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^erfenen ni^ neflattet.
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X^irrction oir)iifpred)m. (Siinout br# (Sknernlftabci unb bei
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fKilitÄrbeowtc oufcrbnlb Gien, bobett bebufi Viitieibnng uon
Oucbeni bie lOeiuiOignng bar t. unb ftriegl«Vr(biul*^irevti»n
(iB^ubeim.
2^ol Grltergebm eon nttUebenen Sägern an onbere
^jkrfonen ni^ geftattet.
feibjeU 6 Goiben, SfrlAngening bei ber ih:iegl>tlr(bti>l*
X*irrction an|tiipred)m. (8ureeur bei iS^eralflobel unb bei
9iei<bl*Shrirglminifienuml noch 9ebarf.)
iPrfdaDliunarn. iHiu^bnarrfunirn »rrnffi^tfii brn
eAulDtTOgrnlrii unbioingt buut itifaü oti (linlaufi*
ureljri.
MITTHEILUNGEN
DK»
LSD K. KRIEGS -ARCHIVS.
DIRECTION DES K. i;ni> K. KRIEGS-ARCHIVS.
NEUE FOLGE.
VII. BAND.
MIT SECHS TAFELN.
WIEN 1893.
VERLAG VON L. W. SEIDEL & SOHN.
K. USU K. IIOFBLTHHANDLER.
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Dß
ti.j.
>'■7
Druck von Krchrl de Größer m Wien
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INHALT.
Seite
Oesterreich im Kriege gegen die französische Revolution I7ft^. Von Major
Hansenhlas. Mit 4 Tafeln. (Fortsetzung im Vlll. Bande.) ... 1
Die Vertheidigungs-AustaUen in Nieder* und Innerüsterreich Iwim Einbruch
der Bayern 1741. Von Rittmeister Ke matinü Iler. Mit 2 Tafeln. . . 113
Tagebuch eines Ofüciers im Generalstabe der bayerischen Armee (Major Fürst
Thum und Taxis) während des Feldzuges iu Russland 1812. . . . 175
Drei Berichte aus dem belagerten Wien 1683. Von Major von Duncker, . 265
Auf der Feste Landskron 1638. Eine Episode aus dem drcissigjährigen Kriege, 273
Ans den fc?cliriften des Feldmarschalls Tmdwig Andreas Grafen Klievenhüller
(1683 — 1744). ,Idee vom Kriege.“ I. Tlieil . 283
— I - —
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OESTERREICH IM KRIEGE
GEGEN DIE FRANZOESISCIIE REVOLUTION 1792.
VON
MAJOR HAUSENBLAS
(FORTSET7X'N(i.)
Mitth«ilun^n dw k. und k. Kriejra*ArchiTs. Neue Foljff*. VII
1
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III.
DER FELDZUG 1792 IN DER CHAMPAGNE.
Rüstungen der Verbündeten.
Als Ende Ajiril der Kampf an der niederliindisch-französisclien
Grenze zum Ausbruche kam, rilekten französische Truppen auch
in das neutrale Gebiet des Bischofs von Basel ein, während "leich-
zeitig Truppenansammlungen im Eisass stattfanden. Zum Schutze
des vorderösterreichi.sehen Gebiets am Ober-Rhein standen zu Be-
ginn des Jahres 1792 nur das Oherstens-Bataillon des Infanterie-
Regiments Gcmmingen (Nr. 21), das Leib- und Oherstens-Bataillon
des Infanterie-Regiments Neugcljauer (Nr. 4t>), 1 Bataillon Stabs-
Infanterie und das Ctirassier-Rcffiment Ilohenzollern (Nr. 41, zu-
sammen 4 Bataillone und 6 Escadronen mit einem Stande von
kaum 6000 Mann bereit, *) zu deren Verstärkung nun weitere
4 Bataillone und 6 Escadronen: das Leib-Bataillon des Infanterie-
Regiments Gemmingen (Nr. 21), das Leib-Bataillon des Infanterie-
Regiments Erzherzog Ferdinand (Nr. 2), das Leib- und Oherstens-
Bataillon des Infanterie-Regiments Klebek (Nr. 14), sowie das
C'bevauxlegers - Regiment Kaiser (Nr. 1) bestimmt wurden. Diese
Truppen, welche am 30. ^März die österreichi.sch-bayerische Grenze
Überschritten, trafen anfangs Mai im Breisgau ein, so da.ss bald nach
dem Kriegs.ausbruch unter Commando des FML. Olivier Grafen
Wallis, mit den Generalen FML. Carl Graf Erbach, GM. Leopold
Graf Welsch, Siegfried Freiherr von Kospoth und Anton Freiherr
von Brentano : 8 Bataillone und 12 Escadronen mit einem Stande
von 9392 Mann, 2262 Reitern, nebst 35 Geschützen in den Vor-
landen versammelt waren. 2)
*) K. A. ITÜ'i; I. 101) und Hl). <lann H. K. R. 1792; 1. 8. Di»; Vertheilung
dieser Tnipis-n siche TalVl 1 des V. Bandes der Miltlicilunpcn.
S) K. A. 1792; 1 101) und H. K. R. 1792; I. 8.
1 *
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I
4 II !l II Sf II lll il !<.
Die er{oI<rte Kriejisorkläruii;; Fninkreiclis nöthigte aber auch
zur Bi-reitlialtung des Preussen zugesagten Contingents und es
wurden nun weitere 2fi Bataillone und :i4 Escadronen mit der
nöthigen Artillerie mobilisiert. Mit Einreehnung der bereits in den
Vorlanden stehenden 12.000 Mann wurde somit die Armee von
.öti.OOO Mann gebildet, welche Oest<>rreieh vertragsmässig im Falle
eines Krieges mit Frankreich mit den preussischen Truppen zu
vereinen sich verpHichtet hatte. Es waren dies:*)
Oberstens- und .3. Bataillon Erzherzog Ferdinand - Infanterie
( Xr. 2). 2 Bataillone.
Leib- und Oberstens - Bataillon Carl Schröder - Infanterie
|Nr. 7). 2 Bataillone.
Leib- und Oberstens-Hataillon Manf’redini- Infanterie (Xr. 12).
2 Bataillone.
Leib- und Oberstens - Bataillon d'Alton- Infanterie (Xr. l.ö),
1 Bataillon.
Oberstens-Bataillon Hohenlohe-Infanterie (Xr. 17), 1 Bataillon.
Leib-B.ataillon Stuart-Infanterie (Xr. 18), 1 Bataillon.
Leib- und tjbcrstens - Bataillon Wilhelm Schröder- Infanterie
(Xr. 2*i), 2 Bataillone.
(jyulai-Infantcrie (Xr. 32), 3 Bataillone.
Oberstens-H.ataillon Kranz Ulrich Kinsky-Infanteric (Xr. 3li),
1 Bataillon.
3. Bataillon de Vius-Infanterie (Xr. 37), 1 Bataillon.
Leib- und Oberstens-Bataillon Mittrowsky-Infanteric (Xr. 40),
2 Bataillone.
Oberstens-Bataillon Mathesen-Infanterie (Xr. 42), 1 Bataillon.
( Iberstens - Bataillon Franz Kinsky - Infanterie (Xr. 47),
1 Bataillon.
Leib- und (Oberstens-Bataillon Stain - Infanterie (Xr. 50),
2 Bataillone.
3. Bataillon .Icllachich-Infantcrie (Xr. 53), 1 Bataillon.
Leib-Bataillon Joseph C’olloredo-Infanterie (Xr. 57), 1 BaOiillon.
Slavonier- und Warasdiner-Grenzer, 2 Bataillone.
Dragoner-Kegiment Kaiser ( Xr. 3), •> Escadronen.
Dragoner-Regiment Erzherzog Jo.seph (Xr. 26). 6 Escadronen.
>1 K. .\. 1792; VI. 41 iiml H. K. H. 1792; Vll, 8.
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im Kri»‘p:i* fraiizö^isrhe Kcvolution 1792. O
IIusaren-He'rimcnt Wunusei- (^Nr. 30), 8 Escadronen. ’)
Husaren-Kogiment Ksterliilzy (Xr. 32), 8 Escadronen.
Chcvauxlcgors-Regiinent Kinsky (Xr. 7), ß Escadronen.
Zusammen 2H Hataillone, 34 Escadronen.
Ausserdem wurden 5 Feld-Artillerie-Compagnicn mit 50 Kc-
.serve-GeschUtzen, 2 Artillerie-FUsilier-Comjiagnien und die erfor-
derlichen Detachements vom Boiubardier-Corp.s, Feld-Zcugamt,
dann Abtheilungen des Tschaikisten- und Ponton nier-C'orji.s marsch-
bereit gemacht.
Zum Fuhrwesens- und Transjwrtsdienst wurden bestimmt : *)
l'/i Division für das Cavallerie-Geschlitz,
ß Divisionen für die Reserve-Artillerie.
3’/« !! o <) Pontons und LaufbrUcken,
Transports-Divisionen,
1 Backofen- „
Gleichzeitig wurden in Ungarn, Siebenbürgen, Slavonien und
im Banat Aufforderungen zur Bildung von Frei-Oorps publiciert.
Um die Truppen möglichst rasch an den Rhein absenden
zu können, wurden die zum Ausmarsch bestimmten Bataillone und
Escadronen angewiesen, nach Massgabe der erlangten Marsch-
bereitschaft sofort abzurücken, ohne erst das Eintreffen der Recrufen
und der in entfernteren < )rten Beurlaubten abzuwarten.
Die „erste Truppen-Abtheilung"' sollte mit 15.000 Mann
längstens Mitte Mai aus ihren Friedens-Garnisonen aufbrechen, die
übrigen 23.000 Mann als „zweite Truppen- Abtheilung“ dann
baldmöglichst folgen.
Die aus Oesterreich unter der Enns, Mähren und Ungarn
kommenden Regimenter liatten Befehl, sich in Oesterreich ob der
Enns mit den aus diesem Lande zum .Abmärsche in das Reich
l>estimmtcn Truj>pen zu vereinigen.
M 2 K^ratlrnnun H»‘piiiu‘nts siHtifirn in
II. K. H. IJ. .'Vctinii, HdIu'IiIhIii* 1792. V. 63.
5) K. 1792: XIII. 82. In .'^lavonipii ktimuii 2 Biitailloiii* zu 6 rfmijuipniPii
Fr»fiwiUip«*r zur Aulstrllnnp. Das rim* marsrhirrtf am 9. Juni, tlas am!**rp »Tst
am 16. .\npnst von in diu Ni*‘d»Tlaml«‘ all. .DhIps Bataillon war 13U8 .Mann
stark. (K. A. 1792; V!. 46 und VIII. 97.) — Die Kostt-u d«T .XiifsUdlmip des
1. UatailloiiK hattiui 150.000 6. In-trappii. wolulu* Summ»* das Slavunisulu* Dmipral-
rommandu li<*i dem Manpul an vprtnpliariui (öddniitt«-ln von einviii l*rivat**n zu
6% t‘ntU‘ih*^n nms»stf.
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H n itHv II l>l n N.
Für die böhinisehen Regri'uenter wurden Kleutsch, Taus
und Neumarkt, für jene aus Kroatien, Slavonien und Tyrol, Inns-
bruck als Saminclpunct bestimmt. ')
LiniengescLutz und Train waren bei den meisten Kegimentern,
besonders bei jenen, welche zuletzt gegen die Türken gefochten
batten, noch vorhanden; die übrigen Regimenter erbielten Beides
theils bei ihrem Durchmärsche in Miihren, theils während der
Versammlung in ( testerreich ob der Enns aus dem Budweiser
De|x')t, einige erst im Aufmarschraume selbst. 2)
In äbnlichcr Weise wurde für die Fassung der Kriegs-
Munition aus dem Zeughause in Linz vorgesorgt.
Für die bereits im Breisgau stehenden Ti'uppeu wurden in
Freiburg und Villingen Magazine mit einem dreimonatlichen
Verjjflegsvorrathe angelegt, durch Vennittelung des Kurfürsten von
Trier die in (Joblenz und Augsburg liegenden gro.ssen Vorrätbe
an Körnerfrucht augekauft und überdies bei lö.OOO Centner Mehl
auf der Donau nach Günzburg versebitft.^)
Die Anlage weiterer Magazine wurde bis nach endgiltiger
Vereinbarung über die Versammlungsräume verschoben, sie kamen
in Ileilbroun, Heidelberg, Schwetzingen undSptder zur Aufstellung.*)
Während dos Jlarsches durch das Reich erhielten die Truppen
die „Hausmannskost“ von den Quartierträgern oder Unternehmern,
während die Gemeinden die Fourage, sowie die nöthigen Vorspanns-
wagen beizustellen hatten.“) Nach dem Eintreffen im Aufmarsch-
•) K. H. K. It. .\cteii KW; V, 14 ii imil K, .4. 1792; VI. 41.
’) K. A.. H. K. U. Actcii 17H2: IV. 5. Das Aufonasj« an iiinl
Traint*nhru(?rken war wie hei den Trupi»en in den Niederlanden (siehe AnniKrkun^
zur der Onla* de bataille der kaiserlidieii TmpiHMi in den Niederlanden.)
3) K. A.. H. K. ll. Arten KOÜ; V. *J0. h.
'*) K. A.. rahinets-Adrii 1792. 3.
K. A-, H. K. U. Arten 1792; III, 3.
Al.s „Haiismannskast** wurde ein Mitt^ijressen, Iwsteheml aus Sup|)e. einem
hall>cn Pfund HindHeiseli mit einem landesühlirlieii (iemüse. nehst 2 Pfund Bmd
Ifereehnet. Naelitessen. Früh.'<tück und (ietränke musste der Mann ans eigenen
Mitteln Is'stndten. Kür eine Hausmannskost-Purtion wurde eine Verpütnii}? von
lt> Kreiui^^m geleistet. Wälireiid «1er Dauer lüeser VerprteKsai-t enitiel der Ik«7.u;r der
intrmaleu Hr«Ml|M)rtioii und wurd«>n dem Manne ülwnlies täglieh .‘5 Kreuzer von seiner
Doliimn;: al»pjz««;ren. Das K«mra>;e-Ansinass l»ctnijr tur ein IHi-nstpferd der (’avalhTie
ta^lirh (> Pfund Hafer, 10 Pfund Heu und 3 Pfund Stndi. für ein Fuhrwesenspferd
8 Plund Hafer, für ein Artilh'Hepferd 12 Pfund Hafer und das jfleielu* Ausmass an
Heu und Stnd». w«»für 30. 35. iiezw. 42 Kreuzer hezalilt wunleii. Die Vergütung llir
jed«?M Vorspaniispfenl «»der Paar Ochsen betrug |kt Statl«»n einen Gulden Ph. W.
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(»list erreich im Kriege )TCK<^n die französische Revolntion 1792. <
raume traten Kriegsgebühren und Feld Verpflegung ein. Das Fleisch
wurde von Lieferanten beigestellt, Verpflegs- und Bäckerei - Per-
sonale vorausgesendet, um rechtzeitig die entsprechenden Vor-
kehrungen treffen zu können. *)
Mit der Errichtung von Feldspitälem w'urde noch gewartet,
dagegen waren alle Truppen reichlich mit chirurgischem Personale
und Sledicamenten versehen. -)
In den ersten Tagen des Monats Mai verfügte König Friedrich
Wilhelm II. von Preussen die Mobilmachung seiner zur Thcilnahmc
am Kriege bestimmten Truppen und deren Aufbruch an den Rhein.
Die preussische Armee zählte hier 47 Bataillone, 70 Esca-
dronen und 199 Geschütze mit einem Gefechtsstande von 34.419
Mann und 10.89ti Reitern.
Die nächstbetheiligten deutschen Reich.sfürsten hatten zwar
die französischen Emigranten willig aufgenommen und ihre
Kü.stungen begünstigt, jetzt aber, da die Feindseligkeiten begannen
und besonders die Gebiete der rheinischen Kurfürsten nahe bedroht
schienen, wurde die Sorge wie die Gefahr übermächtig und sie
zeigten sich weder zu der Aufstellung von Trupjien, noch zu
Geldbeiträgen bereit, einzelne setzten sogar dem Durchmärsche
und der Verpflegung der kaiserlichen Trappen mannigfache
Schwierigkeiten entgegen.*)
Vergeblich wurden die Reichskreise wiederholt vom Kaiser, wie
von Preussen aufgefordert, ihre Pflichten dem Reiche gegenüber zu
erfüllen. Die meisten norddeutschen Staaten verneinten überhaupt
ein genieinsames Interesse an einem Krieg, den Frankreich nur
Dies«? Ma.Ksn p:»'! erwivs sich später als sehr zweckmässig. Die Preussen
batten wlbe unterlassen und litten im l.,a|rer l>ei (’oblenz empfin<llichen Munzel an
BdmJ, Man gab der Mannschaft zwar Geld, Hess auch von Bauern Brod backen,
doch fiel »lieses 50 schlecht ans. das« viele Beute erkrankten. Nun wurden (.’ourien*
nach Wejiwd. Fninkfurt und Würzburg gesendet und alle dortigen Bäcker mit Kxtra-
Iȟst nach Coblenz geschart'l, (K. A.; H. K. li. 179*2; VIII. ad fi.)
K. A-; H. K. H. 1792; V, 20 b. Die Mtniicamentc wiinlen durch Liefe-
ranten l>eigestellt. Im Jahre 1792 w’ar ein gewis.ser Natorj) Armee -Medicamenten-
Lieferant.
RuiulsehndlM*!! des Fürsten Kaunitz vom 13. April 1792 an Seilern,
S*hliek. Westphalen und Lehrbach. (Vivenot I. 451; II. 27.)
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Ordre de batÄille') der zum Einmärsche ln Frankreich bestimmten preusslschen Truppen.
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10
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mit ( le.sterreich ftllire, aber auch die süddeutschen Kreise waren
niclit zu einer wirklichen Unterstützung' zu bewegen. Der sehwiibische
Kreis sah das Maximum der Leistungen, welches dem Reiche
zugeiuuthet werden konnte, in einer „unvorgreiflichen Defensiv-
Association“, der fritnkische befürchtete Theuerung und Hungers-
noth von dem Durchmärsche eines preussischen Corps, obgleich
dieses alle Bedürfnisse haar bezahlen .sollte, während die zunächst
gefährdeten rheinischen Kurtllrsten sich auf eine sehr ablehnende
Haltung gegen die französischen Agenten an ihren Höfen beschränk-
ten und auf au sich allerdings sehr berechtigte drohende Er-
lä.sse gegen das bei den eigenen Unterthanen um sich greifende
wüste Jacobinerthum. Kurpfalz betheuerte in Paris sogar auf das
Eifrigste seine wohlgesinnte Neutralität. ')
Der Landgraf Wilhelm IX. von Hes.sen-Cassel, der spätere
Kurfürst Wilhelm L, machte eine Ausnahme von dieser schwäch-
lichen Haltung der Keichsfürsten. Ein entschiedener Gegner der
Revolution, hatte er Kurmainz und He.ssen-Darmstadt schon gegen
Ende des Jahres 1791 seine Hilfe für den Fall zugesagt, als sich
die französische Revolution gegen den Rhein und Main hin aus-
breiten würile.
Schon anfangs Februar 179:J zog er ein Corps von 7 Batail-
lonen, 2 Compagnien leichter Infanterie und 5 Eseadronen, nebst
der nötliigen Artillerie, bei 5000 Mann, in der Gegend von Han.au
und bei Rheinfels zu.sammen.
Nach der eriblgten Kriegserklärung Frankreichs Hess der
Landgraf, über Ansuchen des Kurfürsten von Trier, weitere 3 Ba-
taillone, 2 Jäger-Compagnien und 3 Eseadronen, bei 2000 Mann,
unter Generalmajor Keudell, in trier’sches Gebiet cinrücken, welche
daselbst die Grafschaft Katzcnellenbogen besetzten.-)
Bei Ausbruch des Krieges bildeten somit die hessischen 'I'rup|)en
in der ungefähren Stärke von 700(i Mann im V'ereine mit dem
schon dam.als im Breisgau stehenden schwachen österreichischen
Corps von kaum 0000 Mann“), die ganze Streitmacht, welche
am ganzen Ober- und Mittel-Rhein dem Feinde entgegenstanden.
l| .svb.1 l, 419.
*) .Sii-lip Tafi-1 I ili-> V. Ibin(l<'.4 ili^r Mitllirilunpi-ii.
■■*) IJii- iTsti- Vi-rstarkiiiiir vim öOOO M.inii lr.if i-rsl Mitti- Mai im Bni^isau i-iii.
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OfHterroicli im Krii'Kn 'l>c fninzösisolu* Revolution 1792. 11
Naclidem zu jener Zeit die üsterreichisclien, wie die preussi.sehcn
Truppen erst aus ihren Friedens-Quartieren autbraelien, muss die
Opfenvilligkeit des Landgrafen von Hessen-Cassel umsomehr hervor-
gehoben und anerkannt werden.
Am 13. Mai riickten abermals 5 Hataillone und 14 Esca-
dronen Hessen, gegen .1000 Mann, an den Rhein in die Gegend
von 8t. Goar, wo selbe am 21. Mai eintrafen, so d;iss bis zum
Eintreflen der Alliierten nun hier wenigstens 12.000 Hc.ssen dem
Feinde die Spitze bieten konnten.
Am Kriege selbst nahmen, gemilss einer am 31. Juli abge-
schlossenen Convention mit Oesterreich und l’reussen. nur fiOoO
Mann theil. ')
Dem Landgrafen wurde hiefür die KurwUrde und eine Geld-
entschildigung fUr die ausgelegtcn Kosten zugesichert.
Anfangs August kam auch mit dem Kurfürsten von Mainz
ein Vertrag zu Stande, in welchem sich derselbe verbindlich machte,
den Alliierten auf Kriegsdauer ein Regiment in der Stärke von
2000 Mann zu überlassen und selbes stets auf dem Kriegsfusse
zu erhalten. ®)
Eine weitere Verstärkung gewann da.s alliierte Heer durch
die Organisation von Feldtru))i>en aus den französischen Emi-
granten.
Die Brüder König Ludwig XVI., die Grafen von Artois und
l’rovcnce, sowie der l’rinz Condc bemühten sich eifrig, aus den
*) Sieh»* OnliM* <l»f batailh*. T)i»*«*’s Corps wimlt* ans ilon am Hhoim*
st»*homlen Tmpjwn l>»'r jrrösst« Thoil ih*r Infanterie
hatte um atiierikanischeii Kriepe theiljrenommeii iiml präsentierte eine wohlpwhnlte,
pitdiscipUnii'iie, kriejrsgeüht« Tnip|K‘. W<*nip*r pit war die Cavall»‘rie. Sänimt*
liehe l)rapmer'Hepim»*nter wan*n an» Frs|>aniiip<riieksi<*ht»*n nnb»‘ritteii und Isd
der Mohüisienin^ im Jahn* 1792 mimsten die zurü<-khleÜM*nden (’avnllerie-Ke^imenter
ihre Pfenle an die ausmarsehierenden üiisareii, CarahiniiTs und Is*iI>-Dr;ijron«T,
s»»wie an die Artillerie und znin Fuhrwesen alijrelwn.
*1 N’aehlraps-I*rut(M‘oll zn der am 21- Juli 1792 zwiselieii dem kaiwrlielM'ii
lind königlich pnmssisehen Ministerium g»*lialt»'nen ('»»nfen-nz. Vivenot II. 14H.
K. A. : H. K. H. Acten 1792; VIII. 3. Das liegiment iK'stand aus 2 itataillonen
zu 6 INmipagfuen und ans 2 (fr»*iiadier*Coini»agni»'n und hatte H Geschritz»* mit
el»ens<ivi«'len Munitionskamui. sowie 4 — <>.«•]). I*n»viant* und 1— 4sp. Re.serxewageu
lM*i sieh. Das R»»giment erhielt die Veq»tl»‘pmg v»»ri den kaiwrliehen Tmp|>» n.
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Ordre de bataille') der hessisohen Truppen, welclie an dem Feldzuge 1792 tbeilnahmen.
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*) .(Jpschirlitf *b*r virr IVblzh^«* iles Iranz. nev«ihitions-Krif‘jrrs“ un«l «Keinmanl. (tejM-hirbte des franz. HevnlntioiiK*
Kriep'N 1792.“
Die GreiiaditT-Uatailhme ilesKen'lMiüippsthul uml Eschwejf»' «H'* übripen Bataillom* ans 5 Ciuiipapnieii.
I>i** Jilper und <lie leichtf liilanterie standen unter einem ('uiinnHiidu, küunen Hoiiiit amli als ein Bataillon anpesehen werden.
Oest<*rrc‘i<h ini Krit‘p* die frunzitMUclu^ Rev<diitioii 17‘j*2.
13
aus dem Vaterlaude vertriebenen kiinigstreuen Elementen sclilag-
lilhige Truppen zu bilden, um sie in den Kampf f'Ur das legitime
Kecbt und den bedrängten König gegen die Revolutionäre zu
iühren. Mit der Unterstützung der deutschen Fürsten, besonders
des Kurdirsten von Trier, gelang es ihnen, eine verliältniss-
mässig bedeutende Streitkraft zu sammeln. Unter den Emigranten
befanden sich tausende von Officieren und Edelleuten, welche es
vorgezogen batten, lieber dem Vaterlande den Rücken zu kehren,
als in einer Annee zu dienen, in welcher das königliche Ansehen
von Tag zu Tag tiefer herabgediückt wurde. Viele altgediente.
Unterofliciore und Soldaten folgten ihren ( tflicieren willig uml
häutig genug stellten sic sich in voller Rüstung, mit Waflen, Pferden
und Gepäck den königlichen Prinzen zur Verfügung. t)
Coblenz, Worms, Ettenheini einer-, sowie Lüttich und
Lu-vemburg anderseits, waren die Hauptsammelplätze dieser
Emigranten, wo dieselben durch den Marschall Hroglie, der
gewissermassen die Dienste des Kriegsministers versah, militärisch
organisiert wurden. Ein buntes Gemenge von Uniformen und
Waffengattungen fand sich hier zusammen und alle Altersstufen
waren vertreten. Mancher adelige Greis diente neben einem kaum
den Kinderschuhen entwachsenen Jüngling und da nicht für alle
Adeligen Officiersstellen vorhanden waren, verrichteten viele von
ihnen den mühevollen Dienst des einfachen .Soldattui. Alle aber
durchglühte die Begeisterung für ihren unglücklichen König, dessen
Rechte wieder herzustellen, sie bereit waren, ihr Leben einzusetzen.
Es ist schwer, ein zutreffendes Bild dieser eigenthUmlichcn
Organisation zu geben; im Allgemeinen wurde zwischen den un-
besoldeUm Garde- und Ehren-Truppeu, die nur aus Adeligen formiert
wurden und den besoldeten Regimentern und Corps unterschieden.
Es pab wenipt* franjSösischc R*‘pimcnter. von welHicn nicht wcnipstciis
ein Thfil der Ofticien'^ uml Mannschaftpii in den Torjis der Emigranten dienten.
V(*n manchen Repimentem hatte si(di das pi’siimmte Ultieicrscorps im Laper der
Prin»n einpefnnden. Das Inf.-Hpt. Nr. 88. das schwer»* l/avallerie-Uepiment Nr. 15,
»iie HiLsaren*Repiinent«‘r Nr. 1 und 4 war»*n fa.^t voUzahlip mit ganzer lUisttinp
und Pfenien einpetroffen. Anfangs Mai pi»*ngen üIht: Das Cavalleric-Repimeiit Royal-
Allemand Nr. 15 ganz, die Husaren-Regimeuter Berchiny Nr. 1 nml Saxe Nr. 4
zum Theüe. In den Grenzstädten waren UfHcier»; der Emipnmteri damit ]ie.schaftipt,
die emiprierenden Soldaten der französiächen Anuee zn Kainnieln nnd in die ver-
.s< hi«*denen Corps einzureih»*n. (K. 1792; IV, 29.)
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H u 11 K n li I H s.
in welche die aus den Keihen der französischen Armee übergetretenen
Soldaten sowie sonstige angeworbene Leute eingetheilt waren.
lieber die Stärke und die Zusammensetzung der unter den
unmittelbaren Befehlen der beiden Brüder des Königs gestandenen
Corps fehlen bestimmte Angaben. Jenes des Prinzen Conde war
wie nachstehend zusammengesetzt. : ')
' CoimmindiUlt
!
Trupponkörper i
c
f
T
iJ '
'S C
1 1
ä
X
Vorhut.
1
1
'
Legion M i rabeau.
!
1
Infanterie .......
2
. ICKIO
1
• 1
l
Firiwillige '
1
. 400
.Mar^rhal de camp '
Viomenil \
.Tiiger zn Pfenl 1
rblancn j . . . . j
Husaren I i
•1 •
300,
FndwilUge zu Pferd ...
2
200'
1 '
K^alm'HusHrcii
1 .
150
Rechter Flügel.
1
GciuTallicut. Turpiii
f’avallerie i
.
24
4 .
500
(ieiierallieot. Vunh^rel
liifaiilurie
* 1
1200
Linker Flügel.
IJeiierallifUt. Wall
(’av.illerie l
4 .
600
tTcnenillieut. Kohati- |
Kochefort. (
Infanterie .
SA
■400
Deutsche Drigade.
1
Kgmt. Hohan-) ‘
1
. 400
1 Mur^ehaJ de camp *
Rgint. Holienlülic- Sehillings*
'
1 Methizy |
fiirst
1
. 30U
Kgm!. Hohenlohe-Darteiistein .
1
. 300
■ 1
Hauptquartier.
1
i
.Artillerie
I
. 100
Mfclet '
1
(larde de |Kjlice i
Feldgendarmen
1
. 100
I .
k),
1
1 Kseadron h>lelU'iite
1 .
I40l
1
1 Smnme .
6
34
17 •.<tXK)
3440
«(.40
M K. A. 1792; VIII. 153 mul H. K. R. II. .'<ection, BruisRau 1792, V, 869.
dann Memoires siir les caui(>ugiu‘s ilti.s armecs du Uhiu |Kir Ic mar^hal (ioiivion
Saint'l’yr J, picecs just. 8.
Die Regimenter Ruhan und Salm traten I7it3 in osUTreichischc Dienste.
Pascal ]1. 245.
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Ot'Klerrcicli ini Krii'iti' pppen ilip franrösischp ltpvi>lmiiin 1792.
15
Das Corps unter dem Prinzen von Bourbon, welches sieh
in Luxemburg und LUttieh sammelte, bestand aus ; *)
1
Truppenkörper
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■
H
’S
4^
1
W
= ! :
1 Vorhut.
1
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.■Sfal.
15
24
j
Infanterie
. *2
91
.
1
1
(’hasseurs capabiniera . . .
* ^
197,
9
1
Lejrioii ile Normamlie , , .
. "
203
•
24
' UnterofHeiere
. 1
49
1
1
(.'avallerie
. •
2h',
3<;9
133
1
Bripa de Picardie. . .
2 i .
905
•
141
1 das BiitailUm zu 1
1 8 Conipapuien 1
Brijfade d’Auxerrois
.
908
106
Reserve
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412
33
(’ 51 V a 11 e r i e.
1. Bripade
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216
' 2. Hrisade
3
319
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Hauptquartier.
Artillerie
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59
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1 (ienie
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Kfldjrcndannprie ....
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512 !'^™''
Zur Zeit des Einmarsches der Verbündeten in Frankreich
zählten die Emigranten-Corps im Ganzen ungefähr 17.000 Mann. -}
Oberbefehl und Operationsplan der Verbündeten.
Noch zu Lebzeiten Kaiser Leopold TI. hatte Preussen dem
Wiener Hofe den Vorschlag gemacht, die Leitung des wider
Frankreich zu führenden Krieges dem regierenden Herzoge Carl
Wilhelm Ferdinand von Braunsehweig-Lünehurg zu übertragen.
') K. A. 1792; IX, 148.
») H. K. R. 1792; Vm ad 8.
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lt> II » lixe n bl ii s.
In der Hort'mmg:, l'reussen hiedureli tur eine werktliiitifjo
Anflieilnalmie un dein Kriege zu gewinnen, zeigte inan sich in
Wien diesem Ansinnen nicht abgeneigt. Doch fehlte es keines-
wegs an gewichtigen Stimmen, welche sich für die Gleichstellung
der beiderseitigen Heerführer aussprachen, zumeist in der B 'türch-
tung, durch die Uebcrgahe des Oberbefehles an den Herzog von
Bnuinschweig, Preussen von vornhenan ein Uebergewicht einzu-
riiuiuen, welches während und noch mehr nach dem Feldzuge
zum Xachtheile Oesterreichs ausgenützt werden konnte. >)
Die Entscheidung wurde daher so lauge als möglich hinaus-
geschoben. Als aber Anfangs April sichere Nachrichten einliefen,
dass bei der herrschenden Partei in Frankreich der Krieg so gut
wie beschlossen sei, musste die Frage des Oberbefehls erledigt
werden. Das Hündniss mit Preussen war noch zu wenig gefestigt,
und König Franz von Ungarn und Böhmen, der Unterstützung
Preiissens bei der bevorstehenden Kaiserwahl zu sehr bedürftig,
um einem Liehlingswunsch des Königs Friedrich Wilhelm II.
gerade in diesem Augenblicke entgegenzutreten. Zudem verschloss
sich König Franz nicht der Einsicht, da.ss ein militärischer Erfolg
umso leichter zu erzielen .sein werde, „wenn nur ein General an tler
Spitze der ganzen Jlaschinc stehe, nach dessen Befehlen alle Com-
mandaiiten der verschiedenen Armee-Corps sich zu richten hätten.“
In einem sehr schmeichelhaften Haud.schreihen vom 3. April über-
trug er daher dem Herzoge von Braunschweig den Oberhefehl, von
der Absicht geleitet, damit alle etwa noch bestehenden Zweifel an
der Aufrichtigkeit der Verbindung zwischen den beiden Höfen
zu zerstreuen. -)
') Ijicj- uii dt'ii Kaiser; K. A. 1792; XIII. 82.
“) K. .\. 1792; IV. 28. In dem kai.s»Tlichen liandsrlireilHMi heis.st e.x;
..lamais iine l•ntr<■|)^is<■ n aura ete fiiniuw |Miiir um- tause plu.s im|Hirtaiite. KII--
sera di^nie d'avoir a sa tele le premier rapitaiiie de nos jours". Ihiss Kai.ser
Frau* trutzdem iiiebt p-nnle ire.souneii war. die preiLssiscIien luteres.seii imlasliiiKt
ilie IMwrIiand p'winneii zu las.sen. (teilt deiltliili ans eiiieiu HandselireilK*n an den
Fürsten lliihenliilie vom 7. .Vpril 179*2 liennr. (K. A. 179*2, IV. 5.) I)as.sell»-
lautet: .... So zweeknia.ssiit übri(triis das dem Hi’rzo(t (von Ur.umsihwei(t) zup*-
ilaelite oliersle ('oiumaudo i.xl und .so .sehr .sie es selbst p-billi(tt hals-n. so wiol
denniH'h dii' (teheime Vorsorjre dahin zn tni(ten sein, dass dadnnli la-i .\nlegnne
der (tanzen 0|ieratioii nieht etwa preiissiseherseits eine au.ssehlies.sende meritorisehe
Haupt- nud solelie Rolle (tespielet werde, die für l’ns verkleinerlieh ausfallen konnte,
welelie .Absicht zwar nieht widil zu veminthen. aller (tleiehwohl nieht nnmü(tlieh ist.“
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ini Krit'jrr pi**r**ii «li»* fra»z*isisr>u* NfVolution lT9*i.
17
Zum (’ommandiinten der vcrtragMiiiissig aufzusti-llemlen
Mann < k’stem'ielicr liatte schon Kaiser Leopold den Feld-
zengmeister Fürsten Wilhelm Hohenlohe - Kirchherg, eomnian-
dien-ndcn General in Prag, in Aussicht genommen und Franz
änderte nichts an dieser Hestimmung.
Das aus einem Theile der in den Niederlanden stehenden
Tru(>ijen zu bildende F’or|>s des Feldzeugmeisters Graten Glerliiyt
sollte indess erst hei Beginn der Operationen unter die Hefelde
des Herzogs von Braunschweig treten.
Fine l«:sondere Instruction regelte das Verhältniss zwischen
diesem und dem Fürsten Hohenlolie. ') Beide Generale, heisst es
in derselben, haben sich über die Durchtiihrung des von den
Monarchen angenommenen ( >j)erationsplanes in genaues Einver-
nehmen zti setzen und „obzwar das General-Gominando beider
gegen Frankreich bestimmter Armeen dem Herzoge soweit itber-
fragen ist, dass die .-Vnh'gung der Magazine uinl die Detail-
Execution des angenommenen Planes einmüthig verabredet tiinl
zwischen beiden Generalen alles dieserhalb in Erwägung gezogen
und bestimmt werde, so wird jedoch dem Fürsten Hohenlohe ein-
zig und allein obliegen, die Führung der Armee 8r. aiiostolisclnm
Majestät zu übernehmen, tVir <leren Disciidin und Verjitlegung
einzig und allein zu sorgen, auch wälmmd des Lautes des Feld-
zuges aller günstigen (4elegenheiten sieh zu bedienen, um ilen
erwünschten Endzweck: Die Wied<‘rherstellung der Ordnung und
Buhe in Frankreich zu bet’ordern, jedoch von allen Vorfallenheiteu
di-n Herzog zu benachrichtigen, welches tlieser gegen den b’ltrsten
von Hohenlohe auf’s Genaueste zu erwicdeni haben wird. Sollten
wichtige .-Vbänderungen iin Plane des Feldzuges erforderlich
werden durch fein<lliche Fnternehmungen oder durch andere tiner-
wartete Zufälle, so wird der Herzog mit dem Fürsten Hohenlohe
über die vorzunehmenden .Abänilerungen sich zu concertieren halten.“
Zur Erleichterung des schriftlichen Verkehres zwischen den
lauderseitigen Hnupt(|uartieren wurde der iisterreiehisehe (reheim-
rath Graf Welsch dem Herzoge von Braunschweig, der preus-
sische .Major von Tauenzien dagegen ilem Fürsten Hohenlohe lür
tlie Dauer des Krieges zugewiesen, -t
') K. ITOJ; I. 9.
K. A. 179i; .\m. Hi.
k. and k KnfK**-\rchiv«. Nfui* Fol^e Vit ‘J
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IH It ;i n si* n 1i I u
(Jhof lies GcucraM^uai'tiermeister-.Stabcs bei dem Herzoge von
Braunscbweii,' war der preussisclie Oberst Oravert, während dein
Fürsten Hohenlohe ilie Jlajore S-ehter und dakubitschka des
lieneral-Quartienneister-Stabes beigegeben waren.') Major de Vaux
des Ingenieur-Corps fungierte als (Jenie-Chef; an der Spitze des
Kriegs-Coniinissariats stand Olier-Kriegscoininissär Molitor, Oberst-
lieutenant Graaf leitete als ^'erpriegs■l>irc‘etor das VerpHegs wesen.-)
Don Operationsplan zu dem Feldzuge 17U2 entwarf der
Herzojr von Braunschweig. Schon iin Monate Februar hatt«’ er
dem Könige von Preussen ein Memoire Uber die gegen F'rankreich
zu unternehmenden Operationen vorgclegt:*)
„Wenn das französische Heer nicht als von aller Uisciplin
eiitblösst zu betrachten, wenn es nicht in sich durch Principieii
uneinig wäre, wenn die früheren Oiliciere und Generale sich noch
an der Spitze der Corps befanden, wenn inan endlich darauf aus-
gienge, der französischen Monarchie selb.st den Krieg zu erklären,
so stünde es ausser Zweifel, dass .sich unzählige Hindernisse ein-
stellen würden, um zu reu.ssieren und dass uni e.s (das Heer) zu
besiegen, gewiss viel beträchtlichere Anstrengungen erforderlich
waren, als diejenigen sind, zu denen die verbündeten flächte
bisher entschlossen sind.“
„Aber bei der gegenwärtigen Sachlage, wo es sich eigentlich
darum handelt, die in Frankreich herrschende Partei zu
bekämpfen und der unterdrückten Partei die Hand zu bieten, wo
Frankreich sich seiner besten Köpfe entäussert hat. wo in allen
t.’lasscn Bestürzung herrscht, wo der öffentliche Credit von Tag
zu Tag sinkt, .sind unstreitig der zu bekämpfenden Schwierig-
keiten weniger.“
.,Nicht.sdestoweniger wäre es ein Hauptinteia'sse der verbün-
deten Mächte, nachdem zwischen denselben das vollkoinnienste
Einverst>ändni.ss bezüglich der Kriegsoperationen hergestellt ist,
sich keineswegs auf die Versprechungen zu verlassen, welche die
1) H. K. U. 1792; V. 20ti. .S|mler wimlB Majur .S-i liti r t)ci jriii-ni rui|.s
länffftlioüt. wi-li-lii-s uiitiT lli-felil ilfs Kürstiai Hohrnlolii* in Frankri'irh i*inrürkli*.
wahremi Majur .takiihitschka ini Bri'i.sgiui ziirückWieli.
*) H. K. U. Sretion II. IlotiunloliB 17H'J; 111, 51.
’) K. .V. 1792; II. lOV* «"'l ^^01, IG, dann Massi-uliarli 1, 295.
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im Krii-p’ si-sfii ilif IrimziisiMlii- Hcvoliitiim I79:i. 19
Kmi<;rant<*ii mit so j;ross<T Leiclitigkcit luaclicu und ausstreuen.
l>as einzi«;e Mittel, die Unterliandluogeu mit Naclidruck zu führen,
oder den ( tperatioiien des Krieges ein entsehiedenes Uebergewielit
zu geben, besteht fürwahr darin, die ersten Seliritte, die wir
thun wollen, dem Zwecke anzupassen, den wir erreichen wollen.
Nur dann können wir einen Krieg führen, der sicli nicht in die
Länge ziehen darf, der schnell entschieden werden muss, weil
Kreignis.s(‘ cintreten können, deren Folgen unberechenbar siml
und weil die Köpfe, von welchen jetzt das Schicksal Frankreichs
abhängt, so geartet sind, dass man von ihnen die aus.serordent-
lichsten HcschlU-sse erwarten kann.“
„Man iiTt nicht, wenn man die Stärke der französischen
Armee zu 150.000 annimmt, ohne hiebei die Xationalgarden zu
rechnen. Nach allen eingelaufenen Herichten werden diese Armeen
in drtd gleiche Theile getheilt werden und zwar:
,.l>ie Armeen von Flandeni (Kord- Armee), von welcher man
sagt, dass sie aus den besten Trupjx-n bestehe und am besten
befehligt werde, wird sich im Kriegsrallc wahrscheinlich bi-i Lille
versammeln,“
„die Armee in den Bisthümeru (Centrum-Armee) wird augen-
scheinlich eine Fosition hinter der -Mosel zwischen Metz und
Thionvillc oder bei Sierek beziehen, vielleielit auch mehr vonvärts
.•Ul der Saar oder der Nied,“
„die .\rmee im Klsa.ss ( Hhein-.Vrmee) wird sich entweder
zwischen Strassburg und .Sehlcttstadt gedeckt «lureh die 111, oder
zwischen Strassburg und Hagenau znsammenziehen, vielleicht
auch oberhalb Zabern, indem sie z:dilreiche Nntionalgarden in
die festen I'lätze wirft. •*
,.Die .\rmeen Sr. M.ajestät des K.aisers scheinen bestimmt
zu sein, theils in Flandern, theils im Itreisgau anfgestellt zu wer-
den, indessen die pnmssische Armee, unterstützt von Trupjam
ileutscher Fürsten, auf einer mittleren Uperationslinic vorrücken
würde.“ ’ )
„Die kaiserliche ,\rme<‘ in Flandern würde drei grosse .Auf-
gaben zu erfüllen haben und zwar: Das Land beim Ausbruche
■j IliewT klimmt In iIit im Krifirs-.tn'hiv In'limllicbi'n l'iipif lif«
M»*woin*5 nicht v«»r. .•<muh*ni i.>t hh»H in »h*r 1mm 3la.<s«Mil>a('h ubp^lrucktcn iVnk-
tMithuItrn.
2 *
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au
H a II s ■■ 11 b 1 a r<.
von Aufstiiiuleii zu behaupten ; bei Beginn des Feldzuges die
gegenüber stehende französische Armee (Nord- Armee') zu beschäf-
tigen ; endlich beim EinrUcken der Prenssen in's Luxemburg'selie
diesen durch ein Detachement (welches Uber die Ardennen zu
marschieren hätte) die Hand zu reichen, femers der preussischeu
Armee sowohl das Uebersehreiten der Maas zu erleichtern, als
auch das weitere Vordringen derselben zu unterstützen.“ ')
„Diese Aniiee würde sich zwischen der .Sambre und Maas
oder an der Sambre allein versammeln und zu gleicher Zelt
zwischen Ath und Lessines ein (Dbservationscorps aufstcllen, um
Brüssel zu decken. Rctranchementa zwischen der Sambre und
•Maas, ungefähr so, wie Vauban es vor Naniur that, würden gute
Wirkung haben.“
„In dieser Position hätte die kai.serliche Armee die Annä-
herung der Preussen im Luxemliurg’schen zu erwarten und die
W'irkung zu beobachten, so dieser ^[ai-sch beim Feinde machen
wiril ; es wäre denn, dass die feindliche Armee zu unvorhergese-
henen Bewegungen Anlass geben würde, in welchem Falle aber
die Ketranchements zwischen .Sambre und ^laas doch nicht ganz
verlassen werden dürt’ten.“
„Vielleicht könnten von W'esel aus einige preussische Trup-
jM-n gegen Antwerpen vorrüeken, um die innere Buhe in Brabant
zu erhalten.“
„ln Luxemburg müsste eine starke Garnison, darunter auch
('avalleric sein, um täglich von den feindlichen Anstalten und
wichtigen Begebenheiten in dieser Gegend Nachrichten zu
erhalten.“
„Die preussische Armee würde sich in der Gegend von Cob-
lenz versammeln und die Hessen, wenn sic zu uns stosseu sollten,
würden ihre Quartiere in der dritten I.inie erhalten.“
,,Die Bestimmung dieser Armee Avürde anfangs darin
bestehen, bei Coblenz über den Uhein zu gehen und auf dem
rechten oder linken ^losel-Ufer bis Trier herauf zu marschieren,
um dann in das Luxemburg’sche einzurücken. Da wir durch
*) Amli r Ali><it» ist in «Kt lK*uksrhri!’t lM*i Mas.sonbju li iiipht voll-
piithaltPH. Das DptarliPinpiU. wckhfs üK*r die Anlcimen marsphien*u .soll.
hey.irtVrt Massenbaeh mit d— ÖOÖU Mann, in dem iin Kriegs-An'hiv betindlirhen
Aete wird die .■starke nieht t^enaniit.
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Oi'üttriiviili im Kricgr (jcpm ilie fruiiziisiüclii' Iti'Viiliitioii
21
diese Bewcguiifr die Festungen Thionvillo und Jlet/. zur Seite
liegen lassen und die Stellung von Sierck in der linken Flanke
umgehen, so ist cs wahrsclieinlicli, dass, wenn die tranzösische
Armee nicht den Entschluss fasst, der preussisehen Armee ent-
gegen zu kommen, sie in den genannten beiden Festungen starke
Besatzungen zurücklassen und dann starke Stellungen hinter der
< )rne, zwisehcn Conflanz und Rieliemout nehmen wird, um die
Eandseliaft Meziu (Gebiet von Metz), ilberhaupt Lothringen,
zu deck<.'n.“
„Wenn die preussisehe Armee Magazine zu I,.uxemburg hat,
••^o ist sie dadurch im Stande, gegen die französische (Cenfrum-)
Armee vorzugehen, oder sie zu nüthigen, die innelialx-nden Stel-
lungen aufzugeben, indem die j)reussische Armee durch eine mit
<lem kaiserlichen, durch die Ardennen vorrückenden Armee-Corps
verabredete Bewegung nach Dun oder einem anderen oberhalb
Dun gelegenen Orte an die Maas vorrückt.“
Die II essen würden zumeist die Verbindungen zwischen dem
Hbein und Trier sichern, sodann Stellungen im Luxcinburg'schen
iM-ziehen, die Garnisonen von Metz und Thionville beobachten,
endlich ilie Verbindung zwischen Luxemlmrg und der Armee
uiiterli.'dten, wenn diese an die Maas vorrückt.
„Es ist nicht wahrscheinlich, diiss die französische (Nord )
Armee während all dies<*r Bewegungen mllssig im Lager bei lalle
stehen bleilHMi wird. Vielmehr ist es gewiss, dass sie sich der .M.aas
nähern wird, es sei nun, um sich der Armee in den Bisthümern
'Gentrum- Armee) anzuschliessen, oder um den Festungen an der
Maas zu Hilfe zu eilen, oder endlich um der i>reussi.schcn Armee
den l’ela-rgang über die Maas zu verwehren. Es wird dies fiir
die ö.sterreichischi- Armee in Flandern der günstige Zeitpuuet sein,
um auf einem oder dem anderen Ufer der Maas vorzurücken und
den Freussen den Uebergaug Uber ilic Maas zu erleichtern.“
„Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass von Seiten der
l’reuss«-!! .Vlies aufgeboten werden wird, die Vereinigung der
französise-h-flandri.schen .Vnnce (N’ord-.Vrmee) mit Jener in den
Bisthümern (Gentruni-Armee) zu verhindern, wenn dies aber nicht
niöglich wäre, so tritt umsomehr die Xothwendigkeit ein, dass die
zwei verbündeti'ii Armeen sich nähern. Die Vortheile, dii* mau in
tliesem Zeitpuncte erndcht haben wird. <lie grössere oder geringere
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H H 11 s t' II h 1 a s.
Scliwierigkeif, sicli eines oder uielirerer fester I’lät/e an der Maas
7,u beiuiiehtigen, die Jlittel, die sieli finden werden, diesen Fluss
niil aller Siclierlicit in Bezug auf Lebensmittel zu passieren, ent-
scheiden für eine glückliche (,'ampagno und hierauf nmss alle
^lühe und Aufnierksamkeit verwendet werden.“
„Die kaiserliche Armee, welche sich im Rreisgau samnndt,
scheint zweierlei ( fperationen zur Ausführung bringen zu können,
deren Wahl ganz von den politischen ('ombinationen abhängt:
a) Wenn der kaiserliche Hof versichert zu sein glaubt, dass
die Schweizer den Durchmarsch bewilligen, so könnte diese Armee
aus den Cantonnements-Quartieren bei Freiburg anfljreehend, bei
Rheinfelden oder ganz nahe liei Ba.sel den Rhein überschreiten.
Sie deckt ihre Bewegung durch die Biersig, welche sich oberhalb
Basel in den Rhein ergdesst. Kin Corps bleibt bei Basel und ver-
schanzt sich an der Birs, einem zweiten Flusse, der in Basel selbst
in den Rhein füllt. Hierauf würde die Armee an der Hiemg longieren
und über l’orrentruy auf Belfort vorrUcken, oder sie würde die
Biersig passieren und längs der 111 gegen Mühlhau.sen gehen und
trachten, Colmar zu gewinnen, indem sie hier feste Stellungen an
den verschiedenen Annen der 111 nimmt und sich verschanzt. Aus
die.sen Positionen kann man nach rückwärts detachieren, um sieh
Beiforts zu bemächtigen und Streitpartheien in die Franche-t^ointe
entsenden.“
„Alles hängt davon ab, ob man sich Beiforts und Hüningims,
sei es durch Ueberfall oder Convention wird bemächtigen können,
sonst würde man der Schwierigkeit der Verbindungen halber sich
weder weit von Colmar entfernen, noch Winter-Quartiere jen.seits
des Rheines beziehen können. Ist Beifort genommen, könnte die
Armee hier ein Magazin anlegen und von hier ans die Franche-
Comte und Lothringen bedrohen.“'
„Die Bewegungen der feindlichen Armee und der Kinflu.ss,
welchen die Operationen der iireussischen Armee an der unteren
Jlosel auf selbe haben können, werden endgiltig die J’icwegungen
der kaiserlichen Armee bestimmen.“
„b) Wenn gegen alle F.rwartungen die Schweiz den Durch-
marsch verweigern sollte und hiedurch der Einmarsch in das
obere Eisass durch den Sundgan nnausfVihrbar wiirde, .so würde die
.\rmee bei Mannheim über den Rhein gehen, sieh durch Stcllun-
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( l<'Mf nvilli im Krifp' iri'p ii ilir fi;inZ4»isilic Kt'voliitiiiii 179.’. 23
<;en am Spoicrlnifh decken und Uber Noujitadt, mitten durch da.‘:
Land von Zweibriieken an die Saar vorfrehen und tracliten, die-
sen Fluss bei SaarjremUnd oder zwischen diesem Orte und Saar-
albe zu überschreiten, um vor der teindlichen Armee im Eisass
(l!hein Arm<‘e) jene vortlieilhal'ten Positionen zu gewinnen, die sich
zwischen der Seille und Mosel nicht weit von Nomeny und Pont
!i Mousson betinden.'’
.,\V enn diese Bewegungen maskiert und in Verbindung mit
den Bewegungen der jtreussischen Armee an der unteren Mosel
gescliehen, so würden sie dem Feinde viele \'erlegenheiten berei-
ten und die drei Armeen der verbündeten Miichte witreii fast
immer in der Lage, sich gegenseitig zu unterstützen."
.,l)ie Hauptaufgabe der österreichischen Armee im Breisgau,
wo immer man sie agieren lassen wolle, besteht jedoch darin,
dass sie die Armee im Eisass (Rhein-Armee) festhalte und ver-
hindere, sich mit der Armee an der ^fosel (( 'entrum-Arinee'i zu
vereinigen, zu diesem Ende Stellungen zu nehmen, in denen man
nicht zum Schlagen gezwutigen werden kann; ferner darin, die
.\ufmerksamkeit di-s Feindes zu theilen, ihn zum Detachieren zu
verleiten und dann auf eines dieser Detachements mit Ueberuiacht
loszugehen.“
„Zu wünschen wiire es, dass der König von .Sardinien einen
'I'heil seiner Trupjieti wenigstens nach Pont- Beau voisin Vorgehen
Hesse, um Besorgnisse für Lyon zu erwecken. Iti diesem Falle
müssten die Schweizer die Uebergiinge über den .Iura besetzen,
welche in die F'ranehe-Eomte führen.“
„Fan gleiches Bewandtniss hätte es mit Spanien, welches mit
12.<«MJ Mann in den Pyrenäen wenigstens 20.<JlMi FVanzo.«en in
dies«-r Richtung abziehen würde.“
„Was nun die Anordnungen wegen der Lebensmittel und der
Spitäler betrifft, so scheint es, dass die österreichische Armee in
F'landern ihr 1 laujttmagazin und ein grosses Spital in Namur
anicgen und auch einige Vorräthe an .Mehl und Hafer zu Ath
und Brüssel für das Observations-t.'orps satntneln müsste.“
„ln Luxemburg würde man auf Reclmung der preussisedien
.\rniec ein Hafer- und Mehl-De|«it für 2 .Monate, sowie ein .'ipital
etabliereti. In Frankfurt am .Main, (iiossen, Mainz und Coblenz
würden ebenfalls tÜr du; preussisehe .\rniee Magazine angeleg't werden
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H ;i II !*r II 1>I a N.
miisspii. Uurdi iliosp Vertlipilung' würde iu:m weniger Aufiiierk-
samkeit erregen, den Ank.-iuf begünstigen und da diese Magazine
alle an sebitiliaren Flüssen liegen, so konnten sic nach Coblenz
geseliart't werden, sobald die preussisebe Armee daselbst aiige-
komnien sein würde. Das Haupt-Spital würde aueli in Coblenz sein.*'
,,Die kaiserliche Armee im Breisgan würde wabrscbeinlicb
ihre ersten Magazine in Freilmrg Hnden. Sie müsste ibre Ein-
käufe im Breisgau und in der Schweiz bewirken und wenn die
I tperation in dem < >ber-Elsa.ss stattfinden sollte, den Ubein berun-
ter nach Kbeinfelden und Basel schaffen lassen, sie würde sie
nach dem Hbein-Uebergange an der Biersig in einem oder dem
anderen an diesem Flussi* gelegenen festen Schlo.sse etablieren.“
„(lilbe man jedoch der Operation an der Saar den Vorzug,
so würden die Magazine längs dem Neckar anzulegen und nach
und nacb. n.acli Mannheim vorzuziehen sein. Nach dem Hhein-
l.'ebergange wären zu Zweibrüeken und Saargemünd Magazine
und .Spitäler zn etablieren. Das Haupt-Spital bliebe in Mannbeim."
..I)er Armee der emigrierte .1 l'rinzen wurde keine Erwähnung
gethan. Wenn ihnen aber von den alliierti'ii Mächten erlaubt wird,
sich zu formieren, .so könnte dies nach dem Rhein-lJebergaiige
bei Cöln und Mainz gc.scheben und man wird ihnen alsdann alles,
was von der französi.schen Armee zu uns kommt, zuschicken.“
Von der 'l'heilnahme .Spaniens und .Sardiniens ati dem Kriege
abgesehen, dachte sich der Herzog von Braunschweig die Ver-
wendung der verbündeten Armeen .somit in dem weiten Hauine
zwiseben dem ('.anal la Manche und Basel.
Die gesainmten Streitkräfte sollten verzettelt weivlen ; nirgends
i.st von eitlem kräftigen .Schlage gegeti die französische Armee die
IJede und doch konnte nur durch einen solchen der nöthige
moralische Eindruck hervorgebracht und das gatize Unternehmen
zum Ziele gefiihrt werden. Der Herzog war ein methodi.scher, lang-
sam vorgehetider Feldherr, der das ..Herausinanövrieren“ des
(jegners aus seinen .Stellungen der offenen Feldschlacht vorzog.
Itii Uehrigen entsprach es den Aiuschauungen der Kriegführung zu
Ende des vorigen .fahrhunderts, immer nur aut einzelne l’iincte
zu operieren, statt ati die Vernichtutig der feindlichen .'\rtneen zu
denken.
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flestfrificli im Kricpc "csmi ilie l'ranziisisiln- Ki'volutimi 175*2. Üi>
Der ( )|H'ratioiis-Kntwurt’ tiinil in Wien mir eine j;ctiieilte
Zustimmung und wenn derselbe vom Kaiser Kranz dcsscnunge-
aebtet angenommen wurde, so gesehah es zuuiicbst wohl nur mit
lUieksieht auf die Verhilltnisse und um den Herzog nielit zu ver-
letzen. In einem Schreiben an den Herzog von .Saebsen-Tesehen M
sprach König Franz es selbst aus, dass er den „(.tjierations-J’lan
des Herzogs nur in der Hauptsache genehmigt und dass selber
noch nähei’e Entwicklung nüthig hat unil bei der wirklichen
Ausführung ein und anderer Moditication unterliegen wird.*"
So ge.schah es auch. Hei Ausbrncb des Krieges konnte
zunächst nur auf die Mitwirkung I’reiissens und des Landgrafen
von He.ssen-Casscl gerechnet werden. Alle übrigen Alächte nahmen
vorei-st noch eine beobachtende Haltung ein, auch war es .sehr
zweifelhaft, ob die Schweiz den Durchmarsch durch ihr Gebiet
gestatten werde. Die in dem Jlemoire des Herzogs erwähnte Mit-
wirkung Sardiniens und Spaniens war sonaeh gegenstandslos
geworden und auch das Vorgehen der österreichischen 'ri'uppm aus
ilein Hreisgau über schweizerisches Gebiet in Frage gestellt. Um
den Oi>erations-Plan den Verhältnissen anzupassen, wurde Fürst
Hoiii-nlohe angewiesen, sich jiersönlich mit dem Herzoge von
Ilraunschweig zu berathen. Das Ergebniss dieser Conferenz,
welche in Gegenwart des Königs von 1‘reussen am 12. Mai in
Sanssouci abgehalten wurde, bestand in der nachstehenden Ver-
einbarung :
,,1. Der Versammlungspunct der königlich ungarischen und
Itöhinischen Annee ist Freiburg im Breisgau;
2. der königlich preussischen Armee Coblenz am Hhein.
3. In Absicht der Offen.siv-ttperationen bleibt es dabei, dass
«lie königlich prcussisclien Truppen längs der Mosel nach dem
bereits von beiden Höfen genehmigten Plan agieren.
4. In Absicht der Oftensiv-Operationen der königlich unga-
rischen und böhmischen Truppen wurde bestimmt, dass, da es aller-
dings von grossem Nutzen sein würde, wenn die .Armeen der
beiden alliierten Mächte sich stets in dem Falle befänden, einandm-
*1 Vivemit I. 459.
K. A. 1792; XIIT. 82 mul Vivpiutt li. 38. I)fr ronfcivn/. wuhiiU'ii uoHt
l"‘i (fi'ueraUifUtPiiaut und Ministor (rraf 8chuU*nbnnr. IJoiuTtil Hisi'hoftswfrdri* und
<b-n**rjl-Adjiitaut OborstHcutonuiit von Manstoin.
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li a 11 s(> II hl a s.
die Hände Idetcn zu können, es am Besten sein möchte, dass die
Armee Sr. Apost. Majestät anstatt nach dem ersten l'lane den
lüiein bei Basel, ilin liei Mannheim zu passieren liabe (und Uber
Kirehheim und Kreuznach vorriicken würde). ')
5. ln Ansehung der von den französischen Prinzen zu ver-
sammelnden Truppen wurde bestimmt, dass selbigen ihr Versamm-
lungsort zwischen l’hilippsburg und Rothenburg angewiesen werden
sollte, damit .sie nachher sich links, längs des Rheins heraufziehen
und solchen bei Basel passieren können, um mit den gutgesinnten
iSehweizeni gemeinschaftliche Sache und von dieser Seite eine
Diversion zu machen. -)
6. Da aber zu befürchten, dass, wenn schon jetzt diese
Bestimmungen den französischen Prinzen bekannt gemacht würden,
solches leicht eclatieren und also höchst nachtheilige Folgen haben
könnte, so wurde bestimmt, dass ihnen hievon vor der Hand
nichts bekannt gemacht werden solle, sondern sie blos ersucht
würden, dass sie einen gut gesinnten, instruierten ( tfficier an des
Herzogs Durchlaucht nach Braunschweig schicken sollen, der
Sr. Durchlaucht bei <lcr Annec zu folgen habe, um einestheils
die Prinzen von den Dispositionen zu unterrichten, andcrntheils
aber auch des Herzogs Durchlaucht von Localitäti'ii, sowie von
etwaigen Verhältnissen und V^erständnissen Nachricht zu geben.
1 >urch diesen < ffficier werden iSe. Durchlaucht, wenn er ange-
kommeu ist, den französisehen Prinzen den Versammlungsort ihrer
Trup|M>n und die Zeit ihrer Versammlung, welche auf die Ankunft
der pri'ussischen Avantganle am Rhein bestimmt ist, bekannt
machen lassen. (Jleichergestalt sollen die französischen Prinzen
«■rsucht werden, auch »'inen ( )fficier bei des Fürsten von Hohen-
lohe Durchlaucht zu schicken, um denselben von ihren etwaigen
Verhältnissen und Venständnissen .-Xu-skunft zu geben.
M IM<* Vomit’kmi^r üIbt Kin-lihpini mul Kn'iixiiavli i.><t im iVotm-olli* von
Saiis.s<)iif'i iiirht i‘rwälint, p'ht jHltirh aus riiimii IliTiplit«' Hohnilolip's au Oim«
KaisiT bi'rvDi- (K. A. 17i>2. V. 5).
-> hu*S4* Divi'rsimi von liasrl aus war piiii* Lifliliii^sitliv Hnuiiisrliweiprs.
tlio »T nirht pTiu* autpial) mul es muss last als liliu-k tM*«ejplmet werden, dass
die Seliweix sieh iieutral erklärte und so eine iioeli weiten* Zersjilitteniiij: «ler
."^tn'itkrärte liiiitaiiirebnlten wiinle.
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(K‘stt'iT4*ifh im Kriejrt- (Ii<* rnmwisisfhf 171>2.
27
7. Wurde bestimmt, dass die französischen Prinzen dureliaus
nicht eher offensiv agieren sollten, als bis die beiden grossen
Armeen gegen den Feind in Bewegung wären.
8. Da bereits festgesetzt war, dass die Armee 8r. Apost.
Majestät den Khein bei Manidieim passieren .solle, so wurde es
des Fürsten von Hohenlohe Durchlaucht überlassen, die zum
Nachriieken bestimmten 23.052 Mann beim Durchmarsch durch
Schwaben gleich rechts nach ^Mannheim zu dirigieren, damit sie
keinen Umweg zu machen nöthig hätten.
y. Ist wegen der Verpflegung veraliredet worden, dass der
schwäbische und bayerische Kreis, auch die Schweiz, sowie der
Theil des ( »ber-Rheins liei Mannheim der königlich ungarischen
und böhmischen Armee, dagegen der übrige Theil des ( »ber-
Rheins, Franken und der Nieder-Rhein den königlich )>reussischen
Truppen überla.ssen bleibe,
10. Wurde voräusge.setzt, ilass, wenn wider alle Krwartun-
gen der Feldzeugmeister Graf Browne ' | von der .Sambre weg-
gedrängt werden sollte, er die verschiedenen guten Positionen zu
benutzen und .sich bis zur Ankunft der preussi.schen Armee
wenigstens in der l’osition am Deiner zu halten wissen würde.
Dieser zwar nicht glaubliche Fall sei allerdings wohl in Krwägung
zu nehmen, würde aber dennoch in den königlich jireussischen
< fperationen nichts abändern, weil, sowie die diesseitige Armee
an der ^losel vorrückt, der Feldzeugmeister Browne sogleich
degagiert ist. Die übrigen < »perationen des Feldzeugmeisters hän-
gen von den Umständen und den Befehlen des Herzogs ( von
.8achscii-Teschen) ab ! -)
1) K/)I. ihis (‘omnianiio d» rnr|>s in NiviltT-
luiidHi) tuhmi, nn»! »Tst aU pr mpIIu*« s<'inpr jr»‘srhwiirlit«*H (»psiinilhfit wppun nirht
id»»'rTi«*hun*n konnti*. wurth* **s dpm FZ.M. (‘liTfayt iiliPiimpni.
*) Kiim vom von Hn*nnsrhwpip .stamiimmli* IkdlaKo zn <*iiifin Ik -
rifhl«* dps FürKtPii llolipiilolip nn drn Kais**r jriht penani*n Aufsrhlns«. wir d«*i*
Mprwijr di** Situation in «Ion Kiedprlandpii anlTiisst»*. (K. A. H. K. It. Artni 1792:
V. 10). ln diosinii vom 14. Mai 1792 dafifiion S<*liriftstürk liois.st «*s wdrtlivh:
-Olixwnr dip jftzip* Lap* d»*r Nipdprlaiidr lM*d»*nklirli prsphoint und amb vor-
whi»*<lpnp rmstaink* pintirton. wuruiii könij;!. jll■ons.^is*•hl•^ S«*its dundi oinen Suenirs
an Tnipp**n dies**r IjUp* lurlit loifht winl abp'hoitVn wordon können, so sphpiurt
PS dtK-h. dass diin h andpii* .Mittid tlt*r androhi*mK*n (n*fahr jrrds.stpntbpils vor/n-
IsMicrpu und dor Haupt/.w**< k zu t*iTpipb»*n st«*brn wir*l.*
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H a ».■‘f n M a s.
11. Kill noch weit uiiwahrsclieinliohcrer Fall ist der, dass die
Franzosen vor Ankunft der königlich preussischen Truppen den
Landgrafen von Ifessen zuriickwcifen. sieh Meister von Coblciiz
machen und den Khein jiassieren dürften ; indessen wird hestiiiiiiit,
dass auf solchen h’all, die königlich preussischen Truppen sieh hei
Giessen an der Lahn ziisanimenzichen, wesshalb Hc. Durehlaueli»
der Herzog schon dergestalt vorausgehen wollen, dass Höchstdie-
selhen bereits am 5. Juli in Coblenz einzutretfen gedenken, nni,
wenn es die Umstände erfordern sollten, den Coloimen die nötui-
gen llefehle geben zu können.
12. Die Defension des Breisgaus bis dahin, dass ilie
27.0IJO Mann alldort versammelt sein wei’den. muss dem dort
eommandierenden General überlassen bleiben, da dann, wenn
diese dort eiugetrotfen sein werden, wobl nichts mehr zu liefürcb-
ten sein kann.‘“
iM'idcn t'ninzosisHifii AnmM>n wrrden in diMi Nifürrlnmlt'ii iiirlit vidiiic
oO.üOO ins FrUl konnni. Wi-iin nun drr üoii l■(llmnamlil‘nMul(■ (it'iienil
der kdni^l. nnpirisoli-Uolimisrlii'n Ariin*«* ^fzwun}r**n WL*n!(*ii dnirh Binr Ik'wrjruTn;
de.s Ffiudfs von <iivH aits Huv und von Valemdoniu's aiLs Muiis und
<’harl»T<n cndlirli die IVisilinii von Nanmr zu v<*rluss4‘n: was wünl«* ilm liiiidcrn.
zuerst liiulrr d»*r Malsaipin* (Mfliaipin ?) t*iin* Ftisitioii zu iii'lmicii und wimiii Lütlirli
vom Fidiidr ain-h <HM'upi«*it wenkui sollt«*, sich alsdann hiiit«‘r di«^ Jaar zu sctz**ii.
di«; !luhi*u von TüiiKfiii zu v«*rs< lianzt n und «lit* Jaar durrli Düiiiim* anzuschw« ll«*u ?
Kinllü’li uImt. >v«*nii witltr allos KrwaHon aurli s«dl»st di«*s«* Fositioii v**rlasM*ii
Wfid«*ii musst«’, .so wlii’do di«* Position luiit«;r dt-m IhuinT in d*T ti«-p*iul v«m Itio-^t
al!«*ni Ausvlu’U iiadi d«'ii Fidiid M«*iii^.sii*tis .so lanp«* aunialt«*n. bis di«* T«*t«* «U*r
k<»ni;cl- pn*u>si.s4'lu-ii Arini*«.- zu Fobbuiz viiitritlt, w«‘b'h«*s d»*n 8. Juli biundts zuvtr-
la.'sij: winl fnsriudu n kbniiin.
t’avalbtri«* i.st iH’kaiintlii b koiii>;l. proussi.si luT S<*lts ^ar iiulit in \V»‘.stphal«’ii
V4U*hatt<l«'u und kann aiu-li nidit tnilu'r in d«*r (•«.';;t*nd von Ltlttidi al.s lad (’obb'iiz
ankoimnrn; wollt«- inan lutantt^ri«* aus \Vi'.s4*l allein dahin s4‘ud«‘n. so wiinlt-n t-s
hodist*‘ns (■tii('ii«‘ Itatailloiu' s«‘in köniu-n. wniii di«* Ann«*«- an «lor Mosd nidit
K«’.xchwä«’Iit \v«-n!«*n s«dlt«-. Wan- r.s ab«T «h’iii Feind«* «-in Knist. auf luitti«-h «-twuH
zu unt<‘ni(’hin(‘ii. so wiml«* oin«* K«’riiur«* Anzahl viui Tnip|H-n d«*ii Zwi-«-k nidil
«'rtull«*n. «la iH'kanntlirh lM*i iJittidi Ihr »’iii kh iin s r«irps Tni]i|M*n k«’in«’ lH*s«»nd«*r«-
Po.-'ition zu iioliuu'n ist; di<- Stadt und t'itad«*lle alH*r nicht im V('rtli«*idipim'sstand
sich ItcHmlcn. Man wiitl vonS«-itcdcr Armee Sr. kdiii^I. AjMist. Maj«-stiit in den Nhdi’i-
landen als«» nur so vi«-l Z«*it zu srewinnen sucIm’Ii. bis die «-«mibinicrtcu Ami«*«*u am
Hhciii dntr«*rteii. dunh wvlch«* hivcrsimi allen etwa si«h crcijrncnden wiilriffcn
N’orfiilleii th«*ils winl v«*ixel»cuirt. thcils ahp*h«dfcii w«*nlcn können,
Wenn auch wider Erwarten in ciii«-r «Mh-r «hT and«*ivn Stadt sich al»*nnaN
inioT'- rnruh«-n h••^v«»rthnn .'•«»Illen, s«» wiinien si'lhijr«* nicht stindcrlidi zu funlit«-u
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0»‘st»*nvirh ini KnVjrt* c#*pi*n tlic t'ranziisisrhf Ht'voliitiim 179:?. -9
Audi (lio.se Beschlüsse wurden indessen noch nielirtadicn
Aendernngcn unterzogen. Den ersten Anla.ss liiezu gab das
Benehmen der Emigranten, deren Be.strehungen mit jenen der
lieiden kriegführenden Jtachte nicht in Uehereinstiinmung zu
hringen waren.
Hatte man in Wien und Berlin eingesehen, das.s es unthunlieh
sei, das ab.solute Regime in Frankreich, wie es vor 1789
bestanden, wieder aufzuriehten, dass man den gelinderten Ver-
hältnissen Rechnung tragen und sieh begnügen inüs.se, bei Aner-
kennung der (,'onstitutiou wenigstens die Monarchie selbst in Frank-
reich zu erhalten, so war dies keinesw'egs die Ansicht der Grafen
von Provence und Artois.
Jetzt, da der Krieg bereits ausgebrochen, wiederholten sie
ihre unannehmbaren, trüber von König Franz zurückgewiesenen
Forderungen nur umso entschiedener. .Sie verlangten als Verkünder
iler Heretcllung der alten Ordnung, an der Spitze der verbündeten
Armeen in Frankreich einzuziehen, sie wollten, dass König Franz
die Prinzen als die einzigen rechtmilssigen Vertreter Frankreichs
nach Innen und Au.ssen anerkenne, dass er erkläre, nur Jene als
sf'in. wpü kein zns;inimenhaapMiiler (Man voi-hamlen und Alles, was etwa Widriires
p*?ehehen .«ollte. pnvis.s ini Monat Aiipist nielit allein wieder herpestellt sein
wird, sondern sicherlich vom reindlichen Terrain einip- («ependen werden occn|nert
Genien können.
rehripeiis .«itehet mH-li dahin, ol» die feindlichen Armeen uirklitdi einen zn-
'.immeiihänpenden l’lan pepen die Niederlande nnternehnieu wenlen. <la ans ver-
ohie<leneu Vfirkehninpen ahznnehmen steht, dass sie vorziiplieh Itetensiv-Anstaiten
machen und .schwerlich eher vtirznriicken sich im Stande Imlten werden, bis sie
u'rün tönrapieren können, welches aber in dem Theil der Ardennen, tlnreh welchen
'*\*i zu marschieren haben, nicht vor »1er Mitt»* »h‘s Monats ,lnli winl statttimlen
können.’*
Nun i.st es klar. diis.s man mit einer derailip» n Verwemlunp »ler ö>tern*i» hlsehen
Trupism in »len Niwlerlainlen am Wiener Hofe ni»bt einverstanden sein kminte.
l>»T Hedanke. sieb tb»rt defensiv zn verhalten, bi.s »lie Ann»*en »ler V»*rlhindeteii
am Kheine einpetroireii seien, war Ja riehtip, «Io»di musst»* di»*Kc V»*rtheidipnnp
entspHM-hend »ler isoli»*rt»*n Lup»* »ler ösierrei» hi.M h»*ii Truppen einstweilen no»di s»*lbsl-
Mändip, ohne l{ücksi» lit auf das Eintr»‘ft»*n der Pre»iss»*n. das ja erst in zwei M»niaten
zu erwarten war. p*sehelien. S»> lanpe das kaiserliche ('ori)s in »len Nie»lerlan»len
a»if si»h s»lhst anp»*wieseii war. hatte »dne Anfstellnnp Iwi Namni wohl k»*inen
Zwei-k. Hei derartipeii AuKchauimpen des prenssis»*hen Oherfeldherrn mus.ste man
in Wi**n wohl »>der übel Zweifel emptind»*n entw»*der über die Fahipkeit der H»*er-
inhnmp »)d»*r über die Loyalität der Politik.
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Franzosen zu l>etrachten. welche ihre Erfrelienlieit Air die alt«-
absolute Monarchie bezeugten und dass der Krieg sich mit Ent-
schiedenheit gegen alh« revolutionären Fractionen richte, welche es
versucht hatten, die trühere Regieruagsform zu zerstören oder zu
ändern.
Dies waren undurcliAihrbare Forderungen geworden, es g.-ib
in Frankreich zwar erst eine verhältnissmilssig klein«- rt-publikani-
sein- S«-cte, alK-r wenige mehr, di«- sich Air die unbedingte Wiedei--
herstellung iler absoluten .Monarchie b«-geistert hätten.
Selbst am Hofe Ludwig XVI. hatte mau wohl erkannt,
dass das monarchische l'rincij) nur unter Anerkennung einer
ents|)r<-chenden Verfassung aufrecht erhalten werden könne. Die
königlichen Prinzen , namentlich ihr Hauptrathgeber ('alonne,
sowie viele der Elinigrierten, waren Gegenstand d««s allgemeinen
\'^olksha.s.s««s um! eine Declaration in ihrem .Sinne hätte unfehlljar
„eine (,'oalition fast der ganzen Nation“ nach sich gezogen, \v;vs
unberechenbare Folgen naeh sich zielien konnte. Aus politischen
lülcksichlen war <-s daher dringend geboten, das Corps der Prin-
zen. welches schon bei IJeginn des Feldzuges auf i«twa IH.üOi*
bis 20.u0(» Mann gestiegen war und dessen weiteres Anwachsen
noch bevorstand, nicht selbständig agieren zu lassen. Es war zu
bi-Alrc.hten, da.ss die Hrlider Luilwig XVI. „nicht nach dem Plan,
«len Gesinnungen unil Endzwecken «ler beiden Höfe, sondern
l(-diglich nach jenen, was dem Eigennutz, der Rachsucht und den
Nebenabsicht«‘n ihr«a‘ Rathgeber gemäss sein wird, handeln, den
allergrüssten 'l'heil ilcr Nation in Harni.sch bringen, das Leben
lies Königs, «h-r Königin und der ganzen Familie den imminen-
t«-aten Gefahren aussetzen, die Ma.ssnehniungen der beiden Höfe
kreuzen, hemmen uml sie in unübersichtliche Verlegenheiten ver-
wickeln werden.“ D
Augenscheinlich waren ilie Emigranten dani.als schon eher
zu einer Verlegenh«-it. als zu einer Unterstützung geworden und
am liebsten hätte man sic ganz bei Seite gela.s.sen ; da dies nicht
angieng, kam es bei den am 20. ,Iuli in Mainz abgehaltenen
llcrathungen zum Ifeschluss, ihre StreitkräAe zu theilen, sie den
') Kaunitz an itvu.ss. Wien 'J-Z Mai 1791. Vivenot II. 52.
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*Vstt’rr»'i<‘h im p‘p‘n »li*‘ rr.iiiÄi'sisrlu* 179'J. 31
finzeluen (Jor|>s der VerliUndotcii zuKUweiscn und erst in zweiter
Linie folgen zu lassen. ')
Unter Führung ilcr llrUder de.s Königs wurden also HfiOO
.Mann der preussischen Armee beigegeben, eine Abtbeilung von
öoOü Mann, unter Coniinando des Prinzen Conde dem F'eMzeug-
nicister Hobenlobc zugewiesen, wiilirend die sich im Lüttich’sehen
und Luxemburg’sehcn sammelnden 400n M.ann, unter dem Prinzen
von Bourbon an das Corps des Feldzeugmeisters (.'lerfayt anzu-
'chliessen hatten. *)
Durch diese Abänderung entfiel die, den Fanigranten im Sinne
der Abmacliungen von .Sanssouci zugedachte Diversion über Basel,
welche übrigens schon aus dem Grunde hätte unterbleiben müssen,
da die Schweiz sich neutral erklärt*) hatte. Xun musste aber der
tiber Uhein in einer anderen W'eisc gesichert werden und es wurilen
die 27.000 Oesterreicher, welche sich im Breisgjiu sammelten, hiezu
he.stimint. Der Rest des österreicliischen Contingentes, die nach
Mannl\eini dirigierten 23.000 Mann unter Hohenlohe, sollten ge-
meinsam mit den Preussen die Offensive; gegen Frankreich
ergreifen.
Kine weitere Aenderung des ( fperationsplanes trat bezüglich
der Verwendung des österreichischen, in den Niederlanden stehenden
f.'orps ein. Den Intentionen des Herzogs von Braunschweig ent-
'prcchend, sollte sich die gesaramte daselbst befindliche öster-
reichische .Streitkraft (43.000 Mann Gefechts-.Stand) bei Nainur
s,aiunieln, hier das Eintreffen der Preussen im Luxcmburg’schen
.abwarten und dann zur Offeinsive übergehen.
Der Herzog setzte hiebei voraus, dass zur Aufreehthaltuug
der inneren Ruhe und besonders zur Niederwerfung eines even-
tuellen Aufstandsversuches in Belgien, die preussischen Tru|>pen
*) 8ellist tiafwiK XVI. uml .scim; (iianaliii wiinsclitvn die AtmschliessunR
Her Kmigranten von den Oj«;rationeii, da ihr Vorteilen dem Könige nur die grössten
ifehwierigkeiten bereiten musste, vielleicht füivlitetc man auch, dass der Graf von Pn>-
vence. welcher den König als unfrei erklärte und den Titel eines Regenten von Krank-
reich vi rlangte, .sich der Situation bemächtigen und selbst den Thron besteigen wolle.
ä) K. H. K. K. Acten 1702, VIII, ad 8.
*1 H. K. R. 1702; VH, ad 2. Kür den Kall, als die Prin/a-n sich diese
Thfilung nicht gefallen lassen wollten, Imstand die Absicht, sich durch eine Ib-o-
lUmation von ihnen losznsagen uml sie ihrem Schicksale zu überlassen.
*) K. A. 1792; \TH. 121'.
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32
li a u M tt )a s.
;ius Wi'st|ibak‘ii daselbst cinrüekou würden, l’reussen leimte jedocli
einen ilaranf bezn^lieheii Vorsehlafr Oesterreichs ab M nnd dieses
sab sieb dadnreh genötbigt. die starken Garnisonen in den Nieder-
landen selbst zn bestreiten, so dass für die Operationen ini Felde
mir noeb 27.0IXI Mann zur Verfügung blieben. Sebon in den
ersten drei Monaten des Feldzuges, während welcher die Fran-
zosen zn wiederboltenmalen in Belgien eintielen, zeigte diese
Kraft sieb nur eben zu einer wirksamen Vertbeidigung des
laindes ausreichend, zninal die revolutionäre Propaganda eine
immer wachsende Wirkung zeigte. Hätten, dem Operationsplane
entsprechend, diese 27.000 Mann mit den Preussen gegen die
.Maas operiert, so wären die Niederlande schutzlos dem inneren
nnd äusseren Feinde preisgegeben gewesen. Der Herzog von
.Saclisen-l'eseben maebtt* daher in Wien die eingehendsten Vor-
stellungen gegen eine derartige Verwendung seines Corps •) unil
tVigte hinzu, dass er für nichts cinstehen könne, wenn an derscl-
ben festgchalten werden sollte und ihm nicht ein Ersatz von
mindestens 20.000 ^lann zukomme. Da der Wiener Hof jedoch
mit Hücksieht auf etwaige V'erwicklungen im Osten der Monarchie
nicht im Stande war, noch weitere Truppen zum Krieg gegen
Frankreich zn verwenden, so wurde bei den Conferenzen in .Afainz
vereinbart, dass das Corps, welches unter FZM. (^llerfayt von Namur
ans mit ilen Preussen zn operieren hatte, nur 14.000 Mann zählen
sollte, wobei jene (iOOO Mann (4 Bataillone nnd 8 E.scadronen >,
ilie von der Armee Hohenlohe’s unter GM. Smakers in das
Lu.vemburg’sche dirigiert worden waren, mit eingerechnet wurden.
Der Best der kaiserlichen Trupjam in den Niederlanden blieb dem
Herzog von .Sacbsen-Teschen unterstellt, welcher während des Vor-
gehens der Preussen an die Maas eine Diversion gegen die fran-
zösi.schen Grenzplätze unternehmen .sollte. FZM. Hohenlohe erhielt
tür die eben erwähnten 0000 Mann keinen Ersatz.
■( Krii'iliicli Willipliii 0. an Bisehoirswi-nler. Dcrlin ti. .Mar/. 1792. Vivnioi ].
100. Ikt Kiiniir In iiH' »ioh hiebei anf ileii .\llianztractat, in welchem eini- pepen-
seitipe Hilt'eleisinnp nur lur den Fall i‘iues .\npriH'e.s seitens einer dritten Macht,
nicht aller hei .tnshnieh innen>r l'nmlien austwdnnpen wonlen war.
-) K. ,\. 1792; V, 127.
•| K. .\. 1792; XIll. Sl. Tapebneh des Herzops von Saehsen-Tesehen.
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Oesterreii'h im Krii'S'* gcffen die französische Ucvolution 1792. 33
Auch die nach und nach über den Gegner eingelaufenen
Nachrichten wurden für einige Aenderungen im Operationsplane
massgebend. In der zweiten Hälfte Juli brachte man in Erfahrung,
dass Lafayctte mit ungefähr 19.000 Mann in der Gegend von
Sedan, Luckner mit beiläufig 17.000 Mann in der Gegend von
Metz stehe, dass ferner ein stärkeres Observations-Corps im oberen
Eisass zusammengezogen worden sei, und General Kellermann
überdies 12 — 15.000 Mann hinter der Lauter versammelt habe.
Der letztere Umstand schien dem Fürsten Hohenlohe von besonderer
Bedeutung, er erachtete es nicht für rathsam, den Vormarsch
über Kreuznach und Kirchheimbolanden an die untere Saar anzu-
treten, ohne Kcllcnnann vorher zurückgeworfen zu haben. Hohen-
lohe schlug dem Herzog von Braunschweig daher vor, >) nach
Passierung des Rheines eine Stellung hinter dem Speyerbach zu
beziehen und entweder einen feindlichen Angriff in derselben
abzuwarten, oder, wenn dieser nicht erfolge, selbst zur Offensive
Oberzugehen. Zur Deckung der rechten PJanke und eventuellen
Cnterstützung Ilohenlohe’s, sollten etwa 12.000 Preussen den Vor-
marsch auf Trier statt auf dem linken, auf dem rechten Mosel-
Ufer bewirken. Hohenlohe beabsichtigte ferner, zur Deckung
seiner Magazine 6 Bataillone und f! Escadronen aus dem Breis-
sau nach Philippsburg heranzuziehen, während der übrige Theil
des Corps im Breisgau zunächst jeden Versuch der Franzosen,
den oberen Rhein zu überschreiten, zu verhindern, später aber
selbst die Offensive zu ergreifen haben würde.
Der Herzog von Braunschweig erklärte sich mit den Vor-
schlägen Holienlohe's „in Rücksicht auf die gegen das Keller-
mann’sche Corps zu nehmenden .Stellungen“ völlig einverstanden
und sagte auch den Vormarsch eines preussischen Corps auf dem
rechten Mosel-Ufer zu. -)
Am 20. Juli fand anlässlich der Monarchen-Zusannnenkunft
in Jlainz eine Conferenz statt, bei welcher preussischerseits der
Herzog von Braunschweig und Graf .Schulcnburg, von Seite
Oesterreich’s Feldmarschall Graf Lacy und Feldzeugraeister Fürst
Hohenlohe erschienen und alle auf die „Eröffnung der Cam-
'j Hohenlohe an den Kaiser, Cabinets-Aeten, Corresp. Holienlohe's 3.
*) Urannschweig an Hohenlohe. Coblenz am 17. Juli 17‘J2. K. A. 1792; VIJ, U5.
Mitthciluiigen des k and k. Kriegs>Archivs. Neue Folg«. VII. 3
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34
H linsen blas.
pagne“ bezüglichen Massnahmen, sowie die oberwähnten Aende-
rungen des Operationsplanes endgiltig festgesetzt wurden. >) Auch
die Convention mit dem Landgrafen von Hessen-Cassel, bezüglich
der Beistellung eines Truppen-Corps von 6000 Mann, ward bei
dieser Gelegenheit zum Abschlüsse gebracht, ebenso Verein-
barungen mit den Kurfürsten von ]\Iainz, Trier, dem Herzog von
Zweibrücken, dem Markgrafen von Baden und dem Landgrafen
von Darmstadt „wegen Ueberlassung so vieler Truppen, als sie
abgeben können“, angebahnt.
Der (fperatiousj)lan war nunmehr folgender:
A. Offe nsi V- Corps.
1. Die Haupt-Armee, 45.0f(0 Preusseu®) und 8000 Emigran-
ten, sammelt sich bei Coblenz. Der Herzog von Braunschweig
wird mit diesem Heere offensiv längs der Mosel mit der Haupt-
kraft am linken, mit einem Corps auf dem rechten Ufer gegen
Luxemburg vorrücken. Daselbst werden die weiteren Ojicrationen
„concertiert“. <) Iiu Allgemeinen wird beabsichtigt über Lougrivy,
welcher Platz zu nehmen ist, nach Verdun an die Maas vor-
zurücken,'’) um die Vereinigung der französischen Nord-Anuee
mit jener in den Bisthümern (Centrum-Armee) zu verhindern.®)
2. Feldzeugmeister Clerfayt sammelt 14.000 Oesterreicher und
4000 Emigranten unter dem Prinzen von Bourbon bei Namur,
rückt über die Ardennen vor und vereinigt sich mit der ])reussischcn
Armee, wenn diese nach Longwy kommt.'')
') l’h. Kubenzl an Kaunitz, PraR, 31. .luli 1792, Vivenot II, I.’i.j.
^1 Naclitrafrs-I’roti II zu .Mainz. 21. Jiüi 1792. Vivenot 11, I4H.
Dies« unii liic folRenileii Zitl'em hezielien sieb auf den Gefeehtsstand.
<) H. K. H. 1792; V, 7.
*) Mas-sfiibaeh I, 38.
•) .Memoire des HerzoRs.
’l Massenbacli 1. -14. ln vielen Werken beReRuet man der .-tnRalie, Clerfayt
habe die WeisunR Rehabt. über Itheinis und .Soissons auf Paris zu marsebieren ; in
den .teten de.« k. tiiid k. KrieRS-.tirhivs ist ein so weitpeheniier llefehl an Clerfayt
uirpeuds zu änden ; er schien auch nicht in der .\bsicht llmun.schueiRs gelcReu zu
sein, welcher ja erst beim Eintreffen in I.nxemhurR die weiteren tlixTationen ,eon-
certieren“ wollte. (H. K. It. 1792; V, 7.) Ch-rfayt war am 2f). .luli in Cohlenz, um
die Uefehle Braunw hweiR's cinziiholeu und als er von dort zurüekkehrte, führto er
.sein Corps ülier die .Anleiinen nach IxuiRwy, was mit der -\nRatw .Massenbach 's über-
einstimmt. .\uch spiiter erhielt Clerfayt seine lletehle nur .sozusaRen von einem Tap
zum anderen“. (Clerfayt an Hof-Kriepsrath v. 11. September. H. K. K. 1792; IX, 9,)
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Oesterreich im Kriejre pepen die französisthe Revolution 179*2.
35
3. Feldzeugmeister Hohenlohe überschreitet mit 15.000 Mann
bei Mannheim den Rhein, trachtet die zunächst betindlichen Theile
der französischen Rhein-Armee (General Kellermann hinter der
Lauter) zu schlagen und rückt dann über Kaiserslautern an die
untere Saar. Sollte Saarlouis nicht durch ein Uebereinkommen zur
t’apitulation veranlasst werden können, so wird gegen diese Festung
vielleicht durch ein Uetacheineut von 2 — 3000 Mann und einiges
AVurfgeschUtz ein Versuch zu machen sein“. Auch von Thionville
erwartete der Herzog keinen besonderen Widerstand.')
4. Das hessische Corps, 6000 Mann, f(dgt der Haupt-Armee.
B) Defensiv - Corps:
6. Feldmarschall-Lieutenant Graf Erbach mit 7000 Mann
nimmt zunächst eine Aufstellung bei Pinlippsburg und verhindert
hier den Uebertritt der Franzosen auf das rechte Rhein-Ufer.*)
6. Feldmarschall -Lieutenant Fürst Esterhüzy mit 10 bis
12.000 Mann, zu welchem auch der Prinz Conde mit BOOO Mann
zu stossen hat, sichert zunächst den Über-Rhcin, macht dann aber
eine Diversion in das Ober-Elsass, da man Hoffnung hat, dass
Ilüningcn, eventuell auch Beifort sich ergeben werden. ^)
7. Der Herzog von Sachsen-Teschen macht nach Zurück-
lassung der nöthigen Besatzungen und Garnisonen (8000 Mann)
zur Aufrechthaltung der Ruhe in den Niederlanden (mit 25.000 Mann)
eine Diversion gegen die französischen Grenzjdätze.
Dieser bei den Conferenzen in Mainz cndgiltig festgesetzte
(tperationsplan*) hatte nun allerdings einen von dem ursprüng-
lichen Entwürfe wesentlich verschiedenen Charakter. Statt einer
geincinschafthchcn Operation einer gleich starken österreichischen
und preussischen Anuee, welche durch ein ansehnliches kaiserliches
(-'orps aus den Niederlanden zu unterstützen gewesen wäre, über-
nahm die prcussische Armee nunmehr die Hauptrolle, während den
K. A. 1792; VUI. 31.
*) K. A. 1792; VII, Kl«/..
3) K. A. 1792; VII, 120.
■*) Eine schriftliche Ausfertigung des geänderten 0{>erationsplane.s erliegt
nicht in den Acten. Obige Darstellung ist nach den (’onferenai-Protocollen, den
Berichten Hohenlohc’s und Briefen Brannschweig's zusammengestellt.
a*
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36
H a u 8 e n b 1 a s.
Corps Hohenlohe und Clcrfayt bloä die Aufgabe zufiel, die Flanken
der Preussen zu sichern.
Die gesammte, zu dem Einmärsche in Frankreich bestimmte
Streitmacht sammt den Emigranten, deren Corps zum Theile nicht
operationsfiihig waren, belief sich auf 92.000 Mann, während zur
Deckung des Ober-Rheins und <ler Niederlande 58.000 Mann
zuriiekblicbcn, von denen allerdings auch Diversionen auszuführen
waren.
Im Hinblicke auf die ungeheueren Anstrengungen, die Frank-
reich noch nach Ausbruch des Krieges machte, um grosse Massen
in den Kampf zu führen, sowie mit Rücksicht auf die mächtige
Erregung, welche in der französischen Bevölkerung gegen die ihr
drohende Invasion theils schon von vornherein bestand, theils mit
allen Bütteln künstlich erzeugt und angefacht wurde, muss die
Kraft der Alliierten entschieden als zu gering bezeichnet und darin
der Hauptgrund des späteren Misserfolges gesucht werden. Mochten
die momentan im Felde stehenden französischen Streitkräfte den
Angreifern auch noch nicht überlegen und ausserdem über einen
grossen Raum zerstreut sein, jedenfalls hat es den Anschein, als
hätten doch die Versprechungen der Emigranten bezüglich der
sofortigen Uebergabe aller Festungen und des Uebertrittes eines
grossen Theiles der Linien-Armee einen zu weit gehenden Einfluss
auf die Anlage des Feldzuges gehabt.
Die Idee, von Coblenz in der kürzesten Richtung über
Longwy in Frankreich einzubreehen, war an sich nicht unge-
rechtfertigt und in ihrer Ausführung durch die beiden Corps in
den Flanken erleichtert, doch hätte dieser V'^orstoss mit genügenden
Kräften unternommen werden müssen, um die Offensive auch in
dem Falle noch erfolgi'eich weiterführen zu kömien, wenn zur
Beobachtung oder Cernierung einer oder der anderen Festung
einzelne (’orps zurückgelassen werden mussten.
Der Zweck des ganzen Feldzuges erhci.schte rasches und
kräftiges Handeln ; nur wenn, noch bevor der letzte Rest des
königlichen Ansehens und der königlichen Macht zerstört war, ein
starkes Heer siegreich über die Armeen der Revolution, vor den
Thoren von Paris erschien, war Aussicht vorhanden, die Monarchie
in Frankreich zu retten.
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Oesti*mnch ini Kriep«* <lie französiHchi* Rt*volution 1792.
37
Aufmarsch der Verbündeten Ende Juli 1702.
Da der Befehl zur Mobilisierung in Oesterreich erst Ende
April, in Preussen anfangs Mai erlassen worden war, konnten
die neu aufzustellendcn Armeen ihre Bestimmungsorte am Rhein
kaum vor der zweiten Hälfte Juli erreichen. Bis dahin mu.ssten
die im Breisgau stehenden 12.000 Oesterreieher, sowie die bei
Hanau und Uheinfels zusammengezogenen landgrilflich hessischen
ebenfalls gegen 12.000 Mann starken Abtheilungen den Aufmarsch
der Verbündeten decken.
Feldmarschall - T Jeutenant Wallis, welcher im Breisgau com-
inandierte, liess den Rhein durch Posten und Patrouillen beobachten
und stellte in der Nähe Jener Puncte, wo ein Uebergang des
Feindes verrauthet werden konnte, Truppen mit der Bestimmung
in Bereitschaft, den Uferwechsel des Gegners womöglich zu ver-
hindern.
Die Oertlichkeiten, %velche dem kaiserlichen General am
meisten gefiihrdct erschienen, waren Rheinfelden (Brücke), Basel
(Brücke) Hüningen, Sponeck oder Breisach und Kehl (Brücke).
Der wichtige Uebergang bei Kehl befand sich vollständig in den
Händen der Franzosen, denn das sogenannte Fort Kehl war
demoliert und nachdem der Markgraf von Baden sich weigerte,
kaiserliche Truppen in sein Gebiet aufzunehineu *), nur durch
einige badische Husaren bewacht. Fiin eventueller Rückzug war
über Villingen gedacht.^)
Feldmarschall-Lieutenant Wallis hatte seine Truppen Mitte
Mai wie folgt vertheilt : *)
*) Erst am 5. .luli wunli' Kehl durtli ein Rataillon Klebek besetzt. (K.
1792: VIJ. 26.)
*) .'^taats-.trehiv, Hofkrie^snilh an den Staatsratli. Fase. 85: Wallis an
H. K. R. Freibiirs am 5. -Mai 1792.
’) H. K. K. 1792; V, 3 und ad 9. dann K. A. 1792; V, 159. 8iehe Tafel X.
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Ih’iidw (Sr. 41) | Freilmn;
lU'swne-Aiiilleric
38
Han8eiil>I»H.
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OestBiTPioh im Kriege gegen ilie Ininziisisehe Revolution 1792. 39
Die Hessen bezogen (Jantonnements am Rhein zwischen der
unteren Lahn und der Mündung des Main.
Diesen Trappen der Verbündeten standen zu Beginn des
Monates Mai 41.000 Franzosen gegenüber und zwar ungefähr
9000 Mann bei Hüningen und Hüsingen, 14.000 Mann bei Strass-
burg (inclusive der in dem Lager von Plobsheim befindlichen
Abtheilungen, 8000 Mann im Lager von Neunkirchen, der Rest
in den Garnisonen vertheilt.*)
Die Franzosen nützten ihre momentane Ueberlegenheit jedoch
nicht aus, so dass sich der Aufmarsch der verbündeten Armeen
ohne Störung vollziehen konnte.
Im Laufe des Monates Juni überschritten die kaiserlichen
Trupjten bei Bregenz, Salzburg, Ranzhofen, Frankenmarkt, Braunau,
Schärding, Taus und Klentsch die Grenzen der Monarchie, um
theils durch die Ober-Pfalz und den fränkischen Kreis, theils durch
Bayern und Schwaben an ihre Bestimmungsorte zu gelangen.®)
Von den Ende April mobilisierten 26 Bataillonen und 34 Esca-
dronen marschierten : ®)
*) Hiebe Tafel X.
») K. .A. H. K. K. .Acten 1792; V, 12 und VII, 6 b. ]X>r Marsch erfolgte
lialaillons' und divisionsweise. I>ie auf einer Marsehlinie instradierten Truppen
einander in 2- bis Stägi^en Intervallen. Nach je 4 Märschen war ein
Hasttag eingeschaltet.
Für die durch das Keich marschierenden TrupjKni mussten mit den ver-
schiedenen Krei.sen erst umständliche Conventionen wegen der Verpflegung, TTnter-
Inuift, Vorspann etc. geführt werden, welche den Marsch derTnippcn oft verzögerten,
onisoniehr, als die Versammlungs-Orte mehrfach geändert wunleu. Da man in Wien
die neu aufzustellenden 50.ÜO0 Mann nach den Nietierlandeu senden, später, na<rh-
dem der Herzog von Braunschweig sein Memoire vorlegte, selbe ganz nach dem
Hreisgau abmarschiereu lassen wollte, endlich al>er sich einigte, nur die schon in
Marsch gesetzten 27.000 Mann nach dem Breisgau, den Best aller nach Mannheim
zu schicken, wimlen die Durchmarsch-ronventionen wiederholt abgeändert und ohne
verzögernde Reibungen gieng es dabei ni<‘ht ab. Ueberdics machten einzelne Staaten
noch liewmdere Schwierigkeiten. Bayern z. B. wollte die Bataillone, die auf den
einzelnen Strassen zu marschieren hatten, sogar namentlich bezfdehnet wissen, den
Eintritt in sein Gebiet auch nicht früher gestatten, bis alle auf einer Strasse in-
»tradierten Tnii)j>en vollzählig lieisammen wären u. dergl. mehr. Einige Keichs-
stände stützten sich auf ihre Neutralität und wollten einen Dun'hmarsch kaiser-
licher Tnipi»en überhaupt nicht zulasseii. Manch kostbarer Tag ging mit imnöthigeii
Schreibereien verloren. (Tagebuch Lacy’s. K. A. 1792; XJJl, öi?.)
3) K. A. 1792; VI, 41; V, 88 und H. K. U. 1792; VII. 4 und S.
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40
II a u .s (■ II li I a H.
1
1
g 1 Eintreflstag I
j a) In den Breisgau:
r
‘ 1
1 Vom Inf.-Iipt. Krzherauj: Fmlinand (Nr. 2),
i
1 1
! «ml 3. Hataillon
1 2
. 1 6. (II.) und 8. (ni.) .lull.
Vom Jnf.-Rfrt- Wilhelm Schröder (Nr. 26),
!
i 1
I Ijcih- und Olierstens-Hataiilon ....
1 9
. ‘ 20. (I.) und 26. (II.) Juni. 1
Vom Inf.-Rg;t. üyulai (Nr. 32) ....
3
. 11. (III.) Juli, 4.(1.), 5. (II.),
1
August.
. , .Iellachicli(Nr.53), 3. Bataill.
1
. 8. Juli.
Dnigoner-R^^. Kaiser (Nr. 3)
6 25. Juli. 1
Zusammen .
8
6
nebst 2 Feld- Artillerie* und einer Artillerie*
:
Füsilier*rompagnie.
; 1
b) In das Lager von Schwetzingen bei
1
Mannheim:
Vom Inl'.-Hpt. Carl Scliröiler (Nr. 7). ladli-
! 1
und Oberstens-Ualailhm
2
. 19.(1.) und 21.(0.) Juli.
Vom liif.-Kgt. Manfredini (Nr. 12), Jjeilj-
und OI>enitens-Bataillon
2
. 14.(1.) und 16.(11.) Juli. ;
Vom Inf.-Kgl.d’ Alton (Nr. 15), heih-Rataillun
]
. ; 20. Juli.
„ ^ de Viiis (Nr. 37), 3. Hataillon
1
. 21. Juli.
„ , Mittniwsky (Nr. 40), Leih- und
Oberstens-Hatailloii
Q
. i 10. (I.) und 12. (11.) Juli.
Vom Iiil'.-Hfft. Franz Kinakv (Nr. 47),
' Oberstens-Bataillon
1
. : 14. Juli.
1 Vom Inf.-K|rt. Stain (Nr. 50), Leib- und
1 Obersteiis-Hataillon
2
.! 24.(1.) und 26.(11.) Juli. !
1 Vom liif.-Kgt. .lo.seph (’olloredo (Nr. 57).
1
1 I.a?ili-l!atailloii
1
15. Juli.
1 \Vara.«diner (irenzer
1
. 31. Juli imd 8. August. I
1 Slavonier «
I
. ' 4. und 5. AiiKimt. 1
1 (.'hevanxlepers-ltjrt. Kiiiskv (Nr. T) . . .
B 17. Juli. 1
Draguuer-Kgt. Erzherzog Jo.seph (Nr. 26) . I
•
(i 27. Juli. 1
1 Husaren-Rgt. Wnmiser (Nr. 3Ü) ....
Hi 10. und 13, JTiili. .
1 Zusammen . 1 1 4
20| 1
nebst 34 Resen'e*(tesch«tzen. 2 Feld-Artil-
1 1
1 lerie-Compagien und 1 Artillerie- Füsilier*
i 1
1 rtimjKignie. i
1 1
1 c) In das Luxemburg'sche: '
] 1
1 Vtnu Inf.-Kgt. Hohenlohe (Nr. 17), Oberstens-
\ \
1 Hataillon
1
, 1
Vom Inf.-Rgt. Stuart (Nr. 18). Ijeilt-Bataillon 1
I
1 „ , 1 Irirh Kin.sky (Nr. 3(i), i
> kommen im Luxemlmi^’
I Obersteiis-Hataillon
1
' Vom Inf.-Rfft. Mathe.'ien (Nr. 42), Ober.steii.s- i
■ Bataillon '
1
! Vom Husaren-Rgt. Esterhazy (Nr. 32) . .
hI I
1 Zusammen . '
4
H 1
1 iieb.st IG Resene - Gesehütz**u nml 1 Feld- .
1
Art ilIerie-( 'onipagnie.
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Ofsli'm^icli im Kriep' pc-pcn lUe französische Revolution 1792.
41
Fürst Hohenlohe traf am 8. Juli in Schwetzingen ein unil
überwachte den Aufmarsch der kaiserlichen Corjts nun persönlich.
Am 19. Juli ertheilte er den Befehl zum Weitermarsch der
zur Deckung des Ueberganges bei Philippsburg bestimmten
6 Bataillone und 6 Escadronen, welche dem Feldmarschall-Lieu-
tenant Erbach zugewiesen wurden und wie folgt daselbst ein-
trafen.')
am 29. Juli 1 Escadron Kaiser-Chevauxlcgers,
„ 30. „ 2 Baüiillone Geminingen,
„ 31. „ 2 „ Klebek,
„ 1. August 2 Escadronen Kaiser-Chevauxlegers,
r 3- n J n n
„5. „ 1 Bataillon Gyulai,
„ 5. „ 1 „ Jcllachich.
Spilter kam noch das Slavonier Greuz-Bataillon hinzu, ebenso
wurden die beiden Mainzer Bataillone einstweilen dem Fcld-
marschall-Lieutenant Erbach unterstellt. *)
Von den im Breisgau verbleibenden 10 Bataillonen nnd
12 Escadronen verlegte Feldmarschall-Lieutcnant Wallis 4 Ba-
t.aillone, 3 Escadronen nach Kehl und Umgebung,
2 Bataillone in das Lager von Kenzingen,
8 Compagnien nach Alt-Breisach,
4 „ „ Rheinfelden,
1 Bataillon „ Freiburg,
1 „ „ Freiburg und Villingen.
Die übrigen 9 Escadronen beobachteten den Khein zwischen
Basel und Kehl.®)
Am 31. Juli übergab Feldmarschall-Lieutenant Wallis das
Commando im Broisgau an den Feldmarschall-Lieutenant Fürsten
Anton Esterhiizy und übernahm ein solches bei den zum Ein-
märsche in Frankreich bestimmten Truppen.*)
*) H. K. R. II, Sm-liun; Ilohenloli,.- 1792; III, 428.
’) K. A. 1792; YIl. 136. Das liataillon .slavonier hätte nrsprtlnplicli zum
Corps Hohenlohe einrüeken sollen, verhlieli iiljer eiii.stweilen liei dein Hetaehement
Erbach.
») K. A. 1792; VII. 77.
*) H. K. R.; VIII. 11a. (Die ziuii Corjia Esterhazy frehönrnden 5000 Emi-
irrauten unter dem l’rinzeii Conile standen Ende Juli bei Kreuznaidi.)
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42
Haiist^nblas.
Das nach Mannlieim instradierte kaiserliche Corps bezog ein
Lager bei Scliwetzingen.
Das zu geraeinschaftliehen Operationen mit der Armee des
Herzogs von Hraunscbweig bestimmte Corps des Feldzeugmeisters
Clerfayt aus den Niederlanden wurde zum Theile aus den Mitte
Juli bei Mons gestandenen kaiserlichen Truppen, zum Theile aus
jenen Bataillonen und Escadronen gebildet, welche zur Verstärkung
des Herzogs von Sachscn-Teschen ans dom Inneren der Monarchie
nach Luxemburg abgegangen waren. Dasselbe zählte 10 Bataillone,
8'/o Compagnien und 12 Escadronen und standen hievon Ende Juli :
d.
rs
1
i
'C
ä
a) Bei Namur:
Das Grvnadier-Bataillon Morzin ^
1
i
^ , Hartliodeiskv
1
; , OWrstens-Hataillon von Hohenloh«
1
j , , , von Stniirt
1
Ia'iIh von ririch Kinskv
1 , ^ ^ von Mathosvn ‘
1
1
Le I^mje.Täjrer
.
6
1 Dandini'Jüger
KsterhäzvHusaren
•
2
2
(’ob«rjf*('hevauxlejrers
Pioniiiere
, Pontunnier-Detachenient
V.
.
2
! .
1 ZusamnK'ii .
4 1
1 nelist 18 Re«em‘-<fe8ehütz«,*ii mit den znpdiöripen Detache-
1 ments der Ftdd* ArtilliTie. des Bouibanlier-<*or|>N des Keld-
Zeii^aintes und der Artillerie-Füsiliere.
b) Bei Arlon unter Generalmajor Smackers:
i
Das OlHTst**ns>HalaiIlon von Hobenlohe
1
•
1 ^ Leiln , von Stuart
1
1 . (tliersten.s- , von ririib Kinskv
1
, (
. von Matheseii
Vom Hu.'^n*n-lb‘j:iinent Esterlmzy
1
:
8
Zusaninien .
4
Das bei Clerfayt eingetheilte Eiuigrauten-Corps unter dem
Prinzen von Bourbon war erst ira September operationsbereit und
stand bis dahin in der (iegeud von Huy.
Die 47 Bataillone und 70 Escadronen der I’reussen marschierten
gleichfalls in mehreren Colonnen (darunter eine in der Stärke
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OestBrrvich ini Kriepi' scRen ilie französisdui Kcvnlntion 1792.
4.3
von 3 Infanterie- und 2 Cavallerie-Rcpmentern durch Böhmen)
an den Rhein und trafen zwischen 8. f>is 23. Juli in der Gegend
von Coblenz ein, wo bei Rubenach die ganze Armee in einem Lager
vereinigt wurde. Der Herzog von Braunschweig befand sich seit
5. Juli in Coblenz, wilhrcnd das ihm zugewiesene Emigranten-
Corps im Juli bei Hingen stand.
Das hessische Corps mit 8 Bataillonen, 4 Compagnien und
9 Escadronen vereinigte sich unter der persönlichen Führung des
Landgrafen Anfangs August bei St. Goar und Rhein fels am Rheine.
Es standen somit Ende Juli:
Bataillone
i-s
^ 31
i 1
s .a
A) Operierende Haupt-Armee:
Preussen: Die p'samnite Armee unter Commando
des ITenwips von Hniunschwcig ira Lu^r bei
Rübt’iiach nächst Coblenz
46
5
70
45(X)0
Oesterreicher: ('orps de« FZM. Fürsten Hohen-
lohe iin Daper von Schwetzinpeii bei Mannheim .
13
20
15000
('orps des FZM. (irafeii Clerfa>*t bei Nanmr und
Arbm
10
87,
12
14000
1 Hessen: Unter Führung dt?s Uandpraleii Wilhelm
. von Hessen • Cassel liei Uheinfel« und St. Goar
am Rhein
8
4
9
6000
Emigranten: FUne Abtheilunp unter Fühnmp der
Bruder Kouip Ludwig XVI. bei Bingen . . .
y
?
•!
8000
1 Eine Abtheilnnp unter dem Herzog von Bourbon
Isd Hny (sollte gemeinschaftlich mit dem (’orps
, Herfavt oi>erieren)
4
26
«'/.
4000
B) Corps zur Deckung des Ober-Rheins:
Oesterreicher: ('orjis dc.s PML. Piimten Ksterhazy
im Brei.sRan
10
12
11000
Cor|w de« FML. Grafen Erbach bei Philippslmrg .
7
7000
K nrma i n zische Truppen (Indm Corj»« Erbach
eingctheilt)
2
2000
Emigranten: Unter dem Prinzen ('onde led Kreuz-
nach
fi
34
17
6IX)0
1 C) Corps zur Deckung der Niederlande:
Oesterreicher; Cor]>s unter dein IlerzoR von
Sachsen-Teschen zwischen Mons-Touniay uml in
Flandern
•25
18
32
2.5000
Garnisonen in den Nietierlandeii und laixenilnirg
11
2
8000
Totale .
U'J
1177,
189
151000
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Ordre de bataille
44 HaiisenMas.
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OcMem*ich im Kriept* jref?en ilie franzöni.s<*he Rt'volutiou 1792.
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i) K. A.; M. K. R. Acten 1792; V, 20. h, VII, 3, 1» und 8, K. A. 1792; VHI, 10. Da« Bataillon de Yins hatte 4, alle ührijren 6 (’ompajfnien.
-) K. A. 1792; VIII, 12. 39, 52 und XIII, 3. Jedes Bataillon zählte 6 (’ompajrnion. Ende Anprust kamen noeh das 3. Batnillon
Nui den Infanterie-Rcpiinentem Bender und rierfayt. sowie das OlKTstens-Batainon vom Infanterie-Rejriment Vierwt zu die.s«-m (oqis.
l>ies<*H vor/üpliche .Täjfer-Corps wurde im 3lonate Mai von 4 auf G (’omiwpnieu erhöht. (K. A. 1792; V, 21.)
Ocütem-ich ini KrieRc RfK«-“« «li« französische Kevolutiim 1792.
47
Rüstungen der Franzosen nach Ausbruch des Krieges.
Operationsplan zur Abwehr der Invasion. Aufmarsch.
Der sclimähliche Ausgang ihrer ersten kriegerischen Versuche
hatte den Franzosen nur zu deutlich gezeigt, wie sehr sie sich
durch schöne Worte über den Zustand der Armee hatten tUuschen
lassen. Der Briefwechsel der Gtenerale mit den Kriegsministern
in den ersten Monaten des Feldzuges liefert den besten Beweis,
wie wenig man iin Stande war, einen Krieg zu führen und
bezeichnend sind die Worte Lafayette’s, welcher am 6. Mai 1792
an den Kriegsminister de Grave schreibt: „Je ne puis concevoir
cominent on a pu döclarer la guerre, en n’etant j)ret sur rien.“')
An dem guten Willen hatte es wohl nicht gemangelt, denn
alle Parteien waren einig, wenn es sich um die StUrkung der Wehr-
kraft handelte ; auch decrctiert und organisiert wurde genug, doch
die kriiftige Hand fehlte, welche bei der eingerissenen allgemeinen
Unordnung, der Disciplinlosigkcit in der Armee, bei dem Mangel
jedweder AutoritUt, bei der grossen Geldnoth und der allgemeinen
Misswirthschaft die Durchführung der angeordneten militilrischen
Massnahmen mit eiserner Energie geleitet hätte. Der F>influss des
Königs war nahezu ganz geschwunden und die Kriegsminister
wechselten zu rasch, um helfend eingreifen zu können.-)
Das bisherige Missgeschick war jedoch nur geeignet, die
National-Versammlung zu neuen Kraftanstrengungen anzuspornen.
Die Rüstungen wurden fortgesetzt und es entstand eine Reihe von
Neufonnationen. ®)
1) Chuiinct I, 24.
•) (tab doch innerhalb eines Jahres eilf Kriepsminister: l>n]H)rtail bis
5. DecemlMT 1791, Narlmnne bi.s 9. Mär% 1792, de Grave bis 8. Mai, Ser\'aii bis
12. Jnni, Ihtmoiiriez bis IG. Juni, Lajurd bis 2H. Juli, d'AbanconrI bis IG. Aupiist.
Clavi^res bis 21. Autist, S4‘r\aii zuin zweitenuiale bis 6. OetolnT, Lel>run l>is
18. Octolier, Pache bis 2. Febniar 1793 etc.
8iehe Hand IV .Die Heere des Kaisers und der franzitsischen Revolution*.
Am 27. April decretierte die NationabVersuininliin); die Fomiieninp von
6 Legionen, deren jisle aus zwei Jhger*Uataillunen, einem Repimente Jager zu
lYerd und einer Handwerker-Abtlieiliinp iHNstehen sollte. Am 5. Mai w'iinle die .Au!'
steUiiug voll weiteren 31 Nationalpardf^Ratuillonen decrctiert, welche Zahl man
am 14. Mai auf 46 steigerte; gleichz**itip erpieng der Befehl, den Stand der National-
panle-Bataillone von bOO auf SUÜ Manu zu erhöhen. Am 2. Juli wunle ein Gesetz
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48
HauMeii blas.
Eine einheitliche Loitun^^ oder ein einheitlicher Operations-
plan bestanden 1792 in Frankreich kaum dem Namen nach.
In der zweifellos kritischen Zeit , in der es sich darum
gehandelt hätte, alle verfügbaren Feldtruppen zu concentrieren und
den Heeren der Verbündeten entgegenzuwerfen, stand Oberst
Lajard, ein ehemaliger Adjutant Lafayette’s, an der Spitze
des französischen Kriegs-ilinisteriums. Er überliess es Lafayette
und Luckner, einen Operationsplan gegen die Alliierten gemein-
schaftlich fostzustellen. *)
angenoinm'.'U, dass jeder t’anton 8) 5 bewaffnete Linite, darunter einen zu I^ferde. am
14. .luli zum Nationalfeste nach Paris zu schicken haln». Auf die.*« Weise kamen
20.000 Mann zusjiminen, welche man Föderierte nannte und im Lager von Soissons
in Hataillono formierte. Am 11. .Juli v^mnlc das Vaterland in Gefahr «*rklört mul
die Aufstellung von abermals 42 Nationalgarde-liataillonen anbefohlen, so dass die
Zahl derselben nun auf 256 ge.stiegen war. Am 17. Juli ergieng eine Aufforderung
au sänmitliche Gemeinden Frankreichs, iilier die bereits iHj.stimmte Zahl von Ua-
tailloiifii noch so viele Balaillone, ('oni|Kignieu, ja selbst Züge anfznbringen. als
die Iwtreffende Gemeinde im Stande sei auszurü.sti ii, zu bekleiden und zu bewaffnen.
Weiters wimle bewhlüs.sen, die aufzustelleuden Fr»d-('omjiagnieD auf 45 zu je 200 Mann
zu vermehren, sowie Freindimlegioneii zu bilden, Thatsachlich gab es auch eine
Zeit hindurch eine Legion der Allobroger, der Belgier, der Lütti<‘her und eine
batavische Ia.*gi(m. Später wninb* noch die Aufstellung von Freiwilligen- Jäger-
r^ompagnien zu 100 Mann aiigeordnet und sogar durch ein DecnH vom 2. August
jetlein feindlichen Deserteur, der in die franzosi.sche Armee eintivten würde, ein
Handgeld von 50 Li\Tes, sowie eine Alters|M?nsion jährlicher 100 Livres zuge-
sichert. Eine zwangsweise Kecnitienxng sollte die bei der Linien-Annee abgängigen
50.C00 Mann ersetzen und schliesslich xvnrdc je<leui der vier Amiee-Conunandanteii
ein Kayon zngewieseii, ans welchem er die Hälfte der (»ivnadier- und Jäger-tJoni-
|Migtiien der sesshaften Nationalganle zur Formierung neuer Biitaillonc entnehmen
konnte.
Frankreich machte, wie immer, wenn es von einer Invasion betlroht ist. die
grössten Anstreugnugxni, um seine Wehrkraft zu erhöhen. Doch kamen 17V2 nur
wenige dieser jungen Schöpfungen mehr zur Yenx'endung, auch war ihr innerer
Werth naturgeniäss ein sehr zweifelhafter. Später vereinigte man die.se Neulorma-
Gonen in den Lagern von Chäloiis, Soissons, Hiieims und Tmyes, um liier ihre
militärisehe Ausrüstung und Ausbildung enistlieh in Angriff zu nehmen. Hier
bildeten sic jene grossen Ueservoirs. welche immer wieder ergänzt, den Heermi der
Ib volutioii das Slateriale lieferten, um in den folgenden Feldzügen .stets mit so
gross«*!! Massen auftreteii zu k«mmn.
1) I.,afayette an Luckner. Lafayette III, 363.
Die Departements wan n iu Gantone eingetheilt.
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Ofsterreich im Kripp;«" pippfpn die franpftsische Reviiliitimi 1792. 49
Die Ziele dieser beiden Männer waren durebaus verschieden
und ebenso verschieden ihre inilitärisehen Ansichten. Luekiicr frien*;
von der Ansiclit aus, dass der Herzog von Hraunschweig Uber
Longwy nach Frankreicii Vordringen werde. Er war desshalb mit
dem grössten Thcile der in den Lagern von Kaniars und Maubeuge
gestandenen Feldtruppen Jlitte Juli aufgelirochen und in die Gegend
von Metz marschiert, *) während er von Laf.ayette verlangte, er
möge seine Kräfte bei Montmedy t;oneentrieren, um beide Armeen
einander möglichst nähern und sich den Preussen bei ihrem Vor-
rucken gemeinsam entgegenstelleu zu können.'-^)
Lafayette hielt die Ausdehnung des ihm nach der Anschauung
Luekner’s zukommenden Vertheidigungsraumes zwischen Dün-
kirchen und Montmedy für zu gross und behauptete, er könne,
mit der Hauptkraft liei Montmedy stehend, das hundringen der
Oestorreicher aus den Niederlanden in F'rankreich unmöglich
verhindeni. Lafayette stützte seine Ausführungen aut die fast
traditionelle Beschränkung des einer französischen Nord - Armee
zugewiesenen V^ertheidigungsraumes bis Givet, höchstens Ins
Sedan. Auch hielt er die ihm zur V'erfügung stehenden Streitkräfte
selbst im Vereine mit jenen Luckner’s für viel zu schwach, um
dem Gegner in der F'ront erfolgreich begegnen zu können; er
fand cs zweckmässiger „sich gegen dessen Flanke und Kücken zu
wenden, seine Verbindungen zu unterbrechen und ihn zu zwingen,
uns in einem Raume bekämpfen zu müssen, der durch alle Regeln
der Kunst befestigt sei.“ F2r wünschte, d.ass man für die Nord-
Armee Sedan als äusserste Ausdehnung für den rechten Flügel
bestimme und beabsichtigte die Truppen des Generals Dillon bei
Valenciennes und Maubeuge zu concentrieren, ein Corps von
60(i0 Mann nach Sedan vorzuschieben, mit dem Reste seiner
Truppen aber eine derartige Aufstellung zu wählen, dass er sowohl
Maulicuge, als Sedan schnell erreichen könnte. Auf diese Weise
glaubte Lafayette die Grenze zwischen Lille und Givet am besten
zu decken und bei der Hand zu sein, wenn der Herzog von
Braunschweig durch die „trouee von Carignan“ vorrücken sollte.'*)
*) Siehe Jlittheiluiipen dpa Kriepi-Ari'fiivs, VI. Bund. .''i. 98.
Lafayette III. 449.
ä) I,afayette 111, 449, 400,
Mittheilungen des k. und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge, VII. 4
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50
H a u s e n li I ü s.
Die wesentliclien Gründe für diese verschiedenen Anschau-
ungen lagen jedenfalls in der politischen Richtung dieser leitenden
Generale. Luckner getiel sieh als der „Nation“ blind ergebener
Soldat und wurde dafür von den Jacobinern mit einer zweifelhaften
FopuhiritUt verehrt, Lafayette theiltc seine Aufmerksamkeit zwischen
dem Feinde und den Vorgängen in Paris, wo er die Entscheidung
im Bedarfsfälle in der Hand behalten wollte, er spielte zur Zeit
noch den liberalen Königstreuen, eine Rolle, die natürlicher Weise
etwas schwierig zu spielen w^ar.')
Immerhin mag Lafayette die Aufreehthaltung eines machtlosen
Constitutionellen Königthuras als eine Form gewünscht haben, die
ihm unmessbaren Piinfluss und das Wesen der Macht in die Hand
hätte geben können und desshalb schien ihm die Stellung seiner
Armee an <ler kürzesten Verbindung nach Paris zweckmässig,
während ihn die Annäherung an imekner von Paris entfernt hätte.
Nur zögernd und auf wiederholtes Drängen des Letzteren war
Lafayette nach Montmedy marschiert, hatte seine Truppen jedoch nach
einem schwachen Versuch, in das Luxcmburg'sche einzudringen, der
offenbar auch nur unternommen wurde, um die National- Versamm-
lung zu beruhigen, Ende Juli wieder nach Si’-dan zurückgeführt.
Unter solchen Umständen war an eine einheitliche Abwehr der
Invasion umso weniger zu denken, als die Bestrebungen einzelner
Unterbefehlshaber, sich das Wohlgefallen der revolutionären Macht-
Am 10. Mai tTsulnun uiii aiivrt'iilich eheiiiaiiger iwahrxheinliuh
♦•iner di*r uidleistumleii aljjrefalh-imn l^*ii-ster), Nuniuiis hamhinut, M«?n*.v Hml
»•rkniuHKt«* hirh ini Namen I.afayettH*s Uber die Ansichten de« Wiener Hofe.s über
die t'ranÄcisiscbe (‘onstitufion. Er erklärte, das« sowohl l^alayette, wie Roehamliean
seien, die Feindstdipkeiten sofort einznsteUen, mit ihnm p*sammten Streit*
krüfteii die Rev»dmion«|wrtei zn Wkiimpfen und das königliehe Ansehen wi»‘«kT
herzustollen, wenn der Kaiser die Coimtitution unberührt lassen wolle. Meny legte
dem Schritte Lafayette's folgende l^rsachen zugrunde: 1. Lafayette liefinde sich in
gn»sser Verlegenheit, da «eine Armee desorganisiert und ohne Hilfsmittel sei. 2. Er
Is'absiehtige die Wachsamkeit der Oesterreicher einziischlsifem. 3. Er wolle W-im
lk*rliner Hof Misstrauen gt*gen Oesteireii li erw'wken und die österreichische .\ntwt>it
missbrauchen.
Mercy, der wt»hl rii htig ahnen mochte, verständigte den I*rin»*n Heus« und
dieser verwies f,ambinef auf die tiflieiellen österreichischen Noten. (Staats-.^rchiv,
rorp sp. Mercy«, Mopy an Kaunitz vom 16. Mai 1792.) .\uch Kaunitz schenkte
den Aens.semngen Lafayette*« wenig Zutrauen, gab Merc'v jedoeh die Weisung, die
Verhandlungen fortznsetzen, damit für die Mobilisierung der eigenen Armee Zeit
gewonnen werde.
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iin Kriec«* rraii7J>sischr Kvvolutiou l7Ü‘i.
51
liabfi- zu erworben, die Veranlassunfr zu Aetionen wurden, wele.lie
nicht immer mit den Anordnungen der Armec-Commandanten in Ein-
klang gebracht werden konnten. Auch die ritumliehe Ausdehnung der
den beiden Generalen zugewiesenen Verthcidigungsabschnitte übte
einen nachtheiligen Einfluss auf die einheitliche Thiltigkeit. Luckner
hatte in der zweiten Hälfte Juli auch das Commando Uber die von
Hiroii l>efehligte Khein-Amiee übernommen und die von ihm zu ver-
theidigende Grenzstrecke reichte nunmehr von Basel bis Montmedy,
wobei er den unmittelbaren Befehl über die t.'entrum - Armee
selbst weiter führte. Ebenso sah sich Eafayette nach dem Ab-
marsche in die Gegend von ^lontmedy genöthigt, den Abschnitt
.an der niederländischen Grenze einem eigenen Comniandanten,
(ieneral Dillon anzuvortrauen, so dass es thatsächlich vier Armee-
< 'ommandanton gab, deren politische und militäri.sche Meinungen
weit auscin.'inder liefen und deren Handlungen somit gewiss nicht
leicht in Einklang zu l>ringen waren.
In der Zeit, da Xord- und Ccntrum-.Vrmee sich vergeblich
liemühten, in die Niederlande einzudringen und bei der An-
näherung der Verbündeten an den Rhein sich schliesslich genöthigt
sahen, den bisherigen Kampfplatz ganz zu verlassen und in den
Kaum zwischen Maas und Mosel zu eilen, waren bei der „Rhein-
Armee*' keine Ereignisse von besonderer Bedeutung vorgefallen.
•\nfangs Mai wurde das (,'ommando der Rhein-Armee vor-
übergehend in die Hände des alten und kränklichen Lamorliere
gelegt, welcher es bis zu dem am 14. Juli erfolgten Eintreften
Hiron’s in Strassburg führte.
Da die Aufgabe der Rhcin-.-\rmee zunächst nur eine defensive
sein konnte, blieb die anfangs Mai eingenommene (iru]>j)ierung fa.st
unverändert. Nur General Kelleriuann machte in der zweiten Hälfte
Juni, als Generalm.ajor Smackers sich dem Lu.\emburg’schen näherte,
eine Bewegung in dieser Richtung. Er hob am 2n. Juni das Lager
von Neunkirchen bei Saargemünd auf und marschierte mit den
d.aselbst gestandenen 10 Bat.aillonen, 14 Escadronen, ungefähr
KOfNj Mann und 20 Geschützen nach Wadgassen südlich .Smirloui.s,
ein Detachement von l.öOO Mann nach Bouzonville entsendend. In
dieser Aufstellung blieb Kellermann bis zum J. Juli stehen, an
welchem T.age er mit der .Vbsicht, Trier zu überfallen und sich
4 »
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52
H a h \ US.
der Magazine zu bemäclitigeu, welche die Verl)Undeten soeben hier
anlegtcn, sein Corps nach Merzig und Sierek Vorgehen liess.' l
Als FMLt. Schröder Jedoch rasch einige Bataillone bei Heniich
sammelte, gab Kellcrmann seinen Plan wieder auf und gieng nach
Wadgassen und Bouzonville zurtick, von wo er, als Hohenlohe
sich dem Rheine näherte, den Weitermarseh in das Eisass antrat.^)
Kellermann ging Uber Bomjuenon, Bitsch und Lembach nach
Weissenburg, das er am 16. .luli erreichte.
So nothwendig es nun gewesen wäre, den Befehl Uber .alle
in den Departements des ( »her- und Xieder-Kheins vorhandenen
Streitkräfte, mit Einschluss jener in den festen l'lätzen in eine Hand
zu legen, glaubte der am 21. .Juli zu Stra.ssburg angekommene
Marschall Luckner dennoch den Commandanteu dieses Platzes,
General Lamorliere unabhängig von Biron machen zu sollen, weil
der Letztere nach der Ansicht des Marschalls in dem Lager bei
Plobsheini schon hinlänglich beschäftigt .sei. Nach dieser Anordnung
begab sich Luckner Tiach Landau, ohne durch seine Anwesenheit
daselbst mehr zu nutzen, als in Strassburg. Ei'st nach seiner Rück-
kehr nach Metz erhielten Biron und Kellcrmann wieder die nöthige
Freiheit, um wenigstens für die Sicherheit des Eisass sorgen zu können.
I )ic Nachrichten von den Alliierten Hessen Uber die Absicht
des FUz'sten Hohenlohe, ehestens Uber <len Rhein zu gehen, keinen
Zweifel. Biron brach daher mit seinem Corps, das auf 12.000 Mann
angewachstm war, von Plobsheiin auf und eilte nach Weissenburg,
um Kellermann zu ersetzen, der am 27. Juli auf die Höhen von
Her.xhcim zwischen Landau und Rheinzabern abmarschiert war.®)
In einer am 29. Juli abgehaltenen Berathung kamen die
beiden Generale Uberein, sich hinter der (Queich zu coneentrieren
und den Gegner anzugreifen, sobald Uber dessen Jlassnahmcn
Gewissheit erlangt sein wtirde, Biron sollte sich zwischen Landau
und Germersheim, Kellermann bei Arzheim, oberhalb Landau
aufstellen. Dieser Vereinbarung ent.sprach jedoch nur Kellermann.
1) K. .\. 1792; VII. 43V„ -MO. 80 nml Tal.ltau liisK.ri.im- II. 35.
(’orps Kpllcnnann's bestand aus den F(dd-{kitaiU<ineii d»*r Int.-Kprtr. Nr. 3,
17. 57, H2, 82. 5 National^rardi^-Uataitlonen, den sidiwertMi Cav.-Rcglm. Nr. 2. 9,
den Resten des Hus.-Rjrts. Nr. 4. dem rhevanxIepers-Ral. Nr. 2 und 4 Artillerie-
rotnpafrnien. Einpetheilt wan*n lM*i deni.HellKM» die Generale Dulaii und IVstulnzxi.
K. A. 1792; VII. 43V,. 70.
•1) K. A. 1792; VII. 120.
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0<*stprreirh iin Kn<‘pf jrt*p**n «li** rranzösische Itevolntioii 1702.
53
indem er in der Nacht vom 31. Juli zum 1. Au}^imt von Herxheim
nach Arzheim abrUekte, während Hiron bei AVeissenburg und hinter
der Lauter stehen blieb ; die Garnison von Landau wurde verstärkt.
Mittlerweile waren neue Ergänzungen, beiläufig 20 HaOiillone
und einige Escadronen, für die Franzosen am Hhein eingetrofFen.')
Es standen Ende Juli:
1
Mann
■ * 1
Nord-Armee unter Dillon. |
a) i m K<‘ ) (1 e :
'
Im I.ap»T von Muiildi'^ nnt«*!’ IhnimnrifZ . . . . |
23
.5
13.000
Maul»fiipe .. Lu Nmie
12
8.UC0 1
M Pont-siir-Sanibre
8
5
H.OOO 1
Ztisainitifii .
43
le
27.000
6) i ]) (f a ni iso n imi
41
11
23.000
Siiiiiim- .
84
27
ÖO.(KX)
Ardennen-Armee unter Lafayene ^
j
im Kaunm lbK‘r«»y*Moiitmi‘(ly.
a ) im Felde:
'1
Im Laper von MontinMv unter I.ipneville . . .
.
2.01X) i
,, .. Vaux (Ih'i Sedau)
.
lt).OliO 1
„ „ Rocrov
K.OIX)
Znsanmi(.ii .
.
.
24.(XW
6) in den Oarnisoneii von ilouillony MeziPivs,
S^luii etc. niipelahr
»i.OOO
Sutiime . j
.
3ü.0(H)
Centrum*Armee unter Luckner.
a) im Felde:
Im Laper von Lonprville In-i .Motz
18,000
b) in (len Garnisonen
l.yO(K)
SniMDH' .
:13.000
Rhein-Armee unter Biron.
a) im Felde:
1 Jm luiper von Arzheim l>ei Landau imt«u* Kellt-rmuiin
.
8.0W)
1 „ Weissenlmrjr unter iJinni ....
12.000
In kleineren Lapem zwij-chen Hasel und luiulerburp
i .
10.000
' Zusamnieii .
30.UÜ0
6) i n (t a r 11 i 8 u n e n . . .
.
15.000
\ Summe .
.
4.5.000
' Tiitali- .
158.000
j Hievon im Feldr .
•
. , yy.<x)0
'j K. A. 17'J2; Vll, 70.
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54
H a n .0 (' n b I R s.
Krönung Franz II. zum römisch - deutschen Kaiser.
Conferenzen von Mainz. Manifest der Verbündeten.
Wälireixl dieser inilitilriselicn ^'orber<•itunu:en zu dem Kriege
gegen die t’ranzüsisclie Kcvoliition war die Diplomiitie nicht niUssig
gewesen, aber die Verhandlungen zwischen den Verbündeten batten
wieder jKjlitische Gegensätze zu Tage gefördert, die dem so notb-
weiidigcn militärischen Einklang bei der bevorstehenden kriegerischen
Action leicht gefllhrhch werden konnten.
Der seit dem Abschlüsse des österrcichiscb-preussiscben
HUndnisscs verflossene Zeitraum war ein viel zu kurzer, um aut
die alte Itivalität zwischen den beiden St;uiten nachhaltig aus-
gleiebend einwirken zu können und wiederholt machten sich die
früheren Gegensätze geltend, so dass es beiderseits vieler Nach-
giebigkeit bedurfte, wenn das Unternehmen gegen Erankreicb nicht
ernstlich ins fStoeken gcrathen sollte.
Der im Monate Mai erfolgte Einmarsch rus.siscber Truppen
in l’olen. sowii- die Heinühungen Freussens, durch neue Erwerbungen
in l’olen für die mit dem Kriege gegen Frankreich verbundenen
Kosten Ersatz zu erhalten, verknüpften die polnische Frage notb-
wendig mit den französischen Angelegenheiten und drohten, ernste
Versfiinnmngen zwischen den neuen Verbündeten wachzurufen.
Während Preussen sich sehr geneigt zeigte, der von Russland
geplanten neuen Tlieilung Polens zuzüstinimen, erachtete ( testerreieh
die Erhaltung des Hestes von Polen für wünschenswerther. Eine
Folge hic'von war, dass die zwischen König Friedrich M'ilhelm U. und
der Kaiserin Katharina gcfllhrten Unterhandlungen in der polnischen
Frage hinter dem Rücken < •esterreic)is. geführt und .schon dadurch
geeignet wurden. Misstrauen hei dein Wiener Hote zu erwecken.
Die Sache wurde nicht besser, als dem von Oesterreich aus-
gehenden N oi'seldage, die Niederlande gegen Baveru auszutauschen,
in Preussen der heftigste CJegner erstand und das kaum geschlossene
Bündniss zwischen den beiden Staaten neuerlich gefährdet erschien.
Mitten in die.se mannigfachen, das politische f^invernehnien
unter den Gi-o.s.smächten sehr hei inträclitigenden Gegensätze fiel,
gleiehs.am als ein ahlenkender und ausgleiehender .\et. die Wahl
des Königs von Böhmen und Ungarn zum römi.sch-deutschen
Kaiser und dessen Krönung als Kaiser Franz II.
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Opsterreich im Krippp ppgpn ilip französisphp Ri^vplnlinn 1702. 55
Es war. Niemand konnte es damals aimcn, die letzte Wald
und die letzte Krönung eines Uegenten des „lieiligen römiselien
Reiches deutscher Nation“ und die bei den Krönungs-Feierlichkeiten
entfaltete Pracht stand wenig im Einklänge mit dem von seinen
westlichen Grenzen her immer unheimlicher drohenden revolutionären
Sturme, der schon im Laufe des nächsten Jahrzehntes die tausend-
jährige Herrlichkeit des Reiches ebenso zertrümmern sollte, wie in
Frankreich selbst seine Macht eine so viele Jahrhunderte alte
Königskrone in den Grundfesten unterwUhlt hatte.
König Franz war am 11. Juli in Frankfurt unter dem Jubel
der Revülkerung eingezogen. Am 14. wurde unter Einhaltung
des alten glänzenden Ceremoniels die Krönung vorgenommen
und am 19. Juli sollte der neugewählt«! Kaiser in Mainz mit
dem Könige von Preussen Zusammentreffen, um die schwebenden
politischen und militärischen Fragen endgiltig zu erledigen. Eine
grosse Zahl fürstlicher Persönlichkeiten war aus diesem Anlasse
in Mainz versammelt und noch einmal zeigte sich die alte
monarchische Welt in ihrem vollen Glanze, ehe sie gegen die
Revolution auszog.
Der Kaiser war Gast des Kurfürsten, welcher Alles äufbot,
um den Empfang möglichst feierlich zu gestalten. ,.Bci der Ankunft
Sr. kaiserlichen Majestät wurden JOÜ Kanonen gelöst, alle Glocken
geläutet, die Bürgerschaft und Soldaten standen in Parade, sowie auch
schon unterwegs die Corps der französischen Prinzen paradierten;
die Bürgerkinder streuten Sr. Majestät Blumen“ ; der Kurfürst
empfieng den Kaiser in seiner Residenz in grosser Gala. Nach-
mittags traf der König von Preussen ein und derselbe Abend
sah beide Monarchen, ^die bisher als Feinde betrachtet worden,
in einem zweispänuigen Wagen zusammen einherfahren.“ Abseits
von dem Geräusche der officiellen Festlichkeiten, in dem kleinen,
unfeni von Mainz gelegenen Weis.scnau, war inzwischen eine
Couferenz zusammengetreten, an welcher ausser den kaiserlichen,
preussischen und einigen anderen Ministem auch «lie beiden com-
luandierenden Generale und der kaiserliche Feldmarschall-Lieutenant
Laej- theilnahmen. In die.scr Versammlung sollten die politischen
Itartposteiii an KaimiPz. Vivpiint II, 153.
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56
H uusenblas.
Streitfrafren ausgeglichen und die vorzuueliiuendcn miliUlrischcn
OjKTationcn l'estgestellt werden.
Die politischen Verhandlungen, welche sich hauptsächlich
um die EntschUdigungsfrage drehten,’) führten zu keinem dciini-
tiven Ergebnisse und dadurch wurden auch jene Differenzen
nicht beseitigt, welche dem gegenseitig herrschenden Misstrauen
und der Eifersucht entsprangen und später einen so verhängniss-
Tollen Einfluss auf den Gang des Krieges ausüben sollten. In
militärischer Uichtung wurde ,die erste Verabredung zur activen
Eröffnung der Gampagne** gepflogen, die Verwendung der Emi-
granten festgesetzt, sowie alle jene Massriigeln besprochen, die
bereits in dem Operationsplaue zum Ausdruck gelangt waren.
In Mainz wurde dann auch jenes vielbesprochene Manifest
entworfen, welches der Herzog von Braunschweig am ‘25. Juli an
die Bewohner Frankreichs erliess, um sie von den Absichten der
alliierten Cabinettc zu verständigen.
Das .Schriftstück beginnt mit der Erklärung, dass die beiden
verbündeten Mächte nur das Glück Frankreichs vor Augen hätten
und keineswegs gesonnen seien, sich durch I'>oberungen zu be-
reichern oder in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einzu-
greifen. .^ie seien nur von der Absicht geleitet, den König, die
Königin und die königliche Familie zu befreien. Denjenigen
Personen und Orten, welche sich dem Könige untcrordnen wollten,
wurde besonderer Schutz zugesagt, die Nationalgai-den, auf deren
Mitwirkung man rechnen zu können glaubte, ausdrücklich mit der
Aufrechthaltung der öffentlichen Buhe beauftragt. Die Generale,
( ffticiere, Unteroffteiere und Soldaten der französischen Linien-
Tmppcn werden aufgefordert, zu den königlichen Fahnen zurUck-
zukehren. Die Behörden wurden bestätigt, jedoch mit ihrem Kopfe
und Vermögen für alle Verbrechen, Feuersbrünste, Mordthaten
u. s. w. verantwortlich gemacht. Die Einwohner der Stadt Paris
wurden aufgelordert, sich dem Könige sogleich zu unterwerfen
und diesem, sowde seiner Familie jenen Bespect zu beweisen, zu
welchem Unterthanen ihrem .‘‘'ouveräue gegenüber durch Natur
und Völkerrecht verj)Hichtct seien.
*) IMi. Kobenil an Kaunitz. Vivenot II. 166.
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j
Oesterrt'ich im Kriege gegen ilie frangiieiselic Bevoliition 171(2.
59
am 3. Aiiirust seinen Marscli nach Morsclieid und Waldrach fort
und traf am 5. hei Saarburg- ein, einen Posten nach Zerf deta-
chierend ;
die Vorhut unter General-Lieutenant Prinz Ilohenlohe lnge.l-
tingen, aus 8 Bataillonen, einer Jilger-Compagnie, 15 Escadronen
und 2 Batterien bestehend, rückte am 29. Juli aus dem Lager von
Rübenach nach Polch, am 30. nach Marrtenthal, am 31. nach
Hontheim, am 1. August nach ^^’ittlich, marschierte nach einem
Rasttage daselbst am 3. nach Hetzerath, Uber.schritt am 4. die
31osel bei Sehweich und erreichte an diesem Tage noch Trier.
Am 5. Augu.st gieng Hohenlobe-Ingelfingen bei Conz Uber die Saar
und bezog bei Tawern eine Stellung;
die Haupt -Armee war am 30. Juli aus dem Lager von
Rübenach aufgebrochen und der Vorhut gefolgt. Am 5. August
erreichte Braunschweig Trier, besetzte am fi. mit 9 Bataillonen die
Höhen bei Conz und bezog mit dem Gros eine Stellung bei
Pellingen, wo der Herzog die Annäherung Ilohenlohc’s an die
untere Saar abzuwarten beabsichtigte, lindem man gegen Luxem-
burg nicht eher vorzurücken vermögend sein wird, bis Euer
Durchlaucht wenigstens so weit herangerückt sein werden, dass
ohne irgend eine Bedenklichkeit Trier wird verlassen werden
können, welches man nie ohne Bedeckung wird lassen dürfen,
da alle unsere Mehl- und Hafertransporte tlie Mosel hinauf nach
Trier gerichtet sind“.') Im Uebrigen waren es auch Schwierigkeiten
in dem Nachschübe der Verpflegung, welche die Preussen zu einem
mehrtägigen Aufenthalte bei Trier veranlassten.®)
Das bei der preussischen Armee eingetheilte Emigranten-
Corps hatte sich am 30. Juli bei Simmeru concentriert und erreichte
Uber Kirchberg, Morbacli und Thomm am 8. August die Gegend
von Trier.®)
Während des Vormarsches der Preus.sen war in der Xacht
zum 2. August auch Eeldzeugmeister Hohenlohe in drei Colonnen
über den Rhein gegangen.*)
') K. A. 1792; VIII. 8. Bramisi hwi-iÄ an Hnhenliihe. Hniitheiin am 2.
K. .V. 1792; VIII. 31. ItramisehweiK an Hutienluhu, l'onz am 6. Aucust
1792. .\u(;li die |)reU!i.siselie Artillerie war zum Theile zuriiekgeldielien.
*) Nach einigen Angaben erst am 13. .XuRU.rt,
*) K. A, 1792; VIII. Ö8.
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•)0 H lui s e II 1) 1 a s.
Die linke Cnlonne, bestehend aus 4 Escadroneii Wurniser-
Husarcii, 2 Eseadronen Kinsky - Chevauxlegers, 2 Bataillonen In-
ianterie und ti Kanonen brach am 1. August 10 Uhr Abends aus
dein I^ager von Schwetzingen auf und marschierte unter der j>er-
sönlichen Führung Hohenlohe’s zur Altlosheimer Ueberfuhr, gegen-
über Speyer, wo sie mittelst 11 Fliitten auf das linke Khein-Ufer
geschaft't wurde. Am 2. August 9 Uhr Morgens war der Ufer-
wechsel beendet und die Uolonne bildete nunmehr die Vorhut
Sie deckte durch eine Aufstellung bei Dudenhofen, westlich von
Speyer den Anmarsch und Uebergang der beiden anderen Colonnen.
Die mittlere unter Feldmarschall-Lieutenant d’Alton, 12 Ba-
taillone stark, wurde beim liohrhof zunächst der Mündung des
Leimbaches auf 40 Kähnen überschifl't und rückte am 2. August
um 8 Uhr Früh in das Lager von Valsheim.') Die rechte Uolonne
endlich, unter Commando des Feldmarschall-Lieutenants Waldeck,
aus 14 Eseadronen bestehend, benützte die Schiffbrücke bei Mann-
heim zu ihrem Uebergange, das Liniengeschütz, die Laufbrücken,
di<' Trains und die üeitpferde der Infanterie folgten auf dem-
selben Wege; Feldmarschall - Lieutenant Waldeck langte am
2. August um 11 Uhr Vormittags in dem Lager von Valsheim an
und schob 4 Eseadronen Wurmser-Husaren zur Beobachtung des
Kingenburger Forstes-) vor.
Da man weder während des Khein-Ueberganges, noch am
2. August im Laufe des Vormittags etwas vom Gegner bemerkt
hatte, beschloss Hohenlohe, dem < fperationsplane gemäss, Kellermann
aufzusuchen und zurückzudrängen, dann aber einen Versuch zu
machen, Landau zur Uelierg.aVie zu bestimmen, blochte dieser nun
von Erfolg begleitet sein oder nicht, jedenfalls gedachte Hohenlohe
nach demselben über Kaiserslautern an die untere Saar abzu-
marschieren und das Corps Erbach zur Beobachtung Kellermaim’s
zurückzulnssen.
Zu dem Versuche gegen Landau sollte auch das Corps des
l'rinzen Conde von Kreuznach hcrangezogen werden, da man
durch das angeblich bestehende Einverständniss Conde’s mit dem
P'estungs-Commandantcn, General Martignac leichter zum Ziele zu
*) Auf ileu Uüiifivn Kai-ten ersclii*iut Valsbeini uiit^’i* ilum Namen Waldsee,
Noniwestlicb Speyer, der heutige Noiinenwal*].
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Oest«*rreich im Kri»*jje ilit* fraiizüsis« In» Hcvoliitioii 17l>*2.
fil
kommen hoftte. Die ursprlinolidie Bostimmun>r des Conde’sdien
Corps, in den Breisoau zu marsdiieren, um von da mit den Truppen
Esterlnizys eine Diversion in das Obcr-Elsass zu inadien, erfulir
hiedurch keine Yeriinderun«]:, nur sollte es den Rhein statt bei
Mainz, nach Umstituden bei Worms oder »Speyer Überschreiten, ' )
Hohcidohe schob die bei der Vorhut (linke Colonnel einfretheilten
6 Escadronen daher noch am 2. August Nachmittags bis Lingen-
feld vor und vereinigte sein Cor|)s bei Dudenhofen, von wo es
gegen Mitteniadit wieder aufbradi, um der Vorhut nach Lingen-
feld zu folgen.
(jeneral Biron stand um diese /eit noch immer bei Weissen-
burg. Er erhielt über die Bewegungen llohenlohe’s so wider-
sprechende Nachrichten, dass er am 2. August noch nicht einmal
mit Bestimmtheit wusste, ob der Uebergang der Kaiserlichen
wirklich ausgdührt worden sei. Um sit'h hierüber Gewissheit zu
verschallen, sandte er in der Nacht vom 2. zum 3. August den
General (Justine mit 3000 Mann und dem Aufträge gegen Landau,
die Gegend zwischen diesem Platze und Speyer aufzuklaren. Der
bei Arzheim stehende Kellermann ein])fing von Biron die Weisung,
einen Theil seiner Grenadiere und (.'avallerie an Custine abzu-
geben, damit dieser seine Aufgabe umso sicherer durchführen
könne.
Feldzeugmeister Hohenlohe, der weder durch seine Patrouillen,
noch von den Einwohnern iu Erfahrung bringen konnte, wohin
Kellennann von Herxheim marschiert sei, liess sein Corps am
3. bei I.<ingenfeld rasten und beschloss, sich durch eine Recog-
noscierung der Gegend zwischen Landau und dem Rheine Auf-
klürung zu verschaffen. Zu diesem Zwecke entsendete er drei
Detachements. Das linke, welchem sich der h'eldzeugmeister .selbst
anschloss, bestand aus 400 Husaren und rückte über Bcllheim
gegen Rülzheim, wo es ein kleines Gelecht mit französischen Vor-
posten zu bestehen hatte, die sich nach einem Verluste von
25 Tüdten und 12 Gefangenen in der Richtung auf Rheinzabern
') K. A.. 1792; VII. 120. lK*r relMTjran^rsjmnrt Mainz war pswählt worden.
Weil der Kurfürst von der Pfalz .*<ie!i ^rewt■i^^»rt hatte, die Kmiii'raaten l»ei Mann-
heim ülier den Hheiti gehen zu las.«<en.
S) Kellennann hatte das Uager von Herxheim in der Naclit zum 1. August
verlassen, um nach Arzheim zu rücken.
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zuriikzofreii. Von Külzliciin ging Holionlolie naoli Knittelsheim,
wo CT auf die Trujipen (Justincs stiess. Diese zogen sieh bei dein
I'Tseheinen der österreichischen Husaren auf dem nacli Oftenbacli
führenden Damme in Unordnung zurück. Die versumpfte Niederung
des Spiegelbaches verhinderte die Husaren jedoch, die Gegner zu
verfolgen; sie nius.sten sich mit der Eroberung einer Regiments-
Standarte und des feindlichen Lagers begnügen. Hohenlohe gieng
hierauf nach Zeiskam zurück und vereinigte sich hier mit dein
zweiten Detachenient, das aus einer Division ( 'hevaiixlegers und
IbiO Mann Infanterie bestand, die an der Queich postiert worden
waren, um einen allfallsigen Rückzug der f'avallerie zu decken.
Heide Colonnen rückten nun wieder in das Lager von Lingenfeld
ab. Das dritte Detachement, 200 Wurm.ser-Husaren unter Oberst-
Lieutenant AVagenheiiu, war Uber Lustadt und Fischlingen nach
Edesheim gerückt und recognoscierte von hier gegen Essingen,
wo man in Erfahrung brachte, dass General Kellcrmann in Offen-
bach stehe. Auch hier kam es zu einer Attaque gegen eine fran-
zösische Cavallerie-Abtheilung, die mit Verlust von 25 Todten
und 13 Gefangenen geworlen wurde. Die kaiserlichen Truppen
hatten an diesem Tage 4 Todte und 17 Verwundete eingebUsst.
Die Recognoscicrung überzeugte Hohenlohe, dass Kellennann
noch bei Landau stehe, in Folge dessen er sieh entschloss, den-
selben anzugreifen ; nur wollte er noch das Eintreffen (’ondes ab-
warfen, um durch dessen Vermittlung möglicherweise die Ueber-
gabe Landaus herbeizntühren.
Dieser hatte seine Truppen am 1. August bei Kreuznach
concentriert, war am 3. nach Alzey, am 4. nach Göllheim marschiert
und sollte nun über Neustadt gegen Landau Vorgehen. Am 6.
erreichte seine Vorhut Edesheim und Eilenkoben, sein Gros Neu-
stadt. In der Nacht vom 0. zum 7. August brach auch Hohenlohe
von Lingenfeld auf, um gegenüber von Landau, bei Dammheim
eine .''fellung zu beziehen. Der Marsch wurd«; um Mitternacht
angetreten und erfolgte in 2 Coloiinen.
Die linke, welche iler Feldzeugmeister persönlich führte und
bei der die Generale Waldeck und Kollonits eiiigetheilt waren,
bestand aus 4 Escadroneii Wurinscr - Husaren, 2 Escadronen
Kinsky-(’hevauxlegcrs, 2 E.scadronen Erzherzog .losejih-Dragoner,
dein Leib'Hataillon von d’Alton, dein 3. Hataillon de Vins und
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< tfslerri’iih iiii Krifc kit«'« «üp l'raiinösischi! Kcviiliition 179.J. 63
(len Warasdiner Orenzcni; sic marschierte Uber Lustadt gegen
Hssingen.
Die rechte Colonne unter Keldniarschall-Lieutenant d’Alton mit
4 Escadronen Wurmser-Husaren, 4 Escadronen Kinsky-Chcvaux-
legers, 4 Escadronen Erzherzog Joseph-Dragonern, 10 Bataillonen
Infanterie, 6 Laufbrücken und der gesammten Reserve- Artillerie
marschierte Uber Weingarten nach Essingen. Die Croaten durch-
streiften die Wälder von Zeiskam. Die neue Stellung Hohenlohe’s
lehnte ihnm linken Flügel an Bornheim, während der rechte auf
di(^ .Vnhöhen vor Essingen, wohin auch das Hauptfiuartier ver-
legt wurde, zu stehen kam.
Die Hoffnung auf eine Uebergabe Landaus ging nicht in
Erfüllung. Mochte General Martignac früher vielleicht auch ent-
schlossen gewesen sein, den Platz zu Ubergeben, jetzt in Anwesenheit
des der Revolution ergebenen Kellermann durfte er es nicht wagen,
sein Vorhaben zur Au.sfllhrung zu bringen. Auch war es nicht
mehr möglich, Kellermann vereinzelt zu schlagen. Marschall
Luckner, welcher auf die Nachricht von dem Uebergange Ilohen-
lohe’s nach Weissenburg gereist war, hatte sich nämlich entschlossen,
die Vertheidignng der Queich aufzugeben und erst hinter der
Lauter weiteren Widerstand zu leisten. Dementsprechend ertheilte
er Kellermann den Befehl, 3 Bataillone an die Besatzung von
I-andau abzugeben, um diese auf (iOOO Mann zu verstärken, mit
dem Reste seiner Truppen aber von Arzheim nach Lauterburg
zu marschieren. Die Weissenburger Linien wurden ansgebessert
und Kellermann, der am 4. August in Lauterburg eingetroffen
war und dessen Corps nach und nach auf 15.000 Mann verstärkt
wurde, mit deren Vertheidignng betraut. Martignac, welcher schon
s(*it Beginn der Feindseligkeiten in einem zweideutigen Lichte
gestanden war, musste das Commando von Landau an (Jeneral
f-'ustine abgeben und erhielt als (Kommandant des Lagers bei
Häsingen eine neue Bestimmung am Ober-Rhein. General Biron
wurde beauftragt, mit allen noch disponiblen Truppen von der
Lauter nach .Strassburg und Plobsheim zu eilen, um eine Diversion
der Oesterrcicher zwischen diesem Platze und HUningen zu ver-
hindern. Nach diesen Anordnungen kehrte Luckner nach Metz zurilck.
Fürst Hohenlohe hatte bei Essingen bald in Erfahrung
gebracht, dass Kellermann schon drei Tage früher an die Lauter
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H a 11 X 1' II li I ii s.
abgerückt sei. An eine Forcierung der W'eisseiiburger Linien war
niclit zu denken, da dies das Corps zu weit von seiner He-
stiminung abgcf'Ulirt liätte. Ebenso wäre ein weiterer Aufenthalt
vor Landau zwecklos gewesen, da nicht nur Custiue eine grosse
Thätigkeit in der Festung entwickelte, sondern auch die Preussen
bereits bei Trier angelangt waren und der im Operationsplan vor-
gesehene Marsch an die untere .Saar nun keinen Aufschub mehr
duldete, wenn man im Einklänge mit der Haupt Armee gegen die
JI.'uis Vordringen wollte.
Hohenlohe übertrug daher vor seinem Abmarsche an die Saar
die Beobachtung Kellennann’s dem Feldmarschall-Lieutenant Erbach,
welcher mit 5 Bataillonen und 6 Escadronen den Rhein bei Speyer
schon am 4. August überschritten und bei Sclnvegenheim und Heiligen-
stein Lager bezogen hatte. Feldmarschall-Lieutenant Erbach schob
seine Truppen am 8. August nach Lingenfeld vor und besetzte
die Queichbrücke bei Germersheim mit 2 Compagnien Infanterie,
2 Geschützen und einer halben Escadron, welche Patrouillen gegen
die T.auter entsendete.
(’onde marschierte am 8. August nach Speyer, um hier über
den Rhein zu gehen und endlich in seinen ursprünglichen Bestim-
mungsort, den Breisgau zu gelangen, während der Feldzeugnu-ister
an demselben Tage um 8 Uhr Früh das L.oger bei Essingen auf-
hob und nach Neustadt rückte, wo seine Truppen gegen 2 Uhr
Nachmittags eintrafen.
Der „Versuch auf Landau“ hatte eine ganze Woche in
Anspruch genommen und Hohenlohe von seiner eigentlichcti Direction
abgelenkt. Der Herzog von Braunschweig sah dem Eintreffen der
Oesterreicher an der .Saar bereits mit Ungeduld entgegen und
forderte Hohenlohe wiederholt zur Beschleunigung seines Marsches
auf Hatte der Herzog dem Voi-schlage Hohenlohe’s, sich zuerst
gegen Kellermann zu wenden, auch zugestimmt,“) so hegte er dennoch
wenig Hoffnung, dass dieser Stand halten werde; auch erachtete
er die im Breisgau stehenden Truppen Esterhazy’s und Conde’s,
’) Ein K.-it.iilli)U war in .''imivit p‘lilii-lM.'n. ilas .xilavonicr (ircuz-BatailKm traf
später im Aiifmarsihranm ein, Ulierschritt am 8. bei Sia-yer den Kliein und liiKerte
einstweilen Iwi Heiliirensteiu.
K. A, 1792; VII. 65. Uniiui.xehweig an llulieulohe vom 17. .luli 1792.
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Oesterrvii’h im Kriegt* * gegen die franzüsisehe Revolution 1792.
65
dann das Corps Erbach für hinreichend, um jede feindliche Unter-
nehmung gegen die linke Fliinke Hohenlohe’s abzuwehren. Der
Herzog war überzeugt, „dass wenn das Corps im Breisgau dem
Feinde nur einige Aufmerksamkeit auf Ober-Elsass geben könnte,
alles was bis Landau und Weissenburg vorgerückt ist, sich
schleunigst nach dem Ober-Elsass wenden und dass das unter
General Erbach zurückbleibende Corps, nebst den Mainzer Regi-
mentern den Feind wahrscheinlich in seinen Grenzen halten werde,“ >)
besonders „wenn mit vereinten Kräften von dieser Seite (Trier)
zwischen der Mosel und Maas agiert werden kann.“*) Er drängte
daher, Hohenlohe möge ehestens in der Gegend von Merzig oder
Saarburg eintreffen, indem er sein eigenes Vorgehen von Trier in
der Richtung auf Luxemburg von der Annäherung des Feld-
zeugmeisters abhängig machte.*)
Der Marsch der Preussen entlang der Mosel hatte auch Luckner
zu einer Aenderung seiner Aufstellung veranlasst. In der Meinung,
der Herzog werde zwischen Thionville und Longwy in Frankreich
einbrechen, hob er das Lager von Longcville bei Metz am
3. (V) August auf und marschierte nach Fontoy, ^) um in der Nähe
der bedrohten Orte zu sein. Als die am rechten Mosel-Ufer
marschierende prcussische Colonne des Generals Köhler jedoch an
der unteren Saar anlangte und auch die prcussische Vorhut bei
Trier auf das rechte Mosel-Ufer übergieng, glaubte Luckner, es sei
zunächst auf Thionville abgesehen, liess daher unter General
Despres-Crassicr nur ein schwaches Detachement von 4000 Mann
bei Fontoy zurück und bezog mit allen übrigen Truppen, ungefähr
14.000 Mann bei Richemont südlich Thionville,*) an der Mosel
ein Lager. Die Besatzung von Saarlouis wurde verstärkt. Dagegen
blieb die Armee Lafayette’s in der Gegend von Sedan stehen und
machte keinen Versuch, sich mit jener des Centrums zu vereinigen.
') K. A. 179Ü; Vlll. ai. Jlrauiisihweig an Hnheiiluhi' vom 6. Anpiist 1792.
K. A. 1792; VIII. 8. Uramisrhweig an Hohonluhe vom 2. Aupnst 1792.
K. A. 1792; VII. 102 und VIII. 8.
•) K. A. 1792; VIII. 14, 22.
*) K. A. 1792; VIII, 27, 28.
XitUeUungen d«. k. und k. Kriegs-Arcbivi. Neue Folge. VII Ö
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H n H s e n b 1 a s.
Aus dieser Trennung!: der feindliclien Kräfte gedachte der
Herzog von Braunschweig Nutzen zu ziehen und schrieb in diesem
.Sinne an Hohenlohe: „.Soll also von Luxemburg von .Seite der
alliierten Armeen etwas mit Zuverlässigkeit unternommen werden,
so wird zu versuchen sein, eine dieser feindlichen Armeen, die in
starken Positionen stehen, zu beobachten, während man durch
Bewegungen suchen wird, die andere aus ihrer Position herauszu-
locken und sie anzugreifen. Hiezu scheint Ucberlegenheit und ein
genaues Eim’erständniss das einzige IMittel und ohne eine ent-
scheidende Ueherlegenheit wird es vielen Bedenklichkeiten unter-
worfen bleiben, die Bezug auf das Concert und die Befestigungen
haben, so geschwind, W'ie zu wUnsehen steht, zu agieren.“
Diese wenigen Zeilen charakterisieren die Denkungsweisc des
Herzogs. Wohl erkannte er die Nothwendigkeit, die günstige Lage
auszunützen und mochte hiezu auch möglich stark sein, docli
nicht die dem Gegner aufzuzwingende Schlacht, sondern d.as
Herausm.'inövrieren desselben aus seinen Positionen wird in den
Vordergrund gerückt. Die Kraft, Uber welche der Herzog damals
zu verfügen hatte, war jeder der beiden zunächst stehenden
ffanzösisehen .Armeen doppelt überlegen und hätte er sich ra.sch
gi'gen eine derselben gewendet, so war ein günstiger Erfolg kaum
zu bi-zweifeln. Allerdings musste dei' .Sehla'!’, der naturgemäss grosse
politische nnd militärische V^ortheile im Gefolge haben konnte, ge-
führt werden, noch bevor die Franzosen sieh vereinigen und durch
Heranziehen der vielen ini Lande vorhandenen Ncuformationen
wenigstens numerisch verstärken konnten. Allein der Gedanke an
die verschiedenen Festungen liess die Idee eines rücksichtslosen
A’orgehens bei dem an eine langsame, methodische Kriegführung
gewöhnten 1 Icrzog nicht aufkominen, obgleich die meisten festen
Plätze fast gar keine < fffensiv-Besatzungeu hatten und Erfolge
ini freien F'elde ihre Thore zum grössten Theile von seihst geöffnet
hätten.
lin preussischen 1 lauptiiuarticre kämpften überhaupt zwei
.Anschauungen mit einander. Der Herzog, dem der Krieg gegen
die Bevolution aussichtslos erschien, glaubte nicht au nuschc
Erfolge; er wollte höchstens bis zur .Maas vorgelien, dann aber die
Festungen Thionville, Montmedy, iSedan, Mezieres „zu Gcgen-
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Oesterrvich im Krifp? guRen die franiiisischc Kevulution 1792.
67
sUliulen seiner Operationen“ machen.*) Der König von Preussen
dagegen war voll der kühnsten Hoffnungen, hatte stets nur den
grossen Zweck des Kriegszuges vor Augen und drängte, besonders
als die Ereignisse in Paris die Sicherheit Ludwig XVI. immer
mehr und mehr in Frage stellten, lebhaft nach vorwärts. Der
Herzog, nicht gewohnt, die eigene Meinung Höheren gegenüber
zu vertreten, gab in seinen Unterredungen mit Friedrich Wilhelm II.
immer nach und so tragen alle seine Befehle den Stempel des
vorausgegangenen Kampfes zwischen den Wünschen des Monarchen
und des Feldherrn eigener Anschauung. Hiedurch ergab sich,
nicht eben zum Vortheile der allgemeinen Interessen, gar mancher
Widerstreit, zumal auch die Ansichten Ilohenlohe’s oft nicht mit
jenen Braunschweig’s übereinstimmten, da der Feldzeugmeister sich
nur schwer entschliessen konnte, an die Saar zu gehen, ohne früher
Kellcrmann geschlagen zu haben. „Wenn es von mir abgehangen
hätte,“ berichtet Hohenlohe am 25. August dem Kaiser, „so würde
ich meine Operationen auf Eisass gerichtet haben. Jetzt schon
würde sich die Kellermann’sche und Biron’sche Armee gewiss in
sehr üblen Umständen befinden, anstatt dass sie durch meine Be-
wegungen rechts Luft bekommen hat und noch obendrein mit denen
7 Bataillons und 6 Escadrons unter Fcldmarschall-Licutenant Erbach
b<-i S|»eyer beobachtet werden muss. Da dieser in allem Betracht üble
Krieg doch geführt werden musste, so glaube ich, diiss die ersten
Operationen doch blos militärische hätten sein sollen, statt dass
diese auf Politik und Muthmassungen sich zu gründen scheinen.“
Bei diesem Mangel an Uebereinstimmung in den leitenden Kreisen
konnte man der Zukunft wohl nicht allzu hoffnuugsfroh entgegen-
blicken, wenn Hohenlohe sich auch mit anerkennenswerther Selbst-
verläugnung allen seiner Ueberzeugung widersprechenden Befehlen
fügte und der Herzog seinerseits den Fcldzougmeister wiederholt
ersuchen liess, jeden Zweifel über seine aufrichtige Uesinnung
schwinden zu lassen.^)
Am 6. August ergieng ans dem Lager von Conz abcimals
die Weisung an Hohenlohe, über Merzig an die Saar zu rücken
Ma.HjX'Dltat'h !, 41.
TabiuptK* Acten. Hohenlohe 5.
Bi»thoffnwertler ati Hohenlohe. K. A. 1702; VUI, 0.
5*
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n
•58 H a n 8 e II b I u s.
und wenn die preussische Armee nicht melir hier stehen sollte, ihr
in das Luxembur"’sche zn folfren.*)
„Sollte in Absicht auf Saarlouis die Wahrscheinlichkeit eines
Successes indess zunehmen, so würde vielleicht durch ein Deta-
tachcment von 2 — 3(MX) Mann und einiges WurfgcschUtz ein Versuch
zu machen sein, wozu man im Stande sein würde, Euer Durch-
hiucht einige französische ( ifticiere, welche den Platz genau kennen,
beizugeben."
Dieser Befehl langte am 8. August im Hauptquartier Hoheu-
lohe’s zu Keu.stadt an, welcher sofort alle Vorbereitungen traf, um
den Marsch durch das schwierige Gebirgs-DeJilee des Speyer-Baches
und an Saarlouis vorbei, möglichst rasch bewirken zu können. Die
Backöfen konnten allerdings zu Wasser nach Kemich vorausge-
sendet werden, aber die Sicherstellung der Verpflegung verursachte
grossen Zeitverlust. Die Transports- Divisionen waren noch nicht
vollzählig cingetroffen, so dass man erst aus Landesfuhren Ver-
jiflegs-Transporte zusamraenstellen musste, welche die zu Wasser
von Heidelberg und Heilbronn nach Mannheim gebrachten Vor-
räthe dem Armee-Corps nachzufUhren hatten.^) An der Saar ange-
langt, sollte dann der weitere Nachschub auf der Mosel erfolgen,
welche bis Kemich schifl’bar war. Auch dies war jedoch insofeme
mit Schwierigkeiten verbunden, als in Coblenz erst ein Umladen
aus den grossen Rhein- in kleinere ^losel-Schiffe erfolgen musste,
die dann durch Pferde stromaufwärts gezogen wurden. Die letzteren
mussten aber wieder aus der Rhein- und Neckar-tTCgend beschafft
w’erden, da die preussische Armee alle im Mosel-Thale vorhandenen
Pferde flir sich in Anspruch genommen hatte. Der Nachschub
gestaltete sich daher umso schwerfälliger und zeitraubender, nachdem
das von den Franzosen seit jeher in der schonungslosesten Weise
K. A. 1702, Vlll. 31. IHt glfithc war schon am 2. AnjruHl ans
tlrm Lajrvr von Honthoim prlas.**»*n wonlni, naclnipiii llohonlolip iMTvif« friilHT die
AnflordpniiiK erhalten hatte, den Tap stdiies Kiiitrrttens an der nnten*n Saar Iwkannt
zn p‘lN‘n. [)a der Herzog; sii-h liei den ronlcri'nzt'n in Mainz di-m Antrap.* Hohen-
lohes, zuerst Kellemiami zu werten untl dann erst den Marsch nach Saarlmnr
anzntn ten. nicht wkU*r>s‘tzte. so las.st sich das spaten,* Hninp'ii zu dies«*r IWwrjmnjc
nur ans »lein (’harakter des Herzops erklären. tHiKleicl» mit den Ideen des Feld-
zrnpneisters nicht einverstand«*n, hatte er es in (Jejreiiwart des Kaisers Kninz
dwh nicht Rcwuirt. denselU-n zu widerspivcheii.
K. A.; H. K. K. Seetiuii II. lioheiilulu* 1792, IV, 240.
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OestiTreiih ini Kriege gepeii die fraiizösisehe Kevolution 179"2.
69
ansfreUbte Re(iuisitioussysteni bei den deutschen Armeen noch
keinen Eingrang gefmiden liatte.
An das Festungs Coinmando in Luxemburg hatte Hohenlohe
das Ersuchen gerichtet, ein Vorraths-Magazin in Graevenniachern
anlegen zu lassen, aber auch dies stiess auf Hindernisse, da die
I'reussen in diesen Gegenden bereits alles aufgekauft hatten.')
.Schliesslich mussten auch Vorsorgen getroffen werden, um zu den
Versuchen auf Saarlouis und Thionville“ Munition und schweres
Geschütz herbeizuschaffen.
Allo diese Vorbereitungen nahmen mehrere Tage in Anspruch,
so dass das Gros Hohcnlohe’s erst am 14. August von Neustadt
aufbrcchen konnte, nachdem die aus 4 Escadronen Wunuser-
Husaren, 2 Escadronen Kinsky-Chevauxlegers, 2 Escadronen Erz-
herzog Joseph-Dragonern und einem Bataillon Warasdiner Grenzeni
bestehende Vorhut unter Prinz Waldeck am 12. August nach
Kaiserslautern abgerückt war.
Für den Marsch erliess Hohenlohe am 12. die folgende Dis-
jwsition :
„Den 14. August 3 Uhr Früh marschiert die Haupt- Armee
über Frankenstein bis Kaiserslautern in einem Zuge, da unterwegs
nicht gelagert werden kann.
Die Ordnung ist folgende:
a la tßte: 2 Escadronen Husaren,
2 „ Chevaiixlegers,
3 ), Dragoner,
Hierauf folgen die 12 Bataillone Infanterie und zum Schluss
2 Escadronen Dragoner,
2 „ Chevauxlegers,
2 „ Husaren.
Die Avantgarde ist schon in Kaiserslautern. Trotzdem gehen
30 Husaren eine halbe Stunde voraus und werden von 30 Chevaux-
legers soutenirt.
Arrieregarde 50 Husaren, 50 Chevauxlegers.
1) H. K. R. Scction U. Holienlolic 1792, IV. 163 u. K. A. 1892 VIII, 6.")
und 128.
*) K. A. ; H. K. R. 1792, VllI, 13. Die Marseli-Dispo.sition dient zujrleieli
ai» Beispiel der damalijjen BefehlsttelmnK.
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n
/ 0 H II u s e n b I a a.
Der Train bricht den 13. 3 Uhr Frtlh, nebst der Reserve-
Artillerie und den LaufbrUcken aut, um an diesem Tage (Über
Dürkheim) nach Leiningen zu marschieren. Am 14. fithrt der Train
um 3 Uhr früh ab nach Kaiserslautern.
Das Haupt<|uartier bricht am 13. um 2 Uhr Nachmittags auf.
Die Avantgarde und die Armee sind beim Aufbnich aus dem
Lager mit Brod und Hafer bis inclusive 16., mit Heu bis inclusive
15. versehen, den 14. wird in Kaiserslautern Heu bis inclusive 18.
empfangen. Den 17. wird Brod, Hafer und Heu inclusive 20. in
Homburg gefasst. Allen in der Kategorie Löhnung stehenden
Parteien wird an diesem Tage das Brodgeld bis inclusive 24. die
Portion zu 4 Reichs-Kreuzer verabfolgt.
Erbach bezieht am 13. das Lager bei Dudenhofen vor iSi>cyer
mit 7 Bataillonen, 6 Escadronen.“
Entsprechend dieser Disposition gelangte die Vorrückung am
14. zur Ausführung.') Die grosse Rast wurde bei Hochspeyer
gehalten und rückte die Cavallerie um 12 Uhr Mittags, die In-
fanterie aber erst um 6 Uhr Abends im Lager bei Kaiserslautern
ein (35 Av»'). Prinz Waldeck mit der Vorhut war sofort nach dem
Eintreffen der Cavallerie über Landstuhl nach Homburg voraus-
gccilt. Ueber den Gegner erfuhr man, dass 7000 Mann unter
Kellerraann bei WeLssenburg und ebensoviel unter Biron bei
Lauterburg stünden und dass in Landau bei der Annäherung der
Kaiserlichen grosse Verwirrung geherrscht habe. Von den gegen
die Saar ausgesendeten Patrouillen waren keine Nachrichten cin-
gelaufen.
Am 15. und 16. August wurde in Kaiscrslauteni gerastet, um
das Eintreffen des Trains abzuwarten, der auf den schlechten
Wegen nur langsam vorwärts kam.
Fürst Hohenlohe erhielt von dem Herzoge von Braunsehweig
die Mittheilung, d.ass die Garnison von Saarlouis durch 1700 Manu
verstärkt worden sei und ehestens einen weiteren Zuwachs erhalten
werde, „so dass eine Unternehmung auf diesen Ort nicht mehr
wird statthaben können.“ Auch schrieb Braunschweig, dass er das
Eintreffen Hohenlohe’s nicht mehr abwarten und an die Maas ver-
rücken werde, da die I..nge Ludwig XVI. seit dem 10. .August be-
*) Sifht? Tafel XI.
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Ocsii'm'icli im Kriepi' gegen die franzüsisehc Revolution 17S(2. 71
tlenklich geworden und schleuniger Hilfe bcdtlrfe; dagegen solle der
Fürst die Mosel so bald als möglich zu erreichen suchen. Zu diesem
Zwecke sei der preussische General Köhler angewiesen, bei Heniich
eine SchifTbrUcke zu schlagen und für die kaiserliche Armee, mit der
er sich in Verbindung zu setzen habe, alles in Hereitschaft halten
zu lassen.')
Am 17. August marschierte Hohenlohe nach Homburg (40 km),
musste jedoch aus Rücksichten für die Verpflegung am IB. aber-
mals einen Rasttag einschieben. Die Regimenter wurden hier bis
inclusive 20. August mit Brod versehen, mussten sich aber für
die folgenden Tage, bis 25. August mit dem Relutum begnügen,
nachdem die erforderliche Quantität an Brod weder in Homburg
selbst, noch in den nächsten Marschstationen aufgebracht werden
konnte. Hafer wurde bis 24. verabfolgt, Heu sollte unterwegs
bt*schafft werden.
Mittlerweile war Regenwetter eingetreten, welches die ohnehin
schlechten Communicationen noch mehr verdarb und den Be-
wegungen der Artillerie und des Trains die grössten Schwierig-
keiten bereitete. „Der beschwerlichen Wege und der Nachbarschaft
von Saarlouis wegen“ theiltc Hohenlohe sein Corps zum Weiter-
marsch in drei Staffeln :
Staffel
I 19 - i ‘^0-1 I 22. j 23. I 2 4. | 2ö. ; 2ti. ,
1 .\ II p II s t I
Hauptquartier: * ^
jk
FML. WaMerk, (iM. Kollunitz, ' J
GM. iSi-h rüder. 1 ^
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4 Escadr. Wnniiscr-Hnsareii i f
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2 , Kinsky-rhevauxlegers
2 « Erah. Joseph-Draironer ;=s _
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1 Baun. Wamsdiiier-Givnzer ; s
2 , Mittrowskv ' ^
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wiwie iler Train dieser Tnipj>en ! s
ziisaimneu 8 E.<eadr., 3 Baone. O
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:3
') K. A. 1792; VJII, 6S. Hriiuiisi-bweig an Ilolienlohe: I.aper v. Montfort.
13. Aupimt.
*) II. K. R. 1792; VIII. IG II. K. A. 1792; XIII, 4.
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74
H a u s e 11 b 1 a H.
begann nun auch jene Schreckensherrschaft, welche vor keinem
Mittel und keinem V^irbrechen mehr zurückscheute, um ihre Ten-
denzen zur (ieltung zu bringen.
An demselben Tage, an dem in Paris die Revolution an die
Stelle des legitimen Königthums getreten war, hatte die preussische
Armee ihre Vorwärtsbewegung wieder angetreten, um, dem Opera-
tions-Entwürfe entsprechend, die Gegend von Luxemburg zu er-
reichen und dann Uber Longwy in Frankreich einzudringen.
General Eben rückte am 10. August von Graevenmachern
auf der Luxemburger-Strasse bis Flachs weder vor; die Vorhut unter
Ilohenlohe-Ingeltingen marschierte dagegen am 11. von Tawern
nach Sinz, übertiel von hier aus das feste Schloss Sicrck, wobei
27 Mann getodtet, 31 zu Gefangenen gemacht, ausserdem 1 Kanone,
137 Gewehre und 14 Pferde erbeutet wurden. Die Einwohner von
Sierck schossen auf die in den Ort eindringenden Preussen.*)
Am 12. August überschritt die preussische Vorhut die Mosel
bei Remich und bezog die Stellung von Neukirchen, marschierte
am 13. nach Frisingen (Frisange>, bemächtigte sich am 15. des
von den Franzosen geräumten Schlosses Rodemachern und trieb
am Iti. die bei Dudelingen (Dudelange), Wolmeringen und Ottingen
(Ottange) stehenden schwachen Posten Luckner’s zurück, wobei
die Franzosen gegen 50 Mann an Todten und Verwundeten
verloren.
Das Gros der preussisehen Armee brach am 12. August aus
dem Lager von Conz und Pellingen auf und erreichte Kirf; .am
13. bezogen die Preussen eine starke Stellung bei Montfort, in
welcher sie, abermals aus Verpflegsrücksichten, einen viertägigen
Aufenthalt nehmen mussten.
General Köhler rückte am 12. August von Saarburg nach
Tawern und bezog zum Schutze von Trier eine Stellung auf
den Höhen bei Tawern und bei Fcllerich.-) Die Emigranten standen
am 13. bei Trier und rückten nach dem Abmarsch der Preussen
in das Lager von Conz, wo sie bis zum 18. verblieben.
») K. A. 1792; VllI, 68.'
-) K. A. 1792; VllI, 68.
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Oesterreich im Kriege gegen ilie franriisische Revolution 179’i. 75
Die Xacliricht von der Absetzunor des Königs gelangte in
Montfort in das preussiscLc Hauptquartier und rief hier, wie be-
greiflich, die grösste Aufregung hervor. König Friedrich Wilhelm II.
erachtete in einem möglichst raschen Vormarsch auf Paris das
einzige Mittel, die Monarchie in Frankreich noch zu retten und
auch der Herzog von Braunschweig scheint in dem ersten Augen-
blicke dieser Ansicht gewesen zu sein, denn noch am 14. August
schrieb er an Hohenlohe: „Wenn man den König, der bereits
abgesetzt ist, noch retten will, ist Eile nöthig. . . . Anders aber
als den Krieg in das Herz Frankreichs zu spielen, wird schwerlich
die Sache bald zu endigen sein.“ *) Doch musste das Gefühl der
Unzulänglichkeit der eigenen Krilfle bald zu der Erkcnntni.ss
führen, dass ein günstiges Resultat kaum mehr zu erwarten sei.
Es blieb daher bei der ursprünglichen Bestimmung, Uber Longwy
zunächst gegen die Maas zu operieren, um die Vereinigung der
Armee Lafayette’s mit jener Luckner’s zu verhindern, was bei der
Unthätigkeit der beiden französischen Heerflihrer auch möglich
war. Hohenlohe erhielt den Befehl, seinen Marsch zu beschleunigen,
um wenigstens die Vorhut und die leichten Truppen in den Raum
zwischen Mosel und Saar vorzutreiben. Dadurch sollte der noch
immer bei Richemont und Fontoy stehende Luckner festgehalten
und verhindert werden, gegen die preussische Armee zu detachieren.^)
Braunschweig selbst beabsichtigte, sich zunächst mit der ganzen
Annee gegen Longwy zu wenden und auch das Corps Clerfayt
gegen diesen Punct zu dirigieren. Die preussische Armee sollte
diesen Platz von Süden, Clerfayt von Norden einschliessen. General
Köhler und die Emigranten hatten bei der Annäherung der Hessen
aus der Gegend von Tawem und Conz abzumarschieren und den
Mosel-Uebergang bei Remich einstweilen für solange zu besetzen,
bis Hohenlohe daselbst eingetrofFen sein würde.®)
Demgemäss rückte die preussische Vorhut am 18. von Fri-
singen nach Kail, am 19. nach Crusnes, bestand an diesem Tage
ein kleines Gefecht gegen Truppen des Generals Depres-Crassier
and ging am 20. nach Villers-la-Montagne vor. Dms Gros mar-
>) K. A. 179->; vm, t5.V
») K. A. 1792; vm, 95.
») K. A. 1792; vm, 128.
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76
H auHenblas.
schierte am 18. nach Bettembiirg, am 19. nach Tiercelet und schloss
am 20. Lougwy von der Südseite ein.‘)
Clerf'ayt war mit dem hei Namur versammelten Theilc seines
Corps, (j Bataillonen, 8 Jäger-Compagnien und 4 Escadronen, in
der Nacht vom C. zum 7. August aufgehrochen, am 7. nach
Emptinnes, am 8. nach Marche und nach einem Ha.sttage am 10.
in das Lager von St. Hubert marschiert, wo die Truppen bis zum
14. stehen blieben. Clerfayt selbst begab sich miterdessen zum
Herzog von Braunschweig, während zur Vermittlung der Befehls-
gebung ein preussischer Stabsofficier im Hauptquartier Clerfayt's
eintraf. Am 14. August wurde um 3 Uhr 30 Minuten Früh auf-
gebrochen und der Marsch in drei Colonnen nach Neufchateau
fortgesetzt. Die rechte Colonne bestand aus 3 Compagnien Jägern
und nahm ihren Weg über Haut Bras, die mittlere, (5 Bataillone
Infanterie und die Artillerie-Reserve marsehierte über Flohiniont,
während die übrigen Jäger-Compagnien, die Pionnier-Halh-Com-
pagnien, die 4 Escadronen und die Trains als linke Colonne über
Freux nach Neufchateau gelangten. Am 15. August marschierte
Clerfayt nach Habaj' und am 16. nach Arlon, wo er sich mit der
Brigade des Generalmajor Sinackers, 4 Bataillone und 8 Escadronen,
vereinigte. Um nicht früher als die Preussen vor Longwy ein-
zutreffen, blieb Clerfayt am 17. und 18. August bei Arlon stehen und
trat seine Vorbewegung erst am 19. wieder an. Der Marsch an
diesem Tage erfolgte in 2 Colonnen. Die rechte unter Generalmajor
8mackers rückte auf der Chaussee nach Jlessaney, die linke mit
Generalmajor Jordis weiter östlich nach Clcmcncy. Bei Clemency
stiessen 2 prcussische Belagerungs- Batterien zu der linken Colonne.
Die Anhöhen von Anhänge wurden durch einige Jäger-Compagnien,
dann 2 Compagnien Stuart und eine Escadron Husaren besetzt,
ein französischer Posten zunächst der Ereniitiige südlich Clemency
durch 4 Compagnien Stuart, 2 Compagnien Jäger und 1 Escadron
Husaren vertrieben.
Am 20. August schob Clerfayt 1 Bataillon Kinsky nach
.Vubange und 1 Division ^lathesen nach Piedmont vor, um im
Vereine mit den schon bei diesen Orten postierten Jägern den
M K. A. 1792; VIII, 88. Siehe Tafel X.
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Oesterreich im Kriege gegen die franzüsisehe Res-olntion 1792. 7 i
Uebergang Uber den Batte-Bach zu siebent. Das Gros brach um
4 Uhr Früh auf und marschierte Uber Aix - sur-Gloix, Ilalanzy,
Müssen und Gorey in das Lager von Cosnes. Der rechte Flügel
der Ocstcrreichcr lehnte sich bei Lexy an den Chiers und stellte
die Verbindung mit der preussischen Armee her, welche bei Cuttiy
und Mexy lagerte, so dtiss Longwy nun von allen Seiten ein-
geschlos.sen war. ')
Die Festung besteht aus der, au der MUndung des Baches
de la Cöte rouge in den Chiers gelegenen offenen Unterstadt und
der befestigten Oberstadt. Die Hochfliiehe auf dem rechten Ufer
des Flusses, auf welcher die Oberstadt erbaut ist, fällt gegen das
100 — 130»! tiefer liegende Thal hin steil ab. Das jenseitige Ufer
erhebt sich ungefähr zu der gleichen Hohe und gewährt einen
ungehinderten Einblick in die Stadt und Festung. Die nahe
gelegenen Waldungen erleichtern eine gedeckte Annäherung von
mehreren Seiten, während die grossen Strassen von Luxemburg,
Verdun und Metz sich in der Festung vereinigen. Die Festungs-
werke, gegen Ende des 17. Jahrhunderts nach der ersten Manier
Vauban’s von ihm selbst erbaut, waren 1792 theilweisc verfallen,
die Gräben ti-ocken, doch besass der Platz genügend bomben-
sichere Räume. Die Artillerie- Ausrüstung bestand aus 70 Ge-
schützen, Lebensmittel und Munition waren in hinreichender
Jlenge vorhanden.
Die Besatzung bestand aus 4 Bataillonen, 1 Escadron und
einigen Artillerie- und Genie-Abtheilungen, “) zusammen gegen
2600 Jlann, welche nun von mehr als 50.000 Mann eingeschlossen
waren.
Am 21. August recognoscierte der Herzog die Festung und
liess den Commandanten zur Uebergabe auffordern, erhielt aber
eine abschlägige Antwort. Es wurde der Beschluss gefasst, mit
der Beschiessung des Platzes zu beginnen und dem preussischen
Artillerie-Obersten Tempelhoff die Arbeiten übertragen, der unter
dem Schutze des Grenadier-Bataillons Morzin und eines Bataillons
1) Siehe Tafel X.
*) K. A. VllI, 9. 1 liatailUm Iiif.-Rcjr. Nr. 34, das 2. XationulpinK'-
Bataillon Cot« d'Or, das 3. und 4. der Anleuiit*n,^die Dppdt-Escadron d»?.s 6. Hnsareii-
Reffimeiits.
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78
Hausenblas.
Hohenlohe ungefähr 1000 Schritte von der nordwestlichen Ecke der
Festungswerke bei La Coloinbe zwei Batterien errichten liess, die mit
zwei lOpfündigen Haubitzen und acht lOpfündigen Mörsern armiert
wurden. Diese Arbeit war um 10 Uhr Nachts beendet und eine Stunde
später eröftneten die Batterien ein ziemlich wirkungsloses Feuer,
welches aus der Festung nur schwach erwidert wurde. Um 1 Uhr
Nachts machte ein heftiger Regen der Beschiessung ein Ende und
löschte auch das an mehreren Orten der Stadt ausgebrochene Feuer.
Die beiden Bedeckungs-Bakiillone waren über Nacht in ihrer Auf-
stellung geblieben. Bei Tagesanbruch wurde das Infanterie-Bataillon,
welches bisher auf Kartätsch-Schussweite gestanden war, etwas zurück-
gezogen und das Feuer wieder eröffnet, diesmal mit etwas besserem
Erfolge. Die Festungsgeschütze erwiderten dasselbe mit grosser
Lebhaftigkeit, vermochten dem Angreifer aber keinen nennens-
werthen Schaden zuzufügen. Die Stadt gerieth abermals an ver-
schiedenen Puncten in Brand und als am Abend des 22. August
bei den Verbündeten Vorbereitungen sichtbar wurden, welche eine
Fortsetzung der Beschiessung in der Nacht erwarten Hessen, stellte
der Festungs-Commandant, von der eingeschüchterten Bürgerschaft
genöthigt, Capitulations- Anträge, welche am 23. August Früh zum
Abschluss gelangten. Unter der Bedingung, in diesem Feldzüge
nicht mehr gegen die Verbündeten zu kämpfen, wurde der Be-
satzung freier Abzug mit Gepäck in der Richtung Marcille,
Fontoy oder Jlangiennes bewilligt, sie vcrliess den Platz am
24. August !) Uhr Früh. Die nördlichen Thore, sowie die Haupt-
wache wurden noch am 23. August durch das Grenadier- Bataillon
Barthodeisky besetzt, während ein Bataillon Mathesen auf das
Glacis rückte. ')
Der Festungs-Commandant, Oberst Legrand hatte sich nach
bewirkter Uebergabe seiner Agenden an Generalmajor Smackers
selbst den Tod gegeben.
Nach dem Abmärsche der Franzosen wurde die Festung
durch ein Bataillon Mathesen und das preussische Grenadier-
Bataillon Thadden besetzt. 73 Geschütze, 3250 Gewehre, 1700
Wallmusktüen, 4 Standarten, 4 Fahnen, sowie grosse Geld-,
Munitions- und Verj)Hegs-Vorräthe fielen den Siegern in die Hände®)
K. A. 1792; VIII, 119 iiml XIII, 3.
■-’) K. A. 1792; tHII, 121.
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Oesterreich im Kriege gegen die französische Revolution 1792.
79
und wurden iin Sinne der vorausgegangenen Conventionen gleicU-
miissig unter die beiden Verbündeten vertheilt. ')
Während die Alliierten in einer so leichten und mühelosen
Weise in den Besitz der ersten auf der gewählten Operation.slinie
gelegenen feindlichen Festung gelangten, war Lafayette mit seiner
Armee unbeweglich bei dem kaum drei Tagemärsche von Longwy
entfernten Sedan stehen geblieben.
Die Vorgänge in Paris hatten lähmend auf ihn eingewirkt.
Nachdem er zu Beginn der Revolution so viel dazu boigetragen
hatte, die Monarchie durch das constitutionelle Königthum zu er-
setzen und nachdem er gar nichts gethan, um den bedrohteu
König vor der tiefsten Erniedrigung und persönlichen Gefahr zu
schützen, strebte er jetzt an, für sich selbst eine gewisse Autorität
gegenüber der Jacobiner-Kegierung zu erlangen. Der Municipal-
rath von Siidan schloss sich ihm an. ebenso das Departement der
Ardennen und nun forderte Lafayette auch seine Trup]>en auf,
an dem Eide, welchen sie der Constitution, dem Gesetz und
dem Könige geleistet, festzuhalten. Er wollte aus d<un Grenz-
gebiete, das er inne hatte, einen Krystallisations|mnct für seine
Bestrebungen schaffen’) und Hess die Commissärc, welche von Paris
nach Sedan geschickt worden waren, um die Armee für die neuen
Verhältnisse zu gewinnen, verhaften, ln Paris, wo die neuen Macht-
haber das Treiben dieses Generals schon seit einiger Zeit mit Jliss-
trauen betrachteten, ward er jetzt directe des Verrathes beschuldigt
und neue Commissärc wurden nach Sedan entsendet, um die
Autorität der National-Versammluug wiederherzustellen. Auch
wurden alle Mittel angewendet, um Generale und Truppen für
das neue Regierungs-System zu gewinnen und zum grossen Theilc
blieben diese Bemühungen auch nicht ohne Erfolg. Als Lafayette
mit seinem Stabe am 15. August auf der Ebene von Sedan erschien,
um den Eid filr die Constitution erneuern zu lassen, wurde er
nicht mehr mit jener Freudigkeit bewillkommt. die ihm sonst
immer entgegengebracht worden war und ein Theil der Truppen
gab offen zu erkennen, dass ihre Sympathieen mehr der neuen
Regierung in Paris, als ihrem bisherigen Commandanten zugewendet
I) K. 1792; VIII, 80, .Seite 259.
») Ranke 291.
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80
Ilatisenblas.
seien. Lafayette, gegen den bereits ein Verhaftsbefehl ergangen
war, fühlte sich nicht mehr sicher, er verliess mit vielen gleich-
gesinnten Officieren die Armee am 19. August und flüchtete über
Bouillon auf österreichisches Gebiet, wo er bei Kochefort von den
kaiserlichen Vorposten angehalten und nach Namur gebracht wurde.
Da Lafayette von den Verbündeten stets als Gegner des legitimen
Princips und als Verbrecher an seinem König angesehen worden
war, wurde er nicht als Emigrant, sondern als Staatsgefangener
behandelt und trotz seines Protestes in Antwerpen interniert. *)
Die Stilrkc der Ardennen - Armee betrug bei der Flucht
Lafayette’s circa 15^ — 20.000 Mann, welche in dem Raume zwischen
Carignan, Sedan und Mouzon vertheilt waren.
Auch Luckner war während dieser ganzen Zeit unthätig ge-
blieben. Am 23. August zog er die in Fontoy stehenden Truppen
an sich und marschierte bis hinter Metz, jedoch nur, um bei Frcscati
neuerdings ein Lager zu beziehen.®)
Während der Bcschicssuug von Longwy hatte sich der Marsch
der zurückgebbebenen Corps der Verbündeten wie folgt gestaltet:
Die Hessen überschritten am 1(5. August bei Goarshausen
den Rhein und marschierten über Simmem und Hirschfeld nach
Trier, wo sie am 21. eintrafen, am 22. bezogen sic das Lager von
Tawern und Fellerich, daselbst mehrere Tage stehen bleibend.
General Kühler war am 18. aus der Stellung von Tawern
über Graevcnmachcrn nach Stadtbredimus und am 19. August
nach Rcmich marschiert, woselbst er bis zu dem am 26. erfolgten
Eintreffen Hohonlohe’s verblieb.
Die Emigranten rückten am 18. August von Conz nach Graeven-
raachem, am 19. nach Stadtbredimus, wo sie gleichfalls das Ein-
treffen Hohenlohe’s abwarten sollten.
Es standen somit am 26. August: *)
Preussen:
General Kühler bei Rcmich (linkes Mosel-Ufer),
Haupt-Armee bei Longwy.
M K. A. 1792; VIH, Ü5>/.. 10»), 107, 111, 124.
*) K. A. 1792; Vlll, 12».
K. A. 1792; A'lll, 128.
■*) Siebe Tafel XII.
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Ossterreich im Kriege gegen die t'rnnzösisch«! Revolution I7U2.
81
Oesterreicher:
C'lerfayt vor Longwy,
Hohenlohe bei Remich (linkes Mosel-Ufer),
Erbach bei Lingenfeld.
Hessen; bei Tawern.
Emigranten :
Die Bruder des Königs bei Stadtbredimus,
Corps Bourbon’s bei Iluy (nicht operationsbereit).
Franzosen:
Luckner bei Metz,
Ardenncn-Armee bei Sedan,
Kellerniann hinter der Lauter.
Durch die Einnahme von Longwy, sowie durch die Besetzung
von Kodemachern und Sierck hatte die Armee der Verbündeten
aut' französischem Gebiete Fuss gefasst. Der Marsch Hohenlohe’s
an die Mosel war vom Gegner ganz unbelilstigt erfolgt und der
Feldzeugmcister deckte durch sein Fhntreffen in der Gegend von
Remich die Verbindungen der Haupt-Armee gegen etwaige Vor-
stüsse Luckner’ s. Gelangten die Hessen und Emigranten an die
untere Saar, beziehungsweise an die Mosel, so konnte diese Siche-
rung ihnen übertragen werden und Hohenlohe ward für weitere
Offensiv-Operationen verfügbar. Jedenfalls hatten die gesammten
zu der Invasion bestimmten Corps der Verbündeten den Einmarsch
ohne Kampf bewirkt.
Von Seite der beiden französischen Generale war eine Ver-
einigung ihrer Armeen überhaupt nicht angestrcl)t worden.
Lafayettc, mehr mit der Politik, als mit der Commando- Führung
l)eschäftigt, hatte nichts unternommen, um den Flankenmarsch
(.lerfayt’s zur Armee Braunschweig’s zu hindern. Und nun stand
die französische Ardennen - Armee führerlos nnd in einem nahe an
.Auflösung grenzenden Zustande kaum drei Märsche von der Haupt-
kraft der Verbündeten entfernt. Luckner wieder, ursprünglich ent-
schlossen, dem Gegner das Eindringen in Frankreich zu verwehren,
hatte, da auf eine Unterstützung durch Lafayettc nicht zu rechnen
war und er allein sich zu schwach fühlte, seine Stellung an der
Ome aufgegeben und war, wie gesagt, hinter Metz zurückgegangen.
MiUheilnQf^en deä k. und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge. Vll. 6
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82
Hansenblus.
Die von vorneherein i)cstandene riluinliehe Entfernung zwischen
den lieiden franzüsischen Armeen war somit eine nocli grössere ge-
worden und der Herzog von Braunschweig konnte sicli nicht ver-
anlasst finden von seinem ursprünglichen Plane, rasch gegen die
Jlaas vorzudringen, sich Verduns zu heniächtigen und die Trennung
hei dem Feinde hiedurch aufrecht zu erhalten, ahzugehen. Ahennals
war es ein geographischer Punct, welcher eine grössere Anziehungs-
kraft auf den Herzog ausUhte, als die feindliche Armee, deren
Inferiorität einen Sieg der verbündeten Waffen doch so wahrschein-
lich machen musste. Wohl kann nicht geläugnet werden, dass der
rasche Fall von Longwy, sowie diis Einverständniss mit dem
Festungs - Commandanten, dessen sich die Emigranten rühmten,
dem Herzog eine gewisse Berechtigung zu der Voraussetzung
gaben, dass auch Verdun seine Thore schon bei dem Erscheinen
der Verbündeten öft’nen werde, keinesfalls aber durfte mit Sicher-
heit auf diese Thatsache gezählt werden und leistete Verdun längeren
Widerstand, als dies später in Wirklichkeit geschah, so wäre den
Franzosen hieraus die Möglichkeit erwachsen, die Vertheidigung
gegen die Inva.sion schon an der ^laas statt eret hinter den
Argonneu zur Durchführung zu bringen.
Während des Vormarsches gegen Verdun sollte Clerfayt die
rechte Flanke decken und derselbe wurde angewiesen, nach Stenay
an die Maas zu rücken. ')
Zur Sicherung der linken Flanke wurde Hohenlohe bestimmt
und diesem der Auftrag ertheilt, zunächst einen „Versuch“ auf
Thionville zu machen. -) Um aus dem Einverständnisse der
Emigranten mit dem Festungs -Commandanteit, sowie aus ihrer
Vertrautheit mit den localen Verhältnissen Nutzen zu ziehen,
wurden dieselben angewiesen, über Boussy gegen Thionville zu
rücken.
Das hessische Uorps hatte der Haupt-Armee zu folgen und
durch eine Aufstellung in der Gegend von I..onguion und Marvillc
sowohl die Verbindung ('lerfayt’s, als Braunschwcig's mit Longwy
zu sichern.^)
•) K. .4. 1792; VIII. l.'H.
K. .\. 1792; VIII. 12H. ür.iuiiscliweij; an llohenlulie vom 25 . Aupnsl 1792.
•>) K. 1792; Vlll, 151,
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OestemMc'h im Kri«^c gegen die franzTisisehe Bevolntion 1792. 83
Das Detachement des preussischen Generals Köhler endlich
sollte von Remieh aus über Kodemaehern an die Onie streifen und
in dem Raume zwischen Mosel und Jlarnc aufklären.
Den im Lager zu Procourt (vor Longwy) gefassten Beschlüssen
entsprechend, nahm der Vormarsch der Verbündeten an die Maas
folgenden Verlauf ;
Die preussisehe Armee setzte sich am 29. August in Bewegung
und bezog an diesem Tage ein Lager zwischen Mangiennes und
Billy; am 30. erreichte sie Verdun, wo sich das Gros zwischen
Fleury und Grand-Bras, der Prinz von Hohenlohe-Ingelfingen bei
Bcllevillc aufstellte. General Kalkreuth mit 7 Bataillonen und
1.5 Escadrouen, ging am folgenden Tage bei Chaniy auf das linke
l'fer der Maas, um die Einscbliessung zu vollenden und bezog ein
Lager bei Marre.
Verdun liegt in einem weiten Kessel auf beiden Ufern der
Maas und wird von dieser in mehrere Abschnitte getheilt. Die
links.seitigen Höhen schieben einzelne Ausläufer bis auf 1200 Schritte
an die Citadcllc heran und gestatten dem Angi-eifcr, sich mit der
Anlage seiner Batterien der Stadt bis auf 1000 Schritte zu nähern.
Von den rechtsseitigen Höhen bei St. Michel ist die Stadt mit
allen ihren Werken zu übersehen, auch war von hier aus sowohl
die obere, als die untere Stadt mit Wurffeuer zu erreichen. Zudem
begünstigten die bis an die Festung heranreichenden Waldungen
die Annäherung. Die Befestigungen waren in schlechtem Zustande
und nur nothdürftig wieder hergestellt, auch reichten die bomben-
sicheren Räume zur Unterbringung der Munition und der Lebens-
mittel nicht aus.
Die Besatzung unter Uommando des Oberstlieutcnants Beau-
repaire zählte 3500 Mann und bestand aus -1 Nationalgarde-Batail-
lonen ') und einigen hundert Landleutcn, die aus der Umgebung
zur Vertheid igung herangezogen worden waren.
Der Platz, in der Nacht vom 1. auf den 2. September aus
mehreren Batterien beschossen, capitulierte schon am 2. September,
nachdem man der Garnison den freien Abzug bewilligt hatte. Der
') (Inuiuet 11, 6G. Hatailloiiv der l)e|wrtcm«nts de .Maine et lajire, de
r.tllier, de k t'harente-lnferienre und d'Enre et l,oir.
6 *
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Hau s«u blas.
Conimandant machte seinem Leben durch einen Pistolenschuss ein
Ende.
Die Vorhut der Preussen rückte hierauf nach Sivry-la-Perche,
die Armee selbst bezog am 5. September ein Lager bei Fi'ome-
reville, hier zunächst einige Tage verweilend.
Kalkreuth verblieb bei Marre.
Feldzeugmeister Clertayt erhielt während seines Aufenthaltes
vor Longwy noch die 3 Bataillone von Bender und Clerfayt als
Verstärkung,') Hess ein Detachement von 3 Ofticieren, 219 Älann
von Stuart, dann 1 OfHcier und 23 Artilleristen als Besatzung in
Longwy zurück und marschierte am 29. August über Longuion
nach Marville. „In den umliegenden Orten wurde das Landvolk
deSiirraiert, die Jlagazine und Fassen eingezogen und von dem
mitgenommenen viertägigen Fourage- Vorrath nichts verzehrt, sondern
fouragiert.“ Da der Train der schlechten Wege halber dem Corps
nicht rasch genug folgen konnte, so blieb derselbe am 30. August
in Jlarville und setzte, ein Bataillon (Jlert'ayt in diesem Orte zurück-
lassend, den Marsch am 31. nach Juvigny fort.
lieber die bei Sedan gestandenen französischen Trupjtcn
wusste man nur, dass ein Theil derselben seit einigen Tagen Ijei
!Mouzon stehe. Ganz unerwartet stiess die Vorhut Clerfayt’s am
31. August diesseits Baalon auf feindliche Vorposten, welche das
Dorf jedoch bei der Annäherung der kaiserlichen Chevauxlegeits
räumten und auf Stenay zurUckgiengen. Nachdem der Besitz des
dortigen Jlaas-Ueberganges für die Sicherung der rechten Flanke
der Preussen bei V(?rdun von grosser IVichtigkeit war und um
sich zu überzeugen, ob nicht etwa die ganze Ai’dcnnen-Annee im
Anmarsche auf Stenay begriffen sei, Hess Clerfayt das Grenadier-
Bataillon Barthodeisky, ein Bataillon von Mathesen und eine Division
Esterhäzy-Husaren aus dem Lager von Juvigny gegen Stenay vor-
rücken, wähnmd eine Escjjdron Coburg-Chcvauxlegers und die
Le Loup-Jäger die Höhen Jenseits Baidon (bei la .lardinette) Im?-
setzen. Bei Aunäherung der österreichischen Cavallerie zogen sich
die Franzosen auf das linke Maas-Ufer gegen Neuville und Hessen
') Diis Hatailloii lieiiOvr traf am :J4., 'hiü von t'Iorfayt am 25. Aiijuist vor
l.oiij:wy ein.
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Oustemifb ini Krii»ge gegen ilie fraii»isit»che Uevolution 1792.
85
nur eine Nachhut in Stenay zurück, aber auch diese rilumte die
Stadt hei dem Eintreffen der österreichischen Infanterie schon nach
den ersten Kanonenschüssen. Die Franzosen, ungefähr 2000 Mann
von den Truppen des Generals Dillon, giengen, durcli die kaiser-
lichen Husaren und Chevauxlegers einige Zeit verfolgt, noch an
demselben Tage über Beauinont nach Mouzon. „Die Stadt Stenay
steckte sogleich die weisse Fahne auf und die Municipalitüt ver-
fügte sich aus der Stadt, um ihre Unterwerfung anzuzeigen.“
Während dieser Zeit kam noch da.s 3. Bataillon Bender und noch
eine Escadron Husaren heran, welche als Besatzung in Stenay
belassen wm'den, während die übrigen Truppen nach Juvigny
zurückkehrten.
Zur „Sperrung des Weges von Montmedy nach Verdun und
Unterhaltung der V^erbindung mit Marville,“ blieb Generalmajor
5Ioitellc mit 2 Bataillonen von Slathesen und einer Escadron Husaren
in Juvigny, das Corps selbst aber brach am 1. September um
3 Uhr Nachmittags von dort auf und bezog bei Baalon, eine halbe
Stunde von Stenay ein Lager, in welchem Clerfayt die Tru])pen
bis 7. September stehen licss, nachdem er die Besatzung in Stenay
durch ein Bataillon Ulrich Kinsky verstärkt hatte.
Das hessische Corps war am 28. August aus dem Lager von
Tawern aufgebrochen und am 30. bei Lougwy eingetroffen, von
wo es seine Vorhut nach Longuion disponierte, um die Verbindung
mit Clerfayt herzustelleu. Am 5. September marschierten die Hessen
nach Longuion, am 6. nach Pillon, am 8. in ein Lager bei Grand-
Bras. Ein schwacher Posten wurde in Longuion zurückgelassen,
worauf die in Marville und Juvigny verbliebenen kaiserlichen
Detachements wieder zu ihrem Corps einrückten.
Feldzeugmeister Hohenlohe war vor Antritt seiner Bewegung
gegen Thionville von dem beabsichtigten Marsch Braunschtveig’s
an die Maas informiert worden ; ebenso wurden ihm die Bestim-
mungen bezüglich Clerfayt’s und der Hessen bekanntgegeben und
mitgetheilt, dass die Emigranten am 27. August nach Koussy
rücken und sich an der Expedition gegen Thionville zu betheiligen
haben würden. Schliesslich ward der Feldzeugmeister verständigt,
dass mit dem Conimandanten von Thionville, Wimpffen, Verhand-
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86
HaiiKenbla».
luiifren wegen der Uel)ergabe des Platzes eingeleitet worden seien.
Wiin[)ften, weleheni daran gelegen war, den Schein zu erwecken,
als sei er durch die Bürgerschaft zu der Capitulation gezwungen
gewesen, licss dem Herzog von Braunschweig folgende Vorschläge
zugehen :
1. Luckner, der hinter Metz stand, sollte von Thionville ab-
geschnitten werden,
2. die gedeekte hölzerne Brücke, welche Stadt und Fort
verband, müsste in Brand geschossen werden, um die Communi-
cation mit dem Fort, in dem sich die Lebensmittel befanden, zu
zerstören,
3. gegen das Fort auf dem rechten Mosel-Ufer wäre ein nächt-
licher Scheinangriff zu unternehmen, wobei Wimpffen dafür Sorge
tragen werde, dass sich die Besatzung nicht vertheidige,
4. die Capitulation müsse mit den Brüdern Ludwig XVI.
abgeschlossen werden.
Im preussiseben llaupt(iuartier wurden diese Bedingungen
angenommen und Hohenlohe die entsprechende Weisung gegeben.
Die kaiserlichen Truppen sollten bei Kichemont, die Orne vor der
Front, diese gegen Metz gerichtet, Stellung nehmen. Ein Detache-
ment von 3000 Mann, nebst den nöthigen Haubitzen sollte aut den
Höhen von Gentringen ‘) (Guentrongc) zurückgclassen werden
und habe den Versuch zu machen, die Brücke in Brand zu
schiessen, indess die königlichen Prinzen mit ihrer Infanterie auf
dem rechten ^losel-üfer einen Schein- Angriff gegen das Fort
unternähmen.
Die bei Remich befindliche Schiffbrücke war nach Königs-
m.-ichem zu schaffen um die Verbindung der durch die Mosel
getrennten Theile des Angreifers hcrzustellen. „Im Uebrigen bleibt
es Euer Durchlaucht überlassen, wie Sic diesen Versuch in Scene
setzen wollen“, heisst es in dieser Instruction, nachdem Hohenlohe
noch angedeutet worden war, dass man die Absicht habe, sein
Corps nach Verdun zu ziehen, falls Thionville seine Thore bis
zum 31. August nicht geöffnet haben sollte.*)
Der Feldzeugmeistcr brach am 28. August von Remich auf
und marschierte au diesem Tage bis Rodemachern, am 29. August
ri .'^iefie TalVl X.
») K. 1702; VIII, 128, 151.
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Oejrtemich im Krieg-e Rejcen die fraiizosisehe Revolution 1702.
87
pcpcn Thionville. Feldniiirschall-Lieutenant Wallis mit 4 Bataillonen,
1 Division Croaten, 8 Eseadronen, 4 Haubitzen und einipen
12j)t'ündipen Kanonen’) blieb auf den Höhen von Gentringen
zurück. Der übrige Theil des Corps, 9 Baüiillone, 12 Escadronen
mit dom Hauptquartiere besetzte noch an demselben Tage die ihm
zugewiesene Stellung bei Riohemont.
Die Armee der Prinzen lagerte am linken Flügel des Feld-
inarschall-Lieutenants Wallis beilIettingen(Het;ingc), nur 2000 Mann
derselben waren gegenüber bei Königsmachern verblieben, um das
Eintreffen der Schiffbrücke von Kemich abzuwarten, Thionville
dann am rechten Ufer einznschliessen und den Scheinangriff gegen
da.*: Fort anszuführen. Die grosse Bagage und da.s Feldspital
wurden in Remich zurückgelassen, woselbst auch bedeutende
Verpflegsvorriithe angesammelt worden waren, aus denen das
Corps Hohenlohe für die niiehste Zeit seine Subsistenz zu beziehen
hatte. Die Zufuhr leitete Hauptiuaun Wimmer mit den in Remich
zurückgebliebenen Trappen - Proviantwagen. Gleichzeitig hatte
Hohenlohe auch einige schwere Geschütze von Longwy und
Luxemburg gegen Thionville in Jlarsch setzen lassen.-)
Thionville,*) einen starken Marsch von Metz entfernt, liegt
in einer kleinen Erweiterung des Mosel-Thalcs und ist von bewal-
deten Hügeln umgeben, welche auf dem rechten Ufer bis auf
Kanonenschussweite an die M'iille herantreten. Die Höhen des
linken Ufers treten gegen 2000 Schritte zurück, eigneten sich
flaher mit Rücksicht auf die geringe Tragweite der damaligen
Geschütze nicht zu Batterie - Stellungen. Die Festungswerke
befanden sich in gutem Stande, das Kronenwerk und ein Fort
auf dem rechten Fluss-Ufer beherrschten die Strassen von Saarlouis
und Trier und standen mit dem Platze durch eine gedeckte
hölzerne, auf Steinpfeilern ruhende Brilcke in Verbindung.
M bi‘id(*n Katailloiit* üpr Rppinieiitpr Staiii und Maiifredini. da.s DrajroiiPr-
KeKimt'iit Eh. .loseph und 2 Ksrndmupii WunnHt‘r-Husar*'ii.
*) Am 29. Anpu.*<t trat* Krxhpirn^r Carl vtjr Tbimiville ein, welidier <liirch
ein kaiserliches Handw’hreilK*n vnra 5. SejitemlaT zum tieiienil-Keldwachtmeister \
ernannt und zur wirklichen Dieuätlcistinij; l>ei dem (urps Hohenlohe eiuKcthcilt *
wurden. (H, K. R. 1792; IX, L.) ■
Sieht* Tafel X. ^
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88
II aiisenblns.
Die Entfernung der Höhen von Gentringen erwies sicli als
eine zu grosse, um das Feuer mit Aussicht auf Erfolg erüfliien zu
können. Es musste eine neue Batteriestellung ermittelt werden
und da auch die Schiffbrücke noch nicht bei Künigsmacherii ein-
getroffen, die Einschlicssung somit noch nicht beendet war, so
verzögerte sich der Beginn der Beschiessung Thionville’s um
einige Tage. Die französische Centrum-Armee stand indessen
unthätig bei Metz. Gerllchten zufolge sollte dieselbe nach Chälons
marseliiert sein, wiihrend andere Nachrichten dahin lauteten, dass
die Kliein-Annee unter Kellennanu sich mit Luckner vereinigt
habe. In Wirklichkeit hatten 11 Bataillone und 15 Escadronen,
ungefähr 8000 Mann,*) Befehl, aus dem Lager von Weissenburg
nach ^letz abzuriieken, w’oselbst sie am 5. September eintreffen
sollten. Luckner, welcher nun auch schon der stets argwöhnischen
N'ational-Versammlung verdächtig geworden war, wurde des Com-
mandos entsetzt 2) und einige Tage später mit dem Titel eines
Generalissimus nach Chälons gesendet, um die Organisation und
Ausbildung der dahin dirigierten Freiwilligen zu leiten. Auf diese
Thatsachen mochten jene Gerüchte zurückzuführen gewesen sein
und um wenigstens Uber Luckner sichere Nachrichten zu bekom-
men, erhielt Feldmarschall-Lieutcnant Prinz Waldeck den Befehl,
gegen Metz zu recognoscieren.
Der Prinz rückte mit 4 Escadronen Kinsky - Chevauxlegers,
2 Escadronen Wurmser-IIusaren und 3 Cavallerie-Geschützeu am
31. August auf der Strasse über Maizieres bis auf eine lialbe
Stunde von Jletz vor. Ein Infanterie-Bataillon war als Aufnahms-
posten bei Talingen (Talange) aufgestellt; eine Escadron Husaren
und 3 Compagnien Grenzer auf die alte Röniei'strasse Uber Sil-
vingen (Silvange) dirigiert worden, um sich bei Maizieres mit der
Haupttruppe des Prinzen zu vereinigen. Auf keiner der beiden
Mar.schlinicn war etwas vom Feinde zu sehen und erst bei dem
Schlosse Maison rouge stiess Waldeck’s Vorhut auf einen französi-
('liuqiu't T, 207. 2 (Jnnadier*. G Kationalpmlcn- mul 3 IJnien-Batnilloiu*.
fjowit* 5 ravallcTie-Kppinu'ntfr. welche (’nstine auf Befehl Binui’s aiw dem Baper
von Weis.senlmrfr nach Metz entsenden musste.
-) Die Alisctzuiij? wimle am 25. in Paris von Ser\*an der National-Ver-
Sammlung mitjrpthellt und schon am 27. traf der Nachfolp-r Luckner’s, (Jeneral
Kellennanu, in Metz ein.
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Oesterreich ini Kriege gegen die franziisische Revolution 1792.
89
sehen, aus 400 Mann Infanterie, 2 E.scadronen und ] Batterie
bestehenden Posten, mit tvelcbem sich ein kurzes Feuergefeclit
entspann. Wiihrend desselben konnten Patrouillen hinter Maison
roupe ein französisches Lager von 4 — 5000 Mann constatieren. und
aas den Aussagen von Gefangenen in Erfahrung bringen, dass
Kellennann mit ungetilhr 19.000 Mann hinter Metz auf den Höhen
von Montigny, in dem sogenannten Lager von Frescati zwischen
der Mosel und der Seille stehe. Bei Einbruch der Dunkelheit
kehrte Prinz Waldeck in das Lager von Richemont zurück. Die
liiags der Ome streifenden österreichischen Patrouillen hatten au
diesem Tage die Verbindung mit dem j)reussischen Detachement
Köhler bei Eix hergestellt, nachdein in Briey zu dem gleichen
Zwecke eine Chevauxlegers-Abtheilung postiert worden war.
Durch die Recognoseierung des Prinzen Waldeck wurde wohl
die Anwesenheit einer starken französischen Heeres-Abtheilung bei
Metz constatiert, doch schien der Zustand dieser Armee ein
solcher zu sein, dass man von derselben wenigstens vorläufig
kaum eine Offensiv-Operation erwarten durfte. Eine Störung des
Ünternehmens auf Thionville war somit von dieser Seite nicht zu
l)efUrchten und Hohenlohe gedachte, den Beginn der Beschiessung
umsomehr bis zu dem Eintreflen der aus Longwy erwarteten
schweren Geschütze zu verschieben, weil ein Näherrücken der auf
den Höhen von Gentringen postierten Feld- Artillerie nur unter
grossen Verlusten durchführbar gewesen wäre.
Am 3. September traf die Schiffbrücke von Remich bei
Königsmachem ein und Marschall de Castries überschritt mit
2000 Emigranten die Mosel, um die Abschliessung Thionville’s
durch eine Aufstellung auf den Höhen von Ober-Jeutz (Haute-
Yutz) zu vollenden. Eine österreichische Compagnie besetzte zur
Herstellung der Verbindung mit den Emigranten das nitchst
Thionville gelegene Dorf Beauregard. An demselben Tage über-
hrachte eine preussische Patrouille die Nachricht von dem Falle
Verdun’s. Auf den moralischen Fiindruck dieses Ereignisses
rechnend, w-ollte Hohenlohe mit der Beschies.sung Thionville’s nun-
mehr sofort beginnen und Hess derselben nur noch am 4. Sep-
tember die Aufforderung zur Uebergabe vorangchen. Sie war, dem
zwischen dem Herzog von Braunsclnveig und den französischen
Prinzen getroffenen Uebercinkominen entsprechend, von dem
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H a II s e n I) I a ü.
Grafen von Provence unterzeichnet und ergieng nicht iin Namen
der Ftefehlshuber der Verbündeten, sondern in jenem der Brüder
des Künigs. Sie wurde jedoch noch an demselben Tage mit der
Bemerkung zurückgewiesen, „dass man die allgemeine Lage Frank-
reichs nicht kenne, dass die Festung immer dem Gesetze, der
Nation und dem Könige treu geblieben sei und blos von den
bevollmäichtigten Distriets - Behörden Befehle entgcgennehine.*' '1
Man glaubte im Hauptquartier der Verbündeten diese ablehnende
Haltung dem Kinflusse des 103. „eines enragierten“ Regiments
zuschreiben zu sollen, welches in den letzten Tagen des August
aus Paris eingctrofiFcn war,-) doch dürften wohl mehr noch die
Agitationen des Jacobiner-Clubs dazu beigetragen haben, die Be-
völkerung gegen die Uebergabe zu stimmen. Eine zweite, am
5. September ergangene Aufforderung hatte denselben negativen
Erfolg. Nunmehr wurde in der Nacht zum 6. September mit dem
Bombardement begonnen, doch führte bei der geringen Tragweite
der nitchst der Capelle St. Anna zur Verwendung gelangten
12 Geschütze (sechs Haubitzen und sechs 12pfündige Kanonen)
auch dieses nicht zu dem erwünschten Resultate. Wohl gelang es,
die Geschütze bis auf 400 Schritte an das Glacis heranzubringen
und ihre Geschosse zündeten an einigen Stellen der Stadt; da die
Diicher aber in Folge anhaltender Regengüsse stark durchniissl
waren, fiel es der Bevölkerung nicht schwer, der Verbreitung des
Brandes Einhalt zu thun. Die Beschiessung hatte bereits eiue
Stunde gedauert, bevor das Feuer von den Willlen der Festung
erwidert wurde; jetzt ward dasselbe jedoch umso lebhafter und
nicht nur gegen die kaiserlichen B.atterien am linken Mosel-Ufer,
sondern auch gegen Marschall Castries gerichtet, der wegen des
verzögerten Transportes seiner (beschütze erst gegen Morgen in
den Kamjif eingreifeii konnte. Das überlegene Feuer der Franzosen
iröthigte die. Kaiserlichen ihre Geschütze zurückzuziehen und auch
(,'astries musste wieder seine frühere Position bei (Jber-Jentz auf-
suchen.
Der erste Versuch, sich Thionville’s zu bemilchtigen, war
gescheitert. Wenu er den ( testerrcichern im Allgemeinen nur
’) K. A. 1792; XIII, 4. S. 32.
'^) ZeissIwrK, Kh. Tarl u. Prinz Hoh**iiio)ie-KinhiHTp, S. 25.
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Oesterreich im Kriepe pepen die französische Revulntion 1792. 91
geringe Opfer gekostet hatte, so war die ihnen durch die schwere
Verwundung des Feldmarschall-Lieutenants Waldeck zugefligte
Einbusse eine umso empfindlichere. Von persönlicher Bravour hin-
gerissen, war er bis auf das Glacis der Festung vorgeeilt, als ihm
durch eine Kanonenkugel der Arm zerschmettert wurde. Auch
Erzherzog Carl wohnte der Kanonade persönlich bei und bemühte
.sich in liebreicher Weise um die Verwundeten, die er reich
beschenkte.
Im Laufe des fi. September erfuhr Hohenlohe sowohl durch
die eigenen Patrouillen, als durch emigrierte Ottlciere, dass Keller-
mann, angeblich um Chälons-sur-Mame zu gewinnen, Uber Pont-
a-Moussoii abgezogen sei.
Nachdem der Fcldzeugmeister nicht im Stande war, mit den
vorhandenen ^Mitteln die Festung zu belagern, anderscit-s auch die
Befehle Braunschweig’s Uber eine eventuelle anderweitige Verwen-
dung der Corps abgewartet werden mussten, trat in dem Angriffe
gegen Thionville zunächst eine Unterbrechung ein. Der Herzog
hatte ja auch ursprünglich nur einen „Versuch“ gegen Thionville
geplant und dem Feldzeugineister schon vor der Ausführung
desselben augedeutet, dass dessen Corps an die Maas gezogen
werden solle, wenn die Festung nicht bis zum 31. August ihre
Thorc öffne.
„Bis ich von Euer Durchlaucht bestimmte weitere Befehle
erhalte“ schrieb Hohenlohe daher an Braunschweig, D „die sich
meiner Meinung nach entweder auf die Nothwendigkeit, Metz und
Thionville zu nehmen oder auf weitere Fortschritte ohne Ilüeksicht
auf diese beiden Orte gründen werden, lasse ich Alles auf dem
Geschehenen beruhen, um die eigentliche Bedeutung eines Ver-
suches nicht zu überschreiten und durch neue Anforderungen uns
nicht zu comprimittieren.“
„Soll Thionville genommen werden, so müsste ich in Stand
gesetzt werden, den Ort gehörig einzuschliessen und so zu
heschiessen, dass ich auf den MTngerungsfall bei der ersten Auf-
forderung, diejenigen Bedrohungen so man machen muss, ganz
in Erfüllung bringen könnte. Die Armee der französischen Prinzen
scheint zw'ar nach der angegebenen Zahl von 10.000 Mann zum
J) K. A. 1792; VUI. 51.
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Einschliessen vollkoinnion hinreichend, da aber ihre Beschaflenhcit
und Untliätifrkcit, auch M«ng'el an Allem, sie fast unbrauchbar
macht und da ich endlich selbst nur 13 Bataillone Infanterie bei
mir habe und Feldmarschall-Lieutenant Erbach, der Lauterburg
und Weissenburg beobachten muss, zu weit von mir entfernt steht,
um etwas von ihm heranziehen zu können, so müsste ich für
diesen Fall die Hilfe Euer Durchlaucht erbitten.“ Um jedoch für
alle Fülle vorbereitet zu sein, verfügte Hohenlohe einstweilen die
Zusammenstellung eines Belagerungs-Artillerie-Parkes, zu welchem
Longwy und Luxemburg das nöthige Materiale lieferten.
Die französischen Armeen hatten dem Vonnarsche der Verbün-
deten bisher keinen Widerstand entgegengesetzt. Die politischen Ver-
hältnisse in Frankreich mussten nothgedrungen die Operations-
ffthigkeit des Heeres nahezu lahmlegen. Noch immer gab es Com-
mandanten und Truppenkörper, aus deren Reihen die Jahrhunderte
hindurch erprobte Treue und Anhänglichkeit für das angestammte
und legitime Herrscherhaus nicht so gänzlich verbannt werden
konnte, wie es die Führer der Revolution gerne gesehen hätten;
dagegen fehlte es auch an solchen Generalen und Officieren
nicht, welche den Sympathien für die Revolution ihr Vorwärts-
kommen verdankten und die entschiedene Neigung zu erkennen
gaben, sich bei der ersten passenden Gelegenheit vollständig in
den Dienst der revolutionären Principien zu stellen.
Dass Subordination und Disciplin unter solchen Verhältnissen
in der schwersUm Weise erschüttert werden mussten, ist selbst-
verständlich, umsomehr, als die jxditischen Anschauungen nicht
allein im Officicrscorps weit auseinandergehende waren, sondern
auch die Jlannschaft den regsten Antheil an dem politischen Treiben
zu nehmen gelernt hatte. Darch die Ereignisse des 10. August
wurde die Zersetzung naturgemäss auf das Aeusserste gesteigert
und in dem Augenblicke, als der Einmarsch der Verbündeten auf
französisches Gebiet begann, war die Armee thatsächlich ihrer
Auflösung nahe. War doch selbst Lafayette am Ende seines
politischen Schaukelsystems angelangt und genöthigt, die von ihm
befehligte Armee zu verlassen ; die noch königlich gesinnten (Jfticiero
folgten ihm, zahlreiche Maunschafimi vcrliessen die Fahnen und
nicht um vieles anders sah es liei der Centrum-Armee aus ; ihr
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Oesti'ireich im Krieg« gegen die franziieieche lievuliitiun 1792. 93
Coiiiinandant hatte das Vertrauen der neuen Heg-ieruii" verloren,
seine Position wurde titfjlich unhaltbarer und endlich erfolgte seine
Enthebung.
Gleichwie aber die Gefangennahme des Königs zu einem
Wendepuncte in der politischen Geschichte Frankreichs wurde,
so hatte mit dem darauf erfolgten Ausscheiden der letzten königlich
gesinnten Elemente der Schwilchezustand der Armee seinen Ilöhe-
punct erreicht. Der volle Sieg der Kevolutions-Partei musste inso-
fern auch auf das Heer krilftigend einwirken, als eben statt des
bisherigen noch scheinbar cidgetreuen Heeres ein revolutionäres
entstand und in der Einheitlichkeit der Gesinnung vereint mit der
allenthalben mächtig zu Tage tretenden Energie und Thatkraft
neue Garantien geboten wurden, der Invasion kräftiger als bisher
entgegentreten zu können.
Der Wechsel, welcher sich in der zweiten Hälfte August in
den Armee-Commanden vollzog, brachte zwei Jlänner an die Spitze
des Heeres, welche sich, wenigstens äus.serlich, der neuen Ord-
nung der Dinge vollkommen angeschlos.sen hatten. Der eine von
ihnen, General Dumouricz war nicht nur ein geschickter Soldat,
der es verstand, das Vertrauen seiner Soldaten zu gewinnen,
sondern auch ein gewandter Politiker, welcher die Situation als-
bald erfasst hatte. Vielleicht weniger der eigenen Ueberzeugung,
als dem Bestreben folgend, aus der momentanen politischen
Strömung den grösstmöglichsten Vortheil für sich zu ziehen, gelang
es Dumouricz meisterhalt, die Kollo des „ersten Generals der
Revolution“ zu spielen. Der Revolution nicht minder ergeben war
Kollermann und da sich in der Person des Kriegsministers Servan
den beiden neuen Armee-Commandanten ein Gesinnungsgenosse
anschloss, so war nun mit umsomehr Berechtigung eine einheitlichere
Leitung der Ope'rationen zu erwarten.
Als Dumouricz wenige Tage nach den Ereignissen des
10. August zum Commandanten der gesammlen Streitkräfte zwischen
Dünkirchen und Jlontmedy ernannt wurde, stand das Gros der
Nord-Armee in den Lagern von Mauldc, Maubeuge, Pont-sur-
Sambre, während die ehemalige Ardennen - Armee um Sedan
gruppiert, die Centrum-Armee aber im Begriflc war, auf Metz
zurUckzugehen. Die Preussen und das Corps Clerfayt traten eben
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94
Hausen blas.
den Vormarsch gegen Longwy an, dit? anderen Corps der Ver-
bündeten standen noch weit rUckwUrts.
Die Kntfernung von Sedan bis Metz beträgt 120 km und
konnte einer raschen Vereinigung der beiden französischen Armeen
gewiss nicht förderlich sein, doch hätte dieselbe etwa in der
Gegend von Verdun immerhin rechtzeitig bewirkt werden können,
da die Preussen noch etwa 90A-m von der Maas entfernt waren
und zudem mit dem Zeitverluste vor Longwy reclinen mussten.
Jede Verzögerung des Vormarsches der Alliierten musste aber umso-
mehr zu Gunsten der Franzosen in die Wagschale fallen, als sie
diesen die Möglichkeit bot, auch die au der Nordgrenze entbehr-
lichen Truppen und sonstige Verstärkungen heranzuziehen. Zu alle-
dem wäre allerdings eine energische centrale Leitung nothwendig
gewesen und an einer solchen fehlte es trotz dem Commandowechsel
noch immer. Wohl lag dieselbe nach dem Sturze des König-
thuras ausschliesslich in den Händen des Kriegsministers; doch
entbehrte Servan zu sehr der Autorität, um seine Ansicht den rangs-
älteren Armee-Coramandanten, namentlich Dumouriez gegenüber,
zur Geltung zu bringen. Gerade in dem Momente, wo cs sich
darum gehandelt hätte, die grösste Thätigkeit zu entfalten, ent-
standen Meinungs- Verschiedenheiten bezüglich der wirksamsten
Weise, die Invasion zu bekämpfen und durch diese Controversen
giengen kostbare Tage verloren. Wenn die Franzosen den Eriölg
später doch noch an ihre Fahnen zu fesseln wussten, so hatten
sie dies den Fehlern der Verbündeten, keineswegs der zielbewussten
eigenen Führung zuzuschreiben.
Zunächst waren die Ansichten über die Verwendung der fran-
zösischen Armeen getheilt. Dumouriez, durch die grosse Aus-
dehnung seines Commaudo-Bereiches an die .Spitze einer bedeutenden
Kraft gestellt, hielt den Zeitpunct für gekommen, seine IJeblings-
idee, die Eroberung der Niederlande, ausfUhren zu können und
beschäftigte sich ernstlich mit diesem Plane. Das Corps bei Sedan
im V’ereine mit der Centrum-Armee bei Metz und den sich bei
Chälons sammelnden Neuformationen sollte die Invasion zum Stehen
bringen, während Dumouriez selbst die Vereinigung starker Kräfte
bei \'alenciennes und von dort den Einfall in die Niederlande *)
niu(iu»*t II. 27. Nach Actcustuckcn iles fninzosischen Kriegs- Archivs.
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Oestfrreich im Kriege gegen die franziisisclie Revolution 1792. 95
beabsichtige. Er liess sich hiebei mehr von politischen, als von
militärischen Erwägungen leiten. Der Einfall einer französischen
Armee in die damals nur von wenigen Trujtpen besetzten Nieder-
lande werde, so rechnete Dumouriez, eine sofortige Trennung der
< lesterreicher von den Preussen herheiführen. Die crstcren würden
zur Deckung der Niederlande herbeieilen und die Preussen, durch
zahlreiche an den Verbindungen zurüekgela.ssene Detachements
ohnehin schon geschwächt, nicht im Stande sein, die Offensive
allein fortzusetzen. Der eventuelle Verlust einiger Festungen machte
Dumouriez wenig Sorge. „Was liegt daran,“ schrieb er an Servan,')
wenn der Feind sich der Festungen Longwy, Montmedy, Verdun
bemächtigt. Der Einmarsch in Belgien wird die ganze Kriegslage
zu unseren Gunsten ändern.“
W’enngleich dieser Plan vom militärischen Standpuncte aus
nicht uuljcdingt gutgeheissen werden kann, weil das nächste
Operations-Object für alle französischen Kräfte ja doch immer die
Invasions-Armee bleiben musste, so zeigt er doch, dass Dumouriez
die politischen W’rhältuisse bei seinen Gegnern genau übersah.
Das üstcrreichisch-preussische Bündniss war, wie er ganz richtig
vennuthete, keineswegs so gefestet, dass die Bedrohung der Sonder-
interessen des einen der Alliierten diesen nicht hätte veranlassen
können, die den gemeinsamen Zielen entsj»rechend eingegangenen
Verpflichtungen hinter jene zurücktreten zu lassen, welche die
eigene Sicherung geboten erscheinen liess. Auch musste Dumouriez
mit den moralischen Factoren der ihm unterstehenden Truppen
rechnen ; er hoffte den Geist derselben durch eine erfolgreiche
< tffensive neu zu beleben und scheute davor zurück, seine Soldaten
zur Vertheidigung der Maas, der Argonnen oder gar der Marne
zurückzuführen.
Der Kriegsminister konnte sich mit den Plänen Dumouriez’
nicht befreunden und hielt an dem Gedanken fest, dass zuerst die
Invasions-Annee geschlagen werden müsse, bevor an Eroberungen
zu denken sei. Allein trotz wiederholter Aufforderungen Servan’s,
sich an die Spitze des bei Sedan stehenden Corps zu stellen und
die Vereinigung mit der Centrum-Armee anzustreben, versuchte
Buraouriez alles Mögliche, um den Kriegsminister für seine Idee
>) (’hnqnet II, 27.
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9<i Ha URcn blas.
ZU j^ewiunen. Kr zögerte nicht nur, nach Sedan zu gehen, sondern
traf auch die mannigfaclisten Vorbereitungen zu dem Einfälle in
die Niederlande. Ans belgischen Freiwilligen sollte eine Vorhut
von (iÜOÜ Mann gebildet, aus den Mannschaften der aufgelösten
Schweizer - Regimenter und österreichischen Deserteurs 8 neue
Bataillone formiert werden und grosse Waffentransporte aus Holland
langten Uber Veranlassung Dumouriez’ mit der Bestimmung in
Dünkirchen ein, die Bevölkerung in den Niederlanden auszurilsten.
Er ernannte Moretan, Beunionville, Labourdounaye, Marasse und
( )’Moran zu General-Lieutenants, zahlreiche Oberste zu Generalen,
theils um die Thätigkeit seiner (Jfficiere anzuspornen, tbeils um
sich selbst beliebt zu machen. Das Commando der im Lager von
Maulde stehenden Truppen übertrug Dumouriez dem General-
Lieutenant Beumonville, jenes des bei Pont- sur- Sambre aufge-
stellten Corps dem General Duval. Dillon sollte den Befehl über
die ehemalige Ardenncn-Armee übernehmen, wurde jedoch der
National-Vcrsammlung verdiiehtigt und von Servan abgesetzt. Er
verblieb in Givet, bis Dumouriez, der sich für ihn verwendete,
seine Wiedereinsetzung bewirkt haben würde. Die Truppen
Lafayette’s eommandiertc einstweilen General Chazot.
Wilhrend Dumouriez in dieser Weise die Offensive nach
Belgien vorbereitete, hatten die Verbündeten sich Longwy’s be-
milchtigt und waren dadurch nun umso besser in der Lago, die
zwischen den französischen Ilecreskörpern bestehende Trennung
aufrecht erhalten zu können. Die Mahnungen des Kriegsministers
wurden in Folge dessen immer dringender. Endlich übergab Du-
mouriez das Commando der an der belgi.sch-französischen Grenze
stehenden Truppen an General-Lieutenant Labourdonnaye, verliess
am 27. August V^alenciennes und traf über Mezieres am 28. in
Sedan ein.
Es scheint, dass er zunilchst wirklich die Absicht hatte, den
Weisungen Servan’s zu entsprechen, denn schon am 29. August
concentriertc er die Ardennen- Armee näher bei Sedan und ertheilte
dem General Duval Befehl, mit den Truppen des Lagers von
Pont-sur-Sambre, etwa 6000 Slann, am 7. September in Cliene-
Populeux einzutreften, während Beumonville gleichzeitig angewiesen
wurde, mit seinem Corps von ungefiihr 8000 Jlann das Lager von
Maulde zu räumen, 3000 Mann aus Maubeuge an sieh zu ziehen
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Oesterreirli im Kriege gegen die l'raiiziisisi lie Revolution 1792.
97
und am 14. .September in Uhetel ein/.utreft'en. Aueli .sandte
Dumouriez den Artillerie Oberstlieutenaut Galbaud am 29. Aug-ust
mit 2 Bataillonen') zur Verstärkung nach Verdun ab; „um sein
Schicksal inniger mit jenem der Festung zu verknüpfen“ wurde
Galbaud bei diesem Anlasse zum General ernannt.
Der Zustand, in welcbem Dumouriez die ehemalige Ardenneii-
Armee traf, flösste ihm indessen geringes Vertrauen in ihre
Leistungsfilhigkeit ein und schien ihm wenig geeignet, sie ilcr
tüchtigen und disciplinierten Armee der Verbündeten entgegen zu
führen. Lebhafter als je fühlte er sich dadurch veranlasst, auf
seinen früheren Plan zurüekzukommeu ; bei der geringen Stiirke
der in Belgien stehenden kaiserlichen Streitkrilfte glaubte er dort
auch mit minderwerthigen Truppen auf Erfolge rechnen zu dürfen,
zumal die revolutionär erregte .Stimmung der Bevölkerung dem
Einfalle eine wesentliche Unterstützung in Aussicht stellte.*)
Noch am 29. August schrieb Dumouriez daher an Servan ;
„Verstärken Sie Kcllermann bei Metz, ziehen Sie starke Kräfte
bei Chälons zusammen, um die Uebergänge über die Marne zu
vertlieidigen und warten .Sie unsere Erfolge in Belgien ab.“ *)
Um den Kriegsininister seinen Ansichten geneigter zu nuichen
be.schloss Dumouriez, dieselben auch durch einen Kriegsrath zum
Ausdrucke bringen zu lassen. Dieser fand am 29. August statt
und die GL. Dillon und Chazot, die Generale Money, Mi.aczynski,
Duboui(uet und Vonillers, der Genie-ffberst Lafitte-Olavd und der
General-Adjutant Thouvenot wohnten demselben bei. Sie alle
stimmten darin überein, „dass cs nur ein Mittel gebe, Frankreich
zu retten und dies sei eine grosse Diversion gegen die Nieder-
lande. Der Gegner sei zu stark, um in der Front aufgehalten
%verdcn zu können, die Maas sei zwischen Verdun und Sten.iv
an 64 Stellen durchfurtbar, bilde somit kein Hindemiss und könne
vom Feinde zu beliebiger Zeit an jedem Orte überschritten
werden.“
„Es bleibe nichts übrig, als nach Zurücklassung starker
Garnisonen in Sedan und Montmedy den Krieg mit 40.000 Mann
nach Belgien zu tragen. Die Armee von Sedan müsse gegen Brüssel,
*) Inf.-Rcg. Nr. 17 iiml (l,is 2. liotaillun dos l)e|mrtonieiits .'saOne ot I,oirr.
*) t'huquet IJ, 31. Üumourioz uii Son-aii, 29. .tiiicust 1792.
*) ChiHiuct U, 32.
Mitthriluosen des k. und k. Kriegs-Archivs, heue Folge VII 7
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98
H a 11 s e II b 1 a s.
die Truppen des Lagers von Maulde, veinstärkt durch sämmtliehc
Freiwillige der Nord-Annce, gegen Tournay Vorgehen. Die Oester-
reicher würden sich sofort von den Preussen trennen und in die
Niederlande eilen, letztere nun auf ihre eigenen Kräfte angewiesen,
würden sich hüten, in das Innere Frankreichs vorzudringen.“
„Nur ein ( )ffensivkrieg könne das Selbstvertrauen der Armee
wieder erwecken, selbe mit neuen Hoffnungen beleben und trage
die Fluten des Krieges aus dem eigenen Lande in das des Gegners.
Wenn die Armee, die vielleicbt durch die Vorsicht gebotene rück-
gängige Bewegung antreten müsse, ■würde Unordnung und
Empörung einreissen und der geringste Misserfolg die Armee auf-
lösen. Der Armee fehle es an allen Bedürfnissen und diese könnten
nur in Belgien befriedigt werden.“*)
Mit diesem Beschlüsse wurde General Vonillers zum Kriegs-
minister nach Paris entsendet. Servan liess sich indessen auch da-
durch nicht umstimmen. Nach einer längeren Berathung mit
Vonillers, Grimoard und Lacuee setzte er der provisorischen Re-
gierung seine Ansichten auseinander und mit deren Genehmigung
schrieb er Dumouriez am 1. September-) „dass er den Offensiv- Plan
nicht billigen könne, es würden durch selben die Preussen .sich
in ihrem Vormärsche nicht aulbalten lassen, die Armee von Sedan
habe gegen die Argonnen und das Gebiet von Clermont zu
marschieren, um sich der Centrum-Armec zu nähern, beide Armeen
würden dann gemeinschaftlich das Land zwischen der Maas und
Marne zu vertheidigen haben, wahrend neue Kräfte im Kücken
zusammengezogen werden würden. Zeitgewinn sei zunächst anzn-
streben.“ Noch dringender lautete das Schreiben vom folgenden
Tage, als die Nachricht von der Einschliessung Verdun’s nach
Paris gelangte : ^)
•) t'hnqm't IJ. 33. 3-1. .■tn-li. de (ruerre. imices-veibal du eoiiseil de (ruerrede
2!l. aoiit. iJiese Uarstriliini; des anf tiniiid der .\rtensfüeke de.s fraiizüsisehen Kriefs
.^n-hivs pe.seliildcrten Verlaufes des KrieR.-inithes, welehc diireli -Vu.ssapen der.\upeu-
zen^eii lH-kräftiz1 wird, klingt allenliiips tiiiders, als sie Dmiiuuriez in seinen
Memoiren pibt. Dieser zufolge waren alle .Mitglieder des Krie^rathes einijt, da.ss
der itiiekznir hinter die Marne l'nrtiresrtzt wenleii müs.se und Dumouriez allein habe
für die VertheidipiuK der .ki’jronnen-Dü.sse ,der Themioiiylen Frankreiehs".
pesproehen.
*1 Chnquet II. 35.
’) (.'lini|Uet 11, 3*j.
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Ol sterrfioli iiii Krii‘gc pipi-ii ilii- fraiinisisclii" lii-vulution 179*2.
99
„Ich bitte 8ie ini Naiiioii des Vaterlandes, den durch die
rinstiinde gebotenen Plan anzunehmen. Führen Sie Ihre Armee
zwischen die Maas und die Marne, gehen Sie nach St. Mene-
hould, selbst bis Chälons zurück, trachten Sie die Aisne baldigst
zu überschreiten und sich hiedurch zu decken und umso sicherer
die Marne zu erreichen . . . Einmal hinter der Jlarne angelangt,
können Sie, wenn Sic auf Ihrem Plane noch immer beharren, das
Commando au einen General - Lieutenant übergeben und .sodann
Ihr Vorhaben gegen Hclgien ausführen.*'
Während Servan jedoch diese Instructionen an Dumouriez
erliess,- hatte der Letztere seinen Entschluss geilndert. Solange er
die Verbündeten unbeweglich vor Longwy glaubte, was noch am
2it. August der Fall war, da er ihren an diesem Tage begonnenen
Vormarsch noch nicht erfahren haben konnte, hielt Dumouriez an
dem Offensiv-Plane fest; als aber im Laufe des .30. und 31. August
Nachrichten einliefen, dass (Jlcrfayt gegen Stenay und Braun-
schweijg gegen Verdun vorrücke, reifte in ihm der Entschlus.s, die
Eroberung der Niederlande auf einen geeigneteren Zeitpunct zu ver-
schieben und sich dem Feinde directe vorzulegen. Dumouriez gieng
jetzt von der Annahme aus, der Gegner werde bei Stenay, dann
zwischen diesem Puncte und Verdun die Maas überschreiten, über
die „trouee d’Autry und Grand-Pre" nach Chälons-sur-Marnc und
von hier nach Paris rücken wollen. „Es wird daher nothwendig sein,
dem Feinde zuvorzukommen, man muss die Argonnen vertheidigen,
le (,'hcsne, Grand-Pr«'*, les Islettes und alle Wege, welche aus
Lothringen in ilie Champagne führen, besetzen und in diesen
Positionen Verstiirkungen aus Paris und die Armee Kellermann’s
erwarten“ „Ich kann weder die Bewegungen Clerfayt's
authalten, noch die Einschlie.ssung Verduns verhindern“, berichtete
er am 31. August an Servan.
„Um grosseres Unglück zu vermeiden, werde ich möglicher-
weise die Maas aufgeben und mich auf dem kürzesten Wege
über Grand-Pn* hinter die Aire begehen müssen, um die „trouee
von Autry“ vertheidigen zu können, während ein anderes Corps
die Pässe in der Gegend von Clermout vertheidigen wird.“
Die Armee Dumouriez’ hatte Ende .August folgende Zusam-
mensetzung: ')
') ('hui|ui;t 11,55. Niii'li eiiii-r diiir lraii*wisi.hfn Krifgii-.tr(.'liiv ■.'utnumimMini
Onln- de liutaillr.
7*
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H niistMi Ilias.
Cüinmandant: GL. Dumouriez.
Gcncralstabschct': General Vouillers.
General-Adjutant: GL. Tliouvenot.
Artillerie-Connuandant: GL. d'Haueest
Vorhut: (>L. Dillon.
(ifiifral-Adjutant : OlierstUHitHiiaiit (iol>ert.
Ein^cütheilt«* (ffiMTnl«: I^aiiiuniiiL Mnmy, Miayzynski.
K rei '( 'onipa^n [*• Ra iis<m iirt
Iiifaiit«*rie*Kt*pimi*nt Ni*. H «ml 8, a 1 Ikitaillon . . . .
Jä|E»*r-HataiIUm N'r, H nml 14
Hujtar«*ii-K4‘jrinjent N'r. 5 »m! 6, 3 Kscadnim*« . . . !
niasseiir-Ri'jrinuMit Nr. 3 iiml 12, ä 3 E>«'a<lron(*it ...
Zn.saiuimMi . I
Rechter Flügel: L<vnK«r.
(leneralf! IMetniaun, Stotimiioffe«, SiimRi'l.
Infa«terie-Ueg:iim*nt Nr. 17, M 43, 54. 55. 04, ti 1 Uaou.
8chweivs (’-avallfrio-Rrjrinu'nt Xr. 3, 7, 15. a 2 Escadr. , <
Husanm>Ri*pimi*nt Nr. 1 '
rhas.s<*ur-Re}riim‘nt Nr. 11
Zu.satttmt‘i] .
Linker Flügel: EL. Cliazot.
Eiii}i:»Timiltt* (iiMmmlit: Mininda «ml .MaMzrn. *
InfanU'rit-Regimfnt Nr. 2J». 71. 83. 98. fl9. ä I Haoii. , |
ravaUt*rif-Kv?rinji*nt Nr. 21, 23, a 2 Escadr. . |
Draponrr-Rvg'iim*«! Nr. 13
Husan*n-Re^iiimnt Nr. 2
<’has.sH»r*Rfffin« nt Nr. H
Zusammen .
Reserve:
(treuadier-Uatailloiii' 1
Drajroimr-Refriiimnt Nr. 2. 7 , IO, 12
Zus{uimieu . |
Nationalgarde*Batajllone. ji- 2 in eine itriji^adr vereint: |
de l'Ai.siie und de Rari.s \ j
de 1a Marne und de la Vienne . . 1 waren 7.nmei.Ht fiir
de la Marne und de In Sarthe ... I die Dauer
dt* la Meurthe tuid de Saöiie et I^iire^) l des Feldziijrcs den ;
de r.AlHer**) und de la t'liarente .
«Ii‘ la Sine iiifirieiire und de.s Vosges
des .\rdennes und de la Metirtlie
de la .Marne und dn Nnnl ....
einzelnen Linien- 1'
Regimenteni zu- ;|
i K^dlieilt
Zusamni'in . i
4' 0 1 a 1 e . I
M War naeli Venlun im Märst lie.
*) War naeli Venlun im Marsche.
*'*) In Verdun,
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1 Comp.
Ocstem*ioh im Kriepo p<‘p<*ii iHe iVanzösisrlie Kf'voltitinn 179:?. 101
Am :10. August stand hievon die Vorhut bei Mouzon,
i Bataillone waren unter (jalbaud auf dem Marsehc nach Verdun,
woselbst sich bereits ein zur Armee Dumouriez’ gehörendes National-
Garde-Bataillon befand, der Rest lagerte und eantonnierte theils bei
Sedan, theils bildete er die Garnisonen von Mezieres, Montmedy
und Sedan .selbst. Nach Abschlag der Festungsbesatzungen ver-
bliel»en zu dem Marsche in die Argonnen 25 Bataillone und
27 E.scadronen, ungefähr lO.OOit Mann, vertVigbar. Die t?orps
Duval und Beumonville sind hiebei nicht eingerechnet.
Für den Jlarscli nach Grand-Bre standen Dumouriez zwei
Wege zu Gebote. Der eine führte zuerst auf der Strasse nach
Kethel, dann selbe verlassend über le Chesne und Vouziers an
die Aire, der andere über Stonnes in die Gegend von Grand-
Bre. Der erste war der sicherere, aber weitere, der letztere wohl
viel kürzer, jedoch durch die gegen Stenay vorgehenden Oester-
reicher in der Flanke gefiihrdet. Ueberdies musste Dumouriez,
wenn er sich für denselben entschied, gewärtig sein, diiss C'lerfayt
und die Breussen ihm in der Besetzung der Argonnen-Uebergilnge,
denen die Verbündeten ja viel näher standen, zuvorkamen. Er
entschloss sich daher für den gefährlicheren, aber näheren Weg,
was auch dem Wesen dieses energischen und ehrgeizigen Führers
mehr entsprach. Zur Deckung seiner linken Flanke hatte General
Dillon mit den bei ^louzon stehenden Truppen zunächst nach
Stenay zu rticken und als stehende Flankendeckung den Ocster-
reichern den Uebergang auf das linke Maasufer solange zu ver-
wehren, bis die Hauptkraft bei Grand-Bre angelangt sein würde.
Der Marsch sollte in mehreren Colonnen und möglichst rasch
durchgeführt werden. Die Besetzung der Argonnen - Strasse von
la Chalade und les Islettes mussten einstweilen Freiwillige und
sesshafte Nationalgarden übernehmen. General Duval wurde ange-
wiesen, nach dem Eintreffen in le Chesne, den Marsch nach Autry
fortzusetzen, i) Die festen Blätze Montmedy, Sedan, Mezi»‘res sollten
sich halten, so gut es eben angleng.
Die Bewegungen Dumouriez' gestalteten sich nun wie folgt:
Dillon verzögerte den Abmarsch, weil er seine Truppen für
unfähig hielt, dein Gegner ernstlichen Widerstand zu leisten. Er
M Chnqnet II, 39.
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102
H a n s e D b 1 st s.
entsendete am 30. August blos 5 Escadronen und unfretabr
200 Mann Infanterie') unter General Miaezynski gegen Stenay und
blieb mit seinem Gros bei Mouzon stehen. Am 31. August schob
Dillon noch einige Escadronen (3. und 11. Chasseur - Regiment)
nach Stenay vor, mit denen er pereönlich in der Richtung auf
luvigny recognosciertc. Es kam an diesem Tage zum Gefechte mit
den Vortruppen Clerfayt’s, welches mit dem Rückzüge Dillon’s bis
Mouzon und der Besetzung Stenay's durch die Kaiserlichen endete.
Der Weg nach Grand-Pre stand den letzteren nun oflen, doch
blieb Clerfayt vorlilufig bei Stenay stehen, da ihm von Braun-
schweig nur die Erreichung dieses Punctes, sowie die Deckung
der Cernierung von Verdun gegen S<’“dan und Montmedy aufge-
tragen worden war.
Das Stillestchen Clerfayt’s kam Dumouriez zugute. (Jhne
Kenntniss von dem ungünstigen Ausgange des Gefechtes bei Stenay
war er am 1. September früh mit ungefähr 12.000 Mann aufge-
brochen und in der Absicht von Sedan nach Mouzon marschiert,
daselbst zu nilchtigcn. Die schwere Artillerie und die Trains blieben
in Sedan zurück und sollten auf einem weiter westlich gelegenen
Wege am niiehsten Tage nachrücken. General Chazot mit 2 bis.
3000 Mann war zur Deckung dieser Colonne bestimmt. Als
Dumouriez in Mouzon jedoch -seine Vorhut einholte und erfuhr,
dass die Oesterreicher Stenay besetzt hatten, marschierte er, Dillon
gegen Bcaumont vorschiebend, noch an demselben Tage in die
Gegend von Voneq.
Am 2. September rückte Dillon nach St. Fierremont,
Dumouriez nach la Berliere, Chazot kam nach la Neuville-k-Maire j
am 3. erreichte die linke Seitenhut Cornay und Marcq, die Ilaupt-
Colonne Beffu (bei Grand-Pre), ein Detachement derselben unter
General Stengel St. Juvin und die Trains trafen in Briquenay ein.
Am 4. September vereinigte Dumouriez lU Bataillone, 21 Es-
cadronen und einige leichte Truppen in einer Stellung am linken
Ufer der Aire mit dem rechten Flügel bei Marcq, dem Centruin
bei Chevicres, dem linken Flügel bei Grand-Pre, wohin auch das
Hauptquartier verlegt wurde. Der Artillerie-Park stand in Senuc.
Die Vorposten auf dem rechten Ufer der Aire waren in einem
*) Die Ftvi-t'iimiiafriiif Han.soniict uiiit tirena(tiiT-('om(iagnie.
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(l«sterrpif'h im Krippe pegeii ilie fninzösixelie Itevohitifin 1792. 103
grossen Bogen aufgcstcllt, der sich bei St. Juvin an den Fluss lehnte
und über Beffu, le Morthomnie bis an den Wald von Bourgognc
reichte. Die bei Beffu und Morthommc stehenden Abtheilungen
konnten im Falle eines Rückzuges die beiden Brücken bei Chevieres
benützen, während dem Posten in St. Juvin zwei Brücken bei
diesem Orte zur Verfügung standen. Ueber die im Rücken der Auf-
stellung Dumouriez’ fliessende Aisne führten zwei steinerne Ueber-
giinge bei Senuc und bei Grand-Ham. Ausserdem wurden 2 Ba-
taillone und 1 Escadron unter Oberst La Colomb ') zur Sicherung
der Strasse Buzancy-Vouziers nach la Croix-aux-Bois entsendet,
sowie ein Detachement aus Sedan nach le Chesne gezogen, welches
diesen Pnnct bis zum Eintreffen Duval’s festhalten sollte. Beide
Abtheilungen befestigten ihre Stellungen.
Dillon setzte am 4. September den Marsch in südlicher
Richtung mit dem Aufträge fort, die Uebergänge über die Ar-
gonnen zwischen V'ienne-le-Chäteau und Passavant zu sichern. Er
rückte über Varennes und la Chalade, Hess sich aber hier durch
die, zudem falsche Nachricht, dass die Preussen den Uebergang von
les Islettes schon besetzt hätten und im Vormarsch auf St. Mene-
hould seien, bestimmen, in nördlicher Richtung auszubiegen. Seine
Truppen erreichten spät abends Vienne-le-ChAteau, wo genächtigt
wurde. Am nächsten Tage wm'de Dillon seines Irrthums gewahr
und nun erst rückte er nach St. Menehould, wo er sich mit
Galbaud, der Verdun nicht mehr erreicht hatte, sowie mit der, eben
im Abzüge befindlichen Besatzung dieses Platzes (die 4 Nation.al-
garde - Bataillone Maine et Loii-e, Allier, Charente - Inferieure und
Eure et Loir) vereinigte.
Dillon nahm in Grange-aux-Bois Quartier und besetzte die
Argonnen-Uebergänge im Laufe des 5. September wie folgt; an
der Strasse St Menehould — Clermont, bei les Islettes, gegen Verdun
beobachtend, standen das 5. Husaren - Regiment und 200 Mann
Infanterie; die Feld-Bataillone der Infanterie-Regimenter Nr. 6, 8,
17, dann die Nationalgarde - Bataillone Nr. 1 Charente - Inferieure,
Nr. 5 Vogesen, sowie das 4. Grenadier - Bataillon, zusammen
6 Bataillone, welchen sich etwa 200 Freiwillige anschlosscn, be-
') Das Inf. -Rep. Nr. 71, das Nationalgardp-Hataillon Nr. 2 de la Meiise und
die 1. Escadron dc.s 2. Draponcr-Kegiment.s.
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104
II a II s e n b I a 8.
«•tztcn die sogenannte Cötc - de - Biesme, den liüchsten Punct an
der Strasse zwischen den Thiilem der Aisne und Biesme. Zur
Sicherung der linken Flanke wurde das von Galbaud schon am
4. September nach Florent (an der Strasse St. Menehould —
la Ghalade) vorgeschobene Nationalgarde - Bataillon Nr. 2 Satine
et Loire daselbst belassen, wilhrend zur Sicherung der rechten
das 9. Jilger-Bataillon da.s feste Schloss Keaulicu und das National-
garde-Bataillon Nr. 1 Eure et Loir Courupt besetzte. An dem
Südrande der Waldungen bei Passavant postierte Dillon unter Com-
mando des Obersten Fregeville das Bros seiner Cavallerie, die
Jäger - Regimenter zu Pferd Nr. 3, 11, 12 und das Husaren-
Regiment Nr. 6, mit der Aufgabe, über Bar - le - Duc die
Verbindung mit der aninarschierenden Armee Kellermann’s auf-
zusuchen und durch ausgedehnte Requisitionen ftir die Verjifle-
gung der eigenen Truppen Sorge zu tragen. Sämmtliche Brücken
über die Biesme wurden durch kleinere Abtheilnngen besetzt und
bei St. Menehould ein circa 500 Mann starkes Detachement postiert,
um den Rückzug über die Aisne zu sichern.
Die Verbindung mit den bei Chälons stehenden Truppen
Luckner’s ward durch eine freiwillige .läger - Compagnie und das
Nationalgarde- Bataillon Nr. 1 Maine et Loire vermittelt, welches
der Marschall nach Villers-en-Argonne und Chätriccs vorschob. ')
Der Ort les Islettes wurde in Vertlieidigungszustand gesetzt,
vor demselben einige Schanzen aufgeworfen und überdies zahlreiche
Verhaue angelegt, um das Vordringen des Feindes thunlichst zu
verzögern. Den Hauptwiderstand gedachte Dillon jedoch auf der
Cöte-de-Biesine zu leisten, wo er 25 Geschütze in Batterie brachte
und durch requirierte Arbeiter auch sonstige Verstärkungen her-
stcllen liess.
Die Armee Dumouriez’ hatte somit eine Aufstellung von über
(Wkm Ausdehnung bezogen und selbst ihre beiden Haupt-Gruppen
bei Grand-Pre und vorwärts St. Menehould waren einen starken
Tagemarsch voneinander getrennt. General Duval, welcher aus dem
Lager von Pont-sur-Sambre das Infanterie-Regiment Nr. 08 und das
Nationalgarde-Bataillon Nr. 2 de la Haute-Vienne, aus Dünkirchen
des Infanterie-Regiment Nr. 19 und 2 Escadronen des 3. Dragoner-
*) (’hmjuft I], 72, 73.
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Oestemioli im Kriege poRen die frani<«ische Revolution 1792. 105
Regiments, aus Valenciennes 4 Compagnien Belgier, endlich aus
Douai 200 Artilleristen an sich gezogen hatte, war mit diesem bei
:1000 Mann zählenden Corps am 7. September in le Chesne ein-
getroffen. Beumonville befand sich noch auf dem Marsche von
Maulde nach Kethel, welchen Punct er nicht vor dem 14. September
erreichen konnte.
Kellerraann hatte nach dem Eintreffen der ihm von der
Rhein - Armee unter General Muratel in den ersten Tagen des
Monats September zugekommenen Verstärkungen seine nun
22.000 Mann zählende Armee wie folgt gegliedert;')
Commandant: GL. Kellermann.
Generalstabschef: Zuerst General Rerthier, später General
Schauenburg.
General - Adjutanten : Oberstlieutenants Duvigneau und
d'Hedouville.
Artillerie-Commandant : Oberstlieutenant d’Aboville.
Vorhut in drei I)<‘tach»tinents gi*theilt iiml zwar:
1 ^
1 i
i-
p
St
Cr
%
1, Di« I>*giün KeUcrniuim unter (Vinimamln des OIktsI-
lientenants Salomon
2(V)
2. Detachement des Generals D^prez-rrassier mit Scherer
als (lenendstahschcf:
.läpcr-Bataillon Nr. 1
1
Grenadier-Bataillun Nr. 2
1
Husaren-Regimeiit Nr. 3
.
3
Dragoner-Regiment Nr. 4
•
2
Jäger-Regiment zu Pferd Nr. l
,
3
3. Detachement des Generals I.a Bandiere:
Grenadier- Bataillon Nr. 1
1
Jäger- Rogimonf zu Pfonl N'r. 8, 9, 10
•
1. Treffen: General Linch.
1 n f an teri e.
1. Brigade: Die !nfanterie-R*'gimenter Nr. 1, 22, 24, 81
4
2. , , , , Nr. 5, 44, 90, 102
4
('avallerie.
General Pully und Herzog von Chartres.
1. Brigade: Die (Kavallerie-Regimenter Nr, 8, 10 . . .
4
2. ., Die Dragoner-Regimenter Nr. 14, 17 . . .
4
') (’liDquet J, 207.
Digilized by C'
106
Hauspnblaa.
I
'
II. Treffen: Oeneral Miiratel. i
-
Escailr.
Die Infantme-Repriiiientfr Nr. 8, BD. !
3
, ■
Das Natjonalgurtle-Rataillnn Nr. 1 de Samie et I./oire
1
1 .
*■ f. ^ Nr. 2 de la Mosellt* . . . '
1
_
' • 1
Die C-avallerie-Refrimciiter Nr. 4, I
1 «1
Das Dragorier-Reicinieut Nr. 1 1
Reserve: GL. Valencc.
•
.
2 1
j 1
. 1
Infanteric-Repinieut Nr. B
1
1 I
4 Grenadier-Bataillone
4
^ - 1
1 Natiunal^ardu-Bataillon
1
Die (’arabiiiier-Repimenter Nr. 1, 2
1 8 1
Das ('avallerie-Regiment Nr. 17
Artillerie: Die Mannschaft des Natiunal^'arde-Hataillons Nr. 1
•
de rVoime wurde zum Artillerie-Dienst verwendet . . .
1
Totale .
35
4.J
Kellermann beabsichtigte <len Anschluss an Duinouriez Uber
Pont-ä-Mousson, ohne Toul zu berühren, in westlicher Richtung
zu suchen und setzte sich zu diesem Behufe in der Nacht vom
4. zum 5. September in Bewegung.
Vormarsch der Verbündeten über die Maas. Ereignisse
bis zur Kanonade von Valmy.
Während auf französischer Seite die so noth wendige Ver-
einigung beider Armeen endlich angebahnt wurde und Duinouriez
seinen Flankenmarsch zur Ausführung brachte, war bei den V'er-
bündeteu abermals ein Stillstand in den Operationen eingetreteu.
Mit dem Eintreffen der Hauptkraft vor Verdun war djis im
Opcrationsplane zunächst in Aussicht genommene geographische
Operations-Object allerdings erreicht, doch keiner der feindlichen
HeercskürjH-r geschlagen. Der Gegner hatte die zur Vereinigung
seiner Kräfte nothigen Bewegungen vielmehr Jetzt ci'st ernstlich be-
gonnen und nur durch die äusserste Raschheit konnte dieselbe
noch vereitelt werden Der Mangel einheitlicher Leitung, obwohl
diese nominell dem Herzoge von Braunschweig zugekommen wäre,
machte jedes entschiedene Vorgehen auf Seite der \^erbündeten
fast zur Unmöglichkeit. Mehr als früher giengen die Meinungen
über die Fortsetzung der ( tperationen jetzt auseinander. Schon in
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(»estcrrüirli im Kripfre die französistlie Ilcvoliition 17!eJ.
107
seinem Memoire hatte der Herzofr die Ansielit entwickelt, dass
nach dem Eintreflen an der Jlaas das Verhalten der französischen
Generale, Truppen und Einwohner bestimmend dafür sein werde,
ob sich der Weitermarsch auf Paris empfehle oder den Operationen
eine systematische Richtung zu geben und erst Montm^dy, Sedan,
Thionville, Mezieres zu nehmen seien, um dann Winter-Quartiere
zu beziehen und den Feldzug im nächsten Frühjahre fort-
zusetzeu. ') Die Haltung der französischen Truppen und Generale
hatte arge Täuschungen bereitet. Mit Ausnahme einzelner Re-
gimenter hatten sich die französischen Truppen der Revolution
völlig angeschlosseu und die sich von Tag zu Tag mehr consoli-
diereuden Nationalgarde-Bataillone bildeten einen Machtfactor, den
man nicht mehr ignorieren konnte; die Generale, welche den
.lacobinern zweifelhaft erschienen, waren nach und nach beseitigt
worden und auch die Bevölkerung bezeigte den Verbündeten gegen-
über fast durchwegs eine feindselige Haltung. Der „Versuch auf
Thionville“ war gescheitert und zur Sicherung der Verbindungen
mussten nicht nur Kräfte vor Thionville, sondern auch starke De-
tachements im Rhein-Thale zurückgelassen werden ; die ausschliess-
lich auf den Nachschub basierte Verpflegung hatte den Vormarsch
ungemein verzögert — brauchte man doch für das Zurücklegen
der 200 iv« langen Strecke von (Joblcnz bis Verdun, ohne irgend
eine Störung von Seite des Gegners, einen ganzen Monat — auch
die sanitären Verhältnisse begannen sich sehr ungünstig zu gestalten
und Krankheiten forderten mehr Opfer als die Gefechte. Alle diese
Umstände Hessen dem Herzoge von Braunsehweig eine Fortsetzung
der (tffensive unmöglich erscheinen.
Ganz anders urtheilte der im Hauptquartiere anwe.sende König
Friedrich Wilhelm II. Seine ritterliche Denkungsweise drängte alle
militärischen Bedenken in den Hintergrund. „Vor den Augen des
Königs schimmerte der Glanz eines vollendeten Triumphes, Paris,
das königliche Louvre, die Bildsäule Heinrichs, die dankerfüllte
Maria Antonia, die dankbaren Thränen im Auge Ludwigs sah der
König; der Herzog kalt, besonnen, berechnete die Unzulänglich-
keit der Mittel und verzweifelte an dem glücklichen Erfolge.“ *i
Siche V. Hand der Mittheiluiip'n, S. 17.
-) Musscnbach I. 49
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108
Iliiiisenblas,
Die Emigranten traten natürlicli in der lebhaftesUMi Weise
für die Anschauungen des Königs ein und auch in der Armee
lierrschte die Stimmung vor, „auf dem halben Wege müsse man
nicht stehen bleiben ; die französische Armee werde nirgends Stich
halten; der Marsch nach Paris müsse fortgesetzt werden.“')
Auch Fürst Hohenlohe schloss sich indessen der Ansicht des
Herzogs von Hraunschweig an und war gegen die Fortsetzung
der (_)ffensive. „Ich kann mich nicht enthalten“, schreibt Hohen-
lohe an Hraunschweig,") „alle Operationen nach vor'vUrts für
gefithrlich zu halten, wenn man nicht gewiss versichert ist, dass
dadurch Alles geendigt ist, vielnndir muss ich glauben, dass man
sich an die Miuis und Jlosel einschränkt durch einige Operationen
und wenn es nur die Einnahme von Saarlouis und Metz und die
Blockierung von Thionville sein könnte, noch soviel fester Fuss
gefasst werden kann, dass die Winter-Quartiere an und für sich
selbst und auch der Subsistenz wegen gesichert wären unil dass
also die zweite Campagne, der nunmehr schwerlich auszuweichen
sein wird, mit gro.ssen Vortheilen angefangen und mit jenen
geendigt werde, welche die Politik schon heuer hoffen mochte,
militärisch aber nicht eher als im künftigen .lahre erhofft werden
konnten.“
Die äusserste Grenze bis zu welcher Hohenlohe die Offensive
in diesem Jahre noch geführt wissen wollte, waren die Argonnen,
nach deren Wegnahme an die Eroberung der festen Plätze im
Kücken zu schreiten wäre.
Der Wille des Königs ward indessen zunächst entscheidend
für die Fortsetzung der ( fffensive über die ]k[uas und der Herzog
sah sich nun genöthigt, gegen .seine Ueberzciigung zu handeln
und eigentlich die Stelle eines Armee-Commandanten mit jener
<‘ines Generalstabs-Chefs zu vertau.schen.
■Mit anerkennensweither Selbstverleugnung unterwarf sich
Braunschweig dem königlichen Willen und traf die nöthigen An-
ordnungen um den Voi-marsch nach Möglichkeit lortzu.setzen. Der
Plan zu demselben reifte in der Zeit vom 6. bis 8. September
nach Massgabe, als Nachrichten über die Bewegungen der fran-
zösischen Armee cinliefen. Am Ö. September ertühr der Herzog,
') Mas.iciitmih I. 49.
*) K. .t. 1792; IX, 213.
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OestiTreich ini Kriejrc Sü'jtrii die tViin!!ijsiM( lu- Hcvi>lii(ioii 179'J. 109
dass Üumouriez ^von Stklaii weggezogon und sich zwischen Cler-
mont und St. Mencdiould postiert habe, um diese difticilo Passage
zu sperren“, wiilireud er von der Ccntruin-Annee vermuthete, dass
sic nach Chälons-sur-Marne marschiere und am 10. und 11. Sep-
tember daselbst eintrelleu werde.
Zunächst ward daher eine Coneentrierung der Armee bei
Verdun geplant und Hohenlohe zum Heranmarsch befohlen,
während gegen Thionville und Metz nur schwache Hcobaehtungs-
Detachements zurUekbleibon sollten.’) Am 7. September trafen
neue Xaehriehten ein; der directe Weg von Verdun nach Chälons
sei durch starke feindliche Kräfte gesperrt und „die Lucknersche
Armee vereinige sich mit jener Dumouriez’, um uns den Marsch
auf Chillons streitig zu machen.“
Zum erstenmale spricht nun der Herzog den Gedanken au.s,
die feindliche Stellung zu umgehen. Hohenlohe wurde zur Be-
schleunigung seines Marsches aufgefordert *) und am 8. September,
da der Herzog erfuhr, dass ein Theil der Khcin-Armee zu Keller-
mann gestossen sei, beschloss er, nun auch das Corps Erbach
hei anzuziehen. „Da jetzt Graf Erbach im Eisass wenig oder nichts
gegen sich haben wird“ heisst es in dem Schreiben au Hohen-
lohe®) „so würde cs für das Ganze von grossem und ent-
schiedenem Vortheil sein, wenn Eure Durchlaucht sein Corps
ganz oder zum Thcile an die Mosel heranzichen könnten, wodurch
man den Vortheil erhielte, die Garnisonen von Metz und Thion-
ville noch mehr in Schranken zu halten und ttir nächstkUnftige
Unternehmungen auf diese Plätze hinlänglich Kräfte zur Hand zu
haben.“ Auf Giund weiterer, an demselben Tage eingelaufener
Nachrichten, schrieb der Herzog über die Bewegungen der Fran-
zosen an Hohenlohe :
„Der General Dumouriez steht mit ÜT.OOO Mann in und
neben dem Walde von Argonne, Luekner (Kellermann) ist im
Begriffe, mit 30.000 Mann dazu zu stossen und aus dem Herzen
Frankreichs wird alles Mögliche herbeigezogon, um die Armee
zu verstärken. Es kommt daher Alles darauf an, die Zeit zu
*) K. A. 1792; fX. 35. Hraimsphwcijr an Hohenlohe. Vordnn, 6. Spptcinlter.
*) K. A. 1792; IX, 48. Bnumschwoi}: an Hohenluh»*, Verdun, 7. Septeinl>er.
K. A. 1792; IX, 59. Wnluii 5 l'hr NacUmiltap«.
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110
il ausenblas.
benützen, bevor der Feind Alles zu seiner Vertheidiguug und
vielleicht zu einem Angriff zusaininengebracht hat.“ *)
Die Möglichkeit einer feindlichen Offensive, sowie die Absicht,
die Stellung des Gegners zn umgehen, wurden nun bestimmend
für die Entschliessungen des Herzogs. Um einen Vorstoss der
Franzosen zu verhindern, sollte ein starkes Corps vor ihrer Front,
an der Strasse Verdun — Clermont stehen bleiben, die Hanptkraft
dagegen zur Umgehung des feindlichen linken Flügels, den man
in der Gegend von Grand-Pre vermuthete, verwendet werden.
Für die erste Aufgab»? war Hohenlohe mit dem hessischen Corps,
für die letztere die gesammte preussische Armee und das Corps
Clerlayt in Aussicht genommen. Die Sicherung der Verbindungen
war dem Corps Erbach, den Emigranten, sowie einem in Longuion
zu etablierenden Posten (2 — 3 Bataillone und etwas Cavallerie) zu
übertragen und in Verdun ein Haupt-Magazin einznrichten.
Die Durchführung die.ser Operation wurde in folgender Weise
geplant : *)
Hohenlohe sollte am 12. September bei Verdun cintreffen,
am 13. mit den Hessen vereint den Vonnai'sch gegen Clermont
antreten, von diesem Orte jedoch am rechten Ufer der Aire „ein
Lager nehmen, die im Walde postierten feindlichen Truppen hinter
dem Dorfe les Islettes sehr genau beobachten, den Feind be-
unruhigen, um wenn sich die Umgehungsbewegung tVihlbar machen
würde, davon Gebrauch zu machen »ind sich beim Rückzüge des
Feindes im Argonnen- Walde der grossen Chauss»‘e und des Waldes
bis St. Menehould zu bemeistern.“
Clerfayt und Kalkreuth (zusammen 20.000 Jfann) sollten die
Umgehungsbewegung einleiten, sich hiezu am 12. September in
der Gegend von Bri»]uenay vereinigen, am 13. oder 14. die Aisne
bei Vouziers überschreiten und sodann gegen den Rüeken und
die linke Flanke des Feindes wen»len.
Die Haupt-Armee hatte in zwei Colonnen vorzurUcken ; die
linke Colonne, GL. Prinz Hohenlohe-Ingeltingcn mit 14 Bataillonen,
30 Escadronen und starker Artillerie, von Sivry-la-Perche nach
Fleville marschieren, am 12. September daselbst cintreffen, „um
') K. A. 1792; IX. 59. Braunschwi-ic an Huliciiloln'. Wnlan. 9 l’hr .\ticnUs.
K, A. 1792; IX, 83. Braimschwfig an Hühuiilolic, 12. .S»?iitenil)cr 1792.
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OeKt^rreich im Kriepo (refra Jic französische Revolution 1792. 111
gleichfalls von der ersten rückgängigen Bewegung des Feindes
Gebrauch zu machen und ihn in seinen Rückzug zu drängen“ ;
die rechte Colonne, das Gros der preussischen Armee, sollte am
12. die Gegend von Landres erreichen „um sowohl den Erb-
prinzen von Hohenlohe-Ingelfingen erforderlichenfalls zu unter-
stützen, als auch über Boult den Corps Clerfayt und Kalkreuth
die Hand bieten zu können.“
Das vor Thionville stehende Emigranten-C'orps sollte nach
Dan an die Maas nachrUcken, General Kühler von Haudimont
über Verdun, Senoncourt, Chaumont gegen Bar-le-Duc Vorgehen
und die Bewegung der Armee Kellermann’s im Auge behalten.
Braunschweig theilte seine operativen Absichten jedoch nicht
allen Corps-Commandanten mit; er verständigte blos Hohenlohe
von denselben, während Clerfayt die Befehle „nur von einem
Tag zum anderen“ erhielt, ') so dass in den Bewegungen der
einzelnen Corps ein vollkommenes Zusammenwirken keineswegs
gewährleistet war.
Am 6. September, vor dem Beginnen der ersten Bewegungen,
standen die einzelnen Corps wie folgt:
Preussen:
Haupt-Armee im Lager von Fromereville,
Corps Kalkreuth im Lager von Marre,
V'orhut (Hohenlohe-Ingeltingen) im Lager von Sivry-la-Perehe,
General Kühler bei Haudimont.
Oesterreich er:
Clerfayt mit 7 Bataillonen, li'/g Compagnien, 11 Escadronen
im Lager von Baalon, mit 2 Bataillonen f3. Bender und ein
Bataillon Ulrich Kinsky) in Steuay, mit 2 Bataillonen Mathesen
und einer Eseadron Eszterhäzy- Husaren in Juvigny, einem Bataillon
Clerfayt, 2 Compagnien Vierset und 2 Compagnien Jäger in Mar-
ville, dann einem Detachement (von Stuart) in Longwy.
Hohenlohe vor Thionville.
Erbach in der Gegend von Speyer.
Hessen in Pillon mit dem Befehle, am 8. im Lager von
Grand-Bras bei Verdun einzutreffen.
Emigranten. Die Brüder des Königs vor Thionville,
Bourbon bei Marche aber noch immer nicht operationsbereit.
K. H. K. R. .-Veten 1792, IX, 9. Clerfayt au den Hufkriegsrath.
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HnuHenMas.
Hohenlohe Hess nur 7 liataillone und 6 h^scadronen, nebst dem
schweren Gepäck und der Reserve- Artillerie unter Feldmarschall-
Lieutenant Grafen Wallis vor Thionville zurück und bestimmte
(i Bataillone, 14 Kscadronen zum Abmärsche nach Verdun. Es
waren die.s:
Das Leib- und Obersten-Bataillon Carl t^ehröder (Nr. 7),
das Leib-Bataillon d’Alton (Nr. 15),
das 3. Bataillon de Vins (Nr. 37),
das Obersten-Bataillon Franz Kinsky (Nr. 47),
das Leib- Bataillon Joseph Colloredo (Nr. 57),
ü Eseadronen Kinsky-Chevauxlcfjers,
8 „ Wurmser-IIusaren,
nebst 3 Cavallerie-GeschUtzen und 2 Laufbrücken.
Bei diesen Trupjx'ii waren Feldmarschall-Lieutenant d’Alton
und die Generalmajore Lilien, Werneck und Kollonits eingetheilt ;
Erzherzog Carl schloss sich denselben an. Der Marsch wurde am
10. September angetreten und gieng unter fortwährenden Regen-
güssen auf der Verduner Strasse an diesem Tage bis Aubou6, wo
bivouakiert wurde. Den 1 1 . September konnte derselbe , der
ausserordentlich schlechten Wege und der ungünstigen Witterung
wegen nur bis Conflans fortgesetzt werden, obgleich der Abmarseh
bereits vor Tagesanbruch geschah und die Colonnc um 9 Uhr
Morgens in Conflans eintraf. „Das Lager war auf Stur/.äckcrn, wo
man auf der durchnässten Erde bis am Waden hereinfiel. Den
ganzen Tag und Nacht dauerte das Wetter; man kann sich also
aus diesem einen Begriff machen, was wir ausgestanden, die wir
keinen Fetzen von unserer Bag.age mithatten.“') Am 12. September
gelangte Hohenlohe nach Etain, wo er seine Truppen in Cantonne-
ments verlegte; am 13. überschritt er dann bei V’erdun die Maas
und rückte in strömendem Regen bei Marre in ein Lager.
Auch Hohenlohe-Kirchberg kl.agt in einem Berichte an den
Kaiser über die Beschwerden dieses Marsches : -) „Das Elend, was
die Truppen hiebei ausgestenden, übersteigt alle Begriffe ; durch
den anhaltenden ausserordentlich starken Regen, von Sturmwinden
') K. 1792; XIII. S4.
"l K. A.t (’abinets-.\cten 1792; lUilienlelie an den Kaiser, 7, vom 15.
tember 1792.
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Oi-sterrcicli im Kriege gegen die franzüsiwjie Kevulution 1792.
113
licgleitet, war Alles bis auf die Haut nass und der Weg so ver-
dorben, dass jeden Tag ein paar hundert »Schuhe auf der Strasse
liegen bleiben und die Leute barfuss gehen mussten und obgleich
nur die leichteste Hagage mitgenommen, so konnte auch diese
niemals den Truppen folgen.“ .... „Inzwischen zeigt sich doch,
d.ass die sogenannte proraenade militaire ä Paris weit schwerer
wird, als viele geglaubt haben und dass die Vorstellungen, die
ich oft diesfalls gewagt h.abe, nicht ungegrilndet waren. Mir
scheint, dass die Politik nur neben der Armee agieren könne, dass
diese also immer militärisch manövrieren müsse. Dass man dieses
aber gerade umgekehrt macht, verursacht mir eine unbeschreib-
liche Sorge vor dem Fall des Fehlschlagens.“
Während dieses Jlarsches hatte sich das (y'orps fast aus-
schliesslich durch Ke(|uisition und Kauf verpflegt. „Man bezahlte
Hrod und Mehl, für das Uebrige stellte man Quittungen im Namen
des Königs von Frankreich, zahlbar an dessen Cassen, aus.“ *)
Ara 14. September wurde der Marsch gegen die Argonnen
angetreten. Zwei Escadronen Wurmser-Husaren giengen zur Auf-
klärung nach Varennes vor und besetzten den Ort, das Corps
selbst bezog am rechten Aire-Ufer, auf den Anhöhen von 13ou-
reuilles, Neuvilly und Aubrcville ein ausgedehntes Lager mit dem
Haupt(|uartier in Neuvilly. Auf dem linken Flügel llohenlohe’s
bei Vraincourt lagerten die Hessen, welche am 11. September .aus
dem Lager von Grand-Bras aufgebrochen waren, an diesem und
dem folgenden Tage bei Fromercville genächtigt hatten und am
13. September gegen Clermont marschierten. Ein vorgeschobener
hessischer Posten in der Stärke von 4 Bataillonen, einigen .Fäger-
(’ompagnien und etwas Cavallerie, dem eine preussische Batterie
beigegeben ward, hatte Clermont und die anliegenden Höhen
besetzt.
Zur Sicherung der Verbindungen mit Verdun in der linken
Flanke wurden 2 Escadronen Wurmser-Husar<‘u unter Oberst-
lieutenant W.agcnheira bestimmt und in einzelnen Detachements
nach Auzeville, Harccourt, Villers-sous-Cousances, llampont und
Nixcville entsendet.
M 37.
umi 3) K. A. 1T92; IX zu I981i ans «h-ni Tapcliurh de.s Krzlier»»fr.'* Carl.
Ürfittheiluogen tlo k. and k. Krie^s-Arrfaiv«. Neue Fol^. VII. 8
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114
H a u s c n b 1 a s.
Durch diese Aufstellung Hohculohe’s und der Hessen war,
allerdings um einen Tag spilter, als Hraunseliweig beabsichtigte,
der Weg nach Verdun gegen eventuelle Vorstösse der Franzosen
verlegt und die sich mittlerweile vollziehende Umgehung in dieser
Richtung gesichert, deren Wirkung man nun einige Tage ahzu-
warten hatte.
Die eigentliche Uingehiingsbcwegung war durch Clert.ayt
eingcleitet worden, welcher bereits am 7. September um 12 Uhr
Mittags aus dem Lager von Jlaalon aufbrach und, nach Zurtick-
lassung des 3. Hataillons Bender in Stenay, nach Nouart und
Harricourt marschierte. Am 8. September musste Clerfayt nach
Komagne abriieken, um Dumouriez „auf den Gedanken zu bringen,
man wolle die Stellungen in den Argonnen in der Front angreifen
und weil C’lcrfayt in der Stellung bei Nouart zu viele .lalousie
aut den l’ass von la Croix-aux-Hois gegeben haben wilrde.“ * )
Hei Komagne rückte auch das in Juvigny zurückgebliebene
Detachement (2 H.ataillonc Mathe.sen und 1 E.scadron Esterhiizy-
Husaren) zum Corps ein, da der Posten in Marville durch
hessische Truppen abgelöst und nach Juvigny nachgerückt war.
Von Komagne konnte man die französische Aufstellung auf den
Höhen bei Grand-Pre deutlich wahrnehmen. -)
Au diesem Tuge traf auch GL. Kalkreuth mit 7 Bateillonen
und 15 Escadronen der preussischen Armee bei Komagne ein und
vereinigte sich mit Clertayt.
Der 9. und 10. September wurde durch Kecognoscierungen
gegen Grand-Pre ausgcfüllt. Cleidiiyt selbst gieng mit einer Escadron
Esterhazy-Husaren und einer Jilgcr-Compagnie in der erwilhnten
Kichtung vor; er schätzte die Stärke des Feindes auf 20 bis
23.000 ^lann.
Am 11. September 6 Uhr Früh brachen Clerfayt und Kalk-
reuth von Komagne auf und marschierten nach Nouart, wo die
Uesterroicher am rechten, die Preussen am linken Flügel, das am
7. innegehabte Lager abermals bezogen, lii Buzancy kam es zu
*) Masscnlmch I. f)8.
Diisp und die folgenden Anpabeii über das Corps (’lerfayt simi zumeist
dem Ojieratioiis-Jonrnal dieses (’oqis eiitnoinmeii. K. A. 1TU2; XUI, 3.
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Oesterreich ini Kriece (rcRcii die franrsisische Revolution 1792. 115
einem Gejtliinkel zwiscl^cn den beiderseitigen Vortruppen, in Foljce
dessen die Franzosen den Ort den Verbündeten überliesscn.
Am 12. September wurde der Marsch in zwei Colonncu
aus<rctUhrt, deren rechte die Truppen Clerfayt’s, die linke jene
Kalkreuth’s bildeten. Mit dem Feinde hatte man an diesem Ta<;c
bei Briquenay Fühlung gewonnen, wo cs zwischen der preussi-
schen, zum grössten Theil aus Cavallerie bestehenden Vorhut und
einem feindlichen, aus Infanterie und Cavallerie bestehenden
Detachement zu einem kleinen Gefechte kam, in tvelchem die
preussischen Jäger genüthigt wurden, den Ort Britjuenay zu
räumen. Der Feind gieng Abends jedoch in der Richtung auf
Morthomme zurück, worauf beide Corps zwischen Briquenay und
Boult-aux-Bois ein Lager bezogen. Der französische Oberst La
Colomb, welchem die Festhaltung des Defilec - Ausganges von
la Croix-aux-Bois anvertr.-iut worden war, hatte starke Verhaue an
der Strasse anlcgen, sowie die.selbc an einigen Buncten abgraben
lassen und hielt sich dadurch so sicher, dass er Dumouriez
berichtete, zur Erfüllung seiner Aufgabe genüge eine Hand voll
Leute. Er schlage daher vor, sein Detachement nach Grand-Pre
zu ziehen und die Festhaltung der Strasse dem in Vouziers
stehenden Nationalgarde-Bataillon Nr. 4 der Ardennen zu über-
tragen. Letzteres hatte einen Theil der Garnison von Longwy
gebildet, welchem nach der Capitulation vom 23. August, unter
Zurücklassung der Waflen der freie Abzug bewilligt worden war.
Dumouriez ging auf den Vorschlag des Obersten Colomb ein, gab
Befehl, das in Vouziers stehende Nationalgarde -Bataillon zu
bewaffnen und beauftragte dasselbe mit der Festhaltung des Wald-
defilees. Das Detachement La Colomb war noch am 11. September
unter Zurücklassung von 100 Mann bei Brie(uenay in die Stellung
nach Grand-Pre abgerückt, ohne das Eintreffen des National-
garde-Bataillons abzuwarten. Dieses hatte jedoch keine Waffen
erhalten und war in Vouziers gtiblieben. Clcrfayt schob nun
noch am 12. September einige JUger-Conipagnien bis Croix aux
Bois vor, welche sich bei so günstigen Umständen leichten Kaufes
und ohne nennenswerthen Widerstand zu finden, nach llinwcg-
niumung einiger Verhaue des .\usganges dieses Walddefilees, des
.Piisses von la Croix-aux-Bois“, bemächtigten. .\in 13. September
blit-ben beide Corps im Lager von Boult-aux-Bois. Das in Juvigny
zurückgelassene Bataillon Clerfayt rückte an diesem Tage ein.
8 *
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H a 11 s e n Vi 1 a H.
Dumouricz ertbeilte dem General (’hazot am 12. September
um 6 Ulir Abends den Befehl, mit 8 Bataillonen, 5 Escadroneu
und 12 Geschützen aus dem Lager von Grand-Pre nach Vouziers
zu rücken und die Oesterreicher wieder von la Croix-aux-Bois zu
vertreiben. Chazot kam nach einem zwölfstUndigeu Marsche am
13. September mit so ennüdeten Truppen in Vouziers an, dass
er den Angriff auf den nächsten Tag verschieben musste. Nach
dem (Jpcrations-Journalc Clerfayt’s nahm derselbe den folgenden
^’erlauf :
„Früh 6 Uhr attaquierte General Dumouriez (Chazot) mit
.0000 Mann unsere Jäger - Vorposten bei la Croix - aux - Bois,
welche anfangs rcpoussieret, durch den Soutien des Clerfayt’sehen
Bataillons mit seinen Kanonen aber, nebst den nachgerückten zwei
Bataillons von Stuart und einem von Kinsky und zwei Escadronen
Esterhazy-Husaren den Feind zur Ketraite zwangen, die solcher
bei Falaise und Vouziers Uber die Aire und ein Thcil über le
Chesne nahm. Bei dieser Afiaire kamen nur die Jäger und das
Clerfayt’sehe Bataillon in da.s Kleingewehr- und Kartätsehfeuer,
sowie auch die Husaren.“ „Das Feuer dauerte von (i bis 10 Uhr.
Gegen Ende der Action langten ."> Escadronen Eben’scher Husareu
von den Preussen zum Succurs ein, kamen aber nicht zum Ge-
fechte.“ „Das Clerfayt’sche Bataillon, nebst zwei Divisionen von
Hohenlohe und einer llivision Husaren, so täglich abgelö.st werden,
besetzten la Crmx-aux-Bois.“
Jtin Bataillon Stuart wurde nach Belleville vorgeschoben, da
sich schwächere feindliche Abtheilungen auch an dieser Seite gezeigt
hatten, nach dem Büekzuge (,’hazot’s jedoch wieder verschwanden.
Die ücsterreicher zählten 32 Todte, 6.5 Verwundete, 15 Ver-
mi,sste, unter den erstcren < (berst Prinz de Eigne, der bei einer
Atta(iue an der Spitze der Husaren von zwei feindlichen Kugeln
gefroflen vom Pferde sank. Der Feind Hess eine Kanone, mehrere
zerbrochene Munitionswageu und Lafetten auf dem Kampfplatze.
„Sein eigentlicher Verlust ist nicht bekannt, muss aber beträchtlich
gewesen sinn, da ein Bauer aussagte, da.ss er von dem einzigen
Bataillon <le Paris 40 Todte zu begraben geholfen habe.“
K. A. I7U2; XIII. 3: dann Clprfayt s an dt*n Hof-Krivgsratli.
H. K. K. Artvn 17‘J2; IX. ad 22 imd (Morfayt an den Hrrzo): von Sachseu-Tescheu.
K. A. 1TI>2: IX. 96.
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Oesterreich im Kriege Repen die franr-ösisehe Revolntion ITOi.
117
Während so Kalkreuth und Clerfayt die Uragehungsbewegung
begannen, brach das Gros der preussischen Armee aus den
Lagern von Fromereville auf, marschierte am 11. September nach
Malancourt, am 1 2. in das Lager von Landres ; die in Sivry-la-
Perche gestandene Vorhut, jetzt linke Seitenhut, 14 Bataillone und
30 Ese.adronen unter Prinz Hohenlohc-Ingelfingen gelangte an
diesen Tagen über Avocourt, Epinonville nach Sommerance und
detachierte nach Fleville, um die Aufuierksamkeit Dumouriez’ von
den Bewegungen Clerfayt’s und Kalkreuth’s abzulenkcn. In dieser
Stellung verblieb die Armee einige Tage.
Die von Thionville. herangezogenen Emigranten marschierten
am 11. September nach Aumetz, am 12. nach Spincourt, am 13.
nach Verdun, am 14. nach Dun, um von hier über le Chesne in
die Champagne zu rücken.
Ein Theil derselben war vorausgeeilt und hatte sich am
14. September gegen le Chesne gewendet, wurde jedoch von
Dubouquet abgewiesen.
Das zumeist aus Cavallerie bestehende Detachement Köhler
gieng über Verdun, Senoncourt nach Chaumont-sur-Aire, Hess als
Rückendeckung seine zwei Baüiillone, eine Batterie und zwei Es-
eadronen daselbst stehen und entsendete, um den Marsch Kellcrmann’s
zu beobachten, Detachements nach Bar-le-Duc, Ligny und St. Mihiel.
Am 14. September standen die einzelnen Theile der Ver-
bündeten wie folgt:
( testerreicher: Clerfayt bei Boult-aux-Bois mit Vorposten
in la Croix-aux-Bois, Hohenlohe bei Neuvilly, Wallis vor Thionville,
Erbach noch bei Speyer.
Preussen: Kalkreuth bei Boult-aux-Bois, Hohenlohe-Ingel-
tingen bei Sommerance, Köhler bei Chaumont-sur-Aire mit Nach-
richten-Detiichements gegen Bar-le-Duc, Ligny, St. Mihiel.
Hessen: bei Vraincourt und Clormont.
Emigranten: Brüder des Königs bei Dun, Bourbon noch
immer bei Marche.
Hohenlohe hatte sich auf Verdun basiert, woselbst unter dem
Commando des jjreussischen GL. Courbiere zwei preussische
Bataillone als Besatzung standen.
’) Die Bcwepmiprn der preii.'i.'iischen Annee .sind den Berichten des im
H,-ini>tqnartiere. Bniiiiisehweig's hefindliehen «sfemächiMlien Generalmajors Welsdi
entnommen. (H. K. R. .Acten 1V92; V, 2S e.)
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I{aus«^nblas.
Clerfftvt richtete sich Stcnay als Etaijcnstation ein; er
etablierte daselbst seine Bäckerei und Hess auch die aus Luxem-
burg kommenden Transporte dahin dirigieren, während die Abgänge
in Luxemburg durch Zuschübe aus ^«amur ergänzt wurden. Ein
Landes-Commissilr vermittelte die Sicherstellung der Vorräthe und
Vorspannwagen, sowie den V'erkehr mit den Civil-Behörden. ')
In der Zwischenzeit war der von Sedan in die Argonnen
marschierte Theil der Armee Dumouriez’ in jenen Stellungen
verblieben, die er am 4. und 5. September erreicht hatte. Duval
stand seit 7. in le Chesne, während Beurnonville seine Truppen
am 10. September in Avesnes concentriert hatte und am 13. mit
dem Befehle in Bethel eingetroffeu war, sich Aisne aufwärts mit
Dumouriez zu vereinigen. Die Heeresabtheilung Beurnonville’s
bestand aus 15 Bataillonen und 7 Escadron^n, zählte 10.000 iManu
und gliederte sich in zwei Divisionen. *)
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1. Division: <tL. IWumoiivilh*.
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Iniauterie-Rt*jrim<‘utt*r Nr. 56, 78 (aus dem Lajrcr von Maulde) . .
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Nationalj^arde'Batailluu Nr. 1 de la Seine-Interieure (hus St. Amand)
1
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„ Nr. I du la ^’em^ee j von Maulde)
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p ^ Nr. 1 de l'Aisne (aus Avesnes) ....
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« Nr. 1 des lieiix-Sevres (au.s Pont-s,-Saml>re)
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Ueljrische l^jrion
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Dnipiiior-Hijrimont Xr. ti (aus dom Lap-r vim Maiddo) ....
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Ziisuiiimeu .
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2. Division: (ient^ral Danipierre.
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Jntanterie-Rejrinn nt Nr. 45 (aus Landreeies)
1
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.lap-er-Iiataillon Nr. U/ (aus Ave.snes)
1
Nationalpanle-Iiataillou Nr. 3 de la Marne • • • 1
1
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.• Nr. J u. .’i de la Meurtlie . i aus dem
2
- - Nr. 4 de la Meuse . ^ Lajrer von
1
Draprouer-Keiriment Nr. 5 1 Fatmirs
2
Japer-Reciment zu Pferd Nr. 5 )
3
• /.usannnen
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Tot a Io .
15
7
lÜezu ‘200 Artilleristen (aus Omiai)
Summe .
10.
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Mann j
M K. lTit2; IX. (■.().
*) Cbuquvt 11. 154. navh cinvr ilrm fninzusischvn Krifirs-Arcliiv entnuuimeiu'ii
Hrtln» df Initaillc.
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Oesterreir li im Kriege gegen die franziieische Revidiitioii 17!)2.
119
Während Luckner bemüht war, die Orje.anisierung der Xeu-
iormationeii in Clnilons-sur-Marne nach Tliunliclikeit zu beschleu-
nigen, setzte Kellerraann den Marsch an die Marne fort.
Dtimouriez so wenig als Kcllcnnann verniochten in den
ersten Tagen des September aus dem Benehmen der Verbündeten
Schlüsse auf deren eigentliche Absichten zu ziehen. Das lange
Verweilen an der Maas nach der Wegnahme von Verdun glaubte
man zunilch.st dahin deuten zu sollen, dass die Verbündeten einst-
weilen nicht nach Paris vorzugehen, sondern zuerst Metz oder
St'dan zu nehmen beabsichtigten.
Der Umstand, dass der Herzog von Braunschweig keinen
Versuch gemacht hatte, sich der auf dem kürzesten Wege nach
Paris gelegenen Argonnen-Uebergünge zu bemächtigen, als die-
selben noch gar nicht besetzt waren, konnte diese Annahme nur
unterstützen. Kellermann marschierte daher im Einverständnisse
mit Dumouriez und Servan nur sehr langsam von der Maas west-
wärts, immer bereit nach ^[etz zurUckzukehren, falls sich die Ver-
bündeten gegen diesen Platz wenden würden. Dumouriez beab-
sichtigte in diesem Falle alle seine Kräfte mit Kellermann zu ver-
einigen und mit (iO.OOO Mann gegen Metz vorzugehen. Als aber
am 8. September die Naehrieht einlief, dass die Preussen die
31, aas überschritten und eine Vorhut nach Sivrv-la-Perche vor-
geschoben hätten, erachtete Dumouriez ihren Vormarsch auf Paris
wieder für wahrscheiidicher, glaubte jedoch nicht an eine Forcierung
der Argonnen ihrerseits, sondcni an deren Umgehung in südlicher
Richtung über Bar-le-Duc und 8t. Dizier, eine Vermuthung, die
durch das Vorschieben des Detachements Köhler nach Chaumont
sur Aire, sowie durch den Marsch Clerfayt’s von St(may nach
Romagne entstanden sein mochte. Dumouriez war so durchdrungen
von dieser Idee, dass er bereits Vorbereitungen traf, um in diu
Linie Bar-le-Duc — St. Dizier abzurücken. Er zog General Duval
am 10. September in das Lager von Grand - Pro und liess
le Chesne durch Truppen aus ,'sedan und Mezieres unter General
Dubouquet besetzen, ln der Stellung von Grand-Pre sollten nur
ti Bataillone und 7 Eseadronen verbleiben, d:us Gros aber die
Aire aufwärts marschieren, um die prcussische Xachhut, welchi^
I turaouriez gegenüber Ltillon vermuthete, anzugreifen. Dieser sollte
iitiiM) Mann in der Stellung bei (Jöte-dc-Biesmc zurücklassen, mit
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II a II s e n b I a 8.
dem Reste aber Uber Passavant ffegen Bar-Ie-Duc abmarschiereu.
Kellermami endlich hatte das Eintreflcn Dumouriez’ bei St. Dizier
zu erwarten.
In der Nacht vom 10. zum 11. September änderte der
französische Armee-Commandant jedoch seinen Entschluss aber-
mals, crliess au Dillon, Stengel und Kellermann Gegenbefehle
und schrieb Luckner, dass er bei Grand-Pre bleiben wolle, da
die Preussen gegen Grand-Pre oder Sedan marschieren zu wollen
schienen. Wahrscheinlich hatte Dumouriez von dem Abmarsehe
Kalkreuth’s in nördlicher Richtung Kenntniss erhalten.
An eine Umgehung seines linken ElUgels dachte er nicht,
denn noch am 11. September begab er sich, die Hauptkraft der
Preussen augenscheinlich noch immer bei V'erdun vermuthend,
nach St. Mcnchould, um die Aufstellung Dillons zu besichtigen.
Er war daher nicht wenig crst.aunt, bei seiner Rückkehr nach
Grand-Pre am 12. zu erfahren, dass Clerfayt sich des wichtigen
Punctes la Croix-aux-Rois bemächtigt habe. Einige am 11. und
12. September seitens der preussischen Vortruppen gegen Grand-
Pre ausgetllhrte Demonstrationen mochten mit dazu beigetragen
haben, die Aufmerksamkeit von den Rewegungen Clerfayt’s ab-
zulenkcn.
Inzwischen war die Centrum-Armee (Kellcrmannj am
4. Sejitember Abends aus dem I,ager bei Metz aufgebrochen und
hatte am 5. Toul') erreicht, wo sie am 6. verblieb. Am 7. wurde
zur Sicherung der rechten Flanke unter General La Raroliere
ein Seiten - Detachement in der Stärke von 1 Rataillon und
9 Escadroiien ’) nach Sampigny entsendet, der Marsch des
Gros aber bis Void fortgesetzt. Am H. wurde La Raroliere
nach Rar-le-Duc vorgeschoben, während Kellennann nach Ligny
rückte, wo er weitere Nachrichten über den Vormarsch Braun-
schweig’s .abwarten wollte, um seinen Marsch entweder nai-h
Ch.älons-sur- Marne fortzusetzen, oder das Eintretfen Luckner’s
abzuwarten, eventuell auch selbst zum Angriff zu schreiten. Die
Vorrückung des Detachements Köhler nach Chaumont - sur- Aire
bestärkte offenbar Kellcrmann in der Voraussetzung, das Braun-
Wahr»*n<l des I)iin-hmars4'1ies diinh INml-ä-Moiissuii erftdjrte die Ver»*ini-
ffiinp mit den tmter tJenerai Mnrattd v»m der Hhein-Arm»*<* heranjrerdhrten Tm])|M‘n.
*) Siehe Onlre de hataille der Armee Kel]eniiaiin'M.
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Oesferreich im KripRe (cegen die französische Hevnliition 1792. 121
schweig über Bar -le- Duc und Vitry-le-Fran^ais gegen Paris zu
marschieren heabsiclitige; er brach daher schon am 10. September
von Ligny auf und rückte nach St. Dizicr, um sich in
Chälons mit Luckner zu vereinigen. La Baroliere verblich in
Bar-le-Duc, um die Eclairierung gegen Köhler fortzusetzen. Als
er meldete, dass gegen Bar-le-Duc und Vaubccourt nur schwache
preussische IIusaren-Detachemcnts vprgegangen seien und Kellcr-
mann überdies erfuhr, dass sich hei Clermont ein grösseres feind-
liches Lager befinde, wurde er in seinen Entschliessungcn wieder
wankend. Er blieb nicht nur am 11. September in St. Dizicr
stehen, sondern marschierte, seine Hauptaufgabe, die Vereinigung
mit Dumouricz nicht beachtend, am 12. September sogar wieder
nach Bar-le-Duc, um den bei Clermont stehenden Gegner gemein-
schaftlich mit Dillen anzugreifen. Während Kellcrmann den
13. September zu Angriffsvoibereitungen gegen Clermont ver-
wendete, traf ein von 5 Uhr Früh datiertes Schreiben Duiuoriez’
bei ihm ein, in welchem der Verlust von la Croix-aux-Bois bekannt
gegeben wurde und Kellermann die Aufforderung erhielt, sich über
Beaucourt (bei Revigny am Ornain) mit der Ardennen-Armee zu
vereinigen.*) Der Commaudant der Centrum-Armee glaubte dieser
Weisung jedoch nicht nachkommen zu sollen. An dem Glauben
festhaltend, dass die Verbündeten nun alle ihre Kräfte gegen
Chälons in Marsch setzen würden,^) beschloss Kclleruiaun, seiner-
seits nach Vitry-le-Franyais an der Marne, zurückzugehen.
Die Franzosen standen daher am 14. September:
Armee Dumouriez:
Beurnonville in Rethel (oder südlich),
Chazot bei Vouziers,
Dubouquet marschierte in der Nacht vom 14. auf dem
L5. September nach Attigny,
Gros hei Grand-Pre,
Dillon auf der Cöte de-Biesme.
Armee Kellermann's am Marsche von Bar-le-Duc nach
nach Vitry le Fran^ais.’)
Cliiiqiiet n, 164. Duniuuriez an Kellemmiin, 13. Scplenilicr 1792.
-) Dillim, Comptf-remlu 24.
KKllermaim tr.if am 15. Se|i(cnib*T in Vifrv-lc-Fraiifais «in ; «t> er nucli
am 14. Nacbmittags oder am 15. Früh von Bar-le-Duc abmarsehierte, ist iiiibt
zu ersehen. Wahrscheinlieb ist, das.s er am 14. bis Revigny mul Semiaize, am 15.
nach Vitry rückte.
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Hansell blas.
Nacli dein misslungenen Versuche Chazot’s, am 14. September
sich des Postens von la Croix-aux-Rois wieder zu bemächtigen, war
die Lage Dumouriez' eine ziemlich kritische geworden. Im Lager
von Grand-Pre standen nur noch 15.000 Mann, Beurnonville mit
10.000 Jlann war in Kethel über 50 km entfernt, Dubouquet mit
0000 befand .sich auf dem Rückzüge auf Attigny und ob Chazot
mit seinen 5000 Mann von, Vouziers aus den Anschluss an das
Gros Dumouriez' noch ermöglichen werde, war keineswegs sicher.
Die llauptkraft der Verbündeten, nahe an 50.000 Mann
dagegen befand sich auf der etwa 15A»i langen Linie la Croix-aux-
Rois — Landres in unmittelbarer Kühe der Stellung von Graud-Pn-,
wilhrend Lbllon durch das Corps IIoheulohe-Kirchberg und die
Hessen nicht nur gebunden war, sondern jeden Augenblick mit
doppelter Ueberlegenhcit angegriffen und verdrängt werden konnte,
wodurch die Lage Dumouriez’ bei Grand-Pre noch mehr bedroht
erscheinen musste. Kellermann endlich befand sich am 14. Sep-
tember aut dem Mareche von Rar-le-Duc nach Vitrv-le-Fran«;ais
und entfernte sich dadurch stündlich mehr von Dumouriez. Auch
litt die französische Armee nicht minder durch Krankheiten als
jene der Verbündeten und ihre Situation war daher nach jeder
Richtung eine missliche geworden. Allein Dumouriez baute nur auf
sein Glück und die in den französischen Reihen sprichwörtlich
gewordene „deutsche Langsamkeit“. Er fasste den kühnen Plan,
nicht nach ChAlons zurückzugehen, sondern seine gesammtc Kraft
bei St. ^lenehould zu concentrieren, um von dort aus jede Be-
wegung Rraunschweig’s gegen Paris zu verhindern. Die Argonnen-
Uebergänge bei la Chalade und les I.slettes sollten besetzt bleiben,
um die eigene rechte Flanke und den Rücken zu sichern, sowie
die Trennung zwischen dem Gros Rraunschweig’s und dem Corps
llohcnlohe-Kirchberg aufrecht zu erhalten.')
Mit derselben Raschheit ging Dumouriez an die Ausführung
des nunmehr gefassten Entschlu.sscs. Beurnonville erhielt den
Dmmmrivz an Luckuer, 14.. 17. September, ('hinpiel II, 14H, 147.
Dnimmiii'z selb.st sehiblert .seine biipe mit den foljjenden Worten: ,,.Tainais rarmee
ne trrmvee «lan« une ]Htsition plus deses|Hree et jnitiui.'« p!*neral ne a'eii est
tiK’ plus pnimpteiiient, plus ripmreiisement et avee plus de Imnbeur.“ (Diiiiumrie*.
111. Soviel .SelbstlH*wiis.-<t.sein in die.*i»m kunu n Satze auch zum Anstlnick
^p'br.uht wird, es war nicht panz <*bne lU n*ebtipnnp.
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Oentcrrcich im KricR« Kogcn <li«' fraiizösist^ie Bcvohition 1792.
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Hcfelil, die Aisne aufwärts bis Attigny und von hier Uber
St. Hilairc-le-Petit und Suippc uusbiegeiid nach St. Jlenebould zu
rUckcn. Duboucjuet hatte sich Chazot anzuschliessen und wenn
dies nicht mehr möfclich, entweder nach Sedan oder Rethcl zu
gehen. Chazot wurde angewiesen, nocli am 14. September um
Mitternacht von Vouziers aufzubrechen und den Anscliluss an
Dumouriez entlang der Aisne Uber Vaux-les-Mouron zu suchen.
Endlich ergieng an Kellermann die nochmalige Aufforderung, rasch
zu ihm zu stossen, wobei Dumouriez sich auch an Luckner
wendete, damit dieser seinen ganzen Einfluss aufbiete, um
Kellemiann zu dem Marsche nach St. Menehould zu bewegen.
Dumouriez selbst beabsichtigte, mit den im Lager von Grand-
Pr<- befindlichen Truppen gleichfalls in der Nacht vom 14. zum
15. aufzubrechen und gegen den allgcmeiueu Sammelpunct ab-
zurUcken.
Wenn Dumouriez einen Theil seines Planes auf die lang.same
Kriegführung der Verbündeten gegründet hatto, sollte er sich hierin
nicht getäuscht haben. Dieselbe Schwerftllligkeit, welche bei der
Vorrückung der Alliirten vom Rhein an die M.aas zu Tage
getreten war, manifestierte sich jetzt auch bei der Umgehungs-
bewegung. Diese erfolgte so langsam und schlcpp<*nd, dass es
Dumouriez nicht nur leicht wurde, sich ihr zu entziehen, sondern
auch die durch häutigen Commandowechsel, Meinungsverschieden-
heiten der commandierenden Generale und Mangel einer einheit-
lichen Oberleitung so oft hinausgeschobene Concentrierung der
französischen Streitkräftc sich nun gewisscmiassen unter den Augen
der Verbündeten vollziehen konnte. Bezeichnend für die Ansichten,
welche im preussischen IIaupt<|uarticrc damals die herrschenden
gewesen zu sein scheinen, ist eine Stelle in den Memoiren Massen-
bach's.') Er schreibt: „Das Glücklichste, was sichereignen könnte,
meinte man, bestehe darin : wenn Dumouriez und Kellenuann ihre
starken Stellungen (bei Sedan und Metz) vcrla.ssen, sich ver-
einigen und sich der königlichen Armee in der Front entgegen-
stellen wollten. Träten diese Ereignisse ein, so gäben sie dem
fJenie des Feldherrn Gelegenheit, ein entscheidendes Manöver aus-
zuführen und durch die Kraft dieses Manövers mehr zu gewinnen,
als durch eine Schl.aeht gewonnen werden könne.'*
^ Matüspnbacli I. 55.
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124
II »nsenblii«.
Man verstand es so wenig, die Trennung bei dem Gegner
auszuniitzen, dass man dessen Vereinigung förmlich herbeiwUnselite
und als Nachriclifeu einliefcn, dass er eine solche beabsichtige,
ward die Stimmung in dem Haupt(|uartiere des Herzogs von
Braunschweig alsbald eine freudige : ,, Von diesem Augenblick an
erheiterten sich die Gesichter, auf welchen Gram und Kummer
nicht undeutliche Furchen einzudriieken aniiengen. Wir wurden
alle neubclebt und feuervoller war der Lauf des Blutes, weil man
mit einiger Hoffnung einer schönen Zukunft entgegensehen zu
können berechtigt zu sein glaubte und wie es schien, die ganze
Macht des Feindes mit einem Schlage zu Boden werfen wollte.“
Zunächst Hess jedoch nichts darauf schlicssen, dass man
gesinnt gewesen wäre, diesen Schlag auch wirklich sofort zu
führen. Trotzdem der Abzug Dumouriez’ schon am 15. h'rüh
bekannt wurde und im Laufe des Tages auch dessen Marsch-
richtung constiitiert werden konnte, blieb das Gros der preussisehen
Armee noch bis inclusive 17. im Lager bei Landres und auch
die übrigen Corps scheinen nicht einheitlich zur Verfolgung be-
fehligt worden zu sein.
Clerfayt dagegen schob am Iß. die Grenadier-Bataillone
Morzin und Barthodeisky, dann das Obersten- Bataillon Mathesen
und eine Division Eszterhiizy-Husaren nach la Croix-aux-Bois vor,
blieb mit den übrigen Truppen aber am 15., 16. und 17. Sep-
tember in dem Lager bei Boult-au.x-Bois stehen, ebenso Kalkreuth
bis 18. bei Longwe und Falaisc, wohin er am 15. gelangt war.
Die preussische Vorhut unter Ilohcnlohe-Ingclfingen brach am
15. Nachmittagsaus dem Lager bei Sommerance auf, marschierte nach
Grand-Pre und blieb hier zwei Tage unthätig. Nur eine Cavallerie-
Abtheilung von 1400 Husaren war am 15. Früh gegen die Aisne
vorgeschoben worden und daselbst auf die zurUckgehende Division
Chazot gestossen. Die Emigranten standen am 18. in Vouziers.
Dumouriez seinerseits hatte 5f»0 .Filger zu Pferd schon am
14. Nachmittags gegen die Stellungen Clerfayt’s und Kalkreuth’s
und ausserdem 6 Bataillone und 6 Escadronen mit einigen Ge-
■schützen in ilie Linie Terracs, Olizy und Bcaurejtaire Vorgehen
lassen, während der auf den Höhen von .Autry stehende Artillerie-
Park auf das linke .-\isne-Ufer geschafft wurde.
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Oeslerrfilh ini Kriege gegen die französische Hevolution 1792.
12B
Das Gros seiner bei Grand-Fre (Marcq und Cornay) lagernden
Truppen sollte in der Nacht vom 14. zum 15. auf brechen. Der
Abmarsch verzögerte sich in der finsteren und regnerischen Nacht
bis 3 Uhr Früh, erfolgte jedoch so geordnet, dass nm 8 Uhr Früh
das gesammtc Corps auf den Brücken von Senuc und Grand-Ham
die Aisne überschritten und sich auf den linksseitigen Höhen von
Autiy wieder vereinigt hatte. Hier liess Duinouriez die Truppen
zum Gefechte, Front nach Norden, aufmarschieren, um die tags-
vorher gegen Clerfayt und Kalkreuth vorgeschobenen Abthei-
lungen, welche nun die Nachhut bilden sollten, aufzunehmen. Er
selbst eilte nach Dommartin, wo er mit dem Corps zu nächtigen
gedachte, voraus.
Auch Chazot konnte am 15. September erst bei Tages-
anbruch von Vouziers abmarschieren ; unmittelbar vor dem Ein-
tritt in den Wald von Autry wurde er von jenen prcussischen
Hitsaren, die Hohenlohe-Ingelfingen am frühen Morgen an die
Aisne vorgeschickt, angegriften. Dieselben hatten die Richtung
über St. Juvin — Senuc genommen, fanden diesen Punct von der
französischen Nachhut besetzt, wichen über Tenues aus und durch-
f'urthetcn die Aisne bei Mouron, gerade in dem Augenblicke, als
Chazot an Montcheutin vorbeimarschierte. Dieser liess den Wald-
rand nächst der Strasse durch das 5. Grenadicr-BaUiillon und
4 Kanonen besetzen, das Jäger-Regiment zu Pferd Nr. 12 und
das Dragoner-Regiment Nr. 2 zur .\ttaque gegen die Husaren
entwickeln, das Gros der Infanterie jedoch weiter marschieren.
Die französische Cavallerie gieng anfangs in guter Ordnung gegen
ein an der Stnusse anrückendes i)rcussisches Cavallcrie-Regiment
vor; als sie sich jedoch durch das zweite preussische Regiment,
welches aus Montcheutin debouchierte, in der rechten Flanke
bedroht sah und überdies von einer ]>reussischen Cavallerie-
Batü-rie beschossen wurde, wandten sich zuerst die Dragoner zur
Flucht. Bald darauf folgten ihnen die Jäger zu Pferd, das an der
Waldlisiere aufgeslcllte Grenadier-Bataillon wurde mitgeris.sen und
die Unordnung im Walde naturgemUss noch vergrössert. Die
Artilleristen Hessen ihre Kanonen im Stich, die Fuhrleute hieben
die Stränge ab und bald willzte sich die ganze Division Chazot
als eine regellose Masse unter den steten Rufen ,,Non8 sommes
trahis, nous sommes eoupes“ in wilder Hast gegen Autry. Jener
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II iui s e n i> I a a.
TliPÜ des Gros, we.lclier von Autry noch nicht gegen Domniartin-
sous-IIans abgezogen war, schloss sich den Fluchtenden an und
schliesslich flohen mehr als 10.000 Mann vor 1400 Husaren. Nur
dem festen Auftreten der französischen Nachhut unter Duval und
Stengel gelang es endlich, dem Naehhaiien der preussi.sehen
Husaren ein Ziel zu setzen. ^Vilre dieser Erfolg auf Seite der
Verbündeten besser ausgenützt worden, so würde die Armee
Dumouriez’ vollstiindig aufgelöst worden sein. 8 Ofticiere und
275 Mann wurden gefangen, 1 Kanonen, 36 Fuhrwerke und die
französische Kriegscasse erbeutet. Mehr als 2000 Versprengte
eilten in grösseren und kleineren Haufen nach Rethel, Klieims,
Chälons, Vitrv-le-Franyais und verbreiteten allenthalben die grössten
Schreckensnachrichten.
Erst au der llionne gelang es dem persönlichen Eingreifen
Dumouriez’ und seines Stiibcs die fliehenden ^Massen zum Tlieile
wieder zu sammeln. Uuval und Stengel deckten den Rückzug
zuerst durch ihren Aufmarsch bei Cernay an der Dormoise, dann
durch eine Nachhutstcllung an der Tourbe. Dumouriez Hess die
Truppen auf dem linken Ufer der Bionne gegenüber von Doni-
martin- SOUS -Hans ein I.iager beziehen. Gegen Abend brach in-
dessen eine neue Panique aus, indem die noch durch die Ereig-
nisse des Vormittags aufgeregten Bataillone sich wieder bedroht
glaubten. Alles stürzte in wilder Hast über die Bionne und den
( Ifticieren gelang es nur mit !Mühe, einigerrnassen ordnend eiuzu-
greifen. Alle AValfen, bunt durcheinander, nilchtigten bei Dom-
martin-sous-Hans, theils rechts, theils links der Rionne und erst
am 16. September konnte Dumouriez die ’rnippen wieder ordnen
und in ein Lager zwischen St. Meuehould und Valmy führen.
Sein rechter Flügel stand auf den Höhen von ^laffrecourt, das
Centrura in Chaude- Fontaine, der linke Flügel lehnte sich an
die versumpfte Niederung der Auve. Die Vorhut unter General
Stengel besetzte Rraux-St. Cohierc und schob Abtheilungen bis an
die Tourbe vor. Ausserdem wurden auf dem rechten Ufer der
Aisne das Schloss von St. Thomas, ^’icnue-lc-Chäteau, Jloiremout,
la Neuville -au -Pont durch je ein Bataillon besetzt. Das Haupt-
quartier kam nach St. Jlenehould. Indessen hatte Dumouriez die
Ueberzeugung gewonnen, dass man mit einem so wenig discipli-
iiiertcn Jlateriale nicht wohl eine Fehkscldacht gegen die tüchtigen
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Ocstenvicli im Kriege gegen die französische Revolution 1792. 127
Truppen der A liierten wagen könne und diese Erkenntniss mag
nielit wenig dazu beigotragen haben, den französischen General
zu bestimmen, bald darauf Unterhandlungen mit dem preussisehen
Hauptquartier einzuleiten. Immerhin kam der Stillstand in den
Operationen der Verbündeten bis zum 18. September den Fran-
zosen wohl zu statten und sic konnten ihre solange unterbliebene
Vereinigung nun endlich bewerkstelligen.
Beurnonvüle war im Sinne des erhaltenen Befehles die Suippe
aufwärts marschiert, um nach St. Jlenehould zu gehingen und
liatte am Ifj. Sepb-mber .\uve erreicht. An diesem Tage bemerkte
er Colounen ini Al.arsche von Dommartin -sous - Hans in südöst-
licher Richtung; dieselben im Hinblicke auf die Ereignisse vom
15. September für Abtheilungen der preussisehen Armee haltend,
marschierte Beurnonville noch an demselben Tage nach Chälons,
wo er mit seinen durch die forcierten Aliirsche und das schlechte
Wetter arg mitgenommenen Truppen im Laufe der Nacht eintraf.
Gleichwohl n.ahm er, über iviederholtes Driingen Uumouricz’ den
Marsch schon am 18. wieder auf und kehrte, in Chälons durch
7 Bataillone Föderierter verstiirkt, an demselben Tage nach Auve
zurück, wo er sich am 19. September mit Uumouriez vereinigte.
Kellermann hatte den Befehl Dumouricz’ zu dem Vlarsche
nach St. Menehoidd, sowie ein Schreiben Luckner’s mit der gleichen
Weisung am 15. September in Vitry-le-Franeais erhalten. Er liess
seine Bagagen unter dem Schutze des Cavallerie-Regimcnts Nr. 19
und eines Nationalgarde-Bataillons in Vitrv, schickte den Brücken-
train nach Pogny, um sich dort einen Uebergang zu schaffen
und brach mit dem Gros der Centrum- Armee am 17. zunilchst
nach Fresne-sur-Moivre auf. Am 18. in Dampierre- le- Chateau,
war Keilermann nur noch 10 von Dumouriez entfernt. Die
Vereinigung Beider konnte somit damals für vollzogen angesehen
werden, da nur Dubouquet mit seinen 4 Bataillonen und 2 Es-
eadronen nach Chälons ausgewichen und daselbst verblieben war.
Allein auch die E'ranzosen hatten in Folge des elenden Wetters,
schlechter Bekleidung, mangelhafter Verpflegung und der vorher-
gegangenen Märsche arg gelitten und Krankheiten aller Art
wiuhcten in ihren Reihen. Ebenso liess ihr moralischer Zustand
viel zu wünschen übrig. Die wiederholten Pani(|uen am 15. Sep-
tember waren jedenfalls ein bedenkliches Symptom in Bezug auf
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128 Uaiisenblas.
das innere Gef(ige und die VViderstandsfilhigkeit. Die Verstärkungen
durch die in Chälons gesaiuincltcn mangelhaft ausgebildeten und
wenig disciplinicrten Neufonnationen konnten gewiss nicht zur
Kräftigung des gesunkenen moralischen Elementes beitragen.
Immerhin zählten die nunmehr vereinigten Nord- und Centrum-
Armeen 89 Bataillone und 98 Escadronen, gegen 50.000 Mann
und zwar:
Dil! Iiifanteria-Regiinenter Jir. 6, 8, 17, 19, 20, 43, 43, 54, 55, .36,
58, 68, 71, 78, 83, 94, 98, 99
18
.
die Jäg;pr-Hatjiillone Nr. 9, 10. 14
3
8 Grenadier-Bataillone
ö
die National^arde-Bataillone Nr. 1, 3 de Paris \
1
^ „ j, Nr. 1, 2, 3. 4 de lu Manie 1
„ ^ ^ Nr. 1, 2, 3, 5 de la Menrthe 1
j
^ „ Nr. 1 do PAisne, de la Seinc-lnferienre. t
1
de la Vienne, de la Sarthe. de la Vendee, de« Deux-Sevre#, )
:
de l Allier, de. la ('liarente • Inferieure, d’Eure et Loir, de 1
Maine et Loire; Nr. 2 liu Nord, de Saone et T^oire, de la 1
Meiirtc, de la Haute- Vienne; Nr, 3 de« Ardennos; Nr. 4 de la |
Menst*; Nr. 5 des Vosges und 7 Bataillone Fdderiertttr /
1
1
1
1
die (’avallerie-Kepiinenter Nr. 3, 7, 15, 21. 23
10 1
die Drapmer-Rejrimonter Nr. 2, 3, 5, 6. 7, lo, 12, 13 ....
16
die Japer-Repinienter zu l*ferd Nr. 3, 5, t5, 11, 12
, .
15
die lIiwareii-BepnienttT Nr. 1, 2, 5, 0
12 1
Zu-sammen .
i
53 1
die Armee Kellennann's nach der Ordre de hataüle von Ant'uugs
SeptemlM'r
25
43 '
Totale .
«9
t»6 ,
Von diesen Truppen standen 10 Bataillone*) und 15 Esca-
dronen unter Dillon noch immer in den am 5. September erreichten
Puncten in den Argonnen ; La Baroliere war mit 1 Bataillon und
9 Escadronen in Bar - Ic - Duc verblieben und hatte gegen die
Stellung llohenlohe’s und der Hessen zu streifen, während die
Legion Kelleniiann die Munitiouswagen-Fabrik in Sampigny gegen
die Husaren Köhler’s sichern sollte. 1 Bataillon und 2 Escadronen
waren zur Deckung der Trains der Centrum-Armee in Vitry ver-
blieben und Dubou<iuet endlich, der sich mit seinen 4 Bataillonen
und 2 Escadronen nach Chälons gewendet hatte, bildete nun den
') IticUisivo (los ciimliiniertfii Di'tachcnn'iit.ii in 8t. Mciieliould.
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Ostcrreifh im Kricpe (refren die französische Revolution 1792.
129
Kern fUr ein durch General Sparre aus Neufonnationen zu orfja-
nisierendes Corps. Ein zweites sollte General d’IIarville aus allen
noch in Rheims, Epernay und Soissons vorhandenen Truppen
aufstellen und an der Suippe bei l’ont-Faverger zusanimenziehen.
Während auf der Westseite der Argonnen die Vereinigung
der französischen Kräfte zur Durehlührung gelangte, hatte sich auf
der Ostseite dieses Höhenzuges nur wenig ereignet. Hohenlohe-
Kirchberg erfuhr durch Clerfayt wohl die Wegnahme von la Croix-
aux - Bois, hatte jedoch keine verlässlichen Nachrichten Uber die
Bewegungen Dumouricz’ und wurde sonderbarerweise auch von
Seite des preussischen Hauptquartiers weder Uber die nächsten
Absichten, noch Uber die angeordneten Bewegungen orientiert.
Um sich Klarheit Uber die Situation zu verschaffen, entschloss sich
der Feldzeugineister daher „bei den ungewissen, sich immer wider-
sprechenden Nachrichten Uber den Feind, Überdies bei Unkennt-
niss des vor dem Debouchee bei Clermont liegenden Terrains“,
zu einer scharfen Rccognoscierung der beiden Uebergäuge von les
Islettes und la Chalade. Zu diesem Zwecke rUckte Oberst Graf
Nauendorf am 17. September mit 4 Escadronen Wurmser-Husaren
und hO Freiwilligen von Carl Schröder- Infanterie auf der von
Vareniies nach la Chalade führenden Strasse vor, während der
Fürst selbst mit 10 Compagnien, 2 Escadronen Kinsky-Chevaux-
legers und 7 Geschützen nach Clermont gieng. Von hier mar-
schierte er an der Spitze der beiden Escadronen auf der Strasse
nach St. Menehould Uber die hessischen Vorposten hinaus. Eine
Abtheilung von 200 Freiwilligen und hessische Jäger durch-
streiften beiderseits der Strasse den Wald, die Infanterie mit den
Geschützen folgte in einiger Entfernung. In dieser Marschordnung
gelangte der Fürst bis in die Nähe des feindlichen Postens bei
les Islettes und die französischen Vorjwsten giengen, nachdem sie
einige wirkungslose Schüsse auf die österreichischen Chevauxlegers
abgefeuert hatten, hinter die bei dem Dorfe les Islettes angelegten
Verschanzmigen zurück. Als von hier französische Artillerie zu
feuern begann, Hess der Fürst, um sich Uber die Stärke des
Gegners zu orientieren, das Feuer aus zwei Gpfündem und zwei
Haubitzen erwidern und postierte zwei Compagnien „auf einer
bewachsenen Anhöhe rechts der Strasse derart, dass sie alle Be-
MitUieiluDgen des k. und k. Kriegs-Arcliivg. Neue Folge. VII. 9
130
]{ a II s e n b 1 a 8.
wegungen im feindlichen Lager wahrnehmen konnten und vom
Feinde nichts zu besorgen hatten.“ Nach zwei Stunden, als er die
Uebcrzcugung gewonnen, „dass der Feind ungefilhr bei 8000 in
einem verschanzten Lager bei les Islettes stehe“, ') kehrte Hohen-
lohe mit dem Detachement in das Lager zurück.
Die Ilauptkraft der V'erbündeten trat am 18. September,
also an dem Tage, an welchem die Franzosen ihre Vereinigung
vollzogen, wieder den Vormarsch an. Der Herzog von Braun-
schweig beabsichtigte mit starkem linken Flügel Aisne-aufwUrts
zu rücken, sich zunächst der Uebergänge von la Chalade und les
Islettes zu bemächtigen, um die Verbindung mit Verdun herzu-
stellen und sodann „durch ein zweites Manöver die feindliche Armee
zu nüthigen, nicht nur dieses Gebirge zu verlassen, sondern
selbst hinter die Marne zu fliehen.“-) Dementsprechend gelangte
das Corps Clerfayt, ein Bataillon Stuart und eine halbe Escadron
Esterhazy- Husaren bei Boult- aux - Bois zurücklasscnd, an dem
erwähnten Tage nach Vouziers; Kalkreuth von Longwe und
Falaise nach Marvaux; die Vorhut unter Hohenlohe-Ingeltingen
von Grand-Pro nach la Chapelle und Servon, mit der Hauptkratt
auf dem rechten Ufer der Aisne nächtigend ; das Gros der
preussischen Armee endlich gieng aus dem Lager von Landres in
jenes bei V'^aux-les-Mouron vor; die Emigranten blieben am 18.
in Vouziei’s.
Der Herzog begab sich am 18. September zu Hohenlohe-
Ingeltingen, um die Vorrückung dieses Corps, welches die über
la Chalade nach Varennes führenden Wege am 19. vom Feinde
frei machen sollte, zu überwachen. An demselben Tage hatten das
Bros der preussischen Armee, sowie Kalkreuth nach Massiges,
t.'lerfayt aber nach Tahure zu marschieren, während die Emigranten
angewiesen waren, wenn möglich Anschluss an das österreichische
Corps zu gewinnen. Diese Anordnungen kamen jedoch nicht zur
Ausführung. Schon war, am 19. September, die Hecognoscieruug
bei la Chalade durchgeführt und der Biesme-Uebergang bei Vieune-
le-Chäteau durch ein prcussisches Detachement besetzt, als ein
') K. A. 1792; XIM, 4. (»iM?rati«u«-.IournaI lIuhfiiluhe'K. S. 36.
*) M:ts,<enh(U'h 1, 75.
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Oesterreich im Kriefce gegen die französische Revolution 17t(2.
131
Befehl des Königs plötzlich den Rechtsabinarsch der gcsanimten
Armee anordnete und damit die in der Ausführung begriffene
Disposition Braunschweig’s aufhob. Unrichtige Meldungen Uber
den Abmarsch des Feindes in westlicher Richtung sollen es gewesen
sein, welche den König zu der Aeu.sserung veranlassten, ^die
Franzosen sollten ihm nicht zum zweiten Mal entwischen“ und ihn
bestimmten, abermals in die Dispositionen seines F’eldherrn einzu-
greifen. Im Sinne der königlichen Weisungen rückte Hohenlohe-Ingel-
lingen nun nach Somme-Bionne, wo er im Laufe der Nacht eintraf,
während das Gros der preussischen Armee, welches bereits ein
L;iger bei Massiges bezogen hatte, die Bagagen daselbst zurück-
lasscnd um 4 Uhr Nachmittags wieder aufbrach und nach Somine-
Tourbe marschierte. Kalkreuth, der ebenfalls schon um ft Uhr
Vormittags auf den Höhen von Massiges eingetroffen war und von
dort in eine Stellung zwischen Ripont und Tahure disponiert wurde,
um die rechte Flanke und den Rücken der Armee zu decken,
musste dieselbe nun gleichfalls räumen und dem Gros nach Somme-
Tourbe folgen, die Bagagen aber nach Massiges zurücksenden,
rierfayt war am 19. September statt nach Tahure blos bis Manrc
marschiert, „weil bei Tahure wenig Wasser vorhanden gewesen“
und um 2 Uhr Nachmittags eingetroffen. Nun sollte er noch an
demselben Tage bis Somme -Suippe Vorgehen, verzögerte jedoch
den Abmarsch, weil ihm in Manre die Nachricht zugekominen
war, dass sich bei St. Eticnne ein starkes französisches Lager
be-finde. Als im Laufe der Nacht die Unrichtigkeit dieser Meldung
constatiert wurde, befahl er den Abmarsch auf 5 Uhr Früh des
20. September.
Die Etapenlinie Clerfayt’s lief zur Zeit über Vouziers,
Buzancy, Stenay und Longwy und hatte verhältuissmässig
bedeutende Kräfte zu ihrer Sicherung erfordert. Nicht nur von
Seite der Besatzung Montmcdy's waren wiederholte Ausfälle gegen
den Posten der Kaiserlichen bei Marville unternommen worden, *)
auch ihre sämmtlichen Transporte bedurften starker Bedeckungen,
um sich der Angriffe der Bevölkerung erwehren zu können. So
standen: in Longwy 2, in Juvigny 4 Compagnien des Oberstens-
Bataillons Vierset mit 2 Jäger-Compagnien, die gegen Montmedy
i) K. A. 1792; IX, 131, 132.
Ö*
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132
Hausen blas.
bis Han-les-Juvigny und Ini-le-Sec vorgeschoben waren; in
Stenay befand sich das 3. Bataillon Bender, ein Zug Coburg-
Dragoner und die Feldbäckerei unter ( Iberstlieutenant Lusignan, in
Buzancy das 3. Bataillon Clerfayt, in Vouziers und Marvaux je
eine halbe Escadron Husaren, so dass (Jlerfayt am 20. Früh nur
mit 10 Bataillonen, 6 Compagnien und etwa 10 Fiscadronen aus
dem Lager von Manre auf brechen konnte. ')
Die Emigranten rUckten am 19. von Vouziers in der Richtung
auf 8omme-Suippc ab, schlugen jedoch einen unrichtigen Weg ein
und geriothen nach St. Souplet, woselbst sie nächtigten. Nur ein
kleiner Theil rllckte an dem Tage noch gegen Somme-Suippe.
Durch die Anordnungen des Königs von Preusscn für den
19. September waren sich am Abend dieses Tages die beider-
seitigen Armeen bis auf ungefähr lOA-m nahe gekommen und die
solange hinausgeschobene Entscheidung schien nun endlich fallen
zu sollen. Es war ein bedeutungsvoller Moment. Die Armee, welche
zum Schutze der legitimen Monarchie ausgezogen war, stand dem
Heere der Revolution gegenüber und der Ausgang des bevor-
stehenden Kampfes konnte möglicherweise entscheidend dafür
werden, welchem der beiden, einander so schroff eutgegentretenden
politischen Briucipien es Vorbehalten sein würde, dem kommenden
Jahrhundert sein Gepräge aufzudrücken. Wenn eine vor keiner
Unthat zurückschreckende Partei in Frankreich es unternommen
hatte, frevelnd an dem durch Jahrhunderte geheiligten l'hron zu
rütteln, die Macht des Königthunis durch planmässiges Vorgehen
immer mehr zu schmälern und endlich ganz zu vernichten, so galt
es nun für sie, jene Theorien mit der Waffe in der Hand zu ver-
theidigen, welche sie an die Stelle der gewaltsam beseitigten alten
(Jrdnung zu setzen gedachte. -\ber auch auf Seite der Ver-
1) Clerfayt war ans dpn Xiedfrlamlen ubjferiickt mit 10 Hataühmen. S’/V
(’oinpHjrnieii, 12 Escadroiien. Ende Aupust waren hinzu pekoinmen 3 Bataillone,
zusammen 13 Bataillone, hV* Compapnien, 12 Kseadruiien. An der Etapenlinie
standen 3 Bataillone, 2 Compapnieii und 2 Kscadnmen, verblieben 10 Bataillone,
ÜV« (.’fmipapnicn und 10 Esradnuien. td» das Ijeim AbrUcken aus dem Laper von
Boult aux Bois daselbst zurUekpebliebeiie Detaibemeut , bestehend aus einem
Bataillon Stuart und Escadron, daselbst verblieb od<T nach Vouziers rückte,
oder endlich ziun Corps einpezopen wurde, ist nicht zu ersehen.
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()c.stcrr«i('h im Krie(^ RC(t>-n ilip franziisischi' Revolution 1792.
133
biindeton musste man sich darüber klar geworden sein, dass einem
so rücksichtslosen, fanatisierten Feinde gegenüber ein volles Ein-
setzen der eigenen Krall nothwendig sein werde, wenn dem
monarchischen Principe der Sieg über die revolutionären Ideen
gesichert werden sollte, denn alles deutete darauf hin, dass
das bevorstehende Ringen ebenso blutig als hartnäckig werden
würde. Die beiderseitigen Streitkräftc waren ziendich die gleichen,
da 50.000 Verbündete ebenso vielen Franzosen gegenüber standen
und wenn die letzteren in Bezug auf nnlitärisehe Ausbildung und
llisciplin hinter ihren Gegnern zurückblieben, so konnte dieser
Mangel müglicherweise durch eine noch nicht berechenbare nationale
Begeisterung ausgeglichen erscheinen.
Die Kanonade von Valmy am 20. September.
Allen Voraussetzungen entgegen sollte es indessen auch jetzt
nicht zu der entscheidenden Action kommen, die Dinge nahmen
einen völlig unerwarteten Verlauf.
Dumouriez hatte im Wesentlichen noch immer die am 16.
bezogene Aufstellung inne, nur die unter General Duval an der
Biesme stehenden Truppen waren, als man das Vorrllcken der
preussischen Vorhut Aisne-aufwUrts erfuhr, am 18. September durch
5 Bataillone verstärkt worden. Ausserdem erhielt GL. Leveneur
noch den Befehl, sich mit dem 6. Husaren-, 6. Jäger- und
12. Dragoner-Regiment, dann mit 10 Bataillonen Infanterie,
51 Grenadier- und 3 Frei-(üompagiden zum Abrücken an die Hiesmc
bereit zu halten, um das Ucberschreiten derselben, sowie jedes
Vordringen des Feindes über la Ilarazc-e hinaus gegen den Posten
von la Chalade zu verhindern. Jener in Florent wurde auf 3 Ba-
taillone verstärkt und gleich den Truppen Duval’s dem GL.
Leveneur unterstellt. Bei der von Stengel befehligten Nachhut
waren die an die Torirbe vorgeschobenen Abtheilungen bei dem
Anmarsche der Preu.ssen zurückgenonimen worden und diese hielten
jetzt die Höhen von l'Yvron (^auf dem rechten Bionne-IIfer nächst
Hans), sowie jene von Valmy besetzt. Kellermann, welcher am
18. September mit 17 B.ataillonen und 30 Escadronen in Dampierrc-
lo-('häteau cingetroffen war, brach am 19. in zwei Colonncu von
da auf und marschierte über Gizaucourt und llampicrre-sur-Auve
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134
HausciiliIa.M.
in die ihm von Dumouriez angewiesene Stellung auf den Höhen
nördlich Dommartin -la-Planchette. Das 1. Dragoner - Regiment
hatte Kellermann in Gizaucourt zurückgelassen, wilhrend seine
Vorhut unter General Depröz -Grassier auf die Höhen von l'Y'vron
rückte und sich mit den daselbst stehenden Theilen der Vorhut
Dumouriez’ vereinigte.
Die eben bezogene Stellung faml jedoch nicht den Beifall
Kellermann’s, Während ihm der linke Flügel von den Höhen bei
Valmy aus gefährdet erschien, war der rechte durch den Königs-
teich von Dumouriez getrennt und im Rücken dehnte sich die
sumpfige Niederung des Auve-Bachcs aus, welcher nur auf einem
einzigen schlechten Stege mit ganz verdorbenen Zufähilsstras.sen
passiert werden konnte. Da Kellermann schlic.sslich fürchtete, durch
eine eventuelle Umgehung seines linken Flügels sowohl die Ver-
bindung mit Ghälon.s, als auch jene mit Vitry zu verlieren, beschloss
er am 20. September hinter die Auve zurückzugehen und auf den
Höhen von Voileraont und Dampierrc-sur-Anve eine neue Stellung
zu beziehen. Er thcilte seine Absicht auch Dumouriez, zu dem er
noch immer in einem eoordinierten Verhältnisse stand, mit und
dieser drückte den AV'unsch aus, die Centrum-Armec möge in dem
Falle eines Angriffes am 20. September die Höhen von Valmy
nnd la Lune behaupten.
An diesem Tage um 6 Uhr 30 Minuten Früh brach die
j)reussische Vorhut von Somme-Bionne auf,’) um über les Maigneux.
möglichst bald die Strasse nach Chälons zu erreichen und sich
dem möglichen Abmarsche des Gegners vorzulegen. Es gieng ein
feiner Kegen nieder und dichter Nebel verhinderte jeden Ausblick.
Hohenlohc-Ingeltingen marschierte kna]>]i an den auf dem Ylont
d’Yvron stehenden französischen Vortrupjwn vorüber, deren
Artillerie alsbald ein wenig wirksames Feuer eröffnete. Die
preussische Vorhut setzte ihn-n Marsch in der angegebenen
Richtung fort und entwickelte sich nördlich und südlich les Maig-
7ieux, Front gegen Osten erst, als sie auch aus iler Richtung von
la Lune Artilleriefeucr erhielt. Kcllerinann hatte nämlich auf den
J) Da die o.*»t*Tn*i4*hischcn Tru|>i)eu un tier sojreiiaiintvii Kanuiiadi‘ von Valmy
keiiu'ii Antlieil nahmen, ut-rden die Ereijrnisse diests Tapes nur in pni.sseii Znp»n,
instiweit dies zur il**i>>te!luup des Znsunmieniianpe.s itöihip ersrheiut, skizziert.
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Ot'att-rn'ich im Krifge gegrn iHp franziiaisilif Revnlution 1792. 135
vom Mont Yvron hor vernehmbaren Kanonendonner seine aus 4 Gre-
nadier-Bataillonen, 8 bis 10 Escadronen und zahlreicher Artillerie
bestehende Kcserve unter General Valence auf die Höhe von la
Luue disponiert, um die linke Flanke und den Kücken seiner Vorhut
zu sichern. Die preussische Vorhut dagegen entwickelte theils gegen
die Batterien auf dem Mont Yvron, theils gegen jene auf der Höhe
la Eune nun auch ihre Artillerie. Gegen 8 Uhr 30 Minuten Früh
wurde das französische Artilleriefeuer schwUcher und endlich ganz
eingestellt. Sowohl Deprez-Crassier, als Valence giengen zurück,
ersterer in der Richtung auf Dorainartin-la-Planchette, letzterer gegen
Orbeval. Nur General Stengel mit seinen Truppen blieb auf den
Höhen von Yvron stehen und detachierte Abtheilungen auf die
Höhen von Valmy. Hohenlohe-Ingelfingcn wartete in der erreichten
.Aufstellung das Eintreffen der Armee ab.
In der Zwischenzeit hatte sich indessen niclit nur diese in
Bewegung gesetzt, sondern auch von Duraouriez und Kellermann
waren Anstalten getroffen worden, um vorzugehen.
Da.s Gros der Preussen war indessen aus dem Lager von
Soinme-Tourbe so spät aufgebrochen, dass es erst gegen 1 Uhr
Nachmittags auf dem Schlachtfelde einzutreffen und seinen Auf-
marsch zu bewirken vermochte. Derselbe erfolgte unter dem
.Schutze der Vorhut in drei Treffen mit dem linken Flügel an die
Bionne, mit dem recliten an die Strasse nach Chälons gelehnt;
auch die Höhe von la Lune wurde besetzt.
Das själte Anlangen des Herzogs von Braunschweig kam den
Franzosen sehr zu statten. Duinouriez, in dem ursprünglichen A’or-
stosse der preu.ssisehen Vorhut am 19. .Sepü-mber gegen Vienne
le (Jhftteau die Absicht eines Angriffes gegen seinen rechten Flügel
vemnithend, wanl durch das Vorgehen der Preussen in der Front
einigenna.sst>n überrascht, während Kellerniann eben im Begriffe
stand, den am 19. .Abends gefassten Entschluss, auf das rechte
Ufer der Auve zurückzugehen, zur Ausführung zu bringen. Beide
Generale benützten nun die grosse Gefechtspau.se zwischen dem
Eintreffen der Vorhut und der preussischen Haupt- Armee, um den
geänderten Verhältnissen Rechnung zu tragen.
Kellermann stellte die rückgängige Bewegung ein und befahl,
nachdem General V'alence mit der Reserve zur Besetzung der
Höhe von la Lune bereits abgerückt war, dem General .Aluratcl mit
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138
H a II H e 11 1) I a H.
Armee durch Krankheiten, die missliche Lage, in welche dieselbe
im Falle eines Echec’s gerathen konnte, mochten die wesentlichsten
Gründe gewesen sein, welche den Herzog bestimmten, jetzt, wo
man nach langen MUrschen und mühseligen Manövern endlich
einmal an den Feind gerathen war, nochmals von dem Knt-
scheidungskampfe abzustehen. ')
So kam cs, dass ein mehrstündiger Artillerie-Kampf, die un-
erfreuliche „Kanonade von Valmy“, an die Stelle der Entscheidung
trat. Der Donner der Geschütze, deren F'eucr wenig Wirkung
hatte, verhallte gegen 5 Uhr Nachmittags. Es war nicht viel mehr
als eine Ehrensalve für das zu Grabe getragene Königthum ge-
wesen, denn am 21. September hatte sich der National - Convent
constituicrt und Frankreich zur Kejmblik erklärt. Die HoflFnung,
nach Paris vorzudringen, war für die Verbündeten jetzt verloren.
Das Coqis Clerfayt’s war am 20. September um 5 Uhr Früh
aus dem Lager von Maure aufgebrochen und vier Stunden später
bei la Croix-en-Champagne eingetrotfen. Um diese Zeit sah man
das Gros der preussischen Armee noch „auf den vorwärts dieses
Dorfes gegen Somme -Bionne betindlichen Anhöhen.“ Um 2 Uhr
Nachmittags bracli Clerfayt wieder auf und langte „bei Ende der
Affairc“ auf dem Schlachtfelde hinter der preus.sischen Armee an.-)
Die Emigranten waren an diesem Tage nur bis la Croix-en-
Champagne gekoTiimen.
ITohenlohe-Kirchberg und der Landgraf von Hessen waren
jenseits der Argonnen noch immer ohne jede Nachricht von der
Haupt-Armee. Der Kanonendonner von Valmy drang jedoch
hinüber und liess sie schlicssen, dass es zur Schlacht gekommen
sei. Da nun auch Nachrichten einliefen, dass der Feind die Stellung
von les Islettes verlassen und der Landgraf nicht unthätig bleiben
') .In dii'.'ifni Aiipenlilickc .sihwelito ili-m Herzop uii.scre Raiizc Lage äiisserst
lelilmlt viir ilciii .tnp;. Iiii Falle des riiglUoke.s, abseseliiiillcii von Verdun, umkreist
von den Ke.stiuiKCU Mezieres, Sedan, MontniMlv, der HriMlwiipen und des sämmt-
lielieii Koehjresehirres. ohne welche Ilinire sieh eine deiitselie .\rniee damals nielif
iM liell'en konnte, beraubt, was würde aus dieser Armee gewonleii sciu?“ .Massen-
baeb I. lÜl.
-) ln dieser .Stelliing verblieb das Coriis Clerfavt bis zum 23. fk-jitenilier.
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OfstcrrcKh im KricRc Regen die franRüsische Revolution 1792. 139
wollte, rückte das ganze hessische Corps nach Clermont vor,
w.ührend Hohenlohe das Regiment Kinsky-Chevauxlegers und das
Bataillon de Vins zur Unterstützung der Hessen dahin folgen Hess.
Die hc.ssischcn und österreichischen Abtheilungen drangen nun
bis les Islettes vor; doch ergab sich bald, dass der Feind keines-
weg;s im Abmarsche begriffen sei; sein Lager stand wie zuvor
und er beeilte sich, das Kanonenfeuer des Angreifers aus seinen
Versehanzungen auf d.as Nachdrücklichste zu erwidern. Dillon
war gegen einen Angriff augenscheinlich in so guter Verfa.ssung,
dass man sich hier ebenso wüc bei Valmy auf eine Kanonade
beschränkte und da der Feind sich durch diese nicht zum Abzüge
bestimmen Hess, kehrte auch da.s österreichisch-hessische Corps in
seine früheren Stellungen zurück.
Die Handlungsweise des Herzogs von Braunschweig hatte
das Selbstvertrauen und den Muth der Franzosen mächtig gesteigert.
„Sie hatten die Feuerprobe bestanden, sie hatten mehr von uns
erwartet. Jetzt waren wir in ihrer Idee gefallen, sie in ihrer eigenen
gestiegen. Wir hatten mehr verloren, als eine Schlacht,“ so lauten
die Worte eines Augenzeugen über den Tag von Valmy.')
Dessenungeachtet war auch die Lage der französischen Armee
keine allzu günstige. Die Marschlinie nach Chalons war verlegt
jene in südlicher Richtung gefährdet und überdies musste man
jeden Moment eines Angriffes im Kücken, über les Islettes, ge-
wärtig sein. Auch hatten Krankheiten im Vereine mit der ebenso
mangelhaften, als unregelmässigen Verpflegung schon bedeutende
Abgänge hervorgerufen. Dumouriez und Kellermann entschlossen
sich daher nach einer kurzen Besprechung, ihre Anueen noch im
Laufe der Nacht in etwas weiter rückwärts gelegene Stellungen zu
führen. Kellcrmann räumte die Höhen von Valmy noch am Abend
des 20. September und gieng hinter die Auve, wo er gegen 6 Uhr
Früh eine Stellung zwischen Dampierre-sur-Auve und Voilemont
bezog, während Dumouriez auf die befestigten Anhöhen auf dem
Hnken Aisne-Ufer zurückkehrte, w'elehe ihm schon vom 16. bis
19. September als Lager gedient hatten.
*) Massenbach I, 94,
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140
II n Ilsen 1)1 UH.
Auch die Verbündeten Underten am 23. September ihre Auf-
stellung. Die Prcussen bezogen ein Lager auf den Höhen des
Mont-Yvron und la Lune, Clerfayt ein solches auf jenen von Valmy.
Beide Theile verschanzten sich.
An die Stelle der Entscheidung durch die Waffen traten nun-
mehr Verhandlungen zwischen Dumouriez und dem preussischen
llauptquartiere. Der ehemalige französische Minister war ein viel zu
erfahrener Diplomat, um nicht zu wissen, dass das österreichiscli-
preussische Bündniss auf keiner sehr sicheren Grundlage beruhe,
sondern seine Entstehung nur der bcdrilngteu Lage König
liudwig’s XVI. zu verdanken habe. Die im Haupt - Quartiere
Braunschweig’s zu Tage getretenen Reibungen und AVidersprUche
hatten Dumouriez ebenso wenig verborgen bleiben können und
St'in Bestreben war nun darauf gerichtet, Preussen von der Coali-
tion abzuziehen. Mochte dieser Versuch auch scheitern, der aus
den Verhandlungen erwachsende Zeitgewinn musste unter allen
Ilmstjlnden den Franzosen zugute kommen, da er ihnen die
Möglichkeit bot, Verstilrkungen heranzuziehen, während die Ver-
bündeten mit jedem Tage schwächer wurden und, wenn sie sich
nicht zum Angriffe entschlossen und dieser reüssierte, nothwendig
zum Rückzüge gezwungen sein würden.
Bei den Unterhandlungen war sogar davon die Rede,
Ludwig XVI. in das französische Haupt(|uartier kommen und in
unmittelbaren Verkehr mit dem Könige von Preussen treten zu
lassen.') Hatte das Verhalten Dumouriez’ noch eine, wenn auch
nur geringe Hoffnung auf die vielleicht doch noch mögliche Rettung
des Königs gestattet, der Beschluss des National - Convents vom
21. September musste auch die letzten Illusionen in dieser Richtung
zerstören. Am 2(i. September sah sich Dumouriez genöthigt. den
Verbündeten zu eröffnen, dass das Königthum in Frankreich im
Sinne jenes Beschlusses flir immer abgeschaff’t sei. Gleichwohl
hielt er selbst auch jetzt noch an dem Glauben fest, dass es ihm
gelingen werde, Preussen von (lesterreich zu trennen.
') Kaiike 311 und Reiiss an Spirlmaiiii, 26. S(*pti*nil>i*r 1792. Vivpnot IT. 233.
Keuh:« schrfiM: .Dmnrmrii'ie lM>t dii* Hand zu «Mncm Kinven<tiindiiisrt. um den Künic:
von Fr;uikr»‘ich zu lM*frvk*n und dadmvli uiiwruii Hanptzwpck zu erreichen.’’ . . .
diejtt»r enden riilem*dunjc zei^e sich l)umüuriez licrcitwülip, fast unbietend,
zur Bcfndnng drs Kdniprs Isdzntragi'n."
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Ot‘Stfrrei(!h ini Kri«gc gegen die Iranzösisehe Revolution 1792. 141
Friedrich WUhelm II. sollte auf den Vertrag von Pillnitz ver-
zichten, an dem Kriege gegen Frankreich keinen weiteren Antheil
nehmen, Verdun und Longwy zurilckgeben, das französische Gebiet
räumen und vor allem die französische Republik anerkennen.
War mau am preussischen Hoflager vielleicht auch einen Augen-
blick zum Friedensschlüsse geneigt, wenn Ludwig XVI. dadurch
eine erträgliche, ehrenvolle Zukunft gesichert werden konnte, zur
Anerkennung der Republik mochte man sich nimmer bereit finden
lassen. Als Dumouriez seine Vorschläge vollends in einer, in ziem-
lich hochfahrendem Tone gehaltenen Denkschrift zusammenfasste
und dem preussischen Haupttjuartier zugehen Hess, fühlte man
sich in diesem nicht nur verletzt, sondern auch in der Ueber-
zeugung bestärkt, dass eine Fortsetzung der Unterhandlungen nur
den Franzosen Vortheile zuzuwenden im Stande sei. In Folge
dessen wurde eine neuerliche Proclamation erlassen, in welcher
sowohl die Abschaffung des Königthums, als die Zumuthung, mit
dem National-Convent zu unterhandeln, die schärfste Zurückweisung
erfahren. Für den Fall weiterer Beleidigungen Ludwig XVI. ward
zwar auch jetzt wieder empfindliche Rache angedroht, doch nicht
mehr die Wiederherstellung der königlichen Gewalt, sondern nur
jene der AVUrde des Königs gefordert. Es bedarf keines Beweises,
dass eine solche Emanation völlig wirkungslos bleiben musste,
insolange man nicht entschlossen war, ihre Befolgung durch AVaffen-
gewalt zu erzwingen und vor einer Entscheidung durch die letztere
zurückscheute. Der König von Preussen, durch die Emigranten
gedrängt, war einer solchen nicht abgeneigt, doch Braunschweig
verstand es, ihn wieder wankend zu machen und als Dumouriez
die Unterhandlungen mit der Erklärung abbrach, „ein freies Volk
könne Drohungen, wie diese, nicht ruhig hinnehmen, nicht sich
Gesetze vorschreiben lassen, es könne nur darauf denken, die-
jenigen, welche ihm seine Freiheit entreissen wollen, zum Rückzug
zu nöthigen,“ entschied man sich ftlr den Rückzug.
Mehr als zwanzig Jahre blutigen Ringens mussten noch vor-
übergehen, bis es in Wahrheit möglich wurde, in das Herz Frank-
reichs und nach Paris vorzudringeu.
(Fort-setzuiifc im VIll. Bandi'.)
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DIE
YERTHEIDIGÜNGS-ANSTALTEN IN NIEDER- UND INNER-
OESTERREICII
BEIM EINBRUCH DER BAYERN 1741.
Vl>»
RITTMEISTER KEMATMCLLER.
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Benützte t{uellen: Acten des k. und k. Krinps-Archivs. — Acten des
k. und k. Haus-, Hof- und Staats-Arcliivs. — Acten des k. nnd k. Hofkanimei - Archivs. —
Acten des Stciennärkischen laindes-Archivs. — Acten des Statthalterei-Arcliivs in
Innsbnick. — Acten des Archivs der Stadt Wien. — Acten des .Archivs des Stiftes
Krenismünstcr. — ,Mitthcilunpcn aus dem Benedictiner- und (’istercicnser-flrden“.
l. Bd. 1886. — Ameth : Maria Theresia. — Wienerisches Diarium vom .fahre 1741 .
— Friess: ,Der Einfall der Bayern in Nieder-Oesterreich im .fahre 1741.“ — .lulius
Wallner: Krain und das Kü.stenland zu Bepinu des österreichischen Erhfolpekricpes.
(Mittheilnnpen des Mnsealvereines für Krain. Lailiach 1892.)
Mitlheilungen des k. und k. Knegs>Archivs. Neue Folge. VII.
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Der uiierwnrtete Einbruch Friedrich II. in Schlesien, der
dazu zwang, die noch vom Türkenkrieg her in Ungarn stehenden,
durch denselben hart mitgenommenen österreichischen Streitkrilfte
zunächst zur Abwehr der Preussen zu sammeln und das lang ge-
hegte Vertrauen auf die völkerrechtliche Achtung der Verträge der
pragmatischen Sanction, hatten dazu geführt, dass in Wien der
einzige Gegner, der allenfalls als Anspruchswerber auf das öster-
reichische Erbe anzusehen war, der Kurfürst Carl Albert von
Bayern, wenig beachtet wurde und bei Ausbruch der Feindselig-
keiten waren die Erblande, ja Wien selbst, gegen die von Bayern
her auftretende Gefahr noch vollkommen ohne Schutz.
Nach der Wegnahme der Stadt Passau am 31. Juli 1741
wäre es daher für Carl Albert ein Leichtes gewesen, sich sofort
Ober-Oesterreichs zu bemächtigen, doch zauderte er, um die An-
kunft seiner französischen Verbündeten abzuwarten. Ein Theil
seiner Kräfte war bei Amberg versammelt, um in Böhmen ein-
zufallen, mit dem Haupttheil stand der Kurlllrst bei Passau, bis
die Franzosen ankamen. Endlich brach er gegen Linz auf,
die Stände Ober-Oesterreichs boten selbst ihm ihre Huldigung an
und Carl Albert hatte keinen Grund zu der fast ängstlichen
Langsamkeit, mit der er vorrückte, wu.sste doch niemand besser
als er selbst, dass Maria Theresia, von der er sich in einem Mani-
fest als bedroht erklärt hatte, ihm an der Donau fast keinen Mann
entgegenstellcn konnte. Zwei Dragoner Kegimenter waren Alles, was
westlich der Enns an Truppen stand, sieben Regimenter, die aus
Ungarn in Marsch ge.sctzt wurden, waren noch in .so schlechtem
Stand, dass von ihnen nichts zu hoffen war, es galt nun, um
wenigstens Wien zu sichern, Tyrol seinem treuen Volke anzuvertrauen
und Steyermark und damit ganz Inner-Oesterreich eigentlich dem
10 *
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U8
K 1 ^ ni a t m U 1 1 e r.
Zufall und seinen eigenen Mitteln zu überlassen. Der Marsch der
Bayern auf Wien war zweifellos entscheidend für die ganze so
plützlich aufgerollte Frage, eine Bedrohung der Steyennark wenig
wahrscheinlich, das Land konnte höchstens durch Brandschatzung
und Räubereien gefährdet erscheinen. Das endlose Zögern und
Zaudern des Kurfürsten allein gewährte Zeit, Umschwung und
endlich Erfolg.
Königin Maria Theresia, welche sich anfangs August 1741
in Hohes aufhielt, eiferte, so aussichtslos auch die Lage war, nach
Möglichkeit zur Aufitictung aller Mittel an, aber schwere Sorge
bereitete nicht nur der eingedrungene Feind, sondern nicht weniger
das unverantwortliche Benehmen der Landstilndc selbst.
. . „Es ist eine unleugbare Thatsache, dass der Ausbruch des
österreichischen Erbfolgekrieges die Landstände der österreichischen
Provinzen keineswegs in begeisterter, zu jedem Opfer für die Er-
haltung der glorreichen Dyna.stie bereiter Haltung fand, es herrschte
vielmehr unter den Ständen fast aller Kronländer eine ängstliche,
mutldose Stimmung.“ ')
Den einzelnen Ländern fehlte da.s Gefühl der Zusammenge-
hörigkeit fast ganz. Jedes derselben betrachtete sich als unab-
hängig von dem andern, eine gelegentliche Einigung wurde nur
dann erzielt, wenn jedes der einzelnen Länder dabei seinen Ge-
winn fand ') und die Stände kein Titelchen ihrer Rechte zu opfern
brauchten. Auch zeigte sich Alles stets bemüht, Verhandlungen
zu verschleppen, um Zeit und Möglichkeit zu gewinnen, den Ent-
schluss jederzeit den Ereignissen anpassen zu können. “)
Ebenso war die Stimmung der Bevölkerung einer Kraft-
anstrengung zu entschiedener Vertheidigung der bedrohten Puncte
nicht günstig, denn „immer mehr vergrössertc sich der Anhang
des Hauses Bayern in Oesterreich . . . und was die niederen
Glassen des Volkes betraf, so wurden auch sie für jene Anschauungen
mehr und mehr gewonnen ... es schien die Anschauung Boden
zu gewinnen, mit dem Tode Kaiser Carl VI. sei die Regierung
*) ,1. Wallnrr: ,.Kraiii mul das KüKtenlaiul zw Bi*pinn des österreichischen
Krl»t’«)l>rekrie?esi.“ Mittheilunjren des Miiswilvereines für Krain, Lailiach 180-, 8. 5.
*) SteyermärkischcK Landes-Archiv, Dcfensions-Acteu 1741 und 1742.
J. Wallner: „Krain und da.s KüKtonland %u Beginn di^K öKterrekhischen
Erhfülpekriej?es.“ .Mittheilun^en de.s Mmsealvereines ITir Krain. Laibach 1892, S. 5.
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Die Vertheiiligungs-Anstalten in Nieder- und Inner-Oesteireieli etc. 149
anfgelüst und der Kurfürst von Bayern werde kommen, die öster-
reichischen Lande in Besitz zu nehmen.“ ')
Diese Stimmuii" kam überall zum Durchbruch, wie am
2(1. September 1741 in Ischl, wo nach der Meldung des Salzamt-
iiiannes in Oesterreich ob der Enns, Ferdinand Grafen von Saurau
an die Ministerial-Banco-Deputation „die Leute den Richter mit
angedrohter Gewalt angehalten und bedeuteten, dass sie verlangten,
churbayerisch zu sein und nicht wider den ChuifUrsten streiten,
sondern vielmehr für ihren Herni anboflen thun.“^)
Diese, einer Landesvertheidigung so abträgliche Haltung
(heilte auch das oberstcyerische Landvolk. Sie fand vollen Wider-
hall in jenen Kreisen, die in erster Linie berufen gewesen wären,
das dynastische Gefühl rege zu erhalten, denn der Adel zeigte
sich ebenso gleichgiltig und lässig bei Ausführung der von der
Königin angeordneten Vertheidigungs-Mas.sregeln, wie die Grund-
he.sitzer. Die Werkgenossenschaft in Leoben trat mit dem Kur-
fürsten von Bayern, behufs Wahrung ihrer Rechte, sogar in directe
Unterhandlungen, für den Fall als er nach Steyermark kommen
wolle.
Den in Ober-Stej'ermark unter der Leitung des FML. Frei-
herm von Moltke auszuführenden Defensionsarbeiten wurde diese
Gleichgiltigkeit dadurch gefährlich, dass die Grundbesitzer ihre
Verpflichtungen gar nicht, oder nur in lässiger Weise erfüllten.
.So sah sich Moltke zu der Anzeige gezwungen, dass von den
Herrschaften, die im Sinne des Conferonz-Beschlusscs vom 22. Sep-
tember 1741 zu Leoben, Contingente zur Vertheidigung tler Klause
am Pyrhn zu stellen hatten, 22 dieselben gar nicht, die anderen
ohne Munition .abge.sendet hätten. ■‘1
War die Bevölkerung schon dem Gedanken einer Verthei-
digung abgeneigt, so fanden die auszuführenden Defensions-An-
stalten in ihrer Durchführung noch weniger Förderung und die
einzelnen Lande handelten dabei ganz nach eigenem Sinn.
Tyrol, wo man wenigstens den AVillen hatte, sich gegen die
Bayern zu wehren, schloss sich von Inner-Oesterreich vollständig ab,
Arneth: Maria Theresia, 1. FM,, S. 40.
•) Krieps-Archiv 1741, F. A. Fase. 13. 37a.
Steyermärkisches Lamles-Ariluv, IXifeiisions-Aeten 1741.
*) KrieffS*Archiv 1741, liayern, 1'. A. Fase. 30, ad -7*/« d— h.
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150
KeniatmUller.
als dessen Landständo auf ilire an den souveränen Erzbischof
Leopold von Salzburg gerichtete Frage, „ob das Gerücht be-
gründet sei, dass der Kurtürst von Bayern mit seinen Truppen
das Erzstift besetzen werde“’, eine verneinende und beruhigende
P'rage erhalten hatten. ')
Da Ober-Oesterreich durch den Einfall der Bayern überhaupt
nicht in der Lage war, Vertheidigungs- Anstalten zu treffen, *) be-
schränkte sich Alles, was die Königin zur Vertheidigung anstreben
konnte, auf die militärischen Vorkehrungen für Wien und die
Grenze der Ober-Stcyei’mark.
Kärathen und Krain sollten Steyermark, besonders bei der
geplanten Herstellung der h'c.stungswerke von Graz finanziell unter-
stützen ; sie hatten hiezu „eine proportionierte Concurrenz zu leisten,
massen Graz als eine Vormauer zur Sicherheit und Bedeckung
beider Länder dicncte.“®)
Von einer einheitlichen Leitung der Vertheidigungs- Anstalten
kann indessen nur in Bezug auf Wien gesprochen werden, dessen
Bevölkerung eine erfreuliche Ausnahme von den geschilderten Zu-
ständen erkennen Hess, während die Ausführung der erforderlichen
Schutzinassregeln ebenso sehr für die Umsicht der leitenden Be-
hörden, als für die piatriotischc Stimmung tler Bewohner zeugt
und den Stempel zielbewussten und entschiedenen Vorgehens trägt.
*) Stattlialterei-Arihiv limsl)nick. Militaria 1V41, Original.
In (li*ni Schreilwn «Ivs Krzbisvhofs heisst es n. A.:
„ — Wie wir aber t?anz znvorlässijr versich«*m iiiö^cn, dass des Herrn Kur-
fürsten in Rayeni Liebden mit derlei Gesinnunpen Uns auch von Feme nit an-
panpon, zu soleheni Andrinpen auch Wir keinen Theil hillipen Anlass ptd>en werden,
so können anrh dieselben (die tyrulisclien Ijandstilnde) Ilir pewiss leben, dass die
rinps herum Unseres flachen Landes vom Pass Strnb bis an die Schanz Gnten-
stein auspesetzten kleinen Postieninpen und anderen bei daip Unserer Residenz-
stadt und hohen Festuiip machende Yeninstaltnnpen, nichts, denn Unserer Uiiter-
thanen Rnhc und Sicherheit, dann die chenfallsipe Sicherstellunp erwähnt Unserer
Uesidenz.stadt un<l Festunp von allen snri)rises und Anfällen zu ilirem Gepenstaude
haben —
-) So war die Stadt Knns mit einer T’mwallunp versehen wuiden, was 20-
bis 30.000 ri. Auslapen vcnirsachto. ( Kphemerides ; Tatrebnch des Melker Biblio-
thekars P. Gez und des Bihliothcks-Vorstandes P. Staufer; reicht vom 31. Juli 1741
bis zum Jahre I7UJ.) ,, Studien ninl Mitthcilmipen aus dem Beiiedietiner- und (’i.ster-
cieiiser-Ordcn“, I. ltd. 1880.
•*) Kri<*ps-Archiv 17-U, Bayern, K. A. Fase. IJ, 52 e.
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Die Vertheidipinpi-Anstaltcn in Nieder- und Iniier-Ocsterreich ete. 151
Die Vorbereitung der Vertbeidigung von Wien.
Nach dem Falle von Passau bemllhtcn sich der Hof-
kriegsrath im August 1741 und die niederüsterreichische Regierung,
Wien gegen eine allenfallsige Belagerung entsprechend in Stand
zu setzen.
Am 2. September wurde in Pressburg unter dem V'^orsitze
des ersten Hotkanzlers Grafen Sinzendort eine Conferenz abge-
halten und als deren Ergobniss der Königin ein Antrag vorgelegt,
dessen glücklichster Gedanke der Vorschlag war, dem wackeren
h'M. Grafen Ludwig Andreas Khcvcnhüllor die Leitung zu über-
tragen. *)
„Die einzige Ursache, wegen welcher der Kurfürst nachcr
Nieder-Ocsterreich sich wenden möchte, dürfte etwan sein, dass
Selber durch die vor sich habende Donau Euere königliche Ma-
jestät die Communication mit den böheimbischen Ländern zu be-
nehmen suchen möchte und Selber sich alsdann dazu verleiten
lassen, wenn gar keine Anstalten zu einer Gegenwehr zu Wien
wissetc ; seines Ermessens wäre also eines mit dem andern zu com-
biuieren und für die Erhaltung von Wien, wie billig, allUusserste
Sorgfalt zu tragen. Das Vornehmste komme hierbei an auf die
Situation des Lobkowitz’schen Corps, auf die Gewinnung der Zeit
und auf die zu Wien selbst zu machenden Anstalten.“
„Während der Zeit (als Lobkoivitz den Kurfllrsten iin Vor-
noarsche aufhalten könne) müsse man allda (in Wien) von Seiten
des Militaris sowohl, als des Civili all immer mögliche Anstalten
schleunig verkehren, dem Feldmarschall Grafen von Khevcnhüller
die Besorgung des ersteren und was an denen Festungswerken
sowohl zu reparieren, als etwa längs der Donau oder sonsten
hie nnd da neu anzulegen, auttragen und auch ihm dasjenige, so
mit der Regierung und der Stadt dieserwegen zu verabreden ist,
überlassen ; von Mehl, Holz, Salz aber für die vermehrte Garnison
.sowohl, als für die Inwohner alles Eifers besorget, Handmühlen
angeschaffet, die Rossmühlen repariert und aus Abgang anderer
Mittel das Getreide von den näehstcn hungarischen Gespann-
schalten auf Abschlag der ohnedem schlecht eingehenden Contri-
*) KrieKS-Archiv 1741, ('. A. Faso. 9, 2.
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162
K e ni a t III U 1 1 e r.
bution angenommen werden; das Holz wiirc in den Casematten
unterzubringen und das Vieh müsse in den nächst anliegenden
Urten beschrieben, aucli von dannen im Falle der Noth, manu
militari eingetrieben, auch ein etwelcher Heu- Vorrath für dasselbe
gesammelt werden, ob es gleich an Gras, so lange man den Prater
und die übrigen Inseln souteniere, nicht gebrechen werde.“*)
Am 6. September wandte sich die Hofkanzlci mit der Bitte
an die Königin, analog wie im Jahre 1683 unter Vorsitz des
Statthalters eine Hof-Connnission in das Leben zu rufen, die sicli
mit den Defensions- und Proviantierungs-Angelcgenheiten der Resi-
denzstadt zu befassen habe ; auch solle die Königin sich an die
Stände wenden, damit sich dieselben mit gedachter Hof-Commission
in das Einvernehmen setzten.-)
Dessgleichcn .Stellte die Hotkanzlei am 7. September der
Königin vor: „Es wäre eine entsprechende Anzahl regulierte Miliz
herzuschaffen und ein Stadt-Commandant und oberster Befehls-
haber auf dem Lande zu ernennen ; auch wäre das Landaufgebot,
der Aufzug der Wiener Bürgerschaft, die Errichtung einiger Frei-
Compagnien von den Niederlägern, Hofbefreiten und Studenten,
sowie die Bewehrung anderer zum Waffentragen tauglicher Leute,
sehr nothwendig.
Die Königin crliess in Folge dessen noch am 7. September
an den Statthalter von Nieder-Oestcrreich, Grafen Sigmund Friedrich
von Khevenhüller ein Hofdecret, in welchem sie verfügte: „Es
solle in Defensions- und Proviantierungssachen für Wien eine
Hof-Commission in das Leben treten, deren ^'orsitz der Statthalter
zu fuhren habe ; diese Commission solle bestehen :
ex parte politica :
Aus dem Vice-Statthalter Johann Grafen von Oed, dem Hof-
rath von Pölsern, den Hegimcntsräthen .loseph Edlen von Tepser,
Joseph von Managetta und Lerchenau. endlich Carl Cetto;
\’on Seite des Hofkricgsraths :
aus dem Hofkriegsraths-Vice-Präsidenten FM. Ludwig Andreas
Grafen von Khevenhüller und einem seiner Häthe; endlich von
’l Kricirs-.^nhiv 1741, C. Fase, ä ‘J.
Kri**^‘An‘hiv 174!. ()p»tenvich und Uayvm. F. A. 13/20.
‘^1 Krit‘srs-An liiv 1741, < ►estenvirli und Hayprn. F. X. 13/-I.
Krivps-Archiv 1741. Orsttfireuh und Bayern. F. A. 13 22.
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Die Vertheidigimjrs-Anstiiiten in Nieder- und Iimer-Oesterreieli etc. 163
Seite der Hofkammer: aus dem Hofkammerrath Joachim von
Schivandtner.
Gleichzeitig beschied die Königin an die Stünde von Nieder-
Oesterreich : *) „sie wolle eine zahlreiche Be.satzung an regulierter
Miliz nach Wien legen und komme es darauf an, diesedbe hin-
länglich mit Lebensmitteln zu versehen ; hiezu sei eine Commission
unter Praesidio des Statthalters Sigmund Friedrich Grafen von
Khevenhilller in’s Leben getreten, an deren Berathungen sie theil-
nehmen sollten ; sie hoffe auf die Treue und Liebe der Stünde zur
Kettung der Residenz.“
Am 9. September übernahm FM. Graf Khevenhiiller das
Commando in Wien und am 12. September wurde eine militürische
Conferenz abgehalten, in welcher vorgeschlagen wurde, die Leopold-
stadt durch eine Verschanzung zu befestigen, „welche links
vom kleinen Donauann, oberhalb der Stadt, gegenüber dem Bache ’)
beginnen, beinahe einer alten Schanze folgend, die von der Bri-
gittenau bis zur grossen Donau reicht, welchen Theil man Tabor
nennt und von hier, dem Laufe des Wassers entlang, an der
grossen Brücke, welche sich gegenüber dem Garten von Wöber
befindet, vorüber an dem kleinen Canal, der die Leopoldstadt vom
Stadtgut und Prater trennt, anschliesst und von hier abermals an
denselben Donauann, der ausserhalb der Stadt, gegenüber den
Weissgärbern vorüberfliesst, stosst.“
Diesen Plan erklärte aber der erste Festuugs - Director von
Wien, Ingenieur-Oberst de Monti, für undurchführbar und legte dem
FM. Grafen Khevenhiiller am 14. September 1741 seine Ansichten
über die zu treffenden Vcrtheidigungs-Anstalten in einer Denk-
schrift vor. *) Er erklärte die Hauptumfassung der Stadt als „in
M An den meisten Sitzungen der Ilof-rommission nalmien ausserdem noch
theil: FM. Graf Keinrieh l>a\m» KZM. Graf Heinrich (’asimir Wunnbraiid, llof-
karamer-Katli Carl Gilles, der olicrste Kriegs* Commissär FML. Franz Graf Sala*
Inirp. HollcamnuT-Rath Johann Baptist von Zuana, Repiments-Ralh Johann Baptist
Graf Peilen, Kegiments-Ratli Fnuiz (iraf Brandiii, Gaiid-Cntcnnarschall Carl Leopold
Moser. Landrechts -Beisitz<?r Augristiii von Aichen, der Landschafts -Syndicus, der
Prälat von Hcili^nki'euz. Domprohst Joseph Bndtenbücher und der Probst von Zwettl.
Krie^rs-Arcliiv 1741, Oesterreich und Bayern. F. A.
•’*) Der „Al.serbach‘% welcher heute nächst ilcni Bahnhöfe der Kaiser Franz
Josephs-Bahn in den Donauranal mundet.
Kriegs-Archiv 1741, Oesterreich und Bayern. F. A. 13/ad 9 — a III.
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154
Keniatmüller.
einem so kläg'lichen Zustande, dass er (Monti) ihn gar nicht be
sclireiben kann.“ Die Wiille waren, bis auf einen geringen Rest
der Hrusfwehren, mit Gürten, Hüusern und GebUselicn bedeckt.
„Der grösste Theil der detachierten Werke ist nicht in Ver-
theidigungszustand; man muss Brustwehren und Hanquets neu
herricliten: es sribt deren selbst zwischen dem Schottentlior und
dem .Sclianzthor, welche gar keine Mauer haben und von allen
Seiten offen sind, so dass die Arbeiter durch diese Fa^'cn hinauf-
und hiuabsteigen. Der gedeckte Weg derselben Seite, durch den
der Feind wahrscheinlich seinen Angrift’ machen wird, wird grössten-
theils enlilicrt ; alle seine ausspringenden Winkel, durch die man
ihn angreift, sind ungefähr B Fuss tiefer als die einspringenden
und es scheint, als ob man sie ab.sichtlich so gemacht hat, um den
Sturm zu erleichtern : 3000 Mann, die täglich arbeiten, können sic
in 2 Monaten nicht in einen mittclmüssigen Stand setzen.“
Ingenieur-Oberst de Monti war desshalb der Ansicht, „an
gar kein detachiertes W'erk zur Vertheidigung der Leopoldstadt
und anderer ( »rte zu denken, sondern an der Hauptumfnssung mit
3- oder 4000 Mann täglich zu arbeiten, damit man sic in den
bestmöglich.sten Stand setze und sofort in angemes.sene Ent-
fernung von den Arbeiten möglichst grosse Mengen dicken Holzes
bringen zu lassen, um sich mit Cajionieren, Koffern, Pallisaden
und Aehnlichem, mit Faschinen und Schanzkörben zur Herstellung
von Verkleidungen, verbauen zu können; einen Vorrath von
2000 Schubkarnm und zweirilderigen Karren zu machen, wenn es
möglich sei, um die Erde wegzuführen; sowie wenigstens 100
Zimmerleute täglich mit 3—4000 Arbeitern in den Werken anzustellen,
l’m die Donau nicht ganz offen zu lassen, sowie wenigstens von der
Ankunft des Feindes benachrichtigt zu werden und seine Schiffe
auf halten zu können, sollten zwei Kedouten gebaut werden: „eine am
Ende der Brigittenau, wo sich ein steinerner Sponi befindet, welcher
die grosse Donau von dem nach Wien abzweigenden kleinen Arm
theilt und die andere an der Spitze der Insel Jlllhlstcin, gegen-
über der ersten, mit 200 Mann in jeder und einigen eisenien
Geschützen, unterstützt durch unsere Tsehaiken und einige (andere)
Schiffe, um den Rückzug der Besatzung entlang des Wass<“rs zu
ennöglichen, wenn man die Unmöglichkeit sicht, sich mit Vortheil
zu halten. Dessgleichen am Tabor, rückwärts der grossen Brücke,
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Die VcrtlieidigUDps-Anstaltcii in Nieder- nnd Inner-Oesterreicli etc. 165
WO die Wache ist, wäre eine gut flankierte Schanze für 200 Mann
und für einige eiserne Geschütze zu errichten, lediglich um eine
Abtheilung zu unterstützen, welche sich in’s Terrain begiebt, um
zu recognoscieren oder dem Gegner zu schaden. Und wenn der
Feind in die Umgebungen der Inseln vorrücken würde und für
uns keine Unterstützung zu erhoflFen wiire, sollte man zcitgerecht
die brücken verbrennen und die Besatzung in guter Ordnung in
den Platz zurückfuhren.“
Die Vorschliige de Monti’s gelangten zur Annahme und als-
bald auch zur Ausführung. Die Vorstädte, mit Ausnahme der
Leopoldstadt, wurden geräumt, Häuser, Stallungen, Holz- und
W agenschoppen, Planken, Zäune, Spaliere, Bäume auf den Courtinen,
Wällen und Bastionen der Stadt rasiert und das Terrain planiert. ‘)
F'ür dies(; Arbeiten stcllüm die Stände 3000 vSehanzarbeiter
bei. Weitere 1500 Jlann brachte man dadurch auf, dass „Die von
W ien“ von allen bürgerlichen, Frei-Häusem und Klöstern nach
Massgabc der Grösse, 1, 2 oder 3 Arbeiter per Haus zur .-\rbeit
schicken mussten ; auch wurden die starken Leute aus den Ge-
fangenhäusern zur Schanzarbeit verhalten und 240 Invaliden aus
dem Armenhaus als Aulseher beim F'ortificationsbau verwendet.
Die Anfertigung von F'asehinen in den Donau- Auen wurde eifrigst
betrieben und hiebei 700 Arbeiter beschäftigt. Die Arbeiten be-
gannen am 14. September, schritten jedoch, wie ein von Kheven-
hüller, Daun und Wunnbrand Unterzeichneter Bericht vom 20. Sep-
tember an die Königin constatiert, nur langsam vorwärts. '■')
1) Laut „Explicatiüii zum Plan der küiiiKlichon Uesidenz-Stadt Wien“ von
Hanptmanii Hanin Schemding 1745, legt« Ingenieur-OlKirst de Monti, wcittirs
di»* ganze wienerische Defension auf nichts als auf den Kj4noueiischiis.s gericlitct
ist, basHanken in den Oralien und bracht« hiedurch doch einiges Miisk«'tcnfeuer
auf. wcit«‘rs wTird»iU. da die \S'alle dergestalt verbaut wanin, dass man, sozusagmi,
mit keinem Schubkarren, viel weniger mit einer Kanone auf seltmn fahren konnte,
alle Gebäude ohne Unterschied weggerissen, die Gunette lies« er ausputzen und
vertiefen, die Paraj>t‘ten revidien*n, die f?chusssehart«*u einschueiden, in alle plar<*.s
d'arm»\«i Retrancheraenter anlegen. die ausspringttnden Winkel der Glaeis um die
Bastionen in etwas die Teten erhöhen, die znsainnieiigefalienen Minen herstellen
und alles Uebrige, zu einer Defension gehörige, soviel als mir möglich, veranstaltet,
also dass sich diese Festung, obschon ihrer grossen, an sieh habenden Kehfcni,
Doch ziemlich hält«? erwehren können. “ (Krieg.s-Andiiv, (’. A. Areh,-Kr. *2H, 1745.)
Kriegs- Archiv 1741, Oeslom.‘ich und Baycni, F. A. 9/2i.
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158
Kern utmüller.
St. Pölten und Korneubur}:; am 2 . October eine Uhnlicbe GescbUtz-
licferung befohlen wurde. *) Ueberdies wurden Anfangs October
002 geschlagene Brandröhren für fiOpfUnd. Bomben, 162(5 ge-
schlagene Brandröhren fUr 30pftind. Bomben, 2000 geschlagene
und 3000 ungeschlagene Brandröhren für Handgranaten aus Ofen
nach Wien geschafft, so dass die Residenz am 20. October mit
Geschütz, Pulver und Munition wenigstens für den ersten Bedarf
versorgt war.
Bezüglich der Verproviantierung wurde als Grundlage der
Berechnung angenommen, dass eine Gesammtbevölkerung von
40.000 Menschen zu verpflegen sein werde und zwar:
Ganiison 8000, Bürgerschaft und Studenten 6000, Einwohner
26.000 Köpfe.-)
Am 1 2. und am 14. September ward durch „offenen RuP
bekannt gegeben, dass Jedermann sich auf 6 Monate zu verpro-
viantieren habe; diejenigen, welche, dies nicht zu thun vermöchten,
sollten sich innerhalb drei Tagen aus V’^ien entfernen. Weiters
wurde verfügt, „dass, weil sowohl in der Stadt, als in den Vor-
städten viele dienstlose Personen befindlich seien, deren Anzahl
auch, da bei diesen gefilhrlichen Zeiten Jedermann die überflüssigen
Bedienten zu entlassen tnichten wird, noch mehr anwachsen dürfte,
man diese herrenlosen Leute, welche widrigens von hier abgeschaflFt
werden müssten, damit sie Brod haben mögen, zu ihrem eigenen
Besten, dass sie nicht etwa gar von dem Feinde aufgehoben und
zu schweren und gefilhrlichen Arbeiten ohne Lohn angehalten
werden mögen, auf ein Jahr in königliche Kriegsdienste annehmen
und sie unter die Regimenter mit dem gewöhnlichen Soldatengchalt
und Montur, mit dem ausdrücklichen Ifedingniss anzunehmen vor-
tritglich zu sein erachtet habe, dass sie nach Vei-fliessung eines
Jahres, oder auch wenn in dem laufenden Jahr kein Feind in
dem Lande Oesterreich mehr sein sollte, mit gehörigen Regiments-
Abschieden wieder ganz gewiss entlassen und falls sie in diesem
ihrem Kriegsdienst eine Verwundung überkämen, in die Invaliden-
lläuser aufgenommen und ausser dem Lande Oesterreich keine
M KripjrH-Ardiiv 1741, Ouwtemnch nnd Hayprn, F. A. 13/44.
*) Die mit 26.000 Köpfen l>ezirt»Tte IWvulkenuis ent.*«pricht jenem Pereent-
der daiualijr«*n Bewohner Wiens, wrUdier innerhalb der Ijofesti^en Stadttheile,
also in der inneren iStadt und Leojmldstadt, ses.'<huft war.
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Die Vertlieiiligimgs- Anstalten in Nieder- und Inner-OcsIerTeieh etc. 159
Kriegsdienste zu leisten schuldig sein sollen. Wenn aber dergleichen
Dienst- und Herrenlose nach einiger Zeit gefunden werden sollten,
welche zu Kriegsdiensten tauglich sind und sich nicht gemeldet
haben, so werden sie nicht allein von hier abgeschaffet, sondern
auch entsprechend gestraft werden.“ ')
Durch diese Massregel wurde das herrenlose und arbeits-
scheue Volk nutzbar gemacht und gleichzeitig Uehelstilnden vor-
geheugt, die bei einem eventuellen spilteren Mangel an Lebens-
mitteln unvermeidlich gewesen wilren.
Um die Zufuhr von Proviant zu erleichtern, wurden alle
königlichen und Privat -Mauthen, sowie die WaaggebUhren auf-
gehoben.
500(1 Centner Mehl wurden aus Trentschin und Leopoldstadt
in Ungarn nach Wien gebracht, wöhrend der in die Gegend von
Stockerau entsendete Hegimentsrath von Tepser grosse Mengen
Kom auf Schiffen hereinschaffen Hess, welche man im Collegium
der .Jesuiten, im Passauerhof, dann in den Klöstern zu St. Lorenz,
St. Jakob und „zur Himmelpforten“ unterbrachte. *)
Der Fleischbedarf ward mit 200 Centner töglich berechnet;
dies ergab fUr 100 Tage 20.000 Centner, wozu 5000 Ochsen
ii 4 Centner erforderlich waren, die aus Ungarn herbeigeschafft
wurden und im Prater, Stadtgut und in der Brigittenau Weide-
plötze erhielten, während die städtischen Fleischhauer ihr Vieh
vorerst noch in Bruck a. d. Leitha, Rohrau, Wilfersdorf, Albern,
Maunswörth, Ebersdorf und Simmering belassen durften.
Hafer, sowie Heu und Stroh waren in der Umgebung Wiens
in genügender Menge aufgebracht und in der alten Reitschule, im
Ballhaus und im Kreuzgang bei den Schotten eingedagert worden.
Fibenso ward die zcitgereehte Sicherstellung sonstiger Lebens-
mittel und Bedarfsartikel aller Art, Salz, Rauchtabak, sowie Bau-
und Brennholz veranlasst und zughdch Vorsorge getroffen worden,
dass Niemand grö.ssere Quautitäten anhUufe, um später etwa Wucher
damit zu treiben.
*) Kriep**An.’hiv 1711, und Ikiyern, F. A. 13a d 1 1 W.
*) Zur Vprmahlunjr des Komt*K befanden sich im Zeupbau.'«* 2 IMVnl- und
J4 Handmölilen; auch wurde die von Scheibluuer erfundtuie Mühle, in welcher auf
3 (iaufren taiclicli ein Muth Kurn ppmahlen werden konnte, in die Stadt gebracht
und spater auf den Betrieb durch Pferde und 12 Oatige erweitert.
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160
K ein atm üller.
Die saniUUs jiolizeilichen Vorkehrungen erstreckten sich auf
die Vorbereitung von Unterkünften für die kranken und eventuell
verwundeten Soldaten, die Reinhaltung der Stadt, die neuerliche
Publieierung der Feuer-Ordnung vom 15. Januar 1688, sowie die
Hestellung von Fcuerwilchtern für alle Thünne der Stadt und die
Privatgobilude von Seite der Ilauscigenthümer.
Die grössten Schwierigkeiten erwuchsen den leitenden Persön-
lichkeiten in Bezug auf ihre vielseitige Thiltigkeit aus der herrschen-
den (ieldnoth und es bedurfte der conipliciertcstcn Operationen, um
das nothwendigstc Bargeld horbeizuschaffen.
Unter dem Hofkaminerrathe Baron Giller wurde für alle
Anticipationcn und sonst einlaufenden Gelder eine Universal-Cassa
errichtet, aus deren Beständen die militilrisehen Auslagen auf Be-
fehl des FM. Grafen Khevcnhüller, die politischen imd ökonomischen
aber auf Befehl der Hof-Commission zu bestreiten waren. Die an
die Stände Brabants für ein Darlehen aus dem Jahre 1739 zu
zahlenden und eben fUlligen Quartals-Interessen in der Höhe von
54.000 11. wurden vorläuhg zurUckbehaltcn, die englischen Sub-
sidien-Gelder von den Banquiers anticipando behoben und bei den
Bürgern der Stadt bedeutende Anlehcn gemacht. Auch das Privat-
und Kirchensilber wurde mit Beschlag belegt.
Thatsächlich wurden in der Zeit vom 16. September bis
5. November für Verpflegung und Defension 192.711 fl., für Forti-
fleations-Arbeiten 76.582 fl. verausgabt. ')
Inzwischen hatten die ( Ipcratiouen der bayrisch-französischen
Armee ihren Fortgang genommen. Am 11. October hielt die Hof-
Coramission die Gefahr einer bevorstehenden Belagerung fVir un-
mittelbar bevorstehend, war aber entschlossen, „sieh denen unge-
rechten Unternehmungen des Kurfürsten von Bayern auf das
Aeus.serste zu widersetzen und Ihrer königlichen Majestät Gerecht-
same bis auf den letzten Blutstropfen standhaftigst und getreuest
zu vertheidigen , dieses auch nebst göttlichem Beistand mittelst
deren, von dem Feldmarschall Grafen von Khevcnhüller bei der
Fortifleation und dem dahin einschlagendcn Wesen fürgekehi-ten,
vortrefflichen Anstalten zu praestieren sich allerdings getrauet.*^
Krieps-Archiv 1741^ Oesterreich und iiuyem, F. A. 13 71.
*) Krieps- Archiv 1741, Oesterreich und IJayeni, F. A. 13 53.
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Die Vertliei(liguii{cs-Anstalteii in Nieder- mul Inner-Oesterreich etc. 161
Wenige Tage darauf, am 22. October, verlangte Maria Theresia
von der Hof-Commission zu wissen, ob die Königin nicht selbst
nach Wien zurUckkehren könne und solle?
Die Antwort lautete:
„Die Stadt getraue sich zwar auf das krälftigste zu wider-
stehen, doch liege der Feind dies- und jenseits der Donau bei
Traismauer und Krems; die Häuser seien voll von Soldaten, Pulver,
Heu und Stroh und könne man dermalen eine Räumung derselben
noch nicht vornehmen, die doch erforderlich wäre, um den grossen
Hofstaat unterzubringen. Die Bürger besonders hätten über ihre
Krältc die Anticipationen in barem Gelde erlegt, die Arbeiter zum
Schanzenbau gestellt und sich selbst ausgerüstet, die Bastionen zu
besteigen und dies alles willig aus gehorsamster Treue gethan. Es
wünsche Jeder die Gegenwart der Königin, besonders der gemeine
Mann, wegen des ihm daraus erwachsenden Verdienstes, doch sei
ihre Hieherkunft dermalen nicht anzuratben.“
Die Königin sprach daher in einem Hofdecrete „Denen von
Wien“, sowie der gesammten Bürgerschaft „für die ausnehmende
Treue, den Muth und Eifer, welche sie bei gegenwärtiger Feinds-
Gefahr zur Beschützung dieser königlichen Residenz- und Haupt-
stadt werkthätig bezeigt, ja alle bishero vorgekehrte Defensions-
Anstalten mit Geld und Mannschaft nach ihren äussersten Kräften
willfährig unterstützt haben,“ ihren königlichen Dank aus.
An demselben Tage aber, dem 24. October, schwand die
Gefahr, da die Bayern die Donau überschritten, um sich nach
Böhmen zu wenden. Alle weiteren Massnahmen der Hof-Commission
richteten sich nunmehr darauf, in der Stadt wieder normale Zu-
stände herzustellen; die b’ortifications- Arbeiten wurden jedoch,
wenn auch weniger eilfertig, fortgesetzt.
Am 7. December sprach die Wiener Bürgerschaft dem FM.
Grafen Khevenhüller „für die grossen Gnaden und Wohltbaten,
welche von Sr. Excellenz, dem allhier commandierenden Feld-
marschallen, der Stadt bishero seind zugewendet worden,“ ihren
■) Kriegs-Archiv 1741, Oesterreich umi Bayern, F. A. 13’60.
*) Archiv der Stadt Wien, alte Kegi.stratur.
Mittheilungen d« k. und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge. VII. 11
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162
Kematmüller.
Dank aus und übergab demselben ein Ehrengeschenk von sechs-
hundert Kreinnitzer Ducaten. ')
Damit gelangten auch die Vertheidigungs-Massnahmen in der
Residenz, die ein schönes und damals nicht allzu häufiges Bild
opferwilligen Zusammenwirkens zwischen Bürgerschaft und Militär
geboten hatten, riir das Jahr 1741 zum Abschlüsse.
Die Vertheidigrungs- Anstalten in Steyennark.
Für Steyennark und Inner-Oesterreich hatte die Königin
befohlen, „dass in dieser Sachen zu Graz unter Präsidio deren
innerösterreichischen geheimen Käthe sofort eine Conferenz an-
geordnet und dazu nekst denen von der Regierung, Kammer und
Kricgsstclle nöthigen, auch die gesummten innerösterreichischen
verbündeten Länder und dermalen zwar zuvörderst Steyer und
Kärnthen per Deputates einberufen und mit diesen das Nöthige
sowohl der Gegenwelir, als resjjcctu der innerlichen Landesruhe
pro ad reale et quoad personale concertiert, sodann mit zusammen-
gesetztem Rath und Mitteln befolget und zu Werk gebracht werden
solle. Es ist Anstalt zu machen, damit auch die etwa abge-
schickten Parteien (des Gegners) nicht einfallen können und wie
dieses bei denen Eng-Grenz-Pässen durch Yerhäck oder Ver-
grabungen, mit wenig Besatzung, sonderhcitlich von geschickten
und getreuen Scharfschützen, ohne grosse Kosten, zuvörderst zur
Winterezeit wohl geschehen kann.“
Dieser Anordnung gehorchend, trat die „angeordnete Con-
ferenz in Landes-Defensionssachen“ zu Graz unter dem Präsidium
des Grafen Johann Joseph von Wildenstein zusammen. Aus.ser
*) Archiv der Ir^tadt Wien, alte Hepistratiir.
*) Königin Maria Tlier»‘sia an die iunerösterreicliischen Landstaiidc. nolies»,
♦>. August 1741. (.Steytirmarkisehes l>andcs-Archiv, DefensionH-Acten 1741, August.)
Kriegs-Archiv 1741, lJuyem, F. A. Fase. II, 52c. Mitglieder dieser (’on-
fereiiz waren; Htattlialter Christoph Graf v. Wildeiistein, I^ande-shauptniunn in Steyr
(’arl .\dam Gnif v. Hn*uner, Hofkammer-lVäsident Disniar Graf v. Attem.s, I^andes-
verweser in Steyr Thaddaus (»nif von Atlems, Schloss- und Stadt-Commandant in
Gra* Kninz Graf v. Saurau, Chri.stian Herr v, Stul>enberg. innerösteir. Hofkammer*
Rath (iundacker Graf v. Herherstoin, Yenirdncter Joseph Herr v. Stul>enlH*rg, land-
schattl. kämthii. I>eputierter Ikiron v. Ottenfels, Inndschatt). krain. HeputicrtiT Graf
Andreas Daniel Barlw. Hofkriegs-Ritth v. E*rummerstein, Kriegsrath v. Kriegern,
Hofkaninicr*Kath Fopp.
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Die Vertlicidij^ungs-Anstalten in Nieder- und Inner-Oesterrcicli etc. 163
Steyerniark waren auch Kämthen und Krain in den Wirkungskreis
dieser Commission einbezogen worden, wie aus der Zusammen-
setzung der letzteren zu ersehen ist. Die gitnzliche Theilnahmslosigkeit
der Stände Kärnthens und Krains brachte es jedoch mit sich, dass
dieselbe nur flir das Herzogthum Steyennark wirklich in Thätigkeit
trat und ihre Massnahmen auf Ober - Steyennark beschränkt
blieben. ')
Die Organisation und die DurchfUhrungsart derVerthcidigungs-
Anstalten in Inner-Oesterreich lassen sich übersichtlich aus der Reso-
lution ersehen, welche, gerade ein Jahr nach deren Beginn, die
Königin Maria Theresia am 19. August 1742 iius Wien an den Landes-
hauptmann von Steyennark richtete. Zu jener Zeit trat eine
bayrische Invasion wieder in den Bereich der Möglichkeit und
die Königen traf daher in derselben Weise wie im Vorjahre ihre
Verfügungen. Die Resolution lautet : *)
„1. Ist die Land-Defensions-Coramission unter diesem geheimen
Präsidio auf den vorjährigen Fuss mit Einberufung der Cameralis,
Militaris und Provincialis und wer sonst dazu dienlich sein möchte,
allerdings stracks zu reassumieren und daselbst mit gemeinsamem
Rath und That Alles zu des Landes Sicherheit Erforderliche zu
concertieren und respective zu exequieren ; dabei dann
2. sonderheitlich zu gedenken sein wird, damit die I’ässe und
Zugänge fördersamst gesperrt und besetzt werden, wodurch dem
Lande Steyer eine Feindesgefahr zukommen könnte und weiter
3. diesfalls die beiderseitigen Klausen vor Pyhrn in haupt-
sächliche Consideration kommen, als seind solche und alle andern
dergleichen Pässe unter Aufsicht vertrauter Leute wohl zu besetzen,
diesfalls
4. der Herr Prälat von Admont seinen schon im Vorjahr
bezeigten löblichen Eifer, Obsorge und geschickte Verfassung mit
seinen und benachbarten Leuten diesseits des Pyhrn abermals
vorzukehren und dem auch jenseits des Pyhrn der Probst zu
•) Ceber <l.is Verhalten Krains zu dieser Zeit siehe: „Krain und das Küsten-
land zu Beginn des üsterreichisehen Erhfolgekriegcs“ von .InUu.s Wallner. Mitthei-
Inngen des Musealvereines für Krain, Laibach 1892. Kärnthen verhielt sieh ähnlich.
(Steyennärkisches Landea-.Archiv, Defeusions-Acteu 1741.)
*) Steyermärkisches Landes- Archiv, Defeusioua-.Acten 1742.
11 *
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164
KeniatmUller.
Spital flcissigst nachzukoramen bedacht sein, beide aber unter sich
und mit andern Benachbarten sich bestens einverstehen werden.
5. Zu solchen Besatzungen sind auch bei den Verhauen
die Herrschaftsjkger, auch andere Scharfschützen sobald und
soviel möglich für allen Nothfall aufzubringen und respective
wehrhaft zu machen. Dazu aus den landesfUrstliehen, landstilndlichen
und Privat-Zeughäusern das etwa erforderliche Gewehr und Munition
herzunehmen, oder wie sonsten bestens thunlich anzuschaffen.
6. Denen also bestellenden Schützen wird die landfürstliche
Landschaft in Steyer, oder auch der betreffende Herr Prälat oder
Landstand, so lange solches nicht die k. Hofkammer selbst unter-
nimmt, die billige Löhnung und Proviant beischaffen, gegen dem,
dass solche Lieferung am eigenen nächsten contributionali abge-
rechnet werden möge.
7. Dessgleichen das k. Camerale zu Aussee und die andern
Kammerguter praestieren wird.
9. Was etwa das Land ob der Enns von Hornvieh, Getreide
oder andern Lebensmitteln aus Steyer, oder das Land Tyrol aus
Kämthen bedürfen möchte, dem ist mit allem Eifer statt zu thun
und ein Gleiches ist für Kärnthcn gegen Tyrol zu beobachten,
gehalten.
10. Per cameram die Verfügung geschiehet, damit solches
alles zu dieser Land-Defension in denen k. Erblandcn mauthfrei
passiert werde.
11. Allem Ansehen nach dürfte der Feind trachten, die Salz-
werke in seine Gewalt zu bringen, wohingegen denn auch diesseits
um deren sehr angelegene Beibehaltung mit allem Ernst zu gedenken
ist, derentwegen von dort aus das Nöthige durch die Behörde
verordnet worden ist.
13. Diese allhier ersetzende (’onferenz hat sich der ehe-
maligen Gewalt ad exequendum zu betragen. Wo aber Bedenk-
lichkeiten vorkommeten, wollen ihre königliche Majestät Uber ein-
langende Berichte und Gutachten die Nothdurft stracks ver-
ordnen.“
Sowohl im Jahre 1741, als auch 1742 wurde im Wesent-
lichen nach dieser Instruction gehandelt und Obcr-Steyeriuark
durch Sperrung der Pässe und IJebergänge in dem Raume von
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Die Vertliei(iig:iiiig«-Anstalteii in Nieder- und Inner-Oesterreich etc. 165
Friedbcrg am Wechsel bis zum Mandling-Pa.ss abgeschlossen,
welche Arbeiten 1741 vollendet und 1742 ausgebessert und ver-
stärkt wurden.
Dieselben vertheilten sieh wie folgt:
1. Das Gebiet des Semmering.
Laut Meldung des Obersten Grafen Brenner aus Mürzzuschlag
vom 21. October 1741 an die Confcrenz in Defensionsfragen,
bestand die „dortige Situation“ in 5 Päs.sen auf der stejrischen
Seite : Nass, Gscheid, Semmering, Tiernitz und Pröschnitz. ‘)
(i) Nass: Ist ein Gangsteig, wo einige Schützen genügen.
b) Gscheid: Ein weitläufiges Werk verhauet und mit einer
Tschardake *) am Weg versehen worden. Besatzung : 1 Officier
und 25 Mann Warasdiner. Der Prälat von Neuberg hat das
Werk (die Arbeiten) übernommen.
c) Semmering: Ein sehr weitschichtiges Werk ohne
Waldungen, von einem bis zum andeni Yerhäck verpallisadierl,
2 Tschardaken, 1 Blockhaus und 2 Batterien umfassend, mit
10 Ofticieren, 50 Mann besetzt.
d) Tiernitz und Fröschnitz : Ein Verhau von Kirchberg
bis Aspang, mit 25 Mann (Warasdiner) und 230 Scharfschützen
besetzt.
Auf der niederüsterreichischen Seite des Semmering batte
der Viertels-ComraissUr Graf Heussenstamm die nüthigen Arbeiten
herzustellen, doch bemerkt Brenner, „dass die Oesterreicher wenig
Lust hätten etwas zu thun.“
2. Mariazell und Umgebung. ^)
Zur Sicherung von Mariazell wurden der Ganiing-Pass und
der Pass am Josephsberg mit Verhauen versehen und daselbst
Tschardaken errichtet.
Ebenso wurde der Weg ausserhalb des Dorfes Terz (Pass
von Terz genannt) verhauen und daselbst ein Wachhaus erbaut.
*) Kric);s-.\rcliiv 1741, Bayern, F. A. Fase. 11, 521>.
Vertlicidip'fiRsfahi^t'.s Notlijrcliilnde (Watlihans).
,.ltclntion über die Uauptpag.sa);cn, so aus dem .salzbun;ischcn in die
inncrö.stcnvichischen Bande füliren . ." von Jbli. ('. v. Kepain 1745. (Kai.s. Fami-
lien- Tind Frivat-Bibliotliek, Manuscript-Nr. 75G0.)
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166
K e m a t m ü 11 e r.
Ueber die Arbeiten bei Altenmarkt, Pierglitz und Uenning, wele-be
in den Vertbeidigungs-Knyon von Mariazell gehörten, sind keine
näberen Angaben vortindlicb.
3. Pyhrn. ■)
Die Befestigung dieses Passes wurde durch 379 Mann her-
gestellt, war sehr weitläufig und bestand aus Verhauen, Verschanz-
ungen und einer Batterie.
4. Aussee.-)
Die Art der Befestigungs - Arbeiten nächst Aussee ist aus
den Acten nicht ersichtlich, doch scheinen sie „weilen dieses
Dcfensionale nur hauptsächlich zur Beschtltzung dieses Kanmior-
gutes abgezielt ist, daher das Bergvolk (Knappen) zur Be-
wachung zu verwenden“, *) nur von loc.aler Bedeutung gewesen zu
sein. Immerhin waren sie ziemlich ausgedehnt, denn die zu ihrer
Besetzung gehörigen Otüciere und Soldaten waren auf einem
Umkreise von vier Stunden in 100 Wachhämsern untergebracht
und der Markt Aussee hatte anlässig der Arbeiten allein für
Fuhrlohn 325 tl. 50 kr. verausgabt.
5. St. Wo 1 fg au g.
FML. Freiherr v. Moltke nennt diesen Ort, als in seinen
Wirkungskreis gehörig, bringt jedoch nichts über die Art der
Hefestigung desselben.
6. Pass M a n d 1 i n g.
Dieser wichtige Pass hatte „zur Defension des Thals ein
Ketranchement, so in einer Courtine und zwei Halb-Ba.stionen
bestehet, dessen Brustwehr mit Bäumen verkleidet auf dem
Horizont des Erdreichs stehen untl vorwärts mit einem kleinen
Graben versehen sind“.*) Kriegs-Commissär Max von Steinach
•) Stpyemiitrkischos Laml«^s-Arcliiv, DefVii.sions-AcU'n 1741, Aiijrust.
*) Stpyonnärkiwhps LamU‘s*An:hiv» DefensioiiH- Acten 1742, April.
*) ..Relation üImt tlie Haiipt|Kist:af:e]i. so aus d**Di salzbiir^ischcn in die
imieröstcm'ichi.Mheii l.^ande führen . von Joh. (’. v. Kt-pain 1745. (Kais. Kami*
lien- imd frivut-Bihliotliek, Manuscript Nr. 7560.)
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Die Vertheidifrunps-Anstalten in Nieder- und Iiiner-Oesterreicli etc. 167
meldete am 21. Jlai 1742 darüber an den Landes- Ausschuss
nach Graz:
„Mandbng (Möndling) ist nur hergerichtet, ganze Trupj)en
aulzuhalten, nicht aber einzeln marschierende Personen. Ueber
die Pülschen sind drei Wege: Putschen, Koppen und Reifling.
Dessgleichen über den Radstädter-Tauern nach Murau der Pretlitz
und andere Weg, so eben an das neutrale Salzburgerland anstosset.
Weiters über den Pyhrn- und Stoberg verschiedene Seitenwege,
dessgleichen aus Oesterreich über St. Gallen und Burgau. Wenn
nun absonderlich der Weg Uber Pötschen und Mimau nicht
zugleich besetzt werden, so ist von der zu Handling aufzu-
.stellenden Wacht wenig Fruchtbares zu hoffen. Zur Defendierung
der Strasse über den Pötschen wurde über den langen Bergrücken
desselben, von dem Sarsteiner-Gebirge bis an die tiefste Leissling
(durch welche einstens die Ilauptstrasse gegangen) und zwar vom
Sarsteiner-Gebirge auf 400 Schritte lang ein Retranchement, dessen
Brustwehr mit langen Bäumen verkleidet und an solches eine verhäck-
tOrmige Brustwehr bis an die tiefste Leissling aufgerichtet. Vor dieser
Linie war ein Verhäck gefället, welcher sich von dem Sarstein
durch die tiefste Leissling bis auf die Höhe des Sendlingsberg
estendiert hatte.“ ’)
7. Pretlitz, 8. Seebach und 9. Brebern.
Ueber die Sicherung dieser drei Pässe meldete FML. Freiherr
von Moltke an den Hofkriegsrath aus Hurau 4. October 1741:*)
„Habe aber am 1. Pass (Pretlitz) veranstaltet, da.ss an einem
engen Seitenweg eine Tschardake mit einem Graben errichtet
und bei dem Hauthhaus an der I/andstrasse eine Autzugbrücke
mit einem ebenmässigen tiefen Graben erbauet und besser rückwärts
an eben dieser Strasse ein Felsen, jedoeb dieser in dem Casu
gesprenget und dazu alles in Bereitschaft gehalten, auch die
Brücke Uber die Hur alsdann abgeworfen werde, wenn der Feind
alsdann schon wirklich in Salzburg eingerücket wäre, als sich
') „Relation üljer die Haiiptpassagen. so aus dem salzliiirpisehen in die
innerösterreiehischen Ijaiide fuhren . .“ von .loh. C. v. Repaiii 174.5. (Kais. Kami-
lieu- u. Privat-Bihliothek, Maimser.-Nr. 75K0 und Steyenniirki.sihes l,andes-.4rehiv,
Defensions-Acten 1742, Mai.)
*) Kriegs- Anhiv 1741, Bayern, K. A. Fase. 10, ad ‘Sl'!, 0,
k
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168
KematmUller.
ein solches nicht elmder thun lasset, weil durch diesen Pass
Kilrnthen seine Subsistenz von Salzburg durch das Turauerthal
iiberkommt.“
„In dem Seebacher- Pass habe nicht wenig-er, allda wo
er am engsten, eine Aufzugbrllckc, auch daselbst linker Hand
einen Fahrweg zu ruinieren angeordnet und linden sich demnach
besser herwärts des Passes eben 3 oder 4 grosse, sUirke Bäume
an der Strasse, welche bei einer Feindesgefahr alsdann umzuhacken
destiniert sein.“
„Der 3. Pass Brebcrn ist mehr ein Gehsteig und ebenfalls
durch ein daselbst angestelltes Mauthhaus filr den einspännigen
Wagen und Saumpferde die Ooutrebande zu verhindern, jedoch
habe auch bei einer sich eräussernden Gefahr, dasclbstcn 4 Brtlcken
abzuwerfen und den Weg zu ruinieren veranstaltet.“
„Alle diese Dinge müssen durch den hiesigen Oberverwalter
des Fürsten Schwarzenberg in Murau, Garzaroli, ad executionem
gebracht werden.“
Auch die Landeshauptstadt Graz wurde in Vertheidigungs-
zustand versetzt, nachdem der „Ausschuss in Defensionssachen“
„Uber den schlechten Zustand der Festungswerke“ am 26. October
1741 an die Königin Maria Theresia Bericht erstattet hatte.’)
An regulären Truppen befanden sich im Jahre 1741 verein-
zelte Abtheiluugen verschiedener Regimenter in geringer Stärke
in ( )ber-Steyermark. Nach dem Bequartierungs Ausweise standen
im August an den obersteyerischen Pässen 2228 Mann.'O
Der Hofkriegsrath versprach Verstärkungen, cs kam aber in
Folge der Kriegservignisse nicht zur Absendung derselben und so
blieb die Orenzhut zumeist nur den von den Grundherren beige-
gestellten Jägern und Schützen unter der xVufsieht von OfKcieren
des Heeres anvertraut.
In welcher Weise das Land für die Verpflegung und Unter-
kunft der an den Päs.scn befindlichen Leute sorgte, lässt sich aus
der -Meldung des in der Klause am Pyhrn commandien-nden Ritt-
■) .Sti-ycrmärkisclie» I..aiiiles-Ar(hiv, üofi'nsiun.«- .Arten 1741. (n-lolier.
*( isleyennitrkisthes I-andes- .Archiv, Defensioiis-Actcn 1741, -Anpi.st.
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Die VcrtlieidigiinRS-Anstalten in Nieder- und Inner-Oesterreich etc. 169
meisters von Krammer vom 8. October 1741 an FML. Freiherr
V. Moltke ersehen: ‘)
„Hieinit solle gehorsamst berichten, dass gestern an Herrn
Baron von Steinach (Landes-Commissiir) geschrieben, wie solcher
mir mit Brctteni, dann genügsamen Nägeln secundicren solle, da-
mit (ich) die bei denen Brustwehren zugetheilte Mannschaft unter-
bringen könne, indem nächtlicherweile wegen ziemlich anwachsender
Kälte die Leute unter blossem Himmel nicht subsistieren können;
weiters leiden wir grossen Mangel an Brod, wo die Leute hier
mich dergestalten angelassen, damit ich ihnen Brod vcrschafte,
indem sie Hungernoths durchgehen müssten.“
Was bei Einbruch des Winters nicht fertig gebaut war, blieb
nach einem Befehlsschreiben der Königin aus Pressburg, 8. October
1741, nothgedrungen den Arbeiten des nächsten Jahres Vorbe-
halten; „übrigens aber ist derzeit, da sich die Feindesgefahr etwas
entfernt hat, von sothanen ferneren Döfensions - Arbeiten auszu-
setzen, jedoch darauf künftigen März weiters anzutragen“, -) schrieb
Marin Theresia den steyerischen Land.ständen und diese Weisung
erschien umso nothwendiger, weil viele der aus Holz und Erde
hergestellten Werke, thatsächlich schon im März 1742 wieder ein-
gestUrzt waren.
Indessen wären mit jenen Leuten, welche den k. Officicren
von den Grundherren zur Vertilgung gestellt wurden, im Ernst-
fälle auch solidere Bauten nur schwer zu vertheidigen gewesen,
denn die hiezu aufgebotenen Streitkräfte zeigten sich nicht nur
schon im Allgemeinen als unbrauchbar, auch die Stimmung der-
selben war zumeist eine gleichgiltige und einem Kampfe keines-
wegs geneigte.
So meldete der auf dem Uerming-Passe befehligende Lieutenant
Graf Gaissruck des Berliching’schen Regiments (Drag.-Kgt. Nr. 9)
am 9. October 1741:®)
„Die herrschaftlichen Jäger sagten mir schon den ersten Tag,
dass sie mehr als fünf Groschen (täglich) haben wollen und ich
sie nicht zu sehr vor dem Feind exponieren solle, vom ersten
Tage an desertieren mir nächtlich 3 — 4 Mann.“
') KrieR.‘i-Archiv 1741. nayern, F. .A. Fase. 10, ad 27>'', l)fr.
’) .‘ätcyermUrld.sches I.andi'8-.Archiv, Di'fon.sion,<-Acten 1741, Octol)er.
’) Kriep.»-.Arrhiv 1741, Uaycrii, F. .A. Fa.sc. 10, ad 2i'/j D— in.
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Kematraüller.
Die Auswahl zeigte zudem den wenig guten Willen der
Grundherren. „Die Herrschaften stellen nur meistens untaugliche,
auch blödsinnige und tadclhafte Leute, die sich nicht todtschiessen
lassen, auch haben sie nie ein Gewehr in der Hand gehabt.“ *)
Ein klares Bild dieser Zustände liefert aueh FML. Freiherr
V. Moltke in seinen Berichten an den Hofkriegsrath und an die
Conferenz „in Defensionssachen“ in Graz.*)
„Ein Bauer sagt,“ schreibt Moltke am 9. October 1741, „wir
sollen das Land defendieren, da wir derentwegen doch unsere Con-
tribution zahlen. Wir haben jetzt auch auf unsere Ernte zu
schauen und keine Zeit, die Pässe zu besetzen.“ Nun aber muss
man zum Besten des höchsten Dienstes diese (Bauern) mit einem
Phlegma anhören und dissimulieren und einen solchen aufrührerischen
Kopf noch flattieren, denn wollte (man) einen solchen Bauern als
einen Meuterer bei seiner Herrschaft angeben, würde hiemit un-
fehlbar ein grösseres Uebcl erstehen.“
Er habe: „ . . . Bauern, so sich nun derentwegen aus ihren
mit Fleiss zugezogeuen Kröpfen, in wessen Ueberkommung sie
auch ein bewährtes Mittel gefunden, eine Ehre machen, damit sie
vom Soldatenleben dispensiert sein mögen und welche mehrentheils
mir unter die Augen sagen, nicht fechten, nicht arbeiten und ihre
determinierte Zeit aushalten zu wollen, denn Einer hat ein krankes
Weib, ein Anderer ein krankes Kind, der Dritte eine kranke
Kuh, der Vierte, was das Beste ist, er hätte keine Lust, sich todt-
schiessen zu lassen, der Fünfte, er wüsste nicht, warum er einen
Bayern todtschiessen sollte, der ihm sein Lebtag doch nichts ge-
than habe. Wahrhaftig, mit solchen Leuten, worunter zum Theil
unbewehrte, oder mit alten wurmstichigen Morgensternen, oder
einem alten, verrosteten Spiess versehene, halb todte Menschen
seind (ist es .schwer) zu fechten.“
Ungeachtet der mangelhaften Vertheidigungs-Vorkehrungen,
des primitiven Baues der Befestigungen und der kärglichen,
unregelmässigen Besoldung und Verpflegung ihrer aus Landes-
kindem bestehenden Besatzungen waren die Kosten, welche dem
Lande Steyermark ans der vorbereitenden Abwehr einer feind-
') Rittmei.ster von Kramnier an (traf Dietrichsloin, 4. Ansn.<t 1741. (Steyer-
märkisches l4amles-.'Vrcliiv. Det'cii.siuns- Acten 1741. .August.)
^) Kriegs-Archiv 1741, Bayern, F. A. Fase. 10, ad 27*;j (’.
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Die Vertlieidigungs-Anstaltea in Nieder- und Inuer-Oesterreieb etc. 171
liehen Invasion erwuchsen, doch relativ sehr bedeutend. Sie be-
trugen beispielsweise allein „pro anno 1741 laut Haupt-Conscri])tion
lit. A“ 126.435 Gulden, 3 Groschen und 11 Pfennige und wurde
zur Deckung derselben von Seite der Stünde die Einhebung eines
50percent. Zuschlages vom Zin.sgulden verfilgt, von welchem die
eine Hillfte durch die Grundherren, die andere durch die Unter-
thanen aufzubringen war. ‘)
Welche Bedeutung der Kurtlirst den Vertheidigungs-Massregeln
des Landes wirklich zuina.ss, ist nicht nachzuweisen.
Gewiss ist, dass Carl Albert, Uber die Vorgilnge an der
steyerischen Grenze unterrichtet, die dortigen Befestigungen als
eine Art Schutz fUr die aus Italien heranziehenden und nach Böhmen
dirigierten österreichischen Trupjtcn und somit als eine Gefahr für
seine langgedehnte rechte Flanke an.sah, -)
Er versuchte sich hier zu sichern, indem er den Stünden des
Herzogthums Steyennark nahe legte, ihr Land zu neutralisieren. ®)
Diesem Bestreben dürften die langwierigen Verhandlungen zuzu-
schreiben sein, welche der Kurfürst schon von Uber-Oesterreich aus
mit den steyrischen Landstünden einleitcn liess.
Die Truppen Carl Albcrts näherten sich während dieser
Zeit der steyrischen Grenze wiederholt. Schon am 26. August 1741
waren bayrische Abtheilungen an den Pässen nächst Leoben zu
sehen und zu gleicher Zeit sammelten sich andere an der unteren
Klause am Pyhm und forderten die Uebergabe derselben, da dieser
Pass zu Ober-Oesterreich gehöre, „mit beigefügter Versicherung, dass
Se. kurfürstliche Durchlaucht gegen da.s Land Steyer nichts h’eind-
liches zu unternehmen, auch das Land mit keiner Miliz betreten
zu lassen, sondern nur allein, damit die nöthigo Communication
’) Steyemiärkiselii\s‘ LaiKle.-i-.trihiv, Defeiisioiis-.\clen 1741.
•) Bayeristhen .Apenteii bffa'frnetc man ubfrall : in Isebl, Aussen, Leoben nml
Graz. (Steyermarkiselies Landes - Archiv, Defensions-Acteii 1741); auch in Wien
meldete 1742 Lieutenant Schönwetter vom Pass Mandlinir. dass. .,ila nach I)elo);ierunR
des Keindes die Wachen in Mandlin;; anlirehohen seien, Gefalir vorhanden sei. dass
sieh allerlei verdächtige Leute, als Deserteurs und feindliche Emissäre hereintiUchten“.
ü-ti-yemiärkischcs Landes-.trehiv, Del'ensions-Acteu 1742, Mai.)
Steyemiärkisehes Landcs-Archiv, Defensions-.Acteu 1741.
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172
KematmUnpr.
nicht gehemmt werde, aucli mit eigener Unterschrift garantieren
und versichern wolle.“ ’)
Nachdem der Kurfürst gewi.ss nicht die Absicht hatte, Steycr-
mark zu besetzen, konnte die Erlangung der Pässe nur den Zweck
haben, durch die Besetzung derselben mit bayrischen Truppen
zukünftigen Gefahren von dieser Seite vorzubeugen. Die ent-
schlossene Haltung der österreichischen Officiere vereitelte dieses
Vorhaben; die Bayern versuchten sich gegen Süden dadurch zu
sichern, dass sie die Ausmündungen der steyrischen Pässe in das
von ihnen occupiertc Öberösterreichische Gebiet jetzt ilirerseits
besetzten und befestigten. ®)
Die Verthcidigungsmassregeln in Ober-Steyermark, so primitiv
dieselben waren und so lässig ihnen seitens der Bevölkerung auch
Unterstützung geleistet wurde, erreichten daher sowohl „respective
der Gegenwehr, als respeetive der innerlichen Landesruhe“ ihren
Zweck vollkommen, denn dieselben veranlassten doch die Bayern
zur Deckung ihrer rechten Flanke viel Zeit aufzuwenden. Während
dieser konnte Wien derart in Vertheidigungszustand gebracht
werden, dass nur noch durch eine längere Belagerung auf Weg-
nahme der Stadt zu rechnen war.
Ob aber die Vorgänge an der steyrischen Grenze und die
Befestigung Wiens auch einigen Einfluss auf den sonderbaren
Entschluss des Kurfllrstcn, seinen soviel Erfolg verheissenden Zug
auf Wien aufzugeben und sich nach Böhmen zu wenden, geübt
haben, mag dahingestellt bleiben. Der Delegierte König Friedrich II.,
FM. Schmettau, versuchte Alles, um den Kurftlrsten auf dem-
militärisch gewiss richtigsten Weg auf Wien zu erhalten, alxT
einerseits vom lebhaftesten Misstrauen gegen seinen Alliierten,
König Friedrich erflillt, dem er zutraute, da.ss er sich auch noch
des Königreichs Böhmen bemächtigen und den Kurftlrsten schliess-
lich um alle Früchte seiner Bemühungen bringen werde, kann es
*) I>ai)dt*8-I)ffpii8ionH-(‘ommis8är (rnif Dietnehst^^in an den Orafpn Adam
Bminer. (Slevermärkisohes Landes-Archiv, l)(‘fenKion8-A<'t(»n 1741, Augrist.)
*) Lieutpniint Haron Sauer des R«*rli«‘hiu^'schen Rej^iments meldete am
y. OctolM-r 1741 vom l*ylim-Pawi, ,.duss die B;iyem mit f>0 Mann n'finläreii Tni|»|>en
und 100 Hauern, einen Hürhsensthn«« wtiit vom steyrischen Ycrliäck, eine Ver-
Kf'hanzung: zu machen l>egannen. er sie nWr mit seinen S< hü!zen vertrieben habe.“
( Steyermärkisches Landcj^-Archiv, Ib-fensions-Acten 1741, October).
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Die Vertheiiligimgs-Anstalten in Nieder- imd Inner-Oesterreich etc. 173
wohl sein, dass er anderseits auch den Anzeichen eines erwachenden
Widerstandes in den österreichischen Landen gegenüber sich, im
Donau-Thale eingeengt, unbehaglich gefühlt habe. Mit dem plötz-
lichen Uebergang bei Mauthhauscn und dem Marsch nach Böhmen
war er aus allen diesen Verlegenheiten befreit, er hatte dem
Wunsche seiner engeren Alliierten, der Franzosen, entsprochen, er
hinderte König Friedrich, die Ernte in Böhmen für sich allein zu
schneiden, er brachte aber auch die Donau zwischen sich und
die unbestimmte Gefahr aus Inner-Oesterreich und vermied es, sich
in einen Kampf um Wien einlassen zu müssen, in dem er vielleicht
eine ernstere Aufgabe sah, als sic unter den gegebenen Umstünden
wirklich gewesen wäre.
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TAGEBUCH
KtNSft
OFFICIERS IM GENERALSTABE DER BAYERISCHEN ARMEE
(MAJOR FUHRST THURN UND TAXIS.) »)
IM FELDZUGE 1812.
>) Im k. nnd k. Kriefro-Archiv erliegt dieses Tagidmch als Copie. Das Original
därfle sich im Besitze der Endlichen Familie Thum und Taxis belindeu, da wenig-
stens ein kleiner Auszug vor einiger Zeit in dem bei Ihistet in Regensburg erschei-
nenden .Deutschen Hausschatz* publiciert worden ist. Da das Tagebuch damahi
fhr die .Uittheiluugen des k. und k. Kriegs-Archivs“ bereits zum Druck bereit-
gestellt war nnd jene Publication desselben einerseits einen zu kleinen Theil
widergibt, anderseits anch der .Hausschatz“ in fachlichen Kreisen wenig ver-
breitet ist, glanbte die Direction des k. nnd k. Kriegs-Archivs anf die hier folgende
Veröflentlichnng nicht verzichten zn sollen.
Es war am 5. Februar 1812, dass eine von Paris angekommene
Estafette in MUnclien die Zurüstungen zum Feldzuge beseldeunigte,
die bis dabin nur sehr scblilfrig und im Stillen betrieben wurden.
Alle Beurlaubten, die bei uns leider nur in zu grosser Anzahl
waren, mussten in pjile bei ihren Regimentern einrUeken und
schon am 15. verliess ein Theil der Truppen seine Friedens-
Garnisonen.
P'ür den Augenblick wurden zwei Corps gebildet, jedes zu
15 Bataillonen, 12 Escadronen und 5 Batterien, welche letztere aber
erst im Laufe des Monats bespannt werden konnten.
Die Pferde mussten unmittelbar vom Landmann genommen
werden, waren folglich an keine Fatiguen gewöhnt. Darin lag
eine der Haupt-Ursachen, dass nachher so viele derselben fielen,
ohne dass man gerade den Grund davon anzugeben wusste.
Uebrigens reichte die verlangte Anzahl doch nicht hin, da ein
bedeutender Theil des Reserve-Parkes mit V'orspanns-Pferden W'eiter
gebracht werden musste, ebenso die f Hficiers-Bagagen.
Die ersten Versammlungsorte waren Regensburg für das
erste Corps, (General von Deroy nahm auch sein Hauptquartier
daselbst) und Jveuburg für das zweite. General Graf Wrede zog
aber die ehemalige Deutschordens-Commanderie Pillingen vor, wo
er sich am 21. Februar mit seinem ganzen Generalstab etablierte.
Unterdessen fiengen die Trupi)enmilrsche auch in Italien an
und 50.000 Mann Franzosen und Italiener betraten unser Gebiet
unter den Befehlen des Herzogs von Abrantes, folglich wurden
die bisherigen Cantonnements gehoben, um ihnen Platz zu machen
und neue bezogen. Indess erluhren wir, dass der General-Oberst
der französischen Kürassiere Graf Gouvion St. Cyr, zu unserem
Oberbefehlshaber ernannt sei und in ülünchen erwartet wurde.
MittheUungen des k. und k. Kiiegs-Arcfaivs. Neue Folge. VII,
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178
TaRcliiU'h fiiH's (IttiiiiTs iin liPUHralstalw
General Deroy brach nach Weiden auf und General AV'rcde
nahm am 4. März sein Haupt(iuartier in Nilrnbcrf^f.
Ich werde mich von nun an auf die Hewcgunpen des
2. Corps beschränken, weil ich mich in diesem Haupt(|uarticr
befand.
Am 5. März wurde zu Jliinchcn, auf Vcrlanfren von fran-
zösischer Seite, der Befehl an die Corps-Commandanten erla-ssen,
ohne weitere ( »rdre abzuwarten, am 10. Uber Dresden nach Glo<rau
abzumarschieren; es ward hiebei noch bemerkt, dass der General
Gouvion St. Cyr wahrscheinlich schon im Arrondissement der
Armee eingetroflen sein würde, seine .Ankunft aber nicht zu er-
warten sei. Sonderbar genug, traf derselbe noch am nämlichen
Tage in München ein und erschien unerwartet bei Hofe, worauf
dann eine zweite Kstafetm abgieng, mit der Weisung, die Generale
Deroy und Wrede sollten sich am 8. zur näheren Rücksprache
mit dem französischen Befehlshaber in .Amberg einfinden. Diese
Zusammenkunft fand auch statt und der Abmarsch unserer
Division erfolgte am 10. in fünf Coloiinen; drei Infanterie-, eine
Cavallerie-Hrigade und die Artillerie, so dass jede auf einer ver-
schiedenen Strasse bis Lobenstein marschierte, von wo aus selbe
dann immer eine nach der andeni, in die Shitionen kamen, welche
die A^’orhergehende am Alorgen verlassen hatte; Ufficiere vom
Gencralstab waren vorausgeschickt, um mit den betrefl'enden Be-
hörden die Dislocation und A'erpflegung zu regulieren. Das Haujit-
(juartier marschierte beinahe bestltndig mit der ersten Infanterie-
Brigade als erste Colonne. Dasselbe traf am 11. in Bamberg ein,
wo der Herzog in Bayern, AVilhelm, T.ags zuvor sein Regiment
cn revue passiert hatte, das von Innsbruck kommend durch diese
Stadt detilierti". .Auch General Wrede versäumte nicht, mit seinem
ganzen General-stab demselben seine .Aufwartung zu machen. Ein
Diner ward uns am folgenden Tage zu Theile, nach welchem noch
die Station bis Lichtenfels von vier .Meilen gemacht werden musste.
.Am 13. übernachteten wir in Kronach, einem Städtchen, das
nur durch die dicht daran liegende Feste Rosenberg merkwürdig
ist, welche durch ihre natürliche Lag(> wirklich einem in das
Main-Thal einrückenden Feinde den .Marsch erschweren könnte.
AVir besiihcn selbe genau und fanden sie in einem ziemlich
guten Zustande.
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der baymschtM* Arniie ini FHdziijr»* 1812.
179
Am 14. gieng das Corp.s Uber die bayerisclic Grenze und
betrat das Gebiet des Fürsten von Reuss. Wir fanden die Land-
strassen so über alle Beschreibung verdorben und die Külte auf
dem Rücken des Grenzgebirges bei Nordhalben so merklich, dass
dieser Marsch zu einem der unangenehmsten gehörte. Die Artillerie
verlor auch späterhin auf dieser Passage mehrere Pferde.
Da-s Hauptcjuartier ward an diesem Tage in Lobenstein
genommen, wo auch am lö. Rasttag gehalten wurde. Am folgenden
Mittag erreichten wir Schleitz, abermals die Residenz einer sou-
verainen Branche des reussischen Hauses und am 17. betraten
wir die Grenze des Königreichs Sachsen, wo wir von einem
Major im Generalstab, von Fabcr, als Colonncnführer empfangen
und durch das ganze Land begleitet wurden. Ueberhaupt konnte
man sieh nicht genug der guten Anstalten rühmen, welche in
ganz Sachsen, in Rücksicht auf die Durchmärsche fremder Truppen,
getroffen waren.
Ks wird genau bestimmt, was der Officicr und der Soldat
zu fordern habe. Der Bürger konnte es leicht geben, da er von
der Regierung Entschädigung erhielt; z. B. für einen Capitän
täglich 1 Rthl. 8 g. Gr., welche sogar im Nothfall vom Districts-
(.'ommissari.it vorausbezahlt wurden.
.-\m 18. verliessen wir d.as sächsische Städtchen Auma und
kamen wüeder in’s Reussische nach Gera, einem sehr hübschen
und wohlhabenden Städtchen. Die Seiten-Linh^, welche hier re-
gierte, ist bereits vor zehn Jahren ausgestorben; das Ländchen
ist unter die andern Zweige des Hauses getheilt, noch lebt die
Witwe des letzten Fürsten, eine allgemein verehrte Frau. Auch
der F'ürst vou Ebersdorf hält sich gewöhnlich hier auf. Es war in
Gera, wo wir zuerst Nachricht vom andern Corps der Armee er-
hielten ; denn bisher hatten wir uns gleichsam im Nebel fort-
bewegt, ohne zu wissen, an wen un.sere Flügel angelehnt seien.
Marschall Ney mit dom 3. Corps war in Weimar .ange-
kommen. Geni'ral Junot mit dem 4. Corps, der durch Bayeni
zog, hatte den Befehl erhalten, in forcierten Märschen der von
uns genommenen Richtung gegen Glogau zu folgen. Marschall
D.avoust mit <lem 1. und Marschall Oudinot mit dem 2. Corps
waren in Pommern und Brandenburg eingerückt.
1 :.'*
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180
TajH’luicIi eines Oflieier» iin Geiieralslal»
Nachdem wir einen Rasttafj in Gera gehabt, trafen wir am 20.
in Altenhurg, einer dem Herzog von Gotha gehörigen ansehnlichen
Stadt ein. Ich besuchte die alte Burg, merkwürdig durch Kautfan-
gen’s Prinzenraub im Jahre 1455. Man zeigte uns die Stelle, wo
er dureh’s Fenster in der Kleinen Schlafgemach gestiegen; sie ist
zum bleibenden Andenken vermauert worden. Sonst enthalt dieses
Schloss manch’ sehenswcrthes Alterthum und ist so gut erhalten,
dass man sich im Nothfall noch daselbst gegen leichte Trupj>en
vertheidigen könnte.
Am folgenden Tage, dem 21., nahm General Wrede sein
Hauptquartier zu Rochlitz im königlich Sächsischen und am
22. Marz in Nossen.
Von hier aus ward ich nach Dresden abgeschickt, um den
bayerischen Gesandten am dortigen Hofe, von Pfcffel, zu benach-
richtigen, dass, obschou das Corps die Elbe bei Meissen passieren
solle, der General doch nicht verabsHumen würde, in die Residenz
zu kommen, mit seinem Generalstab dem König und der Königin
(Schwester unseres Monarchen) seine Aufwartung zu machen. Der
Gesandte nahm sogleich die nöthigen Massregeln um den Ober-
Oremouien-Meister von unserem Wunsche zu praevenicren, da wir
gerade in der heiligen Woche ankamen, wo gewöhnlich der
Eti(|uctte gemitss Fremden keine Audienz bei Hofe crthcilt wird.
Es war in Dresden, wo wir die sonderbare Allianz Frank-
reichs und Preussens erfuhren, die sowohl Berlin, als den be-
trächtlichsten Thcil des Königreichs den französischen Truppen
einräumte und 20.000 Mann zu des Kaisers Disposition stellte.
Unter den Bekanntschaften, die ich an diesem Tage machte,
war der Chef des königlichen Gcncralstabs von Gersdorf, ein
feiner Mann, der blos durch seine T.alente .sich vom Lieutenant
zum General innerhalb fünf .Jahren geschwungen hat und ohne
noch den Titel zu führen, alle Geschäfte eines Kriegs-Ministers
dirigierte. Er schien seinen Einfluss wohl zu fühlen, denn als Tags
darauf die Nachricht von der Annäherung der württembergischen
Truppen einlief, äusserte er sich gegen mich: „Der Kronprinz
wird jetzt bald umser Gebiet betreten, ich habe, ihm des Königs
General-Adjutanten von Boose cntgegcngcschickt, um ihn au der
Grenze zu beconqilimentieren.“
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der bayerischen Armee im FeblKuse 1812.
181
Wir fanden noch eine Brifrade unseres 1. Corps in Dresden,
welche gerade am 23. vor dem König en parade defilieren sollte.
General Raglovich eommandierte dieselbe und allgemein wurde
die Schönheit und gute Haltung der Truppe gelobt.
Abends traf der General Wrede ein und bald darauf erfolgte die
Antwort vom Hofe: er für seine Person würde am 24. gegen Abend
Audienz erhalten. Erst am folgenden Jlorgen wurde die Frage für die
Otliciere seiner Umgebung entschieden und uns ebenfalls ange-
deutet, zu gleicher Zeit in der Residenz zu erscheinen. Die Auf-
wartung selbst fand mit dem stcifcsten Ceremoniel statt; doch ist
nicht zu leugnen, dass der König von Sachsen (und noch mehr
seine Familie) sehr gütig und herablassend gegen Jedennann ist,
der ihm vorgcstcllt wird. Ein silchsischcr und ein polnischer
General- Adjutant waren bei der Anmeldung, überhaupt wurde in
Allem eine gewisse Würde beobachtet; den Dienst im Innern des
.Schlosse.s versah das wirklich prächtige Leib-Kürassier-Regiment,
da die Garde du Corps schon seit einiger Zeit zu dem in der
Xieder-Lausitz stehenden Armee-Corps abmarschiert war, welches
unter den Befehlen der Generale Gutschmidt und seit einigen
Tagen unter dem Oberbefehl des franzö-sischen Generals Reynier
stand.
Da ■wegen der heiligen Zeit keine Hoftafel gehalten ■werden
konnte, so lud der ^Minister der auswärtigen Angelegenheiten Graf
von Senfft - Pilsach den General und die ersten Personen seiner
•Suite im Namen des Königs zu einem grossen Diner ein. Zu den
interessantesten Bekanntschaften, die ich an diesem Tage machte,
gehörte der Graf Zabiello, ehemals polnischer General, nun Oberst-
Jägermeister des Herzogthums Warschau und der Baron Just.
Ober-Ceremonien-Meister, gegenw’ärtig Gesandter in Paris. Graf
•Senfft selbst, der früher den obgenannten Posten bekleidete, ist ein
noch ziemlich junger und sehr höflicher Mann, der das volle Ver-
trauen seines Monarchen zu besitzen scheint und für die Diplo-
matie eine sehr schnelle Carriere gemacht hat. Unter den Fremden
befand sich auch der fraTizüsische General Gr.af Grouchy, General-
(Jberst der .läger zu Pferde, bei diesem Diner, welcher zum Com-
niandanten des 3. Corps der Cavalleric - Reserve der Armee er-
nannt war und in Dresden abwarten wollte, bis die Truppen, die
zu seinem Commando gehören sollten, versammelt seien. Der
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182
TaRi-tinch eines Offieiers im (ieneralsfalw
Kaispr hatte nämlich die Anordnung getroffen, dass sowohl die
französische als alliierte Reiterei von ihren Corps getrennt und in
Divisionen und (,'orj»s formiert werden sollte, um bei einem ent-
scheidenden Treffen grosse Miussen bereit zu haben, welche die
feindliche leichte Oavallerie gleichsam ecrasieren sollten. Zu diesem
Behufe wurden unter anderem nur allein von Kürassieren vier Divi-
sionen gebildet und die Corps der Armee behielten höchstens drei
leichte Cavallerie-Brigaden .
Diese Massrcgel kann ihr Gutes haben, allein in einem Lande,
wie z. B. Litthaucn, wo Fourage selten ist, können solche Massen
nicht viel wirken, weil die Pferde zu bald durch das sparsame
und schlechte Futter geschwächt werden, folglich fallen oder Zurück-
bleiben, so dass auf einem so weiten Marsche kaum die Hälfte
auf dem Schlachtfeldc ankommt. Besser wäre, in einem Kriege
gegen Russland blassen von leichter Infanterie zu bilden, welche
die Avantgarde machten und durch ihr Beisammonbleiben und
ihr wohl angebrachtes Feuer die herumschwärmenden Kosaken
verscheuchten. Ich muss noch einmal auf meinen vorigen Satz
zurückkommen : Chargen von Kürassieren sind immer gut, um
eine hartnäckige Affaire zu entscheiden, dann zählen sie aber
nur als Reserve; wenn man ihnen aber inzwischen auch den
ermüdenden Dienst der Avantgarde giebt, so ist wohl einleuchtend,
dass .sie .sich in kurzer Zeit zu nichts auflösen müssen.
Am 25. verweilten wir noch in Dresden, waren Mittags bei
unserem Gesandten und Abends beim österreichischen, Fürsten
Paul Eszterhäzy, fanden an beiden Orten eine ausgesucht gute
und gebildete Gesellschaft und verliessen des anderen Morgens
Dresden, um unser Corps in Bautzen einzuholen, welches inde.ss
über Meissen und Radeberg seinen Marsch fortgesetzt hatte.
Am 27. wurde in Bautzen Rasttag gehalten, um dem Corps des
Generals Deroy nicht zu sehrauf dem Fusse zu folgen, da wir unsjetzt
unmittelbar hinter dem.selben auf der nämlichen Strasse befanden.
Den folgenden Tag wurde das Hauptquartier in Löbau, einem
Städtchen, .sehr nahe an der böhmischen Grenze, genommen. Hier
erhielten wir durch einen Ofilcier, der von General Gouvion
.‘^t. (’yr geschickt war, die Xachricht, dass sämmtliche bayerische
Truppen von nun an das <>. Corps der Armee bilden würden und
zwar jene unter den Befehlen des Generals Deroy die l‘J. Division
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d»*r iKiy^rischen .Arm«*** im Frldznp«* 1812.
183
unil wir <lie 20. Auch hatte der Kaiser uns einen Chef d’etat-
innjor bestimmt, in der l’erson des Adjutant-Commandanten d'Al-
hiirnac.
Am 29. erhielt der Oeneral Wrede in Görlitz eine Estafette
vom General Charpentier, worin ihm dieser anzeigte, dass die
Avantgarde des 4. Corps Befehl erhalten hätte, ihren Marsch zu
beschleunigen, folglich um einen Tag früher die Lausitz betreten
würde, als es bestimmt war. Um kein unnüthiges Zusammen-
drängen in den sächsichen Etapen-Stationen zu verureachen, wurde
auch unseren Colonnen die Weisung gegeben, etwas grössere Märsche
zu machen, um den französischen Truppen aus dem Wege zu
kommen. Nachmittags traf ein Schreiben vom Oberst Albiguac
ein, aus Glogau, worin die Dislocation für unser Coqis enthalten
war, es sollten nämlich auf höheren Befehl Cantonnicrungen in
der «lortigen Gegend bezogen werden und da der Gouverneur
daselbst die schärfsten Befehle vom Kaiser hatte. Niemandem in
der ohnehin kleinen Stadt Quartiere zu geben, der nicht zum
kaiserlichen Hause oder zur Garnison gehörte, so wurde unser
Haupt<|uartier nach dem Schlosse Hcrmsdorf, zwei Stunden von
Glogau, verlegt.
Am 30. März erreichten wir Lauban, das letzte sächsische
Städtchen, dicht an der schlesischen Grenze, wo Tags darauf
Hasttag gehalten wurde. Ich fand hier, wie bereits im ganzen
Königreich Sachsen, eine Art Ressource, wo man sieh des Abends
versammelte und l)ci Spiel und Tanz die Zeit vertrieb. Für einen
.so kleinen ( >rt war die Gesellschaft wirklich ziemlich artig und
gebildet.
Am 1. April betraten wir die preussische Grenze, noch bis
über den Scheidepunet von den sächsischen Marsch-( fommissären
und ( 'olonnenfUhrem l>egleitet, denen wir wirklich (wegen der vielen
Mühe, die sie sich für das gute Unterkommen unserer Truj)pen
gaben und mit welcher sie jede kleine Unordnung zu verhüten,
jede Klage zu vergleichen trachteten) vielen Dank schuldig waren.
Das Haupt( 4 uartier wurde an diesem 'läge in Bimzlau, einem
hübschen llandelsstädtchen, genommen, wo wir einen preussischen
Etajam-Uommandanten und einen französischen, von Fürst Eck-
mühl b(!stimmten (’ommandant d'armes antrafen. Der Marsch der
f'ulonnen, die nach Glogau gdengen, war zwar von hier über
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Tagebmli eines OfHdcrx ini Generalstal>e
llaynau und Polkwitz bestimmt, allein da unsere Cantonncments
links von der Stadt lagen, so wäre dies ein bedeutender Umweg
gewesen.
Der General besehloss also, sich nach Primkenau zu wenden,
wodureh ein ganzer Tagmarsch gewonnen wurde. Nachdem wir
am 2. daselbst übernachtet hatten, trafen wir am folgenden Tage
in dem uns angewiesenen Cantonncment Hennsdorf ein ; doch sollte
das Corps hier nicht lange bleiben, denn gleich bei seiner Ankunft
erhielt der Gener.al ein Schreiben des Generals Gouvion St. Cyr,
welches ihn in die Stadt berief; wir erfuhren bei seiner Zurück-
kunft, dass nach einer von Paris angelangüm Ordre, das 6. Corps,
um Platz zu machen, sich nach Posen bewegen sollte. Es war
nämlich ausser dem 4. Corps auch das 7. (die Sachsen) und das
8. (die Westphalen) nach Glogau angewiesen woi-dcn, folglich wären
zu viel Trupixm in dieser Gegend zusammengekommen.
Wir brachen am 5. aus unserem sogenannten, übrigens für
die Truppen sehr .schlechten Cantonncment auf; die Tete passierte
noch denselben Tag auf der Glogau-Brücke die Oder. Wir fanden
diese Festung in ziemlich gutem Zustande und da die Werke
nicht von zu grosser Ausdehnung sind, so lässt sich dieser Platz,
meiner Meinung nach, mit einer ziemlich schwachen Garnison ver-
theidigen, vorzüglich dürfte ein Angrifl’ von dem jenseitigen Ufer,
wegen der Breite des Flusses, der sich in mehrere Arme theilt,
zumal bei hohem Wasserstande, sehr schwer sein.
Der General Wrede blieb zwar in der Stadt, allein da die
t^uartiere ohnehin äus.«erst selten waren, so wurde der ganze
Generalstab nach Kuttlau, einem tVu'stlich Carolath’schcn, ziemlich
verfallenen Schlosse, zwei Stunden von der Strasse, verlegt. Man
hatte nämlich, thcils um die Bewohner des Landes zu schonen
und theils, um die Tru])j)en nicht zu gedrängt zu legen, beschlossen,
nicht hinter der 19. Division auf dem gewöhnlichen Wege über
Fraustjidt und •Schmiegcl sich l'osen zu nähern, sondern eine
eigene .Stricsse über Uackwitz und Sü;szew einzuschliigen. Der
(feneral hatte auch einen < Ifflcier an den Präfecten voraus ge-
schickt, um ihn von diesem Seitenmarsch zu prUvenieren und
AnsUilten weiren der Verpflegung zu treffen; allein da sich in den
Orten an die.sem W<>ge gar keine Magazine befanden, so litt die
Mannschaft ziemlich bedeutenden Mangel, indem bekanntlich die
der bayeriHcheii Armee im Feldzupe 1812.
185
meisten Bauern im Herzogthum Warschau so arm sind, dass es
ihnen schwer fällt, den Soldaten zu bewirthen, auch, was man
ihnen kaum übel nehmen kann, meist nicht den besten Willen
dazu haben.
Am G. April ward das Hauptquartier in Schlawa, noch inner-
halb der Grenze von Schlesien, doch «licht an derselben, genommen,
Tags darauf in dem Schlosse Gostrzyn, schon in Polen, am 8. in
Ujazd, ebenfalls einem Kdclhofe und am folgenden Tage zu Ko-
narzewo, einem sehr schönen Schlosse des Senators Grafen Dzia-
fynski, welches nur drei Stunden von Posen entfernt ist.
Wir hatten also eigentlich einen näheren Weg getroffen, als
die Deroy'sche Colonne, weil aber noch Triqipen von dem l. Armee-
C'oq)s, auch der Marschall Davoust in der Stadt war, erhielten wir
Ordre, in dieser Stellung einige Tage zu verbleiben. Erst am 11.
rückten wir in Posen ein, die Truppen wurden sogleich auf das
Land dislociert, indem hier für einige Zeit wirklich Cantonnements
bezogen werden sollten, da das Corps des Fürsten von Eckmühl
nach Thorn abmarschiert war und dort ebenfalls Halt machen
sollte.
Posen ist eine Stadt von ungefähr IG.OOO Einwohnern, die
unter der preussischen Regierung viel verschönert worden ist, in-
dem man einige neue Strassen ganz mit massiv gebauten Häusern
angelegt hat; eine Brücke über die Warthe verbindet die Stadt
mit einer Vorstadt, die jedoch noch ziemlich das Gepräge pol-
nischer Unsauberkeit und Armuth an sich trägt. An diesem Tage
erst lernte ich unsern commandierenden General Grafen Gouvion
St. Cyr kennen. Er ist ein gros.ser, an.sehnlictier Mann von un-
gefähr 48 .Jahren, der vor der Revolution nicht gedient, in der-
selben aber sehr sehuell zum General empor gestiegen ist. Er liebt
nichts weniger als Ostentation, ist Freund von strenger Manns-
zucht, mischt sich aber nicht leicht in das innere Detail des
Dienstes; in der Unterredung ist er kurz und trocken, seine
Rai.sonnements sind aber immer sehr richtig.
In Posen bemerkte man bereits Anstjdten, die auf die .-\n-
kunft des Kaisers Napoleon zu deuten schienen; es wurden Appar-
tements in der Präfectur hergerichtet, kaiserliche Servicewagen
waren im Hofe aufgefabren ; auch wurden hölzerne Stallungen
gebaut, da die vorhandenen nicht zureichten und schon nach und
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Tajtcbntli eines Oftii iers im fieneralstal«
nacli Pferde von den Generalen und Officicren der Suite ein-
trafen.
Am 11. April war es auch, wo das 1. und das 2. Chevaux-
legers-Rcginient sieh von uns ti-ennten, um mit dem sächsischen
Kcgimente Prinz Clemens eine Brigade des 7. Corps der Cavallerie-
Heserven zu bilden, welches sich bei Schmiegel fonnieren sollte.
Wie gesagt, wurde es vom General Grouchy commandiert.
Die Division, zu welcher unsere Chcvauxlegers stossen sollten,
war vom Kaiser dem General Kellermann gegeben worden, welcher
aber, wahrscbeinlich aus Missmuth, dass er stets untergeordnete
Commandos erhielt, bald darauf sich krank meldete und nach
Frankreich zuriiekkehrte.
Das 6. Corps wurde dermassen verlegt, dass General Gouvion
St. Cyr sein Hauptquartier in Posen behielt, welches mit zwei
Bataillonen der 20. Division besetzt wurde, welche letztere in einem
Ilalbzirkel von 12 Stunden nördlich der Stadt cantonnierte und
ihr Haupt(juartier in Owinsk an der Warthe hatte; die 19. Di-
vision besetzte einen gleichen District, südlich der gros.sen Strasse
von Posen nach Gnesen; so dass ebenfalls ein Regiment die letzt-
genannte Stadt occupierte. Das Haupt(|uartier des Generals D<.-roy
wurde in Czerniejewo, 7 Stunden von Posen, seitwärts der Chaussee
genommen.
Am 13. April traf der General GrafWrede in Owinsko ein.
Dieses Schloss ist nur 2 Stunden von der Stadt entfernt, ganz
neu im Berliner Geschmacke gebaut und gehört einem Herrn
von Treskow, der dem preussischen Sta;»te viele Dienste geleistet
und dieses Gut, das eigentlich einem nun aufgehobenen Nonnen-
kloster gehörte, vom Könige geschenkt erhalten hat. Er selbst war
gerade in Geldgeschäften in Paris; nur seine Frau und zwei seiner
Söhne waren anwesend.
An diesem und den folgenden Tagen bezogen die Truppen
ihre bestimmten Cantonneraents, die aber, wie leicht zu erachten,
sehr schlecht waren, denn abgerechnet die Armuth der Bauern,
bei denen sie zu liegen kamen, war in Posen eine, im Namen des
französischen Kaisers erlassene Verordnung erschienen, dass die
alliierten Truppen ira Herzogthume Warschau nichts als Dach und
Fach zu fordern hätten.
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der haverischcn Armw im Fi'ldzntr»; 1812.
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llieses wurde nun noch dahin ausgedehnt, dass der Soldat
sogar da.s Stroli zur Liegestiltte und da.s Holz zuin Kochen und
Heizen in den Magazinen fassen sollte; dies hätte sich noch thun
lassen, wenn uns das grosse Magazin von Posen zu Gebote ge-
standen hätte, dies war aber meist nur lUr französische Truppen
bestimmt, wir mussten also in den Uuterpräfectur-lStädten, welche
innerhalb unserer Cantonnements lagen, selbst kleine Magazine
errichten.
Man wird leicht glauben, dass die Ortsbehörden dabei so
viel Schwierigkeiten, als möglich, uns entgegensetzten, denn erstens
waren schon viele Lieferungen an Getreide und Fourage nach
der Stadt ausgeschrieben, zweitens war da.s vergangene Jahr 1811
ein vollkommenes Missjahr gewesen, folglich die vorhandenen
Vorräthe wirklich nur gering und drittens ist nicht zu läugnen,
dass trotz des vorgeblichen Enthusiasmus der Polen für Napoleon,
doch, um seine Armee zu ernähren, nur wenig guter, an vielen
( )rtcn aber ein sehr übler Wille (der freilich seine Ursachen haben
mochte) vorhanden war. Die Folgen dies<!r Widersetzlichkeit der
Beamten, die sogar einmal vom jmlnischcn Militär unterstützt
wurde, waren natürlich bittere Klagen unseres Generals bei
dem Präfecten in Posen, Grafen Poninski und als diese nicht
mehr helfen wollten, Executionen. So erhielt der TInterpräfect von
< tborniki einmal einen Officier und 26 Chevauxlegers in’s Haus
und ich erinnere mich sehr wohl, dass auf dieses die verlangte
Lieferung in seinem Krei.se innerhalb 48 Stunden gestellt wurde,
ein Beweis, dass der vorgeschützte Mangel doch nicht so
gross war.
Ciegen Ende dieser Cantonnierungen waren doch die Distri-
butionen an Lebensmitteln und Fourage vollkommen regelmässig
und man könnt«! s(jgar beim Abmarsch noch einen achttägigen
V'orrath an Brod, Branntwein und Hafer mitführen.
Am 22. April kam der französische Divisions-Gfuieral De.solles
in l’osen an untl trat seine Ge.schäfte als Commandant supcricur
des Landes zwischen der Oder und der Weichsel an, welche
bisher der polnische General Axamitowski versehen hatte. Es ist
schon ein ältlicher Jlann, der unter -Moreau Chef des Generalstabs
und seitdem meist unangcstellt war. Es war auch in Posen,
wo ich unsern Chef, den Obersten d’Albignac kennen lernte. Es ist
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Tapelmi'h piiies 01‘ticiiT» im Ciencralstalw
derselbe, der vor zwei Jahren die westphiilischen Dienste quittierte,
wo er bereits General und Oberst-Stallmeister war und die Ge-
sehilfte des Kriegsministers versah , sich aber nicht mit dem
Könige vertragen konnte und nach !•' rankreich zurilckkehrtc, wo er
dann noch sehr lange supplicieren musste, ehe er diese Anstellung
erhielt. Am 26. Früh 2 Uhr erhielt der General durch einen
Ordonnanz-Ofticier die Weisung, Ingenieurs sogleich nach Flock
an der Weichsel abzusenden, um daselbst wo möglich eine Schiff-
brücke über diesen Fluss zu schlagen, weil das Corps in den
nitchsten Tagen eine Bewegung in dieser Direction machen würde,
da der Jlarschall Ney mit den unter seinem Commando stehenden
Truppen und mit dem 2. Cavallerie-Corps des Clencrals Monthruu
von Frankfurt an der (,)der im Anmarsch gegen Posen sei. Der
rechte Flüge! der Armee, nilmlich das 5., 7. und 8. Corps sollten
sich an der oberen Weichsel concentrieren und der König von
Westphalen als Oberbefehlshaber dieser Truppen wurde tttglich
erwartet, wo er auch am 1. Mai ankaiu. Der wirkliche AiitUruch
unserer Division erfolgte erst am 30. .April; es wurde abermals
eine andere Strasse eingeschlagen, als die, welche der General
Deroy nahm, um so viel möglich jedes Encombrement zu ver-
meiden, letzterer marschierte über Scmpolno und Kutno nach
Flock, wir folgten bis Kwieciszewo der grossen Strasse nach
Thom und wandten uns von da erst rechts gegen Kruszwica
uml Radziejdw. Das Hauptquartier und die Tete erreichten am
ebengenannten 'l'age das Stildtchen Fowiedisko und am folgenden
das alte Gnesen, die ehemalige Hauptstadt von Polen, jetzt der
Sitz einer Unterpriifectur. Man findet hier nur wenig Ueberbleibsel
ehemaliger Grösse, die Hilu.ser sind in ziemlich schlechtem Ge-
schmacke, meist von Holz; nur einige Domherm-Gebiiude machen
hievon eine Ausnahme; der Erzbischof (Kaczewski) der sonst
allein diis Recht hatte, die Könige zu krönen, ein sehr alter Mann,
lebt auf einem Eandgute. Die Kathedral-Kirche ist wegen tlcs
Grabmals Adalberts, des ersten Apostels in Polen, merkwürdig.
-Am 2. Mai kam das Haupt(|uartier nach Szydlow, einem
Edelhofe seitwärts der Stra.xse; hier erhielt der General die Nach-
richt, dass der Jlarschall Ney denselben A'orniitüig in Posen cin-
getroffen sei, sein Corps aber dort nicht cantonnicren würde, sondern
nur durchmarschieren und schon am 13. die Weichsel bei Thorn
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lit'r bayerischen Armee im Feldznpe 1812.
189
erreichen müsse. Nun mussten auch unsere letzten Colonnon ihren
Marsch beschleunigen. Wir erreichten am folgenden Tage Strzelce,
wo wir durch einen uns entgegengeschickten Ufficier den Bericht
des Ingenieur -Capitains Hazzi erhielten, die Brücke über die
Weichsel würde trotz aller Schwierigkeiten des Locals und der
polnischen Behörden, durch den unermüdeten Flei.ss dieses thiUigen
iMannes schon am 4. Mittags fertig sein. Allein (Jcneral Wrede,
immer seinem Grundsätze getreu, so wenig Truppen auf einem
Puncte zu vereinigen als möglich, fasste den Entschluss, sich gegen
Wroclawek zu wenden, um dort den Fluss auf .Schiffen zu passieren;
es wurde gleich wieder ein Officier nach Plock abgefertigt, um
den General Gouvion St. Cyr um seine Einwilligung hierzu zu
ersuchen.
Am 4. wurde das Hauptquartier in Sukowo, einem Gute des
Unterprilfecten von Inowraclaw genommen, von wo aus man eine
recht hübsche Aussicht auf den Goplo-See hat, den wir Tags darauf
auf einer hölzernen Brücke pa.ssierten; auf dieser übersieht man
die Ruinen des alten Schlosses Kruszwica, das bekanntlich die
Residenz der ersten polnischen Herzoge aus dem Stamme der
l’iastcn war und auf einer Insel in dem See liegt, daher eine sehr
feste Lage gehabt zu haben scheint.
Am ,'1. noch marschierte die Tete über Radziejöw hinaus,
und das HaupUiuartier wjird in dem Flecken Plowce genommen;
hier traf ein Officier mit der Weisung des Cominandierenden ein,
der Uebergang könne bei Wroclawek geschehen, allein man möge
die Zeit, die man noch auf diesem Ufer zubrächte, benützen, um
ÖOO Stück Hornvieh zu reejuirieren, welche dann lebend mitgenommen
werden sollten, um doch ffir einen künftigen Nothfall Fleisch
en reserve zu haben. Diese Massregel war zwar gewissermassen
nöthig, jedoch sehr hart für die Einwohner, besonders da man
mageres Vieh gar nicht annahm und wegen Jlangcl an guter
Fütterung kaum ein anderes zu bekommen war, auch wehrten
sich die Unterpräfecten der benachbarten Kreise ausserordentlich
und nur durch verdoppelte Execution konnte man sie dahin
bringen, der Forderung Genüge zu leisten.
Da der General zugleich erfuhr, dass französische Corps
Kriegs-Commissäre mit kleinen Streif-Commandos in den Lipnoer
Bezirk schickten, um zu fouragieren und allenfalls einige unbe-
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Ta(reluH'Ii eines Oftieiers im (.ieiieralstabe
(leutuiule Magazine in Besitz zu nehmen, so erliielt die Brigade
des Generals Miuuzzi Befehl, am 5. Ahends noch aufzubrechen
und sich nicht nur aller Vorräthe in Wroclawek zu versichern,
sondern auch ein Bataillon sogleich über die Weichsel zu setzen,
um Lipuo, Kypin zu occupieren, da gemäss einer Ordre des
Fürsten von Xeulchätel dieser ganze Bezirk unserer Division zur
Cantonnierung bestimmt sei. Der Erfolg lehrte, dass diese Massregel
höchst nüthig war, denn die Tete dieser Colonne kam gerade in
Kypin an, als ein französischer Commissär vom 1. Corps das dortige
Magazin abzuführen im Begritt' stand.
Xach einem in Plowce gehaltenen Rasttag verlegte der
General sein HaupWpiartier am 7. Mai nach Wroclawek selbst,
um den Anstalten zur baldigen Uebersetzung der Truppen niiber
zu sein. Der unermUdete Capitain Hazzi hatte nämlich un-
mittelbar nach Herstellung der Brücke bei Block sich hierher be-
geben und in der kurzen Zeit die nöthige Anzahl von iSchitt'en
und Schiffsleuten zusammengebracht, um nothigonfalls die ganze
Division, nebst der Artillerie innerhalb 4H Stunden auf das rechte
Ufer der Weichsel zu bringen. So schnell musste es nun freilich
nicht geschehen, doch wurden jeden Tag eine gewisse Anzahl
Truppen über den wirklich majestätisch breiten Strom geschifft.
Am 8. Nachts erhielt der General die Jlehlung, dass trotz aller
Protestationen ein Bataillon Franzosen vom Davoust’schen Corps
in Lipno eingerückt sei, doch da unser Commandant ihnen mit
vieler Festigkeit jede Verabreichung aus dem Magazin verweigerte,
bc(iuemten sie sich doch, nach einem kurzen Aufenthalt, wieder
nach Soldau zurückzukehren. Wroclawi-k selbst ist ein sehr
hübsches, fast ganz massiv gebautes Städtchen, das sonst durch
den Getreide-Handel sehr wohlhabende Bewohner hatte; Kujavien
(so nannte mau sonst die Provinz, in der es liegt) ist nämlich einer
der fruchtbarsten Erdstriche im Norden von Eurojia, so dass unter
der preussischen Regierung von hier aus jährlich auf der M’eichscl
eine ausserordentliche Menge Getreide nach Danzig gcschatt't
wurde und von da nach Schweden und England. Der Gewinn
war sicher und beträchtlich, allein seit dem Tractate von Tilsit
und der darauf erfolgten Sperrung des Handels verlor sich der
Wohlstand sichtbar; zwar machen noch immer einige Häuser Ge-
schäfte nach Danzig, indem bekanntlich die französischen Douaniers
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der Ijajeriselii’ii Arnii'f iiii Kiddziipi- 1812.
191
und selbst der Gouverneur nicht g'anz unerbittlich gegen klingende
Münze sind, allein im Ganzen ist die Stockung doch sehr fühlbar
und die Vorräthe , die bei unserer Ankunft in Wroclawek
ohne Absatz auf den Speichern der Handelsleute sich befanden,
betrugen Uber 200.000 Rss. ScliH.
Am 1 1 . passierten auch wir den Fluss und der General
Wrede nahm sein Hauptquartier in Lipno, einem unter preussischer
Kegiening fast erst neu gebauten Stiidtchen, welches der Sitz
einer UnterpriUectur ist, in deren Umkreise die 20. Division in
Cantonnements gelegt wurde, mit xVusnahme der Brigade des
Generals Vincenti, welche noch für den Augenblick auf dem linken
Ufer des Flusses blieb, um die noch nicht ganz eingegangenen
Lieferungen in den Kreisen von Brzesf-, Kadziejöw und Kowal
zu betreiben.
Während wir über die Weichsel giengen, näherte sich das
4. Corps von Glogau Uber Kaliz und Kola ^uud hinter dem-
selben das 3. Corps der Cavallerie-Reserven ; wir erfuhren, dass
alle diese Truppen nach Plock bestimmt seien, um unter dem
Oberbefehl des Vice-Königs von Italien, vereinigt mit unseren beiden
Divisionen das Centrum der Armee zu bilden. Dieser Prinz trat
.am 15. Mai wirklich von Paris in Plock ein und übernahm
daselbst das Commando. General Wrede begab sich sogleich dahin,
um ihm seine Aufwartung zu machen und schon am nämlichen
Tage wurden wir präveniert, das Corps würde sich nächstens vor-
wärts .an die Omulew bewegen, jedoch wären noch bestimmtere
Befehle vor dem Abmarsche abzuwarten, auf jeden Fall liätte sich
aber unsere Division bei Lijmo zu concentrieren, weil der Vice-
Künig sie am 20. inspicieren wolle.
Zu diesem Bchufe berief der General gleich nach seiner
Zurückkunft die Brigade Vincenti auf das rechte Ufer der Weichsel
und liess überhaupt alle Truppen am 19. eine solche Cantonnierung
nehmen, dass sie innerhalb drei Stunden auf einem schönen Plateau
nördlich von Lipno versammelt sein konnten. Ich war denselben
Abend von Mlmva zurückgekommen, einem Städtchen, 24 Stunden
vorwärts Lipno, wo ich den dortigen Unterpräfecten avisiert batte,
dass unsere Division nächstens seinen Kreis betreten würde, er
also Magazine etablieren möchte; er h.atte mir einen seiner Kreis-
rilthc mitgegeben, um mit dem General Wrede sich wegen einer
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TaKt^ldiHi riiies Ofticirrs im (ifneraWalx“
etwaifren Dislocation der Truppen 7.11 benehinon. Aus seinen
Gespriiehen konnte icli (Icutlicli ersehen, dass auch die öftentlichen
Beamten mit der gegenwilrtifren Regierung im Herzogthum Warschau
sehr unzufrieden sind und sich mit Freude der glücklichen Zeiten
unter der preussischen Administration erinnern.
Bei meiner Ankunft in Lipno erfuhr ich, dass der diesen
Ahend mit Depeschen von München eingetroifene Chef unseres
Geiieralstahs Oberst Baron Comeau, die ofticielle Nacliricht mit-
gcbracht habe, der Kaiser Napoleon habe Paris am 9. d. ÄI. ver-
lassen und wäre nebst der Kaiserin bestimmt auf den 16. in
Dresden erwartet worden, wo auch in diesen Tagen die k. k.
Majestäten von Oesterreich und Preussen ankommen sollten. Diese
Nachricht wurde bald darauf den Truppen mit dem Zusatze
bekannt gemacht, Napoleon würde nächstens alle Corps seiner
Armee an der Weichsel mustern.
Am 20. vor Tagesanbruch erhielt der General durch einen
Officier des Generals Gouvion St. Cyr die Weisung, die vor-
gehabte Bewegung an die Omulew würde erst am 2B. statthaben,
man müsse sich daselbst militärisch aufstellen und die leichte Ca-
valleric habe Observierungs-Patrouillen über den Fluss zu schicken,
indem man den Bewegungen der russischen Armee, seit des Kaisers
Alexander erfolgter Ankunft in Wilna, nicht mehr trauen könne.
Um 7 Uhr schickte mich der General Wrede mit einer Chevaux-
legers-Escorte dem Vicc-König auf der Strasse nach Plock ent-
gegen, um ihn zu empfangen, da er selbst an der Spitze seiner
Division ihn zu erwarten gedachte.
Da der Prinz in aller Frühe aufgebrochen und sehr gut
gefahren war, so erreichten wir ihn bald und begleiteten ihn in
die Stadt, wo er nebst seinem ersten Adjutanten Oberst Triaire
zu Pferde stieg und sich zu der Division begab, die auf einer
■Anhöhe jenseits in drei Treffen aufmarschiert war.
Ks wurden mehrere Manöver nach .seinem Wunsche aus-
geführt und zuletzt defilierte die ganze fast 15.001) Mann starke
Division en parado vor dem Prinzen ; cs ist nicht zu läugnen, dass
man sich nicht leicht schönere Truppen denken kann, die zugleich
eine bessere militärische Haltung hätUm, als diese. Der Vice- König
gab auch seine Zufriedenheit laut zu erkeunen, liess sich dieBrigadiere
und Oljcrste l>ei einem Dejeuner, das er nach der Revue beim
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<Ut l)!iyi‘rischeii Arim-i- ini Felilüiigr 1812.
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General Wrede aiinahtn, vorstellen und war gefrcn Jedermann
sehr artig und herablassend, besonders gegen den General Minuzzi,
den er krank glaubte und der auch wirklich sich gezwungen hatte,
um dabei zu erscheinen. Der Prinz setzte denselben Tag seine
Keise nach Thorn fort, schlief daselbst und besichtigte den andern
Morgen die Festungswerke; uni 4 Uhr Nachmittags passierte er
wieder durch Lipno nach Plöck.
Die Brustbeschwerden des Generals Minuzzi, deren ich vorher
crwithnte, nahmen an diesem Tage so zu, dass er sich endlich
genöthigt sah, den Vorstellungen seines Arztes nachzugeben und
um die Erlaubniss einzukommen, nach Bayern zurUckkehren zu
dürfen, welche ihm auch auf die schmeichelhafteste Weise ertheilt
wurde, indem man nur zu sehr einsah, dass er dies hiitte früher
thun sollen, seine Gesundheit war bereits zu viel geschwächt, er
kam zwar bis München, starb aber daselbst kurze Zeit darauf.
Die bayrischen Truppen verloren in ihm einen ihrer achtbarsten
Anführer.
Am 25. war die Bewegung gegen die Umulew angefangen ;
das Hauptquartier des Generals Wrede wurde in Sierpiec, einem
kleinen Städtchen im Mlawaer Kreise genommen und am Tage
darauf auf dem Schlosse des Grafen Zalewski in Biezun ; dieser
sowohl hier, als in Ost-Preussen begüterte Edelmann konnte uns
auch zum Bcwei.se der guten vorigen und schlechten jetzigen
Administration dienen ; sonst hat er ein brillantes Haus gemacht
und sich sehr gut dabei befunden ; jetzt lebte er ganz einsam aut
dem Lande, war nur zu froh, sein Haus in Warschau vermiethen
zu können und doch war es ihm kaum möglich, die Abgaben
aufzubringen, welche die Regierung des Herzogthums verlangte.
Am 27. sollte das für die Dauer der neuen Cantonnierung
bestimmte Hauptquartier Mlawa bezogen werden, aber schon auf
dem halben Marsche erhielt der General eine Depesche vom
(ieneral Gouvion St. (.'yr, Inhalts welcher die vorgehabte Stellung
denua.ssen geändert wurde, dass unser linker Flügel bis nach
< »rtelsburg in Ust-Preusseu sich ausdehnen sollte, un.ser Haupt-
((uartier nach Willenberg bestimmt sei, das des Commaiidierenden
aber noch in Bogate und das des (ienerals Deroy in Pultusk zu
verbleiben habe.
UittbflüiuiKen Am k. nn<l k Krie^-Artliiv>«. Neae Fulgi* Vll lö
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Tagebuch eines Üflieiers ini (Jeiieralstalw
Die Hauptursache dieser Bewegung war, dem 4. und 3.
Cavallerie-Coq5S Platz zu machen, welche unterdessen bei Plock
die Weichsel passierten und von da die grosse Strasse nach Soldau
einschlagen sollten, wohin sich auch der Vice-Künig begab.
Wir trafen am 28. Mai in Janow, einem polnischen Grenz-
orte und am 29. in dem hübschen preussischen Städtchen Willen-
berg ein. Indess war General Narbonne von Berlin aus mit einem
eigenhändigen Schreiben seines Monarchen an den Kaiser Ale-
xander nach Wilna geschickt worden, über Pultusk und Warschau
zurückgekehrt und hatte am 28. in Dresden die Antwort an
Napoleon überbracht, die höchst wahrscheinlich seinen Wünschen
nicht entsprach (der russische Kaiser hatte sich bei Narbonne’s
Abschieds- Audienz geäussert: „J’ai beaucoup de respect pour les
talents militalres de l’Empereur Napoleon, je crois qu’il poussera
jusqu’ii Moscou et meme jusqu’U Saint Petersbourg, mais soyez
bien sfir, «jue je ne ferai pas la paix pour cela,“) denn er verliess
Dresden wenige Stunden darauf, um sich zur Armee zu begeben,
bei welcher der König von Neapel schon einige Tage früher ange-
kommen war, welchem der Kaiser das Commando über die
gesammte Cavallcrie-Reserve anvertraut hatte. Wir erfuhren auch,
dass die beiden russischen, sogenannten West-.Armeen sich an der
Grenze zu zeigen anfiengen, doch wu.sste man schon damals, d:iss
es nur die Avantgarde sei und dass die Hauptmacht im Innern
des Keiches concentriert wurde, was auf eine hartnäckige Ver-
theidigung zu deuten schien.
Am 1. Juni erhielt der General die Weisung, die Stellung
der Division abermals zu ändern, so dass der rechte Flügel noch
mehr refusiert wurde, doch das Hauptquartier in Willenberg zu
bleiben habe; General Gouvion St. Cyr nahm nun das seinige in
Opinagora und Gentrral Deroy in Ciechanow. Die französische
Cavallerie kam uns jetzt noch näher, denn General Grouchy
besetzte Neidenburg und die leichten Truppen des 4. Coqis Cber-
zellen und Willenberg selbst, doch so, dass wir die Com-
mandantschafts-Geschäfte in letzterer Stadt ferner versehen la.ssen
konnten. Auf solche Art sahen wir den grössten Theil dieser
Cavallerie durch unser Haupt<|uartier passieren, meistens Chasseurs-
Kegimenter, unter den Befehlen des Divisions-Generals Chastel.
der statt Kelleruiaun das Commando übernommen hatte und der
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der linyeriHchen Armee im Feldzup* 1812.
195
Brigade-Generale Ferriferes, Girardin, Gauthrin und Villata, welcher
letztere die italienischen Regimenter commandierte. Im Ganzen
waren die Truppen in gutem Zustande, doch da wegen des üblen
Willens der preussischen Beamten schon hier der Mangel an Brod
in den Magazinen anfing, so waren sie seit mehreren Tagen nicht
gehörig verpflegt, wesshalb bereits Excesse und Plünderungen in
der Nähe von Willenberg vorfielen.
Am 5. Juni erhielten wir die Nachricht von des Kaisers
Ankunft in Thom und bald darauf einen Tagesbefehl, worin allen
Corps-Commandanten aufs kräftigste anerapfohlen, die Ressourcen
an Lebensmitteln in ihren Districten zu schonen und die nöthigeu
Anstalten zu treffen, damit im Falle des Aufbruches ein voll-
ständiger 14tägiger Vorrath mitgeführt werden könnte; auch
sollten die Pferde der Cavallerie auf grünes Futter gesetzt und
alles Korn zum Brodbacken zurückgehalten werden. Diese Ver-
ordnung ist zwar sehr löblich, allein die Unordnungen waren
schon zu häufig und sie kam zu spät; die Massen drängten sich
täglich in einen geringeren Raum zusammen, folglich wurden die
Bedürfnisse zahlreicher und die Gegenden, durch welche sich der
Hauptstrom wälzte, in wenig Tagen zu Grunde gerichtet, so dass
die nachmarschierenden Colonnen beinahe gar keine Lebensmittel
mehr fanden ; es war uns auch desshalb sehr unangenehm, dass
der Vice-König, der sich sogleich zum Kaiser begeben hatte, in
Thom den Befehl erhielt, mit allen seinen Tmppen über uns hinaus
zu marschieren und folglich von nun an die Tete des Centrums
zu bilden. Die ganze Cavallerie, die wir in Willenberg gesehen
hatten, rückte desshalb nach Lötzen vor, um aber doch in einem
Districtc uns die Ressourcen zu sichern, Hessen wir unsere Chevaux-
legers-Rcgimenter in Nikolaiken und Johaimisburg Position fassen
und dort kleine Magazine errichten.
Am 8. Juni nahm der Vice-König sein Hauptiiuartier in
Xc-idenburg. Tags darauf passierte noch die Dragoner-Division des
Generals La Houssaye durch unser Standquartier, welche ganz aus
Italien kam und sonderbar genug, die einzige dieser W affengattung
bei der grossen Armee war. Napoleon hatte nämlich im Feldzuge
des Jahres 1807 bemerkt, dass die Kosaken diese so überaus
schwer bewaffnete Truppe am allerwenigsten scheuen und so oft
im Vortheil gegen diese Dragoner waren, dass die letzteren endlich
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Tagi'budi fim-s Olliciprs im (Jt^ncralstalw
ganz demoralisiert wurden; desshalb Hess er alle jene Regimenter
diesmal theils in Spanien, tlicils im Innern von Frankreich und
nur diese fUiii’, welche den damaligen Feldzug nicht initgemacht
hatten, marschieren.
G<?gen Mittag traf der Duc d’Ahrantes, General-Oberst der
Husaren, in Willenberg ein, welcher das 4. Corps unter des I’rinzeu
Oberbefehl commandierte; dieser Günstling und ehemalige Adjutant
des Kaisers hat sich durch seine Tapferkeit zu dieser hohen Wurde
hinaufgcschwuugen, allein es herrscht darüber in der ganzen
französischen Annee nur eine Stimme, dass er gar keine Feld-
herrntalente besitze und obschon er fest überzeugt war, in diesem
Kriege den Reichs-Marschallstjib zu erlangen, so batte er doch
ganz andere Resultate fUr ihn. Nachdem schon des Morgens ein
Detachement der wirklich prächtigen italienischen Grenadier-Garde
(um den Dienst zu geben) eingerUckt war und einer der Adjutanten
des Vice-Königs, Oberst Lacroix, die Quartiere reguliert hatte, traf
er selbst zu Pferde in dem Städtchen ein; der General Wrede
ritt ihm mit seinem ganzen Generalstab entgegen und begleitete
ihn bis in den Amtshof, wo er abstieg.
Am 10. hielt der Prinz Rastüig und unser General wurde
nebst den ersten Personen seiner Suite zur Tafel gezogen, bei
welcher sich ausserdem noch General Desolles, Chef des General-
stabes, General Dauthouard, Commandant der Artillerie, General
Poitevin, Chef des Ingenieur- Wesens und dann Abrantes nebst
dem General Charpentier befanden. Das Gespräch wurde durch
den Prinzen selbst immer sehr lebhaft erhalten, betraf meist
militärische Gegenstände, in welchen er einen sehr richtigen
Ueberblick zu haben schien und beschränkt« sich zuletzt f;ist
ganz auf die Expedition nach Egypten, an welche der Vice-
König als seinen ersten Feldzug sehr gerne denkt. Er führte
uns später auf den Marktplatz, wo die ganze italienische Garde
zu l'uss aufgestellt war, welche wirklich einen herrlichen Anblick
gewährte und die er sehr gerne zu haben scheint. Auch seine
Garde d'honneur, die meist ans jungen Leuten von mailändischem
.4del bestand, lobte er sehr und erzählte uns, da.ss ganz kürzlich
drei Gemeine dieses Corps vom Kriegsminister (.ffticiers- Patente
l>ei einem in .Mailand zu errichtenden Rcgimente erhalten, ihn
;den Prinzen) aber um die Erlaubniss gebeten hätten, solche aus-
il«*r l>ayiTii«'hpn Armee im FeldaiiRe 1812.
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Zuschlägen, weil sie es für eine grössere Ehre hielten, unter seinen
Befehlen den Fehlzug mitmachen zu dürfen.
Dcnselhen Abend erhielt der Vice-König eine De))csche aus
dem kaiserlichen IIaui)t(|uartier Danzig und brach demnach am
11. Morgens nach (.Irtelsburg auf, von wo er sich gegen Kasten-
hurg wenden sollte. Wir Bayern erhielten die Weisung, auch noch
die ganze Infanterie des 4. (Jorps durch uns durchraarschieren zu
lassen und dann erst derselben Uichtung zu folgen, welche früher
schon unsere leichte Cavallerie cingeschlagen hatte. Am 13. Juni
rückte die Division Broussier in Willcnberg ein und am Tage
darauf die des Generals Delzons. Bei beiden befanden sich nebst
den altfranzüsischen Regimentern auch croatische und dalmatische;
die Bataillone waren ziemlich vollziihlig, allein ich erinnere mich
sehr wohl, den Genera! Broussier selbst klagen gehört zu haben,
dass er nur bei seinen Grenadier- und Voltigeurs-Compagnien
noch Leute habe, welche den Feldzug vom Jahre 1809 mitgemacht
hätten, alle andern aber aus Neulingen bestünden; es war daher
nicht zu erwarten, dass diese den Fatiguen eines solchen Krieges,
wie jener, der uns bevorstand, würden widerstehen können. Da
am 15. auch die Division Pino durch Willenberg kommen sollte,
der General Gouvion St. Cyr schon angekomraen war, auch die
Truppen des Generals Deroy sich näherten, so beschlo.«s General
Wrede, die Tete seiner Division am selben Tage in Bewegung
zu setzen, welcher sein Generalstab folgte. Er selbst verweilte
noch etwas länger in der Stadt.
Wir ühernachteten also am 15. in Klein-Jerutten und dies
war eigentlich der erste Tag, an welchem wir einen Vorgeschmack
der Verwüstung.s-Scenen bekamen, welche dieser Krieg mit sich
bringen sollte; da wir bis Peitschendorf dieselbe Strasse, als die
französi.sche Division einschlagen mussten, kamen wir durch nichts
als ausgej)lünderte und von ihren Bewohnern grösstentheils ver-
lassene Dörfer.
Ich bemerkte zwar hie und da Obersten nnd Generale,
welche sich hemühten, den Unordnungen zu steuern, aber meist
vergebens, denn die Indisciplin war schon zu weit gediehen ;
auch jener <Jrt, in dem wir Quartier nehmen sollten, war in der
vergangenen Nacht übel mitgenommen worden, doch hatten sich
einige Bauern wieder eingefunden, als man sie versicherte, diiss
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Tapt’hnch eines Ofiiciers im (ieneralstabe
Bayern in iliren Häusern lägen, denn man musste damals noch
unseren Leuten die Gerechtigkeit widerfahren lassen, dass sie
überall die strengste Manneszueht beobachteten.
Am 16. kamen wir durch ein kleines Dorf, namens Saz-
kodfen, in welches man die ganze Brigade Almeros, fast 6000 Mann
stark, gelegt hatte. Hier überstiegen die Excesse jede Beschreibung,
ja als wir vor den Ort hinauskamen, begegnete uns der Edel-
mann, ein preussischer Oberstlieutenant, ein Mann mit grauen
Haaren in seiner Uniform mit dem Orden pour le merite, dem
man am vergangenen Abend alles genommen, ja sogar ihn und
seine Familie mit Schlägen misshandelt hatte und der uns er-
zählte, dass er jetzt aus dem Hauptquartier der Division Broussier
zurückkäme, wo er geklagt, aber keinen Schutz erhalten habe.
Wenn ich an die Behandlung eines Mannes denke, der als
Unterthau eines Alliierten des Kaisers, wenn er aber auch ein
Kusse gewesen wäre, blos durch seinen Stand und sein Alter
alle müglichc Schonung verdient hätte und mir zugleich jene
Hunderte seiner Landsleute vorstelle, die zur selben Zeit dasselbe
gelitten, so kann ich oft nicht begreifen, warum nicht die ganze
Kation, gleich bei der ersten Nachricht von den Niederlagen, die
die französische Armee im Winter erlitten, zu den Waffen ge-
griffen und die zurUckkehrenden Reste erschlagen hat. Wenigstens
muss der Geist der Erbitterung, ja selbst der Verzweiflung so
allgemein sein, dass es nur einer kleinen Aufforderung bedarf,
um ihn zum Fanatismus gegen alles umzuschaffen, was französisch
heisst.
Erst in dem Städtchen Peitschendorf, welches auch fast
ganz von seinen Bewohnern verlassen war, trennte sich die Strasse
des 4. Arraee-f'orps von der unsrigen; wir wandten uns rechts
und athmeten wieder freier, da wir nicht mehr mit diesen Räubern
marschieren mussten. Das Nachtquartier ward an diesem Tag in
Baranowo und am 17. in Nikolaiken, einer am Ufer des Spirding-
See's äus.sei’st romantisch gelegenen Stadt genommen ; am selben
Tage traf General Wrede daselbst ein und es sollten Canton-
nements bezogen werden. Auch erhielten wir die Nachricht von
des Kaisers erfolgter Ankunft in Königsberg.
Des Abends erhielt der General eine Ordre von General
Gouvion St. Cyr aus Orteisburg, Inhalts welcher die Bewegung
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der bayeriKchen Armee im Feldzujte 1812.
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an die Grenze gleich des andern Tages fortgesetzt werden sollte.
Wir erreichten demnach am 18. Arys und am 19. das Städtchen
Lyck. das Schönste, das ich in Preussen gesehen, ebenfalls an
einem See gelegen, mit einem königlichen Amtshofe auf einer
Insel, durch zwei Brücken mit der Stadt und der Landstrasse
verbunden.
General Dcroy war am selben Tage mit seiner Division in
.lohannisburg eingetroffen. Der Vice-Künig war indess in Olezko
und der Kaiser in Gumbinnen angekommen ; an letzterem Orte
war es, wo er durch den Chevalier de Prevost, der nach Wilna
war geschickt worden, am 20. das russische Ultimatum erhielt,
welches seinen Wünschen so wenig entsprach, dass er sogleich
eine Botschaft an den Senat in Paris erliess, um demselben an-
zukUndigen, dass der Krieg mit Russland ausgebrochen sei. Auch
wurde die bisher gepflogene Correspondenz zwischen den beiden
Mächten in ganz Frankreich öffentlich bekannt gegeben. Das
Nachtheiligste dieser Massregel war für jeden Unparteiischen
auffallend, denn alle diese ActenstUcke bewiesen deutlich, dass
die russische Regierung keine andere Ursache zur Klage Uber
sich gegeben hatte, als die seinen Unterthanen wieder gestattete
Hand<dsfreiheit und dass der Kaiser Napoleon nichts weniger als
zu diesem Kriege gezwungen war, sondern ihn vielmehr schon
seit dem Jahre IBIO vorbereitet hatte. Der gute Wille der
Franzosen, Opfer für den glücklichen Ausgang dieses Kampfes
zu bringen, musste also durch die Ueberzeugung sinken, dass es
sich blos um die Befriedigung des FJirgeizes ihres Kaisers und
nicht um die Verfechtung eines wahren Interesses des Reiches
handle.
Der General Gouviou St. Cyr hatte am gleichen Tage am
20. Juni sein Haupt(|uarticr in Johannisburg; erhielt aber noch
vor Nacht durch einen Ordonnanz-( fffleier des Vice-Köuigs den
Befehl, am 21. ailtzubrechen und am folgenden Mittag das ganze
fJorjw in einem Bivouak bei I>yck zu concentrieren. Wir erfuhren
zugleich, dass der König von Westphalen als Oberbefehlshaber
des rechten Flügels der Armee von Pultusk, wo er zuletzt sein
Hau|)t(;uartier gehabt, aufbreche, um sich in der Direction von
Augustowo uns zu nähern, ferner, dass der Fürst von Schwarzen-
berg mit dem österreichischen Auxiliar-f.'orps die galizische Grenze
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200
TaKi'tiuch eines (tflieiers ini (leneralstalH-
verlassen habe, um den für den Augeulilick von Truppen ent-
blijssten Theil des Herzoglhums Warschau zu decken, da in der
Hauptstadt ein ausserordentlicher Reichstag versammelt war, von
dem man sich grosse Resultate versprach, welcher daher freilich
nicht durch ein feindliches Streif-Corps gestört werden durfte.
Unser Bivouak war am 22. kaum bezogen, als wir auch schon
den Befehl erhielten, denselben Tags darauf zu verlassen, um uns
gegen Tumaiki vorwitrts zu bewegen. Bis zu diesem Augenblicke
hatten unsere commandierenden Generale alles mögliche angewendet,
um die Mannschaft regelmässig zu verpflegen und es war ihnen
auch gelungen, wenigstens Excessc von Bedeutung dadurch zu
verhüten; auch jetzt noch war sowohl in Lyck, als in Johannis-
burg eine grosse Bäckerei etiibliert (wozu freilich die Oefen erst
von unseren Ingenieurs gebaut worden waren) und es wurde so-
gar in letztgenanntem Städtchen ein Offleier vom Generalstabe
zurllckgelassen, um dem Armee-Corps täglich so viel Brod nach-
zuschieken, als zu erzielen möglich wäre. Dennoch war leicht
vorauszusehen, dass bei den schlechten Wegen in diesem Lande
und bei der durch die schlechte Nahrung anhaltenden Mattigkeit
der Vorspannspferdc, diese Transporte nicht immer richtig bei
dem Corps wtlrdeu eintreflen können und dass folgbch bald
Mangel entstehen würde, vorzüglich, da wir nun in eine Gegend
kamen, die an sieh arm, aber durch die Plünderungen des
4. Corps, welches uns fast immer um einen Tagmarsch voran
war, noch dazu ausserordentlich gelitten hatte. Da wir noch nicht
im Angesicht des Feindes waren, so bezog die 20. Division so-
wohl am 2.3., w-o unser Hanpttjnartier nach Woynassen, dem
letzten preussischen Orte, als am 24., wo selbes nach Czaruako-
wizna im Departement Lomza kam, enge Cautonnements. An
beitlen Tagen h.atteu wir heftigen Regen, wodurch die Wege fast
ganz grundlos wurden. Man theilte uns einen kaiserlichen Tags-
befehl mit, des Inhalts, da,ss der General Subervic, Coinmandant
einer leichten Cavallerie-Brig.ade, wegen ganz unerhörter Excessc
seiner l.’ntergebenen, mit Arrest bestraft worden sei; zugleich
hatte Nni«)leon aus seinem Haupt(|uarticr Wilkowiszki. die Er-
richtung von Prevotal-Commi.ssionen bei jedem Armee-Corps an-
geordnet, vor welche jeder Plünderer oder Marodeur gezogen,
und ohne weiters erscho.ssen werden sollte; aber alles vergebens;
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der liayerifH'ben Armee iin Feldznpe 1812.
201
die Armee glich iu diesen Tagen einer Horde von Räubern, die
nidits im Zaume zu halten vermochte. Besonders zeichnete sieli
die 8. und die 25. Division im Plündern aus.
Am 25., wo das Hauptfjuarticr des Vice-Königs von Italien
in Kalwaria und das des Generals Gouvion St. Cyr in Siejny war,
kam das unsrige nach Rykacey. Hier erfuhren wir, dass die
Feind.seligkeiten bereits wirklich am 23. ihren Anfang genoimneu
hatten, indem die erste Division der Armee unter dem Befehl des
Generals Morand unter den Augen des Kaisers den Nieraen bei
Alexoten passiert habe. Niemand verwehrte den üehergang, nur
einzelne Kosaken Hessen sieh sehen und verschwanden bald wieder,
das Land war bereits in einer Entfernung von 20 Stunden von
den russischen Truppen verlassen, welche zuvor alle Magazine
vernichtet hatten. Ein auffallender Umstand ist, dass gerade am
23. Juni, wo der Kaiser das russische Gebiet verletzte, Alexander
in Wilna den Friedens-Tractat mit der Türkei ratificierte, welchen
die Franzosen hatten hindern wollen und dass dann im Spätjahre
eljen diese aus der Türkei kommende russische Armee den Kaiser
nöthigte, seinen Rückzug wieder bis über den Niemen fortzu-
setzen.
Während die Operationen gegen Wilna fortgesetzt wurden,
erhielten wir den Befehl, am 2(i. in Rykacey zu halten, damit
das ganze 4. Corps uns vorinarschieren könne. Von dieser Ordre
datiert sich die nachherige schnelle Auflösung des 6. Corps.
W äre es uns erlaubt gewesen, in dessen Flanke unsere Bewegung
fortzusetzen, so würden wir noch Lebensmittel in den Stationen
angetroffen luiben und die Krankheiten wären nicht so schnell
eingerissen. So aber mussten wir nicht nur am 26., wo das
Haupt<iuartier des Vice-Königs nach Marianpol kam, sondern auch
am 27. ruhig liegen und erst am 28. setzten wir uns wieder in
Marsch. Die Brod-Transporte hatten uns inzwischen von Johannis-
burg her doch nicht einholen können. Die Nahrung der Mannschaft
in den nächstfolgenden Tagen bestand blos aus Fleisch (da wir
lebendes Vieh noch von der Weichsel her mit uns trieben) und
dies zum Theil halbroh genossen, legte den Keim zu der Ruhr,
die bald darauf bei der ganzen Armee einriss.
Am 28. Juni kam unser Hauptquartier nach Stro.sdy, einem
kleinen Dorfe und am folgenden Tage nach dem Städtchen Simno.
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202 Ta^ubuch eines Offitiers im Cfeneralstabc
Von hier aus hatten wir nur einige Meilen nach Olita, wo wir
den Kiemen mit Beciuemlichkeit hätten passieren können. Hätte
sich dies mit den grossen Operationen vereinigen lassen, so würde
unser Corps wieder in eine Gegend gekommen sein, wo der
Mangel an Lebensmitteln noch nicht fühlbar gewesen wäre, aber
so mussten wir der Richtung des 4. Corps folgen; wir longierten
daher am 30. (bei einem anhaltenden Gussregen) den Kiemen bis
Preny, wo wir sogar noch die Arrieregarde jenes Corps im
Plündern beschäftigt antrafen.
Bei unserer Ankunft hierselbst erfuhren wir, dass die Russen
auch Wilna, die Hauptstadt von Litthauen, ohne Schwertstreich
geräumt hätten, nachdem sämmtliche Magazine vernichtet worden
waren. Schon am 28. hatte Napoleon sein Hauptquartier in der
alten Residenz der Jagellonen genommen.
Von nun an blieb kein Zweifel übrig, dass es des Feindes
fester Plan sei, uns immer tiefer in das Innere seines Landes zu
locken und durch den Mangel an Lebensmitteln aufzureiben. Es
wurde auch bekannt, dass der aus prcussischen in russische Dienste
getretene GL. von Pfuhl dem Kaiser Alexander diesen Plan zur
Vertheidigung seines Reiches vorgeschlagen hatte.
Es gehört freilich ein grosser Entschluss dazu, denn die Aus-
führung desselben war mit der Verwüstung, mitunter der blühend-
sten Landstriche Russlands verbunden, allein sie war auch ganz
einer so grossen Nation würdig, als die russische ist und ewig
bleiben wird.
Wenn noch etwas den Ruhm erhöhen könnte, den dies Volk
sich im Jahre 1812 erworben hat, so würde ich dies in dem
Umstande suclien, dass auf Befehl des Kaisers in den neurussischen
Provinzen nur die dem Gouvernement gehörigen Magazine ver-
nichtet wurden, gleichsam als überliesse man es den Bewohnern,
mit ihrem Eigenthum selbst nach Gutdünken zu walten; in Alt-
Russland aber wurden überall, wo unsere Armee sich näherte,
nicht nur alle Lebensmittel fortgeschafft oder verbrannt, sondern die
Hauser selbst von ihren Bewohnern verlassen und den Flammen
preisgegeben.
Nachdem General Wrede mit ziemlich viel Mühe es dabin
gebracht hatte, dass die italienische Brigade ihrer Bestimmung
gemäss Preny verliess und nach Pilony abmarschierte, wurde
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der bayerischen Arme« im Feldzufje 1812.
203
beschlossen, am 1. Juli Rasttag zu machen, um theils unserer
Infanterie (die durch den höchst beschwerlichen Marsch des
vorigen Tages sehr erschöpft war) etwas Ruhe zu gönnen, theils
unsem Reserve-Park abzuwarten, der bei den über alle Beschrei-
bung verdorbenen Wegen hatte Zurückbleiben müssen.
Am 2. gieng unsere Division endlich über den Niemen auf
einer bei dem Dorfe Pilony angelegten SchifiTbrücke. Haufen todter
Pferde bezeichneten uns den Weg, den das 4. Corps genommen
hatte, denn vor Hunger und Fatigue fielen selbe zu Hunderten.
Bei uns, wo die Pflege etwas besser war, erhielten sich die Be-
spannungen der Artillerie noch einige Zeit vollzählig, doch endlich
theilten wir freilich auch das allgemeine Schicksal. Da wir uns
nun im Feindeslande befanden, so bezogen wir einen Bivouak
und General Wrede nahm sein Hauptquartier ungefähr hinter dem
Centrum der Division in dem kleinen Dorfe Angliniczky. Noch
am Abend wurden wir praeveniert, dass für den folgenden Tag
gleichfalls der Marsch in der Direction des 4. Corps fortzusetzen
sei, welches Befehl erhalten hatte, sich auf die grosse Strasse zu
bewegen, die von Kowno nach Wilna führt und sich desshalb links
wandte. Das Hauptquartier des Vice-Königs war am gleichen Tage
(am 2. Juli) von Krony aufgebrochen und nach Zyzmory verlegt
worden, wohin folglich das unsrige am 3. kam. Wir konnten uns
hier deutlich überzeugen, dass die grosse Armee die Kunst zu
plündern, noch gründlicher verstand als ihre Seiten-Corps, denn
dies ziemlich bedeutende Städtchen war, nebst den nahe dabei
liegenden drei Edelhöfen, so rein ausgeleert und dabei alles nicht
Geniessbare so rauthwillig zerstört und verdorben, dass der Anblick
wirklich empörend war. Nur einzelne Einwohner hatten es darauf
ankommen lassen, selbst misshandelt zu werden und waren bei
ihren Häusern geblieben, die meisten waren entflohen.
Kaum hatte die Division sich auf den Höhen von Zyzmory
gelagert, als wir den Befehl erhielten, am kommenden Tage die
kaum gewonnene Strasse wieder zu verlas.sen und auf einem
Seitenwege uns der Stadt Troki, südwestlich von Wilna gelegen,
zu nähern; auch jetzt noch der Spur einer italienischen Division
folgend, sowie hingegen wieder die Division Deroy immer um
einen Tagmarsch hinter uns sich befand. Unser Hauptquartier
kam am 4. Juli nach dem Flecken Sumielnicky. Auch dieser sehr
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Tagebuch eine« OfHciers im (ieneralstabe
grosse und ziemlich gut gebaute Ort, welcher unserer Division
gewiss hätte Ressourcen darbieten können, war rein ausgeleert.
Nur wenige Bewohner zeigten sich, unter diesen der Pfarrer,
bei welchem der General abstieg und der bald nach unserer
Ankunft eine Bäuerin begrub, welche Tags zuvor von italienischen
Jlarodeurs aus Muthwillcn erschossen worden war.
Auch dieser Tag vergieug nicht, ohne dass wir Befehl zu
einer Directions- Veränderung erhielten. Ein Beweis, wie sehr des
Kaisers Operationsjdan durch die unerwarteten retrograden Be-
wegungen der Rus.sen irre gemacht wurde. Statt nach Troki
sollten wir uns nun gegen Annusziezky wenden, um von da eine
directe Verbindung zwischen dem Kaiser und dem König von
Westphalen auf der grossen Strasse von Wilna nach Grodno ber-
zustellen, welche durch ein russisches Streifcorps, zur Armee des
Fürsten Bagration gehörig, unterbrochen sein sollte.
Am 6. Juli erreichten wir dies Städtchen und die Division
bezog vor demselben einen Bivouak; die leichte Cavallerie wurde
aber noch eine Meile vorpoussiert, um die verschiedenen Strassen
zu beobachten. Da ich mich schon so oft über die Excesse der
französischen Truppen geäussert habe, so will ich nicht ver-
schweigen, dass auch bei den unsrigen gerade auf diesem Marsche,
wo sie durch einige Ortschaften kamen, in welchen noch Lebens-
mittel vorhanden waren, mehrere Excesse vorfielen, so dass z. B.
Schlachtvieh, Branntwein u. dgl. weggenommen wurde. So wenig
ich dies entschuldigen mag, so ist es doch nicht zu läugnen, dass
auf einem so beschwerlichen Marsche, wo die der Jlannschaft
gebührenden, unentbehrlichen Rationen seit vielen Tagen nicht
mehr ausgegeben wurden, dergleichen Unordnungen von den
Officieren kaum verhütet werden können.
Nichtsdestoweniger ergriff der General sehr strenge Jlass-
regeln dagegen und ich erinnere mich sehr wohl, dass kurz nach
dem Einrückeu in das Lager zwei Oberste, deren Regimenter sich
vorzüglich excessiv gezeigt haben sollten, mit Arrest bestraft
wurden. Man konnte auch etwas schärfer verfahren, weil durch
die kluge Anordnung unseres Generals die noch rückständigen
Brod-Transporte von Johannisburg und Lyck über Olitta .sich uns
näherten, folglich in wenig Tagen dem dringendsten Bedürfniss
abgeholfen und wenigstens die gehörige Brotration ausgegeben
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(kr ba}'erisc)ien Armer im FeUlziige 1812.
205
werden konnte. Unsere Division, sowie die des Generals Deroy,
einen Marsch hinter uns, blieben nämlich die folgenden Tilge in
derselben Stellung.
Nur drei Chevauxlegers-Regiinenter, unter dem Befehle des
Generals Grafen Preysing, wurden am 6. Juli beordert, eine Be-
wegung vorwärts gegen (Jnciszky zu machen, um von da (im Ein-
verstiindniss mit einer italienischen Brigade, die von Troki am
gleichen Tage aufbrach) zu versuchen , 3000 Kosaken abzu-
schneiden, die wie die Depesche des Fürsten von Neufchätel ver-
sicherte, bei Lida stunden und die Communicationcn hemmten.
Die Bewegung ward vollzogen, man poussierte bis Lida, wo man
in Kenntniss gesetzt wurde, dass die letzten Kosaken schon vor
vier Tagen abmarschiert seien und man konnte nicht einmal ihre
Spur finden ! So schlecht waren schon damals die Nachrichten,
die man Uber die Operationen der russischen Armee hatte und so
sehr stand man im Wahne, dass russische Colonncn sich in ihrem
eigenen Lande würden abschnciden lassen ! Jlan brauchte sich
daher gar nicht zu wundern, als bald darauf ganze Corps die
ermüdendsten Seiten- und Contre-Märsche machen mussten, um
den russischen Colonuen unter Bagration und Doetoroff den Weg
nach dem Dnieper abzuschneiden; man war thöricht genug, zu
glauben, dass Beide keine Mittel mehr zu ihrer Rettung hätten
und sich entweder würden ergeben oder mit Zurücklassung ihrer
Artillerie und Bagage nach Volhynien werfen müssen. Das 4., 5.,
7. und 8., ja selbst ein Theil des 1. Corps, wurden zu diesen
Expeditionen verwandt; allein bekanntlich hatten sie kein anderes
Resultat, als dass diese Truppen, vorzüglich die Cavallerie, ausser-
ordentlich fatiguiert wurden und sehr viel Leute als Marodeurs
zurückliessen.
Doetoroff vereinigte sich schon in der Gegend von Lepell
mit der Haupt-Armee und Bagration, auf den ich später in meiner
Erzählung noch kommen werde, bei Smolensk.
Da wir noch immer unter den Befehlen des Vice-Königs von
Italien standen, so glaubten wir aus unserer Stellung bei Annus-
ziezky auch gegen den Dnieper hin zu marschieren, allein ein
Tag vergieng nach dem anderen, ohne dass wir die Ordre dazu
erhielten. Der Mannschaft war das in gewisser Rücksicht zuträg-
lich, weil die Verpflegung von Olittv aus noch ziemlich regelmässig
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Tageliiich eines Offieicrs ini Oeiieralstab«
geschehen konnte. Indess musste selbe später dafür büssen, indem
wir umso stärkere Märsche zu machen genötliigt waren.
Während der Kaiser auf diese Art sich und seiner Garde
in Wilna einige Ruhe gönnte und die russische Haupt - Armee,
welche sich auf der grossen Strasse nach der DUna in grosser
Ordnung zurückzog, fast nur durch die Cavallerie des Königs von
Neaj)el verfolgen Hess, hatte der Reichstag zu Warschau bereits
unterm 28. Juni ein Königreich proclamicrt und alle vor 100 Jahren
dazugehörigen Provinzen, folglich auch die Bewohner Galiziens
und ganz Russlands diesseits des Dniepers aufgefordert, sich zur
Wiederherstellung dieses Königreiches in eine General-Confbdoration
zu vereinigen, welche auch sogleich in Warschau gebildet und zu
deren Oberhaupt und Sprecher der 82jährige Fürst Adam Czar-
toryski, ehemaliger polnischer Reichstags-Marschall, erwählt wurde,
allerdings ein schöner, lobenswerther Plan, dem jeder Freund von
Nationalität das Gelingen wünschen musste, doch hatte man dabei
eine Kleinigkeit vergessen, nämlich dass ein Königreich ohne König
selten gedeiht ; es ging zwar eine Deputation von Warschau nach
dem kaiserlichen Hauptquartiere ab, deren Präsident Senator Gral
Wibicky am 11. Juli dem Kaiser in einer langen und sehr gehalt-
reichen Rede das Wohl des neu creierten Königreiches an’s Herz
legte, doch war der Wunsch darin nur angedeutet, Napoleon
möchte sich diese neue Krone selbst aufsetzen und auf diese Weise
die Existenz Polens für immer befestigen ; aussprechen wollte man
diesen Gedanken nicht, man wollte ihn zuerst vom Throne hören,
allein der Kaiser war weit davon entfernt, den Wink verstehen
zu wollen; der grosse Mann war klein genug, die schöne Gelegen-
heit zu versäumen, einer tapferen und einst berühmten Nation, die
sich in seinen Schutz begeben hatte, ihre Selbstständigkeit wieder
zu geben und sich auf diese Art Ansprüche an die Dankbarkeit
von Jlillionen zu erwerben. Ich für meinen Thcil, so froh ich bin,
dass es nicht geschehen, bin überzeugt, dass wenn Napoleon sich
damals zum König von Polen erklärte und sich für die schöne
Jahreszeit mit der Eroberung des Landes, wo polnisch gesprochen
wird, begnügte und während des Winters die Armee des neuen
Königreiches organisierte, er im Frühjahre der russischen Monarchie
einen Todesstreich hätte beibringen können. So war seine Antwort
sehr ausweichend, er sagte sogar, die Entfernung der Ufer der
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iliT bayerischen Armee im Kelilzuce 1812.
207
W'eiehsel von jenen der Heine wäre zu gross, um ihrer Bewohner
Interesse zu verschmelzen und überliess ihnen (den Polen) übrigens
ihren Zweck durch eigene Anstrengung unter seiner Protection
zu erreichen. Ungeachtet dieser eigentlich ungünstigen Antwort
des Kaisers, bemühte sich Wibicki, in Wilna Anhänger filr die
neue Confeideration zu werben und es gelang ihm; Männer aus
den ansehnlichsten Familien Litthauens, ja selbst solche, deren
Besitzungen man geplündert hatte, eilten in die Hauptstadt, theils
um ihren Patriotismus und ihre Freude über die Wiederherstellung
des Königreiches laut an den Tag zu legen, theils um wirklich
ihre Dienste anzutragen. Auch wurden ausser den 75.000 Manu,
welche das Herzogthum Warschau stellte, in Litthauen nach und
nach 16 Regimenter errichtet.
Indess hatte der Vice-König von Italien seine Bewegung in
der Direction auf Minsk, jedoch nur langsam fortgesetzt, während
auf der anderen Seite der König von Westphalen am 6. Juli von
Grodno aufgebrochen war, um über Nieszwitz sieb ebenfalls jener
Stadt zu nähern und im Centrum der König von Neapel die
russische Haupt-Armee auch sehr langsam Uber Swinciany und
Widzy verfolgte. Das Hauptquartier des Kaisers von Russland, in
dessen Umgebung sich der General Benningson als Rathgeber
befand, war in diesen Tagen zu Druja an der Düna.
Fürst Schwarzenberg hatte eine Position am Bug genommen,
um Warschau gegen jede mögliche Invasion zu decken und
Marschall Macdonald, welcher die Preussen befehligte, war in
Kurland eingerückt, ohne dass wir einen Befehl erhielten, unsere
Stellung bei Annusziezkv zu verlassen. Kndlich am Abend des
11. Juli, als wir immer noch glaubten, der Bewegung des 4. Corps
zu folgen, brachte uns ein Adjutant des Generals Gouvion St. Cyr
die Nachricht, das 6. Corps stünde von jetzt an unter dem unmittel-
baren Befehle des Kaisers und wir hätten Tags darauf aufzu-
brechen, um über Wilna uns der Düna zu näbem. Von die.sem
Augenblicke an war vorauszusehen, dass der Mangel, dem man
bisher noch so viel als möglich gesteuert hatte, mit allen seinen
Folgen einbrechen würde, indem die Strasse, aut welcher wir
marschieren sollten, durch die’ Plünderungen des 1. Corps und der
„jeune garde“ von allen Ressotircen entblösst waren und die so
sehr verdorbenen Wege jede Nachfuhr unmöglich machten ;
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Tagrl)U<h fim-s OlUcicrs ini Gi'ueralslalx-
besonders da die Pferde unseres Fuhrwesens durch das jrrüne
Futter s(dir an Kräiften verloren hatten.
Am 12. Jidi kam unser HaupU|uartier nach Nowe Troki,
einer Kreisstadt, flir welche der Kaiser, da alle russischen Autori-
täten sich auf Befehl entfernt hatten, einen Unterjiriifecten ernannte,
dessen Functionen aber durch die Truppcnniärsche, besonders aber
durch die Excesse der Nachzügler, noch sehr gehindert waren.
•So befand sich in einem Nonnen • Kloster in diesem Städtchen eine
Edelfrau mit vier Kindern, deren Schloss vor einigen Tagen aus-
geplündert, dann in Brand gesteckt, deren Mann getödtet worden
war. Sie hatte sich in die Wälder geflüchtet, war dort noch von
italienischen Marodeurs gefunden und ihrer letzten Habe beraubt
worden, bis sie endlich dieses Kloster sich zum Asyl erwählte.
Troki ist durch einen ziemlich grossen See interessant, der
dicht daran liegt und auf welchem sich eine Insel mit den Ruinen
der Burg Witolds, des ersten GrossfUrsten von Litthauen beflndet.
Wir erfuhren hier, dass der Vice - König von Italien sich von
Smorgon aus links gegen die Düna gewandt, dagegen der Fürst
von Eckmühl mit 2 Divisionen seines Corps die Stadt Minsk
besetzt und wahrscheinlich von nun an das Commando des rechten
Flügels der grossen Armee führen würde.
.■\m Ifl. Juli nahm die 13. Division ihre Stellung dicht vor
Wilna in einem Walde und die unsrige postierte sich bei dem
Schlosse Ponary, eine Meile diesseits an der grossen Strasse.
In der Nacht wurden wir praeveniert, dass, da wir am
folgenden Tage noch einige Meilen über die Stadt hinaus zu
marschieren hatten, der Kaiser uns nicht förmlich en revue passieren,
sondern nur bei sich vorbeidetilieren lassen würde. Wir brachen
am Morgen auf und formierten uns nahe an der Voi-stadt von
Wilna in geschlossenen Colonnen hinter der Division Deroy. Gegen
11 Uhr erschien der Monarch. Unser Corps war an diesem Tage
noch 25.000 Mann stark, die l’ferde, vorzüglich die der Artillerie
in einem wirklich bewunderungswürdigen Zustande, die Mann-
schaft von der schönsten Haltung und noch vollkommen gut
montiei't; es war daher natürlich, da.ss man sehr zufrieden war und
mehrere aus Naiwleon's nächster Umgebung sich äusserten, das
t). Corps sei schöner noch als die kaiserliche Garde.
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(1er lmyt!ri»elu‘n Armee im Feldzuge 1812.
209
Doch stfiiie Stunde hatte auch gcschlaj^en. Die Jrilrsche die
wir uninittcll)ar nach dieser Revue über Wilna hinau.s in dcr
Direction von Swdr über Michaliszki zu machen hatten, waren
sehr stark, dabei die Wege ungemein schlecht und die Hitze
wie sich eines der damaligen Bulletins sehr naiv ausdrückte)
wirklich gleich der italienischen. An der Strasse waren keine Lebens-
mittel mehr zu finden. Die kleinen, unzulänglichen polnischen
lleijuisitions- Transportsmittel konnten unsere Brodtransporte von
( ilitta nicht mehr regelmässig nachführen. Die Rationen an die
Mannschaft bestanden daher nur mehr aus Fleisch von dem mit-
getriebenen Schlachtvieh. Solche wurden zwar doppelt ausgegeben,
aber g(?rade dieser Ueberfluss an animalischer Nahrung bei dem
gänzlichen ^langel der vegetabilischen und meist auch der geistigen
Getränke, die durch trübes W'asser ersetzt wurden, verursachte,
dass in kurzem die Dvssenterie beim ganzen Corps in einem
solchen, jede Beschreibung übersteigenden Grade einriss, dass
uns jeder Marsch mehr la'ute und Pferde kostete (die vor Er-
schöpfung liegen blieben) als ein hitziges Gefecht.
Am 14. Juli kam unser llaupt((uartier nach dem kleinen
Dorfe Mizkunorvi. Am darauffolgenden Tage nach Slobodka,
General Wrede nämlich ; die Division Deroy folgte in kurzen
Intervallen. Am 16. nach dem Städtchen Michaliszki, wo eine
Brücke über die Wilija führt und Tags darauf nach Swir,
einem grossen Dorfe an einem bedeutenden, einen ziemlich
romantischen Anblick gewährenden See gelegen. An diesem
Tage vcrliess Napoleon AVilno, nachdem er die Nachricht von
der Besetzung von Jlinsk durch diis Davoust’sche. Corps er-
halten und gieng über Swicciany bis nach dem schönen Schloss
Luczaj, welches auf der Nebcnstrassc liegt, auf der wir mar-
schierten, ungefähr zwei Tagemärschc vorwärts Swir. Seine Garden
hatten früher dieselbe Direction eingeschlagen, so dass wir uns
jetzt gerade hinter denselben befanden, da.s heisst mit anderen
IV orten, dass unsere Truppen gar nichts mehr zu leben finden
konnten.
Am 18. giengen wir bis Rudozin, am folgenden Tag bis
(.'zciTiiaty und am 20. über huczaj hinaus bis Danielowice, einem
nicht ganz unansehnlichen Städtchen, das auch schon seiner
Ressourcen beraubt war. Uebrigens konnte man die Expedition
XittbeiluDgen des k und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge VII 14
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Tapi bnch eines Ollieiers im Oeneralstai)«
bis dahin noch ehei’ einen Raub- als Feldzug nennen, nur Murat,
der mit der Cavallerie die Avantgarde machte, sah den Feind, das
heisst die Kosaken. Die feindliche Annee blieb ihrem Plane getreu,
sich immer in der Direction auf Witebsk an der Düna zurück-
zuziehen, während auf der anderen Seite FUiat Bagration mit der
sogenannten zweiten West- Armee sich Uber Mohilew nach Sino-
Icüsk repliierte, wo die Vereinigung mit Barclay stattfinden sollte
und auch am 8. August stattfand, obschon der Moniteur daran
zweifelte. Wir kamen am 21., wo (nachdem schon Tags zuvor
Napoleon sein Hauptquartier in dem schönen Kloster von Glu-
bokoje [dies ist die litthauische Schreibart, die Polen sagen Gle-
bokie] genommen), er daselbst verblieb, bis Zyrywania ganz dicht
vorwärts eben genannten Städtchens. Wahrscheinlich hatte man iiu
grossen Hauptquartier gefunden, dass, da wir uns hinter dem-
selben befanden, unsere Cavallerie von keinem Nutzen sei, denn
schon unter dem 15. war der Befehl ergangen, dass die vier
Chevauxlegers-Kesrimenter, die uns noch blieben, nachdem die zwei
anderen schon früher mit der Reserve-Cavallerie vereinigt worden
waren, zu der Cavallerie der Garde stossen sollten. Bei solcher
blieben sie kurze Zeit und haben den Rest des Feldzuges unter
dem Oberbefehl des Prinzen Fugen gemacht. Von den 24 Schwa-
dronen kamen in Summa drei Dienstpferde nach Bayern zurück.
Es wäre vielleicht hier nicht am Unrechten Orte, zu bemerken,
wie notbwendig es gewesen wäre, einen General von einiger Be-
deutung im grossen Hauptquartier accreditiert gehabt zu haben,
der z. B. gerade gegen eine solche Zerstücklung protestiert hätte.
Kann man in der Tbat sich eine eigenmächtigere Handlung denken,
als von dem Contingente eines Alliierten, das so complett gestellt
worden, dass es als nuraerotiertes Corps in der grossen Armee
campierte, eine essentielle Waffengattung wegzunchmen un<l durch
gar nichts zu ersetzen? Ich behaupte, es war nicht nur für uns
höchst unangenehm und kränkend, sondern auch Napoleon’s eigenen
Interessen zuwider, indem ihm unser Corps in der Folge hätte
viel bessere Dienste leisten können, wenn wir Reiterei gehabt
hätten.
Am 22. defilierten wir durch Glubokqje und kamen nach
Swila; am folgenden nach Szizo und am 24. nach Mauteryn.
Unterdessen war uns das Haupt()uartier wieder vorgekomiuen und
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der bayerisch«!! Arme« im Fcbljüig« 1812.
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am folgenden Tage machte Napoleon gegen zwanzig Stunden,
da der Feind diesseits des Fleckens Ostrowno, ungcfilhr noch
8 Stunden vor Witebsk zum erstenmale sich mit Infanterie
gestellt hatte, wahrscheinlich weil noch keine genaue Nachricht
von Bagration eingetroffeu war und man sich nicht zu stark
wollte drängen lassen. Am selben Tage kamen wir, immer auf
derselben Strasse folgend, bis Uszacz, einem Städtchen, wo wir
(ich glaube, weil Gouvion St. Cyr die erhaltene Ordre falsch ge-
deutet) am 26. blieben ; wenigstens kam Tags darauf ein Befehl,
aufzubrechen, den ich als einen Vorwui-f betrachtete. Es wurde
gerade in der Mittagshitze aufgebrochen und bis Sanowania mar-
schiert. Nie hatten wir so viel Marode, als diesmal ; mehrere Leute
blieben todt an der Strasse vor Erschöpfung. Ich für meinen Theil
erinnere mich sehr wohl, an diesem Tage und dem folgenden Tag,
durch die jede Beschreibung Ubertreffende Hitze mehr, möchte ich
sagen, gelitten zu haben, als später durch die Kälte.
Am 28. kamen wir nach Chowatowa ; am folgenden Tag
Uber das an der Dwina gelegene Städtchen Bieszeiikowice hinaus
nach Hirzowka wo wir erfuhren, dass der Feind Witebsk, sowie
alles evaeuiert und sich auf Smolensk repliiere.
Napoleon hatte beschlossen, in dieser Stadt einige Tage zu
verweilen, da auch seine Truppen sehr epuisiert waren und wir
erhielten daher Befehl, Halt zu machen. Es schien sogar einen
Augenblick, als wenn Napoleon sich nicht mehr von den Bussen
weiter in’s Innere ihres Landes wollte locken lassen, indem wir am
31. Juli den Befehl erhielten, förmlich bei Bieszenkowice Position
zu fassen und den dortigen Brückenkopf jenseits der DUna zu
be.setzen und zu befestigen, was auf eine zu nehmende, gleichsam
defensive Position für die ganze Armee sich deuten Hess. Das
Hauptf(uartier des Generals Gouvion St. Cyr kam demnach den Tag
darauf nach eben genanntem Städtchen, und das des Generals
^^Vede von Hirzowka nach dem näher am Flusse gelegenen
Dörfchen Drozdy.
In diesen Tagen hatte sich bei uns zu dem Mangel an Lebens-
mitteln noch ein anderer gesellt, nämlich der des Geldes; man
konnte die den Officieren und der Mannschaft doch so nöthigen
Gagen und Löhnungen nicht mehr regelmässig auszahlen. Der
General-Intendant der Armee, General Mathieu Dumas, hatte uns
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Taprbuili eine» (»fficiers im (ieneralstalie
eineu, Jedoch sehr mässigen Vorschuss versprochen; ich wurde
desshalb am folgenden Tage (2. August) in das gross«; Haupt-
quarti«;r geschickt, um diese Sache zu betreiben, konnte aber
nichts als abermalige leere Versprechungen erhalten. Unmittelbar
nach mir erhielt ein Individuum aus der Administration eine ähn-
liche Mission, welche ebenfalls so wenig Erfolg hatte.
Ich ritt Uber einen grossen Theil des Schlachtfeldes von
Ostrowno, wo noch Venvundete vom 27. Juli lagen und kam am
:i. gegen Mittag nach M'itebsk, einer ansehnlichen, grüsstentheils
in Stein gebauten Stadt von circa 20.000 Einwohnern, die zwar
gelitten, aber doch nicht aller ihrer Ressourcen beraul)t war;
mehrere Strassen sind regelmässig gel)aut ; das Ufer der Düna
erhebt sich ziemlich majestätisch ; vier Schiftlirücken verbinden
das recht«! Ufer mit dem «liesseitigen. Der Palast des Prinzen
Alexander von Württemberg, General-Gouverneur von A^'eiss-
russlaml, worin Napoh-on wohnte, schien mir von einer noblen
Archit«!ctur. Zugleich. l>einahe mit mir, traf ein Adjutant des
Marschalls fiudinot in Witebsk ein («Icr das 2. Corps der Armee
commandierte und uns Payern zur Linken bei Polock über tUe
Düna gegangen war) mul brachte Rapport von einer vorwärts
letzü-rer Stadt an dem Flüsschen Dry.saa am 1. stattgehabten
ziemlich blutigen Aftaire, worin das feindliche Corps unter General
Wittgenstein zwar Kanonen verloren, aber doch am Ende mit ver-
stärkten Colonnen vorgerückt und den Marschall zum Rückzug
über Jenes Flüsschen genöthigt hatte. Napoleon fand daher für
gut, dem 2. Corps auch Succurs zu senilen und ich ward mit
dem Befehl an General Gouvion St. Cyr in der Nacht noch ab-
geschickt, mit dem ganzen ti. Corj)s sogleich in der Direction auf
Polock aufzubrechen.
Am 4. .\ugust in der Frühe kam ich nach Bieszenkowice.
(ieneral Gouvion St. Cyr (des.sen Fehler überhaupt nicht die
l'ebereilung ist), beschloss aber den Abmarsch auf den folgenden
Tag zu verschieben, was er um so eher thun konnte, als man
durch direete Nachrichüm aus l'olock wusste, dass Marschall
( tudinot nicht mehr heftig gedrängt war.
Am 5. vor Sonnenaufgang brachen wir demnach aus der,
während meiner Abwesenheit noch näher an der Düna bezogenen
Position bi-i Bystry auf und maVschierten an die.sem Tage bis Ula,
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Jer bayerischen Annee im Feldzupe 1812.
213
.am fblgonden bis Ostroavkieuii. Am 7. sammelten wir uns, um die
l)üna auf den zwei gegenüber von Poloek geschlagenen Schiff-
brücken zu passieren und so unsere Vereinigung mit dem 2. Corps
zu bewerkstelligen, das theils in, theils vor eben genannter Stadt
|(Ostiert war. Der Feind stand ungefähr drei Stunden von da. Da
das Haupt(|uartier des Marschalls Oudinot sich in dem (grossen
und schönen) Jesuiten-Kloster befand, so begab sich General
Gouvion St. Cyr sowohl, als General Wrede dahin, um mit ersterem
sich über das, was nun zu thun sei, zu benehmen. Da der Feind
durch seine Niihe etwas genierte und es noch sehr früti am Tage
war, so ward beschlossen, ihn ohne Verzug anzugreifen. Man
setzte sich auch sogleich in ^larsch, der Feind fand es aber für
gut, unsere Attaque nicht abzuwarten, sondern zog sich über die
Drvssa zurück. Marschall ttudinot, der vor uns marschierte, folgte
auf der grossen Strasse nach Elickow bis Antonowa, General Wrede
nur bis Gemzelewa; Gouvion St. Cyr, der überhaupt meinte, man
solle nicht übereilen, blieb mit der Division Deroy in 3. Linie.
Gegen Abend wurde ich vorgeschickt, um zu hören, was die
Intentionen für den tolgenden Tag seien. Ich tr.af den Marschall
in dem vorgenannten Edelhofe, in grosser Unentschlü.ssigkeit über
<las, was er thun sollte, indem verschieden lautende Berichte den
Feind bald auf der Hauptstrasse, bald lilngs der Düna sich zurück-
ziehen Hessen. Fh' wechselte in der kurzen Zeit, als ich bei ihm
war, mehrmals Intention und schickte mich doch am Ende mit
der Antwort zurück, dass er noch genauere Nachrichten abwarteu
wollte. Dabei ilusserte er sich ziemlich bitter, dass General Gou-
a-ion St. Cyr kein Freund vom Schlagen sei. Mit alledem, umso
viel lieber mir Oudinot als Soldat ist und obschou St. (’yr schon
allein wegen seiner jede Beschreibung Ubertretfenden Be(|uemlich-
keit, diis Metier aufgeben sollte, so gewiss scheint er mir doch
mehr mit den zur Führung uuabhilngiger, militärischer Opera-
tionen nothwendigen Talenten begabt, als Oudinot. Dieses
Letzteren Chef des Generalstabes (zugleich Schwieger.sohn)
General Lorencez schien mir ein sehr fähiger Mann, jedoch ohne
entscheidenden Einfluss. Ein (Oberst (jetzt Gmicral) Ltjeune, Ad-
jutant des Fürsten von Wagram, aus ilem grossen IIauj)t(|uartier
gesandt, um zu beoliachten, was geschehe, schien mir, so viel ich
es beurtheilen kann, vielleicht unter allen am meisten durch einen
richtigen Ueberblick des Ganzen sich anszuzeichnen.
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214
Tapreliui h eines Ofticier» im üeneralstabe
Ara 8. August, nachdem alle Notizen bestätigten, dass die
Hussen sieh links von der Hauptstrasse abgezogen hatten, folgten
die beiden Annee-Corps in dieser Richtung. Die Division des
Generals Wrede riiekte bis ungefähr zwei Stunden diesseits des
Dryssa-Ufers vor. Der Marschall licss noch während der Nacht
gegenüber dem Dorfe Czernowiz an einer Pontonsbrücke arbeiten
und ara 9. gingen wir säinratlich über die Dryssa; abennals pro-
testierte St. Cyr gegen die Vorrückung, worin er insofeme nicht
ganz Unrecht hatte, als man es ohne festen, bestiiumten Plan that.
Tags darauf wurden wieder einige Stunden vorwärts gemacht und
sodann Position bei dem Städtchen Valenzni genommen, das der
Feind kurz zuvor verlassen. Selber hatte sich hinter der Zwolna
bei dem Städtchen Kochanowa gestellt und als am 11. der
Marschall dieses Wasser passieren wollte, wurde er ziemlich leb-
haft angegriffen und seine eben debouchierende Avantgarde
repoussiert.
Hierauf engagierte sich eine Kanonade ohne besonderes Re-
sultat, während welcher wir Bayern in zweiter Linie rückwärt.s
eines Waldes stehen blieben. Da cs nun ersichtlich war, dass die
Russen uns nicht weiter wollten gutwillig vorrücken lassen und
Oudinot sich auch nicht recht entscheiden konnte, durch ein all-
gemeines Gefecht die Passage zu forcieren, so ward am Abend
beschlossen, wieder die Stellung einzunehmen, die man am 7. ge-
habt hatte, welches dem General St. Cyr Anlass gab, ziemlich
ironische Bemerkungen über des Marschalls schwankendes Wesen
zu machen. Wir repassierten also wieder die Dryssa am folgenden
Jlorgen und General Wrede kam nach demselben Aiitonowa, was
ich früher mentioniert habe. Die Division des Generals Deroy
postierte sich links von uns und das 2. Corps ihr zur Linken, un-
gefähr gleich hoch mit Valenzni, wo natürlich der Feind gleich
wieder einrückte und wodurch einige französische Offieiere, welche
am 11. verwundet worden waren und die man in dem dortigen
grossen Kloster gelassen hatte, in Gefangenschaft gerietheu.
Am l'J. erhielt General Deroy Ordre, sich ganz mit dem
Marschall zu vereinigen, weil solcher vermuthete, angegriffen zu
werden; wir blieben stehen, General Wrede machte. eine Re-
eognoscierung auf der grossen Strasse vorwärts bis an die Dryssa
bei Siboszina, wo tlic Brücke in den früheren Gefechten zerstört
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lief bayerischen Anne«- im Feldztitre 1812.
215
worden; einifje von uns ritten durch das Wasser, konnten aber
aucli Jenseits nichts vom Feinde bemerken.
Am 14. Aufrust, ohne den Angriff abzuwarten, zog sich das
2. Corps, sowie auch die Division Deroy auf der Strasse nach
Fofock zurück, die Tete der Colonne rückte Ijis an diese Stadt,
die Queue machte bei Lozdwka Halt, wodurch un.sere Division,
wenigstens deren linker Flügel, ziemlich en l’air zu stehen kam.
Da wir noch dazu, wie ich schon früher bemerkt, gar keine
C.’avallerie hatten, so hiltte dies unsere Position noch embarassanter
gemacht, wenn uns nicht der Marschall die leichte Brigade des
Generals Corbineau, die aus zwei französischen Regimentern Jilger
zu Pferde und dem 8. Lanciers-Regiment bestand (Polen in franzö-
sischem Dienste, eine vortreffliche Truppe), bis auf weiteres cediert
butte, welche letztere sodann den Vorposten- Dienst übernahmen, da
man mit Recht vermuthen konnte, dass der Feind indessen Anstalten
getroffen haben würde, die Dryssa wieder zu passieren. Es zeigten
sich auch spät am Abend Kosaken-Patrouillon an der Lisiere des
Waldes, der schon diesseits des Flusses in unserer Front lag.
Tags darauf wurden die Lanciers auch wirklich von selben
angegriffen und es engagierte sich ein Scharmützel, das jedoch
kein Resultat hatte; doch kam Oudinot auf die erste Meldung
davon von Gamzelewa zu uns heran, um selbst zu sehen, was
aus der Sache würde. Er äusserte hiebei seine Unzufriedenheit
Uber unsere Aufstellung und meinte, dass wir uns mehr an den
hinter uns befindlichen Wald hätten adossieren sollen. Er hatte
auch hierin eigentlich Recht, allein General St. Cyr hatte für gut
befunden, sich in einem zwar wirklich ziemlich gut conservierten,
aber rechts vorwärts der Posten gelegenen Edelhofe Namens Bielve
zu etablieren und .so mussten wir wohl unsere erste Linie etwas
vorschieben, sonst wäre er vielleicht in der Nacht aufgehoben
worden. Dies gab nnn wieder zu einigen Sticheleien von Seite
des Marschalls Anlass ; bald nachher kam St. (Jyr auch herbei
und es entspann sich zwischen beiden in unserer Aller Gegenwart
ein nicht sehr erbaulicher Wortwechsel, der zuletzt etwas bitter
wurde, in welchem aber nichts mehr über die militärischen Ope-
rationen entschieden ward. Der Marschall ritt wieder zurück.
Gegen Abend wurde das Plilnkeln etwas heftiger und wir
codierten einiges Terrain, so dass St. Cyr es doch für rathsam
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216
Tagebucli rinra Olüciers im fieneralstalm
fand, aus seinem Schlösschen sich zu deiuenagieren. Doch kam
es zu nichts ernstlichem und bei Sonnen - Unter^anff war es die
ganze Vorposteu-Chaine entlang vollkommen ruhig. Gerade zu
dieser Zeit erhielten wir Befehl, uns sogleich zurückzuziehen, indem
General Legrand, der mit seiner Division auf der andern Strasse,
die über Lozöwka fuhrt, die Arritre-Garde machte, ziemlich hettig
wiihrend des Tages gedrängt worden sei und Marschall Oudinot
also eine mehr eoncentrierte Stellung bei Polock einzunehmen
willens sei. Da nun keine Zeit mehr zu verlieren war, indem wir
wirklich uns jetzt jeden Augenblick in beiden Flanken tourniert
sehen konnten, so ward der Rückmarsch ungefilhr 11 Uhr Abends
angetreten, natürlich in aller Stille und ohne dass die Wachfeuer
ausgelöscht W'erden durften. Diese Nacht-Retraite wird mir immer
ein höchst unangenehmes Bild zurücklasseu. Unsere Leute waren
durch die Dysenterie, die während der drei Ruhetage sieb nur
vennehrt hatte, grosscnthcils so erschöpft, dass viele auf der Strasse
liegen hlieben, so sehr man ihnen auch vorstellen konnte, dass sie
nothwendig in feindliche Gefaugemschaft fallen würden. Selbst
Drohungen hatten keinen Erfolg, die moralische Kraft war leider
mit der physischen vei-schwunden. Boi Manchen wenigstens war
dies sichtbar der Fall und dieser Rückmarsch kostete uns wieder
leicht so viel Leute, als ein ziemlich hitziges Gefecht.
Am 16. August etwas nach Tages-Aubruch traf die Division
am Kreuzwege, eine kleine halbe Stunde vor Polock ein, wo sich
die Strassen scheiden, von welchen die, auf der wir kamen, nach
der Dryssa, die andere zu unserer Tünken nach Newel führt.
Wir erhielten Befehl, die letztere einzuschlagen uud uns un-
gefähr dreiviertel Stunden vorwärts äi cheval derselben militärisch
aufzustcllen, um dem Feinde, falls er auf dieser Seite vorzudringen
suchen sollte, das ^^)^•ückcn streitig zu machen ; das Quartier des
Generals Wrede kam nach dem Edelhofc Pogirzina. Die Division
1 )eroy wurde etwas rückwärts in zweite Linie gestellt. Das 2. Corps
nahm, nachdem dessen AiTifu'e-Garde am frühen Morgen wieder
ziemlich heftig war gedrängt worden, den linken Flügel der Position
bis beinahe gegen das Ufer der Düna hin ein und gegen Mittag
war cs auf der ganzen Liiiit; ziemlich ruhig.
Da dies eigentlich der erste Tag war, wo wir Bayern mit
dem Feinde engagiert wurden, so halte ich es für meine Pflicht,
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1
der bayerir^rhen Armee im Feldznjre 1812. 21 < j
;i
ehe ich weiter erzähle, etwas Uber unsere dernialige Stärke zu ;
sagen. Die reine Wahrheit ist, dass beide Divisionen zusammen j
an diesem Tag wenig mehr als 9000 ilann zählten, die jirima
plana mit eingerechnet. Da wir nun am 14. .luli 25.000 .Mann "
stark vor Najmleou defiliert hatten, so wird man (wenn man auch ^
2700 Mann für die bei der llaupt-Annee betindlicbe C'avallerie j
abreehnet) sieh bald überzeugen, wolchefi ungeheueren Verlust wii- j
durch die Hitze, Mangel und Fatiguen erlitten und man wird
die nur zu sehr verbreitete Ansicht verlieren, dass die Kälte die
Armee zu Grunde gerichtet habe. Kiehta ist falscher. Gerade in der
schönen Jahreszeit w'ar alles schon desorganisiert. Ich führe nicht
uns allein als Beispiel an. Die Württemberger giengen 16.000 Manu
Uber den Nieraen und rückten 1 100 Mann stark in Moskau ein.
Gegen 2 Fhr Nachmittags (am 16. August wie gesagt) zeigte
sich der Feind auf der Strasse von Newel, brachte auch bald
einiges Geschütz in’s Gefecht. Eine Batterie von uns antwortete,
sogleich hörte das Feuer von jenseits auf und es schien daher,
dass es nur eine Recognosciermig und kein wirklicher Angritf
hatte sein stillen. Kurz darauf begab sich General M'rede in’s
Hauptt|uartier des Marschalls, das wieder im Jesuiten-Klostcr in
Polock sich befand, wo alle Generale zusammentrafen, um über
das, was nun zu thun sei, zu deliberieren.
Nach einer ungemein langen , mitunter ziemlich heftigen
Discussion, während welcher die Sonne untergieng, ohne dass das
(ieringste entschieden war, trennte man sieh in Eile, weil ein
deutlich hörbares Feuern auf der ganzen Linie einen Angritf ver-
rieth ; wir gewannen Pogirziua so schnell als möglich und fanden,
dass der Feind diesmal auf der anderen Seite als des Nachmittags
vom Walde her, uns in der linken Flanke, Jedoch nur durch ein
Hnrrah seiner Tiraiileur-Linie atta»|uiert hatte. Das leichte Bataillon
unserer dritten Brigade wies diesen Angriff aber mit vieler Festigkeit
ab und da es inzwischen ganz dunkel geworden war, so hörte
das Feuern auch nach und nach auf, ohne dass wir bedeutenden
Verlust weder an Mannschaft, noch Terrain erlitten hatten. Auch
weiter links bei den Franzosen liattc das Gefecht kein namhaftes
Resultat. Die Nacht wurde au (|ui vive zugebracht.
.Am 17., aber noch vor Sonnen-.Xufgang, da unsere Position
eben nicht sehr vorthcilhaft schien, veiliesscn wir selbe und zogen
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218
Tagebuch eines Offlciers im Geiieralstabe
uns über das Fltlssclien Polotto zurtlck ; die Brücke bei dem Dorf
Spasy besetzt haltend, um in Verbindung mit dem 2. Corps zu
bleiben, die Division Deroy in zweiter Linie hinter uns in den
Vorstildteu von Poloek. Diese Stellung war sehr gut und wir
konnten ziemlich ruhig einen ernsthaften Angriff in selber ab-
warten. Ein solcher erfolgte erst des Nachmittags von Pogirzina aus,
gerade auf Spasy. Die Brigade des Generals Vincenti vertheidigte
dieses Dorf, besonders das dortige Kloster mit der grössten Hart-
uHckigkeit, wurde zuletzt aus demselben vertrieben, nahm es aber
wieder und obschon selbes noch dreimal genommen und wieder
genommen wurde, so blieb es doch, nachdem wir die engagierte
Brigade durch einige Bataillone verstilrkt hatten, in unserer Gewalt.
Ich kann nicht genug die an diesem Tage von unsem so er-
schöpften Truppen bewiesene Bravour loben; vorzüglich giengen
die Officiere mit dem heldenmüthigsten Beispiel voran. Wir ver-
loren auch im Verhilltniss viel mehr Ofticiere als Soldaten. General
Vincenti wurde an diesem Tage verwundet.
Gegen Abend, als das Gefecht schon nicht mehr so lebhaft
war, kam der Marschall vom linken Flügel zu uns geritten und
gab seine Zufriedenheit über das Benehmen unserer Truppen zu
erkennen. Bei dem 2. Corps hatte man sich auch hartnäckig
gerauft, doch hatte der Feind auch nicht bedeutend Terrain ge-
wonnen. Oudinot äusserte hierauf, dass er sich in die Stadt zurück-
begeben wolle, ritt über die Brücke von Spasy, näherte sich aber
jenseits des Wassers der Tirailleur-Linie sehr und wurde durch
eine kleine Kugel an der Schulter ziemlich bedeutend verwundet.
Wenigstens konnte er sich nicht mehr mit dem Commando be-
schäftigen und entschloss sich daher, nach Wiluo zu gehen und
dort seine Herstellung abzuwarten. Der Oberbefehl über das
2. und 6. Corps kam daher an den General Gouvion St. Cjt, als
Aeltesten im Range nach dem Marschall.
Da unsere Division so bedeutend verloren hatte, so wurde
am Abend noch beschlossen, dass die des Generals Deroy am
folgenden Morgen uns in der Position ablösen und wir in zweite
Linie zu stehen kommen sollten, was auch um 4 Uhr Früli (am
18. xVugust) geschah.
Die Stellung des combinierten x\rmee-Corps an diesem Tage
war zwar ziemlich gut, aber erstaunend enge und obschon, nach
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der bayerischen Amice im Keldsupe I8i2.
219
(1er Art, wie der Feind am 17. mit Verlust war abgewiesen
worden, es nicht wahrscheinlich war, dass er seinen Angrift'
•sogleich erneuern wUrde, so schien es docli anderseits nicht rath-
sam, denselben so nahe an sich zu haben. (General Wittgenstein,
der en chef commandierte, befand sich nilmlich selbst in l’ogirzina,
also innerhalb der Portce uns(;rer Batterie und seine Trup|>en
bivouakiertcn grossentheils diesseits.) Es wurde daher be.schlossen,
sell)en anzugreifen; um aber dieses Vorhaben zu maskieren,
wurden alle Bagagen und entbehrlichen Munitions-Reserven beordert,
Uber die DUna zurUckzugehen und jenseits auf den Höhen eine
Strecke auf der Strasse von Ula fortzumarschieren (welche retro-
grade Bewegung sehr deutlich vom russischen rechten h'lUgel
konnte beobachtet werden), um so den Anschein einer beabsich-
tigten Retraite Uber den Fluss zu geben. Indes.sen wurden die
Truppen so unbenierklich als möglich zum Angriff disponiert.
Eine Batterie von 32 Piecen, die General Wrede rechts von
Sj)asy an der Gote der Anhöhe, die sich die.s.seits der Palotta
erhebt, placiert hatte, sollte um .5 Uhr Nachmittags das Signal
zur Attaque geben. Selbe dirigierte auch ihr Feuer so gut, dass
gleich die erste Ilaubitz-Granate im Hof von Pogirzina sprang
und ein sichtbares Desappointement im feindlichen HaupUiuartier
verursaebte. Nachdem das wohlgcnithrte Feuer dieser Piecen
ungefilhr eine Viertelstunde hindurch gewirkt hatte, passierte
General Deroy mit seiner als Angrift's-Colonne formierten Division
die Brllcke uns zur Linken und so wie er die jenseitige Höhe
gewonnen, liess er sogleich deployieren, welches Jedoch nur unter
einem heftigen feindlichen Kartiltschenfeuer geschehen konnte.
Dif? Trupj>en zeigten aber die grösste Bravour und rtickten cn
ligne gegen den Feind. Die Batterie wurde genommen und des
Feindes erstes Treffen geworfen ; bei dieser Gelegenheit wurde der
allgemein verehrte tapfere (Jeneral Deroy gefährlich und General-
major Raglowich bedeutend verwunebd. General Wrede (der eine
seiner Brigaden als soutien hatte folgen lassen, während eine
andere dem Lauf der Palotta aufwärts folgen sollte, um des Feindes
linke Flanke zu umgehen, was jedoch nicht ganz gelang) passierte,
sowie er hiervon unterrichtet, dieses Fltisschcn, um das Com-
mando zu Übernehmen. Der Feind versuchte gerade in diesem
Augenblick wieder vorzudringen, aber General Wrede und General
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220
oiiies (»flieior» ini (ienoralKlal)*’
Lojrrand. der sich von der linken her mit uns vereinigt hatte,
warfen ihn zum zwcitenmale, Pogirzina wurde genommen uml
von nun an foclit der Feind auf unserer Seite nur mehr ftVr seinen
Illickzug, den wir nicht sehr incommodieren konnten, da wir keine
C’avalleric hatten. Auf dem Uussersfen linken Flügel hatten die
Küssen jedoch noch ganz spilt mit ihren Cürassieren eine Charge
gemacht, 15 französische Kanonen genommen und sich der Stadt
so sehr genilhert, dass einige Unordnung entstand. Das 4. fran-
zösische CUrassier-Kcgiment trieb sie aber wieder zurück und
nahm ihnen 12 dieser Piecen wieder ah. Doch hatte der Feind
dadurch den Vortheil errungen, dass er sich ungehindert auf der
Hauptstrasse zm’ückziehen konnte. Das Resultat dieses Tages
beschränkte sich also au.sser dem gewonnenen Ten’ain auf neun
genommene Kanonen und eine nicht sehr bedeutende Anzahl Ge-
fangener.
Mit Einbruch der Nacht hörte mau auf der ganzen Linie
nur mehr einzelne Kleingewehr-Schüsse.
Von unserer Seite war der Verlust sehr bedentend, jedoch
glaube ich, dass der des h'eindes nicht geringer war; allein wir
hatten wieder eine unverhältnissinilssig grosse Anzahl, mitunter
sehr distinguierter Officiere eingebüsst.
Am 19. August wurde der Feind auf beiden Stra.ssen von
Newel und Siboszina, jedoch nicht mit vielem Eifer verfolgt und
es wurden noch einige Gefangene gemacht. General Wrede nahm
sein llauptcpiartier in Polock und beschäftigte sich, da nach der
Anciennete er nun den Oberbefehl hatte, un.sen^ zwei Divisionen,
die übrigens kaum eine ausmachten, etwas zu reorganisieren. Die
Wunde des Generals Deroy seinen zwar nicht absolut tüdtlicb,
docli war bei einem so bejahrten Mann wenig Hoffnung. Am
folgenden Tage befahl General Gouviou St. Cyr (der inzwischen
einen der ihm zugctheilten bayerischen Officiere, von Zetto, mit
dem Rapport über das Vorgcfallene in’s grosse Hauptipiartier
abgesandt hatte) eine doppelte Recognoscierung vorzunehmen.
General Legrand sollte auf der Haupt.strasse vorrücken und wir
auf einem Nebenwege durch den Wald, welcher ungefähr zwei
kleine Stunden von der Stadt auf der Strasse nach Newel links
abgeht. General Wrede bestimmte hierzu die Brigade Zoller, die
zur 1. Division gehörte; wir marschierten von dem Scheidewege
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iler Imyerischi’n Armee ini Kelil*ii(;e 1812.
•221
uiifreliihr eine Stunde vorwiirts, bis wir auf eine feindliche Feld-
wache stiessen, die nach ein paar Schüssen sieh repliierte. ^Vir
folgten ungelllhr eine hallie Stunde Wegs, bis an ein sumpfiges
Gewilsser, wo einige ßalken der hölzernen Brücke abgebrochen
waren. Es zeigte sich auch jenseits nichts vom Feinde. Da aber
General Legrand sich beinahe um gar nichts vorbewegt hatte, so
hielten wir auch und der General kehrte am Abend nach der
Stadt zurück. Bald darauf erhielt die vorpoussierte Brigade Befehl,
in der Nacht wieder ihre vorige Position einzunehmen. Es schien
gewiss, dass der Feind sich wieder ganz an der Drvssa gesam-
melt hatte.
Xachdem am 21. das ganze bayerische Cori)s sieh mehr der
llauptstra.sse genähert hatte, beschloss St. Oyr, uns des Tags
nachher auf Antonowa vorzupoussieren, mit der Weisung, so weit
vorzugehen, bis wir uns überzeugt haben würden, auf ein feind-
liches t.lorps gestossen zu sein; dies geschah auch am 22. August.
General Siebein mit der 1. Brigade der 1. Division hatte die Tete;
sowie selbe aus dem Walde dicht an der steinernen Capelle von
Antonowa debouchieren wollte, wurde selbe mit einem sehr heftigen
Kartätschfeuer empfangen, das 1. Bataillon des Kegiments König
bemei.sterte sich dennoch des Edelhofes, konnte sieh jedoch nicht
lange halten. Der Feind erhielt Verstärkung und da es deutlich
war, dass er nicht gesonnen sei, uns diese Position gut^villig zu
überla.ssen, wurde das Feuer eingestellt. Leider hatten wir auch
diesmal viele ausgezeichnete ( tftieiere verloren, namentlich war
General Siebein tödtlich blessiert. Ich gestehe, für meinen Theil
habe ich diese sogenannte Recognoschunaig immer für unnütz
gehalten. Die Trupjwn brachten die Nacht unter dem Gewehre
zu. da der Feinil so ungemein nahe vor uns stand. Der General
ritt bis an's Posthaus von Gcnizclewa zurück.
Am 23. August, da man nicht sehr disjioniert war, den
Angrift' des vorigen Tages zu wiederholen, anderseits es voraus-
zusehen war, dass der Feind uns nicht im Besitz des DeboucheV
aus dem Walde lassen würde, wurde in aller Frühe die Brigade
«Ströhl bis beinahe an's Posthaus zurück postiert. Der Feind folgte,
jedoch nur in einiger Entfernung und beunruhigte eigentlich den
Rückzug g!ir nicht, General Wrede gieng nach Polock zurück,
in welcher .Stadt an diesem Tage, um 3 Uhr Nachmittag der ver-
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222
Tapelmi'h eines OfHciere im Oneralslabe
dienst volle General Deroy ini 70. Jahre seines Alters an den
Folgen der erhaltenen Wunde starb. In der Nacht verloren wir
auch den General Siebein, dessen Blcssur gleich am Anfang keine
Hoffnung gelassen hatte. Beide wurden am 25. mit der ihrem
Rang gebührenden Ehrenbezeugung in dem Kirchhofe bei Spasy
beerdigt. Am 24. gieng der Capitain von Kieffer als Courier an
den König mit dem detaillierten Bericht nach München ab.
Da durch diese Sterbefillle bei der 1. Division sich gar kein
General befand, so wurde selbe von dem so allgemein geschützten
Obersten von Ströhl commandiert, dies fand General St Cyr
unpassend und Uusserte sich in einem Wortwechsel, den er am
obengenannten Tage mit General Wrede hatte, dass er sich
vielleicht cntschliessen würde, uns einen französischen General
für selbe zu geben. Unser Commandierender protestierte aber
hiergegen im voraus auf eine ziemlich prononcierte Weise, auch
ist zu meiner grossen Freude nicht mehr davon die Rede gewesen.
Indessen hatten beide Corps eine noch etwas mehr concentrierte
Stellung an der Stadt genommen, in welcher selbe von nun an
sozusagen ohne Veränderung stehen blieben. Die Vorposten bei
Ganzelewa wurden noch bis zum 7. September von uns allein«
nachher aber etwas unregelmässig abwechselnd, endlich vom 20.
an abwechselnd zwei Tage von den Franzosen und am dritten von
uns gegeben, da wir .so ungemein schwach waren. (Bei einer am
31. August vorgenommenen Zählung waren unter dem Gewehr
*>775 Mann.)
So oft die Reihe uns traf, ritt General Wrede regelmässig
hinaus, um die Vorposten zu visitieren. Wir sahen die feindlichen
Vedetten stets einen Kanonenschuss weit von Ganzelewa, auch
immobil. Inzwischen war der, wie früher gesagt, nach dem
grossen Haupt4|uartier abgesandtc Lieutenant von Zetto am
2. September wieder in Polock zurück eingetroffen. Er hatte jenes
(selbes war am 13. von Witebsk aufgebrochen und Smoleiisk
war nach einigen blutigen Gefechten am IH. eingenommen worden)
am 27. .Vugust in Dorogobuz, einem .Städtchen 18 Stunden vor-
wärts von Smoleiisk auf der grossen Strasse nach Moskau, ver-
lassen und man war daselbst mit dem, was bei uns geschehen ist,
sehr zufrieden gewesen. Um dies zu erkennen zu geben, hatte
Napoleon namentlich den General Gouvion St. (’yr zum Reichs-
iler biiyerischeii Amii’C im Felilzuge 1812.
223
marschall erhoben, dem (wie gesagt, inzwischen verstorbenen)
General Deroy den Titel eines Reichs-Grafen, nebst einer auf seine
Erben übergehenden Dotation von 30.000 Francs jährlich (nebst
aparten 6000 Francs jilhrlich für dessen Witwe) ertheilt und ferner
dem bayerischen Armee-Corps 120 Ritterkreuze der Ehrenlegion,
nach sogleich einzusendendeu namentlichen Vorschlägen zugesagt.
Ich muss hier eine Bemerkung einschalten, die vielleicht
nicht unpassend ist. Obschon St. Cyr in seinem Berichte im
Allgemeinen der Bravour der bayrischen Truppen Gerechtigkeit
hatte vriderfahren lassen, so schien es doch, diiss er, sei es aus
persönlichem Ressentiment oder nicht, keine besondere Erwähnung
des Generals Wrede gemacht hatte, indem, während er. St. Cyr,
(der, wie es allgemein bekannt ist, der AflFaire am 18. auf seiner
bequemen Wurst sitzend, also ziemlich en seconde ligne beigewohnt
hatte) zur höchsten militärischen Würde erhoben wurde, General
Wrede ganz leer ausgieng, da es doch so einfach schien, ihm das
durch General Deroy’s Tod vacant gewordene, einzig in der
bayerischen activen Armee befindliche Grosskreuz der Ehrenlegion
zu übertragen, worauf er, da er seit 1805 Grossofficier war, gew’iss
gerechte Ansprüche hatte. Vielleicht konnte man in Zusammen-
stellung dieser erlittenen offenbaren Vernacblässigung mit späteren
Momenten, manches leichter erklären, was man für wahrscheinlich
wenigstens mochte gehalten haben.
Bei der, wie oben gesagt, nun eingetretenen Ruhe, w'ar es
unseres Generals erstes Augenmerk, endlich einmal wieder eine
regelmässige Verpflegung zu bewerkstelligen. Der Landesstrich
links rückwärts von uns, zu beiden Ufern der Disna gelegen, der
eigentlich wenig gelitten, wurde hierzu benützt. Oberstlieutenant
von Freyberg w'urde zum Commandanten desselben ernannt, ihm
einige Mannschaft beigegeben und er fieng nun an, mit regel-
mässigen und proportionierten Ausschreibungen von Lebensmitteln
an die benachbarten Edelleute, kleine Magazine zu bilden. Es
gieng zwar im Anfang langsam, aber er brachte es durch uner-
müdetc Thätigkeit dahin, dass in der zw'citen Hälfte des Septembers
die gehörigen Rationen konnten ausgegeben werden. Es war aber
leider zu spät. Die durch den immerwährenden blossen Fleisch-
genuss eingerissene Dysenterie hatte zu sehr überhand genommen.
Das Hospital in Polock fUllü^ sich täglich mehr, die nöthigen
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224
Tapelnuh eines Oftieiers im (imieralstal«
-Mudieaniente konnten noch dazu nicht aufgetrieb(!n werden und
wir verloren (es klingt schrecklich und ich kann nur mit W'eh-
muth daran zurilekdenken, aber es ist die reine Wahrheit) täglich
zwischen 40 und 50 51ann durch diese fürchterliche Krankheit.
Zum zwcitenmale muss ich also erklären, dass es nicht die Kälte
war, die uns zu Grunde gerichtet; gerade damals hatten wir das
angenehmste Wetter von der Welt.
^Viihrend dieser Ruhe, die uns aber täglich schwächte, erhielt
der Feind Verstärkungen, änderte aber nichts in seiner Stellung.
Am 16. September bckiimen wir die erste officielle Nachricht
von der am 7. an der ^loskwa gelieferten blutigen Schlacht, die
freilich als ein Sieg betrachtet werden muss, doch zu theuer
erkauft. Unsere Cavallerie, die ilaran theilgenommen, hatte besonders
viel gelitten, die beiden ersten C.hevauxlegers-Regimenter waren
beinahe ganz aufgelö.st.
Uem erhaltenen Befehl zufolge musste dieses Ereigniss durch
Artilleriesalven angeklindigt werden und man schickte dem Kriegs-
gebranche zufolge vorher einen Parlamentär ab, um dem feind-
lichen General zu wissen zu thun, dass dies blos Freudenfeuer
sein sollten und man daher bäte, sich auf den Vorposten nicht
zu allarmieren. Dies war Farce genug, aber wjus selbe noch mehr
vollendete, war, dass nicht später als den Tag darauf, am 17.
nämlich, ein russischer Parlamentär an unseren Vorposten erschien
und zwar mit einer ganz gleichlautenden Notification. .Auch hörte
man deutlich am Abende von unseren Vedetteu aus, eine drei-
malige Artillerie.salve. Ich brauche nicht hinzuzusetzen, dass der
Feind dasselbe. Ereigniss als wir feierte, indem es russische
Etiipiette ist, dass im Berichte jede Schl.-icht co ip.so gewonnen
ivird. Es wurde auch in der St. Petersburger llofzeitung aus-
führlich erzählt, dass der Kaiser den Courier mit der Nachricht
des errungenen Sieges, gerade erhalten habe, als er seines N.ainens-
festes wegen (12. September) in der Cathedralkirche sein Gebet
verrichtet, dass er allsogleich das Tedeuiu anzustimnien befohlen
und den die Armee damals en chef commaiidierendcn Fürsten
Kutu.soff znin Fcidinarschall avanciert habe.
Diese kleine Eitelkeit bei Seite ge.setzl, stimmten übrigens
alle Notizen, die uns in jener Zeit zukamen, darin überein, dass
im Innern des Reiches grosse Zurüstungen gemacht würden, die
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der bayttriscbeii Arnite im Feldaniji»* 1812.
225
auf einen liartniickif'en Widerstiind zu deuten seidenen und dass
namentlich das von der Moldau kommende bedeutende Armee-
Corjis unter (Jzyczakoff durch seine Flankenstellung in Wolynien
der französischen Haupt-Armee über kurz oder lang sehr gefllhrlicli
werden könnte. Der Erfolg bestätigte später diese beiden Ver-
muthungen.
Bei uns war schon einmal (am 2<>, August) auf General
Gouvion St. Cyr's Befehl eine Art von Keeognoscierung die DUna
abwärts gemacht worden, mit französischer Cavallerie und einem
bayrischen Bataillon. Der Erfolg war aber ungünstig; der Feind
legte sich in Emhuscade und wir verloren unnütz Leute. Seitdem
hatte man versucht, den Fluss aufwärts etwas Terrain zu gewinnen.
Das 3. französische Chevauxlegers-Lanciers-Begiment (eine
neu erfundene Wafie, die überhaupt nicht recht gut thun wollte)
wurde hiezu bestimmt. Am 21. September wurde es aber von
feindlicher Cavallerie überfallen und es kam kaum die Hälfte
davon zurück.
Dies bewies deutlich, dass obschon General Wittgenstein
keinen Befehl hatte, uns en front anzugreiten, er uns doch so viel
wie möglich beengt halten wollte, wahrscheinlich hauptsächlich
darum, um der Cavallerie, die schon seit so langer Zeit grün
fütterte, das Fouragieren zu erschweren und die Ressourcen des
Districtes für die seinige zu erhalten. lUanchesmal und namentlich
am 22. schickte er auch Kosaken-Detachements über die Düna in
den District, den ftberstlieutenant F'reyberg verwaltete, um
unsere Magazine zu zerstören und einzelne Posten aufzuheben.
Man war desshalb genöthigt, die diesem Stabsotficier zugewiesenc
Mannschaft zu verstärken. Diese Streifereien waren dem F'einde
umso leichter, als das Ufer der Düna von Disna (ungefähr
h Stunden unterhalb Polock) angefangen, bis eben so viel oberhalb
Dünaburg, ganz unbesetzt war, indem erst da die ersten l’ostcn
votn 10. Corps unter Coramando des Marschalls Macdonald anfiengen,
welcher Letztere schon genug zu thun hatte, das Ufer von da bis
drei Stunden von Riga zu beobachten und sich nicht weiter zu
seiner Rechten ausdehnen konnte. Einigemale sogar geschah e.s,
dass die Ko.saken angesehene Edelleute, die daselbst wie in ganz
Litthauen besser für uns, als wie für Russland gesinnt waren, auf
ihren Schlössern aufhoben und zurücktransportierten.
.MiUhetliiDgen des k and k, Kriegs-Archiv», Neue Folge. Yll Io
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226
Tapelmch eines Officiers iin (ieneralstabe
Am 24. September erhielten wir die ofliciclle Niicliriclit von
Xapoleon’s EinrUcken in Moskau, aber auch dies konnte als kein
entscheidender Vortbeil angesehen werden, .sobald wir (am .30.
erst) erfuhren, dass die Russen selbst die Stadt bei der Räumung
in Brand gesteckt und so die französische Armee eines sehr grossen
Thciles der Ressourcen beraubt hatten, auf die mau sich Rechnung
gemacht hatte.
Am 4. Uetober erfuhren wir, dass sich die russische Armee
von Moskau seitwärts nach der Direction von Tula abgezogen,
dort Verstärkungen erhalten und häufig gegen die grosse Strasse
detachiere, ja sogar zuweilen die Cominunicationen auf selber
zwischen Smolensk nnd Moskau unterbreche; auch dies konnte
nicht als ein beruhigender Umstand betrachtet werden. Zugleich
erhielten wir Notiz von neuen beträchtlichen V'erstärkungen, die
General Wittgenstein erhalten habe. Dies war der Tag, wo die
vom Fürsten Bcrthier unterschriebenen provisorischen Brcvet.s für
die 120 vorgeschlagenen Ritter der Ehrenlegion in Polock an-
langten. Sie waren sämmtlich aus Moskau vom 25. September
datiert.
Am 5. <.)ctober erhielten wir Notiz, dass ^larschall Mac-
don.ald's äusserster linker Flügel, der aus Preussen bestand,
genöthigt worden sei, Mitau wenigstens für den Moment zu
räumen. Auch bei uns Hessen ver.schicdcnc Anzeichen auf einen
bevorstehenden Angrifl' deuten. Wir waren zwar unsererseits auch
nicht gerade mU.ssig g<'wesen und man hatte seit einiger Zeit an
einigen Verschanzungen gearbeitet, um das durch die Natur
ziemlicli feste Polock noch fester zu machen ; ich muss aber
gestehen, dass mir diese Werke nie bedeutend genug schienen,
doch glaube ich, dass das Arbeiten ,bei der jetzt regelmässigen
V^erpflegung der Gesundheit der Soldaten nicht nachtheilig war.
Endlich hatte auch die Sterblichkeit etwas abgenommen und
da man meinte, dass für manche unter den Kranken eine blosse
Luftveränderung schon nützlich sein könnte, da bekanntlich die
Sümpfe um Polock herum die Luft erstaunend ungesund machen,
so hatte der General Wrede die Idee gefasst, rückwärts ein
Depot zu etablieren, wohin man die Tr.ansportablcn aus dem
Ilospit.al schicken und wodurch man vielleicht später sich etwas
verstärken könnte. Zu diesem Behufe wurde das Städtchen Bai-
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(1er liayerisdien Ainiee im Feldaiijre 1812.
227
wierzyszki am Nieraen ausgesucht (dorthin wurden auch 3 Batterien.
18 Piecen, geschickt, mit kranken Pferden, indem gleichfalls durch
Krankheiten unsere Bespannungen so vermindert waren, dass man
den Stand der Artillerie auch dirainuieren musste) und Oberst-
lieutenant von Theobald als Commandant dahin gesandt, um soviel
möglich zu reorganisieren. Sonderbar war es, dass manche unserer
Leute an einer Art von Heimweh litten, so dass schon das blosse
ZurUckmarschieren über die Uüna einen merklich guten Einfluss
auf ihren Zustand hatte. Selbst bei höheren Officieren erinnere ich
mich, etwas Aehnliches bemerkt zu haben.
Am 7. October traf der Major von Caspers als Courier aus
München in Polock ein; er brachte einen Armeebefehl ddo.
15. September mit, worin der König seinen Truppen volle Zu-
friedenheit für die bewiesene Bravour zu erkennen gab, den General
Wrede im Commando der beiden Divisionen beseitigte und den
erlittenen bedeutenden Verlust an höheren Officieren durch ein
verhiiituissmä.ssiges Avancement ersetzte; zugleich brachte dieser
OfHcier eine bedeutende Summe in Gold, woran die Feld-Kriegs-
Cassa den fühlbarsten Mangel hatte und (was als ein besonderer
Beweis der väterlichen Sorgfalt des Monarchen anzunehincn ist),
einen eigenen grossen Wagen mit den nöthigsten Medicamenten
mit, von denen manche in unserer Situation, selbst wenn man
noch so viel daflir hätte depensieren können, nicht aufzutreiben
gewesen wären und deren absoluter Mangel wohl früher eine der
Hauptursachen der so ungewöhnlich grossen Sterblichkeit im
Hospitale gewesen war.
Am folgenden Tage wurde gemeldet, dass sich die feindlichen
Patrouillen an der Düna gegenüber der Disna bedeutend stärker
zeigten und es schien aus den sowohl Jin diesem, als an den
folgenden Tagen eingehenden Notizen, als wenn General Wittgen-
stein, der die ganze Zeit mit dem Gros seines Corps ruhig in
seiner Position hinter der Dryssa gestanden, einen Uebergang
über die Düna meditierte, um uns in unserer linken Flanke zu
toumieren. Schon einigemal hatte man versucht, desshalb mit
dem Marschall Macdonald in Verbindung zu treten und zu ver-
suchen, ob er nicht dahin gestimmt werrbm könnte, durch irgend
eine Diversion von Dünaburg die Aufmerksamkeit des Feindes
zu theilen und ihn auf dem rechten Ufer des Flusses beschäftigt
15»
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230
Tapebuch eines Ofliciers im Generalstabe
Feind diese Idee aufgegeben and die Truppen des 10. Corps
hatten bereits am 1. August von diesen Werken ohne Schwert-
streich Besitz genommen.
Seitdem hatte man unausgesetzt daran gearbeitet, selbe zu
demolieren (womit man aber noch nicht zu Ende gekommen war)
und zugleich versuchte man einen BrUckenkopf’ anzulegen, dessen
Defension natürlich im inversen Sinne berechnet war.
Ich fand den vorgenannten polnischen General in einem
halb zerstörten Kloster; er bestiitigte mir, was ich über die vom
Feind projectierte Passage der Düna wusste und sagte mir, dass
ich in Illuxt, ungefähr 8 Stunden flussabwärts den General
Grandjean finden wUrde, der mir wahrscheinlich Auskunft würde
geben können, wo ich den Marschall Jlacdonald finden könnte.
Ich repassierte also die Düna sogleich in der Nacht und
kam am 16. October bald nach Anbruch des Tages in letzt-
genanntem Städtchen an, wo die Kirche und umliegenden Gebäude
sichtbare Spuren eines ziemlich heftigen Gefechts an sich trugen,
das vor ungcfllhr acht Tagen zwischen einem russischen Streif-
Comraando, das den Fluss passiert und einem polnischen Infanterie-
Detiichement stattgehabt und in w'elchem letzteres, obschon nur
siebzehn Mann stark, die Kirche den ganzen Tag über trotz der
Uebermacht des Feindes vertheidigt und so dem Succurs Zeit
gegeben hatte, heranzukommen und die Küssen zu nöthigen, sieh
wieder über die Düna zurückzuziehen.
General Grandjean, zu dessen Division unser 13. Regiment
gehörte, gab mir zu wissen, dass er ganz frische Nachrichten vom
Marschall habe, welcher den P'eind genöthigt, Mietau wieder zu
räumen und dass die Depeschen von dem Schlösschen Stalgen
drei Stunden von obengenannter Stadt datiert gewesen. Meine
Reise war also noch nicht einmal zur Hälfte, doch hatte ich das
Fatiguanterc überstauden, weil von Illuxt aus eine Art Courier-
Fost etabliert war, so dass ich also nicht mehr nöthig hatte, auf
Jedem Eilelhofe gute Worte zu geben, um ein Fuhrwerk zu er-
halti n, das zwar im Ganzen gutwillig, doch bei der Nacht .sehr
langsam gestellt wurde. Ich musste aber nun auch unmittelbar
dem Laufe der Düna folgen, welche an mehreren Orten gucable
war und befand mich daher mehr den teindlichen Streifparteien
ausgesetzt.
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der bayerischen Annee im FeUlznge 1812.
231
Ich setzte meinen Cours (Ki. October) unmittelbar fort und
fand, wie General Grandjean mir es gesagt, sehr bald bayerische
Posten, die von 6 zu 6 Stunden zur Beobachtung des Ufers auf-
gestellt waren und die sich so gut als möglich verschanzt hatten.
Die Intervallen der Strassen waren zwar ganz unbesetzt, doch bot
mir das Land einen sehr angenehmen Anblick dar. Alle Ort-
schaften durch die ich kam, waren vollkommen conserviert, indem
hier von Aufang an die grösste Mannszucht war beobachtet worden ;
überall waren die Bewohner zu Hause oder auf dem Felde, wie
mitten im Frieden, ihrer Arbeit nachgehend und sehr viele der
deutschen Sprache mitchtig, dabei führte mich die Strasse beinahe
stets längs der Düna hin, so dass ich immer die mitunter sehr
lachenden Ufer von Livland sah.
Unsere Leute strotzten von Ge.sundheit, kurz der Contrast
mit der Gegend, aus welcher ich kam, wo alles Krankheit und
Zerstörung zeigte, war so frappant, dass es mir wie ein Traum
vorkam.
Gegen 3 Uhr Nachmittags kam ich nach dem Edelhofe
Boddaney, wo ich den <_) bersten Graf Buttler, der das 13. Regiment
coinmandierte, fand.
Hier wurde ich zu meiner grossen Freude mein Geld los
und ersjUi aus den Staudeslisten, die ich erhielt, dass beinahe nichts
am C'ompleten fehlte und folglich sozusagen, hier ein Regiment
einer Division bei uns gleich kam.
Gegen Mitternacht kam ich nach Jacobstadt, einem ziemlich
anschnlicheit Orte, Sitz der Regierung für das obere Kurland. Hier
lag der Stab unseres 2. Bataillons und Major von Pilleracnt, der
es commaudierte, hatte auch, um des Feindes Aufmerksamkeit
gespannt zu erhalten, das gegenüberliegende Städtchen Kreutzberg
in Livland mit einem starken Detachement besetzt, mit welchem
freilich die Communication durch Kähne unterhalten wurde.
Am 17. kam ich noch vor Sonnen- Aufgang bei Sessburg an,
eines unserer Piquets, welches förmlich au (pii vive war, indem
hier ein feindlicher Infanterie- Posten schon mehrmals sich auf einer
Insel in der Düna etabliert hatte und man einen ähnlichen Ver-
such vermuthete. Ungefähr um Mittag erreichte ich Friedrichsstadt,
ein sehr freundliches Oertchen, wo ich von dem Hause, wo ich
l’ferde wechselte, sehr deutlich die Kosaken am andern Ufer
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232
Tapplmch eines (»ffii iers im fteneralstalM*
beobachten konnte, was ziemlich bizarr war. Von hier aus tollte
icli dem Ufer der Düna noch eine kleine Stunde Weps, hierauf
wandte ich mich links, indem ich hier nicht entfcnit von dem
I’uncte war, wo der Feind auch diesseits Meister war. Ich erfuhr
auf der niichsten Station, dass selber Tags zuvor dit? prcussische
Brigade des Obersten von Hünerbcin bei Mishoft', ungetiihr vier
Stunden von Eekau heftig angegriffen habe uml zwar mit vieler
Bravour zurückgeworfen sei, dass man aber einen iihnlichen
jVngriff für denselben l'ag erwarte. Wirklich hörte ich auch,
als ich mich Eekau gegen Sonuen-Untergang näherte, deutlich
das Feuern mir zur Kechten. Als ich dieses ausgezeichnet
schöne Schloss dos Grafen Bahlen erreichte, war dort alles in Be-
wegung, weil von Hünerbein wirklich auf diese Position sich
repliierte, wozu der Mai-schall Macdonald ihn instruiert hatte, um
die täglichen partiellen Gefechte zu vermeiden. Das Klein-Gewehr-
feuer schien auch etwas näher zu kommen, hörte aber bald ganz
auf Ich verweilte nur so lange als gerade nöthig, erreichte um
8 Uhr ungefähr Annaburg und um 9 Ubr traf ich (am 17. Oc-
tober wie gesagt) in dem Schlösschen Stalgcn, dem Haujitquartier
des 10. Corps, ein, nachdem ich ungefähr 130 Stunden Wegs,
nicht gerade auf die bequemste Art, zurückgelegt.
Der Duc de Tarente (Marschall ^lacdonald) ist ein Mann
von ungefithr 46 Jahren, einer vortheilhaften Gesichfsbildung uml
gilt für einen der ausgezeichnetsten Generale der französischen
Armee, (Wenigstens hörten wir einmal St. Cyr das Urtheil fällen :
„rEmjiereur n’a (pie deux gdneraux d’armee, Soult et Mac-
donald.“)
Er emptieng mich mit ungemeiner Urbanität und nachdem
ich ihn mit der Lage der Dinge bei uns vertraut gemacht, meine
Depeschen überreicht und ihm ungefähr zu verstehen gegeben,
was von ihm erwartet würde, gab er mir ganz frei zur Antwort,
was ich selbst in dem Augenblick meiner Abreise wohl gewusst,
wie sehr die grosse Entfcniung ihn hindere, eine Diversion zu
Gunsten der Behauptung von Potock zu machen, indem er übrigens
selbst ein nicht unbedeutendes feindliches Truj)jH‘n-Corj)s unter dem
fleneral Essen vor sich habe, welcher ihn durch häufige, wenn
auch partielle Angriffe beschäftige. Er lobte dabei vorzüglich die
Bravour der preussischen Truppen, die er unter seinem Befehle
“N
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der liayerisclien Armee im Feldzüge 1812. 233
halt«-, nanientlicli das Benclimen des GL. von York und der
Überstell von HUnerbein und von Horn. Nachdem er mir .seine
Stelluii}; und die Vertheilung: seiner Armee-Corps detailliert, wurde
bcscldos.sen, dass ich Tags darauf mit der nieht sehr tröstlichen,
doch ganz leicht vorauszusehenden Antwort wieder abgehen sollte.
Wir wurden am folgenden Morgen durch eine Kanonade
geweckt, indem der Feind auf der Aa mit Schaluppen vorgedrungen,
diesen Angriff zu Lande unterstützt und bis auf zwei kleine
Stunden von Mitau poussiert hatte, wo er aber aufgehalten worden.
Wilhrend (am 18. October Früh) an den Depeschen ge-
schrieben wunlc, machte ich eine Excursion nach Jlitau, um mir
die Stadt zu besehen. Selbe schien mir ganz gut gebaut und mag
circa 14.000 Einwohner enthalten; die ehemalige Residenz der
Herzoge von Kurland ist sehr gross und in einem edlen Style,
wird aber seit einigen Jahren als Ka.serne lienützt. Ich kehrte sehr
bald nach Stalgen zurück und nach Tische trat ich meine Rück-
reise au. Ich fuhr die Nacht durch und kam am 18. Abends nach
Boddmey, wo Oberst Buttler mir zu wissen gab, dass, nach ein-
gegangenen Notizen, wirklich der feindliche General Stciiiheil mit
seiner Division bei Druja über die Düna gegangen sei. In liluxt,
wo ich am 20. Früh eintraf, sagte mir General Grandjean, da.ss es
scheine, als wenn Sudnheil sich gleich links gegen Di.sna gewandt
hätte, doch seien auch D<*tachcinents gegen Widzy gegangen. Ich
liess mich dadurch nicht irre machen, sondern hielt mich nur
während der Nacht etwas rechts von der eigentlichen Strass(! und
kam mit Tage.sanbrnch mach ebengeuanntem Städtchen. Ich fand
daselbst den General Coutard, der aber des Aliends zuvor erst
zurUckgckonimcn war, indem er für gut befunden, sich bei An-
näherung der Kosaken gegen Swi«>ciany zu repliieren ; er hätte
aber ebenso gut bleiben können, denn es war auch nicht einer
nach Widzy gekommen.
Sellier sagte mir, dass bald nach seiner Rückkunft ein < tfticier,
von General Wrede an Marschall Macdon.ald gesandt, durchpassiert
sei (den ich also in der N.acht verfehlt), welchen er mir nannte
und nach dessen Aussage der Feind nicht nur von diesem Ufer
Disna angegriffen, sondeni auch daselbst die Passage en front
forciert, wobei die Brigade Strühl sehr bedeutend gelitten, ftUTier
d;Ls Wittgcnstein’.sche (..'orps l’olock zugleieb von zwei Seiten
Digitized b; -^.oogle'
234
Tasebiich eines Ofticiers im Gcneralslabe
(Giinzelowa und Newel) angegriffen habe, welche letztere Attaquen
jedoch bis 18. Abends mit Bravour zurückgewiesen worden seien.
Nichtsdestoweniger konnte ich leicht entnehmen, dass es niclit
möglich würde gewesen sein, die Position zu behaupten, sobald
der Feind auch von Disna längs des südlichen Ufers der Düna
würde vorgerückt sein. Ich calculierte nichtsdestoweniger, dass
wenn ich in der Nacht Luszki erreichen könnte, ich das bayerische
Detachement wahrscheinlich noch daselbst finden und auf diese
Art nähere Details erhalten könnte. Obschon General Coutard cs
mir auf das erustlichste ausrieth, schlug ich dennoch den mir
bekannten Weg wieder ein und empfahl meinen Fuhrleuten nur
die grö.sstraögliche Schnelligkeit.
Gegen Abend erfuhr ich in einem Edelhofe, wo ich Pferde
wech.selte, dass die Kosaken die Disna aufwärts noch nicht weiter
als Hernianowice gestreift hätten ; die mir bekannte Brücke über
diesen Fluss war vier Stunden weiter oben, ich dirigierte mich
also auf selbe, passierte das Wasser und traf bald nach Mitternacht
in Luszki ein. Dieses Schloss war von unserem Detachement ver-
lassen, welches sich nach Czerniewitz zurückgezogen hatte, doch
hatten sich bis dahin Kosaken in einiger Entfernung nur gezeigt,
wovon mich der Oekonom unterrichtete und den Fuhrmann, den
er mir gab, instnrierte, dass er sich etwas rechts von der gewöhn-
lichen Strasse halten sollte. So kam ich glücklich in der Früh
nach Czerniewitz (am 22. October), \vo Oberstlieutenant von Frcy-
berg mir nur im Allgemeinen sagen konnte, dass Polock geräumt
sei, indem ihm genauere Detoils fehlten.
Ich setzte mich hier zu Pferde und kam ungefähr um 11 Uhr
nach Orzcchowno, wo ich, ohne es gerade vermuthet zu haben,
den General Wrede traf. Ich erfuhr, dass in der That alle Angrifle
en front nach Polock abgeschlagen worden seien, dass aber inzwischen
General Steinheil so lebhaft auf dem diesseitigen Ufer vorgedrungen
•sei, dass man angefangen hatte, für die Kctraite be.sorgt zu werden,
dass also der General die Düna passiert und den General Steinheil
am 20. in aller Frühe angegriffen und über Bononia hinaus zurück-
gedrängt habe, wodurch es dem Marschall möglich geworden sei,
den Rückzug über den Fluss in ( frdnung vorzunehmen, so dass
also weder Geschütz, noch Wagen in des Feindes Gewalt waren
gelassen worden.
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der bayerischen Amicc im Feldzupe 1812.
235
Ein Regiment Schweizer war als Arriercgarde zurllckgc-
lassen worden, welches, nachdem beide Brllcken waren abgebrochen
worden, sich noch hartnilckig gegen den vordringenden Feind
vertheidigte und sodann theilweise nach und nach auf Kilhnen
herüber gebracht wurde, so dass General Wittgenstein erst um
2 Ulir Nachts (am 20.) völlig Jleister der Stadt geworden. Ich
muss hier bemerken, dass an diesem Tage, wo ich das bayerische
Corps wieder eiTcichte, selbes nicht mehr als 21500 Combattanten
zählte und ich brauche nicht hinzuzusetzen, dass die bedeutende
Diflferenz, welche sich zwischen dieser und der Zählung am
31. August isiehe oben) ergibt, grösstentheils als Resultat der
Krankheiten zu betracliten ist und dass dabei nur unverhilltniss-
mässig wenig auf Rechnung des in den letzten Gefechten vor dem
Feinde erlittenen Verlustes kommt.
Sowie ich dem General Bericht über meine Reise abgestattet,
fertigte mich derselbe an den Marschall ab, theils um auch dem-
selben die Lage der Dinge beim 10. Armee-Corps zu referieren, theils
um dessen Befehl für den folgenden Tag zu erholen, indem es nicht
wahrscheinlich war, dass der Feind, nachdem er die Brücken her-
gestellt, uns ruhig in unserer Position lassen würde. Ich fand St. Cyr
aber nicht in dem Edelhofe, der mir beuannt worden ; sogar wusste
dort Niemand etwas von ihm. Ich ritt die ganze Nacht aufs Gerathe-
wohl und war sehr froh, als ich ihn endlich kurz vor Sonnenaufgang
in dem Schlosse Pavli, 18 Stunden rechts von Orzechowno, traf.
Er äusserte mir, wie unangenehm es ihm sei, dass General Wrede
(der übrigens noch die Brigade Corbineau und das 7. CUrassier-
Regiment unter General T/IIeritier bei sich hatte) sieh nach der
Atfaire von Bononia so weit links abgezogen, worin ich ihm
(St. Cyr) nicht Unrecht geben konnte, indem cs mir auch nicht
vortheilhaft schien, dass wir uns vom 2. Corps gleichsam trennten;
ferner klagte er sehr über Schmerzen, die er am Fu.sse in Folge
einer bei den letzten Gefechten erhaltenen, jedoch unbedeutend
scheinenden Contusion hätte, äusserte, dass er sogar AVlllens sei,
das Commando dem General Legrand (der übrigens auch einen
Prellschuss erhalten) zu übergeben; zuletzt beauftragte er mich,
dem General Wrede den Befehl zu überbringen, sich am selben
Tage noch ( 23. October) bis Zarzecze zurückzuziehen, in einer
Birection, die uns dem 2. Corps wieder etwas nither brächte.
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236
Tagebuch eines Ofliciers im (icneral.stai)c
Icli inaclitp mich mit dieser Onlre sogleicdi auf den Weg
und Ubcrhrachte sie dem General um 3 Uhr Nachmittags in dem
Edelhofe Cynöwka. welcher so gelegen war, diiss ungefiihr die
liillfte der vorgeachriehenen Bewegung bereits gemacht war. Die
Truppen hatten bereits Position gefasst. So wurde für gut erachtet
zu bleiben und den Best der Bewegung Tags darauf zu machen,
worin, glaube ich, Unrecht geschehen, weil das 2. Corps die cor-
respondierende Bewegung ausfUhrte, wir also en l’air zu stehen
kamen.
Gegen Abend wurde ein Beschluss gefasst, der au und für
sich vielleicht zweckmä.ssig, durch seine verfehlte Austührung aber
von den traurigsten Folgen war, da wir nämlich 'l’ags darauf uns so
sehr rechts ziehen sollten, was eigentlich schon frUher hätte geschehen
sollen, wodurch wir aber die Hauptstrasse von Wilna verliessen,
was für uns eine excentrische und vielleicht gewagte Bewegung
scheinen konnte, weil wir uns dadurch von unseren Communica-
tionen, De]Mits etc. trennten, so glaubte man das Kostbai'ste in
sichere Verwahrung bringen zu miissen. Dies waren nämlich die
Fahnen der 22 Bataillone, die wir eigentlich formierten, was nun
freilich etwas lächerlich klang, da wir so ungemein schwach waren.
Selbe wurden daher in einen CassaA\'iigen gepackt und befohlen,
solche nebst der Fehl-Kriegs-Cassa, die eben nicht sehr gefüllt war,
nach Gluboküje zu transportieren (welches, da stets ein Detachement
von uns daselbst auf Lebensmittel - Eintreibung gestanden, ferner
ein französischer General als Districts-Commandant sich da befand,
der immer einige Compagnies de marche zu seiner Disjwsition
gehabt, als der nächste gleichsam etwas haltbare Punct betrachtet
werden konnte). Alle anderen Betrachtungen bei Seite gesetzt,
hätte diese Massregel niemals geschadet, wenn diese Wagen-Colonne,
der man leider nur ein paar Mann als Escorte beig(^ben konnte,
den nächsten Weg von (.fyndw'ka gerade nach Kublicze und von
da nach Gfubokoje in der Nacht noch eingeschlagen hätte; statt
dessen gieng selbe erst in der Frühe ab und schlug die freilich
bessere, aber mehr als 8 Stunden umgehende Strasse über Uszacz
nach Kublicze ein; das missfiel mir ungemein, was ich jedoch hier
nicht berühren würde, wenn ich nicht zufällig beweisen könnte,
dass es kein aprf-s-conp sei. Man stellte uns nämlich .am Abend
sj)ät frei, ob wir (tffficiere des IIaupt(]uarticrs) unsere Bagage-
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der liayerischfii Arni« im Fclilmige 1812.
237
Wagen mit dem oben genannten gehen las.scn oder (so wie es mit
dem des Generals der Fall war, den er noch heute besitzt) bei
uns belassen wollten. Ich optierte damals laut flir das letztere,
gab meine Grtlnde, wurde aber, da ich der JUngste war, nicht
angehört und ehe ich zur Geschichte des folgenden Tages schreite,
der ohne Zweitel in diesem traurigen Feldzage für das bayerische
Corps der traurigste war, muss ich bemerken, dass das 7. Cürassier-
Kegimeiit nach einem Befehle des Marschalls sich von uns trennen
musste und mit Tagesanbruch sich Uber Uscacz dem 2. Corps
nilherte und wieder bei .seiner Division einrUekte.
Am 24. October Früh setzten wir uns in Bewegung, die
Infanterie en tete, General Corbineau mit der Cavallerie machte
die Arrieregarde. Kaum hatte selber Orzochowno verlassen, wo
er die Nacht gestanden, so zeigte sich der Feind, der Tags zuvor
nur schwach und langsam gefolgt, in ziemlich bedeutender Anzahl
und tiong an zu drängen. Da wir so im Kückzuge begriffen waren
und keine Ursache hatten, uns in ein ernsthaftes Engagement einzu-
lassen, so cedierte man so viel Terrain als möglich war, ohne dass
dadurch Unordnung entstand. Als .aber der Feind, noch ehe wir
Knblicze erreicht, immer mehr poussierte und sogar einige Piecen
in erste Linie brachte, welche zu s]>ielen antiengen, so musste der
General Corbineau wohl Halt machen und liess durch ein (’hasseur-
Kegiment eine Charge ausfUhren, die gut gelang und wobei drei
feindliche Kanonen genommen wurden, doch konnte man selbe
nicht schnell genug bespannen. Die ni.s.si.schc Cavallerie zeigte sich
verstärkt wieder und so mussten die.se Piecen wieder verlassen
werden ; doch hatte man soviel bezweckt, dass der Feind von nun
an nur mehr langsam folgte. Als wir Kuhlieze erreichten, erfuhren
wir, dass die vorhin mentionierte Wagen-Colonne noch nicht durch
diesen ( >rt j)assiert sei, was für uns nicht wenig beunruhigend war,
da der Feind so dicht an uns war, doch konnte mau sich noch
mit dem Gedanken trösten, dass solche vielleicht, wenn die
•Stra.s.sc unsicher geschienen, in Uszacz an die Franzosen sieh an-
geschlossen und mit solchen den liüekzug fortge.setzt.
Um noch etwas Zeit zu gewinnen, nahmen wir auf tler I löhe
links von Kuhlieze eine zieinlieh voitheilhafte .'Stellung, die di-r
Feind nicht gerade en front anzugreifen für gut fand. In solcher
warteten wir den Anbruch der Nacht ab und da immer sich noch
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238
Tagebuch eines Offleiers im (ieneralstals»
nichts zeijrte und wir auch keine Notiz weder vom Marschall, noch
vom General T^.eg’rand erhielten, was wahrscheinlich m.aehte, dass
selbe ihren KUckzug an diesem Tage weiter fortgesetzt, es daher
nicht rathsam schien, so isoliert bis zum Tage zu bleiben, so
beschloss General AVrede wieder aufzubrechen und in der Kichtung
nach dem Flüsschen Uszacz seinen Rückzug zu nehmen, wodurch
wir nothwendig dem 2. Corps wenigstens wieder etw.as niiher-
kommeu mussten.
Gegen Mitternacht erreichten wir Gorodziec, wo eine Brücke
über dieses Wasser führt. Es wurde beschlossen, solche zu zer-
•stören und den Truj)pen hinter selber etwa.s Kühe zu gönnen. Da
es wichtig war, womöglich doch vor Tagesanbruch etwas von
den B(!wegungen des 2. Corps zu (!rfahreii, ob wir ungefähr auf
gleicher Höhe mit demselben stünden oder nicht, so schickte mich
der General ab, mit dem Auftrag: der Uszacz ungefähr abwärts
zu folgen und wo möglich einige Nachrichten vom 2. Corps ihm
zu bringen. Ich ritt, bis ich an ein bewohntes Haus kam, ver-
schaffte mir einen Wegweiser und kam ungefähr um 2 Uhr des
Morgens (2.5. October) nach Uszacz, welches Städtchen ich ganz
von französischen Tru])pen geräumt fand. Anfangs konnte ich
gar keine lebende Seele in der Dunkelheit linden ; endlich erfuhr
ich von einem Juden ungefähr so viel, dass General Alerle, der
hier mit seiner Division gestanden, kurz vor Sonnenuntergang
sich auf der Strasse nach Lepel zurückgezogen, nachdem er die
Brücke hatte zerstören lassen ; doch hätten sich die Kosaken bis
dahin nur in einiger Entfernung gezeigt. Als ich wieder aus dem
Orte herausritt, bemerkte ich iu einer gcwis.sen Distanz an der
eben mentionierten Stras.se ein Feuer. Ich näherte mich selbem
und fand mehrere Traineurs, worunter auch ein baj'erischer
Fourier, der mir auf die naivste Art von der Welt ereählte, d;iss
die Wag<m-Colonne (die uns so sehr interessierte) bald, nachdem
selbe Uszacz verlassen, von ru-ssisclien Uhlanen angegriffen und
genommen worden! Der Verlust dos Geldes und der Equipagen
war leicht zu ertragen, aber dass 22 Fahnen so in die Hände
des Feindes gerathen sind, ohne dass es ihm einen Mann gekostet,
ist ein Ereigniss, über das man sich, glaube ich, niemals wird
trösten können, besonders wenn man sjiäter gelesen, auf welche
Art solches in den russischen Berichten bekannt worden ; — iloch
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der bayerischen Armee im Feldznfrc 1812.
239
dies war noch nicht genug Unglück. Man hatte gleich von Alt-
l’olock aus, als General Wrede die Pointe auf Bononia machte,
sämmtliche uncingctheilte Ofticiere, deren wir, da jedes Bataillon
in eine Compagnie formiert worden, sehr viele hatten, ferner die
ganzen Bagage- Wagen des Corps, endlich eine Batterie, die im
Verhilltniss für überzählig zu halten war, an das 2. Corps an-
schliessen machen, da dieses seine Ketraite auf der directen
Strasse nahm. Bis Uszacz war all’ dieses gefolgt; die Officiere
und Wagen folgten auch nach Lepel dem 2. Corps und haben
uns später in unserer Position bei Danielowiee über Min.sk und
Wilna rejoigniert. Die Batterie hatte aber Befehl erhalten, von
hier mit den Fahnen etc. nach Glubokoje sich zu dirigieren.
Nach der Erzählung Jenes Mannes musste ich sie also auch für
verloren halten. (Wir erfuhren später, dass der Ca[)itain sich
sehr lebhaft vertheidigt, in der Nacht sogar Terrain gegen Glubokoje
hin gewonnen, hierauf aber wieder angegriffen worden sei, so
dass, da nach und nach die ganze Munition verschossen wurden,
sämmtliche Piecen, die zwei letzten jedoch erst am 26. in des
Feindes Gewalt geriethen.)
Ich machte mich unmittelbar darauf auf den Rückzug und
kam bald nach 4 Uhr an die Brücke von Gort>dziec zurück, wo
ich den General durch verschiedene Notizen, die er erhalten, auf
die Nachrichten, die ich ihm zu bringen hatte, schon etwas vor-
bereitet fand. Gleich nachher brachen wir auf und setzten unseren
Rückzug auch iu der Direction von Lepel fort. Gegen Mittag
(25. < fetober) trafen wir an einem See, ungeflthr 4 Stunden von
Lepel noch entfernt, mit der Cavallerie des 2. Corps zusammen,
unter dem Divisions-General Douinerc. Hier erfuhr General Wrede,
dass der Marschall auf stdneiu Entschluss beharre, sich vom Com-
mando zu entfenjen, dass (ieneral Legrand (unter dem er ohnehin
als (ieneral der (Kavallerie nicht gedient haben würde) sich auch
nicht entschlicssen könne, solches zu übernehmen; dass man aber
dartJber einig sei, dass man sich von Lepel noch weiter rechts
gegen Sieno ziehen wolle, um sich dem 9. (Korj)s unter Marsehall
Victor (Duc de Bellune) zu näheni. (Dieses war nämlich eines
der 8päU‘st organisierten der Armee, hatte Wilno erst in der
zweiten Hälfte des vorigen Monats depassiert und war von da
gegen f^iuuleiisk vorgerückt, hatte aber nachher von Moskau aus
<
I
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l
240
Tagebuch eines Ufficiers im Geiieralstalie
Befehl erhalten, sich mehr der Düna zu nilhern.) Dieser Entschluss
wurde von General Wrede nichts weniger als gebilligt; er stellte
vor, dass man auf diese Art die grosse Strasse nach Wilno dem
Feinde ganz ])reisgebe und da seine Keinonstrationen keinen
sonderlichen Eflcct machten, so fasste er die Resolution, sich vom
zweiten Corps ganz abzusoudem und die Communicationen mit
der Hauptstadt von latthauen sowohl, als mit unserti Depits etc.
etc. durch eine bei Glubokoje zu fassende Position zu decken. Er
sandte sogleich einen Otficier an Gouvion St. Cyr ab, um selben
von diesem Entschluss zu benachrichtigen und gleich nachher
brachen wir auf und schlugen eine Seitenstrasse ein, während
General Doumerc die grosse nach Lepel verfolgte. General
Corhineau, den General Wrede hiezu aufgefordert hatte, blieb an
uns angeschlossen, was als ein Beweis von Freundschaft allein
betrachtet werden muss, indem er in dienstlicher Hinsicht sich
dadurch Vorwürfe zuziehen konnte. Wir marschierten bis die
Sonne untergegangen war, nur ganz von weitem liessen sich
Kosaken sehen, die jedoch unsern Rückzug nicht beunruhigten
und gegen Abend gar nicht mehr folgten.
Wir nahmen bei einem ansehnlichen Edelhofc Namens
Pyszno Position, von wo aus sodann durch Traversen Tags darauf
gegen Glubokoje poussiert werden sollte.
Da es dem General Wrede angenehm sein musste, bei der
ungeheueren Entfernung des gro.ssen llaupt(|uarticrs, eine Art von
Avouierung seiner Resolution von irgend einer andern Behörde
zu erhalten, so wollte er einen Oflicier nach Wilno an den Herzog
von Bius.'iano (!Maret) abschicken, welcher ihm zu verstehen geben
sollte, das.s es blos geschehen, um diese Stadt, id est seinen Auf-
enthaltsort, zu decken.
Napoleon hatte niimlich diesen, seinen Jlinister der aus-
wärtigen Verhältnisse mit einem gros.sen Theil des (,'orps diplo-
matii|uc in Wilno zurUckgel.a.ssen, theils um die oberste Eeitung
der < trganisation von Litthauen zu führen (an ihn angewiesen
waren (ieneral Hogendorp als Gouverneur und Baron Bignon als
Commissär bei der Landesregierung), theils um die politischen Ver-
hältnisse mit allen Höfen zu surveillieren, theils auch um auf die
militärischen (Jperationen der Corps, die er nicht mit sich genommen
(2., ()., 7., 9., 10. und ganz vorzüglich das österreichische) nach
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der liayerisfhen Amec im Feldzujre 18ia.
241
seinen Intentionen zu wirken. Da zugleich Wilna der Haupt-
Defx'it-Platz der ganzen Annee zu nennen war, so konnte man
allerdings erwarten, dass diesem Herzog eine Bewegung nur
angenehm sein konnte, die man ihm, als zur Deckung dieser
Stadt gemacht, vorsteUte.
Am 26. October daher, bei Anbruch der Morgendämmerung
nnd im Moment als die Truppen aufbrachen, wurde ich vom
General Wrede mit dem eben mentionierten Auftrag an Maret
nach Wilno abgefertigt. Ich ritt ungefähr acht Stunden weit zurück,
bis ich an die Berezyna kam, welche hier ausserordentlich breit
ist und über welche, sowie über den Sumpf, diesseits eine sehr
lange hölzerne Brücke führt. Sowie man selbe passiert hat, ist
man in dem Dorfe Berezyno, w'o ein in Stein gebautes Kloster
ist. Hier verschaffte ich mir ein Fuhrwerk, kam in der Nacht
durch das ziemlich bedeutende Städtchen Dokszyce, erreichte in
der Früh am 27. Danielowice und bald darauf Luczaj, von wo
ans durch die neue lyaudesregierung eine regelmässige Post bis
Wilno etabliert war, von welcher man sehr rasch gefahren wurde.
Ich setzte meine Rei.se fort, ohne mich aufzuhaltcn, fuhr die Nacht
und war am 28. Jlittags in Wilno. Ich begab mich sogleich zum
Duc de Bassauo, setzte ihm die ganze Lage der Dinge auseinander
and benachrichtigte ihn von dem Entschluss des Generals, den er
nicht nur sehr approbierte, sondern auch sogleich versprach, von
den „Regiments de marche“, die an ihn angewiesen waren, uns
eine Verstärkung zu senden.
Er führte mich gleich nachher zum Marschall (Judinot, den
ich zwar auf, .aber immer noch an den Folgen seiner Wunde
leidend fand. Da .solcher aus meiner Erzählung entnahm, dass
seine Gegenwart bei seinem Armee-Corps sehr nützlich sein dürfte,
.«o entschloss er sich Tags darauf abzureisen und seines schmerz-
haften Zustandes ungeachtet, das Commando wieder zu übemehmeii.
Ein Ent.schluss, der ihm meiner Ansicht nach, desto mehr zur
Ehre gereicht, als Niemand ihn dazu auffordern konnte und die
Anwesenheit seiner 19jährigen Frau (die Tag und Nacht von
Paris nach Wilno gereist war, um ihn während seiner Cur zu
pflegen und sich gar nicht von ihm trennen küssen w’olltel, die
.\breise ihm gewiss noch schwerer machen musste, die übrigens
wirklich am 29. stattfand. Ich blieb an diesem Tage noch in
MiUheilungen des k und k. Kriegs-Archive. Neue Folge. VII, 10
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Tagebuch eines Ofliciers ini (ieneralstalie
Wilno und kehrte am folgenden nach unserem Hauptquartier
zurück. Ich muss hier bemerken, da.ss Maret bereits von der
Riiumung Moskau’s instruiert war, jedoch solche als einen geringen
Nachtheil darstcllte und sich Uber den grossen Schaden ausliess,
welchen die Sprengung des Kreml’s, die übrigens gar nicht so
total war, dem Feinde gethan. Ueberhaupt bemerkte ich bei
gewissen ihm nicht abzustreitendeu Talenten eine Manie bei ihm.
Uber die wichtigsten Angelegenheiten mit einer gleich,sam atfee-
tierten Leichtigkeit zu debattieren und dabei eine bis an Aber-
glauben grenzende Zuversicht in Napoleon’s unwandelbaren Glücks-
stern, welche ihn auch in den offenbar kritischen Lagen nicht ver-
liess und (da Letzterer Maret’s oft verwegenen Rathschlitgen immer
am liebsten Gehör gab) mit als eine der Ursachen betrachtet
werden kann, dass er im Jahre 1814 so schnell zugrunde gieng.
Ich dachte bei meiner Abreise von Wilno, dass ich den
General Wrede in (ftubokqje treffen wUrde, erfuhr aber schon auf
einer der nilcbsten Stationen, durch einen von ihm abgeschickten
t »flicier, dass er diesen Posten nicht mehr halte gewinnen können.
Der französische General Freyre nilmlieh, der daselbst als Districts-
Commandaut gestanden, hatte sich etwas übereilt zurückgezogen
und dieser Umstand hatte unseren General bewogen (zumal da
der Nebenweg von Pyszno aus durch Sümpfe führt, in welche es
in dieser Jahreszeit nachgerade bedenklich schien, mit der Artillerie
sich einzulassen), sich wieder links zu wenden und so hatte er
die grosse Sinusse erst bei Danielowice erreicht und bei diesem
Stiidtchen Posto gefasst, allwo ich am 31. October eintraf Ich
faml den General entschlossen, den Tag nachher eine Kecognos-
cierung vorwärts zu unternehmen, um etwas genaueres fiber die
Stellung des Feindes in Erfahrang zu bringen. AVir giengen auch
mit einem Thcile der Truppen am 1. November bis Baryly vor,
ungetUhr 4 Stunden vor Glubokqje. Patrouillen wurden in dieses
Stiidtchen geschickt und mau erfuhr, dass bisher sieh nur einzelne
Ko.saken gezeigt. General Freyre hiitte daher gar nicht uöthig
gehabt, in der Eile seiner Retraite, die Kanonen, die er bei sich
hatte, in den kleinen ,'see werfen zu lassen, der rückwärts des
Klosters geh‘gen ist. Am 3. ritt unser General in das Städtchen
und man besprach sich, ob es nicht möglich sei, diese Piecen
wieder aus ilein Wasser herauszuziehen.
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der bayeriHchen Armee im Feldzupe 1812.
243
Durch die unermüdliche Thiltigkeit des Ingenieurs-Majors
von Hazzi, der mit diesem Geschüfte betraut wurde, gelang es,
vier derselben zu Tage zu fordern, die auch später bis Wilna
gebracht worden sind ; die anderen schienen sich zu fest iu den
Boden gesenkt zu haben. Uebrigens war es nicht möglich, weder
durch Spione, noch auf eine andere Art etwas Näheres über des
Feindes Stellung zu erfahren. Soviel schien hervorzugehen, dass
seine Infanterie nicht näher als Kublicze stünde und dass über-
haupt das Gros des Wittgenstein’schen Corps dem 2. und 9. Corjjs
gegenüber stünde, welche, wie wir erfuhren, wirklich am 31. October
bei Sieno ihre Vereinigung bewerkstelligt hatten.
Da dem General W'rede die Position bei Danielowice besser
schien, so wurde selbe am 5. November wieder bezogen und unser
vorgeschobener Posten, ungefähr 5 Stunden von da, an einer
Brücke, die sich auf der grossen Strasse befand, aufgestellt.
In dieser Lage blieben wir am (i. November ruhig und Tags
darauf wurde ich wieder nach Wiluo geschickt, theils um den
Herzog von Hassano über die Details dieser Hewegung in Kenntniss
zu setzen, theils ihn an die uns versi)rochene Verstärkung zu
erinnern. Er hatte aber, als ich des.shalb zu ihm kam, die nöthigen
Befehle schon gegeben und diese Verstärkungen trafen bald nach
meiner Rückkunft nach und nach bei uns ein. Selbe bestanden
aus einem westphälischen und einem darmstäiltischen Infanterie-
Kegiment, sodann einem französischen Regiment de marche zu
Fuss und zwei Cavallerie-Regimentern de marche, welche beiden
letzten wohl das Bunteste waren, was man sehen konnte; dagegen
rückte die Brigade Corbineau wieder zum 2. Corj)s, die wir ungern
verloren. Das Ganze der Verstärkung mochte 5000 Manu betragen,
unter den Generalen Franceschi und Coutard, derselbe, den ich
in Wi<Izy getroffen.
Bei meinem diesmaligen Aufenthalt in A\alno traf ich einen
Ofticier unseres IIaupt([uartiers, der noch von Polock aus (kurz
vor meiner Reise nach Kurland) nach Mo.skau zu Berthier, so auch
zu dem unsere Cavallerie daselbst commandiereuden General
Preysing war verschickt worden und wir machten die Rückreise
nach Danielowice (am 11. und 12. November) zusammen.
Dieser Officier hatte das grosse Ilaupt(iuartier am 2. iu
Ghiat verlassen, wo also bereits die Pointe auf der Strasse nach
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Tagplmch eines fMliciers im (ieneralstalie
Tula misslungen war und man sich gcnöthigt gesehen, den Rück-
zug auf der grossen Strasse zu machen, die von allen Ressourcen
enthlösst war. Auch befand sich seiner Erzählung nach die Haupt-
Armee schon in einem sozusagen desorganisierten Zustande,
besonders war die Cavallerie (leider auch die unserige) beinahe
schon ganz zu Eussc. Ich muss dieses Datum (2. November) noch
einmal berühren, weil es als eineu abermaligen Beweis dienen
kann, dass wir nicht die einzigen waren, die schon vor Eintritt
der Kälte «juasi aufgelö-st waren.
Bei der grossen Armee fand der erste wirklich bedeutende
Frost erst am 7. statt, bei uns erst am 1.3.; vorher war zwar etwas
Schnee gefallen, doch konnte man sicherlich nicht sagen, d.*vss der
Soldat mehr gelitten hätte, als in unseren Ländern auch. Doch
war zu diesen beiden Epochen die Lage der Haupt-Armee sowohl,
als die unsrige, hinsichtlich der inneren Situation und gleichfalls
hinsichtlich des Terrains, das wieder verloren gegangen war, als
desesperiert zu betrachten. Da-s grosse Haupt(|uartier war nämlich
am 7. November schon in Dorogobusz. Also nochmal, nicht der
strenge Winter hat die Armee ruiniert; der Keim der Des-
organisation war im Gegentheilc im Sommer gelegt worden.
Den Tag nach meiner Rückkunft von Wilna (13, November)
rückte die Brigade des Generals Coutard in D.anielowice ein,
welche, wie schon gesagt, aus einem westphiilisehen und einem
darmstädtischen Regiment bestand, deren Tenue gut war. 'I'ags
darauf machte der Feind Vorrückung, welche wahrscheinlich durch
unsere letzte gegen Glubokqje veranlasst worden : seine Patrouillen
giengen bis Nozisko, wo unsere äussersteu Posten standen. Jlan
erfuhr den folgenden .Morgen, dass die Brigade Corbineau auf
ihrem Marsche zum 2. Corps bei Sizzo aut den Feind gestossen
und desshalb über Volklutri ausgebogen habe. Zugleich verlautete,
dass das Quartier einer feindlichen 1 >ivision im Schlosse von I.uszki
sich befände und die .\vantgarde derselben in Glubokoje.
.\m 16. stie.ss General Franccschi mit seinen Truj>pen zu
uns und der General Wredc war am 17. vom Duc de Bass.ano
ersucht, in combinaison mit dem Marschall Victor, der von iSieno
aus auch Vorgehen sollte, eine Diversion zu Gunsten der sich
zurüekziehenden llau]pt-.\rmee zu machen, mit welcher die Com-
inunicationen schon durch Czyezakotfs Vorrücken auf Minsk
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•P* "1 '« '"f '
der bayerischen Armee im Feldzngre 1812.
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sehr erschwert waren und von der man also beftlrcliten musste,
dass sic gezwunfrcn werden wUrdo, sich von der grossen Strasse
rechts abzuziehen, sich daher auf dieser Seite wenigstens etwas
laicht erhalten musste. Es wurde folglich beschlossen, die Bewegung
mit dem ganzen Corj)s auf Glubokoje den folgenden Tag anzufangen ;
die Cavallerie machte die Tete und wir machten 7 Stunden Wegs
bis Holidowo, wo Position gefasst wurde, ohne auf den Feind zu
stossen.
Am 19. wurde wieder mit militärischer Vorsicht avanciert,
allein wir rückten in Glubokoje ein, ohne auch nur einen Kosaken
zu Gesicht zu bekommen. Etwas Reiterei wurde noch weiter
poussiert, allein man fand Niemand und die Einwohner erzählten,
dass schon zwei Tage vorher, die russische Truppen-Abtheilung,
die hier gestanden, nach Kublicze zurUckmarschiert sei.
Da unsere Vorrückung im Zusammenhänge mit der des 2.
und 9. Corps gehen sollte und wir von selber keine Nachricht
erhielten, so schien es nicht rathsain, weiter vorzugehen und wir
blieben daher am 20. November in Glubokoje, tbaten aber alles
Mögliche, um durch Spione etwas über des Feindes Stellung und
über die des Marschalls Vietör zu erfahren. Im Allgemeinen war
es nicht schwer, solche Leute in Litthauen zu linden, denn die
Stimmung war, man mag sagen, was man will, mehr für uns, als
fltr die Russen. Selbst Slachtzizen (Edelleute) Hessen sich dazu
bewegen, aber seit Kurzem waren sie furchtsam geworden, indem
der feindliche Oberst, der in Glubokoje gestanden, einen solchen,
der von Danielowice aus geschickt worden und wahrscheinlich
etwas unvorsichtig war, hatte arretieren und aufknüpfen lassen.
Am 21. November beschloss der General Wrede eine Be-
wegung recht» zu machen, wodurch wir auf jeden Fall dem
2. Armee-Corps etwas näher kommen mussten und also vielleicht
von seinen Operationen etwas Gewisseres in Erfahrung zu bringen
hoffen durften. Wir marschierten also rechts ab und kamen an
diesem Tage bis Golubicze, wo wir aber auch nichts vom
^[arschall Victor hörten. Aus den während der Nacht eingehenden
Notizen konnte ungefithr entnommen werden, dass das Detachement
Russen, die in Kublicze gestanden, nach Lejiel zu marschiert,
also unsere Bewegung cotoyiert habe, während anderseits ein be-
deutendes .Streif-Commando sich hinter der Brigade Corbineau
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Tagebuch «iues Oftieiers im Geueralstal«
vorgescliobon hatte, wahrscheinlich gerade um alle Verbindung
zwischen uns und Victor und Oudinot (der unterdessen bei seinem
Corps angekoinmen sein musste und auch angekommen war) zu
unterbrechen.
Wir erfuhren sogar, dass Patrouillen von dieser feindlichen
Abtheilung sich des ilorgons dicht vor Dokszyce, also beinahe
gerade in unserem Kücken, gezeigt hiltten. Es schien nun vor
allem wichtig, dieses Streif-Corps nicht weiter Vorgehen zu lassen.
Am 22. wurde also gerade auf Dokszyce marschiert, doch
(sonderbar genug) ehe noch unsere Tete daseihst einrUckte, hatten
die letzten Kosaken sich schon nicht nur von der Stadt entfernt,
sondern, als man zwei Tage darauf eine Recognoscierung nach
Berezyno machte, konnte man bis an die Brücke nicht einen Mann
zu Gesicht bekommen; selbe zu passieren, wäre nicht rathsani
gewesen.
Am 23. ward ich wieder nach Wilna geschickt, um den
Duc de Bassano von der Lage der Dinge bei uns in Kenntniss zu
setzen. Ich fand ihn am 25. eben nicht in der allerheiter.sten
Stimmung. Minsk nicht nur, sondern auch Borysow war vom
Feinde besetzt, alle directe Comniunication mit Napoleon also
gehemmt.
Mehrere geheime Commissare tLitthauer Edelleuto) waren von
ihm abgesendet worden, doch hatte keiner noch ihm Nachrichten
zurückgebracht und es war aus Allem ziemlich evident, da.ss,
wenn Wittgenstein so rasch vordrünge als Czyezakoft', es der
Armee unmöglich sein würde, die Rerezyna zu repassieren. Das
hat er aber nicht gethan und dadurch war Napoleon für die.smal
gerettet. Ich weiss recht wohl, dass spilter alle Schuld auf Czy-
czakoff geschoben und selber disgraciiert worden, allein dies war
eine himmelschreiende Ungerechtigkeit und ich glaube, dass jeder,
der diesen Feldzug mit Bcilacht initgemacht, meiner Meinung sein
wird, denn die Moldau-Armec! bemei.sterte sich der Brücke von
Borysow am 22. und mehr konnte von ihr nicht gefordert werden ;
hiitte Wittgenstein am selben Tage vom anderen Ufer ihr die
IliTnde gereicht, so war die Passage otrenbar zugesehlosseii.
Ich verliess Wilna am 27. November Morgens und traf des
andern Tags spät am Abend wieder in Dokszyce ein. Aus den
Notizen, die General Wrede inzwischen auf indirectem Wege er-
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der bayerischen Armee im Fcldziipre 1812.
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lialten, gieng ungefähr licrvor, dass Napoleon wirklich von Totoczyn
aus. die grosse Str.-isse verlassen, das 2. und 9. Corps an sich
gezogen habe und nun trachte, sich auf irgend eine Art eine
Passage über die Berezyna zu verschaffen. (Ehe ich fortfahre, kann
ich nicht umhin zu bemerken, dass die Killte unterdessen wieder
bedeutend nachgelassen, ja dass es sogar etwas aufgethaut hatte )
Am 29. ungefähr um 9 Uhr Abends kam einer der auf
Kundschaft gesandten Litthauer zu uns zurück und brachte ein
kurzes Schreiben vom Fürsten von Neufchatel an den General
Wrede ; selbes war aus Studzianka vom Tage zuvor datiert und
enthielt in Substanz, dass es dem Kaiser gelungen, eine Brücke
Uber die Berezyna schlagen zu la.ssen, dass die Armee den Fluss
im Momente passiere und dass das 6. Corps (wir) in der Direction
über Wilejka uns bewegen sollten, um uns so bald als möglich mit
derselben zu vereinigen. Wir brachen also am folgenden Morgen
auf und marschierten bis Dofginöw und am 1. Dccember bis
Wilejka an der Wilija. Kaum hatten -wir Dokszyce verlassen, als
auch schon wieder Kosaken daselbst einrUckten. In Wilejka fanden
wir mehrere einzelne Franzosen, die der Armee vortrainierten, von
welchen aber die Meisten so sehr durch Mangel und F'atiguen
erschöpft aussahen, dass man muthmassen konnte, dass sic sich
nicht mehr weit schleppen würden. F^s konnte auffallen, da.ss ich
hier der Kälte nicht mehr erwähne, aber ich thue es geflissentlich.
Allerdings war es an jenen Tagen nicht warm, aber das ist es bei
uns um diese Zeit gewöhnlich auch nicht und jeder nicht ganz
verzärtelte Mensch kann einen solchen Grad von Frost ohne
.Schaden auslialten ; wenn er gut genährt ist und wenn der
Mann geht, so mindestens widersteht er eo ipso dadurch dem
Fandruck der Kälte, allein diese Unglücklichen hatten den Rückzug
von ^lozaisk, darf ich sagen bis beinahe an die Wilija, durch ein
ganz geplündertes und von allen Ressourcen entblösstes Land
gemacht, also an allen Nahrungsbedürfnisseu den bittersten Mangel
gelitten und dies hatte ihre (Jonstitution so geschwächt, dass
dann natürlich selbst eine geringere Kälte äusserst naehtheilig aut
sie wirken musste.
Ara 2. Dccember war<l ich von Wilejka aus abgesehickt, um
das grosse Haupttjuartitu' aufzusuchen, dort Rapport über unsere
.\ufstellung abzusUitten und ferner Dispositionen zu erholen. Ich
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Tafretmcli eines Ofticiers im (Jeneralstalw
ritt über die Wilija Brücke und von da durch einen grossen Wald,
der von Niemand besetzt war. Am frülien Morgen batte man
zwar eine Uecognoscierung gfunacbt, aber nur auf eine geringe
Distanz, ich folgte dem Weg, der mir der betretenste schien, ich
wandte midi also rechts durch das Holz und fand endlich einen
ganz einsam gelegenen Bauernhof.
Da gab ich ungefiihr zu verstehen, dass ich die Direction
von Molodeczno nehmen wolle, die mir auch ziemlich richtig an-
gegeben ward. Erst als die Sonne schon untergegangen war, kam
ich auf eine H.auptstrasse und fand einige privatisierende Franzosen,
die mir sagten, dass ich ungefähr noch eine Stunde von oben
genanntem Städtchen entfernt sei (in welchem übrigens Kosaken
der Moldau-Annee schon gewesen waren, sich aber bei Annäherung
der Franzosen auf die Minsker Strasse repliiert hatten.) Ich langte
auch bald da an und dirigierte mich nach dem zwar hölzernen,
jedoch 8<'hr ansehnlichen Schlosse des Grafen Oginski. Ich fand
am Eingang italieni.sche Grenadiere. Der Vice-König war ein
paar Stunden zuvor da angelangt. Ich Hess mich melden, da ich
von ihm die besten Notizen zu betreiben hoffte, wo ich das grosse
Ilaupüiuartier treffen konnte. Er behielt mich bei Tische und gab
mir über den Zusüind der Armee so befriedigende Details, dass
ich leicht eufnehmen konnte, dass eigentlich von einer Armee gar
nicht mehr die Rede sei.
Mit alledem hatte das 2. Corps, das zuerst die Passage über
die Berezyna forcierte, noch eine hübsche Aflairc mit Czyezakofis
.Avantgarde gehabt, wobei Marschall Uudinot noch einmal war
blessiert worden. Er liess sich dann vortransportieren, wurde aber
von streifenden Kosaken unterwegs atta(|uiert, vertheidigte sich
mit seiner Suite in einem Hause, wurde dabei noch einmal
blessiert und wäre wohl gefangen worden, wenn nicht gerade das
Davoust’sche Corps herbcigekomincn. Dies Ereigniss hatte einen
grossen Resj)cct vor den Ko.saken in der Armee verbreitet, worüber
sich Prinz Eugen nicht wenig lustig machte. Auf dem andeni Ufer
war Wittgenstein so spät herangekommen, dass nur die Division
Partonneaux vom 9. Corps, welche die Arrieregarde machte, im
eigentlichen Sinn des Wortes das Gewehr hätte strecken müssen,
während man doch olfenbar hatte fürchten müssen, dass die ganze
-Armee dieses Schicksal haben würde, wenn man nämlich die
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der bayerischen Armee im Feldzug:« 1812.
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Passage geschlossen gefunden hiltte. Freilich hatte das Wittgen-
stein’sche Corps die grösste Zahl der Kanonen und Wagen ge-
noninien, aber dies konnte doch nicht mit den Resultaten in Ver-
gleich kommen, die sich die Russtm eigentlich hiitten versprechen
können.
Den ( )rt, wo ich den Fürsten von Neufchätel finden würde,
wus.ste der Prinz nicht mit Kamen, rieth mir aber nur der Richtung
der Bivouak-Feuer auf der kleinen Strasse nach Ilia zu folgen,
was ich denn auch that. Ich konnte den Weg nicht leicht ver-
fehlen, da ich nur immer in der Direction fortzureiten brauchte,
in der mir die Privatisierenden, deren Anzahl damals bedeutend
grösser war, als die der Combatüinten, entgegenkamen. Dies waren
niimlich solche, die noch mehr Krilftc fühlten und also die Nacht
durchmarschierten, weil sie so mit Grund vermuthen konnten, dass
wenn noch Lebensmittel zu finden wären, solche ihnen zu Theil
werden würden, da sie des Morgens dahin kamen, wo das Gros
erst gegen Abend anlangte. Es hatte inzwischen am Abend stark
gefroren, so dass (da es die letzten Tage aufgethaut hatte), die
tstrasse so glatt wie ein Spiegel war, ich daher vorzog, zu Fuss
zu gehen. Nachdem ich ungeftihr 6 Stunden Wegs zurückgelegt,
kam ich bald nach Mitternacht zu einem Bivouak von Grenadieren
der französischen Garde und es war mir ein Gehöfte, Namens
Seliszcze, wie ich dann erfuhr, links von der Strasse gewiesen,
wo ich das kaiserliche Hauptquartier finden würde.
Ich fand es auch da, freilich nicht ganz so brillant etabliert,
wie ich es das letzte Mal in Witebsk verlassen. Am Eingänge des
Hofes waren wie sonst zwei Grenadiers ä cheval postiert, allein
der eine schlief auf seinem Pferde und der andere hatte das seine
angebunden und war wahrscheinlich gegangen sich zu wärmen;
die zwei Grenadiers äi pied, die vor die Hausthürc gehörten, hatten
wohl .seinem guten Beispiele gefolgt, denn ich fand Niemanden.
Alles schien öde. Nur zwei Wagen standen im Hofe. Der Mameluke
Rustan aber wachte und machte Ronde um das Gebilude; wie er
mich sah, gieng er rasch auf mich zu und fragte was ich wollte.
Ich sagte es ihm ganz kurz, darauf führte er mich in die Tenne,
wo Berthiers Adjutanten schliefen. Er selbst war bei Napoleon
üljer Karten beschäftigt, kam aber gleich herüber, schien sehr
vergnügt, dass wir noch in einem erträglichen Zustande seien.
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Tagebuch eines Offieiers ini Generalstabe
machte dem Kaiser darüber Rapport und schrieb nachher aut
<lessen Bcfelil in seinem Kämmerchen (das er übrigens mit dem
König von Neapel theilte) eine Antwort an General Wrede. Er
appuyierte vorzüglich darauf, dass wir die Wilija-BrUcke so laug
wie möglich halten sollten, um so der Armee möglich zu machen,
hinter uns sich diirchzuschieben. Sofort ritt ich wieder ab, hielt
ungefähr um B Uhr Früh etwas in !Molodeczno, um den Prinzen
Eugen zu avisieren, dass Napoleon an diesem Tage (3. Decembert
sein Hau])tf(uartier daselbst nehmen würde ; nahm von da aus
wieder den mir nun bekannten AVeg durch den Wald und kam
gegen Mittag nach Wilejka zurück, wo ich den General Wrede
durch die Schilderung des Zustandes der Armee, die ich mit
einigem Dcttiil geben konnte, eben nicht sehr erbaute. Gegen
Abend erfuhren wir, dass der Feind in der Frühe in Dolginöw
eingerückt sei. Die Kälte nahm an diesem Tage sehr merklich zu.
Am 4. December giengen in aller Frühe Notizen ein, dass
der Ftund sich mit Cavallerie in unserer Linken gezeigt, so dass
wir also grosse Gefahr liefen, touruiert zu werden. General Beckers,
der die 2. Division commandierte, die an diesem Tage vielleicht
noch 850 Combattanten zählte, wurde daher zurückbeordert, um
die Brücke von Narocz zu besetzen, über welche aut jeden Fall
unser Rückzug gehen musste. Unsere (französische) Cavallerie
wurde bei einem Dorfe links von der Strasse, die von Dolginöw
kam, bald nachher angegriffen und gleich darauf zeigte sich der
Feind auch vor unseren Pi<(uets auf der Strasse. Der General
.sah sich daher genöthigt, um nicht gleich zuviel Terrain zu ver-
lieren, die Cavallerie chargieren zu lassen, wodurch der Feind frei-
lich etAvas aufgchalten wurde, aber man konnte doch gut berechnen,
dass von einer aus allen Waffengattungen und Regimentern zu-
sammengesetzten Cavallerie in die Dauer nicht viel zu erAvarten
sei. Wirklich gegen Nachmittag, als der Feind Verstärkung er-
halten, Avurden unsere (,'Urassiere A'on Kosaken attar|uiert und so
hübsch geworfen, dass ohne die Infanterie sie j)ele-inele mit ersteren
nach Wilejka hincingekoiniuen Avären; kurz hierauf brachten die
Russen einige Piecen vor und man Avard auch Tnl'anterie-Colonnen
gcAvahr. Man musste sich also auf ein ernsthaftes Gtdecht vorbereifen.
Es schien aber gar nicht rathsam, sich in solches einzula.ssen,
da General Beckers zugleich meldete, dass er bei seinem Eintreffen
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der bayerischen Armee im Feldmijse 1819.
251
in Narocz sogleich Patrouillen in den anstossenden Wald geschickt,
die in geringer Entfernung auf Kosaken gestossen seien. General
Wrede beschloss daher, sich von Wilejka nach Narocz zurUckzu-
zichcn, gab auch gleich hiezu die nüthigen Befehle, die Infanterie
setzte sich in Marsch, die Cavallerie folgte als Arriferegarde und
ich wurde in’s grosse Hauptfinartier (das an diesem Tage hatte
nach Bienica kommen sollen) abgeschickt, um über diese retro-
grade Bewegung Rapport zu erstatten. Ich dirigierte mich zuerst
nach Narocz, wo mich General Beckers avisierte, dass soeben
wieder Kosaken sich gezeigt, die aber wie gewöhnlich beim An-
blick der Infanterie sich in den Wald zurUckbegaben. Ich ver-
schaffte mir hier eine Calemaszka, Hess daher mein Pferd zurück
und kam so ungefähr um Jlittemacht nach dem Städtchen
Smorgofi auf der grossen Strasse, wo ich Post zu finden erwartete.
Seit der Ankunft der Avantgarde der Armee war aber Alles des-
organisiert. Mein bisheriger Fuhrmann, dem es wohl zu kalt war
(in der That fror es diese Nacht bedeutend), fand Mittel mir zu
entwischen. Ich sah mich also genöthigt, mitten in der Nacht den
Commandanten zu wecken, um mir durch selben Mittel zum Fort-
kommen zu verschaffen. Dieser war Oberst D’Albignac (derselbe,
der Chef d’etat major von Gouvion St. Cyr gewesen ; er war ihm,
als solcher sich von Lepel nach Wilna zurückbegab, gefolgt; der
Marschall etablierte sich sodann als wahrer Philosoph in einem
Edelhofe nahe der Stadt und wir haben ihn erst an der Weichsel
wieder gesehen. D’Albignac, der nicht ganz müssig sein wollte,
Hess sich von Hogendorp das Districts -Commando von Smorgofi
geben), der mir ein Ordonnanz-Pferd und einen Chasseur ver-
schaffte. So machte ich mich auf den Weg und erreichte Bienica
ungefithr um 4 Uhr Früh (am 5. December).
Ich fand Berthier ziemlich übler Laune, dass wir die Posi-
tion nicht länger behauptet hatten; vorzüglich wollte es ihm gar
nicht gefallen, als ich ihm anvertraute, wie wenig Ehre wir mit
unseren Cürassieren aufgehoben hätten. Er meinte, das wäre das
Resultat von iler unglücklichen Invention der Marsch- Regimenter,
die er immer getailelt habe und er mag auch darin nicht Unrecht
gehabt haben.
Kurz vor Sonnenaufgang exjH-dierte er mich wieder, mit dem
Aufträge, dem General Wrede zu sagen, er möchte (wie solcher
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252
TnKcliuih eines Oflieiers im Generalstalic
es auch durcli mich liatte versprechen lassen) nur auf seinem
liückzuge immer die Wilija longieren und auf diese Art den l'cind
abhalten, gegen die Ilaiiptstrasse zu detachieren. Ich wollte mich
sogleich aufmacheu, suchte aber meinen Chassciu- vergebens; es
war auch ihm wahrscheinlich zu kalt geworden, kurz ich konnte
ihn durchaus nicht finden. Wahrend ich eben nicht im besten
Humor, ihn immer noch in den verschiedenen Nebengebäuden des
Schlosses suchte, gieng die Sonne auf ; da.s grosse Hauptquartier
setzte sich in Bewegung, mit selbem die ganze Masse. Schon Heng
man an, der löblichen Gewohnheit gemäss den Ort in Brand zu
stecken; ich fand es nun nicht mehr zweckmässig lange zu suchen
und machte also den Weg bis Smorgoii zu Fuss, ich glaube
aber wahrhaftig, dass ich desshalb nicht später hingekommen bin,
denn die Kälte hielt mich ziemlich im kurzen Trahe und ich
befand mich in guter Gesellschaft, vielleicht dreissigtausend
Menschen, Generale, (ffficiere und Soldaten, zu Fuss und zu Pferd,
alles untereinander in sonderbarsten Vermengungen und alle Bande
der Disciplin gelüst; ungefähr 20 polnische Laneiers der Garde
ausgenommen, die um Napoleon’s Wagen Escorte machten, konnte
man kaum Einem unter diesem grossen Haufen die Benennung
('ombattanten beilegen. (Die Garde zu Fuss zählte damals nur
mehr 3U0 und das 9. Corps der Armee, welches als das Beste
ini SUinde, die Arricregarde machte, vielleicht doppelt soviel.) Auf
diese Art erreichte ich nach Mittag Smorgoii, wo ich aber
D’Albignac’s Autorität schon geschwunden fand. Ich konnte mir
also nur nach vielen vergeblichen Demarchen ein Pferd verschaffen,
mit dem ich ungefähr um 4 Uhr mich in der Direction auf Narocz
aufmachte; ich hatte aber noch keine halbe Meile zurückgelegt,
als ich einem ( Ulficier unseres Hauptquartiers begegnete, der mir
zu wissen that, dass der General Wrede sich am frühen Morgen
von da über Woistom gegen Danjuszewo zurUckgezogeu.
Es hatten sich auch gleich Kosaken gezeigt und obschon
man versucht hatte, die Brücke der Narocz zu zerstören, so kamen
Patrouillen doch in kurzer Zeit auch diesseits zum Vorschein.
Dieser < ffHcier avisierte mich demnach, dass ich den Verkehr über
die Wilija, drei Stunden von da schon nicht mehr im Gauge finden
würde und engagierte mich, mit ihm über Smorgoii nach Slobodka,
wohin er mit der Kleidung geschickt war, zu gehen, allwo ihm
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t\er bayerischen Armee im Fehiznjre 1812.
253
der General Wrede fi'ir den lblg;enden Tag Rendezvous gegeben.
Ich folgte ihm daher, da meine Aufträge so nicht wichtig genug
waren, nm mich wegen ein paar Stunden Zeitgewinnst, der Chance
gefangen zu werden, auszusetzen.
Nachdem der Rap])ort bei Rorthicr gemacht war (dies dauerte
jedoch sehr lange und ich denke, es war wohl 10 Uhr Abends,
als wir fortkamen), brachen wir auf, folgten anfangs der llaupt-
strasse, so lange es dunkel war, wandten uns hernach rechts, als
die Sonne aufgegangen und kamen bei so guter Zeit (nm G. De-
cember) in Slobodka an, dass noch nicht einmal die Quartiermacher
cingetroffen waren. Dies war eine harte Nacht, nach der Meinung
Vieler die kälteste von allen. Man will 28® unter dem Gefrierpunet
niu'h Reaumur bemerkt haben. Ich gestehe frei, dass ich hierüber
nichts bc.stimmen kann, da ich keinen Thermometer gesehen;
nachstehendes Factum mag aber sprechen. Während des vorigen
Tages war der Feind dem General Wrede so nahe gefolgt, dass
diesi-r sich entschloss, die Wilija, welche er bis hierher longiert,
zwischen sich und die Kosaken zu setzen und sich mehr dem
Gros der Armee zu nähern. Er beschloss also bei Danjuszewo diesen
Fluss zu passieren und von da gegen Slobodka (wie gesagt) sich
zu wenden. Die Brücke bei eliesem Orte fand sich aber durch ein
Missverständniss zerstört und als das Corps am 5. gegen Abend
dort ankam, hatte die Wilija nur eine leichte Eiskruste, die brach,
wenn man ein niittelmässiges Scheit Holz darauf warf.
Man arbeitete zwar mit aller Thätigkeit daran, während der
Nacht eine Brücke zu construieren, es war aber leicht einzuschen,
dass man keine zu Stande bringen würde, die solid genug für
die Artillerie (wir hatten damals noch 24 l’iecen bei uns, freilich
mehr oder weniger gut bespannt) wäre, indem dazu die ^laterialien
fehlten. Die Kälte nahm aber in einem solchen Verhältnisse zu,
da.ss man um Uhr Früh schon einige l’iecen vom I’rotzkasten
getrennt, hinüber ziehen konnte und um G Uhr war das Eis so
dick, dass die 12ptilndige Batterie mit voller Bespannung darüber
wegfuhr.
Gleich nachher br.ach das Corps auf und ungefähr um .Mittags-
zeit kam General Wredo in Slobodka an. Während dieser Nacht
vom 5. auf den G. December hatü; in Smorgoii die b<-kannte Ver-
sammlung der Marschälle und Cori)s-Commandantcn bei Nai>oleon
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254
Tasebuch eines Officiers im Generalstalw
stattgehabt, in welcher er ihnen erklärte, dass er sich nach Paris
begeben wUrde und das Coniniando dem König von Italien über-
trug. Er gieng aber doch am folgenden Tage nicht weiter als das
Hauptquartier, nämlich bis Mieduiki, wo er am 7. blieb. Erst den
folgenden Tag verliess er die Armee im eigentlichen Sinne des
\\'ortes, wohlverstanden aber insgeheim, denn cs wussten cs nur
sehr wenige und bei uns z. B. gar Niemand; General Wredc selbst
erfuhr es erst — — — doch ich will nicht zu sehr anticipieren ;
also k<‘hre ich wieder nach Slobodka zurück. Doch ehe ich weiter
gehe, wird folgende Bemerkung nicht deplaciert gefunden wertlen ;
Obschon der Jlangel, sowie auch in den ganz letzten Tagen der
Frost, auch natürlich bei uns auf das Physische und Moralische
des Soldaten ziemlich nachtheilhaft gewirkt batte, so waren wir
doch nicht als desorganisiert zu betrachten und als unser Corps
am 6. December früh Danjuszewo verliess, mag es immer noch
6000 Mann (die Franzosen natürlich mitgercchnet) gezählt haben,
denen man die Benennung Coiubattanten geben konnte.
Unglücklicherweise nähert sich aber ungefähr vier Stunden
Wegs diesseits die Nebenstrasse, auf der wir marschierten, der
grossen Wiliiaer Strasse bis auf eine halbe Stunde, so das.s man
die ohne Ordnung, noch Führung sich fortwälzende Menschen-
Masse sehr gut beobachten konnte.
Dies Bild wirkte so schrecklich, dass trotz aller Gegen-
voi'stcllungcn ganze Haufen aus unseren Marsch-Regimentern sich
trennten. Ich war, wie gesagt, nicht gegenwärtig, allein es soll
gleich einem Schwindel gewesen sein, namentlich blieb von «lern
einen Cavallerie-Regiment nur der conimandierende Oiheier. Zum
Glück erstreckte .sich die Contagion des l’rivatisicrcns noch nicht
BO sehr auf unsere Bayern. Mit alledem kann angenommen werden,
das.s wir am Abend dieses Tages kaum mehr hall> .so stark, als
wie am Morgen waren. Am 7. verblieben wir in Slobodka,
sowie das Gros der Armee in Micilniki verblieb und am H. sollten
wir uns, einem erhaltenen Befehle zufolge bis Kiena, vier Stunden
Wegs von Wilno entfcnit zurückzichen. Im Moment unseres Auf-
bruchs. ungefähr um 8 Uhr Früh, zeigte sich der Feind. Einige
Kanonen hatten noch nicht können in Jlarsch gesetzt werden,
weil die Räder so fest an den BimU'U gefroren waren, dass man
die grösste Mühe hatte, sie loszuhauen. Auf diese machten die
der twiyerischen Armee im Keldzuge 1812.
255
Kosaken ein Hurrali. Die Infanterie ftab aber eine Decharge und
diese liatte den besten Erfolg. Doch sah man sich genöthigt, da
der' Feind verstärkt wiederkain, einige Munitionswagen in die Luft
zu sprengen.
Der Feind folgte dicht hinter unserer Arrieregarde, jedoch
ohne besonders zu drängen und gegen Nachmittag hielt er ganz
an. Wir postierten uns ungefähr um 4 Uhr bei Kiena; die Artil-
lerie wurde aber mit Ausnahme einer leichten Batterie im Marsche
erhalten, weil man bei dem schlechteu Zustand der Pferde, denen
man beinahe gar kein Futter mehr geben konnte, selbe doch etwas
ä Tabri des evenements bringen wollte. Ich wurde bald nachher
zum Prinzen Neufchätel nach Wilno geschickt, um Uber das Ein-
rUcken und die vorgeschriebene Position, so auch den Zustand des
(,'orps Rapport zu erstatten.
Vielleicht mögen Nebenumstände dazu beigetragen haben,
soviel erinnere ich mich aber wohl, dass ich auf diesem Ritte am
meisten im ganzen Feldzug gelitten. Erstens war die Kälte sehr
stark, dabei der Wind so ungemein heftig und schneidend und
mir gerade im Gesicht, dass ich mich einmal genöthigt sah, ab-
zusteigen und mich mit dem Gesicht an die Brust miünes Pferdes
lehnte, um nur Athem holen zu können. Zuilem war der Weg mit
Schnee verweht und die Nacht ganz finster ; ich konnte daher nur
.Schritt vor Schritt mich bewegen, um mich nicht zu verirren.
Ungefähr halbwegs Ijcgegneto ich einen Ofticier, der dem General
Wrede die Ordre brachte, sogleich aufzubreclieu (auch in dieser
Depesche, die ich nachher gelesen, wmrdc keine Silbe von Napoleoii’s
Abreise gesagt; sie fieng mit den Worten an: Sa Majeste ordonne
— um nicht statt rEmpereur, — le Roi sagen zu müssen') und
rechts ab n.ach der Ilauptstrasse zu marschieren, um den Marschall
Victor von der Arrieregarde der Armee abzulöseu.
Als ich das Schloss in Wilno (erst hier erfuhr ich, dass
Napoleon die Armee verlassen) erreichte, war es schon sehr spät;
ich fand Berthier im Bette, er war sehr üblen Humors, da er aus
meiner ganz der Wahrheit getreuen Schilderung entnahm, d.ass
auch das 6. Coqjs etwas demoralisiert sei. Nach verschiedenen
Aeusserungen befahl er mir zu warten, bis er neue Befehle zu
geben haben würde. (Wir sollten nämlich mit der Division des
Generals Loison vereinigt, die erst vor Kurzem von Königsberg
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25«
Tiipilinrh fines OfBciers ini Gpiieralsfiibe
fiekonmien, unter dem Oberbefehl des Marselialls Ney die Stellung
vor Wilna noch etwas halten, damit man Zeit tfewinnen möchte,
alles was sich noch in dieser Stadt befand, zu evacuiercn).
Kurz vor Tajjcsanbruch, 9. December, kam ein Ofticier mit
der Meldung; Uber das Eintreffen unseres Corps auf der grossen
Strasse, allein wie ich es wohl vermuthet hatte, war dieser Nacht
marsch von traurigen Folgen gewesen.
Der Weg führte durch das Dickicht eines Waldes, dies ver-
mehrte noch die Dunkelheit, man konnte bei dem hohen Schnee,
der das Marschieren sehr beschwerlich machte, die Mannschaft
nicht gehörig aufg«>schlossen ei'halten, mehrere blieben zurück oder
warfen sich rechts, um sich der Stadt zu nähern, mit einem Worte,
das Corps kam wieder um einen Theil schwächer in der neuen
Position an, wo man zwar den Marschall Victor fand, aber
— allein. Er erklärte dem General Wrede geradezu, ^ass er nicht
mehr einen Mann seines Corps unter dem Gewehre habe — und
dies nannte man die Arrii'regarde der grossen Armee.
Unmittelbar nachher kam auch Marschall Ney in’s Schloss, um
sich mit dem Major-General über das was zu thun sei, zu be-
sprechen. Das 3. Armee-Corps, welches er früher geführt, exLstierte
seit Kra.snoje nicht mehr; mau hatte zwar seit ein paar Tagen
wieder anfangen wollen zu sammeln, aber nicht mehr als hundert
und sechs Mann zusammenbringeu können.
.Jetzt sollte derselbe, wie gesagt, ausser uns noch die Divi.sion
Loison erhalten, die aber auch schon nicht mehr intact war, indem
man sie, ich weiss nicht wesshalb, bis Smorgoh hatte vor- und
hernach wied*‘r zurückmarschieren lassen. Ney führte mich in sein
t^uarfier und ich sollte da warum, bis er selbst gegen Miedniki
hinausreiten wollte, um unsere Position in Augenschein zu nehuien.
Dies dauerte aber gewaltig lange und es sehien mir zuletzt, dass
wir diese Stellung wohl gar nicht mehr zix Gesicht bekommen
würden, denn ich konnte mir nicht einbilden, dass der Feind uns
ruhig in derselben lassen würde. Ich irrte mich auch nicht. Haid
nach Mittag (9. December) hörte man von weitem kanonieren. Da
der Marschall auch nun noch mit seinen .\rrangements nicht fertig
war, so ritt ich fort. D.as Feuer sehien näher zu kommen. Das
Gewühl auf den Strasstm war ungeheuer. Natürlich wälzte sich
alles stadteinwärts. Man hatte also die grösste Mühe, wenn man
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der liayerischen Anuec im Feldzupe 1812.
257
sieh dem Strom cntfrcgen bewegen wollte. Endlieh erreichte ich
das Minsker Thor; hier war das Encombrement aber natürlich
bei weitem toller. Jeder driingte so sehr, um der Erste herein-
zukommen, dass Pferde und Menschen todtgcdrUckt wurden, Uber
die man wegschritt. Ich sah wohl ein, dass jode -MUlie vergeblich
•sein würde, in der contrairen Direction dieser wilden Masse zum
Thorc hinaus zu komnnm. Aut einmal entdeckte ich etwas rechts
ein Pförtchen in der Stadtmauer, das ich trühcr nicht gekannt
hatte und wo gar keine Foule war; ich wandte mich dahin. Nur
wenig Leute kamen von dieser Seite herein. Freilich war die
Passage etw.as eng und man musste absteigfm, doch konnte ich
ohne grosse Anstrengung das Freie gewinnen. Von hier trachtete
ich die grosse Strasse zu gewinnen, indem ich in der Richtung
des Feuers fortritt, das wirklich immer näher k.aui. Ich kam an
eine Anhöhe, von der ich meinem Cidcul zufolge die Chaussee zu
sehen bekommen musste, als mir einige Versprengte entgegen-
kanien, die mir zu pressiert schienen, als dass ich sie hätte mit
Bitte um Auskunft über Lage der Dinge aufhalten mögen. Unter
den Letzteren erkannte icli den französischen General Castex, der
trüber eine Cavallerie-Brigade beim 2. Corps gehabt; mit diesem
wollte ich sprechen, aber er jagte an mir vorüber und rief mir nur
das zum mot de raillement gewordene: Los cosaijues, lescosaques!
zu. Ich ritt nichts desto weniger die Anhöhe hinauf, wo ich dann
die Herrn mit einemmal so recht ta^e :i faye zu sehen bekam.
Ich merkte nun wohl, dass ich auf diesem Weg den General
Wrede nicht leicht tretfeu würde ; ich wandte mich also wieder
der Stadt zu, aber nicht iu der heitersten Stimmung, denn cs
musste mir wohl klar werden, dass das Gefecht nur nachtheilhaft
für uns stehen könnte. Kaum hatte ich mein Pförtchen wieder
gewonnen, diesmal nicht ohne Mühe, und nur durch einen Umweg
mich bis in die Hauptstrasse der Stadt poussiert, so erblickte icli
uüsem General, der sich durch das Thor hereingearbeitet. Er trug
mich rasch, wo er den Marschall Ney finden könnte ; ich führte ihn
so rasch, als es durch das Gewühl von Jlensehen möglich war, zu
dessen Haus und von da, als man uns sagte, er wäre im Schlosse,
dahin.
So wie ich nun erfuhr, hatte der Feind Uebermacht an
Cavallerie gezeigt, sogar einmal die grosse Strasse vor uns
Mittli^ilusgen des k. und k. Kriegs-Arcliivs. Neue Folge. VII 17
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Tapebufh eines Ofticiers im Generalstahc. .
gewonnen, ■ so dass man sich für verloren gehalten. Zuletzt war
sogar ein OfTicier als Parlamentär erschienen und hatte von
(Kapitulation gesprochen.
Diese Aufforderung war, wie es sich gehörte, abgewiesen
worden. Der General hatte hierauf beschlossen, da es nicht möglich
schien, auf der Chaussee sich, sozusagen ohne Cavallerie Luft zu
machen, querfeldein zu marschieren und es war ihm auf diese
Art gelungen, mit einem grossen Theil der Infanterie die Vorstadt
von Wilna zu erreichen. Die drei Piecen aber konnten durch den
Schnee nicht fortgebracht werden, trotz aller Anstrengung und
leider ward auch einige Mannschaft, die dadurch aufgehalten
wurde, abgeschnitten.
Sowie der Feind die Verfolgung einstellte, was gleich nach-
her geschah, liatte sich der General, wi(; gesagt, in die Stadt
begehen, um sich mit den Chefs zu besprechen. Es mochte
ungefähr Uhr Nachmittags sein (9. Deccmbcr) als wir in den
Schlosshof ritten. Prinz NeufcliAtel war sehr erstaunt, den Feind
so nahe zu hören, als er aber merkte, dass es wirklich der Fall
sei, gab er Befehl zum Aufbruch und verliess gleich nach Sonnen-
untergang (sowie der König von Neapel und der Vice-König von
Italien) die Stadt und giengeu die ganze Nacht durch bis Jewje.
Wir erhielten Befehl zu bleiben, um so lang als möglich Zeit zum
Evncuieren zu geben. Unsere 21 Kanonen etc. die am Vormittag
schon nach Wilna gekommen waren, wurden auch gleich in
Bewegung gesetzt, indem man hoffte, sie dadurch noch zu retten
und ftir den Nothfall die Division Loison einiges und bes.ser
bitspanntes Geschütz bei sich hatte. Auch die Equipagen und alle
NichtcomViattanten wurden an diesem Abend zurückgeschickt.
Während diese Massregeln im Innern der Stadt getroffen wurden,
änderten sich aber die Destins unseres Corps ausserhalb derselben
auf die traurigste Art. Der .Soldat, der bisher mit vieler Ausdauer
Frost und Mangel ertragen, verlor beim Anlilick der Stadt, die
noch Ressourcen darzuhieten vers]>rach, alle Geduld. Die Ilofl’nung,
sich Nahrungsmittel zu vereclKatten, machte, dass ganze Haufen
d;is Lager verliessen.
Ich enthalte mich hier jeder Aeusserung : der gemeine Mann,
selbst der Otllcier war wirklich in jener Zeit in einer verzwciflungs-
vollen Lage und man muss kein intolerantes Urtheil fallen. Alle
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der bayerischen Armee im FeldmiRo 1812.
259
GegonbemUliuntren wai'en fruchtlos; die Dunkelheit der Nacht
begünstigte noch das Auscinanderlaufen. Ich komme zum Resultat.
Als es Tag wurde (10. December) bestand unser Corps aus
300 Mann Bayern. Alles andere war verschwunden. Ich
begegnete gegen Mittag dem Obersten unseres wcstphälischen
Regiments; er führte die Fahnen der beiden Bataillone mit sich
auf seinem Pferde, er hatte nicht einen einzigen Mann, um solche
zu tragen.
Auch die Division Loison fand sich auf dieselbe Art bedeu-
tend geschwUcht. Sie zählte kaum etwas Uber 200 Mann. Ich für
meinen Theil hatte diese Nacht, ich gestehe es, in der grössten
Agitation, zugebracht. F2s schien mir unglaublich, dass der Feind
uns nicht umgehen und so unsern Rückzug am folgenden Tage
unmöglich machen würde.
Ich war übrigens nicht der Einzige dieser Meinung. General
Wrede theilte sie. Gegen 10 Uhr brach man auf. Die Gassen
waren encombriert. Wir hatten die grösste Mühe, zum Thor
hinauszukommen. Unser General, Marschall Ney, der Gouverneur
Hogendorp ritten zusammen; zu ihnen hatte sich der Duc
d’.Abrantes (Junot) gesellt, der früher das 8. Armee-Corps geführt,
von welcher Mühe er sich aber auch überhoben fand. In der
diesseitigen Vorstadt an einem Gartenhause wurde wieder Position
gefasst. Noch hörte man nichts vom Feinde. Ungefähr um 12 Uhr
kam eine Notiz, dass die ersten Ko.saken sich in der SUidt zeigten.
Bald nachher setzten wir uns in Bewegung und befanden uns so
auf der grossen Strasse; wir Coinbattanten, mitten unter dem
Gewühl der desorganisierten Menschenmasse. Der F'eind war
inzwischen auch nicht ganz müssig gewesen, doch hatte er viel
weniger gethan, als in seiner Macht stand. Wir erblickten bald
zu unserer Linken eine Abtheilung Kosaken, sie hatten ein p.aar
Dri'ipfünder auf Schlitten und schickten uns ungefähr fünf Viertel-
stunden diesseits der Stadt ein paar Kugeln (|uer über die Strasse,
die weiter keinen Schaden thaten.
Hätten sie während der Nacht das Defilee vom Berg bei
Ponary gewonnen und dort ihre Piecen placiert, so wären wir
höchstwahrscheiidich alle gefangen gewesen.
Diesen Berg erreichten wir ungefähr um ’ .^2 Uhr (10. De-
cember). Der Hohlweg, in welchen die Stras.se hineintührt, war
17*
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Tapebucli eines Offlciers im Oencralstalw
SO mit Kanonen, Munitions-, Bagage- und Cassa-Wagen eiicom-
briert, dass ich kaum glaube, dass man sich einzeln hiltte durch-
winden können. Wir hatten die stille Satisfaction unsere 21 Piecen,
mit alledem was dazu gehört, auch zu erkennen. Die Bahn war
glatt wie ein Spiegel, dabei geht es steil hinan; die erschöpften
Pferde konnten keinen festen Tritt fassen; man hatte bis zwanzig
vor eine Kanone gespannt; sie fielen zusammen, sowie man sie
zum Ziehen antrieb. Kurz, man hatte die Piecen vernagelt. Ich
enthalt»! mich auch hier jedes Urtheils.
Wahrscheinlich sollten wir das allgemeine Schicksal theilen.
Sonderbar ist es, da.ss die drei Wagen un.seres Generals, »lie spät
in der Nacht erst Wilna verliessen, sich nach einem vergeblichen
Versuch den Berg heranzukommen, links wandten, einer Nebeu-
strasse folgten, die nach Troki führte, von da den Niemen bei
Prtmy passierten und auf diese Art gerettet worden sind. Doch
stand unser Geschütz in guter Gesellschaft. Auch die Wagen des
Kaisers waren hier zu finden, mit einem Wort, alles ^laterial
der Annee, df»s nicht schon früher verloren gegangen. Die Four-
gons wurden geplündert, wahrscheinlich weil inan Lebensmittel
darin vermuthete, denn das Geld schien in diesem Moment von
keinem ^Verth zu sein ; doch sah ich welche, die sich hübsche
Summen zueigneten.
Ein komisches Incident erheiterte für einen Augenblick dieses
Coup d’oeil, welches wenig.«tens auf mich einen wirklich schauder-
haften Eindruck gemacht. Junot kam dazu, als einige Franzosen
seinen Wagen gasjiillierten. Er erklärte ihnen auf die drolligste
Weise, dass er wenigstens eben so viel Hecht dazu habe, als sie
und bemächtigte sich eines mit Diamanten besetzten Ehrensäbels
und einer ganz neuen reiehgestickten Gala-Uniform, die er auch
gleich, statt seiner nicht wenig abgetragenim anzog; mich amüsierte
dies sehr.
Da nur eine Stimme darüber sein konnte, da.s8 mau sich
mit einer geschlos.scnen Trupia- niemals durch den IIohlw»>g hinauf
würde drängen können, so wurde beschlossen, rechts abzubiegen
und den Berg der hier fast :i i>ic hinangieng, im buchstäblichen
Sinn des Wortes zu erklettern ; dies war sehr beschwerlich und
ich erinnere mich insbesondere, dass ich kaum im Stande war,
mein Pferd hinter mir her zu ziehen. Doch blieb nichts anderes
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der layerischen Amiet im FeldznKe 1812.
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Uljri>r und als wir oben wieder die gros.se Strasse gewonnen,
batten wir wenigstens die kleine Ileruhigung, dass wenn die
Kosaken an diese Passage kommen würden, sie sich auch mit
Plündern beschilftigen und uns nicht sehr .scharf verfolgen würden.
Wir wurden auch diesen Tag über nicht mehr gedrilngt. Hegen
Abend ward diesseits Rykonty Position genommen, an einer
kleinen Brücke, die man zu zerstören befahl. Doch schien die
.Stellung nicht geeig^net, um den Feind in der Verfassung, in der
wir waren, abzuwarten.
Es ward daher gegen 2 Uhr Früh (am 11. December) auf-
gebrochen und nach Jewje marschiert, wo wir mit Tagesanbruch
ankamen.
Berthier wollte aber erst von da abgehen und Hess den
Marschall Ney ziemlich barsch an, dass er, der die Arriiregarde
der Armee tührte, so rasch dem Feinde das Terrain cediert habe.
Dieser seinen piquiert und erklilrte, dass er nun nicht weiter mehr
sich zurückziehen wollte, bis ihn die Uebermacht dazu zwönge.
Es wurden nun allerhand Vertheidigungs-Massregeln im Orte ge-
troffen, ich gestehe aber frei, dass sowohl dessen Lage, als der
Zustond unserer Truppen (die meiste Mannschaft hatte leider die
Finger so steif, dass ihnen sozusagen physisch unmöglich war, den
Hahn am Gewehre abzudrUcken) mir nicht zu einem sehr hart-
näckigen Widerstande geeignet schien. Wir warteten hier sehr
lange, die Zerstörung der Brücke musste! doch etwas gewirkt haben.
Erst gegen N'jichmittag zeigten sich die ersten Kosaken
diesseits eines Waldes vor unserer Front und es dauerte noch eine
geraume Zeit, bis ein etwas ansebnlicheres Truppen - Corps (blos
Cavallerie) sich zeigte. Sowie der B'eind bemerkte, dass man hier
halten wolle, vcrliess er die grosse .Strasse und zog sich sowohl
rechts, als links um das Dorf herum, so d.ass wir bald Gefahr
liefen, abge.schnitten zu werden.
Da wir sozusagen gar keine Cnv.iHerie hatten, so konnten
wir die feindliche nicht attaquienm, die immer Terrain in unserer
Flanke gewann und da solche zuletzt auch durch Geschütz auf
.Sciilitten verstärkt ward, so musste sich Ney gleichwohl ent8chlics.s«>n
h’.vio zu räumen ; gleich diesseits wollte er wieder halten.
General Wrede stellte ihm vor, dass man hier leider nichts
mehr thun könne, als cedieren ; er wollte aber von nichts hören
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Tagelmcli eines Officiers im üeueralstat>e
und mit einer wirklich ausserordentlichen Bravour, die aber hier
vielleicht deplaciert war, that er alles Mögliche, um das Engage-
ment heftiger zu machen. Er exponierte sich mehr als einmal,
gefangen zu werden, um durch sein Beispiel Elan zu geben. Wie
gesagt, es war hier aber nicht mehr viel zu tbnn. Zuletzt wollte
er noch, dass unsere 1. Division, das heisst 109 Mann, ein Holz
rechts der Strasse auf das Uusserste vertheidigen sollte; sie wurde
aber darin umzingelt und ich darf sagen, ganz aufgerieben. Ich
kann mich hier nicht der Bemerkung enthalten, dass diese wackeren
Leute eigentlich unnütz sind aufgeopfert worden.
Endlich, nachdem die feindliche Artillerie anfieng mehr
Schaden zu thun, gab Ney Befehl zum Rückzug, der auch in
Ordnung und ohne besonders gedrängt zu werden, ausgeführt
wurde. Gegen 7 Uhr Abends wurde wieder an einer Brücke
Position genommen.
Da wir so ungemein schwach waren, so übernahm die Division
Loison die Vorposten und der Marschall etablierte sich mit uns
an einem Gehöfte, etwas links ab von der grossen Strasse. Es
wurde zugleich beschlossen, dass um 3 Uhr Früh (12. Dccember)
wieder aufgebrochen werden sollte. Dies geschah auch und kurz
vor Sonnenaufgang erreichten wir Zyzmorj', das ziemlich hell
brannte und um welches sich eine bedeutende Menge Traineurs
wUrintc. Hier wurde verlesen und es fand sich, dass das 6. Corps
der grossen Armee gerade 68 Mann unter dem Gewehre zählte.
Der Marschall Ney fand, dass eine so schwache Abtheilung von
keinem weiteren Nutzen sein könnte und schickte uns zurück.
General Wrede übergab dem General Heckers, als ältestem Ufficier,
das Commando mit dem Befehle, den Niemen sogleich zu passieren
und sich in Balwierzyszki mit dem Depot unter Oberstlieutenant
Theobald zu vereinigen. Sodann begab er sieb in’s grosse Haupt-
quartier nach Kowno, wo wir ungefähr um 4 Uhr Nachmittags
cintrafen. Berthicr communicierte hier dem General Wrede den
Plan, den man adoptiert, dass jedes Corps bis auf eine gewisse
Distanz zurUckmarscbicren und sich dann soviel als möglich
sammeln sollte. Uns wurde als Keunionspunct die Stadt Plock an
der Weichsel gegeben; das grosse Hauptquartier sollte vor der
Hand bis Königsberg gehen. Am folgenden Morgen brach Alles
auf; die Brücke über den Niemen war sehr encombriert, wir ritten
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Uer baverisrhen Armee im Fekkii)!;« 181‘^.
263
«Iso Uber das Eis, das mir mit aller Killte doch nicht ganz fest
schien und oben auf dein Berge bei Alexotty trennte man sich.
Der König von Neapel, Prinz Eugen und Neufchätel folgten der
Hauptstrasse; wir wandten uns links, ritten durch Mariampol,
ungefähr 3 Stunden drüber hinaus, bis zu einem Dörfchen Namens
Piaski, wo wir die Nacht zubrachten.
Am 14. kamen wir nach Kalwaria, wo wir die Ueberreste
unseres Corps trafen. Alles zusammengerechnet (mit Theobald)
mochte 1200 Mann betragen, jedoch nicht alle vollständig bewaffnet.
Zugleich wurde der General instruiert, dass drei Colonnen Er-
gänzungs-Mannschaft, die uns schon lange aus Bayern annonciert
waren, Tags zuvor bei Miereez am Niemen (die Tete nur) einge-
troffen seien. Da es sehr nöthig schien, die commandierenden
Officiere von der Lage der Dinge zu instruieren, um die.se Colonnen
gegen die Weichsel zurUckzudirigieren, ehe auch sie vielleicht
entamiert würden, so wurde ich in der Nacht an selbe geschickt.
Ich erhielt die Weisung, diese Truppen zu dirigieren, dass wenigstens
die nächste Colonne sich am 21. in Willenberg mit uns vereinigen
könnte. Ich traf dieselbe am 15. December Nachmittags bei Lozdzie.
Der Commandant, Oberst lloth, war in der That nicht von allem
Geschehenen unterrichtet, doch hatte er den ganz zweckmässigen
Entschluss gefasst, sich wieder vom Niemen zu entfernen. Ich con-
venierte an diesem und folgenden Tage mit den Commandeurs
über die Jlarsehroute, welcher sic zu folgen hätten und am 17.
traf ich den General Wrede in Lyck und machte meinen Rapport.
Die Truppen, die ich ge.sehen, mochten an 3800 Mann betragen,
durchaus in gutem Stande und ein solcher Zuwachs konnte uns
nie erwünschüT kommen, als gerade in jenem Moment.
Von hier aus bot der letzte Monat des Feldzuges nichts mehr
Interessantes dar. Der Fcinil war nur bis Kalwaria gefolgt. Unser
Rückzug wurde also nicht mehr im mindesten beunruhigt. Wir näherten
uns gemessenen Schrittes <ler Weichsel. Unser Hauptquartier kam
am 18. nach Arys, am Itt. nach Johannisburg, am 20. mK'h
Schwenthainen und Tags darauf nach Willenberg, wo auch Oberst
Roth anlangte. Hier ward sodann den Trup|K‘n ein Rasttag gegeben.
Den 23. giengeii wir nach Nowawies, den 24. nach Bogurzyn, den
25. nach Biezun, am 26. nach Gozdowo und Tags darauf kam
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264 Tapebnt'h fines Officiers im Generalstabe der bayerischen Armee etc.
unser Ilauptciuartier nach Piock. liier wurde nun wieder ein regel-
iniissiger Dienst eingefUhrt. Das Corps, das an 5000 Mann zUhlte,
wurde nun einsetheilt; ein zwar concentriertes, aber doch nicht
iVir die Bewohner zu hartes Cantonnement bezogen.
■ Zugleich fieng man an, Magazine zu errichten, um die Mann-
schaft aus selben zu verpflegen, kurz das Ganze gewann wieder
ein besseres Ansehen.
Unser Marschall, St. Cyr, den ich seit dem 23. October nicht
gesehen, fand sich auch wieder bei uns ein; General Wrede aber,
der ihn nie gemocht, erklKrte ihm geradezu, dass er das Commando
behalten wolle, nach einiger Zeit fand er sich darein und reiste
weiter.
Die Tage von unserer Ankunft in Plock his zum 3. Januar 1813
vergiengen ohne besondere Ereignisse. Wir hörten kaum etwas
von AnnSherung der Kosaken und Alles war ruhig. Am obenge-
nannten Tage ward ich an den König nach München abgeschickt,
um selbem Uber unsere nun etwas vortheilhaftere Lage zu rappor-
tieren. Ich nahm meinen Weg Uber Warschau, Breslau und Prag
und traf am 11. Januar frUh in München ein. Ich bin nicht wieder
zur Armee zuriiekgekehrt, indem General Wrede selbst kurz nacb-
her, da man sich genOthigt gesehen, die Linie der Weichsel zu
verlassen, das Commando abgab und nach Bayern gieng.
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DREI BERICHTE AUS DEM BELAGERTEN WIEN 1683.
PCBI.IC1KKT VON
OBERSTLIEUTENANT VON DUNCKER.
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Motto: „Xe virlntcs .sileantur.“
Die folgenden drei Berichte an Kaiser Leopold I., von
denen zwei gerade in den kritischesten Tilgen der Belagerung,
zu jener Zeit, als der Fall des Burg-Ra velins nicht mehr aufzu-
halten schien, aus dem arg bedrängten Wien abgesendot wurden,
tragen das Gepräge anschaulichster Unmittelbarkeit, Sie geben,
wenn sie auch dem feststehenden Geschichtsbilde keine neue
Färbung verleihen, doch ein überaus lebhaftes Colorit der die
Stadt bedrohenden und ohne Hilfe von Aussen kaum mehr abzu-
wendenden Gefahr.
Es sind ausserdem fast die einzigen Berichte an den
Monarchen, welche aus der belagerten Stadt an denselben gelangt
und erhalten geblieben sind; auch sichert die Persünlichkeit der
Schreibenden ihnen Beachtung. Zwei dieser Schreiben sind von
dem 72jährigen Vorsitzenden des „geheimen Deputierten-Collegiums“
dem FZM. und Vice-Präsidenten des Hofkriegsrathes Caspar Zdenek
Grafen von Caplirs, Freiherr von Sulevic, das andere von dem
Stadt-Commandanten FZM. Ernst Rüdiger Grafen Starhemberg.
Die Berichte befanden sich unter den Acten der „alten Registratur“
des Hofkriegsrathes, welche nunmehr dem k. und k. Kriegs-Archive
einverleibt ist.
Da sie grösstentheils chiflFriert sind und ein Chiffre-Schlüssel
für dieselben nicht vorlag, blieben sie bisher in ihren we.sent-
lichsten Theilen unbekannt und unbenutzt
Renner veröffentlichtein seinem Werke: „Wien iin Jahre 1683“
nur die nicht chiffrierten Stellen der beiden Briefe vom 1. Sep-
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2()8 iMinoker.
toiiibiT mul bedauert, dass deren Lösunfr ohne Schlüssel un-
möglich sei. ’)
Die freundliche Unterstützung eines bewiihrten Fachmannes
ermöglichte jetzt erst die Uebertragung der AetenstUcke und hie-
durch deren Veröffentlichung.
I.
FZM. Graf Capllrs an Kaiser Leopold.
Di-r Brief ist vom 12. .Xufust n.nh der vergeblichen Bestumiunf: de.s Bnift-
Itavvlins dnreh die .THnitschareii, eine UntemehmnnR. welche dcai Türken p.>Ken
2ö(Xi Mann kostete, verfaewt. Kin Sehrcdlcen (rleichlaiitenden oder ähnlichen Inhaltes
ward am nämlichen Tase von Graf Caplirs au den HerzoK von l.othriniiren gerichtet.’)
.ledcnfalls hat Georj; Kokschitzky, der am 13. .Autrnst Abends 11 Uhr mit Briefen
an den Herzog von Lothrintten ladm Schottenthore die Stadt verlicss, dieses
Sohreilmn für den Kaiser initRenommen.
.\m Morpen dc-s l.ü. .\upu.st schon Ulcerpab der kühne Bote dem im läiper zu
.“<tillfried an der March weilenden kai.serliehen Keldlierm die l)e|K'schen.")
„.Mlerdurchleuchtigistcr, Grossmechtigister und UnüberwUnd-
lichister Kömisclicr Kayscr, auch zu Hungarn und Böhaimb König etc.
Allergnedigister Kayser und Herr etc. Wir hazardiren dises,
villeicht mochte, es glickseliger sein als unsere vorhergende, deren
eines vom Feinde intercipirt und mit einem Flizi-Pfeil wider
heroingeschossen i.st worden.
Mit was für Mühe man unserseits die ContrescArpe, von
welcher sich der Feindt gleich den ersten Tag über 60 Schritt wegen
der so nahen Vorstiitt und Heuser logirt, gehabt, 24 Tag manu-
tenirt und wie tapfer sieh unsere Leutho darbey erzaiget, ist nit
zu beschreiben, nunmehr aber ist der Feindt mit seiner Mine an
Pas KrippH-Arrhiv Itesitart aii»«?r dii*seu drei keine weiteren Ikfrichte an
den Kaiser ans den Tapen der Ikdiipenrnp. In der üsterreiehischen Militär-Zeitsc hrift
ist in einem im Jahre 1813 bereits veröffentlichten, im Jahre 18-14 erneuert al>-
pedniekteii Aufsätze ül»er die Belapeninp Wien« ein Bericht Starhemlierp« an den
Kaiser vom 11. Juli und ein von dera«ell)en dem Monarchen vorpelepter Oi»enitit»n»«-
Entwurf vom iiO. Juli erwähnt ; w<» S<'he!s diese Acten pefunden halten will, ers<'heint
alter nicht weiter anpepelteii.
..Pas Kriepsjahr 1H8-3“ in ..Mittheilunpen des k. k. Krieps-Arehivs“ 1883.
S. !»8 und 190.
Eliendort 189. Anmerkunp 1.
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Drei Berichte an« «lern tjclagertcn Wien 1683.
269
dem Ravelin, wir haben keine Minir umb ihmc entgegen zu gehen,
Granaten, welche man iezt am höchsten vonnüthen hotte, sein
maistens aufgangen, das Pulver nimmet sehr ab und manglen
halt vil Sachen, derer man unumgiinglich vonnöthen hett, die
Mannschafft wird alle Tag weniger, in der Liste, so uns gestern
Ubergeben worden, finden sich eintausendneinhundert und zway
Todt und Blessirte, von denen üfficieren ist der Ohrist Heister,
der Obrist der Artigleria Bentor und der Jlansfcldisehe neue
Obristlcuthenand Baron Gail, auch vil Hauptlcuth und Leuthenant
blessirt, vier Obristleuthenant als RUmplcr, Walther, Kottolinsky
und Lcslie sambt dem Obristwachtmaister vom Mansfeldischen Baron
von Gallenfels und vil Ilauptleuthe todt, die rothe Ruhr grassirt unter
denen Soldaten und Burgern gar starck, wo Ihre Durchlaucht der
Herzog von Lothringen (an den wir beraits zu verschiedenen Mahlen
geschrieben, darauf aber ob Dero.selben etwas zuekoniuien sein
mochte, einzige Nachricht nit erhalten) sich befinden, ist uns un-
wissend, weilen die Cominunication ganz gespürt. Zu beharl. kayserl.
Gnaden uns allerunterfhenigist allergehorsamb.st empfehlend. Geben
W ien den 12. August eintausendsechshundert H3 Deroselben zu
Wien hinderla-ssene General und deputirte Räthe.
P. S. Heut den 12. hat der Feind die Spiz von dem Ravelin
durch die Mine springen lassen und gleich darauf gesturmbt, i.st aber
doch mit Verlust 50 Todt und Blessierten, darunter ein Hauptmann,
2 Lcutenante und ein Fendrich abgetrieben worden, bey allem
deine wird man zwar nichts unterhi.ssen und thuen, was ehrlichen
Leuthon zustehet, auch wie bishero iederzeit geschehen, dem
Feindt ieden Schritt von d(un Terreno disputiren, zumahlen auch
allieraifh <lie behürige Ab.schnitt so viel es hat sein können,
gemacht worden ; es sein abim die feindliche Minen meisten und
sonderlich bey der Burgg-Pastey zu besorgen, alldieweilen selbige
weder mit Gewölbern noch Contraminen, vermittelst welcher man
dem Feiinl nachsehen könnte, versehen ist, .so mUessen wir auch
anstatt der Minirer, welche manglen, solche Leuthe gehrauehen,
welche die Sach nicht recht verstt-hen und also nicht allein an
Krfahmus sondern auch an Re.solution, indem sie, wenn sie den
Feind nrbeithen hören, nicht entgegen, sondern darvongehen, die
behürige (iualitcten zum Miniren nicht hahen. Ich, Graf Caplirs,
solle auch Kur kaysl. .Miltt. allergehorsambst nicht unberichtet las.sen.
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270
D u n c k e r.
das etliche Ta^ hero der Cominandaat Graf’ Stahrenberg an
Dissentcrie bettlegerig ist, welche ihn sehr abmattet, doch und
dessen ungeachtet efforcirt er sieh, alle valorose und vigilante
Austolten zu machen.“ ')
II.
FZM. Graf Caplirs an Kaiser Leopold.
Vom 1. SeptenilHT datiort, )K'anfwortet dieser Brief jedenfalls ein kaiserliches*
Schreiben, vcnmithlieh vom 19. August aus Passau datiert.^)
Kol.schitaky und dessen Diener 3Iiehaelovit»ch \^'iirden von FM. Starh»*ml>erg
l>ewogen, den grefälirlicheii AVeg am* der Stadt in das Feldlag^er der kaiserlichen
Armee nochmals zu versuchen und der kühne Sendlwde emdchte auch sein Ziel
glücklich. Bei der Küitkkelir scheint der brave 3Iauu jedoch den Türken in die
Hände gefallen zu .seiu.^)
Allerdurchlauclitigster, Allergnädigster Kajser, Erbkünig und
Herr Herr Ewer Kays. Jlayst. an uns Deputierte Riithe ah-
gelassene allergdste rescriptji hab ich mit allergehors. respeet er-
halten, wir wollten uns nicht nur die von Ewer kays. Mays. uns noch
praefigierte acht Tag, sondern bis auf den letzten Blutstropfen uns
gedulden, es ist aber die Sach dahin gediehen, dass der Graf von
Starenherg mich diesen Augeiihliek ersucht, dess Herrn Herzogen
zu Lothringen Durehl. zu berichten, dass beyde Bollwerk, als die
Burg und Lcbelhastcy bereits miuirt sein, die letztere aber seye
also beseliaften, dass wegen der Enge des Orts kein Abschnit ge-
macht werden, noch er alsdann, wann der Feind mit Gewalt an-
tringen würde, selbige einen Tag halten koenue.
Ich habe tlieses auch Ewer Kays. Mayst. allergehors. be-
richten sollen, welche daraus dero hoch Erlcucliten Vernunft nach
allcrgdgst. zu ermessen geruhen werden, dass diesem imminirenden
Uebel durch nichts, als einen geschwinden und rigorosen Succurs
muss vorgekommen werden. Jlich damit p]wer Kays. Mays. in
jauTiotuirlicher allerunterthgstr. I)(‘votion zu beharrlichen Kays.
Huldeii und Gnaden ergebenst alss Ewer Kays. Mays. allerunter-
thänigst treu gehorsambster Va.siil
A. Caplirs.^)
*) Original. K.-A. 1683; Fase. VHI, !'/*•
..Das Kriegsjahr 1683“. S. 217.
Original. K.-A. 1633; Fase. IX, 1'/,.
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Drei Berichte aiu dem Iwlagerten Wien 1683.
271
P. S. Ueberbringern diser Commissyon, so er mllndlicb dar-
bringl, ist apostirt, damit er nicht wissen solle, tviirumb er ge-
schickt ist worden.
Wien, den 7tiris 1683.“
III.
FZM. Ernst Rüdiger Graf Starhemberg an Kaiser Leopold I.
Das Sclireil)eii des Sladt-Comniandanlen vom 1. Septemlier verjcleidie: Onno
Klopp „Das Jahr 1683 uml der folgende grosse Türkeukrieg". S. Ü93 ff.
„Allerdurehleuchtigster, Grossmechtigister und unüberwUnd-
lichister Römischer Kayser, auch zu llungarn und Bohaimb
König etc.
Allergnedigst<-r Kayser und Herr etc. Eur Kays. Mayst. aller-
gd’stes Handbrietl vom 29. July habe ich in tielister Unterthenig-
keit erhalten, und darauss mit höchsten Freiden ersehen, dass Eur
Mayst. meine bishero in diser Belilgerung geleistete geringe Dienste
So allergdst aufnehiuben, die ich die Zeit meines Lebens, ab-
sonderlich aller in wehrender diser Belagerung mit Höchsten Eifer
und Darsetzung Guet und Bluets iederzeit continuiren werde und
haben mich Alle unter meinem Gommando stehenden Ofticiere
und Soldaten eines gleiclimUssigen versichert, nachdtun ich ihnen
Eur Mayst. Allergdisten Befelch und das Vertrauen, so Sie in Unss
setzen (vor welches wür Unss sambentlich unterthenigist bedanckhen),
eröffnet habe, allein bin ich getrungen Eur Kays, ^llayst. Aller-
uuterthenigist zu berichten, dass nachdeme wir den Feindt, der
sich den Peu Tag 60 Schritt vor der Contrescarpen unter favor
der so nahe gelegenen Heuser logiert, mit grosser Muhe 7 Wochen
lang von dem Wall abgehalten, er endlich unter die beede Pasteyen
Lewl und Burch gekommen und wir alle Stundt erwarten muessen,
wann er uns einen Theil davon in die Luft sprenget, weil wir
keine erfahrne Minirer, ihinc unter der Erden zu begegnen, haben,
auf die ich mich verlassen könnte, also dass nunmehro die Be-
schleinigung des Suecurses höchst nothwendig, absonderlich weil
die Lewl-Pastey so klein und eng und so Übel pro]iortiouiert, dass
darinnen kein rechtschaffener Abschnitt, der den Feindt eine Zeit
auflialten könnte, zu machen und es aus allen Umbstenden scheinet.
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272 Duncker. Drei Berichte aus Jem belagerten Wien 1683.
ob der Feindt noch vor Ankunflft des Succurses einen grossen
Effor thuen wolle; wir werden zwar uns nach aller Muglichkeit
widersetzen und uns alle unter der Kuina der Werckh begraben
lassen, ehender als auf einen Accort nur gedencken, allein weiss
ich nicht, ob (wann der Succurs noch lenger verweilen sollte) wir
unseren Wunsch nach würden rousciren können und weilen ich
weis, was Eur Kays. Mayst. an diesen Posto gelegen, hat mich ge-
duncket, meine Schuldigkeit zu sein, Eur Kays. Mayst. die rechte
wahre Beschaffenheit in IJntcrthenigkeit zu remonstriren, alles
Dero ferneren allergdsten Disposition alrghsbst anheimbstellend mit
nochmaligen diemuetigster Versicherung, das mich keine Kleiu-
muetigkeit dises sclirciben machet, weilen wir alle sambentlich
resolviret, uns bis auf den lezten Bluetstropffen zu wöhren, unib
uns wirdig des Allergdgsten Vertrauens, so Eur Kays. Mayst. zu
uns haben.
Wien den ersten September eintausendsechshundert 83.
Die wUr Unnss sambentlich zu dero Kaysl. Gnaden allcrunter-
thenigist Befehlen.
Ich aber verbleibe Eur Kays. Mayst. allerunterthenigister treu-
gehorsambister
Gf. Star he mb erg.
Ihro Majestät können gedenken, was für Freuden Dero
Ankunft hier erwecken wird, weil neben der Freiheit, die von
sich Selbsten süss, wir die Gnad verhoffen und die Glori sic von
Ihro Majestät eigener Hand zu empfangen.“ ')
*) Original. Schlusssatz eigciiliiindig. K.-A. I(i83; Fase. IX, 1‘/*-
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AUF DER FESTE LANDSKRON 1638.
KINE EPISODE AUS DEM DREISSJGJAEHBIGEX KRIEGE.
MitUieüangen de« k. und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge. VII.
18
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Zjiir Zeit, da ini Jahre 1638 der kaiserliche Feldzeugmeister
Hans Heinrich von Reinach die alte Feste Breisach gegen die
Schweden und Franzosen des Herzogs Bernhard von Weimar
heldenmüthig vertlieidigte,*) stand von der Breisacher Garnison ein
kleiner Trupp Musketiere vom Regimcnte Reinach weit ab deta-
chiert auf Schloss Landskron. Dieses Schloss liegt in der alten
Herrschaft Ptirt, zwei geogr. Meilen südwestlich von HUningen,
beziehungsweise Basel an der heutigen clsass-schweizerischen Grenze,
beim Orte Leimen.
Nach dem Tagebuchc v. d. Grün’s*) scheint Schloss Landskron
markgräilich baden-durlach’schcr Besitz gewesen zu sein, da der
fluchtige Markgraf Friedrich, der in Strassburg darauf wartete, vom
Herzog Bernhard wieder in sein Stammland zurUckgefUhrt zu werden,
dem Herzog versprach, „dass, wenn hochgedachte Ihro fürstl. Gnaden
Herzog Bernhard einen wohlmeritirten Officier von Deroselben
Armee das Commando, besagte Festung Landskron zu belagern
und einzunehmen, auftragen würden. Sie (der Markgraf Friedrich)
alsdann demselben Officier das Lehen, wann er es einbekommen,
über besagtes Haus gnädig ertheilen wollen, hingegen sollte der
Herzog demselben solches hernacher aus Gnaden schenken“, (was
wohl auf den durch die Eroberung mittelst schwedischer Truppen
von Herzog Bernhard erworbenen Rechtsanspruch auf den Besitz
oder Älitbcsitz des Schlösschens sich beziehen dürfte, da sonst
doch wohl der Herzog Bernhard nicht verschenken konnte, was
einem Anderen gehörte).
Mittheilun^en ilfs Kriefrs-Archivs. N. F. I. II. unil III. Bnnd 1R87 — 18S9
• Der Fflilzuc am OIwr-Hhein und die Ilelagerang von Breiaaeh.“ (Wetzer.)
*) Das Tapelinrli v. d. Grün’s (General-.tdjutant des Herzop« Bernhard von
WeimarX Absthrift in dem k. nnd k. Ilan.s-, Hof- und Staats-Archiv in Wien snb 235,
•siehe Mittheiluup'n des Kriegs-.4rchivs, I. Band, 1887.
18»
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276
Auf der Feste Landskruii 1638.
Die Frage löste sich indessen später einfacher, der Herzog
Bernhard behielt Schloss Landskron selber.
Die Verhandlungen um die Besitznahme auch dieser kleinen
Feste entbehren nicht der Originalität und wenn Landskron auch
keine weitere Bedeutung erlangte, so hat doch der wackere Coiu-
mandant, Lieutenant Valentin Jäckle es wohl verdient, dass seinem
Namen noch nachträglich ein kleines Ehrenplätzchen gesichert
werde.
Herr Valentin Jäckle stand nach schwedischer Quelle mit im
Ganzen 40 kaiserlichen Musketieren in der kleinen Feste. ')
Jäckle erhielt, als er zum Commandanten ernannt worden,
den Befehl; *) „Der Rüm. Kays. Maj. meines unterhabenden Regi-
ments bestellter Lieutenant Herr Valentin Jack hie in,®) soll an-
gesichts dieses mit den ihm zugeordneten IB Musketieren gerade-
wegs, doch mit guter Beobachtung auf Landskron gehen, und
daselbstcn sowohl Uber die im Schloss sich befindende, als die
mit ihm bringende Mannschaft das Commando und Disposition
haben, selbigen Posten wider den Feind handhaben und keines-
wegs übergeben, das umliegende Land aber soll er in Contribution
setzen, damit ihm und den Soldaten der gebührende Unterhalt
könnte geliefert werden. Was ich ihm aber sonsten weiter münd-
lich befehlen ihue, dem soll er fleissig nachkommen und dawider
nicht handeln, auch darob sein, dass diejenigen, welche Proviant
oder Victualien anhero liefern, nicht geplündert, sondern und vor-
nehmlich, wenn sie Pass von mir haben, frei, sicher in Handel und
Wandel gelassen werden.“
Der tapfere Lieutenant hatte im Laufe der Zeit, seit er im
ApriP) das Commando übernommen. Glück in manchen Dingen
gehabt. Seine zahlreichen Streifereien hatten dem Feinde vielen
•) V. d. Grün.
S) (iutlia, Nachlas.s Bcrnhard.-i, Vol. 10, Seite 412.
S) V. d. Grün nennt ihn Valentin .Täekel. man wird nicht fehlgehcn, wenn
mau ihn Valentin Jäckle schreibt, eine Namensforni, die heute noeh im Breispan
nicht selten ist.
■*) V. d. Grün nennt ihn riehtiper Kmlerich. Herzog Roderieh war im
SoninuT in Freibnrp i. B. veriiickt geworden, wie ein württemlrergischer Repie-
runpsheamter ans .Möiniielgard di m .tgenten Mcwkel in Uenfelden mittlieilt. (.Ambras.
.\cten. .Mai.)
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Eini‘ EiHsode aus dem drcissigjiihritren Kriese.
277
AVibruch, ilmi reiche Reute gebracht, manchmal gab es denn auch
nocli besonders guten Fang. So erzilhlt das Theatr. europ. III 974:
„.■\n mehr oftgedachtem 25. (Mai, 4. Juni G. K.) setzte sich
Herzog Julius, des verstorbenen Herzogs von Württemberg Sohn
(■welcher eine Zeitlang zu Hasel sich aufgehaltcn und ein Regiment
unter Herzog Bernhards fUrstl. Gn. Armee gehabt) darum, dass
er .sich im Kopf allerdings nicht wohl disjionicrt befand, in Basel
einmals zu Pferde und ritte ohne Jemandes Vorwissen und Gewahr-
werden, ganz allein nach dem Schloss Landskron, etwa drei Stund
Weges von Basel gelegen. Als er nun dahin kam und selbiges
ganz allein in Person aufforderte, fielen die aus der kay-
serlicben Besatzung heraus, kriegten ihn beim Kopf und führten
ihn mit sich gefangen in die Festung hinein, wosclbsten er bis
nach Kroberung gedachten Schlosses an Herzog Bernhard fürstl.
Gn., den 9. (19.) Januar 1639 beschchen, verbleiben müssen.“
Am 14. Juli konnte Lieutenant Juckle an FZM. Reinach be-
richten:*) „Der Feind hat einen Anschlag auf mich gemacht, aus
Pfäffingen mich unversehens zu überfallen, den hab’ ich aber im
Vortheil überfallen, den Lieutenant-Parteiführer, einen Fähnrich,
Sergeanten, Fourierschützen und 6 Jlusketiere gefangen, die haben
mir Ursach geben, weil Pfiiffingen so gar schlecht besetzt sei, ein
.\n schlag aut selbiges Schloss zu machen, ob ich’s unvermerkt ein-
bekommen möchte. Wie ich aber vor das Schloss gezogen, da ist der
( fberstlieutenant Ruia-) mit einem Fähnrich, Secretario und Andern
schön im Feld spaziert, die ich geschwind chargirt und Alle ge-
fangen, weil aber der Obristlieutcnant kein Quartier wollen, nieder-
ireschossen und den todten Leib mit mir auf Landskron gebracht.
Ich hätte getraut, wenn ich 100 ^lann gehabt hätte, alte diese
Schlösser sammt dem Dcls|)crger Thal wegzunehmen.“
Das Treiben der kleinen Besatzung dauerte ziemlich ungestört
oder doch wenigstens ungesehädigt fort, bis nach dem Falle von
Breisach.
Dem bei der Oapitulation dieser heldenmüthig vertheidigten
Festung abgeschlossenen Accord gemäss theilte FZM. Reinach auch
dem (.'ommandanten in Landskron die Uebergabe von Breisach,
*) .\mlini8. Act. Bi'Iutiuii Reinach, .Tnli.
*) Iler Cimimanilaiit von l’fäftlnfct'n, nadi einer Knniischaflsnachricht aat
Ba.scl vom 13. Juli. (.tmhr. Act.)
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278
Auf iler Feste Lan<1skron 1638.
sowie seine oingegangene Verpflichtung, ihn zur Räumung von
Landskron, von wo er seine Garnison nach Offenburg oder
Villingen zum kaiserlichen Heere führen sollte, anzuweiseu, noch
am 17. December mit. *) Diesen Befehl Uberbrachte der General-
Adjutant V. d. Grün, der am 19. December von Breisach nach
Neuenburg, am 20. December über Blansingen und Efringen nach
Basel abgieng, mit einer eingehenden Instruction bezüglich seines
Verhaltens gegen Landskron vom Herzog Bernhard versehen. Bei
Leimen und bei Pfäffingen (an der Birs südlich Basel auf schwei-
zerischem Boden) cantonnierten einige Compagnien Dragoner vom
Regiment Rosen; v. d. Grün sollte diese an sich ziehen und mit
ihnen vor Landskron erscheinen, um der Capitulation gemäss die
Uebergabe zu erwirken. Im Falle des Widerstandes hatte er
Befehl, „das neugeworbene Widerhold’sche Regiment zu Fuss,
welches von den Waldstädten herabzukommen Ordre hatte“
nebst den im Wiesen -Thal cantonnierenden Reiter -Regimentern
zu versammeln und Landskron damit zu blockieren. Eine Streit-
macht, die dem Vertheidiger des Schiössleins mit seinen 40 Muske-
tieren sehr zur Ehre gereicht! Nach einer Berathung v. d. Grün’s
in Basel mit dem schwedischen Commissarius Dr. Marx Immelin,
der mit dem politischen und Finanz-Agenten Herzog Bernhards,
dem „Pfennigmeister“ von Rehlingen in Basel im Seidenhof wohnte,
gieng er am 20. December Nachts mit den Rosen’schen Dragonern
vor Landskron und sandte Dienstag den 21. December die
Reinach’sche Ordre und die Aufforderung zur Uebergabe an den
Schloss-Commandanten.
Der Commandant von Landskron misstraute aber der Echt-
heit des erhaltenen Befehls. Er vermisste ein ihm von dem FZM.
von Reinach angedeutetes Geheimzeichen, welches jeden Befehl
aus Breisach legitimiren sollte. Reinach mochte im Drange dieser
Tage darauf vergessen haben ; Landskron allein zu halten, nachdem
Breisach gefallen, hätte ja auch keinen Zweck gehabt. V. cL Grün
meldete den unerwarteten Widerstand dem Herzog nach HUningen
und begann das Schloss „die folgende Nacht unten bei dem gewe-
senen Meierhof mit Approchen zu atta(|uieren“ und so eng einzu-
schliessen, „dass er nicht mehr, wie vorhin, ausfallen konnte.“
*) Gotliu, IVmhartls Nachlass, Vol. 10, Seite 412, 413, 417, 414, 415, 416-
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Eine Episode ans dem dreissifrj&hrigen Kriege.
279
Herzog Bernhard war durch die Weigerung des Landskroner
Commandanten, das Schloss zu räumen, bevor ihm Sicherheit ge-
geben sei über Reinachs Befehl, hOchlicbst entrüstet. Aus der
HUninger-Schanze überschickte er am 23. December durch v. d.
Grün dem Commandanten von Landskron die Drohung, ihn .als
einen herrenlosen Strassenräuber zu tractieren,“ wenn er seine Be-
denken nicht fallen lasse. Dem zornigen Schreiben des Herzogs
Bernhard fügte v. d. Grün von Leimen aus am 24. December
auch für seine Person ein Schreiben an Herrn Valentin Jäckle
bei, des Inhalts, *) es habe der Herzog ihm „gnädig befohlen, dass
demselben (Jäckle) nochmalen mit einem kleinen Brieflein zu ver-
stehen geben solle, dass, weil Er wider allen Krieg^brauch der
(Jrdre seines Obristen nicht parieren und sich wider alle Raison und
Billigkeit länger wehren wolle, so solle man ihn billig für keinen
Soldaten oder Officier, sondern für einen Strassenräuber und herren-
losen Mann halten, mit dieser gewissen Versicherung, wenn Er
die Artillerie, so unterwegs, erwarten und sich mit derselben atta-
quieren lassen wird, man ihm hernach keinen Accord mehr geben
oder sicher werde lassen ansziehen, sondern anstatt dessen ihn an
einen Baum henken. Wie denn Ihro fürstl. Gn. vor zwei Jahren
den Commandanten zu Blamont in Lothringen, so ein Obrist-
lieutcnant gewesen, auch ebenermassen, aus solchen Ur-
sachen, henken lassen."
Der wackere Lieutenant Valentin Jäckle hielt sich auch so
mächtigen Gegnern gegenüber in ritterlichen Ehren und ein be-
merk enswerther Gegensatz liegt im Denken und Handeln Herzog
Bemhard’s und des kaiserlichen Lieutenants auf Landskron. Ohne
langes Besinnen gab dieser durch den hereingeschickten schwe-
dischen Tambour an v. d. Grün und den Herzog mannhafte
Antwort.
Den „Strassenräuber“ „mit der Armee zu suchen“ droht der
erzürnte Fürst und in schlichter Bescheidenheit bat der beleidigte
OfKcier, man mOge ihm wenigstens gestatten, einen Tambour zu
Reinach zu senden, um sich zu vergewissern, dass die Dinge sich
so verhielten, wie man ihm sagte. Er weigerte sich nicht, das
*) V. d. OrUn.
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280
Auf der Feste Landskron 1638.
Schloss zu übergeben, wenn Keinach es wirklich befohlen und er
fürchtet kein Ilänkespiel, denn „Herr Reinach ist ein solcher Ca-
valier“, schreibt er mit ehrlichem vollem Vertrauen zu seinem
tapferen General, „wenn er etwas versprochen hat, er wird ’s auch
halten,“ doch will er selbst nicht betrogen sein von den Schweden
und „Ihro fürstl. Gn. als ein Hochverstilndiger, können bei Ihr»
selbst erachten, dass es bei einem armen Ofticier nicht steht, son-
dern ein Jeder seiner Ordre parieren muss.“
Und tief gekränkt sagt der brave Soldat weiter: „Ich bin
mein Lebentag keinem Strassenräuber hold gewesen“ und noch
am 1. Januar 1639 erklärt er dem Herzog in einem Schreiben
„der Herr als ein Cavalier wird mir nicht solches zumuthen, dass
ich dies Schloss also soll übergeben, denn cs kostet meinen Hals,
also will ich redlich sterben, als dass mir Jedermänniglich blos
Lob uachsagen sollte, der Herr komme nur wie ein Soldat, ich
will mich halten wie ein Soldat, so lang ich den Posten
inanuteniren kann.“ Dabei aber stand es schlimm im kleinen Lands-
kron, man wusste sogar schon bei den Schweden, dass die Ver-
theidiger „weil nunmehr der Schnee von den Dächern abgegangen,
kein Tropfen Wassers hatten, die Speisen damit zu kochen, will
geschweigen, das Brot damit zu backen, denn sie etliche Tage
das Brod mit Wein gebacken essen müssten.“
Dem braven Mann war eine Genugthuung eigener Art schon
gegeben. Am 28. December hatte Herzog Benihard aus Khein-
felden verfllgt „also überschicken wir ihm hiemit den zwischen
uns und gedachtem von Reinach getroffenen Accord in origi-
nali,“ eine Beweisführung, die auch dem Herzog, der sich zu
ihr herbeiliess, wie dem schlichten, pflichttreuen Lieutenant, der
sie empfieng, Ehre macht.
V. d. Grün setzte inzwischen seinen Angriff fort, cs gelang
ihm auch, eine Mine unter einen Ecktlmrin „zur rechten Hand
des Vorhofthors“ zu treiben; ein Waffenstillstand, den Lieutenant
Jäckle verlangte, um sich über das Schicksal Breisachs zu ver-
gewissern, wurde aljgcschlagen — aber Herr Valentin Jäckle kam
zu noch höheren Ehren, Herzog Bernhard war „nunmehr mit der
g.anzen Arme von Breisach und allen Orten von unten herauf im
.Vnmarschieren begriffen.“ ') Wiis nun die „Armee“ anbcl.angt, so
') V. il. Grün 269.
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Rille Episode aus dem dreissifgahriKeu Kriei;e.
281
erklärt sich die Richtigkeit dieser Angabe v. d. GrUn’s dahin,
dass Truppen derselben auf dem Marsche in die Winterquartiere
in Burgund, nach Pruntrut und St. Ursins an Landskron vorbei-
gelUhrt wurden, Ilcrzog Bernhard aber erschien am Sonntag tlen
9. Januar 1839 thatslldilich in Person vor dem Schlösschen.
Lieutenant .läckle begehrte mit dem Herzog selb.st zu sprechen.
— der 1 Icrzog Ik-rnluird verweigerte cs, liess jedoch eine Unter-
redung des Schloss-t’onuuandanten mit v. d. Ortui zu. Jäcklc über-
gab „die Ordre und das Schreiben, so der Herr FZM. Freiherr
von Ueinacli ihm hinterla-ssen und gegeben, darinnen das Zeichen
gestanden,“ an v. d. Grün und lorderte ihn auf, beides dem Herzog
Bcniluird zu zeigen, um damit zu beweisen, dass er elam ptliclit-
mässig gtdiaudelt habe, so wie es geschehen.
Die Antwort Herzog Bernhards, die er v. d. Grün auf dessen
Meldung von der Bitte des treuen Ofiiciers ertheilte, lautete nach
V. d. Grilu’s eigener Erzählung : „Wann der Kerl diese Ordre
und d.'is Z»*ieheu, auf welches er sich so steif berufen, nicht gelialit,
so wollte ich dem tichabhalsen keinen .‘\ccord eingeben oder einige
Gnwie erweisen. Damit er aber sehe, dass ich ihm begelire Gnade
zu erweisen, so gehet wieder hin und saget : dass er auf Eure
Parole alsbald ausziehen und das Schloss übergeben solle, wo es
aber nicht geschwinde geschehe, so soll er erfahren, was ich mit
ihm fUmcbmcD wolle.“
In redlicher Weise erfüllte IJeuüm.ant Jäckle seinerseits nun
die angebotenen Uebergabsbedingungen und zog am selben Tag,
den 9. Januar 1(>39, nach fast dreiwöchentlicher Belagerung „neben
4<i Masketieren mit Sack und Pack“ aus, bis Villingen eonvoyiert
durch eine (Jompngnie Putbns- Dragoner.
Die Schweden besetzten das Schiösslein, in dem sie „keinen
Tropfen Wasser“ fanden. „Dessglciclien haben wir auch den Herzog
Roiiericnm von IVUrttemlwrg, welcher daroben gefangen gelegen,
darin angetroflen und wiederum erlediget.“
Valentin Jäcklc braucht in seinem Denken und Handeln den
V'ergleicli mit dem hochberUhmten, viclbcstauntcn Fcldbcrrn, dem
.deutschen Achill“ nicht zu scheuen, er hat mit Ehren in der
bescheidenen Aufgabe bestanden, die ihm das Schicksal im Lehen
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282
Anf der Feste I>andskron 1638.
einmal zu lösen gestattete. Sein Name kehrt in den Acten nicht
wieder.
Die Episode von Landskron ist freilich kein weithinwirkendes
Ereigniss. Aber sie gibt ein Bild der wackeren Denkweise kaiser-
licher Officiere jener rauhen Zeit. Der Soldat begrUsst gern das
Andenken eines solchen braven Genossen vom Degen und wie
sein standhafter General in Breisach, so hat sich auch Herr Va-
lentin Jäckle auf Landskron anno 1638 in Wahrheit „wie ein
Soldat“ gehalten.
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AUS DEN SCHRIFTEN DES FELDMARSCHALLS
LUDWIG ANDREAS GRAFEN KHEVENHÜELLER.
( 1663 — 1744 .)
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Ijadwig Andreas Graf Khevenhüller von Aichelburg auf Fraiiken-
berg, Feldmarschall, geboren 1683 zu Linz, ist unter den aus der
Schule des Prinzen Eugen von Savoyen hervorgegangenen Generalen einer
der hervorragendsten, sowohl durch seine glänzenden Erfolge im Felde als
durch seine militärwissenschaftliclien Leistungen, die, weniger theoreti-
sierend, als die seines Grossvaters Raimund Montecuccoliund im Ganzen
eine durchaus praktische Richtung einhaltend, von dem grössten Werthe
sind für die Kenntniss und Heurtheilung der Verhältnisse und der
militärischen Ansichten zur Zeit des Beginnes des österreichischen Erb-
folgekrieges. Sie sind besonders belangreich für das Verständniss der
im österreichischen Heere jener Zeit lebenden Anschauungen und
Gewohnheiten und, soweit sie veröffentlicht wurden, auch in diesem
Sinne vielfach benützt.
Die Veröffentlichung der Khevenhüller'sehen Schriften beschränkt
sich auf wenige Werke;
„Exercitium für die Dragoner zu Pferd und zu Fuss 1726“,
später 1739 nochmals ediert als 111. Theil der
„Observationspuncte. so ich, Graf KhevenhOller, dem mir von Dero
kaiserl. Majestät Allergnädigst anvertrauten Dragoner- Regiment hier-
mit vorschreibe. Kronstadt 1729. ■“ (II. Auflage Wien 1739; III. Auf-
lage fünf Jahre nach des Feldmarschalls Tode, Wien 1749.)
„Kurzer Begriff aller militärischen Operationen, sowohl im h'eld,
als Festungen. Wien, bei Johann Paul Krauss 1738“ (II. Auflage 1741),
welches kleine Büchlein gewissennassen als Programm dient für eine
grossere Arbeit, die bis nun nicht näher bekannt geworden und Gegen-
stand der vorliegenden Publication ist.
Max Jähns erwähnt dieselbe in „Geschichte der Kriegswissen-
schalten, vornehmlich in Deutschland“, München und Leipzig 1890;
aber es ist zu bemerken, dass damit die Zahl der von Khevenhüller
herrührenden Arbeiten keineswegs als abgeschlossen angesehen
werden kann.
Die „Idee vom Kriege oder Gedanken und Meinungen über die
militärische Wissenschaft und darüber formierter Diseurs“ 1732, ein
Werk, welches als Manuscript in Abschrift im k. und k. Kriegs-Archiv
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286 Aus den ^liriflen des FM. Ludwig Andreas Grafen Khevenhttller.
erliegt,^) weist ihre zwei Bände als den XXVI. und XXVII. in einer
ManuscriptsaminluDg auf, in welcher also der Verbleib des überwiegend
grössten Theils erst festzustellen wäre. Das k. und k. Eriegs-Ärebiv besitzt
sonst nur einige Khevenhüller’sche Studien und Vorschläge. Es ist wohl
mit Sicherheit zu sagen, dass der grössere Theil der Schriften dieses
geistvollen und hervorragenden Mannes noch gar nicht gekannt ist
und vieles vielleicht sogar bereits als verloren anzusehen sei.^)
') Kriejrswissenschaftliche Memoiren, VI. Abhdlg. 1739 ad Nr. 98.
Im Kriegs-Archiv betinden sich ausser den Mannscripten imd gedruckten
Werken Khevenhüller’s noch „Militär-Ordinarien in Italien“ (VIII. Abth. Nr. 1912),
,.Reglement für die Militär- Grenze" (XXIU. Abth. Nr. 116). drei Bände „Corre-
spondenz mit dem Kaiser 1735 — 1737“ (XXVIU. Abth. Nr. 344) und eine Bruch-
stück gi'bliebene ,, Selbstbiographie" (XXtTH. Abth. Nr. 7).
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IDEE VOM KRIEGE
oder
(nlaiikeo und Meinungen über die militärischen Wissenschaften und darüber ftinuierter
DLscurs durch Ludwig Grafen khevenhüller 1731
I. BUCH.
Vorrede.
Die Begierde, etwas zu erlernen, ist dem Menschen so natürlich,
dass er wohl die meiste Zeit seines Lebens zubrächte. wo nicht die
Difficultäten die Wissenschaften zu erlangen sowohl, als die vor-
kommenden Geschäfte und andere passiones, so in unseren Lebzeiten ver-
mischt vorfallen, das obstacle der dazu gehörigen application wären, diese
aber, so die Resolution gefasst haben, ein continiiierliches Studium
auf die Militärwissenschaft zu machen, linden keinen Gusto, noch
Vergnügen, wenn sie nicht dasjenige, was sie gelesen, gehört, durch
eigene experience erfahren und durch andere prakticieren gesehen,
nicht in kurzen Begriff verfasst haben; in Betracht, dass nichts so
verschwindet, als das Gedächtniss, welches nicht allezeit das Alter und
die Krankheit uns zu abandonnieren erwartet, sondern öfters entwischt,
wenn wir zum gesundesten sind, sonderlich aber den Mann mit ver-
schiedenen Affairen überhäuft und occupiert und durch prakticierte
Leute nicht secundiert wird ; durch diese Idee von dem militari, so
ich allhier discursive vorstelle, scheint mir, dass sich das Gedächtniss,
einigermassen conserviert, wenn man solches öfters durchliest und seine
Gedanken darauf macht, habe dessentwegen dieses für meine Unter-
haltung in müssigen Friedenszeiten zusammengetragen. Ich habe zwar
schon anno 1726 eine Idee davon gehabt und ein kleines Büchlein
sub Titel „Extract und kurzer Begriff aller militärischen Operationen
sowohl im Felde und Festungen“ aus dem alten Kriegs-Scribenten
Vegetio Polybio und aphorismis Montecuccoli gezogen und auf unsere
Zeiten appropriiert geschrieben, so ich auch auf Approbation Ihrer
Excellenz Herrn Feldmarschalls Grafen Guido von Starhemberg etlich
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2H8
Aus (len Schriften des Fcliliniirschalls
wenige Exemplarien drucken lassen, darauf den Math gefasst, dieses
kurze Werk mit weitläufigerem Diseurs zu vergrössern; gleichwie
dann die militärische Wissenschaft unauslehrlich ist und die grössten
Volumina könnten beschrieben werden, so habe die Aphorismsos und
Sentenzen unserer Voreltern, als welche für Grundregeln von Jeder-
mann gehalten sind, hier beizusetzen nicht unterlassen ; theile also
dieses Volumen in zwei Bücher:
Das erste Buch handelt von Krieg und Frieden, wie auch von
den General-Regeln und Beobachtungen überhaupt. Das andere von
den Kriegs-Operationen im Felde.
Gleichwie dann der alte General-Lieutenant Fürst Montecuccoli
in seinen Manuscriptis pro fundamento des Kriegswesens einige General-
Regeln uns gibt, also fange dieses Buch mit selben an ; als :
Capitel I : Vom Frieden und Krieg.
„ II: Mit Gott alles anfangeu.
, III: Mit Vertrauten und Erfahrenen sich berathschlageu.
, IV: Das Commando Demjenigen, so genügsame Fähigkeit
besitzt und guten Willens ist, zu vertrauen.
, V : Erkenntniss des Landes.
„ VI: Die gute Gelegenheit nicht versäumen, oder aus
Händen lassen.
„ VII: Sich im t'ommando nicht confundieren.
, VIII: Bei dem Unglück sich nicht verlieren.
„ IX : Gute Disciplin und Manneszucht unter den Truppen
zu halten.
X : Vorsichtigkeit. Schleunigkeit, gute Anstalten und
wohl überlegter Entschluss.
, XI: Observationes die .\rmee betreffend.
„ XII: Observationes, wenn man das feindliche Land, so
man betritt, erhalten will und in incontrario,
so man es nur zu devastieren sucht.
Das andere Buch handelt von den Kriegs-Operationen im Felde,
so bestehen :
Capitel 1 : Vom Marschieren.
, II: Märsche im Gebirge.
, III: Märsche zu retirieren und die retrogarde zu
attaijuleren.
, IV : Passage eines Flusses und Morastes.
, V : Die Passage eines Flusses zu verhindern.
, VI: Logieren und C.anipieren.
, VII : Verschanztes Lager, dessen Angriff und Gegenwehr.
, VHI: Verschanztes Lager in dem Geidrge. dessen Atta'iue
und üefeus oQ.
. IX: Armee hinter der Linie.
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Ludwig Andreas Grafen Klievenhüllcr.
289
Capitel X; Fliegende Armee oder detachiertes Corpo.
, XI: Vom Convoyen.
, XII: Vom Fouragieren.
, XHl: Von Partlieien.
. XIV: Armeen, Lager und Oerter zu überfallen.
„ XV : Von der Schlacht.
„ XVI: Observationes die Belagerten betreffend.
„ XVII: Die Belagerer betreffend.
, XVIII: Von Berennung oder Umgebung einer Stadt.
, XIX: Von der Capitulation.
„ XX: Von der Rebellion eines Landes oder meutenierten
Truppen.
ttitUieiluiigea des k. und k. Kriegs-Archive. Neue Folge. VII.
19
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290
Ans den }?<hril'teu des Feldtimmhalls
Capitel I.
Vom Frieden \ind Krieg.
§ 1 . Gleichwie mein Vorhaben dahier nicht ist, als ein Reclits-
gelehrier oder Theologus von der Gerecht- oder Ungerechtigkeit eines
Krieges zu tractieren, weder auch ob und wenn Friede zu machen,
oder zu brechen. Bündnisse einzugehen, oder aber neutral zu bleiben
und zu keinem der kriegenden Theilen sich zu schlagen sei. zu unter-
suchen, sondern mein einziges Absehen dahin zielt, von dem Mili-
tärischen eine Idee zu geben, also hat auch ein Soldat um obiges sich
gar nicht zu besorgen, sonilern ein solches seinem Landesfürsten, der
sich hierinfalls mit den Theologis und seinen Staats - Rathen guten
Rath einzuholen wissen wird, lediglich anheimzustellen; (Tibi summuiu
rerum Judicium Dii dederc, nobis obserjuii gloria relicta est.) (.Miles
haec tria curare debet, corpus ul quam validissimum habeat, arnia
apta, animum ad subita imperia paratum, cetera düs immortalibus et
Imperatori esse curae) *) will doch superficialiter von Frieden und
Krieg einige Meldung ihun: Es ist der Friede eine der grössten
Wohlthaten, so einem Land zukommen kann. (Tale bonum est bonum
pacis. ut rebus creatis nihil gratiosius soleat aiidiri, nihil delectabiliiis
concupisci, nihil utilius possideri pax est publica tranquillitas et
tramiuilla libertas)^) und ein solch' zeitliches Geschenk und Erkennt-
lichkeit, so Gott den seine heiligen Gesetze Beob.achtenden zuschicken
thul. (Dabo pacem in finibus vestris, dorinietis et non erit qui exter-
reat)^) Denn gleich wie man pflegt zu sagen, dass bei Kriegszeiten
der Trompetenschall, hingegen bei Friedenszeiten der Hahnen Geschrei
die Menschen aus ihrer süssen Ruhe aufweekt, also ist auch der Kiieg
*) Dir hallen die (iiilter die Iterrseliaft pegelien, uns ist die Ehre des tie-
horsaines jrehliehen.
Der ^tldd.•lt muss folgende dnd Dinge im Anpe halicn: den Köiqier, damit
die.ser so kriittie als miiirlieh sei. tanplielie Watleu. einen zur .•Vu.sführuiifr Jeil-
wedeii Hefeliles liereiti’H (ieist; fürs fehritre miir.'en (iott und der Feldherr soriren.
>>) Der Friede ist ein sidehes llnt, dass man unter den erschaffenen Dimren
nichts so frerne hört; nichts ist la’jrehrenswerther. nichts zu besitzen nützlicher.
Der Friisle ist die ülVentliehe Ifiilie und die ruhige Freiheit.
^1 Ich werde euerem (iidiiete den Frieden schenken; ihr werdet sehlalen
null es wird uiemaml gehen der euch aul'sehreeket.
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Ijiiclwip Andreas (rrafen Khevenhiiller.
291
einer allgemeinen Krankheit und Contagion, der Friede aber dem
überall blühenden Gesundheitsstand zu vergleichen, raassen die bei
Friedenszeiten auch krank Darniederfallenden wiederum aufkommen,
im Gegentiieil aber die bei jenen die Gesundheit geniessenden zu
Grunde gehen, ja sogar wird der Lauf der Natur gänzlich umgekehrt,
in Betracht, dass die alten, so bei Friedenszeit von jungen Leuten
überlebt werden, diese im Kriege unter die Erde bringen, was aber
das mehriste ist, so ist man ja in Kriegszeiten hinter seinen eigenen
Mauern nicht sicher, anstatt, dass sonst die aussersten Grenzen der
Länder einer vollkommenen Sicherheit sich erfreuen.
Ein Landesfürst macht sich grosse Verdienste und einen unsterb-
lichen Ruhm, wenn er seine Vornehmungen zur allgemeinen Wohlfahrt
seiner ihm mit Lehenspflichten zugethaiien getreuesten Unterthanen
und den ihnen von Gott verliehenen lieben Frieden zu handhaben
weiss, dann durch den edlen F'rieden werden Reiche und Herrschaften
in den glückseligsten gesegnetesten Stand gesetzt (fecit pacem super
terram, et sedit unusquisque sub vite sua et sub ficulnea sua), gleich-
wohl kann ihm, dem Landesfürsten, nicht vorgeworfen werden, als
wenn ihm einige Furcht vor den Waffen beiwohnte (pacem debet
habere voluntas, bellum necessitas) (si pace frui volumus. gerendum
est bellum, si bellum omittamus, pace nunquam fruemur, pacem
contemnentes et gloriam appetentes, pacem perdunt et gloriani)
(pax una innumeris triumphis j)otior) *) massen die bei ihm erscheinende
Vorziehung des allgemeinen Besten demselben umso grösseren Ruhm
zueignet. (Sanctius hoc, quam quod a fusione sanguinis et gladia-
toriis spectaculis initium ducit, et quod iis solum gratum, qui mortem
sitiunt hominuni et sanguine fundendo assuescunt, quasi in niilitiam
vocati, non ad consulendam pacem, sed ad carniticinain et lanienam.)®)
So wenig nun in Abrede zu stellen, dass der Friede eine lirunnquelle
sei, woraus dem Volk alle zeitlichen Güter durch die florierende
Handelsschaft und dabei gewinnende viele Reichthümer, wie auch
Beobachtung der Gesetze häutig ahfiiessen thun, so gewiss ist auch,
dass der wüthende Mars dem Lande unendliche Uebel verursache ;
zumalen die fruchtbarsten Aecker unbebauet bleiben, durch den
Schrecken der Waffen die Inwohner aus ihren Häusern, Feldern und
') Er schuf Frieden auf der Erde. Ein Jeder sitzt unter seinem Weiiisloeke,
unter seinem Feigenbaum.
Den Frieden verlangt di‘r freie Wille, den Krieg die Nothwendigkeit.
Wenn wir uns iles Frieilens erfreuen wollen, müs.sen wir Krieg fuhren;
wenn wir dem Kriege ausweiclien, werden wir nie den Frieden geniessen. Die-
jenigen. welche den Frierlen gering schätzen und dis h nach Itiihm stn l>en. verlieren
den Frieden und den Uuhm. Ein Friede ist besser als zaiillosi- Triumphe.
’l Dieses ist heiliger als das, was aus Blutvergiessen und ans den Feehter-
spielen seinen l'rsprung ableitet und was nur .lenen angtuiehm ist. welche nach
dem Tod von Menschen dürsten um! auf das Blutvergiessen gewöhnt sind ; als ob
sic zum Kriegsdienste berufen wäien. nicht um den Frieden herbeiznfnhren. son-
dern zum Morden und zum .‘'ehlaehten.
19 *
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292
Alis den .Schriften des Feldmarschalls
Gütern vertrieben und durch die Werbung der Soldaten die Zahl des
Volkes augenscheinlich vermindert werde ; zu geschweigen, dass, wenn
auch der Landsass bei Haus bleibt, er seine Arbeit doch aus Mangel
des Viehes nicht fortsetzen kann; überdies wird auch der Unterthan
durch die erpressenden contributiones in seinem Vermögen völlig
erschöpft. Die betrübende Erfahrung legt auch allzu klar an den Tag,
dass die Gesetze, wo nicht gar umgeworfen, so doch völlig zum Still-
schweigen gebracht, mithin die heilsame Gerechtigkeit dergestalt unter-
drückt werde, dass anstatt derselben die Gott- und Ruchlosigkeit,
sowie alle anderen ungeheuersten und gräulichsten Laster einreissen
thun, daher ganz wohl gesagt ist. dass der Krieg der allerunglück-
lichste und verderbliche Zustand sei, dessen Heschwerlichkeit von allen
Menschen verabscheuet wird, indem dadurch das Band der mensch-
lichen Gesellschaft zeriissen. Recht und Gerechtigkeit aufgehoben und
liand und Leute verheeret und verwüstet werden, (Bella docent homines
peccare metumque Deoruin excutiunt, poenas internaque tarfara ridentl *)
daher wird von dem Landesfürsten unumgänglich erfordert, sich nicht
leichtsinniger Weise in einen Krieg einzulassen; die Waffen sind leicht
ergriffen und Königreiche und Provinzen mit Vergiessung viel unschul-
digen Menschenlilutes in Desolation gesetzt: aber der Ausschlag des
Krieges ist misslich und wenn einmal der Degen gezogen, muss man
erst Zeit, Glück und Gelegenheit erwarten, ehe man mit Ehren sich
wieder herausziehen und zu einer Vereinigung gelangen kann. (Omne
bellum sumi facile, cetorum aegerrimi dcsincre) (ni in eiusdem potes-
tate initium eins et tinem esse: incipere cuivis etiam ignavo licere,
deponi, cum victores velint.) Wesswegen die darunten einfiiessenden
Hindernisse und Begebenheiten reiflich zu überlegen und zu ponde-
rieren sind. Gott sagt selbst: inqiiire pacem, dissipa gentes, quae
bella volunt^l woraus zwar zu schlicssen, dass Gott einen Krieg, so
in der Gerechtigkeit besteht gestattet (qui cum potest, belli semina
non extinguit rursus se in anceps ipsorum periculum revocat).
(Sint belli causae nec leves, nec dubiae. ncc antiquae);*) allein wenn
der Krieg ungerecht ist, so stehen nicht allein obberührte Hebel,
sondern auch die unausbleibliche Strafe Gottes zu befahren (eventus
belli velut acquus judex, uude jus stabat ei victoriam dedit) (non
t) Die Kriege lehren die 5Ieu.<eheii sündigen, rauben ihnen die tscheii vor
den (lüttem null verhöhnen die Strafen des Tartums.
ä) .leder Krieg ist leicht zu beginnen, aber sehr schwer zu la-enden : an.sser
es liegt der Anlaiig und das Enile desselben in der Macht einer Person; ihn !«■-
ginm-n, steht jedeiii Feigling zu. beendet kann er mir wenlen, wenn cs die Sieger
widlen.
•t) .'(trelie den Frieileu an. versprenge die Leute, welche den Krieg wollen.
■) Wer alR-r, wenn er kann, den Keim des Krieges nicht veraiehtet, Imscliwört
gegen sieh die iiop]»elte (iefahr desselben herauf.
liie t'rsachen des Kriege-s .sollen weder leichtfertig, noch zweifelhaft, noih
veraltet sein.
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I.mlwig AuJreas Grafen Khevenhüller. 293
vis aut numcrus. tandein bona rausa triumphat). ' ; Ein nocli viel
unglürkseligeres Schicksal ist aber ein Krieg zwischen christlichen
Potentaten, angesehen eines ungerechten Krieges diese betrübten
Folgen sind, dass niimlich das Land im contribuieren sich unwillig
und Niemand zum Itienen i-ust zeigt, indem das Volk sieht, dass der
Landesfürst nur um seine Uuhmsüchtigkeit, Ehrgeiz und Uebermuth
zu ersättigen, ihr flnt und Blut verschwenden und auf die Schlacht-
bank stellen will ; bleibt also ein für allemal dabei, dass der Krieg
seine gerechte Ursache haben müsse (omnia tempus hahont, tempus
belli et tempus pacis.)'*) Nun sind derer, so einem ungerechten
Kriege eine andere Farbe zu geben wissen, unendlich viele, derer .sich
die Landesfürsten und ihre Staats-Uathe bei allen Gelegenheiten und
nach Erheischiing ihrer politischen Kniffe bedienen, welches mich ver-
anlasst, in einem kurzen, jedoch eigentlichen Begriffe die Ursachen
eines ungerechten Krieges zur Belehrung der dem Kriegsleben ergebenen
dahier mit wenigem eintiiessen zu lassen. Wovon aber die erstereu
auf folgenden zwei Hauptursacheii gegründet sind, niimlich auf den
(ieiz oder die Begierde, überflüssigen liciclithuni zu erwerben und auf
den Ehrgeiz, oder das Verlangen seine Herrsdiaft in fremde Länder
auszubreiten und einen grossen Ruhm durch Eroberung ilerselbeu zu
gewinnen. Weil aber die erstere, nämlich der Geiz, als ein sicheres
Merkmal eines niedrigen Gemüthes angesehen wird, so gibt mau sich
grosse Mühe, solchen zu verhehlen ; auf den Ehrgeiz aber thun viele
so eitle Einbildungen setzen, dass sie ihren Kriegsrauth als ein Kenn-
zeichen eines grossen Gemüthes und heldischer Tapferkeit vor der
Welt gehalten haben wollen (Bellum nnllum per se est optandum.
sed pacis tantum causa suscipiendum).*) Es ist auch die reine Wahr-
heit. dass die Waffen zu keinem anderen Ziel und Ende erfunden
worden, als dass man sich derselben nur dahin bedienen solle, liauiit
dadurch, als ein Instrument die göttlichen und weltlichen Gesetze
aufrecht erhalten, ein jeder sich vor feindlichen Einfällen fremder
Nationen schützen kunne, das Volk l>ei seinen Pflichten und Gehorsam
gegen seine Vorgesetzte Obrigkeit (im Fall dasselbe aus seiner natnr-
lichen Unbeständigkeit und Liebe zu Neuigkeiten sich der Belierrschiing
seines rechtmässigen Landesförsten entziehen und einem anderen seiner
Einbildung nach süsseren Joch sich unterwerfen wolltcj, gehalten,
mithin Unscliuld und Tugend, wenn sie etwa durch ungerechte und
tyrannische Macht unterdrückt werden möchten, vertheidigt werde:
(suscipienda sunt bella ob eam causam, ut siue injuria in pace viva-
*) Is.r .Vustrimir des Krii-ces irati. einem geret iitt n Iticliter irteicli, deiiiieuijren
den Sifir, liei dem das Itei lit war. Xiclit die Macht wler die Zaiil. snndern die
irnte Saehe Triuinidiietl.
-) .Mies lut sdtie Zeit; die Zeit znm Krictre. die Zeit zum Krieden.
.Man wdl nie einen Kriri; des Krieires willen, 'stmierii nur des Friedens
wej.-.-n Is'ijiiinen.
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294
Aus den Schriften des Feldmarsehalts
mus) ') indessen ist ein IJefensiv- Krieg, so mit seinen Umständen die
Nothwehr vereinigt, allezeit gerecht. (Illud est non modo justuni; sed
etiam ncccssarium. cum vis illata defenditur)’) (animadverti equidem
ad arma nos provocari, cum vel decepti, vel coacti, vel aliqua re
privat! simus.)^) Dergestalt, dass, wenn ein solcher, defensive gehender
Landesfürst, durch seine gerechten Waffen einiges Land einnimnit. er
solches zur Schadloshaltung der zur Führung solcher Kriege
verwendeten Unkosten, wozu ihn sein Feind mit Gewalt ge-
zwungen, mit Fug thuii möge (e megliore consiglio portar la
guerra a casa del nemico per lontanissima che ella sia. che
lasciarlo venire alla sua) (la vera diffesa degli stati e
de regni consiste couimunemente nell’ ofifesa fatta nella propria casa
al nemico. *) Auch wenn ein Landesfürst augenscheinlich sieht, dass
ein anderer Potentat, um desselben Land unrechtmässiger Weise an
sich zu ziehen, sich »um Kriege rüstet und jener über diese gegen
ihn führende Absicht vernünftiger Weise vergewissert ist, oder aber
selben über seinen heimlichen und listigen Unternehmungen erwischt,
so h it er gewiss das grösste Recht, diesen mit allen Kräften, ehe und
bevor man ihm ins Land einfallen thut, zuvorzukommen (neqne
divitiarnm certa possessio est. nisi armornm dofensione servetur '’).
Welchem ungeachtet, man solchen Krieg von seiten des Zuvorkommen-
den einen defensiven nennen mag, angesehen er solchen nicht ein-
gegangen wäre, wenn man ihn nicht zur Verhinderung der Vorthcile.
so der Feind über ihn mit Zeitlassung sich zu bewaffnen, Aufruhr zu
erwecken, ja gar des .Anderen sonst aller Hilfe entblössten Lande zu
verwüsten würde gehabt haben, gezwungen hätte (vilissimo crescit
audacia. si se timeri sentiat. Zu geschweigen. dass ein Krieg, welcher
um sich gegen seinen Feind vorzuschen und gegen eine, dem Ansehen
nach nur von weitem androhende Gefahr, deren Bedrohungen aber
früher oder später zu ihrer Wirkung gelangen sollen, angefangen
wird, unumgänglich nöthig, einfolglich ganz gerecht sei; er ist aber
auch nicht gerechter, als nothwendig, denn dessen Gerecht- und Noth-
■) Kriese sollen nur zn dem Zwecke anirefansen werden, damit wir ohne
Sehimjif im Frieden leben kennen.
I)as allein ist nicht nnr peivcht. sondern aneh nothwendip. wenn die an-
pethane (iewalt ahpewehrt wird.
ä) .Merke aber, dass wir znm Kriepe heraiispefonlerl werden, wenn man uns
iM'tropen, pezuainpmi, oder irpend einer .'-aehe iH-raubt hat.
■*) Ks ist ein Iwsseres .Ausknnftsinittel, den Kriep in lies Feindes Hans zn
Inipeii, so entfernt dieses aneh sein map, als ihn in sein eipenes kommen lassen.
Hie riehtipe Ve rt h e i d i punp der .''tauten und lieiche besteht i in
allpemeinen darin, dass man den Feind in seinem eipenen Hanse
a n p r e i ft.
*) IVr Ih'silz der Iteielitliüiner ist nur dann pesiehert. wenn man .sie mit
den Watten zn vertheidipen weiss.
“I Ks steipert sieh die Kühnheit des Feip.sten, wenn er merkt, dass man
ihn fürchtet.
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I.iidwiK AnilreaH Grafen Khevenhliller.
295
Wendigkeit ist nicht allein auf die gegenwärtige Aufreehthaltung eines
Landes, sondern auch auf das kflnftig Vorsehende gegründet, angesehen
<lurch Abwendung eines üebels verhütet wird, dass man sich nicht in
ein viel grösseres stürze. Nicht weniger ist auch erlaubt, gegen eine
Macht, deren lirhebung uns schädlich sein könnte, die Waffen zu er-
greifen, niassen die anwachsende Erhöhung eines benachbarten Königs
hiezu genügsame Ursache gibt, indem die Freiheit ein Schatz ist.
den die göttlichen sowohl, als weltlichen Rechte in solchem Werth zu
halten erlauben, dass schon die Furcht, dessen bcianbl zu werden,
da'äjenige, was man zu seiner Erhaltung vorkehret, nicht allein ausser
aller Verantwortung setzt, sondern man sich auch vor Gott selbst
solche bei nicht geschehener Firgreifung der Waffen über den Hals
ziehen würde (nemo celerius opprimitur, quam qui nihil timet et
frc<iiientisBimiim est initium calamilatis seenritas.) (Sine mefu esse et
confidere foederibus. nec recipere alios socios, infirmitas est contra
jiotentiores et hostes metu liberal.') Gleicher Gestalt ist der zur
Vertheidigung des Glaubens, wie auch seiner Bundesgenossen (in
Betracht die einmal einander versprochene Treue heilig gehalten werden
niuss^ und zur Bcschützung der Unterdrückten unternommene Krieg
gerecht und löblich (usque ad mortem certa j>ro Justitia,-) welches
auch zur Bestrafung der Bösen zu verstehen ist (conterrebam moles
impii et de dentibus illius auferam.^) Die von einem Potentaten dem
anderen zugefügte Beleidigung thut den Krieg gleichfalls rechtfertigen
(qui vim illatam non propulsat iieque vindicat, veterem ferendo injuriam
iuvitat novain, *) denn durch die Erduldung würde der Beleidigte seinem
Feind Anlass geben, seine Verwegenheit zu verdoppeln (qui non re-
pellit a socio injuriam. si potest, tarn est in vitio, quam ille. qui
tacit. •’’) Allein er ist gehalten, sich nicht allzusehr vorzuw.agen. dass
er sein Land, um Satisfaction zu haben, in Gefahr stelle, oder gar
verliere (licet quandoque arma movere, sed non semper expedit; armi
sono leggicre a pigliarle. e pesanti al niancggiarle, ®) und wenn auch
der Beleidigte im Stand ist, eine solche zu fordern, so muss er selbe
ehe und bevor er zu den Waffen greifet, durch Billigkeit und Recht,
•) Derjenige winl am leichtesten Is-siegt, der nichts flirchtet, und der
hantigste .Anfang des rnglUckes ist das Sicherheitsgeflihl. Ohne Fnreht letien und
den IlUndnissen vertrauen ohne andere Huiidesgenossen aufzunehnien . liedetilcl
Ohumaelit .Mächtigeren gegenüber und befreit die Feinde von der Fnreht.
*) Bis zum Tisle kämpfe für die Gere<'htigkcit.
*) .Ich erschreckte die Kriegsschaaren des (Jettlosen lind seinen Zähnen
werde ich die Heute entreissen.“
Wer die erlittene Gewalt nicht zurückweist, auch nicht rächt, setzt sich,
indem er die alte l'nhill erträgt, einer neuen aus.
*) Wer von seinem Buudesgi'nossen das l'nn'cht nicht abwendet, wenn er
es vermag, begeht elienso einen Frevel, als Derjenige, welcher es zufUgt,
‘) Es i.st manchmal gestattet, zu den AVaffeu zu greifen; aller es gereicht
nicht immer zum Vortheil. Die Watfeii sind leicht, wenn man sie ergreift, aber
sediwer, wenn man sie handhabt.
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296
An« den Schriften des Feldmarschalls
wenn es thunlich, suchen (omnia prius experiri verbis, quam armis
sapientem decet. Satins enim est hostium animos conciliare, quam aleam
subire proelii, *) sonst aber kann er sagen : Appono tibi aquam et
ignem ; ad quod volueris, porrige manum tuara. *) Bekommt er dann
eine abschlägige Antwort, so mag er seinem Beleidiger den Krieg ver-
künden. (Bellum annuntiatum et praesens ^). fort mit gotem Grund,
dass er in Hoffnung erhaltender göttlicher Gunst für seine gerechte
Sache zu den Waffen seine Zuflucht zu nehmen gezwungen worden,
sich entschuldigen, mittlerzeit aber, als er die gebührende Ersetzung
begehrt, sich billig in Kriegsrüstung stellen (nemo provocare audet.
aut facere injuriam ei regno, aut populo, quem intellegit expeditum
!vtque promptuin .ad vindictam. ♦) Es thut zwar der Trompelenschall
mehr als die Beredsamkeit der Botschafter answirken.
(Sub clypeo melius succedit pacis negotiam) ’’) daher muss er sich
wohl in Acht nehmen, sich durch leere Hoffnungen und listige Ver-
sprechungen nicht lang hinzichen und also seinen Mitwerbern nnd
Gegnern Zeit lassen, ihre Macht und Kräfte zu vereinigen, sondern
eine friedliche Satisfaction und kategorische Antwort mit erfolgendem
-Ausgang der Sachen zugleich begehren, oder aber die Waffen gleich
zu Hilfe ziehen, (solet Deus virtntem impertire non illis, qui injuriaruni
sunt antores, sed iis, qui se contra injustam invasionem defenduntl.*)
Bei mancelnden Kräften aber ist sich an den folgenden Spruch zu
halten ; (frustra minas inteiidis, si timeri non credis, potius praeoernpa
contemptum minaruin dissimulatione). ") Ehe nnd bevor aber ein Krieg
unternommen wird, muss selber mach Art und wie gehörig, angesast
werden, (Indictio belli est necessarin, ipsa enim huinanitatis ratio
suadet. ut creditor prius debitorem admoneat et interpellet. quam
ipsum ad Judicium vocet, et dicam illi scribat), **) damit dadurch einem
Jeden kundgemacht werde, dass der Krieg nicht ein privater .Angriff,
sondern ein mit des Landes Einwilligung vornehmendes Unterfangen
sei. In vorigen Zeiten geschah solche Kriegs-Declaration durch die
•) Es ziemt dem Wei.«en, alle.« l'riilier mit Worten zu versuchen, als mit
WaB'eu. Es i.«t be.sser, die Herzen der Feinde zu versöhnen, ohne sich den Launen
des Kriep’s zu unterwerfen.
tt) Ich reiche Dir Wasser und Feuer; strer'ke Deine Hand ans, wumaeh
Du willst.
Ein aurresagter nnil thatsaehlieher Krieg,
•) \iemand wagt ein Keieh heraiiszufordeni isler demselben rnreeht znzu-
lugen, von dem er weiss, dass es zur -Abwehr gerüstet und Irereit ist.
*) Viiter ilem Hi hihle ist leichter ülwr den Frieden zu unterhandeln.
*) Gott stattete mit Tapferkeit nicht .lene ans, welche L'rhelrer von I’nbildeu
sind, sondern .lene, welche <len ungerechten Angriff abwehren.
’) Umsonst wären Dc-ine Drohungcoi. wenn Du glaubst, nicht gefiirehtet zu
werden; begegne liels-r der G!eieligiltigki*it gegen Deine Drohnngen durch .Ableug-
nung derscdbeii.
“) Die Erklanuig des Krieges ist nothweudig nnd selbst die men.sehlic he
A'emunft rath sie, sowie dass der tiläubiger den .stehuldner mahne nnd auffonlere,
iH'vor er ihn vor's Geriehl belangt und ihn förmlich verklagt.
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Ludwig Andreas (inifen Kliovenhiiller.
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Herolde, bei jetzijien aber durch öffentliche sogenannte schriftliche
Manifeste, welche die Ursachen, warum man die Ersetzung des uns
vorgebendermassen zugefügten Unrechts begehrt, oder warum des
einen oder des anderen Thciles formierende Anforderungen nicht recht-
lich gegründet, in sich begreifen. Ks ist zunialen nicht ohne, dass
dergleichen mit blosser Wohlredcnheit angefüllte Schriften zuweilen
also ausgekünstelt gewesen seien, dass deren Antores nur auf die
Ueberredung, ohne rechtliche Hehauptung der Sachen abzielten, alle
Geschicklichkeit und Arglist der Redekunst oder Rethorica, mithin
alle aus selber gesuchte Ausflüchte, um die chinni rische Gerechtigkeit
des Hauptwesens desto besser herauszustreichen, vorgebracht, mithin
sich nur die Mühe gegeben haben, die Gerechtigkeit der Sachen vor
der Welt zu probieren ; was das gute Gewisseti aber anbelangt, ihr
wenigster Kummer war; (Milila bonam militiam, retinens fidem et
bonam conscientiam), M da es ist Solchen die leichtsinnige Sittenlehre
imprimiert, dass der Private das Soinige zu beschützen schuldig sei;
hingegen den Fürsten obliege, fremde Länder zu erobern und die
Monarchie universelle zu acijuirieren ; sie sagen sogar, es sei kein
Königreich und keine Republik, die nicht das wirklich Besitzende
Anderen widerrechtlich entzogen haben, mithin diejenigen, so aus ihren)
ruhigen Besitz herausgesetzt werden sollen, nicht mehr Recht, als ihre
üeberwinder daran gehabt haben, die VerjShrnng, sie habe, so lange
als sie will, continuiert, mache nichts zur Sache, man sei allezeit
befugt, einen Jeden aus dem widerrechtlich acquirierten Besitze wieder
herau.szusetzen, angesehen nichts mit Recht besessen werde. Allein
auf solchem Fuss wären alle Kriege gerecht, die Länder thäten einem
so wenig, als dem andern zugehören, sondern müssten iJenijcnigen.
so der Mächtigste und Muthigste ist, unter sein Joch fallen: es wäre
ja viel besser, dass sie ohne alle hervorsuehende .Ausflüchte rund
herausgestehen würden, dass sie keine andere Gerechtigkeitsregel
haben, als ihre eigene Begierde nach fremiien Gütern, ihren Ehrgeiz
und liie von Eroberung der König- und anderer Reiche zum Veiderhen
des menschlichen Geschlechtes abhängige Ruhmsucht. Solche sollten
auf ihren Standarten und Fahnen auch keine .andere Devise führen,
als diese: Domini est terra, (jui potest capere, capiat. “) Ist dann
wohl in den alten und heutigen Historien ein Friede oder Stillstand
der Waffen, oder andere Verhindnisse erfindlich, so durch einige
contrahierende Potcnlaten selbst früher oder später nicht übertreten
worden wäre? Weder guter Glaube, noch die so feierlich geschworenen
Eide werden von Manchen zu Herzen genommen, sondern wenn sie
eine Unterhandlung eingehen, zielen sie gemeinschaftlich nur dahin,
damit einer den änderen hinter das Licht führen möge und kann
Dieiu* al.H braver Soblat. !h*wahre Tmu* uiul pub’f« OewiMseii.
-) I)ie Erde pehört dem Herrn; wer sieb ihrer beimiehtipeii kann, thue es.
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298
Ans den Schriften des Feldmarschalls
folgendes Sprichwort hiebei wohl appliciert werden ; qui s'endort sur
la foi d'un traite, s'eveille dupe, *) angesehen unler diesen \'erhand-
lungen öfters die Funken eines viel grösseren Kriegsfeuers verbergen
liegen, indem dergleichen nur zum Schein tractiercnde Friedensschlüsse
auf nichts anderes als Athemschöpfung, Abwartuiig besserer Zeiten
und favorabler Conjuncfuien gerichtet sind, denn die Arglist der-
jenigen, mit welchen man tractieret, ist so beschaffen, dass sie allezeit
was hinterhalfen, so ihnen hcrnfichst auch bei Unterzeichnung des
Friedens zum promeditierenden Kriege zur Ursache dient; also das
die beste Zeit zum Friedenmachen sei, wenn die beiden Theile von
gleicher Macht sind und alsdann ihre hierunter versierenden ver-
schiedenen Interessen in gerechtem Masse gegeneiiiandergehalten und
verglichen werden, welchem nüchst die Vereinigung auf festerem Grund
gebaut wird. Uebrigens fhut die Uebertrelung feierlich und mit
Eideskraft bestätigter Zusagen dem Landesfürsten einen grossen
Schandfleck anhflngcn, massen solche gleichsam ein Schlagbauin ist.
so ohne Unehre nicht überschritten werden mag. Diesem jedoch
unerachlet wissen solche ihre Ehre vor aller Verletzung in Sicherheit
zu setzen und gibt es mit Heihilfe der Wohlredenheit genügsame
Mittel, sein Gerechtsam vor Augen zu stellen; das Deste ist aber,
Treue und Glauben, wenn er auch vom Feinde nicht gehalten wird,
in gutes .Anseben zu bringen und aufrecht zu halten, massen ohne
dieses der Krieg sowohl auf barbarische Weise geführt wiid, als auch
alle Verträge und Vergleiche von keiner Dauer sind; die barbarischen
Völker erkennen und gestehen selbst, dass gegen diejenigen, so Treue
und Glauben als die Grundfe.sten des menschlichen Wesens brechen,
die unausbleibliche Strafe Gottes verhSngt sei (qni foedus violat.
divinam adversus sc iram provocat).^) Bei der Welt aber wird ein
Betrüger, er habe denn auch die aufrichtigste Wahrheit hiern.'ichst
für sich, weder Glauben, noch Freunde und Bundesgenossen, ja keinen
Menschen haben, so sich mit ihm in einige Sache einlassen wird,
massen der von ihm gegen andere ehedem verübte Betrug diese
abschrecken machen. Wenn aber Jem.and die seinem Feinde gegebene
Parole haltet, so werden die Freunde auf ihn umso leichter ihr Ver-
trauen setzen. (Sincero cordi, sincera tides.) In Betracht, dass obwohl
der Feind das Versprechen nicht heilig haltet, man jedoch mit dieser
Entschuldigung nicht hetvorrücken darf. (Qiiomodo fecit mihi, sic
faciani ei, frangenti fidem, fides frangatur eidem),*) allermassen
diese Maxime in ihrer breiteren Bedeutung falsch ist; denn wenn zum
Exempel bei einer Capitulution der Feind die Besatzung zurückhaltet,
*) Wer im ViTtnuicn ,inf einen Vertrag eiinseldäft, erwacht lietrogen.
-) Wer ein <felölniis.s liricbt, der fordert den göttlichen Zorn gegen sich
herans.
*) So wie er mir timt, so wenle ich ihm tlmn. Demjenigen der die Treue
bricht, soll sidhst die Treue gehroehen werden.
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Liulwip Aniinras Grafon Kheveiihüller.
299
so kann man zwar bei dergiciohen Begebenheiten ebendasselbe thun,
auch sonsten in anderen Fällen sieh der erlaubten Repressalien oder
Gegenrechte bedienen, allein man muss gleichwohl seine Parole, gleich
der Feind gethan, nicht zurückzichen. Leber die.ses ist eben .so wenig
erlaubt, den eigenen Betrug unter einem sophistischen Vorwände, um
selbigen seinem Gefallen nach au.szulegen, zu verhehlen, indem die
Hintergehung mit einer Kriegslist oder Stratageniate keine Gemein-
schaft bat. ( Ilosti quacilnque ratione fiere potest inconimodandum, vim
inferendo. praedando insidiis. stratagemate gra.ssando. non tarnen
perfidia et tide data violata). ’) Hat man sich aber zu einer nicht
geziemenden Sache verleiten lassen, so ist man nicht schuldig, solche
zur Execution zu stellen; (in malis promissis rescinde fidem, in turpi
voto muta decretum, quodincaute voluisti, ne facias, impia eimn esl
promissio. quae seelere adimplctur) (nihil faciendum iniuste, aut
patiendum tnrpiler, ut pace frui valeamus). Gleichwie nun aus
einem langwierigen Frieden erfolgt, dass die Kriegsvölker nicht allein
die Fatiguen, sondern auch ihre Herzhaftigkeit und Disciplin vergessen
(pro tironibus accipiendi sunt, qui pugnam longo tempore desierunt),**)
also gibt es auch einige, so kriegsbegierige Nationen unter ihrer Bot-
mässigkeit habende Potentaten, dass sie sich durch langwähreiide
F’riedenszeit einheimische Kriege, Aufruhr und Empörungen in ihren
eigenen Ländern zuziehen (11 popolo di sua natura k ardito in pace,
e timido in guerra, ed ha per pailre il furore, e per madre l instabilitä); *)
zu geschweigen, dass wenn ein Landesfürst seine Truppen von Zeit
zu Zeit die Waffen nicht exercieien lässt, mithin sie in ihrer Kriegs-
Erfahrenheit nicht erhaltet, seine Nachbarn ihm leicht den Krieg
ankündigen werden, so aber sonst nicht geschehen wäre. (Si pace frui
volumus, bellum gerendum est, si bellum omittimus. pace nunquam
fruemur) (mai_ non si deve talmente fidare dclla pace, che di.smetta
l'armi, perciochö la pace disarmata diventa debole).*) Obwohl nun gegen
die ungetreuen ünterthanen Krieg zu führen ein Landesfürst genugsam
') l>em Feinde darf auf allerlei Art Ablinich geschehen; durch Gewaltlhiitig-
keit. Beraulmng. Hinterhalte, Kriegslist, Ikuteziigc, aber iiiclit dureli Treulosigkeit
und Vertragsbruch.
•) Wenn l)ii Böses versprochen hast, da gelle von Deinem Versiirechen ab;
lici schändliclicm Vorhaben ändere Deinen Entschluss; was Du Dir nnklngcrwei.se
Tiimahnist, das thiie nicht; denn ein Versprechen, welclies durch .Mis.sethat erfüllt
winl, i.st gottlos.
.Man darf nichts lingercchtes thiin und nichts ticlimähliches dulden, damit
wir uns des Friedens erfreuen können.
’) Wer .seit langer Zeit keine Kriegsdienste verrichtet hat, ist als Rccnit
anznsehen.
Von Natur ans ist das Volk kühn im Frieden und fnrclitsam im Kriege;
hat zum Vater die Käserei und zur Mutter die rnhiständigkeit.
‘) Wenn wir Frieden genie.sscn wollen, müssen wir Krieg führen; wenn wir
unterlassen Krieg zu rühren, werden wir uns nie des Frieilens erfreuen.
Nie darf man auf den Friislen so viel vertrauen, dass man die Waflen ai>-
legt; weil der nuhewaflnete Friede hinfällig wird.
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300
Aus <ien Schriften iles Felilmarsehalls
befugt ist, (contra eos, qui ad parcndum nati sunt, nec volunt parere,
natura id btdlurn iustuni est) (cui licentia iniquitatiseripitur. utiliter
vincitur) (nisi enim aliis nos iniparemiis, nobis periciilum est.
opprimi ab aliis(’) sonst auch gegen die Ungläubigen die
Waffen ergriffen werden können (cave. ne unquam cum habitatoribus
illius jungas amicitias, sed aras eorum destrue. confringe statuas,
lucosque succide; dissipate aras eorum et confiingite statuas. lucos
icne comburite et idola comminuite ; disperdite noinina eorum de locis
illis; ne facias cum eis paceni, nec quaeras eis bona cunctis diebns
vitae tuae in sempitermim, -) so muss man sich doch in einen gar
zu gefährlich aussehenden Krieg nicht einlassen (hoc ct naliira prius
est, tua cum dcfenderis, aliena ire oppugnatum,®) massen bei ab-
nehmenden Kräften ein anderer ehrgeiziger, kriegslustiger und m.’lchtigcr
Potentat den besten Vortheil davonlragen dürfte. Zumal kann aber
Derjenige, dessen Land nicht gar volkreich, keinen Krieg anfangen ;
nun aber dasjenige Kriegsheer, so er auf den P'üssen hat, bei seiner
Kriegserfahrenheit zu erhalten, soll er solches vielmehr anderen Piiissanccn
in Löhnung geben, angesehen hierunter eine grosse Staatsklugheit des
Landesfürsten versiert, welcher seine Truppen nicht allein in fremde
Puissaucendienste gibt, sondern auch den übrigen Unterthanen die
Freilieit lässt, zu denselben in Militär -Dienste einzutreten, indem diese
sich mittlerzeit im militari üben und qualiticiereii, der Landesfürst
aber bei der Zurücknehmung sich ihrer bedienen kann. Der Zweifel,
so ein Laudesfürst an seinen Unterthanen Treue hegt, soll ihm ein
billiges Bedenken verursachen, einen Krieg anzufangon (ad cxlraneos
hostes irruinpcntes et inundantes, qnantumvis illi sint fortes et .strenui,
debellandos ac expellendos nihil est efficacius, quam tolius regionis
muluus inter se consensus, et subiata ex indigenarum animis suspicioiie
proditionis vires conjunctae et urbes et cxercilus in idem conspirantos, ■*)
‘I töfren .lene, welche zum (iehonhen gelM)reii sind und nicht pchurclicn
widicn, ist dieser Krieg, selhslverstnn<llicli, gerecht.
Wem die Möglichkeit Iwnommen wird, ungerecht zu sein, der wird zu Nutz
und Frommen Is-siegt.
Wenn wir uns nicht der .\ndcren Ismiiiehtigen, so laufen wir tiefahr, von
.\nderii unterdrückt zu wcnicn.
’) ,.'<ehliesse mit den Ih'widinem desseliH n keine Freundseliaft ; solidem zer-
■störe ihre Altiire. zerhrieh ilie Itildsanlen und falle ihre heiligen Haine.“
(Traget ihre .\ltare ah. zcrlireehet die Hihtsänlen, verlireiinet die heiligen
Haine uinl zertnimiiierl die (fötzinhilder.l
Kntfernet ihm Namen von jenen Orten.
lUi sollst nicht mit ihnen Frieden sehliessen und Hieli um ilire (iiiter
kümmern : dess achte in allen Tagen Heines Leliens in Kwigkeit.“
Has geht aneli von Natur an.s voniii. dass man eis! dann, wenn man
die eigene Hahe lie.si’hiitzl hat. znm .tngrilf auf die fremde sehreilet.
■*) Zur iU-katnjifmig und Veiireihnng eines auswärtigen, in das l.and eiu-
dringenden und (lasselfie iiherseliwenimeiideu Feindes, mag deisM-IIs- amdi ma-h so
lapler lind tüchtig sein, ist nichts wirksamer, als die Kiiimiithigkeil der gesammten
Ih vidkermig. die Ih'seitigiing jeden Venlaehles einer Verrütherei ans dem Sinne
der Itewohner. die Vereinigung aller Kräfte lind die I.'ela'iviiistimmnng zwischen
Bürger und Heer.
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Ludwig Andn'as (!rafen KhevenluUler.
301
imi aber zu befördern, damit das Land zu den zum Kriege erforder-
lichen Unkosten willig beitrage, muss dem Volke, wenn derselbe de-
fensiv geht, vorgestellt werden, dass die Waffen aus keinem anderen
Absehen ergriffen werden, als um ihm sein Hab und Gut, Leben und
Ehre der Eamilien, und die Krone ihres rechtmassigen Königs, welcher
sie als seine Kinder, der Beherrscher aber als Feinde ansehen wird,
zu conservieren, wozu selbes um soviel leichter zu bewegen sein wird,
als es begierig ist, den Feind aus dem allenfalls schon eingenommenen
Theile des Landes wieder hinaus zu treiben. Geht aber der Krieg
offensiv, so müssen die Lamieskräfte und wie leicht die Armee be-
stehen könne, die Ungleichheit der Feindeskräfte und schwachen Waffen,
den Krieg zu prosequieren, mithin der gute Ausschlag, den man sich
in weniger Zeit gegen den Feind promittiert, herausgestrichen werden.
Wenn diesemnächst das Volk weiter überredet wird, wie viele Vortheile
anscheinen, in des Feindes LSnder einzudringen, so wird selbes nicht
allein willig zum Kriege contribuieren, sondern auch noch viele unter
dem Vorwände der Liebe gegen das Vaterland und Begierde machen-
der Beute in des Feindes Länder die Waffen gegen selben zu des
Landesfürsten Diensten ergreifen (la guerra piü si mantiene con Ic
richezze publiche, che con le sforzate contribuzioni, perche gli nomini
piü volontieri servono nella guerra con le proprie persone loro. che
col denaro;*) besonders aber, wenn ihnen die Ungerechtigkeiten, übles
Tractament und Schaden, mithin der von dem Feinde gegen die Religion
verübte Schimpf vorgestellt wird (ante oculos habentes contnnieliain.
quae loco sancto ab bis injuste esset illata, itemque et Itidibrio habitae
civitatis injuriam, adhuc eliam veterum instituta convulso.) “) Wäre es
aber ein die Religion touchicrender Krieg, .so müsste man sich bemühen,
den Papst und die ganze Geistlichkeit auf seine Seite zu bringen,
mithin, falls solches durch die Ueberredung nicht von statten gehen
wollte, die Arglist zu Hilfe nehmen. (Principi grandi non debbon ri-
cercar la pace; i meno potenti, perche ciö facendo verrebbono a dichia-
rarsi o deboli o pusilanimi, il ehe da poi materia a sudditi mal-
contenti del loro imperio di solevarsi o agli altri principi d'assaltarli.
Einem Benachbarten, so durch die Blutsverwandschaft, Freundschaft
oder Lage des Landes natürlicher Weise von mächtigeren Potentaten
Hilfe erhalten kann, geziemt es sich nicht, den Krieg anzukündigen.
*) M.nn bestreitet den Krieg leichter mit einem n-ichen 8taat.'<seh!itze. als
mit Zwangs -rontributionen. weil die Leute im Kriege lieber mit ihivr eigenen
Person dienen, als mit ihrem Gelde.
Sie hatten den Schimpf \a»r .Augen, welcher von .Teneii dem Heiligthume
frevelhaft zugefiigt, wie auch die rnbill, dass die Stadt dem Spmtte preisgegeben
wurde, die Kiuriehtiingen der Vorfahren umgestossen.
*) Die grossen Fürsten dürfen nicht den Frieden sueheii; die weniger mäch-
tigen, weil sie. wenn sie es thäten, sieh entweder tiir sehwaeh mier für timditsam
aiisgel>en würden ; was daun den unzufriedenen ünterthanen ihri's Reiehes .Anlass
gilit, sieh zu erlielieu, oder andern Fürsten, sie anziigreifen.
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Alls den Sclirifleii dos Feldniursolialls
(bellum inchoanti veteres socictates renovandae, novae conciliandae, ')
weder auch einer anderen, mehr als die unserige bellicosen Nation,
(non litiges cum potente, ne forte incidas in manus illius. Viel
weniger aber einer solchen, so wegen ihres elenden Zustandes von
dem ihrigen nichts zu verlieren hat, wir hingegen in dem unserigon
merklichen Verlust erleiden könnten ; allermassen der Ausschlag der
Waffen keine andere Sicherheit als die Unbestündigkeit des Glückes
vor sich hat, hingegen man aber vier Theile des Seinigen, um eines
zu gewinnen, in Gefahr stellen würde.
§ 2. Kommt es an die Frage, ob ein Land besser thut, sich
in der Neutralität zu halten, oder aber gegen eine Partei sich zu de-
claricren, so sage ich, dass derjenige, so sich neutral hallet, öfters
sich flattieret, dass die kriegführenden Theile ans Furcht, dass er
sich nicht etwa zu einer Seite wende, alles Menagement und Con-
sideration für ihn haben werden, bildet sich auch fest ein, dass alles
Gold und Silber von beiden Armeen durch den Verkauf allerhand
nöthiger Lebensmittel in das Land gleichsam zufliessen wird, müssen
aber ilas Contrarium mit der Zeit erfahren, massen keiner von den
kriegführenden Theilen solchen zulassen wird, eine Kriegsmacht auf
den Keinen zu halten, indem keiner niemals versichert wäre, ob er
sich zu erfolgender Zeit zu der victoriosen Seite schlagen könnte und
mit selber sich vereinigen. Ist demnach die unausbleibliche Folge,
•lass zumalen ihrerseits nichts zu besorgen ist, man ohne Discrclion
das Land marodieret und foiiragieret; alles was man nöthig hat.
hinwpgnimmt, ja sogar contributiones als ein leihendes Geld erpresst,
ihre Schlosser, so man eines zur eigenen Uefension bedarf, occupiert,
diese chimärischen Einbildungen der Willkür, Dehutsamkeit, Hoch-
achtung und der Furcht verschwinden alsdann; anbei den kriegführen-
den Theilen wohlwissend ist, dass des Sanftmut lies, Verschonung und
Ansehens sich nicht zu allen Zeiten zu bedienen, sondern einigemal
mit dergleichen Ländern in der Schärfe zu verfahren nöthig sei, da
sie solche sonst verachten und ihnen den Kücken kehren würden,
zumalen wenn man mit ihnen glinijitlirh umgeht, sie sich cinbilden.
dass solches, wenn man vor ihnen keine Furcht trüge, nicht geschähe.
Leber dieses sind die Neutralen dem Uebel auch noch unterworfen,
dass, da die Campagne kaum eröffnet, sie von beiden Theilen insultiert
werden, massen sie sich durch die Neutralität alle zwei zu Feinden,
keinen aber zum Freunde machen, .'vnstatt, dass sie durch eifrige An-
nehmung einer Partei sich Feind- und Freundschaft zuziehen. Es ist
aber auch bei besagter Neutralität alle .Mühe umsonst, die Wage also
*) licijciiipe. di r einen Kriejr ticj:innt, muss die alten Ilündnis.si; erneuern
und iicnc anli.ihncn.
.S| reite nicht mit dein Maelitipen, damit Du miiglicherwvi.-e nicht in seine
(iewalt lallst.
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Lii<lwi(? AndrcaN Grafen Khevenhiillcr.
303
in ihrem gleichen Gewichte, dass sie von einer Seite nicht mehr als
<Ier anderen herabhängeii sollte, zu hallen, angesehen Niemand was
davon glaubt, sondern sogar beide kriegführende Theile den Neutralen
für einen öffentlichen Feind ansehen werden.
Capitel 11.
Mit Gott alles anfangen.
§ 3. Gleichwie aller Segen. Heil und Glück und alles Gute von
Gott dem Allmächtigen seinen Ursprung und wir ihm desshnlb nicht
allein für die bereits empfangenen Gutthaten täglich zu danken, ver-
möge der Gesetze der Natur verbunden, sondern um künftig ver-
langenden Segen die göttliche Allmacht durch ein Heissiges Gebet
anzurufen schuldig sind, also hat der P’eldherr selbst darin mit gutem
Excmpel vorzugehen (oratio, si fidelis illa et humilis et fervens fuerit,
nubes coeluinque penetrans vacua non redit si causa orandi cum
oratione ipsa respondeat, deus enim unius pii Voce flectitur, cum
mille cohortium manu non trahuntur). *) Die unerschrockensten Ge-
müther thun sich über den vom Himmel augenscheinlich erhaltenden
Sieg, besonders, wenn die Gefahr die menschlichen Mittel weit über-
steigt, nicht schämen ; gleichwie öfters geschehen, dass ein so
mächtiges Kriegsheer ganze Länder überschwemmt und mit überlegener
Stärke alles in die Sclaverei gebracht hätte, wo nicht Gott seine
Allmacht hätte verspüren lassen und augenscheinlich die Feinde ver-
blendet; (neque multitudo, neque rabur in bello victoria causa est,
sed Iteus) (non in multitudine exercitus victoria belli, sed de Coelo
fortitudo git) (Si deus pro uobis, quis contra nus?)*) allein es ist
nicht genug, dass der Feldherr den Höchsten anriife. ohne zum Werke
selbst zu schreiten, denn sofern er nicht das Seinige dazu thut und
zugleich Hand angelegt wird, thut er sich gegen den Himmel, wo die
Saumseligen nicht angehört werden, umsonst wenden (non ignavia
magna imperia continentur, sed armorum viroruiiuiue faciendum est
certamen);^) denn gleichwie nicht billig, dass der seinen Sachen lediglich
') Wenn das (ieliet tO'utierzig, deinüthig und inl>ninslig ist, die Widkeii und
den Himmel dun hdringend, so wird i-s iiielit verpels'ns sein, wufeme die Verau-
lassung zum Gel»ete mit dem Geis te iils'ndnstimmt ; denn Gott winl diireli das
Gebet eines einzigen Frommen gnädig gestimmt, während er sieh diin h eine Sehaar
von lOtSI Cidiorteii nieht erbitten lässt.
(Statt .trahuntur“ i.st oH'enbar .trahitnr“ zu lesen.)
tl) Weder die .Menge noeh die .''tärlie sind im Kriege die l'rsaeheii des
Sieges, sondern Gott. Nieht auf der Gro.s,se des Heen-s, sondern auf dem Himmel
beruhe .die Tapferkeit,
Wenn Gott mit nns. wer ist wider uns?
tt) Ni^dit durch Thatenlosigkeit werden grosse Reiche aulreeht erhalten,
sondeni durth den Wett.stn it der Walten und Männer.
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304
Aus dun Suliril'tuii des Fuldimirschnlls
Zuschniieiule zu seinem Endzwecke gelange, also ist auch nicht recht,
dass ein seinen Feind nicht Erwartender, demselben herzhaft unter
die Augen Gehender, den Sieg davon trage; mit einem Wort, es kommt
Keinem eine gebratene Taube in s Maul geflogen, (inqual si coglia
partito di guerra devono concorrere tre cose, giudiziu opera, e for-
tnna.) *) Obwohl nun vorbesagtermassen der Sieg durch Gottes Hilfe
erhalten werden muss (belli justi initia a Dei invocalione facienda,
nec aliud quidquam majoris inomenti. aut periculi in bello, vcl pace
ante invocatum Dei nomen est ä principe vel duce tentandum), (Deus
in auxilium justa petentibus semper adessa solet), -) so muss doch ein
commandierender General, uiu Gott auf seiner Seite zu haben, die
erforderliche Kriegserfahreiiheit besitzen, niassen ein Unerfahrener und
Ungeschickter bei vorkomraenden schweren Unternehmungen, es müsste
sich denn wunderbar zutragen, gewiss keine grossen Thaten verrichten
wird, mithin allezeit eher als ein anderer zu grossen Operationen
fertiger General, obwohl er sonst mehr als dieser seine .Augen gegen
Himmel wendet, vom Feinde geschlagen werden und ihm gewiss kein
unverdienter Lohn zukommen, (non votis mulieribus auxilia Deoiuin
parantur, vigilando, agendo, bene consultando prospere omnia cadunt)
(ubi socordia te tradideris, nequiequam Deos implores),^l denn sobald
dieser einen groben Fehler begeht, jener aber dadurch einen Vortheil
gewinnt, so wird der erstere den Himmel um Mitleid anrufen, der
letztere aber Gott zu Ehren öffentliche Dankfeste anstellen. (Orare
victoriam belli, arnia vibransl (petebat victoriam et palmain hastam
tenens).^) Gleichwie nun auch der Allmilcbtige die grossen esqua-
drons gegen kleine mit nicht mehr Hilfe als kleine Armeen gegen
grosse begleitet, also kommt es hauptsächlich auf einen vernünftigen,
wachsamen und uiiverdros.senen General an. um in allen seinen Unter-
nehmungen einen glücklichen Ausschlag zu gewinnen (ignava vola ab
ignavis non recipit) (stultitia est sedendo aut votis debellari credere
posse. armari copias oportet),“) zu welchem Ende er vornehmlieh um
gute Einrichtung des Kriegswesens sieh zu besorgen fForma belli
■) In jeder Kriegslage sind dnd Dinge iiotliweiidig: Klugheit, Tliätigkeit
und (ilüek.
-) H«'i einem gi'nihten Kriege mus.s di'r .Anfang mit .Anrufung (lüttes ge-
macht wenleii und nie darf der Fürst mier der Fiddherr, sei es im Krii’p’ oder
im Frieden etwas Wichtigeres «siet (lefährliehi'S iinli'niehmen, ohni' Gottes Namen
früher angerufen zu halsui.
Glitt pttegl den um Gerechtes llitteiiden immer zu Hilfe zu kommen.
^) Niehl mit weihisidieni IW-ten erwirbt man den Beistand der Götter; liei
Wachsamkeit. Thatigkeit und guter lelierlegiing fallt alles günstig aus.
Wenn Du Dich der Sorglosigkeit überlassen hast, wirst Ibi die Götter um-
sonst anrufen.
Ib-te um den Sieg im Kriege, indem Du die Wallen schwingst.
Kr bat nni die Sieges|>alme. die I.anze haltend.
*) Kr nimmt die einfältigen GelsAe der Feigen nicht an. Ks ist eine Thor-
heil. zu glaulK'ii. dass man den Krieg sitzend oder mit GelHleu zu Ende führen
könne; mau imi.ss Kriegshi-ere ausrüsten.
Ludwig Andreas Grafen Khcvenhüller.
305
consistit in legitima eins susceptione, prudenti administratione, ^aluiari
confectione : legitiina susceptio consistet in preoibns ad Deuiu arden-
tibus, in rebus et hominibus ad bellum necessariis coniparandis, et
in belli denuntiatione)*) und wenn er ein geschickter Mann ist. auf
Erden kein Glück, als von sich selbst und seinen guten Dispositionen
gn erwarten und zu hoffen, (Judicium hoc omnium mortalinm cst,
forlunam a Deo petendam, a so ipso sumendam esse Sapientiam), -)
oder aber, wenn ihm Erfahrenheit und Capacität abgehen, sich guten
Rath bei anderen Wohlerfahrenen einzuholen hat; das Glück ist die
einzige chimärische Göttin, welche, noch von der lleidenzeit bei uns
gleichsam in Ehren gehalten wird, da nicht allein alle Autores und
sogar die Prediger in ihren Reden und Hüchern von <lerselben Meldung
thun, alle Menschen auf dieser Welt ihre Gewalt erkennen und fürchten,
sondern auch gar die eine B.itaille verlierenden Generalspersonen zu
dieser Göttin als einer Trösterin ihre Zuflucht nehmen, die siegenden
aber (weil sie nicht allzu eingezogen und treuherzig sind, auch solche
Modestie nicht haben) derselben die Ehre des erhaltenen Sieges nicht
zuschreiben, sondern ihrer eigenen Habilität allein zumessen. Es wird
aber den ersteren, da sie sich über das Glück beklagen wollen, dass
vermöge vorgekehrtcr aller möglichen Mittel der Sieg (ini Falle sie
von der Göttin Fortuna in ihren Operationen nicht wären verfolgt
worden) ihnen hätte bleiben müssen, von rechten und erleuchteten
Kennern dieses in Abrede gestellt (ut quisque fortuna utitur. ita
praecellit atque exinde sapere cum omnes dicimus)®) und die erlittene
Niederlage nicht dem an sich nichts heissenden Glück erdichteten
Wort, sondern ihrer eigenen üblen .•tnführung, Vorsicht igkeitsmangel
und Incapacität, mithin all dem, was nur unvernünftige und ungeschickte
Generalspersonen vorbilden kann, zugeworfen werden (fortes fortuna
juvat) lla vittoria d'una guerra consiste ne buoni consigli, e nun
nella temeritä della fortuna, la quäle non si vuol mefcolare mai con
la sapienza). Was in vorigen Zeiten die Heiden bei ihrem Sachen-
Wohlstand sowohl, als bei den unglückseligsten Zufällen, nämlich nach
erhaltenem ansehnlichem Sieg oder erlittener totaler Niederlage vor-
genommen, solches thut man heutigen Tag s gleichfalls und wird ihnen
in Haltung der .Andachten nichts nachgegeben (ortoque sole, priusi|uam
■) Diu Korin de.s Kricgc.s besteht im ge.setzlicheii .Anfang, in der klugen
Knhning und glücklichen Becndignng dessellien. Der gesetzliche .Anfang be.steht in
inbrünstigen Gchetcn zu Gott, in Heschattnug der zuin Kriege ertordcrlichcn Dinge
lind Mensilicu mnl in der Kriegserklärung.
*) .Alle flterhlichen sind der Aleinung, dass man das Glück von Gott erbitten,
die AVeisheit alwr sich seihst entnehmen müsse.
*) Wie .leder das Glück benützt, sulchen Erfolg erzielt er und wir alle nennen
ihn weise,
A) Das Glück Is'günstigt die Tapferen.
Der .''icg im Kriege geht aus guten Massnahmen hervor und nicht aus der
A’erwegenheit des Glücke.s, welche sich der Klugheit nie bcizugesellcu ptiegl.
Mittheihingen des k. und k. Kiiegs-Archivs, Neue t'oltre. Vll 2tl
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306
Ans den Sehriften des Keldmarsehalls
admoverat exercitum, opem Deum exposcens sacrum patrio more facie-
bant), *) welches bei allen in der ganzen Welt erdenklichen Religionen
die Wahrheit vor Augen legt, müssen die Heiden ihre Götzen bei
glücklichen Zufallen nicht mehr, denn bei unglücklichen verehrten,
sondern die Deberwundenen verdoppelten vielmehr ihre Opfer und
suchten das feisteste Vieh dazu, um ihre vermeintlichen Götter auf
ihre Seite zu bringen ; gleichwie man die AltSre der Ueberwinder vou
dem zur Erkenntlichkeit Dargebrachten ebenfalls rauchen sah. Itie
heidnischen Pfaft'en, deren Anzahl zu jenen Zeiten nicht geringer als
zu diesen war, hatten niemals grössere Einnahmen von Geld und
Üpfergaben, als wenn Trübsal unii Widerwärtigkeit überhandnahmen,
wobei sie den diese Gaben Wringenden Dank sagten und sich, während
die ganze Nation und die Städte in Betrübniss, KIcinrauth und Furcht
vor Zunehmung des L’nglficks und folgenden grösseren Uebelsfänden
versunken war, in ihrem Herzen erfreuten, weil sie bei den erbärm-
lichsten sowohl, als bei glücklichen Zeiten ihren Geiz zu ersfiltigen
und sich zu bereichern genügsame Mittel hatten. Hei den üblen
Zeiten nahm das Volk am meisten zu göttlichem Beistand
seine Zuflucht, welches mit allen möglichen Bereitschaften und Zu-
rüstungen zur Andacht in allgemeinen Trübsalen, vornehmlich aber
bei obschwehendem merkwürdigem Ausgang einer Sache, von der Aller
Heil und Ehre dependierte, zu geschehen pflegte ; hei erfolgten
gewünschten Begebenheiten aber ist insgeitiein der Eifer dazu nicht
ebenso gross und gehen wir in diese der Alten Fussstapfen gänzlich
ein ; man hütet sich auch, hierinfalls Tadelswerthes zu suchen, niasseu
wir nicht weniger Lob als sie verdienen wollen, (nec quidquam sine
divina ope est agendum. nihil rite, nihil prudenter auspicarc posse
hominera sine Dei immortalis ope consilio et honore), Um aber wieder
auf das Vorige zu kommen, so bleibt es dabei, dass der Allmächtige
jederzeit die Ta|iferen und Vernünftigen mit seiner Hilfe begleite, der
Furchtsamen und Ignoranten Devotion aber vergeblich sei. Jedoch muss
man glauben, dass alle Siege vermög' folgenden Spruches göttliche
Geschenke sein: Gott scherzt mit ihren Vorsichtigkeiten, hintertreiht
ihre Hoffnung und Furcht, lässt die von der ganzen Welt erwarteten
Zufälle verschwinden und die dem Ansehen unmöglichsten .Absichten
ihren Endzweck erreichen, (Nullius est felix conatus et utile
unquam ennsilium, si non detque juvetque Deus, tune juvat ille
anteiii, cum mens sit consua recti, mandati officii munera jussa facit,
et simul anxilium praesenti 4 numine Christi poscit et exspectat non
dubitante fide) (nolile timere, nec paveatis hanc multitudinem. non
D t’nil mich Siimicnaufgang. lH*vur das Heer verrückte, verrichteten sic. die
Hilfe (inttea ertlchend, nach Hclpranch der Vater ihr (ieliet.
*1 Nichts scdl ohne giittliehe Hille vorgenoimnen werden, da der Mensch
nichts richtig, nichts klug imteniehmcn kann, ohne des nnstcrldicheii (iottes Itei-
stand. Itathschln.ss und Ehir.
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Ludwig Andreas Grafen Khevenhüller. 307
est enim vestra pugna, sed Dei). *) Die abergläubigen Andächtigen des
römischen Kriegs-Heeres (massen das Heidenthum die seinigen, wie
jetzt anstatt derer unsere Geistlichen sind, hatte und vielleicht waren
die, um die Wahrsagungen zu untersuchen, solcher Armee folgenden
Priester dergleichen, wie unsere Geistlichen bei der Armee sind) thun
das Unglück eines Generalen am wenigsten seiner üblen Anführung
zuschreiben, sondern ihre Vorbedeutniss aus dem Donner, lilitz,
Donnerstreich, Adlern und sonst abnehmen. Man könnte wohl sagen,
dass viele das Te Deum singen, jedoch in keiner anderen Meinung,
.als um dem Höchsten zu danken, dass die grosse Macht des P'eindes
ihnen nicht auf den Leib gefallen, oder sie verfolgt, dass sie sich bei
so gefährlichem Aussehen retirieren können und nur mit Verlust der
Wahlstatt, einiger Todten und Blessierten davon kommen. Man muss
bei währender Schlacht und sonstigen Kriegs-Vorfallenheiten die Hilfe
Gottes anrufen und seine göttliche Majestät als den Gott der Kriegs-
Heere erkennen (nequaquam his artibus fidendum esse, neque felicem
exitum, et spem victoriae in equis et armis, in liominiim virtute et in-
dastria collacandam) (Excrcitinm regem adeundum esse et consulenduni ;
ab eins nutu pendere suuessuin armorum, adeoqne eius opem et
auxilium implorandum.) Gleichwie nun der commandierende General
Gott vor Augen halten solle, also müssen auch die Uebrigen
seinem Beispiel nach, ihre Gedanken mit demselben P'leiss und Eifer,
als wodurch man mehreres, als von der menschlichen Macht,
guten Succes und den Sieg zu verhoffen hat, gegen den Himmel
hinwenden ; (bella quippe et bellatorcs ars quidem et disciplina
dirigit, sed pietas roborat, fortunat Deus) (ostende, quoniam non
derelinquis praesumentes de te, et praesumentes de se, et de sua
virtute gloriantes humilias), *) damit der Höchste ihnen die über-
natürliche Tapferkeit eingebe, (Benedictus Dominus Deus mens, qui
>) N'iemandea Hcginneii ist glücklich iiml nie ein Entschluss nützlich, wenn
Glitt ihn nicht cingibt und nicht hilft; er hilft aber dmin. wenn das Gewissen
sich des Hechtes lH'Wu.sst ist. wenn man die Befehle der Imstelltcn Obrigkeit voll-
zieht und zugleich die Hilfe von dem sichtbaren Walten Christi mit unwandel-
barem Vertrauen erbittet und erwartet. Furchtet Euch nicht, erschrecket auch nicht
vor dieser Menge; denn nicht ihr hallt zu kiirnjifen, sondern Gott.
. . . Nie dürfe man sieh auf diese Kunstgriffe verlassen und ebensowenig
den glücklichen Ausgang und die llott'nung auf den Sieg auf die Pferde, die Waffen
und die Tapferkeit und den Eifer der Menschen setzen.
,l)as Heer müsse sich an den König wenden und seinen Willen einhnlen.
Von seinem Winke hänge der Waffenerfolg ab; daher sei seine Hilfe und sein Bei-
stand anzunifen.“
*) Freilich leitet die Kunst und sicher auch ilie Mannszucht die Kriege und
die Krieger; aber die Frömmigkeit stärkt sie und Gott gibt ihnen Glück.
-Zeige, dass Du .lene nicht verlässt, welche Dich Allem vorziehen und da.ss
Du Diejenigen demüthigst, welche von sich selbst und von ihren Vorzügen cin-
genonunen sind.“
L'O*
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308
Ans den Schriften des Feldmarschalls
dooet manus meas ad praeliuni, et digitos nieos ad bellum), hingegen
aber von denselben alle Furcht und Kleinmuth, worin Gott sie zu
ihrer grösseren Bestrafung kann fallen lassen, gnädig abwende. (Dabo
pavorem in eordibus corum, in regionibus hostium tcrrebit eos
sonitus folii volantis, et ita fugient quasi gladium, e:\dent nullo
persequente) (nullus vobis restistere poterit, unus e vobis persequetur
mille viros, quia Dominus Deus vester pro vobus ipse pagnabit)
(Semper eiit felix venerans gens numina Divum) (fugit impius neniine
persequente, justus autem, quasi leo, confidens absqiie terrore eril). -I
Capitel III.
Mit Vertrauten und Erfahrenen sich berathschlagen.
§ 4. So höchst erforderlich es nun obbesagtermassen ist, dass
ein commandiereuder General nebst besitzender Kriegs-Experienz
seinen höchsten Gott, besonders wo es die Zeit und Gelegenheiten
dosiderieren, vor Augen halte, so nöthig ist einem jeden auch vor
allen anderen Sachen zu wissen, ob er durch die ihm von Gott
gegebenen Talente und Gaben der Natur zu diesem viel auf sich
habenden Handwerk eigentlich gevridmet und vouiert seien, anerwogen
dass, wenn Jemand auch mit den grössten und vortrefflichsten Talentis
begabt, sich selbst aber nicht kennen thut, solche gar fruchtlos und
unnütz, ja auch ihm und dem Publico zuweilen schädlich sind. Nun
ist zwar nichts in der Welt so allgemein, als dass die vornehmsten
Siibjecta und mit herrlichen Tugenden sammt besonderen Eigen-
schaften zur Regierung des gemeinen Wesens begabten Struitsleute sich
zu solcher, von ihnen selbst hegenden Praesumption und guten Meinung
allgemach verleiten lassen, dass sie sich zu Allem fähig glauben,
mithin vermeinen, dass sie Alles entreprenieren können und nach dem
sich selbst vorgebildeten guten Succes .Alles gelien müsse und niemals
fallen könne; allein sie merken nicht eher, dass sie ihre zwar grosse,
jedoch mit Mass und Ziel eingeschränkte Sphaeram übertreten und in
andere, ihnen gelährliche Departements einschauen, bis sic sich
endlich vergangen und ihre verübten Fehler, so ihnen die Hügel
'( „Oi'priesen sei der Herr, mein (tott, der meine Hände zum K.nupfe niid
meine Finger zum Kriege anleitet.“
’) ,leh werde ihre llerzi'n mit Furcht erlUllen, im llereiehe der Feinde wird
sic das Itau.sehen eines lliegen<len Wattes ersehreeken. sie werden davor, wie vor
dem Sehwerte Hiehen; sie werden lälh-n. ohne das,s jemand sie verfolgt.“
Niemand wini eneh widerstehen kiinnen; Kiner von euch wini lOtXt M.tnn
verfulgi ii, weil tiott euer Herr seihst für euch käni|ifen wini.
Das A'itlk. wehdies die tlehote iler (iotter ehrt, wird immer gliieklich .«ein.
iK-r (ioltlo.^e riieht, ohne dass ihn Jemand verfolgt; der tteivchte aber, wini gleii-h-
.sam wie ein l.öwe vertrauensvoll und fiei von Furcht sein.
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Lmlnig Auilrea» (inifeii Klivveiiliullfr.
309
stutzen und sie sich selbst erkennen lehren, mit Händen greifen.
Indessen müssen grosse Fürsten und Herren, die auf sie ihr Vertrauen
setzen, sowie auch ganze Länder hierunter leiden ; denn gleichwie
Gott jedwedem Menschen besondere Kräfte und Tnlenta (jedoch einem
vor dein anderen mehrere oder wenigere) zugeeignet, also soll er sich
auch nach deren besonderen Eigenschaften richten, mithin nicht ausser
seinen Schranken gehen ; es gibt ja die Erfahrung selbst, dass man
Diejenigen, so mit allen zur Formierung eines vollkommenen Staats-
Ministri nur immer erforderlichen Qualitäten und Überfliessender
Staatsklugheit geziert sind, wenn es auf das Kriegswesen ankommt,
nicht mehr für denselben Mann, sondern schier für einen Ignoranten
ansehen und erkennen möge. (Considero, nos nasci qnidem admodum
similes, sed differentes invicem, singulosque ad singula opera
promptos natura produci). ') Die in ihrem Cabinet gemachten Anschläge
sind wunderbar, die Ausrichtung aber, wenn solche Frojets zur
Execution gestellt werden sollen, desto erbärmlicher, sie vergessen
ihre gefassten Entschlösse und das blosse Ansehen des Werkes selbst,
setzt sie in die grösste Verwirrung, (ante oinnem actum consilium
stabile) (Stultus sicut luna mutatur). Kurz davon zu reden. Derjenige,
so einen grossen und tapferen Geist zu weit entfernten Ausführungen
eines Geschäftes h.at, hingegen aber, wenn solche herannahen, mit
beständiger Furcht behaftet und zweifelhaft ist. kann zum Kriegs-
we.sen gar nicht tauglich geachtet werden ; angesehen der menschlichen
Vernunft ihr Ziel und Mass gesetzt ist und Niemand eine Kunst
oder Wissenschaft auf einmal ergründen kann; viel weniger steht zu
glauben, dass Einer sich rühmen werde, er habe die eine oder die andere
allein zu ihrer höchsten Vollkommenheit gebracht, massen die Aemulation
der zur Erreichung desselben Endzweckes alles Versuchenden, so einiges
verändern, einiges hinzusetzen oder davon nehmen, das Eigentliche
ist. wodurch die Künste nach und nach zu ihrer l’erfection kommen,
(manifestum est, quod plus est, et perfectius illud, qiiod omnes
invenerunt. quam ellud, quod quilibet per se). Es wäre viel, wenn
man seine lieurtheiliing nach Massgabe mehrerer oder wenigerer
Wahrscheinlichkeit, in Ann.ahme einer oder der anderen Meinung oder
von langer Zeit her eingeführten Gebräuche richten würde; meines
Erachtens sollte man keiner Sache anders, als nach Erheischung der
veranlassenden Ur.sachen solche anzunehmen, seinen lieifall geben,
zumal es nicht vernünftig ist, dass man einer lediglich auf den
Vorzug der Gewohnheit gegründeten und mit keinem Wahrheitsschein
*1 Ich finde, dass wir »rewiss selir iihiilich pclKimi werden, afn-r verschitslen
untereinander dadurch, dass Kinzadne zu gewissen Verrichtnnpen schon von der
Natur geeignet erschatten wenfeTi.
’) Vor jeder Handlung ein fester Kntsehfnss; der Thor ändert sieh wie der
Moinl.
’) Es i.st ofTeiihnr, das.s dasjenige mehr weiih und vollkommener ist. was
,\lle als SU Istfiinden hahen, als jenes, was irgend .femand für sich allein.
Digilized by C
310
Ans den Schriften des Feldinarschalls
begleiteten Meinung oder Gebrauch anklebe und geschieht ebenan
unrecht, dass man eine an sich löbliche Sache wegen ihrer Neuheit
verachte, als unbillig ist, dass man eine andere, sonst veraclitens-
würdige, wegen ihres Alters hochschälzen wolle, massen Einer der
dieses auf solchen Kuss nehmen wollte, der Unsterechtigkeit in An-
sehung der Personen (da er das Geschäft selbst auf seinem Werth
oder Unwerth beruhen lassen sollte) gröblich beschuldigt werden kann.
Allein sie lassen es bei diesem nicht einmal bewenden, sondern thun
öfters die in Facto wirklich hervorblickenden, besonders aber das
Kriegswesen betreffenden Begebenheiten verwerfen und in Abrede
stellen; denn wie geschickt und erleuchtet auch die Alten sowohl, als
die heutigen Kriegs-Capitains seien, wie tief begründet sie auch in
der militärischen Wissenschaft vorgeslellt werden können, so wird
doch Niemand sagen wollen, dass sie dieselben zu den Staffeln der
Vollkommenheit, wo sie hinauslaufen kann, gebracht haben, massen
bei Denjenigen, so in einigen The.ilen derselben sich vortrefflich
gezeigt haben, der Mangel gründlicher Erfahrenheit in anderen
Stücken vermerkt worden. Denn welcher Capitain wird sich rühmen
dürfen, dass er alle Theile der Kriegswissenschaft in ihrer Voll-
kommenheit besitze? unerachtet sonst die sophismatischen Reden
durchgehends die Eigenschaften der Generalspersonen sind, welche von
sich selbst eine grosse Meinung hegen, sonst aber durch ihre ün-
erfahrenheit, wenn das Glück ihr greuliches Versehen zur Bezeugung
seiner Gewalt fflr die seine Gunst Verdienenden nicht begleiten will,
allezeit überwunden werden.
§ 5. Unterdessen ist es eine gegründete Lehre, dass man durch
ein Unglück in einem Tage mehr, als durch den gewünschten guten
.Ausgang der Operationen in vielen Jahren erfahren könne, folglich
erhi'llt, dass allezeit viel zu erlernen übrig bleibe. Es sei nun, d.-iss
ein beiühmter Mann alle erdenklichen vortrefflichen Talenta und
genügsames Licht in seiner Wissenschaft besitze, so werden ihm doch
alle diese Eigenschaften, falls er seine E'ehler und Schwachheiten nicht
erkennt. Gelegenheit zum Fall und äussersten Verdorben zuziehen;
in Betracht, dass er seine Unternehmungen nicht nach Mass seiner
Kräfte einrichten und sich mit Verwegenheit in unvermeidliche
Gefahren einlassen, mithin durch die ihm beiwohnende uiibeschi änkte
und durch Erkenntniss seiner selbst nicht im Zaum gehaltene
Praesumption zu übel ausschlagendem Uebermuth verleiten lassen wird.
Hingegen kann die Erkenntniss seiner selbst die abgehenden Talenta
ersetzen, während sonst alle Gaben der Natur ihm unnütz, gefährlich
und verderblich sind, angesehen der Mangel an Wissenschaft. Kunst
und Geschicklichkeit das nicht grösste Unheil ist. wenn man solches
nur erkennt und das .\bgehende durch Einholung guten Rathes von
.Anderen zu leihen nehmen thut (in quo unus deficit, contingit.
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Iiiulwi(t Andreas Grafen Khevenhüller.
311
alterum abundare), ') mithin nichts versuche oder unternehme, zu welchem
Gott nicht die gehörigen Eigenschaften gegeben ; dieses alles ist so
gewiss, dass es von Keinem in den mindesten Zweifel gezogen werden
sollte; aber wie Viele sind, die in Kriegsdiensten stehen und, dass sie
diese Maxime angehe, bekennen wollen? Sie werden solche zwar
ohne Zweifel annehmen, allein nicht auf sich selbst, sondern auf
Andere applicieren.
§ ß. Was nun das Meiste und Wunderbarste ist, so werden die
Ignoranten, es sei in Kriegs- oder Kegiernngsgeschäften, niemals
glauben, dass es gar nicht gegen ihre Wtirde sei, sich bei anderen
guten Rath einzuhnlen, auch wenn sie in ihren Cnternelimungen durch
Ignorance und üble Conduite eben einen starken Hock geschossen
haben (Via Stulti recta in oculis eins, qui autem sapiens est, audit
Consilia)^) und es wäre ein Wunder, wenn sie bei einem solchen Stoss
sich wegen ihres begangenen Fehlers und nicht genommener iiöthiger
Mesuren und Unvorsichtigkeit überreden Hessen; sie werden den
Fehler allezeit auf die ihnen subordinierten Generale, sowie auf die
Zaghaftigkeit der Truppen werfen, da sie selbst doch die einzige
Ursache aller üblen Erfolge und Verluste der Campagne sind. (Cum
dispositione initum bellum, et erit salus, ubi multa sunt consilia).
Kommt das Project .aus dem Cabinet eines Staats-Ministers, so wird
er sich an den die Armee commandierenden General halten und
denselben gewiss bei seinem Fürsten in die höchste Ungnade und
äusserstes Verderben bringen. Ein jeder begreift die vorkommenden
Geschäfte nach Ziel und Mass seiner Vernunft und Fähigkeit; die
allerwichtigsten kommen denen, so mit vieler Vernunft begabt und
eines grossen Gemüthes sind, ganz leicht vor, da hingegen die solche
Eigenschaften nicht Besitzenden insgemein .Alles für schwer und fast
unmöglich ansehen; mithin sind dieselben nicht im Stande, das
Gewicht der ihnen proponicrenden Gesch.äfte zu unterscheiden, machen
auch zuweilen ans denen einige Wichtigkeit auf sich habenden
Sachen nichts, hingegen auch etliche mal ein Grosses aus einer
anderen, so die geringste Bedenklichkeit nicht meritieret (i migliori
consigli della guerra nascono della pratica e dallespeiienza). *)
t) Es kommt vor, dass an dem, woran der Eine Mangel leidet, der Andere
l>b<'rlin.s.s hat.
’) Dem Thoren erscheint sein Weg als der richtige; wer aber klug ist, hört
auf Rathschläge.
S) Ein mit Uelierlegung Imgonnener Krieg wird auch gedeihlich sein, wenn
er mit viel Umsicht gefiihrt wird.
t) Die besten Eingebungen im Kriege kommen von der Uelmng und Er-
fahning.
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312
Ans den .Sohriften des Feldmarselialls
5} 7. Man hält dieses für eine durchgehende und festgestellte
Grundlehre, dass nämlich einem jeden in seiner Kunst Glauben zuzu-
niessen sei, (quod medieorum est. promittunt medici; tractant fabrilia
fabri) (Sicut enim medicus in medicinalibus iudicat et corrigit. »imi-
liter et alii, in suis artibus unusquisque suum opus exerceat) *) das
See- und Kriegswesen kann billig unter die Zahl derjenigen Künste,
wo es sehr heikel und gefährlich ist, die Meinungen und Consilia der
experimentierten Leute zu verweilen, gesetzt werden, massen solches
allezeit von grosser Consequenz ist; (Cognitio et idea artis est nien-
sura reriim faciendariim per artcm)*j als wenn Einer auf festem Lande
und weit von dem Meere die Flotte dirigieren wollte ; ein solcher
kann hundert Impertinenzen und üblen Raisonen debitieren, sich von
Ignoranten seines gleichens zwar admirieren, hingegen von den Ver-
ständigen auch auslacben lassen. Wenn man aber auf dein Schiffe
ist, wo das Heil der ganzen Flotte daran liegt, so ist es eine grosse
Thorheit, wenn solcher seine zweifelhaften Sentiments behaupten und
etwa durch seine Autorität, oder seinen Rang auch noch Andere auf
seine Seite ziehen will. Es gibt auch solche, welche ohne einzige
Wissenschaft und Erfahrenheit des .Seewesens sich hineiiidrängen
und unterstehen, dem die Gefahr von weitem sehenden Piloten zu
Widerreden, sich einbildend, es könne das stille Meer, worüber sie mit
gutem Wind und Wetter fahren und weil sie kein Kennzeichen
davon vor Augen selien, nicht ungestüm werden und brauchen sie
also den Rath des Steuermannes nicht anzunehmen, welcher, obwohl
er gute Rathschläge gibt, um sich in Sicherheit vor Gefahr des
L'ngewitters zu stellen und einen anderen Weg zu nehmen, gleichwohl
nicht angehört wird, als wenn die V'orstellungen solches sein ganzes
Leben auf dem Meer zubringenden Menschen (quem multa ambigna,
multa prospera cxtulerant) ®) nicht von grösserem Gewichte als vieler
L’nwissenden und in diesem Handwerke nie Geübten, leeres Gejdauder
wSien. W'erde.n sie nun von einem Ungewittcr und Sturmwind über-
fallen, so fallen auch alle 'ihre sauberen liaisonnements und Henr-
theilungen gleich zu Hoden; wie viele dergleichen hirnlose Köpfe hat
man nicht gesehen, die auf einem und dem andern Elemente den
völligen Untergang der Kriegsherren verursacht V Ein solcher, der
auch nicht ein Wort vorn Seewesen versteht, wird sich gleichwohl
darin melieren und gesehickter als der Steuermann sein wollen und
werden die Ignoranten glauben, der Steuermann ist nur ein etwa
wenigen Rootsgesellen zu befehlen habender Mensch, der Admiral aber
') Was Siiehe der .\erzte ist. geht vuii den Airzten aus; das Handwerk
tH'treilHMi die Handwerker.
• ileichwie der .\rzl in .Sachen der Heilkunde verordnet und entscheidet, so
srdlen auch .Andere in ihren Fäcliern. jeder seines .Amtes walten.
-) Irie Kenntniss und da.% A'erstandniss der Kunst ist der Massstah für die
Hinge, welche die Kunst hervorhring.‘n sidl.
’) Ih-n viele Hlüeks- und l.'nglUck.sfalle gebildet haben.
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Luliwi); Amlivas UratVii Khevenhullcr.
313
ist das Obpriiaupt und der Commandant über die ganze Seemacht,
folglich geschickter als Jener. Den Schluss dieses schönen Heweisthums
thiie nun einem Jeden zu seiner vernünftigen und gerechten Decision
anheim geben; denn es ist in keinen Zweifel zu ziehen, dass dem
Einrathen Derjenigen, so in der Theorie sowohl, als aclueller üebung
einer Kunst erfahrener sind, mehr Glauben znzustellen und sich fest
daran zu halten sei. (Expertus carens arte minus errabit in ngendo,
(luam habens artem sine evperientia, magis tarnen seimus per artem,
(|uatenus i)ui artem teneat csiunt universale et causam) (Experientia
imiltum confcrt ad tempus administrandum. sed tarnen praeter experien-
tiam inquiritur, est sciatur etiam ipsum universale). *)
tj S. Wie viel Generalspersonen hat man nun nicht schon
gesehen, so über alle Uemonstrationeii und gegebenen Rathschläge bei
wirklich androhenden Fatalitäten, ohne Jemanden anzuhören, gleichsam
eingeschlafen? Sie thun zwar solche Unglücksfälle als ihrer Attention
und Furcht unwürdig ansehen, vernachlässigen und verachten, allein,
wenn sie ilie Augen wieder aufthun. finden sie so schlechte und
erstaunenswürdige Progressen, dass sie sich verwundern, wie sie jetzt
so thöricht von der ganzen Welt, ohne dass Jemand sie bedauert,
angesehen werden; weil unsere hiezu führende Nachlässigkeit durch
keine Fintschuldigung .ausgelöscht wird, weder für selbe einige Gegen-
mittel ausfindig zu machen sind, viel weniger aber in einer schon
versehenen und geschehenen Sache Hilfe zu hoffen ist, da es vorher
lediglich von uns selbst dependierte, Schimpf und Schande zu ver-
hüten und dem von weitem androhenden Unheile vorzubeugen, oder
aus den Augen zu gehen. ^11 mestiere della guerra consiste princi-
palmente nella considerazione delle esse future, e nella buona
experienza e pratica de valenti capi et soldati). *)
§ 11. Die grössten Ignoranten, niedrige und tapferkeitslose
Gemüther. denen der Glanz anderer Meriten in die Augen sticht, sind
eben Diejenigen, welche, gleichwie sie über .alle anderen Sachen ihr
ungereimtes Urtheil abgeben wollen, auch die aufs beste überlegten
Unternehmungen, deren Ausschlag die dabei obwaltende Klug- und Weisheit
genug-am an den Tag legen, zu betadeln sich unterfangen. Es ist zu
bed.auern, dass alle Kriegsheere mit dergleichen Leuten angefüllt sind,
*) Der Ertalin'iie, dem die \Viss<-useliart iil>gehi. »inl im H.mdelii weiiigiT
FehliT Is geheii al.s Derjenige, welcher die Wisseiiselialt ohne die Ertahniiig iM'.sitat ;
deeh kiiiuieii wir mehr durch die \Vi.ssenschaft, denn Diejenigen, »eiche die Wiswii-
si'liaü tiesi)z«‘n. wi..M-n da.s (ianze ninl dessen frsache.
Die KrI'ahnmg tragt zur Verwerihnng der Zeit viel Isu ; dneh ist alwr aus.ser
der Krtahmng auch nothweiidig. dass mau das .MIg.uneine selbst kenne.
*) Das Kriegshand»'erk l»*steht viirindimlich in Ih-urtheilnng der künttigen
Dinge snwie in iler giit.ui h>fahning und Kenntniss der hntven Ih-tehlshalsT und
Jsuldaten.
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314
Aus den Sclirifton des Keldmarselialls
welclies indessen noch nicht das grösste üniieil wäre, wenn nur der
Kriegsratl) selbst, welcher, um der dazu Berufenen Meinungen einzu-
holen, gehalten wird, von solchen Creaturen befreit wäre, die durch
ihr zaghaftes Gemüth und des Auslachens würdige Vorsichtigkeit in
den ebensten Wegen Precipicia und gefährlichste Anstösse und
Unfälle, mithin überall Fallstricke ausgestellt zu sehen vermeinen,
als ob der Feind im Rath das Praesidium und Ruder führte. Sie
durchschen das Vcrgrösserunglas überzwerch und sind dergleichen
Poltrons in solchen Zusammenkünften böse und ansteckende Glieder.
(Quis est homo formidolosus et corde pavido? vadat et revertatur in
domum suain, nec pavere faciat corda fratrum suorum, sicut ipse
timore perterritus est). ‘) Ein solcher thut Allem widersprechen und
.Alles verwerfen, dergestalt, dass wenn man ihm (wie doch leider
schier allezeit zu geschehen pflegt) glaubte, nichts angefangen oder
unternommen würde, weil Diejenigen, so schon die Neigung haben,
dass sie, alle Beschwernisse zu heben, die Ehre allein davontragen
wollen, keiner anderen Meinung als ihrem Eigensinn Beifall geben,
welches, wie der Spanier sagt, insgemein zu geschehen pflegt, (a
fuerza de guerer sacar muy aguda la punta de una aguja, para en
romperla). -) Das verdriesslichste und härteste für einen General, der
sich gegen seinen Willen zu solcher Leuten Einwendungen verleiten
lassen muss, ist. dass wenn die so schwer gemachten Unternehmungen
nicht bei guter Gelegenheit vor sich gegangen und man sich bei Hofe,
oder bei der Armee darüber beklagt, sie öffentlich und viel härter
wegen unterlassener Ausführung ihres prätendierenden Projects schreien
und alsdann andere, den vorigen ganz zuwiderlaufende Beden führen
und mit Achselzucken sagen wollen; Dieses war unsere Meinung
nicht, wir haben die Beschwernisse zu keinem anderen Ende, als
solche zu heben und die Ausrichtung des Geschäftes desto mehr zu
facilitieren. vorgestellt; ja sie unterfangen sich sogar, selbst den
General ohne Scheu anzugreifen und denselben allzu geringer
Keckheit zu der Unternehmung, mithin einer lächete oder Zaghaftigkeit
zu beschuldigen, hinzufügend : er halte eine gute Gelegenheit in
Händen und ist unsere wenigste Schuld, dass er sich solche nicht
zu Nutzen gemacht habe, (conscieros de guerra viles, ii de poco
animo confortan o aevitar los peligros, cubriendo su cobardia con en
velo de la prudenzia. ®)
') Wer ist der .Manu, der ftirchthar und zupleii li fundit«im i.st? Er gehe
iinil kehre nach Hanse znrhek. er winl seinen Briidern nicht Furcht einjagen,
gleichwie er sidhst von Knnht erfüllt ist,
■i| Vor lauter Ih^mühungen, die Spitze einer Nadel fein zu scliÄrfen, endet
man damit sie zu hnchen.
Feigheit mit dem richleier der Klugheit,
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Ludwig Andreas Grafen KlievenhUller.
315
§ 10. Es muss also Demjenigen, so einen guten Entschluss
fassen will, weder Furcht noch Schamhaftigkeit beiwohnen, angesehen
die ein Gemüth überwindende Furcht die vortheilliaftesten Einratliuiiffen
der ehrlichsten Leute, so ohnedem das wenigste in den Raths-Ver-
sammliingen vermögen, zu erkennen verhindert; die Schamhaftigkeit
aber, obwohl selbe nichts in den Weg legt, thut dennoch die wirklich
erkannten und erleuchtcsten Consilia also verdunkeln, dass man sich,
gleich wie ein Blinder, zu anderer ungleicher Meinung verleiten lasse,
mithin der Verblendung nicht eher als bis die gute Gelegenheit aus
den Händen und keine Remedur und Vermittlung mehr vorhanden,
vermerkt wird. Ein guter Rath ist besser, als ein mächtiges Kriegs-
heer (non minus est imperatoris, consilio superare, i|uam gladio;, *)
und ist diese Grundlehre von der Wahr- und Weisheit also unter-
stützt. dass selbe, man nehme sie auch wie man wolle, nicht nmzu-
werfen sei, müssen weder die Zahl, noch die Kräfte ohne guten Rath
etwas vermögen (Maltas manus vincit consilium unum bonum)-) und
Niemand agieren, noch den Weg zum Siege finden kann, wenn er
nicht anderer durchdringender Augen Erleuchtung, woraus ein General
bernächst den Rath selbst entdeckt, zu Hilfe nimmt; (mnltos regis
ociilos et multas aures, nnus vir non videt omnia, jdus vident oculi,
(|uam oculns),3) indem er allein nicht Alles ergründen, wissen, bewegen,
oder zur Activität bringen kann, sondern Andcicr guten Rath und
Hände vonnölhen hat, von denen er, wie sie von ihm, seinem Licht
und seiner Erfahrung in der Kriegskunst nach, alle Beihilfe, die
Sachen in Execution zu bringen reciprocö an sich ziehen kann. Ob-
wohl nun die im ersten R.ang stehenden Generalspersonen ihren Rath
niemals, um selben über ihre Absichten zu consultieren, zusainmen-
ziehen und den ihnen Subordinierten nichts, als was zur Ausfrtbrnng
ihres Desseins dient, eröffnen, sondern, daferne sie auch nicht allzu-
wichtigen Sachen von einem oder anderen ergründen lassen, solches
doch nur um den Witz, die Vorsicht und Verschwiegenheit Derer, so
man vorkonimende considerablere Geschäfte zu vertrauen haben möchte,
auf die Probe zu stellen, geschehe, so kann man doch nicht sagen,
dass sie alles aus ihrem eigenen Kopf haben, sondern vielmelir zu
glauben ist. dass sie der guten Nachrichten und Einrathungen Derer,
so sie auf Parthei und zum Recognoscicren Öftermals ausscbicken, nicht
verachten, (Morum animorumque provinciae guaros!, allermassen diese
ihnen von dem, was sie gesehen und durch dasiges Landvolk erfahren,
guten Rapport eilibringen und zu nicht geringer Erleuchtung als
■) HXs ist els'nso Sache des Feldherrn, durch KluRheit, als durch das Schwert
7.n überwinden.
*1 Ein cinziRer guter Kathscliluss iH-siegt viele Eiiiidc.
3) Viele .Augen und viele Ohren des Königs. Ein Mann sieht nicht .Alles.
Allgen sehen mehr als ein .Auge.
■*) Solche, welche der Sitten und der (iesinnungen des Landes kundig sind.
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316
Aiu (leii S<'tiriftfii des Feldniarschalls
Kundschafter dienen können, wornach die Generale sich also richten,
dass sie solchen öfters einige gute Streiche zu versuchen proponieren
und deren .■Vusführnng selbst als ihr eigenes Verrichten übergeben,
woraus demnächst die schleunigen und geschwinden Märsche gegen
einen Posto, Ueberfallung feindlicher Armeen, ja auch Haupttreffen
und dergleichen erwachsen (magna laus est, inchoata perficere. et e.\
incertis certa facero; sed maxime omnium indigesta componerc), *) dem
Capo aber, so gleichsam die Seele und vornehmste liewegung des
Kriegsheeres ist, wird der Ruhm glücklichen Ansschlages zugeeignet,
obwohl selbiger zuweilen weder der Urheber, noch Erfinder solch'
ansehnlicher Unternehmungen sei, (quiem fabrica la trompeta, non sabe
conocer su defetto, o bondad, tanto como el que la toca), ^ sonst
auch selbe auszudenken und vorzuschlagen, das schwerste nicht sei,
sondern hauptsächlich darauf ankomme, wie man solche zur Wirkung
und gutem Ausschlag bringen möge; (sapientissimnm dicnnt cum esse,
ciii quod Opus sit, ipsi veniat in mentem, proxime accedere illuni,
qui alterius inventis bene obtemperat).
§ 11. Gleichwie nun vorberührtermassen in allen Sachen die
Rathseinholung vonnüthen (ibi est salus, ubi multa sunt consilia). *)
so thut doch öfters der Hof und die Generalspersonen selbst bei vor-
kommendeni differentem Rath, worunter einer übel und zuweilen lächer-
lich ist, der andere aber gut, die solche Consilia vorschlagenden
Personen nur betrachten, von welcher Charge und Charakter sie sind,
wie sie bei Hof angesehen und welches Pouvoir und Credit sie haben;
falls nun die Wahl solcher Projecte zum Minister, dem das Kriegs-
wesen als ein von ihm nicht geübtes Handwerk fremd, wie spanische
Dörfer vorkommi, gelangt, so wird er den Sch.atten für das eigentliche
Wesen der Sachen nehmen und die bewegenden Ursachen beider Pro-
ponenten umsoweniger gegen einander ponderieren, als vielmehr seine
Unwissenheit, solcher .Massnehiming sich zu bedienen, ihn entschuldigt,
indessen den ersten ihm den ungereimte.sten Vorschlag Thuenden, ohne
dass er ihn kenne und wisse, ob er erforderliche Experienz hat, vor
einem anderen etwa Subordinierten, welcher alle guten Eigenschaften
bat. in Reachtung nehmen, (ut in aliquo telo, atit gladio multnm
interest, a qiio vc-nial, sic in sententia, ut penetret, valde facit
') Ks ist sehr Inhiirh, d.is lh-c<>niiene zn Krnle zu tiihrcii und aus riigc-
wis.seni t;i*wis.sca zu mtu-lirii ; alicr am inidsteii lubeiiswciih ist, Wirrsalc in Ooi-
iiuiig zu liriup'U.
’) l>irji'nip’. der die Tmin|s’te verfertigt, veniiag ihn'ii Kehler isler ihre
liiite nicht SU zu erkennen, wie der. »eleher sie Idiist.
•) Man halt denjenigen für den Wei.sesten. <leiu alles s.*lhst in den Sinn
kommt, was ihm nothig ist; diesem komme .lener am nächsten, der die Kin-
cehunpen eines .tndern (.nit aiisfnhrt.
*) I>er träte Krfolg i«t di>rt. wo viel Kbitrheit ist.
liUdwip Andreas Grafen Kheventiiiller.
317
rohnstae alicujus et receptae autoritatis pondus). ') Mithin der Ersterc,
oll er auch nicht weiss, was er sagt, Hecht haben, der Andere aber
kaum angehört werden, obachon er es mit allem Fundament vorstellt.
Wie dieses nun tausendmal geschehen ist, also wird's auch noch
ferner damit continuieren. (Non possum ncquirere habitmn judicandi,
tjuid in singulis circumstantiis sit agendum, nisi per experientiam
experti simus. quid in similibus circumstantiis alias acciderit, experi-
entia autera non potest acquiri, nisi longo tempore).
§ 12. Einem in militärischen Sachen wohlmeinentlich durch die
Praxis und Experienz recht judicierenden Officier muss es sehr
empfindlich Vorkommen, wenn er bei solchen Leuten, die ihm weder
im Charakter, noch an Fähig- und Herzhaftigkeit gleich sind, Rath
einzuholen gezwungen ist, oder gar von solchen kritisiert wird.
(Fabius pictor dixit: artes tune solum beatas esse, quando illas arti-
fices judicant. haec est miseria nostri aevi, judicant studiosos otiosi.
laborihus cxercitatas tironcs, modestos homines Sardanapali). Es
gibt nur gar zu viele Exempel, welche uns die festgestellte üruiid-
lehre, dass nämlich in den Raths-Versammlungen die pluralitas Votorum
nicht allezeit ein entscheidender Beweis der Sachen, mithin Keiner
Reflexion darauf zu nehmen, gehalten sei, vor Augen legen; allein
was für Mittel wird man zu ergreifen haben, um seine allervernnnftigste
Meinung gegen einen im grössten potere stehenden und rachgierigen
Minister festzuhalten? Ich will hier nicht von Denjenigen reden, so
im Krieg.srath ihr Sentiment mit der grössten Bos- und Falschheit,
mithin zu keinem anderen Endzweck, als der ihnen nicht angenehmen
(ieneralspersonen gute Einratlinngen zu hinlertreiben, eröffnen ; massen
nicht vermuthe, dass dergleichen Leute zu finden, die das Vergnügen,
ihre Rache zu sättigen, dem bono puhlico vorziehen dürften. (Omnes
homines, (|ui de rebus dubiis consnitant. ab odio, amicitia. ira atque
misericordia vamus esse decet). Nun ist auch zu observieren, dass
man auf die Schmeichler, welche nach erfolgtem üblem Ausschlag einer
Sache, Denjenigen, so ihrem Ratli gefolgt, im Stich lassen und sich
davon machen, nicht das mindeste Vertrauen setze. (Donec eris felix.
I) Sowie Imü niauchem Spiesse oder Schwerte viel dariiuf aiikuniiiit, wer es
führt, SC) bewirkt bei einem .tiisspnichi' das Gewicht der kriiftigeii und anerkamiten
.\utoritht. dass er durehdringt.
X) Wir können d.is I rtheilsvennögen. was in einzelnen K.illeii zn thmi sei,
nnr diinii erlangen, wenn wir dnreh Erfahrung wis.sen. w.*is in andern Gelegini-
lieiten anderswo vorgeiiniiinieii wurde. Die Krfahnnig h.aiiii nls'r mir dnreh die
Länge der Zedt erwnrlien werden.
ä) Der .Maler Fabius sagte, dass es den Künsten nur dann wohlergehe, wenn
sie von Künstlern lienrthoilt werden; das ist das l’eliel unseres Zeitalters, dass
die titrelisamen von .Müssiggängem heurtheilt werden, durch Jlühe.sal Geiibtu von
Anfäiigem. liesiheidene Männer von .siardaiiapalen.
Es ziemt sieh, dass alle .Männer, welche ülier zweifelhafte Dinge herath-
sfhlagcn, von Hass, Freuiidsehaft. Zorn, wie auch von Mitleid frei seien.
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Ans ilcn Schriften des Feldmarschalls
multos numerabis aniicos. Tempora si fuerint imbila. solils eris. est
enim amicus secandum tempus simm, et non permanebit in die tri-
bulationis) ') und hat der Spanier recht, da er sagt: qae el adulator
despuesque se vnelve contro la fortuna del adalado, en lugar de con-
tinnarle el incenso le pega con el incensario. *) Man muss Denjenigen,
so nicht schmeicheln, sondern bei gegenwärtigen Begebenheiten die
Wahrheit redlich reden. Glauben zumessen, (ne incidat in conspectu
adversariorum, et gaudeat inimicus).
§ 13. Es geschieht öfters im Kriegsrath, dass einer eine Sache
in Vorschlag bringt und seiner Meinung nach mit ungezweifelt gut
ansschlagendem Succes vorsteilen tbut, ein Anderer aber thut sich
hervor, so geschickt und erleuchtet den Fehler an den Tag legt ; was
ist alsdann hiebei zu thun? Zwingt Einen die Wahrheit, sich zu
ergeben, so zeigt er. wie sehr er sich in seiner Meinung betrogen
habe. Geschieht demnach auch öfters, dass ein guter Rath, wodurch
man sich von einem bevorstehenden Debel erretten und seinen Feind
hineinstürzen könnte, verworfen bleibt, wegen eines anderen, nblen
Vorschlages, durch welchen eine gute Gelegenheit verschwindet, unser
Untergang und das Unglück einer ganzen Campagne gefährdet wird,
mithin alle guten Absichten vernichtet werden. Das beste und vor-
trefflichste -Mittel, einen Kriegsratb zu halten, besteht aber darin, dass
man die demselben Beiwohnenden von allem darin Vorkommenden mit
völliger Freiheit zu reden animiere. Es muss aber der Anfang von
den letzteren der Zusammenkunft gemacht werden, müssen viel daran
gelegen, dass diese die Proponenda und die Beweggründe der Mäch-
tigsten nicht wissen, einfulglich ein Jeder seiner Erkenntniss.
Fähigkeit und Erfahrenheit nach seine. Meiniing eröffnen werde;
angesehen sonsten der Neid und obwaltende gegen einander
laufende Interessen, mithin formierte heimliche Beratb.schlagungen
gegen einen General, dem man nicht günstig ist. <lie Deliberationes
zu einem bösen Entschluss binlenken, auch Diejenigen , welche
sich nichts, als die Wohlfahrt des Vaterlandes und ihres Fürsten
Ehre zu Herzen nehmen, durch den grossen Haufen leicht ver-
leitet werden könnten, umso mehr, wenn dieselben die ponde-
roseren Motiva der kleineren Zahl, ja auch eines einzigen, so öfters
der Urheber einer der wichtigsten Unternehmungen sein wird, nicht
zu untersuchen und zu ergründen vermögen; sobald man sehen wird.
■| .stol.iiige Ihi glücklich t>ist. wirst D« viele Freunilc zahlen, wenn sich
aber dii' Zcil. n vcnlniikcln. wirst IMi iillciii .sein.
Er ist näinlich Kivuiid, wenn cs ihm znsagt und er winl es in Drangsalen
nicht hleilam.
*) Dass der .'Schmeichler, sohald sich das tilück des (ieschmcichelten wendet,
statt fertziitähren, ihm Weihranch zn streuen, ihn mit ihm Hanchfasse schlagt.
'D Itass er angesichts der (iegner nicht zn Kalle komme und der Feind
sich freue.
Liidwif; Aiulri'as Grafeu Klicvenliüllcr.
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dass die in Deliberation zu ziehenden Sachen durch die Pluralität der
Stimmen den Vorzug gewinnen, so wird auch gewiss vermerkt werden,
dass der Irrthum über die Wahrheit herrschen und sie gleichsam aus
der Welt vertreiben werde. Allein halten wir mit diesem so weit aus-
stehenden Articul ein. weil derselbe nur dahin zielt, um den Grossen
einen beständigen Eifer, der lieben Wahrheit entgegenzugehen, ihr allen
Zutritt zu gestatten, mithin alle sie hievon entfernende und abweisende
Obstacula aus dem Wege zu räumen, tief in die Gemüther zu pflanzen,
zu welchem Ende kein besseres Mittel zu erfinden ist, als dass man
der verdächtig sein könnenden Meinung reiflich ponderiere und darüber
jadiciere, mithin der Alten und Erfahrenen Rath dem leeren Geschwätz
einiger Raisonneurs vorziehen thue (quemadmodum omnis natura bonum
sunm nisi confirmata non profert, ita hominis bonum non est in
homine, nisi cum in illo ratio perfecta est). ')
8 14 . Es ereignet sich zuweilen, dass man eines Subalterns ge-
gebenen Anschlag oder Action, so er durch seine Geschicklichkeit
gethan (mithin solche Vortheile procuriert, dass dadurch der General
die Gelegenheit bekommen hat. wider den Feind die grössten Avantagen
zu bekommen) billig dem glücklich erfolgten Successe zuzuschreiben
schuldig wäre. Und doch geschieht es, dass eines Solchen gute Dienste
völlig verborgen bleiben, während der General den von einem Oftieier
sich erworbenen Ruhm nicht benehmen, sondern vielmehr dieses als
eine von ihm herrührende Sache kündbar machen sollte, auf dass die
Anderen dadurch sich zu distinguieren angereizt werden; wenn man
aber Dem, so das Lob zukommt, es nicht lassen thut, so benimmt man
ihm eine Sache, welche ebenso schwer, als ein anderes hinweggenommenes
Gut zu restituieren ist: sogar dann, wenn auch der General durch
seine Invention einem Oftieier, sich zu signalisieren Gelegenheit an
die Hand gegeben, soll er solches als eine von dos Officiers guter
Conduite herrührende Sache vor der Welt erscheinen lassen; mithin
in den nach Hof erstattenden Relationen die Tapferkeit, Treue und zu
allen guten Successen beigetragene Klugheit der Subaltern hervor-
stieichen, wodurch er grössere. Ehre erhalten und mehrere Grossmuth
bezeigen wird, als wenn er die übel ausgeschlageneu Successen auf
die in seinen Absichten gebrauchten üffleiere, indem sie doch ihre
Schuldigkeit gethan, werfen will. Doch bleiben Etliche fest bei der
Meinung beharren, dass, gleichwie bei unglücklichen astris der Schandfleck
einer totalen Niederlage oder übel succedierter Unternehmung (obwohl
öfters ungerechterinassen) dem comniandierenden General zuwächst,
also auch der Ruhm und die Ehre eroberter grosser Victoria oder anderen
guten Ausschlages ihm einzig und allein zugeschrieben werden müsse.
') Wie zum Btdspiel die ganze Natur ihre Galieii mir dann hervurliringt,
wenn .sie gekräftigt wird, .so i.st der Werth des .Menseheu mir dann iin Memscheii
selbst gelegen, wenn er eine vullkoininene \’ernimft besitzt.
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320
Aus dun Soliriften des Feldmarschalls
Dieses lasse mir aber gar nicht einpredigen, massen auf solchem Fuss
die allerweisesten Operationen der übrigen Generalspersonen, sie seien
gross oder klein, so sich durch ihre niilitü rische Klugheit über andere
distimjuieret und ganz oder zum Theil den zweifelhaften Sieg durch
ihre Industrie und Habilität procurieret, mit ewiger Verschwiegenheit
begraben werden müssen ; welches aber umso ungerechter ist, als der
bei ihrem Posto erhaltene Vortheil auch den Anderen, wo sie als
verloren geschienen, dergleichen zugebraeht hat; ist ein General ebenfalls
zu tadeln, wenn er schöne Thaten anderer particulairs Officiers oder
gar eines Gemeinen, welcher durch Kennung des Landes oder des
Feindes Zustandes eine sonderbare Begebenheit befördert, heilsame
Nachrichten gegeben, kräftige und genügende Mittel eine Armee zu
erretten und ihr den völligen IJmfall niinitierenden Zustand wieder
aufrecht zu bringen in Vorschlag gebracht haben, mithin als das
einzige Instrument des erhaltenen Sieges, wozu sie den Weg geöffnet,
angesehen werden müssen, verschweiget; denn, gleichwie der en Chef
coinmandierende General nicht selbst reeognoscieren geht, sondern sich
an den bekommenen Uapport halten thut, mithin hiernach durch seine
grosse Geschicklichkeit, Vernunft und lange Kriegs-Erfahrenheit die
Ausführung schöner Vorschläge formiert, also werden die erwähnten
drei Eigenschaften zur Vollziehung grosser Ab.sichten hauptsächlich
erfordert. Da hingegen um die Gelegenheit dazu zu finden und sich
hierdurch einen unsterblichen Namen zu machen, ein kriegerischer Geist
und gesunde Vernunft sufUcient ist, angesehen der Erfinder grosser
Absichten nicht geringeren Huhm verdient als Derjenige, so die dazu
erforderlichen btücke durch Kriegsgesetze und Nehmung rechter Masse
und Ziele, das Project zu verhoffendeiu uugezweifeltem gutem Ausschlag
zu befördern, in Ordnung zu bringen weiss, obwohl der Ruhm des
ersten Urhebers uiiemllich weniger hervorleuchtet und umso weniger
Ruf macht, als man bei nehmender Erkundigung des ganzen Wesens
bis auf selbigen nicht kommen thut. (Laudatissimus est ipse, «jui
cuncta videbit, sed laudandus et is, qui parct recta monenti). ’) Wenn
nun ein grosser Held durch Ausführung wichtiger Kriegsunternehmungen
und Ueberwindung aller in der Menge dabei sich .'lusseriider Beschwer-
lichkeiten sich berühmt macht und der gute Ausschlag ihm eine
unsterbliche Glorie zuzieht, soll dann Derjenige, so die Möglichkeit
durch Kennung der Üerter und Wege dazu eröffnet, keinen Theil
daran haben V Gewiss wird's viel sein, dass man ihm allezeit etwas
weniges davon überlassen werde.
§ 15. Obzwar nun die bei einem commandierenden General gegen
gewisse, durch Erfahrenheit und Ausführung grosser Thaten sich di-
stinguierenden Generalspersonen hei seiner Armee erscheinende Missgunst
D t*as grösste I,ob verdient .lener, der alles iibersielil: lolien.swertli aln-r ist
auch Derjenige, weUlur Dem gehurclit, der zuni lliibtigen lualiiit.
“Äigilized by Go
Liiilwif; Amlreii» (irafcii Klievenlilillpr. 321
canz ungerecht, so ist selbe jedocli nicht so verachtungswürdig, als
wenn man sich durch dieselbe verleiten lässt, die guten Dienste der
particnlairs Officiers zu verborgen. Ein solcher kann mit einem Staats-
minister eines grossen Fürsten wohl verglichen werden, denn all
dasjenige, was dieser von gros.«en und schonen Sachen auswirkt, wird
des Fürsten Ruhm umso weniger verringern, nachdem die Ehre eines
guten Rathes und .Ausschlages allezeit dem Fürsten als dessen Haupt
znfliesst, mithin niemals gesagt wird; dieser oder jener Fürst hat
gute oder büse Minister, sondern vielmehr, der Fürst selbst ist ein
vortrefflicher oder übler Regent, hat gute oder schlimme Handlanger,
dergestalt, dass, gleichwie einem grossen Herrn hüchat nöthig, sich
gute Räthe, von welchen die Unsterblichkeit seiner Ehre dependieret,
zu ei wählen (nunquam judicium majus bonae mentis potesl princeps
ostender«', quam nt ailjungat sihi et familiaritcr utatur viros virtule
famaque celebres, nam oinncs statim judicabunt enra talem esse,
ijuales ii, qui apud illum; qui cum sapientibus graditur, sapiens erit,
amicus stultoruni similis eflicietur). ') und der Spanier sagt: el studio
auraenta los talentos de la naturalia, pero la coiiversation los pule.
}’ pone in obra ; “) also auch einem die Armee coraiuandierenden General
einzuratlien sei, dass er sich gute Generale aussnehe, sich ihres ver-
nünftigen Rathes bediene und davon profitiere, selben aber auch Recht
wiilerfahren lasse und zu erkennen gebe, wie seihe gnisserer Belohnung
und mehrerer Erhöhung würdig seien ; angesehen gar viel daran gelegen
ist, nicht allein unter den vornehmsten Generalen, sondern auch bei der
ganzen Armee unter den jiarticulairs Officiers eine Aemulation zu ex-
citieren, woraus ein grosser Nutzen erwächst, der couimandieremle General
aber seinem h'ürslen einen grossen Dienst ihut, wenn er der übrigen
Generalspcrsonen hohe Verdienste an den Tag bringt, sich ihre Liehe
ziiziehet und mit besonderer Attention die ihren grossen Thaten und
leistenden Diensten gebührende Hochachtung zuwendet, da er sich
sonst eines ewigen Verrathes schuldig macht und was das mehreste
ist. die tapfersten Gemüther seiner Truppen ganz unterdrücken und
bei ihnen einen solchen lla.ss gegen sich erwecken wird, dass sie
nichts so sehnlich wünschen, als dass er sich in das grösste Unglück
und in Schande stürze. Diesem Fehler sind nun schlechte Generals-
personen unterworfen, weil sie gar zu eitel sind und von sich selbst
eine allzu grosse Meinung hegen ; sobald man aber ihre wirklichen
Eigenschaften erkennt und das Glück ihnen den Rücken kehrt, so
■) Nie kiiim ein Fürst einen griissen n Keweis seines Verstandes liefern, als
wenn er die durch Tüchtigkeit und Ituf lHrühmt«‘n Männer nni sich vcrsaminclt
nud mit ihnen vcrtniuiich umgeht: dmin alle wi:rdcn gleich uilheilcn, er sei so
wnc Diejenigen, welche um ihn sind. Wer mit Winsen Umgang hat, winl selbst
ein Weiser; der Freund der Thoren wird diesen ähnlich wenlen.
S) Das btndinm .steigert das natürliche Talent; aber der Verkehr läutert es
nnd setzt es in Thätigkeit.
Mittlieilangeu des Ic. und k. Kriegs-Archivs. Neue folge VII, 21
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a-22
Aus (len Schriftim des Keldniarschalls
thut niiin erst die Augen auf und wird sich ihrer Dienste bedanken, mithin
ein Jeder, was er meint, von ihnen reden. (Magnus vir Studio l.andis
trahitur, et gioriae oupiditate incenditur. qua et hrevitalem viUe
posteritatis memoria consolatur et pericula laborea quae omnes sube-
undos i>utat, dummodo laudis gloriam assequatur.) ')
§ 16. Es gibt Generale, welche eine solche Missgunst auf die
Anderen setzen, dass sie nichts weniger, als die denselben beiwohnenden
Eigenschaften zum Kriegswesen, wodurch sie die Liebe der ganzen
Armee gewinnen, ausstehen können, die Tapferkeit die.'er reizt sie an.
dass sie vermeinen, die ihrige werde dadurch verdunkelt; ihre mili-
tärischen Tugenilen und in etwa anscheinendes Glück, sowie aus-
gebreiteter Huhm verursachen bei jenen grossen Verdruss und benehmen
ihnen gleichfalls die Ruhe; da hingegen ein wahrhafter Held seine
Ruhe unter dem Schatten der Siegeszeichen und Tugenden seiner
Gener.ale nehmen wird, die er ehret, werth haltet und wo er kann,
bekrönet. Dieses ist der rechte Weg, einen Jciien zu grossen Tliaten.
durch Zueignung des ihm gebührenden Lobes anzureizen : die Gleire
ist h-äcklich und eingezogen und je tiefer selbe begründet, desto
entfernter ist sie von allen Kuhmreden, sie braucht zu ihrer Aufreeht-
haltung nichts als den hervorblickenden Glanz der Thaten, so sie
ausführen thut. Die Menschen sind nicht allezeit wegen ihrer der Welt
vorstellenden Tugenden zu estiniieren, sondern man muss sehen, ob
ihre Thaten von der Vernunft und der sich überall aufrecht haltenden
Ehre herrühre. Es gibt auch viele andere Generalspersonen, welche
nichts als ihre Schuldigkeit gethan und lediglich die ihnen von ihren
Generalen aufgetragenen liefehle verrichtet, sich jedennoch den glück-
lichen Ausschlag einer Bataille, oder sonstiger schöner Action. ohne
jedoch den geringsten Theil daran gehabt zu haben, ziischrciben wollen;
dieses geschieht zwar bei vielen Begebenheiten, allein man höre sie
nur nach einer verlorenen üccasion reden, (hic, quod in adversis rehus
solet tieri, alius in alimn cnlpam refert.) Keiner ist unter ihnen, der
nicht solche Wunderwerke und Thaten, womit ein Roman anzufüllen
wäre, verrichtet hätte, unterdes.son ist und bleibt die Schlacht verloren
und sie werfen den Fehler auf den commandierenden Gener.al, da
doch bekannt ist, dass sie dessen Ordres weder begrift'en, noch zur
Execution gestellt, oder aber eine gute Occassion. so von der Aus-
führung aufhabender Befehle insgemein abhängt, aus den Händen
gehen lassen haben, (adversa nemo imputat sibi, quod in adversis
') Der grosse Mann winl von dem Strelxni n.ieh Habe geleitet und von der
Begierde iiaeli |{\dmi entflammt ; voTi weleli' kurzer Dauer sein .Andenken l>ei der
Nachkomniens<’bart .sein möge und weletie (ieläliren und Drangsale zn erdnlden er
vermeint, wenn er nur Hab nnd (!nt erlangt.
‘‘) Hier, was im rnglüeke zn geseliehen pflegt: Einer sehiebt die .stehuld
auf den .Andern.
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I^iuIwi'k Anilr<*:is Graten Klu'Vi-nhülli'r.
323
rpbus snlet fieri, aliu» in alium culpam refeit.)') üicbt cs eine grössere
Ungerechtigkeit, als dass man, wenn die Sachen durch den Fehler
Derjenigen, die Alles nach ihrem Kopf tliun vrollen, übel ausschlagen,
solches auf den General, dessen Ordres nicht befolgt worden, fallen
lassen will? Es ist bei dem üblen Erfolg einer Sache, besonders aber
in einem unglücklichen Kriege etwas Allgemeines, dass man sich an
das Oberhaupt, wenn es geschlagen wird, oder seine Dnternehmnngen
nicht ausführen kann, halten thut. Alles an ihm wird getadelt und
verachtet, man lässt sich gegen ihn mit Scholtworten und starken
Verweisen aus, da er doch in Allem unschuldig ist, angesehen der
General seinen llefehl gibt und es den Anderen, so ihn ausführen
obliegt, sich fest daran halten und seihen nicht /.u überschreiten,
massen in den Treffen nur erlaubt ist, dass eine .Subaltern-Generals-
person durch Erbeischung vorkommender unverhoffter Zufälle die
Operationes nach seiner Willkür richten möge; allein wenn es auf
einen Posto von grosser Wichtigkeit aukommt und nur ein einziger
Ort ist. wo dem Feind Widerstand zu machen ist, so muss er auf
diesen, als sein alleiniges Ziel alle seine Sorgfalt und grösste Auf-
merksamkeit verwenden und denselben nicht verlassen. Obwohl nun
Derjenige, der seine aufhahenden Ordres nicht einfolgt, an allem
erfolgenden Unglück schuld ist, so wird doch insgemein von ihm
nichts geredet, sondern dem Capo alle Fehler auf den Hals geworfen
und thut ein Jeder nach Mass des ihm wenig oder viel eintragenden
Neides und der Missgunst allerhand Lugen gegen denselben erdichten.
Wenn man einen Halb versammeln will, muss gute Acht auf die dazu
zu Berufenden und destinierenden gegeben werden, denn der Spanier
sagt: (juien reyna. seguin el conseo de ostros. se contenta de ijue
otros reynen con.sel. Die Jungen und einen lebhaften Geist habenden
Isjute, so alle Gefahren auslac.hen und nichts als ihren Ehrgeiz zu
ersättigen suchen, hingegen aber an Erfahrenheit grossen Abgang
leiden, werden sich mit ihren Stimmen verwegener Weise auslasseii,
die Allen aber, so mit Moderation im<l Kaltsinnigkeit gehen, werden
überall Gefahr und übstacula finden, mithin so viel Beschwernisse, als
sie Erfahrenheit besitzen, einwerfen, woraus erfolgt^ dass dieser ihr
Bath allezeit zweifelhaft und voller Furcht sei. Unter diesen beiden
Extremitäten muss mau das Mittel iiehmeu, mithin nicht gar Alte,
weder die Jüngsten zu Rathe ziehen, (eumque do vobis nobilem, initem,
mansuetum, prudeiitem, i|ui nihil lemere propter juventutem. nihil
propter seiiectutem uogligeiiter potest facere und ist dieses das
') Das l imlüt'k sOm'il'l siih NieiiiumI zu; nlwr ilii riiglüi ki! pllept es zu
pesOielien, das.“ Kilier ih-tn .Aiidcra ilie .''Om!d gibt.
*) Wer naeli dem liathe .ymbrer ngiert. der gestaltet iliueii. dass sie iriit
ilmi regieren.
“) iKr (in is steht iiiinn r ZMeifelnil and zitternd. Is-serirt iinim r Ueble.s. ist
whuehtern und tnrehlet sellist, wa.s er Ibiit.
‘Jl»
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Ans <l«‘ii Sdirificn ilcs FeUliiiantflialU
:W4
rechte Mass, so hieriiifalls };enommen werden muss, allein es kann
keine Maxime festRestellt werden, wie und welcher Gestalt das Alter-
thuni bei denen, so man gern zu Hatlie nehmen wollte, zu entscheiden
sei, indessen ist wohl zu beobachten und in Consideratioii zu ziehen
(Stat dubius tremulus<iuc senex. semper<iue inalorum creduliis, et stultus,
i)uae facit, ipse timet),') auf was für Weise Derjenige, dessen Itath man
anhüren will, mit seinen eigenen Sachen in denen vorher gehafteten
l’instiinden umgangen sei (cum ab aliquo consiliuin in tuis negotiis
expetes. considerabis imprimis, i|uomodo res suus ipse administrarerit.
nam <|iii suis in negotiis inconsultns est. nun<|uam de aliinis melius
deliberabit; ex fructu arbor noscitnr).-; Ks ist aber ein Unterschied
unter einer r{aths>ers,ammliing. so vom Capo einer .Armee und der.
so von dem in l’oliticis das Ruder führenden Slaatsminister, gehalten
wird, zu machen, angesehen diese, wenn sie wollen, ihrem Gefallen nai h
darzuziehen können. Jener aber, weil ihm diesfalls die lUinde gebunden,
nur einige mit gewissem Charakter Bekleidete nehmen muss, unter
welchen einige so zaghaft sind, d.ass sie immerhin, einbildische Be-
schwernisse und Obstacula in allem vorsehen werden, gleich <ler
Spanier sagt : tiene buen consejo y mal.a espada) (cum supina tiducia
sententiam dicunt, in re ipsa trepidantes deticiunt,^) insonderheit aber,
wenn ihnen die .Ausführung eines deliberierten Geschäftes .aufgetragen
wird. Andere aber sind kecker und lebhafter, welche mit Hintansetzung
aller obschwebenden Hindernisse, mithin ohne allen Betracht der Zeit
und ihrer Umstünde nur auf ihren Ehrgeiz gedenken, (consilia calida
et audacia prima spccie lata sunt, tractu dura, eventu tristia), *| über-
dies gibt es auch solche Aufschneider, welche für grossmüthige M.änner
angesehen werden wollen und zu nichts, als Bataillen ihren Rath
geben, da sie doch die grössten Ignoranten sind, und alles, so ihnen
nur in Ko|if kommt, herausplauderii, mithin allezeit die ersteren sein
werden, so gegen einen gefassten Entschluss was cinzuweuden haben ;
gehen aber die mit ihrem Rath residvierten Geschäfte nicht recht von
statten, wissen sie die in einer Versammlung gefassten Entschlüsse
zum üblen allezeit auszulegen; zu geschweigen, dass auch zuweilen
zwischen zweien eine solche natürliche Widerwärtigkeit regiere, dass
') I'iul ieli werile iiueb ilm nelicn. den Kille», ilcii Mililen, ilcii S,infteii, ili-ii
Klugen, ili’r Wfgi'ii .«t-iiii-r .lugi iiil iiielit» lun lileii. wegen seines .Vllers nichts u.n li-
lässig thiin kann.
•) Wenn ilii von .lemaiiil in deinen .\iigelegenheiten einen Rath iR'gehrst,
so tM iirtheile vonielinilieli, wie er seine eigenen Hinge liestellt ; denn wer sieh in
seinen eigenen tie.si liatleii keinen Itath weiss. winl ulier .Andere nie liessereii Ite-
seheid wi.sseii; an der Knieht erkennt inan den Kaum,
tiiit iM-rathen, .schlecht tH'watl'net.
Wahrend sie mit hwhmüthigeni .Sllwlvertraueii einen .Au.sspmeh thnn, ver-
sagen sie zitternd Ihu der .Ausfiihrnng.
Hie nniltierleglen und knlineii Kntsehliisse sind auf den ersten Klick
lustig, in der .AnsiVihmng schwierig, im .Ausgange Inoirig.
I/Uclwijr Aiidtviis (irafcii KlieveiiliiilliT.
325
ihre Meinungen allezeit gegeneinander laufen werden (odiuin suscilat
rixas), nun ist aber nicht dienlich, dass man solche von der Liebe
gegen selbst Eingenommene zu Rathc ziehe.
17. Die Verschwiegenheit der Geheimnisse ist das Haujit-
sächlichste und Nötliigste in einem Rath und gleichwie bei dessen
Endigung und Hinausgehen ein Jeder insgemein von der Anderen
Meinung reden will und sich hiebei allezeit Widerreder einfinden
thun. also sind solche unbedachte Discurse der Hauptsachen sehr
gefährlich und nachtheilig. (Consilia omnia et praecipue bellica tarn
diu tufa. viiain diu lecta.j'^) Dieser aber ist ein geschicklicher coni-
mandierender General, der die Gemüthei und Stimmen also einhellig
zu vereinigen weiss, dass er jedoch dabei seine eigentlichen Absichten
verborgen halte und ist in wichtigen Sachen immer rathsamer, seine
.Meinungen darüber schriftlich einzugehen, (ln causis gravioribus sen-
tentios non palam rogabis, ne amicis suis faventes parum libere,
<juid sentiant. pronuncient, sed in tabellis eas scriptas ad te solum,
ne c(ui alii innotescant, perferri jube, et Icctas statim delerie. ita
enira verum sensum cujusque niaxime cognosces, sic eum illi a
iiemine nlio cognitum iri persuasum habebunt) (qiiando de todos los
concejus ayez tomado et optimo, reservarlo en ti niismo, porque non
scarevelads o los e.xemigos ii note halles insidiato de ellos),^) im
Rath selbst aber muss er nicht allein alle vorkommenden Beschwernisse
nach ihrem Gewichte gegeneinander halten und das Gewisseste und
mit der mindesten inconvenience, oder Gefahr Begleitete daraus
orwilhlen und sich fest daran halten, sondern auch diejenige Partie,
so auf der Truppen Glorie inclinieret, mit der, .so nur auf ihren
eigenen Ehrgeiz abzielen, in reife Erwägung ziehen, mithin, wenn der
gewünschte Ausschlag nicht erfolgt, solches den Rathgebern nicht
ziiBchreiben; vor Allem aber hat man sich vor gott- und ehrcnlosen
Einrathungen zu hüten und solche nicht einzufolgen. (Consiliorum
gubernaculum lex Divina sit).*)
') Hass erregt Stnot.
*) Alle Pläne, vurnelimlich die Ki iegspläne, sind so lange gesii liert. uts .sie
verlsirgeii bleiben.
■’l ln wichtigen Kiillen frage nicht ötl'entlieh um die .Meinungen, damit nicht
Itiejenigen. welche ihren Krennden jjünstis: gesinnt sind, nicht mindto* frei ihre
Meinung an.s-spriM lien ; la.s.se vielmehr die Meinungen schriftlich Dir sellist und ohne
da.ss die .\ndeni darum wissen, überbringen und vernichte sie, sobald du sie gelesen
hast. Xiir dann wirst du die wahre Meinung jedes Einzelnen am Itesteii crfalm n.
wenn .federmann ülH'rzeugt ist, dass nieinanil .\nderer darum weiss.
Die lücht.schunr der Entsi hliessungcn .sei das göttliche (ie.setz.
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326
Aus den Schriften des Fcltlmarsrhalls
Capitel IV.
Das Commando Demjenigren, so genügsame Fälligkeit
besitzt imd guten Willens ist, zu vertrauen.
jl} 18. Nachdem nun das Glück oder Unglück eines grossen
Fürsten von der Wahl Desjenigen, dein er das seiner Krone und ihm
selbst aufliegende schwere Amt übertragen will, zumalon abhängig ist
und da die Souverains die schwere Regieriingslast und sonstige Obsorge
auf sich selbst zu nehmen, oder aber wohl dahin zu sehen haben,
damit sic ihnen einen solchen Mann dazu aussuchen, damit ihre
diesfalls nehmende Resolution von Gott und der Welt approbiert
werde, so wird auch dem gemeinen Wesen, wenn die Wahl nicht auf
Gunst und Praedilection, sondern lediglich auf dessen gute Eigen-
schaften und Verdienste gegründet, zu beständig verhoffender Wohl-
fahrt damit gedient sein. Nun sind aber einem Jeden nach .Art und
Weise seiner natürlichen Inclinationen die Negotia aufzutragen, anae-
sehen einem unerschrockenen und hitzigen Gemüthe keine einig
besondere Bedenklichkeit erheischende, noch auch dem langsamen und
mit vielem I’hleginate gehenden geschwinden Entschluss und Schleunigkeit
verlangende Geschäfte, (forinidabilior est e.vercitus cervorum. leime
duce, quam leonum duce cervo). *) weder dem die Schärfe brauchenden
solche, wo man dem Land in allem willfährig sein muss, mithin
keinem Weichen das richterliche Amt, noch dem so pur militärisch,
die Politica. weder einem St.aatsmanu Militaria anzuvertrauen sind.
Denn der Spagnol sagt : la mayor ventaja. que sc piiede solicitar a
un estado, es destinar cada siijeto al empleo, para que sc halla nias
a proposito. *) Man will zwar von einem die Armee commandierenden
General erfordern, dass er mit verschiedenen Nationen, besonders
aber der, womit er den Krieg 7,u führen hat, in Negotiationen oder
Unterhandlungen gestanden habe, damit er hiedurch oder mittelst
anderer erfahrener Leute, auch allenfalls aus den derzeitigen Büchern,
so ihre Neigungen, Vortlieile und Kehler beschreiben, derer natürliches
Wesen wissen möge; über dieses soll er werler zu jung, noch zu alt
sein, an Wissenschaft und Erfahreiiheit, sich zu grossen Absichten zu
eiltschliessen. weder an T.apferkeit solche aiiszufuhren, keinen Abgang
haben, allzu grossen Reichthum nicht besitzen, hingegen von schöner
Gestalt und Ansehen, mithin glücklich und von grossem Herkommen
sein, in dem die Subaltern-Ofticiere einem von niedrigem Stande nicht
gern gehors.amen, allein gleichwie in keines Menschen Gewalt steht,
') Ein Heer vnn flirschen ist limhth.arer. wenn cs ein I,öwe anfUhrt, als
ein Heer vnn biiwen, wenn es ein Hirsch unnihii.
Es ist tnr einen Staat vnn gricsstein Vortheile, jeih-n rnterthau in jene
.Vnstellnnir zu hrimren. für widehcc c-r am besten geeignet ist.
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l.inlwij: Andrt'as (iralVii KhcvenhUller.
327
mit vorgesagten Eigenscliafteii begabt zu sein, also wird man sicli an
die Tapferkeit und Erfahrenlicit halten (interneratus enim et dimidus
nihil faciet ut oportet), *) mithin Demjenigen, der alles für die Ehre
und Wohlfahrt des lieben Vaterlandes zu thun sieh beeifert, dazu
erwählen müssen (qui nihil timet, quam turpem famam;. *)
{5 19. Die Geschicklichkeit eines en Chef commandicrenden
tienerals besteht aber hauptsächlich darin, dass er nicht allein seiner,
sondern auch der feinillichen Truppen gegenwärtigen Zustand un<l
Dispositionen, mithin ihre gegen einander laufende und seinen Fürsten
sammt dessen Land betreffenden Absichten und Interesse recht
erkennen thue, Missverständidss und Irrthuni unter des Feindes Armee
erwecke und daraus nun sich bei bevorstehenden Umstünden, wo
vieles Bedenken und Aufschub eine wichtige Unternehmung verhindern
iiTid vernichten, mithin am grossen und favorableu Ausschlag Scltaden
verursachen kann, ohne Verzug zu entschliessen und seine Absichten
ins Werk zu richten, seinen Vortheil nehme, während einer .Action,
wovon das Glück des Landes und Leuten abhängig ist, von des Feindes
Zustand reiflich und vernünftig urtheile, sich bei unverhofften Zufällen
nicht verwirre, sondern selbige mit eben der Gegenwart des Verstandes,
als hätte er solche vorgesehen, alle mögliche Hilfe und Mittel ent-
gegensetze und vorbiege, das TrctTen aber, wo wogen üblem Zustand
der Truppen, oder allzu grosser Ungleichheit des Feindes Kriegsheer,
fort sonstigem schlechtem Vortheil des einhabenden Fosfo mehr (Jefahr
zu befürchten, als Gutes zu verhoffon steht, zu evitieren wisse, in
kleine Actiones, wie sehr er auch durch den Feind angereizt und
gelockt werde, sich nicht einlasse, es wäre denn, dass der F'eind aus
wichtigen und gewissen Ursachen aufzuziehen und zu amüsieren wäre,
hingegen auch mit keinen Kriegslisten oder Stratagematen sich
aulhalte, wenn eine favorable Gelegenheit, um handgemein zu werden
und den zweifelhaften Sieg mit dem Degen in der Faust zu ent-
scheiden sich äussern thut. Es wird aber sein verdienendes Lob und
überfliegender Kriegsgeist durch vernünftige Wahl vortheilhaftiger Posten
und Terrains, gute Veranstaltung seiner Lager, es sei denn zu den
.Angriffen oder Bequemlichkeit der Convois, mithin 1 echte Ordnung im
Marschieren oder Retirieren fort durch vorsichtige Austheilungcn der
-Attaquen hervorleucliten ; er muss auch nach Erheischung der sich bei
dem Treffen verändernden Umständen seinem Heldenmuth zu folgen
oder einzuhalten wissen, die grossen, iiim vor .Augen stehenden V^ortheile
zum Siege gleich abnehmen können und sich von weitem gleichfalls
staffelweise den Gewinn der Bataille zu bereiten, mithin gewisse
. ileini ein T.’nbesomieiier iinil Fiinbtsainer wird nie etwas tlmn, wii-
•‘S iiötbi;r ist.
*) Der nichts furchtet, als den seldeeMen Itnl'.
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Aus iIlh Schriften ilcs Foldniarschalls
favorable Muthmassungen. die den Sieg auf seiner Seite fest und
versichert machen, von ihm selbst einigermassen nbfordeni, endlich
auch des Generals, mit liem er zu thun hat, seine Absicliten vor-
sehen und vernichten, denselben mit aller Geschickliciike'it bei seinen
Schwachheiten ergreifen und alles als wollte, man ihn ermüden, ver-
anstalten, mithin denselben, falls er gar lebhaft und ungestüm ist,
zur Ungeduld excitieren, ist er aber faul und langsam, ihn durch
affectierte Hinlässigkeit einschläfern und denselben, falls er gar
übermiithig ist, seinen ihm zuliagendcn Verdacht vermerken lassen,
um ihn d.adurch ausser den Schranken der Üisciplin zu einigen seiner
bösen Neigungen und endlich begehenden groben Fehlern, woraus viel
Vortheil zu schöpfen, hineinzuziehen, angesehen die grössten Un-
ordnungen, so iin Krieg verübt werden, sich an raehresten und anders
nicht äussern, als wenn inan durch Ungeduld und Verdruss über die
militärischen Grundsätze sirdi durch seine eigenen bösen Neigungen
überwinden Iflsst; diese sind die wahren Qualitäten, so ein General
besitzen solle und die ihm müssen erkennt werden.
5} 20. Es ist nicht zu verwundern, dass man .alle von einem die
Armee commandierenden General erfordernden Eigenschaften in einem
Subjecto selten vermerken werde; will man aber von einer Person
ihrer Capacität und Werth recht urtheilen, so müssen nicht die von
jemand gegenwärtig leistende, oder sonst für das Vaterland gern
praestieren wollende Dienste, sondern auf das wirklich Ausgeführte
zurückgesehen werden; gleichwie denn öfters gesehen worden, das.s,
wenn Diejenigen, so in denen die Mass und Ziel ihrer Fähigkeit nicht
übersteigenden Sachen sich sonderlich distinguiert haben und demnächst
zu anderen höheren Negotiis haben empiojirt werden sollen, sie in
Verwirrung gerathen sein, also kann man auch durch die gegenwärtig
ausführenden Verrichtungen eines Menschen von dem, was er etwa
pro futuro wird thun können, nicht urtheilen, anerwogen eines jeden
Menschen Kräfte und Fähigkeit eingeschränkt sind, dass Viele ihnen
selbst wünschen sollten, man lasse sie bei ihrem mittelmässig und
glücklich ausschlagenden Geschäfte, ohne dass man sie zu Höherem
emplovire; woraus erhellt, dass man sich nicht genug bestreben
könne, das rechte Mass und Ziel eines Menschen Fähigkeit zu erkennen,
welche aber gar leicht zu entdecken wäre, wenn bei vornehmender
Wahl weder Gunst, noch sonstige auf Fdnen oder Anderen vorher
schon gesetzte Geneigtheit praevalieren thäten. woraus also erfolgt,
dass man die kleinsten Talente mit Gewalt hervorzieht, grosse und
besondere Eigenschaften aber verdunkelt bleiben und gar unnützlich
gemacht werden.
Auf einmal wird Einer hervorkommen, welcher weder die natür-
lichen Gaben, weder die erforderliche Geschicklichkeit, noch Erfahrenheit
dazu besitzt, ein Anderer aber, dem man das Conimando in Ansehung
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Luilwig Amlrcas (irall’n KlivvanliülliT.
»einer grossen Dienste ohne das geringste Medenken zuwerfen sollte,
wird immerfort unter den Subalternen erniedrigt verbleiben; allein,
weil grosse Herrn von allein dureli ihr eigenes Licht die gemessene
Heurtheilung nicht nehmen können, so lassen sie sich von Denjenigen,
auf welche dieselbe all ihr Vertrauen gesetzt, öfters in Unrechte Wege
verleiten, ohne dieses geschieht aber auch etlichemal, dass gleichwie
das Glück Diejenigen, so am wenigsten etwas ilavon verhoffen sollten,
mit seinen Gaben überh.'luft, also dann .auch derselben l.’nfahigkeit
erst vermerkt werde, wenn man sie ohne alle Approbation der ver-
nünftigen Welt vor der S|>itze ihres Kmploys stehen sieht, wobei sie
sich aber nicht durch ihre Verdienste, sondern vielmehr die Projection
ihrer Erhöher und Gewalt ihres Glückssterns soutenieren ; nun kann
zwar geschehen, dass ein grosser Mann seine Erhöhung den favorablen
Umständen der Zeilen zuschreiben könne, allein er wird sich jedoch
bei seinem Gluck und Ehre durch nichts anderes, als seine Klugheit
und anderen vortrefflichen Eigenschaften conservieren.
§ 21. Die geschicklichsten und erfahrensten Generale, welche
aber den Ueichthum und grös.seres Ansehen bei ihren Fürsten mehr,
denn die wahrhafte Gloire und Wohlfahrt des Vaterlandes in ihren
Unternehmungen vor Augen halten, werden den Krieg zu Endschaft
zu bringen, insgemein sich wenig beeifern, sondern auf alle Art und
Weise den Frieden abzuwenden trachten, obwohl dieses gegen alle
Grundgesetze lauft fnec qui bell.i gerunt, nec qui de bellis jndicant.
tinem bellorum st.atuunt ipsam victoriam, nec ut imperio »uo cuncta
subjicianl, neipie prndeus quispiam idcirco cum finitimis bellum gcril,
ut fusos prolligatns ipie inspiciat hostes, sed omnes .ad hoc movemur,
quod sequi exindc ceinunus, vel jucundum, vel utile, vel honestum.
finis belli pax), er sollte aber seinem Fürsten und Vatei lande alleinig
und so vollkommen ziigetlian sein, dass er mit Hintansetzung seines
eigenen Nutzens die Wohlfahrt des gemeinen Wesens lediglich vor
Augen halte und befördere, mithin in seinen Sachen dahin ziele, damit
er bei Vorsehung des erfolgenden Friedens und dadurch besrhehender
Verringerung seines Credits und erwojbener Hochachtung, lieber durch
eine von ihm abhSngige und den Frieden mit dem Kriege entscheidende
grosse That sich und seine vornehmen Eigenschaften unbrauchbar
mardie, als den seinem Vaterlamle so schädlichen und dem Ueber-
D Weder Diejenigen, welehe die Kriege fuliren. neeh .lene, welebe itlier *lie
Kriege riehteii, entscheiden üImt das Knde der Kriege, iitier den Sieg s.dlist. nm
altes ihrer Heirseliaft zu imlcrwerfcn. .\neh winl kein Verniinftiger mit sciiii'iii
X.iehliur deswegen Krieg thhreu. um gescldageni^ und zersprengte Keimte z\i sehen ;
s.»ndem wir .Alte strels-n tieni Ziele zu. weh'hes wir als Felge de.s.sen iin .tag.-
hallen, das vniilieilliatte. das zweek massige, das ehrenvolle Ende des Krieg.s,
den Frieden.
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H30
Ans lieii Schlitten Jcs FVUlinarsihalls
winder sowolil, als Ueberwundeneii sehr fatigierenden Krieg zu ver-
längern trachten.
Allein dergleichen thun iin Anfang eines Krieges alles niiigiiche
Vorkehren, um ihren Ruhm auf einen guten Kuss zu setzen, oder,
wenn man's sagen darf, sie verrichten das Wenigste in Zeiten, da viel
Grosses ausgefühtt werden kann ; jedoch sind diese wenigen etwa in
einem nichts entscheidenden Sieg bestehende, oder geringen Vortheil
machende Thaten hei Ilof und der Armee, allwo gar Wenige recht
urtheilen werden, oh der General weiter, als er gethan, habe gehen
können, für hoch angesehen, wenn es auch hei Einigen ein Nach-
denken macht, so wird der Kürst selbst gestehen, dass die Unter-
nehmung weiter hätte ausgeführt werden können, jedoch thut er ihn
nicht tadeln, weil er keine Kalschheit vermuthet; wer wollte sich
dieses nur cinbildenV Der Kcind ist repoussiert und aus dein Feld
geschlagen, die Artillerie sammt einigen Kalmen und Gefangenen zum
Theil hinweggenommen und dieses verblendet und bedeckt alles der-
gestalt, dass man ihm noch grossen Dank weiss, hingegen aber gegen
seine geführte Conduite nichts zu sagen habe (c|uo se forluna. eo
ctiam, favor hominum inclinahit); ') eine einzige Victori, wodurch der
Krieg in der ersten oder anderen Campagne hätte geendigt werden
können, ist diesen Herren nicht nach ihrem Gusto, allein haben sie
nicht recht? Angesehen ein Sieg, so alles ausniacht und uns keine
Gelegenheit zu anderweitigen Thaten überlässt, macht sie zu keinen
grossen und vortreti'liohen Capitains, da hingegen viele in versehiedenen
Campagnen davon getragene Vortheile sie in grossen Ruhm und die
Zahl der vortreEflichsten Helden setzet. Auf solchem Kuss wird also
rathsamer sein, dass man allezeit die Campagne unausgeführt lasse
und sich zur Entsclmhligung dic.ser .Maxime bediene, dass n.ämlioh
dem überwundenen Keinde eine goldene Drücke zu machen sei und
sind diese insgemein der GeneraKpersoneii, so den Krieg lieber ver-
ewigt, als geendigt sollen ihre löblichen Austlüehte, welch« fast alle-
zeit übel eintreffende Kimdamente eine beständige Kruehtlosigkeit der
liataillen sind, angesehen die den Krieden Befürchlondeii, sich wohl zu
hüten wissen, die Sache auf da.s Aeusserste zu bringen, da sie selbst
in Kiircht stehen, den Kcind um den Krieden zu begehren in die
grösste Noth setzen, sollten aber folgendes Axioma observieren: pax et
otium tinis est. <|U!e hella gereiitibus pro|)oni .solet, non enim pax
iiueritur. nt bellum excitetur, sed bellum geritiir, ut pax acqiiiratur. -)
Diese sind alsdann langwierige und verderbliche Kriege, wobei zwar
auch die schärfsten und blutigsten Treffen und Bataillen in der Menge
I) Wohin (has (ilück, dahin wird sieh aiicli die Itiinst tler Mensclien neigen.
*) tliihe und Frieden sind es, welehe ilen KriegtVdinniden vorzusehwelM'n
liltegi'ii: denn nmn sneht niehl den Frieileii. um den Krieg hervor/.iinü'en, sondirn
man rülirt den Krieg, lim den Frieden zu erreiehen.
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I.iulwip Andreas Grafen Klieveiihiilli r.
331
Vorfällen, ohne dass dnrrli selbe die Hauplsaehe zu ihrer Entscheidung
gebracht werde, der Sieg wendet sich bald auf diese, bald auf jene
Seile und befindet sich der Ueberwinder öfters in selbst üblerem
Zustand, als der Üeberwuridene; dieser aber, weil er allezeit fertig,
einen neuen Streich zu wagen, verliert niemals die Hoffnung, d.as
Verlorene wiederum zu erholen, woraus unendlich viele besondere
Unternehmungen, so jedoch nicht allezeit gut ausschlagen, über StSdte
und Länder, fort sehr verwegene und gefährliche Occasionen ent-
stehen, allein was erfolgt mehrmalen hieraiifZ Der vorher siegende
I heil findet seinen Mann und geht geschlagener mit Schande zurück,
ohne dass jedoch ein einziges Treffen, es sei solches so scharf und
blutig gewesen, als es immer sein kann, die geringste Sache aus-
iiiache; ein Jeder schreibt ihm den guten Succes zu, die U.ankfeste
werden an beiden Seiten gleicher Gestalt gehalten, von einem, dass
er die Wahlstatt wo viele Todle und Hlessierte erhalten, von dem
anderen, dass er sich mittelst eines Flusses, so er bei seinem Ketirieren
ein halben Marsch davon entfernt gefunden und wo er also die ganze
Campagne hindurch ohne die geringsten Operationen in Ruhe ver-
bleibt. bedecken können. Wenn man nun, mit einem Wort zu sagen
seine Rechnung macht, so findet sich, dass auf beiden .Seiten verloren
worden und Keiner, .ausserhalb etlichen Fahnen, so der Ueberwundene
bei seiner .Armee abgängig hat. gewonnen; in welch' zweifelhaften
Conjuncturen die kriegenden Theilc also gar oft viele .fahre hindurch
leben, angesehen diese Begebenheiten, wodurch Einer dem Anderen
seinen erlittenen Schaden coinpeiisiert, den Krieg verewigen; cs
geschieht auch, dass solches zwischen zweien an Kriegsübung und
gutem Cominaiido gleichen Armeen sich öfters äussert. massen selten
zu sehen ist, dass eine vor der anderen grosseti Vortheil davon trage.
!} Es ili'peniiert aber alles von ileni Anfang de.s Krieges,
der General macht ihm seinen Vorlhcil und Ruhm vain der ersten
Expedition. Wenn ein initteim.'issiger General weder Geld, noch Truppen
hat. so ist ein sclilechtes Vorzeichen für ihn, hat er auch solches
alles in orforderliclier (juantitiit, so wir<l er gleiebwobl nieht zufrieden
sein, sondern an einem oder dem amleren allezeit .Mangel leiden, da
hingegen ein grosser Hehl durch den Ausechlag seiner rnternehmungeii
die Truppen vermehrt, wohl wissend, dass die llerheisehadüng der
Unkosten eines mit nichts unternehmenden Krieges auf die militit rische
Erfahrenheit seihst gegründet sei (lener ricen il puhlico e inantenersi
con sommo studio di continuo gli eserciti militari sono I« vere vie a
far grandi- nn iinperio, perche « hi aipiista iinperio e non forze insieme.
eonvirne che rovini. e non pm'« aci|iusiare forze perch«', iinpoverisc«"
nelle gnerre, amorche sia vittorioso) (non i- da spaveiitaisi di pigliar
guerra riiai per la spesa, p« r« h«’' la guena in paese nimico si mKlrisce
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332
Alis den Schriften des Feldinarschalls
da se stessa). *) Ein en Chef coroniaiidierender General, dessen Talen-
tuni nicht weiter, als auf Zusammenbringutiw der Kriegsbereitschaft
geht, ist wohl ein erbärmlicher Kriegsheld, es gibt andere verschiedene
von einem General der Armee erforderliche Stiiehe, welche in einem
Individuo Bar selten vermerkt werden, worüber man sich aber umso
weniger verwundern mag, als das Kriegswesen eine unendlich weit
aussehende Wissenschaft ist, in welcher sich Keiner auch durch lange
und sehr schwer fallende Application auf alle ihre Theile also Er-
fahrung machen wird, dass er solche insgesaiiimt unerachtet aller
milglich geführten Uebung und besitzender Kriegs-Science inmaleii
begreifen möge, indem sich nicht alle Tage ein Cae.sar hervorthut;
von einem Menschen kann man nicht erfordern, dass er in allen
diesen Stücken gleiche Geschickliclikeit und Ergrüiulung habe; wir
liildeii uns zwar viel auf unsere militärische Experience ein, wenn wir
solche etwa von dreissig- oder vierzigj.'ihrigen Diensten liervorbringen
können, allein wenn wir recht Reflexion machten, was der Krieg auf
sich habe, so würden wir Ober uns und unsere praetendierende Wissen-
schaft selbst lachen, anerwogen ganz gewiss ist, dass die Krfahrnisi
von zweihundert Jahren, um die gemessene Auskunft allerhand Zu-
fällen und der unter dieser Wissenschaft begriffener sämmtlicher
Stücke zu begreifen, nicht einmal suffleient sei, wir wollen nun ab
eine supponierende Sache setzen: Es habe Einer Alles gesehen und
seine Jahre bis auf das höchste Alter gebracht, was wird er aber ton
dieser Practique behalten, wenn solche nicht auf die Theorie gegründet
isty Also dass man den alle Kriegsstüeke begreifenden General
wohl für ein Wunder ansehen könne, in mehrerem Betracht, dass der
Krieg ein Streit sei, so durch die Macht nicht allein, sondern annebrt
durch Kriegslist und Stratagemata zu erledigen ist, welche durchaus
in der militärischen Wissenschaft vorgekehrt werden müssen und ein
General sich an allen ihren Stücken, welche ihn dazu als sein Ziel
hinverweisen thtin, zu halten hat. lieber dieses wird der. so sich am
vortrefflichsten in diesen Stücken distinguiert, für den (jeschicklichsten
gehalten. Man nehme nun alle Stücke mehrherührter Science eines
naih dem andern, so wird sich .‘iussern, dass ein jedes auf Betrug
und Arglist, so auf die Kunst verdreht werden, lediglich gerichtet
sei (ne tarnen sub stratagematum specic spes data fallatur. et fides
frangafur, perfidiie si(|uidem violati juris jurandi ultor acerrimus ipse
Deus) •) und kann man wohl sagen, dass die eine Armee en Chef
Den Staat reich uiul mit aller .SnrBtalt .icilcrzcit die Krii-Bsheen- erhallen,
sind die wahren Weare. ein Heieh (triiss zu machen; denn, wer ein Keieh erwirbt
imd nieht auch Streilkriil'te hesehatit. nm.s.s zuBinnde ceheii und kann nielit za
Krallen konnnen, weil er in den Kriegen verarmt, .seilest wenn er siefrrvieh wäre.
Man ilarf vor dem Kriefre nieht der Kosten wepeii zuriieksehreekeu ; denn
in Feiinleslaml erhalt sieh der Krie^ diireh sieh seihst.
"1 Itaniit nicht unter di-m Vorwände einer Kriegslist das gegebene Ver-
spreeheii und die Tiviie gehroeheii werde, ist (lott seihst der strengste Itäeher der
Treidosigkeit, intndieli de.s Kidlinielies.
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LiiJ'vi;; Amlnas GriilV;ii KlievinhulliT.
333
(■ommandieremleii (jeiicralspersoneii ihre grosse Vernunft und Klugheit
vor der Welt einmal besser an Tag legen, als wenn sic mehr dundi
ihre (lesehiekliehkeit, als die Macht der Waffen in ihren Absichten den
Gewünschten Endzweck erreichen, angesehen zu glücklicher Ausführung
mit der letzteren nicht so viel Tapferkeit und Standhaftigkeit, als bei
der ersteren erfordert wird;
(Miun’ uomo senza invenzioni sarä giaminai eccellente nella sua
arte, e se il ritrovare invenzioni in ('gni arte, arreca onove e utile,
in questa della guerra sopra tutte le altre arti arreca onone e utile,
perche ogni invenziono ancorchfe picciolissima nella guerra puö far
grandissimi etfecti) (nil refert armis contingat palma dolisve, cum
instum bellum suscipitur, utrurn aperte quis pugnet, an ex insidiis,
nihil ad institiam interest, ipse enini Deus Josuac mandat, ut Haimi-
ticis insidias struat civihus, et Davidem jubet, Philista-os ä tergo
adoriri) (sunt enim eiusmodi doli et stratageinata arinorum instar, ut
ubi violentia nil geri potest, ad hibeatur versutia). ' )
§ 23. Nun gibt cs aber auch Einige, so Denjenigen, welcher
sein Kriegsheer nicht auf den h’ingern zählen kann, für einen Igno-
ranten halten, mithin glauben, es sei dieses das hauptsächlichste bei
einem General, als müsse der Ausschlag einer ganzen Campagne
davon vollkommen dependieren; wie nun ihre ganze Science in dem
Detaglio allein besteht und solches ihr ganzes Talentum ist, mithin
wenn sie vor der Armee stehen, sich in nichts zu finden wissen und
in allem dubios sind, auch sanimt ihrer innehabenden detail die
ganze Armee in Confusion bringen, alsdann sieht man, wie sie ganz
verwirrt und nicht wissend, woran sie seien, dastehen, mithin, wenn
sie auch was vornehmen wollen, bei einem jeden Schritt in das grösste
Unglück und Kehler hineinfallen werden. Solche Leute hat tn.an genug
gesehen und gibt cs ihrer auch dermalen noch immer, so nichts mehr
als dieses wissen; Einer ist geschickt, die Truppen abzurichten und
in der Zucht und Disciplin zu halten, welcher jedoch nicht das geringste
von der Kunst, sie in Schlachtordnung zu stellen, viel weniger zum
Treffen anziiführen wissen wird, das eine dependiert von dem Augen-
masse und Uebiing, so er nicht besitzt, das andere aber von dem
') Kein Meii.scli wird ohne Krämhingen in seiner Kunst hervurragen : und
wenn tias Sinnen nach Krlindnngen in jeder Kunst Khre nnd Nutztoi bringt, so
bringt es in Jener des Krieges vor allen anderen Künsten Elire nnd Xntzen, weil
jede noch so kleine Erlindnng ini Kriege die grössten Wirklingen bervornil'en kann.
Es liegt gar nichts daran, ob man die i’aliiie mit den Wallen oder mit
List erreieht. wenn ein gerechter Krieg liegonneii winl. Ob Einer oflen käinpl't oiler
ans dem Hinterhalte, niaeht der (ieivehtigkeit keinen Eintrag, tiott selb.st trügt
Josne auf. dass er den Haimiten Hinterhalte lege nnd helieblt dem David, die
l’hilister im Rücken anzngivifen.
Dergleichen II intergelningen nnd Kriegsli.steji sind ja ebenso viel, als diti
SVafleii ; dort, wo die Gewalt nichts vermag, werde die Sehlaiiheit angewandt.
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334
Ans Jen Sohrittnn iles Kelilnmrsilialls
Phle»ma und Tapferkeit, so ihm alle beide abgehen; Einer wird wissen,
den Feind wohl zu attaquieren, hingegen wenn er eine Retirada
machen sollte, selbe nicht anzustellen weiss ; und in Contrario, wer
dieses wohl verrichten wird, im anderen keine Ehre einlegen, mithin
Einer in diesem, der Andere in anderem Wunderwerke thun ; Dieser
wird ganz wohl und vernünftig ein Corps anführen, mithin als von
einem geschickten Mann zu verhoffen sein Könnendes auswirken, da er
vor der Spitze der Armee stehend, selbst nicht wisse, wor.an er sei;
ein Solcher wird bei der Cavallerie ein erfahrener Mann sein, indem
er bei der Infanterie ein Ignorant ist. mit einer wird er den Sieg
gewinnen, mit der anderen aber geschlagen werden ; ein Solcher wird
ganz wohl und glücklich eine Armee campieren oder marschieren zu
lassen wissen, da er solche in Schlachtordnung oder zum Treffen an-
zuführen gar nicht versteht, viel weniger aber, wenn's zur Actioii
kommt, sich im geringsten darin zu finden weiss. Ein Anderer wird
ein Kriegsheer vollkommen wohl commandieren, da er jedoch, wenn
seine Truppen nicht um die Hälfte stärker sind als der Feind, gleich
in Verwiriung gerathen; dieser wird von einem l’osto, wo er com-
mandiert, gar gute Rechenschaft zu geben wissen, in einer Kataille
seiner Generale Ordre wohl vollziehen, er wir<l auch solche nach
Erheisehung der Gelegenheit und Umständen anders ausfüliren und
dabei glücklich sein, allein man muss über dieses, da es nur zu der
Subordination und derlei Fälle gehört, von ihm nichts begehren und
ihm kein General Unternehmungen als Capo auftragen. wo er als in einer
über seine Sphaeram hinau'laufendeu Sache erbärmlich anstossen würde.
Ein en Chef commandierender General, welcher einen offensive gehenden
Krieg mit dem grössten Ruhme zu führen und gar zu glücklichem
Ansschlag zu bringen weiss. wird in einem anderen, so nur defensiv
geht, seine Reputation verlieren, massen der defensive Krieg der be-
schwerlichste ist und die grösste Tapferkeit eines Capitains vom ersten
Rang erfordert. Es ereignet sich zuweilen, dass Einige in den aller-
leichtesten Actionen mit Schande und Spott anstossen. hingegen aber
in denen, so die beschwerlichsten zu sein scheinen, einen glücklichen
Ausschlag gewinnen. Die Ursache <lessen kann bald erörtert werden;
ilenn gleichwie man leichte Sachen in den Wind .schlägt, verscherzt
und nur halb ins Werk richtet, das gerechte .Mass dabei nicht nimmt,
mithin sich die Mühe nicht gibt, auf die vom Feinde machen könnenden
Obstacula zu gedenken uinl an die Ausführung selbigen Geschäftes mit
allzugrossem Uebermuthe geht, also Ihun wir auch in den wirklich
beschwerlichsten Sachen das Widerspiel verrichten und also alle
unsere Sorge und Achtsamkeit darauf setzen ; zu gesehweigen, dass bei
dergleichen sich der Feind nicht einbilden kann, dass man solche ohne
die grösste Verwegenheit. Ja gar Thorheit unternehmen dürfe, welches
verursacht, dass er nicht mehr so sehr auf seiner Huth und also in
Gefahr stehe, überfallen zu werden, welches aber genug ist, um selbigen
Ludwitr Anilrcas (irati-ii KlieveiihUlIt'i'.
335
ganz unizuwerfen; man übernimmt sich alsdann mit allzu grossem
Elfer, weil die Sache gar schwer und unthunlich zu sein scheint,
welches jedoch bei den allerleichtesten Geschäften, wo insgemein alle
Kräfte, Gegenwart und Vernunft, Beihilfe der Kunst und Vorsichtig-
keit sollten vorgekehrt werden, unterlassen wird, woraus erhellt, wie
bei den gar nichts zu achtenden Unternehmungen gefehlt wird und
den dem Ansehen nach Unthunlichsten, wo man nicht verhofft oder
erwartet wird, der Vortheil und gute Ausschlag gewiss erfolgen kann;
Inon e in guerra cosa piü agevole ad eseguire, che quella, che i
nimici stimano, ehe altri non habbian ardir di tentare); ') man wird
mehrmalen einsehen, dass ein General die Marsche, grosse Bewegungen
der Armee und Kriegs-Bereitschaften, mithin alles die Ausführung
merkwürdiger Unternehmungen betreffendes in aller Vollkommenheit
besitzt, hingegen nicht capable ist, ein oder das andere in Execution
zu bringen und das Werk auszuführen, woraus man abnehinen kann,
dass, weil man alle von einem Kriegshelden erfordernden Eigenschaften
in einer Person nicht vereinigt sehen kann, viele Generale in einigen
Theilen der .Mililär - Wissenschaft vortrefflich, in anderen aber uner-
fahren sein werden,
§ 24. Hingegen ist aber dieses die gründliche Wahrheit, dass
alle Diejenigen, so das Soldatenhandwerk ergreifen, obwohl sie übrigens
von grossem Herkommen und adeligem Geblüte sind, sonst auch
sonderbare Talente und genügsame 'l'ajiferkcit haben, jedoch nicht zu
dem Obcr-Cominando einer Armee aspirieren dürfen; angesehen diese
viel auf sich habende Charge einen gewissen überfliegenden Geist, hohe
und durchdringende Vernunft, unwankelhafte Standhaftigkeit, mithin
einen zur Unternehmung der schwersten Absichten fähigen Grossmuth
unumgäuglieh erfordert; der Eifer zu seines Herrn und Vaterlands
itiensten muss seine hohen Eigenschaften bei allen V'orkommenheiten
begleiten, massen er die allem Ansehen nach beschwerlichsten Sachen
mit unermüdeter Fertigkeit zur Execution bringen und dadurch zur
Ueberstehung der mühseligsten Arbeit der Armee beständige Geduld
eingiessen und also ihre allerbeschwerlichsten Labores durch sein Bei-
spiel versüssen muss; (omnium somnes illius vigilantio defendit,
omnium otium illius l.abor, omnium delicias ipsius industria, omnium
vacationein illius occupatio) (Spiritus militum animique ardores dux
ipse excitat, qnando Omnibus periculis se objicit, et nulli labori sne-
cumbit);-) wodurch er selbiger die nöthigeu Mittel, gegen den Feind
') Nichts ist im Kriege leicliter auszuführen, als das, wovon der Feind die
Meinnng hat, das.s sein (legner nicht wagen werde, es zu unteniehuien.
!<cin W'aehen sichi-rt den Schlaf Aller, seine Arbeit Aller Kühe, sein Fleiss
Aller Vergnügen, .sein Vortritt die Mu.s.se Aller.
Iter Anführer faidit den .Mnlh und die Kampflust der Soldaten au, wenn er
sich allen Gefahren eutgegenwirll und keiner Anstrengung unterliegt.
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33t)
Aiid il*'ii .Sclii'ifti'ii ili'> FfMmarMli;ills
vorlri'ffliohc Unternelmmiigeii zu verrichten, an Hand gibt, mithin die
(ienerale zu aller Obsorge, die bc^eh\verlichsten Obstacula zu heben
excitiert, wobei er sieh aber dureli gesunde Vernunft und reifliche
L’eberlegung allen Zufallen nach zu moderieren und zu richten hat.
Die natürliche Zuneigunir zum Kriegswesen, um ein grosser ('aj)itain
zu werden, muss mit obbeiührten liigenschaften verknüpft sein; man
vermerkt ja öfters, dass viele mit allem lleldemnuth, Beeiferung und
guter Beurtheilnng sich hervorthuende, fort ihr ganzes Leben iin Krieg
zubringende üfticiere, sich gleichwohl eines Commandos über die Armee
nicht fähig machen, noch wünlig, allermassen zu diesem mühseligen
und grossen Handwerk viele natürliche Kigenschaften erfordert werden,
welches die Ursache gar wohl sein kann, dass in der That selbst so
wenig geschickte Ueneralspcrsoneii gefunden werden, obwohl es sonst
mannhafte Capitains in der Menge gibt, welche eine Truppe Soldaten
führen, ein detachiertes Corps commandieren und den Feind durch
gewisse gute Oritfe schlagen und also mit einem unterhabenden Corps
merkwürdige Thaten ausfühien, hingegen aber, wenn sie ii la töte eines
zahlreichen Kriegsheeres stehen, sehr verwirrt sind, angesehen sic mit
dem überfliegenden und zu allen Kriegsvorkommenheiten erforiierlichen
•.feist, viel weniger der rechten Neigung zum Handwerk von der Natur
selbst nicht begabt worden, ohne welches selbe wohl vortieffliche Offi-
ciere oder Generale, nicht aber grosse und zur Anführung einer ganzen
.\rmee fähige und fertige Helden werden können. (Virtutes imperatoris
sunt labor in negotio, törtilndo in periculo, industria in agendo.
celeritas in coiiliciendo, consilium in I’rovidendo, lemperantia in
capiendo. ')
!} ’-l'). Dasjenige, was gross und vortrefflich genannt werden
will, besieht nicht in dem, was man ist, oder in dem Rang, so Einer
durch das Glück öfters besitzt, sondern in den Thaten (Imperare non
dignilas tantum est, sed et ars, et i|uiilem artium omnium subli-
missima)*) und muss einer in der militärischen Wissenschaft, um die
Ordnung und das völlige Systema zur Führung eines Krieges zu ver-
ändern oder nnzustelleii. gewiss nicht einen mittelmässigen. sondern
überfliegenden Geist haben, angesehen er die Absichten eines Feld-
zuges nach Eigenschaft seiner und des Feindes Kräften, fort nach
dem Lande, wo der Krieg geführt werden soll, richten, mithin das
künftig Erfolgende durch dasjenige, so er zu thun praemeditiert haf,
vorschen und also durch seine grosso Wissenschaft und der übrigen
ihre Kräfte und Mittel zur Firhaltung eines Sieges niemals erkennen-
t) Die Tup’iideii des FeMIn-rm sind: .Aicsdauer in der Arbeit. Kaltldütitrkeit
in iler •iefahr, relwrleiruinr im Hanileln, .Seliiii llizkeit iu der .■Vusführung, I'msielil
in Vnrkeijniiigeii und Miissignng in t'nleniebmungen.
Das Itefehlen i.st iiielit mir eine Wurde, snmleni anili idiie Kmi.st. uiiil
/.war unter allen Künsten die erhabenste.
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I.mlwij: Andrea« (irafen Klieveiiliüller.
337
den Unwissenheit, für den guten Ausschlag gutstehen muss (istuc
«iiim est Ba])ere non quodante pedes modo est videre, sed etiam illa,
qua- futura sunt, prospicere}. *) Ein solcher General, der mit so weit
Aussehendem das Systema einer Campagne einrichteii thut, kann walir-
haftig ein grosser Capitain genannt werden, es w.'lre denn, dass man
von einem jeden, gleich es insgemein geschieht, durch sein iiusserliches
ihn blos allein recommandierendes Wesen beurtheilen wolle; gleichwie
Manche dafürhallcn, es sei eines Privat-Ofticiers und kleines Ansehen
habenden Soldaten Vernunft, also eingeschränkt, dass sie weder grosse
-Absichten, noch andere die beschwerlichsten Kriegsunternehmungen
zuwege bringen können, also glauben sie auch, dass Jemand an Efthig-
keit nicht anders zunelime. als nachdem er sich durch sein gutes
Aussehen zu höheren Kriegswiirdeii erschwinge; wer könnte sich nun
einfallen lassen, dass man von solcher Meinung sei? Man hat aber in
der Tlüit gesehen, dass die Allerdümmsteii, Ungeschicktesten und
Vernunftlosesten, welche man, ohne sich einem grossen Gespött zu
exponieren, nicht hätte um Rath fragen dürfen, auf einmal, da keine
einzige Ursache, warum, zu erdenken war. nur desswegen allein erhöht
worden, weil man sagte, Dieser oder Jener ist ein gros.ser. wohlge-
machter und an schönem äusserlichem Ansehen beglückter Mann von
grossem Hause uml dergleichen, als wenn nämlich Einer, nachdem er
von Leibesgestalt gross uml schön ist. von hoher Geburt etc., gleich-
falls einen hohen Verstand und andere vortreffliche filigenschaften der
Natur haben müsse, mithin die Vernunft gross oder klein zu beur-
theilen sei, wie man sieh über eine mit Geld angefüllte Truhe nach
ihrer Grösse oder Kleinigkeit mehr oder weniger verwundern wollte;
allein es wird öfters bei Höfen ein solches Urtheil über die Menschen
genommen und ist allda in gewissen Sachen ebenso grosse Unvernunft
als sonst unter dem gemeinen I’euple zu vermerken, jedoch aber sollte
in dergleichen Sachen nicht also geschwind nach dem äusserlichen
-Ansehen eines Menschen judiciert werden (ibi perit rei militaris
Studium, ubi non illius periti, sed cujusvis generis homines ex favore,
non ex virtute exercitui vel militibus prteficitur). -j Der Spanier
sagt: no con el encrespar de la fronte, ni con estar sobre el
grave : sino con las buenas costumbros se adquiera la reverenti.a de
todos. •*)
') Dahill mns.« da.« .'^trelieii gerichtet sein, ihi.ss man nicht allein das sehe,
was vor den Kü.sseii liegt, snndeni auch das Künftige vorhersieht.
. . . ilenn da.« heisst weise sein, wenn man nicht nur sieht, was vor
den Fllssi-n liegt, solidem aiieh das Künftige vorhersieht.
*) Die Iftlege des Kriegswesen« geht dort zu (ininde, wo nicht Kundigi',
solidem allerhand .Männer aus (iiinst und nicht ihrer Kigniuig wegen dem Heere
Oller den Tmiqieii an die Spitze gestellt wenlen.
*) Nicht diin h Verziehen der .Aiigeiihraiien oder durch .Annahme gnivi-
tatisi’her Pos»-, solidem durch gute Sitten erwirbt man sich die Aehtniig -Aller,
tlittlieitungen des k. and k. Kriegs-Archivs. Neue Folge. VII. 2Z
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33y
Aus tlirii Sohritten des Feldmursidialls
5} 2ß. Gleichwie nun unter allen anderen guten Eigenschaften
einer Generalsperson auch diese, dass er nämlich nicht eigennützig
und interessiert sei, hauptsächlich von ihm erfordert wird, also kann
denselben auch die Gewinnsucht in viele, öfters unersetzliche Fehler,
wodurch aber das gemeine Wesen, der Fürst und andere Particnlare
grossen Schaden leiden dürften, hineinziehen (prodesse sibi iinus
quisque, dum aliis non nocet, non prohibetur); ') angesehen ein eigen-
nütziger General seinem Vaterlande nicht eidesmuthig dienen, sich
mehr um seine eigene, als um seines Forsten F^hre und Nutzten be-
streben, seine Privatvortheile mehr, als des gemeinen Wesens suchen,
mithin sich mit anderer Leute Schaden bereichern wird (atrum sor-
diduinque putandum est aurum, quod ex lacrimis oritur) (ottimo ed
onorato e chiamato quel capitano, che si sforza pigliare non doni,
nia spoglie di nemici : perche il suol dire, che chi accetta il dono. se
fa servilore del donatore).“) Er wird das Land verschonen, dadurch die
Truppen leiden werden, von den Bewegungen des F'cindcs und seinen
Absichten, weil er keine Kundschafter hat, oder selbe nicht gehörig
bezahlt, auch keine Nachrichten haben, den Krieg aber, <la unter
dessen Fortführung sein Privat-lnteresse versiert, nicht schleunig, wie
er wohl könnte, zu Ende bringen, von den Truppen und Volk, weil
er nicht freigebig ist, gehasst werden, wobei jedoch dieses jederzeit
beobachtet muss werden, (quod sparsa in communi gralia ab omnibus
accipitur, redditur a nemine)^. und sich vor diesen (qui benefactis re-
tuntur seu Horibus, tarn diu gratis, quam diu recenlibus) *) zu hüten
wisse.
Die Freigebigkeit wird dem General die Liebe und Freund-
schaft der ’l'ruppen gewinnen, man zeigt selbe nach seinem Vermö-
gen; allein es muss auch observiert werden, wem und warum, mithin
dass solche mit guter ,\rt geschehe, (Ne dicas amico tuo. vade et
revertere, et cras tibi dabo, cum statim possis dare) (qui cito dat
bis dat, nil dal, qui munora tardat) ; ") allermassen die Grösse des Ge-
schenkes den Beschenkten nicht so viel freut, als die gute .Art und
Weise, womit üim solches gegeben wird, verursacht; vor allem aber
muss Fiiner im fremden Gut und wo ein Anderer darunter leidet, nicht
‘) Ks i.st nicht verbiiten, sich einen Nutzi-n zu vcrschnflen, wenn man Aiiden u
nicht .schadet.
rnheiihringeiid und si'hmilhlich ist jenes (ield, wehdies Thranen entS))ringt.
Her beste und geehrte winl jener Feldherr genannt, welcher hestreht ist.
nicht Oesehenke zu nehmen, sondern Feindesluuite ; denn er pflegt zu sagen: Wer
ein Oesehenk annimmt, macht sich zum Sklaven des Oehers.
Hass das. was .Anderen zuliidte verschwendet wird, von .Allen angenommen,
von Siemamlem riiekerst.ittet wird.
*) AVelehe die AVolilthateu nur ids Hliiinen Iwtraehten. die mir stdaiige an-
genehm. als sie friseh sind.
*) .'sage nicht deinem Freunde, gehe und kehre wieder, morgen wenle ich
dir gehen, wenn du gleich geben kannst.
Zweimal gibt, wer gleich gibt; Nichts gilil. wer mit den Oalieu siinmt.
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l.iKlwift Andn-a» (irafan Khi vanluiller.
339
liberal sein, darum soll der en Chef coraniandierende General sein
vieltnügendes Vorwort für die Truppen bei Hof interponieren. damit
denselben mit dem nöthigen Unterhalt daselbst vorgesehen und ihre
Verdienste mit dem Honorifico oder Lucrativo, nach Massgebung ihrer
zur Khre und Ruhm habenden, oder zum Interesse hinlenkenden Neigung
helohnt werden.
5} 27. Ilie Aufrichtigkeit und Redlichkeit ist einem General
auch wohl zu recommandieren. angesehen diese Eigenschaft ihm den
Kingerzeig geben wird, wie er einem .Jeden die liebe Gerechtigkeit
widerfahren lassen, die ihm von seinem Fürsten anvertraute Macht
und Gewalt lediglich zur Wohlfahrt seines Vaterlandes verwenden,
hingegen selbiger nicht zur Gewaltthiitigkeit und Ausmerglung der
l nterthanen, ja nicht einmal des Feindes, wo nicht seines Fürsten
Interesse versiert, sich gebrauchen solle; darum Derjenige, so das
Kriegsheer führt, nicht allein Tapferkeit und Erfahrenheit, sondern
auch Grossmuth und Weisheit, um das ihm von seiuem Fürsten gege-
bene l’ouvoir mit Billigkeit zu gebrauchen, besitzen muss, inassen er
gegen den Ueberwundenen sich mild und höflich bezeigen, mithin in
all seinem Thun und Lassen dem Feinde zu vermerken geben soll,
dass er nicht aus .Antrieb seines eigenen Ehrgeizes. Eigennutzes oder
Rache ihn zu schlagen und zu unterwerfen, sondern lediglich selben
zu einem billigen Frieden zu zwingen die Gelegenheit suche; zumalen
nicht erlaubt ist, dass der Krieg aus einer anderen .Absicht, als A'er-
wirrung vorzukommen, oder zu stören und den lieben Frieden ileni
A’aterlande wieder zu geben, oder zu conservieren. angefangen oder
geführt werde; der commandierende General, welcher nichts als das
gemeine Reste vor -Augen zu halten hat. soll die .Sohlaten bei der
Sanftmuth und gutem Umgang mit dem Landmann, besonders wenn er
selbe bei diesem einziuiuartieren hemüssigt ist. halten, damit die Un-
terthanen, so von der Miliz mit dem Degen in der Faust besidiützt
und vertlieidigt werden sollen, von ihr nichts feindliches zu leiden
haben; er soll jederzeit seine Gedanken auf die Gerechtigkeit und
Holdseligkeit, die man insgemein gegen alle Menschen verspüren lassen
muss, setzen und nur mit Unwillen Schwert und Flamme in des Fein-
des Länder bringen, damit das Volk, welches er zu verderben und zu
verheeren gezwungen, ihr Unglück nicht so viel ihm, .als den mit
dem Kriege verknüpften Fatalitäten zuschreiben ttiut. AVenn nun
solche dem unseren P'einden entgegengesetzten General beiwohnenden
guten Eigenschaften sie zu einer Hochachtung gegen ihn veranlassen,
so werden auch selbe hiedurch nach und nach unvermerkter bewocen
und gleichfalls gezwungen werden, die AVaffen von selbst niederzulegen
und also zu sagen, in Retraclit seiner Tugenden zu grossem Nach-
theil ihrer obwaltenden Interessen zu succumbieren ; ist aber der F’einJ
gezwungen, mit solchem General und seinen Truppen handgemein
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340
Ans den Schriften des yeldinarsehalls
ZU werden, so wird selber seine mit Vernunft und Billigkeit begleitete
Tapferkeit jederzeit darum fürchten, weil dieses schon eine im üe-
müthe des Menschen festgesetzte Meinung und wahres Vorurtheil ist.
dass der Sieg der Partei eines nahrhaften Helden sich insgemein
anziinehmen und dessen grosser Fähigkeit, weiss nicht, was ffir be-
sonderes Glück und Unüberwindlichkeit zusetzt, wodurch sie also l>ei
den allergefiihrlichsten Läuften, wo Andere mit grosser Schande und
Spott stecken bleiben, die beschwerlichsten Unternehmungen mit ewi-
gem Ruhm ausführen.
5} 2'S. Gleichwie nun flöflichkeit, Freundlichkeit, Güte, gnädige
Hegegnung und leichter Zutritt, so der Gcner.al seinen Ofticieren und
Soldaten gestattet und blicken lässt, die rechten Mittel sind, wodurch
er ihre Gemüther gewinnen muss, also wäre auch zu wünschen, dass
ein commandierender General solche aus seiner natürlichen Ait be-
sitzen thät, .ancesehen er nichts unternehmen, viel weniger aber glück-
lich ansführen wird, wenn ihm seine unterhabenden Truppen mit Lielre
und Affection nicht zugethan sind humanitas ducis in exercitu fulmen
adversus hostes est), ') um aber solche zu gewinnen, so muss er durch
gewisse militärische Vertraulichkeit und vortreffliche Reredsatiikeit in
allem seinem Thun und Laasen sich bei ihnen beliebt machen, (Impera-
tor, qui eloquentiain cum prudentia conjunxerit, quid iu exercitu
praestare, non potest),-) bald diesem oder jenem Officier mit verbind-
lichen Expressionen schmeicheln, bald einem anderen durch das von
seiner in gewissen Gelegenheiten bezeugten Erfahrenheit und Gross-
müthigkeit gebendes Zeugniss zu grosserem Glücke Hofl'nung machen,
auch anderen ihr wirkliches Avancement befördern, allermassen dieses
die Richtschnur ist. woran ein General sich zu halten und also durch
die liebreiche Gütigkeit und Vornahme in distinguierende Gemein-
schaftlichkeit, mithin vielmehr durch Liebe und unabänderliche Ge-
neigtheit, als obrigkeitliche Gewalt des Commandements, sich aller
Gemüther zu bemeisteru wissen wird (amorem apud populäres, metum
apud hostes querat) (nusquam filicem exitum habitura sunt negotia,
quorum arbitrum homines anidmavertcrant esse illum, quem ederunt.j.*)
Denn wenn der en Chef commandierende General die Liebe der Trnp-
pien an sich gezogen, so wird alles gut von statten gehen, da sie
sonst seine vortrefflichen Thaten, die er verrichten mag, nicht rühmen
und mit allem, was er immer thun kann, niemals zufrieden sind. Ob-
') Mcicoliliclikcit ih'S Keldhcrm gegeu da.s lli'vr ist eia grgi’U die Feinde
gesehleoderler Witz.
-) Was vermag iiielit ein Feldherr UlaT sein Heer, der KIngheit mit
Ih rvdsnmkeit verbindet ?
Kr .strelie naili I.ielie Ikm .seinen L;ind.'letiten nnd nach Furcht lad
den Feinden. Nirgends wenieii jene .Angeii^genheiteii einen glücklichen .Ansgang
nehmen, als deren beiter ilie Menschen Denjenigen gewahnn, den sie hassten.
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Lndwig Au(lrt‘as Grafen Klievenhullcr.
341
wolil nun Einige einer ganz anderen Meinung sind und dafürhalten,
dass der Gehorsam der Truppen eine Folge der gegen ihr Haupt
hegenden Furcht sei, so beantworte jedoch dieses ihr Einwenden mit
Folgendem; Timor autem est debile fundamentuin, nam qui timore
subducuntur, si occurrat occasio, qua possint impunitatem sperare,
cootra praesidcntes insurgunt eo ardentiiis, qiio magis contra voluiita-
tem ex solo timore cohibentur, sicut, si aqua per violentiam inclu-
datur, cum aditum invenerit, impetiiosius finit, sed iiec ipse timor
caret periculo, cum ex nimio timore plerique in desperationem inci-
deriiit. *)
Obberührtes ist aber also zu verstehen, dass die gegen seine
l’nterhabenden bezeugende Holdseligkeit die militärische Zucht und
Bestrafung der h'ehler, wodurch der Ungehorsamen gebührende Hoch-
achtung gegen ihr Capo erhalten werden muss, nicht verhindern.
Hingegen aber, wenn Einem oder Anderem eine unglückselige
Begebenheit zustosse, Trost und Hilfe widerfahren lasse (flere cum
flentibus, gatidere cum gaudentibus) ; *) über dieses wird auch haupt-
sächlich erfordert, dass wenn ein General mit seinen Subalternen
redet, er einen jeden in Individuo mit seinem Namen zu nennen
wisse, angesehen sie hiedurch glauben, dass ihr Capo sie kenne und
in gutem Gedächtniss in Beobachtung halte, mithin sich beeifern wer-
den. dass sie keine Fehler begehen. Denn gleichwie ein Medicus
seine Medicamente und ihre Tugend zu nennen weiss, also muss auch
der en Chef commandierende General erkennen können, zu was er
einen Jeden gebrauchen möge ; die Holdseligkeit muss sich aber nicht
allzugemein und durchgehende vermerken lassen, indem ein und andere
dadurch zur Frechheit angereizt werden, sonst gibt auch die Erfahrniss,
dass vernünftige und ehrbare Gemüther sich durch blosse Anzeige
ihres begangenen Fehlers verbessern, hingegen aber die Ungehobelten
und Nachlässigen durch die Strafe zur Bereu- und Erkennung des
Verbrechens angehalten werden wollen (plus proficit correctio apud
pindenteni, quam centum plagae apud stultum).’,) Es muss das Haupt
einer Armee seine bösen Neigungen zu überwinden und sich von
allem Laster zu enthalten wissen. (Principis est, non mollitia, deli-
ciisve. sed temperantia ac fortitudine privatis hominibiis antecellere i
t) Die Furcht ist eine schwache (inimlhipc ; denn Diejenigen, weli he ilnn h
Fnn-ht niedergehnltcn werden, stehen, wenn sich die Gelegenheit ergibt, von weh hiT
sie Straflosigkeit erwarten können, desto heftiger gegen ihren Vorsteher auf. je
mehr sie gegen ihren Willen ans blosser Furcht im Zaume gehalten werden ; gleich-
wie das Wasser, welches gewaltsam eingesehlossi'n winl, desto heftiger abflie.sst.
wenn cs den .Ausgang gefniidcn hat, aber die Furcht sedbst entbehrt auch der
Gefahr nicht, wenn ans zu grosser Furcht Mehntrc in Verzweiflung gerathi'U.
*) Weinen mit den Weinenden, sich frimcn mit <len Freudigen.
Eine Zurechtweisung nützt beim Klugen mehr, als hundert .Schlage
lieim Thoren.
Dem Fürsten geziemt, die l’riv.atleute nicht dnnh Weichlichkeit lind
Vergnügiingen, sondern durch Klugheit und Tüchtigkeit zu übertretten.
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.’i42 Aus (len Schriften des Fcldniarschalls
Es wSre ja lächerlich, wenn man an anderen die Fehler, womit
Einer selbst behaftet, strafen wollte; die Subordinierten werden der-
gleichen Vitia, oder ihrem Chef zu gefallen verüben, oder aber, wenn
sie darüber bestraft werden sollen, sich mit dem Beispiel desselben
exculjiiercn. (Si recte civitatcm gubernatnriis es, virtute imbuendi
sunt cive.s, nam dare quis potest aliis, quod ipse non habet) (qu^lis
rcctor est civitatis, tales et inhabitantcs in ea). *) Die Subalternen
müssen also durch das Beispiel vielmehr, als das Commando dirigiert
werden ; so schfidlieli nun ein lasterhaftes Leben ist, so hat auch die
Tugend nicht allein in jener Welt ihre Belohnung zu verhoffen.
sondern ist auch viel Gutes daraus zu erwarten, indem die Cnterthanen
die Hilfe Gottes sich dadurch versprechen ; in allen Sachen muss aller
ein gutes und reines Gewissen die Vernunft unterstützen (tiil opionionis
causa, omnia conscientia faciantj, 2) darum auch ein Jeder wohl zu
sehen hat, dass er nicht im ersten Ansehen ehrbare und vortheilhafte,
hernächst aber sich ganz anders befindende Thaten einfolge (quia
imitandi facultas vili cuidain se commiscens vitia procreat).
U 21L Nun will auch zur Frage gezogen werden, ob ein Fürst
das Commando seiner M.ieht einem allein unbeschränkt auftragen, oder
«aber solches föglicher und besser Verschiedenen vertrauen und also
zertheilen solle. (Multos esse duces hand quagnam proderit, esto rei
iinus princeps unus, (|Ui publica tr.actet, neque nlitee ratio const.it,
nisi uno tredatun. ') Es hat sich in der That zugetrageii, dass so
oft solches geschehen ist, Einer von Beiden durch Eigensinnigkeit des
Anderen gute .Absichten zu nichts gemacht hat, welches aber jederzeit
.aus Neid, Fnwissenheit oder Zaghaftigkeit so gewiss daraus erfolgt,
als wenig man erfahren hat, dass zwei Generale, so das Commando
zertheilter oder wechselweise führen, einig sein können ; da hingegen
einer allein durcli seine rnittelmässige Vernunft und Erfahrenheit mehr
Gutes bewirken und sein Unternehmungen viel leichter, als zwei
geschickte und vernünftige Generale, zwischen welchen Jalousie und
Neid regiert, ausführen wird, (concordia res parvae crescunt, discordi.i
ma.ximae dilabuntur). ’•) Bleibt .also dabei, dass zwei Generale, so das
(.'ommando alternative führen, nicht lang überstimmiui werden (Saluber-
*1 Wenn du den Staat richtig regieren willst, musst du die IJiirger an
Tugend gewidmen : kann alier jemand .Anderen gelien, wa.s er nielit selbst besitzt ?
Wie der Ilegierer iin .sttaate ist, so sind aiieli die Itewohner des.sellH'n.
-) Sie mögen nichts der Aleinung wegen, sondern alles gewis.senhaft thun.
Weil die Kiihigkeit. naehzuahinen. jedem Xiehtswürdigen anhaltend, die
Laster erzeugt.
■*) Jtass ineiirere .Anliihrer sind, wird gewiss niemals nützen. Einer .sei
König. Einer Kürst, weli her die Staatsgesehäl'te leitet und es gibt keinen .Ausweg,
als sie Einem zu ülierlragen.
■') Itei Eintracht wachst Kleines an. durch Zwietracht geht firusses
zngrmide.
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Ludwig Andreas (irafen Khevenhiiller.
343
rimum in administratione niagnaruni reriim est, summa imperii peiies
iinam esse);*) und was das inehreste ist, so wird ein vortrefliiclier
Kriegsheld, der einen scliwachen Mann an seiner Seite liat, mehr
Einreden. Widersetzungen, falsches Raisonnieren und Cliieanen auszu-
dulden und zu widerlegen, mithin viel mehrere Widerreden haben, als
wenn er mit einem an Wissenschaft und Erfahrenheit ihm gleich
Gehenden zu thun hätte. (Unuin debet esse reipublicae corpus, et
unius animo regendi sunt multi). Was verursacht denn die Missver-
ständnisse anders, als dass gleich hei .Antretung der Campagne die
Kriegsraths-Versammlungen die grössten Keldschlachlen gleichfalls
sind? Man sieht hiebei nichts als Misstrauen, gegen einander gehende
Klagen. Neid und Capricen ; einer wird die völlige Niederlage des
ganzen Kriegsheeres lieber sehen, als den Sieg einem General, so
er nicht liebet, zugeschrieben, ein anderer aber, der die Haut verkauft
hat, wird das Uebelste, um seine Pension zu verdienen, einratheii.
Es liegt ja die betrübte Erfahrung genug am Tag. dass der leidige
Neid an den grossen Thaten viel Schaden gethan. deren unglücklichen
■Ausschlag entweder verursacht, oder aber den guten lange Zeit
zweifelhaftig gemacht habe; über dieses ist nicht genug, dass ein
General das Commando über ein Kriegsheer allein und mit unbeschrankter
Gewalt führe, sondern er muss nebst diesem frei und an keinen
Minister gebunden sein, angesehen diese Independance einem die
Armee en Chef commandicrenden General zur .Ausführung grosser
Unternehmungen vielen Vortheil zubringt, massen selbige nicht leicht,
als unter Anführung eines einzigen Capo guten Ausschlag gewinnen,
hingegen insgemein, wo Viele sicli drein mischen, übel von statten
gehen werden, da die Vielheit der Refehlerer den Verlust der besten
Soldaten verursacht und alles in g,änzliclie Zerstörung bringt, indem
eine zerlheilte Gewalt verschwächt wird ; anerwogeu die E’urcht vor
Schande und Spott und die Hoffnung zu Ruhm und Ehre einen .Jeden,
wenn sie ihn allein betrifft, in den Actionen zur Anwendung aller
möglichen Kräfte animiert, sind aber diese Sachen gemeinschaftlich
zu befürchten oder zu hoffen, so wird er sowohl lietadeliing, als
Reputation nicht achten, oder weniger Theil daran nehmen
Hei anderen Civil-Dnterhandlungen, so durch Viele tractiert werden,
hat es die nämliche Beschaffenheit, indem bei selbigen eben solche Unfälle
durch (Jffenbarung der Geheimnisse, mithin durch die wegen gegeneinander
häufendem Interesse von ein oder anderen befördernde Verzögerung
und Verhinderung des Entschlusses der Verhandlungen Vorkommen: es
wird also der Fürst, so das Commando verschiedenen Generalen aufträgt,
') Da.s Vortheilhal'teste l>ei Verwaltung wielitiger .AngelegoiiliKiten ist, wenn
die oberste Kntsidieidnng Kinein zustelit.
*) Der Istaat muss einen einzigen Kör|«-r hiWeu und A'iele miissen naeli
dem Hinne Eines geleitet werden.
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344
Aus (Ipn .SeliriflHii des Keldnmrsclialls
sich bei der Sactie niemals wohl befinden, da ein einziger mit unbe-
scliräid<ter und unabhängiger Gewalt die Armee en Chef commandiorecder
General allezeit die mehresten und grössten Vortheile haben wird; es
gibt zwar solche, die sich gar gern durch positive Ordres einschrfinkeii
lassen, um dadurch allezeit Gelegenheit zu nehmen, sich der üblen
Ausschläge halber justificieren zu können und ihre begangenen Fehler
mit dieser Entschuldigung zu bedecken und dahin zu schieben ; Andere
aber beschweren sieh desshalb, dass ihnen die Hand gebunden sei und
ihre Gapacität nicht können sehen lassen ; allein ohne in die Raisonen
zu entrieren. so ist wohl gewiss, dass der Landesfürst wohl bedacht
sein muss, in was für Händen er seine .4rmee hat. müssen das ver-
änderliche Glück der Waffen öfters considerablen Schaden und Nachtbeil
bringen könnte, welchem zu remedieren öfters kein anderes Mittel
ist, als den Kopf eines solch unvernünftigen und verwegenen Generals
zwischen die Füsse zu legen.
Es sind aber gewisse Occasionen, wo man dem commandierenden
(iencral die Carta bianca. das ist völlige.« Pouvoir zu acieren geben
muss, sonderlich da es in entferntem Lande ist. oder andere Umstande
und Conjuncturen es erfordern, allein weil es eine sehr delicate Sache
ist. so muss sie einem Solchen gegeben werden, dessen Gapacität
nicht allein als Aufrichtigkeit, wahre lüebc und Eifer zu Herren -
diensten unzweifelhaft ist.
30. Es geschehen auch öfters solche rntriguen, dass so ein
General in diesem oder jenem Land commandiert, wo er zu seiner Zeit
grosse Thaten glOcklich ausführte, in ein anderes Land, wo er die
nämlichen Vortheile nicht haben kann, zu coramandieren abgeschickt
wird. Es habe ihn nun gesetzter Weise das Schicksal zu endlicher
und völliaer Ausführung einer grossen Unternehmung destiniert. allein
was widerfährt ihm. er ist nicht Herr darüber, er empfängt andere
Ordres von seinem Fürsten, welcher des Generals guten Absichten
nicht cinfolget. nicht allein seinen, sondern Anderer Rath anhört und
approbiert ; ist der General in keinem Stück zu tadeln, findet man
in seiner Conduite nicht das Mindeste, um gegen ihn anzubeissen. so
wird der Neid beunruhigt und erweckt, lässt man ihn die Campagne
endigen und ihm dadurch einen ewigen Namen machen, so können die
Augen der Neider diesen Glanz nieht ausstehen. Es werden Verleumder
unter der Hand e.xcitlert. welche alles, damit der General zurück-
berufen werde, Vorkehren und movieren. W.as inuss nun ein solelier
Mann um wegen den gegen ihn erweckenden Verfolgungen und ver-
ursachenden Unheil nicht verdriessilich zu werden, für Geduld liabeni'
Fis ist aber dieses insgemein das Schieksal der vollkommenen Tugend
und ihrer verdienten Ehrenstelle. Neid und Hass eonspirieren ohne
Finde, um Jenen zu denigrieren und den .Anderen zu verfolgen. I>as
l.iiilwiK AnilrMis (Jnifen Klievenliiiller.
345
Sprichwort »agt, zwar „qn'un homnie ä qui on reprodie quelqne
chose. qu’il il n'a pas fait, ne doit noii plus s’cn affliger, que si on
lui liisait, qu'il est malade lorsqu'il se porte bien“. Es »olle aber
der Souveraiii dergleichen Intriguen suchen zu ergründen und wird er
niemals vortheilhafter von einer Person urtheilen können, als wenn
von einem mit weniger Wahrheit übel geredet wird, alsdann muss er,
nachdem die Zahl der zu seinem V'erderben abzielenden Verleumder
anwächst, mehr Hochachtung auf ihn setzen und also selben aus
dem (irunde zu kennen, giosseren Vorwitz haben; dieses ist das
sicherste Mittel, die Tugend zu entdecken und sic von dem anderen
Haufen zu entscheiden ; diese ist die Wunschruthe und Laterne, um
die verborgenen Meriten zu erfinden. Ein vernünftiger Regent wird
sich selber nicht nützlicher und besser bedienen, als wenn die
Finsterniss sehr gross und die heimlichen Comploteu gegen die, so zum
Verderben gebracht werden sollen, recht aufgewachsen und zeitig ist ;
dergleichen heimliche Anschläge und Vorhaben der Nachsteller, welche
der Neid excitiert, sind bei den Höfen und den Grossen dieser Welt
fast gemein, welche der Neider die entsetzlichste Vormauer, der die
allertiefste Klugheit mit keiner genügsaineu Vorsichtigkeit vorbauen kann,
allezeit sind, indem der Neid gegen die Tugend, welche uns unleideiitlich
zu sein vorkommt, den scharfsinnigsten Griff vorkehrt. Nun könnte
man zwar wahrhaftig sagen, dass Derjenige, der sein Glück macht
und von Anderen dessen würdig geachtet wird, es auf das Höchste
gebracht habe, allein wie unendlich Viele vermerkt man nicht wohl-
verdiente Leute, die mit dem unbeständigen Glück ringen müssen
und aus blossem Neid gegen ihre hochzuschätzenden Talente und vor-
trefflichen Eigenschaften verachtet und verfolgt werden, zu geschweigen,
dass man gegen ungemeine Leute, so dem Vaterlande die impor-
tantesten Dienste erwiesen, oder solche zu leisten willig und fähig
sind, solche heimliche verfolgerische Intriguen macht, welche umso
viel mehr zu befürchten, wenn die verleumderischen Intriganten stark
und gar von der Weiberlist secundiert werden. Es sollten aber die
Souverains solche in ihrer ersten Geburt dämpfen, besonders wenn ihre
gefährlichen Absichten auf die vornehmste und vorher schon auf dem
Probestein unverfälscht befundene Tugend gerichtet sind ; unter allen
anderen Ständen ist keiner, als das Kriegswesen, so den mehrsten und
grössten Veränderungen am stärksten unterworfen (qui inimicus est,
etiani in scirpo noduni querit, amicus prava quaeque rccta judicat). *')
'I Hass ein Mann, dem man etwa» zum Vnrwiirt'e maebt. wa» er nicht be-
gangen hat. sieh ebensowenig daiülier kranken »oll, als wenn man ihm .sagte, er
sei krank, wälirend er ganz gt-sninl wäre.
’) Iler Feind »nehl auch in llinseii Knoten: di-r Frennil halt amh das
Sehleehte fiir gut.
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34 »;
Ans il»n Schriften des Feldniarschiills
Capitel V.
Erkenntniss des Landes.
S 31. Nun ist «lerjeniue General, so das Kriegswesen und seine
ilbripen Absichten zur Campagne auf Eigenschaft seiner Kräfte, auf
einnehmende Kundschaft der feindlichen Macht, auf Bekannt.schaft des
Landes, wo er den Krieg zu führen hat, mithin auf die Nachrichten,
so er von dessen Einwohnern haben kann, vernünftig richtet, praepariert
und feststellet, gewiss ein grosser Capitain zu nennen; ist es aber,
dass der Krieg in einem Lande, wo wir nicht leicht wegen seiner
weithin Entlegenheit genug.same Kundschaft voraushaben können,
entstehen würde, so sind vernünftige und erfahrene Officiere dahin
abzuschicken, welche daselbst unter verschiedenem Vorwand die unter-
schiedliche Eigenschaft des Landes erforschen sollen, nämlich der
See-Posten, <ler Meerhäfen, der Oerter, wo die Anker leicht aus-
zuwerfen sind, der Städte und anderer Plätze, weiter .Menschen und
Pferde-Qualität zu betrachten, mithin observieren, was für Manier und
.Art sie in ihren Oiensten gebrauchen, wo und in welchem Ort die
Flüsse über Brücken, oder durch die Fährten zu passieren sind, dann
beobachten, von welchen und gegen wen der Krieg defensive oder
offensive zu führen ist; auf des Landes enge Wege und Befileen. die
Zeit, wenn die Wässer durch Hegen oder Schnee aufschwellen und
sich ergicssen und wenn solche in der Trockene ohne Brücken zn
schlagen, zu passieren sind ; die Frucht- und ünfrnchtbarkeit des
Landes, mithin den Mamrel oder l'ebertiuss der Lebensmittel ; das
AVasser, Fütterung und Holz, so die Armeen unumgänglich in den
Campementen haben müssen ; auf die Zahl der Truppen, wie vieh" das
Land von ihrer regulären sowohl, als Land . Miliz und wie viel Zeit und
was für Zeit bewafinen können. Nicht weniger ist zn observieren, dass
man die Grenzen desselben und das Volk, oh es nSmIieh kriegerisch
oder nicht sei, kenne, augesehen von dem kriegerischen Landvolk viel
L'ngemach, besonders aber in den Ländern, so mit Wäldern, Bergen
und Gräben hin und wieder abgeschnitten sind und wie sie grosse
Verhindernisse verursachen und die (’onvois aufheben können, zu
belahren steht, etlichemal sind die Grenzer tapfere, hingegen die im
Herzen des Landes wohnenden zaghafte Leute, so den Muth sinken
lassen und nicht beständig verbleiben, andere sind wieder tauglich
gegen iliesc. nicht aber eine andere Nation ; man muss auch wissen,
wie ihre t'avallerie und Infanterie beschaffen und welche unter beiden
in ihren Diensten und Eigenschaften piaevalicren, ob sie ihre Truppen
mit Bundesgenossen verstirken. ob solcher Succurs durch einige
P.as.sages, so un-ere Truppen auf dem Lande, oder Seemacht auf dem
Meere einhat. ilnrchpassieren müssen, oder aber auf einer anderen Seite
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Tjiulwipr Amlri'ns Onifen Khewiihiiller.
347
durch ein anderes Land zukommen kann, ob man deren Conjunction
verhindern könne, auch dem Kinfall der Länder, so sie aiiRreifen
wollten. Widerstand tliun, wie viele Kriegsschiffe sie haben, mithin
ob selbige mit all zum Krieg Xöthigem versehen sein (considerate
terrain, qualis sit, et populum, qui habitator cst eins, utrum fortis
sit, an inlirmus, si parvi numero, an plus: ispsa terra bona aut mala:
iirbes quales, muratae an abstjue muris, humus pinguis an sterilis.
nemorosa, an absqiie arboribus, dicite mihi, ()uis sit populns iste, qui
montana obsidet, aut quae. quales et quantae sint civitates eorum,
aut quae sit multitudo eorum, vel quis rex militiae eorum), ’) sonst
muss auch ihre Fabrique zur Artillerie und übrigen Waffen, der Vori ath
von Kriegs-, als Pulver und Blei etc. und Lebensmitteln beobachtet werden ;
fort was sie für Manier zu campieren oder zu marschieren haben, ob sie
bei der Nacht oder beim Tag in den Plätzen und Festungen, im I.ager oder
Marsche wenig oder mehr wachsam, mithin attaquieren oder defeit-
dieren, im freien offenen P'elde oder verschanzter besser oder schlechter
seien : ob sie bei einem Treffen, wo man mit dem Degen in der Faust
handgemein wird, wohl resistieren oder nicht, ob sie in Hataillcn gute
Ordnung halten, hitzig oder phlegmatisch sind, in Summa welcher
Passion, von Ueberniuth, Kaltsinnigkeit, Begierde zum Beutemachen,
oder Ehre und Ruhm sie ergeben sind. (Sunt tarn civitatum, quam
singulorum hominum mores gentesqiie, aliae iracundae, aliae audaces,
quaedam tiinidae, in vinuni, in venerem proniores aliae sunt). ‘)
welchem nächst man sich auch erkundigen muss, ob ihre Truppen die
Beschwernisse und Ungelegenlieit des Marschicrens, andere Arbeit,
-Mangel der Lebensmittel, Regen, Hitze und Kälte übertragen können,
welche bei ihrem Hof und Armee das grösste Potöre haben, oh sie
ihren Fürsten lieben, lür ihre Befehlshaber und Generale grossen
Respect und Hochachtung, Vertrauen und Gehorsam haben, was für
Einkünfte und Auslagen von ihrem Land beitragen und ven selben
bei entstehendem Mangel und Nothduift hergegeben werden kann, wie
viele Jahre hindurch das I<and die ausserordentlichen Onera bei-
schaffen könne ; mehr ist wohl zu untersuchen, worin ihre Stärke und
Schwachheit bestehe, ob ihr Land nämlich von guten Festungen und
Plätzen, wo sie einen festen P'uss haben, Magazine und Hospitäler
aufrichten, die Convoyirenden bedecken, sich retirieren und andere
Voitheile verschaffen können, ob zu glauben stehe, dass andere
1) jtetraebtet <liis Laml, wie lM.*selia IVen es sei mul das Volk, widclies der
Bewohner desselben ist; oli es stark oder sclnviiehlieli, olt /.alilivieh oder weniger;
das Lind seihst, oh gut isler sehlecht ; was tilr Stiidte, gemauert oder idiiie .Mauern ;
fetter isler unfniehtharer Bcsleii. besetzt oder baumlos; sagt mir. welches jenes
Volk sei, welches die Beige bewohnt, oder widehe, wie besehatfeii und wie viele
seine tstädte sind, wie zahlreich es und wit ehr .\nluhrer seiner Streiter ist.
-) Ks sind d:is Sitten sowold der Staaten, als einzelner -Menschen und
Vfdker. Die Einen siinl Jähzornig, die .indem kühn, .indere furehtsani, dem Weiio’.
der Venns ergeliener.
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348
Aus Jen Schriften ilcs Feldmarschalls
benachbarte Länder sich mit dem Feinde in Unterhandlungen einlassc^n.
oder wegen der Kriegs-Nothwendigkeiten mit ihm negotiieren dürften :
endlich ist auch auf die Art und Weise, wie die Lebensmittel zu
bekommen, Winter-Quartiere zu machen, zu campiereu, ob die Vivres
auf schilfreichen Flüssen oder aber per mare zngeffihrt werden können,
zu rcgardiereii ; wieviel Schiffe und Kriegsschiffe sie mehr, als wir
haben, die accuratesten von dem Lande erfindlichen Karten, um clie
Beschreibung desselben zu haben und diesem nach die Märsche.
Campements, Magazine. Hospitäler und andere Nothwendigkeiten ein-
zurichten, müssen herbeigeschafft werden.
§ 32. Manche halten sich an gewisse, obenhin von der Sache
selbst aber gar nicht handelnde Richtschnur und timt man mit dem
zum Commando determinierten General über die Truppen und deren
Zahl, so man zu bevorstehendem Feldzuge destiniert, über den Kriegs-
Vorrath, die Artillerie, Lebensmittel, mithin auf die in dem zu defen-
dieren stehenden District befindenden Plätze und Festungen, besonders
wo man den Einfall des Feindes grösster Macht vermulhet, die Ver-
fassung machen; übrigens wartet man, bis sich der Feind in seinen
Absichten, um sich darn.aeh richten zu können, blossgibt und ist dies
alles, was bei Einrichtung einer bevorstehenden defensive gehenden
Campagne ernst und gründlich projectiert wird ; geht der Krieg auch
offensive, so wird dessen üeberlegung gleichwohl auf keinen anderen
Fuss gesetzt, welches heutiges Tags die Einrichtung des bevor-
stehenden Krieges genumit wird; allein man betrügt sich hierinfalls
sehr sch.lndlich, angesehen selbe nur ein Theil der vorläufig und all-
gemeiner den Minister zur Kriegsführung betreffenden Disposition, nicht
aber des Generals seihst eigentliche Verrichtung ist, indem dieser
voraus im Cabinet die Einrichtung, Feststellung und .Ausfindiguiig aller
Absichten und Mittel zur führenden Campagne, dann reifliche Erwägung
des Feindes, des Landes und Eigenschaft seiner Kräfte und also ilen
von rechter Erkenntniss der drei Stücken abhängigen Sieg vorstellen
solle; allein wer dürfte sagen, dass auf diese Grundregel insgemein
wenig Attention gesetzt und in den lieben langen Tag hineiiigelebt
werde; man thut alle Absichten, bis der Feind vorm Thore steht,
verschieben und selbige auf dessen wirkliche Verrichtungen formieren,
da man doch Unterschiedliches vorsehen könnte; man muss alsdann
sich nicht verwundern, dass beim Kriegswesen die ungefShrigen Zu-
fälle so viel Theil und Wirkung haben, ja überall den Meister spielen,
(parva sunt foris arma, nisi sit consilium domi.)*) Beim Anfänge des
Krieges, da die Kräfte nicht geschwächt, sondern genügsame Mittel
an Geld und sonstigen Nothwendigkeiten vorräthig, sollte das Werk
mit aller Macht und Gewalt angegriffen werden, angesehen auf diese
■| nline Khighi'it im Innern, sind die tValVen nach !uis.sen m.ichth>s.
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I.iiihvii' Aiiilrt-as (iralVii Klu venliüllir.
349
Weise und durch Verdopplung der Kriegsbereitschaften selber viel
kürzer und ehender zu seiner Endschaft zu bringen ist, indem mau
seinen Feind hierdurch auf aixlere Gedanken bringt, auch ihm in seinem
eigenen Lande alle beim Kriege vorfallenden betrübten Folgen zu
eraptinden geben kann, mithin selbem alle Lust und Begierde, Andere
in ihrer Knhc und Gerechtsamen zu stören, benimmt; diese ist eine
ungezweifelte Grundlehre für einen die Armee en Chef Commnndierenden
und auf eine Campagne von grosser \Yichtigkeit abzielenden General,
dass er nämlich vor allen Sachen reiflich erwäge, ob dieses sein Vor-
haben der rechte Endzvreck ruhmwürdig und dem Vaterland erspriess-
licher Absichten sei und er vernünftiger Weise, uneracbtet allen sich
hervorthuendcn Beschwernissen und Verhinderungen, so durch das
Secretnm und den Fleiss aus dem Wege zu räumen sind, einen glück-
lichen Fortgang und Ausschlag davon zu gewarten habe ; ehe und
bevor aber der Entschluss gefasst wird, muss obiges verschiedene
Male überlegt, hernächst aber, von der einmal festgestellten Resolution
mit keinem Waukelmutbe abgewichen, sondern alsdann auf die zuläng-
lichen Mittel zu derselben Ausführung lediglich hingesehen werden;
einem die Armee en Chef commandierendcn General ist aber fast
unmöglich, das Kriegswesen wohl und recht einzuricliten und von des
Feindes sowohl, als seinen eigenen Desseins vernünftig zu nrtheilen,
wenn er nicht vollkomincntlich von dem Lande, wo er den Krieg zu
führen hat, erkundigt ist. Ein Capo der Armee, so dieses so wichtige
Geschäft versclierzt. verdient nicht, ein General genannt zu werden
vind ist incontestable. dass jedweder Ofticier, so in den beiwohnenden
Campagnen in der Kriegskunst profitieren will, mithin zu weiteren
Chargen gelangen, dass er ein particular Studium auf die Connaissanco
des laindes und des Terrains machen muss, sich darauf belleissen und
sich hauptsächlich bestreben, ein acurates Aiigenmass zum Kriege zu
gewinnen, angesehen dieses für einen General sowohl, als andere
particulaire Officiers das erste und vielleicht in der Kriegs-Wissenschaft
das einzige Principium ist. so die grösste Uebung erfordert, nns zu
demjenigen, was im Felde gross genannt werden mag, den Weg bahnt,
mithin gar leicht zu allem den Fingerzeig gibt.
§ 33. Man haltet zwar insgemein dafür, dass das Angeninass
nicht von uns abhängig, sondern eine Gabe der Natur und durch die
Cainpagiies gar nicht zu erlernen sei, mit einem Wort, man müsse
dieselbe mit auf die Welt bringen, ohne welches d.is durchdringendste
Auge von der Welt nicht weit aussehen und in tiefster Finsferniss
heriimwandeln wird: hierunter betrügt man sieb aber sehr stark, an-
erwogen ein Jeder das Augenniass nach Proportion seines Geistes und
gesunder Vernunft, die der Allerhöchste nns durch seine unerforsch-
liche Vorsehung gnädigst und beliebigst mitget heilt, lediglich hat; sie
erwächst zwar von vorberührten beiden Gaben, allein wenn man selbe
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350
Aus dfii .Sfliriften des I’tddmarschallM
durch seinen eigenen P’leiss erworben, so wird sie dadurch erklär;
und zu ihrer Vollkoininenheit, nachdem die Erfahrenheit uns selbe
gewiss und sicher macht, gelangen ; elie und bevor mich aber zur
Auslcgunii der zur Acquirieiung dieses Talents dienlicher Art und Weise
(obwohl dasselbe von Ktwelchen cegen alle Wahrheit als eine Gabe
der Natur anaeschen werden will) einlasse. so wird vorläufig eine
Beschreibung davon hier zu geben, erfordert. Das militärische Augen-
niass ist also nichts anderes, als eine Kunst, die eigentliche Beschaffen-
heit und verschiedenen Zustände eines Landes, wo mau den Krieg
wirklich führt oder zu führen gedenkt, zu erkennen, wie nicht weniger
die Vortheile und Nachtheiln der Lager und Posten, die man ein-
nehmen will, mithin diejenigen, so dem Feind nützlich oder selbem
durch gute Gelegenheit der Lnsrigen und daraus uns zuwachscndeii
Folgen schädlich sind, abzunehraen ; der diese Wissenschaft also ihrer
Beschreibung nach besitzt, der wird auch von den gegenwärtig sowohl,
als inskünftig nehmenden Absichten, versicherter iirt heilen, aller-
masscn die Krkenntniss eines ganzen Landes, wo der Krieg hingeführt
wird, die einzige ist, wodurch ein grosser Hehl alle Begebenheiten
einer ganzen Campagne vorsehen und sich also zu sagen, darüber
Meister machen wird, dann sobald er durch seine Actiones dasjenige
urtheilt. was der Feind wegen Beschaffenheit des Landes, um sich
nach seinen Bewegungen zu richten und dessen Absichten sich zu
opponieren zu thun gezwungen ist. so wird er denselben aus einem
Lager und Posto in die andere, fort zu dem Vorgesetzten Ziel, um
den Sieg über ihn zu erobern, verleiten ; dieses ist mit wenigen
Worten die völlige Desciiption und W'irkung des militärischen .^ugen-
masses. ohne welches ein General in viele Fehler von der grössten
Wichtigkeit unvermeidlich fallen wird ; mit einem Wort, es hat keiner
das Geringste von einer Victori zu hoffen, wenn er dieser vortreff-
lichen Kunst beraubt, dann gleich wie die Kriegskunst von der Eigen-
schaft aller anderer Wissenschaften, welche zu ihrem vollkommenen
Besitz ilie Uebung aller ihrer verschiedenen Stücke erfordern, un-
streitig ist, also ist dieser auch ein Theil des .Militaris. so gewiss die
grösste l’ratiriiie desiderieret dergestalt, dass sie nicht als ein Geschenk
der Natur, sondern die Frucht des Fleisses, Emsigkeit und besondeier
Geneigtheit zum Kriegsleben zu betrachten sei. wodurch man die
Art und Weise, durch ganz andere, als fremde Augen die Anfüh-
rung einer Armee recht zu kennen erlernen muss, ist demnach nöthig.
um ein gutes Augeninass und Judicium sich anzugewöhnen, vom Krieg
öfters zu discurieren. gute Autores zu lesen und hieraus nichts anderes
als was die Tapferkeit mehr und mehr animiert, zu grossen Thaten
anführt, mithin was ihm zur Kunst, die Truppen in Schlachtordnung
zu stellen und allen vorfallenden Kriegs-Operationen dient, auszuklauben
und zu behalten, fort also lese, dass er lerne, zu den .Actionen zu
schreiten, es wäre denn, dass solches nur als Zeitvertreib und um
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Ludwig Andreas (irafen KliKvcnliiiller.
351
eine fruchtlose unnützliche Plauderei machen zu können, geschehe
(non ii, qui plurimuin comedunt. melius valent äs, (|ui modice, ita non
qui plurima, sed qui utilissima legerent, docti censendi et studiosi
sunt.) *) Dasjenige, was man gelesen hat. muss auf die Oerter, wo es
geschehen oder sich wirklich befindet, appliciert werden, bei Beschrei-
bung der Märsche und Steilung der Armee aber alle Gelegenheit der
hoben und niedrigen Orte, alle Abschnitte und Bequemlichkeit des
Terrains, verschiedene Gestalten und Ordnungen, welche die Bataillone
sowohl, als Ercadronen wegen der Flüsse, engen Wege und unter-
brochenem Erdreich im Schliessen oder Extensionen zu machen ge-
zwungen observieren. Wenn Einer dieses alles also bei sich selbst
betrachtet, so muss er mit Denjenigen, die in seiner Gesellschaft sind,
darüber raisonnieren, mithin den Krieg als sein einziges Handwerk
und Endzweck amplectieren ; dieses ist, was ein Fürst oder General
der Armee, nicht weniger alle zu den höchsten .Staffeln des Militaris
aspierierende Officiere studieren müssen ; diese ist die einzige. Art und
Weise, so die Practique und Uehung der Regeln bei Gelegenheit mehr
als alles Andere faoiliticrt. Diejenigen, so die erforderlichen Gemütlis-
und sonstigen natürlichen Eigenschaften zum Kriegswesen besitzen,
werden alle Mühe und Kräfte, um sich darin zu habilitieren, vergeb-
lich anwenden, wenn sie niclit gewisse Principia und Nonnas, solches
ansziistiidieren haben, angesehen sie durch die Febung allein hierin-
falls zu ihrem Endzweck zu gelangen sich keine Hoffnung machen
können, in mehrerem Betracht, dass die verschiedenen Theile lies Mili-
taris in so Vielem durch die Eigenschaften der Oerter und Länder
variieren, dann Zufälle und Umstände bestehen, dass es eine bare
Unmögiiehdeit sei, dass die Erfahrniss ohne beständige und gründ-
liche Application auf die alte sowohl, als heutige Historie und Ge-
schichte. sowie andere mehrere nöthige Erkundigungen jemandem zur
Richtschnur oder Grundlehre dienen könne. Leber dieses muss die
Erfahrniss auch noch mit verschiedenen Anmerkungen und Nach-
forschuncen. so zur Grundfeste der mililärischen Wissenschaft erfordert
werden, begleitet sein. Nun ist zwar in keinen Zweifel zu ziehen, dass
den Menschen alle Eigenscliaften. natürliches We.sen und rechte Merk-
male der Gemüthsneigung, um Künste und Wissenschaften nach und
nach zu ergründen, von Gott zugeeignet worden, wenn Einer sich nur
etwa auf diejenige, wohin er incliniert, begeben thut. Allein es ist
auch gewiss, dass die Künste und Wissenschaften weder uns angeboren,
noch unserem natürlichen Wesen anklebig sind. Man kann Talenta
und besondere Gaben der Natur zum Militari haben, wenn aber selbe
nicht durch Ausgrümi- und Betrachtung oftberührler Wissenschaft
•) Nicht Jene sind mehr wcrtli, wokhe am meisten. al.s Jene, weh h«
mä.ssi^ e.ssen; so sinil aneh Jene, welehe am meisten lesen, iiiehf als freiehrt und
.strehsam zn !>etraehten, sondern Jene, welehe das Xiitzlieliste le.seii.
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Aus ilsii Si'hril'tfn ilcs Fdilraarschalls
ausgi'arbeifet werden, so branelit Einer sieh keine Hoffnung zu marhen,
ilass er selbe durch göttliche Eingiessuiig erhalten werde. So uner-
messlich gross nun die militärische Wissenschaft ist. dass sie schier
alle anderen in sich begreife, so bestflndig und mühsame Application
wird auch, um selbe gründlich zu erlernen, erfordert, angesehen diese
Kunst die edelste, weitwendigste und unergründlichste, einfolglich
auch besonderer Fleiss dazu iiötliig ist. Dergestalt, dass man sich das
zum Commando einer .Armee höchst erforderliche und schätzbare Angen-
mass. als wovon das Heil und üloire eines Staates abhängig ist.
erwerben müsse; um aber die rechte Erkenntniss selber zu erreichen,
so werden verschiedene nöthige Sachen, worunter die grosse Appli-
cation auf das Handwerk die Grundfeste und darauf die hern.Acbst
brauchende .Methode zu bauen ist, requiriert, indem gar nicht zu
glauben, dass Einer sich darin durch die einzige Erfahrniss, worauf
heutiges Tags die Meister ihie Capacität gründen, fähig machen werde.
Viele wollen nicht glauben, dass der Krieg eine Wissenschaft und
solche wie alle anderen zu erlernen sei. sondern vermeinen, man künue
siih nicht anders, als durch lange Erfahrniss darin fUhig machen,
allein wie diese Einbildung gegründet sei, solches gebe einem ver-
nünftigen Kriegsmann zu seiner unparteiischen Dijudicutur anheim ;
sie fragen uns aber, wie tief dann selbe unter dem mehrsten Haufen
der Officiere Wurzel gefasst haben? Worauf nichts zu antworten, ids
dass, wenn die verschiedenen Theile des Kriegswesens, unter anderen
die Märsche, allgemeinen Bewegungen und Arrangement der Trup(>en.
nicht anders, als durch Erfahrniss und langen Gebrauch erlernt werden
könnten, ein Königreich seinem völligen Untergang, nach Mass des
längere oder kürzere Zeit hindurch andauernden Friedens, sich nähern und
unterworfen sein würde ; denn wenn der gegenwärtige von uns erlebende
P'riede noch etliche Jahre continuierte, so glaube, dass zum völligen Unter-
gänge des gemeinen Wesens weiter nichts mehr nöthig sei, angesehen
wir nicht wissen würden, woran wir wären und auch keine Officiere.
so angeregte Stücke des Kiiegswcsens verstünden, zu finden sein
könnten, denn Diejenigen, so selbe durch die Erfahrniss oder .sonst
geübt, entweder todt oder jedoch ausser Stand zu dienen gesetzt sein
würden; wo würden also die übrigen ihnen etwa succedierenden die
von ihnen selbst nie gesehene noch geübte Erfahrniss hernehmeii?
indem man dasjenige, so durch selbsteigene Uebung erlernt werden
muss, von Anderen nicht hernehmen kann ; was würde es alsdann für
ein Aussehen gewinnen? Bevor wir mit einer benachbarten Potenz, so
Dasjenige, was wir wegen langwierigem Frieden zu sehen und zu üben
verhindert worden, gegen andere seine Feinde practiciert. zu thnn
haben würden ? Man hat ja Leute gesehen, worunter einige nichts,
andere aber viel wussten, oder jeiloch viel gelesen und grosse Be-
eiferung in ihrem Handwerk unil einen sonderbaren Geist hatten, hat
man aber bei selben auch nicht wahrgenommen, dass diese vom Kriegs-
Di|ü,^ed by Googlg
Lnilwig Andreas Grafen Khevenhüllcr.
353
wesen sehr vernünftig, die anderen aber, unerachtet ihrer grossen Er-
fahrniss, sehr übel und erbärmlich raisonniertV All Obberührtes ist aber
lediglich de sublimi rei militaris zu verstehen.
Es bleibt also festgestellt, dass das Kriegswesen eine Wissen-
schaft sei, welche, gleich allen anderen erlernt wird und wird sich
Keiner solche erwerben, er fange dann in selbiger mit Durchgründuiig
ihrer Grundregeln an; ange.sehen zwei Saecula eines immerwährenden
Krieges, uns kaum durch Erfahrniss der dabei vorkommenden Begeben-
heiten auf den rechten Weg zu bringen, sufficient sein würden ; man
muss also selbe den gemeinen Gemüthern überlassen. Der aber ein
grosser Capitain werden will, muss das Kriegswesen mit Fundament
und Application treiben ; gleichwie man nun nicht allezeit bei einem
Krieg den Degen in der Faust hat und die Armeen nicht immerfort
gegeneinander in Bewegung stehen, also ist zwar nicht in .Abrede zu
stellen, dass bei den Märschen, Fouragieren und verschiedenen Lagern
und Posten, wo die .Armeen stehen, viel mehr zu lernen, mithin die
Vorstellungen, um über das Land, so man sieht und die Uebungen,
so einer beobachtet, desto besser zu judicieren und zu rcflectieren,
von mehrerer Wirklichkeit sein, so kann doch mit Hilfe der V^ernunft
and anderer Vorbildniss, wie schon vorhin gesagt habe, mit Lesen und
Raisonnieren Einer selbst sich den L’sum des Augenmasses machen,
dazu auch die Jagd und das Keisen zur Verstärkung guten ürtheils
imd des Gesichts nicht wenig beitraget. Angesehen sie uns nicht allein auf
die rechte Erkennt niss des Landes und dessen verschiedenen immer-
fort sich verändernden Situum bringt, sondern es lehrt uns die
Kennung der Oerter, wodurch wir also das Augenmass unvermerkter
formieren, dass eine accurate Erkennlniss einer gewissen Weile des
Landes uns diejenige von anderen Oertern, falls man sie nur mit
wenigem betrachtet, sehr erleichtern, massen selbe insgemein einige
Gleichheit, unerachtet sie sonst g;ir diöeriereii. haben werden ; die
Erkenntniss des einen wird uns in anderen Ländern viel Licht geben,
da hingegen Diejenigen, so sich zu dieser Hebung nicht appliciert, zu
selber schwerlich und ohne grosse Mühe nicht gelangen; .Andere aber
in dem ersten .Anblick die Weite und Breite eines ebenen Landes, die
Höhe der Berge, die Grösse und das Ende eines Thaies, mithin alle
verschiedenen Beschaffenheiten und Eigenschaften eines ganzen Terri-
torii, wozu sie sich vorher schon mit grosser Erfahrniss und Application
praepariert, absehen werden (illud temims. qiiod venationi datur, magna
cogitationis incitamenta sunt), L wenn man sich nämlich dabei vor-
stellt, was wegen Situation und Beschaffenheit des Terrains für
-Avantagen fiber den Feind können genommen werden, oder der Feind
desselben über uns sich bedienen könnte, in was für Terrain man
Die Zeit, die man der .tagd widmet, enthält grosse Anregungen zum
Nachdenken.
MitUietlungro des k. und k. Ka iegs-Archivs. Neue Faal^e. Vll. 23
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Ans dnn Sclirifti’n ilns Fililmarsclmlls
seine Infanterie und (’avallerie vorthcilhaftig postieren könnte und
dergleichen.
§ ;5-t. Nun gibt die Erfahriiiss an Tag. das Einige, bei Ein-
richtung der .Absichten der bevorstehenden offensive oder defensive
gehenden Campagne zu der Landkarte als einem Orakel ihre Zuflucht
nehmen, bei Anderen aber, so das Land und dessen verschiedene
Situs gründlich kennen, sich nicht erkundigen wollen, angesehen dieses
gefährlich ist. und die in ihrem Sinne führenden Desseins denselben
zu erkennen geben würde, dergestalt, dass sie das Werk anfangs
obenhin tracticren, indem der General alles nach Eieenschaft des
Landes, wo man den Krieg zu führen entschlossen ist. hernächst erst
zu dirigieren sich vorbehaltet; allein die Landkarte ist nichts anders,
als eine Vorbildniss oder pure Idee des Landes; es braucht aber ein
viel mehreres dazu, um mit Gewissheit von dem Situ zu rai.sonuieren
und die Unternehmungen nach Eigenschaft des Landes und dadurch
äussernden verschiedenen Zufällen einzurichten, wodurch Einer meiner
Meinung nach bei Formierung des Frojects einer Campagne (so gewiss
von grosser Wichtigkeit ist) sicher und kurz gehen würde (ut locorum
varietas advenerit, ita defensionis ratio variatur). ') Ein geschickter
General der Armee, so in einem bergigen Land den Krieg führt, wird
sich überall, wo er hinkommt, auf einen festen Kuss setzen, wenn er
seine hinter ihm folgenden Truppen in Sicherheit stellt und sich der
engen Woge, der Berge und Anhöhen, wodurch er dem F'eind über-
legen ist, zu bemächtigen weiss. oder sonst verhindert, dass der Feind,
welchem er nach Mass seines .Avancierens andere Posten entgegen
stellt, ihn durch solche .Anhöhe nicht dominiere, woraus unendlich
viel Thaten erwachsen, die des Aggressoris Anschläge vernichtigen.
oder denjenigen, so uns an gewaltthätiger Eindringung in das Land
verhindern wollen, ausser alle ActivitSt setzen werden. Diese Kriege
sind so beschwerlich und erfordern so grosse Wissenschaft, dass man
keine Ehre davon tragen wird, wenn einer nicht eine vollkommene
Erkenntniss der f)erter und der .Ah- und Umwege der Berge habe;
um aber solches recht und gründlich zu erkennen, so wird mehr,
denn eine Landkarte und anderer Leute Augen, dazu erfordert. Es
ist dieses zwar etwas, allein wenn man das Kriegswesen selbst auf
die Karte oder der Landsassen Erkundigungen lundieren will, so wird
solches ohne unsere eigene hierinfalls habende Information gar nichts
fruchten; auerwogen keine Landkarten ertindlich, wo alle Berge, Thäler
und Passagen wohl bezeichnet sind. Diejenigen, so deren Verfassung
auf sich nehmen, werden die Gelegenheit des Landes darin zeichnen,
das üebrige aber, woran das Mehrste gelegen, vernachlässigen und uns
') .So wie die Versehiedenlndl der < lerllii likeiten sieh darldetet, so wechselt
.meh die Art der Vertheidignnp derselben.
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Ijiiilwij’ Aii(lrt'ii!i (irafi-ii Klu'Vfiiliülli'r.
355
also einige Geringigkeiten und einbildische Uerge, uni zu zeigen, dass
deren im Lande anzutreffen, vormalcn, nimmt man sieh aber die Mühe,
solche n.ach dem Mass und Länge der Meilen nach der Scala zu
examinieren, so wird eine Ebene von einer oder gar zwei Meilen zwischen
zwei Bergen, da doch an solchen Orten selbst keine Ebene zu finden,
in den Karten gesehen werden, welche umso weniger zu achten sind,
wenn sie mit keinen annotationibus und Belehrungen über des Landes
Situation und aller dabei zu merken stehender Veränderungen er-
läutert sind.
§ 35. Es ist also das Kriegswesen samint allen Absichten der
bevorstehenden Campagne sowohl auf die Kundschaft des pro objecti
belli haltenden Landes, auf seine und des Feindes Kräfte, mithin
Ijeiderseitige Erfahrniss, als auf des uns entgegengesetzten Generals
Neigungen und andere Eigenschaften zu richten und ist von solcher
Erkenntniss der glückliche Ausschlag eher, als von all anderer Erfahren-
heit zu verhoffen (ad bella administranda vehementer pertinet, quid
hostes, quid socii de duce belli sentiantl. ') Wenn also der einem
General entgegengesetzte Chef iler feindlichen Armee ein herzhafter
und mit Verwegenheit gehender Mann ist, hingegen aber die mittel-
massigste Fähigkeit besitzt, der Andere aber beständig auf guter Hiith
stehen muss und allezeit entweder beim Marsche oder Lager, oder
wenn ein Theil der Armee sich mit Fouragieren occupiert. des Angriffs
sich zu befürchten hat, so braucht er viel weniger seine Vorsorge, als
seinen Grossinuth zu verdoppeln, sondern gegen denselben mit gleicher
Tapferkeit seine Unternehmungen zu tentieren, keine einzige Occasion,
um selben zu attaquieren. verschwinden lassen, vielmehr aber solche
dtirch hinterlistige und fingierte Bewegungen zu befördern, dann also
selben dadurch aus seinem Fosto zu vertreiben und ihn bei seinem
Marschieren. Fouragieren, ja im Lager selbst, es sei beim Tag oder
bei der Nacht, besonders aber, wenn man das General-Fonragieren
ausgekundschaftet, zu attaquieren, angesehen dergleichen Dinge öfters,
um einen solch hitzigen Kopf auf Unrechte Wege zu bringen, fingiert
werden ; falls nun ein General sich kundbarlich also auf seine Kräfte
verlässt, so sind obangeregte Unternehmungen, wenn auf Verschwiegen-
heit und Fleiss nicht vergessen wird, allezeit sicher; zuweilen hat
man mit faulen und langes Schlafen liebenden Leuten zu thun (turpe
diici totam somno consumere nocteml, welche ohne alle Wachsam-
keit und Vorsicht die beste Zeit mit Essen und Trinken, bis sie endlich
entweder ihre Vernunft verlieren, oder bis zum Schlafengehen, beim Tisch
sitzend zubringen, allein diese also in den lieben langen Tag mit der
') Bei der Kricpfiihmnp liept sehr viel daran, was die Feinde, was die
Bondesgenos-sen vom .Anführer halten.
Ks ist sehniaehvoll lur einen .Antlihrer. die ganze Naeht mit Sihlafeti
zuzuliriinren.
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Aus den Sehrifteii des Feldumrsdiulls
Mittags- oder Abend-Mahlzeit lebende üeneraläpersonen und die ganze
Armee, so dessen Exempel folgt, setzen sich in die grösste Gefahr,
wenn sic am wenigsten daran gedenken, von dem Keiud, so die Zeit
nimmt, selben zu attaquieien, geschlagen und überfallen zu werden.
Die allzuvorsichtigen und langsamen auch wankelmüthigen Generale
sind unerachtet der ihnen sonst beiwohnenden Herzhaftigkeit eben so
bald als die Obigen zu überfallen, weil sie nur auf dieses, was der
Feind thun kann, attendieren, was ihnen aber selbst zu tbun oder zu
lassen obliegt, darin sind sie allezeit wankelmüthig und voller Zweifel,
weil sic in diesem Ungewissheitsstand auf alles einen Argwohn setzen,
und also die besten Gelegenheiten, um sieh aus der Verwirrung zu
bringen, aus Händen gehen lassen, mithin wie öfters geschieht, wenn
das Kalb ersoffen, den Hiunnen stopfen wollen; gleichwie nun die
Verzagten durch blosse Tapferkeit eines ihnen entgegen und unter die
Augen- gehenden General bei allen Angiift'en zu schlagen sind, also
hat man auch andere mit allen von einem braven Helden erforder-
lichen Eigenschaften prangende Capitains gesehen, welche, indem sie
ihre Fähigkeit und des Feindes gegen sie tragende Furcht erkennen,
sich in ihrem Lager nachlässiger Weise darauf verlassen, wenig auf
ihrer Hut stehen und also dem Feinde Gelegenheit geben, von dieser
Schwachheit seinen Vortheil zu nehmen; Andere aber, so sonst die
grössten Gemüther und vollkommenste Erfahrenheit haben, sind so
unruhig und übermüthig, dass in einer halben Campagne die Cavallerie,
wovon die Halbscheid detachiert, oder zu sonstigen Kriegsexpeditionen
verwendet, durch ihre Unvorsichtigkeit zugrunde gerichtet, die In-
fanterie aber auch nicht mehr verschont werde, dass man also diese
zu attai|uiren allezeit im Stande, mithin nur mit einem Theil der
Armee zu fechten hat, ist also nöthig, dass man seines Contraparts
Humor kenne und ihn bei seinem Faible zu nehmen wisse.
J; 36. Um letztlich wieder darauf zu kommen, was für die
Connaissance zu erwerben für Studien müssen gemacht werden, so
gibt die Erfahrniss, dass die Historie, so eine das Verflossene sowohl,
als das Künftige betreffende Wissenschaft ist, einem Soldaten gleich-
falls sehr nützlich und nöthig sei. angesehen selbe uns die Futura
aus den vor unzählbaren Jahren vorgekommenen Zufällen belehrt,
denn was in vorigen Zeiten von grossen und denkwürdigen Begeben-
heiten sich geäussert, wird vielleicht spät nach etwa vielen Jahren,
jedoch unausbleiblich und endlich wieder geschehen, indem in mundo
morali eben die Veränderung und .Abwechslung verschiedener Zufälle,
als in orbe physico die nachcinauderfolgenden Jahreszeiten, sich sehen
lassen (ad consultatlonem utilissima historia ut plurimum enim futura
l>ra-teritis simillima sunt). ') Es ist also einem die .Armee comnian-
t) K.S ist sehr nützlicli, die tieseliichte zu Itathe zu ziehen, da ja meistens
das Zukünftige dem Vergangenen sehr iilinlieh ist.
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Lmlwif; Au(lri>a.s (irafcn Klievenhiiller. 3’)(
<lierenden General, oder den in ijublicis das Ruder führenden Ministris
nichts so nützlich, als grosse Belesenheit in den Geschichten, und
muss die Klug- und Vorsichtigkeit sich seihe sonderbar pro norina
et Cynosura futuri halten, keineswegs aber sich durch gefährliche
Erfahrniss, die einen, ohne weite Progressus zu machen, allezeit theuer
zu stehen kommt, belehren Lassen (qui seit pr.eterita, de futuris
aestimat I. *) Die verflossenen Sachen werden aber die Vernunft und
Beurtheilung des künftigen stärken und den Geist also erleuchten,
dass man sich bei den gegenwärtigen besonders gefährlichen und weit
aussehenden Weltliiuften nicht leicht vergehen werde. Pis ist wohl
verdriesslich. wenn einer die Erfahrniss mit einem eigenen Schaden
erkauft, hingegen aber viel besser, wenn man durch genaue Einsicht
Anderer ihrer P'ehler sich vor dem damit verknüpften Unglück zu
hüten und in Sicherheit zu setzen weiss, wovon verschiedene grosse
Capitains, welche durch ilie Wissenschaft Anderer ihrer Schwachheiten,
gewiss in die ihrige nicht gefallen wären, zum Beispiel dienen können;
aus guten Büchern ist also viel Vortheilhaftiges zu erwerben (Viaticum
militiae est institutio bellicae virtuti.s).^) weil sie uns dasjenige, was die
Erfahrniss durch das Exempcl grosser Capitains in vielen Jahren nur vor
.Augen leget, in wenigen Monaten belehren ; grosse Heldenthatcn thun uns
zu dergleichen animieren, man findet darin hundertlei merkwürdige
Begebenheiten von grosser Wichtigkeit, gute uud böse Verrichtungen
unil .Ausgänge, dann die von lirfahrenen darüber führenden Beurthei-
lungen. mithin daraus zu judicierende gute oder üble Folgen, wornach
inan sich in seinem Thun und Lassen zu richten hat (hoc praecipue
salubre, ac frugiferum, omuis te exempli documenta in illustri posita
intueri, ut inde tibi tuaeque reipublicae, ijuod imiteris, capias, inde
foedum inceptu foedum exitu quod vites). ’)
Man geht sehr irre, wenn p]iner glaubt, dass aus alten Büchern
und Historien nichts zu profitieren sei, angesehen ihre sowohl mili-
tärische. als Civil-Staatsklugheit mit der heutzeitigen. jedoch mit dem
Unterschied übereinstimmt, dass die .Alten selbe erfunden, wir aber
solche nur einfolgen, mit anderen Wörtern und Auslegungen als heut-
tägige umgiessen und also, als was von uns aufs Neue Erfundenes
mit Zusetzung etwelcher neuer Gedanken oder Grundregeln zu Markt
tragen wollen ; allein sie machen es wie Jener, so ein verfertigtes und
mit dem Hammer bereits ausgearbeitetes Stück mit der Polierfeile
noch in etwas ausfeilen will. Dieser verdient go viel Lob als ein
Medicus, so die Medicamento für verschiedene Krankheiten und
') AVer (iiis Verpanpeiie weis.«, zieht Schlüsse auf das Künftige.
Die Reisezehruug der .''olduteii ist die l’Hege der Kriegi'i-Iiigend.
Das i.sf hesuiiders heilsiini und iiUtzlii h. das.s du alle hervoiTagendi'ii
Iteispiele lietrachtest, um daraus für dich und den dir aiivertrauten Staat zu eiit-
tiehmeu. was du nnehahmeii und was du vermeiden sollst, weil es zu beginnen und
aii-sztiftihreii sehimpHieh ist.
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358
Alls ilon Schriften des Keldmarsthalls
Zufälle, SO dem Menschen zukommen können, zusaramenklaubt, und
also zu seinem Gebrauch in Ordnung setzt, dass er für einen habilen
Mann passiere, so wenig aber dieser dafür zu halten, so wenig muss
Einer auch glauben, dass es genug sei. Bücher, welche von der Kunst
oder MTissenschaft, das Goveriio in Politicis zu führen, das Militare
oder Oeconomicum in einer Provinz oder Armee einzurichten, oder ein
Lager zu verschanzen oder zu defendieren, mithin eine Armee in
verschiedenen l'erritoriis in Ordnung zu stellen, ihre Subsistenz zu
verschaffen, die Stellungen, Verhinderiiisse eines Landes, sowie seines
Fürsten Icteresse recht zu erkennen, tractieren, gelesen zu haben,
angesehen dasjenige, so wir davon in den Büchern lesen und finden,
nicht so vollkommen ist, dass wir ihr Beispiel ad literam einfolgen
mögen (non modo casus eventusque rerum, sed ratio etiam cau-
saeque noscantur) ; ') sondern die beim Krieg unentgeltlich öfters vor-
fallenden differenten Zufälle von uns schleunige und den Begeben-
heiten adaequierte Entschlüsse, für welche alle Bücher der Welt keine
gewissen Regeln setzen, erfordern, dergestalt, dass Derjenige, so sich
nichts anders, als mit den Büchern zu helfen vermeint, viele Unglücke
zu gewärtigen habe und einen Bock über den andern schiessen werde
und wäre ihm besser, er hätte sie nie gesehen, wenn er nicht so viel
Vernunft hat, selbe in sano sensu zu begreifen und deren Regeln
nach der Zeit, Gelegenheit und den Umständen zu applicieren ; die
Ilistorici thun die Materias durchaus so wenig explicieren, als die
militärischen sowohl, als Staats-Schreiber jederzeit gute und convenable
Eiiirathungen nach Erheischung künftiger Begebenheiten uns vor-
stellen können.
Capitel VI.
Die gute Gelegenheit nicht versäumen oder aus Händen
gehen lassen.
§ 37. Obwohl nun die Vorsichtigkeit von einer Generalsperson
hauptsächlich erfordert, dass er der Gefahr, so viel immer thunlich.
mit Verwegenheit nicht exponiere, sondern erheischt selbe jedoch auch,
dass er keine ihm vom Glück zukommende Gelegenheit gar unvernünftig
verschwinden lasse (qui temporis opportunitatem neglexerit, nec se
rebus gerendis statim accommodavit, in posterum non licebit ei, quod
«missum est, revocare, opportuuitatis enim momenta redire nesciuntj.'l
’) Ni<lit Illos die Wechselfälle iiiid der Aiiszan;; der Dinge, sondern iiiicli
ihre ,\rt mid ihre rrsaclien müssen erkannt werden.
’) Wi>r die (junst des Angenhlickes versäumt und sieh seiner Oliliegenheiteii
nieht gleich unterzielit, der wird naehträglieh nicht znrüekntfcn können, was
iintiThlielien ist: denn die Aiigenldieke der günstigen lielegenheit können niclit
zurückkehren.
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Ludwig Andri'ss (irafeii Klipvcnhüller.
Wenn beim Anfang eines Krieges der en Chef eominandierende
General weder bei »einer, nocli bei der feindlichen Armee bekannt ist,
und wegen seiner hTihig- und Tapferkeit in keinem Ansehen und Rejm-
tation noch steht, so werden beide Kriegsheere auf »eine ersten Opeia-
tiones aufmerksam sein und also, wie die Leute insgemein zu reden
pHegen, wenn er nicht allsogleich agieret, ihn einer Schläfrigkeit, ja
wohl gar Zaghaftigkeit beschuldigen, woraus erhellt, wie höchst nöthig
sei, dass das Capo einer Armee trachte, sieh allsogleich einen guten
Namen zu machen, um sieh in Reputation zu setzen (ciiram habe de
bono nomine, hoc enim magis permanebet tibi, quam mille thesaiiri
pretiosi et magni);*) wird also derselbe vermöge einer wohlbedachten
Gelegenheit, seinen Heldenmuth. Wissenschaft und Fleiss, zum Vorschein
allsogleich bringen und die gute Reputation (Iberkommen, wenn er
selbe nur mit aller Vorsichtigkeit und den militärischen Grundsätzen
nach ergreift, dadurch wird die Armee animiert und selbe bei den
Feinden in ein Ansehen gesetzt, thut er aber mit einem Frevelmuth
sich und die Scinigen der Gefahr exponieren, so glauben die neuen
Soldaten, welche das veränderliche Glück noch nicht kennen, dass
ihnen dergleichen Unglück allezeit auf den Hals kommen müsse ;
hingegen der Feind bei der ersten Avantage übermiUhig wird.
§ 38. Es muss der eominandierende General die Eigenschaften
und natürliches Wesen seines Widerparts kennen, sich über seine
Fähigkeit erkunden, mithin observieren, was er etwa für Mouvements
mit seiner Armee pflegt zu machen, ob er verzagt, tapfer, oder etwa
gar zu hitzig sei, ob er das ihm convenable Terrain wohl auszusehen
weiss, ob er langsamen oder geschwinden Entschlusses in Ausführung
seiner Unternehmungen, oder aber nachlässig und schläfrig sei, ob er
mehr zur Kriegskunst selbst, als zu offenbarer Gewaltthätigkeit incli-
niere, Ruhm und Gloire übermüthig suche von gutem Ausschlag im
Anfang gleich aufgeblasen, oder ob ihm das Glück und Unglück ver-
blendet, welchenfalls. wie schon im Vorigen gemeldet, der General
seinen Feind im Glimpf und Industrie hei .seinen Schwachheiten
ergreifen muss, ist er lebhalt und übermüthig, denselben mit Geduld
ermüden und also seine Absichten zu ihrem Endzweck fuhren, mithin
wenn er etwa langsam oder faul ist. durch simulierte Nachlässigkeiten
ihn gleichfalls einschläfern und falls er gar hochmüthig ausser aller
Disciplin und Ordnung auf seine böse Neigungen verleiten, oinfolglich
in die gröbsten Fehler zu stürzen hat, wozu er demselben bald den
Weg bahnen wird, wenn er ihn so weit bringt, dass er sich von den
wahrhaften Grundgesetzen und Richtschnur des Militaris abwende
und von seinen natürlichen bösen Eigenschaften überwinden lasse.
t) .^rpe für piiten Kuf; denn dieser Ideitit Ilir eher als tausend werthvelle
and gros.se Schätze.
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Aus ileii Schriften des Feldmarsehalls
Vornelimlieh muss aber der General trachten, die Ordres, so sein
Oegentheil von seinem Hof aus hat, zu verkundsehaften. damit er
dadurch desselben Unternehmungen vernichtigen könne, er muss aber
sich nicht bezeigen, als er dieselben wüsste, massen sonst der Feind
nach solchen nicht operieren thäte; hingegen aber, wenn der Feind
durch seine Unwissenheit, Verwegenheit, oder sonstiges Versehen einen
wirklichen Fehler begangen, muss man solchen nicht promulgieren,
indem billig zu fürchten, dass er sich besser begreifen und corrigieren
werde, man muss aber keineswegs glauben, dass der Feind aus Un-
wissenheit Fehler thut. obschon es zuweilen scheint, massen dergleichen
öfters aus Malice fingiert sein können
Man muss auch seinen Feind aus Hochinuth nicht zu gering
schätzen; gegen einen General, der von grosser Krfahrenheit und
renommiert ist. müssen aber alle gemessenen, grossen und ganz ver-
sicherten Absichten genommen werden, (Sola ducis fama interduni bclla
proflig.at), ') angesehen grosse Helden sich in ihren heimlichen An-
schlägen nicht ergründen lassen, verdunkelte und andere unerfindliche
Wege eingehen und ungemeine Absichten, um Anderen ihre Generals-
principia unbrauchbar zu machen, vorkehten ; einige muss man hei
der Nacht, andere beim Tag angreifen und, wenn der Feind über
unsere von Hof aus habende Ordres avisiert ist, so hat der com-
mandierende General das ganze Systema seiner vorhabenden Unter-
nehmungen zu ändern und auf andere Weise zu operieren.
§ 39. Dahier kann ich nicht umhin sein, eine besondere mir in
den Sinn kommende. Anmerkung über die HoflK'fchliger, so einen
General, von guten Gelegenheiten seinen Vortheil zu nehmen ver-
hindern. mit eintliessen zu lassen; dass nämlich ein commandierender
General an der von seinem Fürsten und Herrn bekommenden Ordre
nicht also fest sich zu halfen schuldig sei, dass er ihm dadurch die
Hände binden und die Gewalt, dem Feind einen unzweifelhaften und
die Sache vollkommentlich entscheidenden Streich zu versetzen,
benehmen lasse, angesehen dieser fürstliche Wille, er sei so ober-
herrlieh als er immer kann, jedoch von den der menschlichen Vernunft
verborgenen Umständen und nicht vorseheiiden Futuris. abhängig ist.
massen das Wetter und Wind zu Wasser, die Oerter und die Ge-
legenheiten zu Land das Vorhaben der Menschen vernichtigen und
verschwinden machen, also, dass eine allzu gewissenhafte Befolgung
solcher Befehliger, wenn auch nur ein guter Augenblick dadurch
versäumt wird, eine grosse IHfferencc macht (in occassione captanda
attendenda sunt maturitas et ordo). -) Mau vermerkt zwar einige die
1>«T liuf lU’s Anführers aUeiu entsrheidet zuweilen den Kriepr.
*) AVemi es sich handelt, eine prute irelepenheit zu erfassen, muss man aul'
den riehtijren Zeir|»nmt niid die Hesehartenheit tler Saehen Kiieksicht nehmen.
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Ludwig Aiidn'as Grafen Klievculittller.
361
Armee commandierende Generalspersonen, so sich an ihre Hofbefeliliger
so stark binden, da's sie sieh weder von der Stelle bewegen, weder
zu einer Action schreiten, bis nicht die Weissagung ihrer Hofordre
daröber den Spruch gibt, allein dieses von den Oertern, ihren I!e-
wegungen und Absichten der Operationen so weit und öfters hundert
Meilen entfernte Oraculum wird sich umsomehr betrügen, als weniger
es des Feindes Anschläge wissen kann.
-Man muss cs errathen, es wird aber ein grosses Wunder sein,
wenn solches eintrifft; dergestalt, dass öfters das beste Vorhaben ver-
nichtigt und verdorben wird, weil die Kesolutiones, wenn der Hof
dem General nichts ohne seine Ordre zu unternehmen und aus-
znfnhren aufgibt, nicht eher, als nach verschwundener Gelegenheit,
zurück kommen (ex distantibus terrarum spatiis consilia post res
afferebantur). ') Der gute General befindet sich alsdann vor der Spitze
seiner Armee mit einer langen Nase stehen. Die Kntschlnsse und .Aus-
führungen erfordern Fleiss und Schleunigkeit, wüll er aber auf die Ordre
warten, so steht ihm sein völliger Untergang, da ein einziger Augenblick
die Sache gänzlich umkehrt, so gewiss bevor, als es ein grosses
Unglfick für einen solchen Mann ist, dass er seinen gesichert erfol-
genden Umfall, weil er von guter Gelegenheit nicht profitieren dürfen,
dem Feinde aber solche zu seinem und des gemeinen Wesens Ver-
derben in <lie Hände geben müssen, vor Augen zu sehen gezwungen
sei ; ist dieses nicht ein grosses Misstrauen auf seine Fähigkeit, .ja
gar ein Verdacht, wenn selbem die unumgänglich vorzukehrende
Nothdurft durch limitierte Ordres, die er nicht überschreiten darf, also
verboten wird (Non tantum praesenlis, sed et vigilantis est, occasionem
properantem observare. haec enim est soientia opportunitatis idoneornin
agendorum tetnporum, haec opportnnitas est temporis casu proveniens,
haec pars temporis habens in se rerum idoneara faciendi et non
faciendi opportunitatam, atque praeceps et cum pedentini ingreditnr,
opprehendi forsan potest, nbi autem manus effugerit, in sublime
evolat, et insequentes se ridet, nec patitnr amplius, nt ab illis
capiatur, relicta post se poenitentia; observa ergo temporis occasionem,
quae omuinm consilia superat). -) Dieser General wird nach beschehener
Vernachlässigung eines guten Streiches sagen, es sei die Ordre von
Wenn die EulscheiduiiR gefallen i.st. koininen Itatliseliluge an.s den ent-
ferntesten Lanilen.
*) Es ist nieitt nur .''aelie des .Anfnierksanien, sondern auelt des Waelisamen,
die nahende Gelegenheit wahrznnehnien ; das iiaTnlieh ist die Kenntniss iler giinstigtui
Ijage, im geeigneten Zeiti)imete zn handeln. Diese günstige Lage kommt ans der
augenblicklichen Wendung der Dinge hervor. Dieser Zeitpnnct, welcher den Vor-
tbeil des Handelns wler des rnterl;is.sens in .sieh .schliesst. aneh plidzlich unti üls-r-
stUrzt herantritt, kann vielleicht erlasst werden; wenn er aber der Hand entschlüpft,
verflüchtigt er in der Luft, lacht die N'achhaschenderi ans. hisst sieh von ihnen
nicht mehr fangen und hinterhisst ilie Heile. Merke also auf die gelegene Zeit,
welche mehr werth ist, als alle klugen Hereehmnigen.
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362
Ans (it>n Si'hriften des Feldmarschnlls
Hof, (lass er nur defensive gehe, nichts wage und also seine Armee
durch die Fliegen auffressen lasse, wodurch er also glaubt, seine
Ordres erfüllt zu haben; (Maximum est, ut belli imperatores oppor-
tunitatem tumporis ex circumstantiis cognoscaiit, possintque illam
ciim judicio conjicere) ; ■) oder er muss sagen; non possum ego a me
ip.so facere (|uidf|uam, sicut audio, judico, et judiciiiin meum justum
est, ijuia non quaero voluntatem meam, sed voluntatem eius, qui
misit me.-)
S 40. Wenn ein General mit einem arglistigen, schlauen und
ihn durch verschiedene gegen einander laufende Griffe herurafiihrenden
Feind zu thun hat und von Hof aus gar zweifelhafte und ungewisse,
mithin solche Ordres hat, dass er nichts tentieren solle, so hat ein
solcher General sich nicht so stark daran zu halten, dass er nicht
in gewissen Gelegenheiten und Umständen den Zaum zerreisse und
also das Nöthige auf sich nehme, mithin die Befehliger des Hofes, so
über die Zeiten und die künftigen Begebenheiten zu disponieren ver-
meint, überschreiten möge, jedoch muss ein gescheiter Mann, ohne
dass er des Feindes Bewegungen und Absichten reiflich überlege und
gewiss erkenne, sich in ein und andere verwirrte, unsichere, gefähr-
liche und dem Hofbefehle zuwider laufende Unternehmungen nicht ein-
lassen, sondern die alles entdeckende Zeit abwarten (tempora exspec-
tare, pericula metiri, occasiones agnoscere eius esse, qui non temeie
sed fortunae, committendum existimet).*) Wenn also die Zeit die
Sachen erleichtert, so muss man sich weder an seinen Fürsten, weder
an dessen Minister kehren, angesehen es ein grosser Fehler wäre, dass
der Befehl, wenn eine Gelegenheit den Krieg zu endigen, oder seinem
Herrn die Grenzen seiner Länder zu erretten, gesicherter erscheint,
nicht überschritten werden dürfte, umsomehr, da der Fürst und sein
Minister so weit und etliche hundert Meilen abwesend und also von
den übjectis nur blinder Weise judicieren (ex puncto temporis saepe
maximarum rerum momenla avertuntur et pereunt. itaque celeritate
Opus est).*)
>1} 41, Schleunig- und Geschwindigkeit verursachen allezeit meh-
rere Wirkungen, als die Macht, allein es muss selbe auch nicht ohne
') Ks ist fine Haupt.sac-he. dass die Keldhem-ii ilie Gunst des Zeitpnnctca
aus den Verhiilfiii.s.si-u erkemii-n und sie mit Verstaiidniss errathen.
tt) Ich kann aus mir selbst nicht irgend etwas machen, wie ich höre, nrtheile
und mein I'rtlieil riehtig ist; denn ich suche nicht meinen, .sondern den Willeo
Desjenigen zu erfüllen, der mich ge.sandt hat.
Die Zeit ahwarten, die Gefahren ermessen, die Gelegenheiten wahrnehmen
ist Fache Desjenigen, welcher der .Meinung ist, dass man sieh nicht dem blinden
Znlälle. .sondern der Gunst der Verliiiltnis.se aiiveiirauen müsse.
*) In einem Augenhlieke fallt oft die Kntseheidung in grossen Dingi-n *n
I ngunsten ans; es i.st daher Selinelligkeit erforderlich.
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Lmiwij: Aiiürcas (Jrafi’n Klii’VfnliüUtT.
363
Vernunft und vorherige Ueberlegung an Hand genommen werden, an-
gesehen die Uebereilung mehr Schaden als Nutzen bringt, ioinnia cum
tempore) (omnia non properanti clara certaque sunt, festinatio impro-
vida est et caeca.) (Nec praecipitibus rebus desit celeritas. nec imma-
tiiris cunctatio, nec diibiis animus fortisnam periculum affert cerelitas
immatura. tarditas interdum occasionem, atque festinatio improvida
est et caeca, sed non properanti omnia clara sunt certaque, dicit Ka-
bius, et consiliis nullam esse tarn inimicam, quam celeritatem, vernm
assequitur etiam tardus velocem, et nimium properans tardius ab.solvit,
ratio non alia sequenda in subeundo publico conhictu, consilioqne
parla non minus clara victoria. quam quae gladio jiaratur, dandum
est igitur tempus actionibns suum, in labyrintho properans se impli-
cat, mora quandoqiie mater est effectus, et celeritas in actionibus in
errore versatur, sed quaecunque negotia mafnranda sunt, per pruden-
tem vel celeritate tiunt, vel quandoqiie procrastinatione).')
Die .ActivitSt besteht in zwei Sachen, nämlich der Deliberation
nnd Ausführung der Sachen; in Deliberation. wenn man auf nöthige
■Mittel hinzielt und guten Rath nimmt (mane seraina semen tnum, et
vespere ne cesses. quia nescis, quid magis oriatur, hoc aut illud, et
fi utrumque simul, melius erit), -) in der Ausführung, wenn einer die
Gelegenheit recht erkennt nnd wahres Mass und Ziel, solche zu er-
greifen. nimmt, mithin seine bevorstehenden Unternehmungen sicher
einzurichten weiss ; die Entstehung dieses alles thut aber aus dem
Wankelmuth nnd Unbeständigkeit, aus dem Mangel guten Rathes und
firkundigung, zuweilen auch gar aus Zaghaftigkeit erwachsen; wenn
aber jemand mit Beihilfe der vorigen Stücke Desjenigen, so zur Aus-
führung und Unternehmung einer Sache gebraucht werden soll, Con-
duite und Fähigkeit, dann seine habenden Befehle in reife Erwägung
') Alles mit Müsse. Demjenigen, der sich nicht iilKTeilt, ist alles klar und
sirber; die Kilfcrtigkeit ist unvorsichtig und blind. Ks .soll weder den dringlichen
.\ng> legeiiheiten die Schnelligkeit fehlen, noch den nnzi'itigen das Zandeni. noi h
den zweifelhaften starker Wille; denn die unzeitige Schnelligkeit bringt tJefahr
und das Zdgem zuweilen die (ielegenhidl. .Auch ist die Kilfcrtigkeit nnvorsichtig
und blind, aber dem. der sich nicht ülwreilt, ist alles klar nnd sicher, sagt Kabius,
nnd nichts s<*i ilen Rnt.sehlnsscn nachtheiliger, als die l'elM'reilung; aber auch der
I.angsarae holt den Schnellen ein nnd wer zu sehr eilt, winl später vollenden.
Bei nahendem |<ilt'entlieheni Streite ist keine andere Kegel zu Is'folgen, ein dureh
Klugheit errungener Sieg ist nicht minder glänzend, als der. welcher mit dem
Schwerte erfochten wird. Man muss al.so allen VorrichUingen die entspns'hemie
Zeit widmen. Derjenige, der im Labyrinth eilt, verfängt sich nnd der .Aufschub ist
zuweilen die .Mutter des Krfolges; die Ueliereilung im Handeln wälzt sich im
Inthurae. alwr diejenigen tieschäfti'. welche liesihleiinigt ansgefiilirt werden scdlen.
werilen vom Klugen entweder mit Schnelligkeit verrichtet oder zuweilen auch mit
Vertagung.
ä) Säe deinen .Samen am Morgt.-n ans nnd fahre damit am .Aliemb* fort, weil
du nieht weis-st, was liesser aufgehl, dieses oder jenes und wenn lieides zugleich,
wird cs nm-h besser sein.
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364
Aus ilcn Srhril'ti'ii iles FcWinarsihalls
gezogen und den gemessenen Scliluss wohl gefasst, so muss er sol-
elien, so gut er kann, damit der Feind nichts davon merke, zur Exe-
cution stellen. (Consulare oportet lente, consulta exefjui festinanter).*)
vornehmlich aber, wenn keine Verhindcmisse darunter versieren, messen
die leichtsinnige Veränderung eines gefassten Entschlusses ihm bei
anderen einen bösen Namen und den Ruf eines unfähigen, wankel-
mttthigen und schwachen Mannes zuzielit (tu tantum confortare et
viriliter age|,*) welches aber leicht zu verhüten, wenn er seinen fas-
senden Entschluss, auch alle andere Concilia und Nachrichten reiflich
ponderiert, mithin in vernflnftige Erwägung zieht, ob selbe mit der
■Möglichkeit desjenigen, so geschehen kann, in omni gencre Überein-
kommen (non ventiles te in omnem eventuni, et non eas in omneni
viam;.’)
Man muss jedoch, um den Credit eines standhaftigen Mannes
zu erwerben, nicht eigensinniger \Yeise sich opiniatrieren, wenn ihm
von ein und anderen Incidentien die Vorstellung gemacht wird (ne
coneris contra ictiim fluvii. nec putarc debebis. si diversa jubeamus,
ex animi nostri venire levitate, sed pro (jualitate et necessitate tem-
porum, ut reipublicae poscit utilitas).^} Der commandiereiide General
muss .Alle aiihoren (ita parvum audiens, ut magnumi. Keinem aber den
Zutritt verweigern, sondern einem .feden mit Holdseligkeit begegnen,
(rectorem te posuerunt, noli extolli. esto in illis, quasi unus ex ipsis .*l
mithin selbe schleunig abfertigen und ihren Verdiensten nai h beloh-
nen. sie werden also von vielen nützlichen Sachen Kundschaft, ohne
welche man zu keiner wahren Erkenntniss kommen kann, einholen,
5} 42. Ein cn Chef commandierender General, so viele Unter-
nehmungen auf einmal ins Werk zu richten die Gelegenheit hat, soll
sich mit einer nicht aufhalten und begnügen lassen, sondern von einer
zu der anderen bis zur letzteren, so das Werk vollkommen macht
und den Krieg zum hlnde bringt, mit allen Kräften und schleunig
hinschreiten ; massen dasjenige, so er gethan, für nichts zu rechnen,
wenn ihm noch andere nöthigere rnternehmungen zu verrichten ülrer-
bleiben; welche Maxime er sich tief zu Herzen nehmen muss (nihil
actum credas, dum quid superest agendum) : gleichwie nun der einen
solchen Charakter und gerechte Neigung habende Chef einer Armee
Weiler vom Krieg, noch von der Campagne etwas unausgcmacht laj-
') Man muss lang-ain iKrathsrhlazcn nml die Ki-selilUsse ra.seli aiisfühn’ii-
Du alsT enuaiiue Dich uml liaiidle niämiUeh.
•■'l relierlege nicht alle .Arten des Anspiiures und Indrilt nicht alle Wepv
^1 A'ersnehe nicht gepen ileii Stonn zu schwimmen und glaula* nicht, wenn
wir A'erschiedenes lielehien. dass das von nn.serer Leichtfertigkeit hnmine, sondern
nach Alass und Itedhrlhiss der rmstande und wie es der Vortheil des Stants verlangt.
Sie setzten Dich znni Leiter ein. ilherhehe Itieh nicht, sei mit ihnen,
gleiehsain Einer ans ihnen.
Malte nichts Ihr gethan. solange niH'h etwas zu tlinn iilirig Ideibl.
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Lmiwip Andreas (irafen Klievenliuller.
365
sen wird, also thut Derjenige, welcher andere Absichten hat, sieh mit
Kleinigkeiten, da er doch die grössten Sachen hätte ausfechten Uön
nen, begnügen, denn, ungeachtet sie solches selbst erkennen, so suchen
sie jedoch nur ihren Ehrgeiz zu erfüllen, hingegen nichts Gründliches
zu statuieren; allein sie dürften sehr stark anlaufen, wenn sie glaub-
ten, dass ihnen das Glück heut eben so günstig, als gestern sein
werde ; jedennoch ist eine natürliche Sache, dass sie sich gern einen
unslerblichen Namen machen wollten und mit einer Victori nicht zu-
frieden sind; es thut doch die Zahl der Victorien nicht eben die Ca-
pacität des Generals eclatieren machen, sondern die Früchte von der
Victori ist das wahre Kennzeichen, Manche prosequiereii auch die an-
gefangenen Progressen nicht, weil sie befürchten, dass eine Fatalität
ihnen den erstercn erworbenen Lorbeerzweig wieder aus den Händen
weise Julius Caesar cunctatior factus est ad ineunda praelia, ne for-
tunam, quam toties secuiidam fnerat expertus adversus semel experia-
tur);i) oder haben sie hierunter etwa kein Misstrauen, sondern andere
geheime Absichten, den Krieg um etliche Campagnes zu verlängern
und sich also necessaires zu machen, angesehen ein einziger Feldzug
zuweilen ein Ende aus dem Kriege machen könnte, wenn nicht die
Generale zu ihrem Eigennutz und Schaden ihres Herrn dem F'einde
einige Hoffnung ziim Wideraufkommen unvermerkter und listig, um
den Krieg zu continuieren, in <lie Hände spielten, welche aber, wenn
sie die Waffen nur einzig und allein um sich zu bereichern, ergreifen
wollen, sich einen grossen Schandfleck anhängeu thun. (Miles horridns
esse debet, non coelatus anro. virtus enim niilitis, decus et dives,
hostis, quamvis pauperis victoris praemium est),-) Fiinige aber, so diesem
Fehler nnleiworfen, wissen selben mit anderen im Schein ganz unver-
gleichlichen Eigenschaften also zu verbergen, dass man in Betracht
ihrer Verrichtungen und dabei bezeigenden äusserlichen Wesens glau-
f«*n sollte, sie könnten nichts anderes, als Schlachten liefern, ,sie ,sind
diesfalls vor allem Verweis sicher, überaus tapfer und nehmen sich
des Sieges mit allen Kräften an, welchemnächst sie aber ermüdet wer-
den, ihre Ruhe nehmen und die übrige Zeit der Campagne ohne weiter
was vorziinehmen, weniger aber sich des Sieges und ihrer Thaten fer-
ner zu Nutze zu machen, gleichfalls in tiefem Schlafe zubringen; und
ist diese ihre Fertigkeit, so bei selben in einer hauptsächlichen und
decidierenden Action verspürt wird, nur einem Feuer, so nicht lang
dauert und bald ausgelöscht ist, zu vergleichen, (Vinccre scis, sed Vic-
toria uti nescisj.ä) Allermassen Diejenigen, so zu triumphieren wissen,
') Julius Caesar wurde zurückhaltender, SehlaeUteii zu liefern, damit er das
(ilttrk, welclie.s er so häutig als ihm günstig erkannte, nielit einmal auch als ihm
imgünstig kennen lenie.
Der Krieger muss füreliterlieh und nirht mit Gnld liedeckt sein ; denn
die Tapferkeit ist die Zierde des Soldaten und der reiehe Feind i.<t die Beute des,
wenn auch armen, Siegers,
’) Du verstehst zu siegen; den Sieg alicr zn InmUtzen, verstehst Du nieht.
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3*>6 Aus di -11 Si’hriflen iles FeUhuarschalls
nicht allezeit von dem Siep den rechten Nutzen zu schöpfen fiihig
sind, indem sie gleich Vagabunden die Länder und Provinzen nur
durchstreichen, dem Raub nachgehen und Subsistenz suchen, statt dass
sie den Feind in die Enge treiben sollten, dass er nicht wisse, wo
ein oder wo aus, schliessen also die Campagne fruchtlos; Andere aber,
so zu wichtigen Unternehmungen fiihig wären, haben ein solch miss-
trauendes und immerhin in Zweifel stehendes Gemüth. dass sie das
Glück zum änderten mal, viel weniger aber zum drittenmal zu ten-
tieren sich nicht getrauen fchi pensa assai cose. alcuna non ne con-
chiude, e massimamente ne partiti pericolosi. che quanto piü si con-
sideranno; tanto piü si piglinn mal volontier!).’)
Nun gibt es auch wieder solche Leute, welche sich grosser Hel-
denthaten unterfangen wollten, allein wenige, so selbe, jedoch mehr
aus Unwissen, als Furcht, anzugreifen sich getrauen; eine vollkommene
dicisive und das völlige Feld von dem Feind ausräumende Victorie
sollte uns billig dahin animieren, dass wir in dem aller Gegenwehr
beraubten Land von einem Ende zu dem anderen durchbrechen und
solches ganz und gar einnehmen, oder aber auf anderweitige Siege
trachteten, angesehen eine einzige gute Gelegenheit «ler Ursfirung vieler
anderer und die Ursache, seine siegreichen Waffen weither auszubrei-
ten. mithin am allerwenigsten zu verscherzen ist, zu geschweigen.
dass eine auf die vorherige folgende Unternehmung, obwohl sie dein
Ansehen nach sehr schwer zu sein scheint, dadurch viel leichter aus-
geführt werden map, weil die erstere dem Ueberwundenen liereits einen
Schrecken und Erstaunen eingejagt und also alle im Wege stehenden
tibstacula heben thut.
«5 43. Die Kriegs-Unternehmungen erfordern die grösste Behut-
samkeit und Aufmerksamkeit und wird keine fehlschlagen, wenn
solche nur mit gesunder Vernunft und klüglich vorgekehrt werden
(la forza posfa nell'arte e nella prudenza, si nel diffendersi <lal neinico,
come nell offenderlo, e delle maggiori e piü siciire cose, che sieno nella
gnerra). -) Dieselben sind aber zweierlei, von welchen die eine mit
Gewalt der Waffen und öffentlich, die andere mit Arglist und Gelegen-
heit vorgenommen werden und haben die erstere jederzeit übleren, als
guten Ausschlag gewonnen; hingegen die mit Finesse nach den Dm-
ständen und Gelegenheit unternommen worden, jederzeit guten Effect
gemacht ; allein lasst uns in etwas untersuclion, wie denn das Kriegs-
wesen und dessen Unternehmungen eigentlich anzustellen seien. Nun
') Wer auf zuviel .Sachen denkt, wird ül»T keine schlüssig und hauptsächlich
in gefährlichen Hingen geschieht es, dass, je mehr man sie lielrachtet, desto weniger
geni fasst man sie an.
-) Die Kraft, welche man in die Knust und Klugheit s.'tzt, ist. sei cs im
,\hwehn*u oder im .Angrciten des Feindes, eines der grössten und vcrliisalichstcu
Hilfsmittel im Kriege.
Dig])laad by
I.iulwig Aiiiln'nii (iratVn Klieveiihüller.
367
ist gewiss, dass all' dasjenige, was iin Kriege ohne festgestclltcn End-
zweck und Absicht geschieht, keine That genannt werden möge,
sondern nur als ungefähre Zufälle und 'Würfelspiel, wovon dahier
als von einer auf Vernunft gar nicht gegründeten Sache nicht geredet
wird, anzusehen sei; es ist nur die Frage von dem, was mit ver-
nünftigem Absehen und Ziel geschehen soll.
bergestalt, dass eine rechtschaffene That ihre bestimmte Zeit
zum Anfang, ihre gewisse Frist um selbe auszuführen, ihren Ort.
Verschwiegenheit, gewisse Abredungen und Personen, die man dazu
brauchen will, mithin die Art und gemessene Weise, solche zu exequieren
erfordere und wird Derjenige, so dieses alles vorkehrt, nicht fehl
schlagen. Allein die .Auslassung eines einzigen dieser Dinge kann das
Project Umwerfen und zu unglücklichem Ausschlag befördern, hierin
besteht das Glück oder Unglück aller Unternehmungen, eine Geringig-
keil, so fast für nichts zu halten, wird das ganze W’esen verderben
und alle miteinander zu Hilfe nehmenden Absichten werden kaum zu
verhoffendem gutem Succes erklecklich sein, welches ein Chef <ler
.Armee, um nichts in dergleichen Gelegenheiten zu vernachlässigen,
sich wohl imprimieren solle; man muss eine gewisse Zeit nehmen, um
grosse Absichten zu ihrem vollkommenen Stand zur Ausführung zu
bringen und werden Diejenigen, so solche abzuwarten wissen, doppelten
Nutzen davontraeen. indem in gewissen vielen Sachen die Langsam-
keit mehr als Gewalt auswirkt und hat öfters die Geduld die allzu-
tieftige Hitze der anderen gedämpft und überwunden (festinare nocet,
nocet et cunctatio saepe, tempore qiiacque suo, qui facit ille sapit). ’)
Die Uebereilung verdirbt öfters die am allerbesten concertierten Unter-
nehmungen, anstatt, dass sonst die Geduld die schwersten Absichten
und deren Ausführung facilitiere (pridie caveas, ne facias hodie, quod
pigeat postridie). -I
Capitel Vll.
Sich im Commando nicht confundieren.
S 44. Die geringsten im Kriege vorgehenden Fehler sind als
Hauptmängel anzusehen und sind niemals kleine geschehen (non licet
in bello bis peccare), dasjenige sogar, was für nichts zu nehmen sein
könnte, die geringste Unachtsamkeit. A’erwirrung und Unordnung ver-
ursachen öfters schwere Folgen, woran man niemals gedacht hätte,
ein grosser Fehler folgt auf einen kleinen, welche sich immer ver-
mehren und schädlicher werden, wenn einer den auch aus dem ge-
*) IM.s Eilen schadet; alsT aiieh das Zandern schadet zuweilen: Iterjenige
i.st weise, der alles zu seiner Zeit Ihnt,
*) Hiite Dich Tags vorher, dass Du nicht heute thust, wa.s Ün morgen
ber*'nen würdest.
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Aus den Schriften des Feldmarschalls
3<i8
rinpsten Versehen erwachsenden Consequentien durch Vernunft und
Fähigkeit nicht vorzukomineu weiss (i piccioli disordini non si tras-
curino perche tutti i inali ne lor prineipii son piccoli. nia in processo
di tempo s'aunienlano e inenano ruina, nella guerra niassimaraente). > )
Wenn also ein General gleich beim Eingang seines Coinmandos
einen groben Fehler, worauf dann gleich ein schändlicher Stoss unaus-
bleiblich folgt, begehen wird welches man errare a limine nennt) und
also auf der Schwelle der Thür so gefährlich stolpert, der wird gewiss
keine grossen Passus mehr machen, viel weniger seine Unter-
nehmungen auf einen festen und sichern F'uss setzen, sondern seines
völligen l'mfalls sich zu befahren haben; Dieses geschieht nun fast in
allen erdenklichen Sachen der Welt, sie seien von gro.sser oder kleiner
Wichtigkeit (^in principio si peccatur, principium autem dicitur di-
midium totius, itacpie parvum in principio erratum coirespondens est
ad alias partes);') allein in Kriegssacheu wird Keiner den Unterschied
inter majoritatem et parvitatem materiae®) setzen können, angesehen
hierin alles gross, nichts mittelmässig, kein Medium inter errores*) und
nie geringschätzige Fehler vor sich gegangen, indem einer aus dem
anderen und alle miteinander unablässlich und in solch' erstaunende
grosse Defectus erwachsen, dass wenn die Vermittlung nicht mit selbiger
Schleunigkeit ilarauf erfolgt, der völlige Untergang nicht zu vermeiden
sei (tutte le cose doppo il fatto se possono emendare in qualche parte,
se non in tutto. fuorche pli errori della guerra, e pnrticolarmente
delle hattaglie, jierche la pena seguita subito doppo l'errore) (praelioruin
delicta emendationem non recipiunt ), ") Dass man Fehler aus üblen
Nachrichten oder anderen Vorfallenheiten ex casu begeht, so ist da die
grosse Kunst und Wissenschaft adaptierte Itemedia in der Zeit und
ä propos zu linden, sich zu recolligieren und zu reinedieren; dieses
wird aber den standhaften, resolvierten, geistreichen und grossmüthigen
Männern gelingen, nicht aber dummen und unwissenden, welche nach
dem in ihren ersteren Unternehmungen erlittenen Stoss sich nicht mehr
zu helfen wissen, es wäre denn, dass ungefährige Zufälle oder die
Thorheit der Anderen sie aus der Verwirrung setzte (temporibus medi-
cina valet, data tempore prosunt, et data non apto tempore vina no-
*) Man vemai hlas.sige nicht die kleinen Anordnmigeu : ilenn alle Velwl sind
in ihren Anfängen klein, alaT ini Laufe der Zeit nehmen sie zn und fiihren fnter-
gang herbei, — das hau]>tsaelüich ini Kiiege.
*) Wenn man am -\nfange Fehler begeht, iler ,\nfang aber <lie Hälfte des
(ianr.en genannt wird, ,so iila'rgeht iler am .\nfange Iwgangene Kehler auch auf
d«n anderen Theil.
Zwi.sehen die Wichtigkeit und tieriiigfiigigkeit des Stoffe.« setzen.
Kein Mittleres zwischen zwei Fehlem.
Alles k.ann man naehträglieh znin Theile, wenn niilit ganz, verlressern ;
ansgeinimmen die im Kriege und Icsoiiders in ileii Sehlaehten liegangenen Fehler,
weil da <lie ,'<trate unmittelbar auf den Fehler folgt.
Die in den ,'<ehlaehtcn hegtuigenen Fehler sind der Verlws-sening nicht fähig.
.(IliZ
Liulwifr Aiicliva« (irali n Kln veiiliiiller.
3fit)
lent ') Gleichwie nun einer .luf seinem reiflich gefassten Entschluss
'iml Absichten, wenn er alle dazu erforderlicheu Mittel vorkehret, alle-
zeit fest beharren muss (diu delibera, fac cito), -) also hat er auch
zu dessen glücklichem Ausschlas, unerachtet selber nicht erfolgt, alle
sfine Kräfte anzuweiiden. in meliierem Betracht, dass die Begeben-
lieiten dieser unbeständigen Welt um nichts versicherter und gewisser,
als der Menschen Gedanken selbst sind, welches zwar bei vorfallcndem
l’nglück, solches der erdichteten Gottheit Kortunae zuzusclireiben ins-
gemein Anlass gibt; allein ein commandierender General soll zu diesem
einbilderischen Esse seine Zuflucht nicht nehmen, sondern seiner Nach-
lässigkeit und Aufführung, falls er seine Absichten nicht reiflich über-
legt, oder selbe durch genügsame Mittel und Vorsorge festgcstellt.
den üblen Sucres zuraessen (nelle imprese di guerra chi non vuol
temerariamente fidarsi delle, rose della fortuna, riguarderä a teinpi, con-
sidererä i pericoli. et conosceiä le occasioni), um aber in seinen
Sachen gewiss und sicher zu geben, so bat er die guten sich hervor-
thuenden Gelegenheiten che und bevor etwas Veränderliches dazwischen
kommt, mit beiden Händen zu ergreifen, allermassen von uns nicht
allezeit dependieret. in denen einmal ausgesehenen Wegen weiter vor-
ziigehen, sondern man muss davon abweiclien und falls ein guter
Streich zu thun vorfällt, die vorher gemachte Kriegsordnung und
Proposita verändern; Hof- und Kriegsgesebäfte sind in diesem Stück,
dass nämlich der geringste .Aufschub die wichtigsten und sichersten
Negotiationen und Unterneliinungen krebsgängig mache, zu vergleichen.
S 45. Will nun Einer untersuchen, aus was für Bewegniss-Ur-
-sachen ein General von den .Absichten, wo er sich dem .Ansehen nach
mit so grosser Beeiferung eingelassen, abweichet, so ist die Antwort
in promptu, dass nämlich nichts anderes, als die eigentliche Beschaffen-
heit der von uns im Schild geführten Sachen daran die Schuld sei,
indem er durch den Betracht seines Verlangens und dessen Endzwecks
nicht gleich vermerkt, dass solches seine Kräfte übersteige; über dieses
thut uns der daraus verhoffende Nutzen die Obstacula zu dessen Er-
langung vei bergen, mithin die grosse Begierde, das ausgesehene Ziel
zu erreichen, ilie A^ernunft verblendet und also verwirrt, dass wenn
einer zur Aufführung der Sachen selbst schreiten will, die unüber-
windlichen im Weg stehenden Beschwerlichkeiten solche auf einmal
verschwinden, den Unternehmer aus seinem genommenen Mass und
Ziel setze, fort also selben in den im vorgebildeten Thatcn in Irrwege
•) Zn Zeiten ist die .Arznei heitsini. Zu reeliter Zeit gereielit, iiiitzt der
tVein z)i nnreebter Zeit vernlindelit. seliudet iT.
-) Peiterlege lang, lianiile si'hnell.
■'*) Wer l)ci den rnternelimnngen im Kriege niebt vermesseiitlicb dein Glücke
vertrauen will, der wird den Zcit])iin<t ins .Ange fa.sseii, die (iefaliren aliseliatzen
und die (ielpgeiibeiten wahrnidiuieu.
Mittheilimueii des k. and k. Kriegs-.krehivs, Neue Folge VII 1^1
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370
Aus (U-n .Scliriftun ilcs Fi'ldniarscliHlIs
bringe und er selbst seine Entreprise verlasse. In wichtigen Sachen,
sie seien dann leicht oder schwer, muss man mit der niimlichen Vor-
sichtigkeit lind Wachsamkeit, ohne Praesumplion oder Verzweiflung des
Ausschlages behutsam gehen; es seien die Sachen dem Ansehen nach
so leicht als sie wollen, so muss Einer jedoch auf vortheilhafte Neben-
ffllle ein Misstrauen setzen und allezeit iin Stand sein, fiberflüssige
und mehr als nothwendige Praecaiitiones vorzukebren, er soll sich iu
den Vorsorgen, so er selbst nehmen kanr, auf keinen Anderen ver-
lassen und sich niemals auf Anderer Einrathungen entschliessen, er
habe sich denn vorher schon die nöthigen Mittel zur Remedur des
Irrthums, wo ihn das auf Andere gesetzte Vertrauen hineinverwickelt,
prepariert.
§ 46. l 'm einen grossen Capitain vorzustellen, so möchte mich
des Wortes , unverzagt“, ohne selbes mit dem Zusatz „mit gutem
Mass gehender“ zu vergesellschaften, nicht bedienen, indem dieses viel
auf sich hat, einen General, so nichts, als durch reiflich überlegte
Mittel, vernünftige, weit aussehende und kluge Absichten iinferninimt
und diesem alles, nicht aber dem Glück oder Unglück zuschreibt, voi-
zubilden , denn unverzagt und verwegen sind zwei Qualitäten und
Einenschalten, wenn sie bei einem sein Glück suchenden und alle?
dazu tentierenden Soldaten vereinigt sind, werden ihm an seinem Glück
und guten Namen nicht hinderlicli .sein, allein einer die .Armee bereits
coinmandierenden Generalsperson guter Name und Glück ist schon wirk-
lich gemacht und etabliert, indem das Wohlsein des gemeinen Weseos
bei der Armee besteht, dessen Conserv.ation von seiner Vernunft und
Klugheit mehr, denn von einem verwegenen und unerschrockenen
Streich abhiingig ist (tenieritas in milite sive ducc ijuantumvis strenuo
et robusto tandem eum ipsiim perdit.) (lemeritas ubi primum effudit
iinpetum. sicut qu.aedam animalia ainisso aculeo torpetl. *) Die Keck-
heit ist ein gewisses auf ungemeine Unbeweglich- und Standhaftigkeit
seines Gemüthes setzendes Vertrauen, welches alle Bestürzung und
Verwirrung bei den vor Augen sehenden Gefahren überwindet, welche
also von der Verwegenheit und Uebermuth zu entscheiden ist (nihil
usque adeo vitaiidum in re militari ut temeritas; incogitaiitia audaciam.
ronsideratio vero timorem, seu cunctationem offert).-) Durch Ueber-
mutb bringt Einer es zuweilen in den Gefahren so weit, als durch
Unerschrockenheit, allein diese geht mit mehrerer Wissenschaft und Er-
kenntniss, da jener mit blindem Zorn und Grausamkeit übernommen
') Die Verwegenlieil llilirt den Krieger oder Anführer, so tapfer und kraAis
er auch sei, zum l'ntergange.
Die Tollkühnheit erlahmt, sobald das erste Ijiigestum verflüchtigt, gleich
gewissen Thii-ren, wi-nu sie den .Stachel verloren haben.
’) Nichts ist in Kriegssaehen so sehr zu meiden, .-ils die Tollkühnheit. Die
rnüherlegtheit erzeugt Verwegenheit, die Uelierlegung ala-r Hedenken oder Zaudern.
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Liuiwi); Aniin'iiK (irafcn Klu vrnhUller. 37 1
ist. Die Unerschrockenheit ist ein vorsätzlicher Veracht des Todes,
eine iinmässigc Tapferkeit, so uns die Vernunft nimmt und jähzornige
Uebcrnehmung, so uns hei den (jefnhren verblendet, uns selbe ganz
verächtlich macht. Wenn ich nun aber einen grossen Capitain wegen
seinen bei den beschwerlichsten Umständen gethanen grossen Unter-
nehmungen zu loben hätte, so thäte ich den ihm gebührenden liuhm
seiner erleuchten und mit Moderation gehenden Unzaghaftigkeit zu-
schreiben massen sie ihn bei Gelassenheit und ungezwungenem Wesen
bei den grössten Gefahren haltet und in Ausführung der allerbe-
schwerliclisten und dem .tnsehen nach unüberwindlichen Unterneh-
mungen guter Erkenntniss geht, mithin selbe vielmehr durch die
Wissenschaft und überfliegenden Geist und die ihm bekannten Hilfs-
mittel, als durch Gewalt und grosse Anzahl der Truppen zu ihrem
Ziel und Endschaft bringet.
§ 47. Man will zwar dafürliallcn, dass ein die Armee comman-
dierender General ein unverzagter und unerschrockener Held sei. wenn
er des Feindes Kriegsheer weit übersteigende Macht zur Schlacht
auffordert. ihm in die Augen gehet, angreife und erlege ; über diese
Herziiaftigkeit wird sicli ein jeder sehr verwundern, allein andere im
Handwerk Erfalirene werden sagen, man müsse sehen, worauf denn
diese Bewunderung gegründet sei und nicht ilen General durch
solche llegebenbeit beuidheilen, sondern die Mittel, Ziel und Maas, so
er zur Eroberung des Sieges genommen. reiHicher erwägen, ob nämlich
nichts gar Gemeines oder Mittelmässiges in seinem Thun und Lassen
zu vermerken, ob man an ihm nicht einen Menschen, so durch uii-
mässige Begierde zur Gloire und ihm auf einmal überkommenen
Oeraütlis Erhitzung alles auf Glück oder Unglück waget, sehe; dieses
ist mit Wenigem zu sagen, der unerschrockene Held, so alles mit
Ijewait, ohne die geringste Befle.xion auf die darunter obwaltenden
Obstacula zu nehmen anfallet. Er hat selbe zwar überwunden, winin
er sie vorher aber recht erkannt hätte, würde er solches vielleicht
nicht gewagt haben; es kann von ihm gesagt werden, dass er, falls
selbem ein so gefährlicher Streich ein anderes mal gelingt, zwar
glücklich, jedoch nicht hierdurch probieret werden, dass er ein voll-
kommener Capitain sei (Bellum ratione, non fortuna geritur);*) Bei
dergleichen Siegen erhellt klärlich, wie wenigen Theil Vernunft und
Klugheit daran habe und wie gross die Ignoranee des Ueberw undenen
sein müsse (tempora exspeclare. perieuia metiri, occasiones aguoscere
eins est, qui non, temere se fortunae committendum existimat). -) Es
sei also ein Treffen so hart und langwierig es immer wolle, ohne dass
') Iter Kriez wird mit VenmnfI, nicht mit dem Zufälle (sefiilirt.
*) Den Zeitpiini't ahwarten, die tiefahren liereclincn, die lieleRenheiten
wahmehraen ist .Sache De.sjenifreii. welehiT daftirhnlt. dass man sich nicht dem
Zufälle Ulwrlassen soll.
21 *
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372
Ans ilrn ScliriftHi» des Feldmiirsi'lialls
der Sieg mehr auf eine, als die andere Seite sich hinwende, wenn
iliesemnächst selber dem Stärksten und Tapfersten zu Theil wird, so
kann jedoch der Ueberwinder hierdurch kein grosser Capitain, er habe
dergleichen Thafen auch zehne ausgefochten, genannt werden, denn
obwohl Diejenigen, so nicht vom Handwerk sind und diesen Titel
einem unwissenden und geschickten Besieger ohne Unterschied zu-
legen, ihn dafür halten, so werden jedoch rechte Kenner des Hand-
werks nicht so freigebig mit ihren Lobreden sein, sondern eine unge
tährliche That von einer anderen, so mit Vernunft und Geschicklich-
keit ausgeführt wird, zu distinguieren wissen; wenn man aber bei
ruhmwürdigen Ausschlägen der Kriegs-Unternehmungen vermerkt. da?s
sie fheils der Bravour, theils der Vernunft des Generals, und d>m
auf seine Truppen habenden Vertrauen, mithin seiner Standhaftigkeit,
mit welcher er sich bei den grössten iJefahren souteniert, endlich seinen
bei den schwersten Conjuncturen vorkehrenden hinlänglichen Mitteln
znzuschreiben, so ist nicht in .Abrede zu stellen, dass alle diese
herrlichen Kriegsthaten nicht von dem Glück, sondern von des Gene-
rals Wissenschaft herrühren, (unum praeceptura iti omnium animis
esse dehet, nihil in bello o[iortere contemni, nil teinere agi), •) denn
wenn derselbe vor der Spitze einer kleinen Armee gegen einen anderen,
so ihm die Vielheit und Macht in allem entgegensetzet, zu stehen
kommt und er durch wohl überlegte und eingerichtete Hewegungen
sich der vortheilhaftigen I’osten bedient und des Feindes Absichten bei
einer Zeit, da ein anderer im Feld nicht erscheinen dürfte, vernichtigt.
so muss m.an sagen, dass dieses eine Conduite eines grossen Capitains
sei, angesehen er durch seine Geschicklichkeit alle im Wege stehenden
Obstacula hebt und überwindet. Dieser wird sich etwa bei einem
gleichen Vortheil des Terrains befinden und sich also gezwungen
sehen, einen Streich zu wagen, geht also im festen Vertrauen auf
seine Fähigkeit und gute Schlachtordnung dem Feind unerschrockener
unter die Augen, und wird also seine Spitzfindigkeit, List und weites
Aussehen den Sieg nicht durch eine grössere Herzhaftigkeit gegen
eine kleinere, nicht durch ungefährlichen Zufall, sondern Wissenschaft,
Geschicklichkeit und veranstaltende gute Einrichtung der Schlacht-
ordnung davon tragen; wie will nun Einer sagen, dass ein General
sich ohbesagter Massen ohne die grösste Unerschrockenheit nicht
anfführen könneV Dieses wäre ihm ein schlechtes Lob gegeben, sondern
man muss glauben, dass selber ein tapferer Soldat sei. so nichts gegen
das Lieht gesunder Vernunft und Klugheit, obwohl er dem äusser-
liehen .Ansehen nach nichts als seine Macht zu consideriereu scheint,
wagen und unternehmen thiit.
') Dill linen ljniiids.itz iiiii.ss(!ii sich -Alle gegenwärtig halten: Im Kriege
darf nielits geriiiggeaehti t, nichts iinülierlegt voi-geiiommen werden.
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lilulwip Aiidrt'us (irafni Khevenliülh‘v.
373
ij 48. Der ist ein grosser Cajiitain zu ne,nnen, weielien die ihm
im Weg stehenden Obstacula animieren, nicht aber den Math benehmen,
sowie dessen weiters Aussehen ihm seine alleriiand Listen und hinläng-
lichen Mittel an Hand gibt, dasjenige auszuführen, so Andere, weil sie
einen solchen Kriegsgeist und rechte Wissenschaft nicht haben und
welche in Allem ihrem Thun und Lassen dafür halten, dass das ülüek
die Unverzagten und Kühnen immerhin begleite, für unmöglich an-
sehen ; allein diese Ma.xime wird Einen nicht allezeit zum Glück
führen, sondern ihre mehreste Kraft besteht in den vorherigen Vm-
theilen, grösserer Unwissenheit des Feindes oder ungeffihrlichen Zu-
fällen: allein es wird Einer sagen, es geschehe nichts von ungefähr,
sondern es habe alle.s seinen Ursprung und Ursache. Dieses ist zwar
wahr, jedoch bleibfs dabei, dass diese Ursache in der Unfähigkeit des
Ueberwundenen stehe. Die Unerschrockenheit ist lebhaft, heftig und
ungestüm, mithin mit der Langsamkeit gar nicht zu vergleichen ; ist
sie aber mit vieler Vernunft begleitet, so wird selbe, weil sie gar zu
übermüthig und ausgelassen, ohne alle Vorsichtigkeit und Reflexion
gehen : allein man findet sie selten mit den einem Helden vom ersten
Rang beiwohnenden, sonderbaren militärischen Eigenschaften verknüpfet,
indem dieser nebst seiner Unerschrockenheit, Vernunft und Licht an
sich erblicken lassen wird, geschehete aber, dass Einer oder Anderer
sich bei einer Occasion vergehe, so hat er solches nichts anderem als
seiner allzuhitzigen und übermüthigen Unzaghaftigkeit znzuschreiben ;
allein wenn ihre grosse Her7,haftigkeit. oder vielmehr zu sagen, ihre
vernünftige Unerschrockenheit, während einer wirklichen Action in
einen jähen Zorn sich verwandelt, so entsteht dieser lediglich daher,
weil sie hei rechter Zeit über ihre Unternehmungen deliberiert, selbe
reitlieh überlegt und also nichts anders, als die ihnen angeborne
Grossmüthigkeit einzufolgen hatten, indem selbe ihre gesunde Ver-
nunft ganz frei und ohne die geringste Verwirrung beständig zu
Hilfe nahmen.
§ 49. Diejenigen, so die Successus belli dem Glück oder Unglück
zuschreiben, wissen unrecht oder gar nicht davon zu judicieren. denn
wie die Kriegswissenschaft, gleich fast alle anderen, nicht allein in der
Piaxi oder Uebung, sondern auch in vorläutiger iiründlicher Erlern-
un'i Nachsinnung derselben besteht, also muss sich Einer auch auf
die Ergründung und .äuserfindung zulänglicher Mittel und Absichten
zn den Kriegs-Lmternehmungen hauptsächlich legen, mithin alle seine
Gedanken und reillicheu Ueberlegungcn ehe und bevor zum Werk und
dessen Ausführung geschritten wer<len will, veniftnftig einrichten, an-
gesehen die Tliaten und Ausführung der Entreprisen alsdann erst
erfolgen müssen, wenn Einer sich vorher durch besondere Application
und Meditation, fortwährend darüber bei sich selbst geübt (tela
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:iU
Ans ilcii Sclirirti'n ili-s Feldnmrschiills
praevisa minus feriunt) *) und wird ein Jeder durch die Thaten eines
Generals urtlieilen. dass die über sein Handwerk geführte Speculation
ihm grosse Hilfe und Nutzen verursacht, indem er vorher auf all
erdenkliche neue Absichten seine Retrachtungen unablüsslich gerichtet
und seine linternehmungcn nach deren Anleitung ausgefülirt.
Es ist einmal gewiss, dass ein sich auf seine Grossmütbigkeit
und Erfahrniss lediglich verlassender Kriegsmann, er bilde sich auf
seine Meriten so viel ein, .als er immer wolle, jedoch selten rar ein
guter General sein werde; geht er nur um was weniges in sich selbst,
so wird er in Claris sein, seine l’nwisscnheit, oder was dergleichen
von sich selbst verspüren und also in dem Augenblick, da es um
eine aller Wichtigkeit und Zweifels volle Unternehmung zu thun,
zurnckhalten, keine Truppen aus dem auf seine Fähigkeit habenden
Misstrauen wagen, weder zur Ausführung einer Unternehmung, wie sie
auch Namen haben wolle, aus Verwirrung und Unsicherheit sich ein-
lassen dürfen ; der befürchtende Verlust seines givten Namens wird
ihm einen Schrecken einjagen, da inzwischen die Zeit und gute Gelegen-
heit verschwinden.
Dieses ist wohl ein z.ighaftes Gemüth zu nennen, mit welchem
er nicht viel wagt und in beständiger Ungewissheit daher lebt, also
nichts, als etwas Gemeines vornimmt; lasset er sich aber in eine Action
ein, so geschieht solches lediglich aus einer plötzlichen Hitz und ohne
Conduite (navim agere ignarus navis timet).
Hei vorkonimenden Gelegenheiten, wo man sich ohne den
geringsten Zeitverlust aus der Gefahr zu erretten hat, muss ein General
alle Consideration und Erwägung bevorstehender Hindernisse und
gefährlicher Umst.'tnde, wie schwer und unüberwindlich sie auch immer
scheinen, auf Seite setzen und in solch' nusserstem keinen Verzug
leidendem Aussehen von genauer Beobachtung der Klugheitsgeselze
nichts verhoffen oder erwarten, sondern vielmehr seinen mit Stand-
haftigkeit soutenierenden Vorsatz ausser ilen Schranken der Kühnheit
und Tapferkeit einfolgen und ausführen muss (iacta est alea), indem
in dergleichen Zufällen eine übermüthige Keckheit nicht eine kleine
Klugheit zu nennen ; woraus ich aber jedor h nicht inferieren oder
concludieren will, dass man unter der Möglichkeit oder Unmöglichkeit
keinen Unterschied machen müsse; mit einem Wort, weil hiervon nicht
genugsam klar geredet worden, so muss dem Glück oder Unglück
alles anheim gegeben und wenn nichts Besseres vorzunehmen, mithin
auf eine kleine Fatalität in einem .Augenblick eine viel grössere
erfolgen kann, ein fester Entschluss auf grad oder ungrad gefasst
werden (i maneggi della guerra non si debbon mai commettere nella
instabililä della fortuna. se non i|uando e perduta la s|ieranza di
M l)if verlicrgfsclicncn Pfeile vorwnnnh'n weniger.
-) Wer iliT Setiitfalirf imkundig is>. liirelitet ein SeliilT zu lenken.
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I.mlwip Andrea» Grafen Khevenliiiller.
375
poter condurre la impresa a buon fine), ’) Dieses ist bei dergleichen
Gelegenheiten, wo die Unternehmungen wegen hevorstehender Ver-
vfinnng und im Weg liegenden grossen Beschwernissen gar unsicher
und unthunlich scheinen, am mehrsten zu bewundern, dass ein
General bei den äussersten Gefahren durch einen gewissen Trieb, oder
überfliegende, die Eigenschaften eines grossen Helden wahrhaftig vor-
stellende Erkenntniss das allem Ansehen nach für verloren Gehaltene
bei der grössten Zerstörung wieder gewinnen und alle im Weg
stehende Obstacula mit kaltsinnigem Geniüth heben (tutli i consigli
si debbon fare e pigliarc a sangue freddo ed eseguirli essendo il
tempo a sangue eahlo, enn quella maggior prestezza che sia possibile.
se non e ritardata da quäl strano accidente e inopinato caso, che non
si possa antevedere prima che venga, onde ben dicea Cesare, che piü
giova molte volte nella guerra la prestezza dePa virtii e ’l sapere),
mithin öfters erkleckliche Mittel erfinden thut, diejenigen Umstände,
woraus Andere eines mittelmässigen Geistes nichts mehr zu hoffen
vermeinen, standhaftig überwindet, angesehen, wenn derselbe aus seinen
vernünftigen Conjecturis schliessen kann, dass er dem Glück oder
Unglück alles zu fiberlassen habe, er selber sich und seine Unter-
nehmungen mit aller Keckheit gänzlich anheim geben, jedoch aber die
von ihm abhängigen und für ihn den Sieg feststellenden Vorsorgen
nicht in den Wind schlagen w ird (Fugiendum illiid, ne offeramus nos
periculis sine causa, (|UO nihil potest esse stultius quapropter in
adeundis periculis consuetudo imitanda medicorum est, qui leviter
aegrotantes leniter curaut, gravioribus autem morbis periculosas cuia-
tiones et ancipites adhibere coguntur, quare in tranqiiillo tempestatem
adversam optare dementis est. subvenire autem tempestati quavis-
retione sapientis), *) obwohl nun die Maxime für Kriegsleute die vor-
trefflichste ist, so hat man jedoch Wenige gesehen, die bei dergleichen
schlecht aussehendeu Conjunctureu nicht in die grösste Verwirrung
gerathen und, da sie das Unglück vor Augen gesehen, ein anderes
‘) Bei sohwiinkendeiii Glücke darf man sieli im Kriege auf keine Unter-
nehmungen einlassen; es sei denn, dass alle itofinnng verloren wäre, die Sache
einem guten Ende znznfnhren.
') -Alle iteschlüHse tnUssen bei kaltem Blute gemacht und gidässt und, wenn
die Zeit kommt, mit heiasem Blute und der grosstmfiglichen Schnelligkeit ausge-
führt werden; wofeme mau nicht durch einen aussergcwöhnlichen Umstand und
nnvemmtheteii Zufall, dessen Eintritt man nicht vorherschen konnte. dnlH-i aut-
gehalten winl. Caesar sagte daher, dass die Schnelligkeit im Kriege oft mehr zu-
statten kommt, als Tapferkeit und Kenntnisse.
Da» muss man vermeiden, dass man sich ohne Ursachi" in Gefahr
tiegelie; denn nicht.» kann thörichter sidn. al.s das: daher soll man bei nahenden
tfctahren die Gewohnheit der Aerzte luudiahmeii. welche die leichter Kränkelnden
leiehter behandeln, ala r bei seliwereren Krankheitmi gefährliche und entseheidelidi’
Heilverfahren anznwendeu gezwungen wenlen. Bei Windstille den widrigen Stunn
wnusehen, konnte nur ein Thor; dem Stnnne aber auf jede ,\rt Imgeguen, das tbe.t
der Wi'ise.
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■M(i
Aus Jen Scliril'ti'ii ili's Kiililniarsehalls
Mittel, als ein schiimilicli und zaghaftes Stillstelien. vorzukehreii
gewusst hätten; dergleichen Männer trifft man überall an; allein
wie viel sind derer, so also beschaffen, dass sie vorgedachte Grundlehre
recht zu Gemüth nehmen und solche zu .seiner Zeit apjdicieren ; durch
diese so fest gegründete militärische Wissenschaft wiid Einer die den
Verwegensten unüberwindlich scheinenden Absichten leicht zu übersteigen
wissen, da hingegen die Verwegenheit, weil sie unwissend ist, das
I'ebel wohl annehmen und sehen, jedoch aber keine crkleckliclie Hilfe
und Mittel denselben entgegen zu setzen haben wird; über dieses wird
man wunderselten solche Leute finden, welche nach einem zur Aus-
führung einer nothdringenden und kecken l’nternehmung gefassten
Entschluss solchen nicht geändert und in Ansehung vorkommender
grosser Hindernisse, feindlicher Kräfte, oder böser Eitiratlmngen Der-
jenigen. so für die Conduite des Generals nicht zu repondieren haben,
nicht davon gewichen sein (niiina cosa e cerLimente piü ueeessari«
nelle deliberazioni difficili. niuna piü pericolosa che I domandarne
consiglio). ') Bei den nothdringlichen und unvermeidlichen l'nter-
nehimingen thiit man sich nicht bei anderen Raths einliolen. sondern
seinen Entschluss von selbst, nach dem zu der Ausführung die erfor-
derlichen Mittel reiflich überlegt worden, nehmen, angesehen, wenn
Einer sich hei all vorkommenden Obstaculis anfhalten wollte, nichts
geschehen, viel weniger ausgeführl würde (advocauduin est peticulum
ad periculi depulsionem, malunujue malo enrandum); ’*) jedoch ist dieser
Eehkr' insgemein den allzu klugen Gemiilliern etliche mal auch den
l'nvernünftigen i.nd Langsamen in ihren Resolutionen auklebig. wehe
aber ihnen, wenn sie Andere ihresgicicliens consultiereii !
S 50. Der Ausschlag derer, besonders keinen Aufschub leidender
linternebmungen ist lediglich vom Geheimniss und auf einmal schleunig
nehmendem Entschluss abhängig und ratlie ich einem General, jenes
gar kostbar und sorgfältig in seinem Herzen zu verbergen und Keinem,
als in dem Augenblick angreifender Ausführung zu entdecken (quid
fieri oporteat, tractato cum multis. quid facturus sis. cum pautissiiiiis.
vel potius ipso tccum), (nonnulli dum esse sinceri nimis volunt, incanti
fiunt. proditores verius sui, quam in amicitia aperti cum dicenda
taeenda pariter effntiunt per Icvitatem). Betreffend aber den schleu-
nigen Entschluss, so kann er seihen nicht zu geschwind fassen ; raasseii
Gewiss ist iiii hts iiotliwemliper bei schweren KiitschUi.sm'ii und nirlit.»
gefährlicher, als um Itath zu fragen.
Man muss die (iefahr herlreimfen, um die Gefahr zu luiiimiU', das Cetiel
mit dein lieiiel lieilen.
3) Was zu thiiM nötliig wäre, diis verhandle mit Vielen; das was zu thuii
Du vorhast, mit sehr Wenigen und iioeh besser mit Dir nllein.
Während Kiiiige si'hr aufrichtig sein wollen, werden sie unvorsiehtig; eher
ihre eigenen Verrällier. als ans Freundscliaft olTeiilierzig. da sie leiehtsinnigerweisi-
Ix-icles gli ieli ansschwatzeii, was zu sagen und zn verschweigen ist.
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IauIwIk Amlreii« Clrafcii KlifViMiliiillcr.
377
zu eines grossen lleltien liuhni und unsterblichem Namen nichts so
viel beiträgt, als seine in Ausfnhruiig der Unternehmungen bezeigende
Fertigkeit und Schleunigkeit, mithin die bei ihm, von der Zerlrennung
des Feindes seitieii Vortheil und Nutzen zu schöpfen und während
desselben Unglück fort im dadurch eingejagten Schrecken gute Streiche
zu versetzen, erscheinende (reschicklichkeit; diese ist die rechte Zeit,
alles zu wagen und ist die dem Ansehen nach verwegene Keckheit
bei dergleichen Cnnjuncturen, wo man von den vortheilhaftigen Be-
wegungen zu proKtieren weiss. allezeit nöthiger, als reiHiche und
langsame Ueberlegung einer Sache; die Mehrsten aber worden cs bei
einem eroberten Sieg belassen und also ihrem Feind, sich zu erholen.
Zeit geben (principium fervet, medium tepet, ultima frigent);') man
sollte aber den F’eind nach erfolgtem gutem Success in die Enge
treiben; allein es geschieht leider allzu oft, dass die den herrlichst-
und merkwürdigsten Sieg davontragende Generale, weiss nicht aus
w.as für Ursachen, eines gewissen .Misstrauens den Mnth sinken lassen;
welchem Fehler die mit allzugrosser Klugheit und l’hlegniate gehenden,
wie hochmüthig sie sonst über die erhaltenen Vortheile scheinen, unter-
worfen sind. (Si quis errores hostium diligenter observat. et occasione
capta suis recte, hostein adoritur, neque vires alias temere ostentat,
aut aperte hostibus opponit. sed his pro temporis opportunitate utitur.
hic plerumque rem praeclare geri', et huiusmodi in bello doli summam
gloriam conse(|iiuntnr, quibus et hostes niaxime decipinntur). ‘^) Es
gibt auch solche Generale, so nur auf leichte und geringschätzige
Unternehmungen abzielen, da sie doch im Stand sinil, viel grössere,
wozu ihnen die vorherigen guten Suecessus den Weg öffnen, zu ergreifen,
da sonderlich der F’eind in Schrecken gejagt, die victoriosen
Truppen hingegen herzhafter geworden und animiert sind (niuna
rosa e < he laccia piii obbediente il soldato. che la credenza. che ciu
che viene comandato, sia ben inteso);*) sind also, die des Sieges
nicht zu profitieren wissen, keine vollkommenen (’apitains zu nennen.
§ 51. Itie mehrsten Generale thun sich nichts lieber, als ihren
eigenen von dem Sieg verhoffenden liuhm und Nutzen, wenn es auf
Lieferung einer Bataille ankommU vorstellen, (Sapienti belliduci cauta
') Der .Anfang glüht, die Milte kühlt, das Kode friert.
isler
iler .Anfang ist heiss, die Mitte lau. das Knde kalt.
*) Wenn .lemiind die Kehler der Keinde sorgfältig Is’iiliaehtet und hei wahr-
genommener (ieleg»*nheit mit den ."w-inigen den Feind richtig angn-ift, m-ine Sto-it-
krallte wisler ohne (intnd n-igt mier ollen dem Keinde eiitgr-genslelll, sondern sieh
derseltien im günstigen .Augi-nhlieke Is-dieiit. der leistet zumeist A'orzügliehes innl
mit dieseran Kriegsvortheilen erreicht man Kiihin und kann mit densells-n die
Keinde auch am mei.steii tansehen.
*) Ks giht nichts, was den .stoldateii folgsamer machen kttnnte. als der
tflauls-, dass das. was la-fohlen wiril. auch gut dun-hgedaehl wnnle.
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378
Ans Schril'toii des Feldmarselialls
potius Consilia oum ratione, (ju.im prospern ex casu placent). ') Sie
denken auch nichts anderes, als auf Art und Weise, wie sie sich
eines jeden, falls die Sachen nach ihrem Wunsch ausfallen, bedieuen
wollen (incerti fallax fiducia Martis, brevi, momento summa verti
possunt);-) allein sie stellen sich niemals vor Augen, was für betrübte
Zufiille auf eine Niederlage erfolgen und was für Mittel und .\bskhten
bei etwa vorkommendem Unglflcksfall vorzukehren sind (quanto niajor
fortuna est, tanto minus secura);^) weil nämlich das eine von selbst in
den Sinn kommt, das andere aber grosse Vorsichtigkeit erfordert,
(omnia non properantibus clara rertaque sunt, festinatio improvida est
caeca), Unterdessen ist die Hinlässigkeit auf die möglicherweise vor-
fallen könnenden Unglücke zu sehen, öfters Ursache gewesen, dass ein
commandierender General unerachtet der Tapferkeit und Kräfte seines
Kriegsheeres schändlich überwunden worden, den durch vorherige
Kriegslhaten einmal erworbenen Ruhm verloren und die übrige Zeit
seines Lebens in Schande und Spott zugebracht habe (in omni adver-
sitate fortunae infelicissimum genus est infortunii fuisse felicem);”') es
ist gar leicht zu begreifen, dass viele Generale in diese Schwachheiten
und Fehler verfallen und dass man ans der Vorsorge, solches zu ver-
hüten, recht erkenne, wie. ein Mensch von dem Anderen so weit zu
unterscheiden sei. Kinigo, so niemals dem Unglück unter die llänJe
gefallen, werden dadurch übermüthig. hinlässig und zuweilen gar
gottlos, (felicitate gliscit temeritas). *) Das Sprichwort trifft hier wohl
ein; „nihil mihi videtur infelicius eo, cui nihil unquam evenit adversil.
miserum te judico, quod nunquam fuisti miser;“ ') allein die Unglücke
thun uns die Augen auf, die Wahrheit zu erkennen und sind die
beste Arznei, uns von der Krankheit einbildischen Hochmuthes zu
befreien (ideo non vicisti, quia de tuo prae sumpsisti. qui praesumit
de viribus suis, antequam pugnel, prosternitur, magister est hodierni
hesternus error), (nec ])raescnti crede fortunae, cum, <)uid vesper ferat,
incertum est). •*) Es muss also weder Hochmuth beim Glück, noch
') Dem verstämligeii Hi-irriihii-r sind die vorsichtigen imd Ijegriindeti-n
Hatlisclil.age lielwr als die vnrtlieilhallen, wenn diesi- auf gUieklirhen Zufällen fassen.
*) Triigeriscli i.st das Vertniuen auf den iinznverlä.ssigen Mars; in einem
kurzen Angenldii-ke kann das (irösste vernichtet weiden.
’) .Ic gritsser, de.sto unsiehen-r ist das Ulüek.
*1 Denjenigen, welche sieh nicht ülierstiirzen, ist alles klar und la-stiraml;
die IVliereilung ist unvorsichtig und blind.
*1 ln jeder l'iigunst des Sehleksals ist die migliieklich.ste ,\rt des fiiheils.
glücklich gewesen zu sein.
“) -tiis dem Glücke erwiieh.sl relsn-miith.
’l Mir .scheint niemand unglüeklieher als .lener, dem nie etwas Widerwärtiges
zngestos.si-n ist.
Ich halte Dich für uiiglüeklieh, «eil Du nie iiuglüeklieh warst.
**1 Danim hast Du iiieht gesiegt, weil l>n dich übersehützte.st. Wer seine Kräfte
verhi-aneht. bevor er kämpft, unterliegt. Dergestrigi- Fehler ist der la-lm-r des hentigen.
Verlasse Dich auch auf das gegenwärtige Glück nicht, da i'H ungewiss ist,
was der .\beiid bringt.
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Lwlwiß Amlrcas (»mtVii Khevenhüll«*r.
379
Kleinmüthigkeit beim Unglück in des Menschen Herzen überhand
nehmen (in utraejue fortuna sis utriusfjue memor) und hat sich
Keiner aufs Glück zu verlassen, (fortuna vitrea est. tune, cum splendet,
frangitur, post victoriam praestanti ijuadam opus est moderatione ac
temperanfia, ne quis prosperae fortuna causa fiat insolentior, et ea
deiude consilia sequatur, quae ad praecipitium deducent, id quod
non paucis Horentissimis viris aeddisse constat);-) sondern dessen
ÜnbestAndigkeit und ilie vor der Thür stehenden Unglücke zu be-
trachten (an ignoras, niagnas arbores diu cuescere, una hora extirpari) ; “)
indem die Unglücke von dem Glück selbst ihren Ursprung nehmen
(non Sülum ipsa fortuna caeca ost, sed etiam plerumque efficit caecos,
<|Uos amplexa est).*) Nun ist aber dieses ein heldenmüthiges Gemüth
zu nennen, so sich bei belrübien Zufällen und Unglücken aufrecht
zu halten und selbe mit Gelassenheit zu erdulden und zu über-
stehen weiss.
Ecce sinistra sui.s nidiis inimicat a<‘<*rhis
•Mf fortuna. tero liisca r.ipit(jue joco,
Sed dui'aiiti' tVru fortunam nn-iite siiiistram
Fortuna et sjhto dext»*riore fmi,
Sortoiii l’ern^ jrraveni sortein sjM*nin* 8e<*uiidain,
Haer »*st in lUPcHis niieoru tnta inalis. *)
Derjenige, so an seinem Unglück keine Schuld hat. soll sich
gar nicht darüber betrüben,
rapitur fatis qniil projiter lata mpiirat?
Sa**])e t“n.*at inolles aspera spiiia rosas**)
mithin sich hierdurch trösten, dass in dieser Welt alles veränderlich
sei und seine Endschaft nehme, endlich auch das Unglück aufhöre
und das Glück sich wieder amiähere. (Varius enim eventus belli, nunc
hunc. et nunc illnm consuniit gladius; conforta bellatores tuos), (non
desperabo, durum me tangai et angat, inollia spernndo dura subinde
M hn (düek und riijrliiek denke an lM*ides.
Das (flüek ist plasern: t?« bricht, während es ^hin/.t.
Na< h dem Sichre tM*darf es einer lM*sonden*n ZurUckhaUunjr und Mässijrmnr,
dass nicht jemand weiten <les Clückes iibermüthi? wii\l und dann Pläne verl'olirt,
welche zum Unterpinpe fuhren: was, wie bekannt, niclit wenipui sehr herühinleii
Männern geschehen ist.
*) Weisst cleiin Du nicht, (lass grosse lläume lange wuchsen, aWr in einer
Stunde gelallt werden.
*) Das (liiick ist nicht nur s<-lbst hliml. .soiuleni es Idendet meistens auch
Diejenigen, welche es uiuannt.
Siehe, ein widriges, missgliustiges (Jesjihick streckt iiacl» mir die leind-
lichen Arme aus und treibt sein Spiel mit mir. Ich ertnige es: ich ertrage das
widrige (iesehiek mit .staiulhaltem 3hithe und hotVe ein günstigeres Schicksal zu
überkommen. Das rnglüek zu ertragen, das lilück zu erhoHVn, das ist der sichere
Anker mitten im Ungemach.
*) Wer vom i'nglück ohne sein Verschulden bitrollVn wird, was will er
dagegen tlmn? Oft bringt ein rauher Dom zai1e Kosen lienor.
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38(1
Aus ilcii Scliriftrn «Ics Fehlmarsilialls
fcram, durent dura licet, vincet. sapicntia durum, mutari ut credam
spes jubet, ecce viccs). ’)
Durch die Barmlierzigkeit Gottes ist aber das Ende des Unglückes
zu verhoffen (post teinpestatem tranquillum facis, et post lacriinalionem
et (letum exuUationcin iiifundis): -) übrigens soll Einer, um sich vor der
Zeit zu rächen, sich von einem Unglück in das andere nicht hineinslürzen;
und sei auch Einer in seinem Glücke so hoch gestiegen, als er wolle,
so soll er sich jedoch erinnern, dass kein Mensch in der Welt sei. so
nicht endlich einmal in seinem Leben von dem Unglück aul die Probe
gestellt werde und solches empfinden müsse; wie mehr selbes Einen
verschont, wie mehr er eine besondere und grosse Veränderung zii
Umfall zu fürchten hat. anerwogen, wenn Jemand vermeint, dass er
in der grössten Ruhe seines Wohlstandes sei. so steht das gräuliche
ihn wirklich bedrohende Unglück schon vor der Thür, vor welcher Gefahr
Einer sich aber hüten kann, wenn er bei seinem Glückstern weder
Hoffart, Geiz, noch Ungerechtigkeit an ihm verspüren lässt, iiiasscn
diese die eigentlichen Schwachheiten und Vitia sind, so ihn, da er
auch vor allem Unglück sicher zu sein vermeint, zum völligen Unifall
lind Untergang bringen können.
Capitel VIII.
Bei dem Unglück sich nicht verlieren.
52. Obwobl das Sprichwoit sagt, dass ein General der Letzte
von seiner Armee sterben müsse, so statuiert selbes gleichwohl nicht,
dass er der Erste sein solle, so die Flucht ergreife und sein Kriegs-
herr bei einer grossen Gefahr und wo nothwendiger Weise er sie an-
führen sollte, im Stich lasse, umso weniger, wenn durch die Stand-
haftigkeit und Resistencc der Weg zum Heil und dem Sieg eröffnet
werden mag (quando pugna Ducis magnum ad summam rei momentum
affert. manibus totoque corpore est utendum. neqne parcendum vitaej'l
welches von solchen Umstünden, da alles entweder zugrunde gpheii,
oder durch einen verzweifelten Streich errettet werden müsse , haupt-
sächlich zu verstellen ist, angesehen eine Grundregel ist, dass die
’) Vcrschieilen ist der .\u.s)ranjr des Krieges; .jetzt erliegt Diiw^r und nun
.lener dem Sehwerte; eiferte deine Krieger an.
ich werde iiieht vi'rzweifelii, wenn mieli hartes Schicksal trifft und ängstigt.
Indem ich auf (iünsligeres bnffe, werde ich das Widrige ertragen. Mag das Widrige
andauem, die ÜVeislieit wird es liesiegen. Die Hoffnung is-tiehlt mir, iin eine
.Aeiidening zu gbinlieu und siehe, da ist sie.
*) Nach dem Sturme maelist Du ihn ruhig und nach Thräiien und Weinen
erfüllst Du ihn mit JiiIh'I.
Weil die .Sehliiilit zur \'erwirklietinng der wielifigsten l’läiie des Feld-
lierrn beiliägt. so muss man die Hände iiinl den ganzen Körper iinstrvngen und
des Lelieiis nielit nelileii.
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I.mlwij; Aiidivat! (irafcn Khcveiihiillpr.
381
Noth nichts Unüberwindliches antreffe und selbe die allergefahrlichstcn
Kriegsoperationes erfordere und muss man in dergleichen Extremitäten
ilurchzndringen suchen, (cum obstinato hoste ob.-tiiiate propugnandum) ')
mithin eine uneingeschränkte Herzhaftigkeit, ja gar Arglist und Stia-
tagemata zu Hilfe nehmen und also sich aus den grössten Ver-
wirrungen und Gefahren herausreissen (rare periculum sine pcriculo
vincitnr, nec sine poriculo sit faeinus, magnum et memorabile), (il
jiericolo dell'onore e della vita fa le armi gagliarde in mano di quelli
die sono assaliti. e di tiniidi divenlano forti e audaci. e della fortuna
sono ajutati). -)
Nach welchem Versuch ein dem Vaterland nützlicher General
auf seine Errettung gedenken und sich also, wenn’s möglich, ohne
dass seine Reputation hierunter leiden mag, salvieren darf. „II buon
jenerale nella publica giornata non deve mettersi mai a pericolo,
se non per buona occasione e vera necessitä, ed allora debbe valo-
rosamente cambattere, anteponendo la raorte alla servitü“*) indem der
Ruhm und Ehre einer grossen Schlacht durch Gefangenschaft eines
tienerals der Armee vergrössert wird ; ein General, der sich in zwei
verschiedenen Gefahren, worunter die eine dem Ansehen nach unüber-
windlich, die andere aber klar und gewiss ist, findet, thäte einen
unvernünftigen Streich, wenn er diese vor jener erwählte, ist es aber
mit ihm verloren, so • ist Ehre und guter Name der Schande und
Spott vorzuziehen; hei der Unmöglichkeit und Unwissenheit, oder gar
zweifelhaften Sachen braucht's keines Deliberierens, die Noth zwingt
mehr, als die Vernunft, wenn nämlich die Unglücke sich in dein
Augenblick überhäufen und nichts mehr zu verlieren ist, mithin
unsere Errettung von der Spitze unserer Waffen abhängig ist; mau
muss nicht fürchten, überwunden zu weiden, weil die gefasste Reso-
lution in solcher Extremität annoch Hoffnnng zur Victori gibt; (Ducis
summa lans est, ut velsalvus vincat, vel virtute vitam iiniens occumbat)
lla virtu se muestra en la vida, i sc conliima cn la morte), *) indem
man alsdann, weil die Vernunft durch die Noth erleuchtet wird, die
letzten Hilfsmittel erfindet (uvida est periciili virtus, et qno tendat,
non qiiod passura sit, cogitat, quoniam et quod passura est, gloriao
') Mit einem luiiinaekigen Keimte nin.':.< nnoi liartiiiiekig kämpfen.
Selten wird eine (tefahr ohne (iefalir iiln rwiuiileii : aueli wird keine
irrosse nnd denkwürdige That ohne (iefahr vollbracht.
Die (iefahr für Klire und behen maclil die Wallen fnrehthar in <Ien lliimleii
der Gefährdeten ; Zaghafte werden tapfer lind kühn nnd das (ilüi k tiegünstigt sic.
i*) Ein guter fleerfuhrer s«ill sieli in der .Schlacht nie der (iefahr anssct»*n,
m sei denn liei günstiger Cielegcnheit nnd in nnlicdingter Zwangslage; dann alKT
muss er wacker kämpibn und den Tod iler (lefanginisehaft vorziehen.
Dem Heerführer gereieht es zum höeli.iten hohe, wenn er entweder un-
versehrt siegt, oder, tapfer sein Lelien lie.sehliessend. unterliegt.
Die Tugend liekniidet sicli im Lclien und lindet im Tode ihre Ih'statignng.
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382
Aus den Schriften des Feldmantehall.s
pars est). ') Grosse Männer, so sich auf ihre Erfahrenheit verlassen
können, werden sich durch ein Unglück nicht leicht abschrecken
las.sen, weder verzweifeln, noch jemals in Verwirrung gerathen. indem
dasselbe, so uns in der Geduld erhaltet und die Zeit abzuwarten
lernet, verstärkt, alle erdenkliche von dem Unglück erwachsende Ver-
driesslichkeiten zu ertragen. Die Abwartung und Hoffnung anderer
Zeiten rührt von der Herzhaftigkeit und Wissenschaft her (|ier
defendersi vale assai la pazienza, e per offendere e raassimamente in
campagna vale ossai l'ardimento e ’l cuore); *) woraus also die letzteren
Hilfsmittel, welche der Eifer und Begierde erfindet und wiederum zu
ihrer rechten .Aclivität zu bringen weiss. erwachsen. Dieses ist die
rechte Klugheit grosser Helden. Zeit und Gelegenheit mit Geduld zu
erwarten, diese die militärische Gelassenheit, welche öfters mehr
Kräfte, als die Macht selbst hat (il cedere alle volte. al teiupo e a
grandi incontri e cosa da uomo savio, perche ad utm tenipesta inso-
portabilc meglio che col calar le vela. non si ripara). ®)
§ 53. Eine beständige Wohlfahrt ist gewiss eine grosse Ursache
und Materie einer Lobrede, allein wer kennt das Gemüth und Vernunft
eines allezeit victorio.sen Helden ans dem Grund V Man betrachte ihn,
wenn er in Widerwärtigkeit verwickelt und, also zu sagen in den
tiefen Abgrund allen Unclücks und Uebeln •gestürzt, wie er sich
dabei aufführt, oh er sich eben der Vernunft und Standbaftigkeit
gebraucht? (ö segno d’animo forte il non superbire ne buoni evvenimenti.
ne perdersi ne malvagi, perchi nell'uno e ncH'altro e succeduto molie
volte delle rovine) (le (irosperitä rendono ciechi gli uomini e ne-
gligenti, c le aversitä accorti onde la coudizione di quelli peggiora,
e di (juesti migliora).*) Die Vernünftigen werden das Unglück mit
Begierde annehmen und selbes beherrschen, da andere es hingegen
nicht erkennen; diese werden es also niclit empfinden, da Jene es
schon übe.wunden, welche, nachdem sie ihr Unglück recht ponderiert
und seinem eigentlichen Wesen nach erwogen, in Kraft ihrer beständigen
') Die Tapferkeit Itepdirt naeli iler Gefahr und denkt nur an da.s Ziel und
nicht, was sie am Wege dahin zu erdulden haben wird; weil ja auch ilie Is'idcn
einen Theil ihres liuhines ausinachen.
■) t'm sich zu vertheidigen. ist die Gi-duld sehr werthvoll; um anzugwifea
lind hauptsächlich im Felde haben Waghalsigkeit und Math sehr grossen Werth.
Ks ist riaehe des Klugen, zuweilen und angi'sichts der reherlegiuiheit
iiachzugelHU : denn einem iinertriiglichen .Sturme .steuert man nicht iH-.s.ser, als wenn
man die Segel einzieht.
*) Ks ist ein Zeieheii gins.seii Geistes, hei gliiekliehein Ansgange niehl huf
fiirtig zu werden und im .Missgesehiek iiiiht zu verzweifeln; denn ein und der
andere Fall haben sehon oft ziiin Fnteigaiige getiihrt.
Der Wohlstand niaeht die Mensehen blind und nachlässig, die Widerwärtig*
keitcii machen sie strehsain: daher die Verhältnisse der Ersteivn sieh verschlechtern,
der Letzteren aller verhesseni.
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Kiidwi); Andn-iiM (irafi-ii Klievi-nliuller.
3S3
Herzhaftigkeit, sich darüber erscliwingen (in rebus deperditis audacia
militibus potius, (|Uam consilio opun est),‘) selbes verachten und mit
Füssen treten, weil sie ein standhaftes und unbewegliches Geiuüth
haben, welches alle Ungincksfälle mit Herzhaftigkeit abwartet, jedoch
aber solche dergestalt besiegt, dass sie in ihm den geringsten Nachdruck
nicht verursachen könne. (Sperel infestis, metuat Secundis alteram
sortem bene praeparatuni pectus);^) gemeine und mittehnässige Gemüther
bestehen zwischen diesen beiden Extremitilten, weil sie die Unglücks-
ßlle erkennen und verspüren, nicht aber zu übertragen wissen ; ein
das Land wohl kennender und in den Marschen recht erfahrener,
mithin die in seinen Absichten sich äussern könnenden Obstacula reitlich
fonderierender General kann sich vernünftiger Weise gute Hoffnung
zu seinem wünschenden Endzweck machen, allermassen er durch vor-
berührte Stücke viele Hilfe und Vorlheil dazu überkommt; stellt er
diese Sache mit V'ernunft und Klugheit an, so thut die Noth alfts,
was nur möglicli zu sein scheint ins Werk zu richten, entschuldigen
und den Genei al ausser aller Verantwortung setzen. Ist er glücklich,
so wird man ihm dem Namen eines grossen Mannes zulegen ; leidet
er aber einen Anstoss, so thut er sich den Ruhm eines wahrhaftig
tapferen Helden, ohne einiger Verwegenheit arguiert werden zu können,
erwerben, nichts aber an seinem guten Namen leiden, angesehen
derselbe durch einen ungemeinen Streich sich zu erretten gesucht iitid
erden .Angriff mehr ans Noth, als Verwegenheit gethan habe (la medesima
fortuna, che impone la necessitä del combattere, porge i premij iielle
vittorie, rimanendosi vincitore). *)
54. Wenn Einer, so bei vielen Occasionen zugegen gewesen,
alles wohl einsehen will, so wird er finden, dass bei unendlich vielen
Schlachten und Treffen, sie seien glücklich oder unglücklich gewesen,
der von des Besiegers Zustand, Hinlässigkeit und weniger Vorsichtig-
keit (welche beide Fehler insgemein bei den Siegen Vorkommen), wohl
erkundigte Ueberwundene leicht einen Angriff hätte versuchen können,
nachdem er nämlich seine Truppen wieder zusammen und in Ordnung
gebracht, aus ihrer Zerstörung und Schrecken gesetzt und also dem
Ueberwinder wieder unter die Augen gehen und selben mit Vortheil
schlagen hätte können, wenn er nämlich „par surprise“ auf einmal
schleunig und mit Gewalt und Resolution auf den Ueberwinder losge-
gangen wäre und ist dieses, was man gross, überHiegerisch und be-
wundernswürdig von einem General der Armee und der Kriegs-Wissen-
■l Wenn einmiil die !S,iclie verloren i.<t, liedürl'en die .''iddaten der Külinlieit
mehr als der Kingbeit.
Im rngeinaeh erlmlle. ini WüliI.stande bidnrclile den lilUekweeli.sel die
wohlgeriistete Hnist.
Dassella,' Verliängniss, welelies ilie Niitliweiidigkeit anfeilegt. zu käiiipl'eii,
reicht auch die Ileiohniingen iin Siege, wolerne man .“Sieger bleibt.
384
Alis dni St'Urifti'n ilrs Fi’Idniarsthall«
Schaft nennen mag, wenn einer seine von einer totalen Niederlage
annoch überbleibenden Truppen also zusammen und in Ordnung zu
bringen, fort den Besieger anzugreifen und zu überfallen weiss.
iL' assalire il nemico alla sproveduta ä quel, die il piü delle volte da
altrui la vitturia.) *) Diese sind ungemeine und besondere Absichten,
wozu uns aber die Erfahrniss ohne Wissenschaft nicht zeigt und wird
ein General mit selber allein nichts ausrichten. Es ist vielleicht zu
vermerken, dass das hauptsächlichste Stüc)» des Kriegswesens ohne
solche Unternehiiiungen ihren Theil nehmen, allein die rechte Entschei-
dung derselben, die gehörigen Vorsorgen und Nehnmng rechter Masse
und Ziele sind unendlich gross, welche gemeine Geniütlier und niittel-
mässig herzhafte Männer nicht erreichen und assequieren werden, aller-
massen die von einem grossen (’apitain erforderliche Wissenschaft.
Erfahrniss, standhaflige und sich allezeit gegenwärtig bleibende Ver-
nunft, mithin bewundernswürdige Fertigkeit zu Uebcriegung und Auf-
führung der Operationen hierzu unuingänglich nöthig sind (tua,ximum
est. nt belli Iinperatores opportunitatem teinporis ex circumstantiis
cognoscant, possintque illani cum jiidicio conjicere).“j
Es legt ja die Erfahrniss klar an Tag, in was für Gefahr ein
General ohne einige Erfahrenheit und Herzhaftigkeit sich, das gemeine
Wesen und die Ehre seines Fürsten und Herrn exponiere. Es gibt
weiche, faule und sieh gar nicht bewegende Generalspersonen, so nicht
.allein die Geschäfte und Wohlfahrt des l’ublici, sondern auch ihre
eigenen vernachlässigen. Andere sind zaghaften und ängstigen Ge-
müthes, so ein grosser Fehler von Allen in gencre, vor allem aber
der grösste bei einem (ieneral ist. Die unter ihm stehenden Trup-
pen passieren ihre Zeit, ohne die gerinzsten Fnternelimungen und
kann solchem Chef das Cnminando, ohne sich den grössten Fnglücken
zu unterwerfen, nicht anvertraut werden (la paura toglie via agli no-
mini la mente ed il sonsiglio, e le mcmhrii debilila).“) Ein zaghafter
tieneral wird für solchen mehr als alle anderen Soldaten seiner Armee
angesehen, in mehrerem Betracht seine Schuldigkeit zwar nicht ist, zu-
zuschlagen und der grössten Gefahr sich zu exponieren, welin's aber
jedoch bei Zeit und Gelegenheit zu Beförderung guten Ausschlage.s
einer Sache viel auf des Generals Gefahr ankommt, so muss er es
mit der Haut bezahlen und also ohne Ansehung und Verschonung
seiner Person grossmüthig hineingchen. Diejenigen aber nicht anhören,
so sagen, dass ein guter General vor .Alterthum, oder aufs wenigste
nicht jung sterben müsse (pulcherrimum gemis mortis in hello mori)
') l>eii Feiiiil iiiirerselieiiH aiicmtV'ii, (rillt in den nicisteii Fällen dem
.Anderen den ,<ie(r.
-) Ks ist eine llauptsaehe. dass die Feldlienvn die (innst des Zeitpimctes
ans den rinständen erkennen nnd dar,int' mit Verstaiidniss Sehliissi* zielien.
Hie Fnrelil lieninimt den .Mensrlien den Verstand, das Crtheil nnd lahmt
ihnen die (ilieder.
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Linlwic AiiiIiTas (iriilPii Khi’VcnluilliT.
385
fgli uomini forli e inagnaniiui noii debbon teinere nelle gloriose iin-
prese della vita, aiizi tener la morte per gloriosab (Si stalus iiiiperii
aut salus provinciarum in discrimine versaliir). ') Kalls nun aber bei
dergleichen Begebenheiten bemerkt wird, dass aus der etwa davon
tragenden Victori nur ein mittelmässiger Vortheil zu hoffen, hingegen
aber aus seiner selbst eigenen Niederlage der völlige Verlust gewiss
zu befahren steht, so wird ihm kein Mensch zumuthen können, dass
er einen solchen Soldatenstreich, wodurch der Chef verloren geht,
tentieren müsse.
§ 55. Weil dahier von der Zaghaftigkeit Meldung gethan wird,
so will auch einiges davon aninerken : man .sagt, es könne Einer von
dieser genesen und also seiire natürliche Beschaffenheit diesfalls ganz
nmgewendet werden ; dieses steht zu glauben, wenn selbe nur nicht
all/.utief im Herzen des Menschen eingewurzelt ist, (facile est, adlmc
teireros nnnos coniponere. difficiliter rescinduntur vitia, quae nobiscum
creverunt).-) dass bei einem jungen Menschen durch Einpredigung der
Grundgeselze der Ehre und Tugend mit Beihilfe anderer guten Afittel
selbe aus dessen Herzen, bevor sie gar zu starke Wurzel gefasst, beraus-
gerissen werden könne; alle Menschen sind nach Mass ihres Alters so
beschaffen, dass sie ilie Wahrheit von der Unwahrheit, das Ehrbare
von dem Unehrbaren, Courage von der Zaghaftigkeit, ebenso guten Namen
von Schande und Spott zu entscheiden wissen, mithin einen .Abscheu
für jenes und Liebe für das andere haben werden ; (Chi non ha ver-
gogiia, non imö esseie virtuose ne bravo; perche in un iioino la piü
bella virtü che sia e l'aver paura della vergogna);^) auf diesem Kuss
kann Einer dasjenige, so uns Ehre und llochacblung zuziehet, leicht
erlernen, wenn er seine zum Laster geneigten Eigenschaften corrigiert,
welches durch gute Auferziehung vollkommentlich geschehen kann (leve
tit opns, quod in teneris nrboribus adhibetur, nam quae nunc virgulata
sunt, erunt, si ncgligantur, et robora)'*) und muss man solche nach
ihrem Naturell nehmen, gleichwie das spanische Sprichwort sagt : en
los generosos cl deshonor, cn los oolcricos remulation, cn los iiicon-
t) IHe srhiinstc .Art des Tudes i^t. iin Kriegte zu sterilen.
Die tapfeni nml grossherzigen .Männer dürfen in ruhmtviehen Iluteniehmimgen
flieht um ihrl,ehen türehten : sie inUs.sen im (iegeiitheil den Tod für nihmvoll halten.
Wenn sich der Hest.md des Reielies mler das Heil der l’rovinzi'n in
tiefahr lieüiidet.
Ks i.st leieht. das zarte .Alter zn zügeln : aller schwer werden baster aus-
gerottet, weli he mit uns aufgewaehsen sind.
’) AVer flieht Schamgelühl U'sitzt. kann weder tugendhaft, iioeh tapfer sein,
weil die Fnreht vor .''ihande die si lüinste Tugend ist, die ein Mann haben kann.
•) laicht wird die PHege, weiifi man sie jungen Itäiimen widmet: aller die-
jenigen, welche jetzt StälH'heii sind, wai'h.seii, wenn man sie vemaehlassigt. zu
Stämmen heran.
.Mittheiiungen des k. und k. Kriegs-Archivs. Neue Folge. VII. 2.>
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386
Aus di-n Schriften des Feldinarschalls
staiiles el timor, y en los prudentes cl exemplo. ’) Da mich nun in
diese Materie eingelassen, so will noch etwa damit contiimieren nmi
sasre : ein General der Armee habe so grosse Verminft als er wolle, er
habe auch die vornehmsten bei ihm hcrvorlenchtenden Eigenschaften, er
sei gar vcrnnnftig, klug, vorsichtig in seinen Einrathnngen, er gebe
die besten Beurtheilnngen (Iber die Absichten einer Campagne, fehlt
es ihm an Herzhaftigkeit, so wird er vor der Spitze der Armee einem
Jeden ganz anders Vorkommen, mithin bald eclatiereii, dass er niclit
mebr Derjenige sei, dessen Vernunft und Klugheit im Gonsilio also be-
wundert worden ; die Furcht ist dasjenige, so Vernunft und gute Be-
urtheilung am mehrsten schwächt und thun diese, so damit behaftet,
sich den von selbiger herrührenden Gemüths-Bewegungen gänzlich er-
geben, werden auch dadurch die erklecklichen Hilfsmittel entweder nictil
recht erkennen oder gar keine hahen ; was wird's aber mit solchem
Mann, so weiler Vernunft, weder Beurtheilung noch Courage besitzt,
für ein Aussehen gewinnen? Was für Unglücksfallen wird das geiueine
Wesen durch die Wahl eines solchen Generals nicht exponiert?
§ 56. Gleichwie ich nun von der Zaghaftigkeit einiges gereiht,
also muss ich auch von dem terroie panico einige .Meldung thun (ilalli
palidezza dei capilani e dei soldati si cognosce la paura: e conoscet-
dosi convien avanti la balt.aglia porvi remedio). Diese bei der Armer
einscbleichende Furcht ist schwer zu explicieren. weil deren Ursptute
verborgen und unbekannt ist, ein ungewöhnliches und tiefes Still-
schweigen verursacht solche etlichemal, das beste Mittel, solche nt
dissipieren, ist, wenn man .«olche in lustige und kurzweilige Uedeii vei-
waudelt, weil öfters geschieht, dass deren Ursachen lächerlich und un-
gereimt siiiil und thmi der Zacliaften von einem zum audereii gehendf
Reden solche Furcht etlichemal erwecken, ohne dass man sich ciii-
hilde, dass seihe daher erwachse, weil mau nicht glaubt, dass dergleichen
Leute solche Italien Vorbringen kötineti, dergestalt, dass tnati selbe nicht
anklagt. viel weniger aber den Urspritng utitcrsuehf-t, tttan sagt, dass
eitt Wort, so int Lager ungefähr geredet wird, nieinals gelieini bleibe,
es lauft in einem .Augenblick bei der Armee lierum, dass es von einem
ziitii atiilereti gleich komttte; ein vott Zaghaften gefültrter Diseurs pro-
ditciert den nämlichen Effect, ein Jeder inaclit seine Refiexiones daran!
und setzt also die allergeringscliätzigste Sache ein ganzes Kriegsheer in
die Furcht (ne pericoli nott si dee gianimai niostrar imsilatiittiita, ne
viltä, perche la guerra e tale, ehe la viltä d'uit solo mette paura a
1) Hi-i den Edrlmüthigcn die .‘Si-liaiiile. bei den Ehrgeizigen der Wetteifer,
liei den lTnl>e.stiindigeii die Furcht lind bei den Klugen da.s Beispiel.
ä) Au den bleicbeu Gesiebtem der Anführer und SoUhiten erkennt man die
Kiiri'ht und wenn man sie gew-ahrt. muss man vor der Schhu-bl Abhilfe ttv-lfeii.
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Ijiiilwig Andreas (irafcn Khevenhüller.
387
inoUi).*) DerRleiciieii Furcht vermerkt man insgemein, wenn die Kriegs-
heere nahe zusammen sind, zuweilen aucli, wenn ein kleines Unglück
ireschelien oder der Feind einigen Succnrs oder Verstärkung erhalten,
hei solchen Umständen braucht es nicht viel, die Armee in Schrecken
und Furcht zu setzen, besonders aber bei der Stille einer ganz finsteren
Nacht und ist eine wunderliche Sache, dass Itiejenigen, welche etwa
dem Feind in die Hände gefallen und ganz blutig und verwundet zu-
rflckkoinmen, den anderen Tag darauf wieder ganz tapfer und herzlial't
fechten werden, welche aber eine rechte Furcht vor dem Feinde gefasst,
selbe wird man nicht dazu bringen können, dass sie dem Feinde nur
ins He.sicht schauen (timor hominibus meutern consiliumque eripit. et
inerabra debilitat). 2) FN ist genug, dass die Generale und ihre Soldaten
auf gewisse Zufälle sich keine Gedanken machen, sieh auf ilire Macht
vcrlas.sen, ihren Feind zu gering schätzen, um in Angst und Furcht
zu fallen, solches geschieht insonderheit, wenn man in .Meinung, den
Feind zu schlagen, marschieret und dabei weiss. dass er in seinen Linien
vergraben steht, wenn dieser sich also im flachen Felde auf einmal
sehen lässt und bewegt, so werden ilie Sohlatcn also gewiss glauben,
ihr General habe sie angeführt oder er habe sich selbst betrogen, da
er veimeint. der Feind würde solche Wege nicht eingehen, er hätte
denn einen grossen Hinterhalt und andere ihm unbekannte .Mittel, also
die Soldaten, auf den Success ihrer Unternehmung, auf ihre Macht und
Herzhaftigkeit, ja gar auf den commandiereliden General ein Misstrauen
setzen werden (timor mentem agens attonilam non sinit uliliora
deoernere).^}
§ 57. Ks gibt verschiedene .Arten von Grossmülhigkeit : man
könnte von einer Unerschrockenheit oder von solcher Standhaftigkeit
der Seelen reden, die nichts auf der Welt unterdrücken und über-
ineistcrn kann, allein ich weiss nicht, ob man irgendwo dieses alles
seiner Vollkommenheit nach in einer Person allein finden möchte; einen
oder anderen Theil glaube wohl, dass bei einem oder anderen mehr
oder weniger zu finden sei; um aber wohl davon zu urtheilen, so
müsste einer alle Stünde des Lebens erfüllt haben und ihn allein eine
gleiche Kraft der Seelen verspüren lassen können ; ein solcher ist nicht
zu finden und ist dieses unser Leben zu kurz, dass einer erfindlich
sein werde: ich glaube nicht, dass jemals einer gesehen worden, (ier
sich von allen Schwachheiten befreit und rein gehalten habe, der gleiche
') ln Gefahmi darf man nie Kteiiimiithigkeit, nocli Feigheit zeigen; dtmii
der Krieg ist so tKsehatfen, da.ss die Feigheit eines Einzigen Vielen Furcht
einflösst.
’) Die Furcht entreisst den .Menschen die Sinne und den Verstand; sie
sehwäeht auch ihre (ilieder.
’) Die Furcht, welche die .Sinne heherrseht, gestattet nieht, etwas Nützliches
zu bejnhliessen.
•>h*
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388
Aus «Ii’ii f?< lirifteii des Fidilmarschalls
Stärke bei der AVolilfalirt und Widerwärtipkeit, glciciie ünersclirocken-
lieil und Standhaftigkeit bei verschiedenen Zufällen besessen habe; man
hat dieses niemals gesehen, sondern vielmehr diese grosse Standhaftig-
keit des Gemüthes bei gewissen besonderen Männern in unendlich
vielen Gelegenheiten, hingegen aber in anderen eine unbegreifliche und
öfters fast kinderische Schwachheit vermerkt; stark und von wunder-
barer Herzhaftigkeit in lang andauerndem gutem Success und bei dem
ersten Unglücksfall ganz entkräftet. Andere, so bei der mindesten favo-
rablen Veränderung sich wiederum erholt und neuen Muth gefasst, mit-
hin sich bessere ibjffnung gemacht. Andere, so diese gegeneinander
laufenden Eigenschaften zugleich haben, furchtsam und keck zu nämlicher
Zeit, so zittern und sich mit mehreren unnötbigen Vorsorgen in gewissen
Kriegsslücken ermüden, in anderen Unternehmungen frech und keck
erscheinen ; dieses vermerkt man bei gewissen Generalspersoneti ;
einigen geht der Kopf bei einem Defensiv-Kriege herum, sie wissen
nicht woran sie sein, vernachlässigen tausend Gelegenheiten und spielen
selbe dem Feinde in die Hände, da sie in einem offensive gehenden
Kriege gute Gelegenheiten selbst ausfindig machen, obwohl sie nicht
von selbst erscheinen, cs geht ihnen alles glücklich von statten, in
einer anderen tliuu sie aber unterliegen und sind bei dem mimlesten
Unglück, öfters ohne die geringste Ursache, ganz andere Leute.
§ 58. Es cibt verschiedene Arten der Bravour, Einige vv’erdeii
dem Tod entgegenlaufen, das Herz aber nicht haben, selben zu er-
warten, er wird Andere animieren und zur Tapferkeit bewegen, inilhin
sich in einer Bataille signalisieren nud in den Tranchecu, wo ein Bub
oder Weib ohne die geringste Angstseinen Branntwein debitiert, vor Furcht
erbleichen oder erzittern; ein Anderer, so vor seiner Truppe chargiert,
od.r vor der Action im Angesicht der ganzen Armee mit der schönsten
Art herum scharmuziert, wird bei Bataillen rückwärts gehen : ein
Anderer aber wird bei den gräulichsten Gefahren des Krieges den T»d
unerschrockener und kaltsinniger ansehen, hingegen bei einer Krankheit
voller Furcht und Angst sein, sobald der Medicus oder der Beichtvater
ihm den Tod ankündigt; Einige habe ich gesehen, so sich vor dem
Donnerwetter in einem Keller verborgen und davor gezittert. Andere
aber, so sich vor einem Aderlass ganz entsetzt; bei Anderen ist die
Tapferkeit unbeständig, heute wird man ihn bewundern, einen anderen
Tag wird er mit Schand und Spott bedeckt werden ; dieses ist was
seltsames, so nicht bald zu glauben, ich verwundere mich jedoch ijicht
über dergleichen verschiedene GemOther, die grössten und schönsten
werden sich am wenigsten in diesen beiden Extremitäten verfahren,
jedoch ist keines, so nicht seine Schwachheiten und vielleicht kein
einziges, so die unüberwindliche und unzerstörliche Unerschrockenheit
des Geistes und der Herzhaftigkeit hat, was aber das wunderbarste ist,
so gibt es so herzhafte, standhafte und starke Gemüther, welche sich
l.iidniK Amliva« (Jnili-ii KhevcnliülIiT.
391
iiielir kennen; (Disciplina miliiaris in exereitu conspicitur, cum unus-
quis(|ue praecepta siii ofticii intelligit et adimplet); ') mitliin auf alles,
ausserhalb der vertiossenen Wollüste und süsser Ruhe, vergessen
haben, (quam conipo-situin reddit omnein corporis statum, ncc non et
inentis hahituin disciplina).“) Die Soldaten sind nach dem Beispiel ihrer
Ofliciere eben so wenig im Stande, die Kriegs-Fatigucn auszuführeti,
allein was ist hierunter für ein Mittel zu ergreifen'/ findet man wohl
Leute, so die Soldaten gleicli auf einen anderen Fuss zu bringen und
ihnen die Lust und Liebe zu den Waffen einzugicssen wissen'/ findet
man wohl alle Tag solcli’ ungemeine Männer, so in weniger Zeit eine
.\rinec abzurichten, oder durch ihre Geschicklichkeit, Geduld und Ver-
nunft einen gemeinen Bauern, oder weiberischen Kerl, und alle anderen
in einen unverzagten und wohl abgerichteten Soldaten zu verwandeln
wissen/ Es ist fast nicht zu glauben, es müsste denn durch ein unge-
meines Wunderwerk geschehen ; wenn der h'ricde nicht so lang ge-
liauert, dass die alten Soldaten, so vorher schon in wohl eingerichteter
und accurater Kriegs-Disciplin und deren Gesetzen gestanden, solche nicht
vergessen haben, so kann man ihnen durch leichte und sanfte Mittel
neue Uebung und Herstellung der Gesetze das Gcdächtniss hinwiederum
erfrischen; hat aber der Friede viele und lange Jahre hindurch conti-
inuiert, so werden cMe alten Soldaten, so gleichfalls die Seele eines Corps
sind, entweder lodt, oder als Untaugliche und Invaliden abgedankt sein, die
anderen aber, so nur beim Ende des Krieges angeworbeti worden, haben
alle erlernten Kxercitia militaria und ihnen darin erworbene Erfahren-
heit bei der Friedenszeit vergessen und werden also ganz unwi.ssender
und eorrupt ins h’eld kommen. (Exereitum cxerceri ü duce praesertim
in otio oporlct, et dum residet in hyberniis aut castris). *) Die alten
Officiere werden sich entweder in die Ruhe begeben und retiriert haben,
oder aber so noch einige bei ihrer Charge stehen, wenn sie nicht auch
gar corrumpiert sind, zwischen diesen Hänfen junger, debauchierter,
müssiger, keine Erfahrenheit und üebung habender Leute für bestän-
dige Critiqueurs und verdriessliche Tadler gehalten werden. (Se le arti
non s'insegtiano ne si sapranno escrcitare e se non vi sono maestri,
come vi sarannu scolari, e se il capo non sa il mesticre della guerra,
come lo poträ sapere il soldato). ■•)
') Hie Mannsznohf in einem Kriepsheere erkennt inan, wenn jedemninn die
Obliegenheiten seines .\intes versteht unil erfüllt.
’) Wie (liK'h so wohl angeordnet, gestaltet die Diseiplin die ganze Hallniig
des Ki'irpers und die Deiiknngsweise!
Weleh’ stramme Ki>r|H'rhaltnng und Dmiknngsweise i‘rzengt nieht die
Kriepszneht 1
*) lliT HeerfUhn'r muss die TnqtjM-n vomehuilieh im Frieden ülien. isler
wahrenil sie in Winter-IJiiailieren oder im Lager verweilen.
•) Wenn die Künste nicht gelehrt wenlen. so winl man sie auch nieht
ausniien kiinnen und wenn es keine Ja lirer gibt, wie wird es Schüler gelwii können V
l ud wenn der HefehlshalaT das Kriegshandwerk nicht versteht, «ie winl es der
.Soldat verstehen können
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392
Aus den Sehrifteii des Fuldmurselinlls
Diejenigeu, so eine rechte Neigung zu ilirem Handwerk, hingegen
aber, weil sie nach dem Krieg kommen, keine Uebung haben, wenien
in so geringer Anzahl sein, dass dieselben gar kein Pouvoir, weder
Autorität b.aben und bei Hof unbekannt sein W’erden ; es wird auch
ein halbes Miracle sein, wenn sie dem Auslacben und Neid Derjenigen,
so eine ganz andere AufTnhrung, als sie haben, entgehen können, von
diesem rede ich nicht als einer Sache, so geschehen kann, sondern es
geschieht täglich und gibt es die Erfahrniss selbst; zwei Drittel der
erfahrensten Generale werden Alters und abgehender Kräfte halber zum
Dienen ausser Stand gesetzt sein; gar viele Andere aber, welche sieh
in den Ueppigkeiten, Gemächlichkeit und Wollüsten herumgewälzt,
flhrigens eine gar mittelmassige Erfahrenheit und gemeine Gaben der
Natur besitzen, mithin ohne die mindeste Uebung in ihrem Handweik
in Campagne gehen: wenn nun der co:nmandierende General mit einer
Armee, welche in eben solchen Soldaten als die Offiriere sind anderen
Truppen, so etwa in besserer Zucht gehalten, einfolglich mehr exerciert
worden, unter die Augen gehen muss, (pro tyronibus accipiendi sunt,
rjui ])ugnare longo tempore desierunt), so kann Einer recht urtheilen,
was von solcher Leute Conduite zu verhoffen stehe und kann ein
General, wenn eine Armee in solchem Stand ist und in Campagne
gebt, sich wohl rühmen, dass er viele Leute, aber gar wenig Soldaten
commandiere ; dieses betrifft alle, welelie bei gegenwärtigen Zeiten des
süssen Friedens sich erfreuen und die Truppen hin und wieder in den
Garnisonen verlegt und im Quartier bei den Bauern tranquil und ruhig
daherleben, ohne dass sie etwas, zuweilen jedoch weniger oder mehr
nach Beschalfenheil ihrer Officiere zu thun haben.
(Maxime prospiciendum est apparatui bellico tempore pacis, nullum
enim tempus gravius est, quam inopinatum, sic videbimus innumeras
civitates improviso bcllo aggressas) (Miles in media pace vallum facit.)')
(iO. Es braucht gar nicht viel Zeit, um die Kriegszucht und
der Soldaten auch Ofticiers gute Sitten zu corrumpieren. (omnis dis-
ciplinae ratio exercitatione augetur, otio vero dibilitatur) ;®) was wird’s
also für ein Aussehen gewinnen, wenn eine I'uis.sance, oder die im
Kriegswesen das Ruder Führenden ohne Vorsichtigkeit und Aufmerk-
samkeit bei einem zwölf- oder fünfzehnjährigen Frieden in einem tiefen
Schlaf begraben liegend, bei einem unverhofften Kriegstumult auf einmal
erwachen (arma semcl parata non solnm in bellum valent, sed ne eit
') Hauptsuchlich niiLs.s daniuf gehalten werden. das.s in der Zeit des Frieden'«
ftir den Krieg vorgi'kehrt werde; denn ki'ine Lage i.sl »cliwieriger, aL die liner-
warlele; «> werden wir sehen, das.s zahllns>' Staaten unvorhergesehen mit Krieg
nlieraogi'ii werilen.
I>er Soldat führt mitten im Frieilcn den W'all auf.
-\lle Art Kriegskuiide winl durch |■ehnng vi'nuelirt. verfallt alter Iwi
Mns.'>iKg:uig.
Ludwig Aiidnuis (irafi'n Kluvenliüllcr. 393
bellum, nemo enim provocare, iienio amlet offendere, quem intelligit ex-
peditum esse, atqiie promptum ad vindictain, ergo, (lui desiderat pacem,
praeparet bellum); *) woran werden sie seinV nolliwendiger Weise muss
eine von beiden l’uissancen, so zur Formierung und Aufreehthaltung
des Militaria nichts verabsäumt, die andere unter die Küsse bringen
und überwinden, (cavendum est, ne dubitantem et formidanteni exer-
citum ad pugnam producas);’) warum tliut man aber die alte Methode
also vernaclilässigen; ich will niclit sagen, dass man allezeit campieren
müsse, allein es sollten bei Sommerszeiten verschiedene Lager formiert
werden, wo die Generalspersoncn selbst die Truppen in dem grossen
Kriegs-Exercitio, welches die Soldaten sowohl, als Officiere, durch das
Exercieren erlernen müssen, unterweisen und anfflhrcn. (Exercitns exer-
citio perficitur, ncc quidquam in vila est, qnod perfici absqiic exercita-
tione possit).®) Auf diese Weise würde man erfahrene Soldaten, recht-
schatfeiie Officiere und fähige Generale, eine Armee zu comtnandieren
machen, anerwogen durch öfters verändernde Lager Einer sich wirklich
in der Mension und General-Bewegungen recht instruieren, mithin das
Sublime der militärischen Wissenschaft recht einschen und sich das
verlier erwähnte Augenmass formieren würde, da hingegen ohne dieses
die Mehrsten bei Anfang eines Krieges nicht wissen, wie sie daran sind
und sieh völlig beschämt befinden, alsdann erkennen sie erst die Wahr-
heit dieser Maxime, dass der Müssiggang und Ruhe einem Commaii-
dierenden weniger, als seinen Untergebenen zukomme, sie sind für den
Einen sowohl, als den Anderen sehr schädlich und verderblich, die
Officiere und Soldaten, so in den Garnisonen ihre Zeit in der Wollust
und Hinlässigkeit ziigebraclit, werden bei Anfang eines k'eldzuges
ebenso wenig, als ihre Generale begreifen können und gleichwie sie die
Friedenszeit mit Müssiggelien scliändlich zugebraebt, also wird man
ihren Unwillen gleich vermerken, mithin verspüren, dass sie mit allem
Widerwillen die Befehle exequieren und die Dienste ihnen missfallen
und schwer Vorkommen, da sie jedoch in dem vorigen Krieg aus .An-
triel) ihrer eigenen Ehre und Gewohnheit selbe gar süss und erträglich
gefunden (discat iniles in otio, quid proficere possit hello, gesticeat
vituli certainina, quae impleant aetate robusta, catnli in novellis veua-
tionihus ludunt);*) aus diesem kann man schiiessen, wie viel daran ge-
t) Die Krieg.ibcrcit.scliiil't ist nicht nur für den Krieg gut, sondern ancli,
damit kein Krieg entstelle; denn niemand wird es wagen. Dcnjenigi-n lieraii.sz.n-
fordem oder zn ludeidigen, den er schlagfertig und zur Abwehr bereit weiss. ,\lso,
wer den Frieden wünscht, rüste für den Krieg.
’) Man nmss venneiden, ein zaghaftes und enimnthigtes Heer in den Kampl
zn luhreii.
Das Heer wird durch rehung vervollkommnet; sowie es nichts auf di-r
Welt gibt, was man ohne l'elmng ausl'nhren konnte.
•) Der 8oldat sidl im Frieden lernen, was ihm im Kriege nützen könnte.
Die Källwr führen Kanqdspiele auf die sie im kräftigen .\lter aiisfeehteii. Di«
jungen Hunde spielen .tagtl.
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3l)4 Aus Jen Sehrifleu des Feldinarsi'halls
legen, die Truppen nicht allein in den Handgriffen der Waffen und
kleinen Evolutionen, sondern auch in den grossen zu exercieren, welches
aber nicht anders, als im freien Feld und bei formierenden Corps zur
Unterrichtung der Officiere und Soldaten, besonders aber neuer Gene-
rale, thunlich ist (longa belli praeparatio celerem facit victoriam).')
§ 01. Feber dieses muss auch eine accurate Mannszucht beim
Militari gehalten und beobachtet werden, denn wenn ein General, er sei in
den Unternehmungen so keck er wolle, in diesem Stück fehlen thut, so
werden ihm alle seine grossen Eigenschaften nichts fruchten, sondern
ihn vielmehr in die grössten Unglücke stürzen und kann Einer dieses
rien F’flrsten und Generalen der Armee nicht genugsam vorstellen, an-
gesehen dieses von einer solchen Wichtigkeit ist, dass das Heil ihrer
I.ünder lediglich davon abhängig sei nnd sie kräftig dahin anhalten
sollte, die Truppen zur Beobachtung der militärischen Gesetze mit allem
Kigor anzuweisen und mit allem Eifer die .Aufreclithaltnng erwähnter
Gesetze zu maintenieren, indem die Soldaten ohne dieses selbe in weni-
ger Zeit vergessen und verachten werden, was aber das mehrste ist, so
wird man hernach solche Leges ohne Furcht der Strafe nicht leicht
wieder zu ihrem vorigen Stand bringen, (Etueihns inest autoritas, mili-
tibn.sr|uac ob imniensa praemia et ingentes jiocnas obsequium),*) welches
aber sehr verdriesslich und beschwerlich, einfolglicli ein solch grosses
Uebel ist, dass man zu dessen Ausrottung selten einen fähigen Mann
tinden werde und wenn es schon bis dahin gekommen, allzuspät ist.
Denn (aliter in medio ardore belli, aliter in pace tranquilla arbitrandum
est, mnlta eniin, iptae in pacis otio vindex disciplina persequitur. inter
tiirbas et gladios veniam inerentur)-^} eine unvollkommene Disciplin, so
auf keinem festen Principio gebauet, mithin nicht wohl eingerichtet ist.
verursacht, dass die herzhaften Leute als zaghafte und leichtfertige,
wovon man den zehnten am Leben strafen sollte, durchgehen werden:
wenn sie das erstemal nicht gestraft worden, so kann man gewiss
glauben, dass sie es ein anderesmal ebenso macben und selbes ohne
Anstand meritieren werden, indem dieselben, da sie nicht gestraft wor-
den und der Brauch abkomtnen, dergleichen leichtfertige Fehler zum
drittenmal begehen, einfolglicli nach und nach degenerieren, sich an
solche schäiullichc Thaten gewöhnen und die guten wegen ausbleihrnder
Strafe vergessen werden. Ein Fürst und andere, die Armee comman-
dierende Generale sollten auf die militärische Zucht ein wachsames
') Eine lange Vorhereiinng zniii Krii-ge liilirl einen nisilien Siec berlMi.
-) l)en Heertülirerii wohnt Jie iJienstgt'wall inne. Jen Soldaten Jer (reliorsani,
in Kolge Jer gos-^sen Ilelohnnngen niiJ seliweren .Strafen.
Jlan inns.s anJers in Jer Hitze iles Kampfes mul anJers in Jer liuhe Jes
Kriejens nrtheilen. Viele.«, was iin Frieilen Jie strafeiiJe .Maniiszuelit alinJet. ver-
Jient Naelisielil inmitten Jes Kriegstnmnites nnJ Jer .Sehwioler.
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I.iiiIwiK Andreas (irafeii Khcveiiliüller.
395
Auge lialfen und ihr ganzes und ernslliaftes Wesen daraus maclien,
der Uinlässigkcit in dieser üisciplin vorzubcugen; der diireli ein be-
siiindiges Exereieren den Müssiggang kurz abl)riclit, wird wenig üefalir
zu befürcbtcn. hingegen aber den Sieg zu verlioffen liaben (disciplina
militaris tribus potissimum cnnservatur rebus, l""’ diicis exeniplo, 2'*“
exercitio 3**“ legibus).') Es muss Einer mir niilit sagen, dass eine
Armee in einem einzigen Winter-Quartier niebt verdorben werden könne,
allermassen sechs Monat, welche in AVollust und Ueberliuss an allen
Sachen zugebracht werden, die (Jfficiere und Soldaten ganz umkehren
und in Unslaud bringen können (otium in exercilii res pernitiosissima,
et fere sola fons oinnium seditionum et origo)-) und sehr beschwerlich
ist, solche durch Wollust und Trägheit corrumpierte Truppen hin-
wiederum auf einen guten Fiiss zu bringen und so viel zu etlectuieren,
dass sie durch die Erneuerung der einmal verlassenen Discipliu die
verflossene fröhliche Zeit vergessen werden (degenerat etiain labore ac
virlute miles assuetudine voluptatum et contemptu ducis luxu defluentis,
labor eiiim et voluptas dissiniillinia sunt liatura),’) wozu gewiss eine
dreifache Zeit kaum hinlänglich sein wird und wird Keiner die ins Feld
ganz corrumpiert Kommenden alsdann gewiss nicht zu ihren vorigen
Knäften bringen und selbe, ohne sic wiM zu machen, zur Itcobachtung
ihrer Schuldigkeit liinverweisen können, allermassen der .Abgang guter
Discipliu sie leichtfertig machen, einfolglich zum Aufruhr excifieren wiul
(ubi nullus est militarium vironim ordo et jura, ibi nulli sunt reipii-
blicac nervi, itaque et respid)lica facile evertilur).' )
§ 62. Denn sobald sie in ihren Sitten corrumpiert sein werden,
sobald wird man auch sehen, dass die (iesetze verachtet werden und
wenn die Strafe nicht alsobald auf dergleichen Felder erfolgt, so wird
man die durch Ausbleihung der Strafe immer ilberhand nehmende
Ausgelassenheit, worauf der Aufruhrgeist und Meuterei staffelweisc
erfolgen, handgreiflich vermerken. (Scdiiionis initia esse periculosissima.
ijuae nisi extinguantur ad alios emanant et eins usus et turbatio alios
') Dif inilit,vrischc lii-i ipliii wiril dun b drei Dinge um wirk-uuislen erbulten:
1. Dnrcb das Ibdspiel des lleerfübrers. ‘J. Ihin li die felninp, II. Dnreb die tiesetzi'.
*) Der .Miissigg.ing ist ts-im Heere eine js-br venlerlilii-be .'Saebe und fast die
alleinige tpielle ninl der t'rspnmp aller Metitereien.
*1 Ivr Soldat entartet uneb in seiner Tbutigkeit ninl Tiiebliirkeil dnreb
.Vngewidiuung diT Vereinigen und Venieblnng iles in Weiebliebkeit sebwelsenden
lleerfübrers; denn die .Arlait und da.s Verennpen sind ihrer Natnr narb pan*
venahieileB.
‘I Wo es unter den K riep,slenten keine llrdiinnp und keine (iesi'tze pibt,
dort pibt es keine Kraft des Staates: dalor winl aneb der Staat leiebt ans den
-Anpelu pebols-n.
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3 %
Aus den .Scliriften des Keldiniirs<li:ills
quoque milites alioqiiiii quietos commovere et ad idem audenduiu ini-
pellere seiet), ‘)
Wcmi also die zusammen rottierten Aufrührer sich durch einen
eclafanten Streicli crhlärcn, so ist das grösste Unheil, dem kein Mittel
enlsegcngesetzt werden kann, vor den Augen, welches von einem auf-
rührerischen, corrumpierten und unbändigen Volk oder Pöbel, so wegen
ihren gegeneinander laufenden Interessen, in Uneinigkeit verwickelt und
nicht an einem Seil zieht, nicht zu verstehen, sondern von der zucht-
losen Miliz (militaris disciplina aspero et abscisso castigationis genere
indiget, quia vires arinis constant, quae ubi a recto tramitc desciveruni,
eas oppressura sunt nisi opprimantur).*)
Wenn Einer diese Sache recht einsehen will, so rührt solche von
den Officieren selbst ber, indem ihre Hinlässigkeit, unmässiges I.eben
und Wollüste das grösste Unheil des gemeinen Wesens ist , die
Soldaten, so ihnen solche Leute vorgesetzt sehen, verachten selbe, auf
den Veracht folgt der Ungehorsam und auf diesen der Aufruhr,
(malum quidem est imperatorem habere, sub quo nemini quidquain
licet facere, sed multo pejus est, cum omnia liceant Omnibus), ’j Die
Hestrafung einiger der vornehmsten Aufrührer hat unter einem so grossen
Haufen der daran Schuldigen keine Wirkung. ma,ssen die Uebrigen
hierdurch noch mehr irritiert werden (in singulis severitas imperatoris
distringitur, at necessaria venia est, ubi totns deservit excrcitus, quid
tollit iram sapientis? turba peccantium), ■•) ein solcher Haufen wird in
weniger /.eit ein Unterschleif und Asylum häutigen lasterhaften, ver-
rätherischen, diebischeti und mörderischen Gesindels werden ; die allzu-
grosse den Truppen gebende Freiheit liegt dem Chef auf seinem Ge-
wissen, niasscn er vor Gott die von ihnen begehenden Unordnungen
und Laster zu verantworten hat (praedixi enim ei, quod judicatiirus
essem Dornum eius in aeternum propter iniquitatem, eo quod noverat.
indigne agere tilios suos, et non corripnerit eos) (in hoc enim reges,
sicut eis divinitus jiraecipitur, deo serviunt. in quantum reges sunt,
si in regno suo bona jubcant, mala prohibeaut, non solum quae
pertinent ad iiumanam societatem, verum etiam, quae ad divinam reli-
') Die AnfiinRe von Jlciiterei sind sehr gcfitlirlich ; denn wenn sie nicht
erstickt wenlen, dringen sie zu .tndem und ilir öfteres Vorkommen und rnordnung
pflegt aticli andere, sonst ndiige Soldaten zn vertiihren und zu demsellam Wagni.»s
auzuregen.
Die militärische Mannszneht tu’darf einer scharfen und .schroflen .Ahndung,
weil die Macht in den VVaflen liegt, welche, wenn .sie vom reeliteit AVegtr altgtdenkt
wi’nlen. jene unterdrücken, wenn sie nieht selbst unterdrückt wenlen.
Ks ist wohl ein l'tdiel, einen Feldherrn zu haben, unter welchem niemand
gestattet ist. irgend etwas zu thun ; es ist atier noch viel ärger, wenn .Allen alles
erlaulit ist.
*) Die ,'ttreiige des Feldhemi gegen Kinzelne winl verhindert und es ist
sogar Naelisieht notliwemlig, wenn das ganze Kriegsheer sic li dersellren annimmt.
Was hehelit den Zorn des Weisen ? Die Menge der ladtelthäter.
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Aiulreas llralVii KbeveiihülhT.
397
uionem ; quomo«Io ergo reges doniino serviunt in timore, nisi ea, quiie
«'ontra jussa domini Hunt religiosa severitate prohibendo atque plectendo:
aiiler enim servit, qua honio est. aliter. qua eiiani rex est. in hoc ergo
serviunt Domino reges, in quantum siint reges, cum ea faciant ad
serviendum ilii, quae non possunt facere nisi regesj. *)
Es ist auch den Sulbaltern-OfHcieren nicht zuzulassen, dass sie
den Soldaten zu viel nachsehen; (nulli arnicorum aut officialium tuorum
nimia sit indulgendi potentia, sed ita iis nioderandum, ut ne te in
culpam aut reprehcnsionem conjiciant, quidquid eniin ii recte vel male
egerint, id vero libi adscribatur, laiemque le cuncti censebunt, qualia
cos facta cxercere permiseris) (il buon capitano sia rigido nel
ricercarc delitti, c i inancamcnti dei soldati, ma piuttosto che rigido man'
sueto md casligarli, percbe con quello si fa teinere, e con questo
amare, e l’essor troppo rigido e tropj)o mansueto non e ancora bene,
percbe queilo il fa odiare e questo il la disprezzare), (non nocet casligatio,
sed medetur specie nocemli, queniadmodum quacdam hastilia detorta ut
<*orriuantur abuiimus, et adnctis (umois non ut frungaimis, sed ut
explicemu«, elidimus, sic ingeuia vitio prava dolore corporis animiqiie
corrigiinusj. (magis laudo otficialium erga railites affabiliialem, quam
austeritalem, saepa enim mnKis benevolentia, prae se fcrunt, quam ispsa
peciinia satisfacinnt), (Tribimorum et judicuni ofliciuin est, in casli-
gandis militibus modum suac anthuritatis non exccdere).
D Irh sagte ihm vorher nainlieh. dass ij Ii sein Haus richten wenle in
Kwiirkeit wegen der liasterhattigkeit seiner Sohne, von denen er wusste, dass sie
miwiirdig handeln und sie doch nicht hestrafte.
Darin dienen eben die Könige Hott, wie ihnen von (hjtteswegcu vorgt*eeichiiet
ist, dass sie, insoweit es in ihrer königlichen Macht liegt, in ihrem Iteiche das
Hute t>efehlen. das Kose verbieten, nieht nur wa> sich auf die menschliche
Hesellsehaft, sondern auch auf die göttliche Religion bezieht; wie al.so dienen «He
Könige in Ehrfurcht tlem Herrn, wenn sie nicht das, was gegen die Kefehle des
Herrn geschieht, mit ndigiöser Strenge verhindern und Ixistrafen? AndiTS dient er
nämlich als Mensch und anders als König. Darin also dienen die Könige dem Herrn,
indem sie vermögi» ihrer königlichen Macht, um ihm zu dienen, »lasjenige ver-
anlassen, was sic nur als Könige anorduen können.
*) Keinem Deiner Fn*unde oder Oftieiere sei es gesiattet, eine zu grosse
Nachsicht zu ul>en. sondern mau muss ihnen sulche Beschränkungen auferlegeii,
dass sie nicht Schuld oder Tadel auf Dich wälzen ; deuu das, was sie recht isler
»chh*cht thun, winl Dir zugeschrieben und Alle Mcnlen Dich für so heschaflVn
halten, wie die Handlungen sind, weh he Du ihnen gestattest.
Ein guter Feldherr soll streng sein in Heurtheilung der Vergehen und
reiwrtndungen der Soldaten, alwr im Bestrafen dersellieii eher milde, als streng;
denn mit jenem macht man sich gtTürchtet. mit diesem beliebt. Zu streng uud zu
milde i.st auch wieder nicht gut; denn jenes bringt ihm Hass, diese.« (ieringschätzung.
Die Strafe schadet nicht, .sondern sie heilt unter dem Scheine de.s Schadens,
gleichwie man gewisse Verletzungen dun*h Diuzenstiche aiishrennt, um sie zu
heilen und Pfropfe eintuhrt. nicht uni sie zu zcm’i.sscn, sondern um sie zu er-
weitern und zu reinigen, so l)css»*ni wir lasterhaften Sinn durch Körper- uml
Seeleii-sehmerz. Ich liehe mehr die Freundlichkeit, als die Rauhheit der Olficierc
gegen die Soldaten; denn durch Wohlwollen richten sie oft mehr aus. als durch
tield. Ks I.st Prticht der ('ommamlanten uml Richter, bei Bestrafung der Soldaten
das Muss ihrer Ikd'iignisse nicht zu UlK*rschrciten.
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398
Aus den 8fhrifteii des Keldniarsehalls
Die ausgelassene und übennüssige Freiheit und die Laster sind
die grössten Feinde gegen die accurate Disciplin, und wenn die Truppen nielit
gehörigermassen im Zaume gelialten werden, so tliun sie das l.and, worin sie
auf eine lange Zeit ihre Subsistenz gehabt hätten, in wenigen Tagen
verderben (neminem concutiatis neipie calumniam facialis, et contenli
estote stipendiis veslris),*) allein ihr Chef muss ihnen auch zugleich
zum guten Beispiel dienen. (Non potest exercilum coniinere is Imperator,
qni se ip<um nun continet. neque severus esse in judicando, qni alios
in severos judiccs non vnit'l. -)
(> 3 . Dahier will ich mit Gelegenheit einige Meldung von dem.
dass ein Fotentat sich zuweilen fremder Truppen bediene und in seinen
Sold nehme, thun. Ein Fürst, so solche in seinem Krieg employiren
will, muss hiezu den Funduin also einrichten, dass er im Stande sei,
selbe nicht allein richtig zu zahlen, sondern in den ihnen gethaneu
Versprechungen und Capitulalionen eine unvei brüchliche Parole zu halten,
mit seinen eigenen L’nterthanen ist es nicht so verbindlich, gegen fremde
aber erwächst es einigermassen in eine Schuldigkeit, (haud facile
qilisquam gratuito bonus est).
Denn obwohl auf ilie Verweigerung des Versprochenen niclit
allezeit üble und vcrdriessliche Folgen ent'tehen dürften, so ist jedoch
zu beiürebten, das solches den guten Willen derjenigen, so durch
Zurückziehung gegebener Parole allezeit otfendiert zu sein glauben, ver-
mindern. ullermassen bei etwa erfolgendem (ieldniangel solche in der
fürs Geld und nicht allen Unterthanen aus Schuldigkeit dienenden
Soldaten bestehenden Armee wegen abgehender Zahlung sich zerstreuen
und davon gehen würde; geschieht dies aber tiicht utid machen sich
die Truppen etwa llotl'nung, das zu fordern habende auf einmal zu
bekotnmen, so lanfeu die Schulden hoch hinauf und wird kein erkleck-
licher Fundus, um selbe zu contentieren, ausfindig zu machen sein,
welchem nächst selbe, wenn ihnen die Geduld vergeht, auf einmal anl-
rührisch werden, obschon man etwa wegen ihrer Unzufriedenheit nichts
zu befahren habe, so wird es jedoch vieles Klagen und .Murren absetzen,
mithin die uöthigen Kriegs-Unternehmungen und deren gute Absichten
darunter leiden; sie werden ihren Dienst vernaflil.ässigcti und alles nur
halb verrieliteii und was noch tncbrercs ist. sich untereinander selbst
raufen und sclilagen. in mehrcrem lietrucht. dass alle Nationen tiicht
also beschaffen sind, dass sie in ilirem Dienst die Liebe gegen den
Fürsten und das Vaterland Icdiglicli vor .Vugeii halten, gleichwie die
eigenen Unterthanen. (non attendit verus ohediciis, quäle sit, quod
*) Scheltet und verleumdet nieiimndcn mid seid zufrieden mit eurem Solde.
*) Ein solcher Feldherr kaiiu das Heer nicht im Zaume halten, der sieh
.seihst nicht iui /.aiime hält und der kann kein stretger llichter sein, weleher
nicht will, das.' aiideiv streiure über ihn richten.
(Jewiss ist nicht leicht irgend jemand nm.-uiiist gut.
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I,iidwip Amtn-as (ir.ifcii Khcvi-nhülli-r.
399
[iraecipitur lioc solo contciitus qiiod praeccipitui) ') und nichts mclir, als
einen sie wohl eommandierendeii General veiiangen, mithin mit Irockeneni
Brot, wenn weiter nichts zu bekommen, sich begnügen lassen.
Geschieht es. dass die in Sold stehenden Truppen das Ihrige
richtig bekommen und die eigenen Cnterlhanen nicht, so ist ein con-
tinuierliches Klagen und Murren, die Anderen aus Furcht eines habenden
künftigen Ausstandes werden ebenfalls malcontent sein, hiemit Aufruhr.
Meutereien entstehen (unius pecudis scabies totam commaneuiat gregem). -)
Dergestalt, dass ein Fürst grossem Unglücke exponiert ist, wenu er
nicht durch seine eigenen Unterthanen ohne der Anderen Hilfe sich in
Kriegs- und Uefeusions- Verfassung stellen kann ; das Kriegswesen ist viel
weniger auf Macht und Reichthum, als auf Herzhaftigkeit und gute
militärische Zucht zu grflmlen. indem die Armen mit ihrem Schwert
und guter Conduite den Reichen das (iold aus den IKänden reissen
können, also nicht das Geld, sondern die getreuen und wohl discipli-
nierten Soldaten der Nervus belli sind, denn obschoii die Schatzkammer
eine grosse Hilfe ist, so werden jedoch gute Truppen gar leicht den
Schlüssel dazu finden und ist bei den guten Soldaten weniger Be-
ichwerniss, Geld zu finden, als andere viele Scbäfze Besitzenden, gute
Truppen zu bekommen, massen grosso Capitains im Kriege selbst zu
dessen weiterer Führung die Mittel aa Hand zu gebeti wissen.
S 64. Die Zurückhaltung der Soldaten-I.öhnung thut selbe am
mehrsten zum Verdruss und Zorn cxcitieren. sie wissen zwar, dass ihr
Sold, wie viel sie auch zu fordern haben, nicht .ausbleiben kötine ;
allein die ausbleibende Zahlung ist ihnen verhiissig utiil ilie verdriess-
lichsten Folgen nach sich ziehen thut. Diejenigen so in dem l’ublieo das
Ruder führen, vermerken nicht, in was grosse Gefahr sie das gemeine
Wesen setzen und was für Unglücke sie dem Statui publico fürs
Künftige praeparieren, weun sie bei Friedenszeiten die von den Trup]ien
im schwersteti Krieg und härtesten Diensten so wohlverdienten Gnadeti
und Wohltbaten also vergeringern uud abbrecheti : diese thun zwar die
Unvermögenheit, die Merita der Soldaten wirklich zu erkennen, vor-
wenden, allein ich lasse einen Jeden diesen Uiivermögenhcitspraetext
beurtheilcn und dijitdicieren. ob nicht die Mittel hierzu erklecklich
wären, wetm man nur die Sachen und das Systema oecononiictim in
suo statu berubcti und die aus den Veränderungen erwachsenden
gefährlichen Folgen verhüten, mithin die grossen Herrn selbst, denen
es an Hilfsmitteln niemals abgeht, ihre Einkünfte, wo es nöthig und
nützlich wäre, verwenden tliäten.
') Der wirklich Oeliorsaiiic untersucht nicht, wie das ist, was befohlen wird ;
er ist damit allein schon zufrieden, dass es iK'fohlen wird.
’) Ein räudiges .Schaf steckt die ganze Herde an.
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Ans <lcn Siliriftrii ili’s Fflihiiarschalls
4l)0
Beim Ffiedeii ist die rechte Zeit, alte Üfticiere mit Freundlichkeit
mul Belolmuiigeii zu animieren, um sic iladiireli zu erhalten und zu
verhindern, dass sie sicli des Kriegslebens nicht abthiin und retirieren,
mithin die Aenmlalion unter den Concurrenten durch beschehende Gnaden
zu excitieren, wodurch man die allen meritierten Officiere couservicrl
und andere ihnen succedierende brave Soldaten macht, ohne dieses I
kann Einer versichert sein, dass man bei einem auf einmal aus-
brecheiiden Kriege ganz in Decadence geratheu werde, welchcmnäclist
der bei vorgenommenen Fromolionen begangene Fehler vermerkt wird,
da selbe nach dem Rang ihrer Charge, so junge Leute inehrentheils
erkauft und ohne Verdienste und Wissenschaft der ihrer Function
obliegenden Schuldigkeit so hoch gestiegen, geschehen; wenn der Fürst
die General- Befönierungon also gestattet, so kann man wohl sagen:
olarns honos vilescit in tnrha, et apud viros hoiius imlignior ht ipsa
dignitas, quam mulli indigni possident;') in langwierigen Friedens-
Zeiten geschieht gcmeiniglicli, dass Diejenigen, so die grössten Ignoranten
sind, sonst aucli in sich seihst die dtimmslen Köpfe, jedoch geseliwinder.
als die Vornfinftigstcn und mit vortreiflichen Gaben der Natur liervor-
leiiclitenden Männer zum Glück und grössten Elircn gelangen; die Pr.ahlereien
mehr Glauben, denn die wahrliaften grossen Thaten, zu tinden pflegen;
.zu geschweigen. da Einer, so sicli in seinem Glück zu erschwingen
.sucht, die ihm beiwohnende Unfähigkeit durch äusserlich verstellte Erii.'t-
liaftigkeit zu verbergen weiss, mithin durch sein von Mangel der
Vernunft herrOlirendes Stillscliweigcn Diejenigen, so ihn nicht ergrtlmicn
wollen, oder aber mit ebenso wenig Licht, als er, begabt sind, in grosse
Verwiinderniss über seine Person setzen, wozu er selbe durch seine
stumme Gravitat. oder aber falls er einige wenige Vernunft liat. durch
Aufschneidereien, Lflgen und einbilderische häutige Dienste und Tliaten
verleiten wird (il parlar troppo e vantarsi troppo di un soldato denota
tpial sia la natura sua);-) ein wahrhafter, wohlmeritierter Mann wird
allezeit eingpzogen sein und muss man .sich alsdann nicht verwundern,
wenn selbiger nicht avancieret, liingegen ein anderer Fanfaron erhöht
werde ; diese sind die unverschämten Sollicitatores, so bald hei Diesem,
bald bei Jenem vor der Thür Schildwaclie stehen und sich beständig
und allezeit zusammen rottieren und so lang in unermfldeter Bewegung
lullten, bis endlich durch Iiitriguen, Geld und Weiber das Glück sich
über sie erbarmt, sic ablöset und andere dergleiclien Gesellen
auf ihre Stelle an die Thür oder ins Vorzimmer plantiert, nebst diesen
thun sich auch noch Andere da befinden, welche von ihnen selbst
raisonnieren, mit Lebhaftigkeit und besonderer Vivncität reden, arbeiten
') Si'llist das begründete .Ansehen winl mitcr der Menge entwi-rthet and
unter reelit.-ihaftenen älüunern verlieren an .Aiiaelieii die AVünlen. welche Vn-
wardige tragen.
-) Das 7.11 viele Iteden nnil Prahlen eines Soldaten bekundet, von wehher
tieschall'enlieit er ist.
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Luilwip Aiiünras (JnilVm Khevcnhüller.
401
und sieh bestäniiip hewegeii, solche sind nicht, wie die Vorigen, dumme
Kseln. sondern vielmelir sdiarfsimiigc. spitzhiidige, diirchtriehene und
sinnreiche, von Kopf bis /.u den Kä.ssen wird m.an nichts, als scliöne
Kigenschaften sehen und vermerken können, allein sobald das (ilück
sie anfkomitien lasst, so sieht man mich gleich, dass die Larve ihnen
von selbst herunter fällt, alsdann auch die vorher von ihnen zunlck-
uehalteiien Fehler und Iiicapacität entdeckt und offenbart.
(th. Der grösste König und Monarch ist nicht im Vermögen,
ein altes, der Kriegsübiing und Faligiien gewohntes Corpo von Officie-
reii und Soldaten wieder in Stand zu bringen (optinius cst exercitus,
tpii parere duci didicit. ordiiies servare. sequi signa confeslini. non
anteni per catervas vage pugnare, et sic collaius. iit siibsidiis miinilae
firincntur omnes acic.s; atque streiiui smit viri bellatores. qui et cer-
tandi laborem, et in cxercitii faiiieni et sitim et reliijiias belli acrumnas
patienter ferre. et absque fatigatione magna possuiit;.’) Die Pracht' und
Laster, so die Folge eines langen Friedens sind, steigen heutigen Tags
so hoch iimi erwachsen daraus solch grausame 'v'erbrecheii, dass, wenn
selber aunoch einige .fahre hindurch coiitiiiiiiert, nichts anders, als wiin-
ilerliche uml gefährliche Bcgehenheiten zu verlioffcn stehen und wird
man sich alsdann dieser .Maxime erinnern, dass nämlich die Sicherheit
und das Heil des gemeinen Wesens von dem guten Zustand der Armee
abhängig sei und der Fürst mehr Soigo für seine Truppen, als für
sich selbst tragen tnüsse. dessen Gedanken allezeit dabin gehen werden,
damit selbe in einer ganz aciirateii und solchen Kriegs-Disciplin auf-
rcidit gehalten werden, als wenn sie wirklich iin Krieg mid Felde stün-
den. (Sunt aiina in hello necessaria. in pace liecora) (ijuel principe,
ch« ama il siio stato. aini il siio popolo c and le aniiiJ.D Kr innss
gedenken, dass au.s dem Veracht, den man gegen die Triippeti. wenn
sie für ii’inöthig angesehen werden, hegt, das grösste L'ebel in Statu
publico erwachse, (llotios alit artes omnesque accenditnur ad stiidia
gloriae, niagtii aiiimi tnagnis hnnoribiis fiuiit/*) indem bei .solcher Zeit
die rechte Slaatsklii.gheit erfordert, dass man die Truppen in grossem
Werth halten und mit all' möglicher Acciiratezza zahlen (Spiritus mili-
tares diix ipse excitat, quaiido honorcs et dona largitur).^( mithin die
'I l>as Krifjrsheer ist jei»»*.«. welt.’lios p*leriit Imt. dfiii
XU p'hun lieii. Reih’ und (ilit^d sirli rasch samimdu. nicht plan)(»s iii
r*‘i;cllus«'U liaiitcn kamplVii. .•«ondtTii s<» ^ccsciilossen ldeib4*n. dass <lie ^:aiizo Aut*
•■•tclliinj: durch Rcsrrvcji pslcckt sei. Ainh iiiuss es uutcni<diincnd s«dii und <las
sind tapfere Kricjrsleut'*, welch«* s«iwolil die Anstr«*niniiij: «)es KamptVs. als ini H»*crc
den Hunjrcr. Durst luid diu lihripren Ih'sch wunlen des Krie;;es pMluhli^ un«l olme
pros.v.* Krschoptuii«: eHra^rcii küniicn.
Die Warten sind im Kriep* iiothwcuditr. ini Fri»slen eine Zicnle.
D* r Kiirst. welcher s«‘incn Staat hVbt, muss unchs«’in Volk mul die Warten li«*heii.
5) Die Auszeichniiinr iialirt die Künste und wir All«* w«‘nlcii zum Slrflnii
na« h Ruhm hin>r**z«»peu : «i?ir«h |?msse Khr«*n eut?.t«h«*n jn\»ss«* tieister.
IN'U kri*‘;r«'nscdiei» Sinn fai-ht d»T FcldluTT seihst an, wenn «t An*'Zi i'h-
nniifreii und (tesrheiike sjHuidi't.
.Mittboüungeii des k. und k. Kriegs-Archiv» Neue Koltte VH .t)
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402
Aua den Scliriflen des FeldmarscUalls
allen Officiere in Ansehen halten, (Militaris ordo quo sit lionoratior in
repnblica, ad pugnas inortesqiie pro patiia paratior privilegiis ornari
solet)*) sowie die durcli ihren h'leiss sich Distinguierenden belohnen sollte,
(si tollantur virtutis piaemia, quem pugnasse non pudeatV)-) ohne dass
sie durch eine unvernünftige Ersparung Arinuth zu helürchten liabeii ;
(parum est tuta sine viribus Majebtas)^) (Iber dieses inösseii auch die-
jenigen Leute angehalten werden, dass sie sich zu ihrem Corpo be-
geben und nicht in Wollust und Eaulheit sich heriimwSlzen ; eine Puis-
sance, so sich hierinfalls dergestalt autl'ührt. wird eine andere, so diese
Methode nicht eingelit, bemeistern und unter ihr Joch bringen (tem-
pore pacis cogitandum de bello et vicissim) (quaenaln gens unqnam in
militia fortior et fclicior? delectiim vide, nihil acuratius, leges, nihil
severius, sanctiusque pro temporis illius ratione, caslra, nihil compo-
sitius, ordinem, nihil aptius, jpugnam. nihil animosius).*) Denn gleich-
wie die üeneralspersonen, welche in den letzteren Kriegen alle Gefahren
unil Mühseligkeiten ausgestanden, nicht mehr im Stande sein werden,
vor der Spitze einer Armee zu stehen und zu commandieren, also wirii
man leider geinüssigt sein, unerfahrenen, incapabicn und vielleicht zag-
haftigen, um das Land und Unterthanen in das grösste Elend und l'n-
gluck. den Fürsten selbst aber in die grösste Scliande zu bringen, das
Commandü anzuvertrauen ; wenn auc h dergleichen Leute eines ganz
unerschrockenen Gemöthes sind, so werden sie jedoch durch ihre Un-
fähigkeit in die grub.slfn und abscheulichsten Fehler fallen und allen
üblen Einrathungen unterworfen sein, aneiwogen ihre Incapacitüt ihnen
die Augen also verblenden wird, dass sic die darunter verborgen lie-
gende Hosheit, mithin die Unwissenheit Derer, so sie etwa gouvernieren
wollen, nicht erkennen und die Gefahr, ihr Leben zu verlieren, nicht
evitieren werden, da andere öfters hieduicli sich Hoffnung machen, ihre
Stelle zu bekommen; indem sie solche Generale, von guter Gelegenheit
zu profitieren, abhalten und dem Feinde gar Occasion, ihn zu schlagen,
in die Hände spielen (per negligentiam superiorum teraporuin robur
infractum est, cum virtutis praemia occuparel ambilio, et per gratiaiu
prunioverentur milites, qui icromoveri consueverunt per laboiem).’’')
’f buiiiit der KriegcT-tand iin Staate geederter und zum Kampfee und Tode
IVir das Vaterland bereitwillicer sei. ptiegt man ilm durch Vorreclite auszuzeiclineu.
*) Wenn die lkd<diniingen für Tapferkeit aufgelKduui würden, wer würde sich
nicht schämen, gekiimpfl zu lialien?
’) üliiie Maelit ist die Majestiit wenig sieher.
*) Zur Zeit des Friisleiis muss man an den Krieg denken und umgekehrt.
Welehes Volk war je im Kriege ta|ifenT und glth klieher? .Siehe si iiie
Tnippi.'iiaushelmug. — es war nichts sorgfaltigeivs; siehe seine (iesedze. — niehts
war strenger nnd heiliger, eiitspreehend liiuj Verhiiltni.s.sen jener Zeit; siehe das
Lager, — nichts war Is-sser angeonlnet: siehe seine Marsehnnlnung. — nichts
war zweckmässiger; siehe seinen Kampf, — iiiihts war Is-geisterter.
*) Dun h die Xaeldiissigkeit tnlherer Zeiten i.st die Kraft gehroehen. da der
Khrgeiz den Isdiii der Tugend für sieh in Ansjinieh nahm und Krieger aus (Jnnst
erhulien wiinlen. welche man .sonst nur für angestrengte .\r1ieit zu erhellen pHegte.
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Ludwige Amlrt'U!* Orafen Khcvvnhüller.
403
Capitel X.
Vorsichtigkeit, Schleunigkeit, gute Anstalt und wohl-
überlegter Entschluss.
S »6. Die Art und Weise, dasjenige, so man den slatnin belli
nennen kann, einziiricliten, ist das Erste, woraus der Minister sowolil,
als der General einiges Eicht in Ansehung des Feindes nehmen mftssen.
denn sobald der Krieg fest resolviert ist. so mfissen sie die rechte
l'eberlegung maeben tind sich das Künftige dergestalt vorbildeil, damit
sie das Kriegswesen im Anfang also einrichten, dass hernächst der
Sieg leicht davon /ii tragen sei (dimidium facti, qni bene coepit. ha-
bet);*) allein haben sie anfangs (ias reclite Mass und Ziel nicht genom-
men. und die Kriegsabsichten nach ihrer Ordnung nicht eingerichtet,
so wird in progressu belli schwerlich zu remedieren sein, also dass die
rechte Art und Weise, den Krieg recbtschati'en zu führen und solchem
in Ansehung des Sieges wohl vorzustebeii, featgestcllt werden mn.ss.
(la piü sicura offesa e la piii franca difcsa, e quella dei petti degli
iiomini disciplinati a buona militia, e da jierfetta guerra).-) Ich will
dahier von den Praeparatoriis und Kriegs- Vorratb, noch von dem, was
die Truppen und Plätze betritft. nicht reden, weil dieses bis herzu
meine Sache nicht ist: ansonsten weiss ich wohl, dass zur .Vufrecht-
haltung der lieherrsebung und zum Heil des Vaterlandes zwei Dinge,
nämlich Gebi und Truppen erfordert werden (nec quies gentium sine
arniis, nec arma sine stipendiis, nec stipendia sine tributis haberi pos-
buntt,®) angesehen die Armeen nicht unterhalten und couserviert werden
können, es sei denn, dass ihnen die nnentbebrlicbe Nothdiirft geieicht
werde (priiis est parare bellum quam exerceie, atque ideo jirovidus
priuceps, antequam ineboetur bellum de copiis et expensis sollicitus esse
debet);*) und kann man keine daher stellen, wenn nicht vorher, um
selbe zu werben, zu unterhalten und in die Disciplin zu bringen, in
Allem die nöthige Vorsehung gemacht wird Iqui friimentum necessari-
umque commeatum non praeparat, vincitur sine feiro) (disciplinam noii
putest servare jejunus exercitusk®} Nach beschehener guter Einrichtung
iiesagter Notbwendigkeiten findet man hernächst durch die Waffen selbst
■) Die Hälfte des Werkes hat, wer gut begoimen,
*) Der sicherste Angritf und die ,staudhafteste Vertlieldigung ist jene der
Bniat der zu guten Soldaten und zum repelreehten Kriege geselndten Männer,
*) Man kann weiier den Frieden der Völker ohne M'atleii, iioeh Waffen ohne
Sold, iHM'h Sold ohne SIcue.m btcsehall'en,
*) Man muss znm Kriege rü,sten, la-vor man ihn tiilirt; dalier muss ein
vorsorglicher Fürst, lievor er den Krieg unternimmt, für Heer und Kosten sorgen,
') Wer den nothwendigen Proviant nicht in Bcreilscliaft hat, wird oline
Schwertstreich besiegt.
Ein Inmgcnnlcs Heer kann die Kriegszucht nicht bi'wahivn.
■ 26 »
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404
Ans- Jen Seliriften Jos FeldiuarsohaHs
Jen ziiläiifjliclicn Ftimliiin zu ilirer Subsistenz, geht aber eines von be-
rührten zwei Stücken (jleioli anfangs ab, so wird das andere von selbst
zerfallen (Saepius pennria. (luani pugna consumit exeroilum ).i)
Es wird insgemein gesagt, dass ein General, so ein reolitei
Soldat ist, von demjenigen, so er bat, zu leben, dasjenige aber, so er
nicbt bat. zu tindeu weiss, wenn inan aber dieses Sprichwort glatt bin-
nebnien wollte, so könnte man sagen, dass derjenige Capitain. so diese
Maxime liiitte, ein braver Soldat und grosser Jlarodeur, um alles .G>-
gebende zu finden, nicbt aber ein guter General zu nennen wäre; diese
Maxime ist ganz anders zn nebmen (boni imperaturis mimus non In
sola aeie insirnenda posilum est, aut locis ad vicloriam opportiniis
eapiemiis. verum etiam in tucndo cxercilu ab inopia, et eodem ad con-
tentionem virtutis excitando) ; -) allein das Geld und Truppen gebt
obbesagter Massen dasjenige, so icb gegenwärtig tractiercn will, riebt
an. indem in diesem meinem Disconrs beide Stück supponieren tbue.
OT. Die Winterszeit, wclebc zur Kiilio der Truppen gonieinig-
licb destilliert ist, ist diejenige, wo znmeistens der commandierenJe
General zn arbeiten bat, nämlicb um alle Praeparatorien vorzukehier.
auf dass bei Eingang der Cainpagne alles und jedes dergestalt eingo-
riebtet und in vollkomnuncin Stand sei und gar niebts fehle. Diese
Dispositiones sind von solcher Wirbtigkeit, dass, soferne lias (ieiingste
abgebt, alle im Hatb nberlegten Vorhaben und gefassten Itesolutioiieii
zu niebts werden, inassen der General daduieb verhindert wird, seine
Operationen bei Eröffnung der Campagne zu voltzichen.
Er mag eine noch so grosse Armee haben, so wird er nicbis
entreprenieren können ; denn so inan in währender Exeeution, wie bei
dem Thurm zu nabylon schreien muss: wo sind die Steine? wo ist der
Malter? so wird scblecbicr Etfeet ertolgen ; wessentwegen sobald das
Projeet der vorbabenden Campagne beschlossen ist, so ist nötbig, dass
man alsogleicb alles, was dazu gehört, berbeisehatfe, und zwar, dass
sich alles auf unserer Grenze oder Fronticre befinde ; man könnte daiaof
sagen, dass solche considerabic Praeparatorien den Feind gleichs.im
avertieren und ihm den b'ingerzeig unserer Intention und Vorhabens
geben ; .«o will icb aber antworten, dass näinlieb ein Potentat jederzeit
seine Frontieres dergestalt versehener im Stand halten sollte, dass sic
jederzeit im Stand, alles zu cntieprenieren, ohne dass sic diiicb die
Praeparatorien sich deeouvriere, sind; derwegen die Grenze dergestalt
jederzeit versehen sei. auf dass über dem unangreitlichen Vorratb dieses,
was consumiert wird, allezeit wieder ersetzt werde und dergestalt iin
*) Hiiiiliger reilit die Nnth ein Kriegsbecr auf. als der Kampf.
-) tias ,\nit eines >:nlen KelJberrn liesteht nielil allein in Jer .Vufstellung
Jes Heeres in .'selilaelitnrJnnng oder in .-VnItinJung *!er znin Siege gei*igneten (lertliele
keilen, soinlern aneh darin, »lass er »las H»‘er vor .Müs.siggang b»*walirt nnd zmn
Wettstreite in der Vervollkuinuimmg aneifert.
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I,U(l»ip Andreas (irareii Khevenliiiller.
405
Stand (jelialtcn. dass der P’eiiid überall ein wachsames Auge haben
müsse und dadurch nichts erkenne ; und ist solclier Vorrath auf unseren
Grenzen sowohl für otfensiven. als defensiven Kriea zu gebrauchen, denn
gehl der Krieg offensive, so ist man im Stande, jederzeit eine Festung
za attuquieren oder eine Diversion zu machen; man kann auch al'O
gleich in des Feindes Land l'osto fassen, ja gar durchdringen, obsehon
alle Subsistenz binweggenommen wäre, massen man von der eigenen
sie nachführen kann ; gebt man defensive, so ist solcher Vorrath nütz-
lich. die Festungen, falLs man einen Angriff besorgt, mit all Xöthigem
zu versehen, kurz davon zu reden, ohne 1’r.aeparatorien und nöthigein
Zugehör wird der grösste Held nichts aiisiichten. l)ie Art und Weise,
das Systema belli einzurichten, besteht lediglich in Erkennung der
Grenzorte, wo man den Krieg einzufübren gedenkt, liamit derselbe offen-
sive sowohl, als defensive sicher gehe und Hoffnung zu machen sei, in
einem sowohl, als dem anderen durch vernünftige, wohl überlegte, prae-
niediliertc und in einem Kriegsrath oder Cahinet festgestellte Anfüh-
rung bei allen Unternehmungen einen glücklichen Ausschlag zu gewin-
nen. So viel nun den Zustand einer Armee hetritfl, so ist das Künftige
vielmehr, als das Gegenwärtige in Erwägung zu ziehen; die einrejssen-
den Uebel sind nicht weniger, als der Feind eines Landes, dem man
viel ehender Vorkommen, als ihn nneh seiner .Ardtnnft wieder zu ver-
treiben sieh reservieren sollte, zu hefürcliten (tutissimiim et utilissitnnie,
videlicet milites statim primn impetii. diim animi viresqiie integrae
sunt, ad ardna et diffieilia quaeque siihemida <iiiccre, ne. dum niinntis
leviluisqiie relms conticiendis otinm teriiur. temporis longioris tuedio
affectis alii'^que ditfieuliatibus pressis spiritus et animi frangantiir). ')
Dieses ist ersrhreeklieli öfters anznsnben. dass man zuweilen die beste
Zeit also müssiger Weise vorbeigelicn lässt und ganze Monate liin-
dureh die Gemäclilicldveil pHegl, welclies Soleho aber nielit considerieren,
weil dieselben nur auf das Gegenwärtige sclien. niclit aber durcli eine
vernünftige Yorsiclitigkeit dem Künftigen Vorkommen ; Diese, so derge-
stalt in den lieben langen Tag hineinleben, bringen ilire Zeit für sicli
selbst glncklieh zu, .Andere, so unter ihrer AnfOlirung stellen, leben aber
unglückselig (qui propter nimium qiiietis desiderium segnis est, tarioem
SP sua quiete privat); 2 ) wenn aber Einer die Saeben von Weitem vor-
sielit. so wird er darum sich in nichts übereilen, weil er bei Zeiten
darauf gedenkt und ihm also das vorher schon Uebcrlegte niclit leielit
t) E.S ist seUistverstiindlicli sein* vorsiclitig und nützlirti. die Subiaten gleich
Wim ersten .Anläufe, s<dange der älutii und ilie Kräfte nneli nngesefiwäeht sind,
zu den etwaigen harten und sehwierigmi .Aiifgalien znfuliren: damit niidit. wälnvnd
mit Verriehtniig kleinerer und lehiiterer .Arlieiti'ii die Zeit verläuft, dnreli ihn
mit der läinge der Zeit entstehenden Telienlmss und dim li andere .Sehwierigkeiten
ihr .Mntli und Seltistvertranen gehroehen wenlen.
tt) Wer ans nliergnissem Verlangen naeli Ftidie träge ist. beianlit siel, endlieh
■sellist aidner Itnlie.
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406
Aus «len fkhrifti'ii des Feldmarschalls
fibel aussclilagen wird (omnia iiieonsulti irapetiis coepta inilio, licet va-
lida, spatio tarnen laiiguesciuit ■.*) Es gibt jedoch gewisse Gelegenheiten,
wo man nicht deliberieren muss (celeritas in exequendo est causa ma-
xiina victoriae, eademque lerret phirimuin hostes),^) angesehen die Eigen-
schaft der Ge.schäfte selbst die Deliberatioiies nicht gestaltet (consiliuni
in arena).ä) Jedoch ist bei anderen einige Erwägung erfordernden Sachen
das Sicherste, wenn man sich Zeit dazu nimmt und durch kluge .4us-
-führung seiner Absichten den Vorschub, dessen man sich zu besserer
Enlschlussfassung bedient, ersetzen thut (festina lente! sat cito, si s.al
bene|.<) Man muss wie ein Löwe, ohne die Augen zuzuthun, schlafen
und selbe, um die geringsten Vorkommen könnenden Inconvcnienzen vor-
zusehen, beständig offen halten ; sobald man den Krieg unternehmen
und selben eingeheu will, so muss Einer nicht lediglich auf die Zube-
reitungen seine Gedanken und Sorge setzen, gleich dieses von den
Mittelmässigen, welche sich einbilden, sie haben nichts als dieses zu
thun, zu geschehen pfleget.
Dergleichen Sachen betreffen also zu sagen die Handarbeit allein
und wird diese Einrichtung nur wegen der Macht und Mittel zum Krieg
gemacht, wornach also mir ein Theil der Absichten und Kriegsprojectc
reguliert wird; allein es werden mehrere und wichtigere Sachen, so die
Absichten zu erfolgendem gutem Ansschlag einer Campagne auf einen
festen Kuss setzen, erfordert, angesehen man den Zustand und Situni
der Grenze mit all möglicher Exactitude nicht allein erkennen, sondern
auch des Feindes hierin nehmende Veranstaltungen und de.sselben Com-
municationslinien, so er in l’aiallele der unserigen setzen kann, recht
wissen muss (imo pluribus documentis manife.Uum est Caesaris jndi-
cium. quantus victoriae artifex et machinator sit locus, sed cum dolo
gerenda est res. locus sine dubio omnium insidiaruin rcceptor et fabri-
cator improbissimus, tumque viritim ratio minor habetur tainqiiam lo-
cus ipse multorum militum numero haheatur, locorum ratio saepius plus
prodesl. quam mortalium virtiisi.^) Dieses kann man nun zwar in den
besten Landkarten sehen, allein, um das Kriegswesen recht und ver-
sicherter einzurichten, so werden die nicht so viel Licht darinnen
D .-Vlies, was mau mnitierlegt und in der ei-sten Hitze unternimmt, mag e.s
ancb im .Vntange kriit'tig sein, ermattet doch mit der Zeit.
Hie Sehnelligkeit in der .Vuslülimng ist das bauptsäehliebste Vfittel zaai
Siege, da dii-sellie meistens ilie Feinde verwirrt.
’) Iterathseblagnng am Kampfplatz*-.
S) Kile mit Weile! es ist sehnell genug, wenn gut genug.
Hnreb vielfaeln- lieweisi- erhärtet ist fhn-sars .Viiaspnieh. wcleh’ gopsse
Helferin und Vä-nnittlerin znm Siege die Oertliebkeit ist; aln-r die S-aehe muss
not List dnrebgetnliii werden. Hit- tieiiliehkeit ist tdine Zweifel die tüekisrbste
Trägerin und Fänlerin aller Kriegslisten und ila kninint die Zahl der Sireitkratte
• tft weniger in Iteti-aebt; gerade, als tdt die ( It.-rtliebkt-it selljst für viele Tansemi
Zidilen wänle. Ilie .Viisiiätzimg tb-r tlertliebkeit nützt itfl im-hr, als menseblirlie
Tapferkeit.
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LniiwiR Aiidrt'as firatVii Khcventiulle-r.
407
"eben, sondern es muss Einer die vollkommene Erkeimtniss de« l^andes. wo
er die Waffen biiieinfflhrcn, oder zur Defension Posto fassen will, haben.
§ 68. Denn es sei eine Karte so exaet und sicher als sie wolle,
so wird jedoch ein die Armee commanilierender General sehr wenig
Sicherheit zu den Operationen einer Oampagnc daraus nehmen und der
Kriegs-Kalb das Project eines offensive oder defensive gehenden Krieges
und Feldzuges auf dem Papier nicht gründlich formieren können und
ist eine ganz andere Sache, die Oerter selbst zu kennen, als das Papier
zu Rath zu uehinen, massen Einer aus diesem nicht erkennen wird, wo
gute Eager zu schlagen und wo vortheilhafle oder scldeclitc Posti zu
fassen sein; die Karte thut die Bäche, Flüsse und derer Fürthen, die
eigentliche Höhe der Oerter, enge Wege und verdecktes Land nach der
militärischen Exaetitude nicht vorstellen, den besten Karten von der
Welt thue ich die militärischen Itineraria oder Landes-Annotationes,
mithin ein jedes Theil auf der Karte mit Buchstaben nummeriert vor-
ziehen, vornehmlich, wenn durch solche Anmerkungen die Wege nicht
allein, sondern auch der Situs, die Oerter zu den Lagern, verschiedene
Posten, die engen Wegen sainmt ihrer Breite, die P'lüsse und Bäche
mit ihrer Breite und Tiefe, die Fürthen, mithin die Häuser aufm P’cld.
ob sie gut oder schlecht sind, die Dörfer. Kirchen und P’reihöfe, die
Berge sammt ihrer Höhe, oh sic beschwerliche, oder leicht zu über-
steigen, die eingeschlossenen Felder, die Wassergüsse. Gräben und ob
das f.and in gewissen Oertern mit Waldungen bedeckt, die Eigen-
schaften der Ebenen, die Oerter ziim Fouragieren, die Entlegenheit
eines von dem anderen, die Zahl der beim Eingang eines Landes sich
befindenden verschiedenen Wege uml von einem Ort zu dem anderen
bei den beiderseitigen Communicationslinien und ob man bei einem
Marsche über die Felder übcrzwcrch, um etwa vor sich oder hinter sich
zu gehen, marschieren könne, recht cxpliciert und angemerkt werden
und gibt dieses zwar ein grosses Licht, befindet man sich aber auf
■lern Ort selbst und also die Objecte selbst betrachtet, so vermerkt
Einer jedoch einen grossen Unterschied und weiss er nicht, wie er
daran sei. Bei Abgang solclicr Stücke timt man die Inwohner des
l,andes darüber befragen, zu wclchciu Ende die geschicklichsten Officiere
.ausgeschickt werden müssen, massen zu glauben ist. dass um (Iber die
Eigenschaft und differente Situs des I.andes seine Anmerkungen zn
machen ein tiefsinniger Mann, welclier aber selten hei der Armee
■•rfindlich sein wird, erfordert werde, findet man aber einen oder
anderen, so müssen selbigem hei Friedenszeit, niclil aber wenn der
Krieg bereits aiisgebrochen, solclie Kundscliaften aufgetragen weiden,
angesehen selbe nicht in einem Tug genommen werden können und
man solche Nachrichten nicht allein auf unseren, sondern auch auf de"
Feindes Grenzen niul in dessen Land cinzuholen liat, wozu die Frieden'—
zeit uns genugsam F’rist lässt.
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408
Aus dtui .Sflirirtcn des Ki'ldmars<-lialls
(»9. Das Systeina belli muss niclit allezeit auf die dem etwa
stärkeren Feind entpegeiiselzende Macht gerichtet werden, inassen der
schwächste in gewissen l..nndeni (wo die Cavallerie weniger als liie
Infanterie ausvvirken kaniij gegen den Mächtigsten sich sehen lassen
lind Vieles unternehmen mag (evidenter apparet niminni copiosus exer-
citus magis propria inullitudine. quam hostium virtute depressns) ') und
bflers die Herzhaftigkeit des Schwächsten das Uebrige ersetzen timt ;
indem ein geschicklicher General über die grössere Zahl seines h'eindes
Truppen und Vortheile des Landes viel grössere allezeit zu finden
weiss, mithin das Kriegswesen seiner grossen Erkenntuiss, Standhaftig-
keit und Klugtieit nach einrichten wird, da hingegen ein ungeschickt' r
und wenig rnfernehmender unerachtet aller seiner Macht allezeit in
Furcht steht und niemals m.ächlig genug zu sein vermeint.
§ 70. Gleichwie die miltelmässigen Eigcuschaftcii eines Generals,
seine gar zu grosse Vorsichtigkeit, oder Unwissenheit im Krieg und
ahgehende Erkenntuiss des Landes, wo der Krieg einzufflhren ist. sich
insgemein bei der Versarnndiing eines Kriegs-Käthes, wo es auf die
Einrichtung des Kriegswesens ankommt, zeiget, also thut sich auch die
Grossmüthigkeit und Erfahrenheit Anderer hervor, wovon ein .leder durch
ihre gebenden Consilia leicht urtheden wird, cs sind die letzteren in
geringer Zahl, wessentwegen die Einrathungen derer, so aus ihrer
Erfahrenheit und Erkcnniniss des Landes reden, von der diese Eigen-
schaft nicht besitzender Meinung öfters differieren. Der P'drst und sein
Minister sollte aber vor allem eines .Jeden Sentiment nach der Grenze,
wo dieser oder .jener conimandicren soll, beurtheilcn und considcriercii.
Es gibt Einige, denen der defensiv gehende Krieg nicht gefallen
wdl, sondern offensive gehen wollen, unerachtet die ihnen anvertrauen-
den Truppen dem Ansehen nach das Aequilibrium oder gleiche Wage
nicht lassen : man muss sie aber anhören und sich nach ihrer Meinung,
falls sie vernünftig ist. richten und ihnen die Gewalt, nach dem in
Vorschlag bringenden Plan ihre Unternehmungen zu bewerkstelligen
geben; ein solcher, so zum Conimando der .Armee in einer gewissen
Provinz destilliert ist. seine Kiäfle und das von seinen Truppen auf
ihn hegen könnende Vertrauen erkennt, mithin auf das. was er durch
die Erkenntniss des Lundes, dann durch die Eigenschaften und Fähigkeiten
des ilim entgcgengeselzteti Generals auswirken will, seine Gedanken
setzt, wird .Anderer, die solche Wissenschaft nicht haben. Sentinient
verwerfen; min wird auch der Minister die Consilia eines Geneials
unerachtet aller auf selbeti gefassten llocliachlnng nicht approbieren,
allein der Ffirst selbst hat nichts zu befahren, da er eines General-,
welcher den ihm entgegengesetzten h'eind kennt, der seinem Für-teii
t| Ks zi'igt sirli ili'Utlii'h. dass ein allzu grosses Kriegslieer eher ilureh seine
eigene lirössi-, als dtindi ifie 'fapferkeit der Fidnde zugrumtt* geht.
I.iKlu'ii; AikJiims (irufcii Klii-vcnliüllir.
409
ZU verscliicdenen malen gewisse Merkmale seines Eifers, Treue, KIur-
heil und Grnssmiith an den Tag gelegt, eines Generals sage ich.
dessen Name einem jeilen das Bildiiiss eines vollkommenen Helden
vorstellt, Einratliungen befolgt.
5} 71. Aus obberölirlem liegt klar zu Tage, dass das fsvstenia
belli, wenn solcher otfensive gehl, nicht nach grösserer Macht des
Feindes einzurichlen sei. inassen die Geschicklichkeit und Courage das
liierinfalls Abgehende ersetzen können, welches bei einem in dem Cabinet
fiumierendeu Projecl zur Campagne in Consideration gezogen und auf
die vollkommene Erkenntniss <ies Landes Situs, wo der Krieg einzu-
führen stehet, eingerichtet werden muss, man macht allda die Commu-
nicationslinien alsobald und muss der Feind in Veranstaltung der
seinigen sich darn.ich richteti und determiideren, vornehmlich wenn
inan eutschlos.sen ist, demselben im F’eld vorzukointnen und ist dieses
dasjenige, so am ersten und gleich zu resolvieren ist. weil es von den
.Absichten utid Vorsorge iles das Kriegswesen auf sich habenden
Ministers dependiert und er alle Dispositiones in Ansehung der Art iiinl
Weise den Krieg zu führen machen muss; man reguliert und deter-
miniert die zum Feldzug destinierte und resolvierte Zahl der Truppen,
die Grenze wird mit all' Nötliigem sowohl zur Subsistenz der Truppen,
als anderer Kricgsziirüstungen in den dem Ansehen nach am mehrsteti
exponierten Oertern versehen ; wenn dieCominunicationsIinie einmal reguliei t
ist, so kann man die bequemlichsten Oerter zur Aufrichtung der Maga-
zine zum Proviant und anderer Kriegs-Notliwendigkeiten leicht er-
kennen.
Hs wird jederzeit ein gewi'ser Theil der Grenze unseren Ab-
aichten favorabler, als andere, sein, wovon die Armeen nicht leicht
sblassen werden, inassen daselbst entweder importante Plätze, oder son»t
das theatrum belli allda instituiert wird, allein es ist eine beschwerliche
Sache, dem Feind die Oerter unserer Grenze, wo wir ihm ins Land
einzudringen gedenken, wegen der grossen Praeparatorieu an Mund- und
sonstiger in verschiedeno Oerter verlegender Kriegs-.Munition, zu ver-
bergen, wodurch iler Feind bewogen wird, seine Frontibre auch also
zu versehen und von der Seite, wo wir ihm den Einfall zu thuii
trachten, judiciert, dieses ist dasjenige, so die Sache überha ipt betretl'en
tbiit. wozu eine Landkarte ohne viele andere Wisscinschaft ilcn Weg.
wenn Einer nur seine gesunde Vernunft hat. zeigen wird. So nöthig
nun über dergleichen Sachen die commandierenden Generale zu cun-
sultieren, umso viel mehr ist uöthig, sich wegen der Art und Weise
den Krieg zu führen und die Absichten ins Werk zu stellen, guten
Käthes einzuholen. Die Vorschläge und Absichten müssen aber auf
verschiedene Weise eingerichtet weiden, indem der Krieg nicht allez.eit
so. wie wir es uns vorstellen, fortgeht, sondern allerhand Veränderungen
dabei vorfallen und eine einzige nnverhort'te Bewegung des Feindes
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410
Aus «lull Sthi'ifleii iles Kcldmarsrlmlls
öfters das ganze Project einer Campagne und alles uns Vorgenommenes
Umwerfen tlint, worauf besondere Keflexion zu nehmen und vielmehr
verschiedene Absichten zu formieren, als sich an einer zu halten, an-
gesehen öfters der am vernünftigsten eingerichtete offensive Krieg durch
eine mal ä propos gethane Bewegung unglflcklichcr Weise sich in einen
defensive gehotiden verwandelt und müssen hernächst, um auf das
ersterc Project wieder zu kommeti, andere Bewegungen vorgenommen
werden. Es muss ein durchdringender Geist, Erfahrenheit und Wissen-
schaft sein, um die Kunst, seinen vorher zur Offensive fertigen h’eind
zur Defensive zu bringen, zti verstehen, die geringste ühei concertierte
Sache kann uns in die äusserste Xoth bringen; ein aufgefangener lirief.
ein offenhartes Geheimniss, und z.uwcilen ein mal ä propos und oliue
Rctlexion herausgestossenes Wort wird den ganzen Plan einer Campagne
nmwerfen, ja die eine halbe Stunde später exequierte Ordre, eine
ungefährliche und allergeringschätzige Bagatelle wird das ganze WeiO«
verändern, dergestalten, dass man sielt gemdssigt hetinde, das gatize
Systema belli sowohl, als den Moduin zu changieren und die Actioiies
gegen den vorher gemachteti Plan einzurichten.
§ 72. Es muss also nebst dem Mcchaiiico und den den Krieg
hetreffetiden Saclien, dann der hcschehenen Einrichtung der Modus zur
Führung des Krieges auch untersucht und festgesetzt werden, wozu
aber die vullkommeiic und aciirate Erkentitniss des I.andes und des
unseren Grenzen entgegengesetzten Tlieils iler feindlichen Frontiere
unumgänglich erfordert wird, ohne welche nmn nach einem vortheil-
haften Plan niclits ausrichten katin. Es wird ein Fürst, so zu Unter-
nehmung eines Krieges entschlossen ist, selten glücklich sein, wenn er
nicht einen grossen K.ath, um das S 3 'stenia belli ztt regulieren und
festzustellen, versammelt, oder seine geschieklichslen und vollkommensten
Ge.neralspersoncn consultiert, dann sein ganzes Wesen daraus macht,
diese zu kennen, inilliin von seihen allmöglichcs Eicht, weil sie vorher
in diesem zum theatrum hclü atisgcschcnen Land gedienet und die Seele
aller grosseti Voischläge und Ahsicliteii sind, zu nelimen. Ein Kriegs-
Projecl ist in seinen gcringsleti Stücken, wenn ein jedes mit genauer
.Vclitsainkeit nicht unleisuclit wird, sehr hcikllch, es ist nicht wie ein
Scliachspiel, dass man die Eignrcn recht setze und im Anfang ein oder
anderen Satz ihue, so einschlagt, den (icwiiiu des Spieles erleichtert
und also die Victorie zuhiinget, allcrniassen in einem Kriegsrath, wo
cs auf die Eitiriclitiing des Kt iegswesctis aiikomnit, niclit genug ist,
dass alle Erfonlerlichkeiteii au l'ruppen, (ield und aiiilereii Kriegs-
rüstiiugcu. um selhigeti bis zum Endo zu führen, vorhanden sein.
.Mau muss auch nicht weniger betrachten, was man bei den uiiseier
Hoffnung nai'li erfolgciiden guten sowohl, als sonstigen miglücklichcn
Siiccesson zu thun habe, mitliin alles auf's gute sowohl, als üble Glück
regulieren, um abo hei diesem einen lliiiterhalt zu liaben. in jenem
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l.iiJwijr Amlreiis (Jrafeii Klieveiihliiler. 41 J
aber selbes weiter zu poussieren mul das Kroberte zu conservieteii ;
über dieses muss man in einem im (’abiuet ausKemaebten I’roject zur
Offensiv-Campagne niclit weniger dasjenige, so man tbun will, consi-
derieren und solches auf einen Plan, so uns des guten Ausschlages
unserer Unternehmungen versichern kann, aussetzen, als sonst auch
vermuthen, dass der Feind eine gleiche Geschicklichkeit zur üjtposition
habe, damit man also alle Umschweife und Mittel, um dessen Absichten
zu vernichtigen, aubuchen könne ; zu welchem Ende zu sehen ist, oh
man durch Occupierung eines gewissen Posto. dessgleichen der Feind zu
seinem Widerstand nicht einnehmen, entweder also einen Theil seiner
Frontiere bedecken kann, nicht Gelegenheit, ihn zu schlagen, oder durch
eine vortheilhafte Bewegung, wodurch er seine Communicalionslinie zu
verlieren und zu verlassen gezwungen würde, bei ihm einzudringen,
erhalten könne; in einem offensive gehenden Krieg ist das kürzeste
Mittel, dass man den Feind zu schlagen und sich zu einer Ilaupt-
Action einzulassen trachte, massen heim Krieg alles von dem Anfang
dependieren thut; man muss allezeit mit einer eclatanten Action an-
fangen, wenn der Feind zum Schlagen incliniert, muss man ihm vielmehr
Vorkommen und entgegengehen, als erwarten ; will er sich nicht ein-
lassen, so muss man ihn, es koste was es wolle, dazu zwingen, aller-
massen eine Belagerung vor einer eroberten namhaften Viclorie, oder
sonst erhaltenem considerablem Vortheil vorzunehmen sehr schwer ist.
Obbesagte Sachen müssen bei Einrichtung des Kriegswesens und bei
aufsetzeiidem Plan, dann vor anfangendem Krieg observiert werden,
denn wenn man einmal seine Verrichtungen nach dem, was der Feind
vernünftiger Weise dagegen opponieren kann, entschlossen, so werden
die Absichten zu ihrem Endzweck gebracht werden.
Die Klugheit erfordert, dass man seine Mesures von weitem nehmen
solle (pro occasione consilia mutanda et consilia nova novis rehus
accomodanda).') damit, wenn auch bei den Zeiten und Muthmassungeu
einige V'eränderung vorkommt. Einer zu diesem dem General mehr als
einem anderen vernünftigen Menschen schändlicher Bekeiintniss: non
]iutaham. seine Zuflucht nicht nehmen müsse. Bei dem Krieg aufm
Meer hat mau diesen Vortheil, dass ein gewisser und schier sicherer
Plan aller Unternehmungen für eine ganze Campagne gemacht werden
könne, welches aufm Land aber nicht also, sondern sehr beschwerlich
ist, was Sicheres zu stabilieren, massen eine solche Campagne zu Land
mehreren Ver.'inderungen wegen verschiedenen Oertern und Ländern
unterworfen und also viel mehrere Vorsichtigkeiten erfordert, angesehen
ein General, so öfters seine Ordres nnd Bewegungen vcr.'indcrn muss,
so oft er einen anderen Situm der Oerter, wo er campiert, marschieit,
oder schlaget, antrcfl'en thut; allein was wird hiezu für ein .Augenmass,
') Die Pliiiu? .siml nach Mas.*j;ralu* ilur (iuU'Kculn'it zu aiiiioni uml <liu lUMini
Kntsrhlus.sr <|«-n anzupiissfii.
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%
412
Aus ik'ii Sdiriftcn des l'Vliluuirsi'Iuills
was für Fähigkeit, Erfalircnhcil und Wissenscliaft der grössten Tlieile
dieses Handwerks erfordert? zu geschweigen die Aufiiicrksanikeit und
l'nruhc, welche er wegen der Lebensmittel und der Oerter, wo er sie
liernehmen thut, iiahen müsse; ohwulil nun bei einem Krieg auf dem
Meer der Wind nicht allezeit favaroble zu unseren Ahsichlen ist; so
kanu man jedoch (es w.ärc dann selber ganz und gar conträr) die
Ordnung der lialaille formieren und nach dem im Hath entschlossenen
Systemate, ohne viel dabei zu .ändern, die Schlacht liefern, indem das
Meer Einem so günstig, als dein .Anderen sein wird, da ein .Admiral
sich wenig um die Veranstaltungen bekOinmert, weil die Segel von sich
selbst ihre Wirkling thuii ; allein in dem Krieg zu Land kann mau
nicht allezeit den einmal genommenen Weg prosequieren ; wenn dann
Einer das Land, wo der Krieg eingefübrt werden soll, nicht kennt, so
kann man versichert sein, dass ein schlechter Anfang mit der Cam-
pagne erfolge, massen wenn ein General sich in einem ganz anderen
Land, als er’s sich eingebildet, befindet, seine auch nombreuse Armee
öfters mehr embarassiereii wird; man bildet sich zwar öfters ein, dass
die l.änder ungefähr also, wie die uns bekannten, in ihrem Situ be-
scliaffcn, auch grosse Felder und viele Waldungen darin sein, daher
glauben, dass eine namhafte Cavalleric ihren Vortlieil durch wohl ein-
geiichtete llewegungen nehincii werde, allein sie finden solchen Situm
nicht allezeit, wo sie sich gleich setzen können und vermerkt man
alsdann das Gegentheil, dass nämlich die Cavallerie, worauf mau sich
verlassen, ganz friichtlus und uniiützlicb geworden sei: wenn dann kein
Mittel mehr ist. so sieht man. dass gegen die das Kriegswesen unii
de^sen Einrichtung prnescribierende vernünftigste Kunst und Principia
gefehlt worden; der General wird alsdann alle Hoffnung seiner l'iiter-
nelimungen verlieren iinil den Mnth sinken lassen, die Officiere und
Soldaten abci, so dieses sehen, sind erschrocken, inilliiu alles unnütz
und vergebens.
§ 73. Nacbdeni nun bis herzu von dem Modo, das Kriegswesen,
wenn es offensive gehet, eitizurichten, Meldung geschehen, so ist auch
nöthig. dass von dem defensive gehenden geredet werde; gleichwie nun
dieses in gar hesuiideren Stücken besteht und viel mehrere .Mesiires.
Vorsichtigkeit, gesunde A’ernunft und Behutsamkeit erfordert, also ist
dieser Tlicil des Krieges der heiklichste und eine solche Wissenschaft,
so am wenigsten ergründet und erlernet worden und obwohl derselbe
in der Theorie sowohl, als Practica der beschwerlichste ist. so glauben
doi'h Viele, dass es viel leichter sei, defensive als offensive zu gelieu
und zu agieren, die aber das Handwerk verstehen, werden dieses nicht
sauen, da ihnen niemals eine unangenehmere Zeitung gegehen wird, als
Wenn sie bemiissigt, den Feind zu observieren, ihm den Einfall iu die
Grenze zu verhindern und die Treffen durchaus zu evitieren: angesehen
lienjeiiigen, die «fas Kriegswesen verstehen und dieses Handwerk die
I.mlwis AiiJli'as (iral'cii Kln'ViiiliiilliT.
413
uaiize Zelt ihres Lebens geübt, nicht unwissend ist, dass dergleidien
Krieg der gefShrlichste ist, indem selber den Snldaten den Muth he-
iiimnit und dieselben, wenn sie zum Treffen anpefülirt werden, voll-
liummentlich vermerken, dass sie, eleicli ihrem (deneral, dazu gezwungen
•eien; es sei nun auch der von ihnen innehabende I’osto so vortheil-
liaftic als er immer wolle, so glauben sie. jedneli. dass sie um die
llalbsdieid schwächer und ihr Feind unendlich mächtiger und herzhafter
^i: ja die mehrsten Oflieicrc? stellen sieh dieses nicht viel anders vor,
dergestalt dass bei solch gefasster Meinung sie bereits halb geschlagen
sind, bevor der Feind sie angreifen thut; noch eins ist in dergleichen
defensiven Kriegen in Krwägung zu ziehen, dass man nämlich nicht
allem des (icncrals. sondern auch den Humenr der Nation considerieren,
inieni nicht alle Nationen recht dazu beschaffen und tdeht alle Uenerale
dazu fähig sind, denn obwohl sic. die (ienerale. geschicklich sind, so
sind sie jedoch in allem tiirhl vollkonimen, angesehen eine gar unge-
duldige und lebhafte Nation in einem Defensiv-Krieg nicht tauglich
ist. Frfahrene (ienerale wissen gar gut, <lass dieser Theil des Krieges
sehr beschwerlich und heiklich sei: man muss diese Wissenschaft als
»in liimmlisclies (leschenk anschen, denn ein des Feindes Macht bei
einer unumgänglicheu Itefensio nushaltender (jeneral vermerkt wohl, dass
tr diese Personnage lang soutenieren und nach Gelegenheit eine anilere
spielen könne, allein dergleichen sind gar wenig zu tinden, obschon sie
tu offensiven Kriege Miraclcs wirken, zu geschweigen, dass ein defensive
gehender Krieg uns zu viel grösseren Cnkosten nöthigt und das gemeine
Wesen, falls er lang ainiaucrt, totaliter ruiniere; allerraassen selber uns
iiicht allein jederzeit einigen Verlust verursacht und unsere Grenze, so
unsere Truppen aussaugen in L’mstand setzt, sondern gleichfalls be-
fürchtet wird, dass der Feind auf die Gommunicationslinien anfallen ninl
die unsrigen eiubrechen und durchdringen, mithin einiges von der (irenze
des Landes erobern werde; man ist über dieses gezwungen, die Grenz-
Ueiter, welche ebenso stark vom Feinde hcilrolit werden, mehr als
sonst mit Munition zu versehen; allein welcher Füist ist so reich und
mächtig, um alle Festungen mit nöthigen Lehensmitteln und Kriegs-
■Munition auf eine langwierige Helagcrung zu versehen V Bevor nun aber
das Systema eines dergleiehen Krieges iinil der eigentliehe Moilns, sich
daraus zu verwickeln, vorgenominen wird, so ist vor allem die Frage,
"b die am mehrsten exponierten Grenz-l’lätze iiiänilich die von iler
ersten Linie) in gutem DcfensionsstaiiH seien; dieser ist zwar der erste
m beobachtende l’unct und tliäten auch gesetzter Weise diese Grenz-
I'lätze sich in einem solchen Stand bcliiiden. so werden doch daduicli
die wichtigen Beschwernisse, einen solchen Krieg zu führen und zu
soutenieren, nicht erleichtert und gehoben werden.
>5 74. Obwohl nun vorhcriilirterniassen he* einem offensivo
gehenden Krieg das Hauptsächlichste und Vornehmste ist, dass man den
I
r
414
Aus (len Sehril'tcii des KeUlmnrsclialls
Statum belli durch gründlicli und acciiratcste Erkcnntiiiss des I^ande«
einzui'icliteii wisse, so thun gleichwohl bei dem defensive gehenden
mehrere Erfordernisse subversieren. angesehen ein derlei nothdräng-
lichen, verdricsslicheii und betrübt aussehenden Krieg auf sich nehmender
General die Erfahrenheit dessen vollkoniinenilieh besitzen, selben schon
vormals gesehen, ergründet und selbst reiHich betrachtet haben muss,
dann in der Tliat nichts so leicht geschehen kann, als dass man in
einem defensive gehenden Krieg zerstreut und gar geschlagen werde,
über dieses ist auch nicht genug, dass der Status belli nur auf einen
Tlieil oder Platz der Grenzen reguliert werde, sondern es muss dieses
auf die ganze Linie geschehen ; allein was wird’s Mühe und Arbeit
kosten und wie lange Zeit wird nicht erfordert, dieses alles eiiizurichten
und zu begreifen, endlich seinen zum bevorstehenden Feldzug hinlänglichen
Plan zu forndereny aus welchem allem klar hervorgeht, wieviel einem
grossen Herrn und Landesfürsten daran gelegen sein müsse, dass er
von dem Frieden zu profitieren und zur Führung eines heut oder morgen,
früh oder spiU auf einmal ausbrechenden Krieges seine nicht wenig zu
schätzenden Vortlieilc hieraus zu nehmen wisse, wenn wir nämlich hei
soh.di' ruhiger Friedenszeit von einer jeden Grenze, den umliegenden
Gegenden, deren Plätze, von der Commnnicntionslinie einer sowold, als
der anderen Grenz, auf's wenigste aller einen Marsch inner- und ausser-
halb besagten feindlichen und unsseitigen Continiuins unsere Annotatioiies
lind Itineraria aiifmerken; welches alles niclit öfters genug wiederholt
werden mag ; dergestalt, dass man den defensive gellenden Krieg al«o
atifmeiken und zu Papier setzen, die lianptsftchlichst und vornehmste
und gleicli im Anfang, ehe und bevor uns der P’eind Vorkommen möge,
cinzunehniende Posten verzeichnen müsse, welches iin Kriegsrath gar
nicht ausser Acht zu setzen, sondern unumgänglich nötliig ist, dass
dergleichen Annotatioiies daselbst aufgesetzt werden, nach welchen der
die Armee commaiidicren sollende General und etwelche andere die
Veniünfiigst- und flrfahrensteu rccognoscicren gehen müssen, um dadurch
also abzunehmeii, oh solche .Memoiies in der Tliat und Walirheit dem
licfmdeiiden Situi conforni sein und ob der wirkliche Augenschein und
Visus objectoruin uns nicht ein anderes Idclit und Anleitung zur Ver-
finderung des einnial ciitsclilosscneii und eiiizufolgendeii Projecis
etwa gehe.
t} Tö. Vor allem aber sind gewisse baiiptsäcliliclie und viel auf
sicli hallende, mitliiii den Statum belli vei ändernde Posten, welche iiäiti-
licli den regulierten defensiven in einen otfonsiven oder auf’s wenigste
in einen defensiven mit Tiiatliclikeitcii veiwandeln, in reife Erwägung
z<i ziehen, da mau einen General, obwohl er seinem Feind an Macht
iiii'rklich ungleich ist. iiiclit also eitiscliräiiken muss, dass er nicht mit
aller Freiheit bei sich ereignenden guten Gelegenlieiten seinen Feind zu
sehlagen und zur Niederlage zu bringen, davon protitieren dürfe, besonders
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Ludwig Andivas Grafen Klieveiihüller.
415
wenu ihm der Situs des Lundes so vortheilhaftig ist, dass er iliu
schlagen, erwarten oder in einem engen Wege oder aus verdeckten
Orten angreifen kann, indem der Schwache sich auf einer dem Stärksten
gleichen l'ioiile hehndet. weil dieser sich auf verschiedene verdoppelte
Linien zu raitgieren und zu zertheilen beinüssigt sieht und kann die
Situation und dergleichen Vortheile, wenn der General seinen Feind hineiu-
zir/iehen und zu verleiten weiss, ihm die grössten Vortheile zubringen
(enitcre, quantuin potes, ttt tuis inttructis hosles non instructos de-
prehendas, cum armatis inermes. cum vigilantihus dormientcs, conspectos
abs te, cum ipsi te tion viderint, atque etiam. ul locorum ditficultatibus
impeditos ipse constitutus in loco iimnito excipias'. ' ) Er muss ihu uls-
daiiii ohne Zeitlassung, sich zu begreifen, aflaqtiieren (celeritas in prae-
uccupando im|iarato hoste et praeveniendo. maxima iit plurinium victoriae
causa cst);^} allerniassen die grosse Anzahl in engen verdeckten Wogen
keinen I'latz mehr greifet und nichts fruchtet, sondern der Sieg von
besserer und vortrefflicherer Ordnung als des Feindes und von den aus-
erlesensten Truppen eines Haupte# abhängt; diesem axiomati militari
wird keiner, er sei auch wer er wolle, etwas entgegensetzen, weder auch
dieses vorher schon berfihrte. dass niimlich der Status belli auf eine
liefetisio, wenn man dem Feind an Macht gleich und gewachsen ist, nicht
zu regulieren sei, in Abrede stellen können, in mehrcrem Betracht, dass
diiicli solche Kriegs-Einrichtungen man alles in Gefahr setze und die
Ofticiere sowohl, als übrigen Soldaten solche verzagte Anführung ah-
iiehtnend den Mulh sinken lassen und alle auf ihren General fassendes
Vertrauen verlieren, ja sie werden denselben, wenn sie sein auf zag-
hafter Kriegsführungsart persistierendes Gemüth vermeiken, ja gar
grossen Veracht halten, woraus demnächst entsteht, dass gedachte Ofticiere
und Soldaten, wenn der General sich bereits so W'eit eingelassen, dass
er sich nicht daraus reissen kann und sich also durch übel und ungleich
fürgcgangetie Bewegungen zur Schlacht bemüssigt und gezwungen siebt,
auf keinem festen Fuss melir stehen und weiclien werden. Es ist folg-
lich be.sser und ratlisamcr. dass zwar alle Gelegenlieiten zu schlagen,
wo die Anzahl des Feindes .Macht uns überlegeti ist, zu entgehen sei,
jedoch aber solche Occasiones, wo das Land seihst gleichfalls für tins
streitet. vorherührtermasBcn mit beiden Händen zu ergreifen sein, dann
auch ein kleiner Haufen durch seine Tapferkeit und gute Ordnung einen
Grossen niederlcgen könne Ol'“* leotiina pellis non pertitigat. eo inducien-
■) Trachte, soviel Ihi kannst, mit Deinen k.'inipfls reiteii Tnipis 'i ilie itiivor-
Isreiteten Feinde zn ülMTninipeln. mit Bewiitfneteii rnlM^waltnete. mit Wai hsanu n
Sehlafende. während Ifii .sie, sie alsr Dich nieht sehen; sowi«i aneli. dass iZn sie
iu einer festen Stellung erwartest, wiihivnd sie dnn h Schwierigkeiten iler IkslHH'
gestaltong liehindert sind.
*) Die Schnelligkeit, nm vor dem nnvnrls-reiteten Feimle ein Ohjei t zu Is'.si tzen
oder ihm ziiviirziikommeii. ist meistens die Haiiptiirsaehe des Krieges.
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4113
Ans (li'ii Srhril'len des Feldinai'sihulls
lium esse vnipinam. aut potius leoiiiiiam vulpinae siiperiii(luceiidanr);'|
inittelinässigcn Generalen kommt es aber nicht zu, den KrieK auf solche
Weise zu fohren; hat aber iler Kürst das Glück. das.s er mit Generals-
personen vom ersten Hang versehen, so vvird er ihnen ihre Freiheit in
ihren Unternehmungen und zwar vermög’ dts auf sie gesetzten 'ei-
traiiens, Erkemitniss ilirer Kigenschaften. Gaben iler Natur, Herzhaftig-
keit und Gesohicklielikeil eine Schlacht ohne Zwang und ihrem eigenen
Gefallen nach zu liefern, nicht einschranken (reruin gerendarum maslinas
non tempornin celeritate, sed bonis eonsiliis dirigi recte solere: plerumque
enim sera dilatio, cum se demum opporluni oblulit, utilitatis plurinium
olVert. Studium vero et nimia praeparatio, ubi tiec decenti tempore pro-
feruntur suo, miiltis rei perliciendae speiri interdicit. faeilius quippe
imparata aliqua multitudo viiibtis oppugnaia liostilibus vincitur, quam
(|iii niinoribns eopiis, sed alioquin bene instiuetis in certamen se eon-
ferunt), *) ein solcher Ftirst, sage ich, ist glücklich, dergleichen Leute
zu haben, welche durch ihre Erfahrenheit und grossen Dienste gleich er-
kennen, was sie beim Unglück sowohl, als beim Glück in .Ansehen der
Vortheile und Nachtheile der ihnen entgegenstehenden Grenzen für einen
Weg einzugehen haben, wenn man nun solche so weit aussehende Ah
sichten eingeht, so wird einer auch besorgen, für die Armee ihre mög-
liche Subsistenz und das hinter selbiger lassende Land frei zu hahen.
des IJiiterhallc? tmf alle Wege und Oertcr sich zu vergewissern und
sich nach allen dem Feind beliebigen Bewegungen, um sicli seihen n
wiilcrsetzeii, zu regulieren. ..Sulla ad Mariimi : si niagnus diix cs Mm.
deseende ad ceitanien! respondil Marius; imo tu, si magmis es dux. coge
me diiidcare iiivitum“,^) w.odnreh er Alarius hat zu verstehen gehen
wollen, wie er die favorahlen (ielcgcnheiten. den Feind zu schlagen, nach
Nothdurft aber auch zu evitieien, schon zu ergreifen wüsste.
5! 71). Obwohl nun öfters Gencralspcrsonen vor der Spiitze einer
lörnddableii und dem Feind an Macht so überlegenen .Armee stellen,
dass sie dem Ansclien und menscliliclieni Dafürhalten nach, das feindliche
Ki ieg.slieer gleichfalls aufzufressen und ihm seine Grabsehrift zu niaehen
•) Wo ilic l.öwciiliniil iiii'hl p:i>»t, cla /.iclic mau eine Fiiclisliaiil au. "J<-r
iioi-li licsstr eine Uiwciiliaiit äln-r du- Fiiclisliaiit.
a) Ilic wielitigstcii Dinge können gewübniirh nicM duirh Schiielligkeii.
.snndeni iliiri-li reillictu- l.clierlcgnng richtig an.-igeriilirt wenlcui denn liautig liringt
ein .Antseliuli. wenn er nur zur reelilen Zeit eintrill, sehr viel Nnt»-n; HaM nu'l
rel)ereiler aln-r. zumal zur Fiizeit augewaadt. enireissl Vielen die HotTnung auf
die .Ansfidining; leiehter niimlieli winl eine liedenteiide q’nipl«-ninenge, wenn -sie
nnvorln-n-itel i>t. dnis-li einen reindlii-hen .Angritt' liesiegt. als Diejenigi-n. ivehlie
sieh zwar mit minder zaldreii-lieii. aber sonst in guter Ak-rta.s.snng iH-tindliehen
'rrnp{M'n in den Kunipt tn-gelH-n.
a) Sulla .sprach zu .Marius: Wenn Du ein grnsser Feldherr bist, Marius,
steige heial* Zimt Kampfe. Da antwortete Marius: Nein, vielmehr, wenn Du ein
grosser Feldherr bi.'t, zwinge Du mii-h gegen raeineii Willen zu kämpfen.
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T.nclwiR Anclri-as lirnfi'ii Klicvciiliülli'r.
417
vermögen, so werden sie jedocli eine oder öfters verschiedene aufeinander
folgende Campagnes, uneraclitet beiderseitiger Gleicliheit, Vorbeigehen
lassen und mit nieliis vorgelien; allein woher entsteht dieses? Die Ur-
sache ist etwa, weil der Kine obsehon schwächer, jedoch es dem Anderen
an Geschicklichkeit und Arglist vorthut oder aber, dass, wenn sic beider-
seits geschickliche Männer sind, einer den anderen jedoch an llabilität
übertreffe und also Dieser .lenem weichen müsse ; denn sie observieren
dieses Axioma: „qui procul bellum infert, eius quidem est instare, pre-
merc, urgere, otium non pati, non desistere, non languescere, sed agere,
ferreque res hostiuni, omnia tentarc, eius niitem, qui bello petiiiir, qui
sibi salutem, suisque incolumitatem opt.at, est, moras hosti innectere,
differre, frustrari impetus, liidificare virtutem, operiri, dum longa dies,
dum taedium boslinm conticiat vires debilllet, animis spem inanem
ostcmlat.‘‘ *) Es wird dann einer die Kriegs-Wissenschaft vollkomment-
lich Besitzender, kecker, alles unternehmender, arglistiger, feiner, kluger,
grosse Vernunft und ein wundcrbarliches militärisches Augenmass habender
und sich mit nur etwa zwanzigtansend Mann gegen sechzigtausend be-
findender General sich wohl hüten, gegen so starken Feind offensive
zu agieren und ihm mit dem Degen in der Faust auf m flachen Feld
unter die Augen zu gehen, allermasscn dieses nicht zu risquieren w.lre,
thSte er um sich nicht einzulassen, das Terrain jederzeit verlassen, so
verstünde er das Kriegswesen nicht; würde er aber ein gewisses Fand,
dessen Erhaltung und Conservation uns sehr einträglich und von Wichtig-
keit ist. bedecken, ein Anderes, wo uns weniger daran gelegen ver-
l.assen, so wird dieses für was grosses in Ansehung des stärkeren
feindlichen Kriegsheeres, vor dem ein Anderer sich nicht blicken lassen
dürfte, angesehen werden : allein um recht davon zu reden, so wini ein
grosser Capit.iin weiter gehen, alles conservieren, seine Plätze bedecken,
dem l’eind alle seine voikehrcnden Attentate hei allen Plätzen verhindern
und unterbrechen, ilcmselhen imnierhiii zu schaffen machen und ihm
allezeit eine gleiche Grenzlinie entgegensetzen, damit er weder aus den
Schranken der .seinigen hinausfalleii, weder in unser Land einzildringen
Lust finden könne, weil aber dieses was ungemeines, also ist auch
unumgängliclt nöthig. dass man die vortheilhaftigslen Posten bei einer
Defensio cinnehme, welche aber nicht allezeit in einem flachen und
offenen, weder wo viele Abschnitte, sondern in bergigen Ländern zu
finden sind.
M VWr ••iiirn An^rillVkrifjr fiihii. tli*r iniist ihn IwIivüh'ii, «Ininpii,
rtfilrtriltt'ii. Stillstaml iliiliim, nii lit iiii lit fnniulfn, .»iiiith rn
tViiiil wairrn. 1 >it Anjrr'jriiVrm* uIkt, w»‘lrhiT
für >*i< h imtl »liu Si<'!n*riin;r flrr Sfinm vnr Srliaili'ii Mn lit. ilmi Frimir Aut-
UTfituu, ihn hiiihuitrii. sfinfii .\iijrrirt' TaptVikfit wir-
kMMir'»hK mar|u*ii mui WstnOit .■»rin. wjihr*‘U«l «H»- hanir*’ »h'f nn>l tlur l'rlHT-
»Ini!»» iH'- Ffiml*' .Mhwüiht. iliiirn «las Triii:«'ri*vrh*- »lirrr kii '/.i'itfn.
lIitthiMlunKf^n *lrw k uml k Krl**tr'-,\r*liik«, Nni»- Koljtt* \M
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418
Aas ilen Sohrifti'n «lea Fi'lJmarachnlls
§ 77. Nun sind aber bei dergleichen und fast allen anderen
Kriegen Denjenigen, so zu schwach, o lcr nichts hazardieren wollen, die
Schaufel und Hacken ihre ZuHucht und die einzige Waffe, womit sie
sich defendieren und des Feindes Unternehmungen fördersamst aus
ihrer Activitat setzen können ; man thut sich verschanzen und in solchen
Stand setzen, dass man in dem Tranchement keinen Angriff zu befahren
habe, allein, wenn dieses alles wäre, was bei einem solchen Krieg
erforderlich ist, so könnte ein mit mittelmassigcr Wissenschaft dieses
Handwerks Kegabter so viel, als der Allergcschicklichste bewirken,
welches sich aber bei weitem nicht also verhaltet. Gleichwie nun die
Erkenntniss guter Posten uud dabei subversierender Vortheile bei
einem die Armee commandierenden General den grössten Theil seiner
Kriegs- Wissenschaft in sich begreift, also ist auch Derjenige, der sich
in seinem Lager bis an die Ohren wie ein Dachs einvergrabt und
verkriechet, mithin auf nichts weiteres, als den innehabenden l’oslo
gedenket, nicht hoch zu achten, denn wenn solcher J’osto von einiger
Wichtigkeit und also in einem bergigen Land den Unglück.sfUllen, wie
insgemein dazu befahren steht, unterworfen ist, so muss ja wohl nichts
Unangenehmeres sein, als wenn man sieht, dass der Feind einen darin
stecken lasse und zu grosser Schande gereichen, dass man seine
ZuHucht und Vertrauen darauf gesetzt, dergestalt, dass Derjenige, so
sich an dergleichen Oerter gesetzt, dahin trachten müsse, dass er sich
die Communication von einem Thal zum andern versichere und erhalte,
die Commnnicationslinic standhaft einrichte und selbe, so weit immer
möglich extendiere, allerma.s.>.en, wenn der Feind seine Parallele, um in
die gegentheilige einzudringen, weiter hinaus ziehet und sich nähert,
der ihm Entgegengesetzte ein Gleiches thun und vorkehren, sich in
Stand bringen, mithin ihm die Spitze bieten, denn die vom Feind nicht
weit entfernten Posten, da er ihn durch einen Uontramarsi'h hierinfalls
verhindern könnte, zu erreichen trachten muss. Es erfordert eine
besondere Wachsamkeit und vollkommene Erkenntniss des Landes Situs,
um den Einfall darin zu verhindern und einem ni.Achtigeren, liann keine
Zeit verlierenden Feind das Territorium zu disputieren, allein ein grosser
Held wird in einem beschwerlichen, rauhen und unebenen Lainl die
guten Occasiones weniger abwarten, als selbe durch seine Geschicklichkeit
erwachsen machen; er wiril alle Kriegslisten und Siralagemale zu Hilfe
nehmen, tausemlcrlei Mittel austindig machen und den Feiitil zur
Defensio verleiten (intcr allias belli ratiom-s modum agemli non esse
modico fuciendunt. (|uippc per iiuein plerumi|ue accidal. ut, i|uae im-
pnssibilia esse, solent, impossibilia lianl);’) eilt General, den sein enl-
gegengesetzter Feind in seinen Absichten aufhalten und amüsieren will,
*) l'iiter iniden-n ItUeksirliten im Kriegf ist dii- .Art di-s Vnrjodieiis nicht
zu unterschätzen; ilenn durch die<e rreschielii es meistens, ihc*s das. was miinü|:1ieh
zu sein .scheint, iniirrlich wird und tias. was intnriieli zu s.‘in plle^rt. iinnirarlich wint.
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T.ndwie Andrea» firafen Khevenhüller.
419
muss vielerlei teiilicieii, ju sogar solche vorkelireii, welche dem Ansehen
nach unmöglich und unnherwindlich zu scheinen, massen durch die
beständige Aetivität die sonst, wenn nichts tentiert und vorgekehrt
wird, allezeit unbekannt bleibenden Hilfsmittel und Pixpedientia sich von
sieh selbst geben. So grosse rngleichheit nun der Vortheil eingenommener
guter Posti zwischen zweien, obieich an Macht gleichen Armeen ver-
ursachet, so wird auch ein, obzwar an der Macht schwächerer General
durch Xehmung guter F’oaten des Stärkeren grosse Macht fruchtlos
machen.
§ 78. Gleichwie man von des Autorum natrirlichcn Eigenschaften,
Sitten, Geneigtheiten, Wissenschaft oder Unwissenheit durch seine ans
l.icht producierende und edierende Scripta judiciert, also ni.in auch von
vorbesagten QualitStcn eines l'eldherrn durch seine .Actiones urtheilef,
.allermassen ein geschickter und scharfsieniger, das Gute von dem Bösen
zu unterscheiden weiss; man judiciert gleich, oh der General tapfer
und keck sei, wohl abnehmend, da.»s er zu den Operationen schreiten
könne, auch wirklich solche vorkehren thut, hingegen wird seine
/..vghaftigkeit auch leicht daraus zu vermerken sein, wenn er sich vor
den Unternehmungen fürchtet. Seine Geschicklicheit wird derselbe durch
die Ausführung seiner Absichten, durch den den feindlichen üesseins
entgegen setzenden Widerstand, durch seine Achtsamkeit, die. P'ehler
lies P’eindes sich zu Nutz machen, mithin durch seine Wachsamkeit
das Praevenire zu spielen und .alle unvermutheten Ueherfallungen zu
verhindern klar an Tag legen; ist er aber nachlässig und faul, so wird
man solches durch die über sich nehmen lassenden Vortheile, oder durch
Abgang erforderlicher genauer Aufsicht nnd P’leisses nicht ergreifender
.Avantagen leicht erkennen; will man aber wissen, ob er das militärische
Augenmass habe, so schaue Einer nur die von ihm einzunchmen
suchenden oder wirklich oecupierten Posten an ; seine Keckheit und
Grossmuth wird aus den beschwerlichen auf sich nehmenden und zu
dem ausgesteckten Pindzweck ausführenden Unternehmungen erhellen,
denn, f,alls er verwegen ist, solches aus seiner Pägensinnigkeit, die
beschwerlichsten und allerunflberwindlichsten Obstacula mit Gewalt zu
heben, leicht abzonchrnen sein; dergestalt, dass ein P'eldherr die Wissen-
schaft und Phkenntniss guter Posten be.»itzen und den cum dolis et
simulationibus ') dem üusserlichen nach defensive führenden in einem
Augenblick in einen öffentlichen und kecken offensiven Krieg ver-
wenden müsse, zu welchem Ende er aber alle Spitzfindigkeit und
Arglist, inilhin Geduld und ausserordentliche Standhaftigkeit zu Hilfe
nehmen, in den beschwerlichsten Unternehmungen, wie schlecht die
Sachen auch anfänglich aiissehen. nicht verdriesslich werden, sondern
seinen Pbidzweck beständig vor Augen hallen nnd auf seihen zngehen.
Mit bist und Vci'stcliimj'.
•r,*
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420
Ans il<“n Srliriftcn des Koldniai'SPli.'iHR
auch seine hiezu einßcgangenen Wege verändern und durch andere
Anibages. wenn’s direcle nicht gesclielien kann eingehen und dahin
ahzielen soll; vor allem und hauptsächlich soll er geschickt und geschwind
sein, die kostbaien Augenblicke zu ergreifen, welche aber, falls der
General solche, durch sein durchdringendes Licht und Vernunft nicht
leicht abzuuehmen, zu amplectieren und gleichfalls im Flug zu schiessen
weiss, wunderschnell verscheinen ; letztlich soll der Feldherr am mehrsten
dahin sehen, dass er niemals etwas unternehme, er habe dann vorher
reiflich überlegt, ob solches seinem Vaterland vortheilhaftig und
crspricsslich sein könne und nichts seines eigenen Kuhmes halber
unternehmen.
Capitel XI.
Observation die Armee betreffend.
§ 79. Es liegt nicht alles an einer zahlreichen Armee, wie denn
die Erfahrniss gegeben, dass eine kleine unter Anführung trefflicher
Generale der grösseren viel zu thun gegeben Imt. wenn also ein General
mit Standhaftigkeit, Grossmuth, guter Anführung und Geschicklichkeit
mit seiner kleinen Armee agieret, so wird er solches geviiss vcriticiere»,
(fortitudiueni esse, si quis robore pugnantes devineit hostes, consiliom
vero extra proelium arte et dolo victoriam adipiscit et in ipsa wie
quidquam machinari, quo consilio praevenientes fiuem praelii victoris
paretur), ') welche Geschicklichkeit in dem bestehet, dass einer die
kleinere Macht der gar grossen vortheilhaftig entgegen zu setzen wisse.
(Dux vigilans, sobrius, prudens, tanquam de eivili causa inter partes
judicaturus, adhibito consilio de suis et adversarii copiis judicet, et
si multis rebus superior invenitur, op|)ortnnum sibi ne differat inirc
conflictum ; si vero adversariorum intcliigit potiorem, certamen publicum
vitet, nam pauciores numero et inferioribus viribus superventus et
insidias facientes sub bonis ducibus reportarunt saepe victoiiam).’) Wie
viele Beispiel könnten nicht die Wahrheit dieses Grundge.setzes mit
Bestand demonstrieren? nehme Einer nur die von uns im laufenden
. Ta])fcrkcit ist, wenn jem.md die mit Watrengewnlt käin|ifendi‘H
Feinde besiegt; — Klugheit aber, wenn er ans.ser der .Sehlailit durch Kunst lind
List den Sieg erringt iiinl in der Sehlaeht .sellmt alles aussinnt. wiMliireli inan
di'in Wafti nglüeke vorgndft iiml den Sieg erringt.
*) Der waelisaine, bi'siinnene. und kluge lleerOiliivr soll, als wenn er in
einem bürgerlichen Keehtsstreite zwischen den Parteien eniseheiclen wollte', mit
Beiziehnng von lienithern über seine und des (ic-gners Streitkräfte iinheileii und
wenn er sieh in vielen Slüekcai üls'rlc'gen Hndet, möge er eben ihm gün.-tigen
Kumpf nieht anfsc'hic'ben ; wenn er aln-r den liegner für ülierb'gen hält, .so ver-
meide' c'r eb'ii olteiie'n Kampf ; ib'ini die wi'iiigc'r zahli'c'ii'he'n nnel sob'Io'. we-le-bi'
mit ge'ringe'i'en Kräfte'ii rc'be'rfälb' mai'hte'ii nml Hinti'rhalle b'gleii. haben, nnte'r
guten FUhi'i'rii. häutig den Sii'g davongi'tragi'n.
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Luilnifr AndivaK Grafen Kheveuhiiller.
423
§ 81. Wenn der Krieg in einem allezeit gleichen Land geführt
würde, )^o müsste auch die .Anzahl einer jeglichen Armee dieser
{lleichheit nach rangieret werden, es sind aber alle liänder nicht eins,
wie das andere, da man gleich ebene, gleich aber beschwerliche Oerter
antreffen thut; in einem ganzen oder halben .Marsche vorwftrts oder
hinterwärts befindet man sich ausser allem Vortheil nnd wird uns die
Cavallerie oder Infanterie, auf deren Kraft wir unsere niehrsten
Vortheile gesetzt, ganz fruchtlos, da der Feind hingegen des Terrains
jirofitierct ; bei allen während einer Campagne vorkehrenden Bewegungen
observieren wir allezeit verschieden veränderte Situs, welches bei einer
sowohl, als der anderen Armee sich äussert und ist man cinfolglich
gezwungen, auch also öfters mit Anführung und der Methode gereudi
belli zu changieren.
Belangend aber die Cavallerie, so ist selbe in gewissen Oertern
so unnfitzlich, als sie in anderen vortheilhaftig sein mag (in patentibns
agris nunquam ei sponte et ultro certamen snscipienduin, qiii equitatu
longe est inferior, quam hostis) (locum, in quo pngnandum, inquirendnm,
esse, ec utrnm hostibns, an nobis videatur accomodus, nani si equitatu,
gaudemus, campos debemiis optare, si peditatu, loca eligere augusta,
fossis, paludibus, vel arboribus impedita, aliquoties montuosa, cui
magis victus abundet, aut desit). (Si peditibiis tuis victoriam speras
contra equites, loca a.spera, inaequalia, montuosa debes eiligere; si
vero de eqtiitibus tuis contra adversarii pedites victoriam queris,
sequi debes paulo quidem editiora loca, sed plana, atque patentia.
neque silvis neque paludibus impedita). ‘) Die Kriegs-Erfahrniss und
Grundgesetze erfordern keineswegs, dass man von der Defensive gleich
zur Offensive greifen solle, dass man nämlich verwegener Weise nur
auf das Schlagen und Brusquicren gedenke, allein es ergibt sich leider,
dass öfters ein General mit jungen Prahlern, auch Generalspersoneii, so
nicht viel besser sind, umgeben ist, so gegen ihn aufstehen, und
selben zur Lieferung einer Schlacht zwingen wollen, sowie aus Abgang
genügsamer Expcrience, dann gegen den Feind tragenden Veracht,
mithin aus dem auf ihre weit vom Feuer und nahe dabei wie ein
Schalten an der Wand verschwindende Herzhaftigkeit setzenden eitlen
Vertrauen den General dazu zu bereden traehten.
*) Im iifffiieii Felde ilarf Berjeiiige niemals den Kumpf aus eigenem Antriebe
nnil freiwillig iinfneknien, der an Heiteren viel seliwüelier ist, als der Feind.
t>er Ort, wo p'kiiinpft wenlen siill, muss ennitlelt werden; aneh oh er lins
isler dem Feinde piissf ; denn weiui wir genug Kelterei habmi, niiissen wir d,ns
Feld wühlen; wenn Fnssvolk. dünn enge dnreh Grälien, Sfunpfe (uler Uknme nnter-
bnuhene etwas gebirgige Oertlielikeitini nml darauf aeliten, ob sie I.'cberltnss oder
Manpl au ladanismitteln halani.
Wenn du von deinem Fussvolke den Sieg gegen Reifer hoffst, so musst du
-leile. nneliene. gebirgige Oerfliehkeiten aiissneheii; wenn du hingegen dnreh deine
Keilerei das Fussvidk des Gegners zu besiegen sirelisl, dünn siielie etwas erhöhte,
aller ebene und offene, wisler dnreli Wähler, niieh Sümpfe iinterlimeheiie Oerflieh-
kfiten.
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424
Aus ili'ii Srhriflfti dus Fiddinarsclialls
{} 82. IHc Ehre der KricRsheerc. sie seien zu Wasser oder zu
l.aml. ist von der Anzahl und Ta|'ferkcit der Tiupiicn viel weuiRer,
als von vortrefflicher Ordnung der Hataille ahh.'lugig, Diejeniacn so von
einem Krieg nicht anders, als nach Mas.sgebiing der Anzahl der beider-
seits schlagenden Truppen was machen und die kleinen ihnen keine
grossen Vorbildungen l'ormierenden Kriege verachten, haben derer das
Handwerk recht verstehenden Curiositilt nicht, indem die Erfahrenen die
ungefährlichen und gemeinen Thaten von gesehickliehen und mit Vcrnonfl
ausfahrenden zu entseheiden wissen, allcrmasseu ein goschickliclu-r.
kecker, standhafter und resolvierler, vor der Spitze einer schwächeren
Armee stehender üeneral durch seine Herzhaftigkeit, gute Adresse und
Anführung seinen, obwohl mächtigeren Antagonisten dergestalt herum-
leiten wird, als wenn er eine viel stärkere hätte, denn die kleinen
dergleichen Chef auverlrauten Armeen am mehrsten zu fürchten und zu
ungemeinen Unternehmungen die geschickliehsten und besten sind, ja
dieser, wenn er auch mit offenbarer Force und Uewalt und so zu sagen
mit klingendem Spiel niclit obsiegen und des ilim überlegenen Feindes
Absicliten sicli niclit widersetzen kann, wird jedoch in Arglist und dolis
militaribus seine Zuflucht und liinlängliciie Hilfsmittel allezeit finden,
dann wird er die Maxime, dass nämlicli bei allen grossen und kecken
Kriegs-Unternehmungen die Beschwernisse und Ohstaculu nicht so viel,
als das Utile angesehen werden müsse, nicht vergessen.
83. Die Armee besteht in Infanterie, Cavalleiic und Artillerie
und zwar nach Proportion des Feindes, des Landes und der Fe.stuugen.
dann in der so klein als möglich sein sollenden Bagage (nugna mulü-
tudo est damnosa, tum qnia difficilius regitur, tum quia lahoriosiiis in
victualihus providelur). *) Es muss auch die Cavallerie der Infanterie
und dem zum Theatro belli destillierten Land proportioniert sein
(Equitibus campi. peditihus colles, urbes, plana et abrupta servanlur.
omne in pedite robur).*) Dergestalt, dass die Armee mit recbtscliaffener
gemessener Anzahl von obhesagteii versehen werden solle, masson das
ganze Corps durcli Abgang eines hauptsäehliclien Gliedes unvollkommen,
das Kriegsheer ausser Stand gesetzt ist, jenialen einige Utiternchmungen.
wenn die beiden nicht proportioniert sind, vorzukeliren. Xiiii ist zwar
incontestable, dass die Reiterei dem den Krieg führenden Eandesfürsten
unendlich höher zu stehen komme und cs viele Mühe zuweilen koste, selber
auf lauge Zeit ihre Subsistenz zu versehaffeii und man sich öfters
dadurch bemüssigt finde, die vortheilhaftigsten Lager, weil man den
nöthigen Unterhalt und Fourage daselbst nicht rindet, zu verlassen,
welchem aber uiierachtet gedachte (Kavallerie iiimmg.äiiglich iiöthig ist,
t) Kin prO'iscs Hivr ist .st häillich : tln ils vii il rs si liwiiTi(rer 7.n Iritfii.
theihs weil dessi'ii Vei>iinriiiig mit I.ilK'iismitli'lii niühi volli'r ist.
*) I)fii ItirittTii .siiiil ilie Fi'MtT, di'iii Fii.ssvolke Hiigrl. .'slHiltt*. EImmicii
lind .stidls tliilii'ii aiizmv.iscii ; nllr .'«färki' liigl in drii Fnsslmiipen.
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Liiilwii; .Ajiilrpii« (iraffn Khfveuhiillcr.
425
um in (lau t'eiiiiilirlic Land l’artlii'ien /.u sdiickcii, <li>ii Kuind zu Über-
fällen und in weit eiilltgeiie Oerter seiileiinigen f^ueeuis zu f^eiiden, nni
die Convois aulzuliebcn, die Zu- und Ueberfuliren des Feindes zu Ver-
bindern, die Fouragiers zu insullieren, in ibrem Lager zu beunrubigen,
den Feind in einer liataille auf der Seile anzugreifen, die in Unordnung
gebraebten feindlieben Truppen zu verfolgen, niilbin die Infanterie bei
unglücklichen Zufällen zu unterstützen und zu soutenieren, angeseben
die F'eindc die Itcitejei allezeit nicbr, denn die Infuntcrie fürchten,
weil einige Nationen besser mit der Infanterie, andcie aber mit der
Cavallerie fechten.
•
8 S4. Hiebei kommt zu melden, dass einige Nationen zur Cavallerie
gcscbicklicber, andere aber besser zur Infanterie taugen, wessentwegen
l>fci den Ilekrutierungcn wohl zu beobaebten, die FussUncebt- und Cavallciie-
Rccruten in den Provinzen und llcrtern, wo die Leute zu dem einen
oder anderen des Landes und ihren Eigensebaften naeb, gcscliicklicber,
zu werben. Es gibt ja die Erfahniiss selbst, dass die Leute, so in <leii
bergigen Ländern zu kriechen und klettern, dann zu Kuss zu geben
gewohnt, besser zur Infanterie, hingegen in den Provinzen, wo man
meisteiitheils mit den Pferden arbeitet, sie zur Cavallerie tauglicher
seien. Die liCute, so in armen und miserablen Ländern wobnen, sind
gehoi sanier, als die in reichen, lassen sich auch leichter, als die geinäcb-
licli zu Hause lebenden, unterhalten; mit einem Wort zu sagen, der
Eine incliniert zur Infanterie, der Andere zur Cavallerie; voribeilbafiig
ist cs auch, dass man in fremden Landen Reeruten werbe und die in-
läiiilischen auf den Nolbfall behalte, von verbeiratbeten Leuten müssen,
so viel immer möglich wenige angenommen werden, denn der grossen
von Weibern und Kindern herrfihremien Belästigung zu gesebweigen (ex
actu enitn cariialis delectatioiiis mollescit animus, et minus virilis
redditur), *) so werden andern, ihre Weiber zuriieklasscnde zum Deser-
tieren geneigt sein. Es ist auch eine beständige Wahrheit, dass die aus
freiem Willen das Kriegslebcii Ergreifenden jederzeit tapferer, als die
ticzwungeiien sein werden. Nun könnte Einer sagen, dass Müssiggänger,
weil ihnen die .\rbeit nicht schmeckt und die Lasterhaften, um der
Strafe zu entgehen, sich unterhalten lassen; allein der bei der Kriegs-
Profession snbversierendc Rigor niaebt sie schon gescheit und thun die
scharfen, unausbleiblichen Bestrafungen und sonstige Discipliii sie in
ihrem Laster schon corrigieren und hindern, zuweilen äussern sich (ie-
legenheiten, dass man solche anzunchnieii gezwunaen ist; cs gibt auch
zaghafte Nationen, welche gar nicht zu iiehmeu sind, sondern cs müssen
Leute von kriegerischen Gcmüths-Nciguiigen gesucht werdtn. Man will
sagen, dass diejenigen, so in temperierten Ländern, wo es nümlieh
') IS'iiii (lurr)i siniilii'lM'ii (ii niis.s i i'st litii IVi ili-r .Miilli iiiol vi rlii rt an sciiii r
Manllliafliirkeit.
I
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4^6
Aii>^ livii Srhiifti'M lim Frldiiiarficlialls
nicht all/.ii killt, noch all/.u ^russc Hitze ist. oder wo eines dem anderen
gleich ist, ulle beide die besten seien (et loconnn itaque et animalium
et corponim et inoruai varietas, mixtura elenientorum fadt, et proiiidc
in aliquus tuagis ineuinbunt ingenia, prout nlieujis eleiuenti inajor vis
abundut) ; ') gut ist es, wenn man Leute von der Religion seiner eigenen
Nation haben kann (agiiantur non raro seditionibus inter sc, quin et
armis dccertant, dum suam rcligionem singuli alii.s anteferre conantnr). ')
Nachfolgende Kigensehaflen werden von einem Soldaten erfordert: (ad
dclcctiim niilitiim quod attinet:) ,,assumendi sunt illi, qni assueverunt.
hiemem et aestatem juxta pati. hnini requicscere, eodeni tempore ino|iiam
et lakorem t«lcrarc quos cibus, quem occupant, satiat ; qnibus non in
lingua est animus, non in pedibus tiducia, sed in lacertis; qui in fronte
ostendant vulncra, non in tergo: qui nihil appetunt. nisi honestam,
nihil metuunt, nisi turpem famam, quiqtie dueum imperata sine recu-
satione .strenue et fidcliter exequuntur, contra non admittendi erunt ii,
imo plane excludcndi ab omni militia, qui assueti sunt latrociniis, hel-
iorum insolentes, qiionim lingua vana, manus rapacissimae. gnia immensa,
pcde.s fugaces et citi, qui per omnia municipia desides lios])itibus
inetuendi hospites ; quibiis nt ad populandos finitimorum agros, tectaque
nrenda pecora aliqua vis sit. ita in ade et signis colatis nulla est;
quia nec in victoria decus ponunt, nec in fuga flagi'ium, vere galcati
lepores, hos adversemur sedulö, nec inter contubernium admitlamus";^)
es ist auch nicht gar zu wohl zu rathen, dass man die Deserteurs
wegen ihrer Unbeständigkeit und angewohnten Neigung zum Vagicren
anwerbe (desertor raro fortiter finit). Den vom Feind ttberlaufcndcn
■) Die Verscliieileiiheit der (teriliclikeiten. der Tliiere, der Kür|ier und der
Siitleii bringen dies hervor; daher lallen den Killen mehr (ieisle.sgalani zu als den
.tiidern: je naehdem die Krall irgend eines Klemeiites vorhensiehl.
*) Xieht .«eilen entsteht Zwielraeht unter ihnen, ja sie kampten sogar mit
Warten, wenn die Kineii ihn* Iteligion jener der Alldem vorziiKiehen versneheii.
-^) Was die Aiishetaing von Soldaten aiilangt, so sind sulehe zn nehinea,
welehe gewohnt sind. Kalte lind Hitzi' gleieh zu ei*t ragen, auf dein Ikaleii aiisznniheii.
Nolh lind .tnstreiignngeii gleiehzi-itig zu ei*tnigen. welehe jede Nahniiig. die sie
gerade hala‘11. sättigt, den*n .Mulh nieht in der Zunge, das Vertmneii nicht in den
Kiissi*n, sondern in den Vorderarmen liegt, welche vorn Wunden zeigen und nicht
rückwärts, welehe iiiehis verlangen als eiiun guten und nichts riirehteii als einen
sehleehlen Hilf und welche die Het'ehle der Führer ohne Widerrede wacker und
treu aiisfUhrvn. Ji.igegi*n sind jene nicht znziilasseii. ja sogar von jedem Kriegs-
dienste ganz ansziisehliessen, welche gi>w'ohnt sind. Itäiils'reien zu vehilH*ii, des
Krieges ungewohnt, die Zuiip* gros-sprceheri.seh. die Hände diehiseli, die liefriissig-
keit masslos, die Fü»e tlnehthi'reit und sehnell, welehe in allen Städten müssig,
den <iaslgels*rii gefürehtete (laste sind, welche zwar hedentendes tle.sehiek lK*sitzi*n.
die .\eeker der Naehharn zu verwüsten, die llänsi-r anzn/.iindeii und die Herden
zu raiila-n ; in der Schlacht ala*r und unter den WatTeii keine Kratt haheii ; welehe
im Siege weder eine l-ihre, loM-h in ih r Fliieht eine Sehiiiaeh snehen ; kurz la-
heimle Hasen sind, (legen diese sollen wir uns eio rgiseh straiihen und sie nie als
Kameraden annehmen.
*) Der Fahnenrinehlige enilet .selten tapfer.
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I.iiilwi); Aniln'Ks (irafuii Klu'vcnhüller.
427
I»i>crleurs ist zu erlauben, dass sie ihre Kleider, Watten und Ress ver-
kaufen und sind selbe wobt zu etiiiifangeii und mit l’asseports in andere
Länder zu versehen, jedoch nicht viele miteinander abgehen zu lassen ;
tiiüsaen sie etwa Städte dnrehpassieren, so ist ihnen kein Aufenthalt zu
ucstaiten, sondern ihnen eine Convoy von einem Thor zum anderen zu
geben; kommen sie in einiger Menge auf einmal, so sind sie in ver-
schiedene Wege zu zerlheilen, ohne dass Einer von dem Anderen etwas
wisse und ihnen keiner Orten ein Aufenthalt zuzulassen, allerniassen
öfters dergleichen l,eute unter diesem Vorwand nur zum Spionieren
aosgeschiekt werden ; ist man nun in der Notli, solche zu nehmen, so
sind jedoch niemals besondere Corpi daraus zu formieren, sondern sie
müssen bei verschiedenen Regimentern und Compagnien nntergestochen
werden ; es begibt sich ja, dass man solche auch ohne N'othwendigkeit
arinebmen müsse, weil zuweilen die Passagen vom Feind besetzt und
man sich auch in einer Insulc befinden kann, auf diesen Full muss mau
gar divulgieren, dass man alle in Dienste nehmen wolle, massen ohne
dieses nicht so viele vom Feind übergehen würden, wenn er nämlich
eicht vergewissert ist, dass er sich weder in Sicherheit setzen, noch
Dienst nclimen könne, hingegen sind in den Grenzstädten gar keine in
Dienste zu nehmen.
§ 85. Mau muss auch uiclil ohne sonderliche N'oth fremde Tiui>pen
in seine Dienste nehmen, angesehen diese jederzeit höher als die eigenen
Truppen wegen den zu ihrem Nutzen türgehenden (Kapitulationen zu
stehen kommen (Romulc militibiis seisti dure commudu colus, li^cc mihi
si dederis commoda, miles ero). ') Retraclite man nur. was sic heiin
Fonragicren sowolil. als anderen im Wililer-Quarticr brauchbaren Suchen
nicht verderben, was sie auf den Märschen nicht e.vtorquiercn, womit
ja ganze Regimenter aufzurichten würen ; denn gleichwie diese fremden
Völker wohl wissen, dass sie nur auf eine Zeit laug dienen, also rauben
und stebleii sie, gleicli in des Feindes Land (oninia tanqnum externa,
aut urbes hostium iirere, vaslare, lapere vere liirundiiies aeraiii);")
folgt die Zahlung nicht schleunig, so werden sic aufrührisch iiml geben
zurück, wie iiicbr man ihrer vonnötlien hat, wie insolenter sic dadurch
werden und niemals in eine cxactc Kriegs • Disciplin zu bringen sind,
allezeit Huden sich Bescbwernissc. mit ibnen wegen der Unternehmungen
und Operationen einhellig zu sein und hat Jener gar wohl geredet, dass
wenn auch der grosse Alexander seihst seine gefassten .\hsichieu uml
Entchlüssc auf das Ltenehmeii der holländischen Depulicrien aiisgestell-
hätte, so würde er seine (,'onqnetes nicht sicher gemacht haben ; hier
unter ist weiters zu hctraclitcii, dass, wenn durch Fehler der Auxiliär-
') Romiilns. I>u iillcin wiissti'sl dm SolilHtm VoHticili’ zu in’ls'ii. Wi’iiii Du
mir dies«* Vnrtlifil** gew.-ilirst, wenb* ich .'Solöiit.
SiH tiri'Unm, vtTwiistfM und runtMUi »Ilt-s. jits wun- us frumdus
uml 1‘fimll jchi's truliiut. Ks sind walirr ararisrlm /.ngvOjrrl!
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42B
AiJ.' ilfu Schril'ti’ii <l<-.s FKldiiiarsilialls
Trui>|ieii eine Bataille verloren t'clit , inan in der Welt mdit sagen
werile, dass selbe die Scidaelit verloren, sondern die den Krieg priiiei-
jiaiiter fiilircnde Nation dafür angesehen werde ; ist aber die Sclilarlil
gewonnen, so werden berührte Auxiliär -Truppen, obwohl sic den ge-
ringsten Tlieil nieht daran haben, ihnen den grössten davon zuschreiben;
über dieses thiin die fremden alle ihre Noiliwcndigkeiten aus ihrem
Lande initbringen, viel Geld in selbes zuriiekbringen und die Maulli-
Kinkünftc unserer Provinz sehr schwfichen; sind ihre llegimcnter ein-
mal ruiniert und in l'mstand gebracht, so kostet ihre Herstellung dreimal
so viel, als anfangs (utilius constat, arinis erudirc suos, quam alicnos
mercede conilucere), ') massen, wenn man uur mit eigenen Truppen sein
Kriegshcor unterhaltet, so ist auch noch dieser Vorlheil dabei, dass die
Unterthanen kriegerischo üemOther haben, zumalen die eigenen Truiipen
durch die fremden öfters verffihrt werden (admitle (statt amitte) a tc
aligeuam, suhvertet le in turbine, et ahalieiiabit te a tuis propriis).')
Bei so vermischtem Kriegsheer subversieren auch noch andere Incon-
venienzen, dass nämlich die eiidieimischen Leute, wenn die fremden
etwa besser gehalten werden, daroh einen Verdruss schöpfen und sonst
auch noch Zank und Zwiespalt, ja gar wegen Unterschied der laimk»-
Sprache öfters entstehen, denn gleichwie, wenn ein Gehörloser vermerkt,
dass Andere nur miteinander reden, so vernimmt er allezeit, man thue
gegen ihn murren (Si ergo uesciero virtutem voeis, eio ei, cui loquoi
harharus, et qui loquitur barharus).3) Ohne diesen Unterschied der
Sprache thut die Varietät in Dienstsachen auch noch Confusioii «r-
Ursachen und thun Fremde für eine andere Nation niemals etwas wagen
(Bonus pastor aiiimam siiam dat pro ovihus suis, Mcrcenarius autem. et
qiii non est pastor, cujus non sunt oves propriae videt lupum vciiientem.
et dirnittit oves et fugit, et lupus rapit, et dispergit oves, mercenarins
autem fugit, qiiia inercenarius est, et non perlinet ad cum de ovihus).*;
Es muss also ohbe.sagtor masseti die höchste Noth erfordern, wenn man
.Vuxiliar-Truppcn zu Hilfe nehmen thut, diese Nccessitäl entsteht aber
alsdann, wenn ein souveräner Herr ein gerechtes Misstrauen auf seine
Untuithanen hegt und ihm die Treu verdächtig sein kann, alsdann
nimmt man unter dem Vorwand, dass das Land an Volk niclit dimi-
nuiert werde, fremde Truppen, wodurch also jene durch dieses Miss-
trauen nicht weiters irritiert werden ; diese Noth verursachen auch die
■) OlVi'iilwr ist cs iiiilzlichcr. die Sciiiigcii in den Waflen aicsziibildcn', als
Krcniile in Snld zu nebincn.
-) Entfenic viin ihr den En-indcn; er winl dich in Wirlicl stnrz<'U und
dich ilciiicn Eigenen entlreimlen.
Wenn ieli die Sprache (d(‘S Andern) nielit vei>telie, .so ei-scheiiie ich ihm
lind er mir als Barliar.
*) Ein guter Hirt gibt sein tsda'ii lür seine Sehate; der Miethling al«*r.
der nicht Iliii ist. dem liie Sthale idelii gehön-n. sielit den Wolf kommen, ver-
lasst die Schafe lind llielit: der Widf raubt und zersln-nl die .Schafe. IVr Jliith-
liiig Hielit alHir, wi-il er Mietbling ist und sieh inn die Schafe nirlit kümmert.
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r.uilwi" Andreas tirnfen Klievonliüller.
429
einlieimiselien Kriege, I)esonders wenn der Landesherr oder sonsliife Ohrig-
keit nicht genngsames Volk hat, hei diesem Kall ist wohl dahin zu
sehen, dass der diese fremden Völker coinmandierende General ein
der Nation und der Person ihres lierrn wohl zngetlianer Mann sei,
welchen man auch also wohl tractieren muss, damit er sich unserer
Sachen rechtschaffen annehtne ; die Truppen müssen aber in verschiedene
Provinzen, Plätze, Armeen und Detachements also zcrthcilt werden, dass
sie die National-Truppen, an der Zahl in den vorschiedenen Corpi nicht
übersteigen, angesehen wenn sie stärker wären, sie uns Leges vorzu-
schrciben praetendieren würden, da hingegen, wenn sie vermischt, bei
den nothwendigen Abgangsliillen nicht so leicht aufrfihrisch wertien; die
\'ermiscliung ist aber so nüthig, .als dadurch alle Einverständnisse, so
sie mit dem Feind, besonders bei den Occasioneu Inaben könnten, verhütet
werden; allezeit muss man aber den Hang in den Posten und Avantgardes
sich conservicren und Vorbehalten.
§ 8(». Als viel nun die Hagage betrifft, so ist cs eine unumgäng-
liche Nothduift. dass man hierinfalls von dem Capo der Armee bis auf
die unterste Charge eine gemessene Ordnung errichten soll, allerm.assen
die übergrossen Eqtiipages in engen Wegen drei bis vier Meilen Weges
einnebmen und kann der F'cind gar leicht dabei einen Streich, so
gleichfalls ein Sieg ist, versetzen, indem die Equipages leicht anzu-
greifen, beschwerlich aber zu defendieren sind, und steht nur zu be-
trachten, was damit in eingeschrätdtten. engen Ländern und bei den
Ueberfuhren auf den Flüssen .inzufangen und nennt der I.atcitier die
Equipages gar wohl; „impedimenta“, zu gcschweigen, dass besagte über-
grosse Equipages in kurzer Zeit die Fouragc, womit die Cavallerie lange
Zeit hätte subsistieren können, gänzlich erschöpfe und man dadurch
öfters gezwungen werde, die vortheilhaftesten Lager zu verlassen; der
Unterhalt grosser Equipage verarmt den Officier, ist den Wintcr-Quartier-
Ländern sehr zur Last und was das mehrste ist, so thun die so viele
Knechte in ihrem Sold nicht unterhalten könnenden Officicre die .‘'oldaten
und zwar allezeit die besten zu ihren Privat-Diensten adhibieren und
eine Anzahl auf dem Marsche sowohl, als bei dem Weiden zur Ver-
wahrung ihrer Equipage, um nicht davon zu verlieren, zur Wache auf-
stellen. Das delicale Essen und Trinken thut den Ofticicr auch cfl'emi-
inercn, massen vermerkt wird, dass, wenn sic ihre Gemächlichkeit idcht
allezeit pHegen können, sie sich beklagen und gar erkranken.
5} 87. Man muss aber die Armee mit nöthiger Provision von
Lebensmitteln, Munition, Instrumenten, Fuhren, Handwerkern, Weg-
weisern und Kundschaftern versehen: sonst auch die Vorsehung gemacht
werilen, dass uns die Lebensmittel vom Feind nicht abgeschuitten,
sondern von den vom Lager entlegenen Oertcru hergenomtnen wcnicn
können, mithin die Magazine mit .Mund- und Ki iegs-Provision häutig
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430
Ans ilen Schriffpn ilps Fnldmarschalls
aiigcfnilt seien, inassen leicht gesclielien kann, dass der Feind die
('onvois aufhebe, oder sonst Einiges davon verderbe; mit einem Wort,
man muss giln/.licli darauf hedaeiit sein und die erkleekliehcn Mesuies
nehmen, dass durch die Nothwendigkeiten die Oporationes weder ver-
hindert, noch verzögert werden (Ghi non fa provvision nel suo canipn
delle eose nccessarie al vivere e al combattere, e vinto senza coin-
baltere) (chi desidera la pace si prepari alla guerra, chi desidera la
viltoria, eserciti con ililigenza i soldati, chi desidera i ielici evvenc-
menii, con arte e non a caso combalta. il soldato affainato o non vive,
o non obbedisce). ') Die Einrichtung der Magazine belangend, so ist
zu observieren, dass wenn man defensive gehet, solche in einem Ort,
welchen der Feind nicht einnehmen und wo er uns auch die Cominii-
nication nicht abschneiden kann, zu errichten seien; hat inan aber
keinen freien Ort dazu, so müssen die Magazine in verschiedene Plälz,e
verlegt werden, damit wenn der Feind an einen' Ort die Gommunication
hinderte, man an dem andern Vivres und Munition haben könne: cs
ist auch zu sorgen, dass die Wege brauchbar seien, damit man die
Nothwcndiitkeiten auf M'ägcn fiberftlhren könne; kann man die Vivres
zu Wasser ab- oder aufwfirts transiioriieren, so werden dadurch viele
Unkosten erspart, allein hiebei ist all nölhige Besorgung vorzukeliren,
dass der Feind die Zufuhr der Vivies und ilie Gonvois nicht verhindern
uinl selben Schaden verursachen könne; etlichemal findet man auch
alte, mit Mauern umgebene Schlösser, so von der Armee nicht weit
entfernt sind nnd also fortificiert werilen können, dass man die
■Magazine in selbe constituicren könne.
I)iT (ieneral lässt einen Statitm der M.agazine machen, selbe
visitieren und tbut auf die Proviant- Verwalter und Lieferanten kein
allzu grosses Vertrauen setzen, sondern lässt sich den behörigen Rapport
von guter und böser Qualite davon geben, er wird den Preis der ins
Imger einfitlirendeii Victuaiien regulieren, sotist ancli nacber Hof
remonstrieren und daselbst befördern, damit ein gewisser standliafler
Fundus zu Belnif der Loberismiticl, des SoUlqs etc. festgestellt werde
(jMilcs non piignat nisi vestitus calceatus et habens illiquid in zoimla)
fniliil generusuin sapere potost, ipti quotidiaim vietus pemiria urgetur):
(la valeiir et la faim ne sauraient loger ensemble), *) allcrmasson es
') Wer in MÜnem Lager nicht Vorriillie an den *nm Lc'U'n und Kämpfen
ii(»tliwoii<lip‘ii l>inp*n muclit. winl olmr zn kütnptrii.
Wui* drii Frit^tlni wiinsrlil, iM-niir »«iuli auf tim Kriejr vor: wrr «luii Si*K
»lur »Im- tVw Soliiatt-n: \s«-r <lir Krl’olp- ilmvji Vor*
stätHiiiiss im<l nifiit <)urc)i Zufall wünscht, tlt^r kämpfe. IVr hnn^t-riMle Soldat h-ht
4-»tw«*ilcr iiiulit, «Hier er jrcdionlit nicht.
I>er Soldat kaiii|dt nicht. w«-nn er nirht U-kleidet und lH*s«*lndit i.-^t und
etwas iin Hrot>ark hat.
I)erji*ni>:e i**! keines jrro.ssen KntselilnsM-s lähijr, der vom Mangel iles
taL'li**hen Nahrnn'r-'lMMlarfs ^reilrüi kt wir«!.
Ta|d'erkeit und llmip-r koiiiM-ii iii«‘ht iM-i-auinn-n wohnen.
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Lndwig Andreas Grafen Klicvenhiiller.
431
über die menschliche Natur ist, zu fasten und zugleich herzhaft zu
streiten; so nöthig nun all Obiges ist, so müssen auch KranUenhänser,
Medici und Wundärzte, mithin alle anderen Ei fordcilichkeiten besorgt
werden können (a Ducibus falaum mimeruni referentibus publicum
fraudatur aerarium, ex qno communium praefeclorutn seclcrc iieri
videbatnus, ut qiiaravis atnplae regum opes alendo paulo diutius exer-
eiliii non sufliciant, ct saepe numero, ubi acie conHigendum sit, magnum
adeatnr pericnlum. dum imperatores ducum rclationc dccepti sc copias
iiiiinerosiorcs, quam les sit credunt). *)
Capitel XII,
Observation, wenn man das feindliche Land, so man
betritt, erhalten will und in Contrario, so man es nur
zu devastieren suchet.
§ 88. Es ist jederzeit erspriesslichcr, durch die Eiche des Volkes,
als durch Gewalt ein Land unter sein .loch und ziim Gehorsam zn
bringen, angesehen durch die F'orce die Armee geschwächt wird und.
wenn das feindliche Volk kriegerischen Gemiithes ist, viele andere
Mühseligkeiten und sonstige inconvenienzen, da l’nbcqucmlicbkeiten,
besonders in bergigen Landen, vorfallen thun; zu geschweigen, dass,
wenn Einer auch das Lund bereits eingenommen, ein sich unversehener
Weise äussernder Zufall leicht verursachen könne, das.s der l’öbel si<-b
des .loch’s entziehe und grosse Unglftcksf.älle causierc ; nun ist aber
nach Massgehiing. dass man in ein solches I.and eintrete, den Insassen
zu erkemien zu gehen, dass sie vollkommener Sieherheit unter dieser
Itedingiing. dass sie in ihren llänseni ruhig und still verhleihcn, sieh
zu erfreuen haben werden, hinzufügend, dass ilincn aueli Salvaguardia,
damit die Truppen keine Unordnungen begehen, zugeseliiekt werden solle.
Auf den Mäisehen ist liie allerscliärfe.ste Ordnung zn lialten,
damit Jeu Unlertlianen die Felder, Wein- nml llaiinigilrten nielil ver-
wüstet, mithin die Marodierer verhindert weiden, sieti zu dissolvieren ;
wenn’s lliunlieli ist. so wird ein anselinliches Delaehement allezeit
vorausgeschickt, welches die Salvaguardia austheilt und das Nöthige
vorkeliret, damit den Insassen feindlichen Landes kein Scliadeii zii-
gefiigt werde; filier dieses muss aueli beim Alimarsrlie ans einem l.ager
verliindert werden, damit solehe nielit in Hraml gesteckt worden und
') Wenn ili« IteerfiilinT eine iinricbtige Zaiil uiigebeii, sn wird der .'Staats-
seliatz lM*tnigen und man .sah, dass wegi-n liieses Verlin-elteiis der unfeiyeonliieteii
ItelelilslialM‘r die gleieliwidd reietieii SeliUtw der Könige iiiiziiii-ielii‘nd sind, das
Kriegslieer ein wenig löiiger zn eniiilireii und man oft. wenn eine Selilaelit zu
liefern ist, sieh in gnisse Gefahr iM-giltl. da di,* Feldherrn diireh die Aiigatie iler
BefehlslialsT getöiiseht, in der .Meiiiiiiig leiten, liass sie zaldiviehere Triiji|ieii haheii,
als wirklieh vtirhantlen sintl.
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Ans ili-n Sihrifli'n ilrs KcMmarMlialli
4:52
alle anderen l'nordnnngcn beim FouraKieren und den Quartiers verhütet
bleiben, indem die Hauern, so den Krieß nie gesehen, glanbon, dass
dieses ein unvermeidliches Uebcl sei ; im Fall nun aber die Hauern
auf die ihnen gethaneii Versprechungen nicht vertrauen und dem-
uneraebtet ibre Häuser verlassen, so müssen gleicbwohl grosse Partheien,
um ibre Domicilia zu schützen, ausgeschiekt werden, dann ihnen inli-
micren und bedeuten zu lassen, dass Derjenige, so nicht wieder z.urftck-
kommt, als ein Feind angesehen werden solle.
Vornehmlich muss man sieb dahni bestreben, dass man die an-
sehnlichen Leute eines sulchen Landes linde, welche die Haneni ver-
sichern, dass sic auf ihre Parole zurückkommen können, bei dessen
Kntslehung aber ihre Güter contisciert werden sollen, welchem nach
gegen bare Zahlung die Vorsehung nöthiger Lebensmittel vorgekehrt
werden muss, allerinassen in einem verlassenen und von Inwohnern
erleerten Land weder Wohnung, weder CommoditAt, noch Fnterlialt für
die Truppen, viel weniger Vieh zum Transport der Vivres und Kriuipage
anzutreffen (Distr.aetione eivium clanguesoit proprium bonum civitatis,
atque .aegrotare incipit et consenescere), ') z,u geschweigen, dass ein
erobertes Land, wenu es deser* ist, für nichts z.u achten, indem keine
Hehcrrschung, einfolglich auch keine Kinkünfte darin zu machen (Tnipe-
ratori bono nulla studia ita laudanda, ac provebenda sunt, ut agri-
cultura et militia. altera (]u,ie rempnblicam et milites alit, altera quae
rciupublicam defendit);“) worunter .'lucb noch dieses subversieret, dass
wenn man nicht trachtet, die Inwohner mit guter .Art und Süsse bei
Hause zu erhalten und selbige ihre Domicilia zu verlassen gezwangen
sein, man sich noch mehrere Feinde zuziehe (in multitudine populi
dignitas regis, et in paucitate piebis ignominia principis); ’) gleichwie
auch in allen LAndern unter dem gemeinen Volk, oder dem Pöbel und
dem .Adel, dann zwischen der Noblesse selbst sich allezeit Zwiespalt
ereignet, also muss man ihnen gute .lllstiz versprechen, mithin distincti-
onem et respectum personarum observieren.*)
Es gibt ja auch einige l.änder, so gewisser Puissance zugelban,
einer anderen aber gar nicht geneigt sind, durch den unter den
Nationen sieb befindenden l'ntcrscliicd. es rühre denn dieser ans der
Spraidie, Lebensart, oder sonstigen natnrlichcn Eigenschaften her, muss
man urthcilcn, dass man selbe nicht auf eine Weise gouvernieren und
beherrschen, weder auch auf einen gleichen Fuss setzen könne; einigen
■) Hunli die .'Spaltuiigiii der Iliir,:''r •'Hahnit das cii.'i'atlichc Hc>1c des
.■Staates; dicsiT iK'iriiiiit z.a kränkeln und zu altern.
’l Kill laindistnr't »nll keine Tliatigkeit m> liilnni und fiirderii, als den
.Aekerliaii und das Kriejfswe-eii ; liie eine, «eil sie ileii .'Staat iinil die Krii-ger
iialiil. die aiideri'. weil sie den Staat vertlieidigt.
•*| In der irni—eii .Anzahl A'tdkes li,.-t die AViirdi- ili*s Kniiig..; in der trerinireii
.Aleiiu'e der lt«-\ <il keriiiig '-in .'s, liini|it' des Kiirsli-n.
*) llell riltel'seliiisl lind ihls Allsellell der l'el^iiliell iH'ilelitell.
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Liulwid Amlrpas (iralVii KhevpiihülU'r.
433
j<t der despotische Name ,, König“ odios, andere können «uh Iniperio
Monarcliico nicht leben, weder sich soutenieren; Diese tnaclien ihre
einzige Gloire ans der zu ihrem König hegenden beständigen 'I rene,
Jene wollen aber in einer von aller Untertbänigkeit unabhängigen voll-
kommenen F’reiheit verbleiben. Einige sind leichtsinnigen und unbestän-
digen, Andere aber ernsten und standhaften (feninihes, Viele wollen mit
Gewalt und Rigor, Andere aber mit Douceur tradiert sein und nichts
als mit Freundschaft gestatten.
Wenn ein geschickter und vernünftiger Monarch dieses alles
wohl nbcrlegt. so muss er's wie die Jäger und Vogelfänger machen,
welche zur Erreichung ihres Endzweckes sich allerhand Pracliquen unil
neuer Subtilitäten betlicnen und verschiedene Anbiss, Strick und Garn
anlegen, wenn nun Einer nrit dergleichen Insassen eines Landes anders,
als auf vorberrlhrte Art und Weise, umgehet und einen Jeden nicht
seinen iratitrlichen nnd angebornerr Neigungen nach tradiert, so wird
er, so zu sagen, gegen deit Wind fahren und frühe oder spät Schift-
bruch leiden.
§ 89. Sobalil nun der Jlonarch eilt gewisses Land erobert, so
wird er insgemein gleich im .Anfang den in Haft Sitzenden, oder aus
dem Land Verwiesenen Parilon geben, wodurch er also seine Milde ver-
merken lassen und der mit dem Pardon Hegnadigten Treue beibehalten
wird, massen liicse ihm aus Erkenntlich- und Dankbarkeit, liass sie der
Gefahr der vorigen Beherrschung liberiert worden, zuhalten werden, da
hingegen, wenn man ihnen mit liem Pardon nicht Vorkommen thiit, sie
im Land zu Faveur ihres ersteren Souverains, um sich bei selbem einige
Verilienste zu machen und dessen Gnade iladiirch zu erwerben, einen
.Aufruhr anzetteln werden. Es hat aber mit den Kriegsgefangenen
von der feindlichen Armee eine andere Boschattenheit, angesehen diese
gar leicht einen Aufstand im Land causieren, die Partialität erhalten,
Ueberfallungen und Conspiraliones erwecken können, woraus erhellt,
dass viel besser und erspriesslicher sei, diese in separierten, verschie-
denen Kerkern zu halten, oder aber ausser Land zu schicken ; sonst
ist auch nöthig, dem Volk zu erkennen zu geben, dass das Land dirrch
einen gerechtesten Krieg erobert worden und demnächst mit solenner
Huldigung, wobei der Pöbel das juramentum tidelitatis ausschwört, vor-
zugehen.
§ 90. Gleichwie nun der aufs Nene ein Land in Besitz (Iber-
koinmende Fürst, es geschehe denn jure successiones, foederis aut
acquisitionis,') sich nicht allsogleich wegen bereits liabender Liebe seiner
neuen Unterthanen flattieren kaiiii, dieses aber zu beglückter Regierung
eine niiumg.änglich nöthige Sache ist, also werden diese Unterthanen,
') Nach «Icni Kechti; ilcr Erlilblge. dc.s Vcrti-.igcs oder der Erobeniiijr.
Mittheilungen des k. und tc. Kriegs-Archivs. Neue t'olge, VII, -b
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Aus (Isn Sc hriften des Keldniarschalls
ehe sie dem Neoacquirenti mit Liebe zucethan sein werden, denselben
mit aller Aclitsamheit examinieren und bis auf den Grund seines Ge-
inätlies ergrrindcn, das Ntindeste nicht vorbei gehen lassen und sich
alle Mfilie und Sorge geben, nin ihn gröndlich zu kennen, mithin, wenn
der Fürst also, wie er sein solle, beschafl'en ist, ihn al.sdann lieben,
rcspeelieren und färchten und sofort ihm bei Friedens- sowohl, als
Kriegszeiten allen nölhigen Succurs geben. Damit aber das Volk für
seinen neuen Herrn Liebe und Affcction hegen möge, so muss alle mög-
liche Ordnung gehalten und den Abgeschickten von Städten und Dör-
fern alle behörige Ehre widerfahren, dann die Untersuchung aller Fa-
milien vorgenommen und die unter ihnen obwaltenden Streitigkeiten
fördersammst componiert, oder sonst de meliori abgethan werden; deiwn
von Adel sind Privilegia zu ertheilen und alle Fdrleichterungen. damit
der Pöbel keine tibermässigen Contributioues geben, viel weniger Extor-
siones erleiden möge, vorgekehrt werden (Snmmum in regibus boimm
est, justitiam colere, et sua cuique jura servaret. *) Es sind mit einem
AVort alle hinlänglichen Mittel aurtindig zn machen, dass der Unterthan
die schwere Last des voricen Joch s und die süsse gegenwärtige Be-
herrschung verspüre, sodann Diejenigen, so ihre Zufriedenheit bezeigen,
wohl gehalten werden. (Victorem te vidit, et obstupuit, ipsam se victam
esse non sentit urbeni cepisti ipsa, captam esse non credidit, nihil euim
eornni neque tibi iieque tiio cxercitni voluisti Heere, quae victori in
vietos licent ; victores et vicli pari ambo fruentes gaiidio uno concent«
uno clamore lacrimis prae gaudio per genas maiiantihns patrem patriif
te eonsalutant}.-) Es müssen des Fürsten Partisans desselben Gflte.
Liehe zur Gerechtigkeit und sein von allem Eigennutz weit enlferni«
Gemöth erhoben und rühmen und die ünterthanen versichern, dass er
das Land vielmehr, um ihnen zn Hilfe zu kommen und sie von dem
üblen Tractainent der voiherigen Regierung zu befreien, als aus Ehr-
geiz erobert habe, zu welchem Ende er ilire alten Privilegia, Gesetze
und Herkommen wieder anfrichleti, ja auch Diejenigen, so an dem Ver-
lust ihrer Privilegien und Abschaffung der guten Gesetze und alten
Herkommens schuldig, der Geieclitigkeit nach bestrafen muss. Es ist
zwar wahr, dass die Menschen allezeit die Neuerungen lieben, allein
wenn cs auf Abbringung alten Herkommens angesehen ist, so wird sie
niebts so sehr als dieses, offendieren, denn gleichwie die Gewolinlieit
eine andere Natur ist und vernünftiger Weise nicht zu glauben sicht.
t) Pie iM-.steii Eigeiiscbafteii der Kuiiige sind, die (ieivclitigkeit zn fördern
und jedennaiin Heine Keelite zu U-waliren.
■I) ,Sie sah Dieb als Sieger und verwunderte sieh — rlass sie Is-siegt ist.
eiujifand sie uieht. Pu iialnust die Stadt ein, sie sr-Utst glaubte iiieht, das,s .-ie
eriilM-rt wordi-ii sei: denn Pu gi-staltetest weder Dir, iiucli deinem Heere etwas van
di'Ui. was dem .ssieger gegen <Ieii Hesiegteu ziisfelit. Pie Sii'giT und die Besiegtea
empHudeii in Einmütliigkeit die.silhe Freude und l•egriissen Pieh eiustiraraig and
mit ülier die Waugi-ii odleudeii Tliräiieii als Vater des Vaterlandes.
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l>«(lwip Andreas (iralen Rlieveiihüllrr.
435
dass das Xaturell einiper Veränderung unterworfen sei, also ist aucli
nicht zu gedenken, dass inan die Leges und Consueludines, uneraclitet
selbe nicht allerdings auf Gerechtigkeit und liilligkeit gegrilndet. nur
bertihren oder corrigieren wolle und müsse, in niehrerem Hetracht, d;vss
hierunter zu befahren steht, es werde der l’obel, .so niemal das zu
thun Schuldige, sondern das Gewöhnliche ansehet, dadurch erwildert,
und das gemeine Volk der Einfalt halber von einer Taube jiarticipiert,
welche bei verspürender mindester Veriimierung ihres .Uifenthaltes da-
\on Hiegct und selben verlässt, üeber dieses ist auch noch zu merken,
dass die Insassen eines Landes ihrem alten Herrn jederzeit eine ge-
wisse Geneigtheit zutragen, selben bedauern und unabl.lsslich zurück-
verlangen, welches ein solchen Landes nnviter acquirierender Fürst
höchstens zu befürchten hat, wenn er nicht mit aller Vernunft dahin
trachtet, den Unterthanen alle Gelegenheit dazu zu benehmen, zu welchem
Ende er alle Neuerungen, auf welche insgemein nach verändernden
vorherigen Systemaie des gemeinen Wesens unbeliebige Mutationes alle-
zeit erfolgen, zu verhüten hat. denn bei Einführung solcher Novitäten
ein Jeder sich movieret und auf allen Seiten grosse Streiche Vorbei-
gehen, mithin allerhand Trübsal und Fersecutiones, so die Feinde einem
neuen Fürsten aus Furcht oder Beneidung seiner an wachsenden Macht
zu verursachen schon gewohnt sind, umso leichter darauf erfolgen, als
keine grosse Beschwerlichkeit obwallet, ein neues Reich zu zerstören
und umzuwerfen ; um nun aber das Volk gegen die vorherige Domination
umso mehr zu irritieren, so muss selbem vor allem zu verstehen gege-
ben werden, dass man das Land behaupten und vertlieidigen könne.
Solches besser zu bewirken, so ist mit aller List zu befördern, dass
dieses Volk einen Streich verfüge, wodurch ihr voriger Souverain öffent-
lich beleidigt werde und ist der beschehene Streich zu divnlgieren,
damit diese öffentliche Beleidigung alle Hoti'nnng ihrer Versöhnung be-
nehme ; die Sachen wären ungefähr dahin zu befördern, dass der Pöbel
t'onipagnien aufrichtete, die Waffen ergriffe, Brot und Löhnung anneli-
niete, dass er auf Parthei und Beute zu machen ausgienge. die Fonragiers
und Convois im Feld beunruhigte, man müsste ganze Regimenter unter
ihnen aufrichten und dem grossen Adel Patente militärischer Chargen
gratis ertheilen, Rätlie und Syndicos machen, honorable und einträgliche
(’liaigen den sich für uns Erklärenden geben.
§ 1)1. ln mateiia religionis ist znmaleii gar keine Aenderniig
vorziinehmeii und hat es mit alten, obwohl in sich selbst nicht gar loh-
vsürdigen Gewohnheiten dieselbe Beschaffenheit, aliennassen gleich im
Anfang in einem neoacquisito regno auf die mindest Novitäten nicht zu
gedenken (debet eniin legislator sustinere aliqiia mala, ne priventur nia-
jora bona).') Ist man aber gezwungen, neue Leges einzuführen, so mfis-
') Der (jcsi'tzpiÜM'r muss iiKim hfs .sii lili ihli' Ill•i1)(•lla^ll■ll. um sich nicht ciiu s
poisscirn tiiitcn zu hcpclicii.
y«*
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4^6 Alis ilen Scliriftfii des Keldmarseh;ills
sen deren jedocli niclit viele tein, da die Bestrafungen der Contraveti-
tionen gar zu oft erfolgen uiiisscn (si deve piü siudiare in proliibire i
delitti, che in punirli, e le sentenzie eiiminali soiioscrivere coli' inchiostio
di lagrime). M da die einnial cingeführtcn Leges sind auch nicht leicht
zu ändern, angesehen selbe durch die Mutationes geschwächt werden
(faciliter niutarn leges ex praesenlibus in alias novas, inürmam facere
est vim legis) (ille qui vult niutare propter aliquid melius, non tai.tnm
proticiet inutando, quantuni nocebit, dum coiisnescurit cives ad non ob-
servandiim statuta praccepta prineipum).-) Es sollte vielmehr der Füisl
<lie Gewohnheiten des eroberten Landes imitieren, im mehreren Betraclit,
dass, wenn ein Fremder alte Leges und Herkommen mutieren will, das
Volk sich einbildel, es werde ihr Vaterland und dessen Gedächtniss
unter die Erde gebiacht und der Utilim ihrer Vorfahrer, so diese Leges
und Consuetudines aufgerichtet und cingeführt, verachtet und beleidigt,
besonders aber, wenn das Volk andere natürliche Eigenschaften, als der
acquirierende Forst hat, werden sie allezeit einen Argwohn haben, das.s
man dieses mehr ex contemptu, als lationabililer thun und also die
erstem Leges in Effectii imittieieii, die neuen aber, f.ills sie nicht unge-
bührlich und praejudicierlicli sind, nur dem äusserlichen Ansehen nach
befolgen ; also dass, wenn man auch die Leges mutieren will, solches
auf gewisse Art zu verfögen sei. dass ihnen nämlich zu verstehen gege-
ben werde, was massen ihre alten Leges gar gut und vernünftig seien,
sie w-ären aber unterbrochen, in Missbrauch gerathen und infringiert
worden und sei es nur auf deren neue Einrichtung angesehen, alsdann
wird das Volk dieses für keine Neuigkeiten nehmen, sondern bei thnen
das Gedächtniss ihrer Patricier und Gesetzgeber wieder erwecken, hin-
zufiigend, dass, da Gott selbst das Evangelium introducierte, erklärte,
dass er nicht gekommen sei, um die Predigten alter Propheten umzn-
stossen (nolite putare, quoniam veni solvcre legem aut prophetas. non
veni solvere, sed adimjdere).^)
§ 92. Uebermässige Contributiones, Schätzungen und Auflagen
thun nicht allein in einem ncueroberten, sondern auch im eigenen Land
alle Liebe gegen den Fürsten und Landesherrn in Widerwillen verän-
dern (qui iibera premit ad eliciendum lac exprimit butyrum, et qui
vehementer emungit, elicit sangiiinem) (tondere peeudern, non deglubere) ')
*) Man mus> mehr .Sirglält umreiideii. die Verlmtlieii zu verhindern, als sie
zn tie.straten. dierrtheile über Verbreehen aber mit Tinte von'niränen untersrbreils*ii.
Leicbthin die ets-n Itestelienden (iewtze iindeni. die elieii gütigen in
andere, Is-dentet. die Kraft der (lesi-tze aii.sebwaeheii. Wer die tie.-etja* etwas
Hesserem wegen andern will, wird dnreb die Aendemng nirbt soviel nützen, als
sebaden: da sieb die Itürgi r gewübnen. die Vorsehriften der Fürsli-n nirbt zu
lH*f(dgeii.
U) (ibiuls't nifbl. dass ieb gekonnneii bin. das (ie.setz und die Pnipbeleii
antznheben ; ieb bin niebt gekommen sie anl'zubeben, .sondern zu erfüllen.
*) Wer das Knter drürkt. um Mileli zu erhalten, drüekt Hutter beinus: wer
stark melkt. Iiringt Hbil bei-, ms. K.is .<ebaf sebisuvii. niebt sebindent
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Ijidnif; Amlieas Cirafeii Kln^veiilii\lliT. 437
imil wenn also das Volk wegen allzu grosser Contributionslast gegen
den Ffirsten irritiert ist, so wird der Hass gegen die Regierung, Minister
lind Obrigkeiten, wenn sie stehlen und rauben, noch mehr anwacbsen;
darum dann keine eigennützigen Leute, welche unter m Vorwand höch-
sten Herrn-Dienstes sich hereichern und die Gerechtigkeit nicht ad-
ministrieren, an das Regierungs-Ruder zu stellen sind (declinavermit
post avaritiam, acceperuntque munera, et perverterunt Judicium).*) Die
von ihrem Souverain weit entlegenen Länder sind den Capricen der
Vice-Könige und Regenten am inehrslen unterworfen, da die Entfernung
des Souverains ihnen Muth macht, die Schafe zu stark zu scheeren ; sie
verändern und bringen die Leges ihrem Wohlgefallen nach ab und
gleichwie verschiedene ein Pferd reitende Leute ihm das Maul verder-
ben, also wird auch das Volk zum Ruin gebracht, die Liebe zu eineTii
entfernten Herrn erkaltet und wird der l'nterthan keine Furcht, ihn
zu beleidigen, haben.
§ 93. Damit aber das Volk, das Xeca oquisticum z\i defendicren iinii
zu besitzen gutwillig beilrage, so muss ihm vorgestellt werden, dass
sein eigener Nutzen stibversiere, dass es zur Formierung einer Armee
und Beischaffung nöthigeu Unterhaltes contrihuieren, indem das Kriegs-
heer des Volkes Häuser vor Anzündungen, die Felder vor Verwüstung,
die Stfidte und Dörfer vor allem Unheil schützen, daun die Leute von
Unterdrückung, die Weiber von gewallth.ätigen Ungebührnissen befreien
und ihre Privilegia mithin tausenderlei Nutzen conservieren mul
zubringen werde ; ist aber der Krieg, dass man weitere Acquisten machen
will, so muss dem Volk zu verstehen gegeben werden, d.ass man die
vom Feind usurpierten Landschaften wieder aus seinem Joch reissen
und das Land vom feindlichen Einfall und Verwüstungen eximieren
müsse. W'enn dann endlich wir über den Feind Meister bleiben und
Landschaften erobern, so werden die Vasallen von dem schweren. Beitrag
erledigt und mit dem Reichthum der gewonnenen Provinzen recoinpensiert
werden, man gibt dem Pöbel die vom Feind an ihren Personen, dem
Lainl und der Religion verübte Unbild zu erkennen und wenn derselbe
wahrnimmt, dass die Contributiones fördersam und erspriesslich verwendet
werden, so wird er auch gar gern damit beihallcn. (Videant de con-
tinenter sobrieque viventem ac nihil vane effundentem, non privatim
largiri. quod avidus de republica sumas).**) Man muss also in den,
besondets von der Natur unfruchtbaren und wenig aufbringemien, oder
durch den Krieg destruierten Ländern nicht alllein mit guter Wirthschaft
’) Sie richteten sieli nach ihivm Gi’izi’. nahmen (ii’sehenki' nml verderlrteii
das Gericht.
S) Sie sidlen sehen. ila.s.s du eingeseliränkt und niiehlern leh.st. nielits iini-
sonsf verseilwendest, nielit weiehlieh liir dich verwendest, was dn vom iStaate
liejrierig nimmst.
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438
Ans ilni .Schriften Jes KiOdm!irschall.s
in allem vorgclien, sondern auch den verarmten und miserablen Leuten
vielmehr unter die Arme greifen.
S 94. Vor allem müssen keine grösseren Contributiones, als solches
Land seinem vorigen Herrn beigetragen, erzwungen werden (quia ea, quae
sunt insolila, magis solent animos hominum perturbare), ') ja man muss
den (.'ontrihutionen gar einen anderen Namen geben und selbe als ein
donum graluitum begehren, denn die solche .Auflagen freiwillig gebenden
Yasalli glauben, dass ihnen iler Kürst dafür verbindlich sein und sie
anderwärts verschonen werde und kann die Sache mit den Vertrautesten
also dirigiert werden, dass einige mit dem lieitrag nur zum Schein den
.Anfang machen, um den anderen mit einem Kxempel vorzugehen, wclchem-
näehst den Erstcren das Ihrige restituiert wird. Sonst könnte auch a
conto der Kontributionen nöthiger Proviant zur Siibsistiernng der Armee
nach Kruchtharkeit des Landes genommen werden; man reguliert den
Preis in allen Sachen mit dem Volk, thut ihnen solches honificieren,
und nimmt das Uebrige in Geld ; es müssen endlich Uegulamenter, nach
welchen das Land und die Truppen sich zu achten haben, eingerichtet
und publiciert, die Contributions Repartitiones nach Proportion eines
jeglichen Individui A'crmögen und Einkünften gemacht v\ erden, (Prima
pars acquitatis est aeqnalitas) ; -J da sonst hei nicht observierender
Gleichheit die Contribuenten sich zu beklagen l.TSache haben.
Hie Gommissäre und milititrischen Exequierer, so in Städte und
auf das glatte Land geschickt werden, thun zuweilen viel Ucbles ver-
ursachen, sie leben auf Hiscretion, verüben viele Extorsiones und
tractieren die l’ntcrthanen sehr übel, darum in diesem Stück gute
Ordnung zu halten: ilie eigentliche Zeit zur Contrihntions-Ausschreihung
ist vor der Ernte und Weiidese, wenn solche vorbei, so lässt man ihnen
Zeit, Krucht und Wein zu verkaufen und herniiehst werden die Gelder
exigiert, allerinasscn auch die Bauern ob der zu geben schuldigen
Summa zu averlieren sind, damit sie sich damit fertig halten und ihre
‘^uolam zusammen bringen können, da sonst insgemein sich äusserl,
dass, wenn sie ihren Antheil nicht wissen, dieselben ohne Kummer und
Sorge daher leben, keine gute Wirthschaft treiben und wcnn's zur
wirklichen Zahlungsz.eit kommt, nichts übrig haben.
ij Ibj. Es ist auch sonderlich mit aller .Attention dahin zu sehen, ob
des eroberten Landes rnterthanen unbeständig und verwildert seien,
■lass sie das ihnen verspüren lassende süsse Tractament nicht erkennen,
dann ob das Volk zu seinem vorherigen Herrn noch einige Liebe und
Neicung hege, mithin vor dem neuen, oder etwa auch vor der Religion
einen Ab.-cheu trage, denn in diesem Fall man .sich mit aller Gevwlt
H Wi-it da< rneewi'lnite di*- M;t— en ein iiieiiten anl/.uivi:i>n ptteirl.
-) Ist el-te Tlleil il<r liilliekeit i-t die lileieldteil.
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I.Hilwip Amlivus tinifeii Kli«venhüller.
43 !»
maintenieren miil auf Gewiimun« ilirer Liebe niclit fiedenken muss,
niasseu man allezeit verralhcn sein wünie (quos viccris cave atnicos
tibi esse credas) (Victi raro victores amant);') besonders und melireres
aber, wenn sie von differentem Glauben sind; es gibt auch allezeit in
dergleichen Landern einige Particuliers. so gegen ihren ersteren Herrn
zwar einigen Widerwillen, Missvergnögen oder heiinliehen Hass tragen,
allein diesen muss man demunerachtet nicht mehr, als die Vernunft
erfordert, trauen, denn diese am leichtesten .Aufruhr und Conspirationes,
nni ilie Gnade wieder /u erhalten, excitieren könnten. Wenn dann ein
Fürst solches Land beständig unter seiner Heherrschung erhalten will,
so muss er solches seinen Ländern als eine Provinz incorporieren und
dann gemeinsame Obrigkeiten und Käthe vertheilen und in einem und
anderen ansetzen ; hat er viele der acquierierten l’nterthanon in seinem,
so ist zu publicieren, dass, wenn die neue Nation der unserigen was
L'ebles zufügen würde, Kepressalien gegen Jene gebraucht werden sollen,
sonst ist auch die Publicierung der Manifeste, um ihnen justarn causam
et tituluin *) vorzustellen, unumgänglich nötliig, nicht weniger auch
Zwiespalt unter ihnen zu erwecken, dann ist auch hierauf wohl zu
retlectieren, dass, wenn sie mit übermässigen Contributionen belästigt,
Steuerung fomentiereu könnten (quem ad perturbandam retnpnblicam
inopia et niali mores slimnlant),^) wozu sie durch ihren vorigen Herrn
suboruiert werden ; Diejenigen, so sich gleich unter den .Schutz ergeben
und dem neuen Herrn gefolgt, muss man ä Proportion ihrer verlassenen
Charge oder Güter belohnen, Anderen aber einiges Terrain einräumen
und gleichwie sie dann solches nicht gerne wieder verlieren werden, so
bleiben sie auch getreu und thun sich dadurch ihre Anvertrauten und
Freunde sich dem Acquirenti bald untergeben. Wenn man die neuen
Vasallen durch Hescheiikungen oder Gewalt der Waffen nicht zwingen
kann, so muss man die Staats-Klugheit zu Hilfe nehmen und die Grössten
mit Ehren-Würden an sich ziehen, den Unglückseligen und in dem
Land nicht Beliebten Gutes thun (et conveneriiut ad eiim omnes. qui
eraut in angustia constituti, et oppressi aere et ainaro animo, et
factus est eorum princeps).
§ 9G. Hauptsächlich muss der Conqiiercnt auch vorsehen, ob
nicht etwa seine ConquÖte hei anderen henaclibarten Fürsten einige
.lalunsie erwecke, gleicli denn in der Timt geschehen ist, dass die
Alliierten sich retirieret, oder die mit den sich neutral haltenden Fürsten
in llandniss Stehenden ölientlichen Succurs gegen den .Acquiienten gegeben
*) (ilaiil>e nicht, dass lliejfiiigen deimi Fremidr sind, welche du hesii'glesl.
Die Ihsiegteii lietH'ii die ."Sieger srdTeii.
’) Dil" »ien’ehtigkeit und Uniiidhalligkeit der S.aehe.
3) Wen zur Hiihestömiig im S"taate Noth mni si-hleehte Sitten antreilH-ii.
») Ks kamen zu ihm Alle, welehe in Ihilräiigniss, mit .'"ehuhleii Iwla.'let
nml verliitlerten (iemiithe.- waren and er wurde ihr Führer.
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4-40
Aus den Scliril'teii des Keldiiiarsehalls
haben, in wolcliem Fall wohl Besagt werden mag : „<jui non est inerum,
eontra me est, (jui enim non esl adversuin me, pro vohis est ;*• *) alsdann
ist aber ein anderer Weg einziiEehen und zu sehei', wie man etwa die
-Ministers dieser Fiirsteu corrnrapiercn, oder mit ihnen selbst conveniieien
könne, sonst aber wiire entweder, wenn man im Stand ist, den Krieg
ihnen zu declarieren, oder aber durrh Friedensschluss oder anderen
.Aceord mit seinen ('onqueten einzubulten und sieh darin festznsetzen,
welches aber bei fürwrtlirenden Knegs-Troublen was beschwei liebes ist
(facilius est, qnaedam vincete, quam tueri). -) besonders, wenn es ein
weitwendiges J.and, so man nicht überall defendieren kann, sein möchte
(peiiculosum est pergrave imperinm, difficile est continere, quod capere
nun possis, videsne nt navigia. qnac modum e.xceduni, regi ncqueami.*)
l>enn zu was dient ein von allem Volk erlcertes Land? (nec agroriim
aut villarum adinissio (statt atnissio) sed hnininum deploramia est. non
ciiim praedia potiunlur viris sed viris praediis).
§ 517. Wenn man nun aber in einem Fand nur eine Ineursion zu
machen und keine Intention hat, solches zu conservicren, so mflssen
müsse Contribntiones gefordert werden, damit das Fand nicht allein
ausser Stand gesetzt werde, seinen eigenen Fürsten zu succuiricren.
sondern auch unser eigenes .Aerarium bereichert werde ; jedoch sind
keine übermässigen Conlributiones auf einmal zu erpressen, allerniassen
dieses verursachen diirlte, dass iler Pöbel die Waffen ergreife und die
Insassen davongehen und ihre Häuser verlassen, sogar ihre Habschaft
Wegnehmen. Die (-‘onlributiones müssen also mittelmässig und öfters
gefordert werden und wird man in fine finali dasselbe erhalten, dann
werden die i’ontribuenten glauben, es sei dieses die letzte Forderung:
müssen sie dennoch einmal zahlen, so bilden sie sich ein, dass inan
in .Ansehen des schon llergegebenen inskünftig einige Consideration
haben werde. Könnte aber der Feind uns verhimlern, dass man alle
Contribntiones nicht zusammenbringen könne, so müssen ihre Chefs
und Ersten des Fandes beim Kopf genommen und gefänglich eingesetzt,
oder auch niilgefohrt weiden, welchemnächst sie schon Mittel tiudeii
werden, Geld kommen zu lassen.
§ JtS. Einige veniieinen, dass man gieioli hei dem ersten Eintritt
in ein Fand die Ucnitciiten übel tradieren müsse und den sich
') Wer nicht mit mir ist, der ist wider miili; wir nicht widiT mich ist.
diT ist mit flieh.
*1 Ks ist IfifiitfC ftwHS zu Ih-sicjrcii, als zu IwscliiitZfii.
*1 Kiitf zu strfiigf Ilfrrsrhat'l ist irflahrlicb ; Sfliwcr ist im Zaunif za
liallfii. was du iiiflit in vollfii IVsitz iichnifii kannst : sichst du wie die Jsfhifff,
wfichf das Slass üiHTsclirfitfii, nicht O'gifrt »fnlfii kömifii V
*) Wfdfr dfC Vfrhist an .Vcfkfni. u«n-1i jfiiiT an llürl'fni ist zu bcklapfii:
smidern jfiinr au Mf iisfhfu : iletm iiiclit ilif (irundstückf tH-iniicbtipcii sifh dvr
Maumr. snndfrii dir .Maimcr dfr linindstinkc.
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l,tuIwiK Amlivas (irateii Kbevciihülli-r.
441
Krjfcbenden Gutes Ihun solle; allein ich halte dafür, dass diese Maxime
nicht anders, als gegen Rebellen und Aufrührer platzgreife, allermassen,
wenn die sich Opponierenden das gute Tractamcnl sehen, nicht beschwerlich
sein wird, sie zu zwingen und glauben werden, dass sie wegen ihrer
Halsstarrigkeit die rigorosesten Strafen zu erleiden haben, über dieses
muss man ein solches Land verheeren (tempus occidendi et tempiis
s.anandi, tempus destruendi, et tempus aediticandi ), ^) da nichts so
gefährlich ist, als Verwüstung zu gestatten, sondern vielmehr, wenn man
ein Volk strafen und das Land ruinieren will, soll man selbes auf
Geld anschlagen und theils unter die Truppen austheilen, theils aber
zum Nutzen des Herrn behalten, dann die Soldaten herrlieh, jedoch
ohne Unordnung und Extorsionen leben lassen, angesehen bei den Un-
ordnungen und Verwüstungen der Aciiuirens keine Zeit hat, alles in
Individuo zu erkennen, den Kirchen und keine Bestrafung meritierenden
Hausern die Salvaguardia zu geben, noch die zur Verhinderung aller
Desordres uöthigen Uispositiones zu machen, wodurch also der Wohl-
affectionierte sowohl, als der feindliche, der Gerechte sowohl, als der
Schuldige, geistliche sowohl, als weltliche Oerter leiden werden; es
werden Schändungen und alle Laster entstehen, die Kaubbegierde winl
Mord und Todtschlüge unter den eigenen Leuten verursachen ; der Pöbel, so
diese Grausamkeit, die Gefahr seines Lebens, die Violierung seiner Familien
und den Veracht zu seinen Kirchen sieht, wird gezwungener Weise feind-
selig sein, wovon benachbarte Provinzen ein Exempcl nehmen ; da hin-
gegen das Volk, wenn es vermerkt, dass man es bei Zeiten, wo es
ihnnlich, verschont, erkennen wird, dass man selbes zum Gehorsam
berufe und auf diese Art viel mehrere Vortheile aus dem Land zu
ziehen sein werden, da insgemein V'erwust- und Verheerung eine all-
gemeine und im Land durchaus gehende Armuth und Xoth causieret,
worauf ordinari die in alle Provinzen und Länder sich ausbreitendc
leidige Seuche, die Pest, erfolgen thut.
’) Es gibt eine Zeit zimi Tödtfii, l■ille Zeit zauii Heilen, eine Zeit zmii
Zerstören und eine Zeit zum Autbuiien.
(II. Theil im VIII. lUnde.)
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Tafel A
utl ^eniacfiicii^?erfiacä
Original
«n 8teienn4rki«chen Landea-Arehiv
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Tafel XL
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