadurch 
erklärlich  ist,  dass  die  Linie  Ulrichs,  des  Protonotarius, 
nicht  wie  die  Johanns  den  alten  Adel,  den  sie  um  diese 
Zeit  beide  nicht  mehr  führten,  später  wieder  aufgenommen 
hat.    In  zwei  alten  Chroniken  finden  sich  auch  über  den 
bürgerlich  gebliebenen  Zweig  der  Varnbüler  Angaben,  aus 
denen  sich  die  Persönlichkeit  unsers  Ulrich  feststellen  lässt. 
Schweizer  Chronik  von  Stumpf  1606  S.  389:  Item  der 


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ULRICH  VARNBÜLER 


5 


teur,  kunstreyeh,  weyß  vnd  verstendig  mann,  Herr  Ulrych 
VarnbOler  von  S.  Gallen,  war  der  Rom.  Keys.  Maiestet  Ver- 
walter der  Kammergerichts  Cantzley,  vil  jar  in  grossem 
thun :  welcher  auch  zween  geschickte  männer,  nämlich 
Herrn  Hans  Ulrichen  vnd  Frentzen,  die  Varnbüler,  beid 
Burger  zu  Strassburg,  hinder  jm  verlassen  hat  rc.  wie 
gleichfalls  sein  Bruder  Johanns  Varnbüler,  Burgermeister  zu 
Lindow,  vier  Söhn  gelassen,  so  alle  beyder  Hechten  Doctores 
gewesen,  nämlich  Dr.  Hans  Jacoben,  deß  Marggrafen  von 
Niderbaden  Kaht  vnd  diener,  Dr.  Georgen  am  Kammergericht 
zu  Speyr.  Dr.  Niclausen  zu  Tübingen  ein  Läser  vnd  Dr. 
Hans  Ludwigen  rc,  welche  alle  Herrn  Ulrichen  Varnbülers 
Weyland  Bürgermeister  zu  S.  Gallen  säligen  söhn  und  sohns- 
söhn  gewesen. 

Schwäbische  Chronik  von  Crusius  II,  2:J8  (Tübinger 
Matrikel  von  1534) :  Johann  Jacob  Varnbyler  von  Lindau, 
Ulrich  und  Frantz  Varnbyler  von  Worms'. 

In  dem  Hans  Ulrich  oder  Ulrich  dieser  Nachrichten 
ist  der  Verfasser  unserer  Übersetzung  gefunden.  Alles,  was 
wir  von  ihm  wissen  oder  vermuthen  können,  entspricht  den 
Voraussetzungen  genau.  Er  führt  den  Zusatz  zum  Unter- 
schied von  seinem  Vater,  dem  Protonotar.  Er  scheint  um 
die  Mitte  des  zweiten  Jahrzehnts  geboren  zu  sein,  wie  sich 
aus  dem  Jahr  der  Immatriculation  annähernd  vermuthen 
lässt.  Seine  akademische  Bildung  scheint  er  zu  keinem  Ab- 
schluss  geführt  zu  haben,  da  die  Schweizer  Chronik  von  ihm 
im  Gegensatz  zu  seinen  Vettern  als  von  einem  einfachen 
Bürger  spricht.  Die  Motive  seiner  Übersetzung  lassen  sich 
mit  ziemlicher  Sicherheit  vollständig  erschliessen. 

Die  Erneuerung  einer  Huttenschen  Schrift  im  Jahre 
1544  ist  eine  auffallende  Erscheinung,  denn  deutsche  wie 
lateinische  Ausgaben  seiner  Werke  Überschreiten  nicht  oft 
die  Mitte  des  dritten  Jahrzehnts.  Nun  fällt  gerade  in  dieses 
Jahr  auch  eine  Erneuerung  des  lateinischen  Vadiscus:  Pas- 
quülorum  Tonti  dito.  Quorum  primo  uersibus  ac  rhythmis, 
altero  soluta  oratime  conscripta  (juampluritna  contiuentur, 
ad  eahilarandum,  confirnuindumque,  hoc  perturbatissimo  reriwt 
statu  pii  lectoris  animum,  appriwe  conducentia.  Elvuthrropoli 


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6 


STILISTISCHES. 


1544.    Diese  in  Strassburg  oder  Basel  gedruckte  Sammlung 
kann  jedoch  die  Vorlage  und  somit  die  Anregung  nicht  ge- 
bildet haben,  weil  in  ihr  der  Vadiscus  um  seine  Einleitung 
gekürzt  ist,  die  bei  Varnbüler  nicht  fehlt.    Seine  Vorlage 
lässt  sich  unzweifelhaft  bestimmen  aus  der  Übersetzung 
eines  im  Zusammenhang  ganz  sinnlosen  Wortes,  das  sich 
durch  ein  Versehen  des  Druckers  in  die  älteste  Ausgabe 
eingeschlichen  hat.    Nur  in  dieser  findet  sich  avaritia  statt 
amicitia,  die  Veranlassung  zu  Varnbülers  sinnlosem  Satz: 
'vnd  nit  zu  zeitten  ein  stund  oder  zwo  zum  studieren  vnd 
zum  geitz  (H.  güter  geselschafft  167)  stälest'.    Die  Heran- 
ziehung jener   Pasquillsammlung   ist  jedoch    nicht  ganz 
nutzlos.    Sie  weist  gleich  im  Titel  auf  einen  Grund  ihrer 
Entstehung,   aus  welchem  auch  wol  unsere  Übersetzung 
erwachsen  ist.    Es  scheint  kein  Zufall  zu  sein,  dass  diese 
Ubersetzung  in  Strassburg  verfasst  und  gedruckt  ward.  Ge- 
rade in  der  von  der  Schweizer  Chronik  überlieferten  That- 
sache,  dass  Ulrich  Varnbüler  der  Jüngere  Bürger  von 
Strassburg  war,  liegt  ein  Keim  seines  Werkes.  Strassburg 
ist  im  zweiten  Viertel  des  XVI.  Jahrhunderts  eine  Hoch- 
burg der  Reformation,  in  welcher  in  enger  Freundschaft 
neben  einander  Wolfgang  Capito  (1523 — 1541)  und  Martin 
Butzer  (1523 — 1548)  für  Luthers  Sache  kämpfen.    Die  an 
sich  wahrscheinliche  Vermuthung,  dass  die  Übersetzung  des 
Vadiscus  nicht  ohne  Einfiuss  dieser  Männer  entstanden  ist, 
wird  weiter  dadurch  gestützt,  dass  zwischen  dem  Protonotar 
Ulrich  Varnbüler  und  Capito  engere  Beziehungen  nachzu- 
weisen sind,  die  sich  ohne  Zweifel  auch  auf  den  Sohn  über- 
tragen haben  werden.    Capito  hatte  im  Jahre  1525  seine 
Institutionum  hebraicarum  libri  rfuo  dem  Huhlerico  Varnbidi  ro 
Cancellario  Reyimenti  Imperialis  gewidmet.  Es  muss  endlich 
in  Betracht  gezogen  werden,  dass  Capito  wie  Butzer  als 
ehemalige  Freunde  Huttens  der  Übersetzung  eines  seiner 
Werke  ganz  besonders  geneigt  sein  mochten.    War  doch 
sogar  Butzer  selbst  als  Übersetzer  Huttens  thätig  gewesen. 
Weniger  gesichert  ist  die  Annahme,  dass  auch  vom  Vater 
auf  die  Übersetzung  gewirkt  wurde.    Der  ältere  Varnbüler 
hat  eine  lange  Reihe  von  Jahren  gerade  mit  dem  fränkischen 


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KANZLEISPRACHE. 


7 


Humanisten  kreise,  welchem  auch  Hutten  angehörte,  in  ebenso 
regem  wie  vertrautem  Verkehr  gestanden.  Sein  Interesse 
für  die  Bestrebungen  dieses  Kreises  bewies  er  durch  eine 
eigene  Übersetzung,  und  in  mannigfachen  Geschenken  und 
Widmungen  wissenschaftlicher  und  künstlerischer  Werke 
empfing  er  die  Beweise  der  Liebe  und  Anerkennung  seiner 
Genossen.  Die  Unterschrift  des  Dürerschen  Bildes  ist  be- 
zeichnend :  Albertus  Durer  nork( u)s  hac  imagine  Vlrichum 
co(jnom(en)to  Vambuler,  Ro.  Caesarei  Reghninia  in  Imperio 
(i  Secretis*  simul  (ar  Jchigramwateum,  ut  quem  amet  vnice,  etiam 
Posterität i  (ruljt  cognitum  reddere,  (colere)que  amutur.  Einen 
gleichen  Beweis  herzlicher  Freundschaft  lieferte  Wilibald 
Pirckheimer  in  der  Widmung  zu  seiner  lateinischen  Uber- 
setzung der  Lucianischen  Navis.  Kleinere  Zeugnisse  können 
hier  übergangen  werden.  Dürer  und  Pirckheimer,  welche 
aus  diesem  Kreise  am  meisten  mit  Hutten  befreundet  waren, 
mögen  nun  die  persönliche  oder  auch  nur  litterarische  Be- 
kanntschaft zwischen  ihren  Freunden  vermittelt  haben.  Jenes 
Kxemplar  der  ältesten  Ausgabe  der  Dialoge  mag  der  jüngere 
Varnbüler  aus  dem  Besitze  des  bücherliebenden  Vaters  über- 
kommen haben. 

KANZLEISPRACHE. 

Hulderich us  de  Hutten  Eq.  Sebastiano  de  Rotenhan  equiti 

nur.  adfini  mo  salutem  dulcissime  adfinis,  .  .  .  'Dem 

Strengen  vnd  Ernuesten  her  Sebastian  vom  Rotenhan  Ritter 
meinnem  lieben  Schwager  entbeüt  ich  Virich  von  Hutten 
Poet  vnd  Orator  meinen  freüntlichen  Gruss,  Freüntlicher 
lieber  Schwager  vnnd  freünd,'  .  .  .  (I,  322  f.) 

W7enn  man  die  beiden  Fassungen  der  Überschrift  der 
Widmung  auch  nur  flüchtig  vergleicht,  entdeckt  man  das 
Eindringen  eines  eigenthümlich  deutschen  Elements,  das  den- 
jenigen überraschen  muss,  welcher  in  Hutten  ausschliesslich 
den  Humanisten  sieht,  der  in  der  deutschen  Sprache  nicht 
geübt  ist.  Wenn  man  sich  jedoch  vergegenwärtigt,  dass 
er  über  sein  eq.  germ.  stets  eifersüchtiger  gewacht  hat  — 
eigenhändige  Notizen  beweisen  das  —  als  über  sein  poetu 


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8 


STILISTISCHE*. 


laureatus,  dass  eine  Reihe  von  Sendschreiben  von  ihm  über- 
liefert ist,  welche  den  Regeln  der  'Formulare  vnd  Tütsch 
rhetorika',  der  'Titel'-  und  Cantzleybüchlein  genau  ent- 
sprechen, so  wird  man  es  für  ganz  natürlich  erachten,  dass 
Hutten  für  diejenigen  Begriffe  des  öffentlichen  Lebens,  für 
welche  die  Kanzleisprache  besondere  Formeln  bot,  statt 
Nachahmungen  der  lateinischen  Ausdrücke  die  eigentümlich 
deutschen  einsetzte.  So  zeigt  gleich  die  Überschrift  statt 
einer  einfachen  Ubersetzung  den  Eintritt  einer  kunstgerechten 
'Salutatz',  die  im  Aufbau  wie  in  den  einzelnen  Stücken  vom 
Latein  charakteristisch  abweicht.  Der  Name  des  Angeredeten 
ist  vorangestellt  und  nach  dem  formelhaften  entbeut'  folgt 
der  Name  des  Redners.  Der  Zusatz  'streng  vnd  emuest* 
zeigt,  dass  sich  Hutten  eng  an  die  Vorschrift  der  fränkischen 
Kanzleisprache  gehalten  hat:  ein  Cantzleybüchlin  von  1522 
hebt  hervor,  dass  dieser  Zusatz,  'als  manß  am  Rheinstrom 
vnd  im  land  zu  Francken  pfligt',  der  passendste  sei.  Auch 
der  Zusatz  'Poet  vnd  Orator'  ist  auf  die  Kanzleisprache 
zurückzuführen,  welche  die  Titel  sorgsamer  als  das  Latein 
behandelt.  Was  etwa  ein  vom  Latein  abhängiger  Über- 
setzer aus  einer  solchen  Überschrift  macht,  kann  man  aus 
folgendem  Beispiel  abnehmen  (II,  47):  Vlrichus  ab  Hutten 
eques  Carolo  V  Romanorum  imperatori  salutem  'Huldrich  von 
Hutten  tzu  Carolo  Romischen  kaiser  des  namen  dem  fünften, 
seinen  grus  tzu  vor. 

Die  Einflüsse  der  Formeln  der  Kanzleisprache  sind 
überall  sichtbar.  Auf  sie  ist  es  zurückzuführen,  wenn  an 
die  Stellen  der  Namen  der  weltlichen  und  geistlichen 
Herrscher  die  Bezeichnung  der  Würde  tritt  oder  doch  zu 
dem  Namen  hinzugesetzt  wird:  a  Maximilyano  ...  ad 
Leonem  X.  'von  dem  keyser  Maximiliano  ...  an  den  bapst 
Leonem'  (232,  39.  V.  'vom  Maximiliano  brieff  begeret  zum 
Bapst  Leo  ),  a  Leone  von  dem  Bapst'  (176,  15.  V.  'dem  Bapst 
Leo').  Hierher  gehört  auch  voronavit  zü  Keyser  krönen  (17(5, 
28.  V.  'krönen').  Aus  der  Menge  derjenigen  Fälle,  welche 
Einfluss  oder  Ersatz  durch  die  Kanzleisprache  zeigen,  seien 
einige  herausgehoben:  omnium  in  Germania  urbium  'vnter 
allen  Stetten  teütscher  Nation*  (149,  23),  t>d  in  caeteris  pro- 


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KVNZLEISI'RACHK. 


9 


chiciis  oder  in  andern  vnsern  landen  (1(52,  IS),  Imperium 
occidentis  das  gantz  Komisch  Heych  gegen  niderganck  der 
sunnen'  (172,  30.  V.  'die  Herschung  des  nidergangs  der 
Sonnen  ),  in  Germania  'in  Teütschen  landen  (195,  29.  V.  'inn 
dem  Teütschen  landt') ,  principe^  viroa  fürsten  vnd  herren' 
(235,  32.  V.  'Fürsten  vnd  fürnämbsten  leuten),  quanto  quisque 
nobilior  est  was  vom  adel  ist*  (156.  20.  V.  ye  ein  edler  . . . 
gemüt  einer  hat'),  Imperium  des  Heyens  würde  vnd  herlicheit 
(159,  23.  V.  'der  gewaltf). 

Zur  Kanzleisprache  zu  rechnen  sind  diejenigen  Begriffe 
der  Kirchensprache,  welche  sich  mit  der  Hierarchie  und  den 
äusseren  Formen  der  Kirche  beschäftigen.  In  den  Kanzlei- 
büchern  ist  ein  Theil  stets  der  Kirche  gewidmet,  sacerdotia 
'geistlichen  lehen'  (178,  29.  VT.  'Priesterschafft'),  prineipes  eccle- 
*/<is  Yürstliche  lehen  der  kirchen'  (199,  28.  V.  'die  fürnämbsten 
kirchen').  Wenn  Hutten  für  pedum  oseufationes  'demütig  kussz 
seiner  säligen  fuß'  setzt,  so  ist  dies  keine  willkürliche  Ironie, 
sondern  die  ironische  Verwendung  der  gebräuchlichen  Formel 
(225,  37).  Auch  seine  Behandlung  der  Fremdwörter  der 
Kirchensprache,  auf  welche  wir  an  anderer  Stelle  kommen, 
zeugt  für  seine  Kenntnis  der  deutschen  Kirchenkanzlei- 
sprache, wenn  man  von  einer  solchen  reden  darf. 

Noch  stärker  zeigt  sich  überall  das  Eindringen  der 
deutschen  Kirchensprache  im  engeren  Sinne.  Es  werden 
zunächst  die  heidnischen  Anklänge  ausgemerzt,  welche  in 
den  rhetorischen  Formeln  der  Anrufungen  Gottes  im  Latein 
liegen:  dii  boni  o  got'  (172,  39.  V. 'Lieber  Gott').  Dieselbe  Ab- 
wendung von  heidnischen  Formeln  tritt  in  der  Neubearbeitung 
lateinischer  Schritten  hervor.  So  sind  in  den  handschriftlichen 
Bemerkungen,  mit  denen  Hutten  zum  Zweck  des  Neudrucks 
mehrere  seiner  lateinischen  Schriften  versah,  stets  immortalis 
X*  oder  hrm  Imortals  für  dii  oder  deos  immortales  der  alten 
Texte  eingesetzt  (III,  xxi,  xxv).  Zu  den  Namen  der 
Heiligen  tritt  fast  immer  das  Zeichen  ihrer  Heiligkeit: 
Petri  sant  Peters  (171,  24.  V.  Petri).  Überall  wird  das 
Christenthum  durch  das  Wort  selbst  stärker  hervorgehoben: 
pacis  .  .  .  caritatis  Christlichen  friden  ....  Christlichenn 
liehe  (181,  19),  ecclesia  heyligen  Christlichen  kirchen'  (223, 


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10 


STILISTISCHES. 


22),  per  officium  caritatu  'in  Christlicher  lieh'  (235,  22). 
Statt  einer  wörtlichen  Ubersetzung  der  lateinischen  Ausdrücke 
tritt  stets  die  eigentümlich  deutsche  Wendung  ein :  spiritalis 
grutiae  gnad  des  hoyligen  geystes  (163,  38),  revirtura  'auff- 
ersteen  (177,  21.  V.  'lebendig  werden),  vitam,  beafitudinem 
'das  ewig  leben,  vnd  der  seien  säligkeit'  (179,  28),  vitae 
'ewig  leben'  (181,  25),  in  divos  'in  die  schar  der  heyligen* 
(232,  32),  iurent  'zn  got  vnd  den  heiligen  zu  vorschweren* 
(179,  34).    Varnbüler  folgt  genau  der  Vorlage. 

Hier  ist  auch  zu  erwähnen,  dass  Hutten  die  Schlag- 
wörter des  Kirchenstreites  ganz  geläufig  sind :  einendatio, 
emendare  wird  meist  'Reformation,  reformieren',  piacuhnn 
ketzerey'  (201,  20).  Zuweilen  setzt  er  um  der  Deutlichkeit 
willen  das  letztere  Schlagwort  frei  hinzu:  propter  detestatidnui 
novitatem  umb  der  ketzerischen  verflüchten  newerung  willen' 
(192,  37). 

RITTERSPRACHE. 

Ein  Vergleich  der  Gebiete,  aus  welchen  Hutten  im 
Latein  und  im  Deutschen  seine  Bilder  schöpft,  ergibt  ganz 
deutlich  den  stärkeren  Einfiuss  der  Sprache  des  Ritterlebens 
für  das  Deutsche.  Ein  gleiches  lässt  sich  unschwer  für  die 
einfache  Wortwahl  nachweisen.  So  sind  manche  Ausdrücke, 
die  unter  der  Urkundensprache  behandelt  sind,  ebenso  sehr 
der  engeren  Rittersprache  zuzurechnen :  z.  B.  quanto  quisque 
nobilior  est  was  vom  adel  ist"  (156,  20).  Ist  doch  die  Kennt- 
nis und  strenge  Handhabung  der  Urkundensprache  überhaupt 
vorzüglich  Huttens  Eigenschaft  als  deutscher  Ritter  zuzu- 
schreiben. Die  besten  Beweise  für  die  Wirkung  seiner 
Standessprache  hat  Hutten  jedoch  in  dem  übertragenen  Ge- 
brauch einer  Reihe  von  Verben  gegeben,  welche  zunächst 
Thätigkeiten  des  ritterlichen  Standes  bezeichnen.  Die  Be- 
deutung der  Beispiele  wird  klarer  durch  einen  Vergleich 
mit  Varnbüler  und  dem  auch  an  der  späteren  Stelle  heran- 
gezogenen Gedichte  'Clag  vnd  vormanung:  coenobia  invudunt 
'fallen  sye  die  klöstcr  an'  (206,  27.  V.  sy  greifen  an'.  01. 
V.  1056.   mich  fallen  an,  vnd  mit  gewalt  züfüren  hin  ),  omnes 


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KITTERSPK  ACHE. 


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eins  obserearent  motus  wo  sich  die  hjnwegt.  bestelt  .  .  .  . 
werde'  (212,  2:5.  V.  jr,  wa  sy  sich  regte,  waraiimen.  CI. 
V.  1140.  Man  stell  der  Curtisanen  lauft"),  quid  eaptent  'wo 
nach  sye  stellen'  (224,  3o\  V.  warauff  sye  es  thünd.  Cl.  V. 
1080.  'was  stellest  du  nach  meinem  blut?)  omvem  oppugnn- 
t  ionein  propelhmt  alle  anfechtung  überstreiten'  (249,  33.  V. 
aller  widerstand  hinweg  genommen1.  Cl.  V.  1178.  da  seind 
wir  u berst ritten  von),  aliquot  ltnliav  urbibus  multarit  cum 
'hat  jn  .  .  .  vmb  etzliche  stat,  die  er  jm  hat  müssen  über- 
geben, geschätzt'  (176.  33.  V.  jhn  ertlicher  statt  in  Italia 
beraubt.  Cl.  V.  798.'  *do  gehetzt  man  dann  die  armen  leüt.  / 
nimpts  hör  hinweg  vnd  auch  die  heiiC);  der  Zusatz  'wenn 
sye  einem  zü  wollen'  (210,  23)  ist  zu  vergleichen  mit  Cl.  V. 
950.  'Wollauff,  ist  zeyt,  wir  müssen  dran';  non  invadent 
gehen  sye  die  nit  an*  (25b\  28.  V.  'wollen  sy  nit  angreiften'), 
quo  intaetos  uos  siiwnt  'darmit  sye  vns  nit  angeen  gedorffen 
(208,  32.  V.  darmit  sy  vns  nitt  auch  berüren').  Die  Wahl 
solcher  standeseigenthümlicher  Wörter  ist  als  Kriterium 
Huttenschen  Stiles  zu  verwenden. 

HOFSPRACHE. 

Die  deutsche  Übersetzung  Huttens  ist  von  ihrer  latei- 
nischen Vorlage  im  allgemeinen  durch  hellere  Beleuchtung 
und  grellere  Farben  deutlich  unterschieden.  Eine  um  so  mehr 
auffallende  Erscheinung  ist  die  Dämpfung  und  Verdunkelung 
einer  Reihe  von  Stellen,  in  denen  die  Unsittlichkeit  im 
engeren  Sinne  behandelt  wird.  Huttens  Sprache  verfügt 
über  eine  ausgebildete  Technik  dieses  Verfahrens,  das  in 
ausgeprägtem  Gegensatz  zu  dem  gewöhnlichen  Stil  seiner 
Zeit  steht.  Während  Varnbülers  grobianischer  Stil  mit  dem 
antiken  an  naiver  Nacktheit  wetteifert,  entfernt  sich  Hutten 
von  beiden,  indem  er  der  klassischen  Nacktheit  nach  höfi- 
scher Sitte  ein  Feigenblatt  aufklebt.  Ein  Vergleich  der 
drei  Texte  bringt  ihre  Unterschiede  zu  klarem  Ausdruck. 
Nur  in  zwei  Fällen,  welche  bezeichnender  Weise  in  zweien 
jener  'Gedritte'  stehen,  die  besonders  scharf  Roms  Laster 
zusammenlassen,   hat  Hutten  die   eindeutigen  Ausdrücke 


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12 


STILISTISCHES. 


wiedergegeben:  lenones  'hörenjnger'  (239,  20.  V.  'Hürenwirt') 
und  scortis  'hören  (239,  35.  V.  'Hören).  Alle  übrigen 
Stellen  bekunden  die  Einwirkung  jenes  Verfahrens  in  ver- 
schiedener Weise.  Die  erste  Art  zeigt  am  deutlichsten  den 
höfischen  Ursprung.  Statt  klarer  deutscher  Wörter  werden 
romanische  Fremdwörter  eingesetzt,  welche  damals  wie 
heute  eine  formale  Abschwächung  des  groben  Inhalts  aus- 
üben. So  gibt  Hutten  zweimal  lenones  mit  'rüffianer'  (242, 
31;  188,  18.  V.  'hörenwirtenV  So  gibt  Hutten  caUnnitis 
mit  'buseronen'  (188,  19.  V.  "schandtböben).  Dies  Wort  ist 
so  wenig  in  die  Litteratur  aus  den  höheren  Kreisen  ge- 
drungen, dass  bis  jetzt  seine  Bedeutung  in  den  Wörter- 
büchern nicht  sicher  angegeben  werden  konnte.  Die  beiden 
Stellen  bei  Hans  Sachs  und  in  Luthers  Tischreden  reichen 
nicht  aus.  Grimm  im  D.  W.  schwankt  zwischen  mendujr 
und  concuhinus.  Dietz  im  Lutherwörterbuch  zieht  die  letztere 
Übersetzung  als  die  wahrscheinlichere  vor.  Durch  unsere 
Stelle  wird  seine  Auffassung  gesichert.  Bs  ist  nicht  zu 
begreifen,  wie  Böcking  mit  Diez'  Etym.  Wörterbuch  und 
Grimm  'Lästerer  ansetzen  kann. 

Die  zweite  Art  des  Verfahrens  besteht  in  der  Er- 
setzung der  eindeutigen  Wörter  durch  solche,  welche  noch 
nicht  ausschliesslich  niedrige  unsittliche  Bedeutung  erlangt 
haben:  scortari  'Bülen'  (185,  18.  V.  'Hörerei  treiben'),  scor- 
tandi  'zu  bübischem  unzüchtigem  unfrommlichem  leben  (181, 
38.  V.  Tiörerey  zutreiben');  meretricatio  'büberey'  (182, 
19.  V.  'hörerey'),  meretrices  'vnreyne  frawen'  (242,  20.  V. 
'Hören'),  'gemeyne  frawen'  (212,  35.  V.  'Hören'),  stnprum 
intuhrit  'sich  vermischet  nett*  (230,  38.  V.  'hett  geschendet'), 
scortandi  'zö  vnerlichem  leben*  (199,  18.  V.  'hörerey  zu 
treiben),  meretrices  'ire  weyber'  (256,  35.  V.  'hören'). 

Die  leitende  Absicht  tritt  am  klarsten  und  unzweifel- 
haftesten da  hervor,  wo  Hutten  über  den  Gegenstand  wider 
seine  sonstige  Gewohnheit  den  Schleier  einer  abstracten 
Wendung  wirft:  cum  meretricibus  libidinari  'durch  vnkeüsch- 
heit  lusts  pflegen'  (181,  35.  V.  'denen  hören  am  liebsten  sein), 
in  yanenm  ad  amicam  'zö  einer  brasserey  vnnd  vff  die  böl- 
schafft'  (254,  31.  V.  'in  ein  Frawenhauß  oder  sunst  auff  die 


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HOFSPRACHE. 


bülschaft'),  viryinein  errlesiam  prostituistis  lr  hapt  die  reinig- 
keit  der  iungfrewlichen  kirchen  geschendet,  vnnd  vorunrey- 
niget'  (168,  ;32.  V.  'die  reyn  junckfrawen  die  Kirchen,  zu 
einer  schandtlichen  hären  gemacht').  Die  letzte  Über- 
setzung Varnbülers  gibt  am  schroffsten  den  Gegensatz  des 
grobianischen  Stils. 

An  Unterdrückung  streift  die  Behandlung  folgender 
Stelle:  meretrices  et  catamitos  'ire  weyber  vnd  ander*  (250, 
34.  V.  'ire  hären  vnd  schandtbüben ). 

Hutten  steht  in  der  Litteratur  seiner  Zeit  nicht  allein 
mit  seiner  hier  durch  die  That  ausgesprochenen  Ansicht, 
dass  die  Nacktheiten  des  Lateins  im  Deutschen  zu  verhüllen 
seien.  Einen  genau  entsprechenden  Fall  bietet  die  Vorrede 
Jac.  VVimpfelings  zu  seiner  Übersetzung  von  des  Philippus 
Beroaldus  Declamationes  de  trihus  frutrilnts,  in  der  VVimpfe- 
ling  die  in  der  Übersetzung  gebrauchten  grobianischen  Aus- 
drücke entschuldigt:  'wol  mir  uwer  strengkeyt  verzeihen 
grobe  unzüchtige,  ungeschickte  usslegunge  etlicher  wort  als 
huren  vnd  hurerig  vnd  desgleichen,  dann  ich  von  dem  latin 
nit  haben  wollen  wychen  vmb  merer  kreftiger  nachtrück 
zur  inbildung  vnd  herzigung  der  Verachtung  vnd  Verwerfung 
diser  grossen  laster.  Dass  der  gute  Wimpfeling,  theil weise 
wenigstens,  hier  aus  der  Noth  eine  Tugend  gemacht  hat, 
verräth  er  selbst  in  dorn  Schlusssatz  der  Widmung:  'V.  G. 
woll  dise  ungezirt  vnd  vngeschmuckt  usslegung,  dann  ich 
hofttichs  vnd  verbliempts  dutschens  ungeübt  bin,  gutwillig- 
lich  annehmen'.  Es  ist  beachtenswerth,  dass  Wimpfeling  in 
seiner  lateinischen  Ausgabe  des  Beroaldus  über  die  groben, 
unzüchtigen'  Worte  der  Lateiner  sich  nicht  auslässt  und 
seine  beiden  Nachfolger  in  der  Ubersetzung,  Frank  und 
Frölenkint,  ohne  ein  Wort  der  Entschuldigung  in  Varnbülers 
Weise  stets  das  Ding  grobianisch  beim  derbsten  Namen 
nennen.  W  ie  deutlich  solche  Unterschiede  der  Wortwahl  ge- 
fühlt wurden,  zeigt  auch  folgende  Beobachtung  Panzers.  Indem 
ersten  Nachdruck  von  Emsers  Bibelübersetzung,  welche  ihrer- 
seits nur  ein  Plagiat  der  Lutherschen  Übersetzung  ist,  wird 
versprochen,  dass  gewisse  'freche  und  ärgerliche'  Wörter,  die 
Luther  gebraucht  und  Emser  übersehen  habe,  in  'züchtigere' 


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u 


STILISTISCHES. 


Wörter  umgewandelt  werden  sollten.  Panzer  hat  keine 
anderen  Veränderungen  fesstellen  können,  als  dass  Hurerey, 
Hure,  huren  durch  Unkeuschheit,  Bulin,  vnkeuschen  ersetzt 
sind  (Grotefend,  Luthers  Verdienste  u.  s.  w.  S.  62  f.).  Der 
Schlusssatz  der  Widmung  Wimpfelings  weist  zugleich 
von  neuem  auf  die  Quelle,  aus  welcher  Hutten  den  Ersatz 
für  die  Wörter  seiner  Vorlage  schöpfte :  die  höfische  Sprache. 
Die  Gewandtheit,  mit  welcher  Hutten  in  diesen  wie  in  an- 
dern Dingen  die  höfische  Sprache  handhabt,  erklärt  sicli 
aus  seiner  gesellschaftlichen  Stellung.  Hutten  ist  als  Ritter 
und  Hofmann  ein  nicht  unbedeutsamer  Vertreter  der  höfi- 
schen Sprache  der  deutschen  Litteratur  seiner  Zeit  und 
steht  als  solcher  im  Gegensatz  zu  Luther,  dessen  Stellung 
in  der  deutschen  Stilgeschichte  durch  die  bewusste  Ver- 
wendung und  Vertheidigung  der  Volkssprache  gegen  die  Hof- 
sprache bezeichnet  wird.  Luthers  Schrift  an  den  deutschen 
Adel  bietet  zwar  keinen  Stoff  zu  einem  durchgängigen  Ver- 
gleich, jedoch  einen  vorzüglichen  symptomatischen  Beweis 
für  seine  Stellung  zu  der  hier  behandelten  Frage:  Ist  das 
nit  ein  hurhauß  vbir  alle  hurhewßer,  die  yemant  erdencken 
mocht,  ßo  weiß  ich  nit  was  hurhewser  heyssen.  Ein  solcher 
Satz  ist  bei  Hutten  unmöglich.  Wenn  von  Luther  ein  Urtheil 
Über  Huttens  Verfahren  gefordert  worden  wäre,  so  würde 
er  es  gemisbilligt  haben,  weil  die  Sprache  nach  seiner 
Meinung  nur  brauchen  darf  'verba  simplicia,  non  castremia 
nee  aulica.  Unser  modernes  Stilgefühl,  das  sich  in  Strauss* 
Ubersetzung  darstellt,  steht  zwischen  Luther  und  Hutten. 


FREMDWÖRTER. 

Paul  Pietsch  sucht  in  seinem  Buch  über  Luther  und 
die  hochdeutsche  Schriftsprache  seinen  Vorwürfen  gegen 
Huttens  deutsche  Schriften  durch  einige  allgemeine  Vor- 
würfe gegen  den  Humanismus  einen  Halt  zu  geben:  'Un- 
willkürlich oder  auch  wol  überlegt  musstc  sich  ihnen  (den 
Männern  der  humanistischen  Richtung)  die  deutsche  Rede 
mit  lateinischen  Worten  mischen,  nuissten  dem  über  alles 


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FREMDWÖRTER. 


15 


hochgeschätzten  Latein  nachgebildete  Ausdrücke  und  syn- 
taktische Fügungen  in  ihre  deutsche  Rede  einfliessen.  In 
welcher  Ausdehnung  dies  geschehen,  können  wir  am  besten 
erkennen,  wenn  wir  wahrnehmen,  dass  auch  der  doch  sonst 
so  kerndeutsche  Luther  sich  nicht  von  allen  aus  dieser 
Quelle  stammenden  Einflüssen  hat  frei  machen  können'. 
Unsere  Aufgabe  ist  nur,  diese  Vorwürfe  so  weit  zu  prüfen, 
als  sie  Hutten  betretfen.    Eine  Prüfung  jenes  allgemeinen 
Vorwurfs  gegen  die  Humanisten,  der  ebenso  verbreitet 
wie  unbewiesen  ist,  lässt  sich  erst  anstellen,  wenn  eine 
Geschichte  des  Eindringens  der  Fremdwörter  vorliegt.  So 
viel  kann  aber  schon  jetzt  behauptet  und  mit  sympto- 
matischen Beweisen  belegt  werden,  dass  in  der  bisherigen 
Auffassung  eine  Verwirrung  herrscht  zwischen  dem  Hu- 
manismus und  den  Bestrebungen  zur  Heception  des  römi- 
schen Hechts.    Die  Klagen  über  das  Fremdwörterunwesen 
richten  sich  von  jeher  ganz  ausdrücklich  gegen  die  Hechts- 
gelehrten.   Die  Fremdwörterbücher  nehmen  stets  unmittel- 
bar Bezug  auf  die  Bräuche  des  Gerichts.    Es  lässt  sich 
auch  an  einzelnen  Beispielen  jetzt  bereits  nachweisen,  wie 
das  Eindringen  der  Fremdwörter  genau  mit  dem  Eindringen 
römischer  Juristen  zusammenfällt:   so  geht  aus  den  Ur- 
kunden des  Mainzer  Erzbisthums  hervor,  dass  der  Wechsel 
zwischen  'Kanzler  in  dütschen  Landen'  und  'Kanzler  in  Ger- 
manien mit  den  ersten  Einwirkungen  des  römischen  Hechts 
zeitlich  zusammenfällt.    Es  ist  anzunehmen,  dass  erst  von 
den  Kanzleien,  welche  die  Sammelbecken  für  den  Einfluss 
römischer  Fremdwörter  bilden,  sich  der  Strom  über  Deutsch- 
land ergiesst  und  je  nach  der  Anlage  seine  Spur  in  huma- 
nistischen und  nicht  humanistischen  Schriften  zurücklässt. 
Allerdings  darf  nicht  geläugnet  werden,  dass  |eine  immer 
mehr  verbreitete  humanistische  Halbbildung  einen  sehr  em- 
pfänglichen Boden  darstellte.    Dem  gegenüber  lassen  sich 
Zeugnisse  beibringen,   dass  gerade  die  Humanisten  die 
ersten  und  einzigen  gewesen  sind,  welche  deutlich  und 
klar  die  Reinheit  der  Sprache  verlangten.     Bereits  aus 
früherer  Zeit   ist   die  scharfe    Polemik   Aventins  gegen 
das  'felschen   mit  zerbrochnen    lateinischen  Wörtern*  be- 


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IG 


STILISTISCH  KS. 


kannt.  Neuerdings  hat  Hartfelder  in  einem  aus  Heidel- 
berger Handschriften  schöpfenden  Programm  ein  Wort 
Reuchlins  veröffentlicht,  welches  allein  jene  alte  Behauptung 
erschüttern  könnte:  'Merk  hie,  das  man  sich  schemmen  sol 
in  dütschen  reden  vnd  predigen  vil  latyns  darunder  zu 
müschen.  Der  Humanist,  der  die  Forderung  der  Reinheit 
zuerst  bei  einer  fremden  Sprache  zu  würdigen  gelernt  hat, 
ist  naturgemass  der  erste,  der  gleiche  Forderungen  an  seine 
eigene  Sprache  stellt.  Kluge  hat  in  seinem  Buch  'Von 
Luther  bis  Lcssing  diese  Bestrebungen  der  Humanisten 
gewürdigt,  aber  leider  immer  noch  in  einem  Capitel  'Latein 
und  Humanismus'.  Das  Fremdwörterwesen  gehört  nicht  in 
dieses  Capitel,  sondern,  wenn  man  zu  den  obigen  Bemer- 
kungen noch  die  Hindeutung  auf  die  ungeheuren  Einflüsse 
der  Kirchensprache  hinzunimmt,  unter  den  Titel:  'Fremd- 
wörter und  Kanzel-  und  Kanzleisprache'. 

Nach  Pietschs  Worten,  welche  nur  die  landläufige 
Ansicht  wiedergeben,  stellt  Hutten  die  Verkörperung  übler 
humanistischer  Eigenheiten  dar,  und  in  Luther  sind  nur  die 
Nachwehen  der  gewaltigen  Verheerungen  zu  spüren,  welche 
vom  Humanismus  ausgingen.  Diese  Combination  hat  nach 
den  allgemeinen  obigen  Andeutungen  wenig  Wahrschein- 
lichkeit. Hutten  ist  ebenso  sehr  wie  Luther  ein  Feind  der 
römischen  Juristen  und  Priester.  Seinem  Widerwillen  gegen 
ihre  Sprache  gibt  er  deutlichen  Ausdruck  schon  in  seinem 
lateinischen  Dialog  Vadiscus :  'Huttenus:  Sed  nimm  pracfari 
oportet ,  vores  barbare  insuni ',  ne  te  moveatit.  Emholdus: 
Ali  moveant,  quasi  ita  delicatae  mihi  au  res  sint,  aut  ignorem 
suis  uti  barbarant  Curiam  vorabuiis.  Dir  igitur  de  Curtisarm, 
de  Copiistis,  de  scobatoribus,  de  beneficiis  curatis  et  non  curatis, 
de  famltatibus,  de  f/ratiis,  de  reservatiombus.  de  reyressibus, 
de  annatis  etiam,  et  cruciata,  si  libet^  de  devisiunfom  rotae  ac 
iure  patronatus,  nihil  dederis  molestiae  (lö8,  13  ff.).  Solche 
Wörter  der  römischen  Kirchensprache,  deren  Contrast  dem 
humanistischen  Latein  gegenüber  in  ähnlicher  Weise  fast 
überall  spöttisch  hervorgehoben  wird,  werden  von  Hutten 
auch  in  der  deutschen  Übersetzung  mit  einer  bestimmten 
Absichtlichkeit  gehandhabt,  während  Luther  sie  meist  als  die 


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FREMDWÖRTER. 


17 


natürlichen  Ausdrücke  ohne  einen  starken  ironischen  Ton 
anwendet.  Ein  Vergleich  mit  der  Schrift  an  den  Adel 
liefert  überraschend  viele  Parallelen,  welche  auf  Luther 
durchaus  nicht  das  Licht  werfen,  in  welches  er  bei  Pietsch 
gerückt  ist.  Auch  ein  Vergleich  mit  Varnbüler  ist  lehr- 
reich, weil  in  ihm  gewissermassen  der  allgemeine  Hinter- 
grund des  Durchschnittsstils  gegeben  ist. 

Da  die  Stellung  zu  den  Fremdwörtern  hier  nicht  den 
Gegenstand  einer  eigenen  Erörterung,  sondern  nur  die 
Unterabtheilung  einer  Stiluntersuchung  bildet,  so  können  und 
müssen  einige  Andeutungen  genaue  statistische  Vergleiche 
und  Aufzählungen  ersetzen. 

Die  oben  angeführte  Äusserung  Huttens  ist  bedeut- 
sam für  sein  Verhalten  in  der  Fremdwörterfrage.  Fast 
überall,  wo  er  ein  Fremdwort  anwendet,  liegt  ein  ironischer 
oder  agitatorischer  Ton.  Varnbüler  hat  hierfür  kein  Gefühl. 
Während  er  sonst  in  einer  Fülle  von  Fremdwörtern  schwelgt, 
pflegt  er  gerade  an  besonders  bezeichnenden  Stellen  die 
Fremdwörter  zu  übersetzen :  tibi  pnlchre  observant  praeriara 
üla  prineipum  concordata  'die  kostlichen  bullen,  Concordata 
prineipum  genandt'  (199,  <V.\.  V.  'der  Fürsten  verwilligung'). 
Es  liesse  sich  eine  grosse  Menge  von  Beispielen  dafür  an- 
führen, dass  Hutten  mit  seinen  Fremdwörtern  in  der  deut- 
schen Sprache,  ebenso  wie  mit  denselben  kirchenlateinischen 
Worten  in  seinem  Humanistenlatein,  eine  bestimmte  Ab- 
sicht verfolgt.  So  besonders  in  Aufzählungen,  wie  der 
oben  erwähnten,  die  Varnbüler  ohne  Verständnis  für 
ihren  Zweck  einfach  ausgelassen  hat. 

Bei  Bräuchen  der  römischen  Kirche,  welche  in  Deutsch- 
land so  eingebürgert  waren,  dass  sich  deutsche  Bezeich- 
nungen gebildet  hatten,  wendet  Hutten  diese  an:  Bann, 
Ablass,  Bischofsmantel  setzt  er  ineist  statt  Interdict,  Ab- 
solution, Pallium.  Varnbüler  übersetzt  auch  unübertragbare 
Fachausdrucke:  ordinär io  'ordinarius'  (205,  35.  V.  'ordenlich 
Herr).  Niemals  fast  verfehlt  Hutten,  fremden  Ausdrücken, 
deren  Verständnis  für  den  Fortgang  des  Dialogs  wichtig 

ist,  die  deutsche  Übersetzung  beizufügen. 

qf.,  lxvu.  2 


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STILISTISCHES. 


Luthers  Stellung  wie  die  Varnbülers  ist  in  diesem 
Theil  schon  angedeutet. 

Bezeichnender  für  die  allgemeine  Stellung  zur  Fremd- 
wörterfrage ist  die  Aufnahme  nicht  technischer  Ausdrücke 
fremder  Sprachen.  Die  Fremdwörterliste  aus  Huttens 
Übersetzung  des  Vadiscus  ist  nicht  grösser  als  die  eines 
heutigen  Schriftstellers.  Fast  alle  seine  Fremdwörter  sind 
auch  bei  Strauss  zu  finden.  Luther  dagegen  hat  manche 
Wörter  aus  der  rechten  helgrundsuppen  heraufgeholt :  tribu- 
Heren,  contentiern,  Comment,  Valete,  Auditoribus,  Germanien 
und  eine  Reihe,  die  schon  nicht  mehr  als  einzelne  Fremd- 
wörter, sondern  als  lateinische  Citate  zu  rechnen  sind.  So 
hat  Varnbüler:  stumptieren,  vacieren,  registrieren  (statt 
reformieren)  u.  s.  w. 

Auffallende  Fremdwörter  bei  Hutten  sind:  Item'  (190, 
17),  'compact'  (224,  19)  und  in,  einer  bei  ihm  nicht  seltenen 
Verbindung,  'die  summa  daruon  zu  reden'  (181,  20);  phisicant' 
(209,  21)  und  'falsirer'  (189,  27)  als  Scheltwörter. 

Im  Gegensatz  zu  Luther  und  Varnbüler  wendet  Hutten 
nur  im  Singular  und  zuweilen  im  Nom.  Acc.  Plur.  latei- 
nische Endungen  bei  Fremdwörtern  an,  gleichviel  ob  es 
Appellativa  oder  Eigennamen  sind.  Im  übrigen  Plural 
kommen  nur  bei  Titeln  von  Bullen  u.  dgl.  lateinische  En- 
dungen vor :  an  stat  der  alten  Scipion,  Marcellen,  Maximen, 
Caton,  Metellen,  Ciceron,  vnd  Marien, . .  Vitellien,  Othen, .  . 
Nerones  . .  Domitiani'  (178,  20.  V.  'Scipionum,  Marcellorum, 
Maximorum,  Catonum,  Mettellorum',  .  .  .  .) 

Wichtiger  noch  als  eine  Feststellung  der  Wörter, 
welche  Hutten  gebraucht,  ist  eine  solche  der  von  ihm  nicht 
gebrauchten.  Hutten  hat  niemals  'Germanien'  gebraucht, 
ebenso  wenig 'Alpes'.  Grotefend  hebt  einmal  mit  besonderem 
Nachdruck  hervor,  dass  'selbst  das  Wort  Religion,  wel- 
ches wir  jetzt  kaum  zu  entbehren  verstehen',  bei  Luther 
nicht  vorkommt.  Auch  Hutten  bietet  es  niemals,  sondern 
übersetzt  rd'ujio  mit  den  verschiedensten  deutschen  Wen- 
dungen :  gemeyner  christlicher  glaube,  geystlicheit,  Glauben, 
recht  Glaube'  u.  s.  w. 

Hutten  hat  in  seiner  Übersetzung  keine  lateinischen 


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SYNONYMA 


19 


Wortspiele,  wenngleich  sie  die  Vorlage  bietet  und  wenn- 
gleich mehrere  neu  geschaffene  deutsche  Wortspiele  seine 
Neigung  bezeugen,  auch  die  Ubersetzung  mit  Wortspielen 
zu  zieren :  superstitione  . .  religionem :  *aberglaubens . .  rechten 
glauben  (219,  37),  sine  reliyiom  'vnangesehen  was  geboten 
oder  verbotten  ist*  (186,  27).  So  lässt  er  das  Wortspiel 
pretio  prece  (162,  13)  fallen.  Geschickt  gibt  er  wieder 
discordem  concordiam  zwiträchtigen  eintracht'  (191,  19),  mit 
bewunderungswürdiger  Geschicklichkeit  concilium  .  .  con- 
ciiiabtdum  rat  .  .  rott'  (217,  25).  Diese  geschickte  Über- 
setzung überrascht  um  so  mehr,  als  bei  Luther  in  der 
Schrift  an  den  Adel  sich  das  lateinische  Wortspiel  findet 
(C  1  b):  'nit  ein  Christlich  Concilium  .  .  .  Conciliabulum'. 
Luther  hat  auch  sonst  lateinische  Wortspiele:  'Es  heyssen 
Compositiones,  freylich  compositiones,  ja  confusiones  (E  2  a). 

Endlich  muss  betont  werden,  dass  sich  in  der  Über- 
setzung Huttens  nicht  ein  einziges  lateinisches  Citat  findet, 
während  solche  ohne  Erklärung  die  ursprünglich  deutsche 
Schrift  Luthers  in  nicht  geringer  Anzahl  bietet. 


SYNONYMA. 

„Luther  hat  'die  Neigung,  denselben  Begriff  in  kräf- 
tiger Variation  des  Wortes  mehr  als  einmal  und  dadurch 
der  Phantasie  um  so  viel  drastischer,  dem  Gemüt  um  so 
viel  wärmer  auszusprechen.  Damit  steht  Luther  durchaus 
auf  deutsch  volksmässigem  Boden.  Diese  Neigung  ist  von 
jeher  in  unserer  Sprache  vorhanden  gewesen  und  nicht  nur 
da,  wo  dieselbe  im  Gewände  der  Poesie  auftritt,  sondern 
in  weiter  Ausdehnung  zum  Beispiel  auch  in  der  Rechts- 
sprache. Luther  hat  also  auch  hier  aus  dem  Born  wahr- 
haften Volkstums  geschöpft,  der  ihm  vor  allen  Zeitgenossen 
so  unendlich  frisch  und  lebendig  sprudelte,  und  man  darf 
sagen,  dass  ein  Teil  der  wunderbaren  Wirkung,  welche 
Luthers  Schriften  auf  den  Leser  ausüben,  auf  der  reichlichen 
und  doch  nicht  überreichlichen  Anwendung  dieser  uralten 

deutschen  Stil  form   beruht.    Und  wir  verdanken  es  wol 

2* 


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20 


STILISTISCHES. 


zu  einem  nicht  geringen  Teile  Luther,  dass  sich  unsere 
Schriftsprache  ein  Gefühl  für  die  Wirkung  der  Sprach- 
formeln bewahrt  hat,  welches  auch  heute,  wo  dieselbe  in 
mancher  Hinsicht  so  sehr  nüchtern  geworden,  noch  nicht 
erloschen  ist." 

Mit  diesen  Worten  hat  Paul  Pietsch  in  seiner  Schrift 
'Luther  und  die  hochdeutsche  Schriftsprache  die  zwei-  und 
dreigliedrigen  Formeln  bei  Luther  zu  würdigen  gesucht,  für 
welche  Heinrich  Kückert,  auf  dessen  Ausführungen  Pietsch 
unmittelbar  zurückgeht,  in  seinem  Buch  'Geschichte  der 
neuhochdeutschen  Schriftsprache'  eine  Sammlung  alpha- 
betisch geordneter  Beispiele  gibt.  Diese  Redeform  ist  auch 
für  die  Charakteristik  des  Huttenschen  Stiles  von  der  höch- 
sten Bedeutung:  in  der  Übersetzung  des  Vadiscus  finden 
sich  nicht  weniger  als  ungefähr  dreihundert  mehrgliedrige 
Ausdrücke,  welche  in  der  Vorlage  nicht  vorhanden  sind. 
Stellt  man  sich  nun  ohne  weiteres  auf  den  Boden  der  An- 
sichten von  Kückert  und  Pietsch,  so  wird  man  in  dieser 
Erscheinung  eine  mächtige  Wirkung  volkstümlicher  Ein- 
flüsse und  Bestrebungen  sehen  und  Hutten  als  einen  deut- 
schen Schriftsteller  rühmen  dürfen,  der  wie  Luther  zu  den 
Quellen  volkstümlicher  Sprache  hinuntergestiegen  ist.  Von 
einem  solchen  Urtheil  halten  jedoch  zwei  Bedenken  fern, 
die  aus  unmittelbarer  Beobachtung  des  von  Kückert  ge- 
botenen Materials  und  aus  einer  diese  Stilerscheinung  ver- 
folgenden Vergleichung  der  Huttenschen  Schriften  unter 
einander  sich  ergeben. 

Wunderlich  genug  hat  ein  so  feinsinniger  Forscher 
wie  Heinrich  Kückert  übersehen,  dass  in  der  grossen 
Masse  der  mehrgliedrigen  Ausdrücke  jene  alten  Formeln, 
auf  welche  er  sich  bezieht,  eine  solche  Nebenrolle  spielen, 
dass  man  kaum  allgemeine  Schlüsse  auf  sie  bauen  kann. 
Weil  eine  Minderzahl  in  der  Liste  sich  als  alte  Ver- 
bindungen erweist,  wird  für  die  ganze  Sammlung  in  un- 
klarer Verallgemeinerung  das  unmittelbare  Wirken  altehr- 
würdigen und  volkstümlichen  Sprachbewusstseins  ange- 
nommen. Auch  wenn  man  sich  mit  Kückert  und  Pietsch 
auf  das  einfache  Stilgefühl  allein  verlässt,  muss  man  er- 


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SYNONYMA. 


21 


kennen,  dass  Verbindungen,  welche  nach  Rückert  nur  die 
Erklärung  von  Fremdwörtern  bezwecken,  wie  'ansehen  und 
autorität,  exempel  und  fürbild,  condition  und  mitter  u.  s.  w. 
und  die  Menge  loser  Häufungen,  die  sich  besonders 
unter  den  dreigliedrigen  Ausdrücken  finden,  einer  anderen 
Quelle  entstammen  als  jene  alten  Formeln,  die  durch 
AUitteration,  Assonanz,  Reim  oder  auch  innere  Klammern 
logischer  Natur  verbunden  sind.  Wer  nicht  den  Blick 
ganz  einseitig  auf  diese  alten  Bestandteile  richtet,  kann 
nicht  in  der  Masse  der  mehrgliedrigen  Ausdrücke  einen  be- 
sonderen Beweis  der  Volkstümlichkeit  finden. 

Schwerer  und  zwingender  als  diese  Beobachtung  ist 
das  Ergebnis,  welches  man  aus  einer  Vergleichung  der 
Huttenschen  Schriften  erhält.  Wenn  man  dieselben  auf  die 
Häutigkeit  jener  Stilform  untersucht,  so  tritt  ganz  deutlich 
eine  Steigerung  hervor  von  den  Gedichten  zu  den  Über- 
setzungen der  Gespräche,  von  diesen  zu  den  Übersetzungen 
der  Klagschriften,  von  diesen  wieder  zu  ursprünglich  deut- 
schen Schriften  wie  der  'Endtschüldigung,  von  diesen  end- 
lich zu  den  eigentlichen  deutschen  Sendschreiben.  Während 
in  den  Gedichten  meist  nur  die  alten  Formeln  zu  finden 
sind,  drängen  sich  in  den  Sendschreiben  die  Fremdwörter- 
erklärungen und  losen  Häufungen  am  meisten  auf.  Doch 
gerade  diese  Sendschreiben  haben  für  ihre  Form  im  allge- 
meinen wie  ganz  im  einzelnen  eine  zähe  Überlieferung, 
welche  bis  auf  die  Anfänge  des  Buchdrucks  unschwer  zu 
verfolgen  ist. 

Die  Vereinigung  dieser  Beobachtungen  führt  auf  eine 
sonderbare  Spur,  denn  das  Gebiet,  auf  das  wir  bei  der 
Forschung  nach  dem  Ursprung  dieser  Volkstümlichsten' 
Stilform  gelenkt  werden,  ist  kein  anderes  als  gerade  das- 
jenige, in  dem  jene  beiden  Forscher,  die  diese  Frage  ange- 
regt haben,  alle  Gegensätze  der  von  ihnen  allzu  modern 
construirten  volkstümlichen  Sprache  suchen:  die  Kanzlei. 
Es  würde  vom  Gegenstande  zu  weit  abführen,  wenn  auf 
die  Prüfung  jener  Ansicht  eingegangen  werden  sollte,  die 
entgegen  einem  bekannten  deutlichen  Wort  Luthers  auf 
Grund  geringfügiger  Angriffe,  die  er  gegen  die  Kanzlei 


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22 


STILISTISCHES 


richtete,  einen  absoluten  Gegensatz  zwischen  Luther  und 
der  Kanzlei  aufstellt.  An  die  Schwäche  ihrer  Grundlagen 
soll  nur  erinnert  werden,  damit  das  Ergebnis  dieser  Unter- 
suchung vom  Scheine  des  Paradoxons  frei  bleibe. 

Die  Zeugnisse  der  Kanzleisprache  sind  erhalten  in  den 
Urkunden  und  in  den  Lehrbüchern.  Diese  Lehrbücher  sind 
nun  eben  jene  'Formulare  vnd  tütsch  Rhetorica,  aus  deren 
Untersuchung  Pietsch  sich  mit  Recht  neue  Ergebnisse  ver- 
sprach. Schlägt  man  ein  solches  Formulare  auf  und  geht 
die  Urkunden  und  Briefe  durch,  die  sich  als  Musterzeugnisse 
des  Kanzleistils  geben,  so  findet  man  sie  mit  einer  erstaun- 
lichen Masse  von  jenen  Formeln  geziert.  Man  kann  sogar 
sagen,  dass  ihr  einziger  rhetorischer  Schmuck  eben  darin 
besteht.  Geht  man  nun  zur  Einleitung  der  Formulare  zu- 
rück, in  der  unter  anderem  Schmuckstücke  für  Urkunden 
und  Briefe  in  einzelnen  Abtheilungen  zusammengestellt  sind, 
so  findet  man  die  Beobachtung  von  neuem  bestätigt.  Wenn 
man  etwa  in  der  Rhetorica  von  1483  die  Abschnitte  'Merck 
hernach  schön  gcleychnuß'  und  'Hyenach  volgend  etlich  co- 
lores  vnd  exempla  rethoricales  mit  hübschen  beschliessungen 
vnd  hofrlichem  teütsch  von  allen  reden  außgezogen*  einer 
genauen  Prüfung  unterzieht,  so  wird  man  mit  verschwindend 
wenigen  Ausnahmen  überall  nur  synonyme  mehrgliedrige 
Ausdrücke  als  bezeichnendes  Merkmal  feststellen  können. 
Spätere  Formulari  vnd  tütsch  rhetorica*  wie  das  von  1488 
unterscheiden  sich  fast  nur  in  den  Überschriften:  'Schon 
geplönite  red*  und  Hienach  volgent  aber  ander  colores 
rhetoricales,  mitt  exompeln  vnd  hibschen  beschiessungen, 
vßzogen  von  vil  reden.  Endlich  findet  man  einen  Ab- 
schnitt, der  sich  überall  ganz  offen  gibt  als  das,  was  er 
ist :  Sinonima  rethoricalia  (1483)  oder  'Sinonima  oder  glych- 
bedeutende  Wörter  (1488).  Es  kann  nach  den  früheren 
Beobachtungen  kein  Zweifel  über  den  Zweck  bestehen,  zu 
welchem  diese  Sammlungen  gegeben  wurden :  dem  Schreiber 
sollte  die  Möglichkeit  geboten  werden,  sich  aus  den  ein- 
zelnen Synonymen  mehrgliedrige  Ausdrücke  nach  Art  der 
geplömpten  red'  und  der  colores  rhetoricales'  für  den 
eigenen  Bedarf  selbst  zusammenzusetzen.    Diese  Ansicht 


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SYNONYMA. 


23 


wird  gestützt  durch  die  Worte,  mit  denen  die  Synonyma 
im  Register  angezeigt  werden :  Hie  hebendt  an  die  Syno- 
nima  durch  die  man  wolgeziert  geplompt  red  vnd  kostlich 
Collores  der  Rhetorica  formieren  mag'.  Eine  fernere  Be- 
stätigung finden  wir  in  einem  gleichzeitigen  Zeugnis,  in  der 
Polemik,  welche  der  unter  starkem  lateinischen  Eintluss 
stehende  Verfasser  des  bekannten  'Spiegels  der  waren  Rhe- 
toric,  Friedrich  Riederer  von  Mühlhausen  gegen  diesen 
Gebrauch  der  Synonyma  unternimmt:  'etlich  redner  vnd 
schreyber  gebrauchend  sich  vil  Synonima  inn  ein  red  zftuer- 
sammlen,  vnnd  vermeynend  damit  die  red  zeweytren  vnd 
züzyeren,  so  doch  der  selben  wort  keins  weyter  oder  ge- 
meyner  bedeütnuß  hat,  dann  das  ander,  auch  keins  das 
ander  erklart,  noch  einig  frucht  noch  nutz  inn  der  red  ge- 
bürt,  dann  inn  yeder  red  sollen  die  wort  nit  müssig,  noch 
on  vrsach  stehen,  sonder  etwas  nutz  tragen.  Das  beschicht 
inn  den  gantz  gleychen  Synonimis  nit,  dann  gantz  unnütz,  vnd 
nit  zierlich  ist  die  red,  Also,  du  hast  mich  meiner  eheren 
beschuldiget,  belümbdet,  gescholten,  geschmächt  vnd  ge- 
schmutzt. Angesehen  das  der  selben  wort  keins  das  ander 
inn  bedeütnuß  vbertrifft.  Aber  bestendig  ist,  wann  sie  inn 
vil  reden,  oder  teylen  der  red,  also  das  andere  wort,  da 
zwyschen  kommend,  gebraucht  werdend  sollicher  form,  Peter 
hat  Jacoben  beschuldiget,  Conrathen  verlümbdet,  Katherinen 
gescholtenn,  Vrsulen  geschmächt,  vnd  alle  menschen  an 
eheren  geschmutzt.  Vnd  ist  zewissen,  dz  Synonima  darumb 
erfunden  sind,  wann  ein  wort  sich  auff  vil  artickel,  wie  inn 
nechst  vorgehendem  beyspyl  zebrauchen  gebürt,  das  wir 
dann  ein  anders,  das  jm  inn  bedeütnuß  gleych  sey,  an  sein 
statt  zebrauchen  haben,  dadurch  vermitten  bleyb,  die  vbel- 
thönend  red:  Peter  hat  Jacoben  verlümbdet,  Katherinen 
verlümbdet,  Vrsulen  verlümbdet,  vnd  alle  menschen  ver- 
lümbdt*  (Ausgabe  von  1535,  35  a).  Ungemein  bezeichnend 
ist  es,  dass  Riederer  in  dem  praktischen  Theil  seiner  Rhe- 
torik sich  nicht  nach  dieser  Regel  richtet,  die  er  selbst  mit 
nachdrücklichster  Breite  vorträgt,  sondern  fast  überall  die 
Pfade  des  allgemeinen  Kanzleistils  wandelt.  In  seinem 
Werk  fehlen  allerdings  die  oben  angeführten  drei  syno- 


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24 


STILISTISCHES 


nymischen  Abschnitte.  Spätere  compilatorische  Thätigkeit 
hat  den  armen  Riederer  mit  den  von  ihm  bekämpften 
Bestrebungen  zusammengespannt.  In  den  Egenolffschen 
Rhetoriken  ist  vorn  mit  der  Vorrede  des  'Spiegels'  der  Aus- 
fall gegen  die  Synonyma  gegeben,  hinten  aber  eine  zum 
grossen  Theil  auf  den  alten  Sammlungen  der  Formulare  be- 
ruhende Synonymenliste  abgedruckt,  über  deren  praktische 
Anwendung  die  Zeit  nun  einmal  andere  Ansichten  hatte  als 
Riederer. 

Man  ist  nicht  berechtigt,  Schlüsse  aus  diesen  alten 
Rhetoriken  auf  die  Zeit  Huttens  und  Luthers  zu  verbieten ; 
denn  erstens  sind  die  Rhetoriken  fast  ganz  unverändert  bis 
in  das  sechzehnte  Jahrhundert  hinein  wiedergedruckt  worden, 
zweitens  sind  in  den  späteren  Rhetoriken  wie  in  der  des 
Hug  von  1527  zwar  jene  allgemeinen  synonymischen  Theile 
wie  die  ganze  Einleitung  der  alten  Formulare  fortgelassen, 
in  den  Beispielen  aber  doch  überall  befolgt;  endlich  hat  sich 
vorläufig  wenigstens  ein  Büchlein  gefunden,  welches  den 
unbestreitbaren  Beweis  liefert,  dass  auch  in  dem  hier  zu 
untersuchenden  Zeitraum  noch  genau  dieselben  Ansichten 
lebendig  waren,  welche  sich  aus  den  alten  Formularen  er- 
gaben. Bereits  der  Titel  dieses  Büchleins  bestätigt  auch 
für  unsern  Zeitraum  unmittelbar  die  obigen  Beobachtungen, 
nach  welchen  das  Wesen  des  rhetorischen  Schmuckes  des 
ganzen  Kanzleistils  allein  in  der  Synonymik  zu  suchen  ist. 
Der  Titel  lautet:  Hie  hebent  an  die  synonima  die  man 
nent  gezierte  geblümte,  vnd  colores  der  schonen  hoffkunst- 
rethorieken  formieren'  (o.  0.  1522). 

Dieser  Titel  spricht  das  Ergebnis  der  Untersuchung 
aus:  die  mehrgliedrigen  Formeln  sind  für  das  XVI.  Jahr- 
hundert nicht  Bestandteile  der  Volkssprache,  sondern 
der  'hoffkunstrethoriken*. 

Die  Aufgabe  einer  umfassenden  Untersuchung  wäre  es, 
den  Quellen  dieser  stilistischen  Erscheinung  nachzugehen. 
Es  wäre  zu  erforschen,  in  welchem  Zusammenhang  die 
Synonyma  mit  jenen  alten  Formeln  der  Poesie  und  Rechts- 
sprache stehen,  denen  man  sie  bisher  einfach  gleich- 
setzte.   Es  wird  sich  ohne  eine  solche  Untersuchung  vor- 


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SYNONYMA 


25 


läufig  nicht  entscheiden  lassen,  ob  die  Synonyma  eine  un- 
mittelbare Ausartung  der  alten  Formeln  oder  ein  neues 
Erzeugnis  der  Kanzlei  sind,  welche  vielleicht  auf  diese  Weise 
die  mühsam  gesammelten  Schätze  der  Synonymik  zur 
Schau  stellen  wollte.1  Für  die  erste  Annahme  scheint  zu 
sprechen,  dass  in  den  Synonymensammlungen,  so  also  auch 
in  der  zuletzt  angeführten,  sich  unter  den  einfachen  Syno- 
nymen nicht  nur  alte  durch  Reim  oder  Allitteration  ge- 
bundene Formeln,  sondern  auch  Auflösungen  von  solchen 
alten  Formeln  finden,  die  gar  keine  synonymische  Verbin- 
dung haben :  'Biegen,  Schmiegen'  (c  6),  'Glitzet,  Plitzet'  (c  2) ; 
'Schirm,  Schutz' (a  7) ;'Schand, Schaden  (b  1),' Wandeln, Handeln' 
(b4);  'Willen  Wissen,  (b2).  Zuweilen  ist  sogar  das  be- 
zeichnende 'vnd'  mit  eingeschlichen:  'Lob  vnnd  eer  (b3). 
Diese  Erscheinung  ist  aber  ebenso  gut  dadurch  zu  erklären, 
dass  bei  der  aus  anderen  Gründen  entstandenen  Synonymen- 
jagd mit  den  gesuchten  alten  Formeln  durch  Unachtsamkeit 
auch  solche  eingefangen  wurden,  die  in  die  neuen  Samm- 
lungen eigentlich  gar  nicht  passten.  Für  unsern  Zweck 
kann  diese  Frage  unbeantwortet  gelassen  werden,  da  schon 
in  den  dargelegten  Beobachtungen  ein  hinreichend  fester 
Standpunct  zur  Beurtheilung  der  im  Eingang  aufgeworfenen 
Frage  geschaffen  ist. 

Halten  wir  das  Ergebnis  der  Untersuchung  zunächst 
neben  Rückerts  Aufstellungen  über  die  Bedeutung  der  Syno- 
nyma bei  Luther,  so  sind  wir  nicht  nur  berechtigt  jenen 
Satz  Rückerts  umzustossen,  in  welchem  er  auf  Grund  seiner 
Beobachtungen  über  die  Synonyma  Luthers  Sprache  'das 
Centrum  oder  den  Mikrokosmus  des  volkthümlichdeutschen 
Sprach bewusstseins  nennt,  sondern  wir  müssen  sogar  an 
seine  Stelle  den  Gegensatz  rücken,  dass  Luther  in  keiner 
stilistischen  Erscheinung  deutlicher  zeigt,  wieviel  er  von 
der  Kanzlei  gelernt  hat,  als  in  dem  Gebrauch  der  Synonyma. 
Jene  Worte  der  Tischreden,  in  denen  Luther  sein  Verhältnis 
zu  den  Kanzleien  ausspricht,  können  also  nicht  allein  auf 
lautliche  und  grammatische,  sondern  auch  auf  stilistische 


•  Vgl.  Joh.  Müller,  Der  deutschsprachliche  Unterricht  8.  371. 


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26 


STILISTISCHES 


Eigenheiten  bezogen  werden.  Ein  Wirken  volksthümlichen 
Sprachbewusstseins  ist  nur  insoweit  zuzugeben,  als  Luther 
die  in  den  Synonymen  enthaltenen  alten  Formeln  be- 
sonders pflegt  und  durch  allitterirende  und  reimende  Neu- 
bildungen vermehrt. 

Was  ergibt  sich  hieraus  für  die  dreihundert  mehr- 
gliedrigen  Ausdrücke  des  Vadiscus?  Dass  wir  nicht  be- 
rechtigt sind,  in  jedem  mehrgliedrigen  Ausdruck  ein  er- 
freuliches Zeichen  frischer  Volkssprache  zu  sehen,  dass  wir 
vielmehr  im  einzelnen  prüfen  müssen,  wie  Hutten  sich  der 
von  der  'hoffkunstrhetoriken  erlernten  Mittel  zur  Gestaltung 
seiner  Sprache  bedient  hat. 

Man  darf  nicht  meinen,  dass  die  Übersetzung  dadurch, 
dass  sie  jene  dreihundert  mehrgliedrigen  Ausdrücke  auf- 
genommen hat,  in  den  Kanzleistil  verfallen  wäre.  Den 
charakteristischen  Unterschied  ergibt  ein  Vergleich  mit  einem 
eigentlichen  Sendschreiben  Huttens.  In  einem  solchen  Er- 
zeugnis des  Kanzleistils,  welches  in  einer  gewissen  Breite 
und  Fülle  seine  Würde  sucht,  sind  die  cohres  rhetoricahs 
in  einer  gleichmässig  dicken  Schicht  über  die  ganze  Rede 
gestrichen,  so  dass  die  Zeichnung  meist  nur  verwischt  und 
verdeckt  wird.  In  der  Übersetzung  des  Vadiscus  dagegen 
benutzt  Hutten  die  colores  rhetoricales  fast  stets,  um  an  den 
bedeutsamen  Stellen  hellere  Lichter  aufzusetzen,  welche 
das  ganze  Gemälde  heben. 

Naturgemäss  entwickeln  sich  also  die  doppel-  oder 
mehrgliedrigen  Ausdrücke  am  häufigsten  aus  den  vielen 
Scheltworten  der  scharfen  Polemik  gegen  Rom.  Der  Vor- 
gang ist  so  einfach,  dass  wenige  Beispiele  für  die  grosse 
Menge  der  Fälle  genügen:  nefarium  sünd  vnd  schand*  (180, 
20),  infatuatum  'betöret  vnd  geaffet'  (245,  22).  Besonders 
bevorzugt  wird  diese  Art  der  Übersetzung  für  die  Steige- 
rungsgrade  der  Adjectiva  mit  tadelnder  Bedeutung:  ocerbior 
vordrißlicher  vnnd'  vnleydlicher  (158,  28),  nefandissima 
'vnzimlichst  schalckhafftigst  lästerlichst*  (189,  23).  Theil- 
weise  dient  der  zweigliedrige  Ausdruck  geradezu  als  Ersatz 
für  den  im  Latein  sehr  verbreiteten  rhetorischen  Superlativ  : 
(jravissimo  schwärem  vnnd  vnträglichem'  (192,  35). 


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SYNONYMA. 


27 


Eine  kleinere  Zahl  von  Fällen  zeigt  den  entsprechenden 
Vorgang  bei  solchen  Wörtern,  die  einen  Ton  der  Zuneigung 
in  sich  schliessen :  innoeeniibus  'frommen  vnd  vnschuldigen" 
(210,  18),  liberalitas  'miltiglich,  freüntlich,  vnd  dinstlich 
geberen  (239,  33). 

In  all  diesen  Fällen  ist  deutlich  zu  bemerken,  wie  sich 
unter  dem  Druck  des  rhetorischen  Tones  das  einzelne  Wort 
in  mehrere  spaltet  und  so  der  Ton  gewissermassen  ver- 
körpert wird.  Eine  Minderzahl  der  mehrgliedrigen  Aus- 
drucke hat  sich  nicht  aus  der  Rede  heraus  entwickelt, 
sondern  ist  als  fertige  Formel  übernommen  worden.  Hier- 
her gehören  die  an  anderer  Stelle  besprochenen  Formeln 
der  Kanzlei-,  Kirchen-  und  Hofsprache,  unter  welche  auch 
fast  alle  Fremdwörterverbindungen  fallen. 

Zum  Schluss  noch  eine  Bemerkung  über  die  Form  der 
mehrgliedrigen  Ausdrücke,  weil  sich  aus  ihr  ein  sicheres 
Merkmal  Huttensehen  Stiles  ergibt.  Es  ist  oben  erwähnt 
worden,  dass  in  der  Zahl  der  colores  rhetorirales  auch  die 
allitterirenden  und  reimenden  Formeln  vertreten  sind.  So 
hat  denn  auch  Hutten  gifften  und  gaben,  schänden  vnd 
schaden,  liegen  vnd  triegen,  rupften  vnd  rauben  u.  s.  w. 
Das  Muster  solcher  Verbindungen  hat  nun  zu  Neubildungen 
Anlass  gegeben.  Wie  sich  bei  Luther  manche  allitterirenden 
und  gereimten  Verbindungen  finden,  die  sicherlich  nicht 
übernommen,  sondern  von  ihm  geschaffen  sind,  so  hat  auch 
Hutten  eine  allitterirende  Verbindung,  welche  er  mit  Vor- 
bebe anwendet,  während  sie  sonst  nicht  zu  belegen  ist: 
molles  et  delicati  weych,  weybisch,  vnd  wollüstig'  (243,  37). 
Clag  vnd  vormanung :  'Ein  weybisch  volck,  ein  weyche  schar* 
(1174).  Inspicientes:  mollitie  et  luxu  weychmütigkeit  vnd 
weybischem  leben  (282,  36).  Varnbüler  sagt  an  unserer  Stelle 
'weych  vnd  verwänt'.  Varnbüler  hat  die  mehrgliedrigen  Aus- 
drücke als  Kind  seiner  Zeit  auch  nicht  selten.  Da  es  ihm 
aber  an  jedem  rhetorischen  Talent  gebricht,  so  sind  sie  fast 
immer  unnöthiger  Ballast  an  unrechter  Stelle. 


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28 


STILISTISCHES. 


ABSTKAOTA. 

'Ex  abunduHtia  ronlis  os  loquitur.  Wenn  ich  den  Eseln 
sol  folgen,  die  werden  mir  die  Buchstaben  fürlegen,  vnd 
also  dolmetschen,  Aus  dem  vberflus  des  hertzen  redet  der 
mund.  Sage  mir,  Ist  das  Deudsch  geredt?  Welcher  Deudscher 
verstehet  solchs?  Was  ist  vberfluss  der  Hertzen  für  ein 
ding  ?  . . . .  also  redet  die  Mutter  im  hause  vnd  der  gemeine 
Man:  Wes  das  herz  vol  ist,  des  gehet  der  mund  vber. 
Das  heist  gut  Deudsch  geredt,  des  ich  mich  geflissen  vnd 
leider  nicht  allwege  erreicht  noch  getroffen  habe.  Denn  die 
Lateinischen  Buchstaben  hindern  aus  der  massen  sehr,  gut 
deudsch  zu  reden'. 

Die  stilistische  Frage,  welche  Luther  mit  diesen  Worten 
im  Sendbrief  vom  Dolmetschen  erörtert,  betrifft  die  Bc- 
handlung  der  lateinischen  Abstracta  bei  der  Übertragung 
ins  Deutsche.  Luther  deckt  einen  Grundunterschied  der 
beiden  Sprachen  auf,  der  nur  in  der  modernen  Schriftsprache 
fast  völlig  überbrückt  erscheint,  und  er  hat  Recht,  seine 
Gegner,  welche  den  Unterschied  übersehen,  der  Unkenntnis 
deutscher  Sprache  zu  zeihen. 

In  den  Reihen  dieser  Gegner  müssten  wir  Hutten 
finden,  wenn  wirklich  seine  Prosa  sich  jenem  Übersetzer- 
deutsch des  Nicolaus  von  Weil,  einem  Deutsch,  hinter 
welchem  Wort  für  Wort  das  Lateinische  liegt'  mit  Wacker- 
nagel gleich  setzen  Hesse.  In  einer  überwältigend  grossen 
Anzahl  von  Stellen  hat  jedoch  Hutten  deutlich  bewiesen, 
dass  auch  in  dieser  Frage  sein  deutsches  Sprachgefühl  ihn 
nicht  verlassen  hat.  Wenn  er  dann  auch  in  manchen  Fällen 
dem  Einfhiss  des  Lateins  erliegt,  so  muss  daran  erinnert 
werden,  dass  auch  Luther  nach  eigenem  Geständnis  sich 
demselben  nicht  immer  ganz  entziehen  konnte. 

Es  ist  kein  Zufall,  dass  in  dem  von  Luther  angezogenen 
Beispiel  gerade  ein  Verbum  das  Abstractum  ersetzt;  denn 
in  der  grössten  Zahl  der  Fälle  findet  ein  Austausch  zwischen 
Abstract  und  Verbum  statt.  Diese  Erscheinung  ist  aus  der 
Entstehung  der  Abstracta  leicht  zu  erklären. 

Diese  Ersetzung  durch  ein  Verbum  braucht  nicht  immer 


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ABSTRACTA. 


29 


eine  Veränderung  des  Satzbaus  zur  Folge  zu  haben.  Der 
Satzbau  bleibt  ungeändert,  wenn  ein  mit  einem  Hilfsverb 
verbundenes  Abstract  entweder  allein  oder  sammt  dem  Verb 
in  ein  Verb  verwandelt  wird:  qua  rioleutia  quae  possit  esse 
yraviur.  quae  foedior  contumelia,  quae  f>eior  servitus?  Ist 
das  nit  ein  vngehörter  vnbillicher  gewaltsam?  Oder  wie 
möcht  man  vnß  nier,  vnnd  höher  beschweren?  Wie  möcht 
man  voriichtlicher  vnnd  schmälieher  vntertrucken  ein 
volck?  (156,  28).  Dies  Beispiel  ist  dadurch  besonders 
bemerkenswert!! ,  dass  es  die  allmähliche  Trennung  vom 
Abstract  zeigt,  ne  sit  svortandi  ittrum  occasio  'vff  das 
sye  .desto  weniger  zü  vnerlichem  leben  vorursacht  werden' 
(199,  18)  miseria  (est)  'ist  zü  erbarmen*  (249,  28). 

In  allen  übrigen  Fällen  wird  jedoch  durch  die  Um- 
wandlung des  Abstracts  in  ein  Verbum  ein  neuer  Nebensatz 
bedingt:  summae  spei  adulesceuti  prineipi  'dem  edlen  iüng- 
ling,  zu  dem  yederman  alles  güt  vorhoffen  ist'  (159,  25);  in 
tunta  verum  pvuuriu  'die  weyl  der  stifft  sollicher  massen 
vorderbt  ist'  (193,  21);  umnes  eins  observarent  motus,  omnem 
»crluderent  exitum  'wo  sich  die  hjnwegt,  bestelt,  wohjn  auß 
sye  wolt,  beschlossen  werde  (212,  23);  'imyudenfia  autem 
oerer uudiain  dissipat,  et  quo  minus  pudeat  ftagitii,  ipsa  efficit 
Wer  aber  zu  Rom  auff  kummen  wil,  darff  nit  vast  schewen, 
ein  groß  böß  wichts  stuck  züthün.  Hyrumb  muß  man  zü 
Horn  vnuorschampt  sein ,  vnd  vor  keiner  begangen  schand 
bald  rot  werden  (202,  34  ff.).  Das  letzte  Beispiel  über- 
schreitet bereits  die  Grenzen  der  einfachen  Ersetzung  des 
Abstracts  durch  ein  Verb,  konnte  aber  nicht  übergangen 
werden,  da  es  klar  zeigt,  wie  aus  der  Verdrängung  der  Ab- 
stracta  sich  andere  Verdeutlichungen  unmittelbar  ergeben. 

Eine  zweite  Art  der  Umwandlung  des  Abstracts  ist 
die  Einsetzung  durch  ein  Adjectiv:  Magna  cum  utilitate  et 
publica  commodo  'das  würt  auch  nutz  güt,  vnd  yderman 
erschißlich  sein'  (198,  23),  'ad  vitae  beatitudinem  'in  dem 
seligen  leben'  (227,  17). 

Nicht  alle  Fälle,  welche  die  auffallende  Bewahrung 
oder  gar  Einführung  eines  Abstracts  zeigen,  beweisen  ein 
Erliegen  vor  lateinischem  Einflüsse.   Fügungen  wie  'auß 


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30 


STILISTISCHES 


Bäpst liches  geytzes  anreytzung  vnd  bewegnülj  für  ooarifiae 
pontificalis  insünctu  (174,  23)  können  allerdings  den  latei- 
nischen Einfluss  nicht  verläugnen.  Dagegen  sind  zahlreiche 
Fälle,  in  denen  das  Verb  in  Abstract  und  Verb  zerlegt 
wurde,  aus  Forderungen  des  deutschen  Satzaccents  zu  er- 
klären. Andere  Fälle  sind  im  Abschnitt  'Hofsprache'  bereits 
erklärt. 

Die  hier  beobachteten  Erscheinungen  liefern  keinen 
Beitrag  zu  den  individuellen  Stilkriterien.  Überall  lassen 
sich  bei  Varnbüler  ähnliche  Wandlungen  aufweisen.  Charakte- 
ristisch sind  die  Beobachtungen  trotzdem,  weil  sie  Hutten 
in  freier  Bewegung  gegenüber  denjenigen  Kräften  des  Latein 
zeigen ,  denen  selbst  der  Sprachgewaltigste  und  endlich 
unsere  Sprache  als  solche  nachgeben  musste. 


PRONOMINA. 

Die  pronominalen  Bestandtheile  haben  bei  der  Über- 
setzung sich  eine  wesentliche  Einschränkung  gefallen  lassen 
müssen.  An  die  Stelle  der  substantivischen  und  adjecti- 
vischen  Pronomina  und  der  Pronominaladverbia  sind  in  sehr 
vielen  Füllen  die  Nomina  selbst  getreten.  Diese  Wendung 
lässt  sich  zunächst  aus  einem  allgemeinen  Stilunterschied 
der  beiden  Sprachen  begreifen.  Dem  lateinischen  Stil  ist 
ein  Beichthum  an  pronominalen  Bildungen  und  dessen  aus- 
gedehnteste Verwerthung  eigenthümlich.  Er  wird  durch  den- 
selben weder  in  seiner  Natürlichkeit  noch  in  seiner  Deut- 
lichkeit beeinträchtigt.  Von  dem  deutschen  Stil,  soweit 
nicht  die  moderne  Schriftsprache  in  Betracht  kommt,  darf 
man  in  allen  Puncten  das  Gegentheil  behaupten.  So  erklärt 
es  sich,  dass  jede  Übersetzung,  die  sich  nicht  die  peinlichste 
Nachahmung  der  lateinischen  Vorlage  zur  Aufgabe  gesetzt 
hat,  also  auch  Varnbüler,  nicht  wenige  Beispiele  dieser  Er- 
setzung aufzuweisen  hat :  haer  ille  detestabatur  Christus 
hat  die  krieg  gescholten*  (181 ,  32.  V.  'hat  Christus  den 
selben  verflucht'),  illius  .  .  huius  Pij  .  .  Julij'  (216,  17.  V. 
an  dem . .  an  dem)' ;  hoch  honore  'Bischoffl icher  Eeren  (194,  19. 


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PRONOMINA. 


31 


V.  'zum  ßistumb');  hie  'in  .teütschland'  (l.r>8,  34.  V.  'haussen'). 
An  einigen  Stellen  ist  der  Übergang  vom  Pronomen  zum 
Nomen  bei  Hutten  noch  erhalten:  ille  er  Carolus'  (176,  15. 
V.  'der  Keyser  Carolus),  Uli  'sye  die  Komanisten'  (210,  34. 
V.  sy ). 

Dieser  einfache  objective  Ersatz  der  Pronomina  kann, 
da  er  einem  ganz  allgemeinen  Zug  des  deutschen  Stils  ent- 
springt, für  Huttens  Stil  nur  insofern  bedeutsam  sein,  als 
er  bei  ihm  ungewöhnlich  häufig  durchgeführt  ist.    An  sich 
charakteristisch  ist  dagegen  derjenige  Ersatz,  den  man  am 
besten  den  subjectiven  nennen  kann.  Das  subjective  Urtheil, 
das  vielfach  in  dem  lateinischen  Pronomen  nur  angedeutet 
ist,  wird  in  deutliche  Worte  umgesetzt:  nemo  arhitrutnr 
'das  narrisch  volck  glaubt  nit'  (228,  22.  V.  vil  leüt  meynen 
.  .  kein'),  hae  'die  gütten  frommen  weyblinn  (228,  35.  V. 
ettliehe);  mores  hos  'ire  böße  sitten  (219,  34.  V.  'dißer  boß- 
heit'j,  illml  bellum  ein  vast  schädlicher  krieg  (195,  24.  V.  'der 
krieg').     Wenn  sich  auch  zuweilen  ein  solcher  Fall  bei 
Varnbüler  findet,  so  ist  doch'  die  Erscheinung,  zumal  in 
ihrer  vollen  Ausbildung,  fast  nur  bei  Hutten  festzustellen. 
Es  ist  seinem  Stil  eigen,  dass  die  Flamme  des  Unwillens, 
welche  der  lateinische  Kedner  durch  jene  Pronomina  halb 
verdeckt,  im  Deutschen  überall  durchbricht  und  in  scharfen 
Worten  hell  auflodert. 

Um  ein  statistisches  Beispiel  der  Wirkung  dieser  Be- 
strebung zu  geben,  mögen  die  Zahlen  verglichen  werden, 
welche  das  Auftreten  des  Namens  Teutsch  oder  Teutsch- 
landt  lind  Germani  oder  Germania  bezeichnen.  Allerdings 
kann  hier  zuweilen  nicht  bloss  die  Abneigung  gegen  das 
Pronomen,  sondern  auch  eine  patriotische  Neigung  für  den 
Namen  wirksam  gewesen  sein.  Der  Umstand  aber,  dass 
dieselbe  Erscheinung  auch  bei  gleichmütigen  Städtenamen 
(z.  B.  150:  viermal  Meilitz,  während  es  im  Latein  gar  nicht 
vorkommt)  sich  zeigt,  beweist  zur  Genüge,  dass  hauptsäch- 
lich die  hier  zu  besprechende  Kichtung  gegen  das  Pronomen 
wirksam  gewesen  ist: 

Latein:  57.         Varnbüler:  64.        Hutten:  79. 


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32 


STILISTISCHES. 


BILDER. 

Die  Behandlung  der  bildlichen  Ausdrücke  bietet  einen 
vorzüglichen  Massstab  für  die  Sorgfalt  und  Gewandtheit 
des  Ubersetzeis  und  die  Lebendigkeit  und  Anschaulichkeit 
der  Übersetzung.  Es  lassen  sich  mehrere  Arten  der  Be- 
handlung deutlich  von  einander  scheiden  :  der  bildliche  Aus- 
druck wird  übernommen,  wird  weiter  ausgeführt,  wird  durch 
einen  neuen  ersetzt,  wird  in  einen  unbildlichen  umgewandelt. 
Ein  Vergleich  der  beiden  Übersetzungen  ergibt  fast  durch- 
gehend* einen  Unterschied  zwischen  Hutten  und  Varnbüler, 
welcher  stets  zu  Gunsten  des  ersteren  spricht.  Es  kann 
kein  Streit  darüber  bestehen,  dass  man  von  einem  Über- 
setzer die  Bewahrung  der  Bildlichkeit  eines  Stils  fordern 
muss,  wenn  man  diesen  nicht  in  seinem  Charakter  und 
in  seiner  Wirkung  schädigen  lassen  will.  Während  nun 
Hutten  alle  jene  Arten  der  Behandlung  pflegt,  welche  die 
Bildlichkeit  des  Stils  bewahren  oder  erhöhen,  gibt  sich  Varn- 
büler am  häutigsten  der  Umwandlung  des  bildlichen  Aus- 
drucks in  einen  blassen  unbildlichen  hin,  die  bei  Hutten 
uns  gar  nicht  begegnet.  Aus  der  grossen  Menge  der  Fälle, 
welche  sich  hier  zur  Beurtheilung  bieten,  sollen  nur  einige 
hervorstechende  ausgewählt  werden,  um  an  ihnen  die  Gründe 
und  Wirkungen  der  verschiedenen  Behandlungsweisen  dar- 
zulegen. Sie  werden  geordnet  nach  der  Art  der  Behand- 
lung, welche  Hutten  ihnen  angedeihen  lässt. 

Der  bildliche  Ausdruck  wird  von  Hutten  nicht  so  oft 
einfach  übernommen,  wie  man  erwarten  möchte.  Die  Gründe 
der  Abweichungen  werden  mit  diesen  zusammen  behandelt. 
Anulhemate  conßxit  pontifex  'hat  der  Bapst  mit  dem  bann 
geschossen  (192,  2<i.  V.  'hat  der  Bapst  in  den  Bann  gethon), 
vix  jHiuca  attiyissv  'er  hette  noch  erst  ein  wenig  obenhyn 
berurt'  (207,  38.  V.  'er  hett  vil  vergessen'),  levare  adversum 
se  digitum  einen  finger  gegen  jnen  auffheben  (237,  28.  V. 
'ein  finger  wider  sy  auffheben'). 

Die  Fälle  der  einfachen  Übernahme  sind  eingeschränkt 
zunächst  dadurch,  dass  Hutten  durch  seine  Neigung  zu 
grösserer  Sinnlichkeit  im  Deutschen  dazu  geleitet  wird,  die 


v 


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BILDER 


bildlichen  Ausdrücke  weiter  auszuführen  und  so  fast  zu 
einem  Gleichnis  zu  gestalten:  qni  cerebro  carent  'in  deren 
kopffen  kein  hyrn  meer  ist'  (210,  32.  V.  'der  nit  bei  sinnen 
ist ),  spiriUdki  nobis  seminareut  'sye  einen  geistlichen  somen 
vnder  vns  würffen'  (222,  19.  V.  'sy  vns  nur  geystliche  gütter 
saeten),  eertum  est  veteri  nausea  desuetum  denuo  vexare 
stomachwn,  ut  haue  breviter  devoremus  molestiam  et  obduetam 
refriceniHS  ckatrirem  'dann  ich  hab  mir  vorges&tzt,  meinen 
magen.  der  solliches  grawens  schon  entwonet  was,  widerumb 
vff  ein  newes  zu  belastigen,  damit  wir  kürtzlich  diße  vnlü- 
stige  speyß  vorschlicken,  vnd  den  ruf,  damit  die  alte  wund 
überzogen  was,  widerumb  abklawben  (189,  34.  V.  dann  ich 
muß  ye  sollich  feyndtselig  ding  noch  ein  mal  hören,  wie 
wol  ichs  schier  entwonet  binn).  Der  Unterschied  der  beiden 
Übersetzungen  und  die  Eigenheit  einer  jeden  kann  nicht 
klarer  hervortreten  als  in  der  letzten  Parallele. 

Am  meisten  liebt  Hutten  die  Ersetzung  durch  ein 
neues  Bild,  während  Varnbüler  hier  wie  vorher  meist  der 
Umwandlung  in  einen  unsinnlichen  Ausdruck  huldigt :  conni- 
ret  aheriter  gar  frölichen  durch  die  hnger  sycht'  (214, 
:17.  V.  'verwilligt'),  laqueos  iniciendi  Christionac  libertati 
'Christlicher  freyheit  hand  an  zulegen'  (224,  28.  V.  'der 
Teütschen  freyheit  mochte  strick  anwerfen1),  execrationibus 
ftdmhiabunt  'werden  mit  bannen  vnd  maledeyung  vmb  sich 
werfen*  (237,  30.  V.  'vnd  verfluchen  vnd  in  Bann  thftn),  ei 
quod  sie  peperis  deereto  'was  er  also  zymmert'  (225,  27.  V. 
'was  er  dann  also  beschleußt').  An  einer  langen  Reihe  von 
Beispielen  Hesse  sich  immer  dieselbe  Erscheinung  aufzeigen, 
dass  bei  Hutten  zwar  oft  das  Bild  der  Vorlage  wegge- 
schnitten wird,  immer  jedoch  ein  neues  zum  Ersatz  an 
derselben  Stelle  hervorspriesst. 

Für  den  Übergang  des  bildlichen  Ausdrucks  in  einen 
unbildlichen  sind  in  Huttens  Verdeutschung  kaum  sichere 
Beispiele  zu  finden,  während  Varnbülcrs  Übertragung  solche 
fast  bei  jedem  Griff  geboten  hat. 

Die  angeführten  Beispiele  rechtfertigen  den  Eingangs- 
satz. Aus  den  Zusammenstellungen  ergiebt  sich,  wie  hin- 
gebend und  gewandt  Hutten  gearbeitet  hat  und  wie  an- 

Q.F.  LXVII.  3 


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STILISTISCHES. 


schaulich  und  lebendig  seine  Arbeit  geworden  ist.  Die 
lebendige  Anschaulichkeit  ist  ein  Haupterfordemis  des 
volksthümlichen  Schriftstellers.  In  auffallender  Stärke  hat 
sich  diese  Seite  von  Huttens  Stil  in  seinen  ursprünglich 
deutschen  Schriften  weiter  entwickelt.  Schon  oben  wurde 
erwähnt,  wie  der  bildliche  Ausdruck  ins  Gleichnis  übergeht. 
Ein  vorzügliches  Beispiel  solchen  Ubergangs  bietet  eine 
Parallele  der  '(lag  vnd  vormanung  zu  einer  oben  ange- 
führten Stelle  des  Vadiscus  (224.  2S) : 

Hyerumb  wo  etwas  frey  noch  wer, 

bald  bringen  sye  ein  vrsach  her 
zfi  fassen  das  mit  einem  strick. 

do  werden  gstellet  garn  vnd  rick, 
vff  dass  nur  hye  kein  frcyheit  bleib.  |74S  tt.) 

Während  im  Latein  das  Bild  so  leise  angedeutet  war, 
dass  es  leicht  durch  ein  anderes  ersetzt  werden  konnte, 
hat  Hutten  es  im  deutschen  Gedicht  zu  einem  Gleichnis 
erweitert,  das  ganz  deutlich  die  sinnliche  Anschauung 
als  Quelle  verräth.  In  demselben  Gedicht  finden  sich  noch 
mehrere  Beispiele,  welche  die  grössere  Sinnlichkeit  als  einen 
Vorzug  der  deutschen  Schritten  Huttens  beweisen.  Auch 
sie  sind  Spiegelungen  des  Ritterlebens: 

vil  frommer  Teütschen  seind  bedacht 
die  werden  greyffen  eiich  in  zaum 

dann  werdt  ir  vns  entryten  kaum.    (450  ff.) 

Doch  ist  der  geytz  der  sye  das  heisszt 
der  Bapst  mit  dilien  falcken  bcisszt, 
die  jagen  jm  das  wiltprecht  auff.    (403  ff.J 

Solche  Beispiele  hat  Huttens  Latein  nicht  aufzuweisen. 
Der  Humanist  wirthschaftet  mit  den  Stellen  antiker 
Schriftsteller,  die  schon  oft  zur  Belebung  und  Ausschmückung 
verwendet  sind.  Ein  fertiges  Bild  zu  übernehmen  erfordert 
nicht  die  gleiche  Kraft  der  Sinnlichkeit  wie  die  Schöpfung 
eines  neuen  Bildes  aus  eigener  Anschauung.  Die  grössere 
Kraft  der  Sinnlichkeit,  welche  sich  mithin  in  den  ursprüng- 
lich deutschen  Schriften  olfenbart,  ist  auch  wirksam  ge- 


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CITATfc. 


wesen  bei  der  Übersetzung.  Die  eigentümliche  Weise,  in 
welcher  Hutten  im  Gegensatz  zu  Varnbüler  die  bildlichen 
Ausdrücke  behandelt,  und  die  Schöpfung  neuer  Bilder  aus 
der  eigenen  Anschauung  liegen  auf  derselben  Linie  der  Ent- 
wicklung seines  Stils. 

CITATE. 

Der  Dialog  ist  von  einer  langen  Reihe  von  Citaten 
durchzogen,  die  zum  grösseren  Theile  aus  römischen  und 
griechischen  Schriftstellern  und  nur  zum  kleineren  aus  der 
Bibel  stammen.  Die  Übersetzung  der  biblischen  Citate  als 
solcher  bietet  wenig  Charakteristisches.  Hingegen  lassen 
sich  mehrere  wichtige  Eigenthümlichkeiten  Huttenschcn 
Stiles  aus  der  Behandlung  der  classischen  Citate  abnehmen. 
Für  diese  hat  Hutten,  da  sie  nicht  als  Beweisstücke,  son- 
dern als  Schmuckstücke  der  Rede  eingefügt  sind,  mit  Recht 
ihre  wesentliche  Form  zu  bewahren  gesucht.  Während  Varn- 
büler auch  die  Citate  in  gebundener  Sprache  prosaisch  um- 
arbeitet, hat  sie  Hutten  in  metrischer  Form  herübergenommen. 
Statt  der  lateinischen  Hexameter  ist  jedoch  überall  die 
deutsche  Form  der  Reimpaare  gewählt.  Wenn  man  sich 
vergegenwärtigt,  dass  vor  der  Übersetzung  des  Vadiscus 
bereits  die  Clag  vnd  vormanung  liegt,  so  ist  es  erklär- 
lich, dass  in  diesen  metrischen  Übersetzungen  Hutten  eine 
solche  Gewandtheit  zeigt,  dass  er  beispielsweise  in  den 
ungefähr  fünfzig  Versen  Vergils,  die  er  citirt,  die  Murnor- 
sche  Arbeit,  die  er  übrigens  nicht  gekannt  hat,  weit  über- 
trifft.   Seine  Verdeutschung  ist  treffender  und  knapper. 

Eine  sehr  gewichtige  Änderung  zeigt  die  Art  der 
Einfügung  der  Citate.  In  der  lateinischen  Fassung  sind 
mit  wenigen  Ausnahmen  die  Citate  ohne  irgend  welcho 
Quellenangabe  zu  finden.  Wie  sehr  hiervon  die  Behandlung 
in  der  Übersetzung  verschieden  ist,  lässt  sich  an  den  zehn 
Vergilcitaten  zeigen.  Im  Latein  sind  sie  ausser  zwei  Fällen 
(Virgilianum  244,  10;  Vergiliano  247,  4)  ohne  "weiteres  in 
die  Rede  aufgenommen.  In  der  Übersetzung  heisst  es  drei- 

3* 


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36 


STILISTISCHES. 


mal  als  (wie)  Virgilius  sagt  (spricht)'  (I6.r>,  29;  235,  24  ; 
237,  19);  je  einmal  als  der  poet  sagt'  (243,  32),  'von  den 
geschrieben  (244,  19);  in  einem  der  beiden  bezeichneten 
lateinischen  Fälle  tritt  auch  die  Person  hinzu,  die  bei  Vergil 
gemeint  ist:  'die  reüber  (244,  28);  in  zwei  Fällen  findet  sich 
mit  der  Nennung  des  Dichters  auch  der  Name  der  Person 
ein:  'Sinonis,  von  dem  Vergilius  schreybt'  (159.  35),  als  sye 
jm  Virgilio  Dranccs  zürn  Turno  sagt'  (173,  23).  Nur  einmal 
fehlt  wie  im  Latein  die  Nennung  des  Dichters  (257,  20). 
Varnbüler  hält  sich  in  dieser  Hinsicht  streng  an  das  Latein. 
Ein  analoger  Fall  für  biblische  Citate :  wie  Christus  gesagt* 
(229,  32).  Wie  schon  aus  den  Vergilischen  Beispielen  zu 
sehen  ist,  will  die  Einleitung  zuweilen  nicht  mehr  als  eine 
Art  hörbarer  Anführungsstriche  für  das  ungeschultere 
deutsche  Publicum  sein:  als  man  spricht*  (237,  26).  als  das 
Sprichwort  sagt*  (236,  36). 

Auch  der  Inhalt  der  Citate  erfahrt  bei  Hutten  eine 
charakteristische  Änderung.  Die  individuellen  Bestandteile 
der  Citate  werden  ausgemerzt,  da  sie  zwar  der  Leser  des 
lateinischen  Dialogs,  nicht  aber  der  Leser  der  Übersetzung 
sich  zu  erklären  weiss.  So  werden  die  Namen  aus  Ver- 
gilischen Versen  entfernt  :  Murpesia ccwtes  'felß'  (165,  31.  V. 
'fels).  Dass  Varnbüler  hier  den  Namen  nur  fortgelassen 
hat,  weil  er  ihn  nicht  verstand,  und  welche  Verwirrung 
durch  die  einfache  Übernahme  der  Namen  angerichtet  wird, 
zeigt  sich  an  einem  anderen  Beispiel,  das  auch  zu  den 
früheren  Beobachtungen  stimmt:  nemo  ausu*  est  tarnen  recla- 
nia  re  Uli  vel  Iiis  rerbiat, 

(Juid  miaeroa  totus  in  operta  pericula  cires 

Proiici\  o  Latio  caput  horum  et  cauasn  tmilortim?  [Verg.  11,  360  f.] 

Hutten:  yedoch  hat  jm  sollichs  niemant  vnbilligen  gedornten, 
noch  entgegen  reden,  auch  nür  mit  Worten,  der  gleychen  als 
sye  jm  Virgilio  Drances  zum  Turno  sagt. 

0  haupt  vud  vrsprung  aller  sach 

Die  vns  hau  bracht  in  vngciiiaoh, 
Wenn  hörest  auff,  in  offne  not 

Das  volck  zu  fAren  vnd  den  tot?'    (173,  22  ff.) 

Varnbüler:    so  dorffte  dannocht  niemants  das  maul  gegen 


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CITATK. 


87 


jra  auffthnn ,  oder  dise  wort  zu  jhm  sagen  ,  Was  bringstu 
die  armen  Burger  in  solche  grosse  gefärligkeyt,  der  du  eyn 
anfang  vnnd  hauptsacher  bist  alles  jamers,  so  über  das 
Welschlandt  geht*. 

Zum  Vergleich  der  Versübersetzung  möge  auch  Murner 
angeführt  werden: 

0  Turne  wie  so  manigs  mul 

in  sachen  die  seind  Schadens  vol 
Stosscstu  dein  burger  drein 

die  wol  zufrieden  mochten  sein 
Du  bist  ales  bösen  vnfals 

das  haupt,  den  welschen  lendern  alli.  (154  b.) 

Bei  der  unmittelbaren  Einfügung  des  Citats  durch  Varn- 
büler muss  die  Klage  über  das  'Welschland',  da  doch  im 
Latein  von  der  ganzen  Christenheit  die  Rede  ist,  ganz 
unverständlich  bleiben. 

In  ähnlicher  Weise  hat  Hutten  qiiantam  riov  y.axiov 
llhudu  mit  'weihe  einen  hauffen  großes  Übels  ertzelest  du 
(215,  27)  übersetzt,  während  Varnbüler  ans  dem  Parallel- 
glied ijiude  praesHyium  für  das  ihm  unverständliche  Griechisch 
was  verzweifelten  dings  ergänzt. 

Einmal  hat  Varnbüler  ein  griechisches  Citat  richtig 
übersetzt,  wol  mit  fremder  Hilfe,  weil  die  griechischen 
Worte  in  seiner  Übersetzung  sonst  falsch  oder  gar  nicht 
wiedergegeben  werden.  Der  Fall  mag  angeführt  werden, 
denn  er  zeigt,  wie  umständlich  Hutten  bei  der  Verdeutlichung 
der  Citate  seinem  deutschen  Publikum  gegenüber  sein  zu 
müssen  glaubt:  at  Bomanornm  virtutem  pro  extineta  habent 
omnes,  ut  in  hac  re  proverbium  iactetur  etium, 

HdXai  .vor'  tjaav  uXxtfiot  Ahbjmot. 

'Der  Römer  macht  haltt  man  vor  auß  gestorben  vnd  ver- 
gangen, so  gar,  dz  auch  ein  Sprichwort,  so  etwan  vff  die 
Milesier  geredet,  yetzo  auff  die  Kömer  gezogen  würt.  das 
ist,  'Etwan  waren  Römer.  (250,  34.  V.  'der  Römer  dapffer- 
keyt  langest  abgangen  vnd  erloschen  ist,  also,'  das  man 
auch  derhalben  das  Griechisch  Sprüchwort  auff  sy  deüttet, 
die  Milesier  seind  etwan  streng  vnd  dapffer  gewesen'). 


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38 


STILISTISCHES. 


Wie  leicht  wird  im  Latein  das  Citat  auf  die  Römer 
übertragen,  wie  schwer  und  vorsichtig  im  Deutschen  auf 
sie  hinüber  gezogen! 

Aus  der  Behandlung  der  Citate  geht  uns  recht  klar  das 
Bild  des  Humanisten  auf,  der  zu  seinem  Volk  herabsteigt. 

ERKLÄRUNGEN. 

Die  Erkenntnis  des  Unterschiedes  zwischen  den  beiden 
Leserkreisen  der  lateinischen  uud  der  deutscheu  Schrift  hat 
Hutten  am  deutlichsten  belegt  durch  die  'vorred  vnd  auß- 
legung\  die  er  der  Übersetzung  des  Dialogs  'lnspicientes'  bei- 
fügte.1 Für  den  Leser  des  lateinischen  Werkes  hatte  es  nach 
seiner  Meinung  keines  Commentars  bedurft,  der  dio  zahl- 
reichen antiken  Elemente  des  Dialogs  in  ihrer  historischen 
und  litterarischen  Bedeutung  erläuterte.  Dem  Leser  des 
deutschen  Gesprächs  glaubte  er  jedoch  einen  solchen  Leit- 
faden an  die  Hand  geben  zu  müssen,  weil  4diß  nachfolgend 
büchlin,  etzwas  mer  dann  die  vorigen,  vff  poetische  art  zü- 
gericht1  sei.  Auch  in  dem  unmittelbar  vorhergehenden  Stück 
des  Gesprächbüchleins,  dem  Vadiscus,  zeigt  Hutten,  wenn 
auch  nicht  in  einer  zusammenfassenden  Einleitung,  so  doch 
in  mannigfachen  Zusätzen,  dass  er  auf  die  geringeren  Kennt- 
nisse seines  deutschen  Publikums  Rücksicht  nimmt.  Durch 
kleine  Änderungen  sucht  er  sowohl  Elemente  der  antiken  Sage 
und  Geschichte  wie  des  römischen  Kirchenrechts  für  seine 
deutschen  Leser  in  ein  helleres  Licht  zu  rücken.  So  setzt 
Hutten  an  die  Stelle  eines  allgemeinen  Hinweises  auf  die 
Verdienste  des  Tacitus  Tacitum . .  authorem,  quo  nemo  de  ve- 
teri  nationis  huius  laude  meritus  est  melius  eine  Erklärung 
dieses  Lobes  4Tacitum  . . ,  so  doch  kein  historien  schreyber 
mer  von  vuserm  volck  geschriben,  vnd  vnsere  alten  lob  höch- 
licher  gepreist  hat1  (154,  35).  Den  Vergleich  zwischen  der 
Aufnahme  der  römischen  Legaten  seitens  der  Deutschen  und 
der  Einholung  des  hölzernen  Pferdes  seitens  der  Trojaner 


1  H.  W.  4,  270  f. 


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ERKLÄRUNGEN. 


39 


macht  er  durch  den  Zusatz  des  Vergleichuugspuuktes,  deu 
die  Leser  der  lateinischen  Fassung  aus  ihrer  Kenntnis  des 
Trojanerkriegs  selbst  ergänzen  konnten,  für  das  Publikum 
der  deutschen  Übersetzung  verständlich:  'vnd  vff  die  ver- 
storung  zogen'  (230,  31).    Statt  der  leise  andeutenden  Worte 
ceterum  Mos  spmtrias  setzt  Hutten  den  klareren  Hinweis 
•den  keyser  Tyberium,  vnd  seine  künstiger,  die  er  Spintrias 
nennet'  (182,  26).    Wie  nöthig  diese  Erklärung  war,  zeigt 
Varnbülers  Auslassung  der  Stelle.  Dass  Hutten  nicht  immer 
sich  ganz  auf  den  Standpunkt  seiner  deutschen  Leser  zu 
stellen  vermochte,  beweist  eine  zweite  Auslassung  Varn- 
bülers: den  Hinweis  auf  das  Prytaneum  (184,  34),  den  Hutten 
ohne  jeden  Zusatz  übernehmen  zu  dürfen  meinte,  hat  sicher- 
lich das  deutsche  Publikum  ebenso  wenig  verstanden,  wie 
Varnbüler.    Vorsichtiger  noch  als  dieser  ist  Hutten,  wenn  er 
das  Vergilische  ultima  Thüle  durch  ietsten  Ißlandt'  (242,  26) 
ersetzt. 

Auch  auf  kirchcnrechtlichem  Gebiet  kommt  Hutten  dem 
Verständnis  seiner  Leser  entgegen.  Auf  die  Übersetzungen, 
die  er  den  Fachausdrücken  beigibt,  wurde  schon  in  Abschnitt 
'Fremdwörter'  hingedeutet:  pectoralis  reservatio  'die  vorbe- 
haltung im  hertzen,  pectoralis  reseruatio  genennt'  (180,  22). 
Vielleicht  gar  zu  bedächtig  erklärt  er  patronis  durch  'patron 
(das  ist  einer  der  ein  lohen  gestifft  hat)'  (241,  31).  Zuweilen 
hebt  er  den  technischen  Ausdruck,  den  er  verdeutlichen  will, 
aus  dem  Satzgefüge  heraus,  in  das  er  in  der  Vorlage  zu  tief 
hineingearbeitet  ist,  um  das  nöthige  Licht  erhalten  zu  können  : 
eorum  qtiae  semel  locavit  pontifex  regressum,  ut  vocant  'Etwan 
was  gewonheit,  wann  der  Bapst  schon  ein  mol  etzwas  ver- 
lyhen  hatt,  das  es  doch  darnoch  wider  an  den  Ordinarien  fyelc. 
daß  hyessz  man  Regressz'  (206,  31). 

Auch  Varnbüler  hat,  abgesehen  von  den  Übersetzungen 
der  Fachausdrücke,  einen  eigenen  Erklärungsversuch  unter- 
nommen, der  jedoch  kaum  anders  als  aus  dem  Bestreben  zu 
begreifen  ist,  das  Verständnis  für  eine  Anspielung  Huttens 
zu  bekunden :  Nimirum  Petri  successores  piscari  decet  (226,  26) 
versieht  er  mit  dem  gänzlich  überflüssigen  Zusatz:  'dieweil 
er  auch  ein  vischer  gewesen  ist'. 


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40 


STILISTISCH  KS. 


POLEMIK. 

Aus  dorn  tiefgründigen  Quell  des  Zornes,  dem  der  Va- 
discus  entsprang,  hat  auch  die  deutsche  Übersetzung  un- 
mittelbare Zuflüsse  erhalten.  Die  Strömungen  des  Zornes, 
die  den  Vadiscus  durchziehen,  gehen  durch  die  Verdeutsch ung 
mit  noch  stärkerem  Wellenschlag.  Diese  Erscheinung  ist 
nicht  allein  daraus  zu  erklären,  dass  die  polemischen  Stellen 
unter  dem  Einflüsse  der  Gefühle,  aus  denen  sie  vor  kurzem 
entstanden  waren,  bei  der  erneuten  Bearbeitung  auch  ohne 
bewusste  Absicht  des  Verfassers  anschwellen  mussten.  An 
der  Verstärkung  der  Polemik  hat  vielmehr  eben  so  sehr  die 
Rücksicht  auf  das  veränderte  Publicum  ihren  Autheil.  Der 
lateinische  Schriftsteller,  der  auf  einen  feinhörigen  gebildeten 
Leserkreis  rechneu  kann,  darf  sich  der  derben  Mittel  ent- 
schlagen,  die  der  deutsche  Schriftsteller  anwenden  muss,  um 
auf  die  breite  Masse  des  Volkes  kräftig  zu  wirken. 

Von  den  zahlreichen  Mitteln,  die  Hutten  zur  Verstärkung 
der  Polemik  braucht,  ist  eines  der  allerwirksamsten  schon 
unter  anderem  Gesichtspunkte  gewürdigt:  die  Synonyma. 
Eine  verwandte  Erscheinung  ist  das  Hinzutreten  eines  oder 
mehrerer  Attribute  zu  einem  Substantiv;  denn  wie  bei  den 
Synonymen  liegt  die  beabsichtigte  Wirkung  in  der  Wucht 
des  mehrgliedrigen  Ausdrucks:  avaris  'geytzigen  geltfressern1 
(153, 10),  impostoriöm  'eytelen  auffsätzigen  betriegern'  (1 72, 24). 

Zum  kräftigen  Ausdruck  des  Mitleids  und  der  Gering- 
schätzung bedient  sich  Hutten  gern  des  Deminutivs,  so  dass 
er  zu  den  in  der  Vorlage  gegebeneu  noch  neue  hinzufügt.  Varu- 
büler  hingegen  lässt  die  Deminutive  fallen  und  giebt  auch 
keine  neuen,  wenn  mau  von  Verbindungen  wie  'nit  ein 
diugle,  nit  oiu  würtlin'  absieht:  palliolum  'hüpsch  mäutelin' 
(192,  34.  V.  'pallium'),  oratorculum  'ein  legatlm'  (245,  27.  V. 
'vermeynten  Redner') ;  ovibiis  'schäfnin'  (204,  29.  V.  'schaffen), 
populum  'volckliu'  (220,  21.  V.  fehlt),  midieres  'die  guten 
freülin  (228,  32.  V.  'die  weiber'). 

AVenn  es  gilt,  einen  Begriff  wirksam  herauszuhebeu, 
greift  Hutten  oft  zur  Litotes,  während  Varnbüler  sie  nur  selten 


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POLEMIK. 


wählt.    Sie  tritt  nicht  nur  für  einen  positiven  Ausdruck  ein, 
sondern  entsteht  auch  neu  als  Attribut  eines  Substantivs: 
iniquissime  comparatum  est  'es  ist  ye  nit  wol  verglichen'  (22b*, 
28.  Y.  'das  rheymet  sich  ye  gar  über),  grave  sit  'nit  behaglich' 
(230,  20.  V.  'nitt  gern');  periculum  est  'es  ist  nit  ein  kleine 
farne*  (207,  31.  V.  'ein  grosse  gefar),  nefas  ducant  'nit  vor 
ein  gering  missethat  achten'  (225,  21.  V.  'eyn  grosse  sünd). 
Die  beiden  letzten  Beispiele  sind  ausserordentlich  bedeutsam 
dadurch,  dass  beide  Übersetzer  einen  verstärkenden  Zusatz 
für  nöthig  finden  und  Hutten  in  beiden  Fällen  die  Litotes 
einsetzt. 

Das  wirksamste  rhetorische  Mittel  neben  den  Synonymen 
ist  die  antithetische  Herausarbeitung  der  in  der  Vorlage  nicht 
immer  scharf  genug  abgehobenen  Gegensätze.  Entweder 
wird  zu  der  einfachen  Aussage  das  Gegentheil  gesetzt  und  so 
der  Satz  antithetisch  gestaltet  oder  es  werden  die  in  der 
Vorlage  zerflossenen  oder  nur  augedeuteten  Gegensätze  scharf 
in  einem  eigenen  Satz  einander  gegenübergerückt:  indignum 
'nit  billich  oder  recht,  auch  vngebürlich'  (158,  26),  qnando 
detravtum  huiuscemodi  omne  prope  velum  est  'dann  der  Homer 
trngerey  (die  bißher  vordeckt  gewest  vnd  nit  idermau  bo- 
kendt)  hat  yetzo  iren  deckel  verloren'  (160,  22).  Durch 
die  Hinzufügung  des  Gegensatzes  wird  die  Aussage  selbst 
wirksam  eingeleitet  und  wie  durch  kräftiges  Ausholen  dem 
Hieb  grössere  Wucht  verliehen.  Die  neu  eingefügten  anti- 
thetischen Sätze  sind  von  sehr  verschiedenem  Umfange.  Bald 
wird  der  antithetische  Sinn  vorhergehender  Sätze  ganz  kurz 
in  einem  'er  sey  reych  oder  arm'  (228?  24)  zusammeugefasst, 
bald  auch  der  in  der  Vorlage  nur  angedeutete  Gegensatz  mit 
nachdrücklicher  Breite  ausgeführt:  quid  autem  refert  quibus 
armis  vincatur  Germania  'weissz  kevn  vuterscheid,  ob  Teütsch 
land  mit  eysen,  pley,  oder  anderm  metall  überwondeu  werde, 
dann  das  sich  zü  schämen  ist,  vus  die  auch  gegen  stahel  vnd 
eysen,  vnüberwiudtlich  bleiben  solten,  mit  pleyeneu  Schwerfen 
gezwungen  werden'  (244,  33).  Hierher  gehört  auch  die  Verbin- 
dung zweier  Sätze  durch  ein  *vnd  nit  allein',  das  den  Inhalt 
des  mit  'sonder'  folgenden  Satzes  antithetisch  vorbereitet:  ita 
luimus,  ut  iniitriam  adhuc  fingert  rotidie  patiamur  "entgeltung 


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42 


STILISTISCHES. 


tragen,  vnd  das  nit  allein,  sondern  auch  lassen  wir  vns  nach 
täglich  mer  vnd  weyter  mit  beschwärungen  überladen'  (191, 
23).  Ein  solcher  Satz  mit  *nit  allein'  wird  zuweilen  aus  den 
vorhergehenden  Sätzen  heraus  neugeschaffen:  Immo  quem 
meminimus  veterum  relatione  etiam  aut  literarum  traditione 
aliquot  iam  seculis?  'Nit  allein  mag  vns  keines  sollichen  ge- 
dcncken,  sonder  auch  hör  ich  nit  von  den  alten,  das  bey  iren 
zeyten  einer  gewesen'  (183,  27). 

Nicht  sowol  auf  eine  einfache  Hebung  des  polemischen 
Tones,  wie  zumeist  die  bisher  besprochenen  Mittel,  als  viel- 
mehr auf  die  Deutlichkeit  der  Polemik  wirkt  eine  Erscheinung, 
die  theilweise  schon  berührt  wurde :  das  gerade  Aussprechen 
des  subjectiven  Urtheils.  Wie  Hutten  statt  der  Pronomina 
charakteristische  Nomina  setzt,  so  fügt  er  zu  den  objectiven 
Angaben  der  Vorlage  Randbemerkungen  seiner  persönlichen 
Ansicht,  die  er  ebenso  wie  den  Inhalt  der  Pronomina  von 
den  Lesern  der  lateinischen  Schrift  einfach  hatte  errathen 
lassen:  arbitrantes  'so  gantz  närrisch,  das  etliche  meinen' 
(154,  21),  existimant  4Vnd  meynen  die  törechten  menschen' 
(228,  30).  Mit  Vorliebe  verwendet  Hutten  zu  diesem  Zweck 
den  losen  parenthetischen  Einschub:  suadefite  diabolo  Stuß 
rot  des  teüfcls  (als  sye  das  nennen)1  (230,  35),  vetustissimam 
donationem  (Constantini)  Von  dißer  so  alten  (wie  sye  sprechen) 
Übergebung  (174,  36). 

Hierher  gehört  auch  die  Behandlung  der  rhetorischen 
Fragen,  die  häufig  in  Aussage-  und  Aufforderungssätze  um- 
gewandelt werden,  um  die  Deutlichkeit  und  Eindringlichkeit 
für  den  deutschen  Leser  zu  erhöhen:  quid  posset  fieri  nefa- 
rium  magis?  'so  möcht  doch  grösser  sünd  vnd  schand  nit 
geschehen'  (180,  20),  nam  quid  Diocletianum  ethnicum  sie 
detestari  oportet  'Derhalben  mich  offt  wondert  das  man  dem 
heyden  Diocletiano  . . .  den  grösten  hochmüt  zü  schreibt'  (182, 
36),  Immo  quid  illorum  convenit?  'Wie  sich  auch  andere  ire 
sachen  reümeu  vnd  fügen'  (184,  21),  quid  orari  te  pateris? 
iassz  dich  nit  lang  bitten'  (167,  26).  Varnbüler  bewahrt  fast 
ohne  Ausnahme  die  rhetorischen  Fragen  der  Vorlage. 

Die  Form  der  parenthetischen  Zusätze  wählt  Hutten 
auch,  um  neue  Stösse  auf  den  Gegner  zu  fuhren :  ubi  rescisso 


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POLEMIK. 


43 


foedere  in  contraria*»  deelinare  partem  placuit  'So  bald  er 
aber  (als  sein  gewonheit  was)  das  bündnuß  zerschnitten,  viid 
vff  die  gegen  seiten  gefallen  ist'  (238,  25);  die  Parenthese  ist 
nicht  immer  deutlich  bezeichnet:  qitia  Leonis  X.  bulla  can- 
tnm  sitf  nequis  enm  denuo  excudat  decennium  intra  *vnib  einer 
bullen  willen,  die  der  Bapst  deßhalben  hat  lassen  außgeheu, 
darinnen  er  vff  das  der  Komisch  trücker  desto  mer  gewinne, 
vnd  auß  keiner  anderen  vrsach,  vorbeut,  das  man  genanten 
Tacirum  in  zehen  iaren  nit  wider  soll  trocken'  (153,  34). 
An  solchen  den  Gegner  noch  mehr  erniedrigenden  Zusätzen 
hat  wol  mehr  die  Berechnung  auf  das  Publikum  als  die 
innere  Erregung  gearbeitet. 

Auch  in  formell  und  inhaltlich  selbständigen  Einschoben 
macht  sich  das  Bestreben  geltend,  die  schwachen  Seiten  des 
Feindes  mit  noch  grösserer  Wucht  anzufallen,  als  es  bereits 
in  der  lateinischen  Schrift  geschehen  war.  Wenn  in  der 
Vorlage  eine  Reihe  von  Vergehen  und  Verbrechen  augeführt 
wird,  für  die  Ablass  zu  erlangen  ist,  so  tritt  in  der  Über- 
setzung mit  einem  'Ja  noch  mer'  die  steigernde  Angabe  hinzu, 
dass  man  auch  für  zukünftige  Sünden  Vergebung  kaufen 
könne  (230,  25).  Wenn  in  der  Vorlage  eine  einfache  Hin- 
deutung  auf  den  Nutzen  der  Schamlosigkeit  in  Rom  genügt, 
werden  in  der  Übersetzung  ausführlich  die  Vortheile  erwogen, 
die  dort  'wolgestalt  des  leybs'  gewährt  (202  f.).  Bei  Varn- 
büler  darf  man  solche  Verschärfungen  nicht  erwarten ,  da 
er  sich  inhaltlich  keine  Abweichungen  von  der  Vorlage  ge- 
stattet. Dass  aber  auch  eine  gewisse  Milde  der  Ge- 
sinnung dieser  Zurückhaltunjg  zu  Grunde  liegt,  lässt  sich  aus 
einer  auffallenden  Lücke  seiner  Übersetzung  abnehmen. 
Während  er  sonst  nur  solche  Sätze  auslässt,  die  er,  wegen 
der  griechichen  Sprache  oder  der  feinen  Anspielungen  auf 
antike  Verhältnisse,  nicht  verstehen  kann,  hat  er  den  sehr 
verständlich  ausgedrückten  Wunsch  Huttens,  dass  Rom,  mit 
Ausnahme  der  echten  Priester,  lieber  von  den  Türken  ver- 
nichtet werden  möge,  als  dass  die  'gemeyne  ergernuß'  weiter 
bestehe,  einfach  unter  den  Tisch  fallen  lassen  (219,  39). 


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44 


STILISTISCHES. 


SYNTAX. 

Die  Syntax  kommt  für  unsere  Untersuchung  nur  so 
weit  in  Betracht,  als  sie  für  die  Frage  der  Abhängigkeit  vom 
Latein  von  Bedeutung  sein  kann.  Die  niedere  Syntax  bleibt 
also  ausserhalb  der  Beobachtung,  und  nur  die  grösseren  Satz- 
gefüge als  solche  werden  für  die  Entscheidung  der  Frage 
hier  skizzenhaft,  herangezogen. 

Als  Eigenthümlichkeit  der  frühesten  Prosa  der  Neuzeit 
ist  mit  Recht  die  Anlehnung  an  das  Latein  in  Infinitiv-  und 
Participialconstructionen  hervorgehoben  worden.1  Naturgemäss 
richtet  sich  bei  der  Prüfung  der  Ubersetzung  eines  Huma- 
nisten die  Aufmerksamkeit  zunächst  auf  diese  Klippen  der 
ersten  deutschen  Prosa,  zumal  gerade  Hutten  in  der  bereits 
erwähnten  kühnen  Charakteristik  seiner  deutschen  Sprache 
dem  Hauptvertreter  der  latinisirenden  Richtung,  Niklas  von 
Wyle,  unmittelbar  an  die  Seite  gestellt  wird.2 

Die  Construction  des  Accusativs  mit  dem  Infinitiv 
kann  mit  Rücksicht  auf  die  Ergebnisse  historischer  Betrach- 
tungen nicht  an  sich  als  Zeichen  lateinischen  Einflusses  gelten: 
erst  die  Häufigkeit  ihres  Auftretens  giebt  den  Ausschlag. 
Prüft  man  Huttens  Übersetzung  von  diesem  Gesichtspunkt 
aus,  so  wird  man  ihn  weit  eher  neben  Luther  als  neben  Wyle 
stellen;  denn  die  Verwendung  des  Accusativs  mit  dem  In- 
finitiv bleibt  vollkommen  innerhalb  der  Grenzen  des  Gebrauchs 
dieser  Zeit.  Eine  eigene  syntactische  Untersuchung  würde 
für  diese  einfache  Form  den  statistischen  Beweis  erbringen 
können. 

Die  Participialconstructionen  der  lateinischen  Vorlage 
machen  sich  in  der  deutschen  Prosa  gewöhnlich  nicht  nur 
durch  die  strenge  Nachahmung,  sondern  vor  allem  durch  die 
ungeschickten  Auflösungen  hemerklich;  sie  äussern  sich  in 
Fehlern  der  logischen  Verknüpfung  und  am  häufigsten  durch 

1  H.  Rückert,  Geschichte  der  neuhochdeutschen  Schriftsprache,  1, 

392  ff. 

*  W.  Waokernagel,  (i  (»schichte  der  deutschen  Littcratur,  zweite 
Auflage  besorgt  von  K.  Martin,  2,  :m. 


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SYNTAX. 


eine  Überlastung  des  Satzgefüges.  Nachahmungen  der  latei- 
nischen Form  sind  jedoch  bei  Hutten  nicht  in  dein  Masse 
zu  bemerken,  dass  man  wie  bei  Wyle  bewusste  Anlehnung 
an  die  Vorlage  behaupten  dürfte;  die  häufigere  Anwendung 
des  activen  Participiums  ist  auf  Rechnung  des  damaligen 
Sprachgebrauchs  zu  setzen.  Dass  Fehler  in  der  logischen 
Verknüpfung  nicht  vorhanden  sind,  ist  bei  der  Übertragung 
eines  eigenen  Werkes  selbstverständlich.  Aber  auch  eine 
Überlastung  des  Satzgefüges  vermeidet  Hutten  fast  überall, 
da  er  für  die  Auflösung  neben  Relativ-  und  Conjunctional- 
sätzen  mit  besonderer  Vorliebe  coordinirte  und  ganz  selb- 
ständige  Sätze  verwendet. 

Dasselbe  Streben  nach  Einfachheit  und  Übersichtlich- 
keit zeigt  sich  auch  in  der  allgemeinen  Behandlung  des 
Satzbaus.  Hutten  sprengt  nicht  nur  in  der  überwiegenden 
Mehrzahl  der  Fälle  die  sogenannte  relative  Anknüpfung, 
sondern  löst  auch  sehr  häufig  conjunctionale  Gliederungen. 
Grössere  Sätze  zerlegt  er  öfters  in  mehrere  selbständige  oder 
erleichtert  sie  durch  Aufnahme  einzelner  Theile  iu  Paren- 
thesen. Nur  selten  bringt  er  kurze  selbständige  Sätze  der 
Vorlage  durch  die  Übersetzung  in  ein  Satzgefüge.  Behält  er 
die  langen  Perioden  der  lateinischen  Vorlage  bei,  so  schreckt 
er  nicht  vor  zwei  vorwiegend  deutschen  Mitteln  zur  Erhöhung 
der  Übersichtlichkeit  und  Verständlichkeit  zurück:  er  ver- 
wendet den  zusammenfassenden  Einschub  und  besonders  gern 
die  Anakoluthie,  die  wieso  viele  Eigentümlichkeiten  der  ge- 
sprochenen Sprache  in  der  damaligen  deutschen  Schriftsprache 
in  voller  Blüthe  steht.  Diese  Beobachtungen,  die  nicht  erst 
durch  Beispiele  erläutert  zu  werden  brauchen,  erweisen  zur 
Genüge,  dass  von  der  behaupteten  sclavischen  Abhängigkeit 
vom  Latein  nicht  die  Rede  sein  kann,  dass  vielmehr  überall 
sich  ein  lebendiges  Gefühl  für  die  Eigentümlichkeiten  der 
deutschen  Sprache  zeigt.  Eine  genauere  Würdigung  wird 
erst  dann  möglich  sein,  wenn  die  historische  Syntax  solchen 
Urtheilen  die  erforderliche  Grundlage  gegeben  haben  wird. 
Zum  Schlüsse  mag  nur  noch  das  eine  gesagt  werden,  dass 
das  wegwerfende  Urtheil  über  Huttens  Satzbau  sich  allerdings 
vor  dem  modernen  Stilgefühl,  das  sich  auf  die  heutige  Schrift- 


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40 


STILISTISCH  KS. 


spräche  gründet,  vollkommen  rechtfertigt:  dem  modernen 
Leser,  der  etwa  in  Höckings  Ausgabe  deutsche  und  lateinische 
Fassungen  neben  einander  durchgeht,  muss  Huttens  Deutsch 
sicherlich  recht  schwerfällig  erscheinen.  Wenn  man  jedoch 
daraufhin  Huttens  deutsche  Schriften  für  einen  misslungenen 
Versuch  und  im  allgemeinen  für  eine  Niederlage  des  Huma- 
nismus auf  deutschem  Sprachgebiet  erklärt,  so  begeht  man 
einen  groben  sprachgeschichtlichen  Anachronismus:  den  ab- 
soluten Vergleich  mit  der  heutigen  Schriftsprache  und  dem 
humanistischen  Latein  kann  vor  dem  modernen  Stilgefühl 
auch  der  Satzbau  des  Sprachmeisters  jener  Zeit  nicht  be- 
stehen; mit  vollem  Recht  sagt  Strauss  in  der  Vorrede  zu 
seinen  Übertragungen  der  Dialoge  von  Hutten1:  4Sein  classi- 
sches  Latein  steht  unserm  heutigen  Deutsch  näher  als  Luthers 
Kirchenlatein  uud  ttibeldeutsch'. 


KLAOSCHRIFT  AN  DEX  KÜRFÜRSTEX  VON  SACHSEN. 

Die  Ergebnisse  der  rein  darstellenden  Untersuchung 
haben  practische  Bedeutung  für  die  Frage  der  Verfasserschaft 
Huttens  an  den  anonymen  I  bersetzungen  seiner  Schriften. 
Sobald  aus  anderen  Gründen  die  Vermuthung  entsteht,  dass 
eine  anonyme  Ubersetzung  Hutten  zum  Verfasser  hat,  ist  in 
der  stilistischen  Vergleichuug  eine  sichere  Gegenprobe  ge- 
boten. Diese  stilistische  Probe  soll  nun  hier  allein  bei  der 
bisher  nicht  neugedruckten  anonymen  Übertragung  der  Klag- 
schrift an  den  Kurfürsten  Friedrich  den  Weisen,  als  deren 
Verfasser  Hutten  auch  auf  anderem  Wege  zu  erweisen  ist2, 
zur  Ausführung  gebracht  werden,  weil  sich  gerade  für  diese 
in  einer  bisher  Hutten  zugeschriebenen  Ubersetzung  ein  Gegen- 
bild, wie  Varnbülers  Verdeutschung  des  Vadiscus  zu  Huttens 
eigener,  bietet.3 


'  Strauss,  8.  IX. 
»  Vgl  S.  70  ff. 

«  Die  erste  Übersetzung  steht  S.  127  ff.,  die  zweite  H.  W.  1,  383  ff. 
Letztere  wird  mit  A  bezeichnet. 


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KLAGSCflRlFT  AN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  SACHSEN.  47 


Wie  im  Vadiscus  Huttens  Stellung;  zur  Kanzleisprache 
schon  in  der  Überschrift  der  Widmung  hervortritt,  so  zeigt 
sich  auch  hier  an  derselben  Stelle  bereits  ein  für  Hutten  be- 
zeichnender Unterschied  der  beiden  Übertragungen :  7ww- 
ctis&imo  i>rincipi  Fridericho  Saxonum  duci  ehetori  Vlrichus 
de  Hutten  eques  Germanus  salutem  'Dem  Durchleüchtigen 
Hochgebornen  Fürsten  vnd  hern,  hern  Friderich  Hertzogeu  zu 
Sachsen  vnd  Chürfursten  etc.  Entbeut  ich  Ylrich  von  Hutten 
meinen  vnterthänigen   willigen   dienst'   (E  3a.  A;  383,  29 
kDurchleuchtigstcr  hoch  geborner  Churfürst  gnedtigster  Her'). 
Gleich  dieser  doppelseitigen  'Salutatz'  entsprechen  Huttens 
Gepflogenheiten  auf  diesem  Gebiet  Übersetzungen  wie :  Decimo 
denn  Bapst'  (E  3b.  A;  384,  35  'Leo  den  zehenden'),  De- 
ämus  kbapstLeo'  (F  3b.  A;  393,  23  'Der  Leo  der  zehend'), 
Gennaniam  nostram  'vnser  vatterland  Teütsch  Nation'  (E  3  b' 
A:  385,  21  'vnser  Teütsch  land'),  bonis  'frommen  Christen' 
(E  4  b.  A;  386,  30  'frumen').     Besonders  wichtig  ist  fol- 
gende Parallele:    nie  equitem   'mich  einich  armen  edelman 
(F  3a.  A;  392,  22  'mich  reutter').    Niemals  wird  Hutten,  der 
'reutter'  zur  Bezeichnung  von  Söldnern  in  seinem  bekannten 
Liede  neben  'landßknecht'  gebraucht  (H.  W.  2,  94),  sich 
selbst  mit  diesem  Ausdruck  bezeichnen. 

Auch  die  Rittersprache  macht  sich  im  Gegensatz  zu 
der  Übersetzung  bemerklich:  invade  'an  zufallen'  (F  3a.  A; 
392,  27  'greiff  dar  nach') ,  nobiscum  faciant  'würden  sye  sich 
zü  vns  schlagen'  (G  lb.  A;  397,  20  'werden  sie  es  mit  vns 
halten');  ein  entscheidender  Fall  ist  bei  der  Behandlung  der 
Bilder  zu  besprechen. 

Bei  der  Übertragung  der  auf  die  Unsittlichkcit  bezüg- 
lichen Stellen  übt  auch  hier  die  Hofsprache  ihre  mildernde 
Wirkung:  scortorwn  utriusque  sexns  innumerabifan  turbam 
ac  lenonum  exercitum  'ein  vnzälich  schar  Hären  vnd  bäben, 
vnd  ein  grosszes  hör  der  ruffianer'  (F  3  b.  A;  393,  30  'ein 
vnzcllig  schar  hären,  püben,  ruffiener,  vnd  kupier').  Ist  hier 
die  Wirkung  wie  auch  in  einzelnen  Fällen  des  Vadiscus  noch 
gering,  so  zeigt  sie  sich  in  ihrem  vollen  Umfang  bei  folgender 
Parallele:  mater  scortationim  et  abominationum  terrae,  quae 
corrupit  terram  prostitutione  sui  'ein  mätter  aller  bfiberey, 


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48 


STILISTISCH  KS. 


schand  vnd  laster  der  weit,  die  durch  abwcrffung  irer  schäm 
vnd  orea,  hat  die  gantzen  weit  georgert'  (E  4  a.  A;  380,  17 
'ein  müter  der  hfircrey  vnd  büberey  vnd  der  allergrowliehsten 
vnmenschlichen  handlung  des  erdtriehs,  welche  das  erdtrich 
hat  durch  jr  hürisch  vnwesen  vergifft  vnd  verderbt'). 

Die  Behandlung  der  Fremdwörter  in  den  beiden  Über- 
setzungen weist  alle  Unterschiede  auf,  die  man  zwischen 
einem  Huttenschen  Werk  und  einer  Durchschnittsübersetzung 
erwarten  muss:  yloria  'lob'  (F  3  a.  A;  802,  25  'glorien^ 
Epicureorwn  'trunckeuen  vollen  pfaffen'  (G  2a.  A;  397,  34  'der 
Epicurer  vnd  lustbegirigou') ;  Othones  40tthen'  (F  2  a.  A;  390, 
30  'Ottones'),  Cymbros  et  Teutone*  'Cymbren  vnd  Teütoncn' 
(F  2a.  A:  390,  30  'Cimbris  vnd  Teutoncs).  Bezeichnend 
ist  der  Unterschied  in  der  Übersetzung  von  Germania: 
während  die  fremde  Übersetzung  wiederholt  'Germanien  oder 
(vnd)  Teutsch  land'  (384,  30;  389,  35;  390,  23;  391,  34) 
auwendet,  giebt  die  nunmehr  Hutten  zugesprochene  Über- 
setzung an  allen  Stellen  teutsch  land  (nation)'. 

Ein  Vergleich  mit  dem  Vadiscus  bezüglich  des  Auf- 
tretens synonymer  Ausdrücke  führt  zu  dem  allgemeinen  Er- 
gebnis, dass  die  Huttensche  Übersetzung,  wiederum  im  Gegen- 
satz zu  der  fremden,  sich  wie  der  Vadiscus  in  der  Auwen- 
dung dieser  Ausdrücke  von  logischen  und  rhetorischen  Rück- 
sichten geleitet  zeigt.  Schlagende  Beweise  bieten  im  übrigen 
auf  diesem  Gebiet  zwei  Stelleu  (vgl.  S.  27):  molltbus  et 
effoeminatis  '  weychen  .  . .  vnd  wey  bischen'  (F  2  a.  A;  390,  28 
'verzagten  vnd  weibischen'),  mollis  et  delicatus  vel  avarus  'die 
weychen  weybischen  wollüstiger,  noch  auch  die  geytzigen 
geldtsüchtigen'  (F  4  b.  A;  395,  37  Sveybischer,  blöder,  lust- 
süchender,  oder  geitziger').  Zum  letzten  Teil  der  zweiten 
Stelle  ist  zu  vergleichen  im  Vadiscus:  avaris  'geytzigen  gelt- 
fressern'  (4,  153,  19). 

Während  die  Beobachtungen  über  die  Abstracta  natur- 
gemäss  keine  Beweise  liefern  können,  ist  eine  Prüfung  der 
pronominalen  Bestandteile  um  so  fruchtbarer:  tunc  'Dann  so 
bald  ich  das  vermercke'  (F  1  a.  A;  388.  23  'dan'),  Mim 
'Römische'  (F  4  a.  A;  394,  30  'benants'),  te  'einem  solichen 
Fürsten'  (G  3  a.  A;  399,  30  'E.  C.  G.'),  sihi  'irem  künigreich 


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KL  ABSCHRIFT  AN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  SACHSEN.  49 


vnd  land  zü  güt?  (G  lb.  A;  397,  20  'jnen  selbst').  Dieselbe 
Erscheinung,  die  am  Schlüsse  des  Abschnittes  über  die  Pro- 
nomina bezüglich  der  Häufigkeit  von  Teutsch  oder  Teutsch- 
lands bemerkt  ist,  zeigt  sich  auch  hier:  Latein  12,  Anony- 
mus 12,  Hutten  20. 

Das  Gebiet  der  Bilder  liefert,  ohne  daneben  irgend 
welchen  Widerspruch  zu  bieten,  einen  Fall,  der  einen  schlagen- 
den Beweis  für  Hutton  darstellt:  Posses  autem  lachrymas 
eff andere  tu  si ,  cum  multa  egregie  gessissent  maiores  tut, 
nullam  tibi  reliquam  adeundae  gloriae  occasionem  fecissent. 
at  optimam  reliquerunt  et  fertilissimam ;  tu  modo  invade  et 
occupa!  'Hotten  deine  ältern  allewog  lob  zü  erwerben  einge- 
nommen vnd  besatzt,  also  das  dir  kein  vrsach  oder  bequem- 
nussz  cor  zü  erlangen  über  blieben  wär,  möchtest  billich  weynen. 
Sye  haben  dir  aber  den  aller  breytsten  vnd  fruchtbaresten  zü- 
ganck  offen  gelassen,  hyrumb  dir  den  on  weytter  harre  oder 
bitt  an  zufallen  vnnd  eiuzünomou  gebürt'  (F  3  a.  A;  392,  24 
'Nün  mocht  E.  C.  G.  weynen,  so  weyl  ewr  vorfordern  vil 
löblicher  "vnd  grosser  geteth  vnd  geschieht  gethan,  jr  kein 
vrsach  vud  golegenheit  gelassen  hett  auch  rüm,  ere,  vnd 
glorien  zü  erlangen.  Aber  sie  haben  E.  C.  G.  die  aller  best 
vnd  aller  fruchtbarst  gelegenheit  gelassen.  E.  C.  G.  greiff 
nur  kecklich  vnd  küulich  dar  nach').  Huttens  Vorliebe  für 
die  Ausführung  von  Bildern,  besonders  solcher  aus  dem  Kitter- 
leben, zeigt  sich  hier  ganz  deutlich,  indem  das  in  der 
Vorlage  nur  angedeutete  Bild,  das  der  Anonymus  verwischt, 
bis  in  alle  Einzelheiten  entwickelt  wird. 

Wie  im  Vadiscus  classische  Citate,  so  werden  hier 
biblische  Citate,  die  aus  dem  Text  stärker  hervortreten,  als 
solche  kenntlich  gemacht:  'dar  von  in  Apocalypsi  geschriben 
stot'  (G  2b;  ähnlich  E  4a  zweimal,  E  4b);  'dar  von  ge- 
schriben' (G  2  b).  Derartige  Einschübe  kommen  bei  dem 
Auonymus  nicht  vor. 

Auch  erklärende  Zusätze  sind  nicht  bei  dem  Anony- 
mus, wol  aber  bei  Hutten  vorhanden :  dure  aliquo  Othone 
'etwan  einen  grosszmütigen  haubtman  als  Keyser  Otho  der  erst 
gewesen  ist'  (F  4  a.  A;  395,  19  'ein  haubtman  den  alteu  keyser 
Otton  gemeß"),  expulm  indigenis  Anglos  ex  se  et  Scotos 
U.V.  lxvh.  4 


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50  STILISTISCHES. 

deduxerunt  'nach  außtreibung  der  inwoncr  ein  newes  volok  auß 
jn  darein  gesetzt,  die  sye  Engellischen  vnd  Schotten  genennt 
haben'  (F  2  a.  A;  390,  35  'nach  vertreybung  der  einwoner, 
die  Engeilender  von  jnen  vnd  Schotten  darein  gesetzt'), 
Cherusci . . .  eximium  virtutis  suae  specimen  dederunt  hello  Bo- 
nano  '. . .  in  dem  Römischen  kryeg,  den  etwan  der  keyser  Oc- 
tauianus  mit  vnsern  vorfaren  gefürt'  (F  2  a.  A;  390,  20  'in 
dem  Römischen  krieg'). 

Einen  besonderen  Reichthum  an  Entsprechungen  finden 
die  beim  Vadiscus  beobachteten  Eigentümlichkeiten  in  Huttens 
polemischem  Stil.  Dass  die  Synonyma  zu  polemischen  Zwecken 
eingesetzt  werden,  ist  schon  oben  angedeutet.  Auch  die 
Vorliebe  für  die  Verwendung  der  Deminutive  zeigt  sich 
deutlich  dadurch,  dass  Huttens  Übersetzung  sechs,  der  Ano- 
nymus eins  und  die  lateinische  Vorlage  gar  keines  hat:  Corona 
'krentzlin'  (E  4a.  A;  385,  34  'krön'),  agno  'lämblin'  (E  4b. 
A;  387,  29  iamm'),  scintillam  'füncklin'  (F  Ib.  A;  389,  30 
'funcken'),  plebi  'völeklin'  (G  la.  A;  396,  21  'folek'),  apes 
'byenlin'  (G  2a.  A;  398,  27  'pyn') ,  agninam  innocentiam 
'vnschuldigen  gedultigen  schafTflin'  (G  1  a.  A ;  396 ,  26  'vn- 
8chuldigc  lemblein').  So  tritt  auch  die  Litotes  ohne  Anregung 
der  Vorlage  bei  Hutten  viermal  auf,  während  sie  beim  Ano- 
nymus ganz  fehlt:  omnino  prope  'nit  weyt  dar  von'  (E  4a.  A: 
385,  35  'gentzlich  nahend') ,  magno  malo  'nit  on  grosszen  ver- 
dörblichen  schaden'  (F2a.  A;  391,  19  'mit  grossem  schaden'), 
vel  tantillum  'nit  ein  harbreyt'  (G  2  b.  A;  398,  36  'das  we- 
nigst'), periculi  'nit  kleine  far'  (G  2  b.  A;  399,  23  'ferlickeit'). 

Häufiger  als  in  dem  dialogischen  Vadiscus  werden  zur 
Belebung  der  fortlaufenden  Rede  der  Klagschrift  die  anti- 
thetischen Fügungen  eingeführt:  expulsis  autem  ignavis  fucis 
melliferae  advolabunt  apes  'So  bald  dann  abgetriben  werden 
die  vnfruchtbaren  wespen,  vund  humelen  die  honig  essen, 
machen  aber  keins,  werden  herzu  fliehen  die  honig  machenden 
byenlin'  (G  2a.  A;  398,  26  'Wen  wir  nün  die  müssigen  vnd 
faulen  prenisen  oder  bummeln  vertriben  haben,  so  werden 
die  honigbringende  pyn  zufliegenn') ,  et  genio  indulgentes  se- 
cure  deliciantur  'vund  on  allen  abbruch,  was  zfi  ires  leibs  nit 
allein  uotturfft,  sonder  auch  lust  gehört,  schaffen  sye  jn  zfi 

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KLAOSCIIRIFT  AN  I>KN  KURFÜRSTEN  VON  RWII8KK.  ">1 

guten  rüwen1  (F  3  b.  A;  393,  33  'vnd  warten  jrcr  wolust  on 
alle  sorg') ;  servire  non  possum  .  etiam  Germaniam  videre  ser- 
viertem non  possum.  '. .  .  Vnd  nit  allein  meynet  halben,  sonder 
auch  mag  ich  nit  sehen  . . (G  2  b.  A;  399,  25  '. . .  Ich  kan 
auch  nicht  sehen  , . .').  Der  Anonymus  wagt  derartige  Ab- 
weichungen nie. 

Dasselbe  Verhältnis  besteht  bezüglich  des  Ileraustretens 
des  subjectiven  Urtheils:  tanta  fiducia  'sich  des  selbigen  ge- 
walts  also  mißbraucht'  (E  4  a.  A;  386,  28  'mit  so  grossem 
durst);  nm  quod  tu  iAitherum  foves  'Wie  wol  du  allein  dich 
nechst  fürstlich  bewison  hast,  do  du../  (F  Ib.  A;  389,  28 
'allein  das  E.  G.  G.  Doctor  Martinus  Luther . .  /).  Endlich 
findet  auch  die  Umwandlung  der  rhetorischen  Frage  in  einem 
Dutzend  von  Fällen  statt,  während  sich  der  Anonymus  streng 
an  die  Vorlage  hält. 

Auf  dem  Gebiet  der  Syntax,  deren  Gesammtcharakter 
den  allgemeinen  Beobachtungen  über  den  Vadiscus  völlig 
entspricht,  fallen  besonders  die  zusammenfassenden  Zusätze 
auf:  'Hyerumb  wo  wir  den  selbigen  vnterworffen'  (F  1  b), 
4 wo  sollich  gelt  bey  vns  bleibe'  (G  1  b). 

An  diese  mehr  syntaetischen  Zusätze  schliessen  sich 
verschiedene  Einschübe  ganz  freier,  mehr  inhaltlicher  Art  an, 
die  ebenso  wie  die  bisher  besprochenen  stilistischen  Kriterien 
die  Annahme  bestätigen,  dass  nur  der  Verfasser  der  Vorlage 
der  Übersetzer  sein  kann:  so  wird  der  Antrag,  aus  den 
Geldern,  die  man  von  den  römischen  Abgaben  ersparen 
könne,  unter  anderem  die  Mittel  zur  Erhaltung  von  Heeren 
und  zur  Belohnung  tugendhafter  Leute  zu  entnehmen,  näher 
erklärt  durch  die  Zusätze:  'stets  bereyten  vnd  verordneten 
kryegs  volcks'  (G  1  a)  und  'dardurch  man  zu  wolthat  gereytzet 
würd'  (G  1  b).  Der  erste  Zusatz  ist  von  besonderer  Bedeutung, 
da  durch  ihn  erst  der  Vorschlag  Huttens  seine  vollkommene 
Klarheit  erhält. 

Zum  Schluss  dieser  stilistischen  Vergleiehung  und  Probe 
möge  die  Vorrede  des  Sammelhefts,  in  der  sich  diese  Über- 
setzung befindet,  durch  eine  einfache  Gegenüberstellung  in 
ihre  Huttenschen  Elemente  zerlegt  werden,  um  aueh  für  sie 

ausdrücklich  Hutten  als  Verfasser  zu  erweisen.    Der  ausge- 

4* 


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52 


STILISTISCHES. 


'Virich  Vom  Hutten,  entbeüt 
allen  Christlicher  Freyheit  lieb- 
haberen,  nlles  gftts/ 

(Vorrede  der  «Coocill*'.  U.W.  2,  78.) 

'Yetzt  ist  die  zeit,  züheben  an 
vmb  freyheit  kryegen,  gott  wilshan.' 

(Clag  vnd  Vormanung,  V.  »39  f.) 

'ich  wil  dir  wecken  auff  zu  gut, 
vnd  reytzen  manchen  stoltzen  hilt.' 

(C.     V.,  V.  895  f.) 


führte  Beweis  für  die  übrigen  Theile  der  Sammlung  kann 
alsdann  um  so  eher  erspart  werden  (vgl.  S.  71). 

'Ein  vnbekanter  liebhaber  der 
göttlichen  warheit,  vnd  des  vatter- 
lands,  enbeüt  allen  frey  en  Teütschen 
heyl. 

Wolauff  lieben  frommen  Teüt- 
schen, es  ist  zeyt,  das  wir  vnsere 
yetzo  lang  har  verlorne  freyheit, 
widerumb  zu  erlangen  vntersuchen. 
Hye  habt  ir  den  rechten  anreitzer, 
der  vns  ob  gott  wil,  die  grossen 
hopter,  als  Reiser,  Fürsten,  vn 
den  Adel  zu  hilff  in  diser  Sachen 
erwecken  sol.  Dorzfi,  vnd  anderem 
seinem  lobliohen  fftrnemen,  geb  jm 
glück  vnd  heyl  der  allmechtig  Oott, 
welchem  zu  eeren,  uns  allen  zu  nutz 
vnd  gut  er  dißes  on  zwyfel  vor- 
genommen hat.  Vmb  gemeynes 
nutzs  willen  hab  ioh  ettliohe  seiner 
schrifften,  als  mir  die  zü  henden 
kommen,  auli  dem  latin  ins  teütsoh 
transferiert,  so  vil  das  die  zyer 
latinischer  sprach  (die  in  ettlichem 
nit  züverteütsohen  ist)  hat  leiden 
mögen.  Got  geb  eüch  allen  vil 
heyles,  vnd  ein  bestendig  vest  ge- 
mut,  Christliche  warheit,  vnd  frey- 
heit des  vatterlands  zü  verfeohten. 
Hyeneben  lassent  eüch  den  from- 
men Hutten  befolhen  sein.  Trotz 
KomaniHt'. 


'vom  latein  in  dz  deutsch,  wie 

wol  das  im  latein  vyl  lieplichcr 

vnd  kunstlioher  dann  im  deutschen 

lauten  mag,' 

(Vorred©  zur  Febrii,  H.  W.  1,  24T.) 

'in  teutsche  sprach,  so  best  ich 
jmer  mag,  vnd  sich  das  schicken  will, 
zü  tranßferieren  vnd  auflegen' 

(Nachwort  zur  K Umschrift  an 
alle  Deutschen,  H.W.  1,419.) 

'Gott  geb  jm  heyl,  der  bey  mir 
kempfft.'  (C.  t.  v.,  v.  1570.) 


'Last  Hutten  nit  verderben.* 
(Lied,  H.w.  8,  94.) 


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HISTORISCHES. 


Huttens  Wirksamkeit  als  deutscher  Schriftsteller  wurde 
zuerst  von  G  ervin us  als  eine  der  bedeutsamsten  litterarischen 
Erscheinungen  des  beginnenden  sechzehnten  Jahrhunderte 
erkannt,  und  mit  Recht  wurde  von  ihm  für  diese  Uberbrückung 
der  Kluft  zwischen  lateinischer  Humanistonpoesie  und  deutscher 
Volksdichtung  auf  die  grosse  kirchlich  -  politische  Bewegung 
der  Zeit  als  Grundlage  hingewiesen. 1  Wenngleich  nun  auch 
Strauss  diese  Beziehungen  im  allgemeinen  richtig  erkannt 
hat,  ist  es  ihm  doch  nicht  gelungen,  die  organische  Verbin- 
dung zwischen  Huttens  deutschen  Schriften  und  den  einzelnen 
Phasen  seiner  politischen  Entwicklung  aufzuzeigen  und  dar- 
zustellen: so  trefflich  sie  meist  analysirt  und  charakterisirt 
sind,  schweben  sie  doch  haltlos  und  wirr  durcheinander. 
Dieser  Mangel  ist  vorzüglich  durch  die  Geringschätzung  und 
die  aus  ihr  folgende  flüchtigere  Behandlung  der  deutschen 
Schriften,  zum  Theil  auch  durch  die  damalige  rnvollkommen- 
heit  des  biographischen  Materials  zu  erklären.  Der  inzwischen 
erfolgte  Zuwachs  an  neuen  Quellen  hat  wenig  gefruchtet,  da 
man  sie  bisher  gar  nicht  oder  falsch  benutzte.  Der  einzige 
Forscher,  der  die  Schwäche  dieses  Theils  der  Straussschen 
Darstellung  erkannte  und  zuerst  aus  den  neuen  Nachrichten 
über  Hutten  schöpfte,  hat  die  biographischen  Verhältnisse  nur 
noch  mehr  verwirrt  und  überhaupt  nicht  daran  gedacht,  dass 
die  deutschen  Schriften,  wie  sie  aus  der  politischen  Stellung 
zu  begreifen  sind,  auf  diese  ihrerseits  Licht  werfen.2 

1  Geschichte  der  deutgehen  Dichtung,  2*,  383. 

Ä  W.  Maurenbrecher,  Ulrich  von  Hutton,  Grenzboten  1871,  ferner 
'Studien  und  Skizzen  zur  Geschichte  der  Reformationszeit',  1874  und 
endlich  *Geschiohte  der  katholischen  Reformation',  1880.  Von  Schrift 
zu  Schrift  steigert  sich  die  ungerechte  Behandlung  Huttens. 


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54 


HISTORISCHE«. 


Die  ungelöste  Aufgabe  will  nun  die  folgende  Unter- 
suchung behandeln,  die  ausser  dem  bereits  allgemein  zugäng- 
lichen Material  noch  eine  Reihe  neuer  Entdeckungen  benutzen 
kann,  durch  welche  die  Grenzen  Huttens  deutscher  Thatig- 
keit  vorwärts  wie  rückwärts  erweitert  werden.  Die  Unter- 
suchung geht  aus  von  einem  neu  entdeckten  Brief,  in  dem 
wir,  wenn  man  von  Widmungs-  und  Fehdeschreiben  und 
ähnlichen  Schriftstücken  absieht,  den  ersten  und,  neben  zwei 
anderen  später  zu  besprechenden  neuen  Briefen  und  zwei 
bereits  bekannten  Fragmenten,  den  einzigen  deutschen  Brief 
Huttens  besitzen1;  sie  schliesst  mit  einer  ebenfalls  neu  ent- 
deckten Schrift,  die  wahrscheinlich  Huttens  letztes  deutsches 
Werk  ist. 

Jener  erste  deutsche  Brief  muss  schon  deshalb  den 
Ausgangspunkt  der  Untersuchung  bilden,  weil  er  den  Anfang1 
der  Bewegung,  in  der  Hutten  zum  Schriftseller  des  deutschen 
Volkes  wurde,  zum  ersten  Male  klar  legt:  er  zeigt  Hutten 
am  Scheidewege. 

Bei  Hutten  besteht  neben  dem  steten  Vorwärtsdrängen 
zum  kirchlich-politischen  Kampf  gerade  vor  dessen  Ausbruch 
eine  starke  Gegenströmung,  in  der  sich  seine  Sehnsucht  nach 
einem  friedlichen  Gelehrtenleben  geltend  macht.  Aus  den 
bisher  bekannten  Anzeichen,  die  besonders  in  den  gegen 
Fischer  und  Glauberg  geäusserten  Eheplänen  enthalten  sind, 
glaubte  Straus8  nur  auf  eine  oberflächliche  Bewegung  schliessen 
zu  können.2  Aber  das  neue  Zeugnis  lehrt,  dass  Strauss  diese 
Erscheinung  unterschätzt  hat,  wenn  er  sie  in  der  etwas  ro- 
mantischen Beleuchtung  eines  einmal  auftauchenden  und  dann 
für  immer  versinkenden  Traumes  zeigte.  Aus  dem  neuen  Brief 
geht  hervor,  dass  Hutten  sich  durch  das  Scheitern  seiner 
vorjährigen  Pläne  nicht  hindern  liess,  im  Frühling  1520 
wiederum  dem  Hafen  der  Ehe  zuzusteuern.  Hatte  er  damals 
sich  um  eine  Frankfurter  Patriziertochter  beworben  uud  um 

1  Vgl.  8.126  f.  —  Die  von  Böcking  veröffentlichten  deutschen  Briefe 
werden  sämmtlich  mit  Unrecht  Hutten  zugeschrieben;  vgl.  den  Anhang  I. 
Für  die  Brieffragmente  vgl.  Waltz  in  der  Ztschr.  für  Kirchengeschichte 
Bd.  II. 

a  Hutten,  Viorte  Auflago  S.  260  ff. 


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EINLEITUNG. 


55 


ihretwillen  seine  Niederlassung  in  der  freien  Reichsstadt  ge- 
plant, so  scheint  er  nunmehr,  wenn  man  von  der  Person  der 
Mittlerin  schliessen  darf,  ein  Mädchen  aus  dem  fränkischen 
Adel  und  ihr  zu  Liebe  als  Wohnsitz  den  bischöflichen  Hof 
von  Bamberg  gewählt  zu  haben.1 

Dass  Hutten  trotz  der  nicht  weit  zurückliegenden  Con- 
flicte  am  Mainzer  Hofe  wiederum  Dienst  bei  einem  geist- 
lichen Fürsten  suchte,  muss  um  so  mehr  überraschen,  als  er 
um  diese  Zeit  durch  die  Herausgabe  der  Schrift  'de  unitate 
ecclesiae  conservanda',  durch  die  Drucklegung  der  Dialoge 
und  die  geheimen  Verhandlungen  mit  Melanchthon  sich  dem 
Kampfplatz  schon  genähert  hatte.  Wenn  er  nichts  desto 
weniger  solche  friedlichen  Lebenspläne  schmiedet,  so  geht  hier- 
aus wie  schon  aus  den  Briefen  an  Fischer  und  Glauberg  hervor, 
wie  wenig  er  vorläufig  daran  dachte,  mit  seiner  eigenen 
Person  sich  in  den  Kampf  zu  begeben. 

In  dem  Bamberger  Aufenthalt  hat  bereits  Kampschulte, 
dem  wir  die  erste  Nachricht  über  ihn  verdanken,  einen 
Wendepunkt  in  Huttens  politischer  Stellung  erkannt.2  Aber 
mit  Unrecht  suchte  er  den  Anlass  dieses  Umschwunges 
in  dem  Zusammentreffen  mit  Crotus.  Den  wahren  Urheber 
offenbart  der  neue  Brief:  Sickingen.    Noch  war  Hutten  mit 

1  8trau88  meint  den  Frankfurter  Heirathsplan  bis  in  das  Jahr 
1520  hinein  verfolgen  zu  können,  weil  am  8.  Februar  dieses  Jahres 
Cochläus  aus  Frankfurt  schreibt,  Hutten  werde  bald  eine  edle  und 
reiche  Frau  heimführen,  wenn  seine  Hoffnung  nicht  fehlschlage.  Der 
Frankfurter  Ursprung  dieser  Nachricht  bedingt  aber  durchaus  nioht 
eine  Beziehung  auf  den  Frankfurter  Heirathsplan.  Zudem  zeigt  ja  auch 
der  vom  1.  Januar  datirte  Dialog  Fortuna,  den  Strauss  selbst  ganz 
richtig  auf  die  Frankfurter  Angelegenheit  bezieht,  dass  Hutten  damals 
seine  Hoffnung  auf  jenes  Mädchen  bereits  aufgegeben  hatte.  Folglich 
muss  die ) Nachricht  des  Cochläus  mit  ihrem  bedächtigen  Zusatz,  in 
dem  man  seine  Mitwisserschaft  um  das  Fehlschlagen  des  ersten  Planes 
spüren  könnte,  auf  den  zweiten  Plan  zu  beziehen  sein;  Huttens  un- 
datirter  Brief  an  Glauberg  (H.  \V.  Suppl.  2,  798  f.)  ist  demnach  aus 
dem  Februar  1520,  in  den  ihn  Bückling  und  Strauss  setzton,  weiter 
rückwärts  zu  legen  und  zwar  etwa  in  den  Octobor  1519:  auch  zu  dieser 
Zeit  begab  sich  Hutten  von  Mainz  nach  der  väterlichen  Burg  und  wird 
auf  dem  gewöhnlichen  Wege  sowol  Frankfurt  wie  Steinheim  berührt  haben. 

»  Die  Universität  Erfurt  2,  60  ff. 


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50 


HISTORISCHES. 


der  Verfolgung  seiner  friedlichen  Pläne  beschäftigt,  als  ihn 
plötzlich  vor  der  Entscheidung  ein  Brief  Sickingens,  der  ihm 
Aussicht  auf  eine  freilich  noch  unbestimmte  Stellung  beim 
Bruder  des  Kaisers  eröffnete,  aus  der  Bahn  riss.  So  stand 
Hutten  am  Scheidewege:  in  Bamberg  winkte  dem  Hu- 
manisten der  Friede  eines  sicheren  Gelehrten-  und  Beamten  - 
lebens,  in  Brüssel  dagegen  erwartete  den  revolutionären  Poli- 
tiker der  Streit  mit  feindlichen  Parteien.  Ehe  wir  Hutten 
mif  dem  letzteren  Wege  folgen,  den  er  bekanntlich  einschlug, 
wollen  wir  wenigstens  einen  Blick  auf  die  Bahn  werfen,  die 
sich  ihm  mit  dem  Eintritt  in  Bambergische  Dienste  eröffnete. 

Der  Bamberger  Bischof,  Georg  III.,  Schenk  von  Lim- 
purg, ist  unter  den  Kirchen fürsten  seiner  Zeit  einer  der 
freiesten  und  feinsten  Geister.1  So  ist  es  begreiflich,  dass 
Hutten  schon  1517,  als  er  nach  seiner  Rückkehr  vom  zweiten 
italienischen  Aufenthalt  einen  deutschen  Hofdienst  sucht,  neben 
den  glänzenden  Höfen  des  Kaisers  und  des  Mainzer  Kur- 
fürsten auch  Bamberg  in  Betracht  zieht,  dessen  Fürst  den 
neuen  poeta  laureatus  augenscheinlich  gern  an  sich  gefesselt 
hätte2;  und  so  erklärt  es  sich,  dass  Hutten  auch  1520  seine 
Hoffnung  auf  Bamberg  setzt.  Mehr  aber  noch  als  der  Schutz 
und  die  Unterstützung  des  Bischofs  selbst  hätte  für  seine 
litterarische  und  politische  Entwicklung  der  Einfluss  des 
Mannes  bedeuten  können,  der  am  Bamberger  Hof  das  höchste 
weltliche  Amt  bekleidete.  Es  ist  kein  Zufall,  dass  unser 
Brief  Hutten  mit  diesem  Manne  in  engster  litterarischer  Ge- 
meinschaft zeigt8:  der  Bambergische  Hofmeister  Johann  von 
Schwarzenberg  steht  in  politischer  und  litterarischer  Hinsicht 
Hutten  sehr  nahe.  Er  gehört  wie  dieser  zu  dem  Theile  des  Rittor- 
standes, der  eine  Reform  des  Reiches  und  der  Kirche  anstrebt. 
Aber  die  Besonnenheit  des  gereifteren  Alters,  die  Stellung 
als  fürstlicher  Beamter  und  endlich  der,  in  der  Halsgerichts- 
ordnung bewiesene,  streng  rechtliche  Charakter  zeichneten 
Schwarzenberg  einen  anderen  Weg  vor  als  den,  auf  welchem 
der  jugendliche,  heimatlose  und  alle  Schranken  durchbrechende 

1  Vgl.  Leit8chuh,  Oeorii:  III.,  Schenk  von  Limpurg,  Bamberg  1884. 
*  LeitRChuh,  8.  15  f. 
3  Vgl.  S.  66  ff. 


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EINLEITUNG. 


,57 


Ritter  zum  Ziele  gelangen  wollte.  Schwarzenberg  konnte 
niemals  mit  Hutten  sich  einer  Partei  anschliessen,  die  ihre 
Reformgedanken  auf  dem  Wege  der  Gewalt  durchsetzen  wollte; 
er  vertrat  sie  vielmehr  bedächtig,  aber  beharrlich  auf  dem  Boden 
des  Rechtes  und  Gesetzes.  In  der  Gleichheit  der  politischen 
Gesinnung  und  des  litterarischen  Strebens  war  die  Grundlage 
für  ein  Bündnis  zwischen  Hutten  und  Schwarzenberg  gegeben, 
das  für  Huttens  Entwicklung  und  Schicksal  wesentlich  andere 
Folgen  gezeitigt  hätte  als  die  spätere  Verbindung  mit  Sickingen. 
In  der  kühlen  Besonnenheit  und  der  parlamentarischen  Be- 
gabung Schwarzenbergs1  lag  das  einzige  wirksame  Gegen- 
gewicht zu  Huttens  radicalem  und  fanatischem  Charakter.  Man 
wird  natürlich  kaum  erwägen,  geschweige  denn  entscheiden 
können,  welche  Bahn  Hutten  gegangen  wäre,  wenn  er  sich 
am  Scheidewege  Schwarzenberg  statt  Sickingen  zugewandt 
hätte;  aber  man  muss  doch  die  Frage  wenigstens  aufwerfen, 
wenn  man  die  Entwicklung  dieser  beiden  Männer  auch  nur 
für  wenige  Jahre  verfolgt.  Drei  Jahre  später,  im  Frühling 
1523,  ist  Sickingen  am  Ende  seiner  Pläne  und  kann  nur 
trotzig  den  Todesstreich  der  Fürsten  erwarten ;  Schwarzenberg 
aber  steht  auf  der  Höhe  des  Lebens :  denn  er  ist  es  haupt- 
sachlich gewesen,  der  während  des  Nürnberger  Reichstages 
in  regelrechter  Verhandlung  mit  dem  reformfreundlichen  Papst 
Adrian  VI.  die  Beschwerden  und  Forderungen  des  deutschen 
Volkes  zur  Geltung  und  zum  Ausdruck  brachte  und  so  den 
nationalen  Bestrebungen  einen  bedeutsamen  Sieg  erfocht.2 
Man  kann  es  sich  sehr  gut  vorstellen,  dass  Hutten  unter  dem 
Einfluss  Schwarzenbergs  ebenfalls  zu  einer  Art  parlamenta- 
rischer Thätigkeit  gelingt  wäre,  wie  er  sie  im  Anfang  seiner 
politischen  Laufbahn  auf  dem  ersten  Reichstag  dieser  Reform- 
epoche in  Augsburg  selbst  schon  ausgeübt  hatte. 

Aber  diese  friedliche  Unterströmung,  die  wir  eben  auf- 
zudecken und  zu  verfolgen  suchten ,  brach  Sickiugen ,  der 
Hutten  durch  die  Berufung  nach  den  Niederlanden  mitten 

1  Vgl.  Luthers  Auaspruch  in  der  Schrift  von  Concilien  und  Kirchen 
bei  Weißel,  Schwarzenberg  S.  :J6. 

2  Ranke,  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation  28, 
37  ff.  und  Buumgarten,  Geschichte  Karls  V.  2,  247. 


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58 


HISTORISCH  KS. 


ins  politische  Leben  hineinriss.    Erst  aus  dieser  Anregung" 
Sickingens  ist  Huttens  vielbesprochene  Reise  an  den  Hof 
Erzherzog  Ferdinands  zu  begreifen.    In  den  früheren  Dar- 
stellungen inusste  der  plötzliche  Übergang  von  dem  Streben 
nach  Ruhe  und  persönlichem  Zurücktreten  zu  dem  Sprung 
auf  den  offenen  Kampfplatz  vollkommen  unerklärlich  bleiben  ; 
und  das  ganze  Unternehmen,  in  dem  man  nur  einen  persön- 
lichen Einfall  und  Versuch  sehen  konnte,  hatte  das  Ansehen 
einer  Donquixotiade,  wie  man  sie  Hutten  gerade  damals  nicht 
zutrauen  darf.     Wenn  in  der  bisherigen  Beleuchtung  da« 
Misslingeii  der  Reise  ganz  natürlich  erscheinen  muss,  so 
würde  man  aus  den  Vorbedingungen,  auf  die  wir  sie  nun- 
mehr gegründet  sehen,  eher  einen  günstigen  Erfolg  erwarten. 
Die  beiden  Männer,  die  Hutten  ihre  Hand  zur  Einführung 
bei  Hofe   boten,    hätten  auch   ein   weniger  sanguinisches 
Temperament  mit  freudiger  Zuversicht  erfüllen  köuuen :  denn 
ebenso  wie  Franz  von  Sickiugen  stand  der  Bischof  von  Lüttich, 
Graf  Eberhard  von  der  Mark,  wegen  der  um  die  Wahl 
Karls  V.  erworbenen  Verdienste  in  hoher  Gunst  am  Brüsseler 
Hofe.1    Die  Aussicht,  an  der  Seite  dieser  beideu  Männer,  von 
denen  er  den  einen  auf  dem  Augsburger  Reichstag  für  die 
Kirchenreform2,  den  anderen  im  wirtemberger  Kriege  für 
die  Reichsreform  als  Parteigenossen  erkannt  hatte,  fast  un- 
mittelbare Einwirkung  auf  das  neue  Oberhaupt  des  Reichs 
auszuüben,  war  glänzender  als  Hutten  selbst  hätte  erwarten 
können.    In  der  That  wurde  er  durch  Sickingens  Eröffnung 
überrascht,  aber  allem  Anschein  nach  doch  nicht  durchaus 
freudig;  denn  obgleich  er  schon  im  Januar  Ferdinaud  als 
eiuen   nothwendigen   Bundesgenossen   bezeichnet   hatte  und 
ihm  ausdrücklich  in  diesem  Sinne  im  März  die  Ausgabe  der 
Schrift  'de  unitate  ecclesiae  conservanda'  mit  einer  begeisterten 


1  Baumgarten,  Geschichte  Karls  V.  1,  389.  Ulmunn,  Franz  von 
Sickingen  8.  162  f. 

2  Eberhard  ist  jener  Lütticher  Bischof,  der  damals  eine  so  scharfe 
Denkschrift  gegen  die  Missbräuche  der  Curie  an  den  Reichstag  sandte, 
dass  Luther  ungläubig  von  einem  'siuutltttus'  episcopus  Leodiensis  schrieb 
(Luthers  Briefwechsel,  herausgeg.  von  Ludwig  Enders,  1,  303). 

3  II.  W.  1,  321;  325  ff. 


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EINLEITUNO. 


Od 


Vorrede  widmete3,  scheint  er  doch  eine  persönliche  Berufung 
weder  erwartet  noch  gewünscht  zu  haben :  sonst  würde  er  sie 
mit  grösserer  Freude  und  weniger  Bedenken  angenommen 
haben.  Neben  den  allgemeinen  Sorgen  über  die  Schwierig- 
keit der  neuen  Verhältnisse,  in  die  er  sich  begeben  sollte, 
regte  sich  wol  besonders  die  Unlust,  auf  dem  eben  erst  be- 
tretenen Wege  zu  einem  ruhigen  Leben  umzukehren  einer 
Stellung  zu  Liebe,  die  noch  nicht  einmal  bestimmt  gesichert 
war. 1  Wenn  nun  Hutten  trotzdem  Sickingens  Wunscho 
Folge  gab,  so  wirkten  wol  zunächst  auf  ihn  das  Pflicht- 
gefühl gegen  seinen  Beruf  und  die  Achtung  vor  dem  be- 
wunderten Freund,  sodanu  aber  auch  die  verlockende  Aus* 
sieht  auf  die  Ehre  eines,  wenn  auch  nur  vorübergehenden, 
Hofdienstes  beim  Bruder  des  Kaisers.  Gewiss  erleichterte 
ihm  den  Abschied  von  der  Heimat  auch  der  Misserfolg  seines 
zweiten  Heirathsplans,  von  dem  er  nach  seinem  Aufbruch  von 
Bamberg  durch  seine  Base  Gertrud  in  Birkenfeld  unterrichtet 
wurde,  und  andrerseits  die  Hoffnung,  im  Glanz  der  neuen 
Ehre  mehr  Glück  in  seinen  Bewerbungen  und  somit  in  seinen 
Ruheplänen  zu  haben.2  So  nahm  er  denn  den  Ruf  an,  je- 
doch nicht  ohne  vorher  seinen  Vetter  Bernhard  gebeten  zu  haben, 
ihm  inzwischen  eine  Stellung  in  der  Heimat  zu  verschaffen. 

Noch  bevor  er  abreiste,  wurden  die  Wirkungen  der  neuen 
Wendung  bei  ihm  sichtbar.  Hatte  er  bis  dahin  immer  eine 
gewisse  Deckung  in  seinen  Angriffen  gegen  Rom  bewahrt, 
so  geht  er  bereits  während  der  zwei  Monate,  die  er  aus  un- 
bekannten Gründen  bis  zum  Aufbruch  hinzögerte,  offen  aus 
sich  heraus.  Das  Widmungsschreiben  an  alle  freien  Deutschen 
und  der  erste  Brief  au  Luther  zeigen3,  dass  er  sich  nunmehr 
in  doppeltem  Sinne  berufen  glaubte,  mit  eigner  Person  an 

1  Vgl.  H.  W.  4,  689:  Hodie  enim  Femandum  accessurus  exeo, 
curarum  plenus  maxinuirum.  De  condiciotie  nova  nun  dum  est  ut  yra- 
fnlen'8.  —  Ferner  H.  W.  1,  341  und  358.  H.  W.  1,  344  legt  der  Mainzer 
Leibarzt  Stromer  dem  Ritter  die  Titel  eines  Mainzisohen  und  Erzherzog- 
innen Käthes  bei,  obgleich  ihm  der  eine  nicht  mehr,  der  andere  noch 
nicht  gebührte. 

*  Vgl.  den  Brief  des  Erasmus  vom  «.  Mai  1524  H.  W.  2,  410; 
dazu  Böcking8  (ebenda)  und  Strauss'  (21,  66)  Bemerkungen. 
3  H.  W.  1,  349  ff.;  355  f. 


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60 


HISTORISCHES. 


die  Spitze  der  nationalen  Bewegung  zu  treten.  Um  so  starker 
musste  er  den  Rückschlag  fühlen,  den  all  seine  Hoffnungen 
in  Brüssel  erfuhren.  Am  Hofe  des  Erzherzogs  fand  er  die 
ihm  feindliche  Geistlichkeit  in  so  mächtiger  Stellung,  dass  er 
auf  den  Rath  seiner  Freunde,  die  sogar  von  meuchlerischen 
Nachstellungen  sprachen,  unverrichteter  Sache  sofort  wieder 
umkehrte.  Zur  vollständigen  Erkenntnis  seiner  plötzlich  so 
veränderten  Lage  gelangte  Hutten  aber  erst,  als  er  Anfang 
August  bei  seiner  Einkehr  in  Frankfurt  bestimmte  Kunde  er- 
hielt, dass  der  Papst  selbst  seine  Hand  nach  ihm  ausgestreckt 
habe  und  ihn  vom  Kaiser  und  den  Fürsten  als  Gefangenen 
nach  Rom  vor  sein  Gericht  fordere.  Während  er  sich  eben 
noch  als  Führer  der  nationalen  Bewegung  träumte,  sah  er 
sich  mit  einem  Schlage  in  die  Rolle  eines  Märtyrers  versetzt, 
in  der  er  noch  unlängst  Luther  bewundern  zu  müssen  glaubte. 

Huttens  ferneres  Verhalten  erklärt  sich  aus  dem  Kampf 
gegen  die  päpstliche  Verfolgung.  Man  hat  ihm  seine  Grund- 
lage durch  den  Hinweis  zu  entziehen  gesucht1:  'der.  ganze 
„päpstliche  Anschlag  auf  Huttens  Freiheit  und  Leben"  be- 
ruht auf  Huttens  Aussagen !'  Mit  Recht  bemerkt  allerdings 
Strauss,  dass  sich  in  den  erhaltenen  Briefen  an  den  Kurfürsten 
von  Mainz,  d<»u  Hutten  besonders  als  Beauftragten  des  Papstes 
bezeichnete,  die  angeführte  Forderung  der  Festnahme  und 
Auslieferung  nicht  befinde. 2  Die  nein  sten  reforinatious- 
geschichtlichen  Veröffentlichungen  aus  dem  Vaticanischen 
Archiv8  gewähren  jedoch  in  ebenso  überraschender  wie  schla- 

1  Kumpschulte,  Die  Universität  Erfurt,  2,  82. 

2  S.  319.  Ähnlich  im  feindlichen  Sinne  (Jarcke),  Studien  und 
Skizzen  zur  Geschichte  der  Reformation  S.  193;  Janssen,  Geschichte 
des  deutschen  Volkes  22,  115.  —  Böcking  hat  des  Kurfürsten  Antwort- 
schreiben auf  das  päpstliche  Breve  in  die  Mitte  des  Juli  gesetzt  (H.  W. 
1,  363  IT.),  während  e9  doch  mit  der  Angabe  beginnt,  dass  Albrecht 
die  Breven  erst  am  25.  October  empfangen  habe.  Vgl.  auch  Baum- 
garten, Geschichte  Karls  V.  1,  395,  wo  Böckings  Irrthum  gerügt  ist. 
Demgemüss  ist  auch  der  Brief  an  Capito  (H.  W.  1,  365  f.)  nicht  mit 
Bocking  vom  Ende  Juli  zu  datiren,  aber  wol  auch  nicht  mit  Baum- 
garten vom  Ende  October,  sondern  mit  Rücksicht  auf  die  Erwähnung 
der  Clag  vnd  Vormanung'  vom  Anfang  November. 

5  Monumenta  reformationis  Lutheranae  ex  tabuluriis  secretioribus 
,S.  Sedis  1521  —  1525.  ed.  Petrus  Balan,  1884,  S.  8  ff. 


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EINLEITUNG. 


61 


gender  Weise  eine  Bestätigung  der  Huttensehen  Angaben. 
Unter  den  bisher  unbekannten  Stücken  befindet  sich  eine  In- 
struction für  den  Nuntius  Aleander,  die  ohue  Zweifel  mit  den 
übrigen  auf  ihn  bezüglichen  Geleitschreiben  iu  die  Mitte  des 
Juli  zu  setzen  ist.  Diese  Instruction  ermächtigt  eingangs  den 
Nuntius,  Luther  und  seine  Genossen  nach  Verkündigung  der 
Bulle  und  Ablauf  der  Widerrufsfrist  ins  Gefängnis  zu 
werfen  und  sogar  zum  Tode  zu  verurtheilen,  ferner  die  Hilfe 
weltlicher  und  geistlicher1  Fürsten  in  Anspruch  zu  nehmen 
unter  Androhung  des  Bannes  für  den  Weigerungsfall.  Am 
Schlüsse  beauftragt  sie  den  Nuntius  mit  der  Forderung  an 
den  Kaiser  und  alle  Fürsten,  zu  der  genannten  Zeit  Luther 
zu  fangen  und  gefesselt  der  römischen  Curie  zuzuführen  -,  da- 
mit ihn  die  gebührende  Strafe  treffe.  Luthers  Anhänger 
könnte  der  Nuntius  auf  Grund  seiner  Inquisitionsvollmacht 
namentlich  bekannt  machen,  damit  sie  ähnlich  bestraft  oder 
doch  aus  Deutschland  vertrieben  würden.  Mit  Rücksicht  auf  das 
Breve  an  den  Kurfürsten  von  Mainz  wäre  mau  ohne  weiteres  be- 
rechtigt, unter  den  Genossen  Luthers  besonders  Hutten  zu 
verstehen.  Aber  die  Instruction  selbst  giebt  dieser  Annahme 
eine  ausdrückliche  Bestätigung  dadurch,  dass  es  am  Schlüsse 
des  Absatzes  über  die  in  gleichem  Sinne  verurtheilten  Bücher 
heisst:  4. .  sicut  est  Hutteni  epistola  prefixa  libro  cujusdam 
scismatici,  Trias  et  similia.'  Huttens  Augaben  beruhen  mit- 
hin auf  Tbatsachen.  Demnach  würde  er  kaum  zwei  Wochen 
nach  der  wahrscheinlichen  Abfassung  der  Instruction  und  fast 
zwei  Monate  vor  dem  Eiutreffen  jenes  Breve  an  den  Mainzer 
um  die  Pläne  des  Papstes  gewusst  haben.  Dies  Ergebnis 
würde  unglaublich  erscheinen,  wenn  nicht  gerade  durch  die 
Aussage  des  Nuntius  Aleander  bezeugt  wäre,  dass  z.  B.  die 
berühmte,  von  Hutten  glossirte  und  von  Luther  verbrannte 


1  Unter  diesen  ist  merkwürdiger  Weise  nur  Huttens  Gönner,  der 
Bischof  von  Lüttich,  namhaft  gemacht. 

*  .  . .  Murtinu»  capiatur,  et  ut  vinetus  duc.utnr  ad  Curinm  Bo- 
manatn  ..,  dazu  Huttens  Aussage  (H.  W.  1,408):  ...  iam  literis  con- 
tendere  a  quibusdam  in  Germania  principibu*  episcopum  Bomunum, 
nonnullis  suo  iure  et  iam  imperure,  ut  vinetum  me  Bornum  miltant.  Ganz 
ähnlich  schon  am  8.  August  in  dem  Brief  an  Capito  (H.  W.  1,  367). 


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62 


HISTORISCHES. 


Bulle  in  Deutschland  bereits  gedruckt  war,  bevor  sie  in  Rom 
publicirt  wurde.1 

Dieses  Ereignis  schürte  in  Hutten  den  Gedanken  eines 
Pfaffen krieges,  der  in  den  eigentümlichen  Elementen  seines 
Standes  und  Temperamentes  schon  vorher  Nahrung  gefunden 
hatte,  zur  hellen  Flamme  an.  Der  erste  Brief,  der  aus  der 
Zeit  nach  der  niederländischen  Reise  vorliegt,  gipfelt  in  dem 
Ruf:  'Quam  gestiunt  gladii  mihi.7  Jetzt  besonders  übte  die 
Verbindung  mit  Sickingen  ihre  verhängnisvolle  Wirkung: 
das  Vertrauen  zu  dem  waffenmächtigen  Freunde,  der  in 
geistlichen  wie  weltlichen  Rechtshäjideln  mit  eiserner  Faust 
kurzen  l'rozess  zu  machen  gewohnt  war,  musste  Hutten  in 
seinen  Plänen  befestigen.  Wenn  auch  Sickingeu  zunächst 
von  Gewalt massregeln  abrieth  und  auf  den  Schutz  des  Kaisers 
hinwies,  so  musste  Hutten  doch  von  dem  Mann,  der  noch  un- 
längst auf  seine  Veranlassung  für  Reuchlin  gegen  den  Prediger- 
orden die  Hand  drohend  ans  Schwert  gelegt  hatte,  die  sichere 
Hoffnung  hegeu,  dass  er  auch  für  ihn  mit  dem  ganzen 
Nachdruck  seiner  Waffeumacht  eintreten  werde.  Es  wäre 
mithin  vollkommen  falsch,  dem  temporisirenden  Verhalten 
Sickingens  einen  wirklich  mässigenden  Einfluss  auf  Hutten 
zuzuschreiben,  wie  ihn  nur  das  principielle  Entgegentreten 
eines  Schwarzenberg  hätte  ausüben  können.  Das  nächste 
Ergebnis  ist  eine  Reihe  von  Klagschriften  über  die  drohende 
Gewaltthat  des  Papstes,  in  denen  sich  die  innere  Zwiespältig- 
keit Huttens  spiegelt.  Während  er  in  der  ersten  von  ihnen, 
die  wol  zumeist  unter  Sickingens  Einfluss  verfasst  und  von 
diesem  dem  Kaiser  überbracht  wurde,  seine  Sache  bedingunglos 
in  die  Hände  des  neuen  Herrschers  legt,  zeigt  er  doch  schon 
dadurch,  dass  er  sich  ausserdem  iu  vier  anderen  Schriften  an 
den  Kurfürsten  Friedrich  von  Sachsen  als  weltlichen  Fürsten 
und  Beschützer  Luthers,  an  den  Kurfürsten  Albrecht  von 
Mainz  als  geistlichen  Fürsten  und  seinen  eigenen  Gönner,  an 
den  Ritter  Sebastian  von  Roten  ha  n  als  Verwandten  und  Ver- 
treter des  Adels,  sowie  endlich  au  das  gesammte  deutsche  Volk 
wendet,  wie  wenig  er  geneigt  ist,  auf  eigene  Thätigkeit  in 


1  Th.  Brieger,  Aleander  und  Luther  S.  32. 


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CBERG  AN<iSZKIT. 


63 


seiner  Sache  zu  verzichten.  Wahrend  er  in  der  Klarschrift 
an  den  Kaiser  hervorhebt,  dass  er  dessen  Entscheidung  der 
Anwendung  von  Waffengewalt  vorziehe,  verräth  er  an  vielen 
Stellen  der  übrigen  Klagschrifton  gegen  seinen  Willen,  dass 
er  insgeheim  doch  den  Plan  eines  Pfaffenkrieges  iu  eigener 
wie  des  Volkes  Sache  unablässig  verfolgt.  Die  sicherste 
Handhabe  für  den  Nachweis  solcher  revolutionären  Pläne 
bietet  Hutten  jedoch  in  jener  Stelle  am  Schlüsse  des  letzten 
Klagschreibens,  welche  Strauss  mit  Recht  als  Markstein  einer 
Epoche  in  Huttens  Schriftstellerei  herausgehoben  hat:  aus 
der  Angabe,  dass  er  bisher  lateinisch  geschrieben  habe,  um 
das  Volk  nicht  in  die  kirchenpolitischeu  Verhältnisse  einzu- 
weihen und  so  einen  allgemeinen  Aufruhr  zu  vermeiden, 
lässt  sich  mit  vollkommener  Sicherheit  abnehmen,  dass  der  im 
Herbst  1520  vollzogene  öffentliche  Übergang  zur  deutschen 
Sprache  einen  entschiedenen  Fortschritt  auf  der  revolutionären 
Bahn  bedeutet.  Hiermit  sind  wir  an  dem  Punkte  angelangt, 
von  dem  wir  uns  zu  einer  eingehenden  Untersuchung  dieser 
bedeutsamen  litterarischen  Entwicklung  wenden  müssen. 

Jene  Worte  am  Schlüsse  der  lateinischen  Klagschrift 
an  alle  Deutschen  und  einige  Verse  der  'Clag  vnd  Vormauuug' 
haben  die  Grundlage  für  eine  ganz  falsche  Darstellung  dieses 
Problems  abgegeben.  Strauss  schreibt 1 :  'Noch  in  dem  Send- 
schreiben an  die  Deutschen  aller  Stände,  mithin  Ende  Sep- 
tember 1520,  hatte  sich  Hutten  . .  .  darauf  berufen,  dass  er 
bisher  lateinisch  geschrieben  habe. . .  .  Noch  war  das  Jahr 
nicht  zu  Ende,  als  er  diesem  Aulass  Folge  gab,  und  deutsch 
zu  schreiben  begann:  Latein  ich  vor  geschrieben  hab  u.  s.  w.' 
Wenngleich  Strauss  weiterhin  richtige  Erwägungen  über  die 
politischen  und  persönlichen  Motive  giebt,  durch  die  Mutten 
zu  diesem  Wechsel  geführt  wurde,  so  haftet  doch  seinen  Dar- 
stellungen ein  schwerer  Fehler  an:  Huttens  Übergang  zur 
deutschen  Sprache  erscheint  als  ein  durch  äussere  (i runde 
erzwungener  plötzlicher  Sprung  in  ein  unbekanntes  Land, 
iu  dem  er  sich  denn  auch  nie  ganz  habe  zurecht  fiuden 


'  S.  345. 


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04 


HISTORISCHE». 


können.1  Strauss  trägt  hauptsächlich  die  Schuld  daran,  dass 
man  Huttens  deutschen  Schriften  überall  als  schlecht  vorbe- 
reiteten und  übereilten  Erzeugnissen  einer  politischen  Unter- 
nehmung mit  schlimmem  Vorurtheil  begegnet. 

Eine  erneute  Prüfung  dieses  Problems  führt  jedoch  zu 
dem  entgegengesetzten  Ergebnis.  Man  wird  sich  zunächst 
von  dem  Glauben  lossreisssen  müssen,  dass  Hutten  sich  vor 
jenem  ersten  Bekenntnis  überhaupt  nicht  auf  dem  Felde  der 
deutschen  Sprache  versucht  habe.  Allerdings  liegen  die  Be- 
weise dieser  früheren  deutschen  Sehriftstellcrei  nicht  ganz  klar 
am  Tage  und  sind  zum  Theil  erst  neu  entdeckt. 

Schon  im  Frühling  lr>17  scheint  sich  Hutten  an  einem 
der  hervorragendsten  Werke  deutscher  Litteratur-  und  Sprach- 
geschichte jener  Zeit,  der  Ciceroübertragung  Johanns  von 
/  Schwarzenberg,  betheiligt  zu  haben,  bei  der  er  die  Revision 
des  Buches  vom  Alter  besorgte.  Wenn  man  einem  seiner 
Genossen  an  dem  grossen  Wrerke  glauben  darf,  wnr  eine 
solche  Revision  gleichbedeutend  mit  einer  selbständigen  Über- 
setzung; denn  Schwarzenberg  Hess  die  Schriften  Ciceros  zueist 
von  einem  Lateinkundigen  ins  Deutsche  übersetzen,  änderte 
dann  selbst  ohne  Kenntnis  der  lateinischen  Sprache  die  Ver- 
deutschung im  Sinne  der  von  ihm  anerkannten  'hoffränkiseheif 
Sprache  und  übergab  sie  endlich  zur  Revision  einem  zweiten 
Lateinverstäudigen.-  Bedenkt  man,  dass  eine  solche  Revision 
die  sorgsamste  Vermittlung  zwischen  dem  lateinischen  Original 
und  dem  hoffränkischen  Ideal  bedingte,  duss  ferner  grund- 


1  Vgl.  8.  358. 

*  Leitschuh  S.  17  hat  wie  andere  vor  ihm  diese  Thntigkeit 
Huttens  in  den  Bamberger  Aufenthalt  des  Jahres  1520  verlegt.  Hier- 
gegen spricht  jedoch,  dass  nach  dem  folgenden  Zeugnis  Behnims  Schwar- 
zenberg gerade  zur  Zeit  von  Huttens  erstem  Aufenthalt  in  Bamberg  mit 
der  Revision  seines  Übersetzungawerkes  beschäftigt  ist,  und  auch  der  Um- 
stand, dass  Hutten  in  dem  weiter  unten  besprochenen  Brief  von  1520  von 
einer  Betheiligung  am  Cicerowerk  nichts  erwähnt.  —  Behaim  an  Pirck- 
heimer,  September  1517  (H.  W.  1,  154):  Opi  quandam  durum  pro- 
vinciam  revidendi  translat ionem  Cicerouis  officiorum  de  Todvsco  in  7b- 
descum,  id  est  de  malo  in  peius,  quin  rideu  errorem  purere  error tm : 
natu  utrobique  aliqnando  non  aequuntur  von  modo  iextunt,  sed  ne  seusutn 
ifuidnn  fi.r1us;  <1  sie  quasi  tertimn  fatio  fo<h*cnn  r/r. 


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ÜBEK0ANUSZE1T. 


65 


bätzlich  eine  Übersetzung  'nit  von  Worten  zü  Worten,  sunder 
von  synuen  zü  synnen1  verlangt  wurde  \  so  wird  man,  selbst 
wenn  man  den  angeführten  Ausspruch  Lorenz  Behaims  nicht 
ganz  für  wahr  nimmt,  doch  die  technische  Leistung  und  den 
bildenden  Einfluss  eines  solchen  Unternehmens  mindestens 
ebenso  hoch  wie  den  einer  selbständigen  Übersetzung  an- 
schlagen müssen. 

In  die  Reihe  dieser  früheren  deutschen  Schriften  sind 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  die  anonymen  Übersetzungen 
der  beideu  Huttenscheu  Dialoge  Febris  und  Phalarismus-  zu 
setzen,  obgleich  sie  in  auffälliger  Weise  eine  fremde  Flagge 
aushängen:  'durch  ..  Virich  vom  Hutten  in  lateiu  beschriben, 
yetz  durch  gut  gunner  zu  deutsch  gemacht'  und  'Erstlich 
durch  .  .  Vlrichen  von  Hutten  .  .  jm  lateiu  seer  zirlich  beschriben, 
darnach  durch  andere,  jn  das  teutzsch,  wie  sich  das  hat  schicken 
wöllen,  bracht.'  Die  stilistische  Prüfung  kann  allerdings  bei 
dem  ersten  Dialog  nur  wenige  Beweise  erzielen;  dagegen 
enthält  der  zweite  eine  Reihe  von  Merkmalen  Huttenschen 
Stiles.  Für  Huttens  Verfasserschaft  spricht  im  zweiten  Fall 
auch  die  popularisireude  Einleitung,  mit  der  dieses  'etwas 
meer  vfF  poetische  Art  zugerichte'  Gespräch  ebenso  versehen 
ist  wie  die  sicher  von  Hutten  stammeude  Übertragung  des 
gleichfalls  sich  an  die  Antike  anlehnenden  Gesprächs  'Iu- 
spicientes';  ferner  auch  das  Bild,  die  Ermordung  Hans'  von 
Hutten  darstelleud,  das  sonst  nur  von  Hutten  selbst  be- 
sorgte Drucke,  die  erste  Ausgabe  des  Phalarismus  und  die 
Steckelberger  Sammlung,  enthalten.  Gegen  Hutten  scheiut 
bei  der  Febrisübersetzung  zu  sprechen,  dass  er  selbst  in  der 
Widmung  au  Sickiugen  bemerkt,  er  habe  den  Dialog  über- 
setzen 'lassen'/*  Dies  Bedenken  wird  jedoch  reichlich  dadurch 
aufgewogen,  dass  er  dieselbe  Übersetzung  in  einem  'fast  nur 
in  Betreff  der  Rechtschreibung  und  der  Scheidezeicheu  ab- 
weichenden'4 Neudruck  seinem  Gespräch büchlein  einverleibte, 
das  er  wiederum  Sickingen  als  sein  eigenes  Werk  widmete. 

1  Joh.  v.  Schwarzenberg,  Der  Teütsch  Cicero,  1534,  8.  XXI",  XL1". 
»  H.  W.  Ind.  bibl.  XXI,  4,  27  ff. ;  1  ff. 

•  H.  W.  1,  247. 

*  Böckings  Urtheil  in  seiner  Vorrede  H.  W.  4,  28. 

<JF.  LXV1I.  5 


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66 


HISTORISCH  Ksä. 


Der  Anlas»  des  Versteckspiels  muss  aus  der  Ent- 
stehungszeit erschlossen  werden.  Die  Febrisübertragung  ist 
nach  der  Widmung  in  den  Februar  1519  zu  setzen.  In  die- 
selbe Zeit  fällt  auch  sicherlich  der  deutsche  Phalarismus. 
Der  Zweck  jener  Zusammenkunft,  bei  der  Hutten  von  Sickingen 
zur  Verdeutschung  der  Febris  angeregt  wurde,  war  eine  Be- 
rathung  über  den  gemeinsamen  Feldzug  gegen  Herzog  Ulrich 
von  Wirtemberg. 1  Da  nun  Hutten  um  jene  Zeit  bereits 
die  Steckelberger  Sammlung  plante,  in  der  er  seine  sämt- 
lichen Schriften  gegen  den  wirtembergischen  Fhalaris  her- 
ausgab, so  musste  sich  ihm  aus  Sickingens  Anregung  zur 
Übertragung  der  Febris  der  Gedanke  ergeben,  den  einzigen 
Dialog  unter  diesen  Schriften  in  einer  gemeinverständlichen 
Form  ins  "Volk  zu  senden,  damit  dort  wenigstens  dieser  Theil 
die  agitatorische  Wirkung  übe ,  die  er  von  der  lateinischen 
Sammlung  nur  für  engere  Kreise  erwarten  durfte.  Aus  der 
Zeit  der  Entstehung  folgt  für  die  Geheimhaltung  des  Namens 
die  einfache  Erklärung,  dass  Hutten  aus  humanistischem 
I  Schriftstellerstolz  Bedenken  trug,  selbst  mit  Verdeutschungen 
'seiner  Schriften  hervorzutreten:  zwischen  der  verdeckten  Aus- 
gabe der  deutschen  Febris  und  ihrer  Aufnahme  in  das  Ge- 
sprächbüchlein liegt  eben  Huttens  öffentlicher  Übergang  7ur 
deutschen  Sprache.  Die  merkwürdige  Art  des  Versteckspicls 
lässt  sich  gerade  bei  Hutten  leicht  erklären.  Die  Erinne- 
rung an  das  grosse  8chwarzenbergsche  Cicerowerk  mit  seiner 
vielköpfigen  Ubersetzergesellschaft  mag  es  ihm  eingegeben 
haben,  auch  für  seine  kleinen  Übertragungen  stets  ein  ganzes 
Collegium  vorzuschieben.  Aber  diese  'guten  gunner,  die 
sich  weiter  sogar  noch  in  die  schemenhaften  'anderen'  ver- 
flüchtigen, können  mit  ihrer  luftigen  Namenlosigkeit  den 
wahren  Verfasser  nicht  verdecken. 

Doch  nicht  nur  in  Übersetzungen  fremder  und  eigener 
Werke,  sondern  in  selbständigen  Schöpfungen  hat  Hutten  die 
deutsche  Sprache  verwendet,  ehe  noch  politische  Motive  ihn 
veranlassten,  sie  offen  zu  gebrauchen:  um  Ostern  1520  ver- 
fasste  er  zwei  Reimgedichte,  wahrscheinlich  politischen  In- 


1  Strausa,  Hutten  8  252. 


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ÜBERGANGSZEIT 


67 


halte.     Leider  sind  beide  Gedichte  uns  verloren  bis  auf 
einen  winzigen  Rest,  der  in  der  Quelle  dieser  Nachricht  er- 
halten ist,  in  eben  jenem  neuen  Brief,  mit  dem  Hutten  in  den 
Wege  einlenkt,  der  ihn  zur  offenen  Verwendung  der  deut- 
sehen  Sprache  führen  sollte.    Die  Nachrichten   über  den 
Inhalt  der  Gedichte  fliessen  nur  spärlich.    Ober  das  erste 
Gedicht,  das  Hutten  für  seinen  Vetter  Bernhard  als  Ersatz 
für  ein  von  diesem  verfasstes  und  ihm  zur  Prüfung  übersandtes 
Werk  schrieb,  lässt  sich  weiter  nichts  erschließen,  als  dass 
es  allgemein  interessanten,  wahrscheinlich  politischen  Inhalts 
gewesen  sein  muss.    Nähere  Vermuthungen  gestatten  die  An- 
gaben über  das  zweite  Gedicht,  das  er  in  Gemeinschaft  mit 
Johann  von  Schwarzenberg,  dem  Genossen  vom  Cicerowerk, 
hervorbrachte:  nach  dem  mitgetheilten  Titel  und  der  Analogie 
verwandter  Dichtungen  Schwarzenbergs  und  Huttens  scheint 
es  sich  um  ein  satirisches  Gedicht  gegen  den  Kaufmannstand 
zu  handeln.    Diese  bisher  ganz  unbekannten  Nachrichten  be- 
weisen aber  nicht  nur,  dass  Hutten  um  Ostern  1520  den  deut- 
schen Reimvers  zu  handhaben  verstand,  sondern  mit  einiger 
Sicherheit  auch,  dass  er  hierin  schon  damals  eine  längere, 
anerkannte  Übung  und  Fertigkeit  besessen  haben  muss.  Sonst 
würde  er  von  dem  selbst  dichtenden  Vetter  kaum  um  sein 
Urtbeil  und  seine  Hilfe  angegangen  wordeu  sein,  noch  hätte 
er  das  Gedicht  so  scharf  kritisiren  und  so  schnell  durch  ein 
eigenes  ersetzen  können.   Ferner  ist  sonst  schwer  zu  erklären, 
wie  Schwarzenberg,  ein  im  Reimgedicht  bereits  so  gewandter 
Mann,  der  damals  sein  grösstes  Gedicht,  wenigstens  in  erster 
Fassung,  und  eine  Reihe  von  Sprüchen  geschrieben  hatte,  sich 
Hutten  zu  poetischer  Thätigkeit  gesellen  konnte.1    Aus  dem 
Briefe  geht  ferner  hervor,  dass  Hutten  sich  schon  zu  einer 
verfeinerten  Technik  des  Verses  durchgearbeitet  hatte.  Da 
derselbe  Grundsatz  strenger  Achtsilbigkeit  auch  von  Schwarzen- 
berg ausdrücklich  betont  wird 2,  so  erhebt  sich  die  Frage,  von 

1  Der  'Kummertrost'  ist  in  seiner  ersten  Fassung  (die  leider 
immer  noch  im  Sohwarzenbergschen  Archiv  zu  Wiltingen  verborgen 
liegt,  vgl.  Weißel,  Schwarzenberg  8.  38)  schon  1502  entstanden,  die 
Sprüche  der  Halsgerichtsordnung  wenige  Jahre  später. 

2  Teütsch  Cicero,  1534,  S.  XCVIP.    Abgesehen  von  don  Versen 

5* 


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CS 


HISTORISCHES. 


welchem  der  beiden  Ritter  er  zuerst  aufgestellt  wurde.  Da 
nun  Schwarzenberg  in  den  früheren  Versen  der  Halsgerichts- 
orduung  ganz  unregelmässig  verfährt,  so  scheint  die  Bewegung 
von  Hutten  auszugehen,  der  mit  ihr  etwas  von  der  strengeren 
Metrik  der  antiken  Poesie  in  den  deutschen  Reimvers  einge- 
führt hätte.  Noch  schwerer  ist  aus  dem  vorhandenen  Material 
die  Frage  zu  entscheiden,  inwieweit  Schwarzenberg  mit  seiner 
bereits  befestigten  Technik  des  didactischcn  Reimgedichts  auf 
Hutten  eingewirkt  hat  oder  ob  dieser  sich  selbständig  einen 
ähnlichen  Stil  schuf.  Auf  jeden  Fall  aber  ist  durch  die  Thnt- 
sache  der  gemeinsamen  poetischen  Beschäftigung  mit  Schwarzen- 
berg der  unzweifelhafte  Beweis  erbracht,  dass  Hutten  kein 
Neuling  auf  dem  Gebiet  war,  auf  dem  er  sich  ein  halbes 
Jahr  später  unter  dem  Drange  politischer  und  persönlicher 
Verhältnisse  öffentlich  zeigte. 

Ebenso  wenig  lässt  sbh  das  zweite  Vorurtheil  halten, 
dass  Hutten  in  überhasteter  Eile  als  deutscher  Schriftsteller 
aufgetreten  sei.  Strauss'  Darstellung  erweckt  den  Anschein, 
als  habe  Hutten  ganz  plötzlich  eine  Production  in  deutscher 
Sprache  entwickelt,  die  selbst  mit  Rücksicht  auf  die  eben  auf- 
gedeckte Vorbereitung,  mit  der  Strauss  nicht  einmal  rechnen 
konnte,  ganz  unerklärlich  und  unglaublich  ist.  Setzt  man 
Strauss  allgemeine  Andeutungen  in  Daten  um,  so  müssen  die 
1578  Verse  der  'Clag  vnd  Vormanung'  in  dem  Zeitraum  vom 
28.  September  bis  zum  13.  November  beschlossen,  gedichtet, 
gedruckt,  verbreitet  und  beurtheilt  worden  sein:  denn  am 
letztgenannten  Tag  kann  Hutten  an  Erasmus  schon  über  die 
Aufnahme  dieses  Gedichts  in  Basel  berichten.1  Die  Unwahr- 
scheinliclikeit  dieser  Annahme  wird  noch  gesteigert,  wenn 
man  zu  der  Erkenntnis  kommt,  dass  nicht  die  'Clag  vnd  Vor- 
inanung',  wie  Strauss  meint,  die  Schrift  ist,  mit  der  Hutten 


der  1507  zuerst  erschienenen  Halsgeriohtsordnung  liegen  die  Gedichte 
nur  in  undatirten  Drucken  oder  den  posthumen  Ausgaben  des  Teütsch 
Cicero'  vor. 

1  Bei  dieser  Berechnung  ist  die  Zeit  zu  beachten,  die  durch  Be- 
förderung von  Schriften  und  Nachrichten  zwischen  der  Ebernburg  und 
Basel  und  in  umgekehrter  Richtung  verbraucht  wurde.  —  Vgl.  H.  "W. 
1,  425. 


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I 

ÜBERGANGSZEIT.  69 

den  deutschen  Boden  betritt,  dass  vielmehr  zwei  andere  deutsche 
Schriften  noch  zwischen  dem  28.  September  und  der  Ausgabe 
des  Gedichts  erschienen  sind. 

Die  erste  Schrift  ist  die  von  Hutten  selbst  in  einem 
Nachwort  als  sein  Eigenthum  bezeichnete  Übersetzung  der 
Klagschrift  an  alle  Deutschen.1    Der  Beweis  für  diese  Da- 
tirung  liegt  in  einer  schon  von  Strauss  benutzten,  aber  falsch 
ausgelegten  Stelle  der  'Entschuldigung'.  In  dieser  Schrift  er- 
wähnt Hutten  neben  'etlichen  klag  geschrifften  vber  die  Curti- 
sanen'  lein  klagschrifft',  die  er  'außgehen  lassen  vnd  öffentlich  an- 
geschlagen' habe.2  'Jegen  Strauss'  Annahme,  dass  die  lateinische 
Klagschrift  an  alle  Deutschen  geineint  sei,  sprechen  folgende 
Gründe.     Die  lateinischen  Klagschriften  sind  nur  in  einer 
Sammlung  erschienen :  iu  der  angeführten  Stelle  wird  aber 
deutlich  eine  Einzelausgabe  unterschieden.    Hutten  erwähnt, 
dass  er  die  fragliche  Schrift  öffentlich  angeschlagen  habe:  dies 
ist  weit  eher  auf  eine  deutsche  als  auf  eine  lateinische  Ausgabe 
zu  beziehen.    Ferner  zeigt  das  Nachwort,  das  übrigens  ganz 
im  Stile  eines  öffentlichen  Anschlages  gehalten  ist,  dass  diese 
Verdeutschung  der  erste  Vorsuch  ist,  dem  Volke  zu  zeigen, 
'welches  die  braut  sey,  darum!)  man  jm  tantzen  zügemüt\ 
Nimmt  man  endlich  hinzu,  dass  Hutten  in  der 'Entschuldigung' 
mit  klaren  Worten  erzählt,  dass  er  erst  nach  der  eben  be- 
stimmten Schrift  die  'Clag  vnd  Vormanung1  habe  erscheinen 
lassen  {:  so  kann  trotz  jeueni  vielcitirten  Vers  dieses  Gedichts, 
der  sich  später  erklären  wird,  nicht  mehr  darau  gezweifelt 
werden,  dass  nicht  mit  dein  Gedicht,  sondern  der  Verdeutschung 
der  Klagschrift  an  alle  Stände  der  öffentliche  Übergang  zur 
deutschen  Sprache  erfolgte. 

Unmittelbar  an  diese  Schritt  schliesst  sich  ein  Werk  au, 
das  bisher  als  Huttens  Eigenthum  noch  nicht  erkannt  worden 
ist :  die  anonyme  Sammlung  von  Ubersetzungen  aller  fünf 

1  H.  W.  1,  405  ff.,  besonders  419. 

«  H.  W.  2.  130  f.;  dazu  Strauss,  Hutten  21,  92. 

3  8trauss,  Hutten  S.  346,  folgert  aus  dieRer  Stelle,  dass  Hutten 
durch  das  Geschrei  der  Curtisnnon  über  seine  Klarschrift  an  alle 
Deutschen  zur  'Abfassung*  des  Gedichts  bewogen  sei.  Hutten  sagt  aber 
nur:  'ich  einen  sprach  ....  hnb  „auß  gehen*4  lassen'  (H.  W.  2,  131 J. 


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70 


HISTORIXJHKS. 


Klagschrift.cn.1    Bevor  dies  Huttensche  Werk  datirt  wird. 
mu88  es  als  solches  erst  erwiesen  werden. 

Ein  Versuch,  die  Ergebnisse  stilistischer  Beobachtungen 
über  eine  Gesprächsübersetzung  an  den  verdeutschten  Klag- 
schriften zu  erproben,  führte  zu  der  Aufgabe,  Huttens  Ver- 
hältnis zu  den  anonymen  Übersetzungen  seiner  Klagachriften, 
die  man  bisher  mit  fast  unbeschränkter  Willkür  ihm  zutheilte 
oder  absprach,  einer  neuen  eingehenden  Prüfung  zu  unter- 
werfen.   Es  waren  nämlich  zu  jenem  stilistischen  Vergleich 
herangezogen  die  eben  besprochene  Einzelübertragung  der 
Klagschrift  an  alle  Deutschen,  die  ja  Hutten  selbst  anerkennt, 
und  eine  anonyme  Einzeln bersetzung  der  Klagschrift  an  Kur- 
fürst Friedrich  von  Sachsen,  die  Strauss  und  Böcking  wie 
alle  ihre  Vorgänger  als  ein  Werk  Huttens  betrachten.2  Das 
Ergebnis  der  stilistischen  Probe  war  ein  auffallend  zwiespäl- 
tiges: wie  sie  an  der  ersten  gelang,  so  versagte  sie  bei  der 
zweiten.    Infolgedessen  erschien  die  von  Strauss  und  Böcking 
ohne  Angabe  von  Gründen  aufgestellte  Behauptung  über  die 
zweite  Schrift  zum  ersten  Male  bedenklich  und  behufs  weiterer 
Untersuchung  die  Heranziehung  auch  der  anderen  anonymen 
Verdeutschung  der  Klagschrift  an  den  Kurfürsten  Friedrich, 
die  sich  eben  in  der  fraglichen  Sammlung  findet,  berechtigt 
und  geboten.   Obgleich  diese  Sammlung  nicht  einfach  anonym, 
sondern  als  Werk  'eines  vnbekanten  liebhabers  der  göttlichen 
Wahrheit'  auftritt  und  die  Einleitung  von  Hutten  als  einer 
fremden  Person  redet,  war  doch  das  Ergebnis  der  stilistischen 
Vergleichung  bei  ihrer  Klagschrift  an  den  Kurfürsten  Friedrich 
im  Gegensatz  zu  der  Einzelübertragung  eine  vollkommene 
Übereinstimmung  mit  der  Gesprächsübertragung.3  Diese  merk- 
würdige Feststellung  regte  nun  einen  neuen  Vergleich  an, 
nämlich  zwischen  der  mehrfach  erwähnten  Huttenschen  Über- 


*  H.  W.  Ind.  bibl.  XXXI,  A,  a. 
«KL1  H.  W.  1,  383  ff.  Vgl.  8trau88,  Hutten  8.  356.  Jacob  Burk- 
hard hatte  in  «einem  grundlegenden  Werke  (1717—1723)  2,  119  sich 
noch  mit  einem  m/W  ontnia  me  fallunt  salvirt;  Meiners  (1797)  da- 
gegen giebt  8.  214  die  Yermuthung  seines  Vorgängers  als  Thatsache. 
Diesolbe  Meinung  scheint  Pnnaer  (1798)  S.  135  zu  vertreten. 

'  Vgl.  8.  4P,  ff. 


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I'BKRGANUSZEIT. 


71 


setzung  der  Klagschrift  an  alle  Deutschen  und  der  ent- 
sprechenden Übersetzung  der  Sammlung.  Der  Vergleich  er- 
gab eine  überraschende  Eutdeckung. 

Die  Sammlung  ist  bereits  von  Böcking  benutzt  und  ge- 
druckt worden,  aber  nur  insoweit  als  er  nicht  Huttensche 
Übersetzungen  gefunden  hatte.  Da  er  nun  eine  solche  in  der 
Einzelübertragung  der  Klagschrift  an  alle  Deutschen  besass 
und  in  der  an  Kurfürst  Friedrich  wenigstens  zu  besitzen 
glaubte,  so  entnahm  er  der  Sammlung  nur  die  übrigen  drei 
Stücke,  also  die  Klagschriften  an  Kaiser  Karl,  den  Kurfürsten 
Aibrecht  von  Mainz  und  den  Ritter  Sebastian  von  Rotenhan1; 
die  beiden  anderen  Ubersetzungen  hat  Böcking  und  ebenso 
Strauss  sicherlich  nicht  angesehen,  wenngleich  letzterer  gerade 
über  diese  Sammlung  scharf  gegen  eine  thörichte  Vermuthung 
Münchs  polemisirt2  Hätten  Böcking  und  Strauss  auch  diese 
beiden  Stücke  verglichen,  so  würden  sie  entdeckt  haben,  dass 
die  Übersetzung  der  Kingschrift  an  alle  Deutschen  in  dieser 
Sammlung  keine  andere  ist  als  Huttens  eigene  Einzelüber- 
tragung.3 

Die  aus  textkritischer  Vergleichung  gewonnene  Be- 
obachtung, dass  das  Stück  der  Sammlung  ein  Abdruck  der 
Einzelübertragung  ist4,  könnte  zu  der  Vermuthung  verleiten, 
dass  es  sich  hier  nur  um  ein  Plagiat  seitens  4eines  vnbekanten 
liebhnbers'  handle.  Da  jedoch  die  stilistische  Vergleichung 
nicht  nur  für  die  Klagschrift  an  Kurfürst  Friedrich,  sondern 
ebenso  für  die  übrigen  drei  Stücke  vollkommene  Überein- 
stimmung mit  den  Merkmalen  Huttenschen  Stiles  ergiebt,  so 
ist  vielmehr  die  Annahme  geboten,  dass  die  ganze  Sammlung 

»  H.  W.  1,  371  ff.,  400  ff.,  403  ff. 

*  Münch  hatte  in  seinem  confusen  Huttenwerk  5,  3  f.  im  An- 
schlug» an  Panzer  (S.  135)  und  Burckhard  (2,  120),  der  sioh  allerdings 
wieder  vorsichtiger  ausdrückt,  die  Vermuthung  aufgestellt,  dass  Huttens 
Ausfall  in  dem  oben  erwähnten  Nachwort  sich  auf  diese  Schrift  beziehe. 
Mit  Strauss1  Ausführungen  stimmt  Meiners  (8.  214)  überein. 

3  Dass  Huttens  Nachwort  auch  in  der  Sammlung  steht,  hat 
Böcking  bemerkt,  aber  nur  ganz  flüchtig  erwähnt,  entgegen  seiner 
sonstigen  Gepflogenheit,  auch  die  Lesarten  selbst  modernster  Neudrucke 
im  Apparat  zu  verzeichnen  (H.  W.  1,  419). 

*  Vgl.  die  Lesarten  S.  142  ff. 


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<2 


HISTORISCHES. 


ein  Werk  Huttens  ist.  Dies  wird  durch  die  weitere  Unter- 
suchung bestätigt. 

Der  einzige  Grund,  aus  dem  die  anonyme  Einzeln*  ber- 
setzung  der  Klagschrift  an  Kurfürst  Friedrich  von  Böckiug  und 
Strauss  Hutten  zugesprochen  wird,  liegt,  abgesehen  von  dem 
verführenden  Vorgang  früherer  Forscher,  wol  dariu,  dass 
die  als  fremd  angesehene  Sammlung  gar  nicht  den  Ge- 
danken aufkommen  Hess,  neben  ihr  das  Einzelheft  als  zweite 
fremde  Übertragung  anzunehmen.  Den  einzigen  Grund  aber, 
aus  dem  die  Sammlung  von  beiden  Forschern  ebenso  wie  von 
ihren  Vorgängern  Hutten  abgesprochen  wurde,  stellt  sicherlich 
deren  Vorrede  dar,  in  der  eben  jener  'vnbekante  liebhaber' 
die  Verfasserschaft  für  sich  iu  Anspruch  nimmt. 

In  Anbetracht  der  litterarischen  Gepflogenheiten  jeuer 
Zeit,  die  wie  kaum  eine  andere  das  Versteckspiel  der  Autoren 
liebte,  könnte  aber  diese  Vorrede  sich  den  stilistischen  Be- 
weisen gegenüber  selbst  dann  nicht  behaupten,  wenn  sie  auch 
in  sich  festgeschlossen  uud  unaugreifbar  wäre.  Nun  ist  aber 
ihre  Glaubwürdigkeit  und  somit  ihre  Beweiskraft  durch  den 
Nachweis  einer  unzweifelhaft  Huttenseben  Übersetzung  in- 
mitten der  Sammlung  vollkommen  erschüttert.  Entweder 
ist  der  Verfasser  der  Vorrede  'ein  vnbekanter  liebhaber': 
dann  ist  er  nicht  der  Verfasser  aller  von  ihm  herausgegebenen 
Übersetzungen,  und  mau  ist  der  Vorrede  als  einem  unwahr- 
haftigen Zeuguis  nicht  zu  glauben  verpflichtet.  Oder  er  ist 
der  Verfasser  sämmtlicher  Stücke:  dann  ist  er  kein  lvube- 
kanter  liebhaber',  sondern  Ulrich  von  Hutten. 

Das  merkwürdigste  Ergebnis  einer  genauen  Untersuchung 
dieser  Vorrede  ist  aber  die  Beobachtung,  dass  sie  vollkommen 
im  Hutteuscheu  Stile  geschrieben  ist. 

Hierzu  kommen  noch  die  Beweise  aus  den  Eigenthüm- 
iichkeiteu  der  Einrichtung  und  Ausstattung  des  Werkchens: 
iu  beider  Hinsicht  zeigt  es  genaueste  Übereinstimmung  mit 
einer  Reihe  wenig  späterer  deutscher  Schriften  Huttens.  Ge- 
nau wie  diese  zeigt  die  Sammlung  am  Rande  die  reich  liehen 
Inhaltsangaben,  die  bei  fremden  Übersetzungen  z.  B.  bei  der 
Einzelübertragung  der  Klagschrift  an  Kurfürst  Friedrich  fehlen. 
Die  Identität  des  Druckes  wird  durch  das  unparteiische  Urtheil 


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fJBERGANOSZElT. 


73 


Söckings  bestätigt.1  Ferner  enthält  die  Sammlung  das  be- 
rühmte Bild  Huttens,  das  sonst  nur  in  sicher  Huttenschen 
Werken  bekannt  ist. 

Endlich  scheinen  für  unsere  Annahme  drei  briefliche 
Zeugnisse  zu  sprechen,  die  Böcking  und  Strauss  theils  nicht 
gekannt,  theils  nicht  gewürdigt  haben.  In  den  Briefen  des 
bekannten  Nürnberger  Rathssyndicus  Lazarus  Spengler  an 
Wilibald  Pirckheimer,  die  von  der  Huttenforsch uug  bisher  ganz 
übersehen  worden  sind,  stehen  zwei  Äusserungen  über  unsere 
Sammlung-:  am  11.  November  1520  berichtet  Spengler, 
Hutten  habe  'sein  lateinisch  conquestion'  verdeutscht  und  so 
veröffentlicht;  am  26.  November  giebt  er  an,  zwei  Bücher 
empfangen  zu  haben  'gedruckt  latein  und  teutsch,  so  Virich 
von  Hutten  gemacht',  und  führt  dann  die  Titel  der  lateini- 
schen Klagschrifteu  zum  Tlioil  an.  Die  wörtlich  angeführte 
Stelle  des  ersten  Berichts  lässt  zwar  auf  grammatischem  Wege 
keinen  Schluss  zu,  ob  er  eine  einzelne  Klagschrift  oder 
aämmtliche  meint.  Da  aber  für  den  ersten  Fall  diese  einzelne 
Klagschrift  hätte  namhaft  gemacht  werden  müssen  und  ferner 

1  H.  W.  Ind.  bibl.  8.  59 :  'Tübingen  bei  Anshelm  ?'  und  8.  50  die 
Vermuthung,  dass  das  Gosprächbüchlein,  die  Concilia,  die  Anzöig,  die 
Dialogi  novi  u.  a.  m.  zuerst  bei  Anshelm  in  Tübingen  erschienen  seien. 
~  Mit  dieser  Vermuthung  tritt  Böcking  Zarncke  gegenüber,  der  für 
diese  8chriften  als  Druokor  Johann  Schott  in  Strassburg  behauptet. 
Die  ron  beiden  Forschern  vorgenommene  typographische  Vergleichung 
braucht  nicht  erst  naohgeprüft  zu  werden,  um  in  dieser  Streitfrage 
für  Zarncke  gegen  Böcking  entscheiden  zu  können,  denn  erstens  ist 
das  bekannte  grosse  Bild  Huttens,  das  die  meisten  der  hier  in  Bctraoht 
kommenden  Drucke  schmückt,  sonst  nur  in  einem  sicher  Schottschen 
Druck,  der  Expostulatio  cum  Krasmo,  nachzuweisen  (H.  W.  Ind.  bibl. 
XLV,  1);  zweitens  aber  liegt  ein  Brief  Sohotts  an  Hutten  vom  3.  Sep- 
tember 1521  (H.  W.  2,  80  f.)  vor,  dessen  Anfang  vollkommen  uncrklfirlieh 
ist,  wenn  sämmtliche  fraglichen  Drucke  Anshelm  zugesprochen  werdon, 
über  dessen  Beziehungen  zu  Hutten  zudem  nuch  nicht  das  geringste  Zeugnis 
vorliegt:  'Naohdem  vnd  Ewer  Streng  Ernuest  vnd  gunst  mich  bisher  mit 
bucher  zutrucken  vor  eim  andern  beschucht  behuldct  vnd  gunstlich  be- 
gabt, des  ich  nit  wenig  Nutzbarkeit  vnd  wolthat  befunden  . .  .  Böcking 
hat  es  unterlassen  anzugeben ,  auf  welche  Drucke  sich  diese  Worto 
Schotts  beziehen  könnten,  wenn  nicht  auf  die  oben  angeführten  Werke, 
welche  sftmmtlich  in  die  dem  Brief  unmittelbar  vorhergehende  Zeit  fallen. 

»  Vgl.  8.  U9. 


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74 


IIISTOKISCIIES 


der  zweite  Bericht  sich  unzweifelhaft  auf  sämmtliche  Klag- 
schriften  bezieht,  so  ist  sicherlich  auch  der  frühere  Bericht 
vou  der  Gesammtheit  zu  verstehen.  Demnach  liegt  in  diesen 
Aussagen  Spenglers  aus  Huttens  engerem  Kreise  ein  Zeuguis 
für  seine  Verfasserschaft  an  der  anonymen  Sammlung  vor. 
Im  selben  Sinne  zeugt  eine  bisher  nicht  beachtete  Stelle  in 
Huttens  eigenem  Brief  vom  2h.  November  1520  an  seinen 
Genossen  Bucer:  lHabebas  nescio  quot  Conquestionum  Lati- 
narum  exemplaria'.1  Wollte  er  die  lateinischen  Conquestionen 
nur  von  der  einen  Übertragung  der  Klagschrift  an  alle  Deut- 
schen unterscheiden,  so  hätte  er  sich  einfach  mit  der  Form 
der  Mehrzahl  begnügen  und  auf  den  attributiven  Zusatz  ver- 
zichten können.  Letzterer  ist  nur  dann  erklärlich,  wenn  er 
als  Gegensatz  zu  den  'Conquestiones  latinae'  die  anonyme 
Sammlung  der  deutschen  Klagschriften  im  Sinne  hatte. 

Auf  diese  Zeugnisse,  insbesondere  den  ersten  Brief  Speug- 
lers  kann  man  zugleich  die  Datirung  der  Schrift  gründen:  sie 
ist  ungefähr  Anfang  November  erschienen.2 

Der  Anlass  dos  Versteckspiels  lässt  sich  nur  vermuthen. 
Von  humanistischem  Schriftstellerstolz  kann  nicht  mehr  die 
Rede  sein,  da  dies  Unternehmen  eigentlich  nur  die  Erfüllung 
eines  Versprechens  darstellte,  das  Hutten  ganz  offen  in  dem 
Nachwort  seiner  ersten  Übersetzung  gegeben  hatte.  Es  scheint 
bei  ihm  vielmehr  das  Bestreben  wirksam  gewesen  zu  sein, 
|rlen  einfachen  Übersetzungen  durch  die  Form  der  Darbietung 
einen  neuen  Reiz  zu  verleihen  und  zugleich  unter  der  Maske 
eines  4vnbekanten  liebhabcrs'  sich  selbst  ein  Vertrauensvotum 
darzubringen,  wie  er  solche  damals  in  Wirklichkeit  von  ver- 
schiedeneu Seiten  öffentlich  erhielt. 

Zieht  man  nun  von  der  Zeit,  in  die  nach  den  obigen 
Ausführungen  die  *Clag  vnd  Vormanung'  gesetzt  werden 
müsste,  noch  die  auf  diese  beiden  Schriften  verwendeten  Tage 
ab,  so  bleibt  für  die  Abfassung  des  grossen  Gedichts  so  wenig 
übrig,  d  iss  man  eine  mehr  als  Hans  Sächsische  Eloquenz  und 
l'roductivirat  für  Hutten  behaupten  müsste?. 

1  II.  W.  1,  429. 

1  Mit  völliger  Sicherheit  ist  die  Priorität  der  anonymen  Samm- 
lung gegenüber  der  'Clng  vnd  Yormiinuiiff'  nicht  zu  erweisen. 


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f  BKK--  *N«i>ZHT. 


Diese  Schwierigkeit  lasse  sieh  nur  auf  einem  Wege  fort- 
schaffen: man  muss  annehmen,  dass  Hutten  den  Übergang 
zur  deutschen  Sprache  bereits  beschleusen  und  vollkommen 
vorbereitet  hatte,  als  er  am  2>.  September  1520  in  der  latei- 
nischen Klagschrift  an  alle  Deutschen  die  Worte  niederschrieb: 
*ut  intelligatis  quam  non  fuerit  meum  consilium  publicam  isti 
statui  eversionem  moliri.  La t ine  scripsi,  quasi  secreto  admonens\ 
Liest  man  aufmerksam  weiter,  so  bemerkt  man  auch,  wie  der 
nächste  Satz  mit  *Xunc  quia*  deutlich  auf  die  Verkündigung 
eines  fernerhin  veränderten  Verhaltens  hinstrebt,  dann  al>or 
mit  einer  in  diesen  Klarschriften  häutiger  zu  beobachtenden 
vorsichtigen  Halbheit  plötzlich  abbiegt.1  Aber  trotzdem  Hutten 
das  positive  Geständnis  unterdrückt ,  leuchtet  doch  gerade 
durch  die  auffallige  Negation  klar  und  fest  der  INau  und  die 
Drohung  hindurch,  nunmehr  den  Kampf  iu  deutscher  Sprache 
auszufechten :  man  hört  zum  ersten  Male  das  Schwert  der 
deutschen  Sprache  klirren.  Nur  als  eine  Art  Selbstverrath 
lässt  sich  der  vielcitirte  Satz  erklären.  An  sich  ist  er  eine 
Sophisterei,  die  Hutten  selbst  kaum  ernstlich  vertheidigt  hätte  : 
wenn  er  bis  dahin  lateinisch  geschrieben  hatte,  war  durchaus 
nicht  die  Absicht  massgebend  gewesen,  sich  nur  einem  kleinen 
Kreise  anzuvertrauen ;  hatte  er  sich  doch  wie  gerade  in  dieser 
Schrift  selbst  so  auch  in  zwei  früheren  Fällen  ausdrücklich 
an  alle  Deutschen  gewendet.2  Latein  hatte  er  bis  dahin  ge- 
schrieben,  weil  er  als  humanistischer  Dichter  und  Schriftsteller 
gar  nicht  an  die  öffentliche  Verwendung  der  deutschen  Sprache  1 
dachte.  Mit  jener  Sophisterei  unternimmt  er  den  Versuch, 
aus  der  (Jewohnheit  eine  Tugend  zu  machen. 

Huttens  Umwandlung  muss  stattgefunden  haben,  als  er 
einsah,  dass  für  seine  eigene  wie  für  die  allgemeine  Sacho  die 


1  .  .  .  adtnonens  ;  ue<jue  vulgum  habere  sfatitn  canscium  rolni,  auf 
populäres  tnox  coniingere  nures,  qua  »tri*  cur  hoc  facerem,  plus  satis 
caussae  haberein.  Nunc  quid  sanifatis  capnees  esse  pie  "dtnaniti  unn  riden- 
turf  seil  fraternae  adhuc  correptioni  exitinm  obrertunt,  nihil  vel  sie  gra- 
vius  consulnm.  (H.  W.  I,  418.) 

1  Die  zweite  Ausgabe  der  Türkenrede  in  ursprünglicher  Gestillt 
hatte  er  schon  Anfang  1519,  eine  Sammlung  alter  Sendschreiben  im 
Mai  1520  allen  freien  Deutschen  gewidmet.  (H.  W   I,  240  tf.  und  349  ff.) 


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76 


HISTORISCHES. 


Einwirkung  auf  die  breiton  Massen  des  Volkes  erforderlich, 
diese  aber  nur  durch  die  Anwendung  der  deutschen  Sprache 
möglich  sei.  Auch  der  vorbildliche  Einfluss  der  Anfang  August 
erschienenen  Schrift  Luthers  an  den  christlichen  Adel  deutscher 
Nation  muss  in  Betracht  gezogen  werden. 

Alle  diese  Erwägungen  führen  zu  der  Annahme,  dass 
die  'Clag  vnd  Vormanung'  gleichzeitig  mit  den  lateinischen 
Klagachrifteu,  theilweise  vielleicht  noch  früher  entstanden  ist. 
Hierfür  spricht  auch  die  vollkommene  Identität  des  Inhalts. 
Während  z.  B.  die  etwas  später  entstandene  ^Entschuldigung' 
gerade  die  zwischen  der  Verdeutschung  der  Klagschrift  an 
alle  Deutschen  und  der  'Clag  vnd  Vormanung'  vorgekommenen 
Drohungen  und  Verfolgungen  als  Grund  für  die  Herausgabe 
des  Gedichtes  angiebt,  geht  dieses  selbst  auf  jene  Ereignisse 
mit  keinem  Wort  ein,  sondern  behandelt  neben  den  allge- 
meinen Zuständen  nur  dieselben  persönlichen  Angelegenheiten 
wie  die  Klagschrifteu.  Auch  der  Umstand,  dass  die  gemäss 
Huttens  eigener  Aussage  erst  nach  der  ersten  Verdeutschung 
erschienene  Dichtung  den  Vers  'Latein  ich  vor  geschriben 
hab'  enthält  kann  allein  durch  die  Annahme  erklärt  werden, 
dass  sie  bereits  vor  jener  geschrieben  ist:  die  4Clag  und  Vor- 
manung' muss  also  im  August  und  September  entstanden  sein. 

Die  Voreinigung  aller  dieser  Beobachtungen  giebt  ein 
wesentlich  verändertes  Bild  von  dem  bedeutsamen  Wende- 
punkte in  Huttens  schriftstellerischer  Entwicklung:  als  Hutten 
im  Herbst  1520  plötzlich  zum  eisten  Male  das  Schwert  der 
deutschen  Sprache  wider  seine  Geguer  schwingt,  führt  er 
keine  ungewohnte  und  erst  im  Toben  des  Streites  aufgeraffte 
Wehr,  sondern  eine  längst  erprobte  Waffe,  die  er  für  diesen 
grossen  Kampf  zur  rechten  Zeit  erwählt  und  bereit  ge- 
macht hatte. 

Die  Veröffentlichung  der  ersten  deutschen  Schriften,  die 
weniger  eine  Klärung  als  ein?4  Verschärfung  seiner  politischen 
Ansichten  und  Absichten  bedeuten,  wird  begleitet  von  einer 
Steigerung  seiner  persönlichen  Thätigkeit.  Derselbe  Brief 
Spenglers,  der  die  erste  Nachricht  über  Huttens  deutsche 
Schriften  enthält,  liefert  auch  den  Beweis,  dass  Hutten  gleich- 
zeitig insgeheim  die  geplant.»  Waffonthat  vorbereitete.  Auf 


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REICHS  l  AU   VON  WORMS.  77 

Grund  geheimer  Mittheilungen  eines  vertrauten  Freundes  kann 
Spengler  angeben,  dass  Hutten  'sich  bey  etwouil  fursteu  vnd 
denen  von  Adel  wider  alle  Bapstischen  vnd  Curtisan  hoch 
beworben  hat;  so  hat  er  ainen  den  Ir  auch  kennt  der  reit 
heimlich  vmb,  dieselben  Romanist«  u  außzuspehenV  Mau 
kann  mithin  in  den  verschiedentlichen  Stellen  von  Privat- 
briefeu,  wo  Hutten  offen  von  kriegerischen  Plänen  spricht, 
nicht  mehr  hohle  Rodomontaden  sehen.    Unentschieden  muss 
dagegen  bleiben,  ob  damals  Sickingeus  und  anderer  Freunde 
Mahuungeu,  auf  die  er  wiederholt  hinweist,  ihn  vom  Los- 
schlagen  zurückhielten  oder  ob  nicht   vielmehr   das  Ver- 
sagen der  erhofften  Unterstützungen,  das  er  einmal  erwähnt, 
ihn  zum  Abwarten  zwang.-    Seine  Thatenlust  regte  sich  be- 
sonders heftig,  als  er  die  ersten  Nachrichten  von  der  in  den 
Niederlanden  mit  Karls  Erlaubnis  veranstalteten  Verbrennung 
Lutherscher  Schriften  empfing;  sie  wurde  jedoöh  paralysirt 
durch  das  von  Sickingen  vermittelte  Versprechen  des  Kaisers. 
Hutten  seinem  Wunsche  gemäss  nicht  ohne  Verhör  verur- 
theilen  zu  lassen/5  So  konnten  jene  Feuergerichte  sogar  ihren 
Weg  durch  Deutschland  nehmen,  ohne  dass  ihnen  Hutten 
etwas  Anderes  als  Worte  entgegenstellte:  in  den  Anfang 
December  fällt  nach  Strauss'  Datirung  —  der  einzigen,  die 
ihm  bei  deutschen  Schriften  gelungen  ist  —  4Eyn  Klag  über 
den  Luterischen  Brandt  zu  Mentz'.4 

Hutten  fühlte  sich  in  seinen  Hoffnungen  bestärkt  durch 
die  Aussicht  auf  den  Reichstag,  gelegentlich  dessen  er  mit 
Sickingen  eine  nationale  Umstimmung  des  Kaisers  seitens 
der  deutschen  Fürsten  erwartete.5  Aber  bald  sollte  der  Hoff- 
nungsstrahl, der  in  den  Versprechungen  und  Vermuthungen 
Sickingens  aufzuleuchten  schien,  wieder  erlöschen.  Während 
Ende  November  unmittelbar  nach  der  Ankunft  des  Kaisers 
in  Worms  dessen  Räthe  verkündet  hatten,  es  sei  unmöglich, 

1  Ygl.  8.  149.  —  Hierzu  stimmt  Huttens  Mahnung  an  Luther  und 
8palatin  in  dem  Brief  vom  9.  December  (H.  W.  1,  437;  vgl.  S.  151). 

*  H.  W.  1,  435. 

*  H.  W.  1,  365  f.  (vgl.  S.  60,  Anm.  2);  436. 

*  H.  W.  3,  451  ff.    Hutten  2»,  99. 
6  H.  W.  1  436 


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78 


HISTORISCHES. 


einen  Deutschen  zu  verdammen,  ehe  man  ihn  gehört  habe, 
und  infolgedessen  der  Kurfürst  von  Sachsen  aufgefordert  war, 
Luther  auf  den  Reichstag  mitzubringen,  schrieb  der  Kaiser, 
in  dem  politische  Motive  inzwischen  einen  Umschwung  herbei- 
geführt hatten,  am  IT.  December  dem  Kurfürsten,  er  solle 
Luther  nur  für  den  Fall  eines  Widerrufs  und  auch  dann  nur 
bis  Frankfurt  mitbringen.1  Aus  dieser  Wendung  der  kaiser- 
lichen Politik  zog  Hutten,  wie  aus  einem  neuerdings  ver- 
öffentlichten Brief  hervorgeht,2  den  Schluss,  dass  der  Kaiser 
auch  ihm  gegenüber  das  im  November  gegebene  Versprechen 
nicht  halten  und  er  selbst  dadurch  auf  den  Weg  der  Gewalt 
gedrängt  werde.  In  diesem  entscheidenden  Zeitpunkt  griff 
er  von  neuem  zur  Feder,  um  zum  letzten  Male  seinen  gegen- 
wärtigen Standpunkt  und  seine  ferneren  Wege  zu  bezeichnen 
und  so  den  Freunden  eine  Mahnung,  den  Feinden  eine  War- 
nung zu  Theil  werden  zu  lassen :  er  schrieb  die  "Enudtschül- 
digung  Wyder  etlicher  vnwarhafftiger  außgeben,  von  ym,  als 
solt  er  wider  alle  geystlichcit  vnd  priesterschafft  sein,  mit 
erklärung  etlicher  seiner  geschrifften'.3 

Die  chronologische  Einordnung  dieser  Schrift  ist  bisher 
nicht  gelungen.  Während  Strauss,  der  sie  einfach  im  An- 
schluss  an  die  durch  sie  vorzüglich  commentirte  'Clag  vnd 
Vormauung'  bespricht,  sich  mit  dieser  Frage  nicht  beschäftigt, 
hat  sich  Böcking  zweimal  über  sie  geäussert.4  Zunächst  setzte 
er  die  'Entschuldigung'  ohne  Angabe  irgend  eines  Grundes, 
also  wol  nur  mit  Rücksicht  auf  die  ebenso  unbegründeten 
Behauptungen  seiner  Vorgänger5,  ins  Jahr  1522.  Von  dieser 
argen  Verirruug  kam  er  erst  zurück,  als  er  in  einem  nach- 

1  Baumgarten,  Geschichte  Karls  V.  1,  383,  396  f. 
1  Johannes  Bolte,  Ein  ungedruckter  Ii  rief  Huttens.  (Deutsche 
Dichtung  4,  66.) 

3  H.  W.  2,  130  ff. 

*  Hutten,  S.  361  ff.,  II.  W.  2,  130,  Suppl.  2,  805. 

5  Burckhard,  de  Ulr.  Hutteui  Tita  commentarius,  3,  260  f.; 
Meiners,  Über  das  Leben  uud  die  Verdienste  Ulrichs  von  Hutten  8.  306  f. 
der  sich  trotz  eines  richtig  erkannten  Widerspruchs  iu  dieser  Annahme 
fest  zu  Burckhard  bekennt.  —  Nur  (Jarckc),  Studien  und  Skizzen  zur 
Geschichte  der  Reformation  8.  203,  hat,  allerdings  mit  unzulänglicher  Be- 
gründung, das  Frühjahr  1521  als  Eutstehungszeit  vennuihet. 


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I 

REICHSTAG   VON   WORMS.  ?.) 

träglich  aufgefundenen  Brief  eine  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  auf  diese  Schrift  bezügliche  Stelle  entdeckte,  nach  welcher 
sie    schon  Ende  März  1521  im  Druck  vorgelegen  hätte,  und 
glaubte  nun,  die  Schrift  in  diese  Zeit  verlegen  zu  müssen. 
]Sun  mag  Böcking  zwar  vollkommen  Recht  haben,  wenn  er 
diese  Nachricht  auf  die  von  ihm  als  original  angesehene  Aus- 
gabe der  'Entschuldigung'  bezieht;  aber  daraufhin  darf  er 
nicht  behaupten,  dass  im  März  1521  die  Schrift  zum  ersten 
Male  erschienen  sei;  denn  nicht  der  von  ihm  Vorgezogeue, 
sondern  ein  anderer  Druck,   in  dem  er  nur  eine  'durch 
Auslassungen  und  Verderbungen  entstellte1  Erneuerung  sah 
ist  die  wahre  erste  Ausgabe  und  jene   nur   eine  durch- 
gehends  überarbeitete  Wiederholung.    Von  den  zwei  Klassen 
nämlich,  in  die  Böcking  die  Varianten  eintheilt.  ist  die  der 
Verderbnisse  eine  verschwindend  kleine,  und  beide  Ausgaben 
haben  ihrer  ungefähr  gleich  viel;  die  überwältigend  grössere 
Anzahl  der  Varianten  besteht  in  den  sogenannten  Auslassungen, 
die  nach  Böcking  die  zweite  gegen  die  erste  Ausgabe  sich 
erlaubt  haben  soll.  Wenn  schon  die  grosse  Reihe  solcher  Aus- 
lassungen etwas  seltsam  erscheinen  muss,  so  wird  Böckings 
Auffassung  doch  erst  dann  bedenklich,  wenn  man  entdeckt, 
dass  fast  sämmtliche  Auslassungen  einzelne  Worte  betreffen 
und  dass  auch  ohne  diese  stets  ein  sinnvoller  und  einheitlicher 
Text  bleibt:  während  nun  die  Gründe  des  Bearbeiters,  der 
solche  Auslassungen  auf  das  sorgsamste  bewerkstelligt  haben 
müsste,  schlechterdings  unfassbar  bleiben,  ist  das  umgekehrte 
Verhältnis,  dass  nämlich  ein  Bearbeiter  in  den  ursprünglichen 
Text  überall  einzelne  Wörter  einfügt,  um  den  Gegenstand  in 
Inhalt  und  Form  klarer  zu  gestalten,  durchaus  begreiflich. 
Bemerkt  man  sodann,  dass  die  angeblich  secuudäre  Ausgabe 
an  mehreren  Stellen  eine  richtigere  Fassung  hat  als  die  an- 
geblich originale,  ohne  dass  an  die  Thätigkeit  eines  fremden 
Bearbeiters  gedacht  werden  kann;  bemerkt  mau  ferner,  dass 
eine  Anzahl  sachlicher  Verschiedenheiten  nur  aus  der  erneuten 
Thätigkeit  des  Verfassers  selbst  erklärlich  ist;  bemerkt  man 
endlich,  dass  auch  einzelne  stilistische  Änderungen  die  charak- 

'  H.  W.  Ind.  bibl  XL1V. 
* 


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so 


HISTORISCHES. 


teristischen  Züge  Huttenscher  Schreibweise  zeigen,  so  gelangt 
mau  auf  diesem  Wege  textkritischer  Beobachtuug  zu  dem  Er- 
gebnis, dass  Hutten  selbst  der  Verfasser  beider  Ausgaben  ist  und 
dass  das  von  Böckiug  behauptete  Verhältnis  der  beiden  Drucke 
umgekehrt  werden  muss.  Hieraus  ist  aber  nur  zu  folgern, 
dass  die  von  Böckiug  verkaunte  erste  Ausgabe  vor  Ende 
März  erschienen  ist.  Die  engeren  Zeitgrenzen  dagegen  müssen 
aus  inneren  Gründen  erschlossen  weiden.  Die  diesseitige 
Grenze  ist  dadurch  gegeben,  dass  der  Reichstag  von  Worms 
noch  mit  keinem  Wort  erwähnt  wird  und  die  ganze  Erörterung 
der  Keformationsangelegeuheit  noch  als  bevorstehend  erscheint; 
insbesondere  wird  Huttens  Erbieteu  und  Verlangen,  sich  in 
einem  Verhör  vor  dem  Kaiser  zu  rechtfertigen,  nochmals  vor- 
getragen.1 Wenn  hiernach  die  diesseitige  Grenze  für  die 
Abfassung  der  Schrift  vor  den  Reichstag  verlegt  werden  kann, 
so  liegen  in  dem  Umstände,  dass  Hutten  die  'Entschuldigung' 
noch  nicht  in  dem  Brief  an  Luther  vom  9.  December  wie 
seine  übrigen  eben  erschienenen  und  nah  bevorstehenden 
Schriften  erwähnt,  sowie  in  der  Erwägung,  dass  der  hoff- 
nungslose Ton,  in  dem  er  die  erwähute  Forderung  ausspricht, 
nur  durch  die  Wendung  des  17.  Decembers  veranlasst  sein 
kann,  Anhaltspunkte  genug,  um  als  jenseitige  Grenze  die 
zweite  Hälfte  des  Decembers  zu  bestimmen :  die  'Entschul- 
digung' ist  um  die  Wende  des  Jahres  1520  entstanden. 

Diese  Schrift,  die  eine  Verteidigung,  ein  Programm 
uud  eiu  Ultimatum  zugleich  darstellt,  giebt  zum  ersten  Male 
das  offene  uud  deutliche  Geständnis,  dass  Hutten  entschlossen 
ist,  seine  und  des  Volkes  berechtigte  Forderungen,  wenn  sie 
nicht  vom  Kaiser  uud  deu  Fürsten  beachtet  würden,  gegen 
die  Curtisanen  und  liomauisteu  mit  Waffengewalt  durchzu- 
setzen. Während  diese  rein  sachliche  Schrift  merkwürdiger 
uud  doch,  wie  sich  alsbald  zeigen  wird,  erklärlicher  Weise 
von  den  realen  Machten,  auf  die  Hutten  seine  Drohungen 
baut,  nichts  verlauten  läs.st,  gewinnen  wir  durch  die  vom 
13.  Januar  lfvJl  datirte  Sammlung  der  kDialogi  uovf  auch 
hierüber  Klarheit:   Sickingeu,  den  Strauss  mit  Recht  den 


1  Vgl.  besonder«  II.  W.  2,  144  f.:  Abschnitt  X. 


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REICHSTAG  VON  WORMS. 


81 


Helden  dieser  Dialoge  geuannt  hat,  wird  in  ihnen  überall 
als  der  kriegerische  Vorkämpfer  der  Reformation  gefeiert.1  Am 
deutlichsten  enthüllt  Hutten  die  auf  Sickingeu  gerichteten  Hoff- 
nungen gegen  Schluss  der  beiden  Dialoge  'Bulla'  und  'Monitor 
secundu*'.  Die  Schlussscene  des  ersten  Werkes,  die  Strauss 
gar  nicht  gewürdigt  hat,  zeigt  Hutten  im  Streit  mit  der  per- 
sonificirten  Bulle ;  bevor  er  sie  aber  thätlich  angreifen  kanu, 
ruft  sie  zu  ihrem  Schutze  den  unzähligen  Schwärm  der 
Curtisauen  herbei,  so  dass  er  nun  auch  seinerseits  seine 
Stimme  um  Hilfe  ertönen  lassen  muss:  und  wirklich  trifft 
diese  alsbald  ein  und  zwar  in  Gestalt  Franzens  von  Sickingeu, 
der  an  der  Spitze  von  hunderttausend  Deutschen  das  Heer 
der  Curtisanen  in  die  Flucht  jagt,  um  dann  mit  Hutten  vor 
den  versammelten  Reichstag  zu  treten  und,  während  dieser 
nur  in  eigener  Angelegenheit  spricht,  für  rKe  allgemeine  Sache 
der  Nution  gegen  Rom  das  Wort  zu  führen;  und  diese  poe- 
tische Reichstagsverhandlung  schliefst  mit  einem  bedeutsamen 
Lakonismus  des  Kaisers,  der  auf  die  Frage  der  Rulle  'utetur 
ne  (Leo)  obsequeuti  filio?'  weiter  nichts  erwidert  als  'sumidem 
pater  est  ipse1.  In  dem  zweiten  Dialog,  der  später  geschrieben 
ist  und  daher  keine  so  ideale  Auffassung  des  Kaisers  mehr 
zeigt,  wird  Sickingen  ganz  ohne  Rückhalt  als  Nachfolger 
Ziskas  dargestellt:  er  selbst  beruft  sich  auf  ihn  und  erklärt, 
dass  er,  wenn  alle  Mahnungen  nichts  fruchten  sollten,  gerade 
aus  Rücksicht  für  den  Kaiser  auf  eigene  Faust  etwas  wagen 
würde,  möge  es  ablaufen,  wie  es  wolle;  zuweilen  sei  Ungehor- 
sam der  wahre  Gehorsam. 

Nimmt  man  hierzu  noch  die  berühmte  Vorrede  zum 
Gesprächbüchleiu  vom  M.  December  1520,  in  der  Hutten 
Sickingeu  mit  den  wärmsten  und  innigsten  Worten,  die  er 
jemals  einem  Manne  widmete,  als  seinen  treueu  Beschützer 
und  besten  Freund  pries  und  Sickingens  Burgen  als  Herbergen 
der  Gerechtigkeit  im  Kampfe  gegen  die  Curtisauen  feierte2, 
so  begreift  man,  wie  der  in  Worms  sich  versammelnde  Reichs- 
tag zu  der  festen  Überzeugung  gelangte,  dass  die  beiden  auf 


1  H.  W.  2,  .1;  4,  309  ff.:  besonders  328  ff.  nnd  :*57. 
*  H.  W.  1,  447  ff. 

V.F   LXVIL  6 


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82 


HISTORISCHES 


der  Ebernburg  vereinigten  Ritter  an  der  Spitze  einer  wol 
organisirten  Adelsbewegung  ständen,  die  auf  ihren  Befehl 
jeden  Augenblick  losbrechen  könnte.  Hat  doch  auch  die 
moderne  Geschichtsforschung  Huttens  Darstellungen  seiner 
Lage  und  den  Schilderungen  in  den  Depeschen  des  päpst- 
lichen Nuntius  Aleander  so  vollkommen  Ülaubon  geschenkt, 
dass  sie  folgerichtig  das  Ausbleiben  des  befürchteten  Gewitters 
als  ein  ungelöstes  Problem  bezeichnen  musste.1 

Durch  die  Entdeckung  eines  Bündels  von  Briefen,  die 
zwischen  Hutten,  Sickingen  und  einer  Reihe  vertrauter  Per- 
sönlichkeiten zu  Beginn  des  Jahres  1521  gewechselt  wurden, 
lässt  sich  endlich  Huttens  Lage  in  ihrer  wahren  (testalt  er- 
kennen und  somit,  in  Verbindung  mit  den  Depeschen  Ale- 
anders,  auch  jenes  Problem  lösen.  Das  nächste  Ergebnis 
dieser  Briefe  ist  kein  geringeres,  als  dass  zur  selben  Zeit,  da 
Hutten  jene  poetischen  Verherrlichungen  Sickingens,  in  denen 
die  beiden  Ritter  zu  Schutz  und  Trutz  wie  etwa  auf  dein 
modernen  Denkmal  bei  einander  stehen,  abschloss  und  aus- 
gehen Hess,  eine  Auseinandersetzung  zwischen  ihnen  statt- 
fand, in  der  Sickingen  Hutten  nicht  nur  die  Mitwirkung  an 
seinen  gewaltsamen  Plänen,  sondern  sogar,  falls  er  in  Fehde 
mit  den  Curtisauen  käme,  den  weitereu  Schutz  seiner  Burgen 
versagte. 

Diese  Klärung  ihres  Verhältnisses  wurde  offenbar  durch 
das  Hernnnahen  des  Reichstages  herbeigeführt,  der  nuf  den 
Dreikönigstag  ausgeschrieben  war.  Mit  Hinblick  auf  die 
Eröffnung  dieses  Reichstages,  auf  dem  die  Entscheidung  über 
sein  Schicksal  fallen  musste,  wird  Hutten  in  den  ersten  Tagen 
des  neuen  Jahres  Sickingen  um  seine  endgiltigen  Erschlies- 
sungen befragt  haben.  Das  Ergebnis  einer  solchen  Unter- 
redung ist  ein  Brief  Sickingens  an  den  Grafen  Robert  von 
der  Mark,  den  'Eber  der  Ardennen'. 2  Dieser  Brief,  der  in 
einer  wahrscheinlich  von  Hutten  selbst  veranlassten  Abschrift 
erhalten  ist,  stellt  gegenüber  der  grossen  Menge  von  Äusse- 
rungen Sickingens,  die  uns  von  Hutten  in  Briefen  und  Schriften 


1  Maurenbreoher,  Ulrich  von  Hutten,  Grenzboten  1871,  S.  1011. 

2  Vgl.  8.  153  ff. 


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REICHSTAG  VON  WORMS. 


83 


übermittelt  sind,  das  einzige  unmittelbare  Zeugnis  Sickingens 
über  Hutten  dar;  in  seiner  Einleitung  bildet  er  ein  Seiten- 
stück zu  der  nur  um  eine  Woche  älteren  Widmung  des  Ge- 
sprächbüchleins, wenngleich  seine  Lobpreisung  Huttens  infolge 
der  geringeren  rhetorischen  Gaben  des  Schreibers  und  der 
peinlichen  Veranlassung  des  Schreibens  jene  an  Feuer  und 
Fülle  nicht  zu  erreichen  vermag.    Die  Fortsetzung  und  der 
eigentliche  Inhalt  des  Briefes  bietet  wiederum  zu  einer  der 
oben  angeführten  Äusserungen  ein  Gegenstück  und  zwar  im 
eigentlichsten  Sinne  des  Wortes.  Hatte  Sickingen  im  'Monitor 
secundus'  verkündet,  dass  er  auch  gegen  den  Willen  des 
Kaisers  zu  handeln  entschlossen  sei,  und  dies  mit  der  spitzen 
Sentenz  begründet,  dass  Ungehorsam  zuweilen  der  wahre 
Gehorsam  sei,  so  beruft  er  sich  hier  gerade  auf  seine  Dienst- 
pflicht gegen  den  Kaiser  als  Hinderungsgrund  für  die  Unter- 
stützung Huttens  im  Kampfe  gegen  die  Curtisauen  und  bittet, 
da  dieser  unvermeidlich  zu  sein  scheint,  den  Grafen  von  der 
Mark  um  Unterschlupf  für  seinen  Schützling.    So  klar  dieser 
Brief  Sickingens  Stellung  zu  Hutten  beleuchtet,  lässt  er  doch 
seine  tieferen  Gedanken  und  Absichten  nur  vermuthen.  Die 
Berufung  auf  den  Willen  dea  Kaisers  ist  wol  nur  ein  Vor- 
wand, um  sich  von  dem  ungestümen  Stürmer  und  Dränger 
zu  befreien,  der  ihm  seine  besonnereren,  aber  auch  selbstsüch- 
tigeren Pläne  zu  stören  drohte.    Auch  die  Wahl  des  Zu- 
fluchtsortes scheint  geheime  Pläne  Sickingens  zu  verrathen. 
Zunächst  wird  man  allerdings  den  auffälligen  Umstand,  dass 
Sickingen  keine  Scheu  trug,  die  Schlösser  eines  Mannes  zu 
wählen,  der  in  immerwährendem  Schwanken  zwischen  Deutsch- 
land und  Frankreich  sich  gerade  kurz  vorher  wieder  vom 
Kaiser  getrennt  hatte1,  aus  dem  Schutz-  und  Trutzbündnis 
erklären  können,  das  Sickingen  früher  mit  ihm  geschlossen 
und  sogar  von  seinen  Verpflichtungen  gegen  den  Kaiser  aus- 
genommen hatte.2    Doch  die  geheimnisvollen  Andeutungen 
Huttens  in  seinem  Brief  vom  27.  December,  dass  noch  andere 
dem  Beispiele  Roberts  folgen  würden \  ferner  das  nicht  be- 

1  Ulmann,  Sickingen  8.  56  f.,  85  f.,  192  ff. 
*  Ulmann  S.  57,  161. 
3  Vgl.  S.  78,  Anm.  2. 

6* 


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84 


HISTORISCHES. 


deutungslose  'noch',  mit  dem  Sickingen  seine  Pflichten  gegen 
den  Kaiser  zu  begreuzen  scheint,  endlich  die  Rücksicht  auf 
Sickingens  früheres  und  späteres  Verhalten  führen  zu  der 
Vermuthung,  dass  dieser  Brief  aus  der  Absicht  uutsprungen 
ist,  durch  Hutten  eine  Brücke  zur  Verbindung  mit.  Frank- 
reich zu  schlagen,  um  sich  gleich  dem  Grafen  von  der  Mark  in 
dieser  kritischen  Zeit  eine  Herrschaft  von  souveräner  Bedeutung 
zwischen  den  beiden  Reichen  zu  schliffen.  Dass  man  von 
französischer  Seite  solchem  Unternehmen  geneigt  war,  beweist 
der  Umstand,  dass  höchst  wahrscheinlich  um  diese  Zeit  Her 
König  von  Frankreich  Hutten  eine  Pension  von  vierhundert 
Kronen  anbieten  liess.1 

Aber  eben  diese  Beziehungen  zu  Frankreich,  über  die 
Sickingen  mit  der  Freiheit  eines  hierzu  privilegirten  deut- 
schen Fürsten  dachte,  scheinen  Hutten  von  vornherein  He- 
denken gegen  den  Schutz  eingeflösst  zu  haben,  den  er  auf 
Sickingens  Fürsprache  bei  dem  Grafen  von  der  Mark  sicher 
erwarten  konnte.  Zu  der  Nachricht,  dass  Hutten  aus  patrio- 
tischen Gründen  jene  Pension  abgelehnt  habe,  stimmt  es 
vollkommen,  wenn  nun  Hutten  am  selben  Tage,  an  dem  er 
mit  Sickingen  zugleich  und  wol  auf  dessen  Wunsch  an 
Robert  schreibt,  sich  in  der  gleichen  Angelegenheit  auf  eigene 
Hand  an  seine  Familie  wendet,  obwol  er  auf  wiederholte» 
frühere  Gesuche  keinerlei  Antwort  erhalten  hatte. 

Huttens  Beziehungen  zu  seiner  Familie  sind  nur  für  die 
Zeit  der  Lehr-  und  Wanderjahre  ziemlich  klar  beleuchtet. 
Für  den  wichtigsten  Abschnitt  seines  Lebens  aber  besitzen 
wir  bisher  nur  eine  Notiz  in  der  Verteidigungsschrift  des 
Brunfels.  Eine  Reihe  unbekannter  Briefe  von,  an  und  über 
Hutten  gewährt  nunmehr  den  interessanten  Anblick,  seine 
welthistorische  Unternehmung  in  der  Spiegelung  verwandt- 
schaftlicher Meinungen  und  Beschlüsse  zu  betrachten.2  Der 

1  H.  W.  2,  840.  StrauBs  (S.  447)  setzt  das  von  Brunfels  be- 
richtete Anerbieten  gegen  Ende  1522  an.  Es  ist  jedoch  schlechterdings 
kein  Gmnd  zu  finden,  warum  König  Franz  sich  damals  um  Hutten 
hatte  bemühen  sollen,  während  er  zu  Beginn  1521  thatsächlich  ohne 
Unterlass  Anknüpfung  mit  den  Gegnern  des  Kaisers  sucht. 

*  II.  W.  2,  329.       Vgl.  S.  153  u.  S.  157  ff. 


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REICHSTAG   VON  WORMS. 


85 


Brief  vom  achten  Januar  ist  wie  das  in  ihm  erwähnte  ver- 
lorene Schreiben  an  die;  Gesammtfamilie   derer  von  Hutten 
mit  dem  Ersuchen  gerichtet,  über  seine  Bitte  um  Hilfe  gegen 
den  Papst  und  seine  Curtisanen  einen  Beachluss  zu  fassen 
und  ihm  mitzuthcilen.   Unter  den  Familienmitgliedern,  die  in 
der  Aufschrift  namentlich  aufgeführt  worden,  steht  ?ils  Erster 
Frowin  von  Hutten.    Seine  Stellung  als  Hofmeister  des  Kur- 
fürsten von  Mainz  verschaffte  ihm  innerhalb  der  Familie  die 
Geltung  eines  Oberhaupts     Uber  ihn  sind  mehrfache  Lob- 
sprüche Huttens  bekannt:  neben  Ludwig  von  Hutten,  dem 
Vater  des  vom  Württembergischen  Herzog  ermordeten  Hans, 
rühmt  er  ihn  als  freigebigen  Förderer  seiner  Studien,  neben 
seinem  väterlichen  Freund  Eitel wolf  von  Stein  als  Gönner 
des  Humanismus.     So  hatte  Hutten  neben  Steiu  besonders 
Frowin  seine  eigene  Stellung  am  Main/.ischen  Hof  zu  danken.1 
Nach  seinen  bisherigen  Erfahrungen  durfte  also  Hutten  auf 
Frowin  einige  Hoffnung  setzen,  wenngleich  bei  diesem  aller- 
dings jene  Oesinnung,  die  ihn  später  zu  einem  hervorragenden 
Bundesgenossen  Sickingens  im  Kriege  gegen  Trier  machte, 
damals  noch  nicht  nachzuweisen  ist.2 

Aber  zunächst  verlautete  wiederum  nichts  von  einem 
Familieubeschluss;  dagegen  liefen  schon  wenige  Tage  später 
zwei  Antwortschreiben  des  Grafen  von  der  Mark  an  Sickingen 
und  Hutten  ein  Roberts  Brief  an  Sickiugen  hat  eine  hervor- 
ragende Bedeutung  nicht  nur  als  Zeugnis  über  Hutten,  son- 
dern mehr  noch  als  einzig  dastehendes  Selbstbildnis  des  Ebers 
der  Ardennen.  Bedenken  wie  Sickingen  braucht  er  nach 
seiner  neuesten  Schwenkung  natürlich  nicht  zu  hegen;  er  er- 
klärt sich  gern  bereit,  Hutten  gegen  Papst  und  Kardinäle 
wie  jeglichen  Fürsten  zu  vertheidigen.  Hierzu  fügt  er  mit 
einer  Schärfe,  die  eine  ins  Haudegenhafte  übersetzte  Familien- 
ähnlichkeit mit  dem  Auftreten  seines  Bruders,  des  Bischofs 
von  Lüttich,  zeigt",  den  Wunsch,  Hutten  möge  seinetwegen 
gleich  ein  halbes  Schock  Kardinäle  mitbringen.  Seinen  Höhe- 
punkt erreicht  das  Schreibeu  in  einem  zweiten  vierschrötigen 

1  Struuss  8.  5,  24,  77,  204  f. 
-  Ulnmnn  8.  309. 
:  Vgl.  8.  58,  Anm.  2. 


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HISTORISCHES 


Scherz,  dem  eine  historische  Bedeutung  zukommt,  weil 
er  wie  kein  früheres  Zeugnis  die  allgemeine  Meinung  mit 
scharfer  Pointe  zum  Ausdruck  bringt:  'ich  mag  leiden,  das 
jr  auch  den  luttor  mit  dem  vom  Hutten  allezeit  zu  mir 
schicket,  do  mit  ßie  einander  gut  gesellschaft  mechtenV  Der 
Brief  schliesst  mit  der  Bitte  an  Sickingou,  nebst  dem  Danke 
für  das  entgegengebrachte  Vertrauen  Hutten  seine  Ent- 
schuldigung zu  übermitteln,  wenn  er  ihm  nur  kurz  antworte, 
da  dieser  nicht  Französisch  könne  und  er  selbst  dessen  4vhast 
zirlich  vnd  künstlich'  abgefassteu  Brief  nicht  recht  verstehe. 
Ahnlich  beginnt  Roberts  Schreiben  an  Hutten  mit  der  Be- 
merkung, dass  er  von  dem  gelehrten  Briefe,  den  er  leider 
nicht  mit  eiuem  gleichen  erwidern  könne,  nur  den  auch  von 
Sickingen  besprocheneu  Hauptpunkt  ganz  verstanden  habe. 
Er  stelle  ihm  gerne  all  seine  Schlösser  zur  Verfügung,  vor- 
züglich das  der  deutschen  Grenze  zunächst  gelegene  Schloss 
Florgingen,  wo  Hutten  auch  seine  Gemahlin  und  ausserdem 
einen  zuverlässigen  Amtmann  finde,  der  ihn  auf  seinen  Wunsch 
weiter  führen  möge.  Überall  könne  er  bei  ihm  auf  beste 
Unterstützung  rechnen,  sowol  um  Sickingens  Fürsprache 
willen  wie  auch  wegen  seines  guten  Rufes  und  endlich  wegen 
des  Vertrauens,  das  er  ihm  entgegenbringe. 

Aber  Huttens  Vertrauen,  über  das  Robert  sich  so  aus- 
drücklich erfreut  zeigt,  war  doch  nicht  so  stark,  wie  dieser 
annahm;  und  es  war  auch  nach  den  verheissungsvollen 
Briefen  Roberts  nicht  gewachsen.  Hatte  er  vorher  sein  Miss- 
trauen durch  das  Mahnschreiben  an  die  Gesammtfamilie  ver- 
rathen,  so  jetzt  unmittelbar  nach  dem  Empfang  dieser  Briefe 
durch  ein  Schreiben  an  einen  auch  dort  genannten  Vetter, 
den  oben  erwähnten  Bernhard  von  Hutten.2  Dieser  Ritter, 
der  selbst  den  Adelsgenealogien  kaum  mehr  als  dem  Namen 
nach  bekannt  ist,  verdient  in  der  Huttenbiographie,  die  von 
ihm  bisher  überhaupt  nichts  weiss,  einen  hervorragenden 
Platz;  denn  ausser  den  oben  berührten  persönlichen  und  lit- 
terarischen Beziehungen  verbindet  ihn  mit  Ulrich,  wie  neben 


'  Vgl.  S.  155. 

2  Vgl.  S.  59,  67;  l.">7  f. 


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REICHTSTAG  VON  WORMS. 


87 


den  hier  zu  besprechenden  Briefen  vorzüglich  ein  späterer 
Brief  seines  Sohnes  bezeugt1,  die  Neigung  zu  den  von  die- 
sem vertreteneu  kirchlichen  Bestrebungen.  Zu  einem  beson- 
deren Briefwechsel  zwischen  Ulrich  und  Bernhard  gab  zu 
dieser  Zeit  ein  Familienereignis  den  Anlass.  Ohne  eine 
Ähnung  von  Huttens  gegenwärtiger  Lage  und  dem  Schreiben 
an  die  Oesammtfamilie  zu  haben-,  hatte  ihm  Bernhard  eine 
Einladung  zur  Hochzeit  seiner  Tochter  gesandt  und  ihn  zu- 
gleich in  einem  beigelegten  Zettel  auf  die  günstige  Gelegen- 
heit aufmerksam  gemacht,  sich  einmal  selbst  unter  den  Töch- 
tern des  Landes  umzusehen.  An  diese  doppelte  Einladung 
knüpft  Huttens  Brief  vom  19.  Januar  an.  Er  bedauert,  an 
dem  Fest  in  Anbetracht  des  Standes  seiner  Sache  nicht  theil- 
nehnien  zu  können,  und  schickt  unter  den  herzlichsten  Glück- 
wünschen als  seinen  Vertreter  seinen  Bruder  Lorenz,  offenbar 
seinen  Vertrauten  in  politischen  Angelegenheiten5,  wol  in 
der  Hoffnung,  dass  er  bei  diesem  Familienfeste  auch  für  seine 
Sache  wirken  könne.  Bezüglich  der  zweiten  Einladung  nimmt 
er  wiederum  die  Vermittel ung  seiner  Base  und  seines  Vetters 
in  Anspruch  und  verleiht  der  Hoffnung  auf  einen  glucklichen 
Erfolg  ihrer  Bemühungen  Ausdruck.  Von  diesem  freund- 
lichen Zukunftsbild  geht  er  dann  gleich  zur  düsteren  Gegen- 
wart über  und  giebt  nun,  obgleich  er  auf  den  mündlichen 
Bericht  des  Bruders  verweist,  die  ausführlichste  und  intimste 
Darstellung  seiner  Lage,  die  wir  von  ihm  aus  dieser  kriti- 
schen Zeit  besitzen.  Die  Gegner  hätten  es  durchgesetzt,  dass 
der  Kaiser  weder  ihn  noch  andere  zum  Verhör  zulasse,  ob- 
achou  alle  verständigen  Fürsten  und  redlichen  Leute  über 
dieses  Verfahren  erbittert  wären.  Wie  man  Luther  von 
Worms  durch  Androhung  des  Interdicts  für  die  Stadt  fern- 
zuhalten suche,  so  wolle  man  Sickingen  dahin  bringen,  ihn 
aus  seiner  Burg  zu  vertreiben.    Wenn  Hutten  nun  weiter 

1  In  einem  Brief,  der  sich  im  Archiv  zu  Birkenfeld  befindet,  wird 
Bernhard  von  seinem  Sohn  Moritz,  dem  späteren  Bischof  von  Eichstätt 
gewarnt,  noch  weiterhin  mit  Entschiedenheit  für  die  Lutherische  Sache 
einzutreten. 

2  Vgl.  S.  161. 

3  Vgl.  auch  H.  W.  1,  365,  4:30. 


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88 


HISTORISCHES. 


erzählt,  Sickingen  habe  gesagt,  'so  lang  man  vnß  nit  zu  vor- 
hör kommen  lasse,  w611  er  bey  der  such  halten,  jn  allen  auß- 
gangk\  so  berichtet  er  von  ihm  wieder  einmal  mehr,  als 
er  selbst  ernstlich  glauben  und  hoffen  kann.  Stand  statt 
des  Verhöres  die  baldige  Yerurtheilung  bevor,  so  war 
auch  der  Losbruch  eines  Kampfes  zwischen  Hutten  und  den 
Curtisanen  nahe;  und  für  diesen  Fall  hatte  sich  Sickingen 
ven  Hutten  bereits  losgesagt.  Dass  das  Bündnis  nicht  so 
ganz  solidarisch  ist,  verräth  Hutten  selbst  mit  dem  Hinweis 
auf  den  bereits  besorgten  'weiteren  'Enthalt'.  Nachdem  er 
dann  nochmals  die  Aussichtslosigkeit  aller  Hoffnungen  auf 
rechtliche  Verhandlung  betont  hat,  erzählt  er  als  Beweis  für 
die  ihm  drohenden  Nachstellungen,  dass  ein  grosser  Curtisau 
seinen  Kopf  auf  dreihunderttausend  Gulden  geschätzt  habe, 
weil  dem  geistlichen  Stand  noch  grosses  Unheil  von  ihm  be- 
vorstehe. Behalte  der  Curtisan  in  dieser  Voraussage  Recht, 
so  sei  es  nicht  seine  Schuld,  denn  er  habe  —  hier  berührt 
er  sich  mit  der  'Entschuldigung'  —  nur  die  Curtisanen  ge- 
meint und  nicht  die  übrige  Geistlichkeit,  die  sich  jetzt  auch 
in  die  Angelegenheit  mische.  Da  nach  alle  dem  der  Kampf 
unvermeidlich  sei,  so  bittet  er,  zum  Schluss  und  Kern  des 
Schreibens  gelangend,  Bernhard  und  die  übrigen  Vettern,  ihm 
doch  wenigstens  eine  Zuflucht  nach  vollbrachter  That  und 
zwar  auf  der  anderen  Seite  des  Rheins,  im  Hennebergischeu 
oder  im  böhmischen  Gebirge,  zu  verschaffen. 

Auch  auf  dieses  Schreiben  blieb  Hutten  vorläufig  ohne 
Antwort,  da  Bernhard  sich  erst  nach  Kenntnisnahme  von 
den  Beschlüssen  der  anderen  Hutten  äusserte.  Es  dauerte 
aber  fast  noch  einen  ganzen  Monat,  ehe  Huttens  Rund- 
schreiben bei  der  Familie  ordentlich  in  Gang  kam.  Erst  am 
13.  Februar  meldet  Dietrich  von  Hutten1  an  Friedrich  von 
Hutten,  dass  er  einen  Brief  von  Frowin  erhalten  habe.  So 
weit  der  unleserliche  und  undeutliche  Brief  Dietrichs  ein 
Urtheil  gestattet,  begab  dieser  sich  eines  eigenen  Votums  und 
stimmte  im  voraus  dem  Beschlüsse  der  übrigen  Familie  zu. 


1  Vgl.  S.  159.  —  Landau,  Die  hessischen  Ritterburgen  und  ihre 
Besitzer  3,  27C:  Dietrich  ist  das  Haupt  der  Stolzenberger  Linie. 


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REICHSTAG  VON  WORMS. 


80 


Ein  vom  15.  Februar  datierter  Brief  Friedrichs  von 
Hutten  \  den  mit  ihm  auch  sein  Sohn  Eitel  unterzeichnete-, 
£ri«»bt  der  Sache  eine  neue  Wendung.  Während  Frowin  uach 
Friedrichs  Aussage  in  seinem  an  Dietrich  und  alle  übrigen 
Hutten  gerichteten  Briefe  den  Vorschlag  gemacht  hatte,  auf 
einein  allgemeinen  Farnilientag  über  Ulrichs  Antrag  Beschluss 
zu  fassen,  tritt  Friedrich  diesem  Vorschlag  mit  dem  Hin- 
weis auf  die  dadurch  bedingte  Verzögerung  der  Angelegen- 
heit entgegen  und  beantragt  seinerseits,  dass  dem  Mainzischen 
Hofmeister,  der  sich  in  Worms  in  der  Nähe  des  Kaisers,  der 
Kardinäle  und  Fürsten  befinde  und  jedenfalls  das  beste  Urtheil 
besitze,  Vollmacht  ertheilt  werde,  Ulrich  auf  sein  Gesuch,  falls 
es  begründet  sei,  eine  befriedigende  Antwort  zu  geben :  'wer 
vnß  al  vom  hutten  ein  bracht  vud  groß  ere,  ein  drostlich  ant- 
wort  geben,  damit  her  Virich  auch  hört  vnd  se,  daß  wir  alß 
die  freundt  jm  gern  nach  vnserm  vermögen  hilfflieh  vnd  radt- 
lich  wo  wir  konden  sein  wolten/ 

Dieses  Schreiben ,  das  sich  an  die  auch  von  Ulrich  ge- 
nannten Ritter  Ludwig3  und  Bernhard 4  und  ferner  an  die 
Ritter  Erasmus,  Georg,  Ulrich  und  Wendel5  von  Hutten  rich- 
tete, scheint  die  Zustimmung  der  Familie  gefunden  zu  haben. 
Allerdings  liegen  über  die  Meinung  der  Einzelnen  keine 
Zeugnisse  vor  ausser  einem  Briefconcept  Bernhards  und  einem 
weder  datirten,  noch  unterzeichneten  Blatt  ,  das  die  Beilage 
zu  einem  anderen  Briefe  gebildet  haben  muss.  Der  unbe- 
kannte Schreiber  dieses  Blattes*'  erzählt,  dass  gelegentlieh  eines 

1  Vgl.  8. 159  f.—  Landau S.309:  Friedrich  ist  dorVatersbruderUlrichs. 

2  Landau  8.  331:  Eitel  Sebastian  oder  Eitel,  wie  ihn  Humbracht 
(Die  höchste  Zierde  Teut9ch- Landes  8.  167)  nennt,  hatte  von  seinem 
Vater  bereits  bei  dessen  Lebzeiten  alle  Güter  übernorameu;  hieraus 
erklärt  sich  wol  die  Mitunterzeichuung. 

•  Landau  8.  294:  Ludwig  ist  der  Bruder  des  bekannten  Hans 
von  Hutten. 

4  Landau  8.  295:  Bernhard  ist  das  Haupt  der  Birkenfelder  Linie. 

6  Landau  8.  290:  Erasmus  ist  das  Haupt  der  Arnsteiner  Linie; 
Georg  ist  ein  Bruder  Ludwigs  (Humbracht  8.  168);  Ulrich  ebenso 
(Landau  8.  294);  Wendel  ist  ein  Sohn  des  Vatersbruders  unseres  Ulrich 
(Humbracht  8.  167). 

«  Vgl.  8.  160.  —  Aus  den  Namen  Murstnt  (vielleicht  für  MunerstadM 
und  Siluester  ist  mit  Hinblick  auf  das  bekannte  Schreiben  Silvesters  von 


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00 


1IISTORUSCHKS. 


Gesprächs  über  den  Briefwechsel  Huttens,  Siekiugeus  und 
Roberts  davon  abgerathen  worden  sei,  dass  Ulrich  sich  in  den 
Schlitz  des  G raten  begebe;  wenn  dieser  auch  selbst  zuverlässig 
sei,  so  seien  doch  seine  Diener  zum  grösseren  Theil  Welsche 
und  somit  Feinde  der  Deutscheu.  Man  rathe  vielmehr,  Hutten 
solle  vou  den  Zufluchtsorten  Gebrauch  macheu,  die  im  Henne- 
bergischen  sicherlich  zur  Verfügung  stäuden.  Vor  Robert  müsse 
er  um  so  dringlicher  gewarnt  werden,  als  hinter  dessen  guten 
und  biederen  Worten  sich  jedenfalls  nur  die  Absicht  ver- 
berge, Huttens  und  Luthers  Sache  zum  Anlass  einer  neuen 
Fehde  zu  nehmen:  er  gehe  nach  dem  Winde  bald  mit  Frank- 
reich b'ald  mit  Deutschland. 

Das  wichtigste  Zeugnis  ist  aber  der  Entwurf  des  Briefes, 
den  Beruhard  wahrscheinlich  gegen  Ende  Februar  an  Ulrich 
schickte.  Das  ebenfalls  nicht  unterzeichnete  Schriftstück 
ist  schon  auf  Grund  der  Handschrift,  deren  Unleserlich- 
keit  kaum  ihresgleichen  hat,  Bernhard  zuzuweiseu.  Nach 
diesem  Brief  scheint  in  der  That  die  Übertragung  einer  Voll- 
macht auf  Frowin  stattgefunden  zu  haben.  Erst  nach  einem 
solchen  Hinweis  auf  den  Familienbeschluss  wendet  sich  Bern- 
hard zur  Beantwortung  vou  Huttens  letztem  Schreiben.  Da 
Hutten  für  das  Verhör  auf  sein  gutes  Gewissen  und  im 
anderen  Falle  auf  Sickingens  Schutz  bauen  könne,  der  ihn 
ja  unverhört  nicht  vergewaltigen  lassen  wolle,  so  solle  er  nur 
vorläufig  Gott  uud  der  Zeit  vertrauen.1  Er  für  seine  Persou 
würde  eine  gewaltsame  Unternehmung  weder  veranstalten 
noch  zulassen,  bevor  die  Entscheidung  des  Reichstags  gefallen 
sei:  'besser  allenhalb  gelassen  dan  getan'.  Käme  es  doch  uoch 
zum  Verhör,  so  glaube  er,  dass  zu  der  Zeit  die  von  Hutten 
uud  deren  wie  Ulrichs  Freunde  so  stattlich  in  Worms  vertreten 
sein  würden,  dass  er  schon  bestens  bestehen  solle.2  Geriethe 


Schaumburgs  an  Luther,  das  von  Munerstadt  datirt  ist,  zu  vermuttien* 
dass  es  sich  um  ein  Mitglied  der  Familie  Hutten  handelt ,  das  zu  den 
Sohauraburg  in  Beziehungen  stand. 

1  Vgl.  S.  161  f.  In  diesem  Bescheid  rächt  sich  Huttens  übertriebene 
Darstellung  der  Sickingenschen  Bundesgenossenschaft;  vgl.  S.  87  f. 

8  Eine  unklare  Bemerkung  scheint  ihre  Mitwirkung  auch  für  staat- 
liche Reformen  in  Aussicht  zu  stellen. 


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RK1CHSTAG  VON  WORMS. 


91 


Ulrich  nach  dem  Verhör  ungerechter  Weise  in  Noth  und  Gefahr, 
so  hoffe  er,  gute  Freunde  und  Gesellen  genug  zu  finden,  d it» 
ihm  mit  Rath  und  That  zur  Seite  stehen  würden.  Ulrich  brauche 
dann  nur  die  Vettern  und  Freunde  au  einem  gelegenen  Ort, 
etwa  der  Kizigbrücke,  zusammonberufen.  Dann  sei  er  zu  allem 
bereit.  Nach  diesen  waffen klirrenden  Rathschlägon  schliesst 
der  Brief  mit  einer  idyllischen  Nachricht:  er  habe  sich  mit 
seiner  Hausfrau  zwar  umgethan,  aber  kein  Mädchen  gefunden, 
das  hinsichtlich  ihrer  Familie  und  ihres  Besitzes  seinen  An- 
sprüchen genügen  könne;  er  müsse  sich  daher  auf  die  Zu- 
kunft vertrösten. 

Wenn  man  von  diesen  Ausführungen  Bernhards  einen 
Schluss  auf  die  Stimmung  der  übrigen  Familie  ziehen  darf, 
so  war  diese  geneigt,  im  Nothfallc  für  Ulrich  zu  einem  Fami- 
licnkrieg  zusammenzustehen,  wie  sie  es  zur  Rache  für  den  er- 
mordeten Hans  von  Hutten  gegen  Herzog  Ulrich  von  Würt- 
temberg gethan  hatten.  Einen  Nothfall  aber  sahen  sie  in  dorn 
gegenwärtigen  Stand  der  Dinge  nicht  im  entferntesten.  Auch 
Bernhard  beschränkte  sich  vorläufig  darauf,  sich  nach  Ulrichs 
Wunsch  um  einen  Zufluchtsort  auf  der  rechten  Suite  des 
Rheins  zu  bemühen:  um  die  Wende  des  Februar  schrieb  er 
zu  diesem  Zweck  an  Hans  Pflug  von  Rabenstein  auf  Vetschau 
und  Königswardt  und  an  Kaspar  Eilbegh  zu  Trausuit,  Land- 
richter und  Pfleger  zu  Parkstein.  Die  Antwort  des  böhmischen 
Herrn,  die  vom  6.  März  datirt  ist,  war  eine  ablehnende. 
Er  sehe  aus  den  ihm  zugesandten  Briefen,  daas  Hutten  im 
Kampf  für  die  Wahrheit  und  das  Wol  des  deutschen  Adels 
sowie  anderer  Stände  unschuldiger  und  ungerechter  Weise  in 
eine  gefährliche  Lage  geraten  sei.  Gälte  es  weltlichen  Händeln, 
so  wäre  er  zu  seiner  Unterstützung  schon  durch  die  Pflicht 
der  Dankbarkeit  veranlasst,  zu  der  er  und  seine  Brüder  der 
Familie  Hutten  verbunden  seieu.  Da  es  sich  aber  um  're- 
formacion  vnd  dispitacion  des  kristlichen  Glaubens'  handele 
und  diese  Bestrebungen,  wie  er  aus  Luthers  Schriften  wisse, 
mit  dessen  Sache  zusammenhingen,  so  könne  er  über  Ulrichs 
Angelegenheit  eine  entscheidende  Antwort  nicht  geben,  ehe 
nicht  die  königliche  Krone  von  Böhmen  oder  deren  Re- 
giment sich  über  die  Glaubensfrage  geäussert  habe.  Im 


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HISTORISCHES. 


Gegensatz  zu  dieser  Antwort,  die  sich  auf  «'ine  kundige  und 
politische  Erwägung  der  Sachlage  gründet,  steht  das  zwei 
Tage  später  erlassene  Schreiben  Eilbeghs,  der  als  Verwandter 
und  Freund  Meinhards  sich  ohne  weiteres  zur  Erfüllung  seines 
Wunsches  bereit  erklärt.1 

Durch  diese  Briefe  wird  die  wahre  Grundlage  enthüllt, 
von  der  ans  allein  Huttens  Verhalten  auf  dem  Höhepunkt 
seines  Lebens  zu  begreifen  ist.  Bei  diesem  Blick  hinter  die 
Coulissen  des  politischen  Schauplatzes  gewahrt  man  die  über- 
raschende Erscheinung,  dass.  Hutten  in  dem  Augenblick  ver- 
einsamt dastand,  als  er  angesichts  der  Eröffnung  des  Reichs- 
tages und  der  nahenden  Entscheidung  das  Schwert  zückte, 
um  alle  (i leichgesinnten  zum  Kampfe  zu  sammeln  und  hinaus- 
zuführen. Das  völlige  Ausbleiben  der  von  der  deutschen 
Ritterschaft  erwarteten  Hilfe  und  besonders  die  entschiedene 
Ablehnung  Sickingens  brach  seinen  kriegerischen  1 Manen  die 
Schwingen,  uachdem  er  sie  eben  zum  ersten  Male,  in  der  'Ent- 
schuldigung', frei  eutfaltet  hatte.  Statt  durch  gewaltige  Waffeu- 
that  musste  er  wiederum  durch  litterarische  Leistungen  auf 
den  Gang  der  Dinge  einzuwirken  suchen  und  die  Eutwicklung 
seines  eigenen  Schicksals  bis  zum  äussersten  abwarten.  So 
sehen  wir  denu  Hutten  während  des  Reichstages  in  seinem 
persönlichen  Verhalten  wie  in  seiner  litterarischen  Thätigkeit 
mit  unermüdlicher  Beweglichkeit  dem  fortgesetzten  Wechsirl 
der  politischen  Constellationen  folgeu.  Die  scheinbar  halt- 
lose Beweglichkeit  hat  ihm  gerade  von  Seiten  der  protestan- 
tischen Geschichtschreibung  den  Vorwurf  der  Charakterlosig- 
keit eingetragen.  Eingehende  Betrachtung  jedoch  erweist, 
dass  nicht  Maurenbrecher2,  sondern  der  Jesuit  Pallavicini 
Recht  hat,  der  unter  Benutzung  derselben  Quelle,  aus  der  jener 
seine  Anklageakte  schöpft,  zu  dem  Ergebnis  kam,  bei  Hutten 
eine  nicht  gewöhnliche  Charakterfestigkeit  anzuerkennen. :J 

Der  Reichstag  wurde  statt  am  Dreikönigstage  erst  am 
27.  Januar  eröffnet.  Auch  dann  noch  verging  Tag  auf  Tag, 
ohne  dass  die  von  Hutten  mit  Spannung  erwarteten  Ver- 

'  Vgl.  8.  162  ff. 

8  Mnurenbrecher,  Geschichte  der  katholischen  Keformntion  S.  199. 
3  Pullavicini.  Gewch.  d.  Tridentiner  Concils  deutsch.  1,  80. 


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REICHSTAG  VON  WORMS. 


93 


handlungen  über  die  kirchlichen  Angelegenheiten  begannen; 
denn  inzwischen  hatte  thatsächlich  der  Kaiser,  wie  Siekingen 
vorausgesehen,  «eine  Meinung  nuter  dem  EinHuss  der  deutschen 
Fürsten   wiederum  geändert ,  so  dass  von  einem  sofortigen 
Einschreiten    gegen   Luther   und   seine  Anhänger  vorläufig 
keine  Rede  mehr  war. 1   Diese  günstige  Wendung  und  andrer- 
seits das  Ausbleiben  der  von  der  Familie  und  insbesondere 
von  Bernhard  erwarteten  Briefe  scheint  Hutten  veranlasst  zu 
haben,  Ende  Januar  in  friedliche  Bahnen  einzulenken:  er 
schrieb  die  Vorrede  zu  einem  Buche,  in  dem  er  eine  alte 
Schrift  aus  der  Zeit  des  Basler  Concils  und  eine  neue  von 
dem  Bamberger  Vicar  Konrad  Zärtlin  herausgab.2   Ehe  diese 
Veröffentlichung  in  ihrer  Bedeutung  gewürdigt  werden  kann, 
imiss  die  hier  angenommene  Datirung  begründet  werden,  die 
sich   von  der  Festsetzung  Strauss'  und  Böekings  wesentlich 
unterscheidet.  ''    Strauss  glaubte  auf  Grund  folgender  Beweis- 
führung, der  sich  auch  Böcking  anschloss,  die  Vorrede  auf 
den  14.  Juni  verlegeu  zu  müssen     Hutten  datirt  seine  Vor- 
rede, in  der  er  angiebt,  dass  er  die  erste  Schrift  vor  kurzem 
in  der  Ebernburger  Bibliothek  gefunden ,   die  zweite  bald 
darauf  von  Zärtlin  empfangen  habe,  'vff  den  tag  Valerif; 
Zärtlin  datirt  die  Widmung  seiner  Schrift,  die  er  dem  Hilter 
Johann  Schott  darbringt,  vom  20.  Februar.    Da  nun  Strauss 
nieinte,  dass  Huttens  Vorrede,  die  ja  ausdrücklich  auf  Zärtling 
Schrift  Bezug  nimmt,  später  geschrieben  sein  müsse  als  dessen 
Widmung,  und  er  neben  dem  eigentlichen  Tag  Valerii,  der 
auf  den  29.  Januar  fällt,  noch  auf  einen  Tag  Valerii  und 
Ruflmi  verweisen  konnte,  der  den   14.  Juni   bedeutet,  so 
bezog  er  das  Datum  der  Vorrede  auf  den  letzteren.  Ab- 
gesehen davon,  dass  für  eine  solche  Veröffentlichung  zu  dieser 
Zeit  innere  Gründe  schlechterdings  unauffindbar  sind4,  er- 


1  Baumgarten,  Geschichte  Kar!«  V.  1,  397,  400,  437. 

*  'Concilia  wie  man  die  halten  sol.  Vnd  von  verhyhung  geyat- 
licher  lehenpfründen  . . .  Ermanung  das  ein  jeder  bey  dem  rechten  alten 
Christlichen  glauben  bleiben,  vnnd  sich  zu  keiner  newerung  bewegen 
lassen  soll . . H.  W.  [nd.  bibl.  XL. 

3  Strauss,  Hutten  21,  167 ;  Böcking  H.  W.  2,  78. 

4  Vierzehn  Tage  nach  dem  Schluas  des  Wormser  KeichstageR, 


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94 


HISTORISCHES 


scheint  Strauss'  Behauptung  auch  schon  an  sich  durchaus 
haltlos;  denn  die  Thatsache,  dass  in  einer  vom  Januar  datirten 
Vorrede  eine  Schrift  erwähnt  wird,  deren  Widmung  erst  im 
Februar  geschrieben  ist,  läsat  sich  ganz  einfach  dadurch  er- 
klären, dass  diese  Widmung  erst  nachträglich,  etwa  während 
des  Druckes,  hinzugefügt  wurde.  Diese  Erklärung  gewinnt 
an  Sicherheit  durch  eine  genauere  Prüfung  der  Zärtlinschon 
Widmung  und  Schrift,  welche  ergiebt,  dass  beide  eine  genaue 
Kenntnis  der  von  Hutten  aufgefundenen  Schrift  zeigen:  denn 
auf  sie  weist  unter  ausführlicher  Angabe  des  Inhalts  der 
Schluss  der  Widmung1,  und  der  zweiundsiebzigste  Artikel 
enthält  überhaupt  weiter  nichts  als  einen  Fingerzeig  auf 
'das  obgetruckt  büchlin'.2  Wenn  man  sich  nun  nicht  etwa 
zu  einer  Annahme  entschliessen  will,  die  mit  Rücksicht  auf 
Huttens  klare  Auseinandersetzung  in  der  Vorrede  unzulässig 
erscheint,  dass  nämlich  Zärtlin  vor  der  Ubersendung  seiner 
Schrift  von  Hutten  ausführliche  Mittheilungen  über  das  von 
diesem  aufgefundene  Werk  erhalten  habe,  so  muss  man  in  den 
erwähnten  Stellen  die  Beweise  für  eine  Umarbeitung  der  ur- 
sprünglich au  Hutten  gesandteu  Fassung  sehen,  die  stattge- 
funden haben  müsste,  als  der  Druck  der  von  Hutten  aufge- 
fundenen Schrift  vollendet  war  und  der  des  Zärtlinschen 
Werkes  eben  beginnen  sollte.  Wenn  man  also  annimmt  dass 
Zärtlin  an  der  Drucklegung  betheiligt  war  und  auf  Grund  der 
fertigen  ersten  Bogen  der  Ausgabe  seinem  Manuscript  noch 
die  Widmung  und  den  erwähnten  Artikel  zufügte,  so  ist  alles 
befriedigend  erklärt,  sowol  die  Einwirkung  der  'Concilia' 
auf  Zärtlin  wie  die  Priorität  der  Huttenschen  Vorrede. 

mit  dem  für  Hutten  alle  friedlichen  Verhandlungen  endeten  und  der 
Krieg  begann,  soll  er  sich  mit  dieser  friedlichen  Schrift  an  den  Kaiser 
gewandt  haben  (vgl.  die  Schlussverse :  'O  Carle,  keyßor  lobesam,  griff 
du  die  sach  zum  ersten  an,  Gott  würts  mit  dir  on  zweyfel  han'),  dem 
er  wegen  seiner  antilutherischen  Gesinnung  nahezu  die  Fehde  angesagt 
hatte  (vgl.  S.  107  Anm.  1). 

1  H.  W.  2,  79. 

2  G  3  a:  'Was  aber  biß  her  verwandelung  besehenen  in  denn 
geystlichen  lehen,  vß  etlicher  mosß  angezöigt,  von  dem  so  beschriben  hat 
das  obgedruckt  buchlin,  des  titel  ist,  von  haltung  der  Conoilien,  vnd  ver- 
leyhung  der  geystlichen  lehen1. 


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REICHSTAG   VON  WORMS. 


95 


Zärtlins  Schrift  ruht  auf  dem  Grundgednuken ,  dass 
die  Reformation  keine  Neuerung,  sondern  eine  Umkehr  be- 
deute und  richtet  in  diesem  Sinne  ihre  Angriffe  besouders 
gegen  Beichte,  Bann,  weltliche  Herrschaft  des  Papstes  und 
Beitelmönchswesen.  Das  dürftige  Werkeheu,  dem  es  an 
Neuheit  und  Wucht  der  Gedanken  mangelt,  enthält  einen 
Artikel,  der  von  grosser  Bedeutung  ist,  nicht  sowol  an  sich 
als  vielmehr  dadurch,  dass  Hutten  ihn  durchgehen  Hess  und  so 
gewisse rmassen  anerkannte:  'Doch  soll  niemant  aufrürig  sein, 
niemant  dem  anderen  das  sein  nemen,  vnd  niemant  die  alten 
titel  crmessen,  wie  yeder  zü  dem  seinen  kommen.  Sunst  würd 
ein  seltzam  entborung.  wie  dann  den  weltlichen  auch  allerley 
zesagen  wer*.1  Einem  solchen  Satz  konnte  Hutten  nur  zu 
einer  Zeit  beistimmen,  da  ihm  ein  friedliches  Verfahren  wegen 
seiner  eigenen  Machtlosigkeit  und  der  günstigen  Stimmung 
der  kaiserlichen  Regierung  gerathen  schien. 

Die  friedliche  Gesinnung,  die  der  negative  Artikel 
Zärtlins  verkündet,  wird  in  positiver  Form  in  der  von  Hutten 
herausgegebenen  alten  Schrift  vertreten,  deren  praktische 
Bedeutung  für  die  Gegenwart  er  selbst  auf  dem  Titel  in  den 
dreimaligen  Ruf  'ConciliunT  zusammenfasst.  Diese  Schrift 
erhebt  mit  ausführlicher  Begründung  die  Forderung,  dass  alle 
zehn  Jahr  an  einem  Ort,  an  dem  nicht  der  Papst  und  die 
Kardinäle  die  Macht  in  Händen  hätten,  ein  (  oncilium  abzu- 
halten sei,  an  dem  sich  auch  der  Kaiser  betheiligen  müsse, 
damit  er  Spaltungen  verhüte  und  für  die  Ausführung  der 
Beschlüsse  sorge.  Auf  diesem  Concil  seien  nicht  nur  kirchliche 
Angelegenheiten,  wie  vor  allem  die  Pfründenverleihung,  sondern 
auch  staatliche  Fragen,  wie  der  allgemeine  Landfrieden,  das 
Knmmergericht  uud  allgemeine  Reichsabgaben2  zur  Berathung 
zu  stellen.  Ein  zweiter  Theil  der  Schrift  beschäftigt  sich  mit 
der  Aufgabe,  die  Superiorität  des  Concils  über  den  Papst 


'  0  3a;  Artikel  75. 

2  Wegen  dieser  Vorschläge  gebührt  den  'Concilia'  neben  den  von 
Ranke,  Deutsche  Geschichte  im  Zeitalter  der  Reformation  l6,  69  ff.,  be- 
handelten Bohriften  ein  Platz  in  der  Vorgeschichte  des  Wormser  Reichs- 
tages von  1495. 


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HISTORISCHES 


aus  der  Bibel,  den  Kirchenvätern  und  der  Geschichte  nach- 
zuweisen. Den  Schluss  bildet  eine  Vertheidigung  des  Basler 
Concils.  Indem  Hutten  diese  alten  Forderungen,  die  zum 
grossen  Theil  bereits  erledigt,  aber  wieder  vergessen  waren1 
von  neuem  zur  Sprache  bringt,  bekennt  er  sich  bereits  zu 
einer  Partei,  der  er  wenige  Zeit  später  thatsächlich  beitreten 
sollte.2  Man  würde  sich  niemals  durch  die  Umstände?,  unter 
denen  dieser  Schritt  erfolgte,  zu  der  Ansicht  haben  verleiten 
lassen,  dass  er  nicht  aus  Uberzeugung,  sondern  aus  käuflicher 
Nachgiebigkeit  geschehen  sei,  wenn  mau  erkannt  hätte,  das* 
Hutten  das  Programm,  auf  das  er  sich  durch  ihn  verpflichtete, 
schon  vorher  selbständig  durch  die  'Concilia'  verkündet  hatte. 
Wenn  Hutten  sich  unmittelbar  nach  der  Eröffnung  des  Reichs- 
tages entschließen  kann,  bei  dem  Kaiser  für  die  Concils- 
,  forderung  einzutreten,  so  zeigt  er  damit,  dass  er  die  radikalere 
Entwicklung  Luthers  nicht  mitgemacht  hat,  sondern  auf  dem 
Boden  der  älteren  Reformation  stehen  geblieben  ist.  der  auch 
die  kaiserliche  Regierung,  besonders  der  Kanzler  Gattinara 
und  der  Beichtvater  Glapion,  und  der  grössere  Theil  der 
deutschen  Fürsten  angehören.  Während  schon  aus  seinen 
eigenen  Schriften  hervoigeht,  dass  er  dieser  Partei  näher 
steht  als  Luther,  weil  er  nicht  sowol  das  Dogma  als  die 
Verwaltung,  nicht  den  Glauben,  sondern  die  Politik  der  alten 
Kirche  angreift  und  somit  weniger  eine  religiöse  als  eine 
kirchenpolitische  Reformation  anstrebt,  ergiebt  diese  Ver- 
öffentlichung mit  Huttens  Vorrede  und  Versen,  dass  er  auch 
praktisch,  nachdem  er  vorläufig  die  revolutionären  Kriegs- 
plane aufgegeben  hat.  sich  an  die  gemässigte  Partei  an- 
schliesst,  da  er  im  Gegensatz  zu  der  von  Luther  schon  in 
Leipzig  ausgesprochenen  radikalen  Opposition  den  Weg  con- 
ciliarer Verhandlung  eingeschlagen  wissen  will.  Wären  die 
Concilia'  noch  in  der  ersten  Hälfte  des  Februar  im  Druck 
fertig  gewesen  und  dem  Kaiser  zugekommen,  so  hätten  sie 
nicht  nur  gleich  den  hundert  hirchenpolitischen  Beschwerden 


1  Vgl.  Johann  Friedrich,  Der  Reichstag  zu  Worms  1521  (Abhand- 
lungen d.  hist.  Cl.  d.  Kgl.  Bayerischen  Akademie  der  Wissenschaften 
XI,  III,  61  ff.J. 


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REICHSTAG  VON  WORMS. 


97 


der  deutschen  Nation  gegen  Rom,  welche  um  weniges  später 
die  Stände,  wie  schon  ein  Zeitgenosse  und  Mitglied  jenes 
Reichstages  bemerkte,  unter  dem  Einfluss  der  Huttenschen 
Schriften  verfassten1,  die  Billigung  der  kaiserlichen  Regierung 
finden  müssen,  sondern  zugleich  eine  neue  Auffassung  von 
Huttens  politischer  Stellung  erwecken  und  damit  seiner  per- 
sönlichen Lage  eine  entscheidende  Wendung  geben  können. 

Schon  in  der  Mitte  des  Februars  jedoch  trat  in  Luthers 
Angelegenheit  und  zugleich  auch,  wie  man  wiederum  aus 
Balans  Veröffentlichungen  aus  dem  Vatikanischen  Archiv2 
entnehmen  kann,  in  Huttens  Sache  eine  gefährliche  Krisis 
ein,  die  in  der  friedlichen  Entwicklung  sofort  einen  Stillstand 
hervorrufen  musste.  Am  10.  Febrnar  langte  in  Worms  mit 
der  ersten  Fassung  der  bekannten  Bulle  vom  3.  Januar  ein 
vom  selben  Tage  datirtes  Breve  des  Papstes  an,  welches 
dem  Kurfürsten  von  Mainz,  den  es  zum  Generalinquisitor  für 
ganz  Deutschland  ernannte,  sowie  den  päpstlichen  Nuntien 
Instructionen  zur  Ausführung  der  Bulle  ertheilte.  Während 
nun  die  uns  erhaltene  zweite  Fassuug  der  Bulle  neben  Luther 
dessen  Anhänger  nur  gauz  allgemein  erwähnt,  nennt  das 
Breve,  sicherlich  in  Übereinstimmung  mit  der  verlorenen  ersten 
Fassung  der  Bulle,  nicht  nur  Luther  als  dem  Banne  verfallen, 
sondern  in  einer  Reihe  mit  ihm  Wilibald  Pirckheimer,  Lazarus 
Spengler  und  Ulrich  von  Hutten.3  Zieht  man  in  Betracht, 
dass  Pirckheimer  und  Spengler  kurz  vor  dem  Eintreffen  der 
Bulle  ihre  Absolution  empfingen4,  dass  mithin  ihre  Nennung 
im  Breve  keine  praktische  Bedeutung  mehr  hatte,  so  finden 


1  Waltz,  Der  Wormser  Reichstag  (Forschungen  zur  deutschen 
Geschichte  8,  32).  Vgl.  auch  B.  Gebhardt,  Die  Gravamina  der  deutschen 
Nation  8.  90  f.  —  Auf  der  Kgl.  Bibliothek  zu  Berlin  befindet  sich  ein 
bisher  unbeachteter  Auszug  der  Gravamina  für  Laien  (Cu  7272.  4°). 

*  Balan,  Monumenta  reformationis  Lutheranae  S.  17  ff. 

*  Auf  Grund  dieses  Breve  ist  Briogers  Conjectur  zu  Aleanders 
Depesche  vom  5.  April  (S.  121),  alli  di  pnssati'  statt  'alli  de  4  passati* 
zu  lesen,  als  überflüssig  und  falsch  zu  verwerfen. 

*  F.  Roth,  Die  Einführung  der  Reformation  in  Nürnberg  1517 — 
1528  S.  85. 

Q.F.  LXVIL  7 


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HISTORISCHES. 


wir  ganz  entsprechend  der  allgemeinen  Auffassung  jener  Zeit, 
die  auch  Huttens  eigene  war,  Luther  und  Hutten  als  Häupter 
der  verurtheilten  Bewegung  auch  vom  Papste  anerkannt.  Das 
Breve  ertheilt  Befehl,  gegen  die  genannten  Ketzer  wegen 
Ablaufs  der  Widerrufsfrist  die  Bulle  zur  Ausführung  zu 
bringen  und  ebenso  gegen  alle  ihre  Anhänger,  gleichviel 
welches  Standes,  sogar  gegen  Kurfürsten,  Universitäten  und 
Städte  zu  verfahren.  Während  aber  diesen  für  den  Fall 
ihrer  Umkehr  die  Absolution  auf  gewöhnlichem  Wege  zuge- 
billigt wird,  behält  der  Papst  die  Hauptschuldigen  besonders 
und  ausdrücklich  seinem  eigenen  Urtheil  vor.  Eine  Vertheidi- 
gung  und  Appellation  sei  diesen  nicht  mehr  zu  gestatten, 
und  für  die  Vollstreckung  solle  man  nöthigen  Falls  den 
Kaiser  als  katholischen  König  von  Spanien  und  Anwalt  der 
römischen  Kirche  sowie  andere  katholische  Fürsten  um  Hilfe 
angehen. 

Während  Hutten  gewiss  keine  Kenntnis  von  dem  Inhalt 
der  Bulle  und  des  Breve  erhalten  hat,  die  ihm  die  längst 
erwartete  endgiltige  Verurtheilung  seitens  der  Kirche  brachten, 
sollte  er  bald  diese  Wendung  seines  Schicksals  mittelbar 
durch  die  Verhandlungen  des  Reichstages  über  die  Lutherische 
Sache  erfahren.  Der  Kaiser  wurde  durch  die  Schreiben  des 
Papstes  zur  Aufnahme  dieser  Angelegenheit  veranlasst  und 
war  nunmehr  geneigt,  sie  im  Sinne  des  päpstlichen  Nuntius 
Aleander  zu  entscheiden.1  Da  er  jedoch  fürchtete,  durch 
einen  eigenmächtigen  Beschluss  sich  das  Wolwollen  der 
überwiegend  national  und  antirömisch  gesinnten  Stände  zu 
verscherzen,  dessen  er  für  seine  politischen  Pläne  dringend 
bedurfte,  so  zog  er  sie  zur  Entscheidung  mit  heran,  indem 
er  den  Nuntius  beauftragte,  ihnen  die  Forderungen  des  Papstes 
darzulegen,  und  seinerseits  ihnen  das  Edict,  mit  dem  er  diese 
Forderungen  erfüllen  wollte,  zur  Begutachtung  unterbreitete. 
Trotz  der  geschickten  Rede  des  Nuntius,  der  unter  absicht- 
licher Vermeidung  der  kirchenpolitischen  Fragen  Luther  als 
Feind  des  alten  Glaubens  und  Gegner  der  Concilien  behan- 
delte, billigten  die  Stände  nach  längerer  Berathung  nicht  ohne 

'  Baum  garton,  Karl  V.  1,  437  ff. 


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REICHSTAG  VON  WORMS 


99 


weiteres  das  kaiserliche  Edict.  Wenngleich  sie  hinsichtlich 
der  vom  Nuntius  behandelten  Fragen  völlig  mit  diesem  und 
dem  Kaiser  übereinstimmten,  beantragten  sie  mit  Rücksicht 
auf  die  allgemeine  Stimmung  des  Volkes,  dass  Luther  nicht 
ohne  Verhör  verurtheilt,  sondern  unter  sicherem  Geleit  berufen 
werde,  um  die  gegen  den  christlichen  Glauben  gerichteten 
Schriften  und  Artikel  ohne  weitere  Disputation  zu  widerrufen. 
Wenn  er  widerrufe,  so  solle  er  in  anderen  Punkten  und 
Sachen  gehört  und  nach  Billigkeit  darüber  verfügt  werden. 
Andernfalls  sei  das  kaiserliche  Edict  zu  veröffentlichen. 
Zum  Schlüsse  betonten  sie  die  Beschwerden  der  deutschen 
Nation  gegen  den  römischen  Stuhl.  Der  Kaiser,  der  sich 
durch  seine  politische  Lage  zu  ferneren  Zugeständnissen  gegen 
die  Stände  gezwungen  sah,  lud  durch  ein  am  6.  März  aus- 
gefertigtes und  am  15.  März  abgeschicktes  Schreiben  Luther 
behufs  Befragung  über  seine  Schriften  vor  den  Reichstag 
und  forderte  die  Stände  auf,  ihre  Beschwerden  zu  weiterer 
Berücksichtigung  schriftlich  einzureichen. 

Hutten  war  schon  am  Morgen  des  14.  Februar  über  die 
Rede  des  Nuntius  genau  unterrichtet.1  Aber  erst  Ende  März 
entschloss  er  sich ,  seinem  Zorn  offenen  Ausdruck  zu  ver- 
leihen. Der  Grund  dieses  Schweigens  ist  aus  den  dargelegten 
Verhältnissen  leicht  ersichtlich.  Zunächst  hinderte  ihn  die 
Erkenntnis  seiner  eigenen  Machtlosigkeit  an  einem  sofortigen 
Losbruch.  Sodann  konnte  er  aus  der  Einmischung  der  Stände 
von  der  er  gewiss  ebenfalls  sehr  bald  Kunde  erhielt,  Hoff- 
nung genug  schöpfen,  um  sich  vorläufig  abwartend  zu  verhalten. 
Endlich  aber  scheint  Hutten  auch  durch  eine  Annäherung  der 
kaiserlichen  Regierung  boeinflusst  worden  zu  sein.  Aleander 
erzählt  in  seiner  Depesche  vom  8.  März,  dass  Hutten  von  dieser 
Seite  durch  ein  Schreiben  veranlasst  worden  sei,  bis  auf 
weitere  Anweisung  zu  schweigen.  Man  gehe  im  kaiserlichen 
Rath  sogar  mit  der  Absicht  um,  Hutten  in  Dienst  zu  nehmen  und 
dadurch  stumm  zu  machen;  es  sei  nicht  leicht,  einen  deutschen 
Edelmann  ohne  grossen  Aufruhr,  zu  strafen,  zumal  wenn  er 
so  mächtige  Genossen  wie  Franz  von  Sickingen  habe,  und 


1  H.  W.  2,  14. 

7* 


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HISTORISCHES. 


den  in  Deutschland  populären  Krieg  gegen  die  Kirche  be- 
treibe.1 Zu  diesem  Bericht  Aleanders  passt  Brunfels'  An- 
gabe, dasB  Hutten  von  dem  Haupt  des  kaiserlichen  deutschen 
Rathes,  dem  Kardinul-Erzbischof  Matthäus  Lang  von  Salzburg, 
verlockende  Anerbietungen  erhalten  habe.2 

Aus  dieser  Zurückhaltung  trat  Hutten  erst  heraus ,  als 
plötzlich  ein  neuer  Umschwung  in  der  wechselvollen  Behand- 
lung der  Lutherschen  Sache  einzutreten  schien.  Während 
Luther  sich  bereits  auf  der  Reise  nach  Worms  befand  und 
die  Stände  mit  der  Zusammenstellung  ihrer  Beschwerden  be- 
schäftigt waren,  erliess  der  Kaiser  eine  Veröffentlichung,  die 
in  diesem  Zeitpunkt  Freunden  wie  Feinden  gleichbedeutend 
mit  einer  Verurtheilung  Luthers  und  der  ganzen  Reformations- 
bestrebungeu  erschien :  am  26.  März  wurde  in  Worms  an  den 
Kirchenthüren  ein  Mandat  vom  10.  März  angeschlagen,  das 
die  Aualieferung  aller  Schriften  Luthers  gebot.  Als  erste 
Folge  dieses  Sequestrationsmandats  meldet  nun  Aleander  am 
5.  April  das  Eintreffen  einer  Reihe  von  Briefen,  in  denen 
Hutten  sämmtlichen  Geistlichen  und  den  Nuntien  insbesondere 
die  Fehde  ansagt.  Hutten  war  also  auf  den  Standpunkt  der 
'Entschuldigung7  zurückgekehrt,  indem  er  durch  drei  In- 
vectiven  an  die  Nuntien  Aleander  und  Caracciolo  sowie  alle 
antilutherischen  Geistlichen  und  durch  ein  rückhaltloses  Mahn- 
schreiben an  den  Kaiser  klärlich  das  Ultimatum  stellte,  ent- 
weder die  Forderungen  der  Nation  zu  erfüllen  oder  eines 
Pfaffenkrieges  gewärtig  zu  sein.3  Obgleich  Hutten  so  keck 
von  neuem  den  Kriegspfad  wandelt,  ist  doch  nicht  abzusehen, 
auf  welche  realen  Mächte  er  sich  bei  seiner  Drohung  stützte. 
Weder  die  Antwort  seiner  Familie,  die  er  inzwischen  erhalten 
haben  rauss,  noch  das  Verhalten  Sickingens  konnte  ihm  irgend- 
welche Zuversicht  einflössen.4    Dagegen  mag  er  vielleicht 


1  Brieger  8.  92. 

*  H.  W.  2,  340. 

*  Briegor  8.  122  ff.  H.  W.  2,  12  ff.  Strauss,  Hutten  8.  396  ff.  — 
Über  Nutzers  verlorene  Übersetzungen  vgl.  H.  W.  Suppl.  2,  806. 

*  Uhnann,  Sickingen  8.  177  f.,  hat  mit  Recht  eine  von  Butzer  Ic- 
riohteto  kriegerische  Äusserung  Sickingens  auf  eine  augenblickliche 
Aufwallung  zurückgeführt;  sie  ist  zudem  sehr  unwahrscheinlich,  da  nach 


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REICHSTAG  VON  WORMS. 


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einerseits  auf  freiwillige  Hilfe  bei  den  grossen  gährenden 
Massen  des  niederen  Adels  und  andrerseits  mit  der  schon  ein- 
mal bewiesenen  Ängstlichkeit  und  Hilflosigkeit  der  kaiserlichen 
Regierung  gerechnet  haben. 

In  der  That  verfehlte  auch  dieses  Mal  der  Nimbus  der 
Vereinigung  mit  Sickingen  nicht  seine  Wirkung.  Da  man  in 
Hutten  überall  den  Herold  Sickingens  sah1,  so  hielt  man  die 
Invectiven  für  die  Ankündigung  einer  nahe  bevorstehenden 
grossen  Umwälzung.  Mau  muss  an  der  Hand  der  Depeschen 
Aleanders  verfolgen,  wie  übertriebene  Befürchtungen  von  einer 
allgemeinen  Bewegung  des  'armen  Adels'  Huttens  ganzes 
Auftreten  in  Worms  erregte,  um  zu  begreifen,  dass  diese  In- 
vectiven wie  das  Brausen  des  Sturmes  vor  dem  Gewitter  auf 
die  Gemüther  wirkte.  Die  kaiserliche  Regierung  entschloss 
sich,  da  es  ihr  an  Zeit  und  Mitteln  zur  Anwendung  von 
Gewalt  gebrach,  der  gefürchteten  Erhebung  durch  gütliche 
Verhandlung  zu  begegnen.  Zugleich  verfolgte  sie  aber  auf 
diesem  Wege  noch  andere  Zwecke.  Sie  hatte  nicht  erwartet, 
dass  Luther  von  der  Citation ,  in  der  sie  nur  ein  formelles 
Zugeständnis  an  die  Stände  sah,  Gebrauch  machen  würde,  und 
befürchtete,  als  nun  sein  Nahen  sogar  trotz  dem  Mandat  ge- 
meldet wurde,  von  seinem  Eintreffen  in  Worms  die  schlimm- 
sten Unruhen.  Zur  selben  Zeit  steigerten  sich  die  Sorgen  der 
äusseren  Politik  durch  neue  Verwicklungen  mit  Frankreich. 
Die  Verhandlungen  auf  der  Ebernburg  sollten  deshalb  gleich- 
zeitig dahin  gehen,  Luther  von  Worms  fern  zu  halten  und 
Sickingens  Hilfe  für  den  Krieg  gegen  Frankreich  zu  sichern. 
Als  äusseres  Zeichen  der  kaiserlichen  Zustimmung,  welche  die 
Gesandtschaft  nicht  officiell  melden  durfte,  wurde  Hutten  die 
Verdoppelung  seiner  bisherigen  Pension  angeboten.2 

Die  Gesandtschaft,  zu  der  man  deu  Kämmerer  und  den 
Beichtvater  des  Kaisers,  den  Ritter  von  Armstorff  und  den 

diesem  Bericht  Sickingen  in  der  ganz  unmöglichen  Rolle  eines  zur  That 
treibenden  Berathers  des  friedlichen  Hutten  erscheint. 
1  Brieger  S.  125. 

»  Brieger  S.  123  ff. ;  132  ff. ;  Waltz  in  der  Zeitschrift  für  Kirchen- 
geschiohte  2,  124  ff.;  Ulmann  S.  179  ff.;  Mauerbrecher,  Studien  und 
8kizzen  S.  267  f. 


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HISTORISCHES. 


Franziskaner  Glapion  bestimmte,  hatte  also  eine  dreifache 
Aufgabe  zu  lösen :  die  Insassen  der  Ebernburg  davon  zu  über- 
zeugen ,  dass  der  Kaiser  geneigt  sei,  die  Forderungen  der 
deutschen  Nation  durchzusetzen;  sie  zu  der  Ansicht  zu  be- 
kehren ,  dass  es  für  Luther  und  die  Sache  der  Reformation 
im  allgemeinen  besser  sei,  wenn  er  nicht  nach  Worms  komme, 
sondern  sich  durch  ihre  Vermittlung  bereits  vorher  mit  der 
kaiserlichen  Regierung  verständige;  endlich  Sickingens  Macht, 
auf  die  sich  die  Revolution  zu  stützen  drohte,  dorn  Kaiser  zu 
gewinnen.  Die  Verhandlungen  zerfielen  mithin  in  einen  theo- 
retischen und  einen  practischen  Theil.  Die  Leitung  des  ersteren 
und  schwereren  übernahm  der  Beichtvater  des  Kaisers,  dessen 
Stellung  zur  Reformation  durch  die  Verhandlungen  mit  dem 
sächsischen  Kanzler  Brück  bekannt  ist:  als  Anhänger  der 
spanischen  Reformbestrebungen  war  er  einer  Abstellung  der 
Missbräuche  und  Uebelstände  in  der  Verwaltung  und  den 
Sitten  der  alten  Kirche  lebhaft  zugethan;  dagegen  kannte  er 
für  alle  Angriffe  in  Sachen  des  Glaubens  nur  das  Gebot  des 
Widerrufs.  Zieht  man  nun  Huttens  oben  angedeutete  Stellung 
zu  den  beiden  Seiten  der  kirchlichen  Reformation,  der  dogma- 
tischen und  der  politischen,  in  Betracht,  so  muss  man  das  Er- 
gebnis der  Disputation  zwischen  dem  Ritter  und  dem  Mönch  ganz 
folgerichtig  und  natürlich  finden:  Hutten  gab  die  Erklärung 
ab,  dass  er  mit  Luther  durchaus  nicht  in  allen  Stücken  über- 
einstimme, auch  seine  Sache  nicht  mit  der  Luthers  vermischen 
wolle;  er  verlange  nur,  dass  die  Priester  in  Zucht  genommen 
würden  und  die  grossen  Reichthümer  lassen  sollten,  die  ihnen 
ihr  lasterhaftes  Leben  ermöglichten.1  Hatte  sich  im  Feuer 
der  Disputation  mit  dem  scharfsinnigen  Franziskaner  Huttens 
Stellung  nun  einmal  so  weit  geklärt,  dass  er  sich  im  wesent- 
lichen zu  dem  Programm  der  spanischen,  also  katholischen 
und  kaiserlichen  Reformpartei  bekennen  konnte,  so  stand  einer 
practischen  Verbindung  nichts  mehr  im  Wege,  zumal  dadurch 
die  öffentlichen  und  persönlichen  Anliegen  Huttens  nur  ge- 
fordert werden  konnten. 

So  übernahm  Hutten  mit  grosser  Freude  den  Auftrag 

1  lirioger  S.  133  f. 


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REICHSTAG  VON  WORMS 


103 


des  kaiserlichen  Beichtvaters,  Luther  durch  private  Verhand- 
lungen zu  veranlassen,  dass  er  die  offenbaren  und  verurtheilten 
Angriffe  gegen  den  Glauben  widerrufe,  damit  alsdann  die 
ganze  Angelegenheit  bis  zum  nächsten  Concil  verschoben 
werden  könne.1  Bei  der  Dunkelheit,  die  über  den  auf  Luther 
bezüglichen  Besprechungen  liegt,  ist  leider  nicht  zu  entscheiden, 
ob  auch  bestimmte  Abmachungen  für  den  Fall  getroffen 
wurden,  dass  Luther  weder  auf  der  Ebernburg  noch  in  Worms 
auf  seine  dogmatischen  Streitsätze  verzichtete.  Wenn  Hutten 
später  seinen  ersten  Brief  nach  Luthers  Abreise  mit  der  Klage 
anhebt,  gewisse  Kaiserliche  hätten  ihn  mit  der  Angabe  be- 
logen, Luther  werde  zu  rechtlicher  Verhandlung  nach  Worms 
berufen2,  so  darf  man  hieraus  vielleicht  schliessen,  dass  die 
Gesandtschaft  in  der  sicheren  Hoffnung,  dass  er  schlimmsten 
Falles  wenigstens  in  Worms  Widerruf  leisten  werde,  eine 
öffentliche  Besprechung  der  kirchenpolitischen  Forderungen 
Luthers  fest  zugesagt  hat. 

Eine  einfache  Folge  dieser  theoretischen  wie  practischen 
Vereinbarung  war  es,  wenn  Hutten  den  kaiserlichen  Gnaden- 
beweis unbedenklich  annahm  und  alsbald  die  mehr  als  frei- 
müthige  Sprache  seines  Mahnschreibens  durch  einen  Ent- 
schuldigungsbrief an  den  Kaiser  gut  zu  machen  suchte.3  Das 
litterarische  Ergebnis  dieser  Verbindung  bildet  Huttens  Schrift: 
'Anzoig,  wie  allwegen  sich  die  Römischen  Bischöfi,  oder  Bäpst 
gegen  den  teütschen  Kayßeren  gehalten  haben,  vff  daz  kürzst  vß 
Chronicken  vnd  Historien  gezogen,  K.  maiestät  fürzübringen.'4 

Strauss  und  Böcking  haben  die  'Anzeig'  in  die  Mitte 
des  Novembers  1520  gesetzt,  weil  Hutten  in  dem  Brief  an 
Erasmus  vom  13.  November  seine  Hoffnung  auf  eine  Um- 
kehr des  Kaisers  mit  dem  Satz  begründet,  dass  es  leicht  sei, 
ihn  durch  eine  Menge  von  Beispielen  daran  zu  mahnen,  dass 
es  in  Rom  keine  Treue  gebe.5  Wenngleich  selbstverständ- 
lich zugegeben  werden  muss,  dass  in  diesem  Satz  der  Grund- 

1  Brieger,  Neue  Mittheilungen  über  Luther  in  Worms  S.  8  ff. 
8  FI.  W.  2,  59. 
s  H.  W.  2,  47  ff. 

4  H.  W.  5,  363  ff. 

5  Strauss,  Hutten  21,  112  f.;  H.  W.  1,  425. 


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HISTORISCHES 


gedauke  der  fraglichen  Schrift  ausgesprochen  ist,  so  kann 
doch  an  die  Abfassung  oder  gar  Veröffentlichung  zu  dieser 
Zeit  noch  nicht  gedacht  werden.  Zunächst  hat  man  über- 
sehen, dass  die  'Anzeig'  in  dem  sonst  vollständigen  Schriften- 
verzeichnis fehlt,  das  Hutten  am  l).  December  1520  Luther 
mittheilt.  Sodann  aber  zeugt  entschieden  gegen  Strauss'  An- 
sicht das  eben  besprochene  Mahnschreiben  an  den  Kaiser  vom 
27.  März  1521. 1  Da  nämlich  Hutten  hier  den  Kaiser  vor  dem 
Rathe  der  Priester  warnt,  weil  sie,  wie  sich  mit  nicht  weit 
hergeholten  Beispielen  lehren  lasse,  wegen  ihrer  Abhängig- 
keit von  Rom  keine  Treue  halten  könnten,  und  weiterhin  vor 
der  Freundschaft  mit  Leo  X.,  weil  noch  niemals  ein  römischer 
Papst  und  nun  gar  ein  Florentiner  seinem  Bundesgenossen 
Treue  bewahrt  habe;  da  Hutten  endlich  auch  das  Wort 
Kaiser  Maximilians  anführt,  mit  dem  er  die  historische  Be- 
trachtung der  'Anzeig'  wirkungsvoll  abschliesst,  und  bei  alle- 
dem mit  keinem  Wort  auf  diese  Schrift  hinweist,  die  doch 
nach  Strauss  längst  erschienen  und  dem  Kaiser,  sogar  mit 
günstigem  Erfolg  für  Hutten,  überreicht  sein  sollte,  so  muss 
man  annehmen,  dass  die  'Anzeig',  wenn  auch  vielleicht  schon 
vorher  begonnen,  so  doch  erst  vollendet  und  herausgegeben 
wurde  in  der  Zeit  nach  dem  27.  März  und  zwar  zwischen  den 
Verhandlungen  auf  der  Ebernburg  und  denen  in  Worms,  als 
Hutten  von  neuem  der  Hoffnung  lebte,  auf  die  Erschlies- 
sungen des  Kaisers  einwirken  zu  können.  Aus  dem  Gefühl, 
als  officiÖ8er  Berather  des  Kaisers  auftreten  zu  können,  erklärt 
sich  auch  der  auf  den  Kaiser  bezügliche  Zusatz  des  Titels. 

Die  Ebernburger  Zusammenkunft  hatte  nicht  den  von 
allen  Seiten  erhofften  Erfolg.  Huttens  Lage  wurde  durch  sie 
allerdings  vorläufig  bedeutend  gebessert ;  sie  brachte  ihn  nicht 
nur  in  die  verhoissungsvollen  Beziehungen  zum  Kaiser,  sondern 
bewirkte  auch  zugleich  einen  Rückzug  des  Nuntius,  der  in 
ihr  eine  so  unzweifelhafte  Anerkennung  von  Huttens  Macht 
sah,  dass  er  das  Vorgehen  gegen  Hutten  einzustellen  be- 
schloss,  ehe  er  noch  die  Ergebnisse  der  Sendung  wissen  konnte : 
schon  am  5.  April  richtete  er  an  den  päpstlichen  Vicekanzler 


1  H.  W.  2,  41 ;  43  f. 


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KKIC11STAG  VON  WORMS. 


105 


Medici  ein  Gesuch,  das  er  am  29.  April  dringend  wieder- 
holte, ihm  für  die  am  10.  Februar  crhalteue  Bulle  vom 
3.  Januar  eine  neue  gleichdatirte  zu  senden,  in  der  Hutten 
nicht  genannt  sei,  da  er  es  nicht  wagen  könne,  vor  seiner 
Abreise  aus  Deutschland  gegen  diesen  aufzutreten;  und  er 
erhielt  auch  wirklich  am  8.  Mai  eine  Bulle  in  der  erbetenen 
Form.'  Dagegen  gewannen  die  Ebernburger  Abmachungen 
keinen  Einfluss  auf  den  Gang  der  Lutherschen  Angelegen- 
heiten; denn  der  Reformator  lehnte  den  angeboteuen  Com- 
promiss  mit  der  kaiserlichen  Regierung  unter  der  Begründung 
ab,  dass  er  sich  keinem  Concil  unterwerfen  wolle,  da  auf  einem 
solchen  wol  bezüglich  der  Sitten  Besserungen  geschehen 
könnten;  aber  die  evangelische  Wahrheit  sei  noch  nie  gut 
behandelt  worden  auf  den  Concilien.  Somit  war  die  ge- 
sammte  Entscheidung  von  dem  Reichstag  zu  erwarten.  Wie 
sie  ausfallen  würde,  war  kaum  noch  zweifelhaft. 

Hutten  gab  gleichwol  noch  nicht  alle  Hoffnung  auf, 
sondern  sprach  Luther  noch  an  dem  Tage,  an  dem  er  vor 
den  Reichstag  treten  sollte,  sein  Vertrauen  auf  einen  end- 
lichen Sieg  der  gemeinsamen  Sache  aus;  während  er  ihn  aber 
auch  für  seine  eigene  Person  eines  treuen  Ausharrens  ver- 
sicherte, fasste  er  doch  zugleich,  wol  in  Erinnerung  an  die 
Disputation  mit  Glapion  und  die  Ablehnung  Luthers,  den 
Unterschied  ihrer  Ziele  und  Wege  in  die  klaasischen  Worte: 
4in  eo  differunt  utriusque  consilia,  quod  mea  humana  sunt,  tu 
perfectior  iam  totus  ex  divinis  dopendes'.-  Doch  der  grosse 
Entscheidungskampf,  der  nunmehr  im  Reichstag  erfolgte,  ver- 
wischte diese  Grenzen  innerhalb  der  gemeinsamen  Bestrebungen, 
zumal  für  ein  so  feuriges  Temperament,  wie  es  Hutten  be- 
sass.  Wenngleich  das  Ergebnis  von  Luthers  Auftreten  vor 
dem  Reichstage  gerade  durch  sein  Festhalten  an  denjenigen 
Sätzen  bedingt  war,  die  Hutten  selbst  nicht  vertheidigte,  und 
durch  seine  Opposition  gegen  denjenigen  Ausweg,  den  Hutten 
selbst  aus  eigenem  Antrieb  und  auf  Veranlassung  Olapions 
vorgeschlagen  hatte,  so  fühlte  «ich  Hutten  doch  eben  durch 


1  Brieger  8.  129;  169;  191  f. 
»  H.  W.  2,  55  f. 


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106 


HISTORISCHES. 


die  Verurtheilung  als  solche  wieder  zu  Luther  gedrängt,  weil 
er  in  ihr  einen  Angriff  auf  die  gemeinsame  Sache,  die  deutshe 
Freiheit,  und  eine  Schmach  für  das  Vaterland  sah :  *Me  pudere 
ineipit  patriae7. 1  Hatte  er  schon  vorher  Jodocus  Jonas  ge- 
standen, wie  ungern  er  sich  bei  diesem  Augenblick  als  ruhiger 
Zuschauer  verhalte ,  so  schrieb  er  am  20.  April  an  Luther, 
dass  er  sicherlich  durch  eine  kriegerische  Demonstration  auf 
den  Gaug  der  .Verhandlungen  eingewirkt  hätte,  wenn  er  nicht 
durch  die  Klugheit  seiner  Freunde  zurückgehalten  worden 
wäre'-;  allerdings  verräth  er  nicht,  dass  diese  ihn  ebenso  sehr 
wie  auf  die  Gefahr,  die  aus  solchem  Unternehmen  für  Luther 
selbst  in  Worms  zu  befürchten  war,  auch  auf  seine  Ver- 
pflichtungen gegen  den  Kaiser  hinweisen  konnten,  die  er  nicht 
so  leichthin  verletzen  durfte.  Auch  in  dem  offenen  Schreiben 
an  Pirckheimer,  der  ersten  Äusserung  nach  Luthers  Abreise, 
lässt  Hutten  wiederum  kriegerische  Pläne  durchblicken ,  bei 
denen  er,  wie  bereits  früher  iu  dem  Dialog  'Praedones',  auf 
die  Städte  und,  wie  immer  bei  einem  Auftauchen  von  Kampf- 
gedanken, wenigstens  Anderen  gegenüber,  auf  Sickingen 
rechnet.  In  seiner  kriegerischen  Stimmung  wurde  er  noch 
befestigt  durch  einen  Brief  Hermanns  von  dem  Husche,  der 
ihn  unter  Hinweis  auf  den  Übermuth  und  Spott  seiner  Gegner, 
die  Hutten  bereits  mit  einem  zwar  bellenden,  aber  nicht 
beissenden  Hunde  verglichen,  dringend  aufforderte,  die  ange- 
sagte Fehde  endlich  zu  eröffnen  und  vor  allem  die  Haupt- 
schuldigen, die  päpstlichen  Nuntien  nicht  ungestraft  entwischen 
zu  lassen.  In  gleichem  Sinne  richtete  Eobanus  Hesse  ein 
Mahngedicht  au  ihn,  mit  Sickingen  zusammen  die  deutsche 
Sache  mit  dem  Schwerte  zu  vertheidigen,  da  es  mit  Schriften 
und  Versen  nicht  mehr  gethan  sei.3 

Hutten  wartete  nunmehr  die  endgiltige  Verurtheilung 
Luthers,  die  nur  noch  eine  Frage  der  Zeit  war,  nicht  erst  ab, 
sondern  eröffnete  bereits  vor  der  Veröffentlichung  des  Edicts 

1  H.  W.  2,  59  ff.  Eine  Übersetzung  des  Briefes  an  Pirckheimer 
giebt  in  sinnloser  Voreinigung  mit  dem  zweiten  Brief  an  den  Kaiser 
das  anonyme  Heft.    H.  "W.  Ind.  bibl.  XXXVII,  a. 

*  H.  W.  2,  56;  58. 

8  II.  W.  2,  62  ff.;  6n  ff. 


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ITAFFEN  KRIEG. 


107 


die  Feindseligkeiten  folgerichtig  dadurch,  dass  er  auf  das  Sti- 
pendium des  Kaisera  Verzicht  leistete,  weil  er  bei  den»  völligen 
Gegensatz  ihrer  Gesinnungen  ihm  weder  dienen  könne  noch 
wolle.1  Zugleich  entschloss  er  sich,  die  Ebernburg  zu  ver- 
lassen; wahrscheinlich  auf  Verlangen  Sickingens,  der  gerade 
zu  dieser  Zeit  sich  dem  Kaiser  neu  verpflichtet  hatte  und  die 
Folgen  einer  gewaltsamen  Unternehmung  seines  Schützlings 
nicht  auf  sich  nehmen  wollte.2  Am  31.  Mai  endlich  schritt 
Hutten  zur  That;  aber  die  Nuntien,  denen  er  einen  Hinter- 
halt gelegt  hatte,  entkamen  unter  dem  Schutze  des  kaiser- 
lichen Gefolges.  Da  dieser  Anschlag,  von  dem  wir  nur  durch 
Hutten  selbst  wissen,  kaum  bekannt  wurde  und  jedenfalls 
ohne  Folgen  blieb3,  da  es  ferner  an  einem  Ziele  für  neue 
Angriffe  fehlte  und  endlich  Hutten  auch  durch  einen  Anfall 
seiner  Krankheit  zur  Unthätigkeit  gezwungen  war ,  so  ver- 
änderte sich  in  seiner  äusseren  Lage  vorläufig  gar  nichts. 
Erst  später  scheint  er  sich  aus  Furcht  vor  den  Nachstellungen 
seiner  Feinde  auf  der  Sickingenschen  Burg  Dürmstein  ver- 
steckt zu  haben.  Er  musste  sich  damit  begnügen,  seinen 
Zukunftsplänen  in  Worten  Ausdruck  zu  verleihen.  In  einer 
Antwort  auf  das  Carmen  Eobans  verkündete  er  den  Ent- 
schluss,  an  dem  von  diesem  gewünschten  Pfaffenkriege  wenn 
auch  nicht  als  Führer,  so  doch  als  Kämpfer  theilzunehmen.4 
Die  Stimmung  dieser  Zeit  aber  verewigte  er  in  dem  berühmten 


1  Brieger  8.  227,  wo  auch  die  frühere  Litteratur  über  diesen 
wichtigen  Schritt  verzeichnet  ist,  der  Huttens  Charakterstärke  über  allen 
Zweifel  erhebt.  Vgl.  Ellinger  in  Geigers  Vierteljahrsschrift  für  Kultur 
und  Litteratur  der  Renaissance  1,  244  ff.  und  2,  107  ff.,  der  mit  be- 
rechtigter Schärfe  Maurenbrechers  Darstellung  gegentibertritt. 

9  H.  W.  2,  76  ;  Suppl.  2,  807. 

*  Strauss,  8.  412,  hat  in  einer  von  Böcking  aufgefundenen  Nach- 
richt mit  diesem  den  Beweis  gesehen,  daas  Hutten  einen  Begleiter 
der  Nuntien  erschlagen  habe.  Waltz,  Zeitschrift  für  Kirehengeschichte 
2,  126,  hat  diese  Geschichte  als  Legende  erwiesen,  die  übrigens  aus 
dem  Zusammen stoss  mit  Hochstraten  sich  entwickelt  zu  haben  scheint. 

*  H.  "W.  2,  71  ff.  —  Böcking  setzt  dies  Gedicht,  das  doch  den 
Anschlag  gegen  die  vom  Reichstag  ziehenden  Nuntien  berichtet,  selt- 
samer Weise  schon  in  die  Mitte  des  Mai  und  das  mit  ihm  beantwortete 
Mahngedicht  Eobans  erst  in  den  Sommer, 


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108 


HISTORISCHE8. 


einzigen  deutschen  Liede,  das  als  Krone  seiner  deutschen 
Dichtungen  angescheu  werden  muss:  'Ich  habs  gewagt  mit 
sinnen*.1  Strauss  hat  dies  Gedicht  in  die  Zeit  der  'Clag  vnd 
Vermanung'  setzen  wollen.2  Während  aber  für  diese  Datirung, 
für  die  Strauss  keinen  Grund  angiebt,  schlechterdings  nichts 
spricht,  weisen  auf  die  Zeit  nach  dem  Wormser  Reichstage 
und  während  des  Dürmsteiner  Aufenthalts  folgende  Stellen : 
erst  nach  Schluss  des  Reichstages  kann  Hutten  sagen,  dass 
er  nicht  zum  Verhör  zugelassen  worden  sei;  und  nicht  von 
dem  allbekannten  Aufenthalt  auf  der  Ebernburg,  sondern  nur 
von  dem  sorgsam  verheimlichten  Versteck  auf  Dürmstein  kann 
er  sagen,  dass  er  zwar  vorläufig  geflohen  sei,  aber  wiederzu- 
kommen hoffe.  Das  Lied  bildet  also  den  Schluss  der  Höhe- 
zeit in  Huttens  Leben. 

Wie  Strauss  diese  Höhezeit  und  die  in  ihr  liegende 
Krisis  nicht  richtig  erkannt  und  dargestellt  hat,  so  vermochte 
er  auch  den  folgenden  Niedergang  nicht  zu  würdigen.  Seine 
Charakteristik  dieser  Zeit  lässt  sich  in  die  beiden  Sätze  zu- 
sammenfassen, dass  in  Huttens  Schriftstellerei  eine  Pause  der 
Verlegenheit  eingetreten  sei  und  dass  er  dem  Unmutli  über  die 
Vereitelung  seiner  grossen  Pläne  in  einer  Reihe  kleinerer 
mehr  persönlicher  Fehden  Luft  gemacht  habe.3  Man  kann 
diese  Zeit  nicht  unglücklicher  charakterisiren,  als  wenn  man 
sie  auf  solche  Weise  als  ein  Intermezzo  behandelt.  Huttens 
Verhalten  während  des  Jahres  vom  Herbst  1521  bis  zum 
Herbst  1522  ist  vielmehr  die  genaue  Ausführung  des  Planes, 
den  er  infolge  des  Ausgangs  des  Wormser  Reichstages  ge- 
fasst  und  verkündet  hatte:  die  Fehden  dieses  Jahres  sind 
Theile  eines  grossen  Pfaffenkrieges.  Dass  Strauss  die  Be- 
deutung der  Fehden  unterschätzte  und  verkannte,  ist  zunächst 
daraus  zu  erklären,  dass  er  sie  gar  nicht  in  ihrem  vollen 
Umfang  übersah.  Wenn  er  nur  die  rein  persönliche  Fehde  gegen 
die  Strassburger  Karthäuser  und  den  allerdings  schon  mehr 
principiellen  Streit  mit  dem  Frankfurter  Pfarrer  Meyer  heran- 


1  H.  W.  2,  92  fT. 

2  Strauss  8.  365  f. 

8  Strauss  8.  414,  416. 


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PFAFFENKR1EO. 


109 


zog1,  so  konnte  er  allerdings  kaum  zu  einer  anderen  Auf- 
fassung gelangen;  dass  es  sich  aber  um  mehr  als  rein  per- 
sönliche und  einzelne  Fehden  handele,  hätte  Strauss  schon  aus 
der  von  ihm  selbst  entdeckten  Kriegserklärung  Huttens  vom 
11.  April  1522  schliessen  können,  in  welcher  dieser  den  Pre- 
digermönchen und  den  Curtisanen  sammt  ihren  Genossen  in 
Deutschland  und  Welschland  die  Fehde  ankündigte,  wenn  sie 
seine  Forderungen  nicht  erfüllten.2  Wie  wenig  diese  An- 
kündigung als  eine  leere  Drohung  anzusehen  ist,  konnte  Strauss 
aus  den  allerdings  dürftigen  Nachrichten  in  Jungs  Beiträgen 
zu  der  Geschichte  der  Reformation  entnehmen.3  Diese  Nach- 
richten, die  bisher  von  der  Huttenforschung  nicht  beachtet 
worden  sind,  müssen  uns  die  in  ihnen  benutzten,  wahrschein- 
lich verlorenen  Urkunden  fast  ausschliesslich  ersetzen.  Am 
6.  Mai,  also  noch  während  des  Streites  mit  dem  Pfarrer 
Meyer,  beklagten  sich  die  Vorsteher  des  Strassburger  Domi- 
nikanerklosters bei  dem  Rath  über  einen  Fehdebrief  Huttens. 
Kurz  darauf  erhielten  die  Stifter  zum  Jung  St.  Peter,  St.  Thomas 
und  Alt  St.  Peter  Fehdebriefe.  Aus  einem  Schreiben,  das 
Hutten  einige  Wochen  später  an  dun  Bischof  von  Strassburg 
richtete,  theilt  Jung  mit,  dass  er  von  den  drei  Stiftern  verlangt 
hatte,  sie  sollten  keinem  Curtisan  mehr  etwas  von  ihren  Ein- 
künften bezahlen,  und  ihm  viertausend  Goldgulden  geben,  weil 
sie  dieser  Aufforderung  Folge  geleistet  hätten.  Einer  dieser 
Fehdebriefe  ist  erhalten,  das  Schreiben  an  das  Stift  zum 
Jung  St.  Peter  vom  Mai.  Es  übertrifft  an  Werth  die  vielen 
uns  sonst  erhaltenen  Fehdebriefe,  weil  es  allein  die  princi- 
pielle  Bedeutung  der  Fehde  betont4:  'Wisset  Probst  Capitel 

1  Strauss  S.  416  ff.,  419  ff.  Für  eines  der  Hauptstücke  aus  dem 
Streit  mit  den  Karthäusern,  die  Ehrenerklärung  und  Abbitte  für  Hutten, 
die  bisher  nur  in  dem  Entwurf  vorlag,  hat  sieh  im  Archiv  zu  Steinbach 
eine  Abschrift  der  vollzogenen  Urkunde  gefunden :  sie  trägt  das  Datum 
'Strassburg  vff  Donnorstag  nach  Conceptionis  Mariae.  In  dem  Jare  nach 
der  Geburt  Christi  vnsers  Herren  Tausend  fünffhundert  Ein  und  zwantzig*. 

*  H.  W.  2,  119. 

s  A.  Jung,  Beiträge  zu  der  Geschichte  der  Reformation,  zweite 
Abtheilung  1,  64;  227  ff. 

4  Das  Arohiv  zu  Steinbach  besitzt  eine  Abschrift  dieses  bisher 
unbekannten  'Feinds  oder  warnungs  BriffV.       Vgl.  auch  S.  175. 


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110 


HISTORISCHES. 


Vicarien  vnnd  alle  des  Stiffts  zum  Jung  S.  Peter  zu  Stras- 
burg Vorwanten,  das  wie  wol  nach  dem  jch  lang  hievor  auß  bil- 
lich  ehrlich  Christlich  Vrsachen  aller  Curtisanen  vnd  Romanisten 
jnhaldt  ettlichcr  offenen  drücke  darüber  außgegangenen  feynt 
worden ,  liehst  verschiner  zeyt  ein  vormanungsschrüVt  vnter 
meynem  jnsigel  allenthalben  angeschlagen,  darinnen  jch  jeder- 
mau  sich  hinfur  derselbigen  Curtisanen  vnd  Romanisten  zu 
entschlagen  weder  theyl  noch  gemein  mitt  jhnen  zu  haben  ge- 
warnet genugsamlich  angezeigt  So  höre  vnd  sehe  jch  doch  .  . 
Da  trotzdem  das  Stift  zum  Jung  St.  Peter  Curtisanen  und 
Romanisten  bei  sich  beherberge,  so  fordere  er  es  auf,  diese 
binnen  acht  Tagen  zu  entlassen  oder  seiner  Feindschaft  ge- 
wärtig zu  sein.  Diese  Händel  endeten  nach  Jung  damit, 
dass  Sickingeu  Huttens  Forderung  zunächst  übernahm,  dann 
aber  in  Rücksicht  auf  sein  Unternehmen  gegen  Trier  fallen 
Hess.  Sicherlich  ist  auch  mit  diesen  Fehden,  wie  man  schon 
aus  den  weiteren  Nachrichten  über  Gewaltthaten  an  verschie- 
denen Geistlichen  vermuthen  kann1,  die  Reihe  der  Unter- 
nehmungen Huttens  noch  nicht  abgeschlossen :  es  mögen  viel- 
leicht noch  manche  Fehdebriefe  zu  Tage  kommen.  Aber 
schon  aus  den  mittelbar  und  unmittelbar  erhaltenen  Zeug- 
nissen, insbesondere  dem  letzten  neuaufgefundenen,  geht  mit 
vollkommener  Sicherheit  hervor,  dass  diese  Fehden  die  con- 
sequeute  Erfüllung  von  Huttens  Verkündigungen  im  Frühling 
1521  und  1522  bedeuten2;  man  kann  mithin  auch  nicht  von 

1  Strauas  S.  424. 

*  Dass  Strausa  die  Bedeutung  dieser  Fehden  unterschätzt  hat,  zeigen 
auch  die  allerdings  übertriebenen  Besorgnisse,  die  durch  die  oben  er- 
wähnte Kriegserklärung  in  Rom  hervorgerufen  wurden.  Während  nach 
den  bisherigen  Darstellungen,  die  sich  allzusehr  auf  Busches  Aussagen 
beschränkten,  Huttens  Drohungen  seit  dem  Wormser  Reichstag  keine 
Wirkung  mehr  thuten,  liegt  nunmehr  in  einem  von  Balan  (8.  297  ff.) 
zuerst  veröffentlichten  Breve  Papst  Adrians  VI.  an  den  kaiserlicheu  Statt- 
halter Erzherzog  Ferdinand  ein  Zeugnis  vor  über  den  gewaltigen  Ein- 
druck, den  Hutten  durch  sein  Vorgehen  gegen  die  Predigermönche  in 
Rom  erzielte.  Dns  ziemlich  umfangreiche  Breve  stellt  an  den  Erzherzog 
unter  Hinweis  auf  die  Kriegserklärung  Huttens  und  die  Bedeutung  des 
bedrohten  Ordens  das  Verlangen,  den  Papst  und  die  heilige  Kirche 
gegen  einen  solchen  'Mahumethanisohen'  Angriff  zu  sohützen,  damit 
Hutten  Deutschland  nicht  aus  einem  Freund  zu  einem  Feind  des  Glaubens 


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FÜH8TKNKRIEG. 


111 


einer  Pause  der  Verlegenheit  in  seiner  Schriftstellerei  reden, 
wenn  sie  sich  in  dieser  Zeit  auf  die  Fehdebriefe  beschränkt. 
Aus  den  niederen  Bahnen,  in  die  seine  litterarische  Thätig- 
keit  durch  den  hartnäckigen  kircheupolitischen  Kampf  hinab- 
gesunken war,  konnte  sie  sich  erst  aufschwingen,  als  sich  für 
Hutten  ein  neues  Feld  zu  publicistischer  Thätigkeit  eröffnete: 
der  Krieg  des  Ritterthums  gegen  das  Fürstenthum. 

Nicht  zum  ersten  Male  betrat  Hutten  diesen  Kampf- 
platz. Schon  in  der  Fehde  gegen  den  Herzog  von  Wirtera- 
berg  war  ihm  der  Gedanke  einer  Reichsreform  auf  Kosten 
des  Fürstenthums  aufgegangen;  und  in  der  Programmrede, 
mit  der  er  sich  auf  dem  Reichstag  von  Augsburg  in  die 
politische  Welt  einführte,  hatte  er  gleichmässig  scharfe  Kritik 
an  der  Kirche  und  dem  Fürstenthum  geübt.  Wenn  er  im 
Sommer  1522  diese  Bestrebungen  nach  langer  Pause  wieder 
aufnimmt,  indem  er  ein  Gedicht  an  die  freien  Reichsstädte 
verfasst,  so  ist  dies  aus  verschiedenen  Gründen  zu  erklären. 
Durch  den  Wormser  Reichstag,  der  ein  vom  Fürstenthum 
beherrschtes  Reichsregiment  geschaffen  hatte,  war  das  Ritter- 
thum, das  schon  durch  den  Landfrieden  von  1495  in  seiner 
Existenz  schwer  bedroht  worden  war,  zum  Entscheidungs- 
kampf gedrängt.1  Als  Rufer  auch  in  diesem  Streit  aufzutreten 
musste  Hutten  um  so  eher  geneigt  sein,  als  er  nach  dem 
Ausgang  des  Reichstages  mit  den  Hoffnungen,  die  er  für  seine 
kirchenpolitischen  Pläne  auf  die  Fürsten  gesetzt  hatte,  auch 
die  Rücksichten  aufgeben  konnte,  die  er  ihnen  zu  Liebe  sich 
für  seine  staatlichen  Reformpläne  augenscheinlich  auferlegt 
hatte.  Die  stärkste  Anregung  zur  litterarischen  Betheiligung 
an  diesem  Kampf  mag  er  aber  dadurch  empfangen  haben, 
dass  Sickingen  sich  endlich  entschlossen  hatte,  die  ihm  längst 
zugedachte  Führerrolle  zu  übernehmen.  Der  Grundgedanke 
des  Gedichtes  an  die  Reichsstädte  ist  die  Umformuug  eines 
Planes,  den  Hutten  bisher  für  den  kirchenpolitischen  Kampf 
zu  wiederholten  Malen  und  so  noch  zuletzt  in  der  'Ermanung 

mache:  die  Bekämpfung  Huttens  sei  wichtiger  als  der  Türkenkrieg. 
Das  Breve  schliesst  mit  einem  bedeutsamen  Fingerzeig  auf  das  erfreu- 
liche Verhalten  Kaiser  Karls  gegen  Luther  auf  dem  Wormser  Reichstag. 
1  Ulmann,  Sickingen  8.  230  f. 


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112 


HISTORISCHES. 


an  Worms'  verfolgt  hatte1:  Vereinigung  des  Adels  und  der 
Städte. 

Obgleich  Strauss  dem  Gedicht  eine  recht  ausführliche 
Wiedergabe  gewidmet  hat2,  macht  sich  doch  auch  hier  die 
unzulängliche  Würdigung  der  deutschen  Schriften  geltend: 
die  textkritische  Behandlung  des  Werkes,  die  zudem  für  die 
historische  Auffassung  nicht  geringe  Bedeutung  hat3,  ist  bei 
ihm  wie  auch  bei  Böcking  völlig  verfehlt.  Das  Gedicht  liegt 

.  in  zwei  undatirten  Fassungen  vor :  'Beklagunge  der  Freistette 
deutscher  Nation'  und  'Vormanung  an  die  freien  vnd  reich 
Stette  deutscher  nation'.  Wie  nun  Strauss  ohne  nähere  Aus- 
führungen die  'Beklagung'  als  den  besseren  Druck  behandelt, 
so  giebt  Böcking  einer  gleichen  Meinung  dadurch  Ausdruck, 
dass  er  beide  Ausgaben  für  Abdrücke  verschiedener  schlechter 
Handschriften  erklärt  und  für  seine  kritische  Herstellung  des 
Gedichtes  die  'Beklaguug'  zu  Grunde  legt,  die  'Vormanung' 
aber  nur  in  zweiter  Linie  heranzieht.4  Für  diese  Auffassung 
muss  der  Umstand  entscheidend  gewesen  sein,  dass  die  'Be- 
klaguug'  um  sechs  Verse  reicher  ist  als  die  'Vormanung'. 
Sieht  mau  zunächst  von  diesen  Versen  ab,  die  ohne  engeren 
Zusammenhang  am  Anfang  und  am  Schluss  des  Gedichtes 
stehen,  so  bieten  sich  zwei  Arten  von  Kriterien,  um  den 
Werth  der  beiden  Drucke  zu  bestimmen:  neben  den  inhalt- 
lichen Merkmalen  ist  durch  Huttens  metrische  Bemerkung 

'  über  die  verlorenen  Gedichte  in  der  Betrachtung  des  Vers- 
baus eine  hichere  Handhabe  gewährt.5  Dass  bei  den  inhalt- 
lichen Variauten  die  'Vormanung'  deu  Vorzug  verdient,  hat 
Böcking  selbst  anerkannt,  indem  er  fast  überall  deren  Les- 
arten in  seine  Herstellung  einführt.  Dass  auch  in  metrischer 
Hinsicht  die  'Vormanung'  dem  Original  näher  steht,  kann 
man  daraus  entnehmen,  dass  sie  nur  eine  ganz  geringe 
Anzahl  von  Unregelmässigkeiten  enthält,  die  alle  leicht  aus 
Unachtsamkeit  des  Setzers  zu  erklären  sind,  während  in  der 

1  II.  W.  2,  87  ff. 

2  8trau88  S.  425  ff.  2',  211  f. 

3  Vgl.  S.  113. 

4  H.  W.  Ind.  bibl.  XLII;  3,  527  ff. 

5  Vgl.  S.  67  ff. 


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Ff  KSTENKKIKG.  Iii* 

-Beklagung'  durchschnittlich  auf  jedeu  dritten  Vera  ein  Ver- 
stoss kommt  und  ein  grosser  Theil  dieser  Fehler  durch  Zu- 
sätze und  Umstellungen  veranlasst  ist.    Nach  textkritischen 
Gesetzen  müsste  also  die  4Vermanung'  ohne  weiteres  der  Her- 
stellung zu  Grunde  gelegt  werden,  wenn  nicht  die  erwähnten 
sechs  Verse  dieser  Auffassung  noch  zu  widersprechen  schieueu. 
Doch  auch  dieses  Hindernis  schwindet  vor  einer  kritischen 
Beleuchtung;  denn  diese  Verse  Verstössen  sämmtlich  gegen 
Huttens  Gesetz  der  Achtsilbigkeit  und  zwar  in  so  arger  \ 
Weise,  dass  sie  ausser  dem  ersten  auch  durch  gewagte  Con- 
jekturen  nicht  einzurenken  sind.  Nimmt  mau  hinzu,  dass  sie, 
wie  schon  oben  angedeutet,  nur  in  ganz  losem  Zusammenhang 
mit  dem  eigentlichen  Gedicht  stehen,  so  wird  man  vermutheu 
müssen,  dass  man  es  mit  Zusätzen  eines  fremden  Heraus-  , 
gebers  zu  thun  hat.  Mit  diesen  Versen  fällt  zugleich  der  ein-  i 
zige  Grund  gegeu  eine  einfache  Herleitung  der  lBeklagung' 
aus  der  'Vermanung*  fort.    Auf  Grund  dieser  textkritischeu 
Feststellung  lässt  sich  auch  folgende  historisch  wichtige  Va- 
riante würdigen  (V.  241  ff.): 

Yermanung. 

. .  in  dissem  reginient. 
Drumb  muß  es  werden  bald  zertrent. 
Deß  ist  vnß  allen  grosse  not. 
Dan  es  ist  widder  er  vnd  got. 
Entgegen  aller  erbarkeit. 

Der  Nihilismus,  der  durch  die  Fassung  der  'Beklagung' 
vertreten  wird,  widerspricht  durchaus  den  politischen  An- 
schauungen Huttens:  im  Gegensatz  zu  Böcking,  der  diese 
Variante  seiner  kritischen  Bearbeitung  einverleibte,  wird  man 
in  ihr  nur  eine  willkürliche  Entstellung  sehen  müssen,  die 
sicherlich  von  demselben  Herausgeber  herrührt,  der  auch  an 
dem  metrischen  Gesetze  Huttens  seine  revolutionäre  Gesinnung 
in  so  rücksichtsloser  Weise  bethätigt  hat. 

Mit  diesem  Gedicht  musste  bisher  jede  Darstellung  von 
Huttens  deutschen  Schriften  abbrechen;  zum  Abschluss  kann 
sie  erst  jetzt  geführt  werden,  nachdem  ein  längst  verloren 
gegebenes  Werk  entdeckt  worden  ist:  'Ein  gegenredt  oder 
ausschreiben  Virichs  von  Hutten  widder  pfaltzgraf  Ludwigen 

Q.V.  LXVll.  8 


Beklagung. 

. .  in  diesem  regement 
Drümb  mhfisens  werden  baldtzutrent 
Dan  es  ist  wider  eher  vnd  got 
Drumb  wider  zustreben  ist  yns  not 
Entgegen  aller  Aberkeit. 


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114 


HISTORISCHES. 


Chürfürstcu.'  Zwei  Nachrichten  in  den  Briefen  Huttens 
und  Erasmus'  hatten  bereits  früher  über  den  Kreis  der  be- 
kannten Werke  auf  eine  Schrift  dieses  Inhalts  hingewiesen. 
Unzweifelhaft  ist  die  Beziehung  allerdings  nur  bei  der 
Äusserung  des  Erasmus:  'roganti  mihi  quamobrem  Huttenus 
scripsisset  amarulentum  libellum  in  comitem  Palatinum,  quem 
etiam  aediturus  erat  siquem  typographum  tarn  insanum  nan- 
cisci  potuisset,  'quoniam'  inquit  'fidclissimum  illius  famulum 
et  innoceutissimum  (summo  supplicio  affecit)\l  Weniger  sicher 
dagegen  ist  es,  ob  Hutten  selbst  diese  Schrift  gemeint  hat, 
wenn  er  an  Eobanus  Hessus  am  21.  Juli  1523  schreibt:  4Qui 
has  perfert,  habet  a  me  libelli  quiddam  in  tyrannos,  quod 
curet  typis  imprimendum ;  ibi  quaeso  tuam  mihi  atque  i  1  Ii 
aecomoda  operam:  potest  silentio  transigi  negocium  et  occulte; . . . 
extet  et  in  luce  sit  uovae  et  iuauditae  improbitatis  protestatio; 
videant  et  cognoscant  futura  post  nos  secula  quales  fuerint 
qui  honestati,  legibus,  iuri,  fidei  ac  religioni  scelere  et  audacia 
so  opposuerint.'2  Strauss,  der  zuerst  die  Frage  aufwarf,  ob 
der  'libellus  in  tyrannos1  identisch  sei  mit  dem  Schreiben 
gegen  den  Pfalzgrafen,  war  geneigt,  sie  zu  verneinen,  weil 
der  Plural  und  die  Art,  wie  Hutten  in  obigem  Briefe  den 
Inhalt  jenes  Mibellus'  bezeichnet,  ihm  auf  ein  allgemeineres 
Werk,  etwa  gegen  die  zu  Sickiugens  Bekämpfung  vereinigten 
Fürsten,  zu  deuten  schien/5  Diese  Auslegung  der  Huttenscheu 
Worte  haftet  aber  wol  zu  sehr  am  Buchstaben:  sie  sind 
durchaus  erklärlich ,  wenn  man  annimmt,  dass  Hutten  mit 
ihnen  nur  einen  allgemeinen  Ausdruck  für  die  principielle 
Bedeutung  der  älteren  Schrift  geben  wollte,  die  eben  jetzt, 
nachdem  sich  mit  dem  Schicksal  Sickingeus  der  Kampf  zwischen 
Fürstenthum  und  Ritterthum  entschieden  hatte,  von  neuem 
einen  actuellen  Werth  erhielt  und  daher  einen  ueueu  Versuch 
zur  Veröffentlichung  zu  verdienen  schien;  und  die  Annahme 
eines  allgemeineren  Werkes  gegen  die  Fürsten  erscheint  um 
so  weniger  nothwendig,  als  Hutten  ein  solches  ja  bereits  in 
dem  Gedicht  an  die  Reichsstädte  gegeben  hatte. 

*  II.  W.  2,  430  f. 

2  H.  W.  2,  253. 

s  StruusH,  Hutten  2\  313. 


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! -TKSTKXKlilKti. 


11,*) 


Die  Entstehungszeit  der  undatirten  Schrift  kann  aus  ihr 
selbst  annähernd  erschlossen  werden.  Eine  jenseitige  Grenze 
liegt  in  der  Erwähnung  des  Verfahrens  gegen  den  Kurfürsten 
von  Mainz,  das  in  die  zweite  Hälfte  des  Oktobers  fällt.1  Eine 
diesseitige  Grenze  bietet  der  Umstand,  dass  von  dem  Ver- 
lassen Deutschlands,  das  etwa  Anfang  November  erfolgte, 
noch  nicht  gesprochen  wird :  das  Werk  ist  um  die  Wende  des 
Oktobers  1522  entstanden. 

Das  Ausschreiben  gegen  den  Pfalzgrafen  ist  nicht,  wie 
man  nach  der  Überschrift  vermuthen  könnte,  ein  einfacher 
Fehdebrief,  der  auf  Grund  rein  sachlicher  Darlegung  das 
Ultimatum  stellte;  der  Charakter  der  Schrift  wird  am  besten 
getroffen,  wenn  man  sie  als  Huttens  einzige  deutsche  Invective 
bezeichnet.  Ihre  ganze  Anlage  und  Ausführung  macht  sie 
zu  einem  vollkommenen  Seitenstück  jener  lateinischer  In- 
veetiven,  in  denen  Huttens  kirchenpolitische  Stellung  ihren 
schärfsten  Ausdruck  gefunden  hat.  Auch  darin  gleicht  die 
deutsche  den  lateinischen  Schriften,  dass  der  wild  dahin- 
brausende  Strom  ihrer  Rhetorik  sich  nicht  in  eine  ruhige 
Analyse  überleiten  lässt ;  diese  muss  sich  darauf  beschränken, 
die  Hauptpunkte  sprungweise  zu  verfolgen,  ohne  dabei  dem 
Werk  eine  Gliederung  aufzuzwingen,  die  nicht  in  ihm  liegt. 

Die  Schrift  geht  aus  von  zwei  ungerechten  Thateu,  die 
Hutten  von  dem  Pfalzgrafen  widerfahren  sind:  dieser  habe 
seinen  Diener,  der  in  seinem  Auftrag  zwei  Abte  angefallen 
habe2,  als  Strassenräuber  aufgegriffen  und  hingerichtet;  ferner 
ihm  selbst  Bücher  und  Kleider  fortgenommen,  die  er  Fuhr- 
leuten zur  Beförderung  durch  pfälzisches  Land  übergeben 
hatte.  Er  wolle  den  Pfalzgrafen  zur  Verantwortung  ziehen 
und  nachweisen,  dass  der  Kaiser  keinem  Schlechteren  als  ihm 
das  Amt  des  Vicars  «in vertrauen  konnte.  Der  Pfalzgraf  wolle 
nur  die  Freiheit  Deutschlands  vernichten  und  vergewaltige 
daher  jedeu,  der  ihm  zu  selbständig  uud  mächtig  erscheine. 
Man  müsse  ihm  um  des  Friedens  willen  seine  Macht  nehmen. 
Insbesondere  müsse  sich  der  deutsche  Adel  gegen  ihn  erheben. 
Der  Hauptgrund  seiner  frevelhaften  Unternehmungen  sei  sein»» 

1  Vgl.  S.  167,  Ulmann.  Siekingen  S.  311  f. 

i  Such  Krnsnius  (11.  W.  2,  40!))  waivn  »*s  drei  Abt»;. 


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118 


HISTORISCH  KS. 


Begehrlichkeit.  Das  Rechtsverfahren  sei  nur  ein  Vorwand, 
den  Landfrieden  zu  brechen.  In  einer  langen  Reihe  von 
Antithesen  werden  uun  Hutten  und  der  Pfalzgraf  als  wahrer 
und  falscher  Beschützer  des  Landfriedens  contrastirt.  Er  habe 
das  Unglück,  dass  der  Pfalzgraf  gerade  an  ihm  eiu  Exempel 
seiner  Gerechtigkeit  statuiren  wolle.  Gott  werde  den  Tyrannen 
strafen  wie  dessen  Verwandten,  den  Herzog  von  Wirteniberg; 
und  nun  giebt  Hutten  eine  Geschichte  des  Pfalzgrafen  von 
der  Kaiserwahl  bis  zum  Wormser  Reichstag:  ein  letztes  Glied 
in  dieser  Kette  von  Handlungen  gemeinster  Begehrlichkeit 
sei  der  Überfall  auf  ihn.  Der  Pfalzgraf  habe  die  schlechten 
Priester  für  Geld  iu  seinen  Schutz  genommen  und  leite  hier- 
aus sein  Recht  zum  Einschreiten  gegen  Hutten  her;  er  habe 
seinen  Diener  getödtet,  um  einen  Beweis  seiner  Macht  zu 
liefern  und  so  noch  andere  zur  Erkaufung  seines  Schutzes  zu 
verlocken.  Aber  die  Curtisanen  würden  trotzdem  keinen  Frieden 
geniessen,  weil  sie  allein  die  Herrschaft  des  Papstes  über 
Deutschland  aufrecht  erhielten  und  den  glaubensfeindlichen 
römischen  Hof  unterstützten.  Der  Pfalzgraf  vertheidige  die 
Curtisanen  nur  um  des  Geldes  willen;  da  er  allein  auf  dieses 
sehe,  könne  er  nur  schlechte  Genossen  haben.  Er  habe  auf 
Hutten  schon  vor  dem  Angriff  auf  die  Abte  streifen  lassen, 
weil  er  diese  Enthüllungen  befürchtet  habe.  Aber  wenn  er 
ihn  auch  heimlich  getödtet  und  dann  eines  Verbrechens  be- 
schuldigt hätte,  so  würde  man  doch  den  wahren  Grund  er- 
rathen  haben,  ldu  kanst  doch  sclbs  nit,  ob  du  schon  gern 
woltest,  vorwar  kanstu  nit,  verhelen,  das  du  förchtest,  die 
weil  ich  der  bin,  der  warheit  zu  offenbaren,  vnd  laster  zu 
schelten  pflege,  das  nit  etwa  vil  ding,  vnbillich  von  dir  be- 
sehenen, durch  meyne  schrifft  zu  erkanntnuß  kommen.  Vnd 
dir  nit  vnwrisscn,  das  ich  tyrannen  zu  verfolgen  geboren  bin.' 
Der  Dieuer,  der  ihm  abgefangen  sei,  dürfe  nicht  als  Strassen- 
räuber  betrachtet  werden :  er  habe  ihm  nach  alter  Rittersitte 
in  einem  Kriege  gedient,  den  er  auf  gemeinem  Reichstag 
angekündigt  hatte,  ohne  Einspruch  zu  erfahren.  Wenn  der 
Pfalzgraf  dieses  Recht  abschaffen  wolle,  müsse  er  zunächst 
selbst  Alles  herausgeben  :  sein  Vater  habe  nur  durch  Krieg 
Reich,  Out  uud  Ehren,  die  er  durch  die  Acht  verloren  hatte, 


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FÜRSTEXKRIEG. 


117 


wiedererlangt.  Dann  müsse  er  den  ganzen  deutschen  Adel 
vernichten,  da  jeder  Ritter  einmal  eine  Fehde  geführt  oder 
unterstützt  habe.  Auf  eine  allgemeine  Vernichtung  des  Adels 
scheine  ihm  auch  das  Wüthen  des  Pfalzgrafen  zu  zielen. 
Weil  das  Verfahren  gegen  ihu  ein  Präjudiz  über  alle  Edel- 
leute  bedeute,  hoffe  er  von  diesen  kräftigen  Schutz  nicht  für 
sich,  sondern  auch  für  die  alten  Ritterbräuche :  'wir  iu  vnsere 
vehden  thun  nit  widder  gewonheyt,  recht  vnd  gute  sitten, 
dan  wir  verthedingen  vnser  gut  mit  woffen,  Beschirmen  die 
vnschultigen  gegen  gewalt  der  mechtigen,  erheben  die  vor- 
gwaltigten  vnd  vnderdruckten  mit  hilf  vnd  beistand ;  versagen 
keinem  frömen  vnser  arm  und  vermögen  widder  die  bösen. 
Disses  ist  ein  alte  vnd  vnstr&ffliche  der  Teutschen  gewon- 
heit,  welche,  wo  du  abthun,  ach  got  wie  ein  tyranney  würstu 
dan  vffrichten.'  Hoffentlich  aber  scheitere  der  Plan  des 
Pfalzgrafen.  Zunächst  müsse  dieser  sich  selbst  wegen  seiuer 
Cbelthaten  rechtfertigen ;  vor  allem  wegen  dieses  Krieges,  den 
er  ohne  Erlaubnis  des  Kaisers  und  Regiments  führe.  Die 
Schrift  schliesst  mit  einer  zusammenfassenden  Charakteristik 
des  Pfalzgrafen  und  der  Androhung  eines  Rachekrieges. 

Durch  einen  persönlichen  Streit,  der  sich  aus  den  kirchen- 
politischen Verhältnissen  entwickelt  hatte,  war  Hutten,  der 
bereits  den  allgemeinen  Kampf  gegen  das  Fürstenthum  auf- 
genommen hatte,  in  unmittelbaren  Conflict  mit  einem  Fürsten 
gerathen.  Wie  der  kirchliche,  so  wird  auch  der  politische 
Kampf  erst  dann  von  Hutten  mit  ganzer  Kraft  geführt,  als 
seine  Person  hineingezogen  wird.  Der  Conflict  mit  dem  Kur- 
fürsten von  der  Pfalz  ruht  auf  derselben  Grundlage  wie  der 
allgemeine  Streit  zwischen  Fürstenthum  und  Ritterthum,  dem 
Fehderecht  der  Reichstage  zu  Worms  von  1495  und  1521. 
Stellt  man  sich  auf  den  Boden  des  gegebenen  Rechts,  so  ist 
es  leicht,  eine  Rettung  des  Fürsten  zu  bewerkstelligen,  'der 
von  Hutten  in  dieser  Schrift  als  Tyrann  sondergleicheujdar- 
gestellt  ist;  insbesondere  ist  das  Verfahren  gegen  Hutten  selbst 
aus  den  Bestimmungen  über  die  'Nacheile'  gewiss  zu  recht- 
fertigen.1 Auf  eine  solche  Entscheidung  aus  den  vorhandenen 


1  Vgl.  Ulmann,  Sickingen  8.  242. 


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118 


IIISTOUISCIIKS. 


Rechtsverhältnissen  lässt  sich  Hutten  aber  gar  nicht  ein;  und 
eben  darin  liegt  die  grosse  Bedeutung  der  Schrift.  Ihre 
Eigenart  erhellt  am  besten  aus  einem  Vergleich  mit  der  Ver- 
theidigung  des  von  Hutten  als  Leidensgefährten  erwähnten 
Hartmut  von  Kronberg1 :  auf  eine  juristische  Erwägung  seines 
Falles  gründet  dieser  das  Verlangen  nach  einem  Schiedsgericht. 
Ein  solches  Rechtserbieten  kommt  Hutten  gar  nicht  in  den 
Sinn.  Die  ganze  neuere  Entwicklung  des  Fehderechts,  aus 
der  Alles  zu  begreifen  ist,  scheint  spurlos  an  ihm  vorüber- 
gegangen zu  sein:  die  Thatsache,  dass  durch  das  bestehende 
giltige  Recht  dem  Ritter,  nicht  aber  dem  Fürsten  das  Schwert 
entwunden  ist2,  scheint  für  ihn  nicht  vorhanden.  Indem 
Hutten  diese  Rechtsverhältnisse,  in  denen  der  Sieg  des  Fürsten- 
thums über  das  Ritterthum  seine  gesetzliche  Bestätigung  ge- 
funden hatte,  vollkommen  eliminirt,  nimmt  er  den  grossen 
principiellen  Kampf  von  neuem  auf  uud  zwar  in  der  ihm 
eigentümlichen  persönlichen  Art.  Die  Bestrebungen  des 
Fürstenthums,  die  dieses  im  Kampf  mit  dem  Ritterthum 
leiteten,  werden  dem  Pfalzgrafen  persönlich  beigelegt,  der 
doch  nur  das  überkommene  Recht  vertritt:  statt  aus  Rechts- 
verhältnissen wird  Alles  aus  dem  persönlichen  Charakter  des 
Mannes  erklärt.  So  wird  von  dem  Fürsten,  den  die  unpartei- 
ische Geschichtschreibung  zu  den  besten  seiner  Zeit  zählt,  ein 
Bild  entworfen,  das  man  auch  ohne  Huttens  Hinweis  neben 
das  Ulrichs  von  Wirtemberg  stellen  würde;  und  im  Gegen- 
satz zu  dem  Tyrannen  Ludwig  zeichnet  sich  Hutten  selbst 
als  Vertreter  eines  idealen  Ritterthums.  Von  diesem  Stand- 
punkte aus  erscheinen  die  Persönlichkeiten  der  beiden  Gegner 
in  einer  Beleuchtung,  die,  ohne  dass  im  Einzelnen  Entstellungen 
nachzuweisen  wären,  doch  historisch  falsch  genannt  werden 
muss.  In  litterarischer  und  publicistischer  Hinsicht  verdient 
trotzdem  diese  Schrift  den  ersten  Platz  in  der  gesammten 
Litteratur  des  Ritterkampfes;  denn  neben  der  äusseren  rhe- 
torischen Form,  die  au  Wucht,  Schärfe  und  Beweglichkeit 

1  Die  bisher  verloren  geglaubten  Schreiben  haben  sich  im  Archiv 
tu  Hirk»'iifeld  gefunden. 

2  Ulmnnn,  Sickingen  S.  231. 


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fCkstknkrieo. 


119 


alle  früheren  deutschen  Schriften  übertrifft,  ist  es  gerade  der 
mit  der  Naivität  des  Ideologen  vorgetragene  Grundgedanke 
der  Gleichberechtigung  von  Fürstenthum  und  Ritterthum,  der 
ihr  die  gewaltigste  Wirkung  verschafft  hätte,  wenn  sie  zu 
ihrer  Zeit  an  die  Öffentlichkeit  gelangt  wäre:  unter  all  den 
Fehdebriefen  und  Klagschriften  des  Ritterthums  hat  allein 
Huttens  Ausschreiben  an  den  Kurfürsten  von  der  Pfalz  die 
Bedeutung  eines  'libellus  in  tyrannos'. 


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ANHANG  I. 


Während  Böcking  in  der  grossen  Briofsammlung  auch 
nicht  einen  einzigen  deutschen  Brief  Huttens  aufzuführen  ver- 
mochte, glaubte  er  nachträglich  mit  einem  Male  deren  vier 
geben  zu  können.1  Aber  genauere  Prüfung  ergiebt  mit  mehr 
oder  minder  grosser  Sicherheit,  dass  alle  vier  Briefe  nicht  von 
unserem  Ulrich,  sondern  von  dessen  Vater  gleichen  Namens 
herstammen. 

Am  leichtesten  und  sichersten  ist  die  Beweisführung  für 
die  ersten  drei  Briefe,  da  sie  den  diplomatischen  Weg  be- 
nutzen kann.  Böcking  giebt  für  diese  Briefe  ausdrücklich  an, 
dass  sie  von  Huttens  Hand  geschrieben  seien.  Den  Beweis 
für  diese  durch  keinerlei  Vergleiche  gestützte  Behauptung 
scheint  das  beigegebene  Facsimile  des  zweiten  Briefes  dar- 
stellen zu  sollen.2  Man  braucht  dieses  jedoch  nur  mit  dem 
Facsimile  eines  lateinischen  Briefes  bei  Böcking  selbst  zu  ver- 
gleichen3, um  einen  Unterschied  wahrzunehmen,  der  nicht 
durch  die  wenigen  zwischen  beiden  Handschriften  liegenden 
Jahre,  sondern  einzig  aus  der  Verschiedenheit  der  Schreiber 
erklärt  werden  kann.  Noch  klarer  wird  diese  Beobachtung, 
wenn  man  das  deutsche  Facsimile  mit  eiuem  der  sicher  auto- 
graphen  deutschen  Briefe  Huttens  vergleicht,  die  hier  zum 
ersten  Male  veröffentlicht  werden.  Schon  auf  Grund  dieser 
negativen  Feststellung  ist  die  Annahme  gerechtfertigt,  dass 
nicht  unser  Ulrich,  sondern  der  ältere  Ulrich  von  Hutton  zum 


1  H.  W.  Suppl.  2,  785  ff. 

2  H.  W.  Suppl.  1. 
»  H.  W.  2. 


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ANHANG  I. 


121 


Steckelberg  der  Schreiber  dieses  Briefes  ist.  Ein  glücklicher 
Zufall  ermöglicht  nun  auch  den  positiven  Beweis.  Bei  den 
Schreiben  unseres  Ulrich  liegt  im  Birkenfelder  Archiv  ein 
Brief,  dessen  Schrift  genau  der  des  facsimilirten  Briefes  gleicht; 
und  sein  Schreiber  ist  unzweifelhaft  eben  jener  ältere  Ulrich 
von  Hutten  zum  Steckelberg.  Will  man  sich  also  nicht  etwa 
zu  der  Annahme  entschüesseu,  dass  Böcking  auch  die  Identität 
der  Handschriften  der  drei  Briefe  unter  einander  mit  Unrecht 
behauptet  habe,  so  ist  zugleich  für  den  ersten  und  dritten 
Brief  der  diplomatische  Nachweis  ihres  Schreibers  erbracht. 

Bei  dem  ersten  Brief  kommen  auch  noch  inhaltliche 
Gründe  in  Betracht.  Da  dieser  vom  13.  Februar  1513  datirt 
ist  und  dem  Inhalt  nach  in  der  Heimat,  wahrscheinlich  in 
Steckelberg  geschrieben  sein  muss,  so  würde  man  durch  dieses 
einzige  Schriftstück  zu  der  sonst  ganz  uugegründeten  Annahme 
genöthigt  sein,  dass  Hutten  seinen  ersten  italienischen  Auf- 
enthalt im  Winter  1513  unterbrochen  habe.  Diese  Folgerung 
erschien  bereits  Strauss  so  bedenklich,  dass  er  sich  ihr  durch 
die  Annahme  ein  Schreib-  oder  Lesefehlers  zu  entziehen  suchte.1 
Aber  selbst  wenn  man  sich  entschliesst ,  diese  Schwierigkeit 
auf  solchem  Wege  zu  umgehen,  bleibt  doch  iu  einer  bisher 
übersehenen  Stelle  ein  unüberwindliches  Hindernis  bestehen. 
In  dem  ersten  Satze  nennt  der  Schreiber  einen  Bruder  Fried- 
rich: für  unseren  Ulrich  jedoch  ist  kein  Bruder,  wol  aber  ein 
Vatersbruder  dieses  Namens  erweisbar.2 

Von  dem  vierten  Brief  hat  Böcking  leider  anzugeben 
unterlassen,  ob  er  von  derselben  Hand  wie  die  ersten  drei 
Briefe  geschrieben  ist.  Obgleich  man  aus  dem  Schweigen 
eher  für  als  gegen  diese  Annahme  entscheiden  könnte,  muss 
sich  doch  die  Beweisführung  vorläufig  auf  die  inhaltliche 
Untersuchung  beschränken.  Zunächst  scheint  für  diesen  Brief 
allerdings  keiu  Zweifel  an  der  Urheberschaft  Huttens  bestehen 
zu  können ,  weil  er  genau  zu  dem  Bericht  einer  Erfurter 

«  8traus8  8.  72. 

2  G.  Landau,  Die  hessischen  Ritterburgen  und  ihre  Besitzer, 
Tabelle  »u  S.  346,  und  J.  M.  Humbracht,  Die  höchste  Zierde  Teutsnh- 
Landes,  S.  167     Vgl.  auch  oben  8.  89. 


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122 


ANHANG  I. 


Chronik  passt1,  den  man  bisher  anstandslos  auf  unseren  Ulrich 
bezogen  hat:  wenn  man  nach  diesem  Bericht  annimmt,  dass 
er  schon  in  der  ersten  Hälfte  des  Jahres  1514  in  Mainzischem 
Dienst  befindlich  und  thätig  war,  so  wird  man  auch  diesen 
Brief,  der  wie  jener  Bericht  einen  Ulrich  von  Hutten  in 
Erfurt  für  Mainz  thätig  zeigt,  unserem  Ulrich  zuschreiben 
müsseu.  Aber  die  Voraussetzung  dieser  Schlussfolgerung,  die 
Identificirung  des  Ulrich  von  Hutten  der  Erfurter  Chronik 
mit  unserem  Ulrich,  ist  schlecht  begründet.  Nach  allen  zu- 
verlässigen Nachrichten  ist  unser  Ulrich  erst  1517  nach  seinem 
zweiten  italienischen  Aufenthalt  in  Mainzische  Dienste  getreten, 
wie  ihm  dies  nach  seiner  eigenen  Aussage  bei  seinem  ersten 
Aufenthalt  am  Mainzer  Hof  im  Jahre  1514  versprochen 
worden  war.2  Dass  er  schon  vorher  als  Mainzischer  Com- 
missar  verwendet  worden  wäre,  ist  um  so  weniger  glaublich, 
als  er  in  seinen  gleichzeitigen  genauen  Berichten  über  seine 
Beziehungen  zu  Mainz  hiervon  nichts  erwähnt  und  auch  von 
Seiten  der  Erfurter  Humanisten,  mit  denen  er  bei  seinem 
dortigen  Aufenthalt  150(5  in  Verbindung  getreten  war,  nichts 
verlautet.  Hingegen  geht  aus  dem  dritten  der  oben  be- 
handelten Briefe  des  älteren  Ulrich  mit  ziemlicher  Sicherheit 
hervor,  dass  dieser  schon  Ende  1513  und  zwar  in  Erfurt  mit 
dem  späteren  Kurfürsten  von  Mainz  über  seinen  Eintritt  in 
dessen  Dienste  verhandelte.3  Hiernach  ist  man  berechtigt 
den  Maiuzischen  Commissar  wie  den  Schreiber  des  vierten 
Briefes  wiederum  in  dem  Vater  unseres  Ulrich  zu  suchen. 
Würde  man  somit  auf  die  hübsche  Anekdote  von  dem  ge- 
waltsamen Rechtsverfahren  für  unseren  Ulrich  verzichten 
müssen,  so  fiele  andrerseits  der  ohnehin  wenig  gegründete 
Verdacht  Böckings,  dass  Hutten  dem  traurigen  Richter- 
collegium  angehört  habe,  das  den  'falschen'  Pfefferkorn  ver- 


•  H.  W.  i,  32  f. 

-  Hutten  S  77  und  H.  W.  1,  43. 

3  Allerdings  fällt  unter  den  Gründen,  mit  denen  Böcking  auf 
Albrecht  von  Brandenburg  als  Adressaten  schloss,  die  Verfasserschaft 
Huttens  fort;  dafür  muss  man  berücksichtigen,  dass  dieser  Brief  sich 
mit  dem  ganz  gleiohgearteten  und  sicher  an  Albrecht  geriohteten  vierten 
Brief  zusammen  erhalten  hat. 


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ANHANG  II. 


1 2:5 


urtheilte.1  Wonu  gegen  dieses  Ergebnis  eingewendet  werden 
kann,  dass  eben  jene  Anekdote  vorzuglich  zu  dem  Charakter 
Huttens  passt  und  ferner  seine  'exclamatio  in  sceleratissimam 
Joannis  Pepericorni  vitam'  eine  genaue  Kenntnis  mit  dem 
Hallenser  Ereignis  voraussetzt,  so  ist  auf  diese  Einwände  zu 
erwidern,  dass  erstens  die  betreffende  Charakterähnlichkeit 
zwischen  Vater  und  Sohn  ebeuso  begreiflich  wie  bewiesen  ist 
und  dass  zweitens  Hutten  die  bezüglichen  Kenntnisse  sehr 
wol  durch  ein  damals  sehr  verbreitetes  Flugblatt  erhalten 
haben  kann.2 


ANHASG  IL 

Eine  Untersuchung  über  Huttens  Wendung  zur  deutschon 
Sprache  darf  nicht  an  einer  neuesten  Erklärung  stillschweigend 
vorübergehen,  die  bisher  von  keinem  Kritiker  beanstandet 
worden  ist.  In  dem  Buche  'Von  Luther  bis  Lessing'  stellt 
Friedrich  Kluge  auf  Grund  eines  Fundes  in  der  Jenenser 
Bibliothek  eine  Erklärung  jenes  Vorganges  auf,  die  er  schwer- 
lich für  eine  einfache  Ergänzung  zu  Strauss'  Ausführungen 
gehalten  hätte,  wenn  ihm  von  diesen  mehr  als  die  eine  halbe 
Seite  gegenwärtig  gewesen  wäre,  mit  der  er  seinen  Fund  in 
seltsame  Verbindung  bringt. 

Der  bekannte  Stadtschreiber  und  Buchdrucker  Jacob 
Köbel  hat  im  Vorwort  einer  1519  erschienenen  Schrift  an 
Hutten  die  Mahnung  gerichtet,  sein  *hohe  kftnst  vn  lere  vnscre 
teutschen  zungen  durch  seyn  Translation  auch  ynzugyessen1. 
Hieran  knüpft  nun  Kluge  folgende  Bemerkungen  (S.  13): 
lDieser  vor  der  Nation  ergangene  Mahnruf,  der  vielleicht  nicht 
vereinzelt  geblieben  ist,  dürfte  auf  den  ritterlichen  Humanisten 
Eindruck  gemacht  haben;  er  rechtfertigt  alsbald  seine  la- 


»  H.  W.  3,  343  ff.;  Strauss,  8.  74. 
8  H.  W.  3,  349  ff. 


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124 


ANHANG  II. 


tüinische  Schriftstellerei,  mit  welcher  er  die  „Kirchenhäupter 
gleichsam  unter  vier  Augen  nahe  warnen  wollen".  „Latein 
ich  vor  gesebriben  hab  u.  s.  w.u    So  wurden  conservative 
Gemüther,  die  zu  einer  friedlichen  Ausgleichung  der  Gegen- 
sätze hin  neigten,  in  die  revolutionäre  Bewegung  gezogen, 
welche  jedem  unabhängigen,  jedem  national  gesinnten  Kopf 
einen  gewaltigen  Einttuss  auf  die  Tagesfragen  und  eine  bleibende 
populäre  Berühmtheit  versprach.'    Kluge  hat  augenscheinlich 
folgenden  Anfang  des  bezüglichen  Kapitels  bei  Strauss  mehrfach 
missverstanden :  'Noch  in  dem  Sendschreiben  an  die  Deutschen 
aller  Stände  .  .  .  hatte  sich  Hutten  als  auf  einen  Beweis,  wie 
wenig  es  ihm  um  gewaltsamen  Umsturz  zu  thun  gewesen,  darauf 
berufeu,  dass  er  bisher  lateinisch  geschrieben  habe,  um  die 
zu  reformirenden  Kirchenhäupter  u.  s.  w.'    Strauss  hat  diese 
Vertheidigung  nur  angezogen,  um  zu  zeigen,  wie  spät  noch 
Hutten  seiner  Meinung  nach  der  deutschen  Sprache  fern  stand; 
Strauss  hat  diese  Vertheidigung  sicherlich  ebenso  wenig  ernst 
genommen  wie  Hutten  selbst,  der  gewiss  gestaunt  und  seine 
Verfolger  weidlich  verspottet  hätte,  weun  auch  nur  einer  von 
ihnen  auf  diesen  sophistischen  Beweis  seiner  Friedfertigkeit 
eingegangen  wäre  und  darauf  hin  den  Herausgeber  der  Schrift 
'de  unitate  ecclesiae  conservanda',  den  Verfasser  der  'Trias 
Romana'  hätte  laufen  lassen  als  —  'ein  conservatives  Gemüth, 
das  zu  einer  friedlichen  Ausgleichung  der  Gegensätze  hin- 
neigte'.   Mehr  noch  wäre  Jacob  Köbel,  der  überdies  trotz 
seiner  Beziehungen  zu  Luther  und  Hutten  der  katholischen 
Reformpartei  angehörte,  überrascht  gewesen,  hätte  crjseinem 
ästhetisch  -  philolologischen   Verlangen  die   Wirkung  zuge- 
schrieben gesehen,  jenes  'conservative  Gemüth'  'in  die  revolu- 
tionäre Bewegung  gezogen'  zu  haben. 

Doch  Kluge  hat  nicht  nur  die  Vertheidigung  fälschlich 
ernst  genommen,  sondern  zugleich  auch  deren  Inhalt  verkehrt: 
aus  Strauss'  Angabe,  dass  Hutten  seine  kirchenpolitische 
Stellung  durch  den  Hinweis  auf  die  lateinische  Abfassung  seiner 
Werke  zu  rechtfertigen  gesucht  habe,  wird  —  eine  Recht- 
fertigung der  lateinischen  Schriftstellerei  und  zwar^auf  Röbels 
Mahnung. 

Der  wichtigste  Punkt  in  Kluges  Darstellung  ist  die 


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ANHANG  II. 


125 


Behauptung,  dass  vorzüglich  Röbel  Hutten  zur  deutschen 
Sprache  geführt  habe.  Eine  solche  Behauptung  könnte  wenig- 
stens einen  Schein  der  Berechtigung  haben,  wenn  zwischen 
Kübels  Vorrede  und  Huttens  Übergang  keine  anderen  Motive 
für  diese  Ereignisse  zu  finden  wären.   Nun  hätte  aber  Kluge, 
statt  mit  einem  'alsbald'  über  diese  Frage  fortzugehen,  auch 
nur  die  Folge  jener  verhängnisvollen  halben  Seite  sich  gegen- 
wärtig zu  halten  brauchen,  um  die  persönlichen  und  politischen 
Motive  aufgezählt  zu  finden,  die  thatsächlich  den  Ausschlag 
gegeben  haben.    Neben  diesen  kann  Köbels  Mahnruf  ebenso 
wenig  ins  Gewicht  fallen  wie  Schwarzenbergs  Aufforderung  zur 
Catorevision  oder  Sickingeus  Anregung  zur  Febrisüberserzutig. 
Schliesslich  noch  die  Bemerkuug,^dass*  bereits  in  einem  Auf- 
satz über  Röbel  in  den  historisch -politischen  Blättern  für  das 
katholische  Deutschland  1878,  Bd.  82,  die  Widmung  au 
Hutten  angeführt  wird. 


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NACHLESE. 


Birkenfeld  12.  Apr.  1520. 

Ulrich  von  Hutten  an  Bernhard  von  Hutten. 

Meynn  dinst  zeu  vor  lieber  veter  vff  gester  Oster 
mitwoch  bin  jeh  alhir  geyu  birckenfelt  körnen  vnd  von  meyner 
basen  so  vyl  vorstanden,  das  es  der  jungfrawen  halben,  jr 
wol  wist  gar  mit  nicht  vor  mich  jst.  Nün  solt  ihr  vornemen 
wy  es  eyn  gestalt  vmb  mich  hat.  Jtzo  do  jeh  zu  bamberg 
bin  gewest,  der  meinug  bey  dem  bischoff  dinst  an  zeu  nemen, 
jst  mir  schrifft  von  frantzen  von  Sickingen  körnen,  deß  jn- 
halts,  er  hab  mir  durch  den  bischoff  zu  lüttich,  doch  selbs 
auch  bey  wesend,  dinst  bey  dem  Hertzogen  ferdinando  kor  Mt 
bruder  zu  wegen  bracht,  der  hab  eyn  sonderlichen  gefallen 
ab  mir,  vnd  sey  seyu  rat,  das  ich  alle  ding  zu  rück  ge- 
schlagen, mich  eylents  erheb  vnd  hinab  körnend  mich  guedt^ 
hertzog^  anzceyg.  Was  meyn  sold,  stand,  vnd  beuelh  seyu, 
würd  er  frantz  mich  vnterweg^  wan  jeh  jm  anspreche  berichten. 
Gibt  mir  vortröstüng  dißer  dinst  werde  gantz  vor  mich  seyn, 
myt  er  vnd  nutz  erschißlich  darvmb  ich  mich  erhaben,  vnd 
denck  jtzo  in  eine  reyten  hin  ab,  was  mir  dan  hernach  be- 
gegnet, wil  ich  euch  zu  seine>  zeyt  nit  vorhält^,  Vnd  bitte  jr 
wollet  jn  mitler  zceyt  vmbsehen  vnd  gedencken,  ab  hie  zcü 
land  etwas  vor  mich  sey,  off  das  ich  mich  nit  jn  eync)  fremb- 
deu  art  indtschlagen  dörff.  Wo  jr  dan  etwas  vornemet,  so 
wollet  all  vmbstend  erfragen,  vnd  sehen,  off  was  woge  man 
es  angehen  müsse,  darnach  mir  sollichs  zeu  erkenen  geben, 
2C.  Was  jeh  euch  vud  den  ewern  dan  auch  hernach  an  dem 
oder  andern  enden  libs  vnd  dinsts  magk  fügen,  werd  jr  mich 
gantz  ewers  gefallens  haben.    Ewern  sprüch  wüst  ich  gantz 

 I     IUI  .  — 

Anm.    Für  die  Textgestnltung  sind  Böckings  Grundsätze  mass- 
gebend goweseii. 


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ULRICH  AN  BERNHARD  VON  HUTTEN. 


12t 


nit  zü  bessern,  dan  die  reymen  gar  nicht  dochten,  Off  das 

euch  aber  gefallen  widerfür,  hab  jeh  die  arbeyt  daran  gelegt, 

vnd  jn  gleycher  meynflg  eynr*  sprüch  gedieht,  den  jeh  euch 

alhie  lasse,  mit  bitt  den  je  in  keyne  wegk  vnter  meyne  namen 

auß  zu  breytt^,  oder  jmants  zu  weysen,  dan  ir  wol  zu  ermessen 

hapt,  was  mir  auß  sollichem  mocht  erschis9en,  So  vordenckt 

man  mich  an  das,  so  bald  etwas  newes  auff  kümpt.  So  schicke 

jeh  euch  auch  eyne  sprüch  von  kauffleut^  haben  her  hanß 

v.  Schwarzbergk  vnd  ich  gemacht.  Wenn  ir  dy  ausschreybet, 

so  wollet  je  acht  haben  das  jr  nichtes  darinnen  vorwandelt, 

dan  die  reymen  seyn  nach  der  kunst  mit  sylben  gemessen 

vnd  lassen  sich  nit  ander  aussprechen.   Als  nemlich  jn  dissem 

wo  er  dan  fürchtend  sollich  bschwerdt 
Seynn  schaden  fleucht,  das  recht  nit  gerdt, 

Wenn  jr  hie  wolt  die  worter  vorwandeln  vnd  schreybt  be- 
schwerdt,  vnd  begerdt,  wären  die  reymen  vngleych  vnd  hett^  nit 
iren  gutt^  laut,  der  gleychen  an  andern  orten,  ic.  frantz  hat  mir 
geschrieben  ko.  Mt.  werd  in  dissen  meyen  heratlß  seyn.  Sunst 
weyß  ich  nichts  newes  dan  das  der  frantzoß,  venediger,  vnd 
bapst  eyn  new  bündtniß  haben  zu  samen  gemacht.  Hirmit 
seyt  got  beüolhen  der  frist  euch  lang  gesundt. 

Dat^  zu  birkenfeit  meyn  hand  vff  dounerstagk  nach  dem 
heylig^  Ostervest  jm  jar  je  xx 

Virich  vom  Hutt^  ?c 

DEm  ErnVesten  bernhart  vom 
Hutten  zu  birckenfeldt  meync  lieben 
vetern  zu  hand^. 

[Huttens  eigene  Handschrift.    Archiv  zu  Birkonfeld.J 

Ebernburg  U.  Sept.  1520. 

Ulrich  von  Hutten  an  den  Kurfürsten  Friedrich  von 

Sachsen. 

Dem  Durchleüchtigen  Hochgeboruen  Fürsten  vnd  hern, 
hern  Friderich  Hertzoge  zü  Hachsen  vnd  Ohürfurston  ic. 
Entbeut  ich  Virich  von  Hutten  meinen  vnterth&uigen  willigen 
dienst. 


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12S 


NA  ('Uli  KSK. 


JEtzo  erst  sych  ich  0  Edler  Fürst,  das  man  den  Römischen 
tyranneii  entgegen  grymineu  müß,  ia  ytzo  erst,  nachdem 
vnsere  freund  die  Romanisten,  offt  bruderlich  vermäte,  offt 
mit  darbrachten  vrsachen  vberdisputiret,  wollen  nitt  alleyn  in 
den  dingen  do  mit  sie  vnß  bcschwern  etwas  uachlossen,  sonder 
ye  mer,  vnd  mer  vntersthen  sye  sich  gätz  trotzlich  die  frey- 
licher dft  sye  hievor  gepflagcn,  zü.  treyben.  Villeicht  hastu 
wol  gebort  wie  sie  mich  gefangen  gen  Rom  fordern,  vnd  wie 
billich  oder  jnen  gemaslich  das  besehen  verstanden.  Aber 
ytzo,  hilft1  gott,  wie  ein  vngestüme,  wie  ein  grymmige  bullen, 
habenn  sie  wider  Doctor  Luther  her  geschickt.1  Fürwar  das 
ist  ein  rechtes  lewen  geschrey ,  dz  die  armsalige'  schoff 
Christi  hörend,  nitt  als  ein  güttige  stini  jres  hirtens  erkennen, 
sonder  als  gege  einem  blütdörstigen  gral  eines  nachstellen- 
den böstes  erzittern.  Dan  der  massen  wütet  vnd  tobt  der 
bapst  Leo,2  in  seynem  zorn,  das  ich  keyn  füßstapfen  Christ- 
licher miltikeyt,  kein  anzeygens  d'  Aposteln  sitlicheyt  bey 
jnen  finde.  Vnd  am  meynsten  erscheynet  seyn  grimikeit 
wen  er  (als  offt  in  gedachter  bullen)  sich  selbs  birget, 3  vnd 
ein  erdichte  gütte  vfl  gütwillikeit  fürwedet.  Als  nämlich  an 
de  ortt,  do  er  de  |*  Luther  ge  Rom  erschmeicheln  vnd'stet, 
als  ob  wira  nit  vor  wüsten  wie  er  vns  halten  werde,  wo 
eynweders  Luther  von  jm  mit  gütten  Worten  vberschwätzt 
gen  Rom  käm,  oder b  ich  mit  gewalt0  do  hin  gezoge  würde.4 
Hyrumb  will  Luther  meynes  ratzs  volgen,  sol  er  nymmer 
in  den  gewissen  todt  gehen.  Aber  meinet  halben  wundert 
mich  vast,  wer  denn  Rapst  überredt,  das  ich  so  leichtlich  zü 
fahen,  vnd  gefangen  vber  das  hoch,  vnd  schwerlich  zü  er- 
steygen  gebirg  hin  zü  füren  sey,  ob  er  das  schonn  vermocht, 
so  gehört  doch  je  keine  hirtö  zü, 5  seyne  schaff  ermorden, 
einem  bischoff  oder  stathalter  gotes,  seynen  nechsten  Christen 
menschen  vnbeklagt,  vnuerhort,  on  gericht  vnd  recht  mitt 
grymm  vnd  gewalt  zü  der  marter  vnd  dem  todt  nemmen. 

1  Bapstlich  bulen  wider  doctor  Martin  Luther.    *•  ob  ir  wir. 
a  Griramung  vnd  wuttag  des  bapst.    b-  odet. 

3  Vuie  der  bapst  seyne  bösen  willen  zu  bergen  |  bilgera]  melt  [meitj. 

4  Dein  bapst  nit  zu  glauben.    c-  gewalr. 

6  Kyne«  birtcMi  oder  bisohofT  [ bischoff  j  nmpt.    *  i'iijl». 


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KLAGSCHRIFT  AN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  SACHSEN.  120 


So  habenn  wir*  nichtes  vbcls  gehandelt,1  mä  gibt  vns  auch 
keynes  lästere  schult,  sonder  voruolget  vnß  vmb  das  wir  die 
Ewangelischen  warheyt,  vormals  lang  zeit  von  den  bäpsten, 
vmb  gewinstes,  vnd  jres  eygene"  nutzes  willen,  auß  gebrauch 
gesätzt  vfi  nahet  gätz  abgetilget,  wider  zü  jrem  weßen  vnd 
dem  lecht  zä  bringen  vnterstandeu ,  vnd  nitt  haben  leyden 
mögen,  vnser  vatterlannd  Teütsch  Nation,  der  doch  vor  andere 
allen  freyheit  gebürt,  in  gefegnüßb  vnd  dinestbarkeyt  gesatzt 
werde.  Disses  hat  dem  bapst  mißfallen ,  aber  gott  behagt,2 
der  verdampten  deß  Römischen  stülcs  geytzikeyit  schaden 
bracht,  aber  vnsermc  vatterland,  das  lang  her  seiner  freyheit 
beraüpt  gewest  zü  schelbarlihe  nutz  vild  fröme  gericht.2  Nu 
möge"  wir  nit  in  de  wir  got  thiene  wölle,  d*  begirlichheyt 
eines  yden  sundtliche  menschens  zü  gefalle  vnnd  in  dem  wir 
gemeynen  nütz  deß  vatterlädß  ra  |*  ten  dar  neben  auch  der 
Romanisten  willes8  gelebe.  Hierumb  mögen  wir  mit  jnu  keynen 
friden  habe,  dan  sie  kriegen  wider  die  warheyt/  Darumb 
sag  ich  wie  vor,  ytzo  mflß  jm  entgegen  gestalt  werden,  dan 
ytzo  ist  jr  rauberey  am  gröste,  ir  mißlebe  vnd  vnfrökeit  vffs 
höchst  auff gestigen. 3  Vn  nit  allein  auß  der  vrsach ,  sonder 
auch  die  weil  es  als  mich  bedunckt,  zeyt  ist,  das  got  (als 
der  Prophet  sagt)4  den  hochfertigen  der  do  stöltzlich  steigt 
vber  die  schwellen  deß  gottes  hauß,  vnd  erfüllet  das  mit  be- 
trug vn  vngerechtigkeit,  besuche  vfi  rechtfertige,  vff  dz  zer- 
knütschet  werde,  dz  krentzlin  d'  trückenne  vö  Effraim.6  Fürwar 
mich  betriegen  da"  alle  meinne  synn,  ist  es  nit  weyt  dar  von, 
das  (als  im  buch  der  heymlichen  Offenbarungen  geschriben) fi 
nider  falle  die  groß  stat  Babylon  ein  müttcr  aller  buberey, 
schand  vfi  laster  der  weit,  die  durch  abwerffung  irer  schäm 
vnd  eren,  hat  die  gantzen  weit  geergert.  Jch  meyne  den 
stül  zü  Rom,  wie  wol  der  aller  schandt  vnd  vnreynigkeit  vol 
mit  allen  übelthätten,  bößheiten  vnd  argem  leben  verwickelet,7 

1  Luthers  vnd  Huttgs  sach.     *•  mir. 

*  Oott  vnd  de  bapst  thinne    b-  ingefegnüß. 

$  Der  Romaniste  sach  ytzo  am  höchsten    c-  vnsetm. 

4  Sophonias.i.    d-  vn  vor  schelbarlihö. 

5  Bsaias.  .xxvüj.   «•  willes. 

6  ApocajLvij.     t  werheyst. 

7  Der  stul  au  Rom.    *  e  iiij  a. 

QF.  LXVIL  9 


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1  30 


KACIILKSK 


sich  gantz  weyt  außwondig  von  Christi  lär  holt,  wil  doch  an 
gotcs  statt  geacht,  vnd  allein  ein  haupt  der  gantzen  kirchen, 
vrl  ein  oberkait  aller  Christenheyt  geuennt*  sein,  vn  weyset 
vns  seinen  abgot,  den  gekrönten  bapst.1  der  wiewol  nichtes 
mer  da  weltlich  regierüg,  zeytliche  reichtiunb  ,  vnnd  W  ol- 
lust deß  körpers  achtet,  auch  vmb  dorn  willc  krieg  füret,  vn 
blütt  vorgeüßt,  wirfft  er  doch  für  die  äugen  Christ  glaubiger 
loütt,  seynne  Schlüssel,  mit  de  er  die  hymmel  auff  züb  schlissen 
vernieit,2  vn  sich  des  selbige  gewalts  also  mißbraucht,  j*  das 
er  vns  heylig,  geystliche,  vnd  hymelischc  ding  taglich  vmb 
gelt  verkaüff't,  auch  etwan  der  selbige  gebraüch,3  so  offt  jin 
geliebet,  frommen  Christo  verbeut,  vnd  benympt.  Fürwar  er 
wirt  fallen,  er  würt  ye  falle.  Vnd  ist  mir  gleich  als  ob  ich 
ytzo  horte,  die  stym  in  Apocalypsi,4  die  vns  wider  das  vil- 
köpticht  thier  reytze,  sprechend,  Gebt  jm  wider  nach  wert 
seiner  gaben  vnd  zwifaltiglich  gebt  jm  belouüg  nach  seynen 
wercken ,  das  getrenck  es  euch  gemischt  das  mischet  jm 
zwifaltiglichen  wider.5  Als  ser  vnd  stöltzlich0  sich  erhocht,  vnd 
in  wollust  gelebt,  also  brengt  es  zu  peyu  vnd  iamerlicheni 
leyd.  Dä  es  hat  in  seynem  herzen  gesprochen,  ich  sitze  ein  kü- 
nigin,  bin  nit  ein  wittib,  vnd  werde  nyemer  trubnuß  erkennen.0 
Eindt weder  dißes  wirt  sich  ytzo  begeben ,  oder  aber  mich 
betrügt  ein  so  ebene  vergleichung  als  ich  nie  gesehen.  Auch 
so  seind  diße  ding  vffs  höchst  auffgestigen,  vfl  mögen  höher 
nit  kommen,  der  halben  zu  achten,  das  sie  fallen  werden. 
Wer  sol  aber  jr  jnne  räch  geben?  Wer  müß  das  böß 
regiment  vnd  mißleben  straffen,  vnd  in  besserung  setzen? 
Wirt  es  got  thttn?7  Ja  er  würt  eß  tliil ,  aber  wie  er  oft't 
hye  vor  gethau  durch  die  hend  der  mentschen.  Jn  weihe  euch 
Fürsten  gebüren  wil,8  vnns  mit  rat  vnd  hilff  züuorsehen, 
znuorau  dir,  als  vff  den  geerbt  ist,  der  teütschen  freyheyt 

1  Der  bapst  ein  abgott    *•  geneint. 

2  Des  bapstet»  angenomner  gewalt.  zu. 

J  Des  bapstea  angenomener  gewalt.    r-  stotzliHi. 
4  Apoc.xviij.     *  e  iiij  b. 

,;  Huttens  meinung  vnnd  glaub. 

7  Gottes  straff 

*  Der  furstnu  gebtir. 


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KLAGSC1IKIFT  AN  DEN  KUKKÜKSTKN  VON  SACHSKN.       I  H 

wider  zubringen.  Ilirumb  duck  wie  du  dissen  dingg  ratgebest, 
in  wz  wegs,  mit  was  anfangk,  denn  sachen  zü  helfen  sey.1 
Wolt  gott  eyndtwederß  der  müt  wer  bey  eüch,  die  jr  macht 
habt,  od'  aber  wir  bey  den  müt  ist,  hetten  die  macht,2  das 
wir  nebe  de  vnschuldige  lumblin,  dem  selig  macher  des 
menschlichen  geschiiehtos ,  möchten  kriegen  ge  |*  gen  dem 
gehörnte  thier,  dz  aller  Christenheit  beschwerlich  vnd  schäd- 
lich,3 mit  aller  macht  anficht  die  warheit,  bekömert  die  hey- 
ligen,  vnterdruckt  mit  gefengnus  die  freyhen,  beuimpt  vns 
vnsere  guter,  vorschlindt  vnsere  naruug,  ergert  die  gemeynr 
sitten ,  läßt  sich  anbette  von  denen,  deren  namen  nit  ge- 
schriben  stund  in  dem  büch  des  lebens.  die  selbigen  sagen 
vns.  Wer  mag  sich  mit  dem  thier  verglichen?  oder  wer 
gedarff  wid'  dz  kryegc?  Hyrumb,  wolauff  ire  die  macht  habt, 
kompt  d'  gemeyn  zü  hilff.  lasszet  vch  ewere  macht  mit  vnserer 
künheit  vermischen,  vn  zü  same  thün.  Dan  wo  das  geschieht, 
mag  dem  gemeyne  gebresten  geholfen  werden.4  Als  vil 
in  mir  ist,  wil  ich  mit  güten  vermanungen  von  eüch  nit 
lassen,  sonder  alzeit  fleyssigklich  anhangen,  bitz  so  lang  ich 
entweders  sehe  frucht  darvon  komen,  od'  aber  wisse  das  ich 
vorter  mer  kein  vnnutz  arbeit  an  eüch  lege  solle.  Dan  so 
bald  ich  das  vermercke,  mag  ich  darnoch  vff  andere  weg,  vns 
zü  helfen  trachten.  Jr  sollt  aber  daruor  sein,  dz  solichs  nit 
vö  uöten  werde.  Dan  ir  das  wol  vermöget.  So  wil  eüch  übel 
nach  geredt  werde,  das  yemant  and's  dan  ir,  de  dinge  dere 
ir  häupter  seyt,  hilff  bringe.5  Xit  allein  wir,  die  icli  yetz 
vennane,  trage  dieser  ding  beschwernussz,  sond'  alle  Teütschen 
in  gemeyn,  dencken  die  Komanisten  irer  freyheit  zü  berauben, 
vn  in  verderbnussz  zü  siitzen.  Dißer  zweyer,  solt  ir  dz  erst 
nit  leyden,  als  freye  Teütschen.  Das  and'  verhüten,  als 
vnsere  fürsten.  Etwan  zü  Rom  pflag  der  alt  Cato  zü  sprechen,6 
man  solt  die  oberste  eines  regiments  mit  steynen  außwerfen, 

'  *  fia. 

2  Apoca.xvij. 

3  Der  Bapst 

4  Hutten  vuil  mit  [nit]  vermuiiüg  Anhalten. 

5  Das  dises  ein  gemyn  sach  aller  teütschen 
ß  Cato  der  nit 

'.»* 


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l:*2 


NACHLESE. 


die  wol  mochten  vnd  doch  nit  verhüten  da«  yemants  gewalt 
geschah.  Dan  dißes  meynt  er  von  nöten  sein,  wo  man  wol 
regiere  wolt.1  So  ist  es  ye  vnzimlich,  übelständig,  vil  schand- 
licli ,  ein  Nation  die  über  alle  weit  regiere  |*  vnd  herrscheu 
sol,  yemäts  dienstbar  gefundeu  werden,  ich  geschweyg,  d' 
müssigghede  vnnutzö  pfaffen.  Wolt  gott  die  Türcke  herr- 
schten ec  über  vns.2  dafl  die  Türcken  seind  doch  redlieh 
leüt,  streng,  Btarckmütig,  vnnd  der  kryeg  so  verstendig,  als 
man  yergett  ein  nation  finden  mag.  Hyerüb  wo  wir  de 
selbigen  vnterworffen ,  mochten  wir  doch  dem  glück  (das  in 
kryegen  vil  vermag)  die  schuldt  geben.  Vber  das,  so  regieren 
auch  die  Türcken  miltigklicher,  dan  die  bäpst,  halten  bassz 
gerechtigkeit  in  ireni  regiment.  So  hör  ich  auch,  sye  kryegen 
nit  vmb  des  glaubens  willen,  sonder  vmb  das  sye  eer  er- 
werbe, vnd  ir  gebyet  weyteren.3  Aber  diße  vnsere  herren, 
halten  kein  massz  in  betrigen  vn  beraube.  So  möeht  d'  glaub 
tieffer  nit  verdruckt  werden,  dann  wenn  die  fürsten  der  geyst- 
licheit,  in  allen  dingen  der  leer  vnd  gesätz  Christo,  auch 
warer  geystlicheit  entgegen  leben.4  Offt  schäm  ich  mich 
des  teütschen  namens,  wen  ich  hör,  das  der  bapst  eüch 
fürsten  sein  gebott,  das  er  dan  so  offt  im  geliebt  .vn  sein 
nutz  ist,  thüt  hyeher  senden,  vn  ir  seyt  im  gehorsam.5  Wie 
wol  du  allein  dich  nechst  fürstlich  bewisen  hast,  do  du  dem 
Luther  von  allen  verlassen,  zu  enthalten  vnterwunden.  vnd 
wirtst  gesehen0,  noch  ein  füncklin  alter b  tugent  der  teütschen 
bey  dir  haben,  voun  welchem  ich  hoffe,  werd  sich  noch  ein 
grossz  heylsam  fewer  anzünde  dz  ich  dich  flehelich  bit,  lang 
thün  wölst.  nit  allein  darumb  dz  es  vö  nöte,  sond'  auch  vni 
dz  wir  sollichs  zu  keinem  and'n  fürstP  billiche  verhoffen.6 
Dali  alweg  sein  die  Sachsen  frey  vnd  vnüberwindtlich  ge- 
west.  vnnd  offt  weil  gantzes  teütsch  land  ist  bezwunge  ge- 
west,  so  haben  die  noch  widerstridt ,  vnd  seind  allein  die 
Sachsen,  unter  allen  andern  teütschen,  die  nye  einem  auß- 

1  TeütschC  läd  gebürt  freyheit   «•  gesehen. 

2  Die  Türcken.    b-  aller. 

5  Der  bapst  regiment.    *  f  i  b. 

4  H.  Schämet  sich  des  teütschen  namens. 

6  Herrzog  Friderich 
6  Lob  der  Sachsen. 


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KLAGSCHRIFT  AN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  SACHSEN.  UIH 

lendige  hern»  vnterworfen,  nyc  kein  joch  getragen  od'  be- 
zwanck  j*  gelitten.  Jn  sollicher  rechnung,  gib  ich  eüch  die 
Westphole  auch  zü,  vfi  die  man  vor  zeitö  Cheruscos  vii  Caucos 
hatt  genendt.  Die  selbigen  haben  sich  übcrauß  redlich  vnd 
erlieh  beweisen  in  dem  Römischen  kryeg,  den  etwan  d'  koyser 
Octauianus  mit  vnsern  vorfaren  gefürt.  Von  jnen  ist  auch 
herkommen,  der  aller  vnüberwindtlichst,  vnd  starckmütigst 
heldt  Arminius 1  (welchem  gezeügnussz  vnuerglichlicher  tugent 
vnd  eeren  sein  eygeue  feynd  geben)  der  nit  allein  sein  ort, 
gebyet  vnd  vatterland,  sonder  die  gantzen  teütschen  nation, 
vö  den  hendr»  der  Romer,  vff  die  zeit,  so  sye  am  aller 
mächtigsten  vnd  in  der  bluet  irer  herrschung  waren,  erlößet 
vnd  wider  in  freyheit  gesetzt,  den  Römern  grosszen  vfi  vnuer- 
glichlichen  schade  zugefügt,  sye  zü  letst  gestrenckiich  ver- 
jagt vnd  außgetribe.2  Was  mag  nun  wol  derselbig  heldt,  in 
jhener  weit  sagen,  wenn  er  sieht  vns  teütschen,  über  die  er 
doch  die  Römer  etwan,  do  sye  redtlich  vfi  adenlich  leüt  vn 
herren  der  gantze  weit  wäre,  nit  gewolt  herrschen  lassen, 
den  weychen  zarten  pfaffen,  vnnd  weybischen  bischöffen  vnter- 
worffen  seind?3  Fürwar  er  würt  sich  seiner  nachkömende  schä- 
men. Was  seindt  dafi  die  drey  keyser  Otthen  für  leüt  gewest  ? 
Vnd  etliche  keyser  Heinrichö  die  ewers  geblüts.  Auch  hat 
sich,  was  Sachsen  für  leüt  seind,  in  dem  kryeg,  den  sye 
etlich  vfi  dreyssig  jar  gegen  dem  grosszen  Carolo  gefürt  bc- 
wisen.4  Dan  vff  dz  selbig  mal  habe  sye  scheinbarlich  irer 
macht  vn  tugent  anzöigung  gebe.  Es  seind  auch  Sachsen 
gewest,  die  zürn  letstö  die  überbliben  Gothen  abgetilget  habe, 
die  Engellant  bezwüge,5  vn  nach  außtreibng  d'  inwöer  ein 
newes  volck  auß  jn  darein  gesetzt,  dio  sye  Engellischen  vn 
Schotte  genent  haben.6  Wz  sol  ich  sage  vö  den  alten  Cymbrc  vü 
Teütonen ,  die  seind  vor  zeitö  nit  on  grossze  verdörbliche  |** 
schaden,  der  statt  Rom,  auß  Sachsen  in  «Italien  gezogen7.  So 

1  Arminius  der  aller  stärokest  Teütsch.    *  f  ij  a. 

2  Vuie  uuir  teütschen  vns  geergert  habe  [nahe].     **  f  ij  b. 

3  Den  uuibischg  pfaffen  nntervuorffen  sein. 

4  Karolus  Magnus. 

5  Die  Gothen. 

*  Engellender  vnd  Schotten. 
7  Saohsen  in  Italien. 


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NACHLESE. 


ist  auch  nachmols  offt  ewcre  nation  in  .Italien  geruckt,  das 
geplündert,  vnd  der  glichen  Gallien  verwüstet,  die  Hispanier 
angegriffen.  Auch  habt  ir  dapfere  that  gegen  den  Polen  geübt. 
Dein  landßknecht  haben  auch  grossz  lob  erworben,  vnd  schont? 
überwindtnussz  erstlich  von  den  Hünen,  darnoch  Yngern  bracht. 
Vil  wil  ich  yetzt  nit  verzelen.  Dan  eins  ist  genüg,  das  allein  die 
Sachsen  nie  keyne  außlenderu  vntersvorfen  gewest.1  Das  stot 
eüch  wol  zu  bedencken.  vff  das  nit  ewer  alten  (die  sollich 
leüt  gewesen)  ire  tilget  au  eüch  schwinde*  sehen.  Jr  habt  sye 
hyeb  vor,  so  wol  als  wir  andern  vö  den  Bapsteu  überschwätzt, 
dz  joch  der  dienstbarkeit  vff  eüch  auch  genömen.2  dieweyl 
dz  aber,  als  für  ein  gemeyne  plag  vfl  straff  christliches  voleks 
zü  achten,  möcht  ir  die  selbige  nachred6,  mit  einer  neweu  eer  bald 
abtilgen,  wo  ir  werd  sein  anfängor  vnd  forderer,  einer  erlichen 
vnd  loblichen  sacheu.  das  durch  eüch  teütsch  Nat-iö  wider 
in  freyheit  gesetzt  werd,  vnd  zü  ir  selbst  körne,  die  noch 
yetzt  (dz  gott  geklagt)  nit  versteht,  vfi  leyder  nit  mercket 
mit  wz  vnbillicher  beschwerde  sye  belade.3  Dafl  wiewol 
all«1  menschen  bezwanck  vnnd  dienstbarkeit  übel  anstcndiga, 
so  ist  doch  zü  vor  an  schandtlich ,  das  die  allen  andern  ge- 
biete sollen,  yemant  mit  dienst  vn  pflichten  vnterworfen  sein.4 
Hyrumb  solten  wir  teütschen,  entweders  vus  den  titel  des 
Römischen  reychs  nit  züschriben,  vnd  alhye  einen  Keyser 
wolen,5  der  allein  den  namen,  so  er  von  der  sache  weyt  ist, 
habe,  oder  aber  mänlich  die  Bäpstliche  tyräney  ablegen,  vnd 
ehe  wir  andern  gebieten,  vns  zü  vor  selbs  frey  machen.  Plato 
sagt,6  alle  tugent  sey  frey,  vfl  allein  die  bösen  seyen  dienst- 
barkeit würdig.  Wolle  wir  nun  lieber  vnd'  de  bösen  gezelt, 
dafl  für  tugcn tsam  geacht  werd  j*  en?  Wen  der  streng  haubt- 
man  Themistoclos  noch  lebte,7  möcht  er  wie  vor  zeyten,  denS 
von  Eretria,  also  auch  yetzo  vns  Teütschen  sagen,  ir  habt 
das  schwort,  mangelt  aber  des  hertzen.   Dan  es  ist  vast  die 

1  Einig  lob  der  Sachse     «•  winde. 

2  Ein  gemeyn  plag  der  Christenheit.    b  hye. 
;*  Vnser  tcütsohen  Schunde    «•  nachfrid. 

1  d-  aanstendig. 

5  ein  tcütschcr  keyser     *  f  iij  a. 

•  Plate. 

7  Themistocles 


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KhAGSCHKIFT  AN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  SACHSEN.  135 


selbig  mcynng.  darinnen  ich  mich  ser  verwunder, 1  was  doch 
ir  Hörsten  gedenckent,  wen  ir  mich  einich  arme  edelman  seht, 
mit  vngedult  diße  vnbillikeit  leydeu.  Dan  vil  mer  solt  bey  eüch 
solliche  sorg  sein.2  Hetten  deine  altern  alleweg  lob  zu  erwerben 
cingenömen  vnd  besatzt,  also  das  dir  kein  vrsach  oder  be- 
quemnussz  eer  zü  erlange  über  blibe  war,  mochtest  billich 
weynen.  Sye  haben  dir  aber  den  aller  breytsten  vn  frucht- 
baresten  züganck  offen  gelassen,  hyrumb  dir  den  on  weytter 
harre  od'  bitt  an  zäfallen  vnd  einzünemen  gebürt0.  Vnser 
fursatz  kan  aber  nit  wol  on  schwertschlagk  vnd  blüt  vergiessen 
fürganck  haben.3  dz  gib  ich  den  zü  besorgen,  die  vnsz  b  irer 
Verfolgung  vrsach  geben,  wiewol  die  vast  würdig  seind,  zü 
letst  mit  dem  schwert  geschlagen  werden,  damit  sye  so  lange 
her  andere  geschlagen  vn  gemordt  haben.  So  pflege  die 
weißen  Ertzte,  schwer  kranckheiten  mit  bitterer  ärtzney  auß 
zü  triben.4  Also  müssz  man  auch  hye  thün,  wo  vif  andere 
weiß  nit  mag  geholfen  werde.  Jch  acht  das  ich  dir  vö  schimpf- 
licher nachred  vnnd  schmach  die  wir  in  dißen  dinge  leyden 
müssen  (das  ich  dan  billich  zü  forderst  gethan)  genüg  gesagt 
habe,  von  dem  schaden  vnd  nachteyl  den  vns  Kömische 
tyräncy  bringt,  darff  ich  nit  lang  wort  mache.  Daß  yeder- 
man  wie  dz  gestalt  bey  jm  selbst  ermessen  kan.5  Wir  sehen 
das  wir  nahet  kein  golt,  noch  silber  mer  in  teütschen  lande 
haben.  Jst  aber  noch  etwz  hye,  dz  selbig  dem  allerheyligstcn 
stÜl  zü  Rom  mit  vnsprächlichem  grosszem  geytz,  vnd  täg- 
liche new  erfunden  künsten  vnd  listen,  zü  jm.  zyehen.  vnd 
wefi  er  das  daü  |*  also  an  sich  bracht  hatt,  zürn  aller  hosten 
gebrucht  werden/'  Dan  ob  ir  teütsche  wolt  wissen  was  doch 
vnser  gelt  zü  Rom  machte,  wil  ich  eüch  des,  so  vil  ich  ge- 
sehen, auch  berichten.  Es  thüt  wol  etwz.  Dan  ein  teil  zer- 
strewet  bapst  Leo  vnter  seine  neue,  vettern  vnd  fründ,  der 
er  so  vil  hat,  das  zü  Rom  ein  geineyn  Sprichwort  ist."  Bapst 

1  Teütsche  fürsten  gebürr. 

8  KrmanUg  zu  Hertzog  Fridorichen     b-  vssz. 

3  Vuie  ein  reforiiiation  gescheen  möge     *  f  iij  b. 

4  Gleychuus8z  uon  den  Ertzte 
s  Schaden  uon  Ko.  tyranncy 

*  Vuie  die  Rö.  unser  gelt  brauchen. 
7  Des  bapstes  früinle. 


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136 


NACHLESE. 


Leonis  freünd.  ein  teil  verzeren  also  viel  hochwürdigsten, 
der  Leo  vff  einen  tag  .xxxj.  hat  gemacht,1  also  vil  Referen- 
darie, Auditores,  Prothonotarie»,  Abbreuiatores ,  Bapstliche 
Cäntzler  vnd  schriber,  des  bapstes  kämercr,  Official,  vnnd  der 
glichen  andere,  die  fürnämsten  der  Römischen  kirchen.  Welche 
darnoch  weyter  nach  jn  haben  andere  ämpter  vnd  dienst  die 
auch  mit  grosszem  gelt  erhalten  werden  müssen,  das  seind 
Copisten,  Pedellen,  Leüffer,  Koch,  jnkeüffer,  Außkerer,  Esel- 
krätzer, Stallbüben,  ein  vnzälich  schar  Hüren  und  büben,  vnd 
ein  grosszes  hör  d'  ruffianer.2  Solliche  halten  hund,  pferde, 
merkatzen,  aflFen,  vnd  ander  gethir  von  lust  wegen.  Etliche 
bauwen  heüser  von  eytel  marmelstein,  essen  und  trincken 
reylich  vnd  wol,  kleyden  sich  kostlich,  vnnd  on  allen  abbruch, 
was  zü  ires  leibs  nit  allein  notturfFt,  sonder  auch  lust  gehört, 
schaffen  sye  jn  zü  guten  rüwe.3  Die  Sum  daruon  zü  reden, 
findt  man  alzeit  ein  vnaußsprechliche  grossze  zal  böser,  vn- 
flatiger,  vntüglicher  leüt  zü  Rom,  auff  vnser  gelt  müssig  gehen.4 
So  denckt  zü  Rom  niemant  vff  göttliche  oder  geistliche  ding,  ja 
mä  veracht  die,  vnnd  mer  dafi  bey  dem  Türcken  selbs  ge- 
schieht. Vnd  sein  der  Römer  werck,  betriegen,  auffsatzen, 
mit  Worten  wercken  gewin  süchen,  vn  gemeynlich  ist  ir  aller 
sin  vnd  gedencken,  wie  sye  nur  \T>  vns  teütschen  gelt  bringe 
möge.r)  Jr  leben  ist  allein  wol  essen,  trincken,  vnnd  (ob  schon 
mit  grosszem  kosten)  alles  leiblichen  |*  lusts  pflegen,  das  sye 
dafi  mit  vnsermb  gelt  ausfüren c.  Zü  dißem  gebruch  schicke 
wir  järlich  ein  großes  gelt  geyn  Rom,  vnd  wollen  noch  nit 
verstehen  vnd  mercken  wie  übel  das  angelegt,  vnd  das  es  also 
gar  verloren  ist  was  wir  do  hin  gebe.6  Wicwol  nit  dz  ärgest 
zü  schetzen  das  es  verloren  ist.  noch  bößer  achte  ich,  das 
es  zü  anrichtüg  vnd  stifftung  vnsprächlichs  grosszes  Übels 
kompt.  Hyerumb  wo  aller  teütschen  meynung  wär,  etzlichen 
alten  Philosophen  glich  zü  leben,  vnd  das  gelt  hinweck  werfen, 

1  Di©  Rümiachö  ämpter.    «•  Prothonatorie. 
8  Köstlich  leben  der  Romanisten.  vnsern. 
8  Müssigganger  zu  Rom.    c-  ausfürom. 
4  Oeystlieheit  zu  rom     •  f  inj  a. 
&  Der  Ro.  leben. 

*  Das  uuir  mit  unserem  gelt  schand  uD  übel  stifften. 


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KLAU  SCHRIFT  AN  i)KN  KURFÜRSTEN  VON  SACHSKN.  137 

so  stossen  grosszc  see  vnd  mör  au  teütsch  land,  es  sindt  auch 
grossze  wasser  vnd  flüssz,  alhye  bey  vns  der  Meyn  weyter 
hinüber  der  Rheyn,  dort  bei  euch*  die  Elb,  vfl  andere  der 
glichen,  werffen  wir  das  selbig  gelt  da  hinein,  vnd  verlieren 
das  selbig  lieber,  dann  das  wir  sehen  wem  es  bleybt.  Die 
leüt  vmbs  gelt  wille  verlöre"  werden,  dieweyl  wir  alle  schand 
vfi  laster  zü  Rom  domit  enthalten  vnd  ernert,1  vnd  die  sel- 
bigen so  überflüsszigklich,  das  etwas  vonn  dannen  her  zü  vns 
reicht,  dardurch  wir  Zerstörung  gtiter  sitten,  vnd  ein  gemeyn 
ergcrnussz  menschlichs  lebens  vnter  vns  sehen.  Es  ist  aber 
nit  von  nöte  das  wirs  gelt  hinwerffen.  Allein  wer  güt,  das 
wir  das  vö  vns  zü  andern  nit  kommen  Hessen.2  Das  war 
dz  erst  vnd  beste  werck,  vnnd  nützlichst  vnd  verfängklichste 
weiß  die  Römische  tyrannney  zö  zerbrechen.  Dann  fürwar, 
so  bald  wir  die  narüg  ires  überflüssigen  vnkeüscheu  lebens 
hinweg  genome,  werde  sye  sich  mind'  erheben,  vnd  würt 
als  dafi  bassz  mit  jn  zü  handien  sein.  Darnoch  müsse  wir 
vnter  jnc  etwa  ]  eine  grosszmütige  haubtman  als  Keyser  Otho 
d'  erst  gewesen  ist,  Rom  bestichen3  der  Romanisten  regiment 
weiß  vnd  leben  erkfnen,  jnen  ein  ordenüg  machen,  vil  <V 
bösen  außtribe,  vfi  ein  wenig  |*  gütter  an  die  statt  setzen,  den 
selbigen  beuelhen  das  sye  irer  kirchen  vnd  geystlicheit 
warten,  nit  landt  vnd  leüt  regieren.4  Den  Keyser  (wo  er  das 
anders  sein  wil)  widerumb  in  seine  still  zü  Rom  setzen,  den 
Römischen  bischoff  in  die  rechte  gewaltliche  ordnüg  bringen, 
vfl  schaffen,  dz  alle  bischoff  widerüb  gleich  seye.5  Den 
geistliche  hye  bey  vns  ire  zinß  vnd  rendt  minderen,  vff  das 
sye  ein  mässzig  nüchters  leben  füren  mögen.  Sye  auch  vff 
ein  geringere  zal  bringen,  auß  hundert  einen  bleyben  lassen. 
Was  sollen  wir  aber  mit  den,  die  wir  Münich  nenne,  machen  ?6 
Was  and's  dafl  wie  alweg  meyn  meynung  gewesen,  alle  mü- 
nichs  örden  zü  gleich  abthün.7    Do  ist  zü  bedencken,  was 

1  Vuie  gros  ergernu8  uon  Rom  herauaz.    »•  auch. 

*  Vnie  die  Rö.  Tyraney  zu  benemen  sey.    *  f  iiij  b. 

3  Rom  visiteren. 

4  Der  keyser. 

5  Die  geistlichen  reforniiren 

•  Die  münich 


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138 


NACHLESE 


nutzes  vnd  was  Fracht,  wo  solichs  beschäh,  daruon  körnen 
möcht.1  Erstlich,  weil  so  vil  secte,  so  vil  vnterschidlicher 
leben,  so  vil  Orden,  die  sich  vnter  jn  mit  nicht  verglichen, 
abgethan,  vn  auß  allen  widerumb  ein  gleichmässzig  weiß  vfl 
gewonheit  einbracht,  wirt  aufFhören  aller  heymlicher  vergunstv 
der  gemeynn  hassz  vnd  neyd,  so  ein  orden  gegen  dem  anderen 
hat,  vn  wirt  nit  mer  vrsach  sein,  zwcytracht  vnter  jnen  sich 
zü  erheben.2  Werden  all  einen  herren  Christa  haben,  vnnd 
vnter  dem  werden  wir  einhellig  sein,  vnd  in  Fridsamcr  ver- 
sünung  einträchtigklich  leben.  Ynter  vns  Christen  wirt  ver- 
glichung vnd  einigkeit  sein.  vfF  das  wir  desto  bassz  nebe" 
de  vngläubige"  abgesünd't  vn  vnterschidlich  erkänt  werden 
möge.3  Dafl  werde  nit  mer  die  weychen  wey bischen  wol- 
lüstiger, noch  auch  die  geytzigen  geldtsüchtige  Wucherer,  als 
yetzo,  noch  geistlichen  lehe  trachten.  Man  würt  die  Frömen 
vnd  gelerten  darzü  erwelen.  vfF  dz  sich  and'  leüt,  irer  gütten 
beyspiel",  am  lebe,  irer  predigen  vn  vnterweisung,  an  den 
sinnen  vnd  vernüfft  besseren  mögen.  Darnoch  (das  wir  all 
vornämlich  begere  |*  sollen)  werden  ein  end  haben ,  so  vil 
gleisszner,  die  yetzo  dem  gemeynen  v61cklin  yemer  Falsche 
glantz  Für  gebe,  sich  Frömklich  erzeygend,  der  armen  schweyssz 
vfl  blüt  auß  bettlen,  yederman  außlere,  sich  erFülle.  vnter 
einer  angenömen  scheyn  der  geistlicheit,  liegen,  bctriege  vnd 
auFs^tzen.4  Dann  sichstu  nit,  wie  vil  grosszer  höben,  vil 
dückenschcr  bößwicht,  sich  vnter  der  münichs  kugelen  ver- 
bergen, vnd  ofFt  grossze  schand  vnnd  schalckheit  zä  richten? 
Sichstu  nit  wie  vil  listiger  vfl  reytzendcr  geyer  der  vnschul- 
digeu  taube  eiuFaltigkeit  betrüglich  an  sich  nemen?  Wieuil 
gnmiger  wölfF  der  vnschuldige  gedultigen  schäFfliu  vnschuld 
Fürwende.5  Semd  aber  etliche  schö  nit  eins  bösen  willös  vnter 
jn,  die  selbigen  doch  in  iremb  aberglauben,  halten  ire  eygen 
vnd  menschliche  gesätz  vnd  stifFtung  also  strengklich  vn  vest, 
das  syo  vnter  deß,  von  Christi  vnsers  herren  leer  vnd  gebott, 

1  Vuiw  uon  solliohcn  nutz  bequänie.     a-  beyspeil. 

2  Einigkeit  unter  den  Christen.    b-  iorrn. 
;'  Besserug  der  geistlichen.    *  g  i  u. 

4  Vuas  offt  unter  den  kutten. 
r'  Aborgliiub  dor  munieh. 


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KLAUSCHRIFT  AN  DEN  KIKFÜKSTKN   VON  SVCHSKX.  VW) 

sich  nit  cid  wenig  absündern  vnd  trcnen.  Wo  nun  solliehe 
vetzt  in  einer  kurtze  erzalte  beschwernussz,  vö  de  dißer  nation 
giitter  ye  mer  vn  mer  veretzet  vnnd  nahet  gar  verschulden 
werden,  abgenömen,  vnd  den  Romanisten  die  ire  rauberey 
getrage,  vnd  entgegen  gehakt»  würde,  möcht  ein  vngläub- 
lich  grosszes  güt  vd  gold  vn  silber  bey  vns  teütschen  bleyben.1 
Des  sey  nuu  vil  oder  wenig,  so  woltc  wir  doch  mit 
dem  selbige,  wie  vil  oder  wenig  das  war,  etwan  einen 
bessere"  nutz  schaffen.  Vn  villicht  würd  geraten  sein,  das 
wir  Sollichs  gelts  ein  teyl  zü  erhaltung,  eines  stets  bereyten 
vn  verordnete  kryegs  volcks  braucheten,  damit  man  das  Rcych 
beschirmen  vn  auch  mere  mocht*,  od'  den  Türcken  bekryegen.2 
Do  würden  vil  armer  gesellen,  deren  sunst  ein  teil  armüts 
halben  raube  vfl  stelen,  vonn  einer  redlichen  belonung  zü 
leben  haben.3  Mau  möcht  auch  sunst  vil  armen  leüten,  mit 
stewer  vfl  *almüß  der  gemeyn  zü  hilff  körnen,  ein  teyl  möchten 
wir  wende  zü  ernärung  vnd  besoldüg  gelerter  leüt,  von  den 
die  tugent  in  der  schriff't  vnd  güten  künsten  vff  erzogen  würde.4 
Die  sum  dar  vonn  zü  reden,  wo  sollich  gelt  bey  vns  bleibe,5 
mochten  wir  hye  die  tugent  belonen,  dardurch  man  zü  wol- 
that  gereytzet  würd,  vnnd  der  heymischen  bedürfflicheit  zu 
stewer  kommen.  Als  dann  würden  auch  die  trägen,  vü  vn- 
nützen  mfissiggenger  nit  statt  habe,  würd  vil  betrüglecheit 
hinweck  genöme.  So  bald  dan  Bohemen  das  ersehen,6  würde 
sye  sich  zü  vns  schlagen ,  vnd  in  alle  dingen  mit  vns  übereil} 
kömen.  Dan  biß  her  seind  sye,  vmb  das  sye  irem  künig- 
reich  vnd  land  zü  güt  wid'  geytigkeit  der  geistlichen  gehandlet 
hatten,  vö  vns  abgescheyde  gewesen.  Der  gleichen  auch  die 
kryechen,7  mit  vns  über  ein  körnen  werden,  die  dann  ein 
lang  zeit  bitz  här,  dieweyl  sye  der  Romanisten  tyranney  nit 
haben  leyden  mögen,  noch  wollen,  durch  anrichtung  vnd 

1  Vuie  teütsch  lud  reioh  uuerde  niöoht.  a-  möcli«*. 

*  Ein  stets  bereit  kriygsuolck  zu  halten  *  g  i  b. 
3  Armen  leüten  helffen 

*  Gelert  leüt  zu  besolden 

"  Behenien 
1  Kryechen. 


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!  40 


NACHLKSK. 


gewaltsam  der  Bapst,  vor  abgesünderten,  vnd  vö  der  kirchen 
abgeteylten  gehalten  sein.  Zü  vns  werden  auch  tretten  die 
Reüssen,1  die  das  auch  nechst  gethan  hetten,  wo  sye  nit  vö 
dem  Bapst,2  der  ine  vier  mal  hüdert  tausent  gülden  järlich 
gen  Rom  zü  geben ,  abfordert  verjagt  vnd  abgestelt  wären. 
Mer,  würden  vns  auch  die  Türcken  weniger  hasszen,3  vnnd  alle 
vngläubigen  würden  vortau  nit  vrsach  haben  vns  zü  ver- 
achtenn,  oder  schelten,4  so  bitz  her,  das  schandthafftig  leben, 
der  jhenen,  die  vnßer  geystlicheit  fürsten  vn  regierer  sein, 
de  Christlichen  nammen  bey  allen  vuglaubigeu  verhasszt  ge- 
macht hatt.  Wo  aber  nfi  obgemelter  Vorsatz  eine  außgangk 
gewinnen  würd,  müst  man  auch  sprechen,  wir  hettö  das  be- 
kömort  sanet  Peters  schifflin  angefochten,5  die  heylig  Christ- 
lichen kirchen  zerstört,  vnd  (als  schon  |*  yetzt  die  kirchendie- 
bischen Romanisten  vnd  trunckene  vollen  pfaffen  außschreyen 
vnnd  rüffen)  den  vngeneheten  rock  des  herren  zerrissen.6 
Oder  aber  mÖcht  man  billich  sagen,  wir  hetten  den  Christen 
glauben  durch  züzyehung  oben  angezöigten  völckorn  vnnd 
nation,  auch  besserung  gemeyner  sitten,  hinwecklegung  d' 
ergerlichen  vnd  wcyt  vmb  sich  verletzenden  reüdigkeit  ge- 
reyniget,  gefordert,  vnd  gemört.  Darauß  magstu  erkenen,7 
wie  gar  nit  mein  fürnemen  ist,  Christliche  lieb  vnnd  einigkeit 
abtilgen,  sonder  die  selbigen  durch  ablegung  alles  des,  so 
engegen  ist,  statt  machen.  Das  ich  auch  nit  dencke  die  kirchen 
zü  erstören,  sonder  durch  außtreibug  des  betrüglichen  auf- 
sätzigen Entchrists,8  den  frommen  Christlichen  vnnd  gelerten 
geystlichen,  einen  zügangk  schaffen  vfi  anrichten.  Das  würt 
sein,9  rechte  früntliche  lieb  vnnd  einigkeit  wider  bringen,  den 
glauben  meere,  die  kirchen  besseren,  vnnd  nit  allein  der 


»  Reussen.      *  gij  «. 

2 


3  Turoken. 

*  Xuoh  bis  her  uns  Christen  uerhasszt  gemacht. 

6  S.  Peters  schifflin. 

ö  Der  rock  des  herren 

7  Ob  Huttens  uorsatz  gut  oder  bösz. 

8  Endtchrist. 


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KLAGSCHRIFT  AN  DEN  KURFÜRSTEN  VON*  SACHSEN.  14! 


ga ntzen  Christenheit  in  gemeyn  raten ,  sonder  auch  darneben 
vnserem  vattcrlandt,  eine  grosszö  vnuerglichlichen  nutz  vn 
frömen  schaffen.    Die  sich  in  irem  leben  gegen  ein  ander 
verglichen,  vnter  den  mag  sich  bald  lieb  vnd  freüntschafft 
erheben.1   So  bald  dan  abgetribe  werden  die  vnfruchtbaren 
wespen,  vnnd  humelen  die  honig  essen,  machen  aber  keius, 
werde  herzü  fliehe  die  honig  machede  byeulin,  vnd  vns  die 
verwüsten  byen  stock  widerüb  anrichten  vnnd  bauwen.  Als 
denn  würt  ein  wäre  geystlicheit  sein  vnnd  in  grosszer  Sicher- 
heit bleyben.2     Dann   do  würt    nit  sein  anreytzung  zürn 
bößen,  die  man  vorhin  vö  überflüsszigkeit  vnd  richthümb  ge- 
habt. Vnnd  dieweyl  sye  die  geystlichen  von  dem  vnkeüschen 
boßen  leben  abgewendet,  worden  sye  auch  inH  irem  ange- 
hörenden wesen  vortan  nit  also  nachlässzig,  träg  vnnd  ver- 
seümig  sein.  |*  Diße  ding  zu  volbringe,  wünsch  ich  dz  entwed's 
ir  wölet,  das  ir  wol  vermügt,  oder  aber  ich  vermög  das  ich 
gern  wolte.3    Mag  ich  euch  aber  nit  bewegen,  vnd  sunst  auch 
kein  fewr,  darin  die  widerwertigen  ding  verbreneu,  anzünden, 
so  wil  ich  doch  so  vil  an  mir  ist,  mich  herin  als  ein  ge- 
hertzter  wol  gemüter  Edelman  beweysen.    Vnd  so  laug  ich 
sinn  vn  vernunfft  hab,  wil  ich  vö  meynem  fürsatz  nit  ein 
harbreyt  weychen  noch  lencke.    Werde  ich  dan  sehen,  das 
bey  eüch  Fürste"  gar  kein  hilff  ist,4  wil  ich  erbärmnussz  mit 
euch  habe,  das  ir  also  vertzAglich  von  mänlicher  tugent  weychet. 
Vnnd  soll  von  Hutten  nymer  gehört  werden,  das  er  sich 
einem  außlendischeu  Fürsten  oder  künig,  wie  grosszmechtig 
der  auch  gesein  mag,  vnterwerff,  ich  geschweyg,  das  ich  des 
weybischen  vunützen  Bapsts  gebott  vnd  geheyssz  thün  solt.r» 
Also  weyt  sol  von  mir  sein,  das  ich  dz  vilköpfigt  gehörnte  thyer, 
dar  von  in  Apocalypsi  geschriben  stot,  mit  eüch  andern  an  bette. 
Dafi  mein  natur  würt  das  nit  mögen  leyden,  so  achte  ichs 
auch  nit  meiner  gebür,  vnd  förchte  wo  ich  das  schon  thät, 
die  schale  des  göttliche  zorns6  (dar  von  geschriben)  möchten 

1  Merok  ein  gleichnusz    »•  ün. 

*  Vuas  die  geystlichc  yetzo  zu  bösem  reytzet.     *  g  ij  b. 

*  Vuas  jm  Hutten  uorgesetzt 

*  Die  teütschen  fürsten. 

*  De  bapst  anbetten. 

*  Apooal.  16 


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142 


KACHMtoti. 


vff  mich  gegossen  werden.  Mitler  zeyt,  verlassz  ich  die  stett,1 
vmb  das  icli  von  d'  warheit  nit  lassen  mag,  vn  Verberg  mich 
in  meyner  freyheit.  dan  ich  mag  vnter  de  leüten  wie  ander 
nit  thiene.  \\i  wiewol  mir  nit  kleine  far  zfi  stot,  achte  ich 
die  doch  gering.  Dan  sterben  ist  mir  nit  so  erschrockenlich*, 
als  ou  freyheit  leben.  Darumb  ich  schew  bezwanck  vnd 
dienstbarkeit,  nit  den  todt.  Yii  nit  allein  meynet  halben, 
soud'  auch  mag  ich  nit  sehen,  teütsch  natiö  irer  freyheit 
mägeleu.2  Aber  villicht  werde  ich  etwan  ein  mal,  auß  dißer 
hole  herfür  springen ,  die  teütschen  irer  redlicheit  ermanen, 
vnd  wo  die  grossz  Versandung  ist,  außschreyen.  Jst  i*  yemant 
der  ein  hertz  hatt,  mit  Hutten  vmb  gemeyner  freyheit  wille 
zu  sterben?3  Hab  ich  dir  nit  wolle  verhalten,  wiewol  ich  dir 
hye  vil  freymutiger,  dan  einem  solichen  Fürsten  gebürt  schreib. 
Jch  hab  aber  ein  güte  hoffuung  zu  dir,  vnd  darumb  hab  ich 
zu  einem  freyen  Fürsten,  ein  freye  schrifft  thün  wollen.  Bissz 
gesuudt,  vil  erwecke  dich  selbs.  Data  zü  Ebernburgk  am 
.xj.  tag  des  Septembris.    Anno  .ic.  xx.b 

[H.  W.  Ind.  bibi.  XXXI,  A,  a.J 

1H. 

Ebernburg.  28.  Sept  1"»20. 

Ulrich  von  Hutten  an  die  Deutschen  aller  Stände. 

(Lesarten  zu  H.  W.  1,  405  ff.) 

405  19-25  Ein  klagschriffr  her  Virichs  vo  Huttenn  an  ge- 
meyn  Teütsche  uation  gegen  vnnd  wider  [widen]  den  tyran- 
nischen gewalt  des  Bapstes  Rom  vn  seyuer  Komaniste.  26  teüt- 
schen herren.  Edelleütc,  Burgeren  27  entbcüt  vn  Orator, 
meine  28  willige  vnd  Gnädige"  29  vfi  früud  vnnd  züney- 
gung    Cliristenlichen    H0  wolmevnung    Natiö  christlich 

40ß  19  gebür  anngezeygt,  vnnd  hatt  20  vbermas- 
sige  vnzimlicheu  des  bapsts  dem  statt  Randnote:1*  vuas 
Hutten  geschribeu'  21  voun  vnordenlichem  vberfluß  vu- 
ersätzlichem  goystlichen  22  Simoneischen  vnfromkeyt 
Curtisauen,  in    28  Geystiich      de  geyst      fleistlichem  lebe 

1  Hutten  auß  den  stette  uertrieben.  erscliroekenticli. 
8  Vuas  Hutten  gedeneke.     b-  x.  . . .  xxj. 


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KLAOKSCIUUKT  AN  ALLK  DEUTSCH KN. 


24  trachtenn  (Konstitution  gos&tzen  25  vnd  vcrneüwen,  vonn 
dem  tyrannische  20  vmbher  der  gleichen  dingen  Christe- 
liche  27  abgezogen ,  teütschland  28  vnd  äugen  warenn 
29  das  werden  möchten  R. :  'Huttens  gcvuisscn  vnd  ver- 
trauucn'  31  darüb  gewarten  sonder  erkante  dardurch 
ich  33  gehabt,  als  vormanung  sollicher  ding  Christe- 
lieber  33  dann  glauben  nutz  Ii.:  *Vuas  huttes  vornemen 
gevuest'  34  noturfFtig.  dan  mein  gewest  wie  ich  gütige 
verschaffen  35  möcht  da  geystlichen  erifierteu.  vff  das 
sie  nit  viel  37  lautere  Christenlichem  38  etzlicher 
ich  Standts  vnterfangö  39  R. :  4Jn  uuas  farh  [färb]  Hutten 
kommen.' 

407 30  dan      emßigklicher      gramschafft  hefftige 

21  gegenwärtiger      solt      mich       b&pstliche  gefengnuß 

22  öffentliche     bin  auch     7?. :  'Vuie  hutten  geuuarnet' 

23  keynes     gedeck    24  ermorden.  Vn       ich    gleich  inn 

25  wol  vnd  sich  26  sye  sie  offenbaren  ge-gedörffen, 
So  27  durch?  wes  vfl  28  geschehenu  ich  inn  da 
hoffe  des  R. :  'Yuas  Hütte  am  .K.  hoff  begegnet'  29  groß- 
machtigsten vnsers  gnadigsten  herre  Künig  Carolus  meyner 
halbenn  30  verharrete,  ist  vonn  bekante  ich  des  31  ge- 
schehe wol  mein  von  32  an  de  das  33  anderß, 
dann  vorkommen  34  in  vnnd  sache  35  nitt  vnd 
36  ich  nit  eyletes  danne  37  nit  mir  naehgestalt 
88  warheit     Sonder     gfttte    39  lebt"     ytzo      nit  ich 

408 20  ich   Ii. :   'Yon  vuem  er   färbe  zu  gevuarten' 
21  ich     dene     geschafften     außen     eine   22  wolle  zu  nit 
23  grüntlich     ich    24  auffgezogen,  seind      die  offetlich  Ii.  : 
*Leo  der  bapst.'  25  alle      bapst  26  auff    vnd     vcruolge.  Vn 
da  ich    27  Mentz  kommen,  haben    gütte    vnd  entpfangenn 
23  zükunfft    gefreüdt,  vnd      ich      sie     29  mann    30  de 
sie      ein     lebe  v'zagt    31  fürchtend    geschehenn    diß  mol 
32  daselbst    erfaren.   Da  ich  vortet  Ii.  :  'vuie  der  bapst  hutten 
gefange  gen  Rom  forderet1    33  botten     güten    gereyset,  an- 
zeygend    3*  vnnd  botschafften,  vonn  etlichen  35  dene  füge 
gebotte    ge  36  vö    groste    37  haben    angeheckter    36  von 
geschäche     früud     halten,  sonder  R. :  4Huttes    frund  vnd 
gunder.*    519  sein      von    wedc      mär     uußgebroche  ist. 


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144 


409 20  vnd  verwädt  von  21  kleinmütigen  vnnd  er- 
schrockenen als  22  kau  niderlandt  zü  23  geschickte, 
ytzo  Römisch.  B. :  'Des  Bapstes  Orator.'  24  allehalbe  reych 
anzügreyffen  bekommen  25  de  gewalt,  vber  'mich  zft 
dergleychen  26  erschröcklichen  warnunge  vfi  nach  seit- 
mal wz  27  vorhie  ytzo  28  fürnemen,  zü  gemeine  29  vatter- 
Ifids  rechte  vnd  waren  geystlicheyt  30  habe  niemäts 
schelten  31  nöten  yderraä  warheyt  pflegen  wollte,  be- 
zeugt werden  82  vmb  willen  der  B. :  Sruas  Hutten 
unrath  hirrausz  entstet/  83  züforchten  od1  weyß  34  fürst- 
liehen hofeu  hab,  noch  herren  fründeu  diene  mag, 
vfi  35  dz  scheuung  (Jurtisanen,  deren  allen  orte  36  vfi  on 
zweyfel  dem  Bapst  37  offeulicheu  entschlagen  38  gc- 
schweyge  sonder  dere  irem  mißleben  leyden  39  war- 
heit      außgeben     wil  ich  der  selbigen  leüt  vnd 

410 20  entweyche    gemeinen    vnd  öffentlichen  21  dz 
bezeügung  B. :  'Huttes  vueyter  vuorsatz.'    22  d'  warheyt 
gezogen  werden  sollenn    vö  beschirmung  freyheit    23  vatter- 
läds    förchte   dä  züthtin  24  vorlange    allem  vuderstanden 
früntliehe  vermanungen  nit  do]|hin  bringen  B.:  'Hurtes  fllnttes] 
frütlich  vuormanung/    25  dinng      warheyt  vfi  vatterlands 
entgegen    26  zülest    27  leüte       hanthabeu,  vnd    27  vatter- 
lands vorfechten  helffe    meinem    lebe  behalte  29  d'  gantze 
betraeht      die    30  Christeu liehe      vortruckten      leid  vft 
B. :  'die  Christelich  vuarheit'    31  selbige      mit  zeytt 
onu      vü  naehteil    32  vnsers      verpledt  abwüscheten 
dz  joch  so  etwan    33  vnßerin  herre      vü      aufgelegt  vö 
B. :   'Vntertruekung    christlicher    freyheit.'     ?3  angezeigt? 
34  gorsser  bitterkayt    vü    abwerfen,  vn  ausschlügen    35  vnnd 
schädlichen      teütsche    36  vü  vndertruekt  gewest,  hinlegten, 
vfi  widerbrachtenn    freyheit,  welche  gott  37  seine  miltiglich 
Bapst    vufrüutlieh    38  vn    außgctilget  habe    selbigen  39  ich 
vmbgeben       nachtrachtunge,  getribi»      veruolgüg  werd  ge- 
zwungen' 

411  19  beim    yederman    ratt   20  vfi    züschryen  wes 
bit     Gnedigen   21  herre  vfi    gemeyne  teüsche     ich  Euch 
B. :  'AnrufTung  teuscher  nation/   22  ich.  Wolt  ir  vßtreybenn 


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KLAOÖCURIFT  AN  ALLE  DEUTSCHEN 


145 


verdinten:  Wolt  ir     vnschuldigen  ^peynigc?  .  vö  eüch 
dz    einem  24  heymische"  vn  lands  25  teüschen    frembde  auß- 
ledern    vft    erzeigt  habii.  R. :  'Miltigkeyt  der  teuschen  vö  alte" 
her.'  26  dz    ir    verliessent,  ich  bezwungen    27  vnnd  rüffen 
sond'    28  vnd     meiner  widerwertigc  vberfalle    rechlich  R. : 
'Das  er  wider  recht  vorgewaltiget'    29  ersucht,  sonder  mitt 
mutwilligen  grymm  meyne  feindt  R. :  'Ermanung  durch  der 
tauschen  er  vnd  tugent.'   30  vnd     teüschenn     vnd  manheyt 
31  vnd    teüschc,  beschirmen   do      hatt  52  eüch     Da  in 
Römische      vö  R. :  'Das  er  dises  vm  aller  teutschen  vnnd 
Christen  willen  leyde.'    33  wolle      vatterlandt  gemeinem 
nutz  wende      dz      mit    84  ien  meine  harte  vft  schwären 
vil      gcgefel    35  widerwertigkeyt      glückes  gesucht  et- 
worben  hab.  darum  36  vnd  breyt    vil  muhe  gehabt   37  ein 
vnd       getragenn       vill  jare  eilend 

412  16  vfi  meinen  blüenden  jaren  17  vnnd  vatter- 
lands  jnen  gezoge.  Desto  mer  R.:  'Begert  seyner  dienst 
zu  geniessen.'  18  dienste  Ynud  ir  entpfahen  19  lassen, 
aliein  vff  dienst  haben  20  ye  zü  das  wiewol  nic- 
niants  nyemants  R. :  4Das  er  nie  beklagt  oder  hört  sey.' 
21  hat  vor  vnd  nie  keyne  missethat  23  werde,  vnnd 
nymmer  fügen  mich  vnuerhört  24  ertotte  wiewol  teüt- 
achen  vnnd  25  vbelthat  ob  die  ich  oder  betrieben  26  ge- 
floge  vber  alles,  zü  spot  vnd  eyner  frembden  ober- 
keyt  27  werden  all  wegen  vnd  bit  euch.  Wo  R. :  'Er- 
beut [Erdeut]  sich  zu  recht  vor  [von]  K.M.'  28schreybens 
trüg=  vnd  des  halben  29  wolt  de  meynem  natür- 
lichen, einigen,  vnd  30  herre  M.  vnd  vn  R. :  "vuas 
er  am  fordeste  hirin  forchte.'  31  werden  vmb  wille 
dat  got  32  willen  fürnemeu  nah,  vmbrächte  meinem 
33  erdichten  meinenthalbcu  od'  R. :  'Bit  durch  seyner  früt- 
schaft  uuillen.'  31  od'  früntschafft  hierin  verschonen  selbige 
vnd  35  angehangen  bitten  eüch  zü  gleych  mitt  mir,  vnder- 
thänigklich  86  meyne  betrübt«"  vnnd  37  jhenen  eereu 
vnnd  güunen  ritter  vnnd  R. :  'Ernianung  [Ermunuug] 
seynes  uerdiensts.'  38  eüch      schrifft  gemeiner 

413 17  Natiö  eüch   beuolhen  18vnsers   preyß   vber  er- 
barmen 19vonn  R. :  'Beuuegungzu  barmhertzigkeyt.'  20  vnnd 

<^.F.  LXV1I.  10 


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146 


NACHLESE. 


werden  vonn  meyncr  geburt  empfange?  21  früntlieh 
22  hab,  mein  wonüg  verlassen,  die  heymischen  herdtstatt 
vnnd     vnd  23  dz    elled     doselbst     lebe,  söd'  grausame 

24  marter  schantlich       sterben  abgenome      werde?  TIeliFt 

25  frömen  betrangten  vfi  binde  d'  26  eüch  wol- 
le meyner  feinden  R. :  'Der  Bepst  ungcburlich  [ungebut- 
lich]  geuualt/  27  jaren  28  meinem  leben  schaden  dienstes, 
der  viileicht  29  widergeltung  zü  v'hoffen.  ontschütz  der 
erkant  R. :  'Bit  gege"  auszlendisehc  gewalt  enthalten  werden/ 
30  vnder  eüch  gestrafft  solt  werden)  gegen  vßlendigeu  land- 
sleüt,  als  31  willen  vngebürliche  vnformliche  32  vfi  gewalt- 
sam. Dan  33  gebaren  vm  dan  wid' wertigen  gezimen. 
Wie  dan  34  werde  dz  keynes  keyner  od'  vnd 
35  rede  danoch  36  waffe  wirt,  vnd  37  hertzen  ethit- 
ziget,  iren  äugen  ein  R. :  'Grimikeyt  seyner  feind.'  38  ymät 
vubärhertzig  disses 

414  20  weyne  bewegt.  0  almechtiger     der  all  din 
rechfertige  R. :  'Anruffung  gottos.'    21  dissen  wenden 
teüschen       mich  ewern  landßman,  vnd  vnschuldigö    22  vin 
willen  krigende,  seit  mol       eüch    23  antrifft.  Dan  schein 
wz  nachürteil     verdänuug  volgen  mögen  R.:  'Dz  disze  sach 
alle  teutschen  in  gemein  betreffe/    24  hierumb  verhüttet, 
das  disses     weyter  bei  eüch     meinro    verderbög    25  todj 
nor  d     gefecknüß  26  erkennet       wo  hin  it       Manu  schul- 
diget R. :  'Das  er  vmb  seyne  woltat  ueruolgt  werde.'  27  deckt 
sttaffen    wetd  28het    meuschenn  geletzt  vorgenommen, sonder 
vmb  das      zü  hilff   29  kummen      Nimant     Hüten  ymät 
30  schade    v'gwaltigen    31  zü  hilff  komme.  So      nit  schuld 
gebe    eyn  newes  feür  R. :  'Das  er  allein  de  romische  geytz 
entgegen  gewest  sey.'  32sünder     vnnd     werden  33  vmb 
brennenden       Lconischß]  Römischen  34  verderbung  vnd'- 
stauden  33  zü  gemessen,  sonder      eberkait  entgelten.  Kein 
sendet  R. :  'ermät  al  teutschen  durch  ire  redlichkeyt.'  36  trew 
teütschc,  verbeugt  nitt    37  überwinden       nitt  fechteu. 
Lassendt     vndertrucke,  denen    38  eüch     vndertruckte  vn 

415  19  Vfl  dz  eüch  weitter  ermäe  dz  R. :  'Bit 
vm  recht'  20  keine  v'sagt  eüch  erwerben  vnd 
21  kommen      gewonheyt,  Afi      22  vnbeschüldigte  vfi 


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Klagschrift  an  alle  deutschen. 


147 


meschen      vö  28  minste  zü  döte,  od'       eine    24  vn  er- 
kent     ma  eim     armen    25  R. :  'Das  er  kein  schevu  ab  de 
rechten  hab/  26  überwinden     krieg?  27  wolt.  wiewol  28  dann 
vonn     vertrau  wen  29  vorzagen,  dan      got     dz  R. :  'IToff- 
niig  zu  got/  30  verzucke,  wo  31  habenu     vmb  geben  vn 
boßwilliger  leüt  hat       warte  R. :  'Der  Bapst  Leo/    32  be- 
reyt        abwenden  R.:  'Die  Curtisanen/    33  vnnd  er- 
strewen       iagende        vn  dem  scharpffen     35  Bapstes 
breunende    3fi  würt      vngestümmigklich      getriben  von 
37  sicherheyt     zeyt     von      Curtisanen,  38  vnnd  selbigen 
39  gütt        schmertze        angefochten  40  vnd  verhinderten 
practikr     veruolgen  zweyfel 

416  18  leben  got  eüch  meinen thalben  19  on,  red 
vnnd  seine  20  habe  teütscli  Nation  denken  sye  all,  die 
2  Heimlichkeit  habe  zä  dz  teütschen  leide?  ire  ^hoch- 
fertigen  mütwille  entgegen  werden?  Vnd  dz  ver- 
stannd  haben  R. :  'Von  wem  er  voruolgt  werd/  23  nach- 
stelle, das  vn  24  vf>  geschriffte  25  vnnd  hett  2fi  gebe 
hilff,  radt  vnd  27  de  geschunden  R.:  'Beschwerüg 
teutscher  Nation/  28meinne  verflücht  symoneischen  v'haste, 
23  schädtliche  haben  daruß  vnd  v'spotett  R. :  Tuas  ubels 
von  Curtisanen  komm/  30  warheyt  teütsche  vnd  be- 
raubüg  31  vnnd  sonder  von  32  bringe  gemeine  site 
v'kert  vn  geergt  Dan  dienner  33  schattier  Bapst 
den  R. :  'Das  desz  bapst  macht  durch  die  curtisane  erhalte 
werde.'  34  on  komme  verhoffen  hendlen  vfi  35  aber- 
glaub, vnd  außgeschlossen.  Durch  R. :  'Bapstlich  gesatz/ 
36  feindt  worden  dz  sie  warhafftige  Euangelischcn  B"  ge- 
schrifft  des       vnd       gesetzt      gewin  eyge" 

417  20  habe      attze      Roinischen  geschlundt,  vn 

de  vnersätlichen  R.:  'Romisch  geltschlüd  vnnd  geytzworm/ 

21  geytzworm     v&tterlichen  gütter     vnnd  von  widerumb 

22  gütter      do  hin      dz  23  angelegtt     dan      auff  knupffen 
möge.  R. :  'Curtisanen  des  Bapstes  iager/  24  vatterlands  ge- 
bore, diß      deß  Römischen    25  selbigen  fresserey  jagen 
jagen     züuil.  dä   26  sollicher     vnersetlich     äugen  teüt- 
schen, vn    27  eüch     beraubt      frebde  lade     brlg  vö 
nieinste    28  nachteil,  vnnd        Nept        schalkhafftige  an- 

10* 


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148 


Nachlese. 


laß  29  kremer  der,  schedliche  kaufflcüt  die  euch  dispen- 
sation  vn  R. :  'Aplas  Krämer.'  80  die  kauffmäschatz 
geistliche  heiige  d'  31  daruß  etwan  vfl  nur  vn 
R. :  'KaufFmanschatz  in  der  Kirche  gotes'  32  vfl  kunstreiche 
83  gesehyden  vö  dene  herküptt  verdrucküg  gefenck- 
nuß  R. :  Svas  die  Romanisten  wider  Hutten  beweg.'  34  läds 
verhindernüß  vnrüig,  vfl  5  vn  vm  andern  willen, 
dau  vßgebenn  ™  schäd  rauborey  gewest,  irer  vmbarm- 
hertzige  vcthinderuüß  37  gewin  entzogen  Ii. :  'Dz  er  bisz- 
her  vffrur  vermitte  hab  vnd  darüb  latiu  gescribe' 

418  14  zügange     v'mitte    15  geben.  Vn  mercktet 
vmkerung  16  geystliche     das     mißleben  vn    17  heTlich  jro 
gebrechen  angezeigßd.  Dan  wie  wol  18  füg,  vfl     dan  de 
19  hauffe       oflfebare.  Die  weil     ytzo  syeh,  dz  sie  nit  allein 
durch  R. :  'Vuas  er  nun  vorter  gedencke.'  20  v'manüg 
bekere     send'  auch  gegg  brüd'licher  getrewer  v'manüg,  mor- 
derey  vfl  21  wil     dänoch    gegen     vornemenn  22  vnd  23  be- 
werben, vfl     jr    24  enthalten     Dan  R. :  'Bitt  allein  vorthin 
zu  enthalt  werden.'  25  vrsachen  gegeben,  wil     dz     jre  werde 
26  das    hinfür     od' yemants  für  zäneme     weißen,  27  welehs 
achten,  dz     schö      vm  eüch     snch  2S  euch  erlangen  nirt, 
dz     die  also  zä  hertze  nemet  R. :  'Bit  man  wol  seyn  sach 
behertzigen'.  29  auge      her  nach  eüch      an  zü  süche  nicht 
30  notte     werde     mall  meyner     begirde  31  sacheuu  cü- 
wercun  troüenu,  Genadonn     günsteun,  als  32  anhengeren 
Euaugelischenu  warheit     gerechtigkeit  33  vatterläds  frey- 
hoit,  vfl     schänden,  vnd  laster  versieh  34  vö  vutertänigklich 
vnd  freüntlich    3*'  meinem  vermögen      Geben  bis  xx  om. 

419  9  Über  SEitmal  etc. :  Beschluß  red.  SEitmal    dz  R.  ; 
4Vuie  seine  bucher  ubel  auszgelegt  worden.'     10  außlegen, 
vnnd  anderß,  dan     sebs  verstände  11  werden  verteütscheu, 
do  mit      dä     vnd    12  man     vnnd    13  Komanisten  oben- 
angezeigter     zu  veruolgen    14  hab     fürgenomme  alle  7?.  : 
'Gcdäck  alle  seyne  sehrifft  zuuor  teutschen  lassen/    15  vfl 
darinnen  dan    uünn    sych    seinnes  gefallens  nitt  ,6teütsche 
schicke     17  transferieren  vfl        Dan      trag      sonde=  R.  : 
'Vuil  dasz  ydermä  wisz  wz  er  geschriben.'    18  welche=  |  es 
darüb  tantzen     19  zweiffei      gsehrifftg       kommen  dan 


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SPEN<iI/ER  AN  l'IKKHEIMER. 


140 


20  geschcen      anderß  nitt,  dan  erbarlichen,  cerliehen  21  vo 
notdrufft    22  zuor  anzeige  vfi  v'kftnde  wollen       Virich  bis 
supra  om. 

LH.  W.  Ind.  bil.  XXXI,  A,  a.  j 


TV. 

Nürnberg.  11.  Nov.  1520. 

Lazarus  Spengler  an  Wilibald  Pirkheimer. 

—  —  Jch  main,  vnser  Huttenus,  der  sein  lateinisch  con- 
question  geteutscht  auch  hat  lassen  außgeen,  sollt  noch  ain 
Heltzam  vnfursehen  spil  zurichten.  Jch  waiß  in  Gehaimd  durch 
ain  vertrauten  freund,  das  er  sich  bey  etwouil  fursten  vnd 
denen  vom  Adel  wider  alle  Babstischen  vnd  Curtisan  hoch 
beworben  hat,  so  hat  er  ainen  den  Jr  auch  kennt,  der  reit 
heimlich  vmb,  dieselben  Romanisten  außzuspehen,  lasse  vider, 
wir  wollen  zusehen.  -  -  Jch  hab  Huttenus  buchlein  herru 
Ti.  Adelmann,  der  mir  darnach  geschriben,  zustundt  zu- 
geschickt. Will  Euch  in  kurtz  wol  ain  anders  zuwegen 
bringen.  —  — 

|  J.  B.  Biederer,  Nachrichten  zur  Kirchen-  Gelehrten-  und  Bucher- 
geschiohte,  AUdorf  1765.    2,  190  f.] 


V. 

Nürnberg.  26.  Nov.  1520. 

Lazarus  Spengler  an  Wilibald  Pirkheimer. 

 Mir  sind  zwai  puchlein  zu  kommen,  gedruckt  latein 

vnd  teutsch,  so  Virich  von  Hutten  gemacht  vnd  den  Titel  ge- 
geben hat:  Vlrici  Hutteni  ad  Carolum  Tmperatorem  aduersus 
intentatam  sibi  a  Romanistis  uim  et  iniuriam  conquestio.  Eius- 
dem  ad  prineipes  et  uiros  (iermanie  de  eadem  re  conquestio. 
Darinn  keert  er  dem  Bapst  vnd  gaistlichen,  zuuor  im  teutschen, 
also  grob  ab,  das  Luther  noch  ain  heilig  dabey  ist.  Vnd 
wann  vns  gott  auß  dem  spil  einmal  hülff,  wolt  wir  dem  neben 


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150 


NACHLKSE. 


au  (lern  auch  lang  hclffen  zu  scheu.  Aber  wir  müssen  dauuoehr 
auch  sehen,  wie  wir  herauB  kommen.    ■—  ~- 

Ricdercr  a.  n.  O.  S.  188  f.] 


VI. 

Nürnberg.  5.  TVe.  1520. 

Lazarus  Spengler  an  Wilibald  l'irkheimer. 

  Huttens  püehlein  durfft  Jr  mir  nit  mer  schicken, 

dann  ich  hab  aiu  anders  vberkomen.  —  — 

[Ricderer,  a.  a.  0.  S.  li)0.| 


VIII. 

Ebernburg.  9.  Doe.  I  520. 

Ulrich  von  Hutten  an  Martin  Luther. 
(Lesarten  zu  H.  W.  I,  435  ff.» 

435  1  Divini  Verbi  prwconi  5  Ulrichus  Hnttenus  Martino 
LUTHERO.  Sal.  6fueris  si  meas.  Ita  7  Jides.  dum  8  qvis- 
qve  (und  so  stets  qv  statt  qu)  lmprimis  9  est,  adver  sari 
Pontifici  10  Sceleratissimus  sit  10  tarnen  neque  12  coegerant, 
qvi  Uli,  qvo3  13  nnnqvam  arbitror  Scripsisti,  persvuaserant 
14  mei,  id  15  Adversariis  17  facultate  reddidi  negotium, 
paulo  t 18  vidit,  qvo  fundamento,  qvam  heec  audet,  ait,  qvis- 
piam  convellere,  aut  si  ausit,  poterit?  20  animum.  Ädeo 
jam  22  judicii  23  Tum  aeeipit,  efferendi  amplificandi? 
24  adsertorem,  et  25  sunt,  qvi  illum  conentur  magno 
adsidue  opere.  Sed  26  Scio.  Ita  29  adßrmans.  Nam  Pra>~ 
terea  Beipubl.  31  LUTHE RE.  436 1  fecerim.  Sed  2  me 
tanto  4  caussain  *  promisit,  non  H  agitur  ut  7  Existimant 
8  #W0'/;  videbimus  confirma,  et  9  partim.  Habet  11  ifiaw, 
<?w  12  est.  Qvanqvam  Pfändern  quid  m  muH  um.  Sed  opor- 
Urne  17  bullam  deeimi  a  me  qvantum  CHRISTUM  xs  potuit 
Sugillatam  Ajunt  19  vidi,  qvam  alia,  qva?  20  miror  ad 
22  arbitror,  non  inurbana.  Qvem  fuerit  aeeipies  statim. 
Simul    24  incendium,  versibm  latinis  et  germanicis.  Utrosqm 


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HUTTEX  AN  LUTHER.  —  CONZ  LEFFEL. 


151 


initto.  J teilt  -6  plectar.  Ita  me.  Qood  27  judicet,  qcid  Bei- 
puhlicae  ^oporteat.  Uli  jam  damnatum  me  pronunciaverunt. 
Sed  29  deo,  qvos  3,1  tum?  Igitur  homines?  Imo  vero  tibi 
LUTHERE,  32  profuit,  unam  curare.  Qvinetiam  33  Ale- 
ander  amici  34  edere}  satis.  4H7  1  complexus.  Ut  4  Scrip- 
seram,  Principis  5  perscriberet.  Scire  cupio,  qvid  6  sit,  non 
tibi,  jam  hoc  habere  cognitum  enim  videor,  Sed  iis  etiam,  qvi 
7  colent.  Qcod  8  te.  Nescis  9  velit,  cel  11  vos.  Nam  13  cele- 
riter.  Nam  :4  jubetque  15  vale  f rater  16  optime  ex  Idns. 
decembr.  18  PSct.  om.  19  describantur :  "Per  notorium.  A  in 
Rande:  crassiore  calamo  20  propediem,  ita  vocanti  Fran- 
cisco.   Am  Rande:  nigriore  atramentu. 

[Cod.  lat.  Mon.  2106.  Abschrift  des  XVII.  Jhrts.,  der,  wie  aus  den  Be- 
merkungen des  Abschreibers  über  Tinte  und  Feder  hervorgeht,  das 

Original  zu  Grunde  liegt.] 


IX. 

Conz  Leffcl. 

Ain  hüpsch  new  lied 
vnd  ist  in  dem  thon 
Von  erst  so  wöll  mir  loben  Maria  die  rayne  mayd. 

Gott  wöll  das  werd  gebrochen 

der  Bischoff  Übermut 

es  bleybt  nit  vngerochen 

jr  werden  Christen  gut 

sv  thond  vns  vil  vertreyben 

die  vns  recht  warheit  schreyben 

sie  lassen  keinen  beleyben 

das  mag  sie  helffen  nicht 

als  Virich  von  Hutten  spricht. 

[A.  a.  0.  Strophe  6.] 


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152 


NACHLESE. 


X. 

Thomas  Murncr. 
Von  dem  teutschen  adel. 

Vnd  wil  mich  kurtz  abfertigen  in  allen  dg  stucken  dy 
vnsern  glauben  nit  beriere,  vn  in  der  taden  stond,  vn  nie  in 
de"  rechten  dau  ob  das  oder  diß  güt  sei,  wil  me  in  erfarener 
fürsichtikeit  ermessen  werde,  dan  in  büchlin  verschriben. 
Darumb  laß  ich  das  die  hochuerstendigen  vfl  die  obcrkeit 
vnsers  glaubens  verordenen,  welcher  sache  sich  die  Offitiel 
sollen  vndcrzieheu,  od'  ob  ein  gemein  consistorium  in  tütschen 
lande  sol  vff  gerichtet  werden,  vn  kein  Curtisan  die  priester 
laß  citioren,  die  vor  behaltenen  Casus  vnnd  feil  ab  zü  thün, 
auch  die  Bäpliche  vorbehaltung,  dz  der  bapst  offitia  vnd 
sein  hoffgesinde  miudre,  die  v'pflichtüg  in  eids  krafft  nit 
me  besehehe  sollent.    Das  der  bapst  vber  den  Keiscr  kein 
gewalt  habe,  Der  keiser  im  auch  nit  sol  schuldig  sein  zü 
hulde.  Der  bapst  allein  geistliche  vn  nit  weltliche  empter  vollen- 
bnge,  vnd  ob  die  gab  Cöstantini  falsch  sey,  das  er  Sicilie 
vnd  Neapolis  nit  sol  lehenher  sein,  im  seine  fieß  nit  sollen 
geküsset  werden,  die  walfarten  gen  Rom  ab  sollen  gestellet 
werdß,  ettlich  clöstcr  abdieg,  die  münch  nit  mer  predigen 
vn  beichthören  solten ,  nit  so  mancherley  orden  seient  die 
gilüpt  der  geistliche  ab  sey,  dz  die  priester  möge  ee  weiber 
nemen,  das  interdict  abgethon  werde,  vfl  den  ban  nit  miß- 
bruchen,  kirchweihüg,  fil  feirtag,  vft  fastag,  feltkirchen  vnder- 
thün,  vfl  deren  gleiche  fil,  so  du  in  langer  ordenüg  mit  leren 
worten  allein  vnd  on  alle  gelchrifft  an  tag  bringst  vnd  ofFen- 
lichen  beklagest,  welche  beklage  beschwerden,  vfl  mißbruch 
der  christliche  kirchen  vor  dir  noch  von  andren  mer  treffen- 
licher  seint  geklaget  worden  in  Aluaro  in  dem  büch  von  dem 
truren  der  kirchen,  vfl  in  dem  büch  Speculum  humane  vite 
genant,  vnd  von  Erasmo  Roterodamo  in  seiner  Moria,  vnd  in 
dem  biechlin  das  man  nennet  de  Petro  saneto  et  Julio  sanc- 
tissimo,  vnd  in  filen  Pasquillis,  in  Triade  romana,  vnd  fil 
andren  mer,  wie  wol  ettlichs  schmachbiechlin  mögen  erachtet 
werden,  vnd  ist  dennocht  alles  vngebesseret  biß  har  also 
beliben. 

|'A.  a.  O.  F  4b-G  1  r.J 


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TU.  MURNKR.  —  ULRICH  AN  DIE  FAMIUK  VON  HUTTEN.  15.3 


XI. 

Ebernburg.  8.  Jan.  1521. 

Ulrich  von  Hutten  an  die  Familie  von  Hutten. 

Mevnen  freuntlichen  dinst  zu  vor  lieben  herren  vnd 
vetern.  Vormals  hab  ich  euch  meynes  handels  halben,  den 
bapst  vnd  seyne  Curtisanen  betreffend,  geschrieben,  welher 
maß  ich  von  den  selbigen  vorgwaltiget,  angezceygt,  ewere  rat 
vnd  hilff  in  dem  angesucht,  vnd  gebeten,  mir  vff  sollichs  meyn 
ansuchen,  eyn  schrifftlich  antwort,  darauß  zu  vorstehen,  weß 
ich  mich  in  disscr  sachen  zu  euch  vorsehen  solle,  zu  geben. 
Seyt  mal  nün  meyn  bruder  Lorentz  nchst  selbs  bey  ewer 
eyns  teyls  gewest,  vnd  mir  doch  keyn  antwort  weder  durch 
jnn  noch  andere,  von  euch  biß  her  zu  körnen,  ist  nochmals 
an  euch  meyn  dinstlich  bite,  jr  wollet,  mir  vff  das  förderlichst 
zu  vorstehen  geben,  was  ich  in  angezceygter  sach  hilff  vnd 
rat,  zu  euch  als  meyneu  vetern  vnd  freunden  zu  gewarton. 
Das  wil  ich  also  von  euch  besehenen,  alezeyt  vmb  euch 
sampt  vnd  sonder  zu  vorthieneu  willig  vnd  gefliessen  gefunden 
werden  Hirmit  alle  got  beuolheu.  Dat^  zu  Ebernburgk  vff 
den  achten  den  heyligen  dreykünig  jm  jar  nach  xvu  dem  xxj. 
meyn  handt. 

Virich  vom  Hutten  jc. 

Dennc  Strengen  Vnd  ErnVesten  Hern  fröbin  vnd 
hern  Ludwige  rittern  friderichen  ditherichen  Bern- 
hart^  2G  vnd  allen  andern  dcß  geschlechtes  vom 
Hutten  meyne  f^  lieben  herren  vnd  vetern  Sampt 

vnd  sonderlich. 

[Huttens  eigene  Handschrift.    Archiv  zu  Birkenfeld.] 


XII 

Ebernburg.  8.  Jan.  1521. 

Franz  von  Sickingen  an  Robert  von  der  Mark. 

Wolgeborner  g^  her  euern  gnaden  sein  mein  gantz  willig 
dinst  mit  vleys  selbs  vormogens  zuuor  bereyt  her  Virich  vom 
Hutten  ein  frenckichser  hoch  erfarner  vnd  gelerter  edelman 
durch  Theuthchs  vnd  welchs  nacion  berumet  stett  mit  den 
Romischen  Curtizanen  jn  Jrrung  vnd  fare  von  wegen  etlichen 


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154 


NACHLESE. 


schrifften  die  er  gemeinen  geistlichen  standt  besonder  Thenther 
vnd  andern  naciou  mit  entdeckung  der  warheit  zu  ere  nutz 
vnd  gutten  ansehen  lassen  hat  vnd  ßo  er  bej  etlichen  geist- 
lichen vnd  weltlichen  furstcn  vorschoben  ist  vnd  geobert 
wurt  mag  sich  begeben  das  er  ader  sein  frantschafft  von  des 
selben  wegen  den  Curtizaue  jn  vhedt  ader  tetlicli  handelung 
komen  mochten  Szo  mir  aber  die  weill  ich  noch  Komischer 
Keyr  Matt  vnsers  aller  genedigsten  herrn  diner  bin  des  solch s 
vileicht  zu  mißfallen  rechen  mocht  selbst  enthalt  zur  tadt  zu 
geben  nit  gebureu  will  vnd  ich  dan  mir  seines  herkomens 
furtreffenter  kunst  vnd  offenbarer  der  warheit  antzeig  halb 
die  er  wider  der  Roinischen  Curtizanen  practicken  vner- 
schrockenlich  thutt  zu  aller  forderung  geneigt  bin  bit  ich 
euer  g^  mit  sonderm  vleis  ob  sein  herrn  Virichs  frantschafft 
ichtz  mit  vhedt  vnd  der  tadt  durch  name  gefengnus  ader 
anders  wes  ßie  jne  einem  euern  gnad^  oder  der  Sone  heuser 
wie  euer  gnad  gcuellich  gewise  offenus  vnd  enthalt  hetten 
were  dan  eynicher  dem  euer  gnad  gut»  gunt  der  gegen  ymante 
Jhener  seitten  enthalts  begerdt  sollen  e  g^  mein  vnd  meiner 
heuser  jn  dem  widermechtig  sein  vnd  wollen  sich  hirjnne  mir 
zu  genedig^  gefallen  gutwillig  beweisen  vnd  mich  hirauff 
gemuts  eigentlich  vorstentigen  Herrn  Ylrichen  vnd  seiner 
frantschafft  an  czu  zeigen  darnach  zu  richten  wissen  das  will 
ich  vmb  die  selb  e  g^  die  mir  schaff  zu  gebietten  mit  allem 
vleis  gutwillich  vordinen. 

Dat^  dinstagk  nach  der  heiligen  drey  konig  tagk  Anno 
ac  jm  xxj 

Gantz  dinstwilliger 

Franciscus  von  Sickingen 

Auch  g^  her  die  weill  e  g^  Sone  mein  her  von  Brenne 
mit  dem  Ronlichen  Königs  halb  jn  jrrung  hat  also  das  sie 
bede  vhast  gleich  jn  anstandt  stehn  hab  ich  bedacht  ob 
euer  g^  juem  des  endts  enthalt  verschaff^  dat^  vt  jn  Irls. 
[Abschrift  des  XVI.  Jhrts.    Archiv  zu  ßirkenfeld.j 


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SICKINUEN  AN  MARK.  —  MARK  AN  SICKINGEN.  155 

XTTT. 

Jamiens.  13.  Jan.  1521. 

Rupricht  von  der  margk  je  Frantzen  von  Sigking^ 

Lieber  frantz  ich  sag  euch  ein  grus  vom  hertzen  vud  guts 
so  vill  ich  vormagk  ich  hab  euern  briffe  mir  geschriben  vor- 
lesen vnd  vorstanden  des  edelmans  halben  den  jr  mir  schreibt 
jn  euer  landt  art  nit  woll  sicher  sein  welche  zeit  nuu  der 
selbig  von  euch  geschickt  zu  mir  komen  wurdt  er  mir  wil- 
kome  sein  vnd  genem  ich  hab  auch  meine  amptmann  zu 
florgingen  Johan  lepage  bcuolcn  wen  er  kumpt  jm  ein  czu 
lassen  vnd  furter  jn  meine  heuser  füren  jme  die  wale  geben 
wue  er  meint  am  basten  zu  sein  er  wurdt  auch  mein  haus 
frauen  zu  florgingen  finden  jr  mocht  jnc  frey  vertrösten  das 
er  bej  mir  vor  dem  Bapst  vnd  seinen  Cardinalen  sicher  sein 
soll  vnd  wolt  er  mocht  ein  halb^  Schilling  Cardinalu  gefangen 
mit  jme  brenge  dar  zu  wolt  jeh  jme  gern  heln\_  dan  ich  wolt 
mir  gar  kein  gewissen  darvber  machen  ob  ich  den  leinten 
vill  abnemen  oder  zu  leidt  thun  mocht  weitter  mocht  jr  jme 
auch  zu  sage  von  meinet  weg^  das  keiu  fürst  ist  er  sein 
werbe  er  woll  der  jme  leidts  zu  fugen  wolt  ich  sey  jme  hilff 
vnd  beistentig  zu  thun  bereyt  vnd  jne  zu  beschirmen  Szo 
lang  ich  mein  heuser  weren  wiewoll  jr  on  das  wist  das  euch 
alwegen  hieuar  mein  heuser  offen  gewest  sollen  auch  hernach 
sein  [art]  vnd  mit  allen  euch  sonder  auch  allen  den  jhennen 
für  die  mein  hilff  vnd  beistandt  begerendt  ob  jm  schon  jntzunt 
kein  herrn  hab  Szo  will  ich  doch  nit  vntt erwogen  lassen 
auch  alleczeit  wo  mit  ich  vermagk  zu  dienen  warvmb  ich 
dem  keyser  mein  dinst  hab  auff  geschriben  vnd  wie  ich  von 
dem  abgeschied^  sey  will  ich  euch  jn  einer  kurtz  vrsach  schrift- 
lich antzeigen  do  mit  jr  wo  sich  der  halb  etwan  redt  bej 
euch  begeben  die  warheit  do  von  sagen  mocht  der  andern 
Sachen  halb^  do  von  jr  mir  auch  gosehrib^  hab  ich  dem  hotten 
beuolen  euch  muntlich  berieht  zu  thun  ich  mag  leiden  das 
jr  euch  den  lutter  mit  dem  vom  Hutten  allezeit  zu  mir 
schicket  do  mit  ßie  einander  gut  geselschaft  mechten  Jme 
dem  vom  Hutten  hab  ich  ein  kurtze  schrifft  gethan  vmb  des 
willen  das  er  nicht  fruntzosichs  vorstehet  vnd  auch  das  ich 
sein  schrifft  die  er  mir  dan  vhast  zirlich  vnd  kunstlich  ge- 


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156 


NACHLESE. 


than  ßo  gruntlich  nit  hab  vorstehn  mögen  das  jeh  jrae  dar- 
aufF  genügsamen  antwort  het  geben  mog^  darvmb  wolt  mich 
bej  jnc  entschuldigen  vnd  jme  von  meinet  wegen  dancksagen 
das  er  sich  so  vill  guts  zu  mir  vorsiecht  vnd  mir  vortraudt 
das  er  jn  mein  heuser  begerdt  ich  weis  euch  merhe  nicht 
zu  schreiben  dan  got  gebe  euch  alles  das  euer  hertz  begerdt 
dat^  zu  Jamiens  am  xnj  tag  des 

[Abschrift  des  XVI.  Jhrts.    Archiv  zu  Birkenfeld.] 


XIV. 

Janiieiis.  13.  Jan.  1521. 

Hupricht  von  der  Margk  Vlrichcn  vom  Hutten 

Lieber  vom  Hutten  jeh  wünsch  euch  mein  frantlichen 
grus  vnd  wes  ich  guts  vormagk  jeh  hab  euer  schrifft  mir 
jntzun  gethan  vorlesen  vnd  die  meinüg  do  von  mir  auch  frantz 
schreibt  vorstanden  wolt  geren  das  ich  ßo  geleret  were  das 
ich  euer  schrifft  mit  gleichen  antworten  begegen  mocht  doch 
hab  ich  zu  czimlicher  mas  vorstanden  vnd  vormergkt  das  jr 
jn  euer  laut«  art  nicht  vhast  sicher  seyt  von  weg^_  viller  euer 
widerwertig^  der  halben  mocht  jr  frey  zu  mir  komen  dan  ich 
sag  euch  zu  das  jr  in  allen  meinen  heusern  sicherheyt  vnd 
offenüg  haben  solt  jeh  hab  auch  einen  meinem  diner  ge- 
nant Johan  lepage  den  frantz  woll  kendt  wo  jr  ghen  florging^ 
das  dan  vor  andern  meinen  heusern  dem  theutzchen  landt 
am  nechsten  gelegen  soll  er  euch  einlassen  vnd  ein  den  selbs 
ader  durch  andere  sol  er  euch  darnach  weitter  jn  andere 
mein  heuser  füren  das  jr  jn[ie]  welchem  euch  gcfeldt  sein 
moget  mocht  euch  kunlich  vortrosten  wz  ich  euch  lieb  vnd 
guts  thun  mag  das  ich  do  mit  vleis  thun  will  vch  vmb 
frantzen  willen  vnd  auch  euerm  gutten  gerucht  do  mit  er 
euch  dan  auch  selbst  hochlich  belobet  auch  vmb  des  willen 
das  jr  euch  solcher  gutte  zu  mir  vorsehen  habt  weitter  hab 
ich  frantzen  meine  meinüg  angetzeigt  von  dem  ir  acht  ich  . 
des  woll  bericht  werdet  merhe  weis  ich  euch  diß  mals  nit 
zu  schreib^  Sunder  got  gebe  euch  alles  was  jr  begerdt  Dat^ 
zu  Jamiens  am  xnj  tag  Januarij. 

[Abschrift  des  XVI.  Jhrts.  Archiv  zu  Birkenfeld.] 


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MARK  AK  Hl'TTES.  —  ULKICH  AN  BEKM1ARD  V.  HTTTEK.  157 


XV. 

Ebernburg.  19.  Jan.  1521. 

Ulrich  von  Hutten  an  Bernhard  von  Hutten. 

Meyue  freuntliehen  diust  vnnd  was  jch  libs  vnd  guttes 
vormagk  freuntlicher  lieber  veter  ewer  schreybeu  mir  nehst 
gethan,  hab  jch  vorlesen  vnd  vorstanden,  vnd  als  jr  nüch  vff 
ewer  dochtcr  hochzceyt  geladen,  war  ich  vorwar  wo  es  je  meyue 
gelegcnheyt  hett  mögeu  seyn,  von  hertzen  gern  selb«  kömen, 
die  weyl  sich  meyn  sachen  aber  also  halten,  das  jch  das  mal 
personlich  bey  euch  nit  erscheynen  mag,  so  schicke  jch  hie 
meyne  bruder  Loreutzen  von  meynet  wegen,  mit  euch  vnd 
ewer  fruntschafft  frolich  zu  seyn,  vnd  wünsche  ewer  dochter 
vnd  jrem  breutgam  glück  vnd  wolfart,  got  woll  seyn  guadt 
thün  das  sie  in  aller  Eynikeyt  vnd  guten  trewen  vnd  lieb 
bey  eynander,  vnd  lang  leben.  jc.  Lieber  veter  wie  jr  mir 
darneben  jn  eym  zcetelen  geschrieben,  ich  soll  selbs  körnen 
vnd  [ich]  mich  an  dem  ort  vmb  sehen,  das  wer  wol  gut 
gewest,  die  weyl  es  aber  nit  seyn  mag,  so  wist  jr  doch  selbs 
was  vor  mich  ist,  oder  nit,  vnd  zweyfel  nit  wo  jr  vnd  meyn 
baß  ewer  hausfraw  vff  das  mal  wölt  fleyß  thun,  jr  werd  wol 
etzwas  zu  wegen  bringen.  Vorsehe  mich  aber  zu  euch  jr 
werdet  es  thün.  Wie  es  der  Curtisanischen  sachen  halber 
stehe,  würt  euch  meyn  bruder  lorcntz  berichten.  Jch  vorsehe 
mich  nftu  mer  keyner  vorhör.  Dan  die  b&pstischen  vnd 
geystlichen  ligen  dem  keyser  also  jnn  oren,  das  er  nit  alleyn 
mich,  sonder  auch  andere,  an  den  jm  mer  gelegen  vbergibt 
das  jch  achte,  jm  zu  grosser  vordörbnüß  reyclien  werde.  Dan 
was  vou  redlichen  leuten  am  hof  ist,  auch  ander  fürsten,  vnd 
die  ecztwas  verstand,  haben  eyn  groß  misfallen  jn  dem  regi- 
meut  vnd  ist  nymant  der  sich  beßerung,  ja  jderman  vorsieht 
sich  je  mer  grosser  ergernüß.  Dan  der  glaub  jst  gering,  vnd 
geht  all  ding  leychferticklich  zu.  Die  bäpstischen  trowen 
öffentlich,  wo  Luther  gegen  Worms  körne,  wollen  sie  jnterdict 
dahin  legen.  So  arbeyt  man  vest  bey  meyne  wirt,  das  er 
sich  meyn  entschlagen  wöll  vnd  mich  von  jm  thun,  dan  sie 
meynß,  wen  jch  hie  ausgetriben,  wölten  darnach  wol  weyter 
rat  finden,  vnd  förchten  vast  den  namen  meynes  wirts  vnd 


158 


XAC1ILK8K 


scyno)  hoüsor.  Er  spricht  aber,  so  lang  man  vnß  nit  zu  vorhör 
kdmon  lasse,  wöll  er  bey  der  sach  halten,  jn  allen  außgangk. 
So  bin  jch  schon,  wie  es  kam  mit  weyterm  enthalt  wie  euch 
meyn  bruder  würt  anzceygen,  vorsorget.  Vnd  dörfft  der  vorhör 
halber,  weyter  kcyu  zuvorsicht  haben.  Dan  es  würt  nichtes 
draüß.  Vnd  ist  wie  jch  alweg  gesagt.  Es  ist  nit  müglich, 
das  die  leut  vorhör  diser  sachen  leyden  mögen.  Wie  hert 
sie  mir  aber  nachstellen  hapt  jr  auß  dem  zu  ermessen,  das 
sich  nehst  eyn  grossen'  Curtisau  hat  hören  lasßen ,  wo  man 
meync  tot  mit  drey  mol  hundert  tausent  guldeu  kauften  möcht, 
wer  er  wolfeyl.  Dan  es  werde  dem  geystlichen  stand  noch 
großes  vnglück  vnd  zerbrechung  von  mir  bekömen.  Dar  zü 
sag  jch,  würt  das  selbig  geschehen,  haben  sie  schuld  doran. 
Dan  meyn  meynüg  nit  gwest  andere  jn  das  spil  zu  zihen, 
dan  die  Ourtisan  wollen  sie  aber  mütwilligkliehen  sich  dareyn 
mischen,  da  kan  ich  nit  für.  Jch  müß  meynes  besten  gedencken 
das  ist  mir  von  nöteu,  Gott  mögen  leyden,  sie  hett^  sich  förm- 
licher jn  diser  sachen  gehalten.  Hir  vmb  über  veter,  jst 
anders  nit,  dan  man  muß  mit  der  that  nun  mer  handien,  Nün 
bite  jch  euch  vnd  ander  meyue  vetern,  jr  wollet  mir  das  wol, 
mit  nit  mer  beholfen  seyn,  [das]  dan  das  jch  etwa  vff  jhener 
8eyten  des  reyns  enthallt  hab.  Es  sey  am  gebirg  jn  behemen, 
jn  der  hennebergeschen  art,  oder  wo  es  sey.  Das  koutt  jr 
woll  vorschaffen.  So  wil  ich  euch  alhie  schicken  das  ich 
ob  got  wil  auch  vorsorgt.  Das  hab  ich  euch  f^  guter  mey- 
nüg nit  verhelen  wollen.  Euch  mit  allem  vormögen  zu  thin 
bin  jch  bereyt  vnd  gantz  willig  dat^  Ebernburgk  vffSonnaben 
vor  fabianj  jm  jar  je  xxj 

Virich  vom  Hutten. 

DEm  EmVesten  Bernhart 
vom  Hutten  meyuem  f^  lieben 
vetern. 

|  Huttens  eigene  Hnndschrift.    Archiv  zu  Birkenfeld,  j 


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FAMILIE  VON  HUTTEN. 


159 


XVI. 

?  13.  Febr.  1521. 

Dietrich  von  Hutten  an  Friedrich  von  Hutten. 

Meyfl  f^  dinst  zuuor  lieber  vetter  mjr  jst  eyü  schrjfft 
von  her  froweu  zu  kome  wje  denn  hjrjnn  zu  vornemeu  hast 
. . .  dan  dijsse  sach  groß  vnd  dapffer  vnd  auß  meyfier  vor- 
stendnuß  darin  zu  raden  docli  waß  uwer  aller  gut  dünckou 
vnd  meynung  ....  auch  den  hab  ich  dir  njt  ver- 
hallten wollen  dat^  vff  dem  eschermjt  wochen  anno  xxj 

Dittrh  von  Hutt^ 
Dem  ernvesten  frjderich  von  hutt^  mejfi  f^  lieben  vetter 
[Original.    Archiv  zu  Birkenfeld  ] 


XVII. 

?  15.  Febr.  1521. 

Friedrich  und  Eitel  von  Hutten  an  die  Familie  von 

Hutten. 

Vusern  willig^  vud  gancz  fruntlich  dinst  zuuor  liber  her 
vnd  vettern  wir  schick^  euch  hie  briff  von  her  frowert  vnd 
her  Virich  vom  hutt^  an  vnß  alle  vom  hutt^  ausgangeu  sein 
vnß  vff  gestert  donerstag  von  ditherich  vom  hutt^  zu  geschickt 
word^  der  inhalt  ir  zu  vernemen,  deweil  her  frowen  ritU  hoff- 
meister  je  jn  seino>>  schrifft  anzeigt  daß  er  vor  gut  au  sehe 
das  wir  alle  vom  hutt^  zu  samen  keinen  vnd  vnß  einer  ein- 
trechtig^  antwort  her  vlrichen  zu  geben  entslossen  lisseu  wir 
vnß  auch  gefal,  aber  wir  besorge  lancksam  al  zu  saffien  zu 
komon,  der  halb  sehen  wir  vor  gut  an  nach  dem  her  frowen 
iezt  bey  Kr  Mat  ist,  auch  sunst  bey  etlichen  cardinein  vnd 
forsten  zu  wormbß,  vnd  hott  an  zweiffei  des  haudelß  auch 
gedenck  daß  ir  her  frowen  gosehriben  het,  das  er  her  Vl- 
richen von  vnser  aller  weg^  als  den  freunden,  wo  sein  sach 
ein  guden  grundt  hett,  alß  wir  honen,  wer  vnß  al  vom  hutt^ 
ein  bracht  vnd  groß  ere,  ein  drostlich  antwort  geben,  damit 
her  Virich  auch  hört  vnd  se,  daß  wir  alß  die  freundt  jm  gern 
nach  vnserm  vermöge  hilfflich  vnd  radtlich  wo  wir  kond^  sein 


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160 


NAClILfcSE. 


wolt^,  so  hapt  ir  in  ditherichß  schrifft  an  mich  friderich  ge- 
thau  sein  gemut  auch  zu  verneinen,  hie  mit  euch  allen  zu 
dinen  seint  wir  zu  thun  willig  geben  vff  freitag  nach  saut 
feltestag  jm  xxj 

friderich  vnd  eyttel  vom  hutten  ?c 

Den  strengen  vnd  Ernvcsten  hern 
ludewig  rittet  bernhart  Eßrom  Jorg  Ylrich 
vnd  Wendel  alle  vom  hutten  vnsern  frunt- 
lichen  üben  hern  vnd  vettern  je 

[Original.    Archiv  zu  Birkcnfeld. ] 


XVIII. 

?  Febr.  1521. 

? 

Auch  freuntlicher  lieber  Oheim  vff  dato  bin  ich  gein 
murstat  kumen  in  meynüg  mich  mit  den  burgern  morgen 
donerstags  zulethen,  hau  ich  gedacht  hern  Vierich  vö  hutten 
der  schrifft  ßo  frantzssßcus  von  Sickingen  dem  [von]  Ruprecht 
von  Arnberg  gethan  auch  Ruprecht  den  beid^  vü  lest  jm 
der  Cumethor  nit  gefal  das  sich  h)  Vierich  zu  dem  von  arn- 
berg  thun  [oder]  sagt  er  ken  ju  vnd  ob  er  gleich  seiner  persou 
im  gleuben  liilt  ßo  hab  er  doch  den  merertheyl  seiner  diuer 
welsch  dy  gennen  keine  deutschen  keines  lobs  oder  gutheu 
inecht  jm  zum  mynsten  vergeben  werd^,  er  sol  sich  zun  deut- 
schen halthen,  der  gleich  reth  Siluester  auch  vnd  sagt  in  der  hen- 
nebergischen  Art  zum  hutsberg  sey  jm  wol  für  ein  ort  enthalt 
zuerlang^  ßo  versehe  er  sich  auch  zum  Rottenberg  wurd  er 
auch  angenome  dweil  es  dem  dy  meynüg  mocht  Ruprecht  von 
Arnberg  10  Vierich  vnd  doctor  Martin  Luther  mit  guthen  wort- 
ten  zu  jm  bring  wer  feth  sich  an  jm  zuerholen  weß  an  den 
beid^  bgang^  nach  dem  ich  v'stehe  er  wanckels  muts  yzo 
keiserichs  yzo  frantzoses  wy  der  winth  geth  welch  ich  dir 
guther  fr^er  meynüg  jn  Eyl  nit  bergen  ob  du  es  hern  Vierich 
weß  anzuzeig^  datum  ut  supra. 

[Original.    Arohiv  zu  Birkcnfeld]. 


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BERNHARD  VON  HUTTEN  AN  ULRICH. 


161 


XIX. 

?  Febr.  1521. 

Bernhard  von  Hutten  an  Ulrich  von  Hutten. 

Lieber  \et)  ich  hab  e  schr^.  sampt  vber  schickten  ewrn 
buchleu  verlessen  [vnd]  mit  beger  entpfang^  [vnd]  disser 
sachen  ewrnhalb  vor  nit  wissn  gehabt  dan  [als  ich  icz  gen 
arnstein  komen]  ewr  sclir^  darine  wes  jr  vnß  [alle]  vetter 
allen  semptlich  gschr^  auch  daneben  her  frowen  schr^  als 
ich  gen  arnst^  komen  da  fund^  [v'lessen]  darvff  her  lutwig 
vnd  wir  andern  vet)  hera  frowe  [vnsser  —  geschr^  geschickt  — 
antwurt  geben]  euch  [zu  behenden]  wes  vnser  meynung  ant- 
wurt  zu  geben  gcschr^,  vnd  zu  geschickt  je  It^  vnd  erst- 
lich .  .  als  jr  vnter  anderm  schr^  dz  jr  ewrß  schr^  ge- 
grünt (?)  vnd  zu  v'antwurt^  wist  auch  zu  ebernberg  bey  m) 
swagJ  franczen  seyt  hör  ich  [meins  deyls]  ser  gern  [zu  ebern- 
berg] da  jr  wol  sicher  vor  welsch  vnd  deutsch  [vnd]  des  er- 
freydt  zu  forderst  wol  ich  wolt  jr  des  last  vnd  var  vberig 
so  aber  nit  muß  man  es  got  vnd  der  zeit  befelhen  [befelhen 
vnd]  sich  gotes  der  gerechkait  vnd  warheyt  trost^  [vnd] 
kainer  vngnadt  zu  hoch  erschrock^  allein  vor  gewalt  sich 
waren  vnd  nit  vil  v'trawen  vnd  als  jr  verner  schr^  wie  jr 
an  francze  v'trost  euch  vnvhort  nit  vergewelg^  lassen  ist 
fürstlich  vnd  loblich  Darvff  mcy  rat  vnd  ich  thon  wolt  [ich] 
wan  die  sach  m)  wer  mich  [mich  zur  zeit  vnd  sonderlich] 
vof  reichstag  jn  kain  that  für  mich  selbst  begeben  auch 
nymer  [nit]  verwillg^  die  zeit  [mit  deinen  gesellen]  etwas  vö 
m)  weg^  [.  .  .  nymer]  zu  thon  ader  für  zu  nemen  wolt  ein 
ander  etwas  thon  für  sich  an  ewr  wissen  vnd  befelch  kont 
jr  nit  als  wend^  doch  besser  allenhalb  gelassen  dan  getan 

dan  wan  etwas  vbers  [. . .]  [. . .]    wan 

dan  der  reichtag  wer  vnd  jr  vff  .  .  .  reichstag  [gefordert . . .] 
verhört  v'hoff  ich  wir  vö  hut^,  zu  theyl  auch  ewr  vnd  ander 
vnsser  aller  hern  vnd  frunt  sollen  die  zeit  so  statlich  auch 
da  [zu  worm]  sein  auch  ander  vermöge  euch  beystant  zu 
thon  damit  jr  [jr]  abgot  brechlich  vnd  wol  besten  salt  ver- 
hoff auch  wie  jr  schr^  es  sol  in  vil  stent^  (?)  ein  endrung 
gemacht  wo  nit  wil  ich  mit  pastuln  (?)  zu  sant  Jacob  wo  jr 

Q.F.  LXVIL  11 


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162 


NACHLESE. 


dan  nach  v'hor  vnd  vbor  bilkait  not  vnd  abentewr  stcn  most 
jr  als  dan  aber  [aber]  thon  wie  jm  sein  wil  verhoff  wir  wollen 
jr  jm  rat  frunt  vnd  so  vil  guter  frunt  vnd  gesellen  haben 
die  der  sach  auch  wider  volg^  (?)  vnd  helff^  vnd  rat^ 
sollen  mocht  jr  als  dan  die  vetern  vnd  andere  ewf  hern 
vnd  frunt  an  gelegt  art  vff  die  kizig  prucken  ader  ander 
ent  bescheyd^  ferner  mit  rat  handeln  was  ich  dan  dar  jn 
rat^  helff^  vnd  [dan]  thon  kan  solt  jr  mich  willg  haben  It^ 
der  andern  Sachen  halben  haben  mey  hausfr^  vnd  ich  vnß 
an  etlichen  end^  beerbet  aber  nicht  erlange  meg^  an 

 es  gern  gesehen  wer  wol  etwas  zu 

erlange  dan  es  nit  sunders  furderlich  mit  der  fruntschaft 
oder  narung  ist  dz  ich  an  d  .  .  selben  Sachen  auch  nit  rat^ 
wolt  wo  wir  aber  etwas  dz  vnssers  ansehen  euch  mit  frunt- 
schaft vnd  narung  dienstlich  wer  wolt  wir  euch  nit  vhalt^ 
auch  die  sach  jren  lassen 
her  Virich  vö 

|  Bernhards  Handschrift.    Archiv  zu  Birkenfeld.  | 


XX. 

Petschau.  6.  MÄrz  1521. 

Hans  Pflug  von  Rabenstein  an  Bernhard  von  Hutten. 

MEin  dienst  zuuor  Edler  vnd  Vester  Lieber  Bernhardt 
von  Hutten  guether  freundt  euer  schreiben  wie  her  Virich 
von  Hutten  euer  vetter  vms  lieb  dayczs  adels  auch  anderer 
stendt  vmb  der  warhait  willen  vmuorschuldt  vnuberwunden 
ainicher  vorhoer  oder  Rechtens  vber  alles  sein  rechtlich  er- 
biethen  jn  vngenad  vnd  vnsicherhait  vnd  villeicht  gar  zue 
fedth  des  babst  seiner  kardisanen  etlicher  kuemen  welche 
maynung  jeh  auch  jn  franciscus  von  Sigkingen  ic  schrifften 
eezwas  klerer  vorstanden  derwegen  ewer  Bett  an  mich  ge- 
dachtem her  Vlrichen  von  Hutten  euthaldt  zuegeben  jc  hab 
jeh  weithers  Besags  vornuemen  vnd  were  euch  jn  deine  vnd 
anderm  so  es  werntlich  hendel  vnd  nicht  mit  reformacion 
vnd  dispitacion  des  kristlichen  Glaubens  belanget  als  vill  mir 
zuuerantwerthen  hirinnen  zue  wilfarn  ane  vorzueg  wol  ge- 
naigkt  dan  jr  von  Hutten  mir  vnd  meinen  Bruedern  etwas 


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HANS  PFLUG  AN  BERNHARD  VON  HUTTEN. 


163 


mit  freundtschafft  vorwant  Aber  nach  deme  jch  beriecht  vnd 
nit  änderst  wais  diese  sache  dar  durch  dieße  fedth  gegen  dem 
Babest  vnd  seinen  kardisanen  vnd  als  ich  vornim  gegen  allen 
gaistlichen  von  doctor  Marthinus  Luther  her  fliese  etwau 
den  Bapst  die  kardinal  vnd  gaistlykait  zue  reformiern  jn 
ander  Ordnung  stendt  vnd  weßen  zuebringen  darinnen  eczwas 
vil  des  kristlichen  glaubens  dispitacion  eingefuerdt  wirdet  wie 
jch  das  mehr  dan  einest  jn  den  außgegangenen  des  Luthers 
buchern  als  vil  mir  der  zuekuemen  geleßen  vber  welchs 
Luthers  ausschreiben  als  vil  mich  mein  ainfeldiger  vorstandt 
weist  jn  eczlichen  sachen  nicht  vngefallen  vnd  zuemtayl  nit 
genung  vorstendig  bin  dieweil  dan  dye  obgemeldt  hern  Virichs 
widerwertikayt  vnd  wue  es  zue  fedth  geraichen  gegen  dem 
Babst  vnd  seinen  kardisanen  wue  ich  änderst  recht  darane 
bin  Auch  die  dispitacion  des  glaubens  mit  sich  bringkt  vnd 
diese  hendel  jn  der  kran  zue  pehem  noch  nit  weitt  erleuthert 
vnd  ausgebrayt  sin  dt  domit  von  meiner  oberherschafft  der 
königlichen  wirdt  zue  vngern  vnd  behem  2c  meius  gnedigsteu 
hern  vnd  dem  regiment  gemelther  kran  vnd  sunderlich  an 
wissen  jrer  königlichen  wird  vnd  beruerts  regiments  mich 
dieser  großmechtigen  sachen  jn  enthaltung  Auch  dieweils  die 
sei  vnd  glauben  mit  Beruerdt  alßo  gehling  vnd  vmbedecht- 
lich  zuebegeben  auch  hiemit  zuezueschreiben  nicht  gebuern 
will  vnd  mochte  mir  darumbe  von  Gemelther  königlicher 
wird  meinem  gnedigsten  erbhern  vnd  dem  regiment  sollich 
sachen  ane  wissen  vnd  auch  ane  antragen  jn  der  kran  zue 
pehem  ein  zuefuern  zueubel  auffgelegkt  vnd  zuegemessen 
werden  Auch  zuuor  mein  gewissen  hirjnnen  zuerindern  dye 
natdorfft  erfordert  Aus  dem  allem  wil  jch  euers  gesinnens 
vnd  anfuerhens  eiu  Bedacht  nemen  vnd  nachtrechtig  sein 
Auch  woe  mich  vor  noth  oder  vor  guet  ansehen  wirdet  an 
dy  hochgenant  königliche  wirde  oder  zum  wenigisten  an  das 
regiment  der  krane  zu  pehem  gelangen  lassen  vnd  als  dan 
wes  mich  jn  dieser  sachen  mein  gewissen  gemelther  enthal- 
dung  furschueb  vnd  forderung  halben  weißen  mir  meiner  sehl 
vnd  ehrn  nach  zuethuen  geziemen  wil  solle  euch  ferner 
vnuorhalthen  bleyben  das  habe  jch  euch  vff  euer  schreiben 
Als  deme  ich  liebs  vnd  dienst  zuerzaygeu  genayget  zu  ant- 

11* 


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164 


NACHLESE 


wordt  nit  vorhalthen  wollen  datum  zue  petschau  am  Mitwoch 
Nach  dem  sontage  oculj  jn  der  fasten  Anno  *c  xxj° 

Hans  ppflueg  her  vom  Rabenstein 
vff  petschaw  vnd  konigswardt  ?c 
Dem  Edlen  vnd  vesten 
Bernhardt    von    Hutten  zue 
Birkenfcldt  meinem  Guethen 
freundt  ?c 

(Unter  der  Adresse  von  Bernhards  von  Hutten  Hund:) 

her  Ylrich  b^ 
[Original.    Archiv  zu  Birkenfeld.] 


XXL 

?  8.  Milrz  1521. 

Caspar  Eilbegkh  an  Bernhard  von  Hutten. 

Mein  besundcr  gauczs  willig  fraundtlich  dienst  zuuor 
lieber  sbager  pernhart  dein  sehreiben  mir  gethan  her  vlrichen 
von  hutten  deynem  vettern  pelangeu  deß  jnhalczs  hab  jch 
neben  deynem  ansuchen  vernomen  will  mich  dir  zue  fraundt- 
licher  wilfarung  vmb  ein  euthaldt  pemuen  am  waldt  vnd  zue 
pehaim  vnd  au  den  arten  da  jch  mich  glaubens  vnd  traueus 
verbaißs  vnd  waß  jch  außricht  daß  will  jch  dich  mit  dem 
furdcrligsten  ....  Sigmundt  von  wirßpergkh  mit  schritt^ 
wißen  laßen  dan  jch  versieh  mich  daß  jch  dir  wol  außricht^ 
darober  du  ein  gefallen  haben  soldt  zu  dem  pistu  meins  haußs 
traußnit  jn  dem  eß  dir  ader  den  deynig^  genuezen  mag 
mechtig  daß  hab  ich  dir  jn  fraundtlicher  wilfariger  autburt 
nit  wellen  verhalt^  dar  mit  will  jch  dich  vnd  wer  dir  lieb  jst 
got  vnd  der  lieben  zeit  pefolhen  haben  Dat^  freitag  nach 
oculj  A  xxj 

Casper  eilbegkh  zu  traußnit 

Landricht>>  vnd  pfleger  zum  pargkstain  ?c 

Dem  erbern  vnd  vesten 
Bernhart  von  hutten  zue  bircken- 
fels  meynem  fraundtlichen  lieben 
Sbager  vnd  gutten  Fraundt  2C 

[Original.    Archiv  zu  Birkenfeld.  | 


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AUSSCHREIBEN  GEGEN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  165 

XXII. 

?  Oot.  1522? 

Ein  gegenredt  oder  ausschreiben  Virichs  von  Hutten 
widder  pfaltzgraf  Ludwigen  Chürfürsten. 

Christus  hat  mich  erhört,  vnd  als  mein  Eynige  bit  ge- 
weseu.  das  allen  mentschen  kundt  werde,  wie  du  mich  so 
gar  on  alle  vrsach,  mit  eynem  so  grlmigem  gewaltsam  be-» 
leydiget,  hat  er  mich  der  gantz  miltiklichen  gewert,  dan  du 
selbst  mit  deynen  vberhauffteu  vbclthaten,  machst  mir  zu 
letzt  glauben,  bey  denen,  die  nehst  meyncten,  ich  thät  im 
zu  vil,  in  allem  dem,  so  ich  von  dir  klagte,  als  ob  ich  vß 
schmertzen  des  entpfangenen  leyds,  die  sach  villeicht  grösser, 
dan  die  an  jr  selbs,  machte.  Aber  jetzo  sehen  sie,  wie  glaub- 
lich sey,  das  du  mir  solliche  bitterkeyt  angelegt,  jn  dem  du 
jtzo  widdcrüb  gegen  mir,  darnach  auch  gegen  vielen  anderen, 
mit  demselbigen  deinem  grausamen  mordsgrim,  wütest.  Vnd 
erkennen  zum  letzten,  das  ich  nit  vnbillichen  bewegt,  das 
auch  war  sey  die  redt,  die  ich  al wegen  von  mir  vßgegeben, 
es  sey  mir  niemandt  veind,  er  sey  dan  auch  vnsers  Vater- 
lands, vnd  aller  frofiien  veind,  jo  wöll  ich  auch  keinem  nye- 
mer  veind  werden,  ich  erkenne  jn  dan,  der  gantzen  gemeyn 
schädlich.  Dan  als  ich  noch  nit  gnugsamlich  verschmirtzt 
hatte  den  todt,  deß,  den  du,  vmb  das  er  mir  eynn  billichen 
thienst  widder  meyne  veinde  die  Curtisanen  gethan,  vn- 
wirdigklichen  ertötet,  hastu  dir  schnellicklichen,  jnn  sin  ge- 
nömen,  den  gewalt,  so  du  mit  mir  angefangen,  öffentlich  vnd 
in  gemeyn  vorzuwenden.  [Hast  daruff  ein  grosse  Schätzung, 
vff  alle  geistlichen,  die  in  deim  gepiet  sindt,  gelegt,  damit 
ein  kriegsvolck  vffbracht,]  vnd  bist  daruff  also  in  die  Lands- 
knecht, die  von  frantzen  beurlaubt,  vß  dem  Trierischen  Land 
zogen,  gefallen,  allen  den  deinen  erlaubt,  wen  sie  von  den 
selbigen  wollen,  zu  berauben  vnd  ormörden.  Wie  ich  nun 
in  dem  meyne  kleider  vnd  bücher,  etzlichen  wagenleüten 
sond'  alle  hclung,  vnd  in  gutem  v'trawen,  durch  dein  Landt 
zu  füren,  beuolhen,  hastu  mir  dieselbigen  auch  mitsambt  den 
wagenleüten,  vffgefangen  vnd  entraubt.  Villeicht  vß  der  vr- 
sach,  das  du  zweyfeltest,  die  weil  ich  noch  kein  räch  gegen 


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166 


NACHLESE 


dir  furname,  ob  du  mir  mit  der  ersten  that  leydlich  genüg 
zugesätzt  hättest.  Ynd  darumb  woltestu  meyner  gedult  eyn 
newe  wunden  schlagen,  vnd  mir  also  den  ersten  schmertzen 
erncwern.  Hast  das  nit  on  vrsach  in  dem  raub  zu  forderst 
vnderstanden,  dan  dir  was  wol  wissen,  das  du  mit  keinem 
anderem  ding,  meyn  bestendige  gedult  mer  crreitzen  möch- 
test, dan  wo  du  mich  meyner  bücher,  die  ich  vor  den  wer- 
dcsten  schätz  halte,  beraubtest.  O  ein  vnmilte  vnbarmhertzige 
that!  "Wer  hat  solichs  vor  dir  je  vnderstanden ?  Oder  wer 
ist  je  so  grob  vnd  vihisch  gewesen,  der  ab  eynem  so  Er- 
8amen  Raub,  seine  Hend  nit  enthalten?  Sindt  auch  die 
Liberien  nit  sicher  vor  dir?  Oder  wie  magstu  mich,  den  du 
vormals  so  Jämerlichen  betrübt,  jtzo  widderfib  beleydigcn, 
vnd  mein  vorigs  wo,  mit  eyner  newen  peyn  erwecken?  Wie 
ein  grosses  vbel  möcht  mir  dan  zü  handen  stan,  daran  du 
ersatigt?  Oder  was  woltestu  wol  gegen  eynen  veind  vben, 
so  du  mich,  der  mich  noch  fründschafft  vnd  gnaden  zu  dir 
vorsehen,  so  härtigklichen  anfechtest?  Aber  vnder  alleu  thut 
mir  am  leydesten,  das  du,  als  meynen  thiener  tötest,  vßgc- 
geben  hast,  du  straffest  eynen  straßraub7,  als  sey  meyn  krieg 
ein  straßrauberey ,  hast  es  auch  öffentlich  also  lassen  vs- 
schreyen,  vff  das  du  mich  zu  dem  angelegten  schmertzen, 
noch  auch  mit  schmach  vbergüsscst.  Also  muß  ich  bekennen, 
das  du  meyn  gedult  vberwunden,  vnd  von  dissem  tag  an, 
muß  nit  mer  schuld  t  in  mir  seyn,  gegen  d  eyn  er  grossen  arge 
vnd  boßheit.  Dir  sol  auch  hinfür,  kain  sölliche  that  durch 
mich  nicmer  verschwigen  bleyben.  Dan  ich  werde  dich  zu 
bekäntnuß  forderen,  bey  einer  gantzen  gemeyn  zu  reden 
setzen,  vnd  Teutscher  nation  anzeigen,  disses  die  elendesten 
zeit  sein,  do  dir  eynem  sollichem  die  öberkeyt  des  Regiments 
beuolhen.  Jn  welhem  billich  eynn  jeden  des  frömen  Keisers 
Caroli  erbarmen  sol,  der  in  abschied,  dir  das  Reych  in  friden 
zu  vorwaren  beuolhen.  Vnd  muß  jetzo  sehen,  das  du  das- 
selbig  mit  vffrur  vnd  zwittracht  beunrüigst.  Dan  wo  zu  anders 
thient  dein  anfang,  dan  zu  einer  ferlichen,  vnd  die  von  nöten 
sein  muß,  vffrur,  gantzes  Teutschen  Lands.  Deß  vberblybene 
freyheit  du  zu  zerstrcwen  vnd  vßzutilgen  meynst  ?  Derhalben 
auch  jtzo  stets  vorsamlüg  gehalten  werden,  vnd  bundtnuß 


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AUSSCHREIBEN  «iEGEN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  167 

gemacht,  zuuoran  vnder  dem  gemeynen  Adel,  den  du  dir  vor- 
genomen  hast,  aller  seyuer  freyheit  bloß  zu  machen .  Zü 
welhem  vorsatz  als  du  dir  zugesellt,  die  du  dir  gemeynt 
eben  sein  werden,  bistu  mit  einem  her,  das  du  dau  von  der 
Schätzung  deyner  priesterschafft,  vnd  geistlichen  schirmsvor- 
wanten  vnderhultest ,  vber  deyne  nachpaurcn  gezogen,  vnd 
in  dem  du  die  selbigen  mit  rauben  vnd  nemcn  verwücstest, 
sprichstu  du  stillest  die  Straßräuber.  Wer  sin  dt  aber  solliche 
straßräuber  O  biderman?  Wer?  Vorwar  alle,  die  darzü  sie 
recht  haben  vorthcdingcu  wöllen,  oder  deren  gemüter  zur 
freyheit  gericht,  oder  deren  gewalt  vnd  macht  dir  verdacht- 
lich. Jn  welher  zal  du  haltest  den  Bischoff  von  Meyntz, 
dem  du  mit  zökerung  desselbigon  deines  fridschaffenden  heres, 
fünf  vnd  zweintzig  taüsent  gülden  abgetroet  hast,  vnange- 
schen,  das  er  sich  vor  den  Keiser  in  eigener  person,  vnd  das 
Regiment,  auch  zu  allem  rechten  vnd  billikeit  erboten  hat. 
Heist  sollichs  des  Keisers  stat  vorwesen  ?  den  Landfriden  be- 
schirmen? Vnd  das  Reych  in  ein  rü  setzen?  Du  sagst*  Ja, 
aber  alle  mentschen  mercken  vnd  sehen,  wie  zu  eynem  grossen 
vnd  schädlichen  zu  kunfftigen  krieg  du  samen  strewest,  vnd 
wie  mit  einer  vnheilsamen  wunden  du  Teutsche  nation  vor- 
serest.  Weihe  du  auch  ein  zeither  wol  versucht  hast,  was 
sie  leyden  möge.  Darumb  saltu  nit  zweyfelen,  sie  hat  niemer 
verstandt,  wes  jr  gegen  dir  zu  trachten  von  nöten  sey.  Ja 
sie  hat  verstandt,  würt  eigentlich  etzwas  gegen  deyner  vn- 
sinnikeit  vnderstehen.  Vnd  wil  sie  meyns  rats  in  dem  pflegen, 
so  sal  sie  nit  allein  deiner  Tyranney  weren,  sond'  gentzlich 
deine  macht  zerbrechen.  Dan  wie  mag  frid  jm  Landt  sein, 
vnd  eym  jeden  das  seyn  bleyben,  so  lang  du  ein  solliche 
macht  hast,  vnd  dieselbigen  nit  zu  Verfechtung  der  billikeit, 
sonder  zu  vnd'druckung  der  vnschultigen  brauchest?  Vorwar 
würt  diß  eyn  erbärmlicher  stand  seyn.  Derhalben  muß  man 
dir  entgegen  trachten,  vnd  ob  jrgent  jemant  nachlässig  vnd 
träg  worden  war,  sol  man  jn  ermüntern  vnd  vffwecken.  Dan 
wir  sehen  alle,  das  Recht  vnd  gesätz  vorgwaltigt  werden, 
boßheit  oben  schweben,  die  siten  sich  verkeren,  geistlich  vnd 


*  'Do  entbrist  nichts.'  (Auf  der  folgenden  sonst  leeren  Seite.) 


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168 


NACHLESE 


weltlich  in  gleicher  achtung  sein,  vnd  alle  ding  sich  ergern. 
Drumb  wil  ich  sagen,  das  ich  gedultigere  leüt  nie  gesehen, 
dan  den  Teutschen  Adel,  wo  der  nit  bald,  vnd  vor  allen 
anderen,  seyne  freyheit  mit  sch werten  vnd  woffen  gegen  dir 
entschütet.  Jch  wil  auch  fragen,  ob  je  eyner  in  vnsern  landen 
gewest,  den  hoher  von  nöten,  vnd  der  gemeyn  nutzlicher  war, 
vßgeiagt  vnd  zerbrochen  werden?  Weiher  du,  alwegen  zü 
viel  begerest,  vnd  hast  doch  an  keinem  gewin  noch  züfal 
genügen.  Dein  geitz  ist  so  groß,  das  ich  glaub,  der  gantzen 
weit  gold  möcht  dich  nit  ersättigen.  Des  sollen  wir  alle  jn- 
gedächtig  seyn,  vnd  gut  vffsehens  haben,  wie  weyt  den  bösen 
nachzulassen  sey,  zu  voran  jtzo,  so  du  gesellen  an  dich  ge- 
henckt,  die  von  deiner  brinnenden  begirlicheit  entzündt, 
villeicht  nierget  nit  mit  dir  vort  rucken  werden,  also  das  man 
nun  mit  krieg  vorfolgen  müß,  die  man  billich  mit  recht 
zwingen  sollte.  Das  wirt  ein  schädliche  vnrfir  jm  Teutschen 
Land.  Dan  wir  werden  die  woffen  gegen  dem  jngeweid* 
vnsers  Vaterlands  keren.  Weiher  dinge  du  eyn  Häubt  vnd 
anfang  bist.  Du  hättest  dich  aber  sollichs  nie  vnderstanden, 
wenn  dir  nit  zu  dem  schweren  kosten,  den  du  weyter  dan 
deyne  zynß  vnd  einkömen,  auch  Schätzung  deiner  armen  leüt 
reichen,  fürest,  gelts  gebrochen  hette.  Meynst  dich  also  mit 
vnserem  raüb  zufüllen,  vnd  hast  dir  das  so  gar  trötzlich  vor- 
genömen,  das  du  auch  die,  so  etwa  all  jr  gut,  auch  jr  leib 
vnd  leben  vor  dich  gesetzt,  jtzo  mit  allem  gcwalt  vnd  vnrecht 
vberfellst.  Vnder  weihen  dir  am  aller  mynsten  geziempt, 
Frantzen  von  Sickingen  zü  vberziehen.  Dan  er  hat  dir  etwa 
sonderlich  vnd  vor  anderen  lieb  vnd  thienst  gethan,  vber  das, 
alwegen  dasselbig  geschlecht  deinen  vorfarcn  getreulichen 
gethient  hat.  Das  dir  dan  nit  vnwissen.  Es  ist  aber  dein 
beger  gut  zu  haben,  vnd  vns  zü  vnderdrucken  so  gros,  das 
du  leichtlich  alle  danckbarkeit  zü  ruck  setzest.  Wer  ist  aber 
den  nit  erbarme,  aüch  an  deinem  hof,  vnd  in  der  schar 
deines  thienst  volckes,  das  rdfi  Hartmüt  von  Cronbergk,  den 
vnschuldigsten,  vnd  frömesten  in  vnserm  orden,  on  alle  ver- 
schuldt  vnd  vrsach,  besitzung  aller  seiner  hab  vnd  güter, 

*  'Jnngewaid,  deß  Vatterlandts,*  (Am  Rande  yon  anderer  gleich- 
zeitiger Hand.) 


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AUSSCHREIBEN  OEGES  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  169 


beraubt?  Es  ist  zü  achten,  die  weil  du  den  also  zugericht, 
dastn  hinfur,  deine  räuberische  hend  von  keiner  vnschuld 
entzihen,  sond'  die  allenthalben  anwerffen  werdest.  Ja  bey 
glaüben  allenthalben,  vnd  gantz  Teutsch  land  würstu  zeichen, 
mit  fuosstepfen  sollicher  deyner  gewaltsamer  mißhandelungen. 
Dan  bey  den  bisher  beschehenen  dingen  kan  mä  abnemen, 
was  du  dir  zu  könfftig  vorgesetzt,  vnd  waruff  taglich  dein 
gemüt  eylet.  Wiewol  ich  achte,  du  habst  der  gleichen  lang 
hieuor  zu  beginnen  gedacht,  aber  vß  gebrechen  der  geschick- 
licheit  nit  mögen  vollenden,  vnd  dir  sey  etwa  an  gelegenheyt 
der  zeit  abgangen,  aber  an  willen  vbel  zuthun,  hab  dir  nie 
gemangelt.  Also  bistu  vnser  zuchtmeister ,  der  die  freyheit 
der  geistlichen  widder  vns  schützest,  in  dem  du  die,  der  erst 
von  allen,  mit  einer  schweren  Schätzung  jres  gelts  beraubst, 
vnd  der  Teutsch  Land  von  Raubereien  reinigest,  wenn  du 
selbst  raubst  vnd  nimbst,  den  deinen  erlaubung  gibst  die 
vn8chuldigen  zu  ermorden,  vnd  welher  von  den  schuldigen 
vnd  bösen  beschirmt  sein  wil,  der  hat  macht  zu  dir  zu  fliehen, 
den  man  etwa  für  schlaffericht  vnd  melancholisch  hilt,  der 
aber  jtzo ,  die  weyl  sich  gelegenheit  begeben ,  frisch  vnd 
wacker  worden  bist.  Wer  hat  dein  träge  natur,  so  balt  mit 
newer  geschicklicheit  ermintert?  Sag  mir  aber  ein  anders, 
wie  vil  meynstu  wol  aus  denen,  deren  bey  zweyhundert  vff 
dein  geheysß  ertötet ,  wol  taüsent  beraubt  sein ,  haben  dich 
mit  äugen  ye  gesehen,  jch  geschweig,  das  sie  dich  je  erzörnt 
oder  geletzt  haben  solten?  Doch  wil  ich  von  anderer  vn- 
schuldt,  andere  mit  dir  reden  lassen.  Was  hastu  mit  mir  je 
zu  schaffen  gehapt?  Od'  wo  hab  ich  dir  je  vrsach  gegeben, 
das  du  mir  so  freuelich  das  meyn  abnemest?  Od'  weihe 
so  grosse  vrsach  mich  zu  veruolgen  hab  ich  dir  gegeben,  das 
du  mögst  eynem  der  mir  mit  Eren  gethient,  das  leben  nemen? 
Aber  du  thüst  es,  vnd  darffst  ein  so  gewaltsame,  grimige 
vnbarmhertzige  vnd  Tyrannische  that,  ein  straff  nennen,  vnd 
deine  mißhandelüg  mit  eim  vmbhang  der  gerechtikeit  be- 
schönen. O  seligmacher  Christo,  wie  gar  nichtes  schämen 
sich  die  gotlosen.  Beschirmestu  den  landtfriden?  Ja  wer 
hat  freuelich',  mit  erweckung  eyns  grössern  tumults  vnd  grau- 
samer beschadigüg  guter  leüt  den  friden  betrübt  vnd  verkort? 


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170 


NACHLESE 


Vbestu  gerechtikeit?  Ja  ist  auch  jrget  ein  kleins  weniglin 
billikeit  od'  gerechtikeit  in  dir  ?  Oder  wer  ist  jrget  vnbillich 
oder  vngerecht,  wo  du,  der  so  gar  on  vrsaeh  raubest  vnd 
mordest,  für  einen,  der  gerechtikeit  Vorsorge,  salt  gehalten 
werden?  Beschirmestu  dan  die  geistlichen,  die  du  heimische 
vnd  frembde  mit  gewalt  vnd  vnrecht  schätzest  vnd  plonderst? 
Weihe  leüt  aber,  den  du  nur  bekant  bist,  werden  glauben, 
das  du  rauberey  straftest,  der  allen  deynen  anstössern,  mit 
nemen  vnd  rauben  beschwerlich  bist?  Das  dan  in  eim  ge- 
meynen  vnd  landrüchtigen  gespräch  jdermans,  auch  von 
vilen  mit  äugen  gesehen,  mag  nit  glaubens  mangelcn.  Des 
du  aber  mir  schuldt  gibst,  mfiß  mit  bezeugung  redlicher 
leüt,  als  falsch  vnd  erdicht  widdersprocheu  werden.  Dan 
mache  jeh  vffrur  im  Reych,  das  du  nehst  vngehörter  weys, 
vnd  dergleichen  zu  keiner  Zeit  nie  erkannt,  verkaufft  hast? 
Oder  briche  ich  den  Landtfriden,  den  du  mit  so  freue- 
licher  vorgwaltung,  als  nie  keiner  vor  dir,  gantz  hinweg 
gethan,  mit  erbärmlicher  beschädigung  der  gemeyn,  vnd  tot- 
schlag  viler  mentschen,  abdringest  vnd  vsschleüst?  Oder 
handele  ich  die  geistlichen  vbel,  der  sie  albegen,  wie  wol 
für  eym  veihend  geacht,  erlicher  gehalten  hab,  dan  du,  in 
des  schirm  sie  sich  mit  gelt  gekaufft?  Oder  sal  man  mich 
vß  Teutschem  land,  dem  ich  alwegen  ein  anzeiger  d'  war- 
heyt  vnd  gerechtikeit  gewest  bin,  vortreiben,  vnd  dich  darjnn 
halten,  der  es  an  so  vil  seinen  orten  beschwerest  vnd  ver- 
derbest? Dan  mir  zweyfelt  nit,  du  hörest  vmb  dich,  das 
erbärmlich  geschrey,  vnd  vngewönliche  klag  Teutsches  lands, 
das  täglich  vber  dein  raubgirige  h&nd,  vnd  vnersätlicheu  geitz, 
weinet  vnd  heület,  das  dan  auch  vßländer  erbarmet.  Aber 
du  nimbst  dir  kein  maß  für,  stets  auf  newe  weiß  zu  schinden 
vnd  schätzen.  Vnd  je  vnbillicher  deine  thaten  von  iederman 
geacht  werden,  je  hefFtiger  vnd  trötzigklicher  du  noch  jemer 
wütest.  Hirumb,  o  wie  ein  schöner  Vicarius  des  Reichs,  Ver- 
fechter der  gerechtikeit,  beschirmer  des  landfridens  bist  du, 
Aber  ich  muß  vnglückhalf't  sein,  das  du  eben  vber  mir,  die 
erste  anzeigung  deiner  redlicheit  solt  geben.  Nun  hin,  far 
vort,  volfnr  deinen  anhäb,  vnd  iasß  nit  ab  von  sollichen  siten. 
Also  fahen  an,  die  zergehen  sollen.    Dan  ich  meyne  je  nit 


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AUSSCHREIBEN  GEHEN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  171 

gotes  oron,  so  gedultig  sein,  das  Er  dich  eiun  sölhen 
Tyrannen,  milticklicher  straffen  werde,  dan  deinen  Schwager, 
des  glück  dir  freilich  beschert  sein  sol,  vnd  den  du  niemer 
hettest  vortreiben  lassen,  wenn  du  nit  etwa  an  seine  stat  zu 
treten  vorhofft.  Das  du  dan  erlaugt.  Aber  du  hast  es  in 
dem  vil  besser  dan  derselbig,  dan  nach  dem  du  von  höherni 
stand  vnd  grösserm  gewalt  bist,  magstu  weit'  vmb  dich 
greiffen.  Derhalben  wär  zu  wünschen,  das  wir  den  widderüb 
hätten,  wo  du  lenger  solt  geliten  werden.  Es  hat  sich  auch 
zur  selbigen  Zeit  Teutsch  nation  nit  wol  vorgesehen,  do  sie 
eynn  Tyrannen  vßtrieb,  das  sie  nit  vffdencken  hätte,  wer 
etwa  an  desselbigen  stat  treten  möchte.  Aber  du  hütest  dich 
domals  still  vnd  glimpflich,  wartend  vff  ein  zeit,  da  einß 
andern  verdörbnuß,  deinem  glück  stat  gäbe.  Darnach  hat 
sich  das  glück,  mit  newen  vnd  vilfeltigen  zufeilen,  vber  dich 
ergossen.  Das  Römisch  Reich  wart  Keisere  1er,  da  meyntestu 
dein  gelt  kast  wär  müntz  1er,  vnd  nit  vnbillieh,  dan  er  was 
ler,  du  hast  jn  aber  alda  gefüllet,  vnd  daruff  geruhet,  biß 
er  balt  darnach  widderüb  ler  würdt.  Dau  du  bist  nit  weniger 
gelt  zuvorthun  geüdisch,  dan  das  zu  samlen  geitzig.  Dariib 
möchtestu  wünschen,  das  das  Reich  widderumb  ler  würde, 
vnd  ich  glaub  du  hettest  die  harr  nit  leyden  mögen,  wenn 
das  glück  dir  nit  balt  eynn  newen  bissen  jn  deynn  geinenden 
mund  geworffen  hette.  Dan  es  meynen  viel,  etzliche  hallten 
es  auch  fürwar,  das  auch  du  mit  den  güldenen  gebenedei- 
ungen,  die  Bapst  Leo  widder  vns  gen  Worms  schickte,  be- 
sprengt seiest.  Lasß  das  aber  schon  ein  jrrige  meynüg  sein, 
so  hastu  aber  balt  nach  demselbigen  Reichstag,  deyuen  hin- 
derhalt, der  bißdahin  verborgen  gelegen,  ich  meyne  den  newen 
güldenen  zol,  den  dir  der  Keiser  zu  Ion,  das  du  dein  Chur- 
8tini  so  wol  angelegt,  hatt  gegeben,  herfürbracht.  Denselbigen 
so  feisten  raub,  hette  jderman  gemeynt,  deynen  geitz  zu  er- 
füllen genug  sein.  Die  weil  du  aber  nit  getrawen  dörffen, 
also  viel  von  dem  zol  gefallen  mögen,  als  du  dir  zu  vor- 
geüden  vorgesätzt,  vnd  auch  die  weil  du  durch  so  viel  gaben 
vnd  geschenck  vernascht  gemacht,  dicli  bedacht  hattest,  sol- 
licher süssikeit  mit  offenem  rächen  nach  zulauffen,  bistu  von 
stund  an  vff  meyne  sach  gefallen,  die  ich  doch  nye  gemeynt, 


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172 


NACHLESE 


dir  oder  jemants  gewinstlich  sein  mögen.  Aber  der  geitz  hat 
dich  nachsuchend  gemacht.  Dan  in  dem  ich  mich  nichtes 
dan  not  vnd  arbeit  vorsehen  hastu  lust  vud  gewin  errochen. 
Derhalben  beginnen  dich  jtzo  die  lcüt  zu  kennen,  welhs  teyls 
du  seiest.  Dan  man  hielt  dich  etwa  für  Lutherisch,  das  ist 
für  Euangclisch.  Vnd  ich  glaub  auch  du  wärest  es  noch, 
wo  das  Euangelium  seinen  beschirmern,  geinelf  maß  ge- 
winstlich wäre.  Do  du  aber  daselbst  an  verzagt,  hastu  dich 
von  dannen,  zu  den  frofilen  Curtisanen  vnd  prediger  munchen 
gewendt,  vnd  deinen  Teüfelischen  schirm  vil  veyl  geboten. 
Weihen  dan  so  bald  nit  fröme  geistlichen  priest',  dan  dic- 
sclbigen  sind  alwegen  frey  vnd  sicher  vor  mir  gewesen,  vnd 
noch,  sond'  alle  die  cyns  bösen  gewissens  sindt,  von  dir  er- 
kaufft  haben.  Also  bistu  ein  eynige  Zuflucht  worden,  allen 
den  jhenen,  die  vber  jr  herbracht  leben  nit  rechenschafft 
geben  mögen.  Jn  dissen  staffeln  bistu  zu  der  vestg  deiner 
Tyraney  vffgestigen,  vnd  disses  ist  der  zugang,  in  dem  du 
bist  ein  fridbeschirmer  vnd  handhäber  der  gerechtikeit  worden. 
Weihe  berümung  wenn  die  Leüt  von  dir  hören,  so  wondert 
sie,  was  dan  an  deinem,  deß  fridbeschirmers,  Hof  machen 
etzlich  redlich  gesellen,  die  etwa  mer  dan  jemant  ander,  ru 
vnd  friden  jm  Reich  vertrübten,  werden  auch  sollichs  zu 
wondern  nit  vffhoren,  biß  du  sie  vnderweisest,  einem  der  die 
rauber  vertilgen  wöll,  von  nöten  sein,  das  er  rauber  daruff 
bey  jm  halte.  Was  werden  nun  solliche  leüt  jtzo  dencken, 
wenn  sie  sehen,  das  du  nit  Rauber  veruolgest,  sonnd'  deine 
rauber  widder  Erbare  Leüt  vnd  bezeüg'  der  warheit  brauchest? 
Werden  sie  dich  auch  noch  für  eynn  fridbeschirmer  halten? 
Wiewol  mir  nit  vil  zu  schaffen  gibt,  wofür  sie  dich  halten. 
Aber  meyne  Er,  wil  ich  gegen  dir  biß  vff  dem  letzten  adem 
Verthedingen.  Wil  mich  vnderstehen,  alle  weit  zu  berichten, 
das  du  meynen  thiener  tötend,  nit  rauber  gestrafft,  sond' 
denen,  die  dich  jnen  mit  jrem  gelt  vorpflicht  gemacht,  zu  ge- 
fallen, das  vnschuldig  blut  vergossen  hast,  vnd  das  ich  vnd 
andere,  das  du  sollichs  uit  thätest,  wedder  mit  bit  noch  gaben 
vmb  dich  erwerben  haben  mögen.  Das  du  auch  denselbigen 
schlagregen,  vngewarnter  sach,  als  ich  mich  sollichs  gantz 
nit  zu  dir  vorsach,  auch  aller  schuld  vnd  vorhandclung,  gegen 


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AUSSCHREIBEN  GEGEN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  173 

dir  frey  wüste,  als  du  dich  dan  kurtz  da  vor  keiner  vngnaden, 
in  deinen  mir  vberschickten  briefen ,  hatst  mercken  lassen, 
vfF  mich  geworffen.  Dan  es  ist  je  wissenlich,  das  ich  mein 
lebenläg,  mit  dir  in  vngutem  nichts  zu  thun  gehapt.  Aber 
du  suchtest  vrsach,  dich  zu  beweisen,  vff  das,  ob  etzliche 
wären,  die  sich  noch  nit  in  deinen  schirm  gekaufft  betten, 
in  disser  that  erkenneteu,  das  du  kuntest  meinen  veinden 
widder  mich  dienen ,  vnd  derhalben  bald ,  mit  schweren 
seckelen  zu  dir  Helfen,  frid  zu  kauffeu,  den  sie  doch  nit  haben 
sollen.  Dan  sich  gepürt  nit  in  friden  zu  leben  denen,  die 
alwegen  aller  vffrur  vnd  zwittracht  vrsach  gewesen  sindt,  die 
alle  sachen  des  Reichs  vßländern  verraten,  gelt  von  vns  ge- 
fürt, vnd  her  widder  ergerliche  böse  siten  bracht  haben.  Ja 
sag  ich  keins  fridens  sollen  sich  gebrauchen  deine  schirms- 

vorwonten  die  Curtisanen,  vnd  dergleichen  

 *    Aber  du  wilt 

sie  schirmen,  nit  das  sie  des  werd  (dan  du  sihst  nit  an,  was 
ein  jeder  werd  sey)  sond'  darub  das  sie  gelt  habeu,  vnd 
künnen  schirm  von  dir  kautfen.  Vnder  denen  einer  dir  nehst 
als  du  gelt  bedörfftest,  siben  tauseut  gülden  gelihen,  vnd  die 
alten  Heichsstat  Oppenheim  zu  pfandt,  von  dir  eingenmnen. 
Zu  welher  Zeit  uiemant  zweifelte,  wenn  ich  mit  solhem  gelt, 
deiner  notdurfft  zu  Ilülf  körnen  vermocht,  du  bettest  mir 
gegen  den  Curtisanen  durch  die  finger  gesehen.  Aber  der 
Adel  vnd  gemein  ersufftzten  kläglich  darüber,  vnd  alle  die 
es  gern  gut  jm  Reich  sahen,  vnd  jr  Vaterland  liebhaben, 
trugen  deü  schmertzen,  das  dir  zugelassen  werde,  ein  so  alte 
keiserliche  Stat,  einem  schandthafftigen  besitzer  zu  vnder- 
gebeu,  vnd  alda  ist  erst  scheinbarlich  erkannt  worden,  in 
was  jamer  wir  gefallen,  seither  du  zu  sollichen  dingen  er- 
haben. Nun  werden  sie,  mich  betriegen  dan  alle  meyn  ge- 
dancken,  sehen,  das  du  noch  vil  vnbillichere  ding  würst  für- 
nemen,  nach  dem  du  ein  mal  vorpflicht  worden  bist  denen, 
die  nichts  erbars  oder  billichs  begeren,  an  denen  du  auch 
(wenn  dich  jtzo  einer  zu  eroffnung  deins  gemüds  zwüngt) 


*  Auf  Wunsch  des  Besitzers  der  Handschrift  bleibt  ein  Abschnitt 
von  wenigen  Zeilen  ungedruokt. 


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174 


NACHLESE. 


nichts  zu  loben  weist,  dan  das  sie  gelt  haben,  damit  sie  gern 
zu  bösen  dingen  helfen.  Dicweil  du  nun  so  gar  on  frund 
bist,  das  du  von  nöten  zu  frundschafft  der  aller  bößsten  flihen 
muest,  vnd  keiner  von  den  frömen  ist,  wenn  er  dir  schon 
hold  sein  wölte,  der  dein  vncrsätliche  begirlicheit  gut  zu 
haben,  erffillen  mochte,  so  hastu  dir  ein  ebene  vnd  deinen 
siten  gemcsse  geselschaft  funden.  Dan  allein  sind  on  massen 
reich,  die  sich  nit  schämen  gut  durch  schalckcit  zu  erwerben. 
Sihstu  das  mir  nichtes  verborgeu  deren  dingen,  die  du  heim- 
lich halten  wilt,  vnd  vff  das  sie  nit  offenbar  werden,  meynen 
tod  begerest?  Derhalben  du  auch  lang  davor  ehe  meyne 
thiener  die  zwcn  Epte  angegriffen  (welchs  du  jtzo  zu  vrsach 
deiner  vorgenömenen  widder  mich  vervolgüg  nimbst)  deinen 
Reittern  beuolhcn  hattest,  vff  mich  zu  streüffen,  vnd  meynes 
vß  vnd  ein  reiteus,  ob  sie  mich  jrget  vorzucken  möchten, 
acht  zu  nemen.  Heist  das  den  landfriden  schirmen?  Ynd  des 
Rcychs  frömen  schaffen?  Denen  heimlich  nachtrachten,  die 
du  öffentlich  zu  erfordern  nit  vrsach  hast?  Was  wöltestu 
nun  vor  vrsach  deiner  that  angezeigt  haben,  wenn  ich  zur 
selben  Zeit,  vff  deine  streftffende  reüter  gcstossen  wäre? 
Wes  wöltestu  mir  schuld  gegeben  haben?  Vorwar  hettestu 
mich  jewo  ich  zu  Verantwortung  körnen,  nit  verurteilen  mögen. 
Darüb  hättestu  dir  villeicht,  mich  heimlich  vmb  zubringen, 
damit  du  vff  den  töten  etzwas  erdichtest,  vorgesätzt.  Hoffestu 
aber  auch  jrget  an  einem  ort  so  grobe  verstäntnuß  sein,  da 
man  nicht  scheinbarlich  mercke,  warüb  du  mich  tot  wöllest 
haben?  Du  kaust  doch  selbs  nit,  ob  du  schon  gern  wöltest, 
vorwar  kanstu  nit,  vorhelen,  das  du  forchtest,  die  weil  ich 
der  bin,  der  warheit  zu  offenbaren,  vnd  laster  zu  schelten 
pflege,  das  nit  etwa  viel  ding,  vnbillich  von  dir  besehenen, 
durch  meyne  schrifft  zu  erkänntnuß  körnen.  Vnd  dir  ist  nit 
vnwissen,  das  ich  tyrannen  zu  verfolgen  geborn  bin.  Hirumb 
wie  teur  wöltestu  es  wol  kauffen,  das  ich  hette  mögen  zu 
der  zeit,  do  du  dich  noch  keins  vnwillcns  gegen  mir  annamest, 
vnd  ich  mich  gar  nichtes  arges  zu  dir  versah,  von  dir  ver- 
dempft  werden  ?  Dan  jtzo  blib  vil  von  dir  verschwigen,  vud 
du  möchtest  on  sorgen  deiner  bößheit  pflegen.  Wan  das  nun 
nit  Vorgang  gehapt,  vnd  dir  doch  von  nöten  gewest,  meinen 


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AUSSCHREIBEN  GEGEN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  175 

veinden,  wöltestu  du  änderst  gelt  von  jn  haben,  widder  mich, 
in  was  gestalt  du  möchtest,  zu  thienen.  Hastu  mir  meine 
nam  abgefangen,  den  der  mir  in  meiner  offenen  vorkundten 
vnd  zugeschribnen  vehdt,  ein  vngeferliche  Reyß,  wie  von 
alter  herkömen,  vnd  al wegen  bey  der  Ritterschafft  in  brauch 
gewesen,  gethient,  ertötet,  vnd  sprichst  du  straffest  die  Straß- 
rauber.  Billicher  sal  ich  dich  nennen  eynn  alter  vbelthatigsten 
straßraüber  vnd  morder,  der  auch  vnbarmherzigklicher  vnd 
schädlicher  dan  keiner  nye,  raubest  vnd  mordest.  Aber  jch 
füre  eynn  öffentlichen  krieg,  in  dem  ich  kein  vnschuld  nie 
vorletzt,  vnd  weis  vmb  meinen  handel  red  vnd  antwort  zu 
geben.  Dan  warüb  solt  mir  nit  gezimen  vnd  zugelassen  seiu, 
vß  billicher  vrsach,  wie  eyn  alte  gewonheit,  eynn  krieg  zu- 
füren, weihen  do  ich  ansagt  vnd  verkündiget,  vff  einem  go- 
meyng  Reichßtag,  vnd  versamlung  der  Christlichen  Kirsten, 
hat  sich  niemant  funden,  der  mir  darein  spräche,  oder  den, 
als  vnbillicher  weiß  furgenömen,  verböte?  Du  vnmiltister 
aller  Rauber  vnd  mörder,  die  jrget  sin  dt,  darffstu  mich  eyn 
rauber  schelten,  der  alwegeu  melier  abschewung  von  vor- 
loümüg  d'  Rauberey  getragen,  dan  du  je  eynig  laster  zu  be- 
ginnen gezweifelt  hast?  An  dem  auch  gewieß  ist,  ob  du 
heut  vermöchtest,  dissen  alt  her  kömenden  Teutscher  uation 
gebrauch,  krieg  zu  füren  abzuthun,  das  man  mit  gutem  recht, 
alles  das  du  hast,  von  dir  fordern  möchte.  Dan  do  dein 
vater  nach  sollicher  gewonheit  kriegte,  wart  er  von  Kciser 
vnd  allen  deß  Reichß  ständen,  durch  öffentliche  verkundiguug 
der  schweren  acht,  nit  alleyu  seiner  guter,  sonder  auch  Eren 
vnd  wirden  stand*  entsetzt,  vnd  sein  leib  vnd  leben  wart 
joderman  erlaubt.  Vnd  wiewol  dein  also,  faudt  er  dannoch 
leüt,  die  jn  widder  dieselbigen  macht  beliilteu.  Die  saltu 
erst  vordammen,  dan  sie  auch  widder  das  Reych  gekriegt, 
ehe  dann  du  raüber  nennest,  die  mir  in  Einer  billichen  vehdt, 
die  ich  on  menigklichs  verbot  vnd  eintrag,  meynen  veihenden 
öffentlich  verkundt  vnd  zugeschriben  hab,  thienen.  Ja  sag 
ich,  ehe  mustu  allen  Teutschen  Adel  vertilgen,  dan  du  eynen 
aus  den  meynen,  in  sollicher  gestalt  mit  recht  ertötest.  Dan 
kaum  würstu  jemant  vom  Adel,  der  anders  hämisch  füre, 
finden,  der  nit  etwa,  ein  wedders  selbs  dergleichen  vehd  ge- 


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176 


KACHLESE. 


hapt,  ader  aber  andern  in  jren  vehden,  gethient  sey.  Wie- 
wol  du  noch  nit  vil  anders  thuest.  Dan  ich  sich  dich  nie- 
mant  vorschonen,  sond'  mit  gleicher  vngestümikeit  freund 
vnd  veihend  vberfallen,  vnd  auch  die  jhenen  die  dir  gut  ge- 
than,  vbel  handelen.  Das  ich  glaub,  du  habst  dir  streng- 
lichen vorgesetzt,  solliche  wütterey,  so  weit  dir  das  glück 
vorhengen  wöll,  zu  volffiren,  daruff  zu  wachen  vnd  dich  be- 
flcissigen,  wie  du  den  Adel  von  grund  an  vßreüttest.  Darumb 
ich  auch  iu  dissem  meyuem  schmertzeu  eynn  einigen  vnd 
sondern  trost  hab,  das  vff  meinen  schaden,  Hu  cht*  gevolgt 
haben,  schaden  vnd  nachteyl  viller  redlicher  leüt,  vnd  das 
sollich  deiu  gegen  denn  meynen  vßgegangen  vrteyl  ist  vber 
alle  Edelleut  eyn  für  vrteyl  ist  vber  alle  Edelleüt  Tcutscher 
natiou.  Ob  nun  keyner  vom  Adel  wäre,  der  mir  widdcr 
deinen  gewalt  hilff  oder  beistandt  thun  wölte,  so  ist  doch 
disse  saoh  nun  nur  also  gestalt,  das  eim  jeden  vor  sich  selbs, 
sein  eigen  stand,  wesen,  wolfarn,  heyl,  Er  vnd  glimpf  hierjnn 
zu  bedencken.  Was  ansehens  mag  dan  haben,  das  ich  in 
meinem  krieg  veruolgt  die  jhenen,  die  von  allen  frömen, 
oft  entlich  verhasset,  vnd  die  niemant  jn  abreden  ist,  wo  an- 
ders das  Komisch  Reych,  vnser  glaub,  vnd  das  heilig  Euan- 
gelium ,  in  wesen  bleiben  soll ,  vertilget  vnd  außgoreüttet 
werden  müssen.  Magstu  nun,  wenn  du,  die  sollicher  gestalt 
vehd  haben,  tötest,  sprechen,  du  habst  vber  straßraüber  ge- 
richt  gesessen?  Oder  ob  du  das  mit  warheit  sprechen  möch- 
test, sihstu  dan  nit,  o  du,  den  der  geitz  vorblendt  vnd  vor- 
steckt hat,  das  mau  billich  sechßhundertfelticklichen  billich 
sollich  gericht  vber  dich  sitzen  solte?  Vnd  ob  man  einem 
vbel  reden  möchte,  der  sich  gegen  gewalt  der  pfaffen  eut- 
büre,  wie  viel  desto  mer  dan  du  vor  gotloß  sölst  geacht 
werden,  der  auch  den  vnschultigen ,  vnd  deiner  eygeuen 
priesterschafft  vnd  geistlicheit,  das  jr  mit  gewalt,  entnimest. 
Ynd  man  solt  es  von  rechts  wegen  thun,  vnd  ein  streng  vr- 
teil  vber  dich  gehen  lassen.  Dan  du  pflegst  warhch  rauberey, 
vnd  vff  das  aller  vnbillichst  vnd  grlmigest  raubest  vnd  mor- 
dest du,  vnd  hast  daselbst  kein  vnderschid  vnder  bösen  vnd 
guten.  Wir  aber  in  vnseren  vehden  thun  nit  widder  gewon- 
heyt,  recht,  vnd  gute  siten,  dan  wir  verthedingen  vnser  gut 


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AUSSCHREIBEN  GEGEN  DEN  KURFÜRSTEN  VON  DER  PFALZ.  177 

mit  woffen,  Beschirmen  die  vnschultigen  gegen  gewalt  der 

mechtigen,  Erheben  die  vorgwaltigten  vnd  vnderdruckten  mit 

hilf  vnd  beistand,  versagen  keynem  frömen  vnser  wer  vnd 

vermögen  widder  die  bösen.    Bisses  ist  ein  alte  vnd  vn- 

sträffliche  der  Teutschen  gewonheyt,  Weihe  wo  du  abthun, 

ach  got  wie  ein  tyranney  würstu  dan  vffrichten.    Vnd  du 

würst  eigentlich  etzwas  anrichten,  wo  nit  balt  geschürt,  das 

wir  alle  hoffen  seyn,  das  du  in  mittelem  lauff  deiner  vbel 

thaten,  vffgehalten  vnd  verruckt  werdest.    Dan  nun  mer 

Begindt  man  zu  verstan,  was  du  sonst  willen,  vnd  vmb  was 

belonung  du  die  Curtisanen  in  deinen  schirm  gegen  mir  ge- 

nomen.   Weihes  ob  schon  vß  verthienst  geschah,  vnd  die 

Curtisanen  mit  jresgleichen,  solliche  leüt  waren,  das  man  sie 

bey  gemeinem  friden  solt  handhaben,  so  hette  ich  dich  doch 

zu  fragen,  wo  her  du  billicher  den  frömen  fried  zuuerkaufen, 

dan  ich  die  bösen  mit  woffen  zu  vervolgen  hette  P  Oder  vß 

was  rechten  dir  gepüre  sollich  kauffmanschatz  zu  treiben? 

Ob  dan  ich  ein  sollicher  wäre,  das  jd'man  zugelassen,  wie 

er  wölt  gegen  vnd  widder  mich  zuhandelen,  so  wölte  ich 

dich  aber  fragen,  wie  du  andere  deinen  thaten  verantworten 

wöltest.  Vnd  zuuoran  sag  mir,  wie  wiltu  dich  entschuldigen, 

das  du  mit  eynem  schändlichen  geding,  dein  stim  in  d'  keiser- 

lichen  Chur  verkaufft,  vnd  vber  den  geschwornen  Eyd,  dastu 

nit  vmb  gunst  noch  gab,  welen  wölst,  vff  ein  compact,  vmb 

Ion  gewelet  hast?    Wie  dan  das  bundnuß,  so  du  mit  dem 

Abt  von  Weissenburgk  nehst  eingegangen  bist?  Darjnnen 

du,  als  jed'man  vermerckhen  kan,  zwifaltigen  betrug  suchtest, 

Erstlich  wo  du  de  nen  vnträglichen  zol  geiß  Wissenburgk 

legtest,  das  du  dieselben  Erlichen  Stat,  die  vormals  auch 

jämerlich  durch  dich  beschwerdt,  gantz  inn  grundt  verderbtest, 

•larnach  auch  das  du  mit  der  zeit,  die  Ebtev  vnd'  deinen 

gewalt  rissest.    Was  würstu  vns  dan  vor  vrsach  anzeigen, 

waröb  dir  der  Keiser  den  selbigen  zol  gegeben,  vnd  mit  was 

recht  od'  billikeit  du  den  vif  hebest?  Noch  sag  mir  ein  anders, 

in  was  gestalt  wiltu  mir  nit  zu  lassen,  vß  den  geistlichen, 

die  mir  vrsach  gegeben,  mit  krieg  vorzunemen,  so  doch  du 

vmb  deines  eygne"  nutzes  willen,  des  gantzen  geistlichen  Stands 

fireyheit  vor  nichts  achtest,  vnd  die  auch  vmb  jr  gelt  schirm 
qp.  Lxvn.  12 


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178 


NACHLESE. 


von  dir  erkaufft  haben,  zwingst  dir  Schätzung  zu  geben?  Jtem 
mer  ist  es  auch  billich,  mir  vor  ein  vbelthat  zu  zuschreiben, 
das  ich  gegen  mynders  Stands  geistlichen  kriege,  so  du  einen 
Ertzbischoff  vnd  Chürfürsten,  on  vrsach  widder  all  recht  vnd 
Billikeit,  dir  gelt  zu  geben,  das  er  dir  nie  schuldig  wart,  zu 
zwingen?  Was  wiltu  dan  antworten,  ob  dich  einer  fragte, 
so  du  in  abwcseu  des  Keisers  seine  stat  als  ein  Vicarius  ver- 
treten das  Reych  vor  vffrur  vnd  jnwendigem  krieg  bewaren 
soltste,  warunib  dannoch  niemants  durch  dich  beschirmet,  in 
sich'heit  durch  dein  Land  wandere,  er  keuff  dan  zu  voran 
sond'lich  vmb  sein  geld  geleit  von  dir?  Wer  kan  dan  jrget 
so  wol  reden,  das  er  dich  disses  deines  freuelichen  Herzugs 
mit  Eren  entschultigen  möge,  da  du  so  viel  redlicher  leüt 
beschädiget,  den  landfriden,  der  dir  zu  handhaben  vnd  zu 
schützen  beuolhen,  widd'  deifl  Eyd  vnd  pflicht  geschwäht 
vnd  zerbrochen,  vber  wen  du  magst  mit  raub  vnd  totschlag, 
in  erbarmnuß  vnd  mitleiden  aller  gemein,  weit  vnd  breit, 
wütest  vnd  tobest?  Oder  nach  was  beispil  fürestu  du  frids- 
beschirmer  eynn  krieg,  den  keine  gsätz  der  alten  zugelassen, 
kein  newe  Statut  vorhengt,  sond'  den  du  on  geheyß  vnd  er- 
leubuuß  des  Keisers,  vnd  obersten  Regiments,  vß  keinem 
guten  vorsatz,  sond'  mit  begir  des  raubs  vnd  plonders,  durch 
grausame  vnd'druckung  vieler  vnschultigen,  vmbfürest  vnd 
vbest?  Nembt  war,  disses  ist  der  fridbeschirmer ,  der  die 
rauber  strafft,  rauberey  abtilget,  die  wegfertigen  sichert,  vnd 
Strassen  rein  helt,  ein  handhäber  der  gerechtikeit,  Beschirmer 
des  fridens,  Schützherr  der  geistlichen,  vnd  Vicarius  deß 
Keisers.  Aber  die  leüt  beginnen  jn  anders  zu  kennen,  eynn 
vrsacher  viller  vffrur,  enthalter  d'  vnbillikeit,  handhäber  der 
laster,  vnd  diplichen  bücherrauber,  der  das  arm  volk  vnbarm- 
hertzigklichcn  schätzt  vnd  schindt,  gemeyne  freyheit  vnder- 
druckt,  vnd  die  summ  dauon  zu  reden,  eynn  Schirmherren 
der  Curtisanen.  Mit  sollichen  färben  gepürt  mir  dich  zu 
malen,  vff  das  dein  leben,  das  du  mit  eim  schein  der  Er- 
barkeit  zu  verdecken,  vnd  anders  dan  es  was  vßzugeben 
pflagst,  der  gantzen  weit  durchsichtig  werde.  Magstu  nun. 
so  weyse  her  gegen,  tugent  vnd  wolthaten  mit  den  du  solliche 
laster  vorgleichest.   Jch  wil  vff  diß  mal  nit  mer  wort  mit  dir 


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AUSSCHREIBEN'  GEGEN  DEN  KURFÜRSTEN  VGN  OER  PFALZ.  179 

haben.  Dan  ich  muß  dahin  oyleu,  das  ich  alle  mentschen, 
vmb  hilff  vnd  beistand  anrüffe,  mein  vnschuld  gegen  dir  zu 
vorthedingen,  dein  vnmilte  that,  schalckhafftige  handlung  vnd 
schändliche  morderey  mit  feur  vnd  eisen  an  dir  rechen.  Amen. 

(Von  anderer  Hand  seitwärts  geschrieben.) 

Auschreiben  Herr  Virichs  vom  Hutten  wieder  Pfaltzgraf 
Ludwige  Cuhrfürste^. 

[Handschrift  des  XVI.  Jhrts.    Archiv  zu  8teinbach.J 


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BIBLIOGRAPHIE. 


Zu  H.  W.  Ind.  bibl.  XXVI. 

MS.  tles  Briefes  an  Rotenhan,  des  VadiscuB,  des  Epi- 
gramms ,  der  zweiten  Febris  und  der  Inspicientes  im  Cod. 
lat.  Mon.  22  121,  foll.  2  a— 65  b.  Am  Ende  der  Febris  steht 
als  Datum  des  Abschlusses  in  profesto  Divi  Galli  abbatis 
1520*  (16.  October). 

Zu  II.  W.  I,  LVII. 

Das  Original  der  Urkunde,  mit  welcher  Kaiser  Maxi- 
milian Ulrich  von  Hutten  zum  Poeta  Laureatus  ernannte,  be- 
findet sich  im  Archiv  zu  Birkenfeld.  Burckhards  vortreffliche 
Wiedergabe  geht,  wie  ein  von  Böcking  seltsamerweise  nicht 
erwähnter  Briefwechsel  in  den  Wolfenbütteler  Collectaneen 
zeigt,  unmittelbar  auf  dies  Original  zurück. 


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QUELLEN  UND  FORSCHUNGEN 

ZUR 

SPRACH-  UND  CULTURGESCHICHTE 

DER 

GERMANISCHEN  VÖLKER. 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

BERNHARD  TEN  BRINK ,  ERNST  MARTIN, 

ERICH  SCHMIDT. 

LXVIII. 

CUKtt  Dl K  81'KACHE  DER  OBTGOTKN  IN  ITALIEN. 


STKASSISITKO. 
K  AHL   .1.   T  K  C  H  N  E  K. 
1*91. 


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ÜBER  DIE 


SPRACHE  DER  OSTGOTEN 


IN 


ITALIEN. 


VON 


FERDINAND  WREDE. 

/ 


HTRASSBUlUi. 
KAHL    .1.  TRÜBXKK. 
1801. 


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G.  Otto» s  Hof-Buchdrucker«!  In  DannsUdU 


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IXIIALTSCBERSICHT. 


A.  Einleitung  8.  1-18: 

Dialect  und  Überlieferung  der  gotischen  Bibel  S.  1.  -  Datierung 
mit  Hilfe  der  Eigennamen  S.  3.  —  Betonung  der  diabetischen 
Namenforschung  S.  4.  —  Überlieferung  und  sprnchgcschichtücher 
Wert  der  Eigennamen  S.  6.  —  Die  Ostgoten  S.  10.  -—  Fremdo 
Cultureinflüs9e  S.  12.  —  Romanismus  S.  13.  —  Mundart  8.  16.  — 
Quellen  8.  16. 

B.  Quellen  8.  19  42: 

I.  Quellen  bis  zum  Ausgang  de«  5.  Jahrhunderts: 

Trebellius  Pollio  19.        Flavius  Vopiscus  20.   —  Ammianus 
Marcellinus  20.  —  Claudius  Claudianus  20.  —  Zosimus  20. 
Idatius  21.  —  Apollinaris  Sidonius  21.  —  Malchus  21. 

II.  Quellen  aus  dem  6.  Jahrhundert: 

Joannes  von  Antiochia  21.  —  Ennodius  21.  —  Eugippius  22. 

—  Genoratio  rogum  et  gontium  22.  —  Avitus  22.  —  Boethius 
22.  —  Marccllinus  Cornea  22.  —  Cassiodorius  23.  —  Anony- 
mus Cuspiniani  26.  —  Vita  Fulgentii  26.  —  Liber  pontificalis  26. 

—  Epistolae  romanorum  pontifieum  28.  -  Anonymus  Valesii 
29.  —  Pnpiri  diplomatici  29.  —  Jordanes  30.  —  Procopius  32. 

—  Epitome  constitutionum  Justiniani  de  reformanda  Italia  34. 

—  Liberatus  Diaconus  34.  Auctarium  Prosperi  34.  —  Victor 
von  Tunnuna  35.  —  Gregor  von  Tours  35.  —  Agathias  35.  — 
Marius  von  Avenches  36.  —  Gregor  dor  Grosse  36.  —  Euagrioa 
37.  —  Chronicon  breve  37.  —  Menander  37. 

III.  Quellen  seit  dem  7.  Jahrhundert: 

Randglossen  zur  Chronik  des  Vict.  Tunn.  37.  —  Isidor  38.  — 
Chronicon  paschale  38.  —  Joannes  Malalas  3S.  —  Fredegar 
3h.  —  Paulus  Diaconus  39.  —  Gesta  episcoporum  Neapolita- 
norum  40.  -  Theophanes  40.  —  Chronicon  Moissac.  40.  — 
Agnellus  41.  —  Vita  et  translatio  S.  Sabini  41.  —  Geschiohto 
von  Monte  Cusino  41.  -  Erchempert  41.  —  Andreas  41.  — 
Vita  8.  Launiitii  rj.       8uidus  42.       Ilistoria  iiiUcdln  42. 


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Die  osmotischen  Sprachigste  S.  43-1(50: 

Ostgoten  44.  —  Greotinge  49.  —  Araalen  50.  —  Theoderic  51. 

—  Walamcr  57.  —  Thcodomcr  60.  —  Horelouva  00.  —  Thcodc- 
mund  62.  —  Amalafrida  63.  —  Amnlaberga  64.  —  Theodegoto  64. 

—  Ostrogoto  65.  -  Anmlaswintha  66.  -  Eutliaric  67.      Cillica  67. 

—  Harigern  68.  -  Bedewulf  69.  Gudila  71.  Pitzin  72.  — 
Bauto  73.  -  Gevica  74.  —  Erdwih  74.  -  Thancila  75.  -  Thrnse- 
mund  76  —  Thorisa  76.  -1  Triggwa.  Triggwila  78.  ~  Mammo  80. 

—  Tbba  80.  —  Gattila  81.  -  Huniniund  82.  —  Hildewara  82.  — 
Cunigast  83.  Odwin  83.  -  Athalaric  84.  —  Sigiwulth  85.  — 
Dumildi  86.  -  Goda  87.  -  Wiljarith  87.  —  Theodahath  89.  - 
Theodennnthn  90.  —  Theodegisl  91.  —  Grippa  92.  —  Asinarius 
92.  —  Sinderith  92.  -  Tzitta  93.  —  Ebremuth  94.  -  Witigis  95. 
Mutoswintlia  96  -  Optarith  97.  ~  Leuderith  99.  —  Marcja  100.  — 
Hunila  100.  -  Wiligisl  100.  -  Wigand  101.  -  Wandalari  101.  — 
Waci  102.  -  Albi  103.  -  Wilja  103.  -  Wilithcu  104  -  Gibiiner 
104.  —  Albila  104.  —  Morra  104.  —  Oraja  105.  -  Wacimuth  105.  — 
Sisigis  105.  —  —  Aus  Cassiodors  Varien:  Anna  107.  —  Matja 
107.  —  Umbisuo  108.  -  Nandwin  108.  —  Sajo  109.  —  Hunsla  111. 

-  Candnc  111.  —  Bojo  III.  —  Oswin  111.  —  Suna  113.  —  Fruma- 
rith  113.  -  Butila  113.  -  Wiligia  114.  —  Adila  114.  —  Aloiso 
114.  -  Suniwath  114.  -  Marabadu  115.  —  Wundtl  116.  — 
Hunigis  116.  —  Leodifrith  117.       Sonarius  117.  —  Gcsila  117. 

—  Geberic  118.  —  Tutizar  119.  —  Amara  119.  —  Duda  120.  — 
Tufa  121.  —  Theodagundi  121.  —  Guda  122.  —  Gudiscale  122.  — 
Fridibadu  122.  Mannila  123.  -  Wera  123.  -  Gudinanth  123.  — 
Aliwulf  123.  —  Tnta  124.  -  Wilihari  125.  —  Bacauda  125.  — 
Gudwin  125.  —  Neudi  125.  -  Andwit  126.  —  Oppa  126.  -  Cos- 
tula  127.  —  Daila  127.  —  Brandila  127.  —  Pa(h)tja  127.  — 
Wilithanc  128.  —  Liuvirith  128.  —  Starchedi  128.  -  Sigismer 

129.  —  Tolwin  129.   -  Quidila  130.  —  Sibja  130.  —  Dumerith 

130.  -  Thanca  131.  —  Gildila  131.  —  Witigisl  131.  —  Wiligisl 

131.  —  Wacca  131.  —  Gudeli(n)va  131.  —  Ranildi  132.  —  Wisibadu 

132.  Dan  133.  Tulgilo  133.  -  Witterith  133.    -  Hildcbadu 

133.  —  Sendefara  134.  —  8eda  134.  —  Totila  134.  —  Badwila  136. 

—  Bleda  137.  —  Ruderic  138.  Sisifrith  138.  -  Ricimund  138.  - 
Uöda  138.  —  —  DicUrkuuden  von  Neapel  und  Arezzo 
138.  —  Wul})r-  140.  -  Der  gotische  Hexameter  140.  — 
Sunjefrith  141.  Theudila  142.  -  Mirica,  Merila  142.  -  Sindila 
142.  -  Gudeleub  142.  -  Guderith  143.  —  Malatheu  143. 
Alamud  144.  -  Willjonanth  144.  -  Igila  144.      Angelfrith  144.  - 

-  Scipwar  145.       Gibila  145.  -  Gundwulf  145.    -  Hildwulf  145. 

—  Goar  145.  -  Usdrila   146.  -   Darida  146.  -  Riggo  147. 
Wnlth  147.       Blidin,  Widin  147.  -  Zalla  148.  -  Tila,  Teja  148. 

Fridigern  150.  -   Aligcrn  150.  —  Ragnaritlt  150.  -  Ade- 
mund  151.  —  Aderith  151.  --  Felithanc  151.  -  Ruuilo   152.  - 


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VII 


Sisewera  152.  -  Theudifara  153.  -  Gundihildi  153.  —  Landn- 
rith  153.  -  Gundwulf  153.  -  Adiuth  153.  -  Rosemud  Faffo  154. 
—  Gundirith   154.  —  Lendarith  154.  —  Tzalico  155.  —  Gudila 

155.  -  Wilifara  155.  -  Hildiwada  155.  -  Sindula  156.  —  Anila 
150.  —  Gundimer  156.    -  Ranihildi  156.  —  Guderith,  Gunderith 

156.  —  Manna  156.  —  Nandorith  156.  ~  Riccithane  156.  — 
Otratarit  156.   -   Winigild  156.   -   Wiljnric  157.  -  Thrasaric 

157.  Holdigcrn   157.    -  Odoric  15*.  —  Boherde  158.  —  Tzita 

158.  -    Hildigern  158    _  Wadwulf  158.  -  Siccifrida  158. 
Giverit»,  Giberith  151*.  -  Hardica  15'J.  —  Ce«sa  159.  -  Sifilo  160. 

I>.  Diabetische  Merkmale  des  Ostgotischen  S.  161  —  199: 
Yocalismus : 

o  161.  -  t  161.  -  /  162.  —  f,  r,  i  162.  —  «  164.  —  A  164.  — 

<t  164.  —  Wulf,  di  >  ostgot.  !  165.  -  Wulf  an  >  ostgot. 

u  165.  -  m  167. 
Consonantismus : 

Halbvucale  167.  —  Labiale  169.  —  Dentale  170.  -  Gutturale 

173.  —  /,  r,  »t,  n  175. 
Declination: 

Starke  Declination:  Masculina  176  (Schwund  des  Nominativ-*). 
—  Feminina  182.  —  Schwache  Declination :  Masculina  182.  — 
Feminina  183. 
Wortbildung : 

Nominale  Compositum  183  (der  ostgot.  Eigennamen;  der  wulf. 
Nouiinnj.  —  Suffixbildung  190  (  Suffix  a:  primäre  und  socundaro 
Hypocorismen).  —  Nnmongebung  196. 

K.  Schluss  S.  200-201. 
F.   Index  S.  202-208. 


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EINLEITUNG. 


Im  Jahre  1874  sagte  Adalbert  Bezzenberger  in  seiner 
Abhandlung  »Über  die  /1-Reihe  der  gotischen  Sprache"  (Göt- 
tingen 1874)  8.  b*  f.:  .Die  Sprache,  welche  uns  in  der  go- 
tischen Bibelübersetzung  vorliegt ,  kann  nicht  für  so  alt 
gelten,  dass  auf  ihre  Lautverhältnisse  die  der  übrigen  deut- 
schen Dialecte  ohne  weiteres  zurückgeführt  werden  dürften. 
Wir  wissen,  dass  die  Bibelübersetzung  Wulfilas  ein  Gegen- 
stand fortwährender  Beschäftigung  für  die  Goten  war,  welche 
dieselbe  durch  Änderungen  des  Textes,  Glossen  u.  dgl.  ver- 
besserten  und  verschlechterten.  Diese  Änderungen  und  Zu- 
sätze haben  dazu  gedient,  die  Altersverhältnisse  der  gotischen 
Handschriften  zu  bestimmen  und  die  einstige  Existenz  ver- 
lorener Vorlagen  festzustellen.  Die  uns  vorliegende  Bibel- 
übersetzung kann  deshalb  nur  ihrem  Kern  nach  für  das 
Werk  Wulfilas  gelten ,  in  der  Tat  ist  sie  das  Resultat 
einer  hundertjährigen,  ja  wohl  einer  zweihundertjährigen 
Arbeit.  Scheinen  doch  sogar  verschiedene  Schulen  der  Text- 
kritik und  Textüberlieferung  unter  den  Goten  bestanden  zu 
haben.  Dass  die  Sprache  der  Bibelübersetzung  wenigstens 
die  der  zweiten  Hälfte  des  fünften  Jahrhunderts  war.  be- 
weisen die  den  einzelnen  Büchern  hinzugefügten  Überschriften 
und  Schlussbemerkungen,  und  dass  sie  die  von  den  Ostgoten 
in  Italien  gesprochene  war,  beweist  die  Einteilung  des  Textes 
in  laiktjons,  d.  h.  Leseabschnitte  beim  Gottesdienst.  Im  wesent- 
lichen bleibt  sich  diese  Sprache  überall  gleich,  in  dem  Bibel- 
text wie  in  der  Skeireins.  in  dem  Kalender  wie  in  den 

QF.   I.XVHI.  l 


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1  — 

Urkunden  von  Arezzo  und  Neapel.  Wir  haben  also  die 
Sprache  einer  bestimmten  Periode  vor  uns,  und  als  solche 
miiss  die  der  ostgotischen  Herrschaft  in  Italien,  von  49:j 
bis  ,V>:H.  gelten;  kurz,  die  uns  überlieferten  gotischen  Texte 
repräsentieren  die  Sprache  des  sechsten  Jahrhunderts".  In 
dem  Nachwort  zum  dritten  Bande  von  Ficks  .Vergleichen- 
dem Wörterbuch  der  indogermanischen  Sprachen*  (rt.  Auf- 
lage. Göttingen  1x74  >  zieht  Bezzenberger  entsprechende 
Folgerungen,  er  will  z.  B.  die  germanischen  Kürzen  < 
und  o  auch  dem  Dialect  Wultilas  zuerkennen  und  die  con- 
stanten  gotischen  /  und  //  auf  die  ostgotische  Aussprache 
der  italienischen  Schreiber  des  sechsten  .lahrhunderts  zurück- 
führen (S.  :if»S|.  Bezzenberger  hat  mit  seiner  Theorie  keinen 
Erfolg  gehabt.  Von  vorn  herein  sind  ihre  historischen 
Stützen  belanglos;  denn  es  ist  nicht  einzusehen,  was  die 
einstige  Existenz  verlorener  Vorlagen,  was  die  verschiedenen 
Schulen  der  Textkritik,  was  die  später-  hinzugefügten  Über- 
schriften und  Schlussbemerkungen,  was  die  jüngere  Ein- 
teilung des  Textes  in  laiktjons  für  die  Annahme  ost go- 
tischen Dialects  und  gegen  die  Annahme  einer  von 
Codex  zu  Codex  und  von  Schule  zu  Schule  vererbten  me- 
chanischen Textab schrift  beitragen.  Vielmehr  ist  die 
Anschauung  herrschend  geblieben,  dass  uns  in  der  gotischen 
Bibelsprüche  wirklich  Wultilas  Dialect  des  vierten  Jahr- 
hunderts vorliege,  und  dass  nur  gelegentliche  Schwan- 
kungen der  Handschriften,  wie  die  zwischen  *'  und  ei,  zwischen 
o  und  u,  den  jüngeren  ostgotischen  Abschreiber  verraten.1 
Nur  Julian  Kremer  begann  1HS2  seine  , Behandlung  der 
ersten  Compositionsglieder  im  Gotischen*  2  mit  den  Worten: 
„In  den  uns  erhaltenen  gotischen  Sprachdenkmälern  haben 
wir  den  Dialect  der  Ostgoten  vor  uns.  und  zwar  in  der  Ge- 
stalt, wie  er  während  der  Herrschaft  dieses  Stammes  in 
Italien  <4!JM  —  55:1)  und  früher,  also  durch  ca.  anderthalb 
Jahrhunderte,  lebte."  Aber  Klemers  Arbeit,  welche  von 
Anfang  bis  zu  Ende  auf  vorgefasster  Meinung  beruht  und 

1  Vgl.  z.  B.  die  Zusammenstellungen  in  Braunes  Gotischer  Gram- 
matik» §  221,  1. 

2  Paul  und  Urämie,  Beiträge  VIII,  *n0  ff. 


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noch  ausführlicher  zu  betrachten  sein  wird,  bringt  für 
.seine  und  Bezzenbergers  Auffassung  ebenso  wenig  einen 
positiven  Beweis,  wie  ein  solcher  bis  jetzt  gegen  dieselbe 
unternommen  worden  ist. 

Kin  solcher  wäre  erbracht,  wenn  es  gelänge  aus  den 
ausserbiblischen  Spracbresten  der  Ostgoten  in  Italien  den 
Lautstand  ihres  Dialects  festzustellen  und  danach  zwischen 
ihm  und  dem  Bibeldialect  bestimmte  Abweichungen  zu  con- 
statieren.1  Dieses  ausserbiblische  Material  darf  nicht  etwa  in 
den  beiden  bekannten  gotischen  Urkunden  bestehen;  denn  die 
Übereinstimmung  ihrer  Sprache  mit  der  biblischen  legt  so- 
fort die  Vermutung  nahe,  dass  sie,  aus  geistlichen  Kreisen 
stammend,  in  dem  diesen  geläutigen  traditionellen  Bibel- 
gotisch, also  in  einer  über  dem  Dialect  stehenden  Schrift- 
sprache verfasst  seien.  Dieses  ausserbiblische  Material  sind 
vielmehr  die  zahlreichen  ostgotischen  Eigennamen.  Müllen- 
hoff  hat  in  der  Vorrede  zu  den  «Denkmälern*  gezeigt, 
wie  aus  den  Eigennamen  alter  Urkunden  der  Lautstand 
einer  Mundart  gewonnen  weiden  kann,  und  auf  diese  Weise 
den  althochdeutschen  Tatian  localisiert,  und  andere  sind  ihm 
gefolgt.2  Tst  Ähnliches  mit  den  ostgotischen  Eigennamen 
zu  erzielen,  dann  wird  eine  solche  Arbeit  zu  den  ahd. 
Localisierungsversuchen  in  dasselbe  Verhältnis  der  Wert- 
schätzung treten  dürfen  wie  die  gotische  Bibel  zu  den  ahd. 
Denkmälern. 

Damit  hat  denn  die  vorliegende  Untersuchung  auch 
in  den  Augen  derer  eine  Berechtigung  mehr  aufzuweisen, 
welche  von  einer  auf  den  Eigennamen  fussenden  Scheidung 
und  P]inzelbehandlung  der  gotischen  oder  wandilischen  Dia- 
lecte  sonst  nicht  viel  wissen  wollen.3    Ich  habe  eine  solche 


1  8treng  genommen,  wÄre  die  Beweisführung  pro  et  contra  erst 
zu  Ende  geführt,  wenn  sieh  andrerseits  Übereinstimmung  der  Bibel- 
sprache  mit  den»  Lautstand  erwiese,  welchen  die  mösogotiachen  Eigen- 
namen aus  der  Epoche  des  Wulfila  darstellen.  Allein  in  jener  frühen 
Zeit  fliesscn  die  Namenquellen  noch  spärlich,  und  Stammesunterschiede 
der  Goten  sind  nur  in  seltenen  Füllen  präcisiert. 

»  Vgl.  Anzeiger  f.  deutsch.  Altert.  XVI,  289. 

*  Henning,  Singer,  vgl.  unten  S.  4,  1. 

1* 


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mit  der  «Sprache  der  Wandalen"  hegeiincn1,  ich  setze  sie 
hier  mit  der  Sprache  der  Ostgoten  fort:  die  verschiedenen 
Ergebnisse  beider  Untersuchungen  bestärken  mich  in  der 
eingeschlagenen  Methode.  Auf  Procops  Zeugnis,  der  (d.  b. 
Vand.  I.  2)  allen  Wandiliern  nicht  nur  gleiche  Statur,  gleiches 
Recht,  gleiche  Religion,  sondern  auch  gleiche  Sprache  giebt, 
ist  natürlich  kein  Gewicht  zu  legen;  schon  die  geringere 
Zuverlässigkeit  der  griechischen  Quellen  gegenüber  der  der 
lateinischen  in  der  Wiedergabe  germanischer  Namen-  ver- 
bietet, dem  Historiker  ein  feineres  mundartliches  Unter- 
scheidungsgefühl zuzutrauen.  Dass  zwischen  den  einzelnen 
Stämmen  der  grossen  Goten-  oder  Wandiliergruppe  diabe- 
tische Unterschiede  vorhanden  sein  oder  sich  entwickeln 
mussten,  ist  a  priori  wahrscheinlich,  wenn  man  sich  ihre 
politische  Geschichte,  die  selbständige  Gründung  eines  Wan- 
dalen-, Ostgoten-,  Westgotenreiches,  namentlich  ihre  locale 
Isolierung  in  Afrika,  Italien.  Spanien  vergegenwärtigt.  Und 
wenn  es  heute  noch  möglich  ist,  nach  den  alten  Quellen  eine 
selbständige  Wandalen-,  Ostgoten-.  WTestgotengeschichte  zu 
schreiben,  dann  ist  es  auch  wahrscheinlich,  dass  genügend 
zahlreiche,  in  den  Quellen  politisch  und  damit  mundartlich 
geschiedene  Personennamen  sich  vorfinden.  Hierzu  halte 
man  folgende  Tatsachen.  Ich  erwies  für  das  Wandalische 
Fortbestehen  der  alten  Diphthonge,  namentlich  des  wulf. 
ui  als  wand,  ei,  ich  erweise  im  folgenden  für  das  Ost- 
gotische durchgeführte  Monophthongierung  von  wulf.  ui  zu 

e,  von  wulf.  du  zu  o;  ich  erwies  für  das  Wandalische  be- 
ginnenden Abfall  des  Nominativ-.«?  nach  Dentalen  und  seine 
feste  Erhaltung  nach  Gutturalen.  ich  erweise  im  folgenden 
für  das  Ostgotische  durchgeführten  Schwund  des  Nomina- 

1  Quellen  und  Forschungen  L1X,  Straasburg  1886;  besprochen 
von  Kaiser  im  Jahresbericht  ü.  d.  Ersehnen,  a.  d.  Geb.  d.  germ.  Phil., 
Jahrg.  1886,  S.  28:  von  Bhdr.  im  Lit.  Contralbl.  1887,  Sp.  1009;  von 
Henning  in  der  Dtsch.  Littcraturzeitg.  1887,  Sp.  1548;  von  Elingmann 
im  Literaturbl.  f.  germ.  u.  rom.  Phil.  1887,  Sp.  467;  von  Singer  im  Anz. 

f.  d.  A.  XIV,  S.  82;  von  Goebel  in  den  Mod.  Lang.  Notes  1888,  Sp.  »9; 
von  Bartsch  in  der  Germania  XXXIll,  S.  122.  Im  folgenden  kurz  citiert 
als  „Wand.* 

*  Vgl.  u.  S.  G. 


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5  - 


tiv-.<.  Bei  solchen  Ergebnissen  handelt  es  sich  nicht  etwa 
nur  um  chronologische  Entwicklung  derselben  Sprache:  beide 
(iermanenreiche  blühten  lange  Zeit  neben  einander,  und  der 
Untergang  des  einen  erfolgt  nur  zwei  Jahrzehnte  nach  dem 
des  andern.  Beide  Dialecte  gingen  vielmehr  ihre  eignen 
Wege,  und  nur  bei  consequent  durchgeführter  Scheidung 
sind  ihre  Unterschiede  festzustellen.  Sie  wären  nicht  in 
gleicher  Klarheit  hervorgetreten,  wenn  ich  sofort  an  die 
Zusammenstellung  eines  gotischen  Namenbuches  im  allge- 
meinen herangetreten  wäre:  man  berücksichtige  hierfür  allein 
den  Umstand,  dass  gelegentlich  z.  B.  in  ostgotischen  Ge- 
schichtsquellen Wandalennamen  in  ostgotischer  Dialectum- 
sihrift  auftreten  und  umgekehrt. 

In  der  folgenden  Untersuchung  gebietet  daher  erstens 
die  Absicht,  textkritische  Gesichtspunkte  für  die  gotische 
Bibel  zu  gewinnen,  eine  chronologische  Beschränkung  auf  die 
italienische  Zeit,  und  zweitens  die  Absicht,  grammatische 
Gesichtspunkte  für  wandilische  Dialectseheidung  zu  ge- 
winnen, eine  locale  Beschränkung  auf  die  Ostgoten:  sie  darf 
sich  nur  auf  speciellen  Ostrogoticis  der  italienischen  Zeit 
aufbauen,  und  Ausblicke  auf  sonstige  Wandiliea,  ausser 
Eigennamen  auch  auf  die  gotischen  IJunenroste1,  die  Salz- 
burg-Wiener Handschrift,  das  Krimgotische2,  dürfen  nur 
gelegentliche  und  vergleichende  sein.  Eine  Gesamtdar- 
stellung der  wandilischen  Dialectgruppe  aber  kann  nicht 
eher  versucht  werden,  als  bis  namentlich  das  Westgotische 
eine  specielle  Untersuchung  erfahren  hat3  und  auch  Wacker- 


1  Rudolf  Henning,  Die  deutschen  Runendenkniäler ,  Strasaburg 
188«,  8.  141. 

*  Obwohl  die  Krimgoten  Nachkommen  der  Ooti  Tetraxitae  und 
diese  ostgotische  Reste  Hein  sollen:  Zeuss,  Die  Deutschen  und  die 
Nachbarstamme  (München  1837),  S.  4.'t<)  ff.;  vgl.  jedoch  Tomaachek, 
Die  Goten  in  Tnurien  (  Wien  1881),  S.  10.  12  und  jetzt  ßraun,  Die  letzten 
Schicksale  der  Krimgoten  (Petersburg  l*i>0),  S.  8  f.  Zu  Busbecks  Notizen 
sehr  richtig  Bezzenberger  8.  14,  Tomaschek  S.  57,  Braun  S.  55  f. 

3  Eine  solche  wird  von  all  den  wandilischen  Einzelgrammatiken 
zweifellos  die  ergebnisreichste  sein,  ist  aber  andrerseits  mit  grossen 
Schwierigkeiten  verknüpft.  Bei  dem  langen  Bestand  des  westgotischen 
Reiches  durch  mehrere  Jahrhunderte  hat  sie  nicht  nur  ciuon  bestimmten 


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nagels  „Burgunder" '  einer  eontrolierenden Umarbeitung  unter- 
zogen sind.2 

Im  übrigen  sei  auf  die  allgemeine  Einleitung  meiner 
Wand,  verwiesen  und  auf  die  dortigen  Bemerkungen  über 
den  spraehgesehichtlichen  Wert  der  Eigennamen.  Vorar- 
beiten auf  ostgermanischem  Gebiet,  Quellenkritik.  Einiges 
hier  zur  Ergänzung.  Wenn  ich  oben  so  kühn  war  Müllen- 
hoffs  Localisierung  des  Tatian  mit  dem  litterarhistorisehen 
Endziel  meiner  Abhandlung  in  Parallele  zu  stellen,  dann 
bin  ich  den  Nachweis  schuldig,  dass  die  gotischen  Eigen- 
namen bei  den  Historikern  in  einer  Überlieferung  erhalten 
sind,  welche  wenigstens  annähernd  dem  Werte  alter  gleich- 
zeitiger Urkunden  entspricht.  Deshalb  zu  Wand.  r>f.  noch 
Folgendes.  Dass  zwischen  griechischer  und  lateinischer 
Uberlieferungstreue  bei  solchen  germanischen  Sprachresten 
ein  praetischer  Unterschied  zu  machen,  ist  bekannt.  Es 
findet  sich  bei  den  Griechen  namentlich  für  den  germanischen 
Vocalismus  wenig  Verständnis,  für  seine  Qualität1  wie  für 
seine  Quantität,4  während  sie  für  consonantische  Reflexe 
gelegentlich  über  genauere  graphische  Mittel  vertilgen  (z.  B. 


diabetischen  Lautstand  festzustellen,  sondern  innerhalb  der  »»inen  Mund- 
art mit  lautlichen  Wandlungen  zu  rechnen.  Ferner  ist  das  westgotisehe 
Sprachmaterial  von  ausserordentlichem  Umfang,  und  seine  annähernd 
vollständige  Sammlung  erfordert  noch  longo  Jahre.  Augenblicklich 
wäre  es  nutzlos,  den  reichen  Namenschatz  der  westgotischon  Concilien- 
aeten  mühsam  aus  der  indexlosen  Ausgabe  Mansis  zusammenzusuchen 
und  nicht  erst  die  Fortsetzung  von  Duchennes  Liber  pontificalis  und 
Thiels  Epistoloe  romanorum  pontificum  mit  ihren  textkritischen  Resul- 
taten abzuwarten.  Die  westgotischen  Inschriften  sind  sehr  zahlreiche 
und  hier  ausser  den  spanischen  besonders  noch  die  des  Corp.  inscr. 
lat.  XU  zu  berücksichtigen. 

1  Sprache  und  Sprachdenkmäler  der  Burgundcn,  Kleinere  Schriften 
III,  334  ff. 

2  Von  den  sonstigen  kleinen  Wandilierstämmcn  ist  zu  wenig  er- 
halten, um  eine  Darstellung  ihres  mundartlichen  Lautstandes  versuchen 
zu  lassen.  Ihr  Namenmatcrial  findet  man  im  wesentlichen  in  Dahns 
„Königen"  bei  einander;  ich  stelle  es  vielleicht  demnächst  in  einer 
unserer  Zeitschriften  textkritisch  zusammen. 

3  Vgl.  z.  B.  Kossinnn,  Anz.  XIII,  205. 

«  Vgl.  z.  B.  Kossinna,  Zeitschr.  f.  d.  A.  XXIX,  268. 


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7 


gr.  .*>  =  gut.  />).  Andrerseits  ist  der  linguistische  Wert 
lateinischer  t  berlieferung  von  je  her  gewürdigt  und  ausge- 
nutzt. Sagte  doch  schon  1819  Jacob  Grimm  im  Vorwort 
zum  ersten  Bande  der  Grammatik  8.  XXXIX:  „Es  ist  falsch 
davon  auszugehen,  dass  die  deutschen  Wörter  von  den 
Römern  entstellt  und  ihrer  lateinischen  Aussprache  bequemt 
worden  seien :  im  Gegenteil  wird  man  bei  gründlicher  Unter- 
suchung sich  immer  mehr  von  der  Zuverlässigkeit  über- 
zeugen :  bloss  die  Endungen  sind  luteinisiert,  aber  mit  wohl- 
verstandener Uücksicht  auf  die  Analogien  zwischen  beiden 
Sprachen*  Und  alle  späteren  Forscher  auf  gleichem  Ge- 
biete, unter  welchen  Karl  Müllenhoff  der  oberste  Platz  ge- 
bührt, haben  Grimms  Wort  bestätigt  gefunden.  Für  die 
vorliegende  Untersuchung  sei  es  in  folgenden  Einzelpunkten 
erwiesen. 

Als  dialectische  Eigentümlichkeiten  der  ostgotischen 
Bibelabschreiber  hat  man  immer  schon,  wie  oben  erwähnt, 
in  erster  Linie  die  gelegentlichen  handschriftlichen  Schwan- 
kungen von  et  ei,  i2  und  o,  w3  angesehen.  Aber  solche  feine 
lautliche  Xüancierungen  nach  dem  ausserbiblischen  Sprach- 
material zu  controlieren,  sie  bei  den  Historikern  in  den  ost- 
gotischen Eigennamen  wiederzufinden,  dieses  Unternehmen 
droht  von  Anfang  an  daran  zu  scheitern,  dass  in  allen  unsern 
lateinischen  Handschriften  der  Wechsel  von  e  und  /,  o  und 
n  ein  ganz  gewöhnlicher  und  mechanischer  ist  und  deshalb 
grade  die  erwähnten  diabetischen  Lautwandlungen  in  den 
gotischen  Eigennamen  nicht  überwachen  lässt.  Aus  gleichem 
Grunde  verzichtet  z.  B.  auch  Bezzenberger  (S.  14)  darauf, 
seine  westgotischen  Namenzusammenstellungen  lautlich  zu 
verwerten.  Es  fragt  sich  jedoch ,  ob  diese  Schwankungen 
in  der  Wiedergabe  der  germanischen  Dialectbrocken  in  der 
Tat  ebenso  geläufig  sind  wie  im  lateinischen  Texte.  Dass 
sich  die  lateinischen  e-  und  /- ,  o-  und  w-Laute  sehr  nahe 
gestanden  haben ,  ist  durch  zahllose  Vertauschungen ,  nicht 

1  Vgl.  noch  Kossinna,  Hochfränkische  Sprachdenkmäler,  QF  XLVI, 
S.  81  ff. 

8  Braune3  §g  7,  2.  3.  4.  9,  2.  10,  :>.  J6,  2.  17,  1. 
»  Braune»  §§  11,  2.  12,  1.  13,  2.  t4,  3.  15,  3, 


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8  - 


nur  handschriftliche,  auch  inst  hriftliehe,  zur  Genüge  belegt : 1 
die  Verschiedenheit  der  lateinischen  Einzeldialecte  mag  die 
Verwirrung  vollendet  haben.  Daraus  folgt  aber  für  die 
lateinische  Niederschrift  unlateinischer  Sprachteile  noch 
nichts.  Kluge  hat  zuletzt  darauf  hingewiesen,-  wie  schwer 
und  unbequem  den  classischen  Organen  der  germanische 
Lautcharacter  erscheinen  musste,  und  wie  ferner  nirgends 
eine  Urverwandtschaft  zwischen  Germanen.  Körnern  und 
Griechen  geahnt  wird.  Mag  daher  der  Römer  auch  häufiger 
gebrauchte  und  gehörte  Germanen-,  zumal  die  Völkernamen 
grade  so  nostrifieiert  haben,  wie  wir  heute  von  Franzosen 
und  nicht  von  Francais  sprechen,  so  blieb  ihm  für  die  bar- 
barischen Bildungen  der  Einzelnamen  doch  nichts  übrig  als 
ein  genaues  dem  Gehör  folgendes  Nachmalen :  und  je  fremder 
und  unlateinischer  ihm  solcher  Einzelname  klang,  um  so 
weniger  konnte  er  bei  dessen  Schreibung  orthographischen 
Licenzen  folgen,  die  ihm  sonst  für  seinen  lateinischen  Text 
geläufig  waren.  Die  späteren  Abschreiber  und  Verfertiger 
der  uns  erhaltenen  Handschriften  mögen  dann  in  den  latei- 
nischen Teilen  ihre  grammatische  Weisheit  durch  alle  mög- 
lichen Correcturen  angebracht  oder  lateinische  Lautschlüsse 
durch  blinde  mechanische  Vertauschung  von  /  und  e,  u  und 
o  unmöglich  gemacht  haben :  die  Germanennamen  hingegen 
waren  für  sie  in  der  Kegel  grade  so  wie  für  ihren  alten 
Autor  monströse  Bildungen,  denen  sie  nur  durch  mechanisches 
Abmalen  gerecht  werden  konnten.  Insofern  erscheint  der 
Lautstand  der  germanischen  Eigennamen  in  den  lateinischen 
Quellen  von  vorn  herein  in  zuverlässigerem  Lichte.  Und 
nun  betrachten  wir  unser  ostgotisches  Material,  wie  es  sich 
unten  im  Quellenteil  aus  den  lateinischen  Fundgruben  dar- 
bietet, indem  wir  einige  etymologisch  sichere  Fälle  heraus- 
greifen. In  den  zahlreichen  mit  germ.  rik~  componierfcm 
Namen  [Theoderie,  Eut harte,  Athalarie,  Wiljarie  u.  s.  w.  u.  s.  w.) 
begegnet  bei  keinem  Autor,  in  keiner  Handschrift,  in  keiner 
Inschrift  auch  nur  ein  einziges  -reeun  o.  ä. !  Germ,  a  zeigt 

1  Vgl.  z.  R.  Seelmann,  Dio  Aussprache  des  Latein  (  Hcilbronn  1885), 
SS.  183  f.  189  f.  200  ff.  211  f.  214.  216  f. 

2  In  Pauls  Orundrisa  der  germ.  Philologie  I,  315, 


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0 


sich  in  Runilo  und  den  mit  hun-  gebildeten  Namen  iHuui- 
tumid,  Himila  u.  s.  w.)  ohne  jede  abweichende  Lesart!  Unter 
den  Kürzen  ist  da.s  gemeingermanische  e  vor  r  (wulf.  «0  in 
Erdmh  und  den  Namenbildungen  auf  -berga ,  -(fern  durch 
constantes,  in  keiner  Handschrift  zu  t  übergehendes  e  refiec- 
tiert!  Das  gemeingermanische  u  in  den  zahlreichen  Com- 
positis  mit  mund- ,  tculf- ,  gunp-  hat  auch  nicht  ein  o  in 
etwaigen  Varianten  neben  sich !  Das  nach  gemeingermani- 
schem Gesetz  durch  ableitendes  i  oder  /'  bedingte  *  in  Wurzel- 
silben ist  in  den  vielen  mit  teil  ja-,  sigis-,  ivini-  zusammen- 
gesetzten Namen,  auch  in  den  besonders  häutigen  Koseformen 
auf  -da  (Quidila ,  Igiia ,  S'ifilo  u.  s.  w.)  ebenso  fest!  Ich 
denke ,  das  sind  für  die  Zuverlässigkeit  der  lateinischen 
Gesehiehtsquellen  in  dei*  Wiedergabe  ostgotischer  Namen 
deutlich  redende  Zeugen.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass 
für  spätere  Epochen  germanischen  Sprachlebens  diese  Sicher- 
heit nachlassen  wird,  je  mehr  die  Germanen  alle  Teile  des 
alten  Römerreichs  durchsetzt  haben,  Germanennamen  auch 
romanischem  Munde  geläutiger  und  selbst  germanische  Dialect- 
unterschiede  bekannter  werden.  Aber  für  jene  ältesten  Sprach- 
perioden, die  noch  den  brausenden  Wellen  der  Völkerwande- 
rung und  dem  ersten  intimeren  Verkehr  zwischen  Germanen 
und  Romanen  näher  liegen,  ist  der  Wert  des  uns  aus  roma- 
nischer Feder  bewahrten  germanischen  Sprachmaterials 
zweifellos  und  gestattet  positive  Rückschlüsse  auf  alte  Sprach- 
gesetze und  Lautwandlungen.  Obige  Zeugnisse  gehörten  ins 
Gebiet  des  Vocalismus :  sie  finden  für  alle  andern  Felder  der 
altgermanischen  Grammatik  ihresgleichen.  Was  den  Conso- 
nantismus  anlangt,  so  ist  es  z.  B.  ein  characteristisches 
Zeichen  des  Vulgärlateins,  dass  vom  dritten  Jahrhundert  ab 
d  und  b  vollständig  zusammenfallen  und  promiscue  geschrieben 
werden.  1  Dem  gegenüber  ist  in  der  lateinischen  Wiedergabe 
unserer  Gotennamen  für  germ.  w  zwar  oft  v.  aber  nirgends 
b  geschrieben !  Und  für  germ.  b  findet  in  den  Schreibungen 
ein  Wechsel  mit  v  nur  im  Inlaut  zwischen  Vocalen  statt, 
während  im  Anlaut  b  fest  ist:  genau  seinem  lautlichen 

'  Scelmann  239  f. 


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10 


Charaeter  entsprechend,  welcher  im  Anlaut  auf  Verschluss-, 
im  Inlaut  auf  Reibelaut  weist !  Endlich  eine  ähnliche  (Konse- 
quenz auf  dem  Gebiet  der  Flexion :  germanische  a-,  t-,  n- 
Stämme  zeigen  auch  in  der  Interpretatio  romana  im  allge- 
meinen die  urverwandte  lateinische  o-,  n-  Declination, 
worauf  im  einzelnen  bei  vielen  Namen  zurückzukommen 
sein  wird. 

Diese  Sicherheit,  mit  welcher  wir  somit  an  das  ost- 
gotische Sprachmaterial  herantreten  dürfen ,  wird  weiter 
bestärkt,  wenn  mit  dem  Lautstand  der  so  characterisierten 
handschriftlichen  Überlieferung  auch  der  Lautstand  der  in- 
schriftlichen oder  urkundlichen  Sprachreste  übereinstimmt, 
und  die  Berechtigung  der  folgenden  ostgotischen  Grammatik 
wird  nicht  weiter  verteidigt  zu  werden  brauchen.  — 

Das  grosse  Goten volk  hatte  im  Strome  der  Völker- 
wanderung die  Ufer  des  Schwarzen  Meeres  erreicht  und 
das  gewaltige  Römerreich  in  Schrecken  zu  setzen  gewusst. 
Aber  dem  Ansturm  der  Hunnen  war  es  nicht  gewachsen: 
die  Westgoten  wichen  nach  Süden  aus,  die  Ostgoten  erlagen 
und  traten  in  hunnische  Botmässigkeit.  Erst  nach  Attilas 
Tod  erlangten  sie  ihre  Selbständigkeit  zurück  und  besiedelten 
unter  dem  Herrscherhause  der  Amalen  Pannonien.  Von  hier 
zog  der  Kern  des  Volkes  mit  Theodemer  über  die  Donau 
nach  Mösien.  Und  dessen  Sohn  Theoderic  führt  es  488  im 
Einverständnis  mit  dem  Kaiser  Zeno  die  Donau  aufwärts, 
steht  im  Sommer  489  in  der  Lombardei  und  überwältigt  bis 
49M  den  Odowacar.  Italien,  ein  Teil  Pannoniens,  die  Alpen- 
landschaften und  das  südwestliche  Gallien  bildeten  allmäh- 
lich das  mächtige  Ostgotenreich,  das  zumal  unter  Theoderic 
die  Hegemonie  über  den  ganzen  Occident  ausübte.  Nach 
dessen  Tode  (526)  ging  es  schnell  mit  dieser  Machtstellung 
abwärts,  wozu  innerer  Zwist  das  Meiste  beitrug,  und  nach 
aufreibendem  Kriege  fand  553  der  Ostgotenstamm  durch  die 
Börner  dasselbe  Ende,  wie  es  zwei  Decennien  vorher  das 
Wandalen  volk  erlebt  hatte. 

Es  bedarf  keiner  eingehenderen  Ausführung,  wie  intensiv 
in  jenen  Jahrhunderten  der  Völkerwanderung  und  Völker- 
mischung die  germanischen  Stämme  das  gesamte  Römerreich 


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11 


zu  durchdringen  beginnen:  barbarische  Söldner  nehmen  schon 
seit  dem  dritten  .Jahrhundert  mehr  und  mehr  zu ,  und  von 
Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt  werden  die  Barbarennamen  häutiger.1 
Um  so  grössere  Vorsicht  und  Zurückhaltung  ist  geboten, 
wenn  aus  jener  bunten  Periode  ein  specieller  germanischer 
Dialect  eruiert  werden  soll :  wir  werden  uns  streng  und 
ausschliesslich  an  Germanennamen  zu  halten  haben ,  deren 
ostgotische  Herkunft  direct  durch  die  historischen  Quellen 
oder  das  politische  Auftreten  ihrer  Träger  gesichert  erseheint  ; 
und  so  viele  Germanennamen  z.  B.  Procop  im  Heere  Beiisars 
kennt,  und  so  viele  von  ihnen  ostgotische  sein  mögen,  sie 
müssen  hier  ausser  Betracht  bleiben  und  können  nur  auf- 
gespart werden  bis  zur  zusammenfassenden  Behandlung  im 
gotischen  oder  wandilischen  -  Namenbuch.  Führen  wir  hier 
aber  eine  solche  Beschränkung  consequent  durch,  dann  darf 
auf  eine  zuverlässige  und  sichere  philologische  Grundlage 
für  die  ostgotische  Grammatik  gerechnet  werden.  Denn  die 
Schaaren,  welche  unter  Theoderic  nach  Italien  zogen,  waren 
kein  buntes  Völkergemisch  wie  die  Massen  des  Odowacar, 
sondern  sie  bildeten  eine  einheitliche,  fest  zusammenhängende 
Nation.  «Alle  Stammesgenossen,  wo  sie  sich  auch  befinden 
mochten ,  wurden  zu  einem  einzigen  Kriegsheer  vereinigt. 
Niemand,  sagt  Ennodius,  wurde  geduldet,  der  nicht  ein  Ver- 
wandter war".3  Und  wenn  auch  nach  der  Eroberung  Italiens 
-die  daselbst  ansässigen  Germanen ,  soweit  sie  nicht  von 
Theoderic  ausgerottet  oder  ausgetrieben  wurden,  ihn  sämt- 
lich als  ihren  Stammfürsten  anerkannten",  wenn  somit  auch 
die  italienischen  Goten  „in  der  Tat  eine  durch  Samteid  unter 
sich  geeinigte  und  an  ihn  geknüpfte  Conföderation  germa- 

1  Brunner,  Deutsche  Rcchtsgeschichte  I,  38  f. 

■  Für  die  Gesamtbezeichnung  der  einen  Ostgermanenhälfte  ist 
„wandilisch"  der  älteste  bis  auf  Plinius  und  Tacitus  aurückzuvorfolgende 
Terminus  (vgl.  Wand.  6);  der  geläufigere,  „gotisch",  ist  ungenauer, 
geht  jedoch  bis  auf  Procop  zurück  (nror»ixn  *>rjya).  In  grammatischer 
Hinsicht  behalten  wir  im  folgenden  die  Bezeichnung  „gotisch"  im  her- 
kömmlichen Sinne  bei  und  verwenden  nur  bei  beabsichtigter  Differen- 
zierung „wulfilanisch"  und  „ostgotisch.41 

5  Ranke,  Weltgeschichte  IV,  I,  387. 


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12 


nischer  selbst  künigsloser  Gaue"  sind  1 .  so  zeigt  doch  das 
Beispiel  der  Rügen  ,  wie  trotz  dem  gemeinsamen  Amalen- 
scepter  die  nationale  Selbständigkeit  der  einzelnen  Stämme 
gewahrt  blieb :  die  Rügen  haben  immer  eine  ganz  nach  Ab- 
stammung ausgeschiedene  selbständige  Colonie  im  Gotenstaate 
gebildet,  sie  verheirateten  sich  nur  unter  einander  und  hielten 
in  jeder  Beziehung  auf  strenge  Wahrung  ihres  Geschlechts 
und  ihres  Namens.2  —  Die  Confession  ist  bei  den  Ostgoten 
für  die  angestammte  Nationalität  nicht  so  ausschlaggebend 
wie  bei  den  Wandalen  :*  und  auch  bei  den  Westgoten ;  kein 
fanatischer  Arianisinus.  keine  blutigen  Katholikenverfolgungen 
wie  bei  jenen,  sondern  äusserste  Toleranz ,  ja  eine  gewisse 
Ehrerbietung  vor  der  orthodoxen  Kirche  herrschen  im  Ost- 
gotenreiche, und  vereinzelte  Übertritte  von  einer  Confession 
zur  andern  lassen  sich  beiderseits  belegen. 4 

Eine  ganz  andre  ist  die  Frage,  was  die  Ostgoten  in 
ihren  Eigennamen  schon  aus  voritalienischer  Zeit  an  exo- 
tischem Sprachmaterial  mitbringen,  wie  weit  sie  ihre  Namen 
von  andern  Stämmen  entlehnten  u.  s.  w.  Hierfür  wird  man 
sich  zuerst  der  Zeit  der  hunnischen  Herrschaft  erinnern 
müssen;  wie  Attilas  Name  ein  gotischer  ist  und  sein  Hof 
gotische  Sitten  annahm,  so  ist  auch  der  Übergang  von  hunni- 
schen Namen  auf  Goten  nicht  ohne  weiteres  abzuweisen. 

wenn  auch  das  ,nomina  Gothi  plerumque  mutuantur 

Hunnorum"  des  Jordanes  (70,  8  ff.)  eine  starke  Übertreibung 
enthält  \  Zweitens  aber  müssen  die  Goten  in  früheren  Jahr- 
hunderten mit  keltischen  Stämmen  in  enger  Berührung  ge- 
standen haben ,  wovon  keltische  Gotennamen  Zeugnis  ab- 
legen6; und  dieser  Gesichtspunkt  verdient  um  so  mehr  Be- 
achtung, als  grade  Kelten  und  Germanen  in  der  Bildung 

1  Momni8en,  Neues  Archiv  f.  5.  d.  G.  XIV,  538  f. 

2  Dahn,  Könige  II,  127.  227.  III,  3.  Und  so  bleibt  auch  in  der 
folgenden  sprachlichen  Untersuchung  der  Name  des  Rügen  trarius 
(Mnrccll.  Com.  bei  Rone.  II,  328;  Jordanes  50,  18)  ausser  Betracht, 
obwohl  er  im  Jahre  541  fünf  Monate  ostgotischer  König  war. 

3  Vgl.  Wand.  9. 

*  Zu  Dahn  III,  199,  4  noch  die  Ereleuva-Eusebia. 
5  Dietrich,  Aussprache  des  Gotischen,  S.  28. 

•  Kremer,  Beitr.  VIII,  447. 


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1:> 


ihrer  Eigennamen  die  weitgehendste  Urverwandtschaft  zeigen, 
die  enger  ist  als  die  der  Germanen  mit  den  Indem  oder 
Griechen  J.  Wenn  man  somit  darauf  gefasst  sein  muss.  unter 
den  ostgotischen  Eigennamen  auf  nngermanische  Bildungen 
zu  stossen .  und  wenn  andrerseits  die  sicher  germanischen 
unter  denselben  in  lautlicher  und  etymologischer  Beziehung 
die  durchsichtigste  Klarheit  aufweisen  werden,  dann  dürfen 
bei  dunklen  Namenbildungen  keine  etymologischen  Kunst- 
stücke versucht  werden.  2  Dass  solche  Namen  den  Goten 
selbst  schon  vielfach  unverständlich  gewesen ,  wird  u.  a. 
durch  den  Umstand  bewiesen .  dass  von  den  Doppelnamen, 
die  bei  den  Ostgoten  begegnen  werden,  häufig  der  eine 
dunkel  und  etymologisch  rätselhaft  bleibt  ,  so  dass  zu  ihm 
der  zweite  Name  als  ein  gewisser  Ersatz  später  hinzuge- 
treten zu  sein  scheint.3  Übrigens  sagt  auch  Jordanes  a.  a.  ()., 
dass  die  Entlehnung  fremdländischer  Eigennamen  nichts  Auf- 
fallendes mehr  sei. 

Zu  solchen  ungermanischen  ('ultureinflüsson  tritt  nun 
in  Italien  der  romanische !  Für  die  gotischen  Verwaltungs- 
vcrhältnisse  hat  ihn  letzthin  Mommsen  aufzudecken  gesucht : 4 
sie  sollen  allein  mit  römischem  Massstab  zu  messen  sein, 
es  sollen  unter  den  Ostgoten  alle  unter  römischer  Herrschaft 
eingeführten  Institutionen  bestehen  geblieben  sein.  Und  ein 
solches  Vordringen  und  Durchdringen  des  Humanismus  hat 
für  alle  Culturgebiete  zu  gelten.  Komische  Bildung,  römische 
Sprache  waren  schon  bei  den  Wandalen,  die  in  aussereuro- 
päischer  Provinz  Roms  hausten,  von  so  gewaltigem  Einfluss:5 
wie  erst  bei  den  Ostgoten,  die  im  alten  italienischen  Stamm- 
lande sich  niedergelassen  !  Stiessen  zwei  generell  und  graduell 
so  verschiedene  ( 1ulturen  auf  einander  wie  die  gotische  und 

1  Vgl.  zuletzt  Kluge  in  Pauls  Gruudriss  I,  304  f.  Im  übrigen 
wird  Alfred  Holders  angekündigter  „Altceltischer  Sprachschatz"  grade 
für  die  altgermanische  Namondeutung  von  nicht  zu  unterschätzender 
reinigender  Bedeutung  «ein. 

?  Vgl  Wand.  7. 

3  Vgl.  letztes  Capitel  unter  „Namongebung". 

4  S.  unten  S.  17  Anm.  1. 
1  Wand.  8. 


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14 


die  römische,  dann  bedarf  der  ausschliessliche  Sieg  der  letz- 
teren, aller  nationalen  Opposition  zum  Trotz,  keiner  Erklärung. 
Es  sind  nur  Ausnahmen,  wenn  der  Patricicr  Cyprian  neben 
dem  Lateinischen  und  Griechischen  auch  des  Gotischen  mächtig 
war  und  seine  Söhne,  pueri  stirpis  romanae.  Gotisch  lernen, 
Ausnahmen .  die  König  Athalaric  ausdrücklich  anerkennt 
(Cass.  Var.  VIII.  2\).  Hingegen  verstehen  und  sprechen 
Theoderic  und  alle  seine  Nachfolger  Latein,  Latein  ist  die 
Amtssprache,  Latein  ist  die  Sprache  in  Cassiodors  Valien, 
Latein  die  Sprache  aller  specifisch  ostgotischen  Inschriften 
u.  s.  w.  Und  solche  Komanisierung  findet  ihren  wirksamsten 
Nachdruck  in  den  romanisierenden  Neigungen  des  amalischen 
Herrscherhauses  selbst.  Das  ganze  Streben  Theoderics.  der 
nach  Odowacars  Vernichtung  seine  gotische  Kleidung  mit 
der  römischen  Tracht  vertauschte,  geht  in  seiner  inneren 
Politik  darauf  aus,  die  nationale  und  die  geistige  Differenz 
zwischen  Hörnern  und  Goten  auszugleichen,  und  Cassiodor 
wie  .Jordanes  geben  diesen  seinen  Anschauungen  Ausdruck, 
so  oft  sich  Gelegenheit  bietet ;  ihre  Identificierung  von  Goten 
und  Geten  ist  nichts  weiter  als  ein  Versuch,  die  Kluft  zwischen 
historischem  Horner-  und  Gotentum  historisch  zu  überbrücken. 
Theodahath  und  Amalaswintha.  Amalafrida  und  Amalaberga 
sind  der  nationalen  Sitte  völlig  entfremdet 1 ;  und  die  schliess- 
liche  Verschwägerung  der  Amalen  mit  den  Byzantinern,  die 
Heirat  der  Mateswintha  und  des  Germanus,  erscheint  als 
glücklicher  Abschluss  der  ersehnten  nationalen  Ausgleichung. 
Natürlich  ist  dieses  Aufgehen  in  antiker  Bildung,  wie  es 
die  Amalen  charakterisiert,  nicht  in  gleichem  Grade  auf  alle 
Schichten  des  Gotenvolkes  auszudehnen,  hier  hatte  die  clas- 
sische  Cultur  vielmehr  mit  der  alten  gotischen  erst  zu  ringen, 
bis  ihr  der  Sieg  zufiel.  Man  erinnere  sich  nur  des  oben  ei- 
wähnten  festen  nationalen  Zusammenschlusses  aller  Ostgoten  ; 
man  bedenke,  dass  das  Heer,  das  typische  Abbild  aller  ger- 
manischen Stammesgemeinschaft,  sich  so  gut  wie  ausschliess- 
lich aus  Nationalgoten  remitiert  und  Börner  ausschliesst? : 


•  Dahn,  Könige  II,  158.    III,  256. 

1  Dahn,  Könige  III,  57  ff.,  Urgeschichto  I,  2U4. 


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15 


man  berücksichtige  auch,  dass  es  Berichte  aus  griechischer 
oder  römischer  Feder  sind .  welche  für  die  ostgotische  Ge- 
schichte vorliegen,  dass  diese  die  Tatsache  einer  unrömischen 
Regierung  gern  verdecken  und  deshalb  das  alte  einheimische 
Element  in  den  Vordergrund  drängen.  Eine  oppositionelle, 
d.  h.  nationalgotische  Partei  ist  schon  unter  Theoderic  zu 
spüren ,  gegen  Amalaswintha  regt  sie  sich  schon  stärker, 
und  sie  stürzt  ihren  Nachfolger,  der  sich  ganz  in  römische 
Cultur  verliert  und  alles  Nationalgefühl  verleugnet Freilich 
es  ist  gewiss  unrichtig,  aus  den  beiden  erhaltenen  gotischen 
Urkunden  den  allgemeinen  Schluss  zu  ziehen,  dass  die  gotische 
Sprache  auch  als  Geschäftssprache  im  Gebrauch  gewesen  sei ; 
man  bedenke,  dass  die  Parteien,  welche  sie  ausstellen,  aus- 
schliesslich Geistliche  sind2,  dass  andrerseits  diesen  zwei 
gotischen  Urkunden  alle  die  andern  in  lateinischer  Fassung 
bei  Maring  entgegenstehen.  Aber  die  gotischen  Helden- 
lieder sind  noch  zu  Theoderies  Zeit  gesungen  worden,  und 
die  Sprache  des  arianischen ,  vom  katholischen  getrennten 
Gottesdienstes  war  die  gotische4.  Im  allgemeinen  wird  die 
Fügung  der  Goten  unter  römische  ('ulturverhültnisse  in  den 
einzelnen  Provinzen  eine  verschieden  abgestufte  gewesen 
sein  je  nach  der  verschiedenen  Besiodelungsdiehtigkeit :  in 
den  von  Goten  zahlreicher  bevölkerten  Landesteilen  Ober-, 
Ost-  und  Mittelitaliens  werden  altgotische  Eigentümlichkeiten 
leichter  bewahrt  und  den  vorgefundenen  römischen  überge- 
ordnet worden  sein  als  im  Süden  und  Westen  der  Halbinsel, 
wo  die  gotische  Bevölkerungsdichtigkeit  eine  viel  geringere 
war  r\ 

Es  ist  nur  ein  blasser  Abdruck  aller  dieser  Verhält- 
nisse,  wenn  sich,  wie  bei  den  Wandalen,6  auch  bei  den 
Goten  vereinzelte  Namen  griechischen  oder  römischen  Ur- 
sprungs finden.    Dazu  gesellen  sich  dann  noch  etliche  bib- 

1  Dahn,  Könige  III,  256  f. 

*  Vgl.  oben  8.  3. 

3  Vgl.  in  den  beiden  nächsten  Capiteln. 

4  Wattenbach,  Deutschlands  Geschichtsquollen  P,  63. 

5  Dahn,  Könige  III,  8  ff. 

•  Wand.  8  f. 


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lische.  Es  genügt  hier  auf  das  Nebeneinander  von  gotischen 
und  ungotischen  Namen  in  den  beiden  Urkunden,  auf  das 
unten  unter  Ariagne,  PiUia,  Asuiarius,  Athodatus  u.  ä.  Ge- 
sagte, sowie  auf  Dahns  .Könige"  III.  00,  4.  198.  1VT.  147, 
1  zu  verweisen. 

Aber  alle  culturelle  Beeinflussung  braucht  noch  keine 
physiologische  im  Gefolge  zu  haben:  das  gotische  Idiom 
selbst  wird  sich  so  gut  wie  unberührt  von  romanischem 
Sprachcharacter  zeigen.  Dass  gelegentliche  Assibilations- 
erseheinungenf/Vtem,  Tzitta,  Mazenis,  Baza,  Tut  fcar,  PaUenis, 
Zolin,  dazu  kawtsjö)  ungotisch  und  romanische  Schreiber- 
gewohnheiten sind,  darüber  vgl.  unter  „Pitzia\  Auch  die 
vereinzelten  Endungen  -o  für  gotisches  schwaches  -a  ent- 
stammen nicht  dem  volkstümlichen  Gotisch,  worüber  unter 
^Schwacher  Doclination**.  Vgl.  ferner  über  vereinzeltes  gu 
statt  got.  w  unter  „Wiljarith"  und  über  romanische  Nasa- 
lierung in  Gensimund  unter  „Gesila*. 

Quellen  für  die  folgende  Untersuchung  waren  zunächst 
die  erhaltenen  Silber-  und  Kupfermünzen  der  Könige  Atha- 
laric,  Theodahath.  Witigis,  Hadwila.  Teja  (Thela). 1  Dazu 
kommt  eine  Reihe  von  Inschriften,  soweit  sie  bei  dem  torso- 
haften Zustand  des  grossen  Corpus  inseriptionum  latinarum 
zugänglich  waren.2  Namentlich  im  umfangreichen  sechsten 
Bande,  der  die  Inschriften  der  Stadt  Rom  bringt,  mag  noch 
mancherlei  ostgotisches  Material  stecken,  das  vorläufig  bei 
dem  Fehlen  der  Indices  nicht  gehoben  werden  kann.  Trotz- 
dem giebt  das  Gefundene  und  Verwertete  für  unsere  gram- 
matischen Resultate  schon  eine  solche  Gewähr,  dass  man 
einer  etwaigen  Ergänzung  des  inschriftlichen  Materials  go- 

1  Friedländer,  Die  Münzen  der  Ostgoten,  Leipzig  1844;  Ergän- 
zungen in  seinen  Münzen  der  Wandalen,  Leipzig  1849;  dazu  Dahn, 
Könige  III,  147  ff.,  Urgeschichte  I,  298  f.  300  f.  Die  Münzen  von 
Theoderic  und  Mateswintha  tragen  nur  deren  Monogramme,  nicht  ihre 
ausgeschriebenen  Namen. 

2  Throdrricus,  Tioda,  Euthuricus,  CHUga,  Cellica,  Gudila,  Gottila, 
Timilhli,  Alhalaricus,  Dumilda,  Wiliarit,  Guiliarit,  Tzitlani,  Aniora, 
Guntio,  Guntclda,  Quiddila,  Fandir/tl-*,  Sendefara ,  Seda ,  Ustarric, 
Guderit,  Alututicus,  Ahtt/ildus,  Wilifara,  Wiliuric,  Tranaric. 


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-   17  - 

trost  entgegensehen  kann.  Nach  Erscheinen  jener  schmerz- 
lich vermissten  Indices  wird  eine  solche  leicht  an  passendem 
Ort  zusammengestellt  werden  können.  Die  nächst  wert- 
volle Fundgrube  waren  Marinis  Papyrusurkunden ,  über 
welche  unten  S.  29  f.  Und  dann  folgen  alle  die  lateinischen 
und  griechischen  Historiker,  deren  linguistische  Zuverlässig- 
keit oben  characterisiert  wurde.  Der  Weg  zu  ihrer  Be- 
nutzung ist  wieder  in  erster  Linie  durch  Felix  Dahn  gebahnt ; 
man  mag  über  Dahns  Arbeiten  vom  rechtshistorischen  Stand- 
punkt aus  urteilen,  wie  man  will,  Anerkennung  für  seine 
Art  die  Quellen  zu  beherrschen  kann  ihm  nicht  versagt 
bleiben,  und  Band  II— IV  seiner  „ Könige"  werden  lange 
die  Grundlage  ostgotischer  Geschichtsforschung  bleiben. 
Alle  sonstige  Litteratur  findet  man  bei  ihm  verzeichnet ;  ich 
nenne  hier  noch  seine  „Urgeschichte*  und  die  Arbeiten  von 
Manso,  v.  Glöden.  Kohl,  Mommsen.1  Die  Quellen  selbst 
habe  ich  in  derselben  Ausdehnung  verfolgt,  wie  bei  den 
Wandalen.  Viele  der  kleinen  Einzelchroniken,  wie  sie  na- 
mentlich in  der  fränkischen  Zeit  entstehen,  konnten  ausser 
Acht  bleiben,  weil  die  historischen  Vorlagen,  welche  sie 
ausschreiben,  von  uns  berücksichtigt  waren;-  wie  weit  diese 
unselbständigen  Nachzügler  bei  dem  definitiven  Bau  des 
wandilischen  Namenbuchs  zu  beachten  sein  werden,  bleibt 
noch  zu  überlegen.    Den  Vorrang  unter  unsern  ostgotischen 

1  Dahn,  Die  Könige  der  Oermanen,  München  und  Würzburg 
1861—1870,  zweite  Auflage  von  Bd.  VI  Leipzig  1885;  Dahn,  Urge- 
schichte der  germanischen  und  romanischen  Völker,  I,  Berlin  1881; 
Manso,  Qoschichto  des  ostgotischen  Reiches  in  Italien,  Breslau  1824; 
v.  Glöden,  Das  römische  Recht  im  ostgotischen  Reiche,  Jena  1843; 
Kohl,  Zehn  Jahre  ostgotischer  Geschichte  (526—536),  Leipzig  1877  ; 
Mommsen,  Ostgotische  Studien,  Neues  Archiv  für  altere  deutsche  Ge- 
schichtskunde XIV,  223  ff.  451  ff. 

*  Beispielshalber  der  Catalogus  imperatorum,  rog.  ital.,  dueum 
Benevent,  et  Spol.  Farfensis  (Mon.  Germ.,  Script,  rer.  Langob.  et  Ital. 
521  ff.),  welcher  im  Anfang  des  12.  Jhs.  entstand  und  aus  Paulus 
Diaconus  schöpft.  Ebenso  die  Gesta  Theoderici  regis  (Mon.  Germ., 
Script,  rer.  Merow.  II,  200  ff.);  denn  so  sicher  auch  eine  sonst  ver- 
lorene Vita  Theoderici  Gotorum  regis  dem  57.  Capitel  von  Fredegars 
zweitem  Buche  zu  Grunde  liegt,  entstammen  doch  diese  Gesta  frühstens 
dem  12.  Jahrh.  und  basieren  auf  sonst  erhaltenen  Quellen. 

QK.  i.xvni.  2 


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^    18  - 

Geschichtsquellen  nehmen  Cassiodors  Varien  ein,  über  welche 
unten  S.  24  ff. 

Eine  Vorarbeit,  die  den  ostgotischen  Dialect  nach 
seinem  ausserbiblischen  Material  im  Zusammenhange  be- 
handelt hätte,  war  nicht  zu  berücksichtigen;  sie  fehlt  selbst 
im  zweiten  Bande  von  Förstemanns  „Geschichte  des  deutschen 
Sprachstammes 1  Über  sonstige  gelegentliche  Benutzung 
des  ostgotischen  Namenschatzes  wird  noch  an  verschiedenen 
Stellen  zu  urteilen  sein. 


*  Vgl.  Wand.  3.  10. 


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(HELLEN. 

Wir  teilen  die  Quellen  in  drei  Gruppen: 

I.  bis  zum  Ausgang  des  5.  Jahrhunderts, 

II.  aus  dem  (>.  Jahrhundert, 

III.  seit  dem  7.  Jahrhundert. 

Sonst  vergleiche  man  zum  folgenden  Abschnitt  Wand. 
12.  Münzen  und  Inschriften  fehlen  in  demselben,  weil  sie 
bei  seinem  chronologischen  Aufbau  doch  nicht  zusammen- 
hängend aufgeführt  werden  konnten,  und  folgen  im  nächsten 
Capitel  unter  den  einzelnen  Namen. 1  Es  sind  ferner  nur 
die  Quellen  genannt,  welche  specielle  Ostrogotiea  der  ita- 
lienischen Epoche  überliefern,  und  alle  die  übergangen, 
welche  nur  den  Volksnamen  der  Goten  im  allgemeinen 
nennen.-  Wurde  eine  Quelle  schon  für  die  Wand,  benutzt, 
so  ist  ein  Hinweis  auf  jene  beigefügt,  damit  ihre  Über- 
lieferung wandalischer  und  ostgotischer  Sprachreste  ver- 
glichen werden  kann. 

I.    QUELLEN  BI8  ZUM  AUSOANO  DES  5.  JAHRHUNDERTS. 

Trebellius  Pollio,  einer  der  sechs  Scriptores 
historiae  augustae,3  schrieb  zwischen  :*02  und  30(>;  vita 
Claudii  (reo.  Peter,  Lips.  1884,  XXV): 

1  Vgl.  oben  S.  16  und  hinton  den  Index. 

a  Strubon,  Geogr.  VII,  3  rtwrtoit;  {?  Rovrtor*:,  Hoütovh);  Plin., 
Hist.  nat.  IV,  99  finfoms  {(inumrs,  GiHotten),  XXXVII,  35  Xhttoms 
(Guioites);  Tac,  Genn.  43  (i'othonrs,  Ann.  II,  02  Gottnun;  Ptolem., 
Geogr.  III,  5,  20  rtf*«w;  u.  s.  w. 

8  Vgl.  über  sie  jetzt  Dessau,  Hermes  XXIV,  337  ff.  und  Mommsen, 
Hermes  XXV,  228  ff. 

2* 


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-    20  - 

6,2  Aus  tro goti  (Austor goti ) ;  sonst  Gothi. 

Grutungi  (Trutungi):  mit  Müllenhoff,  Zs.  IX,  185 
entstammt  die  Stelle  griechischer  Quelle,  ver- 
mutlich Dexippus,  und  das  Trutungi  der  Hss.  ist 
aus  ronvütyyot  verlesen. 

Seine  biographischen  Arbeiten  wurden  bald  nachher 
von  Flavius  Vopiscus  aus  Syracus  wieder  aufgenommen; 
vita  Probi  (ib.  XX VIII): 
Gothi. 

18,2  Grouth  u  ngi  ( Gautunni). 

Als  ein  Fortsetzer  der  tacitcischen  Annalen  schreibt 
in  Rom  um  390  der  Grieche  Ammian us  Marcellinus 
ausAntiochia  (ca.  333-  400)  seine  nur  zum  Teil  (353—378) 
erhaltenen  Kerum  gestarum  libri  (ed.  V.  Gardthausen,  Lips. 
1874.  1875): 

Gothi. 

27,  5,  6  Greuthungi  (Grutungi,  Greutungi),  31, 
3,1  Greuthungi  (Geuthungi),  31,  3,  5  ac  Gheuthun- 
gorum  [ugere  ut  ungorii),  31,  4,  12  Greuthungi 
(Greustongi),  31,  5,  3  Greuthungi. 

Claudius  Claudianus,  um  400  (sicher  bis  404), 
aus  Alexandria  (Wand.  14);  ich  citiere  nach  der  Ausgabe 
von  Jeep,  Lps.  1876.  1879,  doch  war  mir  durch  die  Freund- 
lichkeit des  Herrn  Professor  Birt  der  Einblick  in  den  von 
ihm  für  die  Mon.  Germ,  besorgten  Apparat  gestattet: 

XX,  153  Östrogöthi  (Osdrogothi,  Ostrogoti,  Obstro- 
goti). 

VIII,  ()23Grüthungi  (Grutungi,  Gruthongi.  Grotonni, 
Grotuwpm),  VIII,  035.  XX,  153.  196.  399.  576 
Grüthungi  (mit  den  vorigen  und  anderen  belang- 
losen Varianten). 

Zosimus  (Wand.  15)  verfasste  seine  erst  nach  dem 
Tode  herausgegebene  tetootu  vta  (bis  410)  in  Constantinopel 
zwischen  450  und  501  (ed.  Lud.  Mendelssohn,  Lips.  1887): 

rd  t  ü  oi. 

IV,  38,  1  l'oo&t  yyoi  (von  Salmasius  aus  llgodiyyoi 
gebessert,  vgl.  Müllenhoff  a.  a.  ().). 


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21 

Idatius  aus  Gallicien,  um  395  470,  (Wand.  16) 
setzt  die  Chronik  des  Hieronymus  fort,  für  die  Jahre 
427 — 467  aus  eigener  Anschauung  (ed.  Roncallius,  Vetu- 
stiora  Latinorum  chronica,  Patavii  1787,  II;  auch  verglichen 
die  edit.  Sirmondi,  Lutet.  Paris.  1619): 
Gothi. 

Hone.  II,  10  Greothingi  (ad  a.  386);  in  dem  viel- 
leicht von  Idat.  herrührenden  Oonsulnverzeich- 
nis  ib.  96  Greothingi. 

Apollinaris  Sidonius,  um  430     488 ,  ( VVrand. 
17)  (ed.  Luetjohann  1887,  Mon.  Germ.  auet.  antiqu.  VIII): 
137  v.  36.  C.  II.  377.  V,  477  Öströgöthus ,  sonst 
Gothus,  Gothia,  Gothicus. 

Malchus  von  Philadelphia  in  Syrien  (Wand.  17) 
fuhrt  in  den  erhaltenen  Fragmenten  (474  -   480)  die  Er- 
zählung des  Priscus  weiter  (ed.  Niebuhr,  Bonn.  1829): 
i'o  r  9  oi. 

II.    QUELLEN  AUS  DEM  6.  JAHRHUNDERT. 

Aus  der  \Jo/ain).oyuc  des  Joannes  von  Antiochia, 
mit  Sotiriadis  (vgl.  u.  Malalas)  früh  ins  6.  Jahrb.  zu  setzen, 
(ed.  Momnisen,  Hermes  VI); 

326,  2  (itvttoi/oc,  326,  16.  21.  332,  1.  5.  10. 
14  (')hod(ootyo^. 

Der  Gallier  M  a  gnus  F  e  1  i  x  E  n  n  o  d  i  u  s  (473  521), 
Bischof  von  Pavia,  schrieb  ausser  einer  Vita  seines  Vor- 
gängers Epiphanias  einen  Panegyricus  regi  Theoderico  dic- 
tus  zwischen  504  und  508  (Wand.  20)  (ed.  Vogel  1885,  Mon. 
Germ.  auet.  antiqu.  VII):  . 

G  uii  (so  in  der  Hegel  die  ältesten  Codd.  statt  der 
Gothi  der  jüngeren),  CIA XX 11  gotietm  (rotinta  B). 
Theorieric  hs. 

231,  24.  26.  31  Jiauto,  -onis. 
116,  20.  23  Gecieo. 
227,  20  GVDILtiVO, 


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22 


36,  26  Erdui  (sie  cod.,  Erduic  Sirm.;  Acc). 
210,  34  Herd  uic. 

210,  34.  211,  28  Pitsia,  210,  37.211,  5  Pitzh 
(Pi^ia). 

73,  27  Tancila. 

116,  24  Trasemundus. 

73,  28  Torisa. 

306,  28  Trig gua. 
Aus  der  Vita  S.  Severini  (gest.  482)  des  Eugippius 
von  511  (Wand.  21)  (ed.  Sauppe  1879,  Mon.  Germ.  auet. 
antiqu.  I,  2): 

Gothi. 

44,  4  Theo  der  ic  us  (Tcudericus). 
In  der  G e n e r a t i o  regum  et  gentium,  der 
sogen,  fränkischen  Völkertafel,  um  520  (Wand.  21)  (ed. 
Möllenhoff,  Germania  antiqua.  Berlin  1873.  p.  163  squ.): 

11  Gotos  Wala  ff  ot  hos  (Butes  Guolariffutos,  Gothos, 
Gothi  Uualaffothi). 
Schon  vorher  hätte  die  Chronik  Cassiodors  vom  Jahre 
519  ihren  Platz  finden  müssen,  und  hier  wäre  der  Ort  für 
das  sogen.  Anecdoton  Holden  vom  Jahre  522.  Jedoch 
mögen  beide,  um  Cassiodors  Werke  nicht  aus  einander  zu 
reissen,  aufgespart  bleiben  bis  zur  Erwähnung  der  Varien. 

A 1  c  i  m  u  s  E  c  d  i  c  i  u  s  A  v  i  t  u  s  (ed.  Peiper  1 883, 
Mon.  Germ.  auet.  antiqu.  VI,  2),  seit  490  Bischof  von 
Vienne  und  nach  523  gestorben: 

195,  14  Ostroffotus  (Histroffotus). 
64,  27  Theo  d  e  r  i  c  u  s  (Theuderich  us). 
A  n  i  c  i  u  s    M  a  n  1  i  u  s    Torquatus  Severinus 
Boethius,  Consul  510,  auf  Theoderics  Befehl  524  hinge- 
richtet, verfasste  noch  im  Kerker  seine  fünf  Bücher  De 
consolatione  philosophiae  (ed.  Peiper,  Lips.  1871): 
I,  4.  29  Co  ni  (jastus. 
I,  4,  31  Tri  ff  ff  ui  IIa  (Triffuilla). 
Die  534  in  Constantinopel  verfasste  Chronik  des  llly- 
riers   M  a  r  c  e  1 1  i  n  u  s   C  o  m  e  s    (Wand.  24)  umfasst  die 
Zeit  von  379  —  534,  hat  jedoch  von  fremder  Hand  zwei 
Fortsetzungen  erfahren,  die  bis  zu  den  Jahren  548  und  566 


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23  — 


gehen  und  hier  gleich  angeschlossen  werden  mögen  (ed. 
Rone.  IT:  verglichen  auch  und  übereinstimmend  mit  der 
edit.  Sirmondi,  Paris  HU  IM: 
G  o  t  h  i. 

Rone.  II,  299  u.  ö.  T  heod  o  r  ic  us ,  300  Theoioricus 
cocjnoniento  Vala  m  e  r. 

322  Theodahadus  (Thcodahatus),  323  Theodatus 
{Theodahat us),  Theodatus,  324  Theodahadus  (Theo- 
dahatuS).  Theodahadus*  Thtodatus  (bis). 

322  A  m  a  fasuenth  a  (-suntha). 

323  Tz  Uta  (Trita). 

323  Ebremud. 

324  u.  ö.  V  i  t  i  (j  e  s. 

324  M  atesuent  h  a  (svinta). 
32fi.  328  Orajo. 

328  Heldebadus  (ter). 

328  u.  ü.  Totila,  330  ein  Tofilas. 

329  Ruder  it. 
329  V  iiiarid. 
329  Bleda. 

Die  oberste  Stelle  in  einer  Quellensammlung  zur  ost- 
gotischen Geschichte  gebührt  Magnus  A  u  r  e  l  i  u  s  C  a  s  s  i  o  - 
dorius  Senator,  etwa  481  570  (Wand.  22  f.).  Nach- 
dem schon  sein  Vater  unter  Odowacar  und  Theoderic  hohe 
Staatsämter  bekleidet  hatte,  wurde  er  selbst  unter  Theoderic 
und  seinen  Nachfolgern  Quaestor,  Consul  (514).  Magister 
ofticiorum  und  wiederholt  praetorischer  Praefect  und  be- 
währte sich  stets  als  energischer  Vorkämpfer  von  Theoderics 
Politik  (vgl.  oben  S.  14).  Von  seiner  historischen  Schrift- 
stellerei,  die  in  erster  Linie  dem  Ruhme  des  mächtigen 
Amalenhauses  dienen  soll,  fällt  die  schwülstige  Chronik,  auf 
Prosper  und  die  ravennatischen  Annalen  zurückgehend,  ins 
Jahr  519  (ed.  Mommsen ,  Abhandl.  d.  Kgl.  Sachs.  Ges.  d. 
Wiss.  VIII): 

Gothi. 

489.  515  Theoderic  us  (-richus),  490  Theoderichus 
(Theodoricus),  491.  493.  500  Theodericus  {Theo- 
dorichns),  502.  504  Theodericus. 


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24 


515  A  m  a  l  a  s  n  t  n  t  a. 

515.  518.  519  Eutha  ricus. 

518.  519  Cillica. 

Aus  dem  Jahre  522  stammt  das  sogen.  Anecdoton 
Holderi  (ed.  Usener,  Bonn  1877).  ein  Exeerpt  aus  einer  sonst 
unbekannten  Schrift  Cassiodors,  erhalten  in  einer  Reiche- 
nauer Hs.  seiner  Institutiones  humanarum  rerum  aus  dem 
10.  Jahrh.f  mit  Notizen  über  Symmachus,  Boethius,  Cassio- 
dorius : 

4,  23  Gothi,  27  Gothicus. 
4,  13.  22.  27  Theodorichus. 

Es  müssten  Cassiodors  zwölf  Bücher  gotischer  Ge- 
schichte folgen,  die  er  auf  Theoderics  Anordnung  frühstens 
519  und  spätestens  521  abschloss,  wären  sie  uns  anders  als 
in  dem  dürftigen  Auszüge  des  Jordanes  erhalten  (s.  S.  30  ff.). 

Um  so  ergiebiger  ist  das  grosse  Sammelwerk  des 
Cassiodor .  welches  er  nicht  vor  538  und  nicht  nach  540 
herausgab,  seine  Variarum  libri  XII:  eine  Sammlung  von 
468  amtlichen  Erlassen  aus  der  von  ihm  geleiteten  könig- 
lichen Kanzlei ,  und  zwar  lib.  I— V  —  235  Schreiben  des 
Königs  Theoderic,  lib.  VI— VII  —  72  Formulare  ohne  Namen 
und  Daten  für  verschiedene  Verleihungen  und  Ernennungen, 
lib.  VIII-  IX  58  Schreiben  des  Königs  Athalaric.  lib. 
X  —  35  Schreiben,  nämlich  4  der  Königin  Amalaswintha,  22 
des  Königs  Theodahath,  4  der  Königin  Gudeliva,  5  des  Königs 
Witigis,  lib.  XI  -XII  —  (>8  Schreiben  des  Cassiodor  selbst  als 
Praefectus  praetorio.  Die  mitgeteilten  Decrete,  von  denen 
keins  vor  das  Jahr  501  fällt,  scheinen  principiell  chronologisch 
geordnet  zu  sein.  Das  gotische  Namenmaterial  in  dieser 
Collection  amtlicher  Schreiben  ist  natürlich  ein  reiches;  es 
könnte  noch  reicher  sein ,  wenn  nicht  so  häutig  statt  des 
Personennamens  blosses  „ille  et  ille"  gesetzt  wäre  unter 
Hinweis  auf  sonstige  verlorene  Beischreiben  und  Listen, 
besonders  bei  Gesandten  nach  auswärts 1 ;  trotzdem  bean- 


1  Schaedel,  Plinius  der  Jüngere  und  Caasiodorius  Senator,  Darm- 
stadt 1887,  8.  17. 


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25  - 


sprucht  das  Gebotene  volle  Dankbarkeit  für  Cassiodors  in 
seiner  Praefatio  ausgesprochene  Absicht,  durch  die  Samm- 
lung das  Andenken  manches  verdienten  Goten  der  Vergessen- 
heit zu  entreissen.  Nimmt  man  hinzu,  dass  Cassiodor  ver- 
mutlich gotisch  verstand  \  dann  muss  die  linguistische  Aus- 
beute der  Varien  als  eine  ganz  bedeutende  erscheinen.  Leider 
aber  fehlte  bis  jetzt  eine  kritischen  Anforderungen  auch  nur 
annähernd  entsprechende  Ausgabe  Mit  um  so  grösserer 
Freude  muss  es  begrüsst  werden ,  dass  diesem  Mangel  in 
nächster  Zeit  abgeholfen  werden  soll :  Theodor  Mommsen 
will  seinem  Jordanes  in  den  Auetores  antiquissimi  der  Monu- 
menta  Germaniae  nun  auch  Cassiodors  Varien  folgen  lassen. 
Die  germanistischen  Beiträge  für  die  Indices  wird  Edward 
Schröder  liefern,  wie  sie  Karl  Müllenhoff  für  die  Indices 
des  Jordanes  geliefert  hat.  Und  der  freundlichen  Vermitt- 
lung des  Herrn  Professor  Schröder  habe  ich  es  zu  danken, 
dass  mir  Herr  Professor  Mommsen  Einblick  in  den  Teil 
seines  kritischen  Apparates  gestattete,  welcher  sich  auf  die 
gotischen  Eigennamen  bezieht,  nachdem  er  mir  früher  schon 
für  die  ersten  fünf  Bücher  die  von  Mor.  Haupt  hergestellte 
Collation  des  wichtigsten  Codex,  eines  Leidensis  aus  dem 
zwölften  Jahrhundert3,  zur  Verfügung  gestellt  hatte.  Beiden 
Gelehrten  sei  auch  hier  mein  aufrichtiger  Dank  gesagt  und 
dafür  der  Hoffnung  Ausdruck  gegeben ,  dass  die  gramma- 
tischen Kesultate  dieses  Buches  für  die  Herstellung  des  Varien- 
textes  oder  wenigstens  der  Indices  gelegentlich  von  Nutzen 
sein  möchten.  —  Die  meisten  Personennamen  der  Varien 
sind  für  die  Ostgoten  nur  hier  belegt;  und  da  die  Erlasse 
im  einzelnen  nicht  datiert  sind,  so  behandele  ich  im  nächsten 
Capitel  das  gesamte  den  Varien  entstammende  ostgotische 
Namenmaterial  in  ununterbrochenem  Zusammenhange:  es 
wäre  daher  eine  Wiederholung  dasselbe  auch  hier  hinter 


1  Mommson,  Jordanes,  praef.  XXXVII;  Schaedel  20. 

2  Vgl.  z.  B.  Schaodel  S.  3.  33,  1. 

*  Die  Schreibungen  dieses  Cod.  sind  teilweise  schon  zu  finden 
in  Ludovici  Trossii  in  Cassiodori  Variarum  libros  sex  priores  symbolao 
criticae  (Hammone  1853),  ohne  dass  darin  Förstemanns  Zutaten  das 
gotischo  Naroenroaterial  entsprechend  zu  verwerten  gewusst  hätten. 


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2(> 


einander  aufzuführen,  und  es  genügt  auf  -Anna"  ff.  zu  ver- 
weisen. Zur  Textkritik  darf  ich  nach  Moniinsens  Notizen 
erwähnen,  dass  er  die  Uberlieferung  im  allgemeinen  für  zu- 
verlässig hält,  obwohl  die  Hss.  sämtlich  nicht  alt  sind  und 
nicht  über  das  12.  Jahrh.  zurückgehen.  Die  Inscriptionen 
der  Briefe  pflegen  in  den  besten  Hss.  zweimal  zu  stehen, 
einmal  zusammengefasst  als  Latercula  an  der  Spitze  des 
Briefes,  einmal  im  Text,  was  Mommsen  unterscheidet  durch 
L\  I/,  M\  M*.  Was  die  Hss.  im  einzelnen  angeht,  so  sind 
für  lib.  I  VII  die  zwei  Codd.  L  (der  oben  erwähnte  Leidensis) 
und  I*  massgebend,  die  beide  aus  gleicher  Urhs.  stammen, 
von  denen  aber  L  weit  zuverlässiger  als  P  ist.  Für  I  -  IV. 
39  kommt  noch  ein  viel  schlechterer,  aber  von  LP  unab- 
hängiger M  hinzu.  Lib.  VIII  XII  stützen  sich  vornehmlich 
auf  BZGr,  von  denen  B  und  Z  derselben  Familie  angehören ; 
B  ist  die  beste  Hs.,  hat  aber  die  Inscriptionen  nur  in  lib.  X : 
(i  ist  nur  ein  sehr  incorrecter  Auszug,  aber  von  BZ  unab- 
hängig; daneben  noch  T  für  VIII,  1  —10. 

Der  sogenannte  Anonymus  Cuspiniani  (Wand.  19) 
ist  eine  Chronik,  welche  in  der  Wiener  Hs.  mit  dem  Chrono- 
graphen vom  Jahre  354  verbunden  ist  und  eine  doppelte 
Fassung  zeigt:  eine  ausführlichere  bis  49o',  die  in  Kavenna 
geschrieben  und  namentlich  für  das  letzte  halbe  Jahrhundert 
wertvoll  ist ,  und  eine  knappere  mit  verschiedenen  Lücken 
bis  539  (ed.  Mommsen,  Abh.  d.  K.  Säehs.  Ges.  d.  Wiss.  II. 
phil.-hist.  I,  p.  fiotf): 

ad  a.  490.  491.  493  (bis)  TheoderivH«,  493  (ter). 
523  Thcodoricus. 

519  Eutarcus  Villi  gu. 

533  Thcodatus. 

533  Guitigis. 
Aus  der  Vita  Fulgent  ii  (Wand.  25)  um  540  (ed.  Migne, 
Patrol.  lat.  H5): 

XIII,  27  (Sp.  130)  Theodericus  (Theodor  ictis). 
Die  Namen  aus  der  jüngeren  Fortsetzung  des  Marcel- 
linus Comes  s.  schon  bei  letzterem,  o.  Ü.  23. 

Es  sei  hier,  gegen  die  Mitte  des  0.  Jahrhs.,  der  Li  her 
pontificalis  eingereiht  (ed.  Duchenne,  I,  Paris  1886).  Diese 


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27 

Sammlung  von  Papstviten ,  welche  früher  dem  Anastasius 
Bibliotheearius  (gest.  886)  zugeschrieben  wurde,  ist  nach 
den  Forschungen  ihres  neuen  Herausgebers  sicher  nicht  vor 
dem  Pontificat  des  Symmachus  (498 — 514)  begonnen,  jedoch 
ist  ihr  erster  Teil  (bis  Silverius  537)  noch  zur  Gotenzeit 
redigiert  und  enthält  ausserdem  Notizen  von  zeitgenössischer 
Hand  über  die  Periode  von  Bonifatius  IL  bis  Silverius.  Die 
wenigen  Gotica,  welche  aus  späteren  Abschnitten  für  uns 
in  Betracht  kommen ,  sind  im  folgenden  unmittelbar  ange- 
schlossen. Da  der  erste  Band  noch  ohne  Register  ist,  führe 
ich  alle  von  mir  excerpierten  Stellen  an : 

287,  5  Gothi  {Guti,  Goti) ,  290,  10.  11.  14  Gothi, 
291,  2  Gothi  (Goti),  3  Gothi, .8.  11  Gothi  (Goti). 
12  Gothi  (Goti,  Gotthi),  Gothi  (Goti),  18  Gothi 
(Gotthi),  292,  14  Gothi  (Guti),  293,  1  Gothi  (Gutti), 
296,  2  Gothi  (Guti),  298,  12  Gothi,  299,  2  Gothi 
(Guti),  305,  9  Gothi,  312,  11  Gothi  (Guti). 

252,  2.  255,  1  Theodor icus  (Teodoricus,  Theodericus). 
258,  2  Theodoricus  {Theudoricus,  Theodericus),  260, 
2  Theodoricus  (Theodericus,  Teodericus),  5  Theodo- 
ricus  (Teode-l  11  Theodoricus  (Teodo-),  269.  2.  7 
Theodoricus,  270.  7.  17.  271,  15.  275,  2.  3.  6 
Theodoricus  (Thcode-) ,  17.  270,  3.  5.  10.  279,  1 
Theodoricus.  287,  7  Theodoricus  (Theode-). 

279.  5  Athalaricus  (Atcda- ,  Adalricus) .  281,  2 
Athalaricus  (Atala-),  285,  2  Athalaricus  (Adtala-). 

281,  1  Sigibuldus  (Gisiboldus,  Sigivuldns). 

287,  5  Theodatus  (Teodotus),  6  Theodatus  (Theodadus, 

Teodotus) ,  290,  2  Theodatus  (Theodotus) ,  2.  7.  9 

Theodatus. 

287,  7  Amalasuenta  (-suuinta ,  -subita,  -sunta, 
-suincta ,  -sinda ,  -sumta,  -suitha),  290,  8  Amala- 
suenta (-suinta,  -sunta,  -sinta,  -sintha). 

290,  7.  8  Witigis  [Guitigis),  17  Witigis  (Withigis, 
Guitigis,  Gutigis,  Guitiges),  291 .  3  Witigis,  10  Witigem 
(Acc:  al.  Witigitem,  Gitigim ,  G tätigem) ,  296,  2 
Witigis  (Acc. ;  al.  Guitigem,  Gothicem). 


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-  28 

298,  12  Badua  qui  Totila  nuncupatur  (Bandua, 

Vadua;  Totilla). 
309,  1  Unigildus  (Unigeldus ,  Winnigildus ,  Wim- 
gildus,  VingüiiiSf  Gildus). 
An  diese  Lebensdarstellungen  der  Päpste  mögen  sich 
ihre  Briefe  im  Zusammenhang  anschliessen,  obwohl  dieselben 
chronologisch  correcter  nach  ihren  Daten  verteilt  werden 
könnten:  Epistolae  romanorum  pontificum,  rec.  Andreas 
Thiel,  I,  Brunsbergae  1868 : 

pag.  390  (anno  494—495)  Zeja  (nur  in  neueren 

Ausgaben  Ezechia). 
489.  490.  658  (a.  501).  695  (a.  507).  768  (a.  516). 
938  (a.  520)  Theodoricus,  670  (a.  501).  672  (a. 
501)  Theodericus,  678  (a.  501)  Theudencus. 
502  Hereleuva. 

662  (a.  501)  Arigemus  (pleraque  mss.»  al.  Aligermis, 

Aliernus,  AriermiS,  Aligenus). 
662  (a.  501)  Gndila  (JudUa,  Godila,  Gudela). 
662  (a.  501)  Bedeulf us  (Vedeulphus ,  Bereulphus, 

Bideulfus,  Verdulfus). 
675  (a.  501)  (bis).  681  (a.  501)  Gndila }  Bedeulphus, 

Arigemus. 

854—904  (a.  519)  Eutharicns  (11  mal). 
Dazu  kommen  aus  der  Britischen  Sammlung  von  Papst- 
briefen, welche  P.  Ewald  im  Neuen  Archiv  V  (1880)  abge- 
druckt hat,  aus  Briefen  von  Gelasius  (a.  492—496): 

pag.  511.  515  Theodericus,  522  Thedericus  (=  Thiel 
489). 

513  Zeia  (Teia  Hs.),  523  Zeia  (=  Thiel  390). 
521  Ereleuua. 
Aus  Briefen  von  Pelagius  I.  (555—560): 

pag.  533  Hisdevalde  (Gen.;  al.  Hildivade ,  Hil- 
viade). 

543  Sindua  (Siudtda),  558  Sindula. 
556  An i laut  (Dat.). 
559  Gurdimeri  (Dat.). 
Mögen  die  genannten  Ausgaben  des  Liber  pontificalis 
wie  der  Epistolae  bald  fortgesetzt  werden ;  für  unsern  Zeit- 


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—    29  - 

räum  reichen  sie  aus ,  während  man  bei  weiteren  Unter- 
suchungen, etwa  westgotischen,  zu  der  umfangreichen  Samm- 
lung von  Mansi  (Sacrorum  Conciliorum  nova  et  amplissima 
collectio,  Florentiae  et  Venetiis  1759—  1798)  seine  Zuflucht 
zu  nehmen  hätte,  und  diese  Folianten  sind  bei  dem  Mangel 
eines  Registers  sehr  unbequem  für  unsere  Zwecke  zu  ge- 
brauchen, von  ihren  textkritischen  Schwächen  zu  schweigen. 
Vgl.  oben  S.  5,  3. 

Der  sogen.  Anonymus  Valesii  (in  Gardthausens 
Ammianus  Marcellinus)  geht  auf  zwei  verschiedene  Quellen 
zurück:  während  die  erste  Hälfte  etwa  390  geschrieben 
wurde,  entstand  der  zweite  Teil,  die  Jahre  473—526  um- 
fassend, in  Kavenna  um  die  Mitte  des  6.  Jahrhs. : 
Gothic  Gothiciis. 
Theodericus. 

§  58  Ereriliua  {Erereliua). 

63  Areuagni  (Acc. ;  al.  areec  agni). 

68  Amalafrigda. 

70  Amalübirga. 

63  Theodegotha. 

80.  81  Eutharicus,  82  Eutharicus  (Euthericus). 

82  Cilliga. 

96  Athalaricus. 

68  Odoin. 

82  Triuuane  (Abi.;  al.  Triam). 
In  cultur-  und  wirtschaftsgeschichtlicher  Beziehung  sind 
die  von  Marini  1805  veröffentlichten  Papiri  diplomatici, 
Abdrucke  ravennatischer  Papyrusurkunden ,  eine  wertvolle 
Quelle.  Marinis  Lesungen  dürfen  als  zuverlässig  gelten 
wenn  man  nur  der  grossen  graphischen  Ähnlichkeit  einge- 
denk bleibt,  welche  namentlich  die  Zeichen  für  a  und  w, 
sowie  für  r  und  s  in  dieser  ravennatischen  Cursive  unter 
einander  haben.  Trotzdem  lässt  der  Umstand,  dass  Marini 
nur  eine  nach  ganz  äusserlichem  Gesichtspunkt  zusammen- 
gestellte Auswahl  bietet,  den  dringenden  Wunsch  gerecht- 
fertigt erscheinen,  dass  alle  diese  Schätze,  vielleicht  mit 


Trotz  der  Recension  in  den  Heidelb.  Jahrb.  d.  Lit.  1809. 


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einer  hochherzigen  staatlichen  Unterstützung .  noch  einmal 
an  Ort  und  Stelle  grundlich  durchforscht  werden  mochten. 
Die  meisten  der  für  uns  in  Be  tracht  kommenden  Urkunden 
entstammen  der  Mitte  des  b\  Jahrhs. :  doch  habe  ich  auch 
.solche,  welche  erst  nach  55:5  entstanden  sind,  berücksichtigt, 
soweit  Form  oder  rüstiges  Vorkommen  ihrer  Namen  auf 
Gotenreste  hinweist.  Da  die  meisten  der  Namen  aus  Marini 
aber  für  die  Ostgoten  nur  hier  belegt  sind,  so  erfahren  sie 
im  nächsten  Capitel  eine  selbständige  Behandlung  im  Zu- 
sammenhange, und  es  genügt  dorthin  zu  verweisen.  Dazu 
gehören  auch  die  beiden  bekannten  gotischen  Urkunden  von 
Arezzo  und  Neapel,  über  welche  gleichfalls  im  nächsten  Ab- 
schnitt. 

Für  Jordan  es  sei  auf  Wand.  26  f.  verwiesen.  Er 
war  nach  eigner  Aussage  Gote  und  gehörte  wohl  zu  den 
Volksteilen,  welche  nicht  mit  Theoderic  nach  Italien  aufge- 
brochen waren.  Seine  historische  Schriftstellern  fällt  ins 
Jahr  551.  Dass  seiner  Gotengeschichte  das  sonst  verlorene 
Werk  Cassiodors  zu  Grunde  liegt  (s.  o.  S.  24),  dass  sie  zum 
Teil  wörtliche  Excerpte  aus  demselben  enthält,  spricht  genug 
für  den  Wert  des  Jordanes  speciell  für  unsere  Zwecke.  Die 
Ereignisse  nach  52ö'  erzählt  er  nach  eigner  Kunde.  Was 
die  Überlieferung  betrifft,  so  gehen  alle  Hss.  auf  denselben 
Archetypus  zurück,  welcher  bereits  Fehler  enthielt,  die 
nachweislich  von  ihm  auf  alle  Abschriften  vererbt  sind. 
Ich  citiere  im  folgenden  nur  die  Schreibarten  der  ostgoti- 
schen Namen  aus  der  italienischen  Zeit :  grade  für  die  No- 
mi na  propria  giebt  Mommsens  Apparat  erschöpfende  Les- 
arteiizuMammenstellung  (vgl.  S.  1(17  seiner  Ausgabe).  Für 
alles  andere  genügt  ein  Hinweis  auf  die  Indices  in  seiner 
Ausgabe  (18H2,  Mon.  Germ.  auct  antiqu.  V,  1)  und  Möllen- 
hoffs dortige  Beigaben. 

59,  12.  <>4,  22  u.  ö.  Ostr ogothae  (vereinzelte  Vari- 
anten Hostro-) ;  sonst  immer  Gofhi,  Gothicus ;  7;t, 
15  Goihia,  75,  9  Gotia  (Goihia  l 

59,  11  „Mixi,  Eragre,  Otingis":  s.  i.  nächst.  Cap. 
u.  „Greotinge*. 


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-  31 

64,  23.  76,  18  u.  ö.  Amali  (nur  76 .  18  mit  der 
Variante  Hawaii). 

44,  30  u.  ö.  Theodorieus  (dazu  die  häufige,  aber 
nicht  regelmässige  Variante  Theodericus,  ausser- 
dem zu  45,  10.  128,  12.  15  Thederirm ,  51,  13 
Theodorricus).  77,  5  (bis:  Acc.  Nom.)  Theoderinnn 
Theodericus  { Theuderieuw). 

128,  2  Erelieva  (Herilieua,  herili  sua). 

135,  3  Ämalafrida  i-freda). 

134,  17  Thiudiyoto  {Tiudigotho,  Theodieodo,  Theudi- 
codo,  Theudigotum). 

134,  17  Ostrogotho  (-gotam). 

135,  5  Amalaberya  {Maleberga). 

48,  12  u.  ö.  Amalasuentha  (al.  <4f»«-,  Atnalae-, 

Amale-,  Mala-,  Mathe- ;  -suuentha,  -suerda,  -suinta, 

-senta),  77,  10  Amalasuintha  {-suentha  usw.). 
77,  6  Eutharicns  (Deutha-,  Deuthe- ,  Deuthari,  de 

atharico),  77,  9.  122,  19.  134,  21.  136,  8  £«f/ta- 

r/Vw*  (al.  Euthe-,  Eotha- ,  Ertha- ,  Atha- ,  Ente-, 

Euta-;  -rius). 
135,  6  Pitzamum  (Acc;  al.  PiUamum}  Piztamum, 

Petzamin,  Pitzamin,  Pitzam),  135,  17  /^te«  (Pezza, 

Pizza,  Pitza). 
135,  19  766«  (Hibba,  Iba,  Biba). 
48,  11  u.  ö.  Athalaricus  (al.  Athalricus ,  .4Z/a-, 

^U/m-,  <4ta/a-,  Alatha-). 
48,  14  u.  ö.  Theodahadus  (al.  Theodo-,  Theuda-, 

Teodö-,  Theode-;  -adus,  -baldus,  -badus;  Theodatus, 

Theudatohalus). 
48,  20  Sinder ith  (-n7) .  137,   6  Sinderith  {-rit, 

-rieh). 

48,  27.  137,  8.  10  Evermnd  (-muth,  -mut ,  -moth, 
-mor,  -mundus,  -mund). 

49,  1  Fi  *t>8  (Cfaitf-),  49,  6.  15.  51,  13  F*%/s,  77, 
11  {Uuidicis,  Uuidechis),  77,  12  PiViV/ü 
(Uuiticis,  Uuidechis),  137,  14  F/fi^w  (F/te-,  Fi'tfi-, 
I/tiüi-;  -<//s),  137,  18  Vitigis  {Uuiti-,  VUti- ;  -gim, 


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-gern,  -gen  [Aec.]),  137.  20  Vitigis  (Vitti- ;  -ges), 
137,  15.  138.  3.  6.  13  17%^. 
49 ,  9  u.  ö.  37 a  athesuenta ,  Mathesuentha ,  Mate- 
suentha,  Mathesuenta  (al.  Athe-,  Math«-;  -scuntha, 
-suerita,  -subita,  -suenda,  -seueutha). 

49,  13  H minil a,  138.  3  i/wiS/a  (T/z/Va). 

50.  15  Heldebailus  (Eide-,  Hilde-),  50.  17  J/*7<fr- 
6ar/t/jf  (7///<M,  19  Heidebad  us  (Eide-). 

50.  29  u.  ö.  TofiV«  (al.  7Vrf?7fo). 
50,  19.  29  Baduila. 
Über  Procopius  von  Caesarea  vgl.  Wand.  28.  In 
seinem  Geschichtswerk  behandeln  die  Bücher  1.  II  die  Perser- 
kriege, III.  IV  den  Wandalenkrieg.  V— VIII  den  Gütenkrieg 
(bis  553).  Procops  Stellung  als  Secretär  Beiisars  seit  527 
kennzeichnet  seine  Bedeutung  als  Geschichtsschreiber  seiner 
Zeit;  vgl.  Mommsens  Urteil  Ober  seine  Zuverlässigkeit  im 
Neuen  Archiv  XIV,  519,  2.  Ed.  Dindorf.  I— III ,  Bonnac 
1833: 

7^0  T  ^  Ol. 

0  s  v  J  fc  p  i  x  0  £  • 

I,  346,  9.  349,  23.  II.  IG,  20.  65,  7.  593,  VJ\1u<t- 
X  ct(f  ()  / da. 

II,  65,  7  \i,ueXoflboya. 
II,  65,  5  Qfvöt/ovoa. 

I,  370,  19  u.  ö.  'JftuXc<doiv$a. 

I,  370,  18  u.  ö.  \ixa  Xtioi/  og  (al.  l-ird(M/o^). 

II   61,    11    Hin  ruanZvSa,    185,   22  Mnraaovvtta 

(MaXa-),  264,    11   Muvaoovria  (JftaXa-),   447,  1 

Maraanvv&a  (Marm-,  !\Ihru-). 

I,  357,  8  U.  ö.  r,odug. 

II,  16,  19  u.  ü.  Qfvddrog,  21,  11  QtvttiTOj 
(-dnirnc);  29,  8  (^iJaroc  f-«r«c). 

II,  18,  21  OvXiant,;,  296,  20  OviXiaoi*;  (OvdXuoiq, 
OvaXiuyig ,   OvaXiapioq) ,  297.  6.  11.  18.  OviXiaoig. 

II,  33,8  /  oinnac  (l\una),  37.  1.  6.  21.  38.  11 
roiTMuq. 

II,  33,  7  U.  ö.  \4atvdotog. 

II,  39,  ü'EptßitiovO  (Kfioiiiov,  '%«o5-). 


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—    33  — 

II,  61,  8  u.  ö.  .Jevdcyif. 
II,  58,  24  OtvdtytoxXog. 
II,  39,  4  Qsvötvdvd  n  (Dat.). 
II,  58,  10.  12.  13  vO  TT  x  apiq. 

I,  156,  7.  216,  1  Oviztiyi^y  216,  2  Ovirriyttoj 
(Gen. ;  al.  'lovrriytJoc),  II,  58. 6. 10  und  immer  Ovmyt*, 

II,  71,  13  u.  ö.  Mapxiag. 
II,  99,  Vö'AXtirjv  (Acc). 

II,  76,  20.  77,  2  llixlaq,  81.  18  H/rf«*  (vulgo 
Hl  0  Gag). 

II,  81.  18  OvviXav  (Acc). 

II,  92,  22.  93.  6  Oi'oxi?. 

II,  82.  18.  187,  18  OiXiyioaXo* 

II,  91,  12  ßa^a^io.o,-. 

II,  91,  12.  17  Oviauvdn*,  188,  lOvioardog  (.tyo?). 

II,  187,  17  Vi  fi  i  ft  f  q  u  (Acc.). 

II,  174,  19  OvXiav  (Acc). 

II,  184,  17  OvXidtog, 

II,  187,  18.  226,  13  'AXßUag. 

II,  188,  2  MoQoa  (Dat.;  al.  rrJ  ,,wo(<),  223,  2  itfo^«c. 

II,  196,  3  u.  ö.  Ovgataq. 

II,  265,  4  Ziotyig. 

II,  197.  12.  22  Oiaxt^oc. 

II,  272,  4  u.  ö.  'iXöifiaAog. 

TutziXag  (TovriXXag  Vat.,  ToviiXag  Reg.). 

II,  298,  14  HXeÖav  (Acc). 

II,  298,  14  Pov  dogt/oq,  358,  21  PovdtQtXng  (-**<*), 
360,  4  'Poyöeotyoc. 

II,  326,  9  2i<iifp(>ttoc. 

II,  358,  1  vO  er  «Ja  ?  (fc  Jf). 

II,  354,  15  P  t  x  i  jti  o  v  v  ö o  g. 

II,  577,  12.  579,  9  riflXag  (npaX). 

II,  577,  12  f.  rovvtovXy  (Acc;  7oi>nWX,  JotwW.), 

oontQ  ,    rmc  Jf    at'mv  'IrÖQvXy  ('IvönvX) 

txaXow;  579,  9'hdovX(f>  (' IXöoixf,  /ovi'iWA«/),  584, 
9  '  lrdnvX(f>  ('/AJoi'y  ,  /ori'<WA),  642,  20  */hWA'/> 
(7?.<Wy). 

qp.  lxviii  3 


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-  34 


II,  577,  12.  579,  8.  625,  5  Jxitio, 
II,  600,  19  u.  ö.  Tm«?. 
II,  602,  21  u.  ö.  /  oao. 
II,  633.  15.  634,  13  'P«/f«/,/c. 
II,  606.  21.  608.  14.  21  Ovaöißi 608,  4  Omi- 
duiXu^  (OvdgiXa*;),  608,  8  OvOdgiXa^  (-AAtts-). 

II,  10,  7  «AÄrt   (vV/£  Tt  du{iiOß  xa't.ox  fitvoc ,  nvno  yuy 
aif-oiv  rot'V  ijyffi6v(t$  oi  ßcigßagoi  xnkfTv  rtvoftixaGi. 

In  .luliani  epitome  latina  novellarum  Justiniani  (instr. 
G.  Haencl,  Lps.  1873)  findet  sich  (pag.  185  ff.)  eine  Epi- 
t  o  in  e  c  o  n  s  t  i  t u  t  i  o  n  u  in  Justiniani  de  r  e  f  o  r  - 
in  «i  n  (I  a  1 1  a  I  i  a  (gewöhnlich  citiert  als  Sanctio  pragmatica 
pro  petitione  Vigilii)  vom  13.  August  554  (ich  gebe  die 
Schreibungen  des  Cod.  2,  eines  ..luliani  Novellarum  exem- 
plar  vetustissimum*,  daneben  in  Klammern  die  Abweichungen 
in  3  a  und  7): 

XV  Gothicus  [Gut-,  Gotth-,  Guth-). 

VIII  Theodor  icus  (Theudericus  7),  XXII  Theodo- 

ricus  (Theudericus,  Theodericus). 
I  Amalaeuncta  (-ct/uta,  Malauncta),  Amalasuitttha 

{-subita,  -siuntha). 
I  Attalaricüs  (Atalaricus  7),  Attalaricus  (Athula-, 

Adula-). 

I  Teudatus  (Theodatus,  Teodatus),  l^eodatus  (Theo- 

datus,  Teudatus),  Theodatus. 

II  Totilanem  (Acc),  Totilane  (Abi.),  V  Ttttela  (Abi. ; 
al.  Totila).  VIII  Tutelae  (Gen.;  al.  Totilae),  XXIV 
Tutelae  (Gen. ;  al.  Totilae,  Atile). 

Aus  des  L  i  b  e  r  a  t  i  D  i  a  c  o  n  i  breviarium  von  556 
(ed.  Migne,  Patrol.  lat.  68): 

p.  1039  u.  ö.  Gothi. 
Ib.  Theodatus. 

Zu  Tiro  Prosper  Aquitanus  und  seinen  späteren  Be- 
arbeitern vgl.  Wand.  16.  24.  31.  Die  jüngste  Fortsetzung 
seines  Geschichtswerkes,  das  bis  560  gehende  sog.  Aucta- 
r  i  u  m  P  r  o  s  p  e  r  i .  gewährt  folgende  Gotica  (ed.  Rone.  I) : 


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725.  727  Theodorieus. 
730  Entarte us. 
730  Cilliea. 

Die  Chronik  des  Victor  von  Tunnuna  (Wand.  29) 
ist  erhalten  für  die  Jahre  444  5W>  und  setzt  Hieronymus 
und  Prosper  fort.  Über  die  Randbemerkungen  zu  derselben 
vgl.  unten  S.  37.  Ed.  Rone.  II.  mit  dessen  Lesungen  auch 
die  der  ed.  Canisii  (1600)  übereinstimmen: 

345  u.  ö.  Gothi. 

3bl  Amata/ rida. 

375  Totila. 

Die  Historiae  Francorum  des  Gregor  von  Tours 
(538  594;  Wand.  30)  stammen  in  drei  Absätzen  etwa  aus 
den  Jahren  57.")  (lib.  I  IV.  hier  allein  in  Betracht  kommend), 
580  —  585  (V.  VI),  591  (VII  X)  und  zeigen  in  den  bis  ins 
7.  Jahrh.  zurückgehenden  Hss.  die  ganze  Verwilderung  des 
merowingischen  Zeitalters  (ed.  Wr.  Arndt  1885,  Mon.  Germ, 
script.  rer.  Meroving.  I.  1): 

52,  7  Goti,  70.  15  u.  ö.  Gothi  {Goti),  weiter  allge- 
mein Gothi  (mit  vereinzelten  Varianten  Ghoti, 
Goti,Gothii,Ghothi,  Ghotti),  18(i,  20  Ghotia  [Gothia, 
Ghotia^  Gotia). 
10H,  2.  112,  2.  10.  21.  134,  17  Theudorieus 
(The<«ht-i  Theude-;  Theuderiehns ,  Theodtrichus) ; 
in  Gregors  Liber  in  gloria  martyrum  513.  13 
Theodcrirus  (Theodo-,  Teodv-),  540.  1  Theodorieus 
(Theode-,  Theoriem). 
III,  9  A  mala  her  ff  a. 

135,  11  Theodadus  (Theudadus,  Theodafus,  Theu- 

dotus),  17  Theodadus  (Theodotus). 
VM  ,  20  Tra  <j uilane m  (Acc. ;  al.  Trayuillanem, 
Trauuilanem) ,   135,  2  Trayuihnem  (Acc;  al. 
Tranfjuilanem). 
Agathias  aus  Myrina  in  Kleinasien  (ca.  530—582) 
schrieb  nach  577  als  Fortsetzer  Procops  fünf  Bücher  löraniat 
(ed.  Niebuhr,  Bonnae  1828): 
for^o  t. 

13,  13.  27,  4  Grvdi  pr^o,-. 

.V 


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-     :y,  — 

13,  14.  10  0frJ«ros-. 

13.  10  0  J  V  r  r  /  f 

14.  2.  11.  21.  3.  31.  S  TwnA«. 
14,  1.  23.  10.  31.  9.  50.  1  T* '/'«•;. 
14,  3.  r>r».  20  0  ü  (  J  /  j*  f  o  >'  o  c- 

31 ,  15  u.  ü.  V/  A  i  y  f  ö  r o  j,. 
92.  9.  9:5.  9.  12  Tay  rngih: 

Der  Annalist  Marius.  Bisehof  von  Avenehes  574 
59:},  lieferte  eine  wertvolle  Fortsetzung  des  Chronieon  im- 
periale für  die  Jahre  455  581,  welche  nur  in  einer,  Ortho- 
graphie und  Sprachgebrauch  der  Vorlage,  ja  damit  des 
Archetypus  bewahrenden  Hs.  erhalten  ist  (ed.  VV.  Arndt. 
Lps.  1875): 

Gothi,  nur  ad  a.  508  einmal  Goti  und  so  immer 
in  der  jüngeren  Fortsetzung. 

Ad  a.  4H4  Theodor  icus,  4K<)  Themloricus ,  493 

Theudericua,  520  Theudorkm. 
500  Odoind. 
509  M  a  m  m  o. 

519  Euter  ins. 

520  Atalari  c  u  s. 
540  Witte  gis. 

547.  553.  508  Bad  u  Ha. 
55:*.  554.  508  Tei«. 

Papst  Gregor  der  Grosse  (540 — 004)  schrieb  zum 
Ruhme  der  italienischen  Ahnen  seine  Dialoge  593  —  594 
(Mon.  Germ.  Script,  rer.  Ital.  et  Langob.  525): 

525,  34  Gothi  (Guti),  520,  31  Gothi  (Godi),  527,  1 

u.  ö.  Gothi,  530,  10  Gothi  (Goti). 
540,  9  Theudoricuif  (Teude- ,  Teodo- ,  Theode-), 

20  Theudericus  (Theodc-,  Theodo-). 

Tot  ila. 

527.  9  Ruderte  (Roder  igo,  Rudirig,  Ruderid,  Ruo- 

dirich). 
527,  9  £J/irf#M  (Blindiu). 
525,  34  Dur  ida  (I,  2). 
527.  0.  12.  15  Riggo. 


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527.  9  Vul  (Vult,  Vuhl). 

528.  24  Zu  IIa  (Tzulla). 

Die  Ecclesiasticae  historiae  libri  VI  (431-  594)  des 
Euagrios,  des  mit  dem  Patriarchen  Gregor  (57(»  5iKi) 
befreundeten  Quiistors  und  Präfecten  in  Antiuehia,  sind  eine 
letzte  Fortsetzung  des  Eusebius  (ed.  Migne ,  Patrol.  graee. 
86  \  col.  2415  squ. ,  nach  der  Edit.  Henrici  Valesii,  Lond. 
1720): 

IV.  IS.  20  I'ot&oi. 

III.  27.  IV,  18  Qsrt£<>tXos. 

IV.  18  \  l  (.i  a  h  a  et  o  v  v  Ü  a. 
IV,  18  \4  tcc'Auoi  /oc. 
IV,  18  (mß  t  vö  droc' 

IV,   18   OvtTTtytdog  ((teil. ) ,   Oumyi^ ,  Ovivviytv 

(Acc). 
IV,  20.  2:?  T(ör,Xa. 
IV.  2*  Tsiav  (Acc). 
Das   Chronicon    breve    unbekannten  Verfassers 
oder  Chron.  Kuinart.  (nach  seinem  eisten  Herausgeber)  aus 
dem  Ende  des  <>.  Jahrhs.  (Wand.  31:  ed.  Rone.  II): 
258  Gothi,  259.  260.  201.  262  Gotthi. 

262  Th  eode  r  i  c  it  s   tOfjnumcnto   V  ala  m  e  r ,  263 
TheodericHs. 

263  Athalari  c  u  s. 

(iegen  600  setzt  Menander  in  Constantinopel  die 
Geschichte  des  Agathias  fort  für  die  Jahre  558  -  582  (ed. 
Niebuhr,  Bunnae  1829): 
r  6  x  »>  o  /. 

283,  4  Ovtxxtyiv  (Acc). 

III.    QUELLEN  SEIT  DEM  7.  JAHRHUNDERT. 

Aus  den  oben  S.  35  erwähnten  Randglossen  zur 
Chronik  des  V  i  c  t.  Tun  n.,  welche  von  dem  (H9  ver- 
storbenen Maximus  von  Saragossa  herrühren  sollen  (Kuno.  II): 

357.  358  Theodoricus. 

357  Hclbane  (Abi.). 


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38  - 

Isidor  von  Sevilla  (gest.  636)  (Wand.  32)  schrieb 
sein  bis  615  reichendes  Chronicon  im  Anschluss  an  Jul. 
Africanus,  Hieron.,  Vict.  Tunn.  (ed.  Rone.  II;  ed.  Matrit. 
1778)  und  sodann  seine  auf  Hieron.,  Oos.,  Idat.,  Vict.  Tunn., 
Joh.  Biclar.  fussende  Historia  de  regibus  Gotthorum,  Wanda- 
lorum  et  Suevorum  (253—625)  (ed.  Matrit.  1778:  auch  bei 
Hugo  Grotius,  Hist.  Got.  Wand,  et  Langob.,  Amsterdam  1655): 

chron.,  Rone.  II,  419  u.  ö.  Gotthi  (Gothi),  458  Ostro- 
f/otthi,  Matr.  145  Gothi,  Gotthi,  147  u.  ö.  Gotthi, 
151  Ostrogotthi;  bist,,  Matr.  203  u.  ö.  Gotthi,  210 
Ostro'/otthi,  Grot.  705  ff.  Gothi,  Ostroyothi. 

Chron.,  Rone.  II,  457  Theodoricus,  Matr.  149 
Theodoricux  {Theudo-)\  hist.,  Matr.  209  u.  ö.  Theu- 
dericus,  Grot.  720  f.  Tudericus,  Theodericns,  Teu- 
dericus. 

Hist,  Grot.  721  Ebbava  (Abi.;  Mommsen,  Jord. 

151,  liest  Ebbane). 
Chron.,  Rone.  II,  458,  Matr.  151  Tottila. 

Aus  dem  Chronicon  paschale,  629  630.  (Wand. 
32;  ed.  Dindorf,  Bonnae  1832): 

604,  15  Oso6f(ji'/((mhodw(n'xiü),  602.  19  Qsoduiw/oc. 

605,  12  \4  x  a  X  X  d  (j  t  x  o  g. 

Die  X/jovoyyu(fta  des  Joannes  M  a  1  a  1  a  s  (bis  565) 
wird  von  Sotiriadis  (Kritik  des  .loh.  v.  Antioehia,  Lpz.  1887) 
ins  7.  Jahrh.  unter  Phoeas  und  Heraelius  (603  641)  gesetzt, 
während  man  sie  früher  in  die  Zeit  Justins  II.  (565  578) 
wies  (Wand.  30;  ed.  Dindorf,  Bonnae  1831): 

To  x  D  o  i. 

380,  4  u.  ö.       vö  t  (ji/oc. 
460,  1  \l  i>  aXa  (>i  yoq. 
465,  9.  11  TU  t  vag. 

Aus  den  Ergänzungen  zu  den  ersten  sechs  Büchern 
(bis  584)  von  Gregors  Frankengeschichte,  der  sogen.  Historia 
Francorum  epitomata,  die  dem  Seholasticus  Fredegar 
zugeschrieben  werden  und  um  660  in  Burgund  entstanden 
sind  (Wand.  33;  ed.  Krusch  1888,  Mon.  Germ,  script.  rer. 
Merov.  II): 


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39 

• 

43  u.  ö.  Goti,  Gothi,  Ghotki. 
44.  78  u.  ö.  The  uder  icns. 
103,  30  Am  all  er  (ja. 

106,  2  Theothatus  (Teuthadus,  Thedatus,  Theo- 

thadus),  6  Theuthadus  (Teodatus,  Theodatus). 
10«.  7  Tutila. 

Die  römische  Geschichte  des  Paulus  Diaconus 
(um  725—797;  Wand.  33)  entstand  vor  774  (Mon.  Germ, 
auct.  antiqu.  II),  die  langobardische  nach  787  (Mon.  Germ, 
script.  rer.  Langob.  et  Ital.,  p.  45  squ.): 

rom.  Gothi,  209,  17  Ostrogothae  (-gothi)  u.  ö., 
214.  1  Ostrogothi;  lang.  Gothi. 

Korn.  21«,  5  Amali  (Alami,  Halumi,  Halani,  Alaui). 

Rom.  211.  15  u.  Ö.  The  oder  icus  (gelegentliche 
Varianten  Teode-,  Theodo-,  Theude-;  Theoricus), 
217,  14  Theodoricus;  lang.  87,  18  Theude ricus 
(Teude-,  Theode-,  Teode-',  Thiadric,  Thiadricus), 
124,  1  Theuderichs  (Federicus),  196.  26  Teodoricus, 
29  Theodoricus. 

Rom.  212,  4  Ar  Heu  tut  (-leuba,  -leua). 

216,  1.  2  Amalafreda. 

216,  3  Theodicodo  (Acc). 

216,  3  Ostrogotho  (Acc:  al.  -godo). 

216,  2  Am  alab  er  g  a  (Malaberga,  Malauer •ga). 

216,  4  A  mala  su  in  ihn  (suinda,  Atualauintha), 
219,  18.  220,  7.  221,  12  Amalasuinta  (suuintu, 
-suuinda,  -subinta,  -sunta,  -muintha;  Amasuuinta, 
Amalsuinta). 

216,  4  Eutharicus  (Autha-). 

219,  6  Ibba  (Ibbla,  Ippia). 

220,  8.  221,  7.  9.  11  Theodatus,  220,  11  Theo- 
datus (Theodotus). 

221,  11  u.  ö.  Witigis  (gelegentliche  Varianten 
Wittigis,  Guitigis,  Guittigis,  Guitiguis) ;  lang.  62, 
20  Witichis  (Abi.;  al.  M7////  ,  t/nfi-,  Winti-,  Vinti- ; 
Withids,  Witigis,  Witavhis,  Witichisi,  Withichisi, 
WUihisi,  Withigiso,  Withisi,  Wittisi,  Wilticis). 


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40 

Rom.  224.  1  Heläebadus  (Hille-). 
224,  3  Bad  uila  (Baduilla). 
224,  3.  9.  19  Totila;  lang.  72,  20.  2."»  TWi/ei. 
Lang.  73,  4  IT/rf/w  (HW/#n,  WWw,  ]lriV/i.  GmVm), 
6  Widin. 

Die  G e s t a  episeoporum  Xeapolitanoruni, 
welche  unter  dem  Namen  des  Diaeons  Johannes  gehen, 
zerfallen  in  drei  verschiedene  Teile,  von  denen  der  erste 
um  800  entstand,  im  wesentlichen  aus  den  Gesta  pontif. 
rom.  schöpfte,  aber  weiter  alle  bekannteren  kirchen-  und 
weltgeschichtlichen  Vorarbeiten  benutzte  (Mon.  Germ.  Script, 
rer.  Lang,  et  Ital.  402  squ.): 

Goth  i. 

410,  8.  16  Theodericus,  20.  23  u.  ö.  Theodor  icus. 

411,  9  Amalesuinta. 

410,  43  Athalaricus. 
411  Theodatus. 

411,  33.  34  Guitiyis,  38  Vitigen  (Acc). 

Aus  den  zehn  Büchern  der  Chronograph ia  des  Theo- 
phanes  Isaacius  Confessor,  758—817,  (Wand.  34; 
ed.  Clausen,  Bonnae  1839.  1849): 

r  o  t  &  o  t. 

288,  11  --/  fiaXaff  ot  Sa  (MaXuyotdu),  289,  15  \  1tuaXa- 
tfgiöa. 

293,  11  \1  fiaXaoov  t'Ü  a. 
293,  12  \4xald{n  y  og. 
291,  14  royta* 

354,  3  TfottXa  (TwnXXa  vulg.  et  sie  ubique),  5 
TwrtXa. 

Das  im  Kloster  Moissac  bei  Toulouse  ca.  818  ent- 
standene Chronicon  (Wand.  35)  umfasst  den  Zeitraum  vom 
4.  bis  9.  Jahrh.  (Mon.  Germ,  script.  I): 

Gothi. 

285  Athular  icu  s. 
285  Theudann  s. 
285  Tot  i IIa. 


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41 


A  g  n  e  1 1  u  s .  der  Verfasser  des  Lib.  pontitic.  ecclesiae 
Itavenn.,  schrieb  sein  Werk  in  verschiedenen  Absätzen  un- 
gefähr 835  -846,  nur  wenige  Quellen  wie  Paul.  Diac,  Anon. 
Vales.,  Annal.  consul.  Itavenn.  u.  a.  spärlich  verwertend, 
(Mon.  Germ.  Script,  rer.  Lang,  et  Ital.  275  squ.): 
Gothi. 

303,  5  Theodoricus  (Theude-,  Theode-)  u.  ö.,  318, 
22.  335.  9.  337,  15  Tlieodericus ,  334,  19  Theu- 
dericus. 

326,  27  U  nun  und  hs  (Uitimundus),  334  22  Uni' 
tnundus. 

322,  12  Malasintha. 
322,  11  Athalaricus. 
322,  12.  16  Deodatus. 
322,  21  Tutilano  (Abi). 
322,  22  Teia,  331,  13  Theia. 

Aus  der  Vita  et  translatio  S.  Sab  in i  episc. 
Canusini,  vermutlich  um  850,  (ib.  586  squ.): 
Gothi. 

587,  12  Totila. 

Aus  der  ältesten  Geschichte  des  Klosters  von  Monte 
Casino,  vermutlich  um  870,  (ib.  468  squ.): 
Gothi. 

487,  23  Theodericus. 
Erchemperti  historia  Langobardorum  Beneventa- 
norum,  bald  nach  886,  (ib.  230  squ.): 
244,  37  TrasaricusJ 
Im  Ausgang  des  9.  Jahrhs.  setzt  der  Presbyter  An- 
dreas die  langobardische  Geschichte  des  Paulus  Diaeonus 
bis  auf  seine  Zeit  fort  (ib.  220  squ.): 
Gothi. 

222,  6.  9  Totila  (aus  Paul.). 

1  Es  bleibt  ganz  zweifelhaft,  ob  er  hierher  gehört.  Nur  das 
Erscheinen  desselben  Namens  auf  der  unten  unter  „Wiljaric*  citierten 
Inschrift  lässt  ihn  mich  hierher  setzen,  weil  letztere  möglicherweise  mit 
seinem  bei  Erchempert  erwähnten,  sonst  aber  völlig  unbekannten  Denk- 
mal zusammenhängt. 


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42 

Die  Vita  S.  L  a  u  r  e  n  t  i  i  e  p  i  s  c.  S  i  p  o  n  t  i  n  i ,  aus 
dem  9.  Jahrh.  oder  später,  beruht  gleichfalls  auf  Paulus 
(ib.  543  squ.): 
Gothi. 

544,  12  Theodor  ic  us. 

545,  24  Badiula. 
545  Totila. 

Das  Lexicon  des  S  u  i  d  a  s ,  etwa  von  976,  (reo.  G.  Bern- 
hardy,  Halle  u.  Braunschweig  1853)  giebt  II,  789  unter 
dem  Stich worte  -ix// den  Dativ 

r gov  $  fyyoitf  (—r{Mnt9iyywc,  rpovfriyyotc). 
Und  endlich  aus  der  H  i  s  t  o  r  i  a  m  i  s  c  e  1 1  a  des  Lan- 
dolfus  Sagax,  zwischen  977  und  1026,  (Wand.  35;  Mon. 
Genn.  auct.  antiqu.  II): 
Gothi,  Gothic iis. 
365,  1.  366,  23  Theo  der  i  cns. 


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DIE  OSTGOTISCH KX  SPRACHIGSTE. 


Das  hier  folgende  Capitel  hat  die  Aufgabe .  für  die 
einzelnen  Ostgotennamen  nach  all  den  Schreibungen,  welche 
der  vorhergehende  Quellenteil  aufgezählt  hat.  die  specitisch 
ostgotische  Form  zu  gewinnen  und  damit  das  Material  zu 
liefern  für  da«  letzte  Capitel,  den  Versuch  einer  ostgotischen 
Grammatik.  Die  Reihenfolge  ist  die  ungefähr  chronologische. 
Bei  der  etymologischen  Deutung  der  Namen  ist  mehr  als 
bisher  die  nahe  Verwandtschaft  in  Betracht  gezogen  worden, 
welche  die  einzelnen  indogermanischen  Völker  grade  in  der 
Bildung  ihrer  Nomina  propria  verbindet,  weshalb  man  Fick, 
Die  griechischen  Personennamen  (Göttingen  1874).  häutiger 
citiert  finden  wird.  Sonst  sei  für  diesen  Abschnitt  auf 
Wand.  :*6  f.  verwiesen. 

Es  wäre  leicht  gewesen,  unsere  übliche  grammatische 
Orthographie  auch  in  den  ostgotischen  Namen  consequent 
durchzuführen :  aus  practischen  Gründen  nahm  ich  hiervon 
Abstand.  Denn  wenn  z.  B.  die  ostgotische  Namensform 
peuderik  auch  zweifellos  ist ,  so  werden  wir  doch  schwer- 
lich dahin  kommen,  dass  unsere  Historiker  in  ihren  Dar- 
stellungen eine  so  weit  vom  quellengemässen  Theodericus 
abweichende  Schreibung  einführen.  Und  diese  Rücksicht- 
nahme auf  den  historischen  Usus  veranlasste  mich  bei  der 
Schreibung  Thcoderir  zu  bleiben,  obwohl  eo  statt  ostgot.  eu 
gewiss  nur  dem  romanischen  Schreibgebrauch  sein  Dasein 
verdankt.  Wir  wollen  schon  zufrieden  sein ,  wenn  die  Hi- 
storiker sich  zu  der  Schreibung  Themler  \c  bequemen  statt 
des  herkömmlichen  Theoderich  und  damit  eine  Bildung  auf- 


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II 


geben,  welche  inconsequent  im  Auslaut  hochdeutschen  Laut- 
stand angenommen .  im  Anlaut  den  gotischen  beibehalten 
hat:  entweder  Theoderic  oder  Dietrich,  alles  Sonstige  bleibt 
Willkür ;  Theoderic  aber  gleicht  ja  dem  quellenmässig  über- 
lieferten Theodericus  vollkommen .  abgesehen  von  der  nur 
lateinischen  Endung.  Also  aus  Rücksicht  auf  die  Historiker 
zwänge  ich  die  Ostgotennamen  die  Einzelüberschriften 
im  folgenden  geben  sie  in  der  Form,  die  ich  für  den  modernen 
hi sonographischen  Gebrauch  empfehlen  möchte  nicht 
unter  das  System  einer  einheitlichen  phonetischen  Trans- 
scription,  sondern  schreibe  jeden  einzelnen  in  der  Laut- 
gebung,  welche  seine  Quellen  zeigen.  Für  die  Orthographie 
gilt  daher  das  Wand.  37  Gesagte. 

OSTGOTEN. 

Für  die  Etymologie  des  Gotennamens  seien  nur  Zeuss 
134,  Lottner  in  Kuhns  Zeitschrift  V,  154,  Kremer  in  den 
Beiträgen  VIII.  44t>.  447  citiert.  Wer  die  Zeuss-Grimmsche 
Deutung  der  , Wandalen"  als  der  »Umherziehenden*  an- 
nimmt, wird  auch  gegen  die  .Goten"  als  die  .Ausgebreiteten* 
kein  Bedenken  haben :  got.  giutan  an.  gjöta  ags.  geotan  as. 
giotan  ahd.  giozan  Rundere*. 

Für  die  Schreibungen  ist  immer  noch  auf  Rassmann 
bei  Ersch  und  Gruber,  Sect.  I.  LXXV,  S.  204,  1  zu  ver- 
weisen. Die  in  den  historischen  Denkmälern  des  gesamten 
Mittelalters  herrschenden  Formen  Gothic  sind  römische 

und  griechische  Nostriftcierungen  des  Volksnamens 1  und 
machen  für  seine  gotische  Form  und  Aussprache  nichts  aus. 
Nach  dieser  wäre  vielmehr  lat,  *Guti  zu  erwarten.  Das 
ursprüngliche  n  der  Stammsilbe  wird  durch  das  Gutpiuda 
des  Kalenders,  das  runische  gutanio  des  Goldringes  von 
Pietroassa2  und  für  den  ostgotischen  Dialect  durch  die 
sonstige  feste  Bewahrung  des  wultilanischen  w3  bewiesen. 

1  Vgl.  oben  8.  8. 

2  Hönning,  Runendonkmaler  32. 

*  Vgl.  oben  S.  9  und  unten  im  „VocalismuB44. 


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4:> 


Für  die  lateinischen  Historiker  ist  es  bei  dem  bunten  Wechsel 
von  lat.  11  und  o  1  nicht  zu  entscheiden,  ob  vereinzelte  u  auf 
derselben  mechanischen  Vertauschung  beruhen  oder  etwa 
als  reconstruierte  germ.  u  aufzufassen  sind.  Nur  (abgesehen 
von  den  fraglichen  /Vro>if  c  bei  Strabon  2 )  die  Gutones  bei 
Plin. .  die  /Vtfe/m;  bei  Ptol.  sind  besonders  aufzuführen, 
vielleicht  auch  die  Gvthi  bei  Marini  Nr.  140.  Das  ursprüng- 
liche /  des  Wurzelauslauts3  zeigt  sich  im  gotischen  Gut-pinda4, 
im  runischen  gutanio ,  in  den  an.  Gotar  und  ags.  Gotan.h 
Bei  den  Historikern  classischer  Zunge  beginnt  die  Unsicher- 
heit in  der  Aspiration  schon  mit  Tac. :  Germ.  Gothones,  Ann. 
Gotones ;  und  mit  den  FvOmv^  des  Ptol.  wird  das  ungerm. 
///  fest  und  bleibt  es  für  die  Geschichtschreibung  aller  Jahr- 
hunderte. Über  das  bunte  und  regellose  Vertauschen  von  / 
und  th  für  germ.  t  und  p  vgl.  unten  unter  „Consonantismus*. 
Daher  ist  auch  schwerlich  an  bewusste  Herstellung  der 
germanischen  Tenuis  zu  denken  bei  den  Austrogoti  des  Treb. 
Pollio,  den  Goti  des  Ennod. .  den  Ostrogoti  des  Avit. .  den 
Goti  bei  Marini  Nr.  117,  der  aclisiu  gotica  der  Neapeler 
Urkunde,  dem  goticum  im  gotischen  Trinkspruch,  dem  gleich- 
massigen  Goti  im  Prosp.  Vatican.  (Konc.  1,  706  ff.,  nur  711 
einmal  Gotht).* 

1  Vgl.  oben  8.  7. 

*  Vgl.  oben  8.  10,  2. 

5  Möllenhoff,  Zs.  IX,  244. 

*  Die  Deutung  Kremers  (Beitr.  VIII,  447,  dazu  429),  der  Gut- 
])i\u1a  als  nachahmende  Schreibung  von  gr.  for.tot  auflagst  und  got. 
*ynp-  oder  *</udapit(da  herstellt,  bedarf  nuch  Ablehnung  seiner  Ety- 
mologie keiner  Widerlegung  mehr;  vgl.  jedoch  unten.  Das  an.  Goppjöp 
(Grimm,  Heldensage*  5.  6)  zeigt  jüngere  Assimilation. 

*  Nähere  Nachweise  bei  Kassmann  a.  a.  O. 

*  Noch  ein  Wort  Über  die  gr.  rördm.  Das  feststehende  lat. 
Gothi,  das  die  etwa  durch  amtliche  Berichte  aus  Rom  sanetionierte 
Form  war,  in  gr.  nlftoi  umzuschreiben,  widersprach  der  bei  den  Griechen 
üblichen  Aussprache  des  bekannten  Volksnamens,  da  ihr  v  8pirans  war : 
daher  entstand  /ortfo.  als  graphische  Compromissform.  Oder  aber 
r,ir9oi  erklärt  sich,  ahnlich  wie  der  Name  der  Schweden  aus  Svhpfip, 
aus  Gut-piuda,  also  mit  Hereinziehung  des  Anlauts  vom  zweiten  Compo- 
sitionsglied  in  den  vermeintlichen  Stamm,  d.  h.  grade  umgekehrt  wie 


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4« 


Was  die  Flexion  des  Gotennamens  anlangt,  so  weisen 
die  ältesten  Quellen  übereinstimmend  auf  einen  M-Stamm : 
Gutones  Plin.  u.  s.  w. 1 ,  d.  i.  got.  *Gututis2,  entsprechend 
dem  an.  Gotar  Gotna  (dazu  das  Appellativum  gotnar .  das 
Adjectivum  gotneskr)  und  dem  ags.  Gotati  Gotena.  Alle 
späteren  Quellen  hingegen  zeigen  nur  Gothi ,  filrdoi,  d.  i. 
got.  *Gutösz;  hierauf  führt  auch  das  Compositum  Gutpiuda, 
für  welches  bei  erhaltener  //-Flexion  seines  ersten  Gliedes 
*Gutapiuda  zu  erwarten  wäre4:  und  das  an.  Gotar  zeigt 
neben  dem  schw.  Gen.  Gotna  auch  den  jüngeren  st.  Gota. 
Nun  aber  hat  .lord.  (und  mit  ihm  Paul.  Üiac.)  neben  gleich- 
massigem  Gothi  ebenso  gleichmässiges  Ostrogothae,  das  nur 
auf  dem  Sing,  -gotha ,  d.  h.  auf  schwacher  Declination  be- 
ruhen kann.  Es  läge  nahe,  den  Grund  hierfür  speciell  bei 
Jord.  in  der  Anlehnung  an  den  Namen  des  ostgotischen 
Ahnherrn  zu  suchen,  welcher  in  der  Urgeschichte  des  Jord. 
(77,  1.  78,  6)  eben  Ostrogotha  (und  ebenso  bei  Cass.  Var. 
XI,  1)  genannt  wird,  zumal  alle  früheren  Quellen,  die  den 
zusammengesetzten  Volksnamen  geben,  diesen  stark  flectieren : 
Austrogoti  Treh.  Pollio,  Ostrogot(h)i  Claud.,  Apoll.  Sid.,  Avit., 
später  noch  Isid.  Aber  Jord.  schreibt  auch  Vesegothae! 
Vielmehr  hat  man  aus  dem  Namen  des  ( >strogota  „mit  Recht 
schon  auf  das  Alter  des  Volksnamens  geschlossen*  5 ,  und 
wenn  auch  „der  epischen  Sage  so  viel  Glauben  zu  schenken 
ist  ,  dass  Ostrogota  eine  historische  Person",  so  bedarf  es 
doch  keines  Wortes  mehr,  dass  der  Name  des  Heroen  nichts 
weiter  als  der  ältere  Volksname  ist  und  nicht  etwa  erst 


Kremer  (s.  o.J  will;  jedoch  bleibt  dann  die  Beschränkung  dieser  Form 
auf  die  gr.  Quellen  rätselhaft,  man  niüsste  denn  alle  lat.  Gothi  zu  Göttin 
bessern  wollen.  Jedenfalls  vergleiche  man  nicht  Chatthi  (ahd.  Hcsxi) 
aus  ursprünglichem  Cot-ti  o.  &. 

1  Vgl.  oben  S.  19,  2. 

*  Hennings  Deutung  des  oben  citierten  runi sehen  (tutuuio  aU 
got.  •tjutanjo,  schw.  Ncutr.  des  Adj.  *<jnf<niei*}  (KuiuMidenkmäler  40  f.) 
knüpft  ebenfalls  an  den  alteren  «-Stamm  an. 

*  J.  Grimm,  Kleinero  Schriften  III,  41 3. 
4  Kremer,  Beitr.  VIII,  394  ff. 

&  Möllenhoff,  Zs.  IX,  136. 


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47 


dem  Stamme  seinen  Namen  gegeben  hat Ostroyota  ist 
„der  Ostgote4 ;  einen  Beweis  hierfür  von  andrer  Seite  er- 
brachte ich  im  Neuen  Archiv  XV,  583  f. ,  wo  ich  zeigte, 
dass  Ostrogoto,  wie  eine  Tochter  des  Theoderic  genannt  wird, 
nichts  ist  als  diacritisther  Zuname,  als  das  movierte  Fem. 
unseres  Volksnamens.  „die  Ostgotin".  Damit  ist  erwiesen, 
dass  der  Gotenname  im  Simplex  stark  (*Gutös).  in  der  Kom- 
position schwach  flectiert  wird  (-guta  -gutö).  Wenn  bei  den 
übrigen  genannten  Historikern  die  starke  Flexion  frühzeitig 
in  das  Compositum  gedrungen  ist,  so  hat  das  seinen  Grund 
darin  ,  dass  in  den  geschichtlichen  Quellen ,  zumal  den  öst- 
licheren (gewöhnlich  bei  den  Griechen ,  immer  bei  Proc), 
unter  Goten  schlechthin  die  Ostgoten  verstanden  werden2; 
man  beachte  z.  B.  beim  Anon.  Vales.  und  Cass.  Var.  die 
Gothi  neben  den  Wisigothae,  bei  Proc.  (d.  bell.  Vand.  I,  2) 
die  ausdrückliche  Unterscheidung  /orfloi  und  Ovidtyor&ot a ; 
waren  somit  Goten  und  Ostgoten  dem  Sinne  nach  identisch, 
so  konnte  die  Gleichheit  der  Function  um  so  leichter  Gleich- 
heit der  Flexion  nach  sich  ziehen,  wenigstens  bei  den  latei- 
nischen und  griechischen  Geschichtschreibern.  Die  Goten 
selbst  hielten  an  dem  alten  Flexionsunterschied  fest,  wie  eben 
Ostrogota*  Ostrogoto  beweisen,  und  es  ist  das  ein  weiterer 
Beleg  für  den  im  Germanischen  zu  beobachtenden  Trieb,  eine 
Komposition  durch  schwache  Flexion  gegenüber  dem  starken 
Simplex  zu  kennzeichnen :  got.  leih  und  mankika,  daür  und 
augudaurö,  an.  stafr  und  rnpstafe,  ags.  trum  und  wyrttruma, 
ahd.  tac  und  svontago  u.  a. 4  Aus  gleichem  Unterscheidungs- 
trieb hat  liier  das  Compositum  die  ursprüngliche  w-Flexion 
des  Gotennamens  zäher  bewahrt  (vgl.  oben  Gxttones  u.  s.  w.) 
als  das  frühzeitig  zur  starken  Bildung  übergehende  Simplex. 

1  Dahn,  Könige  II,  84;  Möllenhoff  a.  a.  O.  und  im  Index  zu 
Mommsens  Jord. 

*  Cber  deren  ältestes  Vorkommen  Möllenhoff  Zs.  IX,  134  ff. 

*  Das  Umgekehrte,  dass  der  Oesamtname  Goti  die  Westgoten 
bezeichnet  und  die  Ostgoten  spooialisiert  werden,  kenne  ich  aus  der 
oben  S.  22  erwähnten  Oeneratio  regum  et  gentium  (Möllenhoff,  Abh. 
d.  Herl.  Akad.  1862,  8.  536),  wo  die  Westgoten  Goti,  die  Ostgoten  aber 
Walayoti  heissen;  über  letztere  vgl.  unten  unter  „Walamer*. 

*  Kluge  in  Pauls  Orundriss  I,  396. 


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48  -- 

Treb.  Pollio  schreibt  im  Anfang  des  4.  Jahrhs.  noch 
diphthongisches  Austro-,  alle  späteren  Historiker  mono- 
phthongisches Ostrogothi( -ae).  Dieselbe  Monophthongierung 
von  germ.  (und  wulf.)  au  zu  o  wird  als  ostgotisches  Crite- 
rium  noch  weiter  zu  belegen  sein. 

Der  Compositionsvocal  o  1 ,  der  durchgängig  in  allen 
Quellen  von  Treb.  Pollio  bis  Isid.  und  Paul,  erhalten  ist, 
muss  in  so  später  Zeit  auffallig  erscheinen,  wenn  man  in 
ihm  mit  Kluge 2  altes  idg.  o  sehen  will ,  das  in  tonloser 
Silbe  die  Tonerhöhung  zum  germ.  a  noch  nicht  mitgemacht 
hat ,  um  so  auffälliger ,  als  das  Ostgotische  dieses  germ.  a 
in  der  Compositionsfuge  vielfach  schon  zu  e  geschwächt 
oder  gar  zu  i  palatalisiert  hat3.  Wahrscheinlicher  liegt  uns 
eine  Form  des  internationalen  Verkehrs,  eine  nostrifizierte 
Römerbildung  vor  (wie  oben  Gothi).  Grade  o  hatte  in  den 
idg.  Einzelentwicklungen  als  Compositionsvocal  weite  Aus- 
dehnung gewonnen4,  ganz  besonders  sich  im  Griechischen 
verallgemeinert5,  und  wenn  es  in  lateinischen  Bildungen 
wie  albo-galerus  u.  a.6  mit  griechischer  oder  gallischer  Be- 
einflussung erklärt  wird ,  so  mag  in  unserm  Ostro-  gegen- 
über sonstigem  ostgot.  -a-  -e-  -i-  eine  ähnliche  ungermanische 
Anlehnung  zu  Grunde  liegen.  Dass  dieses  Ostro-  mit  ge- 
legentlichem Theodo-ricus  nicht  auf  eine  Stufe  zu  stellen, 
darüber  unter  diesem. 

Ostgot.  ostro-,  wulf.  *austra-  (an.  oustr  ags.  edster  as. 
ahd.  östar)  ist  eine  suffixale  Weiterbildung  des  Stammes 
*ausa-1  der  unten  noch  im  Namen  Oswin  begegnen  wird 
und  dort  zu  vergleichen  ist ,  eine  Weiterbildung ,  wie  sie 
z.  B.  aus  got.  gis-tra-  ahd.  ges-taron  ags.  geos-tra  bekannt 
ist  gegenüber  ai.  hyds  gr.  ;r#7c  lat.  /im. 7 

1  Grimm,  Gramm.  II  (1H78),  890.  391. 
*  Pauls  GrundriBS  I,  316.  317. 

3  Vgl.  unten  unter  „Wortbildung44. 

4  Brugmann,  Grundriss  der  vergleichenden  Grammatik  der  idg. 
Sprachen  II,  I,  27. 

6  Ib.  45. 
e  Ib.  55. 

7  Wie  Os-tcin  zu  Osfro-gotha  wird  sich  auch  das  auffällige  lfV.s/- 
golhae  zu  Venfr-olpmi  u.  A.  verhalten,  sodass  man  Sievers'  Bedenken 


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4<» 

GREOTINGE. 

Neben  der  politisch-geographischen  rntorscheidung  in 
( Istiroten  und  Westgoten  steht  in  alterer  Zeit  die  ursprüng- 
lichere und  nationale  in  Greotinge  und  Terwinge.  Man  vgl. 
üher  beide,  speeiell  auch  über  die  Identität  der  Greotinge 
und  Ostgoten,  besonders  Müllenhoff,  Zs.  IX,  184  ff.,  vorher 
schon  Manso  :*08 ,  Zeuss  407  ff.  Dieser  alte  ostgotische 
Stammname  trat  uns  in  folgenden  Quellen  und  Formen  ent- 
gegen :  Grutungi  Treb.  Poll.,  Grauthungi  Flav.  Vopisc.  Greu- 
thungi  Amin.  Marc,  Gruthungi  Tlaud.,  fyofriyyoi  Zos.,  Greo- 
thhigi  Idat.,  l'oovttiyym  Suid.  Die  richtige  Etymologie  des 
Namens  steht  schon  bei  Zeuss  407,  dann  bei  Grimm  in  der 
Gesch.  d.  dtsch.  Spr.  448  u.  s.  f.:  an.  gr/ot  ags.  greot  as. 
griot  ahd.  gr'wz  -Gestein:  Sand".  Dazu  darf  die  bei  .Jord. 
59.  11  corrupte  Stelle  aus  König  Rodwulfs  Diathese  von 
Scadinavien  gestellt  werden :  dehinc  Äfiri,  Eragre,  Otingh 
(so  bei  Mommsen).  welche  Müllenhoff  scharfsinnig  und  zweifel- 
los richtig  emendiert  in  dehinc  mixfi  Evagreotingh ,  wenn 
dabei  das  eva-  auch  noch  dunkel  bleibt Derselben  Stelle 
folgt  bei  Jord.  die  Bestätigung  der  obigen  Etymologie  :  hi 
omnes  excisis  rupibus  quasi  castellis  inhabitant.  Auch  für 
die  gesamte  Textkritik  der  andern  Quellenstellen  ist  nur 
auf  Müllenhoff.  Zs.  IX,  zu  verweisen.  Fraglich  ist  allein, 
ob  er  berechtigt  war  überall  den  Diphthong  eu  herzustellen. 
Locale  un<l  temporale  Herkunft  der  einzelnen  Uberlieferungen 
ist  so  verschieden,  dass  der  auf  dialectische  Verschiedenheit, 
zurückgehende  Ablaut  au  (Vopise.)  n  (Poll.,  Zos.,  ('lauri..  Suid.) 
hi  (Amm.,  Idat.,  .lord.)  nicht  beseitigt  zu  werden  braucht; 
man  vgl.  vielmehr  an.  grjot  und  graut r ,  ahd.  grioz  und 
yruzzi,  auch  die  ahd.  Mannsnamen  Gruzing  und  Griuzing 
(Schannat  120).  Dass  für  unsere  Zeit  der  Diphthong  eu 
anzusetzen,  beweist  Jord.;  über  die  Schreibung  eo  bei  ihm 


in  Pauls  Grundr.  I,  408,  Anm.  nicht  zu  teilen  braucht;  vgl.  auch  unter 
„Oswin"  und  Brugmann,  Vgl.  Gramm.  II,  I,  185  Anm. 

1  Deutsche  Altertumskunde   II,  63  f.     Vgl.  wostgot.  Kuva  -■ 
Kortens,  Evnrix\  Stark,  Die  Kosenamen  der  Germanen  (Wien  1868),  8.  15. 
QF.    I.XVIII.  4 


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50  - 


und  Idat.  vgl.  unter  /f  heoderic  \  Das  häufige  unorganische 
th  bedarf  keiner  Erklärung  mehr. 1 

Das  ableitende  Suffix  zeigt  Ablaut  in  dem  ung  der 
vier  älteren  Quellen  gegenüber  dem  ing  der  vier  jüngeren ; 
vgl.  got.  gadiliggs,  skilliggs,  wand.  Hasdhtg-,  Silhig-,  gar- 
ding-.2  Mit  der  in  der  Kegel  starken  Flexion  des  Suffixes 
im  Germanischen  stimmt  die  Flexio  romana  et  graeea  des 
Greotingnamens  überein. 

AMALKN. 

Das  ostgotische  Königshaus  benannte  sieh  nach  dem 
vierten  Hehlen  der  jordanischen  Stammtafel:  lat.  Awali. 
Es  sind  die  aus  den  deutschen  und  angelsächsischen  Helden- 
gedichten bekannten  Anialunge  oder  Amulinge:  der  Name 
des  ostgotischen  Künigsgesehleehts  ist  in  der  Sage  für  den 
Gotennamen  überhaupt  eingetreten,  wie  der  Name  der  Has- 
dinge (Hartunge)  für  den  Wandalennamen  u.  ä. 3  Die  goti- 
schen  *Amalös 4  -  die  starke  Flexion  wird  durch  das  gleich- 
mäs.sige  lat.  A-mali  bewiesen  sind  die  strenui,  industrii, 
infatigabiles  (vgl.  ahd.  em-azzig ;  auch  ahd.  atn-eizza  ags. 
<vm-ette?h  an.  anri  Jabor,  molestia") 0  und  mit  den  west- 
gotischen Bairhen  zu  vergleichen.  Vgl.  über  das  Suffix  in 
Am-al-  Wand.  Tu  den  Hawaii  des  Cass.  unorganische 
Aspiration,  ohne  class  deshalb  an  dem  eddischen  Ilamull1 
gedacht  zu  werden  brauchte.  Der  Urenkel  des  Gapt,  welcher 
dem  Hause  den  Namen  gab.  ist  Amal ;  während  die  Gcnea- 

1  Vgl.  oben  S.  45. 

2  Wand.  42.  Über  das  8uffix  vgl.  Sütterlin ,  Gesch.  d.  Nomina 
ngentis  im  Germ.  (Strassb.  1887),  S.  18  ff.;  Brugmann,  Vgl.  Gramm.  II, 
I,  252;  Streitberg,  Beitr.  XIV,  224;  Henning,  KunendenkmÄler  145. 

3  Weitere  Beispiele  bei  Heinzel,  Üb.  d.  ostgot.  Heldengage,  Wien. 
Sit7..-Ber.  CXIX  (18S9),  8.  18  des  8A. 

4  So  nach  den  Ältesten  Quellen  ;  patronyinische  Ableitung  mit  -ung 
-ing  erst  seit  dem  7.  Jahrh.,  vergl.  MdHenhoff,  Zs.  XII,  262;  ib.  415 
das  Älteste  deutsehe  Zeugnis  für  Amelunge  als  Volksnamen. 

5  Kluge,  Etymol.  Worterbuch,4  „Ameise**. 

•  Eine  mythologische  Deutung   des  Namens  unter  Anknüpfung 
an  gr.  ä^ula  versuchte  J.  Grimm,  Zs.  VII,  394. 
'  Henning,  Runendenkmaler  12. 


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-    51  - 


logie  bei  Cass.-Jord.  jedoch  sonst  die  Namen  von  Vater  und 
Sohn  kurz,  nur  durch  „genuit"  verbunden,  aufzählt,  beisst 
es  hier:  eum ,  qui  dietus  est  Anial;  es  ist  hier  also  nicht 
sein  eigentlicher  Name,  sondern  ein  charakteristischer  Bei- 
name überliefert 1  in  der  Form  eines  st.  Adj. ,  ohne  dass 
der  ursprüngliche  Personenname  des  Heroen  neben  jenem 
erhalten  wäre :  .lord.  Amal  für  wulf.  *  Antäte  mit  ostgoti- 
schem Schwund  des  Nominativ-^  (vgl.  Frida  mal  Wand.  75), 
Cass.  mit  entsprechender  Latinisierung  Amatas-. 

TIIEODERIC. 

Der  grosse  Ostgotenkönig  heisst  (mit  lateinischer  En- 
dung) Theodericns.  Diese  Nainensform  wird  aus  sämtlichen 
erhaltenen  Inschriften  erwiesen3,  auch  aus  der  auf  einem 
Gewichte1,  während  die  Münzen  neben  dem  Namen  des 
Kaisers  nur  das  Monogramm  des  Königs  tragen  \  Theode- 
ricns heisst  der  König  auch  bei  den  meisten  lat.  Historikern 
(vgl.  im  vorigen  Capitel  unter  Ennod.,  Eugipp.,  Avit.,  Cass., 
Vita  Fulg..  Anon.  Val.  u.  s.  w.J.  Die  griechische  Form  lautet 
in  der  Kegel  0M/Jt'(/f/o»*  (Malch..  IVoo.,  Agath..  Euagr.  u.  s.  w.J. 
Sonst  erscheint  häutigei'  nur  Thcodoricus  (Marcel!.,  Lib. 
pontif.,  Ep.  pontif. ,  .lord.  u.  s.  w.)?  entsprechend,  jedoch 
weit  seltener,  Gtodtoyt/oq.  Dieses  Thcodoricus  mit  seinem 
zweiten  o  als  Fugen vocal  hat  mitgewirkt,  dass  das  regel- 
mässige Theo-  der  Überlieferung  bisher  erklärt  winde  als 
gelehrte  Anähnlichung  des  got.piuda  an  gl*.  &to-  (vgl.  Gtodovtjg, 
htoÖMyo^  u.  s.  w.).6   Diese  Erklärung  ist  überflüssig,  Grade 

1  Dahn,  Könige  II,  119. 

*  Die  Varianten  Atnala  bei  Jord.  zeigen  nicht  die  schwache  Form 
denselben  Adj.,  Hundorn  eine  primäre  Kosebilduug  aus  älterem  Voll- 
namcii ,  etwa  Anialaric  o.  ü. ;  so  z.  B.  ein  Franke  Anuilo  bei  Greg. 
Tur.  u.  ö. 

3  CIL  VI,  1665.  1794.  IX,  6078,  7.  X,  6850.  6851.  8041,  2.  XI, 

10.  280.  310.  317.  XIV,  4092,  18. 

4  Friedländer,  Münzen  der  Oatgotcn,  8.  29. 

''  Friedländer  24  ff.  Zwei  Kupfermünzen  mit  Theodm'icus  sind 
unecht,  ib.  28. 

•  Beispielshaibor  von  Schuchardt,  Vocalismus  des  Vulgärlateins 

11,  149.  III,  213;  auch  von  mir  noch  Wand.  66. 

4* 


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in  derartiger  Wiedergabe  des  germ.  Diphthongs  tu  hei  den 
lateinischen  Historikern  liegt  vielmehr  ein  vortrefflicher 
Beleg  für  die  (ionauigkeit.  mit  der  sie  germanische  Namen 
aufzufassen  und  niederzuschreiben  suchten.  Dass  eine  An- 
gleichung  an  gi*.  tha-  vorliegt,  wird  einmal  durch  das  regel- 
mässige (-hi-  der  Griechen  unwahrscheinlich  und  dann  durch 
das  Erscheinen  desselben  eo  in  Schreibungen  wie  Greothingi, 
Leo</efridus  widerlegt.  Aber  auch  an  Wirkung  des  rM'm- 
lauts  darf  man  nicht  denken,  wie  Jacobi  wollte',  weil  das 
tv  der  (xriechen  dagegen  spricht  und  weil  diese  Wirkung 
bei  der  einfachen  Kürze  m  des  Ostgotischen  fehlt.  Der  (liund 
liegt  vielmehr  in  dem  verschiedenen  ('haracter  von  got.  und 
lat.  eii.  Der  eigentliche  idg.  Diphthong,  der  dem  wulf.  im, 
ostgot.  cm,  gr.  m  entspricht .  ist  dein  Italischen  überhaupt 
fremd2:  lat.  neuter  ist  dreisilbig11  -=  neunter;  seit,  neu. 
reit  r.,-  Si'f  w,  n>  -f  rr  {vgl.  mrv)A;  heu,  heus  sind  irreguläre 
Interjektionen,  nach  gr.  i/t-v  gelehrt  so  geschrieben5:  und 
was  ursprünglich  griechische  Namen  betrifft  wie  Theseus% 
Nereus  u.  a..  so  nimmt  das  volkstümliche  Latein  Dihärese 
jedes  gr.  fv  vor  (vgl.  die  Schreibung  OrphaeusY'.  Der  got. 
Diphthong  durfte  also  durch  cm  nicht  wiedergegeben  werden, 
damit  man  auf  ihn  nicht  die  zweisilbige  Aussprache  des  lat. 
cm  oder  die  spirantische  des  er  anwandte,  sondern  das  im 
übrigen  phonetisch  correcte  cm  bedurfte  einer  graphischen 
Modifizierung.  Zu  einer  solchen  benutzte  man  hier  einmal 
bewusst  den  aus  der  lat.  Schrift  sonst  geläutigen  Wechsel 
von  e  und  i,  o  und  u  und  schrieb  daher  entweder  im"  oder 

*  Beitrage  zur  deutschen  Grammatik  (Berlin  184:0.  8.  117.  Kr 
mu8H  aber  ib.  Halbst  zugestehen,  dnss  „in  I  rkurnlun  hei  Unterschriften 
von  Kranken  wie  von  Goten,  soweit  uns  dergleichen  erhalten  sind,  d.  i. 
seit  500  n.  Chr.,  gleichmütig  bald  t  u  bald  ro  erscheint,  ohne  das«  dabei 
consequont  dem  <n  ein  /  oder  u  nachfolgt.** 

2  Birt,  Rheinische«  Muaeum  XXXIV,  1  ff. 

5  Ib.  2  ff. 

*  Ib.  10  ff. 

6  Ib.  33. 
c  Ib.  33. 

7  8o  entstandene  tu  in  got.  Eigennamen  darf  man  also  nieht  ohne 
weitere«  mit  wulf.  in  identificieren ;  vgl.  auch  lat.  Sehreibungen  wie 
Iw/rnior,  i ii >i ui'/i ii s ,  Birt  34. 


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58 


häufiger  <o,}  graphische  Verbindungen,  die  um  so  überlegter 
erscheinen  müssen,  als  sie  sonst  dem  Lat.  fremd  sind.  Hin- 
gegen stand  der  griechischen  Transscription  tv  nichts  im 
Wege,  da  gr.  u-  und  germ.  en  demselben  idg.  Diphthong 
entsprechen.  Hei  den  Lateinern  wird  dann  Volks-  oder 
Helehrten-etymologische  Angleichung  an  gr.  &ro-  allerdings 
später  hinzugekommen  sein  und  die  Schreibung  befestigt  haben. 
Dass  sie  für  diese  aber  nicht  die  Veranlassung  gewesen, 
ergiebt  sich  auch  aus  der  Chronologie  der  Quellenbelege. 
Die  Form  Theodoricus  ,  deren  zweites  o  in  Erinnerung  an 
gr.  ('hodoryg,  (^foJfr/^o^,  (-hodumi/n^2  geschrieben,  ist  jünger 
als  Theodei'icu8 :  die  ältesten  Lateiner,  welche  den  König 
nennen,  schreiben  nur  letztere  Form  ( Knnod..  Eugipp.  u.  s.  w., 
vgl.  oben  S.  51),  wie  andrerseits  (•hvdsoiyog  die  griechischen 
Quellen  beherrscht.  Das  graecisierende  Theodoricus  hingegen 
findet  sich  zwar  schon  vereinzelt  Ihm  Marceil.  und  im  Anecd. 
Hold,  (doch  bei  Cass.  im  Chron.  und  in  den  Var.  Theodericus), 
kommt  aber  erst  zur  vollen  Geltung  in  den  kirchlichen 
Quellen  (Lib.  et  epist.  pontif.)  und  findet  hier  in  der  ge- 
lehrten Bildung  geistlicher  Autoren  seine  genügende  Er- 
klärung. Auch  Jord.  schreibt  Theodoricus  f  seiner  Tendenz 
gemäss  gewiss  mit  Befriedigung  darüber,  den  Namen  des 
Germanenfürsten  damit  aus  einer  classischen  Sprache  zu 
deuten:  Theodericus  steht  bei  ihm  nur  77,5  in  der  amalischen 
Stammtafel,  welche  ganz  aus  Cassiodors  Gotengeschichte 
stammt.  L'nd  erst  jetzt  herrscht  Theodoricus  (Jul.  opit, 
Prosp.  auct..  Mar.  Avent..  Isid.  u.  s.  w.).  Das  entsprechende 
C'Jtodo'tpt/og6  fand  ich  erst  im  späten  f'hron.  pasch,  neben 
('hodtoi/,  vorher  bei  Joann.  Antioch.  neben  ("JFvdfoi/og. 

Dass  der  Königsname  in  den  meisten,  namentlich  den 
gleichzeitigen  Quellen  als  Theodericns  so  constant  ist,  wird 
seinen  Grund  in  amtlicher  Tradition  haben,  wie  sie  durch 
die  Inschriften  und  Cassiodors  amtliche  Erlasse  repräsentiert 

1  In  den  zahlreichen  lat.  Quellen  für  Theodahath  z.  B.  kein 
einziges  eu. 

*  Fick,  Personennamen  35  f.  176. 

*  ftfo-Atoq-ixo;  ein  bekannter  griech.  Kosename,  zu  dessen  Suffix- 
bildung Fick  XLII. 


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wird.  ]uh*-r  mu  h  das  f*-te  th,  V.  nur  -rlt.-n  sr.n-t  üblicher 
WVch-el  mit  f,  r. 

IM-  Name  ge wahrt  Malaiin  <w_:<.t.  tur  wulf.  i": 
77*/»"/-  findet  ri*.*h  für  den  er«ten  irot»-nk«"inig  auf  itaii-chem 
Boden  in  keiner  Quelle:  reine-»  hinir»  ^»n .  wrlche?»  dr- 
oben u*-t\i-\i\fU:  ;:raphw-he  Änderung  in  eo  nicht  erfahren, 
findet  -ich.  abge-ch*  n  von  gelegentlichen  Varianten,  in  einem 
f'ap-tbriefe  von  r,ol .  ferner  bei  Greg.  Tur..  Mar.  Awnt.. 
Greg.  Magu..  Fredeg..  Paul,  und  wird  al>  o>tgotische  Form 
de  Diphthongs  noch  wiederholt  zu  belegen  sein.  Lk-r  Name 
zeigt  ft-nur  Ab-chwächung  des  ursprünglichen  Fugenvocals 
"  (wulf.  *piudff-reikff)  zu  irrationalem 

Dan  zweite  Glied  des  Namens,  got.  r«*/.»  steht  in  lat. 
Form  als  -ricu*,  in  gr.  als  -oiy/H  fi'^t.  Neben  ersteiem  wird 
gelegentlich  -ruhuH  geschrieben,  ohne  dass  dasselbe  auf  eine 
gr.  Vorlage  zurückzugehen  braucht,  so  schon  bei  i.'ass.  im 
Chron.  und  Anccd.  Hold.  Diese  Schreibungen  lat.  rh  und 
gr.  /  können  die  aspirierte  Natur  des  germ.  c  [k)  bezeugen, 
mit  welcher  der  reine  hauchlose  Kxplosivlaut  des  lat.  und 
gr.  Alphabets  nicht  übereinstimmte.  Ks  bedarf  keines  Hin- 
weises, wie  die  aspirierende  Tenuisarticulation  einen  wesent- 
lichen l'nterschied  zwischen  germ.  und  idg.  Consonantisinus 
bildet  und  sich  in  der  Tenuisverschiebung  geltend  gemacht 
hat.  Iler  (irieche  aber  kannte  bei  seiner  Tennis  ebenso 
wenig  eine  Aspiration  wie  der  Romane.2  Germ,  k  war  also 
im  Ohr  des  Griechen  von  seinem  x  verschieden:  er  hatte 
jedoch  zur  Bezeichnung  der  germ.  Aspiration  ein  Mittel  in 
seiner  „Aspirata"  /,  die  tatsächlich  nichts  als  p  uh  war  '•; 
vgl.  hierzu  schon  bei  Wulf.  Mulkus  .loh.  18.  10  für  gr. 
MdXxac,  AntifU/a  Gal.  2.  11  Antimtkia  2.  Tim.  11  für 
gr.  \lvuox*iu,  fhakma  für  gr.  d(ju/ft?j  u.  ä.  Der  Lateiner 
hatte  eine  ähnliche  Bezeichnung  nicht  so  geläufig  bei  der 
Hand;  das  oxaetero  rh,  wie  es  gelegentliches  -richus  zeigt, 

1  Grimm,  Oramm.  II  (187S),  500. 

*  Blas*,  Ühcjr  die  Au8spnu;ho  dos  Griechischen*  (Berlin  1882), 
8.  71).    Hüolmatm  252.  201. 

8  Vgl.  besonders  Blass  84  ff.  »7. 


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55 


war  ihm  etwas  Fremdartiges,  und  selbst  für  die  beiden  lat. 
Worte,  wo  die  Aspiration  noch  am  meisten  beglaubigt  wird, 
für  pulcher  und  Gracchus,  sind  die  Angaben  der  alten  Gram- 
matiker schwankende1;  daher  lat.  -richus  seltener  als  gr. 
-öi/os-:  bemerkt  sei  noch,  dass  in  gebildeten  hoehlateinischeu 
Kreisen  aspirierte  Aussprache  der  Tennis  eine  häufige  sprach- 
liche Affektiertheit  und  deshalb  nicht  ganz  unbekannt  war.2 
Man  denkt  bei  diesen  aspirierten  Schreibungen  an  die  gleiche 
Erscheinung  im  ahd.  Isidor3,  wo  ebenso  wenig  wie  hier  bei 
den  Ostgoten  eine  Lautverschiebung  gemutmasst  werden  darf. 

Keine  Quelle  giebt  auch  nur  an  einer  Stelle  Theoderics 
Namen  ohne  lat.  oder  gr.  Endung,  auch  hier  wohl  infolge 
des  Bannes  amtlicher  Gewohnheit.  Wir  müssen  daher,  um 
auf  die  ostgot.  Endung  zu  sehliesscn .  alle  ostgot.  Namen 
durchgehen,  welche  dasselbe  zweite  Compositionsglied  auf- 
weisen. Für  die  Wandalen  waren  einige  sicher  belegte  Fälle 
vorhanden,  welche  wand,  -rix,  also  wulf.  -reifes  erwiesen. 
Für  die  Ostgoten  kann  ich  gleichfalls  einige  Citate  geben, 
wo  die  Latinisierung  -ricus  nicht  eingetreten  ist:  der  späte 
fcjfojfoi/  im  Chron.  pasch,  nur  nebenbei ;  aber  C'ass.  Var. 
IV,  20  heisst  ein  Senator  unter  Thcoderic  Geberic  (al.  Gebe- 
rich);  derselbe  Name  bei  Mai  ini  1:11.  2b'  Ghiv<ric ;  bei  Greg. 
Magn.  dial.  II ,  527 ,  !)  ein  Ruderte  aus  der  Zeit  Totilas ; 
vom  Jahre  5S!)  ein  inschriftlicher  Wiljaric,  vielleicht  auch 
Trasuric  bei  Kossi,  Inscript.  christianae  urbis  Komae  (Komae 
18bl)  I,  1120  (vgl.  Ephem.  epigr.  IV  z.  S51);  CIL  X,  7116 
L'starric  (freilich  undatiert):  also  wulf.  reiks,  wand,  rix  — 
ostgot.  nV,  d.  h.  Abfall  des  Nominativ-^!  Hierüber  aus- 
führlich unten  u.  „Declination".  Jord.  schreibt  77,  2  auch 
HermenerUj  (al.  -rieh)  und  an  fünf  Stellen  Gebevich  (al.  -rirj, 
-nc,  -W/Ä),  doch  gestattet  das  für  dieses  Auslautsgesetz  keinen 
chronologischen  Schluss,  weil  es  nicht  feststeht  ,  ob  diese 
Schreibung  überkommen  ist  oder  von  Jord.  herrührt.  Müllen- 
hoff  hat  zwar  davor  gewarnt4,  in  solchen  Wortausgängen 

1  Seelraann  252  ff.  256  ff.  259. 
•  Seelmann  253.  258. 

3  Braune,  Ahd.  Gramm.  §  143,  3. 

4  In  Mommseng  Jord.  150. 


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-    56  - 

germanische  Eigentümlichkeiten  zu  sehen,  und  sie  durch 
hunnische  oder  andere  orientalische  Einwirkungen  erklären 
wollen ;  aber  es  bleibt  ganz  unerfindlich ,  wie  der  Gotu 
Jordanes  so  durchsichtige  got.  Bildungen  wie  llenm nvri<f, 
Heinrich  durch  ungotische  Jlvrnac,  Sa f räch  u.  ä.  beeinflussen 
lassen  sollte.  Der  (>n$  bei  IVoc.  als  i)ytii(,)v  nov  rtaofiuQoiv 
ist  belanglos,  weil  hier  Iat.  rex  vorsehwobt,  wie  der  Ate. 
Qtjya  (II,  204.  15)  beweist.  Wenn  andrerseits  .lord.  auch 
Wandalen  (luntharic,  llderich  nennt,  während  das  Wand. 
-rix  orfordert,  so  giebt  er  diese  Namen  eben  nicht  in  wand., 
sondern  got.  Dialectform.1  Das  hier  constatierte  Auslauts- 
gesetz bringt  auch  die  Erklärung,  weshalb  die  mit  -ric- 
componierten  (Termanonnamen  in  älterer  Zeit  als  -rix  bei 
den  Historikern  erscheinen  {Bohr  ix  f  Mulorix  u.  s.  w.}.  -  in 
jüngerer  als  -riats:  -rix  mit  erhaltenem  gorm.  Nom.-.<  bot 
eine  auch  dem  lat.  Schriftsteller  genügende  Flexionsendung, 
während  ric  mit  Abfall  desselben  einer  solchen  entbehrte 
und  deshalb  zu  -ricits  latinisiert  wurde.  Aus  demselben 
Grunde  in  der  wandalischen  Königsgeschichle  bei  den  Histo- 
rikern gelegentlich  Hunirix*  Hildirix,  in  der  ostgotischen 
ausschliesslich  Theoderkus.  Die  Endung  in  -rinnt,  -oi/o^  bei 
dem  ursprünglich  consonantischen  Stamme  erklärt  sieh  aus 
der  auch  in  das  wulf.  Paradigma  schon  hineinspielenden 
'/-Declination. 

Die  auf  gleichmässigem  amtlichen  Gebrauch  beruhende 
Übeleinstimmung  der  Quellen  hindert  auch,  dass  wir  den 
Namen  des  Theoderic  einmal  in  gekürzter  Koseform  finden 
könnten/*  Eine  solche  wäre  z.  B.  das  inschriftliche  Tcodo 
einer  silbernen  Fibel4  oder,  statt  der  hypocoristischen  un- 
Bildung  eine  ja- Bildung. 5  der  Name  von  Theoderics  Vice- 
könig  in  Spanien  und  nachherigem  westgotischen  Könige 

1  Demgemäss  Wand.  55  zu  ändern. 

2  Rieger,  Zs.  f.  dtsch.  Phil.  VI,  335,  i. 

'  Eine  fabuloae  Geschichte  bei  Froumund  von  Tegernsee  um 
1000,  deren  Held  Tftrodo  heinst ,  geht  auf  Fredegar  als  letzte  Quelle 
zurück,  bei  welchem  eine  ähnliche  Geschichte  von  dem  gotischen  Theo- 
deric erzählt  wird.    Vgl.  Miillenhoff,  Zs.  XVIII,  2. 

*  CIL  IX,  60«)0,  7. 

5  Darüber  ausführlich  unten  u.  „Huffixbildung". 


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(f>:U  -  548)  Thiudis  .Jord..  favü^  f)Mr.c  Proc. :  und  wenn 
zahlreiche  osmotische  Beispiele  secundäre  Weiterbildung 
solcher  Koseformen  auf  -/7u  noch  belegen  werden,  so  ist 
unter  ihnen  auch  Theudila :  Thettderic  —  Theuda  Theudi 1 
—  Theudila  giebt  eine  normale  onomatologische  Keihe. 


WALA  M  ER. 

Die  germanische  und  ostgotische  Sitte  der  Doppelnamen 
ist  auch  für  Theoderic  nachweisbar.  Wenigstens  heisst,  er 
bei  Marcell.  Iheodorivus  vognomento  Valatmr  und  ebenso 
im  Chron.  breve.  Zwar  kann  hier  ein  historischer  Irrtum 
vorliegen:  Walamer  hicss  Theoderics  Oheim,  der  Bruder 
seines  Vaters.'-  .ledoch  ist  für  Theoderic  ein  solcher  Zu- 
name leicht  verständlich  als  Unterscheidung  von  dem  gleich- 
namigen Sohne  des  Triarius. ; 

Jener  Bruder  des  Theodemer  (Jord.  77.  \)  erscheint 
sonst  noch  bei  Apoll.  Sidon.  carm.  II.  225  im  Gen.  als 
Välämeris,  bei  Cass.  Var.  XI,  1  als  Wahimer,  Anon.  Val. 
g  42  Walamer  §  5S  Wahtmir ,  Jord.  42,  2o  u.  ö.  Valamir 
Valanier,  IVosp.  Vatic.  (Rone.  Ii  711*  Valamer,  Paul.  bist, 
rom.  201.  12  u.  ö.  Walamir.  Uber  die  Schreibung  des  halb- 
vocalischen  Anlauts  vgl.  unten  u.  Jlalbvoeale*.  Die  erste 
Hälfte  des  Namens  ist  entweder  als  wulf.  *wala-  ~  an. 
ralr  ags.  wa>l  «Haufe  der  Erschlagenen"  ahd.  wal  „clades, 
strages4* 4  oder  als  wulf.  *walha-  zum  Ausfall  des  /*  vgl. 
letztes  (  apitel  ags.   Wealh  ahd.   Walh  mhd.  Walch 

(dazu  an.  valskr  ahd.  irulhisc ;  vgl.  kelt.  coh'  ir.  folg  „celer, 
velox,  alacer1*).  Beide  Etyma  finden  sich  zur  Genüge  in 
germ.  Eigennamen.5  Für  das  letztere  sei  citiert  Müllenhoff, 


1  Über  diese  Nominativform  unten  u.  „Declination44. 
a  Heinzel,  Ostgotische  Heldensage,  8.  17  dos  SA.. 
'  Vgl.  bei  v.  Oloden  19  b  den  Nachweis  von  acht  historischen 
Trägern  des  Namens  Theoderic. 

4  Henning,  DLZ  1890,  8p.  228. 

5  Müllenhoff,  Nordalbingische  Studien  I,  210;  Förstemann,  Alt- 
deutsches Namenbuch  I,  1229  ff. 


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58 


DA  II,  279:  „Der  Germane  begriff  unter  Walk,  plur.  Walhds 
oder  Walhos,  eliedem  alle  seine  lateinisch  oder  romanisch 
oder  keltisch  redenden  Süd-  und  Westnachbarn.  Dass  die 
(toten  und  Ostgermanen  den  Namen  gebraucht,  kann  man 
zwar  nicht  belegen,1  muss  man  aber  unbedingt  sehliessen, 
weil  er  nur  durch  sie  so  früh,  zunächst  in  der  Anwendung 
auf  die  Komanen  der  griechischen  Halbinsel,  dann  auch 
wohl  schon  in  der  weiteren  Bedeutung  an  die  Slawen  vererbt 
sein  kann44.-  Die  Form  Wala-  ohne  Abschwächung 
des  Stammesauslauts  in  der  Composition  steht  quellenge- 
inäss  fest. 

Für  den  zweiten  Teil  des  Namens,  got.  niers  (in  waila- 
mers)  an.  mfrrr  ags.  tmPre  as.  ahd.  märi,  beweist  der  Mirica 
im  ei  sten  allgemeinen  lateinischen  Passus  der  Urkunde  von 
Neapel  gegenüber  dem  Mörila  der  gotischen  Unterschrift 
die  extreme  ostgot.  Färbung  des  wulf.  i.  Hei  sonstigem 
Vorkommen  desselben  Wortes  in  den  ostgot.  Namen  zeigt 
die  lat.  Uberlieferung  beständigen  Wechsel  zwischen  -mer 
und  -mir,  doch  so,  dass  die  -mer  zu  den  -mir  sich  verhalten 
ungefähr  wie  2:1;  und  wenn  nun  andrerseits  gerin.  t  bei 
den  Lateinern  constant  als  /,  ohne  solches  Schwanken  in  e 
geschrieben  wird,  so  folgt  daraus,  dass  dieses  jüngere  ostgot. 
/  <  wulf.  e  doch  nicht  völlig  mit  dem  alten  /,  wulf.  ei  zu- 
sammengefallen war;  weiteres  unter  „Vocalismus*.  Die 
Griechen  schreiben  fast  ausnahmslos  -//*p ;  dass  sie  mit  dem 
t  aber  einen  gern).  /-Laut  wiedelgeben  wollen,  zeigt  z.  B. 
Pravn\)n'Ptxtfiowdo$  für  Rtci-;  und  wenn  Wulfila  dem  griech. 
seiner  Natur  nach  offenen  /?3  auch  noch  sein  e  entsprechen 

1  Vielleicht  eben  doch  mit  obigem  Walatner  und  dem  Valtiravattit 
(Jord.  77,  tt,  Neffe  de»  Krmanaric)  —  wulf.  *Wal(h)a-hrabua.  Die 
Walotfothi  der  Oeneratio  regum  (oben  S.  22.  47,  3),  eine  Bezeichnung, 
welche  sich  nur  hier  und  sonst  nirgends  findet  und  die  Ostgoten  in 
Italien  von  den  Westgoten  in  Südfrankrcich  und  Spanien  unterscheidet 
(Müllenhoff,  DA  II,  280;  Hcinzel,  Ostgotische  Heldensage,  S.  18  f.  des 
SA),  werden  schwerlich  gotischer  Zunge  entstammen. 

*  Ist  danach  auch  das  Pferd,  welches  Beiisar  reitet  (Proc.  II,  87, 
21),  welches  ganz  grau,  nur  von  der  8tirn  bis  zu  den  Nüstern  schnee- 
weiss  ist,  und  welches  die  Barbaren  fidiav  nennen,  ein  „welsches"  Ross  ? 

3  Blass  24. 


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59 


lassen  durfte,  konnte  ein  Grieche  das  ostgot.  e  des  ti.  Jahrhs. 
nicht  mehr  durch  sein  n  wiedergeben,  sondern  schrieb  statt 
dessen  /  oder  wie  hier  f,  dessen  Wert  ein  geschlossener, 
dem  i  genäherter  war.1 

Fehlen  des  Nomin.-.s  (ostgot.  mer  <  wulf.  mtrs)  ist 
wie  im  Wandalischen  auch  im  Ostgotischen  für  alle  hierher 
gehörigen  Eigennamen  zu  belegen :  man  vgl.  mit  obigen 
Citaten  für  Walamer  den  Theodemir  Thiudimer  bei  Jord., 
Thettdimer  bei  Cass.,  sonstige  Namen  auf  -mer  -mir  nament- 
lich bei  Jord.  u.  a.  und  beachte  hier  den  häufigen  endungs- 
losen Gebrauch  der  Namen  auch  für  die  Casus  obliqui.  Was 
sonst  gelegentliche  lat.  oder  gr.  Flexion  betrifft,  so  ver- 
wendet für  die  obliquen  Casus  des  obigen  Walamer  Apoll. 
Sidon.  die  /-Deelination.  Jord.  zweimal  die  o-,  viermal  die 
/-Deel.,  Anon.  Val.  wie  Paul,  die  i-Decl.,  ebenso  die  Griechen 
Prise,  und  Theoph.  die  t-,  nur  Malch.  die  o-Decl.,  für  Theo- 
demer  Jord.  einmal  die  o-,  zweimal  die/-,  Paul,  die  t-DecI., 
für  Sigismer  Cass.  und  für  Gibimer  Proc.  die  /-Deel.,  ebenso 
der  Dativ  Gurdimeri  oben  S.  28;  und  auch  in  der  Behand- 
lung der  nicht  in  unsern  ostgotisch-italischen  Kähmen  ge- 
hörenden Namen  auf  -mer  überwiegt  die  /-Deel.  Diese 
Flexionsweise  kann  zur  Geschichte  des  germ.  Adjectivums, 
got.  mPrs  u.  s.  w. ,  einen  Beitrag  liefern.  Sie  ist  letzthin 
wiederholt  behandelt  worden,  am  ausführlichsten  von  Ost- 
hoff, Beitr.  XIII,  4:11  ff.,  womit  noch  Streitberg,  Beitr.  XIV, 
170  zu  vgl.  Danach  ist  der  ursprüngliche  //-Stamm  im  Germ, 
geschwunden  und  durch  ja-  oder  /-Bildung  ersetzt.  Das 
Ostgermanische  bevorzugte  die  letztere,  wie  got.  mers  urn. 
mariR  finn.  marin  zeigen ,  und  zu  ihr  stimmt  das  obige 
Uberwiegen  der  /-Deel,  in  der  Flexio  rom.  et  gr.2  Die  lat. 
-merns,  welche  sich  bis  zum  Segimerus  bei  Tac.  zurückver- 
folgen lassen,  könnten  zwar  noch  den  alten  «-Stamm  reflec- 
tieren,  zeigen  aber  wohl  eher,  dass  neben  dem  secundären 


«  Blas«  24.  31. 

*  Man  beachte  noch  den  Gotenkönig  Vithimiris  (so  der  Nomin.!) 
bei  Ammian  31,  3,  3  und  vgl.  Burg,  Die  alteren  nord.  Runeninschr. 
(Berlin  1885),  8.  25. 


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60 


/'-Stamm  ein  setundäror  «-Stamm  hergegangen  ist.'  Ein 
secundärer  /«-Stamm  fohlt  im  Kot.;  für  das  Alem.  beweisen 
ihn  die  Vadoniariits  Chnodtnmirim  Snowarins  Fruomarins 
des  4.  Jahrhs.  hei  Ammian.,  cli<*  genaue  Latinisierungen 
der  auf  germ.  *  Hierjas-  beruhenden  al.  Formen  zu  sein 
scheinen.  Die  in  Wurzelvocal  und  Flexion  zusammengehende 
Abweichung  dieser  al.  und  unserer  got.  Beispiele  weist  von 
neuem  darauf  hin.  wie  weit  seihst  in  diesen  alten  Kpochen 
germanischer  Sprachgeschichte  mit  diabetischen  Scheidungen 
gerechnet  weiden  muss. 

THEODKMER. 

Es  folgen  auf  Theodora  die  Namen  seiner  Verwandten, 
auch  die  seiner  Kitern.  obwohl  dieselben  noch  in  die  vor- 
italienische Zeit  zurückreichen.  Sein  Vater,  welcher  sich 
der  hunnischen  Oberhoheit  Attilas  beugen  musste  und  damit 
den  historischen  Irrtum  der  späteren  Heldensage  veranlasste, 
wonach  sein  Sohn  Theodcric  sich  hei  Attila  im  Exil  be- 
funden habe,  hoisst  bei  Cass.  Tlieudimer  in  correcter  ostgot. 
Form:  mit  dem  ostgot.  Diphthong  en,:i  dem  abgeschwächten 
und  zu  /  getriebenen  Compositionsvocal  und  der  Aufgabe 
des  Nomin.-.s.  Dazu  stimmen  seine  übrigen  Quellen,  .lord. 
giebt  nach  Mommsens  Schreibungen  4  Theode-,  2  Thiude-, 
1  Thiodi-,  17  Thiudi-,  die  aber  in  den  verschiedenen  Hss. 
wieder  bunt  mit  einander  wechseln  und  sich  im  übrigen 
aus  dem  oben  unter  .Theoderic"  Ausgeführten  erklären:  für 
den  zweiten  Teil  setzt  Mommsen  7  -mir  und  17  -wer  ein. 
und  -mer  schreiben  auch  Cass..  Paul,  u.  s.  w.,  vgl.  oben 
unter  -Walamer". 

HEUELEUVA.4 

Die  Mutter  des  grössten  Ostgoten  war  ebenso  aus 
unebenbürtigem  Stande  wie  die  Mutter  des  grössten  Wan- 

1  Zimmer,  Anz.  I,  245. 

2  Streitberg,  Beitr.  XIV,  182. 
8  Vgl.  oben  S.  54. 

*  Ich  behalto  da«  v  für  spirantisches  got  b  bei;  germ.  >/  trans- 
scribicre  ich  immer  mit       auch  im  Inlaut. 


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dalen.  wie  Geiserix  war  auch  Theoderic  Sohn  einer  Concu- 
bina  (Jord.  12*.  D:  sie  war.  obwohl  Gotin,  nach  Anon. 
Val.  5S  zur  römisch-katholischen  Confession  übergetreten 
und  in  der  orthodoxen  Taufe  Kusebia  genannt  worden. 
Darauf  deuten  die  beiden  päpstlichen  Briefe,  in  welchen  ihr 
ursprünglicher  Name  als  Jlrrrleura  und  als  Ereltuua  erscheint. 
Beim  Anon.  Val.  heisst  sie  Ereriliua  (al.  Erere-),  bei  Jord. 
Ertlievii.  bei  Paul.  Arihuru.  Weshalb  Müllen  hoff  (.Jord.  U4) 
den  Namen  nicht  als  germ.  gelten  lassen  will,  ist  nicht 
einzusehen:  weist  doch  der  zweite  Teil  sofort  auf  got.  Hubs, 
und  erinnert  der  erste  z.  B.  an  jenen  Kugenfürsten ,  der 
541  vor  Totila  die  gotische  Krone  trug1:  Erurius  Marcell. 
Jord.  '  hlo(toi%o^  Proc. 

Freilich  die  Etymologie  dieses  Namcngliedes  bleibt 
fraglich.  Weder  an  an.  eir  ags.  Ar  as.  ahd.  rra  noch  an 
an.  hrrr  ags.  here  as.  ahd.  heri  zu  denken  geht  an,  da  got. 
*aiza-  ostgot.  *esa-  lauten  würde  und  got.  har/'is  ostgot. 
hart  lautet.  Dagegen  hindert  nichts  eine  Zusammenstellung 
entweder  mit  got.  hutrus  an.  hjqrr  ags.  heoru  as.  heru 
-Schwert",  dessen  Vorkommen  in  Eigennamen  Möllenhoff, 
Zs.  XII.  Ml.  mit  an.  und  ags.  Belegen  sichert,  oder  mit 
an.  harr  ags.  hur  „grau,  ehrwürdig"  as.  ahd.  mhd.  her 
-erhaben"  -  got.  *hairs,  dessen  Wurzel  im  Dat.  pl.  hai-zam 
«Fackeln"  vorliegt  (Job.   IS,  ostgot.  *hcr  mit  Mono- 

phthongierung. Das  anlautende  h .richtig  erhalten  im  ersten 
päpstlichen  Briefe  und  bei  Jord.  in  Varianten.  Paul.  Ari- 
fehlerhaft  wie  sein  lutharicus  in  Varianten  für  Euthuricus 
(oben  S.  :*9).:J 

Der  zweite  Teil  des  Namens  (got.  Hubs  an.  ljufr  ags. 
/eof  as.  Hof  ahd.  Hob)  ist  in  Jord.  Erclitva  verderbt  ', 
sonst  aber  als  -leura  sicher  überliefert  in  den  Papstbriofon 
und  bei  Paul.,  mit  ostgot.  eu,  mit  r  als  correcter  Bezeich- 


1  Vgl.  oben  8.  12,  2. 

*  Kluge,  EW4  unter  „hehr\ 

3  Einen  hierher  gehörigen  aecundSren  Hypocoriflinua  Hrrihi  belogt 
Dahn,  Könige  III,  199,  4. 

4  Ein  Erklärungsversuch  bei  v.  Orienbcrger,  s.  u. 


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02 


nimg  des  spirantischen  hitervocalischen  got.  h  und  mit. 
starker  Flexion,  -liua  im  Anon.  für  -Huna.* 

TIIEODEMUND. 

Ein  Bruder  des  Theoderic,  der  479  die  gotische  Nachhut 
commandiertc  und  dabei  von  Zenos  Feldherrn  Sabinianus 
verräterisch  überfallen  wurde,  heisst  bei  Malch.  0tvöituovvdoc. 

Erster  Teil  normal  ostgot.  Thendi-,  vgl.  oben  8.  (>U. 

Zweiter  Teil  zu  an.  ags.  as.  langob.  wund  ahd.  mhd. 
munt  „Schutz,  Hand".  Die  constante  gr.  lat.  Endung  -o^ 
-iis  in  den  hierher  gehörigen  Namen  (Trasewundus  Ennod., 
Hunhnundus  .lord.  u.  s.  \v.)  gegenüber  dem  /-Stamm  des 
germ.  Appellativums  führt  auf  ein  unten  u.  „Suffixbildung44 
ausführlich  behandeltes  Princip  onumatologischer  Wortbil- 
dung: es  liegt  in  diesen  Zusammensetzungen  nicht  der  alte 
«-Stamm,  sondern  ein  secundärer  adjeetiviseher  «-Stamm 
vor.'-'  Man  vgl.  an.  wund  neben  Sigmundr  u.  ä.  Während 
jedoch  die  an.  Eigennamen  auf  -mundr  vielfach  in  die  Flexion 
des  ursprünglichen  Stammwortes  zurückgefallen  sind  und 
statt  -munds  den  Gen.  -tnundar  bilden  5,  seheint  das  regel- 
mässige lat.  -wundus  -mnndi  anzuzeigen,  dass  das  Ostgotische 

1  Der  Name  hat  neuerdings  durch  v.  Grienbergcr  in  der  Oerin. 
XXXIV,  410  f.  in  besonderem  Artikelchen  eine  selbständige  Behand- 
lung erfahren.  Dieselbe  beruht  von  Anfang  bis  zu  Ende  auf  Phantasie 
und  liefert  einen  deutlichen  Beweis  dafür,  welche  gefährliche  Bewandtnis 
es  mit  Bolchen  onoiuntolugischcn  Kunststücken  hat,  die  einen  Eigen- 
namen aus  seinem  diabetischen  Zusammenhange  hcrausreissen.  Eri- 
soll  das  hd.  Ehre  sein:  „Das  r  wird  wohl  auch  schon  dem  späteren 
Oot.  gemäss  gewesen  sein",  —  sonst  aber  keino  Frage  nach  weiteren 
Belegen  dieses  r  <  z!  Und  dabei  hat  dieser  selbständige  Aufsatz  für 
seine  Titelheldin  nicht  einmal  alle  Belege  bei  einander:  unsere  obigen 
Stellen  in  den  Epist.  pontif.  fehlen  ihm! 

8  Zimmer,  QF  XIII,  19.  24. 

3  Noreen,  An.  Gramm.  I  §  269,  2.  Eine  glcicho  secundäre 
«-Bildung  in  den  Namen  auf  lat.  -fridus:  wulf.  *-fri]m  ostgot.  -/V/7/ 
an.  -frepr.  Hier  weisen  an.  Genetive  -/rtjutr  natürlich  auf  Rückfall 
in  die  alte  u-Decliuation  des  Stammwortes.  Diese  Bildungsweisen  kommen 
dann  in  Verwirrung  oder  gegenseitigen  Austausch,  daher  z.  B.  die 
M-Flexion  von  an.  Namen  auf  -mundr  (vgl.  run.  Kmiimu(n)diu  auf  dem 
Bracteaten  von  Tjurkö  und  Burg  8.  H9). 


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-  03 


einer  solchen  Analogiewirkung  des  /-Stammes  *munds  noch 
nicht  nachgegeben  hat,  sondern  den  secundären  tf-Stamm 
der  Eigennamen  auch  als  solchen  deeliniert.  Der  flexions- 
lose Ademmit  (mit  incorrectem  t  für  d)  bei  Marini  belegt 
den  ostgot.  Schwund  des  Nomin.-s  auch  für  dieses  Paradigma. 

Fredeg.  '21  findet  sich  ein  Bruder  des  Theoderic 
mit  Namen  Guisirieus,  der  jenen  ermordet  haben  soll.  Da 
die  betreffende  Stelle  auf  junger  Erfindung  oder  historischem 
Irrtum  beruht «lieser  Bruder  des  Gotenkönigs  sonst  nicht 
bekannt  ist,  vielmehr  eine  Verwechslung  mit  dem  Wandalen 
Ueiserix  vorliegt,  so  bedarf  er  hier  keiner  Behandlung. 

AM  A  LA  FRIDA. 

Mit  dem  mächtigen  und  geistreichen  Wandalenkönig 
Thrasamund  vermählte  Theoderic  seine  Schwester  Atualafridu. 
So  heisst  sie  Übereinstimmend  bei  Cass.,  Jord..  I'roc,  Vitt. 
Tunn.,  Theoph.,  wogegen  des  Anon.  Atnalafrit/da  und  Pauli 
Amulufreda  nicht  in  Betracht  kommen. 

Zum  ersten  Teil  oben  S.  ."»(>;-'  ohne  Abschwächung  des 
Fugen  vocals. 

Der  zweite  Teil  ist  das  movierte  Femin.  zu  dem  S.  :\ 
erwähnten  adjectivischen  frid?  Ob  dieses  tatsächlich  als 
got.  Adj.  bestanden  hat  (*frips:  fripus  du  ups:  duupus; 
an.  fripr  „Friede*  und  das  Adj.  fri/)r  .friedlich"),  oder  ob 
die  Socundärhildung  nur  in  Eigennamen  gebräuchlich  war, 
kann  dahingestellt  bleiben.'  Das  Abstractum  fripus  an. 
fripr  ags.  fripu  as.  frithu  ahd.  fridu  findet  sich  daneben 
als  erstes  Namenglied,  wie  die  zahlreichen  Frithu-,  Fridu- 

1  8.  die  Note  dazu  in  Krtfschs  Ausg. 

*  Ich  erspare  mir  im  weiteren  solche  Citote  und  verweise  ein 
für  nllo  Mal  auf  den  ausführlichen  Index. 

'  Vgl.  die  Lesart  Luit  frid  u.  „Liuvirith". 

4  Daraus  würde  sich  auch  für  den  Fripa-reikt'i*  des  got.  Kalenders 
zwanglos  der  Auslaut  des  ernten  Gliedes  erklären,  wenn  hier  das  a  aus 
u  nicht  nur  verMchrieben  (  Hernhardt,  Wulfila  LVI ;  Urämie,  Got.  Ornim.» 
§  210,  l). 


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*i4 

hei  Förstemann  zeigen,  und  wird  auch  in  ostgot.  Fridibadu, 
Fridvjern  vorliegen  mit  ostgot.  Schwächung  und  Palatali- 
sierung  des  C'ompositionsvocals.  Das  inten  oealische  d  als 
tönende  Spirans  für  tonloses  wulf.  p  wie  im  Wand,  ist 
überall  sicher  bezeugt.1 

AM  ALA  BERGA.* 

»Seine  Nichte  Amalaherga  verheiratete  Theoderic  mit 
dem  Thüringerkönig.  Sie  war  die  Tochter  der  Amalafrida, 
aber  schwerlich  aus  deren  Khe  mit  dem  Wandalen,  sondern 
einer  früheren.''  Die  Namensform  steht  als  Amaluberga 
fest  gemäss  Jord.,  (ireg.  Tur..  Paul.  (Amulnbirya  Anon.. 
■ftnkofihoya  I  Yoc). 

Der  erste  Teil  wie  in  Atnulu-frida,  w.  s. 

Der  zweite  Teil  ist  Nomen  agentis  vom  Fraesensstamm 
got.  Iminjati  an.  bjarya  ags.  beorynn  as.  ahd.  bergan*,  fast 
nur  in  weiblichen  Namen  erscheinend \-  vgl.  an.  bjory  ahd. 
brry«  mhd.  berye  .Schutz.  Sicherheit.  Hilfe".6 

THEODEGOTO. 

Des  Westgoten  Alaric  II.  (184  -.r»07)  Hattin  wurde 
eine  Tochter  Theoderics.  welche  Jord.  Tltiudigofo  (dazu  die 

1  Vgl.  Wand.  104.  Aber  der  nlte  Frititferu  bei  Jord.  hat  noch 
/,  d.  b.  //*,  ebenso  Theoph.  IUI,  11   *I>qi rr^-iq >•/?;  zum  Jahre  36»,  aber 

*  Jord.  lusst  Kom.  .'586  eine  Tochter  der  Schwester  Theodahaths 
einen  Langobardenkünig  heiraten.  Martens  in  seiner  Jordancsübersotzuntf 
(GSddV,  6.  Jahrb.,  I)  8.  10»  Anm.  1  combiniert  diese,  also  eine  Tochter 
obiger  Amaluberga,  mit  Ikxh'linth  ,  der  Gemahlin  Auduins.  Aber  die 
Quellen  der  Langobanlengeschichte  (Origo  gentis  Langob.  4,  10;  bist. 
Langob.  cod.  Goth.  »,  16;  Paul.  bist.  Langob.  GS,  33)  wissen  von  ihrer 
ostgotischen  Nationalität  nichts.  IHt  Name  erscheint  vielmehr  speeifisch 
langob.,  namentlich  wegen  des  constanien  ö  (nicht  ostgot.  »/;  unten  u. 
„Vocalismus4*  und  C.  Meyer,  Spr.  u.  Sprdm.  der  Langob.,  Paderb.  1877, 
8.  264). 

s  Neues  Archiv  XV,  583. 

4  Vgl.  u.  „Suffixbildung";  Müllenhoft',  Nordalbingische  Studien  I, 
211;  Sütterlin,  Nomina  agentis  4  f. 

6  Förstemann,  Namenbuch  I,  262. 

•  Zimmer,  QF  XIII,  246. 


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05 


Varianten  S.  M),  Proc.  ('hvdtyoian,  Paul.  Theodicodo  nennt, 
während  nach  dem  Anon.  Theodegotha  den  Burgundenfürsten 
heiratet.1 

Die  Endung  -o  steht  als  got.  fest,  denn  Jord.  und  Paul, 
geben  sie  ohne  lat,  Flexionsbildung  auch  als  Acc,  während 
Proc.  und  Anon.  gr.  und  lat.  Flexion  anwenden.  Das  c- 
bei  Paul,  und  bei  Jord.  in  Varianten  entstammt  entweder 
dem  häufigen  mechanischen  Wechsel  von  lat.  g  und  r,  bei 
denen  das  Zeichen  für  ersteres  erst  aus  letzterem  entstan- 
den ist,  während  in  ältester  Zeit  regelrecht,  in  der  Kaiser- 
zeit seitens  des  niederen  Volkes  beide  Gutturale  durch  das- 
selbe r  ausgedrückt  wurden.2  Oder  aber  die  Unterschei- 
dung ist  beabsichtigt:  got.  g  war  im  Anlaut  Vorsehlusslaut, 
im  Inlaut  Spirans;  trat  anlautendes  g  durch  Compositum 
in  den  Inlaut,  so  blieb  es  trotzdem  explosiv,  und  um  einer 
Aussprache  wie  der  des  sonstigen  inlautenden  g  vorzubeugen, 
dazu  war  die  altlat.  und  immer  noch  vorhandene  Schreibung 
r  ein  bequemer  graphischer  Ausweg.  Das  /  in  Procops 
•yovou  mag  man  ebenso  beurteilen:  /  =  c  —  /t3,  und  sein 
ov  als  das  alte  ursprüngliche  u  des  (iotennamons  auflassen4; 
aber  wegen  des  o  an  langob.  -gu*a:%  denken  zu  wollen,  wäre 
ein  Anachronismus,  dasselbe  kann  nur  fehlerhaft  sein. 


08TROGOTO. 

Die  burgundische  Königin  heisst  bei  Jord.  und  Paul. 
Oxtrogofho,  für  deren  Namen  nur  auf  S.  47  verwiesen  zu 
werden  braucht.  Ich  zeigte  im  Neuen  Archiv  XV,  58:1  f., 
dass  Ostrogoto  ein  unterscheidender  Zuname  für  jene  Tochter 
Theoderics  ist,  welche  der  Anon.  Val.  Arena  gut  nennt,  dass 


'  Vgl.  unter  nO«trogotott. 

2  Scelmann  34:*  f. 

3  Vgl.  oben  S.  54  f. 

4  Vgl.  oben  8.  44. 

5  Auxtriyumi  Austrecuitu  heiast  die  Gemahlin  den  langobardischen 
Königs  Wacho:  da«  Langobardische  monophthongiert  nicht,  Meyer 
204.  281. 

QF.    LXVIII.  5 


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«6 


letzteres  in  Arittyne  verbessert  werden  muss,  und  dass  diese 
Ariagne  als  „die  Ostgotin"  von  der  gleichzeitigen  byzan- 
tinischen Kaiserin  Ariagne  unterschieden  wird. 

AMALA8WINTHA. 

Amalaswintha.  die  glänzende  und  geistreiche  Tochter 
Theoderies.  die  Gemahlin  des  Kutharic,  die  Mutter  des 
nachmaligen  Königs  Athalarie,  führte  nach  dem  Tode  ihres 
Gatten  und  ihres  Vaters  für  ihren  noch  unreifen  Sohn  die 
Regierung  ganz  unter  Anlehnung  an  den  Hof  zu  Byzanz 
und  wurde  etwa  M,r>  auf  Anstiften  einer  nationalen  Gegen- 
partei unter  Theodahath  ermordet.  Ihr  Name  steht  als 
Amalaswintha  durch  alle  Quellen  fest.1 

Der  zweite  Teil  das  st.  Fem.  zu  got.  su-wps  „stark, 
gesund,  kräftig"  an.  svinnr  „verständig"  ags.  swi[)  „stark, 
heftig"  as.  swtth(i)  „kräftig,  tapfer"  mhd.  swind-e  -gewaltig, 
stark,  schnell".  Alle  Quellen  schreiben  su-,  wie  z.  R  auch 
im  Ahd.  u  statt  mm  nach  Konsonanten  gewöhnlicher  ist2; 
und  unsere  gesamte  ostgotische  Uberlieferung  unterscheidet 
germ.  w  als  inlautendes  u  und  anlautendes  mm.  Für  seine 
halbvocalische  Natur  spricht  deutlich  das  gr.  -aowüa,  wo 
der  Halbvocal  silbenbildend  erscheint  und  das  folgende  i 
verschlungen  hat.3  Aber  das  gelegentliche  -suentha  für 
•suintha  fällt  auf  (z.  H.  bei  .lord.  sieben  e  gegenüber  nur 
einem  i,  vgl.  ferner  unten  unter  „Mateswintha"  ) ;  wenn  im 
Gegensatz  zu  diesem  Sehwanken  andrerseits  germ.  e  vor 
folgendein  /  oder  /  constant  durch  /  rehVctiert  wird ,  so 
folgt  daraus,  dass  der  Übergang  von  v  zu  i  vor  Nas.  -|- 
Conson.  noch  nicht  in  gleichem  Grade  durchgedrungen  ist 
und  hier  erst  von  einem  ostgot.  f,  noch  nicht  *  gesprochen 
werden  darf;  mehr  unter  „ Vocalismus".    Das  th  steht  fest, 

1  v.  Froehde  setzt  in  Bezz.  Beitr.  XIV,  110  unrichtig  *Am<thi- 
8ivinpö  an,  das  nirgends  belegbar. 

2  Braune,  Ahd.  Gr  min.  §  105.  107. 

3  An  Notkers  nuuümmen  für  »trimmen  ,  guuünnrn  für  tjrwinnvn 
soll  dabei  nach  Kögels  Bemerkung  im  Litteraturbl.  1SS7,  8p.  lOtt  nicht 
mehr  erinnert  werden. 


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67 


EÜTIIAIUC. 

519  war  für  Theoderic  noch  einmal  ein  glänzendes 
.Jahr,  als  sein  Schwiegersohn  Eutharic,  der  Gatte  der  Amala- 
swintha  und  gleichfalls  aus  amalisehem  Geschlecht,  das 
Consulat  bekleidete.  Seine  Adoption  durch  Kaiser  Justin, 
seine  grossartigen  Circusspiele  in  Rom,  Cassiodors  ihm  ge- 
widmete Chronik  sind  dafür  deutliche  Zeugen ;  und  sein 
Tod  522  war  für  Theoderic  ein  schwerer  Schlag.  Er  mag 
deshalb  hier  behandelt  werden,  obwohl  er  einer  spanischen 
Nebenlinie  der  Amalen  entstammte  und  Theoderic  ihn  erst 
aus  Spanien  nach  Italien  übersiedeln  hiess,  sein  Name  also 
eher  als  west-  denn  als  ostgotisch  gelten  kann.  Derselbe 
steht  mit  lat.  Endung  als  Eutharkus  fest,  namentlich  durch 
Inschriften  aus  seinem  Consulatsjahr,1  aber  auch  durch  Cass., 
Epist.  pontif.,  Anon.  Val.,  Jord..  Paul.  u.  s.  w. 

Der  erste  Teil  eutha-,  mit  festem  th  und  ohne  die  in 
Theode-  geläufige  graphische  Modifizierung  des  eit  in  eoy 
=  an.  j6p  „proles"  ;  vgl.  die  Eudoses  bei  Tac.  c.  40 2,  die 
swebischen  Iuthungi*  und  das  runische  htpinyur  auf  dem 
Stein  von  Keidstad.4 

CILLICA. 

Eutharic  führt  einen  zweiten  Namen,  der  auf  den  In- 
schriften Cillitjtt.  (htllka,  Cellica,  Filicu*  lautet,  bei  den 
Historikern  CiUirti  (Cass.  chron.,  Anon.  Cusp.)  und  Cüliyu 
(Anon.  Val.,  Prosp.  auct.).  Die  schwankende  Überlieferung 
scheint  darauf  hinzuweisen,  dass  der  Name  schon  zur  Zeit 
seines  Trägers  unverstanden  war,  für  den  dann  Eutharic 
als  verständnisvollerer  Ersatz  eingetreten  wäre.  Die  Schrei- 
bung Cillicu  das  //  ist  hypocoristische  Consonantengemi- 
nation       könnte  den  „Cilieier44  bedeuten  (lat.  Cilix  -im, 

'  Ro8«i  I,  9GS.  969.  970;  CIL  V,  740M.    Abweichungen  V,  n:»89: 
F.hmh  ricus  \  IX,  410  Kufnriciis  ;  IX,  5*07  Kuhnens. 

2  Müllenhoir,  Nordalb.  Stud.  I,  119  und  Zh.  X,  5IW  f. 

3  Zeus*  312  ff;  (Jrinim,  OddH  1,  500. 

4  Burg  Ii:»  ff. 

5  Roh«!  I,  968.  969.  CIL  V,  5426.  IX,  410. 

5* 


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gr.  Ki'ui  -txoc,  bei  Wulf,  i  ilicien  Kiltikia)  und  die  Schrei- 
bung -iga  Anähnlichung  an  got.  -eigs.  sehw.  -W<jr<i  sein: 
doch  bleibt  diese  Deutung  grade  so  fraglich  wie  die  An- 
nahme einer  keltischen  Bildung  1  oder  Zusammenhang  mit 
an.  kill  .Meeresarm.  Meer*;-  eine  Anknüpfung  an  die  an. 
Namen  auf  -kell,  die  aus.  auf  -kill  -kil7,  verbietet  sich  von 
selbst ,  wenn  diese  wirklich  alle  auf  -ketill  zurückzuführen 
sind,  (iallica  wäre  zu  Förstemann.  Namenbuch  I.  \*V1.  4W> 
zu  stellen,  der  an  an.  gala  ags.  ahd.  gaUin  .singen,  be- 
zaubern" denken  möchte:  richtiger  wird  von  dem  gallischen 
Volksnamen  auszugehen  >eiii.  Filira  scheint  sveundäre  Kose- 
form zu  einem  Namen  wie  etwa  ostgot.  Felithaw. 


HARIüKRX. 

Während  des  Schismas  vom  Jahre  oOl  und  später 
führt  über  die  Stadt  Horn  der  Conus  Ariijnnus  {so  C'ass. 
Var.  mid  die  Epist.  pontif.)  das  Regiment.4 

Got.  hur/'is  muss  als  erstes  <  Vimpositionnglied  harju- 
lauten.  und  dcmgcinäss  heisst  der  alte  Gotenkönig  im 
4.  .lahrli.  bei  .lord.  wie  beim  Anon.  Val.  collect  Ariaricns.:' 
Bei  der  ostgotischen  Ne  igung,  den  Fugen vocal  zu  schwächen 
und  zu  palatalisieren .  wäre  zunächst  über  *lntrjt  -  ostgot. 
*liarji-  zu  erwarten,  das  auch  in  der  Int.  Schreibung  (It)ari- 
vorliegen  könnte  (vgl.  lat.  abiecre,  Pom^i ,  ai<  11.  ä.  oder 
das  Hca/tia  für  scupi  ia  im  gotischen  Hexameter).  Trotzdem 
wird  auch  die  ostgot.  <  ompositionsform  schon  hari-  gelautet 
haben  durch  Einwirkung  der  Nominativform  des  Simplex, 
welche  ostgot.  hari  lautet,  wie  umgekehrt  bei  den  }an- 
Stämmen  das  Simplex  auf  -ja  auch  das  -ja-  der  Compo- 
sitionsfuge  länger   schützt.0    Der  Unterschied   kurz-  und 

»  Stark,  Wiener  8itz.-Bcr.  L1X  (1868),  206. 
2  Cleasby-VigfusHon  340. 

*  Sturk,  Kosenamen  52. 

*  Mominaen,  Neues  Archiv  XIV,  515. 
•'•  S.  MomniKoiiB  Jordnnes  8.  146. 

*  Vf?l.  unter  „  Wil,iarith\ 


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—    69  - 


langsilbiger  ya-Stämme  ist  in  der  Zusammensetzung  also 
nicht  mehr  erkennbar  wie  bei  Wulf,  (alja-hms,  andi-laus) 
und  die  von  Sievers,  Beitr.  XII,  486  ff.  behandelte  Verkür- 
zung des  stammauslautenden  ja  zu  i  für  das  Ostgot.  sehr 
einfach  erklärt  ;  wie  weit  diese  Erklärung  auch  auf  andre 
Dialecte  ausgedehnt  werden  darf,  bleibt  freilich  eine  andre 
Frage. 

Das  zweite  Namenglied,  got.  yahns  (in  faihu-,  seina- 
(jairns)  an.  gjavn  u.  s.  w.,  ist  in  Namen  nicht  selten,  wird 
noch  in  ostgot.  Fridi-  Ali-  Hildi-  Holdi-gem  begegnen  und 
zeigt  als  «-Stamm  überall  die  Latinisierung  -genius. 

BEDEWULF. 

Gleichzeitig  wie  Arigern  werden  zwei  vornehme  (toten 
und  Maiores  domus  nach  Horn  mit  militärischen  Functionen 
geschickt:  Bedetd/us  und  Guddu,  wie  sie  in  den  Epist. 
pontif.  heissen. 

Für  den  ersteren  Namen  bleibt  die  Frage  nach  der 
Etymologie  seines  Anfangsgliedes  bei  der  schwankenden  Über- 
lieferung (oben  S.  28)  eine  offene.  Das  häufige  ph  für  germ. 
f  könnte  zu  der  Annahme  führen,  dass  er  durch  griechischen 
Mund  oder  griechische  Feder  gegangen,  und  daher  das  an- 
lautende ft  für  griech.  Transscription  eines  germ.  w  ansehen 
lassen  (vgl.  BavdiXoi  u.  s.  w.),  wie  denn  auch  zwei  Hss.  v 
überliefern.  Danach  würde  der  Name  der  selbe  sein  wie  z.  B. 
der  Widulf  des  Pol.  Irm.  und  dasselbe  erste  Compositions- 
element  enthalten  wie  etwa  die  Goten  Vidigoi«  und  Vidimer 
bei  Jord.:  got.  *widus  an.  vipr  ags.  loudn  ahd.  tvitu  „lignum, 
silva",1  und  für  das  e  der  Wurzelsilbe  (eine  Iis.  hat  Bidndfits) 

1  Hier  ist  also  das  inlautende  d  der  Namen  das  alte  gotische. 
Bedenkt  man  nun,  dass  im  spateren  Got.  auch  das  alte  tonlose  p  tönend 
wird  (vgl.  o.  Amalafrida  und  unten  „ConsonantismU8uJ,  so  kann  das 
inlautende  d  zweierlei  Ursprung  haben :  wulf.  d  und  p,  und  die  häufige 
Unsicherheit  in  der  Wiedorgabe  der  dentalen  germ.  Spiranten  bei  den 
lat.  und  gr.  Autoren  wird  hierauf  beruhen.  Es  ist  nichts  als  sogen, 
umgekehrte  Schreibung,  wenn  z.  B.  dem  Vidimer  oder  Vidiyoia  des 
Jord.  ein  Vithimiri»  oder  Vithicubius  bei  Ammian  gegenübersteht,  wenn 


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—    70  - 


wäre  auf  FelUhanc  zu  vorweisen.  Bei  die>er  Deutung  bliebe 
jedoch  das  zweite  e  in  Bedtidfus  insofern  auffallend,  als  das 
Ostgot.  sonst  den  Fugenvocal  vor  anlautendem  ic  des  zweiten 
Teils  auszustossen  scheint.  Nimmt  man  hingegen  für  das 
erste  Glied  ursprünglichen  Auslaut  ja-  an,  so  könnte  das  <i 
vor  w  geschwunden  und  das  restierende  j  durch  obiges  e 
reffectiert  sein.  Dann  würde  die  Lesart  Bideulfus  auf  got. 
bidjiiH  an.  bißja  u.  s.  w.'  fuhren,  wozu  etwa  der  Bitheridus 
om  .Jahre  37:.t  bei  Ammian  29,  4.  7  (dessen  th  nach  der 
vorhergehenden  Anmerkung  zu  beurteilen)  oder  Förstemann, 
Namenb.  I,  2.r>6  zu  vgl.  Damit  wäre  auch  das  b  der  Über- 
lieferung bewahrt.  Will  man  auch  das  erste  e  retten  und 
Bedeulf us  als  das  ursprüngliche  bestehen  lassen,  dann  gehe 
man  nicht  von  bidj  n ,  sondern  von  got.  baidjan  an.  heipa 
u.  s.  w.  „gebieten,  zwingen4*'-'  aus  und  nehme  hedr-  als 
ostgot.  Monophthongierung;  die  Bedeutung  würde  eher  für 
letzteres  sprechen.5 

Got.  wulfs  an.  Alfr  u.  s.  w.4  erscheint  als  zweites 
Compositionsglied  in  ostgot.  Namen  bald  in  der  Form  ->'//*- 
bald  -uulf-.  Dieses  Schwanken  beweist,  dass  das  halb- 
vocalische  tr  hier  noch  in  der  Compositionsfuge  erhalten  ist. 
Die  Schreibung  uu  kann  sowohl  lat.  (-  t  u)  als  germ.  (—  tcu) 
sein,  und  man  vgl.  damit  die  ahd.  Orthographie5:  aber  auch 

bei  letzterem  »I,  3,  3  Viderichus,  jedoch  31,  4,  12  Vithcricus  zu  lesen 
ist.  Dass  Witiyis  alte  Tennis  enthalt,  darüber  unter  diesem.  Kr  ist 
daher  vom  Vidiguja  fernzuhalten  und  nur  dieser  allein  mit  Müllenhoff, 
Zh.  XII,  Ü55  ff,  für  die  historische  Grundlage  des  WiUye  der  deutlichen 
Hcldcnsago  anzusehen  ( Witugouuo  Wilugö  Witigo  Witcge ;  vgl.  aa. 
Widttgö  ags.  Wudgd  W!di<>\.  A.  a.  O.  warnt  Müllenhoff  auch  vor 
Verwechslung  von  ahd.  Witioio  as.  U  iom/o  mit  ahd.  Wifuliho  as.  H 
und  für  letzteres  hat  er  Jord.  155  auf  den  got.  „VeducHts*  hingewiesen  ; 
aber  letzterer  heisst  Jord.  85,  18  im  Nomin.  Vcduco,  d.  i.  got.  *Widuka, 
eine  Koseform  etwa  zu  *  Widuganja  o.  Ä.,  wo  das  Suffix  gegenüber 
sonstigem  -ika  8uffixablnut  aufweist. 
1  Osthoff,  Beitr.  VIII,  140  ff. 

*  Osthoff,  a.  a.  0.  145  f. 

*  Aus  der  Litteratur  über  Beda  Fimmilena  (Scherer,  Woinhold, 
Jaekel)  ist  zu  Gunsten  obigen  Namens  nichts  beizubringen. 

4  Grimm,  Gr.  II  (1878),  313  f. 

5  Braune,  Ahd.  Gr.  §  105. 


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-  71 


die  Schreibung  u  kann  für  gerui.  tcu  stehen  wie  ebenfalls 
im  Ahd.1  Besonders  bezeichnend  ist  bei  Marini  Waduulftts 
neben  Wadoitulfus,  und  Ficks  Behauptung,  Zs.  XXVII,  244, 
trulf-  werfe  als  zweites  Oompositionsglied  sein  w  ab,  ist  für 
das  Ostgot.  haltlos2;  dasselbe  schützt  das  w  hier  vielmehr 
grade  so  wie  in  den  vielen  Namen  auf  -win,  -icih  u.  s.  w. 
und  steht  darin  mit  dem  Ags.  auf  gleicher  Stufe  im  Gegen- 
satz zum  Ahd.5 

Der  Abfall  des  Nomin.-*  zeigt  sich  schon  bei  Jord.  in 
den  Amalennamen  Achiulf,  Oduulf,  Ediulf,  VultuulfS  ebenso 
bei  dem  Ostgoten  rovvdovXq  oder  '/ycW/.y  Proc.  Sonst,  dem 
M -Stamm  gemäss,  immer  die  lat.  Flexion  -ulfus  -ulfi. 

Für  die  Bedeutung  dieses  häutigsten  germ.  Namen- 
gliedes sei  kurz  auf  W.  Grimms  Aufsatz  über  die  mythische 
Bedeutung  des  Wolfes  hingewiesen  "'  und  an  die  Wülfinge 
erinnert,  wie  Hildebrands  Familie  und  die  Ostgoten  der 
Heldensage  überhaupt  heissen. 


GUDILA. 

Bedewulfs  College  heisst  nach  Cass.  Var.  und  den  Epist. 
pontif.  Gtktila,  ebenso  auf  einer  fragmentarischen  Inschrift 
von  Ravenna,  CIL  XI.  2b8.  Denselben  Namen  führt  ein 
späterer  Gote  in  einer  Urkunde  von  5.">7.rt  Vorher  ist  schon 
in  .lordanes'  gotischer  Urgeschichte  der  Ko^Xa^  o  xwv 
Opaxoiv  flaotXevq  des  Satyrus  bei  Athenaeus  13,  5  p.  557d 

1  Braune,  ib.  §  105,  2. 

2  Vgl.  Martin,  Anz.  XIV,  285.  Der  got.  Bibelübcraetzer  dea 
4.  Jahrhf*.  hieaa  mit  Caaa.  und  Jord.  Vuljila,  nicht  mit  Auxentius  Ulßla, 
wie  Fick  a.  a  O.  will,  indem  er  den  Namen  als  eine  vom  zweiten 
Compoaitionsglied  -ulf  hergeleitete  Koacform  auffaaat;  vgl.  Bernhardt, 
Wulfila  VII;  Sievera  in  Paula  Grundr.  II,  67,  4. 

3  Kluge,  Boitr.  XII,  378. 

*  Zu  Achiulf  vgl.  u.  „Thoriaa*,  Oduulf  u.  „Odwin" ;  zu  Ediulf 
mit  Monophthongierung  im  Anlaut  vgl.  u.  „Starcediua"  und  bei  Malch. 
248,  9  den  Amalen  AMotyyos  a.  479 ;  zu  Vultuulf  u.  „8igiwulthu. 

5  Z».  XII,  203  ff.,  jetzt  auoh  Kl.  Sehr.  IV,  402  ff.,  besondere  404. 

«  Dahn,  Könige  IV,  32,  2. 


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72 


zu  einem  Gudib.i  geworden.1  Der  Xame  ist  ein  secundärer 
Hypocorismus .  zu  welchem  der  primäre  Guda  Cass.  Var. 
IV.  :W  erscheint  und  der  ursprüngliche  Vollname  in  einem 
der  ostgot.  Gudinand,  Gudtcin,  Gndihtib,  Guderith  vorliegen 
mag.  Mit  allen  diesen  steht  auch  die  Schreibung  yud-  und 
damit  Anknüpfung  an  got.  an.  gup  ags.  as.  </od  ahd.  f/ot 
fest.  Da  das  Ostgot.  die  wulf.  Länge  6  zu  m  färbt,  könnte 
auch  wulf.  fjoda-  (got.  (jods  an.  gopr  ags.  as.  <jod  ahd.  <juot\ 
vorliegen,  doch  wäre  dann  die  Schreibung  u  für  o  seil  weil  ich 
so  consequent.2 

PITZ(I)A. 

Ein  weiterer  Comes  Theoderics,  der  o04  die  (upiden 
schlägt,  heisst  bei  Jord.  Pitza  Petz«;  der  Acc  Pitzamum 
1:15,  b  ist  gewiss  nur  ein  Schreiberversehen,  welches  dem 
Acc.  Pitzam  ein  lat.  nochmals  anhängte,  wie  XYZ  auch 
allein  Pitzam  haben.  Ennod.  nennt  ihn  Pitzia.  Ob  er  der- 
selbe gotische  Feldherr  ist,  den  Proc.  unter  Witigis  ">M 
///ru«c  nennt,  bleibe  dahingestellt.3  Der  Name  ferner  als 
Pitzia  bei  Gass.  Var.4 

Dietrich  S.  84  versuchte  noch  eine  germanische  Ety- 
mologie des  Namens,  während  schon  Grimm,  GddS  47t)  Anm., 
ihn  lieber  für  ungotisch  hielt.  Für  letzteres  spricht  schon 
das  anlautende  p.  Es  ist  der  gr.  Uv&ia<;  oder  Ilvdtagh. 
Für  das  constante  tz  statt  th  oder  thi  erinnere  ich  an  Wand. 
H8,  wonach  derselbe  Feldherr  bei  Coripp.  Stutias  (d.  i.  got. 
*Stutja),  bei  Jord.  u.  a.  Stotzas  heisst.  Wir  haben  es  hier 
nicht  mit  einem  germ.  Dialectmerkmal  zu  thun,6  sondern 
allein  mit  einer  bekannten  Erscheinung  gr.  und  lat.  Schrift, 

1  Grimm,  Zs.  VII,  395.  Dass  Dahn,  Könige  III,  66,  1,  Unrecht 
hatte,  den  Quidila  bei  Casa.  Var.  VIII,  26  in  Gwlila  zu  bessern,  darüber 
unter  „ Quidila". 

*  Vgl.  unter  „GudiHcalc". 

J  Dahn,  Könige  IV,  174. 

4  Dahn,  Könige  IV,  IV.K 

4  Academy  ISH7,  8.  206.    Fiek,  Personenn.  74. 
6  Wie  »Sie vera  in  Pauls  Grundriss  I,  416  will. 


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73 


mit  dorn  bekannten  Assibilationsprocess  der  Dentale,  für 
welchen  ich  kurz  auf  Seelmann  320  ff.  verweise  und  eben- 
daher lat.  inschriftliche  Beispiele  entnehme  wie  Caritze  für 
Ca  ritte,  Bonizza  für  Bonitia;  auch  an  Scandza,  Burgun- 
dzones  u.  a.  bei  Jord.  sei  erinnert :  und  wenn  bei  I'roc.  zu 
IIi'tLüu;  die  Variante  Tliaaaq  lautet,  so  vgl.  man  bei  Seel- 
mann Crassano  für  Gratiano  u.  ä.  Dass  diese  Assibilation 
nicht  got.,  nur  röm.  ist.  das  zeigt  deutlich  das  katetsjö  der 
got.  Urkunde:  wäre  got.  t  assibiliert  gewesen  wie  lat.  t. 
dann  hätte  der  Göte  nicht  nötig  gehabt  die  Assibilation 
zu  kennzeichnen  und  lat.  cautio  als  got.  hawtjo  transscribiert ; 
da  sein  t  jedoch  von  dem  lat.  verschieden  war,  so  gab 
er  das  cautio,  ganz  der  lat.  Vulgärsprache  folgend,  als 
kawtsjö. 

Ennod.,  Cass..  Jord.  geben  dem  Namen  got.  Endung 
-a  statt  gr.  Häutiger  begegnet  das  Umgekehrte,  wenn 

Totita  als  Totiias  erscheint  u.  ä. 

BAUTO. 

Für  ungotisch  halte  ich  den  Namen  des  Kegiae  doinus 
conduetor.  welcher  nach  Ennod.  wegen  rückständiger  Steuern 
verklagt  wird1:  Bauto.  Denn  wenn  das  au  alt,  müsste  es 
ostgot.  zu  o  ge worden  sein :  und  junges  durch  Epenthese 
aus  hadw-  entstandenes  aa  anzunehmen,2  hindert  das  t;  die 
Überlieferung  gotischer  Namen  ist  aber  sonst  bei  Ennod. 
sehr  correct.  Der  Name  ist  sonst  nicht  selten  und  docu- 
mentiert  sich  vielleicht  auch  als  ungernianisch .  wenn  ihn 
ein  Consul  des  Jahres  385 3  oder  ein  Feldherr  des  (iratian4 
u.  ä.  führen.  Nur  nebenbei  sei  an  die  Gruppe  der  keltischen 
Boudius  Bomlus  erinnert.'' 

1  Dahn,  Könige  IV,  141,  2. 
«  Wand.  67  f.  76:  lUnuhi*. 
»  CIL  XIV,  2934. 

*  Zosim.  IV,  .13,  1.  53,  1. 

*  Zeuss-Ebel,  Gr.  colt.  34. 


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74  - 


OEVICA. 

Geeint,  bei  Ennod.  ein  Impulsor  ordinatus.  für  gut. 
Gihica  (vgl.  u.  a.  den  Gihica  der  Lc*  Burg.  :i  und  über- 
haupt den  fi/faV/t  der  Heldensage:  an.  Gjüki  <  *Gibuki  ags. 
*7 ///(•({  as.  Iii ceko  ahd.  Kipieho  nihil.  Gibcche1)  mit  ostgot.  f 
für  wulf.  /,  mit  spirantischem  r  für  intervocalisches  6  und 
mit  hypocoristisehem  Suffix,  zu  einem  ursprünglichen  mit 
got.  an.  ///;>/"  u.  s.  \v.  componierten  Vollnamen .  vgl. 

unten  ostgot.  Gibimer,  Geber'w.  Mit  anderem  Seeundürsuffix 
auch  ein  ostgot.  Gibila,  w.  s. 

ERDWIH. 

Bei  Ennod.  führt  210,  M  ein  nobilissimus  Gotus  den 
Namen  Herduic,  3b\  2b  ein  illustris  vir  Ticinensis  den  Namen 
Erdui,    Ob  beide  identisch,  steht  dahin. 

Da  für  got.  hairda  an.  hjqrp  ags.  heord  ahd.  herta 
die  gleiche  Bedeutung  wie  für  das  urverwandte  ai.  rärdhas 
„Schar"  durch  nichts  bewiesen  ist  ,  so  liegt  got.  lürpu  an. 
jqrp  ags.  eorpe  as.  ertha  ahd.  erda  näher,  vgl.  die  Bedeutung 
von  an.  jqrp  jarpir  .Liegenschaften,  Grundbesitz".2  Der 
Fugen vocal  fehlt  vor  folgendem  Halbvocal. 

Was  das  zweite  Namenelement  betrifft,  so  zeigen  zu- 
nächst beide  Citate  das  ostgot.  Fehlen  des  Nom.-.v.  Ferner 
scheinen  sie  einen  got.  Beleg  zu  geben  für  das  in  den  andern 
germ.  Dialecten  vorhandene  Nebeneinander  von  germ.  weg 
wig  und  weh  wih:  Herduic  mit  auslautendem  e  für  g  das 
hier  schwerlich  auf  römischer  Umschreibung  aus  gr.  %  (vgl. 
'Ylowdiovxoc,  \iXäßi/n^)  beruhen,  sondern  nur  lat..  nach  S.  b.r> 
zu  beurteilende  Schreibung  sein  wird,  zumal  der  Lateiner 
kein  auslautendes  g  kannte,  und  Erdui  mit  gewöhnlicher 
Unterdrückung  des  got.  Ii.  Die  Geschichte  dieses  in  an.  vi 
ags.  wih  weoh  wig  weg  as.  will  weg  ahd.  wih  „Tempel*  u.  s.  w. 

1  Grimm,  Zs.  I,  572;  Müllenhoff,  Zs.  X,  153  f.;  Wackernagel, 
Kl.  Sehr.  III,  399. 

2  Möbius,  Altn.  Gloss.  223. 


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75  — 


und  vielen  Eigennamen,  namentlich  den  westfränkischen  auf 
-ceckus  -reu* ,  den  an.  auf  -rir,  den  ahd.  und  as.  auf  -eins 
-leieh  -iria  -teilt,  vorliegenden  germ.  Wortes  behandelt  Henning, 
Kunendenkmäler  :M  ff.,  ausführlich,  auch  unter  Heranziehung 
reichen  Namenmaterials,  und  auf  ihn  sei  hier  verwiesen. 
Der  Wechsel  in  der  auslautenden  Consonanz  erklärt  sich 
aus  ursprünglich  verschiedener  Betonung.  Aber  dem  germ. 
trih  könnte  nur  ein  got.  tea'ih  entsprechen,  sodass  bei  dem 
correcten  Ennod.  Erdue  zu  erwarten  wäre.  Wir  lesen  des- 
halb bei  ihm  besser  Erdui  und  Herditie  und  legen  das  den 
gleichen  Accentwechsel  wie  oben  teih  wig  aufweisende  und  in 
germ.  Namen  nicht  minder  beliebte  *icihan  *iei(jan  m kämpfen, 
streiten"  (got.  teeihan  an.  ceya  ags.  irhjan  ahd.  trihan  teiyan) 
zu  Grunde,  wovon  der  zweite  Teil  unseres  Namens  als 
adjectivisches  Nomen  agentis  mit  dem  Suffix  <i  gebildet  ist 
(vgl.  das  an.  Adj.  e'ujr  .kampftüchtig,  streitbar"  zu  an.  viy 
as.  icig  ahd.  wiy  nie  .Kampf").  Wieweit  Abschwächung  der 
Bedeutung  und  Beeinflussung  durch  das  andere  irih  tr'uj 
stattgefunden,1  bleibt  dahingestellt,  zumal  die  Identität  der 
beiden  Personen  bei  Ennod.  unerwiesen  ist. 


THANCILA.8 

Der  sublimis  vir  comes  Taneihi  bei  Ennod.  ist  wahr- 
scheinlich der  (Zornes  von  Comum:  Tant  ila  Cass.  Var.  Ostgot. 
Thamila  wulf.  *patjkda  ist  wiederum  ein  secundärer 
Hypocorismus,  woneben  auch  der  primäre  Thanea  bei  Cass. 
Var.  erhalten  ist,  zu  einem  ursprünglichen  zweigliedrigen 
Vollnamen  wie  etwa  ostgot.  WUithune,  Felifhaiie,  Rieifhanc. 
Vgl.  got.  payks  (Acc.  pauk  Luc.  17.  9)  an.  pqkk  u.  s.  w., 
in  Namen1  noch  mit  ganz  allgemeiner  Bedeutung  (vgl.  z.  B. 
im  Hei.  thank  ■■=-  „Freude,  Wille"  und  seine  Bedeutung  in 
Compositis 4).    Man  denke  an  die  vielfache  Verwendung  von 


1  Henning  33,  3.  35. 

2  Zu  (iurfilero  bei  Ennod.  unter  „Gudeleub". 

3  Förstemann,  Namenbuch  I,  1149  ff. 
•  Zimmer,  QF  XIII,  119. 


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76 


huys  huyjan  in  Xanienbildungen  1 :  das  häufig  fränkische 
Huyo  ist  eine  dem  ostgot.  Thanca  völlig  analoge  Bildung. 

THRASEMlWi). 

Bei  Ennod.  llfi,  24  Trasemundus  der  Name  eines  un- 
glücklichen Mailänders,  während  24  der  .vir  illustris* 
und  .regiae  stirpis  germen4"  Trasimundus  vermutlich  der 
gleichnamige  Wandalenkönig  ist.  Wulf.  *pras«munds}  vgl. 
Wand.  74. 

THORISA. 

Gocbel,  Mod.  Lang.  Not.  1888.  Sp.  99 .  möchte  bei 
Thraaemund  nicht  nur  an  got.  prasa-fxilpei,  sondern  auch 
an  den  westgot.  Thursimnnd  denken  und  beide  Formen  auf 
die  gemeinsame  Wurzel  dhurs  zurückführen,  wozu  air. 
treu  gr.  &(>aovg  an.  purs  u.  s.  w.  zu  vergleichen  wären. 
Abel*  zu  gr.  &oaavq  &aoa£w  ai.  dhdrsatni  lit.  dräsa  stellt  das 
Got.  speciell  ya-dars  (ags.  dear  as.  yi-dur  ahd.  yi-tar),  und 
das  Ostgot.  hat  beide  Stämme  neben  einander:  neben  obigem 
TruAemnndus  überliefert  derselbe  Ennod.  auch  einen  Torisa.2 
Letzteres  ist  ein  primärer  Hypocorismus,  etwa  zu  Thoris- 
ntttth,  der  so  in  der  amalischen  Stammtafel  bei  .lord.  und 
Cass.  Var.  XI,  1  vorkommt.  Als  Komposition  wie  got. 
siyis-laun  liefert  die  feststehende  Schreibung  Thoris-muth 
zu  an.  pars  ahd.  durs  ags.  pyrs  (letzteres  secundäre  ja- 
Bildung,  vgl.  mhd.  turse)  .Kiese*  die  got.  Entsprechung 
*paüris.  Das  Wort  ist  mit  dem  bekannten  Nominalsuftix 
es  is  gebildet  und  hat  in  den  aussergotischen  Mundarten 
seinen  Suffix vocal  cingebüsst  analog  an.  siyr,  hatr  u.  ä. 
gegenüber  got,  sigis,  hatis;  doch  belegt  Grimm,  Myth.  488, 
noch  eine  Glosse  dtiris  (—  lat.  dis  ditis)  und  thuris  (orcus). 
Der  Dental  des  Suffixes  ist  s,  nicht  zt  und  got.  *Jmurh 
stellt  sich  zu  got.  rimis  (Gen.  rimisis).  ayis  (vgl.  ahd.  eyis-lih 

1  Försteniann  I,  750  ff. 

2  Dahn,  Könige  III,  117,  M. 


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77  - 


eyiso,  ags.  eyesn),  nicht  zu  got.  siyis.  hatis,  riqis,  hariz-eins 
(vgl.  an.  cS'/Vyr,  r»Wr,  /«»;•/•).<    Das  Suffix  bildete  auch 

(oncreta,  wie  z.  B.  ahd.  find  ags.  Ar/^#r  got.  *hrinpis  be- 
weist.2 Got.  *pauris  an.  /wr*  ahd.  </nrs  ist  ^-Ableitung 
eines  primären  */>«///•-.  welches  im  an.  Verbum  /)or«  .wagen* 
got.  *paüran  (wie  an.  pda  zu  got.  pulan)  vorliegt,  und  fern- 
zuhalten3 von  got.  panrsHs  ya-pa'nsan  u.  s.  w. ,  deren  s 
vielmehr  wie  das  in  ai.  trsu-  t/syati  gr.  rtymfuu  lat.  /onw 
(*/orwo)  schon  der  idg.  Wurzel  angehörte.  Gleich  dem 
secundären  *pauris  wird  auch  das  primäre  *paura-  zur 
Naincnbildung  verwertet,  wie  der  got.  Thnrvarus,  der  gepid. 
Thurisind  zeigen,4  und  neben  dem  amalischen  Tharis-muth 
steht  ein  Hauptmann  Beiisars,  der  bei  IVoe.  (•Jopi-ftovU  heisst. 
Das  liefert  einen  weiteren  Beleg  für  das  häufige  Neben- 
einander von  a-  und  s-Stümmen  im  Germ.,  vgl.  got.  lutis 
und  ahd.  hei  gehet,  got.  «As  ahd.  ahir  und  ah,  ebenso  ags. 
hriper  und  hrip-hyrde?  Für  das  Got,  wird  neben  gewöhn- 
lichem hatis  das  primäre  /<«///-  belegt  durch  den  Gen.  hatis 
Eph.  2.  :5  im  Tod.  B,  welchen  ich  also  nicht  mit  Kremer6 
und  Braune7  als  liest  consonantischer  Flexion  des  ^--Stammes 
betrachtet  Man  vgl.  ferner  den  A malen  Aehiulf  für  Ayialf 
bei  .Jord.  mit  got.  ayis  (s.  o.)9.  Holthausens  ltequa-livahanusw 
mit  got.  riqis,  möglicherweise  auch  den  oben  behandelten 
Walamer  mit  got.  ivalis.    Mit  letzterem  Adj.  wäre  unser 

1  Brugmann,  Vgl.  Gr.  II,  I,  394. 
-  Kluge,  Nomin.  Stammbildg.  §  84. 

3  Kntgegen  Zimmer,  <JF  XIII,  29. 

4  Henning,  Runcndcnkmulcr  !)S. 

'  Zimmer,  QF  XIII,  218;  Kremer,  Beitr.  VIII,  389;  Kluge  in 
Paul»  Grundr.  I,  399. 

6  Beitr.  VIII,  388. 

7  Got.  Gramm.3  §  94,  5. 

*  Vgl.  Heyne,  Ulfilas8,  im  Glossar,  wo  jedoch  das  an.  Imlr  zu 
streiohen  ist:  denn  hier  ist  r  suffixal  und  nieht  etwa  maHC.  Nomin.-r, 
wie  H.  anzunehmen  scheint:  an.  iuttr  ist  Ncutr.  (vgl.  Clensby-Vig- 
fusson  241). 

»  Wenn  hier  nicht  die  Schreibung  Achlhdf  in  XYZ  auf  got. 
ayls  weist. 

40  Jahrb.  d.  Vereins  von  Altortumsfreunden  im  Rheinl.,  Hoft  81 
(Bonn  1880),  8.  81. 


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78 


*[taüris  auch  zu  vgl.,  wenn  die  Erhaltung  des  .«  im  westgerm. 
(Iuris  auf  Oxytonierung  und  damit  auf  ursprünglich  adjec- 
tivische  Function  weist.1 

TRIGOWA.  TRIGGWILA. 

Bei  Ennod.  findet  sich  ein  Triggua  und  bei  Boeth. 
ein  Praepositus  regiae  domus  Triggui/fa  (al.  Triguilla),  ver- 
mutlich derselbe,  welcher  als  Praepositus  cubiculi  beim  Anou. 
Val.  Triuua  (Ahl.  Triuuaue)  heisst,2  Dazu  kommt  noch  der 
Sajo  bei  Cass.  Var.  III,  20.  dessen  Name  nach  der  Later- 
cula-Lesart  des  Leid,  und  dem  Gros  der  besseren  Hss.  jetzt 
als  Triuuila  sicher  gestellt  ist.3  Ein  primärer  und  ein  sceun- 
därer  Hypocorismus  neben  einander  und  ausserdem  jeder 
voti  beiden  in  der  doppelten  Form  Triuua  Triggua  —  'Triuuila 
Trigguila!  Triggua  wulf.  *Triggtca  ist  identisch  mit  dem  an. 
Tryggvi  und  geht,  wie  dieses  auf  Siytryygr,  l'tryggr,  Tor- 
tryggr  o.  ä..4  auf  einen  zweigliedrigen  Vollnamen  zurück, 
der  mit  got.  triggus  (an.  trygyr  ags.  treowe  frf/ive  as.  triuiri 
ahd.  gi-triuui)  eomponiert  war.  Man  könnte  nun  versucht 
sein  in  Triuua  Triuuila  das  uu  als  germ.  ir  aufzufassen 
und  so  zwischen  *Triiva  und  Triggwa  denselben  grammati- 
schen Wechsel  wie  zwischen  an.  trür  und  trygyr  zu  sehen; 
dies  geht  jedoch  deshalb  nicht  an,  weil  die  ganze  ostgot. 
Überlieferung  inlautendes  w  nur  als  m,  nicht  als  uu  wie- 
dergiebt  und  weil  dann  speciell  Tass.  Triuila.  nicht  Triuuila 
geschrieben  hätte.5  Auch  diphthongische  Entwicklung  und 
Zusammenfall  mit  dem  ursprünglichen  Diphthong  germ.  eu° 

1  Möllenhoff,  Zs.  XXIII,  172  f.  (Hierher  auch  der  Mars  Thing- 
mm  —  *pingis). 

2  Dahn,  Könige  III,  200,  3:  Mommsen,  NA  XIV,  512,  1. 

3  Ferner  vielleicht  ein  servus  Antalasunthae  bei  Greg.  Tur.  134, 
20.  13f>,  2,  wenn  hier  Traguila  (al.  Trmtttilu)  in  Tviguila  {Triuuila) 
herzustellen  wäre  (  vgl.  Krusch  ib.).    Ander«  Dietrich  76,  ß8. 

4  Cleasby-Vigfusson  043. 

Andernfalls  wäre  hier  eine  8tüty.e  für  Bechtcls  problematischen 
Versuch  gewonnen  (Gotting.  Nachr.  1885,  235  ff.),  die  ostgeriii.  Ver- 
schärfungen nu*  ursprünglichen  AceentverhiiKuiftsen  zu  deuten. 
,;  Wie  im  Ahd.,  Braune  §  113. 


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79 


ist  des  «instanten  i  wegen  fernzuhalten:  denn  das  Ostgut. 
hat  diesen  in  seiner  alten  Form  eu  nuch  festgehalten  und 
lässt  ihn  nur  selten  durch  iu  transscribieren.  Hingegen 
könnten,  da  die  ostgerm.  Verschärfung  ggw  mit  Braune 1 
auf  gemeingerm.  trw  beruht ,  obige  Trimm  Triuuila  beim 
Anun.  und  bei  Gass,  dieses  germ.  trw  reflektieren  gegenüber 
dem  speeifiseh  gut.  ggu  bei  Ennud.  und  ßoeth. ;  aber  das 
gut.  ggw  kennt  bereits  bei  Wulfila  im  4.  Jahrb.  kein  solches 
Schwanken  mehr,''  und  obige  Trigguu  und  TrigguiUa  des 
6.  Jahrhs.  sprechen  für  dessen  Festigkeit  grade  so  wie  seine 
treue  Erhaltung  im  ital.  span.  port.  tregua  tregoa?  Viel- 
mehr werden  jene  Trimm  Triuuila  nur  auf  abweichende 
Schreibung  zurückzuführen  sein.  Der  Guttural  in  der  got. 
Verschärfung  ggw  war  Verschlusslaut,  lat.  intervocalisches 
g  hingegen  wurde  spirantisiert : 4  es  machte  sich  daher  für 
die  lat.  Niederschrift  des  got.  Lautes  das  Bedürfnis  einer 
graphischen  Modifieierung  grade  so  geltend,  wie  oben  S.  u"> 
beim  Explosivlaut  g  im  Anlaut,  der  durch  Composition  in 
den  Inlaut  trat.  Das  Uesultat  derselben  war  jedoch  hier  ein 
anderes:  Triggua  wurde  vielmehr  für  den  Lateiner  zu  Triuua} 
wie  das  gr.  any^ta  ,  Packsattel*  von  dem  römischen  Ohre 
als  sauma,  gr.  Tiijyfia  «Gerüst1*  als  peuma  aufgefasst  winde.* 
Dieselbe   Nüancierung  finde  ich  .ford.   lOrt,  (>.  7,   wo  das 

*  Beitr.  IX,  545. 

*  Dan*  die  Gemination  gg  im  Got.  zwei  ganz  verschiedene  Laut- 
verbindungen repräsentiert,  gilt  aus  theoretischen  Gründen  langst  für 
selbstverständlich  (Braune8  §  68  >:  obige  Triggua  TrigguiUa  bringen 
dafür  gegenüber  dem  sonstigen  vg  auch  positive  Belege.  —  Ich  weiws 
nicht,  ob  dieser  doppelte  Lautwert  derselben  Buchstabengruppe  bei 
Wulfila  schon  analogice  für  die  got.  Diphthongfrnge  verwertet  ist  :  das 
nasale  gg  entnahm  er  dem  Griech.,  dan  explosive  gg  ist  einfache  Laut- 
fügung g  +  g\  ebenso  entspricht  got.  ai  —  m  dem  damaligen  Lnutwort 
von  gr.  ««,  got.  ai       äi  ist  diphthongisches  a  f  ?. 

*  Es  ist  also  nicht  der  einzige  Beleg  dafür,  das«  germ.  w  auch 
im  romon.  Inlaut  durch  gu  refleotiert  wird,  wie  Diez,  Gramm.  Is,  325 
will;  es  beruht  eben  nicht  auf  westgerm.  *trtwu'u  (ahd.  triuwa  as. 
treu wu  ags.  treöwe)y  sondern  auf  got.  trigguu. 

4  Seelmann  :t49.  —  Oder  liegt  volksetyniologische  Anlehnung  an 
triu  „arbor"  vor?  Vgl.  zu  Triuila  den  römischen  Frauennamon  Arbu»cula, 


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80  — 


gallische  leura  oder  lenga  .Meile"  («las  Schwanken  von  r 
und  g  beweist  auch  hier  den  Verschlusslaut)  in  der  Mehr- 
zahl der  Hss.  mit  leuua  retlectiert  wird.1 

MAMMO. 

Bei  dein  Dux  Gotorum  Mamma,  den  Mar.  Avent.  zum 
.lahrc  509  erwähnt,  kann  an  got.  mammo  .Fleisch4*  denken, 
wer  hei  dem  Wcstgotenkünig  Wambu  an  got.  tratnba  .Hauch" 
denkt.  Und  diese  Auffassung  letzteres  Namens  als  Neck- 
name bleibt  trotz  Stark  -  immer  noch  die  plausibelste.  Der 
neckende  Heiname  hat  den  ursprünglichen  Namen  ver- 
drängt, was  auch  sonst  genügend  belegbar.  (irade  in  Starks 
„Wambu  (fui  et  Petrus"  (I)iacon  von  (i:{S)  liegt  ja  noch  solche 
Doppelbenennung  vor. 

IBBA.. 

Ibba  heisst  bei  Cass.,  .lord..  Paul..  Helba  (1.  Hrbba)  in 
den  Kandglosscn  zu  Vict.  Tunn.,  Ebba  bei  lsid.  der  Tomes 
Theoderics,  welcher,  Katholik  und  möglicherweise  Gepide, 
wahrsclieinlicher  jedoch3  Commandant  des  gepidischen 
Armeeteils  der  Goten,  ein  gotisches  Heer  508  über  die  See- 
alpen führte  und  die  verbündeten  Franken  und  Hurgunden 
schlug.4  Die  Randglosse  Helba  könnte  auf  *I/ba  weisen r> 
und  einen  weiteren  Beleg  liefern  für  die  Assimilation  des  /  an 
den  folgenden  Consonanten  in  Kosenamen  (vgl.  ßadäo,  Abbo, 
Woffo  <  Ihddo,  Albo,  II  W/V  ).  Dennoch  scheint  diese  Deutung 

1  HPVLA,  nur  fruca  O,  leugu  BY;  fogwt  in  X  zeigt  Metathcsis 
wie  sp.  leijutt  pg.  legm  (Diez,  Wörterh.  I3,  246).  Die  umgekehrte 
Metathcsis  im  mlat.  treuga. 

2  Kosenamen  108  ff.    Vgl.  Wackernngel,  Kl.  Sehr.  III,  850. 
*  Dahn,  Könige  IV,  171,  1. 

4  Vgl.  Mommsens  Jord.  8.  151. 
6  Försteniann,  Namenbuch  I,  774. 

0  Henning,  Kunendenkm.  60.  Hier  kann  Hennings  Deutung  des 
Wortes  1  (Ulan  auf  der  bürg.  Spangeninschrift  von  Charnay  als  Hihian 
aus  obigen  Gründen  gleichfalls  zweifelhaft  scheinen,  zumal  er  daneben 


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-  81 


bedenklich.  Derartige  kindliche  Lall-  und  Koseformen  —  nur 
um  solche,  nicht  um  historische  Lautübergänge  handelt  es 
sich  bei  den  erwähnten  Assimilierungen  haben  freilich 
zu  allen  Zeiten  existiert,  zur  Aufzeichnung  aber  wurden 
sie  erst  verwandt,  als  sie  in  der  Umgangssprache  fest  ge- 
worden waren  und  wie  ursprüngliche  Namen  angesehen 
wurden;  und  das  ist  in  der  ostgotischen  Periode  schwer- 
lich schon  der  Fall  gewesen:  von  Stark»  Belegen1  geht 
keiner  über  das  8.  Jahrb.  hinaus,  und  ein  ostgot.  Kurzname 
wird  uns  noch  als  AM  begegnen,  obwohl  kosendes  *Abbi 
den  Goten  grade  so  geläufig  gewesen  sein  wird  wie  andern 
Stämmen.  Dazu  ist  llba  nicht  einmal  sicher  germanisch.2  Dass 
Jbba*  die  got.  Entsprechung  zum  ags.  ebba  nd.  ebbe  bietet 
(gewöhnlich  zu  got.  ibuks  , rückwärts",  ahd.  ippihhön  „zu- 
rückrollen" gestellt)  und  einen  entsprechenden  Beinamen 
repräsentieren  könnte,  sei  nur  nebenbei  bemerkt. 

«ATTILA. 

Eine  Mailänder  Inschrift  vom  Jahre  5 12 4  nennt  einen 
Goten  im  Gen.  Gatti/anis.  Man  beachte  die  w-Flexion  und 
die  hypocoristische  Consonantengemination,  die  hier  den  An- 
laut des  zweiten  Bildungselements  ergriff  wie  im  inschrift- 
lichen lrsfarric  (s.  u.  „Usda").  Gatiht,  zu  got.  ya-tils  „passend, 
tauglich*4  (ags.  ///,  dazu  an.  ///  ahd.  zil  „zu"),  würde  als 
characteristischer  Zuname  in  seiner  schwachen  Form  auf- 
fallen und  wird  daher  eine  Substantivierung  sein  wie  got. 
yamamja  zu  yamains,  unhulpa  neben  hnlps  u.  a/' 

Yoliiiamcn  wie  hhlofrctlo,  Ii  alter  ga  belegen  kann.  Ware  es  nicht  mög- 
lich, nach  dem  Vorbilde  von  Titorte-  und  Thor-  oben  S.  77  neben  dem 
got.  *idte  ags.  uhs  as.  täte  ahd.  Ute  (Grimm,  Myth.  372)  ein  primäres 
*i«7-  anzusetzen?  Vgl.  J.  Grimm  schon  in  der  Vorr.  zur  1.  Aufl.  von 
Gramm.  I ,  p.  XLII.  Sonst  «ei  noch  an  das  an.  Fem.  ipa  „Wirbel, 
Meeresstrudelu  erinnert  (Cleasby-Vigf.  313). 

1  Kosenamen  28  f. 

2  8tark,  ib  113. 

3  Förstemann,  Namenbuch  I,  7f»9. 

4  CIL  V,  617«. 

Leo  Meyer,  Diegotisch«»  Sprache  ( Rerlin  18M),  §  354 ;  Lichten- 
held,  Zs.  XVI,  303 ;  Kögel,  Beitr.  XIV,  102. 

QF.    LXVHI.  6 


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-    82  - 


HUXIMUXD. 

Der  in  der  Amalentafel  zweimal  erscheinende  Name 
Hunimund  {llun{n)imuudns  Jord.,  Utrimundvs  Cass.)  findet 
sieh  aueh  im  ostgotischen  Zeitraum  wieder:  anno  24. 
Theod.  wird  bei  Aguellus  ein  arianiseher  Bisehof  von  Kavenna 
Ummtindus  genannt. 

Nachdem  Müllenhoff  mit  huu-  componierte  Germanen- 
namen schon  vor  dem  historischen  Erscheinen  der  Hunnen 
nachgewiesen,1  wird  das  Namenglied,  wieder  mit  Müllen- 
hoff.2 am  besten  zu  an.  humi  gestellt,  mag  man  es  nun 
mit  „eatulus,  ursinus"  übersetzen  und  zu  den  übrigen  ono- 
matologisch  verwandten  Tiernamen  stellen  oder  als  „rccens 
natus"  mit  pius,  tiiwi,  vtnc  in  Eigennamen  auf  eine  Stufe 
bringen.  Hingegen  erseheint  ]  tiegers  Anknüpfung  an  die 
norddeutschen  Hünengräber  und  den  vermeintlichen  Namen 
der  vorgermanischen  Bewohner  Norddeutsehlaiids3  zwar 
geistreich,  aber  grade  der  vielen  hierher  gehörigen  ger- 
manischen Personennamen  wegen  (bis  zu  unserm  lltnnhert, 
Humboldt  u.  v.  a.  herab)  wenig  wahrscheinlich. 

w 

HILDE  NY  AUA. 

Eine  Urkunde  aus  dem  .Jahre  52U  handelt  von  den 
kirchlichen  Schenkungen  einer  Gotin  Hildevara  ;4  so  die 
Namensform  bei  Marini  Nr.  85.  12.  15.  22. 

/um  eisten  Teil,  got.  Vuldi  an.  hildr  ags.  as.  hi/d 
ahd.  Inf t ja  hiltea  hilta,  vgl.  unter  „Dumilda." 

Der  zweite  Teil,  got.  -war«,  ist  das  femin.  Nomen 
agentis  vom  Pracsensstamme  der  germ.  Wurzel  trar  »auf- 
merken" (gr.  Quam),  wozu  das  Masc.  noch  im  ostgot.  Sdp- 
war begegnen  wird,  auch  in  dem  Goten  Thantar  al.  Thuruar 
bei  Jord.  85,  18  vorliegt.''    Er  ist  identisch  mit  dem  Adj.  got, 

'  Zu.  XI,  284. 

2  Zu.  XIII,  57fi.    Vgl  Wand.  04. 
8  Areh.  f.  he««.  Oesoli.  XV,  4. 

*  Dahn,  Konipe  IV,  184. 

*  Dazu  Müllenhoff  im  Index. 


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83  - 


tears1  an.  varr  ags.  wcer  as.  war  ahd.  gi-war  und  zu  trennen 
von  dem  /«-Stamm,  der  in  dem  bekannten  -varii  der  Völker- 
namen vorliegt,  obwohl  die  Namen  auf  -war  häufig  die  in- 
eorrecte  Latinisierung  -tvarius  zeigen.2 

CUNIOAST. 

Der  bei  Boeth.  erscheinende  Conigastus  ist  vermutlich 
jener  Vir  illustris,  der  bei  (Jass.  Var.  Cnnigastus  heisst: 
wulf.  *K6mgasts,  ostgot.  Conigast. 

Erster  Teil  got.  *k6m  an.  kenn  ags.  cPm  ahd.  chuoni. 
Bei  Boeth.  noch  das  alte  o,  bei  Cass.  das  jüngere  ostgot. 
u ;  wenn  andrerseits  germ.  ü  bei  den  Lateinern  constant 
als  n  ohne  solches  Schwanken  in  o  geschrieben  wird,3  so 
folgt  daraus,  dass  dieses  jüngere  ostgot.  u  <  wulf.  6  doch 
nicht  völlig  mit  dem  alten  wulf.  ti-  zusammengefallen  war. 

Für  den  zweiten  Teil  weist  die  lat.  Flexion  an  beiden 
Quellenstellen  nicht  direct  auf  got.  gasts,  sondern  wiederum 
auf  eine  secundäre.  speciell  onomatologische  «-Bildung. 

ODWIN. 

Der  Comes,  welcher  einen  Anschlag  auf  Theoderics 
Leben  mit  seinem  Haupte  bezahlen  musste,4  heisst  beim 
Anon.  Val.  Odoin,  bei  Mar.  Avent.  Odoind.  Mit  der  älteren 
Quelle  lese  ich  Odoin,  d.  i.  Oduin,  statt  des  germ.  w 
reflectierenden  u  wird  öfter  o  geschrieben  —  ostgot,  Odtrin. 
Das  auslautende  d  bei  Mar.  wird  spätere  romanische  Zutat 
sein,  die  sich  nach  germ.  w  öfter  einfindet.5  Oduin  (ags. 
Eadwinc  VVids.  74.  98)     -  wulf.   *Audatrins  mit  ostgot. 


1  So,  nicht  mit  Braune,  Got.  Gr.3  §  124,  1,  Vw  netze  ich  an; 
vgl.  unter  „Deelination44. 

*  Möllenhoff,  7m.  XVI,  153  ff. 

3  Vgl.  oben  S.  8  f.  und  unten  u.  „VocaliftmuR44. 

*  Dahn,  Konige  III,  90. 

5  Vgl.  noch  frz.  ulhmnml ,  normand,  Rertrmul:  Diez,  Gramm. 
I3,  311. 

6* 


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-    84  - 


Monophthongierung ,  Einbusse  des  Gompositionsvoeals  vor 
w  und  Aufgabe  des  Nomin.-s. 

Das  erste  Namenglied ,  als  solches  überaus  häutig, 
liegt  in  got.  auda  hafts  „beseligt,"  attduys  „selig"  vor  und 
entspricht  dem  an.  aupr  ags.  ead  as.  od  ahd.  ot  „Besitz, 
Gut,  Reichtum" :  vgl.  noch  Oderic,  auch  den  alten  GJreoting 
Odotheus  bei  Claud.,  (Ji^oOtn^  bei  Zosim.1  (wulf.  *AuduJ>ius) 
und  bei  Jord.  den  alten  Amalen  Od  wulf  (hingegen  bei  ihm 
die  Frankin  Ande.fleda)~ 

Der  zweite  Teil,  got.  *wins  an.  vinr  ags.  wine  as. 
wim  ahd.  wim  „Freund",  wird  noch  in  ostgot.  Natidwiti, 
Oswin,  Guil whi ,  Tulwin  begegnen8  und  zeigt  überall  in 
der  Gompositionsfuge  intactes  w*. 

ATHAL  ARIC. 

Enkel  und  Tronerbe  Theoderics  war  Athalaric.  der 
Sohn  des  Eutharic  und  der  Amalaswintha,  5*J(>  5iU  König 
der  Ostgoten  ,  jedoch  noch  unter  Vormundschaft  seiner 
Mutter  und  Cassiodors. 

Die  Überlieferung  triebt  ganz  gleichmässiges  Atlm- 
laricus  (Gass.,  Lib.  pontif.,  An.  Val..  Jord.  u.  s.  w.),  auch 
die  inschriftliche und  diese  Schreibung  wird  durch  pietäts- 
volle Anlehnung  an  den  alten  Amalen,  welcher  bei  Jord. 
77,  1  Alhttl,  bei  Gass.  Var.  XI,  1  Athala  hoisst.6  und  dann 
wie  Tiwodcrirus  durch  amtliche  Tradition  so  constant  gewor- 
den sein.  Erster  Teil  got.  *<//>«/  an.  apal  ags.  ajwhi  (pl.)  as. 
(tduli  ahd.  adal,1  ein  weiterer  Beleg  für  das  Suffix  al  im  Got.s 

1  Dahn,  Könige  II,  96. 

2  Sicher  falsch  sind  die  westgot.  Etymologien  hei  Ilozzenberger: 
Adamir  audamt'rs,  Adeliutiis  uitdtdiubs,  zumal  er  selbst  jüngere 
weatgot.  Audibertus,  Andemuudwt  beibringt.    Ebenso  bei  Dietrich  3.r>.  «1. 

5  Hierher  auch  der  ßatu  ins  des  got.  Kai. 
*  Möllenhoff,  Deukmfller«  365. 

5  Vgl.  seine  Münzen  bei  Friedländcr  30  ff.  und  z.  R.  Spreti 
Rnv.  2,  2  p.  243;  CIL  V,  641 8. 

6  Möllenhoff  in  Momm*eus  Jord.  143,  8. 

7  Kluge,  KW  4  unter  „Adeltt;  Möllenhoff,  Zur  Runenlehro  56. 
"  Wand.  30. 


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85  - 


SIGIWÜLTH. 

Papst  Bonifatius  II.  (530  —  5:*2)  war  der  Sohn  eines 
Goten,1  für  dessen  Namen  die  Hss.  des  Lib.  pontif.  Sige- 
bald ns,  (Usiholdus,  Siginddus  geben.  Man  braucht  nach 
dem  ostgot.  Sigimer  bei  Cass.  seinen  ersten  Namensteil 
nicht  in  Sigis-  zu  bessern,  obwohl  Sigisciddits  ein  auch 
sonst  in  dieser  Form  bekannter  got.  Name  ist.2  Denn 
schon  die  -fyiftt]onc,  Segimcrus ,  Seginumdits  bei  Strabon 
und  Tacitus  bezeugen  einen  Stamm  ohne  s- Ableitung,  und 
in  germ.  Eigennamen  gehen  von  jeher  Sigi-  und  Sigi$- 
neben  einander  her,  wie  Thum-  und  Thoris-  oben  S.  77.3 
Ob  von  den  beiden  Bildungen  got.  sigis  an.  sigr  ags.  sigor 
und  got.  signs  4  ahd.  sign  sigi  as.  sigi  ags.  sige  die  ^-Ab- 
leitung ursprünglicher  ist  als  die  starke  Stammform,5  oder 
ob  letztere  von  Anfang  an  neben  jener  vorhanden  war,  ist 
unentschieden;  doch  sprechen  die  uralten  Zeugnisse  bei 
Strabon  und  Tacitus  eher  für  letztere  Annahme.6  Und  so 
ist  Sigitculth  zu  got.  sigiis  zu  stellen  wie  Wisibadn  zu  got. 
*icisu}  Felithnnc  zu  got.  filu. 

Der  zweite  Teil  -Dtdclus  die  singulare  Variante 
-buldus  wird  auf  griech.  Einfluss  beruhen,  der  für  diese 
pontificalen  Quellen  auch  sonst  constatierbar  scheint7  —  ist 
nicht  identisch  mit  dem  got.  widpns  „Herrlichkeit"  *  (dazu 
widpags  „herrlich,  geehrt"),  sondern  latinisiert  aus  einem 
wiederum  mit  dem  Suffix  a  gebildeten  adjectivischen  wulf. 
*tndps,  wie  es  durch  den  Namen  Vulth  repräsentiert  wird. 
In  Sigivuldus  tönende  Spirans  d  im  Inlaut,  im  ostgot.  Auslaut 
vermutlich  noch  tonlose,  wozu  die  Schreibung  Vidi  zu  vgl.  ist.9 

1  Dahn,  König*  III,  243,  2. 

8  Vgl.  z.  B.  Bachlcchner,  Zs.  VIII,  203. 

5  Vgl.  z.  B.  für  das  Burgundischo  Waokcrnagcl,  Kl.  Sehr.  III,  374. 

*  So  gewiss  mit  Bethge  bei  Braune,  Got.  Gr.»  §  106,  1. 

5  Kremer,  Beitr.  VIII,  3S8;  v.  Borries,  Das  erste  8tadium  dos 
i-Umlauts  im  Germ.  (Strasse.  1887),  S.  21. 
a  Brugmann,  Vgl.  Gr.  II,  I,  395,  2. 

7  Vgl.  schon  oben  8.  69  zu  Bedcwulf\  ferner  gelegentliches  Gotthi^ 
Uni'  neben  Winigildus. 

*  So  Bachleohner  a.  a.  O. 

9  Aber  bei  Jord.  der  alte  Araale  noch  VuU(h)uulf. 


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—    86  — 


DUM  IL  DA. 

Dieser  Name  auf*  einer  Inschrift  vom  Jahre  f»:U  bei 
Rossi  I,  1027. 

Der  erste  Teil,  noch  im  Dumcrit  des  Cass.,  ist  got. 
döms  .Urteil,  Erkenntnis41  an.  domr  ags.  as.  dorn  ahd.  tuom, 
mit  ostgot.  u  für  wulf.  6.  Der  Coinpositionsvocal  ist  bei 
der  grossen  Schwäche  des  got.  //  geschwunden  wie  bei  fol- 
gendem vocalischen  Anlaut. 

Das  zweite  Namenglied  zeigt  sich  mit  gleicher  Flexions- 
weise noch  in  einer  Ran'dda  bei  Cass.,  Ranihildu  bei  Marini. 
auch  in  einer  (freilich  undatierten)  Guntelda  auf  einer  In- 
schrift von  Comum.1  Dagegen  steht  „Tattilldi  vicatu  auf 
einer  der  Wahrscheinlichkeit  nach  aus  Italien  stammenden 
Bronzeh'bel2  und  in  der  Urkunde  Nr.  79  bei  Marini  vom 
Jahre  557  Gumiihildi  VA.  14.  5b\  Gundiildi  110,  und  zwar 
letztere  Form  für  verschiedene  Casus,  d.  h.  unuYctiert/1 
Wenn  es  nun  schon  feststand,  dass  die  meisten  germ. 
Frauennamen  auf  -hild-  -lind-  -gvnji-  u.  s.  w.  yo-Stämme 
sind,4  nicht  /-Stämme,5  so  bringen  hierfür  obige  TanWdi 
und  Gund ihildi  auch  gesicherte  got.  Belege:  got.  hildi  wie 
an.  hildr  und  ahd.  hiltja  (Hildebrandsl.).  Demgemäss  sind 
Dnmilda  und  die  andern  -dda  nur  Latinisierungen  solcher 
ostgot,  -Udi. 


*  CIL  V,  5415. 

*  Erworben  durch  den  verstorbenen  Alex.  Castellani.  versteigert 
im  Mai  1886  zu  Paris  (vgl.  Bulletin  opigrnphique  IV  (1886)  p.  150, 
Mitteilung  naeh  dem  Catalog);  die  Wiedergabe  kann  als  ^exaetement 
transerit"  angesehen  werden  (Mowat,  Memoire«  de  la  Soci6te  nationale 
des  Antiquaires  de  France  t.  XLIX,  Paris  1S89,  S.  7  des  SA:  Note  sur 
des  bijoux  antiques  ornös  de  devises  ä  propos  d'une  iibule  de  repoqno 
ostrogothe).  —  Der  erste  Teil  des  inschriftlichen  Namens  bleibt  ety- 
mologisch dunkel;  vgl.  Förstemann,  Namenbuch  I,  831  f.  1141,  wenn 
nicht  etwa  Taticilldi,  d.  i.  ostgot.  Thanc-hildif  zu  conjieieren  wäre. 

a  Danach  ist  auch  ohne  Bedenken  Gundihild  1.  16  und  Guudihil 
17.  22.  25.  27  zu  bessern. 

*  Braune,  Ahd.  Gr.  §  210,  5;  Noreen,  An.  Ur.  I,  §  298. 
5  Grimm,  Gr.  I  (1870),  690. 


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-    87  - 


«ODA. 

Torlos,-  to  ytvog  wird  von  Proc.  der  wandalisehe  Statt- 
halter auf  Sardinien  genannt,'  welcher  im  Jahre  533  die 
Insel  zum  Abfall  von  den  Wandalen  brachte.  Bei  Proc. 
heisst  er  T tofac,  bei  Theoph.  /o')J«c,  an  beiden  Stellen  mit 
gräeisierter  Endung.  Die  gr.  Oberlieferung  giebt  keinerlei 
Gewähr,  ob  ostgot.  Gada,  Gada  (zu  got.  gods)  oder  Göda 
(Monophthongierung  aus  Gauda,  vgl.  die  westgot.  Bischöfe 
Gaudila  von  688  und  Gundula  von  (>532)  zu  Grunde  liegt. 

WILJARITH. 

Der  Commandant  von  Neapel  i.  .1.  534  heisst  bei 
Proc.  Gvhiupig.  Auch  sonst  erscheint  der  Name  bei  Proc.3, 
in  der  Hegel  correcter  Ovtklagt^  (Gen.  -pidoq)  geschrieben, 
so  für  jenen  Sieger  von  Mueella ,  den  Marcell.  Viliarid 
nennt:  bei  Oass.  Var.  Wiliarit  und  ebenso  in  der  Neapeler 
Urkunde  jener  VuiUavit,  der  sich  in  seiner  got.  Unter- 
schrift Wiljarip  schreibt;  eine  Inschrift  bei  Kossi  I,  1028 
aus  dem  Jahre  532  nennt  gleichfalls  einen  Wiliarit  und  eine 
Uapuaner  Inschrift  des  folgenden  Jahres  (CIL  X,  4497)  einen 
Guiliarit.4 

Das  erste  Compositionsglied,  got.  teil  ja  (auch  in  wilja- 
halpei)  an.  eile  ags.  tcdla  as.  williu  ahd.  willo,  zeigt  noch 
intacten  Fugenvocal,  welcher,  im  Gegensatz  zu  sonstiger 
Abschwächung  im  Ostgot.,  hier  durch  den  Gleichlaut  des 
Simplex  geschützt  wurde,  wie  andererseits  die  starken  ja- 
Stämme,  die  ostgot.  auf  -i  auslauten,  ihren  Stammesauslaut 
in  der  Composition  durch  Einfluss  ihrer  appellativen  Form 
schneller  abschwächen   und   palatalisieren/'    Doch  zeigen 

1  Wand.  85. 

3  Dietrich  37.  40. 

*  Dahn,  Könige  IV,  174. 

4  Den  Romanisten  wird  dieacs  friiho  gu  für  germ.  w  interessieren : 
die  Belege  hierfür  bei  Diez,  Gr.  P,  324  gehen  nicht  über  das  8.  Jahrh. 
hinaus. 

5  Vgl.  zu  Haritjern  oben  8.  68, 


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-    88  - 


weitere  Zeugnisse,  wie  der  gleiche  Reductionsprocess  auch 
bei  den  /"//-Stämmen  wirkt.  Ungeschwächt  wie  in  obigen 
Namen  ist  die  Compositionsfuge  noch  in  dem  inschriftlichen 
Wiljaric  von  589. 1  Aber  die  nächste  Stute  WH  je-  liegt 
schon  vor  in  dem  WiUjenant  der  Neapeler  Urkunde.  Und 
wenn  auf  dieses  Wilje-  die  ostgotische  Neigung  wirkt  den 
Fugenvocal  in  der  /-Färbung  zu  geben,  so  wird  aus  117///- 
leicht  H77/-2,  und  dieses  liegt  in  den  ostgot.  Namen  Oi'Xr/t- 
auln^  (Proc),  OvXifon*;  (Proc),  Wilh/is  (Cass.).  Wilitaneus 
(Cass.),  Wilifara  (Kossi  I,  109:1)  vor,  vielleicht  auch  in 
W Marius  (Cass.),  wenn  hier  nicht  Syncope  aus  Wilja-harius 
älter  ist.  Im  übrigen  beachte  man  die  ganz  gleichmässige 
Schreibung  H77-,  die  nie  in  Wel-  schwankt  des  folgenden 
/  wegen. 

Das  zweite  Compositionsglied  kann  als  ostgot.  -r/7/* 
entweder  auf  wulf.  *reips  oder  wulf.  *reps  (mit  ostgot. 
Färbung)  weisen.3  Ersteres ,  mit  dem  «-Suffix  aus  got. 
*reidan  an.  ripa  u.  s.  w.  gebildet  und  namentlich  in  zahl- 
reichen an.  Namen  auf  -ripr  von  Bugge  nachgewiesen 4. 
ist  jetzt  ausführlicher  von  Henning  behandelt. h  Die  Be- 
deutung des  vorliegenden  Namens  und  die  got.  Schreibung 
Wiljunp  (nicht  -reip)  spricht  für  got.  *rips,  mit  demselben 
'/-Suffix  zu  got.  redan  an.  rapa  u.  s.  w.6  In  Bezug  auf  das 
consonantische  Auslautsgesetz  seien  die  ostgot.  Namen  auf 
-rith  hier  zusammengestellt:  ausser  obigen  Viliarid  und 
Wiljarit(h)  noch  Sinderith  (Jord. ,  der  auch  ebenso  correct 
den  Vater  des  Geberich  Hilderith  nennt).  Frunmrith  (Cass.), 
Liuvirit  (Cass.),  Dumerit  (Cass.),  Witterit  (Mar.  Nr.  1U), 
Optant  (Neap.  Urk.),  Guderit  (Neap.  Urk.;  Mar.  Nr.  80; 
CIL  V,  1588),  Aderit  (Mar.  Nr.  80),  Landarit,  Lcudarit  (Mar. 
Nr.  79),  Gundirit  (Mar.  Nr.  79.  80.  88),  Nunderit,  Otrutarit 

1  Kossi  I,  1126. 

2  Vgl.  obon  8.  68. 

8  Zimmer,  QF  XIII,  43.  45. 

*  KZ  III,  26  ff. 

s  Runendenkmäler  t  f. 

*  Wand.  68  f.  05.    Zur  Bedeutung  Bezzcnbergcr  in  seinen  Beitr. 
IV,  327. 


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89 


(Mar.  Nr.  75),  Giber  U  (Mar.  Nr.  131).  Also  in  keiner  Quelle 
auch  nur  eine  Erinnerung  an  das  ursprüngliche  Nomin. -s. 
Man  vermute  es  deshalb  auch  nicht  in  der  gr.  Transscription 
-ni^.  Wenn  Prot*.  OvtXinytc,  O^r«^/^,  .■/<■  tiUp/^  Prot*,  und 
Agath. '  Puyrruitc  schreiben,  so  ist  das  c  eine  blosse  Schreibung 
für  das  spirantische  »V  -.--=  got.  p,}  welche  für  das  im  gr. 
Auslaut  ungeläutige  #  eine  gr.  Endung  schafft  (vgl.  die  ent- 
sprechenden Aec.  auf  "jir  bei  Proc.2);  wer  aber  dieses  -c  für 
got.  -s  nimmt,  müsste  erst  für  den  gleichmässigcn  Schwund 
des  vorhergehenden  Dentals  eine  Erklärung  beibringen.  — 
Die  constante  Überlieferung  des  /  scheint  darauf  hinzuweisen, 
dass  *rtps  und  *reif>$  als  Namenelcmente  ihre  Bedeutung  längst 
abgeschwächt  hatten  und  vielleicht  kaum  noch  geschieden 
wurden.  Auf  ähnliche  Keducierung  der  Function  häufigerer 
Namenglieder  wird  man  auch  durch  sonstige  Verwechslungen 
geführt,  und  für  -rith  wird  noch  mechanischer  Tausch  mit 
•ric  und  -hart  begegnen  u.  ä.3 

THEODAHATH. 

Nach  Athalarics  Tode  5;U  nahm  Amalaswintha  ihren 
Vetter  Theodahath,  den  Sohn  der  Amalafrida,  zum  Mit- 
regenten an. 

Auf  seinen  Münzen4  heisst  er  Theodahathm  -hatm  -hadut, 
—  ein  treffender  Beweis  für  den  im  Werden  begriffenen 
Übergang  der  tonlosen  dentalen  Spirans  zur  tönenden,  der  in 
dem  Theodahudua  bei  Marcell.,  Cass.\  Jord.  vollendet  scheint. 

Den  ersten  Teil  schreiben  alle  lat.  Quellen  Theod-,  alle 
gr.  Gtrd-. 

Das  zweite  Glied  zu  got.  *liapns  an.  Hqpr  ags.  Itaipo- 
ahd.  hadu-  mhd.  ha<icrH,   welches  in  den  späteren  germ. 

1  Gr.  .*»  damals  schon  Spirans,  nicht  mehr  Aspirata:  Blass  82. 

*  Wand.  69;  Waokernagcl,  Kl.  Sehr.  III,  394  f. 

*  Wand.  55. 

*  Friedlander  36  ff. 

6  Ob  der  Vir  Senator  Theodahadus  Var.  III,  15  der  spätere  König, 
bleibt  dahingestellt;  Dahn,  Könige  III,  94,  5. 

*  Fiok,  Vgl.  Wörterb.  III3,  60  f.;  Kluge,  EW«  unter  „Hader". 
Gallisch  catu-. 


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90 


Epochen  als  Appellativuni  verloren  ging  und  sich  nur  in 
Eigennamen  hielt  grade  wie  das  alte  *////<//,  vermutlieh  weil 
beide  Appellativ*  zugleich  Götternamen  waren  1  und  deshalb 
aus  religiöser  Scheu,  später  aus  Aberglauben  in  der  gewöhn- 
lichen Hede  durch  Synonyma  ersetzt  wurden.  Spätere,  be- 
sonders ahd.  Namen  weisen  darauf  hin,  dass  nicht  got.  *h«f)us 
selbst,  sondern  wieder  eine  secundäre  «-Bildung  im  obigen 
Namen  vorliegt  ,  wulf.  *https,  ostgot.  *hath  (mit  noch  ton- 
losem //*  im  Auslaut  wie  oben  in  ritit),  obwohl  der  Abfall 
des  Nom.-s  hier  nicht  belegt,  sondern  immer  lat.  oder  gr. 
o-Flexion  angetreten  ist. 

Die  schon  bei  Dnmilda  beobachtete  Syncope  des  Stammes- 
auslauts vom  ersten  Gliede  mit  dem  Anlaut  des  zweiten  muss 
auch  bei  Theodahath  entweder  schon  vorhanden  gewesen  sein 
oder  jedenfalls  in  gewöhnlicher  Hede  sein-  nahe  gelegen 
haben.  Einmal  zeigt  dies  das  fiki»J«rrv  der  gr.  Quellen 
(Proc,  Agath..  Euagr.)  und  dann  die  spätere  Neigung  der 
gelehrten  Autoren  den  Namen  als  T/no-datns  zu  etymologi- 
sieren2: Theodatns  (in  Varianten  mit  gelegentlicher  Graeci- 
sierung  Theodotus)  schreiben  Marcoll.  (viermal  neben  drei 
Thtodahadiis),  Anon.  Cusp.,  die  gelehrten  Schreiber  des  Lib. 
pontif.,  die  Epitome  Justin.,  Liberatus,  Fredeg..  Paul.  u.  s.  w., 
auch  einzelne  Hss.  des  Cass.  und  .lord.  Daneben  zeigt  der 
Theodii d us  des  Greg.  Tur.  die  organische  Syncope  ohne 
solche  lat.  Deutung.  Der  späte  Thetulanns  des  Chron.  Moiss. 
braucht  nicht  auf  Schreibfehler  zu  beruhen,  vgl.  unter 
„Anna". 

THKODKXANTIIA. 

Eine  Tochter  des  Theodahath  war  die  Gemahlin  des 
Überläufers  Ebremuth  (s.  u.):  ("hvösvnv&a  Proc. 

Der  zweite  Teil,  wulf.  -nanpa,  mit  starker  Endung  und 
noch  unveränderter  Spirans,  (vgl.  Amalaswintha)  zu  *nanps 

1  Jlopr  hcisftt  Ballier«  Bruder;  H<fp  und  Hildr  sind  Walküron- 
namcn,  beides  nicht  Koseformen,  sondern  mythologische  Personifikationen: 
der  Kampf,  Krieg  *«r*  *{|o/»/V. 

3  Agnellus  schreibt  sogar  Deodatua;  vgl.  Förstemann,  Namen- 
buch I,  1179.  Ein  Adeodafus  z.  B.  Cass.  Yar.  III,  46;  ähnlich  />«<*- 
dedit  XII,  21. 


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91  - 


(ostgot.  in  Gudinunth,  Wiljenanth,  Namlwin,  Nanderit),  vgl. 
got.  nanpjan  an.  nenna  ags.  nfipan  as.  nadian  ahd.  mnden 
„ wagen 44  (ahd.  //<///</  ,. Verwegenheit*).  Vgl.  noch  Xawta, 
den  Namen  von  Haiders  Gattin.1 

THEODEGISL. 

Einen  Sohn  des  Theodahath  hält  Witigis  in  Gewahrsam: 

Für  -yiscl  verweise  ich  auf  Wand.  .V2,  wo  es  als  romani- 
sierte  Schreihung  für  germ.  -yisl-  gefasst  ist.  Wenn  ich 
aber  dort  das  zu  Grunde  liegende  von  welchem  -yisl- 

eine  /-Ableitung  wie  got.  ptrahl  von  pivahun,  fairuvitl  von 
Wz.  /r/72,  als  schwache  Ablautsform  zu  dem  starken  *'yitiza- 
an.  y<ri/*r  ags.  ycir  as.  ahd.  //tV  erklärte,  so  wird  das  zu 
moditicieren  sein.3  Denn  in  *yaiza-  ist  der  Diphthong  uralt 
und  ablautsfrei,  wie  ai.  hi'sas  ^Geschoss44,  gr.  yaloc  „Hirten- 
stabfc,  air.  yai  „Speer*  zeigt  sowie  das  Nebeneinander  von 
ursprünglich  oxytoniertem  *yaiza-  und  paroxytoniertem 
*yais-  an.  yeisl  ahd.  yeisala.  Beide  aber  sind  unverwandt 
mit  got.  us-yaisjan ,  -yeis/ian  -erschrecken",4  an  welches 
ich  das  onomatologisch  so  häutige  -yU-  anknüpfen  möchte, 
also  als  ein  Synonymon  zu  dem  ebenfalls  in  Namen  geläufigen 
atjis  «Furcht*4.  Wie  got.  *6yan  „sich  fürchten*  öyjun  „in 
Furcht  setzen"  auf  ein  starkes  Verbum  *«y<tn  zurückgehen 
(un-ayands)  und  der  Stamm  des  letzteren  in  der  /-Ableitung 
uyls  , unschicklich,  schimpflich*5  erhalten  ist,  so  entspricht 
dem  got.  yais-jan  und  yeis-nun  ein  präsentischer  Stamm 
*yeis-  und  mit  derselben  /-Ableitung  das  vorliegende  -yisl.6 

«  Zimmer,  QF  XIII,  279. 
2  Grimm,  Gr.  II  (1878),  95. 

s  Ebenso  Hildebrand  im  DWB  u.  ^Geisel*;  doch  vgl.  man  da- 
selbst die  reiche  Namensammlung,  auch  das  Nebeneinander  der  Appol- 
lativa  an  f/isl  ags.  (/isel  ahd.  gisal  und  mnd.  nrh.  yis  gisv  „obses,  vades**. 

4  Feist,  Grundriss  der  gotischen  Etymologie  (Strassburg  1888),  8.  41  ; 
Webster,  Zur  Gutturalfrage  im  Gotischen  (Boston  1889  ),  S.  22. 

*  Vgl.  oben  8.  77,  9. 

"  Präsentisches  gis,  nicht  prateritales  gis,  entsprechend  fairweitl 
zur  Wz.  wit ;  vgl.  WUegisen  :  wisen  Rabenschi.  732,  5  (Singer,  Anz. 
XIV,  34).  —  Über  da«  /-Suffix  vgl.  Sütterlin ,  Nomina  agentis  29  ff., 
besonders  35  ff.  die  zahlreichen  Nom.  agentis  adjectiva. 


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92  - 


GRIPPA. 

Ein  Anführer  gotischer  Hinfalle  nach  Dalmatien  i.  J. 
535  heisst  bei  Proe.  rahnng.  Per  Name,  mit  hypocoristischer 
Consonantendehnung  und  graecisierter  Endung,  ^  ostgot. 
Gripa,  ist  primäre  Koseform  zu  einem  Vollnamen,  dessen 
eines  Glied  zu  got.  yreipan  an.  yr'ipa  u.  s.  w.  gehörte1; 
vgl.  an.  -yrtpr  in  den  an.  Compositis  vinyripr,  vipyriprr 

ASINAUIUs. 

Ein  weiterer  got.  Befehlshaber  neben  Grippa  in  Dal- 
matien heisst  535  und  537  bei  Proc.  .  iötruomc.  Da  das 
Uot.  des  Wultila  im  4.  .lahrh.  schon  ttsilus  hat  mit  vollen- 
detem Übergang  des  ursprünglichen  n  in  l  (got.  asilus  ags. 
esol  eosol  as.  ahd.  est'/  gemeingerm.  Lehnwort  aus  lat.  asiwts), 
so  verbietet  es  sich ,  Asiwtrius  etwa  als  *Asiht-h(irjis  zu 
fassen,  vielmehr  bleibt  es  lat.  Bildung.3  Oder  aber  es  ist 
in  Asniarins  umzustellen:  ostgot.  Asni-hari  wäre  „ Führer 
der  Söldlinge",  zu  got.  asneis  und  harjis. 

SINDERITH. 

Beiisar  begann  den  gotischen  Feldzug  535  auf  Sieilien, 
wo  sich  ihm  alsbald  der  got.  Kommandant  von  Syracus 
ergab:  Sinder äh  bei  Jord. 

Das  erste  Namenglied ,  auch  in  der  inschriftlichen 
Sendefara,  im  Sindila  Sinthila  der  Neapeler  Urk.  (wieder  mit 
dem  Schwanken  zwischen  d  und  />)  und  im  Sindida  der  Ep. 
pontif.,  zu  got.  stups  an.  sinn  ags.  stp  as.  std  ahd.  sind 
„Heise,  Heereszug"  (dazu  got.  yasinpa  ahd.  yisittd  as.  yisid). 
Unrecht  hat  Kremer,4  wenn  er  wulf.  *Swinpartps,  Swinpila 
herstellt,  da  die  sichere  Überlieferung  z.  B.  der  Amalaswintha 


1  Förstemann,  Namenbuch  I,  551. 

8  Zimmer,  QF  XIII,  45. 

9  Dahn,  Könige  IV,  174. 
4  Beitr.  VIII,  437.  450. 


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-    93  - 


die  ostgot.  Erhaltung  dos  w  beweist.  Andrerseits  bezeugt 
der  Name  auch  die  Bewahrung  des  alten  n  vor  Dental ; 1 
und  wenn  ein  Amale  und  Verbündeter  Theoderics  aus  der 
voritalienisehen  Zeit  von  475 2  bei  Malch.  248,  5.  17  u.  ö. 
^AÖtfHwvdo^  heisst,  so  hat  der  erste  Teil  seines  Namens  mit 
obigem  Sind'  nichts  zu  tun,  sondern  beruht  auf  gut.  sidns  an. 
sipr  ags.  as.  sidn  ahd.  situ;  bei  Förstemann3  sind  freilich 
beide  Stämme  durch  einander  geworfen. 

TZ  ITT  A. 

Ein  Fatricius  in  Mysien  tritt  zum  Jahre  5:15  bei 
Marcell.  auf,  mit  Namen  Tzitta.  Die  wunderliche  Gestalt 
des  letzteren  (ebenso  Turnte;  bei  Malal.)  ist  dennoch  nicht 
anzutasten,  denn  auch  eine  Inschrift  vom  Jahre  508  (CIL 
V,  7793)  giebt  den  Gen.  Tzittuni  (man  beachte  den  Reflex 
des  n-  Stammes),  und  in  der  Urkunde  Nr.  122  bei  Marini 
vom  Jahre  591  steht  dreimal  die  Form  Tzita,  einmal  Tzitta, 
einmal  Tazitta,  einmal  Zita,  einmal  Khtu* 

Für  das  tz  oder  z  verweise  ich  auf  das  S.  72  f.  unter 
„Pitzia"  Gesagte  und  füge  hinzu,  dass  assibiliertes  ts(i)  tz(i) 
zz{i)  z(i)  si  sich  auch  im  Anlaut  findet,  dass  lat.  dies  als 
zes  erscheint  u.  s.  w.''  Im  übrigen  weiss  ich  keine  andere 
Deutung  als  den  Namen  zu  Mamma,  Wamba  u.  ä.  zu  stellen 
und  ihn  als  einen  auf  eine  körperliche  Eigentümlichkeit 
hinzeigenden  Zu-  oder  Necknamen  zu  fassen :  got.  *titta  ist 
die  Entsprechung  zu  ags.  tit  nd.  titte  mhd.  zitze  und  wird 
der  romanischen  Entlehnung  ital.  tetta  zizza  frz.  fette  span. 
teta  v'  zu  Grunde  liegen.7 

1  Wand.  108. 

*  Dahn,  Könige  II,  72. 

s  Namenbuch  I,  1103  ff. 

*  Dahn,  Könige  IV,  186. 

6  Scelmann  322  f. 

0  Kluge,  EW4  unter  „Zitzo". 

7  Ein«  ganz  vage  Hypothese  könnte  nach  der  einen  griech. 
Umschrift  in  der  citierten  Urkunde  einen  ursprünglichen  Guttural  an- 
setzen und  die  übrigen  tz  und  z  als  dos  Resultat  dos  romanischen  Pala- 
talisierungsproeesses  betrachten,  welchen  letzthin  Hönning  (Runendenkm. 


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94 


EBRKMUTH. 

Der  Schwiegersohn  des  Theodahath  ging  vor  Kegium 
r>:J»i  mit  seinen  Goten  zu  Heiisar  über,  um  dann  in  Byzanz 
mit  Ehren  als  Patricius  aufgenommen  zu  werden.  Ebretnud 
nennt  ihn  Marcel  1.,  Everumd  Jord.,  '  Eflyiuov»  Proc. 

Für  den  ersten  Teil,  das  an.  jqfnrr  („Eber*  und 
übertragen  „Fürst")  ags.  eofor  ahd.  ebur,  weisen  Marcell. 
und  Proc.  auf  ein  got.  *ibru$.  Will  man  danach  das  Evcr- 
des  Jord.  nicht  in  Ecrr-  umstellen,  so  kann  sein  Evermud 
auf  einen  got.  Mittelvocal  deuten,  der  bei  ihm  zu  e  min- 
dert, bei  Marcell.  und  Proc.  ganz  unterdrückt  wäre:  ent- 
weder wulf.  *ibants  (vgl.  unten  ostgot.  wisattd  gegenüber 
an.  ri.wtidr  ahd.  irismtt)  oder  *iburtts  (vgl.  got.  inihiks  gegen- 
über an.  mjolk  <  *meluk  ags.  meulnr  as.  tniluk  ahd.  wiluh). 
Man  beachte  das  r  bei  Jord.  für  intervocalisches  b  und  das 
constante  <•  für  wulf.  /. 

Das  zweite  Glied,  inud  bei  den  Lateinern,  ftnvü  bei 
dem  Griechen,  mit  ostgot.  m  für  wulf.  o  (doch  bei  Jord.  in 
Var.  o)  und  ohne  Noniin.-s,  ist  ein  zum  wulf.  wops  ags. 
as.  tuod  ahd.  mtwt1  gehöriges  secundäres  Adj.  *möps  (ahd. 
-möt  -moti,2  as.  ~mod  in  yHmöd  „übermütig*3);  sonst  vgl. 
Wand.  ()7*  In  der  Urkunde  von  Arezzo  der  ostgot.  Ahnnud 
gegenüber  dem  wulf.  Dativ  Ahimmhi.  Eine  dem  (/-Stamm 
entsprechende  Flexio  latina  auf  -us  fand  ich  bei  Jord.  12:1, 
6.   KU,   21   für    Tltorlsmitth  ,  21   für  dessen  Sohn 

Herimnth? 

Ol  ff.)  in  ähnlichem  Zusammenhang  behandelt  bat.  Im  Inlaut  zwischen 
Vocnlen  hat  man  denselben  bin  ins  0.  Jahrb.  hinein  zurückvcrfolgt. 
So  problematisch  dieser  Deutungsversuch  bleiben  würde,  ho  gestattet 
er  doch  einen  Verweis  auf  Forstcmanu,  Namenbuch  I,  810  oder  1370. 

»  Zimmer,  QF  XIII,  233. 

*  Oraff  II,  084  ff. 

3  v.  Orienberger,  Germ.  XXXIV,  407. 

4  Bei  der  dort  aufgestellten  Parallele  //(»o-^«,?-™;  verbleibe  ich 
trotz  Ehrismann,  Literaturbl.  1887,  Sp.  408;  diese  dor.  Form  ist  z.  R 
Pind.  Ol.  7,  81  belegt. 

b  Kin  obigem  Ebremuib  analoges  Compositum  mit  got.  *baira 
an.  hjom  ags.  bera  ahd.  bero.  Über  den  lieriy  der  got.  Ursage  bei 
Jord.  s.  Müllenhoff  im  Index  147. 


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95 


WITIGIS. 

Theodahaths  Nachfolger  wurde  VVitigis,  sein  früherer 
Waffenträger  und  nicht  aus  edlem  Geschlechte,        bis  540. 

Er  heisst  auf  .seinen  Münzen  1  (auf  welchen  das  regel- 
mässige anlautende  fr  zu  beachten)  Wittges  Witigis  Wittiges, 
bei  Marcell.  Vitiges,  bei  Cass.,  Lib.  pontif.  Witigis,  beim 
Anon.  Ousp.  Guitigis,  bei  Jord.  (abgesehen  von  den  Var.) 
sechsmal  Vitiges  und  siebenmal  Vitigis,  bei  Proc.  Oviviyiq, 
bei  Agath.,  Euagr.,  Menand.  Ovitnyic,  bei  Mar.  Avent. 
Wifttgis,  bei  Paul.  bist.  rom.  Witigis,  bist.  Langob.  Witichis, 
in  den  Gesta  episc.  Neap.  Guitigis  und  Vitigen  (Acc). 

Danach  steht  zunächst  Witi-  fest.  Gelegentliches  tt 
ist  hypocoristiseh.  Die  ganz  constante  Überlieferung  des 
ersten  /  verbietet  ,  an  got.  uaihts  an.  vettr  ags.  as.  ahd. 
wiht  zu  denken,2  weist  vielmehr  auf  germ.  /  oder  besser 
/,  mag  man  nun  got.  *treita-  ansetzen,  entsprechend  frawnt 
idireit,  oder  *weitja-,  entsprechend  an.  viti  ags.  icite  as. 
witi  ahd.  wUi  „Strafe-.8  Ferner  warnt  das  feststehende  t, 
Namen  wie  den  des  A malen  Weimer  hierher  zu  stellen, 
und  lehnt  als  grammatisch  unmöglich  die  Hypothese  ab, 
welche  den  Witege  der  Heldensage  mit  unserm  Witigis  in 
Verbindung  bringt,  mag  sie  diesen  ganz  für  Widigoja  ein- 
setzen oder  neben  ihm  gelten  lassen.4 

Der  zweite  Teil  lautet  nach  der  Majorität  der  Quellen 
-gis,  d.  i.  -gis,  worüber  oben  8.  91.  Daher5  kann  das 
häufige  -ges  nicht  auf  einfacher  graphischer  Verwechslung 
beruhen ,  sondern  wird  wiederum  eine  Vertausehung  von 
zwei  namenschliessenden  Compositionselementen  bezeugen : 

1  Friodländer  40  ff. 

2  Acadcmy  18S7,  206.  Eutharics  Vater,  der  Solin  de«  Bcriniuth, 
ein  spanischer  Amale,  heisst  bei  Jord.  an  fünf  Stellen  Vetericns,  einmal 
Vitirichns;  hier  mag  daher  utt-  -  wulf.  waiht*  sein;  dazu  Stark, 
Kosenamen  18;  Möllenhoff,  Beovulf  61  f. 

3  Schlüter,  Die  mit  dem  Suffixe  ja  gebildeten  deutschen  Nomina 
lüöttingcn  1874),  S.  29. 

*  So  noch  Symons  in  Paul«  Grundrias  II,  I,  46.   Vgl.  oben  8.  69,  1. 
6  Vgl.  oben  8.  8  und  u.  „ Vocalismus".    Auch  findet  sich  nie 
-ge*(r)l-  für  -tjig(c)l-. 


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-  96 


wir  kennen  got.  *gaiza-  an  zweiter  Stelle  aus  Hariogaisus 
u.  ä.  und  werden  in  Gestio  seine  ostgot.  Monophthongierung 
constatieren;  somit  geht  Wittges  auf  wulf.  *Weitigai$  zurück, 
und  ostgot.  -gis  und  -yrs  sind  vertauscht  worden.  Zu  ver- 
einzeltem -eis  und  -ehis  oben  »S.  <>">.  Der  Name  erscheint 
meist  unflectiert ;  selten  ist  sein  -is  als  lat.  oder  gr.  Nomin.- 
Eudung  angesehen ,  der  eorrectere  lat.  Gen.  -chisi  nur  in 
zwei  Hss.  bei  Paul. 

MATE8WINTH  A. 

Mateswintha,  die  Schwester  Athalarics,  wurde  von 
Witigis  zur  Ehe  gezwungen,  heiratete  nach  dessen 

Tode  Justinians  Neffen  Germanus.  der  r>.r)()  Oberbefehls- 
haber gegen  die  Goten  wurde,  und  wurde  die  Mutter  des 
jüngeren  Germanus,  welcher  nach  dem  Tode  seines  Vaters 
552  als  der  Erbe  des  Ostgotenreiches  galt. 

Sie  wird  von  Marcel).  Motesuentho  (al.  -srinto),  von 
Jord.  Mothesuentho ,  von  Proc.  MuTttmwvUu  genannt.  Für 
den  ersten  Teil  des  Namens  darf  weder  an  got.  mots  noch 
mohts  gedacht  werden ,  weil  beides  i-Stämme  sind ,  die 
schon  bei  Wulf,  in  der  Composition  moti-  mohti-  erfordern 
würden.  Anknüpfung  an  got.  inopo  hindert  dessen  Be- 
deutung, da  mapa  nur  den  „sich  krümmenden  Wurm",  be- 
sonders den  w Regenwurm fc  bedeutet,  nicht  etwa  mit  an. 
Ii  mir  ahd.  Und  synonym  ist.  Kremer 1  will  *tuopo  zu 
Grunde  legen,  die  got.  Entsprechung  zu  dem  ahd.  »todu 
einer  Tegernseer  Glosse,2  das  andana  (?),  palidonia,  eine 
Art  Lied  bedeuten  soll,  den  suffixlosen  Stamm  zu  got. 
mop-l  an.  mo-l  ags.  mep-el  as.  ahd.  mohal:  dann  würde 
der  Name  zu  jener  Gruppe  gehören ,  welche  Förstemann :i 
unter  moth  zusammenbringt.4    Ich  stelle  dieser  Vermutung 

1  Beitr.  VIII,  426,  mit  Dreeke,  Verwnndtschaftanamcn  168. 

*  Oraff  H,  658. 

•  Namenbuch  I,  917  ff. 

4  Die  kleine  Sammlung  von  German  entminen  mit  Mad-  bei  Henning, 
Runemlenkm.  114,  ist  fern  zu  halten,  du  hier  das  d  germ.  ist,  wenn 
Henning»  Anknüpfung  an  ags.  tneadn  n«.  madtt  mhd.  male  (Müllenhoff, 
Zs.  XXIII,  5  f.)  oder  an  kelt.  math  mad  „bonus*  (zu  letzterem  noch 
Stark,  Kosenamen  81.  42 1  richtig  ist. 


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97 


eine  andere  gegenüber,  ohne  mehr  als  eine  solche  geben 
zu  wollen.  Der  biblische  Name  Mattathias  steht  Luc.  3, 
25.  2t)  zweimal  im  Gen.:  gr.  Marrudiov;  zu  letzterem  wurde 
von  Wulfila  unrichtig  ein  Nom.  Marratfioc,  lat,  Mattathim 
angesetzt  und  danach  Luc.  3,  26  ein  got.  Gen.  Mattapiaus 
mechanisch  nach  der  i/-Declination  gebildet,  während  ihm 
Luc.  3,  25  der  Ausgang  des  Namens  als  got.  Pius  vor- 
schwebt und  demgemäss  Maftapiicis  fleetiert  wird.  Hieraus 
folgt  zweierlei:  einmal  dass  got.  pius  in  Namenbildungen 
nicht  ungeläufig  war,  ferner  dass  ein  germ.  Mata-  (Malta- 
hypocoristisch)  in  Eigennamen  bekannt  scheint.  Dann  ist 
Mute-,  nicht  Mathesirentha  zu  schreiben,  und  der  Name 
stellt  sich  zu  Förstemanns  twu-Gruppe.1  Freilich  bleibt 
auch  hier  seine  etymologische  Deutung  zweifelhaft;  viel- 
leicht ist  an  die  Bezeichnung  einer  Waffe  zu  denken  von 
der  Wurzel  mat  „behauen",  vgl.  ags.  engl,  mattock  „Hacke", 
got.  *matja  ahd.  stebmiezzo;  letztere  scheinen  zwar  aus  dem 
Lateinischen  entlehnte  ("ultur Wörter  (vgl.  lat.  mateola  ital. 
mazzuola)?  aber  doch  aus  sehr  früher  Periode,  wie  die  ahd. 
Lautverschiebung  mezzo  erweist. 

Zum  zweiten  Gliede  oben  S.  66.  Wenn  Friedländer3 
die  Monogramme  auf  den  Münzen  mit  Sicherheit  als  Mata- 
sunda  auflösen  will,  so  kann  trotzdem  irgend  ein  Grundstrich 
noch  ein  i  vertreten  sollen,  andernfalls  würde  Matasunda 
sich  als  Graecisierung  zu  Proc.'s  Mutaöovvda  stellen  und 
sich  aus  dem  byzantinischen  Aufenthalt  der  Fürstin  er- 
klären. Im  übrigen  bemerke  man  wiederum  das  jüngere  d 
dieser  Monogramme. 

OPTAMTH. 

Der  Mörder  des  Theodahath,  welcher  diesen  im  Jahre 
536  auf  Befehl  des  Witigis,  zugleich  persönlichem  Uache- 
drang  folgend,  überfiel  und  „wie  ein  Opfertier  abschlachtete14, 
heisst  bei  l'roc.  Onvagig. 


1  Namenbuch  I,  92G  f. 
Ä  Bugge,  Beza.  Beitr.  XIV,  57. 
3  Münzen  der  Ostgoten  42. 
QF.  lxviii. 


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Oft  - 


Derselbe  Name  im  Optovit 1  der  Neapeler  Urkunde, 
der  in  der  speciellen  got.  Unterschrift  desselben  Mannes 
ebendort  als  Ufitahari*  wiedergegeben  wird. 

Für  das  Anfangsglied  des  Namens  braucht  man  an 
Grimms  Deutung2  nicht  zu  zweifeln,3  da  auch  sonst  all- 
gemeine Adverbien  zur  Namenbildung  verwandt  werden 
(vgl.  airman-,  filn-  u.  a.),  mag  man  nun  eine  ursprünglich 
vollere  Bedeutung  zu  Grunde  legen  oder  nicht:  got.  nf ta- 
rn, opf  ags.  oft  as.  oft(o)  ahd.  o/to.  Aber  auffallend  ist 
das  lat.  gr.  o,  während  sonst  das  Ostgot.  den  a-Vmlaut 
des  it  kaum  zu  kennen  scheint:4  vielleicht  ist  deshalb 
daran  zu  erinnern,  dass  das  gegenseitige  Verhältnis  von 
got.  nfta  „oft"  und  auf  tu  „  vielleicht"  noch  nicht  aufge- 
klart ist :  wenn  aber  für  letzteres  Matth.  27,  f>4  ufto  ge- 
schrieben wird,  dann  ist  eine  derartige  wechselseitige  Be- 
einflussung beider  Partikeln  in  Eigennamen  erst  recht 
möglich,  wo  sie  durch  die  Bedeutungsabschwächung  der 
Namenglieder  befördert  wurde.  Über  das  geläufige  lat.  gr. 
pt  vgl.  Wand.  47  und  die  dort  gegebenen  Citate;5  dass  es 
sich  nur  um  ungermanische  Schreibung,  nicht  um  Dialect- 
entwicklung  wie  im  späteren  An.  handelt.6  wird  eben  durch 
das  got.  Ufta-  bewiesen ; 7  dazu  kommt,  dass  inlautendes 
f  dem  Lateiner  nur  in  seltenen  Entlehnungen  bekannt,  sonst 
aber  unlateinisch  war.8 


1  Bernhardt  liest  Ojjfrit,  welches  aber  nach  der  got.  Sehreibung 
und  nach  Proc.  ohne  Bedonken  in  Optant  zu  bessern.  Umgekehrt 
erklärt  die  lat.  und  die  gr.  Umschrift  das  i  im  got.  Ufita-  für  Schreib- 
fehler (  mit  Massmann  I,  da  für  eine  phonetische  Erklärung  —  das  * 
könnte  etwa  den  Übergang  vom  bilabialen  ./' zum  alveolaren  /  markieren 
-   jede  Analogie  in  der  got.  Schrift  fehlt. 

2  Zs.  III,  147  ff. 

8  Forstemann,  Namenbuch  I,  1210. 
*  Vgl.  unter  w  Vocalismus". 

6  Dazu  noch  Wackernagel,  Kl.  Sehr.  III,  M41,  auch  Kluge  in 
Pauls  Grundriss  I,  315. 

6  Noreen  §  185.  Die  älteste  isl.  Hs.,  AM  2.17  fol.,  schreibt  in 
den  hierher  gehörigen  Fällen  immer  noch  //. 

7  Vgl.  auch  unter  „Oppa4*. 

"  Seelmann  MO.    Dnzu  noch  Pnul,  lieitr.  I,  15(1. 


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-  99 


Wenn  die  Neap.  Urk.  dein  got.  Uftahari  ein  lat. 
Optant  gegenüberstellt,  so  sind  wieder  zwei  namenschliessende 
Compositionsglieder  vertauscht  worden.  In  diesem  Falle 
beweist  die  Vertauschung  zugleich,  dass  die  Syncope  der 
Compositionsfuge  schon  vollendet  war,  denn  nur  auf  der 
Ähnlichkeit  von  *Uft-ari  und  *Ufta-rith  kann  sie  beruhen, 
sodass  das  got.  Uftahari  sich  als  historische  oder  etymo- 
logische Schreibung  erweist.  Sie  gewährt  aber  andrerseits 
zu  wulf.  harjis  an.  herr  ags.  here  as.  ahd.  heri  die  ostgot. 
Form  hart:  mit  Einbusse  des  Nom.-s!  Näheres  über 
dieses  weitere  Stadium  des  Auslautsgesetzes ,  namentlich 
über  die  Frage,  ob  der  Schwund  des  s  als  organischer 
oder  analoger  Vorgang  (etwa  nach  dem  Acc.)  zu  fassen, 
unter  „Declination".  Die  Bedeutung  von  harjis  in  Eigen- 
namen ist  die  auch  beim  ahd.  Appellativum  bekannte  von 
„miles,  dux,  hostis" ; 1  aber  die  Abschwächung  derselben  in 
den  Namen  ist,  wie  obige  Vertauschung  zeigt,  gross  und 
mitunter  wird  nicht  gesagt  werden  können,  wie  weit  es 
als  blosses  onomatologisches  Suffix  empfunden  wurde,  das 
mit  dem  Suffix  -ano-  (got.  -areis  an.  -ere  -are  ags.  afr. 
-ere  as.  -eri  ahd.  -äri  -ari  -eri  mhd.  -aere-)  zusammenfiel. 
Sonst  in  der  Interpretatio  romana  et  graeca,  dem  a-Stamm 
entsprechend,  -arim  -upio^. 


LEUDERITH. 

536*  werden  in  Horn  4000  Goten  befehligt  von  .tevöfgts 
(Proc.)  =  ostgot.  Leuderith. 

Zum  ersten  Teil,  auch  im  Leodifridus  des  Cass.,  vgl. 
ags.  leode  ahd.  liuti?  das  in  Namen  wie  piuda  nur  ver- 
stärkende oder  verallgemeinernde  Bedeutung  haben  wird, 
wenn  man  nicht  an  ags.  leod  „ Fürst4*  denken  will.4 


1  Möllenhoff,  Zs.  IX,  247. 

*  Süttcrlin,  Nomina  agontis  77  ff. 

3  Wackernagel,  Kl.  Sehr.  III,  404. 

4  Zimmor,  QF  XIII,  35. 

7* 


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loo 

MARCJA. 


Zuerst  als  Heerführer  in  Gallien,  dann  als  Commandant 
eines  der  sieben  Lager  vor  Koni  erscheint  5;U>  und  .r>:i7  bei 
Proc.  Mayy.iaq ;  wieder  mit  griech.  Endung  für  got.  Mark  ja  ; 
als  characteristischer  Beiname  entweder  secundäre /Vw-Ablei- 
tung  zu  got.  marka  „Mark,  Grenze,  Gebiet"  an.  m^r&ags.  mearc 
as.  marca  ahd.  marcha  oder  einfacher  Nomen  agentis  zu  *mark- 
jan  an.  merk  ja  ahd.  merken  „bezeichnen,  wahrnehmen,  ver- 
stehen" (vgl. das  mhd.  Adj.  merke  „aufmerksam");1  Anknüpfung 
an  got.  *marh  an.  marr  ags.  mearh  alid.  marah  verbietet  die 
Schwäche  des  got.  //,  Proc.  hätte  dann  Maytaq  geschrieben. 

H  TN  ILA. 

Der  Feldherr  des  Witigis,  welcher  i.  .1.  W7  zusammen 
mit  Pitzia  vor  IVrusia  von  einem  römischen  Heere  ge- 
schlagen und  gefangen  wurde,  heisst  bei  .Jord.  Hiwtrifa 
Hiniila ,  bei  Proc.  OvviXa^:  ein  secundärcr  Hypocorismus, 
zu  dessen  Stammwort  oben  S.  82. 

WILIOISL. 

Ein  Commandant  von  (>00  Goten  in  Tudertum  537 
und  TMS:  OvhylöaXnq  Proc. 

Zum  ersten  Teil  oben  S.  H7  f.;  Ovh-  für  OviXt-  wie 
-aowita  für  -oovtr&a  u.  ä.  giebt  den  besten  Beweis  für  die 
halbvocalische  Natur  des  got.  u\  das  im  Ohre  des  Griechen 
silbenbildend  klingt  und  den  eigentlichen  Wurzelvocal 
verschlingt. 

Zum  zweiten  Teil  oben  S.  91.  Die  dem  Nichtgermanen 
unbequeme  Lautverbindung  sl  ist  hier  nicht  als  sei,  sondern 

1  Für  die  A  mal  in  dea  4.  Jahrhs.,  welche  jetzt  in  Mommsens  Jord. 
122,  6  Vadawerctt  heisst,  geben  OBXY  riclitigeres  -»nur-  (s.  Müllen- 
lioff  im  Index);  ja  vielleicht  ist  das  -marica  XY  in  -mareia  umzustellen, 
welches  obigem  Markja  an  die  Seite  träte;  dann  wilrc  das  Etymon 
auch  in  zweigliedrigem  Ootennamon  erwiesen,  und  aus  pinem  solchen 
wäre  obiger  Mai'kja  Koseform. 


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101 

durch  Svarabhakti  umgangen  oder  mundrecht  gemacht, 
während  der  gleichnamige  Wiligisclus  bei  Cass.  den  andern 
Ausweg  zeigt. 

W  IS  AND. 

Öviauvöog  ist  bei  Proc.  an  zwei  Stellen  Name  eines 
gotischen  Heerführers,  vermutlich  eines  und  desselben.1 
An  der  ersten  Stelle  führt  er  den  Doppelnamen  Oxhavdoq 
ßavtidkdmoc,  und  hiervon  ist  letzteres  der  ursprüngliche, 
normal  zweigliedrige  Name  des  Goten,  ersteres  characteri- 
stischer  Zuname.  Dieser,  als  solcher  im  Germ,  nicht  ver- 
einzelt,- ist  nichts  anderes  als  das  ursprünglich  dem  Keltischen 
entstammende  an.  visundr  ags.  wesend  ahd.  wisnnt  mhd. 
wisent  wisente  wisant  „Wisend.  Bisonochse" ;  got.  *wisands 
mit  derselben  Ablautsstufe  in  der  Ableitungssilbe  wie  z.  B. 
im  got.  Vogelnamen  ah-aks  gegenüber  den  an  haukr  < 
Viqb-ukr  ags.  heafoc  ahd.  hab-uh  (ebenso  chran-uh).  Ein 
solcher  Beiname  passt  nur  zu  gut  für  den  gotischen  Helden, 
welcher  in  dem  Kampfe  vor  Korns  Toren  vom  Ansturm 
auf  Beiisar  erst  abliess,  als  ihn  die  dreizehnte  Wunde  nie- 
derstreckte, welcher  dann  für  tot  auf  dem  Schlachtfelde 
liegen  blieb  und  erst  am  dritten  Tage  noch  lebend  aufge- 
funden und  gerettet  wurde. 

WANDALARI. 

Sein  eigentlicher  Name  BavdaXdgio^  ist  öfter  fälschlich 
als  secundärer  Beiname  gefasst  und  mit  .Bannerträger" 
übersetzt  worden.3  Jedoch  einmal  sind  bei  Proc.  die  germ. 
Titel  nie  mit  in  den  griech.  Text  übernommen,  und  z.  B. 
alle  duces,  comites.  saiones  heissen  bei  ihm  gleichmässig 
ug/ovTfg;  ferner  ist  das  gelegentliche  appellativische  fidvdov 


1  Dahn,  Könige  IV,  174. 

*  Ein  gleichnamiger  Heruler  bei  Proo.,  ein  Westgote  Whandus 
683.  688;  Förstemann,  Namenbuch  I,  1331. 

•  Wackernage),  Kl.  Sehr.  III,  389;  Dahn,  Urgeschichte  I,  258; 
Coote,  GSddV,  Proc.  Got.  S.  54,  Anm. 


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102 


(z.  B.  I,  415,  20),  wenn  auch  sein  germ.  Ursprung  zweifel- 
los, grade  das  römische  Heereszeichen  (ebenso  I,  448,  5 
ßuvöntfÖQoq  der  römische  Bannerträger);  endlich  bliebe  für 
BavdaXaQioc  der  ableitende  Zusammenhang  mit  got.  bandtca 
handwö  rätselhaft.  Vielmehr  ist  der  Name  derselbe  wie 
der,  welchen  ein  Amale  des  4.  Jahrhs.  führt:  Vandalarius 
(al.  Vandiliarius)  Jord.,  d.  i.  ostgot.  Wandalari,  syncopiert 
aus  *Wandala-hari ,  ein  mit  einem  Völkernamen  com- 
ponierter  Personenname,  ähnlich  dem  Vhiitharius  bei  Jord. 
(Winitarius  Cass.  Var.  XI,  1),  wie  Ermanarics  Nachfolger 
heisst,  d.  i.  der  „Wendenkämpfer".1  BavdaXu(jtog  ist  die  un- 
mittelbare Übertragung  aus  dem  lat.  Vandalarius  (daher 
auch  das  anlautende  ß),  ungeachtet  des  sonst  als  BavdiXm 
graecisierten  Volksnamens  (vgl.  die  Var.  VandilUtritts,  noch 
ohne  Syncope  und  mit  i  als  Compositionsvocal,  bei  Jord. 
und  den  Ostgoten  Wand'd  bei  Cass.).  Sonst  zum  ersten 
Teil  des  Namens  Wand.  38  f. 


WACI. 

Ein  weiterer  aQ/fivrojv  tt$  ot  x  urf  urtjq  ni'tjo-  aus  dem 
Jahre  5:57:  Ovaxi^  Proc,  vielleicht  derselbe  wie  jener  Maior 
domus,  dessen  Name  bei  Cass.  Var.  X,  18  im  Acc.  Waccenem 
lautet.  Der  zu  Grunde  liegende ,  auch  sonst  im  germ. 
Namenschatze  erscheinende  Stamm3  kann  kein  andrer  sein 
als  der  in  nhd.  wach.  Dieses  aber  ist  ein  ganz  junges, 
erst  seit  dem  vorigen  Jahrh.  belegtes  Adj.4,  das  in  den 
älteren  Perioden  und  Dialecten  durch  die  r-Ableitung 
*wakrs  an.  vakr  ags.  wacor  ahd.  wacchar  ersetzt  wird  (auch 
in  Namen,  vgl.  Odowacar  u.  ä.).  Bei  Namen  ohne  diese 
r-Ableitung  ist  unmittelbar  vom  verbalen  got.  wakan  an. 
oaka  ags.  wacian  as.  wakön  ahd.  wahhen  auszugehen,  und 


1  Müllenhoff,  Zs.  XII,  291,  Mummsens  Jord.  S.  144,  DA  II, 
8S.  120. 

*  Dahn,  Könige  IV,  174. 

3  Fürstentum],  Namenbuch  I,  1222  f. 

«  Kluge,  KW«. 


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103 


ostgot.  Waci  =  wulf.  *Wakjls  ist  primäre  Koseform  mit 
dem  ya-Suftix  zu  einem  Vollnamen  wie  ostgot.  Wacimuth 
oder  dem  iiischriftlichen  westgot.  Ebrovaccus  von  527 1 
oder  dem  inschriftlichen  bürg.  Onovaccus  von  gleichem 
Jahr,2  von  denen  die  beiden  letzteren  deutlich  das  secundäre 
Nomen  agentis  zu  wakon  mit  dem  a-Suffix  zeigen.  Cass.'s 
Acc.  Waccenem  reflectiert  alte /«-Bildung  (vgl.  wulf.  *  \\ akhts 
*  Wakin),  und  so  scheint  neben  dem  /«-Hypocorismus  Waci 
der  (///-Hypocorismus  Waca  bestanden  zu  haben  wie  oben 
S.  56  f.  Theudi  neben  Theoda. 

ALBI 

Der  Name  des  (-roten,  welcher  eine  Gesandtschaft  des 
Witigis  i.  .1.  5:i7  zu  Beiisar  führte  und  bei  Proc.  im  Acc. 
"Jhflqv  heisst ,  ist  ein  gleicher  /fl-Hypocorismus  zu  einem 
mit  an.  dl/r  ags.  wlf  ahd.  mlid.  alp  gebildeten  Vollnamen: 
ostgot.  Albi,  wulf.  * Albeis.  Dazu  das  secundäre  Albila 
weiter  unten.  Über  Alp-  in  Eigennamen  s.  W.  Grimms  .Ein- 
leitung über  die  Elfen",3  welcher  aus  der  Häufigkeit  solcher 
Namen  schliesst.  „dass  man  sich  dabei  nichts  Böses  noch 
Gehässiges  dachte- ;  dazu  kommt,  „dass  seit  der  Bekehrung 
das  christliche  tngil  ebenso  wie  früherhin  alp  zu  Namen- 
bildungen gebraucht  wurde  und  insoweit  an  seine  Stelle 
trat" :  vgl.  neben  Albi  AWila  weiter  unten  Anyelfrith. 

WILJA. 

.W8  wird  ein  Ovh'ac  (Proc.)  als  gotische  Geisel  gegen 
einen  Köhler  eingetauscht :  ostgot.  Wilfa,  wie  der  Name 
bei  Cass.  an  fünf  Stellen  vorkommt;  primäre  Koseform.4 

1  CIL  XII,  2.YS4. 

?  Wackernngel,  Kl.  Sehr.  III,  351.  406. 
3  Kl.  Sehr.  I,  40*)  ff.,  besonders  439  f.  44"). 

*  Zu  dem  Inrilia  bei  .Toni.  131,  2G  h.  Möllenhoff  im  Index.  Für 
Alaricus  findet  sieh  bei  Cass.  Vur.  die  Lesart  Inalaricus  V  (III,  1.  2.  4J. 
Das  in-  wird  hier  steigernde  Function  haben  und  die  ehrenvolle  JJe- 


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101 


W1LITHEÜ. 

Ein  Oheim  des  Witigis  fallt  i.  J.  538:  bei  Proc.  im 
Aec.  Ovti&tov.  Der  zweite  Teil,  got.  plus  an.  -per  ags. 
peöw  ahd.  deo,x  bedeutet  in  Namen  den  Wehr-  und 
Waffenfähigen,2  womit  auch  eine  funetionelle  Stütze  dafür 
gewonnen  ist,  dass  germ.  *petvaz  und  *peg-naz  (ags.  pegn 
ahd.  degan)  nur  durch  den  grammatischen  Wechsel  ge- 
schiedene Formen  desselben  Stammes  sind.3 

G1BIMER. 

Der  Oommandant  von  1000  Goten  in  Clusium  538  bei 
Proc.  im  Ate.  rifii,ut()u. 

ALBILA. 

Der  gotische  Commandant  von  Orvieto  in  den  Jahren 
538  -539:  l-iXptkag  Proc. 

MORUA. 

Der  Führer  von  2000  Goten  in  Urbinum  538 :  /IVo^r«, 
Proc.  Ostgot.  Aforra,  Kosebildung  zu  einem  mit  dem  mau- 
rischen Volksnamen  (lat.  Maurus,  ahd.  mhd.  mar4)  com  ponierten 

deutung  des  Namens  noch  besonders  hervorheben  sollen.  Einen  solchen 
steigernden  Zweck  hat  es  auch  sonst  in  der  got.  Composition:  vgl. 
htati8  „verständig*  inahei  „8ittsamkeitu  mit  aha  „Sinn,  Verstand", 
inmaidjan  und  tnaidjan  „verändern",  8tcinpjan,  inswiiipjan,  gaste i»p ja n 
„stärken".  Mit  lnwilja  vgl.  man  den  Namen  einer  Gemahlin  dos 
Frankonkönig»  Chlothars  I.  Ingundis  bei  Fredeg.  106,  19  oder  den 
eines  Burgunden  von  537  Ingildus  CIL  XII,  2405.  Anders  Wacker- 
nagel, Kl.  Sehr.  III,  374. 

1  Wand.  85  und  oben  S.  97;  reiches  Namenmaterial  Zs.  f.  d. 
Mythol.  III,  141  ff. 

*  Müllenhoff,  Zs.  XII,  298. 

*  Vgl.  schon  J.  Grimm,  Kl.  Sehr.  III,  110  ff. 

*  Vielleicht  zu  vgl.  Müllenhoff,  DA  II,  97. 


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-    1 05 


Vollnamen,  mit  ostgot.  Monophthongierung1  und  hypocori- 
stischer  Consonantendehnung. 

ORAJA. 

In  den  Jahren  538—540  wird  ein  Neffe  des  Witigis 
erwähnt:  Oraio  Marcoll.,  Ovodtu^  Proc.  Die  schwache  got. 
Endung  -a  bei  dem  Lateiner  entsprechend  latinisiert,  bei 
dem  Griechen  in  andrer  Weise  graecisiert.  Sonst  aber 
bleibt  die  Namenbildung  rätselhaft.  Vielleicht  steht  Oruja 
für  Oragja  mit  dem  unter  „Sajo"  näher  zu  behandelnden 
Schwund  eines  g\  dann  könnte  Oragja  =  Or-hagja  sein 
(ostgot.  ör-  =  wulf.  *aur-  „ feucht",  vgl.  ahd.  Or-eniil  und 
unten  u.  „ Oswin",  und  hagja  eine  jcut- Ableitung  zu  an. 
hage  ags.  haga  ahd.  hag)  und  als  Beiname  seinen  Träger 
als  den  Besitzer  eines  feuchten  Weideplatzes  (so  hage  im 
An.)  bezeichnen.  Oder  etwa  ostgot.  O-ragJa  =  wulf. 
*Hauh-hragja  „der  Hochragende",  vgl.  ags.  ofer-hragian 
„überragen"  ? 

WACIMUTH. 

Ovaxtfiog,  der  Sieger  von  Ancona  5:39,  Proc.  Dahn 
nennt  ihn  WachwnU*  und  diese  Auffassung  des  Namens 
ist  ansprechend:  -/ioc  bei  Proc.  für .  ostgot.  -moth,  wulf. 
-mops  würde  genau  seinem  ständigen  -ote  für  ostgot.  -rUh, 
wulf.  -rep 8  entsprechen ,  worüber  oben  S.  89 ;  vgl.  zu 
'Eß{Hfiov&  bei  ihm  die  Var.  'Eßgi/no*;. 

SISIGIS. 

^ufr/ig  gotischer  Commandant  in  der  Provinz  der 
cottischen  Alpen  539,  Proc. 


1  Hingegen  zwei  Westgoten  Maureco  bei  Julian.  Toi.  (Dietrich, 
Aussprache  d.  Got.  35)  und  Maurila  vom  3.  Conc.  Toi.  (Dietrich  37). 
•  Könige  IV,  174. 


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Das  erste  in  germ.  Eigennamen  häutige  Compositions- 
glied 1  Jiat  man  entweder  als  Contraction  von  ursprüng- 
lichem sigisi-2  zu  deuten  gesucht3  oder  an  das  alte  sisna4 
„Totenklage ~,  dann  überhaupt  .carincn  magicum"  fauch  in 
sisesang  sesspilon  u.  s.  w.5)  angeknüpft.6  Beide  Er  klärungs- 
versuche können  Kecht  behalten.  Das  alte  sisna  lässt 
schon  in  ahd.  sisesang  u.  ä.  sein  w-Suftix  nicht  mehr  er- 
kennen und  wird  daher  ebenso  in  vielen  der  Sisinand, 
Sisebut,  Sesuald  u.  s.  w.  stecken.7  Gut.  *siswa  (gegenüber 
lat.  sermo  <  *ses-mo  mit  selbständigem  ?r-Suftix  wie  got. 
taths-tra  gegenüber  lat.  dex-ter)  hätte  als  erstes  Compo- 
sitionsglied  wulf.  siswa-  zu  lauten,  mit  späterer  Abschwä- 
chung  sistec-  siswi-;  wenn  nun  die  vocalische  Natur  des  post- 
consonantischen  w  schon  in  der  Wurzelsilbe  so  stark  war, 
dass  es  im  griechischen  Ohre  den  eigentlich  silbenbildenden 
Vocal  übertönte,  wie  regelmässiges  -aow$a  für  got.  -strinfia, 
häutiges  Oiü/-  für  got.  WM-  zeigen,  dann  konnte  um  so 
leichter  obiges  siswi-  zu  sisn-  in  der  Compositum  werden, 
und  dieses  ist  dann,  wie  got.  filn-  in  Felithanr.  *wisn-  in 
Wisibadn,  sign-  in  Sigiwulth  weiter  behandelt  worden. 
Andrerseits  jedoch  wird  noch  in  saio  für  got.  *sagja,  Dada 
für  *J)agila  der  gelegentliche  Schwund  des  intervocalischen 
spirantischen  g  bei  folgendem  *  oder  j  zu  eonstatieren  sein, 
und  demgemäss  kann  Sisi-  auch  aus  *  Sigisi-  über  *8iisi-  hervor- 
gegangen sein.  Wir  entscheiden  uns  hier  für  die  erstere  Deu- 
tung, weil  Cass.  einen  Sigistner,  nicht  Sigisimer  überliefert. 
Aber  die  Ähnlichkeit  beider  Bildungen  kann  bei  ihrer  Bedeu- 

1  Förstemann,  Namenbuch  I,  1108  ff. 
*  Vgl.  oben  8.  85. 

8  Dietrich  74;  Bezzenberger,  ,4-Reihe  11. 
4  Graff  VI,  2X1. 

6  Grimm,  Gdd8  235;  Müllenhotr,  Dm.»  550;  Jcllinghuus,  Korre- 
spondcnzbl.  d.  V.  f.  nd.  Spr.  1887,  S.  77. 

6  Müllcnhoir,  De  antiqu.  Gt-rm.  poesi  cliorica  25;  zuletzt  Kögel 
in  Pauls  Grundriß  11,  169. 

'  Henning  will  DLZ  1887,  Sp.  15')0  den  Wandalen  Scrsao  Sesao 
bei  Vict.  Vit.  ebenso  als  Settno,  d.  i.  SfSico  erklären.  Meinen  Deutungs- 
versuch Wand.  06  gebe  ich  danach  und  aus  andern  Gründen  gern  auf, 
möchte  aber  den  Namen  überhaupt  für  ungermanisch  halten. 


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I 


107 

tungsschwäche  in  Eigennamen  früh  zu  mechanischer  Ver- 
wechslung geführt  haben. 

Wir  behandelten  bis  hierher  die  Namen  der  Ostgoten, 
welche  uns  in  den  historischen  Quellen  bis  zum  Ausgang 
der  Regierung  des  Witigis  überliefert  und  mehr  oder  weniger 
genau  datiert  sind.  Ks  mögen  sich  hier  die  Ostrogotica 
aus  Cassiodors  Varien  anschliesscn,  da  letztere  zwischen 
538  und  540  herausgegeben  wurden.  Ich  verweise  auf  8. 
24  ff. ,  namentlich  auch  auf  das  S.  2o'  Gesagte  von  der 
Überlieferung  der  Varien  und  füge  hinzu,  dass  es  mir  bei 
der  Niederschrift  des  folgenden  Abschnittes  vergönnt  war, 
die  ersten  29  Aushängebogen  der  neuen  Ausgabe  (bis  üb. 
VIII,  2)  einsehen  zu  dürfen.  Ich  gebe  zunächst  die  Schrei- 
bungen denjenigen  Namen  in  den  Varien,  welche  von  uns 
bereits  behandelt  wurden,  weil  sie  noch  in  anderen  älteren 
Quellen  erschienen,  und  schliesse  dann  alle  die  an,  welche 
hier  zuerst  begegnen. 

Immer  Gothi  (doch  Wisigothae  III,  1.  3).  Hawaii  IV, 
1.  39.  V.  43  u.  ö.  Immer  Theodericus.  Amalafrida  IX,  1 
(Amale-  Gb).  Amalasuintha  X,  1.  3.  8.  10.  32.  Arigermis  III, 
3(i.  45.  IV,  Iii.  22.  23.  43.  Gudila  II,  18.  V,  29.  Pitzia 
V,  29  (al.  Pithia).   Tancila  II,  35.    Triuuila  III,  20.  Jhba 

IV,  17.  Cunigastus  VIII,  28.  Immer  Atlmlaricus.  Wiliarit 
I,  38.  Immer  Theodahadus.    Witigis  X,  31-35.  Wilia  I,  18. 

V,  18.  19.  20.  IX,  13.» 

ANNA. 

I,  5.  IV,  18;  eine  primäre  Koseform  mit  hypocoristi- 
scher  Doppel consonanz  zu  einem  Vollnamen,  wie  ihn  etwa 
Anagastus.  der  thracisehe  Befehlshaber  von  4<>9,  trägt;2  zu 
ahd.  ano  mhd.  am  em;  dazu  das  secundäre  Anila  weiter 
unten,  das  also  in  seiner  Function  ungefähr  mit  Attila  synonym 
ist.    Wieder  eine  Vertauschung  dieses  Namengliedes  mit 

1  Daa  amalische  Almenverzcidini*  XI,  1:  Jfamolits,  Oxfroyothu, 
Äthala,  Winitarius,  l'nimandm,  Thörixmuth,  Walamen  Theiulinier. 
*  Müllenhoff,  Z».  X,  17.>:  Stark,  Kosenamen  52. 


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-  los 


*hapus  scheint  vorzuliegen,  wenn  das  Chron.  Moiss.  für 
Thcudathus  Theudadus  vielmehr  Theudanus  schreibt. 

MATJA. 

I,  5  der  Gen.  Mazenis,*  zu  dessen  Flexion  oben  S. 
102  f.  der  Acc.  Waccettem  zu  vgl.  Das  z  für  ti  beruht  auf 
römischer  Assibilation,  über  welche  oben  8.  72  f.  Mut  ja  ist 
ein  Neckname  und  bedeutet  den  „Esser*:  got.  matjan  (vgl. 
das  matzia  im  got.  Hexameter)  zu  tnats  an.  matr  u.  s.  w. 
„Speise". 

VMBISVO. 

Gehört  dieser  Dativ  I,  \\)  überhaupt  zu  einem  gotischen 
Namen,  so  könnte  Umhin-  zu  schreiben  sein  und  an  ags. 
umbor  „reeens  natus"  erinnert  werden,  das  einem  got. 
*ttmbis  entsprechen  könnte  wie  ags.  sigvr  got.  siyis*  Aber 
der  Schluss  des  Namens  bliebe  trotzdem  rätselhaft. 

NANDWIX. 

I,  24  ist  der  Acc.  eines  Sajonennamens,  Nandum,  schon 
von  Tross  S.  b'  richtig  in  Nanduin  gebessert.  Man  vgl. 
den  Nunticin  Nentwin  der  Heldensage.3 

Die  Schreibung  Nandum  Hesse  an  sich  auch  eine 
Auflösung  als  Nanduui  zu,  d.  h.  -wi(h),  über  welches  oben 
S.  74  f.  Die  sonstige  Oberlieferung  der  Valien  zeigt  je- 
doch, dass  Cass.  für  germ.  fr  nur  im  Anlaut  uu  schrieb, 
im  Inlaut  hingegen  und  hier  auch  beim  ursprünglichen  An- 
laut der  zweiten  Compositionsglieder  consequent  einfaches 
u ;  so  nach  LPM  wie  nach  BZG.4  Noch  wäre  Nandum 
zu  lesen  möglich  und  damit  altes  got.  tviu  erzielt,  das 
Müllenhoff  annahm/'  da  neben  dem  a-Stamm  wih  noch  ein 

1  Dahn,  Könige  IV,  164. 

2  Leo,  Ags.  Glossar  (Halle  1877),  4M2. 

3  W.  Grimm,  Heldensage  103.  137  f. 
«  Vgl.  oben  8.  78. 

5  Schmidts  Zs.  f.  Gesch.  VIII,  210.  264.  Zs.  f.  d.  A.  VI,  431, 
IX,  247. 


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los* 

v-  oder  wi-Stamm  herging 1 ;  und  wenn  der  Name  des 
Frankenkönigs  Ohlodowech  in  den  Var.  II,  41.  III,  3.  4 
Lmluift  oder  Luduni  geschrieben  wird,  dann  könnten  z.  B. 
die  Chlodovius  der  merovingisehen  Originalurkunden  zu  der 
Conjectur  Luduiu  veranlassen;  diese  wird  aber  durch  das 
Fehlen  einer  grade  hier  so  nahe  liegenden  lat.  Flexionsen- 
dung unwahrscheinlich  und  verbietet  sich  ferner  durch  den 
Lodoin  bei  Jord. ;  es  bleibt  daher  auch  hier  bei  Luduin,  d.  i. 
Ludwin,  dessen  zweite  Hälfte  hier  wiederum  aus  der  Ver- 
wechslung zweier  ähnlicher  Namenelemente  hervorgegangen. 

SAJO. 

Nandwin  ist  der  erste  Sajo,  welcher  in  den  Varien 
begegnet.  Dieser  amtliche  Titel  erseheint  liier  sein-  häufig 
(I.  24.  II,  4.  VX  20.  III,  20.  48.  IV,  14  u.  s.  w.)  und  ist 
immer  gleichmässig  als  sah  sahnis  überliefert. 

Was  das  ostgotische  Amt  selbst  betrifft,  so  sei  der 
Reihe  nach  verwiesen  auf  Manso  M4,  v.  ülöden  70  f.,  Dahn, 
Könige  III,  181  ff.  (hier  auch  ältere  Litteratur),  Monunsen, 
NA  XIV,  472  f.  Nach  letzterem  ist  der  Sajo  ein  Subaltern- 
beamter, der  Agens  in  rebus  gegenüber  den  Untertanen 
gotischen  Hechts,  welcher  königliche  Befehle  jeglichen  In- 
halts an  die  davon  betroffenen  Personen  zu  übermitteln  und 
ihre  Ausführung  zu  überwachen  hat.  Dem  Character  einer 
derartigen  königlichen  Vertrauensstellung  entspricht  es, 
wenn  wir  für  die  Sajonen  nur  gotische  Namen  finden,  wenn 
also  nur  unmittelbare  Stammesgenossen  des  Königs  sie  be- 
kleiden durften. 

Für  die  Etymologie  des  Wortes  sind  alle  früheren 
Deutungsversuche2  annulliert  durch  den  Aufsatz  Kögels  über 
die  „Sacebaronon"  der  hex  salica3.  Nach  dieser  dankens- 
werten Abhandlung  gehört  es  zu  der  Wurzel  seq  „ folgen* 
(ai.  sac  gr.  frro/mt  lat.  sequi)  und  ist  ein  hieraus  mittels 

'  Henning,  RunenUenkm.  35  f. 

*  Zu  lat.  sayitm;  spiitor  zu  an.  xnjjtt  ags.  trct/nn  a«.  scf/yian 
ahd.  xayt'n. 

3  z*.  xxxiii,  n  m 


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110 


Suffixes  ja  abgeleitetes  Adj.  sagja-  „folgend,  begleitend": 
letzteres  entstand  aus  älterem  *sagtrja-  wie  an.  ylyr  aus 
*uidywjä-  oder  ags.  meeg  (pl.  meegas)  aus  *tnagwja-  (zu 
magu  got.  magus)  und  deckt  sich  sowohl  lautlich  wie  in 
der  Bedeutung  mit  lat.  socius  aus  *sorp*h-s.  Und  wenn 
dieses  Adj.  sagja-  nach  Kögel  in  substantivischer  Function 
vorliegt  in  as.  segg  ags.  seeg  an.  aeggr,  dann  bietet  unser 
sr//0,  d.  i.  got.  *sayja,  eine  schwache  Substantivierung  dar 
wie  got.  gamainja  zu  gawains  u.  ä. 

Die  graphische  Consequenz  in  dem  einheitlich  über- 
lieferten sah  erklärt  sich  aus  amtlichem  Usus,  und  man  ist 
deshalb  noch  lange  nicht  berechtigt,  ihre  Eigentümlichkeiten 
auf  gotische  Lautverhältnisse  zurückzufuhren.  Ein  derartiger 
amtlicher  conservativer  Kanzleieinfluss  zeigte  sich  schon 
öfter;  wir  fanden  regelmässiges  Theodericus,  regelmässiges 
ungeschwächtes  Amala-  in  Compositis.  regelmässiges  Theo- 
dahadus  ohne  Syneope,  alles  amtliche  oder  historische  Formen, 
welche  eben  durch  ihren  häufigen  Gebrauch  in  Erlassen  und 
Urkunden  auch  für  Historiker  und  Steinmetzen  fest  geworden 
waren.  Daher  auch  die  lat.  Endung  -o;  für  die  ostgot. 
Appellati va  aber  darf  aus  dem  amtlichen  Terminus  noch  nichts 
geschlossen  werden,  vielmehr  zeigen  die  zahlreichen  Hypo- 
corismen  auf  -er,  -//ff,  -ica  u.  s.  w. .  dass  got.  schw.  -a  im 
Ostgot.  intact  geblieben.  Ebenso  verhält  es  sich  in  saio 
mit  dem  Ausfall  des  g.  Es  handelt  sich  hier  nur  (ähnlich 
wie  beim  got.  h)  um  eine  organische  Schwäche  des  spiran- 
tischen intervocalischen  g,  welche  letzteres  mitunter  in  der  lat, 
Transscription  unterdrücken  Hess;  dieselbe  Neigung  äussert 
sich  in  lat.  inschriftlichen  Frualitas,  Auste,  Trienta,  Cytheo 
(—  Cethego)1;  und  mit  Hecht  sagt  Arth.  Schmidt:  .Aller- 
dings ist  die  Form  sagio  gegenüber  der  von  andern  Quellen 
gebrauchten  Form  des  sah  sajo  als  die  ältere  zu  bezeichnen ; 
die  Form  sah  sajo  hat  jedoch  die  Fassung  sagio  nicht  ver- 
drängt, vielmehr  kommen  beide  Formen  neben  einander  vor, 
und  lässt  sich  speciell  die  Schreibweise  sagio  bis  ins  Y.\.  Jahrb. 
hinein  verfolgen. *  2    Wenn  daher  auch  das  latinisierte  sah 

1  Soelmann  34«. 

2  Zh.  <J.  Savigny-Stiftunj?  IX,  2X>. 


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-  tu 


als  die  Urkundenform  des  Titels  feststeht,  so  ist  das  vul- 
gärgot.  Appellativuni  doch  ohne  Bedenken  als  *xa</ja  zu 
restituieren.1 

HUNSLA. 

I.  20  Umcilae  (Gen.):  Name  eines  Geistlichen.  Mit 
dieser  Lehensstellung  harmoniert  die,  wie  ich  nieine,  einzig 
mögliche  Etymologie  des  Namens:  *Hunshi,  als  primäre 
Koseform  zu  *Hunslamtmd  o.  ä. ,  von  got.  Inmsf  „Opfer, 
heiliger  Dienst"  an.  hual  ags.  html.  Das  genn.  d  ist  hier 
zu  seil  bequemt.2 

OANDAC. 

I,  M  Camlacis  (Gen.).  Auch  hei  Jord.  erscheint  der 
Name:  des  .Jord.  Grossvater  war  hei  einein  Alanen  Candar 
(120,  20.  21.  22)  Notar.  Der  Name  ist  also  alanisch,  nicht 
gotisch. 

BOJO. 

T.  38  Boioni  LJ\  Coiotri  M  (Dat.):  Name  eines  unge- 
treuen Vormunds; 3  Knschildung  zu  einem  Mannesnamen, 
der  mit  dem  Volksnamen  der  Bojer  zusammengesetzt  war 
(vgl.  fioiorix*),  keltischer  Lautgehung  entsprechend.5  Die 
Lesart  Coio  wird  für  Goio  stehen,0  d.  i.  ostgot.  (*oja,  wulf. 
*Gnuja  (*Gawjn)7,  Koseform  zu  Widiyoja  o.  ä. 

OSWIN. 

Oswin  heisst  der  Vir  illustris  eomcs,  an  welchen  T,  40. 
III,  20.  IV.  9.  IX,  8  gerichtet  sind  (dazu  noch  in  IX.  9) 

1  Vgl.  übrigens  schon  Diefenbach ,  Vgl.  Wörtorb.  ilor  got.  Spr. 
(Frankf.  n.  M.  1851)  H,  184. 

9  Wand.  ö2;  oben  S.  100. 

«  Dahn,  Könige  IV,  147. 

4  Möllenhoff,  DA  II,  119.  120. 

s  Möllenhoff,  DA  U,  328. 

c  Vgl.  oben  S.  05. 

7  Dietrich  07.    Wuml.  93. 


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und  welcher  zweimal  als  Comes  Dalmatiae  et  Suaviae  er- 
scheint. Die  übereinstimmende  Form  des  Namens  in  den 
Codd.  ist  Osuhi  (M  Asnin  I.  40,  Osum  III,  2<>,  LT'  Osunin 
III,  20). 

Man  denkt  zuerst  an  einen  importierten  ags.  Namen 
(ags.  Oswine,  Wids.  20,  der  natürlich  auf  *ons-  *an$-  zu- 
rückgeht). Aber  Cass.  (resp.  der  Ostgote)  pflegt  die  Eigen- 
namen der  nichtgotischen  Stämme  zu  gotisieren:  den  Wand. 
Geiserir  nennt  er  mit  ostgot.  Monophthongierung  Ge(n)sirints, 
den  Franken  Cklodowech  mit  ostgot.  Unterdrückung  des  im 
Frank,  stark  articulierten  Gutturalanlauts  und  mit  ostgot. 
Schwund  des  Compositionsvocals  vor  fr  Lttduin.  Demgc- 
mäss  würde  er  auch  ein  ags.  Oswine  als  Atisuin  wieder- 
geben, zumal  das  erste  Namenglied  auch  in  wandil.  Namen 
geläufig  war:  sogar  ein  Amale  heisst  Atisila  Jord.  77,  2, 
ebenso  ein  Wandale  Wand.  72.  Wir  müssen  Oswin  deshalb 
als  ostgot.  Form  zu  deuten  suchen.  Der  erste  Teil  des 
Namens  kann  bei  dem  festen,  nicht  in  u  sehwankenden  o 
der  Stammsilbe  nur  ostgot.  Monophthongierung  zeigen  aus 
*ans-  *ausa-,  der  altidg.  Benennung  der  Morgenröte:  ai. 
usus  gr.  r,(6g  lat.  aurora  lit.  auszrä.1  Nicht  hierher  gehört 
ahd.  Ör-entil2  ags.  Edr-endel  an.  Aur-randUl,  denn  diese 

1  Die  Weiterbildung  'uus-fra-  oben  S.  48  in  den  Ostrogotae.  An. 
austr  ags.  edxt  nhd.  dstan  „Osten"  und  alle  hierher  gehörigen  Ablei- 
tungen zur  Bezeichnung  Östlicher  Himmelsrichtung  sind  in  ihren  Bil- 
dungen ursprünglich  zu  trennen  von  ags.  edster  ahd.  öntara  „Ostern" 
(vgl.  Sievers,  Beitr.  V,  526):  letzteres  ist  eine  schon  idg.  Bildung  oder 
Ableitung,  und  das  /  im  Namen  der  altgerm.  Frühlingsgöttin  Auströ  ist, 
wie  das  ai.  usrd  zeigt,  nur  das  phonetische,  nicht  ableitende  gerra.  / 
(wie  in  xwextr-  gegenüber  ai.  srdsä,  Dat.  svasri  u.  s.  w.) ;  dagegen  ist 
in  den  Bezeichnungen  für  Ost  und  ostlich  der  Dental  suffixal  und  zwar 
ursprüngliches  />,  der  an  obiges  aus-  (vgl.  lat.  ausser  gr.  aty-ior)  antrat 
und  nach  dem  *  zu  /  wurde.  Ebenso  wes-t-  (an.  vestr  ahd.  tcestan)  zu 
it  rs-  m's-  (vgl.  lat.  ven-per  gr.  h-xe'ea,  Wisi-gothae  oben  8.  48,  7);  ver- 
mutlich auch  stid-,  d.  i.  sund-  (an.  sunnan  ags.  sup  as.  süth  ahd.  sundan) 
aus  germ.  sun-p-  zu  sun-  (got.  sun-n6);  endlich  nord-  (an.  norpr  ags. 
norp  as.  north  ahd.  novd),  d.  i.  germ.  nor-p-  (vgl.  an.  wor-n,  pl.  nor-nir? 
Weinhold,  Zs.  VI,  460). 

8  Kluge  stellt  es  hierher,  EW4  254  und  ebenso  in  Pauls  Grund- 
riss  I,  399;  dgl.  W.  Müller,  Zur  Mythologie  der  griechischen  und 
deutschen  Heldensage  I18H9),  S.  100. 


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-  Ii:; 


müssen  gemeingerm.  r,  nicht  2  enthalten,  weil  andernfalls 
im  An.  7?-Umlaut,  also  *Eyr-vamlill  zu  erwarten  wäre  (vgl. 
an.  et/ra  —  got.  amö  *au2Ö,  an.  reyrr  —  got.  raus  *rauza  l) ; 
sie  stellen  sich  vielmehr  zu  an.  aurr  Jiumus,  Feuchtigkeit*1 
ags.  edr  „Meer,  Ocean--,  welche  demnach  germ.  aura- 
voraussetzen 3 ;  man  beachte  auch  in  der  Heldensage  das 
Nebeneinander  von  Namen  wie  Orendel  u.  ä.  einerseits, 
Oserich  (im  Biterolf)  u.  ä.  andrerseits.4 

8UNA. 

Ein  Comes  Sutia  II.  7,  Sana  III,  Kr»:  an  erster  Stelle 
mit  extremem  ti,  an  zweiter  mit  altem  6  geschriebene  Kose- 
form eines  Namens,  dessen  eines  Glied  sich  zu  an.  sdti 
„Sühne"  ahd.  suoita  .Urteil.  Gericht"  stell t.''' 

FRUMARITH. 

Ein  Sajo  Theoderics  II,  V\  Fruma  rith  LT,  -r/7  L'M. 

Das  erste  Glied  zu  got.  fruma  „primus*.  fr  ums 
„initium",  an.  ags.  frum-  (ags.  fruma  „Anfang",  as.  ahd. 
fruma  „Nutzen,  Vorteil").7 

BUTILA. 

II,  17  der  Name  eines  Presbyters  im  Dat.  Butilaui*: 
//-Flexion  zum   Nomin.   Butila ,   wulf.   *B6tila;  got.  böta 

1  Noreen  §  68,  5. 

«  Zimmer,  QF  XIII,  57;  Möllenhoff,  DA  I,  34,  jedoch  nicht 
got.  *auz. 

»  Fick,  Vgl.  Wörtern.  III*,  7.  Für  das  ngs.  Appellativuni  räremhl 
—  lat.  Jübar*  bloibt  dann  freilich  keine  andre  Erklärung  als  die  von 
Müllenhoff,  DA  I,  33  f.  versuchte,  dass  hier  ein  Eigenname  zu  einem 
Appellativum  herabgesunken  sei  (vgl.  das  an.  Aurvatuiil*  tä). 

*  Bei  letzterem  nimmt  freilich  Müllenhoff,  Zs.  X,  172,  altes  got.  6 
an,  weiss  aber  sonat  ebenso  wenig  eine  Deutung  wie  Heinzel,  Anz. 
IX,  249. 

*  Dahn,  Könige  III,  179. 

*  Vgl.  Sunilda  Jord.  91,  15  und  Müllenhoff  im  Ind. 

1  Förstemann,  Namenbuch  I,  436  f.;  «eine  locale  Beschränkung 
ib.  widerlegt  obiger  Ostgote. 

"  Dahn,  Könige  III,  143. 
qf.  i.xviu.  s* 


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1U 


„Nutzen*  an.  böt  .Besserung,  Ersatz,  Busse"  ags.  bot 
„Nutzen"  as.  böta  .Heilung,  Busse"  ahd.  bitoza  .geistliehe 
und  rechtliche  Busse".  Hatte  das  ostgot.  Appellativuni  schon 
eine  specielle  theologische  Bedeutung,  so  kann  sich  Rutila 
als  Name  eines  Geistlichen  zu  obigem  Huvsla  (S.  111)  stellen. 

WILIGIS. 

II,  20  der  Dat.  Wiliyis;  L'  Willigis  mit  hypocoristischer 
Gemination,  M'  romanisiert  Guiligis. 

ADILA. 

Die  Verwaltung  kirchlicher  Güter  in  Sicilien  übernimmt 
nach  II.  29  ein  Graf  Adila. 

Ein  secundärer  Hypocorismus  \  zu  welchem  die  ostgot. 
Vollnamen  Aderith,  Ademund,  Adiuth  zu  vgl.,  und  daher 
nicht  mit  Athafa  (oben  S.  84)  als  ursprünglich  suffixablautend 
zu  verbinden.  Ad-  mit  tönender  Spirans  flu-  wulf.  ist 
die  suffixlose  Wurzel  zu  *apal  (oben  a.  a.  ().).- 

ALOISO. 

So  der  Name  eines  Architecten  H,  :tt>  im  Dat.  Schwer- 
lich gotisch;  schon  sein  Gewerbe  spricht  dagegen. 

SUN1WATH. 

III,  VA  Suvhivado  der  Dat.  eines  Namens,  dessen  Träger 
.ad  finienda  iurgia"  nach  Samnium  geschickt  wird.* 

Zusammenstellung  des  ersten  Namengliedes  mit  obigem 
Suva  (S.  11:5)  hindert  der  Stammesauslaut  -i,  welcher  vor 
folgendem  Halbvocal  wahrscheinlich  geschwunden  wäre. 
Vielmehr  liegt  got.  suuju-  vor  (vgl.  Sunjefvith),  dessen  a 
vor  dem  folgenden  w  getilgt  wurde,   sodass  sunt-  übrig 

1  Mit  dem  andern  .SecundäreufRx  ein  Westgote  Adica  564,  CIL 
XII,  2187. 

«  Vgl.  den  westgutischen  König  Mh)auul/us  bei  Jord.  (a.  410—415). 
Sonst  Förstemann,  Namenb.  I,  130  ff. 
3  v.  Glödcn  5">. 


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115 


blieb:  möglich,  dass  die  Schreibung  sunhi-  den  alten  Halb- 
vocal  eharacterisieren  soll1;  got,  nun  ja 2  „Wahrheit"  an. 
syn  „Leugnen,  Verweigerung"  as.  sannea  „Not*  ahd.  summ 
„auf  Wahrheit  beruhendes  Rechtshindernis". 

Das  zweite  Glied  des  Namens  ist  starkes  Nomen  agentis 
mit  dem  (/-Suffix  zu  got.  *wadan  an.  vapa  ags.  wadan  ahd. 
watan  „gehen,  dringen",  wulf.  *waps  ostgot.  wath  (nach  rith).' 
Henning4  stellt  die  hierher  gehörigen  Namen  lieber  zu  got. 
wadi  „Unterpfand" :  wenigstens  für  die  ostgot.  Namen  ist 
das  abzulehnen,  weil  in  ihnen  von  der  /«-Bildung  des  got. 
Appellativums  nichts  zu  merken  ist.  Wenn  aber  Dietrich 
und  nach  ihm  Bezzenberger 5  -vadus  lesen,  d.  i.  wulf.  ~wrp-, 
so  ist  das  der  gleiche  Fehler,  wie  wenn  Kremer c  den  Goten 
Erpaniara  als  Erpa-mara  fasst!  Die  Variante  Sunibado 
in  Ml  darf  nicht  mit  dem  üblichen  Wechsel  von  v  und  b  im 
Lateinischen  abgetan  werden,  denn  got.  anlautendes  b  blieb 
natürlich  auch  in  der  Komposition  explosiv:  vgl.  ebenso 
zum  //oben  S.  t>5  und  sonst  8.  !);  auch  kommt  dieser  Wechsel 
z.  B.  bei  den  mit  -win,  -wulf  componierten  Namen  nie  vor, 
obgleich  deren  w  in  der  Komposition  immer  als  v  erscheint 
(S.  108).  Ks  wird  daher  wiederum  eine  Y'ertausehung  zweier 
namenschliessender  Konipositionsglieder,  nämlich  -wud-  und 
•bad-  vorliegen." 

MAIiABADU. 

Marabadus,  Kornes  in  Massilia,  III,         IV,  12.  4(J; 
in 7i ofiäxo*\s    Der  erste  Teil  —  got.  *tnarha-  (an.  marr 

1  Vgl.  unter  „Gundwulf". 
'  Schlüter,  Suffix  ja,  42. 

8  Vgl.  auslautendes  -wat  -und  bei  Förstemann,  Namenbuch  I,  1224. 
*  Runendenkmüler  113. 

5  Aussprache  63.    yl-Reihe  12. 

6  Beitr.  VIII,  43<J.    Vgl.  unter  „Amara*. 

7  Von  den  beiden  zu  Suniwath  möglichen  Hypocurismen  kann 
der  eine  vorliegen  in  Sunnia  (mit  hypocoristiseher  Gemination),  dem 
Namen  eines  der  beiden  got.  Geistlichen  in  dem  bekannten  Briefe  des 
Hieronymus  um  390,  der  andre  in  dem  *\Vada  an.  Vapi  ags.  IIW« 
der  Heldensage  (Müllonhoff,  Zs.  VI,  02  tf.). 

9  MüUcnhoff,  DA  II,  120. 

8* 


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in; 

ags.  mearh  ahd.  nutrah)  „Pferd"  mit  geläufigem  Schwund 
des  got.  Anknüpfung  an  *mar  warei  (wulf.  mari- 
saiics)  hindert  der  Stammesauslaut,  dessen  Färbung  zu  ost- 
got.  /  hier  vielleicht  grade  aus  diacritisehen  Gründen  auf- 
gehalten wurde. 

Der  zweite  Teil,  wulf.  *badns  badwa-,  ist  secundäre  ^-Bil- 
dung zu  *badwa-  an.  bop  ags.  beadu  „ Kampf";  vgl.  den  secun- 
dären  Hypocorismus  Badwila  unten.1  Dass  für  wulf.  *badns 
ostgot.  Hadn  ohne  Nomin.-s  anzusetzen,  ist  nach  Vftahari  nur 
zu  vermuten,  nicht  durch  Belege  zu  erweisen. 

WANDIL. 

III,  WandU,  got.  Befehlshaber  in  Avignon;  so  als 
Dat.  Ks  liegt  also  kein  secundärer  Hypocorismus  Wmidüa 
vor  .  sondern  ein  selbständiges  starkes  wulf.  *Wandih, 
ostgot.  M'andil.  Der  Wandalenname  erseheint  hier  uncom- 
poniert  als  Personenname,  wie  weiter  unten  der  Dänenname, 
und  zwar  mit  der  Suffixstufe  des  griech.  Bavdilot,  während 
der  Volksname  in  damaliger  Zeit  lat.  gleiehmässig  Wandalus 
lautet2:  der  Commandant  in  Avignon  mag  also  schon  in 
voritalienischer  Zeit  zu  Theoderics  Gefolge  gehört  haben 
und  sein  unterscheidender  Beiname  Wandil  der  byzantini- 
schen Periode  entstammen.3  Ein  solcher  wird  in  der  Be- 
zeichnung vorliegen  und  den  ursprünglichen  Namen  ver- 
drängt haben,  womit  oben  S.  (>5  Ostrogoto  „die  Ostgotin" 
zu  vgl.,  und  an  den  Namen  des  wandilischen  Eponymus 
braucht  man  nicht  zu  denken.4 

IIUNIGIS. 

Umgis  III,  43  ein  königlicher  Spatharius.  Mommsens 
Vermutung,5  dass  der  Name  für  Vitiges  verschrieben  sei, 

1  Sonst  die  reiche  Sammlung  bei  Föratemann,  Namenbuch  I,  196  ff. 
-  Wand.  39. 

8  Vgl.  umgekehrt  den  Bavdaid^oy  oben  S.  102. 
*  J.  Grimm,  GddS  775. 
fl  NA  XIV,  513,  5. 


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117 


weil  auch  dieser  königlicher  Spatharius  heisse,  scheitert  an 
dem  Umstand,  dass  die  Var.  germ.  w  im  Anlaut  erster 
Compositionsglieder  immer  mit  vv  wiedergeben.  Die  Schrei- 
bung entbehrt  nur  wieder  der  Aspiration  (vgl.  Unimundus 
XI,  1),  und  der  Mann  hiess  Hunigis. 

LEODIFRITH. 

III.  48  ein  Sajo  Theoderies :  Leodifredus,  Leodefridtts  V. 

SENARIUS. 

Senarius  IV,  3.  4.  7.  11.  13  ist  wohl  Römer.1  Sonst 
wäre  ostgot.  Sen-hari  —  wulf.  Sin-harjis  denkbar2  und 
zum  ersten  Teil  got.  sin-teins?  zu  vgl. 

OESILA. 

Ein  Sajo  Theoderics .  der  in  Tuscien  ausstellende 
Steuern  eintreiben  soll,  heisst  IV,  14  Gestio;  ein  secundärer 
Hypocorismus,  etwa  zu  Geshnund  o.  ä..  wie  der  alte  Amale,4 
der  Typus  germanischer  Gefolgstreue  und  historischer  Vor- 
läufer des  mythischen  Hildebrand  der  Heldensage,  heisst:5 
Jord.  121,  23  Gesi-  (Gise-  L,  Gisi-  OB),  Cass.  Var.  VIII,  9 
Gensi-  B,  Gest-  TG,  Gensmund  us  Z.  Hier  kann  das  e  der 
ersten  Silbe  nach  der  oben  S.  1H  gegebenen  Etymologie 
von  gis,  welches  idg.  i  enthält,  nicht  für  i  stehen :  viel- 
mehr ist  gesi-  nichts  anderes  als  gesi-  <  *gaisi-  <  wulf. 
*gaiza-*:  an.  geirr  ags.  gär  as.  ahd.  ger?    Die  Varianten 

1  Momm8en,  NA  XIV,  465,  1. 

*  Förstemann,  Namenbuch  I,  1102. 

3  Feist,  Got.  Etymol.  8.  101. 

4  Vgl.  Mommsens  Jord.  S.  143  f. 

5  Möllenhoff,  Zs.  XII,  251. 

*  Wand.  56  ff. 

7  Müllenhoff,  Zs.  XXIII,  24;  DA  II,  206. 


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IIS 


Gis-  bei  Jord.  werden  sich  umgekehrt  erklären  wie  oben 
S.  9.r>  f.  die  Witi-ge$.x  und  das  Gens-  bei  Oass.  ebenso  aus 
romanischem  Schreibereinfluss  wie  sein  Gemhicus  I.  4.2  Für 
letzteren  steht  Geis-  als  die  allein  berechtigte  wand.  Dialect- 
form  fest  ,  und  Cass.  hat  den  ihm  etymologisch  klaren 
Namen  in  ostgot.  Umschrift  wiedergegeben,  worüber  oben 
8.  112.  Ge(n)siricus  und  Ge(n)simundns  (vgl.  auch  V.  4:i 
den  westgot.  Prätendenten  Gesalecus  mit  zweifachem  ey)  be- 
zeugen also  ostgot.  ges-,  und  für  um  so  gesicherter  kann 
diese  Monophthongierung  gelten,  als  ihr  Analogon  6  <  au 
festgestellt  ist.4 

GEHERIC. 

IV,  20  (reberic  (als  Dat.:  -rieh  V).  Senator  unter  Theo- 
deric.:>  Derselbe  Name  für  einen  Zeugen  bei  Marini  Nr. 
1:U,  2<i  Gliivcrir,  51  Giberit*  Endlich  der  alte  Gotenkönig 
aus  der  Mitte  des  4.  Jahrhs.  bei  Jord.  Geberich  (al.  Gibe-: 
-rig,  rith,  -riet,  r/V). 

Das  gh  des  einen  Citats  wird  zu  erklären  sein  wie 
die  gleiche  Schreibung  im  ahd.  Isidor."  wo  vermutlich  „durch 
das  h  spirantische  (bez.  nach  romanischer  Weise  palatale) 
Aussprache  des  g  vor  <?,  i  ausgeschlossen  werden"  soll  und 
wozu  germ.  Lehnworte  im  Ital.  wie  ghiera,  Gherardo  u.  s.  w. 
zu  vgl.h. 


1  Danach  modificiert  sich  meine  Erklärung  vom  Gizevicus  des 
Jord.  und  r#;^t^o;  der  Griechen  Wand.  59. 

2  Wand.  58;  dazu  besonders  Seelmann  285.  Joli.  8chmidts  Ver- 
mutung (Vocal.  I,  136  f.),  dass  Ginxcricus  Getisericus  auf  Vertauschung 
mit  einer  andern  selbständigen  Namenbildung  beruhe ,  bleibt  ebenso 
fraglich  wie  deren  nppellative  Anknüpfung  an  *us-gins~tian  >  us- 
yeis-nun. 

8  Vgl.  hingegen  Dietrich  33  f. 

*  Vgl.  unter  „Vocalismusa. 

*  Dahn,  Könige  III,  99,  5. 
«  Dahn,  Könige  IV,  187. 

7  Brnunp,  Ahd.  Gr.  §  148,  4. 

8  Diez,  Gr.  P,  318. 


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—  11<J 


Sämtliche  obige  Stellen  weisen  auf  ostgot.  ric  ohne 
Nomin.-s!  An  der  zweiten  Stelle  bei  Marini  wieder  Ver- 
tauschung von  ric  und  ritIO 

TUTIZAR. 

IV,  27  ein  Sajo  Tutizar  L.  Tzutizar  I\  Tzatzar  M\ 
Tznttzur  M'.2  Sein  Name  bleibt  völlig  dunkel.8  Vielleicht 
weist  seine  Endung  auf  alanischen  Ursprung:  unten  u. 
„Goar". 

AM  ÄRA. 

IV.  27.  2S  ein  Sajo  Amata.'1  Eine  Conjectur  Aniaht, 
welche  nahe  liegen  könnte,  verbietet  sich  durch  die  varianten- 
freie Uberlieferung:  dazu  ist  die  gleiche  Gestalt  des  Namens 
in  einer  Inschrift  von  Aquileja  bewahrt:*  und  sie  ist  auch 
in  der  Benennung  des  got.  Nationalhelden  enthalten,  der 
hei  Jord.  b5.  4  Eterpamara  heisst.  Letztere  Stelle  lautet 
jetzt  in  Mommsens  Text:  „Ante  quo*  etiam  maiorum  facta 
moitulationibus  citharisque  canehant ,  Eterpamara ,  Hanale, 
Fridigerni,  Vidigoiae  et  aliorum,  quorum  in  hac  gente  magna 
opinio  est,  \  und  Möllenhoff  im  Index  weiss  für  Eter- 
pamara keine  Deutung.    Ich  schlage  vor  zu  lesen :  

canebant  et  Erpamara    et  aliorum  mit 

correspondierendem  et  —  et  (vgl.  ()  und  besonders  XY)."' 
In  dem  so  hergestellten  Erpamara  vgl.  man  das  erste  Glied 
Erp-  etwa  mit  dem  Franken  Erpo  Herpo  bei  Fred.  120, 
11.  140,  14.  141,  22  u.  ö.  oder  dem  an.  Erp,  dem  Stief- 
bruder der  Schwanhild,  oder  dem  mhd.  Erpfe,  dem  Sohn 

1  Da  die  Bedeutung  hier  wohl  nur  *  Giba-repn,  nicht  *Gfb«-reip$ 
zulftsst,  so  ist  für  diese  Charta  damnntae  litis  der  ostgot.,  nicht  langob. 
Ursprung  erwieson ;  denn  die  Langobarden  habon  schon  d  für  got.  e 
(Meyer  8.  263),  müssten  also  Giberdt  haben.  Damit  ist  Dahns  Zweifel 
(Kön.  IV,  187)  gehoben. 

2  Dahn,  Könige  III,  Iis,  2. 

3  Vgl.  Müllcnhoff  in  Monimsen»  .lord.  S.  149. 

4  CIL  V,  1583. 

1  Ähnlich  schon  Dietrich  98. 


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Etzels  im  Biterolf,  u.  s.  w. :  an.  jdrpr  „dunkelbraun"  ags. 
eorp  ahd.  erpf  .fuscus".1  Der  zweite  Teil  ist  obiger  Amara, 
dessen  Etymologie  freilich  fraglich  bleibt.  Am  nächsten 
läge  Erpamara  einfach  als  w Goldammer"  zu  übersetzen 
(ahd.  amero  *amaro)  und  in  ihm  irgend  einen  bezeichnenden 
Beinamen  zu  sehen.  Oder  Amara  stellt  sich  als  Hatnara 
zu  got.  *hamars  an.  hamarr  ags.  hamor  as.  hamur  ahd. 
ha  mar,  das  ursprünglich  eine  steinerne  Waffe  bedeuten  soll.2 

DUDA. 

Name  eines  Comes  IV.  27  Dada,  IV.  28  Duda  M1, 
Dudda  LPM1  (mit  hypocoristischer  Consonantendehnung) ; 
eines  Sajo  IV.  32.  M  Duda  L'PM*.  Dudda  L'M1.  Dahn  und 
Mommsen :1  sehen  kein  Hindernis  beide  zu  identificieren. 
Dagegen  überliefern  die  Hss.  IV,       Guda,  nicht  Duda. 

Die  Ausführungen  von  Stark4  über  die  vorliegende 
und  ähnliche  Namenbildungen  sind  haltlos  und  kommen  zumal 
für  unsere  frühe  Sprachperiode  nicht  in  Betracht.  Die  Auf- 
zählungen bei  Förstemann/  namentlich  ahd.  Formen  wie  Tuata 
Tuota  (dazwischen freilich  in  bunter  Verwirrung  auch  'louta  und 
andere  ganz  heterogene  Bildungen  ),  scheinen  auf  ein  got.  *D6da 
zu  führen,  wovon  obiger  Duda  dieostgot  Entwicklung  mit  ex- 
tremer Vocalfärbung  zeigen  könnte :  jedoch  dann  wäre  dieses  A 
für  a  wohl  kaum  an  allen  Stellen  so  consequent  geschrieben,  und 
die  Etymologie  dieses  Dada  bliebe  ebenfalls  dunkel.  Ich  weiss 
keinen  andern  Ausweg  als  wieder  einen  Spitznamen  anzu- 
nehmen ,  der  auf  eine  körperliche  Eigentümlichkeit  seines 
Trägers  anspielte,  und  in  ihm  die  got.  Entsprechung  zu  ahd. 
tut(t)o  tut(t)a  mhd.  ttdte  {tüttel,  tütelin)  „ Brustwarze,  Brust"  zu 


1  Grimm,  Zs.  III,  152;  8.  auch  Kroraer,  Beitr.  VIII,  436,  aber 
nicht  *Erpa-mar»,  oben  S.  1 15.  Vgl.  das  urverwandte  gr.  opprdt  „dunkel" 
und  den  gr.  Eigennamen  'O^ftv  (Fick,  Vgl.  Wörterb.  III*,  37);  zur 
Bedeutung  etwa  auch  Zimmer,  QF  XIII,  33. 

2  Kluge,  EW4  untor  ,Haramertt.  Förstemann,  Namenbuch  I,  601. 
»  Könige  III,  181;  NA  XIV,  478,  3. 

*  Kosenamen  33  ff. 
5  Namenbuch  I,  339  ff. 


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121 


sehen  (vgl.  got.  daddja  ahd.  tdju  .säuge",  zur  Bedeutung 
vielleicht  lett.  dein  .Sohn"  zu  de  ja  „ sauge" Das  se- 
cundäre  Dud'da  im  Namen   eines  Westgoten  von  64b.2 

TUFA. 

Tufa  IV,  32 3  wird  von  Mommsen4  mit  dem  Mag.  mil. 
Odowacars  identifiziert,  welcher  zu  Theoderic  überging  (z.  B. 
Anon.  Val.  §  51).  Folglich  ist  er  kein  Ostgote  von  Haus 
aus,  und  seine  rätselhafte  Namensform5  kann  hier  ausser 
Betracht  bleiben. 

THEODAGUNDI. 

IV,  37  heisst  eine  Femina  illustris  Theodagunda  L\ 
-(junta  nach  den  meisten  Laterculis.ß 

Für  die  Endung  des  zweiten  Teils  kann  ganz  auf  das 
oben  S.  86  über  got.  *hildi  Gesagte  verwiesen  werden. 
Danach  ist  -gunda  wahrscheinlich  Latinisierung  von  ostgot. 
-gundi  wulf.  *gunj>i  an.  gupr  gunnr  ahd.  gundia.  Wieder 
ostgot.  tönende  Spirans  wie  noch  in  Gundih'ddi  Gun- 
dirit  Gundimer  für  wulf.  welches  bei  Jord.  im  Namen 
seines   Chefs  Gunthicis  (126,  23) 7  und  des  alten  Goten- 

1  Feist,  Got.  Etymol.  S.  22. 

2  Wollte  man  ausnahmsweise  ein  Abstractura  als  characteristis -hen 
Zunamen  einer  Person  gelten  lassen,  so  wäre  an  das  Suffix  ~dApi-  zu 
denken  (got.  ajuk~,  intkil-,  gotnain-düps);  aus  einer  solchen  Bildung 
(  vgl.  lat.  Heren-tas  als  Namen  der  pftlign.  Venus  mit  demselben  Suffix, 
Brugmann,  Vgl.  Gr.  II,  I,  202)  könnte  D&da  (mit  jüngerem  ostgot  d 
im  Inlaut)  eine  Koseform  sein,  und  das  Suffix  wäre  wie  das  zweite  Glied 
eines  Compositum«  empfunden:  Brugmann  291  Anm. 

*  Dahn,  Könige  IV,  139,  1. 

4  NA  XIV,  505,  3. 

5  Stark,  Kosenamen  117.  Fersteroanns  Deutung  aus  an.  dubba 
„schlagen*,  KZ  III,  311,  bleibt  willkürlich. 

•  Dahn,  Könige  III,  27  f. 

'  D.  i.  Gunthigis,  zu  dem  c  oben  S.  65.  Sein  Zuname  Baza 
(Batzas  auch  ein  Führer  gegen  die  Saracenen  bei  Marcell.,  Rone  II, 
325)  steht  mit  Assimilation  {8.  72)  für  *Baia  oder  *Batja  und  ist  Kose- 
form zu  einem  Vollnamen,  der  wie  der  Bat-wins  des  got.  Kai.  entweder 
mit  dem  Volksnanicn  der  Butaver,  Batten  componiert  war  f  J.  Grimm, 


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fuhrers  Gunthericns  aus  der  Zeit  Ostrogotas  (81,  16).  auch 
in  Guntio,  d.  i.  got.  *Gunpja,  und  Guntelda  einer  freilich 
undatierten  Inschrift  von  Comum  1  bewahrt  geblieben. 

OÜDA. 

IV.  «9  GW«  (nicht  Uiicfa,  S.  120).    Vgl.  oben  S.  72. 


GUD1SCALC. 

Der  Name  eines  Sajonen  Theoderics  lautet  IV.  47  im 
Dat.  Gudisal  V,  Guodiscalco  U,  Godiscalco  P,  sodass  die 
Herstellung  Gudiscalc-  unbedenklich  ist.2  Da  die  zahlreichen 
mit  got.  f/H/>  componierten  Gotennamen  ganz  constantes  u 
in  der  Überlieferung  zeigen  .  so  wird  dieser  vereinzelte 
Wechsel  von  Gudi-  und  Godi-  für  ostgot.  o,  wulf.  6,  also  für 
got.  f/öds  an.  gopr  u.  s.  w.  sprechen. 

Der  zweite  Teil  zu  got.  skalks  an.  skälkr  ags.  sceah 
as.  »kalk  ahd.  scalch  .Dienstmann %  ohne  dass  über  die 
ostgot.  Endung  etwas  überliefert  wäre.3 

FRIDIBADU. 

Laut  IV.  49  wird  Fridibadus  an  die  Spitze  der  Pro- 
vinz Suavia  gestellt. 

Zs.  VII,  471  ff.;  Müllenhoff,  Zs.  IX,  235)  oder  einfacher  mit  germ.  batn- 
„gut"  (Dietrich  84;  Zimmer,  QF  XIII,  89);  da  letztere«,  abgesehen  vom 
ahd.  mhd.  Adv.  baz,  nur  aus  den  comparativen  und  Superlativen  Bil- 
dungen bekannt  ist,  ho  wäre  an  die  griech.  Eigennamen  mit  «//;6a»  ugtaro; 
zu  erinnern  (Fick,  Personennamen  9.  14.  101.  104). 
1  CIL  V,  5415. 

1  Der  Name  rodltioxloi  eines  Goten  bei  Proc.  1,  39,  22  ist  da- 
gegen leicht  in  roSiyiaxko;  gebessert,  wie  er  den  gleichnamigen  Wan- 
dalenkönig (al.  /Wi-)  nennt;  zum  zweiten  Teile  oben  8.  91,  sonst 
Wand.  51  f. 

3  Jedoch  Ascutr,  der  Name  eines  Clienten  des  Thorismud,  Jord. 
110,  12. 


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12:t 


MANNILA. 

V.  o  ein  Sajo  Theoderics  Mannila.  Wiederum  ein  se- 
cundärer  Hypoeorismus ,  woneben  der  primäre  in  dem 
Testamentsaussteller  Manna  bei  Marini  Nr.  75  überliefert. 
Letztere  Koseform  deckt  sich  also  ganz  mit  dem  got.  Appel  la- 
tivum  manna  (an.  mapr  ags.  mon  as.  ahd.  man).  Vergleicht 
man  das  massenhafte  Vorkommen  von  gr.  dvrjo  avdyo-  in 
gnech.  Personennamen, 1  so  ist  es  überflüssig  für  die  Be- 
deutung von  manna  in  Eigennamen  eine  Verallgemeinerung2 
oder  mythologische  Beziehung3  anzunehmen. 

WERA. 

V,  10  ein  Sajo  Vera  (Dat.  Verani,  Verano  V  mit  Cha- 
racterisierung  der  >j-Flexion).  Auffallig  ist  die  Schreibung 
r.  da  die  Varien  sonst  im  germ.  Wortanfang  w  schreiben, 
doch  wird  sie  auf  Beeinflussung  durch  das  tatsächlich  ur- 
verwandte lat.  verus  zurückzuführen  sein.  Letzteres  be- 
günstigte auch  die  Schreibung  e,  nicht  /  für  ostgot.  e\  vgl. 
unten  Sisivera  neben  -cira.  Wera  ist  primäre  Koseform,4 
zu  welcher  der  Wöreka,  d.  i.  Werika  des  got.  Kai.  die  se- 
cundäre  Bildung  stellt,  Got,  *trers  (davon  alla-werei)  ags. 
iah-  u.  s.  w. ;  zur  Bedeutung  (ursprünglich  freund  lieh", 
vgl.  unwerjan  .unwillig  sein";  „wahr"  ist  got.  sunjis)  s. 
Kluge  im  KW 4  unter  „albern". 

GUDINANTH. 

V.  19  ein  Sajo  Gudinandus.  Auf  die  ostgot.  Endung 
-nanth  führt  der  Willjmant  der  Neapeler  Urkunde. 

ALI  WULF. 

V.  2i)  der  Dat.  Aliulf o  (Ailuffo  P').  Der  halbvocalische 
Anlaut  des  zweiten  Compositionsgliedes  führt  für  das  erste 

1  Kick  II.  102.  153. 

*  Denkendes,  sinnbegabtes  Wesen:  Müllenhoff,  Zs.  f.  Gesch. 
VIII,  219. 

»  Mannus  bei  Tbc:  Fiok,  Vgl.  Wß  IIP,  230. 
4  Ebenso  heisHt  ein  Westgote  von  693. 


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nicht  auf  wulf.  sondern  alja-  (vgl.  alja-kuns,  alju-leikö): 

got.  aljis  „alius"  (in  an.  elli-gar  ags.  eli-cor  el-cor  as.  ef-ror 
ahd.  eli-chor),  in  Namen  wohl  mit  der  Bedeutung  „pere- 
grinus"  wie  in  ahd.  eli-lenti  as.  eli-lendi.  Die  Schreibung 
AiU  P'  braucht  nicht  nur  auf  graphischer  Umstellung  zu 
beruhen,  sondern  kann  auf  Verwechslung  mit  Agil-  weisen 
(oben  S.  91),  dessen  g  wie  das  in  saio  schwand. 

TATA. 

V,  2.'.t  der  Acc.  Tatanem.  Zur  Etymologie  weiss  ich 
hier  noch  ebenso  wenig  beizubringen  wie  Wand.  84. 1  Die 
Deutung  Kögels,  welcher2  das  Nebeneinander  von  Tatto 
und  Tusso  in  langob.  Urkunden  für  einen  Beleg  des  im 
Werden  begriffenen  Lautwandels  tt  >  ss  (wie  Ckatti  >  Hassi) 
hält,  beruht  auf  einem  Anachronismus.  Für  diesen  Laut- 
process  können  wohl  Formen  wie  Chatti  und  Hassi  sprechen, 
zwischen  deren  Überlieferung  Jahrhunderte  liegen3;  ganz 
unwahrscheinlich  aber  bleibt,  dass  das  junge  Langobardische 
des  sechsten  und  späterer  Jahrhunderte  Tatto  und  Tasso 
neben  einander  haben  soll,  während  schon  das  Got.  des  4. 
Jahrhs.  den  gleichen  Lautvorgang  vollendet  hat,  wie  mw- 
gatass 1  beweist.  Kögel  verschweigt  jedoch ,  dass  in  den 
erwähnten  Urkunden  neben  Tatto  auch  Tuto  erscheint*; 
hiernach  ist  das  tt  in  Tatto  vielmehr  nichts  weiter  als  die 
geläufige  hypoeoristische  Gemination  und  Tato  =  ostgot. 
Tata.  Da  die  Langob.  aber  germ.  t  sonst  verschieben,"  so 
bleibt  Meyers  Deutung  des  Namens ,  welche  von  einer 
internationalen  kindlichen  Lallform  ausgeht,  vorläufig  der 
einzige  Ausweg.7 

1  Die  dort  für  die  Schreibung  Tföior  gemutmasste  germ.  Grund- 
form i»t  mit  obigem  Tata  belegt. 

-  Beitr.  VII,  197;  ebenso  Brugmann,  Vgl.  Gr.  I,  384. 
5  Kögel  a.  a.  O.  178. 

4  Kögel  a.  a.  0.  177. 

5  Meyer,  Langob.,  im  Glossar. 
8  Meyer  267. 

7  Vgl.  noch  Diefenbach  I,  81;  J.  Grimm,  GddS  272,  Kl.  Sehr. 
III,  412;  Wackernagol,  Kl.  Sehr.  III,  410  f. 


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-  125 
WILIHARI. 

Ein  Comes  V,  23  im  Acc.  Wiliarium. 

BACAUDA. 

Dieser  Name  des  Tribuns  von  Mailand  V,  25  ist 
keltisch,1  und  Mommson2  erkennt  in  ihm  überhaupt  keinen 
Goten,  wie  Dahn.!* 

GÜDWIN. 

Ein  Sajonenname  V,  27  Gudui  LP\  Guduin  P1  und  V, 
30  Gudui  L,  Guduin  P. 

Schwund  des  Fugenvocals  vor  Halbvocal.  Ist  in  Gudui 
nicht  nur  der  Kürzungsstrich  für  n  über  dem  i  vergessen, 
dann  liegt  Yertauschung  von  -w/(A)  und  -irin  vor. 

NEUDI. 

Der  Name  eines  Vir  illustris,  der  V,  29  im  Dativ 
Neudi  L,  Heudi  P\  Nendi  P*  lautet,4  ist  Hypocorismus  mit 
dem  Ja-Suffix  zu  einem  mit  got.  *niups  ags.  neöd  as.  niud 
ahd.  niot  „  Verlangen  *  5  (dazu  as.  niudsam  ahd.  nietsam  „an- 
genehm*, mhd.  nietliche  „mit  Eifer")  componierten  Voll- 
namen. Will  man  nach  P1  Heudi  in  Theudi  bessern,  so  ist 
dazu  auf  S.  56  f.  zu  verweisen.  Doch  könnte  Heudi  auch  für 
Eudi  stehen  und  eine  gleiche  Koseform  etwa  zu  Eutharic  reflec- 
tieren.  Man  beachte  wieder  das  ostgot.  eu.  Die  Endung 
-t  kann  sowohl  dem  lat.  Dat.,  wie  dem  unflectiert  ge- 
brauchten ostgot.  Nomin.  entsprechen. 

1  Vgl.  z.  B.  Kremer,  Beitr.  VIII,  450.  8.  noch  die  Anm.  u. 
„Totila  \ 

*  NA  XIV,  495,  6. 

3  Könige  III,  175,  5.    Ein  gleichnamiger  Westgotc  652. 

4  Dahn,  Könige  IV,  164. 

5  Zimmer,  Zg.  XIX,  457,  führt  dies  zwar  als  Bpeoifisch  westgerm. 
Wort  an,  man  vgl.  jedoch  hierzu  seine  eigenen  Bedenken  ib.  43S. 


< 

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ANDWIT 


V,  29  Andtiit 1  als  Gen.,  also  unflektiert  gebrauchter 
ostgot.  Noniin.  ohne  -s.  Denselben  Namen  führt  ein  wand. 
Presbyter,  man  vgl.  daher  Wand.  o2;4-  doch  kann  das  zweite 
Namenglied  auch  wulf.  -ir«7-  sein,  dann  wäre  oben  S.  95 
zu  vgl.  und  Amhrit  etwa  =  „Vergelter".3 

OPPA. 

V,  29  der  Abi.  Oppaae.  Diese  Kosebildung  Oppa. 
welche  auch  ein  Westgote  von  b'8:t  führt,  kann  nicht  zu 
späterem  deutschen  Oppa  Oppo  gestellt  werden ,  welche 
wohl  aus  ahd.  Otbert,  doch  nicht  aus  ostgot.  *  Odabert-  con- 
trahiert  werden  konnten.  Desgleichen  verbietet  sich  die 
Annahme  einer  Assimilation  aus  *Opta  im  Hinblick  auf  den 
S.  97  ff.  behandelten  Optarith,  denn  hier  war  ja  pt  nur  un- 
germ.  Schreibung  für  genn.  //.  und  eine  Assimilation  könnte 
allenfalls  Ojfa  ergeben,  wie  der  Name  im  Ags.  bekannt  ist,4 
wird  aber  überhaupt  unwahrscheinlich  durch  das  secundäre 
Optila  bei  Jord.         10,  das  die  ursprüngliche  Consonanz 

A 

unangetastet  zeigt.  Will  man  daher  Oppa  nicht  als  Oppa 
(mit  hypocoristischem  pp)  fassen,  d.  i.  ostgot.  Höjw  <  wulf. 
* Ilaapa  zu  *haups  (neben  *htipah)  .Haufe,  Schaar,"  also 
als  Koseform  etwa  zu  *Haupareiks  o.  ä.r*,  dann  wird  Storks 
Annahme7  einer  keltischen  Bildung  die  beste  Lösung  bleiben. 


'  Dahn,  Könige  IV,  150,  Iiier  Ochar  genannt:  geringere  Hss. 
haben  für  Anduit  rätselhaftes  Oceri. 

*  Vgl.  noch  Wackernagel,  Kl.  Sehr.  III,  374. 

*  Der  Name  eines  A  malen  erscheint  Jord.  111,  22.  126,  23  im 
Gen.  als  Audagi.s  Andages.  Es  ist  nicht  einzusehen,  weshalb  Möllenhoff 
im  Index  den  Nomin.  als  Andng  herstellt:  Anda-gis  ist  eine  normale 
got.  Namensform ,  zu  deren  zweitem  (Jliede  obon  8.  91  zu  vgl.  Der 
Vater  dieses  Andugis  heisst  Jord.  126,  24  im  Gen.  Amhlc,  d.  i.  Andehte 
Andilae^  und  Audila  ist  secundärer  Hypocorismus. 

*  Möllenhoff,  Beovulf  71  ff. 

5  Kluge,  E\V<  unter  „Haufe". 

6  Vgl.  Opi,  Ilopi,  Aopi  bei  Förstemann  I,  971. 

7  Kosenamen  118,  1. 


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121 


COSTULA. 

V.  30  Costula;  derselbe  Name,  nur  mit  Suffixablaut, 
im  Costila  der  Neap.  Urkunde.  Das  gleichmässige  o  in 
beiden  Quellen  hindert  die  gewöhnliche  Zusammenstellung 
mit  got.  kustus  n  Prüfung"  oder  yakusts  an.  kostr  as.  kust 
ahd.  chost  „arbitrium",1  und  Stark*2  keltische  Deutung  des 
Namens  behält  ihre  Geltung. 

DAILA. 

V,  30  Dada.  Da  das  Ostgot.  altes  ai  zu  e  mono- 
phthongiert, so  kann  Daifu  nur  Dayila  sein  mit  Ausfall  des 
spirantischen  y  vor  folgendem  /  wie  in  s<j/o.3  Dayila,  auch 
Name  eines  Wandalen,4  ist  secundärer  Hypoeorismus  eines 
mit  got.  days  an.  dagr  u.  s.  w.  (in  Namen  etwa  Jux,  splen- 
dor*)  tomponierten  Vollnamens. 

BRANDILA. 

Der  Name  eines  Ehebrüchigen ,  Über  den  Theoderic 
V,  32.  33  verhandeln  lässt  ,  lautet  an  beiden  Stellen  im 
Texte  BrandUa,  in  den  Laterculis  zu  V,  32  Bland  da.  An. 
brandr  ags.  brand  ahd.  brant;  für  die  Bedeutung  vgl.  mhd. 
brant  „  Brand,  blitzendes  Schwert4"  und  das  aus  dem  Deutschen 
entlehnte  gemeinromanische  brando  „Schwert".  Die  Schrei- 
bung Blundda  zeigt  jüngeren  romanischen  Schreibereinfluss, 
indem  postconsonantisches  germ.  r  mit  /  verwechselt  ist/' 

PA(H)TJA. 

Der  Name  eines  got.  Soldaten  V,  32.  33  im  Gen. 
Patzenis  (al.  Pathenis,  Pattenis).    Zur  Schreibung  U  s.  oben 

1  Dietrich  70. 

*  Wiener  Sitz.-Ber.  LIX,  219  f. 

*  Hoohfrfink.  Teino  <  Tayino:  Kostiinna,  QF  XLVI,  19. 
4  Wand.  62. 

6  Stark,  Kosenamen  59;  Diez,  Gr.  I",  311. 


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12H 


S.  72  f.,  zur  Endung  vgl.  Waccenew  S.  ll>3,  Mozems  S.  108. 
P(///Vi  kann  für  *Pahtja  stehen  und  der  Name  möglicher- 
weise, „Pächter*  bedeutend,  für  eine  frühzeitige  germ.  Ent- 
lehnung des  lat.  iKictum  pactus  zeugen:  vgl.  mhd.  pfahte 
neben  paht. 

WILITIIANC. 

V,  33  ein  Dux  Wilitancus.  Die  lat.  Flexion  entspricht 
dem  Nomen  agentis  mit  Suffix  a.{  Den  ostgot.  Abfall  des 
Nomin.-«  werden  Felithanc  und  Riccithanc  bezeugen. 

LIUVIRITH. 

Ein  Comes  unter  Theoderic  heisst  V,  35  Livvirit  L, 
Liuuri  P\  Luit  fr  id  Vy ;  dazu  der  Vir  sublimis  V,  39  Liuerit 
L\  Libertino  L'P.  Die  beiden  ersten  Schreibungen  weisen 
auf  got.  Hubs  an.  ljufr  u.  s.  w. :  Livvi-  ist  Liuvi-  mit  v 
für  spirantisches  got.  b;  dagegen  ist  got.  *hliwa-  (vgl.  den 
IIlewagastiR  des  goldnen  Horns1)  fernzuhalten,  weil  die 
Varien  für  inlautendes  germ.  w  nur  v  schreiben.  In  Liuerit 
steht  u  für  uu  wie  oben  in  Aliulf o. 

STARCHEDI. 

V,  3«  der  Dat.  Starcedio.  *St«rce-dius  als  wulf.  *Starki- 
pius  zu  lesen  verbietet  das  d.  Daher  ist  Starc-edius  zu 
trennen,  das  ich  als  ostgot.  Starc-rdi,  wulf.  *Stark-aipeis 
fasse,  d.  i.  „der  fest  Vereidete1*  (vgl.  uf-aipeis):  an.  sterhr 
ags.  stearc  u.  s.  w.  und  got.  aips  an.  eipr  ags.  Ctp  as.  Sth 
ahd.  eid.z  Man  vgl.  den  Gotenführer  Argaithus  aus  der 
Zeit  Ostrogotas  bei  Jord.  81,  16  (dazu  Möllenhoff  im  Index) 

1  Ebenso  Alatattcus  CIL  V,  8738,  Untancus  CIL  VIII,  8650, 
letzterer  mit  pmativem  Präßx,  vgl.  Fick,  Personennamen  CXCI1I. 

2  Burg  19.  21. 

8  Förstemann,  Namenbuch  I,  1121  ff.  581  ff.  Zum  zweiten  Teil 
vgl.  noch  KiHulf  ohon  S.  71,  4. 


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-    129  — 


noch  ohne  Monophthongierung  (ebenso  ein  Langobarde  Argait 
bei  Paul.  bist.  Langob.  173,  2.  4.  12). 


SIGISMER. 

VIII,  2  der  Name  eines  got.  Grafen  im  Acc.  Sigis- 
merem. 

TOLWIN. 

Der  vornehme  und  mit  dem  Geschlechte  der  A malen 
verwandte  Gote  Tohvin  beteiligte  sich  an  den  Expeditionen 
504  nach  Sirmium,  510  gegen  die  Franken,  523  nach  Gallien 
und  ist  der  einzige  Gote,  welcher  zum  Patriciat  gelangte.1 
Für  seinen  Namen  citiere  ich  folgende  Lesarten: 

VIII,  9  Tuluitn  ß        Tuluin  Z        Tholuin  G, 
VIII,  10  Tolu(i)n  B      Tolnin  Z        Tolnm  GT, 
VIII,  25  Tholui  B        Thohn  Z        Thohtii  G, 
VIII,  25  Toluit  B        Tholuit  Z       Thohtii  G, 
weil  sie  ein  deutliches  Bild  davon  geben  können,  wie  leicht 
ähnlich  klingende  zweite  Namenelemente  mit  einander  ver- 
tauscht werden:  tritt  (-um  VIII,  10  G'  T  — -  -ttin\  -otii  VIII. 
25  G  ~  oiny  wozu  unter  „Halbvocale"),  irili,  trit.  Der  erste. 
Teil  des  Namens   scheint   mit  seinem  o-  und  «-Wechsel 
auf  ostgot.       wulf.  6  zu  deuten  und  wäre  dann  mit  an. 
toi  ags.  töf  „Werkzeug*  identisch;  und  damit  fiele  die  auch 
sonst  unwahrscheinliche  Etymologie  Leos2,  der  für  letzteres 
Contraction   aus   teorel  mutmasst.    Jedenfalls   spricht  die 
sonstige  Überlieferung   des  germ.  kurzen  u  im  Ostgot.3 
nicht  für  hier  vorliegendes  got.  pulan  an.  fwla  ags.  poliatt 
as.  tholian  tholön  ahd.  dolett  mhd.  doln,  das  hier  etwa  grade 
so  zur  Namenbildung  verwandt  wäre  wie  sonst  seine  dentale 
Weiterbildung  (ahd.  diäten)*  und  im  übrigen  die  zahlreichen 


1  Dahn,  Könige  IH ,  29  f.,  Urgeschichte  I,  291  f.;  Mommsen, 
NA  XIV,  515. 

•  Ags.  Glos«.  129. 

*  Vgl.  unter  „Vooalismus*. 

4  Förstemann,  Namenbuch  I,  1199. 

QF.    LXVIII.  9 


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IM) 


mit  gr.  raXai-  -rka*;  rlrj-  rokuo-  gebildeten  tiriechennamen  1 
vergleichen  hiesse. 

QUIDILA. 

Quidila  (im  Acc.  -anem)  heisst  VIII,  26.  IX,  10  der 
Prior  für  die  Goten  in  Reate  und  Nursia.2  Seine  Namens- 
form wird  bestätigt  durch  die  Inschrift  einer  ostgotischen 
Fibel  von  Silber,  gefunden  in  Casteldavio  bei  Mantua,  an- 
gekauft von  dem  Antiquar  Amilcar  Ancona  in  Mailand; 
dieselbe  lautet  nach  Mowat:3  Quiddüa  vivas  in  deo;  also 
derselbe  Name  wie  der  obige  bei  Oass.,  nur  mit  hypoco- 
ristischerConsonantendehnung.  Ob  Quidila  als  der  ,, Schwätzer" 
zu  got.  qip an  an.  kvepa  ags.  cwepan  as.  quedan  ahd.  quedan 
gehört  oder  zu  got.  qipus  an.  kvipr  ags.  cvip  ahd.  quiti, 
bleibt  dahingestellt;  in  letzterem  Falle  wäre  an  Watnba, 
Mamma  u.  ä.,  sowie  an  griechische  mit  yaartjg  gebildete  Per- 
sonennamen4 zu  erinnern. 

8IBJA. 

VIII,  2b'  der  Vater  des  vorigen:  Sibia;  primäre  Kose- 
form (die  secundäre  im  *Sibika  an.  Sifka  ags.  Sifeca  mhd. 
Sibiche  der  Heldensage)  zu  einem  Vollnamen,  der  compo- 
niert  war  mit  got.  sihja  an.  sifjar  (pl.)  ags.  sibb  as.  sibbea 
ahd.  sippa  (dessen  ursprüngliche  Bedeutung  „Friede, 
Freundschaft-  Ä  hier  erhalten  sein  mag)  oder  dem  Adj.  got. 
sibjis  an.  sifr  si/i  ahd.  sippi. 

DUMERITH. 

VIII,  27  ein  Sajo  Athalarics  Dumerit  (so  der  Dat.). 
1  Fick,  Personcnnamen  80.  135.  213. 

»  Dahn,  Könige  IV,  173,  4.    Die  Änderung  in  Gudila  III,  6C,  1 
verbietet  sich  noch  Obigem. 
»  Vgl.  oben  8.  86,  2. 

*  Fick  20.  161. 

*  Grimm,  Rochttmltertumer  407. 


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—    131  - 


THANCA. 

VIII,  28  der  Abi.  Tancane. 

GILDILA. 

Der  Cornea  von  Syracus  unter  Athalaric  IX,  11.  14 
Gildila;  Koseform  etwa  zu  Whwßld  o.  ä. 

WITIOISL. 

IX,  11  Witigisclus. 

WILIGI8L. 

IX,  12  Witigisclus.  Z  sehreibt  Ubili-,  wozu  Henning, 
Runendenkmäler  113  zu  vgl.1 

WACCA. 

X,  18  der  Acc.  Waccenem.    Vrgl.  oben  S.  102  f. 

GUDELICüjVA. 

Von  der  Gemahlin  des  Theodahath,  die  nur  hier  ge- 
nannt wird,  rühren  X,  20.  21.  23.  24  her:  Gudeliua  (al. 
-lina,  -uela).  Das  zweite  Glied  -liua  kann  zunächst  -liva 
—  got.  -liba  mit  spirantischem  b  und  daher  ein  Nomen 
agentis  mit  dem  Suffix  ä  sein  zu  got.  liban  an.  Ufa  u.  s.  w. : 
dann  wäre  an  Holthausens  *  Requa-liva-hanm-  zu  erinnern 
und  an  die  zahlreichen  Namen,  welche  dieselbe  Wurzel 
mit  starker  Ablautsstufe  enthalten  (got.  laiba  an.  leif  as. 
leba  ahd.  leiba).  Wahrscheinlicher  jedoch  werden  wir  -liua 
als  -liuua  zu  lesen  haben  wie  oben  S.  128  Liuerit  als 
Liuueril  und  S.  123  Aliulf o  als  Aliuulfo,  d.  i.  -liuva  —  wulf. 

1  Momm8on  transscribiert  in  der  neuen  Varien-Ausgabe  germ. 
anlautendes  w  mit  VV;  nicht  glücklich ;  wollte  er  die  zunächst  liegende 
Ligatur  W  durchaus  vermeiden,  wäre  Uv  dio  correcteste  Dihftrese 
gewesen. 

*  Vgl  oben  S.  77,  10. 

9* 


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1*2 


liuba,  dann  ist  nur  auf  Here-leiwa  oben  S.  bl  f.  zu  verweisen 
(GudeueUt  X,  24  B  vorschrieben  aus  Gndeleua,  d.  i.  -leura), 
und  der  Name  ist  die  movierto  Form  zu  Gudeleuh  (s.  u.). 

RANILDI. 

X,  1(>  heisst  eine  Gotin,  welche  zum  orthodoxen  Ka- 
tholieismus  übergetreten,  Ramida.  Derselbe  Name  bei  Marini 
Nr.  SU.  II,  4  ohne  Syneope  als  Ramhilda.  Sein  erstes  Com- 
positionsglied  hat  letzthin  Henning1  ausführlich  behandelt; 
er  giebt  ein  reiches,  kritisch  gesichtetes  Namenmaterial 
und  knüpft  an  got.  *rana  an.  rani  an,  das  die  Schnauze 
des  Ebers,  vor  allem  aber  in  technischer  Anwendung  die 
keilförmige  Spitze  der  nach  dem  Eberkopf  als  svinfylcing 
zubenannten  Schlachtordnung  bedeutet,  so  dass  die  Namen 
mit  rani-  sich  dem  Sinne  nach  zu  denen  mit  liari-  und 
folc-  stellen. 

WISIBADU. 

Ein  gotischer  Graf  aus  edlem  Geschlechte2  heisst  X, 
29  Visibadus  B,  Wisivadus  Z,  Winsibaidas  G.  Wisi-  ist  nicht 
mehr  an  ahd.  tcisan  u.  s.  w.,3  auch  nicht  mehr  an  ahd. 
irisa  „pratum* 4  anzuknüpfen,  sondern  entweder  an  das 
erste  Oompositionsglied  der  Wisi-gothae  (s.  o.  S.  112,  1  und 
vgl.  Os-u  itt) r*  oder  wahrscheinlicher  an  das  in  Eigennamen 
allen  lndogermanen  geläufige  *wesu  .gut"  wulf.  *tcisu-  ost- 
got.  ivisi-  (vgl.  ai.  väsu-  av.  vohu-  illyr.  res-  agall.  vesu- 
ahd.  www-).6  Für  den  zweiten  Teil  des  Namens  ist  nach 
den  von  einander  unabhängigen  B  und  G  der  Anlaut  b-  zu 
acceptieren  und  v-  in  Z  durch  Vertauschung  von  -tcaih  und 
-badu  zu  erklären,  wozu  oben  S.  115  zu  vgl. 


1  Runendenkmäler  10  ff.  135  ff. 
•  Dahn,  Konige  III,  28.  IV,  165. 
'  Wand.  48. 

4  Henning,  ÜLZ  1887,  Sp.  1550:  Milllonhoff,  DA  II,  216. 

6  Ehri8mann,  Literaturblatt  1887,  Sp.  468. 

6  Kogel,  ib.  108:  ßrugmann,  Vgl.  Or.  II,  I,  25. 


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DAN. 

XI,  10  erscheint  der  Dänenname  als  Personenname  für 
einen  kranken  Famulus,  wie  oben  S.  116  der  Wandalen- 
name. Lat.  Dauns  (der  Gen.  Dani  ist  überliefert)  -~  wulf. 
*Dans  (wie  *Guts  .der  Gote1*)  ostgot.  Dan;  man  vgl.  den- 
selben Namen  in  den  dänischen  Königslisten  und  sonst 
Möllenhoff,  Beovulf  29  f.  34  if. 

TULGILO. 

An  das  damit  abgeschlossene  ostgotische  Namen- 
material aus  den  Varien  schliesst  sich  zunächst  die  Urkunde 
Nr.  114  bei  Marini,  die  aus  den  Jahren  539 — 546  stammt 
und  über  den  Grundstückverkauf  einer  Witwe  Tulgilo 
ausgestellt  ist.1  Der  Name  der  letzteren  lautet  21.  39.  76 
Thulgilo.  79  Tulgilo,  99  im  Abi.  Tulgilam.  Tulgilo  ist  se- 
cundärer  Hypocorismus  Feminini'-  zu  einem  Vollnamen, 
dessen  eines  Glied  zu  got.  tulgus  „fest,  standhaft",  as. 
tulgo  „sehr"  gehört.3 

WITTERITH. 

- 

Ib.  14  Witterit.  Der  gleiche  Name  lautet  für  einen 
Wandalen  bei  Vitt.  Vit.  Vitarit*  Witterith  mit  hypoeo- 
ristischem  tt. 

HILDEBADU. 

Der  Commandant  von  Verona,  Oheim  des  Totila  und 
Neffe  des  Theudi,  wurde  540  durch  die  nördlich  vom  Po 
ansässigen  Goten  auf  den  Tron  berufen,  blieb  in  hitzigem 
Gefecht  Sieger  gegen  den  kaiserlichen  Feldherrn  Vitalius, 
starb  aber  bald  durch  Meuchelmord:  Heldebadus  Marcell., 
Jord.  (al.  Eide-,  Hilde-),  Paul.  (al.  Hilde-),  ' IWßaöoq  Proc. 

1  Dahn,  Könige  IV,  183. 

1  Der  primäre  Maso.  z.  B.  im  Namen  eines  Westgotenkönigs 
Tulga  Fredeg.  121,  20.  162,  20.  163,  1. 

3  Förstemann,  KZ  III,  117,  denkt  an  an.  dohj  u.  8.  w.,  was  an 
dem  Anlaut  des  Namens  scheitert. 

*  Wand.  68. 


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134 


8ENDEFARA. 

Eine  Inschrift  aus  Dertona  vom  Jahre  Ml1  liefert 
den  Namen  Sendefara.  Zum  Wurzelvocal  des  ersten  Gliedes 
vgl.  -suentha  und  unten  u.  „Vocalismus".  Das  zweite  Glied 
liegt  noch  in  Theudifara,  Wilifara  vor  und  hezeugt  mit 
diesen  das  Femininum  trotz  dem  in  der  Inschrift  folgenden 
„qui  vixita,  welches  ein  im  späteren  Inschriftenlatein  keines- 
wegs vereinzelter  grammatischer  Fehler  ist:2  -fara  ist 
Nomen  agentis  mit  dem  d-Suffix  zu  got.  ags.  as.  ahd.  faran 
an.  fara  und  als  solches  formell  identisch  mit  dem  Ab- 
stractum  an.  for  ags.  faru  ahd.  fara?  Sonst  vgl.  man 
Förstemann,  Namenbuch  I,  398  ff.  und  griech.  Namen  wie 

8EDA. 

Eine  ravennatische  Inschrift  von  541  5  nennt  den  bei 
Thcoderics  Tode  25jährigen  Vir  sbl.  Seda  iynncus  et  cubi- 
cularius  regis  Theoderici.  Sgda  ist  primäre  Koseform  eines 
mit  got.  sidus  an.  sipr  ags.  as.  sidu  ahd.  situ  componierten 
Vollnamens.  Man  vgl.  schon  den  Quaden  Sido  bei  Tac. 
Ann.  12,  29,  ferner  Förstemann  T  Namenbuch  I,  1110  f. 
und  griech.  Namencomposita  mit  /)#oc.6 

TOTILA. 

Nachfolger  des  Witigis  oder  genauer  des  Hildebadu 
wurde  der  Neffe  des  letzteren,  Totila  (541—552).  Die  grosse 
Schlacht  bei  den  Busta  Gallorum  552  brachte  ihm  den 
Heldentod. 


1  CIL  V,  7414. 

*  Vgl.  unten  8.  155. 

a  Zimmer,  QF  XIII,  250.    Das  Mase.  zu  obigem  -fara  in  ahd- 
ein-far  (Graff  III,  574)  „soliyagus*. 
4  Fick,  Personennamen  133. 
»  CIL  XI,  310. 
8  Fick  114. 


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135 


Die  Form  seines  Namens  steht  als  Totila  fest.  Über 
die  graecisierte  Endung  in  gelegentlichem  Totilas  vgl.  unter 
„Declination".  Grimm1  und  danach  Wackernagel2  fassten 
Totila  als  Koseform  auf,  welche  im  Ablautsverhältnis  zu 
Tata  stehe  und  wie  dieses  nichts  als  ein  zärtliches  „Väter- 
chen" oder  dgl.  besage.  Aber  wenn  Tata*  als  interjectionales 
Kinderwrort  einen  Naturlaut  wiedergeben  soll,  der  ausserhalb 
der  Lautgesetze  steht  und  deshalb  der  Lautverschiebung  ent- 
behrt (gr.  rar«  lat.  tata),  dann  scheint  es  fraglich,  ob  man 
ihn  andrerseits  für  ablautsfahig  halten  darf.  Später4  nahm 
Grimm  Totila  ahd.  Zuozilo  als  Spottnamen  in  der  Bedeutung 
.Nase".5  Stark  endlich6  will  „Pracht,  Ruhm*  etymo- 
logisieren und  citiert  an.  tütna  „tumescere"  ags.  tötjan 
„eminere"  getot  „pompa\  Alle  diese  Deutungsversuche  nehmen 
germ.  got.  6  der  W urzelsilbe  an,  und  wenn  wir  letzteres  als 
ostgot.  ö  schon  öfter  in  der  lat.  Transscription  zwischen  o 
und  u  schwanken  sahen,  so  findet  sich  auch  hier  die  Schrei- 
bung Tutila  wenigstens  bei  Fredeg.  und  Agnell. ,  Tutela 
neben  Totila  in  der  Epit.  Justin.  Trotzdem  versuche  ich 
eine  andre  Erklärung.  Denn  es  muss  auffallen,  dass  alle 
die  älteren  lat.  Quellen  diesen  o-  und  «-Wechsel  absolut 
nicht  kennen,  auch  nicht  in  isolierten  Varianten,  dass  Marcel  1., 
welcher  doch  Ebremud  und  Ruderit  schreibt,  Jord.,  dessen 
Hss.  zwischen  -muth  und  -motk  wechseln,  Greg.  Magn., 
welcher  Ruderte  überliefert,  Vict.  Tunn.,  Isid.,  Paul.  u.  s.  w. 
in  dem  vorliegenden  Namen  ganz  constantes  o  geben ;  eine 
fest  gewordene  amtliche?  Schreibung  kann  hier  nicht  vor- 
liegen wie  bei  ständigem  Theodericus,  sajo  u.  s.  w.,  denn 
die  amtliche  Form  des  Königsnamens  war  gar  nicht  Totila, 


1  Gdd8  272. 

*  KI.  Sehr.  III,  416. 
a  Vgl.  oben  8.  124. 
4  Zs.  VI,  540. 

*  Trotz  des  kurzen  o  in  „an.  tota  nasus,  ro8trurau ;  Cloasby-Vig- 
fu88on  638  übersetzt  „teat  or  ieat-like  protuboranco".  Grimm  hatte 
daher  besser  an  tüta  (Cloasby  645  „a  teat-like  prominence")  angeknüpft, 
welches  als  Zwergname  belegt  ist. 

6  Kosenamen  150,  1. 


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sondern  Baduila,  wie  die  Münzen  zeigen.  Mögen  daher 
auch  die  späteren  Fredeg.  und  Agnell.  mit  ihrem  Tutila  eine 
Vertauschung  bezeugen  mit  dem  aus  ahd.  Zuozo  Zuozilo  u.  ä. 
bekannten  Namengliede  (der  Tutela  der  Epit.  neben  Totila 
beruht  auf  P^influss  des  lat.  Abstraetums),  so  scheint  doch  das 
feste  o  der  älteren  Lateiner  nicht  auf  ostgot.  u,  sondern  ostgot. 
6  <  wulf.  au  zu  weisen.  Freilich  für  Totila  <  *Tautila  ver- 
lässt  uns  wieder  die  germ.  Etymologie.  Aber  der  König 
führte  einen  zweiten  Namen,  gleichfalls  in  der  Form  eines 
secundären  Hypocorismus ,  eben  Badwila,  und  dieser  kann 
dafür  sprechen,  dass  älteres  Totila  schon  damals  den  Goten 
unverständlich  geworden  war  und  deshalb  einen  inhalts- 
reicheren Ersatz  forderte.  Ich  deute  Totila  aus  dem  Kel- 
tischen. Die  idg.  Diphthonge  au  und  eu  sind  im  Kelt.  zu- 
sammengefallen, vgl.  got.  raups  mit  gall.  Namen  wie  Roudus 
Anderoudus  und  andrerseits  got.  piuda  mit  gall.  Namen  wie 
Toutus  Toutobocio.*  Und  so  identifiziere  ich  das  ostgot. 
Totila  mit  dem  kelt.  Toutela  Toutillus?  welchem  eben  ein 
mit  got.  piuda  urverwandtes  kelt.  *touta  zu  Grunde  liegt 
(air.  tuath  cymr.  bret.  tut  corn.  tus).  Den  Namen  eigneten 
sich  die  Goten  in  früher  Zeit  regen  Verkehrs  mit  den  Kelten 
an,  aus  welcher  alle  ihre  keltischen  Namen  stammen ;  kelt. 
Toutila  wurde  germ.  Tautila  und  ostgot.  mit  Monophthongie- 
rung Totila?  das  also  in  seiner  Function  mit  got.  Tlieudila 
ursprünglich  identisch  ist. 


BADWILA. 

Im  Gegensatz  zu  obigen  Andeutungen  hat  man  Badwila, 
den  andern  Namen  des  Königs,  sonst  meist  für  den  ur- 
sprünglicheren gehalten  und  Totila  als  späteren  Beinamen 


1  Zcuss-Ebel,  Gr.  celt.  84;  Brugmann,  Vgl.  Gr.  I,  56.  77. 
*  Zeuss-Ebel  a.  a.  0.;  Brugmann  II,  I,  33. 

3  Letztere  ist  in  dem  gleichfalls  keltischen  Bacauda  (oben  8.  142) 
unterblieben,  da  dasselbe  noch  vollkommen  als  Fremdwort  erkannt  und 
gefühlt  wurde;  Bacaudae  als  Name  eines  Volksstammes  z.  B.  bei  Salvian, 
einer  Partei  z.  B.  bei  Eutrop  u.  8.  w. 


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t:*7 


aufgefasst,  namentlich  aus  dem  Grunde,  weil  die  erhaltenen 
Münzen  des  Königs  allein  den  ersteren  tragen.'  Aber  es 
müsste  auffallen,  in  dem  jüngeren  Zunamen  Totila  eine 
etymologische  Schwierigkeit  vor  sich  zu  haben,  während  das 
ältere  Badwila  an  sich  schon  eine  hypocoYistische  und  dabei 
etymologisch  klare  Benennung  repräsentiert.  Umgekehrt 
jedoch  ist  alles  klar:  der  König  hatte  von  Hause  aus  den 
Namen  Totila  und  war  unter  diesem  allgemein  bekannt, 
wie  die  Historiker  beweisen  (Badwila  als  alleiniger  Name 
nur  bei  Mar.  Avent,  Badwila  neben  Totila  bei  Jord.,  Lib. 
pontif.,  Paul.,  Vita  Laurent.,  sonst  immer  nur  Totila); 
das  jüngere  Badwila,  welches  das  unverstandene  Totila 
zu  ersetzen  hatte,  wurde  dann  vom  König  auch  als  seine 
amtliche  Namensform  acceptiert  und  deshalb  auf  die  Münzen 
geschlagen.  Und  mit  dieser  Auffassung  des  Doppelnamens 
stimmt  auch  die  in  der  ältesten  Quelle  überein:  „Totila  qui 
Baduilau  heisst  es  Jord.  50,  29,  nicht  umgekehrt.- 

Die  Überlieferung  giebt  gleichmässig  Baduila,  mit  u 
für  germ.  w  im  Inlaut  wie  gewöhnlich,  so  die  Historiker 
(nur  im  Lib.  pontif.  steht  statt  des  secundären  Hypocoris- 
mus  der  primäre  Badua),  so  die  Münzen  3  (vereinzelt  Baduefa, 
einmal  Badwila,  zweimal  Baduil*,  auf  dem  Freilaubersheimer 
Exemplar  Baduilla b). 

BLEDA. 

Die  Sieger  von  Mucella  541  sind  Bleda,  Ruderic,  117/- 
jarith.  Zu  letzterem  (OvtXt'aQig  Proc,  Viliarid  Marceil.)  vgl. 
oben  S.  87  ff. 

Bleda  (Marceil.,  vgl.  ebenso  den  gleichnamigen  Bruder 
des  Attila  bei  Jord.),  BX&dft  (Proc.)  ist  immer  zu  got.  bleips 
„gütig,  mitleidig" an.  Mipr  ags.  blipe  as.  Midi  ahd.  Midi  ge- 
stellt worden;6  dann  wäre  bei  Proc.  die  Vocalschreibung 

1  Grimm,  Zs.  VI,  540;  Wackernagel,  Kl.  ßchr.  III,  416. 

*  Ygl.  hierzu  Wackernagel  a.  a.  O. 
1  Friedländer  12.  45. 

4  Friedländer  12,  Münzen  der  Wandalen  45. 

*  Henning,  Runeridenkmälcr  79. 

6  Förstemann,  Namenbuch  I,  267  ff. 


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l:*8  - 


die  gleiche  wie  in  seinem  'Pexiuovvtio^,  und  für  den  Dental 
wären  die  Varianten  bei  Jord.  zu  beachten:  Bleta,  d.  i. 
Bletha.  Aber  das  constante  e  der  Lateiner  spricht  nicht  für 
diese  Deutung,  und  vielleicht  stammt  Bleda  aus  hunnischem 
Sprachschatze.1 

RUDERIC. 

Ruderit  Marcell.,  Povdogtxoq  'PovdsQixoq  Proc,  Ruderte 
(al.  Roder  igo  Rudirig  Ruder  id  Ruodirich)  Greg.  Magn. 

Das  erste  Glied  zu  got.  *hröp$  (hröpeigs  „siegreich") 
an.  hröpr  (hröpigr  „ruhmvoll*)  ags.  hr$p  „Ruhm"  (as.  ahd. 
hröm),  das  in  zahllosen  germ.  Namen  erscheint;2  hier  mit 
Schwund  des  /t,  mit  u  für  ostgot.  o,  mit  jüngerem  d  und 
Schwächung  des  Fugenvocals. 

8ISIFRITH. 

^lOHf  nidog  (Proc.)  545  Commandant  in  den  cottischen 
Alpen. 

RICIMUND. 

' Ptxifwwdog  (Proc.)  546  Befehlshaber  in  Bruttien. 

USDA. 

546  OaSa^  „  l  oT$wv(t7tdvTwv  ftuxitttoTaTos*  (Proc).  Primare 
Koseform  zu  einem  ursprünglichen  Vollnamen,  der  mit  got. 
*tuda-  an.  oddr  ags.  as.  ord  ahd.  ort  „Spitze,  Waffenspitze"3 
componiert  war.4  Gehört  zu  letzterem  auch  der  Ustarric 
einer  Inschrift  von  Catina5  als  ostgot.  Usda-ric  ? 

Um  551  wurde  von  Marini  und  Pertz  die  bekannte 
got.  Urkunde  von  Neapel  angesetzt,  und  deshalb  sei 

1  Vgl.  oben  8.  12. 

9  Förstemann,  Namenbuch  I,  715  ff. 

»  Zimmer,  QF  XIII,  61 ;  Wand.  42  f. 

4  Förstemann  971  ff. 

5  CIL  X,  7116. 


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\:\<) 

ihre  Behandlung  hier  samt  der  vielleicht  noch  etwas  älteren 
Urkunde  von  Arezzo  eingereiht.  Dass  wir  in  dem  Gotisch 
dieser  beiden  Urkunden 1  nicht  den  volkstümlichen  Dialect 
aus  der  Mitte  des  6.  Jahrhs.  sehen  dürfen,2  folgt  sofort 
aus  den  Abweichungen,  welche  der  Lautstand  der  Goten- 
namen in  ihren  gotischen  Teilen  gegenüber  dem  in  ihren 
lateinischen  Teilen  aufweist.  Man  muss  vielmehr  in  erster 
Linie  bedenken,  dass  die  Aussteller  Leute  geistlichen  Standes 
sind;3  Geistliche,  wie  sie  die  Verfertiger,  d.  h.  die  mechani- 
schen Abschreiber  der  got.  Bibelhss.  waren .  haben  das 
ihnen  dorther  geläufige  Gotisch  hier  wie  eine  Art  Geheim- 
schrift zu  ihren  Unterzeichnungen  angewandt  gegenüber 
dem  sonst  überwiegenden  Latein.  Man  kann  diese  got. 
Stellen  also  nur  mit  ähnlichen  gelegentlichen  griech.  Um- 
schriften in  den  Urkunden  Marinis  vergleichen  und  darf 
nicht  aus  ihnen  den  allgemeinen  Schluss  ziehen,  dass  das 
Gotisch  noch  als  schriftliche  Geschäftssprache  im  Gebrauch 
gewesen  sei;  alle  sonstigen  historischen  Kriterien  sprechen 
gegen  eine  derartige  Annahme.  Die  Sprache  der  beiden 
Urkunden  ist  also  eine  archaisierende,  stimmt  mit  derjenigen 
der  Bibelüberlieferung  überein,  und  wir  haben  hier  von  ihr 
nur  dasjenige  zu  betrachten,  worin  sie  von  der  wulf.  Gram- 
matik abweicht.  Das  ist  unter  ihren  appellativen  Bestandteilen 
nur  mit  dem  Titel  diakon  der  Fall.  VVultila  flectierte  diakaunus 
ganz  als  «-Stamm  (PI.  nom.  diakaünjus,  acc.  diakaümtns  1.  Tim. 

8.  12),  während  in  der  Neapeler  Urkunde  Sunjefrith  den 
Nomin.  got.  diakon  schreibt  und  der  Dat.  zweimal  als  dia- 
kuna,  zweimal  als  diakona  erscheint.  Wulfilas  Gotisierung 
nach  der  w-Declination  ist  also  einer  solchen  nach  der  a-Decli- 
nation  gewichen.  Dass  aber  statt  des  zu  erwartenden  got. 
*diaköns  hier  diakon  ohne  Nom.-s  auch  in  got.  Schrift 
vorliegt,  ist  für  dieses  ostgot.  Auslautsgesetz  eine  neue  ge- 
wichtige Stütze  auch  aus  dem  Bereiche  der  Nomina  ap- 
pellativa!    Alle    sonstigen    Gotica    der    beiden  Urkun- 

'  Bei  Mnrini  Nr.  119.  118.    Masamann,  Die  got.  Urk.  v.  Neap. 
u.  Arezzo,  Wien  1H38.    Sonst  bei  Bernhardt  und  Heyne. 
*  8o  Bernhardt,  WulfUa  64«. 
»  Vgl.  oben  S.  3.  15. 


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140 

den  richten  »ich  ganz  nach  der  überkommenen  wulf. 
Grammatik.  In  der  Bibel  nicht  belegt  sind  davon  papay 
das  Quelhvort  für  das  ahd.  pfaffo*  (doch  im  got.  Kai. 
der  Acc.  papan),  ufmeljan,  skilliggs,  kawtsjo,  (ein  in  dieser 
seiner  got.  Transscription  sehr  lehrreiches  Lehnwort,  worüber 
unter  „Voealismus"  und  oben  S.  1W  zu  vgl.),  gahlaifs  (Wul- 
lila  hat  nur  das  schw.  gahlaiba),  frabauhtaböka,  unkja,  hugs. 

Im  Anschluss  an  die  hier  erwähnten  Appellativa  seien, 
bevor  ich  zu  den  Gotennamen  der  beiden  Urkunden  über- 
gehe, die  sonstigen  ausserbiblischen  got.  Sprachbrocken  er- 
wähnt. Für  das  gewiss  ostgotischer  Feder  entstammende 
Wort  wulpr-  im  Cod.  Brixianus  der  Itala,  einen  Term.  techn. 
für  die  richtigere  Lesart,  genügt  es,  auf  Haupt8  und  Bern- 
hardt3 zu  verweisen.  Das  Wort  (auch  Gal.  2,  6:  ni  waiht 
tnis  iculpris  ist)  erscheint  hier  leider  nur  in  lat.  Flexion: 
super  vulthre,  in  ipso  vulthre,  in  vulthre ,  ipsos  vulthres. 
Diese  aber  weist  auf  einen  i-Stamm  (ebenso  wie  die  Var. 
wiilprais  im  Cod.  A  Gal.  2,  6).  WTie  got.  totdpus,  wulpags 
zeigen,  ist  in  wulprs  das  r  ableitend.  Da  jedoch  im  Germ, 
ein  Suffix  ri  nur  zur  Bildung  von  Adjectiven  bekannt  ist,4 
so  wird  das  Subst.  *wulprs  nur  das  ursprünglich  substan- 
tivierte Adj.  wulprs  „wichtig,  wert"  (Mt.  (>,  26)  sein,  für 
dessen  /-Flexion  auch  die  allein  belegte  Comparativform 
wulprizQm  sprechen  kann.  Die  Parallele  zwischen  iculp-ri- 
und  wulp'US  widp-ags  ist  daher  die  gleiche  wie  die  zwischen 
skei-ri-  und  skei-ma,  skei-nan,  zwischen  me-ri-  und  Osthoffs 
Wz.  w£-5,  zwischen  an.  vitr  (gr.  ttpig)  und  ags.  wit  ahd.  wiz. 

Dagegen  gestatten  die  bisherigen  Resultate  über  den 
ostgot.  Dialect  bereits  die  Folgerung,  dass  der  got.  Trink- 
spruch in  dem  Gedichte  „De  conviviis  barbaris*  der  Antho- 
logia  latina"  nicht  ostgotischer  Zeit  entstammt.  Dasselbe 
lautet : 


1  v.  Raumer,  Zs.  VI,  408,  daru  XXV,  99. 
•  Bcrl.  Ind.  leot.  1869  (Opuso.  II,  407). 
s  Za.  f.  d.  Phil.  II,  297. 

4  Kluge,  Nomin.  Stnmmbildg.  §  197. 

5  Beitr.  XIII,  431  ff. 

8  Ed.  Riese  I,  285,  p.  187. 


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-  ui  - 


lnter  eils  goticum  scapia  matzia  ia  drincan 

Non  audet  quisquam  dignos  ediccre  versus. 

Calliope  madido  trepidat  se  iungere  Baccho, 

Ne  pedibus  non  stet  ebria  Musa  suis. 
Die  richtige  Deutung  der  got.  Teile  steht  bei  Dietrich  2b\ 
sie  würden  wulfil.  aussehen: 

.  .  .  hails  .  .  .  skapei  jah  matjan  jah  drigkan. 
Schwund  des  got.  h  und  die  Assibilation  in  matzin  sind  nichts 
Auffallendes.  Aber  wulf.  hails  müsste  ostgot.  (h)el  lauten  mit 
Monophthongierung  und  Abfall  des  sl  Deshalb  bleibt  der 
got.  Hexameter  einer  vorostgotischen  Zeit  in  Italien,  vermut- 
lich der  westgot.  Periode  Alaries  (410)  zugewiesen.  (Sonst 
vgl.  man  zu  dem  Diphthong  in  eils  das  wand,  ei  <  wulf. 
öi,  Wand.  95). 

Und  nun  zu  den  Eigennamen  in  den  beiden  got.  Ur- 
kunden,  die  wegen  ihres  doppelten  Vorkommens  in  got. 
und  lat.  Transscription  besonders  interessant  sind.  Ausser 
Betracht  bleiben  die  ungotischen  Petrus,  Defensor ,  Vita- 
lianus,  Paulus,  Minnulus,1  Danihel,  Costila?  Hosbat?  Benenatus, 
Constantius,  Leontius,  Donatus.  Behandelt  sind  von  uns  bereits 
Optarit  und  Vftahari  oben  S.  97  f.,  Wiliarit  und  Wüjarip 
S.  87  f. 

SUNJEFRITH. 

Suniefridus  im  ersten  allgemeinen  lat.  Teil,  Sunjai- 
fripas  in  seiner  got.  Unterschrift.  Suniefridus  für  wulf. 
*Sunjafrips  mit  abgeschwächtem  Fugenvocal  ,  tönender 
Spirans  d  (im  Inlaut)  und  lat.  Endung.  Dem  lat.  Sunie-  ent- 
spricht das  got.  Sunjai-,  d.  i.  Sunjai-*.  Das  got.  -fripas 
enthält  sicher  einen  Fehler:  es  bleibt  unentschieden,  ob  es 
nur  für  -fripus  (als  blosse  Umschrift  der  vorhergehenden 
lat.  Form)  verschrieben  oder  ob  ostgot.  -früh  falsch  als 
wulf.  -fripas  reconstruiert  ist.    Jedenfalls  ist  Bernhardt5 

1  Keltisch:  Stark,  Wien.  Sitz.-lier.  LIX,  220. 

2  Keltisch:  oben  8.  127. 

»  Keltisch :  8tark  a.  a.  O. 
4  Vgl.  unter  „Composition". 
8  Wolflla  651. 


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und  Kremer 1  nicht  beizupflichten .  wenn  sie  -fripas  als 
Nebenform  des  schwachen  Mascul.  auffassen  (vgl.  satanas, 
Vulfihis  u.  s.  w.);  denn  der  zweigliedrige  Name  kann  nur 
auf  ein  starkes  Adj.  endigen,  ferner  würde  dann  auch  die 
lat,  Schreibung  -frida{s),  nicht  -fridus  sein  müssen. 

THEUDILA. 

Theudda  zweimal  in  lat.  Teilen,  davon  einmal  in  seiner 
eignen  Unterschrift.    Man  beachte  das  ostgot,  eu. 

MIUICA,  MERILA. 

Afirica  im  ersten  allgemeinen  lat,  Teil,  Merila  in  seiner 
got,  Unterschrift,  Vertauschung  der  beiden  hypoeoristischen 
Secundärsuffixe. 

SINDILA. 

Sindila  im  ersten  allgemeinen  lat.  Teil,  Sinthilams 
(Gen.)  in  lat.  Unterschrift.  Wiederum  Schwanken  in  der 
Wiedergabe  der  Spirans.  Gegenüber  Sindila  zeigt  der  Sindula 
der  Epist,  pontif.  Suffixablaut.2 

Gt'DELEUB. 

Die  Neapeler  Urkunde  hat  in  lat,  Teilen  Gudeliuus, 
Gen.  Gudeliui,  die  A rezzoer  im  ersten  allgemeinen  lat.  Teil 
zweimal  Gudilebus,  in  der  got,  Unterschrift  Gudilub  (so  der 
erste  Druck  bei  Gori:  die  Urkunde  ist  seit  mindestens  17H1 
verschwunden) ,  in  den  lat.  Unterschriften  die  Ablative 
Gudileboy  Gudüiuo.  Hierzu  stelle  ich  noch  den  Dat.  Gudilevo 
bei  Ennod. 

Massmanns  Herstellung  Gudilaib  an  der  got,  Stelle 
ist  mir  nicht  wahrscheinlich;  ihr  könnten  zwar  die  4ebus 


1  Beitr.  VIII,  448. 

*  Stark,  Kosenamen  5G,  2.    Wand.  39. 


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-  14:1 


•levus  als  ostgot.  Monophthongierungen  entsprechen, 1  nicht 
aber  die  -Uhus,  für  welche  dann  Vertauschung  zweier  Namen- 
elemente der  einzige  Ausweg  wäre.  Massmanns  Lesung  er- 
fordert, das  zweite  u  im  got.  (hidilub  als  verschrieben  aus 
«  anzusehen  und  Ausfall  eines  i  anzunehmen:  ich  behalte 
nur  letzteren  bei,  rette  jedoch  das  u  und  lese  Gudiliub. 
Aus  dessen  Latinisierung  *Gudiliubus  erklären  sich  ohne 
weiteres  GudUiuws  (vgl.  in  derselben  Urk.  got.  Kaballarja, 
lat.  Caballaria  und  Cavallaria,  sowie  oben  S.  128  und  S.  131), 
Gudileuus  (mit  ostgot.  eu),  aus  letzterem  Gudilebus;  und 
Gudiliub  (man  beachte  das  Fehlen  des  Nomin.-s  an  der 
got.  Stelle)  ist  das  Masc.  zu  der  oben  behandelten  Gudeliva, 
•leuba.  Wer  ängstlich  Gudilub  bewahren  will,  der  nehme 
gegenüber  den  andern  Stellen  Vertauschung  an  von  wulf. 
Hufs  mit  einem  Nomen  agentis  des  Stammes,  der  in  an. 
lofa  ags.  lofian  as.  lobon  ahd.  lobön  vorliegt,  und  denke  an 
got.  gahihs  „kostbar",  auch  ags.  lufu  „Liebe*. 


GUDERITH. 

In  lat.  Teilen  der  Neap.  Urk.  Guderit,  als  Nom.  und 
Gen.,  also  endungslos.  Ebenso  ein  got.  Freigelassener  Gude- 
rit  bei  Marini  Nr.  80,  II,  und  ein  Gttderit  auf  einer  Inschrift 
von  Aquileja.2 

MALATHEU. 

Im  ersten  allgemeinen  lat.  Teil  der  Neap.  Urk.  Mala- 
theus.  Kremers3  Etymologie  des  ersten  Teils  als  *mapla- 
oder  *malwa-  entbehrt  für  den  dann  nötigen  Consonanten- 
schwund  jeder  ostgot,  Analogie.  Will  man  nicht  Mala-  oder 
Amala-  bessern,  so  bleibt  an  keltische  Bildungen  zu  er- 
innern.4 


1  v.  Grienbergera  neuste  Lesung  got.  Qudilaib  (Germ.  XXXIV, 
411)  bedarf  kaum  der  Erwähnung.    Vgl.  oben  8.  62,  1. 

*  CIL  V,  1588. 

»  Beitr.  VIII,  449. 

*  Stark,  Kosonamcn  49. 


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144  - 


ALAM  III). 

In  der  Neap.  Urk.  viermal  der  got.  Dat.  Alamöda, 
in  der  Arezzoer  derselbe  einmal  und  zweimal  Alamnd  als 
Acc.  und  als  Nom.  Der  erste  Teil  des  Namens  ist  derselbe 
wie  in  got.  ala-mans  ala-parbu,  an.  al-rita  al-eyPa  al-daupa, 
as.  ahd.  al-ung,  ahd.  ala-wäri  ala-niuwi,  mit  verstärkender 
Function  (omnium ,  inter  omnes ]) ;  seine  ostgot.  Färbung 
ale-  ali-  ist  aus  diaeritischen  Gründen  unterblieben  (vgl. 
ostgot.  ali  <  wulf.  alja-  oben  S.  123  f.);  ebenso  in  den  inschrift- 
lichen  AlatuHCHs  Alagildns.2 

WILLJEN  ANTH. 

Der  Geistliche  Minnulm  des  ersten  allgemeinen  lat. 
Teils  der  Neap.  Urk.  unterzeichnet  sich  mit  einem  zweiten, 
gotischen  Namen ,  Wiliienattt.  Das  erste  Glied  mit  hypo- 
cori st  i schein  //. 

IOILA. 

Ebenso  unterschreibt  der  im  Anfang  der  Urk.  Danihel 
Genannte  sich  am  Ende  als  lgila.  Die  Etymologie  bleibt 
dunkel.8  Vielleicht  liegt  eine  Scherz-  oder  Spottbenennung 
vor  ähnlich  wie  in  Wisand ,  und  man  hat  an  got.  *igils 
„Igelu  anzuknüpfen4  (an.  igull  ags.  igl  U  ahd.  igil). 

■ 

ANOELFRITH. 

In  der  Urkunde  von  Arezzo  Angelf rid- ....  corrumpiert, 
vermutlich  aus  latinisiertem  -fridits.  Das  ei  ste  Glied  stellt 
sich  entweder  zu  got.  aggilus  an.  engeil  ags.  engel  as.  ahd. 
engil 5  oder  wahrscheinlicher  zu  dem  Volksnamen  der  Angeln.'5 

1  Grimm,  GddS  498. 
*  CIL  V,  8738.  8760. 

3  Vgl.  Wand.  47. 

4  Burg,  Runeninachr.  124,  2. 

5  Vgl.  S.  103  und  Forstemann,  Namenbuch  I,  89  ff. 

6  Müllenhoff,  Beovulf  30;  Schröder,  Anz.  XII,  181;  Seelmann, 
Nd.  Jahrb.  XII,  23. 


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-  145 


8CIPWAR. 

An  die  got.  Urkunden  schliessen  sich  der  Chronologie 
gemäss  wieder  einige  Namen  aus  Proc.  «Wovap  nennt  er  einen 
Getreuen  Totilas,  welcher  551  vor  Ancona  die  grosse  See- 
schlacht gegen  Johannes  mit  verlor  und  welcher  552  seinen 
tätlich  verwundeten  König  aus  dem  Schlachtgetümmel  rettete 
und  verzweifelt  verteidigte.  Eine  normale  Namenbildung 
aus  got.  an.  skip  ags.  as.  scip  ahd.  seif  scef  und  dem  oben 
S.  82  f.  behandelten  Nomen  agentis  und  vielleicht  ein  be- 
zeichnender Zuname  in  Bezug  auf  jene  Seeschlacht,  formell 
aber  nicht  identisch  mit  dem  an.  skipveri  pl.  skipverjar 
„Schiffsmann-. 1  Wir  wissen,  dass  Theoderic  eine  Kriegs- 
flotte von  tausend  Dromonen  bauen  Hess. 

GIBILA. 

Vor  Ancona  werden  die  Goten  ausser  von  Scipicar 
noch  von  Gibila  und  Gundwulf  commandiert.  Wenigstens 
wird  rißkag  bei  Proc.  nicht  anders  als  Gibila  zu  fassen  sein. 

GUNDWULF. 

Proc:  „  /  lovpdovXq> ,  oonto  rir^  dt  avrov  'Irdoi'Xy 

ixakow",  also  wiederum  ein  Doppelname.  Die  wiederkehrende 
Variante  fovi'JovA  (ebenso  '/fJovA)  kann  auf  romanischen 
Einfluss  hindeuten  (vgl.  frz.  Ärnoul,  Raoid  u.  ä.2). 

HILDWULF. 

Jenes  etymologisch  rätselhafte  'häovhf  wird  an  drei 
Stellen  von  der  Variante  'DMvtp  begleitet  und  daher  in 
'Ikdovkfp  zu  bessern  sein. 

GOAR. 

Einen  Goten  nennt  Proc.  jenen  r6ag,  der  als  Gefangener 
nach  Byzanz  gekommen  war  und  sich  552  zu  den  Gepidcn 

1  Möllenhoff,  Zs.  XVI,  155. 
*  Dioz,  Gr.  I3,  324. 
QP.    LXVIII.  10 


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-    14<>  - 


siegreich  durchschlug.  Aber  sein  Name  ist  uugotisch.  Denn 
schon  in  den  Jahren  40f>.  412  erscheint'  ein  Alane  gleichen 
Namens1,  und  Alanennamen  wie  Eochar ,  Beorgar  zeigen 
die  gleiche  Endung.  Vgl.  den  „alanisch  benannten  Goten" 
Aspar.2 

USDRILA. 

Der  OvödQi'lag  bei  Proc.  vom  Jahre  552  bleibt  in  dieser 
Form  dunkel ;  denn  die  Lesart  Ovadt'ka*;,  welche  Förstemann :i 
nach  Grimm  aufführt  und  welche  den  Namen  zu  dem  pri- 
mären Uada  (oben  S.  l:*8)  stellen  würde,  existiert  in  der 
Bonner  Ausgabe  nicht.  Vielleicht  steht  Ova^Qtlaq  mit  der 
im  Griech.  nicht  vereinzelten  Verwechslung  von  x  und  d 4 
für  Ovarptkutf,  Ovt(ng{\a$f  und  Wistrila  wäre  Koseform  aus 
einem  mit  got.  *Wistra~  gebildeten  Vollnamen. :> 

DARIDA. 

Es  folgen  einige  Namen  aus  der  Zeit  Totilas,  welche 
in  Gregors  des  Grossen  Dialogen  überliefert  sind.  So  der 
Dux  Gothorum  Darida.  Schon  Förstemann 6  stellte  Darila 
Darohi  Derlindis  Tarro  Tara  Tarit  Tarut  zusammen  und 
knüpfte  an  an.  dar  „hasta"  an.  Darida  ist  die  ostgot. 
Entsprechung  zum  an.  darraßr1  ags.  dearod  ahd.  tart  mit 
Suffixablaut H,  mit  jüngerem  d  (wulf.  />)  und  schwacher 
Flexion.  Das  Stammwort,  an.  darr  n.,  später  dqr  m.,  ge- 
hört nicht  zur  Wurzel  dars  .wagen",9  sondern  zu  ahd. 
terren  got.  *darjan  „beschädigen,  verletzen",  und  Darida 
Darrapr  u.  s.  w.  ist  „der  Schädiger".    Grade  zur  Bildung 

1  Dahn,  Könige  I,  263. 

8  Möllenhoff,  DA  II,  377. 

8  Namenbuch  I,  973. 

4  Blass  81. 

5  Förstemann,  Namenbuch  I,  1278. 
8  KZ  III,  308. 

7  Cleasby-VigfuKson  1)6. 

*  Ein  weiterer  Beleg  zu  Sütterlin,  Nom.  ag.  18. 

*  Fiele,  Vgl.  Wörterb.  III8,  145. 


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-     147  - 

solcher  Kenningar,  besonders  für  Götter-  oder  Spottnamen, 
diente  das  Suffix  Up  ap  ip  gern,  wozu  besonders  an.  Nomina 
agentis  wie  varpapr,  bautupr  u.  v.  ä.  zu  vgl.1  Für  die  vor- 
liegende Form  des  Suffixes  vgl.  man  den  Namen  des  Gepiden- 
königs  Fastida  bei  Jord.  83,  4.  19  u.  ä.2,  zu  seiner  schwachen 
Form  auch  an.  edda  <  got.  *aipidö* 

RIGGO. 

Für  den  Spatharius  Gothus  Biggo  sollte  man  Rico  oder 
Ricco  erwarten  (mit  latinisierter  Endung  und  hypocoristischer 
Gemination)  oder  herstellen 4,  da  auch  der  Ruderte  bei  Greg, 
die  Varianten  Rodengo ,  Rudirig  zeigte.  Aber  wenn  das 
eddische  Gedicht  den  Heimdallr  als  Bigr  auftreten  lässt  und 
Müllenhoff5  Recht  hatte  hierin  keltische  Lautgebung  zu 
sehen,  so  mag  dieselbe  Erklärung  auch  eine  Emendierung 
des  vorliegenden  Gotennamens  ersparen.  Ein  Rigmtmd  auch 
im  Onomasticon  des  Smaragd*,  und  sonst  -rig  neben  -ric 
als  häufige  Variante. 

WTLTII. 

Ib.  der  Name  Vul,  al.  Vult  Vtrtd;  kein  primärer  Hypo- 
corismus,  welcher  *Vulda  lauten  müsste,  sondern  das  oben 
S.  85  statuierte  Adj.  selbst  in  starker  Flexion  (wulf.  *wulps) 
als  ehrender  Beiname,  identisch  mit  dem  an.  Vllr.1 

BLIDIN,  WIDIN. 

Ib.  Blidin,  al.  Blindin,  eine  dunkle  Bildung.  Bei  Paul, 
in  der  Langobardengeschichte   erscheint  später  ein  Gote 

1  Kluge,  Nominale  Stanimbildungslelire  §  29b,  auch  Feminina 
§  43.    Sütterlin,  Noni.  ag.  14  ff. 

*  Stark,  Kosenamen  58,  2. 

3  Burg,  KuneninHchr.  108. 

4  Ein  Burg.  Rico  bei  Wnckernagcl,  Kl.  Sehr.  III,  407. 

*  Za.  XXX,  247. 

*  Ze.  I,  389. 

7  Bnehleclmer,  Zs.  VIII,  203. 

10* 


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148 


Widin  \  welcher  gegen  Narses  rebelliert .  aber  von  ihm 
geschlagen  und  nach  Oonstantinopel  geschickt  wird.  Ich 
möchte  Blidin  und  Widin  für  dieselbe  Person  halten,  mag 
nun  ihr  Name  in  der  einen  Quelle  fehlerhaft  sein  oder  eine 
Vertauschung  zweier  Namenelemente  vorliegen:  got.  bleips 
(oben  S.  l:V7)  und  got.  *mdus  (oben  S.  f>9).  Den  Ausgang 
-in  lese  ich  als  -tri  und  verweise  auf  S.  74  f. 

ZALLA. 

Ib.  Zalla  (al.  Tzalla).-  Das  z  ist  die  geläufige  roma- 
nische Assibilation ,  das  II  hypoeoristisch ,  das  Ganze  eine 
primäre  Koseform,  zu  welcher  die  secundäre  als  Tzalico, 
d.  i.  got.  Talka  noch  begegnen  wird.  Vgl.  got,  un-tals 
„unfügsam" ;  die  zu  Grunde  liegende  Wurzel  nach  Fortunatow3 
auch  in  gr.  «W-JmA-o*-  dat-ädX-so±'  «künstlich  gearbeitet",  und 
auch  Juidaloq  ist  im  Griech.  Eigenname. 

TILA,  TEJA. 

Nach  Totilas  Tode  wurde  Teja  zum  Gotenkönig  erwählt, 
zum  letzten.  Er  fiel  bald  nachher  in  der  grossen  Schlacht 
am  Vesuv.    55:*  wurde  Italien  römische  Provinz. 

Sein  Name  ist  auf  Münzen  erhalten,4  von  welchen  eine 
erste  Klasse  ihn  Theia,  eine  zweite  Theia  mit  der  Variante 
Theia,  eine  dritte  Thila  nennt.  Dem  gegenüber  zeigen  die 
Historiker  übereinstimmend  die  Form  Teia:  Proc,  Agath., 
Euagr.  7V/«c,  Mar.  Avent.  Teia,  Agnell.  Teia  Theia.  Der- 
selbe Name  begegnet  schon  in  der  ersten  Zeit  Theoderics, 
in  einer  Epist.  pontif.  als  Name  eines  Comes:  Zeia  (mit 
Assibilation). 

Bei  solcher  Übereinstimmung  der  Historiker  bleibt  das 
Schwanken  in  den  numismatischen  Belegen  um  so  auffallender. 

1  Dahn,  Könige  IV,  164.  Der  dort  citierto  Haminr  ist  Franke. 
8  Dahn,  Könige  III,  246,  3. 

*  Bezz.  Beitr.  VI,  218  Anm. 

*  Friedender  51  IT. 


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149 


Seelmann  (S.  327)  belegt  zwar  inschriftliche  Fiios  (st.  Filios), 
Aureia,  Comeius,  Oreius,  Ducix  u.  s.  w.,  warnt  aber  selbst 
davor,  hierin  lautliche  Entwicklung  statt  Nachlässigkeit  der 
Steinmetzen  zu  vermuten;  hiernach  könnte  man  allenfalls 
auf  den  Münzen  Thela  Thila  heisteilen,  schwerlich  jedoch 
bei  der  ganzen  Reihe  der  genannten  Historiker.  Ich  schlage 
vor,  wiederum  einen  Doppelnamen  anzunehmen,  wie  bei  dem 
Vorgänger  Totila  Badwila.  Thela  Thila,  mit  verkehrter 
Aspiration  statt  ostgot.  Teia,  erklärt  sich  am  einfachsten 
als  primäre  Koseform  zu  einem  mit  got.  tils  componierten 
Vollnamen.1  Freilich  findet  sich  ein  Stamm  til  auch  in 
keltischen  Namen:2  liegt  er  hier  vor,  so  ward  seine  Un- 
verständlichkeit  Veranlassung  zu  dem  Doppelnamen,  grade 
wie  oben  beim  Totila.  Wer  das  constante  th  retten  will 
(auch  der  Sohn  Odowacars,  welcher  als  Geisel  an  Theoderics 
Hof  lebte ,  heisst  beim  Anon.  Vales.  §  54  Thela) ,  mag  an 
den  alten  Stammesnamen  der  Thelae,  d.  i.  der  an.  pilir  (in 
pelamqrk,  heute  Tellemarken)  denken,  welcher  bei  Jord.  60,  2 
in  Taetel  entstellt  ist3;  auch  er  wird  in  Italien  nicht  mehr 
verstanden  worden  sein  und  kann  so  die  Entstehung  eines 
zweiten  Namens  befördert  haben. 

Diesen  zweiten  Namen,  Teia,  erklärte  Dietrich  (S.  02) 
als  *T$wja  und  stellte  ihn  zu  got.  tewa  tewi  -Ordnung", 
teiojan  .ordnen" ;  aber  für  solchen  Schwund  eines  ic  fehlt  jede 
ostgot.  Parallele.  Ich  erinnere  vielmehr  an  den  Ausfall  des 
intervocalischen  g  in  sajo  <  *sa  gja ,  Dailu  <  Dagila  und 
nehme  Teia  als  *Tegja.  In  Tegja  kann  das  e  nicht  kurz 
sein,  weil  germ.  e  bei  folgendem  i  oder  /  auch  in  unsern 
Quellen  schon  regelmässig  durch  i  reflectiert  wird.  Folglich 
kann  nur  ^  vorliegen  und,  da  wulf.  *Tegja  jeglicher  etymo- 
logischen Anknüpfung  entbehren  würde,  ostgot.  e  <  wulf. 
ai.  Für  dieses  ostgot.  *Tegja  <  wulf.  *Taigja  darf  an  ahd. 
zeigön  nicht  gedacht  werden,  weil  dies  eine  speeihsch  hoch- 

1  Vgl.  S.  81  und  Henning,  Runendonkm.  4.  Aber  ib.  142  sotzt 
er  da«  i  der  Stammsilbe  unrichtig  als  ursprünglich  an;  vgl.  Feist,  Got. 
Etym.  Nr.  571. 

2  Stark,  Kosenamen  121,  2. 

3  Müllenhoff,  DA  II,  66. 


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150  — 


deutsche  Bildung  isst 1  (dazu  got.  taik-ns  und  ga-tei-hati); 
und  so  bleibt  nur  eine  Möglichkeit  noch:  Verbindung  mit 
an.  teigr  „Erd-,  Wiesenstreif".  Im  An.  erscheint  teigr  sim- 
pliciter  wie  in  der  Composition  (Hof teigr ,  Gullteigr)  als 
Orts-  oder  Flurname,2  und  so  kann  auch  *Tegja  den  Be- 
wohner oder  Besitzer  eines  bestimmten  *taiyus  (wulf.)  be- 
zeichnen.8 Oder  aber  es  bedeutet  als  Xeckname  den  „Trinker", 
wenn  man  schon  dem  got.  Appellativum  wie  dem  an.  teigr 
den  übertragenen  Sinn  eines  „tiefen  Zuges*  zumessen  darf ; 
das  davon  abgeleitete  schwache  Verbum  teiga  besagt  gradezu 
„einen  tiefen  Zug  thun":4  letzterem  entspricht  ein  got. 
*taigjan,  wovon  *taigja  Nomen  agentis,  und  Teja  wäre  der 
„Trinker u  wie  oben  S.  108  Matja  der  „Esser".  Der  gleich- 
massige  Ausfall  des  g  beruht  bei  dem  Königsnamen  wie 
oben  S.  110  bei  dem  Titel  sajo  auf  amtlicher  Tradition. 

FRIDIGERN. 

Der  Vater  des  Teja  heisst  bei  Agath.  <!>t)tdtye(>i'o$.  Vgl. 
den  gleichnamigen  Regulus  Vesegotharum  z.  B.  bei  Jord. 
(05,  4  Fridigernus,  93,  2  u.  ö.  Fritigernus)  und  Möllenhoff 
daselbst  im  Index. 

ALIGERN. 

Ein  Bruder  des  Teja  war  552  Commandant  von  Cumae, 
übergab  dasselbe  im  folgenden  Jahr  mitsamt  dem  gotischen 
Königsschatze  an  Narses  und  zeichnete  sich  später  im 
römischen  Heere  während  der  Schlacht  bei  Capua  gegen 
die  Franken  aus:  \4h'yeQvo$  Agath. 

RAGNARITH. 

'Pdyvaoig  der  Name  eines  Gotenführers  552  bei  Proc. 
und  Agath.    Zum  ersten  Teil  vgl.  Wand.  86:  got.  ragin 

'  Kluge,  EW4  unter  „zeigen". 
2  Cleaaby-Vigfusson  627. 
5  Vgl.  Oraja  oben  S.  105. 
4  Cleasby-Vigfuason  a.  a.  O. 


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151 


an.  regln  as.  regino  (Gen.)  ahd.  regln-  -Hat,  Beschluss*,  in 
Namen  zum  Zweck  höchster  Begriffssteigerung ,  wie  auch 
in  zusammengesetzten  Appellativen  des  An.  Ags.  As.1  Zur 
obigen  Syncope  unter  ,Compositionw. 

ADEMUND. 

Die  Schenkungsurkunde  bei  Marini  Nr.  86  vom  Jahre 
«55:3 2  nennt  21  den  Halbbruder  der  Stifterin  mit  Namen 
Ademunt ,  qui  et  Andreas  appellatur.  Man  beachte  den 
Doppelnamen.  Das  incorrecte  t  für  d  entstammt  lateinischer 
Feder.3 

ADERITH. 

Ademunds  Vater  heisst  in  derselben  Urkunde  1.  19 
Aderit  (über  die  Schreibungen  AderUnis,  Aderitgis  ib.  für 
Aderit  gls,  d.  i.  gloriosissiini,  s.  Marini  S.  284  und  danach 
Förstemann,  Namenbuch  I,  135). 

FELITHANC. 

Die  Schenkung  geschieht  mit  Einwilligung  des  Ehe- 
mannes der  Stifterin,  welcher  52.  ()3.  73.  77  Felithanc,  66 
Felethanc  genannt  wird 4 :  eine  ganz  correcte  ostgot.  Schrei- 
bung, mit  ostgot.  cy  extrem  gefärbtem  Compositionsvocal, 
richtiger  Aspiration  th  und  ohne  Nomin.-s.  Der  eiste  Teil 
des  Namens  ist  das  got.  as.  ahd.  filu  an.  fjql-  ags.  feolu 
feala,  dessen  Stammvocal,  germ.  e  \  hier  wieder  bewahrt 
ist.  Vgl.  den  secundären  Hypocorismus  Filica  oben  S.  68 
oder  den  Filimer  der  gotischen  Ursage  bei  Jord.  oder  den 
Rugier  Feletheus  Eugipp.  8,  1.  31,  1.  33,  l.6 

1  Möllenhoff,  Za.  XVIII,  8. 
1  Dahn,  Könige  IV,  185. 

3  Vgl.  z.  B.  Mommsen8  Jord.  S.  170. 

4  Die  Identifizierung  mit  Wilithane  (obon  S.  128)  bei  Dahn  IV, 
185  ist  willkürlich;  vgl.  etwa  Seelmann  241  a.  E. 

1  Kögel,  Literaturbl.  1887,  Sp.  108. 

*  Ferner  Förstemann,  Nnmenb.  I,  405  ff.,  und  die  zahllosen  nof.v 
in  griech.  Eigennamen  (Fielt  71.  206). 


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152  - 


RUNILO. 

Die  Stifterin  selbst  heisst  62.  65.  68.  72.  76.  79  liunilo? 
eine  feminine  seeundäre  Kosebildung ;  zu  got.  as.  ahd.  rüna 
an.  rün  ags.  nni ,  in  vielen  Frauennamen  auf  den  Besitz 
höherer  Weisheit  hindeutend. 

SISEWERA. 

Die  sich  hier  weiter  anschliessenden  Namen  erfordern 
insofern  einige  Skepsis,  als  sie  der  Zeit  nach  553  ange- 
hören. Doch  weist  ihre  lautliche  Gestalt  sie  den  ostgoti- 
schen Kesten  zu/2  welche  trotz  dem  radicalen  Aufräumen 
in  Italien  seitens  der  Kömer  hier  noch  hängen  geblieben 
sein  werden. 

In  der  Urkunde  Nr.  93  bei  Marini,3  nach  553,  ist  von 
einer  Schenkung  einer  Freigelassenen  Sisewera  an  die  Kirche 
zu  Ravenna  die  Rede:  65.  100  Sisioera,  70.  81.  108.  113 
Sisevira,  74.  78.  104  Siseotra.  93.  96  Sesivira,  86.  90  in 
griech.  Transscription  Ciötßtpa.  Zum  ersten  Gliede  vgl. 
oben  S.  106,  hier  ist  es  mit  ziemlicher  Sicherheit  als 
wulf.  *sistca-f  nicht  *sigi$a-  anzusetzen,  da  der  Stammesaus- 
laut vor  folgendem  Halbvocal  schwinden  musste,  sisi-  also 
nur  *sisu-  *sisw-  reflectieren  kann :  darauf  weist  auch  das 
zweimalige  Sesi-,  dessen  e  bei  folgendem  ursprünglichen 
i  {siyisi-)  anomal  wäre.  Weshalb  Möllenhoff4  den  Namen 
rätselhaft  fand  und  seinen  zweiten  Teil  nicht  an  got.  wirs 
anknüpfte,  bleibt  dunkel;  man  vgl.  oben  Wera ,  Wfrika 
und  andere  Belege,  die  Möllenhoff  selbst  a.  a.  O.  aufzählt, 
dazu  noch  aus  den  westgotischen  Concilienacten  bei  Mansi 
XI,  1076  Veremundus  683,  XII,  84  Vera  693,  femer  533 
eine  Frankin  Leudovera  bei  Pard.  118.  119,  700  Gunthivera 
ib.  452. 


1  Dahn  a.  a.  O. ;  fälschlich  liundo  III,  134,  2. 

3  linnke,  Woltgoadiichto  IV,  II,  145. 
1  Dahn,  Könige  IV,  185. 

4  Zs.  XVI,  156. 


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153 


THEUDIFARA. 

Die  Herrin  der  Sisewera  heisst  ib.  23  in  correcter  ost- 
got,  Lautgestalt  Theudifara. 

GUXDIHILDI. 

Ergiebig  an  got.  Namen  ist  die  Urkunde  Nr.  79  bei 
Marini  aus  dem  Jahre  557.  Ib.  1.  16  Gundihild,  13.  14. 
56  Gundihildu  17.  22.  25.  77  Guttdihil,  90  Gundiildi.  Zur 
Gundihildi  verhält  sich  die  iiischriftliche,  freilich  nicht  da- 
tierte Guntelda  1  wie  Theodadm  zu  Theodahadus. 

LANDARITH. 

Ib.  2  Land  .  .  .,  48.  66  Landarit.  Got.  an.  ags.  as.  land 
ahd.  lantr 

G  UND  WULF. 

Ib.  4.  43  Gunduhuls,  30  Gunduhts,  57  Guduhuls.  Marini 
stellt  (S.  265,  12)  Gundulf  her,  und  ich  weiss  nichts  besseres; 
ist  s  jedesmal  aus  /  verschrieben  oder  verlesen?  oder  ent- 
stammt es  wie  an  der  dritten  Stelle  lat.  -us?  dann  zum 
Ausfall  des  /  oben  S.  145;  uhu  =  germ.  wu,  und  das  h 
als  Übergang  vom  Halbvocal  zum  Vocal?3  Oder  aber  ist 
-wids  incorrecte  Wiedergabe  von  got.  wulp,  wie  das  con- 
stante  gr.  -()ig  von  ftp'i  An  Einwirkung  von  -hulps  ist  für 
die  Form  Gunduhuls  des  ungotischen  Fugenvocals  wegen 
schwerlich  zu  denken. 

ADIUTH. 

Ib.  43.  58  Adiud,  66.  78  Adiut.  Vgl.  S.  114  und 
S.  67. 

1  CIL  V,  5415. 

1  Förstemann,  Namenbuch  I,  829  ff. 

*  Vgl.  oben  S.  115.  Man  könnte  an  langobardische  Schreibungen 
wie  sruldahis,  marpahis,  Ahistulf  u.  s.  w.  für  sculäais,  tnarpais,  Aistulf 
denken  (Grimm,  GddS  4SI  ;  Wackernagel,  Kl.  8chr.  III,  366  f.),  auch 
das  inschriftliclio  Ehurfericus  (oben  S.  67,  I)  vgl. 


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ROSEMUD  FAFFO. 


Tb.  44.  58.  66.  7<)  Rosemud  qui  Faffo  coynominatur. 
Das  constante  o  in  di  r  ersten  Silbe  des  ersten  Namens 
gegenüber  dem  u  in  der  zweiten  weist  für  jenes  auf  wulf. 
au,  und  der  Name  ist  identisch  mit  dem  des  alten  Goten- 
führers 'Pavotttodog  bei  Zosim.  85,  IG.1  Sein  erstes  Glied 
ist  entweder  als  got.  *Hrauza-  anzuknüpfen  an  got.  *hriusan 
an.  hrjösa  ags.  hreosan  „fallen",  wozu  an.  hreyr  (mit  J?-Um- 
laut)  „Leichnam*,2  oder  als  *Rau2<t-  an  *riusan,  wozu  an. 
rausa  „laut  sprechen  %  rausn  „Herrlichkeit,  Ruhm*.3  Wenn 
ihrer  Bedeutung  wegen  die  letztere  Etymologie  vorzuziehen 
ist,  dann  würde  damit  in  dem  vorliegenden  Namen  auch 
eine  got.  Entsprechung  zu  dem  an.  Namen  Rerir  <  *Reyrir 
(Volsungas.  2,  ferner  Öp-rerir  und  piop-reyrir  Havam.  160) 
aufgefunden  sein,  welchen  noch  Müllenhoff4  ausserhalb  der 
nordischen  Sage  und  in  der  übrigen  germanischen  Welt 
gänzlich  unbekannt  nannte.  Faffo  bleibt  dunkel ; 5  ff  könnte 
nur  hypoeoristisch  stehen,  da  gemeingerm.  ff  sonst  nicht  zu 
belegen  ist,  und  -o  für  got.  schw.  -a  latinisiert  sein:  aber 
was  ist  *Fafa?  Man  beachte,  dass  auch  bei  diesem  Dop- 
pelnamen die  eine  Hälfte  ein  etymologisches  Rätsel  bietet. 

GCNDIRITH. 

Ib.  44.  7!)  Gundirit,  67  Gunderit;  dazu  in  Nr.  80.  II 
(s.  u.)  16  Gunderit  (statt  sonstigen  Guderit)  und  in  Nr.  88a 
(vom  Jahre  572)  viermal  Gunderit. 

LENDARITH. 

Ib.  48  Lendarit,  65  Lend  ....  Marini  (S.  265,  1)  wollte 
Leudarit  lesen  und  erinnerte  an  Procops  AtvöfQig.  Das  geht 

1  Dahn,  Urgeschichte  I,  229. 
a  Cleasby-Vigfusson  286.  290. 
3  Ib.  484. 

*  As.  XXIII,  118.  157. 

5  Jac.  Grimm»  Annahme  einer  Lautverschiebung  aus  papa  (Kl. 
Sehr.  III,  391)  verbietet  »ich  jetzt  von  selbst. 


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155  - 


jedoch  deshalb  nicht  an ,  weil  ags.  ledde  ahd.  liuti  ein 
/-Stamm  ist.  welcher  allein  ostgot.  Leudirit  bilden  würde. 
Es  bleibt  daher  bei  Lendarit,  mit  altem  e  wie  in  Mate- 
suentha,  Sendefara,  und  der  Name  ist  entweder  anzu- 
knüpfen an  an.  Unni  linnr  ahd.  lind  „serpens"  mit  Grimm1 
oder  an  an.  ags.  lind  ahd.  Unta  ..tilia",  in  Namen  nach 
uraltem  Tropus  gebraucht,  mit  Müllenhoff.2 

TZALICO. 

In  der  Urkunde  Nr.  140  vom  Jahre  557  der  Name 
eines  Comes,  22  im  Gen.  Tzaliconi,  25  Tzali .  .  .  Vgl.  oben 
S.  148.  Wenn  statt  Tzalico  vielmehr  Tzulico  zu  lesen, 
dann  zu  S.  129. 

GUDILA. 

Ib.  26  Gudila.    Vgl.  oben  S.  71. 

WILIFARA. 

Eine  Inschrift  bei  Kossi  1,  Nr.  1093  vom  Jahre  557: 

Wiliera,  qui  vixit  deposita,  also  ein  Frauenname.3 

Bei  dem  inschriftlichen  E  ist  der  unterste  Querstrich  ganz 
kurz,  der  oberste  lang  ausgezogen;  jener  entstand  daher 
vermutlich  durch  ein  Versehen  des  Steinmetzen,  der  E  statt 
F  meisseln  wollte,  jedoch  seinen  Fehler  noch  rechtzeitig 
bemerkte. 

HILDFWADA. 

In  den  Briefen  des  Papstes  Pelagius  I.,  555 — 560,  (oben 
8.  28)  begegnen  folgende  vier  Namen. 

Hisdevalde,  al.  Hildivade  Hilviade,  im  Gen.,  -e  also 
für  ~ae.  Ich  stelle  Hildiwadae  her ,  mit  der  movierten 
Form  zu  dem  oben  S.  115  behandelten  masculinen  Nomen 
agentis. 

'  Gr.  II  (1878),  488.  Myth.  652  f. 
s  Zs.  XIII,  576  f. 
3  Vgl.  oben  S.  134. 


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-    150  - 


SINDULA. 

Vgl.  oben  tf.  142. 

ANILA. 

Vgl.  oben  S.  107.  Ein  Westgote  Annüa  675. 

G  UNDIMER. 

- 

Der  Dat.  Gardimeri  gewiss  zu  bessern  in  Gund-. 

RAXIHILDI. 

In  der  Urkunde  Nr.  80  bei  Marini,  vom  Jahre  564, 
II,  4  Ramhilda,  zu  welcher  oben  S.  132  zu  vgl. 

GUDERITH,  GUNDERITH. 
Ib.  II,  4.  11  Guderit,  16  Gxinderit. 

MANNA. 

In  der  Testamentsurkunde  Nr.  75,  aus  dem  Jahre  575, 
wiederholt  der  Name  Manna  (so  sicher,  wie  die  Schrift- 
tafel beweist),  flectiert  Mannanis  oder  Mannani  u.  s.  w.:  der 
primäre  Hypocorismus  zu  dem  oben  S.  123  behandelten  se- 
cundären  Mannila. 

NANDERITH. 
Ib.  sechsmal  als  Abi.  Nattderit. 

RICCITHANC. 
Ib.  10  ...  citanc,  39  Riccitanc,  48  Rice  .  .  tanc. 

OTRATARIT. 
So  ib.  42  als  Gen.    Ist  Ostrarit  zu  bessern? 

WINIGILD. 

Ein  Gote  war  der  Vater  des  Papstes  Pelagius  II. 
(578    590),  der  im  Lib.  pontif.  Unigildus^  Unigeldus,  Winni- 


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-    157  - 


yildus,  Winigildus,  Vingilius,  Gildus  heisst.  Innerhalb  dieser 
Überlieferung  wird  keine  Vertauschung  zweier  Namenele- 
mente, Hunt-  und  Wim-,  vorliegen,  sondern  Uni-  auf  griech. 
Auffassung  von  Wini-  beruhen,1  wie  Ovh-  für  Ovth-  u.  ä. 
Der  zweite  Teil  des  Namens  ist  das  Nomen  agentis  mit 
dem  a-Suffix  zu  got.  gildan  an.  gjalda  u.  s.  w.  „gelten, 
entgelten,  vergelten"  und  mit  an.  gildr  „geltend,  tüchtig. 
tapfer"2  zu  vgl.  Hierher  gehört  auch  der  inschriftliche 
Alagildus*  und  ebenso  wird  der  Fandigil .  .  s  einer  vene- 
tischen Inschrift,4  welche  vermutlich  der  ostgot.  Epoche 
entstammt,5  in  Fandigildus  zu  restituieren  sein;  zu  fandi- 
vgl.  ahd.  fendeo  fetido  „pedes,  phalanx*,  ags.  fepa  „pedes, 
acics"  e\  woneben  ein  /-Stamm  *fanjn-  bestanden  hat,  wie 
viele  Eigennamen  beweisen.7 

WILJARIC. 

Einen  Mag.  mil.  Wiljaric  nennt  eine  Inschrift  bei  Rossi 
I,  1126  vom  Jahre  589.8 

THRASARIC. 

Auf  derselben  Inschrift  der  Gen.  Trasaric  .  .  Vgl.  dazu 
Trasaricus  bei  Erchempert,  oben  S.  41. 

HOLDIGERN. 

Marini  Nr.  121,  vom  Jahre  591,  8  Iloldigernus.  Got. 
hulps  an.  hollr  ags.  as.  ahd.  hold.9  Zu  der  Conjectur  Hildi- 
gernu8  unter  „ Vocalismus". 

1  Vgl.  oben  S.  85,  7. 

•  Zimmer,  QF  XIII,  96. 

•  CIL  V,  8760. 
4  CIL  V,  8747. 

6  Ib.  8.  1175. 

•  Dazu  Tac.  Germ.  6  und  Möllenhoff,  Zs.  X,  551. 

7  Ausführlicher  Henning,  Runendenkm.  58. 

•  Ebenso  Ephem.  epigr.  IV,  851. 

»  Ein  Weatgote  Uldila  v.  588  bei  Dietrich  79. 


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-  158 


ODEKIC. 

Ib.  45.  05  Odericus.1 

BOHKRDE. 
So  ib.  65  ein  Gen.    Völlig  dunkel. 

TZITA. 

Marini  Nr.  122.  vom  Jahre  591:  5.  71.  8f>  Tzita,  74 
Tzitta,  SO  Ktira,  92  Tasilta,  98  Zi'/a.    Vgl.  oben  S.  93. 

HILDIGKRX. 
Ib.  16  Hildigemus. 

WADWULF. 

Endlich  aus  der  Charta  damnatae  litis  bei  Marini  Nr. 
131,2  welche  nicht  näher  datiert  ist,  jedoch  dem  6.  Jahrb. 
entstammt:  5.  10.  2:$.  36.  43  Vuaduulfus,  29  Vuad- 
ouvlfus.  An  den  ersten  fünf  Stellen  ist  mm  die  gewöhn- 
liche Wiedergabe  von  got.  wu,  an  der  letzten  jedoch  ist 
die  Schreibung  die  correcteste:  onu  ist  ovu,  das  für  «rt# 
steht,  worüber  unter  „Halbvocale*. 

SICCIFRIDA. 

• 

Ib.  5  S(R)iccifrida,  11.  23  Seccifrida,  16.  36  Sicci/rida, 
29  Sicchifrida,  43  Sisifrida.  Wer  die  römische  Cursive  dieser 
ravennatischen  Urkunden  gelesen  hat,  weiss,  wie  r  und  s  hier 
einander  ähnlich  sehen  und  leicht  für  einander  verlesen  werden 
können.    Deshalb  könnte  die  Herstellung  Ricci-,  wie  sie 

1  Dass  er  Oote,  nicht  Langobarde,  darüber  Dahn,  Könige  IV, 
186,  und  dazu  Meyer,  Langob.  264,  wonach  das  Langobardische 
diphthongisches  au  bewahrt. 

*  Über  ihron  Inhalt  Dahn  IV,  187  ;  über  ihren  got.,  nicht  langob. 
Ursprung  auch  oben  S.  119,  1. 


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159 


Marini  an  der  ersten  Stelle  andeutet,  nahe  liegen;  sie  ver- 
bietet sich  jedoch  durch  das  zweimalige  Secci-,  dessen  <, 
wenn  es  germ.  i  reflectieren  sollte,  ganz  isoliert  dastehen 
würde.  Es  wird  also  bei  Secci-  Sicci-  (mit  hypocoristischer 
Consonantengemination,  welche  hier  auch  in  den  ungekürzten 
Vollnamen  gedrungen)  bleiben  müssen,  ohne  dass  für  dessen 
Etymologie  etwas  Positives  sich  beibringen  liesse.  Allen- 
falls mag  an  ein  got.  *sika-  erinnert  werden,  wie  es  dem 
ahd.  seh  mhd.  sech  „Karst,  Pflugschar"  entsprechen  würde.1 
Zu  dem  an  der  letzten  Stelle  vertauschten  sisi-  vgl.  oben 
S.  106,  zu  -frida  S.  63:  movierte  Form  zu  Sisifrith  (oben 
S.  138). 

GIVERIC,  GIBERITH. 
Ib.  131,  26  Ghiveric,  51  Giberit. 

HARDICA. 

Ib.  33  Ardica,  49  Ardeca.  Ein  secundärer  Hypocoris- 
mus  (etwa  zu  Ardaric,  wie  ein  Gepide  bei  Jord.  42,  23  u. 
ö.  heisst);  got.  hardus  an.  harpr  ags.  heard  u.  s.  w.  „hart, 
tapfer,  strenge".  Man  vgl.  das  reiche  Nainenmaterial  bei 
Förstemann,  Namenbuch  I,  604  ff.,  und  die  ebenso  häufige 
Verwendung  des  urverwandten  gr.  xqutvq  xoutfooi;  in  griech. 
Personennamen.2 

CESSA. 

Führt  ib.  51  der  Comes  und  Schwiegervater  des  Gibe- 
rith einen  got.  Namen,  so  ist  der  Gen.  Cessims  zu  Cass.'s 
Mazenis,  Waccemm,  Patzenis  zu  stellen  und  das  lat.  -inis 
mit  got.  -bis  zu  vgl.  In  Cessa  fasse  ich  das  anlautende  c 
als  Vergröberung  des  explosiven  gz  und  das  $8  als  hypo- 
coristische  Consonantendehnung  und  stelle  das  so  gewonnene 
*Gesa  als  primären  Hypocorismus  zu  dem  oben  S.  117  be- 
handelten secundären  Gesila. 

1  Kluge,  EW«  unter  „Sech". 

1  Fick  42.  46  f.  120  f.  182.  Vgl.  jedoch  Webster,  Zur  Guttural- 
frago  im  Got.,  8.  25. 

*  Vgl.  oben  8.  65.  III  und  unter  „Consonantismus*. 


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SIFILO. 


Vielleicht  gehört  dem  b\  Jahrh.  auch  die  Urkunde 
Nr.  141  an,  wo  14  der  Frauenname  Sißo  erscheint:  eine 
femin.  seeundäre  Koseform  zu  einem  mit  got.  sifan  „sich 
freuen*  gebildeten  Vollnamen.  Das  überlieferte  Sifilon  er- 
gänzt Marini  gewiss  richtig  zum  lat.  Abi.  Sifilone,  während 
Grimm 1  darin  den  ursprünglichen  got,  Dat.  sehen  wollte. 
Vgl.  einen  primären  Siffo  vom  Jahre  788  bei  Meichelb.  62u\ 
welchen  selbst  Stark  -  noch  nicht  aus  Sigfrit  o.  ii. 
deuten  will. 


'  Gramm.  I1,  XLIX. 
*  Kosenamen  120. 


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DI  ALE  (TISCHE  MERKMALE  DES  OSTGOTISCHEN. 


VOCAU8MU8.1 

a. 

Kurzes  wulf.  a  ist  in  ostgot.  Stamm-  und  Suffixsilben 
unverändert  erhalten.  Für  langes  oder  nasaliertes  a  fehlen 
die  Belege. 

f. 

• 

Während  Wulf,  gerra.  e  und  i  unter  das  eine  graphi- 
sche i  subsumierte,  schied  er  e  und  ei:  beide  müssen  daher 
in  der  Aussprache  deutlich  unterschieden  gewesen  sein. 
Dass  hingegen  die  häufigen  ei  oder  /  statt  e,  dgl.  die  um- 
gekehrten Schreibungen  e  statt  ei  oder  i2  in  den  Hss.  erst 
dem  jüngeren  Dialect  der  ostgot.  Abschreiber  entstammen, 
wird  dadurch  bewiesen,  dass  die  ostgot.  ausserbiblischen 
Sprachreste  ganz  denselben  Wechsel  aufweisen.8  Dass  aber 
trotzdem  wulf.  $  und  ei  im  Ostgot.  noch  nicht  zu  einem  Laute 
zusammengefallen  sein  können,  wird  durch  die  constante 
Überlieferung  des  letzteren  als  i  in  unsem  Quellen  deutlich, 
welche  andernfalls  eine  gelegentliche  umgekehrte  Schreibung 
als  e  schwerlich  vermissen  lassen  würden.  Demnach  sind 
wulf.  ^  und  ei  auch  im  Ostgot,  noch  als  ganz  geschlossenes 
e  und  als  1  zu  unterscheiden. 

'  Der  Stammsilben  und  stammbildenden  8uffixe.  Den  Vocaliarau* 
der  CompoBitionsfuge  8.  unter  „ Wortbildung",  der  Endungen  unter 
„Declination". 

*  Leo  Meyer  §  409.  449. 

9  Vgl  besonder«  oben  S.  58. 
qf.  Lxvm.  11 


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—    1b2  — 


Das  lange  germ.  /,  wulf.  ei,  ist  im  Ostgot.  fest  er- 
halten und  überall  in  den  Quellen  durch  i  wiedergegeben. 

e,  f,  t, 

Schon  Scherer  vermutete,1  dass  im  wulf.  u  und  /'  je 
zwei  Laute  begriffen  wären,  dass  das  eine  got.  Zeichen  für 
i  noch  nicht  auf  völligen  Zusammenfall  von  germ.  e  und  i 
im  Got.  zu  weisen  brauche,  grade  wie  z.  B.  das  mhd.  e 
zwei  in  der  Aussprache  genau  geschiedene  Laute  umfasst. 
Für  das  Ostgot.  führt  die  Überlieferung  auf  eine  gleiche 
Unterscheidung,  und  entsprechend  den  drei  ostgot.  Längen 
e,-  (\  /  können  wir  die  drei  Kürzen  e,  e,  i  eonstatieren.^ 
Offenes  e  liegt  vor  im  gemeingerm.  e,  wulf.  ai,  vor  (/*  und) 
r  und  ist  als  solches  durch  alle  Quellen  hin  fest  überliefert.4 
Das  ostgot.  f  entspricht  germ.  e.  welchem  nicht  i  oder  / 
folgte,5  und  zeigt  seinen  geschlossenen  Lautcharacter,  wenn 
die  Oberlieferung  in  seiner  Wiedergabe  zwischen  e  und  i 
schwankt.  Das  ostgot  i  endlich  ist  entweder  ursprüng- 
liches e  bei  folgendem  *  oder  j  oder  ursprüngliches  i  und 
wird  in  beiden  Fällen  durch  constantes  /  reflectiert/'  Be- 
achtenswert ist  besonders,  dass  bei  folgendem  Nasal  -f- 
Consonant  nur  ein  ostgot.  r ,  nicht  /  angesetzt  werden« 
kann.7 

1  ZGddS*  51  Anm.    Dazu  Braune,  Beitr.  IX,  548. 
8  <  wulf.  fit;  vgl.  u.  S.  165. 

*  Vgl.  die  drei  entsprechenden  Runenzeichen :  Henning  142. 

4  Vgl.  oben  8.  9.  Nachtraglich  sehe  ich,  dass  der  Anon.  Valcs. 
Amahibirya  schreibt;  wenn  man  seine  auch  sonst  eorrupte  Wiedergabe 
der  Eigennamen  bedenkt  (8.  20),  wird  diese  Ausnnhmc  nicht  ins  Ge- 
wicht fallen. 

5  Man  beachte  auch  Schreibungen  wie  Seda ,  Felithatic,  welche 
zeigen,  das«  ursprüngliches  u  auf  das  #•  der  Wurzelsilbe  keinen  Ein- 
fluss  ausübt. 

0  Es  bleibt  dahingestellt,  ob  Heldebadits  (8.  133)  bei  Marceil., 
Jord.,  Paul,  im  ersten  Oliede  nicht  den  secundaren  ./«-Stamm  (8.  86), 
sondern  primäre  «-Bildung  enthalt  (8.  191,  2),  oder  ob  in  ersterem  Falle 
der  I  bergang  des  e  zu  /  vor  7  4  ('onson.  gehemmt  wurde  (Scherer  a.  a.  O.). 

7  Vgl.  oben  S.  66.  96.  134. 


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163  - 


Für  die  Chronologie  germanischer  Lautgeschichte  kann 
diese  ostgot.  Behandlung  des  gerni.  e  manches  beitragen. 
Überlieferte  Formen  der  Urzeit  wie  Segimerus  Segimundus 
Fenni  finn.  telio  (ahd.  dilla)  zeigten  längst,  dass  älteres  e 
vor  i  oder  vor  Nasal  -r  Consonant  in  historischer  ger- 
manischer Zeit  noch  bestanden  hat.1  Wenn  jetzt  das  Ostgot. 
des  ().  Jahrhs.  für  dieses  e  vor  i  oder  j  gleichmässig  i  zeigt, 
vor  Nasalverbindung  aber  nicht,  so  folgt  daraus,  dass  viel- 
leicht Leffler2  noch  Recht  hatte  den  Übergang  von  e  zu  t 
vor  /  oder  /,  den  er  hauptsächlich  für  das  An.  erwies, 
einer  gemeingermanischen  Periode  zuzusprechen,3  andrerseits 
aber  dass  v.  Borries4  im  Unrecht  war  diesen  Wandel  für 
jünger  zu  halten  als  den  vor  Nas.  Cons.,  dass  letzterer 
vielmehr  nicht  gemeingermanische,  sondern  einzeldialectische 
Entwicklung  ist,  welche  im  Ostgot.  noch  nicht  durchgedrungen. 

Wenn  vier  verschiedene  und  von  einander  unabhängige 
Quellen  (S.  78)  das  germ.  *trewwo-  mit  variantenfreiem 
/  wiedergeben,  so  scheint  hier  nicht  nur  die  gleiche  unge- 
naue Schreibung  des  ostgot.  e  vorzuliegen,  sondern  der  Laut- 
wandel e  >  %  vor  der  Verschärfung  vollendet  zu  sein,  wie 
im  späteren  Ahd.5 

Auch  in  nicht  haupttonigen  Mittolsilben  ist  dieselbe 
Tonerhöhung  so  gut  wie  zu  Ende  geführt,  wie  die  Greotinge, 
Thorisa,  Wandil,  Darida,  Sigis-  bezeugen,  vor  allem  auch 
die  zahllosen  Hypocorismen  auf  -ila  und  -ica.  denen  gegen- 
über vereinzeltes  Baduela  auf  Münzen6  und  Ardeca  neben 
Ardica  bei  Marini  kaum  in  Betracht  kommen. 

Altes  germ.  i  war  nur  in  den  mit  -frid-  gebildeten 
Namen  erhalten  und  hier  durchgängig  als  i  geschrieben.7 

1  Kluge  in  Paula  Qrundriss  I,  357. 

•  Nord.  Tidskr.  f.  Filol.  II  (1874). 

*  Dazu  v.  Bornes,  t -Umlaut  78  f. 

4  Ib.  37,  85. 

5  Braun©,  Ahd.  Gr.  §  30,  2.  Dagegen  bei  einfachem  u>  wie  ahd. 
kneuue,  gisetcan  auch  ostgot.  -theu  (piux). 

9  Zu  Tutela  oben  8.  136. 

7  Die  Amalafreda  beim  spaten  Paul,  ist  belanglos,  wahrend  für 
den  Leodifredus  bei  Cass.  in  einem  Teile  der  Hss.  die  andre  Lesart 
Leodefridu*  beweist,  dass  e  und  /  dort  nur  umgestellt  sind. 

w 


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IM 


Der  aus  den  got.  Bibelhss.  bekannte  Wechsel  von  6 
und  «'  entstammt  dem  ostgot.  Dialect:  wie  zwischen  e 
und  i  für  wulf.  e  schwankt  seine  Überlieferung  zwischen 
o  und  u  für  wulf.  0,  nur  dass  die  Schreibung  u  häufiger 
ist  als  dort  die  Schreibung  t.2  Aber  wie  e  und  ?,  sind 
auch  ostgot.  o  und  <i  noch  zu  trennen,  denn  für  letzteres, 
das  alte  germ.  tf,  ist  keine  umgekehrte  Schreibung  6  über- 
liefert. 

tf. 

Das  lange  germ.  und  wulf.  ist  im  Ostgot.  fest  er- 
halten und  überall  in  den  Quellen  durch  u  wiedergegeben. 

u. 

Wenn  wir  oben  dem  Lautwandel  e  >  i  vor  Nasal- 
verbindung den  gemeingerm.  Ursprung  bestritten,  so  führt 
auch  für  die  u  >  o-Frage  das  Ostgot.  zu  ähnlichem  negativen 
Resultat.  Denn  hier  ist  das  alte  u  nicht  nur  bei  folgender 
nasaler  Consonantenverbindung  (mund-,  gund-),  sondern  über- 
haupt trotz  einem  ableitenden  a  bewahrt  geblieben  (fruma-, 
(jud-,  -wulf,  -wulth).  Die  etwaige  Annahme,  dass  ein  ur- 
sprünglicher Wechsel  von  u  und  o,  der  durch  den  Vocal 
der  folgenden  Silbe  bedingt  gewesen,  bereits  durch  Aus- 
gleichung wieder  beseitigt  worden  wäre,8  verbietet  sich  für 
eine  so  frühe  Sprachperiode  wie  die  ostgot.  von  selbst  und 
würde  auch  für  den  ausschliesslichen  Sieg  des  u  keine  Er- 
klärung bringen.  Alle  die  Guditianth,  Guda,  Guderith,  Bede- 
wulf, Alhvulf,  Sigiwulth,  Wulth  u.  s.  w.  sprechen  vielmehr 
deutlich  dafür,  dass  der  (/-Umlaut  des  u  im  Ostgot.  noch 
nicht  durchgedrungen  ist  und  daher  nicht  mehr  ein  ge- 
meingennan.   Gesetz  genannt  werden  darf.4    Daher  war 


1  Leo  Meyer  §  434. 

*  Vgl.  oben  8.  83.  86.  94.  113.  130.  138. 

*  Vgl.  für  das  An.  z.  B.  Noreen  §  172. 

4  Griechische  Zeugnisse  sind  hier  ungiltig;  man  vgl.  nur  die 
rQo.%yy()l  des  Zosim.  mit  den  Gruthuu<ji  des  Claud.  u.  Ä.,  auch  Braune, 
Oot.  Gr.»  §  I.i,  1,  «owie  oben  S.  6. 


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165  — 


auch  die  Ableitung  des  T(h)ultmn  T(h)olwin  bei  Cass.  von 
got.  pulan  unwahrscheinlich;  und  die  einzige  Ausnahme, 
welche  dann  noch  bliebe,  der  Holdigem  bei  Marini,  fällt, 
wenn  man  ihn  in  HUdufern  bessert  und  mit  dem  Goten 
identificiert,  welcher  in  der  bei  Marini  folgenden  und  aus 
gleichem  Jahre  herrührenden  Urkunde  diesen  Namen  trägt. 
Über  Optarith  s.  S.  98;  über  den  Gotennamen  selbst  S.  44. 
Im  allgemeinen  ist  also  dem  ostgot.  (und  germ.)  e  und  i  nur 
ein  ostgot.  (und  germ.)  u  gegenüberzustellen,  und  die  wulf. 
*  und  n  haben  nicht  eine  übereinstimmende  Entwicklung 
hinter  sich.1 

Für  wulf.  au  war  Thorisa  der  einzige  Beleg;  dazu 
der  fragliche  Optarith. 

Wulf,  di  >  ostgot.  L 

Dem  wulf.  Diphthong  di  entspricht  ostgot.  Monophthon- 
gierung e.  Die  Belege  sind  zwar  nicht  zahlreich2  und  zum  Teil 
sogar  etymologisch  nicht  ganz  sicher.  Trotzdem  zeugt  für 
die  Tatsache  dieser  Monophthongierung  das  Fehlen  jedes 
sonstigen  Reflexes  von  altem  at8,  besonders  aber  die  Ana- 
logie des  sicher  erwiesenen  ostgot.  ö  <  wulf.  au.  Und 
wie  letzteres  offene  Länge  ist,  so  wird  auch  der  Monophthong 
e  als  offen  von  dem  alten  %  zu  scheiden  sein. 

Wulf,  du  >  ostgot.  6. 

Dem  wulf.  Diphthong  du  entspricht  ostgot.  Mono- 
phthongierung <5.4  Ihre  ganz  constante  Schreibung  o  ohne 
Variierung  in  w5  beweist,  dass  ihr  Lautcharacter  unter- 
schieden war  von  dem  des  alten  got.  ö,  welches  ostgot.  meist 
als  u  erscheint.  Wir  haben  also  im  Gegensatz  zu  letzterem 
den  neuen  ostgot.  Monophthong  als  offene  Länge  anzu- 
setzen.6   Ihre  weit  offene  Articulation  ist  auch  die  Ver- 

1  Braune,  Beitr.  IX,  548. 

2  Vgl.  8.  61.  70.  96.  117.  128.  149.  159. 

*  Zu  Daila  oben  S.  127. 

4  Vgl.  8.  48.  83.  87.  104.  112.  136.  154.  158. 

•  Zu  Tutila  oben  8.  135  f. 

Ä  Hierauf  kann  vielleicht  für  den  Oswin  der  Var.  (8.  112)  die 
Lesart  Asuin  in  M  beruhen. 


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-    166  - 


anlassung,  dass  von  der  neuen  Länge  6  (und  ebenso  e)  keine 
Spuren  in  unsere  Bibelhss.  gelangt  sind,  da  der  phonetische 
Unterschied  von  altem  und  neuem  6  (und  ebenso  e)  zu  be- 
deutend war.1  Die  Ostgoten  des  6.  Jahrhs.  lasen  also  die 
tii  und  du  der  Bibel  wie  £  und  ö,  die  e  und  6  wie  (■  und  {>. 
Für  die  ostgot.  Monophthongierung  des  alten  Diphthongs 
spricht  ferner  das  kawtsjo  der  Neap.  Urkunde:  das  vul- 
gärlateinische cautio  besass  damals  noch  echten  phonetischen 
Diphthong,2  aber  die  got.  Umschrift  * kautj 6  hätte  der  Ost- 
gote  als  kotjö  gelesen,  daher  der  Ausweg  atc? 

Eine  Chronologie  für  diese  Monophthongierung  auf- 
zustellen ist  vorläufig  noch  nicht  möglich.  Geht  die  gotische 
Urgeschichte  des  Cass.-Jord.  auf  eine  andre  schriftliche 
Quelle ,  nicht  nur  auf  mündliche  Tradition  zurück,4  so 
mögen  der  Amale  Augis  Jord.  76,  17  und  der  jüngere 
Gotenkönig  Aoric  87,  7  erwähnt  werden.5  Diejenigen  aber, 
welche  got.  di  und  du  schon  für  die  Zeit  Wulfilas  nur  als 
graphische  Wiedergabe  von  offenen  e-  und  ö-Längen  an- 
sehen,6 mögen  sich  hüten  unsere  ostgot.  Monophthonge  des 
6.  Jahrhs.  ohne  weiteres  als  Stützen  ihrer  Ansicht  aufzu- 
fassen und  deshalb  um  zwei  Jahrhunderte  zurückzudatieren. 
Es  wird  sich  bald  Gelegenheit  finden  die  wirklich  diphthon- 
gischen Belege  für  das  ausserwultilanische  Gotisch  des  4. 
Jahrhs.  zusammenzustellen;  vorläufig  bleibt  immer  noch 
auf  Dietrich  zu  verweisen;7  vgl.  z.  B.  auch  oben  S.  20 
(48.  49)  die  Austrogoti,  Grauthungi  des  4.  Jahrhs. 


1  Welche  Spuren  von  dieser  Art  Möllenhoff  Zs.  IX,  136  meint, 
ist  mir  nioht  klar  geworden. 

2  Vgl.  hierzu  Wand.  97  oder  Seelmann  223. 

*  Dasselbe  ist  hier  also  anders  zu  beurteilen  wie  im  biblischen 
Pmplutfy  wo  nur  mechanische  Umsohrift  aus  gr.  Ilauko^  vorliegt  (Dietrich 
15;  Braune,  Got.  Gr.»  §  39). 

*  Vgl.  Müllenhoff  in  Mommsons  Jord.  143,  1. 

*  Das  ao  des  letzteren  eine  Vorstufo  der  Monophthongierung  wie 
im  Ahd.?    (Braune,  Ahd.  Gr.  §  45,  1.  2.) 

*  Mit  Bremer,  Beitr.  XI,  51  ff.,  wogegen  Wand.  96  ff. 
7  Braune,  Got.  Gr.»  §  21,  I.  25,  2. 


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167  - 


eu. 

Dass  eu  die  germ.  Urform  des  fragliehen  Diphthongs 
ist,  nicht  eine  secundäre  Compromissbildung  zwischen  eo 
und  im,  ist  aus  Gründen  der  allgemeinen  Sprachverglei- 
chung ebenso  sicher  wie  nach  germanischen  Einzelzeugnissen 
wahrscheinlich.1  Auch  für  das  ostgot.  haben  wir  eu  als  Dialect- 
form  vorbereitet,  wenn  wir  seine  beiden  Bestandteile  e 
und  u  als  ostgot.  nachwiesen.  Und  in  der  Tat  ist  ostgot. 
eu  durch  eine  ganze  Reihe  von  Belegen  gesichert.  Daneben 
fand  sich  namentlich  die  Schreibung  eo,  seltener  in;  dass 
sie  nur  graphische  Modificationen  sind,  ist  oben  S.  51  ff. 
ausführlich  gezeigt.  Daneben  wird  sich  das  gelegentliche 
tu  häutig  aus  demselben  Schwanken  erklären,  mit  welchem 
germ.  e  ostgot.  ?  bald  als  e  bald  als  i  geschrieben  wird, 
ohne  dass  damit  der  «Übergang  des  ursprünglichen  eu  in 
das  jüngere  im,  der  auf  deutschem  Boden  ja  erst  in  histori- 
scher Zeit  durchgeführt  wurde  und  auch  im  Norden  in 
keine  ältere  Zeit  als  um  500  gesetzt  zu  werden  braucht"2, 
schon  für  das  Ostgot.  angedeutet  werden  soll.  Der  pro- 
blematische Versuch,3  noch  gemeingerm.  iu  als  secundäre 
Entwicklung  aus  eu  vor  Labialen  und  Gutturalen  nachzuweisen, 
wird  wenigstens  durch  die  ostgot.  Schreibungen,  welche  im 
in  Compositis  mit  got.  piuda  grade  so  wie  in  denen  mit 
got.  Hufs  anwenden,  nicht  unterstützt. 

CONSONANTISMUS. 
I.  Halbvocale. 
w. 

Für  die  Orthographie  des  halbvocalischen  w  gilt  in 
der  gesamten  ostgot.  Überlieferung  die  sehr  consequent 
beobachtete  Kegel:  im  VVortanlaut  mm,  im  Inlaut  (auch  als 
Anlaut  der  zweiten  Compositionsglieder)  u ;  also  ein  graphi- 


1  Vgl.  z.  B.  Bezzenberger,  .4-Keilio  36. 
*  Norecn,  Arkiv  T,  165. 
3  Braune,  Beitr.  IV,  557. 


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168  - 


sehet*  Gesetz,  wie  es  grade  so  für  das  Ahd.  besteht.1  Uh, 
d.  i.  ir,  im  Anlaut'2  herrseht  bei  allen  unsern  Historikern, 
mit  alleiniger  Ausnahme  des  Marcel). ,  welcher  noch  lat.  v 
schreibt;  für  Jord.  gieht  zwar  Mommsens  Text  o,  die  Hss. 
begleiten  es  jedoch  mit  gleichmässigem  w,  und  auch  der 
auf  Jord.  fussende  Paul,  hat  w.  Ausschlaggebend  sind  die 
Papyrusurkunden,  die  Inschriften3  und  die  Münzen  des 
Witigis,  welche  sämtlich  ohne  Schwanken  anlautendes  w 
bieten.  Nur  bei  folgendem  u  ist  v  statt  w  verständlich  in 
VuÜh  und  den  uulthres  des  Cod.  Brix.  und  grade  so  im  Ahd. 
das  Gewöhnliche.  Ebenso  fest  ist  im  Inlaut  u,  und  nur 
vereinzelte  Varianten  haben  im  Anlaut  zweiter  Composi- 
tionsglieder  das  uu  aus  dem  Simplex  übernommen.  Dieses 
inlautende  lat.  u  reflectiert  den  voealischen  Bestandteil 
des  germ.  w,  ist  nicht  etwa  die  lat.  Spirans  0;  das  beweist 
einmal  das  ov  der  Griechen  ( Muxaoovv&a,  2£xmovaQ),  sodann 
der  Umstand,  dass  w  als  Anlaut  zweiter  Compositionselemente 
den  vorhergehenden  Stammesauslaut  grade  so  wie  jeder  andre 
Vocal  beeinflusst. 

Schon  in  der  Einleitung  wurde  darauf  hingewiesen, 
dass  der  sonst  in  den  lat.  Hss.  so  geläufige  Wechsel  von 
v  und  b  in  der  Überlieferung  des  ostgot.  w  vollkommen 
fehlt.4  Ganz  vereinzelt  aber  wurde  für  das  inlautende  u 
w)  0  geschrieben  (Odoin  S.  83,  Tholoin  129.  Wadovulfus 
158);  diese  Schreibung  ist  auch  sonst  im  Germ,  bekannt5 
und  ihr  letzter  Reflex  in  germ.  Lehnworten .  besonders 
Eigennamen  des  Romanischen  bis  auf  heute  zu  beobachten 
(frz.  Goudoin  —  Gottein,  ital.  AdaUxildo  —  Adalwalt)* 

Dass  w  vor  u  auch  im  Inlaut  selbständig  erhalten  ist, 
bewiesen  die  Namen  auf  -tculf  und  -wulth.  Ober  das  w  im 
kawtsjö  der  Neap.  Urk.  oben  S.  HJ6.  Über  die  Verschärfung 

1  Braune,  Ahd.  Gr.  §  105.  Damit  vgl.  man  die  gemeinroman. 
Entspreehungen  den  germ.  w  in  germ.  Lchnworten:  im  Anlaut  $ru,  im 
Inlaut  r  (Diez,  Gr.  I",  324.  326). 

*  Dazu  Diotrich  77  f.    Wand.  38  101. 

3  Vgl.  oben  8.  S7.  155.  157. 

4  Scheinbare  Ausnahmen  8.  85.  115.  132. 

5  Henning.  Kuncndenkm.  143. 

6  Diez,  Gr.  I»,  326  f. 


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169 


ggw  S.  78  f.  Über  gelegentliche  Romanisierung  gu-  S.  87,  4, 
dazu  hinten  im  Index. 

Der  Halbvocal  jl  zeigte  sich  wie  im  wulf.  Gotisch 
unverändert  bei  den  jViw-Stämmcn :  Marcja,  Matja,  sajo, 
Sibja,  Teja.  Über  die  starken  /«-Bildungen  s.  unter  wDe- 
clination",  über  die  Wandlung  ja  >  je  >  i  in  der  Compo- 
sitionsfuge  S.  68  f.  87  f. 

2.  Labiale. 
P- 

Das  wahrscheinlich  bilabiale  p  fand  sich  anlautend  in 
Pitzia  und  Pa(h)tja,  wovon  ersteres  griech.,  letzteres  vermut- 
lich lat.  Herkunft  ist,  inlautend  in  Grippa,  Oppa  und  Scipwar. 
L  ber  das  lat.-gr.  p  in  Optarith  vgl.  S.  98  und  unten  Anm.H 

b. 

Die  Differenzierung  des  got.  b  als  des  bilabialen  tönen- 
den Verschlusslauts  im  Anlaut  und  postconsonantischen 
Inlaut  und  als  des  bilabialen  tönenden  Reibelauts  im  post- 
vocalischen  Inlaut  ist  im  Ostgot.  bewahrt  und  wird  durch 
die  auch  hier  consequente  Überlieferung  bewiesen,  welche 
im  Anlaut  nur  b,  im  intervocalischen  Inlaut  b  im  Wechsel 
mit  v  schreibt.-  Auslautend  fand  sich  b  nur  im  Gudüub 
der  Urkunde  von  Arezzo,  für  welches  auf  Braune,  Got. 
Gr.3  §  56,  1  zu  verweisen.  Die  Analogie  der  Dentale  kann 
dafür  sprechen,  dass  rein  orthographisch  das  aus  dem  In- 
laut geläufige  b  in  den  Auslaut  übernommen  und  sonst  auch 
im  ostgot.  Auslaut  labiale  Spirans  anzunehmen  ist. 

/• 

Die  bilabiale  tonlose  Spirans  f  hat  im  Ostgot.  gegen- 
über der  wultil.  Sprache  keinerlei  Veränderung  erfahren. 
Über  Optarith  gegenüber  got.  Uftahari  s.  S.  98.3 

1  Vgl.  Wand.  102. 

*  Vgl.  Braune,  Oot.  Gr.s  §  54,  2.  Dazu  die  romanische  Ent- 
sprechung in  germ.  Lehnworten:  Diez,  Or.  I*,  323. 

3  Paul,  Beitr.  I,  150:  „/>  für  got.  /  ist  jedenfalls  aufzufassen  wie 
t  für  p.    Es  mag  auch  sein,  dass  beide  nicht  bloss  auf  nachlässiger 


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170  - 


3.  Dentale. 
t. 

Der  alveolare  tonlose  Verschlusslaut  besteht  unver- 
ändert wie  hei  Wulf.  Nur  seine  graphische  Wiedeigahe 
erfordert  einige  Bemerkungen.  Über  gelegentliche  Assimi- 
lation s.  o.  8.  11  f.  JK'l.  Ganz  regellos  war  in  den  lat. 
Quellen  die  Schreibung  t  oder  th,  in  buntester  Verwirrung 
vertraten  sie  bald  got.  /  bald  got.  p.  Es  darf  aus  dieser 
Unsicherheit  nicht  ohne  weiteres  auf  die  Verschiedenheit 
der  Aspirationsverhältnisse,  des  Vocaleinsatzes  u.  s.  w.  ge- 
schlossen werden ;  denn  einmal  würde  man  dann  wenigstens 
innerhalb  bestimmter,  auch  sonst  phonetisch  genauer  Quellen 
irgendwelche  Consequcnz  zu  erwarten  haben,  ferner  aber 
ist  der  Wirrwarr  in  der  Aspiration  der  Tenues  durch  das 
gesamte  Latein  hin  zu  verfolgen.1  Trotzdem  muss  für  den 
vorliegenden  Wechsel  von  t  und  th  der  Grund  ein  spe- 
ciellerer  sein,  weil  sich  eine  willkürliche  Aspiration  der 
andern  Tenues  nur  vereinzelt  zeigte.2  Man  wird  in  den 
vielen  statt  germ.  t  geschriebenen  th  vorwiegend  umge- 
kehrte Schreibungen  zu  sehen  haben.  Wenn  für  das  got. 
t  und  p  die  Lateiner  bald  t  bald  th  zeigen,  die  Griechen 
dagegen  wenigstens  im  Anlaut  consequentes  r  oder  so 
ist  der  Grund  dafür  einfach  der,  dass  die  Griechen  für  got. 
t  und  p  in  ihrem  r  und  &  zwei  ebenso  differenzierte  Zeichen 
besassen,3  dass  solche  den  Kömern  hingegen  abgingen.  Wenn 
nun  schon  die  lat.  Wiedergabe  der  griech.  r  und  #  eine  so 
bunte  und  inconsequente  ist,4  obwohl  ihr  Unterschied  aus 
der  griech.  Schrift  hätte  bekannt  und  geläufig  sein  sollen, 
dann  ist  die  wirre  Confusion  in  der  Transscription  von 
germ.  t  und  p  um  so  begreiflicher,  als  sie  auf  keine  Vor- 
lage, nur  auf  acustische  Aufnahme  angewiesen  war. 

Sohreibung  beruhen,  Bondern  auch  auf  ungenauer  Auffassung  mit  dem 
Ohre.  Bei  hastiger  Aussprache  kann  die  Spirans  wenigstens  ebenso 
gut  als  Tenuis  aufgefasst  worden,  wie  die  Aspirata  oder  Affricata*. 

1  Seelmann  256  ff. ;  dasolbst  inschriMicho  Belege  von  der  ältesten 
Zeit  bis  ins  6.  Jahrh.  n.  Chr. 

*  S.  54  f. 

8  Blass  89. 

*  Seelmann  a.  a.  O. 


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171  — 


d. 

Auch  das  wulf.  d  zeigt  sich  im  Ostgot.  unverändert. 
Wenn  aber  das  wulf.  p  im  Inlaut  zum  tönenden  Reibelaut 
geworden  ist  (s.  u.)  und  als  solcher  mit  rf,  seltener  noch 
mit  th  wiedergegeben  wird,  so  zeigt  das  Fehlen  der  umge- 
kehrten Schreibung  t(h)  für  got.  d  im  Inlaut  vielleicht  an, 
dass  dieses  alte  got.  d  sich  von  dem  neuen  ostgot.  unter- 
schied, möglicherweise  also  bereits  explosiv  geworden  war. 
Tritt  hingegen  d  in  den  ostgot.  Auslaut,  so  zeigt  seine  Wie- 
dergabe dasselbe  Schwanken  zwischen  d  und  ///,  wie  bei 
Wulf,  vor  dem  Nomin.-s:  die  Composita  mit  *-reips  oder 
*-r$ps  endigen  ostgot.  auf  -rit  -rith  -rid,  die  mit  *  möps  auf 
-wod  -mud.  Hier  ist  also  die  alte  Spirans  bewahrt  geblieben. 
Sonst  zu  diesem  Wechsel  Braune,  Got.  Gr.:{  §  74,  1. 

Got.  p  ist  im  Anlaut  erster  und  zweiter  Composi- 
tionselemente  intact  geblieben.  In  der  Transscription  ist 
gr.  0  das  Regelmässige,  während  lat.  t  und  th  nach  dem 
S.  170  Gesagten  bunt  wechseln. 

Got.  p  ist  im  ostgot.  Inlaut  in  derselben  Wandlung 
begriffen  wie  im  wand.1:  die  tonlose  interdentale  Spirans  ist 
tönend  geworden,  sowohl  intervocalisch  wie  postconsonan- 
tisch  ist  die  Schreibung  d  häufiger  als  das  ursprüngliche 
t(h).  Nur  d  fand  sich  zwischen  Vocalen  in  den  Compositis 
mit  frid-2  (an  beiden  Compositionsstellon),  in  Quidila,  Rude- 
rte, Darida,  während  Enthärte  (1  Ehude-)  dem  Wechsel 
Adhtd  und  Adiut(h),  ständiges  Athalaric  den  Adüa  Aderith 
Ademnnd  Adiuth  gegenüberstanden  und  ebenso  die  Münzen 
zwischen  Theodahat(h)us  und  -hadns  wechselten.  In  post- 
consonan tischer  Stellung  zeigte  sich  der  Reibelaut  in  Erduic< 
Holdigern,  Sigivuldus  gegenüber  den  appellativen  vulthres? 

1  Wand.  104. 

*  Die  got.  Transscription  Sunjitl/ripns  fällt  natürlich  nicht  ins 
Gewicht. 

*  Ein  glänzendes  Zeugnis  für  den  sprachhistorischen  Wert  der 
Eigennamen,  welohe  in  diesem  Falle  dem  Appellativum  graphisch 
vorausgeeilt  scheinen. 


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in  Nandwin,  -nandus  gegenüber  -tiantha,  in  Gund-  gegen- 
über ständigem  -suentha,  in  Fatuiigild  Sendefara  Sinderith 
gegenüber  Sindila  Sinthila.  Man  könnte  versucht  sein,  zu 
solchem  Nebeneinander  von  jüngerer  und  älterer  Stufe 
Fälle  wie  got.  awiliud  gegenüber  liupareis,  an.  fiinbul-  in 
verstärkende)!  Zusammensetzungen  gegenüber  ßfl~  \  got. 
naudi'Paürjts  naudi-bandi  gegenüber  naups  naupoi  naupjuda' 
zu  stellen.  Vielleicht  aber  warnt  grade  dieser  blosse  Schein 
grammatischen  Wechsels,  dessen  Belege  sich  unter  keinen 
gemeinsamen  Gesichtspunkt  subsumieren  lassen,  davor,  auf 
Accentverschiebung  im  germ.  Compositum  Rückschlüsse  zu 
machen.3  Richtiger  wird  man  in  dem  beständigen  Schwan- 
ken zwischen  th  und  d  nur  das  Bestreben  nach  möglichst 
genauer  Wiedergabe  des  spirantischen  d  erkennen,  vielleicht 
auch  das  th  als  incorrectere  Schreibung  für  das  aus  dem 
Ahd.  bekannte  dh  ansehen  dürfen ,  auf  welches  der  la- 
teinische Schreiber  nur  nicht  verfiel,  weil  es  dem  Latein 
vollkommen  fremd  war. 

8. 

Wie  das  wand.  sx  zeigte  auch  das  ostgot.  von  dem 
wulf.  keinerlei  Abweichung.  Tönendes  und  tonloses  s  wer- 
den nicht  unterschieden, h  und  von  einem  Übergange  des 
ersteren  in  r  ist  keine  Spur  vorhanden  (Gesila,  Usda,  Rose- 
mud,  Cessa).  Über  den  Abfall  des  Nominativ-«  s.  unter 
„Declination*. 

»  Weinhold,  Zs.  VI,  318. 

*  Joh.  Schmidt,  Anz.  VI,  12*5. 

8  Kluge  in  Pauls  Grundriss  I,  338. 

4  Wand.  105. 

5  Bekannt  ist  die  Verwisohung  des  germ.  Unterschiedes  von  s 
und  z  in  der  got.  Bibel,  ohne  dass  bisher  eine  befriedigende  Erklärung 
gefunden  wäre  (Paul,  Beitr.  VI,  547  f.);  denn  für  den  einfachen  Aus- 
weg der  Ausgleichung  sind  die  Inconsequenzen  zu  gross.  Ist  unser 
obiges  gleiohmässigcs  s  nicht  nur  graphisch,  sondern  spricht  es  für 
ostgot.  Zusammenfall  von  wulf.  s  und  s,  dann  ist  der  Einfluss  der  ostgot. 
Abschreiber  auch  in  diesem  Punkte  für  die  Bibelhss.  zu  berücksichtigen, 
und  ihrer  Unsicherheit  n  und  z  zu  unterscheiden  mögen  Schreibungen 
wie  rausa  kasa  salslep  einerseits,  riqiz  tnimz  atz  andrerseits  (8cherer, 
zUddS"  182  f.)  zur  Last  fallen. 


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-  173 


4.  Gutturale. 
7. 

Die  wulf.  gutturale  Tenuis  ist  im  Ostgot.  unverändert. 
Für  vereinzelte  Aspiratiouserscheinungen  ist  auf  S.  54  f.  zu 
verweisen,  wenn  man  sie  nicht  mit  der  Aspirierung  des 
lat.  c  auf  gleiche  Stufe  stellen  will.1  c  und  folgendes  bila- 
biales w  in  Quidila. 

9- 

Der  für  das  Got.  bisher  wenigstens  wahrscheinliche 
Unterschied  von  explosivem  g  im  Anlaut  und  spirantischem 
im  Inlaut2  lässt  sich  für  das  Ostgot.  beweisen. 

Im  Anlaut  ist  g  die  durchaus  reguläre  Schreibung  und 
zwar  im  Anlaut  sowohl  des  ersten  wie  des  zweiten  Com- 
positionsgliedes.  Während  für  inlautendes  g  vor  i  oder  ; 
häufiger  Schwund  und  deshalb  spirantischer  Character  so- 
gleich zu  constatieren  sein  wird,  fanden  wir  in  der  Zu- 
sammensetzung doch  nur  Fandigild  Alagild  Winigild  Witt- 
gis  Sisigis  Wiligis  Hunigis  u.  s.  w.  ohne  Spur  eines  ähn- 
lichen Ausfalls  wie  in  Daila  xajo  u.  s.  w.8  Dazu  kommt 
die  gelegentliche  Schreibung  c  für  g  im  Anlaut:  Coio  Cessa 
Theotlicoto  \\'itic{li)is;4  vgl.  über  dieselbe  oben  S.  65.  Über 
Ghiveric  bei  Marini  S.  118. 

Inlautendes  g  ist  in  der  Überlieferung  nach  Conso- 
nanten  fest,  vermutlich  also  auch  hier  sein  Lautcharacter 
explosiv  wie  der  des  postconsonantischen  d  und  b.  Inter- 
vocalisch  hingegen  kann  sein  Fehlen  in  saio  für  *mgio,  in 

1  Seelmann  260  f. ;  daselbst  iiischriftliche  Belege. 

*  Braune,  Got.  Gr.»  §  65.  Jellineks  Media  affricata  (Beitr.  XV, 
282)  im  got.  Inlaut  kann  mich  nicht  überzeugen. 

*  Von  den  Beispielen,  welche  Dietrich  73  f.  für  den  Schwund 
des  g  auch  im  Anlaut  des  zweiten  Wortelementes  bringt,  gehört  dem 
Ostgot.  keins  an.  Wenn  sich  693  ein  wcstgot.  Name  Vitisclua  findet, 
während  uns  Cass.  einen  Ostgoten  Witigisclus  nannte,  so  ist  bei  jenem 
die  ursprüngliche  Selbständigkeit  des  hier  benutzten  zweiten  Compo- 
sitionsgliedes  nicht  mehr  gefühlt,  dasselbe  vielmehr  als  blosses  Suffix 
empfunden  und  behandelt  worden.  Auch  hier  kann  wiedor  allein 
dialectisoho  Scheidung  helfen,  welche  bei  Dietrich  fehlt.  Insohriftlich 
Rchon  547  ein  Westgote  Gumliischm  CIL  XII,  2185. 

*  Dietrirh  7.5. 


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—    174  — 


Doila  für  JJagila,  auch  wohl  in  Oraja  und  Teja  und  manchem 
Sisi-  für  *Sigisi~  nur  auf  seiner  in  dieser  Stellung  spiran- 
tischen Natur  beruhen.  Aber  sein  Ausfall  vor  folgendem 
i  oder  j  wird  in  all  diesen  und  ähnlichen  Fällen 1  nur  als 
ein  graphischer,  nicht  als  ein  lautlicher  betrachtet  und  des- 
halb von  matei  <  *magwi  ferngehalten  werden  müssen. 
Denn  er  ist  in  der  Oberlieferung  nur  ein  gelegentlicher2 
und  hat  andre  Fälle  mit  Erhaltung  des  g  neben  sich  (Sigia-, 
hjila).  Es  ist  bekannt,  dass  das  lat.  g  dem  germ.  /  nahe 
gestanden  hat  und  z.  B.  das  Vorbild  für  die  runische  Ge- 
stalt des  letzteren  abgab;3  beachtet  man  ferner  den  Um- 
stand, dass  in  vulgären  lat.  Inschriften  g  bisweilen  ein  ; 
vertritt,4  so  ist  es  leicht  von  t>agila  über  *Dajila  zu  Daila 
zu  gelangen  und  in  letzterem  dasselbe  „etwas  diphthongische* 
i  wie  etwa  in  lat.  abieere  ais  u.  ä.  zu  erkennen.5  Der 
vorliegende  Process  ist  also  derselbe  wie  der  aus  mhd. 
Formen  wie  treit  <  tregit,  weit  <  maget  u.  ä.  bekannte,0 
nur  das  lautliche  Resultat  ist  noch  nicht  so  weit  vollendet. 
Aber  eine  sprachgeschichtliche  Chronologie  dieses  Vor- 
ganges ist  gegeben,  wenn  unser  Ostgotisch  spirantisches  g 
bei  folgendem  i  verflüchtigt,  wenn  später  das  Alemannische 
auch  sein  explosives  g  durch  folgendes  i  mouilliert,  wenn 
endlich  das  Mitteldeutsche  den  secundären  Diphthong  auch 
ohne  folgendes  i  entwickelt.7 

Über  auslautendes  g  vgl.  zu  Krduic  oben  S.  74.  Ent- 
stammt dessen  -c  nicht  bloss  lat.  Schreibart,  wie  daselbst 
angenommen  wurde,  so  beweist  es  für  got.  g  im  Auslaut 
die  Explosiva,  in  keinem  Falle  aber  spricht  es  für  .lellineks 
Affricata  (a.  a.  O.). 

Über  wulf.  und  ostgot.  ggw  oben  S.  78  f. 


'  Dietrich  73  f.;  Sievern  in  Paul«  Orundr.  I,  41fi. 

*  Vgl.  oben  8.  110. 

*  Henning,  Runendenkm.  154. 
4  Seeiniann  349. 

6  Seelmann  232.  234  f.  236. 

*  Fischer,  Zur  Gesch.  d.  Mhd.,  Tübingen  1889. 

7  Fischer  25. 


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-    175  - 


Ii. 

Dass  der  rein  gutturale  Laut  wert  des  ostgerm.  /*  stark 
verflüchtigt  und  zu  dein  eines  blossen  Hauchlauts  herabge- 
sunken war,  folgt  aus  der  Sprache  Wulfilas,1  aus  seiner  Be- 
handlung im  Nordischen2  und  im  Krimgotischen 3  grade  so 
wie  aus  seiner  Wiedergabe  im  wandilischen  Namenschatze:4 
ganz  regellos  wird  es  im  Anlaut.  Inlaut,  Auslaut  bald  ge- 
schrieben bald  unterdrückt.  Und  wie  das  germ.  Runen- 
zeichen für  h  dem  lat.  Alphabet  entstammt,  so  zeigt  auch 
die  gleiche  willkürliche  Behandlung  von  lat.  und  germ.  h  in 
den  schriftlichen  Quellen  ihre  lautliche  Verwandtschaft.  Für 
seine  organische  Schwäche  im  Ostgot,  spricht  ferner  die 
Möglichkeit,  dass  mit  h  anlautende  Stämme  an  zweiter  Com- 
positionsstelle  wie  vocalische  Anlaute  den  vorhergehenden 
Stammesauslaut  angreifen  können.  Für  das  Wand,  bewiesen 
trotzdem  allitterierende  Namengruppen  (Hunarix  und  Hildi- 
rix,  Vater  und  Sohn),  dass  von  einem  gänzlichen  Schwund  des 
h  noch  nicht  die  Rede  sein  konnte.  Solche  Beweise  fehlen  leider 
zufällig  für  das  Ostgotische;  doch  werden  wir  trotzdem  auch 
hier  überflüssiges  h  streichen  und  fehlendes  restituieren  dürfen. 

5.  /,  r,  m,  n. 

Für  l,  r,  n  sind  keinerlei  Abweichungen  von  der 
wulf.  Grammatik  zu  verzeichnen.5 

Die  Wand.  52  behandelte  Schreibung  sei  für  germ.  sl 
zeigte  sich  in  Ge vtftyiOY.\oq  Witigisclus  Wiligisrlus ;  einen 
andern  Ausweg  mittels  Zwischen vocals  zeigte  der  Ovhytaakog 
des  Proc,  beide  vereint  der  Umcila  des  Cass.  Dass  die 
Lautverbindung  dem  römischen  Organ  nicht  genehm  war, 
dafür  vgl.  lat.  (da  mit  as.  ahzla  ahd.  ahsala,  lat.  relum  mit 
aksl.  veslo,  lat.  telvm  mit  ahd.  dehs'ala  aksl.  tesla. 

'  Wa&rattv  <  *waürhstw,  pfoundi  <  *pti8-hundi  (Klugo  in  Pauls 
Grundr.  I,  330.  406). 
2  Noreen  §  217. 

s  Vgl.  irt  ael  ano  *ei*  mit  wulf.  iwih  halht*  Unna  saih*  (Toma- 
ach ek  62  ff.). 

4  Dietrich  77;  Wand.  107  f. 
6  Vgl.  Wand.  WH. 


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176 


DECLINATION.1 

Von  der  Aufstellung  fertiger  ostgot.  Paradigmata  müssen 
wir  natürlich  absehen.  Was  die  Überlieferung  für  ostgot. 
Decliuation  an  die  Hand  gab,  das  beschränkte  sich  auf  die 
Nominativform  und  Kennzeichnung  der  Declinationsclassen 
im  allgemeinen.  Zeigten  erstere  eine  auch  den  alten  Sprachen 
geläufige  Flexionsendung,  so  war  diese  gewöhnlich  in  der 
lat.  und  gr.  Umschrift  beibehalten.  Im  andern  Falle  gaben 
die  Quellen  den  got.  Namen  entweder  flexionslos  oder 
sie  bekleideten  ihn  mit  einer  specifisch  lat.  oder  gr.  Endung; 
aber  diese  Interpretatio  romana  gewährte  trotzdem  sehr 
deutliche  Hinweise  auf  die  ursprüngliche  Declinationsart. 
wenn  etwa  die  germ.  a-,  i-,  n -Stämme  auch  im  lat.  Ge- 
wände o-,  i-,  n-Flexion  zeigten.  Auf  diese  Weise  war  es 
möglich  zu  folgenden  Resultaten  zu  kommen. 

1.  Starke  Declination. 
a.  Mnsculina. 

Das  Characteristische  für  die  ostgot.  masc.  Vocal- 
stämme  ist  gegenüber  der  wulf.  Grammatik  die  Einbusse 
des  Nominativ-*.  Dieselbe  war  belegt  für  a-,  für  für 
/-Stämme :  ric,  mund  (die  «-Bildung  secundär),  iculf,  wih  uric, 
ivulth,  rith]  moth,  gls  (hier  nach  stammhaftem  s  wie  schon 
bei  Wulf.),  Wandil,  nanth,  trit,  thanc,  diakön,  l(e)ub,  war, 
iuth;  hart;  m$r,  tcin. 

1  Auf  eine  Behandlung  der  ostgot.  Conjugation  müssen  wir  ver- 
zichten, weil  uns  eine  phonetische  Wiedergabe  ostgotisoher  Verbalformen 
abgeht.  Denn  die  Conjugationsformen  in  den  beiden  Urkunden  weichen 
von  ihrer  wulf.  Gestalt  nicht  ab ,  stehen  also  unter  demselben  schrift- 
sprachlichen Banne  wie  die  Bibelhss.  (Neap. :  ufmelida,  andnemum, 
Arezz. :  gawaüritia,  andnam*ufm£lida)\  und  der  got.  Hexameter  in  der 
lateinischen  Anthologie  entstammt  nicht  ostgotischer  Zeit  (vgl.  S.  140  f.). 
Mehr  als  Rückschlüsse  aus  der  oben  skizzierten  Lautlehre  sind  daher 
für  die  Conjugation  nicht  möglich.  Wenn  das  Ostgot.  allgemein  das 
wulf.  ai  zu  e  monophthongiert  und  andrerseits  das  Wand,  den  Diphthong 
in  Stammsilben  zwar  noch  fest  bewahrt,  jedoch  in  der  Flexionssilbe  zu 
c  werden  lägst  {armes  =  wulf.  armais^  Wand.  92.  III),  dann  dürfen 
auch  die  Monophthonge  in  den  ostgot.  Flexionsendungen  ausser  Zweifel 
stehen. 


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-    177  - 


Demnach  ist  der  Process,  dessen  Anfange  sich  schon 
im  wand.  Dialect  zeigten im  ostgot.  zu  Ende  geführt,  und 
die  Vergleichung  der  beiden  Dialecte  gewährt  einen  höchst 
interessanten  Einblick  in  seine  Entwicklung  und  Chrono- 
logie.2 Das  Wand.,  dessen  Lautstand  für  das  5.  Jahrh.  und 
das  erste  Drittel  des  6.  sich  eruieren  Hess,  hat  das  Nomin.-.<? 
nur  nach  Dentalen  abgeworfen,  nach  Gutturalen  hingegen 
fest  bewahrt  (labiale  Belege  fehlen) :  das  Ostgot.  des  6.  Jhs. 
hat  das  Nomin.-s  überhaupt  getilgt! 

Der  erste  Anfang  dieses  consonantischen  Auslautsge- 
setzes liegt  bereits  im  wulf.  Got.  vor,  wenn  das  s  des  Nom. 
sing,  nach  s  (ss,  z)  schwindet  (freihals  drus  garum  swte 
u.  s.  w.),  und  ist  hier  ohne  weiteres  verständlich.  Die 
nächste  Stufe  zeigt  ebenfalls  Wulf,  schon,  wenn  bei  ihm 
das  s  auch  nach  r  zuweilen  fehlt  (tcair  baür  anpar  unsar 
u.  s.  w.).  Aber  die  bisherigen  Erklärungsversuche  hierfür 
befriedigen  nicht.  Braune3  will  s  nach  r  schwinden  lassen, 
wenn  ein  kurzer  Vocal  vorhergeht ;  jedoch  ein  phonetischer 
Grund  für  diese  Unterscheidung  ist  nicht  einzusehen,  und 
stiur  bleibt  Ausnahme.  Und  Brugmanns4  -r  <  -rr  <  -rz 
müsste  in  eine  auffallend  frühe  Zeit  fallen,  wo  die  Nomi- 
nativendung noch  tönendes  z  war,  entbehrt  im  Inlaut  jeder 
Analogie  (fairzna  airzeis  marzjan),  wird  besonders  unwahr- 
scheinlich durch  das  keine  Spur  vom  z  >  r-Übergang  ver- 
ratende spätere  Gotisch,5  findet  selbst  im  An.  keine  Paral- 
lele (hainarr  annarr  ypvarr  u.  s.  w.,  nicht  -ar);  und  wenn 
das  Nomin.-s  beim  Masc.  der  Adjectiva  zur  Unterscheidung 
vom  Neutr.  sonst  restituiert  sein  soll  (hörs  skeirs),  so  ist 
nicht  einzusehen ,  weshalb  diese  Hestituierung  nicht  auch 
beim  Masc.  von  anpar  unsar  eingetreten  ist,  zumal  grade 
hier  das  Fehlen  der  pronominalen  Neutra  auf  -ata  eine 


1  Wand.  105  f. 
*  Vgl.  Wand.  10G. 
1  Oot.  Gr.*  §  78,  2. 

4  Vgl.  Gr.  I,  519.  II,  II,  .131. 

5  Oben  8.  172.  Vgl.  romanische  Lehnwörter  wie  pr.  raus  fr. 
roseau  mit  got.  raus,  fr.  bexi  mit  got.  basi ,  welche  somit  au«  dem 
Gotischen  entlehnt  xind  (Diez,  Gr.  I\  315). 

QF.   LXVIII.  12 


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-    178  — 


Differenzierung  der  beiden  Genera  dringender  hätte  er- 
heischen sollen.  Das  -s  jener  Adjectiva  halte  ich  vielmehr 
für  das  alte  unangetastete  Nom.-s,  und  seine  Beseitigung 
in  anßar  unsar  u.  s.  w.  ist  eine  analogische,  veranlasst 
durch  Einwirkung  der  Verwandtschaftsnamen  (hröpar  daühtar 
swistar  fadar1)  und  zuerst  etwa  anzunehmen  in  Verbin- 
dungen wie  unsar(s)  bröpar,  i2trar(s)  fadar.  Der  weitere 
Anschluss  des  Lehnwortes  kaisur  an  diese  Gruppe  wurde 
durch  dessen  lat.  Form  erleichtert.  Dazu  kamen  ferner 
Wörter  wie  teatr2  „Mann"  Ixiur  „Sohn\  und  bei  ihnen  ist 
die  Bedeutung  in  Betracht  zu  ziehen:  wie  bröpar  fadar 
kaisar  sind  es  männliche  Personalbenennungen:  das  stamm- 
bildende  r-Suffix  aber  hat  ursprünglich  nicht  nur  die  Ver- 
wandtschaftsbenennungen, sondern  allgemein  Nomina  agentis 
gebildet,3  und  zu  solchen  sind  icatr  baür  infolge  ihrer 
functionellen  Ähnlichkeit  auch  in  flexive  Analogie  getreten. 
Es  bleibt  daher  sehr  fraglich,  ob  zu  gabauram  (Rom.  13. 
13)  und  gabaurös  (Gal.  5,  21)  der  Nom.  sing,  als  gabaür 
und  nicht  vielmehr  als  gabaürs  angesetzt  werden  muss,  zumal 
zum  Unterschied  vom  Neutr.  gabaür  „ Steuer".4  Und  ebenso 
wenig  zwingend  ist  Braunes  Ansetzung  *tcar  statt  *warft 
für  das  Adj.5  Dagegen  kann  für  das  nur  einmal  belegte 
stiur  (Nehem.  5.  18)  gleichfalls  seine  actionelle  Bedeutung 
(„  Zuchtstier ")  in  Betracht  kommen.6 

Als  eine  weitere  analoge  Entwicklung  den  ausge- 
dehnteren Schwund  des  Nom.-s  im  Wand,  und  Ostgot.  auf- 
zufassen, liegt  zuerst  am  nächsten.  Danach  wären  von 
unsern  Belegen  die  Namen  auf  -vier  voranzustellen :  der 
Abfall  des  -s  hätte  sich  auf  alle  mit  r  auslautenden  Stämme 


1  Scherer,  zGddS«  179.    Brugraanu,  Vgl.  Gr.  II,  II,  529. 

*  Kann  got.  tcairs  „schlimmer"  hier  den  unterscheidenden  Schwund 
des  «  befordert  haben? 

5  Sievers,  Beitr.  V,  527;  Brugmann,  Vgl.  Gr.  II.  I,  354.  364. 

*  Zimmer,  QF  XIII,  30«,  hält  beide  für  identisch  und  mochte 
den  Differenzierungsversuch  im  Genus  Wulf,  zuschreiben,  was  aber 
ganz  unwahrscheinlich  ist. 

*  §  124,  1. 

«  Vgl.  hiermit  Schulze,  KZ  XXIX,  271. 


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—    179  — 


verallgemeinert.1  Auf  der  nächsten  Stufe  hätte  er  alle 
dental  auslautenden  Stämme  ergriffen,2  und  bis  hierher  ist 
das  Wand,  gegangen.  Das  Ostgot.  endlich  macht  den  Ab- 
fall des  Nom.-s  zum  allgemeinen  Gesetz.  Es  fragt  sich 
nur,  weshalb  diese  ursprüngliche  Analogiewirkung  zu  solcher 
Ausnah mslosigkeit  gelangte.  Hierfür  möchte  ich  keines- 
wegs mit  Sievers3  von  den  Eigennamen  ausgehen  und  das 
Fehlen  des  Nom.-s  aus  einer  Vermischung  des  Vrocativs 
mit  dem  Nominativ  erklären ;  schon  das  endungslose  diakon 
ist  damit  nicht  zu  vereinigen.  Eher  wird  mit  Braune4 
eine  Einwirkung  des  Acc.  zu  acceptieren  sein,  aber  doch 
nur  in  bestimmtem  Masse;  denn  es  ist  nicht  einzusehen, 
weshalb  eine  solche  Analogiewirkung  sich  nach  dem  Laut- 
character  der  vorhergehenden  Consonanz  richten  und  im 
Wand,  das  Nomin.-s  nach  Dentalen  consequent  tilgen, 
nach  Gutturalen  ebenso  consequent  bewahren  sollte.  Dieser 
präcise  Unterschied  weist  vielmehr  darauf  hin,  dass  die 
ursprüngliche  Analogiewirkung  sich  zu  einem  wandilischen 
Lautgesetz  formuliert  hat:  das  Nom.-s  schwindet  nach  allen 
homorganen  Lauten.  Und  dann  erst  wird  die  hierdurch  er- 
zeugte Gleichheit  von  Nom.  und  Acc.  der  substantivischen 
Dentalstämme  auch  auf  die  andern  Auslaute  gewirkt  haben. 
Also:  1)  lautlicher  Schwund  des  Nom.-s  schon  bei  Wulf, 
nach  stammhaftem  s,  2)  analoger  Schwund  des  Nom.-s 
schon  bei  Wulf,  in  bestimmten  Einzelfällen  nach  dem  Vor- 
bilde der  Verwandtschaftsbenennungen  und  Nomina  agentis 
mit  Suffix  -ar-,  -tar~,  3)  nachwulfilanische  Ausdehnung  auf 
alle  got.  -rs,  4)  im  Wand.  Abfall  des  -s  nach  allen  Den- 
talen, 5)  der  durch  die  Gleichheit  von  Nom.  und  Acc.  der 

1  Inschriftliche  Beiego  auf  den  wand.  Königsmünzen  des  Geilamir 
(nur  so;  Friedländer,  M.  d.  Wand.  34),  auf  einer  silbernen  Schale  mit 
derselben  Namensform  (Ephem.  epigr.  V,  826,  pg.  426),  auf  einem 
quadratischen  Stein  mit  Geilimer  (CIL  VIII,  10862).  (Letztere  zwei 
wand.  Nachträge,  die  mir  Wand.  81,  1  noch  unbekannt  waren,  verdanke 
ich  meinem  Freunde  Dihle,  der  mich  auch  auf  die  wand.  Inschrifton 
CIL  VIII,  2013.  10516.  9835  aufmerksam  macht.) 

2  Wand.  106,  oben  8.  176. 
8  Pauls  Örundriss  I,  416. 

4  Brieflich. 

12* 


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180 


Dentalstämme  veranlasste  analoge  Schwund  jedes  Koni.-* 
im  Ostgot.1 

Mit  Recht  warnt  mich  Braune  davor,  den  so  im 
Wandilischen  constatierten  Abfall  des  Kom.-s  mit  dem 
westgerm.  in  irgendwelche  Verbindung  zu  bringen2  und 
die  für  das  Wandil.  gewonnenen  chronologischen  Resultate 
irgendwie  zu  verallgemeinern.  Aber  die  zahlreichen  sicheren 
ostgot.  Belege  lassen  an  dem  Process  selbst  ,  wenn  die 
wand.  Stützen  noch  nicht  genügend  erschienen,  nicht  mehr 
zweifeln;  und  wenn  die  Entwicklung  desselben  innerhalb 
des  Wand,  und  des  Ostgot.  die  Vermutung  nahe  legt,  dass 
er  überhaupt  als  ein  wandil isches  Dialectcharacteristicum 
zu  gelten  hat,  so  spricht  wenigstens  der  letzte  wandilische 
Ausläufer,  das  Krimgotische,  nicht  dagegen:  Busbecks 
Glossar'-'  überliefert  krimgot.  stul  wingort  alt  tag  rinck 
traghen  apel  schwalth  kl  ael  statz  (tz  =  p  wie  in  goltz  — 
gulp,  tzo  =pu)  telich  für  wulf.  s/o/*  weinagards  aipeis  dag* 
*hriggs  *wagns  *aplm  *swidts  hails  hallus  staps  *dwaleiks, 
und  in  dem  fraglichen  Auslaut  von  wintch  —  wulf.  winds, 
ßsct  (d.  i.  gewiss  fisch)  ■==  ßsks ,  bars  —  *bards ,  rintsch 
(mons),  borrotsch  (voluntas)  darf  man  daher  nicht  altes 
Komin.-*  sehen;4  demselben  geht  in  diesen  Worten  regel- 
mässig ein  Dental  vorher,  und  er  bedeutet  nichts  weiter 
als  eine  ursprünglich  ungermanische  Assibiliemng  oder  Mouil- 
lierung dieses  Dentals,  welche  in  schwalth  und  wintch  und 
borrotsch  und  goltz  nur  eine  verschiedene  Bezeichnungsweise 
gefunden  hat.  —  Was  dieses  flexive  Resultat  für  unsere 

1  Diese  letzte  Stufe  schien  auch  für  das  Wand,  schon  angedeutet 
zu  sein,  wenn  eine  Inschrift  Kuginari  (Wand.  86)  bot.  Aber  schon 
Wand.  106  warnte  ich  vor  Verallgemeinerung  dieses  Einzelfalles.  Die 
wand.  Herkunft  dieser  Inschrift  war  nur  durch  ihren  Fundort  wahr- 
scheinlich. Sie  mag  trotzdem  einen  Ostgoten  nennen,  da  rayiti  auch 
sonst  im  ostgot.  Namenschatze  vorkommt  foben  S.  150),  und  zum  üftahari 
der  Neap.  Urk.  zu  stellen  sein.  Jedenfalls  ist  meine  lautliche  Erklärung 
(Wand.  8G):  harjis  >  harji  >  hart,  haltlos,  denn  die  got.  Urkunde 
würde  dann  *harei  geschrieben  haben  (vgl.  meintti  gleich  daneben); 
vielmehr  spricht  sie  für  die  oben  gebilligte  Vermischung  von  Acc.  und  Nom. 

2  Wand.  113. 

3  Tomaschok  58  ff. 

4  Sievers  in  Pauls  Grundr.  I,  416. 


■ 

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181 


historische  Grammatik  besagen  will,  braucht  nicht  weiter 
ausgeführt  zu  werden:  es  fällt  damit  eine  der  gewichtig- 
sten Stützen  der  ostgermanischen  Einheit!  1  Sie  war  be- 
reits angegriffen  worden  durch  den  Nachweis  der  westgerm. 
Dative  Vatvims  und  Afiims,-  welche  zusammen  mit  den  an. 
Dativen  tveimr  und  primr  und  den  run.  gestumR  und  borumR 
das  auslautende  s  für  die  Endung  des  Dat.  pl.  als  gemein- 
germanisch erwiesen.3  Jetzt  zeigt  sich  andrerseits,  dass 
der  spätere  Abfall  des  ursprünglich  auslautenden  s  im  Nom. 
sg.  nicht  auf  das  Westgermanische  beschränkt  bleibt.4  — 
Was  die  Unterscheidung  der  starken  Masculina  nach 
den  einzelnen  Declinationsclassen  betrifft,  so  durften  nach 
den  oben  S.  10.  176  u.  ö.  ausgeführten  Criterion  für  das 
Ostgot.  folgende  starke  a-Masculina  aufgestellt  werden: 
Gut,  Greoting,  Amal,  -ric,  -mund  (secundär,  vgl.  unter  „Suffix- 
bildung"),  -gern,  -tonlf,  -u>k  -wih,  -gast  (secundär),  -tmdth, 
-rith,  -hat/i,  -gls,  -gisly  -m(>th,  wisand,  -wath,  Wandil,  -früh, 
-scalc,  -uanth,  -wit,  -thanc,  Dan,  -leub,  diakon,  -war,  -euth, 
-gild.  —  Für  die  ;a-Stämme  giebt  das  Uftahari  der  Neap. 
Urk.  die  ostgot.  Form.5  Danach  auch  Starchödi  (S.  128) 
und  die  primären  Hypocorismen  mit  Suffix  ja:  Theudi  (= 
wulf.  *phideis),  Waci  (*\Vakjis),  Alb  i(*  Albeis),  Neudi(*Niudeis). 
Letztere  zeigen  im  lat.  oder  gr.  Texte  zwar  die  Endung 
•is;  dass  diese  jedoch  eben  nur  lat.  oder  gr.  Ursprungs 
ist.  wird  durch  ihr  Vorkommen  auch  in  westfränkischen 
Namen  bewiesen ; 6  -iv  ist  die  in  griech.  Personennamen 
geläufige  Koseendung7  und  hier  für  ihre  got.  Entsprechung 
grade  so  eingetreten  wie  gelegentlich  lat.  -o  gr.  -cov  bei 


i  Scherer,  zGddS2  179  ff.;  Zimmer,  Zs.  XIX,  394.  397. 

*  Much,  Zs.  XXXI,  357. 

*  Schorer  188. 

4  8oherer  187. 

5  Die  normale  Graeoisierung  und  Latinisierung  zeigten  der  BavSa- 
Xaqios  des  Proc.  und  der  Wiliarius  des  Cass.  für  ostgot  Wandalari  und 
WHiari:  -aoio;  -(h)ariu8  ist  genaue  Entsprechung  zu  got.  *harj(w,  wie  die 
vorhistorische  Form  jetzt  mit  Brugmaun  (Vgl.  Gr.  I,  517  f.  II,  II,  532), 
Kauffmann  ( Beitr.  XII,  539  Anm.),  Streitberg(Beitr.  XI V,  181 ) anzusetzen  ist. 

*  Vgl.  sohon  J.  Grimm,  Gr.  I1,  p.  XLIX. 
7  Fiok,  Personennamen  XXVII. 


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—  182 


den  schwachen  (///-Stämmen.  Von  den  wa-Stämmen 
boten  sicli  Coniposita  mit  wulf.  piwa-  *badwa-  dar,  leider 
nie  ohne  lat.-gr.  Flexion,  welche  hier  natürlich  besonders 
nahe  lag;  doch  wird  die  Analogie  aller  andern  a-Stämme 
gestatten  auch  ostgot.  *theu  *badu  anzusetzen.  —  /-Stämme 
lagen  vor  in  -wfr  -mw*  wulthr.  —  Für  andre  Casus  als 
den  Nom.  sing,  ist  nichts  zu  ermitteln  ausser,  wie  aus 
Obigem  folgt,  dass  der  Acc.  sing,  dem  Nom.  gleich  lautete. 

b.  Feminina. 

o-Stämme  (movierte  Formen):  -leuoa,  -frida,  -berytt, 
-swentha,  -wara,  -tiantha,  -fara,  -wem,  -wada.  —  Als  jo- 
Stamm  war  ostgot.  -hildi  inschriftlich  und  urkundlich  belegt, 
und  danach  durfte  auch  die  Latinisier ung  -yunda  als  ostgot. 
•gundi  restituiert  werden. 

2.  Schwache  Declination. 
a.  Masculina. 

Dass  hier  die  wulf.  Endung  -a  im  Ostgot.  intuet  ge- 
blieben, wurde  in  erster  Linie  durch  die  zahllosen  primären 
Hypocorismen  auf  -a  und  secundären  auf  -Ha  -im  bewiesen; 
dazu  noch  Ostrogota,  Darida.  Die  Belege  sind  so  zahlreich, 
dass  die  vereinzelten  Namen  auf  -o  (Orajo,  Bojo,  Biggo, 
Tzalico)  für  die  ostgot.  Endung  an  sich  bedeutungslos  sind: 
es  ist  nur  die  lat.-gr.  Koseendung 1  an  die  Stelle  der  got. 
getreten,  und  lat.  Talko  Taliconh  gegenüber  got.  *Talika 
*Talikim  ist  nicht  anders  zu  beurteilen  wie  etwa  lat. 
-nandm  -nandi  gegenüber  got.  -nanps  -nanpis.  Innnerhin 
mag  in  gewissen  Namen  die  lat.  oder  gr.  Endung  fest  ge- 
worden sein,  und  wenn  z.  B.  der  bekannte  Wandale  stets 
Stüivo  lrtXi/u)v  genannt  wird,-  so  ist  zu  bedenken,  dass 
der  grosso  Staatsmann  sich  immer  in  römischen  oder  griechi- 
schen Hofkreisen  bewegte,  seinen  Namen  unter  lateinische 
oder  griechische  Urkunden  zu  setzen  hatte  u.  s.  w.  Ebenso 
lautet  das  ostgot.  Appellativuni  bei  Cass.  regelmässig  sajo 
statt  *$aja :  sein  ständiger  amtlicher  Gebrauch  hat  es  der 

1  Fick,  Personennamen  XXIII  f. 
»  Wand.  49. 


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183  - 


lat,  Canzleisprache  accomodiert.  Aber  das  sind  alles  ver- 
einzelte Ausnahmen ,  die  für  die  ostgot.  Vulgärsprache 
nichts  ausmachen.  Bezeichnend  war  hierfür  auch  das 
Nebeneinander  von  Ovpa'ia  und  Oraio.1  Ebenso  ungotisch 
und  durch  ihre  Vereinzelung  als  unregelmässig  erwiesen 
ist  statt  des  -a  die  gelegentliche  Endung  -as  (z.  B.  rplnnag, 
Totilas);  sie  ist  griech.  Herkunft  und  schon  aus  der^wulf. 
Bibel  bekannt  (satana  und  satanas,  dagegen  papa  gotisiert 
aus  nannaq  U.  S.  W.).2 

/aw-Stämme :  Marc  ja,  Oraja,  Matja,  Teja  (mittelbar 
auch  Wilja,  Sibja). 

Die  Flexion  der  «//-Masculina  ist  in  den  Quellen  ge- 
wöhnlich die  der  ersten  lat.  Deel.  Daneben  zeigte  sich  eine 
mechanische  Characterisierung  durch  Anfügung  einer  w-En- 
dung  in  lat.  Formen  wie  Thancane  (Abi.),  Mannani  Man- 
nanis (Gen.)  u.  ä.  Correcter  war  die  palatale  Färbung  des 
got.  Endungsvocals  bewahrt  in  den  obliquen  Casus  lat. 
Waccenem  Mazenis  Patzenis  Cessinisy  welche  auf  die  got. 
Genetive  und  Dative  *Wakins  *Matjin  u.  s.  w.  weisen 
und  für  ostgot.  -fw(s)  gegenüber  wulf.  -m(*)  sprechen  können.3 

b.  Feminina. 

Ostrogoto  Theodegoto  Mammo  TuUjilo  Runilo  Sißlo 
bezeugen  die  Erhaltung  der  alten  wulf.  Nom.-Endung;  die- 
selbe, constant  o  geschrieben,  hat  die  Färbung  zu  u  also 
mit  den  Stammsilben  nicht  mitgemacht,  —  ein  Unterschied, 
wie  er  grade  so  aus  dem  Ahd.  bekannt  ist.4  Die  Flexio 
romana  zeigt  die  entsprechenden  w-Bildungen.  Vereinzelte 
Latinisierungen  in  -a  -ae  sind  belanglos. 

WORTBILDUNG. 

1.  Nominale  Composition. 

Der  Compositionsvocal,  welcher  bei  Wulf,  je  nach  der 
Natur  des  Stammesauslauts  des  ersten  Gliedes  bewahrt 

1  Vgl.  hierzu  Dietrich  82;  Henning,  DLZ  1887,  1549. 

•  Vgl.  schon  Jac.  Grimm,  Gr.  I«,  p.  XLVIII;  Kl.  Sehr.  III,  392. 

8  Vgl.  oben  S.  1«2. 

4  Braune,  Ahd.  Gr.  §  38,  2.  63. 


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184  - 


blieb  (wiga-deinö,  gasti-göds,  faihu-skula),  zeigt  in  den  ost- 
got. Eigennamen  (soweit  er  erhalten)  eine  entschiedene 
Neigung  zur  Abschwächung  und  zwar  in  palataler  Färbung : 
f  werden  wir  im  allgemeinen  als  den  ostgot.  Bindevocal 
bezeichnen  können.1  Namentlich  das  wulf.  u  der  Compo- 
sitionsfuge  ist  diesem  Process  erlegen:  Hereleuca  (wenn  - 
wulf.  *Hatru-liuba) ,  Wisibadu  (*Wisu-badus) ,  Felithanc 
(*Filu-pagks).  Sonst  lässt  sich  die  lautliche  Keine  > 
-e-  >  -(?-  >  -4-  durch  alle  Stufen  hin  im  Ostgot.  verfolgen 
und  zeigt  damit,  wie  der  ganze  Vorgang  noch  im  Werden 
begriffen  ist.  Characteristisch  war  bei  den  ja-  und  jau~ 
Stämmen  die  im  einzelnen  belegbare  Stufenfolge  -ja-  > 
-je-  >  worüber  oben  S.  b'8  f.  und  87  f.  zu  vgl.  Spuren  sol- 
cher Vocalschwächung ,  d.  h.  Eindringen  des  Sehreiber- 
dialects,  können  in  den  Bibelhss.  die  Glosse  seinai-gairnai 
des  Cod.  A  zu  2.  Tim.  3,2  und  die  Variante  lausai-waurdai 
in  A  zu  lausa-  Tit.  1,  10,  d.  i.  seinal-,  laasai-  zeigen,2 
wenn  hier  nicht  vom  gedankenlosen  Schreiber  die  Wort- 
endung mechanisch  vorausgenommen  worden  ist.  Ob  dieser 
Process  trotzdem  von  den  Eigennamen  aus  im  gleichen 
Umfang  auf  die  Umgangssprache  des  6.  Jahrhs.  wird  ver- 
allgemeinert werden  dürfen,  könnte  zweifelhaft  scheinen, 
wenn  man  bedenkt,  dass  auch  die  griech.  Personennamen 
in  der  Compositionsfuge  eine  Vocalfreiheit  zeigen,  welche 
weiter  greift  als  in  der  appellativen  griech.  Composition3; 
jedoch  ist  in  der  Überlieferung  der  letzteren  schriftsprach- 
liche Gewohnheit  grade  so  in  Rechnung  zu  ziehen  wie  in 
den  got.  Codd. ,  und  die  grössere  dialectische  Genauig- 
keit liegt  in  diesem  Falle  bei  der  Schreibung  der  Eigen- 
namen. 

Zweisilbige  erste  Compositionsglieder  bewahren  ihre 
Zweisilbigkeit,  d.  h.  den  Fugenvocal  oder  Stammesauslaut, 
wenn  das  zweite  Compositionselement  mit  einem  Conso- 

1  Kremer  will  Beitr.  VIII,  406.  426.  449  für  Ähnliche  Fälle  Ein- 
wirkung der  lat.  Componitionsregeln  annehmen ,  —  ein  Ausweg  von 
bezeichnender  Willkür. 

2  Vgl.  oben  S.  141  ;  Brugmann,  Vgl.  Gr.  II,  1,  74  Anm. 
9  Fick,  Personennamen  XIV. 


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-    185  - 


nanten  ausser  h  oder  w  beginnt  ;  dagegen  kann  der  Fugen- 
vocal  vom  Anlaut  des  zweiten  Gliedes  verschlungen  werden, 
wenn  dieser  /*,  tr  oder  ein  Vocal  ist;  dreisilbige  erste 
Compositionsglieder  werden  gern  auf  Zweisilbigkeit  redu- 
ciert.1  Dies  die  Regeln  für  die  Zusammensetzung  der  ost- 
got.  Eigennamen.  Für  ihren  ersten  Teil  brauchen  keine 
Beispiele  wiederholt  zu  werden;  es  sei  aber  betont,  dass 
er  keinerlei  Ausnahme  fand  und  kein  einsilbiges  Composi- 
tionsglied  bei  consonantischem  Anlaut  des  zweiten  Elements 
vorkam.  Bei  vocalisch  anlautendem  zweiten  Gliede  schwand 
der  Fugenvocal  wie  bei  Wulf.  Die  organische  Schwäche 
des  got.  h  macht  sich  im  Ostgot.  wie  bei  Wulf,  geltend, 
wenn  die  ursprünglich  mit  h  beginnenden  Wörter  an 
zweiter  Compositionsstelle  den  vorhergehenden  Stammes- 
auslaut grade  so  angreifen  wie  die  vocalischen  Anlaute ; 2 
doch  ist  der  Process  noch  nicht  consequent  durchgeführt: 
die  Neap.  Urk.  schreibt  zwar  got.  Uftahari,  aber  die  Ver- 
tauschung mit  Optarith  in  ihrem  lat.  Teil  ist  nur  möglich, 
wenn  die  Syncope  des  ersteren  zu  Uftari  schon  eingetreten 
war,  Uftahari  also  zum  Teil  auf  historischer  Schreibweise 
beruht;  die  inschriftlichen  Taniüdi  und  Dumikla  zeigen  die 
Syncope  vollzogen,  während  die  inschriftlicho  Guntelda  der 
urkundlichen  Gundihildi,  Cassiodors  Ranilda  der  urkund- 
lichen Ranihilda,  das  Theodahadus  der  Münzen  anderem 
GtvdaroQ  Theodadus  gegenübersteht.  Für  die  Composita 
mit  w?-Anlaut  im  zweiten  Gliede  scheint  die  Sache  ebenso 
zu  liegen:  Scipmtr  Erdwih  Gudwin  Tolwin  Odwin  Nand- 
win  Oswin  Andwit  Gundwidf  Wadwulf  gegenüber  Suniwath 
Hildiwada  Hildewar a  Bedewtdf  Alimdf;  jedoch  bei  den 
fünf  letzten  hat  die  Frage  insofern  ihr  besonderes  Gepräge, 
als  der  letzte  Laut  des  ersten  Compositionsgliedes  hier 
nicht  der  ursprüngliche  Fugenvocal,  sondern  stammhaftes 
j  ist  (wir  stellten  Suniwath  zu  got.  sunjis,  Hildi-  zu  dem 
jd-Stamm  *hildi3,  Bedewulf  zu  baidjan ,  Aliwulf  zu  aljis) ; 
es  wird  daher  für  das  Ostgot.  der  Schwund  des  Composi- 

1  Vgl.  Grimm,  Gr.  II  (1878),  890  ff. 

•  Vgl.  Kluge  in  Pauls  Grundr.  I,  H30,  3  Anm. 

s  Zu  *llildwulj  8.  145  vgl.  vorläufig  8.  162,  0. 


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-    186  - 


tionsvocals  vor  <r-Anlaut  des  zweiten  Gliedes  zu  allge- 
meinem Gesetz  erweitert  werden  dürfen.  Bei  Dreisilbigkeit 
des  ersten  Gliedes  endlieh  zeigten  nur  Amalafrida  Amata- 
berga  Amatas  tri  ntha  Athalaric  Intactheit  der  ersten  Compo- 
sitionshälfte;  dieselbe  wird  bei  diesen  der  königlichen 
Familie  angehörenden  Xamen  auf  einer  historischen  Pietät 
beruhen ,  da  Anud  und  Atluil  amalische  Ahnennamen 
waren,1  und  die  gleiehmässige  Schreibung  Amata-,  AthaUi- 
(auch  ohne  Abschwächung  des  dritten  a)  einer  traditionellen 
Schreibung  entstammen.2  Sonst  wird  die  ursprüngliche 
Dreisilbigkeit  des  ersten  Namenelementes  zerstört,  sei  es 
durch  Unterdrückung  des  Stammesauslauts,  sei  es  durch 
Syncope  der  zweiten  Silbe:  Evvrmud  (Jord.)  —  Ebremud 
(Marceil.)  Eßmfiov&  (Proc),  Angel  früh  —  Ragnarith.  Auch 
bei  Wulf,  linden  sich  schon  sigislatm*  piudangardi  u.  ä. : 
die  selteneren  dreisilbigen  Compositionselemente  im  ersten 
Gliede  accomodieren  sich,  gedrängt  durch  den  nachfolgenden 
Stammsilbenaccent  des  zweiten  Gliedes,  den  bei  weitem 
überwiegenden  zweisilbigen.4 

Die  somit  gewonnenen  ostgot.  Compositionsgesetze 
zeichnen  sich  durch  Einfachheit  und  Durchsichtigkeit  aus. 
Es  ist  die  Frage,  ob  sie  zur  Lösung  des  wulfilanischen 
Compositionsproblems  etwas  beitragen  können.  Wulfila- 
nische  Parallelen  wie  guda-faur/tts  und  gup-blöstreis,  lansa- 
waurds  und  lans-aiprs  sind  ebenso  bekannt  und  oft  citiert 
als  bisher  noch  unaufgeklärt;5  namentlich  Kremers  aus- 
führlicher Deutungsversuch  kann  in  keinem  Punkte  über- 
zeugend Andeutungen  aus  dem  Folgenden  gab  ich  bereits 
im  Anz.  XVI,  65  f. 

1  Vgl.  oben  S.  50.  84. 

*  Nur  bei  Fredeg.  steht  Amalbergu,  bei  Cass.  Var.  IX,  1  Amalc- 
frida  in  Gb. 

s  Joh.  Schmidt  fordert  in  KZ  XIX,  281  richtig  sigisa-. 

4  Weitere  Corruption  mehrsilbiger  erster  Namenglieder,  wie  sie 
Stark,  Kosenamen  41  ff.,  behandelt,  fehlt  in  der  ostgot.  Epoche  noch. 

6  Holtzraann,  Altdtsch.  Gramm.  I,  II,  55;  Kluge,  KZ  XXVI,  81; 
Kremer,  Beitr.  VIII,  380  ff. 

0  Vgl.  zu  scinor  Characteristik  in  einem  einzelnen  Punkte  auch 
Streitberg,  Beitr.  XIV,  190  ff. 


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187 


Das  Übereinstimmende  in  den  wulf.  und  den  ostgot. 
Compositionsformen  zweier  Nomina  liegt  in  dem  Schwund 
des  Fugenvoeals  vor  Vocal.  in  seinem  Schwanken  vor  h  und 
bei  mehrsilbigem  ersten  Gliede.  Das  Neue  beim  Ostgot. 
liegt  in  seinem  Schwund  vor  w.1  Und  letzterer  findet  in 
dem  Lautcharacter  des  w  seine  einfache  Erklärung:  iv  ist 
infolge  seines  vocalischen  Anlauts  in  die  Analogie  der 
Vocale  überhaupt  getreten.  Ist  damit  bewiesen,  dass  der 
Compositionsmodus  der  mit  vocalischem  Anlaut  des  zweiten 
Gliedes  gebildeten  Zusammensetzungen  analogice  weiter  um 
sich  greifen  kann,  dann  steht  nichts  im  Wege,  seine  Ein- 
wirkung auch  in  Fällen  wie  wulf.  gupblöstreis  lausqiprs 
u.  s.  w.  zu  erkennen.  Dass  wir  für  solcho  keine  speeifisch 
ostgot.  Parallelen  zur  Hand  haben,  hat  in  dem  Unterschied 
der  Appellativa  und  Nomina  propria  seinen  Grund.  Für 
den  germ.  Personennamen  ist  die  Bildung  aus  zweisilbigem 
ersten  und  einsilbigem  zweiten  Compositionsglied  die  bei 
weitem  überwiegende,  sie  darf  als  die  typische  gelten ;  und 
bei  der  mechanischen  Art  der  germ.  Namengebung,  welche 
die  Bedeutung  der  Namenglieder  früh  abschwächte  und 
besonders  gern  aus  den  in  der  Verwandtschaft  vertretenen 
Namenelementen  immer  wieder  neue  Composita  bildete, 
kehrte  jener  Typus  beständig  wieder,  auch  wenn  das  zu- 
sammengesetzte Appellativum  in  seiner  Entwicklung  bereits 
vorausgeeilt  war  und  die  ursprüngliche  Zweisilbigkeit  des 
ersten  Compositionselementes  angetastet  hatte;  in  ahd. 
Zeit  z.  B.  lässt  es  sich  beobachten,  wie  der  Eigenname  erst 
später  hierin  nachfolgt  und  den  Fugenvocal  tilgt  wie  das 
Appellativum.2  Wenn  also  auch  die  ostgot.  Eigennamen 
das  Eindringen  jener  Analogie  Wirkung  nur  bei  to-Anlaut 
des  zweiten  Gliedes  zeigen,  wo  es  lautlich  befördert  wurde, 
nicht  jedoch  bei  andern  Consonanten,  so  darf  auf  die  appella- 
tiven  Composita    daraus  noch  nicht  geschlossen  werden, 

1  Bei  Wulf,  nur  all-waldands  ubil'waürda  twalib-wintrus ,  von 
welchen  jedoch  die  boiden  ersten  Doverbativa  sind  (vgl.  ubilwaürdjun 

—  ubil  teaürdjan)  und  das  letzte  sich  aus  Urulif  wintrjus  (vgl.  ßmfhundn 

—  fimf  hunda  u.  ä. )  erklärt. 

»  Vgl.  dazu  Kosainna,  QF  XLVI,  62  ff. 


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188  - 


vielmehr  können  Bildungen  wie  gupblostreis  Ltusqiprs  schon 
zahlreicher  gewesen  sein  als  bei  Wulf.  Klemers  .Behand- 
lung der  ersten  Compositionsglieder  im  Gotischen"  aber 
muss  höchst  bedenklich  erscheinen,  wenn  sie  alle  chrono- 
logische Entwicklung  ausser  Acht  lässt  und  ein  allgemeines 
Compositionsgesetz  gleichmässig  aus  dem  appellativen  Got. 
des  4.  Jahrhs.  und  aus  den  got.  Eigennamen  aller  Jahr- 
hunderte herleiten  will.  Dabei  aber  ist  sehr  characteri- 
stisch,  dass  die  Namenbelege,  welche  er  für  Schwund  des 
ersten  Stammesauslauts  beibringt,  fast  vollzählig  Zusammen- 
setzungen mit  Ii-  oder  «-Anlaut  im  zweiten  Gliede  oder 
mit  mehrsilbigem  ersten  Gliede,  die  wenigen  Ausnahmen 
hingegen  samt  und  sonders  verzweifelte  Entstellungen  und 
dunkle  Bildungen  sind,  welche  er  durch  die  kühnsten  Ety- 
mologien ,  durch  manchen  Anachronismus  und  Vernach- 
lässigung jeglicher  diabetischer  Unterschiede  für  seine  Zwecke 
zurechtzustutzen  sucht. 

Fällt  auf  diese  Weise  Kremers  ganzes  Namenmaterial, 
und  streichen  wir  bei  ihm  zweitens  alle  die  appellativen 
Composita,  deren  zweites  Glied  mit  Vocal,  h,  tc  anlautet 
oder  mehrsilbigem  ersten  Gliede  folgt,  dann  bleiben  folgende 
wulf.  Anomala 1  übrig :  gup-blöslreis  wein-drugkja  man4eika 
ain-falps  aut-lif  laus-qiprs  brup-faps.2  Die  analoge  Ein- 
wirkung der  Composita  mit  vocalischem  Anlaut  des  zweiten 
Gliedes  auf  consonantische  Anlaute  ist  also  bei  Wulf,  erst 
eine  ganz  vereinzelte  und  dürfte  grade  so,  wie  sie  bei  den 
ostgot.  w-Bildungen  durch  die  halbvocalische  Natur  des  w 
ihre  besondere  Beförderung  fand,  bei  Wulf,  noch  Fall  für 
Fall  durch  singulare  Gründe  unterstützt  worden  sein: 
gupblostreis,  weitidrugkja  sind  nach  gufi  blötan,  wein  drigkan 
gebildet;  matüeika  ist  überhaupt  keine  Ausnahme,  da  sein 
erstes  Glied  ein  consonantischer  Stamm  ist,  sondern  zeigt 
für  einen  solchen  noch  den  ursprünglichen  Typus,  während 

1  J.  Grimm,  Gr.  II  (1878),  392:  „Einschleichende  Entstellungen 
der  älteren  Formen  *tceitta-<h'u<jkni  u.  8.  w.  Yu  Gupblostreis  weindrugfeja 
lamqiprs  sind  nur  je  an  einer  Stelle  zu  belegen. 

8  Alhu  trein  Röm.  12,  8  ist  längnt  richtig  in  alUiwtrein  gebessert ; 
vgl.  Heyne8  130. 


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—    189  — 

bropra-,  bröpru-lubö,  nahta-mats ,  mana-maurpja ,  mana- 
seps  durch  dieselbe  Analogie  vocalischer  Stämme  be- 
reits beeinflusst  sind ,  welche  auch  in  die  Flexion  ihrer 
Simplicia  gedrungen  war  (vgl.  bröprjus%  bröprum,  nahtam 
u.  s.  w.);  ainfaip$  erklärt  sich  durch  die  gegensätzlichen 
managfalps  fidurfaips ;  ainlif  ist  Zusammenrückung  aus 
ain  lif  (dazu  der  Plural  twa-lif) ;  für  lausqiprs  wäre  directe 
Beeinflussung  durch  laushandus  nicht  undenkbar;  und  so 
bliebe  nur  brtipfaps  übrig,  aber  auch  für  dieses  kann 
der  ursprüngliche  mit  der  Bedeutung  zusammenhängende 
Accentwechsel  Kremers  nicht  angenommen  werden,  denn 
zwischen  brüpfaps  einerseits  und  hunda-,  synagöga-,  pusundi- 
faps  andrerseits  ist  ein  Unterschied  in  dem  functionellen 
Verhältnis  der  beiden  Compositionsglieder  zu  einander  nicht 
zu  erkennen. 

Und  so  scheint  mir  der  gesamte  grosse  Aufsatz 
Kremers  zusammenzufallen  trotz  seiner  unzähligen  Kecon- 
structionssternchen,  seiner  blendenden  Citatenfülle  und  seines 
sonstigen  hypergelehrten  Apparates.  Mit  obiger  mechanischer 
Formulierung  des  gotischen  Compositionsmodus  aber  werden 
wir  uns  begnügen  müssen,  bis  die  Nominalcomposition  der 
andern  germ.  Dialecte  unter  möglichster  Berücksichtigung 
ihrer  chronologischen  Entwicklung  behandelt  sein  wird. 
Die  Resultate,  welche  Storch  für  das  Ags.  fand,  sprechen 
nicht  gegen  sie.' 


1  Storch,  Ags.  Nominalcomposita  (Strassburg  1886)  1 :  „Vor  dem 
Ursprünge  der  Nominalflexion  wurde  die  Zusammensetzung  der  idg. 
Nominn  durch  Aneinanderrückung  der  Stämme  gebildet.  Das  später 
hinzutretende  Flexionssuffix  wurde  als  selbständiges  Rlemont  zu  dieser 
Wortverbindung  nur  einmal  und  zwar  an  das  Ende  gesetzt.  So  kam 
es,  dass  das  Suffix  mit  dem  zweiten  Worte  zusammenwuchs,  während 
das  erste  don  Character  des  reinen  Stammes  bewahrte.  Die  so  ent- 
standenen primären  Composita,  die  von  den  durch  Zusnmmenrückung 
zweier  flectierter  Wörter  entstandenen  secundären  zu  unterscheiden  sind, 
bilden  auch  die  Typen  der  urgerm.  Nominalcomposita.  Secundäre 
Coraposita  tauchen  erst  in  jüngeren  Perioden  der  germ.  Sprachen  auf, 
breiten  sich  aber  ziemlich  rasoh  aus  und  gewinnen  allmählich  den 
Vorrang  vor  den  primären.  Die  nhd.  Nominalcomposita  z.  B.  werden 
gegenwärtig  zumeist  nach  secundiirer  Weise  gebildet.    Im  Ags.  kommt 


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—    190  — 


2.  Suffixbildung. 

Nach  Möllenhoff1  sind  alle  Personennamen  starker 
Declination  der  Form  und  Bedeutung  nach  ursprüngliche 
Adjectiva,  die  nur  nicht  wie  die  übrigen  Adj.  pronominale 
Declination  angenommen,  sondern  die  alte  nominale  be- 
halten haben.  Und  Kossinna2  hält  nur  diejenigen  Namen 
für  echt,  d.  h.  ursprünglich,  welche  sich  als  Zusammen- 
setzung eines  Substantivs  mit  einem  darauf  folgenden  Adj. 
erweisen,  alle  Namensformen  aber ,  die  zwei  Substantiva, 
Adj.  und  Subst.  oder  zwei  Adjectiva  enthalten,  für  unur- 
sprünglich und  einer  verhältnismässig  jungen  Zeit  ange- 
hörig. Ob  diese  onomatologische  Grundregel  insofern  etwas 
einzuschränken  ist,  als  Namen  mit  einem  concretcn  Sub- 
stantivum  personale  im  zweiten  Gliede  (wie  harjis  —  miles, 
*ttins%  pius,  skalks)  trotzdem  uralt  zu  sein  scheinen,  bleibe 
dahingestellt.  Für  ihre  Ursprünglichkeit  könnten  sonst  die 
Namen  mit  -rh-  sprechen  (dessen  keltische  Entlehnung 
wird  natürlich  nirgends  mehr  gefühlt),  die  als  lat.  gr.  -ricus 
-(Ji/og  erscheinen,  also  an  das  Subst.  reiks  anknüpfen,  nicht 
an  das  Adj.,  welches  als  /-Stamm  (Nehem.  6,  17  reikjane) 
auch  im  Lat.  und  Griech.  entsprechende  Flexion  zeigen 
würde.  Dagegen  wäre  zu  den  mit  got.  skalks  componier- 
ten  Namen  ein  secundäres  Adj.  mhd.  schalk  „ hinterlistig, 
boshaft44  zu  vgl.,  und  ähnliche  Bildungen  könnten  von  jedem 
Subst.  statthaft  sein,  wenn  sie  auch  appellativ  nicht  immer 
belegt  wären  oder  überhaupt  nur  für  solche  Namenbildungen 
bestanden  hätten.  Diese  Frage  bleibt  also  ebenso  eine  offene 
wie  der  Versuch,  die  Adj.  im  zweiten  Namengliede  practisch 
zu  scheiden  in  primäre  Adj.  (got.  w/<V.s,  Hubs,  galms  u.  s.  w.), 
in  secundäre,  d.  h.  nur  zur  Namenbildung  geschaffene  Deno- 
minativa  (*-mutids,  *-gasts  u.  s.  w.)  und  deverbative  Nomina 

die  sccundare  Composition  kaum  in  Betracht."  Auch  Storchs  weitere 
Ausführungen  zeigen,  dass  der  Unterschied  von  primärer  und  seeun- 
dftrer  Composition  für  den  functionellen  Character  derselben  von  unter- 
geordneter Bedeutung  ist,  und  sprechen  somit  ebenfalls  gegen  Kremers 
Leitmotiv. 

1  Zs.  XVI,  154. 

•  QF  XLVI,  64.    Anders  Burg,  Runeninschr.  17,  2;  aber  das 
Vorurteil  liegt  bei  Burg. 


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191 


agentis  (*-reps,  *-waps,  -berga,  -fara  u.  s.  w.) 1 ;  denn  wie  das 
namenbildende  denominative  got.  *-fripa-  zu  got.  fripus  tat- 
sächlich als  an.  Adj.  fripr  und  das  namenbildende  deverbative 
*-wara  (vergl.  gr.  oydio)  als  got.  Adj.  war»  vorhanden  ist,  so 
mögen  *gasta-  „gastfreundlich*  zu  gasti-  u.  v.  ä.  auch  ap- 
pellativ  bestanden  haben  und  nur  zufällig  nicht  zu  belegen 
sein.  Mögen  aber  alle  diese  Secundärbildungen  einmal 
selbständige  Adj.  gewesen  sein  oder  nicht,  das  Characte- 
ristische  an  ihnen  ist  die  Art  ihrer  Bildung:  das  Suffix  a 
im  Masc. ,  ä  oder  jä  im  Fem.2  Die  Grundregel  germani- 
scher Namenbildung  wird  also  vorsichtiger  so  zu  formu- 
lieren sein :  enthalten  die  typischen  zweigliedrigen  Personen- 
namen im  zweiten  Gliede  nicht  ein  ursprüngliches  persön- 
liches Ooncrctum  oder  ein  primäres,  d.  h.  appellativ  vor- 
handenes Adj.,  so  liegt  eine  secundäre  adjectivische  a-Bildung 
vor.  Die  ausserordentliche  grammatische  Consequenz  in 
der  Flexion  der  germ.  Eigennamen  bei  den  lat.  Historikern 
führt  unbedingt  darauf,  dass  z.  B.  in  Namen  wie  Com- 
gastus  Thrasemundu»  nicht  einfache  mechanische  Zusammen- 
setzungen mit  den  Substantiven  gast»  *tnunds  vorliegen, 
weil  diese  als  i-Stämme  auch  im  Lat.  »-Flexion  aufweisen 
würden ;  vielmehr  haben  sie  ihren  ursprünglichen  Stammes- 
auslaut abgeworfen  und  das  Secundärsuffix  a  angenommen, 
grade  so  wie  zum  /-Stamm  got.  wem-  „Hoffnung"  ein  ad- 
jectivischer  a-Stamm  durch  alle  Dialecte  geht  (ags.  miwen, 
ahd.  urwänaz  u.  s.  w.)  oder  zum  /-Stamm  wliti-  das  An. 
die  er- Adj.  dqgglitr  jarplitr  oder  zum  //-Stamm  fötu-  das 
Ags.  das  (i-Adj.  »cäfföt  „curvis  pedibus"  stellt.8  Ein  zu- 
künftiges germ.  Namenbuch  wird  sich  daher  der  Aufgabe 
nicht  entziehen  dürfen,  für  jedes  einzelne  Namenglied  auch 
eine  lat.  Flexionsstatistik  aus  den  historischen  Quellen  zu- 
sammenzustellen. 


1  Dass  auch  letztere  ursprünglich  durchaus  als  Adj.  und  sub- 
stantivisch gebrauchte  Adj.  zu  betrachten,  darüber  Scherer,  zOddS8  458. 

2  Für  die  Feminina  ist  ä  deverbativ  (-berga,  -fara),  jä  denominativ 
(-hildi,  -gundi),  ein  Unterschied,  der  noch  einer  besonderen  Unter- 
suchung bedarf. 

3  Zimmer,  QF  XIII,  225  f. 


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—    192  — 


Dass  das  a-Suffix  persönliche  Concreta  bildete,  dafür 
brauchen  appellative  Beispiele  nicht  aufgezählt  zu  werden, 
man  findet  sie  bei  Zimmer  bei  einander.  Aber  ihre  Ent- 
stehung fällt  allermeist  in  vorhistorische  Zeit;  so  üppig 
diese  Suffixbildungen  ursprünglich  gewuchert  haben ,  wie 
die  Vergleichung  der  idg.  Einzelsprachen  ergiebt ,  so  ist 
das  Suffix  im  germ.  Sonderleben  so  gut  wie  gar  nicht  mehr  in 
lebendigem  Gebrauch.1  Nur  in  einem  Falle  hat  Zimmer  die 
letzte  selbständige  Wirksamkeit  des  Suffixes  im  Germ, 
nachgewiesen:  die  aus  dem  Ai.,  Gr.,  Lat.  bekannten  «-Bil- 
dungen, welche  als  zweite  Glieder  von  Tatpurusha-Compo- 
sitis  vorkommen  (vgl.  -dama;  -da[to<;;  -dicus,  -ficus,  -cubus, 
-fer,  -ger),  hat  er  mit  zahlreichen  Beispielen  aus  der  an. 
Poesie  belegt  (svelgr,  -verkr,  -oaldr,  -räpr,  -grtpr,  -ripr 
u.  s.  w.)  und  damit  den  interessanten  Nachweis  gebracht, 
„wie  ein  Wortbildungsprincip,  das  der  Sprache  des  gewöhn- 
lichen Lebens  längst  abhanden  gekommen  war,  in  der  der 
Poesie  üppig  fortwuchert. u  Und  zu  diesem  einen  letzten 
Reste  lebendiger  a-Bildung  in  der  poetischen  Sprache  stellt 
sich  der  andere  hier  vorliegende  in  der  germ.  Namenbil- 
dung,  welche  ja  immer  etwas  Poetisches  an  sich  hat. 
Unter  den  ostgot.  Namen  begegnete  der  primäre  Hypoco- 
rismus  Grtp(p)a :  er  mag  aus  zweigliedrigem  Namen  gekürzt 
sein,  dem  etwa  Zimmers  an.  vingripr,  olpgripr  an  die  Seite 
zu  stellen  wären;  und  zu  den  zahlreichen  Namen  auf  -rith 
laufen  die  poetischen  an.  Composita  aldrdpr  gagnrdpr  gang- 
rdpr  grandräpr  nyrapr,  atripr  eykrlpr  fräripr  vigripr  parallel. 

Diese  secundäre  a-Bildung  findet  als  formelles  oder 
flexives  Grundprincip  der  Eigennamen  darin  noch  eine  be- 
sonders beweiskräftige  Stütze,  dass  sie  als  idg.  zu  ver- 
muten ist.  Seit  Ficks  classischem  Buche  über  die  griech. 
Personennamen  sind  die  Principien  der  Namenbildung  in 
den  idg.  Einzel  sprachen  als  Übereinstimmend  und  damit 
als  proethnisch  nachgewiesen.2  Und  wie  grade  die  germ. 
Eigennamen  ihre  Urverwandtschaft  mit  den  griech.  auf  Schritt 

1  Zimmer  25;  Sütterlin,  Nom.  agentis,  3. 

*  Selbst  über  die  Int.  vgl.  Fick  LXV  f.,  über  die  urmeniflche 
Brugmann,  Vgl.  Gr.  II,  I,  32,  2. 


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—    193  — 

und  Tritt  documentieren,  so  ist  auch  die  behandelte  se- 
cundäre  Stammbildung  derselben  im  Grieth,  vertreten.  Fick 
führt  XIV  f.  eine  Keine  von  Fällen  mit  zahlreichen  Belegen 
auf,  wo  im  Auslaut  des  zweiten  Namengliedes  die  o-Flexion 
sich  statt  der  ursprünglichen  ,  einer  consonantischen  oder 
andern  vocalischen,  zeigt,  will  aber  hierin  nur  eine  bequeme 
Erleichterung  in  der  Aussprache  erkennen.  Jedoch  zu- 
nächst ist  nicht  einzusehen,  wo  in  Namen  auf  -arJprv  -nav^^ 
-ftrjTou  die  grössere  Sprachbequemlichkeit  liegen  soll  im 
Vergleich  mit  den  ursprünglichen  ürijy  nax^  fit/typ;  und 
dann  hätten  Fick  besonders  Namen  auf  -vixoq  -rifioc  -<p^wg 
darauf  führen  sollen,  dass  es  sich  hier  um  keine  sprach- 
liche Bequemlichkeit,  sondern  um  einen  functionellen  Process, 
um  die  Kennzeichnung  eines  Nomen  agentis  gegenüber  den 
Abstracten  vtxt]  ttfuj  tf-tj^ij  handelt.  — 

Das  Bestreben  hingegen ,  die  Aussprache  der  Namen 
zu  erleichtern,  wird  auf  ganz  anderem  Wege  erreicht: 
durch  die  kürzenden  Koseformen.  Die  Hypocorismen  ver- 
einfachen das  ursprüngliche  Compositum,  und  zwar  taten 
dies  die  ostgot.  durchweg  durch  Unterdrückung  des  einen 
('ompositionsgliedes.  Eine  solche  Möglichkeit  hypocori- 
stischen  Schwundes  ist  für  jedes  der  beiden  Namenelemente 
anzunehmen.  Hiessen  z.  B.  zwei  Brüder  ThemUnavth  und 
Giulitmnth ,  so  lag  die  Unterscheidung  ihrer  Vollnamen  im 
eisten  Glied,  hiessen  sie  etwa  Theuditianth  und  Theudimer, 
so  lag  sie  im  zweiten  Glied  :  im  ersten  Fall  daher  die  Hypo- 
corismen Theudiht  (liidila,  im  zweiten  Namh'la  Merila.1  Der 
Ersatz  nun,  welchen  die  so  um  ihre  eine  Worthälfte  ge- 
kürzten Namen  fanden,  war  ein  suffixaler.  Diese  hypo- 
coristischen  Suffixbildungen  sind  primäre  oder  secundäre. 
Die  primären  zeigten  entweder  das  vocalische  Suffix  -ja- 
oder  häufiger  das  consonantische  -an-,  die  secundären  die 
Suffixe  -ilan-  oder  seltener  -ikan-,  —  alles  Bildungen,  welche 
in  der  idg.  Namengebung  ihre  Entsprechungen  haben.2 

1  Vgl.  Stark,  Kosenamen  12  ff. ,  und  ebenso  die  griech.  Hypo- 
corismen, Fick  V. 

»  Fick  XXVII.  XXIII  f.  L.  XLII.  Diese  Art  der  Kosebildung 
ist  also  die  ursprüngliche  und  idg.  (Brugmann,  Vgl.  Or.  IJ,  I,  33). 
qf    i.xvm.  13 


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194  — 


Ursprüngliche  ^«-Bildungen  1  sind  im  appellativen  Ger- 
manisch im  Aussterben  begriffen.2  Um  so  häufiger  sind 
secundäre  Ableitungen.8  welche  nichts  weiter  als  die  Zuge- 
hörigkeit zu  etwas  ausdrücken  sollen;  die  zahlreichen  hierher 
gehörigen  got.  Bildungen  stellt  Leo  Meyer  S.  IW3  ff.  zu- 
sammen ,  und  zu  ihnen  gesellen  sich  die  onomatologischen 
/«-Bildungen  (Theudi  Waci  Albi  Neudi).  Characteristisch 
ist,  dass  wieder  das  An.,  besonders  die  an.  Poesie,  im  Gegen- 
satz zu  den  andern  germ.  Dialecten  das  Suffix  noch  productiv 
handhabt.4 

Bedeutend  zahlreicher  sind  die  primären  Hypocorismen 
auf  -//«-  (Theoda  Gada  Thanva  Thorisa  Trigytca  Wilja 
Grippa  Suna  Wem  u.  s.  w.)*',  entsprechend  den  vielen  griech. 
Bildungen  auf  -tor.  Die  lebendige  Wirksamkeit  des  Suffixes 
-an-  im  germ.  Sprachleben  lässt  sich  in  allen  Dialecten 
noch  verfolgen;  es  trat  an  die  Stelle  des  absterbenden 
Suffixes  -«-,  verdrängte  dasselbe  nicht  nur  aus  seinem 
lebendigen  Gebrauch,  sondern  zog  auch  historisch  feststehende, 
mit  Suffix  a  gebildete  Wörter  in  jüngeren  Sprachperioden 
immer  mehr  zu  sich  herüber.'5  Leo  Meyer  stellt  in  §  354 
die  got.  Nomina  agentis  auf  -an-  zusammen.  Viele  unter 
ihnen  sind  nur  substantivisch  selbständig  gewordene  Adj. 
wie  blindan-  neben  Nitida-,  ganiainjan-,  unhulpan-  u.  s.  w.7, 


Starks  weitere  Reducierungcn  der  Vollformen  gehören  samt  und  sonders 
jungen  germ.  Perioden  nn.  So  die  Assimilation  von  Consonantengruppen 
(Stark  21  ff.):  Ga<hhi  und  Jirtto  sind  bei  ihm  die  frühesten  Belege 
hierfür  (S.  22.  26)  und  zwar  a.  d.  J.  615,  alle  andern  entstammen  erst 
dem  8.  oder  späteren  Jahrhunderten  (vgl.  oben  8.  80  f.).  Jene  Art 
der  Kosebildung,  welehe  vom  Vollnamen  das  erste  Glied  ganz,  dns 
zweite  nur  in  einem  oder  wenigen  Lauten  beibohftlt  (8tark  104  ff.), 
kann  erst  in  eine  Epoche  gesetzt  werden,  welche  die  Zweisilbigkeit  des 
ersten  Namengliedes  bereits  angegriffen  hatte  (vgl.  oben  8.  126). 

1  Stark,  Kosenamen  53  ff. 

9  Kluge,  Nominale  Stammbildg.  §  7. 

9  Schlüter,  Suffix  jn,  38 ;  Sütterlin,  Nomina  agentis,  5. 

*  Sütterlin  7  ff. 

6  Vgl.  die  massenhaften  an.  Namen  auf  -i  (8tark  54). 
8  Zimmer  170  ff;  Sütterlin  30  ff. 

7  Lichtenheld,  Zs.  XVIII,  41  Anm.    Vgl.  oben  S.  81. 


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—    195  — 


und  so  verhalten  sich  die  stark  flectierten  Vollnamen  zu 
den  schwach  flectierten  Kosenamen  ganz  wie  die  starken 
zu  den  schwachen  Adj.:  es  sind  secundäre  Individualisie- 
rungen 1 ;  der  zweigliedrige  Vollname  ist  —  man  denke  an 
den  Zeitpunkt  und  den  Zweck  der  Namengebung  —  ursprüng- 
lich praedieativ,  der  gekürzte  Kosename  specialisiert  seine 
Bedeutung  auf  eine  bestimmte  Person. 

Die  kosende  Zärtlichkeit  geht  aber  noch  weiter,  wenn 
die  so  gekürzten  Namen  durch  Diminutivsuffixe  wieder 
erweitert  werden.  Die  secundären  Hypocorismen  mit  Suffix 
-Uan-  sind  am  zahlreichsten  (Theudila  Gudila  Thaucüa 
Triggwila  Albila  Gesila  Badirila,  Tulgilo  Bundo  Sifilo  u.  s.  w.).* 
Von  Appellativen  vgl.  got.  wnguhi  mawilö,  ahd.  niftila  scalchilo, 
an.  geisle  u.  ä.3 

Die  secundären  Bildungen  mit  einem  Suffix  -ikan- 
waren  nicht  so  häufig  (Cillica  Oevim  Mirica  Tulica  Hardica)* 
Die  andern  idg.  Sprachen  zeigen  ebenfalls  solche  gutturalen 
Weiterbildungen,  aber  ihre  Consonantenstufe  stimmt  nicht 
zu  der  germ.  (ai.  -aka  -ika,  gr.  -«xoc  -«£  -t/n^  -i/to^,  kclt. 
~iroh);  ob  sie  zu  vereinigen  sind,  bleibt  dahingestellt;  das 
Ausbleiben  der  germ.  Lautverschiebung  grade  bei  derartigen 
Kosebildungen  wäre  nicht  undenkbar,  man  denke  an  inter- 
nationales Tata  (oben  S.  124.  1%).  Vgl.  diminutive  Appella- 
tiva  wie  ahd.  arnühha  „paupercula",  julihhtt  „weibliches 
Fohlen  %  smirihha  „  Schwiegertöchterchen  \ 

Die  im  Vorstehenden  geschilderte  onomatologische  Ent- 
wicklung zeigte  sich  im  Ostgot.  deutlich  Stufe  für  Stufe, 
wenn  wir  folgende  Heihen  fanden:  Theoderic  (-mer,  -wund 
u.  s.  w.)  —  Tlieoda  Theudi  —  Theudila,  Gudinanth  (~leub 
u.  s.  w.)  —  Guda  —  Gudila ,  Wilithanc  (Ala-,  Fell-  u.  s.  w.) 
~  Thanca  —  Thancila,  (Anagast  — )  Anna  —  Attila,  Sise- 
wera  --  Wera  —  (Werira),  Marabadu  (Fridi-,  Wisi-  u.  s.  w.) 


1  Süttorlin  65  f 

*  Grimm,   Gr.  II  (1878),   108.  Suffixablaut  in  Costila  Cosluh; 
Shulila  SinJula. 

1  Grimm  a.  a.  O. ;  Kluge,  Nomin.  8tammbililg.  §  "»«. 

*  Grimm,  Gr.  II  (1878),  270;  Stark,  Kosen.  öG. 
5  Fiele  XLIt;  IJrugmnnn  II,  I,  248. 

13 


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-  19« 


—  Dadtra  —  Bndwila,  (Gesimund  — )  Cessa  —  Gesila,  Triggtra 

—  Triggwila.  Alhi  —  Albila,  Mauna  —  Mannila,  Talla  — 
Talica  u.  s.  w. 

Im  Anschluss  hieran,  obwohl  nicht  zur  Suffixbildung 
gehörig,  sei  noch  eines  weiteren  Hilfsmittels  der  Kosebil- 
dung gedacht:  der  hypoeoristisehen  Consonantengeinination.1 
Sie  findet  sich  vor  allem  in  den  Kosenamen  (vgl.  Ihha 
(h'ippa  Tsitta  Mona  Anna  Riggo  Zalla  Ccssa,  Gattila  Htm- 
nila  Qttiddila  Totlila),  dringt  aber  von  hier  auch  in  die 
Vollnamen  (vgl.  Tanilldi  Wittigis  Witterith  Riccithauc).  Die 
gleiche  Erscheinung  ist  im  Griech.  genügend  zu  belegen2, 
ihre  Erklärung  aber  fraglich3.  Wahrscheinlich  drückt  die 
Dehnung  der  Consonanz  den  zärtlichen  und  deshalb  gedehnten, 
nicht  schnell  hervorgestossenen  Ruf  nach  dem  Träger  des 
Namens  aus,  wie  wir  ihn  noch  heute  gradeso  bei  lautem 
kosenden  Hufen,  zumal  aus  Kindermund,  hören  können. 

Die  vorher  erörterten  Suftixbildungen  waren  alle  speciell 
onomatologischer  Natur.  Was  sich  aus  dem  ostgot.  Material 
sonst  für  die  Suffixlehre  im  allgemeinen  ergab,  bezieht  sich 
auf  einzelne4  Namen  und  Wörter  und  ist  unter  diesen  be- 
handelt, sodass  für  das  /-Suffix  auf  Amol,  -gisl,  Wnndil, 
für  -r-  auf  wttfpr,  für  -//>-  auf  Darida,  für  -ins-  auf  Sigis-, 
Thorisa,  für  -mg-  auf  Greoting  nur  zu  verweisen  ist. 

\\.  Namengebung. 

Storks  Annahme, 1  dass  in  vorhistorischer  Zeit  alle 
germ.  Personennamen  anfänglich  einfach,  aus  einem  Worte 
gebildet  waren,  und  dass  die  zusammengesetzten  erst  allmäh- 
lich, wenn  auch  noch  in  derselben  vorhistorischen  Periode, 
entstanden  sind ,  ist  durch  Ficks  Nachweise  über  das  idg. 
Namensystem r>  längst  widerlegt:  die  zweistämmigen  Eigen- 
namen sind  die  ursprünglichen,  die  einstämmigen  sind  secun- 


1  Stark  19  ff. 

*  Fick  LIX;  weitere  Litteratur  bei  Brugmann  II,  I,  34. 

*  Verfehlt      B.  Stark  20  f. 

*  157  ff. 

5  Bosomio™  CXCII. 


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197 


däre  Kürzungen. J  Letztere  entstanden  nach  Abschwächung 
der  ursprüngliclien  praedieativen  Bedeutung  des  Vollnaniens. 
Ein  solches  Bewusstsein  der  Bedeutung  der  Namenglieder 
aber  ist  nur  für  die  allorälteste  Zeit,  vielleicht  überhaupt 
nicht  mehr  für  die  historische  Periode  anzunehmen.  Des- 
halb wäre  es  überflüssig,  die  onomatologischen  Composita 
wie  die  appellativen  nach  Art  der  altindischen  Grammatiker 
zu  classincieren  2  und  etwa  Dvandva  (z.  B.  Hildebadn  Gundi- 
h'tldi),  Bahuvrihi  (Ebenntid),  Karmadhäraya  (Vftahari),  Tat- 
purusha  (Theudimund)  unterscheiden  zu  wollen.  Von  einem 
ganz  andern  Gesichtspunkt  aus  könnte  man  viele  von  ihnen 
am  ersten  noch  als  Dvandva,  d.  h.  copulative  Komposita 
auffassen:  wenn  nämlich  der  Name  des  Kindes  häutig  aus 
zwei  Namenelementeri,  welche  in  der  Verwandtschaft  bereits 
vorkamen,  gebildet  wurde,  dann  war  bei  solchem  Namen 
nicht  die  Function  seiner  appellativen  Bestandteile,  sondern 
eben  die  Kennzeichnung  der  Verwandtschaft  die  Hauptsache, 
und  z.  B.  Theudhuudh  sollte  nichts  weiter  besagen  als  etwa 
„Sohn  von  Theudimund  und  Uudinanda\  so  zu  sagen  „ Theudi- 
mund i  Gudinanda".  Für  das  Zurücktreten  der  ursprüng- 
lichen appellativen  Bedeutung  spricht  ausser  den  Koseformen 
feiner  die  auch  im  Ostgot.  genügend  zu  belegende  mecha- 
nische Vertauschung  von  Namenelementen :  von  -mud  und 
-mund,  -gis  und  -grs,  -hart  und  -r/th,  -wih  und  -whi  und 
-/r/7,  -ric  und  -rith,  gvd-  und  gund-,  auch  von  suffixalem 
-ilu  und  -ica. 

Die  Namengcbung  kennzeichnete  die  verwandtschaft- 
lichen Beziehungen ;{  entweder  durch  Allitteration  (z.  B. 
Athahirk  der  Sohn  von  Enfhuric  und  Amalaswinthi)  oder 
durch  gleiche  Namenglieder  (vgl.  Thruderic ,  seinen  Vater 
Theodenier,  seinen  Bruder  Thcodeninnd,  seine  Tochter  Tluade- 
gofo-  Awtlafrid'i  und  ihre  Tochter  .  iimdaberga-  Theodahnth 

1  Die  einstämmigen  (iötternnmen  (ebenso  die  walkyrischon  Fruuen- 
numon)  sind  keine  Ausnahmen,  denn  sie  sind  nieht  ursprüngliche  per- 
sönliche Nomina  propria ,  sondern  Personifizierungen ,  personificierte 
Nomina  appellativa. 

2  Wio  z.  B.  Kosainna,  QF  XLVJ,  66,  will, 
s  Wand.  115. 


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und  seine  Kinder  Thcodenantlut,  Tin  odvgisl ;  Fridigern  und 
seinen  Sohn  Aliger  n\  Advrith  und  seinen  Sülm  Adtnatnd 
u.  s.  w.).  Im  übrigen  sei  an  Namengruppen  erinnert,  welche 
Tiernamen  zur  Composition  verwenden  !  i-tridf,  hon-,  FJ>n- 
muth,  Berimuth,  Afarabadtt,  AmaraY  lyilu?)  oder  mytho- 
logische Begriffe  {Thorisa,  Albila,  Gm!-)  oder  Völkernamen  - 
(Ostrogoto,  Theodegoto,  Wandalari ,  Dan,  Morra ,  Bojo, 
Angelf  rith). 

Zunamen  oder  Doppelnamen,  wie  sie  bei  allen  Ger- 
manen geläufig  waren  :\  zeigten  auch  die  Ostgoten.  In 
Ariagne  üstrogoto ,  Theoderic  Walamer  waren  die  zweiten 
Namen  unterscheidende  Zusätze,  ebenso  vielleicht  (iundaulf 
Ililduulf.  Jüngeren  christlichen  Namen  neben  älterem  gerni. 
zeigen  Herelen  va  al.  Fusebia,  Wiljetianth  al.  Minna  las,  Igila 
al.  DaniheL  Ademund  al.  Andreas.  Häutig  ist  bei  Doppel- 
benennung der  eine  Name  unverständlich  und  etymologisch 
dunkel,  sodass  der  andere  als  Ersatz  für  ihn  eingetreten 
scheint:  Futharic  Cillica,  Totila  Badu  ihi ,  Rosemud  Faffo, 
vielleicht  auch  Tila  Teja.  Gewöhnlich  jedoch  sind  solche 
seeundäre  Zunamen  keine  selbständigen  Namenbildungen, 
sondern  Appellativa,  welche  dem  ursprünglichen  Eigennamen 
als  für  seinen  Träger  besonders  characteristisch  angefügt 
wurden  mit  Bezug  auf  persönliche  Merkmale,  Geschicklich- 
keiten oder  sonstige  Beziehungen ;  es  sind  die  häufigen 
Ehren-  oder  Spottnamen4.  Sie  haben  dann  vielfach  den 
ursprünglichen  Vollnamen  ganz  verdrängt,  und  es  ist  nicht 
immer  leicht  solche  einstämmigen  appellativen  Cognomina 
von  den  primären  Hypocorismen  zu  scheiden/'   Voller  zwei- 

1  Schon  idg. :  Fick  VI.  Strackerjan,  Der  Mensch  im  Spiegel  der 
Tierwelt  (Oldenburg  1885),  8.  4  ff.,  ist  ergänzungsbedürftig;  das  Fehlen 
des  Pferdes  in  Namen  wird  mit  Unrecht  bestritten  ( Mambadu). 

2  Dietrioh  19,  19;  Wuekeruagel,  Kl.  Sehr.  III,  409  f.  Müllcnhoffs 
EitiHcliriliikting,  Beov.  30,  beruht  wohl  auf  Zufall. 

s  J.  Orimm,  Kl.  8chr.  III,  355;  Stark,  Kosenamen  150  ff.;  Wacker- 
nugel,  Kl.  Sehr.  III,  389. 

*  Schon  idg.:  Fick  VI. 

5  Vgl.  z.  B.  oben  S.  51,  2;  und  ebenso  für  das  (Jrieeh.  Fick  VI. 
V.h  bleibt  zu  erwägen,  ob  etwa  in  Italien  römische  Namenbildung  oder 


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—    1 91) 


gliedriger  Eigenname  und  secundärer  Zuname  liegt  im  ostgot. 
Wandalari  Wisand  vor.  Nur  der  letztere  ist  erhalten  in 
Mammo,  Tzitta,  Gattila,  Darida,  vielleicht  auch  in  Quldila, 
Sripwar,  Hunda,  Bittila;  hierher  gehören  ferner  die  Nomina 
agentis  mit  Suffix  -jan-1 :  Man  ja  „  der  Merker  Matja  „der 
Esser",  Teja  „der  Trinker". 


richtiger  Benennungaweise  die  üotcn  beoinflusat  hat;  QuidiUi,  Mammo, 
Wamba  könnten  auch  Bildungen  nach  römischem  Vorbild  8ein. 

1  Sütterlin  68  ff.  und  die  got.  Zusammenstellungen  70  f.;  Streit- 
berg, Bcitr.  XIV,  213.    Vgl.    S'iifja  Wund.  88. 


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SCHU'SS 


Der  ostgotische  Dialect  des  sechsten  Jahrhunderts  zeigt 
einen  bedeutend  jüngeren  und  entwickelteren  Lautstand  als 
der  bihelgotische.  Die  ostgot.  Monophthongierungcn ,  die 
Reduction  des  Conipositionsvocals,  der  Schwund  des  Nomi- 
nativ-* u.  s.  w.  sind  dafür  untrügliche  Zeichen.  Und  dabei 
bedenke  man,  dass  jene  ostgot.  Grammatik  fast  ausschliess- 
lich aus  Eigennamen  gewonnen  wurde,  von  denen  häufig 
behauptet  worden  ist.  dass  sie  hinter  der  Umgangssprache 
in  ihrer  Entwicklung  zurückblieben  und  conservativeren 
Lautstand  als  diese  aufwiesen.  Bozzenbergers  Hypothese, 
dass  das  Bibelgotische  dem  ostgot.  Dialect  des  b\  Jahrhs. 
entspreche,1  ist  damit  aus  der  Welt  geschafft.  Hingegen 
erwiesen  sich  die  handschriftlichen  Anomalien  in  der  gotischen 
Bibelüberliefcrung  als  dialectische  Symptome  der  ostgotischen 
Abschreiber.  Wenn  es  wahrscheinlich  ist,  dass  unter  dem 
einen  wulf.  Buchstaben  /  zwei  verschiedene  Laute  begriffen 
sind ,  welche  sich  allerdings  sehr  nahe  gestanden  hahen.- 
so  muss,  wenn  Wulfila  andrerseits  zwei  verschiedene  Schreib- 
weisen e  und  ei  erfand ,  deren  Lautwert  noch  ein  deutlich 
geschiedene!-  gewesen  sein.  Das  Ostgot.  jedoch  zeigt,  dass 
letztere  dicht  daran  sind  lautlich  zusammenzufallen,  und 
so  findet  das  gelegentliche  Schwanken  zwischen  e  und  ri 
in  den  got.  Hss.  seine  einfache  Erklärung  in  dem  Dialect 
ihrer  Entstehungsperiode,    Ebenso  verhält  es  sich  mit  dem 

1  Vgl.  oben  8.  1  ff. 
*  Vgl.  oben  S.  162. 


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201 


Schwanken  zwischen  6  und  n  oder  auf  consonantischem  Ge- 
biete mit  dem  Wechsel  von  d  und  p .  Ferner  zeigen  liuteip 
Mt.  5,  15  für  liuhteip,  puirtcakands  Luc.  6,  12,  als  Mc.  15, 
38,  hwarjö  Mc.  15,  6\  hwamme  Gal.  5,  3  B,  uswaurts  2.  Cor. 
fi,  9  B  einerseits  und  waurhtai  Rom.  11,  17  für  waurtai, 
ya  waurhtai  Eph.  3,  18  für  ya waurtai  andrerseits  dieselbe 
Unsicherheit  in  der  Aspiration,  wie  unsere  specifisch  ost- 
gotischen Quellen,  ja  den  in  letzteren  so  gewöhnlichen  will- 
kürlichen Wechsel  von  t  und  th  zeigen  auch  in  der  Bibel 
«ßepanda  Mc.  2,  9  für  uflttandu ,  witups  Mc.  10,  38  für 
«rilttf.?,  ußlöpeitiai  2.  Cor.  8,  4  B  für  ufblöteinui  A,  A/w/w 
2.  Cor.  12,  7  A  für  /mw/o  B,  yaparhips  Gal.  2,  11  für  </<^/r- 
Desgleichen  ist  die  Schreibung  des  gutturalen  Nasals 
zu  beurteilen  in  paukeip  Lc.  14,  31,  /miwä:  17,  9,  brhiyip  15, 
22,  brinyandnus  15.  23.  /wy/s  19,  31.  Eindringen  des  Dia- 
lects  scheint  sich  selbst  in  der  Oompositionsfuge  zu  zeigen : 
luusaiwaurdai  Tit.  1,  10  A,  srinaiyairnai  2.  Tim.  3,  2  A1, 
und  darauf  beruhen  auch  Schwankungen  wie  undahtusaUe 
1.  Tim.  1,  4  A  gegenüber  andilausa'ue  B,  mipyardawaddju 
Eph.  2,  14  B  gegenüber  mipyardiwaddju  A,  indem  die  nor- 
malen wulf.  Stammesauslaute  -/-  fälschlich  als  ostgot.  Pala- 
talisierungen  gefasst  und  zu  angeblich  ursprünglichem  -a- 
wiederhergestellt  wurden.  Ja  wenn  der  Cod.  B  drei  Nomin. 
sing,  auf  -ein  überliefert  [Ituhadehi,  triljahalpein,  yayudein),2 
so  können  diese  ostgot.  Endung  statt  wulf.  -eins  zeigen 
[Uuhadeins  A),  indem  für  die  Form  schwacher  Nominal- 
abstracta  (yayudei  A)  die  starker  Verbalabstraita  einge- 
treten ist.  lTnd  so  wird  es  die  Aufgabe  der  Herausgeber 
neuer  Auttagen  unserer  YYruIfila- Ausgaben  und  -Grammatiken 
sein  müssen,  für  alle  Anomalien  zuerst  die  Erklärung  im 
eingeschleppten  Dialect  der  ostgot.  Hssverfertiger  zu  suchen, 
und  der  hiermit  beendete  Versuch  einer  ostgotischen  Gram- 
matik wird  daher  in  erster  Linie  für  die  gotische  Text- 
geschichte Früchte  tragen. 

1  Vgl.  oben  8  184. 

'  Braune,  Got.  Gr.*  §  113,  2.  Sonst  entnahm  ich  die  vorstehenden 
Beispiele  der  Einleitung  zu  Bernhardts  Ausgabe  (Halle  1875). 


L 


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1XDKX. 


(Die  Zahlen  weinen  auf  die  Seiten. 

sind  dio  ostg 

Abbo  80. 

Achiulf  71.  77. 

Achliulf  77,  9. 

Adamir  84,  2. 

Adoliubus  H4,  2. 

Ademund  63.  114.  151. 

Aderith  88.  114.  151. 

Adica  114,  1. 

Adilu  114. 

A^ittth  114.  153. 

Afl'ms  IM. 

Ahistulf  153,  3. 

A'tJoiyyo;  71,  4. 

Ailulfus  124. 

^Aläßivo.:  74. 

/lfci<7/?d  144.  157. 

Alamud  94.  144. 

Alathanc  128,  1.  144. 

Jtti  81.  103. 

Albila  103.  104. 

AI  ige  m  150. 

Aliw.lf  123.  185. 

Aloiso  114. 

vl;im/  50.  51. 

Amala  51,  2. 

Amalabergu  64.  18«. 

Amtdaffida  63.  «4,  1.  107.  18«. 

Amata* w intim  66.  107.  186. 

Amalberga  186,  2. 

Amnli  50. 

Araalo  51,  2. 

Amalcfrida  18«,  2. 

Amara  119. 

AutXoßtQya  64. 

Anaga'tus  107. 

Auilavis  126,  3. 
Andele  126,  3. 


Die  curaiv  gedruckten  Formen 
tischen.) 

Andcroudu»  136. 
Andila  126, '3. 
Andwit  126. 

Angelfrith  103.  144.  186. 
jlMi/a  107.  156. 
Anna  107. 
Annila  156. 
Ansila  112. 
Ao  »i  126,  6. 
Aorio  166. 
Ardaric  159. 
Ardica  159.  163. 
Areuagni  65. 
Argaithus  128. 
Ariaricu8  68. 
Arigernus  68.  107. 
Arileuva  61. 
Asinarius  92. 
Ascalc  122,  3. 
Aspar  146. 
Aauin  165,  6. 
Atauulfus  114,  2. 
Athala  84.  107,  1.  114. 
Athalaric  84.  107.  186. 
Attila  107. 
Audebertus  84,  2. 
Audefleda  84. 
Audcmundus  81,  2. 
Augie  166. 

Aurvandill  112.  113,  3. 
Austrccusa  65,  5. 
Auatrigusu  65,  5. 
Auatrogoti  45.  4«.  48.  166. 
Autharicu*  61. 

Bncauda  125.  136,  3. 
13addo  80. 


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20*  — 


Badua  137. 

B« diclo  II«.  130.  IH3. 
/?«/«#•  58,2. 

»«r<T«i«(,«ü.  101.  11«,  3.  181,  5. 
War  Wo»  11«. 

Butwins  84,  3.  121,  7. 
ButzttS  121,  7. 
Baudiis  73,  2. 
Bauto  73. 
Baza  121,  7. 
Bedetatlf  69.  185. 
Beorgar  14«. 
-fcm/rt  «4.  191. 
Bcrig  94,  5. 
Jftrimuth  94. 
Betto  194. 
Bidculfus  69.  70. 
Bitheridus  70. 
Blnndila  127. 
Bloda  137. 
Bli(n)din  147. 
Boherde  158. 
Bojo  111.  182. 
Boiorix  56.  III. 
Brandila  127. 
Burgundzones  73. 
Butila  113. 

Chlodovius  109. 
Chnodomariuti  «0. 

Dagila  127. 
Daiia  127 
Dan  133. 
Darida  146.  168. 
Darila  146. 
Daroin  14«. 
Darranr  146. 
Deodatus  90,  2 
Derlindis  14«. 
diakon  139.  179 
Dada  120. 
Dudila  121. 
Dumerith  86.  88.  130. 
Dumildi  86.  185. 

Eadwinc  83. 
Earendel  112. 
Ebba  80. 

Ebremuth  94.  18«. 
'£/??</io,-  105. 
Ebrovaccus  103. 
Ediwulf  71.  128,  3. 
Ehudericus  67,  1.  153,  3. 
ciU  141. 
Eldebadus  133. 
Eoohar  146. 


Eoricu»  49,  1. 
Erarius  12,  2.  61. 
Erdwih  74. 
Erclcuua  61. 
Erelieva  61. 
Ercriliua  61. 
Erp  119. 
Erpamara  119. 
Erpfe  119. 
Erpo  119. 
Etcrpamara  119. 
Eudoses  67. 
Eutharic  67. 
Euva  49,  1. 
Evagreotingi  49. 
Evarix  49,  1. 
Evermud  94.  186. 
Ezechia  28. 

Faffo  154. 
Fandiyild  157. 
-fara  134.  191. 
Fastida  147. 
Feletheus  151. 

Felithavc  75.  151.  162,  5.  184. 
Fenni  163. 
Filica  68.  151. 
Filimer  151. 
Fraomariua  60. 
-Jridu  63. 
Fridibadu  64.  122. 
Eridiyern  64.  150. 
Fripareikeis  63,  4. 
•früh  191. 
Fritigern  64,  1.  150. 
Erumarüh  88.  113. 

Gaddo  194. 
gahlaifs  140. 
Uaisiricus  63. 
Gallica  68. 
-gast  83.  190. 
Gattila  81. 
Gaudila  87. 
Oaudula  87. 
Geberic  55.  56.  74  118. 
Geilamir  179,  1. 
Geilimer  179,  1. 
Oengimundus  117. 
Gensiricus  112.  118. 
Gcnsmundus  117. 
-yer„  69.  190. 
Gesalecus  118. 
Gfsila  117. 
Geaimutid  117. 
Gevica  74. 

Ghiverio  55.  118.  159. 


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Gibeehc  74. 
Giborich  Iis. 
Giber ith  89.  118.  159. 
Gibica  74. 
Gibila  74.  145. 
Gibimer  59.  74.  104. 
ttyM«*  145. 
Gifica  74. 
-ffild  157. 
Gildila  131. 
Gildus  157. 
Ginsericus  118,  2. 
-gis(l)  91. 
Gisiboldus  85. 
Gisimundus  117. 
Givoko  74. 
Giriric  159. 
Gizericus  118,  1. 
Gjuki  74. 
Goar  145. 
Gada  87. 
ro<Mtaxt»;   122,  2. 
ro^tyinxJlo;  122,  2. 

Godiscaleun  122. 
röyr)a;  87. 

Goti,  Getönes,  ninto,  etc.  8.  ()«t- 

gotcn. 
Go|injo|>  45,  4. 
r uvvfiovXtp  71.  1 45. 

r OVTWVfZ  45. 

Grauthungi  49.  16« 
Greoting  49.  52.  163. 
Greuthungi  49. 
Grippa  92.  169.  192. 
Griuzing  49. 
rK,o(vp<YYot  40.  164,  4. 
Grutungi  49. 
Gruzing  49. 
Guda  72   120.  122. 
Gndelenb  72.  142. 
Gndeli(n)va  131. 
Guderith  72.  88.  143.  15«. 
Gudouela  132. 
r?t<f///rt  71.  107.  155. 
Gudilaib  142. 
Gudilebus  142. 
Gudilub  142.  169. 
Gudinanth  72.  91.  123. 
Gudisal  122. 
Gudiscalc  122. 
Guduhuls  153. 
Gudwin  72.  84.  125. 
Gullteigr  150. 
Guiliarit  87. 
Guiligi«  114. 
Guitigis  95. 
Gunderith  154.  156. 


GundihildiM.  87,  3.  121. 153.  185. 

Gundiisclus  173,  3. 

Gundimer  121.  156. 

Gundirith  88.  154. 

Gundubuls  153. 

<iundulu8  153. 

Gundtrulf  145.  153. 

Guntelda  86.  122.  153.  185. 

Guntharic  56. 

Gunthcricus  122. 

-gunpi  121.  182. 

Gunthicis  121. 

Guntbivera  152. 

Guntio  122. 

Guodisealcus  122. 

Gurdimcr  59.  156. 

Gutotios  etc.  s.  Ostgüten. 

Gut|)iuda  44.  45.  46. 

ri',9t,)pf  -  4"). 

ilumali  50.  51.  107. 
Hümme  148,  I. 
Hardiea  159. 
Hart  gern  68. 
HariogaiBut»  96. 
-halb  89. 
Helba  80. 

Heldcbadus  133.  162,  6. 

Herduie  74. 

Hereltnva  60.  184. 

Herila  61,  3. 

Hermcnerig  55.  56, 

Hernac  56. 

Herpo  119. 

Heudi  125. 

Hildtbadu  133. 

Hilderith  88. 

Hilde  wara  82.  185. 

-hildi  86.  182. 

Hildi  gern  158. 

Hildirix  56. 

Hildi  wada  155.  1*5. 

Hildr  90,  I. 

Hilda  ulf  145.  185,  3. 

Hilviade  155. 

Hi.sdcvalde  155. 
HlewagastiH  128. 
Hofteigr  150. 
Holdigern  157.  165. 
llopi  126,  6. 
Hosbat  141. 
HojKr)  90,  1. 
Hugo  76. 
Humbert  82. 
Humboldt  82. 
Hunigis  116. 
Hunila  100. 


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—    205  - 


Hu 

Hunirix  5JL 
Hunnila  100. 
Hunsla  1LL 

Ibbft  hlL  107. 
Iddan  80,  !L 
Iddofrcdo  80,  Ü, 
y.r/,7/*  IM. 
Ilba  8_L 
Ilderich  5JL 
*WH/la'hu  1 33. 
5 Iltioufp  1 45. 
Inalaricu*  103,  1, 

Irfiovhp  7 1 .  1  4  •  >. 

-/«</  5JL 
Ingildu*  103,  4. 
Itigundis  103.  4 
Invilia  103,  4. 
Itaberga  W»,  iL 
Iu|>ingar  &L 
Iutbungi  üL 

Candac  111. 
kaictftjö  JJL  140,  lfilL 
/ftir«  L5JL 
15t). 

Kipicho  IA. 
Coio  LLL 
Oonigafltus  SJL 
Coatiia  L2L  141. 
GWula  l£L  195,  2, 
Cuniffftai  KJL  lilL 
Kunimu(n)diu  62j  3. 

Lnndarith  SfL  lüiL 
Lendarith  8iL  154, 
Lendifrith  52,  99,  LLL  103,  7. 
Leuderith  8JL  99, 
Loudovora  1 52. 
-liub«,  -liuba  GL  Lii£L 
LiuvirUh  8A  \2& 
Lodoin 
Luduin  ÜÜL 
Luifcfrid  63,  3.  12s. 

Malatheu  143. 
Malorix  56. 
Mammo         198,  iL 
3faw«a  L21L  CHT 
Mannila  l£IL 
Mannup  123,  3» 
Marabadu  1 15. 
J/anr/a  MO. 
Mateswintha  9JL  HIB, 
i»/a(Ai  108 


matzia  141. 
Mauroco  105,  L 
Maurila  105,  L 
Mazenis  10S. 
■mt"r        QQ.  190. 
Jfo'i7a  äfi.  142. 
Minnulus  141. 
-mir  s.  -m  er. 
Af/Viea  58,  142. 
Morra  104. 
-w>{5//»  94. 

-mund  LÜIL 
-muth  0_L 

Nanderith  88,  9_L  156, 
Nandtrin  S4.  1LL  10S. 
Nanna  HL 
-nanth(a)  JML 
Nantwin  im 
Nendi  L2Ü. 
Nentwin  108. 
AVi«/#  125, 

Ocori  12«,  L 
Oidiar  I2(>,  L 
Otteric  3JTL5Ü. 
Odoini  d)  lfiH, 
Odotlii'ii«  öä. 
Odowacur  1 02. 
Odu  in 

Odwulf  7_L  84. 
Offa  L2fi. 

Olrh,*$os  H4. 

OnovacouR  103. 
Opi  123  Q, 
Oppa~T2().  h;o.  im 

Oppo  12f>. 

Optaritb  H8,  8JL  9_L  L2Ü  ULI  185. 

Optiln  L2JL 

Optrit  98,  L 

Oraja  IM,  183, 

Orendol  LL3. 

Orontil  LL2. 

"Oarla;  138, 

Oaerioh  113. 
Ostgoton  44. 

Ostrogota  41L  4L  48,  L  107,  L 

Ostrogoto  4L 

Ostein  48.  04,  11L 

Otbert  12«, 

öprerir  154. 

Otratarit  88,  156, 

Ov~  8.  aueb  W-  und  Wi-. 

Oudxtuo;  105. 

Ovaxl;  102. 

Ot/ifiiyoT^oi  4L 


206  — 


Ovvüa;  100. 
OZyxtai  105.  183. 

OuoJea«;  146. 

Pakt  ja  127.  169. 
papa  140. 
Pathenis  127. 
Pattenia  127. 
Patzonis  127. 
Petza  72. 

*fr(tt()iyrQVO;  150. 
(t*Qnt)ytovr);  64,  1. 
[Jinda;  73. 

Pithia  107. 

Pitz(i)a  72.  107.  169. 

ff^d^tyyoi  20. 

ÖMiVi/a  130.  198,  5. 

Itaginari  180,  1. 
Ragnarith  89.  150.  186. 
Ranihildi  86.  132.  150.  185. 
Ranildi  86.  132.  185. 

'Ptrt/tHftodo;  154. 
'PtMtuovräoi  58.  138. 
Requalivahamift  77.  131. 
Korir  154. 
56. 

•nV  54.  56.  190. 
Ricci  thane  75.  150. 
Ricimutid  138. 
Rico  147,  4. 
Riggo  147.  182. 
Rigmunt  147. 
Rfgr  147. 

-rith  88.  191.  192. 
Rodelinde  64,  2. 
Roderigo  138.  147. 
Ro8emud  154. 
PovSfQi^oi  1 38. 
Roudus  136. 
Ruderte  55.  138. 
Ruderid  138. 
Rudirig  138.  147. 
Rundo  152,  1. 
Runilo  152. 
Ruodirioh  138. 

Safrach  56. 
sajo  109.  182. 
Seda  134.  162,  5. 
Segimeru8  59.  85.  163. 
8egimundu8  85.  163. 
Socoifrida  158. 
Sonarius  117. 
Sende fara  92.  134. 
Se(r>tto  106,  7. 


Seaivira  152. 

8o8uald  106. 

Sibja  130. 

Sibiche  130. 

ZirhuovrJo;  93. 

Sido  134. 

Sifeoa  130. 

Siffo  160 

Sifilo  100. 

Silk«  130. 

Sigibuldua  85. 

Si  ff  ismer  59.  85.  106  120. 

8igi8vuldu8  85. 

Siffiwulth  85. 

Sigmundr  62. 

Sigtryggr  78. 

Siccifridn  158. 

Sinderith  88.  92. 

Sindila  92.  142. 

Sinduht  92.  142.  156.  195,  2. 

Sinthila  92.  142. 

8i8ebut  106. 

Sisewera  152. 

Sisifrith  138. 

Si8ii/i8  105. 

8i«inand  106. 

£m(tp(*f1n:  138. 

Sisivora  152. 
8candza  73 

Seiptmr  82.  145.  168.  1««». 

Sana  113. 

Starehedi  128. 

Stilico  182. 

Stotzaa  72. 

Stutias  72. 

Sana  113. 

8unhivadu8  114.  185. 
Sunjaifripas  141. 
Sunibadus  115. 
Sunjet'rUh  141. 
Sunilda  113,  «. 
Sunitvath  114. 
Sunnia  115,  7. 
Suomarius  60. 
swintha  66. 

T  a.  auch  Th. 
Taotel  149. 
Tanca  131. 
Taneila  75.  107. 
Tanilldi  86.  185. 
Tara  146. 
Tarit  146. 
Tarro  146. 
Tarut  146. 
Tasso  124. 
Tafa  124.  135.  195. 


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—  207 


Tato  124. 
Tatto  124. 
Tazitta  93.  158. 
Teja  148. 
Teino  127,  3. 
Teoda  56. 
Tila  148. 

Toltrin  84.  129.  165.  168. 

Torisa  76. 

Tortryggr  78. 

Totila  134.  137. 

To  ura  120. 

Touteln  136. 

Toutillus  136. 

Toutobocio  136. 

Toutuft  136. 

Traguila  78,  3. 

Trusaric  55. 

Trasimundus  62.  76. 

Trauuila  78,  3. 

Trigytca  78. 

Triggtrila  78. 

Triuua  78.  71). 

Triuuila  78.  7<>.  107. 

Trutungi  20. 

Tryggvi  78. 

Tuata  120. 

Tufa  121. 

Tulga  133,  2 

Tulgilo  133. 

Tuluiri  129. 

Tuota  120. 

Tutila  135.  136. 

Tutizar  119. 

Tzalico  148.  155.  182. 

7:,;:o>r  124,  1. 

Tzitta  93.  158. 
Tzutizar  119. 
Tzuttzar  119. 

Th  8.  auch  T. 

Thttnca  75.  131. 

Thnncila  75. 

Tlmruar  82. 

Thcia  148. 

Thola  148.  149. 

Pelamqrk  149. 

Theodadus  90.  185. 

Theotlagundi  121. 

Theodahath  53,  1.  89.  107.  110. 

185. 
Thcodatus  90. 
Theodegisl  91 
Thcodegoto  64. 
Theodemer  59.  60. 
Theodrmund  62. 
Theodenantha  90. 


Theoderic  43.  51.  107.  110. 
Theodicodo  65. 
Tlieodo  5G,  3. 
Theodoricua  51.  53. 
ThoodotuR  90. 
Theudanu«  90.  108. 
Theudericus  54. 
Theudifara  153. 
Theud'ila  57.  136.  142. 
Theudimer  59.  60.  107,  1. 
6#vT-  8.  auch  Tliood-. 
Gewinn,;  90.  185. 
fttvÄf(>tx<>*  51.  53. 
fttvthnourtlu:  62. 
QMc  57. 

fttuÄiX'turta  65. 

Thila  14H. 

iMlir  149. 

Thingsus  78,  1. 

Piojtreyrir  154. 

Thiudigoto  64. 

Thiudimer  59.  60. 

Thiudia  57. 

Tholoni  129. 

Tholuidi)  129. 

Tholuit  129. 

ThoHsa  76.  163.  165. 

Thoriamnth  76.  77.  94.  107,  I. 

Thrasaric  41,  I.  157. 

T/mmemund  76. 

Thulgilo  133. 

Thurisind  77. 

Tliuraiiuuiid  76. 

Thuruar  82. 

Thurvams  77. 

Ubiligisclu«  131. 

VfOJIahariM.m.  180,  1. 181.  185. 

Uldila  157,  9. 

Ulfila  72,  2. 

Ullr  147. 

Umbisuo  108. 

-ung  50. 

Uuigildu»  85,  7.  156. 
Unigis  116 

Unimundu»  82.  107,  1.  117. 
Unscila  III.  175. 
Unthane  128,  1. 
Usda  138. 
Uadrila  146. 
Uatarric  55.  8|.  138. 
Utryggr  78. 

H'acca  103.  131. 
Waci  102. 

Wucimuth  103.  105. 
Wada  115,  7. 


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Vadameroa  100,  1. 
Vadoinarius  60. 
Wftdouulfus  71.  168. 
Wadtculf  71.  158. 
Walagotlii  47,  3.  58,  1. 
Walamer  57.  77.  107,  1. 
Valaravans  58,  l. 
Wamba  80.  198,  5. 
Wnndalari  101. 
Wandali  116. 
Wundil  102.  110.  163. 
Vandiliariu«  102. 
-uar(a)  Ha».  191. 
-varii  83. 
Vatvims  181. 
-wath  115.  191. 
Vaj)i  115,  7. 
Vcduco  69,  1. 
YVera  123.  152. 
Wflreka  123.  152. 
Veromundua  152. 
VcHcgotlmo  46. 
Vestralpua  48,  7. 
Vetcricus  95,  2. 
Videricliuft  69,  I. 
Widia  69,  1. 
Vidigoia  61».  95. 
Vidimer  69.  95. 
Widin  147. 
Widuoo  69,  1. 
WidugA  69,  1. 
Widulf  69. 
-Wik  74. 
Wilja  l(>a.  107. 
Wiljaric  55.  88.  157. 
Wiljurith  87.  107.  137. 
WiliariuH  88.  125.  181,  5. 
Wilicra  155. 
Wiljttwuth  91.  144. 
Wilifara  88.  155. 
Wilupi*  88.  114. 
Wilhihl  88.  100.  131.  175. 
Wilihari  125. 


208 


Wilithanc  75.  SS.  128. 

WilUheu  88.  104. 

Willjennnt  88.  144. 

Willigis  114. 

-tri»  84. 

Vingiliu»  157. 

Winigild  15«. 

Winitarius  102.  107,  1. 

AVinnigilduB  156. 

Winsibaldus  132. 

Winand  101. 

Wisihadu  132.  184. 

Wißigothae  47.  48,  7.  107.  112,  I. 

Wiaivadua  132. 

Vitarit  133. 

Witoge  69,  1.  95. 

Witigo  69,  1. 

Vithoricua  69,  1. 

Vithionbius  69,  1. 

Vitbimiria  59,  2.  69,  1. 

Witiyis  69,  1»  »5.  11«. 

Witigisl  131.  173,  3. 

Vitiricbus  95,  2. 

Vitisclus  173,  3. 

Wittnith  «8.  133. 

Witti  gos  95. 

Witugo  69,  l. 

Witugouuo  69,  I. 

W'itulibo  69,  1. 

Woffo  80. 

WudgA  69,  1. 

Vull  d)  147. 

-irulf  70. 

Vulfila  71,  2. 

uulpr  HO. 

Wulth  85.  147. 

Vultuulf  71.  85,  9. 

Zalla  148. 

Zeia  148. 
Zita  93.  15S. 
Zuo/ilo  135.  13«. 
Zuo/o  13«. 


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QUELLEN  UND  FORSCHUNGEN 

ZUR 

SPRACH-  UND  CÜLTURGESCHICHTE 

DER 

GERMANISCHEN  VÖLKER. 

HRRAU80KOKIIKK 
VON 

HERNHARD  TEN  MÜNK,  ERNST  MARTIN, 

ERICH  SCHMIDT. 

LXIX. 

PROTHESE  UNI)  AFMAERKSK  DES  II  IM  ALTHOCHDEUTSCHEN. 


STKASSISUKU. 
K  A  Kl,   J.    T  H  V  H  N  K  K. 


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PROTHESE  UND  APHAERESE  DES  H 


IM  ALTHOCHDEUTSCHEN 


VON 


DR  HERMANN  GARKE. 

/ 


STRA88BUKO. 
KARL  J.  TBCBNER. 
1891. 


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ü.  Otto»«  Hof-nuch.lruckerol  In  Ü«rm*(a.lt. 


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M  K I X  E  X  L I  E  B  K  X  E  L  T  E  R  X 

GEWIDMET. 


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Di,  vorliegende  Arbeit  bietet  vor  allem  eine  —  wie 
ich  hoffe  ziemlich  vollständige  —  Zusammenstellung  der  in 
den  ahd.  und  and.  Denkmälern1  vom  8.  bis  zum  12.  Jahr- 
hundert incl.  vorkommenden  Fälh'  von  Prothese  und 
Aphaerese  des  H.  Nicht  aufgenommen  sind  die  ahd. 
Namen  —  aus  Gründen,  die  auf  S.  ff.  zu  finden  sind.  Da- 
gegen sind  aufgenommen  —  der  Vollständigkeit  zu  liebe  — 
manche  Fälle,  von  denen  zweifelhaft  ist,  ob  sie  wirklich 
mit  hierher  zu  stellen  waren.  Das  gilt  z.  B.  von  dem  Per- 
sonalpronomen der  III.  Person. 

Des  weiteren  bietet  meine  Arbeit  eine  —  natürlich 
durchaus  unvollständige  —  Sammlung  von  Prothese-  und 
Aphaerese-Fällen  aus  der  späteren  schriftlichen  Uberliefe- 
rung und  besonders  aus  den  modernen  Dialekten.  Von 
diesen  Fällen  sind  diejenigen  besonders  für  sich  zusammen- 
gestellt (S.  127  ff.),  welche  in  der  althochdeutschen  Zeit  keine 
Parallelformen  aufweisen,  die  Hauptmasse  aber  hat  unter 
diesen  ahd.  Parallelformen  ihren  Platz  gefunden. 

Meine  Darstellung  trennt  die  ganz  beträchtliche  Masse 
der  Prothesefälle  von  den  wenig  zahlreichen  Aphaerese- 
belegen,  löst  die  ahd.  Prothese  von  der  Verbindung  mit  der 
romanischen  und  weist  ihren  Zusammenhang  mit  der  Pro- 


1  8oweit  die  Glossen  noch  nicht  bei  Steinmeyer-Sievers  zu  finden 
waren,  habe  ich  die  Drucke  benutzt,  dir  in  der  Piper-Holder'schon 
Zusammenstellung  in  Pipors  Gesch.  d.  d.  Litt,  angegeben  sind. 


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vm 


these  der  neueren  Zeit  nach,  sucht  die  Entwiekelung  und 
die  lautliclie  Natur  des  prothetischen  Ii  zu  erklären,  und 
zeigt,  dass  der  bairische  Dialekt  von  dieser  Erscheinung 
merkwürdig  frei  geblieben  ist;  andererseits  ergiebt  sich, 
dass  Aphaerese  nur  in  tonlosen  Silben  häutiger  vorkommt, 
soweit  es  sieh  um  rein  deutsche  Denkmäler  handelt. 

Eingehende  Darstellungen  oder  unifassende  Samm- 
lungen über  diese  Verhältnisse  liegen  nicht  vor,  die  in 
Grammatiken  geäusserten  Ansichten  finden  ihre  Stelle  in 
der  Erörterung.  Von  grossem  Nutzen  als  klare  Zusammen- 
stellung der  einschlägigen  lautphysiologischen  Verhältnisse 
war  mir  A.  Fan  Ts  Hamburger  Programm  (1888):  „Uber 
vocalische  Aspiration  und  reinen  Vocaleinsatz.  Ein  Beitrag 
zur  Physiologie  und  Geschichte  derselben." 

Herzlichsten  und  ehrerbietigsten  Dank  schulde  und 
sage  ich  meinem  hochverehrten  Lehrer,  Herrn  Professor  Dr. 
Martin,  von  dem  ich  die  Anregung  zu  dieser  Arbeit  und 
mannigfache  gütige  Förderung  empfangen  habe. 

Strassburg,  im  Mai  l8fl. 

Der  Vkrfasskk. 


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ABKÜRZUNGEN. 

Ad.  Bl.  Haupt  m  Hoffmann.    Altdeutsche  Blatter. 

Ahd.  Ol.  Hoffmann.    Althochdeutsche  Glossen. 

BirL  Birlinger.    Die  Alemann.  8pr.  r.  d.  Rheines. 

Brem.  Wb.  Bremisoh-niedersäohs.  Wörterbuch. 

BWb.*  Schmoller.    Bairisches  Worterbuch  ed.  Frommann. 

Cfrt.  Gonfraternitätsbuch. 

Cimbr.  Wb.  Sohmeller.    Cimbr.  Wörterbuch  ed.  Bergmann. 

D.  Diemer.    Deutsohe  Oed.  d.  XI.  u.  XII.  Jhdts. 

Dfgl.  Diefenbach.  Glossar.  Latino-germ.  med.  et  infim  aetatis. 

Dfngl.  Diefenbach.    Novum  Gloss.  lat.-germnnicum. 

Diefenb.-W.  Diefenbach-Wfllcker.  Hoch-  u.  niederd.  Wb.  d.  m.  u.  n.  Z. 

iliut.  Graff.  Diutisca. 

DWb.  Deutsches  Wörterbuch. 

Etym.  Ni.  Wb.   J.  Franck.  Etyraol.  Woordenbock  d.  noderld.  Taal. 

fndgr.  Hoffmann.    Fundgruben  f.  Geschichte  der  d  8pr.  u.  L. 

Gerb.  Oerbert.    Iter  Alemannicum. 

Germ.  8tud.  Bartsch.    Germanistische  Studien. 

Grf.  E.  O.  Graff.    Althochdeutscher  Sprachschatz. 

Matt.  H.  Hattemer.    8.  Gallens  altdeutsche  Sprachschätze. 

HeinzeL  R.  Heinzel.    Gesch.  der  niederfränk.  Geselmfrsspr. 

Hess.  Id.  Vilraar.    Idioticon  von  Kurhessen. 

Hör.  Belg.  H.  Hoffmann.    Horae  Belgicae. 

Id.  Fris.  Hettema  de  Haan.    Idioticum  Frisicum. 

K.  Kausler.   Denkmäler  altndrld.  8pr.  u.  Litt.,  ßd.  I  III. 

LmhdWb.  Lexer.    Mhd.  Wörterbuch. 

Mnd.  Gr.  Lübben.    Mittelniederdeutsche  Grammatik. 

Mnd   Wb.  8chillor-Lübben.    Mittelnd.  Wörterbuoh. 

Mnl.  Gr.  Franck.    Mittelniederländ.  Grammatik. 

P.  P.  Piper.    (Notker  u.  Otfrid- Ausgaben). 

Pez.  Pez.    Thesaurus  aneedotorum. 

QF.  Quellen  u.  Forschungen. 

Ruck.  Rückert.    Schlesische  Mundart  im  Mittelalter. 


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X 


Schm.  B.M. 
8chw.  Id. 
8-N. 

Strssb.  8t. 
St-S. 

sumerl.  smrl. 
Trobn.  Ps. 
Voc  opt. 
Wackern.6 
Wvl.  Id. 
WWb. 

I.  II.  vor  den 


Sehmeiler.    Die  Mundarten  Baierns. 
Schweizerisches  Idioticon. 
Suhm-Nyerup.    8ymbolae  ad  litt,  teuton. 
Strassburger  Studien  ed.  Martin  u.  Wiegand. 
Steinmeyer  und  Sievers.   Die  ahd.  Glossen,  Bd.  I  u.  II. 
H.  Hoffmann.    8umerlaten.    Mhd.  Glossen. 
Pietsch.    Trebnitzer  Psalmen. 
Wackernagel.    Vocabularius  optimus. 
Altdeutsches  Lesebuch.    5.  Aufl. 
De  Bo.    Westvlaara8ch  Idioticon 
Woeste.    Westfälisches  Wörterbuch. 
Belegzahlen  ohno  weiteren  Zusatz  bedeuten  Bd.  I  oder  II 
der  Steinmeyer-Sievers'schcn  Glossen. 


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EINLEITUNG 


DER  LAUTWERT  DES  DEUTSCHEN  H  UND  SEIN  VERHÄLTNIS 
ZUM  ROMANISCHEN.        ROMANISCHE  APHAERESE  UND  PRO- 
THESE IN  DEUTSCHEN  DENKMÄLERN. 

Das  anlautende  germanische  h  hatte  beim  Beginne  der 
ahd.  Periode  seinen  gutturalen  Charakter  verloren;  es  war 
zum  Hauchlaute  („Kehlkopfspiranten  a)  geworden  und  nun- 
mehr identisch  mit  dem  alten  h-Aulaute  der  germanischen 
Interjektion.  Am  längsten  scheint  der  fränkische  Dialekt  den 
gutturalen  Wert  erhalten  zu  haben ;  für  die  andern  Mund- 
arten können  einige  Vertretungen  gutturaler  Laute  durch  h 
(hrefti,  harles,  halagi  (IIb);  harac  (gl.  Jun.);  hewinnent 
(Rc);  haarpit,  hicoz  (Pa);  hiburlicuru  (Merseb.  gl.  12) 
und  umgekehrte  Fälle  wie  chanafa  (St.  Paul,  gl.)  und 
chemis  (gl.  Salom.  2)  einmal  in  ihrer  Vereinzelung  sehr 
wohl  als  Schreibfehler  gelten  (cf.  das  humt  —  chumt  in  der 
Vorauer  Wahrheit:  Diemer  89,  27),  und  beweisen  —  auch 
wenn  man  von  dieser  Möglichkeit  absieht  —  noch  nichts  für 
gutturalen  Wert  des  anlautenden  altdeutschen  h,  denn  ähn- 
liche Fälle  kommen  auch  in  den  neudeutschen  Mundarten 
vor,  wo  doch  nur  von  einem  Hauchlaute  h  die  Rede  sein 
kann:  krink  =  as.  hrinc  (mnd.  Wb.  II.  171),  kedder- 
nettel  =  heiternessel  (Oldenburg.),  käher  —  häher, 
kamenze  =:  ameise,  kaucheu  ™  hocken1  (Hess.  Id. 
189,  191,  195);  umgekehrte  harst  =  karst  (mnd.  Wb.  II. 

1  Nnd  hUohe  =  das  Hooken. 

QF.  LXIX.  1 


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209),  honsdag  =  godeusdag  (Westfäl.  Wb.  105),  hauern 
=  kauern  (D.  Wb.  4,  2  582),  hitzlein  =  kitzloin  (D. 
Wb.  4,  2  1586),  hugel  =  kugel  (Schweiz.  Id.  II.  1087). 
Auch  Falle  wie  Aschonier  (Gascoguer  Wein),  Mnd.  WTb.  I. 
123,  enzian  =  gentiana  (Dffb.  gl.  260),  galaun  =  alaun 
(Schindler,  B.M-A.  S.  487)  sind  hier  wohl  in  Betracht  zu 
ziehen. 

Das  deutsche  h ,  das  die  Romanen  bisher  gern  mit  eh 
bezeichnet  hatten  —  eine  Gewohnheit,  die  für  den  fränkischen 
Dialekt  noch  länger  nachwirkte  —  hatte  sich  so  dem  roma- 
nischen h  genähert  —  aber  zusammengefallen  ist  es  nicht  mit 
diesem  Laute,  es  ist  immer  ein  selbständiger  Wert  geblieben  ; 
das  romanische  h  war  Bruchteil  eines  Lautes,  untergeordneter 
Teil  des  anlautenden  Vocales  geworden  und  sank  in  seinem 
phonetischen  Werte  so  sehr,  dass  es  schliesslich  ein  blosses 
Lautzeichen  war,  dessen  Bedeutung  dem  Sprachbewusstseiu 
verloren  ging. 

„Es  ist  ein  Sprachgesetz,  sagt  Curtius  über  die  grie- 
chische Prothese  und  Aphaerese,  „dass  die  Aspiration, 
wenn  sie  zu  weichen  beginnt,  sich  auch  am  falschen  Orte  ein- 
drängt. —  Wo  die  Aspiration  des  Vokalanlautes  im  Schwinden, 
treten  Verschiebungen  ein  im  Gebrauche  der  Aspiration  u. 
Das  gilt  für  die  romanischen  Sprachen  in  vollem  Umfange 
(cf.  A.  Paul:  Über  vocal.  Aspiration  und  reinen  Vocaleiusatz. 
Ein  Beitrag  zur  Physiologie  und  Geschichte  derselben.  Ham- 
burg. Programm.  1888),  und  charakterisiert  den  WTert  des 
h-Lautes,  erklärt  Aphaerese  und  Prothese  vollkommen 
auch  für  diejenigen  germanischeu  Dialekte,  die  unter  den 
dominierenden  Einfluss  romanischer  Sprachen  geraten  sind: 
westgotische  Münzen  zeigen  Aphärese  (Weingärtner 1  S.  55), 
die  langobardische  Orthographie  zeigt  ganz  italienische  Un- 
sicherheit, der  Wert  des  englischen  h-Lautes  sank  nach  der 
französischen  Eroberung,  der  westHandrische  Dialekt  gab  in 
diesem  Punkte  den  intensiveu  romanischen  Einflüssen  voll- 
ständig nach,  und  ebenso  wie  bei  den  VII  und  XIII  Com- 
munen  der  „Cimbern44  im  Venetianischen  liegen  die  Verhält- 

1  Ansprache  des  Oothischen  a.  Z.  d.  Ulfila. 


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—  3 


nisse  vielfach  bei  den  Deutschen  in  Russland,  denn  „sämmt- 
liche  Slavinen  enthehren  des  h-Lautes  in  derselben  Weise 
wie  die  romanischen  Sprachen."    (A.  Paul,  S.  40). 

Für  Deutschland  liegen  solche  Verhältnisse  nicht  vor, 
hier  ist  das  h  ja  ein  selbständiger  Laut,  nicht  „Aspiration 
des  Yokalanlautesa.  Die  Natur  des  deutschen  Hauches  wider- 
strebt der  Aphärese  und  Prothese:  eben  seine  Schärfe,  die 
dem  Romanen  so  unbequem  wird,  verhindert  ja  den  Deutschen, 
in  die  Sprachfehler  des  deutschredenden  Franzosen  zu  ver- 
fallen. Ist  die  Annahme  solcher  Sprachfehler  also  unmöglich, 
dann  liegt  es  nahe,  die  Fälle  als  Schreibfehler  anzusehen. 
„Orthographische  Ungenauigkeiteu"  nennt  Braune  (Ahd. 
Gr.  §.  152  anm.)  die  Prothesebelege,  „weil  sie  sich  nur  in 
Quellen  mit  mangelhafter  Orthographie,  nur  vereinzelt  in 
sorgfältig  geschriebenen  Stücken  Huden."  Aber  in  den  Ot- 
frid-,  Tatian-  und  Notker- Handschriften  sind  die  Fälle 
durchaus  nicht  so  vereinzelt,  wie  ungenaue  Statistiken  an- 
geben, und  der  blinde  Zufall  kann  überhaupt  nicht  mehr 
dafür  verantwortlich  gemacht  werden,  dass  213  Hdss.  755 
Prothesebelege  überliefern,  unter  ihnen  72  Hdss.  353  Fälle 
aus  zusammenhängenden  Denkmälern;  setzt  man  das  durch- 
gehends  prothetische  helfnnt  mit  150  Belegen  an  —  was 
nicht  zu  hoch  ist  -,  so  sind  es  gar  über  900  Fälle.  —  Für 
die  Aphärese  mag  eine  solche  Erklärung  in  manchen  Fällen 
genügen,  wenn  auch  hier  die  Belege  in  guten  Hdss.  eben- 
falls häufiger  vorkommen,  als  Braune  annimmt  (§.  153  a.  2); 
aber  eine  so  weit  verbreitete  und  so  gut  verbürgte  Erschei- 
nung wie  die  althochdeutsche  Prothese  kann  damit  unmög- 
lich abgefunden  werden.  Braune  greift  daher,  obgleich 
zweifelnd,  auf  andere  Erklärungsversuche  zurück,  die  roma- 
nischen Einfluss  heranziehen. 

Die  deutsche  Sprache  hat  ja  nicht  unter  romanischem 
EinHusse  gestanden  in  ihrer  lautlichen  Entwicklung,  wohl 
aber  die  schriftliche  Fixierung  eines  grossen  Teiles  ihrer  Denk- 
mäler. Für  viele  deutsche  Klosterurkunden  des  8.  und  9. 
Jahrhunderts  haben  wir  direkt  romanische  Schreiber  anzu- 
nehmen, und  auch  die  deutschen  Urkundeuschreiber  standen 
unter  dem  EinHusse  westfränkisch  -  romanischer  Schreiber- 

l* 


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schulen  und  romanischer  Collogen  (cf.  Q.  F.  III.1  S.  96).  So 
sind  sicher  vielfach  romanische  Eigentümlichkeiten  in  die 
deutschen  Namen  hineingeraten  und  vor  allem  eben  die 
romanische  Prothese  und  Aphärese.  Andererseits  haben 
grosse  Massen  germanischer  Namen  aus  dem  romanischen 
Westfranken ,  Burgund  und  Italien  in  die  deutschen  Ver- 
brüderungsbücher und  ähnliche  Denkmäler  Eingang  gefunden 
und  auf  die  Schrei bung  einheimischer  Namen  wieder  ver- 
wirrend eingewirkt.  Sehr  schlimm  steht  es  mit  dieser  (Kon- 
fusion z.  Ii.  in  den  Weissen  burger  Urkunden,  denn  hier  zeigt 
sieh  auch  noch  besonders  stark  die  fränkische  Eigentümlich- 
keit, eh  für  h  zu  schreiben.  Da  kommt  es  denn  vor,  dass 
in  einer  und  derselben  Urkunde  Trad.  178,  a.  774)  die  Orts- 
namenendung  -heim  2 mal  -chaim,  2 mal  -ahn  und  7  mal 
richtig  mit  -haim  wiedergegeben  wird;  der  Ort  Hambach 
wird  in  der  Traditio  2f>6  (a.  71.J)  sowohl  Aganbach  wie 
Uhaganbach,  in  der  folgenden  Urkunde  desselben  Jahres 
richtig  Ilagan bach  geschrieben;  Trad.  l.r>7  (a.  7M»)  heisst 
der  Schreiber  Asaph  auch  einmal  Oasaph.  Solche  Fälle 
erklären  sich  aus  den  romanischen  und  westfränkischen 
Schreibergewohnheiten  vollständig  und  lassen  vielmehr  gar 
keine  andere  Erklärung  zu :  der  Dialekt  hat  mit  diesen  Sonder- 
barkeiten sicher  nichts  zu  thun. 

Darf  man  nun  aber  diese  Auffassung  der  Prothese  und 
Aphärese  von  den  altdeutschen  Namen  her  auch  auf  die 
übrigen  Sprachdenkmäler  anwenden  ,  darf  man  sie  aus  dem 
Anfange  der  Periode  auf  die  ganze  Ausdehnung  derselben 
übertragen?  Meiner  Ansicht  nach  nicht  und  dabei  leiten  mich 
folgende  Gesichtspunkte.  —  Deutsche  (.Hussen  und  zusammen- 
hängende Denkmäler  zeigen  unsere  Erscheinungen  in  ganz 
anderer  Weise  als  die  romanischen  Hdss.  und  romanisierten 
deutschen  Namen:  die  romanische  Prothese  ist  gebunden  au 
die  Aphärese,  das  Schwinden  des  Hauches  hat  die  Verwir- 
rung erregt,  Aphärese  und  Prothese  stehen  hier  in  gewissem 
Sinne  neben  einander  wie  Ursache  und  Wirkung.  Natnr- 
gemäss  ist  daher  in  der  romanischen  Überlieferung  die  Aphä- 

1  Henning.   Die  Sgall.  ßprachdenkm.  bis  zum  Tode  Karls  d.  Gr. 


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—    5  — 


rose  meist  die  häufigere,  mindestens  eine  gleich  häufige  Er- 
scheinung wie  die  Prothese.  Das  gilt  auch  für  die  alten 
deutschen  Namen;  .jus  den  Sgallener  Urkunden  werden 
Q.  F.  III.  S.  141  bis  zum  Jahre  700  16  Aphärese-  und  2 
Prothesofälle ,  im  ganzen  bis  zum  Jahre  814  82  Aphärese-, 
22  Prothesefalle  belegt,  und  solche  Verhältnisse  herrschen  bei 
den  Namen  auch  sonst  —  aber  nirgends  bei  den  übrigen  althoch- 
deutschen Sprachdenkmälern.  Von  helfant  ganz  abgesehen, 
zeigen  lb"i  von  den  228  einschlägigen  Hdss.  also  71  l/2°/o 
nur  Prothese,  15  (=  6!/20/»)  nur  Aphärese,  50  Hdss.  (nur 
22°/o)  zeigen  beide  Erscheinungen  nebeneinander.  Es  ist  also 
für  das  Ahd.  nicht  richtig,  dass  „Prothese  gewöhnlich  da  vor- 
kommt, wo  auch  Aphärese  sich  zeigt44  —  die  Vorstellung  von 
der  unbedingten  Zusammengehörigkeit  der  beiden  Erschei- 
nungen muss  hier  aufgegeben  werden.  Noch  deutlicher  geht 
das  hervor  aus  einer  Vergleichung  der  Gesammtzahlcn  der 
einzelnen  Belege:  über  !M)0  mal  findet  sich  Prothese  —  Aphärese- 
belege  bietet  meine  Sammlung  nur  157,  und  von  diesen  sind 
erst  höchstens  86  beweiskräftig  für  „schwere"  Aphärese  am 
vollbetoiiten  Wortanfange  (ef.  8.  40).  —  Der  romanische  Ein- 
fluss  auf  die  deutsche  Schrift  hat  ja  ausserdem  auch  das  0. 
Jahrhundert  nicht  überdauert,  es  Hessen  sich  also  damit  die 
spätalthochdeutschen  'M5  (ohne  helfant)  Prothese-  und  77 
Aphäresefalle  in  keiner  Weise  erklären ,  höchstens  die  360 
und  80  Fälle  der  eigentlich  althochdeutschen  Periode. 1  Aber 
auch  für  diese  Denkmäler  ist  meines  Wisseus  noch  nirgends 
ein  bedeutenderer  Einfluss  der  romanischen  Orthographie 
oder  gar  romanische  Nationalität  des  Schreibers  nachgewiesen 
worden  (abgesehen  von  den  „Altdeutschen  Gesprächen"). 

Diese  letzten  Einwände  werden  hinfällig,  wenn  es  sich 
um  eine  Abart  des  romanischen  Einflusses,  um  die  Erklärung 
der  Aphärese  und  Prothese  uns  dem  Einflüsse  der  lateinischen 
Schriftsprache  und  ihrer  in  dieser  Beziehung  bekanntlich  sehr 
schwankenden  Orthographie  handelt.  Sie  hat  ja  der  deutschen 
Schrift  die  Buchstaben  geliehen  und  dadurch  (für  die  Gut- 

1  Die  Belege  verteilen  sich  folgendermaftgen  über  die  Jahr- 
hunderte: «aec.  VIII.  25P.-8A.  IX.  240-45.  X.  95-27.  XI.  180^30. 
XII.  215-47. 


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turalaffrikata  z.  R.)  in  die  deutsche  Lautbezeichnung  viel  Ver- 
wirrung und  I  nhestimmtheit  hineingetragen ;  sie  hat  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  den  Vorrang  vor  der  deutschen  Sprache 
behauptet :  gar  mancher  deutsche  Schreiher  auch  der  spätem 
Jahrhunderte  mochte  weit  mehr  l"bung  haben,  lateinisch  /.u 
sclireiben  als  deutsch.     Durum  darf  man  aber  die  Schwan- 
kungen im  Gebrauche  des  deutschen  h  doch  nicht  als  „latei- 
nische  Schreiberunarten 44   hinstellen.     Auch   hier  gilt  voll- 
ständig der  Einwand,   der  den  romanischen  Einfluss  wider- 
legte: die  lateinische  Aphärese  überwiest  die  lateinische  Pro- 
these naturgemäss  bei  weitem  —  im  Deutschen  verhalt  sich 
die  Aphärese  zur  Prothese  noch  nicht  wie  1  :  10;  ebenso- 
wenig wie  der  Lautwert  des  deutscheu  und  des  lateinisch- 
romanischen  h  ist  die  deutsche  Prothese  des  h  mit  der  latei- 
nischen identisch.    Wäre  das  der  Fall .  dann  müssten  sich 
ja   die  vielen  lateinisch-deutschen   Paralleltexte   darin  ent- 
sprechen.  Aber  das  Latein  ist  in  den  lldss.  des  Keronischeii 
Glossars  so  reich  au  Prothese  und  Aphärese  wie  das  Latein 
der  llrabanischen  Glossars,  und  doch  zeigt  der  deutsche  Text 
nur  im   Kernnischen   Glossare  die  gleichen  Erscheinungen. 
Der  Text  der  Murbacher  Hymnen  (nach  Sievers)  ist  rein 
von  Prothese,  zeigt  dagegen  mehrere  Aphäresefalle  -  die 
deutsche  Übersetzung  zeigt  keine  Spur  von  Aphärese  im  Wort- 
anlaute, Prothese  dagegen  in  reicher  Fülle.    Das  Latein  ist  in 
allen  Notkerhandschriften  in  dieser  Hinsicht  gleichförmig 
und  dabei  bieten  die  Wessobrunner  Hdss.  weder  Prothese  noch 
Aphärese,  27  Fälle  Prothese  dagegen  die  alemannischen  Hand- 
schriften. —  Nirgends  in  den  c.  !M)  Fällen,  wo  helfant  das 
lateinische  elephas,  elephantus  glossiert,  findet  sich  für 
das  lateinische  Wort  die  Form  helephas  oder  helephantus: 
herbi  findet   sich   ebensogut  als  Ubersetzumr  von  Patri- 
monium wie  von  haereditas.  —  Diese  beiden  letzten  Bei- 
spiele mögen  zugleich  genügen  zur  Zurückweisung  der  Ver- 
suche, die  Prothese  von  Fall  zu  Fall  aus  dem  Lautanklange 
des  glossierten  lateinischen  Wortes  zu  erklären. 

Für  diese  Protheseerscheinuni:  müssen  alle  derartigen 
rein  graphischen  Erklärungsversuche  scheitern:  sie  sind  un- 
haltbar, weil  sie  die  ueudeutsche  Prothese,  der  noch  niemand 


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—    7  — 


ihren  Lautwert  hat  absprechen  können,  vollständig  ignorieren 
müssen.  Dass  es  aber  unmöglich  ist,  etwa  die  Erscheinung 
in  der  alten  und  in  der  neuern  Periode  auseinanderzurcissen 
—  das  beweisen  schon  meine  Hammlungen  allein,  und  es 
wird  hoffentlich  in  der  folgenden  Erörterung  noch  deutlicher 
hervortreten.  Auch  das  altdeutsche  prothetische  h  ist  als  Laut, 
als  Hauch  aufzufassen  —  es  wird  meine  Aufgabe  sein  zu 
zeigen,  wie  sich  das  verträgt  mit  der  festen  Natur  des  deutschen 
Hauchlautes  und  des  deutschen  Vocaleinsatzes. 

Die  Aphärese  wird  ihre  Würdigung  später  für  sich  allein 
finden  —  zu  einer  solchen  getrennten  Behandlung  beider 
Erscheinungen  glaube  ich  nach  den  vorangegangenen  Erör- 
terungen berechtigt  zu  sein. 


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I. 


DIE  DEUTSCHE  PROTHESE. 
A.  IHR  LAUTLICHER  WERT. 

Der  deutsche  vokalische  Anlaut  wird  im  Satz- 
zusammenhange oft  leiser  und  lockerer  und  hat  in 
diesem  Zustande  unter  der  Einwirkung  der  Folge- 
consonanten  den  Charakter  eines  leisen  Hauches 
angenommen,  den  alsdann  die  Analogie  des  echten 
11  zum  vollwertigen  Hauchlaut«»  verschärfte.  Dieser 
volle  Hauch  wird  fester  Bestandteil  des  Wortes  im 
Dialekte,  und  tritt  in  der  Schriftsprache  da  hervor, 
wo  dieselbe  dem  Dialekte  nahe  bleibt.  —  Das  ist  der 
Satz,  den  ich  mit  meinen  folgenden  Ausführungen  annehmbar 
machen  möchte. 

Die  ersten  Formen  dieser  Entwicklung  sind  von  ver- 
schiedenen Seiten  erkannt  und  vermutet:  Möllenhoff  (dkm.2 
635)  für  das  Ahd.,  A.  Paul  (prgr.  S.  4X)  für  das  As., 
Rückert  (Schles.  M-A.  S.  166)  fassen  das  prothetisehe  h 
als  Spiritus  Leuis,  also  wohl  als  graphischen  Ausdruck  für 
den  leisen  Vocaleinsatz  der  zusammenhängenden  Rede  im 
Gegensätze  zu  dem  regelmässigen  festen  vocalischen  Anlaute: 
Weinhold  (R.  Gr.  §.  190)  geht  noch  einen  Schritt  weiter: 
er  spricht  vom  „hauchenden  h",  nimmt  es  also  als  „gehauchten 
Vokaleinsatzu,  als  „Spiritus  asper14.  —  Diese  Ansichten  haben 
sich  wohl  gebildet  bei  Vergleichung  unserer  Prothese  mit 
jener  „nicht  seltenen",  besonders  bei  den  V  er  bis  puris  auf 
a,  uo  stark  belegten  Erscheinung,  „dass  im  Wortinueru  ein  h 


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-_    9  — 


eingeschoben  wird  beim  Zusammenstossen  zweier  silben- 
bildender Vocale,  von  denen  der  erste  stets  ein  langer  oder 
ein  Diphthong  ist",  sahan,  bluohan).  —  Wenn  Bremer  (P. 
Br.  Btr.  XI,  62)  über  dieses  h  sagt,  es  wäre  „rein  ortho- 
graphischer Natur,  denn  der  Gebrauch  zwischen  2  Vocalen 
ein  h  zu  schreiben  zur  Bezeichnung  des  unbestimmten  con- 
sonantischen  Lautes,  der  sich  an  dieser  Stelle  bildet,  sei  gar 
nicht  einmal  deutsch,  sondern  aus  der  lateinischen  Ortho- 
graphie übernommen*4,  so  wird  durch  diesen  Nachweis  des 
lateinischen  Ursprunges  doch  nicht  bewiesen,  dass  dies  h  im 
Deutschen  keine  phouetische  Geltung  haben  könnte;  dass  es 
dieselbe  wirklich  hat,  weist  Braune  nach  (Ahd.  Gr.  152b): 
„Bei  dem  häufigen  Erscheinen  dieses  h  auch  in  Quellen,  die 
sonst  das  h  correkt  behandeln ,  muss  man  demselben  einen 
bestimmten  Lautwert  vindicieren :  es  muss  ein  Übergangs- 
laut sein ,  der  sich  zwischen  den  beiden  Vocalen  entwickelt 
hat  —  und  dass  dieser  t ;  bergangslaut  wirklich  Hauchlaut 
(Spiritus  asper)  war,  geht  daraus  hervor,  dass  bei  Notker 
vor  diesem  h  die  gleichen  Vocalwandlungen  eintreten,  wie  vor 
altem  hu.  --  Wir  haben  hier  also  eine  analoge  Erscheinung: 
aus  einem  neugebildeten  unbestimmten  Geräusche  entwickelt 
sich  im  Silbenanlaute  der  leise  Hauch. 

Man  hat  denn  auch  versucht,  beide  Erscheinungen  als 
einheitlich  nebeneinander  zu  stellen.  Erdmaun  bemerkt  z. 
B.  zu  Otfried  III,  20,  17:  „h  zur  Vermeidung  des  Hiatus 
zwischen  zwei  Worten  (sehiltun,  michila  hera),  —  nach 
der  Vorsilbe  gi- (gihilit,  gihereti,  giherete)  —  und  inner- 
halb des  Wortes  (irkntihet)". 

Aber  einer  solchen  Auffassung  widersprechen  die  Thar- 
sachen:  der  Hiatus,  der  die  Vorbedingung  für  die  Bildung 
des  Hauchlautes  im  Wortinnern  ist,  fehlt  bei  der  Prothese- 
bildung in  der  Mehrzahl  der  Fälle :  er  kann  hier  also  nicht 
massgebend  sein.  Im  Vi  nd  obon  ensis  selbst  hat  Erdmann 
Fälle  wie  selbun  hera,  managfalten  hehtin,  wollen 
h ah  ton  etc.  nicht  in  Betracht  gezogen,  und  die  Hälfte  der 
Prothesefälle  ist  ja  überhaupt  au  Glossen  zu  finden,  wro  von 
Hiatus  im  Satzgefüge  doch  keine  Keile  sein  kann;  Hiatus 


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-in- 


zwischen Gompositionsteilen  (nach  gi-  etc.)  liegt  nur  36 mal 
vor,  also  nur  bei  4°/o  der  Fälle. 

Das  Zugeständnis»  konnte  man  Erdmann  vielleicht 
machen ,  dass  die  Correktorcn  der  Otfridhandschriften  die 
Prothesefalle,  die  sie  sonst  zu  beseitigen  strebten,  dann  stehen 
Hessen,  wenn  sie  durch  ihre  Beseitigung  einen  Hiatus  ge- 
schaffen hätten  (Vl\  III.  13,  91.  IV.  5,  52.  IV.  12,  32.  V. 
IV.  4,  25.  V,  4,  10.  V,  16,  33).  Das  beweist  aber  doch 
auf  keinen  Fall,  dass  der  Hiatus  der  Grund  zur  Prothese 
war,  nur  wieder,  dass  dem  prothetischen  Ii  ein  Lautwert 
zugeschrieben  werden  muss  —  ein  bloss  graphisches  h  wäre 
ein  recht  plumpes  Mittel  zur  Uberbrückung  eines  Hiatus  ge- 
wesen. 

Gewöhnlich  tilgt  Otfrid  den  Hiatus  durch  die  Silben- 
verschleifung  ;  das  setzt  aber  einen  leisern  Vocaleinsatz  vor- 
aus ,  und  ein  solcher  muss  in  der  That  damals  auch 
in  der  gewöhnlichen  zusammenhängenden  Rede  Platz  ge- 
griffen haben.  Die  Differenz  zwischen  den  Vokaleinsätzen 
in  der  zusammenhängenden  Rede  des  Deutscheu  und  des 
Franzosen  von  heute  bürgt  dafür,  dass  darum  der  Unterschied 
zwischen  romartischem  und  germanischem  Vokaleinsatze  auch 
in  der  althochdeutschen  Periode  nicht  verwischt  worden  ist. 
Hiatusbildung  war  und  ist  aber  nicht  nötig  zu  dieser  Milde- 
rung des  Vocaleinsatzes  —  heute  wie  damals  tritt  dieselbe 
auch  nach  Oonsonanten  ein.  cf.  die  Beispiele  bei  A.  Paul 
S.  41. 

Mit  dem  leisen  Anlaute  verbindet  sich  gern  ein  leiser 
Hauch,  das  zeigt  der  lateinisch-romanische  Spiritus  Lenis 
(A.  Paul  S.  16),  das  zeigte  sich  bei  jenem  Silbenanlaute  im 
Wortinnern  der  Vcrba  pura  —  und  so  hat  sich  auch  der 
umgebildete  Wortumlaut  in  unserm  Falle  entwickelt  und  zwar, 
wie  ich  nachweisen  möchte,  unter  dem  Einflüsse  des  fol- 
genden Consonanten.  Die  folgende  Tabelle  diene  zum  Be- 
weise. 


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11 


DAS  VERHÄLTNIS  DER  WURzELCONSON ANTEN  (FüLGECONSONANTEN). 
ZUR  ALTDEUTSCHEN  l'ROTHESEBILDUNQ. 


Labial. 

Dental. 

Guttural. 

Sni  a. 

Affricata. 

2. 

3. 

4. 

9. 

Reine  Tennis. 

19. 

5. 

24. 

Spirant.  Ton.  (Wechsel  mith  in  obd.  ic,  eic,  ahs.J 

16. 

16. 

Obd.  Tennis. 

3. 

4. 

7. 

Reine  Media. 

35. 

19. 

54. 

Spirant.  Med. 

9. 

6. 

4. 

19. 

Hauchlaut,  (ahir,  ahorn,  ohoim,  ehalt-,  uohald-.) 

16. 

Spirant. 

27. 

51. 

129. 

207. 

Sonorlaut. 

w.  75. 
m.  5. 

r.  212. 
n.  48. 

1.  201. 

541. 

(Vocal.  Ausl. 

11  io.  1  ei. 

12) 

Summa  Sni. 

905. 

Vocalischer  Auslaut  kommt  also  bei  den  Prothosefällon 
nur  in  verschwindend  geringem  Prozentsätze  vor,  einmal  bei 
ei  (ovum),  das  auf  S.  47  seine  Würdigung  finden  wird,  und 
in  11  Fällen  bei  io  (eo,  ie).  liier  könnte  man  ja  vielleicht 
an  den  alten  w-Auslaut  erinnern,  aber  ich  glaube  doch,  man 
muss  diesem  hio  eine  besondere  Stellung  einräumen:  hier 
hat  das  h  wahrscheinlich  einen  ganz  andern  Lautwert  und 
Ursprung.  Die  altsächsische  entsprechende  Form  ist  nämlich 
gio,  die  neudeutsche :  je  —  zu  diesen  Formen  verhält  sich 
hio  wie  zu  den  jetzt  allein  gültigen  Schreibungen  Jesus, 
Jeremias,  Jerusalem  die  althochdeutsch  (wie  lateinisch) 
daneben  allgemein  üblichen  Iliesus,  liiere mias.  Ähnlich 
wie  im  Wortin nern  bei  herihunga,  werihan  (cf.  Braune 
Ahd.  ör.  152  b,  4)  bezeichnet  dies  h  den  am  i  leicht  ent- 
wickelten gewöhnlich  durch  g  'ausgedrückten  spirantischen 


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-      12  — 


Lautwert.  Auch  vor  o  kann  das  h  diesen  Charakter  annehmen, 
wie  die  in  sgallischen  Urkunden  vorkommenden  Schreibungen 
.Totti  und  Jeripol  (Q.  F.  III.  S.  142)  beweiseu.  —  Einige 
nur  scheinbare  Ausnahmen  finden  ihre  Erledigung  nach  S.  10. 

Eigentliche  Prothese  entwickelt  sich  nur  vor  consonan- 
tischem  Folgelaute.  94  von  diesen  892  Fallen  —  10'/20,fl 
—  gehören  den  Verschlusslauten  an  und  verteilen  sich  auf 
die  Affricata  mit  1  °/0,  Tenuis  mit  3  V«°/o  und  Media  mit  C>%. 

Die  9  Beispiele  für  Prothcsebildung  vor  Affricaton  sind 
vielfach  unsicher:  hutz,  hutz  ist  nur  Lesart  einer  Hand- 
schrift (für  die  sonst  als  huz,  huz!  überlieferten  letzten 
Worte  Ludwigs,  ein  anderes  hutz  steht  in  den  „ altdeutschen 
Gesprächen44;  von  den  gutturalen  Fällen  ist  hohilari  (occi- 
pitium)  als  huo-chalvari  eine  sehr  unsichere  Deutung,  ob 
hechelstein  hierherzurechucn  ist,  möchte  ich  nicht  ent- 
scheiden —  kurz,  die  Affrikata  zeigt  sich  der  Prothesebildung 
sehr  abgeneigt.  Auch  die  reine  Tenuis  zeigt  höchstens  24 
Fälle,  zu  denen  t  die  Hauptmasse  (19)  stellt;  in  16  ober- 
deutschen Fällen  (ic,  eic,  acs,  aesila)  kann  das  c  nur 
graphische  Variante  sein  für  die  meist  in  demselben  Denk- 
male daneben  vorkommenden  Formen  mit  h,  man  kann  das- 
selbe hier  also  nicht  wohl  auf  Rechnung  der  reinen  Tenuis 
setzen.  Bei  oberdeutschem  p  und  k  als  Vertretern  der 
fränkischen  Medien  finden  sich  nur  7  Fälle,  von  denen  he- 
puhen  (simias)  (zu  abuh?)  noch  dazu  ganz  unsicher,  und 
hepoum  aus  einem  hebhouue  (Epheu)  der  Vorlage  ver- 
dreht ist.  —  Die  oberdeutsche  Media  beteiligt  sich  dagegen 
schon  mit  6°/o  in  54  Fällen  an  der  Prothese;  mehr  oder 
weniger  spirantisch  sind  19  Fälle  (über  2%)  bei  fräukischen 
und  niederdeutschen  Medien. 

Die  weit  überwiegende  Mehrzahl  der  Fälle  (799—89  1/2%) 
gehört  den  spirantischen  und  sonoren  Lauten. 

Reine  Spiranten  liegen  vor  in  223  Fällen  (25°/o);  da- 
von entfallen  27  auf  die  labialen  (21  f,  6v),  51  auf  die  Den- 
talen (44s,  7z),  129  auf  den  gutturalen  und  ltt  auf  den 
„Kehlkopfspirantenu  (Hauchlaut).  Mit  Hiuzunahme  der  Ver- 
schlusslautc  mit  spirantischem  Werte  sind  es  zusammen  258 
Fälle  (29». 


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—    13  — 


Doppelt  so  zahlreich  vertreten  sind  die  Sonoren:  541  mal 

—  60  1r/2°/o  sämmtlichcr  consonantischen  Fälle.  Naturgemäss 
entfallen  hier  die  wenigsten  —  nur  5  und  48  auf  ni  und  n, 
denn  der  enge  Verschluss  begünstigt  die  Hauchbildung  wahr- 
scheinlich weniger  als  die  flüssigen,  vibrierenden  Laute  w— 1 — r, 
die  denu  auch  75—201—212  Fälle  aufweisen.  W,  1,  r  und 
ch  sind  die  zur  l'rothesebildung  besonders  günstigen  Laute, 
sie  habeu  617  Fälle  geliefert  (über  b'9°/o). 

Die  ÜrTnungslaute  begünstigen  also  die  Prothesebilduug, 
die  Verschlusslaute  verhalten  sich  ablehnend.  Es  wird  sich 
wohl  ein  Begleitlaut  entwickeln  bei  jenen  Lauten ,  ein  dem 
eigentlichen  Einsetzen  jener  Laute  vorausgehendes  hauch- 
artiges Geräusch,  das  sich  dann  mit  dem  Vocale  verbindet 
und  nun  als  gehauchter  Vocaleiusatz  zum  Vorschein  kommt. 

—  Die  lautphysiologischen  Verhältnisse  dieses  Vorganges 
kenne  ich  nicht.  Vielleicht  steht  mit  der  Prothesobildnng 
im  Zusammenhange,  was  Wein  hold  (Ii.  Gr.  §.  1(>0)  über 
das  anlautende  r  in  kärntnischen,  tirolischen  und  bairisehen 
Dialekten  sagt:  „Jedes  r—  gleichgültig  ob  altes  reines  roder 
(h)  r  —  wird  mit  einem  scharfen  Hauche  ausgesprochen  (hrab, 
bring,  hrecht).  Selbst  in  der  Verbindung  gr  wird  r  as- 
piriert (ghrous,  ghrad)44.  —  Mir  will  es  scheinen,  als  ob 
ein  ungekünstelt  lautiertes  r,  1  etc.  überhaupt  gern  von  einem 
ziemlich  starken  Hauche  begleitet  werde. 1  Wenn  dem  wirk- 
lich so  ist,  dann  lässt  sich  vielleicht  auch  der  ahd.  Abfall 
des  h  in  den  Verbindungen  hr,  hl,  hw,  hn  damit  erklären, 
dass  man,  als  anlautendes  h  zum  blossen  Hauche  herabsank, 
die  besondere  Bezeichnung  dieses  Hauches  vor  jenen  sonoren 
Lauten  als  unnötig  empfand ,  weil  blosses  anlautendes  r,  1, 
w,  n  an  sich  schon  einen  gewissen  Grad  von  Aspiration  be- 
zeichnete. 

Für  die  altdeutsche  Prothese  hat  noch  niemand  diese 
Verhältnisse  beachtet,  wohl  aber  hat  J.  Grimm  in  einer 
Bemerkung  zu  heischen,  helfant,  heidechsc  das  richtige 
getroffen,  wenn  er  sagt  (Gr.  I,  437):  „Alle  solche  Fälle  er- 
fordern eine  vernehmliche  Spirans  des  Inlauts,  die  in  der 


Man  vergleiche  den  8piritu8<wper  Über  dem  griechiflehen 


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14  — 


Schnelle  »1er  Aussprache  den  Anlaut  ergreift  und  darauf 
haftet*.  EinHutt«  der  tönenden  Aussprache  des  r  hat  in  H iii- 
sicht  auf  mitteldeutsche  l'rothesefälle  Kückcrt  vermutet 
(Schles.  M-A.  S.  lßty.  Die  altdeutschen  Verhaltnisse  bezeugen 
die  Richtigkeit  dieser  Beobachtungen. 

Weniger  wichtig  für  die  Entwickelung  des  neuen  Hauch- 
laute« ist  der  anlautende  Vocal  selbst.  Wenn  Kückert  (ebenda) 
sagt:  „Der  Spirirus  Lenis  ist  in  den  altern  Denkmälern  bloss 
auf  anlautendes  e  beschränkt,  während  er  in  den  spätem 
Mundarten  auch  andere  Voeale  erfasst  hat" ,  so  gilt  das  für 
die  althochdeutschen  und  altniederdeutschen  Verhältnisse  sicher 
nicht.    Man  vergleiche  die  folgende  Tabelle  über  das 

VERHÄLTNIS  DKh  ANLAUTENDEN  VOCAL  ES  ZUR  l'ROTHESEMLDUNG. 


Laut. 

Kurz.  Lang. 

Diphthong.  Summa. 
4.  125. 

a.  100. 

21. 

c.  294. 

Ii 

131. 

53.  478. 

• 

i. 

57. 

37. 

33.  127. 

H 

0. 

32. 

25. 

5. 

62. 

u. 

25. 

76. 

12. 

113. 

Summa.            508.        '  290. 

,07. 

905. 

Soviel  ist  also  richtig,  dass  e  für  sich  allein  53°/o  aller 
Fälle  stellt,  während  auf  a  14°/o,  i  14%,  u  12°/o,  o  nur 
7  '/j0/«  entfallen.  Eh  leuchtet  ja  auch  ein,  dass  dieser  neu- 
tralste Vocal  zur  Übertragung  des  begleitenden  Hauches  am 
günstigsten  ist,  und  es  passt  hierzu,  dass  grade  das  alte  e 
mit  215  Fällen  besonders  stark  vertreten  ist.  —  Langes  e 
stellt  14«/*%,  e-Diphthoug  6<>/o,  kurzes  e  32V2°/o  der  ge- 
sammten  Fälle. 

Ahnlich  liegen  diese  Verhältnisse  auch  für  die  neuere 
Prothese:  o  und  u  sind  schwach,  a  und  i  zahlreicher,  e  be- 
sonders stark  vertreten.  Hei  den  Folgeconsonanten  über- 
wiegt der  Öffnungslaut  fa«t  ebenso  stark:  50 °/o  Sonore,  2b'°/o 
Spiranten  (51/2  o/o  spirantische  Media)  —  zusammen  76°/o 


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—  15 


stehen  24°/o  Verschlusslauten  gegenüber  (11  V2°A>  obd.  Media, 
10°/o  Tonuis,  2V2°/o  Affrica ta)  —  ein  Resultat,  was  sich  zu 
Gunsten  der  Offnungslaute  noch  bedeutend  verschieben  würde, 
wenn  man  hier  nicht  bloss  die  Zahl  der  prothesezeigenden 
Wörter,  sondern  auch  die  Ausdehnung  und  Intensität  der 
Prothese  daran  irgendwie  genauer  in  Rechnung  ziehen  könute. 

Die  Ähnlichkeit  und  Zusammengehörigkeit  der  neuern 
und  der  alten  Prothese  lässt  sich  nicht  leugnen  —  das  muss 
auch  die  folgende  Zusammenstellung  der  Regriffe,  an  denen 
sich  Prothese  findet,  darthun.  —  Zugleich  wird  sie  der  An- 
schauung, als  ob  die  Prothese  neuem  Datums  geringfügig 
sei,  ein  Ende  machen:  die  alte  Prothese  erscheint  au  131 
Hegriffen,  die  spätere  habe  ich  an  128  Begriffen  gefunden, 
wozu  noch  87  in  neuerer  Zeit  eingebürgerte  Fremdwörter 
kommen  (an  7  Fremdwörtern  reicht  die  Prothese  in  die  alt- 
hochdeutsche Zeit  zurück).  Die  Dialekte  der  mittleren  Periode 
beteiligen  sich  mit  136,  die  modernen  Dialekte  mit  124  Fällen 
an  dieser  neuern  Prothese.  Auf  Vollständigkeit  können  diese 
meist  aus  Wörterbüchern  geschöpften  ueuem  Relege  natür- 
lich keinen  Anspruch  machen. 

ZUSAMMENSTELLUNG    OElt   UEORIFFE   MIT    ALTKK    UND  NKUKRKU 

l'KOTUKSK. 

I.  SL'IMTAXTIVBKCIRIFFK. 

Körperteile  u.  ä. 
Ahd.:    Achsel.  Achselhöhle.  Ellenbogen.  Auge.  Ohr.  (Ratze. 

—  Atem.  Eiter. 
Später:  Glatze.  Stirn.  Auge.  Ohr.    Ellenbogen.   Ann.  Ge- 
burtsteile der  Kuh?  Hüfte.  Knöchel.  Aberklaue.  — 
Ader. 
Tiere. 

Ahd.:  Elephant.  (Affe?)  Iltis.  Ochs.  Eber.  Elch.  Igel. 
Unke.  Uhu.  Eule.  Falke.  Schwan.  Auerhahn. 

Später:  Elephant.  Affe.  Kaineel.  Elenu.  Ochse?  Iltis.  Eidechse. 
Kröte.  Ameise.  Uhu.  Eule,  lleergans.  Storch.  Auer- 
hahn. Elster  Amsel.  Goldammer. 


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—    16  — 


Pflanzen. 

Ahd. :    Eiche.   Esche.  Espe.  Erle.  Ulme.   Pappel.  Ahorn. 

ornaO*).  Arlitze.  Apfel.  Hagedorn.  Weissdorn.  Epheu. 

Erbse.  Ampher.  Brenn nessel.  —  Ähre.  Ast. 
Später:  Espe.  Erle.  Aberesche,  anierella.  Arlitze.  Ebenholz. 

Apfel.  Epheu.  Aberraute.  Brennnessel.  Erbse.  Lauch. 

Ampfer.  Attieh.  Olsen  ig.  Ysop.  Hengs,  agrimonia. 

Ederwurz.  Astrenze.  —  (Ast).  (Ähre),  (i ranne. 

Gerät. 

Ahd. :    Ofen.  Axt.  Egge.  Angel.  Tafel.  Eimer.  Henkel. 

Später:  Tasche.  Holzgestell.  Wiege.  Ofen.  (Amboss).  Pflug- 
teil. Henkel.  Beil.  Axt.  Messer.  Harpune.  Harnisch. 
Hoboe.  Elle.  Himpten.  Aichmass.  Iuful. 

Erzeugnisse  und  Stoffe. 
Ahd. :    Butter.  Ei.  Irch.  —  Erde.  Erz.  Eisen.  Stahl.  Eis. 

Eiszapfen.  Feuer. 
Später:  Oblate.  Ale.  Arras  (-Tuch).  Irch.  —   Erde.  Eisen. 

Stahl.  Eis.  Eiszapfen.  Welle. 

Persönlichkeiten. 
Ahd.:    Oheim.  Arzt.  Amme.  Mädchen. 

Später:  Oheim.  Erzbischof.  Vater.  Engel.  Ulan.  Hartschier. 
Harlequill. 

Räumlichkeiten  und  Zeitbestimmungen. 
Ahd.:    Alpe.  Halde.  Winkel.  Ecke.  Eude.  Osten.  Abend. 
Mittag.  Ostern. 

Später:  Gut.  Anger.  Wildlager.  Dachtraufe.  Ecke.  Spitze. 
Winkel.  Ende.  —  Abend.  Ostern.  Ertag. 

Rechtsleben. 

Ahd. :  Amt.  Eid.  Habe.  Erbe.  Handgeld.  Exil.  Gesetz.  Lohn. 
Ehre. 

Später:  Eid.  Erbe.  Handgeld.  Lohn.  Gesetz.  Ehre. 

Verschiedenes. 
Ahd. :    Schrecken.  Kraft.  Gunst. 
Später:  Schrecken.  —  Schneesturm.  Schiffbruch. 

Namen. 
Ahd.:    cf.  S.  4  u.  37. 

Später:  Anselm.  Erasmus.  St.  Elmsfeuer.  Uetliberg.  America. 


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-    17  - 


II.  PRONOMINALBEGRIFFE. 

Ahd. :    ich.  uns.  ihr.  euch,  (er  u.  flekt.  Formen). 
Später:  ich.  uns.  euch,  (er  u.  flekt.  Formen  cf.  S.  40.) 

m.  ADJECTIVBEORIFFE. 

Ahd.:  arg.  verkehrt,  übel.  irre.  rauh.  eben,  ernst,  arm.  alt. 
eitel,  offen,  emsig,  reich.  —  ein.  acht.  alle,  etlich. 
erst. 

Später:  arg.  ekel.  übel,  eitel,  arm.  alt.  offen,  edel.  —  ein.  all. 
jemand,  erst. 

IV.  VERBALBEORIFFE. 

Ahd.:  ächten,  achten,  besitzen,  eilen,  üben,  heischen,  ar- 
beiten? schöpfen,  essen,  sein. 

Später:  denken?  (dürfen),  achten,  (eilen),  heischen,  ahnden, 
besitzen,  üben,  ackern,  schöpfen,  „acheln"  (=  essen), 
essen,  uzen  (—  necken),  tosen,  „ampeln"  (—  sich 
ungeschickt  bewegen),  sein. 

V.  LOCALE  PRAEPOSITIONEN  UND  ADVERBIEN. 

• 

Ahd. :    ab.  aftcr.  an.  in(nen).  oben.  über.  auf.  aus. 
Später:  (jenseit.)  unten,  oben.  über.  auf.  aus.  an.  ab.  in. 

vi.  PR AFFIXE. 

Ahd.:    eli-,  it-.  —  ant-  (int-),  un.-  ar-  (ä.-  er.-  ir.-  ur.-) 
Später:  el-.  —  ant  er-  (ar-,  ur-). 

VII.  SATZ  PARTIKEL. 

Ahd. :    eecorodo.  aber.  auch.  je. 
Später:  cht  (eecorodo).  auch. 

VIII.  INTERJECTIÜNEN. 

Ahd.:  ach.  uch.  Später:  in  jeder  vocal.  anl.  Interj.  Schwan- 
kungen. 

IX.  TECHNISCH  ODER  PHRASENHAFT  VERWENDETE  (iNTERJECTIONALE) 

FREMDWÖRTER. 

Später:  adieu,  alleluia.  amen,  eleeison.  extra,  a  propos.  oblige. 

allegro.  alerte,  etc.  etc. 
qf.  lxix.  2 


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-    18  - 


Wir  schon :  au  80  Bogriffen  hat  sich  die  altdeutsche 
Prothese  in  die  neuere  Zeit  hinein  erhalten ;  hier  wie  dort 
sind  es  die  concretesten  Substantivbegriffe,  die  Prothese- 
bildung vor  allem  begünstigen ;  —  wir  sahen,  dass  die  gleichen 
Entstehungsbediugungen  und  Eutstehungsursachen  vorhanden 
waren:  ich  halte  den  Beweis  der  Einheitlichkeit  unserer  Er- 
scheinung in  beiden  Zeiträumen  für  erbracht. 

Aus  dieser  Einheitlichkeit  folgt  notwendig,  dass  wir 
dem  alten  prothetischen  h  den  vollen  Lautwert  des  echten 
h  zugestehen  müssen,  —  den  unserm:  Hameise,  Heidechse, 
Hullahne  noch  niemand  abgesprochen  hat.  Es  liegt  kein 
Grund  vor  zu  der  Annahme,  dass  die  Prothese  in  jener  Zeit 
noch  beim  leisen  Hauche  im  Satzzusammenhange  —  also  auf 
der  vorhergehenden  Entwickelungsstufe  —  stehen  geblieben 
wäre :  dazu  wirkte  (wie  bei  bluohan  etc.  im  Wortinnern)  die 
Analogie  dos  echten  alten  Hauchlautes  zu  stark.  Man  hat 
gar  nicht  notig,  deshalb  überall  nach  Wortanklängen  oder 
Bogriffsanlehnungen  zu  suchen.  Solche  Analogiewirkungen 
sind  gewiss  vielfach  auch  im  Spiele,  aber  die  grosse  Mehr- 
heit der  Fälle  widerstrebt  solchen  Erklärungen.  Es  ist  doch 
etwas  sehr  Gezwungenes,  wenn  man  helfant  an  das  Yerbum 
helfan  anlehnt  mit  der  Motivierung  durch  „die  vielfachen 
Dienste  des  Elephanteu  in  Krieg  und  Frieden u.  —  Was 
wird  der  Deutsche  viel  davon  gewusst  haben?  Und  wenn  die 
Analogie  deshalb  gewirkt  haben  soll,  „weil  man  dem  Elfen- 
bein Zauberkräfte  zuschrieb**,  so  stimmt  das  wenig  zu  der 
Thatsache,  die  schon  Graff  hervorgehoben  hat,  dass  die  Pro- 
these grade  für  die  Bedeutung  „Elfenbein"  nicht  so  fest  war 
als  für  die  Bedeutung  „Elephant".  (cf.  S.  117).  Lautliche 
oder  begriffliche  Anlehnung  von  eiseön  an  heizzan  ist  ja 
möglich,  aber  allzugross  ist  die  Ähnlichkeit  beider  Begriffe 
und  Formen  doch  eigentlich  nicht. 

Die  Analogie  des  gewöhnlichen  h  genügte  vollauf,  den 
prothetischen  Hauch  zu  verstärken.  Dass  dies  hier  oder  da 
nicht  eingetreten  sei,  dass  nur  leiser  Hauch  vorhanden,  — 
das  Hesse  sich  wohl  für  den  einzelnen  Fall  einmal  zugeben, 
sicher  behaupten  lässt  es  sich  meiner  Meinung  nach  nirgends. 
Wer  in   meiner   alphabetischen    Zusammenstellung  Artikel 


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-    19  - 


prüft  wie  ähten,  ahto,  ahton,  eht,  eigan,  elaho,  era, 
erda,  erbi,  ih,  Uen,  iuwih  —  wird  sich  wohl  des  Ein- 
druckes nicht  erwehren  können,  dass  so  häufige  Prothese- 
bildung an  einem  und  demselben  Worte  in  seinen  verschie- 
densten Formen  nicht  zufällig  sein  kann :  der  Hauch  „ergreift4* 
eben  nicht  bloss  den  Anlaut,  er  hat  keine  bloss  ephemere 
Existenz,  die  gebunden  ist  an  den  Satz  und  die  betreffende 
Lautcombination,  in  der  er  erzeugt  ist  —  er  „haftet"  an  dem 
Worte. 

Jene  Lautformation ,  die  ihn  erzeugt  hat,  kann  sich 
ändern,  selbst  der  hauchbildende  Consonaut  kann  der  Aus- 
sprache entschwunden  sein  (ä(h)ten,  e(r),  e(wa),  hu(w)o) 
--  die  Prothese  dauert  unverändert:  sie  muss  dem  Worte 
also  eigentümlich,  das  h  muss  ein  vollwertiger  selbständiger 
Laut  geworden  sein.  —  Seine  Entwicklung  verdankt  es  der 
zusammenhängenden  Rede  —  seine  selbständige  Existenz 
bezeugt  die  grosse  Menge  der  isolierten  Glossen. 

Den  direkten  Beweis  endlich  liefern  wohl  Allitera- 
tionen wie: 

heigun  sa  Northman  harto  bidungan.  (Ludwigslied  24). 
hurolob  ni  habe  du  zi  holze  ni  fluic  du.  (Lorsch. 
Bienensegen). 

so  h  evet  er  hufwerde  den  halm  von  der  herde.  (Vor. 
Jerusal.  365,  16). 

min  herze  was  helende.    (König  Rother  v.  2269). 

Man  vergl.  S.  81  f.,  wo  ich  einige  solcher  Alliterationen 
und  Wortanklänge  gesammelt  habe.  —  Das  sind  keine  Spiele- 
reien, wie  Diemer  meint,  keine  Alliterationen  fürs  Auge, 
sondern  wirkliche  fürs  Ohr. 

Eigentümliche  Fälle  liefert  der  Helianddichter  in  den 
Versen  102  u.  4144:  beide  Male  verlangt  die  Alliteration 
die  prothetischen  Formen  : 

umbi  that  helaga  hus  endi  gieng  im  thie  giherodo 

helithos  usaro  hobdo.  Thuo  sprac  thar  eu  giherod 
man. 

So  schreibt  aber  nur  je  einer  von  den  beiden  Schreibern 
(102  der  Ootronianus,  4144  der  Monaoensis),  das  h  scheint 

2* 


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-    20  - 


ihnen  nicht  mundgerecht  gewesen  zu  sein  und  so  lässt  es 
jeder  in  dem  andern  Falle  trotz  der  Allitteration  weg1  — 
nimmt  man  verschiedene  Schreiber  bei  den  verschiedenen 
Fällen  an,  dann  erklärt  sich  die  Inconsequenz  ja  noch  viel 
einfacher  — ;  jedenfalls  ist  die  Willkür  der  Schreiber  in  dieser 
Hinsicht  so  gross,  dass  man  kein  Gewicht  darauf  legen  darf, 
wenn  der  Allitteration  zuwider  auch  prothetische  Formen 
(besonders  „Habraham"  öfter  im  Cottonianus)  eingeführt  werden 
—  die  Schreiber  gebrauchen  eben  rücksichtslos  die  ihnen 
geläufigen  Wortformen;  der  Lautwert  der  Prothese  wird 
durch  solche  Verstösse  gegen  den  Vers  sicher  nicht  in  Frage 
gestellt. 

Dass  Otfrid  in  den  uns  überlieferten  Handschriften  den 
prothetischen  Hauchlaut  nicht  in  der  Allitteration  verwendete, 
kann  nicht  auffallen  bei  einem  Schriftsteller,  der  die  Sprache 
doch  gewissermassen  kritisch  und  nivellierend  behandelte; 
die  von  mir  S.  81  aus  diesen  Handschriften  aufgenommenen 
Beispiele  sind  nicht  vollwertige  Alliterationen,  nur  Wortan- 
klänge. 

Die  althochdeutsche  Periode  kennt  ja  eine  so  scharf 
ausgeprägte  allgemeine  Schriftsprache  wie  die  mittelhoch- 
deutsche und  neuhochdeutsche  allerdings  nicht:  der  Dialekt 
herrscht  auch  in  der  Schrift  —  wohl  zeigen  aber  unsere  alten 
Denkmäler  ganz  bedeutende  Ansätze  zu  solcher  Entwickelung. 
Die  Tradition  der  Schreiberschulen  verwischte  die  Differenzen 
innerhalb  des  Dialektes  und  verhinderte,  dass  allzu  indivi- 
duelle Eigenheiten  zur  schriftlichen  Fixierung  allzu  oft  ge- 
langten. ITnd  milderten  schon  die  Verfasser  Provincialismen, 
so  regulierten  Correktoren  gewöhnlich  die  Sprache  noch  mehr, 
sehr  oft  war  eine  solche  Entwickelung  des  Textes  die  unwill- 
kürliche Folge  da,  wo  ein  Denkmal  durch  die  Hände  ver- 
schiedener Schreiber  ging,  die  nicht  ganz  sklavisch  abschrieben, 
zumal  dann  natürlich,  wenn  eine  Vorlage  in  einen  auderu 
Dialekt  umgeschrieben  ward.  —  In  allen  solchen  Fällen,  wo 
sich  das  Schriftidiom  vom  Dialekte  entfernte,  schwand  auch 
die  Prothese  —  im  Isidor  wie  im  Wiener  Notker  — ,  oder  ist 


1  cf.  ftuoh  :  holithoa  bitungre8  githuinge.    Hol.  Cot.  2824. 


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—    21  — 


zum  grossen  Teile  nur  noch  aus  Rasuren  zu  erkennen,  wie 
in  den  Otfrid-  und  Tatianhandachriften. 

Die  mittelhochdeutsche  und  neuhochdeutsche  Schrift- 
sprache ist  naturgemäss  darin  weit  consequenter :  schon  das 
Mhd.  hat  sämmtliche  Prothesebildungen  beseitigt  bis  auf  hel- 
fant,  hu  wo  (huwel),  heischen  !,  und  heute  hält  die  Schrift- 
sprache nur  noch  heischen  fest.  Conservativer  ist  das  Mittel- 
niederdeutsche, Mittelniederländische  —  vom  Westflandrischen 
ganz  abgesehen  —  und  Friesische  gewesen,  —  eben  weil 
diese  Literatursprachen  mit  den  Dialekten  stets  in  engerem 
Zusammenhange  blieben. 

Die  Dialekte  aber  haben  diese  Eigenheiten  stetig  fort- 
gepflanzt bis  auf  den  heutigen  Tag,  einiges  fallen  lassen, 
anderes  neu  erzeugt  —  wie  es  das  Wesen  der  lebendigen 
Sprache  mit  sich  bringt.  Es  ist  gewiss  kein  Zufall,  dass  vor 
allem  an  solchen  Begriffen  die  Prothese  haftet,  die  eben  auch 
sonst  zu  starken  dialektischen  Verschiebungen  neigen:  denn 
wenig  erscheinen  solche  intensiv  concreten  Begriffe,  wie  es 
gut  70°/o  der  aufgeführten  sind,  in  der  Litteratur,  und  so 
kann  sich  an  ihnen  auch  heutzutage  der  nivellierende  Ein- 
fluss  der  Literatursprache  nicht  geltend  machen :  —  kommen 
und  kamen  sie  einmal  zur  schriftlichen  Fixierung,  dann  fehlt 
dem  Schreiber  das  Wortbild,  er  muss  nach  dem  Gehöre 
schreiben  und  die  Dialektform  bieten.  Das  ist  zugleich  die 
einfache  Erklärung  für  das  besonders  häufige  Auftreten  der 
Prothese  in  den  naturgesch ichtlichen  Glossengruppen. 

Man  gestatte  mir  hier  die  Erörterung  führt  in  vielen 
Punkten  schon  zum  folgenden  Teile  hinüber  einige  Aus- 
führungen über  einen  zweifelhaften  Fall,  den  ich  in  meine 
alphabetische  Sammlung  nicht  aufgenommen,  sondern  auf 
S.  119  f.  gesondert  dargestellt  habe:  über  das  Pronomen 
der  III.  Person  in  seinen  vocalisch  anlautenden 
Formen. 

Der  niederdeutsche  Dialekt  zeigt  für  die  Nominativform 
des  Masculinums  regelmässig  die  Formen  he,  hi,  der  frän- 

1  Mhd.  ist  hören  sehr  häufig,  aber  wohl  nicht  als  Prothese  auf- 
zufassen, was  ja  auch  bei  dem  —  allerdings  weit  selteneren  —  ahd. 
heren  nioht  durchaus  sicher  ist. 


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kische  sehr  häufig  he  und  her,  he  mehr  an  der  nieder- 
deutschen Grenze,  her  allgemein  —  vielleicht  nicht  im  süd- 
lichen Teile  des  hochfränkischen  Dialektes,  wenn  man  nach 
der  "Barn berger  B eich tett  sich  hierin  richten  darf.  Daneben 
zeigt  sich  aber  in  allen  fränkischen  Denkmälern  fast  —  von 
Anfang  an  —  auch  sehr  häufig  er,  teilweise  neben  her  und 
he  —  seltener  oder  gleich  oft  — ,  teilweise  auch  —  selbst 
in  mittelfränkischen  Denkmälern  wie  im  Trierer  Capitulare 
—  allein.  Das  Bairische  zeigt  keinen  einzigen  Beleg  (über 
die  Fälle  im  Freysinger  Otfrid  vgl.  S.  31);  das  Alemannische 
höchstens  8  Belege,  von  denen  jedoch  nur  einer  in  der  Sgall. 
Psalmen version  und  vielleicht  eine  Rasur  in  den  Notker- 
psalmen als  rein  alemannisch  angesehen  werden  können.  Der 
Gcorgsleich  zeigt  nach  Weinhold  1  eine  Dialektmischung 
und  wird  seine  Fälle  von  her  dann  dem  Fränkischen  zu  ver- 
danken haben.  Eine  von  Schilter  überlieferte  elsässische 
Beichte ,  die  den  rohesten,  vielleicht  noch  besonders  vom 
Niederdeutschen  beeinflussten  Dialekt  wiedergiebt  (cf.  dkm*. 
S.  609),  zeigt  einige  Fälle  von  ye  (cf.  S.  11  f.).  Die  Er- 
scheinung ist  also  fast  ausschliesslich  fräukisch-niederdeutech. 

Meist  werden  nun  diese  Formen  von  dem  Pronominal- 
stamme abgeleitet,  der  im  Gotischen  himma,  hina  vorliegt 
und  diese  Erklärung  findet  ihre  Stütze  in  angelsächsischen 
und  nordischen  Parallelformen. 

Gewichtige  Autoritäten  sprechen  aber  auch  diese  Er- 
scheinung als  prothetisch  an,  Wein  hold  (Mhd.  Gr.  §  243) 
für  den  fränkischen,  Gallee  (As.  Laut).  §  41)  für  den  alt- 
sächsischen Dialekt. 

Ich  möchte  der  letzten  Auffassung  beipflichten.  —  Die 
Lautverhältnisse  (der  flüssigste  Consonant  und  der  leich- 
teste Yocal)  sind  im  Fränkischen  wenigstens  —  für  das 
Niederdeutsche  muss  Gallee  Abfall  des  auslautenden  r  an- 
nehmen zur  Entwickelung  der  Prothese  die  denkbar 
günstigsten :  und  die  vocalisch  anlautenden  Formen  der  Prono- 
mina der  I.  u.  II.  Person  zeigen,  wie  sehr  diese  Wortklasse 
zur  Prothesebildung  neigt:  im  Mittelniederfränkischen  sind 


1  Isidor  8.  89. 


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23 


ja  die  Formen  hu,  hu  wen  etc.  der  II.  Person  auch  vielfach 
zur  Regel  geworden.  Das  Fehlen  der  Erscheinung  im  Bai- 
rischen  und  ihre  Seltenheit  im  Allemannischen  kann  nicht 
gegen  eine  Erklärung  durch  Prothese  sprechen  —  die  Zahl 
der  Fälle,  die  in  mehreren  Dialekten  zugleich  Prothese  zeigen, 
ist  ja  überhaupt  nicht  gross.  —  Die  Correktoren  der  Otfrid- 
handschriften  (auch  des  Tatiantextes  an  einigen  Stellen)  haben 
wenigstens,  wie  die  Rasuren  sicher  zeigen,  diese  Fälle  als  prothe- 
tische  aufgefasst  und  als  solche  mehrfach  beseitigt,  (cf.  S.  31). 

Wenn  sich  in  diesem  Punkte  Gewissheit  nur  durch  um- 
fassende Heranziehung  der  gesammten  germanischen  Sprachen 
erreichen  lässt,  so  liegen  die  Verhältnisse  meiner  Ansicht 
nach  einfacher  bei  den  flektierten  Formen  des  Pronomens: 
hier  fehlt  dem  Fränkischen  der  Rückhalt  am  Altsächsischen 
und  also  der  Zusammenhang  mit  den  ausserdeutschen  ger- 
manischen Sprachen. 

Die  altsächsischen  Denkmäler  zeigen  (cf.  S.  120)  nur 
sehr  wenige  und  zwar  nur  dann  h-Formen ,  wenn  sicher 
fränkische  Elemente  darin  nachzuweisen  sind :  im  ganzen 
Heliand  findet  sich1  nur  ein  him  und  zwar  im  Cottonianus, 
das  hira  des  sächsischen  Taufgelöbnisses  wird  aus  Fulda 
stammen  —  und  das  Glossar  Id  steht  sicher  (cf.  auch  die 
Belege  für  his-vogel)  im  Zusammenhange  mit  den  mittel- 
deutschen Naturglossen.  —  Die  Erscheinung  greift  auch  auf 
das  alamannische  Gebiet  hinüber:  von  den  6  Belegen  sind  3 
sicher  rein  alamannisch,  in  3  Fällen  könnten  die  Formen 
fränkischem  Einflüsse  zugeschrieben  werden ,  was  für  die 
beiden  Belege  aus  der  bairischen  Überlieferung  sicher  gilt. 

Die  Fälle  sind  auch  durchaus  nicht  an  das  gleichzeitige 
Vorkommen  der  Pronominalform  her  gebunden  im  Frän- 
kischen :das  Trierer  Capi tu lare  wie  die  Albanuslegende 
weisen  kein  einziges  her  oder  h  e ,  dagegen  5  resp.  3  mit  h 
anlautende  flektierte  Formen  auf. 

Ich  halte  es  für  ziemlich  sicher,  dass  diese  Formen  erst 
durch  deutsche  Prothese  in  althochdeutscher  Zeit  gebildet 
sind  —  die  Lautverhältnisse  liegen  wiederum  günstig:  der 

1  Nach  A.  Behrmann  Diss.  Marburg.  1879.  Perflonalpron.  im 
Heliand  8.  9. 


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- 


-    24  - 

Folgcconsonant  ist  entweder  sonor  oder  spirantisch,  der  Vocal 
hell;  die  Analogie  von  her  wird  auch  gewirkt  haben. 

So  häufig  wie  bei  der  Nominativform  des  Masculinums 
sind  diese  Formen  übrigens  nicht  mit  h  versehen.  Die  Fälle 
sind  im  hochdeutschen  Gebiete  nur  vereinzelt,  sie  nehmen 
zu  nach  der  niederfränkischen  Grenze  hin;  durchgeführt  ist 
dann  der  Vorschlag  des  h  vor  allen  vokalisch  anlautenden 
Formen  hart  an  dieser  Grenze:  im  mittelfränkischcn  Teile 
der  altniederfränkischen  Psalmen  (in  diesen  selber 
nicht!),  und  später  im  Leydener  Williram  und  der  Scr- 
vatiusl egende.  Die  niederländischen  Dialekte  haben  in 
der  mittlem  Periode  diese  Formen  allgemein  angewendet. 


B. 

DIE  VERBREITUNO  DER  DEUTSCHEN  PROTHESE. 

Es  ist  nicht  gut  möglich,  die  Prothesebelege  nach  den 
einzelnen  Dialekten  reinlich  aus  einander,  zu  legen  —  die 
Hälfte  der  Fälle  steckt  in  Glossaren,  und  viele  zusammen- 
hängende Denkmäler  sträuben  sich  ebenfalls  nicht  wenig 
gegen  genaue  Bestimmungen  solcher  Art:  —  ich  erinnere 
nur  an  die  verwickelten  Verhältnisse  in  der  Vorauer  Sammel- 
handschrift. Es  Hess  sich  noch  nicht  einmal  immer  der  vor- 
wiegende Dialektcharakter  genau  bestimmen,  der  im  allge- 
meinen für  meine  Zusammenstellung  der  Prothese  und  Aphärese 
zeigenden  Denkmäler  das  Prinzip  abgeben  musste,  —  das 
übrigens  da  durchbrochen  worden  ist,  wo  es  die  Übersicht- 
lichkeit der  Statistik  allzu  sehr  gestört  hätte.  Für  die  Dialekt- 
bestimmung der  Prothcsefalle  ist  ja  diese  Zusammenstellung 
doch  unwesentlich  und  jenes  Princip  nicht  massgebend,  denn 
es  ist  sehr  fraglich ,  ob  dieselben  wirklich  jedesmal  dem 
„charakterisierenden"  Dialekte  zugeschrieben  werden  müssen 
oder  können,  ob  sie  von  der  letzten  Hand  herrühren  oder  ob 
sie  aus  Vorlagen  herüber  genommen  sind.  Diese  Fragen 
müssen  vielmehr  für  jedes  Denkmal  dieser  Art  und  eigent- 
lich für  jeden  einzelnen  Fall  untersucht  werden. 


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-    25  - 


Man  betrachte  z.  B.  die  Verhältnisse  der  verschiedenen 
Dialekte  zu  der  Prothese  an  hu  wo.  Nach  der  Methode, 
wie  sie  Weinhold  bei  der  Gruppierung  seiner  Prothesebclege 
anwendet,  raüsste  ich  sagen:  die  Form  hu  wo  ist  allen  Dia- 
lekten gemein,  von  den  51  überlieferten  prothetischen  Formen 
gehören  19  dem  alemannischen,  16  dem  bairischen,  12  dem 
fränkischen  und  4  dem  niederdeutschen  Gebiete.  Das  würde 
aber  ein  durchaus  falsches  Bild  geben,  wie  ich  an  der  Hand 
meiner  Zusammenstellung  auf  S.  115  ff.  zeigen  will. 

68  mal  ist  das  Wort  für  jene  Periode  belegt,  und  zwar 
17  mal  in  der  protheselosen  ursprünglichen  Form:  10  Glossare 
bieten  nur  diese  Form,  7  diese  und  daneben  die  prothetische. 
Jene  10  alleinstehenden  „echten14  Formen  gehören  sämmtlich 
der  bairischen  Uberlieferung  an,  ebenso  3  von  den  7  Glossen 
mit  Doppelformen,  4  von  dieser  letzten  Gruppe  stehen  in 
alemannischen  Handschriften,  die  Glosse  St.  Paul,  d/82 
(aus  St.  Blasien)  ist  aber  vielleicht  auch  erst  durch  bairische 
Hände  gegangen.  Jedenfalls  sind  13  von  den  17  prothese- 
losen Fällen  bairisch  überliefert.  Vergleicht  man  hiermit  die 
Thatsache,  dass  der  bairische  Dialekt  in  seiner  fernem  Ent- 
wickelung  nur  die  Formen  auf,  auff  kennt  (nach  B.  Wb  % 
I.  42)  —  für  Nürnberg  nur  ist  die  Form  hu  belegt  I.  1030 
— ,  und  dann  vollends  die  Notiz  Conrads  von  Hegenberg  1 : 
„bubo  haisst  ain  auf  oder  in  an  der m  Däu  tsch  ain  hawa, 
so  wird  man  vielleicht  über  die  16  prothetischen  Formen  der 
bairischen  Überlieferung  und  ihre  Beweiskraft  für  bairische 
Prothese  bei  uwo  anders  denken,  zumal  wenn  man  beachtet, 
welchen  Kategorien  die  betreffenden  Glossare  angehören,  die 
übrigens  nur  in  3  Fällen  in  das  10.  Jahrhundert  hinein,  mit 
keinem  Falle  darüber  hinaufreichen.  Er  ist  eine  —  sicher 
vom  Mittelrhein  gekommene  —  Vergilglosse,  eine  salomonische 
Glosse  alemanischer  Herkunft,  eine  gehört  in  das  sicher  mittel- 
deutsche Summarium  Heinrici,  die  übrigen  7  Naturglosscn 
stammen  sämmtlich  sehr  wahrscheinlich  aus  derselben  Heimat; 
eine  sehr  verwickelte  Vergangenheit  haben  die  6  Bibelglossen 
zum  Leviticus  —  rein  bairisch  ist  keine  von  ihnen,  fränkische 

'  Pfeiffer  8.  173.  2.  'd. 


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—    26  - 


Vorlagen  sind  wohl  überall  anzunehmen,  wenn  auch  manches 
Zwischenglied  unsere  Handschriften  davon  trennt. 

Ich  glaube,  die  Gcsammtheit  dieser  Umstände  giebt  uns 
das  Recht,  dem  bairischen  Dialekte  jeden  bedeutenderen  An- 
teil an  der  Prothesebildung  bei  h u  wo  abzusprechen ;  und  es 
liegen  andererseits  meiner  Meinung  nach  Oründe  genug  vor, 
die  gestatten  oder  gar  zwingen ,  die  Belege  der  bairischen 
Handschriften  der  fränkischen  oder  alemannischen  Vorlage 
auf  Rechnung  zu  setzen:  —  die  fränkisch  überlieferten  Glossen 
zeigen  keinerlei  Schwankungen  im  Gebrauche  der  pathe- 
tischen Formen,  nur  alemannisch  (und  fränkisch)  ist  die  ana- 
loge Protheseform  hiuwila,  die  einzigen  Belege  für  (h)uwo 
in  zusammenhängenden  Denkmälern  bieten  Notkers 
Bocthius  und  (sgall.)  Psalmen,  die  heutigen  alemannischen 
und  mitteldeutschen  Mundarten  endlich  bieten  reiche  Belege 
für  die  prothetische  Form  hu,  huf,  huch  etc.  (cf.  S.  117). 
—  Ich  glaube  demnach,  es  entspricht  dem  wahren  Sachver- 
halte weit  besser,  wenn  ich  sage:  die  althochdeutsche 
Prothese  beschränkt  sich  bei  hu  wo  auf  die  alemannisch- 
fränkischen Gebiete. 

Ebenso  wie  u  w  o  zeigt  e  1  f  a  n  t  in  der  althochdeutschen 
und  mittelhochdeutschen  Überlieferung  Prothese  bei  der  weit 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Belege;  der  althochdeutschen 
Periode  können  höchstens  16  Denkmäler  zugeschrieben  werden 
cf.  S.  1 17  f.,  die  in  30  Belegen  keine  Prothese  zeigen:  18  mal 
für  die  Bedeutung  „Elfenbein*4,  12  mal  für  die  Bedeutung 
„Elephant".  17  von  diesen  Fällen  stehen  in  zusammen- 
hängenden Denkmälern  des  12.  Jahrhunderts,  die  ohne  Aus- 
nahme dem  fränkischen  Dialekte  angehören,  13  Belege  sind 
Glossen,  unter  ihnen  sind  3  fränkisch,  2  niederdeutsch,  3 
alamannisch,  5  bairisch  überliefert.  2  bairische  Glossen  sind 
blosse  Abschriften  einer  (mittel)fränkischen  Handschrift  des 
Summarium  Heinrici  —  also  22  Belege  sind  als  sicher  frän- 
kisch anzusetzen.  Sollte  man  nun  nicht  geneigt  sein,  auch  die 
oberdeutschen  Belege  auf  das  fränkische  Element  zurückzu- 
führen, das  in  allen  diesen  Glossenhandschriften  nachgewiesen 
oder  anzunehmen  ist? 

Ich  glaube,  man  darf  behaupten :  im  fränkisch-nieder- 


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-  27 


deutschen  Gebiete  hatte  sieh  die  protheseloso  Form  im  wesent- 
lichen allein  erhalten  durch  die  altdeutsche  Periode  hindurch, 
und  vom  Rheine  her,  wo  ja  auch  die  geistliche  Bildung  stets 
höher  gestanden  haben  dürfte  als  im  Osten,  kam  dann  in 
Anlehnung  an  die  lateinisch-griechische  Form  die  Reaktion 
gegen  „helfant".  Dann  erklärt  es  sich,  dass  das  Mhd.  Wb. 
die  Mehrzahl  der  Relege  für  die  protheselose  Form  aus  Mittel- 
deutschland bringt,  dass  das  Mnd.  Wb.  für  die  prothetische 
Form  überhaupt  keine  Belegstelle  bietet,  und  endlich:  dass 
die  neuhochdeutsche  Schrift  diese  Prothese  in  einer  Zeit  auf- 
gab, wo  das  Mitteldeutsche  und  Niederdeutsche  bestimmenden 
Einfluss  auf  die  Schriftsprache  gewonnen  hatte. 

Die  Überlieferung  wird  der  Entscheidung  über  die 
Dialektfrage  häufig  noch  grössere  Schwierigkeiten  bereiten  als 
es  bei  hu  wo  der  Fall  war  —  nicht  immer  blieben  sich  die 
Dialekte  in  den  späteren  Zeiten  so  consequeut,  — ,  nur  oder 
fast  nur  in  Glossen  belegte  Prothese  wird  vorerst  für  solche 
Bestimmungen  wenig  geeignet  bleiben.  Wo  die  Belege  aus 
zusammenhängenden  Denkmälern  und  aus  Glossaren  stammen 
wie  bei  elfant,  können  für  die  Dialektfrage  massgebend  nur 
die  ersten  sein  —  Gesammtresultate  haben  keinen  Wert,  wenn 
sie  mit  den  Ergebnissen  aus  diesen  Denkmälern  nicht  in  vollem 
Einklänge  stehen. 

Wenn  ich  nun  hier  eine  Tabelle  einschalte  über  die 
Zahlenverhältnisse  der  gesammten  Prothesebelege  in  den  ein- 
zelnen Dialekten  und  Dialektmischungen,  dann  kann  ich  wohl 
versichern,  dass  ich  mir  die  grösste  Mühe  gegeben  habe,  dem 
jetzigen  Stande  der  Dialektforschung  gerecht  zu  werden ;  — 
dass  aber  die  Tabelle  richtig  ist,  wird  niemand  erwarten; 
sie  möge  dem  Bedürfnisse  genügen,  die  verschiedenen  Procent- 
sätze ungefähr  anzugeben.  —  WTo  die  Verhältnisse  zu  ver- 
wickelt waren,  und  mir  über  die  Sprache  einer  Glossengruppe 
keine  Untersuchungen  vorlagen  —  beides  fiel  gewöhnlich  zu- 
sammen (bei  den  Bibelglossen  z.  B.)  — ,  habe  ich  die  Belege 
dem  Dialekte  des  letzten  Schreibers  bzw.  des  Fundortes  zu- 
weisen müssen. 


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-    28  — 


TABELLE  ÜBEK  DIALECT  UND  ALTER  DER  l'ROTHKSEBELEOE. 
(helfant  u.  pron.  III  ausgeschlossen). 


I»irt|. 

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X 

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X 

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XI 

XII 

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VIII 

IX 

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Alamannisch  könnte  demnach  die  Prothese  sein  in  421, 
fränkisch  in  446,  bairisch  in  196,  niederdeutsch  in  46  Fällen. 
Für  die  niederdeutsche  Prothese  hat  dies  Zahlenverhältnis 
keine  Bedeutung  —  die  Anzahl  der  auf  uns  gekommenen 
altniederdeutschen  Handschriften  steht  ja  zu  der  massenhaften 
althochdeutschen  Überlieferung  auch  in  keinem  Verhältnisse  ; 
dass  die  altniederdeutsche  Prothese  häufig  war,  lässt  sich  schon 
nach  der  grossen  Menge  der  mittelniederdeutschen  Fälle  be- 
haupten. Dagegen  muss  es  auffallen ,  dass  die  Zahl  der 
Belege  in  den  durch  bairische  Hände  gegangenen  Hand- 


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—    29  — 


Schriften  so  sehr  gering  ist :  bairische  Schreiber  und  bairische 
Klöster  haben  ja  doch  gerade  besonders  viele  und  besonders 
umfangreiche  Glossenwerke  und  überhaupt  mindestens  eben- 
soviele  Handschriften  überliefert  wie  alemanische  und  sicher 
mehr  als  fränkische! 

Yergleichen  wir,  um  festeren  Boden  zu  gewinnen,  diese 
Ergebnisse  mit  den  Dialektverhältnissen  der  Prothesebelege 
in  den  zusammenhängenden  Denkmälern. 

72  Handschriften  und  Teile  von  Sammelhandschriften 
bringen  (von  helfant  und  Pronom.  III  abgesehen)  353  Fälle. 
Sie  verteilen  sich  folgendermassen  über  die  Dialekte. 

Alemannischer  Charakter  wiegt  vor  in  25  Hand- 
schriften mit  126  Fällen.  2  von  diesen  Handschriften  (N.  5 
u.  13)  zeigen  an  3  Fällen  fränkische  Spuren,  2  Hdss.  (N.  60 
u.  78)  mit  8  Fällen  stammen  (vielleicht)  von  der  bairischen 
Grenze  —  sicher  alemannisch  verbleiben  demnach  21  Hand- 
schriften mit  115  Fällen. 

In  19  Hdss.  erscheint  fÜT  67  Fälle  der  bairische  Charakter 
mehr  oder  weniger  als  der  herrschende.  Darunter  enthalten 
8  Hdss.  (N.  5.  33.  34.  36.  41.  42.  48.  51)  mit  28  Fällen  sicher 
Fränkisches,  4  Hdss.  (N.  7.  40.  43.  49)  mit  21  Fällen  wahr- 
scheinlich Fränkisches,  4  Hdss.  (N.  37.  38.  46b.  47)  mit  13 
Fällen  enthalten  Alemannisches  oder  gehören  zum  Grenz- 
dialekte. —  3  Hdss.  (N.  6.  24.  39)  mit  5  Fällen  blieben  übrig 
für  rein  bairische  Prothese  —  aber  auch  sie  sind  nicht  sicher 
für  diese  Geltung:  von  N.  6  und  24  lassen  sich  fränkische 
Beziehungen  nachweisen :  der  Text  der  Fassung  B  des  Frey  sing. 
Paternosters  zeigt  Übereinstimmungen  mit  dem  Weisseu- 
burger  Vaterunser  (nach  Dkm2.  S.  510);  Otlohs  Gebet 
ist  nach  der  Rückkehr  aus  einem  achtjährigen  Exile  in  Fulda 
aufgezeichnet  und  liegt  uns  wahrscheinlich  in  der  eigen- 
händigen Niederschrift  des  Verfassers  vor.  —  Ob  das  Vo- 
rauer Fragment  „vom  hl.  Geiste  (N.  39)  mit  1  Belege 
(hatem)  nicht  auch  vielleicht  auf  eine  westdeutsche  Vorlage 
zurückgeht,  weiss  ich  nicht,  —  es  Hesse  sich  indess  nach 
Analogie  der  übrigen  Prothese  und  Aphärese  zeigenden  Teile 
der  Sammelhandschrift  schon  vermuten. 

Vorwiegend  fränkisch  sind  26  Hdss.  mit  155  Fällen. 


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30  - 


3  Handschriften  mit  44  Füllen  (N.  8.  9.  10)  sind  südfrän- 
kisch ;  N.  8  ist  wahrscheinlich  von  einem  alemannischen, 
N.  J)  von  einem  bairischen  Schreiber  geschrieben ;  6  Hdss. 
mit  16  Fällen  sind  oberfränkisch;  4  Hdss.  mit  22  Belegen 
sind  hochfränkisch  (die  Fälle  im  Tatian  verteilen  sich  über 

4  Schreiber  ((/*,  y,  J,  l)  und  müssen,  da  die  Begriffe,  an 
denen  die  Prothese  haftet,  bei  den  verschiedenen  Schreibern 
mehrfach  dieselben  sind,  der  fränkischen  Vorlage  zugeschrieben 
werden);  13 Hdss.  mit  73  Fällen  sind  mittelfränkisch:  —  sicher 
fränkisch  ist  die  Prothese  in  mindestens  24  Hdss.  mit  115  Fällen. 

Sicher  niederdeutsch  (altsächsisch  resp.  altsächsich- 
niederfräukisch)  sind  die  beiden  Heliandhandschriften  mit  zu- 
sammen 5  Fällen  Prothese. 

Das  Verhältnis  der  Dialekte  stellt  sich  nach  den  sicher 
fixierbaren  Fällen  der  Prothese  in  zusammenhängenden  Denk- 
mälern demnach  so  dar: 

Niederdeutsch:  2  Hdss.  mit  5  Fällen. 
Fränkisch:  24    Hdss.  mit  115  Fällen. 

Alemannisch:     21    Hdss.  mit  115  Fällen. 

B a  i  r i 8 c h :   3?  Hdss.  mit     5?  Fällen. 

Summa:  50    Hdss.  mit  240  Fällen. 

Alle  dialektisch  vollkommen  gesicherten  Fälle  gehören 
also  dem  westdeutschen  Oebiete  an,  bairische  zusammen- 
hängende Denkmäler  zeigen  nur  dann  Prothese,  wenn  sie 
nicht  rein  bairisch  sind  und  Spuren  fremden  Dialektes  min- 
destens vermuten  lassen  —  es  fehlt  jede  Veranlassung  bei 
solchem  Stande  der  Uberlieferung,  dem  bairischen  Dialekte 
einen  irgendwie  bedeutenden  Anteil  an  der  altdeutschen  Pro- 
thesebildung zuzuschreiben :  die  bairischen  Schreiber  haben  wohl 
beim  mechanischen  Oopieren  aus  ihrer  Vorlage  Fälle  übertragen, 
meist  haben  sie  dieselben  beseitigt;  nirgends  lässt  sich  sicher  an- 
nehmen, dass sie  neue  Prothese  in  die  Texte  hineingetragen  haben. 

Dem  widerspricht  auch  die  Otfrid  -  U herlief erung  nur 
scheinbar.  Der  Codex  Palatinus  bietet  4,  der  Vindobonensis 
17,  der  Frisingensis  24  Fälle  von  Prothese.  Es  scheint  dem- 
nach allerdings,  als  ob  die  Belege  grösstenteils  den  ober- 
deutscheu  Schreibern  „zur  Last  fielen k,  und  hiervon  wieder  die 
Mehrzahl  dem  Baiern.    Bedenkt  man  jedoch,  dass  die  drei 


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-    31  — 


Handschriften  die  Fälle  hörn,  hören,  (P  und  V  den  Fall 
her  lieh),  und  V-F  die  Prothese  an  ilan,  ahtön,  ouch  ge- 
meinschaftlich zeigen  —  und  zwar  durchaus  nicht  etwa  bloss 
an  denselben  Stellen  — ,  dann  wird  wohl  ein  jeder,  der  meine 
Ansichten  über  den  Lautwert  der  Prothese  und  ihre  dialek- 
tische Natur  teilt,  erkennen,  dass  ein  dialektischer  Zusammen- 
hang hier  existieren  muss.  Damit,  dass  die  Prothesefälle  im 
Palatinus  und  vielfach  auch  im  Yindobonensis  beseitigt  sind, 
ist  meiner  Ansicht  nach  doch  nicht  bewiesen ,  dass  sie  im 
Frisingensis  dem  Südfränkischen  ab,  und  dem  Bairischen  zu- 
gesprochen werden  müssen! 

Man  vergleiche  die  Verhältnisse  beim  Pronomen  der 
III.  Person.  Der  Wei  ssenbu  rger  Katechismus  hat 
nur  3mal  er,  sonst  immer  (11  mal)  her  und  beweist  damit, 
dass  die  allgemein  fränkische  Form  auch  im  südfränkischen 
Idiome  herrschte.  Nun  haben  die  beiden  „canonischen"  Otfrid- 
handschriften  zwar  nicht,  wie  Braune  meint,  (Ahd.  Gr.  § 
283  a.  1)  nur  er  —  vielmehr  geht  d rof  her  II.  7.  34  durch 
alle  Hdss.,  und  der  Yindobonensis  hat  ausserdem  noch  thaz 
her  (II,  12,  65)  und  unsih  (h)er  (IY,  27,  12)  —  aber  doch 
haben  diese  Hdss.  das  h  in  her  —  jedenfalls  als  prothetisch 
—  im  allgemeinen  beseitigt.  Im  Frising.  finden  wir  dagegen 
7  Belege:  habet  her,  moht  her,  gruazt  her,  waut 
her,  nintweih  her,  tho  her,  io  her.  —  Sind  diese  Fälle 
wirklich  anders  aufzufassen  als  das  durch  alle  Hdss.  gehende 
drof  her?  Soll  man  sie  wirklich,  wie  Braune  (ebenda)  will, 
als  bairische  Prothesefälle  behandeln?  Eine  solche  Trennung 
wäre  doch  wohl  sehr  willkürlich.  Wir  haben  hier  den  gleichen 
Fall  wie  in  Haupts  Wiener  Predigten:  die  Formen  sind  un- 
besehen aus  einer  fränkischen  Yorlage  übernommen.  Sonst 
kennt  die  bairische  Überlieferung  kein  her.  Weinholds  (B. 
Gr.  §  190)  Beleg  aus  dem  Muspilli  habe  ich  in  keiner  Lesung 
entdecken  können.  Wäre  er  wirklich  vorhanden,  so  hätte 
man  damit  auch  nur  eine  weitere  fränkische  Spur  in  diesem 
Denkmale. 

Die  Prothesefalle  im  Frising.  stammen  nach  meiner 
Ansicht  wie  diese  her  (uud  hes:  F.III,  11.  9.  cf.  Y.  I.  5, 
35)  gleich  den  Fällen  im  Yindobonensis  aus  der  allen  Iland- 


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-    82  - 

schritten  zu  Grunde  liegenden  frühern  Niederschrift,  es  sind 
keine  „Fehler  der  obd.  Schreiber44,  es  sind  Reste  der  Dialek- 
ticismen,  die  in  dieser  „Kladde*4  sicher  weit  zahlreicher  vor- 
handen gewesen  sind  als  in  den  vielfach  durchgefeilten  und 
übercorrigierten  Fassungen ,  die  auf  uns  gekommen  sind. 
Erhaben  über  Eigentümlichkeiten  dieser  Art  ist  eben  Otfrid 
von  vornherein  nicht  gewesen :  die  auf  seinen  Namen  lau- 
fenden Weissenburger  Urkunden  zeigen  ebenso  gut 
wie  die  übrigen  prothetische  Namensformen,  Strassb.  Stud.  I. 
8.  188  finden  wir  sogar  den  Namen  Hot-olf,  dessen  gram- 
matisch-richtige Schreibung  Ot-frid  doch  wohl  gewusst  hat. 
Seine  kritischen  und  nivellierenden  Grundsätze  haben  sich 
ja  erst  an  seinem  Werke  gebildet  und  sind  erst  in  den 
Correkturen  und  „spätem  Ausgaben44  zur  Geltung  gekommen; 
der  Frising.  ist  die  am  wenigsten  „durchgesehene4*,  er  enthält 
in  dieser  Hinsicht  viel  Ursprüngliches. 

Erkennen  wir  die  Fälle  im  Freysinger  Otfrid  als  süd- 
fränkisch an,  so  erhalten  wir  nach  meiner  Ansicht  einen  An- 
haltspunkt für  nicht  bloss  sachlichen  —  wie  schon  in  den 
Dkm.  nachgewiesen,  sondern  auch  sprachlichen  Zusammen- 
hang des  Freysiuger  Paternosters  mit  dem  Weissenburger 
Litteraturkreise :  halmahtigo  fügt  sich  dann  wie  das  ot- 
fridische  ouch  hellu  (I,  23,  32)  der  Auffassung  der  Pro- 
these vor  al  als  einer  fränkischen  Dialekteigentümlichkeit.; 
wofür  die  beiden  andern  Belege  im  König  Rother  und  in 
Schönbachs  Predigten  sprechen. 

Die  Fälle  von  herda  im  Monseer  Matthaeus- 
f  rag  in  en  te  können  sicher  nicht  (mit  Weinhold.  B.  Gr.  §  190) 
dem  bairischen  Dialekte  zugesprochen  werden.  „Der  frän- 
kischen Vorlage  am  nächsten  blieb  der  bairische  Schreiber 
der  Matthäus  -  Ubersetzung41  (Weinhold  Isidor  S.  90  f)  — 
damit  erklärt  sich  hinreichend,  weshalb  gerade  hier  Prothese 
vorkommt,  und  in  den  übrigen  Fragmenten,  in  denen  oben- 
drein  „der  höchste  Stand  althochdeutscher  Ubersetzerkunst44 
erreicht  ist,  keine  Spur  davon  —  wie  in  der  bairischen  Um- 
schrift, die  uns  die  Pariser  Handschrift  vom  fränkischen 
Isidor  überliefert  hat.   Mit  den  4  Otfridfälleu  zusammen  be- 


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—    33  - 


weisen  sie  die  Prothese  an  er  da  für  den  obcrfränkisehen 
Dialekt. 

Zum  M  u  s  p  i  1 1  i  bemerkte  Piper  (Z.  Zs.  XV.  101.) :  „die 
fränkischen  Spuren  beschränken  sich  zum  grössten  Teile  auf 
Schreibergewohnheiten,  die  nur  von  Belang  wären,  wenn  sie 
eine  Verschiedenheit  der  Aussprache  andeuteten",  —  den  Be- 
weis hoffe  icli  geführt  zu  haben,  dass  der  Prothese  Lautwert 
zugeschrieben  werden  muss,  und  ich  glaube,  dass  man  nun- 
mehr einigen  (von  Piper  gar  nicht  beachteten)  Schreiber- 
gewohnheiten grösseres  Gewicht  beilegen  wird. 

Regelmässig,  ohne  jede  Ausnahme  schreibt  nämlich  der 
Schreiber  unseres  Denkmals  hio  und  heo  und  ebenso  regel- 
mässig und  ausnahmslos  schreibt  das  Ludwigslied  hio.  — 
Sonst  bietet  sich  als  Beleg  für  diese  Schreibung  im  9.  Jahr- 
hundert noch  eine  fränkisch-alamannische  Reichenauer  G  r  e - 
g  o  r  i  u  s  g  1  o  s  s  e :  —  die  Form  ist  für  die  eigentlich  ahd.  Periode 
entschieden  als  fränkisch  zu  bezeichnen  —  worauf  auch  schon 
das  analoge  sächsische  gio  (cf.  S.  11)  führt.  Im  Ausgange 
der  Periode  findet  sich  die  Form  hie  auch  alemannisch, 
auch  die  beiden  Belege  aus  dem  alemannisch-bairischen  Grenz- 
dialekte der  Benediktbeurer  Predigten  saec.  XII.  lassen 
sich  für  die  bairische  Mundart  kaum  heranziehen  (h  i  e  1  i  c  h  e  i  t 
ist  noch  dazu  sehr  unsicher:  ein  in  den  Wbb.  nirgends  be- 
legtes Wort,  vielleicht  nur  für  heilicheit  verschrieben, 
havar  ist  nur  im  Muspilli  zu  belegen  —  von  neumittel- 
deutschen und  neuniederdeutschen  Formen  wie  Haber-klaue 
u.  s.  w.  darf  man  wohl  keine  Rückschlüsse  machen.  —  An 
ewa  ist  Prothese  in  ahd.  Zeit  sonst  nur  in  alamannisch  über- 
lieferten Glossen  belegt,  von  denen  4  (Reichenauer)  wieder 
sicher  oberfränkische  Elemeute  enthalten  —  eine  davon  ist 
wiederum  eine  Gregorglosse:  gewiss  kein  Zufall.  Die  5 
spätalthochdeutschen  Fälle  stecken  im  Vorauer  Himmli- 
schen Jerusalem,  dem  eine  oberrheinische  Vorlage  zu 
Grunde  liegt,  3  Fälle  in  den  oben  schon  als  mechanische 
Abschrift  aus  fränkischer  Vorlage  saec.  XI  charakterisierten 
Wien  er  Pred  igten,  ein  Fall  (höwigen)  ia  der  Mil- 
steter  Genesis,  deren  Schreiber  (nach  Diemer  Einleitung 

S.  16)  entweder  eiu  Frauke  oder  ein  Franken  gebildet  war  — 
qf.  lxix.  3 


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—    84  — 


ein  ähnlicher  Fall  also  wie  im  Muspilli.  Die  Wahrscheinlichkeit 
weist  auch  diesen  Fall  der  fränkischen  Gewohnheit  zu. 

Piper  giebt  als  „fränkische  Reminiscenzen"  im  Musp. 
an:  (S.  90)  ua  neben  uo,  (S.  92)  ki,  gi  statt  ka,  ga,  (S.  96) 
das  anlautende  v  statt  f,  „das  in  den  altern  bairischen  Glossen 
ganz  fehlt".  Wenn  er  ferner  (S.  91)  sagt:  „die  Schreibung 
fuir  scheint  besonders  fränkisch,  erst  die  Yorauer  Hds.  kennt 
sie  in  Baiern",  dann  geht  diese  Handschrift  in  dem  betref- 
fenden Teile  eben  wahrscheinlich  auf  eine  fränkische  Vorlage 
zurück  (vgl.  über  die  Dialektverhältnisse  dieser  Sammelhds. 
Dkm2.  S.  438  f.  und  Btr.  XI);  und  wenn  er  (S.  89)  zu  gen, 
steu  bemerkt:  „dieses  e  ist  vorzugsweise  fränkisch  im  9. 
Jahrhundert,  bairisch  heisst  es  gän"  und  dann  als  ersten 
Beleg  für  späteres  bairisches  gen  eine  Stelle  aus  Otlohs 
Gebet  anführt,  dann  hat  man  wohl  auch  das  Recht,  umge- 
kehrt zu  schliessen :  als  Otloh  acht  Jahre  hindurch  in  Fulda 
war,  hat  er  sich  verschiedene  Eigentümlichkeiten  der  Franken 
angewöhnt:  erstens  die  Form  gen  und  zweitens  die  pa- 
thetischen Formen  hafterund  hera,  —  wenn  er  nicht  viel- 
leicht gar  sein  Gebet  nach  fränkischem  Muster  „umgedacht" 
und  niedergeschrieben  hat,  wofür  die  schleunige  Rasur  des 
h  von  hera  sprechen  könnte,  („h  schon  im  Texte  radiert" 
Dkm2.  S.  209). 

Meine  Behauptung,  dass  nach  dem  Staude  der  Über- 
lieferung zu  urteilen  —  von  helfant  abgesehen  —  im 
altbairischen  Dialekte  keine  prothetischen  Formen  üblich  ge- 
wesen sind,  wird  durch  diese  im  Dialekte  schwankenden 
Handschriften  eher  gestützt  als  widerlegt:  das  Vorkommen 
der  Protheseformen  nur  in  solchen  Texten  ist  der  indirekte 
Beweis  gegen  bairische  Prothesebildung. 

Die  Verhältnisse  in  den  neuern  bairisch-österreichischen 
Mundarten  stimmen  zu  dieser  Thatsache. 

In  der  mittleren  Periode  sind  hier  Prothesefälle  ganz 
vereinzelt,  soweit  ich  sehen  kann.  Die  ersten  deutschen 
Urkunden  der  niederösterr.  Abtei  zum  hl.  Lambert  in  Alten- 
burg zeigen  ein  Hostern  und  ein  Heritag  (für  welches 
Wort  hier  auch  wunderliche  Verdrehungen  wie  Erdtag, 
Erich  tag  zu  belegen  sind).    Nirgends  —  von  helfant 


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-    35  - 


abgesehen  —  findet  sieh  allgemeiner  gültige  Prothese:  das 
im  Alamannischen  und  Fränkischen  so  überaus  häufige  Präfix 
her-  weiss  Weinhold  für  das  bairische  nur  aus  dem  „Ringa 
zu  belegen ,  der  aus  alamannischer  Vorlage  abgeschrieben 
für  solche  Dinge  keine  Beweiskraft  hat.  Jedenfalls  ist  Pro- 
these im  Bairi8chen  der  mittleren  Periode  eine  grosse  Selten- 
heit —  soviel  lässt  sich  sicher  behaupten. 

Auch  die  modernen  bairisch-österreichischen  Mundarten 
bieten,  trotzdem  doch  gerade  hier  der  Stand  der  Forschung 
am  meisten  Gewähr  leistet  für  die  Vollständigkeit  der  Samm- 
lungen, nur  äusserst  spärliche  Belege  für  die  Erscheinung, 
die  doch  im  Alamannischen  z.  B.  an  37  Wörtern  nachge- 
wiesen werden  konnte,  obwohl  das  Schweiz.  Idiot,  den  Buch- 
staben h  noch  gar  nicht  vollständig  gebracht  hat.  haischen 
ist  nicht  einmal  überall  durchgedrungen  (cf.  Bwb*.  I.  166), 
aisch  en  noch  hie  und  da  lebendig1 ;  an  Eidechse  und  Elster 
zeigt  das  Bairische  wie  alle  Dialekte  Prothese,  ebenso  an 
dem  localen  Adverb  h  ab  aus  (hinab),  wo  aber  Contraktion 
aus  hie  abaus  nicht  ausgeschlossen  ist,  wie  auch  bei  dem 
nach  Weinhold  allgemein  österreichischen  hiezt  statt  izt, 
ein  „hart"  —  ungrade  an  der  bairischen  Unterdonau  soll  dem 
ahd.  ort  entsprechen.  —  Dagegen  weist  das  BWb.  keine 
Spur  auf  von  der  sonst  ziemlich  überall  vorkommenden  Pro- 
these an  Worten  wie  Uhu,  Ameise,  Goldammer,  Heiter- 
nessel etc.  Sehr  unsicher  zum  mindesten  ist  meine  Zu- 
sammenstellung von  hafen  und  ofen  für  die  Bedeutung 
Schlucht,  Felskessel,  und  noch  misstrauischer  bin  ich  gegen 
die  Zusammengehörigkeit  von  oberpfälzisch  hirnen  mit  dem 
amen  (=  nachdenken)  des  bairischen  Waldes.  Ob  die 
Geburtsteile  der  Kuh  ansen  (BWb.  I.  112),  hansen  (BWb. 
I.  11H5)  oder  dansen  (Frommann  Zs.  XII.  400)  heissen,  kann 
ich  nicht  entscheiden,  —  vielleicht  hilft  dazu  das  von  mir 
(aus  Id.  Fries.  253)  herangezogene  friesische  henszebene 
(os  podicis).  Auf  keinen  Fall  fällt  dagegen  unter  den 
Begriff  Prothese  der  von  Schindler  für  den  Ost-Lech  ange- 


1  Auch  in  Ellwangen  noch  die  Form  ohne  h:  Kauffm.  Schwab. 
M-A.  S.  205. 

•6* 


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-    36  - 


merkte  Wechsel  zwischen  h  i  n  t  e  r  und  unter.  Dieser  Wechsel 
zwischen  den  beiden  vielfach  sich  nahe  berührenden  Kegriffen, 
der  auch  auf  die  benachbarten  alemannischen  Gebiete  wohl 
heutzutage  noch  hinübergreifen  wird,  ist  schon  in  den  ältesten 
Denkmalern  dieser  Dialekte  zu  belegen.  —  Ich  habe  die 
Fälle  hinten  zusammengestellt.  Höchstens  6  Fälle  kann 
man  demnach  dem  buirischen  (iebiete  als  vollwichtige  Pro- 
thesebelege anrechnen,  wozu  dann  noch  die  nicht  gleich- 
wertigen und  nicht  dem  Dialekte  eigentlich  augehörenden 
Fälle  an  Fremdwörtern  kommen:  harre  (arrha)  kärnten, 
harne  (ama) ,  hartschier  (arciero) ,  h  a  c  h  e  1  n  (achal) 
Osterr.  (und  hirch  neben  irch  aus  hireus?). 

An  dem  aus  der  Betrachtung  der  zusammenhängenden 
Denkmäler  gewonnenen  Resultate  können  die  altbairiscfi 
überlieferten  G losseu belege  nichts  ändern.  Sehen  wir  hier 
von  h  e  1  f  a  n  t  und  dem  auf  S.  25  f.  erledigten  h  u  w  o  ab, 
so  bringt  die  alamannischc  Überlieferung  in  51  Handschriften 
160  Belege,  die  fränkische  in  32  Hdss.  99  —  auf  jede  Hds. 
entfallen  im  Durchschnitt  mehr  als  3  Fälle;  die  buirische 
Überlieferung  bringt  in  31  vielfach  umfangreichern  Glossarien 
nur  59  Fälle  —  noch  nicht  einmal  2  Fälle  kommen  also  anf 
die  Handschrift:  die  bairischen  Schreiber  haben  auch  hier 
der  Prothese  keinen  Raum  gegeben.  Die  Relege  als  bairischo 
Prothesefalle  anzusehen  —  das  verbietet  durchaus  das  Ver- 
halten der  zusammenhängenden  Denkmäler.  Von  keiner 
dieser  Handschriften  ist  un vermischt  bairischer  Charakter  bis 
jetzt  nachgewiesen,  meistens  sind  fränkische,  in  verschiedenen 
Fällen  auch  alemannische  Vorlagen  vorhanden  gewesen,  aus 
diesen  sind  die  Formen  mechanisch  übernommen,  nach  den 
Verwandtschaftsverhältnissen  der  Glossengruppen  und  naeb 
den  Analogien  jedes  einzelnen  Falles  hat  man  sie  an  jene 
Dialekte  zu  verteilen. 

Mit  voller  Sicherheit  oder  doch  wenigstens  grosser  Wahr- 
scheinlichkeit kann  man  dem  Alamannischcn  zusammen  44 
Hdss.  mit  175  Belegen,  dem  Fränkischen  44  Hdss.  mit  167 
Belegen  und  dem  Niederdeutschen  5  Hdss.  mit  12  Belegen 
zuteilen  —  für  die  dialektische  Fixierung  der  übrigen  350 
Belege  muss  ich  auf  meine  alphabetische  Sammlung  ver- 


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weisen,  wo  ich  die  einzelnen  Begriffe  zu  diesem  Zwecke  so 
übersichtlich  wie  möglich  zu  ordnen  bemüht  gewesen  bin. 

Die  althochdeutschen  Namen  habe  ich  in  diese  Erörte- 
rungen nicht  hineingezogen,  ich  durfte  es  nicht  nach  meinen 
Ausführungen  auf  S.  4  ff.,  denn  ich  wollte  ja  die  deutsche  und 
nicht  die  romanische  Prothese  darstellen;  ich  hätte  es  aber 
auch  gar  nicht  durchführen  können  —  :  schon  darum  nicht, 
weil  viele  mit  h  anlautende  Namen  besonders  in  den  abge- 
kürzten Formen  voealisch  anlautenden  Namen  so  ähnlich  sind, 
dass  «'s  oft  reine  Willkür  gewesen  wäre,  wenn  ich  hätte  ent- 
scheiden wollen,  ob  echtes  oder  prothotisches  h,  oh  Aphärese 
oder  vokalischer  Anlaut  vorliege,  (cf.  F ö  r  s  t  e  m a  n  n  Namen- 
buchs. 1).  So  habe  ich  mich  darauf  beschränkt,  in  der 
alphabetischen  Zusammenstellung  einige  Namen  unter  die 
übrigen  Belege  zu  setzen  sie  sollen  zeigen,  dass  auch  in 
diesen  Verhältnissen  nicht  alles  auf  .Rechnung  des  Komanischen 
geschrieben  zu  werden  braucht,  dass  auch  die  deutsche  Prothese 
ihren  grossen  Anteil  an  dieser  gewaltigen  Masse  von  Fällen 
haben  kann  —  dasselbe  gilt  auch  von  den  flandrischen  Pro- 
these wenigstens  der  mittleren  Periode  — :  nur  darf  man  von 
mir  keine  Abgrenzung  des  Einflusses  zwischen  beiden  Faktoren 
verlangen,  eine  solche  wird  hier  wohl  unmöglich  bleiben. 


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11. 


DIE  DEUTSCHE  APHAERESE. 
A.  IHR  LAUTWERT. 

Mein  Verzeichnis  der  Aphärosefälle  macht  nach  einer 
Seite  hin  keinen  Anspruch  auf  Vollständigkeit :  Aphärcse  an 
hilft,  halh  und  heit  ist  nicht  aufgenommen,  wo  diese 
Worte  in  der  Stellung  zweiter  schwachbetonter  Compositions- 
teile  vorkommen. 

Die  Fälle  sind  sehr  zahlreich  und  stehen  insofern  ab- 
seits von  der  sonst  vorkommenden  Aphärese,  als  das  wirk- 
liche Verstummen  des  h  an  dieser  Wortstolle  nicht  gut  au- 
gezweifelt werden  kann.  Das  verbieten  Fälle  wie  Leich- 
nam' und  besonders  der  Übergang  der  Nachsilbe  -  heit  zu 
-keit,  die  —  zuerst  immer  nach  (üuttnralen  schon  in  mhd. 
Zeit  vorkommt.  Zumal  im  Satzzusammenhänge?  werden  diese 
ganzen  Silben  infolge  ihrer  Toulosigkeit  derartig  herabgodrückt 
(Schult  hei  ss  zu  Schulz)-,  dass  ein  so  schwacher  Laut 
wie  das  h  mag  es  auch  dem  romanischen  gegenüber  fest 
erscheinen  notwendig  zuerst  reduciert  werden  musste.  Die 
Handschriften  entsprechen  also  nur  dem  Thatbestande,  wenn 
sie  hier  das  h- Zeichen  ab  und  zu  unterdrücken.  Die 
folgenden  Fälle  mögen  zeigen,  wie  -haft  durch  die  ganze 

*  Cf.  Kluge,  P.  B.  Btr.  XIV,  885  ff.  über  die  Bitdung  der  Formen 
kater,  marder,  ganter  (genserich)  etc.  durch  Zusammensetzung  mit  dem 
Bildungselemente  -liaro,  -  h  a  «  o. 

"  Zu  Junker  aus  Jung-herr  vgl.  das  aus  Jungfrau  Ähnlich 
reduciortc  J  u  n  g  -  f  e  r. 


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—    39  — 


ahd.  Periode  hindurch  so  behandelt  ist,  und  wie  sich  bei  -halb 
und  -heit  dieselbe  Erscheinung  im  12.  Jahrhundert  aus- 
breitet; die  besten  Handschriften  liefern  Belege  dazu. 

-haft:  namaaftosto.  samanafric.  Pa.  174,  22.  180,  33. 
—  triuafte  II.  8,  3  triuaftemo.  III.  5,  2.  unrachaft  VI.  1,  2. 
deodrafte  VI.  6,  2.  X,  3,  1.  lobafter  XVII.  2,  1.  lichanaftemu 
XIX.  9,  4.:  Murb.  Hymnen.  —  redihaftlihaz.  Carolsr.  10. 1.  33G, 
10.  mezaftotn.  Oxon.  J.  25.  II.  766,  IL  eigenafto.  Notkerkate- 
gor.  I.  465,  6.  erafti,  redeafti  Notker psalmen  II.  123  2.  493, 
9.  —  hoptaften.  Bened.  Gl.  u.  B.  III.  dkm.  96  z.  70.  —  redi- 
afto  Otfrid  P.II.  9.  92.  scinaftin  Tatian  91,  1.  erafrlichcru 
Trier  Oap.  waraft.  Brüssel.  Matth.-gl.  I.  716,  30.  unrocaft 
Francf.  Canon.  II.  147,  78.  keuoorafteme.  Leipz.  Canon.  II. 
143,  46.  muazafto.  Olm.  19450.  Alcim.  II.  1,  18.  sama,,afta. 
Paris.  Vergil.  II.  706,  22.  sehadeaftin  Kother  Palat.  v.  537. 
cllentafte.  Prag.  II.  Ernst,  berinteftic.  Trierer  psalm.  143,  16. 
ernestachte  Albanuslegende  I,  11.  warehte  Frauenlob. 

-halb:  neuueder4ilvo.  Paris.  Vergil.  II.  708,  45.  bedint- 
albere.  Srassburg.  Naturgl.  Ad.  BI.  I.  352.  allentalben  Tung- 
dal.  Btr.  XIII  vv.  268.  275.  282.  Prag.  H.  Ernst  II,  1.  Trier, 
ps.  113,  8.  bedintalf.  Wernh.  Ndrh.  55,  13.  anderalp  Rolaudsl. 
Palat.  267,  31.  sibintalp,  uzzirtalp.  Trudp.  Ilohel.  20,  19.  57, 
5.  beidintalben.  Griesh.  Vtrld.  287. 

-heit.  selfedia.  Merseb.  gl.  33.  chinteite.  Olm.  22201. 
gl.  I.  701,  66.  boseith  Voraucr  Gebet.  377,  1.  losait.  Milst. 
Hochzeit  20,  23.  christait.  8pec.  eccl.  46.  christeneit,  wareide. 
Frauenlob.  wareit  3  mal  Wernh.  v.  Elmend.  vv.  536  ff.  wjireit 
Prag.  H.  Ernst,  schalkeit.  Reinh.  Fuchs  v.  207.  trakait,  ewi- 
kait,  krankait,  Wackern.:  Goefis-Feldkirchn.  Predigten. 

Wie  in  diesen  Fällen  ist  die  Aphärese  auch  an  22  Num- 
mern meiner  Sammlung,  die  dieselbe  am  zweiten  schwach- 
betonten Compositionsteile  zeigen ,  aufzufassen.  Auch  hier 
liegt  wirkliche  Verschweigung  des  Lautes  sicher  vor  —  das 
h  ist  auch  hier  verdrängt  durch  den  Schlusslaut  des  ersten 
starkbetonten  Compositionsteiles :  der  End  c  o  n  s  o  n  a  n  t  ist 
unorganisch  in  den  folgenden  Anlaut  geraten,  der  Endvocal 
ist  mit  dem  hinter  h  stehenden  Vocale  zusammengeflossen, 
der  Lautwert  des  schwachen  Hauches  ist  geschwunden  —  es 


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—    40  - 


sind  Fälle  wie  zumiftii,  u  n  g  a  h  u  r  o ,  w  i  d  o  o  p  a  ,  h  o  1>  o  o  - 
wo,  e  a  1 1  i  g  e  r ;  s  i n  i  w  u  n  ,  n  o u  l  d  a ,  unursu  in  i ,  nm- 
f  1  u  t  u  s,  hou  r  u  «. 

Auch  wenn  die  zweite  Compositionsstelle  wirklich  den 
Wortton  trägt,  kann  Voealversehleifung  und  Verschmelzung 
und  unorganische  Silbentrennung  ähnlich  wirken  und  Formen 
nervi abringen  wie :  g  e  a  f  t  o ,  g  i  e  f  t  i  d  ,  k  i  a  c  t  i  r ,  g  o  a  1 1 , 
g  e  a  1 1 1)  i  s  si ,  p  i  a  i  /,  g  i  e  i  z  o  n  t  u  g  e  o  1  a  d  e ;  mit  a  b  e  n  t  o, 
ontabemo,  intabeger,  intebede,  inteiz  ete. 
In  diesen  (23)  Fällen  bietet.  der  schwache  Ton  der  Vorsilbe  die 
Veranlassung  zu  solchen  unorganischen  Verschiebungen,  geilt  i 
(Otfrid  V.),  gaizzu,  geizze,  k  e  1  f  e  n  t  e  ni  o  (Notkerps.) 
zeigen,  dass  die  Versehleifung  bis  zur  völligen  (Kontraktion  ge- 
deihen, und  e  n  t  ta  b  e  n  t,  dass  auch  eine  Art  Assimilation  ein- 
treten kann.  Von  den  consonantischon  Fällen  stellt  das  weitaus 
grössto  Oontingent  die  Vorsilbe  mit-  (ont-,  int-),  und  diese 
ist  ja  auch  in  der  That  sehr  geeignet  zu  solcher  unorganischen 
Silbentrennung:  das  n  genügt,  um  die  unbetonte  Vorsilbe  zu 
schliessen ,  das  t  tritt  gern  zur  folgenden  hinüber,  wie  das 
die  sehr  zahlreichen  Fälle  bei  hilft,  halb,  heit  bezeugen. 
Indessen  sind  das  doch  immer  bloss  individuelle  Eigenheiten 
-  die  7  Correkturen  beweisen,  dass  man  dergleichen  wohl 
einmal  niederschrieb,  sich  aber  darum  noch  durchaus  nicht 
gewöhnte,  solche  Schreibungen  für  eorrekt  zu  halten. 

In  113  Fällen  haben  wir  Aphäreso  am  Wort  an  fange. 

Erumbc,  erwider  und  ebenso  einige  Fälle  von  er  statt 
Herr  sind  die  vereinzelten  Vorläufer  einer  sich  in  den 
folgenden  Jahrhunderten  weit  mächtiger  entwickelnden  Er- 
8chcinung  —  dort  werden  sie  ihr*»  Würdigung  Huden.  Wie 
hier  sicher,  ist  Tonschwäche  im  Satzzusammenhänge  wohl  auch 
mit  Ursache  für  die  6  Fälle  von  Aphaerese  beim  llülfsverbum 
haben. 

Hier  treten  nun  auch  schon  ähnlich  wie  der  Wortzu- 
samnienhang  verwirrend  wirkende  Sandhi-Erseheinungen  her- 
vor. Der  Endlaut  des  im  Satze  vorhergehenden  Wortes  wird 
in  ähnlicher  Weise  wie  der  Endlaut  des  ersten  Wortteiles 
unorganisch  herüber  gezogen  —  k  i  u  e  r  k  o  t  a  p  e  t  a ,  k  i  p  u  - 
a  z  z  i  t  a  p  e  t  entsprechen  den  Formen  a  n  t  a  b  e  n  t  o ,  inteiz 


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-    41  - 


etc. ,  und :  du  ast  den  valand  getan  zeigt  dieselbe  Vcr- 
schleifung  wie  piaiz  und  gealt,  in  zius  und  zimile 
führt  sie  wieder  zu  vollständiger  Coutraktion.  Solche  Zu- 
sammenschiebungen haben  wir  bei  40  Fällen  aus  zusammen- 
hängenden Deukmällern  und  einigen  Glossen  anzunehmen, 
in  Fällen  wie:  zeiner  albcn  seiben,  don  als  abes- 
luge,  faterhcnti,  den  tuwern  mantil  arm  in, 
d  a  t  e  n  arte  wale,  vor  der  ei  den,  urdeile  e  1  f  a , 
t  h  e  m  o  hc  r  e  s  t  e  n  ,  t  h  a  z  e  r  z  a ,  u  f  d  c  n  o  f ,  in  o  1  e  m 
fclisom,  in  clffa,  bi  ungres  githuinge  etc.  —  Wie 
bei  der  Prothese  der  im  Worte  folgende  Consonant,  so  ist 
hier  der  im  Satze  vorhergehende  bedeutsam,  es  ist  wohl  kein 
Zufall,  dass  es  auch  hier  so  sehr  häufig  ein  souorer  Laut  ist. 

Solcher  Auffassung  und  Erklärung  widerstreben  58  Fälle  : 
2  im  Satzanlaute  steheude  h  e  b  e  des  Trudp.  Hohenliedes  und 
r>b*  Glossen. 

12  Glossen  stammen  aus  den  Altdeutschen  Ge- 
sprächen, sie  können  für  deutsche  Aphärese  nicht  heran- 
gezogen werden;  7  andere  Belege  (uuale  avuc  =  valc 
h  a  f  u  c,  a  1  s  p  o  u  g  d,  o  1  b  e  r  g  o  =  h  a  1  s  b  e  r  g  a,  e  r  m  i  s  o  h  - 
then  ~  harmisotun,  eribethoon  —  heribouchan, 
eriberclil  —  hcribercIih,orohti  —  horuohti  (?),  - 
urnite(ags?)  sind  vollständig  verderbt,  und  sehr  unsicher 
sind  auch  Fälle,  wie  usinari,  ebine.  Audere  beruhen  auf 
Wortvcrwechslungen :  a  g  a  n  a  und  a  g  e  n  sind  Coufusiouspro- 
oduktc  aus  M  a  s  c.  h  a  g  a  n  (Dorn)  und  F  e  m.  a  g  a  n  a  (Stachel,) 
erd  und  erdi  sind  an  er  da,  h  er  dorn  an  öra,  ebich 
wohl  an  e  w  i  g  angelehnt,  e  i  f  f  a  1 1  e  r  macht  auch  nicht  den  Ein- 
druck, als  ob  es  rein  durch  lautliche  Vorgänge  aus  h  i  e  f  f  a  1 1  r  a 
entstanden  sei;  der  Fall  [h]ouffo  —  der  einzige,  wo 
Aphärese  nachträglich  geschaffen  wäre  beruht  wohl  auf 
der  Flüchtigkeit  des  Verbesserers:  es  sollte  jedenfalls  auch 
das  o  noch  radiert  und  ein  Wort  uffo  oder  dgl.  hergestellt 
werden,  wozu  man  Belege  wie  wituffina  (strues)  und  das 
Verbum  u  f  ö  n  vergleiche. 

Es  blieben  als  volle  Aphäresefälle  27  Belege.  h  a  1  f  - 
tron,  harlefa,  humbil,  agil,  anif,  arphin,  ant- 
haba,  uochilichro,  etan;  e  h  n  g  e  s  t ,  a  g  a  s  t  a  1 1 ,  a  1  b  - 


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-  42 


g  u  r  t  i  1 1  a ,  amstra,  artenhcwe,  odcn,  i  m  i  1  o  t ; 
havca,  hahp(!rga,  hovarohter,  h  u  n  r  i  n  e  r  ,  e  i  - 
dhRngelt,  e  i  t  i ,  uskinozza,  overor,  izzontoro, 
hebe,  hcbe.  —  Hier  sind  ja  nun  auch  noch  mancherlei 
Wortanklänge  und  Begriffsanlehnungen  auffindbar,  es  soll 
aber  auch  dem  einfachen  rein  zufälligen  Schreibfehler  sein 
Recht  nicht  verkümmert  werden,  die  10  Verbesserungen  bei 
den  27  Fällen  sprechen  eindringlich  genug  für  diese  Auf- 
fassung. 

Einmal  (in  ehngest)  ist  Aphärese  durch  nachträglich«» 
Schreibung  des  h  corrigiert,  eine  ähnliche  Korrektur  zeigt  der 
Vorauer  A 1  exander  bei  e  h  1  m  s  c  a  r  t.  --  Der  (»eorgsleich 
hat  diese  sonderbare  Schreibweise  sogar  durchgeführt:  richtige 
Aphärese  kommt  hier  nicht  vor,  an  der  richtigen  Stelle  im 
Anlaut  steht  h  aber  auch  nur  (»mal:  28  mal  ist  anlautendes 
h  hinter  den  Vocal  gestellt  vielleicht  wollte  Wisulf,  der  von 
Orthographie  keine  Ahnung  hatte,  durch  solche  Umstellung 
die  relative  Schwäche  des  Lautes  im  Satzzusammenhange 
andeuten. 

Nirgends  ist  nachzuweisen ,  dass  jene  Periode  an  die 
Stelle  des  anlautenden  h  den  festen  deutschen  Voealeinsatz 
eingeführt  hätte ;  am  W  o  r  t  e  g  e  h  a  f  t  e  t  h  a  t  d  i  e  A  p  h  a  e  - 
rese  nie,  auch  bei  haft  und  halb  und  Ii  ei  t  nicht  —  sie 
hat  nur  augenblicklich  e  Berechtigung,  hat  ihre  Existenz 
nicht  wie  die  Prothese  loslösen  können  von  den  Bedingungen 
ihrer  Entstehung:  im  Wort-  und  Satzzusammenhänge  ist  sie 
an  die  Tonverhältnisse  gebunden  und  wird  erzeugt  durch 
Differenzen  zwischen  der  phonetischen  und  der  etymologischen 
Silbe,  wo  sie  bei  isolierten  Wörtern  wirklich  vorkommt, 
hängt  sie  von  allerlei  Zufälligkeiten  ab. 

Die  j  ü  n  gere  Apliärese  ist  nicht  anders  zu  beurteilen  — 
sie  ist  weit  seltener  als  die  Prothese  natürlich  aueh  hier:  nur 
50  Belege  habe  ich  auftreiben  können ,  darunter  befinden 
sich  noch  dazu  17  Fremdwörter,  bei  denen  von  Apliärese  ja 
doch  eigentlich  nicht  die  Bede  sein  kann :  Die  Formen  sind 
eben  ohne  vollen  Hauch  uud  ohne  h-Zeichen  übernommen 
und  so  dann  ins  Volk  gedrungen.  Dies  gilt  vollständig 
auch  für  Uhr,  A  b  i  t  und  ähnliche  Wörter.   Hätten  dieselben 


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—    48  — 


ein  volles  deutsches  h  im  Anlaute  entwickelt,  so  würde  man 
sie  mit  mindestens  demselben  Rechte  zur  Prothese  stellen 
können ,  als  darum ,  weil  sie  dies  nicht  gethan  haben  ,  zur 
Aphärese.  —  Die  „cimbrischen",  neuflandrischen  (und  deutsch- 
russischen) Fälle  hätte  ich  lieber  ganz  fortlassen  sollen  — 
sie  fallen  den  romanischen  (rsp.  slavischen)  Einflüssen  zur 
Last  und  haben  für  die  deutsche  Sprache  keine  selbständige 
Bedeutung. 

Das  gilt  wohl  auch  für  die  Aphärese  in  den  Handschriften 
brüggescher  Schreiber  des  14.  Jahrhunderts.  Hatte  die  mittel- 
flandrische Prothese  vielleicht  noch  in  vielen  Fällen  Zusammen- 
hang mit  der  deutschen  und  Hess  solche  Auflassung  mindestens 
zu,  so  ist  dieser  Rückhalt  für  die  flandrische  Aphärese ,  wie 
wir  sahen  und  sehen  werden,  nicht  vorhanden  —  hier  haben 
romanische  Einflüsse  auf  die  Schreiber  und  auch  auf  die 
Mundart  wohl  schon  eingewirkt.  Wie  gross  damals  der  Ein- 
fliiss  des  Romanischen  auf  jene  westlichen  Grenzgebiete  war, 
beweist  am  klarsten  die  ausgedehnte  Anwendung  der  fran- 
zosischen Sprache  in  der  Kanzlei  Heinrichs  von  Luxem- 
burg1. Vielleicht  is  auch  schon  u  n  o  r  s  a  m  i  und  a  r  p  h  i  n 
in  den  Glossen  von  Cambrai,  B  o  u  1  o  g  n  e  und'  St.  O  m  e  r 
auf  diese  Rechnung  zu  setzen,  auch  für  die  „Altdeutschen 
Gespräche"  bleibt  es  ja  annehmbar,  mit  Grimm  die- 
selben einem  Deutschen  von  der  Grenze  zuzuschreiben  — 
die  Aphärese  darin  bleibt  darum  doch  undeutsch.  Wie  heute 
im  Westflandrischen  die  romanische  Aphärese  um  sich  ge- 
griffen hat,  zeigt  De  Bo's  Westvlaamseh  Iditicon.  Bd.  I. 
895  heisst  es:  H,  früher  in  den  vlämischen  Schulen  aatse 
oder  auch  atse  (!)  genannt,  wird  vollkommen  hörbar  ge- 
haucht in  Holland,  Limburg  und  einem  Teilt?  von  Brabant, 
bei  den  Westvlämingen  dagegen  gibt  es  weiter  keine  Aspiration 
als  die,  welche  an  und  für  sich  nötig  ist,  um  einen  Vocal 
auszusprechen :  ooren  und  hooron  unterscheiden  sich  laut- 
lich nicht44  —  Man  sieht,  das  deutsche  h  und  der 

feste  deutsche  Vocaleinsatz  sind  zum  romanischen  Spiritus 
L  e  n  i  s  geworden. 

1  Des  (späteren)  Kaisers  Heinrich  VII. 


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-    44  - 


Die  wirklich  rein  deutschen  Fälle  von  Aphärese  im  be- 
tonten Wortanlaute  beruhen .  soweit  dieselben  der  Schrift 
angehören,  wohl  meist  auf  blosser  SchroilieiHüchtigkeit,  zu- 
weilen sind  es  „Hörfehler*,  Wortverwechslungen  wie  of fe- 
il u  n  g  e  für  h  o  ff  e  n  u  n  g  e ,  manchmal  (haggers  ey  inrecht  etc.) 
mag  auch  wieder  unorganische  Silbentrennung  mit  im  Spiele 
sein 

(h)ummel  ist  ein  tonmalendes  Wort,  in  dem  eigentlich 
nur  der  dumpfe  Vocal  und  der  vibrierende  Folgelauf  nötig 
sind:  Die  übrigen  Laute  schwanken  wie  bei  manchen  ähn- 
lichen Gebilden  -  man  vergleiche  die  bald  voealisch  bald 
mit  h  anlautenden  Interjektionen. 

Volle»  Aphärese  haben  wir  dagegen  wohl  bei  (h)i  in  beere. 
Der  Fall  ist  vereinzelt  und  besonders  darum  noch  merkwürdig, 
weil  wir  ihn  in  so  weit  getrennten  Dialekten,  im  Alemanu. 
Hess,  und  Wcstfäl.  zugleich  vorfinden  was  doch  kein 
blosser  Zufall  sein  kann.  Sind  aber  ampe,  u  in  Ii  i  und 
selbst  im  inerte  wirklich  aus  hi  in  beere  entstanden? 

Dagegen  tritt  nun  in  den  spateren  Jahrhunderten)  viel 
öfter  als  im  Ahd.  Aphärese  ein  am  zweiten  schwachbetonten 
Compositionsteile :  Fällt;  wie  s  c  h  u  1 1  e  i  z  z  e  (schult.es,  schulz), 
kilchof;  flei  schauer  etc.  sind  ziemlich  häufig  in  der 
Litteratur  belegt,  sanktioniert  ist  von  der  Schriftsprache,  wie 
schon  bemerkt,  das  Verstummen  des  h  von  -heit  nach 
Gutturalen. 

Auch  im  schwachbetonten  Wortanfange 1  ist  Aphärese 
in  einigen  Fällen  allgemeiner  geworden :  bei  her-,  h  i  n  - 
und  dem  titularen  Herr.  Hei  diesen  Worten  kann  man  in- 
dess  von  blosser  Aphärese  des  h  doch  eigentlich  nicht  mehr 
reden.  —  Die  ganzen  Silben  werden  vielmehr  infolge  ihrer 
Tonlosigkeit  im  Satze  so  verschliffeu,  dass  nur  der  Endconso- 
uant  erhalten  bleibt,  der  allerdings  meist  noch  silbische  Natur 
bewahrt ;  das  ein  e  r  a  u  s ,  e  r  a  b ,  e  r  f  ü  r ,  e  r  z  u  ;  enweg  etc. 
ist  nur  der  graphische  Ausdruck  dieser  vocalischen  Natur  des  r 
und  u,  —  sicher  hat  man  schon  in  mhd.  Dialekten  raus  und 
'naus,  'runter  und  'nunter  gesprochen. 


1  cf.  Kaufmann  Geach.  d.  «chwäb.  Mundart.    8.  204. 


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-    45  - 


E  r  im  Titel  erscheint  sehr  häufig  in  den  mittelalterlichen 
Urkunden;  auch  Luther  sagt:  „Glück  zu,  Er  König!44 
Dass  auch  hier  von  der  ganzen  Silbe  mir  ein  vocalisches  r 
übrig  geblieben  war,  beweist  die  (nach  ])icffenbnch-\Vülcker 
S.  660)  in  thüringischen  Urkunden  vorkommende  Schreibung 
i  r  —  das  i  ist  nur  andere  Form  für  das  oben  charakteri- 
sierte e.  Noch  heutzutage  kann  man  vielfach  „r  Pastor44, 
„V  Doktor44  hören. 

Der  ursprüngliche  Sinn  dieser  verschluckten  Titulatur 
geriet  zeitweise  so  sehr  in  Vergessenheit,  dass  in  Fällen, 
wo  „der  Begriff  „Herr44  in  mehr  bedeutsamer  Weise  hervor- 
gehoben werden  sollte,  es  üblich  ward,  das  Wort  herre, 
here  in  seiner  vollen  Form  noch  einmal  zu  setzen44.  (F.  Bech. 
Zeitz,  prog.  1870.  S.  22).  Schliesslich  lehnte  sich  das  Wort- 
fragment an  Titulaturen  wie  er  bar,  ersam  an,  und  so  kam 
die  verlängerte  Form  e  h  r  auf,  die  noch  in  dem  „Ehren  Pastor44 
des  vorigen  Jahrhunderts  zu  Tage  tritt. 

Aphärese  im  vollbetonten  Wortlaute  ist  also  undeutsch ; 
wo  sie  in  rein  deutschen  Quellen  dennoch  vorkommt,  ist  sie 
als  Schreibfehler  anzusehen  oder  höchstens  als  Folge  indivi- 
dueller fehlerhafter  Aussprache ,  die  niemals  den  Anspruch 
erheben  kann,  in  das  Gesammtbild  der  deutschen  Sprache 
aufgenommen  zu  werden,  —  wozu  die  Prothese  als  dialek- 
tische Eigentümlichkeit  durchaus  berechtigt  ist. 

Das  deutsche  h  hat  seinen  Hauchwert  im  Wortanlaute 
bei  gewöhnlichem  Tone  voll  bewahrt;  wohl  haben  sich  in  dem 
geschilderten  Entwicklungsgänge  der  Prothese  neue  Hauche 
bilden  können,  —  ein  alter  Hauch  ist  dagegen,  auch  wo  er 
im  Satzzusammenhange  weicher  werden  musste,  nur  selteu  in 
Gefahr  geraten  zu  verstummen :  auch  in  der  schnellen  Hede 
ist  das  deutsche  h  weit  entfernt,  mit  dem  romanischen  Spiri- 
tus asper  das  gleiche  Schicksal  zu  teilen,  wenn  es  sich  dem 
Lautwerte  desselben  auch  wirklich  nähert. 


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—    46  - 


B. 

DIE  VERBREITUNO  DER  DEUTSCH DN  APHAERE8E. 

Aphärese  oder  besser  Synärese  im  W  o  r  t  i  u  n  e  r  n 
und  ebenso  Aphärese  am  Anfange  tonloser  Wörter  kommt  zu 
allen  Zeiten  und  in  allen  Dialekten  vor,  das  hat  die  vorher- 
gehende Erörterung  schon  gezeigt.  Ich  kann  hier  davon  ab- 
sehen und  mich  auf  die  87  Fälle  „schwerer"  Aphärese  (im 
vollbetonten  Wortanfange  —  die  Altdeutscheu  Gespräche 
ausgeschlossen  — )  beschränken. 

24  Fälle  sind  von  bairischen,  18  von  alemannischen,  25 
von  fränkischen,  20  von  niederdeutschen  Schreibern  überliefert. 

—  Es  scheint  demnach,  als  ob  zwischen  den  einzelnen  Dia- 
lekten auch  hier  kein  grosser  Unterschied  bestände,  höchstens 
kann  es  auffallen,  dnss  die  wenigen  niederdeutschen  Hand- 
schriften so  stark  vertreten  sind. 

6  bairischc,  5  alemannische,  nur  3  niederdeutsche,  nur 
2  fränkische  Fälle  sind  nachträglich  beseitigt:  das  rückt  die 
Erscheinung  schon  in  ein  anderes  Licht. 

Gehen  wir  nun  vollends  den  Spuren  des  Fränkischen 
nach  in  der  oberdeutschen  Überlieferung,  so  finden  wir,  dass 
von  den  67  hochdeutschen  Belegen  54  fränkisch  sind  oder 
wenigstens  auf  eine  fränkische  Vorlage  zurückgeführt  werden 
können  —  höchstens  13  Nummern  blieben  übrig  als  Belege 
für  rein  oberdeutsche  Aphärese ;  von  ihnen  stehen  auch  noch 
5  Fälle  in  den  nicht  ganz  sichern  Keronischen  Glossen,  und 

1  Fall  in  der  Vorauer  jüngern  Judith ;  1  steht  in  der 
Münchener  Beichte,  1  in  Olm.  14395,  2  im  Trudp.  Hohenliede, 

2  im  Rheinauer  Paulus,  1  in  den  Züricher  Predigten.  — 
Von  alamannischen  Belegen  zeigen  fränkische  Spuren  7  Fälle, 
von  bairischen  10  Fälle;  hochfränkisch  sind  2,  süd-  und  ober- 
fränkisch  5,  mittelrränkiseh  30  Fälle. 

Danach  lässt  sich  sagen:  Die  Erscheinung  ist  in  den 
oberdeutschen  Dialekten  sehr  selten,  häufiger  im  Fränkischen 

—  sie  wächst  mit  der  Annäherung  an  die  niederdeutsche 
Grenze.  —  Bis  dahin  bleibt  sie  der  Prothese  gegenüber  rela- 
tiv immer  noch  sehr  gering,  sie  kommt  derselben  gleich  in 


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-  47 


der  "Wernher  vom  Niedeirhein-Handschrift,  deren  Schreiber 
hart  an  der  Grenze,  und  im  Florentiner  Glossar,  dessen 
Schreiber  wohl  schon  jenseits  der  Grenze  anzusetzen  ist;  sie 
überholt  die  Prothese  -  Erscheinung  im  altniederdeutschen 
Heliaud  und  einigen  niederdeutschen  Glossenhandschriften. 

Es  ist  ja  nun  immerhin  möglich,  hierin  ein  Zeichen  für 
grössere  Empfindlichkeit  und  Schwäche  des  Hauchlautes  im 
Altniederdeutschen  und  dem  angrenzenden  niederrheinischen 
Gebiete  zu  erblicken  —  aber  ich  möchte  diese  Behauptung 
nicht  wagen.  Die  Anzahl  der  Belege  —  in  den  grossen 
Heliandhandschriften  sind  es  zusammen  nur  6  hierher  gehörige 
• —  ist  doch  allzu  gering  —  andere  niederdeutsche  Belege 
sind  corrumpiert,  und  besonders  die  Wernher-Handschrift 
auch  das  Florentiner  Glossar  sind  zu  „gräulich44  überliefert, 
um  <feste  Stützen  zu  bieten.  Der  mittelniederdeutsche  und 
neuuiederdeutsche  Hauchlaut  ist  völlig  intakt  —  diese  Unter- 
drückungen des  altsächsischen  h  sind  also  wohl  auch  nicht 
mehr  gewesen  als  Flüchtigkeiten  oder  höchstens  individuelle 
Sprachfehler.  —  Für  das  uiederfräukische  Gebiet  in  seinem 
südlichen  Teile  wäre  ja  die  Annahme  wohl  gestattet,  dass 
dem  im  Mittelniederländischen  so  verwirrend  hervortretenden 
romanischen  Einflüsse  eine  gewisse  Schwäche  des  Hauch- 
lautes schon  entgegengekommen  wäre  —  aber  auf  die  Ad. 
Gspr.  und  jene  Glossen  vom  Cambrai,  Boulogne  u.  St.  Omer 
darf  man  sich  nicht  stützen  —  und  die  altniederfränkischen 
Psalmen  zeigen  keinen  einzigen  „schweren44  Fall  von  Aphärese. 

Die  hochdeutschen  Idiome  des  fränkischen  Dialektes 
lassen  erst  recht  keine  solche  Behauptung  zu.  Die  Fälle 
sind  —  von  der  Wernher-Hds.  allein  abgesehen  —  denn  doch 
viel  zu  selten  selbst  im  mittelfränkischen  Dialekte,  um  Schlüsse 
auf  die  Natur  des  Lautes  zu  gestatten.  Im  grossen  König 
Rother,  der  doch  sogar  nahe  an  der  Grenze  abgefasst  ist, 
sind  nur  3  Fälle,  im  Rolandsliede ,  in  der  Vorauer  Kaiser- 
chronik nur  je  2  Fälle   zu  constatieren ;  so  umfangreiche 


1  Hier  auch  der  einzige  Fall  (h  e  i)  eigentlicher  Prothese  vor 
vocalisohem  Auslaut,  (cf.  S.  11).  8ind  vielleicht  flandrische  Bezie- 
hungen anzunehmen? 


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—    48  - 


Denkmäler  wie  der  Leydener  Williram  und  die  Trierer 
Psalmen  bieten  gar  keine  Belege. 

Flüchtiger  und  unsicherer  ist  man  im  Niederdeutscheu 
und  Fränkischen  gewesen ,  das  lässt  sich  wohl  behaupten, 
und  darum  hat  man  vielleicht  das  Recht,  die  in  gemischten 
fränkisch-oberdeutschen  Handschriften  vorkommenden  Aphä- 
resefälle  dem  fränkischen  Elemente  zuzuschreiben  —  aber 
die  Erscheinung  kommt  ja  auch  in  sicher  rein  oberdeutschen 
Quellen  vor,  und  man  hat  keinen  Grund,  aus  der  grossem 
Flüchtigkeit  der  Schreiber  ohne  weiters  auf  eine  Schwäche 
des  mitteldeutschen  h  zu  schliessen.  Wie  wäre  wohl  damit 
in  Einklang  zu  bringen,  dass  sich  im  Fränkischen  die  Schrei- 
bung eh  für  h  am  läugsten  hat  erhalten  können,  und  besonders 
damit,  dass  (nach  Frommann  Zs.  VII  S.  47.)  im  Krefelder  (irenz- 
dialekte  das  h  heutzutage  noch  einen  Luutwert  haben  soll, 
der  zwischou  dem  Hauche  und  der  (iutturulspirnns  die  Mitte 
hält? 


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DIE  BELEGSTELLEN  FÜR  ALTDEUTSCHE  PROTHESE 

UND  APHAERESE. 


ÜBERSICHT  NACH  DEN  DENKMÄLERN. 


ALEMANNI8CHE  DENKMÄLER. 

1.  Vocabular  ium  S.  Galli.  aaec.  VIII.  Sgall.  913. 

P.  1.  hahir  (spicas).  QF.  III.  gl.  72. 
2.  h  e  c  h  t  (possessio),  gl.  306. 

2.  S.Paul.  XXV  a/1.  a.  St.  Blasien.  Gl.  zu  Evang. 
Lucae.  saec.  VIII. 

P.  1 .  h  a  t  o  u  u  i  (VIII).  I.  1  732,  62. 

2.  hahtozofeoriu  (LXXXIV).  735,  39. 

3.  hih  (ego).  737,  13. 

3.  Gl.  K.  Keronisch es  Glossar,  saec.  VIII.  Sgall.  911. 

P.  P  fona herostin (a Stirpe) 


I.  21,  22. 

2.  herhaft  (exorabilis). 

137,  17. 

3.  unharmaherz  (immi- 

sericors).  183,  21. 

4.  herhaft  (infolas)  199, 

20. 

5.  altherda  (omnis 

terra).  208,  30. 


A.  1.  eiti  (8exu).  31,  14. 
2.  inaldhet.  43,  26. 

(adcliuus). 
?  usinari.  197,  2. 

(ostiarius). 
4.  in  olem  felisom. 
252,  32.  (concauis  saxis). 
?oroh  ti  mosci.  255, 
21.  (eornipea). 


1  Die  röm.  Ziffern  I.  II.  vor  den  Belegzahlen  bedeuten  Band  I 
oder  II  der  Steinm.-Siever'schcn  Glossen. 

*iF  .  lxjx  4 


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50  — 


(L  h«>ra  (honorificat).  240.  29, 

L  halti  (senium).  246,  ILL 

8,  hocgo  pugi  (traniite)  256,  2. 

IL  habulinonsi  (coudincncia).  258.  4. 

4-  K  a.  K  e  r  o  il  C r  1.  C  a  r  o  1  s  r.  CXI.  a.  Reichenau,  saeo.  IX. 
I\  L  arhaltet  (vetula).  L  5,    A.  L  unolda  (diabulus). 

32.  30, 

2.  (iz  hintirostin  (de-  ?  analdi  (iniit).  22S, 

mum).  99,  6.  2. 

•IL  unmezhalt    (grandis  iL  agana  (sentes). 

senex).  16L  31L  247,  9. 

4,  h analinet    (incubat).  1 93,  18. 

iL  holdera  sahu  (quam  obrem),  234,  25,  -  ob(a). 

iL  Murbacher  Hymnen  Oxon.  Jun.  25,  Raec.  IX. 

1\  L  hantheizzom  (votis).  III.  ^  L 

2.  hensti  (gratiae).  III.  3,  & 

3,  heitar  (venena).  III.  5,  4. 
4*  hera  (honor).  YI.  4. 
iL  herda  (terra).  VII.  8,  3. 
IL  hafter  (post).  VIII.  L  ~ 
L  hehtim  (praodiis).  VIII.  L 

8,  hupilo  (male-).  VIII.  9,  2. 

9,  hantreiti  (ordine).  XI.  3,  L 
HL  harcheban  (redditum).  XII.  2j  4. 
LL  haban  d  sterre  (vespero).  XIV.  2,  L 

12,  hantreiti  (ordinem).  XIV.  2j  4- 

13.  harbeiti  (labores).  XIV.  3,  iL 
L4.  huus  (nobis).  XVII.  3,  L 
UL  zahaban de  (ad  vesperum).  XVIII.  1_,  2. 
11L  harstantit  (surgit).  XIX.  3,  4. 
LL  hostrun abaud.  XXI.  3,  L 
liL  hostarlicheru.  XXI.  7^  2. 
liL  hentriskes  (antiqui).  XXIV.  9,  L 

IL  Ja.  Oxon.  Jun.  2iL  Glossen  zu  Bibel  u.  Passioue8 
naec.  IX. 

L  315,  iÜL  Genesis. 

IM.  L  luzzil    hahtonter  (parvi    pendeus).   (8-N.  174). 


—    51  — 

2.  gahotagoter  (locupletatus).  (174).  315,  39. 

3.  arhaughit  ist  (promulgatur).  (178.)  364, 25.  Numeri. 

4.  habui  (averaio).  (181).  543,  5. 

5.  habucr  (veraipellia).  (181).  543,  28.  Parabola. 

6.  habui  (versutia).  (189).  ? 

7.  he  altiger  (religiosus).  (189).  587,  25.  Eeclesiast. 

8.  hatunga  (inaectatio).  (189).  587,  19. 

9.  in  healtidu  (in  religione).  (189).  587,  52. 

10.  hili  (atudeat).  (193).  ? 

11.  helahun  (tragelafum).  (184).  n.  742,  7.   Pass.  Barth. 
A.  1.  healtiger  (religioaua).  (189).  I.  587,  25.  Eoclesiast. 

2.  in  healtidu  (in  religione).  (189).  587,  52. 

3.  eidhangelt  (aacrilegium.  (183).  II.  766,  23. 

Pass.  Thom. 

7.  Ib.  Oxon.  Jim.  25  Alphabet.  G  1.  u.  Gl.  zu  Gregor. 

aaec.  IX. 

Alphabet  Gl. 

P.  1.  kihabuhter  (depravatua).  (ß-N.  202).  I.  277,  44. 

2.  [h]armote  (egeatate).  (?)  278,  52. 

3.  hahaala  (humorua).  (208).  280,  65. 

?  h  a  n  t  mazzistun  Oimpidissimi).  (212).  283,*  59. 

5.  hefihauna  (obatetrix).  (215).  285,  49. 

6.  harauahti  (probaret).  (219).  287,  45. 

7.  h  u  b  a  r  fahenti  (prevaricana).  (220).  287,  69. 

8.  her  da.  herd.  (aolum)  (225).  291,  13. 

?  heimatrir.  liutpaga  (aeditio).  (227).  292,  11. 

10.  h  irrer  (vagua).  (231).  294,  36. 

11.  huhaldi  (divexum).  (203).  II.  260,  16.     Gre*.  dial. 

12.  huruuafani  (inhermia).  (211).  316,  9.  Greg,  homil. 

13.  hunpuakkhic  (idiota).  (211).  316,  21. 

14.  heimatriti  (pervicax).  (222).  317,  22. 

8.  Rd.  Carolsr.  10.  a.  Reieheuau.  Alphabet.  Gl.  u.  Gl.  zu 

Gregor,  aaec.  IX. 

Alphab.  Gl. 

P.  1.  hambaht  (emiaaariia.  miniatria).  I.  279.  anm.  2. 
?  h  a  n  tmazziatun  (limpidiaaimi).  283,  59. 

3.  hefihauna  (obatetrix).  285,  49. 

4.  herda  erd.  (aolum).  291,  13. 

4* 


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-  52 

?  heim  strit.  liutpaga  (seditio).  292,  11. 

6.  h  i  r  r  e  r  (vagus).  294,  36. 

7.  h  i  o  kauuedarero  (utrique).  II.  808,  51.  Greg,  homil. 

8.  [h]unpuachik  (idiota).  316,  21. 

A.  1.  uskinozza  (domestici).  i.  277,  62.         Alphab.  Ol. 

2.  ouarohter.  (gyppus).  280,  48. 

3.  herda.  erd.  (solum).  291,  13. 

9.  T  e.  Oxon.  Ju  n.  25.  ((}  1.  zuCo  d.  h  o  in  i  l.)  s  a  e  c.  IX. 

T.  1.  herhaft.  uuih.  (pius).  8-N.  245. 

2.  pitoilet  hilit  (privat).  245. 

3.  h  e  halto  (pontifex).  245. 

4.  harmanti  (rapidus).  248. 

10.  Rz.  Carolsr.  IC.  a.  Reichenau.   Gl.    zur  Bibel. 

saec.  IX. 

IM.  hiru  (sibi).  I.  335.  16.  Exodu«. 

2.  tatut  h  i  r  (fecistis).  335,  23. 

3.  h  i  c  (ego).  335,  55. 

b 

4.  ki  a  r  i  n  d  a  t  (exasperaveritis).  410,  34.  Judicum. 

5.  hiuuarcr a  (uestro).  425,  8.  Re^um. 

6.  8uli  lujrino  (columna*  ercus).  447,  15. 

7.  nieri  horiran  (inare  oreinn).  458,  55. 

8.  anahilton  (inhiabant).  493,  31.  Esther. 

9.  h  u  t  mahiliin  (dilic-iis).  493,  34. 

10.  hauuer:f  (abortivum).  510,  1.  Job. 

11.  in  feter  h  eri  b  u  m  (in  paternis).  585,  68.  Eccle*. 
A.  1.  (tyrfahga  (ligones  .  .  .  .)  678,  1.  Michea. 

11.  Benedictinerregel.  Sgall.  916.  saec.  anf.  IX. 

I\  1.  hubilan   (maluin).       A.  l....orreu.  118.4. 
Hatt.  I.  55,  3.  (obedire). 

2.  h  a  c  h  u  s  t  i  in  (vitiis).  57.  vorl.  z. 

3.  ke  h  a  u  c  k  e  n  (demonstrare).  57,  1.  z. 

4.  mitheru  (cum  honore).  61,  3  v.  u. 

5.  in  h  eri  st  (imprimis  [horis].  67,  14. 

6.  h  e  i  k  i  n  i  n  (proprii).  112,  5  v.  u. 

12.  P  s  a  1  m  e  n  v  e  r  s  i  o  n  a.  SG allen.  Dillingen-Münchnerfrgni. 

SiU'V.  IX. 


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53 


P.  1.  h  e  1  i  diota  (alienigena).    A.  1 .  oll  a  (in  fern  i)  1 14, 
107,  9.  3. 

2.  hiuuuih  (vos).  113,  14. 

3.  hiuuuih  (vos).  113,  14. 

4.  /*  i  u  u  u  e  r  i  u  (vestros).  113,  14. 

5.  herda  (terram).  123,  7. 

6.  her  (ipso).  129,  8. 

13.  Christus  u.  die  Samariter  in.  Wien-Lorscher  Hds. 

saec.  X. 

P.  1.  her  (prius).  Dkm«.  10.  v.  26. 
2.  [h]  e  n  i  n  (unum)  v.  27. 

14.  Sgall.  183.  Gl.  zu  Cassianus.  auf.  saoe.  IX. 

P.  1  uuio  halto  (quam  olim).  gl.  II.  155,  32. 

15.  Carolsr.  Aug.  CCXVII.  a.  Reichenau,  öl.  zu  Sodu- 

lius.  saec.  IX. 
P.  A.  1.  heialtlihia  (religiosa).  gl.  II.  620,  52. 

16.  Carolsr.  Aug.  CCXX  a.  Reichenau.  Gl.  z.  Gregor. 

c.  pastor.  saec.  IX. 
P.  1.  hilet  (adtendit).  ir.  233,  38. 
2.  huobare  (colonus).  233,  47. 

17.  Sgall.  216.  Gl.  zu  Gregor,  cura  pastoralis.  saec.  IX. 

P.  1.  hobit  (exor(c)it.  n.  243,  41. 
2.  hilint  (moliuntur).  243,  42. 

18.  Sgall.  218.  Gl.  zu  Gregor,  cura  pastoralis.  saec.  X. 

IM.  hist  (existit).  n.  243,  33. 

10.  Turic.  (Rhonov.  35).  Gl.  zu  Gregor,  cur.  past.  saec. 
IX/X. 

P.  1.  hahtont  (iusecuntur).  Ii.  240,  10. 

A.  oucror.  (gibbus).  II.  237,  24. 

20.  C  h  o  1 1  e  n  h  a  m.  18908.  Gl.  zu  Gregor,  dial.  saec.  IX. 

P.  1.  hufortson  (supinum).  11.248,  11. 

2.  h  ah  ton.  (insoctati  sunt).  248,  14. 

3.  h  e  t  i  c  (idoneus).  248,  47. 

4.  halda  h  u  a  haldi  (clivum)  249,  21. 

21.  Sgall.  283.  Gl.  zur  Bibel,  saec.  IX. 

P.  1.  heia  ho  (tragolaphus).  I.  366,  9.  doutoronnm. 


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—    54  — 

22.  Sgall.  9.  Ol.  zur  Bibel,  saec.  IX  X. 

P.  1.  helaho  (tragelafum).  i.  367,  13.  deuteronom. 
(23.  Sgall.  1305.  (»1.  zur  Bibel,  saec.  IX. 

A  1?  auarah.  (gurgustium.)  i.  507.  28.  j0b. 
24.  Mon  herein.  127.  Ol.  zur  Bibel,  saec? 

A.  1.  unibanga.  (cortinej.  I.  329,  58.  Exod. 
25  Sgall.  299.  Verschiedenes,  saec.  IX 'X. 

P.  1.  hirofolgarun  (pedissequas  eins).  1.488.  28.  Esther. 
2.  he  bah  (ederam).  I.  G76,  1.  Jonas. 
?  hantprahti  (contractu).  II.  99.  Canon. 
?  heinstrit  (seditiones).  II.  204,  24.      Greg.  Homil. 
5.  haruiz  (pisa).  Hatt.  I.  289.      Natu  rgeaeh  ich  H.  OL 

26.  Carolsr.  Aug.  (XXXV.  Ol.  zur  Bibel,  saec.  X. 

P.   ?  hepuhen  (siniias)  zu  abuh?  I.  430,  40.  Regum. 

2.  h  i  ru  folgarun  (pedissequas  eins).  488,  29.  Esther. 

3.  he  bah  (hederam).  070,  1.  Jona«. 

27.  Stuttg.  thcol.  et  phil.  218.  a.  Zwiefalten,  gl.  zur 

Bibel,  saec.  XI. 

P.  1.  heia  ho  (tragelaphuw).  i.  307.  13.  Deuteron. 

?  he  buh  en  al.  äffen  (simias).  430.  40.  Regum. 

3.  hileut  (operam  detis).  774.  10.  Thessalon. 

28.  Pauli  XXV  d.82.  a.  S.  Blasien  (?).  Ol.  zu  Bibel 

u.  Oreg.  c.  past.  saec.  X. 
P.  1.  huafftaftiu(pitaciis  modicis  iwiolis).  I.  370,8.  Josua. 

2.  hirforscont  (conprobent).  370,  20. 

3.  in  h  e  r  d  a  (in  saltuin).  393.  2.  Judicum. 

4.  ?  durc  huzlettida  (delaturam).  502,  47.  Eoclesiast 

5.  [hjirrinnit  (generatur).  n.  202,  50.    Greg.  c.  p. 

0.  mit  h  a  b  i  c  h  e  ni  o  (aversa[hastal).  200,  0. 

29.  Turic.  (Rhcnov.  00.).  gl.  zur  Bibel  saec.  XI. 

1 .  h  o  c  h  i  s  a  n  (ascellas).  i.  340,  1 4,  Leviticus. 

2.  h  o  c  h  c  a  1  u  e  r  (recalvaster).  349,  49. 

3.  hbgasal  (albugo).  351,  48. 

4.  hört  (angulos)  301,  13.  Numeri. 

5.  hirgaccizon  (niutire).  379,  4.  Josua. 

A.  1.   kiactir  (pcrcussus)  301,  30.  Numeri. 

30.  8 tut tg.  herm.   26.   a.    Weingarten.  Ol.  zur  Bibel. 

saec.  XII. 


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—    55  — 


P.  1.  huberlith  (opcrculum).   I.  361,  22.  Numeri. 

A.  l.kiachter  (percussus).  861,  31.  Numeri. 
2.  h  al  s  pe  rga  (lorica  . . )  401,  10.  Judicum. 

31.  Angelomont.  a.  S.  Blasien.  Bibelgl.  saec.  XI. 

P.  1.  huf  (desursum).  I.  517,  18.  Psalmen. 
A.  1.  indirscrenchiger.  (vcrsipellis).  533,  37.  Parabola. 

32.  Carolsr.  Aug.  CLXXVI1I.  a.  Reichenau.  Bibel- 

glossen.  saec.  XL 
P.  1.  aft  huns  (post  nos).  i.   713,  71,  Et.  Matth. 

33.  Selestad.  Abschrift  Murbacher  (?)  Glossen  lOJhdts. 

saec.  XII. 

P.  1.  umbc  hatttage  (ferc  dis  octo)  I.  727,32.  Luoae. 
A.  1 .  antabcntu.  (longo  ageutc).  I.  727,  27.  Lueae. 

2.  einzugilcr  (idiota).  727,  35. 

3.  gchilt  (aspirat.  fauet).  II.  39,  11.  Arator. 

4.  kihohtikoten  (preditis).  214,  58.         Greg.  o.  p. 

5.  heim  strit  (scditioncs).  264,  24.  Greg,  horaü. 

6.  enkekinh  ufstonte  (assurrexerint).  675,  19.  VergiL 

7.  wassiu  h  i  s  (aspera  glacies).  675,  44. 

8.  mer  h  e  [ht]  (prerogativa).  682,  55. 

9.  hisili  (postliminio).  737,  6.  Vita  Malchi. 

10.  hoheT(auunculus).  Zs.  V.355,8.  Naturgesohiohtl.  Gl. 

11.  hohsinari  (bubulcus).  355,  57. 

12.  ?  h  o  h  i  1  a  r  i  (occipium).  356, 3.  (für  (h)uochalwari  ? 

13.  hohsinari  (bubulcus).  358,  3. 

34.  Brit.  Mus.  add.  mscr.  19723.  a.  Ottobeuren  (?).  Gl.  zu 

J  u  v  e  n  c  u  s.  saec.  X. 
P.  1.  zuohilinta  (ruentes).  Germ.  XXXII.  S.  354*. 

35.  Vadian.  336  n.  S.  Gallen.  Gl.  zu.  Arator.  saec.  X. 

P.  I.  hebenaltcro  (coevo)  II.  36,  11. 

36.  T  u  r  i  c.  c.  1 64.  Gl.  zu  1*  r  u  d  c  u  t  i  u  s.  saec.  IX  X. 

P.  1.  firhksklkt  xxbd.  (firhisilit  uuard)  (oxulat).  II.  579, 

33. 

37.  Prag.  VIII.  11.  4.  Ol.  zu  Prudeutius.  saec.  IX/X. 

P.  1 .  helitentuo  m  o  (postliminio).  H.  406.  50. 
(für  h-elilent-tuomo  (?)  cf.  ihsili). 

38.  S  g  a  1 1.  134.  ( rl.  zu  P  r  u  d  c  n  t  i  u  s.  aaec.  X. 

P.  1.  hie  m er  (in  aevum).  II.  487,  1. 


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2.  h  u  haldigun  (summissum).  488,  13. 

3.  h  o  b  i  n  tinga  («umina).  488,  48. 

39.  Mon.  horem.  316.  Gl.  zu  Prudentius.  saec.  X. 

P.  1.  umbc  h  »i  t  Ii  1  i  c  h  i  u  (inseia).  Ii.  502,  5. 
2.  heribo  (heres).  513,  30. 

40.  Bcru.  264.  Ol.  zu  Prudentius.  saec.  X. 

P.  1  h  b  r  b  m  b  (arania)  (privates).  Ii.  527.  45. 

41.  Pari  8.  n.  a  e  q.  241.  a.  Augsburg.  Ol.  z.  P  ru  d  e  n  t.  saec.  X. 

P.  1.  hehir  (agris).  II.    473,  28. 

42.  C  1  ni.  14395  a.  S.  !•"  in  in  eram- Augs  bürg.  Ol.  zu  P  r  u  d  e  n  t. 

saec. 

P.  1.  deantahis  (tepcns  glacies).  II.  444,  68. 
2.  h  c  b  i  r  (agris).  473,  28. 

A.  l.izzontero.  11.416.  1.  (estuante). 

43.  C 1  m.  18922  a.  Tegernsee.  Ol.  zu  P  r  u  d  e  n  t  i  u  s.  saec.  X. 

P.  1.  hebruclichan  hen  (legirupis).  n.  477,  5. 

44.  V  i  n  d  o  b.  247.  Ol.  zu  Prudentius.  saec.  XI. 

P.  1.  bah  zu  sera  (pro  pudor).  n.  399,  33. 

45.  A  p  p  o  n  y  i.  Pressburg-Augsburg.  Ol.  zu  Prüden  t.  saec. 

x/xi. 

P.  1.  herlekanaz  (residem  [ovem]).  Ii.  539,  28. 

2.  hopferhus  (sacellum).  543,  21. 

3.  heigit  (veudieat).  546,  20. 

46.  Augsburger  I  neu  na  bei.  Ol.  Salomonis.  saec.  ? 

P.  1.  vil  h  i  r  re  r  (multivagus).  Hoff.  Ahd.UI.  50,  23. 

47.  Sgall.  242.  Naturgeschic htl.  Ol.  saec.  X/XI. 

P.  1  herda  (terra).  Haiti.  296«. 
2.  hohasa  (ascella).  299*. 

A.  ?  abageiz  (de  tipulla)  279\  (8t-S.  setzen 

ahageiz  in  den  Text). 

48.  Angelomout.  14/11.  Na  t  u  rgesc  h  i  c  Ii  1 1.  Ol.  a.  St. 

Blasien,  saec.  XII. 
P.  1  hancho  (butirum).  Germ.  XVIII.  48. 

49.  Prag-Lobkowitz   a.    Weissenau.  Naturgusehichtl. 

01.  saec.  X.  u.  XI. 

P.  1.  haic  (quercus).  Ad.  Bl.  211. 

2.  hasc  (braxinus).  211. 

3.  h  a  r  1  e  z  b  o  m  (cornus).  211. 


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57 


4.  ebah  al.  hcbchuuoi  (edera).  z».  III.  472. 

5.  helbez  (olor).  475. 

50.  Prag.  Mus.  Gl.  Salomonis.  saec.  XII. 

P.  1.  he  Ina  (ulnus)  Graff.  I.  249. 

51.  Clm.  17152.  Gl.  Salomonis.  saec.  XII. 

P.  1.  hei  oho  (alx).  diut.  III.  263. 
2.  heim  (ulnus).  Graff.  I.  249. 

cf.  der  b6m  h  o  1  m.  Graff.  IV.  926  zu  ? 

52.  NoltesFragment.  Naturgeschichtl.  Gl. saec. XI. 

P.  1.  heloho  (alx).  Germ.  XX.  149. 
2.  haspa  (tremulus).  150. 

53.  Berolin.  mscr.  lat.  4°.  25.  Gl.  zu  Vergil.  saec.  XI. 

P.  1.  heich  (aesculus).  I.  721,  1. 
2.  herilun  (alni).  721,  15. 

54.  Zwetl.  Gl.  Salomonis.  saec.  XI/XII. 

A.  1 .  zuoflut  u  s  (asylum).  Hoff.  Ahd.  Gl.  55,  9. 

55.  Bern.  722,  1.  Naturgeschichtl.  Gl.  saec.  XII.  Copie 

X  XI  saec. 

P.  1.  h  e  i  t  e  r  nezila  (greganega).  Germ.  Stud.  II.  261. 

56.  Turic.  58.  Naturgeschichtl.  Gl.  saec.  XII. 

P.  1.  hasenhore  (didimo).  diut.  II.  176. 
2.  heiternezzel  (urtica  germanica).  276. 

57.  Heidelberg.  Summarium  Heinrich  saec.  XII. 
57».  (II  e  i  d  e  1  b  e  r  g-Salmansweiler.  Sum.  Hoinr.  saec.  XI  II). 

P.  1.  hebirwrz  (cardopana).  Germ.  XIX,  216  (Mone 

4,  95.  16). 

2.  heringriez  (alictum).  Germ.  XIX,  216  (Mone 

4.  96.  63). 

3.  heittirnezzili  (urtica  germanica).  Germ.  XIX.  216. 

58.  G  eorgsleich.  Cod.  Palatin.  saec.  X/XI. 

Kegelrecht  steht  v  o  c  a  1  i  s  c  h  e  r  Anlaut  in  61  Fällen. 
Eigentliche  Prothese  liegt  vor  in  9  Fällen. 
P.  huuszieen  24.  uhff h  e  rstuont.  26.  32.  33.  41. 

her  33.  27;  40.  er  50.       uhffherstan.  32». 
Unorganisch  ist  h  hinter  vocal.  Anlaut  gestellt  in 
21  Fällen: 

zz.  8.  13.  20.  20.  24.  24.  24».  26.  30.  31.  32.  33. 
32b.  41.  43.  44.  46.  52.  53.  56/  56. 


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—  :>s  - 


Flegel  rocht  im  Anlaut  steht  h  in  6  Fällen :  zz.  3. 
19  36.  32  \  45.  45. 

Eigentliche  A  p  h  ä  r  c  s  e  kommt  nicht  vor. 
Anlautendes  h  ist  hinter  den  folgenden  Vocal  gestellt 
in  28  Fällen:  zz.  1.  5.  8.  9.  9.  18.  22.  24.  24.  etc. 

59.  Ezzos  Lei  eh.  Strassburgor  Ilds.  saec.  XI. 

P.  1 .  hei  na  v.  1 . 

60.  Der  «ältere  Physiologus.  Wiener  Hds.  sacc.  XI. 

P.  1.  hcz.  dkm1  32.  cap.  9. 

2.  heissci.  cap.  12. 

3.  h  ost  e  rl  i  h  e  hu  n.  cap.  12. 

61.  Sgall.  232.  Glaube  und  Beichte  I.  saee.  XI. 

P.  hich  17  mal.  Hatt.  I.  8.  329.  zz.  1.  5.  9.  12.  13.  13. 

14.  15.  16.  17.  23.  25.  28.  31.  38.  39.  43. 

18.  hie  z.  12.  (überflüssig  vor  hich  stehend). 

pittich  z.  18:  das  einzige  ich  im  Denkmale. 

19.  hio  z.  5. 

20.  h  i  u  z.  25.  dat.  pl.  II.  p. 

21.  h  i  ue  ro  z.  30.  anm.  1. 

62.  Sgall.  1394.  Glaube  und  Beichte  II.  saec.  XI. 

P.  1.  hio.  Hatt.  I.  327b. 

4.  hie  3  mal.  327b.  328*.  328b. 

63.  Notker.  Cod.  A.  Sgall.  825.  saec.  X./Xl. 

P.  1.  h  u  u  u  e  n  unde  h  ü  uucl  a.  Piper.  I.  262, 1 1.  Boeth. 
2.  sin  h  O  h  S  o.  384,  4.  Categorien. 

A.  ?  kote  k  e  1  f  e  n  t  e  m  o.  228.  15.  Boethiu«. 
A.P  ureizgoucha.  Graff.   IV.  1089. 

64.  Notker.  Tod.  B.  Sgall.  818.  saec.  XI. 

P.  I.  sin  [h]  o  h  so.  Piper  1.384,  4.  Categorien. 

65.  Notker.  Cod.  J.  Sgall.  872.  sacc.  XI.         Maroian. Cap. 

P.  ?  hertinga  („heroes  i.  e.  terrigenac44).  Piper.  I.  822. 
12.  sonst  erdcote  für  heroes  (cf.  822,  9). 

66.  Notkor.  Cod.  D.  Turic.  121  a.  Sgallen.  saec.  XI. 

P.  1.  herista.  Piper  I.  604,  31.  (in  Aufzählung).  Syllo- 
gismen. 

2.  der  hebergat.  673,  28.  Rhetorik. 

67.  Not  kor.  Cod.  G.  Bruxoll.  8742.  saec.  XI/XII. 

P.  1.  der  hoher  gat.  Pipor  1.673,  28.  Rhetorik. 


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-    59  - 

68.  Notker.  Cod.  L.  Lipsian.  Paulin.  1489.  saec.  XI.  (?) 

P.  1.  [h]  a  h  t  o  u  u  i  u.  Piper  I.  858,  24.  Musica. 

69.  Notker.  Cod.  R.  Sgall.  21.  a  Einsiedeln  saec.  XII. 

P.  1.  er  „aus  h  corrigiert".    Piper  II.  10,  17.  Psalmen. 


2.  daz  [hjunrehr.  20,  4. 

3.  he  igen.  52,  28. 

4.  houene  (camino).  gl.  67,  3. 

5.  ze  hübe  ne  heigin.  122,  13. 

6.  fertiligot     heigin.  122,  15. 

7.  getän          heigin.  122,  18. 

8.  ferslunden   heigin.  122,  20. 

9.  can herben  (coheredes).  gl.  131,  7. 

10.  haftcr.  134,  22. 

11.  uuir  noh  ne  heigin.  198,  4. 

12.  in  haben  t.  209,  18. 

13.  iro  hören.  219,  7. 

14.  fiahflclG.  227,  26. 

15.  an  mir  heigin  t.  393,  3. 

16.  den huuucnalde diehiüuuelun.  421,  24. 

17.  potin  hora  (apostolatum).  470,  9. 

18.  (ubefh?]  er  („Rasur  nach  ubett).  504,  18. 

19.  neheina  fuora  ne  heigin.  599,  12. 


70.  W  i  1 1  i  r  a  ms  Paraphr.  d.  Hohenliedes.  Cod  O  aus. 

Einsiedeln,  saec.  XII. 
P.  1.  he  igen.  Seemüller.  95,  3. 
2.  h6in.      102,  2. 

71.  Rheinauer  Paulus- II  ds.  saec.  XII. 

P.  1.  glüginden  bovine,  v.  7.     A.  di<?  vereislichon  izzo 
2.  hichzs.  III.  518  f.  v.  22.  v.  3. 

2.  du  in  isze  ulsten.v.  39. 

72.  Libcr  con  f  ratern  i  tat  u  m.  Aug.  (saec.  XII.) 

P.  1.  unde  hirbröder.  Piper.  II.  677,  21. 

73.  Bas  ler  A  1  c x a  n  d  e  r  1  i  e d.  Abschrift,  saec.  XIII. 

P.  1.  her  (pronomen).  Werner,  v.  2900. 

74.  Predigten  des  Cod.  Turic.  a.  Schaffhausen.  saec.  XII. 

Wackern.  I-XIII. 
P.  1.  daz  frone  h  o  s  t  i  r  lamp.  II,  1 4.    A.  1 .  z  i  m  i  1  e.  III. 

2.  h  i  u  w  e  t  e  (=  iowihte)  11,41.  116. 


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3.  herbe  in  der  himilisgen  heimuto.  IN.  110. 

4.  himel  aide  herde.  IX,  2. 

5.  ze  eineme  h  o  s  t  e  r  tage.  X,  36. 

6.  niuwe  hosteran.  X,  47. 

7.  hunsereme  herren.  XI,  23. 

8.  gehört  in  himile.  XIII,  5. 

9.  hüte  loben  unde  heren.  XIII,  11. 
10.  himil  unde  herde.  XIII,  25. 

75.  Predigten  der  Engel  berger  Hds.  saec.  XII. 

Wackern. 

V.l.  2.  hich  geloube  hie  d.  heiige.     LXX1II,  1-1. 

3.  hich  gl.  u.  b.  d.  heiigen.  LXXJII,  15. 

4.  hubele  hellewark.  LXXIV,  53. 

5.  hic.  LXXIV,  60. 
7f>.  Predigten  aus  Muri.  saec.  XII. 

Wackern. 

I\  1.  himil  unde  die  herde  a.  d.  haut  hast.  LXXVl,  24. 
2.  ir  hör.  LXXX,  9. 

77.  Rein  hart  Fuchs  Heinr.  d.  Gl.  Kasseler  Hds.  saec.  XII. 

P.  1.  lieht  (cht,  eecorodo).  v.  S14. 

78.  Trudpert  er  Hohelied.  Vindob. 

2719.  saec.  XII. 

Haupt. 

P.  la.b.  huubethiuch.  6,26.  A.  "Ehe  uf  13,7. 
2.  in  derhoberosten.  12.  2.  2.  o  b  e  uf  13,0. 
;i.  in  ire  harmichait.46,24.     3.  intabin  29.2. 

4.  wir  uns  uoben  53,  10.        4.  enttabeut.  72.9. 

5.  von  herst.      72,26.        5.  ontebede  105,6. 

6.  nachderhuffcrte.S7,  21.     6.  entabeme  133,  19. 

79.  W  e  i  n  g  a  r  t  n  e  r  R  e  i  s  e  s  e  g  e  n.  saec.  XII . 

P.  1.  2.  hin  dir  dir  unde  hobi  dir.  dkm*.  4,  8.  z.  6. 

80.  W  e  r  n  h  e  r  s  M  a  r  i  e  n  1  e  b  e  n.  Augsburger  Frgm.  saec. 

XII/XIII. 

P.  1.  He  daz  sie.  Germ.  VII.  305  ff.  z.  523  (317). 
2.  daz  sie  qn  h  ä  z  noch  .  .  .  z.  585  (384). 

BAIRI8CHE  DENKMÄLER. 

1.  Pa.  Keron.  VA.  Cod.  Paris  7640.  saec.  VIII. 
P.  1.  haera  (honorem)  I.  16,  8. 


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-  61 


2.  foiia  haerostin  (a  stirpe).  20,  22. 


3.  haerhaft  (exorabilis).       136,  17. 

4.  her  da.  (terra)  168,  5. 


A.  1.  mi  g  aizzu  (adsponsione).  10,  24. 


2.  pib  a  i  z  (promi88Us). 

3.  pikaltida  (custodias). 


96,  33. 
122,  5. 


2.  R.  Hraban.  Gl.  Cod.  Vindob.  162.  saec.  IX. 

P.?   rehtige  (dites).  I.  101.  39. 

3.  Olm.  18550  a.  Tegernsee.  Gl.  zu  Gregor,  c.  p.  saec.  Till. 

P.  ?   h  i  t  uuiza  (probrose).  n.  220,  54. 

2.  epano  kihereter  (consenior).  222,  32. 

4.  Clm.  6277.  a.  Freysing.  Gl.  zu  Gregor,  c.  p.  saec.  VIII/Xl. 

P.  1.  baten  ta  (insequuntur).      II.  170,  55. 

2.  hatamas  (insequamur).         175,  22. 

3.  hattit  (insequitur).  175,  64. 

4.  cihatinne  (insequenda).         176,  60. 

5.  Evang.  Matthaei.  Monsee-Wicner  Fragment,  saec.  IX. 

P.  1.  habetgauualtinherdhu.frgm.  theot.«.  1,  18. 

2.  in  ha  er  da  hreuue.  V,  2. 

3.  dar  her  da  ni  hapta.  VI,  7. 

4.  huuauta  h  a  e  r  d  a  .  .  .  haptun.       VI,  8. 

5.  in  guota  haerda.  VII,  19. 

6.  Freysinger  Paternoster  ß.  ß  aus.  Emmeram,  saec.  IX. 

P.  1.  den  halmahtigun  truhtiu.  z.  20. 
2.  der  halmahtigo  truhtin.  z.  28. 

7.  Muspilli  a.  Emmeram,  saec.  IX. 

P.  1.  sia  hauar  kihalont.  dkm*.  3.  z.  11. 

2.  helias  .  .  .  pi  den  houigon  lip.      v.  41. 

3.  dar  man  dar  h  e  o  mit  .  v.  (10. 

4.  dia  man  dar  h  i  o  sageta.  v.  78. 

5.  scal  imo  hauar  sin  lip  .  v.  82. 

6.  dar  ni  is  heo  so  listic  man.  v.  94. 

7.  der  dar  h  i  a  u  u  i  h  t  arlingan.         v.  94. 
A.  1.  kiuerkot"hapeta'.         v.  36. 

2.  kipuazzit  a  p  e  t.  v.  99. 

8.  Clm.  19410.  a.  Emmeram  gl.  z.  Isidor  de  officiis.  saec.  IX. 


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—    62  - 


P.  1.  cahereta  (coronavit).  Ii.  343.  19. 

9,  Olm.  14747.  a.  Emmeram  Ol.  zu  Hierou.  in  Matth,  u. 
vit.  ptr.  saec.  X  cop. 
P.  1.  huohaldi  (proclivius).  H.  829.  74. 
2.  herhafti  (verecundia)  733.  34. 

10.  Clm.  18375.  a.  Tegernsee.  Gl.  zu  Priscian.  institut. 

saec.  IX. 

P.  1.  helmbüum  (ulmus)  n.  368,  14. 

11.  Clm.  19417.  a.  Tegernsee.  Ol.  zu  Canoues.  saec.  IX. 

P.  1.  kaheiscoteru  (contractu),  n.  99,  1 5. 

12.  C Im.  6375.  a.  Freysing  Gl.  zu  Rufinhist.  eccl.saec.  IX. 

P.  1.  hilta  (operam  dederat).  Ii.  607,  4. 

13.  Clm.  6325.  a.  Frey  sing  Ol.  zu  I  s  i  d  o  r  de  offieiis.  saec.  IX. 

P.  1.  hihtial.  ampahtes  (professionis).  n.  344,  20. 

14.  Clm.  6225.  a.  Freysing.  Gl.  zu  Hiob.  saec.  IX. 

P.  1.  uuonna  hiruste(ti)  (de  loco  suo)  H.  502,  11. 

15.  Clm.  17403  a.  Tegernsee.  Ol.  zur  Bibel,  saec.  X. 

P.  1.  gimesthol,s  en  (boves  pingues).  I.  433,26.  Regura. 
?  2.  oug  Ii  a  p  h  e  1  (pupillam).  685,  30.  Zacharia. 

A.  ?    arch  (sagma).  350,  40.  Levitioua. 

2.  aven  (olla).      518,  16.  Psalmen. 

3.  ebicli  (gravis).  659,  34.  Daniol. 
4.  unriner (gallinaceus).  605, 1 1.  Esaia. 

16.  V  i  n  d  o  b.  2732.  a.  Salzburg.  Ol.  zur  B  i  b  e  1.  saoe.  X. 

P.  1.  wissactuomlih  ha  tarn  (spiritus).l.  351.  30.  Leviticus. 

2.  mest  Ii  o  s  u  n  t  (boves  pingues).  433.  26.  Rcgum. 

3.  her  es  (amplifices).  579.  41.  Eccleaiaat. 

17.  S.  Florian.  III.  222  B.  Gl.  zu  Gregor  cur.  p.  u.  Canones. 

saec.  X. 

P.  1.  christanhera  reverentiam).  iL  224,  28.  Gregor. 
2.  ?  [h?]eiginun  (fundis).  II.  116.59.  Canones. 

18.  Vindob.  969.  Gl.  zu  AI  dh  clm  d.i.  virgiu.  saec.  X. 

P.  1.  hergab  (tradidit).       Ii.  21,  13. 
2.  h  u  p  h  (sursum).  22,  5. 

19.  C 1  m.  23486.  Gl.  zu  A  1  d  h  e  1  m  d.  1.  virgin.  saec.  X. 


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—   03  — 


P.  1.  heinhenti  (mancubium).  II.  19,  56. 
2.  heito  (pirarum,  ignium).      19,  74. 

20.  Olm.  14407  a.  Emmeram.  Gl.  zu  Canon  es.  saec.  X. 

P.  1.  uzzariro  heigine  (per  emancipationem).  n.  103,  49. 
(geheiscotoro  Graff  1.  496  z.  Can  8.  in  St-S. 
nicht  belegt). 

A.  1.  ungahuro  (portentuose).  101,  57. 

21.  Clin.  14754  a.  Emmeram,  a)  Gl.  zur  Bibel,  saec.  IX/X. 

P.  1.  after  huntor  (post  meridiem).  I.  302,  15.  Genesi*. 

2.  h  e  r  d  f  i  u  r  (sulphur).  302,  32. 

b)  Onomast.  Gl.  saec.? 
P.  1.  hassala.  Graff  I.  140. 

2.  helina.       „     „  239. 

22.  Clm.  13079.  Gl.  zu  Ambros.  hexam.  saec.  XII  (?). 

1.  P.  haiche  (ilices).  iL  24,  9. 

23.  Clm.  14117.  a.  Emmeram.  Gl.  zu  Ambros.  s.  Lucam. 

saec.  X/XI. 
P.  1.  heih  (ilicem).  Ii.  25,  4. 

24.  Otlohs  Gebet,  a.  Emmeram.  Autogramm  (?)  saec.  XI. 

P.  1.  [h]era  Dkm*.  83.  z.  45. 
2.  superstes  h  after  iro.  z.  68. 

25.  Yindob.  301.  Gl.  zu  Canon  es.  saec.  XI. 

P.  1.  hintinuu  <>rdu  n  t  (spernunt).  n.  116,  15. 
A.(l.  untarstanton  (insumant).  109,  59.) 

2.  erepazari  (mediocritntis).  122,  23. 

26.  Clm.  18140.  a.  Tegernsees,  saec.  XI.  Gl.  z.  Bibel,  u. 

C  a  n  o  n  e  s. 

P.  Ii  a  s  t  a  1  o  h  t  e  n  (scorpiis).     I.  439.  39.  Regum. 

2.  hirrituom  (veueua).       II.  127.    8.  Canon. 

27.  Clm.  19440  a.  Tegernsee,  saec.  XI/XII.  Gl.  zu  Canon  es. 

P.  1.  hehto  (rerum).  II.    99.  37.  Canon. 

2.  hirrituom  (venena).       II.  127.  8. 

28.  Clm.  18059  a.  Tegernsee.  Gl.  zu  Yergi  1.  saec.  XI. 

A.  1.  amstra  i.  angnr  (gurgulio).  Ii.  627.  55. 

29.  Vindob.  261.  Gl.  zu  Alcimus  Avitus.  saec.  XI. 

P.  1.  nihilti  (non  occurrerit).  n.  4,  21. 

30.  Admont.  269.  Naturgesch  i  ch  tl.  Gl.  saec.  XI. 

P.  1.  h  eich  in  er  (queruus).  z».  III.  S.  378. 


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-  64 


31.  Vindob.  1757  (rec.  3355).  Gl.  zu  Geräten,  saec.  XL 

P.  1.  heimpar  (situla).  diut.  nL  S.  405. 

32.  Innspruck.  711.  Naturgeschichtl.  Gl.  aaec.  XI/XII. 

P.  1.  hechelstein  (acirum).  Mone  VII.  599,  70. 

Vorauer  Handschrift,  saec.  XII. 

33.  Kaiserchronik. 

Diemer. 

P.  1.  mit  hichte.  37.  14.    A.  1.  sie  bevolhen  im 

2.  werltlich  here.     174.  18.  di  er.  8,  13. 

3.  her s am.  471.  32.        2.  ehlmscart. 

4.  her s am.  524.  16.  160,  19. 

5.  wer(l)tliche  here.  526.  25. 

6.  gotes  here.         526.  32. 

7.  in  grozzen  heren.  527,  13. 

8.  desriches  hdre.    527,  21. 

34.  Summa  Theologiae. 

P.  1.  herzin  dum.  95,  14. 

2.  herrin.  95,  18. 

35.  Jüngere  Judith. 

A.  1.  daz  er.  151,  16. 

36.  Alcxandcrlicd. 

P.  I.  habe.  193,  26.  A.  1.  erumbc.  195,10. 

2 ?  wert  h i u  c h ,  here  2.  orwi  d  e  r.     212,  8. 

chunich.  220,  5.  3.  arte  wale.  224,21. 

3.  hetelicher.  208,  18. 

37.  Lebon  Jesu. 

P.  1.  hurlop.        235,  3. 

2.  ha  zech  .     237,  3 

3.  heste.    .     250,  21. 

4.  habe  hübe.  263,  12. 

38.  Jüngstes  Gericht. 

P.  1.  wider  hö  f.  283,  17. 

39.  Arnolds  Fragment  vom  hl.  Geiste. 

P.  I.  heizet  sinen  hat  cm.    A.  1.  zeiner  alben  seibeu. 
356,  36.  342,  9. 

2.  zeiner  alben  seiben. 
343,  3. 


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-    05  - 

40.  Himmlisches  Jerusalem. 

P.  1.  hewen.  365,  11. 

2.  so  hevet  er  hufwerde  365,  16. 

3.  den  halm  von  der  her  de.  365,  17. 

4.  hin.  365,  19. 

5.  hiu.  367,  18. 

6.  hobene.      367,  20. 

7.  hiuch.         372,  19. 

8.  hiuch.  372,21. 

9.  di  gotis  he.    372,  23. 

41.  Milstädter  Handschrift,  saec.  XH. 

Genesis.  Oiem. 
P.  1.  den  hewigen  hört.  112,  20. 

42.  Exodus.  Diem. 

P.  1.  here  so  harte  ennahest.  125,  33. 

43.  Hochzeit. 

P.  1.  wirt  hin  hin  dir  gestozzen.  Karajan  8.  40,  20. 

44.  Wiener  Handschrift  (2721)  saec.  XII. 

Jüngerer  Physiologus.    ?  A.  1.  Er  got.  Hogm.  fndgr.  I. 

S.  24,  36. 

45.  Münchner  Glaube  und  Beichte,  saec.  XII. 

A.  1.  oupthaftigen.  dkm.  97  39. 

46.  Benediktbeurer  Glaube  u.  Beichte  I  u.  II. 

saec.  XII. 
P.  heret.  dkm2.  iL  94,  18. 

A.  1.  ich  geizze  i.  dkm.  87,  25. 

47.  Benediktbeurer  Predigthds.  saec.  XII. 

P.  1.  häht  tage  Kelle. Bpec. eool.  8.  17. 

2.  an  dem  [hjahtodintage  8.  17. 

3.  geh  er  et.  8.  25. 

4.  hieslichin.  8.  71. 

P  die  hie  lieh  eit  sinir  güti.  8.  95. 

6.  sine  heßhte.  8.  174. 

7.  iwer  herbe.  8.  176. 

48.  Haupts  Predigten.  Cod.  Vindob.  saec.  XII. 

P.  (1.  do  her  gebot  Zs.  XXIIL  8.  348  ff.  26.  20. 

2.  in  der  alden  h  e.  3b.  7. 
qf.  lxix.  5 


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—  oo  - 

3.  in  dor  niwin  he.  3b.  9. 

4.  dor  altin  ho.  3b.  11. 

5.  zi  hören  in.  frowin.  4*.  20. 

49.  Wiener  P  r  o  d  i  g  t  h  n  u  d  s  e  h  r  i  f  t  (2050).  saee.  XI  II. 

P.  1.  sehet  hau.  fndgr.  I.  72,  5. 

2.  gewant  h  a  n  hete.  73,  34. 

3.  sc  hult  sie  h  e  r  e  n.  78,  34. 

4.  wir  pilliehen  heren.  78,  36. 

5.  hinterwerts.  (doorsum).  101 ,  20. 

(?  II  ih.  (Hoffmann  :  —  Ilerro  ich)  113,  35. 

50.  Wiener  M  i  s  c  e  1 1  a  n  -  1 1  d  s.  Predigten,  saee.  XIII. 

(?  P.  1.  weroltliohe  heri.  Zs.  XX.  244,  11). 

51.  Loy  gers  Predigten  I — IX.  Leipziger  Hds.  saee.  XIII. 

P.  1.  der  höh  s  hat  sinon  herren.  1,  18. 

2.  daz  enhahto  nicht  vil.  4,  23. 

3.  daz  verlorn  her  ho.  S.  13,  28. 

4.  an  den  Worten  h  ah  tot  man.  8.  21,  10. 

52.  Clin.  22258.  a.  Windberg.  P  i  b  e  1  g  1.  saee.  XII. 

P.  1.  higli  (herinaciis).  I.  521,  44.  Psalmen. 

53.  (Mm.  0217.  a.  Freysing.  Pibolgl.  saee.  XII. 

P.  1 .  h  u  o  s  h  i  n  (ascella).  I.  53(J,  3.  Parabola. 

54.  Clin.  14089.  a.  Emmeram,  ßibelgl.  (u.  onomast.  Ol.) 

saee.  XII. 

P.  1.  haflaltrinin  (scorpiis).  I.  439,  42.  Ro^um. 

2.  hopoum  (hedera).  Graft*.  I,  91. 
A.  ( 1 .  i  n  t  i  r  s  <•  r  e  n  c  Ii  i  t  (versipellis).  I.  533,  34.  Parabola. 

55.  Clin.  22201.  P  i  b  e  1  g  1  o  s  s  o  n.saee.  XII. 

P.  1.  h  erheitern  (urente).  1.309,  2.  Geiieris. 

2.  uezter  hosen  (bove«  pingues).  433,27.  Regum. 

3.  ?  hiriores  (polimitarii).  333,  2.  Exodus. 

4.  her  reu  (vetores).  491,  09.  Esther. 

5.  g  i  h  e  s  c  h  o  t  (expetit).  573,  1 3.  Eccles. 
(5.  in  gigrabener  h  e  r  i  d  e  (in  humo).  594,  37.  Esaia. 

7.  herinordo  in  herdo  (in  profundum  inforni)  599,  10. 

8.  Ii  u  f  f  e  h  a  b  o  t  o  n  (subportabant).  053,  7.  Ezechiel. 
A.  1.  int  a  bog  er  (eontinens)  507,  10.  Eccleaiast. 

2.  e  r  d  i  (solo),  579,  10. 


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3.  o  1>  i  n  e  (traeta).  579,  46. 

4.  e  r  m  i  s  o  h  t  h  e  n  (calumniabantur).  646, 28.  Ezechiel. 
56.  Ootwic.  103.  liibelglossen.  saec.  XII  (?). 

1\  1.  ingrapanero  hcrdo  (in  humo).  I.  594,  33.  Egaia. 

FRÄNK1S0ITE  DENKMÄLER. 

1.  Würzburg  mp.  th.  H.  146.  Ol.  zu  Canon  es.  saec.  VIII. 

P.  1.  si  gihahtot  (tractetur).  II.  93,  37. 

2.  Frankfurt.  64.  a.  Fulda.  Ol.  zu  Canon  es.  anf.  saec.  IX. 

I\  1.  huobit.  (celebratur).  (partic.)  11.  144,  10. 


2.  hehtio.  (facultatum).  145,  43. 

3.  h  e  h  t  i.  (possessiones).  1 46,  64. 

4.  hehtio.  (patrimoniorum).  147,  53. 

5.  liehet,  (reditus).  148,  1. 

6.  hehti.  (facultates).  148,  4. 

7.  heihti.  (reditus).  148,  73. 


3.  Mus.  Brit.  Arund.  393.  Ol.  zu  Canon  es.  saec.  1X(?). 

1*.  1.  mein  hei  da  n.  (saerificiis).  II.  149,  8. 

4.  Tat  i  an.  Cod.  Sgall.  56.  a.  Fulda,  saec.  IX. 


I*.  I .  furi  thie  [h]  a  h  t  e  n  t  o  u  inti  harmenton.  32,  2. 

2.  thaz  ir  in  |h]vliti  habet.  (p)  35,  4. 

3.  zi  [h|eristen.  (primuin).  38,  7. 

4.  zi  h  er  i  sten.  (priniuni).  39,  6. 

5.  azzun  h  i  u  u  a  r  a  fatara.  (patres  vestri).  (y)  82,  11. 

6.  thaz  ist  hiu  asuuih.  82,  11«. 

7.  ?  ih  [iv]uuih  („auf  Rasur  für  Iii?*).  82,  12. 
H.  inuan  inio  [h]ahtonti.  (reputans).  83,  1. 
9.  bidiu  [h]  a  h  t  i  t  u  n.  (persequebantur).  88,  6. 

10.  inti  h  6  r  u  n  habenti  ui  gihoret.  89,  5. 

11.  untar  iu  [h]ahtot  ir.  'conquiritis).  91,  32. 

12.  teil  thero  fh]  e  h  t  i.  (substantiae).  97,  1. 

13.  teilta  thia  [h]eht.  (substantiam).  97,  1. 

14.  ziuuarf  sina  (h]  e  h  t.  (substantiani).  97,  1. 

15.  fraz  alla  sina  [hjeht  mit  huorun.  97,  7. 

16.  ?  thie  [hjahtözeheni.  102.  1. 

17.  unmahti  [h]ahtüzehon  iar.  103,  1. 

18.  gab  hiu  euua.  (dodit  vobis  legem),  (d)  104,  5. 

19.  gi[h]eret.  (houorificabit).               (:)  139,  4. 


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5.  Trierer  Fragment  der  Lex  S  a  1  i  c  a.  saec.  IX. 

P.  1.  her  ist.  dkm*.  65.  z.  17. 

6.  Fulda.  Aa.  2.  GL  zur  Bibel  u.  Gregors  Horn.  5.  IX. 

P.  1.  ?  her  dun  (stuppa).  1.  382,  21.  Judicum. 
2.  hettim  (opibus).  II.  318,  62.      Greg.  Horn il.  Anh. 

7.  Würzburg.  mp.  th.  fl.  3  u.  20.  Gl.  zur  Bibel,  saec.  IX. 

A.  1.  in  el  ff  a  (in  inpensas)  L  472,  1 1 .  E«dra. 
2.  ?  [h]  o  u  f  f  o  (aggerum).  623,  45.  Eaaia. 

8.  Otfrids  Evangelien  buch.  Cod.  Vindob.  saec.  IX. 

A.  1.  urdeile  elfa.  I.  28.  5. 

2.  ge!lti(=  giheilti).  HJ.  11. 12. 
P.  1.  mit  managfalten  [hjehtin.  LI.  68. 

2.  ih  [h?]  e  s  (Rasur  eines  hohen  Buchstaben).  I.  5.  35. 

t)    ,.  ui     i      /mit  alter  Dinte  ein  klei-\T    1Q  k 

3.  bisuorgeherhcho.^  neB  h  eingeschoben.  J1'  19'  8* 

4.  so  i  1 1  ih  (i  wie  in  F  d.  Rasur  a.  hohem 
Buchst.)  L  22.  49. 

5.  unsan  fater  [h?]eren  (auf  Rasur).       I.  22.  59. 

6.  man  [h?]afaloti  (Rasur  ein.  hohen 
Buchst.).  L  23.  21 

7.  (drof  her  (=  P.  F).  IL    7.  34. 

8.  (thaz[tlh  er  (Rasur  v.  t,  Kelle:  von  th).  IL  12.  65. 

9.  sie  11  tun  (i  auf  Rasur  f.  ein.  hohen 

Buchst.)  II.  14.  93. 

10.  ther  hiar  gi[h]er£t  (=  P.  F)  III.  13.  91. 

11.  scono  gihereti  (=  F)-P.  giereti.  IV.  4.  25. 

12.  so  sehen  gi  hSrSte  (=  P.  F).  IV.  5.  52. 

13.  selbun[h]era  (Rasur  von  h).  IV.  9.  30. 

14.  habeton  sie  mihila  hÄra  (=P.  F)  IV.  12.  32. 

15.  sizen  herlicho  (=  P.)  F:  erlicho  IV.  19.  55. 

16.  (unsih  [h]er  iz.  (h  radiert).  IV.  27.  12. 

17.  [h?Jinteretun  (Rasur).  IV.  30.  2. 

18.  uuoll6n  [h]  ah  ton  (Rasur  v.  h).  IV.  37.  34. 

19.  giangun  [h]ahtonti  (Ras.  v.  h).  V.  4.  15. 

20.  hiar[|]  ouh  (Ras.  eines  hohen  Striches).  V.  11.  31 . 

21.  nigihilit.  V.  16.  33. 

22.  se  hiltun.  V.  4.  10. 


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—  m  — 


9.  Otfrids   Evangelien  buch.  Cod.  Frising.  saec. 
IX/X. 

A.  1.  gieizenti.        I.    7.  22. 

2.  thaz  erza.         I.  22.  41. 

3.  fatcr  e  n  t  i.        II.    9.  44. 

4.  themo  eresten.II.    8.  37. 

5.  iohintarquamun.il.  12.  6. 
P.  1.  uuoles  (hjahton  a.  (Ras.   ein.  hohen 


Buchstaben). 

I. 

1. 

43. 

2. 

(habet  her. 

I. 

— 

5. 

57. 

3. 

uuir  h  u  n  s  i  h. 

I. 

18. 

2. 

4. 

bithiu  h  i  1 1  u  n. 

I. 

22. 

29. 

5. 

so[i]  1 1  ih  (i  wie  in  V.  Ras.  f.  ein  höh. 

buchst.) 

1. 

22. 

49. 

6. 

(fatererbe  (auf  Rasur). 

I. 

22. 

54. 

7. 

ouh  h  e  1 1  u. 

T 

1. 

23. 

32. 

8. 

(egishchen  al.  legunt.  hesslichcn 

T 

:  I. 

24. 

2. 

Dreher  nach  ocemuller). 

9. 

hunil  uurtiioh  her  da  ouh  so  herti. 

T  f 
11. 

1. 

o 

3. 

10. 

himil  fuarit  ioh  h  e  r  d  u  n. 

t  r 
11. 

m 

1. 

35. 

11. 

(moht  h  e  r. 

TT 
II. 

4. 

107. 

12. 

(trof  h  e  r)  (=  V.  P.) 

II. 

am» 

7. 

34. 

13. 

(gruazt  her. 

II. 

lo. 

24. 

14. 

fon  hegislichen  suhtin. 

II. 

24. 

26. 

15. 

(tho  her  (V.  P:  thoh  er). 

MI. 

1. 

6. 

16. 

(ioher  ,0bi  (V.  P.  ioh  er  io  bi). 

III. 

5. 

13. 

17. 

so  er  h  u  f  an  himile. 

III. 

7. 

21. 

18. 

hiar  in  h  e  r  d  u. 

III. 

8. 

18. 

19. 

(nintuueih  h  e  r. 

III. 

9. 

18. 

20. 

unerfez  h  u  z  then  hunton. 

III. 

10. 

34. 

21. 

(nibat  si  h  c  h  (V.  P :  thes). 

III. 

11. 

9. 

22. 

in  h  e  r  d  u  hiar. 

III. 

12. 

43. 

23. 

ther  hiar  gi  h  e  r  e  t  (—  V.  P.). 

III. 

13. 

31. 

24. 

hiar  h  o  uch. 

IV. 

1. 

27. 

25. 

ni  eigit  h  e  in  i  z  i  g  e  n. 

IV. 

2. 

34. 

26. 

seono  gi  h  e  r  e  t  i  (—  V.)  P.  gieröti. 

IV. 

4. 

25. 

27. 

so  sehan  gi  h  e  r  e  t  e  (—  V.  P.). 

IV. 

5. 

52. 

28. 

adul  herben. 

IV. 

6. 

8 

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70 


21).  habetuu  sie  mihila  hera  (=  V.  IV.  12.  32. 


10.  O  t  f  r  i  d  s.  E  v  a  n  g  e  1  i  e  n  b  u  c  h.  ('od.  Pal  ati  n.  saec.  IX. 
P.  1.  bisuorge  h  e  r  1  i  c  Ii  o  (V.  herlicho.  F  orlicho)  I.  1!).  8. 


3.  ih  zcUu  h  i  u  (Kelle:  üborHüss.  gesetztes  enklit.-ih). 


4.  ther  liiar  filieret  (     V.  F).      III.  13.  31. 

5.  so  sehan  gi  h  e  re  t  e  (-  V.  F).  IV.  5.  52. 
3.  habetun  sie  mihila  hera  (V.  F).  IV.  12.  32. 
7.  sizen  herlicho  (-■-  V.)  F  orlicho.  ]V.  10.  55. 

11.  Ludwigslied.  ("od.  saec.  X. 

dkm*,  n. 

P.  1.  heigun  sa  North  man  harto  bidungaii.     v.  24. 

2.  tröstet  h  i  u.  v.  32. 

3.  ob  h  i  u  rat  thühti.  v.  34. 

4.  unzih  h  i  u  gineriti.  v.  35. 

5.  so  uue  hin  hio  thes  libes.  v.  54. 

6.  soscr  hio  uuas.  v.  58. 

12.  Fränkisches  T  a  u  f  g  e  1  ö  b  n  i  s.   B  :  Speyrer  Hds.  a. 

Mainz,  saec.  VI  H/IX. 
P.  1.  (then  heidinernan  hym  za  bluastrom.  z.  5. 
2.  gilaubistü  h  ein  an  got.         dkm'.  52.  z.  14. 

13.  Fuldaer  Beichte.  Browcrs  Druck,  saec.  IX. 

P.  1.  2.  (ihhes  dkm»  75.  zz.  16.  17. 

14.  Lorscher  Beichte*.  Cod.  Palat.  485.  saec.  IX. 

P.  1.  minan  heit  brah.    dkm2.  72»\  z.  24. 
2.  m(e)inan  h  e  i  t  suuor.  z.  25. 

15.  Lorscher  Biencnsegeu.  Cod.  Vatican.  saec.  IX. 

P.  1.  imbi  ist  huce!  nu  tfuic  dü  vihu  minaz  hera.  z.  1. 
2.  hurolob  ni  habe  du:  zi  holze  ni  fluc  du.    z.  4. 

16.  T  h  e  g  a  n :  L  u  d  w  i  g  s  d.  Fr.  letzte  W  o  r  t  e.  saec.  IX . 

P.  1.  huz!  huz!  (var.  hutz,  Ii  utz!)  M.  U.  II.  »>48. 


30.  (tho  [h?Jenti  (Rasur). 

31.  (uuant  h  e  r. 

32.  ni  holte. 

33.  hiar  h  o  m  i  z  e  n  mit  hazzo. 

34.  thio  hercru  n  gilusti. 


IV.  24.  25.) 

V.  15.  23. 
V.  23.  52. 
V.  23.  109. 
V.  24.  143. 


2.  (drof  Ii  e  r. 


II.  7.  34. 


II.  14.  48. 


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71  - 


17.  S  trass  b  u  r  ge  r  Eide.  Cod.  Palat.  Paris,  saec.  X  XI. 

A.  1.  geal'nissi.  Nith.  hist.  III.  5. 

IS.  Reichenauer  Beichte.  Vindob.  1815.  saec.  IX/X. 

A.  1.  ci  us.  dkm*.  75.  z.  21. 

19.  Mittelfränkische  Psalmen,  saec.  IX  ? 

P.  1.  (hcrent  (haereditatem).  Heine,  kl.  dkm.   U,  8. 
2.  herbremot  (exarserit).     II,  13. 

20.  Brüx  eil.  18725.  Ol.  zu  Matth,  saec.  IX. 

P.  1.  herhaben  uuard  (fermentatuni  est),  i.  713.  20. 
2.  h ah  tos  (putas).  715.  3. 

21.  Moguntiu.  uon  sign.  Ol.  zu  Matt h.  saec.  IX/X. 

P.  1.  herbarmida  (compassionem).  I.  714.  27. 

2.  Ii  os  t  halben  (ad  orieutem).  715.  41. 

3.  zuohafdun  dar  ho  bona  (supercaput).    719.  30. 

22.  Berel  in.  niscr.  theol.  f.  481.  a.  Werden  Ol.  zu  Co- 

r  i  n  t  h  e  r.  saec.  X  ? 
P.  1.  dfnnf  h  p  x  c  h  (ceterum)  =  deune  houch.  I.  7b'l,40. 

23.  Carolsr.  S.  Petri.  Ol.  zur  Bibel,  saec.  XI./IX. 

P.  1.  grafhisarn  (celatura).  I.  339.  4.  Exodus. 
3.  h  i  c  quome  (venias).      524.  5.  Psalmen. 

A.  1.  i  m  i  1  o  t.  (poliinita).  I.  318,  37.  Oenosis. 

24.  Sgall.  292.  Olosseu.  saec.  IX/X. 

P.  1.  hqome  (veniam).  I.  524.  6.  Psalmen. 

2.  herholoth  (dolata).  II.  500.  17.  Prudent. 

3.  herdt""hu  (sugillo).  740.  7.  Abdia.  A.  Apost. 

4.  herdnuz  (tubaura).  Ilatt.  I.  291.  Naturgl. 
Tobias:  A.  1.  agastalt  (peregrinis)  l.  475.  b\ 
Prudent:     2.  e  r  i  berclil  (castrensis).  II.  500.  (i. 

Abd.  A.  Apost.  3.  al  bgurtilla  (seniizintia)  11.738.  25. 

25.  P  a  r  i  s  i  n.  1 8554.  Ol.  zu  P  r  u  d  e  n  t  i  u  s.  saec.  X. 

P.  1 .  2.  houer-hilind  (subsistente  procclla).  II. 
595.  42. 

2b'.  T  r  (!  v  i  r.  1 4b'4.  Ol.  zu  A  r  a  t  o  r  u.  P  r  u  d  e  n  t  i  u  s.  saec  XI. 
P.  (?  hcrnehanctanio  (non  licet  illi).  H.30.  t>2.  Arator. 
?  hergienc  (fluxit).  552.  52.  Prudent. 

3.  hosit  (populatur).  553.  74.  „ 


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—    72  --- 


A.  1.  unago  a  f  t  o  n  sih.  (indulsere).  11.33.  1. 

Arator. 

27.  V  a  t  i  c  a  n.  Palat.  1716.  Ol.  zu  A  r  a  t  o  r.  saec. ? 

A.  1.  zuo  afta  (subnexuit).  II.  772,  51. 

28.  Mus.  Plaut  in.   120.  Gl.  zu  Prosperi  Epigrammata. 

saec.  X/XI. 
P.  1.  her  (ante).  II.  881.  6. 

29.  Pom  ni  Orsfeld.   2671.  Gl.  zu  Sedul.  Carmen  pasch. 

s.  XII  X. 

P.  1.  huobhoben  (assumpsit  supra).  II.  615.  60. 

30.  Paris.  10195.  a.  Echternach.  Gl.  zu  Sallust.  saoe.  XI. 

P.  1.  heigenon  (patrimoniis).  Ii  609.  7. 

2.  h  e  r  s  a  m  (hon est us).  609.  56. 

3.  hernosta  (seria).  610.  61. 

31.  Mon.  herein.  303  (155).  Gl.  zu  Sallust.  aaec.  XI. 

P.  1.  unherun  (iniuriej.       11.612,  5. 

2.  unhera  (dedecus).  612,  12. 

3.  unhera  (flagitium).         613,  5. 

4.  (d  eggen  (prineipiis)        612,  67.  n.  St.  verschr. 

f.  h  e  g  g  e  n  (ecken)  ?) 

5.  her  (ante).  612,  35. 

32.  Paris.  9345.  Gl.  zu  Horaz  und  Tcrcnz.  saec.  XI? 

P.  ?  huriio  (orna).  II.  338,  8.  ( hurno?).  Horaz. 
2.  hichther  (qui)  624,  11.  Teron*. 

33.  Paris.  9344.  Gl.  zu  Vergil  u.  N  a  t  u  r  g  e  s  c  h  i  c  h  1 1. 

Gl.  s.  XI. 

P.  1.  hellandf  (pulse.).  II.  698.    A.  ehngest  cjintarus). 

2.  huuuilon(ululeJ.    698,43.  11.707.  44. 

3.  (ki chi IIb  (stiria).     703,  20.  2.  Vrd6ni(senatus). 

4.  hissun  (crustae).     703,17.  712.  15. 

5.  hahorn  (platanus).  703.55.  3.  geolade  (excsn). 

6.  herzagede(discinctos).713.  24.  712.  42. 

7.  hfrdstat  (solum).    715.55.  4.  geafto  (cotnmi- 

8.  haspa  (tremulus).   Zf.  XV.  nus).  714.  5. 

Gl.  83.  5.  wideopa  (hupopa) 

9?  hör  (ornus).  cf.  o.  huriio.  Zf.  XV.  gl.  11. 
Zf.  XV.  gl.  86. 

34.  Bonn.  193  (173).  Naturgeschichtl.  Gl.  saec.  XL 


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-  73 


P.  1.  harrunga  (arrabona).  Hoffm.  Ahd.  Gl.  21,  24. 
2.  hedornezzola  (urtica  grenatica).  21,  28. 


4.  ho8cnnabvlo  (asparga).      22,  7. 

5.  hosenzunga  (boalca).        22,  8. 

35.  Clm.  19488.  a.  Tegernsee.  Naturgeschichtl.  Ol. 

sacc.  XII. 
P.  1.  urhosse.  Germ.  XIX.  436. 

36.  Vindob.  10.  Herbarius.  saec.  XII. 

P.  1.  heiternezela  (grccanica).  sumerlaten.  62,  65. 
2.  heiternezela  (urtica  grccanica).  64,  16. 

37.  Vindob.  804.  a.  Florian.  Abcdarius  u.  Isidor. 

gl.  saec.  XII. 

P.  ?1.  twerhacs  (ascia).  sumerlat.  25,  1  =  twerh-acs?). 
2.  satelhachs  (bipennis).  32,  44. 

38.  Darmstadt.  6.  S  um  mar.  Hcinr.  sacc.  XI. 

P.  1.  hoemessunc  (conso-    A.  1.  eiffaltra  (tribulus). 
brini).  Germ.  IX.  13  ff.  p.  85b.    p.  38b.  (=  hief- 

2.  hocme  (avunculus).  p.  85b.  faltra). 

3.  hafte rhemede  (supparis).  p.  95. 

4.  hörgolt  (inaures).  p.  96. 

39.  Trevir.  Summarium  Heinrici.  sacc.  XII. 

P.  1.  höh  ei  m  es  suni  (consobrini).  Hoffm.  Hhd.  Gl.  2,  8. 
2.  aftirherbo  (prohcres).  2,  11. 


40.  Erfurt.  homil.F.81. Summarium  Heinrici.  saec.  XII. 


P.l.  hisin  (ferrum).  Zf.  f.  d.  Phil.  XII.  320. 
41.  Vindob.  2400.  Summarium  Heinrici.  sacc.  XII /XIII. 


3.  h  c  r  d  nuz  (tubura). 


21,  31. 


3.  his  (glacics). 

4.  hisin  (ferrum). 

5.  rosthisin  (craticula). 

6.  h  e  b  e  r  spicz  (excipius). 


8,  1. 

9,  8. 
16,  7. 
16,  23. 


P.  1 .  heben  hellunge  (concordia). 

2.  h  e  1  a  h  e  s(s)uht  (clcfantia). 

3.  h  e  i  8  c  (horror). 

4.  horringe  (inaures). 

5.  herbe  (patrimonium). 

6.  h  i  c  h  e  1  a  (stiria,  gutta,  stilla). 


sumerl 


l.  5,12 
7,  12. 
9,  70. 
9,  78. 

14,  30. 

15,  57. 


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-    74  - 


7.  heiter  nescele  (vrtica).  19,  66. 

8.  hciterncschcl  (vrtica  grenanica).  20,  11. 
0.  heiter  ncscel  (greganega).  22,  40. 

10.  ?  hertapfel  (orbicularis).  23,  16. 

11.  herbo  (heres).                      diut.  III.  238. 

12.  ebinherbo  (coheres).  238. 

13.  h  i  s  uogel.  241. 

14.  hört  lim.  243. 

15.  hanphir  (=  anipfer).  244. 

16.  h  o  s  t  e  r  riche  (oriens).  245. 

42.  Olm.  2612.  a.  Alderspach.  Summ,  Heinrich  saee. 

xirxiu. 

P.  1 .  Im?  r  b  o  (heres.)  diut.  III.  238.  A .   o  d  e  n  (testi- 

2.  ebinherbo  (coheres).      238.  culi).  230. 

3.  h  i  s  uögel.  241. 

4.  hieb  da.  245. 

5.  hisin.  247. 

43.  8  B  1  a  8  i  e  n.  8  u  mm  a  r  i  u  in  H  e  n  r  i  c  i.  saer.  XII. 

P.  1.  ebiner  herbo  (coheres).  (Herbert.  Anh.  8.  18. 
2.  heitenezila  (urtica  grenatiea).  8.  57b. 

44.  Vindob.   1761.  Verschiedene  (ilossenkategorion.  saee. 

XI  XII. 

P.  1.  stouphhisam  (perpunetoria).  Hoffm.  Ahd.  Gl.  58,  6. 

45.  Olm.  17153.  a.  8cheftlarn.  8  u  in  m  a  r.  llcinrici.  saer 

XI'XIII. 

P.  1.  basale  ia  (paliurus).  Gniff  I.  130. 

2.  h  a  g  e  1  e  i  a  (paliurus).   1 30. 

3.  hege  da  (dentilia).  112. 

46.  Vindob.  232.  Naturgesehir  h  1 1.  Ol.  saee.  XIII. 

A.  1.  agon  (paliurus).  H.  Ahd.  O.  63,  6. 

47.  Vindob.  2524.  Herbarius.  saee.  XIII. 

I\  1 .  h  a  u  d  o  r  n  (spina     A.  1.  arten  hewe  (agnus- 

alba).  suraerl.  58,  40.       castus),  sumorl.  54,48. 
2.  Im?  r  d  ephele  (cicla- 
meu).  55,  5J). 

48.  Bamberg  er  (Haube  und  Beichte.  Monac.  4460. 

saee.  XI. 

P.  1.  hergiride.  dkm«.  91.  z.  1  III.    Vindob.  ergiride). 


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7") 


49.  F r  i o d b  e r g e r    Fragm.    0 h  r  i  s  t  u.  Antichrist. 

saec.  XI/XII. 

A.  1.  ailun  (=  hatten),  dkm*.  33.  A:  9. 

50.  Kloster-Ncuburger  Prcdigtfrgm.  saec.  XII. 

A.  1.  int  c  b  e  d  c.  Zf.  XV.  439  ff.  II.  45. 

öl.  Willirams  Paraphr.  des  Hohen  Liedes.  Cod.  Lugdun. 

saec.  XI.  Soemüller. 
P.  1.?  thaz  her  gecrueiget  uuarth  ande  herstarf.  93,  10. 

52.  W  i  1 1  i  r  a  in  s  Paraphrase  des  Hohen  Liedes.  Cod.  T  r  e  v i r. 

saec.  XI/Xn. 
P.  1.  hubelo.  Seem.  51,  18. 
2.  hic  (n.  Graff.  I.  118.) 

53.  Tobias  sogen.  Cod.  Strassburg-Upsala.  saec.  XII. 

P.  1.  hofen  (=  offen),  dkm2.  47.  4.  z.  51. 

54.  S  t  r  a  s  s  b  u  r  g  -  M  o  1  s  h  e  i  m  c  r  II  d  s.  saec.  XII. 

P.  1.  hersam.  Masamann.  v.  B380.  :  Alcxandcrlied. 

2.  unh  e  b  e  II  0.  V.  2829.  :  Hartmanns  Glaubensbekenntnib 

55.  F  r  a  u  e  u  1  o  b  (Marieulieder).  saec.  XII. 

P.  1 .  dan  h  a  f.  Zf.  X.  40,  32. 

56.  1)  i  1  d  er  u  in  s  ch  r  i  f  t  en.  Cod.  Monac.  935  a.  d.  0.  v. 

Bingen,  s.  XII/XIII. 
IM.  hi  hist.  Keinz.  M.  Stzgsbr.  1870.  II.  117,  38. 

57.  Erfurter  Judeneid.  Originalurkunde,  saec.  XII. 

P.  1.  der  Juden  h  e  i  t.  dkm2.  100. 

58.  M  i  1 1 e  1  f  r ä n  k  i s c  h e s  Fragmen  t.  saec.  XII. 

P.  1.  houermot.  Busch.  Btr.  z.  d.  Ph.  1870.  283,  75. 

59.  K  o  1  a  n  d  s  1  i  e  d.  Cod.  P  a  1  a  t  i  n.  saec.  XII. 

P.  I.  des  swur  er  h  e  i  d  e.  72, 18.    A.  1.  inantil  arm  i  n. 

2.  al  din  h  e  r  e.  Griram.  78,  6.  Griinm   9 1 .  20. 

3.  hosen  er  ha  n  leite.  108,7.  2.  dcualsabesluoge 

4.  ainehohe der  halben.  119.  2.  304.9. 

5.  derchüninc  hantwirt.  129.5. 
H.  min  here.  132.20. 

7.  sin  hellen.        190.  12. 
«0.  Hu  1  a  n  d  s  1  i  o d.  .Schweriner  Fragment,  saec.  XII. 
P.  1.  under  den  heiden  hersterbe.  Grimm.  49.  22. 
2.  huc h  uü  we  geache  dir.  49.  24. 


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—    76  — 


61.  R  o  1  a  ii  <1  * )  i  c  d.  Stuüg.  l<Y;igim:iit  saec.  XII. 

P.  1.  hup  er  huf.  151,  18.    A.  1.  heben  sie  er  zu  mir. 

150.  17. 

62.  König  Rother.  Cod.  Palatin.  »aec.  XIT. 

I*.  1.  hic(allitt.).  Ma08m.  v.  35.  A.  1.  du  as  t  den  valand 

2.  h  e  r  (vos).        v.    37.  Maasm.  getan,  v.  883. 

3.  h  i  c.  v.    42.        2.  a  r  d  c  vreissam. 

4.  here.  v.  119.  v.  2725. 

5.  hic.  v.  120.        3.  gealt  (=--  gehalt). 

6.  hich.  v.  259.  v.  21)88. 

7.  hercn(verb).  v.  261.        4.  (bitrothere  uf  den 

8.  h  i  s  (=  ist),     v.  459.  o  f  reif.  v.  509S). 

9.  habt  (octo).    v.  792.  verderbt  statt:  bit 

10.  here.  v.  931.  berhrero  ....  hof 

11.  hie  vor  h  u  w  e  n  hauden.  v.  1000.  reit. 

* 

12.  hich  (allitt.).       v.  1009. 

13.  (hume  (=  im),    v.  1044.) 

14.  hdren.  v.  1179. 

15.  here.  v.  1242. 

16.  hereu.  v.  1548. 

17.  uffe  der  h  e rd  e n.  v.  1849. 

18.  her  (vos).  v  1971. 

19.  miu  herze  was  h  e  1 1  e  n  d  e.  v.  2269. 

20.  den  holenden  haftin.  v.  2409. 

21.  heren  (verb).      v.  2454. 

22.  her  von.  v.  3379. 

23.  •°-b  here.  vv.  3406.  3670. 

24.  hic.  v.  3790. 

25.  herron  halle.      v.  4046. 

26.  horten  die  her  den  biven.  v.  4215. 

27.  hic.  v.  5094. 

63.  Wem  her  vom  Niederrhoin-Hds.  saec.  XIII. 

P.  1.  giwapint  als  ein  h  i  s.      A.  1.  vordereiden.  4,26. 

Grimm.  14,  4.  2.  e  r  adamis.     11,  28. 

(„=gcwapint  all  in  hisen"?).       3.  sin  ovith.    21,  22. 

2.  undi  hidelcheit  15,  31.    4.  uf  er  sich.  23,  1. 

3.  sime  h  c  n  d  e  na  26, 15.        5.  den  owesprenken. 

4.  umbe  ein  hei  28,22,  38,  13. 


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-  77 


?   mit  der  Ii  e  r  t  Ii  eu  44,  27.     6.  he  v  v  i  n  (=  huf  in) 


10.  giherbedit.  53,  20.        9.  nuavin  wir  60,  3. 

10.  di  antuueste  61,  33. 

11.  heaach  inauin  65,6. 

64.  Trierer  Psalmen,  saec.  XIII. 


.  1.  herbe  (hacreditati).        Ch-aff.  67, 

9. 

2.  herbe  (haereditati). 

81, 

11. 

3.  herbes  (haereditatis). 

104, 

II. 

4.  hofferten(=  opferten). 

105, 

34. 

5.  herbe  (haereditatem). 

105, 

38. 

6.  ge  h  e  t  i  n  t  ( persecuti  sunt). 

113, 

86. 

7.  hehtent  (persequuntur). 

113, 

157. 

S.  Ii  e  t  h  e  t  i  n  (persecuti  sunt ). 

113, 

161. 

!>.  herbe  (haereditatem). 

m, 

13. 

10.  gebetet  (perseeutus). 

142, 

2. 

11.  du  nahtest  (reputas). 

143, 

4. 

65.  (Oswald.  Schaffhauser  Hds.  saec.  XV). 

P.  1.  hunz  v.  967. 

66.  (Orendel.  Strassburger  Hds.  saec.  XV.) 

P.  2.  h  e  i  s  c  h  e  n  t  vv.  T.  d.  Hagen.  158;*.  1 885. 

67.  Rein  hart  Fuchs.  Md.  Bearbtg.  saec.  '/*  XIII.  Codd. 

saec.  XIV. 


P.  1 .  h  e  r  k  1  i  c  h  v.  80.    A.  er  (Titel)  vv.  420.  429.  453. 
Cod.  K.  520.  523.  5!>6. 

2.  dahin(-  innel  v.  684.  Codd.  P+K.    610.  785.  806. 

3.  erhergente.  v.  837.  Codd.  P+K.  1442. 

4.  höstcr  (nach  .  .  .  gekeret).  v.  938.  Codd.  P+K. 

68.  Leysers  Predigten  II.  Leipziger  Hds.  saec.  XIV. 
P.  1.  gehöret.  35,  42. 

2.  an  dem  hohsen.  50,  1. 

3.  zu  dem  hohsin.  108,  4. 


6.  (hez  ist. 

7.  zehers 

8.  nun  eres 

9.  (bis  hez 


45,  8.) 
47,  15. 
51,  12. 
53,  9. 


44,  2. 
?  offinge  (=  hoffe- 
nungeP)  49,  14. 
8.  alsslagitin  59,  9. 


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NIEI >ERDEU T8CI1 K  DEN K MALER. 

1 .  H  e  1  i  u  n  d  Monnc.  saec.  IX 

IM.  hidis  v.  823.  A.  1.  siniun.       v.  1085. 

2.  mcn  hedos  v.  1504.        2.  atendi.      v.  2989. 

3.  hatogea  v.  1714.  3.  (gierod.     v.  4144. 

4.  hei  cor  v.  5077.  4.  godlicus.     v.  4541. 

5.  gieftid.      v.  5053. 

2.  Heliand  Cotion.  saec  X. 

I\    (him  (d.  sg.)  v.  960.    A.  1.  (gier od o.      v.  102. 
2.  hu80U.  v.  2423.  2.  elithos.       v.  346. 

3.  ungres.        v.  2824. 

4.  endi  v.  4917. 

5.  thein  o  b  d  e    v.  5550. 

6.  7.  er  r  (m.her).v.  430K 

4332. 

3.  Merseburger  Glossen,  saec.  X. 

A.  1.  seif  e  d  i  a.  33. 

4.  S  t  ra  sh  b  u  rg.  C.  IV,  15.  Naturgescbichtl.  €.31.  saec.  IX. 

1*.  1.  siimun  hettar-uuitio(semiim  venenorum).diut.II.193. 

5.  Gl.  Lipsianae.  Hibelglosscn.  (saec.  IX.) 

1*.  1 .  (ge  b  Bredes  gerodostu  i  coronasti).  Heyne,  gl.  386  f. 

2.  bereuue  (hereditas).  gl.  562. 

3.  hoc  (quoquel.  gl  589.    A.  1.  etan  saltu  (voca- 

beris).  gl.  264. 

6.  1*  aris.  2685.  B  i  b  e  1  g  l  o  s  s  e  n.  saec.  IX. 

I*.  1.  ober  b  a  1  d  a  r  a  (superstitiones).  I.  298.  40.  Alphabet. 

ExocIuh.    A.  1.  u  r  n  i  t  e  (crabrones).  i.  334.  24. 
Numeri.        2.  e  r  i  bethoon  (signa  \,     358,  7. 
Job.        3.  uuale  auuc  (herodionV  496,  34. 

7.  Düsseldorf.  F.  1.  Gl.  zu  P  r  u  d  o  n  t  i  u  s.  saec.  IX. 

IM.  huzscricta  (prosil(u)it).  11.576,  50. 
2.  beccor  578,  6. 

8.  lf.  Oxon.  Jun.  116.  Gl.  zu  Prudentius.  saec.  IX? 

A .  1 .  alspougd( bacce)  II.  484,  2. 
2.  olbergo  (loricae)  484,  3. 

9.  Oxon.  Auel.  F.  1,  16.  Gl.  zu  Vergilius.  saec.  X? 

1*.  1.  halebirie  (populus).  Ii.  718,  10 


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—    T'.i  — 


10.  Lips.  oiv.  rep.  1.  36b.  Ol.  zu  Serv.  in  Verg.  sacc.  X. 
P.  1.  hurhano  (fasianum).  II.  723,  27. 


2.  hich  z.  97. 

3.  h  i  c  h  z.  98. 


irao o  Ii  e.  Cod.  Paris  764 1 .  saec.  X. 

A.  1.  o  bot  he. 

1. 

2.  an. 

3. 

3.  an  sco. 

9. 

4.  e  l  p  e. 

13. 

5.  6.  US. 

16.  19. 

7.  err e. 

19. 

8.  inat. 

24. 

9.  e  r  r  e. 

31. 

10.  als. 

38. 

11.  u  n  d  o  h. 

41. 

12.  elfe. 

48. 

1 3.  o  rre. 

49. 

14.  coorest. 

(»5. 

1 5.  o  r  r  o. 

75. 

!  6.  i  u  d  a. 

80. 

17.  n-ht. 

saec.  X.  1 

saoc.  XI. 

Ol.  zu  Gregor.  Moral. 

saoc.  XI. 

in  Job. 

12.  C  a  in  o  r  i  ac.  19! 

13.  8.  A  u  d  o  in  a  r.  IM 

14.  Bonon.  1P 

P.A.  1    hunorsami  (inobodiontia).  n.  322,  1. 
2.  (in  13)  arpliin  iploetro),  Zs.  V.  206. 

15.  Lipsiens.  civ.  rop.  11  A.  6.  Gl.  zu  C anonos.  saev.  XI. 

P.  1.  Iiarrokid  (exposito).  11.141,  43. 

2.  bunrecttiu  (irrita)  142,  12. 

3  fat  Ii  o  r  b  (patrimoniorumj.  142,21. 

4.  h  unholder  (indevotus).  143,  3. 

5.  harcust  (astutia).  143,  .'.7. 

6.  hanegogun  (incossoro).  143,  42. 

16.  Id.  Cod.  Oxford.  Jun.  25.    Nach  Kategorien  geordn. 

Glossar,  waec.  XII  ? 

Id.  Anh.  —  I.  055,8.  Ezechiel. 
P.  1.    hi8uögel    (aurifi-     A.  1.    er  I  ine  (senesci) 

ceps).  8-N.  268.  Aloinaun.  saec.  IX. 

2.  h  u  n  c  (auguis).  '270. 


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—    80  - 


17.  Flrrent.  Uur.  plut.  XYIT  5.  saec.  XIII  XI. 
Aldhelmgl.     P.  1 .  h  i  8  i  d  i  D  ft  (ambrosia)  n.  1 15,  41. 
Pradentgl.  A .  1 .  a  1  f  t  r  o  n  (habenis).  n.  533,  9. 

Summ.  P.  2.  hocsal  (albugo)        A.  2.  hantaba  (ansa). 
Heinr.  Zs.  XV.       gl  39.  Zs.  XV.         gl.  8. 

3.  dehsihisen  C;S£„,)  gl.  459.    3.  anif  (canniYa).  225. 

484.    4.  antbaba  (capulus).  248. 

5.  hovrus  (ephoebia, 
654.  lapanar).  348. 

607.     6.  arlefa  (licium).  540. 


1628.  A. 


4.  ha'sila  (numerus). 

5.  horhuD  (ortigo- 

metra). 

6.  hebirzan  (orix). 
Nicht  fixierte  Ol. 

P.  7.  hebeouue  (hedera) 
8.  hahorn  (planta- 
nus). 


1708. 


9.  helliunt  (hiena).  1762. 


uochilichro  (mi- 
raico).  1179. 
8.  huf  al  z  e  (catax)  1267. 
9.  liebeouue (hedera)  1628. 

10.  bumbil  (atacus)  t665. 

11.  agil  (grando)  1693. 

18.  Bern.  536.  Salomon.  Glossar,  saec.  XIII. 

P.  1.  heiscen  (deposcere).  Germ.  Stud.  II.  278b. 

19.  Hern.  641.  Alphabet.  Glossar,  saec.  XIII. 

P.  1.  henze  (ansa).  A.  enweg-    (a-,  de-) 

diut.  II.  200.         8.200.210.  211. 
2.  hangele  (hamus).  217. 


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BEILAGE. 


PROTHETISCHES  II  IN  ALLITTERATIONEN  UND 

WORTANKLÄNGEN. 

A.  IN  POETISCHEN  DENKMAELERN. 

1.  Ther  hiar  giheret  III.  13,  91.   Codd.  V.  P.  F.  Otfrid. 

2.  h  abetun  sie  mihila  hera.  IV.  12,  32.  Codd.  V.  P.  F.  Otfrid. 

3.  hiar  houh.     V.  11,  31.  Cod.  Vindob.  Otfrid. 

4.  hiar  houh.     IV.  1,  27.  Cod.  Frising.  Otfrid. 

5.  werfez  h  u  z  then  h  unton.  III.  10,  34.  Cod.  Frising.  Otfrid. 

6.  so  er  huf  an  h  imile.     III.  7,  21.  Cod.  Frising.  Otfrid. 

7.  hiar  hemizen  mit  hazzo.  V.  23,  109.  Cod.. Frising.  Otfrid. 

8.  h  imil  uurti  ioh  h  e  r  d  a  ouh  so  h  erti.  II.  1,  3.  C.  F.  Otfrid. 

9.  himil  fuarit  ioh  herdun.  II.  1.  35.  Cod.  Frising.  Otfrid. 

10.  hiar  in  hcrdu.  III.  8,  18.  Cod.  Frising.  Otfrid. 

11.  in  her  du  hiar.     III.  12,  43.        Cod.  Frising.  Otfrid. 

12.  h  e  i  g  u  n  sa  Northman  h  arto  bidungan.  v.  24.  Ludwigslied. 

13.  hurolob  ni  h  abe  du:  zi  h  olze  ni  fluic  du.  Lorsch.  B.-Segen. 

14.  helias  stritet  pi  den  hewigon  lip.     v.  41  Muspilli. 

15.  sia  hauar  kihalont.     v.  11.  Muspilli. 

16.  h  i  n  d  i  r  dir  unde  h  o  b  i  dir.  v.  6.  Weingarten-Reise-Segen. 

17.  wert  hiuch  here  chunich.    220,6.  Vorauer  Alexander. 

18.  h  eizet  sinen  h  a  t  e  m.  I).  356,  26.  Vor.  Frgm.  v.  hl.  Geiste. 

19.  so  h  evet  er  hufwerde.  D.  365,  16.    Vorauer  Himml.  Jerus. 

20.  den  halm  von  der  her  de.  D.  365.  17.  Vor.  Himml.  Jerus. 

21.  den  he  w  igen  hört.     D.  112,  20.     Milstater  Genesis. 

22.  here  so  harte  enuahest.    D.  125,33.  Milstäter  Exodus. 

23.  habe  höbe.     D.  263,  12.  Vorauer  Leben  Jesu. 

24.  hup  er  huf.      151,  18.  Stuttg.  Rolandslied. 

25.  hosen  er  h  an  leite.      108,  7  Palat.  Rolandslied. 

26.  aine  h  ohe  der  h  a  1  b  e  n.     119,  2      Palat.  Rolandslied. 

27.  under  den  heiden  hersterbe.  49,  22.  Schwerin.  Rolandsl. 
qf.  lxix.  6 


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H2 


28.  herren  halle.     v.  4046. 

29.  h  orten  die  h  e  r  d  e  n  biven. 

30.  min  h  crze  was  h  e  1  e  n  d  c. 

31.  den  hellenden  haften. 

32.  hie  vor  hu  wen  handen. 


Palatin.  Rother. 
v.  4215.     Palat.  Rother. 
v.  2269.      Palat.  Rother. 
v.  2409.        Palat.  Rother. 
v.  1000.        Palat  Rother. 


B.  IN  PR08ADENKMÄLERN. 

1.  thie  hahtenton  inti  harmenton.     32,  2.  Tatian. 

2.  ir  in  h  e  h  t  i  h  abet.     35,  4.  Tatian. 

3.  inti  hörun  habenti  nigi höret.     89,  5.  Tatian. 

4.  fraz  alla  sina  heht  mit  huorun.     97,  7.  Tatian. 

5.  habet  gauualt  in  herdhu.     I.  18.        Monsee  Matth. 

6.  in  ha  er  da  hreuue.     V.  2.  Monsee  Matth. 

7.  dar  herda  ni  hapta.     VI.  7.  Monsee  Matth. 

8.  huuanta  haerda...  haptun,     VI.  8.    Monsee  Matth. 

9.  himil  unde  die  h  e  r  d  e  an  der  h  ant  h  ast.    LXXVI,  24. 

Muri.  Predigt. 

10.  h  imil  unde  her  de.    XIII,  25.  Wack.  Zürich.  Predigt. 

11.  himil  aide  her  de.  Wack.  IX,  2.  Zürich  Predigt. 
12  herbe  in  der  himilisgcn  heimute.  III,  1 10.  Zürich.  Predigt. 

13.  hunsereme  herren.    Wack.  XI,  23.  Zürich.  Predigt. 

14.  geh  er  t  in  h  imile.    Wack.  XIII,  5.      Zürich.  Predigt. 

15.  hubelehellewark.  Wack.  L XXIV, 53.  Engelberg.  Predigt. 

16.  der  hohs  hat  sinen  herren.  Leyser  1,  18.  Leipzig.  Predigt. 


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ÜBERSICHT  NACH  DEN  BEGRIFFEN. 


PROTHESE. 
A. 

ä-  l.hachustim  (vitiis).  Hatt.  1.57.       Bened.-Regel.  A.  IX. 

2.  hauuerf  (abortivum).  1.510, 1.  Carolsr. IC.Hiob.  A-|-oF.IX. 
aba.         3.  babe.  I>.   193,  20.      Vorauer  Alexander.  niF-fB.  XII. 

4.  habe.  D.  203,  12.    Vorauer  Leben  Jesu.  A?F+B.  XII. 

5.  haf.  H.  Zr.  X.  40,  32.  (Marienlieder)  Frauenlob.  mF.  XII. 

have.  vv.  772.  895.  983.  5101.    Flandr.  Clir. 
habaus  (=  hinab).    AVeinh.  B.  G.  §  190.  Tirol, 
aband.      6.  habandsterre.XIV.  2,  l.  | 

7.  habande.     XVIII.  1,  2.  )  A'  1X' 

8.  habent.  P.II. 209,13.  Sg-all.21 .  Notker-Psalmen.  A.XIT/XI. 

pfingest  habent.  Weint.  I.  762.  Selse:  U.  Elsass.  a.  1310. 
abuh.       9.  habuhnessi.  1.258,4.  Sgall.911.  Keron.Gl.  K.  A.  VIII. 

10.  habui  (versutia).  Ja.  189.  Bibelgl.  (V)  A+oF.  IX. 

11.  habni(aversio).  I.  543,  5.  Ja.  181.  Parabola.  A-f  «F.  IX. 

2.  habuer(versipellis).I.543.28.  Ja.  181.  Parabola.  A+oF.  IX. 

3.  kihabnhter  (depravatas).  I.  277,  44.   Jb.  Alph.  A+oF.  IX. 

4.  habihemo  (aversa).    II.  200,  0.  Paul.  Greg.  c.  p.  A.  X. 

5.  ?  hebuhen  (siniias)  \  Statt  er.  218.  Regum.  A.  X. 

/I  430  40 

0.  ?  hepuh  en  (simias)  I         '      Carols.CXXXV.Regum.  A.X. 
(Vafalon.  7.  [h?]afoloti.  „Ras.  ein.  hob.  Buchst."  I.  23,  21.  Otfr.  V. 

sF+A.  IX.) 

avar.       8.  hauar  v.  11.  Muspilli.  , 

9.  hauar  v.  82.  Muspilil.  1H~oK  1X* 

6* 


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84 


haberklaue.  DWb.  IV,  2.  84.    WWb. 1  96. 
haberrante.  DWb.  IV,  2.86.  WWb.  96.  MndWb.  I.  754. 
haberesche.  DWb.  IV,  2.  734.    WWb.  96. 
after.     20.  hafter.   VIII.  1,2.  Murbacher  Hymnen.  A.  IX. 

1.  hafter.  P.II.  134,  22.Sgall.21.  Notker-Psalmen.  A.  XII  XL 

2.  hafter.  Dkm-.  83.  z.  68.  Gebet  d.  Otloh.  B.  XI. 

3.  hafterhemede  (supparis).   Germ.  IX,  17.   Darmst,  SniiilL 

niF.  XL 

affaltra     4.  haftaltrinin  (scorpiis).  I.  439,  42.  Clin.   14689.  Regum. 

B-K  XII. 

agaleia.    5.  hagaleia (paliurus).  Grf.  I.  130.  Clin.  17153.  Sinn.  Heinr. 

6.  hageleia  mF-f-B.  XL 

hage  =  age  (scharfe  Spitze).    Mnd.  Wb.  IL  173. 
hachel  (arista).    DWb.  IV.  2,  98. 
hach,  hachelijk  (granum.).    Etym.  XI.  Wb.2  331. 
hagle,  hägelen^  Schw-Id.3    I.  127.  129. 
högel.  heglen  j  IL  1081.  1082  f. 

ah.  7.  hah  zu  sera  (pro  pudor).  IL  399,  33.  Vindob.  247.  Prudent. 

A+B.  XI. 

ahir.        S.hahir  (spicas).  QuF.  III.  16,72.  Vocabul.  S.  Galli.A.  VIII. 

9.  hehir.     .  .  TT  Armn  rtr>   Paris. n.a. 241. Prudent. .  ,  T1  __ 
30.hehirtens)  II'4/3'28-  Cln,  1  1395.  Prudent.  A+B'X' 
lieber.  Cimbr.  Wb.  (261  f).  37*.  |mF-robd.  XI. 

ahorn.       l.hahorn  (platanus).    IL  703.  55.    Paris.  9344.  Vergil. 

2.  hahorn  (plantanus).  Zs.  XV.  Gl.  1708.  Florent.  16.5.  Natur. 

nd-robd.  XI1I/XI. 

ahsala.      3.  hahsala  (humerus).L  280,65.  Ib.208.  Alphab. Gl. A-foF. IX. 

4.  jjahsele.  P. 11.227,26.  Sgall. 21. Notker-Psalmen. A. XII  XL 

5.  hVsila,  Zs.XV.  341.  Gl.  484.   Florent.  16,5.  Snm.  Heinr. 

nd-fobd.  XIII/XIL 

6.  hassala.  Grf.  I.  140.  Clin.  14754.  Onomast,  Gl.  F  r  B  ?  ? 
ahten.       7.  [hjähtenton  (persequentibus).    32,  2.     Tatian.  hF.  IX. 

8.  [hj ah t  i tun  (persequebantur).    88,  6.       Tatian.  hF.  IX. 

9.  hatunga  (insectatio).  I.  537,  19.  Ja.  Eecles.A4  oF.  IX. 


1  Woeste,  westf.  Wörterbuch. 

8  Frank.  Etymol.  Wörterb.  d.  ndrld.  Spr. 

•  Sehwoizer.  Idiotikon. 


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85 


40.  baten ta(insequuntur).  IT.  170,  55. | 

1.  hatainas(insequamur).  II.  175,  22.fClni. 

2.  hattit  (insequitnr).      II.  175,  H4.1        «reg.  e.  p.  B-f . 

3.  hatinne  (insequenda).  II.  170,  60./6277.  VIII  IX. 

4.  hahtent.  II.  240,  10.  Turic.         Greg.  c.  p.  A.  IX/X. 

5.  hahton  11.248,  18.  Cheltenham.       Greg.  dial.  A?  IX. 

6.  h*hte.  III,  174.  Kelle  spec.  eccl.  Benedb.  Pred.  B-fA?  XII. 

7.  beb tent  (perseqnuntur).  1 13, 157.  \ 

8.  bethetinCpersecutisunt).  113, 161. J 

9.  gebetint(persecuti8unt).  1 13,  86.lTriererP8,mF"  XII/Xn- 
50.  gehetet  (persecutns).       142,  2.J 

hätte  ) 

hättis    l=  Ähtay    Trier*  Wei8t*  anf>  8aeC*  XIIL 

(  (a£er.  praedium).    Heinzel  S.  333. 
hatthm       °  r 

habtend.  gihath.  Zwiefalt.  Bened.-R.  Schwäb.-M.  S.  205. 
alito.        l.batogea.  v.  1714.  Cod.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

2.  V  hahtözehani.  („nicht  mehr deutl.u)  102.  1.  Tatian.  hF.  IX. 

3.  [h]ahtüzehan  iür.  103,  I.  Tatian.  hF.  IX. 

4.  hahtozofeoriu  I.  735,  39.  Paul.  XXV  a/l.Lucae.  A.  VIII. 

5.  hatouuiu(VIII).  1.732,62.  Panl.XXV.a/1.  Lncae. A.  VIII. 

6.  hatttaga  (dies  octo).  I.  727,  32.  Selestad.  Lucae.  A.  XII /X. 

7.  [Ii | all  tonuiu.  P.  I.  858,  24.  C.  Lips.  Xotkerde  Musiea.  A.  XI. 

8.  hazech.   1>.  237,  3.     Vorauer  Leben  Jesu.  B+A?  XII. 

9.  habt  1,17.) 

60.  fb]ahtodinI,17.j  Kelle  Sp.  eed.  Benedb.  Pred.  B+A.  XII. 

1.  habt.  v.  792.        Cod.  Palat.  König.  Rother.    mF.  XII. 

ahtön.      2.  sigihahtot  (tractetnr).  II.  93,  37.  Wiirzb.  Canones.  hF.  VIII. 

3.  [hjahtonti  (reputans)  83,  1.  Tatian.  hF.  IX. 

4.  [hjahtöt  ir  (conquiritis).  91,  32.  Tatian.  hF.  IX. 
ahtön        5.  hahtos  (putas).  1.715,3.  Brüssel.  18725.  Matth.  mF.  IX. 

6.  |h|ahton.  IV,  37,  34.  (P).  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF-hA.  IX. 

7.  (hjahtonti.  V,  4,  15.  (P.)  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF+A.  IX. 

8.  [hjahton.  I.   lt  43.  (P.)  Frising.  Otfrid.  sF+B -j  A.  IX. 

9.  hahtonter  (pendeii8)I.315.35..Ia.  174.  Genesis.  A-j-<»F.  IX. 

70.  unibehathlichiu  11.  502,  S.Einsiedl.  Prudent.  A+F  ?  X. 

l.hachtet.  21.  10.)  %  . 

2  hallte       4  23  fLeiPz  Hds.LeysersPred.B-f  F .XIII/ XII. 


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86  - 


73.  halltest  (reputas).  143,4.  Trierer  Psalmen.  mF.  XIII/XII. 
hachtic.  Reinart  v.  2115. 
aekus.       4.  satelhachs(bipennis)sml.  32,  44.1  Viud.  460  (804). 

5.  ?  twerhacs(aseia)    „     25,   l.J    Isidor.  Gl.  B+F.  XII. 

6.  ?  dverhahs(bipennis)  51,48.  Vind.  901.  Vocabul.  B+F.XII. 

helmhexse.  Mnd.  Wb.  II.  233. 
haex.    Reinart  v.  701. 
al.  7.  helhi.    I.  23,  32.  (P.)  Fris.  Otfrid  sF+B.  IX. 

8.  halmah  ti  go.      z.  28.1  dkm.  55.  Emmer.  Hds.  d.  Freisinn. 

9.  halmahtigun.    z.  20.J      Paternoster.  B^-V  IX. 
80.  halle,  v.  4046.        Cod.  Palat.  König  Rother  mF.  XII. 

l.hal  sin  erbe.   S.  175b.    Sehönb.  Predigten.  F.  XIV/XH. 
?helzete  („aus  „alle  Zeit"  entst.?u)    S.-Id.  II.  1214. 
von  haller  weite.    Cimbr.  Kateehism.  S.  14. 
alpa.        2.  halben.  119,  2.  Palat.  Rolandsl.  mF.  XII. 

alpari.  3.  halebirie  (pöpulus).  11.718,  10.  Oxford.  Vergil.  nd-f-  X. 
alt.  4.  halti  (senium)  I.  246,  33.  Gl.  Keronis  Gl.  K.   A.  VIII. 

ö.arhaltet  (vetula)  I.  5,  32.  Gl.  Keronis.  Ra.  A-f-B  IX. 

6.  unmezhalt(grandissenex)1. 161.36.Gl.Keron.Ra.  A-f  B.IX. 

7.  halto  (olim).  II.  155,  32.  Sgall.  183.   Cassianus.  A.  IX. 

8.  helte.  V.  23.  52.  (P.)  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF+B.  IX. 

9.  oberhaldara  I.  298,40.Paris.  Alphab.  Bibelgl.  nd-f  obd.  XI. 

holdinges.    Mnd.  Wb.  II.  171. 
heldest.    Id.  Fris.  250. 

hout.  (13  mal).  Flandr.  Chr.  vv.  2638.  2797.  3314.  5292. 

etc.  Reinart.  vv.  112.  2308. 
ambaht.  90.  hambaht  (emissariis).  I.  279.  2.  Rd.  Alphab. Gl.  A-poFIX. 
amphir.     1.  hanphir.  diut.  III.  244.  Vindob. 2400. SuTil.  Heinr.  mF.XII. 

hampfere.    Schw.-Id.  I.  240. 
ana.         2.  hanalinet  (ineubat).  I.  193,  18.  Keron.  Gl.  Ra.A-f  B.  IX. 

3.  hanegegun  (incessere)  II,  143,  42.  Lips.  Canon. nd  -H»d.  XI. 

4.  hanleite.  108,  7.  Cod.  Palat,  Rolandslied.  mF.  XII. 
ö.sehethan.  72,5.1  fndgr.  I.  Cod.  Vindob.  2056.  Predigten, 
e.hanhete.  73,34.J  B+F.  XIII/XII. 

?han.    Heinzel.  dial.  VI.  Ndrfr.  Geschftsspr.  S.  351. 
han.    Sievers.  I).  Dichter  in  Uussld.  p.  18. 
andorn.     7.  handorn  sml.  58,  40.  Vind.  2524.  Pflanzengl.  F.  XIII/XII. 
angel.      8.  hangele  diut.  II.  217.  Bern.  Vocabiüar  nd+  ?  XIII/XII. 


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-  87 


aneho.  9.  h an  cho(butirum)G.X VIII,48. Eigelb. Sam.  H.  A-f  F?  XII. 
anna.    100.  hefihanna  (obstetrix).  I.  285,  49.  Rd.l Alpliab.  Gl. 

1.  hefihanna(ubstetrix).  I.  285,49(215)  Ib.J  A4-  oF.  IX. 
anst.        2.  hensti  (gratiae).    III.  3,  3.   Morbach.   Hymnen.  A.  IX. 

3.  hensti ger(gratiosus).  Zs.XV.340,459.  Florent.  165.  So»». 

Heinr.  nd-|-obd.  XIII/XI. 
ant-         4.  hantreiti  (ordinem)  XIV.  2,  4.  Morbach.  Hymnen.  A.  IX. 

5.  hantreiti  (ordine)  XI.  3,  1.  Marbacher.  Hymnen.  A.  IX. 

6.  hanthcizzom  (votis)  III.  3,  1.    Morb.  Hymnen.  A.  IX. 

7.  ?  hantmazzistun  (limpidissimi)  Rd.      |  I.  283,  59.Alph. 

8.  V  hantmazziston  (limpidissimi)  212.  Ib.J  Gl.  A-f-oF.  IX. 

9.  ?  hantprahti  (contractu).  Sgall.  299.  Canones  A.-r?  IX/X. 
1 10.  hantwirt  (=  antwortete).  129,5.  Palat.  Rolandsl.  mF.  XII. 

hantheiz.  Krone.  Palat.  v.  24280. 

handelagen  (— andelangen).    LmhdWb.  I.  55.  1176. 
MndWb.  II.  184.  Hess.  Id.  S.  11. 

hantwerk  (f.  Belagernngsmaschine).   MndWb.  II.  204. 
Kauffm.  Schwäb.  M.-A.  S.  205. 

henptieng,  henpflohen.  Birl.  Alem.  Spr.  r.  d.  Rh.  S.  117. 
aphul.       1.  ?  oughaphel  I.  685,  30.  Clm.  17403.  Zacharia.  B-f-.  X. 

granathöpfel.  Voc.  opt.  Wack.  S.  48b. 

happel.  mnl.  Wvl.  Id.1  I.  395. 
ar-  2.  harcheban  (redditum)  XII.  2,4.  Morb.  Hymnen.  A.  IX. 

3.  harbeiti  (labores).  XIV.  3,  3.      Murb.  Hymnen.  A.  IX. 

4.  harstantit  (surgit)  XIX.  3,  4.     Morb.  Hymnen.  A.  IX. 

5.  harsoahti  I.  287,  45.  Ib.  219.  Alphab.  Gl.  A.  +  oF.  IX. 

6.  harrekid  II.   143,  43.  Lips.        Canones.  nd-f-hd.  XI. 

7.  härenst  II.   141,  35.  Lips.  Canones.  nd-}-hd.  XI. 

harbot.    Cimbr.  Katecliism.  8.  20. 
arandi.     8.  ki ''arindat   I.  430,  34.  Carolsr.  IC.  Judic.  A-f-oF.  IX. 
arliz-       9.  harlezbom  (cornns).  Ad.  Bl.  II.  21 1.  Weissenao.  Xaturgl. 

A-hB.  X. 

herlitze.    DWb.  IV,  2.  479. 
arm.     120.  an  h  arm  ah  erz(immisericors).  1. 183,21.Keron.Gl.K.  A.VIII. 

1.  |hJarmote  (egestate).  1.278.52.  Ib. Alphab. Gl. A+oF. IX. 

2.  harmanti  (rapidus).   S-N.  248.  Je.  VGreg.  A-f-oF.  IX. 


1  De  Bo.  Westvlaamsoh  Idioticon. 


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88  - 

123.  hbrbmb  (privatos).  11.527,45.  Bern. 2«4.  Prudent.  A.  X. 
4.  harmiehait.  46,24.  Trudp. (Hohenburg.)  Hohelied.  A.  XII. 
härm.  Flandr.  Chr.  vv.  3381.  3440.  3446'  3457. 
arra.        5.  harrunga(arrabona).  H.  Ahd.  Gl. 21, 24.  Bonn.  218.  Naturgl. 

mF.  XI. 

harre,  har  (ital.  arrha).  LmhdWb.  I.  1187.  (Kämt.) 

arwiz.      6.  harniz  (pisa).  Halt.  1.289.   Sgall.  299.  Naturgl.  A.  X. 

haerewis.  Mon.  Boica.  XXXVI.  1,28.  (Weinh.) 

arzat.       7.  herzindum.D.  95, 14.  Vorauer Suiii.Theol.  B-roF.  XII/XI. 

cf.  heerschebiscop.  v.  2175.  \  „t     ,  rn 

\  rlandr.  thron, 
herdschebiscop.  v.  443 /.I 

ask.        8.  hask  (braxinus).  Ad.  Bl.  II.  211.  Weissenauer  Natural. 

A-f-B.  X. 

cf.  Heskirich.  Reichen.  Cfrt.  a.  830.  P.  II.  564,  31. 
Maschinen.   Regino  v.  Prüm.  Pertz.  I.  597.  608. 
Hascheri.  Urk.  v.  Stablo,  a.  924.  Heinzel  S.  266. 
aspa.        9.  haspa  Zs.  XV.  48,  83.  Paris.    Natural.  mF-f  Obd.  XI. 
130.  haspa  (tremulus).  Germ.  XX.  150.  Noltes  Naturgl.  A.V  XI. 
hespe.   Mnd.  Wb.  II.  259. 
hesse.   Brem.  Wb.  5,  387.   DWb.  IV,  2.  121)9. 
ast.  1.  hastalohten  I.  439,39.  Clin.  18140.  Regum.  B~j  ?  XI. 

2.  heste.  I).  250,  21.      Vorauer  Leben  Jesu.  B-jA.  XII. 
hastcling-asteling.   Wvl.  .Td.  410*. 
ätam.       3.  wissaetuomlihhatam  I.  351.  30.  Vind.  2732.  Levit.  B  r  ?  X. 

4.  hätem.  D.  350,  26.   Vorauer  Hds.  Arnold  v.  hl.  Geiste. 

B+?  XII. 


E. 

cbah.        5.  hebah  (hederam).  I.  676,  1.  Sgall.  299.  Jonas.  A.  IX  X. 

6.  hebah  (hederam).  I.  676,  1.  Carolsr.  CXXXV.  Jonas.  A.  X. 

7.  hebehuuoi(edera).  Zs. III. 472.  Weissen. Naturgl.  A-fB.  XI. 

8.  hebeouueZs.XV,  361.  Florent.  Natur,  nd-fobd.  XIII  XI. 

9.  hepoum(hedera).Grf.l.9l.  Olm.  14689.  Naturgl.  B-fF?  XII. 

hebheu.   DWb.  IV,  2.  733. 
eban.     40.  hebenaltero  (coevo).  II.  36,  11.  Vadian.  336.  Arator  A.  X. 

1.  hebenhellunga  (concordia).  diut.  III.  262.  Vind.  2400. 

Sum.  Heinr.  mF.  XII/XI. 


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2.  unh ebene,  v.  2829.  Molsh.  Hds.  Rede  v.  Glauben.  mF.  XII. 
Hebinolf.  P.  I.  79.  21.  Sgall.  Cfrt.  Scina  (b.  Reichenau). 
P.  II.  334,  15.  Reichen.  Cfrt.  etc. 
ebar.        3.  lieber  P.  I.  673,  28.  Turic.  121. 


4.  heber.  P.  I.  «73,  28.Brüssel.  8742.'Notker  Rhetorik  A'  XL 

5.  heberspiez.  Ahd.  Gl.  16,  23.  Trier.  Sum.  H.  inF.  XII/XI. 

H.  hebirwrz.  Germ.  XIX.  216. Palat. Sum. H.mF+A. XII/XI. 

7.  hebirvvrz.  MonelV,  95.  Salmansw.  Suffi.H.mF+A.XIII/XI. 

8.  hebirzan.  Zs.  XV.  344,  Florent.  Suüi.  H.  nd-robd.  XIII/Xl. 

Heburinga.  Sgall.  Urk.  a.  793.  QF.  III.  141. 

Heberuinns.  Sgall.  Cfrt.  Gengeubaeh  a.  839.  I.  63,  28. 

Hebrohardo.   Weissenb.  Urk.  a.  733.  737.  739. 

Hebarhart.  Trier.  Urk.  a.  870.  871.  Honth.  N.  109.  167. 

Heverhardo.  Heinzel.  dial.  VII.  saec.  XI. 
egeda.      9.  hegeda  (dentilia).  Grf.  I.  112.  Olm.  17153.  Sum.  Heinr. 

cf.  hagaleia.  inF.(-rI3 :)  XI. 

egi.       150.  hegislichen.  P.  11.24,26.  Cod.  Frising.Otfrid.  sF+B.lX. 

I.  ?hesslichen  „alii  legnnt".  Freher  z.  I.  24,  2:  Otfrid. 

2.  heise(horror).  diut.  III.  263.  Vind.  Summ.  H.  mF.  XII  XI. 

3.  heise.  D.  140,  18.         Vorauer  J.  Judith.  B  |-F.  XII. 

4.  hagebar t  (larva).    Wackern5.  122b. 

Hegisher.  Lorsch.  Urk.  N.  2841.  saec.  VIII. 
hegi  -  egi  (terror,  disciplina).   Schw.-Id.  I.  143. 
eht.         5.  he  eht  (possessio).  QF.III,  16.306.  Vocabul.  S.Galli.  A.VIII. 

6.  hehtim  (praediis).   VIII.  9,  1.    Murb.  Hymnen.  A.  IX. 

7.  merhe[ht](prerogativa).  11.682,55.  Seiest. Verg.  A.XII/X. 

8.  ?kihohtikoten(preditis).  II.  214,  58.  Selestad.  Greg.  c.  p. 

Wack.:   „gemeint  ist  „kihehtikoten".  A.  XII/X. 

9.  h e t i c (idoneus) 1 1. 248,47.  Cheltenh.  18908.  Greg. dial.  A ? IX. 
160.  [hjehtim.   P.  I.  1,  16.      Vindobon.  Otfried.  sF-f-A.  IX. 

1.  hettim(opibus).  11.318,62.  Fuld.Aa.2.  Greg. Homil.hF.IX. 

2.  [hjehti.  35,  4.  Tatian.  hF.  IX. 

3.  [hjehti.  97,  1.  Tatian.  hF.  IX. 

4.  fhjeht.  97.  1.  Tatian.  hF.  IX. 

5.  [hl eht.  97.  1.  Tatian.  hF.  IX. 

6.  [h]eht.  97,  7.  Tatian.  hF.  IX. 

7.  hebet. (reditus).  II.  148,  1.  Frankf.  «4.  Canones.  hF.  IX. 


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|  dkm2.  72\  Lorsch.  Beichte.  oF.  IX. 


U58.  hehti.  (facultates).  II.  148,  4.  Francf.  «>4.  Canones.  hF.  IX. 

9.  hehti.(possessiones).  II.  1 4*>, 64. Francf.  b'4.  Canones.  hF.  IX. 
170.  heihti.  (reditus).  II.  148.  73.  Francf.  <H.  Canones.  hF.  IX. 

1.  hehtio  II.  147,  53.  Francf.  t>4.  Canones.  liF.  IX. 

2.  h eh tio.(facn!tatum).II.l 45,43. Francf.  «4. Canones.  hF.  IX. 

3.  hehto  (rernm).  II.99,37.Clra.  19440.Cauon.B-i-hF.XI/XII. 

4.  hihti  II.  344,  20.  Clm.  «325.  Isidor  d.  offic.  B+?  IX. 

5.  [h?]ehtige  (dites).  I.  101,  38.  Hraban.  Gl.  R.  B.  IX. 
ei.  6.  hei.  28,  22.  Wernh.  v.  Ndrhein.  inF.  XIII/XII. 
eid.         7.  menhedos  v.  1504.  Cod.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

8.  meinheidan    II.  149,  8.  Mns.  Brit.     Canones.  hF?  IX. 

9.  minan  heit.  z.  24. 
180.  m(e)inan  heit.  z.  25.1 

1.  heit.  dkm2.  100.  z.  10.        Erfurter  Jndeneid.  hF.  XII. 

2.  heide.  72.  18.  Palatin.  Rolandsl.  mF.  XII. 

heit.  Trier.  Urk.  a.  1257.  Lacombl.  II.  435. 
eigau.      3.  heigun.  dkm2.  11.  v.  24.  Lndwigsl.  oF.  IX. 

4.  heigine.  II.  103,  49.    Clm.  14407.  Canones.  B+hF.  X. 

5.  [hVjeiginun  II.  1 1*5,  59.  Florian.  Canones.  B-fhF.  X. 
♦i.  heigenon  II.  *>09,  7.  Paris.  10195.      Sallust.  mF.  XI. 

7.  heikinin.  Hatt.  I.  112.      Sgall  Benedict.-Regel.  A.  IX. 

8.  heigit  (vendicat).  II.  54»i,  20.  Apponyi.  Prudent.  A.  X  XI. 

9.  heigen.  11.52,28.  Sgall.  21.   Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 
190.  heigin.  II.  122,  13.  Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII/XI. 

1.  heigin.  II.  122,  15.  Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 

2.  heigin.  II.  122,  18.  Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 

3.  heigin.  II.  122,  20.  Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 

4.  heigin.  II.  198,  4.    Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 

5.  heigin.  II.  599,  12.  Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 

6.  heigint.  11.393,3.  Sgall.  21.  Xotker-Psalm.  A.  XII  XI. 

7.  heigen.  9ßf  4.  Seemüller.  Einsiedl.  Willir.  A+hF.  XII/XI. 

8.  hein.  102,  2.  Seemnller.  Einsiedl.  Willir.  A-fhF.  XII/XI. 

cf.  Schw.-Id.  II.  890.  DWb.  IV,  2.  814. 
haigenshaft,  Kauffm.  Schwab.  M.-A.  S.  205.  a.  1293. 
heigen.  hein.  Boners  Edeln.  n.  LmhdWb.  I.  518. 
heigen.   Weist,  I.  7(>1  §  1H.  Selse  (Elsass).  a.  1310. 
heyn,  heym.   Höfer  II,  37  md.  n.  Weinh.  Mhd.  Gr. 
hein  (proprium)  heine  (servus)  Id.  Fris.  248. 


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91 

eih.         9.  heissci.  dkm2.  82.  cap.  12.      Aelt.  Physiologus.  A.  XI. 
200. haic(quemis).  Ad.Bl.  11.211.  Weissen. Naturgl.  A-f-B.X  XI. 

1.  heicbiner  Zs.  III,  378.  Admont.    Naturgl.  B-f  A?  XI. 

2.  heich  (aesculus).    II.  721,  1.  Berol.  Vergil.  A-fF?  XI. 

3.  heih(ilicem).II.25,4.  Clm.  14117.  Ambros.s.  Luc.  B?  X/XI. 

4.  haiche(ilices).  11.24,9.  Clm.  1 3079.  Ambr. Hexara.  B ? X/XI. 
ein.         5.  heinan.  dkm2.  52,  z.  14.  Fränk.  Taufgelöbn.  B.  oF.  IX. 

6.  [hlenin.dkm2.10.  v.27.  Cbrist.u.d.Samarit.  A-foF?X/IX. 

7.  beina.  v.  2.  Strassb.  Hds.  v.  Ezzos.  Leich.  A.  XI. 

8.  beimstrit  (seditio).  I.  292.  11.  Rd.  Alpbab.  Gl.A-oF.  IX. 

9.  beimstrit(seditio).I.  292,11. Ib.227.  Alphab.Gl.A-f  oF.IX. 
210.  hein.-striti  II.  317,  22.  Jb.  222.  Greg.  Homil.  A-foF.  IX. 

1.  beinstrit.  II.  264,  24.  Sgall.  299.  Greg.  Homil.  A.  X. 

2.  beimstrit  II.  204,  24.  Selestad.  Greg.  Homil.  A.  XII/X. 

3.  heinzugiler  (idiota).  1.727,35.  Selestad. Lucae.  A.  XII/X. 

4.  beinbenti(mancubium)II.19,56.  Clm.23486.  Aid  heim.  B?X. 

5.  beimpar  (situla).  diut.  III.  405.  Vindob.  3355.  Naturgl. 

B-f  F.  XI. 

be(i)ntzeler  (Einspänner).  Frankfurt  Dieffb.-W.  S.  658. 
hentel  (=  einzel).    Mnd.  Wb.  II.  243. 
eiscon.      6.  kaheiscoterull.  99.  15.  Clm.  19417.  Canones.  B-j-F?  IX. 

7.  ?  geheiscotoro 1  Grf.  I.  496  z.  Clm.  14407.  Canones) 

8.  gibescbot  Clm.  22201.  I.  573,  13.  Eccles.  B-f  V  XII/X. 

9.  heisccnGerm.St.Il.278b.  Bern.Salom.Gl.  nd-f  A.  XIII/XII. 

heischen,  heisch,  heischunge  etc.  cf.  LmhdWb.  I.  533. 
1223.  —  Kauffm.  Sehwilb.  M.-A.  S.  205.  DWb.  IV,  2. 
897.  896.  901.  BWb2.  I.  166.  hesken.  besehen.  Mnd. 
Wb.  II.  259'  besehen.  Reinart  vv.  220.  3076.  Flandr. 
Chr.  3067.  3968. 

eit.  220.  heito(pira™m,ignium).II.  19, 74. Clm. 23486.  Aldh.  B-f  ?  X. 
eitar.       l.heitar  (venena).  III.  5,  4.     Murbacher  Hymnen.  A.  IX. 

2.  hettaruurtiö  diut.  II.  193.  Strassb.      Naturgl.  nd.  IX. 

3.  hedor-nezzola  H.Ahd.Gl. 21.28.  Bonn.  Naturgl.  mF.  XI. 

4.  heitemescele  smrl.  19,  66  Vindob.  SuüT.  H.  mF.  XII/XI. 

5.  heiterneschel  20,  11.  Vindob.     Sum.  H.  mF.  XII/XI. 

6.  heiternescel.  smrl.22.  40.  Vindob.  Sum.  H.  mF.  XII  XI. 


1  Bei  8t.-8.  steht  nicht«  davon. 


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—    92  — 

7.  heittirnezziliGerm.XIX,216.Palat.  Sum.  H.mF+A.XII. 

8.  heitenezzila  Gerb.  57b.  S.  Blas.  Suhl.  H.  niF-f-A.  XII/Xl. 

9.  heiternezela  srarl.  62,  65.  Vindob.  Naturgl.  F-i-B?  XII. 
230.  hoiternezila  Germ.  St.  II.  281.  Bern.  Naturgl.  F-r A  ?  XII. 

heiznezele  (acalife).  smrl.  53, 12;  50.  Vind.  2824.  Md.  XIII. 
heiznessel.  Dfgl.  6". 
heiternezzel.   Lmhd.  Wb.  I.  536. 
heiter-,hitter>ader-.haber-nessel.  DWb. IV,2. 1 1.91581. 
heder-,  hidder-,  hader-nettel.  Mnd.  Wb.  II.  172. 
hernitel.      WWb.  S.  99. 
(keddernettel.  (Oldenburg).  WWb.  S.  99. 
ekka.       l.hecgepugi  (tramite).  I.  256,  2.    Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 

2.  ?  deggen  („stattheggenu)(principiis).  11.612,67.  Einsiedl. 

Sallust.  F.  XI. 

ekkil.       3.  hechelstein(acirum).  Mone 7.599,70.  Innspr.  711.Naturgl. 

B -F.  XI/XII. 
hecchal  =  eckel  (Stahl).  Oinibr.  Wb.  S.  116. 
ekkor(odo).  4.  heccor.  II.  578,  6.  Düsseldorf  F.  1.  Prudent.  nd-fA.  IX. 

5.  lieht,  v.  814.  Casseler  Hds.  Reinh.  Fuchs.  A.  XII. 

hecht.  Rein«rt.  v.  3432.  K.  III.  Disp.  v.  Regiere.  349. 
elaho.      6.  helahun  II.  742,7.  Ja.  184.  Pass.  Barthol.  A+oF.  IX. 

7.  helaho(tragelaphus).  1.366,9.  Sgall.283.  Deuteron.  A.  IX. 

8.  helaho  I.  367,  13.  Stuttg.  218.     Deuteron.  A.  XI/IX. 

9.  helaho(tragelafum).  1.367,13.  Sgall.9.  Deuteron.  A.IX/X. 
240.  heloho.  (alx).  diut.  III.  263.  Clin.  1 7 1 52. Saloingl.  A.+B  XII. 

1.  heloho.  (alx).  Genn.  XX.  150.  Noltes  Naturgl.  A-f-F?  XI. 

2.  helahesuht(elefantia).smrl.  7, 12.Vindob. Suiii. H.  F. XII/XI. 

helenhüt.  (Elenshaut).  Mnd.  Wb.  II.  231. 

(Vcf.  Heichart.  Sgall.  Cfr.  P.  I.  118,  15). 
elbiz.        3.  helbez  (olor).  Zs.  III.  475.  Weissenau.  Naturgl.  A-fB.  XI. 
elephant.      helfant  cf.  S.  117  f. 

eli-  4.  helcor.  v.  5077.  Cod.  Monac.  Heliand.  ml.  IX. 

5.  helidiota  (alienigenac).    107,  9.  Sgall.  Psalmen.  A.  IX. 

6.  ?helitentuomo(=helilent-)(po8tliminio)II. 406,50.  Prag. 

Prudent.  A-4-B.  IX  X. 

7.  ?  hellande.(pulse).II.698.Pari8.9344.  Vergil.mF-hobd.XI. 

8.  helende.  v.  2269.  Palat.  Kön.  Rother.  mF.  XII. 


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93 


eli-  9.  hellende,  v.  2409.  Palat.  Kön.  Rother.  mF.  XII. 

Halisacinse.  Weissenb.  Urk.  a.  737.  Strassb.  St.  I.  S.  133. 

Helisezo.  Lorsch,  ürk.  (N.  1350.)  saec  VIII.  Förstern.  8. 70. 

Helisnuind.   Fuld.  Urk.  (N.  108).  a.  801.  QF.  46. 

Helilant.  Reichenau.  Cfrt.  P.  II.  296,  10. 418,  28.  559,  10. 
cf.  hei  (=  anders,  sonst).  Reinart,  v.  571. 

helende.  Comb.  Hds.  K.  III.  S.  392.  v.  388. 

hellendig.  Hess.  Jd.  S.  164. 
elina.    250.  helina  2  mal?  Grf.  I.  239.  Clm.  14754.  Naturgl.  B-t-F?  ? 

1.  helna(ulnuf»).Grf.  1.249. Prag.mus.Salom. Gl. B+A?XII/XI. 

hellen  (Mas«).  Comb.  Hds.  K.  III.  S.  150  v.  384. 

Katenhellenboge.   Flandr.  Chron.  v.  6273. 
ellan.       2.  hellen.  S.  190,  12.  Palatin.  Rolandsl.  mF.  XII. 

Hellinhart.  Reichen.  Cfrt.  P.  II.  521,  32. 
elm.         3.  helmboum(ulmus).  11.368,  l  l.Clm.  18375.  Priscian.  B?  IX. 

4.  helm(nlnus).  Grf.  1.249.  Clm.  17152.  Salom.Gl.  A-f-BVXII. 

5.  derbomholm.Grf.  IV.926.    ?  ?  ?  ? 
elunt.       6.  ?  helliunt(hiena).  Zs.XV.363, 1 762.  Florent  16,  5.  Naturgl. 

nd+obd.  xin  XI. 

cf.  heltenze.  (=  illintiso).   Dfgl.  277*. 

helsink.  (ein  Pelzwerk).  Mnd.  Wb.  II.  235. 
emiz.       7.  hemizigen.  IV,  2.  34.  Cod.  Frising.  Otfrid  sF-fB.IX/X. 

8.  hemizen.  V.  23.  109.  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF+B.IX/X. 
enti.         9.  hentriskes(antiqui).XXIV.  9, 1.  Murb.  Hymn.  A+oF.  IX. 
260.?  tho[h?]enti.  (P). IV.  24,25.  Cod.  Frising.  Otfr.  sF-p-B.  IX. 
l.hcnde.  26,  15.     Wernh.  v.  Xiederrhein.  mF.  XIII.'XII. 
hent.  hende.  Flandr.  Chr.  vv.  837.  2862.  4402.  5637. 
5885.  6916.  8633.  10478.  Comb.  Hds.  K.  III.  152, 
334.  153,  346.  Reinart.  vv.  1929.  2571. 
henden  (verb.)  Flandr.  Chr.  vv.  3833.  8948.  Rein.  v.  450. 
hende.  Mnd.  Wb.  II.  171. 
enze  ?       2.  h  e  n  z  e  (ansa).  diut.  II.  200.  Bern.  64 1 .  Alphab.  Wb.  nd.  XIII. 

heinze.  Wvl.  Jd.  299*. 
erpron.  III.  her  cf.  f.  108.  f. 

er-  3.  herbremot  (exarserit)  II,  13  (Niederd.)  Psalm.  mF.  IX. 

4.  herhaben  (fermentatum)  I.  713,  20.  Brüssel.  Matth. mF. IX. 
er-  5.  h erbarm i da  I.  714,  27.   Mainz.  Matth.       mF.  IX/X. 

6.  herdemphu  II.  740,  7.  Sgall.  292.  Abd.  A.  Apost.F.  IX/X. 


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7.  herholoth  II.  500,  17.  Sgall.  292.  Prudent.  F.  IX  X. 

8.  hergab(tradidit).II.21, 13.  Vindob.  916.  Aldhelm.B4-F?  X. 

9.  -herstuont  z.  20.  Lied  v.  hl.  Georg.  A.  X. 
270.  -herstuont  z.  32.  Lied  v.  hl.  Georg.  A.  X. 

1.  -herstuont  z.  33.  Lied  v.  hl.  Georg.  A.  X. 

2.  -herstuont  z.  41.  Lied  v.  hl.  Georg.  A.  X. 

3.  -herstan      z.  32b.  Lied  v.  hl.  Georg.  A.  X. 

4.  herlekanaz  II.  539,  28.  Apponyi  Prudent.  A.  X/XI. 

5.  ?hergienc(fluxit)IL  552.  55.  Trier.  Prudent.  inF-fA.  XL 

6.  herzagede  II.  713,  24.  Paris.        Vergil.  mF-f  A.  XL 

7.  h erheitern.  I.  309,  2.   Clm.  22201.  Genesis.  B+F?  XII. 

8.  herstarf  93,  10.  Leydener  Williram.  mF.  XL 

9.  hersterbe.  49,  22.  Frgni.  S.  Rolands].  m¥.  XII. 
280.  herbedit.  53,  20.      Wernher  u.  Adrhein.  mF.  XIII  XII. 

1 .  h  er  gen  te.  v.  837.  Codd.  P  u.K.  Reinh.  Fuchs.  o?F.  XIV/XIL 
cf.  Weinh.  A.  B.  Mhd.  Gr. ;  Birl.  Aleni.  Spr.  rechts  des 
Rheins  S.  117.  23Beisp.:  Kauftin.  Schwab. M-A. 8. 205. 
herfert.  weist.  I.  41 7  ;  herdenken  70.  herbot.  83.  Reyscher. 
herkennen.  Mone.  Zf.  d.  Obrh.  VII,  451.  herkant.  Pank- 
rotsh.  109. 

herbarmen,  herbotet,  usherwelten.  Mone  Schausp.  I.  200. 
herlobet  28,  298.  herbaitot  28,  95.  Liedersaal, 
lierncrt  Ortnit.  1310.  herscheint..  190,  17.  herfert  133, 

28.  Spiegel,  her-  Ring.  6''.  0C.  7°.    hermessen.  Zimr. 

Chr.  IL,  8,  34.  Herlöse.  Cimbr.  Katechism.  S.  15. 
herschlug,  fol.  89.  herblicket,  fol.  93.  hercante.  fol.  94. 

Wolfd.  Palat. 

Herwegen.  4,  0.  herheben  8,  5.  herzogen  8,  9.  )  ?  f!  « 
herbannen  1 0, 4 ;  5 ;  0.  lierkennen  1 1 , 8. 1 7, 9. 1 9, 2. 5  |  |  s 
herholn.  30,  5.  herwein.  61,  10.  herwinden  03,7.)  *g  *  % 
herlost.  I.  11,  17.  hennorden.  I.  075,  0.  Myst.  herhörest. 

Katt.  Spieg.  108. 
herwarb.  Kttdiz  Hl.  Ludw.  103. 
hermort.  1 18.  hernern.  120.  herforschte.  121. 
herhub.  127.  herdacht.  129.  herhuben.  122. 
herweycht.  hersüffczte.  herschrag.  134. 
herquigken.l35.hersagen.  UO.hergreyfr.  141. 
herbannete.  1 42.  herbout.  1 45. herhaben.  1 50. 
Herwachte.  155.  hermannet.  101. 


Lcipz.  Mlrehrn- 
llds.  aaec.  XV. 
Ad.  Bl.  I.  IIS. 


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95 


Hess.  Urkndn. 
(v.  Baur.) 


herstorben.  I.  718.  herlenbt.  I.  670. 

herkennet.  I.  687. 
herfroys.  III.  875.  herkante.  III.  1338. 

herclagit.  III.  1395. 
hervaren.  Höfer  I.  2.  a.  1 248. 
haerbeyder.  Wvl.-Id.  I.  395  mnl. 
herinnern.  Fr.  Etym.  Nl.  Wb.  S.  365. 
herbeginnen,  herberen,  herbiechten.  Wvl.  Id.  I.  422  ff.  etc. 
er.  (Erz).  2.  he.rino  (e^reas).  I.  447,  15.  Carolsr.  IC.  Regum.  A-j-oF.  IX. 

3.  heriran  (ereum).  I.  458,  55.  Carolsr.  IC.  Regum.  A  +  oF.  IX. 
er(prins).  4.  Vherostin  (stirpe).  I.  21,  22.    Keron.  Ol.  K.  A.  VIII. 

5.  haerostin,  (stirpe).  I.  20,22.  Keron.  Gl.  Pa.B-bA?X/VIII. 

6.  herist. .  (in primis horis)  Hatt.  1. 67.  Benedict-Regel.  A.  IX. 

7.  her  .  dkm2.  10.  v.  26.  Christ,  u.  d.  Saraarit.  A-foF.  X/IX. 

8.  hererun.  V.  23,  143.  (P).  Frising.  Otfrid.  sF-f-B.  IX/X. 

9.  zi[h]eristen  (primum)  38,  7.  Tatian.  hF.  IX. 
290.  ziheristen.  (primum)  39,  6.  Tatian.  hF.  IX. 

1.  herist.  dkm2.  65.  S.  178.  z.  17.  Trier.  Lex  Salica.  hF.  IX. 

2.  her  (ante)  II.  381,  6.  Mns.  Plantin.  Prosp.  Epigr.  mF.  X/XI. 

3.  her  (ante)  II.  612,  35.  Einsiedl.  303  (155)  Sallust.  m?F.  XI. 

4.  herista.P.  1.  604,  31.  Turic.  121.  Notker-Syllogism.  A.  XI. 
er(prius).  5.  [hier  P.  II.  10,  17.  Sgall.  21.      Notker-Ps.  A.  XII/XI. 

6.  herst  .  72,  26.  Trudp.  (Hohenb.)  Hohelied.  A.  XII. 

7.  He  .  Germ.  VII.  8.  306.  Augsb.  Wernh.  Marienl.  A.  XII. 

8.  herrin.  I).  95,  18.  Vorauer  Summa  Theol.  B-HoF.  XII/XI. 

9.  here.  D.  125,  33.  Milstäter  Exodus.  B-rF.  XII. 
300. ?herren  (veteres).  I.  491,  69.  Clm.  22201  Esther.B.  XII. 

1.  zehers.  47,  15.        Wernher.  v.  Ndrhein.  mF.  XIII; XII. 

2.  nuheres.  51,  12.      Wernher.  v.  Ndrhein.  mF.  XIII/XII. 

he  (priU8)  57,  10.  Trebn.  Ps.  schles.  saec.  XIV. 
he  (prins).  89,  2.  Trebn.  Ps.  schles.  saec.  XIV. 
ze  herscht  „im  heut.  Frankf.  a  M.u  I)ieffenb.-W.  S.  658. 
die  bersten.  Cimbr.  Katechism.  S.  14. 
harra  (prius).  Id.  Fries.  242.  herest  (prius).Id.  Fris.  255. 
6ra.         3.  hera  (honorificatjio]).  I.  240,  29.    Keron.  Gl.  b.  A.  VIII. 

4.  herhaft  (infolas).  I.  199.  20.     Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 

5.  herhaft  (exorabilis).  I.  137,  17.    Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 

6.  haerhaft.  I.  136,  17.  Keron.  Gl.  Pa.  B-fA.  X/VIII. 


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—     9«  - 


7.  haera  (honorem).  I.  1«.  8.  Keron.  Gl.  Pa.  B— A.  X/VIIL 

8.  kihereter  (senior).  II.  222,  32.    Clm.  18550.  Greg.  c.  p. 

B+A?  Vitt. 

9.  herhaft  (pius).  S.-X.  245.   Ic.  Greg,  cod.  Homil.  A  — oF.  IX. 
310.  hera  (honor).  VI.  6,  4.  Murbacher  Hymnen.  A.  IX. 

1.  hern  (honore).  Hatt.  I.  «1.  Benedict.  Regel.  A.  IX. 

2.  hera.  IV.  12.  32.  Tod.  Vindob.    Otfrid.  sF+A.  IX. 

3.  hera.  IV.  12,  32.  (  od.  Palat.      Otfrid.  »F.  IX. 

4.  hera.  IV.  12.  32.  Cod.  Frising.   Otfrid.  »F-fB.  IX. 

5.  [h]era.  IV.  9,  30.  (P)  Cod.  Vindob.    Otfrid.  sF— A.  IX. 

6.  jh?]cren.  I.  22.  59.  Cod.  Vindob.    Otfrid.  sF-rA.  IX. 

7.  gib  er  et.  III.  13.  31.  Cod.  Vindob.   Otfrid.  sF  —  A.  IX. 

8.  (filieret.  III.  13.  31.  Cod.  Palat.     Otfrid.  sF.  IX. 

9.  giheret.  III.  13,  31.  Cod.  Frising.  Otfrid.      sF~B.  IX. 
320.  jriherete.  IV.  5.  52.  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF-f  A.  IX. 

1.  sriherete.  IV.  5,  52.  Cod.  Palat.    Otfrid.  sF.  IX. 
era  2.  giherete.  IV.  5.  52.        Cod.  Frising.  Otfrid.  sF-rB.  IX. 

3.  gihereti.  IV.  4,  25.        Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF+B.  IX. 

4.  gihereti.  IV.  4,  25.        Cod.  Frising.  Otfrid.  sF+B.  IX. 

5.  gi[h]eret  (honorihcabit).  139,  4.  Tatian.  hF.  IX. 

6.  ?giherodo.  v.  102.  (C.  gierodo.)  Cod.Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

7.  ?giherod.  v.  4144.  (M.  gierod).  Cotton.  Heliand.  nd.  X  IX. 

8.  geheredes  (coronasti).  38«.  Cod.  Lipsian.  Bibelgl.  nd.  IX. 

9.  cahereta  11.343,  19.  Clin.  19410.  Isidor  de  off.  B.  ?  IX. 
330.herhaftiII.  733,  34.  Clm.  14747.  Vitae  patr.  B-r?.  X. 

1.  hera  II.  224.  28.   Florian.  Greg.c.  p.  B-rA?  X. 

2.  heres  I.  579.  41.  Vindob.  2732.     Ecclesiast.  B-r?.  X. 

3.  [h]era.  dkm2.  83.  z.  45.         Gebet  Otlohs.  B(-fFr')  XI. 

4.  hergiride.  dkm2.  91.  z.  119.  Monae.  Bamb.  Gl.  hF.  XI. 

5.  unhera.  (flagitium).  II.  613,5.  Einsiedl.  Sallust.  m?F.  XI. 
«.  unhera.  (dedecus).  II.  612,  12.  Einsiedl.   Sallust.  mVF.  XI. 

7.  unherun.  fininrie).  II.  «12,  5.  Einsiedl.  Sallust.  m?F.  XI. 

8.  hersam.  (honestus).  II.  609,  5«.  Paris.  Sallust.  m?F.  XL 

9.  ?hergingerdint.  III.  420.  Prag.  Gl.  Salom.  A+B.  XII 
340.  potin  hera  P.  II.  470,  9.  Sgall.  21.  Xotker-Ps.  A.  XII  XI. 

1.  heren.  XIII,  11.  Wackern.  Züricher  Predigten.  A.  XII. 

2.  geliert.  XIII,  5.  Wackern.    Züricher.  Predigten.  A.  XII. 

3.  gelieret.  II.  25.  Kelle.  Benedictb.  Predigten.  B+TA.  XII. 


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—    97  - 


4.  her  et.  dkm-.  94.  18.    Benedictb.  Hl  u.  Beichte.  B.  XII. 
ö.ziheren.    Zs.  XXIII.  350.  Wien.  Predigt.  B+F.  XII. 
era.  6.  heren  fndgr.  I.  78.  34.  ^Vindob.  2056.  Predigten.  B-}-F. 

7.  heren  fndgr.  1.  78.  36.    J  XIII  XII. 

8.  geh  er  et.  35, 42.  Leysers  Leipziger  Predigten.  F.  XIV  XII. 

9.  here.  D.  174,  18.  Vorauer  Kaiserchr.  mF4-B.  XII. 
350.  here.  D.  526,  25.       Vorauer  Kaiserchron.  mF-fB.  XII. 

1.  here.  D.  526,  32,       Vorauer  Kaiserchron.  niF-r  B.  XII. 

2.  heren.  D.  527,  13.     Vorauer  Kaiserchron.  mF-}-B.  XII. 

3.  here.  D.  527,  21.       Voraner  Kaiserchron.  mF-f  B.  XII. 

4.  hersam.  D.  471,  32.  Vorauer  Kaiserchron.  mF-fB.  XII. 

5.  hersam.  D.  524,  16.  Vorauer  Kaiserchron.  uiF-f-B.  XII. 

6.  hersain.  v.  6229.  Strassburg.  Alexander.  mF.  XII. 

7.  her s am.  (n.  Lexer).  Palatin.  Rolandsl.  mF.  XII. 

8.  here.  78,  6.  Palatin.  Rolandsl.  mF.  XII. 

9.  here.  132,  20.  Palatin.  Rolandsl.  mF.  XII. 
360.  here.  v.  119.  Palatin.  Rother.  inF.  XII. 

1.  here.  v.  931.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

2.  heren.  v.  1179.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

3.  here.  v.  1242.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

4.  heren.  v.  1548.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

5.  here.  v.  3406.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

6.  here.  v.  3670.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

7.  heren.  (verb.)  v.  261.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

8.  heren.  (verb.)  v.  2454.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

Herhart.  P.  I.  1,  33.  Sgall.  Cfrt.  Schbnenwert.  a.  810. 
Herhart. P.  II.  135, 1.319,4.  602, 18  (s.  X.)  Reichen. Cfrt. 
Herhardi.  QF.  46.  Fuld.  Urk.  a.  841.  (N.  534). 
?Hericho.  Str.  St.  1.  127.  158.  Weissenb.  l'rk.  a.  719.  780. 
daz  hArebernde  laut.  Walther  v.  d.  V.  76,  37. 
heren.  Reinart.  v.  2342.  onthert.  v.  668. 
gebeert.  Flaudr.  Chr.  vv.   1156.  2150. 
beere.  Flandr.  Chr.  vv.  3128.  3135.  4893.  5860.  6038. 
here.  Cinibr.  Wb.  1 1 7". 
erbi,-o.     9.  fatherb  (patrimon.).  II.  142,  21.  Lips.  Canon,  nd  -\  obd.  XI. 
370.  hereuue  (hereditas).  gl.  562.  Lipsian.  Bibelgl.  nd.  IX(? 

1.  he  reut  (statt  hereve).  II,  8.  (Xiederd.)  Psalm.  mF.  IX(? 

2.  adalherbon.  IV,  6,  8.  Cod.  Frising.  Otfrid.  hF--B.  IX  X. 

QF.  LXIX.  7 


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-     98  — 


3.  feter  Ii  erib  um.  I.  585,  68.Carol*r.  IC.  Ecclesiast.  A    oF.  IX. 

4.  heribo  (heres).  II.  513,  30.  Einsiedl.  316.  Prudent.  A.  X. 

5.  canherben.  P.  II.  131,7.  Sgall.  21.  Nutk.-Psalm.  A.  XII  XI. 

6.  herbe.  Wackern.  III.  110.     Züricher  Predigten.  A.  XII. 

7.  herbe. Kelle. spec.  eccl.  III.  176. Benedictb. Pred.  B  f  A.  XII. 

8.  herbe,  (patrimon.)  srarl.  14,  30.  Vind.  Sum.  H.mF.  XII/XI. 

9.  herbo.  diut.  III.  238.  Vind.     Suiu.  Heini-.  mF.  XII  XI. 
380.  herbo.  diut.  III.  238.  Clin.  2612.  Sum.  H.  mF.  XII/XI. 

1.  aftirherbo.  Ahd.  Gl.  2, 11.  Trier.  Suni.  Heinr.  mF.  XII, XI. 

2.  ebinherbo.  diut,  111,238.  Vindob.  Sunl.  Heinr.  inF.  XII/XI. 

3.  ebinherbo.  diut.  111,238.  Clin.  2612.  Sum.  H.  mF.  XII/XI. 

4.  ebiner herbo.  Gerbert,  Anh.  18.  SBlas.  Sum.  H.  mF.  XII  XI. 

5.  herven.  v.  3379.  Cod.  Palatinus  Rother.  mF.  XII. 

6.  herbe  (liaereditati).  67,9.  Trierer  Psalmen.  mF.  XIII  XII. 

7.  herbe  (haereditate).  81, 11.  Trierer  Psalmen.  mF.  XIII  XII. 

8.  herbes(haereditatis).  104,13.  Trierer Psalin.mF.  XIII  XII. 

9.  herbe  (haereditatem).  105,38.  Trierer  Psalm.  mF.  XIII/XII. 
390.  herbe(haereditatem).l34,13.  Trierer  Psalm.  mF.  XIII  XII. 

1.  herbe.  Leyser  13,  28.    Leipziger  Pred.  B-pF.  XIII  XII. 
?  Herbolf  (4mal).  Str.  St.  I.  S.  207.  Mnrb.  Urk.  a.  786. 
?Herfo.  Sgall.  Cfrt.  P.  I.  181,  28. 
?  Heribo.  Reichen.  Cfrt.  P.  II.  324,  23.  495,  13. 
herbo.  Btr.  XIII.  481.  Schwäb.  Urk.  1292. 
untherben.  Palat.  v.  6023.  Iwein. 
7 mal  :  herbe.  Rück.  Schles.  M.-A.  S.  166. 
herbis.  Trebn.  Ps.  15,  5. 

herbin.  Hess.  Urk.  III.  1163.  (Weinh.  Mhd.  Gr.) 
herve.  Höfer  II.  36.  Heinzel.  dial.  VI.  S.  351. 
onthervet.  Reüiart.  v.  668.  Flandr.  Chr.  v.  2629. 
ontheruenisse.  Flandr.  Chr.  v.  8551. 
herfelyk.  nml.  Wvl.  Id.  I.  395. 
erda.        2.  Valtherda.  (omnis  terra)  I.  280,  30.  Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 

3.  herda.  (terra).  I.  168,  5.     Keron.  Gl.  Pa.  B-r  A.  X  VIII. 

4.  herda.  (terra).  VII,  8,  3.  Murb.  Hymnen.  A.  IX. 

5.  herda.  I.  291,  13.  Ib.  Alphab.  Gl.  A-foF.  IX. 

6.  herda.  erd.  (sohun)  I.  291,  13.  Rd.  Alphab.  Gl.  A-r  oF.  IX. 

7.  herda.   123,  7.  Sgall.    Interl.-Vers.  d.  Psalmen.  A.  IX. 

8.  herda.  II.  1,  3.  Cod.  Frising.  OttVid.  sF -:  B.  IX/X. 


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—  99 


9.  herdun.  II.  1.  35.  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF^B.  IX/X. 
400.  herdu.  III.  8,  18.        Cod.  Frising.  Otfrid.  sF+B.  IX/X. 

1.  herdu.  III.  12,  43.     Cod.  Frising.  Otfrid.  sF^B.  IX/X. 

2.  herdhu.  I.  18.  Monseer  Matthaeus.  B-f-oF.  IX. 

3.  haerda.  V.  2.  Monseer  Matthaeus.  B-j-oF.  IX. 

4.  herda.  VI.  7.  Monseer  Matthaeus.  B-f-oF.  IX. 

5.  haerda.  VI.  8.  Monseer  Matthaeus.  B-r  oF.  IX. 
(>.  haerda.  MI.  19.  Monseer  Matthaeus.  B-  oF.  IX. 
7.  ?  herdun.  (stuppa).  I.  382,  21.  Fuld.  Aa.  2.  Judic.  hF.  IX. 
8,.?herdfiur.  I.  302,  32.  Clm.  14754.  Genesis.  B?  IX/X. 
9.  ?  htrdmiz.  (tubaura).  Hatt.  I.  29l.Sgall.  Natural.  oF.  IX  X' 

410.  ?  herdnuz.  (tubura).  Ahd.  Gl.  21, 31 .  Bonn.  Naturgl.  mF.  XL. 

1.  ?hfrdstat.(solum).  1.715,  55.  Paris.  Vergil.mF  r  obd.  XI. 

2.  herda.(saltum).  I.  393,  2.  St.Paul.  XXV  d  22.  .ludic.  A.  X. 

3.  herda.  (terra).  Hatt.  1.  296.  Sgall.  242.  Natural.  A.  X/XI. 

4.  V  hertinga.  P.  1.  822,  12.  Sgall.  872.  Notk.-Capella.  A.  XI. 

5.  herde.  Wackern.  IX,  2.  Zürich.  Predigten.  A.  XII. 
tf.  herde.  Wackern.  XIII,  25.      Zürich.  Predigten.  A.  XII. 

7.  herde.  Wackern.  LXXX,  34.    Muri.  Predigten.  A.  XII. 

8.  herden.  I).  3<>5,  17.    Vorauer  Hiiiil.  .Terusal.  AH  B  XII. 

9.  ?  herin  erde  in  herde.  I.  599,  l«.  Clin.  22201.  Es.  B  ;  ?  XII. 
420.  ingrapanero  herdo.     I.  594,  Gotwic.  103.|  Esaia. 

1.  Vingigrabanerheride.  33.  Clm.  22201.     J  B-r?  XI/XII. 

2.  V  he  rt  prost,  (hiatu).  II.  355,  8.  Clm.  14505.  Lncan.B?  XI? 

3.  V  hertlim.  dint.III.243.  Vindob. 2400. Sum. Heinr.  mF.XII. 

4.  ?  hertapfel.  smrl.  23,  1(>.  Vindob.  Sum.  Heinr.  mF.  XII. 

5.  ?  herdepliele.  smrl.  55,  59.  Vindob.  2524.  Naturgl.  F.  XIII. 
Ii.  herden.  v.  1849.  Palatinus  Ruther.  mF.  XII. 

7.  herden.  v.  4215.  PalatinUB.  Rother.  mF.  XII. 

8.  ?  herthen.  44,  27.    Wernher  v.  Ndrrhein.  mF.  XI1I/XII. 

cf.  Schweiz.  Id.  I.  379.  DWb.  BWb.  etc. 

he(e)rde.  Flandr.  Chr.  vv.  25<>4.  2848.  4205.  7120. 

Bern.  Ep.  v.  128.  (K.  III),  u.  K.  III.  S.  117,  89. 
hirde  (dominium).  Id.  Fris.  2<>2. 
herda.   Cimbr.  Wb.  S.  117». 
herdäpfel  (Oberpfalz).  BWb.  139. 


'  Wir  weit  in  solchen  Füllen  die  Form  herd  (nm*e.)  heranzuziehen 
ist.  Ili«flt  nieh  nieht  entnehnthu. 

7* 


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MIO 


Birl.  Alein.  Spr.  rechts  d.  Rheins.  S.  117. 
Kauffm.  Schwäb.  M.-A.  S.  205. 
erüa.        9.  herilun  (ahn).  II.  721,  15.  Berol.  4°. 25.  Vergil. A?-f  F.  XI. 


Herloaldus.  Str.  St.  1.  S.  132.   Weissenb.  Urk.  a.  739. 
Herloaldo.  Str.  St.  S.  133.   Weissenb.  l'rk.  a.  739. 
Herlulf.  Försteiiiann.   Lorsch.  Urk.  saec.  VIII.  (X.  690). 
Herlnlf.  Förstemann.   Lorsch.  Urk.  saec.  IX.  (II.  1918). 
Harlebeke.  Reinart  v.  5334.   Flandr  Uhr.  v.  35. 
hällern.  Mnd.  VVb.  II.  287.  heldern  holt.  Xnd. 
herlarenhout.  Wvl.  Id.  423b. 


erin-  430.  heringriez.  Germ.  XIX.  21*».  Palat.  Suiii.  H.  A-f  F.  XII. 

i.  heringriez.  (alietum).  Mone  4,  95.  Salmansw.  Sum.  Heinr. 

A^-F.  XIII  XII. 

erclich.     2.  herklieh.  v.  80.  Cod.  Kalocz.  Reinh.  Fnchs.oF.  XIV  XU. 

haerch.  hcrghe.  Flandr.  Uhr.  vv.  6260.  6738. 
ernust.      3.  hernosta  (seria).  II.  610,  61.  Paris.  10195.  Sallnst.mF. XI. 

Hernust.  Sgall.  Ufrt.  P.  I.  348,  14  u.  52,  14. 
Reichenauer  Ufrt.  II.  434,  5. 
etteslih.    4.  hetelicher.  I>.  208,  18.    Vor.  Alexander.  Ht mF.  XII. 
ewa.        5.  he  altiger.  I.  587,  25.  Ja.  189.  Ecclesiast.  A  +  oF.  IX. 

6.  healtidu  (religione).  I.  587,52.  Ja.  189.Eceles.  A-oF.  IX. 

7.  hehalto  (pontifex).  Ic.  245.  Greg,  homil.  A.  IX. 

8.  heialtlihia.  II.  620,  52.  Uarolsr.  CCXVII.  Sedul.  A.  X. 

9.  heuigon.  dkm2.  3.  v.  41.  Muspilli.  B^-oF.  IX. 
440.  hebrucliehan.  II.  477.  54.  Ulm.  18922.  Prudent  A^B.  X. 

1.  merhe  (prerogativa).  II.  682.  55.  Seiest.  Vergil.  A.  XU/X. 

2.  hewen.  I).  365,  11.  Vorauer  Hiinl.  Jeruslm.  B  +  AF'PXII. 

3.  he.  D.  372,  23.  Vorauer  Hiinl.  Jerusalem.  B+AF?  XII. 
5.hewigen.  I).  112.  20.       Milstäter  Genesis.  B  rF.  XII. 


he.  Mnd.  Gr.  §  44.  („in  späterer  Zeit4*), 
ezzan.      8.  hfiz.  Germ.  VII,  305.  v.  585  (384).  Augsb.  Frgmt.  v. 

Wemb.  Marienl.  A.  XII. 
beten.  Reinart  v.  3137.  hat.  v.  271. 


beten.  Hausier  III.  138,  250.  188,  59;  64.  209,  158. 
cf.  böser  =  öser :  mhd.  eser.  Schw.-Id.  506. 
(„zu  äsen   -  verzehren  "). 


5.  he.   Zs.  XXIII.    349.  3b.  7.  t 


Haupts  Wiener.  Predigt. 

B+F.  XII/XI. 


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101  — 


I. 

idis.         9.  hidis.  v.  823.  Cod.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

cf.  V  Hiddiseckere  ( =  Itzehoe).  Id.  Fris.  259. 
igal.     450.  higli  (herinaeiis).  I.  521,  44.  Clm.  22258.  Psalm.  B4-  %i  XII. 
ih.  l.hih(ego).  I.  521.  44.  8.  Paul  XXVa  1.  Lucae.  A.  VIII. 

2.  hic  (ego).  I.  385,  55.  Carolsr.  IC.    Exodus.  A-foF.  IX. 

3.  hicquome.  I.  524.  5.  Carolsr.  8.  Petri.  Psalm.  mF.XI?  IX. 

4.  h'q^me  (veniam).  I.  524.  H.  Sgall.  292.  Psalm.  oF.  IX  X. 

5.  hich  ther(qui).  II.H24. 1 1. Paris. 9345. Terenz.mF-f-obd.  XI. 

H.  hich.  z.  97.  Altd.  Gspr.  nF.  X. 
7.  hich.  z.  98.                                  Altd.  Gspr.  nF.  X. 

458—474.  hich.  17mal.  Hatt.  I.  329.      Sgall.  232.  Gl.  u.B.  I. 
A.  XI.  zz.   1.  5.  9.  12.  13.  13.  14.  15.  10.  17.  23. 
25.  28.  31.  38.  39.  43.  (nur  lmal:  ich). 
5.  hic.  z.  12.  Hatt.  I.  329.    Sgall.  232.  Gl.  u.  B.  I.  A.  XI. 
♦5.  hic.  Hatt.  I.  327b.      Sgall.  1394.  Gl.  u.  B.  II.  A.  XI. 

7.  hich.  Zs.  III.  519.  v.  22.      Rheinauer  Paulus.  A.  XII. 

8.  hich.  LXX1II,  14.  Wackeru.  Engelberg.  Predigt.  A.  XII. 

9.  hich.  LXXI1I,  15.  Wackern.  Engelberg.  Predigt.  A.  XII. 
480.  hic.  LXXIV,  HO.  Wackern.    Engelberg.  Predigt.  A.  XII. 

I.  hic.  n.  Graff.  I.  118.  Trierer  Williram  mF.  XI. 

2.  hich.  v.  259.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

3.  hich.  v.  1009.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

4.  hic.  v.  35.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

5.  hic.  v.  42.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

H.  hic.  v.  120.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

7.  hic.  v.  3790.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

8.  hic.  v.  5094.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 
hic:  ä.  Lübecker  Recht.  Mnd.  Gr.  §  44. 

?ih(s)illa9.  kichillb(stiria).II.73(),20.Pari8.  9344.Vergil.  mF-f-obdXI. 
49u.  hichela/gutta, \diut.III.  245.  Vind.2400.  Sum.  H.  mF.XII. 

I.  hichelaVstiria  /diut.  III.245.  Clm.  2*312.  Sum.  H.mF.  XII. 
cf.  kekel.  kikele.  Hör.  Belg.  VII.  S.  13.  u.  19. 

hekel,  is-hekel.  Brem.  Wb.  I.  Hl 5. 
ihsil i.       2.fkrhksklktxxbd  (exulat ).  11.519,33.  Turic.  1 H4 .  Prudent. 

—  firhisilit  wa(r)d.  A.  IX/X. 

3.  hisili(po8tliminio).II.  737,H.Selestad.  VitaMalchi.  A.  XII  X. 


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102 


ilen.         4.  liili  (studrat).  Suhm.-X.  1       Ja.     Bibelgl.  VA-oF.  IX. 

5.  anahiltonl.   493,  31.  Carolsr.  IC.   Esther.   A-r  oF  IX. 

6.  hilit.  piteilet.  Suhm.-N.  245.  Tc.  Gregor,  c  homil.  A.  IX. 

7.  hilet(adtendit).  11.233,  38. Carolsr.  CCXX.  Greg.e.p.  A.IX. 

8.  hilint(ni()liuntur).  11.233,42.  Sgall.  216.  Greg.  c.  p.  A.  IX. 

9.  hilta.  II.  607,  4.  Clm.  6375.       Rutin.  last.  A-I-BVIX. 
500.  nigihilit.   V,  16,  33.    Cod.  Vindoh.  Otfrid.  sF^-A.  IX. 

500*>.  sehiltun.  V,  4.  10.  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF  +  A.  IX. 
1.  sief?]  iltun.  II.  14,93.  (P.)  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF+  A.  IX. 
2.8o[?]iltih.  I.  22,  49.  (P.)  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF  fA.  IX. 

3.  so[?l  iltih.  I.  22,49.  (P.)  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF  -r  B.  IX  X. 

4.  hiltnn.   I.  22,   29.  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF-rB.  IX  X. 

5.  zuohilinta.  Germ.  XXXII.  354.  Brit.  M.  Juvcnc.  A.  X. 

6.  geh i  lt.   II.   39,  11.   Selestad.  Arator  A.  XII  X. 

7.  hoverhilind.  II.  595,  42.  Paris.  1854.  Prudent.  mF  -  A.  X. 

H.  nihil ti.  II.  4.  21.  Vindob.  261.  Alcimus.  A  +  B?  XI. 
9.  hilent  (operam  detiß).  I.  744,10.  Stuttg.  218.  Thessal.  A.  XI. 

hila.  Id.  Fris.  259. 

?  hille.  mnd.  und.  (     eilig,  hurtig)  hierher  ? 
inne.     510.  dahin,  v. 684.  Codd.Palat.u.Kalocz.  Hh.Fuchs.oF.XIV  XII. 

hin  heyn  (=  hinin).  Rück.  Schles.  M.-A.  S.  166. 

hinnen  —  innen,  z.  B.  Dieff.-W.  S.  663. 

hingesegel  (Insiegel).   Mnd.  Wb.  II.  171. 

hindrucken  (widerkäuen).  Schm.  B.  M.  §  502.  Lech, 
int-  1.  ?  hintinwerdunt  (spernnnt).  II.  116, 15.  Vind.  Can.B-r  ?  XI. 

[h?]interetnn.  IV,  30,  2.  Vindob.    Otfrid.  sF  +  A.  IX. 
io.  2.  hiokauuedarero.  II.  308,  51.  Rd.  Greg,  hom.  A  f  oF.  IX. 

3.  hio.  dkm2.  11.  v.  54.  Ludwigsl.  oF.  IX. 

4.  hio.  dkm-.  11.  v.  58.  Ludwigsl.  oF.  IX. 

5.  heo.  dkm2.    3.  v.  60.  Muspilli  B-roF.  IX. 

6.  hio.  dkm-.    3.  v.  78.  Muspilli  B+oF.  IX. 

7.  heo.  dkm2.    3.  v.  94.  Muspilli  B-roF.  IX. 

8.  hiouuiht.       „.  v.  94.  Muspilli  B  roF.  IX. 

9.  hiemer.  (in  aevum)  II.  487.  Sgall.  134.  Prudent.  A.  X. 
520.  hio.  Hatt.  I.  329.  Sgall.  232.  Gl.  u.  B.  I.  A.  XI. 

I.  hie.  Hatt.  I.  327b.      Sgall.  1394.  Ol.  u.  B.  II.  A.  XI. 

2.  hie.  Hatt.  I.  328».       Sgall.  1394.  Gl.  u.  B.  II.  A.  XI. 

3.  hie.  Hatt.  1.  32H»>.       Sgall.  1394.  Gl.  u.  B.  II.  A.  XI. 


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103 

4.  hie.  Wackern.  LXXIII,  14.       Engelb.  Predigt  A.  XII. 

5.  hiuwete.  Wackeru.  II,  41.  Züricher  Predigt.  A.  XII. 
«.kickte.  1).  37,  14.        Vorauer  Kaiserchr.  B-f-mF.  XII. 

7.  hießlichin.  Kellespee.eccl.71.  Beuediktb.  Pred.  B+A.  XII. 

8.  ?  hielicheit.  Kelle  sp.  eccl.95.  Benediktb.  Pred.  B+A.  XII. 

hiemant.  Comb.  Hds.  Kausl.  III.  S.  47.  v.  901. 
hiemende.    „       „    Flandr.  Chr.  v.  1308. 
kiakuelick  (quisque).  Id.  Fris.  259. 
hiez(t).  Weink.  B.  §  190.  „Allgem.  österr." 
ir.pron.II.9.  tatuthir.  I.  335,  23.  Carolsr.  IC.  Exodus.  A?+oF.  IX. 
530.  her.  v.  37.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

1.  her.  v.  1971.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 
ir-           2.  [k|irrinnit.  II.  202,  56.  Paul.  d'82.  Greg.  c.  p.  A.  X. 

3.  kirforseont.  I.  376,  26.  Paul.  XXVd/82.   Josua.  A.  X. 

4.  hirgaccizon(mntire).  1.379.4.  Turic(Rhen.66.)  Josua.  A.XI. 
irah.        5.  hirieres  (polimitarii).  I.  333,2.  Clm. 22201. Exod.  B-f  .XII. 

daz  hirch.  Venezian.  teutsch.  Nomencl.  BWb.  I.  130. 
irri.         6.  kirrer,  (vagus).  I.  294,  36.  Rd.    Alphabgl.  A+oF.  IX. 

7.  kirrer,  (vagus).  I.  294,  36.  Ib.     Alphabgl.  A-roF.  IX. 

8.  vilhirrer  (multi vagus).  Ahd.  G1.50,  23.  Augsb. Salomgl.  A.  ? 

9.  h  irri  tu  oin  (venena).  II.  127,  8.  Clm.  18140.  Canones.  B.  XI. 
540.hirrituom.  II.  127.  8.  Clm.  19440.  Canones.  B+.  XI/XII. 

is.  1.  bis.  (glacies).  II.  444,  68.  Clm.  14395.  Prudent.  A+B.  X. 

2.  Iiis,  (glacies).   11.675,44.   Selestad.   Vergil.  A.  XII/X. 

3.  hissun.  (cruste).   II.  703,  17.   Paris. Vergil.  mF-fA.  XI. 

4.  his.  (glacies).  Ahd.  Gl.  8,  1.  Trierer  Sum.  Heinr.  mF.  XII/XI. 

5.  kisuögel.  diut.HI.  241.  Vind.  2400.  Sum. Heinr. mF. XII/XI. 

6.  hisuögel.  diut.  III.  241.  Clm.  2612.  Sum.  Heinr.  mF.  XII/XI. 

7.  hisuögel.  (auriticeps).  S  N.  268.  Id.  Natnrgl.  nd.-f-F.  XII? 
7b.  giwapint  als  ein  his  (=  al  in  hisenV).  14,4.  Wemb.  v.  Ndrh. 

mF.  XIII/XII. 
Hisuanus.  QF.  III.  S.  141.  Sgall.  Urk.  a.  804. 
Hislant.  P.  II.  670,  1.  Reichen.  Cfrt.  saec.  XII. 
VHisker.   Wagner  45  ff.  Freis.  Urk.  a.  809.  811.  814. 
?  his.  Roth.  459.   Weinh.  Mlid.  Gr. 
hiseln  (glatteisen).  Mnd.  Wb.  II.  273. 
hijs.  Reinsert.  v.  2299. 
isa(r)u.     8.  grafkisarn.  I.  339,  4.  Carolsr.  Petri.  Exodus,  in  F.  XI/IX. 


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-  104 

9.  stouphhisam.Ahd.Gl.58.6.  Vind.  Natural.  F-r  B ?  XI  XII. 
550.  hisin.  Zs.  d/Phil.  XII,  320.  Erfurt.  Sum.  H.  mF.  XII/XI. 

1.  hisin.  diut.  III.  247.  Clm.  2012.  Sum.  H.m  F.  XII/XI. 

2.  hisin.  (ferriini).  Ahd.  G1.9,8.Trier.Suin.Heinr.  mF. XII/XI. 

3.  rosthisen.  Ahd.  Gl.  16,  7.  Trier.  Sum.  Heinr.  mF.  XII  XI. 

4.  dchsihisen.  gl.  459.  Florent.  Sum.  H.  mF-f  nd.  XIII/XI. 

5.  h  i s\  n i n a.  Zs.  X V.  1 1 5, 4 1 .  Flor.  Aldhelm.  nd -f  obd.  XIII  XI. 

Hisanharto.   QF.  III.  141.  Sgall.  Urk.  a.  797. 
Hysinburc.  Str.  St.  I.  S.  201.  Murb.  Urk.  a.  767. 
Hisinhart.  P.  II.  622.  18.  Reichen.  Cfrt.  a.  1080. 
hisern.  Mnd.  Wb.  II.  171. 
ist.  6.  bist,  (existit).  II.  243,  33.  Sgall.  218.  Greg.  c.  p.  A.  X. 

7.  hist.    M.  Stzgsbr.    1870.   IL    117,  38.    Monac.  935- 

Binger  Bilderumschr.  oF.  XII  XIII. 

8.  his(t).  v.  8.  Palatinns.  Rother.  mF.  XII- 

heist  --  eist,  ist.  Comb.  Hds.  K.  III.  Bern.  ep.  v.  157. 
it(a)-  9.  hitnuiza.  II.  220,54.  Clm.  18550.  Greg.  B+F?  VIII. 
ital.      560.  hidelcheit.  15,  31.  Wern.  v.  Nied.  Rhein  mF.  XIII/XII. 

ghehidelt.  Comb.  Hds.  K.  III.  S.  3.  Bern.  Ep.  v.  63. 
in(wih).     1.  [hjiuuih.  82,  12.  Tatian.  hF.  IX. 

etc.         2.  hiuuarä.  82,  11.  Tatian.  hF.  IX. 

3.  hiu.        82,  11*.  Tatian.  hF.  IX. 

4.  hiu.         104,  5.  Tatian.  hF.  IX. 

5.  hiu.  dkm?.  11.  v.  32.  Ludwigsl.  oF.  IX. 

6.  hiu.  dkm-'.  11.  v.  34.  Ludwigsl.  oF.  IX. 

7.  hin.  dkm'.  11.  v.  35.  Ludwigsl.  oF.  IX. 

8.  hiu.  II.  14,  48.  Cod.  Palatin.  Otfrid.  sF.  IX. 

9.  hiuuarera.  I.  425,  8.    Carolsr.  IC.  Regum  A  +  oF.  IX. 
570.  hiuuuih.  113,  14.   Sgall.  Interl.-V.  d.  Psalmen.  A.  IX. 

1.  hiuuuih.  113.  14.    Sgall.  Interl.-V.  d.  Psalmen.  A.  IX. 

2.  [Ä]iuuuerin.  1 13, 14.  Sgall.  Interl.-V.  d.  Psalmen.  A.  IX. 

3.  hiu.  Hatt.  1.329.  z.  20.  Sgall.  (232).  Glaube  u.  B.  I.  A.  XI. 

4.  hiuero.Hatt.I.329.z.30.  Sgall. (232). Glaube u.B.I.  A.  XI. 

5.  hir.  I).  367,  18.  Vorauer  Himl.  Jerusalem.  B-f-A.V  XII. 

6.  hiuch.  I).  372,  19.  Vorauer  Himl.  Jerusalem.  B  |  A^?  XII. 

7.  hiuch.  I).  372,  21.  Vorauer  Himl.  Jerusalem.  B-A*!?  XII. 

8.  hiuch.  D.  220,  5.  Vorauer  Alexander.  B-i-mF.  XII. 
8'.  hiuch.  6,26.  Trudpert.  Hohelied.  A.  XII. 


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105 


9.  huwen.  v.  1000.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

hu.  Rein.  vv.  66.  68.  etc.  fast  regelm. 

Flandr.  Chr.  vv.  492.  502.  505.  521.  523.  etc. 
huweetc.  Rein.  vv.  167.  168.  1656.  1778.  181 1. 2729.  etc. 
Flandr.  Chr.  vv.  504.  526.  etc.  fast  regelm. 


O. 

oba.     580.  ?holdera  sahu  (quainobrem).  I.  234,  25.   Keron.  (»I.  Ra. 

=  oba  .  .  .?  A4  B.  IX. 

1.  darhoben a(super caput).  1.719,39.  Mainz. Matth.  mF.IX/X. 

2.  hoben,  (supra)  II.  6 15,69.  Pommersfeld.  Sedul.hF-  ?XII  X. 

3.  hobintiuga.  (summa)  II.  488,  48.  Sgall.  134.  Prudent,  A.  X. 

4.  hoberosten.   12,  2.  Trudp.  (Hohenb.)  Hohelied.  A.  XII. 

5.  hobi.  dkm2.  4,  8.  v.  6.   Weingarten.  Reisesegen.  A.  XII. 

6.  hobene.  D.  367,  20.  Vorauer  Himl.  Jerusalem.!*-  k.  XII. 

hoven.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 

hoben.  Schweiz.  Id.  I,  50.  etc. 
ovan.       7.  houene.  P.  II.  67,3.  Sgall.  21.  Notker-Ps.  A.  XII  XI. 

8.  bovine.  Zs.  III.  519.  v.  7.       Rheinauer  Paulus.  A.  XII. 

hafen  =  Felsenschlucht.  BWb.  I.  44,  sonst  :  ofen. 

hoven.  K.  III.  Disp.  v.  Rog.  v.  1505. 
offan.       9.  hofen.  dkm2.  47,  4.  z.  31.  Tobias-Segen.  A?  XII. 

hopen.  Flandr.  Chr.  v.  9139.  K.  III.  S.  149,  238.  211,  24. 
oheim.  590.  hoheim.  Zs.  V.  355,  8.  Selestad.  Naturgl.  A -f  mF ?  XII/X. 

1.  hoeme.  Germ.  IX,  17.  Darmstad.  Sum.  Heinr.  mF.  XI. 

2.  hoemes.   Germ.  IX.  17.  Darmstad.  Sum.  Heinr.  mF.  XI. 

3.  hoheimes.  Ahd.  Gl.  2,5.  Trier.  Sum.  Heinr.  mF.  XII/XI. 

hoheim.  Nibelungen.  C.  /LmhdWb  1323) 
hoeme.  Zitt.  Jahrb. 

hoem.  Mecklenb.  Urk.  saec.  XIV.  mnd.  Gr.  §  44. 
hoem.  Flandr.  Chr.  vv.  4825.  5543.  7865. 
ohso.        4.  hobsen.  (boves).  I.  433.  26  f.  Clm.  17403.  Regura.  B  +  V?  X. 

5.  hosunt.  (boves).  I.  433,  26.  f.  Vind.  2732.  Regum.  B  +  F?  X. 

6.  hosen  (boves).  I.  433,  26. f. Clm .  2220 1 . Regum.  B-f-F V  XII. 

7.  hohso.  P.  I.  384,  4.  Sgall.  825.  Notk.-Kategor.  A.  X  XI. 

8.  [hjohso.  P.  I.  384,  4.  Sgall.  818.  Notk.-Kategor.  A.  XI. 

9.  hohsinari.  Zs.  V.  355.  Selestad.  Naturgl.  A-f-FV  XII/X. 


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106 

ohsu.    600.  huhsinari.  Zs.  V.  358.  Selestad.  Xaturgl.  A  ;  F?  XII  X. 

1.  hosennabvlo.  Ahd.  Gl.  22,  7.  Bonn.  Xaturgl.  mF.  XI. 

2.  hosenzunga.  Ahd.  Gl.  22,  8.    Bonn.  Xaturgl.  mF.  XI. 

3.  vrhosse.  Germ.  XIX.436.  Clin.  19488.  Xaturgl.  iiiF.  XII  ? 

4.  hohs.  Leyser  1,  18.  Leipziger  Predigt.  F-fB.  XIII/X1I. 

5.  höh  sen.  Leyser.  50,  1.    Leipziger  Predigt.  F.  XIV/XII. 

6.  hohsin  Leyser.  108,  4.  Leipziger  Predigten.  F.  XIV/XII. 

?  hocus  pocus  —  Ockes  Bockes.  DWb.  IV,  2.  S.  1731.  f. 
^viell.  entst.  a.  „Ochse,  Bock".u 
opt'ar.       7.  hopferhus.  (sacellum).  II.  543,  21.  Apponyi  Prnd.  A.  X/XI. 

8.  yhouerbu8.  (sacellum).  II.  513,  24.  Turic.  Prud.  A.  X/XI. 

9.  hofierten.  105,  34.      Trierer  Psalmen.  mF.  XIII/XII. 
nra.      610.  horun.  89,  5.  Tatian.  hF.  IX. 

1.  hören.  P.  II.  219,  7.  Sgall.  21.  Notk.-Psalm.  A.  XII  XI. 

2.  ?  hör.  Wackern.  LXXX.  9.       Muri.  Predigten.  A.  XII. 

3.  hasenhore.  diut.  II.  276.  Turic.  Xaturgl.  A.  XII  XIII. 

4.  horgolt.  Germ.  IX.  17.    Darmstad.  Sum.  Heinr.  mF.  XI. 

5.  hörringe,  smrl.  9,  78.    Vind.  Sum.  Heinr.  mF.  XII  XI. 

bockeshoren.  S.-N.  165.  Renner,  ed.  Cyr.  Jacobi. 
horgolt.  höring.  Dfngl.  212'. 
hoer.  mnd.  Gr.  §  44. 
hören.  Reinart.  v.  678. 
?orno.       6.  hor|  (ornus).  Zs.  XV.  48.  f.  gl.  86.  Paris.  9344.  Xaturgl. 

mF-f  obd.  XI. 

7.  huriio(orna).  II.  338,8.  Paris.  9345.  Horaz.  mF-f  obd.  XI. 
ort.          8.  hört  (angulos).  I.  361,  13.  Turic.  (Rhen.  66).  Numeri.  A.  XI. 

hart  =  art,   ort:  ungrade.   Weinh.  B.  §  190. 
osen.        9.  h  osit  (populatur).  II.  553,  74.  Trier.  1464.  Prud.  mF-f  A.  XI. 

hosen.  mF.  hoozen.  nnl.  =  schöpfen.  Et.  Nl.  Wb.  S.  383. 
ost(ar).620.  hosthalbun(ad  orientem).  I.  715.41.  Mainz. Matth. mF.  IX  X. 

1.  hoste rriche  (oriens).  diut.  III.  245.  Vindob.  2400.  Sum. 

Heinr.  mF.  XII  XI. 

2.  hoster.    v.  938.  Reinh.  Fuchs.  oF.  XIV  XII. 

Hosthaim.  2mal.  Str.  St.  I.  207.  Murb.  Urk.  a.  811. 
Hostbeke.  Heinzel.  dial.  I/f.  (Veluwegau). 
Hosterveiden.  Althoff.  S.  49.  (Cöln.  Urk.). 
ostrun.     3.  hostrunabend.  XXT.  3.  1.  Murb.  Hymnen.  A.  IX. 

4.  hostarlicheru.  XXI.  7,  2.         Murb.  Hymnen.  A.  IX. 


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—     107  — 


5.  Ii o s  t e rl  i Ii  c Ii  un.  dkm2.  82.  c.  XII.  Aelt.  Physiolog.  A.  XI. 

6.  hostirlamp.  Wackern.  II,  14.      Züricher  Pred.  A.  XII. 

7.  hostertage.  Wackern.  X.  26.      Züricher  Pred.  A.  XII. 

8.  hosteran.  Wackern.   X,  47.       Züricher  Pred.  A.  XII. 

?  Hosterbold.  Hosterh.  P.II.  218, 27.  67, 38.  Reichen.  Cfrt. 

Haostarpald.  Hosterpert.  H-Fr.  36,  12.  58,  42.  Cfrt,  v. 
S.  P.  s.  VIII  IX. 

Hostern.  Burger  S.  111.  Altenb.  (östr.)  Urk.  a.  1305. 
6t-.  9.  h o t mahiliin (diliciis).  I.  493,34.  Carolsr.  IC.  Esth.  A-f-oF  IX. 

630.  gahotagoter.  I.  315,39.  Ja.  174.  Genesis.  A+oF.  IX. 

Hautberti.  Str.  St.  I.  S.  124.  Weissenb.  Urk.  a.  716. 

Hotolf.  Str.  St.  I.  S.  188.  Weissenb.  Urk.  (Otfrid.  Sehr.) 

Hotfrid.  P.  II.  323,  7  u.  560,  15.  Reichen.  Cfrt. 
ouga.       l.arhanghit  ist.  I.  364,  25.  Ja.  178.  Numeri.  A-f  oF.  IX. 

2.  kehaucken  (demonstrare).  Hatt.  I.  57.  Bened.  Regel.  A.  IX. 

3.  h  ogasal  (albugo).  I.  357,  48.  Turic.  (Rh.  66).  Levit.  A.  XI. 

4.  h  c-csal.  Zs.  XV.  322,39.  Florent.  Suih.  H.  nd+  obd.  XIII  XI. 

aus  hang!  (Schlittenruf).  Schw.-Id.  II.  1080. 
hogeler  (Augendiener).  Mnd.  Gr.  §.  44. 
hochsnnlyken.  Mnd.  Wb.  III.  220. 
vorhoeghet.  Mnd.  Wb.  III.  218\ 
hoghe,  hoeghen.  Rein.  vv.  1566.  1583. 

Flandr.  Chr.  vv.  10.  S.  395.  10420. 
„      Kausl.  III.  122,42;  43. 124,  84.  131,  19. 
ouh.         5.  houch.  IV,  1,  27.        Cod.  Frising.  Otfrid.  sF-j  B.  IX/X. 

6.  [h]ouh.  V.  11,  31.  Cod.  Vindob.  Otfrid.  sF-f  A.  IX. 

7.  hpxch.  (ceterum).  I.  761,  40.  Berol.  481.  Corinth.  mF.  IX? 

8.  hoc.  (qnoque).  589.  Gl.  Lipsianae:  Bibelgl.  nd.  IX. 

hoc.  Bremer  Statut,  a,  1303.  Mnd.  Gr.  §  44. 


II. 

ubar.        9.  hubarfahanti  (prevaric).  1.287  69.  Jb.  Alph.Gl.  A-|-oF.  IX. 
640.  huberlith  (opercul.).I.361,62.Stuttg.26.  Numeri.  A-RXII/ 

1.  houerhilind.il.  5t)5,  42.  Paris.  18554.  Prudent.  mF-f-A.  X. 

2.  houermot. Busch. Btr.z.d. Phil.  1880.S.  238,75.  Mfr.Fragm. 

mF.  XII. 


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108 


hoever  (Ufer).  Mnl.  Gr.  114,3. 
hoever  (über).  Reinart.  v.  848. 
houerhant.  Flandr.  Chr.  v.  5803. 
nbil.         3.  hnpilo.  VIII.  9.  2.  Murb.  Hymnen.  A.  IX. 

4.  hnbilan.  Hatt.  I.  55.        Sgall.  Benedict.-Regel.  A.  IX. 

5.  hubele.  Wackern.  LXXIV,  53.     Engelb.  Pred.  A.  XII. 

6.  hnbelo.  Seem.  51,  18.  Trierer  Williram.  (m)F.  XI. 

hevelen  moede.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 
nf.  7.  hilf.  III.  7,  21.  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF+B.  IX. 

8.  hufertson.  II.  248,1 1.  Chelth.  18908.  Greg.  dial.  A  ?sF.  IX. 

9.  huph.  (sursum).  II.  22,  5    Vind.  969.  Aldhelm.  B+sFV  X. 
650.  hu fstonte (surrexerint). II. 675. 1 9.  Selestad.  Verg.  A. XII/X. 

1.  huf.  (desursum).   I.  517.  18.      Engelb.  Psalmen.  A.  XI. 

2.  hufferte.  87,21.  Trudp.  (Hohenburg.)  Hohelied.  A.  XII. 

3.  htif.  D.  283,  17.         Vor.  Jüngst,  Gericht  B-fAV  XII. 

4.  hufwerde.  D.  365,  16.     Vor.  Html.  Jerusal.  B-  A.  XII. 

5.  buffehabeton.  1.653,7.  Clin.  22201.  Ezechiel.  B-f- F  ?  XII. 

6.  huf.  151,  18.  Frg.  W.  Rolandslied.  mF.  XII. 

hüffe  =  üffe.  Lmhd.  Wb.  I.  1378. 
hüfrig  =  ufzug.  Schw.  Id.  II.  1065. 
hof  (auf).  Comb.  Hds.  Rose.  K.  2955.  (K.  II), 
uh!  7.  huchund  we.  49,  24.      Frgm.  8.  Rolandslied.  mF.  XII. 

un-  8.  hunpuakkhic  II.  316,21 .  Ib  (211)  Greg.  Homil.  A  +  oF.  IX. 

9.  [hjunpuaehic.  II.  316,21.  Rd.  Greg.  Homil.  A  J-oF.  IX. 
660.  hunrecttiu.  II.  142,  12.  Ups.  II.  A.  6.  Canones.  ud  +  obd.  X. 

1.  hu  n  holder.  II.  143.3.  Lips.  II.  A.  6.  Canones.  nd  —  obd.  X. 

2.  hunorsami.II.322,  l.Camerac.  199.Greg.iu  Job.nd  — obd.  X. 

3.  hunorsami.  II.  322,  l.Bonon.  113.  Greg,  in  Job.nd.  -fobd.  XI. 

4.  hunorsami.  II.  322, 1.  Audom.  1 1 7.  Greg,  in  Job.nd -r  obd.  XI. 

5.  fhjunreht.  P.  II.  20,  4.  Sgall.  21.  Notkerpslm.  A.  XII  XL 
unc.  6.  nunc,  (anguis).  Suhm-N.  270.  Id.  Naturgl.  nd-|-hd.  XII? 
uns.         7.  huson.  v.  2423.  Cottonian.  Heliand.  nd.  X'IX. 

8.  hunsih.  I.  18,2.  Frising.  Otfrid.  sF  +  B.  IX  X. 

9.  huns.  XVI.  3,  1.  Murb.  Hymnen.  A.  IX. 
670.  huns.  I.  710,  47.       Carolsr.  CLXXVIII.  Matth.  A.  XI. 

l.hunsereme.  Wackern.  XI,  23.     Züricher  Pred.  A.  XII. 
huns.  Heinzel.  dial.  VI.  S.  351. 
huns.  Mecklenb.  Urk.  s.  XIV.  Mnd.  Gr.  §  44. 


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HM) 


Husen.  Mecklenb.  Urk.  f.  XIV.  Bind.  Gr.  §  44. 

Unser.  Bremer  Statut,  a.  1303.  Mnd.  Gr.  §  44. 

huns.  Zwiefalt.  Bened.-R.  Kauffni.  Schwab.  M.-A.  S.  205. 
untarn.  2.  afterbnntor.  I.  802,  15.  Clm.  14754.  Genesis.  B-f  V  IX  X. 
uo-  3.  huabaldi.  II.  2411, 21.Cbeltenb.  18008.  Greg.dial.  A.  sF?  IX. 

4.  bubaldi.(divex.).  11.2(50,  1 6.1b  (203).  Greg.dial.  A-roF.  IX. 

5.  buobaldi.(proclivius)]I.329,74.nni.  14747. Hieron.i.Mattb. 

B-rA.V  X  XI. 

6.  huhaldigun.  (summissum).  II.  488, 13.  Sgall.  134.Prud.  A.  X. 

7.  buastaftim.ffi^Xd,')I.37H.8.Paul.XXVd  82.  Josua.  A.  X. 

8.  b o chcaluer. (rccalv.).  1. 349,  49.  Turic.  (Rb. 66).  Levitic.  A. X I. 

9.  ?bobilari.  (occipium).Zs.  V.356,  3.  Seiest.  Natrgl.  A.  XII  X. 
iioben.  1)80.  buobit.  (celebratur).  II.  144, 10.  Francf.64.  Canones.  bF.lX. 

1 .  Ii n o bä r e. (colon.)  II. 238, 47.  Carolsr. CCXX. Greg. c. p. A . IX. 

2.  bibit.(exercit).  II.  243,  41.  Sgall.  21«.  Greg.  c.  p.  A.  IX. 

3.  lantbuoba.  (ruricola)  Grf.  IV.  753.  Salom.  Gl.  A4  B.  XII. 

4.  bu°betbiucb.  0.26.       Trudp.  (Hobenb.)  Hobel.  A.  XII. 

5.  uobenuns.  53,  10.     Trudp.  (Hobenb.)  Hobelied.  A.  XII. 

hübe  (=  üebe).  Trebn.  Psalmen.  118,  48. 
bueb  (=üeb):  Wildlager;  Schw.-Id.  II.  956. 

6.  bobasa.  (ascella)  Hatt.  I.299.Sgall.  242.  Naturgl.  A.  X  XI. 

7.  b6cbisan.(ascella8).  1.346, 14.  Turic. (Bb. 66). Levitic.  A  XI. 

8.  buo8bin.(ascellas).I.536,3.Clm.6217.  Parabol.B-+  A?XII. 

9.  burbano.  II.  723,  27.  Lips.  I.  36.   Serv.  in  Verg.  mF?  X. 
690.borbun.  Zs.  XV.  344.  Florent.  Sum.  H.  nd-pobd.  XIII  XI. 

Hurolf.  QF.  III.  141.  Sgall.  Urk.  a.  781. 
Hurolfus.  Str.  St,  200.  Murb.  Urk.  a.  760. 
Hurolfus.  Str.  St,  I.  208.  Münst.  Urk.  a.  768. 
borrebun.  Sujn.  Heinr.  Dfgl.  401c. 
hurhun  (coturnix).  Brevil.  MndWb.  II.  336. 
borliban  (Auerbahn).  Schw.-Id.  II.  1307. 
ur-.  l.bnruuafani.  II.  316,  9.  Ib.  211.  Greg,  bomil.  A-|-oF.  IX. 

2.  burolob.  dkm2.  16,4.       Lorscher  Bienen-Segen.  oF.  X. 

3.  hnrlop.  D.  285,  8.       Vorauer  Leben  Jesu.  BfA?  XII. 


uohasa. 


ür. 


hoiinf.  (Wetterau).  /Asylplatz 
herlop.  (Hanau).      Vb.  Kinderspiel.  / 


Dieftenb.-W.  671. 


uwo.  cf.  unten. 


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-     110  - 


uwila.      4.  huuuelä.  P.  I.  262,  1 1.  Sgall.  825.  Notk.-Boeth.  A.  X  XI. 

5.  hiünuelun.P.II.42l.24.Sgall.2l.Notk.-Psalm.  A.XII  XI. 

6.  huuuilon.  (ulule).  II.  698.  43.  Paris.  Yergil.  mF  r  A.  XI. 

cf.  huwo  S.  1 1 2. 

uz.  7.  huzscricta.  II.  576,  50.  Düsseld.  F.  1.  Prud.  nd-robd.  IX. 

8.  hutz.  z.  40.  Altdeutsche  Gespr.  nd.  X. 

9.  700.  huz!  huz!  Hon.  Germ.  II  648.  Ludw.  I.  Worte.  oF.  IX. 

1.  huz.  III.  10,  34.  Frising.  Otfrid.  sF^B.  IX  X. 

2.  huce.  dkm'.  10,  1.  Lorscher  Bienen-Segen.  oF.  X. 

3.  ?  durch  uz  lettida.  I.  562,47.  Paul.  XXVd/82.  Eccles.  A.  X. 

4.  huuszieeu.  z.  24.  Georgsieich.  A.  X  XI. 

huz,  hüze,  hüzeu.  oft.  Lmhd.  Wb.  I.  1410 
hus-stür.  hus-tagen.  Schw.  Id.  II.  956. 
Uns!  „Interj.  d.  Fortjagens".  Mnd.  Wb.  II.  337. 
huut,  hut.  Comb.  Hds.  fast  regelmässig. 


1. 

^  • 

3. 

4. 

•). 

6. 

7. 
8.  9. 

10. 
1.2. 
3.  4. 
5.  6. 
7.8. 
9.  20. 
1.2. 
3.  4. 

5. 

6. 

4  . 

8. 


AHD.  ÜWO-UÜWO  (HUC). 
ovo.  II.  654.9.  Clm.  18059. 


vuin.  I.  347.  66. 
uuun.  I.  347.  66. 
uuo.  I.  347.  67. 
uuo.  Ad.  Bl.  213. 
uvo.  Ad.  Bl.  212. 
vuo.  Petz  1.400. 
vfe,  vue.  diut.  III.  154. 
uf.  Carm.  Buran.  S.  175. 
huuo-uuo.  I.  342,  56. 
huuuo-uiio.  I.  342,  56. 
huuo-uuo.  I.  342,  56. 


Clm.  4606. 
Clm.  14689. 
Gotwic.  103. 
Vindob.  85(1013). 
Zwetl.  293. 
Clm.  14747? 
Vindob.  804. 

Clm.  4660. 
Sgall.  295. 
Sgall.  9. 


Vergil.  B-j  F.  XI. 
Leviticus.  B4  XI. 
Leviticus.  B-i  XII. 
Leviticus.  B-j-  XII. 
Natnrgl.  B-j-  XL 
Naturgl.  B-r-  XI. 
Natnrgl.  B-r  XII. 
Naturgl.  Br  XU. 
Naturgl.  B-i-  XII. 
Leviticus.  A-r?  IX. 
Leviticus.  Ar?  IX/X. 
Leviticus.       A~\-Y  X. 


Paul.  d/82. 

huwo-wo.  I.  342,  57.  Stuttg.  th.et  ph.  Leviticus.  A  r?  XI. 
hno-vvo.  Zs.  III.  369— 376.  Admont.  269.  Naturgl.  B~h  XI. 
huo-  vuo.  Ahd.  Gl.  33, 18-49, 36.  Zwetl.  Salora.  Gl.  B+A  XI/XI1. 
huve-uve.  diut. ifl. 241— 265.  Vind.2400.  Summ.  H.B-f  F.XII. 
hnwen.  I.  347,  65.         Stuttg.  26.  Leviticus.  A-f  XII. 

huuo.  I.  345,  18.  Fulda  Aa.  2.  Leviticus.  hF-h?  IX. 
huuuo.  I.  355,  9.  Carolsr.  SPetr.  Leviticus.  mF+?  XI  IX. 
huwin.  I.  347,  65.        Turic.  Rh.  66.       Leviticus.  A4  ?  XI. 


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III 

9.  huwen.  I.  847,  65.       Engelb.-Blasien.      Leviticus.  A-f?  XL 
30.  huvn.  I.  347,  64.         Vindob.  2723.         Leviticus.  B4-?  X. 

1.  huvn.  I.  347,  04.  Vindob.  2732.         Leviticus.  B-h?  X. 

2.  hufe.  I.  347,  67.  Clm.  17403.  Leviticus.  B4-?  X. 

3.  huwn.  I.  347,  64.        Clm.  14584.         Leviticus.  B-j-?  XII. 

4.  huin.  I.  347,  66.         Clm.  13002.  Leviticus.  B-r?  XII. 

5.  huo.  I.  347,  67.  Clm.  22201.  Leviticus.  B  +  ?  XII. 

6.  huo.  I.  524,  29.  Sgall.  292.  Psalmen.  oF-h?  X. 

7.  huuuo.  IL  697,  23.  Melk.  n.  sgn.  Vergil.  B  f- F.  XL 
S.huuuen.  P.  I.  262,  11.  Sgall.  825.  Notker-Boeth.  A.  XL 
9.  hunuen.  P.  11.421,24.  Sgall.  21.  Notker-Psalm.  A.  XII  XL 

40.  huo.  Hatt.  I.  290.         Sgall.  299.         Naturgl.  A-f?  IX  X. 

1.  hu  wo.  Zs.  V.  359.  (36,  17).    Selestad.    Natural.  A+?  XII  X. 

2.  huo.  Gerb.  Anh.  136.  Einsiedl.  Natnrgl.  A-r?  XL 

3.  hu we.  Germ.  VIII.  47.       Wallerstein.       Naturgl.  B-f?  XII. 

4.  huo.  Ad.  Bl.  I.  348.      Strassb.  A.  157.     Naturgl.  A+?  XII. 

5.  huuo.Zs.  XV. 361, 1631.Florent.  16, 5.  Naturgl.  nd+hd.  XIII/XL 

6.  hnwe.  Zs.  IX.  391,  21.        Francfurt.        Naturgl.  F+?  XII. 

7.  huwe.  Ad.  Bl.  II.  214.     Adraont.  106.      Naturgl.  B+?  XII. 

8.  huwe.  Ad.  Bl.  IL  214.     Admont.  476.      Naturgl.  B+?  XII. 

9.  hu.  diut.  III.  227.         Clm.  14747(?)       Naturgl.  B-f?  XII. 
50.  I.  hufi.  hauh.  Germ.  XIX.  436.  Clm.  19488.  Naturgl.  B-f  F.  XII? 

2.  huo.Mone  7,  587,  551.    Innspr.  711.   Naturgl.  B  +  F.  XI/XII. 

3.  huo.  Ahd.  Gl.  4,  38.  Trier.  Sum.  Heinr.  mF.  XII. 
4.  5.  6.  huo.  huo.huwo.diut.  III.  241.261.265.  Clm.  2612.  Sum.  Heinr. 

mF+B.  XIII /XII. 

7.  huo.  diut.  III.  261.      Clm.  1231.     Sum.  Heinr.  mF-rB.  XII. 

8.  huo.  Germ.  XVIII.  48.  Engelb.  1. 4  1 1 .  Sum.  Heinr.  (mF-f)A  XII. 

9.  huo.  Genn.  XIX.  216.    Palatin.    Suüi.  Heinr.  (mF-f)A.  XII. 
60.  huo.  Mone 4, 96, 67.  Salmannswlr.  Sum.  Heinr.  (mF4-)A.  XIII/XII. 

J.huwo.  Gerb.  Anh.  72.  S.  Blasien.  Suiu.  Heinr.  (mF-i-)A.  XII. 

2.  hvo.Zs.XV,333, 101.  Flor.  16,5.  Sum.  Heinr.  nd+hd.  XIII/XL 

3.  buch.  I.  352,  49.         Oxon.  .1.  83.         Leviticus.  A+F.  IX. 

4.  huc.  diut.  IL  193.       Strassb.  C.  IV,  15.       Naturgl.  nd.  IX. 
5.  6.  huc.  huchela.  Zs.  XV,  48.  Paris9344.  Naturgl.  mF+obd.  XL 

7.  huc.  Genn.  IX,  20.         Darmstadt.         Sum.  Heinr.  mF.  XL 

8.  buch.  Suhm-N,  267.  Id.    Naturgl.  nd  {-hd.  XII. 

hüuuela.  P.  1.  262,  II.    Sgall.  825.       Notk.-Boeth.  A.  XL 


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112 


hiuuuelun.  P.  II.  421,24.  Sgall.  21.  Notker-Palm.  A.  XII. 
huuuillon.  II.  ($»8,  43.     Paris  9344.     Vergil.  mF+obd.  XL 

hu  Ion.  (ululare).  II.  711),  18.  Paris  9344.  Verg.  niF  7  obd.  XJ. 

inhinnilonne.  V.  23,  22.  V.  P.  (F.  hiulonne).  Otfrid.  sF.  IX. 
cf.  Schw.  Id.  I.  618 :  üwlen  (gyn.  huwlen).  zeigt  uns  d.  nhd. 
„heulen  in  5.  ältesten  nachweisbaren  Gestalt", 
hule.  Reinart.  v.  2591.  hnlden.  Rose.  v.  5(J79. 
huwel  (noctua).  huwel  (ulula).  43*.  43b.  Vocabul.  opiim.saec.  XIV. 

(huwe  (bubo)  42",  nwila  (strix).  43*.). 
hüwel,  hTwel,  huwel,  huel.  Masc. 

höüle.  Femin.  Schw.  Id.  I.  61 8 ff. 

rdas  v echtere"  üwel  ist  in  der  Schweiz  fast  ganz  verdrängt, 

wie  üw  durch  hfiw". 
höuler,  höiler  (Nachteule).  Schw.  Id.  II.  1136. 
gugge-helen  (Ohreule).  Schw.  Id.  II.  1142. 
huwe,  huve,  huo  :  Lmhd.  Wb.  I.  1410. 

auff,auff  (Nachteule).  BWb2. 1,  42  :  Conr.  v.  Megenb.  (173,  2;  3): 
„bubo  heisst  ein  auf  oder  in  andern  Deutsch  eiu  haw". 
liueul  (Nürnberg).  BWb*.  I.  1030. 

hu,  hub,  hau,  huhu,  htiru.  DWb.  IV,  2.  1848;  562;  1883. 

liük  (Eule,  Uhu).  Mnd.  Wb.  11.  328. 

huck  (Uhu),  nd.  u.  md.  DWb.  IV,  2.  1858. 


AIID.  KLEFAKT. 

elpfantpeinü  (eburneis).  I.  135,  24.  Hraban.  Gl.  R.  B.  IX. 

elafantiskemo  (ebore).  I.  639,  6.  Carolsr.  IC.  Threnis.  A-f  oF.  IX. 
e  Inf  ante  (ebore).  I.  654,  38.  Carolsr.  IC.  Ezechiel.  A^-oF.  IX. 

elafantinen  (eburneis).  674,  19.        Carolsr.  IC.  Daniel.  A-f-oF.  IX. 

elffantine  (eburneis).  I.  494,  16.  Würzburg.  Esther.  hF.  IX. 

elefantes  (ebur).  II.  626,  42.  Clin.  18059.  Vergil.  B-fF?  XI. 

alpantbein  (ebur).  II.  699,  22.  Paris  9344.  Vergil.  mF.  XI. 

alpant  (elephans).  Germ.  IX.  S.  19.  Darmstadt.  Sunl.  Heinr.  mF.  XI. 
elefant  (elephas).  diut.  III.  240.  Vindob.  2400.  Sum.  Heinr.  mF.  XII. 
elefant  (elefas).  diut.  III.  240.  Clm.  2612.  Sum.  Heinr.  mF.  XII. 
elephant  (elepas).  S-N.  271.  Id.  Naturgl.  nd-t-hd.  XII. 

elphondbeine,-beinin.  49,  14.  u.  11.  Leydner  Williram.  inF.  XI. 


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113  - 


elphandin,-inin,-ininto.  61,  1.  3.  8.  Leydner  Williram.  mF.  XI. 

elfinbein.  v.  1093  u.  regelm.  Strassburg.  Alexander.  mF.  XII. 

elfent.  v.  4174.  Strassburg.  Alexander.  mF.  XII. 

ele  fände,  v.  4262.  Strassburg.  Alexander.  mF.  XII. 

elfentiere.  v.  5959.  Srassburg.  Alexander.  mF.  XII. 

elphande.  v.  1600.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

elephant.  Carin.  ßuran.  S.  176.  Clin.  4660.  Naturgl.  B-fF.  XHI. 

olfant  (elefans).diut.  II.  213.  Bern  641.  Alphabet.  Gl.  nd-f  hd?  XIII. 
elefant,  elefant.  vv.  1333. 1997.  Codd.P.u.K.  Reinh.  Fuchs.  oF.XIV/XII. 
elfenbeinin.  VII,  22.  Augsburger  Grendel.  mF.  XV/XII. 

LmhdWb.  el(e)fant.  1.538:  Pass.  329,50.  H.  Ernst.  4204.  Megenb.  135, 1. 

,.    r    II.  154.  olifant  (Wappentier).  Krone  18350.  18430.  18510. 
Mnd.  Wb.  I.  654.  elefant,  elifant,  elpenbein. 

(Keine  Form  mit  h-  belegt). 
In  16  Hdss.  sind  also  (26  -f)  höchstens  30  Fälle  elfant  etc.  belegt. 
(12  Fälle:  Elephant  (saec.  XI  XII).  18  Fälle:  Elfenbein). 
Davon  sind  22  Fälle  sicher  Fränkisch,  2  sicher  niederdeutsch. 

2  stehen  in  einer  (fränkisch  inficierten)  allemann.  Hds., 

3  in  3  bair.  tiberlieferten  Glossenhdss. 
Gegentiber  stehen  über  150  Fälle  helfant  etc. 


WECHSEL  ZWISCHEN  HINTAR  UND  UNTAR  (INTAR). 

iz  hintirostin  (demum).  sonst  untar-,  undarostin.  I,  99,  6.  Keron.  Gl.  Ra. 
hindir  dir  unde  hobi  dir.  dkm'.  4,  8.  z.  6.  Weiugartner  Reisesegen, 
wird  hin  hindir  gestozzen.  Karaj.  40,  20.  Milstäter  Hochzeit, 
hinterwerts  (deorsnm).  fndgr.  I.  101,  20.  Vind.  2056.  saec.  XIII.  Pred. 
(hintinwerdunt  (spernunt).  11.  116,  15.  Vindob.  361.  saec.  XI.  Canones). 
ioh  intarquamun.  I.  12,  6.    Cod.  Frising.  Otfrid. 

untar stanton  (insuinant).  sonst  hintar-.  Vindob.  361.  saec.  XI.  Canones. 
intir8crenchit  (versipellis).  I.  533,  34.  Clm.  14689.  s.  XII.  Parabola. 
intir8crenchiger(versipelli8).  1,533,37.  Engelb.  a.  S.  Blasien.  s.XI.  Parab. 

hinter,  hünter  statt  unter:  Ostlech.  Schineller  B.  M-A.  §  502. 

Hintersewen  statt  Unterseen.  Schw.  Id.  1418. 

Hinderlappen  entst.  a.  lnterlaeus.  Schw.  Id.  1418. 


QF.  LX1X. 


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114  - 


PRONOMEN  D.  III.  PERSON. 
Nom.  Masc. 

Niederdeutsch  regelmässig:  he  (hie,  Iii,  hy). 
Mittelfränkisch:  her-he-er. 

he  ausschliessl.  Servatius.  Orendel  (Augsb.  Dr.). 
he  —  selten  her:  infr.  Ps.  (I  mal  her:  III,  4).  Wemh.  v.  Niederrli. 
he  u.  her  nebeneinander:  Prager  H.  Ernst;  Fränk.  hegend.;  Floyris. 
Ii  er  -  Ii  e  (-er  v.obfr.  Schreiber?):  Rother  Palat.  her247-he  1 18-er  Ü5iiial. 
he r regelmässig :  Brüssel-Mainz.  Matthgl.  —  Leydener  Williram  (1  mal 

er:  1.2  in  enklit.  Stellung.  Rother  Hannov.  — Silvesterl. 
her  u.  er  nebeneinander:  Arnst.Marienl.8her     5  er  in  enklit.  Stellung. 

Annol. :  her  regeln».  —  er  regelm.  in  enklit.  Stellung. 

Aegidiusleg.:  her  regelm.  —  er  regelm.  in  enklit.  Stellg.  bei  Elision. 

Leben  Jesu  II.  her  rglm.  (Hmal)  —  er  1  mal  in  enklit.  Stellung. 

Wernher.  v.  Elmendorf, 
er  u.  selten  her:      Rolandsl.  Frgm.S.  22  er  —  3  her.  —  Tnngdalus.  : 

her:  v.  H>5,  sonst  er. —  Pilatnslegende :  8 mal  her. 
er  regelmässig:  Trier. Capit.— Albanusleg.  —  Rother:  Badener 

Frgm.  —  Büschs  MtVänk.  Fragment. 

Hochfränkisch:  her-he-er. 

her--he  (-er  bei  nichtfränk.  Sehr.     u.  Z) :  Tatian. 

her  (-  1  mal  he:  in  he  raet):  Hildebrandslied. 

her  regelmässig:  De  Heinrico. 

er  (6 mal)-  her  (1  mal):  Trierer  Lex  Salica. 

er  regelmässig:  Bamberger  Ul.  u.  B.  etc. 
Oberfränkisch,  her  (-he)-er. 

her  (28  mal)  -he  (1  mal)  -(er  7  mal  in  elid.  Enklise):  Lndwigslied. 

er  regelmässig.  (4  mal).  Strassb.  Eide.  etc. 

Süd  fränkisch,  her-  er. 

her-  er  (11  mal  —  8  mal).  Weissenburg.  Katechismus, 
er  regelm.  -her  an  10  Stellen:  Otfrid.  cf.  S.  81. 
Vind.  8  mal:  II,  7,  84.  II,  12.  I>5.  IV,  27,  12. 
Fris.  8  mal:  11,  7,  84.  I.  5,  57.  II.  4,  107.  II,  15,  24.  III.  1, 

(i.  111,5,  18.  III,  »,  18.  V.  15,  28. 
Palatin.  1  mal:  II,  7,  84. 
Alamannisch.  er  einzeln  her.  (in  einem  elsäss.  Dkm.:  ye  cf.  S.  22). 
Int  erlin. -vers.  d.  Ps. :  1  mal  her.      (ieorgsleich.  4  mal  her  (2  malher). 


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115  - 


(Notkerps.Sgall.  21 .  P.  11.504,  IS.  übe  [h]er).  Nibelungen.  A.993,4. 
Basler  Alexander  v.  2900.  (a.  ein.  tränk.  Vorl.  ?) 

(Bairisch).  a.  d.  fränk.  Vorlage:  Haupts  Pred.  Zs.  XXIII.  348,  1.  her. 

PRONOMEN  DER  III.  PERSON. 
Flectierte  Formen. 

(Niederdeutsch). 

hira.  Sächs.  Taufgelöbnis,  z.  G. 
hini.  Heliand.  Cottonian.  v.  960. 
het.    Gl.  Id.  S-N.  323.  335.  330. 

Mnd.  (Wb.  II.  171.  Gr.  §  44:   Bremer  Statuten,  a.  1303): 

het,  hit,  her(e),  herer,  hereme,  hören. 
Nnd.:  WWb.  100:  het.  Siedlinghausen. 

Mittelfränkisch. 

himo.  II.  6.  II.  11.  III,  2.  mfr.  Psalmen, 
hin.    II,  5.       mfr.  Psalmen, 
himo.  z.  9.  13.  19.  22.  Trier.  Capitulare. 
hin.    z.  12.    Trier.  Capitulare. 

h  vor  allen  vocal.  anl.  Formen:  Leyden.  Williram.  —  Servatius. 

hez.  45,  8.  53,  9.  Wernher  v.  Niederrhein. 

Imme.  v.  1044.      Rother  Palatinus. 

hun.    v.    707.  Annolied. 

hin.    v.    570.     Wernh.  v.  Elmendorf. 

hir.  1,  25.  2,  1.  Albanuslegende. 

hin.  4.  2.  Albanuslegende. 
Hochfränkisch. 

lies.  2mal.  Fuldaer  Beichte.  Browers  Druck. 

durch  hern  willen.  Rückert.  Sehles.  M.-A.  S.  160. 
Ober— Südfränkisch. 

hym.    Fränk.  Taufgelöbnis.  B. 

hin.     v.  44.  Ludwigslied. 

[h]es.    I.  5,  35.  Vindob.  Otfrid. 

hes.     III.  11,  9.  Frising.  Otfrid. 
Alemannisch. 

hiru.  (sibi).  I.  335,  16.     Exod.  Carolsr  IC. 

hirn.  (eins).  I.  488,  29.     Esther.  Carolsr.  OXXXV. 

8* 


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im; 


hiro.  (eius).  I.  488,  2!).     Esther.  Sgall.  299. 
hez.  cap.  9.    Aelt.  Physiologus. 
hir.  P.  II.  (577,  21.  saec.  XII.  CM.  Reichenau, 
hire.  p.  26.  Armagnacs. 

(Bairisch). 

hiru  (suo).  1.  502,  11.  Job.  Clm.  (5220.  Bt-oF. 
hin.  1).  365,  19.    Vorauer  Himl.  Jerusalem.  B-r  oF. 


APHAERESE. 
Ha. 

haben.      1.  kiuerkot  apeta.  v.  36.  Mnspilli.  B-+-oF?  IX. 

2.  apet.  v.  99.  Muspilli.  B+oF?  IX. 

3.  adun.  dkm*.  33.  Aa  9.         Friedb.  Frgm.  mF.  XI  XII. 

4.  ast.  v.  883.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 
ö.avin.  60,  3.  Wernh.  v.  Ndr.  Rhein.  mF.  XIII/XII. 
G.avin.     65,  5.       Wernh.  v.  Ndr.  Rhein.  mF.  XIII/XII. 

7.  hantaba.  Zs.XV.  332,8.  Florent.  Sum.H.nd+hd  XIII  XII. 

8.  antabento.  (longe  agente).  1. 727,37.  Seiest. Luc.  A.XII/X. 

9.  entabeine.    133,  19.  Trudp.  (Hohenb.)    Hobel.  A.  XII. 
10.  entthabent.  72,9.  Trudp.  (Hohenb.)     Hohelied.  A.  XII. 

l.inf'abin.  29,  2.  Trudp.  (Hohenb.)  Hohelied.  A.  XII. 
2.intabeger.  1.567,  16.  Clm.  22201.  Ecclessiast.B  +  F?  XII. 

ebben,  cf.  Fr.  mnl.  Gr.  §  114,  3. 

adde(n)  Flandr.  Chr.  vv.  4820.  4859.  4886.  5002.  5006. 
5272.  5903.  5959.  6004.  etc. 

(at.  Sievers.  I).  Dichter,  in  Russland.  p.  19.) 

habuh.  3.  anale  auuc.  I.  496,  34.  Paris.  2685.  Job.  nd-f  hd.  IX. 
havan.  4.  aven  (olla).  I.  518,  36.  Clm.  17403.  Psalm.  B-f-F?  X. 
haft.        5.  gieftid.  v.  5053.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

6.  anageafton  sih.  II.  33,  1.  Trier.  1464.  Arator.  mF.  XI. 

7.  zuoafta.  (subnexuit).  II.  772,51.  Vat.Palat.  Arator.  mF.  XI. 

8.  gehafto.  (coniminus).  II.  714,5.  Paris.  Verg.  mF  robdXI. 

hagal.      9.  agil.  Zs.  XV.  362,1693.  Florent.  Natur,  nd-f  obd.  XIII/XI. 

hagan.    20.  agana  (sentes).  I.  246,9.      Keron.  Gl.  Ra.  A-f-B.  IX. 

I.  agen(paliurus).  Ahd.Gl.63,6.  Vind. 232. Natgl. F. XIII/XII. 


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117 


hagnstalt.  2.  agastalt  (peregrinis).  1.475.  «..Spall.  202. Tobias.  oF.IX'X. 

Agastalt.  Ng.  a.  757.  Förstern, 
hacken.    3.  kiactir.  (percussus).  I.  381 ,30.  Turic  (Rh.66)  Levitic.  A.  XI. 

4.  kiachter  (percussus).  1. 361,30.  Stuttg.  26.  Levitic.  A.  XII. 
halb.        5.  albgurtilla.  II.  738,25.  Sgall.  292.  Abd.  A.  Apost.  ^F.IX/X. 

6.  alben.  D.  342.  9.  Vor.  Hds.  Arnold,  v.  hl.  Geiste.  B?  XII. 

7.  alben.  D.  343,  4.  Vor.  Hds.  Arnold,  v.  hl.  Geiste.  B?  XII. 

alf.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 
haldi.       8.  inaldhet  (adclivns).  I.  43,  26.     Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 

9.  ?analdi  (iniit).  I.  228,  2.       Keron.  Gl.  Ra.  A-fB.  IX. 

aide.  Ulr.  v.  Türh.  Willehalm.  12". 
halftra.    30.  al f tr  on. II.  533, 9.  Florent. 1 6,5. Prudent.nd +obd. XIII  XL 
hals.        Lais.  z.  38.  Altd.  Gespräche,  nd.  X. 

2.  alspougd.  (bacce).  IL  484,  2.  If.  Prudeut.  nd  {-obd.  X/XI. 

3.  olbergo  (loricae).  II.  484.  3.  If.  Prudent.  nd-f-obd.  X  XI. 

4.  älsperga  (lorica).  L  401, 10.  Stuttg.  26.  Regum.  A+F?XII. 

5.  als.  304,9.  Palatin.  Rolandsl.  inF.  XII. 

6.  alslagiten.  59,  9.       Wernher  v.  Ndrhein.  mF.  XIII/XII. 

als.  Flandr.  Chr.  v.  2559 
halt.        7.  piältida.  (custodias).  I.  122,  5.  Keron.  Gl.  Pa  B-f-A.  VIII. 

8.  healtiger  (religiosus).I.587,25.Ja.  189.  Eccles.  A  +  oF.  IX. 

9.  healtidu  (religione).  I.  587,  52.  Ja.  189.  Fccles.  A^-oF.  IX. 
40.  heialtihia.  II.  «20,  52.  Carolr.CCXVII.  Sedulius.  A  +  ?  IX. 

1.  geaPnissi.  Nithard  (Holder)  III.  5.  Strassb.  Eide.  oF.  X  IX. 

2.  gealt.  v.  2988.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

intalten.  Höfer  IL  857.  (1287).  Weinh.  Mhd.  Gr. 

intalten.  Hess.  Urkdn.  II.  721. 
halz.        3.  lmfalze.Zs.XV.355, 1267.  Florent.Xtgl.  nd+obd. XIII/XL 

elzen.  st.  heizen,  (ungeschickt).  Wvl.  Id.  302". 
hanistro.   4.  amstra  i.  angar.  IL  627,55.  Olm.  18059.  Verg.  B  j-F.  XL 
hang.       5.umbanga  (cortine).  I-  329,  58.  Einsiedl.  127.  Exod.  A  XI? 

anghen.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 
hanif.       6.  an i f.  Zs. XV. 336,225. Florent.  1 6,5. Sum.H.nd^-hd.  XIII/XL 
hant.       7.henti.  II.  9,44.  Cod.  Frising.  Otfrid.  sF+B.  IX. 

8.  endi.  v.  2989.  Cod.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

9.  endi.  v.  4917.  Cod.  Colton,  Heliand.  nd  X/IX. 
50.  an.  z.  8.  Altd.  Gespräche,  nd.  X. 

l.ansco.  z.  9.  Altd.  Gespräche,  nd.  X. 


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118 


2  anthaba.  Zs.  XV  330,  Florent.  Suüi  H.  nd-Hid.  XITI  XI. 
3.  an  t uueste.  (st. hantveste) 6  1  ,33.  Wli.  v. Ndr.-Rh.mF.XIII  XII. 
antwergk.  antwergkmann.  Wst.  von  Selse  (U.  Elsass). 
anscoen   Reinart.  v.  752. 
andelt.  Flandr.  Chr.  493. 
antieren.  Flandr.  Clir.  v.  2599  u.  regelm. 
menigherande.  „      „    vv.  1232.  2612.  4649.  6440. 
harlifa.     4.  irlefa.Zs.XV.  342,540.  Florent.  SumH.  nd-f  hd.  XIII  XI. 
härm.       5.  ermisohthen  ftÄT).  I.  646,2S.Clm.  22201.  Ezechiel. 

B-i-F?  XII. 

V  ärmlich  =  widerlich,  mürrisch.  (Schwaben)  BWb.  I.  144. 
übelschmeckend.  (Nürnberg), 
harmo.     6.  arm  in.  91,20.  Palatin.  Rolandsl.  mF.  XII. 

cf  Lat.  mus  Armenins.  afrnz.  ermenie. 
harpha.     7  arphin  (pleetro).  Zs.  V.  20(5.    St.  Omer.  150.  nd  —  obd.  XI. 
hart.        8  arte.  I>.  224,21.         Vorauer  Alexander.  B  i  mF.  XII. 

9.  arde.  v.  2725.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

60.  artenhewe.  smrl.  54,  48.  Vinci.  2524.  Natnrgl.  F.  XIII  XII 
arde.  Flandr.  Chr.  vv.  5306.  5630.  9058. 

Reinart  v.  153  u.  ö. 
ertiu  (dure).  Stuttg.  th.  et  phil.  184  saec.  XV. 

Kaufm.  Schwäb.  M.-A.  S.  205. 

He. 

heben.       1.  ebeuf.  13.  7.  Trudp.  (Hohenb.)  Hohelied.  A.  XII. 

2.  He  uf.  13.9.  Trndp.  (Hohenb.)  Hohelied.  A.  XII. 

3.  entebede.  105,6.      Tmdp.  (Hohenb.)  Hohelied.  A.  XII. 

4.  ?ebine.  (tracta).  I.  579,  46.  Clin.  22201. Eccles.  B  rFVXII. 

5.  int  ebe d  e.  Zs.  XIV.  439  ff.  II,  45.  Klost.-Neub.-Pi  ed.  mF.  XII. 

6.  ufersich.  23,  1.     Wernher  v.  Ndr.-Rhein.  mF.  XIII  XII. 

7.  vvin  uf.  42,  2.  Wernher  v.  Ndr.-Rhein.  mF.  XIII  XII. 
hebig.  9.  ebich  (gravis).  I.  659,34.  Clin.  17403.  Daniel.  B-h?  X. 
heida.  9.  vor  der  eiden.  4,  26.  Wernher  v.  Ndr.-Rhein.  mF.  XIII  XII. 
heidan.  70.  ei dh an  gelt.  II.  766,  23.  Ja.  183.  Pass.  Thom.  A  r«F.  IX. 
heil.  l.geilti.  III.  11.  12.  Vindob.  Otfrid.  sF^-A.  IX. 
heit.  2.  eiti  (sexu).  I.  31,  14.  Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 
heizzan.    3.  pihaiz  (promissus).  I.  90,  33.  Keron.  (Ü.  Pa.  B4  A.X  Vlll. 


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115) 


4.miVaizzu.  I.  10,24.        Keron.  (i].Pa.  B4  A.  X  VIII. 

0.  1nteiz.  dkm2.  7«.  z.  33.        Würzbnrg.  Beichte.  hF.  IX. 

6.  giheizenti.  I.  7,32.        Frising.  Ottrid.  sF+B.  1X/X. 

7.  etansaltu  (vocaberis).  Gl.  264.    Lipsian.  Bibelgl.  nd.  IX. 

8.  ?ureizgoucha.  Grf.IV.  1089.  Sgall.825.Notk'-Boeth.  A.XL 

9.  geizze.  P.Notk.IIL  Eltg  S.  V,5.  Benedictb.  Gl.  I.  B.  XII. 
80.  isze  (— hiezze).  v.  39.  Rheinauer  Paulas.  A.  XII. 

cf.  schulteize.  z.  B.  Heinzel.  dial.  VI. 
liclfa.       l.elfa.  I.  28,  :>.  Vindob.  ütfrid.  sF+A.  IX. 

2.  elffa.  (inpensas).  I.  472,  11.   Würzburg.  Esdra.  hF.  IX. 

3.  elfe.  z.  48.  Altd.  Gespräche,  nd.  X. 

4.  elpe.  z.  13.  Altd.  Gespräche,  nd.  X- 

5.  ?  kelfentemo.  P.  I.  228,  15.  Notk.-Boeth.  A.  XL 
helid.  6.  elithos.  v.  340.  Cutton.  Heliand.  nd.  XIX- 
hella.  7.  ?  ella.  Germ.  II.  98  ff.  1 14,  2.  Sg.  Interl.-V.  d.  Psalm.  A.  IX. 
heim.  8.  ehlmscart.  I).  100,19.  Vorauer  Kaiserclir.  B  4-mF.  XII. 
hengist.  9.  einigest.  IL  712,  15.  Paris.  9344.  Vergil.  mF-fobd.  XL 
her.        90.  eresten.  IL  8,37.           Frising.  Otfrid.  sF  f  B.  IX  X. 

1.  erdum.  (senatus)ll.  7 12,15.  Paris.  9344.  Verg.  mF  r  obd.  XL 
heia.       2.  err.  v.  4308.  Cottonian.  Heliand.  nd.  X  IX. 

3.  err.  v.  4332.  Cottonian.  Heliand.  nd.  X  IX. 

4.  sider.  42.  4.  Breslauer  Williram.  hF.  XL 

5.  sider.  Vaterland.  285.     Grieshabers  Pred.  A.  XIII  XII. 

6.  erumbe.D.  195,  10.       Vorauer  Alexander.  B-j-mF.  XII. 

7.  erwider.  D.  212,8.      Vorauer  Alexander.  B  f-mF.  XII. 

8.  erzumir.  150.  17.  Frgmt.  W.  Rolandsl.  mF.  XII. 

erfur.  Nibel.  A.  749,  4.  sider.  Nib.  A.  47,  4. 

eruz.  Ködiz.  Ludw.  L.  103. 

ernidere.  Ködiz.  Ludw.  L.  13.  Katten-Sp.  68. 

erabe.  Reinh.  Fuclis.  Palat.  100.  Ködiz.  29.  163. 

erwider.  Berth.  459.  28. 

ernach.  Rückert.  Schles.  M.-A.  S.  166. 

erheim.  („a.  harheim")  Schw.-Id.  IL  1281. 

er.  Schweiler.  B.  AL-A.  §  500. 

ervor  etc.  Elsass.  (Pfingstmontag  v.  Arnold  1,  5). 
herapaziri.9.  erepazari  (mediocritatis).  IL  122.2«.  Vind.  361.  Cau.  B.  XL 
herd.     100.  herda  erd.  (solnm).  1.293,  13.  Alphabet.  Gl.  Rd.  A  -f-oF.  IX. 

1.  erdi.  (solo)  I.  579,  16.  Clin.  22201.  Ecdesiast.  Ii  -  F?  XII. 


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120 


heri.        2.  er  ibethoon.  f  —  heribouchan).    I.  385,7.    Paris.  2<>S5. 

Numeri.  ndH-obd.  IX. 

3.  er  iberclil.  (--  heriberclih).  (castrensis  porta).  II.  500,  6. 

Sgall.  292.  Prudent.  oF(-}-A).  IX  X. 

4.  daz  er.  I>.  151,  16.  Vorauer  J.  Judith.  ß-f-mF.  XII. 

5.  die  er.  D.  8,  13.  Vorauer.  Kaiserchron.  B  rmF.  XII. 
herlinc.  6.  erlinc.  (senesci).  I.  655,  3.  Id.  Anh.  (350).  Ezech.  A.  IX  V 
herro.       7.  erre.  z.  19.  Altdeutsche  Gesp.  nd.  X. 

8.  erre.  z.  31.  Altdeutsche  Gesp.  nd.  X. 

9.  erre.  z.  49.  Altdeutsche  Gesp.  nd.  K. 
110.  erre.  z.  75.                            Altdeutsche  Gesp.  nd.  X. 

1.  V  Er  got.  fndgr.  I.  24,  30.        Jüngere  Physiolog.  B.  XII. 

2.  er  adames.  11,  28.    Wernh.  v.  Ndr.  Rhein.  mF.  XIII/X1I. 

cf.  DWb.IV,  2.  1 125.  Mnd.  Wb.  II.  246.  Weinh.  Mhd.  Gr. 
F.  Bech.  Zeitz,  prgr.  1870.  über  doppeltes :  herren  hern. 
ir.  thüring.  Nbf.  zu  er.  Pieffenb.-W.  S.  660. 
selperlichait  =  selpherrlichk.  BWb.  I.  1154. 
herza.      3.  thaz  erza.  I.  22,  41.  Frising.  Otfrid.  sF-hB.  IX  X. 

Hl. 

hieffaltra.  4.  eiffalter.  Germ.  IX.  13 ff.  gl.  p.  3S\  Darmst.Sum.  H.  mF.XI. 
himil.  5.  zimile.  Wackern.  III.  116.  Züricher  Predigten.  A.  XII. 
himilon.  6.  imelot  (polimita).  1. 318,  37.  Carolsr.  Petri  Gen. mF.  XI/IX. 
hinaht.      7.  inat.  z.  24.  Altdeutsche  Gespräche  nd.  X. 

hiuta.       8.  lud a.z.  80.  Altdeutsche  Gespräche,  nd.  X. 

eden  (heute).  Mnl.  Gr.  §  1 14,  3. 
-Muri.      9.  ungahnro(portentuo8e).II.  101,57. Clm.  14407.Can.B-f  F?X. 
hiwo.    120.  sin  in n.  v.  1035.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

cf.  ilch  (hileich).  „Anlehng  an  ehelich".  Hess.  Id.  168. 
hizza.       1.  izzontero  (estuante). 11.416,1.  Clm.  14395  Prud.A-^-B.  XI. 

2.  izze.  Zs.  III.  519.  v.  3.  Rheinauer  Paulus.  A.  XII. 

Ho. 

hodo.       3.  oden(testiculi).diut.III.239.  Clm.  26 1 2. Sum.  H.  mF.  XII/XI. 

hunds-oden.  Schw.-Id.  I.  97. 
hof.         4.  uf  den  of.  v.  5098.  Palatin.  Rother.  mF.  XII. 

ofstede.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 


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-    121  - 

hovaroht.  5.  ouarohter  (gyppus).  I.  280,48.  Alphab.  Gl.  Rd.  A-J-of.  IX. 

6.  ouer or  (gibbus). II. 237,  24.Turic.  (Rh.  35). Greg.  c.  p.  A.  X. 
hol.         7.  inolemfelisom.  (concavissaxis).  1.252, 32.  Ker.  GL  K.A.  VIII. 

8.  ge o  1  ad  e  (exesa).  II.  7 1 2, 42.  Paris 9344.  Verg.  mF+obd.  XI. 
hold.  9.  unolrda  (diabulus).  1. 99,  30.  Keron.  Gl.  Ra.  A-f  B.  IX. 
-hopfa.  130.  uuideopa.  Zs.XV.48, 11.  Paris 9344.  Naturgl.mF-J- obd.  XI. 
?  hörn.  1.  orohti  mosci  (cornipes).  I.  255,  21.  Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 
hor(r)en.    2.  örren  (oboedire).  Hatt.  I.  114.     Benedict. -Regel.  A.  IX. 

3.  coorest.  z.  65.  Altdeutsche  Gespr.  nd.  X. 

4.  hnnorsami.II.322, 1. Camer.  199.  Greg.  inJob.nd-fobd.  X. 

5.  hnnorsami.  11.322,1.  Bonl.  113.  Gr.  in  Job.  nd-fobd.XI  X. 

6.  hun o r s am  i.  II.  322, 1 .  St.  Omer.  1 1 6.  Gr.  in  J.  nd+ obd.  XI/X . 

gheorsam.  Reinart.  v.  2572. 
gheorsam.  Comb.  Hds.  Kansl.  III.  S.  113.  v.  63. 
hy  oorde.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 
houbit.      7.  obde.  v.  5550.  Cotton.  Heliand.  nd.  X/IX. 

8.  obethe.  z.  1.  Altdeutsche  Gespräche,  nd.  X. 

9.  ovith.  21,  22.       Weruher  v.  Ndr.  Rhein.  mF.  XIII/XII. 
140.  ?  oupthaftigen.  dkm2.  97.  z.  9.  Münch.  Gl.  u.  Bchte.  B.  XII. 

oofd,  ontooft:  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 
?houffo.    1.  [Yjouffo  (aggerum).  1.623, 45.  Würzb.  S.  20.  Esaia.  hF.  IX. 

oep.  Flandr.  Chr.  v.  4681. 
howi.        2.owesprenken.  38,  13.  Wernh.v. Ndr. Rhein.  mF.  XIII 'XII. 

3.  hebeouue.  Zf.  XV,  361,  Florent.  Naturgl.  nd+hd.  XIII  XI. 


Hu. 

huat.?      4.  a«ht.  z.  66.  Altd.  Gespraeche.  nd.  X. 

humbil.     5.  umbil.Zß.  XV, 361. gl.  1665.  Florent.  Ngl.  nd+hd.  XIII/XI. 

ummel,  umbele.  Schw.  Id.  IL  1295. 
hund.       6.  undes.  z.  41.  Altd.  Gespraeche.  nd.  X. 

huoh.  7.  uochilichro.  Zs.  XV.  11 79  Florent.  Sym.  nd-f  obd.  XIII/XI. 
huon.  8.unriner.  (gallinac.)I.  605,8.  Clm.  1 7403.  Esaia.  B+F?X. 
hurnizza.  9.  um  ite.  (ags?)  I.  334,  24.  Paris  2685.  Exodus,  nd-f  obd.  IX. 
hüs.      150.  Vusinari.  (ostiarius).  I.  197,  2.     Keron.  Gl.  K.  A.  VIII. 

1 .  uskinozza.  (domestici).  1. 277,  62.  Alphab.  Gl.  Rd.  A  f  oF.  IX. 

2.  ci"us.  dkm2.  75.  z.  21.       Reichenauer  Beichte.  oF.  IX/X. 

3.  zuoflutU8.  Ahd.  Gl.  55,9.    Zwetl.  Salomon.  Gl.  A+B.  IX/. 


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122 


4.  us.  v.  4541.  Monac.  Heliand.  nd.  IX. 

5.  us.  z.  16.  Altd.  Gespraeche.  nd.  X. 

6.  us.  z.  19.  Altd.  Gespräche,  nd.  X. 

7.  hovrus.  Zf.  XV,  388.  Florent.  1 6.5.  Suhl.  H.  nd-f-hd.  XIII  XL 


JÜNGERE  PROTHESE  OHNE  ALTE  PARALLELBELEGE. 

ader.      ?gehäder.  ..mit  Sehnen  und  Flechsen  durchwachsenes  Fleisch. 

Schw.  Id.  II.  982  f. 
adebar.  hadebar  ,  halebart.  und.  Nbf. 

hodevare.  Reinart.  vv.  2312.  2324. 

hovaere.  Wvl.  Id.  S.  806\ 
äffen.      haffen.  Mnd.  Wb.  II.  172. 

aga.       haga  .  hach  etc.  (cf.  mnd.  ogen,  egen)  debere.  Id.  Fries.  233  f. 

hackt  (conventus). 
allouc     hall  auch.  mnd.  (mlat*  alloc).    Mnd.  Wb.  I.  57. 

h  o  1 1  o  u  c  h.  mkd.  eine  Lauchart, 
alraune.  höllraune.  (Umdeutnng).  P.  Wb.  IV,  2.  S.  1759. 
amboss.  hanneposs.  Cimbr.  Wb.  S.  1 84*. 

ameise.   heimeze.  Bech.  Btr.  a.  Pegauer  Hdss.  saec  XIV/X V.  L  39. 
hampelte  etc.  WWb.  S.  6. 
kamenze.  Hess.  Id.  S.  191. 
h  a  m  b  e  i  s  s  i  etc.  etc.  Schw.  Id.  I.  2 1 6. 
hemei8e.  Elsass. 

ho  m  eise.  Alem.  Spr.  rechts  des  Rheines.  Birl.  S.  117. 
ammer.   hammer,  hämmerling.  DWb.  IV,  2.  S.  316.  319. 
gold  h  ä  m  m  e  r  1  i ,  gersthammer.  Schw.  Id.  I.  218. 
heramerize,  Schw.  Id.  II.  1 276. 

h  a  m  e  r  e ,  golthamere.  saec.  XIV.  Paul.  Vocaleins.  S.  40. 
ampeln.  hampeln  =  8.  ungeschickt  bewegen.  WWb.  S.  6. 

hampel  (ungeschickter  Mensch),  hampelig.  Hess.  Id.  S.  147. 

h  a  m  p  e  1  m  a  n  n.  allgemein. 

cf.  gampeln-ampeln.  Mnd.  Wb.  II.  76. 
amsel.     h  am  sei.  Dfgl.  385*. 

ahnden,  banden.  Reinart.  v.  202.  Rose.  vv.  7950.  7951. 


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123  - 


anger.    h  an  gar.  Oimbr.  Wb.  S.  184c. 

anke.      hanke  (ahd.  ancha).  Pferdehüfte.  DWb.  IV,  2.  455. 

henkel.  (Knöchel).  Tirol.  Weinh.  B.  §  190. 

h  a  n  k  e-anke :  Schinken.  Wvl.  Id.  53b. 

Vansen.   hansen  u.  ansen.  Geburtateile  d.  Kuh.  BWb".  I.  112.  1135. 

da n 8 e n.  Fromm.  Zs.  VII,  400  (achwäb.  Retzat). 

cf  ?  henszebene  (os  podicia).  Id.  Fris.  253. 

Anshelm.  h  a  n  8  e  1  m  e.  Schw.  Id.  II.  1 474. 

cf.  Hanshelini.  Q.  F.  III.  S.  141.  Sgall.  Urk.  a.  785. 

arm       harem  (brachium).  Comb.  Hds.  Kanal.  III.  S.  138.  u.  249. 

arn        herne.  altfries.  —  am.  mnd.  erne.  holländ.  Mnd.  Wb.  I.  128. 

— -  Ecke,  Spitze. 

Varnen.  hirnen.  (Oberpfalz).  ,  ,   ,      T.,TT..>  T  1163. 

/u  •     w  nachdenken;  BWb-.  I. 

arnen  (bair.  Wald).  164. 

asne.      hast» e.  (Holzgestalt).  Schw.  Id.  I.  504. 

asnen.     hasnen.  (Lohn,  Miete.)  Mnd.  Wb.  II.  213. 

astrenze.  h  a  r  s  t  r  ä  n  z  e.  (Pflanze).  Schw.  Id.  I.  577. 

attich.     hattich.  haddig  (sambucus  ebulus).  DWb.  IV,  2.  109.  560. 

ebnis.     hebis  (Wagen-,  Pflngteil).  Schw.  Id.  47.  1043. 

edel.      hedel.  Flandr.  Chron.  v.  2476. 

Bern.  Ep.  (Kanal.  III.)  v.  265. 

cf.  die  zahlr.  ahd.  Eigennamen  auf  Hadal-. 
eder.      hederwnrz  (coriandrum).  Lmhd.Wb.  I.  22. 
eidechae.  heidechae  etc.  cf.  DWb.  IV,  2.  802.  812.  Schw.-  Id.  I,  94. 

Birl.  Alem.  Spr.  recht«  dea  Rheinea  S.  1 1 7. 

BWb?.  I.  1053.  WWb.  101.  Fr.  Etym.  Nl.  Wb.  331. 

hitache  etc.  DWb.  IV,  2.  1580. 
ekel.      h e ch e  1 ,  hekel, heikel.  DWb.  IV,  2. 101.  Schw.  Id.  1. 1 65.  II.  1 1 1 8. 
elmsfeuer. helmenfeuer.  DWb.  IV,  2.  978. 
elster.     häater,  hätze  etc.  DWb.  IV,  2.  S.  552.  561.  1270. 
hätz.  hätzel.  BWb-.  I.  1193. 

hatzle,  hetali.  Schw.  Id.  I.  625.  ahd.  agalaatra  u.  agaza. 
hegeater,  hextcr.  Mnd.  Wb.  II.  224. 

heiater.  Brem.  Wb.  I.  014.  hiakster.  WWb.  S.  101.  häater.  Fr. 
Renter. 

ende.      h  e  n  n  e.  (ahd.  andi)  =  Stirn.  Cimbr.  Wb.  1 1 6. 
engel.     h  e  n  g  e  1.  Mnd.  Wb.  II.  171. 

hynghel.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 


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124 


cf.  die  asahlr.  ahd.  Eigennamen  auf  Heiigil-. 
ennesit.  hensit.  (Frankf.  a/M.  saec  XIV.)  Dieffenb.-W.  S.  664. 

hemmesit.  (jenseit).  Mnd.  Wb.  II.  238. 
eren.      hehren  (=  ackern).  Luther  I.  314b.  DWb.  IV,  2,  791. 

haerne  =  arend.  Wvl.  Id.  I.  395.  mnl. 
ertag.     Heritages.  Altenb.  (österr.)  Urk.  a.  1300.  Burger  S.  97 
(sonst  Erihtac.  z.  B.  a.  1308.  1311.  Erdtag.  a.  1322. 
heartach.  Cimbr.  Wb.  1 17*. 

cf.  Heresburg.  2mal  für  Eresburg.  Altlioff.  S.  49. 
ßte.  ete.  heide,  h6de,  hßte.  Hess.  Id.  1162.  cf.  Fris.  Haita-Ajita. 
obese.     h  o  v  e  s  a  c  h  e  (?)  =  Dachtraufe.  Schwab.  Sp.  398,  3. 
olbente.  holf.  Mnd.  Wb.  II.  310. 
uke.       büke,  hucke  (Kröte),  cf.  WWb.  S.  282. 

cf.  ucha(bufo).  If.  384.  uche.  Innspr.  71 1 .  gl.  680.  Mone  7,587  ff. 
auk,  auke  (inhd.  ouke).  BWb?.  I.  1311. 
unten,    h unten,  (aus  hie  unten  ?).  Dffb.-W.  S.  663. 
Uetliberg.  Hüetliberg.  Schw.  Id.  II.  956.  art.  hiieb. 
uzen.     hüzen.  (necken).  WWb.  S.  HO.-Mansfeld.  M.-A.  (Jecht). 
cf.  hiuze.  munter,  frech.  Lmhd.  Wb.  I.  1311. 

FREMDWÖRTER. 

adieu.     hadje(s).  häufig. 

avaria.   havarie,  haferei.  DWb.  IV,  2.  126. 

agouter.  ?  h  a  g  ü  t  e".  Getöse  machen  (v.  Windstössen).  Schw.  Id.  II.  1078. 

agrimonia.  hagermöndli.  Schw.  Id.  I.  1 27. 

acheln.  (jüd.)  h  ach  ein.  (österr.)  messen.  BWb".  I.  1041. 

ale.        ?hollys,  olies.  Lübeck.  Urk.  4,  553.  Mnd.  Wb.  II.  288. 

alerte,    halärsch.  Schw.  Id.  I.  172.  IL  1129. 

allegro.  h aleger  etc.  Schw.  Id.  II.  1129. 

alleluia.  halleluja.  DWB.  IV,  2.  232. 

ama.      ham,  harne.  Aichmass.  Lmhd.  Wb.  I.  1162. 

BWb.  I.  1105.  Mnd.  Wb.  I.  74.  II.  171.  182. 
amen.     harnen.  Reinart.  v.  619. 

amerella.  h  ä  m  m  e  r  1  i  n  g.  (prunus  amerella).  DWb.  IV,  2.  319. 
America.  Hameriga.  E.  Bormanu.  Ued.  eines  Leibzgers. 
angusti-  hengs  (poa  angustifolia).  DWb.  IV,  2.  985. 
ä propos.  hopperobo.  Schw.  Id.  IL  1485. 


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-    i  25  - 


arciero.  harschier,  hartschier.  LmhdWb.  I.  1190. 

Schw.  Id.  II.  469  f.  BWb*.  I.  1170. 
arena.     harein.  Schw.  Id.  II.  1078.  (Art.  harnten), 
arlequin.  harlekin.  DWb.  IV.  2.  1480. 
(h)arnes.  hämisch.  DWb.  IV,  2.  488. 
arpon.     harpune.  DWb.  IV,  2.  492.  —  Fr.  Etym.  Nl.  Wb. 
Arras.     h arras  (mlat.  arracium).  Flandrisches  Tuch. 

cf.  LmhdWb.  I.  1188.  MndWb.  II.  251. 
Rückert.  Schieß.  M.-A.  S.  166. 
ascia.     hasche,  hatsche.  (Beü).  LmhdWb.  I.  1192.  DWb.  IV,  2.558. 
hautbois.h oboe -oboe.  DWrb.  IV,  2.  731. 
ebena.    heben  holz.  DWb.  IV,  2.  731. 
eleeison.  heleise  (Processionsfahne).  Schw.  Id.  II.  1142. 
emina.    hemete.  Und.  Wb,  II.  238. 

himpten,  himten,  himpen.  DWb.  IV,  2.  1371. 
Erasmus.  Her  asm  us.  Mnd.  Gr.  §  44,  3. 
erodius.  heergans  (heerfalke).  DWb.  IV,  2.  757. 

cf.  (h)eringries  (alietum)? 
executio.  hexecution.  Moscher osch.  II.  811. 
extra,     hegätre.  Schw.  Id.  I.  624. 
infula.    hifele.  Schw.  Id.  I.  327. 
isopus.    hispe.  DWb.  IV,  2.  1579. 
oblata.    hoflete,  hofflete.  Schw.  Id.  S.  115. 
oblige.    höblische.  Schw.  Id.  948. 
08cillum.  hotze,  hotzelreide.  (Wiege).  LmhdWb.  I.  1346. 
ulan.      hui  Iah  ne.  nnd.  md.  allgemein. 

ulsnick.  hulsnach  (selinum  palustre).  „Blav.M?  Mnd.  Wb.  1.  60. 
unda.     zü  den  hunden.  Birl.  Alem.  Spr.  r.  d.  Rh.  S.  117. 


JÜNGERE  APHÄRESE. 

hachel.    messachel.  Messgewand,  ahd.  hachul.  Schw.  Id.  65. 
hanrit.     amit  (—  Umzäunung).  Lmhd.  Wb.  I,  51. 

ameyde.  almeyde  (Anlehnung  an  almende?).  Mnd.  Wb.  II.  183. 
hahn.      aenbalke.  Reinrert  v.  1612. 

krüane.  Schw.  Id.  II,  1308  (nicht  mehr  verstanden). 
Hansa.     Ansestadt.  Mnd.  Gr.  $  44,3.  cf.  :  mlat  ansa. 


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—    126  - 


„Saguntina  prosopopoeia  der  löbl.  Anse-  nun 

Anzweh-Stadt  Magdeburg.  Flieg.  Bl.  a.  11531. 
heilig.     gheailighet.  aüighen.  Cimbr.  Ratechism.  S.  2  u.U. 
heim.      baggere  ey  iure  cht.  Mnd.  Wb.  II.  175. 

eymelic  Fr.  innl.  Gr.  §  114,3. 
herb.      erbast  toat.  (herbste  Tod).  Cimbr.  Wb.  S.  48. 
himbeere?  immer  te  u.  ambi.  WWb.  6(5. 

ampe.  (Isenburg.).  Hess.  Id.  10. 

imbere.  Birl.  Alem.  Spr.  r.  d.  Rh.  S.  117. 
hin-       enweg-  (a.,  de-),  diut.  IL  200.  210.  211.  Nd.  XIII. 

ent au.  WWb.  (57.  cf.  Schm.  B.  M.-A.  §  500.  etc. 
hippen.   holippcn.  (gebäck).  LmhdWb.  I.  1326.  BWb*.  I.  1139. 
hoffen,    offen.  LmhdWb.  IL  142.  (Krolew.  2661.  Str.  Alex.  380. 

M.-S.  113'.  166b.  173b.  Graz.  Benedict.-Reg.  24". 

Trebn.  Ps.  33,  23.  („Hörfehler,  nicht  Schreibfehler"), 
hoch.      ochgezit.  Nibel.  A.  1309,  1.  n.  AVeinh.  A. 

oech.  Reimert.  v.  509. 

oghen,  oegen.  vv.  79(5.  2109.  6901.  oemesse.  vv.  3025.  3032. 

oeverdich.  Flandr.  Cliron.  vv.  3109.  3183. 

omoedicheden.  150,276.  omoet.  150,278. 

overden.  220,  13.  Comb.  Hds. :  Rangier  III. 
holz.      out.  Fr.  Mnl.  Gr.  §  114,  3. 
hosen,     harn  esc  hosen.  Mnd.  Wb.  IL  209. 

cf.  Schreibungen  wie  Kirchof,  Rilchof ; 

vleichower.  Rückert.  Schles.  M.-A.  S.  166.  etc. 
hundert,  ondert.  Flandr.  Chron.  vv.  2669.  2789. 
hunger.  ungherich.  Reimert.  v.  1524. 

cf.  ungres  .  Heliand.  Cotton.  2824. 


FREMDWORTER. 

habilis.  abil,  abel,  abelike,  abelheit.  Mnd.  Wb.  I.  2  f. 
habitus.  ab  it.  Lmhd.  Wb.  I.  15. 

abijt.  Flandr.  Chr.  w.  78.  2785. 

abyt.  Id.  Fris.  S.  5. 
haeresia.  eresie.  Lmhd.  Wb.  I.  626. 
hälah.  hebr.  a lohen  —  betteln.  Schw.  Id.  L  187. 


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—    127  — 


hannonia.  anno  nie.  Lmhd.  Wb.  I.  95. 
hectica.  etica.  Lmhd.  Wb.  I.  714. 

helenium.elna.  rand.  (u.  mlat).  nnd.  hilna.  (inula  helen.)  Mnd.  Wb.  I.  50. 
hermodactylus.  ermodatten.  Mnd.  Wb.  I.  724. 
hippocras.  ippencras.  Mnd.  Wb.  II.  390.  (Gewürzwein). 

üpikraz.  Schw.  Id.  I.  365 f. 
homilia.  omelie,  omelier.  Lnüid.  Wb.  II.  156. 

höra.     ore,  or.  Stunde,  orglocke.  Stundenglocke.  Lmlid.  W.  I.  1339  f. 

orolei,  urlei  (horologium).  II.  164  f.  orli,  Schw.  Id.  I.  452. 

(höre  =  Uhr.  Mnd.  Wb.  II.  300.  hure  Comb.  Hds.  regelm. 
horizont.  orizon.  Lmhd.  Wb.  II.  167. 
horribilis.  nribel.  Schw.  Id.  I.  420. 

hostia.    ostie.  z.  B.  Wack.  Zur.  Predigt.  41,  155.  Ende  saeo  XIV. 

ostei.  BWb.  I.  1 186. 
humerale.umerale.  Hess.  Urk.  II.  857.  (Weinh.  Mhd.  Gr.) 

um ler.  („Anlehnung  an:  um").  Schw.  Id.  233. 
hydor-.    iderslange,  ydromancie.  idromel.  LmhdWb.  I.  1412  f. 
hymnus.  ymne,  imps,  ymnodie.  imnaere,  Linhd.  Wb.  I.  1422. 


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QUELLEN  UND  FORSCHUNGEN 

ZUK 

SPRACH-  UND  CÜLTÜRGESCHICHTE 

DKR 

GERMANISCHEN  VÖLKER. 

HKRAU8GKGEHEN 

VON 

BERNHARD  TEN  BRINK,  ERNST  MARTIN, 

ERICH  SCHMIDT. 

■ 

LXX. 

STUDIEN  ZUR  GESCHICHTE  DER  ITALIENISCHEN  NOVELLE  IN  DER  ENGLISCHEN 
L1TTERATUR  DES  SECHZEHNTEN  JAHRHUNDERTS. 


HTKAS8HUKU. 
K  AHL  J.  TRÜBNER. 
1892. 


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STUDIEN 

ZUR 

GESCHICHTE  DER  ITALIENISCHEN  NOVELLE 

IN  DER 

ENGLISCHEN  LITTE RATUR 

DES  SECHZEHNTEN  JAHRHUNDERTS 

VON 

EMIL  KOEPPEL. 


8TRA88MT&Ö. 

KARL    J.  TRÜBNER. 
1802. 


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v.  70 


O.  Oito'«  Hof-nuohdruffkprol  in  Diirinmnclt. 


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VORWORT. 


Die  Notwendigkeit  der  folgenden  Studien  ergab  sich 
mir  bei  dem  Versuche  einer  zusammenfassenden  Darstellung 
des  Einflusses  der  italienischen  Novelle  auf  das  elisabethanische 
Drama.  Ich  vermisste  bei  dem  Entwurf  des  Planes  einer 
solchen  Schilderung  auf  Schritt  und  Tritt  eine  Arbeit  über 
die  Werke,  welche  den  Engländern  die  italienischen  Novellen 
in  englischer  Prosa  boten.  In  diese  Lücke  sollen  sich  die 
nachstehenden  Untersuchungen  einfügen  —  ausfüllen  werden 
sie  dieselbe  freilich  nicht.  Denn  der  Weg  von  München  nach 
England  ist  ein  weiter,  und  der  Wunsch,  ihn  zu  durchmessen, 
nicht  so  oft  zu  erfüllen,  als  mau  möchte  und  es  nöthig  wäre. 
Das  von  mir  gesammelte  Material  wird  deshalb  noch  manche 
Ergänzung  zulassen,  doch  hoffe  ich  keine  der  ncnnens- 
werthen  englischen  Novelleusammlungen  ganz  unerwähnt  ge- 
lassen zu  haben. 

München,  Juli  1891. 

Emil  Koeppel. 


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INHALT. 


Seit«.. 


I.  William  Painter's  Palace  of  Pleasure  1 

II.  Geoffroy  Fenton's  Tragioall  Discoursea   13 

III.  Edmund  Tilnay's  Flowor  of  Friondshippe   18 

IV.  George  Pettie's  Pettie  Palace  of  Pettio  his  Ploasure    .    .  21 
V.  George  Whetatone    30 

VI.  Robert  8myth   41 

VII.  Henry  Wotton   43 

VIII.  H.  Ca  Forrest  of  Fancy   44 

IX.  Barnabe  Riohe   47 

X.  Robert  Greene   51 

XI.  Bryan  Melbancke   59 

XII.  Tarlton's  Newes    62 

XIII.  The  Cobler  of  Caunterburie   65 

XIV.  Thomas  Lodge   68 

XV.  Westward  for  8melte    71 

XVI.  The  Jest-Books   77 

Tabelle  der  englischen  Übersetzungen   79 

I.  Boccaccio   79 

1.  II  Deoameron   79 

2  II  Filocolo   88 

II.  Bandello   89 

in.  Giraldi  Cinthio   98 

IV.  8traparola   99 

V.  Ser  Giovanni  Fiorentino   99 

VI.  Machiavelli   99 


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I.  WILLIAM  PAINTER'S  'PALAOE  OP  PLEASURE' 

156768. 


„Die  schlimme  Winternacht  und  den  langen  Sommer- 
tag soll  mein  Buch  den  Leaern  kürzen,  Reisenden  ein  heiterer 
Gefährte  sein.  Und  weil  schon  Tullius,  der  Fürst  aller  Redner, 
sagte,  es  sei  ein  Vergnügen  Geschichten  zu  lesen,  habe  ich 
dieses  Werk  schicklich  den  'Palast  des  Vergnügens'  genannt." 
In  diesem  Sinne  äussert  sich  William  Painter  in  seiner  Epistel 
To  the  Reader,  die  er  dem  ersten  Bande  seiner  Novellen- 
sanimlung  vorausgeschickt  hat.  Dass  ihm  der  Lohn  seiner 
Mühe  wurde,  der  Beifall  seiner  Landsleute,  beweist  die  rasche 
Folge  der  Fortsetzung,  des  zweiten  Bandes.  Dem  modernen 
Menscheu  wird  hierdurch  zugleich  bewiesen,  mit  welch  an- 
spruchslosem und  dankbarem  Publikum  es  die  glücklichen 
Erzähler  des  16.  Jahrhunderts  zu  thun  hatten. 

Denn  Painter  erzählt  nicht  gut.  Er  ist  ein  gelehrter 
Mann,  ein  sprachkundiger  und  gewissenhafter  Ubersetzer  — 
aber  er  schreibt  einen  breiten  und  reizlosen  Stil.  Man  wundert 
sich,  dass  sich  dieser  ernste  Mann,  der,  sobald  er  selbst  das 
Wort  ergreift,  einen  hochmoralischen  Ton  anschlägt,  zum 
Dolmetscher  der  leichtfertigen  italienischen  Gesellschaft  machte. 
Ihm  selbst  scheint  es  bei  der  Sache  nicht  immer  ganz  wohl 
gewesen  zu  sein ,  er  bringt  wenigstens  wiederholt  Entschul- 
digungsversuche an.  Wie  schon  Chaucer  seine  freie ,  dem 
Wesen  der  Sprechenden  angepasste  Rede  damit  rechtfertigte, 
dass  ja  auch  Christus  deutlich  zu  reden  liebte  (Crist  spak 
him-self  ful  brode  in  holy  trrit  Prol.  739),  so  verweist  Painter, 

nachdem  er  von  dem  schändlichen  Leben  der  Countesse  of 
QF.  lxx.  1 


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2         I.  WILLIAM  I'AWTKR'ft  I'ALACE  OK  IM.KASL'RK  1.W8 

Celan t  berichtet  hat,  auf  die  heilige  Schrift,  iu  der  auch  von 
lasterhaften  Personen  die  Hede  sei  und  die  man  doch  lesen 
müsse. 

So  gering  der  künstlerische  Wert  der  PainterVhen 
Novollensammlung  ist,  in  der  (ioschichte  des  italienischen 
Einflusses  nimmt  sie,  als  die  erste  ihrer  Art,  gleichwohl  eine 
bedeutende  Stelle  ein.  Ks  ist  deshalb  sehr  erfreulich,  dass 
sie  jüngst  weiteren  Kreisen  zugänglich  gemacht  wurde  durch 
einen  prächtigen  Neudruck ,  besorgt  von  Joseph  Jacobs.1 
Das  uneingeschränkte  Lob,  welches  der  äusseren  Ausstattung 
dieses  Neudrucks  zu  zollen  ist,  kann  leider  nicht  auf  den 
Theil  der  Einleitung  ausgedehnt  werden,  der  sich  mit  den 
»  Quellen  der  einzelnen  Erzählungen  beschäftigt.  J(acobs)  hat 
die  Untersuchungen  seines  verdienten  Vorgängers,  Joseph 
Haslewood,  aufgenommen,  ohne  sie  einer  genauen  Prüfung 
unterworfen  zu  haben,  so  dass  verschiedene  Irrthümer  Hasle- 
wood's  in  die  neue  Ausgabe  übergegangen  sind.  Wir  sind 
deshalb  genötigt,  uns  die  in  den  Bereich  unserer  Studie 
fallenden,  aus  italienischen  Autoren  übersetzten  Erzählungen 
nochmals,  nach  ihren  Quellen  geordnet,  vor  Augen  zu  bringen. 

1.  BOCCACCIO. 

Trotz  seiner  Bewunderung  der  schönen  Prosa  Boccaccio'* 
findet  Paintor  doch  nur  den  sechsten  Theil  seiner  Novellen 

» 

zur  Aufnahme  geeignet;  gar  manche  Erzählung  des  „Decn- 
meron"  verdiene  es,  zu  ewigem  Gefängnis*  verdammt  zu 
werden  (J.  I  p.  11).  Er  hat  auch  in  der  That  nur  folgende 
16  Novellen  Boccaccio's  übersetzt: 

v  o  1.  I  (Datum  der  Widmung:  theßrst  ofjanuarie  1566) : 2 
No.  30  A  question  of  Saladine        —  Dec.  I  3 
„    31  Ermino  Orimaldi  =     „     I  8 

1  The  Palace  of  Pleasure.  Elizabethen  Veraions  of  Italian  and 
French  Novels  from  Boccaccio,  Bandello,  Cinthio,  Straparola,  Queen 
Margaret  of  Navarre,  and  others  done  into  English  by  William  Paintor. 
Now  ngain  edited  for  the  fourth  time  by  Joseph  Jacobs.  3  vols.  Lon- 
don, David  Nutt,  1890. 

*  Dieser  Band  enthält  60  Novellen.  In  der  dritten  Auflage  vom 
Jahre  1575  bietet  er  6  Novellen  mehr  (nicht  7,  wie  bei  J.  p.  XLVIII 


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1 .  BOCCACCIO. 


No.  32  Maister  Alberto  of  Bologna  —  Dec.  I  10 

„  33  Rinoldo  of  Esti  =  „  II  2 

„  34  The  hing  of  England'*  doughter  „  II  3 

„  35  Landolpho  Ruffolo  —  „  II  4 

„  36  Andreuccio  =  „  II  5 

„  37  The  Erle  of  Angiers  =  „  II  8 

„  38  Giletta  of  Narbona  =  „  III  9 

„  39  Tancredi  =  ,  iVl' 

vol.  II  (Datum  der  Widmung:  the  IUI.  of  November 
1567) :  * 

No.  16  The  Marchionisse  of  Monferato    =  Dec.    I  5 
„    17  Mistresse  Dianora  —    „     X  5 

„    18  Mithridanes  and  Nathan  —    „     X  3 

„  19  Mistresse  Katherine  of  Bologna  =  „  X  4 
„  20  Of  Maister  Thorello  and  Saladine  —  „  X  9 
„  31  Mistresse  Helena  of  Florence  =  „  VIII 73 
Paintcr  äussert  sich  selbst  bescheiden  über  den  Werth 
seiner  Übersetzungen  aus  dem  Italienischen:  Other  Nouels 
haue  I  adioyned,  chosen  out  of  diuers  Italian  and  Frenche 
tcryters.  W herein  I  confesse  my  seife  not  to  he  so  well  tray- 
neth  pervduenture,  as  the  Jim  heads  of  suche  trauailers  would 
desire,  and  yet  I  trust  sufßciently  to  expresse  the  sense  of 
euerye  of  the  same  (J.  I  p.  10  f.).  Die  Worte  beruhen  auf 
richtigster  Selbsterkenutniss :  Painter's  Übersetzungen  sind 
schwerfallig,  aber  genau.  Er  hatte  sich,  bevor  er  an's  Über- 
setzen ging,  eine  für  seine  Zeit  sehr  gründliche  Kenntniss 
des  Italienischen  erworben,  es  lassen  sich  ihm  in  den  Über- 
setzungen aus  dem  „Decamerouu  nur  wenig  Fehler  nach- 
weisen.4   Im  Ganzen  hält  er  sich  ängstlich  an  den  Text 

bemerkt  ist).  Sämmtliche  aus  dem  Italienischen  stammenden  Novellen 
sind  schon  in  der  editio  prinoeps  zu  lesen. 

1  J.  (p.  LXXIV)  verweist  bei  den  Nachahmungen  dieser  Novelle 
auf  Turbervile  Tragioal  Tales*  IV.  Turbervile's  Diohtung  beruht  je- 
doch auf  Dec.  IV  9  (cf.  Anglia  XIII  50). 

»  Enthält  34  Novellen;  in  2.  Auflage  35  (cf.  J.  I  p.  XLIX  sq.). 

3  Nicht  Dec.  VIII  8,  wie  J.  p.  XC  bemerkt. 

4  Manchmal  sagt  er  allerdings  gerade  das  Qegentheil  von  dem, 
was  Boccaccio  sagt,  vgl.  Dec.  II  3  AUsaandro  .  .  .  feceyli  la  aua  camern 
fare  nrl  tueno  diangiato  luoyo  della  caaa  —  J.  I  p.  133  Almravdrn  .  .  . 

1* 


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4        I.    WILLIAM  I'AINTER  S  PALACK  OK  l'LKASUKE  1567  8. 


seiner  Vorlage,  eine  boachtenswerthe  Kürzung  bemerken  wir 
nur  in  der  Geschichte  des  Riualdo  d'Asti  (I  33;  bei  J.  I 
p.  129)  —  beachtenswert!!,  weil  sie  als  ein  dem  Schicklich- 
keitsgefühl  gebrachtes  Opfer  erscheint.  Immer  hat  jedoch 
diese  Stimme  des  Anstauds  nicht  gesprochen,  l'ainter  hat  in 
audereu  Novellen  auch  recht  anstössige  Stellen  getreulich 
übersetzt. 

Eine  Erweiterung  zeigt  uns  nur  der  Schluss  von  I  32 
(J.  1  p.  123  f.),  wo  Painter  in  ziemlich  thörichter  Weise  ein 
Stück  des  Rahmens  des  „Decameron"  herübergenommeu  und 
breiter  ausgeführt  hat.  Im  zweiten  Band,  in  welchem  er  sich, 
durch  den  Erfolg  des  ersten  Randes  gehoben,  überhaupt 
etwas  freier  bewogt,  hat  er  jeder  Novelle  eine  selbständige, 
mit  den  Früchten  seiner  Belesenheit  geschmückte  Einleitung 
vorgestellt. 

Die  Überlieferung  des  Textes  ist  eine  gute;  an  einigen 
Stellen  hätte  J.  offenbare  Corruptelen  mit  Hilfe  des  italie- 
nischen Textes  mühelos  beseitigen  können. 

eaused  a  Chamber  to  be  made  redie  for  him  seife  in  the  teorste  place  of 
the  honse ;  Dec.  IV  1  Ghismonda  .  .  .  dolore  inestimabile  senti ,  ed  a 
mostrarlo  con  ronwrey  e  con  lagrime,  come  il  pitt  le  /entmine  fanno,  fn 
assai  rotte  ricina  :  nut  pur  qttesta  viltä  vincendo  il  sno  animo  ulticnt  etc. 
=  I  p.  184  Gismonda  .  .  .  coneeiued  an  inest imaLle  sorotre,  vttering  Ihr 
Harne  mang  time?,  teith  otttrries  and  schrerhes,  aecording  to  ihc  maner 
of  womeu  (dieselbe.  Entstellung  de«  Originals  finden  wir  in  William 
Walter'*  Gedicht,  vgl.  Zupitzn  in  Ooigers  VierteljahrsHchrift  I  80). 
Weniger  auffällige  Fehler  bemerken  wir  J.  I  p.  120,  122;  II  356,  372; 
III  336  z.  17,  344,  352. 

1  J.  I  p.  158  as  I  see  agahtst  the  fierie  flames  —  lies  Ist  — 
Dec.  II  8  come  il  ghiaccio  al  fuoco ;  II  p.  352  f.  thereby  to  great  renowme 

—  Heu  gel  —  Dec.  X  3  per  direnir  famoso ;  I  p.  138  z.  1  lies  •*  für 
das  zweite  in.  An  anderen  Stellen  kann  man  zweifeln,  ob  ein  Versehen, 
dos  Übersetzers  oder  eine  Verderbniss  der  Überlieferung  vorliegt:  I  p.  170 
his  mother  in  Latce  —  dor  Zusammenhang  fordert  her;  p.  175  diuers 
aupplications  teere  made  rnto  htm  to  alter  his  opinion,  but  all  in  raiue 

—  dio  Vorlage  vorlangt  her  cf.  Dec.  III  9;  p.  187  Z.  4  v.  u.  cottering  it 

—  lies  uncovtring  =  Dec.  IV  1  e  quell a  scoperchiata  ;  II  p.  374  a  man 
of  jno]  great  estimation  =  Dec.  X  9  toi  eavalier  prorenzale  di  picrol 
ralore ;  III  p.  341  Z.  17  v.  u.  ist  wohl  not  zu  streichen,  vgl.  Dec.  VIII  7; 
p.  336  Z.  15  v.  u.  zeigt  der  englische  Text  eine  Lücke,  vgl.  Dec.  ib. 


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2.  bandeIjLO. 


2  HANDELLO. 

Reichlicher  als  Boccaccio  int  im  Talaee'  einer  seiuer 
fruchtbarsten  Nachfolger,  Bandello,  vertreten,  obwohl  ihn 
Painter  stilistisch  tief  unter  den  Vater  der  italienischen  Prosa 
stellt.  Er  bietet  seinen  Lesern  deshalb  nicht  eine  Übersetzung 
der  italienischen  Originale,  sondern  der  Übersetzungen  der 
Franzosen  Pierre  Boisteau,  genannt  Launay,  und  Francois 
de  Bollc-Forest,  die  den  Text  Bandello's  mit  grösster  AVill- 
kür  behandelten  und  in  einer,  nach  modernen  Begriffen,  uner- 
träglichen Weise  verbreiterten.  Painter  gibt  ihren  Versionen 
jedoch  unbedingt  den  Vorzug:  Out  of  Bandello  I  haue  sclvcted 
seuen,  chosing  rather  to  follow  Launay  und  Belli -fürest,  the 
French  Translotours,  than  the  harren  soile  of  his  oun  vain 
wlto  bring  a  Lombard,  doth  frankly  confesse  himselfe  to  be 
no  /ine  Florentine,  or  trimme  Thoscane,  as  eloquent  and  gentle 
Boccaccio  tras  (Kpistte  to  the  Reader,  J.  I  p.  II).1  Der  erste 
Band  des  Talace*  enthält  allerdings  7  aus  dem  Französischen 
übersetzte  Novellen  Bandellos,  hiezu  kommt  jedoch  noch  eine 
direct  aus  dem  Italienischen  übersetzte  Erzählung,  so  dass  er 
im  Ganzen  8  Novellen  Bandellos  bietet.  J.  I  p.  LXVI  be- 
merkt ausserdem  bei  No.  11  (King  Cyrus  and  the  Ijxdie 
Fanthta)  Source:  Probably  Bandello  III  9 ;  Origin:  Xenophon 
(giüen  as  source  by  Painter).  Painter  hat  seine  Quelle  ganz 
richtig  angegeben,  seine  Erzählung  hat  mit  Bandello's  Novelle 
nichts  gemein;  sein  Bericht  beruht  entweder  auf  Xenophon 
selbst  oder  auf  einer  Übersetzung  der  'Oyropacdia'.2  Der 

1  Painter  steht  mit  seiner  Werthsohätzung  Launay  8  nicht  allein. 
Der  Sprachlehrer  Claudius  Hollyband  empfiehlt  «einen  Schülern  gleich 
nach  der  Bibel  die  Werke  dieses  beredtesten  aller  französiHchen  Autoren: 
Then  let  him  [the  leamer}  take  in  hand  <iuij  of  the  trorkes  of  Monsieur 
de  Launay,  otheraise  called  Pierre  Boaystuau ,  as  the  best  and  tnost 
elotfiicnt  tcritev  of  our  tomjue.  His  trorkes  he  le  *Theatre  du  monde\ 
the  'Tragkall  Historie*' ,  the  'Prodif/ious  histories*  (cf.  The  Frenche 
Littelton:  A  most  easie,  Porfect  and  absolute  way  to  learne  the  frenche 
tongue:  Seth  forth  by  Claudius  Hollyband.  London  1581;  in  der  Wid- 
mung). 

8  Auf  eine  englische  Übersetzung  Nicolas  Grimoald's  verweist 
Warton  (HEl\  1871,  IV  49);  dieselbe  scheint  jodoch  nie  gedruckt 


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I.  WILLIAM  paintkr's  palacg  uf  plkasuke  1567  8. 


erste  Band  des  'Palace*  briugt  somit  folgende  Novellen  Ban- 
dellc/a : 

vol.  I.  No.  27  The  foue  of  Antiochus  with  faire  Stratonica 

=  Band.  II  55  ' 
J.  I  p.  LXX  verweist  als  Quelle  auf:  Plutarch,  Demetrius 
(probahly  in  AmyoCs  trunslation).  Aber  Paiuter  gibt  ja  selbst 
seine  Quelle  in  unzweideutigsten  Worten  au:  Although  the 
wyse  Philosopher  Plutarche,  elegant  ly  and  brießye  describeth 
this  Historie ,  in  the  Life  of  Demetrius:  yet  hi cause  Baudeflo 
aptlye  and  more  at  large  doth  disrourse  the  same,  1  thought 
good  to  apply  my  pen  to  his  stile.  Er  bietet  in  der  That 
eine  genaue  Übersetzung  der  Novelle  Bandello's.  Belieferest 
bringt  diese  Geschichte  erst  in  seinem  vierten,  1570  abge- 
schlossenen Bändchen.2 

No.  40  Hyerenee  the  faire  Greeke  —  Lauuay  Hist.  2 3 

(Band.  I  10). 

„    41-4  Ladie  falslie  accused  ■--  Belieferest  Hist.  8 

(Band.  I  24). 

„    42  Didaco  and  Violenta         —   Launay  Hist.  5 

(Band.  I  42). 

worden  zu  sein.  Von  den  französischen  Obersetzungen  habe  ich  ver- 
glichen: La  Cyropedie  de  Xenophon  ....  Traduite  do  Graec  en  langue 
Francoyse,  par  Jacques  de  Vintemille,  Rhodien.  Paris  1547.  Painter's 
Erzählung  beruht  auf  Ii.  V  oha.  1,  VI  2,  3,  9  VII  4;  sein  Text  steht 
dem  der  französischen  Version  sehr  nah,  doch  lassen  kleine  Differenzen 
erkennen,  dass  sie  nicht  seine  Vorlage  gewesen  sein  kann. 

1  cf.  La  Prima,  Seconda,  Terza  Parte  de  le  Nouelle  del  Bandello. 
In  Lucca  per  il  Busdrago  1554;  3  vol1 

•  cf.  Le  Quatriesme  Tome  des  Histoires  Tragiqucs  .  .  . .  A  Turin, 
par  Jerosme  Farine  1571.  Datum  der  Widmung:  De  Paris  ce  3.  de 
May  1570.    Enthalt  Hist.  55-80;  cf.  Hist.  63. 

3  cf.  XVIII  Histoires  Tragiques  Extraictes  des  oeuures  Italiennes 
de  Bändel,  et  mises  en  langue  Francoise.  Les  six  premieres,  par  Pierre 
Boisteau,  surnomme  Launay,  natif  de  Bretaigne.  Les  douze  suiuans, 
par  Fran.  de  Belle  -  Forest ,  Gomingeois.  L'an  de  grace  MDLX  s.  !. 
Ich  citiere  die  französischen  Gesohiohten  nach  der  fortlaufenden  Num- 
merierung  dieser  Ausgabe,  diu  mit  Belieferest  keine  neue  Zählung  be- 
ginnt. Brunet  yerzeichnet  eine  Ausgabe  dieses  ersten  Bändelten*  der 
HT.  vom  Jahre  1559,  und  halt  es,  da  die  Druckerlaubnis  vom  11.  Januar 
1558  datiert  ist,  für  möglioh ,  dass  noch  eino  frühere  Ausgabe  be- 
standen hat. 


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2.  BANDELLO. 


7 


No.  43  Of  a  Ladie  of  Thurin      —   Launay  Hist.  4 

(Band.  II  12). 
„    44  Alerane  and  Adelasia        =  Bei.  Hist.  7 

(Band.  II  27). 

„    45  The  Duchesse  of  Suuoie     =  Launay  Hist.  6 

(Band.  II  44). 

„    40  The  Countesse  of  Saleshurie  =  Launay  II  ist.  1 
(Band.  II  37,  nicht  II  26,  wie  ,1.  I  p.  LXXVI  angibt).' 

Für  den  zweiten  Band  des  Talace'  hat  Painter  öfters 
unmittelbar  aus  Bandello  geschöpft.  Er  bringt  mehrere 
Novellen,  die  Belieferest  erst  im  dritten  und  vierten  Bändchen 
der  'llistoires  Tragiques'  veröffentlichte,  und  eine,  die  der 
Franzose  überhaupt  nicht  übersetzt  hat: 

vol.  II  No.  4  Ariobarzanes  —  Band.  I  2  (Bei.  llist.  53) 

,,    5  Aristotimus  the  Tyrant  —  Band.  III  5  (Bei. 

Hist.  <>9) 

„    7  Sophonisba  -  Band.  I  41  (Bei.  Hist.  43) 2 

„    9  A  Gentlewoman  of  Hidrusa  =  Band.  I  50  (Bei. 

Hist.  (57) 

,10  Faustina  the  Einpresse  —  Band.  I  36  (Bei. 

Hist.  59) 

n  21  Anne  the  Queene  of  Hungarie  =  Band.  I  45 

(Bei.  Hist.  60) 
„  22  Alexander  de  Medkes  Duke  of  Florence  = 

Bei.  Hist.  12  (Band.  II  15) 


1  J.  I  p.  LXXIX  vorweist  ferner  zu  No.  58  .1  President  of  Gre- 
uuble  aduerlised  of  the  ill  gouemement  of  his  wifey  foofe  such  order, 
thnt  his  honest ie  was  not  diminished,  and  yet  reuenged  the  facte,  welche 
Erzählung  Painter  au»  den  'Contes  do  la  Reine  de  Navarre*  übersetzt 
hat,  wegen  der  Stoffflhiilichkmt  auf  Bandello  1  35.  Diese  Novelle  handelt 
allerdings  auch  von  der  Bestrafung  einer  zuchtlosen  Gattin,  aber  die 
Nebenumstände  sind  ganz  verschieden.  Die  französische  Erzählung  ist 
vielmehr  eine  tragisch  gewendete  Version  von  Bandello  I  11:  Un 
Senatore  trou  t/ulo  la  inoglie  in  adirfterio,  fa  Vadtdtero  fuggire.  e  salua 
il  8UO  honore  insieme  con  quello  de  la  tnoglie. 

9  cf.  Lc  Troiaierae  Tome  des  Histoires  Tragiques  A  Turin, 

par  Cesar  Farine  1569.  Datum  der  Widmung:  I>t  Paris  ce  I  de  Xe/>- 
tembre  J5ötf.    Enthält  Hist.  37-54. 


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8        1.  WILLIAM  PAINTER'S  PALÄCE  OK  PLBA8URE  15H7  8. 


No.  23  The  Duchesse  of  Malfi  =  Bei.  Mist.  19« 

(Band.  I  2ß)2 

„   24  7%e  Countesse  of  Celant  =  Bei.  Hist.  20 

(Band.  I  4) 

„   25  Rhomeo  and  Jttlietta        ^  Launay  Hist.  3 

(Band.  II  «) 

„  26  2W  Gentlewowen  of  Venire  -  Band.  I  15 

(Bei.  Hist.  37) 
„  27  The  Lorde  of  Virle  =-  Bei.  Hist.  1 3  (Band.  III  1 7). 
„  28  A  Ladt/  of  Boeme  =  Band.  I  21 
„  29  Dow  Z)te£o  ffwrf  Gineura  —   Bei.   Hist.  18 

(Band.  I  27) 

„  30  Salimbene  and  Angelira  =  Bei.  Hist.  2t  (Band. 
I  49;  nicht  46,  wie  J.  I  p.  XC  bemerkt.  J. 
gibt  Bandello  als  Quelle  an,  während  er  Belie- 
ferest, aus  dem  Painter  übersetzt  hat,  gar 
nicht  erwähnt). 
„  33  The  Lords  ofNocera  =  Bei.  Hist.  23  (Band.  I  55) 
„  34  (35  in  der  zweiten  Auflage)  The  Kinge  of 
Marocco  =  Bei.  Hist.  24  (Band.  I  57). 

Ausserdem  citiert  J.  I  p.  XC  Bandello  1  35  als  Quelle 
der  32.  Novelle  des  zweiten  Bandes,  überschrieben:  A  Gmtle- 
woman and  Wydow  caUed  Camiola  of  hir  owne  winde  raun- 
somed  Roland  the  Kyng's  Sonne  of  Sicilia,  of  purpose  to  haue 
htm  to  hir  Husband,  who  when  he  was  redeemed  vnkindly 
denied  hir,  agaynst  whom  very  eloquently ,  she  inueyed t  and 

1  of.  Des  Histoires  Tragiques,  Tome  Seoond  .  .  .  .  A  Turin,  par 
Cosar  Farine  1570.  Die  Widmung  ist  datiert:  De  Paris,  ce  vingtrnumt 
d' Aoust,  mil  cinq  cens  soixeante  cing.  Enthält  Hist.  19  36.  Brunct  be- 
merkt 'Manuel  du  Libraire'  (Paris  1860)  s.  v.  Bändel,  dass  dem  ersten 
Band  der  H.  Tr.  im  Jahre  1569  zwei  weitere  Bände  folgten;  das  Datum 
der  Widmung  des  zweiten  Bandes  und  Painter's  und  Fenton's  Über- 
setzungen aus  demselben  beweisen  jedoch,  dass  der  zweite  Band  schon 
früher,  1565  oder,  da  ihn  Painter  erst  im  zweiten  Bande  seines  'Palacc* 
benützt,  1566,  erschienen  sein  muss. 

2  Warum  J.  I  p.  LXXXVII  bei  dieser  Novelle  und  bei  No.  27, 
29,  33,  35  Bandello  als  Source  and  Origin  bezeichnet,  Belleforest  hin- 
gegen nur  unter  der  Rubrik  Parallel»  erwähnt,  ist  nicht  ersichtlich. 
Painter  hat  aus  Belleforest  übersetzt. 


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2.  BANDELLO. 


although  the  Law  proued  him  to  be  hir  Umband,  yet  for  his 
vnkindnes,  shee  ctterly  refused  hiw.  Dass  hier  ein  Irrthura 
vorliegt,  erkennen  wir  auf  den  ersten  Blick;  J.  hat  ja  eben 
diese  Novelle  Bandello's,  welche  eine  grundverschiedene,  im 
eigentlichsten  Sinne  des  Wortes  schmutzige  Ehestands-Ge- 
schichte erzählt,  bereits  bei  der  58.  Novelle  des  ersten  Bandes 
wegen  der  Stoffahnlichkcit  angeführt  (vgl.  oben  p.  7  Anm.  1). 
Wir  werden  die  Geschichte  der  Camiola  bei  Bandello  über- 
haupt vergebens  suchen;  aber,  obwohl  Painter  in  der  Ge- 
schichte selbst  seinen  Gewährsmann  nicht  erwähnt,  können 
wir  ihn  doch  mit  ziemlicher  Wahrscheinlichkeit  bestimmen. 
Painter  nennt  zu  Anfang  des  zweiten  Bandes  24  von  ihm 
benützte  Autoren.  In  dieser  Liste  wird  uns  unter  den  neueren 
Schriftstellern  der  Name  des  von  Painter  noch  nicht  in  Con- 
tribution  gesetzten  Baptista  Campofulgosus  auffallen,  der  ein 
umfangreiches Compcndium  verfasst  hat,  betitelt:  'Exemplorum, 
Hoc  est,  Dictorum  Factorumque  Memorabilium,  ex  certae 
fidei  ueteribus  et  recentioribus  historlarum  probatis  Autoribus, 
Lib.  IX'. 1  In  diesem  Werke  finden  wir  Lib.  V  Cap.  III 
De  Ingratis  unter  der  Uberschrift  De  Rolando  Petri  Siciliae 
regis  fratre  et  Comiola  (p.  613  ff.)  Painter's  Geschichte.  Doch 
muss  dieser  noch  eine  andere  Quelle  benützt  haben,  denn  er 
erzählt  viel  breiter  als  Campofulgosus,  und  führt  Thatsachen 
und  Namen  an,  die  jener  nicht  erwähnt. 

Auch  bei  diesen  Übersetzungen  aus  dem  italienischen 
und  französischen  Bandello  bewähren  sich  Painter's  sprach- 
liche Kenntnisse ;  wir  könnten  ihm  nur  eine  verhältuissmässig 
geringe  Zahl  von  Missverständnissen  nachweisen2.  Auch 
hier  hält  er  sich  im  Ganzen  gewissenhaft  an  seine  Vorlage. 
Doch  bemerken  wir,  von  den  unabhängigen  Einleitungen  ab- 

1  Basileae,  ex  officina  Henric  Petrina.  Col:  Anno  MDLXVII 
Mense  Augusto. 

*  Ein  auffalliger  Lapsus  ist  ihm  vol.  I  No.  41  pasßiert,  wo  er 
Belleforcst's  Bemerkung:  Et  Bniazet  semblablement,  ne  feist  il  pas 
teste  au  grand  Tamberlatt,  t/ut  s'appelloit  le  ßeau  de  Dieu  mit 
einem  groben  Verstoss  gegen  die  historische  Wahrheit  übersetzt:  Avd 
Bainzet  likewyse,  did  not  he  cut  of  the  he  ad  of  the  <ireate 
Tamburlain,  which  called  himselfc  the  scourye  of  God  (cf.  J.  I 
p.  193). 


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10      I.   WILLIAM  PVINTERS   l'VLVCK  OK  PI.K^URE    1  ")fi7  8. 


gesehen ,  manchmal  auch  in  den  Novellen  selbständige  Er- 
weiterungen Painter's. 1 

:i.  <ER  GIOVANNI  FIOHENTINO. 

vol.  I  No.  47  Gabjano  and  Madonna  Minorcia  -  Peeurotie2  1  1 
„  4S  A  Duke  of  Venice  and  Ricciardo  -       „      IX  l 

4.  STRAPAROLA. 
vol.  I  No.  49  Phiknio  Sisterno  —  Piacevoli  N«»tti  *  II  2. 

5.  GIRALDI  CINTHIO. 

vol.  II  No.  11  Two  Maidens  of  Ca rth a r/e  —  Ilecat. '  IX  S 

15  Euphemia  of  Corinth         —     „      VII 1  10. 

Das  Ergebnis*»  unserer  Zusammenstellung  ist,  dass  Paiuter 
in  seinen  'Palace'  4b*  italienische  Novellen  aufgenommen  hat 
—  18  aus  Boccaccio,  25  aus  Uandello  (wovon  9  aus  dem 
Italienischen,  die  übrigen  aus  dem  Französischen  übersetzt 
sind),  je  2  aus  Ser  Giovanni  Fiorentino  und  Giraldi  Cinthio, 
1  aus  Straparola.  Er  steht  somit  tief  in  der  Schuld  der  ita- 
lienischen Novellatori;  doch  ist  es  nicht  unmöglich,  dass  er 
die  erste  Anregung  zu  seiner  Sammlung  durch  die  frauzösiche 
Ubersetzung  Bandello's,  die  Histoires  Tragiques',  erhielt. 

J.  hat  p.  XXX  f.  seiner  Einleitung  die  abfälligen 
Äusserungen  E.  Döring  8  (1572)  und  Stephen  Gosson's  (1580) 


1  So  gibt  er  z.  B.  II  24  für  Belleforest's  Anspielung:  Je  «fdi/  oii 
c'eut  qne  ma  chaussure  me  presse  et  blesse  die  ganze  Anekdoto  zum 
Beuten  (of.  J.  III  p.  47);  II  26  findet  sich  ein  Excurs  über  die  Sog- 
nungett  der  Ehe  (ib.  p.  143  f )  und  in  dieselbe  Novelle  ist  ein  Gedicht 
eingeschoben  (ib.  p.  129  f.). 

'  cf.  II  Peoorone  di  Ser  Giovanni  Fiorentino,  nel  quäle  si  con- 
tengono  cinquanta  noveüe  antiohe,  belle  d'inventione  e  di  stile.  In 
Milano  Appresso  di  Giovann'  Antonio  de  gli  Antonij  MDL  VI  II. 

*  cf-  Le  Piacevoli  Notti  di  M.  Giovan-Francesco  Straparola  [ge- 
druckt: Straparola]  da  Caravaggio.  Col. :  In  Vinegia  per.jComin  da 
Trino  di  Monferrato.    L'auno  MDLI. 

*  cf.  De  gli  Hecatommithi  di  M.  Giovanbattiata  Giraldi  Cinthio 
Nobile  Ferrarese.    In  Vinegia  MDL XVI.    Approsso  Girolamo  Sootto. 


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1.   WILLIAM  PAINTER'S  FALACK  OK  FLEASÜRK   1567  8.  11 


über  den  'Palace'  angeführt.  Auch  Francis  Thynne  wirft  in 
der  'Üebatc  between  Pride  and  Lowliness'  (ca.  1580)  einen 
tadelnden  Seitenblick  auf  Amadis  de  Gaule,  the  Pallas f[a]rced 
with  Pleasure,  und  die  Ballads  that  entreate  of  nought  but 
loue !.  Rühmend  erwähnt  fand  ich  den  'Palace*  hingegen  in  der 
R.  B.  unterzeichneten  Epistel  To  the  gentle  Gentlewomcn 
Readers  der  um  1580  veröffentlichten,  vermutlilich  dritten 
Ausgabe  von  George  Pettie's  'Pettie  Pallace  of  Pettie  his 
pleasure'.  R.  B.  sagt  von  Pettie's  Geschichten :  /  haue 
christened  them  with  the  name  of  a  Pallace  of  Pleasure.  1 
dare  not  compare  this  worke  with  the  former  Pallace s  of 
Pleasure,  because  comparisons  are  odious,  and  because  they 
containe  Histories,  translated  out  of  graue  authors  and  learned 
writers:  and  this  containeth  discourses,  deuised  by  a  greene 
youthfull  capadtie  and  reported  in  a  manner  ex  tempore. 
Ausserdem  ist  der  'Palace'  citiert  in  George  Whetstonc's 
'Ileptameron'  (1582),  als  eine  der  Autoritäten  für  die  Gefähr- 
lichkeit von  Mesalliancen:  //  you  coueit  more  Authonties,  to 
approue  so  common  a  mischiefe,  read  Ouid  Metamor phosis  in 
Latine,  Segnior  Lodoukus  Regester  in  Italian,  Amadis  de 
Gaule  in  French ,  and  the  Pallace  of  pleasure  in  English, 
where  you  shall  find  störe  of  Histories  to  the  like  purpose 
(in  The  fift  Daxes  Exervise).  Besonders  der  Titel  der  Paiuter- 
schen  Sammlung  scheint  gefallen  zu  haben,  er  wurde  öfters 
imitiert.  Nach  dem  soeben  erwähnten  'Pettie  Pallace'  des 
(ieorge  Pettie  begegnen  wir  noch  einer  Gedichtsammlung 
'A  poore  Knight  his  Pallace  of  priuate  pleasures  (1579)- 
und  Gabriol  Harvey  betitelt  in  'Greenes  Memoriall,  or  cer- 
taine  Funerall  Sonnet»'  (1592)  a  da»  sechste  Sonnet:  His 
Palace  of  pleasure. 


1  cf.  J.  P.  Collier'«  Neudruck  für  die  Shakespeare  Society  ( London 
1841)  p.  67. 

*  cf.  J.  P.  Collier's  Bibl.  und  Criticiil  Account  (London  1865) 
vol.  II  p.  181. 

3  Oedruckt  am  8chlu«s  von  Harvey'«  Teure  Letters  and  Cortaine 
Sonnet«'  (cf.  Work«  ed.  A.  B.  Grosart  vol.  I  p.  2*i8  ff.).  Eine  weitere 
Anspielung  auf  Painter'«  Titel  findet  «ich  in  Harvey'«  'Pierces  Super- 
crogatiou'  (1593):    Whut  tthould  1  8peake  oj  the  ttco  brave  Kiiiyhtes, 


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12      I.  WILLIAM  PAINTKIl't»  l'ALACE  UK  PLEASl'KE  1567/8. 


Painter  selbst  acheint  nach  dem  Abschlüsse  seines  zweiten 
Bandes  die  Lust  an  seiner  Arbeit  verloren  zu  haben,  wenigstens 
ist  der  von  ihm  wiederholt1  in  Aussicht  gestellte  dritte  Band 
nicht  erschienen.  Für  uns  hat  der  'Palace'  noch  grosses  histo- 
risches Interesse  und  den  besonderen  Heiz,  dass  Shakespeare'* 
Augen  auf  ihm  geruht  haben.  Schliesslich  sei  noch  darauf 
hingewiesen ,  dass  wohl  durch  Painter2  das  Wort  nocet  in 
seiner  jetzt  noch  geltenden  Bedeutung  im  Englischen  heimisch 
wurde. 

Musidorus,  and  Pyrocles%  combined  in  one  excellent  kniyht^  Sir  Philip 
Sidney  .  .  .  .?  Will  yoa  needes  have  a  tcritten  Pallace  of  Pleatturr, 
or  rather  a  printed  Court  of  Ilononrt  (ib.  II  99). 

1  Im  zweiten  Bande,  in  der  Prcface  to  the  Header  (cf.  J.  p.  157) 
und  in  der  Conclunion^  with  an  Adaerl  isement  to  the  Header  (cf.  J.  III 
p.  432). 

*  These  hiatoriea  (which  by  another  ttrme  I  call  Nouellex)  (cf. 
J.  I  p.  5). 


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II.  GEOFFBEY  FENTON'S  'TRAG1CALL  DISCOÜRSES 

1507. 


Der  Erfolg  des  'Palace  of  Pleasure'  rief  schleunigst  ein 
Concurrenz-lTnternehmen  in's  Leben.  Noch  bevor  Painter's 
zweiter  Kand  erschien,  veröffentlichte  Geoffrey  Fenton  „Cor- 
taine  Tragieall  Discourses  written  oute  of  Freuche  andLatin"1, 
der  Lady  Mary  Sydney  gewidmet.  Da  gegenwärtig  das  Lob 
der  von  einem  so  blühenden  Weinstock  stammenden  Frucht 
in  aller  Leute  Mund  sei,  habe  auch  er  eineu  Theil  seiner 
Muße  darauf  gewendet,  eiuige  „Tragieall  Discourses"  aus 
dem  Französischen  zu  übersetzen.2  Der  junge  Fenton  lebte 
damals  in  Paris,  die  Widmung  ist  datiert  At  my  chamber  at 
Paris,  XXII.  Junij.  1507,  und  so  erklärt  es  sich,  dass  die 
Vermittler-Kollo  dos  Französischen,  die  wir  schon  bei  Painter 
in  nicht  wenig  Fällen  zu  constatieren  hatten ,  in  Fentoifs 
Sammlung  durchgehends  zur  Geltung  kommt.  Fenton,  der 
seinen  Landsleuten  später  eine  Übersetzung  von  Francesco 
Guiceiardini's  „Storia  d'Italia4*  schenkte,  übersetzt  in  diesem 
seinem  Erstlingswerk3   italienische  Stoffe   aus   dem  Fran- 

1  cf.  Warton  IV  345  f.;  Collier  Aco.  I  27b  ff. 
8  For  that  now  a  dayes  euery  mans  mouth  is  open  tö  commende 
the  /rufe  distilling  front  so  fiorishynge  a  vine,  so  for  my  part,  heyng 
more  forwarde  then  hable  to  discharge  my  zeale  in  that  behalfe,  haue 
he  st ou- cd  some  of  my  voyed  howers  ivhilest  I  was  in  the  other  sides  the 
Sea,  in  foregnge  certeyne  Tragieall  Discourses  oute  of  theyr  Freuche 
ienrmes,  into  our  English  phrase. 

*  In  einem  lateinischen  Empfehlungsgedicht  von  M.  H.  heisst  es 

Floruit  antiquo  Galfridus  tempore  Chaucer  

At  tua  nunc  primum,  (Galfride)  virescere  virtus 
Incipit,  et  toneras  cum  spe  producere  plantn*. 


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14     II.  OKOFKKEY  FKNTON's  TRAGICAM.  DISCO  URSES  1567. 


zösischen ;  der  Zusatz  and  Latin  ist  nur  als  eine  Verzierung 
des  Titelblattes  anzusehen.  Fenton  ist  gänzlich  von  den 
'Histoires  Tragiqucs'  abhängig;  es  sind  daher  nicht  viele,  wie 
Warton1  sagt,  sondern  alle  seine  Novellen  auf  Baudcllo 
zurückzuführen.    Er  bietet  im  Ganzen  13  Erzählungen: 

No.  1  Ä  Wonderful  Vertue  in  a  yentlman  of  Syenna  on  the 
Itehalfe  of  his  ennemye  whom  he  delyuered  from  Death  etc. 
-  Belleforest  Hist.  21  (Bandello  1  49;  Painter  II  30). 

„  2  The  long  and  loyall  Loue  betweene  Lyuyo  and  Catnylla 
toyether  with  their  lamentable  death  etc.  —  Bei.  Hist.  22 

(Band.  I  33). 

„  3  A  Yony  Lady  in  Mylau  .  .  .  becoms  an  unnuturaU 
nmrderer  of  the  /rufe  of  her  wandte  —  Bei.  Hist.  9 

(Band.  III  52). 

„  4  An  Albanoyse  Capteine  beiny  at  the  poynte  to  dye  kylhd 
Iiis  uyfe  etc.  =  Bei.  Hist.  10  (Band.  I  51). 

„  5  Sundrye  Periiis,  happeninge  to  a  yonye  geutleman  of 

My/lan  etc.  =  Bei.  Hist.  26  (Band.  128). 
„  6  The  vdleunie  of  an  abbott  in  sekinge  to  seduce  a  mayde 

Ity  forre  etc.  -  Bei.  Hist  28  (Band.  II  7). 
„  7  The  disorderly  Lyfe  of  the  rountesse  of  Celant  etc.  — 

Bei.  Hist.  20  (Band.  I  4;  Painter  II  24). 
„   8  Julya  drowtu  th  her  seife  far  that  her  hodye  tras  abused 

by  forre  =  Bei.  Hist.  25  (Band.  I  8). 
„  9  The  impudent  Loue  of  the  Lady  of  Chabrye  =  Bei. 

Hist.  16  (Band.  II  33). 
„  10  Luchyn  is  hmye  in  loue  with  a  simple  mayde  ~  Bei. 

Hist.  34  (Band.  II  26). 

„  1 1  The  Crueltie  of  a  Wydoxce  --  Bei.  Hist.  13  (Band.  III,  17; 

Painter  II  27). 
„12  Perillo  sußreth  muche  for  the  loue  of  Carmosyna  - 

Bei.  Hist.  27  (Band.  I  14). 
„13  A  ironderfull  ronstanrie  in  Dom  Diego     Bei.  II  ist.  18 

(Band.  I  27;'  Painter  II  29). 


1  1.  c.  p.  346 :  Most  of  the  ston'es  nre  on  Italian  subjects,  and 
mau;/  from  Rotuhllo. 


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1!.  OKOFFRKY  FENTON's  THAOICALL  DISCOt'RSKS  15(»7.  15 


"Wir  finden  in  Fenton 's  Sammlung  vier  Erzählungen, 
die  wenig«»  Monat«'  spater  in  Painter's  zweitem  Bande  er- 
schienen. Beide  Engländer  übersetzen  aus  dem  Französischen, 
aber  sie  haben  die  Sa«;he  sehr  verschieden  angefasst.  Painter 
behält  stets  seine  Vorlage  im  Auge,  Fenton  gestattet  sieh 
allerlei  Verzierungen  und  Abschweifungen.  Pninter  schreibt 
einen  sehr  nüchternen,  Fenton  einen  übermässig  geschmückt«»!1 
Stil.  Er  trägt  kein  Bedenken,  des  Franzosen  weitschweifige 
Prosa  noch  mehr  zu  verbreitern J,  wofür  er  uns  allerdings 
durch  Beseitigung  der  meisten  pootis«'hen  Interpolationen 
Belleforest's  einigermassen  entschädigt.  Fenton  ist  ausserdem 
viel  persönlicht»r  als  Painter,  er  flicht  Reise-Erinnerungen 
ein8  und  kehrt  den  Engländer  mehr  heraus.  Während  Painter, 
auch  wenn  von  französischen  Siegen  die  Rede  ist,  gewissen- 
haft seiner  Vorlage  folgt  und  sich  nur  durch  eine  Rand- 
bemerkung über  die  Eitelkeit  und  Prahlsucht  dc»r  Franzosen 


1  Ein  Beispiel  wird  uns  genügend  zeigen,  welchen  Höhepunkt 
der  Verwasserung  Bftndellö'a  Prosa  bei  Fenton  erreicht  hnt.  Bandello 
erwähnt  III  17  in  der  ersten  Zeile  Moncalieri  (Ca  Stella  tion  molto  lon- 
1a no  da  Turino)  ~  Belieferest  Hist.  13  Or  pres  de  ceste  süperbe,  et 
forte  eile  est  assise  nie  petite  ville,  noinmee  Montcal ,  Heu  non  wohin 
fort,  et  de  defense,  nuc  bien  assis  en  beau  et  riebe  paisage  (—  Painter 
II  27  Now  besides  this  sfately  and  strong  city,  there  standet h  a  litle 
toirtie  named  MonfcaH ,  a  place  tio  lesse  strong,  and  of  good  defence, 
than  trel  planted  in  a  faire  and  rieh  soyle)  =  Fenton  No.  1 1  (fol.  22C  u ) 
Someuhat  irithont  the  suburbes  of  this  riebe  and  populus  Citie,  is  planted 
in  a  pleasant  volley,  a  little  village  called  Montcall,  wart  hie  euery  wag 
to  be  ioyned  in  neighbourhead  to  so  great  a  Citie,  being  inuironed  on 
ihone  side  teith  the  fragrant  ayre  of  the  fertil  feldes  al  to  bedeued  teith 
the  sondrg  sicete  smelles  of  thincense  of  Aurora,  and  on  tho/her  side 
icith  the  loftie  hillea,  breathing  front  the  mouthe  of  Zephire  the  ayre  of 
health,  to  refresh  in  tinte  of  nede  the  droirsie  tenan/s  of  the  volley. 
Mehr  kann  man  für  die  7  Worte  Bandello*»  nicht  verlangen. 

2  8o  z.  B.  in  No.  11  (fol.  244  b):  Roan  .  ...  the  toxene ,  icherei n 
not  longe  affore  the  Duke  of  Sommerset  had  burned  the  counterfait  prophet 
of  Fraunce  called  La  Pucelle  Jeane ,  whome  some  pratinge  frenchmen 
do  af firme  to  haue  wrought  nierueilles  in  armes  during  those  tvarrs .... 
and  for  a  memory  of  (hat  forged  ydoll  they  kepe  yet  amongest  oiher 
relikes  in  the  abbay  of  S.  Dengs,  whych  I  satre  in  May  last,  a 
great  roostie  sworde,  wherteith  they  are  not  ashamed  to  aduowehe  that 
shee  performed  diurrne  rxpedicioti*  and  rielories  againste  thinglishe 


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16     II.  UEOFFREY  FKNTON'S  TRAQICALL  DISCOURS  KS  1567. 

rächt 1 ,  besinnt  sich  Fenton  keinen  Augenblick ,  dem  Text 
eine  dem  englischen  Nationalgcfühle  weniger  peinliche  Wen- 
dung zu  geben.  So  berichtet  Painter  II  27,  dass  der  Piemon- 
tesische  Hittor  den  Talbot  sammt  seinein  Pferde  zu  Boden 
warf,  was  eine  Niederlage  der  Engländer  zur  Folge  hatte.2 
Fenton  ist  die  Sache  nicht  glaubhaft,  er  erwähnt  nur,  dass 
die  beiden  Ritter  sich  gegenseitig  vom  Pferd  warfen,  von 
einer  Niederlage  der  Engländer  hören  wir  nichts.5  Die 
beiden  englischen  Übersetzer  sind  jedenfalls  ganz  unabhängig 
von  einander. 

Fenton's  'Tragicall  Discourses'  erlebten  im  Jahre  1579 
die  Ehre  einer  zweiten  Auflage;  eine  weitere  Spur  dieser 
Sammlung  habe  ich  im  16.  Jahrhundert  bisher  nicht  finden 
können. 4  Zu  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  wird  dieselbe 
lobend,  jedoch  mit  einem  sehr  verständigen,  leichten  Tadel 
der  weitschweifigen  Schreibweise,  erwähnt  von  Robert  Tofte 
in  „The  Blazon  of  Jealousie" ,  aus  dem  Italienischen  des 
Benedetto  Varchi  übersetzt,  (Datum  der  Widmung:  Front 
my  Lodging  in  Holborne,  this  7.  of  Nouember,  1614;  ge- 
druckt 1015).  Zu  einigen  im  Text  erwähnten  Eifersuchts- 
Tragödien  bemerkt  Tofte:  These  two  first  Tragedies,  the  one 
of  n  Cuptoiite  of  Norera,  a  Tonne  belonging  to  the  Duke- 
dorne  of  Spoleto  in  ltaly:  and  the  other  of  u  Knight  of 

nacion,  whyrh  Sternes  as  true,  as  that  whieh  they  are  ashamed  to  put  in 
a  chronicle  of  credit  touching  the.ir  na  int  Denys,  whom  they  affirme  tro« 
executed  al  Parys,  and  came  froni  thenee  wiih  his  heade  in  his  handy 
u-hich  he  huyried  in  the  altbaye.  Köstlich  iat,  mit  weloher  Nichtachtung 
der  junge  Engländer  die  ihm  unangenehmen  historischen  Wahrheiten 
behandelt.    Vgl.  oben. 

1  Charles  the  Seuenth  .  .  .  mirat-ulously  (But  gieue  the  Frencheman 
leaue  to  flatter,  and  speake  well  of  hys  owne  Countrey,  aecordinge  to  the 
flatteringe  and  vauntinge  Nature  of  that  Nation)  chased  the  Englishetnen 
out  of  hys  Landes  (cf.  J.  III  p.  183). 

»  cf.  J.  III  p.  185. 

»  cf.  No  11  (fol.  245.):  In  this  skirmish  (if  a  man  may  fredit 
a  french  hragge)  the  Pyemontoyse  and  Talbot  met ,  and  unhorssed  eche 
other. 

4  Mittelbar  werden  wir  an  sie  im  Jahre  1574  durch  Barnabe 
Riehe  erinnert,  der  zwei  von  Fenton  erzählte  Novellen  erwähnt,  ohne 
jedoch  Fenton's  Namen  zu  nennen  (vgl.  p.  47). 


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II.  GEOFFREY  FENTON's  TRAG  IC  ALL  D1SCOURSE8  1567.  17 

Millane,  you  shall  find  in  diuers  Italian  Authors,  dinersly 
set  downe,  and  as  well  translated  (but  that  hee  is  a  little  too 
tedious  in  his  phrase  of  speerh)  into  Enylish  by  Sir  Geffery 
Fenton  Knight,  one  of  our  late  Queene  Elizabeths  (of  euer- 
Utting  mernory)  priuy  Coumell  in  Ireland  (p.  60  z).  Tofte 
berichtot  aus  dem  Gedächtnis,  die  traurige  Geschichte  von 
The  Lords  of  Nocera  hatte  er  nicht  bei  Fenton,  sondern  bei 
Painter  gelesen  (vol.  II  No.  33,  vgl.  oben  p.  8) ;  der  zweiten 
Tragödie  entspricht  Fenton's  4.  Novelle. 

Noch  im  vergangenen  Jahrhundert  bezeichnet  Warton 
Fenton's  Werk  als  in  point  of  selection  and  size,  perhaps  the 
most  capital  misrellany  of  this  kind  (FIEP.  IV  345).  Historisch 
betrachtet  ist  Fenton  jedoch  nur  ein  Nachfolger  Painter's, 
von  dessen  Epoche  machender  Leistung  die  „Trag.  Disc.tt 
bald  in  den  Schatten  gestellt  wurden. 


yp.  LXX. 


•2 


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III.  KOSll'NI)  TILNAVS  'KLO  WER  OK  FKIKXDSIHITI" 

(ir»r>,s).  ■ 


Im  Hause  der  Lady  Julia  hat  sieh  eiue  ( jesellsehaft 
von  Damen  und  Herren  zusammengefunden,  die  sich  ver- 
gnügte Stunden  machen  wollen.  Du  es  Frühling  ist,  werde« 
für  die  Herren  Spiele  im  Freien,  Schiessen  u.  s.  w.  vorge- 
schlafen: Hut  M/aisterj  Pedro  fdi  Lusan/  not  hin  y  at  alt 
lykina  oj  such  deuises,  wherein  the  Ladies  should  he  left  auf,  Said 
that  he  well  retnemhred  huir  Hoccace  and  Von  ntie  Haitizar 
trith  others  recounted  many  proper  deuises  for  ejrercise,  hoth 
phamnt,  and  profitable,  which ,  (juofh  he  ,  irere  used  in  the 
conrts  of  Italie,  and  some  mach  like  to  them  arc  practised 
at  this  day  in  the  Emjlish  court,  ir herein  is  not  onefy  delec- 
talde,  hat  pleasure  ioyned  tryfh  profitr,  and  e.rercysc  of  the 
nitte.    Fr  wird  gebeten,  solehe  Unterhaltungen  anzuordnen. 

I >io  ( iesellsehaft  begibt  sieh  in  einen  (Jarteii,  und  lYdro 
wählt  eine  Königin ,  die  als  Abzeichen  ihrer  Würde  einen 
Rosenkranz  erhält.  Fedro  schlägt  vor,  über  die  I 'fliehten 
des  verheiratheteu  Mannes  zu  disputieren ,  und  übernimmt 


1  Ich  citiere  nach  einem  auf  der  Bodleian  befindlichen  Exemplar 
dor  dritten  Auflage  dieser  Schrift  vom  Jahre  1571 :  A  brieß  mal  pleanant 
dineoune  of  dittiis  in  Mariage,  calhd  the  Flow  er  of  Friendshippe.  Im- 
prhitrd  at  London  by  Ihnrie  Ihnham,  dwelling  in  Paternoster  Howe, 
at  t/n-  Signe  of  the  Starre.  Anno  1~>7 1.  Die  Widmung  an  die  Königin 
Elizabeth  ixt  unterzeichnet:  Yonr  Maistica  most  hnmble  Snbiect,  Kdmonne 
Tilnay.    Vgl.  Collier,  Account  II  434  f.;  Hazlitt,  Handbook  p.  621. 


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111.  EDMUND  TILNW'V  FLOWER  OF  FRIEXDSHIPI'E   1568.  Vi 

selbst  die  Verteidigung  der  Ehe,  während  es  sich  a  mery 
gentleman,  called  Maister  Gualter  of  Cawne  zur  Aufgabe  macht, 
die  Frauen  anzugreifen.  Pedro  erzählt  u.  A.,  mit  einem  Ver- 
weis auf  Haptista  Fulgosa  [!]  die  Geschichte  von  dem  treuen 
Gatten,  der  seiner  von  Seeräubern  geraubten  Frau  nach- 
schwamm, vgl.  in  dem  oben  p.  9  citierten  Compendium  des 
Fulgosus  Lib.  IV  Cap.  VI  De  Conjugali  Charitate :  De  Nea- 
politani  regni  quodam  aecola  p.  526  f. 

Das  Thema  des  zweiten  Tages  ist:  The  office,  or  duetie 
of  the  married  icoman.  Pedro,  der  stets  das  grosse  Wort 
führt,  rühmt  die  Klugheit  einer  Edeldame,  welche  ihren  treu- 
losen Gatten  nicht  durch  Vorwürfe,  sondern  durch  eine  aller- 
dings sehr  weit  gehende  Toleranz  wieder  auf  den  richtigen 
Weg  brachte  Wir  erkennen  in  dieser  Anekdote  die  48.  Novelle 
des  französischen  Heptameron :  Memorable  charitS  d'vne  feinme 
de  Tours,  enuers  son  mury  pntier, 1  welche  Tilnay  auch  im 
ersten  Bande  (Xo.  64) 2  von  Painter's  'Palace'  gelesen  hatte. 
Schliesslich  wird  Pedro  beauftragt,  die  Gespräche  aufzuzeich- 
nen, und  damit  hat  diese  sehr  färb-  und  duftlose  Freund- 
schaftsblume ausgeblüht. 

So  fragmentarisch  und  unbedeutend  Tilnay's  Schriftchen 
ist,  so  hat  es  bei  den  Zeitgenossen  doch  viel  Beachtung  ge- 
funden ;  es  wurde  1568  zweimal  und  1571  zum  dritten  Mal 
gedruckt.  Unter  der  Regierung  der  jungfräulichen  Königin 
war  die  Ehefrage  eine  brennende,  welche  am  Hofe  und  im 
ganzen  Land  eifrig  besprochen  wurde.  Collier  (1.  c.  p.  435) 
bemerkt,  dass  eben  zur  Zeit  der  Tilnay 'sehen  Tlower'  das 
Gerücht  einer  französischen  Heirath  ging.  Aber  auch  litterar- 
historisch  betrachtet,  ist  das  Büchlein  nicht  ohne  Wichtig- 
keit: in  ihm  beobachten  wir  zum  ersten  Mal  die  Verschmel- 
zung des  Einflusses  zweier  italienischen  Werke,  des  'Deca- 


1  cf.  I/Heptamoron  des»  Nouvelles  do  Tresilluatro  et  Treaoxoellento 
Prinoeaa«-  Murgueritc  do  Vuloia,  Rovno  do  Nauarre;  Paris  1560.  Modorno 
AuHgnhe:  Publik  nur  los  maiiuscrits  par  La  Kou<  do  Linev  ot  Anntolo 
do  Muntiiiglon;  Paris  1SSO,  4  voln. 

?  Wozu  Jacobs  vol.  I  p.  LXXX  irrthümlioh  auf  Hopt.  nov.  3S 
vorweist. 

o  * 


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20  w.  EDMuao  tilkay's  fi.owkk  of  fkiendshippe  1568. 


meron'1  und  des  < Yn-tegiano'  dos  (trafen  Haidassar  Oastiglione. 
Wir  werden  sehen,  dass  Tilnav  in  dieser  Hinsieht  viele  Nach- 
folger  fand,  deren  bekannteren  Werken  gegenüber  sein 
Prioritätsrecht  nachdrücklich  zu  betonen  ist. 

1  Vielleicht  auch  des  „Filoeulo",  dessen  fünftes  Buch,  eine  Probe 
des  „Deeameron*,  kurz  vor  Tilnay*  „Flowor",  im  Jahre  1567,  in'«  Kng- 
lische  übersetzt  worden  war  (  vgl.  p   «0 1. 


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IV.  (SKOKCiK  I'KTTIKS  l'ETTIE  PALLACE  OF  PRTTIK 
HI8  PLFASFRK'.  LK'ENSEI)  157«. 


Pettie's  Novellensammlung  ist  sehr  wahrscheinlich  noch 
im  Jahre  der  Registrierung,  l'wti,  erschienen.  In  ihr  tritt 
uns  ein  originelles  Wollen  entgegen,  mit  dem  freilich  das 
Können  nicht  Schritt  hält.  George  Pettie  bietet  keine  Über- 
setzungen, sondern  freie  Variationen  über  bekannte  Themata. 
Er  will  seine  Erzählungen  im  Kreise  seiner  Freunde  aus  dem 
Stegreif  erzählt  haben,  sie  sollen  zahlreiche  Anspielungen  auf 
Persönlichkeiten  dieses  Kreises  und  auf  des  Verfassers  und 
seiner  Freunde  Privat .Verhältnisse  enthalten.  Er  habe  dabei 
jedoch  eine  so  grosse  Discretion  beobachtet,  dass  nur  die  Be- 
troffenen selbst  seine  Andeutungen  verstehen  könnten.  Unter 
diesen  Umstünden  ist  es  doppelt  begreiflich ,  dass  sich  für 
uns  dieser  pikante  Peigeschmack  der  Pettie'schen  Sammlung 
gänzlich  verflüchtigt  hat. 


1  Die  'i  Ältesten  Drucke  sind  ohne  Jahreszahl  überliefert  (cf. 
Iluzlitt's  'Handbook*  p.  455).  Zwei  derselben  stimmen,  wenn  auch  nicht 
typographisch,  so  doch  inhaltlich  überein;  der  dritte  bringt  zwei  neue, 
für  die  Entstehungsgeschichte  der  l'ettie'sehen  Sammlung  sehr  wichtige 
Episteln:  To  the  </en(Ie  Gmtlncomen  Headers,  unterschrieben  Front  my 
lofiyimj  in  Fleetst  trete  Ii.  B.,  und  The  Letter  of  G.  P.  to  R.  D.  con- 
errnituf  this  woorke,  unterschrieben  From  my  lodffing  in  Iloulbom,  this 
12.  of  Juhj.  Taus  semper,  aat  saus  nunquam.  G.  P.  Ferner  fehlt  in 
dieser  Ausgabe  die  etwas  leichtfertige  Moral  der  H.  Geschichte,  und  auch 
im  Druck  bemerkt  man  die  bessernde  Hand.  Der  über  Erwarten  grosse 
Erfolg  des  Buches  scheint  den  Autor  und  den  Verleger  veranlasst  zu 
haben,  dieser      Auflago  besondere  Sorgfalt  zuzuwenden. 


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IV.  GEORGE  PKTTIES  l'ETTIE  PALLACE 


Pcttie  hat  seinen  Gestalten  zumeist  classisehe  Masken 
vorgebunden.  Es  treten  in  den  12  Geschichten  seines  Büch- 
leins folgende  berühmte  Persönlichkeiten  auf: 

1.  Sinorix  and  Camma  2.  Tertus  and  Progne  3.  Ger- 
manicus  and  Agrippina  4.  Amphiaraus  and  Eriphile  5.  Icilius 
and  Virginia2  6.  Admetus  and  Alcest  7.  Scilla  and  Minus 
8.  Curiatius  and  Horatia  9.  Cephalus  and  Proer  is  10.  Mino» 
and  Pasiphae  11.  Pigmalion  12.  ^tarttts3.  In  all  diesen 
hochtragischen  Geschichten  ist  das  Hauptgewicht  auf  die 
erotischen  Episoden  gelegt,  die  Pettie  breit  ausgeführt  hat. 
Er  lässt  die  classischeu  Helden  und  Heldinnen  liebeln  und 
schmachten  und  seufzen ,  wie  es  im  nächsten  Jahrhundert 
jenseits  des  Canals  das  Fräulein  von  Scuderv  nicht  besser 
verstand.  Spielt  die  Liebe  in  der  antiken  Fabel  gar  keine 
Holle,  so  wird  sie  von  Pettie  auf  irgend  eine  Weise,  und  sei 
es  bei  den  Haaren,  hereingezogen.  Ein  Beispiel  wird  ge- 
nügen. Die  von  tragischen  Wolken  uindüsterte  Eriphile  wird 
uns  von  Pettie  als  reiche  Wirtwe  vorgestellt,  um  welche  sich 
Amphiaraus  bewirbt,  nicht  aus  Liebe,  sondern  aus  Habsucht, 
und  aus  demselben  Grund  nimmt  sie  ihn.  Durch  diese  Heirath 
wird  ein  anderer  Freier  der  Eriphile,  Nnmens  Infortunio,  in 
Verzweiflung  gestürzt.  Dann  wird  der  Faden  der  classischeu 
Sage  aufgenommen  und  der  Yerrath  Eriphilens,  das  Ende  des 
Amphiaraus  erzählt.  Wieder  zur  Wittwe  geworden,  wirft 
die  Frau  aufs  Neue  ihr  Netze  nach  Infortunio  aus,  wird 

*  O.  P.  gehreibt  an  R.  B. :  Forced  by  your  erneut  importunityy 
and  furthered  by  mine  otvne  idle  oj>ortunity,  1  haue  set  dotrne  in  uri- 
tinge,  and  accurdynge  to  your  regnest,  sent  nnto  you  certuine  of  those 
TrayicaU  trißes,  whiche  you  haue  heard  mee  in  sumlrie  compnnies  nt 
snndrye  times  report,  and  so  neare  as  1  could  1  haue  ir ritten  thrm 
tooord  for  word  as  J  tfien  told  them.  R.  B.  versichert  den  Damen,  dass 
er  von  seinem  Freunde  George  Pettie  erhalten  hnbe  the  copie  of  certuine 
Historien  by  himself  upon  hin  owne  and  certuine  of  hi.s  friends  primae 
occasiotis  drawn  into  discourses  ....  report ed  in  a  manner  ex  tempore, 
as  I  my  seife  for  diuers  of  them  am  able  to  testiße. 

*  In  Otto  Rumbnur's  Doctorachrift  „Die  Geschichte  von  Appius 
und  Virginia  in  der  englischen  Litteratur"  (  Brettliiu  1890)  nicht  erwähnt. 

*  Die  sehr  ausführlichen  Arguments  dieser  Geschichten  sind  xu 
lesen  in  "The  British  Bibliographer",  vol.  II  (London  18121,  p.  393  ff. 


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IV.  OEOKOK  I'EITIK's  l'KTTIE  l'ALLACE. 


23 


jedoch  verschmäht  und  stirbt  aus  Arger.  Noch  wunderlicher 
ist  die  letzte  Geschichte,  in  der  Pettic  aus  der  heidnischen 
Fabelwelt  in  die  christliche  Legende  überspringt  und  eine 
sehr  sonderbare  Version  der  Lebensgeschichte  des  heiligen 
Alexius  zum  Besten  gibt. 

Seine  Stoffe  hat  sich  Fettie,  von  dessen  erster  Geschichte 
wir  vorläufig  absehen,  demnach  nicht  aus  Italien  geholt,  «bor 
seine  zahlreichen  Anspielungen  auf  die  Gestalten  italienischer 
Novellen  beweisen,  dass  er  wenigstens  den  'Falaco  of  Floasuro* 
aufmerksam  gelesen  hatte.  Von  Boccaccio  erwähut  er  nur  die 
berühmten  Freundschaftstvpon  Titus  und  (wisippua  (in  No.  2 
p.  IS,  No.  5  p.  40),  die  im  Ib.  Jahrhundert  in  England  nie 
fehlen  dürfen,  wenn  von  Freundschaft  die  Kode  ist;  von 
Handollo  in  No.  1:  p.  8  Zilia  und  thekniyht  Virle  (cf.  l'ainter 
II  27).  p.  11  E<l wurde  a  l'iny  of  England  und  die  Conntesse 
of  Sali&hury  (cf.  ib.  I  4t>),  die  Dttchesse  of  Sauoy  und  ihren 
Ankläger,  the  Karle  of  Pancntiar  (cf.  ib.  I  45);  p.  16  Juliettu 
und  Romeo*  (cf.  ib.  II  25);  in  No.  3:  p.  23  und  2!)  Adalesia 
und  Aleram  (cf.  ib.  I  44);  in  No.  5:  p.  45  Julietta  und  Romeo2; 
in  No.  7:  p.  54  Adalesia  und  Alerane,  die  Herzogin  von 
Sattotj  und  den  Ritter  Memloza ;  in  No.  10:  p.  78  nochmals 
die  Herzogin  von  Sanofi;  in  No.  11:  p.  84  Faustina  (cf.  ib. 
II  10),  Blanch  Maria  (cf.  ib.  II  24).  Aus  dem  Kreise  des 
'Palaee*  citiert  er  ferner  das  dem  französischen  lleptamoron 
entstammende  Liebespaar  Florinda  und  Amadour  (in  No.  11 
p.  80,  cf.  l'ainter  I  53),  aus  der  italienischen  Littoratur  im 
Allgemeinen  Rojardo's  und  Ariost's  Angelicu  (in  No.  4  p.  34). 
Doch  möchte  ich  nicht  behaupten,  dass  Fettie  in  dieser 
Litteratur  sehr  bewandert  war.  Im  Gegontheil  —  der  Um- 
stand, dass  er  Guazzo's  „Civilo  (\>nversazioneu  nicht  aus  dem 
Italienischen,  sondern  mit  Hülfe  eines  französischen  Mittel- 


1  DM  Julietta  dye  upon  the  corpes  of  her  Romeo?  And  shall  my 
bodij  remayne  oh  earth ,  Sin  natu*  beiny  buried?  Ich  eiticre  nach  dem 
von  Hazlitt  ah  «>  litio  prineeps  angefahrte»  Druck  ( Brit.  Mus.  Sign. 
C.  40.  d.  5). 

8  Such  preciseaes  of'  parents  brought  Piramua  and  Thiabe  to 
ivofall  ende,  Kornea  und  Julieta  to  nntimely  death. 


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24 


IV.  GEORGE  PETTIE'S  PETT1E  PALLACE. 


gliedes  übersetzt  hat, 1  lässt  seine  Kenntniss  des  Italienischen 
nicht  im  günstigsten  Licht  erscheinen. 

Auf  diese  Gestalten  der  modernen  Litteratur  berufen 
sich  Pettie' s  classisch  benamste  Helden  ganz  zwanglos,  wie 
sein  Amphiaraus  die  Bibel  (No.  4  p.  35)  und  seine  Agrippina 
den  Grosstürkeu  Muhamed  kennt  (No.  3  p.  25).  Die  Leser 
sollen  nicht  vergessen ,  dass  hinter  den  classischeu  Masken 
moderne  Menschen,  Zeitgenossen  stecken.  If  this  mislike  you 
in  my  discourses,  that  I  make  Camma  use  the  example  of  the 
countesse  of  Salisbury,  the  Dutches  of  Sauoy,  and  sutch  icho 
were  of  far  Uder  yeeres,  then  the  auncient  Camma  is,  with 
the  like  in  diuers  other  of  the  stories  :  you  must  consider  that 
my  Camma  is  of  fresher  memory  than  any  of  them,  and  I 
t hinke  in  your  iudgement  of  fresher  hew,  than  the  fayrest  of 
them  —  sagt  Pettie  in  seinem  Briefe  an  R.  B. 

In  unmittelbarem  Anschluss  an  die  eben  citierte  Stelle 
berührt  Pettie  auch  die  merkwürdigste,  für  die  Geschichte 
der  englischen  Prosa  hochwichtige  Eigentümlichkeit  seines 
Büchleins,  seinen  Stil:  Likewise,  if  you  like  not  of  some 
wordes  and  phrases.  used  contrary  to  their  common  custome, 
you  must  thinke,  that  seeing  we  allowe  of  new  fashions  in 
cutting  of  beardes,  in  long  wasted  doublets,  in  little  short 
hose,  in  great  cappes,  in  low  hattes,  and  almost  in  al  things, 
U  is  as  mutch  reason  wee  should  allow  of  netv  fashions  in 
phrases  and  wordes.  Schon  Landmann2  hat  bemerkt,  dass 
Pettie's  Schreibweise  alle  hauptsächlichen  Merkmale  jenes 
Stils  aufweist,  der  durch  Lyly's  Euphues  berühmt  wurde. 
Er  nimmt  deshalb  an,  dass  Pettie  Guevara's  'Libro  llamado 
Marco  Aurelio  cou  el  Rclox  de  prineipes*  gekannt  habe,  und 
macht  darauf  aufmerksam,  dass  Pettie's  erste  Geschichte  von 


1  Tho  oiuile  Conuersation  of  M.  Stephen  Guazzo,  written  first  in 
Itulian,  diuided  into  foure  bookea,  the  first  thrce  translatcd  out 
of  Frenoh  by  George  Pettie  eto.  London  1586.  Das  vierte  Buch 
hat  Barth.  Young  aus  dem  Italienischen  übersetzt.  Pettie's  Widmung 
ist  datiert:  Front  my  lodying  this  sixih  of  Februarie.  1581. 

9  Vgl.  „Der  Euphuismus,  sein  Wwen ,  seine  Quelle,  seine  Ge- 
schichte" (Giessen  1881)  p.  74  ff. ;  „Euphues.  The  Anatomy  of  Wit  e^c.* 
od.  Fr.  Landmann  (Heilbronn  1887)  p.  XXL 


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IV.  GEORGE  PETTIE1  S  PETTIE  PALLACE. 


25 


Sinoriz  and  Camma  auch  in  Guevara's  Work  (II  5)  zu  lesen 
sei.  Dieser  Umstand  würde  allerdings  nicht  genügen,  Pettie's 
Kenntniss  des  „Marco  Aurelio"  zu  beweisen;  denn  Pettie 
könnte  den  überaus  populären  Stoff1  dieser  Geschichte  ent- 
weder, wie  Guevara2,  unmittelbar  aus  Plutarch  geschöpft 
haben,  oder  aus  einem  italienischen  Werk,  das,  weit  ver- 
breitet und  allgemein  gerühmt,  als  das  Meisterwerk  der 
italienischen  Prosa  des  16.  Jahrhunderts  galt,  aus  des  Grafen 
Baidassar  Castiglione  'Cortegiano'  (veröffentlicht  1528,  in's 
Englische  übersetzt  von  Thomas  Hoby  im  Jahre  1561).  Casti- 
glione lässt  die  Geschichte  der  Camma  in  seinem  dritten  Buche 
von  Giuliano  de  Medici  erzählen3.  Wenn  wir  Pettie's  Ver- 
sion mit  diesen  drei  möglichen  Vorlagen  vergleichen,  so  ergibt 
sich  uns,  dass  Pettie  dem  Bericht  des  Italieners  insofern 
näher  steht,  als  auch  bei  ihm  Sinorix  Gouverneur  der  Stadt 
ist,  in  welcher  Camma  wohnt,  in  Übereinstimmung  mit  der 
Angabe  Castiglione's :  Sinorige  era  .  .  .  quasi  Tiranno  di 
quella  cittä,  doue  habitauano,  während  er  bei  Plutarch  und 
Guevara  nur  als  sehr  begüterter  und  einflussreicher  Mann 
bezeichnet  wird.  Auch  dass  Pettie  den  Schauplatz  nach 
Italien,  nach  Scietwa,  verlegte,  könnte  auf  italienische  An- 
regung deuten;  Castiglione  nennt  die  Stadt  überhaupt  nicht, 
während  Guevara  nach  Plutarrh  In  ciudad  de  Galacia  er- 
wähnt. 

Aber  es  ist  gewiss  sehr  wahrscheinlich ,  dass  Pettie 
Guevara'»  Werk  in  den  englischen  Übersetzungen  kenneu 
lernte,  und  durchaus  möglich,  dass  er  diesen  Vertretern  des 
englischen  Guevarismus  den  Parallelismus  des  Satzbaus,  die 
Fülle  der  Beispiele  und  Gleichnisse  abgesehen  hat  —  viel- 
leicht auch  die  Verschärfung  der  Antithese  durch  Alliteration, 
doch  würde  ich  diese  Eigenthümlichkeit  bei  Landmann  gern 

1  Der  1569/70  sogar  zu  einer  Ballade  vorarbeitet  wurde,  vgl.  den 
betreffenden  Eintrag  in  J.  P.  Colliers  „Kxtract»  from  the  Register«  of 
tho  8tationer'8  Company*  fSbnk.  Soc.  London  1848)  p.  224;  Warton 

IV  im*. 

2  Plutarcho  en  el  libro  de  Ins  yllusfres  mugeres  cuenta  .  .  . 

3  cf.  II  Cortegiano  del  Conto  Baldeswar  Castiglione.  In  Vinegia 
MDLII;  p.  120, 


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2fi 


IV.  GEORGE  l'KTTIrfsi  IM.ITIK  IWI.IjAC-E. 


durch  mehr  Beispiele  aus  North's  Übersetzungen  belogt  ge- 
sehen haben. 1  Diese  Nachbildungen  zugegeben,  war  Pettie 
doch  vollkommen  bere  htigt,  an  der  oben  eitierten  Stelle  von 
neuen  Moden  in  Phrasen  und  Worten  zu  sprechen,  die  er 
in  seinem  Buche  eingeführt  habe.  Denn  es  darf  nie  ver- 
gessen werden,  dass  Pettie  es  war,  der  dem  englischen 
Guevarismus  seine  speciell  "euphuiKtischett  Färbung  gab,  dass 
er  der  erste  war,  der  die  Verschärfung  der  Antithese  durch 
den  Stabreim  zum  Princip  erhob  und  diese  Figur  bis  zum 
Übcrmass  häufte2,  dass  er  der  erste  war,  der  in  die  Monologe 
seiner  Helden  die  für  den  Euphuismus  s<>  bezeichnenden 
Ketten  von  Einwürfen  einfügte,  die  der  Sprechende  selbst  in 
eonform  gebauten  Sätzchen  widerlegt. 3  Es  scheint  mir  noch 
nicht  genügend  zur  allgemeinen  Kenntniss  gebracht,  duss  in 
Lyly's  Stil  einzig  und  allein  die  überreichliehe  Verwendung 
der  einer  fabelhaften  Naturgeschichte  entlehnten  (ileichnis.se 
originell  ist,  obwohl  sich  auch  dieser  Zug  bei  Pettie  bereits 
angedeutet  findet.  4    In  allen  anderen  Punkten  hat  Lyly  nur 

1  Vgl.  p.  71  »einer  Abhandlung  und  p.  X.1X  *oiner  Ausgabe. 

*  Vgl.  z.  B.  in  No.  2  Progne'a  Monolog  ( p.  20) :  That  fayth  which 
a  man  pro/esseth,  is  nothing  eis  bttt  (orderte  :  trueth  which  he  prrten- 
deth,  nothing  eis  bat  trißing  :  \otte,  \ust  :  woordes,  wyles  :  deedes,  deeeipt  : 
vowes,  ranities  :  taithfull  promises,  (aithlesse  practices  :  eamest  othes, 
errant  wtes  to  deeeiue  :  Borrowes ,  Bubtylties  :  Big  he  ff ,  Bleightes  :  grones, 
gttiles  :  crimt,  cm/t  es  :  teares,  treason  :  yea  al  their  dooinges  nothing  huf 
bayles  to  intice  vsy  hookes  to  entangle  rs,  and  ingtns  utterly  to  undoe  ns  ; 
in  No.  7  die  Schilderung  der  Pandarina  (p.  ">5):  Bat  to  paynt  her  ont 
more  jdainly,  she  was  more  ooye  then  comelg,  tnore  {ine  Ilten  well 
(auoredy  more  \o/ty  then  \oaely,  more  pro«'/  then  proper,  more  preeise 
then  pure,  more  sttperstitiouB  then  rr//</iou8,  more  o/  Bpight  then  o/  the 
spirit. 

3  Vgl.  z.  B.  in  No.  7  Scilla'*  Monolog  I  p.  ö7):  WViy,  Xysus  is 
mg  iather  :  H'/o/,  Mino«  will  bev  my  Phf/v  .•  H7/y,  Sysus  gnue  me  \if  e  : 

IVhy,  Mino«  will  yeeld  me  laue  :  U'hyf  Xysus  nutde  me  a  maide  :  HTiy, 
Mino*  will  make  me  a  mother  :  Why,  Xysus  eherishal  me  being  goung  : 

H'hy,  Minos  will  makv  mach  <>/  nur  heing  aide:  B7/y,  »ature  bindet!) 
me  to  Urne  my  tat  her  :  Whg,  God  eommaundet/i  mr  to  laue  mg  husband 

*  Vgl.  in  No.  11  (p.  S4):  True  /riends  are  not  like  new  garments 
which  will  be  the  worsc  for  wearing  :  they  are  rather  like  the 
statte  of  Seil  it  ia,  which  the  more  it  is  b-aten,  the  h  trder 
it  is.or  like  Spices,  wUich  the  more  t'ieg  are  poundil,  the  sweeter  they 


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IV.  OKOROK  FKTTIK'S  PKTTIE  PALLACK. 


27 


den  von  Pettie  scharf  ausgeprägten  Stil  nachgeschrieben ,  in 
allen  anderen  Punkten  ist  der  bekannte  Lyly  nur  ein  Nach- 
ahmer des  vergessenen  Pettie. 

Die  oben  erwähnten,  sich  rasch  folgenden  drei  ersten 
Auflagen  des  Pettie'schen  Büchleins,  welches  ausserdem  noch 
dreimal,  1598.  1608  und  1613,  gedruckt  wurde,  und  vor 
allem  der  durchschlagende  Erfolg  der  Lyly 'sehen  Imitation 
lassen  erkennen,  wie  sehr  sich  die  Zeitgenossen  an  dem  künst- 
lich gebauten  und  zierlich  geputzten  Stil  Pettie's  ergötzten. 
Mit  bescheidenen  Worten  deutet  dieser  selbst  den  Erfolg 
seines  Erstlingswerkes  an,  in  der  Vorrede  seiner  oben  er- 
wähnten Übersetzung  Guazzo's:  Hauniy  (getitle  Headers)  by 
reason  of  a  trifling  worke  of  tnitte  ( tvhich,  by  reason  of  the 
Ughtnes  of  it,  or  at  least  of  the  keeper  of  it,  fletv  abroade 
hefore  I  kneiv  of  it)  alreadie  won  such  fatne,  as  hee  which 
fired  the  Temple  of  Diave,  1  thought  it  stood  tne  npon ,  to 
purchus*'  to  my  seife  some  better  fatne  by  some  better  worke, 
and  to  counteruaile  my  fortner  vanitie  with  some  formall 
graititie.  Ausserdem  haben  wir  noch  ein  sehr  bcachtens- 
werthes  Zeuguiss  für  die  Beliebtheit  der  Pettie'schen  Erzäh- 
lungen. Wenn  ein  nach  der  Gunst  des  Publikums  haschender, 
für  das  Unterhaltuugsbedürfniss  des  Tages  schreibender  Autor 
fortwährend  mit  den  (.testalten  eines  anderen  modernen  Schrift- 
stellers operiert,  sie  als  Typen  verwendet,  so  setzt  er  doch 
gewiss  voraus,  dass  das  betreffende  Werk  weiten  Kreisen 
vertraut  ist.  Eine  solche  intime  Kenntuiss  des  Pettie'schen 
Buches  setzt  Kobert  Greene  bei  seinen  Lesern  voraus,  seine 
Romane  der  achtziger  Jahre  sind  mit  Pettie's  Gestalten  be- 
völkert.1   Hei  dieser  Verbreitung  des  Pettie'schen  Büchleins 


are  etc.  Es  ist  wohl  kein  Zufall,  dass  wir  demselben  Gleichnis» 
auch  bei  Lyly  begegnen:  Touchhtg  the  yeelding  to  loue,  albeit  their 
heaHes  seeme  temler,  yet  they  harden  them  lyke  the  stoue  of  Sicilvi,  the 
tchich  the  more  it  is  beuten  the  harder  it  in  (of.  Euphucs,  Arber's  Reprint, 
London  1868,  p.  56). 

'  Vgl.  z.  B.  'Mamillia*  (1583),  Grosart'«  Ausgabe  vol.  II  p.  34: 
Horatius  und  Curiatia,  wobei  Greene  mit  gewohnter  Flüchtigkeit  dio 
Namen  des  Pettie'schen  Liebespaare»  verwechselt  hat:  What  u  cold 
con/eet  had  ....  Horatius  at  hh  Curiatia[*  handjf  läsut  er  seinen 


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28 


IV.  GEORG B  PETTIE's  PETTIE  PALLACE. 


braucht  «8  kein  Spiel  des  Zufalls  zu  sein,  dass  Shakespeare 
an  der  einzigen  Stelle,  welche  eine  unzweifelhafte  Verspottung 
des  von  Pettie  geprägten  und  von  Lyly  nachgeahmten  Stiles 
enthält,  in  nahezu  wörtlicher  Übereinstimmung  ein  Gleichnis* 
aus  Pettie's  erster  Erzählung  citiert.  Camraa  illustriert  die 
siegreiche  Gewalt  der  verfolgten  Tugend  durch  folgende 
Bilder:  As  spices,  the  more  they  are  beaten,  the  sweeter  sent 
they  sende  forth,  or  as  the  hearbe  Cam/ojmile,  the  more  it  is 
troden  downe,  the  more  it  spreadeth  abrode  (p.  12  f.)  —  und 
Falstaff  sagt  in  seiner  grossen  Scherzrede  in  usum  delphini: 
For  though  the  camomile,  the  more  it  is  trodden  on  the  faster 
it  grows,  yet  youth,  the  more  it  is  wasted  the  sooner  it  wears 
(I  King  Henry  IV;  II  4,  441). 

Die  Zeit  hat  Pettie's  Licht  bald  unter  den  Scheffel  ge- 
stellt; noch  zu  seinen  Lebzeiten  (er  soll  1589  gestorben  nein) 
sah  er  sein  Buch  durch  den  Euphues*  verdunkelt  und  diesen 
selbst,  und  damit  die  ganze  Stilrichtung,  vielseitig  getadelt 
und  verdammt.  Pettie  scheint  nach  der  Übersetzung  (tuhzzo's 
der  litterarischen  Thätigkeit  Valet  gesagt  zu  haben,  ich  fand 
seinen  Namen  nur  noch  einmal,  an  einer  auch  von  Land- 
mann (p.  98)  bemerkten  Stolle:  in  dem  Autoren- Verzeich- 
nis vor  Francis  Meres*  'Palladis  Tamia'  (1598).  Schon  im 
nächsten  Jahrhundert  fällt  Antony  Wood,  der  Grossneffe 
Pettie's,  ein  sehr  ungünstiges  Urtheil  über  die  Erzählungen 


Phnriklc»  sagen,  wahrem!  Pettie  in  Heiner  achten  Geschichte  die  Liebe 
(Ich  Curiatius  für  Horatia  behandelt.  'Morando*  (1584):  Procris  und 
Cephalua ;  Eriphile,  Infortunio  und  Amphiarans  (vol.  IUI.  *Arbasto 
(1584?):  Infortunio  und  Eriphila  (vol.  III  p.  251).  Gwydonius'  U584): 
Er i philo  (vol.  IV  p.  :i9),  Er i philo  und  Infortunio  (p.  47),  Terms  und 
Progne  (p.  146),  Admetus  und  Alcest  (p.  146).  'The  Debate  betweene 
Follie  and  Linie'  (1587)  Scilla  (vol.  IV  p.  219).  An  all  diesen  Stellen 
geht  natürlich  aus  Greene'*  Darstellung  unverkennbar  hervor,  dass  or 
nicht  etwa  die  Gestalten  der  klassischen  Hage,  sondern, die  verkleideten 
Elisnbethanor  Pettie's  vor  Augen  hatte,  vgl.  z.  B.  im  „ Morando4*  IVhat 
should  I  speuke  of  that  (johlen  girle  Eriphilc,  who  bang  the  Mistresse 
of  many  riche  Possessions,  was  notwithstanding  so  adicted  ta  the  desire 
of  pelfe,  that  she  reiected  poore  ptstionote  Infortunio,  and  cfto.se  that 
doting  olde  Pensunt,  Amphiants,  whom  after  she  be/raied  to  the  Greekes 
for  on  ouch  of  gold. 


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IV.  GEOUGE  PETTIE'S  PKTTIE  PALLACE. 


29 


seines  Verwandten,  1  und  der  moderne  Leser  wird  es  Wood 
gewiss  nicht  verargen,  dass  er  diesem  Stil,  in  wrelehem  das 
Wort  alles,  der  Gedanke  sehr  wenig  gilt,  keinen  Geschmack 
abgewinnen  konnte.  Gleichwohl  wird  jedem,  der  die  Ent- 
wickelung  der  englischen  Prosa  verfolgt,  die,  wenn  auch 
nicht  tiefe,  so  doch  breite  Spur  auffallen,  welche  Pettie's 
Werkchen  in  der  zeitgenössischen  Litrcratur  hinterliess,  und 
von  diesem  Gesichtspunkte  aus  behält  es  dauerndes  Interesse. 

i  Cf.  'Athenae  Oxoniense«'  ed.  Philip  Blisa  1813/20;  vol.  I  p.  553; 
Warton  IV  337. 


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V.  GEORGE  HETSTONE. 


George  Whetstone, 1  der  sich  als  Dichter  nicht  über 
das  Niveau  der  elisabothanischon  Mittelmässigkeit  erhebt, 
hat  gleichwohl  so  viele  Beziehungen  zu  den  grossen  Namen 
seiner  Zeit,  dass  es  keine  undankbare  Aufgabe  wäre,  ein 
zusammenhängendes  Bild  seines  Lebens  und  Schaffens  zu 
geben,  was  freilich  nur  in  England  geschehen  kann.  Als 
vorbereitende  Studie  für  eine  solche  Monographie  wollen  wir 
uns  im  Folgenden  sein  Verhältnis*  zur  italienischen  Novelle 
vergegenwärtigen. 

The  Hocke  of  Kegard  (1576)-.  Unter  diesem  wunder- 
lichen Titel  hat  Whetstone  seine  poetischen  und  prosaischen 
Jugendarbeiten  veröffentlicht.  In  dieser  Sammlung  finden 
wir  folgende  metrische  Bearbeitungen  italienischer  Novellen : 

I.  The  Castle  of  Delifjht.  The  disorderetl  Ufr  of  Bianca 
Maria,  coiuttesse  of  Crlautit,  in  forme  of  her  romplaitite, 
suppoml  at  the  houre  of  her  beheadiurj,  for  procuring  the 
man/er  of  Ardissino  Valpertpi  Karle  of  Afassitto  (fünffüssige 
Jamben,  b\S  Strophen  zu  7  Zeilen,  ababbec,  und  nach  der 
44.  Strophe  (>  Strophen  zu  (j  Zeilen  ababec) ,  vgl.  Bandello 
I  4,  Belieferest  20,  Uainter  II  24,  Feuton  7.  An  keine  dieser 

1  Das  ist  die  jetzt  allgemein  gültige  Form  des  Namens,  obwohl 
die  Unterschrift  des  Dichters  in  den  alten  Drucken  zumeist  ein  .s  zeigt: 
}\hrtston8  oder  Whetstonett. 

2  Datum  der  Widmung:  From  >»//  lodging  in  Holharn?  Ihr  15.  of 
Ortober  l',7G;  vgl.  Huzlitt  „Hnndbook*  p.  650,  Collier  „ Account"  H  504  ff. 
Censura  Literaria  v.»l.  V  (London  1807),  p.  1  ff. 


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V.   (iKOROK  WHKTSTONK. 


ihm  zugänglichen  Versionen  dieser  besonders  widerlichen  und 
besonders  beliebten  Geschichte  hat  sich  Whetstone  ängstlich 
gebunden,  sondern  sich  das  Kecht  freier  Compositum  gewahrt. 
Er  lässt  die  Gräfin  ihr  verbrecherisches  Leben  selbst  erzählen, 
wohl  nach  dem  Muster  der  Autobiographien  des  „Mirror  for 
Magistrates".  1  Wir  finden  iu  seinen  Versen  die  herkömm- 
lichen Sprichwörter  uud  Gleichnisse,  aber  keine  Eigenart, 
wenn  wir  dieselbe  nicht  in  einer  unerfreulichen  Vorliebe  für 
französische  Wendungen  sehen  wollen.2  Nicht  ungeschickt 
hat  Whetstone  den  Hinweis  auf  ein  gegen  die  Gräfiu  ge- 
richtetes Epigramm,  dessen  Wortlaut  die  Prosa  nicht  angibt, :{ 
dazu  benützt,  ein  ziemlich  schneidiges  Schmähgedieht  einzu- 
fügen :  An  lnvectiue  writfen  by  Roberto  Sansetarino ,  Kurie 
of  Giazzo,  ayainst  Bianca  Maria,  Countesse  of  Cehiut 
(p.  10  f.)* 

2.  The  Garden  of  Vnthrif tinesse ,  wherein  is  reported 
the  do/orous  diseourse  of  Dom  Dieyo  a  Spaniard ,  foyelhfr 
uith  Iiis  triumphe,  vgl.  Hamleilo  1  27  ltelleforest  IS  J'ainter 
II  2!)  Feiitun  l.'J.  Whetstone  bietet  eine  sehr  freie  Bear- 
beitung dieser  Novelle,  halb  in  Versen,  halb  in  Prosa. 

'J.  The  Arbonr  of  Vertue,  a  Worke  ronteiuiny  the  ehaste 
und  honouruble  lift  of  a  Holiemian  Ladie,  to  the  uhirh  is 
adioyned  the  (  ouijtlaint  of  tiro  llunyarian  liarons,  flutt  wuyerd 
the  spode  of  her  Chastitie  =  Handcllo  121.  Whetstone  be- 
merkt in  der  Widmung;  I  haue  fuithfully  (thouyh  not  rn- 

1  Vgl.  den  Anfang  seines  Gerüchtes  zu  Khrcn  des  verstorbenen 
Sir  James  Üier  vom  Jahre  1">S2  (Fronde«  Caducae.  Repr.  ut  rhe 
Auchinleck  Press,  by  Alexander  Hoswell,  IS1(>;  vol.  I): 

Lidgatc,  Huwldwin,  nnd  mniiy  writers  mo[e|, 

The  heauic  fault«  of  naughtie  mon  hnuo  showne  .... 

2  Vgl.  z.  B.  in  der  3.  Strophe  des  obon  erwähnten  Schmähgedichts: 

That  gadding  moode  shee  leamed  of  sa  mere. 

3  Painter  (  Jacobs  III  p.  69):  an  Itaiyan  Epigram  irherof 

the  copy  I  cannot  yet,  and  some  suy  Und  Ardizzino  ans  the  uuthor; 
Feiiton  (fol.  160b):  an  Itaiyan  Epiyram  .  .  .  .  compvsed  na  they  aayd 
by  therle  Valperyo:  Bandello  I  4:  in  publica  e  in  prinufo  narraimuo  le 
ribidderie  di  tpullu,  facmdala  diuenir  fanola  del  poptdo 

*  Ausserhalb  der  Geschichte  finden  wir  Maria  liianca  noch  im 
4.  Tlieil  des  „Korke**  in  The  Ortehard  of  repentunce  (p.  81),  erwähnt. 


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32 


V.   GEORGE  WHETSTONE. 


riously)  translated  the  modest  and  noble  life  of  a  Boemian 
Lady,  with  the  fall  of  ttvo  Hungarian  barons.  Wir  haben 
keinen  Grund,  die  Richtigkeit  dieser  Angabe  zu  bezweifeln, 
doch  hätte  Whetstone  nicht  nöthig  gehabt,  auf  Bandello  zu- 
rückzugreifen, da  sich  auch  diese  Novelle  in  Painrers  'Palaee' 
II  28  findet.  Whetstone  erzählt  die  Geschichte  selbst  in 
Septenareu : 

p.  lOß  A8  aupreme  hcad  of  Hungarie  a  king  there  whileome  reignM, 
Coruinus  hiffht,  whoae   worthy   force  a  worlde    of  prnises 

gain'd . . ., 

während  The  complaint  of  the  Lorde  Alberto  and  Vdislao, 
the  (wo  Hungarian  barons  (p.  120  3)  aus  13  siebenzciligen 
Strophen  besteht. 

Ausser  diesen  Versionen  bekannter  italienischer  Novellen 
bringt  WThetstone  in  der  ersten  Gruppe  seiner  Sammlung,  in 
dem  Castle  of  Delight  eine  Prosa-Erzählung:  The  discourse 
of  Rinaldo  and  Giletta  (p.  23  ff.) ,  über  deren  Ursprung  er 
sagt:  This  discourse  was  first  trritfen  in  Italian  by  an  un-  ' 
knotrne  authour.  War  das  nun  eine  Bescheidenheitswendung 
Whetstone's,  oder  wollte  er,  was  wahrscheinlicher  ist,  seiner 
Waare  den  currenten  italienischen  Stempel  aufdrücken  — 
unzweifelhaft  ist  mir,  dass  diese  sehr  reizlose  Erzählung  keine 
Übersetzung  ist ,  sondern  von  Whetstone  selbst  nach  be- 
rühmten Mustern  gefertigt  wurde.  Wie  die  nach  Boccaccio 
in  Meuge  auftauchenden  italienischen  Novellier!  den  Certal- 
desen  und  sich  gegenseitig  plünderten  und  beliebte  Novellen- 
Stoffe  mit  leichten  Umformungen  wiederholten  —  man  denke 
z.  B.  an  Baudello's  Variierung  des  Romeo  und  Julie-Motivs 
mit  glücklichem  Ausgang  (II  41)  — ,  so  wird  es  bald  auch 
bei  den  Engländern  Mode,  neue  Geschichten  zu  componieren, 
indem  sie  italienische  Motive  mosaikartig  an  einander  schoben. 
In  Whetstone's  Erzählung,  eine  der  ersten  Erscheinungen  dieser 
Gattung,  lernen  sich  die  Liebenden  ifrnaldo  und  Giletta  auf 
einem  Maskenfest  kennen,  wie  i?omeo  und  Julietta;  ihre  Liebe 
wird  durch  Frizaldo's  Intriguen  gestört,  der  sich  der  Kammer- 
zofe Rosina  als  Werkzeug  bedient,  wie  Ariost's  Polinesso  der 
Verbindung  Ariodante's  und  Ginevra's  mit  Hülfe  der  Dal  Inda 
entgegenarbeitet  (Orl.  Für.  V  5  ff.);  Rinaldo  springt  in's 


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V.    OKORUK  WIIETSTONF. 


33 


Wasser,  besinnt  sieh  aber  noch  rechtzeitig  eines  Bessern 1 
und  erkämpft  sich  schliesslich  als  schwarzer  Ritter  die  Ge- 
liebte wie  Ariodante;  Frizaldo  und  Poliuesso  wollen  ihre  Mit- 
schuldige auf  dieselbe  Weise  unschädlich  machen,  und  werden 
zur  Strafe  von  ihr  «entlarvt. 

„Aus  andrer  Leute  Häuten  ist  gut  Kiemen  schneiden" 
—  die  Richtigkeit  dieses  Erfahrungssatzes  hat  Whetstono 
nach  obigen  Ausführungen  vollständig  zu  würdigen  gcwusst, 
und  er  ist  dieser  bequemen  Methode  der  Novollon-Compo- 
sition  auch  in  seinem  grössten  Werk  treu  geblieben,  in  dem 

Ileptamoron  of  riuill  Discourses  (1582).  Auf 
einer  Winterreise  durch  Italien  kommt  Whetstono  in  einem 
Walde  unfern  Ravonna  zu  einem  schonen  Palast,  dessen  Be- 
sitzer Philoxenus  ihn  sehr  freundlich  aufnimmt.  Philoxenus, 
der  jedes  Jahr  in  der  Weihnachtszeit  offenes  Haus  hält,  hat 
eine  grosse  Gesellschaft  von  Damen  und  Herren  um  sich 
versammelt,  welche  von  einer  durch  das  Loos  bestimmten 
Königin  regiert  wird.  In  diesem  fröhlichen  Kreis  werden 
allerlei  Streitfragen  über  Liebe  und  die  Vorzüge  und  Nach- 
theile  der  Ehe  aufgeworfen,  es  wird  eifrig  disputiert  und  die 
streitenden  Parteien  lassen  es  sich  angelegen  sein,  ihre  Be- 
hauptungen durch  passende  Erzählungen  zu  stützen  : 

The  first  Daye*  e.n- reise.  Chießy  contayniny :  A  ciutll 
Content  ion,  whyther  the  maryed  or  »ingle  lyfe  is  the  more 
icorthy.  Nachdem  diese  Frage  zu  Gunsten  der  Khe  ent- 
schieden wurde,  erzählt  ein  weiberfeiudlicher  deutscher  Doktor, 
Namens  Mossonigo,  eine  merkwürdige  Historie  von  einem 
Wiener  Sattler  Borrihauder,  der  mit  seiner  Frau  Ophelia  in 
stetem  Hader  lebte.  Die  Frau  wird  sterbenskrank,  und  wäre 
gestorben,  wenn  sie  nicht  gesehen  hätte,  das«  ihr  Gatte,  in 
fröhlicher  Erwartung  ihres  Hingangs,  die  Magd  küsste.  Aus 

1  Turne  ue  In  Hhtchlo,  irho  öfter  he  hod  o  irhiU'  fett  (he  furie 
of  the  floutiex,  wax  trearie  of  <li/in</,  so  tliat  tor  life  he  laboured  tuito 
the  shoare,  trhich  recoueretl^  he  feit  his  stomocke  ot  (hat  instant 

rather  ouercharyed  with  unter  then  loue,  vgl.  OF.  VI  5: 

Ariniluntc,  poi  oh'in  mnr  fu  measo, 

Si  penti  di  moriro  

Si  mo?so  a  nuoto,  v  ritnniossi  ul  lito. 

<jf  i  xx 


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34 


V.  GEORGE  WllETSTOKE. 


Wuth  wird  sie  gesund ,  und  macht  nun  ihrem  liebevollen 
Gemahl  das  Leben  so  sauer ,  dass  er  sich  erhängt.  Diese 
Geschichte  ist  in  die  jüngste  Vergangenheit,  in  die  Zeit 
Karl's  V.  verlegt.  Wir  erkennen  in  ihr  eine  Bearbeitung  der 
71.  Novelle  des  'Heptameron  des  Nouvelles'  der  Königin  von 
Navarra:  Une  feuime,  estant  aux  abbois  de  la  mort,  se  cour- 
rouca  en  sorte,  voyant  que  son  mary  accolloit  sa  chambriere, 
qxCelle  reuint  en  sante.  Whetstone's  Mossenigo  erzählt  etwas 
derber,  aber  doch  anständiger  als  die  Frau  Parlamente  der 
Königin. 

The  seconde  Dayes  Exerci[s]e.  Contayning  .  .  .  a  large 
Discouerie  of  the  inconueniences  of  forced  Marriadges.  Faliero 
erzählt:  In  Cirene  in  Africa  lebten  zwei  reiche  Kaufleute, 
Tryfo  und  Clearches,  welche  ihre  Kinder,  Sicheus  und  Elisa, 
vermählen.  »Sicheus  vernachlässigt  seine  Gattin,  die,  von 
Chion  geliebt,  diesem  bedeutet,  dass  sie,  solange  ihr  Gatto 
lebte,  nicht  lieben  könnte.  Sicheus  wird  ermordet,  Chiuu 
zum  Tode  vorurtheilt,  und  eine  Stimme  verkündet  Elisa's 
Schuld,  die  in  den  Geburtswehen  stirbt.  Der  märchenhaften 
Sclilusswendung  entsprechend,  fügt  der  Erzähler  bei,  die  un- 
glücklichen Gatten  und  ihr  Kind  seien  in  Schlangen  ver- 
wandelt worden. 

The  thyrd  Dayes  Ewer  eise.  Contayning  .  .  .  a  large 
Discouerie  of  the  inconueniences  of  Rash  Mariayes.  Doktor 
Mossenigo  erzählt:  In  der  Nähe  von  Capo  Verde,  in  alter 
Zeit  die  Hauptstadt  des  Königreichs  Neapel,  lebte  ein  Jüng- 
ling Marco  Malipiero,  der  sich  in  Feiice,  die  Tochter  Philippo 
Provolo's  verliebte.  Provolo  veranlasst  die  Liebenden  zu  einer 
übereilten  Heirath,  stürzt  aber  selbst  die  Familie  bald  iifs 
tinglück  durch  seine  Verschwendung.  Sie  verarmen,  und 
unter  dem  Drucke  des  Mangels  schenkt  Feiice  den  Wer- 
bungen eines  reichen  Jünglings,  Marino  Giorgio,  the  rieh 
Orphant  of  Capo  Verdo,  Gehör.  Ihr  Gatte  wird  argwöhnisch, 
tritt  scheinbar  eine  Reise  au,  überrascht  das  Paar  und  tötet 
seinen  Nebenbuhler.  Die  Frau  wird  zur  Strafe  in  ein  Zimmer 
mit  dem  Skelet  des  Ermordeten  gesperrt  und  darf  nur  aus 
dessen  Hirnschale  trinken.  Schliesslich  werden  die  Gatten 
jedoch  von  einem  unbetheiligteu  Dritten,  Cornaro  versöhnt 


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V.  GEORGE  WIIETSTONE. 


35 


und  leben  glücklich  zusammen.  —  Die  Katastrophe  dieser 
Erzählung,  die  von  dem  überaus  matten,  breit  vorgetragenen 
Anfang  auffällig  absticht,  ist  der  32.  Novelle  des  französischen 
'Heptameron  entlehnt :  Punition  plus  rigoureuse  que  la  mort, 
d'vn  mary  enuers  sa  femrne  adultere,  welche  Geschichte 
Whetstone  auch  in  Painters's  Talace  (I  57)  gelesen  haben 
konnte. 1 

The  fourth  Daies  exercise.  Containing :  varktie  of  neces- 
sarie  Di$cour8e[s],  and  yet  wühall,  the  greater  part  apper- 
taining  to  the  generali  argument  of  Marriage.    Der  Franzose 
Mounsier  Bergetto  erzählt  The  adventure  of  Fryer  Inganno: 
In  einem  kleinen  Dorf  der  Apenninen,  in  der  Nähe  der  Be- 
gräbnissstätte des  h.  Franciscus,  wohnte  eine  hübsche  Bäuerin, 
an  welcher  der  Franciskaner  Fryer  Inganno  grossen  Gefallen 
fand.    Er  spiegelt  ihr  vor,  dass  sie  demnächst,  in  Abwesen- 
heit ihres  Mannes,  von  dem  h.  Franciscus  besucht  werden 
würde,  was  sie  zwar  glaubt,  aber  sehr  gegen  die  Absichten 
des  Mönches,  sofort  ihrem  Pfarrer  mittheilt,  damit  dieser  den 
Heiligen  mit  Glockengeläute  empfange.    Von  dem  Pfarrer 
aufgeklärt,  rächt  sie  sich,  indem  sie  sich  von  einer  hässlichen 
und  schmutzigen  Magd  vertreten  lässt,  in  deren  Armen  Fryer 
Inganno  von  dem  Pfarrer  und  den  Bauern  überrascht  wird. 
Dem  falschen  Heiligen  werden  allerlei  schmerzhafte  Ehren 
erwiesen,  und  die  zornigen  Bauern  hätten  ihn  schliesslich 
sogar  lebendig  begraben,  wenn  sich  nicht  andere  Mönche  in's 
Mittel  gelegt  hätten.   Fryer  Inganno  war  künftig  vorsichtiger, 
aber  nicht  besser.   Denn  Leute  seiuer  Art  glauben  :  Fehler, 
die  die  Welt  nicht  sieht,  straft  Gott  nicht.  —  Whet- 
stone bietet  hier  eine  ziemlich  geschickte  Verschmelzung  der 
Abenteuer  zweier  liebesbedürftiger  Kleriker,  des  Frate  Alberto 
und  des  Propsts  von  Fiesole,  von  welchen  Boccaccio,  „Deca- 
meronu  IV  2  und  VJII  4  erzählt.    Die  Schluss-Sentenz  scheint 
er  der  abscheulichen  72.  und  letzten  Novelle  der  Königin 

1  Whetatnne's  Text  erinnert  uns  hin  und  wioder  an  Pninter,  vgl. 
z.  B.  Ilee  l Marco  Malipierof  made  an  Anatomy  of  her  welMoued  Marino 
and  set  htm  in  a  fayre  Chamber,  within  ivhiche  hee  inclosed  his  wyfe, 
mit  Painter  f  Jacobs  II  98)  :  /  <ioe  locke  her  vp  in  the  Chamber  ...  In 
the  chftrt  of  whirh  Chamber  l  haue  placed  the  Anatomie  of  her  friend. 

3* 


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36 


V.  GKOKGK  WHKTSTONE. 


von  Navarra  entnommen  zu  haben:  Le  mesrhant  moyne,  en 
parlant  tousiours  de  Dien,  paracheua  auec  eile  Voeuure,  que 
soudain  le  diable  hur  auoit  mis  au  ruettr  ....  Vasseurant, 
gu'vn  peche  secret  n'estoit  point  imputt  denant  Dien 
(cf.  1.  c.  p.  211*). 

An  demselben  Tag  wird  noch  eine  Geschichte  erzahlt, 
die  berühmteste  Geschichte  des  Englischen  Heptameron,  welche 
ihm  einen  Platz  unter  Shakespeare*»  Quellenwerken  und  damit 
eine  bescheidene  Unsterblichkeit  sicherte:  'Die  rare  Ilistwie 
of  Promos  and  Cassandra,  reported  hy  Madam  Isabella.  Whr  t- 
stone  wiederholt  hier  in  knapper  Prosa  den  Inhalt  seines 
weitläufigen,  in  Versen  abgefassten  Schauspiels,  «las  er  1578 
publiciert  hatte.  Seine  sehr  frei  behandelte  Torlage  war 
höchst  wahrscheinlich  die  5.  Novelle  der  8.  Dekade  von  Giraldi 
Cinthio's  "Hecatommithi'.  1 

The  fift  Daies  Exercise.  Conlaining  a  breefe  discourse, 
tourhing  the  excellenrie  of  Man:  and  a  large  disrouerie  of 
the  inronneniences  of  ouer  loftg ,  and  too  Itase  hone:  tri/h 
other  Morall  notes,  needefull  to  be  regarded.  Dieser  Tag 
bringt  viele  Beispiele,  aber  keine  ausführliche  Geschichte. 
Unter  den  warnenden  Beispielen  finden  wir  Bandello's  Durhesse 
of  Mal  ff/  und  Bianca  Maria,  wahrscheinlich  auch  deu  König 
Astolfo  aus  der  Erzählung  des  Wirths  in  Ariost's  „Orlando 
Furioso."2    Für  weitere  Geschichten,  welche  die  gewünschte 

1  Das  italienische  Original  und  Whetstone's  beide  Versionen  sind 
zu  finden  in  Hazlitt's  'Shakespeare1«  Library'  (  London  1875)  Part  I  vol.  III 
p.  155  ff.,  169  ff.,  Part  II  vol.  II  p.  202  ff. 

*  Der  Name  de*  Gatten  und  die  Treulosigkeit  der  Gattin,  die  sieh 
einem  niedrig  geborenen  Buhlen  hingibt,  finden  wir  übereinstimmend  bei 
Ariost  und  Whetstone;  die  übrigen  Verhaltnisse  hat  Whetstone  seinem 
Zweck  entsprechend  geändert,  indem  er  die  zweite  Kpisode  der  Erzäh- 
lung Ariont's,  den  Betrug  der  Wirthstochter,  beniitzte.  Exutnine  King 
Astolphusi,  what  constancie  he  found  in  hin  three  halpenie  Jtiell,  uhome 
he  had  tourned  out  of  Sheepes  Hasset,  into  Clnth  of  Siluer :  In  auch 
honours  had  wo  otherwise  alte  red  her  manners,  bat  that  ahe  thought  the 
Lappen  o  f  a  Captaine  was  us  mreete  as  a  Kings,  and  therfore  in  all 
her  brauerie,  she  feil  to  her  hinde ;  cf.  O.  F.  c.  XXVIII  4  ff.  Im  Dunkeln 
bin  ich  bis  jetzt  über  Whetstone's  Quelle  für  folgende  Anspielung: 
Andrea  Zeno,  a  Gentleman  of  Vennice,  was  as  slutishly  serued  teith 
Via  a  Cooke  Daughter,  tvho  upon  her  Mariadge  dag,  made  an  eatye 


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V.  MKUKOK  WHETSTONE. 


37 


.Moral  einschärfen,  wird  auf  dio  Metamor phosis,  Seynior  Lodoni- 
cus  Regester  in  Italian,  Amadis  de  Gaule  und  den  'Palace  of 
Pleasure*  (vgl.  oben  p.  11)  verwiesen.  Welches  italienische 
Werk  gemeint  ist,  ist  mir  nicht  ganz  klar,  doch  dürfen  wir 
wohl  annehmen,  dass  Whetstoue  die  von  den  Bünden  ver- 
heirateter Frauen  handelnden  Geschichten  im  28.  und  43. 
(iesang  von  Ariost's  Orlando  im  Auge  hatte;  Ariost  wird  ja 
nicht  selten  Signor  Lodovico  genannt. 

Ute  sixt  Dayes  Exervise.  Contayninye:  Many  needcfull 
reyardes,  for  a  Gentleman :  with  a  Disconerie  of  the  incon- 
neniemes  of  Marriayes,  where  there  are  yreat  ineqnalitie  of 
yeares.  Auch  der  über  diese  Frage  geführte  Disput  bietet  keine 
ad  hoc  erzählte  Geschichte;  die  sehr  farblose,  wohl  von  Whet- 
stoue selbst  ersonnene  Anekdote  von  dem  tugendhaften 
Floradin  hat  mit  dem  llauptthema  des  Tages  nichts  zu  thun.  1 

The  VII.  Dayes  Exerrise.  Containiny:  a  Discourse  of 
the  excellencie  of  Marriaye:  with  many  soitnd  Lawes  and 
directions,  to  continue  loue  hetweene  the  married :  with  the 
rare  Historie  of  Pyriyeus  and  Pieria,  reported  by  Seynior 
Phyloxenus:  And  other  yood  notes  of  reyarde.  Wieder  ein 
sehr  saft-  und  kraftloses  Elaborat.  Phrigius  (wie  der  Name 
in  der  Geschichte  selbst  lautet),  der  Sohn  des  Herzogs  Nebeus 
von  Milet,  liebt  Pieria,  die  Tochter  des  Fürsten  Pythos  von 
Myos.  Die  beiden  Städte  bekriegen  sich;  durch  die  Liebe 
der  Fürstenkinder  wird  der  Friede  herbeigeführt  und  durch 
ihre  Vermählung  besiegelt.  Die  Gatten  leben  lang  und  glück- 
lich, und  werden  nach  ihrem  Tod  in  weisse  Turteltauben 
verwandelt. 

way  for  her  Husband,  with  no  better  man,  Iben  a  Carpenter.  Die  Be- 
merkung: Kiny  Cofeina,  the  AJfrican,  became  enamoured  of  a  Betjyer 
erinnert  un«  an  die  alte  Ballade  fcf.  Schröer's  Percy  p.  135  ff.)  und 
nn  Shakespeare. 

1  Fluradin,  beiritched  with  the  loue  of  faire  Persida,  his  deare 
Jriend  Perirlex  Wife,  wrole  in  n  table  Booke :  fye  Floradin,  f>/e,  shre 
is  thy  friend  Pt  rieten  Wife:  and  sa  often  as  idlrnes  presented  him  with 
thys  p<t88'/on,  he  read  his  written  remembraunce  :  und  by  aome  honest 
exercise,  remooued  hin  imuqinntion.  Die  Krinnerung  nu  oines  der  besten 
Dramen  Thomas  Hoywood's  wird  uns  folgende  Worte  beachten  lassen: 
You  will  kill  her  with  kindnesse,  (quoth  Maria  lielochy  ). 


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38 


V.  GEORG K  WHETSTONK 


Wie  in  den  meisten  seiner  ernsten  Geschichten,  ertappen 
wir  Whetstonc  auch  in  einer  humoristischen  Episode  des 
zweiten  Tages  auf  fremdem  Boden.  Mit  seiner  sehr  ausge- 
sprocheneu Abneigung  gegen  alles  Kömisch-Katholische  führt 
er  einen  Mönch  mit  dem  Etiquetteu-Namen  Fryer  Buyiardo 
ein,  welcher  von  der  lustigen  Gesellschaft  sehr  schlecht  be- 
handelt wird.  Beim  Essen  plagen  sie  ihn  mit  allerlei  neckenden 
Fragen,  welche  der  Mönch  stets  nur  mit  einem  Wort  beant- 
wortet, z.  B.  What  drivk  is  tcorst  for  the  eyne?  Wim.  Nach 
dem  Grund  seiner  Einsilbigkeit  gefragt,  sagt  er:  Pauca 
sapienti,  worauf  sie  ihm  das  reichlich  vorgesetzte  Mahl  ent- 
ziehen. Der  einsilbige  Mönch  stammt  aus  einer  Anekdote 
der  'Nouuelles  Kccreutions'  des  Bonaventurc  Des  Periers: 
Du  Moine  (jui  respondoit  tont  par  Mon[o\8Stjllabes  rymez.  1 
Selbsterfuuden  dürfte  hingegen  die  wunderliche  Erklärung 
sein,  welche  Whetstono  am  Höchsten  Tag  zu  einem  Gobelin- 
Bild  gibt,  das  ein  neben  einer  Jungfrau  schlafendes  Einhorn- 
ähnliches Thier  zeigt.2  Ismarito  —  welchen  Namen  AVhetstone 
sich  selbst  beigelegt  hat  —  erzählt,  ein  Neapolitaner  Hinautus 
sei  von  der  alten  Circo,  deren  Liebe  er  verschmähte,  in  ein 
Rhinocerot  verwandelt  worden.  In  Folge  dessen  bringe  das 
Thier  alle  alten  Weiber  um,  und  man  könne  sich  seiner  nur 
mit  Hülfe  eines  schönen  Mädchens  bemächtigen. 

Auch  in  den  Gedichten,  welche  der  Prosa  des  'Jlepta- 
meron'  eingefügt  sind ,  kommt  Whetstone1«  Belesenheit  zur 
Geltung,  er  hat  für  die  Lieder  des  zweiten  Tages  manche 
Anleihe  bei  Petrarca  gemacht.8 

1  ef.  Los  Nouuelles  Roerentions  et  .Toyeux  Do  vi*  de  fou  Bonnvcn- 
ture  Dos  Periers,  Valot  de  Chambre  de  la  Royne  de  Navarre.  A  Lyon 
1561;  p.  164  f. 

*  cf.  Fr.  Laucherfs  'Geschichte  des  Physiologus'  (Strnssburg  1889); 
p.  22  flF. 

3  Das  Gedicht  If  on  firme  Fnith,  one  Heart  uncharg'd  teith  frawd 
ist  eine  ziemlich  genaue  Übertragung  von  Son.  CLXIX  in  vita:  S'una 
fede  amoro8a,  un  cor  non  finto,  während  er  in  2  anderen  Liedern  an 
Petrarca'sche  Anfangt»  Verse  eigener  Mache  gereiht  hat,  vgl.  Tico 
Soueraigne  Dames,  Ii  autie  and  Honestie  mit  Son.  XXIX  in  morte : 
Ditc  grün  twmiche  insieme  erano  aggiunte,  sowie  Hence  burnyng  sighes, 
ic hielt  nparckle  front  desyre  mit  Son.  CII  in  vitn:  Ite,  caldi  sospiri^  al 


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V.  GEORGE  WHETSTONE. 


39 


So  sehen  wir  in  dem  Geiste  Whetstone*»,  den  wir  als 
typischen  Vertreter  eiuer  zahlreichen  Klasse  der  Elisabetha- 
nisehen  Litteraten  betrachten  können,  verschiedene  Bildungs- 
strömungen zusammenfliessen.  Offenkundig  ist  der  Einfluss 
des  italienischen  „Decameron"  und  des  französischen  „Ilepta- 
meron",  aber  Whetstone's  Werk  unterscheidet  sich  doch  be- 
deutsam von  diesen  beiden  Rahmen-Erzählungen.  In  ihnen 
dominiert  durchaus  das  Bild  im  Rahmen,  bei  Whetstone  der 
Rahmen  selbst.  Er  hat  sich,  wie  Tilnay,  und  höchst  wahr- 
scheinlich angeregt  von  Tilnay,  vor  allem  den  'Cortegiano' 
Oastiglione's  zum  Muster  genommen,  den  er  auch  unter  den 
Büchern  seines  Gastfreundes  Philoxenus  nennt. 1  Nicht  in 
der  freien  Natur,  wie  Boccaccio  und  die  Königin  von  Navarra, 
sondern  in  einem  prächtigen  Palast,  wie  Castiglione,  bringt 
uns  Whetstone  seinen  Kreis  vor  Augen;  dem  Grafen,  der 
moralisch-didaktische  Gespräche  mit  knappen  erläuternden 
Geschichten  bietet,  hat  er  die  breite  Ausführung  des  Rahmens 
abgesehen.  Auch  für  die  einzelnen  Figuren  Whctstone's  sind 
die  Gestalten  der  italienischen  Gesellschaft  Modell  gestanden: 
wie  bei  Castiglione  die  Gattin  des  Hausherrn,  die  Herzogin 
von  Urbino,  ist  bei  Whetstone  Aurelia,  die  Schwester  des 
Hausherrn,  der  Mittelpunkt  des  Kreises,  Doctor  Mossenigo 
hat  die  misogyne  Gesinnung  des  S.  Gasparo  Palavicino  ge- 
erbt, uud  die  Damen  des  Engländers  sind  bei  der  schlag- 
fertigen Signora  Emilia  Pia  in  die  Schule  gegangen.  Und 

freddo  core.  In  Godnnken  berührt  sich  das  Lied  From  shore  to  sei, 
from  dales  to  mountaines  hie  vielfach  mit  Canz.  XIII  in  vita:  Di  pensier 
in  pensier,  di  mottle  in  nionte.  Vor  den  erwähnten  Gedichten  wird 
Petrarca  nicht  genannt,  hingegen  werden  folgende  Verse,  auf  welche 
ich  mich  in  den  'Rirae'  nicht  besinnon  kann,  als  Citat  aus  Petrarca  an- 
geführt: 

The  Prince,  the  Peere,  the  Subiect  and  the  »laue, 
Loue  giues  with  care,  to  him  they  make  their  mone, 
And  if  by  chaunce  he  graunt  the  grace  they  craue, 
It  comes  of  ruthe,  by  force  he  yeeldes  to  none. 
1  For   Gouernment,  and  Ciuil  behauiours  he   read  Plutarches 
Moralles  •  Gueunraes  I>ud  of  Princes  :  the  Courtier  of  Count  Baldazar 
Castillio.   In  folge  dieser  Studien  war  Philoxenus  ein  so  vollkommener 
Gentleman,  dnss  er  als  Muster  hätte  dienen  können  für  a  Courtier  not 
inferriour  to  (hat  of  Count  Bahhzar  (of.  The  sixt  Dayes  Exercise). 


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40 


V.  GEOK-5K  WHKTSTONE. 


wie  hei  t'astiglione,  am  Schluss  dos  zweiten  uud  zu  Anfang 
dos  dritten  Huehes,  wird  auch  hei  Whetstone  am  4.  Tag  die 
Frage,  oh  die  Frau  ein  ebenso  vollkommenes  Wesen  sei,  wie 
der  Mann,  eingehend  erörtert. 

Zum  Loh  des  Stilisten  "Whetstone  sei  es  gesagt,  dass 
er  der  Modcthorheit  des  Kuphuismus  ziemlich  fem  blieb ; 
er  gehört  nicht  zu  den  Nachahmern  Lyly's,  sondern  zu  jener 
Sehriftstoller-tiruppe,  deren  Stil  in  Sidney's  'Areadia'  seinen 
vielgepriesenen  Höhepunkt  erreichen  sollte.  Sonst  lässt  sich 
allerdings  nicht  viel  Kühmons  von  Whetstone's  Schreihart 
machen ,  er  ist  breit  und  in  der  Fülle  seiner  Bilder  und 
Gleichnisse  bringt  er  wenig  Neues  und  Schönes.  Doch  sei 
ihm  nicht  vergossen,  dass  er,  wie  dem  Zusammenstoss  von 
Stein  und  Eisen  den  Funken,  dem  Meinungskampf  der  Menschen 
die  Wahrheit  ontsprühen  lässt.  1  Aus  culturhistorischem  Inte- 
resse werden  wir  ihm  ferner  die  Unschönhoit  eines  den 
Hahneukämpfeu  entlehnten  Hildes2  vorzeihen,  und  aus  lite- 
rarhistorischem die  Unhörlichkeit,  dass  er  die  Fraueuzuuge 
dem  Dreschflegel  des  Zauberers  Yirgilius  vergleicht,  der  ohne 
Unterschied  Freund  und  Feind  traf. :< 

1  Aa  Yron  and  Flynt,  beut  toyether,  haue  the  reritte  to  smite  fyre 
so,  mens  teitfes,  encvuntruiuj  in  dautful  qm-stions,  openeth  a  passaae  far 
imprisoued  Trueth  |  1.  Tag).   Neu  wird  di«  *er  (k-dnnke  scium  zu  Whet- 
stonc's*  Zeiten  nicht  geweaen  sein,  doch  kann  er  ihn   innnerhin  selbst- 
«tändig  nochmals  gedacht  haben. 

*  Thouah  [Beryetto]  fainted  in  hin  opinion,  yet  (Uhr  a  G>cke, 
thitt  haih  one  of  Iiis  eyes  strich  en  out,  und  ins  Imtd  ha  red  to  the  brn'ueif, 
yet  strikt  'h  untill  he  dyeth),  he  assayled  the  Portor  trith  this  om  more 
reas»n  .  .  :  .  (3.  Tag). 

s  Marie  (quoth  o  pleasant  Cotnpanion)  it  is  müde  of  the  sanie 
meltle,  that  Virgils  Brase n  Flayle  irns  off,  irhirh  strooke  hoth  Iiis  Jriendes 
and  Joes.  Hat  (quoth  the  Gentleman)  ViryyJl  knete  and  tattyht  others 
howe  to  paeiße  this  enyine.  1t  is  trae  (quoth  the  othtr):  bat  in  teachiny 
the  .ircret e  nnto  his  Seruant,  coste  hitti  hin  outie  life  \\\.  Tag).  Vgl. 
Knrly  Knglish  Prose  Roninnces,  cd.  by  W.  J.  Thom«  C2Qd  ed.,  London 
1858);  vol.  II  p.  21  ff,  und  besonders  p.  54  ff. 


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VI.  RfOBKRT]  S[MYTH]. 


Struunye,  lamentable*  and  Trayicall  Hystorica.  Trans- 
lated  out  of  French  into  Enylish  hy  R.  S.  London  '1577. 
Dieses  seltene  Küchlein  finden  wir  erwähnt  bei  Warton 
rlV  :i47),  Collier  (II  IH3)  und  linzlitt  (p.  565),  jedoch  ohne 
jede  Inhaltsangabe.  Da  es  mir  sehr  wahrscheinlich  war,  dass 
diese  aus  dem  französischen  übersetzten  Geschichten  auf 
italienischer  Grundlage  beruhten,  habe  ich  den  Librarian  der 
Bodleian  Mr.  E.  B.  Nicholson,  um  Angabe  des  Inhalts  ersucht, 
und  die  mir  mit  höchst  dankenswerther  Freundlichkeit  er- 
theilte  Auskunft  hat  die  Vermuthung  italienischer  Provenienz 
für  .'t  Geschichten  zur  Gowissheit  erhoben:  K.  S.  hat  aus 
dem  französischen  Bandello,  aus  Bolleforest's  „Histoires  Tra- 
giques"  übersetzt.  Das  Büchlein  (Sigu.  Douce  11.  H.  207) 
hat  folgenden  Inhalt: 

A.  2.  Dedication  to  Henry  Vvrnon ,  of  Stocke  co  Salop, 
and  John  Vernon  of  Sudhnry,  hy  Th.  Newton,  puh- 
lisher. 

A.  '1,  v°.  T.  N.  to  the  Reader. 

Ii.  I.       A  inst  fact<  hut  to  cruelL  of  John  Maria,  Duke  of 
Myllayne,  towarde  a  Priest  extreme  couetous  [  cf.  Bellef. 
Hist.  29  (vol.  JI  p.  545Hff.):   Acte  iuste,  mais  trop 
cruel,  de  Jean  Maria  Duc  de  Milan,  a  Vendroit  d'un 
Cure'  trop  auare  —  Bandello  III  25]. 

D.  3.  The  Marques  of  Ferraria  .  .  .  caused  his  oivne 
Sonne  to  he  heheaded  .  .  .  (crossed  throuyh.  It  is 
on  'chastitye  soulde  for  haryayned  Sommes).  Hier 
mnss  ich  die  (Jnelleiifrage  offen  lassen. 


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42 


vi.  h[obkrt]  s(myth|. 


G.  /,  v".  A  Mahometan  staue  reuengeth  the  death  of  Ins  Lord, 
vpon  his  son  [cf.  Bellef.  Hist.  15  (vol.  I  p.  337»  ff): 
D'un  esclaue  Mahometan,  leqitel  vengea  la  wart  de 
son  seigneur,  sur  le  fils  qui  en  estoit  l'homicide  etc. 
=  Bandello  I  52]. 

K.  1.       The  Marques  of  Ferraria  [wie  neben,  cf.  Bellef. 

Hist.  11  (vol.  I  p.  241*  ff):  Du  Marquis  de  Ferrare, 
lequel  sans  auoir  esgard  ä  Vamour  paterttcl,  fit 
decoller  son  propre  ßs,  pour  V auoir  trouui  en  adul- 
tere  auec  sa  belle-mere  etc.  =  Bandello  I  44]. 


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VII.  II[ENRY]  WfOTTON]. 


A  Courtlie  Controversie  of  Ctqnd's  Cautels:  Conteyning 
five  Tragicaü  Histories,  very  pithiey  pleasant,  pitifull  and  pro- 
fitable: discoursed  uppon  with  Argumentes  of  Love  by  three 
Gentlemen  and  two  Gentlewomen,   entermedled  with  divers 
delicate  Sonets  and  Rithmes,  exceeding  delightfull  to  refresh 
the  yrksomnesse  of  tedious  Tyme.  Translated  out  of  French 
as  neare  as  our  Englishe  Phrase  will  permit,  by  H.  W.  Gent- 
leman. London  1578.    Für  dieses  Buch  bin  ich  auf  Colliers 
Mittheilungen  (Account  II  543  ff.)  angewiesen,  aus  welchen 
sich  ergibt,  dass  H.  W.  in  dem  Prosa-Theil  seiner  „Contro- 
versie"  auf  den  Spuren  Tilnay's  wandelt:  auch  er  lässt,  wie 
auf  dem  Titelblatt  angedeutet,  eine  Gesellschaft  von  Damen 
und  Herren  Geschichten  erzählen  und  über  erotische  Fragen 
disputieren.  Collier  berührt  kurz  den  Inhalt  dreier  Geschichten : 
in  der  einen  hat  er  die  Quelle  der  Tragödie  „Soliman  and 
Persedau  (gedruckt  1594)  erkannt1;  eine  andere  spielt  in 
England  und  hat  William  Kufus  zum  Helden;  in  einer  dritten, 
von  contrarious  love  handelnden  Erzählung  sollen  die  Aben- 
teuer zweier  Scholaren,  des  Claribel  of  Poictiers  und  des 
Floridan  of  Xaintes,  berichtet  sein.  Quellen-Vermuthungen 
kann  ich  an  diese  ziemlich  mageren  Notizen  bis  jetzt  nicht 
knüpfen. 


1  VgL  Übor  diese  Frago  meinen  Aufsatz  „Beiträge  zur  Geschichte 
des  Elisabeth anisohen  Dramas*,  welohor  demnächst  in  den  Englischen 
Studien  erscheinen  wird. 


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VIII.  II.  CS  'FORREST  OK  FANOY*. 


The  Forrest  of  Funcy.  \V herein  is  conteined  uery  pr<ty 
Apothcymes  und  pleasant  Historics,  hoth  in  meeter  und  prose* 
Sonyes,  Sonrts,  Fpiyrums,  und  Epistles,  of  diuerse  mutier  und 
in  (I werse  munner.  London  l~»79. 1  Den  Schluss  «liest*  stoff- 
lich nicht  interesselosen  Misccllany  bilden  drei  in  Prosa  er- 
zählte Novellen  ,  deren  italienische  Quellen  leicht  zu  be- 
stimmen sind: 

XnA.Seiyneor  Francisco  Veryclis,  for  u  fayr  umbliny  yefdiny, 
suffered  one  Seiyneor  Bichurdo  Maynijfiro  to  tulk  uith 
Iiis  wifc  etc.    -  Hoccaecio,  l)ec.  III  ö ; 
„  2.  Theodore  enamonred  of  Ma ister  Emeries  duuyhter  .  .  . 
yot  her  with  chihf  for  the  which  he  wus  condemned  to 
he  hunyed  etc.  —  ib.  V  7 : 
„  <\.  One  numed  Salard ,  departiny  front   Genes,   cume  to 
Monferat  wherc  he  transyressed  tltree  commuuudem» ntes 
that  Iiis  Fat  her  yaue  htm  by  Iiis  last  will  and  Testamente, 
heiny  condemned  to  dye,  was  deliitered,  and  retour  ned 
-  (K/aine  into  Iiis  owne  countrey  —  Straparola,  Piaeevoli 
Notti  l  1. 

1  cf.  Sir  l^erton  Brydjjes  „Ro^tituta"  vul.  UM  Londo  n  1815  ),  wo 
.siel«  p.  4*>«5  -7K  eine  ausführliche  InhaltMnnifalie  dieser  Sammlung  findet: 
Collier  I  2!H  ff.;  Huzlitt  p.  70.  Collier  macht  Aoc  !,  XIII  mit  Kocht 
darauf  aufmerksam ,  dass  der  Titel  dieses  Buches  durch  Forteseue's 
„Foreste  or  Colloction  of  Histnrios*  |  I.">71  )  veranlasst  sein  dürfte.  Di>r 
"Fönest  of  Fände*  selbst  erscheint  nochmals  im  17.  Jahrhundert  auf 
dem  Titelblatt  eines  linderen  Buche«:  „Claraphil  and  Clarinda:  in  a 
Fönest  uf  Fancie*-.    By  Tho.  Jordan  (out.  s.  a.  (cf.  Ilazlitt  p.  :U0.  231. 


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viii.  ii.  c.'s  fürrest  üf  fancy. 


45 


Es  musa  uns  auffallen,  dass  II.  (\  die  Namen  ver- 
schieden von  Boccaccio  bildet.  Diese  kleinen  Differenzen 
bringen  uns  zur  Erkenntnis«  der  wichtigen  Thatsache,  dass 
wir  hier  auch  für  Boccaccio's  Novellen  ein  französisches 
Mittelglied  anzunehmen  haben.  Der  Engländer  hat  nicht  aus 
dem  italienischen  Original,  sondern  aus  der,  der  Königin  von 
Navarra  gewidmeten,  französischen  Übersetzung  des  Autoine 
le  Macon1  übersetzt.  Boccaccio's  Namen  lauten  Francesco 
Vergeltest,  Ricciard  o  il  Zima,  Amerigo  —  Alaeon  hat  Fran- 
coys Vergelesi,  Le  magnific^ue  Richard,  Ewery —  II.  C.  : 
Francisco  Vergelis,  Richardo  Ma  gniffico,  Enteric.  Auch 
für  die  Novelle  des  Straparola  dürfte  der  Englander  die 
Version  des  Franzosen  Jau  Louveau2  benützt  haben,  man 
vergleiche  Straparola:  Salardo,  Genova,  Monferi  aio  —  Lou- 
veau: Salard,  Genes,  Monf  errat  —  Ii.  V. :  Salard,  Genes, 
Monferat. 

Ausserdem  treffen  wir  in  dem  „Forrest*  the  good  Karle 
of  Engers  und  den  Nastagio  Boccaccio's  (Dec.  II  8,  V  8), 
sowie  drei  berühmte  Liebespaare  der  italienischen  Novelle, 
Baudello's  Aleran  und  Adelasia  (Nov.  II  27)  und  die  Herzogin 
von  Mafji  mit  ihrem  Mnjordomus,  welchen  II.  C.  auffälliger 
Weise  Ulrico  nennt,3  uud  Ciuthio's  Euphemia  und  Acharisto 


1  Le  Decameron  de  M.  Jean  Bocence  Florentin,  noiiuelloment 
truduict  d'Italien  eu  Franeoy»  pnr  mnistre  Antoine  le  Alaeon  couseiller 
du  Roy  etc.  A  Lyon,  chez  Guillaume  Kouille,  a  VEscu  de  Venisc  M I »LI. 

2  Le«  Faceeh'use«  Nuietz  du  Seigneur  Jim  Frnneois  Strapurolc  .  .  . 
Nouuellement  traduittes  d'Italien  en  l'runcois,  pur  Jim  Louueau.  X  Lyon, 
pur  Ouill  iunie  Kouille  1  r>f ><l. 

s  Die  betreffende  Stelle,  die  sich  in  einem  Prosa-Brief:  A  yong 
mint,  beiny  in  Jone  nith  a  foyre  yetitlenowan  .  .  .  desyreth  to  he  aeeepted 
for  her  huaband  findet,  lautet:  Kuphijm]ia  Daughter  to  the  King  and 
heyre  to  the  mnene  of  the  Kingdome  of  t.'orinth,  ntatehed  her»elfe  icith 
Acharisto  her  fothern  hondman.  The  Ihitehesse  of  Mnlfey  chatte  for  her 
hmsbande  her  seruaunt  l'lrico  Wie  H.  C.  auf  diesen  Namen  kam,  ver- 
mag ich  nicht  zu  Hagen:  bei  Bandello  (I  26)  heisst  der  Gatte  der  Her- 
zogin Antonio  Bologna,  und  ebenso  bei  Belieferest  und  Painter.  Robert 
Greene  hat  in  »einer  „Card»'  of  Fancie"  den  obigen  Passus  des  „Forrest 
of  Fannie1*  offenbar  auageschrieben:  Efn/phifmjia  danyhter  to  the  hing 
of  Corinth,  and  heire  apparent  to  his  craime,  who  for  her  featnre  uns 
fnmonsthronghont  all  the  Hast  conntrics,  vonchanfrd  to  nppliea  snnemigne 


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4ß 


VIII.  H.  C       FORRKST  OF  FANCY. 


(Hec.  VIII  10).  Der  italienische  Stempel  ist  somit  auch 
dieser  Sammlung  tief  eingeprägt,  doch  scheint  H.  C.  seine 
Kenntniss  der  italienischen  Litteratur  den  französischen  Über- 
setzern und  Painter  zu  verdanken. 

plaister  to  the  furioua  passions  oj  Acharisto  her  fathers  bondman.  The 
dutchesse  of  Malphey  chosc  for  her  husband  her  seruant  Vlrico  (vgl. 
vol.  IV  p.  118,  und  oben  p.  52).  Der  Name  Ulricoy  und  wohl  auch  die 
beiden  Stellen  gemeinsame  Form  Kuphiitia  für  Euphemia ,  verrathen 
das  Plagiat. 


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IX.  BARNABE  KICtlE. 


A  right  excelent  and  pleasaunt  Dialoque,  betmne  Mer- 
cury  and  an  English  Souldier:  conteyning  Iiis  Supplication 
to  Mars :  Beivtified  with  snndry  worthy  Histories,  rare  inven- 
tions  and  politike  deuises.  Written  by  B.  Rieh.  London  1574. 
Diese  erste  uns  erhaltene  Schrift  des  begabten  Autors  fällt 
in  die  Zeit  der  grössten  Beliebtheit  der  italienischen  Novelle, 
und  obwohl  das  von  Riehe  behandelte  Thema  dem  Gebiete 
der  Erzählung  sehr  fern  liegt,  hat  er  es  doch  zu  Wege  ge- 
bracht, der  Mode  zu  huldigen.  Nachdem  sich  Mercur  mit 
dem  Soldaten  über  militärische  Diuge  unterhalten  hat,  werden 
wir  an  den  Hof  der  Venus  versetzt,  in  deren  Palast  Riehe 
herrliche  Wandteppiche  sieht,  geschmückt  mit  the  pitiftdl 
history  of  Romcus  and  Juletta,  Gismondo  and  Guistardo, 
Piramus  and  Thisbe,  Livio  and  Camilla^  and  of  many  other 
loving  wightes.  Die  traurige  Geschichte  von  Livio  and 
Camilla  stammt  aus  Bandello  I  33:  Dui  Amanti  si  trouano 
la  notte  insieme,  e  il  Giouine  di  gioia  si  muore,  e  ht  Fan- 
ciulla  di  dolor  s'aecora.  Sie  findet  sich  in  Feuton's  'Dis- 
courses'  (No.  2  vgl.  p.  14),  wo  sie  Riehe  kennen  gelernt 
haben  dürfte,  denn  wir  erhalten  einen  weiteren  Beweis  dafür, 
dass  er  Fenton  gelesen  hatte.  Er  hört  nämlich  am  Hofe  der 
Venus  die  Geschichte  von  der  unheilvollen  Liebe  der  Dame 
von  Chabry  erzählen  =  Fenton  N  9  (vgl.  p.  14)  =  Ban- 
dello  II  33  Inforttmato  et  infausto  Amore  di  Madama  di 
Cabrio  Prouemale  con  im  suo  procuratore,  e  morte  di  molti. 

1  cf.  Collier,  Account  II  242  ff.,  auf  dessen  Beschreibung  nieine 
obigen  Angaben  beruhen.  Das  Werkohcn  nelbst  habe  ich  nicht  gosehen. 


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4H 


IX.   KARNABE  RICHE. 


Da  Riehe  schon  in  diesem  seinem  Erstlings- AVerkchen, 
in  welchem  er  als  Soldat  für  den  Soldatenstand  eintritt,  Lust 
zum  Fabulieren  hekuudet,  kann  es  uns  nicht  überraschen, 
dass  er  sich  in  einer  späteren  Schritt,  auf  deren  Titelblatt 
und  in  deren  Vorrede  er  der  militärischen  Laufbahn  valet 
sagt,  ganz  als  Erzähler  gibt,  in  Riehe  his  Farewell  to  Mili- 
tarie  profession  :  conteining  cerie.  pleasaunt  diseourses  fit  for 
a  peamthle  tyme.x  vom  Jahre  in  unserem  Jahrhundert 

neu  herausgegeben  für  die  Shakespeare  Society-.  Das  Ruch 
enthält  im  Ganzen  !*  Erzählungen,  da  auch  in  The  Conclusion 
des  Verfassers  «»ine  Geschichte  eingekochten  ist.  Riehe  selbst 
gibt  in  der  Epistel  To  the  Readers  in  generali  folgende  Aus- 
kunft über  die  Entstehung  seiner  Geschichten  :  The  histories 
(altogether)  are  eight  in  number,  whereof  the  first,  the  se>  onde, 
the  fift,  the  serenth  and  eight,  are  tales  that  are  bat  foraed 
onely  for  defight,  neither  *redihte  to  be  beleved,  nor  hurt  fall 
to  be  perused.  The  third,  the  fourth,  and  the  sixt  are  Italian 
histories.  written  tikeicise  for  pteasure  by  Maister  L.  B.  (p.  10). 
Diese  Angaben  entsprechen  insofern  der  Wahrheit,  als  die 
8.,  4.  und  f».  Novelle  in  der  That  italienischer  Herkunft  sind; 
die  Initialen  L.  R.  hingegen  scheinen  den  harmlosen  Zweck 
zu  haben,  eine  unbefugte  Neugierde  auf  eine  falsche  Fährte 
zu  leiten.  Denn  Riehe  hat  diese  Novellen  nicht  einem  un- 
bekannten Herrn  L.  R.  entlehnt,  sondern  den  'Hocatommithf 
des  sehr  bekannten  Giraldi  Ointhio,  was  bisher  noch  nicht 
hervorgehoben  wurde.  Seine  dritte  Geschichte  Of  Nicander 
and  Lucilla  (p.  U2  ff.)  entspricht  der  dritten  Novelle  der 
sechsten  Dekade:  Don  Hercole  da  Este,  ama  vna  Giouane, 
priuafa,  la  Madre  di  lei  glie/e  da  in  sua  balia .  la  Giouane 
lo  prega  a  non  essere  eon  lei,  ina  a  darin  per  moglie  ad  vn 
suo   Amante ;  Don    Hercole   cortese,  e  datale  la  dotey 

adempie  il  desiderio  delln  Giouanr,  e  salua  la  sua  honesta;'* 
die  vierte  Geschichte  Of  Fineo  and  Fiamtna  (p.  111  ff.)  der 

•  et   Collier  1.  o.  p.  247  ff. 

2  Kight  Noveln  employed  by  Engliah  Dramutic  Poets  of  the  reign 
of  Queen  Klizubeih.  Originally  publislod  by  Bnrtmby  Hiebe  in  the  year 
löSl.    London,  pr.  l'or  the  Sh.  Soc.  1846. 

3  of.  über  ähnliche  Erzählungen  Dunlop-Liebreebt  p.  280. 


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IX.  BAKXAHE  RIOHK. 


49 


sechsten  Novelle  der  zweiton  Dekade:  Fianima  awa  Phineo, 
e  egli  fei,  il  Padre  della  Giouune  P  contrario  al  loro  amore : 
Phineo  vieti  j)reso,  e  Ugato  gli  le  mani,  c.  i  piedi  e1  posfo  in 
vna  harca  solo,  nella  quäle  e  preso  da  corsali;  Fugge  sinril- 
mente  Fiammn  dal  Padre,  per  non  volere  altro  marito,  e 
presa  anch'  ella  da  corsali  etc. ;  die  sechste  Geschichte  Of 
Gonsales  and  his  rertuous  icife  Agatha  (p.  157  ff.)  der  fünften 
Novelle  der  dritten  Dekade:  Consaluo^  pigliata  Agata  per 
moglie,  s'innamora  di  vna  meretrice,  .<?/  delihera  di  auelenare 
Agata  ;  Vno  Scolare  gli  du  in  vece  di  veleno  poluere  da  far 
dormire,  la  da  egli  afla  Moglie,  la  quak  oppressa  dal  sonno, 
e  sepellita  per  morta  etc. 

In  diesen  drei  Erzählungen  lernen  wir  Riehe  als  sprach- 
kundigen und  gewandten  Übersetzer  kennen.  Wenn  er  nun 
diesen  Übersetzungen  seine  anderen  Geschichte  als  Inf  forged 
onelg  for  delight  gegenüberstellt,  so  dürfen  uns  diese  Worte 
nicht  glauben  machen,  dass  wir  in  ihnen  durchgehends  freie 
Gebilde  seiner  Phantasie  zu  erkennen  haben.  Schon  der 
Herausgeber  des  Neudruckes  der  Shakespeare  Society  hat 
bemerkt,  dass  Kicho's  zweite  Novelle:  Of  Apolonius  and  Silla 
(p.  67  ff.) ,  welche  als  Quelle  von  Shakcsponre's  Twelfth 
Night'  berühmt  wurde, 1  auf  Bandello  II  36  und  die  der 
Conclusion  eingefügte  Geschichte  auf  Machiavelli's  köstlicher 
Historie  von  dem  Erzteufel  Kclfagor-  beruht.  Diese  letztere 
Geschichte  hat  Riehe  verdorben,  die  Liebe  der  Silla  hin- 
gegen hat  er,  romantisch  geschmückt,  sehr  gut  erzählt;  man 
begreift,  dass  sie  Shakespeare' s  Aufmerksamkeit  fesseln 
konnte. 

Auch  in  den  übrigen  Novellen  Kielte'»  wird  man  oft 
durch  ein  bekanntes  Motiv  geneckt,  ohne  dass  man  bei  der 
Verfolgung  desselben  zur  Quelle  der  ganzen  Geschichte  ge- 
führt würde.  So  verbirgt  z.  K.  in  der  fünften  Geschichte: 
Of  two  Urethren  and  their  Wives  (p.  126  ff.),  Kielte's  Mistrcs 
Dorotie  ihren  Lawier  in  einem  Koffer,   wie  Cinthio's  Bice 


1  Cf.  „Shakespeare^  Library"  Part.  I  vol.  I  p.  387  ff. 
*  Cf.  Classici  Italiani :  Machiavelli  vol.  IX  (Milano  1804) ;  vol.  CXVII 
<ler  ganzen  Sammlung. 

qf  lxx.  4 


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50 


IX.  BARNABE  RICHE. 


iliron  GiudireJ  und  der  eingekofferte  erhalt  derbe  Schläge, 
wie  der  in  einen  Mehlsack  gesteckte  Messer  Simplicio  dv' 
ftossi  StraparolaV  —  weiter  geht  die  Übereinstimmung  in 
beiden  Fällen  jedoch  nicht.  Wir  haben  es  eben  auch  hier 
wieder  mit  Mosaik-Arbeiten  zu  thun ,  deren  Material  zum 
grössten  Theil  aus  Italien  bezogen  ist.  Immerhin  ist  die 
Möglichkeit  keineswegs  ausgeschlossen,  dass  sich  für  die  eine 
oder  die  andere  der  in  Frage  kommenden  vier  Novellen  (Xo.  1 : 
Sappho  Duke  of  Muntona  ;  Xo.  5  wie  neben ;  Xo.  7 :  Of  Araman- 
thun,  Lome  a  leper ;  Xo.  H:  Of  Phylotus  and  Emilia)  die  Quelle 
noch  genauer  bestimmen  lassen  wird. 

1  Doeft  III  Nov.  III:  Jiiee  ama  Pam  philo,  e  .sv  (jode  con  lui\  il 
quäle  per  ulcuni  giomi  #i  aflontana  da  lei ,  ella  in  gnel  tewpo  si  giace 
con  vn  (Hudicr  dclla  c itta ;  llilonia  Patn  philo  ulhi  i-pronedatu,  incntrr 
ella  }  eol  (iiudice:  onde,  temendo  di  von  essci  t  eolfn  con  lui,  sJ,  che 
Camante  recida  Vuno,  e  Valtro,  fa  nitrure  il  Giodice  in  m  cofano  etc 

?  Notto  II  Favola  IV. 


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X.  ROBERT  OREENE. 


Robert  Greene  ist  in  seiner  erzählenden  Prosa  auf  dem 
von  Tilnay  und  Whctstone  betretenem  Wege  weiter  gegangen. 
Eines  seiner  ersten  Werke:  „Morando.  The  Tritamcron  of 
Loueu,  (1584)  ist  vollkommen  mieb  dem  Plane  des  Whet- 
stono'sehen  'Heptaineron'  gebaut,  und  auch  später  benüt/.t  er 
das  bequeme,  dehnbare  Schema  der  Ivahmen-lM/.ählung  sehr 
häufig.  Der  italienischen  Novelle  hat  aueh  (Jreene  manehes 
Motiv  entlehnt,  aber  das  fremde  (iut  ist  bei  ihm  nieht  so 
leieht  von  seiner  eigenen  Habe  zu  scheiden,  wie  bei  Whot- 
stone.  Dieser  wird  matt,  sobald  er  selbst  zu  erfinden  beginnt, 
dem  phantasievollen  (Jreene  hingegen  ist  manche  eigenartige 
Schürzung  des  Knotens  geglückt,  so  dass  man  sich  hüten 
muss,  bei  ihm  nicht  zur  Unzeit  an  voleur  zu  rufen. 

Mit  Yerwerrhung  der  Angaben  Grosarfs  in  seiner 
grossen  Ausgabe  der  Grcenc'schen  Werke1  und  auf  Grund 
eigener  Leetüre  will  ich  versuchen,  aus  der  ungeheueren 
Menge  der  Greene'schen  Prosa  seine  Beziehungen  zur  italie- 
nischen Novelle  herauszuheben.  Die  dramatischen  Dichtungen 
bleiben,  um  die  Gräuzen  dieser  Studie  nicht  zu  überschreiten, 
vorläufig  unberücksichtigt. 

„Mamillia"  (158.'})  bietet  nur  eine  Anspielung  auf  eine 
bekannte  Novelle  liandello's  (II  44):  What  a  cold  coufect 
had  tlte  Lord  Meitdozzu  at  the  Dutcltes  of  Sauoyes  hund? 
(vol.  II  p.  34). 

1  Cf.  The  Life  and  Complote  Work«  in  Pioho  and  Verse  of  Robert 
Orrenc    In  1")  Volumen    London  issi  sß  (The  Iluth  Library}. 

r 


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52 


X.  ROBKRT  OREENK. 


„Morande.  TheTritamcron  of  Loueu  (15S4):  In  MoraimVs 
Landhaus  werden  von  einer  aus  Damen  und  Herren  be- 
stehenden Gesellschaft  allerlei  Streitfragen  erörtert.  Das 
Thema  des  ersten  Tages  ist:  Amore  Ja  molto,  tun  uryentn 
fa  ttttto.  Ja,  bei  Männern!  s:igt  I*anthia.  Nein,  lau  den 
Frauen!  sagt  IVratio.  Für  die  Unoigennützigkeit  des  weib- 
liehen Geschlechtes  führt  Laeena  folgende  Beispiele  an:  Did 
not  Campaspe  prefer  pore  Appell  es  before  tniyhlie  Ah  .raudt  r. 
aud  that  louelie  Lady  Euplnuiu  rhooxe  Aehnrisfo  her  Fntlars 
bondman?1  vgl.  Cinthio's  „lIocatommithiu  V f 1 1  10.  Am 
zweiten  Tag  (The  seeonde  daies  diseourse)  \erfheidig(  Sil- 
vestro  die  veredelnde  Wirkung  der  Liebe  mit  dem  schönen 
Anfang  einer  berühmten  Novelle  Boecaeeio's:  Aud  to  pruue 
this  premisses  trith  a  partieular  instannre,  I  remembvr  that 
nur  eouutriman  Boeeaee  in  Iiis  Ihrmnvrun  brinyeth  in  one 
Chymon  a  Laeedemonian,  trho  was  tnore  wenlthie  tlan  ttittie, 
aud  of  yreater  pnssession  then  yood  epttdities,  yiuen  from  his 
hirth  to  he  a  seruile  drudye  by  nature,  and  eould  not  by  his 
friendes  be  haled  from  his  ehirnish  State  by  nurture.  Sil- 
vest.ro  gibt  eine  kurze  und  in  den  Nebenumständen  von  dem 
Original  abweichende  Version  der  wunderbaren  Wandlung  des 
Cimone  aus  Pec.  V  1. 

„Gwydonius.  The  Carde  of  Faneieu  (15S4):  Gwydonius, 
der  die  spröde  Castania  liebt,  spielt  in  einem  seiner  Liebes- 
briefe auf  Eupkiniu  und  Aeharisfo  an  und  fügt  als  weiteres 
Beispiel  hingebender  Liebe  bei:  The  duti  lasse  of  Malphry 
ehose  for  her  husband  her  seruant  Vlriro-  (vol.  IV  p.  IIS) 
vgl.  Bandello  I  2b.  Auch  sein  Nebenbuhler  Valericus  er- 
innert sich  der  verhängnissvollen  Liebe  der  Königstochter 
von  Corinth  für  den  niedriggeboreneu  Acharisto  (vol.  IV 
p.  132). 

„Perimedes  the  Blaeke-Smith*  (1588):  Grosart  (vol.  I 
p.  93)  hat  bereits  bemerkt,  dass  die  erste  Geschichte,  welche 

1  Der  'Morando'  steht  im  dritten  Bunde  der  Grosnrt'schen  Aus- 
gabe, ich  muss  jedoch  ausnahmsweise  nach  dem  Text  der  oditio  prineeps 
citieren. 

*  Vergl.  über  diese  ganze  Stelle,  die  Greene  abgeschrieben  hat, 
oben  p.  4.">  Anm.  \\. 


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X.  HO  BEUT  GREESE. 


5H 


lVrimode*  seiner  Gattin  Pelia  erzählt,  auf  Boccaccio  Poe. 
II  »i  beruht  (ef.  vol.  VII  p.  14  ff.  The  first  niyhts  <liscuurse; 
p.  2't  ff.  Perimedes  Tale).  Greene  hat  neue  Namen  einge- 
führt, den  (rang  der  Handlung  «bor  nur  wenig  geändert.  — 
I  ber  die  Quelle  der  zweiten  Geschichte  (The  seeond  niyhts 
discuttrse  p.  43  tf.  Z)<7<V/  A/r  fale  p.  47  ff.)  äussert  sieh  < J r< »- 
sart  nicht,  obwohl  sie  auch  dein  „Pecameron"  entlohnt  ist. 
Wir  erkennen  in  ihr  eine  genaue  Keproduction  der  zweiten 
Novelle  des  fünften  Tages :  (iustttma  ama  Martucciu  (unnitus 
la  ijmde  udendn  che  inorto  era,  per  disperuta  solo  si  wette 
in  u>ui  barea  etc. 

^Cicoronis  Amor.  Tullies  Lone"  ( I r>S!>) :  In  dieser 
Liebes-Goschichte,  deren  Personen  klassisches  ( 'nstiim  tragen, 
entdecken  wir  mit  einiger  l 'borraschung  «las  ( 'imonc-Mntiv 
Boccaceio's.  Der  römische  Senator  Vatinins  hat  einen  schönen, 
aber  blöden  und  rohen  Sohn,  der  wegen  seiner  rnbeliolfen- 
heit  Fabius  the  Foule  gescholten  wird.  Auf  ein  Landgut 
verbannt,  findet  er  eines  Tages  im  Walde  ein  schlafendes 
Mädchen,  Terentia,  die  Geliebte  Tully's.  Fabius  versinkt  in 
den  Anblick  der  schlafenden  Schönheit,  und  an  dieser  Stelle 
erhalten  wir  den  Beweis,  dass  Greene  den  Text  Boccaccio** 
vor  sich  liegen  hatte.  Kr  schreibt:  In  this  huntuur  he  beyan 
tu  descaut  uf  her  senerall  beauties,  praysiny  hir  huire  tu  he 
uf  t/ulde,  hir  furchend  uf  Juurie,  hir  Ups  coro/,  and  ubuue 
all  hir  tiro  breast  s  whieh  then  beyun  tu  appeure  like  pretic 
t ender  bnddes,  in  such  simple  surt  so  distiuyuishiny  uf  her 
fnuuurs,  that  front  a  y rosse  clutene  hee  bet  aute  tu  be  a  Judyc 
uf  lieuutie:  esper'udly  couetiny  tu  see  hir  eyes  which  heuuie 
sfrepe  lind  shut  up,  ileferntiuiny  offen  io  haue  truhed  hir  tu 
haue  ronlenled  himselfe  wilh  tluir  siyht  (vol.  VII  p.  ISO) 
in  theil weise  wörtlichem  Anschluss  an  Dec.  V  1  :  E  (juiwi 
cuminrio  a  disfiuyuer  le  purti  di  lei,  lodando  i  capelli,  Ii 
ffuali  d'oro  estimaca,  la  fronte,  d  nuso,  e  la  bocen ,  la  yola, 
e  le  brucciu,  e  sommmnente  il  petto,  poeo  aneuru  rilevatu. 
F  di  laruruture,  di  bellezzu  subitantente  yiudice  tfinenufo,  scru 
suuimamente  disideraea  di  eeder  yli  occhj,  Ii  r/uali  esstt,  da 
a/tu  sonnt)  y  rannt  i,  tenecu  chiusi:  e  per  rederyli,  piu  rotte 
ebbe  euluntä  di  destarbt.     Fabius  wird  verständig  und  der 


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51  X.  KOBKKT  GREENE. 

Nebenbuhler  Tully's.  Dann  treten  die  lliuptge.<talten  der 
Erzählung  in  den  Vordergrund,  und  die  Ähnlichkeit  mit 
Boccaccio^  Novelle?  verliert  sieh. 

„The  Spanish  Masquerado*  (1589):  In  dem  fünften 
Abschnitt  dieses  gegen  Spanien  und  den  römischen  Klerus 
gerichteten  Pamphlets  fällt  Greene  über  die  Monkes.  Frier.?, 
und  dir  ging  Priestes  her,  und  tischt  mit  Behagen  zwei  der 
antiklerikalen  Novellen  Boccaccios  auf:  Of  this  generation 
John  Iiuccace  in  Iiis  Derameron  tel/eth  manie  pretie  tales:  of 
Iht  ir  Lecherie,  as  tvhen  /\rier\ 1  Albert  ttnder  ihe  shape  of  the 
Angell  GttbrieH  lag  uith  Dame  Lecetta:  oftheirfahe  Legendi*]* 
von  welchen  er  dann  noch  die  köstliche  Geschichte  von  dem 
lernte  Cipolla  zum  Besten  gibt,  der  den  Bauern  statt  der 
Feder  von  dem  Flügel  des  Erzengels  Gabriel  Kohlen  von 
dem  Hoste  des  h.  Lorenz  zeigt  (vgl.  vol.  V  p.  2b'Ö  und 
Dee.  IV  2.  V[  10).  Diese  offenkundigen  Entlehnungen  aus 
Boccaccio  sind  natürlich  auch  Grosart  aufgefallen  (vol.  1 
p.  101). 

„Philomela.  The  Lady  Fitzwaters  Nightingale*  (1502): 
Schon  Dunlop,  der  eine  ausführliche  Analyse  dieser  rührenden 
Geschichte  gibt,2  hat  hervorgehoben,  dass  die  Schlussepisode 
derselben,  die  Selbstanklage  der  beiden  Gutren,  der  Kata- 
strophe der  berühmten  Freundsehafts-Novelle  Boccaeeio's  von 
Tito  und  Gisippo  nachgebildet  ist.  Dass  Greene  dieser  Freund- 
schafts-Typon  selbst  wiederholt  gedenkt, :J  verdient  kaum  er- 
wähnt zu  werden. 

Sehr  wahrscheinlich  wird  sich  bei  umfassenderer  Be- 
lcscnhcit  noch  für  manche  andere  Erzählung  Greene'«  die 
Benützung  einer  fremden  Vorlage  uachweisen  lassen.  Ich 
erlaube  mir  deshalb,  da  Greeno's  Werke  auf  dem  Continont 
nur  schwer  zu  besehaffen  sind,  knappe  Analysen  derjenigen 
Novellen  Greene'*  anzufügen,  in  welchen  ich  fremde  Elemente 
zu  erkennen  glaube. 

„  Planotomachia  ( 1 585)\  V cutis  Tragedie  (vol.  V  p.  5 1  ff.). 

1  Grostirt:  /<oV,  wohl  ein  alter  Druckfehler,  vjrl  Hoccaeeio*« 
/rate  Alberto 

1  Cf.  Dunlop-Liebreeht  p.  I.T>  tV. 

s  Orosart's  Ausgabe  vol.  IV  p.  211;  vol.  VII  p.  243. 


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X.  ROBERT  GREESE 


55 


Tin  *1  * »ii  Sirurni«  als  Unheilstifter  zu  brandmarken,  erzahlt 
Venus  folgende  Geschichte:  "In  Ferrara  lebte  der  böse 
Herzog  Valdracko,  mit  seiner  Tochter  Pasylla,  in  welche 
Kodento,  der  Sohn  des  Coute  Goelio,  verlieht  ist  ,  trotz  der 
zwischen  ihren  Häusern  bestehenden  Feindschaft.  Valdracko 
findet  in  dem  Gemach  seiner  Tochter  einen  Brief  Rodento's, 
und  begünstigt  die  Verbindung  der  Liebenden,  um  seine 
'  Feinde  desto  sicherer  verderben  zu  können.  Nach  der  Hoch- 
zeit lässt  er  den  Grafen  Goolio  orschiessen  und  seinen 
Schwiegersohn  von  dem  Mundschenken  vergiften.  Der 
Schmerz  der  jungen  AVittwe  wirkt,  jedoch  so  erschütternd, 
dass  der  G iftmischer  selbst  Gift  nimmt  und  vor  seinem  Tode 
Valdracko  als  den  Vrheber  des  Frevels  bezeichnet.  Pasylla 
fesselt  ihren  schlafenden  Vater  an  Händen  und  Füssen,  hält 
ihm  bei  seinem  Erwachen  seine  Sünde  vor  und  ersticht  ihn 
mit  demselben  Schwerte,  mit  dem  sie  nach  dem  Vatermord 
ihrem  eigenen  Leben  ein  Ende  macht.44  Dieses  Blutbad 
unter  Verwandten  dürfte  Greene  dein  Giraldi  Cinthio  nach- 
erzählt haben,  der  in  der  zweiten  Novelle  der  zweiten  Dekade 
ebenfalls  den  Schwiegervater  den  Schwiegersohn,  die  Tochter 
den  Vater  und  sich  selbst  töten  lässt.  Satunies  Trayedie 
(p.  104  ff.).  Saturn  rächt  sich  durch  eine  Geschichte,  deren 
tragische  Verwickelungen  nicht  dem  Hass,  sondern  der  Liebe 
entspringen:  „Der  schönen  Buhlerin  Rhodopis  in  Memphis 
raubt  ein  Adler  einen  ihrer  goldgestickten  Schuhe,  den  er 
in  den  Garten  des  Königs  Psammetichus  trägt.  Der  alte 
König  verliebt  sich  in  den  Schuh,  ermittelt  mit  Hülfe  des 
Zauberers  Nestes  die  Besitzerin,  und  erhebt  sie,  trotz  ihres 
übelen  Rufes,  zu  seiner  Gemahlin."  Soweit  bewegen  wir 
uns  auf  bekanntem  Boden;  die  Genesis  der  oft  behandelten 
Geschieht«;  der  roseuwangigen  Buhlerin  hat  neuerdings  Julius 
Riegel  eingehend  besprochen  l.  Den  Schluss  der  Geschichte 
scheint  Greene  selbst  nach  berühmten  Mustern  zusammen- 
gestellt zu  haben:  „Philarkes,  der  Sohn  des  Königs,  ist  empört 

'  [n  seiner  inhaltsreichen  Doctorsehrift  'Die  Quellen  von  William 
Morris  Dichtung  Tin?  Karthly  Paradise'  (Erlanger  Beitrage,  IX),  Er- 
langen 1S90;  p  öl  IT. 


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X.  KüBKRT  (iRKENK. 


über  die  unwürdige  Wald  seine«  Vaters,  aber  seiu  Hass  ver- 
wandelt sieh  bald  in  leidenschaftliches  Verlangen,  dem  sieh 
Khodopis  nicht  versagt.  Sie  werden  von  dem  König  über- 
rascht und  getötet.    Psammetichus  vergiftet  sich/ 

,,1'enelopcs  Web-4  (1587).  Ponelope  erzählt  ihren  Mägden 
beim  Weben  drei  Geschichten.  I'envlopes  Tale  (vol.  V  p.  1 08  ff.) : 
„Oer  Sultan  Saladin  von  Egypten  verstösst  seine  tilgend  hatte 
Gemahlin  Harmenissa,  und  vermählt  sich  mit  der  Buhlerin 
Olyuda ,  gegen  welche  sich  die  egyptischon  Grossen  ver- 
schwören. Harmeuissa  rettet  ihre  Nebenbuhlerin  und  ge- 
winnt durch  diesen  Edelmuth  das  Herz  ihres  Gatten  und  die 
Krone  wieder44.  —  Pendopes  aecond  täte  (p.  203  ff):  „Oala- 
nuis  von  Ithaca,  ein  grosser  Verschwender  und  Wüstling, 
findet  Gefallen  an  der  hübschen  Häuerin  Cratyna,  die,  mit 
Lestio  vermählt,  von  ihrem  neuen  Verehrer  nichts  wissen 
will.  Calamus  vertreibt  deu  Bauern  von  Haus  und  Hof,  und 
entführt  (Vatvna,  die  ihm  jedoch  wieder  entflicht  und  zu 
ihrem  Gatten  zurückkehrt,  der  in  den  Dienst  eines  Köhlers 
getreten  ist.  Um  weiteren  Nachstellungen  zu  entgehen, 
nimmt  die  junge  Frau  männliche  Kleidung  an;  trotzdem 
wird  sie  schliesslich  von  Calamus  entdeckt,  aber  nicht  mehr 
belästigt,  sondern,  aus  Bewunderung  für  ihre  standhafte 
Tugend,  mit  Gesehenken  überhäuft/  —  Pemlnpes  third  Ude 
(p.  228  ff.):  Arimenes,  der  Herrscher  von  Dolos,  hat  drei 
Söhne ,  von  welchen  er  denjenigen  zu  seinem  Nachfolger 
machen  will,  der  die  tugendhafteste  Gattin  besitzt.  Zwei 
der  Frauen  rühmen  sich  selbst  und  gerathen  dabei  in  Streit; 
die  Frau  des  Jüngsten  schweigt  und  sagt  erst  auf  die  Frngo 
des  Königs:  He  thal  (jaimth  a  Crownc,  getteth  care:  is  it 
not  foUie  Ilten  to  hunt  after  Urne?  (p.  232).  Ihr  Gatte  erhält 
die  Krone44.  Die  Ankunft  des  Ulysses  unterbricht  die  Arbeit 
und  das  Gespräch  der  Weberinnen. 

„Greenes  Vision44  (1502?). 1  In  dieser  Vision  machen 
sich  Chaucer  und  tnoral  Gower  den  zerknirschten  Greene 


1  Die  Echtheit  dieser  Schrift  ist  nicht  über  jeden  Zweifel  erhaben, 
vgl.  Dyco  „The  Diunmtio  and  Poeticnl  Works  of  R  G.  uud  George 
Peelew  (  London  18Ü1)  p.  80;  Collier  Account  vol.  I  p.  337  f.  Mir  scheint 


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X.  ROBERT  GRKEKE. 


57 


streitig.  Chaucer,  dem  die  Rolle  des  hosen  Engels  zuge- 
thoilt  ist,  erzählt,  diesem  Charakter  entsprechend,  eine  sehr 
schlüpfrige  Geschichte,  die  grosse  Ähnlichkeit  mit  den  italie- 
nischen Schwänken  dieser  Gattung  hat:  (Jhawcers  tule  of 
Jealosk  (vol.  Xfl  p.  224  ff.) :  „Der  Wagnermeister  Tomkins 
in  Gramichester  hei  Cambridge  heirathet  das  hübsche  Milch- 
mädchen Kate,  die  eine  Liebschaft  mit  einem  Studenten  von 
Cambridge  hat.  Das  übermüthige  Paar  beschlicsst,  dem 
eifersüchtigen  Tomkins  einen  Possen  zu  spielen.  Der  Student 
setzt  ihn  in  Kenntniss  von  der  Untreue  seiner  Gattin,  und 
zeigt  sie  ihm  auf  dem  Schoss  eines  anderen  Studenten. 
Dann  gibt  er  ihm  einen  Schlaftrunk,  Tomkins  wird  heim- 
gesehafft ,  und  wie  er  erwacht  und  seine  Frau  zur  Rede 
stellen  will,  wird  ihm  weis  gemacht,  er  habt;  eine  schwere 
Krankheit  überstanden,  während  welcher  er  die  hässlichen 
Träume  gehabt  haben  müsse". 

Aber  auch  zugegeben,  dass  meine  Zusammenstellung  von 
Greonc's  Reminiscenzon  aus  italienischen  Novellen  keine  ab- 
schliessende ist,  zwei  Thatsachen  gehen  jedenfalls  mit  ge- 
nügender Deutlichkeit  aus  ihr  hervor  —  erstens,  dass  Greene 
mit  Vorliebe  aus  dem  Urquell  der  italienischen  Novelle,  aus 
Boccaccio'»  „Decamerou" ,  schöpfte;  zweitens,  dass  er,  der 
mit  seiner  Belescnheit  zu  prunken  und  Heispiel  an  Beispiel 
zu  reihen  liebt,  die  Gestalten  der  italienischen  Novelle  auf- 
fallend selten  verwendet.  Das  ist  ein  beachtenswertes  Factum, 
denn  Greene,  der  von  seiner  Feder  lebt  und  deshalb  in  engster 
Fühlung  mit  seinem  Publikum  steht,  ist  ein  verlässiger  Baro- 
meter, der  jede  Schwankung  des  herrschenden  Geschmackes 
anzeigt.  Als  Greene  zu  schreiben  begann,  staud  Lyly's  lite- 
rarischer Stern  in  seinem  Höhepunkt,  und  der  tief  einge- 
prägte Stempel  des  Kuphuismus  hat  sich  in  Greenc's  Stil  nie 
ganz  verwischt.  Aber  es  lässt  sich  in  seinen  Romanen  doch 
deutlich  erkennen,  wie  die  Extravaganzen  des  Euphuismus 
allmählich  aus  der  Mode  kamen,  von  der  Mitte  der  achtziger 
-fahre  an  bemerken  wir  eine  bedeutende  Abschwächung  des 


Dyce'a  Ansicht,  der  die  Vision  selbst  für  echt  hillt,  »ehr  viel  für  sich 
zu  haben. 


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58 


X.  ROBERT  OREEKR. 


ciipluiisrischon  Elementes.  Eine  ähnliche  Beobachtung  machen 
wir  betreffs  der  Helden  der  italienischen  Novelle,  die  sieh 
nach  dem  'Palace  of  Pleasure'  grosser  Popularität  erfreuten. 
In  den  achtziger  Jahren  scheint  die  Leser-Welt  ihrer  über- 
drüssig geworden  zu  sein ,  und  Greene ,  der  seine  ersten 
Komane  noch  mit  ihren  Namen  schmückt,  streicht  sie  bald 
von  der  Liste  seiner  literarischen  Ornamente. 


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XI.  HR  VAX  MKLBANCKE. 


Phäotimns.  The  Wurre  hetw'wt  Natureand  Fortune.  Com- 
fiiledby  Bryun  Melbunclce  Student  in  Grates  Inne.  London  ln83.] 
Der  Verfasser  dieses  sehr  oonf'usen  Buches  stellt  uns  two 
distrexsrd  wighles  vor,  l'andolpho  und  Feriauder;  Pandolpho 
erzählt,  seinem  niedergeschlagenen  Freunde  zum  Trost,  die 
Geschichte  des  Philotimus.  Die  Haupthandlung  dieser  höchst 
reizlosen  Erzählung  lässt  sich  in  wenige  Worte  fassen  :  Philoti- 
mus, der  Sohn  des  Statthalters  von  Man t im,  lieht  Aurelia,  die 
ihm  untreu  wird;  er  geht  auf  Reisen,  erlebt  allerlei  Aben- 
teuer, und  mit  seinem  Eintritt  in  den  Dienst  eines  Fürsten 
bricht  die  Geschichte  ab.  Eine  in  Aussicht  gestellte  Fort- 
setzung scheint  nicht  veröffentlicht  worden  zu  sein. 

In  den  zahlreichen  und  breit  ausgeführten  besprächen 
und  Briefen  dieser  Erzählung  hat  Melbancke  seiue  Belesenheit 
in  sehr  unkünstlerischer  Weise  verwerthot.  Uns  kann  dabei 
nur  seine  Benützung  eines  der  weniger  häufig  genannten 
Werke  Boccaccio's,  des  „Filocolo",  interessieren.  Boccaccio 
hat  in  die  uralte?  Liebosgeschiehte  von  Florio  und  Bianco- 
fiore  bekanntlich  eine  moderne,  neapolitanische  Episode  ein- 
geschoben, die  als  eine  Vorstudie  für  das  „Decamoron"  gelten 
kann:  ein  glänzender  Kreis  von  schönen  Damen  und  Herren, 
der  einer  selbstgewählten  Königin  gehorcht,  erzählt  Geschichten, 
in  welchen  höchst  subtile  Streitfragen  aufgeworfen  werden.  - 

1  Eine  ziemlich  eingehende  Besprechung  dieses  Buches  findet 
sich  in  dem  .,  British  Bibliographer"    vol.  II  (London  1812),  p.  438  ff. 
a  Näheres  bei  Gtispary  OIL  vol.  II  p.  3  ff. 


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üü 


XI.   HKYAN  MELHANCKK 


Dieses  von  der  Jlaupthandlung  vollkommen  unabhängige 
Intermezzo,  welches  «las  fünfte  Buch  des  „Filoeolo44  füllt, 
war  schon  1507  von  einem  Anonymus  iu's  Englische  über- 
tragen worden, 1  und  hatte  vor  dem  „J'hilotiinus"  bereits  drei 
Auflagen  erlebt,  zu  welchen  1587  noch  eine  vierte  kam. 
Melbancke  hat,  ohne  seine  Quelle  zu  nennen,  dem  „Filoeolo44 
zwei  (ioschichten  entlehnt:  1.  Ein  Jüngling  wird  bei  seiner 
(ieliebten  von  deren  Brüdern  überrascht,  die  ihm  die  Ver- 
pflichtung auferlegen,  zur  Strafe  ein  .fahr  mit  einem  häss- 
lichcn  alten  Weib  zusammenzuleben ;  sie  lassen  ihm  jedoch 
die  Wahl,  mit  ihrer  Schwester  oder  mit  der  Alten  zu  be- 
ginnen, und  eine  Dame  räth  ihm,  sich  wegen  der  Unsicherheit 
der  Zukunft  zuerst  <1<t  Jungen  zu  gesellen  —  Queatiotie  XII; 
2.  Die  Lady  Thiametta  verlangt  von  ihrem  Anbeter  einen 
blühenden  Harten  im  Januar  =  Qttestionc  IV,-  von  Boccaccio 
im  „Deeamoron44  X  5  wiederholt.  Im  „Filocolo44  ist  die 
Dame  namenlos,  im  „Docamcron44  heisst  sie  Dianora,  viel- 
leicht hatte  Melbancke  Fiametta  geschrieben,  wie  die  Königin 
des  Kreises  im    Filocolo44  genannt  ist. 

Einer  italienischen  Quelle  entHoss  möglicherweise  auch 
Molhancke's  Version  einer  sehr  bekannten  und  weit  ver- 
breiteten (icschichte:  Ein  König  belohnt  einen  Bauern,  der 
ihm  eine  grosse  Hübe  bringt,  sehr  reichlich,  und  schenkt 
diese  Kühe  einem  habsüchtigen  Höfling,  der  ihm,  in  der  Hoff- 
nung auf  entsprechend  höheren  (iewinn ,  ein  schönes  Fferd 
dedieiertc.  Diese  Anekdote  wird  von  verschiedenen  franzö- 
sischen Königen  erzählt:  in  den  Hecatommithi  (VI  *.))  von 
Francesco  Valrsi  primo  Re  di '  Fntncia  di  tal  uomv;  in  „I'as- 
(|iiils  Josts44  (ältester  Druck  Hi04)  vou  Carl  V.;  '  in  <len 
„.Mcry  Tales  and  Quieke  Answores44  (c'M54!))  von  kynye  Lotet  s 
of  France;*    in    Domeuichrs  "Facetie44    von   Ludwig  XL: 

'  Cf.  Huzlitt  p.  42,  G;  Warton  IV  337. 

*  „II  Philocopo  di  Motuscr  Giouanni  Boeeacio  in  fino  u  *jui  falsa- 
inoittn  dotto  l'hiloeolo  diligentomento  da  Messer  Tizzone  Gaetano  d, 
Pofi  Rouisto.    Vcncgia  1538;  p.  385  ff.,  441  ff. 

5  Cf.  „Shakespeare'«  Jost  Book«*;  od.  by  W.  C.  Haulitt  (  London 
1S04)  vol.  III  p.  51:  A  deceyt  of  the  hope  of  the  couetous  man  teith  a 
Turne)). 

*  Cf.  ib.  vol.I  p.  34:  Of  kynge  Lowes  of  France,  and  the  husb  in  (man. 


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XI.   «RYAN  MKMiAXKK. 


Lodonieo  nndrriino  He  di  Fratn  in,  Ironanthhi  in  Uortjoijnn 
al  tonpo  (leiht  yucrra  (fei  ben  pnblieo,  feee  sttlla  earria  fnntiy- 
linrifa  eon  nn  rertu  Cottone, 1  und  von  demselben  König  be- 
richtet sie  Melbnneke  mit  ähnliehen  Worten :  So  it  channced, 
tltat  Lodonick  bring  tronhled  irith  hnrltj  bntiies  at  honte, 
retnoned  Iiis  conti  to  Bnrynndie,  trhere  Inj  http  in  his  hnntiny 
he  feil  acqttaitited  with  one  Conon. 

Erwähnt  werden  ausserdem  von  den  Gestalten  der 
italienischen  Novelle  Tittta  und  Gisippns,  und  Romeo  und 
Jnliet.  ßei  Melhanckc's  sonstigen  Entlehnungen  aus  Helio- 
dor's  „Aothiopica",  aus  Petrarca,  aus  Scogghfs  Spässen  und 
den  „Merie  Tales  of  the  Mad  Men  of  Gotham"  brauchen  wir 
uns  nicht  aufzuhalten. 


1  Fftcotie,  Motti,  et  Burle,  di  Diuersi  Signori  «>tt\    Kaceolte  per 
M.  Lodouico  Domcnichi.    Yenetia  1571;  p.  153  f. 


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XII.  TARLTONS  NKWRS. 


Tarif  ons  New  es  out  of  Puryatorie.  Omlye  auch  a  icst 
as  Iris  Jigyc,  jit  for  Geidlemen  fo  lauyh  at  an  honre.  Pub- 
lislud  Inj  an  old  mutpanion  of  Iris,  Bohin  Goodfellow.  London 
[1590], 1  Per  unbekannte  Verfasser  dieser,  1S44  von  .1.  O. 
Halliwell  für  die  Shakespeare-Society  neu  herausgegebenen 
Schrift,2  träumt,  er  werde»  von  dein  Geiste  des  populären 
Komödianten  durch  das  Fegefeuer  geführt.  Zur  Erklärung 
der  verschiedenen  über  die  armen  Seelen  verhängten  Strafen 
werden  folgende  Geschichten  erzählt,  die  zum  grossen  Theil 
italienischer  Herkunft  sind  : 

No.  1.  The  Tale  of  Pope  Bonifaee,  and  why  he  wore  a 
Millers  Cap  and  a  Mallem  in  Puryatorie  (p.  50  ff.) 
eine  sehr  plumpe  Version  der  oft  wiederholten  Ge- 
schichte von  den  drei  Räthselfragen , 5  an  welchen 
alle  Weisheit  zu  Schanden  wird,  bis  sie  schliesslich 
von  der  Einfalt  richtig  beantwortet  werden.  Eine 
direkte  Quelle  vermag  ich  nicht  anzugeben,  die  Ge- 


1  Cf.  Collier  II  p.  412  ff.,  Hnzlitt  p.  591. 

*  Cf.  Tarlton'H  Josts  and  Newes  of  Purgatory ;  od.  by  .T.  O.  llnlli- 
wcll  (Sbsik.  Soc.)  London  1844. 

5  Vgl.  z.  B.  Gowcr'»  „Confcssio  Amantis**  Lib.  I  iChaliuors'  Eng- 
liah  Poots  vol.  II  p.  41  ff.);  die  Halinde  von  „King  John  und  the  Abbot 
of  Canterbury",  welche  auch  Halliwell  erwähnt  (cf.  Schroer'a  Percy 
p.  466  ff.);  Biirger's  Ballade  „Der  Kaiser  und  der  Abt"  und  hierzu 
Dunlop-Liebrecht  p.  491  Anm.  333,  wo  auf  SaccheÜi  Nov.  4  verwiesen 
ist.   Smu-hi'Ui  erzählt  n  n.  O.  zwei  Versionen  «lieser  Gcsi-hiehte. 


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XII.  TAKLTOSS  NEW  KS. 


63 


schichte  liest  sich  wie  eine  frei  erfundene,  antipäpst- 
liche Variation  des  bekannten  Themas. 

No.  2 :  The  Tale  of  Friar  Ont/on  :  why  in  Purgatory  he  was 
tormented  irith  Maspes  (p.  06  ff.)  =  Boccaccio,  Dec. 
IV  2,  indem  der  englische  Erzähler  für  den  Frate 
Alberto  den  Frate  Cipolla  aus  Dec.  VI  10  einführte 
(vgl.  Ilnlliwell's  Anmerkung  p.  66  und  seine  Nach- 
träge). 

No.  3:  The  Tale  of  the  Three  Cuckotds,  of  their  im  presse* 
and  mottoes  (p.  74  ff.) 

No.  4 :  The  Tale  of  the  Cooke,  and  tehy  he  sat  in  Purgatory 
with  a  Cruues  Leg  in  his  Mouth  (p.  78  ff.)  Boc- 
caccio, Dec.  VI  4,  wie  schon  Halliwell  bemerkt  hat. 

No.  5:  The  Tale  of  the  Virkar  of  Bergamo  and  why  he 
sits  irith  a  coale  in  his  mouthe  in  Purgatory  (p.  82  ff.). 
In  dieser  Geschichte  sind  zwei  Anekdoten  der  reich- 
haltigen klerikalen  chronique  scandalouse  an  einander 
geschweisst.  Von  dem  Kleriker,  welcher  Pasteton 
stiehlt,  die  ihm  nachher  sehr  zur  Unzeit,  beim  Pre- 
digen, aus  dem  Ärmel  fallen,  hatte  der  Verfasser  der 
„Newesu  in  der  alten  Sammlung  „A  Ilundrod  Mery 
Tales"  (ältester  erhaltener  Druck  1526)  gelesen,  in 
welcher  die  70.  Geschichte  haudelt  Of  the  frere  that 
stale  the  podyng;*  eine  italienische  Quelle  dieser 
Geschichte  ist  mir  nicht  bekannt.  Für  die  zweite 
Hcldenthat  des  Virkar  of  Bergamo,  die  Verwand- 
lung der  Feder  des  Erzengels  in  die  Kohlen  des 
heiligen  Lorenz,  hat  bereits  Halliwell  auf  Decameron 

VI  10  verwiesen. 

No.  6:  The  Tale  of  the  Painter  of  Doncuster,  and  trhy  in  Pur- 
gatory he  was  beuten  with  a  hel-roape  (p.  86  f.) 

No.  7 :  Why  the  Gentlewoman  of  Lyons  sat  with  her  Haire 
clipt  off  in  Purgatory  (p.  91  ff.)  —  Boccaccio,  Dec. 

VII  6,  was  Halliwell  nicht  entgangen  ist. 


1  Cf.  Shakespeare^  Jest  Book.   A  Hundred  Mery  Taljs;  od.  by 
Ilormnn  Oestcrlcy,  London  186ß;  p.  120. 


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«4 


XII.  TARLTONR  NKWES. 


No.  8:  The  Tale  of  thr  ftro  Lavers  of  Pisa,  and  irhy  flieg 
were  whipt  in  Purgatory  with  nettles  (p.  *)5  ff.) 1  — 
schon  Punlop  (p.  200)  und  nach  ihm  Hiilliwell  haben 
bemerkt,  dass  diese  Geschichte  dem  Straparola  ent- 
lehnt ist,  vgl.  Piacevoli  Notti  IV  4 :  Nerino  Figlittofo 
(Ii  Galese  Re  di  Portogallo  innamorato  di  Genahhin 
moglie  di  wastro  Raimondo  Brunello  fisico,  offenne 
Vamore  suo.  Dieser  letzten  Erzählung  verdauken  wil- 
den von  der  Shakespeare  Society  gelieferten  Neu- 
druck unserer  Sammlung;  es  ist  möglich,  dass  Shake- 
speare dieselbe  für  den  Plan  seiner  „Merry  Wives  of 
Windsor",  benützte. 

1  Cf.  Hazlitt'«  „Shakospeare1«  Library"  Part.  I  vol.  III  p.  ßO  11 


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XIII.  THE  COBLER  OF  CAMTERüriUE. 


The  Cobler  of  Cannterburie,  Or  An  Inuectiue  Agamsi 
Tarltons  Newes  out  of  Purgatorie.  A  merrier  Jest  then  a 
Clownes  Jigge,  and  fitterfor  Genffemens  hitmors.  London  1590. 1 
Eine  lustige  Gesellschaft  von  Loudonern  beiderlei  Geschlechts 
fährt  auf  der  Themse  nach  Gravesend.  Die  kürzlich  ver- 
öffentlichte Schrift  „Tarltons  Newes"  wird  besprochen  und 
betreffs  der  darin  erzählten  Geschichten  sehr  geringschätzig 
bemerkt,  dass  sie  zumeist  dem  Boccaccio  gestohlen  wären,2 
was  freilich  der  Wahrheit  vollkommen  entspricht.  Der  un- 
bekannte Verfasser  des  „Cobler"  will  offenbar  den  Glauben 
erwecken,  er  selbst  sei  ganz  unabhängig  von  den  Italienern ; 
er  beschwört  Chaucer's  ehrwürdige  Gestalt:  wie  die  Cantcr- 
bury-Pilger  sollen  sich  seine  Leute  G »'schichten  erzählen, 
denen  er  ein  möglichst  englisches  Colorit  gibt.  Halliwell 
theilt  zwei  dieser  Erzählungen  mit  und  sie  genügen,  uns 
erkennen  zu  lassen,  dass  er,  der  „Cobler44,  durchaus  nicht 
berechtigt  war ,  einem  anderen  seine  Plagiate  vorzuwerfen, 
da  er  es  selbst  um  kein  Haar  besser  macht. 

No.  1.  The  Smiths  Täte  (p.  111  ff.).  Ein  eifersüchtiger 
Schuster,  der  seine  Frau  auf  Schritt  und  Tritt  be- 
wachen lässt,  wird  dadurch  betrogen,  dass  ihr  Lieb- 

1  Cf.  Hazlitt  p.  113.  Ich  bin  für  diese  Schrift  leider  auf  die 
Auszüge  angewiesen,  welche  Halliwell  in  der  Einleitung  und  in  dem 
Appendix  seiner  Ausgabe  von  „  Tarltons  Newes"  gibt. 

*  TW/,  qitoth  aiiother,  wost  of  them  arr  sfnlnr  out  of  lioccace 
Decnmeron  (p.  XLI). 

QF.  lxx.  5 


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66  XIII.  THE  CÖBLKR  OP  CA UNTHRBÜRIE. 

haber,  der  Schmied,  die  Frau  bei  einem  Ausgang 
mit  schmutzigem  "Wasser  überschütten  lässt.  Die 
Tugendwächterin  muss  nach  frischen  Kleidern  laufen, 
und  die  Verliebten  erreichen  ihren  Zweck.  Diese 
Geschichte  findet  sich  in  den  „Cent  Nouvelles  Nou- 
velles": La  XXXVII  nouuelle  par  möseigneur  de 
la  Roche  d'  üg  ialoux  q  enregistroit  toutes  les  facons 
fjl  pouoit  ouyr  ne  scauoir  döt  les  femmes  ont  deceu 
leurs  marys  le  t8ps  passe :  mais  a  la  fin  il  fut  trompe 
par  lorde  eau  que  lamant  de  sadicte  femme  getta  p 
vne  fenestre  sur  eile  en  venant  de  la  messe. 1  Bei 
Dunlop-Liobrecht  (p.  296)  ist  bei  der  französischen 
Novelle  auf  Wright  „Lat.  Stor.a  No.  12  verwiesen; 
eine  italienische  Version  der  Geschichte  glaube  ich 
bestimmt  gelesen  zu  haben.  Die  unmittelbare  Quelle 
des  englischen  Erzählers  wird  sich  schwer  feststellen 
lassen.  Wir  sind  übrigens  mit  den  Schelmenstücken 
der  verliebten  Schusterin  noch  nicht  zu  Ende:  die 
zweite  Täuschung  des  Gatten  wird  bewerkstelligt, 
indem  ihm  die  Frau  selbst  von  den  Nachstellungen 
des  Schmiedes  in  Kenntniss  setzt  und  ihn  auffordert^ 
ein  jenem  bewilligtes  Stelldichein  zu  belauschen.  Das 
Paar  erzielt  auf  diese  Weise  wieder  eine  ungestörte 
Vereinigung,  und  da  sie  sich  dabei  fortwährend  gegen- 
seitig mit  Vorwürfen  überhäufen,  glaubt  der  lauschende 
Schuster  in  ihr  die  treueste  Gattin,  in  ihm  den  besten 
Freund  zu  besitzen :  /  pereeiue  you  are  as  honest  as 
she,  and  shee  as  honest  as  you  (p.  119).  Dieser 
Schlu88  erinnert  uns  an  die  Worte  Egano's  (Dec. 
VII  7),  der  auch  von  seiner  Frau  selbst  die  ver- 
brecherischen Anträge  seines  Dieners  erfährt  und 
eben  mit  Hilfe  dieses  Kniffes  so  schlau  betrogen 
wird,  dass  auch  er  glaubt  d'avere  la  piü  leal  donna, 

1  Citiert  nach  folgender  Ausgabe  s.  a. :  8'enBuyuent  Les  cet  nou- 
uelles:  cCtenät  oent  hystoire»  ou  nouueaulx  comptes  plaisans  a  deuiser 
on  toutes  bonnes  compaignies  par  maniere  de  ioyeusete.  Imprime  nou- 
uellement  a  Paris  (Col.:  per  la  yeufve  feu  Jehan  Trepperei).  XXX.C. 
(joden falls  =  trentc  cahiers). 


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XIII.  THE  COBLER  OE  CAUNTERBURIE. 


67 


ed  il  piü  fedel  servidore,  che  mai  avesse  alcun  gen- 
tüoumo.    Ob  die  Variierung  dieses  Motives  in  der 
Erzählung  des  Schmiedes  der  Phantasie  des  eng- 
lischen Erzählers  entstammt,  oder  ob  er  auch  hier 
auf  einem  italienischen  Nachahmer  Boccaccio's  fusst, 
vermag  ich  nicht  zu  sagen. 
No.  2.    The  Old  Wiues  Tale  (p.  120  ff.)  -  auf  die  Heldin 
dieser  Erzählung  sind  die  verliebten  Abenteuer  der 
Monna  Tessa  und  der  Manna  Sismonda  Boccaccio'» 
übertragen.    Die  alte  Frau  regaliert  uns  mit  einer 
Yerbindung  der  fantasima-  (Dec.  VII 1)  und  der  Bind- 
faden-Geschichte (ib.  VII  8). 
Die  beiden  Proben  beweisen  uns,  dass  der  Verfasser 
des  „Cobler"  ganz  im  Kreise  des  italienischen  Einflusses 
steht,  und  dass  er  bei  der  Wahl  des  zu  erzählenden  Stoffes 
nicht  durch  moralische  Bedenken  gehemmt  wurde.  Wenn 
Robert  Greene,  dem  der  „Cobler"  zugeschrieben  wurde,  in 
seinem  Protest  sagt:  Notce  of  late  there  came  foorth  a  booke 
called  the  Cobler  of  Canterburie,  a  merrie  tcorke  and  made 
by  some  madde  fellow,  conteining  plesant  tales,  a  Utile  tain- 
ted  with  scurilitie, 1  so  hat  er  damit  das  Wesen  dieser  Rahmen- 
Erzählung  richtig,  wenn  auch  sehr  nachsichtig,  charakterisiert. 

1  Cf.  „Greene«  Viaion«,  Grosurt's  Ausgabe  vol.  XII  p.  212. 


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XIV.  THOMAS  LODGE. 


The  Life  and  Death  of  William  Longbeard,  the  inost 
famous  and  witty  English  Traitor,  hörne  in  the  Citty  of 
London.  Accompanied  with  manye  other  nwst  pleatant  nnd 
prettie  Jlistories.  By  T.  L.f  of  Lincolns  Inne,  Gent.  London 
1593.  Da  der  jüngste  Biograph  des  Thomas  Lodge,  R.  Carl, 1 
dioso  Schrift  nur  mit  wenigen  Worten  und  die  für  unsere 
Studie  wichtigen  Geschichten  überhaupt  nicht  erwähnt,  so 
müssen  wir  wieder  auf  Collier*»  Mittheilungen  in  seinem 
„Account*  vol.  1  p.  472  ff.  zurückgehen.  Freilich  bietet  auch 
er  nur  die  Titel  der  betreffenden  Geschichten,  aber  diese 
kargen  Angaben  ermöglichen  es  uns  doch,  die  italienische 
Herkunft  dieser  Erzählungen  mit  völliger  Sicherheit  zu  be- 
stimmen und  zugleich  eine  neue,  wohl  noch  nie  berücksich- 
tigte Quelle  der  elisabethauischen  Prosaiker  zu  erschliessen. 

Die  „Silua  de  Varia  Lecion*  des  Spaniers  Pero  Mexia 
hat  einen  italienischen  Fortsetzer  gefunden,  dessen  Compilation 
mir  vorliegt  iu  einer  Ausgabe  vom  Jahre  1587,  betitelt: 
Nuora  Seconda  Seien  di  Varia  Lettione,  che  seqne  Pietro 
Messiu ;  Diuisa  in  Quattro  Parti  etc.  Nuouamente  posfa  in 
luce,  e  con  diligentia  correfta.  In  Venetia,  Appresso  Giacomo 
Cornetti  MDLXXXV11.  Den  Namen  des  Verfassers  lernen 
wir  in  der  an  Bernardo  Giustiniano,  dignissimo  CavaUicr  di 
Malta  gerichteten  Widmung  des  Druckers  kennen :  Hauendo 
giä  il  Rcnerendo  Missier  Pre  G  ieroni  m  o  G  i  g  l  io ,  inio 
umicisshno,  composto  la  Seconda  Parte  della  Selua  di  Varia 

1  Of.  Angl m  X  28.r>  ff.;  p.  253  und  282. 


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XIV.  THOMAS  LODGE 


09 


Lettione,  la  quäle  segne  Pietro  Messia  .  .  .  ho  voluto  che  ella 
sia  proprio,  e  particolar  dono  di  Vostra  Illustrissima,  e  Rette- 
rendissima  Signoria.  Aus  diesem  neuen  Wald  hat  sich  Thomas 
Lodge,  wie  die  folgende  Tabelle  zeigen  wird,  sein  Holz 
geholt : 

Xo.  1.  Die  erste  Geschichte  handelt  nach  Collicr's  Angabc 
1.  c.  p.  475  von  famous  piruts  who  in  times  past  were 
Lord  es  of  the  sea  (Dionides,  Stilcon.  Cleonides,  Chi- 
panda,  Millia,  Alcomonius,  Francis  Enterolles,  Monaldo 
Guecca)  —  vgl.  Xuova  Selva,  Parte  IV.  Cap.  XV. 
(p.  1 70b  ff.) :  Di  tnolti  famosi  Corsari,  che  sono  statt 
per  mare  (Dionide,  Stilcone,  Cleonide,  Chipanda,  Milia, 
Alcamone,  Francesco  Entorelles,  Menaldo  Guerra). 

Xo.  2.  The  historie  of  Partaritus,  King  of  Lombardie  — 
vgl.  XS.  P.  III.  Cap.  X[VII].  (p.  lllb  ff.):  Di  Par- 
tarito  Re  de  Longobardi,  il  quäle  perseguitato  da 
Grimoaldo,  fuggl  prima  a  Cucano,  Re  delli  Auari, 
poi  in  Francia,  finalmente  dopo  tnolti  trauagli,  fu 
nel  regno  con  moltp  gloria  restitutio,  e  della  gran 
fedeltä  dyun  suo  paggio.  Et  di  Vntdfo  suo  fami- 
liäre. Von  den  Schicksalen  des  Partarito  erzählt 
auch  Bellcforest  in  seinen  „Ilistoires  Tragiques"  vol. 
IV,  p.  600  ff.  Hist.  74™. 

Xo.  3.  The  wonderfull  dreame  of  Aspatia  —  vgl.  XS. 
P.  IV  Cap  I  (p.  153b  ff.) :  Sogno  di  Aspasia,  ßgliuola 
di  Hermotimo  Focense  molto  pouero,  la  quäle  poi 
per  le  sue  mirabili  virtü,  fu  prima  moglie  di  Ciro 
Re  di  Persia,  e  morto  lui  diuenne  tnoglie  di  Arta- 
serse. 

Xo.  4.  A  wonderfull  revenge  of  Megollo  —  vgl.  X  S.  P.  III. 
Cap.  XXX[VI]  (p.  137- ff.):  Vendetta  mirabile  di 
Megollo  Lercato  Genouese  contro  V Imperatore  di  Trabi- 
sonda.  Diese  Geschichte  findet  sich  auch  bei  Ban- 
dello  (II  14)  und  in  den  „Histoires  Tragiques"  (vol  I 
p.  318b  ff.  Hist.  14"»). 

Xo.  5.  The  memorable  deeds  of  Valasca  —  vgl.  XS.  P.  I 
Cap.  III  (p.  12bff):  Di  Valasca  donzella  di  Boemia, 
la  quäle  hauendo  fatto  uccidere  da  Valtre  donne  gli 


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70 


XIV.  THOMAS  LÜDGE. 


mariti,  frateÜi,  e  figliuoli,  signoreggiö  sette  anni  la 
Boemia.  Auch  in  den  „Histoires  Tragiques44  (vol.  VI 
p.  587  ff.  Hist.  9me  in  der  Ausgabe  vom  Jahre  1583: 
A  Lyon  pour  Cesar  Farine). 

Xo.  6.  An  excellent  example  of  continence  in  Frauncia  Sforza 
—  vgl.  XS.  P.  1  Cap.  XXV  (p.  39bff.):  Essempio 
di  continenza  di  Francesco  Sforza. 

Xo.  7.  Of  many  learned  men,  ancient  and  moderne,  who 
violently  and  infortunatelie  ended  their  daies  vgl. 
XS.  P.  I  Cap.  XXVI  (p.  40bff.):  Di  molti  huomini 
letieraÜy  antichi,  e  moderni,  che  infelicemeute  morirono. 

Xo.  8.  How  King  Roderigo  lost  his  kingdome  —  vgl.  XS. 
P.  I  Cap.  XXX  (p.  44*  ff.) :  Come  il  Re  Roderigo, 
ultimo  delia  casa  Regale  de*  Goti,  perde  il  Regno,  e 
la  vita  per  la  sua  incontinenza .  Eine  poetische  Grab- 
schrift dieses  Königs  findet  sich  in  Thomas  Xewton's 
„Historie  of  the  Saraccus"  vom  Jahre  1575  (vgl. 
Collier  Account  II  p.  31). 

Xo.  9.  Of  manie  famous  men,  uhoe,  leaving  the  goverument 
of  the  Commonweule,  gave  themselves  over  to  pi-ivate 
Vife  -  XS.  P.  II  Cap.  1  (p.  46bff.):  Di  molti  huo- 
mini itlustri,  Ii  quali  lasciato  il  gouerno  della  Repu- 
blik, si  diedero  alla  vita  priuata. 

Xo.  10.  A  most  subtile  dispute  amongst  Ambasadors  —  XS. 
P.  III  Cap.  I  (p.  92bff.):  Disputa  molto  sottile  fatta 
in  Antiochia  al  cospetto  del  Re  Tolomeo,  da  sette 
Ambasciutori,  quäl  fusse  quella  delle  loro  Republiche 
c  hauesse  migliori  leggi,  e  ottimi  costwni. 

Xo.  11  The  stränge  Lawes  of  Tyrsus  the  Tyrant  —  XS. 
P.  IV  Cap.  VII  (p.  159*  ff.):  Strane  leggi  di  Trizo 
tiranno  per  uolere  prouedere  alle  congiure. 
Dass  Lodge  in  der  Wahl  seiner  Quelle  sehr  glücklich 

war,  kann  man  nicht  sagen:  der  Italiener  berichtet  mit 

chroni8tenhafter  Dürre.    Doch  mag  es  dem  schriftgewandten 

Engländer  wohl  gelungen  sein,  den  Thatsachen  eine  etwas 

gefälligere  Hülle  zu  geben. 


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XV.  WESTWARI)  POR  SMELTS. 


West- ward  for  Sinei  ts :  Or  the  Water-mans  Fare  of  mad- 
merry  Western  Wenches  etc.  W ritten  by  Kinde  Kit  of  King- 
stone.  London  1620  (lic.  1619). 1  Diese  Rahmenerzählung 
liegt  jenseits  der  Zcitgrünze  unserer  Studie,  muss  jedoch  hier 
erwähnt  werden,  da  sie  nur  der  Reflex  eines  der  vorstehend 
besprochenen  Werke  ist.  Der  Yerfasser  von  „  Westward  for 
Smclts"  hat  sich  nämlich  in  allen  wesentlichen  Punkten  den 
„Cobler  of  Canterbury"  zum  Muster  genommen.2  Wie  dieser 
mit  seiner  Gesellschaft  Themse  abwärts  nach  Gravesend  fährt, 
rudert  jener  seine  redseligen  Fischerinnen  die  Themse  hinauf 
nach  Kingston.  In  beiden  Booten  werden  Geschichten  er- 
zählt, uud  beide  Yerfasser  geben  uns  vor  den  Geschichten 
in  demselben  Metrum  drastische  Schilderungen  der  erzählenden 
Persönlichkeiten.  Die  Moral  der  Fischerinnen  ist  auch  keine 
strenge  und  in  der  Wahl  ihrer  Stoffe  sind  sie  durchaus  nicht 
ängstlich,  aber  in  der  Art  des  Vortrags  bemerken  wir  doch 
eine  gewisse  Mässigung  der  tollen  Laune  und  der  verzweifelten 
Offenheit  der  elisabethanischen  Gesellschaft.  Wie  der  Cobler, 


1  Cf.  Hazlitt  p.  649;  in  unserem  Jahrhundert  wurde  dieses  Werk- 
chen neu  herausgegeben  für  die  Percy  Society:  Westward  for  8melts, 
an  early  Collectiou  of  Stories.  Ed.  by  James  0.  Halliwell,  London  1848. 
Auf  die  nähere  Bestimmung  der  Quellen  der  einzelnen  Erzählungen  ist 
der  Herausgeber  nicht  eingegangen. 

*  It  ts  a  story  book,  very  mtich  öfter  the  manner  of  « Westward 
for  Smelts"  with  poetical  descriptions  and  tales,  sagt  Halliwell  von  dem 
Cobler  in  seiner  Ausgabe  von  „Tarlton  Newcs*  p.  XL. 


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72 


XV.  WESTWARD  FOR  8*IKLTS 


ist  auch  sein  Nachahmer  bemüht  ,  seinen  fremden  Quellen 
entlehnten  Erzählungen  eine  möglichst  englische  Färbung  zu 
verleihen. 

No.  1.  The  Fishwife  of  Brainford  (p.  10  ff.)  erzählt  von 
einer  treulosen  Gattin,  welche  der  erzürnte  Ehemann  in  der 
Nacht  zur  Strafe  an  eineu  Pfeiler  bindet.  Ihre  Ilelfershelferin 
befreit  sie,  nimmt  ihre  Stelle  ein  und  wird  von  dem  Gatten, 
dessen  Frage  sie  nicht  zu  beantworten  wagt,  an  der  Nase 
verwundet.  Nach  erneutem  Rollenwechsel  wird  die  schuldige 
Frau  am  nächsten  Morgen  von  dem  betrogeneu  Gatten,  Kraft 
des  Wunders  ihrer  unverletzten  Nase,  als  schuldlos  verehrt.  1 
—  Über  die  zahlreichen  Versionen  dieser  Geschichte  wolle 
man  bei  Dunlop-Liebrecht  p.  243  und  bei  M.  Landau  nDie 
Quellen  des  Dekameron"  (Stuttgart  1884)  p.  132  ff.  nach- 
lesen. Die  unmittelbare  Quelle  unseres  Autors  glaube  ich 
in  einem  von  Duulop  nicht  angeführten  Werke  gefunden  zu 
haben,  iu  der  „Moral  Filosophiatt  des  Antonfrancesco  Doni.2 
Dieses  Werk  war  schon  von  Thomas  North  in  das  Englische 

1  Oedruckt  in  „Shnkespeare's  Library"  Port.  I  vol.  III  p.  73  ff 
'  La  Moral  Filosophia  del  Doni,  tratta  da  gli  Antichi  Scrittori; 
Vinegia  MDLII;  Libro  I  p.  53  sqq.  Für  die  Wirkung  dieses  sehr  frucht- 
baren Schriftstellers  auf  die  englischen  Litternten  wird  sich  noch  manches 
Zcugniss  beibringen  lassen.  So  habe  ich  beim  Durchlesen  der  „Mondi 
Cclcsti,  Terrestri,  et  Infernali,  de  gli  Academici  Pellegrini.  Composti 
dal  Doni"  (Vinegia  1567)  gefunden,  dass  Abraham  Fraunce  die  wunder- 
liche Geschichte  von  den  einen  Weg  in  den  Himmel  suchenden  C<un~ 
bridije  scftolam,  welche  er  am  Schlüsse  von  „The  Third  pari  of  the 
Countcsse  of  Pembrokes  Yuyohurch*  (1592,  vgl.  über  dieses  Werkchen 
Anglia  XI  25  ff.)  berichtet,  einfach  mutatis  mutandis  wortlich  aus  Doni 
1.  c.  p.  17  sqq.  übersetzt  hat.  Ihm  verdankt  er  somit  auch  die  von  mir 
(Ztschr.  f.  vgl.  Litt.-Gesch.  und  Ren.  Litt.  N.  F.  III  448)  betonte  Kennt- 
nis» der  «elm  osenra  Dantes:  A  questo  passo  otjni  Viyuaiitolo  si  stilaca 
il  cerrdlo,  iniayinandosi  per  aqua,  come  le  »ari  di  Luciano  ;  per  terra 
per  ria  di  qualche  selva  com?  Dante  (1.  c.  p.  17).  In  den  BTre  libri 
di  Pistoletti  Amorosi  del  Doni"  (Vinegia  1558)  lesen  wir  p.  94  sqq. 
einen  Brief  voll  bäuerischer  Liebeslieder,  in  deren  einem  (p.  97  sqq.)  der 
verliebte  Bauer  seiner  Scholien  seine  Vorzüge  aufzählt.  Dasselbe  Thema 
variiert  Thomas  Howell  in  dem  Gedicht  Jacke  showes  Iiis  qualities  and 
tjrent  (jood  a  ill  to  Jone  (cf.The  Arbor  of  Amitie,  London  156H,  p.  36*). 
Dem  Petrarca-Übersetzer  Howell  können  Doni's  Episteln  sehr  wohl  be- 
kannt gewesen  sein. 


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XV.  WESTWARD  FOR  SMELTS. 


73 


übertragen  worden,1  hatte  1601  eine  neue  Auflage  erlebt, 
und  bietet  in  seinem  ersten  Buch  eine  Version  unserer  Ge- 
schichte, welcher  die  Erzählung  der  Fischerin  von  Brainford 
in  allen  wesentlichen  Zügen  entspricht.  Dass  der  Ehebrecherin 
die  Nase  nur  zerschnitten,  nicht  abgeschnitten  wird,  wie  bei 
Doni,  ist  eine  der  angedeuteten,  von  dem  englischen  Autor 
angebrachten  Sordinen. 

No.  2.  The  Fishwife  of  Stand  on  the  Greene  (p.  20  ff.)  er- 
zählt die  weitaus  merkwürdigste  Geschichte  unserer  Samm- 
lung, eine  nach  England,  in  die  Zeit  Heinrichs  VI.,  verlegte 
Version  der  Novelle  Boccaccio's  (Dec.  II  9) ,  welcher  die 
Haupthandlung  von  Shakcspeare's  „(  •ymbeline"  entstammt.2 
Neuerdings  hat  sich  R.  Ohle  in  seiner  trefflichen  Studie 
„Shakespearc's  Cymbeline  und  seine  romanischen  Vorläufer" 
(Berlin  1890)  auch  mit  unserer  Geschichte  beschäftigt  (p.  80  ff.). 
Er  will  daraus,  dass  in  ihr  der  Verrnther  die  Untreue  der 
keuschen  Frau  nur  durch  ein  ihr  entwendetes  Crucifix  be- 
weist, den  Schluss  ziehen,  „dass  es  thatsächlich  in  England 
Redaktionen  [der]  Sage  gegeben  hat,  welche  das  erst  später 
in  die  Intrigue  eingeführte  Muttermal  noch  nicht  kannten" 
(p.  81).  Ohle  hat  bei  dieser  Berechnung  die  Eigenart  unserer 
Sammlung  ausser  Acht  gelassen  —  oder,  richtiger  gesagt,  er 
konnte  sie  nicht  berücksichtigen,  da  ihm  nicht  der  Neudruck 
von  „Westward  for  Smelts",  sondern  nur  diese  einzige  Ge- 
schichte in  Leonhardt's  Übersetzung  vorgelegen  zu  haben 
scheint.  Ich  habe  bereits  bemerkt,  dass  der  Ton  unserer 
Sammlung,  trotz  der  zum  Theil  recht  lockeren  Stoffe,  ein 
möglichst  decenter  ist;  der  Verfasser  geht  über  die  sittlich 
bedenklichen  Situationen  seiner  Erzählungen  rasch  hinweg, 
ohne  sich  auf  pikante  Details  einzulassen.  Dieser  Tendenz 
entspricht  es  vollkommen,  dass  er  —  von  Boccaccio,  der  bei 
der  Schilderung  der  schönen  Nudität  ziemlich  lüstern  ver- 
weilt, abweichend  dem  Bösewicht  keine  Gelegenheit  gibt, 
das  unter  der  linken  Brust  der  Frau  befindliche  Muttermal 
zu  sehen,  sondern  ihm  nur  gestattet,  ein  goldenes  Crucifix 

1  Die  editio  prineeps  ist  nicht  datiert,  cf.  Hazlitt  p.  543  h.  v. 
Sendebar. 

*  Cf.  Shakespeare^  Library  Part.  I  vol.  II  p.  197  ff. 


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74 


XV.  WESTWARD  FOR  SMELTS. 


zu  rauben,  wio  ja  auch  Boccaccio^  Ambrogiuolo  nebenbei 
allerlei  Kleinodien  au  sich  nimmt.  Ausserdem  dürfen  wir 
nicht  vergessen,  dass  der  Engländer  das  Detail  seiner  Vor- 
lagen mit  grösster  Freiheit  behandelt.  Ich  glaube  nicht,  dass 
wir  beim  Suchen  nach  seiner  Quelle  über  das  „Decameron44 
hinausgehen  dürfen,  in  welchem  auch  die  folgende  Geschichte 
zu  finden  ist. 

No.  3.  TheFishwife  of  Richmond  (p.  37  ff.)  erzählt  von  der 
ausgesperrten  Nachtschwärmerin,  die  es  listig  zu  Wege  bringt, 
ihren  betrogenen  Gatten  aus  dem  Haus  zu  locken  und  aus- 
zusperren —  eine  wohlbekannte  Geschichte,  die  Boccaccio 
Dec.  VII  4  bietet  (vgl.  Duulop-Liebrecht  p.  239  f.,  Landau 
p.  262  f.)  Ich  kann  nicht  umhin,  auf  ein  unsauberes  Detail 
der  englischen  Erzählung  aufmerksam  zu  machen:  die  Frau 
leert  vom  Fenster  aus  auf  ihren  Gatten  deu  Inhalt  jenes 
Gefässes  aus,  welches  späterhin  in  den  Prügelscenen  Smol- 
lett's  und  auch  Fielding's  eine  grosse  Rolle  spielen  sollte. 
Keine  der  mir  bekannten  älteren  Versionen  der  Geschichte 
kennt  dieses  Intermezzo.  Es  kommt  hier  die  englische  Derb- 
heit, die  englische  Vorliebe  für  practical  jdkes  zur  Geltuug, 
welche  sich  frühzeitig  in  den  englischen  Umformungen  inter- 
nationaler Stoffe  erkennen  lässt.  Ich  denke  dabei  besonders 
an  die  derben  practical  jokes,  welche  in  der  englischen  Prosa- 
version der  Sage  von  Robert  dem  Teufel  Robert  als  Narr 
verübt  (cf.  Early  English  Prose  Romances,  ed.  by  W.  J.  Thoms; 
London  1858;  vol.  I  p.  1  ff.). 

No.  4.  The  Fishwife  of  Twitnam  (p.  47  ff.)  bietet  uns  die 
Verschmelzung  zweier  Motive  der  christlichen  Legende:  das 
Keuschheitsmotiv  aus  der  Legende  des  heiligen  Oswald,  der 
selbst  in  der  Ehe  jede  Regung  der  Sinne  durch  eiskalte 
Bäder  bekämpfte,  und  die  Geschichte  von  dem  selbstgenüg- 
samen Einsiedler,  der  auf  Gottes  Geheiss  drastisch  belehrt 
wird,  dass  eine  inmitten  der  Anfechtungen  der  Welt  geübte 
Enthaltsamkeit  noch  weit  schwieriger  und  deshalb  verdienst- 
voller sei,  als  seine  weltentrückte  Askese.1  Der  Engländer 

1  Cf.  Nouveau  Reoueil  de  Fabliaux  et  Contes  in&tits,  publik  par 
M.  Meon,  Paris  1823,  vol.  II  p.  187  ff . :  Du  Prevost  cTAquilte,  oh  Dyun 
Hermite  que  In  Dame  ßst  baignier  tn  aigtte  froide ;  The  Bok  of  the 


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XV.  WEST  WA  KD  FUK  SMKLTS 


75 


schickt  den  Eremiten  statt  zu  dem  Profoss  von  Aquileja  zu 
dem  König  Oswald  und  seiner  Gattin  Beblam,  der  Tochter 
Kynygils,  des  Königs  der  Westsachseu.  Auch  hier  fallen 
uns  wieder  seine  beiden  llaupteigenthümlichkeiten  auf:  er 
hat  die  Geschichte  durch  die  Substituierung  des  angelsäch- 
sischen Königs  nationalisiert,  und  er  erzählt  sie  möglichst 
anständig;  seine  Königin  enthält  sich  der  Avancen,  welche 
in  den  anderen  Versionen  die  Lage  des  heiligen  Mannes  noch 
bedenklicher  machen.  Die  geschickte  Verschmelzung  der 
beiden  Mähren  halte  ich  somit  für  das  Werk  des  englischen 
Übersetzers,  der  von  den  kalten  Waschungen  des  heiligen 
Oswald  gehört  haben  musste,  da  or  sonst  schwerlich  dazu 
gekommen  wäre,  ihm  die  Rolle  des  Profossen  zu  übertragen. 
Es  wäre  interessant  zu  wissen,  woher  ihm  diese  Kenntniss 
kam. 1  An  eine  italienische  Quelle  wird  man  kaum  denken 
dürfen. 

No.  5.  The  Fishwife  of  Kingstone  (p.  52  ff.)  erzählt  von 
einer  vornehmen  Dame,  die,  einem  Greise  vermählt,  ihren 
Beichtvater  fragt,  ob  sie  einen  anderen  lieben  dürfte.  In 
der  Hoffnung,  selbst  der  erwählte  zu  sein,  legt  der  Priester 
der  Sünde  wenig  Gewicht  bei.  Die  Dame  wählt  einen  anderen, 
der  Priester  spielt  durch  Betrug  in  einer  Nacht  die  Rolle 
des  Geliebten,  uud  die  erzürnte  Frau  lässt  ihn  zur  Strafe  ver- 
wunden (im  Original  vermuthlich  castrieren).  Es  ist  mir 
jedoch  leider  nicht  möglich,  die  Vorlage  näher  zu  bestimmen ; 

Knight  of  La  Tour-Landry  ed.  by  Thomas  Wright,  London  1868  (EETS. 
No.  33)  Ca.  CXXXIV.  llow  the  holy  htrfy  approuued  the  hrremyte 
(p.  186  ff.),  woselbst  p.  186  als  Quelle  the  booke  of  Vitas  Pntrum  an- 
gegeben ist.  Ich  verdanke  dieso  bibliographischen  Notizen  8.  Singer's 
Besprechung  (AfdA.  XVII  122  ff.)  von  Siegmar  Schultze's  Dootorschrift 
„Die  Entwickelung  der  deutschen  Oswald-Legeude"  Halle  1888.  Sohultzo 
verzeichnet  weitere  Litteratur ;  die  Verknüpfung  der  beiden  Legenden 
fand  ich  aber  weder  bei  ihm,  noch  bei  Edzardi,  noch  bei  Berger  an- 
gedeutet. Ich  schreibe  sie,  wie  oben  gesagt,  dem  englischen  Erzähler  zu. 

1  Beda's  und  Aelfrio's  Leben  des  angelsächsischen  Königs  bietet 
dieses  Detail  seiner  Selbstkasteiung  nioht,  vgl.  Sweet's  „Anglo-Saxon- 
Readerta  (Oxford  1884)  p.  98  ff.;  Körncr's  „Ags  Texte"  (Heilbronn 
1880)  p.  16  ff.;  Schultze  p.  31  ff.  Von  Oswald's  Keuschheits-Gelübde, 
ohne  weitere  Ausschmückung,  spricht  der  Mönch  Reginald  (8chulze 
p.  34),  eine  keltische  Legende  kennt  auch  die  Wasserkur  (ib.  p.  36) 


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76 


XV.  WESTWARD  FOR  SMELT3 


dass  ich,  höchst  wahrscheinlich  im  Italicnischen ,  eine  ganz 
ähnliche  Geschichte  gelesen  habe,  steht  mir  fest. 

No.  Ii.  The  Fishwife  of  Hampton  (p.  58  ff.)  führt  uns  auf 
bekannten  Boden:  in  der  spröden  Schönheit  Millisaut  in 
Devonshire  erkennen  wir  Bandello's  Zilia,  die  ihrem  Verehrer 
Filiberto  zwei  Jahre  Stummheit  auferlegt  (III  17).  Diese 
Geschichte,  deren  Original  wir  mit  vollster  Sicherheit  be- 
stimmen können  ?  zeigt  uns,  wie  willkürlich  der  englische 
Erzähler  die  Nebeuumstände  ändert,  wie  gefahrlich  es  ist, 
auf  Grund  seiner  Angaben  das  Detail  seiner  Vorlage  recon- 
struieren  zu  wollen,  was  Ohle  zur  Stütze  seiner  Hypothese 
gethan  hat.  Ein  Beispiel  wird  genügen:  Bandello  lässt  den 
stummen  Kitter  in  den  Dienst  des  französischen  Königs 
Karl  VII.  treten  und  im  Krieg  Ehre  und  Ruhm  gewinnen; 
der  Engländer  sendet  seinen  Mann  zu  einem  Herzog  von 
Cornwal,  dessen  Kinder  er  in  Musik  uud  Tanz  zu  unter- 
richten hat. 


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XVI.  THE  JEST-BOOKS. 


Das  16.  Jahrhundert  hat  auch  in  England  eine  grosse 
Anzahl  von  Anekdoten-Sammlungen  erzeugt,  Compendien, 
welche  eine  mehr  oder  minder  wüste  Anhäufung  von  Narren- 
uud  Schelmenstreichen  aller  Art  enthalten.  Auf  dem  frucht- 
baren Boden  dieses  Jahrhunderts,  dem  so  viele  formenschöne 
und  duftreiche  Pflanzen  entkeimten,  wucherte  auch  das  üppige 
Unkraut  der  Zote  allenthalben.  Am  frechsten  in  Italien:  in 
PoggioTs,  des  hochgebildeten  Humanisten,  „Facetiae"  ist  der 
Höhepunkt  der  Schamlosigkeit  erreicht. 

Auf  englischem  Boden  sind  besonders  folgende  Sammel- 
werke dieser  Gattung  zu  berücksichtigen : 

1.  A  Hundred  Mery  Talys;  1520. 1 

2.  Mery  Tales,  Wittie  Qucstions  and  Quicke  Answeres; 
Ca.  154!>.2 

3.  Mcrie  Tales  of  Skelton;  lic.  1500  7. 

4.  Scoggins  Jests;  lic.  1505/0. 

5.  The  Sackfull  of  Newes;  vor  1575. 
0.  Tarltons  Jests;  c».  1588. 3 

7.  Merie  Tales  of  the  Mad  Men  of  Ootham;  s.  a.,  aus 
der  Zeit  Heinrichs  Till. 

8.  Pasquils  Jests  mixed  with  Mother  Bunches  Merri- 
ments;  1004. 4 

1  Cf.  Shakespeare'«  Jest  Book.  A  Hundrcd  Mery  Talys  from  the 
only  perfect  eopy  known.    Ed.  by  Herman  Oenterley.    London  IHOfi. 

*  No.  1  und  2  bilden  den  ersten  Band  von  'Shakespeare  Jest  Books' 
ed.  by  W\  C.  Hazlitt;  London  1S«4.    VrI.  noch  Handbook  p.  299  ff. 

*  No.  3—  r»  cf.  ib.  vol.  II. 
4  No.  7/8  cf.  ib.  vol.  III. 


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78 


XVI.  THE  JE8T-B00KS. 


Auch  in  Thomas  Twync's  „Schoolcmaster,  or  Teacher 
of  Table  Phylosophie"  (1576/83)  bietet  der  vierte  Abschnitt: 
Honest  jests,  delectable  devises  and  pleasant  purposes. 1 

Diese  englischen  Sammlungen  haben  je  nach  der  Eigen- 
art des  Compilators  ein  ziemlich  verschiedenes  Gepräge.  Der 
eine  will  volksthümlich  sein,  er  verlegt  seine  Geschichten  in 
die  jüngste  Vergangenheit  und  zeigt  uns  Menschen  seiner 
Zeit,  die  freilich  oft  einen  uralten  Schwank  vorzutragen  haben ; 
der  andere  tritt  mit  litterarischen  Prätensionen  auf  und  deutet 
durch  Quellen-Angaben  seiue  Belesenheit  an.  Ihrem  Ge- 
sammt-Charakter  nach  beurteilt,  sind  sie  nicht  so  grundver- 
dorben, so  tief  unsittlich,  wie  Poggio's  „Facetiae",  aber  oft 
noch  derber  —  sie  bieten  etwas  weniger  moralischen  und 
etwas  mehr  physischen  Schmutz. 

Der  italienische  Eiufluss  kommt  besonders  in  den  „Mery 
Tales,  Wittie  Questions  etc.%  in  den  „Hundred  Mery  Talys'" 
und  in  „Pasquils  Jeststt  zur  Geltung.  Hier  Rüden  wir  in 
condensierter  Form  manche  bekannte  italienische  Novelle, 
welche  Versionen  in  der  den  Schluss  dieser  Studie  bildenden 
Tabelle  berücksichtigt  sind;  weit  zahlreicher  sind  jedoch  die 
Entlehnungen  aus  Poggio  und  aus  Domenichfs  kFacetie, 
Motti,  et  ßurle  (vgl.  oben  p.  60  f.).  Die  Schuld  der  eng- 
lischen Compilatoren  an  diese  Männer  näher  zu  bestimmen, 
habe  ich  in  dieser,  der  italienischen  Novelle  gewidmeten 
Untersuchung  keinen  Anlass.  Überdies  verspüre  ich  keine 
Lust,  auf  diesem  Gebiet,  auf  welchem  die  Zote  schamlos,  und 
zumeist  auch  witzlos,  herrscht,  weitere  Forschungen  anzu- 
stellen. 


1  Cf.  Collier's  Account  II  453  ff. 


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TABELLE  DER  ENGLISCHEN  ÜBERSETZUNGEN. 


Am  Schluss  meiner  Besprechung  der  hauptsächlichen 
Werke,  welche  den  Engländern  die  Kenntnis»  der  italienischen 
Novelle  vermittelten,  scheint  es  mir  rüthlich,  uns  die  Ergeb- 
nisse der  vorstehenden  Untersuchungen  übersichtlich  vor  Augen 
zu  bringen.  Ich  füge  deshalb  eine  Liste  aller  mir  bekannten, 
dem  16.  Jahrhundert  eigenen  Übersetzungen  und  nicht  dra- 
matischen Bearbeitungen  italienischer  Novellen  an,  und  damit 
man  leicht  ein  Urtheil  über  die  Beliebtheit  der  verschiedenen 
Erzählungen  gewinnt,  verzeichne  ich  auch  alle  Stellen,  an 
welchen  ich  die  Helden  der  italienischen  Novellen  erwähnt 
fand.  Wie  lückenhaft  dieser  Theil  meiner  Zusammenstellung 
sein  wird,  dessen  bin  ich  mir  sehr  wohl  bewusst  —  aber 
ich  hoffe,  dass  der  eine  oder  der  andere  meiner  freundlichen 
Leser  Anlass  nehmen  wird,  meine  unfreiwilligen  Unterlassungs- 
sünden gut  zu  machen. 

Boccaccio  soll  den  Reigen  beginnen ,  und  ihm  muss 
ausserdem  noch  dadurch  eine  bevorzugte  Stellung  eingeräumt 
werden,  dass  wir,  um  zu  einem  befriedigenden  Abschluss  zu 
gelangen,  die  Gränze  des  16.  Jahrhunderts  überschreiten  und 
kurze  Zeit  bei  der  ersten  vollständigen  Übersetzung  des 
„Decameron*  verweilen  müssen. 

I.  BOCCACCIO. 

1.  IL  DKCAMERON. 

Giora.  I  Nov.  3  Die  drei  Ringe:1  Painter  I  30  (1566, 
cf.  p.  2). 

1  Den  Novellen  des  „Dcoaraeron"  gebe  ioh  zumeist  die  von  Landau 
gebrauchten  Titel. 


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80 


TABELLE. 


I  5  Die  Marquise  von  Monferrat:  Painter  II  16  (1567, 
cf.  p.  3). 

I  8  Guiglielmo  Borsiere:  Painter  I  31  (1566,  cf.  p.  2). 

I  10  Alberto  da  Bologna:  Painter  I  32  (1566,  cf.  p.  3). 

II  2  Riualdo  öVAsti  und  seine  Wirthin:  Painter  I  33 
(1566,  cf.  p.  3). 

II  3  Die  englische  Prinzessin:  Painter  I  34  (1566, 
cf.  p.  3). 

II  4  Landolfo  Ruffolo :  Painter  I  35  (1566,  cf.  p.  3). 
II  5  Andreuccio's  Abenteuer:  Painter  I  36  (1566,  cf. 

p.  3). 

II  6  Die  Familie  Capece:  Greene  (1588,  cf.  p.  53). 

II  8  Der  Graf  von  Antwerpen:  Painter  I  37  (1566,  cf. 
p.  3). 1  —  Erwähnt  in  „The  Forrest  of  Fancy  (1579,  cf. 
p.  45),  in  der  Prosa-Epistel :  A  Lotier  writ'mg  to  his  choseti 
friend,  icho  for  his  sake  susteyned  much  sorroir,  exhorteth 
her  to  conihinc  constant.  Der  Schreiber  verweist  tröstend  auf 
das  Schicksal  des  guten  Grafen. 

II  9  Die  Wette:  „Westward44  Nu.  2  (1620,  cf.  p.  73). 
III  5  Zima's  Monolog:  „Forrest  of  Fancy k  No.  1  (1579, 

cf.  p.  44). 

III  9  Giletta  di  Nerbona :  Painter  138  (1566,  cf.  p.  3). 

IV  1  Guiscardo  und  Ghisnionda:  1.  rThe  amerous  Ay- 
story  of  Ouystorde  and  Sygysmonde*  von  William  Walter 
(1532); 2  2.  Painter  1  39  (1566,  cf.  p.  3).  —  Erwähnt  1.  von 


1  Eino  wenig  bekannte  metrische  Version  (in  heroic  couphts)  dieser 
Novelle  entstand  zu  Anfang  de»  18.  Jahrhunderts,  wohl  nach  dem  Bei- 
spiel der  Drydcn'schen  Übersetzungen:  Viofenta,  or  the  Rarani*  of 
Virtur:  lum\i  from  Boccace  itifo  Verse.    London  1704.   Anonym;  der 
Katalog  des  British  Museum  nennt  Mary  Pit  als  Verfasserin. 

2  Vgl.  über  diesen  Mann  und  sein  Werk  Zupitza's  bereits  er- 
wähnte Abhandlung  „Die  mittelenglischcn  Bearbeitungen  der  Erzählung 
Boccaccio^  von  Ohismonda  und  Guiscardou  in  Geiger's  Vierteljahrs- 
schrift I  63  ff.  Walters  Gedicht  beruht  auf  der  lateinischen  Prosn- 
version  des  Leonardo  Bruni,  er  nennt,  in  Übereinstimmung  mit  den 
alten  Drucken  der  Prosa  Bruni's,  Boccaccio'*  Guisrardo  :  Guysfarde.  Es 
ist  bemerkensworth,  dnss  wir  oben  auch  bei  Peend,  Howell  und  Riehe 
dieser  Form  des  Namens  begegnen  worden ,  und  dass  Howell  in  der 
ersten  Fassung  seines  Gedichtes  auch  die  Heldin  mit  dem  bei  Bruni 


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TABELLE 


81 


Thomas  Peend  1  in  „The  Pleasant  fable  of  Hermaphroditus 
and  Salmacis".  With  a  morall  in  English  Verse.  (1565): 
Kyng  Tancreds  doughter  Gysmond  dyd  loue  Guistardes  bewty 
bryght,  mit  der  Anmerkung :  Gysmonde.  Onelye  daughter  of 
Tancrede,  kyng  of  Salerne:  which  loued  a  sei-vaunte  of  her 
fathers:  and  beinge  taken  in  adultery  together,  in  a  Caue  in 
the  grounde,  the  kinge  caused  her  louer  Guistarde  to  be  hanged 
therfore,  and  sent  his  harte  unto  her:  whych  imbraeynge  it, 
layd  it  an  her  breste,  agaynste  her  owne  hart,  and  dranke  a 
cnppe  of  poyson  immedyatly,  wherof  dyenge :  she  desyred  that 
they  myghte  be  buryed  together;  2.  von  Thomas  llowell,  und 
zwar  zuerst  in  „Neice  Sonets  and  pretie  Pamphlets''  (s.  a., 
lic.  1567/8)  in  dem  Gedicht  An  humble  sute  to  his  friende, 
requesting  Loue  for  Loue, 2  welches  Gedicht  llowell  unter 
dem  Titel  „Loue  asketh  loue*  mit  geringfügigen  Textande- 
rungen  in  seinen  vDeuises  for  his  owne  exercise,  and  his 
Friends  pleasure"  (1581)  wiederholt  hat.  In  dieser  Samm- 
lung lauten  die  Boccaccio's  Helden  betreffenden  Verse  nach 
dem  Text  der  editio  prineeps: 

I  reade  howo  loue  did  Gismond  wounde 

The  childe  of  Tancred,  Salerne  king: 

Her  fauour  Guistarde  constante  founde, 

8he  fanoied  eise  no  other  thing, 

For  riehen  nought,  nor  for  his  wealth, 

Whercof  he  had  but  little  störe, 

His  vertue  was  her  onely  health, 

She  likte  that  well,  she  sought  no  more. 

They  had  their  hoped  hap  and  ioyo, 

If  Tanored  could  contente  him  so, 

But  he  by  working  their  annoye, 

Unto  himselfe  brought  greatest  wo. 

You  arc  that  Gismond  fayro  and  bright; 

Would  I  had  Guistards  vertuous  Ufo, 

And  Tancred  ehast  cleane  out  of  sight, 

Then  would  I  wyshe  for  such  a  wife. 

und  Walter  erscheinenden  Namen  bezeichnet:  /  read  the  woes  o/Sigis- 
mondc,  The  chihle  of  Tanckred,  Salerne  Kinge. 

1  Auch  de  la  Peend.  Das  oben  erwähnte  Gedicht  ist  unterzeichnet: 
T.  D  Peend,  die  Widmung  seiner  „Historie  of  the  lorde  Mandozze" 
(cf.  p.  95  f.)  T.  Delapeend. 

*  Cf.  The  Poems  of  Thomas  Ho  well.  Ed.  by  A.  B.  Grosart  s.  1. 
[Manchester]  1879;  p.  128  f. 

qf.  lxx.  6 


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82 


TABKLLE 


3.  von  Barnabe  Riehe  (1574,  cf.  p.  47). 

IV  2  Der  Engel  Gabriel:  „Tarltons  Newes"  No.  2  (1590 
ef.  p.  63).  —  Nachgeahmt  von  Whetstone  (1582,  cf.  p.  35  f.) 
—  Erwähnt  von  Greene  (1589,  cf.  p.  54  f.). 

IV  4  Gerbino  und  die  Prinzessin  von  Tunis:  Turbervile 
„Tragieal  Tales"  No.  6  (c-.  1570). 1 

IV  5  Der  Rasiliontopf:  Turbervile  No.  7  (c\  1576). 

IV  7  Die  giftige  Salbei:  Turbervile  No.  9  (c*.  1576). 

IV  8  G irolamo  und  Salvcstra:  Turbervile No.l0(c».  1576). 

IV  9  Das  Herz  des  Geliebten:  Turbervile  No.4(cM576). 

V  1  Erziehung  durch  Liebe:  pleasant  and  delight- 
full  llistory  of  Gahsus  Cytnon  and  Iphi genta:  Describing 
the  ßcklenesse  of  Fortune  in  loucü.  Translated  out  of  Ha- 
lt an  iuto  Enghshe  versc,  by  T.  C.  Gent.  s.  a.  (wird  wohl  mit 
Recht  in  das  dritte  Viertel  des  16.  Jahrhunderts  gesetzt).2 
Den  schönen  Anfang  dieser  Geschichte  verwendet  Greene 
zweimal  (K>84,  cf.  p.  52  und  1589,  cf.  p.  53  f.). 

V  2  Gostanza  und  Martuccio  Gomito:  Greene  (1588, 
cf.  p.  53). 

V  7  Teodoro  und  Violante:  „Forrest  of  Fancyu  No.  2 
(1579,  cf.  p.  44). 

V  8  Die  Spröde  und  der  gespenstische  Jäger:  1.  VA 
Notable  Historye  of  Nastagio  and  Trauersari,  no  lesse  pitic- 
full  then  pleasaunt.  Translated  out  of  Italian  iuto  Ettglish 
verse  by  C  T.  (1569);»  2.  Turbervile  No.  1  (C.  1576).  — 
Erwähnt  in  „The  Forrest  of  Faney"  (1579,  cf.  p.  45),  in  dem 
Gedicht  The  lamentable  coinplaiut  of  a  Louer:  I  might  bring 
in  Nastagio  if  I  icould. 

VI  4  Der  einbeinige  Kranich:  „Tarlton  Newes44  No.  4 
(1590,  cf.  p.  63). 

VI  10  Die  Reliquien  des  Frate  Cipolla:  „Tarlton  Newesfc 
No.  5  (1590,  cf.  p.  63).  —  Erwähnt  von  Greene  (1589,  cf.  p.  54). 

1  Cf.  meinen  Aufsatz  „George  Turbervile'e  Verhältnis»  zur  ita- 
lienischen Litteratur",  Anglia  XIII  p.  42  ff. 

8  Cf.  Warton  IV  338;  Collier  „Account*  I  302.  Da«  Gedicht  ist 
übrigens  nicht  in  Stanzen,  wie  Warton  und  Dunlop-Liobrecht  p.  234 
bemerken,  sondern  in  paarweise  gereimten  Septenaren  abgefasst. 

a  Cf.  Wnrton  TV  338;  Collier  II  19  ff. 


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TABELLE. 


83 


VII  1  Der  Liebhaber  als  Gespenst:  „The  Cobler  of 
Caunterburie"  No.  2  (1590,  cf.  p.  67). 

VII  4  Der  ausgesperrte  Ehemann:  „Westward*  No.  3 
(1620,  cf.  p.  74). 

VII  5  Der  Eifersüchtige  als  Beichtvater:  eine  ähnliche 
Geschichte  findet  sich  nach  Collier's  Angabe  (Account  II  455) 
in  Thomas  Twyne's  „Schoolemaster"  (1576,  cf.  p.  78). 

VII  6  Liebhabor  als  Verfolger  und  Verfolgter:  1  „Tarl- 
ton  Newes"  No.  7  (1590,  cf.  p.  63);  2.  „Mery  Tales,  Wittie 
Questions  etc."  (c*.  1549,  cf.  p.  77)  No.  51:  Of  the  inholders 
tryfe  and  her  two  louers. 

VII  7  Der  geprügelte  Ehemann:  1.  „A  Hundred  Mery 
Talys"  (1526,  cf.  p.  77)  No.  3:  Of  the  tryfe  that  mayd  hyr 
husbande  to  go  zijt  in  the  herber  in  the  vyght  irhyle  her 
prentya  lay  with  her  in  her  bed ;  2.  „The  Sackfull  of  Nowes" 
(vor  1575,  cf.  p.  77)  p.  169  f.  —  Ein  ähnliches  Motiv  findet 
sich  im  „Cobler  of  Oaunterburye"  No.  1  (1590,  cf.  p.  65  f.). 

VII  8  Die  verstümmelte  Stellvertreterin :  „The  Cobler 
of  Caunterburie"  (1590,  cf.  p.  67)  No.  2.  —  Ähnliche,  jedoch 
aus  anderen  Quellen  geschöpfte  Erzählungen  finden  sich  1.  in 
„Merie  Tales  of  the  Mad  Men  of  Gotham"  (aus  der  Zeit 
Heinrichs  VIII,  cf.  p.  77),  The  twelfth  Tale,  die  an  „Li 
Fabliau  des  Treces*  erinnert; 1  2.  in  „Wcstward"  No.  1  (1620; 
cf.  p.  72). 

VIII  4  Der  Propst  von  Fiesole:  Nachgeahmt  von  Whet- 
stone  (1582,  cf.  p.  35  f.). 

VIII  7  Die  Wittwe  und  der  Student:  Painter  II  31 
(1567,  cf.  p.  3). 

IX  2  Die  Äbtissin  und  die  Nonne:  1.  Thomas  Twyne 
„The  Schoolemaster"  (1576,  cf.  p.  78)-;  2.  William  Warner 
„Albion's  England44  (1586/02). 3 

IX  6  Die  Wiege :  über  eine  vermutlich  zu  Anfang  des 
16.  Jahrhunderts  verftisste,  aber  nicht  auf  lioccaccio's  Novelle 
beruhende   Version   dieser    Geschichte,    betitelt  VA  ryght 

1  Cf.  Nouveau  Recueil  de  Fabliaux  et  Contes  inödits,  publik  par 
M.  Meon;  vol.  I  p.  343. 

2  Cf.  Collier  II  455. 

9  A.  Chalmera'  „Engliflh  Poetn"  vol.  II  (London  1810)  p.  570. 

G* 


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84 


TABELLE. 


pleasaunt  and  merye  Historie  of  the  Mylner  of  Abyngton  etc.tt 
vgl.  IL  Varnhagen's  Aufsatz  „Die  Erzählung  von  der  Wiege* 
ESt.  IX  240  ff. 

X  3  Gastfreundschaft:  Painter  II  18  (1567,  cf.  p.  3). 

X  4  Die  Scheintodte:  1.  Painter  II  19  (1567,  cf.  p.  3); 
2.  Turbervile  No.  3  (c\  1576). 

X  5  Der  Zaubergarten  im  Winter:  Painter  II  17  (1567, 
cf.  p.  3).  —  Erwähnt  von  Melbancke  im  „Philotimus"  (1583, 
cf.  p.  60).  Melbancke  hatte  jedoch  vermuthlich  die  iden- 
tische Erzählung  des  „Filocolo"  vor  Augen,  vgl.  p.  88. 

X  8  Die  Freunde:  1.  „The  hysiory  of  Tytus  and  Gesyp- 
pusu  frans! ated  out  of  latyn  in  to  englyssht  by  Wyliyam 
Walter s.  a.  Walter's  Quelle  ist  noch  nicht  bestimmt. 1  2.  uThe 
Boke  named  the  Gouemour,  deuysed  by  sir  Thomas  Elyot 
knightu  (1531).  The  seconde  Boke.  Ca.  XII:  The  wonderfull 
history  of  Titus  and  Gisippus,  and  whereby  is  fully  declared 
the  figure  of  perfet  amitie.2  3.  Tlie  most  tconderfuU  and plea- 
saunt History  of  Titus  and  Gisippus  .  .  .  drawen  into  Eng- 
lish  metre.  By  Edward  Leivicke*  (1562);  4.  Faithful  Friend- 
ship:  Or,  Alphonso  and  Gansdo.  To  the  Tune  of  Fitfing 
Farne.    Eine  Ballade  in  gereimten  Septenaren : 

In  stately  Rorae  some  timo  did  dwcll 

A  Man  of  Noble  Farne, 
Who  had  a  8on  of  seemly  Shape 

Alphonso  was  his  Name  etc. 

Ob  diese  Ballade  noch  dem  16.  Jahrhundert  angehört,  ver- 
mag ich  nicht  mit  Sicherheit  zu  sagen.    Sie  findet  sich  in 

1  Brunet  gibt  bei  Bandello  und  Walter  des  ersteren  lateinische 
Version  dieser  Novelle:  Titi  romani  et  Egesippi  athenienais  amicorum 
historia,  in  latinum  versa.  Metliolani  1509 ,  als  Quelle  Walter's  an. 
Eine  Verglcichung  wird  er  schwerlich  vorgenommen  haben. 

2  Wir  haben  einen  schonen  Neudruck  dieses  Werkes:  Edited  from 
the  first  edition  of  1531  by  Henry  H.  Stephen  Croft.  In  2  vols. ;  London 
1880;  cf.  vol.  II  p.  132  ff.  Croft  bietet  unter  Elyot's  Text  den  latei- 
nischen Text  des  Filippo  Beroaldu,  betont  jedoch,  dass  Elyot  sowohl 
von  dieser  lateinischen  Übersetzung,  als  auch  von  Boocaccio's  Original 
erheblich  abweicht. 

*  Nach  Collier  „Pootical  Decameron"  I  p.  79  ff.  hat  Lewicke  sich 
eng  an  Elyot  gehalten. 


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TABELLE. 


85 


einer  Sammlung,  betitelt  A  Collection  of  old  Balktds.  Corrected 
from  the  best  and  most  ancient  copies  extant.  With  intro- 
duetions  Historical,  Critical,  or  Humorous.  London  1723/25, 
3  vols;  vol.  II  p.  145/51.  Der  anonyme  Herausgeber  war 
vollkommen  im  Unklaren  hinsichtlich  der  Quelle  dieser  Ballade: 
/  remember  indeed  an  old  Novel  written  on  the  same  Sub- 
ject .  .  .,but  that  Novel  I  take  to  be  borrowed  from  the  Ballad, 
not  the  Ballad  from  the  Novel,  our  Song  being  certainly  by  much 
the  more  ancient.  —  Theilweise  nachgeahmt  von  Greene  (1592, 
cf.  p.  54).  Ausserdem  soll  Thomas  Underdowne  ein  wahrschein- 
lich verlorenes  Werk  uponthe  friendships  of  Titus  and  Gesyppus, 
Orestes  and  Pylades  etc.  verfasst  haben  (cf.  Collier  Account 
I  233).  —  In  der  englischen  Litteratur  des  16.  Jahrhunderts 
finden  sich  zahllose  Anspielungen  auf  die  Helden  dieser  Er- 
zählung, jeder  Autor,  der  das  Thema  der  Freundschaft  be- 
rührt, nennt  ihre  Namen.  Es  wäre  zwecklos,  den  Leser  mit 
der  Menge  der  mir  vorliegenden  Belege  zu  belästigen. 

X  9  Sultan  Saladin  und  Torello:  Painter  II  20  (1567, 
cf.  p.  3). 

X  10  Griseldis:  1.  The  Pleasant  and  Siveet  History  of 
Patient  Grissel.  Translated  out  of  Italian.  London  s.  a. 
2.  The  Ancient  True  and  Admirable  History  of  Patient  Grisel. 
Written  first  in  French.  London  1619.  Der  Herausgeber 
dieser  zwei  Versionen1  hält  es  für  sehr  wahrscheinlich,  dass 

1  Cf.  The  History  of  Patient  Grisel.  Two  early  Tracts  in  Black- 
lotter.  With  an  introduotion  and  Notes  by  J.  P.  Collier  (Percy  Soo. 
voL  III),  London  1842;  p.  VIII.  Die  oben  an  erster  Stelle  angeführte 
Version  bespricht  Friedrieh  von  Westenholz  „Die  Griseldis-Sage  in  der 
Literaturgeschichte*4,  Heidelberg  1888;  p.  59  ff.  Wenig  bekannt  dürften 
folgende  —  von  Westenholz  nicht  erwähnte  —  spätere  Fassungen  dieser 
Geschichte  sein:  1.  nG  aalt  her  us  and  Griselda:  or  the  Clerk  of  Oxford*  8 
Tale".  Front  Boccace,  Petrarch,  and  Omucer.  By  George  Oyle.  London : 
printed  for  B.  Dodsley.  1739.  In  heroic  Couplets  (2534  Verse).  Der 
Verfasser,  der  sich  auf  Dryden's  ruhmvolles  Beispiel  beruft,  schliesst 
sich  in  erster  Linie  an  Chaucer  an,  will  jedoch  auch  die  Schönheiten 
Boccaccio's  und  Petrarca's,  dessen  latein  ische  Version  er  über  Boccaccio'» 
Original  stellt,  berücksichtigt  haben.  Sein  Gedicht  ist  ein  echtes  Produkt 
seiner  Zeit :  weitschweifig  und  rethoriach  aufgeputzt,  hat  es  mit  Chaucer'» 
rührender  Dichtung  nur  die  Thatsaohen,  nicht  den  Geist  gemein. 
2.  „Patient  Griselda:  A  Tale".  From  the  Italian  of  Boccaccio.  By  Miss 


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86 


TABELLE. 


sie  vor  151*0  entstanden  sind.  —  Erwähnt  wird  die  durch 
Chaucer  nationalisierte  Dulderin  auch  im  16.  Jahrhundert 
häufig  als  Typus  weiblicher  Treue  und  Milde. 

Das  16.  Jahrhundert  ging  zu  Ende,  ohne  eine  voll- 
ständige englische  Version  des  „Decameron"  geliefert  zu 
haben.  Erst  im  zweiten  Jahrzehnt  des  17.  Jahrhunderts 
wurde  dieses  Unternehmen  gewagt,  und  es  wäre  beinahe  noch 
in  der  Stunde  der  Ausführung  vereitelt  worden:  die  geist- 
liche Behörde  erhob  1619  in  der  Person  des  Erzbischofs  von 
Canterbury  Protest  gegen  die  Veröffentlichung  dieser  Über- 
setzung. Gleichwohl  erschien  dieselbe  schon  im  folgenden 
Jahr,  betitelt:  The  Decameron,  containing  an  hundred  [dea- 
sant  Novels,  wittily  discoursed  between  seven  honourable 
Ladies  and  three  nobU  Gentlemen.  In  (wo  Parts.  London, 
printed  by  Isaac  Jaggard,  1620.  Diese  scheinbare  Incon- 
sequcnz  des  geistlichen  Oensors  wird  uns  sehr  verständlich, 
wenn  wir  uns  die  englische  Übersetzung  näher  ansehen  und 
uns  überzeugen,  dass  der  anonyme  Verfasser  uns  nicht  die 
ursprüngliche,  sondern  die  von  der  römischen  Kirche  sank- 
tionierte Form  des  „Decameron"  bietet :  er  hat  seiner  Arbeit 
den  beschnittenen  Text  des  Cavalier  Lionardo  Salviati 1  zu 
Grunde  gelegt.  In  Folge  dessen  weicht  diese  erste  eng- 
lische Übersetzung  des  „Decameron"  an  zahllosen  Stellen  von 
Boccaccio's  Sinn  und  Wortlaut  ab.  Die  auffälligsten  Ände- 
rungen sind,  dass  Frate  Alberto  die  von  ihm  bethörte  Schöne 
nicht  mehr  als  Erzengel  Gabriel  besuchen  darf,  sondern  mit 
der  Maske  Cupido's  vorlicb  nehmen  muss,2  und  dass  Bruder 

Sotheby.  Bristol  1798.  In  heroic  couplets.  —  Ausserdem  findet  sieh  in 
der  Sammlung  „The  New  Paradise  of  Dainty  Devices:  consisting  of 
original  Poems".  Dy  diferent  hands.  London  1777 ;  p.  31  ein  sehr 
thörichtes  Gedicht,  überschrieben:  The  Death  of  Patient  Grizel,  and 
Advice  to  the  Ladies,  being  the  Sequel  of  Chaucer*  s  Clerkes  Tale,  eine 
plumpe  Nachahmnng  des  bekannten  Envoy. 

1  II  Deeameron  di  Messer  Giovanni  Boooaooi  ...  Di  nuovo 
ristampato  ...  dal  Cavalier  Lionardo  8alviati.  Quarta  editiono.  Fircnze 
MDLXXXVII. 

2  IV  2  Fryar  Albert  made  a  young  Venetian  Gentlewoman  btleeue. 
that  God  Cupid  was  falne  in  loue  with  her,  and  he  resorted  o/tentimes 
unto  her,  in  the  disguisc  of  the  same  God. 


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TABELLE 


87 


Zwiebel  seinen  Bauern  statt  einer  Feder  aus  dem  Flügel 
des  besagten  Engels  eine  Feder  des  Phönix ,  der  in  Noah's 
Arche  war,  vorlegen  muss. 1  Für  die  schlimme  Historie  von 
Alibech  und  Rustico  (Dec.  III  10)  erzählt  uns  der  Engländer 
die  Geschichte  der  schönen  Syritha  des  Saxo  Grammaticus, 2 
wie  er  sie  im  vierten  Bändchen  der  „Histoires  Tragiques" 
des  Belleforest  gelesen  hatte. 3  Ausserdem  Hess  er  es  sich 
angelegen  sein,  den  Überschriften  der  Novellen  moralische 
Erläuterungen  anzufügen.  So  lesen  wir  z.  B.  vor  der  ersten 
Novelle:  Wherein  is  contained,  how  hard  a  thing  it  is,  to 
distinguish  goodnesse  from  hypoerisie;  and  how  (under  the 
shadoic  of  holinesse)  the  wickednes  of  one  man  mag  deeeiue 
mang. 

Diese  Übersetzung  erlebte  im  Laufe  des  17.  Jahr- 
hunderts mehrere  Auflagen.  Der  erste  Theil  wTurde  schon 
1625  neu  gedruckt,  und  zusammen  mit  den  noch  vorhandenen 
Exemplaren  des  zweiten  Theiles  der  editio  prineeps  auf  den 
Markt  gebracht.  In  Folge  dessen  finden  sich  Drucke,  welche 
auf  dem  Titelblatt  des  ersten  Theiles  die  Jahreszahl  1625, 
auf  dem  des  zweiten  aber  1620  tragen  —  eine  Unregel- 

1  VI  10  Fryer  Onyon  promised  certaine  honest  people  of  the 
Countrey,  to  shetc  them  a  Feather  of  the  same  Phoenix,  (hat  was  with 
Noah  in  his  Ärke.  In  sted  whereof  he  found  Coales,  which  he  auouched 
to  he  those  very  coate,  wheretoith  the  same  Phoenix  was  roasted. 

*  Cf.  Historia  Danica.  Ree.  P.  E.  Müller,  Hayniao  1839;  vol.  I 
p.  330  ff. 

s  Fol.  112  ff.:  The  wonderfull  and  chaste  resolued  continency  of 
faire  Serictha,  daughter  to  Siwalde,  King  of  Denmark ,  who  heing 
80ught  and  sued  unto  by  many  worthy  persans,  that  did  affect  her 
dearly,  would  not  looke  any  man  in  the  face,  until  such  Urne  as  she 
was  married  —  Hist.  75 me  Merveilleuse  Continence  de  Syrithe,  fillt 
du  roy  de  Dannemarch ,  ne  voulatit  iamuis  regarder  homme  en  la 
face  iusques  ä  tant  qu'clle  fut  marii'c.  Bei  Robert  Greene  finden  "wir 
wiederholt  Anspielungen  auf  diese  Sage,  welche  eine  verschiedene 
Fassung  derselben  voraussetzen,  wenn  wir  nioht  eine  willkürliche  Ände- 
rung Greene1»  anzunehmen  haben,  vgl.  Mamillia  (1583):  Sirichia,  the 
Daughler  of  Smald,  kiny  of  the  Danes,  could  not  be  perswaded  by  her 
father  to  forsake  her  virginitie,  but  the  third  day  after  his  death  she 
was  betroathed  but  to  a  meane  Squire  (Grosart  vol.  II  p.  52);  Gwy- 
donius  (1587 J :  Did  not  Sirithia,  the  Princesse  of  Denmarke,  reiect  most 
Itrincely  Potentates,  and  at  last  aeeepte  a  poore  ptasant  (vol.  IV  p.  132). 


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88 


TABELLE 


mässigkeit,  die  schon  manchem  Bibliographen  aufgefallen  ist. 1 
Weitere  Auflagen  folgten  in  den  Jahren  1634,  1655,  1657 
(Neudruck  des  ersten  Theiles,  mit  Verwendung  der  Testie- 
renden Exemplare  des  zweiten  Theiles  von  1655),  1684.  Den 
ganzen  Rahmen  und  40  Novellen  dieses  ersten  englischen 
^Decamerontt  hat  vor  einigen  Jahren  Henry  Morley,  mit 
leichten  Änderungen,  als  15.  Band  von  Morley's  Universal 
Library  herausgegeben. 2 

2.  IL  FILOCOLO. 

Lib.  V  Questione  IV  Der  Zaubergarten  im  Winter:  er- 
wähnt von  Melbancke  im  „Philotimusu  (1583,  cf.  p.  60). 

Lib.  V  Questione  XII  Die  schwierige  Wahl:  erwähnt 
von  demselben  1.  c. 

Sämmtliche  13  Geschichten  wurden,  wie  bereits  gesagt 
(p.  60),  von  H.  G.  übersetzt  und  1567  veröffentlicht.  Betreffs 
dieser  Übersetzung  und  ihren  verschiedenen  Auflagen,  sowie 
betreffs  Bartholomew  Young's  Version  der  „Fiammetta" 
(1587)  habe  ich  Hazlitt's  Angaben  im  „Handbook"  p.  42  f. 
nichts  anzufügen.  Dagegen  möchte  ich  noch  auf  eine  Über- 
setzung eines  der  weniger  bekannten  Werke  des  Certaldescn 
aufmerksam  machen,  das  die  Bibliographen  in  dem  englischen 
Gewand  nicht  erkannt  zu  haben  scheinen.  Hazlitt  1.  c.  p. 
234  verzeichnet:  A  Famous  tragicall  discourse  of  two  lovers, 
Affrkan  and  Mensola,  their  lives,  unfortunate  loces,  and 
lamentable  deaths,  together  with  the  of^spring  of  the  Floren- 
tines. A  History  no  lesse  pleasant  than  füll  of  recreation 
and  delight.  Newly  translated  out  of  Tuscan  into  Frencht 
by  Anthony  Guerin,  domino  Creste.  And  out  of  French  into 
English  by  Io.  Goubourne.  London  1597.  Über  die  italie- 
nische Quelle  äussert  sich  Hazlitt  nicht.  Schon  vor  ihm  hatte 
Collier  (Account!  13)  dieses  Werk  sehr  ungünstig  besprochen : 
this  prose  romance,  written  in  an  ajfected  style,  and  the  lati- 
guid  story  devoid  of  interest  .  .  .  the  18  tedious  chapters  of 

•  Cf.  J.  P.  Collier'8  „Poetical  Decamoron*  vol.  I  p.  196. 

■  The  Üeoamoron  of  Giovanni  Boooaooio  inoluding  forty  of  ita 
Hundrod  Novels.  With  an  introd.  by  Henry  Morley.  4  *  ed. ;  London 
(Routledge  and  Sons)  1886. 


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89 


ichich  the  Romance  consists.  Obwohl  er  bemerkt,  dass  am 
Schlüsse  der  Geschichte  zu  lesen  ist:  Thus  endeth  Maistcr 
John  Bocace  to  his  Flossolan  [!]:  Data  f  ata  secutus,  scheint 
er  doch  nicht  geglaubt  zu  haben,  dass  wir  es  hier  wirklich 
mit  einem  Werke  Boccaccio's  zu  thun  haben,  denn  er  schliesst 
seinen  Artikel  mit  den  Worten:  The  whole  merüs  notice  only 
on  aecount  of  its  extreme  rarity.  Ooubourne's  Büchlein  ist 
aber,  neben  seiner  Seltenheit,  auch  noch  aus  einem  anderen 
Grunde  merkwürdig:  es  bietet  uns  eine  wahrscheinlich  schon 
von  dem  vermittelnden  Franzosen  in  Prosa  aufgelöste  und 
gründlich  verdorbene  Dichtung  Boccaccio's  —  des  Certal- 
desen  „Ninfale  Fiesolano  ossia  Vinnantoramento  di  Affrico  e 
Mensola". 1 

II.  BANDELLO. 

Parte  I  Nov.  2  Ariabarzane  Senescalco  del  Re  di  Persia, 
quello  it uol  uincer  di  cortesia:  Painter  II  4  (1567,  cf.  p.  7). 

I  4  La  Contessa  di  Cellant :  1.  Pen  ton  No.  7  (15(37,  cf. 
p.  14);  2.  Painter  II  24  (1567,  cf.  p.  8);  3.  Whetstone  (1576, 
cf.  p.  30  f.).  -  Erwähnt  1.  von  Pettie  (1576,  cf.  p.  23);  2.  von 
Whetstone  (1582,  cf.  p.  36). 

I  8  Giulia  da  Gazuolo :  Fenton  No.  8  (1567,  cf.  p.  14). 

I  10  Maometto  Imperador  de  Turchi,  crudelmente  am- 
tnazza  una  sua  Donna:  Painter  I  40  (1566,  p.  6). 2 

I  14  Antonio  Perillo,  dopo  molti  trauagli,  sposu  la  sua 
Amante,  e  la  prima  notte  sono  dal  folgore  morti:  Fenton 
No.  12  (1567,  cf.  p.  14). 

I  15  Dui  Gentilhuomini  Venetiani  honoratamente  da 
le  Mogli  sono  ingannati:  Painter  II  26  (1567,  cf.  p.  8). 

I  21  Mirabil  beffa  fatta  da  una  Gentildonna  ä  dui 
Baroni  del  Regno  d'Ongaria:  1.  Painter  II  28  (1567,  cf.  p.  8); 
2.  Whetstone  (1576,  cf.  p.  31). 

I  24  Una  Donna  (falsamente  incolpata)  e  posta  per 
esca  ä  i  Lioni:  Painter  I  41  (1566,  cf.  p.  6). 

1  Eine  schöne  Würdigung  dieser  Dichtung  gibt  Gtwpary,  GIL. 
II  15  ff. 

*  Im  Jahre  1611  veröffentlichte  William  Barksted  ein  Gedicht: 
„Hiren,  or  the  Faire  Greeke*  cf.  Handbook  p.  26;  Shakespeare'*  „Cen- 
turie  of  Praysc14.  2"*  ed.  (London  1879),  p.  83. 


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im 


TABKLLK. 


I  2(5  11  S.  Antonio  Bologna  sposa  la  Dttcfwssa  di 
Malß,  e  tutü  dui  sono  ammazzati:  Painter  II  23  (1567,  cf. 
p.  8).  —  Erwähnt  1.  in  „The  Forrest  of  Fancy*  (1579,  cf. 
p.  45);  2.  von  Whetstone  (1582,  cf.  p.  36);  3.  von  Greene 
(1584,  cf.  p.  52). 

I  27  Don  Diego  da  la  sua  Donna  sprezzato,  uä  ä  starsi 
in  una  Grotta;  e  come  n'usci:  1.  Fenton  No.  13  (1567,  cf. 
p.  14);  2.  Painter  II  2\)  (1567,  cf.  p.  8);  3.  Whetstone 
(1576,  p.  31)  4.  „Diella,  Certaine  Sonnets,  adioyned  to  the 
amorous  Poeme  of  Dom  Diego  and  Gineura".  By  R[ichardj 
LfynchJ.  London  1506  (cf.  Handbook  p.  335).  Dieses  seltene 
Büchlein  bietet  an  erster  Stelle  38  Sonette,  deren  letztes  der 
Prolog  der  Erzählung  ist: 

Sonnet  XXXVIII  Harken  awhile  (Diella)  to  a  storie, 

That  teils  of  beauty,  loue,  and  great  disdainc, 
The  last,  caused  by  suspect;  but  ahe  was  sorry 
That  tooke  that  cause,  true  loue  so  rauch  to  paine, 
For  when  she  knew  his  faith  to  be  unfained, 
Spotles,  sinoere,  most  true,  and  pure  unto  her, 
Shee  ioy'd  as  if  a  kingdome  sheo  had  gained, 
And  lou'd  him  now  as  when  he  first  did  woo  her . . . 
Reade  all,  my  Deare,  but  chiefly  marke  the  end, 
And  be  to  mee,  as  shee  to  him,  a  friend. 

Das  Gedicht  selbst,  überschrieben  The  Ijoue  of  Dom 

Diego  and  Gyneura,  zählt  154  Strophen,  deren  erste  lautet 

In  Gatheloygnc,  o'repoerd  by  Pyren  Mountainos, 

(A  Prouinco  seated  in  the  East  of  Spaine, 

Famous  for  hunting  sports,  and  clcorest  fountains) 

A  young  heroyck  gallant  did  remaine; 

Hee  Signier  Dom  Diego  had  to  name, 

Who  for  his  constant  faith  had  got  such  fame.  — 

Erwähnt  in  „A  gorgious  Gallery  of  gallant  Iuuentions"  (1578, 

cf.  Ilandbook  p.  483),  im  23.  Gedichte  dieser  Sammlung, 

betitelt:  The  Louer  tvonnded  with  his  Ladies  beauty  craueth 

merey.    To  the  Tune  of  where  is  the  life  that  late  1  led. 

Not  wofull  Monaier  dorn  Dieg 

Or  Priam8  noble  sonne, 
Constrayned  by  loue  did  euer  mone 
  As  I  for  thee  haue  donne. 1 

1  Citiert  naoh  dem  Neudruck  des  Roxburghe  Club :  Three  Colleetions 
of  English  Poetry  of  the  latter  part  of  the  16,h  Century.  London  1844. 


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TABELLE. 


91 


I  28  Varii  accidenti  .  .  .  auuenuti  ä  Cornelio  per  amor 
(Pirna  Giovane:  Fenton  No.  5  (1567,  cf.  p.  14). 

I  33  Dui  Amanti  si  trouano  la  notte  insieme,  e  il  Giouine 
di  gioia  si  muore,  e  la  Fanciulla  di  dolor  s'accora:  Fenton 
No.  2  (1567,  cf.  p.  14).  —  Erwähnt  von  Barnabe  Kiche 
(1574  cf.  p.  47). 

I  36  Disonestissimo  Amore  di  Faustina  Imperatrice: 
Painter  II  10  (1567,  cf.  p.  7).  —  Erwähnt  1.  von  Pettic 
(1576,  cf.  p.  23)  ;  2.  von  Whetstone  in  „The  Rocke  of  Regard 
(1576,  cf.  p.  30  ff.),  in  dem  4.  Theil  „The  Ortchard  of  repen- 
tance"  :  1t  seemeth  his  Lady  Laymos  .  .  .  was  in  very  deede 
as  fayre  as  Flora,  as  faithful  as  Faustine,  as  louing  as 
Layis,  as  meeke  as  Aledea,  as  honest  as  Hellen,  as  constant 
as  Cressed,  and  as  modest  as  Maria  Bianca  (p.  81). 

I  41  Infelice  esito  de  V Amore  del  Re  Masinissa  e  de  la 
Reina  Sofonisba:  Painter  II  7  (1567,  cf.  p.  7). 

I  42  //  S.  Didaco  Centiglia  sposa  una  Giouane,  e  poi 
non  la  uuole,  e  da  lei  k  ammazzato:  1.  Painter  I  42  (1566, 
cf.  p.  6);  2.  „A  most  lamentable  and  Tragicall  historie,  con- 
teyning  the  outragious  and  horrible  tyrannie  which  a  Spanishe 
gentlewoman  named  Violenta  executed  upon  her  louer,  Didaco, 
because  he  espoused  another  beyng  first  betrothed  unto  her. 
Newly  translated  into  English  meter,  by  TfhomasJ  AfchelleyJ. 
London  1576. 1 

I  44  II  Marchese  Niccolö  Terzo  da  Este,  trouato  il 
Figliuolo  con  la  Matrigna  in  adulterio,  ä  tutti  dui  .  .  .  fa 
mozzar  il  capo:  Smyth  No.  4  (1577,  cf.  p.  42). 

I  45  Anna  Reina  d'Ungaria  amata  da  huomo  di  basso 
legnaggio,  quello  magnificamente  rimeritd:  Painter  II  21 
(1567,  cf.  p.  7). 

I  49  Anselmo  Salimbene  .  .  .  libera  il  suo  Nemico  da 
la  morte,  e  la  Sarella  di  quello  pr ende  per  Moglie:  1.  Fenton 
No.  1  (1567,  cf.  p.  14);  2.  Painter  II  30  (1567,  cf.  p.  8). 

I  51  //  Caualiero  Spada  per  gelosia  ammazza  se  stesso 
et  anco  la  Moglie:  Fenton  No.  4  (1567,  cf.  p.  14). 

I  52  Bellissima  uendetta  che  fece  un  Schiauo  de  la 


1  Ziemlioh  ausführlich  besprochen  in  Collier'8  Account  I  4  ff. 


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92 


TABELLE. 


tnorte  del  suo  Soldano  contra  un  maluaggio  figliuol  di  quello : 
Smyth  No.  3  (1577,  cf.  p.  42). 

I  55  Un  Castellano,  trouata  la  Aioglie  in  adulterio  col 
suo  Signore,  gli  ammazza :  Painter  II  33  (1567,  cf.  p.  8). 

I  56  Strana  e  merauigliosa  usanza  che  era  attticamente 
in  Hidrusa:  Painter  II  9  (1567,  cf.  p.  7). 

I  57  Una  cortesia  usata  da  Mansore  Re  e  Pontefice 
Maomettano  di  Marocco  ad  un  pouero  Pescatore:  Painter  II  34 
(1567,  cf.  p.  8). 

Parte  II  Nov.  7  UAbbate  Gesualdo  uuol  rapir  una 
Giouane:  Fenton  No.  6  (1567,  cf.  p.  14). 

II  9  La  sfortunata  tnorte  di  dui  infeliei  Amanti,  che 
Vuno  di  iteleno,  e  Valtro  di  dolore  morirotio,  con  uarii  acci- 
denti  (Romeo  e  Giulietta):  1.  Hie  Tragicall  Historge  of  Romeus 
and  Juliet,  twitten  first  in  Italian  by  Bändelt,  and  nowe  in 
Engliifhe  by  Ar[thurJ  B[rooke].  London  1562 ; 1  2.  Painter 
II  25  (1567,  cf.  p.  8).  —  Erwähnt  1.  von  G.  Turbervile  in 
seinen  „Epitaphes  etc.u  (1563?  cf.  Anglia  XIII  42  Anm.  2), 
in  dem  Gedicht  An  Epitaph  on  the  death  of  Maister  Arthur 
Brooke : 

 ho  for  Myter  did  exoell 

Ah  may  bo  iudge[dj  by  Juliot  and  hir  mato: 
For  there  he  shewde  his  cunning  passing  well 
Whcn  he  the  Tale  to  Englishe  did  translato;1 

2.  von  Thomas  Peend  in  „The  Pleasant  fable  of  Herma- 
pliroditus  and  Salmacis*  (1565): 

And  Juliet  Romeus  yonge  for  bewty  dyd  imbraee, 
Yot  dyd  his  manhode  well  agree,  unto  hys  worthy  graco. 
So  seemely  shape  dyd  loue  procure: 
And  Venus  byrdes  oame  to  the  Iure, 


1  Näheres  über  Brooke's  Verh&ltniss  zu  seiner  unmittelbaren  Vor- 
lage, der  französischen  Version  Boisteau's,  bei  P.  A.  David,  in  der  Ein- 
leitung seines  Neudrucks  der  beiden  englischen  Übersetzungen  (New 
Hhakspere  Soo. :  Originals  and  Analogues  Part.  I,  London  1875).  Vgl. 
auch  Ludwig  Fränkel's  Dissertation  „Untersuchungen  zur  Entwioke- 
lunga-Goschichte  des  Stoffes  von  Romeo  und  Julia"  in  der  Zschr.  f.  vgl. 
Litt-Gesch.  und  Ren.  Litt.  n.  F.  III  171  ff.,  IV  48  ff. 


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TA HELLE 


93 


mit  der  Anmerkung:  Juliet.  A  noble  mayden  of  the  Cytie 
Verona  in  Italye,  whyche  loued  Romeus,  eldest  sonne  of  the 
Lorde  Montesche,  and  beinge  pryuely  tnaryed  togyther:  he  at 
last  poysoned  hym  seife  for  loue  of  her,  she  for  sorotve  of 
hys  deathet  slewe  her  seife  in  the  same  Tombe,  wyth  hys  dagger 
3.  von  Barnabe  Riehe  (1574,  cf.  p.  47) ;  4.  von  Pettie  (1576, 
cf.  p.  23) ;  5.  in  „A  gorgious  Gallery  of  gallant  Inuentions" 
(1578),  in  dem  oben  p.  90  erwähuten  Gedicht: 

8ir  Romeus  annoy 

But  trifle  seems  to  in  ine, 

Whosc  hap  in  winning  of  his  loue 

Did  clue  of  cares  untwino; 

0.  in  „A  poore  Knight  his  Pallace  of  priuate  pleasures44 
(London  1579)  in  der  ersten  Vision  des  armen  Ritters  The 
Vale  of  Venus: 

Verona  path  wo  left,  whero  Romeus  doth  lye, 
Where  Juliet  with  Iconia  inioy  a  place  thereby, 

4 

und  in  der  dritten  Vision :  Justice  and  Judgement,  pleaded  at 
Beauties  Barre: 

Next  to  the  gate,  faire  Juliet  dyd  lye, 
And  in  the  Court  young  Romeus  did  stay: 
Faire  Cinthia  gaue  leue,  to  peke  and  pry, 
But  shee  oft  sayd,  when  -wilt  thou  oomo  away. 
Windows  (quoth  hee)  I  woulde  aasend,  faire  May, 
■  I  looke  to  see  the  place,  where  erst  I  oamo 
But  Tybalt  hee,  hath  olosed  up  the  same.1 

7.  von  Whetstone  in  „Heptamerontt  (1582),  The  thyrd  Daies 
Exercise  (vgl.  oben  p.  34  f.) :  Piramtis  and  Thisbie,  Romens 
and  Juliet ,  Arnalt  and  Amicia,  and  diuers  others  at  the 
point  to  possesse  their  loues,  teere  dispossest  of  their  liues,  but 
yet  unstained  with  dishonesty. 

8.  von  Richard  Stanyhurst  in  den  seiner  Virgil-Übersetzung 
vom  Jahre  1582  angefügten  Poetical  deuises  (cf.  Handbook 
p.  632),  in  dem  satirischen  Gedicht  An  Epitaph  entituled 
Commune  Defunctorum ,  such  as  our  unlearned  Rithmours 

1  Citiert  nach  dem  p.  90  Anm.  erwähnten  Neudruck  des  Roxburghe 
Club.  Beide  Stellen  werden  auch  von  Collier  angefahrt,  in  seinem 
„Account«4  I  233,  II  183. 


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94 


TAHKU.K. 


accusfotnahly  malte  lipon  the  death  of  euerie  Tom  Tyler ,  as 
if  it  teere  a  last  for  euery  one  his  foote: 

O  you  cursed  Parcas,  why  kyld  ye  the  good  son  of  Atlas? 
And  whye,  without  mercy,  doe  ye  slca  the  fayre  ladye  ThUbee, 
A  Sara  for  goodnesse,  a  great  Bellona  for  hudgnesse, 
For  myldonosae  Anna,  for  chastitye  godlye  Susanna, 
Hcster  in  a  good  ehift,  a  Jadith  stoute  at  a  dead  lift, 
Also  Julietta,  with  Dido,  ritch  Cleopatra  .... 

citiert  nach  dem  Text  der  2.  Auflage  von  1583 ;  9.  von  Mel- 
bancke  (1583,  of.  p.  Gl):  0  Troylus  teeepe  tto  more,  faire 
Cressed  thyne  is  lothlye  fotvle.  Nor  Hemdes  thou  häufe  cause 
to  rannt  for  thy  swete  Omphale,  nor  Romeo  thou  hast  cause 
to  weepe  for  Juliets  losse,  if  euer  Aurelia  had  saluted  your 
sight;  10.  in  „A  Handofull  of  Pleasant  Pelites  by  Clement 
Robinson  and  Diuers  Others"  London  1584;  in  dem  17.  Ge- 
dicht: A   Warning  for   Wooers  .  ...  To  Salishurie  Plaine. 

(st.  8)    Where  was  thero  found  a  happier  wight 
Then  Troylus  was,  tili  loue  did  light? 
What  was  the  end  of  RomeuR? 
Did  he  not  die,  like  Piramus? 

citiert  nach  dem  Text  des  Neudrucks  der  „Heliconia".  Ed. 
by  T.  Park,  London  1815,  vol.  II. 

II  12  //  Marito  ftrouata  la  Moglie  in  adulterio)  fa 
che  impicca  V  adultcro :  Painter  I  43  (1566,  p.  7). 

II  14  Meyuolo  Lercaro  Oenouese  hattuto  da  un  Fauo~ 
rito  de  Vlwperadore  di  Trebisonda,  gli  fa  di  molti  danni: 
erzählt  von  Thomas  Lodge  (1593),  aber  nach  einer  anderen 
Vorlage  (cf.  p.  69). 

II  1 5  AlessandrOy  Duca  di  Firenze,  fa  che  Pietro  sposa 
una  Mugnaia  che  haveva  rapita :  Painter  II  22  (1567,  cf. 
p.  7). 

II  26  Luchino  Viualdo  ama  lungo  tewt/w),  e  non  t  amato: 
Fenton  No.  10  (1567,  cf.  p.  14). 

II  27  Aleramo  et  Adelasia:  Painter  I  44  (1566,  cf. 
p.  7).  —  Erwähnt  1.  von  Thomas  Peend  „Hermaphrodirus 
etc.14  (1565): 

The  Emperour  Othons  doughter  dere  Adelaaie  dyd  so 
Regarde  the  lyuely  Aleran,  that  uhe  wyth  hym  did  go 


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Tabelle. 


95 


To  countreyes  straungc :  content  by  hazardo  of  her  lyfe, 

Agaynst  tho  wyll  of  all  her  freindes,  for  to  beoome  hys  wyfe. 

With  pryncelyke  lyfe,  for  hym  ahme  an  Empyre  she  wolde  lose, 

With  hym  to  leade  a  symple  lyfe  muoh  rather  she  dyd  chose, 

All  pleasureg  in  the  worlde,  in  hym  alone  she  then  dyd  take, 

All  freindes,  for  hym  alone  also  she  gladly  dyd  forsake. 

With  hym  for  nede  right  wel  she  was  contented  coles  to  makc, 

To  couche  in  cotage  lowe,  on  symple  foode  to  fare. 

For  all  the  world,  excepted  hym,  she  toke  no  kynde  of  care, 

He  was  her  blysse.  Her  ioye  was  hee    And  nothing  eis  ostemed  shee; 

mit  folgender  Anmerkung:  Adehtsie.  Doughter  and  onelye 
chylde  of  the  Eniperour  Otho  the  thyrde,  so  excedynglye  she 
was  enamoured  of  the  most  valiant  Aleran,  sonne  of  a  Duke 
of  Saxony  that  she  procnred  hym  pryuelye  to  conuey  her 
awaye,  uhich  by  the  helpe  of  an  old  lady  her  nurve,  he 
hrought  to  passe.  And  afiertrarde  heinge  rohed  of  suche 
money  as  they  had  prouyded,  they  lyued  long  in  a  woode, 
and  made  coles  for  theyr  lyuynge^  and  bare  hym  seuen  sonnes 
theare,  and  afteiivarde  by  the  valyantc  feates  of  her  eldest 
sonne,  they  were  hnouen  to  the  Emperoure:  and  so  had  hys 
fauoure  agayne,  and  enioyed  the  Empyre  öfter  hym;  2.  von 
Pettie  (1576,  cf.  p.  23);  3.  im  „Forrest  of  Fancy"  (1579, 
cf.  p.  45)  zweimal. 

II  33  Infortunato  et  infausto  Amore  di  Madatna  di 
Cabrio  Fronen zale  con  un  suo  procuratore:  1.  Fenton  No.  9 
(1567,  cf.  p.  14);  2.  Barnabe  Riehe  (1574,  cf.  p.  47). 

II  36  Nicuola  innamorata  di  Lattanzio  va  ä  seruirh 
uestito  da  Paggio :  Rarnabe  Kiche  No.  2  (1581,  cf.  p.  49). 

II  37  Odoardo  III.  Ee  d'Inghilterra  ama  la  Figliuola 
d'un  suo  soggetto,  e  la  piglia  per  Moglic:  Painter  I  46  (1566, 
cf.  p.  7);  2.  Of  King  Edward  III  and  the  Fair  Countess  of 
Salisbury,  setting  forth  her  Constancy  and  Endless  Glory. 
Eine  Ballade,  enthalten  in  der  oben  p.  85  citierten  Samm- 
lung vol.  II  p.  68/78.  Ob  diese  Ballade  noch  im  16.  Jahr- 
hundert enstanden  ist,  lasst  sich  nicht  bestimmen.  —  Erwähnt 
von  Pettie  (1576,  cf.  p.  23). 

II  44  Amore  di  Don  Giouanni  di  Mendozza  f  e  de  la 
Duchessa  di  Sauoia:  1.  Thomas  Peend  „The  moste  notable 
history  of  the  lorde  Mandozzeu  (lic.  1565).    Dieses  (iedicht. 


Digitiz 


TABKMjE. 


das  nur  als  Fragment  erhalten  ist,  hat  J.  J.  Park  in 
dem  „  British  Bibliographer"  II  523  ff.  und  587  ff.  ausfuhr- 
lich besprochen.  Seine  Vermuthung,  Peend  habe  das  Ge- 
dicht aus  dem  Spanischen  übersetzt,  ist  hinfallig;  Jacobs  be- 
merkt, im  Anschlüsse  an  Haslewood's  Meinung:  De  la  Peend 
must  have  had  proof  sheets  of  Painter  (vol.  I  p.  LXXVI), 
was  mir  auch  nicht  wahrscheinlich  ist.  Ich  bin  vielmehr 
der  Ansieht,  dass  die  Übereinstimmungen  zwischen  Peend 
und  Painter  ihre  Erklärung  finden  in  der  gemeinschaftlichen 
Quelle,  die  beide  Autoren  stets  im  Auge  behielten.  Diese 
gemeinschaftliche  Quelle  ist  Pierre  Boisteau-Launay's  Version 
der  Novelle  Bandello's,  im  ersten  Bändchen  der  „Histoires 
Tragiques*  (1560),  Ilist.  6-.  2.  Painter  I  45  (1566,  cf.  p.  7). 
—  Erwähnt  1.  von  Pettie  (1576,  cf.  p.  23);  2.  von  Greene 
(1583,  cf.  p.  51);  3.  in  „A  Handefull  of  Pleasaut  Delites" 
(1584),  in  dem  24.  Gedicht,  betitelt  The  Iximentation  of  a 
Woman,  bring  irronyfully  defamed.  To  the  Tune  of  Dämon 
and  Pithias: 

(at.  4)    The  powoned  Pancnllier  ful  faluly  did  accusc 

The  good  DutchoRfte  of  8avoy  becaufic  ehe  did  refuse 
To  grant  unto  hi«  Iotc,  That  was  so  ungodlie. 

II  55  Selettco  Re  de  l'Asia,  dorm  la  Moglw  ol  suo  Fi- 
glinolo:  Painter  I  27  (1566,  cf.  p.  6). 

Parte  III  Nov.  5  BeUissima  uendetta  fatta  da  gli 
Eliensi  contra  Aristotifmjo  crudelissimo  Tiranno:  1.  Painter 
II  5  (1567,  cf.  p.  7);  2.  Turbervile  No.  8  (c\  1576). 

III  \)  Historia  de  la  continema  del  Re  Ciro  et  amore 
coniugale  di  Pantea:  Painter  I  11  (1566),  aber  nach  einer 
anderen  Quelle  (cf.  p.  5). 

III  17  //  5.  Filiberto  s'innamora  di  M.  Zilia,  che  per 
un  bacio  lo  fa  stare  lungo  tempo  mutolo,  e  la  uendetta  che 
egli  altamente  ne  prese:  1.  Fentou  No.  11  (1567,  cf.  p.  14); 
2.  Painter  II  27  (1567,  cf.  p.  8);  3.  „A  Discourse  of  the 
great  crueltie  of  a  teidow  towards  a  young  gentleman,  and 
by  what  meam  he  requited  the  same.  Set  forth  in  English 
verse  by  Jo.  Gofubourne?].  London  [1570?];  lic.  1509/70 
(cf.  Ilandbook  p.  234).  Von  diesem  Gedicht  soll  nach  Haz- 
litt  nur  ein  Fragment  auf  uns  gekommen  seiu;  der  Titel 


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TABELLE. 


97 


lässt  mich  vermuthen,  dass  es  Bandello's  Geschichte  von  der 
spröden  Wittwe  Zilia  und  der  Rache  Filiberto's  erzählte. 
4.  „Wcstward*  No.  6  (1620,  cf.  p.  76).  —  Erwähnt  von  Pettie 
(1576,  cf.  p.  23). 

III  18  Rosimonda  fa  ammazzare  il  Marito,  e  poi  se 
stessa  et  il  secondo  Marito  auuelena:  Turbervile  No.  5  (ca. 
1576). 

III  19  Paolina  Romana  (sotto  specie  di  Religione)  h 
da  V  Am  ante  suo  ingannata,  et  i  sacrificij  d'Iside  disfatti: 
erwähnt,  aber  mit  von  Bandello's  Erzählung  abweichendem 
Detail,  von  Whetstone  in  „The  English  Myrror"  (1586)  Lib. 
III  Chap.  3 :  The  Emperour  Tyberius  put  the  Priestes  of  the 
Idoll  Anuhis  to  the  strorde,  becatise  they  were  the  Instruments 
for  the  iranton  Knight  Mundus  to  commit  adultrey  (by  theyr 
deceite)  with  the  chaste  Romaine  Ladie  Paulina  (p.  219). 

III  21  Uno  Schiauo  (battuto  dal  Padrone)  ammazza  la 
Padrona  con  i  ßgliuoli,  e  poi  se  stesso  precipita  da  un}  alta 
Torre.  Zwischen  dem  22.  Juli  1569  und  dem  22.  Juli  1570 
finden  wir  in  den  „Registers  of  the  Stationers'  Company" 
folgenden  Eintrag:  Rd.  of  Ryc.  Jonnes,  for  his  lycense  for 
pryntinge  of  a  history  intituled  a  straunge  and  petiefull  novell 
dyscoursynye,  of  a  noble  Lord  and  his  Lady,  w*  thayre  tre- 
gicall  end  of  them  and  thayre  II  cheldren  executed  by  a 
Hacke  morryon  IIIIdx  Collier  1.  c.  bemerkt,  dass  diese 
Ballade  [?  der  Wortlaut  des  Eintrags  lässt  es  zweifelhaft, 
ob  es  sich  um  eine  prosaische  oder  metrische  Version  handelt!] 
nur  in  späteren  Ausgaben  erhalten  ist,  und  führt  den  Titel 
einer  solchen  späteren  Ballade  an.  Mit  einer  von  diesem 
Titel  wenig  verschiedenen  Uberschrift  finden  wir  diese  Ballade 
in  „The  Roxburghe  Ballads"  Ed.  by  Charles  Ilindley,  2  vols. 
(London  1873/4);  vol.  II  p.  339  ff. :  A  Lamentable  Bailad  of 
the  Tragical  end  of  a  Oallant  Lord  and  a  Vertuotis  Lady, 
toith  the  uniimely  end  of  their  two  Children,  wickedly  performed 
by  a  Heathenish  Blackamor e ;  vgl.  ferner  die  p.  85  citicrte 
Sammlung  vol.  II  p.  152  ff.    Meine  Vermuthung,  dass  die 

1  Cf.  Extracts  from  the  Registers  of  the  Stationers1  Company  of 
Works  entered  for  publication  between  the  yeara  1557 — 1570.  With 
notes  etc.  by  J.  Payne  Collier.  London  1848  (Shakespeare  8oc.)  p.  211. 
qp.  lxx.  7 


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98 


TABELLE. 


1500/70  eingetragene  Geschichte  auf  Bandcllo's  Novelle,  oder 
einer  anderen  Version  dieser  in  den  meisten  Literaturen  er- 
scheinenden Geschichte,  beruht,  findet  in  dieser  jüngeren  Form 
ihre  volle  Bestätigung  —  die  englische  Ballade  weist  alle 
wesentlichen  Züge  der  Novelle  Bandello's  auf. 1 

III  25  Gian  Maria  Vesconte,  Secotido  Duca  di  Milano 
fa  interrare  un  Parrochiano  uiuo:  Smyth  No.  1  (1577,  cf. 
p.  41). 

III  52  Pandora  .  .  .  per  gelosia  dfun  suo  Amante  che 
ha  preso  Moglie,  ammazza  il  proprio  figliuolo :  Fenton  No.  3 
(1567,  cf.  p.  14). 

III.  GIRALDI  CINTHIO. 

Ilecatommithi,  Deca  II  Nov.  2.  Oronte,  alleuato  in  basso 
stato,  ama  Orbecchey  figliuola  del  Re  di  Persia:  vielleicht  von 
Greene  (1585,  cf.  p.  55)  nachgeahmt. 

II  0  Fiamma  ama  Phineo:  Barnabc  Riehe  No.  4  (1581, 
cf.  p.  48  f.). 

III  5  Consaluo,  pigliata  Agata  per  moglie,  sfinnamora 
di  vna  meretrice:  Riehe  No.  6  (1581,  cf.  p.  49).  —  Das 
Motiv  der  Verstossung  der  tugendhaften  Gattin  einer  Buh- 
lerin  zu  Liebe  finden  wir  auch  bei  Greene  (1587,  cf.  p.  50). 

VI  3  Don  Hercole  da  Este  ama  vna  Giouane  priuata: 
Riehe  No.  3  (1581,  cf.  p.  48). 

VI  9  Francesco  Valesi,  primo  Re  di  Francia  di  tat 
nome  b  allogiato  cortesemente  in  luogo  solitario  da  vn  pouero 
Contadino:  ähnliche  Geschichte,  aber  einem  anderen  Ge- 
währsmann entlehnt,  bei  Melbaucke  (1583,  cf.  p.  00  f.). 

VIII  5  Jurisie  e  mandato  da  Massimiano  Imperadore 
in  hjwuchi:  Whetstone  (1582,  cf.  p.  30). 

VIII  10  Euphimüi  sfinnamora  di  Acharisto,  seruo  del 
Padre  di  lei,  Re  di  Corinto:  Painter  EI  15  (1507,  cf.  p.  10). 
—  Erwähnt  1.  in  „The  Forrest  of  Fancy"  (1579,  cf.  p.  45) 
zweimal;  2.  von  Greene  (1584,  cf.  p.  52)  dreimal. 

IX  8  Chera  nasconde  vn  thesoro,  Elisa  h  per  impiccarsi 
j)er  la  gola:  Painter  II  11  (1507,  cf.  p.  10). 

1  Näheres  über  diese  Novelle  in  meinem  oben  p.  43  Anm.  er- 
wähnten Aufsatz. 


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TABELLE. 


99 


IV.  STRAPAROLA. 

Piacevoli  Notti,  Notte  I  Favola  1 :  Saktrdo,  ßgliuolo  di 
Rainaldo  Scaglia,  si  parte  da  Genoua:  „The  Forrest  of  Fancytt 
No.  3  (1579,  cf.  p.  44). 

II  2  Philenio  Sisterna  scolare  in  Bologna  uien  da  tre 
belle  dornte  beffato:  Painter  I  49  (1566,  cf.  p.  10). 

IV  4  Nerino  Figliuolo  di  Galese  Re  di  Portogallo :  „Tarl- 
tons  NewesK  No.  8  (1590,  cf.  p.  64). 

XIII  1  Maestro  Gasparino  mediro  con  la  suu  uirlü 
sanaua  i  pazzi :  „Mery  Tales,  Wittie  Questions  etc."  (c*.  1549, 
cf.  p.  77)  No.  52 :  Of  hym  that  Ivealed  f ranticke  tnen. 

V.  8ER  GIOVANNI  FIORENTINO. 

Pccorone  Giorn.  1  Nov.  1.  Galgano  e  madonnu  Minoccia: 
Painter  I  47  (1566,  cf.  p.  10). 

IX  1  Ricciardo  e  il  Doge  di  Vinegia :  Paiutcr  I  48 
(1566,  cf.  p.  10). 

VI.  MACHIAVELLI. 

Belfagor  Arcidiavolo:  Riehe  (1581,  cf.  p.  49). 


Eine  zahlreiche,  vielfarbige  Schaar  neuer  Gestalten  haben 
wir  ihren  Einzug  in  die  englische  Litteratur  halten  sehen. 
Verschiedenen  Führern  folgen  die  Fremdlinge:  nach  der 
hohen  schwarzumhüllten  Gestalt  der  tragischen  Muse  schreiten, 
in  ihrer  Liebe  Glück  und  Leid  versunken,  Guiscardo  und 
Ghismonda,  die  Herzogin  von  Main*  und  Antonio,  Romeo  und 
Julia  —  von  dem  Fluch  unsühnbarer  Schuld  getroffen,  Bianca 
Maria  und  Violante.  Mit  fröhlichem  Gepränge  nahen  die 
Helden  und  Heldinnen,  deren  Stern  aus  stürmischen  Wolken 
wieder  in  des  Himmels  Klarheit  treten  durfte:  allen  voran 
das  Freundespaar  Titus  und  Gisippus,  dann  der  wackere 

7* 


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100 


SCHLUSSWORT. 


Oraf  von  Antwerpen,  Cimone,  der  allzugetreue  Don  Diego, 
die  verliebte  Herzogin  von  Savoyen,  Aleran  und  die  Kaiser- 
tochter Adelasia.  Ihnen  nach  drängt  sich,  geführt  von  dem 
die  Pritsche  des  Narren  und  die  Geissei  des  Satirikers 
schwingenden  Amor,  in  buntem  Gewimmel  das  liebcstolle 
Völkchen  des  „Decameron",  schöne  üppige  Frauen,  glänzende 
Ritter,  wohlhäbige  Bürger,  lüsterne  Kleriker  sonder  Zahl. 

Boccaccio  und  Bandello  sind  die  treibenden  Kräfte 
dieser  Invasion.  Ihr  Einfluss  hält  sich  so  ziemlich  die  Waag- 
schale, nur  zeitweilig,  nach  dem  Erscheinen  von  Painter's 
„Palacctf,  bemerken  wir  ein  Schwanken  zu  Gunsten  Bandello's, 
der  durch  die  grelleren  Farben  seiner  Gemälde  das  schau- 
lustige Publikum  fesselte.  Zum  Lob  der  Engländer  sei  ge- 
sagt, dass  die  unsittlichsten  Novellen  der  Italiener  keinen 
Übersetzer  fanden. 

Nicht  immer  haben  die  Engländer  unmittelbar  aus  den 
italienischen  Quellen  geschöpft.  Im  Gegentheil  —  in  sehr 
vielen,  vielleicht  sogar  in  den  meisten  Fällen ,  hat  die  fran- 
zösische Sprache  ihre  hochbedeutsame  Mission,  zwischen 
fremden  Culturen  die  Vermittlerin  zu  sein,  auch  hier  erfüllt. 
Das  Maass  dieser  französischen  Vermittlung  wird  sich  noch 
genauer  bestimmen  lassen,  als  in  den  vorstehenden  Unter- 
suchungen geschehen  ist. 

Die  englischen  Litteraten,  die  sich  zum  Übersetzen  be- 
rufen fühlten,  waren  keine  auserwählten  Geister;  eine  als 
Kunstwerk  rühmliche  und  eigenwerthigo  Leistung  verdankt 
England  diesen  eifrigen  Iuterpreten  der  italienischen  Erzähler 
nicht.  Aber  sie  haben  doch  Anspruch  auf  die  Dankbarkeit 
der  Nachwelt  —  ihre  Arbeit  bestellte  das  Feld,  welches  einen 
grossen  Thcil  der  goldenen  Ernte  des  elisabethanischen  Dramas 
tragen  sollte. 


GCNEHAL  BOOK  DINDING  CO. 


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