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Ethnologisches notizblatt
Museum für Völkerkunde (Berlin, Germany)
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LIBRARY
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PEABODY MUSEUM OK AMERICAN
ARCHAEOLOGY AND ETHNOLOGY
IN EXCHANGE WITN
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Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
▼od der
Direktion des Königlichen Mnsenms für Völkerkunde
in Berlin.
Band HL - Heft 1.
Mit 176 in den Text gedruckten Abbildungen und 3 Karten.
1901.
Druck und Verlag ?on A. Haack.
Berlin.
Di
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Königliches Museum für Völkerkunde.
Ethnologische Abtheilung.
Direktor: A. Bastian, Prof. Dr.
Direktorial - Assistent Grünwedel, Prof. Dr.
von Luschan, Prof. Dr.
Müller, Dr.
von den Steinen, Prof. Dr.
Preuss, Dr.
Ankermann, Dr.
Gräbner Dr.
Huth, Dr.
Pöch, Dr.
von Le Coq.
Stönner, Dr.
Koch, AsBr.
Wata n abe.
Die Veröffentlichungen aus dem K. M. f. V. erscheinen bandweis
(ä 4 Hefte), seit 1889 (Band IV im Druck), als Fortsetzung der »Original-
Mittheilungenc (1885 u. f.).
Der Führer (1895) steht den Besuchern käuflich zur Verfügung (am
Eingang des Museums).
Desideratenlisten werden auf Nachfrage gratis vertheilt (zur In-
formation für Forschungsreisende).
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Hilfsarbeiter
ii
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Volontär
♦i
ii
ii
ii
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Inhaltsverzeichniss.
Die afrikanischen Musikinstrumente (Dr
. Ankermann)
Verzeichnis der Abbildungen . ,
V
1
1. Beschreibung und Klassifikation
3
4
3«
36
49
49
49
68
65
70
75
112
v/Ein anderes Quauhxicalli (Dr. Seier) ,
135
Die Berührungspunkte der physischen
Psychologie mit der noetiachen (auf dem
140
162
174
Verzeichniss der Abbildungen und Karten.
Seite
Abb. 1. Musikbogen der Kaffern 5
* 2. * - * 5
s 3. t aus Upogoro 5
* 4. Monochord aus Usaramo 7
« 5. Sese der Wayao 8
6. Saiteninstrument der Mangandscha 10
7. * Wakamba 10
■ 8. Rabab ans Abessinien 11
t 9. Saiteninstrument aus Togo 11
* 10. > der Papel 11
* 11 aus Tibati 12
* 12. Bassari 12
» 13. « * Marokko 12
14. * 12
15. Rabab aus Marokko 13
= 16. Saiteninstrument aus Togo 14
« 17. Steg eines Saiteninstruments aus Tschautscho 14
s 18. Saiteninstrument von den Bissagos- Inseln k . . . 15
19. flnrfe der Waganda 16
20. * - Niam-Niam 16
21. * Batta 17
22 * ans Tibati 17
23. = * Kotofo 18
* 24. . der Fan 19
25. Saiteninstrument vom Kuango 20
a 26. * der Bakuba 20
s 27. * s Majakalla 21
28. * * Bakoko 21
* 29. * aus Loango 22
3tt ■- * Assaba (unterer Niger) 23
31. * der Ovambo 23
* 32. * » Bule 24
* 33. * Kru 24
* 34. Lyra der Abaka 24
» 35. * • Wassoga 25
s 36. * aus Abessinien 26
37. Saiteninstrument vom Westufer des Nyassa 27
* 38. * aus Unyamwesi 27
39. » der Wanyakyusa 27
* 40. * * Wabehe 28
* 41. » * Wassukuma 28
42. : * Warua 28
43. s aus Ruanda 29
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VI
Seit©
Abh. 44. Saiteninstrument vom Nyansa 29
s 45. * der Atonga 29
46. * » Wakinga bO
* 47. Raphia-Instrumont der Fan 31
» 48 Saiteninstrument aus Rohrstaben. .Daliomo* 30
49. Valiha aus Madagaskar 31
> 50. Sansa aus Angola 33
51. * der Bateke 33
% 52. » aus Loango 33
s 53. * * Kamerun 33
* 54. der Fan 34
« 55. * * Mbum 35
56. » Bati 35
» 57. Signalpfeife der Lendu 36
58. Pfeife der Wabuma 36
s 59. aus Kratschi * . . . . 36
» 60. • vom unteren Kongo 36
' 61. Signalpfeife der Konkomba 37
« 62. * aus Kome 37
, 63. . der Bali 37
64. * » Bati 37
65. « s Bali 37
s 66. ■■ - Yaundo 38
67. * * Wangoni 38
68. « * Baluba 38
69. * » Mahenge 38
70. * Bari 38
71. Kinderflöte der Dschagga 39
72. Rohrflöte der Waganda 39
73. * aus Bassari 39
» 74. Doppelflöte der Yaunde 39
» 75. 2 Signalpfeifen der Bali :$9
76. Signalpfeife aus Mussumba (Lomami) 40
* 77. 3 Pfeifen aus Lunda 40
* 78. Kriegspfeife der Tambcrma 40
« 79. Pfeife aas Bassari 40
80. * * Atakpame 40
« 81. Kabure 41
> 82. * * . . . : 41
t 83. Schalmei aus Sokoto 41
« 84. Querflöte der Waschamba 41
85. Weiberflöto der Yaundo 42
s 86. Blasinstrument der Niam-Niam 42
87. aus Namba (Nord-Togo) 42
* 88. Flöte aus Ussukuma 42
89. Acht Elfenbeinhörner 43
90. Holztrompete der Baschilango 44
91. * Ngolo 44
= 92. Signalhorn aus dem Rufidji-Gebiot 45
« 93 Kriegshorn aus Jebu 45
94. Blashorn aus Tschautscho 45
s 95. * der Bangombe 46
96. Signalhorn der Dschagga 16
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VII
Seite
Abb. 97. Blasinstrument aus Ussukuma 46
98. * Ufipa 46
99. 2 Kugelflöton aus Kabure und Unyamwanga 47
100. Flöte aus Kratschi 47
s 101. * * Mangu 48
-. 102. « - SOd-Kamerun 48
; 103. Maultrommel der Waschainbit 49
= 104. Trommel der Wayao 50
* 105. - aus Tschore (Nord-Togo) 50
e 106. - * Marungu 50
= 107. * Magungo 50
- 108. » der Bayansi 51
= 109. * •- Wasafua : . . 51
«110. * aus Usaramo öl
* 111. ■ - Sansibar 51
«112. * * Sunda 51
113. * der Senga 52
s 114. « aus Marungu 52
* 115. * Usaramo 52
116. • der Waparo 52
«117. = * Bakuba 53
* 118. * aus Iramba 53
* 119. » * Urua 53
* 120. * * üsaramo 53
121. Doppcltrommol (ohne Angabe) 54
r 122. * der Warua 54
» 123. Formen von Uganda-Trommeln 55
* 124. Trommel vom unteren Kongo 55
* 125. Tromnielfellspannung (zu Abb. 124) 55
c 126. Sandubrtrommol aus Adeli 55
\21 Trommel der Bassongo-Mino 55
* 128. * * Mandingo 56
* 129. * * Wakinga 56
* 130 aus Tschore (Nord-Togo) 56
r 131. der Somal 56
» 132. « aus Kamerun 57
s 133. . der Ekoi 57
: 134. s aus dem Ogowe-Gebiet 57
= 135. * der Bakundu 57
136. Spannung eiuer Kamerun-Trommel 58
•- 137. Trommel der Mabea 58
* 138. » aus Togo 58
-. 139. ■ * Agotime 58
s 140. * Togo 59
s Ui. s 5 Pembi 59
142. ■ * Dahome 60
= 143. 5 Trommelschläge 60
: 144. Reibtrommol au« Mangu ß3
* 145. Holztrommel aus Kamerun 03
H6. ■ * Baoma (Nordwest-Kamerun) 63
s 147. » * Loango 63
.- 148. * -- ürua M
* 149. ■ der Baf6 64
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VIII
Seit«
Abb. 160. Holzglocke der Niam-Niam 65
» 151. ' * Ngolo 65
* 152. Eisenglocke der Bangombe . 66
s 153. Doppelglocke aus Kamerun 66
154. * der Konkomba 67
* 155. ■ aas Lunda 67
.156. * * Ulala 67
* 157. * Bassart 67
158. Kuhglocke der Wangindo 68
= 159. Holzglocke der Bakuudu 68
160. -. aus Unguu 68
- 161. Kubglocke aus Ruanda 69
■- 162. * der Wabena 69
* 163. * Wassiba 69
164. Glocke der Baia 70
165. = aus Kaburo 70
«166. * Batanga 70
* 167. * der Tambenna 70
* Ii 8. Marimba der Yaunde 71
« 169. Befestigung der Resonatoren bei einer Marimba vom Loangwa . . 73
> 170. ResonanzkUrbis einer Marimba der Mbum 73
* 171. . Totentromme) * der Mangandscha 74
Karte I. Verbreitung der Saiteninstrumente.
* II. « s Trommeln und Doppelglocken.
* III. • Sansa und der Marimba. Grenzen der ethnographischen
Provinzen.
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Die afrikanischen Musikinstrumente.
(Dr. Ankermann.)
Einleitung.
Die vorliegende Arbeit hat sich die Aufgabe gestellt, die in Afrika
gebräuchlichen Musikinstrumente zu beschreiben, zu klassifizireu , die
Vertheilung der gefundenen Typen über den Erdtheil zu erforschen und
darzustellen und schliesslich die Frage nach der Herkuuft der Instrumente
und der Entwicklung der Formen aus einander zu nuteraucheu. Dem*
gemäss zerfällt sie in drei sich von selbst ergebende Abschnitte. Der
erste, der die Beschreibung und Klassifizirung enthält, stützt sich vor-
nehmlich auf die überaus reichhaltige Sammlung von Musikinstrumenten,
die die afrikanische Abtheilnng des Berliner Museums für Volkerkunde
enthält. Das hier gebotene Material ist sehr beträchtlich: befinden sich
doch in der Sammlung nicht weniger als etwa 180 Saiteninstrumente,
220 Trommeln, 440 Blasinstrumente u. 8. w. Jedoch war zur Ausfüllung
der auch iu dieser Sammlung noch zahlreich vorhandenen und oft
schmerzlich empfundenen Lücken die Herbeiziehung der in der Afrika-
Litteratur verstreuten, leider nur allzu spärlichen Notizen über Musik-
instrumente um so mehr geboten, als mir die Benutzung der in anderen
Museen aufgehäuften Schätze leider nicht möglich war. Ebenso not-
wendig war dieses bei dem zweiton Abschnitt, der die geographische
Verbreitung der Instrumente behandelt.
Der dritte Abschnitt soll endlich einen Versuch machen, die Ent-
wicklung der Formeu der afrikanischen Musikinstrumente und ihre geo-
graphische Verbreitung zu erklären. Es soll also ein Theil des Kultur-
besitzes der Afrikaner auf sein Werden und seinen Urspruug unter-
sucht werden.
Bestandteile der geistigen Kultur, wie Sprache, religiöse Vor-
stellungen, sittliche Begriffe und dcrgl., sind schon seit lange Gegenstand
eines eifrigen und erfolgreichen Studiums; die materielle Kultur ist
daneben über Gebühr vernachlässigt worden. Man hat gleich nach dem
Höchsten gegriffen, nach den letzten und feinsten Blüthen der Kultur,
statt sich mit den geringen Dingen des täglichen Lebens, den Werk-
zeugen, Waffen, der Ernährungsweise u. s. w., zu beschäftigen, die doch
nicht minder wichtig sind als jene, vielmehr die Grundlage bilden, auf
1
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der sich der stolze Bau der menschlichen Kultur erst erheben kann.
Neuerdings erst ist darin Wandel geschaffen worden, nnd gerade auf
dem Gebiete der afrikanischen Ethnographie sind diese Forschungen mit
besonderem Eifer betrieben worden.
Die Musikinstramente, die hier hehandelt werden sollen, gehören
nun nicht mehr eigentlich zu der oben berührten Klasse von Dingen, die
znr Befriedigung der notb wendigsten und elementarsten Bedürfnisse
erforderlich sind; als Werkzeuge, die der Ausübung einer Kunst gewidmet
sind, muss man sie einer etwas höheren, mehr geistigen Sphäre zu-
rechnen. Da diese Arbeit sich aber nicht mit der Musik selbst, sondern nur
mit den zur Ausübung dieser Kunst dienenden Instrumenten beschäftigen
will, so darf man wohl sagen, dass es sich um die Untersuchung eines
Theils der materiellen Kultur handelt.
Wenn die Untersuchung sich auch auf Afrika beschränkt, so war
es doch unumgänglich, bei Behandlung der Entstehung und der Heimath der
Instrumente auch vergleichende Blicke auf die benachbarten Erdtheile,
im besonderen auf Asien, zu werfen. Die Beschränkung auf ein be-
grenztes Gebiet hat ihre Vorzüge wie ihre Nachtheile. Liegt ein Vorzug
in der leichteren Uebersehbarkeit des Stoffes, die fast zur Unmöglichkeit
wird, sobald man die ganze Erde in die Betrachtung hineinzieht, so
krankt die Untersuchung dafür an dem Mangel, dass die nur aus einem
Tbeile des vorhandenen Materials gezogenen Schlüsse auch nur eine
theilweise und eingeschränkte Giltigkeit beanspruchen können. So wird
es auch in dieser Untersuchung nur möglich seiu, den asiatischen Ur-
sprung einzelner afrikanischer Musikinstrumente nachzuweisen; ob aber
diese Instrumente ursprünglich in Asien zu Hause und in welchem Theile
des Kontinente, oder ob sie auch hierher erst eingewandert sind, diese
Fragen liessen sich nur durch eine eingehende Behandlung der asiatischen
Musikinstrumente lösen. Erster Ursprung und der Anfang des Weges
ihrer Ausbreitnng liegen bei diesen Instrumenten im Dunkel, nur das
Ende des Weges, der von Asien nach Afrika hinüberführt, ist uns vor-
läufig bekannt.
Wie die ganze Arbeit auf den Sammlungen des Berliner Museums
beruht, so sind auch die Abbildungen sämmtlich nach Originalen ange-
fertigt, die sich in dem genannten Museum befinden; die Nummer
(IIIC 3920 u. s. w.), die jeder Abbildung beigefugt ist, ist die Katalog-
nummer des dargestellten Musikinstruments. Wo im Text kurzweg von
»dem Museum c die Rede ist, ist stets, wie nach dem oben Gesagten sich
von selbst versteht, das Museum für Völkerkunde zu Berlin gemeint.
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I. Beschreibung und Klassifikation.
Die Klassificirung und Beschreibung der afrikanischen Musikinstru-
mente bietet insofern einige Schwierigkeiten, als die Namen unserer
europäischen Instrumente sich nicht ohne Weiteres auf die vielfach ab-
weichend koustruirten afrikanischen übertragen lassen. Die Bezeichnungen
Harfe, Gnitarre, Mandoline, Laute, Cither u. s. w., wie sie in unseren
Museen und in der Litteratur gang und gäbe sind und meist wahllos
durcheinander für die verschiedenartigsten Formen gebraucht werden,
führen bei solcher Art der Verwendung nur zur Verwirrung und zeigen
schon durch ihre regellose Auwendung die Schwierigkeit der Einordnung
der afrikanischen Instrumente in unsere gewohnten Rubriken. Der An-
wendung der einheimischen Namen steht ausser unserer mangelhaften
Kenntniss derselben der Umstand entgegen, dass nicht selten dasselbe
Instrument bei verschiedenen Stämmen verschieden benannt wird, oder
dass dasselbe Wort in einer Gegend auf dieses, iu einer anderen auf ein
anderes Instrument bezogen wird; trotzdem habe ich mehrfach den afri-
kanischen Ausdruck gewählt, wo ein solcher mit Sicherheit bekannt ist
und wo keine europäische Bezeichnung sich ohne Zwang und mit Aus-
schluss aller Miasverstäudnisse auf das Instrument anwenden Hess. So
z. B. bei der Sansa und der Gorra. In einigen Fällen hat sich ohnehin
der einheimische Name bereits in der Litteratur eingebürgert (Gubo,
Rabab, Marimba).
Im Uebrigen habe ich mich an die übliche Eintheilung in Saiten-,
Blas- und Schlaginstrumente gehalten, obwohl dieselbe nicht ganz ein-
wandfrei ist Denn während die zwei letzten Abtheilungeu auf der
Methode der Erregung des Tons beruhen, ist bei den Saiteninstrumenten
die Beschaffenheit des tonerzeugenden Theiles massgebend. Letztere
mössten logischer Weise auch zu den Schlaginstrumenten gestellt werden,
weil bei ihnen die Saite durch Anschlagen mit den Fingern oder einem
Plektron zum Tönen gebracht wird. Da indessen diese Eintheilung ein-
mal allgemein gebräuchlich ist, habe ich sie auch beibehalten und ihr
als vierte Gruppe die Sansa eingefügt.
1*
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1. Die Saiteninstrnmente.
Die Eintbeilung der Saiteninstrumente ergiebt sich in ungezwungener
Weise aus ihrem Bau. Zwei Theile kann man an jedem Saiteninstrument
unterscheiden, die Vorrichtung zum Ausspannen der Saite oder der Saiten
als des tonerzeugenden Elements, und den Apparat zum Verstärken des
Tones. Der erste Theil, Saitenträger mit Saite, ist natürlich das Wesent-
liche, wenngleich der Resonanzapparat meistens an Grosse und Ausge-
staltung hervorragender ist und daher mehr das Ansehen des Instrumentes
bestimmt Der relativen Wichtigkeit beider Theile gemäss kann daher
der zweite unter Umständen fehlen, während der erste stets vorhanden
ist Indem man die Konstruktion dieser beiden Theile und die Art und
Weise ihrer Zusammenfüguug, die Zahl und Anordnung der Saiten, ihre
Stellung zum Resonanzboden, sowie die Einrichtung des letzteren berück-
sichtigt, erhält man die Eintheilung, die der folgenden Beschreibuug zu
Grunde gelegt ist Es ist also bei dieser Klassificirung weder auf die
geographische Verbreitung noch auf die entwicklungsgeschichtliche Ver-
wandtschaft der Typen Rücksicht genommen; trotzdem wird sich zeigen,
dass in den meisten Fällen einem bestimmten gut charakterisirten Typus
auch ein geschlossenes, mehr oder weniger scharf umgrenztes Verbreitungs-
gebiet zukommt, und dass in der Reihenfolge der Gruppen sich auch die
Entwickelang der Saiteninstrumente bis zu einem gewissen Grade wieder-
spiegelt.
Erste Gruppe. Das einfachste Saiteninstrument ist der Musik-
bogen. Ein biegsamer, elastischer Stab, durch eine zwischen seinen
Enden ausgespannte Saite gekrümmt, das ist das ganze Instrument. Es
giebt natürlich nur äusserst schwache, schwirrende Töne, die kaum einem
andern als dem Spieler selbst vernehmbar sind, so dass gewöhnlich zur
Verstärkung derselben ein durchschnittener Kürbis angehängt wird.
Andernfalls dient als Resonator die Mundhöhle des Spielers, der das Ende
des Bogens zwischen die Zähue nimmt Auch wo ein Kürbis als Schall-
verstärker vorhanden ist, wird derselbe, der unten offen ist, mit der
Oeflnuug auf den Leib, die Brust oder den Bauch, gesetzt; wohl nicht
nur, um dem Bogen eine festere Stellung zu schaffen, sondern hauptsäch-
lich, um den ganzen Körper als Resonator dienen zu lassen und zugleich
die schwachen Töne des Instruments dem Spieler durch direkte Zuleitung
vernehmlicher zu machen. Dem letzteren Zweck dient es jedenfalls, wenn
der Musiker sich den Kürbis über das Ohr stülpt, wie Schinz von den
Hottentotten berichtet. 1 ) Der Kürbis ist nahe dem einen Ende des
Bogens angebracht, und zwar so, dass die Schnur, an der er hängt, über
») Deutsch-Sildwest-Afrika. S. 96.
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— 5 —
die Saite läuft (Abb. 1) und dieselbe so in zwei ungleiche und, da der
Kürbis verschiebbar ist, veränderliche Hälften theilt. Zuweilen ist der
Kürbis nur am Bogen befestigt, ohne die Saite mitzufassen, z. B. nach
Holub bei den Marutse. 1 ) Zu erwähnen ist noch, dass die Saite auf-
fallend häufig über die Spitzen des Stabes geführt wird (wie bei Abb. 3a),
was bei dem als Waffe dienenden Bogen nur selten vorkommt. Durch
Schlagen mit einem dünnen Stäbchen wird die Saite zum Tönen gebracht.
Bei den Kaffern hält der Spieler den Bogen mit der linken Hand an dem
Ende, an welchem der Kürbis befestigt ist, in senkrechter Stellung, so
dass der Kürbis auf der Brust ruht, und schlägt die Saite mit dem in
') Eine Kulturskizze des Marutoe-Mambnnda- Reiches. Wien 1879. S. 139.
1*
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der rechten Hand gehaltenen Stäbchen, während die Finger der Linken
die Tonhöhe reguliren. ') Ganz ähulich wird das Instrument in Angola
gespielt. 3 ) Zu einigen ostafrikanischeu Instrumenten dieser Art (Makua,
Wasaramo) im Berliner Museum gehört noch eiu kleiner Fingerhut aus
Flaschenkürbis, der auf den linken Zeigefinger gesteckt und während dea
Spielens gegen den Kürbis geschlagen wird.
Während in der Überwiegenden Mehrzahl der Fälle das Instrument
aus einem einfachen gebogenen Stabe besteht, besitzt das Berliner Museum
zwei von den Kaffern stammende Musikbogen, die aus drei Theileu zu-
sammengesezt sind (Abb. 2); in der Mitte ein gerader dicker Stab, in
dessen hohle Enden zwei gekrümmte dünnere Stäbchen hineingesteckt
sind. Die Saite besteht hier aus dünnem Eisendraht.
Der Resonanzboden ist meistens, wie bereits augegeben, ein eiufacher
durchschnittener, nach unten offener Kürbis, nur bei einem von Pogge
herrührenden Instrument unbekannter Herkunft ist derselbe aus zwei
Theilen in derselben Art zusammengesetzt, wie es bei den Instrumenten
der zweiten Gruppe beschrieben werdeu wird.
Zwei Instrumente des Berliner Museums, von denen Abb. 3 das eine
wiedergiebt, unterscheiden sich erheblich von allen übrigen mir bekannten
Musikbogen und bilden insofern einen Uebergang zur dritten Gruppe,
als der Kürbis nicht lose an den Bogen gehängt, sondern dieser durch
jenen hin durch gesteckt ist. Der Kürbis ist durchschnitten und die nach
oben gekehrte Oeffnung mit Eidechsenhaut bespannt, die mit kleinen
Holzstiften angepflöckt ist; an der unteren Seite des Kürbis befindet
sich ein kleiues Loch. Das merkwürdigste aber ist, dass das Trommelfell
in der Mitte zwei kleine parallele Einschnitte zeigt, durch welche die
aus Bast gedrehte Saite hindurchgezogen ist. Der Kürbis lässt sich in
Folge dieser eigenartigen Anordnung auf Bogen nnd Saite hin und her
schieben, ganz wie bei der gewöhnlichen Gubo. Das Instrument stammt
aus dem südlichen Theil von Deutsch - Ostafrika, wahrscheinlich aus
Upogoro.
Dem zweiten ähnlichen Exemplar fehlt die Saite; doch zeigen die
beiden Schnitte in dem Fell des Resonators, dass die Konstruktion genau
dieselbe war wie bei dem vorigen. Auch dieses Stück stammt aus Deutsch-
Ostafrika; ähnliche Instrumente scheinen aber auch in Angola vorzu-
kommen, wenigstens solche, bei denen der Bogen durch den Kürbis hin-
') G. Fritsch, Die Eingeborenen Süd-Afrika*. Breslau 1872. S. 20 (Fig. 7) und
S. 133. Shooter, The Kafira of Natal and the Zulu Country. London 1857, S. 238.
«) Soyaux, Aua West-Afrika S. 176.
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— 7 —
durchgeht; davon, dass die Saite durch das Resonanzfell gezogen ist,
erwähnt Monteiro, 1 ) von dem diese Angabe herrührt, nichts.
Eine von dem bisher beschriebenen Typus abweichende Konstruktion
hat die Gorra, das Nationalinstrument der hellfarbigen Sudafrikaner.
Hier ist die Sa'te nnr an einem Ende direkt am Bogen befestigt, das
andere endigt dagegen an einem gespaltenen und flach
ausgebreiteten Stück der Spule einer Straussenfeder. 8 )
Die Gorra wird wagrecht vor den Mund gehalteu und
durch Ansaugen und Abstossen der Federspule die
Saite in Schwingungen versetzt. Es ist also hier nicht
nur die Konstruktion abweichend, sondern auch das
musikalische Princip ein ganz anderes als bei dem
gewöhnlichen Musikbogen; wollte man letzteres als
Gruudlage der Eintheilung der Musikinstrumente nehmen,
so müsste man die Gorra zu den Maultrommeln stellen.
Zweite Gruppe. Die Instrumente dieser Gruppe
unterscheiden sich von deneu der vorhergehenden haupt-
sächlich dadurch, dass an Stelle der biegsamen und
elastischen Gerte hier als Saitenträger ein starrer gerader
Stab tritt.
Hierher gehören zunächst einige primitive In-
strumente, bei denen der Saitenträger ein unbearbeiteter
Stock, meist ein Rohr- oder Hirsehalm ist; die einzige
Saite zieht von einem Ende, desselben zum anderen
und wird durch ein senkrecht auf dem Stabe ange-
brachtes Hölzchen, das als Steg dient, erhöht und straff
gespannt. Ein Kürbis dient als Resonator.
Ein ähnliches Instrument ist das in Abb. 4 dar-
gestellte aus Usaramo; bei diesem ist kein Steg vor-
handen, der die Saite vom Saitenträger entfernt, statt
dessen ist die Saite zwischen zwei Pflöcken ausgespannt,
von denen der eine in schräger Richtung in den Stab
... , , , i i • Altb.4. Monochord aus
eingelugt ist, wahrend der andere hakenförmig ge- u«ar»mo (in e jsb9).
bogene in dem entgegengesetzten Ende des Saiten- ' ' 4 w - Gr-
trägere steckt. Die Saite verläuft nicht frei, sondern ist in die
Aufhängeschour der Kalebasse eingebunden. Durch Verschieben des
>) Angola and the River Congo. London 1875. S. 139.
') A. Sparrmauns Reise nach dem Vorgebirge der guten Hoffnung. Berlin 178-1.
S. 214. H. Lichtenstein, Reisen im südlichen Afrika. Berlin 1812, 11. 870. Burchell,
Travel* in the Interior of Southern Africa. London 1822, I. 459 (Abb. S. 475 u. Taf. IX).
Was Scbinz (S. %) Gorra nennt, ist die Gubo.
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Kürbisses kann die Saite verlängert oder verkürzt und mehr oder weniger
straff gespannt werden. Dazu gehören zwei dünne Stäbchen zum Schlagen
der Saite.
Im Princip den eben beschriebenen Monochorden gleich gebaut, von
ihnen aber unterschieden durch den in bestimmter Weise geschnitzten
Saitenträger und die eigenartige Konstruktion des Resonanzkürbisses sind
eine Anzahl Instrumente, von denen die Abb. 5 eine Vorstellung giebt.
Der Saitenträger ist ein Stab von rechteckigem Querschnitt, längs dessen
eine Saite auf der oberen schmalen Kante über eine Reihe senkrecht zum
Stabe stehender Vorsprünge von einem Ende zum andern gespannt ist.
Ausser über diese Vorsprünge läuft die Saite auch noch über eine zweimal
rechtwinklig geknickte Federspule, die dicht au dem einen Ende des
Saitenträgers so festgebunden ist, dass ihr mittlerer wagrechter Theil
ungefähr in gleicher Höhe mit den oberen Enden der erwähnten Vor-
Abb. 5. Saltonln.xtrument (scse) der Wayao (III K 3129). '/« d. w. Or.
a) Befestigung des Resonanzkürbi«.
sprünge liegt. Eine zweite Saite, die an mehreren Instrumenten des
Berliuer Museums fehlt, ist längs einer der breiten Seiten des Stabes ge-
zogen. Ein Instrument (Wawemba) scheint sogar drei Saiten gehabt zu
haben. Unter dem Stabe hängt in der Nähe eines Endes der Resonanz-
kürbis, der aus zwei Theileu besteht, einem halbirten, unten offenen
Kürbis, dem eigentlichen Resonanzboden, und einem auf diesen aufge-
setzten Hals, ebenfalls ans Flaschenkürbis, dessen oberer Rand mit zwei
rechteckigen Einschnitten zur Aufnahme des Saitenträgers versehen ist
(Abb. 5a). Eine Schnur, die den unteren Kürbis in seinem Scheitelpunkt
durchbohrt und an einem Querstäbchen eudigt, bindet den Resonanz-
apparat an den Saiten träger. Die Saiten sind uicht mit eingebunden.
Der Saitenträger, der, wie schon erwähnt, aus einem vierkantigen
platten Stabe besteht, ist in einer ganz typischen, bei allen Exemplareu
im wesentlichen übereinstimmenden Art geschnitzt. Er besitzt nämlich
stets eine Anzahl von Vorsprüngen, die auf die Schmalseiten senkrecht
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zur Richtung des Stabes aufgesetzt sind. Zunächst befindet sich je einer
an jedem Ende, auf welchen beiden die Saite ruht; diese dienen also
als Stege. Dasjenige Ende, an welchem die Federspule angebracht ist,
hat gewöhnlich nur diese eine Erhöhung, am anderen Ende aber folgeu
nun noch regelmässig drei ähnliche säulenförmige Vorspränge, zuweilen
sogar noch mehr, wie bei dem abgebildeten Instrument. Diese Vorspränge
haben unzweifelhaft denselben Zweck wie die Querleisten auf dem Griff-
brett der Guitarre, nämlich die Verkürzung des schwingenden Theils der
Saite dadurch, dasa der Spieler dieselbe mit den Fingern der linken Hand
auf das obere Ende dieser Vorspränge drückt. Dass die Vorspränge sich
nicht nur auf der oberen Kante des Saitenträgers erheben, wo sie eineu
praktischen Zweck haben, sondern sich auch nach unten fortsetzen,
geschieht offenbar nur der Symmetrie wegen.
Unklar ist mir dagegen der Zweck der doppelt geknickten Federpose;
da sie aber niemals fehlt, so ist anzunehmen, dass sie einen solchen hat.
Dass sie als Steg fungiren soll, ist wenig wahrscheinlich ; denn diese Auf-
gabe erfällt schon der geschnitzte Vorsprung, neben dem sie augebunden
ist ; oder sollte sie nur ein zweckloses Ueberbleibsel aus einer Zeit sein,
als der Saitenträger noch nicht in dieser Weise geschnitzt, sondern nur
ein glatter Stock war? 1 )
Gespielt wird das Instrument genau ebenso wie der einfache Musik-
bogen. Der Spieler presst den Kürbis gegen die Brust, hält mit der
linken Hand den Saitenträger und drückt mit den Fingern derselben die
Saiten abwechselnd gegen die verschiedenen Vorspränge, während er mit
der Rechten die Saite mittels eines Plektrons aus Holz in Schwingungen
versetzt. Ä )
Dritte Gruppe. Bei den Instrumenten dieser Gruppe sind im
Gegensatz zu den beiden ersten Saitenträger und Resonanzboden fest ver-
bunden, indem jener, ein gerader oder schwach gebogener Stock, durch
diesen hindurchgesteckt ist. Abgesehen von dieser fundamentalen Uebcr-
einstimmung der Konstruktion sind die hierher gehörigen Instrumente
aber so verschieden, dass es zweckmässig erscheint, sie in mehrere Unter-
abtheilungen zu sondern.
') Dieses Instrument heisst in Ostafrika Sese, in Madagaskar Lokanga. C. Engel
beschreibt nun ein madagassisches Instrument, das er mit letzterem Namen bezeichnet,
folgeudermasseu: „Wood; grotesquety carved, painted and decorated with feathers. The
under part of the body coated with reeds, beld together by lattice work. Four-stringed "
(Deseriptive Catalogue of the mosical Instruments in the S. Kensington Museum. London
1874. S 149.) Nach dieser Beschreibung muss man bezweifeln, dass es sich in der
Tbat um die madagassische Lokanga handelt. Welcher Art das geschilderte Saiten«
Instrument ist, vermag ich daraus nicht zu entnehmen.
«) L. Catat, Voyage ä Madagascar. Paris 1S95. S. 275.
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— 10 —
In der ersten von diesen (Gruppe III a) besteht der Resonanzkasten
aus Holz oder Flaschenkürbis, bei zwei Instrumenten der Wasaramo aus
einer Kokosnuss, ist unten offen oder hat nur eine seitliche Oeffnung
(wie bei dem abgebildeten Exemplar Abb. 6) und ist oben mit Fell oder
Abb. 6. Saiteninstrument der Manganducha (III E SJ51) V« d. w. Gr.
Eidechsenhaut überspannt. Die einzige Saite läuft von einem Ende des
Saitenträgers über die Membran des Resonanzkastens bis zu einem am
andern Ende senkrecht im Saitenträger steckenden drehbaren Pflock. Bei
einem von den Wakamba stammenden Instrument bat man an dem durch
den grossen, mit Kauris verzierten Kürbis gesteckten Stock ein Stück
eines Seitenzweiges stehen lassen zur Befestigung der Saite (Abb. 7);
letztere fehlt jetzt (in der Zeichnung durch eine puuktirte Linie ange-
deutet).
Ueber die Art, wie dfese Instrumente gespielt werden, habe ich nur
die eine, zu dem in Abb. 6 dargestellten gehörige Angabe des Sammlers,
dass die Saite dicht an der Trommel mit einem angefeuchteten Schilfblatt
gestrichen wird.
Die zweite Unter-
abtheilung (Gruppe III b)
umfasst Instrumente, als
deren Typus die arabische
Rabab angesehen werdon
kann. Dieselbe hat nach
der Beschreibung von
Lane,') der ich hier folge,
da das Berliner Museum
kein solches Instrument
besitzt , als Resonanz-
kasten einen trapez-
förmigen, vorn mit Haut bespannten, hinten offenen Holzrahmen. Der
hölzerne, mit eisernem Fuss versehene Saitenträger durchbohrt die beiden
parallelen Seiten des Trapezes, von denen die kürzere oben, die längere unten
liegt, und trägt eine oder zwei Saiten aus Pferdehaar, die oben an Wirbeln
') Au aecount of the manners and cnstoms of the modern Egyptians. London 1836
II, 75 (Abb. S. 74).
Abb. 7. Saiteninstrument der Wakamba (III E 6JM).
V, d. w. Gr.
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11
befestigt sind und durch einen Steg
gestützt werden. Die Rabab wird mit
einem ebenfalls mit Rosshaar bespanuton
Bogen gestrichen.
Die in Abessinien
gebräuchliche Rabab
unterscheidet sich
von der ägyptischen
dadurch , dass der
Resonanzkasten die
Gestalt eines Rhom-
bus hat, der vom
Saitenträger in der
Diagonale durch-
bohrt wird. Sie hat
ausserdem keine
Wirbel, soudern die
Saite ist an einem
Lederring befestigt
(Abb. 8).
Ein der Rabab
ähnliches Instru-
ment, das gleichfalls
mit einem
Abb. 9. SnitoniiiKtrumcnt
Bogen au* Togo in c mo .
Abb. 8. Rab.b an» Abostnlon (III Ab loio). gespielt wird , ist a) Ste *- b) BoRen -
'/.d.w. Gr. Ö 1 .. ' 'I w.ßr.
die ägyptische
Kemengeh, die einen Resonanzkasten aus einer mit Fischhaut über-
spannten halbirten Kokosnuss hat; die zwei Saiten sind oben an Wirbeln
befestigt: ein doppeltes Lederband unischliesst unterhalb der Wirbel
Saitenträger nnd Sailen. Der Saitenträger setzt sich unterhalb des
Resonators als langer
eiserner Fuss fort, mittels
dessen das Instrument
auf den Boden gestützt
wird.»)
Das in Abbildung 0
Ab»«. 10. Saiteninstrument der Papel (III C 24.T.»)- ' , d. w. Ür
dargestellte, ans (lern
nördlichen Togo stammende Instrument, Vertreter eines im Sudan weit
▼erbreiteten Typus, hat einen mit Haut bespannten Resonanzkürbis und
') Abbildung bei Lane II, 63.
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einen leicht gebogenen Saitenträger, der den Kürbis durchbohrt. Die
Saite besteht aus einem Bündel Pferdehaar; sie geht über den Resonanz-
boden hinweg und ist mit einer Schlinge über das Ende des Saiten-
trägers gehakt. Ein dreieckiger Steg (Abb. 9a) unterstützt die Saite.
Abb. 9 b zeigt den zugehörigen Bogen mit Rosshaarsehue.
Abb. 10 endlich stellt ein ziemlich rohes Instrument der Papel dar t
das ich wegen seiner allgemeinen Aehnlichkeit mit den Instrumenten
Abb. 11. Saiten- Abb. Ii. Sniten- Abb. 13. Saiten- Abb. 14.
instrument nus Instrument aus Hassan instrument a. Marokko Saiteninstrument a. Marokko
Tib«Ui(MICS*Xj). (III C 867«). (in B 363). (III B 57)
V. d. w. Gr. > , d. w. Gr. >/• d. w. Gr. V. d. w. Gr.
dieser Gruppe hier wiedergebe, obwohl ich nicht weiss, ob es auch mit
einem Bogen gespielt wird. Der Resonanzkasten ist ein oben mit Haut
bespannter, unteu offener Kürbis, der Saitenträger ein halbirter Bambus.
Die vier jetzt fehlenden Saiten waren an Wirbeln und am andern Ende
an kleinen Holzstiften, die in der Wand der Kalebasse stecken, befestigt.
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- 13 -
Die Instrumente der dritten Untergruppe (Gruppe III c) haben den
beiden ersten gegenüber das Gemeinsame, dass der Saiten träger nicht in
der Wand des Resonanzbodens selbst, sondern nnr unter der Haut steckt
und unter einem Loch derselben in der Nähe des unteren Endes des
Resonators endigt. Hier sind die Saiten an ihm befestigt, und er läuft
zur Erleichterung der Befestigung meistens in zwei oder drei Spitzen
aus, entsprechend der Anzahl der Saiten. Oben sind die Saiten gewöhn-
lich an Lederriemen, die um den Saitenträger gewickelt sind, angebunden,
nur Instrumente aus Marokko haben Wirbel. Zuweilen (bei Instrumenten
aus Togo und Dahome) ist der Saitenträger zweimal durch das Fell des
Resonators gesteckt, offenbar der festeren Lage wegen; hin und wieder
liegt unter dem Fell auch noch ein Querstab. Der Resonanzboden selbst
besteht entweder aus Flaschenkürbis oder aus Holz, ist halbkugelig oder
trogförmig, oder er hat die ovale Form einer Mandoline. Das Fell, mit
dem er bespannt ist, ist entweder angepflöckt oder mit Riemen auf der
Rückseite zusammengezogen. Die Saiten bestehen meistens aus gedrehten
Lederstreifen oder aus Thiersehne; nur einige Instrumente aus Adamaua
haben Rosshaarsaiten (Abb. 11); letztere werden vielleicht mit einem
Bogen gespielt; alle übrigen mit einem Plektron.
Die verschiedenen Typen der Instrumente dieser
Untergruppe veranschaulichen die Abbildungen 11
bis 14.
An diese Gruppe lassen sich am ehesten einige,
hauptsachlich nordafrikanische Instrumente an-
gliedern, die freilich einem viel fortgeschritteneren
Stadium des Instrumentenbaues angehören, als die
eben beschriebenen, die aber durch ihre Gestalt
noch verrathen, dass auch sie aus solchen, aus
einem Kürbis und einem Stock zusammengesetzten
Instrumenten hervorgegangen sind.
Dazu gehört die ägyptische Laute (»öde) mit
ovalem Resonanzbodeu, einem Griffbrett, das im
Winkel von ca. 50° geknickt ist, und 14 Darm-
saiten. Ein Stückchen Federspule dient als Plektron.')
Ein ähnliches Instrument giebt es in Marokko,
wo es den Namen Rabab führt (Abb. 15), obgleich
es mit der wirklichen Rabab keine Aehnlichkeit
hat. Dasselbe hat einen länglichen Resonanzboden mit einwärts ge-
schweiften Saiten, ein ebenfalls geknicktes Griffbrett, nur zwei 8aiten
') Abbildungen bei Lane II, 70, 71 und bei Fetis, Histoire generale de la Musique.
Paris 1869. II 109.
Abb. 15. Rabab mit Bogen
aiu Marokko (in B 61)
V. d. w. Or.
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und wird mit einem Bogen gespielt. Darin allein gleicht es der ägyptischen
Rabab, während es in der Form ganz mit der Laute übereinkommt. Der-
artige Instrumente finden sich endlich auch in Sansibar und überhaupt
in ganz Ostafrika, soweit Araber vorgedrungen sind und ihre Kultur ver-
breitet haben.
Vierte Gruppe. Der Resonanzkasten
besteht aus Kürbis oder Holz und ist im letzteren
Falle entweder aus einem Stück gearbeitet
oder besitzt einen Boden aus einem besonderen
Abb. 17. Steg eines Saiteninstrumente» au« Tschautscho
(in C 59*3). ' , il. w.Gr.
Brett, das vorn und hinten beträchtlich vor-
springt (Abb. 16). Durch diesen Kasten, der
oben mit Fell oder Eidechsenhaut bespannt
ist, geht der Länge nach ein mehr oder
Abb.,«..s ni ten«n.tr,une„tusa n k,,", weDi g er «u^ärts gebogener Stab, in seinem
au» Banjau (T«»g.o ("i < <sj7). freien Theil von verschiebbaren Bastringeu um-
geben, an denen die Saiten befestigt sind. Diese
laufen von hier über einen Steg, ein längliches Brettchen, das in schräger
Richtung auf dem Fell des Resonanzbodens steht und an beiden Längs-
kanten Einkerbungen zur Aufnahme der Saiten hat. Hinter dem Steg
vereinigen sich die Saiten gewöhnlich zu einem Strange und endigen an
dem hinteren Ende des Saiteuträgers oder an einer von demselben zur
Spitze des Steges gezogenen Schnur. Die Saiten, deren Zahl meist 6—8
ist, sind also in zwei parallelen Reihen angeordnet. Bei einem Stück des
Berliner Museums, zugleich dem einzigen, bei dem der Resonanzboden
aus einem Stück besteht, gehen die Saiten nicht durch Kerben der Steg-
ränder, sondern durch zwei Reihen Locher iu demselben und sind hier
durch Holzstifte festgeklemmt (Abb. 17).
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- 15 -
Ein Rieseninstrnnient dieser Art ist das in Abb. 18 abgebildete mit
22 Saiten. Die Ringe am Saitenträg» t sind ans Leder geflochten; die
Saiten endigen nicht am Hinterende des Saitenträgers direkt, sondern an
einer in demselben steckenden mächtigen eisernen Oese; der Steg ruht
auf einem Kissen; unter das Fell sind
zu seiner Unterstützung zwei mit dem
Saitenträger parallele nnd ein zu ihm
senkrechter Stock gesteckt; im Kürbis
oben neben dem Eintritt des Saiten-
trägers befindet sich eine viereckige
Schallöffnung.
Ueberein8timmend mit der dritten
Gruppe ist also bei diesen Instrumenten
die Befestigung der Saiten an den beiden
Enden des Saitenträgers, abweichend
aber die Anordnung derselben in zwei
parallelen Reihen, die durch die Ein-
schaltung des treppenförraigen Steges
ermöglicht wird.
Fünfte Gruppe. Gemeinsame
Kennzeichen der Instrumente dieser
Gruppe, die als Harfen bezeichnet werden
können, sind: eine mit Haut bespannte
Trommel aus Holz oder Flaschenkürbis
als Resonator, ein durch denselben hin-
durchgesteckter oder sonstwie an ihm
befestigter Stock als Saitenträger und
die Anordnung der Saiten in einer zur
oberen Fläche des Resonanzbodens senk-
rechten Ebene, endlich die Befestigung
der Saiten einerseits au Wirbeln, anderer-
seits an einem besonderen, dicht unter
dem Resonanzfell liegenden Holzstabe,
zu welchem jede Saite durch ein be-
sonderes Loch gelangt. Die bei aller Gemeinsamkeit der Grundzüge be-
trächtlichen Verschiedenheiten im einzelnen nöthigen aber zu einer
Theilung in Unterabtheilungen.
Gruppe Va. Die Waganda-Harfe (»nangac) (Abb. 19). Als
Resonanzboden dient eine ovale Holzschale, deren Oeffnung mit Haut
(meist von einer grossen Eidechse) überzogen ist; letztere wird durch
Schnüre, die von ihrem Rande radial zusammenlaufen und an einem die
Abb. 18. Saiteninstrument von ilon
BiasagoB-Inaeln (III C 98M) '/■ d. w. Or.
a) Befestigung der Saiten, b) Steg,
d. w. Gr.
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— 16 —
Mitte des convexen Rückens der Holzschale bedeckenden viereckigen Haut-
stücke endigen, straff gespannt (Abb. 19a). In dieser Schale steckt in
der Richtung ihrer Längsaxe ein nach oben gekrümmter Stab aus hellem
Holz mit acht Pflocken zur Befestigung der acht Saiten aus gedrehtem
Ziegen- oder Schafdarm. 1 ) Die Art der Befestigung zeigt Abb. 19c
Abb. 19. Harf« der Wnganda (III E J3W). a) Rückseite des Abb. 20. Harfe der
Resonanzbodens ; b) Querschnitt durch denselben; '/ 4 d. w. Gr. Niam - Nlam (III Ab 842).
c) Befestigung der Saiten. •/, d. w. Gr. '/« d. w. Gr.
Die Saiten endigen unten an einem in der Mittellinie des Resonanzkastena
dicht unter der Haut liegenden Holz (vgl. den Querschnitt Abb. 19b),
das mit einem Ende auf dem Saitenträger, mit dem andern auf dem
unteren Rande der Holzschale ruht. Die mit Eidechsenhaut überzogenen
Ringe, die zwischen den Wirbeln nm den Saiteuträger gelegt sind, sollen
das Splittern desselben verhindern. 1 ) Das ganze Instrument sieht, wenn
>) Die 3 Exemplare des Berliner Museurna haben sämmtlich 8 Saiten; Wilson und
Felkin ^Uganda I 154) geben 6-8 Saiten an.
*) Wilaon & Felkin I 154.
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— 17 -
man sich die Haut wegdenkt, wie ein riesiger Löffel ans. Alle Theile
sind, wie bei einem Erzengniss des Kunstfleisses der Waganda zu erwarten,
ausserordentlich sorgfältig und saaber gearbeitet.
Eine ähnliche Harfe, die Baker in Obbo östlich vom Nil (4° n. Br.)
sah, hatte nach seiner Beschreibung acht Saiten; auffallig ist nur, dass
der Saitenträger, wenn man der Richtigkeit der Abbildung vertrauen
darf, mitten aus dem Resonanzfell hervorkommt. 1 )
Abb. Ii. Harfe der Batta (III F 698) Abb. 28. Harfe an» Tibati (III C 5199)
1 . I. »• 'fr. a) Ansicht des Kcsonanekastens '/• «I. w. Gr. a) Querschnitt durch den
von oben Vi» b) Querschnitt durch den- Hesonanzkaiten */«• b) Befestigung der
selben ■/» c) Saltenbofestlgunj ' .. Saiten > V
Gruppe Vb. Die A-Sandeh-Harfe (»kundi«) (Abb. 20). Sie
gleicht der vorigen in allem Wesentlichen, abgesehen von der Zahl der
Saiten, die nur fünf beträgt, und von der Gestalt des Resonanzbodens, der
') Baker, Der Albert Nvansa. Jena 1867. I 10 und 335.
8
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- 18 —
mit seinen ausgeschweiften Rändern lebhaft an die Gestalt unserer Violine
erinnert. Indes kommen auch andere Formen vor, wie die Abbildung bei
Junker 1 ) zeigt. Der Resonanzbodeu ist ganz mit Haut überzogen, die
auf dem Rficken desselben zusammengenäht und auf der oberen Fläche
mit zwei Schalllöchern versehen ist. Die Arbeit ist nicht so elegant und
sorgfältig wie in Uganda, dafür ist aber der Saitenträger kunstvoll geschnitzt
und trägt an der Spitze meistens einen Kopf mit der typischen Frisur
der A-Sandeh.
Gruppe Vc. Hierher gehören Harfen aus Adamaua mit 6—10 Saiten
und einem länglichen trogförmigen Resonanzkasten aus Holz. Der Ueber-
zug von Haut, die den letzteren ganz umhüllt, erstreckt sich meistens
auch noch auf das untere Endo des Saitenträgers. Tin Uebrigen stimmen
Abb. 23. Harfe au« Kotufo. (III F M>J). n'i Läi»K*schnitt durch die Kiiwitrstello de« Saitenträger»,
b) Querschnitt durch den Ke*onanzki*ten. d.W. Gr.
diese Instrumente mit denen der beiden erstcu Unterabtheilungen über-
ein (Abb. 21 und 22).
Etwas abweichend ist das Instrument Abb. 23 mit seinem beinahe
rechtwinklig gebogenen Saitenträger. Beachtenswert!) ist auch die Be-
festigung des den Resonanzkasten überdeckenden Fells: es wird durch
Schnüre gespannt, die durch eine um den Kasten herumlaufende, mit
Löchern versehene erhabene Leiste gezogen sind. Die Saiten fehlen, aber
an der Zahl der Löcher im Resonanzfell kann man ersehen, dass es
sieben gewesen sind, während der Saitenträger acht Löcher zur Aufnahme
derselben hat. Wirbel hat das Instrument nicht. Dieselben fehlen auch
bei einer ganz gleichen Harfe mit sechs Saiten, die Mockler-Ferryman
') Reisen in Afrika. III 20.
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- 19 -
mit der Angabe abbildet, dass sie besonders bei den Dschuko am mittleren
Benue in Gebrauch sei. 1 )
Gruppe Vd. Diese Untergruppe weicht von den vorhergehenden
nur in der Art der Anbringung des Saitenträgers ab. Der trogförmige,
aus eiuem Stück Holz ausgehöhlte und mit Fell überspannte Resonanz-
boden hat nämlich an dem oberen
Ende einen meistens geschnitzten, oft
in einen menschlichen Kopf aus-
laufenden Fortsatz, auf dessen oberer
Fläche der Saitenträger mit schräg
abgeschnittenem Ende ruht und mit
Kotang oder dergleichen festgebunden
ist. Beide Theile sind zu diesem
Zweck mit Löchern versehen. Die
Saitenzahl beträgt 8—10 (Abb. 24).
Sechste Gruppe. DerResonanz-
boden ist gewöhnlich ein Holz-
kasten von wechselnder Form, der
eutweder aus einem Stück gearbeitet
oder aus mehreren Brettern zusammen-
gefügt ist nnd an irgend einer
Stelle eine Schal löffnung besitzt.
Er ist niemals oben offen und mit
Haut überspannt, sondern besteht
immer ganz aus Holz. An Stelle des
einen Stabes aber, der bei allen
bisher betrachteten Instrumenten die
Saiten trug, tritt hier für jede Saite
ein besonderer gebogener Stab. Die
Zahl der Saiten und damit der
Saitenträger schwankt zwischen 3
und 8, und zwar kommen alle da-
zwischenliegenden Zahlen vor.
Nach der Art und Weise der
Verbindung der Saitenträger mit dem
Resonanzkasten kann man drei Unter- ^J^^^Cl^''
abtheilungen unterscheiden: in der
ersten (Via) liegen die Stäbe unter dem Kasten und stecken mit ihren
Hintereuden in einer hervorspringenden Querleiste der unteren Fläche
«) Mockler-Ferrynian, Up the Niger. London 1892. S. 266.
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- 20 -
desselben; in der zweiten (VIb) liegen sie ebenfalls unter dem Kasten,
sind aber nur an denselben angebunden, während sie in der dritten
Abtbeilung (VIc) die Vorderwand desselben durchbohren.
Gruppe Via ist
die bei weitem zahl-
reichstederdrei Unter-
gruppen und lässt sich
beider grossenMannig-
faltigkeit der zuge-
hörigen Instrumente
ihrerseits wiederum
theilen.
1. Der Resonanz-
kasten ist ein
nach vorn spitz
zulaufender, hin-
ten mit breiter
Fläche endigen- Abb - 2S - Saiteninstrument vom Kiiango (III C UM).
von unten (BefoHtlgung der SnitentruRer). '/• d.
der Kasten mit
einem Deckel, der nach vorn beträchtlich vorspringt, hinten aber
den Kasten nicht vollständig deckt. Die fünf Saiten aus Pflauzen-
faser sind an den aufwärts gerichteten Enden der Stäbe festge-
bunden und verschwinden dicht vor dem Hinterrande des Deckels
uud unmittelbar hinter einem niedrigen Stege in fünf feinen Löchern
des Deckels, unter dem sie endigen (Abb. 25).
Das in Abbildung 26" dargestellte Instrument der Bakuba
(»lukoude«) gehört ebenfalls hierher, unterscheidet sich aber dadurch,
dass es keinen besonderen Deckel besitzt, sondern aus einem Stück ge-
schnitzt und hinten ganz offen ist, sowie durch die Zahl der Saiten,
die acht beträgt.
a) Ansieht
w. Or.
Abb. J6. Saiteninstrument der Bakuba (III 0 3216). ») Längsschnitt durch den
Beaonan«ka»ten. ',, d. w. Gr.
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— 21 -
2. Der Resonanzapparat ist ein rechteckiger Kasten, an dem Deckel
und Rückwand aus besonderen Brettern bestehen, letztere mit
einem Ausschnitt am oberen Rande. Die Seiten wände springen
nach vorn vor und sind halbmondförmig ausgeschnitten. Vier
Saiten aus Pflanzenfaser siud vorn in einen Spalt der Spitze des
Saitenträgers geklemmt, hinten befestigt wie bei 1, nur dass sie
nicht bloss durch den Deckel, sondern auch noch durch ein
Stückchen Fell gezogen sind (Abb. 27). Bei einem zweiten sonst
ganz gleichen Instrument ist der Resonanzkasten nicht vierkantig,
sondern unten abgerundet.
a
Abb. 27. Saiteninstrument der Mayakalla (III C 1589). a) Rückseite. «/« d. w. Or.
Abb. ?8. Saiteninstrument der Dakota (III C 5770). % d w. Or.
3. Ein rechteckiger Resonanzkasten mit aufgenageltem Deckel, letzlerer
wie die Seitenflächen reich geschnitzt und bemalt und mit einer
hohen Querleiste nahe dem hinteren Ende, die als Steg dient.
Hinter derselben die Löcher zur Befestigung der Saiten und 1—2
grosse rechteckige Schalllöcher. Die Zahl der stets aus Pflanzen-
faser bestehenden Saiten betragt sechs (Abb. 28). Alle diese
Instrumente stammen aus dem südlichen Kamerun, vornehmlich von
den Bakoko. Aehnlich, aber roher gearbeitet, un verziert und mit
«tark vorspringendem Boden ist ein angeblich von den Bali
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- 22 -
stammendes Exemplar. Einzig auter allen Stücken des Berliner
Museums, weil aus Palmblattrippen zusammengesetzt, statt aus
Holz geschnitzt, sonst aber in allem, auch in der äusseren Gestalt,
übereinstimmend mit den oben beschriebenen ist ein Iustrument
mit der ungenauen Herkunftsangabe iKamerunc.
4. Während bei den bisher beschriebenen
Instrumenten die Saitenträger nur unten in
der Nähe des Resonanzbodens an einer oder
zwei Stellen durch Querstäbe miteinander
verbunden sind, sonst aber frei in die Luft
ragen, sind sie in dieser Abtheiluug fast in
ihrer ganzen Ausdehnung durch Flechtwerk
so vereinigt, dass nur die äussersten Spitzen
frei bleiben. Das Instrument erhält dadurch
eine bedeutend erhöhte Festigkeit. Das
Geflecht aus gespaltenem Rotang ist sehr
sorgfältig ausgeführt und bildet meistens
zierliche Muster. Die Zahl der Saitenträger
und der Saiten ist fünf. Die Pflanzenfaser-
Saiten sind in einen Spalt der Spitze des Saiten-
trägers geklemmt (wie bei 2) und hinten dicht
hinter einem niedrigen Steg durch Locher
des Deckels gezogen. Bei dem abgebildeten
Exemplar (Abb. 29) sind sie in eine Schlinge
eingebunden, durch deren Verschiebung die / iu
Saite stärker oder schwächer gespannt / '
und gleichzeitig der schwingende Theil
derselben verlängert oder verkürzt werden
kann. Der Resonanzkasten ist nach vorn
verschmälert , in • der Rückwand befindet
sich meist dicht unter dein Deckel ein Loch.
a
'1
Gruppe VIb. Zu dieser Unterabtheilung
gehören Instrumente von der Form eines auf einer
Kante stehenden dreiseitigen Prismas, aus vier
° ' Abb. 21». Saiteninstrument
Brettern bestehend, hinten offen. Die Bretter «bi Losngo au c no. «, «i.
. . » ■ i j- ci •» w. Gr. ») Ende ««in«»« Saitcn-
sind zusammengebunden, ebenso sind die aalten- träger«. ■/«.
träger an der unteren Kante festgebunden (Abb. 30).
Die Saitenzahl beträgt bei zwei aus dem Gebiet des unteren Niger stammen-
den Stücken 8, das dritte, das aus Süd- Kamerun kommt, hat nur
5 Saiten.
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- 23
Gruppe VIc umfasat die Instrumente, bei denen die Saitenträger
durch die Vorderwand des Kasteus gesteckt sind. Die Stücke des Berliner
Museums zerfallen in zwei auch durch ihre Herkunft weit getrennte
Gruppen, die miteinander nichts als die eben erwähnte Eigentümlichkeit
Abb. SO. Saiteninstrument au« Assaba (unt. Ni K er) (III P J19). '/, d. w. Or.
gemein haben. Bei der einen ist der Resonanzkasten ein Holztrog mit
einem aufgeklebten oder angebundenen Deckel, der den hinteren Theil
des Troges unbedeckt lüsst; die Zahl der Saiten ist 5 resp. 7 (Abb. 31).
Bei der anderen Gruppe ist der Kasten aus sechs Brettern mit Holzstiften
zusammengenagelt, die drei Saitenträger sind schmale Bambuslatten und
die Saiten laufen von ihnen bis zu drei in der Rückwand steckenden
Abb. 31. Saiteninstrument .Irr Ovambo III I) i«ST . ' , iL w. Or. a) Längsschnitt
■luroh «Ion Resonanzkasten. 1 ,.
Holzpflöcken (Abb. 32). Von den drei im Berliner Museum befindlichen
Stöcken hat der Resonanzkasten des einen gar kein Schallloch, beim
zweiten befindet es sich im Deckel, beim dritten im Boden.
Die siebente Gruppe wird durch die sogenannte Harfe der Kru
gebildet (Abb. 33), die nur auf einem kleinen Gebiet von Oberguinea
vorkommt und kein Analogon in einem anderen Theil Afrikas hat. Die
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- 24 -
Saiten sind zwischen zwei einen spitzen Winkel bildenden und aneinander
gebundenen Stäbeu ausgespauut. Der eine Stab bat für jede Saite ein
Loch, die hindurchgezogen und dann um den Stab gewickelt ist, während
sie an dem anderen Stabe einfach festgebunden ist. Zwischen den freien
Enden der beiden Stäbe ist eiu dritter Stab als Stütze angebracht, so
Abb. SJ. Saiteninstrument der Bule (III C 98JO). »/, d. w. Gr.
Abb. 33. SaitpninMrumont der Kru
(III 0 1540). Vi d. w. Gr.
Abb. 34. Lyra der Abaka (III Ab Mg).
Vi d. w. Gr.
dass ein dreieckiges Gestell als Saitenträger entsteht. An der Spitze des
Dreiecks ist ein halbirter Kürbis als Resonator angebracht, iudem er auf
den einen der beiden Stäbe aufgespiesst und festgebunden ist. Die 5 — 7
Saiten 1 ) aus Pflanzenfaser (Bambusrinde nach Büttikofer) werden beim
') Nach Büttikofer. Die Stücke im Berliner Museum haben 6 resp. 7 Saiten.
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— 25 —
Spielen mit dem Daumen der linken und den vier anderen Fingern der
rechten Hand zum Tönen gebracht, wahrend der Kürbis auf der Brust
des Spielere ruht 1 )
Nach einer Angabe bei ^
Frobeuius*) kommen Kru-
Harfen vor, bei denen die
Saiten in Stimrascblingen
liegeu, wie bei dem oben be-
schriebenen und abgebildeten
Saiteninstrument aus Loango
(Abb. 29).
Die achte Gruppe
umfasst Instrumente, die der
antiken Lyra gleichen (Abb.
34—36). Eine runde oder
ovale Schale aus Holz oder
Kürbis oder der Rückenschild
einer Schildkröte bildet, mit
Haut bespannt, den Resonanz-
boden, ein Gestell aus drei
Stäben den Saitenträger. Au
dem Querstabe sind die Saiten
befestigt (an drehbaren
Ringen aus Leder), die beiden
seitlichen Stäbe durchbohren, nach unten convergirend, die Haut des
Resonanzbodens uud endigen innerhalb desselben. Die Saiten (aus
Thiersehne) gehen durch ein grosses Loch im Trommelfell*) am
unteren Rande des Resonanzbodens, dann durch letzteren selbst und sind
hier an einem Holzstäbchen festgebunden. Die Zahl der Saiten beträgt
5—10. Ausser dem Loch für die Saiten sind fast immer noch mehrere
Schalllöcher vorhanden, 2 bei den Somal, 8 bei den Völkern am oberen
Nil u. s. w. Die Spannung des Fells geschieht in ähnlicher, wenn auch
nicht immer so zierlicher Art wie bei den Ugauda- Harfen (vgl. oben
S. 14, Abb. 19a). Nur die Leiern aus Ussoga weisen die gleiche saubere
Arbeit auf (Abb. 35). Die abessinische Lyra (Abb. 36) hat eine Vor-
richtung zum bequemeren Spannen der Saiten, kleine Stäbchen, die in
die Saiten dicht am Querbalken des Saitenträgers eingebunden sind.
Abb. 3h. Lyra der Wasaoga (III E 2308.". ''. d. w. Gr.
•) Bnttikofer, Reisebilder aus Liberia. Leiden 1890. II 236.
*) L Frobenius, Dit Ursprung der afrikanischen Kulturen. Berlin 1H98. S 140.
») Ein Instrument aus Ussoga hat zwei Locher nebeneinander, jedes für die Hälfte
der zehn Saiten.
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Neunte Gruppe. Ks tritt uns hier ein ganz neues Verfahren der
Saitenausspannung entgegen; war es bisher stets ein mehr oder weniger
gekrümmter Stab, längs dessen die Saiten entweder durch seine eigene
Elasticität oder durch andere Mittel gespannt gehalten wurden, so haben
wir jetzt au seiner Stelle ein Brett, über dessen Fläche die Saiten neben
einander in einer Ebene liegen. Das einfachste Instrument dieser Art
b) Saitenbefestigung. V, ü- w. Gr.
zeigt Abb. 37. Ein länglich-viereckiges Brett ist auf einer Schmalseite
mit fünf Einschnitten versehen, denen am entgegengesetzten Rande fünf
Löcher entsprechen. Eine Schnur ist durch das erste Loch gezogen und
durch eiuen Knoten gesichert, geht dann über das Brett, durch den
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- 27 —
ersten Einschnitt und durch den zweiten zurück, dann wieder über das
Brett, durch das zweite Loch, zurück durch das dritte u. s. w. Zwei
dünne Querhölzer erheben die Saiten etwas über das Brett, ein Kürbis
dient der Schallverstärkung. Hier haben wir das Princip in seiner
Abb. 37. Saiteninstrument vom
Westufer des Nya.sa (III E 8709)
»/« d. w. Gr.
Al>b. 3«. Saiteninstrument aus rnyamwoti
(III E 3u59). " 6 d. w. Gr.
primitivsten Ausgestaltung; bei einigen anderen Instrumenten ist das
Brett etwas gebogeu und in der Mittellinie mit einer erhabenen, meist
ausgezackten Leiste oder, wie bei dem abgebildeten Exemplar (Abb. 38)
mit ein paar cylindrischen Knöpfen verziert; alle übrigen Instrumente
dieses Typus unterscheiden sich nur
dadurch, dass das Brett erhöhte
Händer erhält und sich dadurch in
eine Scbale umwandelt. Sonst bleibt
alles unverändert. Die Saiten werden
immer durch eine einzige, hin- und
hergespannte Schnur gebildet, die
entweder durch Löcher oder durch
Einkerbungen an den beiden Enden der Schale geführt wird. Auch die
beiden Stege bleiben vielfach, obwohl sie bei der Schaleuform eigentlich
überflüssig sind.
Die Gestalt der Schale variirt beträchtlich. Sie ist entweder recht-
eckig oder oval; bei der ersten Form wird die Schnur stets durch Löcher
geführt, bei der zweiten dagegen sind diese häutig durch Einschnitte der
Schmalränder ersetzt. Das Verhältuiss zwischen Länge und Breite der
Abb. 39. Saiteninstrument der Wanyakyuu
(III E JM6). '/. d. w. Gr.
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- 2S —
Schale «schwankt ausserordentlich; während bei manchen beide Maasse
fast gleich sind, giebt es andere, die bei einer Lange von mehr als 1 m
nur 4 — 5 cm breit sind. Die Schmalseiten sind bald gerade abgeschnitten,
bald oben mit einem wagrechten brettartigen Fortsatz versehen , in den
1 1
Abb. 40. 8aitenln«»rument Abb.41. Saltcninatruini-nt Abb. 4?. Saiteninstrument
der Wahehe (III E 3830) d. Wa.isukuma (III E J6I8). der Warna (III E 1938).
mit Querschnitt. «/«d.w.Or. »,', d. w. Gr. ' , d. w. Gr.
die Löcher für die Saiten gebohrt sind. Die Läugsseiten sind parallel
0 der, wie bei den erwähnten langen Instrumenten, nach innen geschweift
(vgl. Abb. 40). Die ovale Form ist entweder ziemlich roh trogförmig
♦
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— 29 —
gearbeitet (Abb. 41) oder eleganter mit aufwärts und nach innen gebogenen
Längsrämlern (Abb. 43, 44). Endlich finden sich auch kahnartige, spitz
zulaufende Formen (Abb. 45).
Abb. 4|. änlteninat nimmt au« Abb. 44. Saiteninstrument Abb. 4S. Saiteninstrument der
Kuanila (III E SSM)) mit gurr- Tom Nynnsn (III K 3«72a) Atong»'(III K S19S). ' , «1. w.ür.
■chnitt. »/# d. w. ür. mit Querschnitt. '/«d.w.Or.
An einem Ende haben die Instrumente sehr häufig eineu Griff, der
zuweilen in Form einer menschlichen Figur geschnitzt ist (Abb. 41).
Unter dem Saitenträger hängt gewöhnlich als Resonanzboden eine grosse
Kalebasse. Die Zahl der Saiten schwankt von G— 10. Bei den Instrumenten
- 30 —
des Berliner Museums finden sich G Saiten in 15 Fällen, 7 in 7, 8 in 4,
0 in 2 und 10 in 10 Fällen (Abb. 38-45).')
An diese Gruppe ist noch ein in der Anordnung der Saiten ganz
übereinstimmendes, sonst aber unvergleichlich hoher stehendes Saiten-
instrument anzuschliessen, nämlich der Kanün der Aegypten Der Re-
sonanzboden hat die Form eines flachen Holzkastens, der an einem Ende,
entsprechend der von einer Seite zur andern allmählich zunehmenden
Länge der Saiten, schräg abgeschnitten ist. Der Kamin hat 72 Saiten,
je 3 für eineu Ton. Dieselben sind an der schrägen Kante an Holz-
Abh. 46. Saiten- Abb. 48. SnitoiiiiiKtrumont
instrnnient d. Wakinga aus KohnitAbon. ,,I>ahomi<" (III (' MMC .1. '.d.w.Gr.
III K 76Ji). 1 , d. w. ür. a) S<hematmrher Längsschnitt. ' , d. w. (ir.
pflöcken befestigt, gehen dann durch eine zu dieser Kante parallele Leiste
und in der Nähe des andern Endes des Instrumentes über einen Steg.
Gespielt wird der Kanün mit zwei Plektren aus Büffelhorn, die in zwei
auf die beiden Zeigefinger gezogene Ringe aus Messing oder Silber ge-
steckt werden. 2 )
') L. Frobenius (Afr. Kult. S. 140) bezeichnet diese Instrumente mit dem Bantu-
Wort Kinauda; letzteres .scheint aber in Ostafrika ein ziemlich allgemeiner Ausdruck für
Saiteninstrument überhaupt zu sein, ja, es wird auch auf andere Musikinstrumente ange-
wendet; so bezeichnet Cameron die Sansa der Wabudschwe mit diesem Wort, das er
wahrscheinlich seinen sansibaritisrhen Trägern entlehnt hat. Ich ziehe es daher vor, den
Namen Brett- oder Schaleninstrument zu gebrauchen.
*) Abb. bei Laae 11 66.
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- 31 -
Zehnte Gruppe. Die Saitenausspann ung geschieht im wesentlichen
ebenso wie bei der vorhergehenden Gruppe, aber der Saitenträger ist
nicht ein Brett aus Holz, sondern eine durch eine Anzahl neben einander
gelegter und zusammengebundener
Rohrbalme gebildete Platte. Als
Stege kommen zwei Querhölzer darauf,
und nun wird eine Schnur gaDz
in derselben Weise wie bei der
vorigen Gruppe hin und her gezogen.
Die Stelle der Einschnitte und
Löcher vertreten hier die natürlichen
Zwischenräume zwischen den Rohren.
Die Zahl der Kohrstengel variirt
bei den Berliner Exemplaren von
6—8, die der Saiten von 4—6.
(Abb. 46.)
ElfteGruppe. H ierzu gehören
eine Reihe Instrumente aus Raphia-
Blattstielen, Bambus oder einer Art
Schilfrohr, bei denen die Saite aus
einem abgelösten Streifen der Epi-
dermis des Saitenträgers selbst besteht.
Es lassen sich drei Unterabtheilungen
unterscheiden.
a) Von einem etwa 1 — 1 */ t m
langen, meist etwas gebogenen
Raphia-Blattstiel sind 3-4 Saiten
abgespalten und in der Mitte
durch einen Steg unterstützt.
Dieser ist ein senkrechtstehendes
Hölzchen mit Kerben an einer
Seite oder am oberen Rande,
so dass die Saiten entweder
über einander oder neben-
einander (letzteres im Berliner
Museum nur bei einem In-
strument) liegen. Ringe, die an
der Ablösungsstelle um den Schaft gelegt sind, verhindern eine
weitere Abspaltung der Saiten und gestatten in Folge ihrer Ver-
schiebbarkeit eine Stimmung derselben. Unter dem Stege hängt
ein unten offener Kürbis als Resonator (Abb. 47). Der Spieler
Abb. 49. Valiha
aus Madagaskar
(III E 4>54).
» , d. w. Gr.
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— 32 —
druckt den Kürbis gegen die Brost und spielt mit den Fingern
beider Hände. 1 )
b) Diese Instrumente ähneln äusserlich ganz denen der Gruppe X, in-
dem sie ebenso wie diese aus Robrbalmen zusammengesetzt sind, aber
die Saiten sind abgebobene Epidermisstreifen der Rohre. Die Zahl der
Saiten beträgt 7 — 9. Ein Instrument des Berliner Musenms hat auf
beiden Flächen Saiten. Mehrere Instrumente sind insofern besser ge-
arbeitet, als die Saiten der Länge nach gespalten und in der Mitte mit
Bast bewickelt sind, so dass runde Stränge von verschiedener Dicke ent-
stehen. Ein derartiges Instrument mit 12 Saiten zeigt Abb. 48. Ein
zweites, sonst gleiches Stück hat 15 Saiten. Bei einem dritten, das
ebenfalls 15 Saiten besitzt, sind dieselben zu je 3 angeordnet, so dass
zwischen je 2 Serien immer ein Rohr ohne Saite liegt. Bei einem
vierten achtsaitigen Exemplar endlich sind nur die beiden äussersten
Saiten umwickelt. Bei dem abgebildeten Instrument sind unter
jeder zweiten Saite dünne zugespitzte Stäbchen so angebracht, dass
sie mit der Spitze von unten her die Saite berühren (Abb. 48a).
Der Zweck dieser Vorrichtung ist unbekannt; vermuthlich dienen
sie zum Stimmen.
c) Zu dieser dritten Abtheilung gehört allein die Valiha der Madagassen,
ein Bambus, von dem ringsum Saiten von verschiedener Lauge ab-
getrennt sind, jede durch zwei Holzklötzchen in die Höhe gehobeu
(Abb. 49). An den Ablösungsstellen ist eine Schnur um den Bambus
gewickelt, um ein weiteres Abspalten der Saiten zu verhindern.
Die Zahl der Saiten beträgt bei dem abgebildeten Exemplar 11,
ebensoviel bei zweien von den übrigeu im Berliner Museum vor-
handenen; eine Valiha hat 12, eine endlich 17 Saiten.
2. Die Sans*.
Dieses eigenartige Instrument besteht in seiner einfachsten Form
ans einem Brettchen, auf dem nebeneinander eine Anzahl von dünnen,
platten, zuugenförmigen Stäbchen aus Holz oder Eisen angebracht sind.
Dieselben sind über zwei Stege gelegt, von deuen der hintere, der ge-
wöhnlich niedriger als der vordere ist, fehlen kann; in der Mitte zwischen
beiden Stegen sind die Tonstäbe entweder jeder für sich mit Rotangstreifen
oder dergl. am Brett befestigt, oder sie werden durch ein gemeinsames
Querholz niedergedrückt, das seinerseits durch Rotang- oder Eisenklammern
mit dem Brett verbunden ist. Jedes Stäbchen liegt also an zwei Punkten
auf und wird zwischen denselben nach unten gezogen, während die Vorder-
') Guirai, Le Congo Francais. Paris 1889, S. 174. (Abbildung eines Bateke-
Musikere.)
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- 33 -
endeu frei nach aufwärts ragen. Diese Grnndzüge der Konstruktion siud
bei allen Instrumenten dieser Art gleichmäßig anzutreffen; die einzelnen
Theile aber, das Brett, die Tonstäbchen und der Steg, unterliegen mannig-
faltigen Wandlungen nach Material und Form.
Das Brett ist fast immer rechteckig (Abb. 50) und nimmt nur selten
eine andere Form an, ist aber häufig verziert, z. B.bei einem Stück mit zwei
wML
Abb. K>. San*» an* Angola
(III C 614). »/, d. w. Or.
Abb. »I. »Anita der Batike III C 20'JJ).
Vorder- und Rückseite. '/«•
geschnitzten Köpfen in den Ecken. Sehr häufig aber wird das Brett
von einer Schmalseite her ausgehöhlt und so in einen Kasten umgewandelt,
oder es wird aus mehreren Brettern zu-
sammengeschlagen. Es entsteht durch diese
Vervollkommnung ein Resonanzkörper,
während die Schallverstärkung sonst durch
einen grossen Kürbis besorgt wird, in den
man die Sansa hineinsetzt.
Dieser Resonanzkasten variirt nun in
seiner Form beträchtlich. Die Grundform
ist auch hier das Rechteck, das an einer
Schmalseite und zwar an derjenigen, nach
welcher hiu die freien Enden der Tonstäbe
Abb. 53. Snnsa aus Kamerun (III C 433)
Abb. 5«. Sansa aus Loango (III C 6»7). »/,. mlt Q ao r*ohnitt. '/. n. ' . d. w. Or.
die meistens schlitzförmige Oeffnung der inneren Höhlung zeigt.
Nicht immer geht die Höhlung bis an das entgegengesetzte Ende des
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Bretten, sondern hört vielfach schon früher auf. Der solide Theil des
Brettes wird dunn häufig von der Unterseite her verdünnt und in ver-
schiedene Formen geschnitzt, wie sie z. B. die Abb. 51 zeigt. Die recht-
eckige Gestalt schwindet, indem das Hinterende des Kastens kahnforraig
zugespitzt wird (Abb. 52) oder indem die Längsränder sich krummen,
entweder nach innen oder nach aussen, was zu ovalen und randen Formen
führt (Abb. 53). Diese letzteren sind häufig mit einem Griff versehen.
Auch der Boden wölbt sich, sei es von vorn nach hinten mit gerade
bleibenden Seitenflächen (Abb. 54) oder von rechts nach links, wobei
Trogformen entstehen, oder endlich in allen Richtungen, wie bei den ovalen
oder runden Instrumenten. Ein Unicum endlich ist ein ungeheuer grosses
Instrument aus Loango, dessen Ilesonanzkasten offenbar eine Nachahmung
eines grossen europäischen Saiteninstrumentes ist.
Die Schallöffnung befindet sich, wie bereits erwähut, für gewöhnlich
an der vorderen Schmalseite des Kastens; diese Regel hat aber viele Aus-
nahmen; man findet solche Löcher in den verschiedensten Gestalten (kreis-
rund, halbmondförmig, viereckig, dreieckig u. s. w.) sowohl unten, als auch
oben (hier meistens unter den freien Enden der Tonstäbe), als auch an
Bei einer Anzahl von
Instrumenten ausKameruu
und Adamaua wird das
Brett resp. der Kasten
aus Holz durch eiue aus
Palmblattstielen gezim-
merte Platte ersetzt, ganz
in der Art, wie bei den
Saiteninstrumenten der
Gruppe X. Die Palmstiele
sind gewöhnlich durch-
schnitten und so zu-
sammengefügt, dass die
gerundeten Seiten unten
liegen, während die
Schnittflächen oben eine ebene Fläche bilden, auf der die Toustäbe in
gewöhnlicher Weise angebracht sind. (Abb. 55.) Die Blattstiele sind
entweder ausgehöhlt wie bei dem abgebildeten Instrument, oder nicht, so
dass auch hier die Parallele zu den Brett- und Kasten instrumenten aus
Holz eine vollständige ist.
Ein sehr merkwürdiges Instrument stellt Abb. 56 dar; es ist ge-
wissermassen eiue Kombination der beiden beschriebenen Formen; die
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- 35 -
Tonstabe sind auf einem in der Mitte von einem grossen viereckigen
Loche durchbrochenen Holzbrett befestigt, dieses aber ist auf der Unter-
seite mit fünf halbirten Blattstielen bekleidet, die auch das Loch voll-
ständig verschliessen. Ein besonderer Zweck ist bei dieser Konstruktion
nicht erkennbar.
Die Tonstäbe bestehen entweder aus Eisen oder aus der Rinde der
Blattstiele der Raphiapalme. 1 ) Ihre Gestalt ist in beiden Fällen ziemlich
die gleiche: lange, schmale, platte Splitter mit zugerundeten oder dreieckig
zugespitzten Enden.
Von den beiden Stegen ist der hintere,
weniger wichtige, wohl niemals aus Eisen,
sondern stets aus Holz oder, wie in einigen
Fällen, aus Leder, der vordere dagegen ist
nur aus Holz, wenn auch die Tonstäbe
Abb. iS. Sann» der Mbum
(IH F 1219) mit Querschnitt. »/,.
Abb. sc. Sanna der Dilti (IIIC «9Sf.). Vorder- u. Rückseite.
•/, d. w. Or.
aus pflanzlichem Material bestehen, sonst ebenso wie diese aus Eisen.
Er ist, so lange er ans Holz besteht, stets ein einfacher gerader Stab,
nimmt aber verschiedene, für gewisse Gegenden charakteristische Ge-
stalten an, sobald er aus dem bildsameren Metall hergestellt wird. Er
erhält dann entweder die Form eines Bogens, der mit der convexen Seite
nach den freien Enden der Tonstäbe gekehrt ist (Abb. 52), oder er ist,
ein viel häufigerer Fall, zweimal rechtwinklig geknickt; der mittlere
Theil verläuft geradeaus quer über den Kasten, die beiden Schenkel
parallel den Seitenwänden desselben nach hinten, wo sie spitz endigen
(Abb. 51). Bei zwei Sansas ans Angola endlich haben sich die beiden Stege
tu einem allseitig geschlossenen rechteckigen Rahmen vereiuigt, auf dem
I) Nach Soyaux, Aus Westafrika II, 175.
3*
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die eisernen Zungen ruhen (Abb. 50). Der hintere Steg ist übrigens in
diesem Falle nicht auf das Brett aufgelegt, sondern aus demselben heraus-
geschnitzt.
Gespielt wird die Sansa, indem man sie mit beiden Händen erfasst
und die Tonstäbe mit den beiden Daumen hinabdrückt und dann wieder
emporschnellen lässt.
Die Sansa wird häufig mit klappernden Anhängseln versehen; oft
findet man in der spult förmigen Schallöffnung einen Draht mit Eisenblech-
perlen etc. ausgespannt, oder es werden auch auf die Tonstäbe selbst
Perlen gesteckt. Endlich wäre noch zu erwähnen, dass der Resonanz-
kasten oft mit eingeschnittenen oder eingebrannten Ornamenten ver-
ziert ist.
3. Die Blasinstrumente.
Die afrikanischen Blasinstrumente sind durchweg
von der Art , bei welcher die in dem Rohr einge-
schlossene Luftsäule durch das Anblasen direkt in
Schwingungen versetzt wird; nach dem Prinzip derZungen-
Abb. 57. Signal-
pfeife aus Hole.
Abb. 58. Pfeife nus Holz.
Wabum». (III C 14Mb.) Mit
Längsschnitt.
'/, u. »/i d. w. Gr.
Abb. 59.
Abb. G0.
(III Ems). Mit
Längsschnitt.
Vi d. w. Gr.
Londu.
Pfeife au» Holz.
Kratschi. (III C
IMM.) Mit Langs-
ur halt t. Vi u. Vi
d. w. Gr.
Pfeife au« Holz.
Unterer Kongo.
(III C 39JO.) Mit
Längsschnitt.
'/, u. V« d. w. Gr.
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- 37 -
pfeifen gebaute Instrumente kommen nicht vor. Man kann sie eintbeilen,
einmal je nachdem das Blasloch an einem Ende des Rohres oder an der
Seite angebracht ist, und zweitens nach dem Material, aus dem die
Instrumente bestehen und das meistens auch bestimmend auf die Gestalt
derselben einwirkt. Beides zusammen ergiebt die folgende Eintheilung.
a) Instrumente, die an einem Ende angeblasen werden.
Die Reihe eröffnen Instrumente mit nur einer einzigen Oeffnung,
die also ebenso angeblasen werden, wie man bei uns etwa auf einem
Schlüssel pfeift, und die nur einen einzigen Ton geben. Sie bestehen
meistens aus Holz oder aus kleinen Antilopenhörnern. Der Rand der
Blasoffnuug ist entweder gerade abgeschnitten oder mit einem Ausschnitt
versehen, wie wir ihn noch vielfach autreffen werden (Abb. 57 und 58).
Die Betschuanen haben derartige Pfeifen aus Rohr (»lichaka«), die ver-
mittelst eines im unteren Ende steckenden verschiebbaren Pflockes auf
die gewünschte Tonhöhe gestimmt werden können.')
Es folgen Instrumente, die ausser der Blasöffnung noch ein zweites
oder mehrere Löcher besitzen und dementsprechend mehrere Töne haben.
Das zweite Loch befindet sich entweder am unteren Ende, dem Blasloch
Abb. 6t.
Signalpfeife atu
Hots. Konkomba.
(in c um.)
Mit LangKAchnltt.
n. ' , d. w. Gr.
Abb.6S. Signal-
pfeife ausHoU.
Insel Kouie im
Victoria
Nyanita. (III E
S50S.)«/id.w.Or.
Abb. es.
Pfeife aus El-
fenbein. Bali.
(III C S«01.)
>i, d. w. Gr.
Abb. 64.
Signalpfeife aus Anti-
lopenliorn. Bati.
(III C 8JH7 ) '/, d. w.Gr.
Abb. M.
Signalpfeife
au« Hole.
Ball.
(III C 74».)
d. w. Gr.
-) Burcbell II 410.
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gerade gegenüber, sodass die Pfeife also der Länge nach durchbohrt ist,
oder an der Seite. Eine Pfeife der ersten Art zeigt Abbilduog 59, solche
der zweiten Art die Abbildungen 60—69, die ohne weitere Erläuterung
verständlich sind. Diese Abbildungen geben nur die wesentlichsten und
häufigsten Typen aus der überaus reichen Mannigfaltigkeit der Formen
Abb. 67. Signal pfeife aua
Holz. Wangoni. (III E 6145.)
Mit Längsschnitt, V, d. w. Gr.
Abb. 66.
Signalpfeife aus
Hol«. Yaundo.
(III C 4907.)
Mit Querschnitt,
d. w. Or.
Abb. 68.
Signalpfeife au.«
Klfenbein. ßaluba.
(III C 3185.) «.', d.
w. Or.
Abb. 69.
Signalpfeife
an« Elfenbein.
Mahenge.(IIIE
37430 » ,d.w.Or.
Abb. lo. Signalpfeife
au« Hol«. Stamme
am oberen Nil (Barl
etc.) (III Ab 48.)
Mit Längsschnitt.
«i, u. V, d. w. Gr.
wieder, die unmöglich alle abgebildet werden konnten. Abbildung 70
zeigt eine ähnliche Flöte, aber mit drei Seitenlöchern, die also bereits
vier Töne giebt. Das Material aller dieser Flöten ist wieder überwiegend
Holz, daneben aber auch Elfenbein und Horn.
An diese Pfeifen schliessen sich die Rohr flöten an, die sich nur
durch das Material von ihnen unterscheiden. Sie bestehen aus einem
Abschnitt eines Rohr- oder Hirsehalms, sind in den allermeisten Fällen
au beiden Enden offen und haben ausserdem eine Reihe seitlicher Löcher,
deren Zahl von 2 — 4 schwankt (4 scheint am häufigsten zu sein). Die-
selben sind meist nur an einer Seite (senkrecht unter der Einkerbung
der Blasöffnung) angebracht, nur zuweilen finden sich auch einige
Löcher an der entgegengesetzten Seite (Abb. 73). Das Mundende ist
entweder gerade abgeschnitten (Abb. 71) oder, was weit öfter der Fall
ist, mit dem charakteristischen halbkreisförmigen Ausschnitt versehen
(Abb. 72, 73).
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- 39 -
i
Li
Abb. 71. Kinder-
rbM«» d.I)Rcbaj*K».
(III K 1412.)
• . d. w. Gr.
Abb. 7«. Robr-
flöte, der Wa-
jzanda. (III F..
2307.) ', k d.w.Gr.
Abb 73. Rohrflöte
au«. BikflKnrl (III C
7»I8) Mit Lüng*-
»ehnitt. Ht d. w. Gr.
Abb. 74. Uoppelflöte der Yauudo
(III C M03.) Mit Lftngnüohnitt
eine« Rohre«, u. >/i d. w. Gr.
Ausser diesen einfachen Rohrflöten gieht es
auch aus zwei Robren zusammengesetzte, wie
die in Abbildung 74 dargestellte Doppelflöte der
Yaunde oder die ägyptischen Summarah und
Arghul mit ausziehbaren Rohreu (Abbildungen
bei Laue II 79). Auch wahre Panflöten kommen
vor, wenn auch anscheinend selten. Das Museum
besitzt von solchen eine aus Ussoga(rait 12 Rohreu)
und sechs ans dem Kongo-Gebiet. Von letzteren
stammen zwei aus Russuna (südwestlich von
Nyangwe, zwischen Kongo und Lomami) mit 9
und 10 Rohren, die übrigen sind ohne genaue
Herkunftsangabe (4, 6, 7, 12 Rohre).
Eine besondere Gruppe biWen die in den
Abbildungen 75— 82 dargestellten Pfeifen mit
kreuzweiser Durchbohrung. Senkrecht zu
der vom Blasloch ausgehenden Röhre ist nämlich
ein zweiter Kanal quer durch die Pfeife gebohrt,
der den ersten krenzt. Die äusseren OelTnungen des
V
a b
Abb. 75. « Signalpfeifen au*
Hol*. Ball (a: III C 74«. b:
III (' ;»44l>). b) mit l.an K i«-
nchnitt. » , u. >i, d. w. Or.
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— 40 -
Querkanals sind gewöhnlich von mehr oder weniger erhöhten Rändern
unigeben, die bisweiten so anwachsen können, dass das gauze Instrument
Kreuzform annimmt (Abb. 77 und 78). Die Läugsdurchbohrung endigt
Abb. 76. Signalpfeife au*
Elfenbeir. Mu»»uinba um
Loniami (III V i>:n\ Mit
Längsschnitt. 1 ,u *;,d.w.Gr.
Abb. 77.
3 Pfeifen, a und b aun Holz, c au» Elfenbein. Lunda.
(a: III 0 1008, b: III 0 1010, c: III C 982 )
Vi d. w. Gr.
entweder blind (Abb. 75—78) oder sie wird in selteneren Fallen bis zum
unteren Ende der Pfeife durchgeführt (Abb. 79 und 80). Bei einigen
Pfeifen der Bali (Abb. 75 a) scheint das Holz zunächst der Länge nach
durchbohrt und dann die Röhre nahe dem unteren
Ende wieder zugestopft zu sein. An Stelle der
Durchführung der Längsbohrung bis unten kommt
es auch vor, dass von dem blinden Endo der-
selben ans ein zweiter Querkanal nach aussen
führt, der sowohl zur Längsröhre als zum ersten
Abb. 7". KriegMpfeife
au» Holz. Tainbcrma.
(IIIC 11613). V.d w.ür.
Abb. 79. Pfeif« au» Holz.
!ta»t<arl. (III C M73). Mit
LaugaHchnitt V ■ J u.' „d.w.G.
Abb. Du. Pfeife aus Holz.
Atakpame. [II] Cwott), Mit
Längsschnitt.'/, u.V. d.w.O.
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- 41 -
Querkanal senkrecht steht (Abb. 81 and 82). Der Rand der Blasöffnung
zeigt auch hier wieder fast immer den halbrunden Aus-
schnitt, der aber im Gegensatz zu den Rohrflöten nicht
nur an einer Stelle des Randes, sondern an zwei gegen-
überliegenden Punkten angebracht ist, so dass der Rand
eine sattelförmige Gestalt erhält. Die Ausschnitte sind
bald flach, bald tiefer, zuweilen ungleich tief. Besonders
tief sind sie bei mancheu Bali-Pfeifen, bei denen sie fast
rechteckig werden.
Endlich sind noch flötenartige Instrumente von dem
Typus der Abb. 83 anzuführen. Sie bestehen aus einer
n
Abb. 81. Tanspfelf« »na Thon.
K»l.ure. (III C 8808). V, d. w. Gr.
■> Längn.Hchnltt, b) Quermhnitt in
Höhe des unteren Seltenlocha.
Vi d. w. Gr.
Ahl). (M. Quer-
flöte »un Rohr.
Witftchamhn.
Abb. 8?. Signal-
pfeife aiiH Hole (e.
T. mit Eiiiechsen-
haut überzog«!! 11 (III E 2914). Hit
Kaburc (III C 8f.ll). LajigaMchnitt.
V, d. w. Gr. V. d. w. Gr.
Abb. 83. Schalmei
(„algaita") Sokoto.
(III F I5M).
V, d. w. Gr.
Holzröhre, die mehrere (gewöhnlich 5 oder 6) seitliche Fingerlöcher besitzt
und unten in einen trompetenartig erweiterten Schalltrichter endigt Oben
ist auf dem Holzrohr eine Röhre aus Metall (meist Eisen, auch Messing) auf-
gesteckt, die dicht unter der oberen Oeffunng eine horizontale runde, eben-
falls meist aus Metall (aber auch aus Holz oder Flaschenkürbis) bestehendo
Scheibe trägt, gegen die beim Blasen die Lippen gepresst werden. Das Mund-
stuck aber wird durch ein zusammengefaltetes Blattstückchen oder einen
Abschnitt eines Grashalms gebildet.
b) Instrumente mit seitlichem Blasloch.
Hierher gehören zunächst Querflöten aus Rohr (Abb. 84). Das
Ende, neben welchem sich die Blasöffnung befindet, ist stets geschlossen,
das andere Ende in den meisten Fällen offen. Die Zahl der Finger-
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— 42 -
löcher, die an derselben Seite wie die Blasöffnung, aber am andern Ende
der Flöte angebracht sind, betragt 2—6; auch hier ist die Zahl 4 am
häufigsten vertreten. Das Blasloch unterscheidet sich von den anderen
Oeffnungen gewöhnlich durch bedeutendere Grösse.
Aehnlich den Querflöten aus Rohr sind die aus einem
Raphiastengel verfertigten Weiberflöten der Yaunde und ihrer
Nachbarn; sie haben nur ein seitliches Loch (Abb. 85). *)
Auch Instrumente aus Flascheukürbis kommen vor; drei
verschiedene Formen stellen die Abbildungen 86—88 dar.
Abb. 88 besteht aus einem leicht gebogenen, überall gleich
weiten Rohr aus dem Halse eines Kürbis; das Blasloch befindet
sich in der Mitte der concaven Seite, die Oeffnungen an den
beiden Enden sind durch eingesetzte durchlochte Pfropfen
verkleinert. Abb. 86 ist trompetenförmig gestaltet und eben-
falls an beiden Enden offen; Abb. 87 hat ausser dem an der
stärksten Anschwellung gelegenen Blasloch noch zwei Oeffnungen.
Die Hauptmasse in dieser Abtheilung bilden die B las-
hörne r aus Horn, Elfenbein und Holz.
Zu den ersteren finden hauptsächlich die Hörner der
verschiedeneu Antilopenarten Verwendung, weit seltener sind
Rinder- und Ziegenhörner. Die Blasöffnung ist ein Loch nahe
dem spitzen Ende des Horns, bald auf der concaven, bald
1
y
Abb. 86. BliwinBtruinent aus Flaschenkürbis. Niam-Nlam.
(III Ab 954.) »/*
Abb. 85. Flöte
au* einem
Baphlablatt-
ktiel. Yaunde.
(III C 4894.) Mit
Lang»- und
Querschnitt
V. d. w. Gr.
Abb. |7. Blasinstrument ans Flaschenkürbis. Abh. 88. Flöte aus Kürbisschale. Useukuma.
Namba (Nord-Togo). (III C U 771.) % (III E 558!). M. Längaechn. '/■ n. '/. d. w. Gr.
auf der convexen Seite gelegen. Dieses ist entweder das einzige Loch
— dann kann der Ton nur dadurch modifizirt werden, dass der
Bläser die grosse untere Oeffnung des Hornes mit einer Hand mehr
') Vgl. die Abbildung eines die Flöte spielenden YaundeMädchcns bei Morgen, Durch
Kamerun von Süd uacb Nord. Leipzig 1893. S. 40.
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- 43 -
oder weniger zudeckt 1 ) — oder es
ist noch ein zweites Loch am dünnen
Ende vorhanden, das durch Ab-
schneiden der Spitze hergestellt wird.
Man kann manchmal im Zweifel
sein (namentlich bei kleinen Instru-
menten), ob die Endöffnung oder
das seitliche Loch zum Anblasen be-
stimmt ist ; bei einem zur Sammlung
Flegel gehörenden kleinen Horn findet
sich die Angabe des Sammlers, dass
dasselbe am weiten Ende angeblasen
werde, während das scheinbare Mund-
loch mit dem Finger geschlossen wird.
Meistens wird sich der Zweifel durch
Untersuchung der Endöffnung heben
lassen, deren Rand, wenn sie als
Blasloch dienen soll, gewöhnlich den
charakteristischen Ausschnitt zeigt
(vgl. Abb. 64), während er sich im
andern Falle unbearbeitet zeigt
Im übrigen unterscheiden sich
diese Blasinstrumente von einander
nur durch die Gestalt der Hörner
der verschiedenen Antilopenarten, die
hierzu Verwendung finden. Die
Arbeit des Ver fertigere beschrankt sich
eben meistens auf das Einschneiden
der Mundöffuung und eventuell das
Abschueiden der Spitze; im übrigen
bleibt die Gestalt und Beschaffenheit
des Hornes unverändert. Nur zu-
weilen sind die Hörner blank polirt
(Uganda), mit bunt gefärbtem Leder
überzogen und mit Lederfransen be-
hängt (Sudan) oder mit langhaarigem
Fell verziert (Ussoga). Daher habe
') So sieht man auch auf den Bronze-
bildwerken von Benin die Hornbläser dar-
gestellt, wie sie mit der rechten Hand da»
Horn an den Mund halten, während die Linke
die Scballöffnung bedeckt.
Abb. 8!». Arlit KlfonltolnhiirnKr. Mittlerer
Kongo (III (' H||); h) Hnkutu (III C S»9.H;
oBassonge (IIIC |S<i;>; il < Kh»khI< Jel.let III
Csil.1); v) Wut« (III CM54 g). f) Niatn Nimn
(III Ab KiHr. g) Aruwiml (III C 2<)4lt>; h guor-
Hcbnitt von g; I) 1'anukuma (III E 44t>»).
Alles '/• d. w Gr.
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ich von Abbildungen vou Antilopen-Blashörnern, die ja mehr zoologisches
als ethnographisches Interesse hätten, ganz abgesehen.
Die Grosse der Hörner schwankt ausserordentlich; zwischen kleinen
Instrumenten von etwa 20 cm Länge bis zu den Riesentrompeten aus dem
Horn des Kudo (ca. 90 cm lg.) sind alle Maasse vertreten.
In ganz analoger Weise wie die AotilopenhÖrner werden die Stoss-
zäbne des Elefanten zu Blasinstrumenten verarbeitet: ein Blasloch an der
convexen oder der concaven Seite, ausserdem höchstens noch ein Loch
an der abgeschnitteneu Spitze, und alles Wesentliche an dem Instrument
ist fertig. Nur dass das bildsamere Material eine freiere und mannig-
faltigere Ausgestaltung erlaubt, die sich allerdings — abgesehen von ge-
legentlichen und für das Wesen des Blasinstruments belanglosen Schnitz-
ornamenten, die daher hier unberücksichtigt bleiben — auf die verschiedene
Bildung des Mundlochs beschränken. Abb. 89 zeigt, ohne die Mannig-
faltigkeit der vorkommenden Typen zu erschöpfen, eine Auswahl der
häufigsten Formen, deren Abweichungen von einander im Wesentlichen nur
in der verschiedenartigen Gestaltung der Blasöffnung und ihrer
Umrandung bestehen. Wie schon erwähnt, haben auch dieElfen-
beiuhörner sehr häufig ein Loch an der Spitze — und zwar beiden
Exemplaren des Berliner Museums in der Mehrzahl der Fälle
— bisweilen aber findet sich statt dessen ein zweites Loch
neben der Blasöffnung, so z. B. bei einigen der Riesentrompeten
der Niam-Niam, bei einigen Blashörnern aus Adamaua und
bei einem Horn der Bali.
Die Dimensionen schwanken im Allgemeinen zwischen
denselben Grenzen wie bei den Antilopenhörnern; doch kommen
hier gemäss der weit bedeutenderen Grösse der Elefanten-
stosszähne Exemplare vor, die die grössten Kuduhörner weit
übertreffen. Die längsten Elfenbeintrompeten des Berliner
Museums, zwei Blashörner der Niam-Niam, messen 150 resp.
178 cm Sehnenlänge.
Nicht selten sind Nachbildungen von Elfenbeinhörnern
in Holz, bei denen meistens die Form des Vorbildes ganz
genau nachgeahmt ist, auch die natürliche Krümmung des
Elefanteuzahns (Abb. 90). Andere Holzhörner haben eine
Kriegahorn aus Hol*. BnschilanRe. (III C 1716.)
V, d. w. Gr.
Abb 91. Blas.
Instrument aas
Hol«. Ngolo.
(N.W. - Kame-
run). UIIC80JS.)
d. w. Gr.
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- 45 -
etwas abweichende, gerade Form, wie i. B. das Instrument der Ngolo,
Abb. 91. Aehnlich sind die »Manyiuyic der Bougo. 1 )
Eine weitere Gruppe bilden die zu-
sammengesetzten Blasinstrumente. Sie
entstehen dadurch, dass an ein Blashorn aus
Elfenbein, Horn, Holz oder Rohr ein Schall-
trichter aus einem andern Material angesetzt
wird. Es kommen folgende Verbindungen vor:
Die bei weitem häufigste ist Elfenbein uud
Holz, wobei das Mundstück aus ersterem,
das verlängernde Schallrohr aus letzterem
4L
: 'Ilm
» Ii
Abb. 9t. Signalhorn au* Elfenbein
und Hüls. Kuädji-Qebirt. (III E
4«79 ) d. W. Gr.
A»ib. 93. Kriopshorn an« Elfen-
bein nnd Hulü. Jobu. (III F
1S7J.) »/, d. ». (Jr.
Abb. 94 Btanhorn
miHEIfenb. u. Holt.
TNchaiitMcho.
(IlIC7867.>'.d.w.O.
Stoff bestehen (Abb. 92, 93, 94; bei dem ersten ist nur die Verbindungs-
stelle der beiden Theile mit Leder überzogen, bei dem zweiten der ganze
') Abbildungen bei Schweinfurtb, Artes Africanae. Taf. VIII, 1 und Junker, Reisen
II 107.
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- 46 -
Abb. 95. Signalhorn au« Antilopenhorn und Holt. Bangombe.
(•/•• s. Br , W> ö. L ). (III 0 3085 ) d. w. Gr.
Dschngga. Abb. 97. Blasinstrument au* Hohr Abb M. Blasinstrument aus
(IIIE«m). u. Flnschenkürbis. Ueeukuina. Kohr u. Horn. Ufipa. (Noch
» {III E 5«o.) ',, d. w. Or. nicht inventarisiert.)
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- 47 -
4k
Holztheil; das dritte Instrument hat statt dessen eiuen Ueberzug von
weisshaarigetu Fell). Ferner Horu und Holz (Abb. 95); Horn und Kürbis;
Antilopenborn und Kuhhorn; 1 ) Holz und Kürbis; Holz und Leder
(Abb. 96); Rohr und Kürbis (Abb. 97); Rohr und Horn
(Abb. 98; das Rohr ist ganz mit Bast umwickelt, die Ver-
bindungsstelle zwischen Rohr und Horn mit Fell überzogen).
Nachtigal erwähnt aus Borau eiue Rohrpfeife, die eine Reihe
von Luftlöchern, ein metallenes, weit offenes Mundstück und
am unteren Eude ein leicht gekrümmtes Horn hatte. 3 ) Die
Bari haben ein Horu mit einer Verlängerung aus Leder,
dessen Schallöffnung durch ein irdenes Gefäss gebildet
wird.*) Aus Abessinien werden Holztrompeten, die in einen
mit K (iuris verzierten Kürbis endigen, beschrieben. 4 )
Zum Schlus8 sind noch einige eigentümliche Blas-
instrumente anzuführen, die sich in keine der obigen Rubriken
recht einfügen lassen. Zunächst Flöten ans mehr oder weniger
kugelförmigen Fruchtachalen (Abb. 99 ab); die beiden ab-
gebildeten Kugelflöten haben ausser dem Blasloch noch je
drei Löcher zum Modifiziren des Tons; eine andere aus
Loango hat deren nur zwei. Das Berliner Museum besitzt
nur vier solcher Flöten; ausser den beideu abgebildeten
die schon erwähnte aus Loango und noch eine mit der in
Abb. 99 b dargestellten völlig
identische. Flöten aus
Kürbiskugeln erwähnt auch
Cameron bei den Warua. 5 )
Eine Kombination einer
gewöhnlichen, seitlich an- -^jiilf.JS^ 7 a b
Rohrflöte mit
Abb. »9. a) Krh>g»pfeife nii» oinor Frucht- Abb. 100 Fl.it«
■ !;„.(,..,„„ . , u Aaa »HiHle. Kaburo. (IIK' 792? ) d. W. Gr. mit zwei Hobl-
ZWei Kugelnoten Stellt das b) Kugelflöte Ul cln,.m kleinen KürbU. kage ln. Kr»t-
merkwürdige Instrument Un>»mwnnga. dir e ?si8a.) 8ch i. nmm.)
Vi d. w. Ur. i/ t d w. ür.
dar, welches Abb. 100 zeigt.
Die Blasöffnung befindet sich ziemlich an dem einen Ende des
Rohres, in der Nähe des andern ist aus der Rohrwandung eine
3 cm lange und 3 mm breite Zunge herausgeschnitten, die beim Blasen
») Abbildung bei Kollmann, Der Nordwesten
Berlin 1898. Fig. 130 (S. 68).
*) Nachtigal, Sabara und Sudan. II 507.
*) Kaufmann, Schilderungen aus Centraiafrika. Brixen 1862. S. 175.
*) Th. Bent, The sacred city of the Ethiopians. London 1893. S. 27.
•) Quer durch Afrika. 11 80.
Ostafrikanischen Kolonie.
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vibrirt. 1 ) Auf den beiden Enden stecken zwei hohle, jede mit 3 Löchern
versehene, kugelige Fruchtschalen. Das Instrument ist in- Kratschi
iü Togo erworben. Es ist jedenfalls dasselbe Instrument,
das Binger bei den Bambara unter dem Nameu >fabresoro«
beschreibt. 2 )
Die Flöte Abb. 101 ist nur an einem Ende offen, das
andere ist mit einer dünnen, weissen Membran, ähnlich der
Hant, die die Löcher an den Resonanzkurbissen der Marimba
bedeckt, also wahrscheinlich Spinngewebe, überzogen. Ausser-
dem hat die Flöte eine seitliche Oeffnung; ob sie aber hier
oder am offenen Ende angeblasen wird, kann ich nicht sagen.
Das Museum besitzt ausser der abgebildeten und einer zweiten
Abb. 101 Flöte "
mit 8plnnweb> ebensolchen, die aus Mangu stammen, noch fünf ganz gleiche
Flöten: 2 von den Bassa in Kamerun, 2 aus Urundi und
«/, d. w. Gr. 1 au8 Unyika südlich vom Rikwa-See. Die fünf letztgenannten
sind als Kinderflöten bezeichnet.
Ein ähnliches, aber etwas abweichend konstruirtes Instrument aus
Süd-Kamerun zeigt Abb. 102. Dieses besteht aus zwei senkrecht zu
einander stehenden Rohren, von denen das längere und dickere an einem
Ende das Mundloch hat,
während das aufge-
klebte zweite Rohr mit
der Spinnweben -Mem-
bran verschlossen ist
(vgl. den Längsschnitt
Abb. 102). Nach der
Angabe des Sammlers
Abb. to». Fir.te mit SpinnwebrUnt. Süd-Kamerun.
(III C io6«o.) Mit Litng»»ohnitt. V. u. »;, d. w. Gr.
(G. Zenker) wird hineingekrochen; »es klingt wie Kamm und Seiden-
papierc, also wie ein bei unseren Kindern beliebtes Instrument. Man
darf wohl annehmen, dass es sich auch hier um ein Kinderinstrumeut
handelt.
Ein — wenn wir von Madagaskar und den Comoren absehen — in
Afrika äusserst seltenes Blasinstrument ist die in anderen Weltgegenden,
wie in Oceanien, so gebräuchliche Muscheltrompete. Das Berliner Museum
besitzt nur eine solche von der Goldküste, ausserdem zwei kleine, ca. 6 bis
8 cm lange Blasinstrumente aus Schneckeuschalen von den Tengelen
(nördlich des Benue).
') Das kommt auch anderweitig vor. Hildebrandt beschreibt eine Flöte der Wateita,
bei der dicht über dem unteren Ende ein Einschnitt gemacht ist, „der ein schmales
lungenförmiges Stück der Wandung theilweise ablöst. Beim Blasen vibrirt dasselbe"
(Z. f. E. X. 1878, S. 391.)
») ün Niger au Golfe de Guinee I 77.
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- 49 -
Endlich scbliesse ich hier mangels einer geeigneteren Stelle ein maul-
trommelartige8 kleines Kinderinstrument aus üsambara an, das einzige
der Art, welches das Museum besitzt (Abb. 103). Es ist aus einem mark-
haltigen Stengel geschnitten und
t v || q hat nahe dem einen Ende ein seit-
liches Loch, das bis in den Mark-
Abt». 10». Maultrommcl für Kinder.
wuehimbi (Iii e t9S7.) Mit Querichnitt. kanal geht. Unter demselben ist
V. d. w. Qt. von der j^j n( j e eme Zunge abge-
spalten, die noch 4 cm über das Ende des Stengels hinausragt. Man bläst
in das Loch hinein und schlägt zugleich die Zunge mit einem kleinen
Stäbchen.
4. Die Schlaginstrumente.
A. Die Trommeln.
Die Trommeln zerfallen in zwei grosse natürliche Abtheilungen; die
eine umfasst die Trommeln im engeren Sinne, bei denen der Ton durch
die Schwingungen einer über einen ausgehöhlten Holzklotz gespannten
thierischen Membran erzeugt wird, während zu der zweiten Abtheilung
jene merkwürdigen Instromente gehören, bei denen der ausgehöhlte und
mit einer spaltförmigen Oeffnung versehene Baumstamm selbst mit Schlägeln
bearbeitet wird.
a) Die Felltrommeln.
Zar weiteren Eintheilung dieser Abtheilung kann man einmal die
Art and Weise der Befestigung des Trommelfells an dem Holzkörper der
Trommel und zweitens die Gestalt des letzteren benutzen. Was die Ge-
stalt betrißt, so kann man zunächst die Trommeln, welche nur eine einzige
Oeffnung — nämlich die mit der Membran überspannte — besitzen, die
also die Form eines wie immer gestalteten Gefasses haben, als Gefäss-
irommeln trennen von denjenigen, welche oben und unten offen sind,
den Röhrentrommeln, und ihnen als Uebergangsgruppe die Instrumente
zugesellen, die zwar den Gefässtrommeln äusserlich gleichen, aber unten
oder seitlich ein Loch haben, um den Schall herauszulassen. Dazu kämen
noch als letzte Gruppe Trommeln, die an beiden Enden offen, aber beider-
seits mit Trommelfellen versehen sind, Doppeltrommeln.
Innerhalb dieser Gruppen variiren nun aber die Formen ausserordent-
lich, wie ein Blick auf die beigegebenen Abbildungen zeigt, die wohl
aämmtliche Haupttypen der afrikanischen Trommeln, soweit dieselben
wenigstens im Berliner Museum vertreten sind, wiedergeben. Da dieselben
sicherlich besser das Charakteristische der verschiedenen Formen zeigen,
als es die ausführlichste Beschreibung thun könnte, und da anderseits
i
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- 50 -
bei Besprechung der geographischen Verbreitung und der Entwicklung
der Trommelformen noch näher auf letztere eingegangen werden muss,
so verzichte ich, um Wiederholungen zu vermeiden, an dieser Stelle auf
jede eingehendere Schilderung.
Geeigneter als Grundlage der Klassificirung der Trommeln erscheint
die Befestigungsart des Trommelfells, vor allem deswegen, weil dann,
Abb. 105. Tanztrommel aus Tachore Abb. 107. Trommel ans Magungo (III Ab. 70»).
(Ngrd.Togo). ^'och niobt lnvt>ntari»lrt). Mit LangimcbnUt, »/• u. » „ d. w Gr.
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- 51
Abb. lü*. Trommel d. Kay ans i. Abb. IM. Trommel der Wnaafua.
(III C 4419.) ■/, d. w. Gr. a. Be- E my) ^ d . w . 0r>
featigung de» Trommelfellii. '/*
b) Längsschnitt. Vi».
Abb. 110. Trommel ausüaaramo. Abb. 111. Trommel aas Sansibar. (III E 3.'5 )
(III E «Ml.) •/, d. w. Gr. Mit Längsaohnltt. '/, nnd Vt»
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- 52 —
analog der Eintheilung der Saiteninstrumente, auch der der Trommeln
das Princip der Verbindung der beiden Haupttheile des Instruments zu
Grunde gelegt wird. Wie bei den Saiteninstrumenten die Art der Aus-
spannung der Saite und ibrer und des Resonators Befestigung am Saiten-
träger sieb als zweckmässiger Eintheilungagruud darbot, so ist auch hier
Abb. US. Trommel der Seng» (Basenga). i III E 8175 i. der Frucht von Adan-
Mit Längsschnitt, u. Vi« d. w. Gr. aonia, Usaramo.
(1UES5J4.) '/.«dw.Q.
Abb. 1U. Trommel aus Marungu. Abb. U6. Trommel der Wapare.
(III E 1895). »/. d. w. Gr. (III E 6166). Mit Längsschnitt. u.»/„d.w.G.
die Anbringung des ton erzeugenden Theils, des Trommelfells, am Körper
der Trommel die Grundlage , auf der sich eine naturgemäße Gruppirung
aufbauen läset. Das wird späterhin auch in der geographischen Verbrei-
tung seinen Ausdruck finden.
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— 63 -
Es lassen sich folgende Arten der Trommelbespannung unterscheiden:
1. Das Trommelfell wird in feuchtem Zustande einfach über das Ende
der Trommel gestreift und trocknen gelassen; es haftet dann mit
einiger Festigkeit. Solcher Trommeln besitzt das Museum nur wenige
aus Süd- und Ostafrikä. Oder das Trommelfell wird übergestreift
Abb. 110. Trommel aus DlIrlDO, Abb. 11». Trummol au» l"ru». (III E 1110.)
(III E 3870.) Mit Längssc hnitt. Mit Längsschnitt.
Vi u. Vi« d. w. Or. V« u- Vu d. w. Gr.
und dann mit einer herumgelegten Schnur festgebunden ; auch solche
Trommeln sind nur selten. Bei einer cyliudrischen Trommel aus
Uschaschi (abgebildet bei Kollmann, S. 144, Fig. 338) hangen von
dem Trommelfell lauge Fellstreifen herab; an zwei Stellen sind
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Abb, Iii. Doppeltmmmel. Ohne Angabe. AM>. 112. Doppeltrommel der Warn*.
(Sammlung WUmiiRiin). (III C 4353). '.d.w.Or. (III K 1M4}. d. w. Gr.
Riemen um die Trommel gebunden, die diese Fellstreifen niitfassen
und so das Trommelfell gespannt halten. Diese Befestigungsweise
durch Festbinden finden wir auch da, wo der Trommelkörper aus
Thon ist, also ein Anpflöcken nicht gestattet (Abb. 142).
2. Pas Trommelfell ist mit Pflöcken von Holz angenagelt (Abb. 104
— 122) (Anpflöckuug); bisweilen ist es da, wo die Pflöcke einge-
schlagen sind, durch einen übergelegten Streifen Fell oder Eidechsen-
haut verstärkt, oder es ist noch ausserdem eine Schnur herumge-
wickelt; bald ist eine einfache, bald eine doppelte Reihe von Pflöcken
vorhanden; die Holzpflöcke werden mitunter durch Eisen- oder
Kupfernägel ersetzt.
3. Das Trommelfell wird durch Schnüre oder Riemen gespannt, die
durch Löcher in seinem Rande hindurchgezogen und iu verschiedener
Weise an der Trommel befestigt sind (Schnurspannung). Der
Rand des Felles ist hierbei meistens nach oben umgeschlagen und
häufig noch durch eine eingelegte biegsame Ruthe oder dergleichen
verstärkt, um ein Ausreisscn zu verhüten. Die Befestigung der
Spannschnüre an der Trommel geschieht im Wesentlichen auf
folgende Arten:
a) Die Schnüre endigen an einem Fell, das über das entgegengesetzte
Ende der Trommel gespannt ist; sie sind dann gewöhnlich im
Zickzack hin und her gezogen. Dies ist hauptsächlich der Fall
bei cylindrischen oder kegelstumpfförmigeu Trommeln mit glatten
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Seiten, die keinen Haltepunkt darbieten, und bei einer Abtbeilung
der Sanduhr-Trommeln (Abb. 123 — 126). Oder die Spannschnüre
gehen nicht in einem Zuge über die ganze Trommel, sondern
kreuzen sich unterwegs untereinander und mit ringförmig herum-
gelegten Schnüren, so dass die ganze Trommel wie in ein Netz-
werk eingesponnen aussieht (Abb. 127).
b) Bei solcheu Trommeln, die eine vorspringende Leiste oder einen
Absatz besitzen, liegt hier meisteus ein Ring aus Rotang, Fell-
vom unt«re|n Abb. 1S6. Sanduhr- Abb. IST. Trommel der Du-
Kongo. «III C trommel aun Adell. »onRo-Mino. (III 0 3B4S.)
3*ö.) % d. w. Gr. (III C Ä..6» ) ' . d. w. Gr. Vi * ». Gr.
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- 56 —
riemen etc., an dem die Spannschnüre befestigt sind (Abb. 128,
129). Aehnlich ist die Spannung bei den halbkugeligen Kessel-
pauken (Abb. 131). Bisweilen ist dieser Ring durch eine um
die Trommel herumlaufeude erhabene, mit Löchern versehene
Leiste ersetzt, durch die die Schnüre bind arcb gezogen sind
(Abb. 130). Einige Sanduhr-Trommeln sind im Gegensatz zur
d. w. Gr.
Regel nur auf einer Seite bespannt; auch hier gehen die Spann-
schnüre an einen Riug, der nahe dem unteren Rande der Trommel
liegt und seinerseits durch Schnüre, die durch Locher im Trommel-
rande gezogen sind, festgehalten wird.
c) Die Schnüre endigen ebenfalls an einem Ring (gewöhnlich aus
Rotang, der aber nicht an einer Stelle um die Trommel gelegt ist,
die ihm Halt gewährt, wie bei der vorhergehenden Gruppe, sondern
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der nur durch von oben her unter ihn getriebene Holzkeile in
seiner Lage gehalten wird (Keilspannung) (Abb. 132—135.)
Der Ring kann an jeder beliebigen Stelle der Trommel liegen; es
giebt Trommeln, bei denen er sich gauz oben iu der Nähe des
Ekoi (N.W.- Kamerun.) Abb. i; J5. Trommel iler n a k 11 n d u
(III C UC54.) Vi d. w. Or. (III C 10m.) % d. w. Or.
Trommelfells befindet, so dass die Keile noch über den oberen
Rand der Trommel emporragen (Abb. 134), und andere, die ihn
nicht weit vom unteren Ende haben. Auch bei kurz-cylindrischen,
auf beiden Seiten bespannten Trommeln aus dem Hinterland von
Kamerun (VVnte, Bati etc.), deren Trommelfelle nach 4a gespannt
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Abb. 136. TrominelfelNjiannung einer Abb. 137. Trommel der Mabea.
Kamerun-Trommel, '/t d- «• Gr. (III C 6700.) '/« d. w. Gr.
werden, sind Doch seitlich Keile unter die Schnüre getrieben
(Abb. 137).
d) Die Schnüre endigt n an grossen Holzpflöcken, die in der Trommel-
wand stecken (Sch nur- P flock- Spannun g). Die Pflocke sind
schräg von oben nach unten in die Trommel getrieben und haben
auf der Unterseite eine Kerbe, durch die die Spannschnur läuft
(Abb. 138—141).
Wie bereits erwähnt, können sich diese Spannungsweisen mit den
verschiedensten Formen des Trommelkörpers kombiuiren; so z. B. finden
sich unter den im Berliner Museum befindlichen Trommeln mit Keil-
spannung einfache cylindrische Röhreutrommeln, ferner tonnen förmige,
Abb. 13*. Trommel au* Abb 139. Trommel »m Agotime (III C 50J?.> '/»•
Togo (III C 5894). '/i». a) Laugascbnitt. '/,». b) Scblftgel. '/.-
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Abb. HO. Trommel aus Togo (III C 4J»j.) Abb. 141. Trommel aua Pembi
Mit Längsschnitt. »/, u. •/,.. (bei Salaga), (III C 7039.) » „.
beide in allen möglichen Verhältnissen zwischen Länge und Durchmesser;
dann Rohrentrommeln mit einem deutlich markirten Fuss oder mit
mehreren Füssen; Gefhsstrommeln, meistens von kurz-cylindrischer Gestalt
oder mit bauchig vorgewölbten Wänden, fast stets mit einem oft kunst-
voll geschnitzten Fuss, der die eigentliche Trommel an Grösse häufig weit
übertrifft. Nicht anders sind die Verhältnisse bei den übrigen Spannungs-
arten, obwohl zuweilen bestimmte Kombinationen bevorzugt erscheinen,
z. B. die der einfachen Zickzack-Schnurspannung mit lang-cyliudrischen
oder kegelstumpfförmigeu Trommelformeu (Abb. 123, 124).
Das Material zu den Trommeln ist überwiegend Holz; daneben wird
auch Kürbisschale gebraucht (im westlichen Sudan häufig erwähnt), auch
andere Fruchtschalen (Abb. 115); endlich dieneu auch Thongefässe als
Trommelkörper (wohl nur in der nördlichen Hälfte des Erdtheils)
(Abb. 142). In Nordafrika (Aegypten) kommen auch metallene (kupferne)
Trommeln vor.
Das Trommelfell besteht entweder aus dem Fell von Säugetbiereu
(Ziegen, Rindern, Antilopen u. s. w.) oder aus der Haut von grossen
Reptilien (Eidechsen und Schlangen). In Aegypten giebt es auch mit
Fischhaut bespannte Trommeln.
Geschlagen werden die Trommeln entweder mit den Händen oder
mit besonderen Schlägeln aus Holz. Letztere sind entweder gerade, wie
meistens in Ostafrika, oder gebogen oder hakenförmig, wie in Kamerun
und Obergninea (Abb. 143). Mit den Händen werden die Trommeln
geschlagen z. B. bei den Ovambo (Schinz), den Bnnda-Stammen (Magyar),
den Marutfe (Holub), den Wapare (Baumann), den Bakuba, die die
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- 60 -
Abb. 14?. Thontrommel aus Dahomo.
(III C 6293.)
d. w. Gr.
Abb. 143. Trommelschläge!. ») Wute.
(III C 7428b). b) Kebu (Togo). (III C 4802).
c) Togo (III C 68H6b). d) Unterer Kongo
(III C 3834). •) ÜHBib« (III E 5453b).
Handflächen (Wissmann -Wolf)i den Baschilange, die die Fauste (Pogge)
den Liberia-Stämmen, die die Fingerspitzen gebrauchen (Büttikofer) und
den Makalanga, die die Trommel mit Faust und Ellenbogen bearbeiten
(Bent). Mancherorts finden Hände und Trommelschlägel bei verschiedenen
Trommelarten Verwendung: an der Goklküste werden die Kalebassen-
trommeln nach Isert mit der Hand geschlagen, alle andern Trommeln
mit hakenförmigen Schlägeln, in Liberia nach Büttikofer die Tanz-
trommeln mit den Fingerspitzen, die grosseren Kriegstrommeln mit zwei
hamm erförmigen Stöcken, in Uganda die Pauken mit Schnurspannung
(wie Abb. 123) mit Schlägeln, die Cylindertrommeln mit angepflöcktem
Trommelfell mit der Hand (Wilson u. Felkin), ebenso in Ussiba (Koll-
mann), in Aegypten werden alle Trommeln mit Schlägeln geschlagen
ausser der Darabnkkeh (Laue), in Bornu die Kesselpauken mit einem
geknoteten Tau, die übrigen Trommeln mit den Händen (Nachtigal). Die
Bawili vereinigen beide Methoden: der Trommler trommelt mit den drei
mittleren Fingern der einen uufl mit einem Schlägel in der andern Hand
(Soyaux).
Die kleineren Trommeln werden gewöhnlich um den Hals gehängt,
die langen dagegen rittlings zwischen die Beine genommen, z. B. bei
den Bawili (Soyaux), Baschilange (Pogge), Ovarabo (Schinz), Marutae
(Holub), Fan (du Chaillu) , in Britisch Central - Afrika (Johnston);
in Liberia kauert der Trommler auf den Fersen und hält die Trommel
zwischen den Knieen (Büttikofer); die Dinka hängen ihre grossen Pauken
an Pfählen vor den Hütten auf (Schweinfurth), an der Goldküste trägt
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-Gl-
eit! Mann sie auf dem Kopf, während der Trommler hinterdrein geht
(Isert) u. s. w.
Eine Trommel, bei der die Tone nicht durch Schlageu des Trommel-
fells hervorgebracht werden, zeigt Abbildung 144. Es ist eine ganz ge-
wöhnliche kurz-cylindrische, auf
beiden Seiten mit Haut überzogene
Trommel mit Schnurspannung, wie
sie in dieser Form häufig im Sudan,
woher auch das abgebildete Stück
stammt, zu finden ist. Die beiden
Trommelfelle sind in der Mitte durch-
bohrt und durch das Loch zwei
lange, schmale Blattstreifen ge-
zogen, die im Innern der Trommeln
geknotet und dadurch au dem Hin-
durchschlüpfen gehindert sind. An
der Seite hat die Trommel ein
grosses viereckiges Schallloch. Der Gebrauch des Instruments ist folgen-
der: Man feuchtet die Finger an und streicht mit denselben die Blatt-
streifen, wodurch ein ziemlich starkes Geräusch erzeugt wird.
Das Museum besitzt nur diese eine Reibetrommel, die aus Mangu
stammt, in der Litteratur finden sich mehrfache Berichte über ähnliche
Trommeln.
Ein Bericht rührt von Monteiro her; die von ihm beschriebene
Trommel ist ein auf dem einen Ende mit Schaffell bespannter, auf dem
anderen offener Holzcyliuder. Durch ein Loch im Fell ist ein runder,
6 — 7 Zoll langer Holzstab gesteckt, der durch einen Knopf am Ende
vor dem Hineinfallen in die Trommel bewahrt wird. Die angefeuchtete
Hand erfasst das Holz im Innern der Trommel, »and the piece of wood
is slightly grasped and pulled, allowing it to slip a little«. *)
Ganz ähnlich ist die von Holub ausführlich beschriebene Reibtrommel
der Völker des Marutse-Mambunda- Reichs. Sie ist cylindrisch, nach
unten etwas verengt, 60 cm lang, 20 cm im Durchmesser. In dem über
das untere Ende der Trommel gespannten Fell steckt ein rundes, finger-
dickes Stäbchen, das durch zwei Querstücke unmittelbar über und unter
dem Fell festgehalten wird. Der Musiker reibt dasselbe mit einem be-
feuchteten Stück Bast, meist vom Baobab, und erzeugt dadurch einen
tiefen, knurrenden Ton. Das Instrument wird von den von einer Löwen-
oder Leopardenjagd glücklich heimkehrenden Jägern gebraucht. 2 )
l ) Monteiro, Angola and the River Congo. S. 140.
*) Holnb, Kultorakizze S. 69 (Abb. 8. 140, Fig. 70); Sieben Jabre in S.-A. II, 148.
Abb. U4. Rcibtrommcl au* Mangu
(III C itftlX V. d. w. Or.
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Endlich gehört hierher die von Krapf erwähnte und von New genau
beschriebene Muansa-Trommel der Wanyika. Dieselbe ist eine Gefiiss-
trommel, da der ca. 6 Fuss lange Holzklotz nur bis anf etwa 1 Zoll vom
Ende ausgehöhlt ist. Das offene Ende ist mit Ziegen- oder Schaffell
überspaunt, durch dessen Mittelpunkt ein Strang (von welchem Material,
ist nicht gesagt) gezogen und innen durch einen Knoten gesichert ist.
Der Spieler nimmt in jede Hand ein Stück Kokosnussbast und streicht
den Strang abwechselnd mit beiden Händen. ') Die Trommel ist das
Instrument eines Geheimbundes und spielt etwa dieselbe Rolle wie ander-
weitig das Schwirrholz. Nicht eingeweihte dürfen dieselbe nicht sehen«
besonders Weiber und Kinder nicht. Uebrigens haben die Fraueu der
Wanyika einen ähnlichen Bund mit einer ebensolchen Trommel.
Wie man sieht, ähnelt diese Trommel am meisten der des Berliner
Museums, während andererseits die Trommeln aus Angola und dem
Marutse-Reich zusammengehören. Die beiden Gruppen unterscheiden sich
hauptsächlich dadurch, dass bei der ersten die Trommel beiderseits ge-
schlossen ist, so dass von aussen her an dem Strang gezogen werden
muss, während bei der zweiten der Spieler von innen her das Fell in
Schwingungen versetzt. Auch das Material der Handhabe ist verschieden;
bei der ersten Gruppe Blattstreifen oder ähnliches, bei der zweiten Holz-
stäbchen. Uebereinstimmend ist aber wiederum, dass diese Handhabe
mit feuchtem Bast oder mit angefeuchteten Fingern gerieben wird.
Ein sehr sonderbares Instrument muss eine von Gregory erwähnte
Trommel der Wapokomo sein; da ich mir nach seiner Beschreibung keine
klare Vorstellung von derselben machen kann, so beschränke ich mich
darauf, den Wortlaut hier anzuführen: * . . . by means of a peculiarly
Bhaped drum which is beaten and blown at the same time, they (die
Mitglieder des Geheimbunds Ngadsi) make a noise described as louder
than the roar of a lion. ThiB they say is the voice of the Old Man of
the Woods.«»)
b) Die Holztrommeln.
Die zweite Klasse der Trommeln bilden die als Signal- und Sprech-
trommeln in gewissen Theilen Afrikas eine so grosse Rolle spielenden
Holztromnieln. Dieselben bestehen aus einem Holzklotz, einem Stück
eines Baumstamms, der auf der Oberseite einen Längsschlitz zeigt und
von hier aus ausgehöhlt ist.
Die Gestalt der Trommel zeigt grosse Verschiedenheit. Zunächst
findet sich die durch die Form des unbearbeiteten Baumstammes gegebene
l ) New, Life, Labours and Wanderings in Eastern Africa. London 1873, S. 112.
*) J. W. Gregory, Tbe Great Rift Valley. London 1896, S. 345.
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- 63 —
cyliudrische Form mit senkrecht abgeschnittenen Endflächen (Abb. 145).
Vielfach ist, wie auch bei der abgebildeten Trommel, der Umfang nicht
überall gleich, sondern in der Mitte am grössteu, die ganze Trommel
also tonnenförmig. Diese Formen finden sich im Berliner Museum an
Abb. 145. HoUtrommel buk Kamerun (III C 4544). Mit Querschnitt.
»,, d w. Gr.
Trommeln aus Kamerun und vom Kuango, sie kommen aber auch sonst
vor (vgl. z. B. die Abbildung einer VVakussu-Trommel bei Stuhlmann
S. 592). Daran schliessen sich kahnförmige Trommeln wie Abb. 146
Abb. 146. Holetrommel aus Baouia (X.W.-Kamerun). (III C 10713.)
Mit Querschnitt. "/,„ d. w. Or.
(eine Trommel aus N.-W.-Kamerun); besonders ausgeprägt erscheint diese
Form bei den Trommeln aus Loango (Abb. 147).
Abb. 147. Hol«trommcl au* Loango. (III C S48.) Mit Queriohnitt «/» d. w. Or.
Eine zweite Gruppe zeigt im Wesentlichen die Gestalt eines Keils
mit langer Kante; auf derselben befindet sich der Spalt, von dem aus
die Trommel ausgehöhlt ist (Abb. 148). Die Abbildung zeigt die ein-
fachste Form; oft sind die Seiten ausgeschweift, 1 ) oder die Trommel
erhält Füsse wie bei den Monbuttu und Niam-Niam. 1 )
') Abbildungen bei Stublmann, S. 592; Wissmann, Im Innern Afrikas. S. 65.
*) Schweinfurtb, Art Afr. Taf. XVI, 10; XI, 8; Junker I, 299; II, 173; Stanley,
Tbrough the Dark Continent II 199.
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— 64 -
Abb. 148. Hobttrommel
Mit
ürm (III E IMS).
V,..
Die Spaltöffnung ist entweder ein einfacher schmaler Schlitz, und
das ist der Fall bei allen keil- und kann förmigen Trommeln, oder sie
besteht wie bei den cylindrischen Formen aus zwei rechteckigen Oeff-
nungen, die durch einen ganz schmalen Spalt mit einander verbunden
sind. Zu beiden Seiten dieses Verbindungsspalts wird die Trommel an-
geschlagen. Die Wandungen sind stets von ungleicher Dicke, so dass
die Trommel zwei Töne giebt.
Statt der beiden rechteckigen durch
den Spalt verbundenen Oeffnungen kommen
auch runde vor, wie die oben angeführte
Abbildung bei Stuhlmanu (S. 592) und
eine bei Cameron (I 307) beweisen.
Geschlagen werden die Trommeln mit
geraden Holzschlägeln, die an einem Ende
einen Knopf aus Kautschuk haben.
Als ein Unicum sei hier noch eine
eigenartige Trommel beschrieben, die aus
N.-W.- Kamerun stammt. Dieselbe besteht,
wie die Abbildung 149 zeigt, aus einem
47 cm langen Stück Holz von ungefähr
kreisrundem Querschnitt, das sich nach
einem Ende zu verjüngt und der Länge nach
durchbohrt ist, so dass eine nur am
schmäleren Ende ziemlich starke, sonst aber dünne Wandung stehen
bleibt. Diese ist nun von oben her durch zwei ca. 18 cm lauge Spalten
getheilt, die so geführt sind, dass sie einen keilförmigen Körper zwischeu
sich einschliessen. Hier wird das Instrument mit einem Schlägel aus
leichtem Holz geschlagen.
Abb. U9. Holztrommel der Bafö
(III C 10368) '/.. a) Längsschnitt >/„.
b) Querschnitt % °) Schlägel »;,.
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— 65 -
B. Die Glockeu.
Die Instrumente, die hier als Glocken znsauimengefasst werden, und
die auch sonst meistens diese Bezeichnung tragen, zerfallen in zwei
Klassen, in Glocken mit Klöppel und Glocken ohne solchen, die also
von aussen geschlagen werden. Man sieht, dnss eigentlich nur die
ersteren den Namen Glocken in unserem Sinne verdienen, die zweite
Abtheilung könnte ebenso gut zu den Holztrommelu gestellt werden.
Thatsächlich ist das auch mit einigen besonders grossen Formen zuweilen
geschehen, und nur die Aehnlichkeit der äusseren Gestalt mit wirklichen
Glocken hat neben der meistentheils geringen Grösse Veranlassung gegeben,
sie ebenfalls zu den Glocken zu rechnen.
Abb. ISO. Holzglocke der Kiam-Niam Abb. 151. Holzglocke d.Ngolo
(III Ab 8M). Mit yuorecbnitt (III C 8o3c). Mit yuerecbnltt.
'/„ d. w. Gr. •/, u. ■/„ d. w. GV.
Das Material der Glocken ist in beiden Abtheilungen entweder Holz
oder Eisen, nur selten ein anderes Metall, wie Messing oder Kupfer (in
Benin Bronze); die Klöppel bestehen meist aus demselben Stoff wie die
Glocke; doch finden sich gelegentlich auch Holzglocken mit Knochen-
klöppeln.
Betrachten wir zunächst die klöppellosen Glocken. Die hölzernen
sind gewöhnlich von platter Form und ovalem Querschnitt und haben
oben einen Handgriff oder Henkel, an dem sie gehalten werden können.
Zwei solche Glocken zeigen die Abb. 150 u. 151. Die erste, die von
den Monbuttu 1 ) stammt, ist die grösste im Museum vorhandeue Glocke.
') Die Glocke bat im Katalog die Angabe Niara-Niam, aber sowohl Schweinfurth
(Art. Afr. Tai. XVII, 16) als Junker (Reisen III 15) schreiben diese Art den Monbuttu zu.
5
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Eine Eisenglocke ohne Klöppel stellt Abb. 152 dar. Dieselbe zeigt
eine sehr häufig wiederkehrende Gestalt mit zwei erhabenen, vou oben
bis unten an der Glocke herablaufenden Rändern. Diese Form erklärt
sich aus der Technik; denn wie Courau von den Bangwa in Nord-Kamerun
berichtet, wird eine solche Glocke aus zwei Eisenplatten hergestellt, deren
Ränder über einer Holzform zusammeugeschweisst werden. 1 ) Die Glocken
werden mit einem Holz- oder Metallstäbchen angeschlagen, oder man
schlägt auch zwei Glocken gegeneinander, so z. B. in Lunda und in
Benin. 2 )
Dieselbe Form findet sich auch bei der nächsten Gruppe, den eisernen
Doppelglocken. Dieselben bestehen entweder aus zwei einfachen Glocken
wie Abb. 152, die oben durch ein mit Kotaug überflochtenes Rahmenwerk
Abb. 152. Eisenglocke Abb. 153. Doppelglocke aua Kamerun,
ohne Klöppel. Bu- (III C *853.) '/, d. w. Gr.
ngombe. (I1IC »083.)
Vi d. w. Or.
von Stäben verbunden sind (Abb. 153), oder die Glocken sind ans einem
Stück geschmiedet und hängen an einem gemeinschaftlichen hufeisenförmig
gebogenen eisernen Bügel (Abb. 154— 15G). Bei einer anderen selteneren
Form liegen die Glocken nicht nebeneinander, sondern aufeinander (Abb.
157). Stets sind die Glocken von etwas verschiedener Grösse — besonders
>) Mittb. a. d. D. Schutzgebieten. XII. S. 204
*) Pogge, Im Reiche des Muata Jamwo. Berlia 1880. S. 234; Read & Palton,
Antiquities from the City of Benin. London 1899. Taf. XYlll, 1.
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- 67 —
gross ist der Unterschied bei den Glocken von der Form der Abb. 157 — ,
so dass sie beim Anschlagen zwei Töne geben. Geschlagen werden sie
ebenso wie die einfachen Glocken.
Abl>, 154. Doppelglocke der Konkomba (III 0 11828). Abb. 155. Doppalglocke aus LuuJa
'/,. Mit Querschnitt. (III C 146;). d. w. Gr.
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- 68 -
Handschellen (Schuhe) an je eine Hand aufgestülpt und bei den
Tanz- Evolutionen aneinander geschlagen«. 1 ) Das erscheint mir ganz
unmöglich; ohne allen Zweifel werden die Glocken, die nicht durch einen
Bügel verbunden sind, sondern in einen gemeinsamen Stiel auslaufen, an
diesem gefasst und dann entweder mit einem Schlägel bearbeitet oder
gegen ein zweites Glockenpaar geschlagen. Holubs Angabe beruht umso
wahrscheinlicher auf einem Missverständniss, als er die Handhabung der
Glocken nicht selbst gesehen hat, sondern nur nach Hörensagen berichtet.
Abb. IM, Hölzerne Kuhglocke Abb. 15». llolzjjlocke der Bakumlu Abb. 160 Doppcl-
der W angin do. (III C 3fJj). ' , a) LUngHschnitt ; fjloeko au» Hol«.
(III E 4«8). •/» b) Ansicht von unten. V* ünguu (III E
499*). '/».
Wir kommen nun zu den eigentlichen Glocken, den Glocken
mit einem Klöppel. Dieselben bestehen ebenso wie die klöppellosen aus
Fruchtschale, Holz oder Metall (meist Kisen, auch Messing). Gelegentlich
werden auch andere Stoffe verwendet, so besitzt das Berliner Museum eine
Glocke aus einer Schildkrötenschale mit einem Holzklöppel (Nordwest-
Kamerun).
Die Formen der Holzglocken variiren ausserordentlich; ich bilde hier
nur zwei ab, die zugleich Beispiele aus zwei sehr häufigen Typenreihen
abgeben. Die Klöppel — einer oder mehrere — hängen an einer quer
durch die Glocke gezogenen Schnur. Der Hohlraum der Glocke ist ent-
weder einheitlich wie bei Abb. 158, oder er ist in zwei oder auch mehrere
Kammern getheilt, so dass jeder Klöppel seinen eigenen Raum hat (Abb.
159). Auch hölzerne Doppelglocken giebt es, bei denen aber die beiden
') Holub, Eine Kulturakizze den Marutse-Mambuuda-Reiches. Wien 1879. S. 143
(Fig. 75).
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- 69 -
Glocken nicht nebeneinander, auch nicht aufeinander, wie bei den eisernen
Doppelglocken, angebracht sind, sondern so, dass sie sich nach entgegen-
gesetzten Richtungen öffnen (Abb. 160). Auch bei den Doppelglocken ist
der Innenraum entweder zusammenhängend oder getheilt.
Ebenso mannigfaltig sind die Formen der Eisenglocken, doch lassen
sich hier einige wohl charakterisirte Typen unterscheiden.
Da sind zunächst die einfachen Schellen, entweder
kugelförmig (Abb. 161) oder mehr in die Länge ge-
zogen, die ein Schlitz in zwei schalenförmige Hälften
spaltet. Als Klöppel fungirt hier ein kleiner iu
die Glocke eingeschlossener Stein oder eine Metall-
kugel. Sie dienen, oft in grosser Zahl an Knöchel-
bändern nnd dergleichen befestigt, als Klapperschmuck
Abb. MI. Eiserne Kuhglocke
an» Ruanda (III E f.289j.
'/, d. w. Gr.
Abb. 165. Eiserno Kub-
gloi kc der Waasiba
(III E 4J32). Vi d. w. Gr.
Abb. 16*. Eiserne Kuh-
glocke der Wabena
(III E 61 »4). '/, d. w. Or.
beim Tanz, aber auch als Viehglocken (als Kuhglocke ist auch das ab-
gebildete Stück bezeichnet).
Ein zweiter Typus wird durch die Abb. 162 repräsentirt. Diese
Glocke besteht ans einer zusammengebogeneu Kisenplatte, die, wenn man
sie sich ausgebreitet vorstellt, etwa die Gestalt eines Dreiecks mit ab-
gerundeten Ecken haben würde. Die Spitze des Dreiecks läuft iu eiuen
langen Fortsatz aus, der, hakenförmig nach unten gebogen, den Eisen-
klöppel trägt.
Aus zwei ähnlichen gebogenen Platten, die oben durch einen Bügel
verbunden sind, besteht dagegen die Glocke Abb. 163. An dem Bügel
hängt vermittelst eines Eisenringes der Klöppel.
Die nächste Form (Abb. 164) besteht aus einer uugefähr rechteckigen
Eisenplatte, die in der Mitte der Quere nach geknickt ist, während die
Längsränder sanft nach innen gebogen sind. Man kann sie sich
auch aus der vorigen Form (Abb. 163), durch Verbreiterung des
Bügels entstanden denken. Der Klöppel hängt an einer Schnur,
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die durch ein im Scheitel der
Glocke befindliches Loch gezogen
ist. Denkt man sich nun auch
die Seiten geschlossen durch Zu-
sammenschmieden der Ränder, so
entsteht eine rechteckige Form,
die besonders in Ostafrika sehr
häufig ist (Kuhglocken der Wa-
hehe), aber auch ßonst vorkommt. ')
Abb. 1G5 u. 166 führen uns
wieder Formen vor, die wir schon
bei den klöppellosen Glocken be-
sprochen haben. Beachtenswerth
ist bei Abb. 165 die Befestigung
d«s Klöppels an einem durch die Glocken wand gezogenen Ringe. Beide
Glocl en sind mit einem Handgriff versehen.
Abb. 164. EUenftlocko dir
Bai» (IIIF 6M). '/»
Abb. 165. Eisen-
glocke ruh Kabure
(HICTtlte). 'V
Abb. 166. Ei»enßlocke aus Batanga
(III C 4569). \.
Abb. 167. Eisenglooke
der Tarn bor m a
(III C 11621). Vf.
Die letzte Abbildung (Abb. 167) zeigt eine cylindrisebe Glocke, durch
Zusammenbiegen eines rechteckigen Stückes Eiseublech hergestellt.
Stellenweise (in Oberguinea) finden sich auch Glocken von der Form
unserer Tischglockeu. Zu erwähnen sind endlich noch die vierkantigen
Brouze-Glocken aus Beuin.
C. Die Mariniba.
Der Name Marimba wird von manchen Schriftstellern auf die Sansa
angewandt, und esist wohl möglich, dass derselbe thatsächlich in verschiedeneu
') Glocke der Wassiba bei Kollmanu, Fig. 84, S. 50; der Bombe bei Junker I 382.
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— 71 -
Gegenden für verschiedene Instrumente gebraucht wird; ich verstehe hier
unter Marimba nur die oft beschriebene Holzharmonika. 1 )
Das Berliner Museum besitzt neun solcher Instrumente; bei dieser ge-
ringen Auzabl erscheint es am besten, dieselben znnächsteiuzeln zu beschreiben.
III C 1357. Malange (Angola). Die 18 Holztasten (35—50 cm lang,
5 — 7.3 cm breit) liegen über zwei hufeisenförmig gekrümmten, zu ein-
ander parallelen Holzbügeln, und zwar auf der konkaven, nach oben ge-
richteten Seite derselben. Sie ruhen aber nicht direkt auf denselben,
sondern auf zwei dicken, aus Lederriemen zusammengedrehten Schnuren,
die von einem Ende der Bügel zum andern auf denselben entlang gezogen
sind. An diesen Lederschnüren sind sie durch zwei dünne Schnüre be-
festigt, die durch 2 Löcher in den Enden der Tasten hindurchgehen und
sich um die Hauptschnüre herumschlingen. Unter jeder Taste hangt als
Resonator ein durchschnittener, oben offener Kürbis, der seitlich ein mit
einer dünnen, weissen Membran (Spinngewebe) verschlossenes Loch hat.
Abt.. m. Marimb» der Yanndo (III C 7«30). « ( ,.
Die Kürbisse sind auf Stabchen gespiesst, die ihrerseits in den beiden
Bügeln stecken, und nehmen von einem Ende zum andern an Grösse zu
(12,5-40 cm lang). Ausserdem hat die Marimba einen grossen Bügel
zum Tragen. Dazu gehören zwei Schlägel, mit einem Kautsch ukknopf
am Ende. Das ganze Instrument misst von einem Ende zum andern, in
der Sehne des Bogens gemessen, 125 cm.
*) In Folge dieses wechselnden debrauchs des Namens Marimba lässt sich oft nicht
entscheiden, welches Instrument eigentlich gemeint ist. So z. B. bei Schinz, wenn er
von dem Fehlen der überall nördlich des Kunene vorkommenden Marimba bei den Ovambo
spricht. Auch in Bezug auf dasselbe Gebiet widersprechen sich die Benennungen der
Schriftsteller häufig. So nennen Tains und Monteiro die Sansa in Angola Marimba,
Magyar dagegen hat letztere Bezeichnung för die Holzharmonika und Vissandschi ftir
die Sansa. Nach Johnston heisst letztere bei den Wayao Lulimba.
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Dieses ist die einzige Marimba, bei der die Tasten in einer nach
oben konkaven Fläche angeordnet sind, bei allen andern liegen sie in
einer Ebene.
III C 7630. Yaunde. (Abb. 168.) Die 9 Tasten liegen hier auf
zwei mit Rindenstoff bewickelten Stäben, die an einem Ende des Instru-
ments 17, am anderen 7 cm von einander abstehen. Sie sind an dem-
selben durch zwei Schnüre befestigt, von denen die eine durch zwei
Löcher in einem Ende der Taste gezogen ist, während die zweite quer
Ober das andere Ende läuft. Die Tasten sind 24 — 33 cm lang und 5 bis
6 cm breit Daruuter sind die Resonnnzkürbisse vermittels einer hin-
durchgezogenen Schnur in einem rechteckigen Holzrahmen aufgehängt.
Die Schnur ist, um ein Herabsinken der Kürbisse zu verhindern, um
Querstäbe geschlungen, die unterhalb der Zwischenräume zwischen den
Tasten in dem Rahmen angebracht sind. Alles Uebrige wie bei dem
vorigen Instrument.
III C 8240 und 8241 (Bati) gleichen in allem der eben beschriebeneu
Marimba, haben aber nur sieben Tasten aus Rothholz.
III C 10 853. Djimini (3° 30' w . L., 8° 30' „. Br.). Wie bei III C 1357
ruhen die Tasten, elf an Zahl, auf zwei Lederstricken uud sind an ihuen
durch Riemen befestigt, die aber nicht durch Locher in den Tasten gezogen,
sondern nur um dieselben herumgeschlungeu sind. Die Tasten sind 27 bis
54 cm lang, 4,5 — 7,5 cm breit. Zwischen je zwei Tasten ein in den Leder-
stricken steckender Querstab. Die Kürbisse hangen in Querschnüren, z. T.
ihrer Grosse wegen nicht nebeneinander, sondern in zwei Reihen. Das mit
Spinn web überzogene Loch ist viereckig. Der Stutzapparat ist erweitert,
indem unterhalb des viereckigen Rahmens, auf dem die Tasten liegen,
sich ein zweiter ebensolcher befindet, der mit dem orsten durch vier senk-
rechte Stabe in den Ecken zu einem festen Gestell vereinigt wird. Innerhalb
dieses Gestells, das auf den Boden gesetzt werden kann, hängen die Kürbisse.
III D 1813. Nördliches Transvaal. 19 Tasten, an beiden Enden
geschnitzt. Dieselben hängen an zwei hindurchgezogenen Schnüren, die
zwischen zwei geschnitzten, mit Handgriffen versehenen Brettern ausgespannt
sind. Diese Bretter werden durch einige Längsstäbe in dem richtigen
Abstand von einander gehalten. Darunter hängen ebenfalls an Schnüren
die ungewöhnlich langen Kürbisse.
III E 2398. Loangwa (linker Nebenfluss des Sambesi). Die 10 Tasten
(30,5—32 cm lang, 4,5—7,5 cm breit) hängen an hindurchgezogenen
Lederriemen, die zwischen den Enden eines zweimal rechtwinklig ge-
bogenen Holzbügels ausgespannt sind. Nach je zwei Tasten ist immer
ein auf die Kante gestelltes Querbrett eingeschaltet. Darunter liegt ein
mit Zapfen in die umgebogenen Schenkel des Bügels eingelassenes Brett,
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das mit 10 runden Löchern für die kugelförmigen Resouanzkürbisse (5,5
bis 10 cm Durchmesser)
versehen ist. Letztere sind
an der Unterseite des
Bretts mit einer harz-
artigen schwarzen Masse
angeklebt. Auch um die
seitliche Oeffnung der Re-
sonatoren ist aus derselben
Abb. |fi«. Befestigung der Resonatoren bei einer M»rimba MaSSC eine Art Wall ge-
vomLo.ngw.dll EM.»). ./, d. w. Gr. Mit Durchschnitt. bi | det> „ dag9 das Loch
zu einer Röhre geworden ist, deren äussere Mündung die Spinnwebenhaut
überkleidet. (Vgl. Abb. 169.)
III E 1503, Sambesi, ist dem vorigen ganz gleich, hat aber 12 Tasten.
III F 939. Mbum. Dieses Instrument ist dem vorigen ebenfalls sehr
ähnlich, sowohl was die Befestigung der Tasten — hier 14 an der Zahl
- als auch die der Kürbisse betrifft. Auch die aus Harz gebildete Röhre
mit dem Ueberzug von Spinn-
gewebe fehlt nicht. Ab-
weichend sind nur die beiden
letzten Kürbisse an jedem
Ende des Instruments, die
eiue höchst eigentümliche
Konstruktion aufweisen. Sie
bestehen nämlich aus zwei
rechtwinklig zu einander
stehenden Kürbissen, von
denen der obere senkrecht,
der untere wagerecht steht
und die durch einen Ring-
wulst von Harz mit einander
verbunden sind. Am äussersten Ende des unteren Kürbisses befindet sich
dann die Harzröhre mit der weissen Membrau (Abb. 170).
Die Konstruktion ist also bei allen im Wesentlichen dieselbe: eine
Anzahl von »Tastenc, rechteckigen platten Hölzern von verschiedener
Grösse, die nebeneinander auf einem Rahmen angebracht sind und unter
sich Flaschenkürbisse von ebenfalls verschiedener Grösse haben. ')
Ausser diesen Marimben giebt es noch unvollkommenere Instrumente,
denen die Resonatoren fehlen. Dieselben bestehen nur aus einer Anzahl
von Hölzern, die ebenso wie die Tasten einer Marimba gestaltet sind.
') Bei den Manveina sollen unter jeder Taste zwei Kürbisse hängen (Cameron I, 307)
Abb. 170. Resonanskttrbts einer Mnrimba der
Mbum (III F 9JJ). '/».
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74 -
Das Berliner Museum besitzt zwei Sätze solcher Hölzer, der eine von
6 Tasten aus Usaramo, der zweite von 9 aus Useguha. Graf Pfeil, dem
das Museum das letztere Instrument verdankt, beschreibt den Gebrauch
desselben etwa folgendermasseu: l ) die neun Holzscheite werden nebenein-
ander über zwei parallel liegende Bananeustämme gelegt, zwischen denen
eine kleine Vertiefung in die Erde gegraben ist, und mit zwei Stabchen
geschlagen. Nach Hildebrandt werden die Hölzer bei den Wasaramo
auch zuweilen auf hohle Flaschenkürbisse gelegt, was bessere Resonanz
ergiebt. *)
Abb. 171. „Totentroinmol" der Manpnndscha (III E 3J89). '/t-
Ein marimbaartiges Instrument, das nur eiue einzige über einem
Kürbis befestigte Taste hat, zeigt Abb. 171. Es ist eine sogenannte
»Todtentrommel« der Mangandscha. Die Oeffnung des Kürbis ist mit einem
Rand von Harz umgeben; in diesem stecken vier nach oben divergirende
Stäbe. Zwischen je zwei Stäben ist ein Lederriemen ausgespannt, und
auf diesem Riemen ruht das Schlagbrett, auf dem in der Mitte ein grosser
Kautschukballen liegt. Der Ton des Instruments soll durch das Hinein-
schieben der linken Hand gedämpft werden.
') Beobachtungen während raeim-r letzten Reise in Ostafrika. (Peterm. Mittta.
Bd. 34. 1880. S. 7.)
J ) Z. f. E. X, 1878. S. 898.
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II. Geographische Verbreitung
Das vorhergehende Kapitel hat einen Ueberblick über die erstaunliche
Mannigfaltigkeit der afrikanischen Musikinstrumente gegeben; und wenn
auch dieser Reichthum nicht gleich massig über den Erdtheil ausgegossen
ist, so dürfte es doch nur wenige Stämme geben, bei denen nicht wenigstens
die drei Haiiptabtheilungen, die Blas-, Saiten- und Schlaginstrumente ihre
Vertreter hätten. Das ist ja auch eine bei dem durch alle Berichterstatter
bezeugten musikfrohen Sinn der Neger und ihrer offenbar vielfach nicht
unbeträchtlichen Begabung für Musik durchaus erklärliche Erscheinung.
Es giebt allerdings iu der Litteratur eine ganze Keine von Angaben,
wonach diesem und jenem Stamme irgend eine Gattung von Musik-
instrumenten völlig fehle. So sollen nach Schweinfurth die Monbuttu,
nach Coquilhat die Bangala, nach Hildebrandt diu Hirtenstamme Ostafrikas,
wie die Massai etc., der Saiteninstrumente gänzlich ermangeln; Pogge
hat in Lunda keine Blasinstrumente, auch keine Hörner, bemerkt, und
O. Baumann behauptet sogar das Fehlen der Trommel in Urundi und
auf Fernando Poo. *) Derartigen Angaben mag nicht selten ein Irrthum
des Beobachters zu Grunde liegen; ein solcher ist bei kurzer Dauer des
Aufenthaltes um so eher möglich, als viele Instrumente nur bei besonderen
Gelegenheiten benutzt werden. Daher dürften sich auch Saiteninstrumente
eher der Beobachtung entziehen, als die hauptsächlich bei lärmenden Fest-
lichkeiten Verwendung findenden Trommeln und Blashörner, die sich der
Aufmerksamkeit des Reisenden oft mehr aufdrängen, als ihm erwünscht ist.
Andererseits ist es selbstverständlich, dass das eine Volk dieses, das
andere jenes Instrument bevorzugt, wie z. B. nach Schweinfurth die
Monbuttu eine lärmende Musik lieben, während ihre Nachbarn, die Niam-
Niaoi, sich lieber an den zarten Tönen der Harfe oder der Marimba er-
freuen. Zum Theil sind solche Verschiedenheiten zwischen benachbarten
») Schweinfurth, Im Herzen von Afrika 1878. S. 301; Coquilhat, Sur le Haut
Coogo. Paris 1888. S. 364; Hildebrandt, Ethn. Notizen Über die Wakamba und ihre
Nachbarn (Z. f. Ethn X. S. 393); 0. Baumann, Durch Masxailand zur Nilquelle. Berlin
1894. S. 224; ders., Fernando Poo. Wien 1888. S. 98.
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Stämmen nur als Ausfluss einer aogenblicklich herrschenden Mode zu be-
trachten, die ja im Leben der Afrikaner keineswegs eiue geringere Rolle
spielt als bei civilisirten Völkern; jedoch hat die Individualität der einzelnen
Stämme, soweit sie sich in der Bevorzugung der einen und der Hinten-
ansetzung der anderen Klasse der Instrumente ausspricht, nur einen ge-
ringen Einfluss auf die Verbreitung derselben. Im Allgemeinen finden
wir, wie gesagt, die drei Hauptklassen über ganz Afrika verbreitet. Die
zahlreichsten Lücken in der geographischen Verbreitung mögen vielleicht
die Saiteninstrumente aufweisen, die ja mehr dem musikalischen Ausdruck
von Gefühlen dienen und somit von dem Vorhandensein individuell*"
musikalischer Begabung abhängig sind, während Trommeln und ^
die die zum Tanz erforderliche Musikbegleitung liefern, in' je,'
unentbehrlich sind.
So gleichförmig die Verbreitung der afrikanischen Instrumt t
scheint, solange wir die Hauptklassen im Auge behalten, so bunt
das Bild, wenn wir uns den einzelnen Formen zuwenden, in denen
Typen ausgeprägt sind. Jede Gruppe hat ihr bestimmtes Gebiet, dest.
Grenzen allerdings vielfach in Folge mangelnder Kenntniss noch niel
genau angegeben werden können. Betrachten wir nun der Reihe nach
die Verbreitung sämmtlicher Gruppen.
1. Saiteninstrumente. (Karte I.)
Gruppe I. Von allen Saiteninstrumenten scheint das einfachste, der
Musikbogen, die weiteste Verbreitung zu haben. Das Berliner Museum
besitzt Exemplare von ihm von verschiedenen Kaffernstämmen (Sulu,
Swasi etc.), sowie von den den Sulu stammverwandten Wangoni im
Süden von Deutsch-Ostafrika; ferner aus Mocambique, von den Makua
und Wayao im Rovuma-Gebiet, aus Usaramo und Ünyamwesi. Aus West-
afrika sind nur vorhanden 2 Bogen aus dem portugiesischen Gebiet
(Malange) und 1 aus Grussi im westlichen Sudan.
Dass der Musikbogen das Nationalinstrument nicht nur der Kaffern,
sondern sämmtlicher anderen südafrikanischen Stämme ist oder war,
wie der Hottentotten und Buschmänner (bei diesen beiden speziell in
der Form der Gorra), wird von allen Berichterstattern vou Peter
Kolbe au bis auf unsere Tage übereinstimmend berichtet und bedarf
keines weiteren Beleges. Dass sein Gebiet sich aber weit über die
Grenzen des südlichsten Afrika hinauserstreckt, dafür können ausser
den oben angeführten Belegen auch Zeugnisse aus der Litteratur an-
geführt werden, die allerdings nur spärlich sind, weil dieses primitive
und unscheinbare Instrument vou den meisten Reisenden übersehen oder
nicht der Erwähnung werth erachtet worden ist. Für Angola bezeugen
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— 77
seine Existenz Soyaux, Lux und Monteiro, 1 ) für Kamerun (Bimbia)
Allen und Thomson. 3 ) Während das Instrument in Augola der süd-
afrikanischen Gubo gleich zu sein scheint, entspricht der Bimbia-Bogen
wenigstens im Gebrauch mehr der Gorra, indem die zwischen die Zähne
genommene Saite angeblasen und zugleich mit einem Stäbchen geschlagen
wird. Dasselbe ist der Fall mit dein »to« genau nten Musikbogen vom
unteren Niger; der Spieler nimmt die Saite zwischen die Lippen und
schlägt sie mit einem in der rechten Hand gehaltenen Stäbchen, während
die linke den Bogen am entgegengesetzten Ende hält und zugleich einen
kurzen Stock lose gegen Bogen und Saite drückt,*) letzteres offenbar
behufs Modifizirung der Töne. Aehnlich beschreiben Baumann und Miss
Kingsley den Gebrauch des Bogens bei den Bubi auf Fernando Po, die
mit einem in der rechten Hand gehaltenen Stöckchen die Saite schlagen
und zugleich mit einem Stückchen Muschelschale oder einer Messerklinge
in der linken dieselbe berühren. 4 )
Auch bei den Bongo dient als Resonator die Mundhöhle oder eine
mil Rinde bedeckte Grube, neben der der Bogen in die Erde gesteckt
wird. 8 ) Auf das Vorkommen des Musikbogens in Senegambien lässt sich
wohl die Erzählung Mungo Parks von einem fahrenden Sanger beziehen,
der »kleine Lieder spielte, indem er über eine gespannte Saite blies und
sie zugleich mit einem Stäbchen strich«, 6 ) wie auch die Angabe Molliens,
er habe bei den mohammedanischen Peulh kein anderes Instrument ge-
funden, als eine Art Maultrommel (guimbarde). 7 ) Auch in seiner Auf-
zählung der musikalischen Instrumente der Mandingo erwähnt M. Park
>Bogen8aiten« (S. 249). 8 )
Das Verbreitungsgebiet des Musik bogens scheint sich also vom Kap
der guten Hoffnung bis an den Südrand der Sahara zu erstrecken, also
das ganze von Negern bewohnte Afrika zu umfassen. Iunerhalb dieses
Gebiets mag der Bogen freilich mancherorts vollkommeneren Instrumenten
•) Soyaux, Aus West-Afrika. II. 176. Lux, Von Loanda Dach Kimbandu. Wieu 1830.
S. 121. Monteiro, Angola and the River Congo. S. 139.
*) Allen and Thomson, Narr, of the exp. to the R. Niger. London 1848. II, 298.
•) Day bei Mockler-Ferryman, Up the Niger. Undoti 1892. S. 269. (Abbildung).
*) 0. Banmann, Fernando Poo. Wien 1888. 8. 98. Mary Kiog*ley, Travels in
West-Afnca. London 1897. S. 67.
s ) Scbweinfhrth, Im Herzen von Afrika. 2. Aufl. 1878. S. HO.
•) M. Park, Reiften im Innern von Afrika. Berlin 1799. S. 39.
T ) Mollien, Voy. dans l'interieur de l'Afrique. Paris 1820. I, 293.
*) Otis T. Mason macht in einem Aufsatz Uber die Verbreitung des Musikboxen«
(American Anthropologie X 1897, 8. 377— 380) folgende Angaben über das Vorkommen
desselben in Afrika: Sulu, Daraara, Hottentotten, Buschmänner, Angola, Maschonaland,
Moiambique, „Lake region»" und Madagaskar.
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— 78 -
gewieben sein, meistens aber wird er sich wohl neben denselben als
Saiteninstrument der Aermeren und der Kinder gehalten haben.
Die zweite Qrnppe hat nur eiue sehr beschränkte Verbreitung;
ihr Centrum ist anscheinend Madagaskar (hier, heisst das Instrument
Lukanga), von wo aus diese Instrumente nach dem gegenüberliegenden
Festland gekommen sein sollen. Hier finden wir sie unter dem Namen
Sese bei den Swahili und einer Reihe von Stammen im Hinterlande der
Swahili-Küste bis an den Tanganyika und Nyassa heran; das Berliner
Museum besitzt solche von den Wasaramo, Wanguu, Wanyamwesi,
Wangindo, Wayao, Wasafua und Wawemba. Nach Hildebrandt findet
sich die Sese bei den Ackerbau treibenden Stammen Ostafrikas, do^
nicht bei den Viehzüchtern. 1 ) Vielleicht reicht das Gebiet diesu
noch weiter nach Westen und besonders nach Süden nach Portu h
Ostafrika hinein. 2 )
Was die Verbreitung der dritten Gruppe betrifft, so ist das m
schon im beschreibenden Theil gesagt worden; so bleibt hier nur wi
hinzuzufügen.
Die primitiven Instrumente der Gruppe lila stammen sämmtlich auo
Ostafrika, zumeist aus Usaramo und vom Nyassa; genaueres lässt sich über
die Grenzen ihres Vorkommens nicht angeben.
Von den übrigen Unterabtheilungen dieser Gruppe ist nur im All-
gemeinen zu sagen, dass sie der Nordhälfte Afrikas augehören und ihre
Südgrenze ungefähr da finden, wo das Gebiet der Bantu beginnt. Die
vollkomuineren Instrumente dieses Typus finden wir in den arabischen
Staaten des Nordrandes, während die primitiveren im Sudan vor-
herrschen.
Vom Senegal bis Dahome erstreckt sich das Verbreitungsgebiet der
vierten Gruppe, und zwar gehört sowohl das Innere wie die Küste
dazu. Freilich nicht ohne Ausnahmen; eine solche scheint Liberia zu
bilden; wenigstens erwähnt Büttikofer dieses Instrument in seiner Auf-
zählung nicht, sondern als einziges Saiteninstrument die sogenannte Kru-
Harfe. Die Exemplare des Berliner Museums stammen von den äussersten
Enden des Gebiets: die meisten aus Togo und von der Goldküste, eines
•) Ethnogr. Notizen über die Wakamba und ihre Nachbarn. Z. f. Ethn. X. 1878.
S. 393.
») Im Congo illusti-o IV (1895) S. 173 ist ein Sese-Spieler abgebildet und in der
Unterschrift ah „Mnsicien zappo-zap (Kassaij" bezeichnet Diese Angabe wird im
Druckfehlerverzeichnis am Ende des Bandes geändert in .Musicien Bandjia". Aber
auch das ist ein Irrthum, denn die Bandjia sind ein den A-Sandeh nahestehender
Stamm und besitzen dieses Instrument sicherlich nicht Der dargestellte Musiker ist
vermuthlich ein OsUfrikaner, der mit einer Karawane bis ins Kassai-Gebiet gekommen
und dort photographirt worden ist.
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— 79 —
(Abb. 18) von den Bissagos-Inseln. In der Litteratur wird das Instrument
von der Goldkäste häufig erwähnt und übereinstimmend beschrieben, so
von Isert, Beecham und Cruikshank. Im Innern, im Gebiet des oberen
Niger und des Senegal, scheint das Instrument hauptsächlich dem weit
verbreiteten Stamm der Mandingo anzugehören, der ja für diese Länder
dieselbe Rolle spielt, wie die Haussa im mittleren Sudan. Jedenfalls
meint Hecquard dieses Instrument, wenn er eine Guitarre von 21 Saiten
folgendermassen beschreibt: »Sie besteht aus einer grossen, mit sorgfältig
gegerbtem Fell bespannten Kalebasse; an diese ist ein Stiel augesetzt,
welcher die durch einen Steg aus hartem Holz erhöhten Saiten trägt.« 1 )
Diese Schilderung passt genau auf das in Abb. 18 dargestellte In-
strument. Auch die von Mungo Park erwähnte Korro, »eine grosse
Harfe mit 18 Saiten«, ist jedenfalls auf dasselbe Instrument zu beziehen,
während die von demselben Autor angeführte und Simbing genannte
»kleine Harfe mit 7 Saiten« vielleicht von der Art der in Abb. 16 dar-
gestellten ist.')
An der Küste scheinen diese Instrumente ostwärts nicht über das
Togogebiet hinauszugehen, jedenfalls nicht den Niger zu erreichen, da sie
von Mockler-Ferryman nicht erwähnt werden. Ob sie sich im Innern
weiter nach Osten erstrecken oder ob ihre Grenze hier mit der der
Mandingo oder mit der der Einflusssphäre derselben zusammenfällt, was
nicht nn wahrscheinlich ist, muss vorläufig dahingestellt bleiben. Jedoch
scheinen sie schon in den nördlichen Landschaften von Togo entweder
ganz zu fehlen oder sehr selten zu sein; wenigstens findet sich zu einem
Exemplar des Berliner Museums im Katalog die Bemerkung des Sammlers
(E. Baumann), das Instrument werde im ganzen südlichen Togogebiet
gebraucht, sei aber nicht sehr beliebt. Nördlich des siebenten Breite-
grades werde es durch die Streichinstrumente mit Rosshaarbesaitung
(Abb. 9) ersetzt. Die Bemerkung, es sei nicht beliebt, scheint anzu-
deuten, dass wir hier ein älteres, aus der Mode kommendes Musik-
instrument vor uns haben, das durch das vorhin erwähnte, von Norden
importirte, der Rabab verwandte Streichinstrument mehr und mehr ver-
drängt wird.
Die fünfte Gruppe (Bügelharfe) hat ein sehr eigentümliches Ver-
breitungsgebiet; dasselbe erstreckt sich in Gestalt eines verhältnissmässig
schmalen Gürtels beinahe quer durch die ganze Breite Afrikas, von der
äquatorialen Westküste bis zum Victoria Nyansa. Hier haben wir als
östlichsten Vertreter die Uganda-Harfe (Va), westlich davon am Uelle
>) Hecquard, Voyage bot la cöte et dans l'intörieur de l'Afrique occidentale. Paris
1853. S. 123.
*) Muogo Park, Reisen im Innern von Afrika. Berlin 1799. S. 249.
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die Harfe der A-Sandeh (Vb); die zwischen beiden Gruppen bleibende
Lücke füllt die von Stuhlmann 1 ) abgebildete Harfe der Lendü ans. Eine
zweite Lücke zwischen den A-Sandeh 3 ) and den Bezirken der Gruppen Vc
and Vd, Adamaua und den Fan-Ländern, sowie zwischen den beiden
letztgenannten Gebieten bleibt infolge mangelnden Materials vorläufig
offen ; indessen sprechen die sonstigen bekannten ethnographischen Eigen-
thümlichkeiten der Bewohner der in Betracht kommenden Gegenden für
eine Verwandtschaft mit ihren westlichen Nachbarn, den Fan, womit sich
auch hier der Gürtel schliessen würde. Die Südgrenze dieser Gruppe
wird wohl ziemlich genau der anf der Karte eingetragenen Grenzlinie
entsprechen; wie weit sich aber das Gebiet nach Norden in den Sudan
hinein erstreckt, ist nicht zu bestimmen. Wahrscheinlich gehören die
Landschaften am oberen Schari noch dazu; die »viersaitige MawMine
aus Holz oder Kürbisschale«, die Nachtigal*) bei den Gaben im sv
Bagirmi sah, gehört wohl in diese Gruppe.
Die Instrumente der Gruppe Vc im Berliner Museum starau .
Banyo und Tibati, von den Mbum, Batta und Djuku, also alle
Adamaua, diejenigen der Gruppe Vd von den Bakelle und Fan am Ogowe
und von den Bule und Bane, zwei Fanstämmen im südlichen Kamerun.
Ganz vereinzelt steht bisher ein Instrument (MC 6032), das den
Fan-Harfen genau gleicht, auch, wie diese vielfach, einen geschnitzten
Kopf am Griff trägt, aber aus Dagomba im westlichen Sudan stammt.
Die Richtigkeit der Angabe, die von einem zuverlässigen Sammler (Haupt-
mann Kling*) herrührt, zu bezweifeln, liegt trotz des Mangels sonstiger
Zeugnisse umsoweniger ein Grund vor, als das Gebiet westlich des Niger,
wie wir später sehen werden, auch sonst vielfach Anklänge an Vor-
kommnisse im Kongogebiet zeigt.
Höchst merkwürdig ist auch die Verbreitung der sechsten Gruppe,
die die Instrumente mit mehreren Saitenträgern, die Kongo-Guitarren, ent-
hält. Dasselbe zerfällt nämlich in drei von einauder getrennte Theile,
die sämmtlich an der Küste Westafrikas liegen und zwar auf der weiten
Erstreckung vom Niger bis zum Kunene.
•) Mit Emin Pascha ins Herz von Afrika. Berlin 1894. S. 537. Abb. 159.
*) Die Ngapu zwischen Ubangi nnd oberem Schari, deren Harfen nach einer Ab-
bildung bei Djbowski (La ronte du Tchad S. 303) ganz denen der A-Sandeh gleichen,
sind wohl nur ein Zweig dieses grossen Stammes.
•) Sahara und Sudan II, <I>4.
*) Auf dieses Instrument bezieht sich wahrscheinlich die Erwähnung eines der alt-
ägyptischen Harfe ähnlichen, oft schön geschnitzten Saiteninstruments (Kling in d. Mitth.
a. d D. Schutzgeb. III, 1890 S. IG-'). Kling fügt hinzu: ^Dasselbe ist in derselben
Form durch das ganze mohammedanische Innerafrika bis nach Abessinien hin ver-
breitet. Auch die Dabome- und Adeli-Neger sieht man manchmal auf solchen Harfen
spielen".
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Der nördlichste Gebietsteil liegt am unteren Niger und ßenue und
erstreckt sich längs der Küste bis an die Södgrenze Kameruus. Für das
Niger- und Benuegebiet bezeugt das Vorhandensein dieser Harfe Day, 1 )
auch besitzt das Berliner Museum von dorther zwei von R. Flegel ein-
gesandte Instrumente. Am Benue indess scheint die Grenze nicht weit
aufwärts zu reichen; schon die Djuku (9 — 10° östl. L.) haben die
Bügelharfe. Zu dieser Gruppe haben auch die Saiteninstrumente des
alten Benin gehört; Darstellungen von solchen finden sich auf zwei im
British Museum befindlichen Bronzeplatten. Auf den Photographieen in
der Publikation von Read uud Dalton*) ist allerdings nicht viel zu er-
kennen, der Text aber (S. 27) und eine zum Vergleich beigegebene Ab-
bildung einer Loango-Guitarre machen es unzweifelhaft, welcher Art das
Instrument ist.') Aus Calabar und dem nordwestlichen Kamerun besitzt
weder das Berliner Museum solche Instrumente, noch ist mir ein Zeugoiss
für ihr Vorkommen daselbst in der Litteratur bekannt; erst im eigent-
lichen Kamernn tauchen sie wieder auf und scheinen besonders am
unteren Sannaga, bei den Bakoko und ihren nächsten Nachbarn, häufig
zu sein. Von hier stammen die geschnitzten und roth bemalten Instrumente,
von denen Abb. 28 eines darstellt. Aus dem nördlichen Kamerun
besitzt das Museum nur ein Instrument mit der nicht ganz zweifelfreien
Angabe »Balic. Da die Bali stammfremde Einwanderer aus Adamaua
sind, so ist es immerhin fraglich, ob sie dies Instrument in ihrer Heimath
besessen und von dort mitgebracht haben; freilich könnten sie es auch
in ihren jetzigen Wohusitzen von ihren neuen Nachbarn übernommen
haben. Nach Osten zu scheint das Instrument nicht weit ins Hinterland
von Kamerun hineinzugehen. Die östlicheu Nachbarn der Bakoko, die
Yaunde, haben es anscheinend nicht mehr; Zenker erwähnt in seiner
Beschreibung dieses Stammes zwei Saiteninstrumente; das eine ist das
Rapbia-Instrument der Gruppe XI, das andere nennt er »den am Kongo
gebrauchlichen Harfen ähulich«. Welche »Harfe« er meint, bleibt un-
klar; man könnte zunächst an unser Instrument denken, da dasselbe ja
auch am unteren Kongo vorkommt; aber in diesem Falle würde Zeuker
sich wohl eher auf die ihm wohlbekannten Instrumente der benachbarten
Bakoko bezogen haben, von denen er selbst eine Anzahl für das Berliner
Museum gesammelt hat. Es erscheint mir daher wahrscheinlicher, dass er
•) Bei Mockler-Ferryman, Up the Niger. S. 265. Day bemerkt bierxu: „Instruments
of this lrind are generally found all through Africa*.
*) Antiqaities from tbe City of Benin. London 1899. Taf XXIII, Fig. 4;
Taf. XXX, Fig. 6.
*) Eine „Harfe" ans Benin mit sieben oder nenn Saiten erwähnt auch David van
Nven'lael bei Bosman (S 243), ohne sie näher zu beschreiben.
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die Bügelharfe meint, die ja auch bei den Yaunde, ala einem Fanstamm,
eher zu erwarten wäre und bei anderen Fanstammen in Süd- Kamerun,
wie den Bqle und Bane, auch thatsächlich vorkommt
Sudlich von Kamerun folgt nun ein Gebiet, in dem unser Instrument
nicht vorkommt, und das im Wesentlichen dem Stromgebiet des Ogowe
entspricht und von den Fan und ihren Verwandten bewohnt wird. Erst
in Loango treffen wir wieder auf Instrumente vom Typus der Gruppe VI
und zwar zunächst die Spielart mit eng verbundenen Saitenträgern, die
über die Loango-Küste und die Gegenden am untersten Kongo nicht
hinaus zu gehen scheint. Wenigstens stammen alle Instrumente des
Berliner Museums von dort.
Oestlich davon, den Kongo aufwärts und an seinen grossen südlichen
Zuflüssen, dem Kassai, Sankurru und Kuango, schliessen sich nah ver-
wandte Instrumente an, und zwar vertheilen sie sich so, dass die der
Gruppe VI* 1 um den Stanley Pool (bei den Bateke) und bei den Bakuba
zwischen Sankurru und Kassai sich finden, die der Gruppe VI** aber im
Knango-Gebiet (Mayakalla und Wabuma).
Wir haben hier also ein grosses zusammenhängendes Gebiet, das
sich von der Küste bis ins Herz des südlichen Kongobeckens erstreckt.
Ob auch das Flussgebiet des Tschuapa und Lulongo hierhergehört, vermag
ich nicht anzugeben. Ebensowenig ist über die Saiteninstrumente der
Völker am Lomami etwas bekannt. Es ist aber immerhin möglich, dass
die Grenzen der Kongo-Guitarre beträchtlich weiter gesteckt sind, als wir
heute wissen.
Der dritte und südlichste Gebietstheil liegt ganz abgesondert am
mittleren Kunene. Die Ovambo sind bisher der einzige Stamm dort an
der Grenze zwischen Deutsch- und Portugiesisch-Südwest- Afrika, von dem
wir solche Instrumente kennen. Das Berliner Museum besitzt drei dieser
Guitarren mit der Herkunftsangabe »Ovambo«; dass dieselbe richtig ist,
ist zweifellos und wird ausserdem auch bezeugt durch Schinz, der dieses
Instrument beschreibt, und durch Andersson, der sogar eine, freilich sehr
schlechte Abbildung davon giebt. 1 )
Damit ist aber anscheinend die Verbreitung dieses Instruments noch
nicht erschöpft; es scheint vielmehr auch am Oberlauf des Niger vor-
zukommen. Der französische Reisende Binger beschreibt nämlich von
den Bambara unter dem Namen »dian-ne« ein dort nach seiner Angabe
sehr beliebtes Saiteninstrument, das aus einer grossen Kalebasse besteht,
durch die drei Bambusstäbe hindurchgesteckt sind; jeder trägt em0 Saite,
deren anderes Ende an einem senkrecht im Kürbis steckenden Hölzchen
») Scbinz, Deutsch-S.-W.-Afrüca, 8. 294; Anderson, Lake Ngami. London 1856.
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befestigt ist. ') Die vou Binger gegebene Abbildung zeigt, wie der Spieler
die Kalebasse gegen seinen Leib drückt und das Instrument mit beiden
Händen wie eine Harfe spielt.
Eine ganz beschränkte Verbreitung hat die siebente Gruppe, die
über die Grenzen Liberias nicht hinauszugehen scheint. Das hierher
gehörige Instrument wird gewöhnlich als Kru-Harfe bezeichnet, obwohl
es auch bei den Vey und wohl auch bei den übrigen Stämmen Liberias
vorkommt Ein Exemplar des Berliner Museums soll allerdings aus Togo
stammen; da aber diese Angabe ganz allein steht und kein Bericht-
erstatter das Vorhandensein dieses Instruments an der Sklavenköste er-
wähnt, so wird dieselbe wohl dahin zu berichtigen sein, dass die Harfe
allerdings in Togo erworben, aber von einem Kru dorthin gebracht
worden ist. Der Verbreitung eines Musikinstruments durch die see-
fahrenden Kru — diesmal in umgekehrter Richtung — werden wir
späterhin noch einmal begegnen.
Der achten Gruppe, die die lyraähnlichen Instrumente enthält,
gehört der ganze Nordosten, d. h. alle Landschaften am mittleren und
oberen Nil tou Nubien an bis Kavirondo am Ostufer des Victoria Nyansa
sowie die östlich davon liegenden Länder, Abessinien und das afrikanische
Osthorn, die Heimat der Galla, Somäl und Danaki).') Die Sudgrenze
des Gebiets dieser Gruppe zwischen Nyansa und Indischem Ocean fällt
ungefähr mit der der Bantu einerseits, der Hamiten und Niloten ander-
seits zusammen; die Bewohner von Kavirondo, die nilotischen Stammes
sind, haben die Lyra, wie die Galla und Somäl, während sie den benach-
barten Bantu, wie den Wakaniba, Wapokomo etc., fehlt. Freilich fehlt
sie auch den gleichfalls hamito- nilotischen Massai und Wakuafi, wie
überhaupt jedes Saiteninstrument, während sie sich anderseits von Kavirondo
nach dem südlich angrenzenden, von Bantu bewohnten Uschaschi ver-
breitet hat.*) Auch die im abflusslosen Gebiet Deutsch-Ostafrikas an-
sässigen Stämme hamitischen Blutes, wie die Wafiomi, besitzen die
Lyra nicht
Die Westgrenze bildet am Nyansa der Nil selbst, indem in dem
östlich des Flusses gelegenen Ussoga die Lyra zu Hause ist, während
Uganda am anderen Ufer des Nil bereits zum Gebiet der Bügelharfe gehört.
Auch auf den Sese-Iuseln im Nyansa findet sich nach Kollmanu die
') Binger, Du Niger au Golfe de Guinee. Paris 1892. I, 77.
*) Paulitscbke, Ethnographie Nordost-Afrikas. Berlin 1893, 1, 148 u. Taf. XVII,
Fig. 58.
*) Baumano, Durch Massailand S. 57 (Abb.); Kollmann, Der Nordwesten unserer
Oetafrikaniscben Kolonie. Berlin 1898. Fig. 367 (S. 149).
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Lyra. 1 ) Weiter nördlich ist die Grenze unbestimmt; sie verläuft jedenfalls
im Westen des Nils in unbekannter Entfernung von demselben, denn
sämmtliche die Ufer des Stromes bewohnenden Stämme haben die Lyra,
wie die Bari, Mittu, Dinka, Schilluk etc.') Nur den Bongo scheint sie zu
fehlen.
Das Gebiet der neunten Gruppe umfasst ganz Deutsch-Ostafrika
und reicht sowohl im Westen wie im Süden beträchtlich über dasselbe
hinaus, während die Nordgrenze ziemlich mit der politischen Grenze
zusammenfallt. Das Berliner Museum besitzt Schaleninstrumente von
folgenden Stämmen Deutsch-Ostafrikas: Wakwere, Wasaramo, Wakaguru,
Wanyaturu, Wassandaoi, Wagogo, Wanyamwesi, Wassukuma, Wakerewe,
Wasindja, Wassiba, Wanyaruanda, Warundi, Waha, Wafipa, Wanyamwanga,
Wanyakyusa, Warori und Wahehe, also aus allen Theilen des Schutz-
gebietes. Baumann erwähnt sie auch bei den Waschaschi.*) Wo die
Südgrenze verläuft, lässt sich nicht geuau angeben; jedenfalls kommen
Instrumente dieser Gruppe im britischen Gebiet westlich vom Nyassa vor
(Abb. 37), reichen aber wohl nicht weiter als bis zum Südende des
genannten Sees. Es scheint, als ob die Grenze hier mit der Nordgrenze
der Sansa zusammenfällt, so dass man diese und die Instrumente der
neunten Gruppe als sich gegenseitig ausschliessend und ersetzend betrachten
kann. Im Westen geht die Grenze über den Tanganyika hinaus und
um8chliesst die Landschaften Urua und Marungu, die auch sonst mancherlei
ethnographische Verwandtschaft mit den Nachbarlandschaften ostlich
vom Tanganyika aufweisen. Im Nordwesten gehören noch einzelne Stämme
im Zwischenseengebiet hierher; Stuhlmann fand viereckige Schaleninstrumeute
mit 6 Bastsaiten bei den Wadumbo, 4 ) Stanley bei den Walegga. 5 ) Inner-
halb dieses ganzen Gebiets lässt sich nun auch für die einzelnen Varietäten
des Typus eine auf gewisse Districte beschränkte Verbreitung nachweisen.
Den rechteckigen Instrumenten gehören, wie es scheint, hauptsächlich
die Kfistenlandschaften und der Süden des Gebietes; die im Berliner Museum
vorhandenen stammen aus Ukwere, Usagara, Uhehe, Konde - Land und
Unyamwanga.
Die langen schmalen mit geschweiften Seiten scheinen nur in Uhehe
und Usagara vorzukommen, die mit vorspringender Leiste am Schmalrand
wie Abb. 39 für die Wanyakyusa charakteristisch zu sein.
•) S. 27 (Fig. 47).
*) Schweinfurtb, Artes Afr. Taf. IX, 4 (Mittu); Kaufmann, Schilderungen aus
Centraiafrika. Brixen 1862. S. 94 (Dinka); S. 175 (Bari).
*) Durch Masaailand S. 202.
<) Stuhlmann S. 568.
») Stanley, Im dunkelsten Afrika. Leipzig 1890. II, 361.
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Je weiter man nach dem Innern kommt, desto mehr runden sich die
Formen; zunächst erscheinen in Ugogo und dem abflusslosen Gebiet
Instrumente, die, von oben betrachtet, rechteckig sind, aber schon einen
abgerundeten Boden haben; in Ussukuma treten dann ovale Trogformen
auf, von denen Abb. 41 ein Beispiel giebt. Seine Vollendung findet
dieser Typus endlich in den Landschaften am Nyansa und Tanganyika,
in Ukerewe, Unyamwesi, Ussiba, Ruanda, Urundi bis hinunter nach Ufipa
und Urori. Die schönsten Instrumente liefern die drei erstgenannten Land-
schaften (Abb. 44). Speciell die grossen schwarz gefärbten, mit vielen kreuz-
förmigen Löchern versehenen Instrumente wie Abb. 43 scheinen für Ruanda
und Urundi charakteristisch zu sein. Es ist zu beachten, dass dieses fast
alles Landschaften sind, die vou Wahuma besiedelt sind; der naheliegenden
Schlussfolgerung aber, dass dieses Instrument den Wahuma eigentümlich
sei, steht die Thatsache entgegen, dass dasselbe in den nördlichen Wahuina-
Ländern, wie Unyoro, Uganda, Nkole, Karagwe etc., überhaupt nicht toi>
zukommen scheint.
Merkwürdiger Weise behauptet L.Frobenius im Gegensatz zu den obigen
Ausführungen gerade die westliche Heimath der Schaleninstrumente. Nach
ihm erstreckt sich ihr Gebiet »von der nördlichen Guineaküste bis in das
südliche Kongobecken und bis in die Waldregion am oberen Aruwimi.« ')
Er bildet aber nur ein einziges wirklich westafrikanisches Instrument
dieser Art ab, von der Goldkfiste, nach Barbot (Fig. 111, S. 141), die
anderen stammen von den Waldvölkern westlich der grossen Seen, wo
auch Stuhlmann solche faud, uud aus Ostafrika. Auch die drei Gewährs-
männer, die er citirt, Burton, Baumann, Stuhlmann, haben sämmtlich ost-
afrikaniscbe Instrumente im Auge. Da ich auch keinen weiteren Beleg
für das Vorkommen der Schaleninstrumente in Westafrika kenne und
alle Exemplare des Berliner Museums (und wie ich hinzufügen kann, auch
die des Leipziger Museums) ans Ostafrika stammen, so muss ich vorläufig
auf meiner entgegengesetzten Anschauung beharren.
Die zehnte Gruppe ist im Berliner Museum nur mit vier Instru-
menten vertreten, die sämmtlich vom Nordende des Nyassa, von den
Wakinga und Wanyakyusa stammen. Auch aus der Litteratur ist mir
Über ein anderweitiges Vorkommen nichts bekannt. Das Princip freilich,
durch Zusammenbinden nebeneinauder gelegter Rohrhalme, Blattrippen
u. dergl. eine Platte zu schaffen, auf welcher der Tonerzeuger angebracht
werden kann, findet sich auch sonst, wie z. B. bei der nachfolgenden
Gruppe und auch bei der Sansa. Es ist das wohl als ein Ueberlebsel aus
einer technisch noch unbeholfenen Zeit aufzufassen, da die Unvollkommen-
') L. Probeoins, Ursprung der afrikanischen Kulturen. Berlin 1898. S. 140 f.
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heit der Werkzeuge die Herstellung eines Brettes aus Holz noch nicht
gestattete oder wenigstens zu einer schweren und langwierigen Arbeit
machte. So mag sich diese ehemals verbreitetere Technik in abgelegenen
oder ärmeren Gegenden allem technischen Fortschritt zum Trotz vereinzelt
bis heute erhalten haben.
Die Rohrinstrumente der elften Gruppe kommen nur an wenigen
und durch ungeheure Zwischenräume getrennten Stellen vor, soweit
wenigstens nach dem Material des Berliner Museums und den sehr spär-
lichen Litteraturan gaben eiu Urtheil zulässig ist. Es ist ja immerhin mög-
lich, dass genauere Nachforschungen sie noch in einigen anderen Winkeln
Afrikas auffinden werden, wahrscheinlich aber, dass sie als Ueberbleibsel
einer alten, längst weggespülteu Kultur nur an verhältnissraässig wenigen
Orten sich erhalten haben.
Die Raphia-Instrumente (Gruppe XI a) scheinen nur in Süd-Kamerun
und den angrenzenden Tbeilen des Congo francais vorzukommen, Torwiegend
also wohl bei Fan-Volkern. Daher stammen wenigstens alle Instrumente
des Berliner Museums mit Ausnahme eines, einzigen. Dieses, zugleich das
einzige, bei dem die Saiten neben- und nicht übereinander liegen, hat
keine Herkunftsangabe; da es aber zu den Sammlungen Robert Flegels
gehört, so kann man annehmet! , dass es aus dem südlichen Adamaua
stammt und somit das Vorkommen dieser Instrumente bis hierhin bezeugen
würde, falls nicht eine Verschleppung vorliegt. Nach dem Innern hin
wird das Gebiet der Raphia-Instrumente wahrscheinlich ebenso weit reichen,
wie das der Fan-Stämme. Im Südosten geht es sogar daröber hinaus
und erreicht den Kongo, da es bei den Bateke vorhandeu ist. 1 )
Die Rohrhalm-Cithern der Gruppe XI b finden sich in zwei, weit von
einander entfernten Gegenden. Die vollkommeneren Instrumente dieser
Art, die Abb. 48 zur Darstellung bringt, stammen aus Oberguinea. Die
Angaben über ihre Herkunft sind ungenau oder fehlen ganz; eines stammt
angeblich aus Dahorae, ein zweites ist in Togo erworben, zwei gehören zu den
Flegerschen Sammlungen vom unteren Niger. Von diesen beiden ist das
eine ohne Angabe, das zweite stammt aus Bautschi im centralen Sudan.
In der Litteratur habe ich keine Erwähnung dieser Instrumente gefunden;
ich kann daher auch nicht sagen, ob die Angabe Dahome richtig ist; in
Togo sind sie wohl sicher nicht heimisch, da keine der grossen Sammlungen,
die das Berliner Museum in den letzten Jahren aus dieser Kolonie be-
kommen hat, derartige Instrumente enthalten hat. Auch ihr Vorkommen
am unteren Niger wird dadurch zweifelhaft, dass Day sie nicht erwähnt.
Es ist also wohl möglich, dass ihre Heimath weiter im Innern liegt, von
') Guiral, Le Congo Francais. 1889. S. 174.
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— 87 —
wo sie durch den Handel gelegentlich in einzelnen Exemplaren nach der
Küste gebracht werden. Und diese Vermuthung wird dnrch die Her-
kunftsangabe des einen FlegeTsrhen Stückes gestützt.
Die einfacheren Instrumente, von denen das Berliner Museum vier
besitzt, stammeu dagegen sämmtlich aus dem innersten Kongo-Gebiet, uud
zwar von einem und demselben Orte, von Lupungu im Gebiet des oberen
Sankurru, also wohl von einem Bassonge-Stamm. Wissmann hat sie von
seiner ersten Afrika-Dnrchquerung mitgebracht und seitdem sind keine
weiteren ins Berliner Museum gelangt.
Der letzte zu dieser Gruppe gehörige Instrnmententypus, die Valiha,
ist auf Madagaskar beschränkt.
Ein ähnliches Instrument kommt sogar in Senegambien am Rio Nunez
vor; ich erwähne es hier zum Schiusa, da ich nicht sicher bin, ob es zu
der Valiha oder zu den Raphiaguitarren zu stellen ist. Es besteht
nach Berenger-Fe*raud aus einem Bambusschaft (tige de bambou), ') von
dem 2 oder 4 Rindenstreifen losgelöst und an den Enden durch Steinchen
unterstützt siud. Man spielt es mit den Fingern und einem Stäbchen. 9 )
Es bleibt noch die Verbreitung einiger Einzelheiten zu betrachten,
zunächst die Befestigung der Saiten am Saitenträger. Einfach an-
gebunden sind die Saiten bei der ersten und zweiten Gruppe, ferner bei
der sechsten und siebenten. Bei den beiden letzten finden sich schon
Verbesserungen; so ist bei der Kruharfe der eine Stab mit Löchern ver-
sehen, durch welche die Saiten gezogen werden, und bei einigen
Instrumenten der sechsten Gruppe wird die Saite, was sonst nie vorkommt,
in einen Spalt der Spitze des Saitenträgers geklemmt.
Die Befestigung an Ringen aas Pflanzenfaser oder Leder, die fest um
den Saitenträger herumgelegt sind, ist allein herrschend bei den Instru-
menten der vierten und achten Gruppe, den Mandingo-Guitarren und den
Lyren. Ferner findet sie sich bei den meisten Instrumenten der dritten
Gruppe (Abb. 11—13).
Wirbel endlich finden sich bei den übrigen Instrumenten der dritten
Gruppe, besonders denen aus Nordafrika, und bilden das ausschliessliche
Mittel zur Saitenbefestigung bei der fünften Gruppe, den Harfen. Aus
diesen Angaben ergiebt sich die geographische Verbreitung ron selbst;
das Anbinden der Saiten überwiegt bei den Saiteninstrumenten aller Bantu ;
im Sudan und in Nordafrika tritt an seine Stelle die Befestigung an Fäden
oder Riemen, die fest um den Saitenträger gewickelt sind, oder an dreh-
») Hiermit kann wirklicher Bambus oder die Bambnspalme (Raphia) gemeint sein.
*) Be>enger-F*raod, Lea peuplades de la Sencgambie. Paris 1879. S. 144.
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- 88 -
baren Pflöcken. Das am weiteste!) nach Süden ins Bantngebiet Torgedrungene
Instrument mit Wirbeln ist die Harfe.
Ferner ist zu beachten die Verbreitung der beiden zur Herstellung
der Saiten benutzten Materialien, der Thiersehne und der Pflanzen-
faser. Im Allgemeinen kann man sagen, dass Nord-, Ost- und Südafrika
das Gebiet der Thiersehne bilden, während in Westafrika die Pflanzenfaser
vorherrscht. Demgemäss finden sich bei dem universal verbreiteten Musik-
bogen beide Stoffe, und zwar der pflanzliche nur bei westafrikanischen
Stücken (ein Bogen aus der Sammlung Pogge hat Rotangsaite). Die
zweite Gruppe bildet aber schon eine Ausnahme von obiger Regel; denn
obwohl in Ostafrika heimisch, haben ihre Instrumente durchweg Pflanzen-
fasersaiten; das weist auf ihre Herkunft aus dem malaiischen Madagaskar.
In der dritten Gruppe herrschen Thiersehnen vor und ihnen gesellen sich
Rosshaarsaiten. Die vierte Gruppe hat wieder überwiegend Pflanzenfaser-
saiten, nur das grosse Instrument Abb. 18 hat solche aus thierischer
Substanz. Ebenso verwenden die sechste und siebente Gruppe nur pflanz-
liche Saiten, die fünfte, achte und neunte dagegen fast ausschliesslich
thierische; nur bei Harfen aus dem Ogowe-Gebiet finden sich Saiten ans
Pflanzenfaser.
2. Die Sansa.
Die Verbreitung der Sansa (Karte III) erstreckt sich ungefähr
über die Gebiete des Sambesi, des Kongo und des unteren Niger. An
der Westküste umfasst sie alle Landschaften vom Kunene bis zum Niger,
im Osten erreicht sie dagegen das Meer nur zwischen der Delagoabay und
Mozambique.
Durchmustern wir zunächst den Bestand des Berliner Museums, so
finden wir folgende Landschaften und Stämme vertreten: ganz im Süden
die Ovambo, 1 ) dann verschiedene Orte in Portugiesisch Westafrika (Ben-
guela, Novo Redondo, Malange), weiter das Gebiet an der Kongomündung,
und die Bawili in Loango; aus dem Ogowe-Gebiet die Fan und Akelle;
aus Süd-Kamerun die Yaunde, Bati und Wute; weiter nördlich die Dualla
und Bakwiri; aus Nord-Kamerun die Bafö, Banyang und Bali, die Ekoi
am Cross River; dann Calabar und Bonny; weiter aus dem Innern die
Mbum um Ngauudere in Adamaua. Aus dem Innern des Kongogebietes
sind nur wenige Stämme vertreten: die Bateke, die Anwohner des Kuango,
die Balolo am Tschuapa, die Warna und Manyema im Osten, endlich Lunda.
') Das Museum besitzt zwei Saasas von den Ovambo ; gegen die Zuverlässigkeit der
Angabe, die von einem im Ambo-Lande thätigen Missionar herrührt, sind kaum Zweifel
zu erheben. Indes» darf nicht unerwähnt bleiben, dass nach Schinz die Sansa, die er
Marimba nennt, nur bis Onkumbi vorkommt, südlich des Kunene aber fehlt.
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Es folgen dann noch eine Reihe Instrumente vom Sambesi, Schire und
Nyassa und von den Wayao, endlich von den Bawenda im nördlichen
Transvaal.
Der hier umschriebene Verbreitungskreis wird durch einige Angaben
aus der Litteratur, die ich hinzufüge, nicht wesentlich erweitert: Bangala,
Britisch Central- Afrika (westlich des Nyassa), Makalanga, Marutse, Wa-
budschwe, Unterer Niger. 1 )
Versuchen wir nun die Grenzen dieses Gebietes genauer zu bestimmen.
Im Süden verläuft dieselbe vom unteren Kunene in etwa südöstlicher
Richtung zur Mündung des Limpopo; bei den Baronga an der Delagoabay
scheint die Sansa nicht mehr vorzukommen, da sie von Junod') nicht an-
geführt wird. Weit schwieriger ist es, den Verlauf der Nordgrenze an-
zugeben. Im äusserten Nord- Westen umschliesst sie noch das Gebiet
des untersten Niger und des Benue mit Adamaua. Dann folgt eine Lücke,
zu deren Ausfüllung uns die Kenntniss mangelt; wahrscheinlich folgt die
Grenze etwa dem Lauf des Sanga und nähert sich dem Kongo im Lande
der Bangala; sie dürfte auf dieser Strecke kaum weiter östlich zu suchen
sein, da die im Osten wohnenden Stämme den A-Sandeh verwandt sind,
die die Sansa nicht haben. Auch weiterhin sind wir zunächst auf Ver-
muthungen angewiesen; anscheinend verläuft die Grenze zwischen Kongo
und Uelle, folgt dann dem Bogen des Kongo nach Süden in unbestimm-
barer Entfernung von dem Strome und erreicht das Westufer des Tan-
ganyika; zum mindesten wissen wir, dass in übudschwe und Urua unser
Instrument vorkommt. In Deutsch-Ostafrika ist es nirgend einheimisch;
dagegen ist es im britischen Gebiet südlich davon vorhanden, so dass die
Grenze zwischen Tanganyika und Nyassa ziemlich mit der politischen zu-
sammenfallen dürfte; und auch östlich des Nyassa dürfte sie sich nicht
weit von der Grenze zwischen der deutschen und der portugiesischen
Kolonie entfernen.
Ausserhalb dieses Gebietes findet sich die Sansa noch bei den Kru
in Liberia.*) Es ist das ein sehr interessantes Vorkommen, weil es zeigt,
wie Musikinstrumente verschleppt werden. Denn die Sansa ist hier sicher
nicht einheimisch, sondern die seetüchtigen Kru, die als Matrosen auf
europäischen Schiffen an der ganzen afrikanischen Westküste herum-
*) Coquflhat, Sur Ie Haut Coogo, S. 364; Johnston, British Central Africa, S. 467;
Beut, The ruioed citiee of Mashonaland, S. 73; Holnb, Sieben Jahre in Südafrika II, 198
and Kiiltarskizze S. 137 f.; Cameron. Quer durch Afrika I, 288; Day bei Mockler-
Ferryman, Up the Niger S. 271.
*) Lea Ba-Ronga. (Bull. Soc. Neuchäteloise Geogr. X. 1898).
•) Bottikofer II, 336. B. hebt ausdrücklich hervor, dass von allen Stämmen Liberias
nur die Kru die Sansa besitzen.
90 -
kommen, haben sie zweifellos von Angola oder Gabun in ihre Heimath
mitgebracht
Sehr beachtenswerth ist die schon oben erwähnte Thatsache, dass die
Sansa und die schalenförmigen Saiteninstrumente sich gegenseitig fast ganz
anszuschliessen scheinen; mir ist wenigstens ausser Urua keine Landschaft
mit Sicherheit bekannt, in der beide nebeneinander vorkommen. Johnston
erwähnt freilich beide ans den britischen Besitzungen westlich des Nyassa
und des Schire, unter! ässt aber zu sagen, ob sie sich alle zwei in der ganzen
Ausdehnung dieses Gebiets finden, so dass die Möglichkeit offen bleibt,
dass das eine Instrument nur in der nordlichen, das andere in der süd-
lichen Hälfte zu Hause ist. Wenn sich aber auch in den Grenzgebieten
eine Vermischung beider Instrumente findet, so bleibt doch die Erscheinung
der gegenseitigen Ausschliessung im Wesentlichen bestehen. Das ist um
so bemerken8werthcr, als die beiden Instrumente einen analogen Bau
aufweisen, indem die tongebenden Theile in beiden Fällen auf einem
Brett oder einer aus Rohrhalmen gebildeten Platte angebracht sind, und
sich nur durch die Art der Tonerzeuger unterscheiden.
Ueber die Verbreitung der verschiedenen Formen der Saasa lässt sich
nicht allzuviel sagen. Instrumente aus einem einfachen Brett und solche
mit einem Resonanzkasten kommen wohl überall nebeneinander vor. Aus
einem Stuck Holz ausgehöhlte Kasten sind häufiger im Osten und Süden,
Kasten mit besonderem aufgelegtem Deckel finden sich hauptsächlich in
Kamerun und Calabar. Formen wie die der Abb. 51 kommen vom
untersten Kongo und vom Kuango, die der Abb. 54 ist typisch für das
Ogowe-Gebiet, Abb. 53 für Kamerun.
Aus Palmblattrippen zusammengesetzte Instrumente besitzt das Berliner
Museum aus Kamerun (Bati, Yaunde, Wute, Bali), Adamaua (Mburo) und
vom Kuango, ein aus Rohrhalmen wie die Saiteninstrumente der Gruppe X
bestehendes aus dem Nyassa-Gebiet. Derartige Instrumente kommen auch
sonst noch vor, und was Pogge von Lunda berichtet, 1 ) wo die Sansas
der Armen und der Kinder, die sich ihre Instrumente selbst machen, einen
Resonanzboden aus nebeneinander befestigten hohlen Rohrstengeln haben
und Tonstäbe aus Holz, während die der Wohlhabenden aus einem Holz-
kasten und Eisenzungen bestehen, wird wohl auch für andere Gegenden
zutreffen.
Auch für einige Stegformen lassen sich gewisse Bezirke nachweisen,
für die sie typisch sind. Gerade Stege finden sich besonders im Osten
(Wayao, Sambesi-Stämme, Warua), doppelt rechtwinklig gebogene (Abb. 51)
an der Westküste bis nach Loango im Norden (Ovambo, Angola, Kuango,
') Pogge, Maat» Jamwo. 8. 241.
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Bateke, Bawili). Die zweimal gebogenen Stege, die sich mit dem hinteren
Steg zu einem Rahmen zusammenschliessen (Abb. 50), finden sich haupt-
sächlich im südlichen Theil von Angola.
Endlich sind noch einige Worte aber die Verbreitung der beiden
Materialien zu den Toiistaben, Eisen und Rinde der Raphiapalme, zu
sagen. Dem Eisen gehört das ganze Gebiet des Sambesi, Angola und der
südliche Theil des Kongogebiets (Lunda und Urua). Raphia dagegen ist
das ausschliessliche Material in Calabar, Kamerun, Adamana und dem
Ogowe-Gebiet. Loango und unterer Kongo bilden eine Zwischenzone, in
der beide Stoffe gleichmassig verwendet werden.
3. Die Blasinstrumente.
Die Hanptgattnngen der Blasinstrumente, Antilopenhörner, Elfen-
beinhörner, Holzhörner, Rohrflöten, Pfeifen aus Holz und Elfenbein mit
nur einem oder mehreren Löchern sind so allgemein in Afrika, dass von
einem begrenzten Verbreitungsgebiet für eine dieser Klassen nicht die
Rede sein kann. Auch da, wo das Material des Museums versagt und
wo anderweitige Angaben fehlen, kann man mit Sicherheit annehmen,
dass trotzdem Blasinstrumente, wahrscheinlich von mehreren Arten, vor-
handen sind; ja, selbst wo Reisende direkt das Fehlen von solchen be-
haupten, dürfte man wohl eher einen Beobachtungsfehler vermuthen, als
die Angabe auf Treue und Glauben hinnehmen. Selbst Pogges oben
erwähnte Behauptung, dass es in Lunda keine Blasinstrumente gebe,
wird dadurch hinfällig, dass das Berliner Museum mehrere von demselben
Heisenden in Mussumba gesammelte Signalpfeifen aus Holz und Elfenbein
besitzt (vgl. Abb. 77). Vielleicht hat Pogge, als er diese Bemerkung
niederschrieb, nur an grosse Instrumente, Elfenbeintrompeten etc., ge-
dacht, ') vielleicht auch ist es nur einem Zufall zuzuschreiben, dass diese
nicht zu seiner Kenntniss gelangt sind.
Wenn die Elfenbeinhörner nicht überall gleich häufig sind,
sondern hauptsächlich in Westafrika und speciell im Kongogebiet vor-
kommen, so hängt das einfach von der verschiedenen Häufigkeit des
Elefanten ab, und man kann voraussehen, dass ebenso wie der Elefant
auch die Elfenbeininstrumente schon in naher Zukunft dem Untergange
geweiht sind. Es ist also über die Verbreitung der Elfenbeinhörner nur
zu sagen, dass sie in Ost- und Südafrika schon heutzutage zu den Selten-
heiten gehören, und dass ihr Gebiet auch in Westafrika von Jahr zu Jahr
mehr einschrumpft. Am häufigsten sind sie gegenwärtig noch im Be-
reich des oberen Kongo und seiner Zuflüsse.
') Auch Holub erwähnt bei den Marutse-Mambunda nur Signalpfeifen, keine Hörner.
(Kulturskiue S. 146).
- 92 -
Die Instrumente aus Antilopenborn sind noch weit allgemeiner
verbreitet; nur die Form wechselt lokal im Zusammenhang mit der Ver-
breitung der Antilopenarten, deren Hörner benutzt werden. Auch Details
geben wenig Anhalt zur geographischen Abgrenzung; Hörner mit abge-
schnittener nnd mit intakter Spitze kommen anscheinend überall neben
einander vor; nur die Anbringung des Blasloches an der convexen oder
der concaveu Seite scheint wenigstens bis zu einem gewissen Grade an
gewisse Gebiete gebunden zu sein. An der concaven Seite findet sich
das Blasloch bei weitem häufiger und ausserdem in allen Theilen Afrikas;
die Anbringung an der couvexen Seite dagegen ist hauptsächlich be-
schränkt auf Oberguinea (Sklaven- uud Goldküste und deren Hinterland:
Dagomba, Kabure, Moba, Barba etc.), Adamaua und einen Theil von
Kamerun (Wute, Bali). Auch im alten Benin wurden die Hörner an der
convexen Seite angeblasen. 1 ) Aber fast überall kommt daneben die ge-
wöhnliche Form mit dem Mundloch an der Concavitat vor. Dasselbe gilt
auch von den Elfenbeinhörnern.
Sonst ist nur über das Vorkommen einiger Formen von Signalpfeifen
etwas zu sagen. So scheinen z. B. die Pfeifen aus Holz mit einer An-
schwellung unterhalb des oberen Endes (Abb. 60) nur am unteren Kongo
von Loango bis etwa zum Stanley Pool oder zur Kassai-Mündung vorzu-
kommen; die Pfeifen von der Form der Abb. 66 nur in Süd-Kamerun
(Yauude, Bule, Wute).
Die Pfeifen mit Kreuzdurchbohrung (Abb. 75 — 82) finden sich
in zwei durch weite Räume getrennten Gebieten. Das erste scheint sich
von Togo im Westen bis Adamaua im Osten zu erstrecken. Die meisten
Pfeifen des Berliner Museuros stammen aus dem deutschen Togo-Gebiet,
wo sie bis iu die nördlichsten Landschaften (Kabure, Tamberma, Moba)
vorkommen. Ob sie noch weiter nach Westen und Norden gehen, ist
mir nicht bekannt; weiter östlich finden sie sich dagegen am unteren
Niger, 3 ) in Adamaua und im nördlichen Kamerun bei den Bali. Ver-
muthlich haben diese sie aus ihrer Heimath in Adamaua mitgebracht.
Der Typus der Pfeifen zeigt übrigens Verschiedenheiten im Osten und
Westen. Dort bei den Bali verbreitern sich die Pfeifen nach dem
unteren Ende zu und platten sich zugleich ab (Abb. 75), während in
Togo der untere Theil drehrund ist und entweder stumpf endigt oder in
eine Spitze ausläuft (Abb. 78 — 80).
Das zweite Verbreitungsgebiet zieht sich anscheinend vom Oberlauf
des Kassai bis zum Tauganyika hiu, umfasst also im Wesentlichen die
Landschaften Lunda und ürua. Aus beiden besitzt das Museum Exemplare
") Read & Dalton Taf. XX, 6; XXI, 2; XXII, 3, 5.
') Allen & Thomson, 1, 215.
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solcher Pfeifen, ans Lunda mehrere Pfeifen aus Elfenbein und Holz, aus
Urna eine Holzpfeife. Eine ähnliche Signalpfeife bildet Cameron von
den Waguha ab. 1 )
4. Die Schlaginstrumente.
Die Trommel ist das dem Neger unentbehrlichste Musikinstrument,
das bei allen Ereignissen des täglichen Lebens, traurigen wie freudigen,
seine Stimme hören lassen muss; »sie tönt«, sagt Burton, »wenn ein
Mann erkrankt, wenn er gesundet oder wenn er stirbt; bei Geburten
und bei Hochzeiten; bei Begräbnissen und frohen Festen; wenn ein
Fremder ankommt oder abreist; wenn ein Krieg beginnt oder aufhört,
und überhaupt, sobald es nichts anderes zu thun giebt«. 2 ) Was der
englische Reisende hier von den Bewohnern der Sansibar-Küste sagt,
lüsst sich ohne weiteres auf alle Afrikaner übertragen. Und nicht nur,
dass die Trommel bei keinem wichtigen Ereigniss im Leben des Negers
von der Geburt bis zum Tode fehlen darf, ihr weithin vernehmbarer
Ton bat sie auch zu einem Verkehrsmittel gemacht, durch welches die
Nachbardörfer miteinander in Verbindung stehen und durch das Nach-
richten mit einer Schnelligkeit, die europäische Reisende oft in Staunen
versetzt hat, auf weite Entfernungen verbreitet werden. Auch da wo in
grösseren Staaten mächtige Häuptlinge sich aus mehreren Instrumenten
zusammengesetzte Musikkapellen halten, spielt die Trommel fast immer
die Hauptrolle und fehlt jedenfalls nie. So wird an manchen Orten die
Königstrommel gewissermassen zu einem Nationalheiligthum und einem
Staatsfetisch ; wie es anderswo als Schande gilt, im Kriege die Fahne
einzubüssen, so wird hier der Verlust der Trommel als schmachvoll an-
gesehen, und die Leute in Usindja und Tshamtuara erzählen, wie einst-
mals, als dem Lande eine grosse Gefahr drohte, die Staatstrommel auf
geheimnissvolle Weise verschwand und sich in der Erde verbarg und
später auf nicht minder seltsamem Wege wieder zum Vorschein kam.*)
Auch Opfer erhalten solche Trommeln zuweilen; sie werden mit dem
Blut der Opferthiere bestrichen oder dasselbe wird in sie hineingegossen.
Bei dieser Bedeutung und diesem Ansehen der Trommel ist es
natürlich, dass ihre Verbreitung über Afrika eine ganz universelle ist.
Mir sind nur zwei Fälle bekannt, in denen sie einem Stamme abgesprochen
wird; einmal soll es nach Baumann 4 ) in Urundi keine Trommeln
') Quer durch Afrika I, 280.
*) Barton, Zanribar, City, Island and Coast. London 1872. I, 430.
•) Richter, Ethnogr. Notizen über den Bezirk Bukoba. (Mrtth. a. d. D. Schutzg. 1900.
XII. 8. 71).
4 ) Durch Massailand S. 224. Die Angabe wird dadurch wahrscheinlicher, dass
auch in den reichhaltigen, besonders durch den verstorbenen Missionar v. d. Biesen in
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geben; der zweite Fall betrifft die Bubi auf Fernando Poo, ?on denen
derselbe Baumann 1 ) behauptet, sie besässen keiue Trommeln. Es bandelt
sich hier wohl um einen Fall von Verarmung, wie er ja auf kleinen
Insel u häufig beobachtet wird; inzwischen scheint dieser Mangel aber
gehoben zu sein, denn Miss Eingsley 3 ) hat bei den Bubi Holz- und Fell-
trommeln gesehen, beide von derselben Art, wie bei den Dualla.
Betrachten wir nun zunächst die Verbreitung der Felltrommeln
und ihrer Unterabtheilungen (Karte II). Für die Trommeln mit einfach auf-
gestreiftem oder nur angebundenem Trommelfell lässt sich keine bestimmte
Verbreitung angeben ; sie kommen zu vereinzelt vor und sind im Berliner
Museum in zu wenigen Exemplaren vertreten, als dass sich darauf Schlüsse
basiren Hessen. Die wenigen mir bekannten Stucke stammen aus Süd-
und Ostafrika (Bergdamara, Uschaschi, Ussoga). Sie sind wohl als
Ueberbleibsel einer primitiven und veralteten Art der Trommelspannong
aufzufassen; daraus erklärt sich ihre Spärlichkeit und ihre Vereinzelung.
Die Trommeln mit angenageltem Trommelfell erfüllen die süd-
liche Hälfte des Erdtheils; ihre Nordgrenze, die sich ziemlich genau an-
geben lässt, ist etwa die folgende.
An der Westküste geht diese Trommelspannung nicht weiter nörd-
lich als bis Loango; hier kommt sie sicher vor, wie mehrere Stücke im
Berliner Museum (III C 515, 6344) zeigen, aus den nordwärts angrenzenden
Landschaften des Ogowe-Gebiets ist mir dagegen kein Beispiel bekannt.
Nun scheint die Grenze im allgemeinen dem Laufe des Kongo zu folgen,
wohl meistens etwas nördlich von demselben bleibend; die Anpflöckung
des Trommelfells findet sich bei den Bayansi (Abb. 108) und bei den
Baloi am unteren Ubangi.') Weiterhin wird die Grenze unsicher. Ob
bei den im Gebiet 'des Tschuapa und Lokendje sitzenden Stämmen, den
Balolo und Bassongo Miuo, die Annagelung vorkommt, ist fraglich; die
beiden einzigen Trommeln, die das Berliner Museum aus diesen Gegenden
besitzt (vgl. Abb. 127), zeigen Schnurspannung. Dagegen haben die
Bakuba die Annageluug (Abb. 117) und ebenso ihre südlichen Nachbarn,
die Baluba; bei den letzteren ist sie wahrscheinlich sogar die alleinige
Art der Bespannung, denn nach Pogge 4 ) sind die beiden bei ihnen vor-
kommenden Trommelformen unten offen, was gegen Scbnurspannnng
spricht. Auch haben die Baluba-Trommeln des Berliner Museums alle
Urundi zusammengebrachten Sammlungen des Berliner Museums keine Trommel vor-
banden ist
') Fernando Poo. S. 98.
») Travels in West-Africa. London 1897. S. 67.
») Üybowski, La route du Tcbad. Paris 1893. S. 160 (Abb.).
*) Pogge bei Wissmann, Unter deutscher Flagge quer durch Afrika von West nach
Ost Berlin 1889. S. 377.
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ein angepflöcktes Fell. Von dem Bich von hier ostwärts bis znm
Tanganyika erstreckenden Gebiet des oberen Kongo und seiner Zuflüsse
ist die nördliche, von den Bassonge, Batetela, Wakussu, Manyeraa etc.
bewohnte Hälfte gänzlich anbekannt; überhaupt scheint hier die Fell-
trommel gegenüber der Holzpauke sehr zurückzutreten; die südliche
Hälfte dagegen mit den Landschaften Urua, Marungu u. s. w. gehört
dem Gebiet der Annagelung des Trommelfells au (Abb. 106, 114, 119, 122).
Oestlich der grossen Seeen macht die Grenze eine Ausbuchtung nach
Norden; sie umschliesst hier die Landschaften am West- nnd Nordufer
des Nyansa, Ussiba und Uganda — aus Ruanda und Urundi sind mir
keine Trommeln bekannt — und reicht nördlich bis zum Nordende des
Albert-Sees (Magungo). Von hier aus fallt die Grenze anscheinend mit
der Nordgrenze der Bantu zusammen; wenigstens findet sich bei den
nördlichsten Bantustämmen, wie den Wakamba, noch die Befestigung
des Trommelfells durch Holznägel.
Nördlich von dieser Grenze kommt die Anpflöckuug nur ganz ver-
einzelt vor; das Museum besitzt nur zwei Exemplare mit dieser Trommel-
fellspannung, beide aus dem Hinterland von Togo. Das eine ist ein
Tambourin von der gewöhnlichen nordafrikanischen (arabischen) Form:
ein quadratischer Holzrahmen, der auf einer Seite mit Haut bezogen
ist; das zweite Stück ist die in Abb. 105 wiedergegebene Trommel
aus Tschore. Ich komme auf dieses interessante Vorkommniss noch
zurück.
Diese Befestigung des Trommelfells ist aber anscheinend auch sonst
noch stellenweise im Sudan vorhanden. So werden vom unteren Niger
nnd Benue Trommeln aus Holz oder Kürbis erwähnt, deren Trommelfell,
wie ausdrucklich hinzugefügt wird, nicht durch Riemen gespannt ist, 1 )
also wohl mit Pflöcken angenagelt sein muss. Möglicherweise findet sich
die Anpflöckung auch im centralen Sudan. Nachtigal ') beschreibt Trom-
meln ans Borau von cylindriscber Form, von denen die grösseren (ca. 1 m
lang) am unteren Ende orten sind, während die kleineren auf beiden
Seiten bespannt werden. Falls die ersteren nicht einen Absatz oder eine
erhabene Leiste haben, an der die Schnüre einen Halt finden könnten,
sondern glatte Wände, so liesse sich wohl Annagelung vermuthen, ebenso
wie bei den Trommeln aus Bagirmi, die derselbe Reisende erwähnt (II 607).
Endlich findet sich die Anpflöckung neben der vorherrschend üblichen
Schnurspannung auch in Senegambien, wie zwei von Gray abgebildete
Trommeln beweisen, bei denen die Pflöcke deutlich sichtbar sind.?)
*) Day bei Mockler-Ferryman. S. 271.
*) 8abara uod Sudan I, 745.
*) W. Gray, Trarels in Western Africa. Taf. IX (S. 301), Fig. 3 und 6.
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Der sudlich der oben angegebenen Grenze belegene Tbeil von Afrika
ist nun aber nicht das Gebiet der Trommelfell- Anpflöckung in dem Sinne,
dass diese hier die alleinige Art der Trommel bespanuung wäre, vielmehr
liegt die Sudgrenze der zweiten Hauptart, der Schnurspannuug, südlicher
als die Nordgrenze der Anpflöckung, so dass zwischen ihnen eine Zoue
bleibt, in der beide Spannungsweisen nebeneinander vorkommen.
Die Siidgrenze der Schnurspannung beginnt im Westen südlich
der Kongomündung, verläuft zunächst wahrscheinlich in nicht zu grosser
Eutfernung von der Nordgrenze der Annagelung nach Osten nach dem
Sankurru, scheidet hier Bakuba und Bassongo-Mino und erreicht den
Tanganyika vermuthlich nahe seiner Nordspitze; die Wassongora habeu
Schnurspannung 1 ). Nördlich des Kongo im Gebiet des Ubangi herrscht
die Schnurspannung; vgl. z. B. die Abbildung einer Banziri-Trommel bei
Dybowski. 2 ) Oestlich des Tanganyika liegt die Grenze viel weiter südlich
uud fällt ungefähr mit der Südgrenze des deutschen Schutzgebietes zu-
sammen; zwischen Tanganyika und Nyassa verläuft sie vielleicht noch
südlicher, östlich des Nyassa dagegen wohl weiter im Norden; wenigstens
besitzt das Berliner Museum aus den Landschaften südlich des Rufidji
nur Trommeln mit angepflöcktem Fell. Abgesehen ist hierbei natürlich
von der Küste, wo überall arabische Trommeln mit Schnurspannung
vorkommen.
Ein sehr interessantes Stück besitzt das Museum in einer grossen
Kriegstrommel der Senga (Basenga), nördlich des unteren Sambesi. Dieselbe
stammt also aus dem Gebiet der Anpflöckung des Trommelfells, und das
trifft auch hier zu, das Fell ist mit Eisennägeln befestigt; ausserdem aber
ist die Trommel — sie hat ganz die Form einer Uganda-Pauke — mit
Riemen überspannt, die im Zickzack von einem Fell zum andern gezogen
sind. Wir haben hier also eine Kombination der beiden Spannungsarten,
wobei allerdings die Schnurspannung eine rein dekorative Rolle spielt.
Die Zwischenzone also, in der beide Trommelspanuungen zusammen
sich finden, umfasst im Westen einen Streifen von wechselnder Breite
entlang dem Laufe des Kongo von der Mündung bis etwa in die Gegend
der Stanley- Fälle und östlich des Tanganyika ganz Deutsch- Ostafrika uud
einen beträchtlichen Theil des britischen Gebiets nördlich davon. Ob
innerhalb dieser Zone beide Spannungsweisen gleich massig verbreitet, oder
ob der eine Stamm diese, der andere jene bevorzugt, darüber ist nichts
näheres bekannt.
>) Stuhlmano S. 551 (Abb. 168, S. 553).
») La rout« du Tchad. Fig. 77 (S. 197).
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- 97 —
Als Enclaven innerhalb des Bereichs der Schnurspannung liegen die
Gebiete der beiden anderen Spann nngsarten, der Keilspannung und der
Spannung mit an Pflöcken befestigten Schnüren, der Schnur-Pflock-
Spannung.
Die Keilspannung findet sich nur in Kamerun nnd im Stromgebiet
des Ogowe. Man bezeichnet diese Trommeln, besonders die schön ge-
schnitzten unter ihnen, 1 ) mit Vorliebe als » Fantrommeln c, aber wohl
kaum ganz mit Recht. Es ist allerdings zweifellos, dass manche Fan-
stämme, zumal im sudlichen Kamerun, derartige Trommeln haben, aber
sie haben dieselben vielleicht erst von ihren Nachbarn übernommen.
0. Lenz versichert sogar, dass er bei den Fan am Ogowe überhaupt keine
Trommeln wahrgenommen habe, a ) und wenn das auch wohl nur ein
Zufall ist, so ist doch zweifellos, dass die meisten derartigen Trommeln
im Berliner Museum, welche mit guten und einwandfreien Herkunfts-
angaben versehen sind, nicht von Fan, sondern von andern benachbarten
Stammen herrühren. Ausserdem finden sich diese Trommeln auch in
Gegenden, wo Fan niemals hingekommen sind, wie im nordwestlichen
Kamerun bei den Bakwiri, Bakundu, Ngolo, Ekoi u. s. w.
Die Südgrenze der Keilspannung liegt irgendwo zwischen der Mündung
d es Ogowe und Loango, die Nordgrenze wohl nicht weit entfernt vom Niger. Was
für Trommeln in Kalabar vorkommen, ist mir unbekannt, aber bis an die
deutsch-englische Grenze reicht das Gebiet der Keilspannung zum mindesten.
Unbekannt ist gleichfalls die Erstreckung nach dem Innern. Wir finden
hier eine interessante Uebergangsform: die Wute und ihre Nachbarn
haben kurz-cylindrische auf beiden Seiten bespannte Trommeln, die sie
offenbar von den Sudanvölkern übernommen haben und die mit der ge-
wöhnlichen Zickzack-Schnurspannung verseben sind; aber die gewohnten
Keile werden auch hier unter die Schnure getrieben (Abb. 137). '
Die zweite Unterart der Schnurspanuung, die Schnur-Pflock-
Spannung, bei der die Spannschnüre um Pflöcke gelegt sind, die in der
Trommelwand stecken, scheint nur westlich des Niger an der Sklaven- und
Goldküste und in deren Hinterland vorzukommen. Nach Westen zu reicht ihr
Gebiet sicherlich nicht bis Liberia, wo die Trommeln die Form und Spannung
der Abb. 128 haben, 1 ) nach dem Innern zu muss sie vorläufig unbestimmt
bleiben. Mangu ist bis jetzt die nördlichste Landschaft, aus der solche
Trommeln nach Berlin gelangt sind. Auch die Trommeln im alten Benin
hatten diese Spannung. 4 )
*> Vgl. Abb. bei v. Luschao, Beiträge zur Völkerkunde. Tafel XXI V, 16, 16 a.
*) 0. Leos, Skizzen aus Westafrika. Berlin 1878. S. 86.
») Vgl. Bflttikofer II, 834.
<) Read and Dalton, Antiquities from the City of Benin. London 1899. Taf. XXIX, 1.
7
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— 98 —
Es bleibt nun noch die Verbreitung einiger Trommelformen zu be-
trachten. Zunächst eine Form, die man als Trommel des Ober- Nil-
Gebiets bezeichnen könnte, da sie hier fast allein herrscht und ihren
Typus am schönsten ausgeprägt hat. Es ist das die Trommel, von der
Abb. 123 die Hauptformen darstellt Sie hat im allgemeinen die Gestalt
eines Kegelstumpfes, dessen Grundfluche nach oben gerichtet ist. Zu-
weilen ist sie fast cylindriscb, meistens aber vereugt sie sich nach
unten viel bedeutender; zuweilen bekommt sie eine bauchige Form
(Abb. 123b) oder es folgtauf einen oberen cylindrischenTheil ein abgestumpfter
Kegel (Abb. 123c). Sie findet sich bei allen Stämmen des oberen Nil,
Dinka, Bari, Bongo etc., ferner weiter nilaufwärts in Unyoro und Uganda,
in den Ländern um den Nyansa, wie Ussibs, Ussukuma, Uschaschi, ferner
in dem grössten Theil von Deutsch-Ostafrika bis Ufipa und Unyika hinab;
ausgenommen ist vielleicht nur der Theil südlich des Rufidji und östlich
des Rikwa- und Nyassa-Sees.
Verwandte, nur sehr viel mehr in die Länge gestreckte Trommeln
finden sich bei den Wassongora 1 ) (1,50 m lang, 30 cm Durchmesser) und
weit davon entfernt in Loango und am unteren Kongo (Abb. 124).*) Die
längste derartige Trommel im Berliner Museum misst 2,20 in.
Der zweite Typus, dessen Verbreitung noch zu untersuchen ist, ist die
Sanduhrtrommel, d. h. eine Trommel, die gleichsam aus zwei durch eine
cylindrische Röhre verbundenen, mit Haut überspannten Schalen besteht.
Man kann drei Formen unterscheiden, die jede ihren besonderen Bezirk
besitzen.
Die erste ist die in Abb. 126 dargestellte Trommel mit Schnurspannung;
sie ist meist beiderseits bespannt, doch giebt es auch solche, die unten
offen sind (vgl. oben S. 54). Die Stucke des Museums stammen von der
Gold- und Sklavenküste (Accra, Togo, Palma, Yoruba, Lagos) und deren
Hinterland (Dagomba, Salaga etc.), sowie vom uuteren Niger nnd Benue
(Adamaua). Ihre Verbreitung ist aber viel ausgedehnter. An der Küste
gehen sie nach Osten allerdings kaum weiter als bis zum Nigerdelta
(im alten Benin waren sie vorhanden'); nach Westen aber erstrecken sie
sich sicher bis Liberia, wo sie von Böttikofer 4 ) bezeugt sind. Ob ihre
Verbreitung bis dahin eine ganz ununterbrochene ist, ist unbekannt; auf
der Goldkuste erwähnt sie schon Bosman, und zwar als eine neue Erfindung,
auffälligerweise werden sie aber weder von Isert, noch von Monrad, Beecham
•) Stohlmaoo S. 551 und Abb. 168, S. 552.
«) Abbildung einer ähnlichen Trommel bei Falkensteio, Afrikas Westküste. 1885.
Fig. 28 (S. 111).
•) Read und Dalton XXIX, 2.
') 11,284.
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• der Cruikshank, die zum Tueil ziemlich ausführliche Aufzählungen der
Musikinstrumente geben, angeführt. Für Senegambien kann ich keine
andere Autorität citiren als Gray, der eiue Sauduhrtrommel ohue weitere
Bemerkung abbildet. 1 ) Mungo Park erwähnt dieselbe nicht. Im Sudan
ist sie jedenfalls weit verbreitet, im Osten mindestens bis Bornu. 3 )
Die zweite Gruppe ist iu Ostafrika zu Hause. Sie unterscheidet sich
wesentlich von der ersten: sie ist nur auf einer Seite bespannt und das
Trommelfell ist angepflöckt. Die Gestalt der Trommel ist dieselbe (Abb. 120).
Ihr Gebiet ist sehr beschränkt. Die Exemplare des Berliner Museums
stammen aus Usaramo, Uluguru, Ugogo, Ubeua. Das Trommelfell ist
theils Fell, theils Eidechsenhaut; einige Trommeln haben einen Holzhenkel
an der Seite. Ganz vereinzelt steht eine Trommel, die wahrscheinlich von
denNgok, einem Grenzstamm zwischen Taunde und Bakoko, stammt, also aus
Kamerun, wo derartige Formen sonst nicht bekannt sind. Leider fehlt
das Trommelfell, sodass die Art der Bespannung uicht zu erkennen ist.
Der Form nach könnte die Trommel ebensogut ostafrikanischen Ur-
sprungs sein.
Die dritte Gruppe endlich ist im Mnseum nur dorch ein Stück ver-
treten (Abb. 121), dos von Wissmanns zweiter Afrikadurchqueruug stammt
und ohne nähere Angabe ist. Genau solche, ebenfalls ganz und gar mit
Schnitzereien 5 ) bedeckte und mit vier Henkeln versehene Trommeln be-
schreibt Holub von den Marutse und Serpa Pinto von den Amboella. 4 )
Diese Trommeln waren übrigens bei deu Marutse nur Eigenthum des
Herrschers; König Sepopo besass zwei davon.
Schliesslich wäre noch als ein Trommeltypus, der über ein begrenztes
Gebiet verbreitet ist, die halbkugelige Pauke zu nennen (wie Abb. 131).
Sie findet sich in der ganzen Nordbälfte des Kontinents, in den Staaten
der Nordküste von Aegypten bis Marokko, im ganzen Sudan, wo sie
meistens aus einem halbierten Kürbis besteht, bei den Galla und Somäl
und bis zum Victoria Nyansa, wo Baumann eine solche Trommel von der
Insel Ukara abbildet. 5 )
Die Verbreitung der Holztrorameln (Karte II) beschränkt sich
im Allgemeinen auf das Gebiet des Kongo uud einen Theil der an-
schliessenden Westküste.
Das Berliner Museum besitzt solche Trommeln vor allem aus Kamerun
(von den Dualla, Bakwiri, Bassa, Bakundu u. A.), von den Mpangwe am
■) W. Gray, Travel» in Western Jfrica. London 1825. Taf. IX, Fig. 4.
') Nachtigal I, 745.
*) Die Schnitzereien haben freilich verschiedenen Charakter, bei unserer Trommel
sind es Dreiecksmuster, bei Holub Kreise und Spiralen (Kulturskizze S. 141).
*) Serpa Pinto, Wanderung quer durch Afrika. Leipzig 1881. I 308.
•) Durch Massailand. S. m.
7*
— 100 —
Gabun, den Mayakalla (die bisher genannten von cylindriscber Form mit
in der Mitte schmalem, an beiden Enden verbreitertem Spalt); ferner kahn-
förmige Trommeln aus Loango und keilförmige aus Drua. Kamerun und
Urua sind zugleich so ziemlich die äussersten Ecken des Holztrommel- Gebiets.
In dem dazwischen liegenden Gebiet sind diese Trommeln sehr verbreitet,
wenn sie vielleicht auch nicht fiberall vorkommen. Nördlich der Kongo-
mündung sind sie anch an der Küste vorhanden, südlich vom Kongo dagegen
fehlen sie in Angola. Kongo aufwärts fand Bau mann die ersten Holztrommeln
bei den Bayansi, ') Goquilhat erwähnt sie bei den Bangala, ') Dybowski bei
den Baloi,*) Banmann aus der Gegend von Upoto, bei den Munongiri nnd
vom unteren Aruwimi, Stanley von den Wagenia und anderen Stammen
am oberen Kongo, Stuhlmann bei den Waknssu, Cameron bei den Warna
und Wabudschwe. Ebenfalls sind sie an dem rechtseitigen grossen Zufluss
des Kongo, dem Ubangi, allgemein; die Anwohner desselben Bind ja
grösstenteils Verwandte der Niam-Niam nnd Monbuttu, deren hölzerne
Signaltrommel n durch die Schilderungen und Abbildnngeu in den Werken
von Schweinfurth und Junker bekannt genug sind. An den südlichen
Nebenflüssen des Kongo sind die Holztrommeln wahrscheinlich ebenso
verbreitet, wenn auch ihre Erwähnung seltener ist; vorbanden sind
sie sicher bei den Mayakalla am Koango (ein Stück im Berliner Museum),
den Baknba 4 ) und in Lunda, wo Pogge und Wissmann sie ausführlich
beschrieben und abgebildet haben.
Ueber die Verbreitung der drei oben erwähnten Typen der Holz-
trommel lässt sich nicht viel sagen. Die kahnförmige Trommel scheint
auf Loango beschränkt zu sein, die cylindrische oder walzenförmige findet
sich in Kamerun, dem Ogowe-Gebiet nnd am Unterlauf der südlichen
Nebenflüsse des Kongo, sicher am Kuango, wahrscheinlich auch am Kassai
und Sankorr □.*) Die Keilform findet sich am ausgesprochensten in Lunda
und Urua, aber auch die Trommeln des oberen Kongo und der Uelle-
Völker haben denselben Typus, wenn sie auch nicht so hoch und schmal
und ausserdem häufig mit Füssen versehen sind.
Die Holztrommeln erfüllen also so ziemlich das ganze Gebiet des
Kongo nnd greifen im Nordwesten noch darüber hinaus bis an den Gross
River, ja, sie scheinen sogar noch am unteren Niger vorhanden zu sein,
wofür ich allerdings nur eine Stelle bei Day als Anhalt habe. Er
spricht hier, nachdem er die Felltrommeln beschrieben hat, von einer
>) Baumati o, Beiträge zur Ethnographie des Congo. S. 12.
') Coquilbat, Sur le Haut Congo. S. 304.
») Dybowaki, La Route du Tchad. S. 150.
«) Wolf bei Wissniano, Im Innern Afrikas. Leipzig 1888. S. 228.
*) Wolfs Beschreibung der Bakuba-Trommel ist nicht ganz klar, scheint aber auf eine
cylindrische Form zu deuten.
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ganz aus Holz bestehenden Trommel, ca. l ! /a Fuss lang, »hollowed out
inside, and contains a small aperture at one side.« ! ) Das lässt sich wohl
uur auf eiue Holztrommel deuten. Day fügt hinzu, sie werde hauptsäch-
lich in den Hütten von Frauen und Kindern gebraucht; die Trommel
scheint also hier an der äussersten Grenze ihres Verbreitungsgebiets von
ihrer Höhe als Signal- und Sprechtrommel zu einer Art Spielzeug herab-
gesunken zu sein; daraus erklärt sich wohl auch ihre geringe Grösse.
Aus Fasugu im Togo-Gebiet erwähnt der Missionar Mischlich 3 ) eine
>trogfÖrmige Holztrommelt, mit der die Leute von den Pflanzungen her-
beigerufen wurden.*)
Endlich findet sich bei Winterbottom die Erwähnung eines ähnlichen
Instruments von Sierra Leone. Nach diesem Reisenden wird ein Baum-
stamm ausgehöhlt, dann die entstandene Rohre an beiden Enden mit
Holz verschlossen und der Stamm auf einer Seite der Lange nach aufge-
schlitzt. 4 ) Dies Verfahren, den Baumstamm von einem Ende zum andern
auszuhöhlen wie bei der Felltrommel, und den Schlitz erst nachträglich
anzubringen, ibt zweifellos weit bequemer als die Aushöhlung vou dem
schmalen Spalt aus und verdankt diesem Vorzug sicherlich seine Ent-
stehung. Es scheint nur lokale Bedeutung zu haben und sonst nirgend
vorzukommen. Aus neuerer Zeit ist mir die Erwähnung von Holztrommeln
in dieser Gegend nicht bekannt.
Die Südgrenze der Holztrommel dürfte etwa mit der Wasserscheide
zwischen Kongo und Sambesi zusammenfallen, die Ostgrenze bildet der
Tanganyika und nördlich von demselben die Wasserscheide zwischen Kongo
und Nil.
Von den Glocken ist es eigentlich nur eine einzige Form, nämlich
die eisernen Doppelglocken, deren Verbreitung eine nähere Betrachtung
erheischt und gestattet, weil sie allein durch ihre auffallende Gestalt die
Aufmerksamkeit der Reisenden erregt haben. Anch andere Glocken, die
als Tanzschmuck getragen oder den Hausthieren umgehängt werden, findet
') Day bei Mockler-Ferryman, Up the Niger. S 270.
*) Mitt a. d. D. Scbutzg. X. 1897. S. 7:).
*) In einer nach Abschluss dieser Arbeit in Berlin eingegangenen Collection, die
Ton dem oben genannten Herrn Mischlich, gegenwärtig Stationsleiter in Kete-Kratachi,
gesammelt und mit genauen Angaben versehen worden ist, befinden sich zwei Holz-
trommeln aus Abrewauko, Landschaft Alfaire (zwischen Oti und Daka, 0° L, 8° 30' n.
Br.). Dieselben sind roh gearbeitet, 66 reep. 49 cm lang und haben oben einen sehr
breiten Spalt, so dass sie in der Tbat ganz die Gestalt eines Trogs erhalten. Der Spalt
ist bei der einen Trommel 45 cm lang, 10 cm breit, bei der andern :iti resp. 7 cm.
Sie werden mit zwei Schlägeln bearbeitet. Damit ist das Vorkommen der Holztrommel
bis nach Togo hinein gesichert.
«) Winterbottom, Nachrichten von der Sierra Leona-Kühte. Weimar 1805. S. 151.
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man häufig genug erwähnt, aber ohne dass man etwas Genaueres über
sie erfahrt.
Wir haben bei den Doppelglocken (Kartell)drei Typen unterschieden,
von denen der erste durch Abb. 153, der zweite durch Abb. 154 — 156 und
der dritte durch Abb. 157 repräsentirt wird. Die erste Form scheint fast
nur in Kamerun vorzukommen, von der Küste bis zu den Wute im Innern;
alle Stücke des Berliner Museums stammen von dort, mit Ausnahme eines
einzigen, das die Angabe »Gabun« trägt.
Die zweite Form ist die bei weitem verbreitetste ; die Stücke des
Berliner Museums stammen aus Togo (Siade, Basari), von den Ekoi am
Cross River, den Bali in N.-Kamerun, den Mbum um Ngaundere in
Adamaua, von deu Baujaka, aus Kakongo, aus Lunda und aus Ulala süd-
lich vom Bangweolo-See. Endlich besitzt das Museum eine Doppelglocke,
die in Uhehe erworben ist. Es ist wohl die einzige Doppelglocke, die
jemals ans Ostafrika gekommen ist, uud es scheint mir gänzlich aus-
geschlossen, dass sie wirklich dort fabrizirt worden ist. Vielmehr dürfte
sie durch die Wangoni dorthin gelangt sein. Die beiden Thatsachen, dass
diese Glocke der von Ulala ausserordentlich ähnlich sieht und dass die
jetzt nördlich des Rovuma ansässigen Waugoni früher westlich vom Nyassa
gesiedelt haben, ja, dass noch jetzt eine Abtheilung dieses Stammes da-
selbst in unmittelbarer östlicher Nachbarschaft von Ulala wohnhaft ist,
sind durchaus geeignet, diese Vermutung zu unterstutzen.
Beachtcnswerth ist auch, dass die Glocken der Bali und der Mbum
— von beiden Stämmen ist nur je eine Glocke vorhanden — sich sehr
ähnlich sehen, was im Hinblick auf die Herkunft der Bali aus Adamaua
nicht uninteressant ist.
Die dritte Form endlich ist nur in Oberguinea vertreten; die
Exemplare des Berliner Museums stammen aus Togo und Benin. ')
Das Gebiet der Doppelglocken fällt also ungefähr mit dem der Sansa
zusammen, ist aber im Süden und Osten etwas beschränkter, während es
im Nord-Westen weiter reicht und die gauze Sklavenküste bis weit ins
Hinterland von Togo hinein mit umfasst. Zu erwähnen ist, dass man in
den Ruinen von Simbabye eiserne Doppelglocken gefunden hat; 9 ) danach
zu urtheilen sind dieselben im Sambesi-Gebiet früher viel weiter nach
Osten und Süden zu verbreitet gewesen.
Ueber die Holzglocken ist nichts zu sagen ; selbst die hölzernen Doppel-
glocken wie Abb. 160 kommen sowohl in Ost- wie in Westafrika vor;
im Berliner Museum sind Stücke aus Kamerun (Ekoi, Ngolo, Bakundu),
Loango, Usagara, Unguu und von den Wakaguru vorhanden.
') Vgl. Read & Dalton, Taf. XXX, 5.
*) Beut, The ruiaed cities of Mashonaland. S. 178.
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Aus den mannigfaltigen Formen der Eisenglocken lieben eich noch
die folgenden hervor, die beide specifisch ostafrikanisch sind: die der
Abb. 162, aus Ugogo, Uhehe, Ubena, Ussukoma, Uruudi und Ruanda
stammend, und die der Abb. 163, die das Museum aus Bukoba, Uuyam-
vvesi, Uschaschi, Ikiyu und von den Massai besitzt. Genaueres über die
Verbreitung dieser Typen lässt sich bis jetzt noch nicht angeben. Beide
siod aber nur aus Ostafrika bekannt
Uei der Mari raba (Karte III) können wir drei grosse Verbreitungsgebiete
unterscheiden, die keine Verbindung mit eiuauder zu haben scheinen. Das
erste liegt in Südafrika und mmfasst das südliche Kongobecken, das obere
und mittlere Sauibesigebiet und Angola (mit Ausnahme der Küstendistrikte,
wo die Marimba zum mindesten sehr selten ist). Es gehören dazu im
Bereich der südlichen Kongozufliisse alle Landschaften von Lunda bis
Urua und zum Manyema- Lande, also von den Grenzen Angolas bis zum
Tanganyika; 1 ) am oberen Sambesi fand Liviogstone die Marimba bei den
Balonda, Holub bei den Marutse.*) Südlich vom Sambesi fehlt sie bei
den meisten Stämmen, fiudet sich aber bei den Kaffern in N.-O. Transvaal')
und bei den Baronga an der Delagoa-Bai, die sie aber nicht selbst an-
fertigen, sondern von den BaUchopi an der Limpopo-Müudung beziehen. 4 )
Ueber das Vorkommen im mittleren Kongobecken ist sehr wenig be-
kannt; Baumanu erwähnt sie in seinen Beiträgen zur Ethnographie
des Kongo nirgend, Wissmaun bei den Bakete und bei den Bena-
Katende, einem Baluba-Stamm; 8 ) auch nördlich des Kongo findet sie
sich an der Küste nicht; dagegen treffen wir dort landeinwärts auf das
zweite grosse Verbreitungsgebiet. Dahin gehören vor Allem die
A-Sandeh, ferner die Mbum in Adamaua und die Fanstämme in Süd-
Kamerun und dem Congo Francais. 9 ) Dybowski beobachtete die Marimba
bei den am Knie des Ubangi wohnhaften Uadda. 1 ) Bis an den Niger
oder Benue reicht dieser Bezirk nicht, wie die Nachforschungen von Day
ergeben haben. Auch Kamerun gehört mit Ausnahme des von Fan
(Yaunc'e, Bati etc.) bewohnten TheüVs nicht dazu.
') Pogge S. 241. Cameron I, 307.
*) Livingstone, Missiooary Travels and Researcbea in S. Africa. London 1857.
S. 293 (Abb.). Holub, Kulturskizze S. 136 (Abb. S. 137)
«) Lolub, Kulturskizze S. 136.
*) Jinod, Lea Ba-Rooga. S. 265.
») Wssmann, Im Innern Afrikas S. 297. Unter deutscher Flagge S. 137.
•) Junker III 15 (Abb. S. 14); Pa B sarge, Adamaua. Berlin 1895. S.283. Abb. 148;
du Cbailli, Exploration» and adventures in Equatorial Africa. London 1861. S. 87 f.
Zenker, Hitt. a. d. D. Seh. VIII 59
') La route du Tctaad. S 361 (Abb.).
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Das dritte Gebiet der Mariniba endlich bilden die Mandingo-
Länder, von Senegaxnbien bis ins Hinterland der Zabnküste. ! ) Berenger-
Flraad nennt die Marimba, die dort Balafo heisst, geradezu das National-
instrument der Mandingo.
Die hufeisenförmige Marimba findet sich in Lnnda und Angola, sonst
fiberall die Form, bei der die Tasten in einer Ebene liegen; Livingstone
fand die Grenze zwischen beiden am obersten Sambesi. Die Befestigung
der Kürbisse in einem mit Löchern versehenen Brett (wie Abb. 169) findet
sich, wie aus dem beschreibenden Theil hervorgeht, einmal am unteren
Sambesi und zweitens bei den Mbum. Dieselbe Befestigung zeigt auch
die von Junod 9 ) abgebildete Marimba der Baronga und die der Niam-Niam
bei Junker.*)
Weit grösser ist das Gebiet der unvollkommenen Marimba ohne
Resonanzkürbisse. Nicht nur, dass sie vielfach mit der vollständigen
Marimba zusammen in denselben Landschaften vorkommt, wie z. B. in
Angola nach Monteiro, bei den Niam-Niam nach Long, bei den Yaunde
nach Zenker, auch ausserhalb des Bereichs derselben ist sie nicht selten.
0. Baumann beschreibt das Instrument ausführlich au9 Bondel und Ost-
Usambara, wo es unter dem Namen Vilangwe an den Dorfeingängen
aufgestellt ist und die Stelle der westafrikanischen Signaltrommel vertritt.
Die Holztasten werden auch hier über zwei Bananenstämme gelegt und
durch kleine Holzpflöcke festgehalten. 4 ) Ebenso findet es sich in Usaramo
und in Uoguu, während es in dem benachbarten üdoe fehlt. 8 ) Dasselbe
Instrument heisst in Uganda Madinda; es hat 12—20 Tasten, die in der
Mitte etwas ausgehöhlt, an den Enden dicker sind. 6 ) Ganz ähnlich be-
schreibt Johnston das Instrument ans Britisch-Central-Afrika. Es hat hier
meist 5 — 6 (aber auch mehr) Tasten, die wie in Usambara durch Pflöcke
zu beiden Seiten gehalten werden. *) Auch im Kongogebiet kommt es
vor. Thonner sah es hier bei den Banza zwischen Ubangi und Mongalla;
es besteht ans Holzbrettchen, die quer über einen ausgehöhlten Baianen-
stamm gelegt werden. 8 ) In früheren Zeiten wenigstens ist die Vilangwe
auch an der Küste von Oberguinea üblich gewesen; Isert sah sie in Fida
') M. Park S. 249. Gray, Travels in Western Africa. London 1825. S. 64 (Abb.
S. 301). Laing, Travels in Timmanee, Kooranko and Soolima. London 1826. S. 369
(Abb. S. 371). Hecquard S. 188. Berengcr-Feraud S. 213.
•) Lea Ba-Rooga (Bull. Soc. Neuchäteloise G«Sogr. X. 1898. S. 264.)
*) Junker, Reisen III, 14.
*) 0. Baumann, Usambara, S. 136.
•) Stuhlmann, S. 37.
•) Wilson * Felkin, Uganda I, 165. Stuhlmanu, S. 178.
*) Jobnston, British Central Africa S. 467.
•) Thonner, Im afrikanischen Urwald. Berlin 1898. S. 62.
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and beschreibt sie etwa folgendennassen : es wird ein tiefes Luch in die
Erde gegraben, darüber zwei Balken von sehr hartem Holz gelegt und
auf diese dickere und donnere Stäbchen, ohne weitere Befestigung.
Letztere schlagt man mit kleinen Stöcken. 1 )
Wir haben nunmehr die Musikinstrumente der Afrikaner nach ihrer
Verwandtschaft gruppirt, die Formen einzeln beschrieben und die geogra-
phische Verbreitung jedts Typus so weit möglich festgestellt; vergleichen
wir nun die Karten, die die Verbreitung der hauptsachlichsten Instrumente
veranschaulichen sollen, mit einander, so zeigt sich, dass sich in jeder
Landschaft verschiedene Formen mit einander kombiniren. So finden wir
z. B. in Kamerun neben einander Kongo-Guitarre und Raphia-Iustrumente,
Felltrommeln mit Keilspannung, Holztrommeln und Doppelglocken, in
Uganda die Harfe und die Marimba ohne Resonatoren, Trommeln mit
Anpflöckung und Schnurspannung u. s. w. Für jede Landschaft und
jeden Stamm lasseu sich so bestimmte Musikinstrumente aufzählen; aber
nicht jeder einzelne Stamm hat sein ihn allein kennzeichnendes Eigen-
thum an solchen, vielmehr schliessen sich viele benachbarte mit gleich-
artigem Besitz zu einem Ganzen zusammen. Man kann so, indem man
diese Vergleichung über ganz Afrika ausdehnt, den Erdtheil in eine
Anzahl von Provinzen eintheilen, von denen jede durch eine gewisse
Zusammenstellung von Typen aus allen Klassen der Musikinstrumente
charakterisirt ist. Diese Proviuzen sind analog den pflanzen- oder
thiergeographischen Provinzen, in die die Botaniker und Zoologen die Krde
eiugetheilt haben; die Stelle der Thier- uud Pflanzengattungen vertreten
hier die Species der Musikinstrumente. Mau kann sie kultur-
geographische Provinzen nennen — eine Bezeichnung, die allerdings
erst dann völlig zutreflfend wäre, wenn diese Eintheilung wirklich die
geographische Vertheilung des gesammten Kulturbesitzes zum Ausdruck
brachte und nicht nur diejenige eines kleinen und verhältnissmassig
nebensachlichen Bestandteils derselben.
Die Grenzen der Provinzen (vgl. Karte III) lassen sich allerdings in den
meisten Fällen nur ganz ungefähr angeben, einmal weil uns von vielen Land-
schaften die Kenntniss der daselbst vorkommenden Musikinstrumente völlig
abgeht, dann aber auch, weil die Gebiete sich vielfach überhaupt nicht
scharf gegen einander abgrenzen, sondern über einander übergreifen, so
dass eine Zwischenzolle gemischten Charakters entsteht. Beispiele davon
werden uns mehrfach begegnen. Abgesehen von diesen unvermeidlichen
Fehlern lassen sich aber hinreichend charakterisirte und durch konstante
•) Isert, Reise Dach Guinea. 1788. 8. 170.
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106
Merkmale von einander geschiedene Provinzen aufstellen. Ich theile
Afrika in zehn Provinzen ein, die freilich nicht alle gleichwertig sind.
Die erste Provinz, die südafrikanische, umfasst die Südspitze
des Erdtheils bis etwa zu einer Linie von der Kunene-Mündung bis zur
Delagoa-Bay. Sie ist, ganz im Einklang mit der allgemeinen Kulturarmuth
dieses Gebiets, am dürftigsten mit Musikinstrumenten ausgestattet, da sie
von Saiteninstrumenten nur den Musikbogeu in seinen beiden Formen
Gubo und Gorra und im übrigen bloss Trommeln (auch diese sind selten)
und Pfeifen aus Rohr, Holz, Knochen etc. besitzt.
Die Buntu dieser Provinz sind übrigens, was noch besonders bemerkt
sei, nicht etwa reicher als ihre hellfarbigen Nachbarn, die Buschmänner
und Hottentotten, im Gegentheil, Lichtenstein sagt von den Kaffern
geradezu: > Eigentümliche Instrumente scheinen sie gar üicht zu haben,
denn man trifft bei ihnen nur die hottentottischen und zwar un-
vollkommener, als jene sie haben. t') Aehnlich äussern sich andere
Berichterstatter.
Die zweite Provinz, die man Sambesi-Provinz nennen kann,
weil sie grösstenteils zum Gebiet dieses Stromes gehört, zieht sich als
breiter, die Küsten der portugiesischen Kolonieen in Ost- und Westafrika
verbindender Gürtel quer durch den Kontinent. Ihre Nordgrenze ist
unbestimmbar; gerade dio hier in Betracht kommenden Länder sind im
Berliner Museum nur sehr schwach vertreten und auch soLst, von einigen
Bezirken (wie das Marutse-Mambunda-Reich) abgesehen, ethnographisch fast
unerforscht. Jedenfalls dürfte das ganze Flussgebiet des Sambesi hierher-
gehören, abgesehen von den Landschaften um die Nordhälfte des Nyassa,
und ausserdem die grössere südliche Hälfte des portugiesischen West-
Afrika. Die Provinz ist an Saiteninstrumenten nicht reicher als ihre
südliche Nachbarprovinz, ja eher noch ärmer, da ihr auch die Gorra
fehlt. Johnston zählt allerdings aus den Landschaften westlich des Nyassa
nicht weniger als drei Saiteninstrumente auf; davon ist eines (»kaliraugwe«)
der gewöhnliche Musikbogeu, der zweite (»pango«) nach seiner Be-
schreibung offenbar ähnlich dem Instrumente, das Abb. 37 zeigt, von dem
dritten (»limba«) kann ich mir keine klare Vorstellung machen. Es
ähnelt nach Johnstons Beschreibung einer Guitarre, hat gewöhnlich 6 Saiten,
»and is strung somewhat like a violin in appearance«.*) Vielleicht ein von
Arabern eingeführtes Instrument. Für den Mangel an Saiteninstrumenten
entschädigt aber die Sansa und die Marimba. Erstere dürfte wohl in dem
ganzen Gebiet vorkommen, und auch letztere findet sich (mit und ohne
Kürbisresonatoren) wenigstens über die gauze Provinz zerstreut. Das
') Lichtenstein I, 164.
») Johnston, British Central Africa. S. 467.
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Trommelfell ist durchweg mit Pflöcken befestigt. Am oberen Sambesi
und in Süd-Angola giebt es Sanduhrtrommeln und Reibetrommeln, am
oberen und mittleren Sambesi auch Doppelglocken.
Vorläufig ganz isolirt stehen die in der Südwestecke der Provinz
wohnenden Ovambo, der einzige Stamm derselben, der ein Saiteninstrument
ausser der Gubo besitzt und zwar die für die näcbste Provinz charakte-
ristische Kongo-Guitarre. Möglich ist es freilich, dass spätere Forschungen
dieses Iustrument auch anderswo in dem noch so unbekannten Hinterlande
von Angola nachweisen und damit eine Brücke von den Ovambo zu den
Völkern des Kassai und unteren Kongo schlagen. Bis dahin muss man
sich an die Thatsacbe halten, dass keiner der Beisenden, die eine Auf-
zahlung der angolensiscben Musikinstrumente geben, wie Magyar, 1 ) Tams,
Monteiro, Soyaux, ein anderes Saiteninstrument als den einfachen Bogen
kennen.
Die dritte Provinz, die Kongo-Provinz, umfasst, ihrem Namen
entsprechend, beinahe das gesammte Kongobecken, bis zum Tanganyika im
Osten, geht aber im Nordwesten noch bedeutend darüber hinaus und um-
schliesst hier auch noch das Gebiet des Ogowe, das südliche und westliche
Kamerun, Calabar und die Gegenden am unteren Niger und Benue.
Das Ogowe-Gebiet kann man allerdings nur mit einem gewissen
Vorbehalt hinzurechnen, seiuer Harfe nach mflsste es eigentlich der
nächsten Provinz zugezählt werden; es liegt hier eben ein Uebergangs-
gebiet vor, in dem Typen benachbarter Provinzen sich gemischt haben.
Man kann also zwei Hälften der Provinz unterscheiden, die durch die
Zwischenzone am Ogowe getrennt sind, eine Kongohälfte und eine
Nigerhälfte.
Gemeinsam sind diesen Gebieten die Guitarre von dem Typus der
Gruppe VI und die Raphia- und Rohrinstrumente, ferner die Sansa, höchst
wahrscheinlich auch die Holztrommd, deren Vorkommen am unteren
Niger allerdings ein wenig zweifelhaft ist (vgl. oben S. 98 f), ausserdem
die Doppelglocke; die Marimba ist am Niger sicher nicht vorbanden,
findet sich dagegen in der Kongohälfte der Provinz, wenn freilich auch
nur stellenweise. Was die Trommeln betrifft, so liegt die Grenze
zwischen den beiden Arten der Trommelbespannung mitten in der
Provinz; die Nigerhälfte gehört ganz ins Bereich der Schnurspannung,
Kamerun und die Ogowe- Landschaften in das der Keilspannung.
') Magyar bildet freilich ein solches Instrument mit 3 Saiten unter dem Namen
Kiasumba ab; ich »chliesse aber daraus, dass es in seiner Aufzählung der anRolensi-
»cheo Instrumente fehlt, dasn Magyar es auf seinen Reisen weiter im Innern, wohl im
Kawai-Gebiet, gesehen hat
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An Saiteninstrumenten ist die Provinz also nicht gerade arm, da sie
ausser der Kongo-Guitarre noch die Instrumente aus Raphia und Rohr
(Abb. 47, 48) besitzt, von der in das Ogowe-Gebiet eingedrungenen Bügel-
harfe ganz abgesehen. Aber die verstreute und unzusammenhängende
Verbreitung aller dirser Instrumente lässt darauf schliessen, dass wir es
hier durchweg mit zurückgedrängten und im Aussterben begriffenen In-
strumenten zu thun haben, die sich nur noch an wenigen geschätzten
Orten am Leben erhalten. Wie sie im Nordwesten vor der Harfe zurück-
gewichen sind, so sind sie im Südosten der Provinz, in Urua, durch die
ostafrikanischen Schaleninstrumente ersetzt worden. Aus weiten Bezirken
sind übrigens Saiteninstrumente überhaupt nicht bekannt, so aus Lunda
und aus weiten Gebieten im centralen Kongobecken.
Die Nord- und Ostgrenze der Provinz fallt ungefähr mit der bereits
beschriebenen der Sanea (vgl. S. 87) zusammen, die Südgrenze mit der
der Holztroromel (S. 98), so dass es überflüssig ist, dieselbe hier noch-
mals anzugeben.
An die Kongo-Provinz schliesst sich im Norden die vierte Provinz
an, die sich vom mittleren Benne und der Ostgrenze Kameruns an bis an
den Victoria Nyansa und den oberen Nil erstreckt. Ihr Charakteristikum
ist vor allen Dingen die Bügelharfe, die in Afrika nur hier vorkommt,
abgesehen von dem im Südwesten anschliessenden, bereits besprochenen
Ogowe-Gebiet, wo die Harfe bis an die Küste des atlantischen Ozeans
vorgedrungen ist. Ein zweites Saiteninstrument kommt nicht vor. Die
Blasinstrumente weisen keine charakteristischen Formen auf, die Trommeln
haben Schnurspannung, im Osten, in Uganda und Unyoro, kommt daneben
auch die Anpflöckung vor. Holztrommeln sind vorhanden, daneben sehr
grosse Holzglocken, beide aber nur in den mittleren Theilen der Provinz,
bei den A-Sandeh. Das zweite Hanptinstrument, das überall zu finden
ist, ist die Marimba, im Westen (Mbnm) und in der Mitte (A-Sandeh)
mit Kiirbisresonatoren, im Osten (Uganda) in der unvollkommneren Form
der Mandinda. Die Sansa ist nur in den westlichsten Grenzgebieten
(Mbum) anzutreffen.
West- uud Südgrenze der Provinz sind durch die Nordgrenze der
Kongo-Provinz gegeben, die Ostgrenze bildet der Nil zwischen dem Vic-
toria- und Albert-See, die Nordgrenze fällt im Osten mit der der Sandeh-
Stämme zusammen, weiter nach Westen zu, im Schari- und Benue-Gebiet,
ist sie unbestimmbar.
Oestlich von der Kongo- Provinz liegt die fünfte, die ostafrikanische
Provinz. Ihren Kern bildet Deutsch-Ostafrika, über dessen Grenzen sie
nur unbeträchtlich hinausgeht. Im Süden lässt sich die in portugiesischem
Gebiet verlaufende Grenze nicht mit Sicherheit bestimmen, im Westen
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bildet der Tanganyika die Grenze. Jedoch geht das für diese Proviuz
charakteristische Saiteninstrument, das Schaleninstrument, über den Tan-
ganyika hinaus und findet sich auch in Uemba, Marungu, Uguha und
Urua. Diese Landschaften bilden also ein Uebergangsgebiet zwischen den
beiden Nachbarprovinzen.
Das typische Saiteninstrument ist also, wie gesagt, das Schalen-
instrnment, das in seinen verschiedenen Formen überall vorkommt; da-
neben findet sich noch die Sese und an der Küste natürlich Instrumente
arabischen Ursprungs. Beide Arten der Trommelbespannung kommen
vor; die Befestigung mit Pflöcken ist wohl die Regel, doch ist die Schnur-
spannung ebenfalls sehr häufig und geht im Süden bis zum Nyassa.
Holztrommel und Sansa sind unbekannt, die Marimba kommt nur in ihrer
unvollkommenen Form ohne Resonatoren stellenweise, wie in Usaramo,
Useguha, Ungua, Usambara und Bündel', vor.
Diese fünf Provinzen umfassen zusammen ziemlich genau die von den
Bantu bewohnte Südhälfte Afrikas, wenn auch hie und da, besonders im
Nordwesten, Nichtbautu mit eingeschlossen sind. Die nächsten Provinzen
führen uns in den Bereich der Sudanneger und der Hamiten.
Seneganibion, die angrenzenden Länder der Oberguinea-Küste bis
Dahome, sowie die landeinwärts davon gelegenen, hauptsächlich von
Mandingo bewohnten Landstriche, die dem Flussgebiet des oberen Niger
angehören, bilden die sechste Provinz. Ihre Charakter- Instrumente
sind die Guitarren mit doppelter Saitenreihe und die Marimba, hier Balafo
genannt, die in den ostlichen Theilen zu fehlen scheint. Von Saiten-
instrumenten findet sich ausserdem noch in beschränkten Gebieten die
Kru-Harfe und die Kongo-Guitarre. Die Trommelfelle sind durch Schnüre
gespannt, die in verschiedener, durch die Abbildungen illustrirter Weise
befestigt sind. Sanduhrtrommeln mit Schnurspannung sind in dem grössten
T heile der Provinz heimisch. Anpflöckung ist höchst selten. Holztrommeln
werden nur aus Togo und von der Sierra Leone erwähnt. Die Sansa ist
unbekannt. Von Blasinstrumenten sind die Signalpfeifen mit Kreuzdurch-
bohrung zu nennen, die aber auch nur in einem Theil der Provinz an-
zutreffen sind. Doppelglocken finden sich anscheinend ebenfalls nur im
Osten. Die Nordgrenze wird durch die grosse Wüste gebildet, die Ost-
grenze ist unsicher; Togo scheint schon ein Uebergangsgebiet zum centralen
Sudan zu bilden, da die Marimba hier nicht mehr vorkommt.
Der nun als siebente Provinz folgende Centrai-Sudan von den
Haussa-Ländern bis Kordofan muss als der für unsere Untersuchung
dunkelste Theil Afrikas bezeichnet werden. Das Berliner Museum besitzt
ao gut wie gar keine Musikinstrnmente aus diesem Gebiet, und auch die
Litteratur, die gerade über diese Länder so treffliche Werke wie die von
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Barth und Nachtigal aufzuweisen hat, lässt uns fast völlig im Stich. So
bleibt es auch unentschieden, ob der centrale Sudan in Betreff der Musik-
instrumente eine einheitliche ethnographische Provinz darstellt oder noch
zu theilen ist. Es ist sehr möglich, dass spätere Untersuchungen mit
besserem Material die Provinz vollständig verschwinden lassen und unter
die benachbarten Provinzen auftheilen.
Charakteristisch ist wenigstens für den westlichen Theil die Sanduhr-
trommel, die man vielfach als Haussa-Trommel bezeichnet findet. Es ist
jedenfalls möglich, dass sie diesem Volke ursprünglich angehört, obwohl
sie hente weit über die eigentlichen Haussa-Länder hinausgeht und im
Süden bis an das Meer, nach der Gold- und Sklavenköste, ja, bis Sierra
Leone vorgedrungen ist. Sie scheint auch in Born u vorzukommen,
wenigstens erwähnt Nachtigal (l, 745) von dort in der Mitte stark ein-
geschnürte, auf beiden Seiten mit Fell bespannte Trommeln. Ueber die
Art der Trommelbespannung sagt er freilich weder bei diesen, noch bei
den von ihm ebenfalls aufgeführten cylindrischen Trommeln, von denen
die grösseren nur ein, die kleineren zwei Trommelfelle haben, etwas
Näheres. In Bagirmi giebt es Trommeln mit einem weiteren offenen und
einem engeren feil bespannten Ende (Nachtigal II, 607).
Ein ferneres, für den Centrai-Sudan bezeichnendes Instrument sind
die grossen, bis 1,5 m langen, nur den Königen zukommenden Posaunen
aus Blech oder Holz. Noch weniger kann ich über die Saiteninstrumente
angeben; der Umstand, dass Nachtigal ein solches, das er aus Bagirmi
anführt (II, 699), mit dem Namen »erbäba« bezeichnet, weist auf nord-
afrikanischen Ursprung hin. Von den Haussa erwähnt Staudinger grosse
und kleine Streichinstrumente mit 1, 3 und 4 Saiten und die häufigeren
Guitarren, besonders kleiue 3 und 2 saitige. ')
Oestlich seh Messt sich daran die achte Provinz, die die Länder des
oberen und mittleren Nils von Kavirondo und Ussoga bis Nubien abwärts
sowie das ostwärts davon liegende Abessinien und die Gebiete der Galla
»
uud Somäl, also das ganze Osthorn, umfasst. Das dieser Provinz eigeu-
thümliche Saiteninstrument ist die Lyra, neben der nur noch die Rabab
vorkommt. Die vorherrschende Trommelform ist die^ kegelstumpfförmige
mit Iiiemenspannung, die sich ja von hier aus weit in die nächstsüdlichen
Provinzen verbreitet hat. Daneben findet sich die halbkuglige Kessel-
pauke. Andere charakteristische Instrumente sind nicht vorhanden.
Der ganze übrigbleibende Rest des Festlandes bildet die neunte,
die nordafrikanische Provinz. Wie die hierzu gehörigen Länder, von
Marokko bis Aegypten, in ihrem gesammten Kulturbesitz einen weit
■) Im Lienen der Hausaaländer. Berlin 1889. S. 698.
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weniger afrikanischen als asiatischen Charakter zeigen und ethnographisch
als eine blosse Dependenz von Vorderasien anzusehen sind, so machen
auch die Musikinstrumente keine Ausnahme. Sie sind durchweg asiatisch
und zum grössten Theil wohl erst seit der arabischen Invasion in Afrika
eingebürgert. Streichinstrumente wie Rabab und Kemengeh und Guitarren
verschiedener Form repräseotiren die Klasse der Saiteninstrumente ; dazu
kommen Trommeln mit Schnurspannung, entweder kurz-cy Ii ndrisch, wie
unsere Militärtrommelu, oder halbkuglig wie Kesselpauken, letztere häufig
aus Metall. Alle speeifisch afrikanischen Instrumente, wie Sansa, Marimba,
« ■
Holztrommel, Doppelglocke, fehlen; auch der Musikbogen scheint nicht
vorzukommen.
Die zehnte und letzte Provinz endlich bildet die grosse Insel
Madagaskar; die für sie bezeichnenden Instrumente sind die Valiha und
die Sese.
Zum Schluss eine übersichtliche Zusammenstellung der zehn Provinzen
und der für jede hauptsachlich bezeichuenden Musikinstrumente:
Erste Provinz: Musikbogen (Gubo und Gorra).
Zweite Provinz: Gubo; Sansa; Trommeln mit Aupflöckung; Marimba
(nicht überall); Doppelglocken (nur stellenweise).
Dritte Provinz: Kongo-Guitarre; Raphia- und Rohrinstruraeute (beide
nur stellenweise); Sansa; Trommeln mit Anpflöcknng, Schnur-
spannung und Keilspannung; Holztrommel; Marimba (nicht überall) ;
Doppelglockeu.
Vierte Provinz: Harfe; Trommeln mit Schnurspannung; Holztrommel
(nicht überall); Marimba.
Fünfte Provinz: Schaleninstrumente (daneben die Sese); Trommeln mit
Anpflöckung und Schnurspannung.
Sechste Provinz: Mandingo-Guitarre; Trommeln mit Schnurspannung
(Sanduhrtrommeln) und Schnur- Pflock-Spannung (letztere lokal);
Marimba (nicht überall).
Siebente Provinz: (Saiteninstrumente?); Sanduhrtrommelu mit Schnur-
spannung.
Achte Provinz: Lyra; Trommeln mit Schnurspannung (Kesselpauken).
Neunte Provinz: Streichinstrumente (Rabab), Guitarreu (Ud); Kessel-
pauken.
Zehnte Provinz: Valiha und Sese.
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III. Entwicklung nnd Herkunft.
Die beiden ersten Abschnitte haben ein Bild von den Formen der
afrikanischen Musikinstrumente und von ihrer Verbreitung über den
Erdtheil zu entwerfen gesucht Die Darstellung ist in beiden Hinsichten
naturgemäss mit zahlreichen Lücken und Mängeln behaftet; aber unbe-
schadet aller späteren Verbesserungen nnd Zusätze ergiebt sie auch schon
in ihrer jetzigen unvollkommenen Gestalt eine ziemlich ausreichende
Uebersicht über die Typen und ihre heutige geographische Vertbeilung.
Es ist nun klar, dass Afrika nicht immer dasselbe Bild geboten hat wie
heute, sondern dass die gegenwärtigen Verhältnisse nur das letzte Er-
gebniss einer langen Reihe von Veränderungen sind, die sich unserer
Kennt niss wegen des gänzlichen Mangels aller historischen Ueberliefe-
rungen entziehen. Es sind im beschreibenden Theile schon mehrfach
Instrumente als arabisch oder asiatisch bezeichnet worden, weil die Ein-
führung derselben nach Afrika in neuerer Zeit erfolgt und uns geschicht-
lich bezeugt ist; aber diese Einwanderung kann nicht deswegen als die
einzige betrachtet werden, weil sie die einzige ist, von der wir direkt
Kunde haben; viel wahrscheinlicher ist, dass ihr andere, vielleicht viele
andere, vorangegangen sind. Ebenso ist es selbstverständlich, dass nicht
alle Typen von Musikinstrumenten einer Klasse selbstständig entstanden
Bind, soudern dass ein genetischer Zusammenhang zwischen ihnen besteht,
dass sich die komplizirteren und vollkommener ihrem Zweck angepassten
Formen aus einfachen, weniger differenzirten entwickelt haben. Wie
also diese Entwicklung vor sich gegangen ist und wo sie stattgefunden
hat, das sind die beiden Probleme, die noch der Lösung harren. Die
Beantwortung dieser Fragen ist aber, wie schon in der Einleitung hervor-
gehoben, nur möglich unter eingehender Berücksichtigung der Musik-
instrumente der ganzen Erde; wenn trotzdem im Rahmen dieser Arbeit,
die sich nur mit afrikanischen Instrumenten beschäftigt nnd nur nebenbei
einen vergleichenden Blick auf die benachbarten Erdtheile werfen kann,
ein Versuch dazu gemacht wird, so ist derselbe natürlich nur als ein
vorläufiger anzusehen und mit all den Vorbehalten aufzunehmen, die
unter solchen Umständen gemacht werden müssen.
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Instrumente, die sich als unafrikanisch erweisen, könnten auf zweierlei
Weise nach Afrika gelangt sein, entweder im Gefolge von Völkerwande-
rungen, von erobernd eindringenden Stämmen, wie es der Fall ist bei
den arabischen Instrumenten, die die islamitische Eroberung mit sich ge-
bracht hat, oder sie können auf dem Wege friedlichen Verkehrs sich ver-
breitet haben. Welcher von beiden Fällen vorliegt, läset sich, wo die
geschichtlichen Ueberlieferungen versagen, auf Grand der Untersuchung
der Musikinstrumente alkin nicht entscheiden; dazu gehörte eine ein-
gehende Prüfung des gesammten Kulturbesitzes, sowie der linguistischen
und authropologiscben Verhältnisse.
Weniger im Zweifel kann man von vornherein über die Heimath der
nichtafrikanischen Musikinstrumente sein; es kommt der ganzen Lage
nach eigentlich nur Asien in Betracht; auch Einwirkungen von anderen
Erdtheilen, wie Oceanien, falls sie überhaupt stattgefunden haben, müssten
ihren Weg über Asien genommen haben.
Beginnen wir mit den Saiteninstrumenten. Schon die Reihenfolge
der Gruppen im beschreibenden Theil giebt im allgemeinen ein ungefähres
Bild des genetischen Zusammenhanges; mit einfachen Instruineuten be-
ginnend, schreitet sie allmählich zu immer vollkommeneren fort. Das Bild
wird aber dadurch getrübt, dass nicht eine einzige Entwicklungsreihe
vorliegt, sondern die Linie sich verzweigt und auch Parallelreihen
auftreten.
Dass der Musik bogen als das älteste der afrikanischen Saiten-
instrumente anzusehen sei, dürfte wohl keinem Zweifel begegnen; dafür
spricht ausser seiner primitiven Konstruktion, die man sich einfacher nicht
vorstellen kann, auch seine Verbreitung über fast den ganzen Kontinent
mit Ausnahme des gänzlich asiatisirten Nordens und sein vielfach be-
zeugtes Vorkommen neben den anderen, höber entwickelten Formen von
Saiteninstrumenten, es spricht endlich dafür die Thatsache, dass der
kulturarme, zurückgebliebene Süden kein anderes Saiteninstrument als den
Bogen kennt. Man kann gewissermaßen mehrere Kulturschichten über
einander wahrnehmen, von denen die unterste durch den Musikbogen
dargestellt wird. Wohlhabendere benutzen die neueren, vollkommeneren,
aber auch kostspieligeren und schwieriger anfertigenden Instrumente,
der Aermere, vielleicht auch die Kinder, begnügen sich mit dem urtüm-
lichen Bogen, den sich jeder selbst ohne Mühe und Kosten her-
stellen kann.
Die Ersetzung der biegsamen Rute durch einen starren Stab, wie
bei der Sese, ist als wesentlicher Fortschritt wohl kaum aufzufassen,
obwohl der Umstand, dass die Elasticität des Bogens doch mit der Zeit
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nachlässt, als Uebelstand empfunden werden mag. Wichtiger ist es
jedenfalls, dass die Sese die Anbringung von mehr als einer Saite ge-
stattet, was freilich auch beim Bogen nicht unmöglich wäre, aber that-
sächlich niemals versucht worden zu sein scheint Weit mehr aber, als
die beiden Gruppen durch diese vergleichsweise unerheblichen Unterschiede
getrennt werden, werden sie zu einer Eiuheit zusammengefaßt und allen
anderen Saiteninstrumenten gegenübergestellt durch ihre im Princip
identische Konstruktion: eine längs eines Stabes gespannte Saite und
daran ein lose angehängter Resonanzkürbis.
Die weitere Entwicklung kann nun in folgenden Richtungen vor sich
gehen : es kann einmal eine innigere Verbindung der einzelnen Theile des
Instruments — - des Saitenträgers mit dem Resonator — angestrebt
werden und zweitens eine Vermehrung der Saiten; hierbei können die
Saiten an dem Saitenträger übereinander angebracht werden, oder ea
kann eine Vorrichtung getroffen werden, die es ermöglicht, die Saiten
neben einander zu befestigen. Alle diese Möglichkeiten sind, wie wir
bei der Beschreibung der Instrumente bereits gesehen haben, in Afrika
zur Wirklichkeit geworden.
Ehe wir aber dieser Entwickelung im Einzelnen nachgehen, müssen
wir noch einmal zum Musikbogen zurückkehren, um einen Augenblick
einen Nebeuweg zu verfolgen. Der Ton wird bei diesem erzeugt durch
Berühren der Saite mit eiueni Stabchen, einem Plektron. Da derselbe
aber sehr leise ist, so dieut zum Verstärken ein Kürbis oder die Mund-
höhle des Spielers, durch deren grössere oder kleinere Oeffuuug der Ton
modifizirt wird. Die Beobachtung kann nicht ausbleiben, dass auch der
Luftstrom beim Ein- und Ausathmeu die Saite zum Tönen bringt, und
nun wird der Bogen znr Maultrommel: man bläst auf die Sehne und
modifizirt den Ton mit einem Stäbchen oder mit den Fingern. Das scheint
vielfach in Afrika der Fall zu sein, aber nur an einer Stelle hat die Ent-
wicklung einen Schritt weiter gethan und zwar bei den verachteten Busch-
männern und Hottentotten, in der Gorra. Die Einschaltung der breiten
Federspule gestattet dem Athem eine viel stärkere Wirkung als die dünne
Schnursehne und verstärkt so den Ton des Instruments.
Der Uebergang vom Musikbogen zur Maultrommel, also von einem
Saiteninstrument zu einem Blasinstrument, scheint mir hier klar vor Augen
zu liegen; ich möchte noch hinzufügen, dass wir eine Parallelerscheinung
dazu in der Sansa und der indonesisch-oceanischen Manltrommel haben.
Wie dort die Saite, so wird hier eine elastische Zunge aus Bambus oder
ähnlichem Material einmal durch Wegschnellen mit den Fingern, im andern
Fall durch Anblasen zum Schwingen gebracht. Einen genetischen Zu-
sammenhang zwischen beiden will ich natürlich nicht behaupten.
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Weiter als bis zur Gorra ist die Entwicklung in Afrika nicht ge-
gangen, und auch die Verbreitung derselben ist auf ihre Erfinder und
deren nächste Nacbbaren beschränkt geblieben.
Kehren wir nach dieser Abschweifung zur Entwicklung der Saiten-
instrumente zurück. In der dritten Grnppe sind zuerst die beiden Theile
des Instruments fest zu eiueni Ganzen verbunden, indem der Saitenträger
durch den der Schallverstärkung dienenden Hohlkörper hindurchgesteckt
wird oder beide Theile aus einem Stück gearbeitet werden. Dieser Ur-
typus tritt uus nun weiterhin in zwei Modifikationen entgegen, die beide
denselben Zweck, nämlich die Vermehrung der Saitenzahl, in verschiedener
Weise erreichen. Entweder der Saitenträger ist gekrümmt; er gestattet
dann ohne Weiteres die Anbringung einer grosseren Anzahl Saiten, die
von ihm nach dem Resonanzkasten hin gezogen werden können; es ent-
steht so die Bügelharfe, die Instrumente der Gruppe V. Oder der Stab
ist gerade oder nur sehr schwach gebogen; dann bat man sich damit ge-
holfen, dass man auf der Oberfläche des Resonators ein Brettchen oder
dergleichen aufstellte, einen Steg, der mit Einkerbungen zur Aufnahrae der
Saiten versehen ist und so die letzteren vom Resonanzboden und von ein-
ander entfernt hält. Je nachdem die Einkerbungen auf der oberen Kante
oder an den Seitenkanten des Steges liegen, erhält man die Instrumente
der Gruppen III bc oder IV.
Damit scheint die direkte Fortbildungsmöglichkeit des Bogens er-
schöpft zu sein, und doch hat man in Afrika noch einen Weg gefunden,
um aus dem einsaitigen Ursaiteninstrument vollkommenere mehrsaitige
Instrumente zu schaffen, indem man nämlich, diu die Saitenzahl vermehren
zu können» auch die Zahl der Saitenträger vervielfachte. Man nahm also
gewissermassen eine Anzahl Musikbogen und befestigte sie an einem ge-
meinsamen Resonanzkasten. So kann man sich wenigstens die Iustrumente
der Gruppe VI entstanden denken.
Wie wohl überhaupt die Fruchtschale, und insbesondere der Kürbis
als die am leichtesten zn erhaltende und zu bearbeitende, zunächst allge-
mein als ältester Resonanzapparat gedient hat, so ist er sicherlich auch
bei diesen Instrumenten dem jetzt vorwiegend angewandten Holzkasteu
vorausgegangen. Da aber ein Anbinden der Saitenträger an die glatte
runde Kürbisschale nicht gut möglich ist, so dürften die Instrumente mit
hindurchgesteckten Stäben wohl als die ältesten auzusehen sein; ein solches
ist das oben (S. 80) erwähnte, von Binger beschriebene. Diese Erwähnung ist
freilich der einzige Beleg für die Existeuz eines derartigen Instruments
mit Kürbisresonauz, die sonst immer durch einen Holzresouator ersetzt
ist; aber auch hier findet sich zuweilen noch die alte Befcstignngsweise
der Saitenträger (vgl. Abb. 32).
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— Uß -
Zur Unterstützung der hier skiz/.irten Entwicklung kann man viel-
leicht das in Abb. 3 dargestellte Instrument herbeiziehen. Denn man
braucht sich nor anstatt des einen Bogens drei durch den Kürbis ge-
steckte Bogen zu denken ond man hat (abgesehen von der Hindureb-
ziehung der Saite durch das Resonanzfell) die von Binger beschriebene
Bambara-Guitarre.
Nicht mehr in diese Entwickelungsreibe hineinzubringen sind die
Instrumente der folgenden Gruppen.
Die Lyren der Gruppe VIII und das Saiteninstrument der Kru,
Gruppe VII, haben sich jedes in seiner Weise, ans 3 Stäben zusammen-
gesetzte Gestelle als Saitenträger konstruirt, die man wohl nicht ohne
Zwang aus dem Bogen wird ableiten können. Ebensowenig scheint das bei
den Schaleninstrnmenteu der Gruppe IX der Fall zu sein, und man kann es
für richtiger halten, für diese Instrumente einen zweiten Ausgangspunkt
der Entwicklung anzunehmen, nämlich eine Platte, ursprünglich vielleicht
ein Stück Rinde oder ein Fragment einer grossen Fruchtschale, über
welche die Saiten in einer Ebene nebeneinander ausgespannt wurden.
So würden wir, ausgehend von einem zweifachen Anfang, dem Stock
und dem Brett als Träger der Saiten, beide in Verbindung mit einem
Schall Verstärkungsapparat, die ganze Mannigfaltigkeit der afrikanischen,
ja wohl überhaupt aller Saiteninstrumente erhalten.
Vielleicht aber lassen sich auch die •Schaleninstrumente auf den
Musikbogen, oder richtiger gesagt, das einfache eiusaitige Saiteninstrument
zurückführen. Einen Anhalt dazu geben die Instrumente der Gruppe X,
die aus Rohrhalmen zusammengesetzt sind. Freilich hat nicht jeder Halm
seine eigene Saite, wie man voraussetzen müsste, aber die Ersetzung der
vielen einzelnen Saiten durch eine einzige, hin und zurück gespannte
Schnur ist eine leicht zu verstehende Vereinfachung. Diese Instrumente
würden dann eine Parallele zu den Kongo-Guitarren bilden: beide ent-
standen durch Zu8ammenfügung von mehreren einsaitigen Stab- resp.
Bogeninstrunienten zu einein mehrsaitigen Instrument
Aber lassen wir die Frage, ob das Schaleninstrument aus dem Rohr-
stabinstrument hervorgegangen ist oder ob beide nebeneinander hergehende
Versuche zur Losung des Problems der Saiten Vermehrung sind, dahin-
gestellt.
Ebenso schwer zu beantworten ist die Frage nach der Entstehung
der Lyra. Man könnte sie als Schaleninstrumente auffassen, die durch ein
Gestell zur Saitenanbringnng erweitert sind: indessen wird diese Ver-
muthung durch keine Uebergangsformen unterstützt Der Wahrheit kommt
man vielleicht näher, wenn man die Lyra mit den Guitarren in Verbin-
dung bringt und sie als einen zweiten Versuch neben den westsudane-
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sischen Guitarren (Abb. 16 — 18) betrachtet, auf anderm Wege als diese zu
einer Vermehrung der Saiten zu gelangen. Jene erreichen dies Ziel durch
Einschaltung eines Steges, diese durch Verbreiterung des Saitenträgers.
Für die Richtigkeit dieser Ableitung spricht auch die Befestigung der
- Saiten an Lederringen und die — wahrscheinliche — gemeinsame asiatische
Herkunft.
Ganz abseits stehen die Instrumente der elften Gruppe. Sie bilden
aber eine interessante Parallele zu den bisher betrachteten Abtheilungen,
indem man bei ihuen dieselben beiden Grundprincipicn in der Konstruktion
nachweisen kann, wie bei jenen, nämlich das Stabprincip und das Brett-
princip, wenn man so sagen darf. Dem ersteren gehören die Valiha der
Madagassen und das Raphia-Instrument der Fan an, die somit den Gruppen
I — V analog sind, dem zweiten die Rohriustruraente der Gruppe XI b,
entsprechend den Brett- oder Schaleninstrumenten der Gruppen IX und X.
Das ist interessant, weil es zeigt, wie trotz des verschiedenartigen Materials
und der dadurch bedingten abweichenden Ausgestaltung doch in beiden
Fällen derselbe Grundgedanke sich geltend macht.
Wir erhalten also folgendes Schema der Entwicklung der Saiten-
instrumente:
Erste Reihe: Musikbogen (Gr. I), Sese (Gr. II).
Zweite Reihe: Musikbogen (Gr. I), Guitarren, Rabab etc. (Gr. III), Man-
dingo-Guitarre (Gr. IV), vielleicht auch Lyra (Gr. VIII).
Dritte Reihe: Musikbogen (Gr. 1), Harfe (Gr. V).
Vierte Reihe: Musikbogen (Gr. I), Kongo- Guitnrre (Gr. VI).
Fünfte Reihe: Musikbogen (Gr. I), Rohrinstrumente der Gr. X, Schalen-
instramente (Gr. IX).
Problematisch bleibt die Stellung der Kru- Harfe (Gr. VII), während
die Bambus- und Raphia- Instrumente (Gr. XI) eine Klasse für sich bilden.
Die naheliegende Frage, welche von den beiden Parallelgruppen als
die ältere anzusehen sei, ob die Verwendung des Rohres, des Bambus und
der Raphia derjenigen des Holzes vorangegangen sei oder umgekehrt,
lässt sich mit Sicherheit natflrlich nicht beantworten. Allerdings spricht
manches für die Priorität der Rohrinstrumente. Der Musikbogen, so
einfach er ist, setzt doch mehr voraus, als z. B. die Valiha. Zu letzterer
gehört nur ein Stück Bambusrohr, dieses liefert sowohl Saiten träger als
Saiten; der Bogen aber erfordert ausser dem biegsamen Stabe auch einen
als Saite brauchbaren Faden, und wenn auch die Natur dem Menschen
genug verwendbares Material in allerlei Faserstoffen bietet, so gehört
doch eine nicht leicht zu erwerbende Erfahrung dazu, das Geeignete
herauszufinden. Vor Allem aber ist die anderweitige Verwendung solcher
Kastrstoffe schon vorauszusetzen, da der Mensch dieselben doch sicherlich
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nicht zuerst bei der Konstruktion von Musikinstrumenten verwendet haben
wird. Noch eher ist die Priorität der Rohrinstrumente wohl bei den nach
dem Brettprincip koustruirten Instrumenten anzunehmen; denn die Her-
stellung eines Holzbrettes mit unvollkommenen Werkzeugen erfordert viel
mehr Mühe und Arbeit als das Znsammenbinden von Bohrstaben zu
einer Platte.
Am meisten aber spricht für das höhere Alter der Rohriustrninente,
wenigstens in Afrika, die geographische Verbreitung derselben. Schon
ihr zerstreutes Vorkommen lässt darauf schliessen, dass man in ihnen
Ueberbleibsel einer alteren Kulturschicht vor sich hat, die sich nur in
abseits vom Strom der Geschichte gelegenen Winkeln in kümmerlichen
Resten erhalten hat, und in der That sind diese Gebiete solche Zuflochts-
orte, in denen sich auch sonst manches Alterthümliche erhalten hat. Das
ist einmal das Gebiet um die Biafra-Bay herum von Gabun bis zum
Niger mit seinen Rapbiaharfen- und Rohrhalmcithem und dann der zweite
Verbreitungsbezirk der letzteren im innersten Afrika. Beide gehören
derselben Provinz, der Kongo- Provinz an, die, wie wir spater sehen
werden, am wenigsten von fremden Einflüssen berührt worden ist, und
sind durch ihre Lage an der Westküste, an der igeschichtslosen Seite«
Afrikas und am Rande des grossen centralafrikanisehen Waldes noch
ganz besonders vor äusseren Einwirkungen geschützt worden. Etwas
anders steht es mit der dritten Art dieser Instromente, der Valiha, die
sich nur in Madagaskar findet und ganz zweifellos als Import der malai-
ischen Beherrscher der Insel anzusehen ist. Da wir nicht wissen, wann
die Einwanderung der Hova stattgefunden hat, und welche Kultnr sie
auf der Insel vorgefunden haben, so kann man ebensowohl annehmen,
dass die Valiha das ursprünglichste Saiteninstrument Madagaskars ist,
als auch, dass es als spaterer Eindringling früher vorhandene Instrumente
verdrängt hat. Jeienfalls hat die Inselnatur Madagaskars wie andere
Eigentümlichkeiten so auch dies Nationalinstrument der Hova schützend
bewahrt; jetzt freilich, wo europäische Instrumente auf Madagaskar Ein-
gang und Beifall gefunden haben, dürften auch die Tage der Valiha
gezahlt sein.
Die angeführten zu Gunsten der Priorität der Rohrinstrumente
sprechenden Gründe lassen keinen entscheidenden Schluss zu; ein solcher
wäre nur möglich in Verbindung mit einer Lösung des Problems der
Erfindung der Saiteninstrumente überhaupt, d. h. des Problems, wie der
Mensch dazu kam, eine gespannte Saite zur Erzeugung musikalischer
Töne zu verwenden. Ehe ich auf diese Frage mit einigen Worten ein-
gehe, kehre ich noch einmal zu der oben geschilderten Entwicklung der
Saiteninstrumente zurück. Ob man einen einfachen Ausgangspunkt, den
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Bogen, oder einen doppelten, Bogen und Brett, annimmt, im Allgemeinen
dürfte der oben skizzirte Entwicklungsgang keinen ernstlichen Bedenken
unterliegen. Im Einzelnen, wie z. B. in betreff der Herleitung der Lyra,
kann man allerdings Zweifel hegen, deren Beseitigung bei diesen In-
strumenten asiatischer Abstammung nur bei genauer Kenntniss und
Berücksichtigung der heimathlichen Verhältnisse möglich ist. Ob aber
diese Entwicklung ganz auf afrikanischem Boden stattgefunden hat, also
dort, wo wir jetzt ihre Endprodukte finden, oder ob einzelne Instrumente
aus anderen Erdtheilen eingewandert sind, und wo ihre Heimath zu
suchen ist, das ist eine Frage, die wir jetzt zu erwägen haben und
deren Beantwortung für die afrikanische Kulturgeschichte von höchster
Wichtigkeit ist.
Geschichtliche Nachrichten fehlen uns, wenn wir von Nordafrika
absehen, ganz; ist die Kunde von der Geschichte Afrikas in vergangenen
Jahrhunderten im Allgemeinen schon überaus dürftig und verworren, so
hat eich kaum ein Berichterstatter bis in die neueste Zeit hinein die
Muhe genommen, solchen Kleinigkeiten, wie dem Auftreten und Ver-
schwinden einzelner Bestandteile des Kulturbesitzes irgendwelche Auf-
merksamkeit zuzuwenden. Wir sind also ganz auf das angewiesen, was
sich aus dein heutigen Befund herauslesen lässt.
Hier ist es nun vor Allem die geographische Verbreitung der ein-
zelnen Formen, auf die wir unser Augenmerk zu richten haben. Dass
dieselbe in ihrer im vorigen Abschnitt geschilderten Ausprägung, in der
Dicht nur jedem Instrument ein bestimmter Verbreitungskreis zukommt,
sondern auch die Aufstellung von hinreichend scharf charakterisirten
ethnographischen Provinzen sich als möglich zeigt, kein Werk des Zufalls,
sondern nur ein Ergebniss gewisser, uns unbekannter historischer Ereig-
nisse sein kann, ist an und für sich selbstverständlich. Es fragt sich nun,
ob es möglich ist, aus diesen Verbältnissen auf die ihnen zn Grunde
liegenden Geschehnisse zurückzuschliessen, oder mit anderen Worten, ob
und wie weit man aus der räumlichen Verbreitung die zeitliche Aufeinander-
folge der Saiteninstrumente erschliessen kann.
Beginnen wir unsere Betrachtung mit der nordafrikanischen
Provinz. Der ethnographische Charakter derselben ist, wie schon mehr-
fach hervorgehoben, ein durchaus westasiatischer; alle Saiteninstrumente
stammen dementsprechend aus Vorderasien. Bei den beiden ägyptischen
Streichinstrumenten, der Rabab und der Kemengeh, zeigen dies schon die
Namen, die persischen Ursprungs sind; und wie diese, so sind auch die
beiden anderen Saiteninstrumente, die Laute und der citherartige Kanün, .
aus Asien eingewandert. Und zwar ist diese Einwanderung verhältniss-
mässig neuen Datums, sie fällt nämlich mit der arabischeu Invasion zu-
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sammeii. Es mögen freilich auch schon vorher im friedlichen Verkehr
asiatische Instrumente im Nillande Fuss gefasst haben, aber zur end-
giltigen und vollständigen Herrschaft sind sie wohl erst gelangt im
Gefolge der islamitischen Eroberung, die auch auf diesem Gebiet wie
auf den meisten Übrigen die Reste altägyptischer Kultur vertilgte und
durch die neue vorderasiatische ersetzte. Jedenfalls lässt sich erweisen,
dass das alte Aegypten keines der heute dort gebräuchlichen Saiten-
instrumente kannte, denn durch die Wandgemälde der alten Tempel und
Gräber sind wir auch über die altägyptischen Musikinstrumente in aus-
gezeichneter Weise unterrichtet.
Die hauptsächlichsten Saiteninstrumente der alten Aegypter
waren Harfe, Lyra und Guitarre. l ) Die Harfe kam in zwei Grössen
vor; die halbgrosse mit 6 — 7 Saiten wurde sitzend gespielt, die grosse,
von Mannshöhe, mit bis zu 20 Saiten, stehend. Eine kleine endlich, die
auf der. Schulter getragen wurde, taucht erst im neuen Reich auf. Die
Formen der Harfe waren sehr maunigfaltig (vgl. die Abbildungen bei
Wilkinson), Resonanzboden und Saitenträger oft kunstvoll geschnitzt und
bemalt; die Saiten waren an Wirbelu, die in dem bügelförmig gebogenen
Saitenträger steckten, befestigt nnd von hier nach dem Resonanzkörper
gespannt. Eine Abart der Harfe, bei der Resonanzkörper und Saiten-
träger nicht einen Bogen bilden, sondern in einem manchmal sehr
spit7en Winkel znsammenstossen, findet sich erst im neuen Reich und
stammt wohl aus Asien; dafür. spricht wenigstens die grosse Aehnlichkeit
dieses Instruments mit der assyrischen Harfe (Abb. bei Wilkinson
Abb. No. 235, 236 (I, 469), 238 (I, 470) und bei Engel, The music
of the most ancient Nations. London 1870. Fig. 3 u. Fig. 10). Die
Harfe ist das älteste ägyptische Saiteninstrument und lange Zeit das
einzige; spat erst tritt als zweites die Lyra hinzu, um im neuen
Reich Modeinstrument zu werden. Dieses Instrument ist zweifellos nicht
in Aegypten erfunden, sondern aus Asien importirt; sehr bezeichnend ist
die Thatsache, dass die Leier vor der 18. Dyuastie nur einmal auf einem
ägyptischen Denkmal erscheint, und hier nicht in den Händen eines
Aegypters, sondern in deneu eines Tribut bringenden semitischen Be-
duinen.') Da dasselbe Instrument ausserdem auch häufig auf assyrischen
Skulpturen sich findet, so scheint es wohl sicher, dass wir seine Er-
findung oder zum mindesten seine Verbreitung nach Afrika hinein den
Semiten zuzuschreiben haben.
') Die folgenden Angaben entstammen im Wesentlichen den Werken von Wilkinson,
Tbe Manners and Customs of the Ancient Egyptians. London 1878, nnd Erman, Aegypten
und ägyptisches Leben im Alterthum. Tübingen 1886.
«) Wilkinaon I, PI. XII.
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- 121
Ausser diesen beiden HaoptiDstrumeuten keuneu wir aus Altägypten
noch eine Guitarre (»neferc) mit 1 — 3 Saiten. 1 ) Sie hatte einen ovalen
Körper, gaoz ans Holz oder mit Leder fiberzogen, und einen langen
geraden Saitenträger, an dein die Saiten, wie es scheint, nicht an
Wirbeln, sondern an Lederringen befestigt waren. Ein ganz ähnliches
Instrument findet sich auch einmal auf einem assyrischen Relief
(Engel Fig. 12). Es gleicht augenscheinlich ganz der heute in Vorder-
asien und Indien verbreiteten Tambura. Ennan meint, die Aegypter
hätten anch dieses Instrnment von den Semiten übernommen; 1 ) dem
widerspricht aber die Thatsache, dass das Bild dieser Laute als Hiero-
glyphe schon in sehr alten Zeiten vorkommt. Dass die Laute sich
— wenigstens in früherer Zeit — so selten auf ägyptischen Denk-
mälern fiudet, liesse sich vielleicht dadurch erklären, dass sie als
das augenscheinlich primitivste der ägyptischen Saiteninstrumente das
Instrnment der kleinen Leute war, das natürlich, wie alles was den
unteren Volksklassen angehört, weniger oft bildlich dargestellt wurde
als die Harfe der Grossen und der Priester. t Wenn man sonach die
Laute als das primitivste und also wohl auch älteste ägyptische Saiten-
instrument aussprechen durfte, so würde dazu auch die heutige geogra-
phische Verbreitung stimmen, denn kein Instrument ist so weit nach
Westen vorgedrungen wie sie.
Alle diese Instrumente sind heutzutage, wie schon gesagt, aus Aegypten
verschwunden und durch neue, ganz anders geartete ersetzt; nur an Stelle
der Guitarre ist ein Instrument derselben Gattung, aber von weit voll-
kommenerer Konstruktion, getreten, die vorderasiatische Laute (rtd).
Ebenso verhält es sich in dem übrigen Theile von Nordafrika, nur dass
wir nicht wissen, wie dort die Vorgänger der heutigen arabischen
Saiteninstrumente ausgesehen haben; sicher ist nur, dass auch hier der
gegenwärtige Zustand erst durch die islamitische Eroberung geschaffen
worden ist.
Aber gänzlich aus Afrika verschwunden sind darum die antiken
ägyptischen Saiteninstrumente doch nicht; nur aus den Ländern des
Nordrandes sind sie verdrängt, wenden wir unsere Blicke aber weiter
südwärts, so finden wir sie sänimtlich wieder, die Harfe, die Lyra und
die Gnitarre. Die geographische Verbreitung dieser drei Instrumente ist
schon früher geschildert worden (vgl. S. 78 u. 81 und Karte I); es genügt
hier darauf aufmerksam zu machen, dass dieselben einen breiten, südlich
der grossen Wüste quer durch den ganzen Erdtheil ziehenden und etwa
bis zum Aequator reichenden Landgürtel erfüllen. Die Vertheilung der
•) Wilkinson I. Abb. No. 246-249
«) Ennan I, 343
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drei Instrnmente in diesem ungeheuren Gebiet lBt eine äusserst charak-
teristische: die Harfe und die Guitarre, die, wie wir sahen, die ältesten
ägyptischen Saiteninstrumente sind, erscheinen am weitesten nach Süden
und Westen zurückgedrängt; erstere tritt ausserhalb ihres Hauptbezirks
nur noch sporadisch im Westen des Niger auf, die Guitarre ist haupt-
sächlich im westlichen uud centralen Sudan heimisch; die Leier endlich,
das jüngste der drei Instrumente auf afrikanischem Boden, findet
sich, entsprechend seinem semitischen Ursprünge, in den Arabien
gegenüberliegenden Grenzländeru Afrikas, Nubien, Abessinien, dem
Osthorn u. s. w. Auch in Einzelheiten der Konstruktion stimmen
diese Instrumente mit ihren altägyptischen Vorbildern noch immer
übereiu: die Waganda, Niam-Niam, Mbum etc. befestigen die Saiten
ihrer Harfen ebenso an Wirbeln, wie es die alten Aegypter thaten;
die Saiten der Guitarre dagegen werden auch heute noch an um den
Saitenträger gewickelte Lederriemen mit lang herabhängenden Enden
gebunden, wie es auch im Alterthum der Fall gewesen zu sein scheint
(vgl. Wilkinson I, No. ^10, 212, 213, 248, Engel, Music of the most
ancient Nations, Fig. 12). Auch sonst gleicht die heutige afrikanische
Harfe in ihrer Gestalt ganz den kleinen ägyptischen Instrumenten, von
denen mehrere erhalten sind; einige von diesen 1 ) haben genau die Form,
die Schweinfurth bei den Harfen der A-Sandeh »löffeiförmig« genannt hat.*)
Es ergiebt sich also, dass alle Saiteninstrumente der Provinzen IV,
VII, VIII und IX und vielleicht auch VI, soweit sie nicht zugleich mit
dem Vordringen des Islam sich in Afrika verbreitet haben, völlig identisch
sind mit den Instrumenten der Bewohner des alten Aegypten. Ein direkter
Beweis dafür, dass diese Instrumente von Aegypten her über die ganze
Nordhälfte von Afrika sich verbreitet haben, läsgt sich freilich nicht er-
bringen; aber es ist auch nicht zu leugnen, dass ein solcher Vorgang
äusserst wahrscheinlich ist. Dafür spricht besonders eben die schon er-
wähnte gegenwärtige Lage der Verbreitungsgebiete der einzelnen Instrn-
mente; wenn auch die Grenzen in Wirklichkeit etwas anders verlaufen
mögen, als sie auf Karte I eingetragen sind, besonders im centralen Sudan,
so ist doch die Thatsache unverkennbar, dass die ältesten Instrumente
am weitesten nach Süden und Westen zurückgedrängt sind, während die
neueren den Norden und Osten einnehmen. Auch der Weg der Aus-
breitung wird uns klar: er ist durch den Lauf des Nils gegeben. Die
Lyra als der jüngste Ankömmling beherrscht heute die Nilländer von
den Grenzen Aegyptens bis zum Victoria Nyansa, hat aber das Gebiet
') Wilkinson I, No. 239, 240 (1, 2).
Resonanzböden mit nach innen geschweiften Seiten, wie bei den A-Sandeh,
scheinen in Alt-Aegypten nicht vorgekommen zu sein.
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— 123
dieses Flusses nach Westen hin nicht überschreiten köunen; vor der Lyra
ist die Harfe diesen Weg hinauf gezogen und bat früher sicher am Nil
eine viel grössere Verbreitung gehabt, während sie ihn jetzt nur noch
ganz im Süden, in Uganda, erreicht. Dafür hat sie Zeit gehabt, sich viel
weiter nach Westen aoszudebnen und sogar den Ozean zu erreichen.
Dieser Tbeil ihres Gebietes ist übrigens wohl eine ganz neue Eroberung
und dürfte in Zusammenhang stehen mit dem oft geschilderten Vordringen
der unter dem Namen Fan zusammengefaßten Inlandstämme nach der
Küste des Atlantischen Ozeans. Dieses Vordringen, bei dem übrigens die
Fan wohl nicht die Ersten, sondern nur Nachfolger der jetzt von ihnen
verdrängten und aufgeriebenen Stämme am Ogowe und an der Gabunküste,
wie der Mpongwe, Oschekiani, Akelle etr., sind, hat die Kongo-Provinz
in zwei ungleiche Theile gespalten. Die Lante endlich, das vermutlich
älteste Saiteninstrument Aegyptens, ist in den westlichen Sudan zurück-
geschoben und hat es hier zu einer eigenartigen Entwicklung gebracht.
Das Instrument, dessen Entstehung ich hier im Auge habe, ist die
Gnitarre der Mandingo und Aschanti (Gruppe IV). Man kenn sich diese
Instrumente aus der Laute dadurch entstanden denken, dass, um dem Be-
streben nach Vermehrung der Saitenzahl zu genügen, ein Steg eingeschaltet
wurde mit Einkerbungen an beiden Seiten. Man erhält dann ohne Weiteres
aus der Laute ein Instrument wie das von den Bissagos- Inseln (Abb. 18).
Dass diese Guitarren in der That aus einem Instrument von der Art der
Gruppe III hervorgegangen sind, halte ich für zweifellos; das brauchte
freilich nicht die ägyptische Laute zu sein, sondern es konnte sich auch um
ein Instrument etwa wie Abb. 6 oder 7 handeln. Dann hätten wir ein
nrafrikanischea Instrument vor uns. Dafür spricht auch die über-
wiegende Verwendung pflanzlicher Saiten.
Damit ist die Sphäre ägyptischen Einflusses umschrieben ; weiter nach
Süden ist, wenigstens soweit die Saiteninstrumente in Betracht kommen,
keine Spnr von Einwirkung der altägyptischen Kultur aufzufinden.
Die Provinz V besitzt zwei Saiteninstrumente, die Sese und die
Schaleninstrumente. Die Erstere ist sicher noch nicht allzulange in
Afrika heimisch, wie ihre Verbreitung hauptsächlich in deu Küstenland-
schaften beweist; ihre Heimath ist zweifellos Indien, wo sie unter dem
Namen Vina eines der ältesten und noch heute verbreitetsten uud belieb-
testen Saiteninstrumente ist. Allerdings steht z. ß. die in Bengalen ge-
bräuchliche Vina mit ihrem schön geschnitzten Saitenträger und den ver-
zierten Resonanzkörpern, was die Ausführung betrifft, hoch über der vi>r-
bältnissmässig recht primitiven Sese; aber in Südindien giebt es einfachere
Instrumente, die sich im Aussehen den afrikanischen beträchtlich nähern;
eine im Berlin« r Museum befindliche Vina der Kandha (Koudh) stimmt
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- 124
sogar in der Art der Befestigung der Resonanzkürbisse, die auch aas zwei
Stocken besteben, wie in Afrika, ganz mit ihnen uberein. Hervorzuheben
ist, dass die indischen Instrumente stets zwei Resonatoren haben, im
Gegeusatz zu den afrikanischen, die sich mit einem begnügen.
Es stände nun nichts im Wege, einen direkten Import dieses In-
struments aus Indien nach der Sansibar-Küste anzunehmen; im Gegen theil
Hesse die grosse Anzahl der in Ostafrika lebenden indischen Kaufleute
diese Annahme sehr wahrscheinlich erscheinen. Da die Sese aber auch
iu Madagaskar (hier Lokanga genannt) sehr verbreitet ist, so wäre es
auch möglich, dass sie erst auf dem Umwege über diese Insel nach Ost-
afrika gekommen ist, und in der That bezeichnet J. M. Hildebrandt in
einer Bemerkung zu einer im Berliner Museum befindlichen Sese ans San-
sibar das Instrument als ans Madagaskar eingeführt, und ebenso spricht
Burton von der »madagassischen Sese«. ') In Madagaskar scheint übrigens
die Lokanga nach Augaben von Ellis und Sibree 1 ) hauptsächlich von den
Sklaven benutzt zu werden; da nun diese, zum Theil wenigstens, vom
Festlande stammen, so wäre es auch möglich, dass sie das Instrument
mitgebracht hätten. Dagegen schreibt Catat 1 ) die Lokanga speziell den
Betsimisaraka zu, im Gegensatz zur Valiha, die er als Hova-Iustrument
bezeichnet.
Welches nuu auch der Weg der Sese gewesen sein, ob er über Ma-
dagaskar nach Sansibar oder in umgekehrter Richtung geführt haben
mag, jedenfalls ist Indien als Ausgangspunkt anzusehen.
Weit Ungewisser steht es um das zweite Instrumeut, das Schalen-
instrument. Sein Gebiet liegt, wie wir sahen, zwischen denen des
Musikbogens im Süden und denen der Harfe und der Lyra im Norden ;
westlich ist es von der Kongo-Provinz begrenzt, die, wie sich zeigen wird,
eins der wenigen, ja vielleicht das einzige Saiteninstrument beherbergt,
das sich sicher auf afrikanischem Boden ans dem Bogen und über den-
selben hinaus entwickelt hat. Es liegt also an derjenigen Küste Afrikas,
die, — abgesehen vom Nordrande — am meisten fremden Einflüssen aus-
gesetzt gewesen ist. Die ganze Lage macht aber nicht den Eindruck, als
ob wir es hier mit einem von der Seeseite her eingeführten Instrument
zu thun hätten. Zudem scheinen derartige Instrumente in Südasien sehr
selten zu sein — mir ist nur eine Abbildung eines solchen bei Ling Roth
(The Natives of Sarawak and British North Borneo. London 1890. II,
260) bekannt. Dasselbe besteht aus einem einfachen Brett mit 7 über
•) Burton, Zanzibar. I, 430.
') Ellis, History of Madagascar. London 1838. I, 272. Sibree, Madagascar and
its people. 1870. S. 234.
«) L. Catat, Voyage a Madagascar. Paria 1895. S. 275.
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2 Stege gespannten Saiten, gleicht also ganz dem in Abb. 37 dargestellten
Instrument. Viel wahrscheinlicher ist es, die Entstehung dieser Instru-
mente in Afrika zu suchen, und diese Wahrscheinlichkeit würde fast zur
Gewissheit werden, wenn man die Ableitung der Schaleninstrumente von
den Rohrinstromenten der Gruppe X als gesichert betrachten könnte,
denn die Letzteren finden sich noch jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft
der Ersteren und zwar, was sehr bezeichnend ist, an der Südgrenze ihres
Gebietes, also wieder einen Schritt näher zu dem kulturarmen Süden, der
als einziges Saiteninstrument den Bogen besitzt. Wir hätten dann hier,
wenn wir von der Mandingo-Guitarre mit ihrem etwas problematischen
Ursprung absehen, das erste wirklich afrikanische Saiteninstrument ent-
deckt.
Das zweite finden wir in der Kongo- Provinz; die Kongo-Guitarre
mit besonderen Saitenträgern für jede einzelne Saite darf man wohl uu-
bedenklich als afrikanisch bezeichnen. Denn erstens spricht die geographische
Vertheilnng auf einem ungeheuer ausgedehnten Gebiet, das sich in einzelnen
auseinandergerissenen Fetzen von der ftunenc-Mündung bis zum oberen
Niger erstreckt, für ein hohes Alter des Instruments, andererseits sind
solche Guitarren eben nur aus Westafrika bekannt, so dass man kein
anderes Land anführen kann, aus dem sie eingewandert sein konnten.
Als Ergebniss dieser Erörterungen würde sich also zunächst in Bezug
auf die Saiteninstrumente herausstellen, dass die Kongo-Guitarre und die
Schaleninstrumente höchst wahrscheinlich, vielleicht auch die Mandingo-
Guitarre in Afrika selbst sich aus dem Musikbogen oder, richtiger gesagt,
dem Stabinstrnment entwickelt haben. Alle übrigen sind fremden und
zwar asiatischen Ursprungs. Zum grössten Theil sind sie aus Westasien,
zum kleineren aus Südasien gekommen; dabei bleibt die Frage offen, ob
nicht in manchen Fällen diese Länder nur Durchgangs- und nicht Ur-
sprungsgebiete sind.
Wollen wir noch einen Schritt weiter thun, so stehen wir vor der
Frage nach dem Ursprung der Saiteninstrumente überhaupt. Mau hat
gewöhnlich, indem man den Musikbogen als das älteste Saiteninstrument
betrachtete, es als selbstverständlich angenommen, dass dieser von dem
als Waffe dienenden Bogen abzuleiten sei. Die äussere Aehnlichkeit ist
offenbar — in der That sind einzelne afrikanische Musikbogen von Kriegs-
and Jagdbogen nicht zu unterscheiden — und ein Uebergang von der
einen Verwendung zur andern scheint auf der Hand zu liegen: der
schwirrende Ton beim Abschiessen des Pfeils sollte den Schützen auf den
Gedanken gebracht haben, den Bogen als Musikinstrument zu gebrauchen.
Dabei ist als sicher vorausgesetzt, dass der Bogen in der That das iiiteste
Saiteninstrument ist; in Wirklichkeit aber steht neben ihm das Monochord
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aus einem geraden, nicht gebogenen Stab, und es lässt sich nicht ent-
scheiden, welchem und ob einem von ihnen die Priorität gebührt.
Bei der Frage nach Entstehung der Saiteninstrumente ist das Wesent-
liche nicht die Erfindung des Bogens, sondern die Entdeckung, dass ein
straff gespannter Faden einen Ton giebt, sobald er in Schwingungen ver-
setzt wird. Es kann die Erfindung des Bogens als Waffe vorausgegangen
sein und dann an diesem die erwähnte Entdeckung gemacht sein ; es kann
aber auch eine bei anderem Anlass gemachte Beobachtung gewesen sein,
die den Menschen zu dieser Erfindung leitete. Fäden und Fasern pflanz-
lichen und thierischen Ursprungs hat der Mensch sicherlich schon lange
vor Erfindung des Bogens zum Binden nnd Flechten verwendet; ist es
nicht möglich, dass ein technischer Handgriff bei der Herstellung oder
Verwendung der Fiiden zu der Entdeckung geführt hat? 1 ) Die Ableitung
solcher Erfindungen aus einer tagtäglich geübten Technik hat jedenfalls
viel voraus vor der Herbeiziehung von Zufälligkeiten, die sich zwar ein
mit Phantasie begabter Kopf nachträglich ohne Mühe konstrniren kann,
die aber in Wirklichkeit ebeu ihres zufälligen Charakters wegen raeist
unbeachtet und daher wirkungslos bleiben dürften.
Ueber die Entwickelung der Blasinstrumente ist nicht viel zu
sagen; es ist klar, dass die einfachen Pfeifen ohne weitere Oeffnung als
das Mundloch die primitivsten Formen darstellen, und dass die Entwickluug
bei denjenigen Instrumenten, die nicht bloss zum SIgnalisiren, sondern
wirklich zum Musiziren dienen, danach strebt, durch Vermehrung der
Locher die Tüne zu vermehren. Die Formen haben nichts spezitisch
Afrikanisches, sondern kommen ohne Ausnahme auch anderweitig vor;
selbst die Pfeifen mit kreuzweiser Durchbohrung fiuden sich ganz ähnlich
in Indonesien. 5 ) — -—
Bei den Trommeln haben wir zunächst die Befestigung des
Trommelfells ins Auge zu fassen. Aus der geographischen Verbreitung
') L. Frobenius hat eine solche Erklärung versucht: „Um Streifen zum Binden zu
erlangen, wird das Messer zwischen die Splitter geschoben. Das ist ein natürlicher Steg.
Die Fiuger lassen den Streifen fahren ; die Saite erklingt." (Afrikanische Kulturen S. 275.)
Ein der Valiha ähnliches Instrument aus Bambus wäre danach das älteste Saiteninstru-
ment, und auch der Musikbogen eine Nachbildung desselben in anderem Material. So-
weit lässt die Erklärung sich hören. Wenn aber Frobenius dann den Spiess umdreht
und auch den Bogen als Waffe von diesem Bambuäinstrnment ableiten will, so scheint
er mir damit die Grenzen des Wahrscheinlichen weit überschritten zu haben.
*) R. Wallaschek (Primitive Music. London 1893. S. 90) hat, gestützt auf die
prähistorischen Befunde, die Ansicht ausgesprochen, dass die Knochenflöte älter sei als
die Rohrflöte; er übersieht hierbei, dass sich ans so alten Zeiten natürlich nur
Gegenstände erhalten konnten, die aus widerstandsfähigem Material wie Knochen ver-
fertigt waren.
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•
geht hervor, dass die Befestigung durch Pflöcke in Afrika die ältere ist,
während die Schnurspannung von Norden her eingedrungen ist. Man
könnte die letztere auch als ägyptisch ansehen, denn im alten Aegypten
waren die Trommeln auch durch Schnüre gespannt. 1 ) Diese Annahme
hat in der That viel Wahrscheinliches für sich, wenu man bedenkt, dass
auch der grösste Theil der nordafrikanischen Saiteninstrumente aus oder
über Aegypten eingewandert sind. Sicher ist jedenfalls die Ausbreitung
der Schnurspannung von Norden nach Süden.
Ein paar andere Thatsachen lassen ebenfalls darauf scbliessen, dass
einst die Befestigung des Trommelfelles durch Holznagel weiter nach
Norden gereicht hat als heutzutage. Das ist einmal die schon oben S. 93
erörterte Thatsache, dass einzelne Fälle dieser Befestigungsart noch jetzt
mitten im Gebiet der Schnurspannung gefunden werden, was als lokal er-
halten gebliebene Uebung eines einst allgemein beobachteten Verfahrens
zu deuten wäre. Der entgegengesetzte Fall — vereinzeltes Vorkommen
von Schnurspannung im Gebiet der Annagelung — scheint dagegen über-
haupt nicht vorzukommen. Zweitens aber möchte ich auf eine ebenso
zu deutende Erscheinung aufmerksam machen, nämlich darauf, dass auch
in Gegenden, iu denen die Trommelfellspannung durch Schnüre herrschend
ist, doch an den Resonanzböden der Saiteninstrumente das Fell sehr
häufig, stellenweise, wie in Oberguinea und dem westlichen Sudan, ganz
überwiegend, durch Pflöcke befestigt wird. Man kann nicht annehmen,
dass von vornherein bei den Saiteninstrumenten die Aupflöckung, bei den
Trommeln die Schnurspannung in Gebrauch gewesen sei, vielmehr muss
eine von ihnen später uufgetreten sein, und das kann nur die Schnur-
spannung sein, die au nordafrikanischen Trommeln kennen gelernt und
an Trommeln auch zuerst und hier und da noch heute ausschliesslich,
angewandt wurde.
Die Keilspaunung ist doppelt räthselhaft, sowohl in ihrer so äusserst
beschränkten Verbreitung als in ihrem Ursprung. Man kann weder über
ihre Entstehung noch über ihre Heimath etwas Bestimmtes behaupten.
Eine höchst auffallende Thatsache ist es, dass diese Trommelspannung,
die hier im Westen Afrikas auf engem Gebiet vorkommt, ausserdem noch
in Indonesien eine weite Verbreitung besitzt. Es ist das eine der That-
sachen, auf die L. Frobenius seine Theorie der malaio-nigritischen Kultur
gegründet hat. Wenn er damit nur die Gleichartigkeit gewisser Kultur-
elemente in Indonesien und eiuigen Theilen von Afrika hätte bezeichnen
wollen, so wäre wenig dagegen einzuwenden; er schiesst aber meiner An-
rieht nach weit über das Ziel hinaus, wenn er diese Kultur iu Südasien
untetehen und von hier nach Westafrika eindringen lässt.
V Wükinson I, Abb Ho. 224, 226-229.
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Wenn man nicht die mehrfache Erfindung zugestehen will, wiw ja
angesichts der völligen Identität der Dinge in Asien und Afrika eiuiger-
massen schwer fallt, so kann man meines Erachtens doch höchstens so
weit gehen, die beiden gegenwartigen Gebiete der Keilspannung als
Trümmer eines ehemaligen zusammenhängenden Kulturgebietes zu be-
trachten. Ueber die Wandernngsrichtung der Kultur in so entlegenen
Zeiten auf Grund einiger weniger Thatsacheu etwas aussagen zu wollen,
erscheint mir sehr gewagt und nahezu hoffnungslos.
Etwas anders verhalt es sich mit der zweiten, in Oberguinea heimi-
schen Spielart der Schnurspannung, der Schnur-Pflock-Spannung.
Frobenius 1 ) leitet dieselbe von der Keilspannung ab; anstatt den Keil
unter den Rotangring zu treiben, an dem die Spannschnüre endigen, habe
mau ihn des besseren Haltens wegen in die Trommel wanduug selbst ge-
schlagen. Der Rotangring Bei dadurch überflüssig geworden; trotzdem
hätten die Trommeln noch immer dicht unterhalb der Pflöcke eineu er-
habenen strickartig geschnitzten Ringwulst, eine Nachahmung des alten
Rotaugringes. Hiereu ist zunächst zu bemerken, dass der Ring durchaus
nicht immer >strickartigc geschnitzt ist (nur bei etwa einem Viertel der
Trommeln des Berliner Museums ist eiue solche Schnitzerei zu bemerken);
die Existenz des zwecklosen Ringes selbst ist aber nicht zu leugnen, ob-
wohl auch er nicht in allen Fällen vorhanden ist (vgl. z. B. Abb. 140).
Nun giebt es aber auch Trommeln, bei denen die Pflöcke fehlen, der
Ring aber mit Löchern versehen ist, durch die die Spannschnüre gezogen
sind (Abb. 130). Will man diese Trommeln auch in das Frobenius'sche
Schema einfügen, so tnuss man sie als Endglied der Entwicklung auf-
fassen: die Pflöcke sind zum Schluss ganz weggefallen und der Ringwulst
selbst wird zur Befestigung der Schnüre benutzt. Diese Entwicklung er-
scheint ja ziemlich plausibel; es zeigt sich aber die Schwierigkeit, dass
in Indonesien zwar Trommeln mit Keilspannung und mit durchbohrtem
Ringwulst (das Berliner Museum besitzt solche aus Nias) vorkommen, dass
aber das angebliche Zwischenglied, die Schnur- Pflock-Spannung, fehlt
Letzteres raösste also entweder nachträglich verschwunden oder die
Entwicklung müsste an beiden Orten verschiedene Wege gegangen seiu.
Ferner fiudet sich aber in Oberguinea und dem westlichen Sudan
auch die Aupflöckung, wie Abb. 105 und die oben citirteu Abbildungen
bei Gray beweisen, neben der herrschenden Befestigungsart. Bei der
Anpflöckung schon ist das Loch des Felles, in dem der Pflock steckt,
oft sehr gross und der um den Pflock geschlungene Fellstreifen stark
nach unten gezogen} denkt man sich letzteren nun durch eine besondere
») Afrik. Kult. S. 169.
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Schnur ersetzt, so hat man die in Togo übliche Spannungsweise erhalten,
ohne erst das Mittelglied der Keilspannnng heranziehen zu müssen. Es
scheint mir daher sehr möglich, dass die besprochenen beiden Abarten
der Schnnrspannnng trotz ihrer unmittelbaren Nachbarschaft gar nicht
direkt mit einander zusammenhängen, sondern verschiedenen Entwicklungs-
reihen angehören.
Wir haben oben bei der Beschreibung der Trommeln (S. 47) zwei
Haupttypen unterschieden, Röhrentrommeln und Gefässtrommel n.
Erstere sind entweder cylindrisch, zuweilen sehr unregelmässig, ent-
sprechend dem schlecht gewachsenen Baumstamm, der zu ihrer Her-
stellung gedient hat '), oder sie verjüngen sich nach einem Ende, so dass
sie die Gestalt eines Kegelstampfs bekommen, oder sie werden tonnenförmig.
Wenn die Röhrentromniel ihre Form direkt dem Baumstamm ver-
dankt, durch dessen Aushöhlung sie entstanden ist, so kann man die
Geiasstrommeln auf die Frnchtscbale zurückführen. Thatsächlich sind
Trommeln aus der Schale des Flaschenkürbis oder anderer Früchte sehr
verbreitet (vgl. Abb. 115). Die Fruchtschale wird dann in Holz, später
auch in Metall nachgebildet. So entsteht die Kesselpauke der Nord-
afrikaner. . Wo es darauf ankommt, rasch eine Trommel herzustellen, da
überzieht man wohl auch irgend ein Gefäss, einen Topf, einen Stampf-
mörser oder dergl., mit Haut und verwandelt sie in provisorische Trommeln. 3 )
Und dass überhaupt bei der Herstellung von Trommeln die schon vor-
handenen und vielfach gearbeiteten Formen von Gefässen nachgebildet
werden, ist nicht verwunderlich. Man braucht deswegen allerdings die
Entstehung der Trommeln nicht gerade dadurch zu erklären, dass man
die Mörser und ähnliche Haushaltungsgeräthe mit Fell überspannen lässt. 3 )
Bei manchen Trommeln kann man im Zweifel sein, ob man Röhren-
trommeln vor sich hat oder Gefässtrommelu, die nachträglich mit einer
Scballöffnung versehen worden sind. So z. B. bei den Trommeln der
Wakinga (Abb. 129) oder der Magungo-Trommel (Abb. 107) oder der
ägyptischen Darabuka, die man ebensowohl als Röhren trommeln mit
erweitertem oberen Theil, wie als Gefässtrommelu (ähnlich der Wapare-
Trommel, Abb. 116) mit einem Fuss, der der Länge nach durchbohrt ist,
auffassen kann. Indens ist diese Frage von ziemlich geringem Interesse.
Man hat auch bald das Bedürfnis empfunden, die Trommeln möglichst
bequem tragbar und aufstellbar zu machen. Dem ersten Zweck dienen
Bänder aus Leder oder Schnüren, bisweilen auch hölzerne Henkel (Abb. 121,
124) oder stielförmige Handgriffe wie bei der Wapare-Trommel Abb. 116.
•) Vgl. die Abb. einer l'schaarhi-Tronunel bei Kollmann, Fig. SCv» (S. 143).
*) So bei Hottentotten und BuMhiiiifnnern (Lichteosteiu II, &49: Borchel I II, 65).
•) Vgl. L. Frobenius, Afr. Kult. S. 11«.
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Dem zweiten Mangel wird durch Anbringung eines Fusses abgeholfen, und
diese geschnitzten Füsse sind es zum grossen Thefle, die die grosse Mannig-
faltigkeit der Trommelformen verursachen.
Wichtiger als der Trommelkörper, der nur als Stützapparat dient,
ist das Trommelfell. L. Frobenius sieht in der Fellbearbeitung den
Ursprung der Felltrommel; das laute Geräusch, das beim Bearbeiten
des aufgespannten roben Felle3 entsteht, habe den Anlass gegeben,
e» über einen Morser oder ein anderes Gefäss zu spanneu, und so
die Entstehung der Felltrommel verursacht. Diese Erklärung aus der
Technik ist sehr plausibel, und ich würde kein Bedenken tragen, mich
derselben anzusch Hessen, wenn ich sicher wäre, dass auch die Eidechsen-
nnd Schlangenhaut, die so häufig zur Trouimelbespanuung gebraucht
wird, ebenso gewalkt wird wie das Fell von Rindern oder Ziegen. Denn
sonst müsste man annehmen, dass Eidechsenhaut erst sekundär Verwendung
gefuuden hat, was im Hinblick z. B. auf Melanesien, wo es nur Trommel-
felle aus Eulechseohaut giebt, nicht sehr wahrscheinlich ist.
Für einige .Trommeln könnte man übrigens an einen ganz anderen
Weg der Entstehung denken. Die Handtrommel der Wapare (Abb. 116)
enthält Steinchen oder ähnliche klappernde Gegenstände, und ebenso be-
findet sich in den Sandubrtrommeln am unteren Niger uach Day ') ein
Stein. Diese Trommeln dienen also zugleich als Klappern. Man könnte
sich daher denkeu, dass zunächst nur die Absicht bestand, eine Rassel
herzustellen, ähnlich den so häufigen Rasseln aus Kürbisschale, dass man
hierzu eine halbirte Fru< ht mit Haut überzog und bei dieser Gelegenheit
die treffliche Verwendbarkeit der gespannten Haut zu Lärminstrumenten
entdeckte. Endgiltig lässt sich die Frage, was hei dieseu Zwitteriustrumenteu
das Primäre ist, Rassel oder Trommel, natürlich nicht entscheiden.
Muss so das Problem der Erfindung der Felltrommeln z. T. im
Dunkeln bleiben, so ist die Entstehung und Entwicklung der
Schlaginstrumente im Allgemeinen um so klarer. Alle diese In-
strumente dienen — mit alleiniger Ausnahme der Marimba — nur dazu,
den Rhythmus zu markiren; ihre sonstigen Verwendungen, z. B. zum
Signalisireu und Telephoniren, sind sekundärer Natur. Sie sind daher
unentbehrlich überall da, wo es sich um die Begleitung rhythmischer
Bewegungen handelt, also hauptsächlich beim Tanz, der ja eine so grosse
Bolle im Leben der Neger spielt, aber auch bei gemeinsamer Arbeit.
Das einfachste Werkzeug zum Angeben des Taktes sind die Hände; takt-
mässiges Händeklatschen der Zuschauer begleitet fast überall den Tanz.
Die Hand ersetzt dann ein wirkliches Werkzeug, zwei Hölzer, die gegen
') Bei Mockler-Ferryroan S. 270.
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einander geschlagen werden. Diese Klanghölzer sind der Ausgaugspunkt
für die ganze Reihe der Schlaginstrumente. Nimmt man statt des einen
Stabes eine Fruchtschale, die man mit dem anderen Holze schlägt, so hat
man die Urform der klöppelloseu Glocke. An Fruchtschalen oder hohlen
Rohren (Bambus etc.) dürfte wohl die Beobachtung zuerst gemacht worden
sein, dass Hohlkörper beim Anschlagen einen lauteren Ton geben, als
solide. Dieser Beobachtung verdanken alle die Glocken aus Holz und
Eisen, sowie die Holztrommeln, ihr Dasein. Aus den klöppelloseu ent-
wickelten sich später die echten Glocken, indem man den Schlägel, mit
dem die Glocke von aussen geschlagen wurde, im Hohlraum derselben
befestigte.
-
Neben den Glockeu her gehen als eine zweite Entwicklungsreihe die
Holztrommeln, im Princip nichts auderes wie jene, nur durch Gestalt und
Grösse unterschieden. Ob die Holztrommel aus dem Klangrohr aus Bam-
bus hervorgegangen ist, wie L. Frobeuius meint, lasse ich dahingestellt.
Man braucht deswegen noch nicht die Erfindung derselben in Afrika zu
leugnen und nach Indonesien zu verlegen, wie es der genannte Schrift-
steller tbut, der verächtlich von den »paar Bambusstauden, die in Afrika
wachsen« spricht. Ein gemeinsamer Ausgaugspunkt für alle Holztrommeln
ist mir allerdings gleichfalls wahrscheinlich angesichts der erstaunlichen
Gleichartigkeit und Uebereinstimmuug auch in Details iu dem gesammten
Verbreitungsgebiet, das sich von Westafrika bis Polynesien, ja bis Centrai-
Amerika erstreckt. Vorläufig muss man sich aber damit begnügen, das
— freilich sehr lückenhafte — Vorkommeu der Holztrommel auf diesem
ungeheuren Raum zu konstatiren, muss aber die Beantwortung der Fragen,
wo und wann dieselbe erfunden sei und wie sie sich über dieses Gebiet
ausgebreitet habe, ob durch Völkerwanderungen oder durch Uebertragung
von Stamm zu Stamm, späteren Forschungen überlassen.
Eine besondere Stellung abseits von den bisher geschilderten Ent-
wicklungsreihen nimmt die Mariniba ein, das höchstatehende Schlag-
instrument, das einzige, das man als Musikinstrument in uuserem Sinne
bezeichnen kann. Sie führt direkt auf den Klangstab zurück, denn sie
ist nichts anderes als eiue Zusammenstellung von abgestimmten Klang-
stäben, auf denen man nun eine Melodie spielen kann, wie man es auf
einer Anzahl abgestimmter Trommeln auch thun könnte. Die Marimba
hat ebenfalls eine weit über Afrika hinausgehende Verbreitung ; sie findet
sich auch in Iudien und im malaiischen Archipel, hier häufig mit Metall-
platten statt der Klanghölzer. Ich glaube aber nicht an die Einführung
der Marimba von Asien nach Afrika, halte es vielmehr für wahrschein-
licher, daas sie an beiden Orten selbständig erfunden worden ist Der
asiatischen Marimba fehlen nämlich die Resonatoren, die bei den afrika-
9*
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132 -
machen unter jeder Taste hängen; die Klangplatten ruhen vielmehr auf
einem Kasten, der ala gemeinschaftlicher Resonanzboden dient. Es sieht
also so aus, als wenn wir in der afrikanischen and der asiatischen Marimba
zwei unabhängige Lösungen der Aufgabe vor uns hätten, den Ton der
Klangplatten zu verstärken. Auffällig ist es ferner, dass die Marimba
in Madagaskar fehlt, wo man sie am ehesten erwarten sollte, wenn sie
wirklich aus Indonesien stammte. Die unvollkommene Marimba ohne
Resonatoren, wie die Vilangwe der WabondeY und die Madinda der
Waganda, ist jedenfalls ein uralter Kulturbesitz; ob sie heute noch in
Südasien vorkommt, weiss ich nicht, dagegen treffen wir sie weiter im
Osten wieder an, z. B. auf Neu Britannien. 1 )
Das Ergebniss dieser Erörterungen ist kurz zusammengefasst folgendes:
Zwei Proviuzen, die neunte und die zehnte, tragen einen vollständig
asiatischen Charakter, die vierte, siebente und achte Provinz haben
Musikinstrumente, die den altägyptiscben nahe verwandt sind, also in
letzter Instanz wohl auch aus Asien stammen, die Instrumente der zweiten,
dritten, fünften und sechsten Provinz kann man in der Hauptsache als
afrikanisch bezeichnen, ebeuso die der ersten Provinz, die sich durch eine
ausserordentliche Armutb auszeichnet. Diese Charakteristik ist natürlich
nur im Allgemeinen stichhaltig, denn, wie wir gesehen haben, schiebeu
sich die Grenzen der Instrumente oft über einander und bilden Zonen
gemischten Charakters.
Dass die Entstehung der nordafrikanischen Provinz ein Ereigniss von
verhältnissmassig neuerem Datum ist, haben wir schon oben (S. 117) ge-
sehen; vor dem Eindringen des Islam müssen also die Instrumente der
angrenzenden Provinzen (VI, VII, VIII) weiter nach Norden gereicht
haben. Das führt uns in das Alterthnm, aus dem wir ja wenigstens Tür
Aegypten die Bestätigung dieser Anunhme besitzen.
Das vor den heute in Nordafrika herrschenden Iiistrumeuten letzt
eingewanderte ist die Lyra. Die Zeit ihrer Einwanderung iu Aegypten
lässt sich ziemlich genau bestimmen. Das Grabgrmälde von Beni Hassan,
auf dem die Lyra zum erstenmal in den Händen eines Tribut bringenden
Semiten erscheint, stammt aus der Kegierungszeit des Königs Userteseu II.
Setzen wir dieselbe mit Wilkinson um 1G50 v. Chr. an, so wurde die
Lyra also im 17. vorchristlichen Jahrhundert in Afrika eingewandert
sein. In 35 Jahrhunderten wäre sie nicht weiter als bis zum Victoria
Nyansa vorgedrungen.
») 0. Fmscn, Etlin. Erfahrungen «. Belegstücke aus der Südsee. I. Abtb. (Ann. d.
K. K. NaturüUt. Ilofrouseuro*. III. 1888. S 110).
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Haben wir uns bisher noch halbwegs im Lichte der Geschichte be-
wegt* so tappen wir in die tiefste Finsterniss der Prähistorie, sobald wir
noch einen Schritt rückwärts wagen. Vor der Lyra muss die Harfe von
Aegypten her in Centraiafrika eingewandert sein, aber über diese allge-
meine Zeitangabe hinaus lässt sich nichts Weiteres sagen. Auf eine be-
merkenswerthe Thatsache aber, die schon mehrfach im Laufe dieser Ab-
handlung berührt worden i?t, muss hier im Auschluss an die Harfe noch
einmal eingegangen werden.
Die Harfe findet sich heute in Centraiafrika und in Hinterindien
(Birma); 1 ) in dem ganzen dazwischeuliegeuden Gebiet scheint sie ver-
schwunden zu sein. Dass sie früher in Nordafrika und in Westasien
(Assyrien) vorgekommen ist, wissen wir bereits; aber auch in Persien ist
sie einmal im Gebrauch gewesen und auch Vorderindien hat sie einst
gekannt, wie häufige Darstellungen auf altindischen Reliefs beweisen. 3 ) Es
hat also eine Zeit gegeben, wo das Gebiet der Harfe den ganzen unge-
heuren Raum vom innersten Afrika bis Hinterindien umfasste. Da heute
die Harfe sich nur an den äussersten Enden dieses Landgürtels findet, so
kann man schliessen, dass ihre Verdrängung etwa in der Mitte, also in
Vorderasien, begonnen hat und von hier aus nach beiden Seiten fortge-
schritten ist.
Nun ist die Harfe nicht das einzige Instrument, dessen Verbreitung
diese merkwürdige Erscheinung zeigt. Ebenso finden wir die Holztrommel
nur in Westafrika einerseits, Indonesien und Oceanien andererseits; ähn-
lich ist die Verbreitung der Mariiuba; Rohrhalmcithern, genau so, wie
wir sie aus dem Nigergebiet kennen (Abb. 48), kommen in Südindien
vor; die in Kamerun übliche Keilspannung treffeu wir wieder in Indonesien
bis zum westlichen Neu Guinea hin; die Anpflöcknng des Trommelfells
in der Südhälfte von Afrika und dann wieder in Hinterindien (Siam,
Tongkiug) und den kleinen Sunda-Iuselu. Diese Verbreitungsart nnd ihre
mehrfache Wiederkehr machen jedenfalls den Eindruck, als wenu wir in
den jetzigen Gebieten nur Ueberreste früherer grösserer Verbreitnngszonen
vor uns haben, die durch einen Stoss in der Mitte auseinander gerissen
wurden. Aber nur von einem der aufgezählten Instrumente, der Harfe,
besitzen wir Beweise für den ehemaligen Zusammenhang der jetzt weit
getrennten Verbreitungsgebiete: nur aus der Thatsache der gleichen oder
ähnlichen räumlichen Vertheilung denselben Schluss auch für die übrigen
•) Vgl. die Abbildung einer birmanischen Harfe bei Fetts II, 336.
*) Vgl. %. B. : Cole, Preservation of National Monuments, India-, (iraoeo Buddhist
gculptures fron» Ynsufzai. 1885. PI. 11 u. PI. Iii, Fig. 1. GrOnwedel, Buddbiatische
Kunst in Indien 2. Aufl. 1U0O. Abb. Nr. 1
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— 134 —
Instrumente zu ziehen, erscheint mir vorläufig allzu gewagt. Die Ereig-
nisse, die das gegenwärtige Bild der Verbreitung geschaffen haben,
müssen sich ohne Zweifel in Asien abgespielt haben, und nur auf
asiatischem Boden sind diese Fragen zu losen; hoffentlich wird diese
Lücke bald durch eine Untersuchung der asiatischen Musikinstrumente
ausgefüllt und das über ihrer Geschichte liegende Dunkel gelichtet.
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Ein anderes Quauhxicalli.
Im ersten Heft des zweiten Bandes dieser Blätter habe ich ein
schönes Steingefäss der amerikanischen Sammlung des Königlichen
Museums für Völkerkunde beschrieben, das auf der Innenseite des
Bodens das Bild der Sonne, mit dem Zeichem naui olin »vier Be-
legung« in der Mitte, auf der Unterseite des Bodens das Bild der
Erde zeigt, die Kröte, die mit aufgesperrtem Rachen das Steiumesser,
d. h. das Licht, verschluckt (bzw. ans ihrem Munde entlässt), und die
als Göttin mit dem citlalcueitl dem »Sternenweiberröckcben«, dem
rasselnden Gürtelbehang aus an geflochtenen Riemen hängenden
Schneckecgehäusen, bekleidet, im Uebrigen mit allerhand Todessymbolen
ausgestattet ist. Zu dem, was ich dort über jenes Gefäss gesagt habe,
habe ich noch einiges hinzuzufügen: —
Ab)>. 1. 1 , n»t. V,r.
— 136 —
Ich habe meinen Aufsatz dort mit der Bemerkung geschlossen, dass
mir nicht bekannt wäre, ob noch andern Orts eine Schale, ähnlich der
des ßerliuer Museums, existirt. Ich wuss bekenueu, dass ich hätte
Ai.tr. 2. »/i nat. Or.
wissen müssen, dass es in der That noch eine andere ganz ähnliche
giebt, von der ich, — was mir entfallen war — sogar eine Photographie
besass. Es ist das schöne Stuck der ehemaligen Philipp A. Becker'schen
AM». 3. '/ 3 nat ür.
Sammlung in Darmstadt, das ich hier in der Abb. 1 — 3 in halber natür-
licher Grösse wiedergebe, und das, mit der ganzen Becker'schen Samm-
lung, sich jetzt im K. K. naturhistorischen Hofmnseum in Wien befindet.
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Ein Vergleich dieser Abbildungen mit den in Heft 1 auf Seite 17, 18, 19
gegebenen Bildern zeigt auf den ersten Blick, dass hier durchaus ähnliche
Stücke vorliegen. Ein Unterschied besteht aber doch zwischen dem
Steingefäss des Berliner Museums und dem der Philipp A. Becker'schen
Sammlung. In dem Berliner Stück ist über den Adlerfedern, die in dem
Relief der Aussen wand zu erkennen sind, ein Krauz von Herzen dar-
gestellt, die in umgekehrter Stellung, mit dem Aortenende nach unten
an einander gereiht, den eigentlichen Rand des Gefässes bilden, und die
wir in ganz gleicher Weise in gewissen farbig ausgeführten Bildern au
Opferblutgefässen des Codex Borbonicus, ebenfalls den Rand bildend,
dargestellt finden. In der Steinschale der Philipp A. Becker'schen
Sammlung fehlt ein solcher Kranz von Herzen. Das Relief der Aussen-
seite (s. Abb. 3) zeigt nur die in konventioneller Weise mit einem starken
Mittelkiel und einem Daunenfedeibüschel am Grunde gezeichneten
Adlerfedern. Die oberen Spitzen dieser, etwas nach innen sich ein-
biegend, bilden hier den eige ntlichen Rand des Gefässes.
Diese Abweichung ist nicht ohne Interesse. Sie lehrt uns, dass der
Kranz von Herzen nur ein accessorisches Element in der Verzierung dieser
Gefüsse darstellt, dass die wesentlichen Elemente — neben dem die
Innenseite bedeckenden Sonnenbilde und seinem Widerspiel, der Erdkröte
— die die Wandung der Aussenseite verzierenden Adlerfedern sind,
Abi.. .1.
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die ja auch, wie ich in meiner vorigen Mittheilung hervorgehoben habe,
das Wort quauhxicalli » Adlerschale«, die technische Bezeichnung dieser
Gefässe, hieroglyphisch zum Ausdruck bringen. Und so ist es mir auch
klar geworden, worauf Herr Wilhelm von den Steinen zuerst meine Auf-
merksamkeit lenkte, dass gewisse Thongefässe der Herrmann Strebel'schen
Alterthum6sammlung, deren Aussenseite in der untern Hälfte mit dunkler
Eisenoxydfarbe überzogen ist, währfnd die obere in bunter Bemalung
dieselben konventionell gezeichneten Adlerfedern zeigt (vgl. Abb. 4), eben-
falls als Opferblutschalen, als quauh x icalli, zu bezeichnen sind.
Und damit bat sich mir eine von Hermann Strebel schon lange ausge-
sprochene Vermuthung, dass die mit dunkler, blutrother Eisen oxyd färbe
überzogenen Thongefasse seiner Sammlung als Opferblutschalen aufzufassen
seien, bestätigt.
Wie in Bezug auf die Verbreitung dieser Gefässe, möchte ich auch für
meine in der vorigen Mittheilung gemachten Angaben über die Deutung
der Figuren eine kleine Aenderung eintreten lassen. Ich habe die auf
der Unterseite dieser Steinschalen dargestellte Figur als das Bild der Erde
bezeichnet, als »die Kröte, die mit aufgesperrtem Hachen das Steinmesser,
d. b. das Licht, verschluckt«. Ich hätte statt dessen sagen, oder wenigstens
hinzufügen sollen, »die aus ihrem aufgesperrten Rachen das Steinmesser,
d. b. das Licht, entlässt«. Es war mir damals schon bekannt, dass diese
selbe Gestalt der Erdkröte, zwar kleiner und weniger sorgfältig ausge-
führt, aber durchaus in derselben typischen Weise gezeichnet, auch auf
sämmtlichen Blättern des Tonalamatls des Codex Borbonicus zu sehen ist
Al.h. 8.
(vgl. Abb. 5). Aber es ist mir erst nachträglich klar geworden, dass
die Reihe der Gestalten, in denen hier die Erdkröte die zweite Stelle
einnehmend dargestellt ist, den dreizehn Stunden des Tages entspricht,
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und dass die Erdkröte selbst, oder der Erdracben, die Zeit des Sonnen-
aufgangs bezeichnet, also die das Steinmesser, d. h. das Licht,
aus ihrem Rachen entlassende Kröte zur Anschauung bringen muss. ')
Es fügt sich bei dieser Deutung die Gestalt, die wir auf der Unterseite
dieser Steinschalen sehen, noch viel hesser in den Rahmen der Vor-
stellungen, die sich mit diesen Gerathen selbst und den übrigen auf ihnen
angebrachten Verzierungen verknüpfen. Diese Schalen waren, wie ich in
meiner vorigen Mittheilung ausgeführt habe, dazu bestimmt, das Blut der
Opfer aufzunehmen und es den verschiedenen, an verschiedenen Stellen der
Stadt aufgestellten Idolen darzubringen. Sie sind mit Adlerfedern und
mit dem Bilde der Sonne verziert, weil die Seelen der Geopferten zur
Sonne gingen. Und sie tragen, wie ich jetzt hinzufügen kann, auf der Unter-
seite das Sinnbild der eben dem Erdrachen entsteigenden Sonne, weil diese
Seelen der Geopferten in der Region des Sonnenaufgangs, in dem Ost-
himmel, ihren Wohnsitz hatten.
Steglitz, Februar 1901.
Ed. Seier.
') Vgl. »das Tonalaraafl der Aubin'schen Sammlung". Auf Kosten Sr. Exc. des
Herzogs von Loubat herausgegeben, mit Einleitung und Erläuterungen von Dr. Eduard
Seier. Berlin 1900. S. 35.
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Die Berührungspunkte der physischen Psychologie
mit der noetischen
(auf dem Bereiche der Ethnologie).
Mit dem »Gesotz von Erhaltung der Kraft« haben im heutigen »Zeit-
alter der Naturwissenschaften« die darin gepflegten Disciplinen ihren
Trumpf ausgespielt, und auf de ra zugehörigen Bereich das Spiel gewonnen.
Die Einheitlichkeit der Natur- (oder Wt*lt-)anschauuug ist hergestellt p.
t., um in der Umschau des Draussen den Bedürfnissen des, im Denken
immanenten, Caiu-alitätsprincips sobezüglich zu genügen.
Angestrebt war dieses Ziel von jeher gewesen, mit dem Tao (Laotse's),
mit Brahina's Vastu (in »Substantia«), mit dem aus dem Luftraum durch-
wehenden Pneuraa (b. Anaximenes), mit einem weltseelerischen Panthe-
ismus (und Panspychismus) weiterhin, und (zu radicalerer Lösung (oder
Löschung) dieser brennenden Frage] mit (Heraklit's) Tdtp dzt'imv oder
[nachdem Aristoteles' »Kinesis« (von dem »Unbewegt- Bewegenden« her)
hinzugetreten gewesen] mit dem meu/ta evMepfitv (der Stoa), um Galilei's
Fassung der Wärme als Bewegung soweitig zu antieipiren, für Umsetzung
der Kräfte; unter deren Energieen in einander (aus ihren Wechsel-
beziehungen). Da jedoch die, zur Rückführung des absoluten Werdens
(wo zävza jiti, unterschiedlos) auf ein relativ differenzirbares Ausgestalten,
benöthigten, Einblicke (in genauere Details) der Classicitat ermangelten
(auch bei peripatetischer Epagoge), blieb es beim Wortschall sentenziös
gegliederter Phrasen.
Auf das All hinblickend, mochte Xenophanes die ihn stachelnden
Fragen durch den Einheitsbegriff (unter der Controverse des >Deus sive
Natura«) vorläufig beruhigen (elg tov oÄov wjoavttv dno^ki^a^. tu sv eivai (f ^at
tov &eou), aber so oft man damals, bei den in der Umwelt verlaufenden
Processen, an die Einzelheiten näher herantrat, verblieben Rathselfragen
überall, denen eine zutreffende Beantwortung mangelte.
Dadurch wurde jener, für die occidentalische Culturgeschichte be-
deutungsvolle, Wendepunkt herbeigeführt, der die Philosophie »vom Himmel
zur Erde« (s. Cicero) gebracht hat, während der sinische Weise sich
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mit dem Hienieden begnügte. »Du kennst die Erde noch nicht, wie
wolltest Da den Himmel durchforschet)«, corrigirte Confucius seinen Schüler,
der, von Neagier gequält, jene Fragen zn stellen dachte, derentwegen der
jugendliche Epikur vom Grammatodidaskalos an die Philosophen verwiesen
worden war.
Ais, synchronistisch fast mitseinein ostasiatischen Rivalen (-{- 478 a. d.\
der griechische (Philo-)Sophos (-f- 399 a. d.) auf seine Sterbestunde sich
vorbereitete, um über das Geheimniss des Lebens und des Todes zu medi-
tiren, legte er dar (in den Gesprächen mit den um ihn versammelten
Jüngern), dass ihn die Naturbetrachtungen ») (und naturwissenschaftlichen
Abhandlungen) der Physiker (unter seinen hylozoistischen Vorgängern)
unbefriedigt gelassen hätten: dass sie nicht genügten, um einzudringen
in den »Kern der Natur« (die dat/wvta brjjwc), sondern dass vorher das
Denken selber erforscht 3 ) sein müsse; der treibende Factor in all diesen
Epiphanien einer phänomenalen »Welt der Vorstellungen« (um die Noou-
mena anzureichen).
Und so (im Anschluss an peri patetische xtvymz) wurde für die, in
ihrem »Sichselbstbewegen« als äHuvazo; (und dvwteHptK) erwiesene, Seele
[eine lebendige C«wy), in ihrem Leben] die Ursächlichkeit (unter den
airiat) auf Plato's (prototypische) dpffiwrot zurückverlegt: in die dpffl* als
i) „Naturwissenschaft wird uns niemals das Innere der Dinge, d. h. dasjenige,
was nicht Erscheinung ist, aber doch zum obersten Erklärungsgrund dienen kann, ent-
decken" (s. Kant) und braucht dies auch nicht, so wenig, dass es, wenn „angeboten"
vielmehr „auszuschlagen" wäre (um bei den .Erfahrungen" zu verbleiben). Und da
nun der (seit Galilei) eingeschlagene Weg der „Erfahrungen" in seiner „Instauratio magna"
(9. Bacon) beim Aufbau eines „Novum Organum" — schrittweis (mit Consolidirung jeden
Fossauftritta) — , von der Physiologie zur Psychologie gelangt, jetzt auch die Noologie
zn betreten im Begriffe steht, wird dem Geistigen gleichfalls fortab erfahrungsgemäß geprüfte
Speisung gewährt sein (ge^ndheitliehe also, zum besten Gedeihen). .Our whole kuowledge
of tnind and matter is relative, conditioned — relatively conditioned; of things absolutely
or in themselvts, be they external, be they internal, w»* know nothing or know them
only as incognizable" (s. Hamilton), im n<»>; rt (b. Aristoteles), wie rationeller Forschung
unterliegend (für die (Jausalverknüpfuug). Der Mensch ist nicht geboren, die Probleme
der Welt zu lösen, wohl aber zu suchen, wo das Problem angeht und sich sodann in
der Grenze des Begreiflichen zu halten (b. Goethe), nach dem (positivistisch) gezogenen
Grenzstrich (der Erkciintnisstheorie), einem rationalistischen (in gesunder Vernunft), nm
den Widerspruch der Antimonien zu vermeiden (ehe das Denken auf seinen Infinitesimnlcaleul
noch nicht eingeübt ist). Das Problem ist dem „homo" (der „nihil hu man um a se
alienum putat") vitalst gestellt in eigener Bestimmung, — eine pessimistisch so jammervolle,
dass es besser erachtet wurde, nicht geboren zu sein (b. Euripides), wogegen anderer-
seits (b. Anaxagoras) gemeint war: dem Menschen sei es besser zu existiren, als nicht,
um den Himmel zu betrachten und die Harmonie der Welt [beim Schwelgen in (geistig)
seligen Genüssen].
') Nachdem auf den physischen My**, der ethische (mit Sokrates) gefolgt war, kam
(darch Pinto) die Dialektik hinzu (s. Diog. L.) und dann das Wortgerede (in „flatus vocis"),
für Ramus' Rhetorik (um eine scholastisch vertrocknete Logik appetitlich zu machen).
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(Anfaugs-) »Ursache«, über die (im Sonderfalle ausverfolgbare) dp/y rf?
fiemßotifi hinaus; in eine dp/Jfj irptuTr) (und dem gordischen Knoten
der Ursprungsfragen demnach einverschlungen).
Aus den, abgetrennt iyutptarai) stehenden, Ideen 1 ) begann damit
jene Idealwelt nieder zu strahlen, welche mit Plotin's Eklampsis auf die
Emanationen der »Gnosis« übergeströmt ist, unter all den daraus fliessenden
Phantastereien, wodurch die »Phantasie als Grundprincip des Weltproceases«
(1877) ihr Wesen hätte treiben mögen, weun nicht in der Zwischenzeit
die Ernüchterung*) der »Agnostiker« eingetreten wäre, mit (des Cusaner's)
»Docta ignorantia« begnügt (»Iguoramus«),
l ) Die Elemente (ant%ila) der Ideen sind (b Plato) iu ay/xx^a ot/y/inm (s. Herruo-
dorus) niedergeschrieben, als w&ai (der Stoa) oiler „notitiae communes" ;b. Herbert
Ch), aus (Reid'i) „common sense" (in Elementargedankeu); und so, aus naturnotb-
wendigen Vuranlageu socialer Existenz, reden die Moralgebote, als >ö;tm äypatpiH, auf
dem primären Niveau (des Wiidzustandsj diejenigen Gesetze, die bei dem Emporblühen
der Cnltur uuter ethischen Normen sich niederzuschreiben haben, in normal correcter
Form; wenn im (normal; gesundheitlichen Entwicklungsgang gezeitigt, o.ler (bei mangel-
haftem Einblick in den Verlast' der Wachstbumsprocessej abnorm kraus wüstig zerfahren
(in wild wachsendem Unkraut), und somit Ausheilung verlangend (ethnisch und ethisch).
') Alle Fehler kommen von derjenigen Unwissenheit, in der man zu wissen meint,
was man nicht weiss (s. Sokrates). Es ist die schmählichste Boruirtheit wissen zu
meinen, was mau nicht weiss (s. Xeuophanes), und daraus folgen alle lrrthümer (im
Gleichuiss der Dialogen), denn wer, ohue vou Kochkunst etwas zu verstehen, dem Koch
in seio Handwerk pfuscht, hat es mit Indigestionen, in Folge schlecht bereiteter Speisen,
zu zahlen, und wer den Anordnungen des Piloteu seinen Weisheitssenf beimengen zu
müssen meint, gefährdet dessen Sicherheit uud seine eigene Der vom Orakel zu
Delphi, als Weisester der Hellenen, bezeichnete Sohn der Hebamme Phaeuarete, wies in
seiner Maieutik den Ne i- (oder Wiedergeborenen auf die Erfahrungen seiner Besseren
und Aelteren hin, da mau vom Bekannten zum Unbekannten fortzugehen habe, — von
den <ffu*o;u-.a zu den ö-lr/jt (b Anaxagoras) — , aiso zu beginuen mit dem eignen
luneru tum zunäciist das als Werkzeug dieueude Deukeu keuueu zu lernen). Wie
der jtiog.-te (und letzte) Reformer der Philosophie durch des Skeptikers Zweifel aus
seiuem „dogmati.-chen Schlummer" aulgerüttelt ward, so war der classische Erstling auf
dem Uebiete der We sheitslehre durch die noetische Lehre dessen, der als .Nüchterner"
zwischen „Truukeue" eingetreten, auterwacht, um von den causae efficientes der in ihren
Theor.en keine Befriedigung gewährenden Hylozoistru sich den causae finales (t»V o'j
Enxu Serrig zuzuwenden; bis zu seines Schiiters überochwängliche Idealität. „W r er iu
bastig rennt, überrennt das Ziel" (s. Shakspearej. Die uaturwissenschattlichen Disciplinen
gewähren Apodikticität, eine jede auf dem von ihr beherrschten Reich, und so konnte
überall von den in den Fachwisseust hatten (.auch deu philologisch historischen) aner-
kannten Koryphäen eine autl entisch entscheidende Autwort eingeholt werden, bei Frage-
stellungen, wie sie kamen, aui Grund des vorzüglich geordneten Unterrichtswesens inner-
halb des bisherig weltgeschichtlichen Horizonts; wogegen seit plötzlicher Durchbrechung
desselben, unter Steigerung des Welt- und \ ölkerverkehrs, völlige Ratblosigkeit herrscht,
und bei Ausfall einer durch nüchterne Yerstaudsarbeit correcteu Leitung, die Getühls-
politik zu dominiren droht mit all ihren bedenklichen Folgen, wenn nicht baldig Wandel
geschafft ist ,aus ethnologischen Belehrungen). Seine LeOcnsphiiosophie mag Jeder bei
ernstlichem Willen sich selber abrunden, bei Rückgang auf die ihm eingebetteten Elementar-
gedankeu, als „notitiae comuiuues" (s. Herbert Cb.) oder „common pnnciples" (b. ReidJ,
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- 143 —
Immerhin verblieb eine Abtrennung allerdings: die zwischen Natur-
wissenschaften und Geisteswissenschaften nämlich, und der von jener
monistisch hergestellten Weltanschauung bleibt der beste Theil ermangelnd
(zur einheitlich naturgemässen Ergänzung), bis es gelungen sein wird, die
in ihnen bewährt erfundene Arbeitsweise (nach comparativ-genetischer
Methode) auch auf die humanistischen Studien zur Anwendung zu bringen
[auf Grund der aus ethnischen Aussagen (und Thatsachen) vergleich uugs-
fähig beschafften Materialsammlungen].
Im Substanzgesetz war das »Gesetz von Erhaltung des Stoffes« (in
Constanz der Materie) der Chemie') zu danken gewesen, mit seiner
physikalischen Erweiterungsfähigkeit zum »Gesetz von Erhaltung der Kraft«
(in Constanz der Energieen), beide unzertrennlich verbunden als das
»kosmologische Grundgesetz« (b. Haeckel), — dessen naturforschlicb impo-
santer Character von der Entstellung durch ein metaphysisches Schwanz-
anhängsel besser verschont geblieben war«?; aus der (vom »struggle for
existence« verstärkten) Descendenztheorie [deren Degenerationen auch
durch (Lamarck's) »Ascendenz« nicht aufzuhelfen wäre].
Mit naturwissenschaftlicher Exactbeit entspricht den aus dem Causa-
litätsprincip aufgedrängten Fragestellungen das Gesetz vom Constanz
der Materie, da hier jedes Quaeritur über den (tellurisch überschaubaren)
Stoff seine ausreichende Beantwortung findet aus gesetzlich correspondirenden
da der Nous Xenophon) überall derselbe (im Höchsten und Besten, wie Niedrigsten und
Kleinsten). Wer dann j-doch, im Bekehrungseifer, die ihm selber soweit genügende
Weisheit jedem im Begegnen Angetroffenen zu verzapfen sich gedrängt fühlt, der wird
bei Verschiedenheit der für ein Yerstiiudiiks empfänglichen Stimmungen, bösen Wirrwarr
leicht anstiften, so lange, zur Ab>cliiiUung des Richtigen die Normalmaasse fehlen; be-
sonder» in einer Geschichtsepoche knti.-cher Umwälzungen, wo die alten Stützen des
Glaubens und Wissens zusammengebrochen sind, und die zum Ersatz bestimmten nicht
schon genügend angesammelt und gefestigt (um das künftige Lehrgebäude zu t ragen \ Und
also „hands off- vom Miasionswerk, so lange der Auftrag nicht gekommen, denn bei
Berufung durch (oder auf) den „Geist •, bleibt der schlimme Zweifel von welcher Seite
er gekommen, ob der weisseu oder der schwarzen ,'unter den Coiitrover^en zwischen
Orthodoxie und Heterodoxie). Without adäquate confession sin cannot be forgiven (s.
Mc. Leod Campbell), aber nicht bei der Beichte an menschliche Ohren [weil irrende (bei
irriger Auffassung) gleichfalls J, souderu im Abgleich mit dem, was aus dem Innern
redet (als Ausdruck kosmischer Gesetze).
') Von dem Augenblicke an, wo die durch Aristoteles vertretene Angehauung von
der Verwandelbarkeit der Elemente in einander durch Gablers Zurückgehen auf die
Atomistik Üemokrit's beseitigt war, wurde die unwissenschaftliche Alchemie durch die
wissenschaftliche Chemie ersetzt (s Löwentuim), lür Feststellung der Elementarstoffe
(durch Boyle), und damit war eiu erst gesicherter Anhalt gegeben, zum Ausgangspunkt
(für die iu Fluss gerathene Zahlenreihe). Und dann sc bloss die celluläre Entwicklung sich
an (in organischer Entfaltung; physisch und psychisch) In der Seele sind die „Selbst-
erhaltungen " Vorstellungen, gleich den inneren Zuständen (wie ihnen entsprechend)
io all' anderen realen Wesen (s Herbart), als Orgauisatioospriacip (der Wachsthums-
vorginge).
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— 144 -
Wechselwirkungen (nach wähl verwandtschaftlichen Affinitäten), und wenn
bei der Zerlegung solchen Stoffes bis in (untheilbar) kleiuste Theilchen
das Letzt- Aeusserste erreicht ist, in Homoiomerieen (b. Anaxagoras), in
(Democrit's) Atomen (unter Gassondi'sModernisirung), iu Ann (Kanada's), oder
wie sonst die (beseelten) »Monaden« (als Unitüten erster Eins) oder (Bruno's)
»Minima« zu bezeichnen versucht gewesen sein mag, so ist damit dem
rationellen Denken sein Malt geboten, da es, auf Relationen hingewiesen,
bei deren Transcendenz (in's Absolute hinaus), auf der Rutschbahn eines
»Kogressus ad infiuitum« abzugleiten hat (in dessen äffende Sinnlosigkeiten
hinein).
Und daraus verblieben dem Gesetz von Erhaltung der Energie
diejenigen Fragezeichen, deren x sich erst elimiuiren lassen wird, wenn
das logische Rechnen zn seinem Infinitesimalcalcnl sich vervollkommt haben
sollte, (dermaleinst vielleicht).
In dem humanistisch beherrschten »Mikrokosmus« fallen (durch sensu a-
listisehe Vermittelung) die physikalischen Kräfte ans »makrokosmischen« Un-
absehbarkeiten ein, den Abschluss einer Peripherie entbehrend; die voraus-
bedinglich gesetzt sein müsste, ehe die Quudrirung des (von ihrer Curve
rückläufig umschriebenen) Kreises begiuneu könnte (bis auf letzte Deciraal-
stellen genau). Aus den Wirkungen sind die Ursachen (s. Galilei) her-
zuleiten, statt die Wirkungen aus den Ursachen [in (noch) Uubekanntem],
zum Ausgang vom (fasslich Greifbaren, im) Bekannten (innerhalb rationell
begreuzter Umschau).
Die beiden Enden ') sind unzugänglich (s. Comte), und so verbleibt nur
die Mitte; aber vollauf genug in ihr, um den Geistes- (und Herzens-)Be-
dürfnissen zu genügen, da hier Alles und Jedes zu durchsichtig deutlicher
Klarheit gebracht sein kann; beim systematischen Vorangang auf der von
der Naturforschung siegreich betretenen Forschungsbahn, wo heutzutage
gerade Triumphe auf Triumphe folgen (in tagtäglich neu enthüllten
Wundern).
Daneben handelt es sich auch jetzt also wieder um die durch Sokratea'
Daimonion angeregte Frage, 2 ) wie sich dem Denken in höchst eigeuer
•) „The reality existing behind all appearrenees roust ever be unknown" (». Spencer),
im Absoluten (abgelöst). -Tlie root principle of Agnosticisim i«, that the Power manifested
in the Universe is Unknown and Unknowable~ (s. (irouu 1), kalt Restellt, in den .Dingen-
an-sich" (b. Kant). Nicht durch diabetische Beweisführungen [h>pin> äno*ht£st;) ist
das Absolute zu erfassen (s. Philon), sondern in unmittelbarer (iewissheit (Iva/yrsa),
wenn der aritlimo-geoinetiisohe Einklang sich spürt (aus den Harmonien kosmischer
Gesetzlichkeiten) im Wrständnisbereich des Denkens, soweit es reicht; und ausreichend
zu seiner Bereicherung [mit den (congeniale Speisung gewährenden) Früchten des Wissens].
') Nicht mit den Augen des Körpers die Ursache im Draussen zu suchen, sondern
mit den Augen der Seele im Innern, wird (Jebes von Sokrates belehrt (über das Gute,
das ibm gutthuu würde), Um vom Bekannten zum Unbekannten fortzuschreiten, hat
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Pereon [dem in (Anaxagoras') »Nous« mit der Würde eiues Schöpfer(-gottes)
aasgestatteten Denkgeist] auf den Leib rücken liesse; denu so lange wir
mit diesem Missethäter, durch den all die kopfzerbrechende Gedankenarbeit
(in Aristophanes' »Grüblerhaus«) veranlasst worden ist, nicht fertig ge-
worden sind (ihn nicht abgethan haben, durch einen Abgleich welch' immer),
wird kein Ende sein mit solch' ewigem Gefragsei, das keine »sieben
Weisen« ') zu beantworten vermocht haben, wenn ihnen vorgelegt: vom
>Narren« (im Spottlied).
Wie auf den sonst der Chemie und Physik (bis in die Biologie) zu-
gänglichen Gebieten, hat auch hier bereits die Naturwissenschaft rüstig
vorgearbeitet, in der »Psycho- Physik«; bei ihrem erfolgreichen Vorstoss auf
das bisher von der »Meta-Physik« nionopolisirte Terrain der Psychologie.
Nach naturwissenschaftlicher 3 ) Methode (»mensura ac pondere«) sind
die Empfindungen in all' ihren »Inneniindungeu« messend durchprüft, die
Perception zur Apperception schrittweis ausverfolgt, die specifische Sinnen-
energie ans jedesmaligem »Gegenwurfe« fasslich umgrenzt (wie die Ayatana
durch correspondirende Aromana, in des Abhidarma Psychologie); und
die in ihren Verschmelzungen durch Association gestärkten Vorstellungen
emporgeklettert oder aufgestiegen [wie »Statik« uud »Mechanik« (b. Her-
bart) dies gestattet hat] bis zur »Schwelle« des Bewußtseins oder deren
»Blickfeld« (zum Umherblicken).
Da stehen sie nun, am Rubicon: an »Grenze des Naturerkennens«
(wie gesagt worden ist).
man mit sieb selbst zu beginnen (nach der delphischen Inschrift, worauf Euthydemes
▼erwiesen wird).
') Die hellenischen SinnsprOchler in Siebenzahl wiederholen sich in den sieben
Stiftern brah manischer Gotra (Bhrigu, Angwas, Atri, Viswamitra, Kasvapa, Vasbishta,
Agastya).
*) Das .Schlagwort- des „grossen naturwissenschaftlichen" Jahrhunderts gilt «ein-
seitig* beim Hinblick auf die „Arbeiten im Gebiet der Wissenschaften und der Kunst,
der Moral und der Religion, des Staats und der Kirche" (s. Menzi); aber alle diese
»ollen nun eben, auf ihrem unverkleinert zugehörigen Platz, in dasselbe gleichfalls ein-
gefügt werden, der sogemässen Behandlungsweise nach, indem auf die geistigen Ver-
wirklichungen desgleichen, die comparativ-genetische Methode zur Anwendung gebracht
wird, anter Ausscheidung (und Fortwiscben) des Scheidungsstricbes zwischen Natur- und
Geisteswissenschaften (zu einheitlicher Anschau). Die Aufgabe ist zielgemäss dahin gestellt,
die Natur- und Geisteswissenschaften in gleichem Focus der Betrachtung zusammenzufassen
(auf dem .Globus intellectualis"), indem auch auf die humanistischen Studien die Be-
bandlungswetBe nach comparatir-geneüscher Methode zur Verwendung sich bringen lassen
wird, seitdem das für Vergleichnngen benöthigte Arbeitsmaterial beschafft
worden ist (in ethnischen Belegstücken). Die Gleichstellung vom Geistesleben und Denk-
process ist ein mächtiger Antrieb zur wissenschaftlichen Vorarbeitung und vollen Durch-
leuchtung des gesammten Stoffes (b. Hegel), aber bei blosser Bewegung des Denkens,
«kommt die Sache in eine zn enge Bahn" (s. Eucken), wahrend in der Ethnologie der
objective Stoff geliefert ist (aus den Incarnationen des Gesellscbaftsgedankens).
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Mit alledem ist dem am seine eigene Wesenheit bckQmmeitea
Denken noch nicht geholfen, denn erst beim Uebersch reiten solchen
Grenzstriches werden jene Regionen angereicht sein, auf denen das
Denken Oberhaupt erst anhebt und ins Dasein tritt; gezeugt und geboren
an denjenigen Berührungspunkten, wo einst den psychischen Entelechieen
der >Nous« entgegengeeilt war (Z£(üäev\ in der »pars rationalisc (b. Cicero)
oder (b. Varro) Animus (»quo carent bestiae«), als (Telesiu's) »forma
superaddita« ; wie unter den Auimalien dem »Homo« nur eignend, im
»Regne humain« (zur Stempelung mit dem für seine Existenzform
characterietischen Gepräge).
Das Denken wird in Existenz gerufen auf einer von der terrestrischen
verschiedenen*) Sphäre erst (einem »dritten Aeon« etwa, zu Hermas' Zeit),
auf sprachlicher Gesellschaftsschichtung nämlich, wo der Logos (mit
schöpferkraftigein »Wort«) dem Anthropos seine mikrokosmische Ein-
behausung aufgebaut hat; worin er einzieht als der [aus (zoologischem)
Bimanus veredelte] »Homo sapiens«, um als äv&patnoc yuoet Zatov xokrau/v
mit dem somatischen Individuum diejenige Unterhaltung zu beginnen,
aus der sodann das Bewusstwerden entspringt (im Verlauf der Dinge).
Zunächst sind also die Gesellschaftsgedanken vors Messer zu nehmen,
zum Seciren (und physiologischer Durchforschung des Gesellschaf tskörper's).
»Sensate esperienze«, mahnt Galilei, und Bacon: »dissecare naturam«, — rück-
sichtslos einschneidend, auch bei hochgeschätzten Idealen, wo es wunde
Stellen giebt; die ihnen (aus solch' chirurgischer Therapie) um so besser aus-
geheilt sein werden, für normale Gesundheit. Probiren geht über
studiren, und so sei exaet genaue Probe angelegt, an die »Elementarge-
danken« (die als »Unitäten des Gesellschaftsgedankens« zur Fundamentirung
zu dienen haben), betreffs ihrer Entfaltungen unter Buntheit der Wandlungen,
im organischen Wachsthum der Volkergedanken; wie von der Cultur gehät-
schelt in den ihr jedesmal congenialen Weltanschauungen (unter pompöserer
Diction; im rhetorischen Schmuck). Sie baldigst in diätetische Pflege zu
nehmen, empfiehlt sich um so mehr, da ihnen die rationellen Anhaltspunkte
entlehnbar sein werden, für naturgemässe Ordnung der(volksthümlich)socialen
') Als der „influxus physicus" durchschnitten oder (bis auf den Berührungspunkt in
der Zirbeldrüse) verstopft war, klaffte die Weltanschauung dualistisch auseinander, mit
der «ree cogitans" (in Cartesius' Hirnsubbtanz) auf der einen Hälfte, der «res extensa" auf
der andern, bis sie in (der „Substantia") Substanz wieder zusammengebracht waren (zu
Attributen abgeschwächt). Das Leben ( b. Spinoza) zerfallt in zwei Stufen, „einen Unterbau
naturhafter Triebe und einen Oberbau speculativen DenkenV (s. Euken), und solange die
vornehm polirten Vordertreppeo den metaphysischen Herrschaften reservirt bleiben, wird das
somatisch psycho- physische Individuum bescheidenere Stiegen zu benutzen haben, um in
Commonication mit seinem zoopolitischen Doppelgänger zu vernehmen, was er erspäht haben
möge? beim Auslug vom Dache (in die Unendlichkeiten hinein).
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Verhältnisse im Völker vorkehr, und den iuternationalen vornehmlich
(aus der Völkerkunde).
Die Gesellschaftswesenheit präsupponirt, als »conditio-sinequa-non« ihres
Organisationsprincipes, die Sprache, so dass diese also in natnrnothwendiger
Voraussetzung steht, wenn (und da) unter den Erscheinungsweisen im
Dasein die humanistische Existenzform sich eingeschlossen findet, in
ihrer Doppelung; wobei für das sprachliche »Animal socialec der Schwer-
ter Au8gangs-)punkt auf die zoopolitische Hälfte fallt, zur Unterredung
mit der an ihr theilhaberischen Individualitat, deren psycho -physische
Thätigkeit innerhalb des somatisch gestetigten Gerüstes verlauft. Wenn die
auf sensorisch-motorischen Bahnen körperlich durchströmenden Empfindun-
gen, bei genügender Steigerung der das Muskelgewebe durchzuckenden
Bewegungen, den Stimruapparat in Mitleidenschaft gezogen haben und der
(thierisch ) h ervorgestossene Sch rei durch die fei u er gesch litzte M u nd m usculatur
zur fasslichen Wortform articulirt ist (nach den mit den Geberden der
Affectbewegungen vorgezeichneten Normen), aus opto-akustischerConcordanz
bei Durchkreuzung der Seh- und Hörnerven in den Vierhügeln (s. Held),
dann ist aus den (somatisch) psychischen Entelechieen (der im Gesellschafts-
kreis umschlossenen Componenten) dem Logos (aus ihrem Zusammentreffen 1 )
das bildungsfähige Substrat (oder Hypokeimenon) geliefert zum Aufbau
seines Mikrokosmos aus lautlich umkleideten Anschauungsbildern; zwischen
welchen nun der Gedankenaustausch anhebt, am >dies natalisc des
Denkens, mit potentiell geschwängerten Keimungen schwellend, zu
organischer Entfaltung (unter culturell gezeitigter Pflege).
Nebenden, für erleichternde Arbeitsteilung getrennten, Naturdisciplinen
des vegetabilischen und animalischen Reichs, ist hiermit demgemäss das
specifisch noetische Fach 9 ) installirt, für naturwissenschaftliche Be-
') Dem i<>r»<; Isouiflsn»; (im Denken namentlich) eutströmt der X^oq xpofopiw'*;
(b. Philon), den sichtbaren Dingen einwohnend, als Nachbilder der Ideen [aas dem (vod
(Jott sich vorbehalteneu) t»/-t»*c /ie Tazva>it»z]. Und so (in eizörcs n'tHot) erbaut der
humanistische Logos (auf zoopolitischer Sprachschicbtung) seinen Mikrokosmos eich,
aus dem Reflex der darin spiegelnden Gesetzlichkeiten (kraft schöpferischen .Worts").
*) Die durch den gegenwärtigen Barometerstand der Kenntnisse (in actueller Sach-
lage; aufzeigte Ueberleitung der Psycho -Physik zur Ethnologie wird indess nicht
direct aus der Individualpsvchologie zur Sozial (-physiologie oder) -psychologie statthaben
dürfen, da bei der letzteren eine derartige Menge verschiedenartig neuer Gesichtspunkt«
biozutritt, dass sie zunächst besser als separate Disciplin in Behandlung zu nehmen
sein wird, im Anschlusa an die Gesell&cbaftsgedanken des Zoon politikon, ehe das
Individuum schon sciue Rechte reclamiren kaun, denn .noch ist das BQndniss zu frOh*
(später jedoch allerdings ein dam um so unverbrüchlicher abschliessend»-»). Die
Haodwcberei (seit Erfindung durch Isis oder Athene) hat ihre naturgemäßen Phasen
durchlaufen, in de Genne's (1678) und Yaucausoo's(J747) Herstellung mechanischer
Webstühle, bis zu Cartwright's Kraftstuhl (power-loom), und Jacqaard's Verbesserungen,
lorch Wasser; die Meuschenkraft (am Handstuhl) verbessernd. Seitdem indes»
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handluugs weise der humanistischen Studien, denn all die denselben vor-
liegenden Beobachtungsobjekte (in Religion oder Recht und anschliessen-
den Verwirklichungen sonst, im socialen Verkehrsleben) erweisen sich als
Reflexe des Gesellschaftsgedankens, in lebensvollen Bildern gespiegelt und
incarnirt, unter massenhafter Hölle und Fülle der Vergleichungen, so
dass es, beim Einsetzen monographischer Detaillirung, dem logischen
Rechnen an Arbeitsmaterial nicht fehlen wird; für die nächsten Jahr-
hunderte und Jahrtausende wohl nicht, da mit jedem erledigten Pensum neue
vervielfacht hervorschwirren, auf die Unendlichkeiten hinaus (im rythmi-
schen Einklang mit den im Denken einwohnenden).
Wenn mit ihren, aus Verschmelzungen gesteigerten, Folgewirkungen
die durch innere oder äussere Reize angeregten Empfindungen, in »cognitio
confusa« (b. Baumgarten) die »verworrenen Vorstellungen« (s. Leibniz)
durchwallend (als Gefühle), in den »Blickpunkt des Bewusstsetns« (b.
Wundt) eintreten, dann wandelt sich der »oculus naturalisc in einen
»oculus rationalis«, kraft seiner »Visio mentis« hinausblickend in neu er-
öffnete Gedankenreiche, auf dem Bereich der Geisteswelten, in einem
»third Kingdom« (s. Drummond) auf dem »Globus intellectualis«, und hier,
mit veränderten Aufgaben der Forschung, werden die Arbeiten der Psycho-
Physik (auf den durch sie gefestigten Stützpunkten) abgelöst sein durch
die ethnischen der Noologie, bei vorläufigem Uebergang der Individual-
Psychologie in die Socialphysiologie, um dann aus zoopolitischer Gesell-
sebaftsweseuheit wiederum, das darin als Faktor agirende Individuum (der
Anthropologie) zurückzugewinnen (und, nach dem ihm zustehenden
Schätzungswerte, in seiner Eigentlichkeit zu umschreiben).
der Fabrikbetrieb hinzugetreten ist, mit gesteigerter Dampfeskraft, kommen eine solche
Menge disparat getrennter Gesichtspunkte aus Maschinenkunde. Arbeitergewerkschaften,
Handelsverkehr u. dgl. ra. hinzu, dass wer jetzt ein Lehrbuch Ober Weberei zu
schreiben hat, um die primären Vorstadien sich nicht viel kümmern wird (obwohl die-
selben ihren theoretischen Vollwerth bewahren). Wie das Postwesen sich entwickelt
hat, vom Postboten zum berittenen Postillon, von den am Bock gelenkten Postwagen
zu Extraposten (in deren Höhe unter Nagler's Verwaltung), ist interessant genug im
„ Postmuseum" zu verfolgen, unter dem Protectorat des Reicbspostamts und seines
Eisenbahnverkehrs; dessen vielbeschäftigten Beamten durchschnittlich indess kaum
genügende Müsse bleiben wird, um archäologischen Stndien nachzuhangen. Das cellu-
lire Wachsthum der Pflanze Iftsst in methodisch grader Liuie bis zum BlOthenstaad sich
verfolgen, wo nun jedoch io manch' verschiedenartigste Richtungen ableitende Wege
durebeinanderführen, nicht nur anbetreffs praktischer Verwerthung von Blume und
Fracht, sondern schon fflr die Befruchtung durch bunt herbeiflatternde Insecten (mit
Generationswechseln verwickeltster Art). Und soweit den aus dem Jnfluxus physicus*
psychisch hervortretenden Entelechieen auf zoopolitischer Sprachschichtong der Noos
(fötrfev) hinzugekommen ist (auf idealen Fittigeu), wird vorläuög besser die Noologie
(der Gesellschaftsgedankeo) einer besonderen Facbdisciplin eingestellt sein, um dauD
dem Individuum desto begründeter die Erkenntniss dessen zu ermöglichen, was in ihm
(»ich selber) denkt (und lobt).
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Die Einheit (als Eins, am Anfang der Zahlenreihe), ro xpwTW iv (der
Pytbagoreer), ist ein ungetheiltes Ganze, ein individuelles insofern —
»was ist, ist dnrch sein Dasein selbst Individuum« (s. Leibniz), — ein
Ganzes also, das seine integrirenden Tbeile umgreift, bis auf kleinste
Theilcben; mit dortiger Position eines (Theil-) Ganzen wiederum [je
nach den (relativen) Schätzungswerthen].
Im Organismus setzt sich »eine die Zusammensetzung beherrschende
Einheit des Ganzen« (s. J. Müller), und da »die Ursache der Art der
Existenz bei jedem Theile eines lebenden Körpers im Ganzen enthalten
ist« (b. Kant), lebt die biologische Organisation ihre specifische Art zeit-
lich, im rückläufigen Cyklus (jedesmaliger Spannung3weite), während der
Kristall in seiner Individualität (s. Robinet) räumlich erstarrt steht (unter
den durch das Achsenkreuz gestetigten Umrissen).
Eine Einheit ist die Mark, eine Einheit der Thaler — die Milliarde
auch (wenn richtig genau ausgezählt) — , und abwärts kommen wir auf
Heller und Pfennige, nicht aber auf Kupfer und (narrendes) Nickel, da
mit solchem Stücklein [des Roh- (Metalls oder) -Materials] sich nichts
kaufen läset, im landläufig sprachlichen Verkehr; und wie es (dem
internen Werthe nach) sich damit verhält, den sachkundigen Liebhabern
zu überlassen ist, für akademische Erörterungen; schwerwiegend ge-
wichtige auf metallurgischer Wagschale — und somit bedeutungsvolle in
ihrer Art (nicht aber in der anderen eben).
Im Staatsleben bildet eine Einheit das Eigenthum jedes Einzelnen
im Privatbesitz für rechtliche Geltung, aus wieviel verschiedenartigen
Componenten (in Hypotheken, Depositen, Baarbeständen etc.) es auch zu-
sammengesetzt sein möge, und eine gewichtigste Einheit ist das Heer-
wesen, an dessen geschlossener Einheitlichkeit besser nicht gerüttelt wird,
da der abgeschwächte Schutz (zur Abwehr des Feindlichen) empfindlichst
sich rächen würde (zum Schaden Aller); und hier bildet (ethnischer
Stammeseinheit entsprechend) unter den Truppenabtheilungen die kleinste
Verwaltung»- oder taktische Einheit (der Truppen) die Kompagnie
(Kscadron oder Batterie), über welche hinaus wir in die Gemeinmasse
gerathen; deren darin aufgemengte Mengen erst nach genügender
Dressur sich verwendbar erweisen würden (für Vertheidigung des Vater-
land's).
Um für Quadrirung eines Kreises die entsprechende Formel zu ge-
winnen, mußs derselbe durch seine Peripherie umzogen sein (je nach der
Weite), und, nach Ordnung der (bis dahin hylozoistisch nur bekannten)
Dinge, begann die aachgerechte Philosophie für Aristoteles mit dem
Begründer jener Schule, der zuerst in Voraussetzung stellte, das Ganze
zu umschauen (bp&odat rb xa&6h>v), worauf sodaun der akademische Ge-
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nosse des peripatetiscben Forschers aus den dp^iruiroi in den Ideen die
Ursache am Anfang) entnahm (unter den alriat) für Ideal-
gestaltuugen (iu »Welt der Vorstellungen«).
Nachdem der vegetative Entwicklungsprocess in seiner Ganzheit über-
schaut ist, von der Wurzel oder dem Keim (an der äp%y rrfi fteiaßotf;,
im Sonderfalle) ab, bis zur Blüthe und Fruchtstand, hat aus mikroskopisch
verschärftem Einblick in die dortigen Vorgänge die Zelle sich nieder-
geschlagen (der »Mutterheerd alles Lebens«). »Wesentlich ist gerade
für den Chemismus der Zelle, dass sie aus der Vielheit von Stoffen sieb
aufbaut, an der ununterbrochen Veränderungen vor sich gehen« (s. Reinke),
aus Proteinstoffen (Kohlenhydrate, Fette, Lecithin, Choleristin etc.), und
diese Zelle [als celluläre Unität, statt (beseelter) Monade in (dichterischen)
Metamorphosen] erweist sich als »elementarer Grundstein der belebten Natur«
(s.Hertwig), um — mit oder ohne Kern (in derMonere) — die (rationelle) Natur-
forschung (der Physis) vor meta-physischeu Verirrungen zu hüten; wie durch
Aufpflanzung ihrer (elementaren) Greuzwächter die Chemie (seit Boyle) aus
alchvmistisch chaotischem Wust gerettet worden ist. Wer solche
Warnungszeichen missachtend, unbedachtsam in das Protoplasma trau-
scendirt, aus dem sich piasmodisch plastisch Erst- Bestes (auch Geistiges des
»Psychoplasma«, als »Träger der Seele«) kneten lässt, wie aus platonischem
»Ekmageion« (durch das »Zauberwort der Entwicklung«), hat abzugleiten
in die Aeffungen des »Regressus ad infinitum«, wenn nicht versinkend in
(naturphilosopliischen) »Urschleim«; aus dem an dem eigenen Zopfe sich
wieder herauszuziehen, dem Herrn Baron von Münchhausen überlassen
bliebe: denn mit dem »Baron« fängt der Mensch erst an, nach Ansicht
des Wiener Droschkenkutschers (was der Anthropogonie vielerlei Um-
ständlichkeiten ersparen würde, zur Abfindung mit der Anthropo-
theologie u. dgl. m.).
Unter den »Grundprocessen« der psychischen Erscheinungen werden
die Vermögen, welche (bei Bildung der Empfindungen und Wahr-
nehmungen) die Reize aufnehmen und aneignen, auf »Urvermogen« (zur
Ausgestaltung neuer) redneirt (b. Beneke), die indess ihrerseits wieder
mit Zutritt des (auf noetischer Sphäre aus ihnen in Action getretenen)
Denkens begrifflich umfasst werden, und so hätte, was in »psychischen
Elementen« (innerhalb des psych o-physischen Individuums) gesucht wird,
sich in »notitiae communes« (b. Herbert Ch.) oder xoguai evvotat (der Stoa)
zu wandeln, als Gedankenelemente oder Elementargedanken, wodurch aas
ethnischen Incarnationen reducirt, der comparativ-genetischeu Methode ein
handliches Object abgegeben ist, um nach exaet naturwissenschaftlichen
Vorschriften durchforscht zu werden.
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Und da solche »notiones commune*« auf den »common sense« (b. Reid)
hinauskommen, 1 ) auf den gemein gesunden Menschenverstand, wären sie a
priori schon als gleichartig durchgehende zu supponiren, und sind sie
durch die aposteriori angesammelten Erfahrungen (durch die, aus ethnischen
Aussagen redenden, Thatsachen)factisch und praktisch bestätigt worden, unter
den Wildstämmeo 3 ) sowohl, wie den Culturvölkern ; und bei diesen wieder für
') Commune« qua« a Stoicis dictintur notitiae in connectitudine positae sunt (w^i
xn&wv iwotwv). Und aus potentiell geschwängerten Keimen beginnt die Entfaltung so-
dann (im Sprossen der Gedankenfrüchte) Gleichartige (und disparate) Vorstellungen
verschmelzen miteinander, wogegen (partiell oder total) entgegengesetzte einander hemmen,
and in der gehemmten Vorstellung ist das Vorstellen tu neuem Streben (vorzustellen)
geworden (s. Herbart), im Wachsthumsdrang (nach den Metaphern der Sprache). Wenn
ein .Nisus formativns" (Blumenbachs) oder der «zielstrebige Gedanke" (b. v. Baer) Richt-
kräften oder .Dominanten- (s Reinke) folgt, so kämen solche Versionen auf das
Organisationsprincip zurück, das tautologisch der Organisation drinnensteckt, da es ohne
einen Anfang (principiell) nicht abgehen kann; bei ihr so wenig, als anderswo (und:
•Contra principia negantem non est disputandum").
*) Apres m'ßtre assis sur un rocher, en vue de mes brebie, je ra'adressai de dou-
loureuses qnestions; oui, douloureuses, parceque je ne pusse y repondre. .Les etoiles,
quel est celui qui les a touchees de sa main? sur quels piliers reposent-elles? me de-
mandai-je. Les eaux ne se fatiguent point, elles ne connaissent d'autre loi (coutume)
que celle de couler sans cesse, et de toojours couler, au soir comme au matin, mais ou
donc s'arrfitent-elles? .... et qui les fait ainsi courir? Les nuages aussi vont, reviennent-
ils? qui les envoie? Ce ne sont pas sürement les Barokas qui nous donnent la pluie,
car comment la peuvent-ils faire, et pourquoi ne les vois-je pas de mes yenx lorsqa'ils
s'elevent dans le vent. le fait sonffler, mugir, bondir, nous epouvanter? Sais-je comment le
ble germe? Hier il ne s'eu trouvait pas un brin dans mon champ; aujourd'hui je suis retourne
ä mon champ, et j'y en ai tronve*. II est tout petit, presque imperceptible; mais il grandit,
se developpe, comme grandirait nn jeune homme. Qui peut avoir donne" ä la terre et
la sagesse et la force de le produire? Alors je cachai mon front dans mes deux mains.
De nouveau je reflechis en moi meme, disant: Nous partons tous, et ce pays reste;
il reste seul, car nous le quittons tout, pour nous en aller; mais oü allons-nous? — Un
sentiment (coenr) repondit: Peut-etre existe-t-il dautres hommes que nous; nous irona
cbez eux Un second sentiment me dit aussi: Peut-etre les hommes vivent-ils sons
terre: lorsque nous partons d'ici, nous devons alter les rejoindre. Ce sentiment revint
et me dit encore: Peut-etre les hommes vivent-ils sous terre .... Un sentiment oppose*
me dit: Cea hommes »ous terre, d'oü vieonent-ils? Sur cela, mon ceour ne sut plus que
penser, il sVgara. A son tour roa conscience (la plevre) se leva et me parla, disant:
Tons les hommes font beancoup de mal ... . malheur! Je me rappelai plusieuro
torts que j'arais faits aux autres; et ä cause de ces torts ma conscience me rougeait
(mordait) en secret ; car jVtais assis solitaire, sur un rocher. Je dis que j'eus peur: je
me mis a courir apres mes brebis, chercbant ä m'egayer, mais tout tremblant." (s.
Arbousset et Daumas), unter den Bassuto (18 12) In diesen (bukolischen) Meditationen eines
wilden Philosophen wiederholen sich so ziemlich all'die Krankheitskeime jenes Weltschmerzes,
den culturell gezüchtete Medicinmänner (und Seelenärzte) mit ihreu Heilmitteln aas meta-
physischem Arzneiscbatz therapeutisch zu behandeln bemüht gewesen sind. Und zwar sind
sie vor Begründang der Missionen niedergezeichnet, von dem ersten Sendling, der ins Land
kam, zu einer Zeit also, als die Idylle de« dortigen Hirtenlebens noch unbeleckt war, .von
Europas übertünchter Höflichkeit". Und auch die Poesien könnten coneurriren, auf
Tonga, e. g. (cf. z. N. B. d. Ps , S 121). Da der in der Hängematte (frei von den Erddünsten,
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— Voi —
sämmtliche Rangordnungen: 1 ) die elegant höchsten sowohl, wie die niederst
gemeinen; nach Analogie der Ideen, die es für Alljedes giebt, anch für
Dreck und Kotb (im Parmenides), nicht für die hehr schimmernden Ideale
allein, — und diese, die hier abgetrennt {jotpunai) stehen, in unzugänglich
überweltlichen Regionen [im rozot; uT&poupäwK oder (b. Pbilon) /izTox6afuo<z],
sind (nach moderner Forschuugsweise) nun auf die erdig schmutzigen
Wurzeln zurückzuführen, ohne durch das Hervorwachsen daraus (wie aus
dem Gestank des Mistbeets die duftige Rose) erniedrigt zu sein, sondern
vielmehr desto mehr erhöht (zur Würde des »self-raade-man«). Und wenn
hier bei naturgemässer Pflege befriedigende Erzengnisse (oder Resultate)
gezeitigt werden (zum Besten des geistigen Lebens), so bleiben sie desto
gesicherter eingeschlagen, weil im eigenen Innern wurzelnd, aus potentiell
geschwängerten Keimen hervorgesprosst (wie immanent an sich).
Als bei kritischer Reform der Philosophie die »Erkenntnisstheorie« zu
ihrer Erkenntniss kam, lag das Erkenntniss-Vermögen vernnnftgemäss
ihr am nächsten: dass mau vorher nämlich das Instrument kennen zu
lernen hätte, ehe die durch dasselbe zu leistende Arbeit in die Hand ge-
nommen werde, (um solches Werkzeug auf seine Leistungsfähigkeit also
geprüft zu haben).
Drob spottet der Systematiker des »absoluten Idealismus«; denn die
Untersuchung des Erkennens könue nicht anders als erkennend geschehen
(»Erkennen wollen ehe man erkenne, ist eben so ungereimt, als der
weise Vorsatz jenes Scholastikers, schwimmen zu lernen, ehe er sich in's
Wasser wage«).
über Irdisches erhaben) Heditirende (b. Aristophanes) despectirlich redet von Zeus, er-
schrickt der Znhörer, da sein Blitzstrabi geschlendert sein könnte, der indess (dem Frei-
denker) bei manch Ungerechten hienieden schadlos vorbeigefahren sei. dagegen aber
das eigene Heiligthun) getroffen hätte [und die ihm werthe (Donner-) Eiche].
') .Schweinschneider laboriren zwar nicht an einer Macula und sind noch weniger
infam, aber sie stehen doch am letzten Platz im Staat und werden auch den Weinschenkern
nachgesetzt" (s. Hellbach), nach den Rangordnungen im heilig römisch-deutschen
Kaiserreich (1804), genauer noch gegliedert bei den Pariah [durch die (aus Distanz schon
verunreinigten) Brahmanen]. Betreffs der Klementargedanken wird es sich bei ihnen aber
wohl ebenso verhalten, wie bei den andern (da sobezflglich Alle unter gleichem Kamm ge-
schoren sind). Awt fJi rä; ofwoi? itrrt, xai 6 /tti&ov zai 6 ikarrav (s Simpl.), in
Elementargedanken (auf tiefstem Niveau der Wildheit, und in höchster Philosophie),
mittelst Maieutik zu erweisen (b. Sokrates); und thatsächlich bestätigt (durch die
ethnischen Aussagen). Den Scheidungsstrich für civilisirende Veredlung zieht die Schrift,
zum Fixiren der Erinnerung und ihrer Verwerthung, (in Anamnesis). „Das Gekratzte
redet" (s. Kunze), beim Lesen des Niedergeschriebenen (in Sprache des Papua), and so
die papierne Botschaft (auf Tahiti). Von verkauften Gegenständen müssen (bei den
Eskimo) abgerissene Theilchen verschluckt werden, weil sonst solche Sachen nicht
wieder in Besitz kommen (s. Nelson), so dass das Erinnerungsbild zum gesicherten
Festhalten innerlich assimiliit wird, um ihm die Möglichkeit zu belassen, sich daraus
wieder zu realisiren (aus seinem vwa/m J>, in Actualität).
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Es handelt sich hier um Spiegelbilder oder Vorspiegelungen (im
Uebergaog der Illusionen zu Hallucinationeu), wie in »Spiegelung unseres
eignen Bewusstseins« (s. Forel), eine »Spiegelung ohne Spiegelt (b. Menzi),
ein »Messer ohne Klinge, dem das Heft fehlt«, wenn hinter der perci-
pirenden Seele (im Auge) die appercipirende sitzt (und Malereien pinselt),
unter endlos langer Spiegelreihe 1 ), zamal wenn es im Ei- Seelenstoff (s.
G.H.Schneider) zu zerbrechen beginnt [unter den Verschiebungen zwischen
»Muskelseele«, »Nierenseele«, »Leberseele«, »Nerven- und Hirnseele«, statt
lieber die Seele, »la secretion du cerveau« (b. Cabanis), dort (in secreto)
ausgeschwitzt sein zu lassen (s. Vogt), wie den Harn in nephritischen
Umgängen].
»Man kann nicht behaupten, dass die Erscheinung des Grundbewusst-
seins an dem reflectirten Bewusstsein eine neue Reflexion von diesem
Toraussetze, und so in's Unendliche, Weil sonst noch kein Mensch seit
Adam zum Selbstbewusstsein gekommen sein könnte« (s. J. Kuhn), wobei
dann freilich die Frage bliebe, ob jemals (Huine's »einige Metaphysiker«
ausgenommen) dies geschehen sein möchte, in der (metaphysischen)
»Wissenschaftslehre« (als »philosophia prima«) oder in der skeptischen,
wo die Seele in »bundles« loder (auf dem Buddhagama) in »Khanda«]
auseinandergefallen ist (für eine »Psychologie ohne Seele«).
Und in der Individualpsychologie liegt es uicht viel besser, da wie
das phytische Wachsthum lebend, Nanna's Pflanzenseele (b. Fechner) ihr
Innerstes nicht zur Erklärung zu bringen vermöchte, so auch wohl die
animalische »res bruta« (». Geulinx) nicht, in der Empfindung: der
»Vorgang, der in jedem Augenblicke sich erlebt und sich nicht deßniren
läset« (s. Schnitze). »Es ist in keiner Weise einzusehen, wie aus dem
Zusammenwirken der Atome Bewusstsein entstehen könne« (s. Dubois-
') Der Begriff Ich (als Urquell aller unserer höchst mannigfaltigen Vorstellungen)
trägt den Widerspruch der Inhärcnz der Vielen in dem Einen in sich (b. Herbart),
sowie .den ihm eigentümlichen Widerspruch, dass es als das reine in sich selbst
zurückgehende Selbstbewusstsein sich vorstellen muss, d. h. sein Ich vorstellen muss,
d. h. sein sieb Vorstellen vorstellen muss, und so fort ins Unendliche (indem jedesmal
das Sich durch sein Ich und dieses wiederum durch sein Sich-Vorstellen zu ersetzen
i«t), so das der Ich-Begriff gar nicht zu Stande zu kommen scheint" (s. Ueberweg), der
Schein, als Schein „ist" (nach aufgehobenem „Sein"), im .Scheinen und Meinen" der M*a
in Doxilogieu [ehe dem exaeten Wissen ein (naturwissenschaftlich) thateäcblicher Anhalt
geboten war]. Da die praktische Vernunft das Unbedingte, als wirklich pustulirt, muss
dieses Postulat von der menschlichen Vernunft angenommen werden, im Vernunftglauben
(b. Kant). Die aus Nöthigung der Gefühle folgenden Zusammenhänge bedingen (einen
Glauben (belief), als naturgemäss erörterungsfähigen |vom theologischen (faith) verschieden,
in willenloser Hingabe]. Im gläubigen Geloben wird, wie Zeit vertrödelt, auch die
Willenskraft geschwächt. .Wissen* und „Nichtwissen" (.tertium non datur"), um auf
der Brücke eines .Noch-Nieht-Wissens* das Nichtwissen in Wissen (die Avidya in Bodhi)
überzuführen, unter umsichtiger i^'XV (*olange es ein .Non liquet" noch zu klären gibt).
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Reymond), und damit waren »die Grenzen des Naturerkennen's« gesteckt
[ehe die Anwendung (und Verwendung) der comparativ- genetischen
Metbode auch anf die humanistischen Studien auszudehnen, sich hatte er-
möglichen lassen].
In der Philosophie, als > Bearbeitung der Begriffe« sind die
Gedanken »Begriffe« (s. Herbart), und wenn Begriffe einander im Denken
begegnen, kommt es darauf an, ob sie Verbindungen eingehen [unter
(Hartley's) »Associationen«], sowie, ob sie, je nach der Intensität, die
»Schwelle« (des Bewußtseins) überschreiten, um in den »Blickpunkt
des Bewusstseins« einzutreten, als »Fixationspunkt» (b. Wundt) oder
»inneren Blickpunkt« (»derjenige Theil einer zeitlichen Vorstellung der
dem am klarsten vorgestellten unmittelbar gegenwärtigen Eindruck ent-
spricht«), auf dem »Blickfeld des Bewusstseins« ; durch Verschärfung des
»oculu8 naturalis (der Scholastik)* znm »oculus rationalis«, [unter Er-
weiterung der Gedankenweiten für die »Visio (mentis oder) intellectualis«,
innerhalb des (b. Herbart) »intelligibeln Raumes«].
Obwohl »das Bewusstsein die Veraussetzung aller Erkenntniss ist«,
hat erst die neuere Philosophie sich eingehender damit beschäftigt (s.
Kirchner), im Selbstbewusstsein, »die einfache Vorstellung des Ich«, als
»Polyp« (b. Volkmann), lartv i] vfi^atz vo^atmz vttyov; (b. Aristl.) oder
ouvatofyatc abzr^ (s. Plotin); verquickt mit dem Gewissen, »das ins Be-
wusstsein getretene Gefahl des Sollens« (b. Ulrici), als Gbedsi (der
Eweer) oder Stimme (gbe) des Herzens (dsi), aus dem »Deva« (auf Bali)
redend (mit der yxovi) tou datfioviou).
So stellt sich hier ein Pflichtgebot für die »iunere Erfahrung«, der
allein nur »der Versuch, das Wesen der Wirklichkeit zu bestimmen«,
entnommen werden kann (s. Paulsen), und bei einer derartig schwer-
gewichtigen Aufgabe macht es nun also um so mehr sich rathsam, vorher
das Werkzeug zu prüfen, mit dem sie ausgeführt sein soll; als welches
indess, an Stelle des »Erkenntnissvermögens«, worin das »Erkennen« (der
Erkenntnistheorie) allerdings bereits antieipirt liegt (nach obigem Ein-
wurf), besser das (um sein Erkennen bemühte) Denken selber gesetzt wird
(wie gelebt in jedem Momente des Daseins). Was immanent gelebt wird,
wie von der Pflanze ihre Wachsthumsvorgänge, wird damit dann an sich
erledigt, auf physischem Bereich; und auch für dessen psychische
Entelechieen, wie aus dem »influxus physicus« hervortreibend, in animali-
scher Organisation [allegorisch (mit Gleichnissen und deren Analogieen)
verdeutlicht durch die »Metaphern der Sprache« ; aus dem y»j<nxi>c Myoc
oder »physica ratio«, rationellerweis].
Was in humanistischer Existenzform, als diese mit dem ihr speeifisch
eigenthümlichen Stempel prägend, hinzutritt, in einer »forma soperaddita«
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(b. Telesius) ist die »pars rationalis« (Cicero's) oder (b. Varro) der (mit
seiner Anima vermählte) Animus (»quo carent bestiae«), auf zoopolitiscber
Sprachschichtung 1 ) des Anthropos, wo [mit Umsetzung der (aus räum-
lichen Eindrücken assimilirten) Vorstellungen in Begriffe] die Unter-
haltung') eintritt mit dem Doppelgänger (»le double«) des psycho-
physischen Individuums (aus der, tpoozi gesetzten, Doppelung). »Das
psychologische Subject weiss nichts durch seine Vorstellungen und will
nichts durch seinen Willen« (s. Münsterberg), indem das Denken auf
gesellschaftlicher Sphäre erst anhebt, beim Gedankenaustausch zwischen
den Componenten des jedesmal socialen Kreises; und dass, unter dieser-
art geführten Gesprächen, jed' Einzeluem (wenn er ernstlich so will)
freigestellt ist, seinen eigenen Zifferwerth sich herauszurechnen und für
denselben eine unabhängige Selbständigkeit zu beanspruchen, bewährt
sich allzu offenkundig aus den praktisch gelieferten Erfahrungen des
tagtäglichen Lebens, als dass ein besonderer Hinweis darauf benöthigt
sein dürfte.
Um demnach in dem hier aus Wechselbeziehungen (der »concatenatio
rerum«) ineinander geschlungenen Geräthsel Klarheit zu sehaffen, wird
zunächst also das Denken selber in Betracht zu ziehen sein, weil das
»Organon«, das Werkzeug oder Instrument, womit die Weltanschauung
zusammengezimmert ist, für die Einbehausung des Menschen in deu ihm
erbeigenthümlichen Mikrokosmos.
') Wenn die auf sensorisch-motorischen Bahnen gesteigerte Bewegung der (innerlich
oder äußerlich) angeregten Empfindungen auch den Tonapparat des Kehlkopfs in Mit-
leidenschaft zieht, so erfolgen die humanistischen Articulationen des Schrei'es,. in Unisono
mit den Modulationen, wie sie bei den Geberden der Affectserregungen sich äussern, um
das aus opto akustischer Coucordanz geschaffene Wort, mit dem, für Eigenart seiner
Deutung charakteristischen Stempel zu prägen, so dass es insofern, weil auf naturgemäßen
Vorveranlagungen basirend, als yüazt gebildet betrachtet werden könnte, obwohl unter
den (Woti) veranlassten Umherschiebungen der fortleitende Faden des Zusammenhanges
leicht verloren zu gehen pflegt. Zum (oder dem) Einblick wird der hier verlaufende Process
Oberhaupt erst eröffnet, nachdem auf zoopolitischer Spraehschichtuug die Unterhaltungen
begonnen sind, aus denen das psycho- physisch darin einbegriffene Individuum als
poetisches zu selbständiger Umschreibung Gelegenheit geboten erhält (um den, weil
eigentlich zuständig, eigenen Ziffernwerth sich herauszurechnen).
*) Die von dem Missionar angebotenen Lehren (s. Campbell) wurden von dem
Betschuanen zurückgewiesen, da er All das ihm Bentfth'gte von dem (an seinem Halse
baumelnden) Amulett erfahre, aus dem es ihm sprach, wie aus des Padanda Herz der
»Deva" (mit der ffutvr, w't dat>LiM>i'>\ „dem Gottet>freiinde*, >> <Ve«<? iv fyil,). Em handelt sich,
bei solchem .Doppel-Ich" um das Zwiegespräch des psycho-physisehen Individuums (auf
die Empfindung eines (somatisch) animalischen Persönlichkeit sgefühls gesteift) mit seinem
zoopolitischen Genossen (oder Doppelgänger), der aus dem, was auf sprachlicher Gesell-
sebaftsschichtung erlernt werden ist, die Belehrungen hinzubringt, die einer gemeinsamen
Abwägung unterzogen werden können: statt in der Eristik dialektischer Kunst, besser
nach Leibniz's Vorschlag: „Lass<t uns rechnen" — wie den, arithmetischem Denken
innewohnenden. Gesetzlichkeiten conforra (im logischen Rechnen).
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Es fragt sieb somit, wie? dies zu geschehen hätte, wie dem Denken
beizukommen sein möchte: diesem Denken nun eben, das sich seiher lebt,
in sein eignes Geheimniss verhüllt
Die Wegrichtung ist deutlich genug angezeigt; wie etwa für den,
dem zur Preisaufgabe (oder zum Scherzräthsel) gestellt wäre, deo Zweck
einer Maschine zu errathen, die sich seiner persönlichen Untersuchung
[und (handgreiflich) begrifflichen Umtastung] entzieht.
Das Problem ist kinderleieht zu lösen, weun die Aufmerksamkeit auf
dasjenige hingerichtet ist, was die Fabrik producirt: um zu erkennen, ob
sie zum Schneiden, Hobeln, Sägen, ob zum Spinnen oder Weben, oder
sonst was eingerichtet ist; und bei genauer Durchspähung dieser Erzeug-
nisse wird auch über allerlei Besonderheiten der Maschinerie Auskunft
zu erlangen sein, so dass der Plan im Zusammenarbeiten der Theile
mehrweniger zutreffend construirbar sein mag (und aus ihrer Wirkung
die Ursache sich klärt).
Wenn deshalb der Denkgeist (im Stolze seines vollen Bewusstseins)
den Schleier (der Isis) sich nicht vom Antlitz abzuziehen erlaubt, wird
er entlarvt sein durch seine Zeugungen, gute und schlechte, oder (für
objective Zuschau) adiaphora (im Durchschnittsmaass).
Diese Zeugen seiner Thätigkeit vermag das Denken nicht zu ver-
bergen, denn auch in ihm treibt unwiderstehlich der Wachsthumsdrang
aus dem »Organisationsprincip« eines »Nisus formativm?«, im »geheimen
Bautrieb« (s. A. Lange), einer »Kreisenden Gebärerin« (b. Bruno), bei
den (nach der »Continuität der Vorgänge« gültigen) »Gesetz des geistigen
Wachsthums« (s. Wundt) oder aus »Attraction und Repulsion«, als die
(bei gegenseitiger Umsetzung verschiedenartiger Substanzen) »noth wendig
äusseren Folgen der inneren Zustände« (s. Herbart), bei den Vorstellungen
als »Selbsterhaltungen« der Seele (gleich den inneren Zuständen, wie
ihnen entsprechend in alle den »realen Wesen«): dem Selbsterbaltungs-
prineip zufolge (bei innerlicher Keaction gegen den von aussenher ein-
fallenden Reiz).
Was bei solchen Entfaltungsprocesaen vom Denken (in anthropischer
Specialität) producirt oder erzeugt wird (aus potentiell ihm eiugesäeten
Keimen), »Ur vermögen« (b. Beneke) oder sonstigen xotvai ivvotat in »Logoi
spermatikoi« (der Stoa), aus »notitiae commune«« (b. Herbert Ch.) und
»common principles« (s. Reid) hervorsprossend, sind klärlich genug seine
Anthropomorphosirungen, aus dem Reflex (auf zoopolitischer Sprachsphäre)
zurückspiegelnd (so dass hier der »Spiegelung« der »Spiegel« zugefügt wäre).
Indem somit dem Studium (zum Arbeitsmaterial) die Incarnationen
der Gesellschaftsgedanken geboten sind, aus »lautlich umkleideten An-
schaunngsbildern« in Fleisch und Blnt, mit Hülle und Fülle der ethnischen
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Aussagen [in Rechtsinstitutionell, (immateriell) eingekorperten sowohl, wie
mit den (mythologischen) Gebilden ethischer Religiosität umschwebend],
so steht einer Verwendung der comparativen Methode das Mindeste nicht
entgegen (ausser etwa ein »embarras des richesses« der Vergleich ungen);
und daneben kann die genetische ausverfolgt werden, um auf die
»Elementargedanken« zu gelangen, als > Uni taten des Gesellschaf tsgedankeus«;
der sich andrerseits buntschillernd bricht in den Wandlungen der »Völker-
gedanken« 1 ), nach den geographisch-historischen Bedingnissen der Umwelt,
wie den (topischen und socialen) Agentien entsprechend, die darin walten.
Was bei subjectirer Versenkung (einer »Inspectio sui«, in Autologie) sich
unlösbar erweist (für die Individualpsychologie), findet seine naturgemässe
Losung aus objectiver Umschau in der Noologie, innerhalb deren (durch
das Sprachband umschlungenem) Gesellschaftskreis die Zielrichtung zu-
rückfahrt wiederum auf das Individuum, um seine eigene Selbständigkeit
sich festzustellen (wenn ernstlich so gewillt).
Ohne viel Muhen im grüblerischen Kopfzerbrechen kann das übrige
dem durch das logische Rechnen gezogenen Fazit überlassen werden, das
bei bewahrt befundener Controlle sich als richtig zu erweisen hat, da
das in geometrischen Zeichen (b. Galilei) geschriebene »Buch der Natur«,
bei (Kepler'8) »Harmonia mundi« (im Nachhall pythagoreischer Sphären-
gesänge), durch die arithmetischen Denkgesetze entzifferbar sein moss, aus
Uebereinstimmung kosmischer Gesetzlichkeiten, — wie sie mehr und
mehr im heutigen »Zeitalter der Naturwissenschaften« sich zu enthüllen
beginnen [beim Ansteigen der (das Wissensbereich erhellenden) Sonne, zu
ihrem Zenith]. * *
') Der in oratorisch pompöserer Diction allgeläufigen Bezeichnung der „Weltan-
schauung* ist die des „Völkergedankens" substituirt, um dadurch das (neuerdings ermög-
lichte) Hineintragen des genetischen Prinzipes zu markiren, und im heutigen „Zeitalter der
Naturwissenschaften" mit den übrigen Disciplinen desselben auch die ethnologischen auf
gleiches Niveau zu stellen. Die Verschiedenheiten in der Weltauffassung, unter Hellas*
hellerstrahlendem oder des Nordens wolkig umdflstertem Himmel, phantastisch wuchernd
in Indien'» Tropennatur, prosaisch geglättet in China'« geschäftlichem Verkehr, dualistisch
im Widerstreit Iran's mit Turan u. dgl. m. bat von jeher vor Augen gelegen, zu an-
ziehender oder abstossender Anschau, je nach den Launen des Geschmackes oder der
Stimmungen. Jetzt aber tritt die Erforschung hinzu, um die eigenartigen Verschiedenheiten
(cauttal) zu erklaren durch eine nüchterne Verstandesarbeit; und lür sie wird es in nächster
Zeit viel zu thun geben, da neben den obigen Paradigmen Hunderte und Tausende von
Vergleiehsobjecten mehr (grosse und kleine) hinzugekommen sind (die ihrer Bearbeitung
harren). Das vernünftige Erkennen (im Gegensatz zu dem verständigen) „besteht in dem
Waltenlassen der Sache selbst oder der allgemeinen Vernunft in uns, die mit dem
Wesen der Dinge identisch ist" (s. Hegel), wenn das logische Rechnen (auf natur-
wissenschaftlicher Unterlage) sein eigenes Fazit sich ausrechnet (im Denken). Es ist
ein jedes Volksleben, wenn es sich einmal zu öffentlichen Verbaltnissen erhoben hat
(s. Leo), .ein Gedanke- (ein „System von Gedanken- 4 ), als Völkergedanke" (innerhalb
geographisch-historischer Umgebung).
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Wenn unter den ineinanderverschlungenen Wechselbeziehungen, die
in der Welt sich wandeln, das in seinen Vorstellungen darin lebende
Denken den gesicherten Ausgangspunkt in sich selber zu nehmen hat, so
bleibt die metaphysische Ichheit, als Resultat der complicirten Bewusstseins-
Vorgänge, zunächst auf deren verdeutlichende Klärung hingewiesen, im heutig
naturwissenschaftlichem Sinne, so dass an Stelle einer subjectiven »Inspectio
sui« die objective Umschau zu treten hat, beim Rückgang auf die
somatisch psycho-physischen Wurzeln, aus denen das Noetische (wfy<wc
vorjoztoQ Uyaic) entsprungen ist, innerhalb des humanistischen Mikrokosmos
(auf sprachlicher Gesellschaftsschichtung).
Statt der res extensa (in ihrer »Substautia«) neben gestellt zu sein
(oder gegenüber, iu dualistischer Spaltung), hat die »res cogitans«, als
rechnendes Denken, seine mathematischen Operationen zur Entzifferung der
geometrischen Zeichen zu verwenden, wie dem »Buche der Natur« —
mit den Gedauken ewiger Vernunft (b. Campauella) — eingeschrieben;
aus der Ausdehnung fortgedehnt, bis in makroskomische Unübersehbar-
keiten hinaus, »Dum deus calculat fit Mundus«, und dem »Deus« im
»Universum« entsprechend (b. Varro) hätte solchem Vorgang zu folgen
des Menschen > Genius, cum quo nati snmus« (s. Censorious), wenn
(nach philosophischer Ausdrucksweise) der Entwicklnngsprocess Gottes
im Menschen sich vollzieht, oder, wie der Physiker es formulirt, auf
Grand von Hertz's bahnbrechenden Untersuchungen: »Die alte Idee, dass
wir die Natur aufzulösen vermögen in ein System kleinster Atome, die
sich durch Kräfte bewegen, und dass in der Mechanik eines solchen
Systems die Gesetze des Weltganzen zu finden sind, wird ersetzt durch
die bescheidenere Form, dass wir anzufangen haben mit der Vorstellung,
in allen Erscheinungen, die wir untersuchen wollen, besteht stets schon
irgend ein innerer Zusammenhang zwischen den sich bewegenden Körpern,
den wir nicht in seinem Wesen, sondern nur seiner mathematischen Form
nach kennen« (s. Classefi), so das hier ein pythagoreisches Echo zurück-
tönt, von den Zahlen als npdxfiaxa\ wie das ihres Sphärengesanges, in den
»Harmonien kosmischer Gesetzlichkeiten« — , mit denen auch die rationellen
zusammenklingen, seit ihnen, aus ( dunkel verhüllten Tiefen, das Denken
sich aufzuklären beginnt, im Bereiche vernunftgemäss gezogener Grenzen.
Wie die »Minima« oder »Monaden« psychisch zugleich gelten, nicht
nur materiell (b. Bruno), so durchwallt (auf dem Buddhagama) das
Dharma, in Einheitlichkeit des physischen und ethischen Gesetzes (bei
»moralischer Weltordnung«).
Das Erste ist da geboten (b. Philolaos), wo die Eins (rb npatrov
äpfioaöiv oder ~b npw-ov iu) zusammentritt {po\t't<naadat) % aus den Mole-
külen (des Minerals) oder mit gemeinsam umschlossenen Substanzen in der
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Zelle, an [dpx*l tf* peraßotfg (peripatetiscb) oder dp/tötov] für die sono-
graphischen Detailarbeiten; und inwieweit die (positivistisch) verbotenen
Ursprungs fragen eine Annäherung dermaleinst erlauben mögen, hat von
den Vervollkomrnnnngen des »logischen Rechnens« abhängig zu bleibeu
(auf dessen Infinitesimalcalcul hinausgestellt). In heutigen Begründungstagen
der Ethnologie sind wir hingewiesen auf Fundamentirnng des Untergrunds,
auf dem (in den Tagen, die kommen werden) die Epigonen gesichert werden
fortbauen können, zum gemeinsamen Besten, bei Consolidarität der
Menschheitsinteressen (durch Räum und Zeit).
Was im Denken wirkt, fällt in die Kategorie dessen, was als
Wirkung eben bezeichnet zu werdeu pflegt, in Kraftäusserungen an stoff-
lichem Hypokeimenon ; von solchem jedoch abgelöst (frei insofern) oder,
um tellurischen Erfahrungen nicht zu widersprechen, an einem immateriell
Unterliegenden, in Substanz (dessen »qui subsistit«; unter ähnlichen
Wandlangeti) ngirend [und in Aeusserungen (der Modi) bethätigt].
Da nun das Seiende nur unter seiner Erhaltung durch Energien
fasslich ist, gelangt die Denkthätigkeit somit auf denjenigen Urgrund, der
dessen Ursache erschliesst, nm daraus sobeziiglich den eigenen zu klären
(bei genügend vervollkommneter Kenntniss im Detail).
Was seelisch belebend gespürt war, lag in dem (gleich Kla und
Kelah) sämmtliche Naturgegenstände durch walten den Lebensprincip (aus
allgemein darin wehendem 1 ) »Pneuraa«), und solch psychische Entelechie
mochte von der »threptischen« (und »aisthetisch« auschlüssigen), aufsteigen
zur »diabetischen« (im geistigen Schaffen).
Als deren culturelle Reife zu den in Schönheit strahlenden Ent-
faltungen (im Hellenismus) gelangt war, wurde dahin die Aufmerksamkeit
des auf die Stimme seines »Daimonion« lauschenden Denkers gefesselt, und
i) Der „Atbem des Lebens" (Nescbama hajioi) wurde dem Meuschau iu die Nase
geblasen, als Nephescb hajam, das (den Pflanzen mangelnde) Nephesch beizend (a.
Roheublüth), weil ein «von der Erde losgelöster Organismus", während alle Dinge vom
Ruach durchhaucht sind. In jedem dinglich gespiegelten Sein umkreist sich das Centrum
eigener Individualität, die in humanistischer Wesenheit vom Jenseitsher sich angehaucht
findet, ans Vorbedinglichkeit solcher Existenzform (wie unter den in der Welt ge-
wandelten Wechselbeziehungen realisirt, in actueliem Bestände). Der vernünftige Theil
der allgemeinen Seele galt ats unsterblich (im Averrhoismus), insofern er beim Tode in
die allgemeine Wesenheit zuriickfliesse (s. Windelband), wobei sich unter (vedantischer)
Absorption [ans (der Nyaya) „Pramanas"] die im Denken zur Stetigung gelangte
Individualitat (des Purusba) bewahren lässt (in der Saukhya), und das elementar Seelische
(in Praeexistenz und Postexistenz verharrend) wäre unsterblich an sich (im Leben selber).
Der nm Unsterblichkeit bittende Indianer wird von Menubozbo in Stein verwandelt, zum
gesicherteren Bestände des Lebens [in (bäthylischen) ti&m Ifv}m^oi\ % als in einer (beim
Mnsiciren) verhungernden Cicade [da Tithonos (beim Zusammenschrumpfen) seine
Stimme verlor].
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dessen Schulers »Logistikou« (oder Hegemonikon) fuhr mit dem (in Sufwc
und ImdoftTjTixov angeschirrten) Zweigespann aus idealistischen Höhen
(um tSkk oiapoupuvtos) hernieder in irdische Materie, deren Phänomenalität
weniger Schwierigkeiten bereitete, als bei ihren Realisationen am Unter-
bau (durch peri patetische Epagoge). Deshalb wurden die Ideen, als ab-
getrenute (^(optffrau), verworfen, aber immerhin dem »Nous« seine jenseitige
Herkunft belassen, aus der er e&o&ev herbeigekommen.
Als dem somatischen Gerüst wiederum eingefügt, um die (eleatische)
Einheitlichkeit zu bewahren (in der Stoa), thronte er (gleich Tso oder
Miugkhuan) am Scheitel, als » Hegemonikon «, was [zur Vermählung mit der
»Animac im »Animusc (»quo carent bestiae«), oder in (Cicero's) »pars
rationalis«], dem »Genius« (cum quo nati sumus) entsprach, und dieser
(b. Varro) dem »Dens« (im »Universum«).
Das war beim Monopol eines [aus (monotheistischem) Semitismus
introducirten] Gottes (als »Omnipotens«) nicht zulässig und so (unter
Vorwegnahme des i£ odx uvuov Geschaffenen, als stillschweigenden Besitz),
folgte die »zweifache Wahrheit« (der Scholastik), wobei die Philosophie
der Theologie zu dienen hatte (als »ancilla«).
Als in dem astronomisch bis zu zeiträumlicher Unbegrenztheit (b.
Nie. Cus.) ausgeweiteten Weltsystem (bei heliocentrischer Revolution) das
experimentell tentative Befragen der Natur begann (durch Galilei), um
in ihrem (mit selbsteigenen Gedanken höchster Vernunft eingeschriebenem)
»Buche« (b. Campanella) zu lesen und (s. Bruno) die »Natura natu rata«
(einer natura naturans) zu entziffern, baumelte die humanistische Specifitat
der Seele (in exotischer Hambaruan), als loses Anhängsel einer »forma
superaddita« (b. Telesius), bis sie, bei innerlicher Vertiefung in die
»Meditationes de prima philosophia« (b. Cartesius), kraft radical dualisti-
schen Einschnitts, ihrer selbsteigenen Welt zugewiesen wurde, als »res
cogitans« (der »res extensa« gegenüber); und obwohl bei Abschwäcbung
zu Attributen (des Denkens und der Ausdehnung) in (Spinoza 's) »Substantia«
die Einheit für die »Essentia« (b. Petrus Lombard.) herzustellen versucht
war, zitterte der bereits gegebene Impuls, trotz Erkenntniss theoretischer
Umgrenzung (des kritischen Reformers), fernerhin nach, bis auf den
»absoluten Idealismus« [dem die endlichen Dinge nicht (wie im subjeeiiven)
als Erscheinungen für uns gelten, sondern als Erscheinungen an sich].
Bei sich selbst scheint die Denkthätigkeit eiu Princip der Bewegung zu
erhalten und aus seiner Entwicklung eine eigene Welt, »die allein wahre
Welt, zu erzeugen« (s. Eucken), im Denkprocess (Hegel's).
Schon indess war der Naturalismus (aus der durch Vergleichungen 1 )
>) Alle Erweiterung der Kenntnisse beruht auf Vergleichungen, um in einer Gleichungs-
formel rergleichuugsfabige Grösseu, die Merkmale der Differenz {Smfopa thhnov*;), als
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gelieferten Speisung) genugsam erstarkt, um seine Rechte zu reclamireu
und ihnen — seit mittelst der durch die Psycbo-Physik festgelegten
Stützen zur Noologie fortgeschritten (auf Grund der thatsächlich
gelieferten Belegstücke, aus ethnischen Aussagen) — allseitig ge-
recht zu werden: um nämlich die Natur- und Geisteswissenschaften in
einem gemeinsamen Focus der Betrachtung einzufassen; zur Verwendung
der comparativ -genetischen Methode, wie hei den übrigen Fachdisci-
plinen bewährt erprobt, auf die Behandlungsweise der humanistischen
Studien gleichfalls (in der »Lehre vom Menschen c).
Allerdings steht auf selbsteigen erbeigenthümlicher Sphäre [der dem
durch den Logos (innerhalb inakrokosmischer Unabsehbarkeiten) auferbauten
Mikrokosmos zugehörigen] das zoopolitische Bereich der Gesellschaftsge-
danken, aber mit deren (ernährenden) Wurzelenden ein verzweigt in somatisches
Körpergerüst (des psycho-physischen Organismus); und wenn im normal
gesundheitlichen Wachsthum die noetischen Blüthen zu ihren Wissens-
früchten sich entfalten, mag daraus ein Jeder wiederum die seiner persön-
lichen Individualität congeniale Nahrung entnehmen, um den eigenen
Ziffernwerth selber sich herauszurechnen (unter den Harmonien kosmischer
Gesetzlichkeiten). »Erquickung hast Du nicht gewonnen | Wenn sie Dir
nicht ans eigener Seele quillt« (im Dichterwort): der Gefuhls-Seele, um
im »dunkeln Weben des Geistes« (nach metaphysischem Gefühl) -die beun-
ruhigend aufschwellenden Wogen abzuglätten, — oder (besser wohl) der Denk-
Seele, um den Wissenshunger zu stillen [und den (Wissens-) Durst zu löschen,
aus den Quellen der Erkenntnis«, deutlich klar; und wahr insoweit].
typisch Eigentümliches (proprium) festzustellen (wie determinirt), unter Disposition der
Verhältnisse eines Ganzen zu seinen Tbeilen (definitio fit per genus prozimum et
differentiam speeificam). «Wie das Urtheil auf einer Vergleiclvung von Vorstellungen er-
folgt, so geht aus der Vergleichuug von Urtheilen der Schluss hervor" (s. Biese), im
(logischen) Rechnungsprocess (des Denkens). Die im mineralischen Kristall, nach
temporärer Erweckung aus der Latenz, unter Abgleich ihrer wablverwandschaftlichen
Affinitäten, erstarrten Kräfte fuhren bei analytischer Zerlegung auf ein Letzt-Aeusserstes
im Element, als Unterlage (zum synthetischen Aufbau). Beim jedesmaligen Sonderfall
biologischer Entwicklung muss für den Ausgang der Betrachtung das Total zeitlich
recurrenten Verlaufs überschaut sein (öpguröat tö xa&aloo), zum Ausgang der Betrachtung.
Bestandteile von Stemm .und Stengel der Pflanze, durch einen Reisenden dem Botaoiker
fiberbracht, reichen zur Bestimmung erst aus, wenn BlQthen und Früchte zugefügt sind
(auch auf die praktische Yerwerthung hin), und der Rückgang der Wachsthumsvorgänge
führt die genetische Methode (mit coniparativer verbunden) auf die Zelle, als celluläre
Eins (an ipf)) rg? tuToßnXifi). Die Herkunft der am chemischen Stoff electrolv tisch
oder in dem potentiell geschwängerten Keim wirkenden Krafteoergieen entzieht sich dem
finalen Ausblick (in makrokosmische Lnabsehbarkeiten), wogegen zwischen Anfang und
Ende die (ineinander gewobenen) Proportionalitäten rationeller Berechnung geboten stehen.
.Das Naturgesetz ist eine allgemeine Kogel, nach welcher an da« Zusammentreffen bedingter
Realbedingungen in der Natur jederzeit und allerorten das nimliche Ereignis» als Realeffect
geknüpft erscheint" (s. Liebmann), unter causalen Wechselbeziehungen (kosmischer
Zur ethnischen Psychologie.
Was über die Auffassungen der Wildstämme von ihrer Seele be-
richtet wird, bleibt, mehrweuiger zutreffender Darlegung nach, von der
psychologischen Schulung des Beobachters (oder seinen ethnischen Ver-
anlagungen) abhängig, und ist für beigelegte Namensbeseichnungen (soweit
keine etymologische Erklärung zugefügt war) tcutn grano salis« hin*
zunehmen, nm ihnen (zu benöth igten Rectificationen) diejenigen Correcturen
anzulegen, wie sie aus objectiven Vergleichungen , mit Gleichwertigem
von anderswoher, sich darbieten.
In Mehrzahl der Falle, bei einem flüchtigen Besuch des Durch-
reisenden, ist das heimgebrachte Material ein an sich schon unklar ver-
worrenes, und um nicht durch frühzeitig subjective Deutungen weitere
Trübungen hineinzutragen, empfiehlt es sich zunächst, die Berichterstattung
unter »ipissimis verbis« der dafür einstehenden Autorität zu bewahren (bis
das bei ihnen Verschobene an seinen richtigen Plat» eingeruckt ist).
Wie sehr neuerdings auf wissenschaftlichen Expeditionen, welche ein
länger eingehendes Studium des autochthonen Gedankenganges gestatteten,
die Zeugnisse darüber verbessert worden sind, hat besonders denjenigen
zur Empfindung zu kommen, die bei dem früher desolaten Zustand mit
dessen Mühseligkeiten sich abzuplacken hatten, ehe für die Forschung, mittelst
der Elementargedanken, eine gesicherte Unterlage gefunden war, — nachdem,
dnrch was sie über sich selber auszusagen hatten, in gegenseitigen
Bestätigungen, die daraus hervortretenden Folgerungen auf gezwängt sein
mussten.
Ueberall freilich klaffen noch Lücken genug, die durch monographisch
vertiefte Detailarbeiten erst auszufüllen sein werden, ehe weitergehende
Verallgemeinerungen werden gewagt werden können, und bis dabin bleiben
wir in der Hauptsache auf tentative Annäherungen hingewiesen, auf
experimentirende Versuche, wie durch die Erfahrung in die Hand gre-
geben, bis das aus wahlverwandtscbaftlichen Affinitäten Naturgemässe zu-
sammentrifft, und daraus dann das richtig Zutreffende hervorspringt zum
dauernden Bestand (unter den durch doppelte Controlle bewährt erfundenen
Resultaten).
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Das Misslische der Sachlage wird für den Ethnologen dadurch ver-
mehrt, dass ihn die landläufige Psychologie, trotz deren jahrtausendjähriger
Pflege, völlig im Stich lässt (ans den durch den Geschichtsverlauf
genugsaui erklärlichen Gründen).
In der Individualpeychologie hat die Psycho-Physik der Gegenwart
ihre naturwissenschaftlichen Stützen aufgerichtet und den anschlüssigen
Forschungsgau g deutlich vorgezeichnet, aber in der Noologie hapert es
noch in kläglichster Weise, während es darauf gerade ankommt, bei der
Völkerkunde und ihren Völkergedanken (als geographisch-historischen
Wandlungen des »Gesellschaftsgedankens«). Mit der modern metaphysischen
Psychologie ist wenig oder nichts zu machen, noch weniger fast als mit
der scholastischen, in der die classischen Reininiscenzen erkennbarer
durchschimmern [ausser dass der w>Dc im Zoon politikon des »Pbilosophus«
▼on seinen An- (und Nach-)betern vergessen war].
Am rathsamsten bleibt es, direct auf die Quellen zurückzugehen, auf
die dem (durch die Akribie philologischer Studien durchackerten) Boden des
Alterthums entsprudelten, wo die peri patetische Psychologie den geeignetsten
Führer abgiebt — carere monmeutis Aristotelis non possumus (s.
Melanchthon) — , schon ihrer Proclamirung der humanistischen Gesell-
schaftswesenheit wegen (uvdpwnos ipoast Ca>ov zokztxdv).
• Seine Epagogen auf die induetiven Forschungsbahnen überzuleiten,
hatte dem Stagiriten allerdings versagt zu bleiben, bei der Unvollständigkeit
dea damaligen Naturerkennens, aber trotzdem ist seine Psychologie
mit entwicklungsfähigen Keimen gesättigter, als die seines Lehrers;
welche andererseits dagegen eiu abgerundeteres Bild liefert, weil im
Idealismus deduetiver Arbeit ungestört verblieben.
Schon aus ihrem Praeexistentiauismus sind entsprechende Analogien
gewährt, zu dem, was überall m. m. sich antrifft, unter »notitiae
commune8« [im Pan psych isnaus eines (ethnischen) Anirnisraus].
Dem zum Festmahl des Zeus auffahrenden Gölterwagen folgend, zieht
auf dem vom Logistikon, — das seine Rosse [im (nachgiebigen) fjyi/Jc und
(wiederwilligen) imäupfjuxav] zu zügeln hat — gelenkten Gefährt die
Seele (Plato's) am byperuranischen Ort umher, bis mit zersplittertem
Gefieder niedersinkend in das aSyia als <rr^a [wie wenn (auf dem Buddhagaina)
mit Beschwerung des Körpers durch irdische Speise, die Glanzleiber der
Abhassara verdunkeln; obwohl ihnen als Kalyanaphutthayana die
»Anamnesis« (zur Belehrung der Andhaputthayana) verbleibt].
Die Kara (Okara) oder Seele (der Asante) bringt aus ihrer Praeexistenz
die Vorherbestimmuog oder Okara (»okra«, 1 ) Auftrag) mit sich herab (s.
«) O-Kra (Seele) oder Okara, von Kara, im Abscheiden oder Verabschiedung zum
Benachrichtigen, wie vorbestiromt (im Gebet), als Kla (dos Ewccr), nach der Seelen-
il*
— 164 — .
Christaller), und das Fernere hängt dann (wie bei Bon und Bap, ffir das
K ar ni an ) vom Betragen (» Abrabo«) ab (bo bra-po, »to behave well « , bo bra bone,
»to behave ill«). Ans den durch körperliche Berührung [wenn von Prakriti's
Verführungen Purusha (der Sankhya) sich rechtzeitig nicht abgewandt
hat] folgenden Beschmutzungen, scheidet für die [verwandtschaftlich (»per
traducem«) geknüpfte] Wiedergeburt »Brac 1 ) sich ab, und in der Neugebart
wird dann (in Guinea) der zurückgekommene Vorfahr begrüsst, je nach der
Aehulicbkeit [auch im Weissen (als geschrappter Todte) in Australien
oder (als weissgewaschener Mohr) bei den Tuschilango].
Wenn die derartig verunreinigte') Kara, beim Verlassen des Körpers
im Tode, nach dem (in Heiligkeit eines Göttersitzes, ihr sodann un-
zugänglichen) Ursprungsort (Nodsie, der Eweer) nicht zurückgerufen
werden kann (twe kra), hat sie in Sisa oder Osaman sich zu wandeln,
die nach zeitweis gespenstischem Schweifen am Grabe [als (Ovid's) »Umbra«
den TnmnluB umfliegend] auf Einfahren in warme Behausung [eines (evan-
gelischen) o&of] erpicht ist (wie die Abiku in Yoruba); welches Gebahren
indess [da die der Bla — welche schon im Mutterleibe über ihre Vorher-
bestimmung (fwen) befragt werden kann — zustehende (au sie cedirte)
Legitimation fehlt], mehr die Form temporärer Besitzergreifung (als Besessen-
heit) annimmt, und schon durch das Hungergefühl [der (engmundigen)
Preta] veranlasst sein muss [um mit Kinnbacken und Zähnen des Besessenen
(in Guzerat) zu essen und fressen].
Der Idee nach (in platonischen dpxivjnot idealisirt) bestand, unter dem
Kreisen der Zeitläufte, die menschliche Existenzform (der Eweer) als Phantom
in Nodsie (am Topos hyperuranios), an (Mawu's) » metakosmischem t Sitz
(b. Philon), und wurde (nachdem in des hellenischen Demiurgos Kelch das
niedere Seelenpaar beigemischt war) durch Mawu') herabgesandt (in das
beiraatb (in Nodsie) zurückkehrend (im Praeexistentianismus); Nkra-bea (destiny), Kr*-
befwe (wouder) etc.
') Bla der Fanti (Ba zu pharaonischer Zeit), neben Ka der Sarcophage (für die
Doppelung), uod Kla (Nigritien's).
*) Voran steht überall die Reinigung, im Waschen (der Pu-loi), als Asumguare (der
Asante), „washing of ones soul (okara) in the weil (in tbankful acknowledgment of tbe
prosperity granted bim by bis soul). The uncleaneuess, („a kind of visible impalpable
atmosphere, like a vapour-, durch Urin abgewaschen), kommt von unreiner Berührung (wie
einer menstruirenden Frau) und verhindert Jagdglück (bei den Eskimo), so dase beim Fisch-
fang .Alle reinlich gekleidet sein müssen" (auf Grönland), und jedwelchem Unternehmen eine
Reinigung voranzugehen bat (auf den Pelau). Die in Verunreinigung (des Blutes) schäd-
liche Malaria schwebt, als (ausdünstender) Dampf, über den Bäumen (für die Papua). Vor
der Weibe wird der Lehm des (sündigen) Rothmenseben abgewaschen (als Borboros für die
Telentai). .The first man, that was created, was Tii, clothed in Sand, whom Taaroa
eonjured from out of the earth" (s. Henry), woraus Jarbas bervorw&chst (und Tuiscoo).
*) Mawu wird etymologisch erklärt (b. Schlegel), als Negation von Wu (.übertreffen"),
so dass es bei Praeexistenz der Seele in Nodsie auch auf ein (transcendeutal) Hyper«
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- 165 -
owfxa als aym). Und so (kidmathenu, in der Genesis) fallt ihr Schatten
(»Luwoc), in den (asantischen) Körperleib, wo aus materieller Berührung
diejenigen Beschmutzungen drohen, von denen (in der Sankhya) Purusha sich zu
reinigen hat, wenn von Prakriti's Verführungen rechtzeitig nicht abgewandt.
Ist der Tonus organischer Spannungsweite, oder (b. Richeraud)
»Orgasmec, wie aus stoischem rnttupa hbtpfiov (den Logoi spermatikoi) ein-
wohnend, in Umlauf eines xuxlos j-eviosax: auserschöpft, mit dem Zerfall des
somatischen Gerüst's, so ist dem Seelischen, in nigritischer Version der
Kla — mit Aklania, als Iraywc (aus seinem #o//öV dem Xoyumxdv zur
Stütze herantretend); im Daimonion (eines fwaraymxbz rou ßioii) — die
Rückkehr in Praeexistenz beschieden (wenn normal und brav verblieben),
da von ihr Bla für irdische Wiedergeburten abgeschieden ist; während
unter der Bezeichnung als »Noli« der noch ungereinigte Rest am Grabe
fortspukt, als Gespenst der Sisa; die nach Besitzergreifung umb erspäht, zum
Einfahren, (in Besessenheitszuständen periodisch, oder für erneute Rei'n-
carnation regulär fixirt).
Solcherlei Metempsychosen sind auf dem Buddhagama nach des
Karman Decret geordnet [aus moralischer Verantwortung des Gewissens
oder (in Guinea) GbedsiJ, wie in Anaximander's Dingen, die dtxyv und xiatv
zahlen (der ddtxia wegen); und imTimäus wiederholen sich die Metasomatosen,
welche Empedokle8 zu untergehen hatte (auf seinen »Jataka«), während
die von Piudar seiner «Despoina» übertrageneu Reinigungen, von Cootay
Uranisches hinauskommt (wie in Plato's Praeexistianismus). Der Prophet als (semitischer)
Nabbi (oder Rasul Allah's) sitzt am Munde Gottes („euo Mawu no"), und no-dsi (ansitzen)
führt dabei auf das Geistige im Herzen (Dsi), dem Himmel oder Oben entsprechend
(gbogbo Dsi). Die als Roflb fungireoden Wahrsager, (der Mantis neben dem Hiereus),
haben es dagegen mit Dämonen (-Göttern) zu thun [den Dämonen (b. Sokrates), als
«Kinder der Götter"] im .Dro we" (Götterraum), und sie werden angereicht im Traum
(e-dro-ku) oder mögen interpellirt werden, um [da ihnen das Rechten (dro) oder Rechts-
fälle zu schlichten zustand; wie den Drottar oder den zur Richtatätte binabreiteodeo
Äsen] die correcte Entscheidung bei Ordalen abzugeben, aus ihrem Geisterreich („edrisie"),
wie der Stifter der Academien öfters (s. Xenophon) für angezeigt nicht nur, sondern rathsam
hielt, in ungewissen Zweifelsfällen dem Vögelflug (in Augurien der Dayak etc.) sich zuzu-
wenden, oder prophetischen .Stimmen" - dem Gewieber der weissen Rosse (bei Germanen)
e. g. — an den Orakelstätten (des Brafoo- Fetisch, im Lande der Panti) u. s. w. Iu den gewöhn-
lichen Lebensverhältnissen empfahl er dagegen (in den Dialogen) den verstandsgeniässeu Ge-
brauch der gesunden Veruunft, bei den Gewerken z. B., wofür ihm das des Schmiedes als
Gleichniss diente; wogegen der Neger, dem solch logische Schulung fehlt, den (occasiona-
listihch) göttlichen Eingriff überall zu spüren meint, und wenn als Schmid z. B. sein Lebens-
.Gluck" sich schmiedend, dem Schmiedegeräth schon seine Verehrung darbringt [in dem,
jedem Handwerkerstand (wie seinen speciellen Aufgaben gemäss) geziemenden, Fetisch als
.Patron" unter den Heiligen]. Eto-mefa (bei den Eweern), „ihm ist kühl im Obersinn, er
hat Ruhe, Frieden" (s. Schlegel), im Kopf (etu), wie aus Nirvana Kühlung anweht (den im
Buddbathum Befriedigten). In den Unterleib (Dome) werden die Gefühle gesetzt (des
Mottos, oberhalb des im>9o/iT t Tum>), „domefafate" (gutraüthig) u. a. m. (lexicaliscb).
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— 166 —
besorgt werden,~an den »Plu-Pho< im Plu (der Kareu) oder von Genowie
(der Blandasa).
Uni der Vorzüge der (zu künftigen Seligkeiten befähigenden) Purga-
torien (im Purgatoriam) theilhaft zu werden (und von ihneu zu profitiren),
muss ein Fortwandern des Eidolon auf dem [durch den »Ersten Menschen«
(der Hidatsa)angezeigten]Todeswege vorangegangen sein, nnd so nachdem die
(Schatten-)Seele(Luwo's)eine Zeitlang am Grabe umhergeirrt hat, wiein platoni-
schen itxo-ctQ fiööot (des Pbadon), wird ihr durch das Leichenceremoniel nach-
geholfen, um einzuziehen in das Land der Iüsisa (auf wassemnjflossenen Inseln 1 )
des Volta) oder (bei den Fanti) der Shramanadzi (»Mbukpo« der Erik), so
daS8 durchweg die gleichartigen Elementargedanken (in causal nahe-
gelegter Verknüpfung) hervorreden (unter ihren ethnischen Versionen).
Beim Sterben reisst der Noso (Athem oder Seele) ab (aetre), um
(auf Nyas) von Maluska übernommen [und dem Debata (der Batak)
zurückgebracht] zu werden, während der Beclioe jimate, als Schatten
fortdauernd, zur Todtenstadt eingeht (Banoea niba tooe) und das Lebens-
prineip im Herzen (dodo) zum Mokomoko verwerthet werden mag (für
das Abnenbild), oder das »Eheha« vom Erben aufgenommene (animani
excipere). Beim Uebergang ins Jenseits hilft die »Brücke 3 ) der Katzen«
•) Wenn niebt durch das Meereswasser (wie auf den Seelen-Inseln der Airaren)
wird das Todtenland durch Umkreisen eines Flusses abgeschlossen erhalten, um die
Erinnerung (an das Eidolon) fortzu waschen (in des Lethe „»tillem Strom") durch (Fiji's)
.Trostwasser" (Vai-ni-dula). I m in Brittia (b. Procob) anzulanden, wird das (indonesische)
Seeleoboot in 1 » Meer geschoben (wie Baldr's Schiff, von den Äsen). Um die in den
Tartarus mündenden Flüsse Kokytos und Pyriphlegelhon längst möglich zu vermeiden —
den .Abyssus" oder .Abyssi carcerem" [gleich den (die Erlaubniss zum Einfahren in
Schweine erbittenden) daquivta dzapram) fürchtend — , umschweift die (im Phaidon) ab-
scheidende Seele [als (Ovid's) Umbra] die Grabstätte und sucht etwaigenfalles (zum Versteck)
in Thiere (Esel, Wolf, Habicht, Geier oder Biene, Wespe, Ameise; nach dortiger Aufführung)
einzufahren, auch in Menschen, wie die Abiku (in Yoruba) oder die (am Grabe spukende) Sisa
(des Nachbarlandes), ehe ins Todtenroich der Insisa relegirt, auf den Inseln des Volta; nnd
Odysseus Gefährte (sowie Patroklos' Seele) wünscht bald möglichst binuberbefördert zu sein
(mittelst des Leichenceremonials). Um nicht von den tartarischen Flüssen (bis zum
Auswerfen am acheruntischen See, um Verzeihung zu erflehen) umhergetrieben zu werden,
liegt der Seele (Plato's) ob, sich für den Verkehr mit den ätherischen Göttern zu läutern, um
dort den .Reigengenossen" (aus der Praeexistenz) wiederzufinden [.ad astrorura fnlgentia
templa", aufsteigend; wie der (am südlichen Kreuz aufklimmende) Australier]. Kritisch
entscheidet das Passiren der (Lügen-)Brücke [oder (b. Thoms) „the bridge of dread, oo
brader, tban a thread"], mit ethnischen Analogien von allhcr (wie oftmals citirt).
*) Durch das Ueberschreiten der (spitzigen) Messerbrücke (bei Tschercmissen) oder
(bei Andamanen) .Rohrbrücke" [zu den „Märtyrern" au» St. Nicolans' Purgatorium (b. Matth.
Par.) hin] findet (auf der Chinvat) der moralische Charakterzug — [wie durch das (mikro-
nesiscb) kritische Ueberspringen (der Blandass), zu den (karenischen) Reinigungen (Plato's
und Pindar's) führend; ehe das „bessere Land" erreicht sein kann) — den Todton-
wegen sich eingewebt, während die sonstigen Abenteuer der, als Eidolon, hinwandernden
Seele (bei Dajak, Viticr, Nahuatl u s. w.) als Productc einer auf dunkles Jenseits hin-
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(auf Nyas). Das zuerst ans dem Grabe krabbelnde Insect wird aufge-
wickelt mit dem Todten (auf Nuie) begraben, als Moni, »the soul«
(s. Thompson), auch bei Mosquitoes (s. Sapper), und giebt (in Australien)
die Richtung an [wo der Endoxe (Loango's) zu suchen]. Wenn die
Raupe (Ngo) den Kopf bewegt ist das Gebet erhört (bei den Khuay).
Ausserhalb der, neben der (schweifenden) Traumseele, im Körper
verbleibenden Seele ist eine dritte sichtbar, als Schatten (bei den Irokesen),
bei Unterscheidung eines kurzen und langen Schattend oder (bei Efik)
eines feststehenden und beweglichen (in selbstbewegter Seele, atnb xtvoüv).
Das Seelenpaar der Dondi treibt während des Lebens schon ausser-
halb des Körpers sich umher, und entschwindet beim Absterben, während
Somangot (der Bat&k) zur Praeezistenz zurückkehrt (an Debata's Sit«).
Beim Fortgang der Wairua zum Reinga, verbleibt (s. Best) die Kumaga,
als AtUa (moku), zum Speisen (bei den Maori).
Während Tso (am Haupt) — »in arcec (b. Cicero), der >Akropolis«
des >Geniusc — seinen Sitz bewahrt (bei den Karen) »no härm cau befal
one from the efforts of the kelahc (s. Cross), in Siebenzahl, wie die sieben
Seelenvermögen (der Stoa) vom »Hegemonikon c beherrscht werden (zur
Verachtlachung). Wenn das Mann lein am Scheitel schwankt, wird dem
Menschen übel (bei den Nutka), wie durch die zum Hirn aufsteigenden
Alkoholdampfe (im »nutrimentum spiritus«).
Wie periodisch im Traum, als (birmanische) Leipya (»Schmetterling«
oder Psyche) flatternd, wandert die Seele (der Irokesen) im Leben schon
ausserhalb des Körpers umher, wie im Dondi-Paar (der Batak).
Wenn der Wih (der Karen) die entflohene Seele aus dem Schatten-
lande nicht zurückzubringen vermag — weil sie, ehe vom Gilekitilal (der
Cbinuk) erreicht, von der Todtenspeise (mit Proserpina's vorzeitigem
Granat abbiss) schon gegessen — »he sees and lays hold of the shade of
some person still in life« (bei den Karen), um solch Seelisches oder (bei
schauenden Phantasie aufgedrängt sind, aus (dichterischen) „Komödien" oder den
(algonkinisch) prophetischen Vistonen, bei den „Reisen durch Himmel und Hölle" (eines
Mogulhana, Sir Owain, Tendalos etc.) ; und im Uebrigen steht (bei den Preusseu), „Jeder
auf, wie er im Leben gewesen" (s. Duisburg), nach den (melanesiscben) Rangordnungen
(des Tabu) oder den Weihen (der Epoptai). Dieser (bis zur Einförmigkeit) durchsichtige
Elementargedanke würde, bei nochmaliger Auf- und Ausführung, die der „Wiederholungen
wegen erhobenen Vorwurfe vermehren, scheint indess nicht erspart werden zu können,
da er sich in umständlichen, stets „ab ovo" wieder beginnenden Abbandinn gen immer noch
ignorirt findet, während der Fleiss der um Uebersicbtlichkeit bemühten Mitarbeiter bequem-
liebst erleichtert sein würde, durch kurzen Hinweis auf eine längst erledigte Sache Und so
verbleibt es bei der „Repetitio mater Btudiorum" in den Triviabchulen, die (neben dem
Qnadrivium) vorher absolvirt sein mOssen [ehe die (ethnischen) Hochschulen dem Ein*
tritt geöffnet sein können].
— 168 —
Eskimo) Inna (a> Nelson) dein Patienten zurückzubringen und ein-
zufügen, durch Ueberstülpen des »Geisterhuts« (bei den Ghineseu) oder
(auf Madagaacar) der Mütze (wenn die am Grabloch ein- und aushuschende
Seele gehascht war).
Der im Totem (erblich) oder nach persönlicher Wahl [aus (indianischem)
Manitu] im Schutzgeist [dem Kinde »mit der Seele« (s. Berthold) ein-
gegossen» als »Genius, cum quo nati sumus«], begleitende Doppelgänger iat
beim Ukpon (»Schatten«, als Seele) magisch »bound up« (s. Goldie) mit
dem Leben, als »bush-soul« (s. Kingsley) schweifend (im Waldthier).
üwem oder »Loben« (die Lebenskraft oder -seele) bezeichnet das
Mark (»pith«) oder die Seele (der Feder auch), mit dem Persönlichkeits-
gefühl ') in Owo (»somebody«) reflectirt und der »spirit« wird — wie mit
dem (die »spiritus animales« beherrschenden) Archaus in den Magen (b.
Paracelsus) — in die Leber (»the seat of the affections«) oder »Eset«
(der Efik) verlegt: 3 ) in deren Leben; bis ihre Rolle ausgespielt war, mit
den »exseqoiae hepatis« (als aus Harvey's Blutumlauf für die Medicia
eine neue Aera zu kreisen begann).
Von dem beweglichen Schatten (Ukpon oder »Seele«) wird der fest-
stehende (Mfut) unterschieden (bei den Efik), ein kurzer und langer
Schatten (bei den Indianern), und der beim Schlaf (unter dem Schatten
seines Gottes) gekräftigte (Seelen-) »Schatten« ist (am Congo) »long and
strong« (am Morgenfrüh), wie beim Tiefschlaf (aus Brahman).
Die Ta-ghun-u-gak,*) als den Körper in dessen Formgestalt 4 ) er-
füllende Seele, überdauert bei seinem Zerfall, weil mit dem allgemeinen
Lebensprincip verknüpft (bei den Eskimo), und somit, unter den Wand-
») .Wem", was in der Persönlichkeit wirkt (oder darin steckt), bezeichnet zugleich
(bei den Efik) das „superhuman being" (s. Goldie), wie die Natur (und ihre Erscheinungs-
weisen durchwaltend), und Ikptib-Idem .the body" (ikpök, .skin"). The Innua or shade
of erery au i mal is beli?ed to possess semihuman form (bei den Eskimo).
*) The stomach is the seat of anger (s. Best), nyikan (der Haori); Mauri (feelings),
Manawa (the breath of life), Kehua (spirits of the dead), ata (shadow), reflected image
(in der Seelenlehre).
*) The ta-ghun-u-gak or invisible shade, is formed exactly in the shape of the
body, is sentient and destined for a future life, another is the po-klihm to-ghun-u-ya
which ha» a form like tbat of the body and is the life givitig warmth (without sense,
and takes fligbt into tbe air, wben a person dies), neben „a tbird kind of shade"
(»upposed to remain with tbe body and to possess evil power»), bei den Eskimo (a.
Nelson), denen auch die mit dem .Namen" (seit seiner Beilegung) ideotificirte (Theil-)
Seele in Körper's Form redet (oder gesehen wird).
*) umgehend (nicht als .Seele", sondern) in .Person" (folkloristiscb), im Geist oder
.Ghost" (des Gespenst'») „A ghost or risible shade is called Ae-lhi-ukh-tok and is a
form, that an invisible shade mav assnme (s. Nelson), bei den Eskimo (an Beringsstrasse).
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langen 1 ) des »Great-Transformer« oder (bei den K wakiutl)Qanigilak (s. Boas),
auch den Thieren einwohnend. »All auimals are beliered to hate changed
from the original human-like being, taking throaghoat life their present
form, bnt the innua or shade is atill similar to iU former appearance«
(s. Nelson), bei den Eskimo (der Behring&trasse). The aria of an Atua
is the form of incarnation of tbat Atua (s. Best), ancestors have their
aira, in wbich tbey appear (bei den Maori). Beim Njewu (der Tengerezen)
werden die Todten (s. Kohlbrügge), ausser durch Puppen, auch durch
Lebende (gleichen Geschlechts) reprasentirt (als Imagines).
Aus den (Elementar- oder) Naturgeistigkeiten der (Innua, als) »Ein-
sitzerc (gleich Oki, ümkissie und anderen »Wichtenc) mag der »Schatten«
oder Innua (»believed to possess a semi-human form«) auch während des
Lebens bereits abfallen, und sein Verlust — wenn etwa ins Wasser
fallend (bei den Basutos) vom Krokodil gefressen — bringt krankhafte
Verstörung.
Die Zauberer (der Eskimo) »have the power of stealing a persona
innua« (or shade), so tbat it will cause him to pine away and die« (s.
* Nelson). Solchen Fährlichkeiten ist besonders die umherflatternde Traum-
seele ausgesetzt, wenn als Leipya, beim Begegnen eines »Belu«, erschreckt
zorückfliehend, um den Schläfer zu erwecken [sofern sein Körperleib nicht
etwa (gleich dem des Hermotimos) verbrannt sein sollte, in der Zwischen-
zeit ihrer Abwesenheit],
Wenn es nicht wünschenswerth erscheint, das (congesische) Nkulu, das
(in Oregon) dem Erben zugeworfen wird, in sich aufzunehmen (»animam
ezcipere«, wie auf Nyas durch eine Saugröhre), werden Maassregeln ge-
') In aacieot times all animals had tbe power, to change their forms at will (bei
dea Eskimo) „they merely pushed up the mouth or beak in front of the head and
changed at once into man-like being»" (s. Nelson), unter den Maskereien (des Totem).
Soweit bei der 8eele nur ihr Jaftig elbisches Wesen- (s. Grimm) in Frage kommt,
kann sie (bei Wandlung des du/uk; in ^orf) nicht viel Schaden thun, ausser das» Vor-
sorge zu treffen ist, gegen ihr Einfahren, wenn darauf erpicht, gleich den Abikn
(Yoruba's). Eine »ubstsntiell materialisirte Seele, die sich „schwammig" anfaulen lä*»t
(in Händen der Angekok), ist dagegen gefährlicher, und bei ihr kommt deshalb die
Operation des paoxaXiUt» zur Empfehlung, wie in Australien geübt, wo dem Todten
der Daumen abgeschnitten wird, um ihn unfähig zu machen den (Rache-) Speer zu
schwingen. «The sinews in the arms and legs of a dead person, who had been of evil
repute dnring life, were cut in order to prevent the tsbade from returning to the body
and causing it to walk at night, as a ghoul" (bei den Eskimo). In Vorzeit der
(indianischen) Nucbnemis, als „Alles noch dunkel war" (auf den Pelau), liefen in der
Aleheringa (der Arunta) Menschen* und Tbierbildungen durcheinander (tbe Ifan-Kangoroo
and Kaagoroo-man) .Tbe shade» of all animals are believed to be formed like people
and many kinds are supposed to be able to talk witb one another and at times are able
to understand the speach of men" (s. Nelson) bei den Eskimo (der Bebringsstrasse); und wer
deshalb die Thiersprache versteht (&. &dillot) mag mit ihnen (bregtauisch) sich unter-
halten (um von ihrem Vorherwissen zu proßtiren).
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troffen, um solchen (unliebsamen) Contact zu vermeiden. Während der
jüngst verblichene Todte noch nahe ist, müssen die Leidtragenden (am
Yakon »keep fur-hoods drawn over their heads, to prevent the inflnence
of the shade from entering their heads and killing tbem« (s. Nelson);
nichts scharfes darf getragen werden (um nicht zu verletzen, und
zu reizen). Das Messer mit der Schneide nach oben gelegt, sticht die
Engel (in Böhmen) oder (in Oesterreich) thut den »armen Seelen < weh
(die barfuss darüber hingehen). Ein Messer darf nicht in's Feuer 1 ) gelegt
werden (bei den Ramsch adalen), unter »goldenen Sprüchen c (pythagorei-
scher Fragmente).
Aus den elementar den Naturdingen einwohnenden Geisterlein vermag
der Zauberkundige (der Eskimo) seinen Thun-ghak sich zu entnehmen,
as Yu-ä (»spirit of the demente, places and things«), jo wie angetroffen
im (nigritischen) Snman [durch (alfurische) Mustika im »Angang«].
Der am esthnischen Todtenmahl mit Darreichung des Handtuches,
oder im Nobiskrug [mit dem »Minnetruuk« oder (in Bayern) Totentrunk],
verabschiedete Todte wandert [auf »Todtenscbulen« (Helsko), auch in
CaHfornien; gegen (congesische) Dornen (auf den Weg gestreut) schützend]
fort [durch das > Viaticumc einem (schweizerischen) Seelenlaibli oder »Spende-
brot« gestärkt] zum ersten Nachtquartier in St. Gertrod 's Herberge, und dann
weiter hinwärts [»da, wo sie hinverdient hat« (die Seele), nach St. Michaela
Entscheidung], auf dem mit abenteuerlichen Begebnissen gefüllten Seeleo-
pfad des Dayak oder auf cyclopisch aufgemauertem (in Fiji), mit oder
ohne Psychopompos, an dessen Statt eines schakalköpfigen Anubis,
auch ein (aztekischer) Hund (bei den Parsi) dienen mag [für die Kinder 1 )
wenigstens der (indianischen) Mutter].
Ehe die (auf Mangaia) Verstorbenen ihren, mit der Sonne Strich
haltenden, Lauf nach Westen (zum Amenthes) beginnen, vereinigen sie
sich (s. Gill) nnter Führung des Erst verstorbenen [als »Erster Mensch«
(der Hidatsa) vorangehend, gleich Yama mit Yamij.
Der obere Pfad der Sonne, von Ost nach West, ist sichtlich
vorgezeichnet; und damit sie von West nach Ost zurückgehen kann —
wie Helios auf seinem goldenen Bette (oder Becher) schlafend (b. Atbenäos),
') Das Feaer, als „unerklirbares Machtattribut des Gottes Tahan (s. Grünwede!)
reinigt (bei den Orang Sakai), im Höllenbrand (quod ferrum son sanat, sanat ignis).
*) Die indes« ausserhalb des Seelendorfes an Baumzweigen hingen bleiben, bis die
Mutter nachkommt, um sie mitzunehmen, wahrend ihnen (bei den Blandass) der Spiel-
platz Toog Howi reservirt ist (als Jimbus infantum"). Die Selbstmörder waren in eine
Reserve (ausserhalb des Seelendorfes) verwiesen (bei den Huronen). Die der Freuden
im Tlaloc's Himmel sich freuenden Seelen der Ertrunkenen in neuer Welty werden in
der alten unter Töpfen aufgestülpt (vom . Wassermann").
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— , wird ihr ein unterirdischer gegraben (bei den Wintus); wenn nicht
täglich erneuert, ans dem »golden disc« (s. Curtin), das Princip der
Erneuerung bewahrend; wie der Goldkeim (Hiranyagarbha) die »Dhatuc
(rar Welterneurnng, im Umschwung der Kaipen).
Das Betreten gefeiter 1 ) Plätze, wie durch »fairy ringst kenntlich,
schlagt mit Krankheiten, weil »no canny« (in Schottland), und an ihnen
wird durch die Irokesen Tabak niedergelegt (s. Boyle), um durch solche
Sühne gegen Unheil Vorkehr getroffen zu haben.
Wenn auf melanesiache Tamate gangan, als Seelen fressenden Stein
(unter Xdot Ifi^oi) der Schatten fallt (s. Codrington), wird solche
Schattenseele gefressen, wie die Seele des Basuto's, deren Schatten ins
Wjisser gefallen, vom Crocodil; und Latooere verzehrt den an den Himmel
geworfenen Schatten (auf Nyas), während die »Dera« an den in den Mond
(b. Plutarcb) aufgenommenen Seelensubstanzen (einer Linga sarira) speisen,
gleich den > Atua« ; die in kindlicher Neugeburt auf Erden das UeberschOssige
wieder von sich zu geben haben, als »Gotterkoth« (in Polynesien). Um
der Evacuationen ledig zu bleiben, war Odhin auf Weintrinken beschränkt,
des fetten Eberruckens (der Einheriar) sich enthaltend (und mehr wohl
noch mehliger 1 ) Pflanzenkost).
Solange die, durch das Reinigungsfest (am Calabar), oder das
Gelärm am »Mengapi« (auf Bali), nicht fortgescheuchten,') Verstorbenen
in nächster Nähe weilen, gleich den (das Adat überwachenden) Nitu (der
Alfuren) oder Oromataa (Tahiti's), müssen sie in guter Stimmung erhalten
werden, um das Erzürnen zu vermeiden, da sie »reizbar« sind, gleich den
»Göttern« (zu Herodot's Zeit). Im Zwischen QieTa£6) der Gotter und
Menschen, wandelu aus deren Seelen sich die Dämone, im Geisterspuk
(eines »bangsa-alus«). Die in den Gestirnen, als Theoi, »laufenden«
Götter mögen aufgehalten werden, wie die von Maui (der Maori) in einer
') Nana hlockh-tuk or spot of grouod, wbere certain things are tabooed or where
tbere is to be feared any evil influence. caused by the presence of offended sbades of men
or animals or througb the ioflucDce of other superoatural meaos (bei den Eskimo»)
aas Unreinigkeit [I'urification verlangend; „clear away all rubbish". im (indianischen)
Gebot am festlichen Tag].
*) ü-na le-Morimo (vous etes dieu), vous etes no mechant (bei den Basutos) oder
,▼008 fites puissant on mugo" (bei den Batlapis).
*) Wie Pythagoreern, deo ägyptischen Priestern, den Neophyten der Mysterien, dem
Flamen dialis, dem (jüdischen) Hohenpriester am Versühnungstage etc. verboten, Orderte
die Bohne (beim Fest der Matronalia gegessen) das körperliche Wachsthum durch
.Caraa* (Untier des Fabius); den Lemuren bei der Absagung (unter Verscheneben durch
lÄrra) geweiht, wie beim nächtlichen Umgang (des Hausvaters; auch in Japan). Durch die
eingebackene Münze (in Franken) wird der (holländische) Bohnenkönig gekrönt (s.
Anban), unter Lieripe&iugen (.das geht noch über das Bohnenlied hinaus"). Das
sakramentale Fleisch (oder Brot) wird (b. Servet) in den Magen hinabgeschickt (s Tolün),
dann aber wieder ausgespieen oder abgeführt (nach den „Impanatores").
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Schlinge gefangene Sonne, für das Abendessen (der Jainas), während
sie durch Bethana (bei den Karaya) ein Bein gebrochen erhält (s. Ehren-
reich), um ihren Lauf zu verlangsamen (beim Holzholen).
Die Ahnen oder Barimos (bei den Basutos) werden als Siritis (Schatten)
verehrt (s. Casalis), und ihre Seelen begraben »dans le parc des bestiaux,
afinque ces animaax sacres les protegent contre les malefices des sorciers«
(da diese auf das Beschwören der Todten bedacht sind).
Im Gedunkel der Höhlen unterhalten sich die Regenmacher (der
Basutos) mit Morimo, unter seinen Erscheinungen in geheiligten Tbieren,
»auxquels il communiqne one partie de sa divinite«. Die in dem überall
dreinsteckenden Princip (meist anter böswilligem Eindruck, bei dem >Leid
des Lebens«) spiegelnden Thierformen mögen zu (theurgisch) nützlichen
Riten dienen (in Beschaffung des frachtbringenden Regens), aber auch
zu schädlichem Gezauber, während die dem Menschen vertrauten Haus-
siere ihn schützen; bei Verehrung der (brahmanischen) Kuh (durch die
Todas).
Auf Frage des Missionars bezeichnete der Häuptling der Bechuaneu
seinen Gott ') als Morimo (s. Campbell), unter Zufügung des Commentars,
dass sie ihu für den Devil hielten (oder vice versa), »a mischievous being
living in a hole«, und so nahm es Wunder, als (unter seinem Namen) von
einem Schöpfer Himmels und der Erde gepredigt wurde (»did you ever hear
such a thing?«).
Die an die Götter gerichteten Bitten können nur dann Gehör er-
warten, wenn sie sich im Hörbereich finden, und NyankÖpong, oder
(in Elias* Spott) Baal (die ihm, als Beelzebub aufliegenden, Pflichten eines
Zeus apomyios vernachlässigend), wird deshalb mit (nutzlosen) Gebeten
überhaupt nicht behelligt.
Die Bildsäule wird angerufen, nachdem der durch Bannungskraft der
Mantras herbeigerufene Gott darin eingezogen ist, und wenn Rama im
Tempel Ayodhya's seine gewohnte Siesta abhält, darf er darin nicht gestört
werden. Der dem Propheten Ska-ne-o-dy-o durch seine Boten offenbarte
Rawen Niyah musste am Vormittag verehrt werden (bei den Irokesen),
denn >the Great Spirit goes to sleep in tbe afternoon, he cannot then
hear anything said to him« (s. Boyle), und erst nachdem die göttliche An-
näherung durch den Taku verkündigt ist, beginnt das zugehörige Geremonial
des Paraangku (auf Bali).
') „Be good; if you leave us, go altogether", (s. B. Thomson) baten, beim Speisen
des Sterbenden, die Hinterbliebenen (auf Niue), indem man die unheimliche Nahe lieber
los ist [wenn zu manischen (oder maniakalischen) Hilfen nicht verwertbbar]. Die Todten
(in der Pfalz) werden „eingedeichelt" (s. Höfler). Die abgeschiedene Seele (der Kathen)
wird beim Leichenschmaus verabschiedet, unter Darreichung des Handtuch'», am sich
den Mund zn wischen [am (letzten) Henkersmabl).
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Im vorzeitlichen Aleheringa (der Arunta) liefen Thier- und Menschen-
bildangen durcheinander (s. Spenser-Gillen), wie bei den Maskereien in-
dianischer »Nuchnemisc, für Verwerthung im Totem [nachdem die
Wandlangen des »Great-Transforrac — oder (peruanischen) Con's — zum
actnellen Bestände sich consolidirt hatten].
>Not only coold the lower animals converse with one another (bei
den Irokesen), but the hüls, the rocks, the streams, the trees and every
object in nature, as well, as those produced by art, possessed a spiritc
(s. Boyle), den »Spiritus natnraec (b. More), wie auf den Pelau (s.
Kubary), für praktische 1 ) Verwertung (im Leben). »Jedes Dorf und
Thal, jeder Hagel und Strom hat einen besonderen Genius loci, jede
Familie ihren Hausgott, jedes Dorf, jeder Stamm seine Schutzgott-
heit, Donner und Blitz, Regen, Sturm, Wind, der Fischfang, Acker-
bau, Krieg, jedes Fest, der Hunger, der Durst, die Krankheiten, der
Tod haben übernatürliche Schutzherrn c (s. Christian), mit Geistern
im Sumpf, am Riff, den Lianen, in (meist bösartigen) »Anic der Fische,
Vogel, Bäume (auf Ponape), im Panpsychismus [seelischer Kla (der Nigritier)
oder (bei den Karen) Kelah], weil xdvza nkfjpij &ea>v (b. Thaies); als
»Alles wies der Götter Spure (im Dichterlied) — wie jetzt wiederum in
kaleidoscopisch bunten Bildern, im ethnischen Reflex (der Völkergedanken,
in der Völkerkunde).
•) Was er auch vornehmen will, sei es Fische angeln oder einer Baum fallen (der Pelauer),
hat er vorher die Kaiith zu versöhnen (s. Kubary), im (animalischen) Panspychismus (anter
«horte fiH&ot). „Wir machen das Zeichen des Kreuzes vor der Stirn bei jeden Gang und
Bewegung, bei jedem Aus- und Eingehen, beim Ankleiden, beim Anlegen der Schuhe,
beim Baden, beim Essen, beim Niederlegen, beim Niedersitzen, überall, wo wir etwas
zum Leben Nöthiges thun" (s Tertullian), im Zeichen des Sohnes der Triuitlt, dessen
Vater die gesammte Trinitat (s. Lombardus). Die Dreiheit Dreier ist Einheit (b. Isidor) %
im „Collectivos Deus", als Kerberos (b. Servet) oder trieeps monstrum („monstrum
impossibile"). Nicht in den elenden Mysterien der Römlinge («romanticorum vilia mysteria")
ist Gott su verehren, sondern in dem unverletzlichen Naturgesetz (b. Bruno). Die
Abrenunziatioo mnss nicht nur beibehalten, sondern nachdrücklich betont werden, um
im ganzen Leben durchzuringen (s. Rösche), die Zauberei beruht auf einer Eingebung
des Teufels (1886), so dass der „Devil-Devil" auch da noch spukt, wo (materialisirte) „Spirita"
(auf tanzenden Tischen) die unsichtbaren abgelöst haben; die als „Orang alus" allzn
ausverfeinert sind, für das blöde Sehvermögen der Wildlinge [das dagegen für die Praxis
des Pfadfinders (im Urwald) willkommene Führung liefert]. In solchen Dingen lässt
Manches noch sich lernen, von den .Heiden, die in Finsternis« sitzen", bei natur-
wissenschaftlicher Erhellung (nachdem die comparativ- genetische Metbode auf die
humanistischen Studien auch verwendbar gemacht sein wird, auf Grund der ethnischen
Aussagen).
Bücherschau.
A. B.
Nelson: »The Eskimo about Bering-Strait«
Report of the Bureau of American Ethnology. (18th.) 1896/97.
Die wichtigsten Vermehrungen ethnischer Kenntnisse sind dem «»bezüglichen
Studienfach während der letzten Jahrzehnte aus der neuen Welt hinzugekommen,
die durch die mit dem Entwicklungsalter beginnenden Explorationen der alten
zugefügt worden ist.
Voran stehen hier die in America ausgerüsteten Expeditionen, wodurch die
Epigonen derer, die bei ihren Staatengründungen im Osten den heimischen
Grund und Boden umzuackern genöthigt waren (unter Vernichtigung endogener
Ptlänzchen), das damals Versäumte nachzuholen streben, durch systematische
Erforschung der im fernen Westen intacter verbliebenen Reste; und daneben sind
die ethnologischen Schatzkammern aus dem centralen Australien angefüllt worden,
wo durch günstige Geschickeswendung die einheimischen Stümme unzugänglich
erhalten wurden, bis eine, die Anlegung von Telegraphen erfordernde, Zeit zu-
gleich die Begründung gelehrter Gesellschaften vorbereitet hatte, durch deren
Instructionen, die methodische Aufnahme der fremdartigen Reflexe aus dortigen
Völkergedanken überwacht werden konnte. Die Namen Curr, Smyth, Howitt,
Matthew, Spencer, Gillen etc. sprechen genugsam für sich selbst, um das be-
deutungsvoll dort Geleistete zum Eindruck zu bringen.
Die verdienstvollen Ethnologen in der Union und Canada brauchen eben-
falls nicht aufgeführt zu werden (in langer Namensreihe), weil auch sie
in ihren Publicationen dauernd verzeichnet stehen ; und aus der Fülle des letzthin
wiederum Hinzugekommenen sei der Zuwachs an einem Beispiel erprobt (beim
obenaufgeführten Werk).
Seit es sich hat ermöglichen lassen, die ethnischen Erscheinungsweisen auf
gleichartige durchgehende Rubriken einzustellen (oder vielmehr solche Aussagen
des Menschheitsgedankens dieselben für sich reclamirt haben), ist für die (elemen-
taren) Voranlagen eine Uebersicht hergestellt, in den (auf primärem Niveau
gebreiteten) „Elementargedanken"; aus deren potentiell geschwängerten Keimen
sodann ein culturelles Sprossen anhebt, — das gleichfalls unter organisch ge-
regelten Wacbsthumsprocessen ausverläuft (bis zu den geistig höchsten Errungen-
schaften).
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Die (gleich „Leitanuscheln") leitenden Hauptphasen des Entwicklungsvorganges
festgestellt, bat es demnach bei denjenigen Specialforschungen, denen beim Auf-
schlus8 eines bis dahin unbekannten Areals die anf demselben hinzugewonnenen
Data (auf ihrem Arbeitsbereich) vorliegen, fortab um deren Einstellung an
jedesmal zugehörigen Platz vornehmlich sich zu handeln (an denjenigen nämlich,
den sie selber für sich beanspruchen).
Seitdem in allgemeiner Totalität die Umschau zur Abrundung gelangt ist,
kommt radical Neues wenig mehr hinzu (oder doch in seltensten Fällen nur),
aber die bei eingehendem Studium des autochthonen Gedankenvorganges (inner-
halb des von dem Reisenden durchforschten Terrains) aufgedeckten Varianten
(in localer Färbung) sind als werthvollst dankenswerthe Bereicherungen zu er-
achten, weil die Fundamente des Unterbaues (für das künftige Wissensgebäude)
in ihren Stützen verstärkend durch hinzugelieferte Bausteine (so oft diese, unter
der angelegten Controlle, als ächt correcte sich bewährt haben).
Stades of Skamans or per sonn who died by aceident t violette« or aiarvation, go
U> a land of pienty in t/u eky, wKere it hos ligkt, food and water in abundance
(bei den Eskimos).
Einer der durchsichtigsten Elementargedanken (im Anschluss an das
aztekische Sonnenhaus mit dessen Analogien), zur Ergänzung des längst schon
Bekannten, in den culturellen Mythen von Walhalla oder Tavatinsa, aber in
ihrer ethnischen Deutung so wenig verstanden, dass diese vielmehr vornehm
abgewiesen wurde, als zuerst angedeutet; beim Anbeginn ethnologischer
Forschungsweise (in den Tagen eines Ankämpfens gegen Gleichgültigkeit an-
fangs, und dann eine feindselige Opposition von allseitsher).
Beim „Strohtod" auf dem Siech bett sinkt die im Greisenalter abge-
schwächte Seele abwärts in Helheim's unterweltliches Dunkel, wo sie sich
bestens aufgehoben findet, um die Nachkommen vor Schaden bewahrt zu lassen,
wenn sie so gewillt sein sollte (aus etwaig verbliebenen Hassgefühlen).
Ehe eine derartige Legalisation — im Ko-to-men oder sonstigen „Todtenland"
— gefunden ist, hinterlässt das Absterben einen unheimlichen Eindruck. Ein
Etwas ist fort, das (von Dabomern) im Gebüsch oder hinter indianischer Hütte
gesucht wird, und das, wenn dort nicht gefunden, in der Luft') uraherspukt;
and also am «grossen Rein macherfest " (das später in Speisungen am Aller-
seelentage etc. übergeht) ausgetrieben werden muss (im Gelärm des „Mengapi"),
am Kalabar — , wo (wie auch auf Frji) der archaistisch schon bekannte Kunstgriff
der „laneae effigies" in Hithülfe gezogen wird (um naschhafte oder neugierige
Geister in die Falle zu locken), cf. D. F. (S. 21).
Durchschnittlich (im Laufe der Dinge) stellt sich ein friedlicher Abgleich
her, mittels des Leicbenceremonial's; und die Todtenseele — nach kurzweiligem
Spuken am Grabe (bis zur Verwesung der Knochen) — wird im (bretagnischen)
') wenn nicht ätherisch beschwingt (an Distelsaamen, bei den Dakotah) für
luftiges Schweben, zum Forttreiben durch Schwertfuchteln (der Karier) etc., muss die
Seele .im Gras nmbhupfen" (s. U. Sachs) oder ain Scbeunentbor knarren, als „arm
Seelcbeu" hinter der Tbürangel (in Hessen).
Seelenboot (der Alfaren) nach einer (meerumflossenen) Seelen-Insel [im Westen
(des Amenthea) gelegen, dem Laufe der untergehenden Sonne gemäss] fort*
geschafft oder Uber einen Lethe-Strom hinweg, so dass beim Trinken des
„Trostwassers" („Vai-ni-dula") das Erinnerungsbild (des Etdolon) allm&hlig in
Vergessenheit geräth. AH' das ist schön und gut, wenn „Mawu" den Tod ge-
sandt hat, dem Naturverlauf gemäss; gegen den sich ohnedem nichts machen
lftsst, so dass man es gehen lfisst (i? tA <Wov).
Die Mehrzahl der Todesfalle ist jedoch durch einen bösen Zauber verursacht
(wie die Abiponen und ihres Gleichen wissen), durch vorzeitiges Abschneiden de«
von den Parzen gesponnenen Lebentfadens ; und jetzt, da die „Aoroi" die ihnen
verkümmerte Lebensfrist nachzudienen haben, können sie bis dahin nicht zur
Buhe kommen, und bleiben also gefahrlich: für die nächst Hinterbliebenen (er-
klärlicherweis) nächstliegend, weil ihnen am nächsten stehend (zumal wenn mit
ihnen überhaupt vielleicht noch ein Hühnchen zu pflücken sein möchte, aus den
Nachgedanken an früheren Verkehr). Und gefährlichst, unter ihnen, sind wieder
die „Riaiothanatoi", die gewaltsam Getödteten, deren Blut um Rache schreit (im
„Klagevogel" der Beduinen); „von der Erde", bei dem von Kain geübten Tod-
schlag (und seiner „Verfluchung" durch die Elohim).
In je vollerer Jugendkraft die Seele fortgerafft war (durch die Norne), desto
kräftiger fühlt sie sich noch und thatendurstiger, um in die früher gewohnten
Handlungen einzugreifen, zum Guten oder Bösen.
Unter den Nitu (auf den Tenimber) werden solche Seelen am „Funkeln der
Augen" erkannt (s. Riedel), und wenn es gelingt, sie zum Schutzgeist zu werben,
vermögen sie demgemäss wirksamste Dienste zu leisten, während andererseits
gerade sie zu fürchten sind (sofern feindlich gesinnt).
Es war dem Menschheitsgedanken (in seinen elementaren Vorstadien) also
nabegelegt, sich solch bedenkliche Gesellen vom Halse zu schaffen, sie irgendwo
kalt zu stellen, wo unfähig „groben Unfug" zu stiften, wenn dazu geneigt
Stand eines Chaysi's „Eisenkerker" zur Verfügung (bei den Chamorros), so
schloss 1 ) man darin sie ein, um gefesselt zu liegen, wie Hekatoncheiren («Wrarw
ToiJwy) und Gonsorten im tiefuntersten Tartarus.
Aber das blieb ein Wagniss immerhin [wie Kronos (Vater und Söhn) beim
Durchbruch zu erproben hatte], und ein gütliches Abkommen schien empfehlens-
werther.
So wurde der Vergleich getroffen, für ihre Einbebausung einen reich-
geschmüc kten Himmel einzurichten, wo sie unter so vielerlei Seligkeiten zu
schwelgen hätten, um das irdische Treiben zu vergessen (und allein zu lassen).
Die Einheriar, in Armen der „Walkyren" [oder (in Ooorg) der „Apsaras"] nach
Oben getragen (von der Wahl&tätte), zogen alltäglich aus zur Jagd, um
abends in Walhalla's Hallen am fetten Eber-Rücken (der erlegten Beute) zu
prassen; die auf der Nahuatl Schlachtfeldern gefallenen Krieger rüsteten sich
') einem friedliebenden Volkscharacter entsprechend, gleich dem der benachbarten
Karolioier, die auf die im Streit und Hader Erschlagenen nicht gut zu sprechea sind,
Ober ihre Seelen spotteud (weil «wie gespeerte Fische zappelnd").
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früh Morgens, auf ihre Schilder schlagend, die Sonne zu begleiten (im
Krieges3chmuck mit Kriegsgesang); und Indra's vier Markgrafen (der Suren)
hatten beständig gerüstet zu stehen, an Tawatinsa's Thoren, um den Kampf
aufzunehmen (gegen anstürmende „Äraren").
So gab es Beschäftigung genug; und Freuden, wie eine muthschwellende
Seele sie liebt, — die sich deshalb jener mu th will ig neckenden Streiche enthalten
wird, wie sie der (im Bhuta-Zimmer der Tulu) zum Kobold anerzogenen Todten-
seele im Blut zu stecken pflegt, (als „Napfhans" der Küchenfee, oder der „Peter-
mann" im Stalle).
Die in ehrenvoller Beschwichtigung gewonnene Auskunft Hees sieh nun
ferner verwerthen, um noch sonst belästigende Gespenstereien los zn werden.
Die grausigste unter ihnen ist die des „Pontianak", in scheusslicbster Gestalt
umgehend (auf Borneo), als Kopf mit aushängenden Eingeweiden umherfliegend
(bei den Malayen). ,
Es ist das der Geist einer im Kindbett Verstorbenen, der, unwiderstehlich
hingezogen zu dem zurückgelassenen Säugling, den Nachgebliebenen, durch die
steten Versuche unter ihnen sieb einzudrängen, 1 ) viel Sorgen und Angst macht.
Anch auf sie die bereits erprobte Aushülfe in Anwendung zu bringen, war
rationellerweis angezeigt.
Und so sind in Mexico's Sonnenhaus (den Tonatiuh iixco yauh oder Tonatiuh
ilhuicac yauh) die Seelen der auf dem Kindbett Verstorbenen zugefügt, die den
die Sonne bei ihrem Aufgang begleitenden Kriegern am Zeuith entgegenkommen,
um in festlichen Reigen mit ihnen sich zu ergeben und dann der Sonne Folge-
dienste zu leisten, bei ihrem Niedergang. Auch bei den Marquesas sind die
verstorbenen Wöchnerinnen geadelt, im Himmel oder „Swarga" (Menangkabau's)
u. dgl. m.
Das schönere Geschlecht, weil hysterisch veranlagter zu denjenigen Be-
schäftigungen, die den „Karlmönnur" (s. Snorri) weniger ziemen, spielt ohnedem eine
durchgreifende Bolle in Hexereien: der jungen Hexen, die verführen (zu allerlei
Schlimmem) und der alten Hexen, die „einzuäschern* sind (nach dem „Terminus
technicus" des Hexenhammers).
Wo immer der Naturgang unnatürlicherweis sich unterbrochen findet, be-
darf es einer Sühnung vorgedachter Art; wie einer moralischen (auf ethnischer
Scala des Kann an), so einer allgemeinen überhaupt, bei den dta?» und tünv zahlenden
Dingen (s. Simpbcius), um die Med* wett zu machen (im Eechtebrucb).
Und so auf sinnlichem Bereiche gleichfalls. Die im Gelübde der Keuschheit
(ob einem freiwillig oder wider Willen vielleicht übernommenen) gestorbenen
Jungfrauen haben ihrer Naturbestimmung, Kinder zu gebären, nicht genügt,
') Um unfehlbar gesicherte Vorkehrung dagegen zu treffen, wird beim Tode einer
Ȋugenden Matter (der Lengaas) ihr das Kind in die Arme gelegt and mitbegraben (s.
Koch), wie auch auf Timor (s. Riedel) — dann braucht sie nicht dafür zurückzukommen
[wie für die vergessene Sandale der (Kprinther) Geist]; oder sich zu Ärgern, wenn
der Vater über die ihm (von der Mutter) zugeschobene Kindespflege uogeberdig sich
äussert (bei den Maori).
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und finden sich deshalb beim Tode in einer Art ungesühnten Znstandes, der sie
zu allerlei Angriffen veranlassen könnte, wogegen die im Familienkreis Hinter-
bliebenen sieb tu schützen haben, denn wenn e. g. jung verstorbene Bräute
„ihre Liebhaber an den Kreuzwegen zu Tode tanzen", würde dadurch das Ge-
meinwesen nützlicher Mitglieder verlustig'gehen (die im Wehrstand zur Abwehr
des Feindlichen benöthigt sind).
Auch hier fand also ein eschatologischer Anschluss sich indicirt, und die
Jungfrauenseelen waren unter Hut und Bewachung gestellt in Gefion's Prauen-
haus (Wingolfs), dem Pallast der Helden in Walhalla angebaut (wie Nonnen-
klöster an die Eremitagen der Mönche); und so wird ihnen der für die gefallenen
Krieger reservirte Aufenthalt zugewiesen in der alten Welt (wie transatlantisch
den Seelen der Wochenbetterinnen). cf. z. L. v. M. II (8. 33).
Auf gleichem Weg Hess sich nun weiter fortgehen, um was im Irdischen
belästigend empfunden werden 'konnte, extramundan zu beseitigen. Die im
Leben bereits gefürchteten Zauberer, die Schamanen, Angekok, Medicinmänner
und Fiölkunnigr — Medawuk (auf Pelau), ä-hla-kai-lin-uk (bei den Eskimo) etc.
— unter sonstigen Titulaturen mehr, waren nach dem Tode doppelt verdachtig,
in ihren umherschweifenden Seelen (weil, in seelenärztlicher Function, sobezüg-
licher Arzneigifte kundig: zum heilen oder zum schaden); und so finden sich
diese (nach dem Obigen) mit den Biaiothanatoi (in deren ehrenvoller Kaltstellung)
zusammengebracht (aus naturgemäßer Gedankenassoziation).
In Grönland (s. Egede) zog man für den Aufenthalt der Seelen die durch-
wärmte Unterwelt vor, während die Seelen der nichtsnutzig Faulen in den
kalten Luftraum relegirt waren, wo sie Ball zu spielen hatten (um sich warm
zu halten).
*
The kouetmatea of the deceaeed (four daya foüounng the deoth) must keep für
hooda draum over their heade, to prevent the mftuence of the ehade from entering
their heads and kMina them (bei den Unalit).
Beim Abscheiden aus dem Körpergehäuse flattert die (nigritische) Sisa
(an die Luft gesetzt) in der Luft, und kann also im Nkulu (am Congo) dem
Erben zugeworfen werden (in Oregon), wogegen wer die Erbschaft anzutreten
abgeneigt, sich dagegen verwahren wird (erklärlicherweis).
Ein gleichartiger Elementargedanke, mit seinen Variationen m. m., je nach-
dem der Geschmack sich entscheidet (für pro oder contra).
Eine Ergänzung bildet das Folgende: For three months after the deoth of a
ton the father must not drink from an uncovered veaael, for if he doee he may awaUow
some impurities from the ehade.
Indem das (seelisch oder) „elbisch luftige" Gebilde (s. Grimm) überall, und
also auch im Wasser haften mag, empfiehlt sich dem (seinen verstorbenen Sohn
betrauernden) Vater Vorsicht beim Trinken, wenn ihm widerstrebt dasjenige
wieder in sich aufzunehmen, was er bei der „Emiasio seminis" ausgeschieden
hatte (im Zeugungsact). Der Rabe (bei den Thlinkit) lässt sich selber wieder-
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gebären, aus dem von der Jungfrau eingetrunkenen Strohhalm (unbefleckt ver-
bleibend).
Di» tun-gha-lik (am Yukon) ttehlen neugeboren» Kinder, tan das Ekelet tu
Also ein Duplicat des von der alten „Dukun Alus" (auf Java) mit flieh
herumgeschleppten Skeletts eines Embryo, im „Anak ambar" (Wunderkind), cf.
L. B. II (S. XII). Die Pegulu-balang lernen sprechen durch den Mund eines
i todtgeborenen Kindes (bei den Karos).
The astietent» unbound the ihaman and eubtituted a log of wood behind the
mask (am Yukon); wiehed to be burned and reborn m Order, that he might be of gr toter
»ervice m the vülage (verausgesetzt, dass kein Versehen gemacht, in Auswahl der
Holzes oder sonst).
Eine ethnische Gedankenwendung, die für das, was — im Nachschatten des
aus den (indischen Heiligen geläufigen) Selbstverbrennungen dem griechischen
Publikum (zu macedoniseher Zeit) vorgeführten Schauspiele — von (Lucian's)
Peregrinus (zu Olympia) ambitionirt, sich vielleicht verwerthen lassen mochte;
wenn nicht bei den, einer culturellen SpÄtzeit angebörigen, Berichterstattungen
der überleitende Faden allzusehr bereits abgerissen wäre (bo dass die Daten
vorläufig mangeln, zum Eingeben in genaueres Detail).
Nach dem Begräbnis eines Zauberers (bei den Eskimo) »«ach man in the viUage
took hie urine tub and poured a lüde of U» content» upon the ground before the
door, saying: Thi» ie your water, drink! — believmg, that »hould the »hade return
dmring the night and try to enter, Ü would taste thi» water and, finding it bad, would
go aioay"; unter Aufstecken eines gebogenen Grashalmes, [als (Seelen-)Schlinge
oder Falle).
Gegen ein derartig machtvolles (und also gefährliches) Seelengespenst müssen
energische Mittel verwandt werden, bis zum Abstossendesten im Excrement [das,
als Urin der heiligen Kuh dagegen zur Heiligung (von Brabmanen) getrunken
wird]; und wenn der in seiner Heiligkeit grossmächtige Tui-tonga abschied,
tischten seine ergebenen ünterthanen, um der (Aptraganga) ein Ruckkehren
(unter „Bevenants") zu verleiden, ihm (oder ihr) dasjenige Gericht auf, wie es
Mariner beschreibt (beim Leichenbegängniss). Diese Gefahr geht also vorüber,
wenn nach kurzweiligem Verweilen am Grabe (wie im Phädon), die Seele fortzieht
nach ihrem Aufenthaltsort (und dieser als ein für sie anziehender vorgesorgt ist).
• • •
„All places, things and the elements are supposed each to have a „a-yn-ft"
or mystery" (s. Nelson), und der Jäger hat von seinem Essen einen Bissen dort
(an gefeiten Plätzen, gleich „fairy rings") hinzuwerfen (bei den Eskimo), um
nicht durch unhöfliche Missachtung die „Einsitzer" (Innuä, Oki, Umkisie etc.)
zu beleidigen (oder die Heroen, unter dem Tisch). „A common form of thungak
is the „yu-ä" or spirit of the elements, places and things" [wenn durch „Angang"
(in der Mustika) der Schutzgeist gefunden ist, wie im „Suman", als Fetish].
12*
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Und dies lässt sich dann (talismanisch,') für Yu-Yu oder Gris-gris) verwerthen:
„Arrows or other weapons marked with the sign of the wolf or other animal
totem mark are believed to become invested with some of the qualities of the
animal represented and to be endowed with special fatality" (ä-thin-ruck). In
addition to the ordinary Inynkt or Fetish, an heirloom (paituk) may become
a fetish [wie dem erblichen Totem ein persönlich (aus den Manitu] gewählter
zugefügt wird). Mauri or whatu moana (stones carved into curious forma)
were used by nshermen (s. Best), als Talismane (der Maori); wie angetroffen
[in (alfurischen) Mustika]. Neben dem Aklama (abgeschieden aus der Kla) lässt
sich in der Abosonsam („fetisch-religion" oder „feticbism") ein „tutelar or
guardian spirit of a town or a family" (a. Christaller) aus den Oboson hinzu-
gewinnen (mit Functionen der Wong etc.), unter Verwerthung für die Asuni
(„charms«).
„The shades of all animals are believed to be formed like people and inany
kinds are supposed to be able to talk with one another and at times are able
to understand the Speech of men; the shades of game must be propitiated
in many weys, by food and offerings", am Bladder festival (der Eskimo) oder
dem Bärenfest (der Aino), wobei dem zum Opfer Verspeisten die guten Absichten
ausgedrückt werden können; von ihm, der die Thiersprache (s. Södillot) versteht
(folkloristisch). Der Schamane (der Unalit) »was aided by bis dog, with wbom
he could talk, the dog being a tunghak, which had taken that form" (im
Tbierzeichen des Totem), wie die Heldenrosse (aus „equorum auguriis" etc.) dem
Aufsitzer helfen (durch guten Rath), oder Achilleus mit seinen Wagenpferden
sich unterhält (in der Ilias).
„Düring four days the first man lay coiled np in a pod of a beach-pea
on the fifth day he stretched out his feet and bnrst the pod" (bei den Unalit),
dem Raben begegnend (der unter der Maske seines Schnabels sich in Menschen-
form wandelte).
Dem beim (hawaiischen) Aufblühen der Schöpfung („pua-ua-mai") aus dem
Mutterboden der Erde entsprossten Menschen, (an Bäumen, gleich Meschia und
Mescbiane; oder Ask und Embla, durch Odin, Vile und Ve belebt), tritt der aus
oberen Höhen Herabgekommene gegenüber, unter der Maske (oder „Persona")
eines geflügelten (Himmels-) Boten, wie die herniedergeflogenen Abbaasara (als
Kalyanaphuthayana) mit den (von untenher aufgestiegenen) Andaphutbayana
zusammenkommen (auf dem Buddhagama).
Zu den „Reisen durch Himmel und Hölle" (cf. B. a. r. 8., S. 60) lieferte 1 )
ein Shamane (from Selawik lake, near Kotzebue sound), einen Beitrag:
•) Das (braune) Karmeliter*scapulier ist zur Rettung aus Gefahren (s. Graasi) von
der heiligen Jungfrau gegeben („wer in demselben stirbt, wird das ewige Feuer nicht
erdulden*). Vor der Benedictiner- Medaille zu fliehen, wird geboten .dem höllischen
Feinde mit all seinen Schaaren und Blendwerken* (seit XVII Jahrh.).
*) Zu den Todtenwegen, wie (vom Nobiskrug bis zu St. Gertrud's Herberge, als
erste Station) ton der Seele gewandert (bei Dajak, Fijier, Auntralier, Azteken etc.)
wird hiermit ein anschlüBsiges Belegstück geliefert (cf. Z. u. S., S. 30* o. flg.).
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- 181
„When he retamed he told the people that after hie death bis shade
travelled for two days along the hard, beaten path formed by those who had
gone before. Daring all this time he beard crying and wailing which he
knew to be tbe voices of people on earth mourning for their -dead. Then he
came to a great village, like those upon the earth, and was met hy the shades
of two men who led him into a houae. In the middle of the roora a fire was
burning, in front of which were roasting some piecea of meat, stnck on sharp
stielte; in this flesh were living eyes which rolled abont and watcbed hia
movement«. Hia companions told him not to eat any of the meat, aa it would be
bad for him. After stopping here for a ahort time be went on and came to the
milky way, which he followed for a fong diatance, finally retnrning by it to
hia grave box. When the shade entered the box his body became alive, and
rising, he went back to the village and told his frienda of hia experience (in
dortiger Version zu dem von Allher Bekannten).
Mc. Gee: »The 8eri-Indians<
Report of the Bureau of American Ethnology. 17 th. (1895/6).
„The dead found their way back to the primordial onderworld, whence Earth
and Being8 were bronght np by Pelican and Turtle reepectively (returning
by night)".
Wie der Bapairi in seine Geburtshöhle, kehrt, der Moxos zum heimathlichen
Grunde zurück, dem „ersten Mensch" (bei den Hidatsa) oder Yama (mit Yami)
folgend, auf dem Todtenpfade; nach Westen hin (zu „seeligen Prärien"), wenn
(auf Mangaia) die Seelen Schritt halten mit dem Lauf der 8onne, um gleich-
') „Among the lower Yukon people it is said that when a person dies be can not
see or bear anything at first, bot when bis body ia placed in tbe grave box hia shade
becomes clairvoyant and can see all tbat goes on abont him; theo other dead people
coroe and porot oot the road leading to the land of the shades. In this connection
reference is made to the tale which gives an accoant of the retarn of a girl from the
land of the dead and covering the beliefs beld on thia sabject among the lower Ynkon
Eskimo. When tbe shade of a recently deceased person becomes cooBcioaa, it rises
in form and clotbing exactly aa in life, and trayels along the path tbat leads away
from the grave. The road haa many othera branching off on one aide or the other
to village» where the shades of different animals arc living, each kind by Hself. In
these village» the Bhades of animals occupy houses like those of human beings on
earth. Finally the shade armes at a village, where it is claimed by relatives who
have died before, and is taken to a house where it lives au aimleas existence, depending
on offerings of food, water, and clotbing made by'relatives during the febtivals to the
dead. During this journey from the grave the shade bas brought with it the tools
placed by its grave with the offerings of food and water. Dpon these supplies the
ehade snbsists during its journey to the other world. On the Yukon a man told me
tbat on the road to tbe village of the dead the shade is offered water in a bücket,
and if it attempta to drink from the large receptacle without using the dipper, the
other bhades clap the bücket over his head, so tbat he is unable to drink. If a shade
disobejB the instructions of the shades in other ways they cause his trouaers to slip
down, so that he can not walk, and they otherwiae annoy him" (a Nelson), um in das
dortige Regiment sich hineinzufinden (wie auf Hawaii etc.). Die (borneische) Scenerie
wird auf der Bootfahrt (am Tiwahfest) geschildert cf. L. v. Ii. II, (S. 131).
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182 —
zeitig einzugehen (im Amenthes), durch zwei Pforten, der Rangstellung gemäss
(in Annam).
Wundt: Völkerpsychologie (Bd. I, 1 n. 2) 1900.
Der ersten Hälfte (die in einem früheren Heft zur Erwähnung kam) ist
die zweite (des Ersten Bandes) gefolgt, von gleicher Vorzüglichkeit; wie sie bei
den Werken des Verfassers in Voraussetzung liegt. Damit ist die Sprache zum
Abschluss gelangt, in letzter Abtheilung („der Ursprung der Sprache"). „Ein Stand-
punkt ausserhalb der Sprache, die Voransetzung eines Zustande«, in welchem
der Mensch nicht nur der Sprache, sondern, was damit noth wendig gegeben
wäre, auch aller Eigenschaften entbehrt Hätte, aus denen sie hervorgehen musste,
eine solche Voraussetzung ist eine leere Fiction, mit der sich nichts anfangen
läset, weil sie die Bedingungen beseitigt, mittelst deren die Existenz der Sprache
überhaupt zu begreifen ist". („Nicht der Zufall ist Urheber des Sprachlauts,
sondern dieser ist durch die begleitenden und pantomimischen Bewegungen
ursprünglich vollständig in seiner Beziehung zu dem, was er bedeutet, determinirt").
Solches Wort eines klar denkenden Forschers wirkt wohlthuend und erquickend,
(im Zusammenhang mit dortiger Fassung), gleich dem Trunk aus krystallenem
Bach, un verseucht durch die metaphysisch umherflatternden Bacillen; wogegen
der Atbmosphäre unseres naturwissenschaftlichen Zeitalters die genügende
Immunisirung noch mangelt (die bald indess an der Zeit sein dürfte). Das
Sprachband bildet die naturnoth wendige Vorbedingung für den zoopolitiscben
Organismus des Anthropos, und ohne die Voraussetzung dieses hätte die
humanistische Erscheinungsform in ihre Existenz Uberhaupt nicht eintreten
können; und wären uns allen die Mühen des Daseins somit erspart gewesen (was
den Denk trägen bequemlichst anzuheimeln pflegt).
Im >Free Museum of Science and Arte
findet sich Culin's „sumraertrip among the Western Indians" („The Wanamaker
Expedition") III, 1-3 (1901).
Baelz: € Menschenrassen Ost-Asiens», Zeitschr. f. Ethn., Verhandig. d.
Anthropolog. Ges. (S. 179), XXXIII 2 (1901):
„Die Nacktheit, so lange sie unbewusst ist (wie bei Adam und Eva vor
dem Fall) ist absolut harmlos und ungefährlich, von dem Augenblicke an, wo
sie bewusst wird, ist sie verführerisch und fängt an, unsittlich zu werden."
Diese den Nagel auf den Kopf treffende Bemerkung wäre unter den Duseleien
belletristischer Kunstsimpler in Vermerk zu nehmen, um nicht den gesunden
Volkssinn, der aus lang und allvererbter Tradition an Verhüllungen gewöhnt
ist, in Verwirrung zu bringen.
Wenn eine Handvoll „Electi" (unter den Upper-ten-thousand), die nach
statistischem Maasstab in der grossen Masse verschwinden, auf theoretisch ihnen zu-
stehende Rechte zu pochen belieben, können diese gerne zugestanden sein —
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soweit (nota bene!) als nicht etwa in Praxis weitgreifender Schaden angestiftet
wäre, unter all' denjenigen, die für die von der Aesthetik ihnen zugedachte Er-
ziehung noch nicht empfänglich vorbereitet Bind.
Die Hegemonie der Kunstschwärmerei ist bedenklieh vornehmlich in einer
durch unversehens herbeiströmende Einflüsse (aus fremdartig Neuem) auf-
geregten Zeit, weil tu Gefühlspolitik weiterführend, und so dem, das Wohl des
Geeammtbesten erwägenden, Staatsmanns die richtige Steuerung des (Staats-)
Schiffes erschwerend (um das Heft in der Hand zu behalten).
Im Internationalen Archiv für Ethnographie (XIV, 3),
wird Jongs: „De Apnlejo Isiacorum mysteriorum teste" von Marquart besprochen,
unter Hinweis auf die ethnisch zugehörigen ParaHelen (wie oftmals zur Er-
wähnung gekommen, cf. A. a. M. u. V., I S. 374 u. flg.).
Das Absterben und Wiederauferstehen in dem durchgängigen Elementar-
geschenken der Pubertatsweihen (Afrika's und Australien^) schliesst an die
Wiedergebarten (der „Dwija") sich an, in den Mysterien (auch des Meda etc.,)
beim masonischen Ceremonial ttberlebselnd; mit Beziehung zum patristischen
Wassergrab der Taufe (und zugehörigen Analogien mehr).
«
Hagen: Unter den Papua, Wiesbaden 1899.
Ein ethnologische Veranlagung (ans früheren Erfahrungen her) aufzeigendes
Buch, das den bereits bekannten Parellelen manch' zugehöriges Belegstück bei-
fügt (im melanesischen Aequivalent). So betreffs des, unter verschiedentlichen
Versionen angetroffenen, Brauchs der „Vermeidung 11 . [„Von der Verlobung bis zur
Hochzeit darf das Paar nicht miteinander verkehren, und dies Verbot (das Ge-
bot des Venneidens) erstreckt sich auch auf die Schwiegereltern und Schwager"].
Die anderen Analogien haben meist schon ihre Verwerthung erhalten, in seit-
dem erschienenen 8chriften (für die Gedankenstatistik).
Kruijt: > Regen Lokken en Regen Verdrijven bij de Toradja'i (Tijdschrift
v. Ind. T M B. en Vlkrkd. XVII, 1901).
„De Sando, die den regen uit elkaar zal drijven (nawaro udja of mawarosaka
ndja) heeft eerstens zichzelf in achthenemen om voor, gedurende en na zijne
operatie niet op eenigerlei wijze in aanraking te komen met water;" dagegen
wird ein „vuurtje aangelegd" (zum Verbrennen geeigneter Holzarten).
Beides verständlich genug, aus den Elementargedanken; und ebenso, dass
das Wort „udja" (Regen) nicht ausgesprochen (sondern durch „ngkudju" substituirt)
wird, denn sonst „denkt de Regen dat hij geroopen wordt, en hij komt*.
Schön, gut und oorrect richtig (durchgangig allgemein).
Und dazu nun die local variirte Version: zum Unterschiede vom dürren
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Lande der Ban tu, wo dem „Regenmacher" vornehmlich das Herbeirufen 1 ) des
Regens aufliegt (um den, Beinern gefährlichen Ehren-Posten zukommenden, Amts-
handlungen zu genügen), wogegen (auf Celebee): het „regen roepen" door jederen
Toradja kan worden bewerkstelligt" (während die geheime „Doa" bekannt sein
muss, um den Regen zu vertreiben, „zonder dat deze booe wordt").
Durchschnittlich giebts Regen genug, und so mag der Erstbeste ihn rufen,
wenn ihn so lüstet.
Sollte er ausbleiben, dann freilich ist der casus ein desto bedenklicherer und
verlangt aussergewühnliche Maassnahmen.
Der Kubosenja hat dann einzutreten für sein Volk (um gemeinsame Ver-
antwortlichkeit zu tragen). Er schlägt Thiere todt, einen Bahn und ein Ferkel
(feminini generis), am Ufer des Flusses (zum Wassersprengen). Toen riep hy
de Goden aan: „0 goden daar beneden en daar Soven, wanneer gij medelijden
met ons hebt, en wilt, dat wy dit jaar zullen eten, geeft dan regen; geeft gij
geen regen, welnu, wij hebben hier begraven een haan en een wijfjes varken,
in innige omhelzing — , met andere worden: toornt dan over deze gruweldaad, die
wij hebben gedaan, en doet uw toorn blijken door onweders" („peccate fortiter",
wie in mystischer Verbissenheit, oftmals).
Man hat nämlich herausgefunden, dass [gleich den Seelen der Birria (s.Heagny),
im Amt der (den „Hadat" tiberwachenden) Nitu] die dortigen Götter, wenn durch
Sündhaftigkeit der Menschen beleidigt, lärmen und toben in Ungewittern [den
Blitzstrahl zückend (s. Seneca) „über des Frevlers Haupt", ohne meist jedoch
(wie Aristophanes meint) ihn zu treffen] ; und vornehmlich hassen sie „het plegen
van bloedshande en het zieh afgeven met dieren", [weshalb ihnen also diese
(Tod-)Sttnde symbolisch vor Augen geführt wird, um den angestrebten Zweck
zu erreichen — wenns mit dem Guten (in Güte) nicht geht, aus zorniger Bosheit;
im Bösen].
Die „Inferos" zu bewegen wird versucht, wenn die „Superos" nicht ge-
lingt zu beugen („flectere").
Das mögen die Götter passiren lassen, wenn so ihnen beliebt Es entgeht
ihnen allerdings das in Opfergaben zugedachte Honorar (das sie sich redlich
hätten verdienen mögen), aber im Uebrigen brauchen sie um solch menschliches
Treiben sich nicht zu kümmern (beim Schwelgen in ihren „Intermondien").
Hier dagegen schaut die Sache gar ernstlicher aus bei einem Angriff mit
Hilfe des Widersachers. Im Principien kämpf zwischen Ormuzd und Ahriman
tritt der iranische Bundsgenosse über in das turanisch feindliche Lager. Da-
durch könnten also die Grundfesten erschüttert sein [im (Staats- oder) Welt-
gebäude].
Zu solchen Extremen kommt es durchschnittlich indess selten nur, denn
meist, beim „Rechten zwischen Götter und Menschen", l&sst ein Abgleich sich
') Am Morgeu wird das Opfer gebracht, am Nachmittag folgt Regen, das geht, wie
mit der Arznei (s. Campbell), in der Regenmacherei (Afrikas); wenn's hilft (oder auch
nicht; in einem Fall, wie in dem anderen).
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treffen [ein beiderseits zusagenderer, als in Sicyon; dessentwegen den Theoi ihre
„ Reizbarkeit" (s. Herodot) verblieben war].
Meist sind die gutlieben Götter gutmüthig genug, uro sieb beschwören zu
lassen, durch (polynesischen) „Earakia" oder sonstige „Mantras" (in vediseber
Fassung); den Brahmanen sich zu fügen, (so dass diese sich rühmen können, „die
Götter in der Hand zu halten"). So lebt man miteinander, verträglich genug,
obwohl nicht ohne Neckereien (denn „a Bissel Bosheit ist auch dabei").
Wenn die Rücksichtslosigkeit indess fortgebt bis zum „Teufelspact", dann gilt
es einen „Kampf ums Messer", — denn dann handelt es sich um die Existenz des
Einen oder Andern, unter den streitenden Partheien — um „Sein oder Nicht-
sein", das &n»c w und sein Gegentheil, im Nichts; als „Realprincip der
Wirklichkeit" (worüber die Identitätsphilosophien sich abfinden mögen; oder die
Lehre vom Nirvana, mit ihrem „Asangkhata-Ayatana").
Sei er: Das Tonalamatl der Aubinschen Sammlung, Berlin 1900.
Eine neue Vermehrung zu den der Liberalität des Herzogs von Loubat zu
dankenden Veröffentlichungen, doppelt werthvoll durch die Sachkunde des Ver-
fassers, der sie den Studien zugänglich gemacht hat
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Die Stellung der Ethnologie
zu den Culturaufgaben der Gegenwart.
In den „Mittheilungen der Anthropologischen Gesellschaft 4 * in Wien
(XXXI, 152) wird, unter Hinweise auf Westernitz's Abhandlung über
„Völkerkunde, Volkskunde und Philologie" (im Globus), von W. Hein
(in Uebereinstimmung mit den dortigen Aeusserungen) zur Betonung ge-
bracht, dass „die jüngste aller Wissenschaften**, die sich endgültig bereits
einen Platz als Lehrfach an mehreren Universitäten erobert hat, um so
mehr jetzt „gebieterisch eine Klarstellung ihrer Definition erfordert* 4 .
Die Schwierigkeiten, die dabei (den weit auseinandergehenden Er-
klärungsweisen nach zu urtheilen) vorzuliegen scheinen, finden ihren
Grund darin eben, dass es um die „jüngste* 4 Wissenschaft sich handelt,
die spät (verspätet fast) in den Kreis der fertig bereits ausgestalteten
hineingetreten, mit ihnen allen über Grenzregulirungen sich zu ordnen
hat, so dass es fflr ihre eigne Definition häufig auf Negationen nur hinaus-
kommt (omuis determinatio est negatio), um zu bestimmen: was sie
nicht ist oder nicht sein kann (um nicht älter berechtigten Arbeits-
teilungen ins Handwerk zu pfuschen).
Davon abgesehen, müsste die Erklärung als einfachste in der Welt
geboten sein, weil eine tautologische an sich, in der „Lehre vom
Menschen"; der Lehre vom „Anthropos 4 *, als somatisch psycho-physisches
Individuum in der Anthropologie, und der Lehre vom 'Av&ookws yvoet £o)ov
xokmxöv, im „Ethnos 4 *: den Völkern und Völklein (gross oder klein), wie
vorgeführt in den. vom Stamm durch Volk zur Nation emporsteigenden,
Gesellschaftskreisen auf abgerundetem Globus (der humanistischen Ge-
sellschaftswesenheit gemäss).
Die Anthropologie, die ältere Schwester der Ethnologie, hat schon
früher aus traditionell verschleppten Erzieliiingsmaximen [der Philan-
thropen (oder Misanthropen) und Theophilanthropen] sich losgemacht
1
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und herausgeschält („in puris naturalibus"), mit Selbständigkeit einer natur-
wissenschaftlichen Disciplin und ist, seit Begründung der Psyeho-Physik,
zurückgeführt wieder auf die — vormals der Metaphysik oder der [an
Stelle der Theologie (der sie als „ancilla" hatte dienen müssen), zum
Königthum in der Gelehrtenrepublik inthronisirten] Philosophie reser-
virten — Probleme [des Humanismus, in seiner (Individual-) Psychologie].
Was charakteristisch für die anthropologische Menschenkunde —
mit den unsere Neuzeit einleitenden und eine „Instauratio magna" be-
nöthigenden Umwälzungen (bei der Fassungsweise des zoologisch ver-
wandten „Bimanus* 4 als „Homo sapiens", in seiner „Humanitas* und deren
Humanität) — hinzugekommen ist, resultirt (wie überall beim Aufbau
des „Xovum Organum") aus dem über das gesammte Erdenrund
erweiterten Umblick, wodurch die, vormals jedwedem Culturvolk
(bei Isolation innerhalb des zugehörigen Geschichtshorizontes) in einer
singulären Entwicklungsphase nur zugängigen, Fragen aus Hülle und
Fülle der Yergleichungen fortab sich beantworten lassen werden: nach
„eomparativer" Methode also; der ausserdem (für den rationell ange-
zeigten Fortgang vom Einfachen zum Zusammengesetzten) die „genetische"
sich verbindet (bei Durchschau organischer Wachsthumsprozesse).
Der aus vorangegangener Hegemonie der Deductiou auf die induc-
tive Forschungsbahn überleitende Wendepunkt dreht sich, bei den natur-
forschlichen Disciplinen, um die Beschaffung von vergleichungsfähigeni
(Arbeits-) Material, aus den der Forschung neu eröffneten Arealen (seit
dem Entdeckungsalter).
Das kam auch der Anthropologie zu (Jute: aus exotischen Beleg-
stücken des Skelettgerüstes, in compacten Schädeln vornehmlich (mintu
den lose anhängenden Unterkiefer oftmals leider freilich); und so ist,
in der Kraniologie zunächst, die vergleichende Methode (etlmo-anthro-
pologisch) zum Austrag gebracht, die indess, mit (und zu) den Ver-
besserungen physiologischer Kenntnisse, die „Rassenphysiologie" hinzu-
zuuehmen haben wird, um neben der Tropenhygiene die in der Accli-
matisation gestellten Fragen (von social gewichtiger Tragweite, in der
Praxis) einer gründlichen Durchforschung zu unterziehen (im Anschluss
an die in Einrichtung begriffenen Institute).
Um die Normalgestalt des Anthropos ideal zu zeichnen, sind die
Componenten aus allen Theilen der Erde zu entnehmen (in ihrer Uni-
versalität). Den Menschen als solchen sehen wir niemals und nirgends,
sondern nur den nach geographisch klimatischen Zerspaltungen des
Erdballs demgemäss gefärbten: den schwarzen, rothen, braunen, gelben,
weissen etc., um aus diesen Xüancirungen den gleichartigen Grundton zu
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3 -
reduciren, wie gültig für den Homo qua talis (unter seinen Varietäten
im „genus humanuni").
Lebensfähig jedoch (seiner gesellschaftlichen Existenzform gemäss)
wird der „Anthropos" erst durch Einigung mit seinem naturbedingten
Doppelgänger, beim Zusammengehen des somatisch psycho-physisehen
Individuums mit dem noeto-zoopolitischen als „Ethnos", in der ihn dem-
gemäss besehreibenden Ethnographie; der dann, um die durch exact
genaue Beschreibung gelieferten Definitionen, (logisch) rationellen Er-
wägungen (und Abwägungen, „pondere ac mensura") zu unterziehen,
die Ethnologie sich anzuschliessen hat (seit, durch die Steigerung des
Welt- und Völkerverkehrs, der Völkerkunde auch vergleichungs-
fähiges Material beschafft ist).
In dieser, über das Terrestrische hinausragenden, Epiphanie der
Menschheit trifft sich der Mensch unter all den verschiedentlichen Er-
scheinungsformen seiner Vollgestalt in deren Entwicklungsphasen: in ihrer
Kindheit, beim Krimmel und Gewimmel der Wildstämme, in vollkräftigor
Mannheit der Culturvölker und (greisenhaft) im Alterthum, bei den
untergegangenen Geschlechtern; die in der Erinnerung fortleben, weil
fixirt durch die (eine Verwerthung der von früheren Generationen be-
schafften Ergebnisse durch die späteren ermöglichende) Schrift und deren
Vorstufen, (auf dem Scheidungsstriche zwischen Cultur und Uncultur).
Da diese ausgereiften Erzeugnisse der Menschheit (in „Geschichte
des Menschengeschlechts") längst bereits von der Historiologie (oder Ge-
schichtswissenscheft) unter ihre Hut genommen sind, hat insofern dio
Völkerkunde damit nur indirect zu thun, anbetreffs der Ethnographie
(im beschreibenden Fach); wogegen sie, als (räsonnirende) Ethnologie,
hier bei demjenigen mitspricht, was aus eleu gleichartig gebreiteten
Elementargedanken an „Ueherlebsoln" eingekapselt (und verknöchert)
seine (primitive) Originalität bewahrt hat, innerhalb culturell ausver-
feinerten „Surroundings" [aus (prähistorischen) Vorstadien ausgegraben,
durch die Volkskunde]. Auch hier hat der Ausgangspunkt der Studien
(den Vorschriften genetischer Methode gemäss) am primären Niveau
des Wildzustands anzusetzen, wo die (ethnologischen) Sammlungen
die Texte vertreten, um aus deren Symbolen die daran haftenden Spuren
des Gedankenlebens (wodurch sie geschaffen sind) zu entziffern; und
wenn aus den potentiell geschwängerten Keimen ein culturelles Sprossen
anhebt, ist dies in seinen Folgewirkungen aus den Agentien der historisch-
geographischen Umwelt zu verfolgen, bei den buntschillernden Wand-
lungen der, aus kreuzenden "Wechselbeziehungen gefärbten. Völker-
gedanken; um mit ihnen auf den (unter ändernden Karbenschattirungen)
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geineinsam unterliegenden „Gesellschaftsgedanken" zu gelangen — und
aus dessen, die gesammten Variationen (der ethnischen Gedankenwelten)
einbegreifendem, Total den „Menschheitsgedanken" zu abstrahiren, als
Ziel der Forschung (für des Menschen selbsteigene Erkenntniss).
Sobezfiglich handelt es sich um die Humanitas und ihre „Humanität"
(auf ethischer Scala): um die Durchschau der Menschheit, in ihren Ent-
wicklungsphasen durch Raum und Zeit; wenn vom primitiv materiellen
Stratum der Wildheit ab der Blick die Wachsthumsprozesse verfolgt, im
Ansteigen zu culturell gezeitigten Blüthen: um zu ihren (Wissens-) Früchten
heranzureifen (auf geistigen Regionen).
Unversehens ins Dasein gerufen: durch jene weltgeschichtliche Kata-
strophe, mit welcher die Maschinerie eines kosmopolitisch internationalen
Welt- und Völkerverkehrs in Gang gesetzt worden ist, hatte die bis dahin
vagabondirende Ethnologie (ohne ein Heim, wohin ihr Haupt zu legen)
gleich einem aus der Fremde herbeigelaufenen Parvenü zu erscheinen,
als neben den vornehm bereits installirten Disciplinen der Geschichts-
wissenschaft und Archäologie (sowie der, unter modernen Emblemen zu-
getretenen, Sociologie) ihre Rechte beanspruchend, — als ein exotisch
fremdgeborenes „enfant (tenrible)"; das indess in der Wiege schon sich
als Herkules erwieseu und manche Hydra des Afterglaubens erwürgt hat.
Gerade die Socialphysiologie und Socialpsychologie wird (bei induetiver
Prüfung der, in den durch die Deduction beherrschten Zeitläuften ge-
wonnenen, Resultate) durchgreifendste Umgestaltungen zu erfahren haben,
aus den ethnologischen Studien. Vorläufig indess, um durch Uebung
und Erprobung einwohnender Kräfte sich zu stärken, fällt das Voll-
gewicht ihrer Aufgaben in die Vorstadien des humanistischen Keimliugs,
um auf primärem Niveau (des Wildzustandes) die Fundamente festzu-
legen (mit Elementargedanken gepflastert).
In gleichartiger Schichtung hindurcherstreckt, durch Uncultur und
Cultur, liegen die Primordialitäten auf den höheren Entwicklungsphasen
meist versteckt unter künstlichen Ornamentirungen, vereinzelt nur in
originell kenntlich gebliebenen Ueberlebseln (Tylors „survivals") hier
und da noch hervorbliukend; und je schwächer solche Spuren nach-
dämmern, desto ernstlicher wird ihre Erfassung in Betracht zu nehmen
sein, ehe sie völlig aus dem Gesicht entschwunden sind; fortgespült vom
Strom der Zeit (von ihrem Zahn zernagt).
Hier berührt sich die „Volkskunde" mit der Völkerpsychologie, worin
der zoopolitische Charakter des Menschen durchgreifender zur Geltung
gebracht war (b. Lazarus), die Vergleichung aber auf die heimischen
Culturnüancirungeu beschränkt zu bleiben hatte, da das, seitdem (durch
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— 5 —
den Völkerverkehr) der „Völkerkunde* objectiv herbeigeführte, Ver-
gleichsmaterial damals noch mangelte (in ethnologischen Sammlungen).
Die philologische Compassweisung, auf dorn von der Völkerpsychologie
ausverfolgten Forschungsweg, wurde bereite» auf ihre linguistische Er-
weiterung übergeleitet (b. Steinthal), und den hier zusammentreffenden
Gesichtspunkten werden jetzt die naturwissenschaftlichen Stützen der
„Psycho-Physik" unterbreitet sein (mit Wundt's, in der Erscheinung be-
griffenem, Fundamentalwerk).
So sind die ^Volkskunde" sowohl wie die „Völkerpsychologie" in sach-
liche Berührung gestellt mit der „Völkerkunde", die bei Constatiruug
ihrer ethnischen „Elementargedanken* deren Nachweis bei dem, was unter
culturell verfeinerten Zuständen aus ihnen überdauert, ermöglicht hat
(für den Forschungsgang der Volkskunde), und die zugleich den (auch in
der Völkerpsychologie rememorirten) „GesellBchaftsgedanken" in die ihm
zeitweis verkümmerten Rechte wiederum eingesetzt hat (wie der zoo-
politischen Naturanlage des Menschen entsprechend).
Als specifisch für die „Völkerkunde" würde ihre Pflege vornehmlich
den „Völkergedanken" zuzuwenden sein, um die für Vergleichung vor-
liegenden Thatsachen, durch Ausverfolg des genetisch in ihnen waltenden
Princips, einem erklärenden Einblick auseinander zu legen (und zu er-
hellen).
Der Gesellschaftsgedanke schafft die dem Zoonpolitikon erbeigen-
thümliche Welt, worin die Gesellschaftswesenheit lebt und webt, auf
einer von der tellurischen (nicht ab-getrennten, aber) ab-gehobenen Sphäre,
beim Ausblick, aus dem (durch den Logos auferbauten) Mikrokosmos,
auf makrokosmische Unübersehbarkeiten hin (im All des Daseienden).
Dies ist dasjenige, was die landläufige Bezeichnung der „Welt-
anschauung" oder Weltauffassung erhalten hat, um die ethnische Eigenart
desjenigen Volkes zu schildern, das als jedesmaliges Beobachtungsobject
in culturhistorische Behandlung gezogen war (durch die Culturgesehichte);
und dieser ethnische Weflex in der Weltanschauung, der bisher auf ein
paar wenige Paradigmen eingeschränkt gewesen war, erhält jetzt, seit
der Umbliek über sämmtliehe Gesellschaftskreise (im Umfang »1er
Erdausdehnung) erweitert ist, eine noch unausgezählte Menge von Ver-
gleichsobjecten zur Verfügung gestellt (in den „Völkergedanken", als
historisch-geographische Wandlungen des Gesellschaftsgedankens).
Und neben solcher Verbesserung der „comparativen" Methode, die, je
zahlreichere Vergleichsreihen verwendbar sind, desto mehr auf statistische
Sicherheit (ihrer Wahrscheinlichkeitsrechnungen) vertrauen darf, kommt
die Aushülfe der „genetischen* Methode hinzu, da neben den vollerwach-
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senen Culturvölkora, welche vormals die Aufmerksamkeit absorbirten,
jetzt auch in die früheren Vorstadien der Entwicklung der Einblick er-
öffnet ist; von der Kindheit ab (der Naturkinder und Wildlinge, im
Wildzustand).
Indem sich so, aus cellulären Umtäten (auf elementarer Unterlage),
ein organisches Sprossen zu entschleiern beginnt, kommt für das ethnisch
biologische Wachsthuin ebenfalls (wie für das phytologische und zoo-
logische) der Beobachtungskreis der phänologischen Erscheinungen hinzu
(nach der „Lehre von den geographischen Provinzen 44 ).
Der (autochthon) einverwachsene Keimling zieht seine Ernährung aus
der Umgebung, aus der geologischen sowohl, worin die Wurzeln verzweigt
liegen, wie aus den meteorologischen Agentien der Atmosphäre, und die
Verschiedenartigkeiten stehen mit dem klimatischen Stempel geprägt, wie
nach der Accomodationsweite aufgedrückt; und so spiegelt verschieden,
je nach der Umwelt, die Weltanschauung (im Völkergedanken), unter
Vorwalten des landschaftlich physiognomischen Charakters zunächst, in
der jedesmal geographischen Provinz (des Hubitat).
Da nun die, nach astronomischen Zerspaltungen des Globus, dem-
selben ethnisch eingestellten Areale (als geographische Provinzen um-
schrieben) durch (topo- oder) geographische Geschichtswege (wie im Erd-
gezimmer vorgezeichnet) untereinander verbunden sind, müssen längs
solcher, naturgemäss angezeigten, Bahnen diejenigen Wechselbeziehungen
statt haben, aus deren Durchkreuzungen ein culturolles Fortsprossen
gezeitigt wird, bei congenial wahlverwandtschaftlichen Affinitäten; unter
veredelnden Aeugelungen des indigenen (oder endogenen) Stammes (auf
seine ferneren Entfaltungen hin).
Je üppiger derselbe emporwächst, unter den Erweiterungen seines
weltgeschichtlichen Horizontes (für die „Visio mentis" auf dem „Globus
intellectualis"), dosto mehr wird dessen Atmosphäre, neben den tellurisch
meteorologischen Agentien auch mit socialen (aus geschichtlicher Ent-
wicklung hervorgesprosst und nach aussen hin projicirt) durchschwängert
sein (zumal wenn durch fremdartige Pfropfreiser geäugelt): innerhalb
derjenig historisch-geographischen Provinz, aus der die jedesmalige Welt-
anschauung sich reflectirt (mit dem dafür typischen Völkergedankeu).
Bei den Metaphern der Sprache*) empfiehlt sich (für Rückführung
*) Der unter den, durch die Gefühlswallungen der Empfindungen musculatorisch
augeregten, Bewegungen hervorgestossene Schrei articulirt sich auf zoopolitischer Sprach-
schichtung zu der (verständlich auffassbaren) Wortform, in lautlich umkleideten An-
schauungsbildern, aus opto-akustischer Concordanz, beim Kreuzen der Nervenbahnen in
dem Yierhügel (s. Held); für den Contact der aus dem „influxus phjsicus" psychisch
hervortreibenden Entelechie mit ihrem (speeifischen) „Gegenwurf"* im Hous, [der „Manas'
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ihrer allegorischen Gleichnisse auf fassliche Anschauungen) 6 <pvotxö$
Xoyog (der Stoa), als „physica ratio", aus verdeutlichenden Analogien: der
Chemie entnommen, für die Elementargedanken (und deren wahlverwandt-
schaftliche Affinitäten); und der Biologie, für die Völkergedanken (be-
treffs ihres culturellen Sprossens).
Hinsichtlich der psychologischen Terminologie wäre nächstliegend
wohl ein Anschlüge an die des peripatetischen Systems, da die psychischen
Entelechieen, aus ihrem „influxus physicus" hervortreibend, auch unter
den naturwissenschaftlichen Aspecten der Psycho-Physik verwerthbar
bleiben mögen, und der (egox&ev zugetretene) Nous von einem Jen-
(des Manu) mit seinem Dbarma). Und wenn nun, aus den Dcnkscböpfungcn (beseelte)
Monaden hervorhüpfen, findet dadurch der Logo» sich befähigt, den humanistisch zu-
gehörigen Mikrokosmos aufzubauen (als xoo/io,- rot]T<k), unter dcu dvvduns (*n deren
Spitze) wirkend (b. Philon), in den Kräften der Weltbildung [worin allein (b Plut.
Ch.) das (unerkennbare) An-Sich dem Verstfindniss zugänglich ist]. Auf der unteren
Stufe eines, in Präexistenz nnd Postexistenz verharrenden, Seelenzustands Plotin)
beseelt und belebt sich — im (animistischen) Panpsychismus — die Welt, als des
Gottes Jüngerer Sohn" (b. Philon), kraft des Logos in der Seele [wie (als Abbild des
Nous) mit der Gottheit ofioova«*;}. Der rütader herbeigekommene Nous ' v dcr Peripatetik)
kündet von einem „Reich schaffenden Denken", das, in transcendental geistiger 8phärc
das Zeiträumliche überragend, oberhalb desselben liegt (Lit'xtna rfj; ovola;), und der
Vorwurf „mit der Dcnkthätigkeit selbstgegeben" (wie Dharma mit Mauas, beim Wechsel-
spiel der Aromauana und Aj&tana im Abhidharma\ kann nichis anders sein (b. Plotin),
als „der eigene Inhalt der Denkthätigkeit" (s. Eucken). bei Hinschau des Nous auf
Plato's Ideen (ev rc3 ö Inn Cäov); und dann, vom Enthusiasmus ergriffen, mit dem
o.tww (in göttlichen Erahnungen, bei der exoiaoiz) leichtlich begnügt: statt auch auf
solch' geistigen Regionen gleichfalls messend und wägend (pondere ac mensura) voranzu-
gehen, seit die Verwendung der comparativ-genetischen Methode, auf ihre humanistischen
Studien auch, sich ermöglicht hat (auf Grund der ethnisch gelieferten Thatsachen).
Nicht von den Ursachen auf die Wirkungen, sondern von den Wirkungen auf die Ur-
sachen ist (zurück) zu schliessen (vom Bekannten auf das Unbekannt«) — unter stetem
„Messen" (bei Galilei) und Wägen (zum Er- oder Abwägen) — , und dann wird die
(Richtigkeit oder) Gültigkeit erprobt (bei Verwendung der Arithmetik im Denken auf
die geometrischen Probleme des Draussen) an den „mathematischen Unterlagen", wie
zoiträumlich maassgebend (gültig). Wenn der mit sich selbst zur Stetigkeit (to v' 1 '*'/*"
olov xerjQov) gelangte Blick auf „Minima" (Bruno's) und Maxiina hinschaut, auf Unend-
lichkeiten hinaus (zum Ansatz einer „höheren Analyse", im Einbegriff der Integral-,
Differential- und Variationsrechnung), dann verlieren die (pythagoreischen) Zahlen (bei
Einschränkung auf geometrische Analyse) ihre ursächliche Bedeutung, iudem es fortab
um Unendlichkeits-Rechnungen eben sich handelt (bei Vervollkommnung des logischen
Uechnens zu seinem Infinitesimalcalcul). Bei der „wahren Befriedigung des Geistes"
(s. Spinoza), mit anschliessender Seligkeit (gleich einer „Sach-cbid-ananda") handelt es
sich um ein Erkennen Gottes, in den aus seiner Natur nothwendigen Handlungen, um
den .amor Dei intcllectualis" nnd andere Anthropomorphosirungen mehr; während das im
masculinischen, femininischen oder neutralen Wortschall (eines „Dens sive Natures* und
deren Product) unbefriedigte Gefühl seine Zustimmimg dann erst gewähren wird, wenn
einstimmig mit den das All dun hwall enden Gesetzen, wie mit denen des Denkens
demgemäss zusammenstimmend (in congenial einheitlicher Stimmung insofern): wenn
demnach also das Denken, das sich selber lebt, zum eigenen Yerständniss gelangt —
soweit dieses reicht (als ausreichend, der gestellten Aufgabe entsprechend).
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seitigen redet, wohin, wenn auch ihm die (in des Menschen Natur-
anlage eingeschlagene) Wurzel fortbewahrt bleibt, die Blicke um so
zielbewusster hingerichtet sein werden, je mehr zum Verständnis« der
in der Bestimmung gesteckten Aufgabe dadurch (dazu-) befähigt, dasa
„das Sein aus seinem Werden" sich erklärt, im Gewordensein (actueller
Welt).
Solch" theoretische Betrachtungen haben hinausgestellt zu bleiben,
bis die Zeit dafür gekommen sein mag (denn „Alles hat seine Zeit 14 ,
nach des Weisheitslehrers Spruch). In der Gegenwart liegt es ob, das
Problem der „Elementargedanken" umsichtig in die Haud zu nehmen, um
aus den Vergleichsmöglichkeiten die Richtigkeit derselben (experimentell)
zu erproben, in proportioneilen Gleichungsformeln; aus denen das logische
Rechnen sein Facit zu ziehen hat, — daa, wenn unter doppelter Controlle
als correctes bewahrheitet und bewährt erfunden, damit dann als richtiges
(apodiktisch) sich erweist (zu realer Bereicherung des Wissensschatzes).
•
Seitdem das im Entdeckungsalter geographisch umschiffte Erdenrund,
mit Steigerung des Völkerverkehrs, auf seinem „Globus intellectualis* auch
umschaut ist, liegt der Völkerkundo ob, die für inductive Durchforschung
der Gedankenwelten (ethnischer Gesellschaftskreise) benöthigten Realien
zu beschaffen, in musealen Sammlungen; der Analphabeten zunächst,
da der Volksgeist der Culturvölker, soweit in literarischen Folianten
abgedruckt, den Bibliotheken sich einverleibt findet (neben technisch-
künstlerischen und archäologischen Ergänzungen, aus den Museen).
[m katastrophenartig eingebrochenen Uebergangsstadium des Heute,
wo die Kürze der Zeitfrist eine methodische Ordnung noch nicht erlaubt
hat, ist der Ethnologie vorläufig all* dasjenige aufdividirt, was ausserhalb
des fachgerecht systematisch durchackerten Terrains (innerhalb bisherig
weltgeschichtlichen Horizonts) in exotische Fernen hinausfällt.
Durcli die Ansprüche des Weltverkehrs werden hier die sach-
gemässen Scheidungen herbeigeführt sein. Die Weltgeschichte, als die
(politisch angezeigte) Erweiterung jedesmaliger Volksgeschichte (die. allein
ein vitales Interesse besitzend, dessentwegen gepflegt ist), wird all' die
durch den Völker- und Weltverkehr in die heimische Interessensphäre
hineingezogenen Oulturkreise auf der Erde (aus nahegelegten Nützliehkeits-
rücksichten schon) in sich aufzunehmen (und insofern aus den Händen der
Ethnologie in die ihren zu übernehmen) haben, aber die bedeutungsvollste
Aufgabe der Völkerkunde, als eigenartig ihr zukommende, ihr deshalb zu
belassen sein: in dem Studium derjenigen Culturvölker nämlich, bei welchen
die (jednialig) einheimischen Stammeswurzeln, aus denen die Civilisation
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entsprossen ist, lebendig fortleben noch; um die in solchem Wachsthums-
prozess kritisch entscheidenden Berührungspunkte klar zu legen. Bei
dem machtvollen Entwicklungsgange unserer occidentalischen Cultur,
alle Rivalen auf dem Erdball weit Überragend, ist diese Brücko längst
bereits abgebrochen (für dortige Beobachtungen), da vor den gewaltig
anschwellenden Zielrichtungen (auf die Zukunft hin) die Vergangenheit
abgeblas8t ist, in neblig umflortes Dunkel ihrer Vorzeit. Die (archaistisch)
prähistorischen Zeugen stehen uns als stumme Fragezeichen gegenüber,
denen erst durch die umständlich mühevollen Vorbereitungen in den
prähistorischen Museen eine rationell befriedigende Antwort zu entlocken.
Hoffnung gehegt werden darf; und dass dabei die von der Ethnologie
beschafften Parallelen werthvolle Dienste geleistet haben, die beiden
Forschungszweigen (dem prähistorischen und dem ethnologischen) zu
ihrem Besten ausgeschlagen sind (im gegenseitigen Zusammenarbeiten),
ist bekannt genug.
Die der Ethnologie*) erbeigenthümliche Aufgabe, in Durchforschung
des Menschheitsgedankens (von primären Anfängen ab;, würde sie bei
den Culturvölkern zu einer Socialphilosophie gestalten, der dann wiederum
die Philosophie xai l$ox*) v (dem üblichen Sprachgebrauch nach) das-
jenige zu suppliren haben müsate, was dem aus seinem Gesellschafts-
kreis integrirten Individuum für Rückführung auf seine eigene Er-
kenntniss dienlich sein möchte [einem, in polyglottischen Versionen
wiederholten, Wahrspruch (orakelhaften Klanges) gemäss].
* •
Die Unterlage der biologischen Studien bilden die geographischen
Provinzen**), um aus den (causalon) Wechselbeziehungen der Umwelt mit
*) Indem bei der Ethnologie, als Lelire vom Ethnos (oder dorn r Zoonpolitikon"),
der Schwerpunkt (humanistischer Existenz) auf die noelische Sphäre fällt, steht bei ihrer
Erkenntuissthcorie, innerhalb des Gesichtskreises der .Ethnikoi", die Psychologie in dem
Vordergrund, da bei dein, was über die Seele gedacht ist, die von ihr (beseelte oder)
belebte Natur sich spiegelt (im Gesammt des somatisch Materiellen, und des Socialen
desgleichen) aus dem Reflex der Völkergedanken (in sogen. Weltanschauug). In seinen
Spiegelungen spielen ethnische Incarnationen in Fleisch uud Blut, die nach naturwissen-
schaftlich exaeter Methode aus ihren Wechselbeziehungen aufzuhellen und zu klären
sind unter den Wundern der Welt). „Voll ist Alles von Zeichen und weise derjenige,
der aus dem Einen das Andere lernt" (s. Plotin); wenn bei congenialer Stimmung aus
kosmischen Gesetzlichkeiten das Zusammengehörige harmonisch einklingt (innerlichen
Vorveranlagungen gemäss).
•*) Die Forschniigsweise in der »Lehre von den Geographischen Provinzen* geht
auf von den Wirkungen auf di<- Ursachen, vom Bekannten zum (noch) Unbekannten, von
dem, waa (ausgewirkt und realisirUi deutlich vor Augen liegt, im gegeben Vorhandenen
eines actuellen Bestandes), auf das, was ais Ursächlichkeit unterliegen möchte und
demgemäss zu erproben ist, auf dem vom rationellen Denken beherrschten Beieich
unter stetiger Erweiterung durch siegreiche Eroberungen). Abgesehen von dem aus
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der Reaction des im vivificirten Organismus treibenden Wachsthumsprincip
den jedesmal gültigen Effect zu gewinnen, als erste Eins [ro jiQÖnov £r.
um die (pythagoreische) Zahlenreihe in Fluss zu bringen].
Auf niederen Stadien bedingt sich das Leben aus den, im tellurischen
Stoff latent, erweckbaren Kräften des Mediums im Aggregatzustand
(einem erdigen, flüssigen, luftigen), während auf höheren Entwicklungs-
stadien die Kiuflüsse aus Periodicität solaren Umlaufs hinzutreten, in
meteorologischen Agentien der Atmosphäre (verbunden mit geologischem
Bodengrund; vor freier Ablösung, durch animalische Bewegung).
Bei Vertiefung*) in paläontologische Schichtungen dürfte vorläufig
des Daseienden Sein vorbedingten Ursachsgrund, erweisen sich, für die Ausgestaltungs-
form des biologischen Organismus, dessen Ursachwirkungen aus den die jedesmalige
Umwelt durchwaltenden Agentien; die nach Maass und Zahl in Durchforschung gezogen
werden können (für das Detail der Wechselbeziehungen). Auf gleichartig über den
Erdball gebreiteter Pflanzendecke unterscheiden sich eigenartig geprägte Wandlungen, </a
hervorge- oder) entsprungen, wo der dadurch verfügbar gestellte Index eine charakte-
ristisch (und typisch) umsiehende Peripherie anzeigt (in botanischer Provinz); und
linner- oder) unterhalb der im Totaleindruck redenden Physiognomik sind uun die
singnlären Variationen auszufolgen, in den Species (oder in den Gattungen für diese etc.).
Eine solche Generalübersicht wird auf ethnischen Arealen durch das in der Kasse ent-
worfene Gcsammtbild eingeliefert, und innerhalb desselben zeichnen sich (als individua-
lisirto Gesellschaftskreise des Zoonpolitikon) die politisch (durch das Sprachband; um-
schlossenen Völker (oder Völklein), wie neben den geographischen Factoren auch durch
sociale gefärbt, aus historischen Durchkreuzungen (je nach den Stufen der Entwicklung-
starlicu). Ehe hier zum methodischen Vorgehen, all den specialistischen Ansprüchen
genügt werden kann, würden gar mancherlei Präliminarien zu erledigen sein, wie sie
aus dem Medium (geologisch besonders für terrestrische Existenzform , sowie (aus ge-
naueren Analysen der Luftconstitution) meteorologisch aufliegen, soweit den Periodicitäten
des planetarischen Umlaufs bei den tellurisch sprossenden Wachsthumsprozessen deren
Erscheinungsweise entspricht; und ausserdem muss die Anwendung der comparativ-
genetischen Methode auf die humanistischen Studien zum Austrag gebracht sein |von
den Elementargedanken ab, zur Ordnung des vcrglcichungsfähig angesammelten (Arbeits-)
Materials: auf Grund der thatsüchlichen Belegstücke in völkerkundlichen Aussagen].
*) Wenn in verticaler Erhebung der geographischen Provinz ein alpines Pflänzlcin
ihrer arktischen Analogie auf horizontaler Breitung (am Mccresnivcau) entspricht, so
proclamirt sich darin die unter gleichartigen Umgebungsbedingnissen gleichartig dem-
gemäss hervortretende Erscheinungsweise nächstliegend einfacher, als durch Zuziehung
eiuer (aus erratischen Blöcken und Schliffen constatirten) Eiszeit, oder sonst geologischer
Umwälzungen, bei denen es eines mehrweniger gigantischen Apparates von Hypothesen
bedarf und oft einer Zeitverschwendung, der es etwaigenfalls auf ein paar Hundert-
tausend oder Millionen Jährchen nicht gross ankommt [und wodurch ohnedem (subjecti-
vistische) Nebendeutungen eingeschoben sein mögen in den, zunächst objectiv (ungestört)
zu haltenden, Umblick]. Sofern widerspruchslos an sich, bleibt eine jegliche Hypothese
im Bereich des Erlaubten und darf ihre Rechte beanspruchen, aber um aus wählbaren
Möglichkeiten das Naturwalten zu erklären, wird die einfachere Deutungsweise (soweit
vorläufig genügend) vorzuziehen sein, schon um es dem Denken bequem zu machen:
dem es, unter vorbedinglicher Erledigung solch' ersten Anfangs, auf dessen akademisch
(und theoretisch! interessante Fragen ohnedem weniger ankommt (so lange mit dring-
lichen Arbeiten noch überhäuft), als auf die praktischen Weiterfolgerungen, — die, wenn
in beiden Fällen die gleichen bleibend, um so besser gesichert sein werden, je durch-
sichtiger vom Anbeginn ab (also am einfachen eher, als dem complicirten).
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Maass zu halten rathsam sein, da bei ihnen — wenn auch vom „im-
perfect geological record" (wie vom Evolutionisten beklagt) abgesehen
würde, (auf seine Ausbesserungen hin) — eine abschliessende Peripherie
im zeitlichen Portgang niemals angereicht sein kann, so wenig, wie eine
räumliche bei den aus makrokosmischen Unabsehbarkeiten einfallenden
Kräften ; die erst, soweit im terrestrischen Bereich umfassbar, einer
exactcn Erforschung zugänglich werden (für demgemässe Rückschlüsse
fernerhin).
Auf abgerundetem Globus ist gegenwärtig phytologisch und zoo-
logisch (hoffentlich auch ethno-anthropologisch baldigst) eine Totalität
der Umschau hergestellt, und innerhalb solch' rückläufiger Curve des
Horizontes kauu jetzt eine Quadrirung (des Kreises) beginnen, mittelst
monographischer Detailarboiten (bis auf die durch Wahrscheinlichkeits-
rechnungen gewährbare Sicherheit genau). Und erst nachdem hier feste
Gesetzlichkeiten (aus Aequivalenzcn der massenhaft verfügbaren Vergleichs-
reihen) erlangt sein werden, mag auf den Stützen des dadurch gesicherten
Anhalts das (im „geheimen Bautrieb" in „Geschichte des Materialismus"
stachelnde) Problein der Ursprungsfragen in Angriff genommen werden;
zur Annäherung zeitlicher und räumlicher Unendlichkeiten (bei Vervoll-
kommnung des logischen Rechnens zu seinem Iofinitesimalcalcul, der-
maleinst).
Beim Lesen des in (Galilei's) „geometrischen" Zeichen geschriebenen
Buches der Natur — worin eine höchste Vernunft selbsteigeno Gedanken
eingezeichnet hat (b. Campanella) — wird eine Entzifferung angenähert
sein, wo (und wann) aus der dem Denken (als „logischem Rechnen 1 *)
immanenten Arithmetik ein Zusammenstimmen hervorklingt (auf den
„mathematischen Unterlagen" des AlFs). Und da, seit Beschaffung des
in ethnischen Thatsachen anschaulich redenden (Arbeits-) Materials, die
Möglichkeit geboten ist, auch die humanistischen Studien einer natur-
wissenschaftlich exaeten Behandlung zu unterziehen (nach comparativ-
genetischer Methode), wird den aus dem Causalitätsprincip des Denkens
gestellten Fragen eine, dem zeitgültigen Barometerstand des Wissens
conforme, Beantwortung sich beschaffen lassen (unter den Harmonien
kosmischer Gesetzlichkeiten).
Was innerhalb tellurischen Horizontes im Daseienden angetroffen wird — als vor-
handen gegeben, zum Ansatz der Forschuug — hegreift (in geologischer Constitution
des Erdballes) den (latente Kräfte bindenden) Stoff, auf Elemente reducirbar (im letzt
Fasslichen) und was aus ihm, bei stetiger Umwandlung einwohnender Energien, sich
auswirkt, aus potentiell geschwängerten Keimungen, deren (soweit) kleinste Einheit cellulftr
umschrieben steht. Im animalisch biologischen Reich treten mit räumlicher Bewegung
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begabte Wesen hinzu, deren somatisch psycho-physische Tbätigkcit bis zur noPtischen
sich steigert (im humanistischen Abschluss).
Beim Studium des mineralischen Stoffes handelt es sich um die in Wechsel-
beziehungen der (nach wahlverwandtschaftlichen Affinitäten) verschiebbaren Kräfte, wie
und wann aus ihrer Latenz geweckt, um das daraus Effectuirte rückzuprüfen auf die
sobezüglich abgelaufenen Veränderungen (unter demgcmäss resultirenden Gesetzlich-
keiten).
Bei den biologisch organisirten Vorgängen (in der ein jedesmaliges Ganze ein-
begreifenden Umschau) hat der in Fülle des Werdens gezeugte Effect (beim Blfithenstand
in Fructification der Pflanze) den Ansatz der Betrachtung abzugeben, um (im metho-
dischen Verfolg) aus den Wirkungen auf deren Ursachen zurückzugehen (in primärer
Zelle). Bei den Animalien hatte die Physiologie des auserwachsenen Thieres vorher
die im Organismus bethätigten Functionen, in deren geordnetem Zusammenwirkuogen
(die Theile unter ihren Dispositionen zum Ganzen), als in sich geschlossenes Total zu
umgreifen, ehe für embryologische Vertiefung ein Anhalt geboten sein konnte (nach
den Vorschriften naturwissenschaftlicher Exactness).
Der Mensch, im Stadium voller Ausgestaltung, ist repräsentirt durch seinen zoo-
politischen Blüthenstand im Stamm oder Volk, und dessen deutliche Anschau (beim
Einblick in die den Gesellschaftskreis durchwaltendcn Gesetzlichkeiten) muss deshalb
seine Erledigung gefunden haben (unter allgemeinen Umrissen), ehe versucht werden
darf, bis auf causal unterliegende Primordalitäten zu gelangen; um sodann aus genauer
detaillirten Einzelnheiten die vorangegangenen Generalisationen nachzuprüfen, auf ihre
Richtigkeit hin (aus Controlle der Induction mit der Deduction).
Für eine, unter den Bedingnissen des localen Habitat, durch den Gang historischer
Ereignisse zu gesellschaftewesentlicher Entfaltung geförderte und eraporgeblühte Indi-
vidualität kann (zum Paradigma) die hellenische gewählt werden, innerhalb des im
classischen Alterthum erschöpften Umlaufes ihre Existenz.
Aus den oft beschriebenen Aspecten ihrer geographischen Provinz sind die mit
der Nachbarschaft verbindenden Geschichtswege klardeutlich dargelegt, in den aus
nördlichem Hochlande niederführenden Passen und den an den Küsten gezackter Halb-
insel eröffneten Häfcu für maritime Verkebrsbahnen.
Auf ihnen ist dasjenige eingeströmt, was phönizisch gefärbt hat, auf dem meso-
potamischen Hintergrund babylonisch-assyrischer Culturländer, was lykisch und karisch
mit medo-persischen Wurzeln, was ägyptisch ans pharaonischer Vorzeit, und auf den,
terrestrischen Wanderungen vorbereiteten, Pfaden ist die dorische Version der jonischen
zugefügt, um mit ihr zu einem einheitlichen Ganzen verwachsen, den Hellenismus vor-
zuführen, unter der ihm in Geschichte des Menschengeschlechts zuertheilten Rolle.
Aus seiner Durchforschung sind die in moderner Civilisatiou practisch verwertheteu
Resultate gewonnen, und auch die über primäre Bestandteile (in der Herkunft) ge-
stellten Fragen sind einer Beantwortung zugänglich, soweit die Nachrichten über die
autochthonen Bevölkerungen Acanianicns, Actolieus, Arcadiens etc. ilafür ausreichen")
oder die aus (lelegischen) Mengungen in das Pclasgerthum zusammengeschweissten Con-
glomerato einer schärferen Analyse unterzogen sein sollten.
Betreffs des aus der Fremde Uehcrnommenen berühren die Ursprungsfragen den
hellenischen Specialistcn andrerseits nur, sofern er sie den dafür installirten Fachdisciplineu
zu überlassen hat. Für ihn tragt, was phönizisch. lykisch, ägyptisch hinzugekommen
(oder entlehnt) ist, das Gepräge dessen, was unter solchem Namensstempel damals damit
bezeichnet war, uud für das Uebrige haben die Aegyptologcn, Assyriologen, Eranistcn
zu sorgen wenu eine sachgerechte Auskunft sich benöthigt.
In analoger Weise einer Arbeitsteilung hat die (einer solchen mehr noch be-
dürftige) Ethnologie vorzugehen: die Culturvölkcr hinzunehmen zunächst, wie aus
*) Wo nichts ist hat der Kaiser sein Recht verloren (nach dem Volksspruch), und
sn. auf dem von ihm beherrschten Arbeitsfelde, der Naturforscher, wenn der Induction
die bPhöthigten Bausteine mangeln (und windige Luftschlösser (.der Speculation) zn
bewohnen, keine Neigung gefühlt wird).
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deren Literaturen und mouraentalen Zeugen ihr Volksgeist bestätigt ist, und die Wild-
stämme so, wie angetroffen; aus den Beschreibungen der ersten Entdecker und den
neuerdings, mit den Apparaten wissenschaftlicher Cautelen, um ihre monographische
Erforschung bemühten Fachgelehrten.
Auch hier stehen als maassgebend die gleichbeiden Gesichtspunkte voran, der Ton
den Geographischen Provinzen (als Habitat), sowie der von den dieselben (mit dem
umliegenden Terrain) verbindenden Geschichtswege (wie im Erdgezimmer vorgezeichnet,
die Etappen ihrer Stationen markirend) ; und aus dem Ineinanderwirken beider Factoren
umschreibt sich das ethnische Areal.
Ein Stammesganze gleich dem der Irokesen bezeichnet in den Namen der Cou-
föderationen schon die Componenten, die jedesmalig wieder auf einfachere Stammes-
einheiten ausverfolgt werden mögen (bei sobezüglich vorliegenden Daten), und was
auf den Berührungspunkten der Arowaken, Tupi, Caraiben u. A. m. zur Ausentwicklung
gelangt sein mag oder auf primäre Substrate hinweist, ist den Ergebnissen der für sie
erprobten Specialforscher zu überlassen, um das von ihnen bewährt und erprobt Be-
fundene zur rationellen Verwendung aufzunehmen (in die Wissenschaft).
Dabei darf für die autochthone Frage des atlantischen Continents, betreffs der dort
stattgehabten Wanderungen, eine etwaig trans- atlantische Herkunft soweit nur mit-
sprechen, wie an den Contactstellen erwiesen; aber keineu Zoll darüber hinaus vor-
läufig (bis fernere Aufklärungen gewonnen sein sollten). Die practische Aufgabe der
Völkerkunde: ans Durchforschung des primitiven Gedankenganges die culturell compli-
cirteren Denkschöpfungen zu klären (in eigener Oivilisation), kann (und muss) bei
systematischer Anseinanderlegung des actuellen Bestandes absolvirt werden, unter ob-
jectiver Umschau, die durch hypothetisch abgelenkte Seitenblicke zu trüben und zu
stören, nutzlos nicht nur, sondern schadenbringend wäre; so dass der im »geheimen
Bau t rieb - 1 stachelnde Hang, auf schlüpfriger Gleitbahn der Ursprungsfragen*) in einen
„Regressus ad infinitum" abzurutschen, dem „metaphysischen Drang" (als dessen Privat-
vergnügen) überlassen bleibt — obwohl auch hier, im Fortgang auf ethnologischer
Forschungsbahn, der Deduction (zu besserer Stetigung ihrer idealen Aspirationen) in-
dnetive Stützpunkte, auf Verglcichungen**) des thatsächlichen Materials gefestigt, ge-
währt sein mögen; bei Vervollkommnung des logischen Rechnens zu seiner „höheren
Analysis" (unter „Erschöpfung der Denkmöglichkeiten-).
•) Im Hintergrunde lauert die gute (und, mit ihresgleichen, den „Weg zur Hölle -
pilastern helfende) Absicht, das Wunder zu verhüllen: durch fernes und lerneres Hinaus-
schieben, bis ausser Sicht (nach Politik des „Vogel Strauss"), obwohl die dann ein-
malige Setzung mit einer unzähligen voll identisch ist (soweit ausserhalb rationeller
Berechnungsweisen >. Da man diesen, bei kosmogonischen (Mythologien und) Theorien
in seiner Ridiculität längst entlarvten, Kunstgriff aus evolutionistischen hat auffrischen
wollen, gilt auch für sie „le ridicule c'est la mort", besonders bei pomphaftem Ge-
schnatter (du sublime au ridicule il n'y a qu'un pas). Im „absoluten Werden* aufgelöst, .
fliesst das erste Didonienon im Da-Seienden (des Seins; hinaus in unabsehbaren NN eiter-
lluss, über letzt haltbare Relationen fort (in Unendlichkeiten hinein), und so lange das
Denken, in gleichen Parallelreihen, nicht Schritt halten kann, muss es zurückbleiben und
geschlagen sein, — weshalb [um sich siegreich (uder gleichwerthig doch) zu erweisen]
das logische Rechnen vernünftiger thut, seine (in Ausübungen gestärkte) Befähigung zu
Unendlichkeitsrechnungen abzuwarten (bei „Erschöpfung der Denkmöglichkciten").
**) Auf die variabelen Differenzen ^in den ethnischen Arealen) kommt es au (nach
comparativer Methode), um die Abhängigkeit der Grössen von einander durch Gleichungen
für endliche Grössen und deren Dißerentiule zu vermitteln (zur Integrirung der Func-
tionen in Kral'tlülle des (eigenen) Lebens).
A. B.
Bwila^ zum EthnoloKischen Notizblatt (tV. I).
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>
In des hellenischen Deckers idealistisch erstrahlenden Welten waren den
Dingen hienieden ihre unvergänglich ewigen Prototypen vorgesetzt. Ideen
giebt es für Alljedes, für das, im Schönen und Guten, Verklärte sowohl, wie
für Koth und Schmutz (im Parmcnides), oder für Schändliches und Schlechtes
(im Theäthet) — und als solche Vorbilder, betreffs der Specißtät in humanistischer
Existenzform, walteten über die Menschen (xt>;'ju*t* Wewv) ihre Götter; und zwar
für den Einzelnen jedesmal der ihm, am ts'jto; unepoupolvio;, zuertheilte „Reigen-
genosse" (als Mentor).
Und so sind die Göttersucher auf die Suche gegangen, ein Jeder um seinen
Gott sich zu finden und ihn sich zuzugesellen, als Gutgesell (wie der Stimmung
congenial). Die Einen spähten hinaus in der Unendlichkeit Weiten, ob dort
für den Standpunkt ihres „Dens ex machina" ein Gerüst sich befestigen lassen
möchte, die Andern folgten unseres Dichterfürsten Gebot:
Nehmt die Gottheit auf in Euren Willen
Und sie steigt von ihrem Wolkenthron,
wenn er im Herzkämmerlein gehegt und gepflegt wurde : der Gott des „Gottes-
frenndes" (s fhs; ev ^.utV).
Dies, wie alle Betrachtungsweisen — seit der Deduction die Hegemonie
von der Induction bestritten worden (zum wechselweisen Zusammenarbeiten
beider) — , hat sich umgedreht, vom Kopf bis zur Zehe, indem die Götter im
anthropomorphischen Reflex zurückspiegelten, als Schöpfung Dessen, den sie
früher geschaffen haben sollten. „Wie der Mensch, so sein Gott", formulirt es
der moderne Philosoph im „Lande der Denker 14 (auf äusserst er Linke der meta-
physisch triumphirenden Schule); und die Natur, der Götter voll (;ra.Vra n^py
hfiüv), wird jetzt anmuthend (animistisch) wiederum belebt, aus anthropologischen
Theorien (im „Zeitalter der Naturwissenschaften").
Auf den labyrinthisch kreuzenden Wegen, die durch die „Geschichte der
Irrthümer" sich hindurch gewunden haben, waren die Pfadfinder dem „Gott in
der Geschichte" nachgegangen, um anzulanden bei dem „Mensch in der Geschichte"
für die „Lehre vom Menschen". Und darum also wird zunächst es sich handeln:
um aus den Symbolen des (zur Entzifferung) von der Natur vor den Augen
„aufgeschlagenen Buches" dasjenige zu erlernen, was den Menschen über sich
selber belehren möchte (zu selbsteigencr Erkenntniss).
Da in Wesenheit der humanistisch geprägten Epiphanie die zoopolitische
Organisation einbegriffen liegt, auf sprachlicher Gesellschaftsschichtung (wo d«s
Denken anhebt), ist das Problem der Gesellschuftsgedanken vorangestellt: zur
„Erschöpfung der Denkmöglichkeiten"; damit, unter Universalität der Umschau,
jed' Einzelner der im Ganzen des Gesellschaftskreises integrirenden Compouenten
befähigt sei (wenn er so will), den ihm zustehenden Ziffernwerth herauszurechnen
(im logischen Rechnen).
Die Aufgabe bildet der Menschheitsgedanke von der „Humanitas" (in ihrer
Humanität); und hier also gilt es die Lösung dessen, was aus dem Geriithsel
der Weltwunder dem Verständniss zugänglich sich ergiebt (soweit es reicht, in
seinem Machtbereich).
efr. D. M. (11K)1).
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Ethnologisches Notizblatt
Herausgegeben
too der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Band in. - Heft 2.
Mit 11 in den Text gedruckten Abbildungen.
1902.
Druck und Verlag von A. Haack.
Berlin.
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Inhaltsverzeichnis^
Seit.
Himly, Karl. Ein chinesisches Werk aber da» westliche Inner-Asien 1
Lehrnaon, Walter Die Bezeichnung des Krieges im Mexikanischen mit sprachlichen
Erläuterungen 78
Hahl, Dr. Kaiserlicher Vicegouverneur Feste und Tanze der Eingeborenen von
Ponape 95
Hösemann. Dr. Stabsarzt Ethnographische Tagebuchnotizen von der Expedition
gegen die Esüm und vom Marsch Jaunde-Watare-Ngilla-Ngutte zum
Mbam. (19 Februar bis 28. April 1901.) 103
Bücherscbau 118
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Ein chinesisches Werk über das westliche
Inner -Asien. 1 )
Von Karl Himly.
Zu einer Zeit, wo eine nicht unbedeutende Anzahl Reiseberichte,
Hohen raeasnngen und namentlich an den Grenzen in einander greifende
Aufnahmen Aber die nördlich und südlich von Thien-Schan belegenen
Gebiete vorliegen und Russland nicht nur einen beständigen Handels-
verkehr mit denselben besitzt, sondern auch ständige Konsulate dort
unterhält, könnte Manchem die Berücksichtigung älterer chinesischer
Werke über den Gegenstand überflüssig scheinen, aber mit Unrecht.
Ganz abgesehn nämlich von dem doch auch nicht gering zu schätzenden
geschichtlichen Werte, den solche Werke besitzen, handelt es sich —
besonders für Ost-Turkistan — um Länderstrecken, die vor nicht langer
Zeit wegen der Aufstände in beständigen Umwälzungen begriffen waren
und es wegen der Beschaffenheit des Bodens theilweise noch sind. Ein
solches chinesisches Werk hatte schon zu Ritters Zeiten in Europa ge-
nügende Beachtung gefunden, nämlich das von Hyakinth Bitschurin
bearbeitete 8i-yü-wön-kien-lu »Verzeichniss des von den Westlanden
Gesehenen und Gehörten«. Ganz anderer Art ist das noch immer nicht
genügend gewürdigte Si-y ü-shui-tao-ki (»Aufzeichnungen über die
Wasserläufe der Westmarken«), von dem Uspenski in der Petersburger
Zeitschrift für Erdkunde (Abtheilung für Völkerkunde, 1868, Zapiski
J. Geogr. Obszczestwa po otdjelenijn etnografit, VI) einem Auszug heraus-
gegeben hat. Zunächst ohne Eenntnias des letzteren hatte ich Ende
der siebenziger Jahre eine Bearbeitung desselben Werkes begonnen, welche
von 1880 an, mit vielen Anmerkungen und Zusätzen versehn, in der
Berliner Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde erschien (15. Bd. 1880
S. 182 ff., S. 287 ff., 17. Bd., 1882, S. 401 ff.). Der Abdruck geriet damals
ins Stocken, ehe ich auch nur das vorläufige Ziel erreicht hatte, welches
•) Diese Abhandlung ist sowohl durch ihre ausführlichen geographischen Angaben
and Untersuchungen, als durch die Hinweise anf die Altertümer des beschriebenen Ge-
biets in hohem Masse geeignet, die Zwecke unserer im Interesse des Königlichen
Museums für Völkerkunde zu Berlin demnächst zu unternehmenden Reise nach Ost-
turkestan in wissenschaftlicher wie in praktischer Beziehung zu fördern. Wir können
es daher nicht unterlassen, Herrn Karl Himly für die freundliche üeberlassung seiner
Arbeit auch an dieser Stelle unseren herzlichsten Dank auszusprechen.
Albert Grünwedel.
Georg Huth.
1
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i
dem Tarim- Gebiete galt und auch den Auszügen Uspenski's vorgesteckt
war. Seitdem hat mir die Freigebigkeit der Deutschen Morgenländischen
Gesellschaft wiederholt die Benutzung des ihr schon seit etwa dreissig
Jahren angehörigen Werkes gestattet, und so ist es mir möglich, nicht
allein im Folgenden die einmal begonnene Arbeit fortzusetzen, sondern,
so Gott will, auch über weitere Theile des Werkes kurzen Bericht zu
erstatten.
Der Verfasser Sü Sung Sing Po, welcher sich 1817 selber in Jli
aufgehalten hatte, wurde dadurch veranlasst, 1824 das vorliegende Werk
herauszugeben. Unähnlich den meisten Beschreibungen der Kreise, Bezirke
und Statthalterschaften des eigentlichen Chinas, geht dasselbe von den
Flüssen aus und beschreibt im Anschluss daran die an ihnen gelegenen
Ortschaften, nebenbei aber auch die weitere Umgebung unter Rücksicht-
nahme auf die frühere Geschichte des Landes. Von den fünf Heften
umfassen die ersten beiden das Gebiet des Lop-Nur und des Tarim-
Flusses, also Ost-Turkistan , das dritte diejenigen des Khara-Nur, des
Barkul-Nur, des Ayar-Nur und des Boro-Tala-Nur, das vierte das Gebiet
des Balkasch-Sees, das fünfte die Gebiete des Sairam-Nur, des Temürtü-
Nur oder Issik-Kul, des Alak-Tughul-Nur, des Kisil- Bäsch- und des
Dsaissang-Sees. Zu jeder Abteilung gehört eine Karte. Die vorkommenden
Namen sind oft von einer Erläuterung ihrer Bedeutung mittels des Mon-
golischen, Türkischen u. 8. w. begleitet, was sehr zum Verständnisse
ihrer Verkleidung im chinesischen Gewände beiträgt". Nach einer Ein«
leitnng, welche sich auf die zwischen den heiligen Seen Tibets und dem
Thien-Schan befindlichen Gebirge und das Verschwinden des Huang-ho
bezieht, als dessen oberer Lauf bekanntlich der Tarim-Fluss früher be-
trachtet wurde, wird zunächst der Lauf des K aschgar- Flusses, sowie seiner
beiden Quellflüsse, des Ulan-Ussu oder Kysyl-Su im Norden und des
Yaman-Yart-Flusses im Süden, verfolgt. Das Werk giebt dem vereinigten
Flusse den Namen Thsung-Ling-Pei-ho („nördlicher Thsung-Liug-Fluss")
nach dem chinesisch Thsung-Ling genannten Kysyl-Yart-Gebirge. Dann
folgen der Yarkand-Fluss und der Tisnäf, deren Vereinigung hier den
Namen Thsung-Ling-Nan-ho («südlicher T.») führt, sowie der Yü-Tien-ho
(Khoten-derya). Die Karte lässt die drei Flüsse mit dem von Norden
kommenden Ak-Su ein Kabak-Agzy genanntes Werder bilden. Mit der
Beschreibung des Ak-Su beginnt das zweite Heft des Si-yÜ-shui-tao-ki ;
dieselbe reicht bis zur S. 10 oder Blatt 5 h, wo der in der Zeitschrift
der Berliner Gesellschaft für Erdkunde veröffentlichte Teil meiner Be-
arbeitung S. 442 des 17. Jahrganges abbricht. Auch die grösste Karte
des chinesischen Reiches, das Ta-Thsing-I-Thung-Yü-Thu, hat das Werder,
ohne einen Namen dafür zu geben, aber etwa auf 40° 20' N. B. und
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35° 30' W. L. von Peking, während im vorliegenden Werke, welches
gewöhnlich die Breiten mehrere Grade zn hoch angiebt, 44° 25' N. B.
und 36° 3(V W. L. angegeben werden. 1 )
Der Keldiya-Fluss.
Oestlich von der Mündung des Aksu mündet nach unserem Verfasser
der Keldiya-Fluss in den Tarim-Fluss, and auch die dem Werke bei-
gegebene Karte bestätigt diese Behauptung, der das I-thung-yü-thu
sowohl, wie die Karten kleineren Massstabes, widersprechen, indem sie
den Floss etwa 100 Ii nördlich von Keriya im Sande verlaufen lassen.
Zehn Ii östlich von Iltshi-Khoten liegt nach unserem Verfasser das
Dorf Yurung-Kash auf 36° 52' N. B. und 36° 20' W. L. von Peking
(I-thung-yü-thu etwa 36° 47' N. B., 35° 30' W. L. v. P.). Zweihundert-
unddreissig Ii südöstlich von Yurung-Kash soll das Dorf Tsirla auf
36° 47' N. B. und 35° 40' W. L. v. P. liegen. In wenig mehr als der
angegebenen Entfernung und in derselben Richtung ist auf der Karte
des I-thung-yü-thu ein Dorf Tagh-Nula angegeben, über das der Weg
von Yurung-Kash südöstlich, nach einem angeblichen Keliya-Xotun führt,
von welchem unten die Rede sein wird. Die Lage dieses Tagh-Nula ist
etwa 36° 9' N. B., 33° 53' W. L. von Peking. Einhundertundachtzig Ii
nordöstlich von T'sirla (Tshira) soll die Stadt Keldiya (Keria) liegen und
zwar auf 35^ 68' N. B., 34° 30' W. L. von Peking. Die nordöstliche
Entfernung Keldiya's von Tagh-Nula auf der Karte des I-thung-yü-thu
würde gerade gemessen etwa 200 Ii betragen, die Lage der Stadt auf
der letzteren ist etwa 36° 59' N. B., 33° 29' W. L. a ). Die Karte des
I-thung-yü-thu giebt einen im Ganzen etwa von Westen nach Osten,
nur zuletzt in nach Norden etwas abweichender Richtung führenden Weg
von Yurung-Kash (wo sich der Weg nach Tagh-Nula von ihm trennt)
nach Keria an. Nach ungefährer Schätzung der geraden Entfernung
sind an diesem Wege die Oerter Garya (Karya) 75 Ii von Yurung-Kash
ohne weitere Bezeichnung, Tsöl (Dorf 56 Ii) östlich von einem bei Tagh-
Nula entspringenden Flüsseben, welches sich nördlich von Tsöl in der
Wüste verliert, Tsheke etwa 82 Ii weiter östlich, von wo es noch etwa
138 Ii bis Keldiya (Keriya) sein mögen*). Eine Anmerkung zu dem
■) Eine Beschreibung des Ta-Thsing-l-Thung-Yü-Thu von Dr. G. Wegener und mir
s. Ztschr. d. Ges. f. Erdkunde 1893, S. 201 ff.
*) K'eliya hwei thshong „Türkenstadt Keldiya - hat das Uhung-vQ-ti-thsüan-thu, auf
deasen Karte aber das südliche K'eliya-Xotun fohlt. Der Laut k'e der Umschriften lautet
heutzutage k'o in Peking, ist aber in Umschriften für ke gebräuchlich.
*) Nach Johnson sind es von llchi nach Dul, einem Dorfe, U englische Meilen in
östlicher Richtung, von da nach Chira 19 ra. S. 0., weiter nach Karakar 16 ra. S. 0,
Kiria 20 m. N. O., Chira (Tshira) soll an 8000 Hauser enthalten und an 4 roiles west-
lich vom gleichnamigen Flusse liegen (». Journal of the Geogr Soc. of London 1867).
1*
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Namen and der Lage toii Keldiya bezieht sich auf das Dorf Tagh
(»Berge), welches 350 Ii südlich von Keldiya auf 36° 13' N. B.,
34° 45' W. L. von Peking liegen soll. Dieser Ort Tagh fehlt anf der
Karte des I-thung-yü-thu ; statt dessen ist dort auf etwa 35° 47' und in
gerader Entfernung etwa 240 Ii südlich das oben erwähnte Keliya Xotun
(die Stadt Keliya, ebenso sonst geschrieben, wie weiter nördlich Kiria
oder Keldiya). Von dort führt der Weg nach Tibet erst ein wenig
südlich und dann ostlich über zwei sich weiter nördlich in der Wüste
verlierende Flüsse. Nordöstlich von Keliya-Xotun (etwa 60 Ii gerader
Entfernung) liegt, vom 36. Breitengrade durchschnitten, der See, aus dem
der Keldiya-Flus8 entspringt. An dem ersten der erwähnten Flüsse auf
dem Wege nach Tibet steht das an den Karakash (s. o.) (Ha-la-ha-shi)
erinnernde ha'r-ha-shi, zwischen beiden Flüssen Ili-tshi (Iltschi), dann
soll am Wege auf ein Alitankuo der Ort Suget folgen, dessen Name
an den weit westlich gelegenen Pass erinnert, während ein Keldiya-Pass
(K'e-li-ya-ling) etwa auf 36° N. B. und 35° 13' W. L. von Peking einen
vollends an der Auffassung der chinesischen Karte irre macht 1 ).
Ueber das südlich von der Stadt Keldiya belegene Keldiya-Gebirge,
heisst es im Si-yü-shui-tao-ki weiter, nach einer geschichtlichen Abschwei-
fung, die sich auf die zwanziger Jahre des 18. Jahrhunderts bezieht,
führe ein Richte weg nach Tibet. Weiter unten sind nach der »Beschrei-
bung Tibets« (Si-Tsang-tshI) folgende Wege näher erläutert:
1. Von Lhassa gerade nach Norden komme man in 24 Tagen nach
Nak-thshan, von da in weiteren 15 Tagen nach Shulungshar und
in weiteren 18 Tagen nach Keldiya. — Auch das I-thung-yü-thu giebt
diesen Weg an, wenigstens von Mar-yang-mum-dur an, wo er sich
von dem von Zhigatse nach dem Küke-nur führenden abzweigt. Die
Lage von Lhassa ist nach diesem Werke etwa 30° 36' N. B., 24° 51' W. L.
von Peking, die von Mar-yang-mum-dur 30° 54' N. B., 26° 6' W. L.
v. P. Die von Lhassa einzuschlagende »nördliche Richtung« scheint auf
einer Verwechselung von Nak-thshan und Nag-tshu-kha (»Schwarx-
Wasser-Münde«), — welches letztere an dem nach dem Küke nur führen-
den Wege liegt, — zu bernhen, oder sie ist wenigstens nur da auf eine
einigerraassen lange Strecke genauer zu nehmen, wo der Weg sich an
der Westseite des Tengri-nur entlang zieht, um dann wieder in mehr
westlicher Richtung nach Nag-tsang zu gelangen, wenn dieser im
I-thung-yü-thu an dem Wege nach Keldiya angeführte Ort, — was nicht
unwahrscheinlich, — der im Si-yn-shui-tao-ki gemeinte sein sollte. Der-
selbe (Nags-thsang »schwarze Höhle«?) ist nordwestlich vom Altan-nur
') Etwa der Ostliche Schlagintweit'sche Yengi Dawan?
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. 1
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(mongolisch »Gold-Seet) auf etwa 32° 52' N. B., 28° 24' W. L. von
Peking angegeben. Auch in Shulnngshar ist unschwer das Shulunshala
des I-thung-yü-thu (etwa 83° 25' N. B., 29° 40' W. L. v. P.) za erkennen,
welches sogar durch einen schrägen Strich als Wachtposten bezeichnet
ist Westlich von diesem Shulunshala macht der Weg eine Biegung
nach Norden, uberschreitet Thshakartu-tsag han-ussa, ein »weisses
Schneehuhn-Wasserc, über dessen Endziel die Karte im Zweifel lässt,
sodann ein namenloses Gewässer, welches mit jenem in Verbindung steht,
geht über die Grenze Tibets bei Sali und macht um ein Gebirge und
zwei Seen herum einen gewaltigen Bogen nach Osten. Nördlich von
einen der beiden Seen, dem Ghashon-nur (>Bitter-Seec auf Mongolisch),
tiberschreitet der Weg in westlicher Richtung einen sich weiter nördlich
verlierenden Wasserlauf und dann einen Shadutu-dabaghan (mongo-
lisch »Leiter-Passe), um weiter westlich um ein nördlich gelegenes Seen-
gebiet herum nach dem obenerwähnten Suget zu kommen.
2. Nach demselben Si-Tsang-tshi, welches als Quelle für den Weg
von Lhassa nach Keldiya (Keriya) angeführt wird, kann man von Rodok
im nordwestlichen Ngari in 15 Tagen nach Yarkand gelangen.
Doch ich habe den Erläuterungen des Verfassers vorgegriffen, um .
den Weg nach Tibet zu erledigen, ehe ich mich auf einige geschichtliche
Bemerkungen einliesse, die sich gleich an den Namen des Keriya-Gebirges
hätten knüpfen sollen.
Im 6. Monate des 58. Jahres K'ang-Hi (1719) berichtete Nien-Köng-
Yao, Oberstatthalter von Sse-thshuan, die Stämme in der Nähe von Tibet
fielen alle über einander her in Folge der Krankheit des Beile-Dayan.
(Kine Anmerkung des Verfassers des Si-yü-shui-tao-ki belehrt uns, dass der
frühere Xan von Vorder-Tibet, Tsang-pa Xan Gar-ma-Dan-Tung-Wang-po
von dem Ku-shi Xan der Xoshit 1 ) getötet, und des Letzteren ältester Sohn
Dayan zu seinem Nachfolger eingesetzt worden sei.) Auch habe er ge-
hört, dass der Dseren (der König der Dsungaren) viele Truppen verteilt
and jetzt dem Anführer der linken Leibwache Thshun-Beile befohlen habe,
mit über 600 Mann über den Xara-Ussu za setzen und gegen den Küke-Nar
zu ziehen. Ausserdem habe er gehört, dass er 8000 Mann gegen Tibet
rücken lasse, welche schon bis Keriya in Yarkand gekommen seien.
Im 6. Monate des ersten Jahres Yung Tshöng (1723) wollte Lob-
Tsang-Dan-Tsin von Küke-Nur, der Sohn des Enkels des Ku-shi Xan,
nämlich des Dashi-Batur, welcher zwar eigentlich den Namen eines Xo-
shi-thsin-wang (Prinzen von Geblüt der Xoshit oder Xoshot, auch auf
') Ueber diese Koshi Xan und die derzeitige Geschichte der Xoshot, Dsungaren und
Tibets siehe Uspenski, Strana Kuke-Nor ili Tsing-Xai, Abdruck aus den Zapiski Impera-
torskago Russkago Geograficzeskago Obszczestwa, Abteilung für Völkerkunde, Teil VL
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Mandschu zu verstehen: /o-shoi-thsin-wang 1 ) »Seiten verwandter Prinzc)
ererbt, aber wegen seiner Empörung eingebüsst hatte, von Keriya aus
nach Tsang (Mittel-Tibet) einbrechen ; der Oberbefehlshaber von Sung-Pan-
TshÖn aber, namens Tshou-Ying, verfolgte ihn mit 800 auserlesenen
Reitern und über 10 000 Mann Grenzern (fan) unter dem beisse und ehe-
maligen*) Statthalter von NgarT, namens Kang-tshen-nai-su-te-nam
Gyalpo 1 ), indem er über Yang-pa-king (»Pappel-acht- Aussichten« , oder
»acht Aussichten des Yang«) heranzog, bis nach dem Scheidewege von
Gal-Tsang-Gu, wo der Schnee das weitere Vordringen hinderte.
Das Keriya-Gebirge ist nach dem Si-yü-shui-tao-ki in einer Aus-
dehnung von über 1000 Ii von Sand und Schnee begraben, wo schädliche
Dünste den Menschen bedrängen ; weder im Sommer noch im Winter sei
es zugänglich.
Das Gewässer, heisst es weiter, entspringe im Gebirge und fliesse
nordwärts und östlich von der Stadt Keriya. Hier giebt der Verfasser
einen Auszug aus der Geschichte des Si-yü ki, welche von dem versandeten
Flusse und dem einen Schimmel reitenden Würdenträger handelt, dessen
Opfertod das Wiederfliessen des Flusses veranlasst haben soll (s. St. Julien
II S. 239 — 242, wo es ausführlicher zu lesen ist). Es ist jedoch zu be-
merken, dass das Si-yü-ki den versandeten Fluss über 100 Ii südöstlich
von Xoten sein lässt, was auf den oben erwähnten Wasserlauf von Tagh-
Nula mehr hinweisen würde.
Nach der Geschichte der Thang (Thang-shu), fahrt der Verfasser fort,
sollte sich 300 Ii östlich von Yü-tien ein Kien-tö li-Fluss und östlich von
diesem eine Stadt desselbeu Namens befunden haben, die auch Kü-mi
oder Ning-mi-ku geheissen habe. Wenn jetzt der Fluss östlich von der
Stadt fliesse, so sei aus der Verlegung der Stadt nicht darauf zu schliessen,
dass es sich um einen anderen Fluss handele.
Der Fluss, heisst es weiter, fliesse 300 Ii nach Norden und münde
in den Hauptstrom. Weiter östlich komme der letztere nördlich vom
Gebiete von Buguz Kungorgu vorbei und heisse nun
Ergeu-Fluss.
Der Name K'ung-kuo'r-kuo soll auf Türkisch »eine milde Frucht«
bedeuten, pu-ku-sze »Bauch«, so dass mit übertragener Bedeutung das
') ^osho „Seite"; thsin wang ist chinesisch, thsin »Verwandter", wang „Fürst*.
Den Namen Xoshi-thsiog-wang führen jetzt die kaiserlichen Brüder. Die Aussprachen
^oshot und /oshit sind durch ein früheres /oshighot etwa zu ermitteln , welches als
Mehrzahl von josbigho(n) „Hceresabtcilungen" bedeuten würde (türkisch qoshun).
*) kar-pon, Schloss-Oberst (mk'ar Schloss, dpon Oberster).
«I gyalpo entspricht dem chinesischen wang und kann sowohl durch „König", als
durch „Fürst" übersetzt werden.
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letztere Wort die Grösse der Frucht andeuten sollte. Von türkischen
Wörtern ähnlichen Lautes und einschlagender Bedeutung finde ich: qughun
Melone, qoughan Kürbis; ähnlicher ist der Laut von qungragu Glocke.
Bughuz ist »schwanger« (s. Shaw und Zenker s. v.). Die Lage der
Oertlichkeit mag wohl jetzt wegen Versandung unbekannt sein, da das
I-thung-yü-thu sein Bughuz Kunghorghun nördlich vom Flusse hat 1 ).
Dennoch hat sich unser Verfasser auf eine genauere Bestimmung einge-
lassen, nämlioh Über 500 Ii nordöstlich von Eltshi und nahe an 100 Ii von
Kabak Agzy, 40° 25' N. B., 26° 20' W. L. von Peking (die Länge um
etwa 1° 25' zu weit westlich gegen das I-tbung-yü-thu). Um Mittag sei
der Schatten zur Zeit der Sommersonnenwende 3 thshi 1 fön, zur Zeit
der Wintersonnenwende 20 thshi 2 thsun 6 fön, zur Zeit der Tagund-
nachtgleichen 8 thshi 4 thsun 7 fön lang 3 ).
Südlich von der bezeichneten Gegend, fährt der Verfasser fort, sei
alles Sandwüste, in welcher sich ein grosses Gebirge ausdehne, ein Zweig
des Sha-dutu-ling. Den Shadutu-Dabaghan (Leiter-Pass) habe ich
schon bei Erläuterung des Weges von Keriya nach Tibet erwähnt. Eine
Anmerkung verweist hier auf eine frühere Erklärung von Shado; wenn
aber der Verfasser das zweite tu (in der Umschrift steht beide Male t'u)
nur für eine Verstärkung hält, so ist das eine Verkennung einer einfachen
mongolischen Eigenschaftswort- Endung. Nördlich von dieser Gegend
heisse der Fluss Ergeu-Fluss (Orköu, Örkeu), welcher Name im Dsun-
gariscben die Umschlingung durch den Lauf eines Flusses bezeichne. Nach
Schmidt's ostmongolischem Wörterbuche ist erkiku sich herumdrehen;
erkikül (im Ostmongolischen Drechselbank) wäre sodann eine Bildung,
wie sie, wenn man die gewöhnlichen Lautvermischungen in Betracht zieht,
Veranlassung zu Bitschurin's Ergiul') gegeben haben könnte. In der
Geschichte der Thang, heisst es weiter, sei in der »Erdbeschreibung«
(ti-li-tshi) erwähnt, dass sich Ku-mo-tshou südlich dem Sze-hun-
Flusse nähere, was wieder ein anderer Name des Flusses sei.
Zweihundertundfünfzig Ii östlich von Bugus-Kungorgu liegt nach
dem Si-yü-shui-tao-ki eine Oertlichkeit Namens Yeilgan (Yailgan?), was
') Sven Hedins Karte hat Bugus kungurga südlich vom Tarim-Flusse «wischen 81°
und 82° Oe. L.
*) 1 thshi oder chinesischer Fluss — 0,3581 m = 10 thBun = 100 föu; 10 thshi
= 1 tsbang, so dass für 20 thshi eigentlich 2 tshang gesagt ist.
') Ergiul-Aman also „Mündung des Ergiul 41 (aman mongolisch „Mund") in GrigoriefTs
Ritter'schem Turkistan S. 516 zu Ritter S. 512, wo Letzterer, Klaproth benutzend, statt
der Furt von Ergiul-Aman eine solche des Weikan-Flus.ses hat, die Odtii zur Verfolgung
der Xodzba's zu benutzen rät. GrigoriefT s Quelle ist wohl die ßitschurin'sche Be-
arbeitung des Si-yü-wün-kien-lu, welches mir augenblicklich nicht zur Hand ist. Wahr-
scheinlich ist per», ergäw „Fluss, Bach" gemeint.
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»breit and ebene bedeuten soll (yayilmak »breit sein« bei Zenker). Koch
80 Ii weiter östlich komme man nach Yel-arik (yel »Wind«, arik »Graben«),
dessen Name durch das windschnelle Fliössen des Grabenwassers erklärt
wird (also yel Arikf?). Siebenzig Ii von da nordöstlich komme man nach
der Stadt Schayar 1 ). »Weiter östlich fliesst er südlich von Schayar
vorbei«, letzteres sei eine zu Kutshe gehörige Stadt, Kutshe*) selber
sei das nördliche Gebiet des Landes Kuei-Tszl*) der Han. Hier, sagt
der Verfasser, sei der Heerd des Aufruhrs des Xodzhidzhan gewesen, wie
der Ort auch das Ziel des ersten Angriffes des Hauptheeres gewesen sei.
Im 5. Monate des 23. Jahres K'ien-Lung (1758) habe man das Gebiet
von Kutshe betreten, am 16. Tage des 5. Monats habe man sich der
Stadt genähert, der Oberfeldherr Yar/ashan (shan, nicht khan, wie bei
Ritter, der diesen Teil des Namens abtrennt, um einen »Fürsten« daraus
zu machen) liess den Anführer Ailunga Ton Süden, den Unterfeldherrn
Shun-Tö-Na vorsichtig von Westen angreifen, so dass der Feind geschlagen
und bis an den Öken-Fluss (Weikan) verfolgt wurde. Xodzhidzhan
habe darauf, indem er aus der linken Schulter den Pfeil gezogen, seine
Fahne durch einen Angriff gerettet, mit 3000 Mann den Fluss wieder
überschritten und sei durch das Westthor in die Stadt gedrungen, die
er 23 Tage lang vertheidigt habe, worauf er um Mitternacht wieder mit
400 Mann aus dem Westthore gekommen Bei und den Öken-Fluss über-
schritten habe. Am 5. Tage des 8. Monats wären die Aufständischen,
welche sich noch in der Stadt befunden, auch entflohen, und der alte
Beg A-tsi (Hädzhi?) und Andere hätten die Stadt übergeben; auch der
Beg Mahmud von Shayar habe seinen Sohn Asan (Hasan) Xodzha gesandt,
um die Stadt zu übergeben.
Der Umfang der Stadtmauer von Kutshe betrug nach unserm Ver-
fasser 4 M /io« Ü un d hatte vier Thore; der Umfang der Stadt Shayar betrug
über 2 Ii und die Höhe der Mauer 14 chinesische Fuss, die Stadt hatte
ein Nord- und ein Südthor.
Nach der Bewältigung des Aufstandes im Jahre 1759 wurde in Kutshe
ein Landes Verwalter eingesetzt und über 300 Mann vom grünen Banner
von Shän-Si und Kan-Su hineingelegt.
Shayar lag nach dem Si-yü-shui-tao-ki 180 Ii südlich von Kutshe,
zwischen beiden Städten lag Langer (im Türkischen bedeutet der Name
•) sa soll auf Türkisch einen „Häuptling", yar „bemitleiden" bedeuten. Vor Alter«
soll ein Beg seinen Stamm (chines. pu) bemitleidet haben, wober der Name. Das deutet
auf pers. 6äh „König 44 und yar „Freund ".
*) Im Persischen soll ku „hier" bedeuten, <<hö einen Ort mit leerem Bronnen (vgl.
kn „wo? 4 ' und öah „Brunnen").
*) Zur Zeit der Thang Kü-tshi nach dem Si-yO-ki.
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— 9
Rasthaus 1 ), and zwar 100 Ii von Kutshe, von Langer waren es noch 70
Ii bis zum Weikan-Flusse. Was nördlich von Langer liege, gehöre zum
Gebiete des Begs von Kutane, was südlich, zu dem des Begs von Shayar.
Die Steuern von Shayar betrugen an Korn 872 tan 6 ton, an rotem
Kupfer 358 Irin 10 liang 5 thsien, an Pulver 800 kin, an Schwefel 100
Irin, an Salpeter 100 kin. Die Lage Shayar's ist angegeben zu 40° 55'
N. B„ 34° 15' W. L. von Peking, die Lange des Schattens um Mittag
zur Zeit der Sommersonnenwende 3 thshi 1 thsun 7 fön, der Winter-
sonnenwende 21 thshi 2 fön, der beiden Tagundnachtgleichen 8 thshi
7 thsun 2 fön*). Von Shayar nach Osten komme man 325 Ii weit nach
Serlik-Mesdehidi, wo eine zerstörte Moschee sei (mesdzhid = li-pai-eze,
weshalb ich für Me-si-ti unbedenklich Mesdzhidi setze), Lang/ali sei 300
Ii südöstlich von Shayar, die Wache Sai-lalik über 60 Ii westlich (nach
dem I-thung-yü-thu etwa südsüdwestlich). Dreihundertundzwanzig Ii west-
lich von dieser Wache heisse die Gegend Tashkenkoli (Tashkenkur
nach dem I-thung-yü-thu, tashkyn würde »überströmend« bedeuten).
Zweihundertundvierzig Ii südwestlich von der genannten Wache heisse
die Gegend Baschikyak. Alle diese Oertlichkeiten waren in Verbindung
mit dem Gute Karatal im Gebiete von Aksu; es sei ein Nebenweg nach
Kashgar und Yarkand, der von Serlik-Mesdzhidi ausgehe; weiter sudlich
aber sei bei Tashkin-Kur wegen der Moräste nicht durchzukommen, das
sei das Nordufer des Ergeu-Plasses. Das I-thung-yü-thu giebt ebenfalls
den Weg wenigstens von Shayar bis Karatal an mit den Namen Sailalik-
Wache, Tekurd, Sha-shan (»Sandberg«), Tashkynkur, Sortetsishi,
Germen, Karatal.
Nordöstlich von Shayar befindet sich nach unserem Verfasser 200 Ii
weit entfernt eine Oertlichkeit Ulu-Kum, deren Namen (»grosser Sand«
von ulu »gross«, kum «Sand») auf den Saum der Wüste deutet. Zwei-
hundertundvierzig Ii nordwestlich von Shayar liege Yangtakshar. Das seien
alles die Grenzen nach Kutshe zu. In Yangtakshar seien die Trümmer
einer alten Stadt; es grenze an das über 90 Ii südwestliche von Kutsche
belegene Yolduz bag (»Sterngarten« von yolduz »Stern« und bag »Garten«
unverkennbar). Im Jahre 1814 habe man die Erlaubnis erteilt, einen
Graben aus dem Weikan-Flusse nach dem westlich von demselben be-
>) Die Bedeutung wird durch Bhaw's „Vocabnlary" bestätigt; übrigens ist lenger
ein persisches Wort, welches Anker, Speiseanstalt für Arme u. s. w. bedeutet.
*) Dem Morokoshino uakatshi dzue, einem zu Anfang des 19. Jahrhunderts erschienenen
japanischen Werke über China, entnehme ich, dass unter der gegenwärtigen Mandschu-
Herrechaft die ursprüngliche Länge des Sonnenzeigers Ton 8 auf 10 thshi verlängert
worden ist. Ebenda finde ich im 3. Bande S. 28a folgende Angaben der Länge des
Sonnenschattens für Peking: Sommersonnenwende: 2.948 thshi, Wintersonnenwende:
19.94 thshi. 1 thshi ist= H,8" englisch.
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legenen Gate zu leiten, am das Land urbar 2a machen, und beim Graben
seien drei Kupferbarren aufgefunden, unter ihnen zwei mit der Aufschrift
Thien-hia-thai-phing »Frieden der ganzen Welte Dieselben wurden als
Glück bedeutend in der dortigen Schatzkammer aufbewahrt. Einen Schluss
auf die Bebauung der dortigen Kupferwerke für die chinesische Regierung
in einem der Tbai-phing »Frieden« genannten Zeiträume hat der Verfasser
wohl nicht zu ziehen gewagt, da der Ausdruck Thien-hia in den be-
treffenden Jahresnamen fehlt, so gewöhnlich er sonst in dieser Ver-
bindung ist. (Thai-pbing 556 unter den Liang, also hier nicht in Betracht
kommend, Thai-phiug tshön-kün 440 — 452 unter den nördlichen Wei, Thai-
phing hing-kwo 976 — 984 unter den Sung, Thai-phing 1020 — 1031 unter
den Liao.) Der Ergou-Floss fliesse über 100 Ii südlich von der Stadt und sei
der »grosse Fluss« (Ta-Ho), welcher nach der Geschichte der Wei 300 Ii
südlich vom Lande Kwei-Tze nach Osten fliesse und Ki-ahu- Wasser ge-
nannt werde.) Nach der Geschichte der Thang heisse es Ki-shu (mit
anderem Zeichen für shu), und sei dieses der Ort, wo der Tukishi-Häupt-
ling So-Ko die Grenze verletzt habe. Die Hauptstadt des Landes Kwei-
Tzt*, nach welcher der Gesandte der Thang, FÖng-Kia-Pin, gekommen,
habe an der Münduug des Ki-shu-FIusses, 170 Ii südlich vom »weissen
Gebirge« oder »weissen Berge« (Pai-Shan) 1 ) gelegen; jetzt seien es 200 Ii
vom besagten Pai-Shan bis zum Weikan-Flusse, von dem Shayar 10 Ii
weiter südlich liege, während es wieder über 100 Ii von letzterem nach
Süden bis zum Ergou-Flusse seien. Demnach zu urtheilen, müsse (damals)
der Fluss (der Weikan-Fluss?) eiueu nördlichen Abfluss gehabt haben.')
Die zu unserem Werke gehörige Karte giebt mit schwarzer Farbe
mehrere ausgetrocknete Arme sowohl des Wei kan- Flusses, wie des von
Kutshe kommenden an, die aber genau genommen auch nicht zur Er-
klärung dienen, wenn man die Mündung dicht bei der alten Hauptstadt
annimmt. Unähnlich dem I-thung-yü-thu, welches im Ganzen dem
Weikan-Flusse einen südöstlichen Lauf giebt, lässt unsere Karte denselben
bis zu seinem etwa 100 Ii westlich von Shayar befindlichen Knie etwa
') Der Pai-Shan ist nach der Auffassung des Ta Ming I Thung Tshi der beröhmte
„Feuerberg" Huo-yenShan, s. San-Sai-Tsu-ye, fil. Teil, S. 34a.
*) Obgleich es sich hier wohl schwerlich um den Tarim-Fluss (Ergou-Fluss) handelt,
ist es doch am Platze, hier an den Namen zu erinnern, den er im Si-yü-ka führt.
Während nämlich dieser Name (Si-to) aus dem Sanskrit- Worte £ita .kalt" in buddhistischen
Büchern erklärt wird, haben die beiden Schriftzeichen si „sich versetzen, den Lauf ver-
ändern" und to „viel" nebenbei eine zu saebgemässe Bedeutung, um darin nicht wenigstens
eine Anspielung zu suchen. Die Auwendung, die an obiger Stelle von demselben si ge-
macht ist, hat mich zn dieser Bemerkung bewogen. Das» Klaproth und Stan. Julien mit
Recht den Tarim-Fluss unter Sito verstanden haben, davon überzeuge man sich S. 216
der Julien'schen Uebersetzung im 2. Bande, wo vom Nierensteine die Rede ist.
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von Norden nach Süden und dann beinah ganz östlich fliessen. Bei diesem
Knie ist der schwarz angedeutete Wasserlauf, der die alte Richtung des
Flusses fortsetzt, um dann eine mehr und mehr südöstliche Richtung bis
zum Tarim-Flusse einzuschlagen. Zwischen dem Knie und Shayar folgt
dann ein etwa gleichlaufender, ebenfalls schwarz bezeichneter Abflnss bis
zum Tarim-Flusse, nnd zur Erklärung steht neben dem ersten eine Stelle
des Shui-king-tsbu, der zufolge sich der Fluss in drei Arme teile, von
denen die beiden rechten südöstlich dem Pei-Ho (cNordflnss, d. h. Tsung-
Ling-Pei-ho oder Tarim-Flusse) zuflössen. Das Shui-king oder «Lehr-
buch der Gewässer» ist nach Wylie (Notes on Chinese Literature S. 43)
zu Anfang unserer Zeitrechnung geschrieben, da der Geschichtschreiber
der älteren Han es anfuhrt; es soll aber guter Grund vorhanden sein,
das später so genannte Buch dem Zeiträume der drei Reiche (221—265)
zuzuweisen, und die ursprüngliche Erklärung (tshu «erklären», daher
Shui-king-tshu) ist nach Wylie die von Li-Tar-Yüan aus der Zeit der
nördlichen Wei (386—535). Die Geschichte der Swei erwähnt indess
eine erklärte Ausgabe von Kwo Po, womit doch wohl Niemand anders
als der berühmte Schriftsteller gemeint ist, welcher nach Mayers (Chinese
Reader's Manual S. 96) 276—324 lebte. Wylie fügt indess hinzu, dass
einige Gelehrte aus der Zeit des jetzigen Herrscherhauses sich nachdrück-
lich an die Erläuterung dieser ehrwürdigen Urkunde gemacht und für
die alten Namen die jetzigen Oertlichkeiten nachgewiesen hätten, sodass
infolge ihrer Arbeiten das Werk hoch geachtet sei als eine Beschreibung
der Gewässer des Reiches in früheren Zeiten. Noch neuerdings ist eine
Nankinger Ausgabe mit Karten erschienen (Shui-king-thu-tshu). Das
Shui-king nennt den Weikan-Fluss (wie auch abwechselnd das I-thung-
yü-thu) Si-thshuan-shui «West-Strom-Wasser« und den Fluss von Kutshe
Tung-thsbuan-shui «Ost-Strom- Wasser». Nach einer neben dem letzteren
stehenden Erklärung ging rechts ein Arm ab, der nach Südwesten zu in
die Stadt Kwei-tze trat. Demgeraäss deutet auch die Karte des Si-ytt-
shui-tao-ki mit der schon erwähnten schwarzen Bezeichnung diesen Arm
an, den sie aber vor Eintritt in die östliche Stadtmauer der in grossem
Umfange dargestellten «alten Stadt Kwei-tze» sich teilen lässt. Auf
diesen Arm bezieht der Verfasser die beigesetzte Bemerkung des Shui-
king-tshu, dass derselbe sich rechts mit einem Arme des Si-thshuan-shui
vereinige, um dann in das Tuug-thshuan-sbui zu fallen. Dem letzteren
giebt sodann die Karte eine Mündung, die oberhalb der des sonst weiss
bezeichneten Weikan-Flusses belegen ist, begleitet mit der Bemerkung,
aus dem Shui-king-tshu, dass das Ost-Strom- Wasser sich in den grossen
Fluss ergiesse. — Während aber die Karte des Si-yii-shui-tao-ki keine
gegenwärtige Verbiuduug zwischen beiden Thshuau-shui anzuerkennen
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scheint, lässt das I-thung-yü-thu beide Bich etwa nördlich ron der Wache
Tarim vereinigen und schon oberhalb Kufahe einen östlichen Arm ab-
gehen, der sich wieder in zwei nachher Schilf seen bildende Arme teilt.
Durch die südöstliche Richtung des Wei-kan-Fluases erscheint auch auf
letzterer Karte die calte Stadt Kwei-tz£» östlich von Sbayar und zwischen
beiden sich immer mehr nähernden Flüssen.
Auf dem Südufer des Ergou- oder Tarim- Flusses ist nach unserem
Verfasser die »grosse Stein wüste« (ta-tsi); aber mitten in ihr, heisst es
weiter, sei ein Ge wirre ron Gebirgen. Der grossen Ketten seien im
Ganzen drei:
1. die Kette des Shadotu Daban 1 ) sei über 1400 Ii gerade südlich
von Xarashar, habe erst aber 400 H weit eine nördliche Richtung, wende
sich aber von da an nach Nordwesten und zwar über 1200 Ii weit, bis
sie südlich von Bugus Kungorgu ihr Ende erreiche.
2. Die weiter nach Osten zu folgende Kette sei die des Naushadar-
Ulan-Dabusun-Gebirges, welches 1000 Ii südlich von der Mitte des Lob-
Noor liege*). Nach dem Verfasser heisst der Salmiak (nao-sha) auf
Türkisch naushitar, und Salz ta-pu-sun; genauer wären das persische
naushader und das mongolische dabusun. Zwischen dem indisch-persischen
Ausdruck nausbadur, naushadar, nausadar und dem chinesischen nao-sha
scheint ein noch nicht aufgeklärter Zusammenhang zu sein. Vullers in
seinem persischen Wörterbuche giebt als arabischen Ausdruck für den
Begriff müh 1 butiyye, also »Bod-Salz, tibetisches Salz«, an und enthält
eine persische Stelle des Burbäni Qäti'u, der zufolge es in einem Berge
bei Samarkand und bei Demendän (»Hölle«) in Kermän vorkomme;
unter Demendän erwähnt das vorzügliche Wörterbuch auch, dass dort
ein Gold-, Silber- und Kupferbergwerk und dann die Höhle sei, in welcher
ein immerwährendes Wasserrauschen vernehmbar sei und die Ausdünstungen
sich am Rande als Salmiak niederschlügen. Vullers las das betreffende
Wort naushadur und scheint mit dem im Wörterbuche gleich folgenden
noshädher »Trinkefeuer« (nosh »trinke«, adher »Feuer«), dem Namen des
zweiten Himmels, keinen Zusammenhang angenommen zu haben. Von
dem chinesischen nao-sha bedeutet das letzte Wort (sha) »Sand«, könnte
also bildlich manchen äusserlich ein wenig ähnlichen Stoff bezeichnen; das
Zeichen für nao wird mit dem Begriffszeichen für »Stein« und einem
Lautzeichen geschrieben, welches an das »Hirn« bedeutende nao von tehang-
») 1-thung-yü-tba: etwa 35° 21' N. B., 29° 53' W. L. ton Peking, Xarashar 48° T
30" N. B., 28° 47' W. L. von Peking, alte Stadt Xarashar 41° 6' N. B., 29° W. L.
») I-thung-yü-thu : Mitte des Lob Noor etwa 40° 45' N. B., 27° 30' W. L. von Peking,
Lö k'or Ulan Dabusun Shan 35° 30* N. B., 27° W. L. und weiter nördlich derselbe
Marne 36° 22' N. B., 27° 21' W. L.
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nao »Kampher« erinnert. Ob nun die Chinesen ein persisches Wort ge-
wohnter Weise abgekürzt, oder die Perser einen chinesischen Aasdruck
darch einen vorläufig noch sehr dunkelen Zusatz verlängert haben, die
Uebereinstimmung ist auffallend, und, wie aus Richthofen's China S. 560
zu entnehmen, könnte die Bezugsquelle für China und das westliche Asien
gemeinsam gewesen sein. — Schwerlich aber lautet der Name des Ge-
birges so lang, wie unser Verfasser angiebt (Nau-shi-tar ulan ta-pu-sun
shan), sondern entweder türkisch Naushadar Daghy, oder mongolisch Ulan
dabusun-un aghola (oola, ola, ula nach neuerer Aussprache), da ulan
dabusun »Rotsalz« offenbar der mongolische Ausdruck für Salmiak ist.
Das Gebirge soll sich plötzlich zu einem hohen Gipfel erheben und dann
über 200 Ii nach Nordwesten ziehn, um sich dann in zwei Aeste zu
teilen, deren südlicher nach über 200 Ii langem westlichen Streichen
als Shundoghor-Gebirge 1 ) seinen Abschluss finde, während der nörd-
liche sich nach über 1400 Ii langer nordwestlicher Ausdehnung nach
Westen wende und an der Sodgrenze von Shayar aufhöre.
3. Die weiter nach Osten zu folgende Kette soll vom Sidzhin-Ülan-
Gebirge ausgehen, welches über 1400 Ii südlich von der Stadt Turfan
liege. Ueber 100 Ii von da nach Nordosten sei das Bayan-Xara-Delimang-pa-
Gebirge (bayan bedeutet nach dem Verfasser im Dsungariachen, — er
hätte sagen können: Mongolischen — , »reich«, /ara »schwarz« ist viel-
fach vorgekommen, Delimang-pa wird wohl dnrch das pa, eine Art Be-
stimmungswort, als tibetisch gekennzeichnet). Weiter nach Osten schliessen
sich folgende Gebirge an: Nomtshitn-Ula (nomtshitu bedeutet nach dem
Verfasser »Buddha-Lehre-Leute habend« von nom »Buddha-Lehrbuch«,
da von dem am Fusse des Gebirges wohnenden Volke viele die »gelbe
Lehre« angenommen haben 1 ), Bayan-Xara-Shilun, Ondörtü-Shiltü, (öndörtü
»hoch«) und Kirsa-Tologbai (»Steinfuchs-Kopfc), welche eine Ausdehnung
von über 600 Ii haben und zum Bayan-Xara- Passe (oder: zu den Bayan-
Xara-Passen) (ling, dabaghan!) gerechnet werden 3 ), auf dem der Altan-Ghool
entspringt (altan »Gold« ist eigens mongolisch erklärt, während das I-tbung-
yü-thu einen Aktan-Ghool als Quellfluss des Huang-Ho am Bayan-Xara-
') Das 1-thung-yü-tha hat ein Shandoghor-Gebirge auf 37° N. B. and etwa 28°
l» W. L. von Peking.
•) Gelb ist die Kleidung der Anhänger des Dalai-Lama.
•) Nach dem I-tbung-yö-thu : Sidzhing-Ulan-Tologhai etwa 36° 16' N. B., 26° 7' W. L.
von Peking, Bayan-Xara-Delimang-pa 36° 13' N. B., 25° 37' W. L. v. P., Namtshitu 36°
34' N. B., 22° 5' W. L. v. P. (der Namtehitu-Ulan-Müren aber schon zwischen Sidzhing-
Ulaa-Tologhai und Bayan-Xara-Delimang-pa von seiner Quelle aus östlich fliessend
nach dem gleichnamigen Gebirge zu), Bayan-Xara- Shan 36° 10- N. B , 21° W. L. v. P.
Öndörtü-Shütfl 36° N. R, 20° 41' W. L. v. P. Kirsa-Tologhai 35° 30« N. B., 20° 46'
W. L. v. P. Bayan-Xara-Ling 35° 11' N. B, 20° W. L v. P.
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Passe giebt). Zweihundert Ii westlich vom Bayan-Xara-Delimang-pa
zweigt sich nach unserem Verfasser eine nach Nordwesten gerichtete Kette
ab, welche 1000 Ii weit bis zu einer Entfernung von 80 Ii sich dem Sfld-
ufer des Lop-Nur nähert. Oestlich von diesem Zweige sei die Wüste
Maghai, die einen Umfang von über 2000 Ii habe und gerade westlich
vom Xara-Nur liege, weiter nach Nordosten zur Ghashon (»Bitter«)-
Wüste und weiter nordlich zur Ir^uma- Wüste werde, die sich im Süd-
westen von Hami befinde. Denn im Nordosten von Xoten sei die grosse
Wüste (ta-mo, wie vorher sha-tsi »Sand-Gerölle«) ohne Grenzen. Hier
folgt abgekürzt die bekannte Stelle vom Schlüsse des Si-yü-ki, worin des
Wallfahrers Reise durch diese Wüste und über die öde Statte des ehe-
maligen Landes Tu/ara u. s. w. geschildert wird.
Weiter nach Osten wird der Fluss
Der Tarim-Fluss
genannt. Der Verfasser hilft sich über die traurige Gegend hinweg mit
einem Hauche von Dichtung: »Des Flusses Wasser ergiesst sich in »ein
Weltmeer, nach Osten zu schwinden beide Ufer, in leerer Ferne sieht
man weit ausgebreitet einen Schilfsee; der Handelsmann lässt seitwärts
liegen, wohin er nicht gelangen kann«. Nachdem der Fluss südlich von
Shayar und den Sandbergen (Sha-shau) hergeflossen ist, macht derselbe
eine Wendung nach Norden. Dieser Ort heisst Tarim, und Shayar ist
von ihm über 200 Ii in nordwestlicher Richtung entfernt. Nach dem
Verfasser bedeutet der Name Tarim im Dsungarischen und Türkischen
ein urbares Land und bezieht sich darauf, dass die längs des Ufers leben-
den Einwohner vom Ackerbau leben. Findet sich im mongolischen Wörter-
buch auch das Wort tarim nicht, so bietet es doch folgende verwandte
Ausdrücke dar: tariya Getreide, tariyalang Acker, tariyatshi Landmann,
tari/u pflanzen, säen, bebauen, tarimal Anpflanzung (aus tarimal modun
gepflanzter Baum, Obstbaum, tarimal dzhimish Gartenobst und der sonstigen
Bedeutung der Endung mal zu entnehmen). Im Osttürkischen ist tarimaq
bebauen (wofür, nach dem Abusbka zu urteilen, auch tarmak üblich),
tarig, tari Hirse, tarim bebautes Land (nach Shaw ein Eigenschaftswort,
es heisst in seinem »Vocabulary«: »tarim (adj.) cultivated, that has been
cultivated«; trotzdem leitet er den Namen von taram ab, wolches die
Teilung eines Flusses in viele Arme bedeutet).
Am Nordufer des Flusses stand zur Zeit des Verfassers eine Befesti-
gung aus Erde von mehr als 20 chines. Fuss Höhe, auf der ein Zelt stand,
das da gesehen werden konnte, wo der Fluss an seiner Ostseite vorbeifloss.
Nach einer nochmaligen Biegung fliesst letzterer wieder nach Osten in
eiuer Breite ?on über 500 chines. Fuss.
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Weiter östlich münde dann der Weikan-Fluss von Norden her.
Der Verfasser verlässt hier den Lauf des Tarim-Flusses und auch
seine Nebenflüsse fürerst, um etwas eingehender über die Gebirge zu
reden, an denen die letzteren — soweit es die zuletzt besprochene Gegend
berührt — entspringen.
Vierhundertundfünfundvierzig Li nordlich von Aksu und sechshundert-
undfünfundfünfzig Ii südlich von flwei-Yüan-Thshöng in Iii (Kürä, dem
sog. Kuldzha) 1 ) liegt nach unserer Quelle der Musur-Ling (Musur-
Daban, Muzart)'). Der Name wird hier folgendermassen erklärt: musur sei
türkisch für >Eis«, besage aber das Festwerden des Eises; nach dem
Ming-Hwa-I-Yi-Yü (einem Werk aus der Zeit der Ming, welches seinen
Namen zufolge die chinesische Uebersetzung für auslandische Wörter
giebt)') soll »Eis« mesun heissen, wofür man auch musu sage. Zieht
man die Unvollkommenheiten der chinesischen Umschrift in Betracht, so
bieten das Mongolische sowohl als das Türkische ähnliche Wörter dar.
Das Nordchinesische hat weder ein weiches s (z), noch die Laute mö und
mü; mösön ist im Mongolischen »Eis« und kann auch mösö lauten; auch
mölsön kommt vor 4 ), muz ist das osttürkische, buz das westtürkische
Wort für »Eis«. Ein Name, wie »Eis-Joch«, würde mongolisch etwa
Mosotei daban lauten; das — ur in musur, namentlich in der zeitwörtlichen
Bedeutung des Festwerdens des Eises, würde im Türkischen ein Zeitwort
musmak voraussetzen; beim Namen des Muzart- Flusses (Mu-tsa-la-tö) be-
dient sich unsere Quelle aber weiterhin, wie auch sonst, des Anlautes ts
zur Wiedergabe des weicheren Zischlautes (wie auch das I-thung-yü-thu).
Im 6. Monate des Jahres 1756, als Xodzhis (Mahmud?) sich gefangen
gegeben, hatten der Dsungaren- König Dawatshi und der Unterfeldherr
Erdenge mit 500 Mann vom Musur-Ling aus einen Zug unternommen,
um sich eines Waffenvorrates zu bemächtigen. — Auch den Namen
') Der Ursprung des Namens ist noch in Dunkel gehüllt. Im Mongolischen ist Iii
.Hirschkalb"; da auch der Fluss so heisst, könnte man hierbei an den ebenfalls von
einem Wilde genannten Tekes oder Fluss der .Steinböcke" denken, den südlichen Neben-
fluß des Iii (teke ist mongolisch und tekes die Mehrzahl). Auch Guldzha, der türkische
Name des östlich belegenen Ning Vüan-Thshöng, bedeutet nach Radioff „Elentier".
*) Z = dem weichen s, s = gleich dem scharfen s. Muz-art ist „Eis-Joch".
*) Das bekannte Werk der Hirth'schen Sammlung in der Berliner Königlichen Bibliothek.
4 ) Auch ein mongolisches Wort mulur (molor?) „Krystall* wechselt mit bulur (bolor);
der persische Ursprung des Wortes, welches die tßrkischcn Wörterbücher trotz des so
echt türkischen Klanges nicht anführen, ist sonach zusamnit dorn griechischen (von '
Beryll jtfpt>Uotf) zweifelhaft. Der Stamm hol bedeutet „werden, sein* ; mit bolur könnte
also da« „Wachsen" des Krystalles gemeint sein. Nicht ohne Grund heisst also vielleicht
die Gegend am Obern Oxus so, wo so viele Edelsteine vorkommen? Die Endung — ur
ist im Türkischen »ehr gewöhnlich. Bei Shaw bilaor crystal (P. d. i. persisch!), bilamak
to whet.
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Tsao-Ha-Ling 1 ) führe derPass; wenn es in dem Berichte des Fürsten
Tshao Hwei vom Jahre 1769 heisse, dass er bei der Verfolgung der
Olöt vom Barfut-Passe ans den Tsao-Ha-Ling überschritten habe, so sei
dieser Pass gemeint. Eine Berg-Kette, welche 300 Ii weit von Westen
komme, sei das Sa wabtshi-Gebirge, welches ebenfalls ein Ausläufer
des Kakshan-Gebirges sei. Der in der alten Geschichte der Thang er-
wähnte, zu den Thsung-Ling gehörige Pei-Yüan-Ling, (das »Joch der
nördlichen Hochebene«) sei 100 Ii lang und über 1000 Fuss hoch, von
hartem, Stufen bildendem Eise, welches in drei Farben glänze, nämlich
hellgrün, weiss wie Bergkry stall und weiss wie der Feldspath von Perl-
mutterglanz thshö-khü.*) Da die hier folgende Reise nach dem Joche
am fünften Tage des ersten Monats im 21. Jahre Kia-khing (1816), also
mitten im Winter, stattfand, ist es nicht zu verwundern, dass man viel
Schnee vorfand (angeblich ein Schneemeer von 3 bis 4 Ii Umfang); der
Aberglaube hat auch einen Geist-Adler*) hinzugefügt, dessen Schreien
einem den Weg aus dem Schnee weisen soll. Von wirklichen Ortsangaben
ist hier nur zu verzeichnen, dass man von der Feste Gaktshaghar/ai 4 ),
welche von der zu Iii gehörigen Feste Shadu-Aman (mongolisch »Leiter-
Mündung«) 100 Ii nach Süden liege und bis zum Abhänge 20 Ii habe. Von
Gaktsha/ar/ai also «brach man 1 ) im Morgengrauen auf und kam nach
') Dieses küunte Klaproth's Dzookha-dabahn sein (». Humboldt, Asie Centrale II
S. 86). Tahoo/a ist im M and sehn „Heer". Einen ähnlichen Namen wie das bei Hum-
boldt vorkommende Dungoroma erwähnt Ssewertsoff anf seinem Wege vom lasik Kul
nach dem Narin-Thale mehrfach, nämlich Döngereme; freilich ist es da nur als Fluss-
name gebraucht. In der Nähe ist ein Kyzyl-kurum, also ein Seitenstück zu Kara-kurum.
ferner ein Tshagir-kurum.
*) Nach Wilhams eine Art Adular aus Yflnnan, von dem die weissen Knöpfe der
Beamten des sechsten Ranges gemacht werden.
') Vielleicht ist der Schneegeier neuerer russischer Forscher gemeint,
4 ) Das I-thong-yfl-tha hat Ghaktsaghar-thai, mongolisch-chinesisch „einsame Feste".
■) Der Verfasser läset unbestimmt, wer die Reise unternommen habe, und zu welchem
Zweck; da jedoch keine Quelle und dabei ein bestimmter Tag angeführt ist, auch nach
allen Abschweifungen auf der folgenden Seite fortgefahren wird mit der Beschreibung
des Weges, kann man wohl annehmen, dass es sich um den Verfasser selber bandelt,
der auch nach dem 4. Hefte 1815 in Shatu-Aman war. Uspenski in seiner russischen
Bearbeitung des Werkes setzt möi .wir" tu dem den Aufbruch bezeichnenden Zeitworte,
daneben aber in Klammern „awtor (der Verfasser)" mit dem Fragezeichen. Die Deut-
lichkeit wird leider oft in chinesischen Schriftwerken der Kürze und anderen äusseren
gewähnten Vorzügen zum Opfer gebracht (zu denen der meist vollständige Hangel an
Satzzeichen gehört), Dunkelheit, wo sie eine gelehrte Anspielung mit sieb bringt, vielleicht
«her gesucht, als gemieden. Für den Fremden, — oft auch wohl für den Einheimischen, —
wird sie besonders durch die unzähligen Namen vermehrt, die durch nichts (namentlich, wo
ein Beiname allein statt eines Zunamens mit demselben gebraucht ist) von den benachbarten
Zeichen unterschieden sind. Herrn Uspenaki's Bearbeitung findet sich im 6. Jahrgänge
(1880) der Zapiski Imperatorskago Russkago GeografiYeskago Obszczestwa po otdjeleniju
etnografii, in welchem sie unter dem Namen ,0 basaeinje Lob-Nora", «über das Lob-
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zurückgelegten 20 Ii an den Fuss des Berges, wo man beim Lichte der
Morgensonne die Reittiere so hinter einander reihte, dass sie die
Windungen grüner Schneckenhauser nachahmten. Der Wind blies von
der Seite, der fliegende Sand schlug in die Gesichter, der Frost drang
durch bis auf die Knochen und benahm den Athem. Beim Bersten des
Eises sind jedesmal Spalte von beinah einem (chinesischen) Fusse Breite
entstanden. Diese waren mit Pferdegerippen zugestopft, welche eine
Brücke bildeten. Bei der Besteigung des Joches ging es über ein Schnee-
meer von 3 bis 4 Ii Umfang, durch dessen Mitte ein Pfad gleich einem
Faden führte, der nur eben für ein Pferd Raum Hess. Wenn man
schlimmen Stossen des Wind-Gottes begegnet wäre, wenn der Schneegott
(Shöng-liu) seine Wut ausgelassen hätte und der Geist-Adler nicht ge-
flogen wäre, so hätte man den Weg verloren und ratlos dagesessen».
Hier lehrt eine Anmerkung, dass, «wenn man auf dem „Eispasse"
(ping-ling) mit Sturm und Schnee zu kämpfen habe und den Weg ver-
liere, wenn dann ein Geist- Adler fliege und kreische, man sich dadurch
rette, dass man den Weg in der Richtung des Schreies Buche.» Hier
unterbricht der Verfasser den Bericht von dieser Besteigung des Passes,
um Stellen aus Werken der Zeit der Thang auf letzteren zu beziehen. —
Auch Regel erkannte im August des Jahres 1877 den Weg an den Ge-
rippen der gefallenen Tiere. Unter diesen will er auch Kamele erkannt
haben, was einigermassen für die Zugänglichkeit des Passes spricht, zu-
mal da nach Poltarazki (s. Izwjestija 1869, S. 180) die Kirgisen den
Pass von Tshong-Kapkak, welcher nach Utsh führen und kürzer sein soll,
auch für Kamele, den Mnzart nur für Saumrosse und Rinder für zugäng-
lich erklärten. Dass Regel bei 20° Celsius (s. Petermann's Mitteilungen,
1879) statt des «Schneemeeres» nur ein Gletschermeer fand, kann wohl
nicht Wunder nehmen. Auch die Namen stimmen einigermassen, obgleich
sie in diesen Gegenden einem ewigen Wechsel unterworfen sind und bei
Türken und Mongolen wohl oft sehr verschieden lauten. Nach Hum-
boldt's «Central- Asien» kam der Reisende 10 Werst von der Furt des
Noor-Becken" die Seiten 93—151 der ersten Abteilung einnimmt. Bis ich an obige
Stelle gelangt war, hatte ich diese russische Bearbeitung immer vergebens gesucht, auch im
3. Jahrgange, in welchem sie nach mehrfachen Angaben der Zeitschriften der russischen
Gesellschaft und der Petermann'schen Mitteilungen sich hätte befinden müssen. Die
zweite Abteilung des besagten 6. Jahrganges der Zapiski (Abteilung für Völkerkunde)
enthält eine ebenfalls vorzugsweise aus chinesischen Quellen geschöpfte Abhandlung des
Herrn Uspenski über das Land Küke-Noor oder Tbsing-Hai mit Hinzufügung einer kurzen
Geschichte der Oirat und Mongolen nach ihrer Vertreibung aus China und im Zusammen-
hange mit der Geschiebte des Küke-Noor. Auf S. 100 der ersten Arbeit äussert U.
dieselbe Vermutung wegen des möglichen Zusammenhanges des Ka-bu-ka mit dem „in-
dischen Kaukasus" der Alten, welche ich S. 291 des 15. Jahrganges (1880) der Zeitschrift
der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin geäussert hatte.
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Tekes nach Shatus-Aman, 15 W. weiter nach Arashan, nach 25 W. nach
Khandshilou, welches Humboldt für gleichbedeutend mit dem Gaktshakarkhai
der chinesischen Karten hielt, nach 20 W. nach den Dzh eparle-Bergen (?),
nach 20 W. nach der Quelle Batamyz und nach 10 W. nach Tamga-
Tash. Das I-thung-yü-thu weist bis zum Pass folgende Namen auf:
Tekes-thai, Shatu-Aman-thai, Ghaktshaghar-thai, Musur-ling, auf der Süd-
seite(um etwa 3° weiter westlich verschoben) Xustu-toghai-thai, Tubalat-
thai u. s. w. Die Karte des Si-yu-shui-tao-ki (Heft 4, welches von Di
handelt): Tekes-thai, Shatu-thai, Ghaktshaghar/ai, Musur-Ling und
südlich (Heft 2) Tamga-tash-thai, Xnstu-toghai-thai, Tubalat-thai,
ferner, gleichlautend mit dem I-thung-yü-thu : Xoyo/uolok-thai, Arbat-
thai, Dzham-thai, Aksu, während es bei Humboldt weiter heisst: Berg
Terekete 15 Werst, Wache Kainde 20 W., Wache Turpagai 15 W.,
Arbad 40 W., Kyzylsu 25 W , Shelantshi 20 W M Aksu 20 Werst
Regel führt Xandzhilau (mongolisch »Königstein«?) als eine Alpe auf,
wo die letzte chinesiche Wache gestanden habe. Ehe er dorthin gelangte,
führte ihn der Weg über den Donda-gol, einen Nebenfluss des Muzart;
der Name desselben ist wohl nur Domdatu-ghool »mittlerer Fluss« zu
erklären, indem sich so der Umstand erklärt, weshalb Poltarazki statt
der angeblichen drei nur zwei nördliche Muzart-Flüsse, den grossen und
den kleinen, vorfand (das I-thung-yü-thu giebt einen Fluss mit einer
östlichen längeren und einer westlichen kürzeren Quelle an, nennt aber
den daraus entstehenden Fluss Ku-'r-pan Mu-su, d. h. ghorban Muz(-ghool),
mongolisch »die 3 iluz-Flüsse«). Auch bei seinem westlichen Wege am
Tekes aufwärts führt Regel die Namen Narin und Kapkak an 1 ), welche
sich auf den chinesischen Karten wiederfinden, nämlich in den Namen
der Wache Narinj-Xalgha »enges Thor« und Ike-Xapu/ak (Xapu/ar),
Tun-ta-Xapulak, welche den betreffenden Flüssen und Wachen zukommen-
den Namen mongolisch-chinesische Verdrehungen türkischer Namen sind
(ike = yeke, mongolisch »gross«, dumdatu mongolisch »mittlerer«, kapkak
türkisch »Deckel«; der grosse K. ist türkisch Tshuug-Kapkak 9 ), da im
Osttürkischen tshung nach Shaw das westtürkische buyük ersetzt). Hatten
wir am Si-yü-shui-tao-ki zu rügen, dass es die Breiten gelegentlich 3° zu
hoch anzugeben pflegt, so lässt sich vom I-thung-yü-thu vielmehr sagen,
dass es die Oerter auf der Breite von Aksu zu weit westlich, die auf
der von Iii zu weit östlich setzt. Dieses in den sechziger Jahren in
') Bei diesem westlichen Wege führte Regel Lastkamele mit sich.
') Das Tsbon Kapkak der russischen Karten. Das ,n" mit folgendem Hirteseichen
gebrauchen die Russen häufig für den in ihrer Sprache fehlenden Nasenlaut, wohingegen
sie das eigentliche ,n" am Ende der fremden Ortsnamen durch „nj" (polnisch ü)
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Wu-tbshang erschienene, sonst so vorzügliche Kartenwerk besteht in
einer (Peking enthaltenden) »mittleren«, 9 »südlichen« nnd 20 »nord-
lichen« Hauptabteilungen und zwei Annam und das westliche Formosa
umfassenden Nebenkarten. Die Hauptabteilungen umfassen je zwei
Breitengrade (Maassstab etwa 1 : 1,000,000) und haben hinsichtlich der
Lange eine verschiedene Ausdehnung, da sie im Allgemeinen mit dem
chinesischen Reiche abschliessen sollten, aber gelegentlich östlich von
Japan beginnen und westlich von Konstantinopel abschliessen, indem sie
für das Ausland meist nur hie nnd da einen hervorragenden Namen auf-
führen. Die Breitengrade sind gleichlaufend wagerecht, die Längengrade
ostlich nnd westlich von dem »mittleren« von Peking nähern sich nörd-
lich mehr und mehr. Nebenbei aber sind noch von 100 zu 100 Ii senk-
rechte Striche angebracht, welche mit den halben Breitengraden gleich-
seitige Vierecke bilden. So ist nun Iii in der vom 42. bis 44. Breiten-
grade reichenden zweiten nördlichen Abteilung zu finden und »Ili-Kürä«
(Neu-Kuldscha) etwas östlich vom 34. Längengrade westlich von Peking.
Der südlich zum Muzart führende Weg durchschneidet südlich vom Tekes
den 34. Pekinger Längengrad, macht aber bei dem schon östlich von
dieeem gelegenen Ghaktshaghar eine Wendung nach Ostsüdost, um unweit
des 33. Längengrades das südliche Ende der Abteilung auf dem
42. Breitengrade zu erreichen. Dieser Weg nun ist an der entsprechen-
den Stelle der südlich anschliessenden ersten nördlichen Abteilung
(40°— 42° N. B.) nach Osten zu über den Kuknak-Ling der Art fort-
geführt, dass er westlich von Yangsar- thai, also zwischen Bugur und
Korla auf die von Kutshe nach Korla führende Heerstrasse trifft, Kutshe
ist etwas westlicher als der Muzart, Aksu auf den 37. Langengrad gesetzt,
und der Weg von Aksu über Arbat führt dort westlich vom (südlichen)
Muzart-Flus8e bis zum 42° N. B. fort, um dort westlich vom 36. Längen-
grade plötzlich abzubrechen. Auch das Hwang-Thshao-I-Thung-Yü-Ti-
Thsüan-Thu, ein Werk von etwa vierfach kleinerem Maassstabe, setzt
Aksu über drei Grade weiter westlich als Ili-Kürä. Das Si-yü-shui-tao-ki
lässt erst, wie oben erwähnt, den Pass südlich vom Iii und nördlich von
Aksn liegen, nicht etwa nordöstlich von letzterem. Im 4. Hefte, welches
die Gewässer des Balkasch-Sees umfasst, ist die Lage von Kürä (Neu-
Kuldscha) zu 43° 50' N. B. und 35° W. L. angegeben, die Mündung
des Xumalak bei Aksu aber im 2. Hefte zu 41° 30' N. B. und 39° W. L.
Noch verwirrender ist eine Angabe im 4. Hefte (deren fremde Quelle
freilich angeführt ist), der zufolge der Xan-Tengri und die Quelle des Tekes
500 Ii westlich vom Narot-Joche und nach dem Shwei-tao-thi-kang
43° 6' N. B. und 34° W. L. liegen, was wieder zu weit nördlich und
zu weit östlich ist
2*
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Kehren wir nun zum zweiten Hefte zurück! Nach dem Tu-Huan-
King-Hing-Ki, welches der Verfasser in Ma-Tuan-Lin's Riesenwerke an-
geführt fand, sollte über 1000 Ii nordwestlich von An-Si (nach einer
Anmerkung wurde zur Zeit der Thang in dem Gebiete des heutigen
Ku-tshe die Stadt An-Si-Tu-Hwo-Fu gegründet) der Pu-Ta-Ling (Buddha,
Bbadra, Bedel?) sein, von dem aus man einige Tagereisen weiter nördlich
das Schneemeer überschreite, welches mitten im Qebirge sei, und wo es
im Frühling und Sommer in einem fort schneie; neben dem schmalen
Wege befinde sich immer eine Eishöhle von ungemessener Tiefe und
Ausdehnung der vielfach gewundenen Gänge, und im Eise seien zwei
Teiche von je über 100 Fuss Umfang, deren durchsichtiges Wasser nicht
gefriere. Hieran ist die Frage geknüpft, ob das etwa »warme Meere«
(zho-hai) seien. Eine Anmerkung, welche ebenfalls aus dem Tu-Huan-
King-Hing-Ki stammt, besagt, dass man über 1000 Ii nördlich vom Pu-
Ta-Ling nach dem Swei-Ye-Thshnan komme, von welchen thshuan oder
Bergstrom östlich ein zho-hai oder »warmes Meer« sei.
Ein anderer chinesischer Ausdruck für dieses »Eisgebirge« ist das in
der Reisebeschreibung des Wallfahrers Hüan-Tshuang vorkommende Ling-
Shan (von ling »Eis«). Unser Verfasser schiebt die bekannte Stelle (St.
Julien, Me*ra. I, S. 10 f.) hier ein, der zufolge der Wallfahrer, nachdem
er über 300 Ii nordwestlich vom Lande Pa-lu-kia das Steinhaufenfeld (shi-
tsi) durchschritten, den Ling-Shan erreicht habe, die nördliche Hochebene
des Thsung-Ling, oder die (eine) nördlich von dem oder den Thsung-ling
belegene Hochebeue (ThBung-Ling Pei YtLan). Die Gewässer derselben
flössen meistens nach Osten (dieses würde allerdings für den Muzart und
den Weg im Tekes-Thal aufwärts sprechen, wenn die vorher schon ein-
geschlagene nordwestliche Richtung nicht im Wege stände). In den
Tbälern liege der Schnee in Haufen, und im Frühling und Sommer litten
sie von Frost; obgleich es zu Zeiten thaue, bilde sich doch sogleich
wieder Eis. Der Weg sei gefahrlich, es webten häufig Winde von un-
barmherziger Kälte, und das Ungemach wilder Drachen(stiirme) überfalle
die Reisenden. Die diesen Weg Einschlagenden dürften keine zinnober-
rote Kleidung tragen noch Kürbisflaschen mit sich führen, auch nicht
laut schreien bei Verwirkung grossen Unheils. Er (der Wallfahrer) habe
es mit eigenen Augen gesehen, wie sich ein Sturm erhoben habe mit
fliegendem Sande und einem Regen von Steinen, dass die davon Be-
troffenen darunter begraben worden und kaum mit dem Leben davon
gekommen wären. Unser Verfasser sagt, dass er Letzteres für keine
leeren Worte halte, aber vor roter Kleidung und Mitnahme von Kürbis-
flaschen brauche man sich heutzutage nicht zu fürchten.
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— 21 —
Das» dem Verfasser bei der Angabe der Verkehrswege Ostturkestans
die Flussläufe immer die Hauptsache bleiben, haben wir gesehen; da er
gelegentlich aber auch die Lage der Quellen bis auf die Minuten eines
Grades augiebt, lässt sich beinahe vermuten, dass er Messungen hat
vornehmen lassen oder selber vorgenommen hat. In dem nun folgenden
Teile seiner Erörterungen sind die Abschweifungen im Ganzen in An-
merkungen kleinerer Schrift niedergelegt, und die Namen der am Passe
belegenen Oerter bis Tubalat mit ihren Entfernungen treten deutlich
hervor, sodass die Absicht hier einigermaßen deutlich wird, eine wirklieh
von Ghaktshaghar bis Tnbalat auf dem gewöhnlichen Wege, von da am
Mu zart -Flusse entlang unternommene Reise darzustellen. Im Ganzen
stimmt die Entfernung von Ghaktshaghar bis Tubalat im Si-yü-shui-tao-ki,
welche mit obigen 20 Ii bis zum Abhang des Gebirges 240 Ii betragt,
genau mit der bei Humboldt von Khand'jilaou (= Gaktshakahrkhai) bis
Turpagad von 100 Werst, wenn man nämlich 250 Ii auf den Grad und
5 Werst = 12 Ii rechnet; im Einzelnen freilich finden sich dagegen
einige Abweichungen in den Entfernungen.
Humboldts Verzeichnis lässt auf Khandjilau die Djeparle-Berge mit
ihrem noch immer rätselhaften Namen folgeu, aber mit der Bemerkung,
dass Trümmer alter Gräber längs des Weges befindlich seien, und dass
dieses der Mussur-dabahn der chinesischen Karten sei. Es ist also wohl
wahrscheinlich, dass die Trümmer alter Gräber der Mazär 1 ) genannten
Oertlichkeit im Si-yü-shui-tao-ki entsprechen, da dieser Name die Be-
deutung des Grabes eines muslimischen Heiligen hat, und obgleich die
Entfernungen von 50 Ii und 20 Werst nicht genau stimmen. (Da auch
die nach dem Si-yü-shui-tao-ki die Wache Shatu-Aman von Ghaktshaghar
trennenden 100 Ii so leidlich den 40 Werst von Shatus-Aman bis
Khandjilau bei Humboldt entsprechen, scheint diese Abweichung nicht
etwa daran zu liegen, dass Ghaktshaghar dennoch von Xandzhilau
verschieden wäre.) Wenn man die gesamten Entfernungen bis Tamga-
•) Maa&r ist eigentlich ein arabisches Wort, welches einen Wallfahrts-Ort beieichnet.
1
da os aber vorzugsweise Gräber der von Muslims verehrten .Frommen 4 * (wall) sind,
nach denen sie wallfahrten, so hat das Wort die Bedeutung „Grab" angenommen. (Ver-
gleiche das Grab des „Rosenvaters" Gül Baba in Ofen.) In Beziehung auf den Gebrauch
des Wortes in Ostturkistan ist es hier wohl am Orte, Shaw's S. 180 f. seines „Vocabulary"
Regebene Erläuterung anzuführen, welche lautet: mäzar „ein Grab eines HeUigen (welches
wie ein Ileiligenschrein verehrt und mit Flaggen und an langen Stangen befestigten
Jak-Schwänzen, oft auch mit Hörnern wilder Tiere geschmückt ist). Die Steinhaufen
(cairns), welche man überall in den Indien von Turkistan trennenden Gebirgen an allen
bemerkenswerten Stellen, wie Pässen u. s. w., antrifft, werden in den ron den Muslims
bewohnten Teilen dieser Gebirge mit dem Namen „mäzär" beehrt und für die Gräber
alter Glaubenshelden (ancient wortbies) angesehen." Die Steinhaufen werden wohl nichts
anderes, als die bekannten mongolischen obo sein (altmongoliscb obogha „Haufen").
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Tash nimmt, stehen über 111 Ii den 50 Werst bei Humboldt gegen-
über (Unterschied über 8 Ii). Die 35 Werst von Tamga-Tash bis
zur Wache Kainde entsprechen etwa den 80 Ii von Tamga-Tash bis zur
Feste Xustu-To/ai, da der Unterschied nnr 4 Ii betragt; vielleicht haben
Ort und Feste verschiedene Namen. Viel bedeutender freilich ist der
Unterschied in den Entfernungen von Kainde bis Turpagad (15 Werst)
einerseits und Xustu-do/ai ond Tubalat (50 Ii) andererseits; und wenn,
wie es den Anschein sonst hat, Turpagad dasselbe wie Tubalat sein
sollte, so mochte man einen Gedächtnisfehler des Gewährsmannes an-
nehmen, dem die Humboldt'schen Angaben entstammen. Es Bcheint über-
haupt, dass Letzterer einen Sommerweg angegeben hat, der über das auf
chinesischen Karten vernachlässigte Ak-Bugra-Tashy-Gebirge führt. Denn,
so gut im Ganzen die Angaben bei Humboldt mit den chinesischen von
Shatu-Aman bis Arbat stimmen, so wenig ist dieses auf der nördlichen
Strecke der Fall. Bei Humboldt findet sich von Kura (Kürä, Neu-
Euldscha) bis zur Furt des Tekes eine Gesamtentfernung von 145 Werst,
die 348 Ii gleiohkoromen würde. Dazu kommen 10 Werst (?) bis Shatus-
Aman, 40 Werst bis Xandzhilau nnd 20 Werst bis auf das Joch, die
mit obigen 145 Werst eine Entfernung von 215 Werst ausmachen würden.
In Ii umgerechnet würden also 516 Ii der Humboldt'schen Aufstellung
den 655 Ii des Si-yü-shui-tao-ki gegenüberstehen, nnd da die 445 U
vom Joch bis Aksu im Si-yü-shui-tao-ki mit den 185 Werst = 444 Ii
bis auf ein Ii genau stimmen, ist anzunehmen, dass der Unterschied von
139 Ii, welcher allein die Nord-Seite betrifft, bei beiden Quellen nicht
auf ganzlicher Unglaubwürdigkeit beruht. Eine bedenkliche Abweichung
findet sich freilich noch in den Angaben, welche die Strecke vom Tekes
(beziehungsweise der Tekes- Feste) bis Shatu-Aman betreffen. Nach
Humboldt wären es von der Furt des Tekes bis Shatu-Aman 10 Werst
(= 24 Ii), während nach dem Si-yü-shui-tao-ki der Fluss von
Ghaktshaghar/ai von Shatu-Aman 70 Ii nach Norden bis zu seiner
Mündung fliesst, von wo der Tekes 20 Ii weiter nach östlichem Laufe
nördlich von der Tekes-Feste vorbeifliessen soll. 1 ) Nach der zum 4. Hefte
des Si-yü-shui-tao-ki gehörigen Karte führt der Weg von Hwei-Yüan
(Iii, Kürä) über Batu-Mönge-Thai, Xainuk-Thai, Sha-Ho-Thai (Sha-ho
') Nach Humboldt wäre die Tekes-Furt nach den chinesischen Karten südlich von
der Feste gewesen. Diese kleinen Befestigungen sind gewiss oft »erlegt worden. Da
der Fluss dort nach dem 4. Hefte des Si-yü-shui-tao-ki einige Ii breit sein soll, könnte .
man dort eine Fort vermuten; indess fand sich 1763 der UnterbefebUbaber J durch
den Wasserstand bewogen, in Verbindung mit obigen 7 Festen (von Batu-Mönge-Tbai
an, Shatu-Aman mit eingerechnet) zwei wei/u oder „Kähne" (aas einem ausgehöhlten
Banm und in der Mandschu-Sprache so genannt) dort einrichten und sie durch zwei
kundige Solonen bedienen su lassen.
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chinesisch >Sandfluss«, thai »Feste«), Por-Thai, ein Kupfer-Bergwerk (thnng-
thshang) und Hwa-no-hwei-Thai über den Tekes nach dem Tekes-Thai in
einem grossen nach Osten gerichteten Bogen, aber doch durch das Ge-
birge. Nach dem I-thung-yü-thu liegt Batu-Mönge-Thai wohl nur schein-
bar mehr am Wege nach dem Tsharin-Thale, am Wege nach dem Muzart
findet sich sonst ebenfalls Xainuk-Thai angegeben, worauf (statt des
obigen Sha-ho-Thai) So-kuo'r-Thai und dann wieder Por-Thai folgen.
Von letzterem führt ein Seitenweg nach obigem Kupfer-Bergwerk, und
der Muzart- Weg führt, statt der südwestlichen, in einer beinah südlichen
Richtung nach Xonoghai-Thai weiter, um von da über acht Zuflüsse des
Tekes und über diesen nach Tekes-Thai zu fuhren. Die Namen Kainak
und Chanachai des von Regel 1878 eingeschlagenen Weges (s. Petermann's
Mittheilungen 1879, Tafel 20) scheinen mit Xainuk und Xonoghai zu
stimmen.
Nach einem Wege von über 60 Ii (von Ghaktshaghar?) betet man
nach unserem Verfasser an dem Mazar der Türken, worauf man die Eis-
treppe binuntersteigt. Hierzu ist eine Anmerkung gefügt, der zufolge
1760 (im 4. Monat des 25. Jahres Khyen-Lung) ein kaiserlicher Erlass
auf eine Eingabe des Shu-Ho-Tö verfügt wurde. Letztere besagte, dass
sich unterhalb des Mussur-Ling am Abhänge ein Thal Namens Sai-sai-khe
Aigaryal befinde, das etwa auf einer Entfernung von über 40 Ii gefahr-
lich sei; bei Wind und Schnee sei schwer durchzukommen und müsse
man besseres Wetter abwarten. Früher hätten die Dsungaren an dem
dortigen Baumwimpel gebetet, ja sogar geopfert;- jetzt, wo zu Anfang
des vierten Monats Truppen zu Dienstleistungen abgeschickt würden und
gelegentlich Soldaten erfroren, halte der Berichterstatter für angemessen,
wenn an dem nahen Orte Kos (Kes) ein Haus gebaut werde, zum
Zwecke der Zuflucht. Auf diesen Bericht wurde verfügt, dass, — da der
Mussur-Ling ein wichtiger Verkehrsweg, die Bergströme der Zeit ge-
fahrlich, bei Sturm und Schnee aber Menscbenhülfe schwer zu verschaffen
sei, nach mongolischem Gebrauche aber Gebete gesprochen, ja Opfer dar-
gebracht würden, — der Berichterstatter Shu-Ho-Tö Türken (oder
Muslims), die sich etwa auf Gebete verstünden, veranlassen möchte, den
Gottesdienst mit Eifer zu verrichten, oder wenn es solche nicht gebe,
ölut (West-Mongolen) hinzuschicken, um dort zu opfern.
Nach verrichtetem Gebete gehe es die Eistreppe hinab, welche zwei
chinesische Fuss breit sei. Bei längerem Thauwetter sei die Treppe
nicht deutlich und sie nehme also bald zu, bald ab. Nach einer An-
merkung heiasen die 'Arbeiter, welche die Treppe aushauen, dabatshi
(augenscheinlich von daba = dabaghan, daban); es seien ihrer 70. Im
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fünften Monat des genannten Jahres 1760 war wieder ein kaiserlicher
Erlasa auf desselben Shu-Ho-Tö Eingabe herabgelangt, die sich auf den
Pass bezog. Ueber 40 Ii des Weges seien mit vielem Eis und durch
einander liegenden Steinen bedeckt, 8 Ii davon aber bestünden ganz aus
Eis, so dass man vor Glätte nicht darauf gehen könne; deshalb worden
täglich 10 Mann abgeschickt, damit sie Stufen aushieben. Darauf kam
der Bescheid, es sollten mehr Türken abgeschickt werden, deren einzige
Beschäftigung diese Wegarbeit sein sollte.
In weiteren über 40 Ii bewirkt man den Abstieg vom Passe von
Anfang bis zu Ende. Dies ist die Stelle, wo im Jahre 1760 die Opfer des
Frühlings und des Herbstes dargebracht wurden, und zwar sagt die An-
merkung, dass am 25. des 9. Monats dieses Jahres Shu-Ho-Tö (nach
seiner Eingabe vom 10. Monat) dem Mussur-Ling geopfert habe. An
den ersten drei Tagen sei heiteres Wetter gewesen, zuerst aber Wind
und Nebel, der die Sonne ganz verhüllt und ihr eine glänzende Farbe
verliehen habe. Die kaiserlichen Soldaten und die Türken seien ganz
erstaunt und erfreut gewesen. Der Berichterstatter hätte darauf die
Gestaltung des Mussur-Ling untersucht und gefunden, dass mau von der
Südseite bei Arbat-Aman in eine auf beiden Seiten von hohen Gipfeln
umgebene Schlucht eintrete, wo ein grosser Fluss zusammenströme. Vom
Abhänge gehe man 180 Ii bis zur Feste Tamga-Tash (bei Humboldt von
Tamga-Tash bis Arbad 90 Werst), welches der Fuss des Berg-Joches
(shan-ling) sei. Am Eingange in die Schlucht des Joches winde man
sich 20 Ii weit durch eine durch einander mit Eis und Steinen bedeckte
Strecke. Da dehnte ein Berg sich quer (vor dem Wege) aus, der ganz
aus festem Eise bestand. Der Berichterstatter bestimmte sogleich, dass
von den zur Wegarbeit bestimmten 120 Türken je 20 täglich abwechselnd
hämmern und meisseln sollten. Auf diese Strecke folgten wieder 60 bis
70 Ii bis zur Feste Ghaktshaghar/ai, wo wieder Eis und Steine durch ein-
ander gemengt waren. Auf der Nordseite lag der Schnee in Haufen, und
Brennholz war spärlich.
Unter dem Joche fliesst es brausend und stürzt mit gurgelndem
Schalle oder wie rollender Donner hervor von der Farbe des Saftes von
gekochtem Reise. Mau nennt_es Pai-Lung-K'ou »Weisser Drachen-Munde
(k'ou »Mund« oder »Schlucht«). Ueber ein Ii weiter westlich ist die
Feste Tamga-Tash. 1 ) Hinter dem letzteren werden die Berge noch un-
zugänglicher, und der Weg führt rechts von der Feste vorüber; über 50 Ii
') Der Karte nach liegt die Feßte zwischen beiden Qoelleo und nahe ihrer Ver-
einigung. Der Name tamga-tash würde „ Stempel-" oder „Zeichen-Stein" bedeuten,
vielleicht ein Denkmal V
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— 26 —
westlich Ton dieser sprudelt ein Quoll wie Tinte hervor. Der Ort heisst
Hei-Lung-K'ou »Schwarzer Drachen-Munde. Die beiden Gewässer ver-
einigen sich südlich von der Feste und bilden den Musur-Fluss (die Karte
nennt ihn Mutsa-la-thö-ho, d. h. Muzart-Fluss). Derselbe kommt in den
Kriegs- Berichten des Jahres 1756 vor, und zwar in einem Berichte des
Unterfeldherrn (fn-tsiang-kfin) des rechten Flügels der Grenze, Herzogs
Tshao-Huoei, dem zufolge der Unter-Feldmarschall (fu-tu-thung) A-Min-Tao
am 5. Tage des 9. und Schaltmonates auf einer nach der Stadt Kutshe
ausgedehnten, in Begleitung seiner Obersten vorgenommenen Erkennung
erfahren hatte, dass Abu Saitar von Aksu mit 1000 Mann nach dem
Musur- Flusse vorrucke. Der letztere ist nach unserem Verfasser der
westliche Quellfluss des Weikan-Flusses, und zwar sollen die Quellen
(yuan als Mehrzahl oder Einzahl) sich auf 42° 20' N. B. und 36° 20' W. L.
befinden und bis 36° 50' bis zu den beiden Bergen vom schwarzen und
vom weissen Drachen (Pai-lung-shan und Hei-lung-shan 8. o M Pai-lung-k'ou
n. s. w.) in gleicher Weise fortströmen. Die südliche Felswand sei ganz
bedeckt mit feinen gewundenen Streifen. Es sei dort weder Kraut noch
Baum; langarmige Affen liebten flieh anzukrallen, wo sie nicht hinauf-
klettern könnten. Beide Berge seien einige hundert Fuss von einander
entfernt, das Wasser fliesse zwischen ihnen und fülle das ganze Thal
aus, so dass der Reisende den ganzen Tag von einem Ufer zum andern
gehen müsse. Im Ganzen fliesse das Gewässer in südwestlicher Richtung
80 Ii, bis es an der Feste Xustu-To^oi *) auf deren Ostseite vorbeikomme.
Von da fliesst der Fluss 50 Ii weiter nach Süden und östlich von der
Feste Tubalat, worauf er nach Südosten umbiegt und nach über 100 Ii
an der Nordseite der Stein-Wüste Ti-shui-yai vorbei fliesst (ti »tröpfeln,«
sbui > Wasser,« yai »Gestade«), um dann nach einigen 10 Ii an der
Südseite des Landgutes Noi-ghut durchzufliessen, welches 350 Ii Östlich
von Aksu und ein wenig nach Norden liegt (tung-p'ien-pei). Dort soll
der Fluss nördlich von der Feste Tshar-tshik fliessen und den Namen
Mazart-Fluss annehmen. Die Noighut seien ein Stamm der Buruten.
Im Jahre 1758 (23. Jahr Khien-Lung) erhielt hier der Burute
Gadaitshartsanei wiederum Weideland. Bimaimat-Ili, welcher den 4. Rang
bekleidete, war nach unserem Verfasser der Name seines damals lebenden
Urenkels. Unter ihm standen 85 Haus- oder Zeltgenossenschaften (hu
chinesisch, eigentlich »Thür«, im Gegensatz zu k'ou »Mund«, als der Be-
zeichnung der Einzelwesen). Das Gut ist über 10 Ii vom nördlichen
Ufer des Flusses entfernt.
*) Xus ein Paar, -tu Endung des Eigenschaftswortes, toxoi Ellbogen, s. Schmidt'»
mongolisches Wörterbuch. Es scheint sieb um eine oder zwei Flusskrommungen zu
handeln; zu vergleichen ist Ellbogen an der Eger.
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26 —
Nach weiteren 80 Ii nach Osten gerichteten Laufes fliesst der Fluss
an der Nordseite der Feste Ois-tagtshik *) vorbei, um dann für einige Ii
sich südlich zu wenden und westlich von dem Gute Yargan herzufli essen,
welches über 400 Ii östlich von Aksu lag, und von dem der Fluss auch
den Namen Yargan- Fluss führte. Hinter dem Gute wandte sich derselbe
ÖBtlich, worauf er den Xabsalang-Fluss von Norden her aufnahm.
Letzterer soll seinen Namen von dem eines Türken haben, der an seinem
Ufer wohnte; der Klang des Wortes ist aber so echt mongolisch wegen
der Endung lang, dass ich dem Verfasser kaum Recht geben möchte
(/absaghai »Klippe« mag damit wohl verwandt sein). Der Xabsalang-Fluss
also entspringt in den nordwestlich von Bai belegenen Bergen (Bai liegt
nach der beigefügten Anmerkung 60 H östlich von der Feste Ois-tagtshik),
fliesst dann südwärts und teilt sich in 3 Arme, von denen die beiden
westlichen nach Huden fliessen und nach 80 Ii in den Muzart-Fluss
münden, während der östliche nach einigen Ii sich nochmals teilt, indem
der westliche Teil nach Süden geleitet ist und sich mit den erstgenannten
beiden Armen vereinigt, der östliche nach Südosten geleitet wurde, mit
dem Xara-Ussu vereint an der Ostseite von Bai vorüber und unter dem
Namen Mudzhät-Fluss nach Süden in den Muzart-Fluss fliesst (die Karte
weist uns zwei solcher südlichen Abflüsse auf). Der Xara-Ussu entspringt
in den nordöstlich von Bai gelegenen Bergen, 100 Ii östlich von der
Quelle des Xabsalang-Flusses, fliesst über 10 Ii in südlicher Richtung und
teilt sich in zwei Arme, von denen der westliche in südwestlicher
Richtung dem Xabsalang-Flusse zuströmt, während der östliche nach
Südosten fliesst und auf der Ostseite von Sairam zum Stehen kommt.
Diese Stadt liegt der Anmerkung zufolge 100 Ii östlich von Bai; früher
wurde der Name, der im Türkischen »widerfahrendes Heil« bezeichnen soll,
Sai-li-mu statt Sai-la-mu umschrieben — kurz, es ist wohl kaum ein
Zweifel, dass hier das bekannte arabische salam gemeint ist, und der
Aehnliches bedeutende Name Sallm, Selim könnte der alten Schreibweise
zu Grunde liegen. Indessen scheint auch Kuropatkin die Aussprache
Sairam gehört zu haben 3 ); dass bai, wie die Anmerkung sagt, »reich«
bedeutet, wird durch Shaw's Wörterbuch bestätigt. Beide Städte gehörten
zum Gebiete von Aksu. 70 Ii östlich von der Mündung des Mudzhät,
nachdem der Muzart-Fluss, oder Yargan-Fluss, wie ihn der Verfasser nach
obigem Orte nennt, südlich an Sairam vorübergeflossen ist, mündet das
Süd-See- Wasser (Nan-hu-shui), von Nordwesten kommend, in denselben.
i) Tagtshik . Berglein ".
*) Ein anderes Sairam liegt bei Tshemkend and findet sich schon erwähnt in
dem russischen „Grossen Grundriss* des 16. Jahrhunderts. (Bolshoi tshertüzh, s.
Zapiski po otd. etnogr. VI. 1880).
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- 27 -
— Als Xodzhidzhan Kutshe entsetzen wollte, nahm er aus Sairam
100 Mann mit uud lieas die zur Uebersiedelung nach Aksu Bestimmten,
welche nicht Folge leisten wollten, nnter der Bewachung Ali's zurück.
Als aber die von Bairam geschlagen waren, tödteten Akwas Bakai und
die Sein igen den Ali bei Nacht, worauf die Stadt sieh ergab und ein
Oberst-Lieutenant (yu-tshi oder yu-ki?) mit Truppen vom grünen Banner,
sowie ein Häkitn vom 3. Rauge eingesetzt wurden, welcher letztere die 1049
muslimischen Häuser von Sairam anter sich hatte, während ein Häkim
vom 4. Range über den 593 Häusern von Bai stand.
Nachdem der Fluss über 20 Ii weiter nach Osten geflossen ist, ver-
einigt er sich mit dem Ho-sö-lö-Fluss (Kyzyl-sai ?). Letzterer ist nach
unserem Verfasser der östliche Quellfluss des Weikan-Ho. (Uigan wäre
jedenfalls ein mögliches türkisches Wort, vergl. jedoch üken »sammelnd«?)
Die Lage der 3 Quellen soll 42° N. B., 34° 30' — 35° 10* W. L. sein. Die-
selben sollen gleichmässig (auf gleicher Breite?) entspringen, und zwar
die westliche Quelle auf dem Altan-Xusu-Gebirge, die beiden östlichen
auf dem Eshik- Bashe\ Beide Namen finden sich in den hinzugefügten
Anmerkungen erläutert; im Dsungarischen soll /usu Birke (chinesisch
hwa-shu) sein, und im Herbste sollen die vielen an dem betreffenden
Gebirge wachsenden Birken Blätter von tiefer, dem Golde gleichender Farbe
tragen. In der That lässt sich /usu aus den mongolischen Wörterbüchern
belegen ; das als nebenbei üblich angeführte /usutan muss ich dahingestellt
sein lassen; altan ist das gewöhnliche mongolische Wort für Gold.
Zweifelhafter ist mir die Bedeutung von eshik: »kleine Ziege« (siao-shan-
yang eigentlich »kleines Bergschaf«), da eshek ein gewöhnliches türkisches
Wort für Esel ist; eshek-bashi ist »Eselkopf«. Dieser Eshek (Eshik?)
Bashi ist nun nach unserem Verfasser der sogenannte Pai-Shan oder
»weisse Berg«, der in den Geschichten der Sui und der Thang die
Namen A-kie, A-kie-t'ien führte (türkisch ak »weiss«? t'ien etwa chinesi-
sche Abkürzung für tengri?) 1 ). Auch in den während der Kriege der
Xodsha's eingesandten Berichten kommt der Altan-Xusu-Berg vor; denn
als der Oberfeldherr Tshao-Hwei von Kutshe nach Aksu rückte, berichtete
') Uspenski nach der heutigen nordchinesischen Aussprache: A-tszie (besser A-tshie) ;
die Zeit der Thang kann wohl nnr die ältere Aussprache gekannt haben. D« kie hier
augenscheinlich nur einen fremden Laut wiedergeben soll, ist die Uebersetzung durch
„Hammel" wohl Oberflüssig; in Sanskrit- Wörtern giebt das Zeichen übrigens den Laut
ka wieder. Es scheint, dass Humboldt in dem Namen das Sanskrit-Wort Agni „Feuer"
suchte, wahrend St. Julien letzteres durch den Namen des Landes O-ki-ni (A-ki-oi)
wiedergegeben sein lässt. welches 700 Ii östlich von Kütshi lag. (Vgl. Humboldt, Asie
Centrale, U, S. 30 ff.; St Julien, Memoires sur les contrees occidentales, II, S. 1.)
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er, dass er im Verein mit Yar/ ashan f ), von zwei Seiten vorrückend und
angreifend, bis znm Joche des Altan-Xosu gelangt sei. Dort aei Schnee im
Ueberflusse, der Weg gefährlich gewesen, so dass er und die kaiserlichen
Truppen die Pferde hatten ziehen und 48 Stunden zu Fusse gehen
müssen. Daher kenne er, der Feldherr, die Gestaltung des Joches
genugsam.
Das Gewässer fliesst nach der Vereinigung der drei Quellen 80 Ii
südwärts, worauf das Wasser vom Shi-ho-tan-ör- Berge (Shigho-tar?)
von Nordosten, das S hart alang -Wasser von Osten her mündet. Darauf
fliesst es über 70 Ii in südwestlicher Richtung und westlich von der
Feste Xo-sö-lö (sonst kyzyl »rot« (s. auch Sven Hedin: kisil), das I-thung-
yü-thu hat A-sö-r, aber vielleicht vermöge einer geringen Abweichung in der
Schreibung für Ho-sö-r) vorüber, wo der Flnss den Namen Xosölo (Kyzyl)
erhält. Das Gebirge bildet mit seinen Schlaugenwindungen die Grenze
zwischen Kutshe, Iii und Xarashar. Jeden Frühling wurden zwei
Wachen dort ausgestellt, welche im Herbste wieder eingezogen wurden
und Nitsar (NisarP)-Ata (pers. nizar »fein«? türk. ata »Vater«?) und
Artung-H woshi (Altun-Xoshi vom türkischen altun »Gold« und dem
persischen /oshi »Schönheit«?) hiessen. Die Lage der ersteren wird als
130 Ii nordöstlich von der Feste Kyzyl in den Bergen angegeben, die
der letzteren als 30 Ii nordöstlich von Nisar-Ata; beide lagen auf dem
westlichen Ufer (I-thung-yÜ-thu: etwas seitwärts). Nach über 30 Ii
südlichen Laufes fliesst der FJuss an der Westseite der Höhle der
1000 Buddha s vorbei (Thsien-Fu-tung); am grünen Berge (westlich
von dieser Höhle) sollten noch Gold und Serpentin von Buddhabildern
(fa-siang) und an der Wand eine Inschrift mit dem Namen
eines Mönches Hwei-lö-kai vorhanden sein. Unter den Felsen hin-
durch fliesst nun der Kyzyl-Fluss dem Yargan-Flusse zu, der nun den
Namen Weikan-Fluss erhalt. Auf seinem Westufer ist eine alte zer-
fallene 8tadt von über 2 Ii Umfang. Die Mündung liegt nach unserem
Verfasser 41° 25' N. B. und 35° 10* W. L.
') shan, nicht han oder /an, ist hier die letzte Silbe. Ritter's Jarkha-Khan beruht
auf einem Irrtora (vgl. Ritter, Asien, 5. Band, S. 512 ; GrigoriefFs russische Uebersctzung,
Anmerkung zu S. 258, wo die sich schon auf Jakinth und Klaproth stützende Be-
richtigung zu lesen).
') Dieses chinesische Hohlmass = Vio hu = 10 shöng, welches zu verschiedenen
Zeiten uAl zu verschiedenen Zwecken von sehr verschiedenem Umfang gewesen ist, hat
von Altere her viel zn Vergleichen dienen müssen. Ein ton ist unter den 28 Mond-
h&usern (das nan-tou oder „südliche Mass", teilweise unserem Schützen entsprechend),
das pei-tou oder „nördliche Mass" ist der grosse Bär, der Gegenstand besonderer gött-
licher Verehrung. Die Deichsel ist hier eine Handhabe zum Tragen des Gef&sses. Von
bekannteren Bergen wird der Tbshöng-shan, das Schantung- Vorgebirge, mit einem tou
verglichen.
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Darauf fliesst der Weikan-Fluss erat östlich, dann nach Süden, zu-
sammen über 40 Ii weit und westlich am Ting-Ku-Shan (chinesisch
»Nagel-Thal- Berge) vorüber. Die Gestalt des Berges ist die eines tou 1 )
das heisst wohl hier eines umgekehrten Troges, oder vielmehr einer ab-
gestumpften Pyramide. Ueber dem Abhänge waren fünf steinerne
Häuser, über 10 Fuss hoch, über 20 Fuss tief, einige Mal zehn
Buddha bilder längs der Wand in den Felsen gehauen, vor denen
Kostbarkeiten und wohlriechende Blumen in bunter Mannigfaltigkeit
lagen. Nach der Mitte der Höhle zu, südwestlich vom Eingange, befinden
sich drei steinerne viereckige Pfeiler von einem Fuss Durchmesser, in
welche rund herum Schriftzeichen in (chinesischer) Li -Schrift und
Sanskrit eingehauen, aber schon so verwittert sind, dass man nur die
Schriftzeichen kien-tshung-ör-nien, »im zweiten Jahre kien-tshuug«
(781 n. Chr.) erkennen kann; eine andere Inschrift enthält den Kamen
eines Mönches. Auf beiden Ufern sind hier die Trümmer alter
Städte. Nach dem Shui-King-Tshu, dem > Lehrbuche der Gewässer
mit Erläuterungen« (wohl der im Swei-Shu dem Kwo-P'o zugewiesenen
Ausgabe in drei Teilen), welches das Si-Si-si-yü-ki anführt, befand
9ich 40 Ii nördlich vom Lande Kwei-Tze in den Bergen ein Buddha-
Kloster Namens Tsio-Li-Ta-Thsing-Tsing (die letzten drei Silben sind
chinesisch und bedeuten: das grosse reine, t'sio-li »Pfau entfernt sich« ist
vielleicht, wie unten tshao-hu-li, Umschreibung desselben Sanskrit- Wortes,
welches auch St. Julien nicht zu deuten wagte). Eine Anmerkung be-
sagt hier, dass nach dem Lo-Yang Kia-lan-ki (den »Denkwürdigkeiten
der Klöster, aufgezeichnet zu Lo-Yang« — aus dem 6. Jahrhundert unserer
Zeitrechnung) 7 Ii südöstlich von der Stadt Gandhara die Tsio-Li-Pagode
stand, welche Kanishka, der König des Landes, habe erbauen lassen; da
nun dieses die erste Pagode (fu-thu) der Westlande (Si-yü) sei, und
dieses Kloster von Kwei-Tze mit einem Turm (tha = stüpa) gebaut sei, so
wurde es danach benannt. (Es scheint demnach, dass tsio-li, tshao-huli
anvollkommene Umschreibungen von dhatri sind, einem indischen Aus-
druck, der, von cbatra »Schirm«, »Schirmdach« stammend, derartige Ge-
bäude bezeichnet zu haben scheint, zumal da nach Shakespeare s hindu-
stanischem Wörterbuche verzierte Grabdenkmäler damit bezeichnet werden;
gegen das sonst gewöhnliche caitya scheint das Ii — ri zu sprechen.)
Auch Kao-Thsi schrieb, dieser Tempel sei in einem blühenden Hain
gebaut; es sei ein Beweis der Weisheit des durch einen fallenden Pfirsich-
ast zu Tode geschleppten Prinzen Schao (?). Auch die »Denkwürdigkeiten«
(ki, nämlich Si-yü-ki, die »Denkwürdigkeiten der We9tlande«, »Memoires
sur les Contre*es occidentales« nach St. Julien) des Pien-Ki, des Heraus-
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gebers des von St. Julien übersetzten Si-yü-ki des Wallfahrers Hüan-
Tshuang 1 ), sagen, »dicht an den Bergen nnd durch das Wasser eines
FlusRes getrennt, befanden sich über 40 Ii nördlich von der Stadt des
Landes K'ü-tehi zwei Kloster, die beide Tshao-ha-li hiessen nnd je nach
ihrer Lage das östliche und das westliche genannt worden. Der Schmuck
der Heiligenbilder gehe beinah über menschliche Kunst hinaus. Mönche
und Zöglinge seien sittenstreng und meinten es ernst mit ihrem Fleisse
nnd Eifer. c Wenn man die Spuren aufsucht, so findet man das eine
oder andere noch erhalten, wie unser Verfasser hinzufügt.
Nachdem der Weikan-Fluss vor der Höhle vorbeigeflossen ist, fliesst
er 8 Ii weit nach Süden, worauf er die Berge verläset und sich in fünf
WaBserläufe teilt. Von den zwei östlichen heisst der nördlichere der
von Feizabad und bewässert noch Südosten zu das gleichnamige Gut,
um dann stehen zu bleiben. Das Gut lag 40 Ii westlich von Kutshe.
Der südliche Arm war der Weikan -Graben und floss südöstlich und an
der Nordseite der Güter Humutu'llah, (Humdulläh?) Besh-Kelem und
Langar') vorüber, welche 60 Ii von Kutshe in westlicher Richtung mit
kleiner Abweichung nach Norden lagen. Von dort lief er weiter süd-
östlich und an der Nordseite des Gutes Ibar Bag vorbei (55 Ii westlich
von Kutshe), dann an der Ostseite des Gutes Xotullah (60 Ii westlich von
Kutshe) und an der Westseite des Gutes Karaau (55 Ii westlich von
Kutshe), dann nördlich vom Gute Yengik-Ailyk (55 Ii westlich von
Kutshe mit Abweichung nach Süden), weiter östlich fliessend an der Nord-
seite des Gutes Tetertshi (70 Ii südwestlich von Kutshe), dann nördlich
vom Gute Kiang-ke (65 Ii südwestlich von Kutshe), dann nördlich vom
Gute Hornaa (60 Ii südwestlich von Kutshe), dann nördlich am Gut«
Ying-ke-tu-la (50 Ii südwestlich von Kutshe), dann nach südöstlichem
Laufe westlich vom Gute Besh-Bagh (c5 Garten»?) (30 Ii 8W. von
Kutshe), dann südlich vom Gute Tokuz-Toman (t Neun Tiefen»?) (60 Ii
südlich von Kutshe), dann nach dem Gute Langar (100 Ii südlich von
Kutshe), wo die Leitung aufhört.
Der westlichen Leitungen waren drei, und zwar hiess die nördlichste
der Graben von Yulduz-Bagi (»Sternen-Garten«), indem sie nach süd-
westlichem Laufe das gleichnamige Gut bewässerte und dann stehen blieb.
Die nächste hiess Graben von Tashlik, floss südwärts, bewässerte das
') Id der Geschichte der Thang werden hintereinander aufgeführt: Hüan-Tsbuang
Ta-Thang Si-yö-ki 13 kfian und Pien-Ki Si-yü-ki 12 küan (Hefte).
*) Die Karte des Si-yü-shui-tao-ki wie die des I-thung-yQ-thu weisen diese künst-
lichen Ableitungen nicht auf, der Haupt-Arm des Weikan-Ho fliegst, wie wir sehen werden,
westlich von diesem Humutu'llah, welches letztere Karte übrigens südwestlich vom Kutshe
zeigt; ein anderes Gut Langar lag südlich von Kntshe, wie weiter unten zu erwähnen.
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genannte Got (80 Ii W. von Kutshe) und kam zum Stehen. Die sudlichste
Leitnng hiess der Toksu-Graben, floss südwärts, an der Westseite des
Gutes Dshai (75 Ii W. von Kutshe) vorüber, dann in südwestlicher
Richtung an der Nordseite des Gutes Iki-Aüik (80 Ii W. von Kutshe
mit Abweichung nach Süden), worauf sie in südlicher Richtung bis nach
dem Gute Toksu fliesst und stehen bleibt (100 Ii südwestlich von Kutshe).
Der Verfasser kehrt nun zum eigentlichen Hauptarme des Weikan-
Flusses znrück. Nach einem südlichen Laufe floss er westlich von dem
Gute Hu-mu-shang-la und weiterhin an der Ostaeite des Gutes Dshai
und der Westseite des Gutes Xodzha-Tulase (Turasy?) (60 Ii W. von
Kutshe) vorüber. Dort ist nach unserem Verfasser die »Fähre des weissen
Rosseac (Pai-ma-tu) der Geschichte der Thang; nach dieser trat man
westlich von An-Si aus dem Passe Shi-Küe-Kuan, setzte über den
»Fluss des weissen Rossest (tu Pai-Ma-ho) und kam 180 Ii westlich in
die 8teinwü8te (tsi) von Kü-Pi-Lo, ging an dem «Bitterbrunnen» (k'u
tsing) vorüber und erreichte nach 120 Ii die Stadt Kü-Pi-Lo, nach
weiteren 60 Ii kam man nach der Stadt A-si-yen. Die Steinwüste von
Kü-Pi-Lo, ist nach unserem Verfasser die Kyzyl-Wüste (Ho-s5-lö sha-
tao = Kyzyl kum?), die Stadt Kü-Pi-Lo die jetzige 8tadt Sairam 1 ),
A-si-yen aber das jetzige Bai.
An der Stelle des Si-yü-ki, der zufolge man von dem fünfjährigen
Versammlungsorte, welcher vor dem Westthore von Kü-tshi lag, nach
Nordwesten gehn und einen Fluss überschreiten musste, um nach dem
Kloster A-8hö-li-ni (Acvalini?) zu kommen, soll auch nach unserem Ver-
fasser ebenfalls die obengenannte Fähre gemeint sein. Das Kloster war
übrigens nach dem Si-yü-ki sehr berühmt, wovon die vorliegenden vom
Verfasser daraus angeführten Worte keinen rechten Begriff geben.
Von der angegebenen Stelle floss der Fluss in südlicher Richtung
und an der Ostseite des Gutes Tigen vorüber, welches 110 Ii südwestlich
von Kutshe lag. Darauf wandte er sich nach Südosten und floss an der
Südseite des Gutes Karashar 1 ) vorbei, welches 80 Ii südwestlich von Kutshe
') Nach einer Anmerkung ist der Name Ashö-li-ni Kialan (oder Kialan allein?) im
Yüan Uhu Thang yen („Erläuterung von Ausdrücken ans der Zeit der Thang mon Yüan")
durch khi-thö „einzig, absonderlich" wiedergegeben. St. Julien konnte kein entsprechen-
des Sanskrit- Wort finden (umschreibt aber Äcalini); ausserdem schien ihm die weibliche
Endung - 1 nicht mit kialan (= [söng-J kia-lan - [san]gärim(a]) .Kloster* tu stimmen,
im Verzeichnisse setzte er daher dharma-c&la („Herberge des Glaubens") an die Stelle.
Khi-tbü könnte übrigens an das mongolische kiit „Kloster" erinnern, bei acvalini schwebt
mir acta und das „ weisse Ross" vor. (Vergleiche auch weiter unten Khi tba-thö, Kitat.)
*) Kar.ishar, eigentlich Kara-shehr, „schwarze Stadt" von dem türkischen kara
„schwarz" und dem persischen sbehr „Stadt". Die Stadt Xarashar (nordlich vom
Bagratsch-See) bat die Umwandlung des Anlautes in einen Hauchlaut wohl nur dem
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lag. Nach weiterem südöstlichen Laufe floss der Fluss an der Südseite
des Gates Kitat vorbei, welches 80 Ii südwestlich von Eutshe lag. Dieses
Kitat gab dem Verfasser eine Gelegenheit, wieder einen Bericht aus der
Mitte des vorigen Jahrhunderts anzuführen, dem aufolge der schon öfter
genannte Shu-Ho-Tö die Frage aufgeworfen hatte, ob man auf dem
Shayar-Flusse, der mit Yarkand und Kashgar in Verbindung stünde,
Schiffe bauen und versuchsweise damit die Zufuhr bewerkstelligen dürfe,
sowie das Getreide an einem geeigneten Orte aufstapeln; es war von dem
Berichterstatter hinzugefügt, dass seiner Ansicht nach Kitat am Wei-Lin
(oder Weikan-Flnsse) ein dazu passender Ort wäre, welches mitten zwischen
den über 140 Ii (damals 180 Ii nach der Anmerkung) von einander
entfernten Ortschaften Kutane und Shayar läge 5 ). Zu dieser angeblichen
Entfernung fugt der Verfasser hinzu, dass die derzeitige Entfernung
180 Ii betrage (welcher Unterschied wohl auf der verschiedenen Grösse
der Ii beruhen mag, von denen bald 200, bald 250 auf den Breitengrad
gehen). Der Name Kitat könnte die mongolische Umbildung von
Kitan sein, welche wahrscheinlich, wie schon Schott (»Kitai und Karakitai«,
s. Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin,
1879, S. 9 des Abdruckes) bemerkte, als ursprüngliche Mehrzahlbildung die
Einzahl Kitan im Mongolischen ganz verdrängte; bei den späteren
Mongolen ist durch Uebertragung Kitat der Name der Chinesen geworden,
welche Bedeutung auch das russische Kitai und das türkische Xatai
haben. In diesem Falle bandelt es sich wohl um eine Niederlassung
der Karakitaier aus dem zwölften oder dreizehnten Jahrhundert. Da die
Schicksale dieses Volkes noch mehr oder weniger in Dunkel gehüllt sind,
ist ein jeder Ort, der solchen Namen trägt, noch besonders erwähnens-
wert. (Ein Ort Kara-Katai liegt nach Ritter zwischen Marghinan
und Kokand und soll von muhammedanischen Kara-Kataiern bewohnt sein.
>Ob Chinesen?« fragt Ritter (Bd. V, 8. 485). Es ist bemerkenswert, dass
auch die noch immer rätselhaften Dunganen auch chinesisch sprechen
und Muhammedaner sind. Dahingegen rechnen sich die Kytai des
Zerafshan-Thales nach Radioff 1 ) zu den Usbeken und bilden mit den
dortigen Kyptsbak eine Völkerschaft, so dass sie auf die Frage nach
ihrer Stammeeangehörigkeit zur Antwort geben: »Kytai-Kyptshak myn«,
»ich bin ein Kytai-Kyptshak«. Allein dieses beweist an und für sich
Ein8usse des Mongolischen zu verdanken, in welcher Sprache das betreffende Wort ^ara
lautet. Bei dem Namen des Landgutes ist der Ansdruck „8tadt" selbstverständlich nicht
wörtlich zu nehmen.
■) Shayär = shiär persisch «bestelltes Feld", s. Zenker, tflrk. Wörterbuch. Die
Bedeutung stimmt zu Tarim; s. jedoch die obige Ableitung von Säh-yar.
») Zapiski po otdjeleniju etnografii, VI. 1880, Otdjel I: Srednjaja Zeraßanskaja
dolina. W. W. Radiowa, S. 60 f.
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noch nichts gegen die inngnsische Abkunft der eigentlichen dortigen
Kitaier, wie ja nach Radioff dort auch arabische Niederlassungen
türkischer Zunge sind.)
Nach weiterem südöstlichen Laufe floss der Fluss an der Südseite
des Landgutes Yandyrman (? Yang-tÖ'r-inan) vorüber, welches 75 Ii
südwestlich von Kutshe lag, sowie an der Nordseite des Gutes Kökbnyun
(40 Ii nordwestlich von Sbayar), noch weiterhin an der Nordseite von
Yaman-Ailik (25 Ii westlich von Sbayar), dann an der Nordseite von
Yegertshi (20 Ii westlich von Sbayar). Dann wandte sich der Fluss ost-
wärts und floss an der Nordseite des Gutes Sailiktar vorbei (10 Ii
westlich von Sbayar). Nachdem der Fluss wieder die alte südöstliche
Richtung eingeschlagen, kam er an der Südseite des 10 Ii nördlich von
Shayar liegenden Gutes Dshenger- Ailik vorüber. An dieser Stelle
führte er nach unserem Verfasser den Namen ögen- Fluss (O-kön?).
Dieser Name kommt in der Erzählung von Odni's Thaten vor (O-tui
tbshwan in der noch unveröffentlichten amtlichen Geschichte der letzten
beiden Jahrhunderte); Odui hatte nämlich bei Meldung des von Kü-Si-
Hing erfochtenen Sieges dem Yar/ashan mitgeteilt, westlich von Kutshe
befinde sich der Ögen-Fluaa, welcher eine Verbindung mit Shayar dar-
biete, er habe Wasser im Ueberfluss, so dass man zu Schiffe darauf fahren
könne; er bitte um Verstärkung. Ho-tsi-tsban sei wirklich mit über
5000 »Diebent (tsei, gewöhnlicher Ausdruck für Aufrührer) vom Ögen-
Flosse her nach Kutshe gezogen, aber von seinen (des Odui) Truppen
geschlagen worden. Auch in der Erzählung von Kuntshuk (im Anhange
zu der von Yü-mu-thshui-rau) ist von diesem Gefechte und dem ebenso
benannten Flusse die Rede, da nach derselben Xodzhidzhan mit über
50G0 Mann zum Entsätze herangerückt und, während seine Truppen auf
der Flucht zusammengehauen wurden, bis an den Ögen -Fluss verfolgt
worden war, wo am Subashi- Berge über 300 abgeschlagene Köpfe auf-
gesteckt wurden. Die Türken nannten den Fluss den Ukiat- Fluss (der
Anmerkung nach weist u im Türkischen auf etwas Entlegenes bin, khyät
[oder, wenn die neuere nordchinesische Aussprache gemeint ist, thshyät] soll
Dörfer und Güter bezeichnen; am Ufer des Flusses soll ehemals ein Dorf
und ein Gut oder Gehöft gestanden haben. Das Chinesische lässt auch
eine Mehrzahl zu. U ist »jener, er, sie, es*; den zweiten Teil der
fraglichen Zusammensetzung muss ich dahingestellt sein lassen).
Der Fluss fliesst in südöstlicher Richtung weiter und an der Südseite
des Gutes Kalatun vorbei (5 Ii uordöatlich von Shayar), weiterhin an der
Südseite des Gutes Tshartak (10 Ii nordöstlich von Sbayar), dann an
der Südseite des Gutes Sortam (15 Ii nordöstlich von Shayar), au der
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Nordseite des Gates Tashiktam (15 Ii südöstlich von Shayar), darauf
mit östlichem Laufe«) an der Südseite des Gutes Tshur^oshar (40 Ii
nordöstlich von Shayar) und an der Nordseite des Gutes Kortash (50 Ii
sudöstlich von Shayar). Nach weiterem östlichen Laufe floss der Fluss
an der Nordseite des Gutes Koyam-Ata vorüber (60 Ii östlich von
Shayar), dann an der Nordseite des Gutes Sandzhardim (PSan-kia'r-thie-
mi, 70 Ii östlich von Shayar), dann, immer nach Osten fliessend, südlich
vom See Sha/alik (oder : Shah-ariki »Königsgraben«?). Nachdem der Fluss
dann über 5 Ii nach Südosten geflossen, wandte er sich wieder nach Osten,
bis er an die Südseite des Gutes Yü-ku'r (yügür?) kam, wo er in deu
grossen Tarim-Fluss mündete. Der Name bedeutet der Anmerkung nach
einen, der im Handgemenge tapfer angreift, und soll dem früher Bugur
genannten Orte deshalb gegeben worden sein, weil die Türken hier den
Feinden ehemals widerstanden. Es handelt sich augenscheinlich um den
Namen der Uiguren, den auch Abulghäsi und Raschideddiu übersetzen,
als lautete er Yogur').
Nach dem (schon oben erwähnten) Shui-king-tshu fliesst der Nord-
Flues (d. h. der Tsung-Ling-Pei-Ho oder Tarim-Fluss) nach Osten und
südlich an dem Lande Kwei-tze vorbei, noch weiter nach Osten aber
mündet in ihn das Gewässer Kwei-tze-thshuan. Dieses ist nach nnserm
') Die veränderte Richtung hätte anscheinend schon früher erwähnt werden müssen,
wenn die Lagen im Verhältnis zu der von Shayar genau angegeben sind; indessen sind
der an den Fluss stossende Teil des Gebietes eines Gutes und das Gehöft wohl oft
von einander" entlegen.
*) Bugur (Pu-ku'r) ist vielleicht bogür «Weiche, Seite, Lehne". Abulghäsi übersetzt
uigur türkisch durch yapisbturtmak „anheften lassen", Raschideddin persisch durch
behem paivesten u madad kerden „verbinden und helfen" Ersterer fügt als Betspiel
das (ierinnen der Milch hinzu und macht dabei von uynmak „gerinnen, erstarren,
schlafen" Gebrauch. Yogurmak ist „vermischeu"» yogurt Mischung aus getrockneter und
frischer Milch. Uigur, yogur, und sogar uigan (der Name des Flusses Weikan und
vielleicht einer der zehn L'iguren-Flüsse) erscheinen demnach als sinnverwandte, teil-
weise sogar gleichbedeutende Ausdrücke, indem der Wortstamm ui anscheinend (wie in
uiku „Schlaf" statt uyuku) uyu ersetzt. Unseres Verfassers Weikan enthält in der ersten
Silbe ganz denselben Laut, mit dem man zur Mongolen-Zeit die erste Silbe von Uigur
wiedergab; der l'igan war auch nach Raschideddin einer der zehn Flüsse der Uiguren.
Die von Raschideddin und Abulghäsi, wie oben, gegebene Ableitung hat wohl nie viel
Anklang gefunden; die von Vämbery (Kudatku Bilik, Einleitung, S. 2). nach welcher der
Name von ujmak „gehorchen" stammt (wie auch in der Kasaner Ausgabe des Abulghäsi
angegeben, s. Vamberv a. a 0.), also die gehorsamen Anhänger bedeutet, ist eher
dazu geeignet. Es fragt sich aber, ob da? Volk nicht den Namen erst von einer
Oertlichkeit erhalten hat, wo etwa deu „erstarrenden" Fluss (Uigan) ein Widerstand
einst „erstarren Hess" (Uigur). Das Wön-Su (— On-Su .zehn Flüsse" V) der Han mochte
wohl diese Oertlichkeit mit umfassen; deh-rud „zehn Flüsse" bei Raschideddin
(b. Klaproth); es ist vielleicht ein Seitenstück zu den On-orkou.
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Verfasser der Wei-kan-ho oder Kwei-tze-si-thshuan, d. h. der westliche
Strom von Kwei-tze. Von den verschiedenen ehemaligen Flussläufen ist
schon oben die Rede gewesen.
Dort mündet er in den grossen Tarim-Fluss. Wie das Shui-King-
tsbu sagt, „fliesst der Nord-Fluss (Pei-ho) nach Osten zu an der Süd-
seite des Landes Kwei-tze vorüber. Es ist derselbe, welcher weiter
östlich sich anf der linken Seite mit dem Kwei-tze-thshuan-shui (»Ge-
wässer des Thalstroraes von Kwei-tze«) vereinigt. Der Weikan-Ho ist
der Kwei-tze-Si-thshuan (»der westliche Thalstrom von Kwei-tze«). 44
Ueber 600 Ii nordwestlich von Kutane (sowohl nach der zum Werk
gehörigen Karte, als nach dem I-thung-yü-thu sollte es nordöstlich
heissen) liegt das Kuknak-Joch, 1 ) über welches der Weg nach Iii geht
(nach der Anmerkung des Verfassers bedeutet kuknak im Türkischen
eine schwarze Schwalbe). Unterhalb des Joches fliesseu drei Gewässer
nach Süden und an der Westseite der Kuknak- Wache, dann nach Süd-
westen an der Westseite des Thsao-Ling (Gras- Joch es), weiterhin an
der des Shi-Ling (»Stein- Joches«) vorüber, bis sie an den Beltshir-
Berg kommen (wie der Verfasser richtig bemerkt, bedeutet der Name
im Mongolischen »Ort der Vereinigung«). Hiera nf sollen sie sich rechts
und links von dem Berge teilen, indem ein Fluss rechts von ihm, die
anderen beiden links fliesseu, um sich nach mehr als zwei Ii zu vereinigen.
Darauf fliesse der Fluss nach Südwesten und an der Westseite des
Thung-Thsbang-shan 2 ) vorüber (60 Ii nordöstlich von Kutshe), um dann
aus den Bergen zu treten. Nachdem er östlich von einer zerstörten
Stadt vorbeigeflossen, teile sich der Fluss wieder in drei Arme. Der
westliche Arm heisse Mirteyen- Fluss, fliesse nach Süden und au der
Westseite der beiden Landgüter Shaman-Bagh und Khokho-kung-pa
(Koko-kumba?) vorüber, von denen ersteres 5 Ii nördlich, letzteres 3 Ii
nordöstlich von Kutshe liege, um dann nach Süden zu am Ost-Thore
von Kutshe vorbeizufliessen, wo nach dem Shui-King-tshu ein Arm sich
getrennt haben soll, um in die Stadt Kwei-Tze zu fliesseu. Weiter nach
Süden zu fliesse der Fluss dann östlich von Reisfeldern (über ein Ii
südlich von der Stadt) und westlich vom Landgute Sai-Bagh(i?) vorbei
(3 Ii östlich von der Stadt), dann an der Westseite des Gutes Kara-
Ailik (5 Ii südwestlich von der Stadt), dann weiter nach Süden zu an
der Ostseite des Gutes Ta-Ho-Lai (10 Ii südöstlich von der Stadt),
um daun einen Bogen nach Südosten zu machen und nach über 180 Ii
zusammengenommen sich in den See Sha/alik zu ergiessen.
l ) Ueber diese« Joch führt (nach dem l-thung-yü-thu) von Yang(i)sar (fistlich von Bngnr)
aus ein Pass in nordwestlicher nnd westlicher Richtung nach Iii (s. o über den Muxart).
») „Kupfer Gruben-Berg 4 *.
3*
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Der zunächst weiter östlich fliessende Arm heisst Ukiar-Sai 1 ). Er
fliesst nach seiner Trennung nach Südosten und westlich vom Gute
Xum(u)lik (15 Ii nordostlich von der Stadt) und östlich vom Gute
Pi-kia-k'e (10 Ii nordöstlich von der Stadt). Darauf flieset er weiter
nach Südosten und westlich vom Gute K'o-la-tun vorbei (15 Ii Östlich
von der Stadt) und Östlich vom Gute Ukiar (10 Ii Östlich von der Stadt).
Weiter nach Südosten fliesst er westlich vom Gute Sa/an/ui vorbei (20 Ii
südöstlich von der Stadt). Weiter nach Osten fliessend, kommt er südlich
vom Gute Aktatshi vorbei (20 Ii südöstlich von der Stadt). Weiter nach
Osten fliesst er südlich vom Gute Lutshur (30 Ii südöstlich von der
Stadt). Nach weiterem östlichen Laufe fliesst er südlich vom Gute
Böstöng (Bostan, Östäng?) (30 Ii südöstlich von der Stadt) vorbei und
nach weiterem östlichen Laufe südlich vom Gute Yin-Ho (40 Ii südöst-
lich von der Stadt), weiter nach Südosten fließend westlich vom Gute
K'ou-k 4 u-shi (Kogush »Rinne«?) (50 Ii südöstlich von der Stadt), um dann
ebenfalls nach über 180 Ii in den See Sha/alik zu fliessen.
Der östlichste Arm heisst Yesbashi- (Yäz bashi »Kopf der Ebene«?)
Flufes und fliesst von der Trennung an östlich. Er floss nördlich vom
Gute Ma-tsha-p 4 u-t 4 uan (15 Ii nordöstlich von der Stadt) und weiterhin
immer nach Osten zu nördlich vom Gute Ming-Maili- Yam( u)- Ata
vorüber (20 Ii nordöstlich von der Stadt). Nachdem er eine Biegung
nach Nordosten gemacht, fliesst er nach über 60 Ii insgesamt in den
See A-ti-wei-nok.
Der herkömmliche Name für die drei Anne, den t'ou-tao-ho (Fluss
des ersten Weges oder Laufes«), ör-tao-ho (»zweiter Flusslauf«), san-
tao-ho (»dritter Flusslauf«), ist Kwei-tze-tung-thshuan (»östliche Wald-
ströme von Kwei-tzT*<).
Im Shui-Kiug-tshu heisst es, die Gewässer Kwei-tze-thshuan haben
zwei Quellen. Die westliche Quelle (was Si-yüan »westliche Quelle«
betreffe, meint unser Verfasser, so müsste es heissen: Si-thshuan-shui
»das westliche Thalstrom- Wasser«) entspringe südlich von den »nördlichen
grossen Bergen« (Pei-Ta-shan). Das Gewässer fliesse nach Süden und
komme am Thshi-Sha-shan (»Rot-Sand-Berge«, nach der Anmerkung
unseres Verfassers dem Aksu-Yen-shan »Salzberge von Aksu«) vorbei.
Nachdem es wieder aus den Bergen getreten, fliesse es nach Südosten,
wobei ein Arm nach links abfliesse (oder: »ein auch aus den Bergen
') Uspcuski : ti-ka-r-sa-i-^e. Das Wort /e = bo „Fluss" ist wohl eigeutlich ein über-
flüssiger Zusatz, da der io Ost-Turkistan gewöhnliche Ausdruck fllr denselben Begriff
sai ist. Dieses Wort Hesse sich recht gut durch eine chinesische Silbe wiedergeben;
aber es war wohl Grund vorhanden, sa-yi zu schreiben, da dieses „sein Flass" be-
deutet? Durch k'ia könnte nach der südlichen Aussprache der Laut ka angedeutet
werden. Das 1 thuug-yü-thu hat U/ar-sayi (vgl. bu^ar „traurig"?).
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kommender, nach Südosten fließender Arm trenne sich links ab«; die
Anmerkung erläutert den alten Ausdruck p'ai, welcher nach dem Shwo-
wön (Wörterbach von 100 n. Chr.) ein sich trennendes Gewässer bedeute. 1 ))
Nach weiterem südöstlichen Laufe teile sich der Fluss in drei Arme;
die beiden rechten flössen nach Südosten und ergössen sich in den Nord-
Flnss (Pei-ho, d. h. den Tarim-Fluss). — Das Tang-Thshuan-Shui (>Ge-
wässer des östlichen Tbalstromes«) entspringe nordöstlich von Kwei-tze
(oder gehe daran vorbei) und fliesse an der »RotrSand-Wüste« (Thshi-
sha-tsi) 1 ) vorbei, worauf sich nach Süden hin ein Arm abzweige, der
rechts in die Stadt Kwei-tze trete. Dieses Wasser fliesse weiter nach
Südosten und vereinige sich rechts mit einem Arm des Si-thshuan-shui.
Von den hier sonst unbedeutenden vor dieser Stelle in kleinerem Drucke
eingeschobenen Bemerkungen enthält eine den Namen des Kupfergruben-
Berges von Kutshe (K'u-thshö-thung-thshang-shan), was sich wahrscheinlich
auf Thshi-sha-tsi bezieht. In Beziehung auf die Vereinigung des dnrch
die alte Stadt fliessenden Armes des Ostflusses mit einem Arme des West-
flusses folgt hier eine erläuternde Anmerkung, deren Sinn durch die Karte')
•) yu thshu shan tbung nan lia tebi shui tso p'ai (yu .auch, nochmals", thshn „her-
vorkommen", shan .Berg, Berge, Gebirge", tung .Osten", nan .Süden", liu .fliessen",
tsbi „Zweig, Abzweigung", shui .Wasser", teo „links", p'ai .sich trennen, abzweigen").
Die Frage ist, ob yu „nochmals" bedeutet und das oben erwähnte Si yöan Gegenstand
der Aussage bleibt, oder ob yu .auch" bedeutet und tshi-shui .Flussarm" ein
neuer Gegenstand der Aussage wird. In beiden Fällen stösst man auf Schwierigkeiten.
Ohne einen Blick auf die Karte zu werfen, würde man wohl unwillkürlich das Erstere
vorziehn; indessen ist der Thshi-sha-sban ein zu bekannter Berg, den die Karte des
Si-yü-bhui-tao-ki am Wege von Arbat nach Dzham aufführt (s. auch bei Humboldt)
und der Arbat-, Mazar- oder Sary-Dzhas-Flusa, um den es sich handeln würde, ist doch
mit dem Mozart- oder Weikan(Uigan)-Flusse nicht zu vereinigen. Andererseits ist es
zweifelhaft, was mit dem Flussarme gemeint ist; es wäre dann wohl doch hinter thshu
shan etwas wie ho .Fluss" zu ergänzen. Letzteres bat Uspenski gethan, welcher über-
setzt: .Noch ein Flüsseben tritt aus der Ostseite der Berge hervor, fliesst ebenfalls
nach Süden und bildet einen linken Nebenfluss" (s. „0 basseinie Lob Nora", S. 143). So
sehr sich augenscheinlich die unteren Läufe der Flüsse geändert haben mögen, so wenig
ist das doch von den Quellflüssen anzunehmen. Wahrscheinlich hat sich der Verfasser
des Shui-king hier geirrt, oder ein Abschreiber (Schönschreiber ohne Satzzeichen und
Gedankenfolge) hat sich eine Auslassung zu Schulden kommen lassen; es sieht auch
aus, als ob das gleichlautende Ii „Birne" für Ii „trennen" sich hinter das obige Thshi-
sha-tsi geschlichen hätte.
*) Auf der Karte sind die im Shui-King erwähnten, jetzt nicht mehr vorhandenen
Flussläufe durch ihre schwarze Färbung hervorgehoben. Der westliche Fluss sendet an
und nach seiner Biegung nach Osten zwei solche schwarze Arme aus, die sich bis zum
Tarim-Flusse hinziehen Daneben steht, dass nach dem Shui-King-tshu das nach Süd-
osten fliessende Gewässer sich in drei Arme teile, von denen die beiden rechten nach
Südosten fliesseu und sich in den Pei-ho („Nord-' 1 d. h Tarira-„Fluss") ergiesseu. Auch
vom Mirteyen-Flusso trennt sich ein schwarz bezeichneter Arm, der hier aber nicht
allein durch die östliche Mauer in die „alte Stadt Kwei-tze'' und aus der südlichen wieder
hinausgeht sondern noch einen östlichen Arm bildet, der die Stadt nicht berührt. Da
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noch deutlicher gemacht wird. Sie lautet: >Wenn e8 [nachdem davon
die Rede gewesen, dass das Gewässer auf der Ostseite in die Stadt und
auf der Südseite aus derselben trete und sich vereinige mit dem linken
Arme dea westlichen Thalstromes vor dessen Mündung in den (Tarim-)
Fluss] heisst, das Gewässer habe zwei Quellen, welche sich dadurch ver-
einigten, dass der Si-thshuan nach Osten und an der Sudseite der Stadt
Kwei-tze vorbei fliesse, so weist das deutlich darauf hiu, dass von den
besagten beiden Quellen, welche „an der Stadt Kwei-tze vorüber fliesaen
und sich südlich von ihr vereinigen", der Tung-thshuan die eine ist, und
dass ein Arm des Tung-thshuan sich rechts mit dem Arme des Si-thshuan
vereinigt haben soll. Das Gewässer flieest südöstlich in den Tung-thshuan,
und weiter südöstlich ergieast es sich in den Ta-Ho („den grossen", d. h.
den Tarim-„Fluss ul ))«. — »Als Li-Künc (d. h. Li-Tao-Yüao aus der Zeit
der nördlichen Wei zwischen 386 und 534 u. Chr.*)) »seine Erläuterungen«
(tshu, d. h. Erläuterungen zum Shui-Eing, daher nunmehr Shui-King-tsbu)
»verfas8te, trennte sich der Si-thshuan in drei Arme, von denen zwei
vorher in den grossen Fluss mündeten, ein Arm aber südlich von der
Stadt vorbeifloss und sich mit einem Arme des Tung-thshuan vereinigte,
um dann in den Tung-thshuan zu münden« (daher das Werder auf der
Karte, welches von einem östlichen Arm und dem durch die alte Stadt
Kwei-tzo gehenden gebildet wird). »Der Tung-thshnan stand mit dem
(Tarim-)Flusse in Verbindung. Der Ort seiner Mündung in denselben
befand sich westlich vom Lande Khü-Li. Es ist derselbe Fluss, von
dem es in der Geschichte der Han heisst, westlich von Khü-Li sei ein
Fluss, der bis nach Kwei-tze 580 Ii lang sei. Heutzutage mündet der
Si-thshuan selber in den Fluss« (ho, d. h. Tarim-Fluss). »Der Tung-
thshuan aber mündet in einen See, worauf es weiter keine Gewässer
der vom Westflosse nach Osten abgegebene Arm der jetzige bei Shayar fliessende Wei-
kan-ho ist, hat ihn der Verfasser weiss gelassen, so dass nun das von den beiden
Armen des Ostflusses gebildete Werder als vom Weikan-ho durchströmt erscheint,
während es sich doch von selber versteht, dass der Arm des Westflusses damals nur
sein Wasser dem weiter südlich mündenden Ostflusse zuführte. Neben der Stadt ist
die Stelle aus dem Shui-King angeführt, der zufolge der Flusa rechts mit dem Arme des
Shi-thshuan zusammentreffe, um dann in das Tung-thshuan-shui zu münden (daher
wohl der ostliche Arm der Karte!). Bei der Mündung (südwestlich von der des jetzigen
Weikan) heisst es, nach dem Shui-King münde das Tung-thshuan-shui in den Ta-Ho
(den grossen Fluss).
') Auf das gross gedruckte Tung-Tbshuan folgt hier eine klein gedruckte An-
merkung, der zufolge es sich um das Gewässer bandelt, welches aus der vollständigen
Vereinigung beider Arme entsteht. Diese Worte erläutern mehr die nachfolgenden
Worte: „weiter südöstlich ergiesst es sich in den Ta-Ilo", als die vorhergehenden: „das
Gewässer fliesst südöstlich in den Tung-thshuan".
') S. Wylie, Notes on Chinese Literature, 8. 48.
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giebt; mit dem „Flusse" aber steht er nicht in Verbindung.« — »Weiter
nach Osten kommt er< (der Tarim-Fluse) »südlich vom „Gute" Kurie
(Korla) vorüber«.
Der Tarim-Fluss fliesst ?on dem Landgute Yü-ku'r ab in Östlicher
Richtung. Die Entfernung des Ortes vom Flusse beträgt nach der
begleitenden Karte über 300 Ii; aber der Umstand, dass dieser Ort an
der grossen Heerstrasse nach Korla belegen ist, und der Mangel an An-
siedelungen, die dem Flusse nahe lägen, geben Anlass, über letzteren zu
sprechen, wie es nun überhaupt weiter heisst, dass der Kluss südlich von dem
oder jenem an dieser Heerstrasse gelegenen Orte vorbeifiiesse, obgleich der
Abstand sich nach Osten zu kaum verringern, gelegentlich sogar erheblich
vergrössern möchte. Lange Zeit hindurch hat wohl kein menschlicher Fuss
das Ufer des Flusses in dieser »Salz- Wüste< (yen ko-pi, d. h. gbobi), wie
die Karte sie nennt, betreten. — 320 Ii nordöstlich von Kutshe liegt nach
unserem Verfasser die Feste Yü-ku'r und 10 Ii südlich davon das türkische
Landgut gleichen Namens. Yü-ku'r ist das Qebiet des Lun-thai oder
»Rad-Turmes« der Han. Nach der zur Geschichte der Han gehörigen
»Erzählung von deii Westlanden« (Si-yü-thshuan) waren der Lun-thai
und das Gebiet des Khü-Li einander nah. 40 Ii südlich von dem Land-
gute befand sich nach unserem Verfasser eine kleinere, noch 20 Ii
weiter südlich eine grosse zerfallene Stadt, während über 100 Ii
weiter südlich noch mehr alte Städte mit ihren Vorstädten lagen
und angebautes Land, das kreuz und quer von Wasserrinnen nnd
Dämmen durchzogen war, denen man nur zu folgen brauchte, um gerade
auf das Ufer des Flusses zu gelangen; streitige Felder seien unter der
Verwaltnng der Beamten gewesen 1 ).
200 Ii weiter nach Osten fliesst der Fluss südlich von der Festung
Tshadyr vorbei, die nach der Anmerkung ihren auf Türkisch ein »Filz-
zelt« bedeutenden Namen daher erhalten hat, dass in früheren Zeiten
einmal ein Heerlager hier stand. Noch 160 Ii weiter östlich fliesst der
•) Hinsichtlich der Bevölkerung von Yugor (s. Ritter, V, S. 445) sagt Grigorieff in
seiner Anmerkung CCCLXXXII zu der Uebersetzung de« Ostturkistan betreffenden Teiles
von Ritters .Asien" Folgendes: „In Beziehung auf die Bevölkerung von Bugur erfahren
wir aus derselben Quelle" (es war die Uebersetzung des .Si - yu- wön-kien-lu durch
Vater Jakinth vorher erwähnt, und am Schlüsse findet sich der Hinweis auf des Letzteren
.Beschreibung Dsungariens", S S 119 — 120, übrigens teilweise ein »elbständiges Werk),
„dass dort keine Uiguren sind" (d. h heutzutage), .da zur Zeit des Aufstandes der
Xodzhas (1757 — 17. r >8) alle Einwohner dieser Stadt auseinanderflohen und nach der
Unterdrückung des Aufstandes 500 Familien „Dolanische Turkistaner'' hierhergefilhrt
worden, um hier zu wohnen, wobei erklärt wird, da» die „Dolaner" einen abgesonderten
Stamm in Turkistan bildeten, der den Xodzha's nahe stand: sie weideten ihre Pferde
und zogen die Adler* (Falken V). Ueber Dolan s. bei Shaw a. a. ü. und in den An-
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Flugs südlich von der Feste Tshertshti (Tshartshi), welche nach dem Ver-
fasser ihren Namen (thshö'r-thshu) daher haben soll, daas dort viele alte
Gräber seien, welche den VorQberreisenden viele Krau kheiten verursachten,
der Name bedeute im Dsungarischen »scheuen«. Ich habe ein genau
entsprechendes mongolisches Wort nicht finden können; auf einer Karte
in Petermann's Mitteilungen ist der Ort Tshartshi nach Kuropatkin
genannt; nach Zenker's Wörterbuch bedeutet tshertshi einen wandernden
Krämer, es ist daher die Ableitung von diesem türkischen Worte nicht
so unwahrscheinlich, da derartige Benennungen bei den Türken nicht selten
sind (vgl. Eltshi, Iltshi, »Gesandter«, Bei Oglu = Pera, eigentlich »Sohn
des Beg«).
Zwischen Tshadyr und Tshartshi liegt nach unserem Verfasser eine
fruchtbare Hochebene, deren südlicher, sich dem Flusse nähernder Teil
früher zum Gebiete von KhÜ-Li, deren nördlicher Teil aber, welcher
dem Gebirge nahe lag, zu Wu-Lei (Ului bei Richthofen, China, I,
S. 460ff; Ulei bei Ritter, V, S. 614) gehörte. Da hier die Mitte der West-
Lande (Si-yü) war, wurde die Hauptstadt Tu-Hwo-Fu hier gegründet
[60 v. Chr. durch Tshöng-Ki unter dem Hau-Kaiser Hiao-Sflan-Ti nach
dem Kang Kien I Tshi Lu, wo indessen von einem Mo-Fu, einer »Lager-«
oder > Zeltstadt«, die Rede ist, während das von ihm abhängige U-Lei
eine »Stadt« (thshöng, auch »Stadtmauer« oder »Wall«) genannt ist, die
über 2700 Ii vom Tang-Knan bei Sha-Tshou entfernt sei].
»170 Ii weiter ostwärts fliesst der Fluss an der Nordeite des Gutes
Ku'r-lö vorbei.« Mit diesen Worten setzt der Verfasser den von ihm
verfolgten Weg, aber nicht den Lauf des Tarim-Flusses fort, was ein hand-
greifliches Verseheu ist, da hier der Hai-tu-Fluss, und zwar in ganz anderer
Richtung fliesst. Dennoch lässt er sich auf eine Erklärung des Namens
Ku'r-lö au dieser Stelle ein, und in der That scheint der Fehler in einer
späteren Ausgabe verbessert zu sein, wenn Uspenski dieses nicht still-
schweigend gethan hat, indem er der dem Werke beigegebenen Karte
und der Ueberschrift des Abschnittes folgte, die allerdings sagt: »weiter
östlich fliesst er (der Tarim-Fluss, wie Uspenski in dem Falle richtig er-
gänzt) südlich von dem Landgute Ku'r-lö vorbei«. Der Name soll im
Türkischen »hinschauen« bedeuten; dieses ist westtürkisch gör(mek), ost-
türkisch kör(mäk), kür(rnäk), es wäre daher zu vermuten, dass es sich
um eine Aussprache wie Körle handelte. (Zenker hat einmal auch koruu-
raak, S. 771 des türk. Wörterbuches.) Es ist aber kein anderer Ort
gemeint, als das bekannte Korla des Obersten Przewalski. Der Name
soll nach unserem Verfasser daher kommen, dass die Gegend die Gestalt
eines Balkon's hätte, von dem man eine Aussicht gen i essen könne; der
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Name laute auch Ku-lung-lö (Körükle, Köröngle, Körnmle?) 1 ) Das Gebiet
tod Korla grenzt östlich an die Stadt Xarashar, westlich an Yugur, im
Südosten sind es über 500 Ii bis zum Lob-Noor, im Norden 200 Ii bis
zum Dolo- Joche. Yugur (Yü-ku'r) grenzt westlich an Kutshe, östlich
an Korla, südlich sind es 240 Ii bis zum Tarim-Flusse , nördlich 70 Ii
bis zum Ai-Kumushi-Gebirge (nach der Anmerkung ist ku-mu-shi im
Türkischen »Silber«; im Westtürkischen ist dieses gümüsh, im Ost-
türkischen nach Shaw kumush, ai ist »Mond«, ai-kumushi ist daher
»Mondsilber«, man hätte sich darnach einen Namen wie Ai-kuniushi'-tagbl
zu denken). Alle diese Ortschaften standen unter Hakim-Beg's dritten
Ranges, aber unter einem Oberen. 1767 wurden über 600 Familien
von Korla nach ;Gadshama versetzt, ihr Beg blieb aber in Korla, von
wo ans er beide Landgüter (tshuang, obgleich es sich doch im Falle
Korla's nm eine Stadt handelt) verwaltete, die zum Gebiete von Xarashar
gehörten. Das Land ist fruchtbar. In der Erzählung von Suleimao, die
(in der amtlichen Reichsgeschichte) der von Emin Xodzha angefügt ist,
heisst es, dasa im Jahre 1760 Muslims aller Stände von Suleiman aus
Xarashar nach Yugur und Korla geschafft wurden, wo Felder und Wasser
zur Bewässerung zugemessen wurden. Diejenigen, welche Bich ansiedeln
wollten, mussten sich in der Nähe der beiden Güter halten. An den
gleichmässigen Aeckern, bunten Hügeln, grünem Lauch u. s. w. kam der
Verfasser gegen Sommersanfang vorüber. In dieser feuchten Jahreszeit
antworteten sich ans dem Weizen die Rufe der Fasane (thien-tshi-
» Himmels* Fasan«), die Bitterbohnen blühten u. s. w.
Der Xaidu-Fluss.
»Der Xaidu-Fluss mündet von Norden«, diesen Satz gebrauchte der
Verfasser als Ueberschrift eines neuen Abschuittes. »Der Xaidu-Fluss ist
ein Gewässer des Gebietes von Xarashar«, mit diesen Worten leitet der
Verfasser einige Bemerkungen ein, die sich auf die Geschichte dieses
Gebietes beziehn. Xarashar war nach ihm unter den Han das Gebiet
der beiden Länder Yen-K hi und Wei-Sü und gehörte später türkischen
Stämmen. Ueber die Ureinwohner ist noch vieles nnsicher; A-ki-ni, mit
welchem Lande des Si-yü-ki beginnt, war nach Vivien de Saint-Martin
(s. 8. 264 f. des im Anhang zu Julien 's Uebersetznng des Si-yü-ki
herausgegebenen Memoire Analytique sur la carte de TAsie centrale et
de linde construite d'apres le Si-Yu-Ki) dasselbe Land, und er warf die
Frage auf, ob hier eine Abänderung des sonst ziemlich allgemein für die
•) Ritter war erat zweifelhaft, ob „Kurli", („Kurla") und „Kurungli" denselben
Ort bezeichneten, gelangte aber mit dem Fortschreiten seine» Werkes zu immer grosserer
Gewisebeit (s. Asien, V, S. 330, S. 444; Grigorieff, Anmerkung XL11).
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Gegend vorkommenden Namens Yen-Ki vorliege (letzterer erinnert bei-
läufig an das türkische yengi »neu«). Der Wallfahrer Höan-Tshuang
sagt von der in Akini gebrauchlichen Schrift, dieselbe sei aus
Indien geholt mit wenigen Znthaten und Auslassungen, was
auch auf die etwa zur selben Zeit in Tibet eingeführte tibetische Schrift
passt. Es möge hier jedoch über Xarasbar und Yen-Khi eine Berichtigung
GrigoriefFs zu Ritters »Asien« erwähnt werden. Ritter sagt nämlich S. 445
des 5. Bandes seines »Asiens«: »Jenes Kharaschar', von dem oben im
Lande der einstigen Uiguren die Rede war, ist, nach einer Stelle
der chinesischen Reichsgeographie vom Jahre 1790, die Klaproth M )
citirt hat (** J. Klaproth, Observations critiques sur les Recherches
etc. in Mem. relatifs ä l'Asie. T. II, 1826, p. 846), eine alte
Capitale der Uiguren gewesen, welche Yankhi hiess.« Dazu sagt
Grigorieff, Anm. CCCLXXXI: »Dass der heutige Kreis Xarasbar
mehr oder weniger zusammenfallt mit den Grenzen des Landes, welches
bestandig seit den Zeiten des Herrscherhauses der Han bis zu deneu
der Thang einschliesslich, oder vom 1. Jahrhundert vor Christus bis zum
10. nach Christus bei den Chinesen Yan-tei genannt wurde« (die russische
Umschrift stützt sich auf die neuere Aussprache), »daran ist kein Zweifel;
aber dass die chinesische Reichsgeographie, d. h. das Dai-Tsing-i-tun-Öfci«
(Ta-Thsing-i-thung-tshi), gesagt hätte, die Stadt Xarashar selber sei
Yan-tsi genannt worden und habe den Uiguren als Hauptstadt
gedient, das kann nicht so sein: das äussert Klaproth irrtümlich
als eigene Behauptung (ot swojego litsa), Ritter aber, indem er
Klaproth 's Irrtum wiederholte, schrieb denselben zum Ueberfluss noch
den Chinesen zu.« Uebrigens wird in der Geschichte der früheren Han
eine Stadt Yüan-Kü als Herrschersitz in Yen-Khi genannt (s. Bitschurin,
Sobranie swjedjenii und Grigorieff in den Ergänzungen zu Ritter's Asien
S. 31). Die Lage »in der Nähe eines fischreichen Sees« und die auf
der Karte verzeichneten Trümmer einer alten Stadt zwischen dem oberen
und dem unteren Xaidu-Flusse könnten allerdings im Allgemeinen für
die Oertlichkeit sprechen, als deren Entfernungen angegeben sind: 7300 Ii
von Thshang-an, 400 Ii S. W. bis zum Sitze des Statthalters (Tu-Hwo-Fn),
100 Ii S. Yü-Li, im Norden Wu-Sun (Usun, s. Grigorieff a. a. O,). —
Zur Zeit der Dsungaren schied nach unserem Verfasser der »kleine
Tsö-Ling« (Dzeren) Dundobu westlich vom Xaidu-Flusse die beiden
Stämme (otok) der Shala (Shara, Shira »Gelben«?) und Maghos (»die
Schlechten«?) ab. Nach einer Anraerkuug gab es 24 solcher otok der
Dsungaren. Die genannten Stämme eigneten sich aber auch das Gebiet
von Korla an (auf dem linken Ufer des Flusses), und Setik, der Sohn
des Tokto Kietti Abdullah, Beg's von Korla, begab sich mit dem ihm
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untergebenen Mahmud Tordai nach Turfan. Alles dieses ist dem Berichte
des Oberfeldherrn von Ning-Yüan, Yo-Tshung-Ki, vom 9. Jahre Yung-
Tshing (1731) eingefügt, der besagt, der türkische Ueberlänfer aus dem
Lager der Aufständischen (tsei »Diebe«) Lan-Shüng-Tshi habe mitgeteilt,
dass Leute aus dem Hause des Galdan Dzeren und aus dem von ihm
befehligten Stamme nach Xarashar geschickt seien, dort zu wohnen,
welches also selbstredend zum Dsnngaren-Gebiete gehöre. Im 10. Monat
des 22. Jahres Khien-Lung (1757), als der Unterstaatssecretär (shi-lang)
des Schatzamtes (hn-pu), Herzog A-li-khnn, die Shara und die Magnus
ausrottete, entwichen die Aufstandischen nach Kutshe zu, fällten Bäume,
zündeten Feuer an und versperrten die Wege durch das Gebirge. Als
darauf der mittlere Weg genommen und die Berge durchsucht wurden,
gelangte man auf einem Seitenwege nach Tabun-Shong/or-namgha
(Tha-pön-shun-ho'r-na-mn-ka, mongolisch »Fünf- Falken-Sumpf«?), wo man
ihrer eine Anzahl von mehr als 200 Mann gefangen nahm. Im Jahre 1759
wurde ein Landesverweser (pan-shi) angestellt neben einer Besatzung von
295 Reitern und 302 anzusiedelnden (thun-thien) Soldaten vom grünen
Banner von Shän-Si und Kan-Su. Als deren West-Grenze wurde das
nördlich von Kutshe (!!) belegene Xan-Tengri-Gebirge bestimmt. Ueber
100 Ii östlich vom Gebirge (also dem kurz vorhergegangenen Xan-Tengri-
shan, da auf dieses shan gleich folgt shan tung »vom Gebirge östlich«)
ist nach unserem Verfasser eine Gegend Namens Alar, wo über hundert
lebeudige Quellen sich vereinigen nnd, ostwärts fliessend, den grossen
Yulduz-Fluss bilden. Alar ist eine so genaue Wiedergabe des mongo-
lischen aral »Insel«, wie man es von chinesischen Büchern über Erdkunde
nur erwarten kann; dass yulduz »Stern« bedeutet, ist bekannt, das west-
turkische Wort ist ildiz, yYldiz, osttürkisch ist nach Zenker yoldyz,
nach Shaw yüldüz. »Aral« mag sich wohl auf die von fast allen Seiten
von Wasser umgebene Lage beziehen (die chinesischen Karten lassen den
grossen Yüldüz ein gewaltiges Werder von über 400 Ii Länge bilden);
den Vergleich mit »Sternen« sah Przewalski, der den kleinen Yulduz.
bereiste, in der hohen Lage und den vorzüglichen Weiden, unser Verfasser
in den Quellen (wobei er augenscheinlich an den ganzen Sternenhimmel
und die grosse Anzahl der Quellen dachte, deren Wasser von allen Seiten
hervorleuchtet). Die Lage der Quelle des grossen Yüldüz-Flusses soll
sein: 42° 45' N. B., 34° 30' W. L. von Peking. Die Gegend war der
Weideplatz des Dzhoriktu 1 ) Xan der Turghuten. Eine Anmerkung belehrt
') dzhorik, zorik „Vorsatz, Wille, Mut," zoriktu „mutig". Ueber daa neuere
Schicksal der turghutischen Bcvölkeruug de» Yüldüz sagt F'rzewalski, dass die vor
11 Jahren dort ungefähr 10 000 „Kibitken* zählenden Turguten, von den Duuganen
ausgeplündert, teils in die Umgegend von Xarashar, teils an den Iii gezogen seien. —
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ans, da« diese den dritten Stamm unter den vier Wei-la-thÖ (Oirat,
Kalmücken, Ölet) bilden. [Letztere- waren die Xoshot, die Denn garen
(dseün-ghar linke Hand, was bald den Norden, bald den Osten bedeutet),
die Dürbet (Turbot, Dnrbot; aacb, nach Uspenski, Dshoros genannt)
und die Turghut.] Nach Uspenski's »Strana Kuke-Nor ili Tsing-Xai a pri-
bawleniem kratkoi istorii Oiratow i Mongolow« (Zapiski . . . . po ot-
djeleniju etnografii, St. Petersburg 1880), wurden die Turghuten zur Zeit
ihrer Auawanderung nach Russland in der Aufzählung der »vier Oiratc
durch die Xoit ersetzt. Letztere gehörten erst zu den Turboten (als
dereu Stammesan gehörige sie noch auf der Karte des I-thung-yü-thu
nördlich von Kobdo erwähnt sind, während ihr südliches Banner süd-
östlich vom Küke-Nur selbständig erscbeiut). Im 36. Jahre Khien-Lung
(1771, im Jahre der Unterwerfung der Dsungaren) kehrte nach unserem
Verfasser übashi, der Fürst (Xan) der »alten« Targhut mit dem Taidschi
der » neuen c Turghut Sheleng von dem auf russischem Gebiete belegenen
Edzil-Flusse zurück (Edzil = Etil =r Wolga, wie der Irtiach auch im
Mongolischen Ertshish heisat). Der Name des ersten mit der Würde
eines Xau's der »alten« Turghut belehnten Fürsten war Unaun Sudzhuktu.
Die verbundenen Stämme bilden 10 dzhasak oder »Ver waltungen c in
4 lu (chinesisch »Weg«), die ihren Namen nach den Himmelsgegenden
führen. Zu dem hier in Betracht kommenden Nan-lu oder südlichen
Kreise gehören die 4 Banner des Dzhoriktu Xan, des beisze Bayartu,
des Herzogs (kuug) von Fu-Kwo (»Reiches-Hülfe), und das eines taiddhi
ersten Ranges, welche alle ihre Weideplätze im grossen Yüldüz hatten.
Die 3 Banner des Pei-lu oder nördlichen Kreises: nämlich das des
Prinzen ersten Ranges (thsin-wang, eigentlich »Prinzen der Verwandt-
schaft, d. h. Kaisers Brüder«) Buyantu, das eires taidshi erster Stufe
mit dem Range eines Herzogs und das des Fu-Kwo-kung (s. oben),
haben ihre Weideplätze am Xobok(- Flusse) und Sali (Sary-Gebirge) im
Lande Tarbaghatai (nach dem I-thung-yü-thu Quelle des Xobok am
Sa-li-shan etwa 47° 10' N. B., 30° 33' 20" W. L., die drei Banner der
Turghut des Pei-Lu etwa 163 Ii südöstlich von da nach der Karte ge-
messen, etwa 100 Ii nördlich von einem Weideplatze der Kasaken oder
sogenannten Kirgisen). Die 2 Banner des Tong-lu oder östlichen Kreises:
nämlich das des kün-wang oder Prinzen zweiten Ranges (eigentlich:
Sohnes eines thsin-wang) Bishigbultn und das des beisze Itegel, haben
ihren Weideplatz am Dzirghalang-Flusse, westlich von Kurkara-Ussu.
Das eine Banner des Si-lu oder westlichen Kreises stand unter dem
Beile von Dzirghalang und weidete am Tsing-ho oder »Krystall- Flusse«
(einem Zuflüsse des See's Boro-Tala). Der Stifter des Stammes der
»neuen« Turghuten war der »schwarze« Setkiltü. Der Stamm besteht
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ans den 2 Bannern des kön-wang Biliktn vom linken und des beisze
Utshalaltu vom rechteu Flügel nnd weidet am Altai-Gebirge in der Land-
schaft Kobdo (nach dem I-thung-yü-thu genaner in der südlichsten
Krümmung des Wu-lung-pn-ho oder Uljungur, eines Zuflusses des Kyzyl-
Bash-Sees, ungefähr auf dem 46° N. B.).
Der Verfasser verfolgt nun den Lauf des grossen Yüldüz-FIusses
und sagt, dass der Fluss nach Osten fliesse, und dass der Törme-Xada-
Bulak von Süden her in ihn münde. Nach der Anmerkung bedeutet
törme (terme) im Dsungarischen das von den Mongolen von allen Seiten
eingehüllte Holzgestell, welches auf Mongolisch /ana heisst (/ada ist
»Felseu«, bulak »Quelle«); /ana bedeutet nach Schmidt's Wörterbuch:
»Wand, Umzäunung, die Gatterwand einer Filzhütte«, das I-thung-yü-thu
hat Thö-li-mu-/a-ta-shui. Weiter östlich mündet der Bulan-Bulak
(»warme Quelle« im Dsungarischen nach der Anmerkung, vielleicht
bülen, da es sonst böliyen im Ostmongolischen ist, wie auch das I-thung-
yü-thu Pu-lien pu-la-kho = Büliyen- Bulak hat) von Süden. Weiter öst-
lich vereinigt sich der fluss mit dem kleinen Yüldüz-Flusse. Letzterer
entspringt nach unserem Verfasser nördlich von Altaninkesün 1 ) auf
43° 10' N. B. und 31° 30' W. L., gegen die Petermann'sche Karte zu
Przewalskis Reise über 26 Minuten zu weit nördlich und etwa 1° 17' zu
weit westlich, während das I-thung-yü-thu beinah genau die richtige
Lage hat. Die Gegend, wo die Quelle sich befindet, war nach dem
Si-yü-shui-tao-ki der Weideplatz der Xoshot, wahrend das I-thung-yü-thu
etwa 50 — 60 Ii geraden Abstandes stromabwärts von der Quelle erst die
vier Banner der Turghut des Nan-Lu und von diesen wieder beinahe
70 Ii weiter stromabwärts nach Westen erst die drei Banner der Xoshot
anzeigt. Die letzteren sind nach der Anmerkung die vierte Abteilung
der »vier Oirat« (Wei-la-thö 8. o.). Der Urahn war Ak-Sakaltai Noyan,
ein Nachkomme eines Bordzhigit, welcher nach der Zeit der Mongolen-
Herrschaft (über China) lebte, und von Ak-Sakaltai's Geschlecht weidete
ein Teil an der Wolga, kehrte aber mit den Turghuten zurück. Mit
der Herrschaft über den Stamm belehnt wurde Batu Setkiltu, und
der verbündeten dzhasak waren vier, nämlich der des Tusietu Beile, der
des Amurlingghoi Beisze, und die zwei eines taidshi ersten Ranges. Von
diesen vier Bannern waren aber nur drei geblieben, seit im Jahre 1797
(Kia-khing, 2. Jahr) mit dem Beile Tengteke dessen Geschlecht ausstarb.
Der Kleine Yüldüz-Fluss fliesst nach dem Si-yü-shui-tao-ki aus zehn
hervorsickernden Quellen als dünner Streifen nördlich am Olau-Passe
vorbei nnd nimmt vier Zuflüsse von Norden auf. Weder die Karte des
') Altan ingesün ula könnte etwa „Gebirge der goldenen Kamelstuten- »ein.
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Si-yü-shui-tao-ki (die achte und letzte der je zwei Seiten umfassenden
Karten am Schlüsse des zweiten Heftes, welche sich alle auf das Lob*
Noor-Becken beziehn), noch die des I-thong-yü-thu geben dem Kleinen
Yüldüz-FIusse südliche Zuflüsse, obwohl Przewalski deren eine ziemliche
Anzahl überschritt; der Grund wird sein, dass das Gebirge ziemlich nahe
ist und die Zuflüsse einen nur kurzen Lauf haben. Auf der Petermann'scheu
Karte zu Przewalski's Reise folgen einander in der das grosse vom Kleinen
Yüldüz-Thal treunenden Kette von Westen nach Osten die vier Joche
(daban) Tshulule, Sermin, Yamatu und Gurban (mongolisch = »drei«?),
und von den südlichen Zuflüssen trägt einer den Namen des Gebirges
Yamatu. Auf der Karte des I-thung-yü-thu findet sich ungefähr an der
entsprechenden Stelle ein Yamatu -Xabtsbil- Wasser (ha-pu-thshi-r =
^abtsbil »Schlucht« , yaman Steinbock', yamatu das Eigenschaftswort
davon), welches sich nach Süden in den nördlichen Arm des Grossen Yüldüz-
Flusses ergiesst, darauf folgt weiter ostlich ein Wu-lan-ling-shui (= Ulan
dabanu nssu »Wasser des roten Joches«), dessen Quelle neben der An-
deutung von Bergen ganz nahe am Laufe des Kleinen Yüldüz-Flnsses
angemerkt ist; ein Ulan-daban befindet sich auch nach dem I-thung-yü-
thu westlich vom Na rat- Joche, und da das Si-yü-shui-tao-ki das Wort
ulan sonst wie das I-thung-yü-thu durch Wu-lan wiederzugeben pflegt,
könnte man auf Seiten des letzteren eine Verwechselung vermuten, und viel-
leicht ist olan »viel« gemeint Andererseits ist wohl zu bezweifeln, ob das
Si-yü-shui-tao-ki, welches das Elbek-Gebirge-und das Olan-Joch in einer
ununterbrochenen Kette das Thal des Kleinen Yüldüz südlich einsäumen
lässt, mit Recht die Quellen der nördlichen Zuflüsse des Grossen Yüldüz alle
an eine zweite südlichere Kette versetzt, wogegen der Yamatu-daban und der
gleichnamige Zufluss bei Przewalski, sowie der Yamatu-Xabtshil-Fluss des
I-thung-yü-thu, das Wu-lan-ling-shui, das Ghurban-aokek- Wasser des
letzteren (ghurban nukur des Si-yu-shui-tao-ki) und der Gurban-daban
bei Przewalski zu sprechen scheinen. Die vier von Norden (bis zom
Elbek-Gebirge) in den Kleinen Yüldüz-Flusa mündenden Zuflüsse sind von
unserem Verfasser nicht namhaft gemacht, von den im I-thung-yü-thu
angeführten Namen Ying-pu-la-tn shui (= mongolisch Eng bulatu ussu?),
Pa-ha-pu-la-tu shui (bagha bulatu ussu), Tsha-ha-su-thai shui (Dzhaghasotai
ussu), Ghurban kelte shui (Ghurbau kelteke ussu »Drei- Karauschen-
Wasser« ?) findet sich bei Przewalski wieder der Name Sagasutai gol, sein
Bagha Burghasutai oder »kleiner Weidenfluss« lässt auf einen Yeke
ßurghasutai oder »grossen Weidenfluss« schliessen und scheint eben
obiger Bagha Bulatu (bulaktu »Quellfluss« ?) zu sein.
Weiter nach Westen fliesst der Kleine Yüldüz-Flnss nördlich vom
Elbek-Gebirge oder -Berge (shau) vorüber, welcher Name, wie auch die
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Anmerkung ihn ans dem Dsungarischen erklärt, »reichlich, überflüssige
im Mongolischen bedeutet, sich also wohl auf die fruchtbare Gegend
bezieht. Dort mündet von Norden der Uliyasutai oder »Weidenfluss«.
Weiter nach Südwesten vereinigt sich der kleine mit dem Grossen Yüldüz-
Flusse. (Nach dem I-thuug-yü-thu folgt auf deu Ghurban-Kelte-Fluss
noch ein Komunaktu-ling shui.) An der Stelle der Mündung münden
nach unserem Verfasser zwei Gewässer von Westen her, die an der Ost-
seite des Wu-shi-kiak-Gebirges herfliessen (nach der Karte vereinigen sich
dieselben schon weit oberhalb der Mündung in den Yüldüz-Fluss, im
I-thung-yü-thu fehlt dieser Zufluss).
Die Gegend der Mündung gilt dem Verfasser als genaue Mitte
zwischen den Grenzen des Si-yü im Osten und Westen (?); nach Osten
könne man nach dem A-la-kuei oder Ar/ui-Gebirge kommen (dessen
Name nach der Anmerkung »gefährliche im Dsungarischen bedeute), im
Westen grenze daran die Quelle des Kunges in Iii (der seinen türkischen
Namen vom Schall eines Trittes haben soll).
Vor Beilegung der Unruhen der Dsungaren ging man nach unserem
Verfasser immer über den Yüldüz, um sich von Hami nach Iii zu begehen.
Nach dem Si-thshui-ki-lio »Abriss einer Geschichte der Westraarken«
heisst es im Tagebuche der Reise eines unter der Herrschaft Yung-Tshöng
(1723 — 36) zu deu Dsungaren geschickten Gesandten (s. u.), er sei von
Tsagan-Obotu*) 90 Ii weit nach dem Kleinen Yüldüz gegangen, wo er
ebenen Weg und gutes Wasser und Gras gefunden habe, vom Kleinen
Yüldüz nach dem grossen 80 Ii weit auch bei ebenem Weg und vor-
trefflichem Wasser und Grase. In beiden Yüldüz ist es nach unserem
Verfasser im Winter und im Sommer angenehm; nur im Frühjahr fliegt
noch Schnee und Regen und ballt sich, wenn kein Wind weht, zusammen.
Zwei Wege sollen aus dem Yüldüz-Thale führen, ein Richteweg vom
Grossen Yüldüz nach 60 Ii nach der Schlucht des Otun-Khur-Gebirges
und von da nach 50 Ii über den Otun-Khur-Ling, der ebene Weg aber
vom Grossen Yüldüz nach Süd- Westen (lies: Nord-Osten) über das Joch
des Unaghan-daghan oder die Quelle des Kunges-Flnssee. Die Anmerkung
zu Otun-Khur besagt, dass otun (= odon) auf mongolisch »Stern«*),
khur auf Dsungarisch »Schneehaufen« bedeute (odon »Stern«, küre
»Hänfen« bei Schmidt, mongol. Wörterbuch?). Unaghan bedeutet »Füllen«,
dagha ein »zweijähriges Füllen«, das n der Kndung wird oft im Mon-
golischen willkürlich weggelassen; Unaghan-daghanu Daban wäre also
ein »Füllen-Joch«, welches übrigens nicht zu verwechseln ist mit dem
weiter westlich gelegenen Unughut- Daban. Nach dem 4. Hefte (S. 8b) des
") tsaghan „weiss", obo „Steinhaufen" nach der Anmerkung.
') Vgl. YUMflz.
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Si-yü-shui-tao-ki, welches von Iii handelt, entspringt der Kunges auf
43° 31' N. B., 32° 58' W. L. (etwa 2 Grade au weit westlich?) am West-
abhange des an der Nordwest-Grenze des Gebietes von Xarashar befindlichen
Odon-Kür-Joches. Am Ustabhange desselben ist eine warme Quelle, die
in Stein gefasst ist, welche Arbeit man den Dsnngaren zuschreibt. Das
oben erwähnte »Tagebuch • einer Gesandtschaftsreise zu den Dsnngaren«
(Shi chön Tshung ka'r hing thshong ki) sagt: »Von der Thalmundung
des A-la-kuei-Gebirges bis zur Quelle des Knnges sind 9 Tagereisen. Man
geht Ton der genannten Thalmündung 470 Ii nach Westen und gelangt
nach dem Grossen (?) Yüldüz, dann nach 60 Ii bis zar Thalmündung des
Odon-Kür. Am 20. Tage des ersten Monats brach man von der östlichen
Schlucht des Odon-Kür-Gebirges auf, überschritt das gleichnamige Joch
und kam nach 50 Ii in die Schlucht der Westseite. Auf beiden Ufern
war dichter Kiefern- Wald , in dessen Mitte das Gewässer floss .... es
regnete und schneite, sodass es am schlüpfrigen Abhänge schwer zu
gehen war. Am 21. ging man am Kunges abwärts in der Felsenschlucht
60 Ii .... am 22. übernachtete man nach 80 Ii Weges in der west-
lichen Thalmündung des O-tun-khur-shan, am 24. nach 60 Ii Weges am
Kunges, welcher nach über 100 Ii aus dem O-tun-khur-Gebirge hinaustritt
(4. Heft, S. 8b).
Im Ho-shi-thÖ-tsung-thshuan (der allgemeinen Erzählung von den
Xoshot) heisst es, dass Norbudundok am Eriyen-Xabirgha weide (nach
der Anmerkung bedeutet Clin im Dsungarischen »bunt«, ha-pi-Y-ka aber
»Seitenrippe«, nach Schmidt ist eriyen im Mongolischen »bunt«, /abirgha
»Seite«, »Berglehne«, /abisun »Rippen«; im Burjatischen bedeutet nach
Gastren /aberga »Rippe«, in einer andern Mundart auch »Seite«; ich
umschreibe also: Eriyen-Xabirgha). Dem höchsten Teile des Gebirges
wurden während des Dsungareu-Krieges im kaiserlichen Auftrage Opfer
dargebracht. Die Anmerkung spricht von diesen Opfern und dem
Amursana, der in diesem Gebirge seine Zuflucht gesucht hatte; am
Schlüsse der Anmerkung aber heisst es vom Bogda, vom Xatun-Bogda
und vom Eriyen-Xabirgha-Gebirge, wie folgt: >800 Ii westlich vom
Bogda-Shan, 100 Ii westlich vom Xatun-Bogda-Shan ist der Bogda-Shan
erhaben wie des Menschen Haupt, der Eriyen-Xabirgha befindet sich
rechts und links von seinem Oberhaupte, wie Seitenrippen. Da der
höchste Gipfel des Thien-Sban der Bogda 1 ) ist, so kann man alle Berge,
') Mongolisch: Bogda .heilig", Bogda-edzben (göttlicher Herr) „der Kaiser", ^atun
«Königin, vornehme Frau". — In der chinesischen Umschrift ist Bogda = Po-k*e-ta im
Si-yü-shui-tao-ki und Huang-Thshao I-thnng-vu-ti-tbsfian-tbu ; ebenso, oder auch Pn-k 4 e-ta
im I-tbung-yü-thu. Ritter'* Pu-khi-tha-p.m in Urnmtsi ist wohl nichts weiter als Bogda-
dabao, s. Grigorieff. Anm. CDI.
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die rechts und links davon liegen, Eriyen-Xabirgha nennen. Die Oertlich-
keit, wo den jetzigen Meldungen nach die Opfer dargebracht werden,
ist sicherlich das 100 Ii westlich vom Xatun-Bogda liegende Gebirge.«
Für das o in Bogdo, wie statt Bogda aof unseren Karten wohl gebräuch-
lich ist, zeugen, soweit ich augenblicklich sehe, das Bogdo der Tungusen,
die diesen den Kaiser bezeichnenden Ausdruck auf das Land China 1 )
übertragen haben (s. Gastren, tungusische Sprachlehre S. 95) und
boghdo »mutig, kühn« im Jakutischen, wenn dieses aus dem Mongolischen
stammen sollte (s. Böhtlingk, über die Sprache der Jakuten, S. 134 des
Wörterbuches). Augenscheinlich hat aber das Eriyen-Xabirgha-Gebirge
zwei sogenannte Schultern (mongolisch mürü); denn im I-thung-yü-thu,
• wo das ganze Gebirge Thöng-ke-li-shan (= Tengri taghi oder Tegri-
yin ula?) »Hinimelsgebirge« (chinesisch Thien-Shan) genannt ist, finde
ich angemerkt:
1. den Bogda-Shan 26-27° W. L., 43° 30'-48° 50' N. B. (üramtschi
etwa 27° 20' W. L. und 43° 61' N. B.),
2. den Xatun-Bogda-Shan 43° N. B., 29° 30' W. L. (an der Quelle
des Barghatai-Xabdzhighai),
3. den Eriyen-Xabirghan-Mulu (= mürü!) etwa 43° 34' N. B., 30° .
W. L., — ferner unter demselben Namen 48° N. B., 28° . .'
W. L. Etwa gerade die Mitte zwischen beiden ist bezeichnet
Tengnurtai.
(Hier findet sich eine lange Anmerkung über die am Eriyen-Xabirgha
su bringenden Opfer, über Amursana und den eben beendeten Söngaren-
Krieg.)
»Die beiden Flüsse fli essen von dem Bache des Xarghatu-Berges an
Ubomu vorüber, zehntausend Rinnsale fliessen um die Wette, hundert
Bergströme brechen hervor und vereinigen sich, sie stürzen und springen
dahin, sodass die gepeitschten Wogen wie der (Huang-)Ho sind, der am
Ti-Tshu (Schleifsteinsäule in Ho-Nan) - vorbeifliesst, oder wie der (Ta-)
Kiang, wo er aus den gefahrlichen Schluchten des Wu-Shan tritt.«
Nachdem der Fluss nach Südosten geflossen ist, mündet nach dem
Si-yü-shui-tao-ki der Urtu-Bulak (mongolisch »die lange Quelle«) von
Norden, worauf der Fluss sich in zwei Arme teilt, eineu nördlichen
und einen sudlichen. Beide laufen nach Osten. Nur der erstere hat
Zuflüsse, nämlich erst den Moghai-Shara-Bulak (nach der Anmerkung
vom dsungarischen mo-hai »unfähig, unpassend,« und shara »gelb«,
•) Nicht etwa umgekehrt vermöge einer Uebersetiung aus dem Chinesischen. In
letzterem int Chioa Tsbung-Kwo .Reich der Mitte-. Tbien-Kwo „Himmelreich" ge-
brauchten die sogenannten Thaipings erst, deren Name von dem Ausdrucke Thai- Thing
.grosser Friede" stammte, mit dem ihr Kaiser seine Herrschaft beieichnete.
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also Wasser, welches gelb and schmutzig and deshalb unbrauchbar zum
Tranken des Viehes ist; magho^ai ist »hässlich« im Mongolischen, sbira
oder shara »gelbe), dann den Shibartai-Bulak (»schmutziger Quell«), den
Sailam-Bulak, den Ghurban-Nükün(ün)-Bu)ak (»Quelle der drei Genossene),
das Tsaghan-Uasu (»Weisswasser«) und den Kün-Xabtshil(un)-Bulak (»die
Quelle der tiefen Schlucht«).
Nach dem I-thung-yu-thu mündet der Urtu-Bulak schon in den
nördlichen Arm, dann folgen der Sabirtn-Bulak, der Kuo'r-ho-Bulak, der
Tailiinu-Bulak, das Wasser des Yaraatu-Xabtsbil (s. o.), das Ulan-ling-shui
(Ulan-daban(u)-ussu s. o.), das Wasser der Ghurban Ao-kek? (s. o.) und,
wie oben, das Wasser des KOn-Xahtshil. — Aber auch der südliche Arm
hat nach dem I-thung-yü-thu Zuflüsse, nämlich das Dzolot^o-ling-shui,
das Yang-ho-shö'r-shui (chinesisch »Pappelfluss-Furt- Wasser«) das Hoknak-
ling-shui 1 ), das Wei-si-mo-shui und das Wu-kok-ling-shui.
Weiter nach Osten erreicht der Fluss nach dem Si-yü-shui-tao-ki
die Nord-Seite des Dalan-Joches (mongolisch »dalan« 70, also wohl die
»70 Joche«?), worauf sich beide Arme wieder vereinigen. 2 ) Im Jahre 654
fand am Ying-So-Thshuan (thshuan »Thalstrom«) nach der Erzählung
von den Türken in der Geschichte der Thang der Angriff von Seiten des
vorderen Heeres unter Su-Ting-Fang statt, und nach der Erzählung von
den Uiguren befände sich der Ying-So-Thshuan nordwestlich von Yen-
Khi.*) Unser Verfasser wirft die Frage auf, ob das die Wüste (je) von
Yen-Khi sei. Der Name des Dalan-Daban dagegen kommt in der Ge-
schichte der Kämpfe der Mitte des vorigen Jahrhunderts vor. Im Jahre
1757 nämlich, als der General-Major (tu-thung) Man-Fu die aufständischen
Shara und Magnus bekämpfte und nach Xara/olo gekommen war, erblickte
er auf seinem Wege durch das Gebirge einen dichten Wald und unten
einen tiefen Bach. Man-Fu hatte schon Argwohn gefasst und eilig den
Vortrab an sich gezogen, als plötzlich über 1000 Aufständische au9 dem
Walde stürzten und die kaiserlichen Truppen abschuitten. Man-Fu
schrie laut: »Schlagt die Diebe todt« (aha tsei)! Da fiel er getroffen in
den Bach. Temütshi-Dundok-Xashigho von den Shara schickte Leute
aus, welche über das Dalan-Joch gehen und die Brücke über den Xaidu-
Flnss abbrechen mussten. Im Wasser watend, suchte der Hauptmann
Ma-Sze am Flusse einen Weg, ohne einen finden zu können; denn es ist
eine gefährliche Gegend, wo Wasser und Berge sich durcheinander
winden!
') Erinnert an den Kuknak-Ling nördlich von Tshadyr.
*) Im lthung-yü-thu ist erst von Norden ein namenloser Zufluss, dann Tsaghao-
üssu, dann ein Üalan-ling-shui. welches von einem nördlich gelegenen Dalan-Ling
kommt!
») Gebiet von Xarashar, a. o.
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So anschaulich diese Stelle ist (nur dass vielleicht Norden und
Süden wieder verwechselt sind?), so dunkel und dennoch durch die Fülle
von Ortsangaben wichtig ist die folgende, welche sich auf den Xabtshighai-
Fluss bezieht. Es ist der Cbabzagai-Gol und der Balgantai-Gol
der Petermann'schen Karte zu Przewalski's Reise. Letzterer stieg von
dem Passe, der ihn aus dem Kleinen Yüldüz führte, in dem Thale des
Xabtsaghai-FlusBes abwärts dem des Balgantai-gol zu, welches letztere er
jedoch wieder Verliese, wo das Gebirge aufhört (wohl bei Xabtsaghai-(yin-)
anggha, dem »Munde«, oder Eingange in das Thal, »des Xabtsaghai«). Mit
dem Namen Xabtshighai wechselt Xabtshir auf den chinesischen Karten;
uach dem mongolischen Wörterbuche aber ist /abtsaghai »Klippe, Klüfte«,
/abtshi/u »einschrauben«, jabtehighor »Zauge«, /abtshil »Schlucht«.
Das I-thung-yü-thu läset von einem Xabtshir-Ling (dem sich aber weiter
links nach dem Ytildüz zu ein Thshur-Ling anschliesst) das Xabtshir-shui
kommen, welches der Lage nach dem Przewalski'schen Xabtsaghai-Ghool
entspricht, den Hauptfluas, Xabtshighai-ho, lässt das I-thnng-yü-thu aus
dem K'uk'e Ha-pu-thsi-r shui (Küke Xabtshil(-un) üssu; küke, geschrieben
k'uk'e, »blau« ?) und dem Bargbatai Xabtab.il Ussu (Pa'r ka thai ha pu thsi
hai shui), welcher vom Xatun-Bogda-Daban kommt, entstehen, giebt ihm
dem Saaak-Üssu als linken Nebenfluss und teilt bei Xabtshighai-Anggha
den Fluss in zwei Arme, die beide dem K'ai-tu-Ho (Xaidu) zufliessen. 1 )
Die Karte des Si-yü-shui-tao-ki hingegen lässt den Ulan-Ussu südlich
vom Xatun-Bogda-Daban am Xabtshighai-Berge entspringen, ohne Angabe
der, wie wir unten sehen werden, im Buche selber aufgezählten drei
Quellen. Ein Sasak-Fluss als linker Zufluss ist auch nicht erwähnt,
wohl aber ein gewaltiger linker Zufluss, Namens Bortu-ho, der etwa die
vierfache Länge des Ulan-Ussu oberhalb der Mündung zeigt, am Alakuei-
Shan') nach Westen, dann nach Norden und Südwesten fliessen soll, eine
Auffassung, die wohl auf der Nähe der Quelle des Algoi- und der öst-
lichsten Quelle des Barghatai-Flusses beruht. Doch sehen wir, was der
Verfaaser zur Begründung dieser Ansicht sagt:
»Nachdem der Grosse und der Kleine Yüldüz sich vereinigt haben« (das
heisst doch wohl entweder: »nachdem die beiden Arme des Grossen Yüldüz
') Chinesisch shui «Wasser - , ho „Fluss" ; mongolisch ussu „Wasser", ghool „Fluss".
•) Nach einer vom Verfasser des Si-yü-shui-tao-ki S. 19a des 2. Heftes gegebenen
Ableitung bedeutet der Name A-la-kuei, der früher auch A'r-huei geschrieben wurde,
soviel wie .gefährlich" im Dsungarischeu. Im mongolischen Wörterbuche kann ich nichts
Entsprechenderes finden als alaghor „Vorsicht*, .behutsam," alak .bunt, scheckig",
arghui .Sauerklee". Uspenski hat (S. 145 seiner Bearbeitung des 8i-yü-shui«tao-ki)
A-la-kui (Ar^un). Man vergleiche auch die türkischen Ausdrücke arku, arkuri „<|tier",
argidal „Vorberge". — Durch Regel's Reise vom Jahre 1979 ist der Name Algoi fest-
gestellt für einen unter etwa 43° N B, 87° Üe. L. von Gr. am gleichnamigen Joche
entspringenden Fluss, der sich bei Toksun in einen Salzsee ergiesst.
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sich vereinigt haben,« was freilich eine müssige Wiederholung wäre, oder:
»nachdem die Wege des Grossen und des Kleinen Ynldüz sich vereinigt
haben,« was wohl bei Xaramoto der Fall sein wird, wo Przewalski in
das Xaidu-Thal kam), »fliesst (der Fluss) nach Südosten, wo der Ülan-Ussa
ist, der, am Tbale des Bortu-Shan vorbeifliessend, nach südwärts gerichtetem
Laufe mit dem Bortu-ho sich vereinigt. Der Bortu-ho nun entspringt
südöstlich von dem Toksun-kiin-thai von Turfan, fliesst nach Norden, an
der Nordseite der Feste (kün-thai) vorbei, macht eine Wendung nach
Westen, fliesst nördlich an Ilarik vorbei und tritt weiter westlich in die
Thalmündung des A-la-kuei sban. Im Tagebuche der Gesandtschafts-Reise
zu den Dsungaren heisst es: »Am 9. Tage des ersten Monates (ging ich)
von Ilarik ab; nach 140 Ii Aufenthalt in der Alakuei-Schlucht ist breiter
Weg, es giebt dort Steingeröll; östlich ?on der Gegend Alakuei, beinahe
dicht an derselben, ist ein kleiner Flussnamens Teke- Fluss, welcher
dem südwestlichen Thale zufliesst. Innerhalb des Alakuei-Thales ist das
Wasser des Flusses hell und durchsichtig, und die Bäume bilden Wälder.
Nur Menschen gehen an den Abgründen der beiderseitigen Ufer auf und
ab, für Kamele und Pferde ist es sehr beschwerlich. Am 10. Tage (war
ich) noch im Alakuei-Thale, nach 60 Ii hielt ich an und überschritt sieben
bis acht Mal den Fluss. Die Bäume waren dicht, die Pfade steil und
eng. Am 11. Tage noch immer im Alakuei-Thale, nach 70 Ii Aufenthalt
Gelehnt an die Thalmündung, steht eine aus Erde gebaute Stadt; in der
zerfallenen Stadt waren noch Spuren von den steinernen Stufen, die in
den Felsen gehauen waren, und an denen (kiai »alle« für kiai »Stufe«;
vorher das gleichbedeutende töng), dem Berichte zufolge, der Bortu-ho
vorüberfliessen sollte. Sein Gewässer fliesst westwärts und an der Thal-
mündung des Bortu-shan vorbei, um sich mit dem ülan-üssu zu ver-
einigen« (wo die angeführten Stellen aufhören, ist, wie so oft in
chinesischen Büchern, unsicher). »Es giebt auch ein Xabdzhighai-shui,
welches auf dem Xabdzhigbai-shan entspringt. In dem angeführten
Tagebuche der Heise heisst es: Aus dem Alakuei-shan-khou gekommen«
(khou = anga >Mund«; auch im I-tbung-yü-thu ist das Ar/ui-Anga 1 )
an einer dem »Reisetagebuche« etwa entsprechenden Stelle angegeben, der
A r/u i- Fluss aber südlich davon und nördlich vom Alakuei-Shan als nach
Osten fliessend 2 )), »gelangte ich nach 70 Ii nach Ghurban Dengnültei
(Töngnultai soll im Dsungarischen ein Geflecht bedeuten, womit die Ufer-
') Anga iat eigentlich ein Mandachuwort, wie auch bira .Fluss" gelegentlich auf
Karten vorkommt, wo man einen anderen Ausdruck in der ortsüblichen Sprache er-
warten sollte. Im Mongolischen ist sonst ang/a der .Anfang", angghayfu .sich öffnen,
klaffen", aman .Mund, Tualmündung".
') Der Algoi Fluss Regel's. Unser Verfasser hatte die Richtung raissrerstandeo.
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dämme festgehalten werden, also etwa: »Drei Hörden«). Dort ist gutes
Wasser and Gras, der ganze Umkreis gehört dem Dzeren Rabdan (dem
ältesten Sohne des Sengge und sechzehnten Xan der Dzhoros) nnd wird
von Dalai-Shiratu-Leuten bewohnt. Man überschreitet zwei Bergjoche,
die, obwohl steinig, doch gangbar sind. Wenn man vor sich hin blickt,
so hat man im Nordwesten drei Berge vor sich, welches die Ghurban-
Xabtshighai-Berge sind (ghurban = 3). In den drei Thälern derselben
fliessen Gewässer; von Dengnültei ans kommt man zuerst über den Steg
des kleinen Xabtshighai-Berges, von wo es im Ganzen 60 Ii bis zum
mittleren Xabtahighai-Berge sind. Oestlicb von diesem ist das Eriyen-
Xabirgba-Gebirgec (statt tung »östlich« ist es nordöstlich. Anmerkung
des chinesischen Herausgebers). »Vom mittleren Xabtshighai- Berge geht
man ausserhalb am südlichen Thale des Xatun-Bogda-Berges vorüber«
(im Dsungarischen ist /atun die Frau eines angesehenen Mannes; da der
Bogda-Berg die höchste Spitze ist, nnd dieser Berg sein Gefahrte, so
nannte man ihn so). 1 ) »Der Weg ist steinig, man kommt mehrmals über
den Flus8. Im Tbale wohnen Leute, die zu den Shiratu-Lama's ge-
hören. Im Ganzen sind es 70 Ii bis zum dritten Xabtshighai. Auch
überschreitet man von dort den Obotu-Ling (Obotu-Daban), was im
Ganzen 100 Ii beträgt und gelangt nach Obotu. Die Wege sind eben,
Wasser und Gras schön. 3 ) Die in den sogenanuten »drei Thalern« fliessen-
den Gewässer sind die drei Xabtshighai-ho und heissen Baron-Xabtshighai-
Fluas (westlicher X.), Domda Xabtshighai-ho (dumda »Mitte«, dumdatu
»mittlerer«) und Dzün-Xabtshigbai-ho (östlicher X.; dsegun, sön »links«,
(östlich) oder (nördlich), vgl. Dsungaren, Söugaren). Ehemals ergossen sich
alle in den Ulan-Ussu; heutzutage ist die Gewalt der Quellen schwach,
nnd das aus den Thälern kommende Wasser bewässert kaum das kleine
Nest Kodzhe. Von den Feldern der Mongolen sind keine, die in den
Ulan-Ussu ausmünden.«
»Der Ulan-Ussu fliesst nach seiner Vereinigung mit dem Yüldüz
nach Südosteu und wird zum Xaidu-Flusse.« Hier ist in einer Anmerkung
der Name Hai-tu dahin erklärt, dass er auf Türkisch »krumm« bedeute.
Sollte dieses eine richtige Ableitung sein, so wäre die Schreibweise des
I-thung-yü-thu: K 4 ai-tu wohl richtiger, obgleich sich. nicht gerade ein
entsprechendes Wort kaidu in 'den Wörterbüchern findet; von kaimak
') Es soll doch 100 ü weiter westlich noch ein Gipfel sein; sollte der nicht Xan-
Bogda-Ula heissen? Zu Xan würde Xatun stimmen, wie .Kaiserin'' zu .Kaiser". Ver-
gleiche übrigens den Namen Xan-Tengri .König Gott (Gbtterkönig)". Die obige An-
merkung ist vom chinesischen Verfasser.
*) Ende der aus dem Tagebucbe des Gesandten entnommenen Stelle? Die Be-
schaffenheit von Wasser und Gras wiederholt sich zu oft in dem .Tagebuche", um eine
solche Stelle einem anderen Verfasser zuzuweisen.
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>sich biegen« wäre kaighan »sich gebogen habend« das entsprechende
Wort, wenn kaidn nicht für kaidi »bog sich« steht; der Hauchlaut er-
klärt sich aus der mongolischen Aassprache, wie in Xarashar. Uebrigens,
wie der Verfasser weiter unten bemerkt, ist das Land zwischen dem
Bagarash- und dem Lob-See schon in der Geschichte der Hau ho-khü
»des Flusses Krümmung« genannt worden; und dann ist Hai-tu genau
die Schreibweise für Kaidu, den Enkel des Gross-Khan's Ügetei, der
Xubilai-Xan in diesen Gegenden so lange Widerstand leistete.
Beinahe 100 Ii weit fliesst der Xaidu ruhig dahin, ohne Kiesel auf
seidenweichem Bette. Weiter nach Südosten fliesst er 5 Ii weit vor dem
West-Thor von Xarashar vorbei. Der Name dieser Stadt ist nach der
Anmerkung türkisch und der Stadt wegen ihres altertümlichen, schwarzen
Ansehens gegeben (also kara-shehr). Auf beiden Ufern standen Festen
(kün-thai); auf dem Nord-Ufer war der Ho-pei-thai (»Fluss-Nord-Turm«),
welcher unter Xarashar stand, auf dem Süd-Ufer der Ho-nan-tbai (»Fluss-
Süd-Turm«), welcher Kutshe untergeben war. — Der Fluss ist 3 Ii breit 1 ),
hat reines, ruhiges Wasser und ist zum Segeln geeignet Wegen der see-
artigen Breite des Wassers giebt es ein Sprichwort, wonach es mit der
Milchstrasse (thien-ho »Himmelsfluss«) zusammenhängen soll. (Das sagte
man auch vom Huang-Ho.)
Die Stadt Xarashar ist 1758 erbaut mit einer Stadtmauer von 13 Fuss
Hohe und 2540 Fuss Umfang, mit einem West- und einem Ost-Thore.
Gleich nach Gründung der Stadt berichtete der Unterstatthalter Yar/ashan,
dieselbe sei am Verkehrswege von Kutshe und Aksu gelegen, neben dem
Xaidu-Flusse, dessen Wasser nebst den Quellen hinreiche zur Bewässerung;
er bitte demnach um Ansiedelung von Soldaten. Dieser Bericht war vom
1. Monate des Jahres (1758); im fünften Monat schon meldete der mit
der Besiedelnng betraute Unterstaatssecretär Yung-Kuei, das Land um
Xarashar sei sehr breit, das Wasser vom Xaidu aber in grosser Fülle
vorhanden. Nur müssten, da der Fluss selber bis in die Bewässerungs-
Gräben trete, die Aasbesserungen und Eindämmungen sehr vermehrt
werden, damit drei Ansiedelungen mit 6040 mu öffentlichen Landes er-
richtet werden könnten, die 5952 tan, 1 ton, 7 shöng 1 ) Grundsteuer
einbrächten. Im Jahre 1761 meldete der Landesverwalter Na-Shi-Thung,
dass im 5. Monate der Fluss in Xarashar plötzlich drei Fuss gestiegen
') Uspenski führt hierzu eine Bemerkung aus Hyakinth Bitscburin's Werke
„Statistitsheskoje Opisanie Kitaiskoi Imperii* an, der zufolge die Breite des Flusses im
Winter und Frühjahr nicht mehr als ein Ii, aber im Sommer und Herbst wegen der
Regengüsse bis zu 4 Ii betragt.
*) 1 mu = V« »cre englisch etwa nach Williams. 1 tan = 10 tou ™ 100 shöng
= 11-12 gallous. Die thun-thien oder Ansiedelungen von Bannerleuten sind erblich,
aber unveräusserlich, grundsteuerpflichtig, aber unbelastbar.
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nnd bis unter die Stadtmauer gekommen w&re; er habe aber zusammen
über 24000 Fuss lange Dämme aufwerfen lassen, und so sei die Gefahr
gehoben.
Der Fluss geht um die Stadt von Westen nach Süden zu herum,
worauf er sich nach Nordosten wendet und 70 Ii weiter unterhalb an
der Südseite der zweiten Ansiedelung, noch einige Mal zehn Ii an der
Südseite der Ansiedelung (thun-thien) der Turghuten vorbeifliesst. Weiter
östlich kommt er an der Südseite der Ansiedelung der Xoshot vorüber.
Noch weiter östlich wird er zu einem grossen stehenden Gewässer namens
Bostöng-Nur.
Der Verfasser versucht hier seinen Scharfsinn wieder an dem schon
öfter erwähnten Shui-King-tshu (»dem Lehrbuche der Gewässer mit Er-
läuterungenc); zum Verständnisse seiner Auffassungen hat er aber leider
nicht, wie auf einer der vorigen Karten, den vermuteten oder wirklichen
früheren Lauf der Gewässer durch schwarze Zeichnung angedeutet. »Die
Quellen des Tun-Hung«, heisst es im Shui-King, »sind beide aufgesucht
and gefunden 1 ) wordene (es ist hier nämlich, erläutert unser Verfasser
in der Anmerkung, der Tüldüz als westliche, der Ulan-Ussu als östliche
Quelle betrachtet) ; »die westliche Quelle fliesst nach Osten und teilt sich
in zwei Gewässer« (Anmerkung unseres Verfassers: »das heisst nach der
Vereinigung des Grossen und des Kleinen Yüldüz«): »das im Südwesten
fliessende tritt aus der Wüste von Yen-Khi, durch welche es westlich
von Yen-Khi (s. o.) geflossen ist, hervor, macht eine Krümmung und er-
giesat sich, nach Südosten fliessend, in die Wattenbänke (tshu) des Tun-
Hung« (1. Anmerkung unseres Verfassers zu dem Ausdrucke „Südwesten":
»Südwesten müsste in Südosten verändert werden; wenn es unten noch
einmal heisst, „es mache eine Krümmung und .... nach Südosten",
so scheint es, dass damit auf die Lage der Quelle des Kleinen Yüldüz
hingedeutet ist«. 2. Anm. zu Tun-Hung: »Damals ergoss sich der
Kleine Yüldüz selber in den Nur«). »Das rechte Gewässer fliesst nach
Südosten und teilt sich wieder in zwei Arme« (Anmerkung unseres
Verfassers: »das will sagen, das der Grosse Yüldüz sich wieder in zwei
Arme teilt), »welche von rechts und links im Süden des Landes Yen-Khi
sich wieder vereinigen und zusammen in die Bucht (p'u) des Tun-Hung
münden« (Anmerkung: »Die Worte nan huei liang shui, „die im Süden sich
') Ee ist das vielfach roissveretandene Wort tao. Da» gewöhnliche Wort tao be-
deutet .Weg", und das Zeichen dafür ist ans einem Zeichen für „gehn" uud einem für
.Haupt" zusammengesetzt. Für die Bedeutung: „führen, aufspüren" fügte man noch
das Zeichen tbeun «Zoll" hinzu, wie um Vermessungen anzudeuten. Es versteht sich,
dau hier von einer „Leitung" der Quellen so wenig die Rede sein kann, wie im Yü-
Kung, wo dasselbe Wort gebraucht ist.
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vereinigenden beiden Gewässer", wollen besagen, dass die beiden getrennten
Arme desGrossen Yüldüz sich südlich vom Laude Yen-Khi wieder vereinigen«).
»Die östliche Quelle flieset nach Sudosten und teilt sich in zwei Gewässer,
welche beide, an der Ostseite von Yen-Khi vorbeifliessend, bis zum Westen
des Landes Wei-Su gelangen, worauf sie wieder südöstlich fliessend in die
Marsch (söu) Tun-Hung münden«. (Anmerkung: »Damals mundete der
ülan-üssu selber in den Nur«.)
»Mit den Ausdrücken tshu, p'u und söu ist jedes Mal dieser „Nur"
bezeichnet«. — Tshu ist »Sandbank«, wenn nicht das nicht lange vorher ge-
brauchte, wenig verschiedene tshu »Pfuhl, stehendes Wasser« gemeint ist.
P'u ist die Nebenmündung eines kleineren Flusses innerhalb der Haupt-
mündung (daher der Name des Huang-P'u, an dem Shanghai liegt). Söu
ist ein Bruch oder Brühl, wie man sie zur Hegung von Wild gebrauchte.
Die Länge des »Nur« betragt 240 Ii, die Breite 40 Ii, die Lage ist
nach dem Si-yü-shui-tao-ki 42° 8' N. B. und 28° 30' bis 29° 59' W. L. —
Der Verfasser selber sah den See, als er von der (am Wege nach Turfan
belegenen) Feste Ushaktar (Ushaktal) nach Osten ging. Vor sich sah
er die Thalmündung wie ein zweifaches Thor von Bäumen, das die
sinkende Sonne einfaaste, die von dem »Meere« aufsteigenden, in der
Ferne verschwimmenden Dünste hatten die Farbe des Himmels.
An das westliche Ufer des Sees scbliesst sich eine alte Stadt; die
Brustwehren (mit Schiessscharten) sind noch erhalten und haben über
9 Ii Umfang; im Munde des Volkes heisst sie Sze-shi-li-thshöng »die Stadt
der 40 Ii«, was aber die Entfernung von der Stadt bedeutet, wo (jetzt)
die Besatzung liegt. Die Hauptstadt des Landes Yen-Khi der Geschichte
der Hau war Yüan-Khü, das im Yüan-Hung-Ki 1 ) Ho-Nan-Thshöng
(»Fluss-Süd-Stadt«) genannt wird. Nach dem Shui-King-tshu liegt die
Stadt zwischen vier Wassern. Auf einem Werder, das der Fluss bildet,
mögen wohl die Ueberbleibsel der Grundmauern von Yüan-Khü sich
befinden.
Als Kuo-Hiao-Kho zur Zeit der Thang Yen-Khi unterwarf, war die
Stadt Yen-Khi auf allen Seiten von Wasser umgeben; wegen der Un-
zugänglichkeit waren keine Vorsichts-Massregeln getroffen und (Kuo-)
Hiao-Kho Hess Anführer und Krieger nach der sogenannten »Vier- Wasser-
Mitte« (Sze-shui-tshi-tshung) hinüberschwimmen. — Unser Verfasser hielt
es für gut, zur Erläuterung der Züge des Kuo-Hiao-Kho hier, gestützt
auf seine Ortskenntnis oder andere Quellen, eine seiner Anmerkuugen
hinzuzufügen, die einige für uns wichtige Angaben enthält 20 Ii west-
lich vom heutigen Turfan (Kuang-An-Thshöng) in Ya'r-Hu war das alte
>) Eine der Geschichten der späteren Han (25—220 n. Ohr.). Der Verfasser Yüan-
Hung lebte unter den Tsin (265- 420 n. Chr.).
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Kiao-ho-thshöng, das Si-Tshou der Thang, welches zur Zeit Tshön-Kuan
(627— 650)unter An-Si-Tu-Hwo (Bezirksstadt) stand. 100 Ii südwestlich
tod Ya'r-Hu ist Bughantai (Pn-kan-thai), 70 Ii weiter südwestlich Toksuntai,
von da geht es erst nach Süden, dann nach Westen in die Berge und
nach 100 Ii an den Bach des Subashi-Berges, 60 Ii weiter nach Süd-
westen (wie es der Karte des I-thung-yü-thu und auch dem Zusammen-
hange nach statt Südosten heissen muss) ist A/ar-Bulaktai. Weiter nach
Süden und dann nach Westen durch grosse Berge gehend, kommt man
nach 150 Ii nach Kümüsh. Da Kümüsh auf Türkisch »Silber« bedeutet,
so nannten die Leute der Thang-Zeit das Gebirge >Silber-Gebirge« (Yin-
Shan 1 ). Dieses ist der Yin-Shan, aus dem Kuo-Hiao-Kho mit seinen
3000 Mann Reitern und Fussvolk hervorkam. 120 Ii weiter westlich ist
der Ha-la-ho-sö'r-Thai (Kal'ai-kyzyl?), 180 Ii weiter westlich von diesem
der Üshaktar-Thai (mit r, wie im I-thung-yti-thu). Heutzutage, sagt der
Verfasser, sind es von hier 120 Ii weiter westlich bis Thö-poV-ku-Thai ;
zur Zeit der Thang aber waren es von Ushaktar nur 100 Ii nach Süd-
westen bis nach der Stadt Yüan-Khü .... Infolge dessen Hess Kaiser
Thai-Tsung den (Kuo-) Hiao-Kho am 11. des 8. Monats aufbrechen, was
am 20. sicher zur Folge haben sollte, dass Kü-li-tsho ihm folgte. Hiao-
Kho kam am 3. Tage an den Yin-Shan (Silberberg)*).
Das Süd-Ufer des »Nur« geht nach Osten zu in die Wüste hin-
aus. Als Anfangs Yen-Khi dem Reiche der Mitte einverleibt wurde,
wurde zu Ende der Herrschaft der Suei der Weg durch die Wüste (tsi
»Stein wüste«) versperrt, und man reiste über Kao-Thshang; da aber zur
Zeit der Thang Thu-Khi-Tshi, König von Yen-Khi, wieder den Wüsten-
weg eröffnete, machte er sich die Kao-Thshang dadurch zu Feinden.
Einige Mal zehn Ii nördlich vom »Nur« ist das Tsaghan-Tungko-
Gebirge, welches nach unserem Verfasser seinen Namen von dem weissen
Gewächse thnng-ko (chinesisch yü-thsao »Nephrit -Gras«) hat; nach
Schmidt's Wörterbuche ist tung/oo »Meerrettig«, der aber im Chinesischen
einen anderen Namen hat; tsagban ist »weiss«. Im Jahre 1757 meldete
der Landes- Verwalter in Barkul (Pa-li-k'un), Herzog Alik'un, die Shara
und Maghus hätten sich wieder empört und hätten von ihren Weiden am
Tsaghan-Tungko aus über den Xaidu setzen wollen; da aber das Wasser
zu reissend gewesen, wären sie über Kara-Xudzhn nach Ulan-Xotun ge-
gangen, wo sie sich mit den Angidai vereinigt hätten. An der Thal-
') Da der Verfasser hier deo gewöhnlichen Weg von Turfan nach Xarashar ver-
folgt, so ist es wohl am Platze, hier als Halteplatz Kümüsh- A/aroa-Thai (A/ama =
Ahmed? thai chinesisch „Befestigung"; besser ist wohl Kümflsh-Akma, wie es auch
genannt zu werden scheint)
*) 8. de Guignes. Hist. des Huns V, S. 607 f der Dahnert'scben Uebersetzung. Der
Name Kü-li-teho erinnert an türk. kylydsh „Schwert-.
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mttndung dieses Gebirges hatten die Sbara eine befestigte Wache
geplündert, und der tu-thung Man-Fu hatte gemeldet, dass er am Alakuei
Sparen der Aufständischen gefanden hätte, die in das Thal des Nan-Shan
fahrten (des Sud-Gebirges, welchen Namen der Verfasser in der Anmerkung
dahin erklärt, dass dieses vom Pei-Lu, dem »Nord- Wege«, aus gedacht
sei), in das dem Tsaghan-Tangko gegenüber liegende, zum Nan-Shan
gehörige Borotu-Gebirge (»dsungarisch 1 ) boro, dunkelfarbig«). In der
Geschichte der Hau heisst es, dass im Nordosten von Yen-Khi ein grosses
Gebirge liege, welches Yen-Khi-Shan oder Thien-Scban(»Himmels-Gebirge«)
genannt werde. Eine grössere Anmerkung bemerkt hierzu Folgendes:
„Die grossen Berge, 8 ) welche südlich von dem »Nordwege« (Pei-Lu) der
„»neuen Grenze« (Sin-Kiang) liegen, kann man alle zusammen Thien-Shan*)
„nennen. Wenn die Geschichte der Han, wie so oft, den Thien-Shan
„erwähnt, so hebt sie aus der Zahl gewiss den Namen eines der Haupt-
Gipfel hervor. ... Aus der Tsin-Zeit kann Yen-Shi-Ku nicht mit
„Sicherheit den bestimmten Ort nachweisen. Die Abteilung für Erd-
kunde in der Geschichte der Thang bezeugt auch mit ihrer mehr-
deutigen Behandlung der Frage, dass die Erzählung von den Hiung-
„Nu und die von den Westlanden in der Geschichte der Han unter
„dem damals so genannten Thien-Shan den jetzigen Borotu-Shan verstehn.
„Das Gebirge wird wegen seiner Lage nördlich von Yen-Khi auch Yen-
„Khi-Sban genannt. In dem vom Thai-phing-yü-lan aus dem Si-ho-kiu-§i
„(»der alten Geschichte vom West- Flusse«) angeführten Hunnenliede: »Ist
„unser Khi-lien-shan verloren, gedeiht unser Vieh nicht; ist unser Yen-tshi-
„shan dahin, fehlt die Lust an Weib und Töchtern« ist das Yen-tshi ver-
tuscht mit Yen-kbi. Bei der gemeinschaftlichen Hervorhebung von Khi-lien
„und Yen-khi ist gerade aus der Gegenseitigkeit der Ausdrücke die Bedeutung
„zu ersehn, dass es ausserhalb des Khi-lien-shan keinen Yen-khi-shan weiter
„geben soll. Der Umstand, dass die Mongolen den Himmel Thöng-ko-li
„(tengri, tegri) nennen, weist darauf hin, dass der in den Westlanden be-
findliche Thöng-ko-li Shan (Tegri [-yin] Ula, Tengri Taghi, letzteres
„türkisch) der Thien-Shan ist. Der Haupt-Gipfel ist auch nicht der
„Thien-Shan der Geschichte der Han". Genaueres soll stehn in des Ver-
fassers »Neuen Erläuterungen zu dem Bericht über die WesÜande in der
Geschichte der Han« (Han Shu Si Yü Thshuan pu tshu), nach welchem
für Borotu (Po-lo-thu) auch stehen soll Bortu (Po'r-thu). [Die Anmerkung
spricht weiter von den den Berggeistern zu bringenden Opfern.]
») Mongolisch boro „grau"; - tu ist eine gewöhnliche, mit tai wechselnde Eigen-
schaftswort-Endung, bei hochlautenden Stämmen -tfl, -tei.
*> Ob ein solches Wort namentlich, wie »han, in der Einzahl (Berg, Gebirge als
zusammenhangender Rücken), oder als Mehrzahl (Berge, Gebirge als Gesamtheit
mehrerer Berge) zu fassen sei, ist meistens, wo nicht immer, schwer zu beurteilen.
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An der Seite des Sees (nao'r, nur) erzeugen sieb Salpeter und Salz,
und da das Wasser wieder aus der Südwest-Ecke herausläuft, so sagt
das Shui-King-tshu, das von dem Zuflüsse des Berg-Stromes (thshuan) sich
in einem grossen Behälter ansammelnde Wasser schwelle an, fliesse über
und bilde ein Meer. Nachdem der Fluss einige Mal zehn Ii nach Süd-
westen geflossen ist, kommt er südlich vom Xaidu-Flusse vorbei, und
nachdem er weitere 100 Ii nach Südwesten geflossen ist, macht er eine
Wendung nach Süden und tritt in die Berge. Dann fliesst er wieder
nach Süden und wendet sich nach Westen, wo er südlich von einer alten
Kohlengrube vorbeikommt, die 1814 vom Landesverwalter (pan-shi) Yung-
Kung-Kin eröffnet wurde. Etwas über eine halbe Ii weiter westlich fliesst
der Fluss südlich von der Xalgha-Aman-Feste vorbei (mongolisch /algha,
^alghan für /aghalgha »Thor«, aman »Mund, Thalmündung«) 1 ). »Nach
meinen recht in der heissen Jahreszeit gemachten Aufzeichnungen erfüllen die
von den dem Ufer des Thsao-Shui (»Graswasser's», eines dort einmündenden
Baches?) aufliegenden Felswänden, den steilen Schluchten und Felsen-
dämmen bald verschluckten, bald wieder ausgespieenen schrecklichen
Wogen das Ohr mit ihrem betäubenden Tosen, das Auge mit ihrem
blendenden Glänze, sodass einem im Herzen bangt.«
Wenn der Bericht von den westlichen Zhung in der Geschichte der
Tsin (Herrscherzeit 265 — 419 n. Chr., Zeit der Abfassung unter dem
Thang- Kaiser Thai-Tsung 627 — 650) sagt, dass man zum zweiten Male
in Yen-Khi am Thie-Mön (am »eisernen Thor«) im Thale Tshö-Lui nicht
mehr als 50 Ii weit (von KorlaV) eine Niederlassung zu gründen versuchte,
so ist dieses nach des Verfassers Meinung das dicht am Xaidu gelegene
Tsho-Liu-Thal, welches man von dem 20 Ii nördlich von Korla gelegenen
Ten-Khon (>der Felsen-Schlucht«) auf einem beschwerlichen über die Berge
führenden Wege mit Ueberschreitung des Ta-Shi-Ling (»des grossen Stein-
joches«) unterhalb desselben in einer Entfernung von 30 Ii erreicht. Da
die Lage für die Verteidigung wichtig sei, so habe man wohl dort eine
Thalsperre (kuan, eigentlich »Schluss«, Zollschranke, oder befestigtes Thor)
errichtet. Es gebe ein Gedicht von Tson-Tsan aus der Zeit der Thang,
welches eines Turmes (lou, auch Haus mit oberem Stockwerke) des
Thie-Mön-Kuan , sowie des westlichen Einkehrhauses des Thie-Kuan er-
wähne. Wenn man das Joch herabkomme, so seien es 10 Ii bis zum
Xalgha-Aman-kün-thai (kün-thai »Heer-Schanze«, »Festung«).
') Die Anmerkung des Verfassers sagt, im Dsungarischen bedeute /algba „Weg" (!?)
und es werde gesagt, dass die Gegend eine Schlucht (shan-khou „Berg-Mund") bilde. —
Der mongolische Name Kaigan (Xalghan) für die auf dem Wege von Peking nach Kiachta
liegende Stadt Tshang-Kia-Khou hat auch diesen Ursprung, wie auch die Thore der
grossen Mauer im Ganzen kbou „Mund" im Chinesischen genannt werden. Tshang kia
ist das Haus (die Familie) Tschaug.
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— 60 —
Nach weiterem, westlichem Laufe von über 30 Ii tritt der Fluss aus
dem Gebirge. Das Shui-King-tshu sagt, weiter nach Westen trete er aus
dem Thie-kuan-ku (dem » Eisen-Thor-Thal t) der Sha-ehan (»Sandgebirges«).
Nach weiterem südlichen Laufe von über 20 Ii fliesst der Flass
zwischen dem »Gutec Korla und der Festung (kün-thai) hindurch. (Das
Gut ist auf dem südlichen, die Feste auf dem nördlichen Ufer.) Weiter
südwestlich dehnt er sich aas zu einem Schilfteiche, welches im Ganzen
70 Ii sind, nach über 20 Ii fliesst er an der Südseite des Kara-Bulak-
kün-thai vorbei, weiter westlich an der Südseite der Festung Tshör-thshü
und weiter westlich von dieser, zusammen 300 Ii, wo man den Flass noch
Xaida nennt. Darauf wendet er sich nach Süden, in welcher Richtung
er nach dem Verfasser 300 Ii weiter fliesst. Das Shui-King sagt, das Ge-
wässer mache eine Biegung und fliesse an der Westseite des Landes Khii-
Li vorüber. Der Verfasser bezeugt die Gestaltung des Landes, meint aber,
dass der Name Khü-Li verdreht sei aus Wei-Li (oder Yü-Li?). Der alte
Lauf des Kuei-Tze-tang-thshuan (Ost-Flusses von Kutshe), auf dem er in
den (Tarim-) Fluss gemundet hätte, sei östlich vom Lun-thai gewesen, und
das Gewässer des Tun-Hung (Bagarash-Sees) dürfe nicht über Khü-Li
hinausgehen (siehe des Verfassers Han Shu Si Yü Thshuan pu tshn).
Gerade an der Biegung dreht sich die Strömung im Kreise. Die Gegend
heisst in der Geschichte flo-Khü »Flusskrümmung«, wie z. 6. aus der
vom Verfasser angeführten Stelle aus der Geschichte der Han (Erzählnng
von Tshöng-Ki) erhellt, der zufolge Tshöng-Ki 50,000 Mann aus Khü-Li
und Kuei-Tze ausschickte, welche am Tage ihrer Vereinigung des Fürsten
(Kuang von Yeu-Khi?) 12,000 Mann vertrieben, worauf der »kleine
Wang< (»Fürstc) mit 12 Leuten den Tshöng-Ki bis an die »Fluss-
Krümmung« geleitete.
Der Xaidu macht hierauf nach dem Verfasser nochmals eine Wendung,
und zwar nach Osten, worauf er in den Tarim-Fluss mündet.
»Weiter östlich mündet (letzterer) in den L b-Nur und verschwindet,
um als Huang-Ho wieder hervorzukommen« (!).
Der Tarim-Fluss fliesst östlich von Korla 200 Ii weit, um südlich
von Xarashar vorbeizufliessen, dann weitere über 200 Ii nach Osten, um
südlich vom Bostöng-Nur hinzulaufen, worauf er noch weiter östlich in
den Lob-Nur mündet. Lob soll im Türkischen eine Gegend bedeuten,
wo sich Gewässer vereinigen (?)').
') Nach Zenkers Wörterboche ist lop »Krümchen". Vergleiche übrigens auch das
mongolische lab^u .eine kotige Stelle" (Schmidt, mongolisches Wörterbuch S. 224).
ein Wort, dessen letzte Silbe von den Chinesen als hu .See" hätte aufgefaasl werden
können (?), ferner das unten erwähnte loo „Drache".
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Nach dem Thu-lu-fon Huei-pu-thshuan (dem 9 Berichte von den
Tarkenstämmen Turfaus«) grenzt der Lob-Nur an Turfan und ist ein
grosser Sumpfsee (tsö), in den die über 60 Gewässer der Gebiete von
Yarkand und Kashgar zusammenströmen.
Nach der Beschreibung der Erde in der Geschichte der Han befindet
sich ausserhalb des Tshöng-Si-Kuan (des »gerade westlichen Grenz-Thores«)
von Tun-Huang 1 ) das Meer (hai) von P'u-Thshang. Nach dem Berichte
von den Westlanden (Si-yü-thshuan) heisst das P'u-Thshang-Hai auch
Yen-Tsö (»Salz-Sumpf«)*).
Nach dem Shan-Hai-King sieht man vom Pu-Tshou-Tshi-Shan (vom
»nicht umringenden Gebirge«, 8. o.) nach Norden, wie alle angrenzenden
Berge sich dem heiligen Berge yo (sonst 5 heiligen Berge Chinas) nähern,
um ihn zu ehren, nach Osten den Yao-Tsö, wo die Gewässer des (Huang-)
Ho verschwinden. . . . Nach dem Shui-King-tshu sammeln sich die
Gewässer des Yao-Tsö im Nordosten von Shan-Shan, im Südwesten
von Lung-Thshöng (»Drachen-Stadt«), einem der grossen Länder des
Hü-Hu des alten Kiang-Lai'). Wegen dieses Yao-Tso verlohnt es sich
wohl, sich Rates zu erholen im grossen K 4 ang-Hi- Wörterbuche. Das
betreffende Zeichen besteht aus shui »Wasser« als Begriff und yu »jung«
als Lautzeichen. Nach der einen Quelle bedeutet das Wort >achwarze
Färbung des Wassers«, nach einer anderen die »glänzende, glatte Farbe
der Töpferware« (ein ähnliches Zeichen mit derselben Aussprache [yao]
könnte auch die »entfernte, verborgene« Lage bezeichnen). Der Eigen-
name Yao-Tsö findet sich im besagten Wörterbuche erklärt nach dem
Shuo-Wön: »ein Sumpf (tsö) unterhalb des K'un-Lun-Shan«, ferner nach
dem Shui-King: »das Wasser des Ho mündet östlich in den Yao-Tsö«
(Erklärung [tshn]: »d. h. den sogenannten Fu-Thshang«).
»Das P'n-Thshang-Meer strömte über seine Ufer und verheerte das
Land, die »Grnndmauern der Stadt sind noch vorhanden. Im
Zeiträume Tshi-Ta (1308—1311) wurde das am Morgen am West-Thor
zuerst auftretende, am Abend durch das Ostthor entgegenfliessende und
das über die Ufer fliessende Wasser durch den Wind gleichsam zu der
Gestalt eines Drachen zusammengeweht; (teils deshalb uud dann auch)
weil sie westwärts nach dem »Meere« gerichtet war, hiess die Stadt
Lung-Thshöng (»Drachen-Stadt«). [Der Drache ist dem Chinesen ein Sinn-
bild des Sturmes (auch wohl der Erdbeben und ihrer Wirkungen?), Lung-
') Könnte auch heissen: gerade westlich von Tun-Huang ausserhalb des „kuan".
') Anmerkung: „Nach dem Ta-wau (oder Ta-yQan)-thshuan des Shi-ki kommt man
im Westen nach dem Yen-shuei (.Salzwasser"), welches immer stille steht; da? ist der
Yen-Tsö, welcher auch Yen-shuei heisst.
») Ein Ton den alten Klang abhängiges grosses Reich des leeren Hu. (Hu Name
▼on Inner-Asien.)
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Wang, der »Drachenkönig«, ist der Meeresgott. Im ersten Jahre Tshi-
Ta (1308), im 6. Monat war ein grosses Erdbeben in Lung-Si, dem nach-
maligen Lin-Tao, in Shän-Si (nördlich vom jetzigen Ti-Tao in Kan-Su)
und in Yon-Nan, im 8. Monat wieder in Kung-Tshang in Kan-Su.
Wegen der Lage der Stadt ist allenfalls noch hinzuzufügen, dass sie auf
der Ostseite, also auf der Drachen-Seite, des Sees lag, da nach chinesischer
Anschauung die sieben östlichen Mondbäuser nnter dem Drachen stehen').]
»Das Land ist 1000 Ii breit, besteht ganz aus Salz und ist hart und
fest. Das Vieh der Reisenden liegt Alles auf ausgebreiteten Decken;
wenn man dann die darunter befindliche Erde aufgräbt, so entsteht eis
Stück Salz, so gross wie ein Kissen, sodass es leicht zu Verwechselungen
Anlass giebt. Nebel steigen auf, Wolken schweben vorüber, selten sieht
man Sterne und die Sonne, wenige Vögel, viele Geister und Wunder.
Der Yao-Tsö hat 300 Ii in Länge und Breite, sein Wasser ist durch-
sichtig und ruhig. Im Winter, wie im Sommer, vermindert sich nicht
der Wirbel in seiner Mitte, dessen Ader sich schnell wie der Blitz, aber
unter der Oberfläche verborgen, dreht; Vögel, die in dem Dunste gerade
über der Stelle rasch dahinfliegen, wo der Wirbel sich im Kreise bewegt,
fallen alle in den Strudel«. So weit das Shui-King-tshu.
Nach dem im Shi-Ki-tshöng-i (der »richtigen Bedeutung des Shi-Ki«
oder der amtlichen Geschichte des Sse-Ma-Thsien) angeführten Kwa-Ti-Tsbi
führte der Lob-Nur früher ausser den erwähnten (Fu-Thshang-Hai, Yao-
Tsö und Yen-Tsö) auch die Namen: Fu-Zhi-Hai (»Sonnen-Stützen-Meer«),
Lao-Lan-flai (»Meer von Lao-Lan, Lou-Lan oder Len-Lan«), Lin-Hai
(»Nahes Meer«), woraus zu ersehen, was für verschiedene Namen er
führte.
Nach dem Ho-Yüan-Ki-Lio (»Abriss einer Beschreibung der Quelle
des Huang-Ho«) ist der Lob-Nur ein grosser Sumpfsee. Seine Lage
nähert sich dem Osten desselben mit nördlicher Richtung. Er nimmt
alle sechs grossen Gewässer der Berge des Westens auf; von den 5000 Ii
weichen Bodens durchfliegen dieselben 4500 Ii, das Uebrige schliesst die
Wüste ab.
') Der Osten steht also nach dieser Anschauung unter dem dunkelblauen Drachen,
der Westen unter dem weissen Tiger, der Süden unter dem roten Vogel, der Nordeo
unter dem dunkeln Krieger, 8. Eitel, Feng-Shui S. 14 f. Mayers, Chinese Readcr's Manual
S. 307. Lung = «Drache" (chinesich), loo (oder lou, vergleiche Lob und Lou-Lan?)
„Drache" (mongolisch-uigurisch), loo-yin daghon „Drachenstimme" =» «Donner"-, im
Tibetischen ist (k)lu „Drache", (k)lung .Strom". Der Chinese nennt auch gern Quellen
nach den Drachen, z. B. Hei-lung-than „schwarzer Drachen-Pfuhl" bei Peking. — Der
Vergleich beruht namentlich auf den Windungen des Schlangenleibes; Typhon, Wirbel-
stürme, auch unterirdische Gewalten gehören hierher.
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— 63 —
Aof das »Verschwinden unter der Erde« ist nach unserem Verfasser
nicht viel zu gehen; was das unter der Erde Verschwindeu anlange, so
habe man die Gestalt der Berge ausser Acht gelassen und nicht erwogen,
dass (der Fluss) nach allen Drehungen und Windungen immer wieder
schleunig nach dem »Nur« zurückkehren müsse. Dieser sei von Osten nach
Westen über 200 Ii lang, von Süden nach Norden über 100 Ii 1 ) und
nehme im Winter und Sommer weder zu noch ab. Die Lage ist nach
unserem Verfasser 40° 30* bis (40°) 46' N. L. (also nur 60 Ii?), 28° 10'
bis 29° 10' W. L. Heutzutage gebe es (am See) nur eine Mündung,
sagt der Verfasser, das Shui-King-tshu aber lasse einen Süd- und einen
Nordflus8, jeden für sich, in den See (tsö) münden; wenn die Geschichte
der Han bei Unterscheidung der beiden Wege deutlich vom Nan-sban
und vom Pei-shan spreche, ohne dass dort von Verfolgung eines Südflusses
und eines Nordflusses die Rede sei, so wisse er, dass ein Rinnsal vor
Alters, wie heute, geweseu sei und Li-KünV) Worte leichthin und ohne
die Erwägung gesprochen seien, dass neben dem grossen nur noch kleine
vorhanden seien, die ihn umgeben.
Im Norden sollen drei kreisrunde Seen ohne Namen sein, im Süden
vier länglichrunde, nämlich der Or-kon-hai-thu (Urghoghoitu?), der Bagha-
Ghashun, der Tarim-See und ein vierter ohne Namen. Auch auf
der Karte des I-thung-yü-thu sind diese sieben kleineren Seen verzeichnet;
die drei nördlichen haben die gemeinsame Bezeichnung Thsao-Hu »Gras-
See«, die vier südlichen sind anscheinend ohne Bezeichnung, welche
sich aber aus den benannten Oertlichkeiten in der Nähe ergänzen lässt.
Ghashun ist höchst wahrscheinlich das mongolische Wort für »bitter«
und bezieht sich also auch wohl auf einen oder zwei Seen (Koshun bei
Przewalski?), 3 ) bagha ist »klein«, urghoghoitu würde »östlich« bedeuten.
Nach dem I-thung-yü-thu teilt sich der von Korla kommende Weg
südlich vom Lob-Nur und den vier kleineren Seen der Süd-Seite etwa
unter 27° 24' W. L. und 40° 11—12' N. B. in den nach An-Si führenden
nördlichen Weg und den nach Ts ai da m, welcher letztere aber auch
wieder südlich vom Xas-See eine Verbindung nach der Gegend des alten
Sha-tshou und weiter nach An-Si hat. An dem ersteren Kreuzwege
steht der Name Or-kou-hai-thu, in der Nähe ist einer der kleineren
Seen, weiter nordwestlich noch einer; dann folgt längs des nach An-Si
') Bitachurin, Stat. opis. Kit. Imp., II, 8. 122: .bis ru 400 Ii Länge und 200 Ii Breite*;
s. Uspenski, Anm. 170, S. 149 a. a. 0.
*) Li-Tao-YQan (Li-Kun) lebte Ende des 5. Jahrhunderts und verfasste die hier an-
geführten Erläuterungen zum Shuei-king, einem mindestens 200 Jahre älteren Werke.
*) Die Namen Przewalski's Kind sonst ebenso entschieden türkisch, wie die obigen
mongolisch. Sein Yengi-Su ist „Neuwasser (ü). tahok-kül bedeutet nach dem gewöhnlichen
Sprachgebrauche «viele Seen'*.
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führenden Weges Nu-ki-thu-khi-a-tha-li-mu, wozu der entsprechende See
nordwestlich, aber dem Lob-Nur viel näher liegen würde, — dann Bagba-
Ghashun, über welchem über den Weg gedrückten Namen unmittelbar
der östlichste der kleineren Seen sich befindet; noch weiter östlich, und
zwar dieses Mal durch ein liegendes Kreuz als Wache (mandschurisch
karun, türkisch karaul) bezeichnet, ist za lesen I-k'e-ka-shun (Yeke-
Ohashun), welcher Name trotz des fehlenden Sees >grosser Bitterere, ent-
sprechend Bagha-Ghasbun >kleiner Bitterer«, bedeutet. Obiges Nu-ki-thu-
khi-a-tha-li-mu ist, wie aus einem zwischen Bagha-und Yeke-Ghashun etwas
nördlich vom Wege gelegenen Nokitn-Ssetshin (Ssekbin, ssetsen?) her-
vorgeht, in drei Wörter: Nnkitu, kia und das bekannte Tarim zu zer-
legen; qia bedeutet nach Shaw »abschüssig« (slanting, sloping), unter
Tarim ist hier wohl der See, oder ein Teil desselben, selber als »be-
bauter« See zu verstehen. Ueber den Namen Or-kou-hai-thu ist es
nötig noch einiges zu sagen. Thu ist augenscheinlich die gewöhnliche
mongolische Endung eines Eigenschaftswortes; für or-kou-hai weiss ich
kein ähnlicher klingendes mongolisches Wort als nrgho^oi »Osten«.
Dennoch erinnern die ersten beiden Silben (und die Chinesen verkürzen
fremde Wörter häufig) an den rätselhaften Namen, den der Tarim-Fluss
führt: Er-kou, ör-kou, Or-kou, 1 ) wie man ihn umschreiben kann, ErgiuL,
wie er sich bei Bitach urin findet. Es sind gewiss schon manche Zweifel
entstanden wegen Berechtigung und Herkunft dieses Namens, sowie wegen
des von Bitschurin hinzugefügten Auslautes 1. Letzterer findet sich vielleicht
wieder im Marco Polo's Erguiul, so weit auch die Oertlichkeit, die der
Reisende insbesondere damit bezeichnet, 3 ) vom Tarim-Flnsse entfernt
liegen mag; da beide Namen übereinstimmen, kommt einem unwillkürlich
der Gedanke, dass Bitschurin den Polo'schen Namen zum Vorbilde ge-
nommen haben könnte. Wenn nicht das u in dem mongolischen Worte
urgho/oi ein kleines Hindernis wäre, könnte man in dem erst unterhalb
Kabak-Agzy vorkommenden Namen den des »östlichen« Flusses suchen.
Ausserdem aber bietet sich eine ganz leidliche Bedeutung für ein ähnliches
Wort aus der persischen Sprache; auf Seite 28 des türkischen Wörter-
•) Das Chinesische bat kein anlautendes e und giebt dieses durch eine Art fl
wieder, welches seinerseits mit o wechselt; dem langen o entspricht am besten der
chinesische Zwielaut 6u (nicht wie im Mittelhochdeutschen, Niederländischen und
Englischen = au oder wie im Französischen = u zu sprechen, sondern so, dass beide
Laute getrennt, das ö aber vorwaltend, zu hören ist). Im Mongolischen wechseln o und
u wohl gelegentlich im Anlaut, von urgho^oi kann ich es aber vorläufig nicht belegen.
») Nach Palladius. Journal of the North China Brauch of the Royal Asiatie Society,
New Serie«, X, Shanghai 1876: Article I (Elucidation of Marco Polo's Travels in North-
Cbina, drawn from Chinese Soorces. By the Rev. Arrhimandrite Palladius), S. 18 ist
unter Erguiul das Erichew des mongolischen Wortlautes des Yuen-ch'ao-pi-shi, dxs
Si*Liang der chinesischen Ceschichte oder das heutige Liang-tsbou-fu zu verstoben.
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I
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buches von Zenker finde ich nämlich erga, ergab, erguv als persischen
Ausdruck für »Bach, Flüsschen« angegeben, und Vullers* Lexicon Persico-
Latinum giebt dafür als Bedeutung »Fluss«, eigtutlich aber »reissender
Fluss«, von erg, einer Wurzel, die »zürnen« bedeutet, und ab »Wasser«.
Die Gegend (des Sees) soll 500 Ii südostlich von der Stadt Xarashar uud
über 900 Ii südwestlich von Turfan liegen. (Bei Uspeuski findet sich in
der Anmerkung ein Hinweis auf die Angabe Bitschuri \. •lass sie 200 Ii
südlich von Xarashar liege!)
Der Name Turfan giebt dem Verfasser Gelegenheit zu einer Ab-
schweifung in das Gebiet der Landesgeschichte, die gleichwohl zu viele
Ortsnamen enthält, um sie ausser Acht zu lassen. In der Mongolenzeit er-
scheint Turfan als das Land Huo-tshdu (huo, ho, »Feuer,« hier aber wechselnd
mit einem anscheinend bedeutungslosen ho; tshöu ist »Kreis, Kreisstadt«);
da die erste Silbe mindestens durch drei verschiedene chinesische Zeichen
wiedergegeben wird, so ist auch wahrscheinlich tshöu nur eine volks-
tümliche Missdeutung eines fremden Lautes, und der ganze Name, zumal
da er in dem der Mongolen-Geschichte angefügten Abriss der Landeskunde
zusammen mit hala (= /ara, kara) als Ha-la-ho-tshdu erscheint, entweder
türkisch (Kara-Kodzhi?) 1 ) oder mongolisch, vielleicht auch ein von den
Mongolen, die die Hauchlaute lieben, umgeänderter türkischer Name.
In der Erzählung von Ashu ist daraus Ha-la-ho-cou geworden. Im
Ti-ki-thshuan lautet es Ho-la-ho-cou oder Ha-la-huo-cou. In der Er-
zählung von Barahn-Artai-Digin heisst es, dass Kiao-Tshöu so viel wie
Huo-tshöu sei und das Ganze zu Bish-Bali(k) gehöre, nördlich an den
Ashu-Fluss, östlich an Yuan-tun-kia-shi-ha 9 ) grenze. Des Urenkels des
Barshu Artai, des Xodzhighar-Digin, Nachkommen seien I-tu-hu (I-di-kut,
»Könige«) gewesen.
Es war im Jahre 1275, also ungefähr um die Zeit der Reise Marco
Polo's, wo sich Folgendes (anscheinend nach des Verfassers Auszuge aus
dem Yüan-Shi, der »Mongolen-Geschichte«) in und um Turfan zutrug.
>) Nach Regel wird der Ort jetzt Kara-Gudscha, der Fluss Kara-Gudschun genannt
(s Petermaan's Mittb. 1881, Tafel 18).
») Bretschneider las Wu-tun-kia-shi-ba, da in der ihm zur Verfügung stehenden
Ansgabe der den Unterschied machende Strich fehlte. Sollte der Strich wirklich dahin
gehören, so könnte man Übersetzen: „Sbi^a, die Niederlassung und Wache der Mongolen-
Zeit" (Yflan „Mongolen-Zeit"; tnn = einem anderen tun .Niederlassung", s K'ang-Hi;
kia „Wache"); ein Han-Tun findet sich etwa ostnordostlich von Turfan (etwa 25° W. L )
auf der Karte des I-thung-yü-thu. Uebrigens hat Bretschneider, Notices of the mediaeval
geography and history of Central and Western Asia (Journal of the North China
Branch of the Royal Asiatie Society, N. S., X, Shanghai 1876), S. 195 f. die Stelle aus-
führlicher und erwähnt auch der übrigen Grenzen: Tsiu-Thsüan im Süden und Si-Fan
(Tibet) im Westen Tsiu-Thsöan war, wie Bretschneider bemerkt, ein alter Name von
Sa-t«bou
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Man muss sich dabei vergegenwärtiget), dass die Kämpfe zwischen Xaidn
nnd Duwa von Dshagatai einerseits und Xubilai-Xan nnd seinen An-
hängern andererseits sich noch lange nicht ihrem Ende nahten. Duwa-
Busba (Bäshpa?) und seine Genossen belagerten Huo-Tshöu mit 120,000
Mann, und Duwa rühmte sich, dass die kaiserlichen Prinzen (tshu-wang)
Adzhigi und Aoludzhi 1 ) auch mit 300,000 Mann ihm nicht widerstehen
könnten; wie der Idikut wohl wagen könne, ihm mit einer einzelnen
Stadt die Spitze zu bieten? Der Idikut antwortete, er habe gehört, dass
ein treuer Vasall nicht zwei Herren diene; er, der lebend diese Stadt
als sein Haus betrachte, wolle tot auch dieselbe zu seinem Grabe haben;
er könne ihm, dem Duwa, nicht nachgeben. Als die Belagerung sechs
Monate gedauert, ohne dass Entsatz kam, schoss Dawa mit einem Pfeile
einen Brief in die Stadt, in dem es hiess, er, Duwa, sei auch einer von
den vollblütigen Enkeln des Kaisers Thai-Tsu') (des/Tshinggis'Xan); wie
man ihm die Heeresfolge verweigern könne? Ausserdem stamme der Idikut
von der Prinzessin Thshang-Sbang; 3 ) wenn er ihm, dem Dawa, eine
Tochter zur Ehe geben könne, so wolle er den Kampf einstellen, wo
nicht, so würde er ihn sofort angreifen. Das Volk, welches von der
Uebergabe sprach, sagte, in der Stadt sei es mit dem Unterhalt auch zu
Ende, und die Kräfte seien erschöpft; wenn Duwa unaufhörlich angreife,
so würden bei der Uebergabe alle dem Tode verfallen sein. Der Idikut
sagte, wie er wohl Mitleid für ein Weib haben und vermittels ihrer nicht
das Leben des Volkes sollte retten wollen; dennoch könne er es nicht
mit ansehen, wie seine Tochter übergeben würde. Die Yeli Ilimish-
Begi(m) Hess man, auf würdige Weise mit Kissen und Seilen verpackt,
von der Stadtmauer herab und übergab sie, worauf Duwa abzog. Nach-
mals begab sich (der Idikut?) nach Hofe und kehrte zurück in die süd-
* lieh von Ho-Tshöu zu dessen Schutze angelegte Ansiedelung, welche
südlich von diesem auf dem Gebiete von Ha-mi(-li) liegt. Seine Heeres-
kräfte waren nur noch gering, das Nordheer kam plötzlich in die Gegend,
eine grosse Schlacht fand statt, in welcher seine Kräfte aufgerieben
wurden. Er starb fern von seiner Heimat, und auch sein Sohn Niu-
') Adzhigi Sohn Xara-Xulagbu's, eines Enkels des Dshaghatai. Aoiudzhi (Aghrukdzhi)
Sohn de» Xubilai-Xan, s. Bretscbneider a. a. ü. Yule, Marco Polo.
*) Nach Bretschneider (S. 181 a. a. 0.) war Duwa der Sohn Borak's (Bala's),
eines Urenkels des Dshagatai.
J ) Der Urgroßvater des Xodzhighar, der oben genannte Barshu-Artai-Digin, hatte
das Joch der Kara-Kitai abgeworfen und »ich an Tsbinggis-Xan angeschlossen, der ihm
seine Tochter Ycli-Altun-Begi verlobte. Letztere starb vor Beendigung der Hochzeit,
und als später Ügetei-Xan dem Idikut die Prinzessin Aladzhi geben wollte, starb Barshn
selber, sodass sein Sohn Kishmain seine Rolle übernahm, s. Bretschneider a. a. O.,
S. 205. Der chinesische Name der Prinzessin wird also Tbshang Shang gewesen sein.
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Lin-Digin lebte in Yung-Thshang (in der Gegend von Liang-Tshöu im
heutigen Kan-Su). Im 4. Monate des Jahres 1283 wurde ein Statthalter
über Bish-Balik, Ho-Tshöu u. 8. w. eingesetzt, da Xodzhighar nicht zurück-
kehrte. Da dieser auch von den aufständischen Fürsten getötet wurde,
so »waren somit die Uiguren (Hui-Ho) teils vertrieben, teils tot«. Die
von Truppen besetzte Stadt Turfan heisst Kuang-An, zur Zeit der Thang
hiess sie An-Lo. 70 Ii östlich von ihr ist das unter dem Huo-tshöu der
Mongolen-Zeit stehende, jetzt so genannte Kara-Ho-Tshou, noch weiter
50 Ii nach Osten ist Luktshin, das Liu-tshnng-thshing der östlichen Han;
20 Ii westlich von Kuang-An-Thshöng (Turfan) war das Kiao-Ho-Thshöng
der Han. Nachdem die Daun garen Besitz davon ergriffen hatten, war
1722 das grosse chinesische Heer nach Turfan gekommen, hatte die
Stadt befestigt und das Land urbar gemacht.
Die Türken des Lob-Nur standen einst nach unserem Verfasser
unter einem namens Ghurban (mongolisch = 3?) und anderen, und die
Ortschaften Kara-Kül, Sadaktu und Kara-Xodzho u. 8. w. mit ihren über
1000 Einwohnern gehörten dazu. Im ersten Jahre Yung-Tshöng (1723)
hatte man versucht, sie ins Innere zu versetzen; da sie aber gewohnt
waren, auf dem Wasser zu wohnen, und es nicht wohl anging, sie auf
das Land zu versetzen, wurde dieses aufgegeben.
Als zu Anfang der Herrscher-Zeit Khien-Lung (1736—1796) die
Grenzen der Weidegründe zwischen den Xal/a's und Ghaldan-Dzeren fest-
gesetzt wurden, ging die Grenze der Dsungaren vom Eemtshik-Xan-Tengri
(»das ist nicht das Xan-Tengri-Gebirge nördlich von Kutsbe«. Anmerkung
des Verfassers) auf den Altan-Shan-Liang, über den Solbi-Joch abwärts
zwischen dem Ha-pu-shan und dem Pai-shan hindurch, üU-r den Ulan-Ussu
und den Lob-Nur gerade bis zur Kas-Mündung. l>cr Kemtshik-Xan-
Tengri(daghy) befindet sich vermutlich in der Nähe der Quelle des
Kemtshik (»kleinen Kern«), eines der Quellflüsse des Jenissei (zwischen 50
und 61° N. B., 87—88° W. L. v. Gr. 1 ). Der Altan-Shan-Liang ist vermut-
lich eine Verdrehung aus Altai-Uriang/ai, da das liang, (»Steg, Rückgrat,
Querbalken«) iu Wu-liang-hai dem Chinesen einen schönen Sinn zu geben
schien 3 ). Neben Artai-Wu-liang-hai finde ich auf der Karte des I-thung-
yü-tbu Artai-Mu-lu (= mürü »Schulter«) auf 29° W. L., einen Tengeroitu-
Shata in der Nabe der Quellen des Xobdo-Flusses. Der Sorbi-Ling ist im
') Lange Kämpfe fanden in der Nähe de» Yeke- oder Ulu-Kem (des .grossen Kern")
zwischen den Dsungaren (Ölöt) und dem Altyu-Khan der Uriaug/ai nördlich vom Uba-
See statt (*. Humboldt, Centrai-Asien).
*) Uriang^ai werden von den Mongolen die türkisch redenden Bewohner des Laudet>
um die Quellen des Irtiscb und des Jenissei herum genannt. Nach einer Bemerkung auf
S. 19b des 5. Heftes des Si-yö-shui-tao-ki giebt es drei Stämme derselben: 1) die „Altan-
Uriang/ai. 2) die Altan-Nur-Uriang/ai, 3) die Tangnu-Uriaug/ai. Die Ersteren wohnten
5*
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I-thangyli-t.hu etwa 47° N. B., 26° W. L. 1 ). Von hier, wo auch die-
Peterniann'sche Karte nach Wenjukoff (wie das I-thung-yü-thu) einen Quell-
flti88 Solbi des Uljungur hat, läuft die Grenze südlich, um auf dem von Barkai
nach dem Kyzyl-Bash-See führenden Wege zwischen Kab-Dagh und Bai-
Dagh den 45. Breiten-Grad zu überschreiten. Ha-pu ist nach des Verfassers
Anmerkung im Türkischen »ein Sack«, muss also kab lauten, wegen Pai =
Bai ist auf eine frühere Stelle verwiesen, vermutlich die, in welcher der
Name der Stadt Bai als »reich« bedeutend erklärt ist. Die Petermann'sche
Karte von 1872 hat Chabtak-ola und Baitak-ola, worin das ola also
mongolische Wiederholung des türkischen tagh ist, ebenso wie shan in
dem Ha-pu-tha-kVf-shan und Pai-tha-k'e-shan an der entsprechenden Stelle
des I-thung-yü-thu. Der Ülan-Ussu ist hier vermutlich der Nebenfluss
des Kaidu-Flusses. Kas-Khou wird eine der Mündungen der westlichen
Zuflüsse des Xas-omo sein (omo mandschu = »See«). Da diese Mündung die
Grenze war, so waren die Bewohner des Lob-Nur noch dsungarische
Unterthanen, und da Viele infolge von Bedrückungen entflohen oder
umkamen, waren von der früheren Anzahl von 2000 kaum mehr als 600
geblieben. Als 1758 Herzog A-Kuo-I die Shara und Maghus unterwarf, kam
er bei Verfolgung des Tshinbayar am Lob-Nur vorüber. In seinem
Berichte heisst es, er sei am 9. Tage des 2. Monats (also etwa im März)
an den Lob-Nur gekommen; das Land sei sehr ausgedehnt und habe
dichte Waldungen. Der türkische Häuptling Ha-shi-ha und andere hätten
sich gezeigt und gesagt, sie seien jetzt über 600 Menschen, die von
Fischfang und Jagd lebten. Vor 40 Jahren, als das grosse Heer Turfan
unterworfen habe, hatte der Oberfeldherr sie mit Gaben von Seiden-Atlas,
Baumwollenzeug und Thee zu beschwichtigen gesucht; nachdem aber
die Truppen entlassen worden wären, hätten die Dsungaren Besitz ergriffen
(vom Lande). Neuerdings nun hätten sie gehört, dass das grosse Heer
die Dsungaren unterwerfe, da hätten sie im vorigen Jahre Störche als
Tribut eingeschickt. Der Berichterstatter habe sich darauf erkundigt,
nach was für Oertlichkeiten die Wege vom Lob-Nur aus führten. Ha-shi-
ha habe gesagt, dieses Gewässer sei sehr gross; nm es zu umgehn, brauche
man über zwei Monate; die mehr als 60 Flüsse der Dsungaren-Länder
Yarkand, Kasbgar u. s. w. mündeten alle in dasselbe. Als der Bericht-
erstatter mit seinen Begleitern sich längs des Weges auf eine Auflohe
am Altan-Sban an der Westgrenze von Xobdo. Liang .Rückgrat" entspricht dem niro in
Klaprotb'g Altai niro auf 46'/«° N. B.. 89'/« 0 Ö. L., da niroghon im Mongolischen
„Rücken" nnd .Balken* bedeutet (vgl. Humboldts Altai alin toube „extremite de 1'Altai*;
Asie Centrale S. 258, nach d'Anville). Uriang/ai scheint dieselbe Bedentang za haben
(vgl. türkisch ongurga).
*) Die Dsungaren zogen 1731 vom bunten Irtiscb nach Solbi-Ulaktsbin gegen die
Xah/a's, 8. Si-ytl-shni-tao-ki 5. Heft, S 19 b
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begab, am in die Ferne zu sehen, hätte er keine Ufer erblickt. Nachdem
das grosse Heer für das .Mal auf zwei Seiten eindringend sie ausgerottet
hatte, werde es fortan Sache des Emin Xodzba sein, in gleicher Weise
darüber zu wachen, dass nicht Räuberbanden dorthin flüchteten, und die
Einwohnerzahl zu erforschen.
Im Jahre 1761 setzte der Unterstatthalter (thsan-tsan) Herzog Shu-
Wön-Siang, — da am Lob-Nur zwei Stamme waren, der vom Kara-Kül
und der vom Kara-Xodzho, uud letzteres wieder aus 5 kleinen Weilern
bestand, der Beg von Kara-Kül aber nicht so leicht alles in der Runde in
Schranken halten konnte, — drei neue Beg's ein über die Einwohner.
Im Jahre liefern sie 100 ha-shi = Federn (käz türkisch »Gans«?)
and 9 Otterfelle (hai-lun = dem mongolischen /alighun). Die Leute
nähren sich nicht von Getreide, sondern von Fischen. In der Anmerkung
führt der Verfasser folgende Stelle aus dem Si-yu-wön-kien-lu an: »Die
Türken des Lob-Nur leben von Fischen. Sie gehen zuweilen nach Korla,
nach anderen Orten getrauen sie sich nicht hinzugehen. Denn 60 Ii von
dem neben der Oftgrenze von Korla liegenden Gebirge ist Kutshma; da
dieses aber südlich au den Lob-Nur stösst, so müssen sie wider den
Strom aufwärts fahren.«
Sie weben Kleider aus wildem Hanf, machen Pelze aus den Daunen
der wilden Gänse und schlafen auf den Fittichen des Wassergeflügels.
I lire Sprache ist ganz und gar unverständlich für die Türken insgesanit(?).
Nach der Anmerkung beisst es im Si-Thshui-Ki-Lio (»Abriss einer
Geschichte der Westmarken«): »In dem Sumpfe (tsö) sind Berge (oder
Inseln), welche von Türken (oder Muslims: hui) bewohnt sind, die Fische
fangen und Rohrkolben-Staub 1 ) sammeln und essen. Von den Leuten
sind viele über 100 Jahre alt.«
» Jetzt besteht der Volksstamm aus 280 Häusern (hu »Sippen, Familien«)
mit über 1260 Bewohnern beider Geschlechter unter 3 Beg's 5. Ranges
und 7 Beg's 6. Ranges. Infolge einer abändernden Verfügung werden
die als Tribut (kang) dienenden 9 Otterfelle (»Otter« hier mit dem ge-
wöhnlichen chinesischen Ausdrucke tha benannt) jährlich durch den »Kün-
Wang« (eigentlich: kaiserlicher Vetter oder Neffe, Sohn eines thsin-wang
oder kaiserlichen Prinzen ersten Ranges) von Turfan eingesandt, und es
') p'u-huang; p'u Rohrkolben, rypha «. Porter Smitb, Chinese Materia Medica,
S. 223 f, wo hiang-pu, „««ented flag" (Kalmus?) typha Bungeana genannt ist nach
Professor Bange, der Ober die Gewächse Nord-Chinas geschrieben bat; .eine Art Binsen
(? bulnisb), welche nicht sehr verschieden von der Typha latifolia Europa'» ist. Die
Wurzelittfcke werden zu Kuchen verarbeitet und zu einem Gemüse Die Staubgefässe
und der Blütenstaub, vermischt mit den haarigen Kelchblättern der blühenden Spike,
werden verkauft als Arzeneimittel uuter dem Namen p'u-huang. Es ist ein gelbes
Pulver* (buang »gelb")
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— 70 —
ist befohlen worden, den Weg zum Empfange des Tributes über die
zweite Ansiedelung Xara, 30 Ii südlich von der Stadt Turfan, einzuschlagen,
dann erst in südlicher, später in südwestlicher Richtung über 500 Ii östlich
vom grossen Kümüsh-See (Kümüsh-ta-tsö »grosser Silber-Sumpf«; kümüsh
türkisch »Silber«, ta chinesisch »gross«, tsö chinesisch »Sumpf«) vor-
überzugehn, dann weiter südwärts aus dem Gebirge zu treten und durch
die an der Südseite des Gebirges befindliche menschenleere Sandebene in
weiteren 3 Tagereisen bis an das Nordufer des kleinen »Nur« vorzudringen.
Dort solle man Feuer anzünden uud warten, bis die in der Mitte des
»Nur« befindlichen Türken auf einem hölzernen Flosse entgegenkamen«.
An den Namen des Kümüsh-Sees knüpft sich eine Anmerkung des
Verfassers, der zufolge 520 Ii nordöstlich von der Stadt Xarashar die
Festung Kümüsh-Akma liege (sie liegt in der That beinahe östlich mit
geringer Abweichung nach Norden am Wege von Xarashar nach Turfan),
der See aber sich 240 H südlich von der Festung befinde auf einem
amtlichen Weidegrunde. An den »Austritt aus dem Gebirge« ist die
Bemerkung geknüpft, dass man von Turfan bis zu dem Orte, wo man
das Gebirge verlasse, 6 Tage zu reisen habe.
Der »kleine Nur« ist einige Ii breit, an sein Südufer stösst eine
Sandebene. Wo in der Feme die Meeresdüuste brüten und die Hu-
Thung- Bäume sich zu Wäldern verdichten, da ist das Nord-Ufer des
Lob-Nur. Der Fürst (Kün-wang) setzt sich wegen Abholung dieses
Tributes ins Einvernehmen mit dem Befehlshaber der Truppen in Turfan.
Vom Lob-Nur geht der Weg nach Osten zu nach Tun-Huang und
Su-Tshou. Die »neue Landesbeschreibung« (sin-tshi) sagt, von dem zu
Sha-tshou gehörigen Xara-Nur komme man auf einem kleinen Pfade
in genau westlicher Richtung an den Lob-Nur in nicht ganz einem
Monat.
Das Shui-Eing-tshu sagt, indem es den Bericht von den Westlanden
in der Geschichte der Han anführt, das Fu-Thshang-Hai sei über 1300 Ii
vom Yü-mön-yuiv-kuan entfernt. DieWasser des Nur flössen verborgen über
1500 Ii nach S'i-ti»t<n und sprudelten dann am Abhänge des Bayan-Xara-
Gebirges hervor. Die Gegend heisse Altan-Ghadasu-Tshilau(Anmerkung
des Verfassers: »Auf Mongolisch heisst der Nordstern Ghadasu, ein Stein
tshilao, es weist darauf hin, dass der Stein ein Merkmal der Gegend ist.«
— In der That ist altan »Gold«, ghadasu [n] »Pfahl, Nagel«, tshilaghun
»Stein«, altan-ghadasu »Nordstern«, eigentlich » goldener Nagel«). Die Lage
ist angegeben zu 35° 5' N. B., 20° 35' W. L. Da der Erdboden des
Ufers gelbrot sei, werde durch den eiligen Lauf, das Hervorstürzen und
Brausen die Farbe zu Gold. Das sei der Altan-Ghool (»der goldene
Fluss«). Im Jahre 1782, als Artai von der kaiserlichen Leibwache die
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- 71
Qnelle des (Huang-)Ho lintersuchte, berichtete er, an verschiedenen Stellen
des Odun-Tala flössen Bäche, das Wassor der von Norden kommenden
sowie der in der Mitte fliessenden sei grün, die von Sudwesten kommenden
aber gelb. (Anmerkung des Verfassers zu Odun-Tala: tala bezeichne im
Mongolischen ein ebenes Feld, der Name bedeute also, dass auf dem ebenen
Felde Quellen wie Sterne wären. In der Geschichte der Mongolenzeit
heisse es Oduu-Nur.) Der Berichterstatter (Artai), heisst es weiter, sei
über 40 Ii am Bache entlang gegangen, da habe sich das Wasser
unter der Erde verloren. 1 ) Den Spuren folgend, sei er über 20 Ii
weiter gegangen, wo er es dann wieder gelb habe hervorfliessen sehn.
Nach weiteren 30 Ii sei er nach der Gegend Gbadasu-Tshilau gekommen,
wo die grosse Heerstrasse nach Tibet sei. Am Fusse eines westlich
liegenden Berges kämen zwei Quellen von gelber Farbe hervor. Nach
Aussage der mongolischen Eingeborenen (Möng-Fan »Mongolen« und Si-
Fan, d. h. wohl Tanguten?) heisse das Gewässer Altan-Gbool. Dieses
also sei die Quelle des (Huang-)Ho.
Im Jahre 1791 auf 1792 (es war am Ende des 56. Jahres Kbien-
Lcng), als der Häuptling der Gorka's einen Einfall in Tibet machte,
und der Oberfeldherr Fu-Khang-An, Herzog Kia-Yung, die Unterfeldherren
Herzog Hai-Lan-Thsha und Herzog Huei-Ling zu ihrer Bewältigung Truppen
herbeiführten, schlug man in Begleitung des Shao-Khing-An-Lu-Sze, des
Herzogs Fang-Wei-Tien, des Unterstaats-Secretärs des Kriegsamtes (ping-
pu) Herzogs Thshang-Ling, des Tshu-Shi im Werkamte (kung-pu)
Herzogs Pa-Ha-Pu und des Tshung-Shu im geheimen Rate (Nei-Ko)
Yang-Kung-Po von Si-Ning in Kan-Su aus den Weg über den Küke-Nur
ein, um in Tibet einzurücken. Es war im tiefsten Winter, bei heftiger
Kälte kam man Angesichts des Süe-Shan (»Schnee-Gebirges«) am Sing-
Su-Hai (»Sternenmeer« = Odun-Tala) vorüber. Herzog Kia-Yung berichtete
im vorigen (57.) Jahre (Khien-Lung), er sei am 23., 24. und den
folgenden Tagen des 12. Monats des vergangenen Jahres über den Ngo-
Ling- und den Tsha-Ling-Nnr, das Sing-Su-Hai, Beltshir, Laraa-Tologhoi 1 )
u.8.w. hinausgegangen, in welcher Gegend der Huang-Ho entspringe; innerhalb
*) loa I-thung-yfi-thn Überschreitet der nach Tibet führende Weg den Huang-Ho
etwas unterhalb des Ngoring-Sees; es ist daselbst ein Küke-Aman oder „blaues Thor",
noch etwas unterhalb dieser Stelle (und südlich von der, wo diese Karte einen Tsaidam-
Flus» sieb östlich nach einem Dzhasun-See, westlich nach einem Alak-See gabeln lasst)
sind Berge angedeutet, unter denen sich der Huang-Ho, wie die Rhöne, verliert.
*) Ngo-Ling soll nach chinesischer Erklärung (s. Uspenski, Strana Kuke-Noor S. 27)
.der schwarze, lange", Dzha-Ling „der weisse lange" bedeuten in der Landessprache.
Im Tibetischen ist nach Schraidt's Wörterbuche [s]ngo .blau, grün", ring .lang", skya
(sprich tsha, nicht dzha, wio nach der chinesischen Umschrift zu vermuten gewesen
wäre) „weisslich, bleich, ins Graue spielend*. Mit (m)t , ao .See" wäre also (M)tso (S)ügo-
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einiger 100 Ii gebe es sehr viele Bäche, deren Quellen ein Wirrsal bildeten;
im Winter friere es hier überall, und fern und nah, hoch und tief seien
keine Wege. Herzog Tshang sei später Oberfeldherr (und Statthalter)
von Iii gewesen. So oft er dem Verfasser den damaligen Gedanken er-
läutert habe, nach Odun-Tala hinzureiten, hätte ihm das Eis auf den
Teichen wie ein Spiegel entgegen geglänzt, sodass sie sich in einer Anzahl
in der Ferne vor ihm lagerten, die er nicht im Gedächtnisse behalten
könne. Odun-Tala sei von Norden nach Süden 100 Ii weit, es sei lang
in dieser Richtung, aber schmal von Osten nach Westen. Quellen gebe
es einige Hunderte, wie die Sterne, weshalb man es »Stemen-Meer«
(Sing-Sn-Hai) nenne. Der Altan-Ghool fliesse 300 Ii nach Nordosten,
worauf er mitten unter sie trete; wie er dem grünen Wasser begegne,
werde seine gelbe Farbe etwas heller. Weiter nach Osten trete er aus
dem Odun-Tala hervor, und 130 Ii weiter nach Sudosten fliessend, komme
er zum Stehn als Tsha-Ling-Nur, der auch Alak-Nur 1 ) heisse, dann trete
er aus dem See, fliesse nach Südosten, mache eine Wenduug nach Süden
und komme nach 50 Ii zum Stehn als Oling-Nur, auch Tsheke-Nur
genannt. Nachdem er an der Nordost-Ecke aus dem See getreten,
fliesse er nach Osten 50 Ii, dann, sich nach Südosten wendend, 140 Ii,
weiterhin südwärts 260 Ii und nach einer Wendung nach Südosten 300 Ii,
worauf er am Südabhange des Amie-Muldzhin-Müszün(-Ula) vorbeifliesse
(nach den Anmerkungen soll es für Amie auch Amunai, für Maldzhin
auchMaldzhan heissen können, amie tibetisch [tangutisch?] für »Grossvater«,
maldzhin mongolisch für »Kahlkopf«, müsün für »Eis« seiu. Viel-
ist aber emüne »vorn, Osten, Süden«, ein mongolisches Wort, das mit
amunai gemeinte?)
Nach weiterem ostwärts gerichteten Laufe wende sich der Fluss
nach Norden, dann nach Nordwesten, insgesamt in einer Strecke von
über 1600 Ii, komme am östlichen Abhänge des Gebirges vorbei bis an
die Mündung der Furt von Khe-tbshou (Khe-thshou-tu-khou); das sei
der Ta-Tsi-Shi(-Shan) des Altertums, welcher jetzt Ta-Süe-Shan (»grosser
Schueeberg«) heisse (ta »gross«, tsi »anhäufen«, shi »Stein« shan »Berg«,
süe »Schnee«), und von dem die Verfolgung der Spuren des (gelben)
Flusses im Yü-Kung ausgehe. Dieses ist nach der Anmerkung des
Verfassers derjenige Tsi-Shi-Shan , welcher nach der Landesbeschreibung
in der Geschichte der Han unterhalb Ho-Kuan-Hien im Kin-Thshöng-Kfm
ring und (M)t»o-Skya-ring zu vermuten. Sing-Su-Hai ist chinesisch und bedeutet
,, Sternen meer " , beltshir im Mongolischen .Kreuzung" von Wegen oder Flüssen, Lama-
yin Tologhoi tibetisch-mongolisch „Kopf eines Lama's."
i) Der Alak-Nur hat, wie Uspenski bemerkt, sein eigenes Becken. Das I-thung-jü-
thu laset einen Tsaidam-Fluss weiter nördlich nach Süden zu links in den Dzhasun-,
recht« in den Alak-See münden.
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im südwestlichen Khiang (Tangut) lag. Seit der Zeit, wo Tsbang-Hnai-
Thai-Tze in seiner »Erläuterung der Irrtumer in der Geschichte der
späteren Haue anerkannte, dass der »kleine Tsi-Shi« von Lung-Tshi-Hien
der Tsi-Shi des Yü-Kung sei und Ta-Yu 1 ) seinen Irrtum weiter ver-
folgte, bis auf die »Ueberlieferungen« (thshuan-yen) des Thsai, sind bei der
Erklärung der King der grosse und der kleine Tsi-Shi zu einem vereinigt
worden. [Der kleine Tsi-Shi-Shan befindet sich nach unserem Verfasser
am Tsi-Shi-Kuan, welches 120 Ii nordwestlich von einem (seinerseits)
70 Ii nordwestlich von Ho-tshou in Kan-Su befindlichen Gebirge liegen
soll. Wegen der veränderten Namen ist aber wohl eine weitere Erläuterung
notig; ein Tsi-Shi-Kuan findet sich zwar auf der Karte des I-thung-yü-
thu Bayan-Zhung-Ko gegenüber, südlich vom Huang-Ho und nordwestlich
von Ho-Tshou, die Namen Kin-Thshöng-Kfin, Ho-Kuan-Hien und Lung-
Tshi-Hien 1 ) aber sind auf den neueren Karten nicht mehr zu finden.
Kin-Thshöng-Kün soll an der Ost-Seite der Mündung des Ta-Thung-Ho
oder Ülan-Müren gelegen haben im damaligen Liaug-Tshou (später wieder
Yung-Tshou), jetzigen Kan-Su, Ho-Kuan-Hien, welches erst zu diesem
kün, dann zu Lung-Si (dem späteren Lin-Thao) gehörte, scheint seinen
Namen von einem Engpasse am Huang-Ho erhalten zu haben; Lung-Tshi-
Hien war einer der Kreise von Shan-Tshou (dem nachmaligen Si-Ning-
Fu) von den Zeiten der Wei bis zu denen der Thang.] Auf den Karten
des I-thung-yü-thu ist das Tsi-Shi-Kuan, wie gesagt, auf der rechten
oder Süd-Seite des Huang-Ho oberhalb Lan-Tshou zu findeu; während
aber unser Verfasser den ganzen Tsi-Shi-Shan — wenigstens den »kleineu«
Tsi-Shi-Shan — an diese Stelle versetzt, ist dort der Name Tsi-Shi-Shan
nördlich von Bayan-Zhung-Ko zu sehn, welches also samt dem südlich
davon fliessenden Huang-Ho als zwischen dem Tsi-Shi-Shan und dem
Tsi-Shi-Kuan liegend erscheint; umittelbar an den Tsi-Shi-Shan aber
schliesst sieb westlich der Siao Tsi-Shi-Shan (siao »klein«); ferner ist der
Name Tsi-Shi-Shan etwas nördlich vom 34.° N. B. zwischen dem süd-
wärts, dem ostwärts, nordostwärts und dann nordwestwärts gerichteten
Laufe des Huang-Ho zu finden, der hier zwischen dem Tsi-Shi-Shan
und einem südlichen Absenker des Li-Khing-Shan erscheint. Diese Ver-
setzung scheint erst in neuerer Zeit stattgefunden zu haben, wahrscheinlich
seit der Zeit des oben erwähnten Feldzuges gegen die Gorka's. Wie
langsam Übrigens das Neue sich Bahn brach, beweist die 1800 gedruckte
»Eingabe« des Herzogs Tshaug (Tshang-Kung-Tsou-I), in der als Quelle
') Verfasser de» Thung-Tien oder Staatshandbuche» aus dem 8. .'ahrhtindert.
») Kin «Gold-; thshong „Stadt, Stadtmauer-; kün Bezirke, deren unUr den Han
103, später 106 waren mit 1314 hien; ho „Flu,**", vorzugsweise der Huaug-Ilo; kuan
„Schluf*-, „befestigter Paas"; lung „Drache"; tahi „Zweig".
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des Huang-Ho ein grosser See erscheint, der aaf der oben aof der Karte
befindlichen Südseite Sing-Su-Hai, »Sternenmeer«, uoten P'u-Thsbaug-Hai
(d. b. Lob-Nur) genannt ist, weiterhin folgen unten Khun-Lun-Shan nnd
Si-Ning-Tshou, oben ein Sha-Ma-Kuan (sha »töten«, ma »Pferd«, kuan
»Thorschluss«) zwischen Bergen und zwei Quellflüsseu eines Nebenflusse«
des Huang-Ho, dann weiter östlich das schon unter den Ming aufgehobene
Tsi-Shi-Tshou, welche Lage also auf das erwähnte Tsi-Shi-Kuan hinweist
Der Verfasser verzweifelt am Schlüsse doch an der Lösung der Frage
nach den eigentlichen Quellen des Huang-Ho, da er die alte, für ihn
geheiligte Ueberlieferung seines unterirdischen Laufes nicht ganz auf-
geben kann.
»Von der ersten Behauptung der alten Bücher der Thsin, welche
den „Fluss" aus dem Kun-Lun hervorkommen, aber die Lage desselben
unerwähnt lässt, die von dem „Ho" sagt, er fliesse verborgen, ohne zu
erwähnen, wo er aus dieser Verborgenheit wieder hervortritt, kam man
bis zu den Worten der Geschichte der Han, in denen zuerst die Rede
davon ist, dass die Quelle aus dem Thsung-Ling komme, in Yü-Tien
(Xoten) sich unter der Erde verliere und im Süden aus dem Tsi-Shi
hervortrete, womit man die erste (thshn »Anfang«) Quelle des „Ho" er-
langt hatte, um die wichtigere Quelle zu verlieren (tshung »schwer,
wichtig«). Wenn Liu-Yüan-Ting zur Zeit der Thang bei Gelegenheit
seiner Sendung nach Thufan irrtümlicherweise auf den Kurkun hinwies,
als sei er der Khun-Lun-Shan, und sagt, die Quelle des „Ho u komme in
ihm zu Tage, so heisst das, die erste sowohl wie die wichtigere Quelle
des „Ho" verlieren und den Khun-Lun obenein«. (Des Verfassers An-
merkung zu dem Namen Kurkun besagt, dass das Bayan-Xara-, das
Aktatshin- und das Barbuda-Gebirge nebst den einzelnen Gipfeln den
Gesamtnamen Kurkun-Shan fuhren. Auf der Karte des I-thung-yü-thu
ist der Huang-Ho oberhalb des »Sternenmeeres« Aktan (Ghool) genannt,
des Bayan-Xara- Joch nördlich vom nördlichen Quellfluss, etwa um eines
halben Breitengrades Länge nach Nordosten das Aktan-Tshikin-Gebirge,
nach Nordwesten in etwas grösserer Entfernung der Barbu/a-Sban, so-
dass die drei Gebirge, wenn sie aus ebenso vielen eiuzelnen Gipfeln be-
ständen, ein Dreieck bilden würden, dessen Spitze dem Quellflusse zo-
gekehrt wäre.) »Wenu, fährt der Verfasser fort, das von Pan-Ang-
Siao zur Mongolen-Zeit verfasste Ho-Yüan-Tshi (»Beschreibung der
Quellen des Ho«) 1 ) den Huo-Tun-Nao'r (Odun-Nur »Sternen-See«) die
Quelle des Ho sein lässt und irrtümlicherweise den Ta Tsi-Shi-Shan für
') Wahrscheinlich war der Verfasser derselbe wie Fan-Mao-Siao, der nach Wylie
im 14. Jahrhundert lebte (s. Notes on Chinese literature, S 199). Die Zeichen fQr
mao und ang sind beinah gleich.
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den Khun-Lun, den Siao Tsi-Shi-Shan aber für den Tsi-Shi des Yü-Kung
ausgiebt, so heisst das: des Ho erste Quelle, die wichtigere Quelle und
obenein den Khun-Lun samt den Tsi-Shi verlieren. Alle diese Werke,
die in den verschiedenen Zeiträumen von den Quellen des Ho geredet
haben, verlieren das Alte, welches doch alle verehren, desto mehr aus
den Augen, je mehr sie es aufdecken wollen. Noch anderes hinzufügen
oder daran ändern, hiesse — was soll ich es noch sagen? — aus dem
Unrichtigen in eine Wildnis gehen. Was tausend Jahre lang vernach-
lässigt ist, wer kann über dieses Wirrsal von Aussprüchen in einem
Augenblicke ein entscheidendes Urteil fällen ?c
Hier schliesst der Verfasser seine Bemerkungen über das Becken
des Lob-Nur, um in den folgenden Bändchen die Stromgebiete der
übrigen Seen zu besprechen. Von diesen kommen, — abgesehen von
manchen geschichtlichen Bemerkungen, die sich im Si-yü-sbui-tao-ki noch
finden mögen, — wegen der vielen Landes-Aufnahmen und Entdeckungs-
reisen der neuesten Zeit der Balkasch-See, der Dsaissang-See, der Kyzyl-
Bash-See, der Alaktu-kül, der Temürtü-Nur (Issik-Kül) für uns weniger
in Betracht; Barkul lag auf dem Wege der von Sosnowski, Matusowski
und Piassetzki ausgeführten Reise, über den Xara-Nur und Edzine hin-
gegen möchten einige Bemerkungen Manchem erwünschter sein, vielleicht
auch über den Ayar-Nur, den Boro-Tala-Omo und den Sairam-Nur.
Allein andere Gebiete nehmen fürerst des Verfassers dieser Zeilen Auf-
merksamkeit in Anspruch, der sich jedoch eine Rückkehr zu dieser
Quelle der Kunde Inner-Asiens vorbehält. Die Wichtigkeit dieser letzteren
ist schon vor Jahren in Russland anerkaunt worden. In den »Ergänzungen«
nämlich, welche GrigoriefF 1873 zu seiner russischen Ausgabe des Ost-
Turkistan betreffenden Abschnittes von Ritter's Asien erscheinen Hess,
sind drei teils in chinesischer Sprache, teils in Mandschu verfasste
Werke besprochen, die sich auf die fraglichen Länder beziehen. Der
zwölfte Abschnitt der »Ergänzungen« handelt von der »chinesischen
Herrschaft über Ost-Turkistan von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis
zum Aufstande des Landes im Jahre 1826« und spricht auf S. 422 von
dem 1818*) in Mandschu erschienenen »Buche der infolge hohen Er-
lasses verfügten Gesetzlichen Verordnungen für die türkischen Grenz-
lande« (/esei toktobu/a Xoise dzheteheui hooli /atshini bit/e), von dem
der Verfasser sagt, dass es, nach der schon ins Russische übersetzten
') Auch für andere dem chinesischen Kaiser unterworfene Stämme wurden um
diese Zeit solche Verordnungen erlassen, wie Grigorieff nach der Vorrede LipowtzofTs
zu »einer russischen Uebersetzung der .Verordnung des chinesischen Gerichtshofes der
auswärtigen Beziehungen" (Li-Kan-YQan) erwähnt. Die für die Mongolen bestimmte
Verordnung ist auch ins Russische übersetzt.
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gleichzeitigen Verordnung für die Mongolen zu urteilen, viel wissens-
werte Nachrichten enthalten müsse »nicht nur von Seiten der chinesischen
Verwaltung des Landes, sondern auch in Bezug auf seinen Zustand unter der
chinesischen Herrschaft«, dass wir aber leider das Werk nur dem Namen nach
kennten; dann anf S. 423 vom Sin-Kiang-Tshi-Lio und S. 424f vom
Si-yü-shui-tao-ki. Vom ersteren Werke (dem »Abriss einer Beschreibung
der neuen Grenze«) sagt der Verfasser, dass uns der Inhalt dieses 182 1
(in 2 Bänden und 10 Heften) in Peking erschienenen Werkes besser
bekannt sei. Der Verfasser desselben war der frühere Oberbefehlshaber
von Turkistan Sung-Tshün. Stan. Julien übersetzte einen Abschnitt des
Werkes und gab aus dem zweiten, der von Flüssen und Seen handelte,
Auszüge heraus, die er als Ergänzungen zu seiner dem Ta-Thsing-i-
thung-tshi entstammenden Beschreibung Ili's im Jahrgange 1846 des
Journal Asiatique herausgab. Grigorieff bedauert, dass nicht das gauze
Werk übersetzt ist, das ihm, nach der von Julien gelieferten Probe zu
urteilen (die er, Grigorieff, für sein Werk benutzt hat), herrlich (prekraa-
naja) erscheint. Ob Sung uun das Werk selber oder durch die Hände
seiner Untergebenen zusammengestellt habe, jedenfalls bezeugten dieses
Buch sowie der oben genannte Bericht des Tshao-Hui, dass unter den
höchsten chinesischen Verwaltern entfernter Provinzen nicht Belten Leute
von Bildung und Sachverständnis in dem Masse wären, dass sie den
Oberstatthaltern anderer, europäischer Völker hohe Ehre gemacht haben
würden, die sich für wer weiss wie erhaben über die Chinesen hielten.
»Bald nach dem Erscheinen des Sin-Kiang-Tshi-Lio, nämlich 1823,*)
kam in Peking noch ein anderes, wegen des Bezuges auf das von uns
erforschte Land wichtiges Buch heraus, das Si-yü-shui-dao-tszi (Si-yü-shui-
tao-ki), »die ausführliche Beschreibung der Flüsse und Seen im Westlande«.
Sein Verfasser, ein wegen irgend welcher Verschuldungen in dieses Land
verwiesener Chinese, hatte das Glück, sich dem dasigen tsiang-kün oder
Ober- Landes verweser gefallig zu erweisen, und nahm mit dessen Erlaubnis
an verschiedenen Zügen und Truppen-Bewegungen Teil, infolge welches
Umstände« er eiuen bedeutenden Teil des Landes mit eigenen Augen
sehen und über dasselbe genaue Nachrichten sammeln konnte, was er
auch benutzte. Diesen ihm zu eigen gehörigen Stoff vervollständigte
er durch Auszüge aus alten und neuen Büchern über das Land,
aus verschiedenen Berichten und Eingaben. So spricht über das Si-yü-
shui-tao-ki und den Verfasser dieses Werkes W. M. Uspenski, der auf
meinen Antrieb einen Auszug aus demselben gemacht hat, welcher
im 3. (6.V) Bande der Zapiski der Kaiserlich Russischen Geographischen
') Unter einer der Vorreden des Si-yü-shui-tao-ki steht das 3. Jahr Tao-Kuang,
welche» grossenteils dem Jahre 1823, mit »einem Ende dem Jahre 1824 entspricht
- 77 -
Gesellschaft, Abteilang für Völkerkunde, unter der Ueberschrift »Ueber
das Becken des Lob-Nur« abgedruckt ist. Nach diesem Auszage zu
urteilen, haben die Chinesen von Ost-Turkistan ungleich genauere
Kenntnisse, als mau nach den früheren uns bekannten Beschreibungen
des Landes voraussetzen konnte. Der Lauf der Flüsse ist hier mit
der grÖ9Sten Genauigkeit vermerkt, was besonders wichtig ist in Be-
ziehung auf den Aksu-Fluss und die beiden Yulduz, über die bis dahin
beinah nichts bekannt war; man trifft auch viele neue Nachrichten über
die Berge an, z. B. über die Bergrücken südlich vom Tarim uud vom
Lob-Nur; viele für die Kartenzeichnung wichtige Punkte bieten sich
astronomisch bestimmt dar, wenn auch vielleicht nicht ganz genau, und
man erhält ebenso wichtige Hinweise in Bezug auf ihre gegenseitige
Entfernung; das Laud zeigt sich mit Ansiedelungen besät, von denen bis
dahin nie die Rede gewesen war, und mit einer solchen Menge von den
Chinesen erbauter Warttürme, dass man sich gar keinen Begriff davon
machen konnte. Alle diese Angaben benutzen wir im folgenden,
geographischen Teile unserer »Ergänzungen«, indem wir sie hier nicht
überliefern, da wir sie für schon auf die zeitgenössische Erdkunde bezüg-
lich halten«.
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Die Bezeichnung des Krieges im Mexikanischen
mit sprachlichen Erläuterungen
ron Walter Lehmann, Berlin.
Bei der Schwierigkeit, die in den altmexikanischen Bilderhand-
schriften vorkommenden Symbole, nach Laut und Bedeutung, zu erklären,
erscheint es als eine dankbare Aufgabe und als ein wichtiges Hilfsmittel,
die, ihrem Begriff nach, sicher festgestellten Symbole vom positiv ge-
gebenen Boden der Sprache aus etymologisch zu beleuchten, ehe man
sich in das, an Hypothesen reiche, Gebiet des Symbolismus der mittel-
amerikanischen Culturvölker hinauswagt.
Eines der interessantesten Symbole dieser Art ist atl tlachinoili,
ein metaphorischer Ausdruck für den Krieg, welchen ich in grammatischer
und etymologischer Hinsicht im Folgenden eingehender besprechen will.
Zunächst ist zu bemerken, dass, was die grammatische Seite dieser
Redensart anlangt, diese nicht unpassend den Dvandva des Sanskrit an
die Seite gestellt werden kann, welche aus der Zusammenstellung von
zwei oder mehr Substantiven bestehen, die einander koordinirt sind, d. h.
in gleichem Casusverhältnis stehen und dem Sinne nach durch »und«
verbunden sind. 1 )
Atl tlachinoili würde demnach, zunächst ohne Rücksicht auf
Etymologie »Wasser und Brande bedeuten. Als Synonyma kommen
folgende andere Dvandva vor:
uritl chimalli »Pfeil und Schilde, »guerra o batalla« (Molina).
chimalli ma-c-quauitl »Schild und Schwert«.
xiuhcouatl mamalhuaztli »Türkisschlange und Feuerbohrer«.')
otla-na-mitl teueuelli »vier Pfeile und Zerstörung«. Die vier
Pfeile sind die Waffen des Kriegsgottes. *) otlanamitl ist gebildet aas
otlatl »cana macica y rezia« (Molina), nau oder naui »vier«, dessen u
vor m, nach bekanntem mexikanischen Lautgesetze sich zu m assimilirt,
') s. Bopp, kritische Grammatik der Sanskritaspr., in kürzerer Fassung, 1863 p.
435 § 587.
*) So wird von Uitzilopochtli gesagt: tepan quitlaga in xiuhcoatl im
mamalhuaztli, q. n. yaoyotl, teoatl tlachinoili „er schleudert auf die Leute
die Türkisschlange, den Feuerbohrer, d. h den Krieg. Speerwerfen und Brand". (Saha^on
I. 1.) Vgl. Seier, Tonalamatl der Aubin'ächen Sammlung p 77.
>) ». Seier, die Bilderhandschriften Alexander von Humboldt'* p. 34, 67.
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79 —
wobei oft Dur ein m geschrieben wird. 1 ) teueuelli gehört zu dem
verbum ueloa . nitla »desboronar, deshazer o derribar algo« (Molina),
ueueloa »zerstreuen, zerstören. te ist vielleicht das inkorporierte .
te-tl »Stein«.*)
Dem entsprechend sieht man in den Bilderhandschriften Hieroglyphen
des Krieges, welche bald Schild und Schwert'), eventuell mit Fussspuren, 4 )
bald Schild und Pfeile, auch mit dem Teile eines Wurf brettes,") zur
Anschauung bringen. Eine andere Hieroglyphe, die z. B. im Codex
Mendoza sich häufig findet und ein Haus mit eingestürztem Strohdach
und herausschlagenden Flammen darstellt, bezeichnet weniger den Krieg,
als die Eroberung einer feindlichen Stadt.
Indem ich andere Ausdrücke für Krieg wie yaoyotl »guerra o
batalla«, xochi-yaoyotl »Blumenkrieg, d. h. kein ernsthafter Krieg,
Scharmützel«, namiqui »feindlich zusammenstossen«, icali »pelear contra
otros« u. 8. w. übergehe und mir eine Besprechung des Dvandva im
Mexikanischen vorbehalte, wende ich mich nunmehr der Etymologie von
atl tlachinolli zu.
Tlachinolli, um mit dem Einfachen zu beginnen, ist part. pass.
von tla-chinoa »quemar los campos o montes« (Molina), und bezieht
*
sich auf das übliche Verfahren der Eroberung eines feindlichen Landes,
die Brandschatzung der Felder, auf das »Sengen und Brennen«. 8 )
atl hat im Molina verschiedene Bedeutungen:
a) agua
b) orines
c) guerra
d) la mollera de la cabeca.
Wenn nun auch a, b, und d sich wohl mit dem Sinn von Wasser,
Flüssigkeit, vertragen, da mollera de la cabeca sich auf die Fontanellen
des jugendlichen Schädeldaches und das Fühlen des darunter liegenden
weichen Gehirns beziehen wird, so ist atl im Sinne von Krieg — indem
dabei eben an die vollständige Phrase atl tlachinolli gedacht ist —
mit dem übrigen unvereinbar. 1 )
') Vgl. quammaiac „borcajadura de arbol" aus quauh + maxac, quam-maitl
„Zweig des Baumes" aas quauh maitl.
*) Ueber teueuelli als Schild Uitzilopochtli's, vgl. Seier, Vertiffentl. aus dem
Kgl. Museum f. Vrtlkerk. I 4, p. 122, vgl. auch Sahagun, Gant. V, 2 u. Ol.
») z. B. Cod. Teller. Rem., Teil 3 Bl. 8 (Kiugsborough I).
«) z. B. Cod Boturini, Kingsborough I, 8, 10.
*) z. B. Cod. Mendoza, Teil 1 (Kingsborouph 1, 5, 7).
•) Ueber tlachinolli als „Verbrennung der Felder", vgl. Seier, Tonalamatl p. 72
') S. tla-atlatla p. 14.
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— 80 -
Vernichtet man Ländereien mit Wasser? Doch, gesetzt den Fall,
man hätte bei atl tlachinolli sich die verheerende elementare Gewalt
des Wassers vergegenwärtigt, so weist doch der Aasdrnck teuatl
tlachinolli, den Molina in der Form tlachinolli teuatl verzeichnet,
ganz wo anders hin. 1 )
Zunächst ist zu betonen, dass teo-atl durchaus nicht »Wasser des
Gottes, göttliches oder kostbares Wasser« bedeutet, wie Herr Dr. Preuss
annimmt, 3 ) sondern »eigentliches atl, das wahre, das echte atl«.*) Der
Stamm teo kommt freilich vou teotl »Gott«, er nimmt dann die Be-
deutung des Wahrhaften, Echten — der Eigenschaft des Gottes — an
und dient, in Composition mit andern Worten, zur Unterscheidung einer
Sache von einer anderen; so gebraucht man Teo-tenanco »das eigent-
liche Tenanco« etwa wie wir Alt-Cöln und Neu-Cöln sagen, Teo-atzinco
»das eigentliche Atzinco« und viele Ortsnamen mehr. 4 ) teo-itta »hallar
la cosa que se busca, con mucho trabajo y afan, o con gran dificultad*
(Molina) ist wörtlich »wahrhaft sehen, scharf sehen«, teo-xiuitl
»turquesa fina y preciosa (Molina) ist der echte Türkis — wie Xiuh-nel*)
zu nelli »cierto, ciertamente, o de verdad« — zum Unterschied von
andern, weniger kostbaren grünen Steinen, teo-quecholli »cierto paxaro
de pluraas ricas« (Molina) ist der eigentliche quechol- Vogel (rother
LöflFelreiher, Cotinga). Teo-chichimecä sind die eigentlichen Chichimeken.
Teo-atl beweist, dass atl anders als einfach »Wasser« zu verstehen
ist. Dies fuhrt mich dazu, nachzuforschen, ob für atl nicht die
Etymologie eine Erklärung zu bieten im Stande ist, welche zugleich
dem Sinn von atl tlachinolli gerecht wird.
Herr Prof. Seier erwähnt die Verbalform atinemi, die im Sahagun
auf die jagdliebenden Chichimeken bezogen wird. Er übersetzt »sie
schiessen« 8 ). Herr Dr. Preuss dagegen ist geneigt, diese Form von ami
»montear o cacar« (Mol.) abzuleiten, das im Praeteritum o-n-ä »ich jagte c
lautet. Nach der Grammatik des Caroohi verlangten die, mit dem Hüfs-
•) Einige Stellen, wo teoatl tlachinolli sich findet, sind : xi-rao-y ollebaayso
oncan manian teoatl tlachinolli „dort soll man Krieg anstiften* (Brinton, Ancient
Nahuatl Poetry, VI, 4). otlaltitecbya in altepetl teoatl tlachinolli ye
opoliuh . . . .Die Stadt wurde mit Feuer und Schwerdt zerstört" (Fray Juan Bautista.
Sermones en lengua mexicana p. 122).
') Dr. Preuss. die Hieroglyphe des Krieges in den mex. Bilderhandschriften.
Ztschr. f Ethn. XXXII (1900) p. 110.
•) Vgl. Seier. Tonalamatl p. 71 b
4 ) S. Ant. Peflafiel. Nombres gengraphicos de Mexico, Mexico 1885.
•) Name einer Person im Codex Boturini, Blatt 2.
•) Seier, Tonalamatl, p. 71.
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- 81 -
»
verbum nemi »leben, sieb befinden« durch die Ligatur ti verbundenen,
Verben das Praeteritum.
Grammatisch mag dagegen nichts einzuwenden sein; ä-ti-nemi »sie
leben in beständiger Jagd t, o-n-ä »ich jagte «sind dann aus an-ti-nemi,
o-n-an entstanden, ähnlich wie o-ni-ma »ich wusste« aus o-ni-mat,
o-ni-quä »ich aase aus o-ni-qua-c.
Würde es aber eine Wurzel a 1 ) von der Bedeutung »werfen,
schiessen« geben, so könnte ä-ti-nemi sehr wohl zu ihr geboren. Die
Wiederholung ein und desselben Gedankens, atinemi tlamintinemi »sie
werfen, sie schiessen beständig« ist nicht auffallend, da gerade die
mexikanische Sprache eine solche Häufung gleichartiger Ausdrücke liebt.
Alsdann könnte atinemi aus a-c-ti-nemi entstanden sein, da das
Praeteritum der einsilbigen vokalischen Stämme c anfügt, vielleicht schon
deswegen aber mit Schwinden dieses c, um es von ac, der Wurzel von
aqui »hineingeben — sich freuen«*) zu unterscheiden.
Man muss jedoch bei dem Aufsuchen von Wurzeln in einer, leider
in ihrer Entwicklung wenig bekannten, Sprache, deren Vocabelschatz in
dem Lexikon des Molina vom Jahre 1571 meist in nicht ursprünglichen
Bedeutungen niedergelegt ist, äusserst vorsichtig sein und alle Möglich-
keiten ins Auge fassen. Ich will daher hier die mannigfaltigen Bedeutungen
der Wurzel a folgen lassen und, der Reihe nach nummeriert, kurz
besprechen:
1. ä, i-tl mit den p. 79 a— d besprochenen Bedeutungen. Vgl. auch
noch n-a-uh »mi mollera« t-a-uh »la mollera de la cabeca«
(Molina) in possessiver Verbindung; frequentativ in aa-quetza
»alcar y abaxar amenudo la cabeca, como loco«. Ferner a-quetz-
ca-ciuatl »muger desonesta y sin verguenca« (ein koquettes Weib,
das den Kopf emporwirft). Zu ä-tl »agua« fuge ich als bedeut-
sam das Vorkommen im Sinne von »aguacero«*) hinzu, da hier
die Vorstellung des »Geworfen werdens«, auf die es mir ankommt,
hindurchbricht.
2. ä »freuen«. Dieser Stamm ist lediglich in Ableitungen erhalten.
Molina giebt das directe Compulsiv ä-tia mit Bedeutungen an,
die sich mit 1. vermischen, nämlich:
»derretirse o pararse ralo lo espesso (zu atl »Wasser«), regalarse
ö alegrarse mucho.«
•) Derartiger Stamme, die aus einem Vocal bestehen, besitzt das Mexikanische
mehrere, z. B. i .trinken*, o .Hegen", e-tl „die Bohne", ö-tli .der Weg".
*) Vgl. das Frequentativum aaqui .gozarse y aver muy gran placer" (Molina).
*) Vgl. Seier, Tonalamatl p. 7, die guatemaltekische Liste der 20 Tagesreichen : atl,
6 qniahnitl .el aguacero" (No 9).
•>
- 82 -
Weitere Derivate sind a-uia »tener lo necessario y estar contento»,
auia-c »cosa suave y olorosa, o cosa gustosa, auiani »das Freuden-
mädchen«. Auiatl >Gott der Erlustigung«'), abauil-yotl >die
Lustbarkeit«, auil-tia . nino »sich ergötzen«, auilli »der Mut-
wille«, part. paBs. von ä-ui »fröhlich sein«, auatl »Frau« (wie
Venns zu V^ven »angenehm, lieblich« vgl. skr. venas »lieb«,
vinum »Wein«, unser Wünschen, ahd. wini »Freund«, skr. vauas
»Last«, unser Wonne.)
3. <k, verkürzt aus amo »nicht«, das mexikanische aprivativura.
4. ä »zanken«; ä-ui »zanken«, ä-ui-lia »auszanken«.
5. a aus ya »gehen«, ni-a-z »ich werde gehen«, o-ni-ä »ich ging«.
6. a »werfen«, auf welches ich sogleich naher eingehe.
Indem ich die Spuren der Wurzel a im Sinne von 6 nachweisen
werde, bezeichne ich der Ueberaicht halber die einzelnen Belege mit den
Buchstaben des lateinischen Alphabets:
a) a-ti-c mitl ist nicht der »flüssig gewordene« Pfeil 1 ), sondern
der »geflügelte« Pfeil*), atic, ein Participiura, ist abzuleiten
entweder von dem intransitiven a-ti, oder dem compuhiven
a-tia, Abkömmlingen der zu erörternden Wurzel a »werfen«.
Die unter 2. angeführten Bedeutungen geben hier keinen Sion.
Da atic in Verbindnng mit mitl »Pfeil« steht, so liegt es an und
für sich schon nahe, an eine Bedeutung zu denken, die mit »werfen«
in Zusammenhang steht. Gäbe es ein Verbum a »werfen«,
so wäre atic mitl sehr einfach »der Pfeil, den man werfen
machte«. Die Ableitung von a-tia »schmelzen«, wobei dieSchnellig-
keit des Wassers auf den Pfeil übertragen worden wäre, erscheint
mir unwahrscheinlich. Jedenfalls bedeutet atlan nino tlaroina 4 )
»im Wasser dahinschiessen — schnell schwimmen« wörtlich nur
und nur »ich schiesse mich im Wasser hin«; die Schnelligkeit
liegt in dem, von mitl »Pfeil« abgeleiteten, Verbum mina
»schiessen«, nicht in a-tlan »im Wasser«, welches allein das
Medium ist, in dem die schnelle Bewegung vor sich geht.
«) S. Seier, Tonalaroatl p. 86. Vgl. auch iü den Anale« de QnaubtiÜan die Stelle
amech-ra-a-ti quiuh „er kommt euch zur Freude*.
») S. Dr. Preuss, die Schicksalsbücher «1er alten Mexikaner, Globus Bd. LXX1X
No. 17 p. 262 b.
») S Seier, Tonalamatl p. 71b
«) Herr Dr. Preuss schreibt in der, Anm. 2 erwähnten, Stelle: .atic mitl beisst
ferner eigentlich „der flüssig gewordene Pfeil", von atia „schmelzen* und bezieht sich
auf das auch bei uns gebräuchliche Bild des dahinschie.ssenden Wassers. So sagt
ähnlich der Mexikaner: atlan nino tlamina .im Wasser dahin schiessen für schnell
schwimmen ".
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- 83 —
b) Nun finde ich im Molina a-ti-lia »derretir algo, o frechar 1 )
arco« angegeben. Die erste Bedeutung bezieht sich anf a-tia
»schmelzen«, die zweite aber zeigt klar, dass die Wurzel o den
Sinn von »schlössen, werfen« haben mnss; atiliaistein Compul-
sivum-Applicativum direkt von a, »werfen in Bezug auf jemaud,
achiessen auf jemand«, und zwar speziell mit Pfeilen. Das ein-
fache Compulsivum ist a-tia »werfen machen«.
c) a-tl »Wasser« lässt sich auffassen als ein Participium passiv,
zu o, »das Geworfene«. Ich betone an dieser Stelle ausdrück-
lich, dass das Mexikanische ziemlich häufig Participia passiva auf
tl bildet, wofür folgende Beispiele als Belege dienen mögen:
tla-xqui-tl »cosa asada en las brasas, o en el rescoldo« (Mol.)
Part. pass. zu ixquia.
tlaxiuh-cuicui-tl »cosa deservada«; part. pass. zu cuicui
(vgl. tlaxiuhcuicuiliztli »el acto de deservar«).
tla-tzin-cui-tl »grano de mayz deshollejado y despicado«,
tla-cuicui-tl »cosa labrada o esculpida en madera o en piedra«.
Vetancourt*) erwähnt ebendasselbe Beispiel:
cuicui -tl »in Holz geschnitten« und ferner
tla-pi-tl, Part pass. zu pi »Kräuter sammeln«. 3 )
tla-tqui-tl »das Gebrachte, der Tribut« von itqui »tragen«,
tla-chichi-tl »remiendo, o nianta remendada von chichi (vgl.
chichichi . nitla remendar vestidura«).
tla-cen-cui-tl »cosa tomada afsi, o adestejo y hasta el cabo«
Part, pass* zu cen-cui »gänzlich nehmen«,
tla-ate-cui-tl »capado-castrado«, einer, dem die Hoden (a-tetl)
weggenommen sind,
tla-co-tl (tla-9090-tl) »cosa ensartada« von 90 (9090) . nitla
»ensartar cuentas«.
tla-oco-tl »der über etwas Betrübte« Part. pass. zu tlaocoya
»estar triste«. 4 )
Diese Beispiele, die sich leicht vermehren Hessen, dürften genügen,
um jeden von der Existenz auf tl gebildeter Participia passiva, die sich
zu Substantiven entwickeln (tlatquitl), zu überzeugen.
') frechar steht für das jetzt gebräuchliche flechar (vgl. franz. flache).
*) VeUncort. arte de la lengua mexicana p. 13b. p. 14a: tla-i-tl „getrunkenes".
Vgl. auch Carochi p. 128.
») 8. W. v. Humboldt, mex. Gramm. § 14
*) Ich finde in einer Handschrift der kgl. Bibliothek zu Berlin den Eigennamen
Miguel tlaocotl, wo tlaocotl durch die beigesetzte Hieroglyphe, ein Gesicht mit
einer Thrfne, erläutert wird.
6»
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Für die passive Natur des Wortes atl würde seine Verbindung mit
tlacbinolli >etwas Verbranntes« ebenfalls sprecben.
ÄU8 der Vorstellung des Werfens, Springens entwickelt sich un-
gezwungen die des Wogens und Wallens, des hüpfenden, bewegten
Wassers, des Wassers im Allgemeinen.
d) atlatl »amiento«, das Wurfbrett, zeigt auf das deutlichste die
Wurzel a in ihrer Bedeutung »werfen«. Es ist noth wendig hier
einige Worte Qber die merkwürdige Bildungsweise zu sagen.
Herr Prof. Seier 1 ) nimmt an, dass atlatl ein Instrumentalis 2 ) sei,
und indem ich diese Auffassung unbedingt für richtig halte, will ich den
Instrumentalcharakter an ähnlichen Bildungen darlegen, doch zuvor kurz
die anderen Weisen der Instrumentalbildung erwähnen.
Einige Substantiva der Art sind ursprünglich nichts anderes als
Participia, gebildet vom Passivum der Verben -f- der Participialendung
des Aktivum (ni), wie z. B. tlaui-lo-ui »cirial«, das womit es hell
wird, tlutzacuillotzotzona-lo-ni »aldava de puerta para dar golpes
y llamar cou ella«, tla-xexe-lo-ni »instrumenta o hacha para rajar o
hender madera«. Andere fügen am Ende yan hinzu, doch bedürfen sie
des vorgestellten Pronomen possessivum, i-tla-qua-ya »sein etwas essen
womit — sein Essgeräth«. i-atl-i-ya »sein Trinkgefass«.*) Atl-i-
aqni-yan (Atliaquian) »Ort, wo das Wasser in die Erde hineingeht«. 4 )
Mehrere Substantive entstehen durch angefügtes z-tli an Verben,
und erscheinen passivisch. Ich mochte sie fast als Participia futuri
passivi ansprechen, da z der Tempuscharakter der Zukunft und tli
Endung des Participiums pass. ist; z. B. tzotzopa-z-tli »Messer zum
Festscb lagen der Gewebe« von tzupa »acabar y concluir de texer la
tela o la boveda« (Molina); chicaua-z-tli »womit man kräftig macht«,
d. h. die Rassel; tle-qua-z-tli »worin etwas vom Feuer (tletl) ver-
zehrt wird — der Feuerherd«. 4 ) aaztli »das, womit man wirft, sich
hin und her bewegt — der Flügel« (ala para bolar. Molina). Das .
Fliegen wird mit dem durch die Luft werfen verglichen. Ich spreche
über aaztli noch später.
Endlich werden einige instrumentalartige Worte in der Weise ge-
bildet, dass an die Participialendung des passiven tl das Substantiv
suffix tl mit dem Bindevokal a gefügt wird, wodurch die passive Natur
') Tonalamatl, p. 71.
«) Dies bestreitet Herr Dr. Prcuss (Globus LXXIX No. 17 p. 262 b), es gäbe für
eine grammatische Form wie atlatl .womit man schiedst* kein Analogon bei irgend
einem Ter b am.
s ) Anales de Quaubtitlan.
4 ) Cod. Botarini. Aehnlich sind mehrere Ortsnamen gebildet.
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dieser Worte sich erklärt. Der Bindevokal a findet sich sonst in vielen
Substantiven wie ilam-a-tl (neben ilan-tli), cam-a-tl (vgl. can-tli),
cozc-a-tl, tozc-a-tl, com-a-tl, malac-a-tl, nac-a-tl, yac-a-tl
11. a. m.
atlatl »Wurfbrett« ist also a-tl-a-tl abiutheilen:
a Stamm,
Ü Endung des Part, pass.,
a Bindevokal,
Ü Sabetantivendnng.
Ebenso ist ma-tl-a-tl »Netz« gebildet und bedeutet wörtlich »das,
womit genommen wird«, ma »fangen« (von nia-it) »Hand«, mal Ii
»der Gefangene«). Dass atl Endung ist, gebt aus qua-te-matl-e
»einer, der am Kopf das Netz tragt« hervor.')
Genau so verhalt sich tlamamatlatl »escalon o grada« (Molina).
Die Stufe, vornehmlich die der Pyramide, ist im Mexikanischen abgeleitet
aus der leicht verständlichen Vorstellung des auf dem Rücken Tragens
(mama). Denn wenn jemand auf einer Stufe steht, so trägt diese ihn
gleichsam auf ihrem Rücken. Grade diese Art des Tragens bezeichnot
mama »llevar carga a cuestas« (Molina), mamallitli, tlamamalli,
mamatlatquitl ist »die auf dem Rücken getragene Devise«. *)te-tlamama-lo
»hijo(a) segundo(a) (Molina) ist das auf dem Rücken getragene Kind;
teo-mama »der Priester, der deu Gott auf seinem Rücken trägt«; diese
Vorstellung gilt auch vom König, der sein Volk, die Verantwortung auf
dem Rücken trägt, weshalb cem-mama geradezu »regir y governar a
todos« (Molina) bedeutet, und entwickelt sich endlich im Sinne
von Verpflichtung, Auftrag, vgl. mic-ca-te-mania-qui-liztli »mandas
de testamento« (d. h. sterbend jemandem einen Auftrag geben). —
te-mama-tl-a-tl ist die steinerne Stiege »escalera de piedra« (Molina),
tlamamatla-yaualli (oder — ilacatztli) »caracol de escalera«;
cecen-tlamamatla-c bedeutet »en cada grada, o grada a grada« (auch
cecen-tlamamatla-pan).
Hieran schliesse ich sogleich das ganz ähnlich gebaute, sonderbare
tememetlatl »molleja de ave« (Molina) »der Kropf«. 3 ) Zunächst ent-
hält dies Wort te-tl »Stein« im Siune von etwas Grossem, Rundem, in
') Technische Bezeichnung gewisser Opfer, die in Netze gethan und solange gedrückt
wurden, bis die Eingeweide herauskamen. Diese Sitte bestand bei den Matlatzinca zu
Ehren ihres Gottes Coltzin.
*) 8. Seier, Veröffentlichungen aus dem Kgl. Museum f. Völkerk. I 4 p. 128, 124,
120. Vgl Molina: tlamamalli „la carga que leva a cuesta» el tameme (letzteres
aas tlameme).
*) Das gewöhnliche Wort für Kropf ist quech-nacatl „Halsfleisch*;
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— 86 -
welcher Weise gerade tetl allgemein gebraucht wird, was a-tetl
»Wasserstein — Hoden«, coa-tetl »Schlangenei c , ayo-tetl >calabaca
o melon«, totol-tetl »Vogelei«, mich-tetl »Fischei«, tlal-tetl
»parrafo, o punto encima de letra, o tilde«, tzin-tetl »cimiento de paredc,
tlaoi-tetl »Feuerbecken« beweisen, memetlatl enthält die Wurzel
meme, welche als gleichbedeutend mit dem eben erwähnten mama von
Molina angegeben wird. 1 ) te-menie-tl-a-tl bedeutet demgemäss ursprüng-
lich soviel wie »das, womit etwas Rundes getragen wird«.
Auch max-tlatl »Schambinde« ist nach diesem Schema zu zerlegen
in max-tl-a-tl. Die Wurzel max 1 ) bezeichnet das Gespaltensein, das
sich Gabelnde, Spreizende. A-max-cal-Ian ist der Weiler, wo das
Wasser (der Fluss) sich theilt. Siehe auch Ortsnamen wie Iztac-max-
titlan, A-max-tlan. a-maxaub-ti-nenca s )» sie lebten ohne Scham binde«
wird von den Cuexteca gesagt, von maxaua »Schambinde haben«, aic
o-mo-max-tla-ti-que »darum bekleideten sie sich nicht mit Scham-
binden« 4 ) fasse ich so auf, dass der Stamm max mit dem Verbura tlatia
»verbergen, sich einhüllen, anziehen« verbunden ist.
Max-tl-a-tl ist demnach die Binde, die zwischen den Beinen durch-
gezogen wird'), um die Schamtheile, die übrigens geradezu durch maxac 6 }
bezeichnet werden, zu verdecken. Die eigentliche Bedeutung ist, »das,
womit etwas gespalten wird«, nämlich die Beine. Dass atl die
Substantivendung ist, beweist maxtl-e »mit Schambinde versehen«, der
Name eines eigentümlichen Thieres, wohl des Gürtelthieres 1 ) (gossypinum
cingulum), das Hernandez anführt, in-i-maxtl-i 8 ) »seine Schambinde«.
Letzteres hat wegen der Doppelkonsonanz des Stammendes ein t zur
Lautmilderung angefügt, ebenso wie no-eozqu-i »mein Halzgeschmeide«,
das von cozc-a-tl gebildet ist.
') a gebt oft in e Ober; vgl. chia und chie „sehen", pia und pie „behüten" u. a m.
*) Max ist wahrscheinlich aus maxa, maxal entstanden. Vgl. ö-maxal-co und
ö-maxa-c „Wegscheide"; ma-xa-c dürfte aber aus ma-itl .Rand- und der Wurwl
xal, welche eigentlich „teilen" bedeutet, zusammengesetzt sein (vgl. xaloa = xeloa
„partir, rajar o dividir algo", maxaloa = maxeloa „mit der Hand zertheilen, lichten,
von einem Wege abgehen").
*) Anales de Quauhtitlan.
«) Anales de Quauhtitlan.
») S. Seier, Vcroffentl. aus dem kgl. Museum f. Völkerk. I 4 p. 146.
*) So z. B. Molina, Confessionario major (1578) p. 3.
T ) Ein audrer Name des Gtlrtelthieres ist ayo-tochtli „Schildkrötenkaninchen*.
*) Anales de Quauhtitlan y-tlaQO-maxtl-i „er tragt seine kostbare Scham binde"
(Sahagun), vgl. Seier, Veröflentl. I 4 p. 139. Uebrigens besteht neben maxtlatl auch
max tli, z. B ama-maxtli „unos pafios menores de los satrapo» que elloe usaban de
papel" (Sahagun 1, 108).
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— 87 —
Ad diese sicheren Beispiele, welche durch angefügtes tl-a-tl ent-
stehen, reihe ich endlich noch andere, welche sich zwar gut dem Schema
anpassen, deren dadurch gewonnene Wurzeln aber etymologisch kaum
mehr zu erklären uud auch sonst in der Sprache verschollen sind. Es
handelt sich um Worte wie:
o-tl-a-tlf »Rohr«. Eine Nebenform otätli vermag ich nicht zu
erklären. Doch ist das Verhältnis dasselbe wie von matlatl zu matätli.
petl-a-tl »estera« (Matte); oo-petl heisst »meine Matte«. Das
Wort findet sich in vielen Zusammensetzungen, tepetlatl »tozca o
cuzilla« (Tuffstein) kann man te-petlatl, aber vielleicht auch tepe-tl-a-tl
abteilen (tepetl ist der Berg).
Der Stamm von pe-tl-a-tl wäre, nach dem Schema, pe. Es ist
möglich, dass dieser die Ausbreitung bezeichnet und in te-pe-tl »Berg«,
neben te-tl »Stein«, enthalten wäre, wozu auch pe-ua »sich erheben« ge
hören könnte. Doch erscheint eine andere Etymologie einleuchtender,
nämlich die Ableitung von einer Wurzel pe, pe-tla »schimmern«.
Dies würde ausgezeichnet auf den matten Glanz der aus Binsen ge-
flochtenen Matten passen: pepetlaca »resplandecer o relumbrar — cosa
resplandeciente«, ferner in pe-tla- ui »nackt sein« (schimmern des nackten
KörpersX pepe-tla-ua . nite »despojar o desnudar a otro« (Molina).
Die einfache Wurzel pe glaube ich in pe-yu-tl (für pe-yo-tl) »capullo
de seda, o de gusano« und in pepeyoca »relumbrar el agua, o los
campos cou la claridad y reberveracion del sol o de la luna« (Molina),
pepeyoctli »Anhängsel von Gold« (pinjantes) zu finden. Mit tla er-
weitert in xi-pe-tla »poliren« 1 ), ähnlich wie icniuh-tla zu icniuh-tli
»Freund«, yao-tla zu yao-tl »Feind«, tlac,o-tla »lieben« zu tlaco-
tä-tzin-tli »geliebter, verehrter Vater«. Mit einem Dental erweitert
tritt die Wurzel in anderen Ableitungen auf, die ich hierher rechnen
möchte, petz-oa »glätten«, pepetz-ca »glänzen«, 1 ) pepetz-ti-c »glatt,
glänzend«, a-petz-tli »margarita« als die wasserglänzende, qua-xi-petz-
tli »Glatze« (Stirnglanz), cuztic apetztli »aide, color amarillo«; da
bekanntlich in vielen Sprachen die Begriffe schnell und glitzern, funkeln,
leuchten, glänzen aus einer und derselben Vorstellung sich ergeben, so
vermute ich denselben Gedankengang in den, deshalb etymologisch hier-
hergehörigen, folgenden Worten: petla . nite »romper o hender con
impetu los enemigos«. petla . nitla »horadar algo, o hazer portillo, o
hender por Canaveral« (Molina), pepetla . nite »kämmen, schmeichelnd
») Nach Herrn Prof. Seier ist xi-petla durch Metathesis aus ix -petla entstanden,
ixtli bedeutet «Auge, Gesicht, Oberfläche".
*) „reluxir la heda, n la« plumas ricas", u. Glosse iura Lex. des Molina (1571) in
dem Exemplar der Universitätsbibliothek Berlin, „relucir el sol".
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- 88 —
streicheint, peynar a otro, o halagar le trayendo la mano sobre la cabeca,
y assentandole el cabello con ella« (Molina), mit Bezug auf die ge-
glätteten, glänzenden Haare; petzcahui »durch die Hände gleiten«
(pepetztic »glänzend«), petz-coatl »anguis lubricus«.
Endlich besteht noch ein Stamm pech »eindrücken«, der anch
geradezu neben petlatl auftritt, z. B. xo-pechtli und xo-petlatl 1 )
»cimiento del edificio«; icxi-petlalli >rastro de pisada, o de patada<
(zu icxitl »Fuss«) enthält petla in dem Sinne von eindrucken. Diese
Wurzel pech, älter pach (vgl. pachoa »eindrucken«, ma-pachtli
»Waschbär« — der mit den Händen eindrückt) könnte etymologisch mit
petz ident. sein. Die Idee des Eindrückens, des Breiten würde aber für
die der Matte ebenfalls zutreffen, da diese auf dem Boden aus-
gebreitet wird.
Dem Bau nach schliesst sich an petlatl ferner metlatl »der Mahl-
stein« an, spanisiert metate. Die Wurzel würde me sein, für die ich
jedoch keine Erklärung zu geben vermag. Die Endung atl fällt in
possessiver Zusammensetzung fort, no-metl »mein Mahlstein«.
Endlich sei noch cuitatl »mierda« erwähnt, wovon no cuitl als
Possessivum gebildet ist. Die WuVzel wäre cui. Es ist aber schwer,
eine bestimmte Bedeutung derselben beizulegen. Der Ausdruck teo-
cuitlatl würde »eigentliches cuitlatl« bezeichnen, sodass cuitlatl hier
in irgend einem ursprünglichen Sinne zu verstehen sein müsste. Vielleicht
stellte man sich die kostbaren Metalle, Silber und Gold, als Excremente
der Erde vor und nannte diese die wahren, die echten. Sonst bezeichnet
cuitlatl, in Verbindung mit anderen Worten, die verschiedensten Ab-
sonderungen des Körpers von Menschen, Thieren und Pflanzen 3 ). —
Dies sind alle mir auffiudbaren Beispiele von Substantiven, die auf
tl-a-tl gebildet sind. Zweifellos wird die alte Sprache deren noch mehr
gekannt haben. Immerhin ist die Bildungsweise keine so seltene, wenn
fünf sichere und vier zweifelhafte Fälle dafür sich belegen lassen. Der
besseren Uebersicht halber, und um die Gesetzmässigkeit der Bildung
hervorzuheben, seien noch einmal die besprochenen Substantive hier an-
geführt:
a-tl-a-tl, V a »werfen«; das, womit man wirft. Wurfbrett,
ma-tl-a-tl, V ma »fangen«; das womit man fängt. Netz,
tla-mama-tl-a-tl, V mama »tragen«; das, womit etwas getragen wird.
Stufe.
') Das Lautverhältnis ist ähnlich wie das von mati „wissen" zu mach-tia .wissen
machen"; xotla .begrenzen", xochtli .Grenze".
') Vgl yaca-cui tlatl .Schleim", nacaz-cuitlatl Ohrenschmalz", xico-cuitlatl
„Wachs", chal-cuitlatl .yerva de la golondrina", tzinacan-cuitla-q uauitl „Baum
mit leimgebendem Harz".
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te-meme-tl-a-tl, V meme »tragen«; das, womit etwas Randes getragen
wird. Kropf.
max-tl-a-tl, Vmax »spalten«; das, womit etwas gespalten wird.
Schambinde,
o-tl-a-tl, Vo ? ? Rohr,
pe-tl-a-tl, Vpe »glänzen oder ausgebreitet sein«; das, womit
man ausbreitet. Matte,
me-tl-a-tl, Vme ? ? Mahlstein,
cui-tl-a-tl, Vcui ? ? Koth, Excrement.
e) aaztli »ala para bolar« ist ein Instrumentalis auf z-tli von der
reduplizierten Wurzel a »werfen« 1 ). Sonst finde ich für »Flügel«
im Molina noch a-tlapalli, ama-tlapalli (auch »ala de papel«).
tlapalli dürfte in dieser Verbindung schwerlich »Farbe« bedeuten,
vielmehr gehört der Stamm pa zu patlani »bolar«, oder patla
»tauschen, wechseln«, pa-ti-lia . nite »errar a otro en el
Camino«. Ein drittes Wort für Flügel ist azca-tlapalli und
aztla-capalli mit merkwürdiger Umstellung von ca; tlapalli
scheint in beiden enthalten zu sein. An azca-tl »hormiga« ist
kaum zu denken, das erste Element scheint zu aaztli »Flügel«
zu gehören. Ich will es jedoch nicht ausschli essen, dass aaztli
(az-tli) »Flügel« vielleicht etymologisch zur Wurzel az »weiss«
gehört, vgl. aztatl »Reiher«, iztatl »Salz«, den Namen der
mythischen Urheimat Az-tlan. s )
f) tla-a-tlatla »abochornarse las sembradas con agua y sol«
(Molina) besagt genau dasselbe wie atl tlachinolli; a ist atl,
tlatla ist »brennen« (Wurzel tla, vgl. tlaui »hell werden«).
Die spauische Uebersetzung besagt »Ländereien ausdörren mit
Wasser und Sonne«. Hierbei muss an einen metaphorischen
Ausdruck, offenbar an atl tlachinolli, gedacht sein, tlaatlatla
gilt allgemein für die Verwüstung der Felder, to burne with fire
and sword, lat. ferro ignique. a ist hier zweifellos in dem
•) a-tenamitl „ala de tejado" (Mol ) enthält wohl a-tl in der Bedeutung „Haupt".
») Az-tlan .Land der Dämmerung, Urheimat" könnte mit dem Qui'che Wort Zak
verglichen werden. Zak bedeutet ursgrQnglich .weiss, hell" (Zak-ir im Cakchiquel
.weiss, hell werden, zur Cultur gelangen", Zak-il im Qui'che .Licht, Glanz"), wird
aber dann von dem gesagt, was in .grauer" Vorzeit zurückliegt: Zak etal .Urgeschlecht"
(Popol Vuh); Zakil al, Zakil c'ahol .Kinder, Sohne der Dämmerung, des Ur-
geschlecbte". Zak bezeichnet auch den unbestimmten Glanz, z. B in Zak huluhuh
.schimmern'' (Qui'che). Die Namen der Stammväter in den Cakchiquel-annalen sind
K'a'kavitz und Zaktekauh; der Erstere geht auf k'a'k .Feuer, Glanz" zurück, der
Zweite enthält vielleicht auch Zak im Sinne u»n .in der Vorzeit". Herr Professor Seier
dagegen hält Zaktekauh für mexikanisch — caca-tecütli .Herr des Maisrohres".
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alten Sinue von teo-atl gebraucht, und von Molina miss-
verstandener Weise wörtlich mit »agaa« wiedergegeben worden.
Ich vermnthe sogar, dass »agua y sol« nur die Umschreibung
eines Dvandva, eine Uebersetzung geradezu von atl tlachinolli
ist, zumal »sol« auch vom »Brennen« der Hitze gesagt wird.
Gerade die Verwüstung eines Landes pflegt in den verschiedensten
Sprachen durch Dvandva ähnliche Verbindungen, (durch fest-
stehende Phrasen ausgedrückt zu werden, ich erinnere nur an
unser »Sengen und Brennen«, uyetv xat fiptat^ ferro ignique,
mit Feuer und Schwert verwüsten u. a. ui.
An dieser Stelle möchte ich eine merkwürdige Bemerkung der Anales
del Museo Nacional de Mexico 1 ) hinzufügen, welche sich auf den Atlas
de Garcia Cubas No. l a ) bezieht: »atle 6 atletl. Escrito con los si'mbolos
del agaa atl, y del fuego tletl. Atl significa agna, orines, guerra, o la
mollera de la cabeza«. Por esta causa nos parece que el significado de
la metafora mexicana atl tlachinolli, guerra 6 batalla, fue sacada sin
duda del antagonismo qne existe entre el agua en el fuego . [?] . Tambien
pudiera leerse siläbicamente a-tle »nada o ninguna Cosa«. No se
encuentra en la lista de Torquemada«. So zweifelhaft die ganze Stelle
klingt, so ist es doch bemerkenswert!!, wenn der Eigenname Atletl
durch die Symbole vou atl tlachinolli ausgedruckt sein sollte und
überhaupt in diesem Sinne existirte.
g) a-ti-nemi »sie werfen bestandig Pfeile« ist schon im Anfang
dieser Abhandlung besprochen worden.
Obgleich die Möglichkeit einer Ableitung vom Präteritum
des verbum ami »jagen« nicht in Abrede gestellt werden soll,
so erscheint es mir nach Allem, was bisher über das Vorhanden-
sein der Wurzel a »werfen« gesagt wurde, ungezwungener,
a-ti-nemi direkt von dieser abzuleiten. Ausserdem bemerke
ich, dass im Lexikon des Molina ausdrücklich aami-ti-nemi
>audar monteando o cacando« und nicht aa-ti-nemi ver-
zeichnet ist.
h) Endlich ist es möglich, dass ami selbst etymologisch mit der
Wurzel a verwandt ist. Die Begriffe Speerwerfen und Jagen liegen
ja nahe beieinander. Ami-mitl, der Gott der Chinampaneken, 3 )
ist der »Jäger«, cazador con flechas. 4 ) Auch
') Analea del Museo Nacional de Mexico, Tomo II p. 69.
*) ibidem, p. 67.
») S. Seier, Veröffentl. I 4 p. 156, 157, 138.
*) Anale» del Museo Nacional de Mexico, Tomo 11 p. 68.
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i) ana . nitla »travar, o asir algo, o apartar y quitar alguna cosa«
(Molina) könnte ein Derivat ?ou a sein, durch na erweitert, wie
z. B. mi-na »mit dem Pfeil schiessen von mi-tl, yaca-na
»führen« von yaca-tl »Nase«.
Doch mit diesen letzten Mutmassungen verlasse ich die Untersuchung
über atl tlachinolli, um noch einige allgemeine Bemerkungen über die
Hieroglyphe nnd den Symbolismus des Ausdruckes anzureihen. Was das
Vorkommen von atl tlachinolli in Bilderschriften zunächst anlangt, so
ist die Thatsache ungemein beachtenswerth, dass diese symbolische
Hieroglyphe sich im Grossen und Ganzen auf die religiösen Bilder-
handschriften beschränkt: Tonalamatl 9, 18, 3; Cod. Borgia 13, 50, 69;
Cod. Teil. Rem, 21; Cod. Borbon. 9, 18; Cod. Vatican. Ä. 22; Cod.
Vatican. B. 32, 57 u. s. w., während in Bilderschriften geschichtlichen
Inhalts, z. B. im Codex Mendoza, Schild und Speer oder Wurfbrett, auch
ein brennendes Haus dargestellt zu werden pflegt Atl tlachinolli ist
also sicher kein profanes Symbol, es hat Beziehungen zu den Göttern —
und es ist begreiflich, wenn es deshalb nur in heiligen Büchern auftritt,
in Büchern, welche von der abgeschlossenen Kaste der Priester gemalt
und Jahrhunderte hindurch gehütet, und, auf Wanderungen sorgfältig
bewahrt, auf dem Rücken getragen wurden. Es ist verstandlich, da die
Kunst, Bilderhandschriften anzufertigen und zu entziffern, ängstlich von
den Priestern geheim gehalten wurde, da die Auslegung der Schriften
ihnen selbst eine ungewöhnliche Macht über andere Sterbliche einräumte,
dass auch mit der Interpretation sich zugleich alte, formelhaft gewordene
Ausdrücke, termini technici, an denen die Texte Sahagun's so reich sind,
überlieferten, welche dem Laien schwer oder garnicht mehr verständlich
waren. Haben doch selbst mexikanisch redende Männer wie Chimalpopoca
die Anales de Quauhtitlan nicht mehr richtig verstehen können! Es ist
bekannt, dass in alten religiösen Hymnen sich gerade die ältesten Reste
einer Sprache erhalten , ich erinnere an die von Sahagun aufbewahrten
Cantares, an Zaubersprüche und Beschwörungsformeln iu verschiedenen
anderen Sprachen Wer denkt bei unserem »Stein und Bein schwören«
an alte heidnische Gebräuche, wer, ausser dem Kundigen, weiss, dass
»Sundflut« Volksetymologie für sin-flut ist? So mag es auch dem
Mexikaner mit atl tlachinolli ergangen sein; die ursprüngliche Bedeutung'
von atl ist ihm im Laufe der Zeit entschwunden; man masste teo-atl
.sagen, das eigentliche atl, um einer Verwechslung mit atl vorzubeugen,
das sich als Part, pass., wie viele andere Worte, schnell zu der Bedeutung
eines Substantivs, zum Begriff »Wasser« entwickelt haben niuss.
Etwas anders verhält es sich mit den Hieroglyphen für atl tlachinolli.
Hier wählte man Bilder, nicht um durch sie den Begriff, sondern den
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Laut zu fixieren. Da atl allgemein »Wasser« bedeutete, und das Wort
a »werfen« der Sprache früh verloren gegangen zu sein scheint, so
wählte man um atl in atl tlachinolli zu bezeichnen, sehr einfach das
Wasser, das ganz allgemein den Laut a im Anfang von Worten za
bezeichnen geeignet war. Man fügte aber gelegentlich Speere hinzu, um
anzudeuten, dass dieses atl im ursprünglichen Sinne zn verstehen sei,
so z. B. Cod. Borgia 69, Cod. Vatic. B. 67, Cod. Borbon 9. Aehnlich ist
tlan-tli »Zahn«, e-tl »Bohne«, zur Bezeichnung der Elemente tlan,
e benutzt worden. Statt A-tla-cuiua-yan »Ort, wo man Wasser
schöpft« schreibt man hieroglyphisch, atla-cuiua-yan, indem ein Wurf-
brett gemalt wird, das auf mexikanisch atla-tl heisst, wodurch also
die ersten beiden Silben des Namens bestimmt sind.
Endlich giebt auch der Symbolismus, der in dem komplizirten und
logisch so streng durchdachten mexikanischen Göttersystem herrscht, eine
Bestätigung dafür, dass atl in atl tlachinolli als Ausdruck einer
kriegerischen Handlung, einer vernichtenden Waffe verstanden wurde.
Atl tlachinolli bezieht sich ausschliesslich auf gewisse kriegerische
Gottheiten, vor allem auf den alten Gott, den Ueueteotl, den Feuergott
Xiuh-Tecuhtli. Sehr zu beachten ist, dass gerade dieser der Herr des
neunten Tageszeichens atl ist 1 ), so dass die ganze Ideenverknüpfung
teoatl tlachinolli »Mord und Brand« ergiebt; der Interpret des Codex
Vat. A. nennt ja den Feuergott geradezu »avvocato della guerra«. 3 ) Der
Gefahrte des Feuergottes, Tlauizcalpan tecubtli (der Morgenstern, Herr
der Morgen röthe) zeigt (Tonalamatl der Aubin'schen Sammlung 9.), aus
der Krone herrausragend, das Symbol atl tlachinolli*). Dieser hat
aber wieder Beziehungen zu den Chinampanekischan Jagdgöttern
Amimitl und Atlaua. 4 )
Die Göttin Chantico, muger amarilla,') die Patronin des brennenden
Pfeffers, ist die Regentin der 18. Woche, welche dem 18. Tageszeichen
quiauitl 6 ) entspricht. Die Gleichsetzung von atl und quiauitl ist schon
oben erwähnt worden. Diese Göttin Chantico hat auch Beziehungen zum
Erdinnern, zum Feuer, 1 ) daher ist ihr wiederum (Tonalamatl 18) das Symbol
atl tlachinolli zugeteilt. Man kann sie die mexikanische Vesta nenuen.
>) S. Seier, Tonalamatl p. 71a.
') S. Seier, altmex. Federschmuck u militärische Rangabzeichen, Zte. f. Ethu. XXIII
p. 124, Tonalamatl p. 71.
•) Seier, Tonalamatl p. 80.
«) Seier, ibidem p. 80a u. 81.
■) Seier, ibidem p. 116a.
*) quiauitl wird auch vom Keuerregen (tle-quiauh, quiauh-tonatiuh) gesagt
bei der Schilderung des 3ten Weltalters. Anales de Quauhtitlan.
') S Seier, Tonalamatl p. 114, llf».
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Chan-ti-co nämlich heisst im Hause (chan-tli). Haus aber ist eine Um-
schreibung für die Erde, das Haus, in das der Sonnengott beim Unter-
gang im Westen hinabsteigt. 1 ) Im Innern der Erde dachte man sich
den Sitz des Feuers, das von den Vulkanen aus seiner Verborgenheit
herausgeschleudert wurde. Im Innern des Hauses befindet sich aber
auch das Herdfeuer, die geweihte Stätte des Hauses, und als Beschützerin
derselben gleicht sie der Vesta.')
Tepeyollotl »das Herz der Berge« zeigt (Tonalamatl 3) die
Symbole atl tlachinolli, xiuhcoatl »die blaue Schlange« und das
Feuerbeckeu. Er ist der Regent des 3. Tageszeicbens und der 3. Woche,
ce macatl »ein Hirsche; macatl aber ist das Sinnbild der Dürre. *)
Sein Pendant ist Tezcatlipoca, 4 ) auch theilt er Beziehungen zur Erd-
göttin, und diese wiederum solche zum Kriege. 5 )
Atl tlachinolli wird bei Tezcatlipoca übrigens auch durch den
rauchenden Spiegel und einen Blutstroni, gleichsam durch das rauchende
Blut veranschaulicht. 6 )
Interessant ist auch die Bezeichnung der Sternschnuppe (citlalin
tlamina), des schiessenden Sternes, zur Wassergöttin Chalchiutatlicue, 1 )
der Herrin des fliessenden Wassers; Herr Prof. Seier sagt hierzu: »es
scheint demnach, dass die Sternschnuppen, wohl wegen der raschen Be-
wegung, zu der Wassergöttin in Beziehung gesetzt wurden.« Ein Beweis
mehr, für die Ableitung von atl »Wasser« von a »werfen, sebiessen«*.)
Schliesslich sei noch ausfolgende Ideenverbiudnng hingewiesen: xiuh-
atlatl »das blaue, das Türkiswurfbrett« des Feuergottes, Uitzilopochtli's
n. a. m. entspricht dem xiuh-couatl »der blauen Schlange«. Xiucouatl
aber ist = atl, teoatl.*) Xiuhcouatl und mamalhuaztli »Feuer-
bohrer«, oder Speere werden von den Sonnengöttern auf die Menschen
geworfen, gleich den Pest bringenden Pfeilen Apoll's; 1 *) Krieg, Krankheit
■) teotl-ac «der Gott ist ins Haas gegangen" ist allgemeiner Ausdruck für Sonnen«
Untergang, Westen; im Maya ebi-kin „die Sonne wird gegessen" besagt, dass die
Sonne vom Erdracben verschluckt wird = Westen. Maya akbal „Nacht, Dunkel", ent-
spricht dem mex. Tageszeichen calli „Haus".
») Beachte, dass die Wurzel von Vesta ras „wohnen" ist, die in k<nia\ ä<n>t,
„Stadt"; lat. rerna aus vesna .im Hause geborener Sklave", vesb'bulum, skr. vasa
„ Wohnen", vastavya .ansässig", unserm Anwesen u. a. m. erhalten ist.
*) S. Seier, Tonalamatl p. 63.
*) S. Seier, ibidem p. 51.
•) S. Seier, ibidem p 51b.
•) S. Seier, ibidem p. 60, auch Anra.
7 ) S. Seier, Tonalamatl p. 58a.
•) Ueber atl „chouue" s. Seier, Tonalamatl p 122 a.
*) S. Sahagun 1, 1.
••) Vgl. Homer, Was I 43 ff.
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und Hungersnoth sind die Folge davon. 1 ) Sahagnn erklärt yn xiuhcoat!
ym mamalbuaztli als yaoyotl »Krieg«, als ieoatl tlachinolli
»Speerwerfen und Brand«. Nur weil atl ursprünglich Speerwerfen be-
deutete, war es möglich, dass xiuhcouatl »Turkisschlange«, eine ur-
sprüngliche Bezeichnung des Wassers (atl), in teoatl »Speerwerfen<
umgedeutet und zum Symbol des Feuergottes gemacht werden konnte. 1 )
Ich hoffe, den in dieser Arbeit versuchten Nachweis, dass atl in
atl tlachinolli von der Wurzel a »werfen« abgeleitet ist, hiermit er-
bracht zu haben.
■) S. Dr. Preuss, die Hieroglyphe des Krieges in deu mex. Bilderhand Schriften p. 120.
*) S. Seier, Tonalamatl p. 77.
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Feste und Tftnze der Eingeborenen von Ponape.
Vom Kaiserlichen Vicegouverneur Dr. Hanl.
So zersetzend und zerstörend die Knltur des weissen Mannes auf
Ponape auch gewirkt haben mag, in einem ist das Volk seiner Sitte tren
geblieben, in der Feier seiner Feste und Tänze. Die Wiederkehr der
Jahreszeiten, die Ehrung der Fürsten und Gotter geben willkommenen
Anlass zu öffentlichem Schaugepränge.
Der Aulik, der Oberpriester, dem die Geheimnisse des Zeitlaufes zu
eigen sind, vermag für jedes Fest den rechten Tag zu finden. Frühzeitig
giebt er ihn bekannt, damit Jedermann sich rüsten könne. Während der
Vorbereitungszeit zieht er im Stammesland umher und vollfuhrt an den
einzelnen Orten seine Beschwörungen, damit kein Unglück dazwischen-
tretend, die Festesfeier vereitele. Die Baumgottheiten vor allem werden
beschworen, die Ernte der Früchte zum Feste zu gestatten und nicht
den kühnen Kletterer in die Tiefe zu stürzen. Die wichtigsten Früchte,
deren Ernten an bestimmte Zeiten gebunden wiederkehren, sind die
Brotfrucht und der Jam. Die Tage der Brotfruchternte (mai kol) im
Besonderen in den Monaten Juni nnd Juli sind eine Zeit steter Festlich-
keiten. Der allgemeinen Reife geht die Vorreife einzelner Früchte vor-
an. Diese Erstlinge geben als Verkünder der nahenden Ernte Anlass
zu dem Feste karij mai (karij brechen, mai Brotfrucht.) Es werden eine
oder zwei Früchte neben vielen anderen Speisen gekocht und den fröh-
lich im Gemeindehause (naj) Schmausenden zur Ansicht herumgereicht.
Daran reiht sich der Tag der maiani, der heiligen Brotfracht. Die
Früchte sind herangereift, die erste Lese wird unter Ehrung der Schutz-
gottheit gekocht, das Zeichen zur allgemeinen Ernte ist damit gegeben.
Nun beginnt eine fröhliche Zeit. Jeder Lehensträger ist verpflichtet,
seinen Herrn, von dem er seine Hufe zum Lehen hat, zum Zeichen
seiner Abhängigkeit mit Brotfrüchten zu bewirtheu. Die Grossherrn des
Stammeshanptes wiederum beeilen sich, diesem alle Ehren zukommen zu
lassen. Der Herr seinerseits hat ein Recht zu fordern, dass ihm in
festlicher Weise die Brotfrucht jeder Hufe gereicht werde. Täglich zieht
er zu einem anderen Gemeiudehause seiner Lehensleute, welche für ihn
»die Brotfrucht stampfen, lili mai. Den Eingeborenen ist die Töpferei
nicht bekannt Ihre Kochart ist das Rösten auf heisseu Steinen. Die
Masse der aufgeschichteten, zum Kochen bestimmten Steine heisst um,
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Herd, Feuerstelle, das Kochen damit inim. Mit dem Feuerherd, dem am,
hat es eine besondere Bewandtnis. Wer keinen um hat. gilt nicht im
Kreise der Genossen. Mit jeder rechten, aus der Vorväterzeit stammenden
Hufe muss, ebenso wie ein Titel, auch das Recht verbunden sein, im
Gemeindehause eine Feuerstelle zu besitzen oder an einer solchen wenig-
stens Theil zu nehmen. Je hoher der Fürst steht, um so grösser die
Ehre des um. Der Lehensherr seinerseits misst sein Ansehen nach der
Zahl der Feuerstellen. Um tapa? Wie viele Feuerstellen giebt es hier
oder nennst Du dein eigen? ist eine gewöhnliche Frage.
Wenn am Tage des lili mai der zu Ehrende das Gemeindehaus be-
tritt, ist das Volk versammelt, die Früchte liegen aufgeschichtet da, der
Herd ist Ober dem Brennholze aufgebaut. Letzteres wird sofort ent-
zündet. Es entwickelt sich ein furchtbarer Rauch im Hause, der aber
die Leutchen nicht sonderlich zu belastigen scheint. In feierlichem Zuge,
unter Absingen eines ftij, bringt eine Schaar Männer die Fülle des be-
gehrten Jakau, piper methysticum, geschleppt. Die Stammchen werden
vor dem Herrn niedergelegt, die Wurzeln abgehackt und, nach mehr
oder weniger gründlicher Reinigung, auf grossen, flachen Steinen zu Brei
geschlagen (jükujuk). Dieses Hämmern der Kawa bildet eiue Feierlichkeit
für sich. Die flachen Steine werden durch untergeschobene trockene
Kokosnusshülsen hohl gelegt und je nach der Zahl der Unterlagen klang-
voll abgestimmt. Die Schaar der Männer vollführt erst ein artig klingen-
des Hämmern auf den Steinen selbst, bis sie über die Wurzeln in eiligem
Dreschertakte herfallen, um die Beendigung ihres Werkes wieder mit
einem Hämmerspiele auf den Steinen anzuzeigen. Der safterfüllte Brei
wird in ein Fasernbündel aus dem Baste des kalau (Hibiscus populneus)
geschichtet und richtig ausgewunden. Für den abfliegenden Saft hält
ein zweiter Mann eine Kokosschale unter. Die gefüllte Schale wandert
unter feierlichem Schweigen bis zu einem Titular, der für würdig be-
funden ist, die Schale dem Fürsten anzubieten. Er kauert sich vor diesem
nieder, die Schale mit der rechten Hand gegen seinen Herrn ausstreckend,
den rechten Arm mit der linken Hand zum Zeichen der Ehrfurcht unter-
fassend. Der Blick ist abgewendet. Nach langem, vornehmem Warten
geruht der Beehrte die Schale in Empfang zu nehmen, die ersten Tropfen
vielleicht dem göttlichen Ahnen oder dem Schutzgotte des Ortes zu
weihen und in langem Zuge das beliebte bittere Getränke zu schlürfen.
Nun kommt die Menge zu ihrem Rechte, die Unterhaltung belebt sich,
fleissig kreist die Schale und die Pfeife.
Inzwischen ist der um rotbglühend geworden. Mit langen Stangen
werden die Steine ausein an dergestosseu, die Früchte zum Rösten auf
diese geworfen. Die erste geröstete und abgeschälte Brotfrucht wird
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mit einer offenen, reifen Kokosnuss in zierlich geflochtenem Körbchen
vor dem Fürsten niedergesetzt. Das gebrauchte Werkzeug, ein Holz-
spachtel, liegt meist bei. Die Leute setzen sich ans Werk. Eine Ab-
theilung schrabt Kokosnüsse, etliche nur mit Bananenlaub umgürtete
und bekränzte Männer kneten aus der gekochten Frucht grosse längliche
Laibe, welche schliesslich mit dem Safte der geriebenen Kokosnuss über-
gössen, Tor dem Herrn in grossen Bananenblättern niedergelegt werden.
Dieser geniesst davon und lässt an die Anwesenden austh eilen. Das
Fest ist zu Ende; der Trunk aber hält Männer und Frauen beisammen.
Wenn es noch ganz nach guter alter Sitte hergeht, wird der Genuas der
Kawa, stets eine heilige Sache, von den uralten hiefür bestimmten Ge-
sängen (ap) nach dem Takte der Trommeln (eip) begleitet. Abwechselnd
singt auch das Volk ein Lied. Nur wenige mehr wissen die Trommel
mit kundiger Hand zu rühren und die alten Lieder vorzutragen. Das
Verständnis für ihre Worte ist allgemein abhanden gekommen, wenn
nicht ihre Bedeutung absichtlich verschwiegen wird. Die heute herrschende
Sprache auf Ponape reicht nicht zu ihrer Übersetzung aus. Ein solcher
ap lautet z. B.:
Man oror eiajakauo
Ueika taur
Ueika japariki
Eineke, einke taure.
Reumo keurto
Eijolapi molijempueli
Lilie ueimo kapele
Aie uai kurua eta pa
Aöipoioe reume reijo molijempueli
Lilie ueimo kapele.
Die Aufzeichnung dieses LiedeB rUhrt von Henry Nanpei in Ronkiti her.
Die Zeit der Fülle, der Brotfrüchte, geht zu Ende. Es kommt die
Zeit des Hungers, ireijol. Man versäumt aber nicht, sich mit dem zu
vergnügen, was da ist. Spätlinge der Brotfrucht, Erstlinge des Jam
dienen zum Schmaus. Die Küche wird reichlicher mit der Zeit der voll-
endeten Gährung der in der Erde vergrabenen Brotfrüchte. Die Eröff-
nung dieser Vorrathskammern wird festlich begangen, das Fest heisst
tankulup. Man kocht die gegohrene Brotfrucht, mar. Kulup heisst ver-
fielt.
Die Zeit der Jamreife naht. Freudig gestimmt sagt man sich, es
ist die Schneidezeit, kotakap, das heisst, die Winde der Frucht wird
mit der herannahenden Reife abgeschnitten. Dieser Anlass muss festlich
begangen werden. Schmalbans ist noch Küchenmeister. Es wird etwas
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Jam geröstet und herumgereicht ; man zeigt, dass die Fülle der beliebten
Nahrung sich naht.
Die Zeiten zwischen diesen verschiedenen Erntefesten, die äusserbch
stets einem Fürsten dargebracht werden, werden durch grosse HuldigUBgs-
feste ausgefüllt. Zunächst erhält jeder Besuch seine Ehrang, angemessen
der Bedeutung seines Namens. Ein besonderes Fest für die grossen
Würdenträger bildet das umunenim oder takataktipenit. Takatak beisst
im Kahn fahren, reisen, tipenit die äussere Schale der Kokosnuss. Die
Bedeutung dieses nur im Gebiete von Kiti gebrauchten Wortes ist nicht
völlig klar. Es handelt sich um eine Reise, um ein Besuchsfest Eine
Besonderheit bildet bei dieser Feier der Umstand, dass nicht im Ver-
sammlungshaus gekocht werden darf. Die Speisen müssen vielmehr
im Walde in kleinen Kochhütten (uenum) zubereitet und von dort in
riesigen, an Stangen gebundenen Körben (peikeni) angeschleppt werden.
Die Besuche werden allgemein im Versammlungshaus abgestattet Der
gemeine Mann mag seinen Freund besuchen, wann er will. Die hohen
Häupter müssen auf eine Einladung warten. Königsbesuch ist üblich
zum Feste der Einweihung eines Versammlangshauses. Die höchsten
Tanzleistungen werden hier entfaltet, die geheimsten und schwierigsten
Zeremonien vollführt. Den Besuchern werden z. B. gebratene Hunde
vorgesetzt. Der Hund ist ein heiliges Thier. Nur der Eingeweihte ver-
mag ihn recht zu zerlegen und jedem Manne den seiner Stellung ge-
bührenden Theil zuzuweisen. Der Gast muss das Thier zerlegen. Jeder
Verstoss giebt Anlass zu grossem Gerede, ja zu offenem Spott und Hohn.
Den Glanzpunkt des Festes aber bilden die Tänze und Gesänge. Die
einfachste Huldigung ist der fiij, ein Vorsänger preist die festliche Ge-
legenheit, der Chor antwortet mit i — o. Zugleich tragen die Theilnehmer
Früchte, Gaben heran, welche sie vor dem Beehrten niederlegen. Ein
nij lautet z. B.
I men papa tapatap en Peleker — o.
I pakan lalal ai mejik, — i — o.
Ai puak ritin en muijo, uatauate en pejeraui, i — o.
Ai erin puputi pupu perata mpei, arm en umuki, i — o.
Tipa pelalik, rap eneki, koruj jopa, jo mejik ei, — i — o.
Das heisst etwa:
Ich wünsche zu zeigen Krieg Peleker (Peleker eine Landschaft).
Ich will nicht sprechen, weil ich Ehrfurcht habe.
Ich fürchte mich, das Thor des Königshauses zu öffnen, Zahl der
heiligen Plätze (heiligen Steine).
Die Kokosnuss fiel nieder und sprang in die Höhe in meiner Nähe,
die für den Herd bestimmte Nuss.
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Die Kokosnussschale schwamm weg, (in das Ausland), sie erheben
Ansprach (auf diese Schale?), Alle sageu nichts, nicht haben sie Fnrcht.
Dieser Gesang ist aus früher Zeit überliefert. Er bringt offenbar
einem Könige Huldigung, der mit Peleker im Streite lebt. Die letzten
Verse scheinen sich auf die Kriegsursache zu beziehen; vonden Ein-
geborenen können sie nicht mehr erklärt werden. Das ehrfürchtige Nahen
dem Könige gegenüber war eine grosse Sache. Ein gemeiner Mann durfte
schon das Steinpflaster vor des Königs Wohnung (kotepar) nicht mehr
betreten. Er musste sein Anliegen „den Nanekin", der Adelssippe, vor-
bringen.
Einfache Tänze sind:
Handbewegungen im Sitzen, japei.
Das taktmässige, kunstvolle Zusammenschlagen kleiner Holzstäbe,
tukia, ebenfalls im Sitzen ausgeführt.
Der erstere Tanz hatte früher eine religiöse Bedeutung; seiner Auf-
führung gingen noch besondere Gebete voran. Zu beiden Tänzen wird,
gesungen.
Uin, der gewöhnliche Festestanz, der jeder Zeit, auch zu Ehren
Verstorbener und zu religiösen Zwecken aufgeführt werden kann. Die
Tänzer, geschmückt mit Kränzen, den Körper mit Ol gesalbt, besteigen
in feierlichem Zuge, einer hinter dem anderen, unter dem Schweigen
der Anwesenden die in mehreren Stockwerken hinter und übereinander
aufgebauten Tanzbrücken (paj). Zur Huldigung lassen sie sich nieder,
der Vorsänger nennt den zu Ehrenden, vergisst auch nicht die sonst an-
wesenden Grossherrn namentlich aufzuführen. Die Tänzer erheben sich.
Der Vorsänger stimmt mit rauher tiefer Stimme das Lied an, der Chorus
fällt ein, in gewaltigem Strome rauscht der Gesang dahin, schrill, miss-
tönend, in seiner Masse überwältigend. Mit dem Anstimmen des Liedes
hebt auch der Tanz an. Die Füsse werden taktmäesig auf der Bretter-
nnterlage aufgestampft, die Hände in kunstvoller Weise, nach Art eines
aamoanischen Siwa, bewegt. Der Uin ist wohl einer der -wirkungs-
vollsten Eingeborenentänze der Südsee.
Uära kärakäre pue Ion in iareke
Nä kaka murära ren joumaröa
Karaia Karaia komui kotito jo kan hirihio i omujeri jokomo kapele
keilen tokom.
Diese Worte hört man oft singen, sie werden aber nicht mehr ver-
standen. Die Uin-Lieder sind in der Überlieferung feststehend, neue
werden nicht mehr erfunden; denn die alte Kultur, welche sie hervor-
brachte, ist vernichtet.
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— 100 —
Ein besonderer Anlass zu einem eigenartigen Tanze, Kapir genannt,
bietet sich, wenn dem Stammeshaupte ein neu gefertigtes Kanu über-
bracht wird. Eine ganze Flottille ?on Kähnen wird zusammengebunden,
durch übergelegte Bretter eine Tanzbrücke darauf hergestellt. Vor den
in einer Linie stehenden Tänzern ist ein Geländer aufgebaut. Hinter
den Tänzern in den Kähnen sitzen die Ruderer verborgen. Aus einem
Mangrovenversteck taucht das Floss auf, langsam, geheimnissvoll nähert
es sich dem Festplatze. In Hörweite gekommen, heben die Tänzer Gesang
Tänzer, gesohmuckt *u einem Kapir VI ttttS. Tansmder ans
nach einer Photographie d. Verf. Ponape. QenohenkT.Or.Hahl.
und Tanz an. Letzterer besteht in dem takimässigen Bewegen der Füsse
und dem kunstvollen Schwingen der prächtig geschnitzten und gefärbten
Ruder, welche auch ab und zu auf den Geländeraufsatz schallend aufge-
schlagen werden. Der Gesang ist, der Stimmung des Festes entsprechend,
würdevoll gehalten. Gerne wird folgendes Lied gesungen:
Peloijo linatar menjon nai kalinalin auen kop joupeia
Pueki re nta uara eni uai
Aia pelolin mi er in
Puc ra uoua utpatail
Pueki jipenuet jipenek kajik rapit pokata papajit me i pan kimelo
akinpoj
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Re pelaja pue kata kaitoja
Lipatokönia me uiatonera kokonokajik.
Joukiti ap paien kieto japali kieto ut tikitik koto tapereti jupeni kajik.
Ime mimi Takereren.
Lieijir mimi nan aiman
Pnilipuil jojo puilipeipei.
Lienikalinajap mi pon tenap ratakila tar joula marip.
Otolon otopun nimoi uet rakalina Tiponiap.
Re uia tor repei to jon er ni peloijo.
Rap toupeiti tontoropoe. ielele aja Lienikapun Lienimalal mi pon tole
Lienikoroua pukapuki er papa Ion Pontalineiap.
Lijepeli Lijapala Lienläman Lientapeia ira me tiak er peloijo aneni
peloijo uokitakier rouen er nanjet re jamoar.
Japniliti jonjonpil men. Jero.
Soweit ein Verständniss dieser alterthfimlichen Worte und des nur
bruchstückweise überlieferten Gesanges noch möglich ist, lautet die Über-
setzung:
Eine Königliche Flotte kam in Sicht an einem schönen Morgen, sie
machten sich sichtbar in Auenkop (Mündung von Kop), aber ankerten
nicht, weil sie nicht Halt machten in richtigem Aussetzen eines Steckens
(uoki einen Stecken auf dem Riffe ausbringen, um daran ein Kanu zu
befestigen), weil sie sahen, es seien fremde Schiffe. Aber wo ist die
Flotte geblieben, welche sich sichtbar machte, weil sie Hiebwaffen tragen
(fit mit der Keule schlagen), weil sie Hiebwaffen fuhren und Kanonen,
dann hoben sie diese empor und zeigten Kampf an. Was will ich thun
mit dem Rauch? (kimelo ein unverständlich es Wort.) Diese haben nun
Angst und ziehen sich zurück. Lipak ist es, welche den furchtbaren
Kampf machte.
Joukiti (Titel eines Fürsten) entkam mit Hülfe seines Schutzgeistes
(paien), dann kehrte er zurück mit kleinen Bananen, dann kam er und
fasste das Gewehr zur Hälfte an (jap halb).
Sie ist nun in Takereren.
Die Göttin Lieijir ist in meiner Frucht man (in meinem Kriegs-
schmuck aus man).
Während ich meine langen Haare ordne (puilipeipei das lange
Frauenhaar).
Die Göttin Lienikalinajap sitzt auf dem Sitzbrett im Kanu.
Diese bewunderten sie und schlössen nicht das Auge.
Otolon otopun (Worte aus einem Gebete, die nicht mehr gedeutet
werden können).
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Dann zeigen sie Tiponiap, dann ordnen sie ihre Leibgürtel, weg-
ziehend von der Flotte.
Dann halten die Kähne, und sie befragen das Blattorakel (tontoropoe)
geheimnissvolle Worte
Dann ging Einer hinein und zeigte des Kampfes Bewegungen und
ging zum Platze Pontalineiap.
Die Göttinnen Lijepeli, Lijapala, Lienlämau, Lientapeia sie setzten
ihre Füsse auf die Flotte (tiak peloijo), der Wind dieser Flotte hat sich
gedreht (uokitakier). Sie segeln weg, ihre Taue ordnend, sie sind
gegangen.
Etliche gehen darnieder (im Range), etliche nicht. Jero, etwa =
Hurrah, ist der gewöhnliche Schluss eines Liedes.
Die Hnldigung vor dem Fürsten endet mit dem Hinweis auf
seine Macht, welche gestaltend in das Schicksal seines Volkes ein-
greift. Kajapuiliti, der Würden, Titel, damit des Lehens entsetzen,
Kajapuilata, im Range erhöhen, sind zwei wichtige Worte für das
Volk von Ponape. Man muss, um ein volles Verständuiss zu gewinnen,
bedenken, dass der erste Herrscher im Stamme geradezu göttliche Ehren
genoss, Priester- und Königswürde iu seiner Person vereinigend, unbe-
schränkt über das Land und das Leben seiner Unterthanen verfügte.
Dem verehrten Herrscher erzählen die Tänzer die Geschichte einer
der ersten Begegnungen mit fremden Segelschiffen, die mit Kanonen
ausgerüstet waren. Die Begegnung führte zum Kampfe, die verhängnis-
voll genug endete, um im Liede den Enkeln überliefert zu werden. Es
hob das Zeitalter der Vernichtung des Volkes und seiner Götter durch
den Fremdling au.
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Ethnographische Tagebuchnotizen
von der Expedition gegen die Esüm und vom Marsch Jaunde-Watar8-
Ngflla-Ngütte zum Mbäm.
(19. Februar bis 28. April 1901.)
Von Stabsarzt Dr. Hösemann.
Die Esüm wohnen ca. 60 km nordöstlich von Jauude, sprechen dieselbe
Sprache, baaen dieselben rechteckigen Hütten und dieselben 2 reihigen
Dörfer wie die Jaunde. Sie stehen unter dem Häuptling Semiköre, der
in den grösseren Dörfern seine Brüder und Söhne und sonstige Ver-
wandte als Unterhäuptlinge hat. Von dem ehemaligen Feldwebel Zampa
wird Semikore als grausamer Tyrann geschildert So soll er beim Legen
des Firstbalkens zu seinem Hause in Lembe 50 Menschen haben schlachten
lassen, die dann aufgegessen wurden. Wenn die Mäkka- oder Mäka-
Häuptlinge, die nur durch ihn Handel treiben können und dürfen, kommen,
sollen sie während ihres Aufenthaltes täglich 1 Menschen zum Essen
erhalten. Er Hess keinen anderen Händler in sein Gebiet als nur die
Leute des Zampa von der Firma Randad und Stein, alle anderen wurden
ermordet; so soll er einen Accrä-Mann vor den Augen Zampas an eiDen
Pfahl haben binden und ihm den Bauch aufschlitzen lassen, dass die
Eingeweide heraushingen; danach habe er ihn gefragt, ob er noch
einen Wunsch hätte, und als dieser nach einer Pfeife Tabak verlangt,
hätte er sie ihm gegeben und ihn losbinden lassen; darauf habe er ihm
erlaubt fortzugehen, wobei die Hunde an den Eingeweiden gezerrt hätten,
ihm aber ausserhalb des Dorfes durch einen Mann den Kopf abschneiden
lassen. Auch sollen allgemein getötete Feinde gegessen werden; dafür
sprechen eine Anzahl frischer Menschenschädel im Dorf, sowie die Sorge
unserer Soldaten und Träger beim Begraben unserer Gefallenen, den
Platz möglichst unkenntlich zu machen, um ein Wiederausgraben durch
die Esüm zu verhindern.
Ihre Waffen sind Steinschloss- Vorderlader, mit denen sie sowohl
Eisen- und Drahtstücke, Steine etc., als auch kurze, kräftige Speere
schiessen, Bogen mit langen Pfeilen, Speere mit allen möglichen Spitzen,
ganz gleich denen der Jaunde, und europäische Haumesser, die sie in
geflochtenen Korbscheiden, oft mit Fellüberzug, an der Schulter tragen.
Als Pulverflaschen haben sie dieselben Flaschenkürbisse mit dem eigen-
artigen Deckel wie die Jaunde.
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— 104 —
Sie legen sehr geschickt Fussangeln aus zugespitzten! ca. 1 cm breiten
Raphia- Rindenstäben, entweder nur unter ganz kleinem Winkel schräg
in den Boden gesteckt, oder senkrecht iu ca. fusslangen und -breiten,
10 — 20 cm tiefen Löchern mitten im Weg, die sie mit Laub und Gras
locker ausfüllen. Als Schutzwaffe diente vereinzelt ein ca. 1 m hoher,
*/ A m breiter Schild aus Büffelhaut mit abgerundeten Ecken, ohne Malerei.
Die Kampfweise uns gegenüber bestand lediglich im Schiessen aus einem
geschickt gesuchten Hinterhalt oder im Anschleichen an unser Lager.
Befestigungen haben sie nicht, doch suchten sie oft durch rohe Verhaue
und Netze, die sonst wohl zum Wildfangen dienen, uns den Weg zu
sperren.
Die Häuser waren rechteckig, 4—5 m lang, 2— 2Vjm breit, die
Wände 1,60—1,80 m, der First 2—2,25 m hoch. Wände und Dach
werden aus den Raphia -Fieder-Matten gemacht. Die Hütte enthält nur
einen Raum und nur eine Thür in der Längseite. Das im Bau befind-
liche Haus des Semikore war 35 m lang, 12 m breit, die Wände 2 m
hoch, der First 3,25 m, davor resp. dahinter fand sich ein mit 2 7» m
hoher Matten wand eingefasster kreisrunder Raum von 10,50 m Durch-
messer, in dem in der Mitte ein Baum stand. Hier soll sich Semikore
tagsüber mit seinen Weibern aufgehalten haben; die Nacht brachte er
in benachbarten Dörfern zu, aber jedesmal in einem anderen. Sein
Hauptdorf Lembe bestand aus 2 Häuserreihen in 42 m Abstand, die
sich über einen Hügel wegzogen; auf jeder Seite 70 — 80 Hütten; auf der
Höhe des Hügels quer zu den Hüttenreihen war das grosse Haus im Bau.
In dem Haus seines Bruders Mamenjäna in Balbümme bestand der Wand-
belag aus senkrecht eingesetzten, dünnen Brettern, die sauber weiss
getüncht waren; wohl fremder Einfluss, da es das einzige derartige Haus
war. — Die Betten sind die wohlbekannten Jaunde-Betten. — Die Töpfe
von der gewöhnlichen Form und Grösse, meist reich mit Mustern verziert.
Ueberall vorhanden waren die Palaver-Trommeln und die Trommel-
sprache wird allgemein verstanden. Femer die Marimba, die an einer
unter den Achselhöhlen über den Rücken laufenden Schnur getragen wird;
der Rahmen wird gegen den Leib gestützt, und die Tasten mit einem
oder zwei Holzklüppeln geschlagen ; dieselbe dient zum Tanz und zu Solo-
vorträgen. — Im Krieg haben sie auch die Elfenbeintrompeten und eine
eigene Art laut zu schreien, hier meist: »hällanc genannt; auch pfeifen
sie sich auf den Fingern.
Sie gewinnen selbst Salz, indem sie das Schilfgras abbrennen, die
Asche und Erde sammeln und in spitzen Körben mit Wasser auslaugen,
das dann abgedampft wird. Angebaut wird Mais, Kassada, Bataten,
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Flaschenkürbisse, Tabak, der kleine rothe Pfeffer, Bananen, Ananas und
in Lembe ganz wenig Durra. Auch essen sie geröstete Heuschrecken.
Mehrfach brannten sie kurz vor unserer Ankunft ihre Dörfer selbst
nieder.
Die Mäkka, die 4 — 6 Tagemärsche östlich der Eeüra wohnen, sollen
eine dem Ngumba ganz ähnliche Sprache sprechen.
Die Batschenga, die südlich von den Nachtigal-Fällen am Sananga
wohnen, haben auch rechteckige Hütten und die Dörfer in 2 Reihen wie
die Jäunde, sprechen auch eine diesem ähnliche Sprache. Getreidespeicher
bauen sie auf ca. 1 m hohen Pfählen, wie die Hütten, mit einer Zugangs-
Öffnung im Giebel. Auch sie gebrauchen viel die langen spitzen Körbe
(1 m lang, oben Vi na, unten 5 cm Durchmesser), sowie andere mehr
tonnenförmige (ca. 1 m lang, in der Mitte 40—50 cm, oben und unten:
10—15 cm Durchmesser). Blasebälge haben sie die gleichen wie in Ost-
afrika, die Bälge meist nur aus Bananenblättern. Als Werkzeug, Hammer,
dienen im Querschnitt runde, spitz zulaufende Eisenkeile (20—25 cm
lang, oben 2—3 cm dick). Der Häuptling Mbelle besitzt 2 Reitpferde
(von den Wüte). — Sie bauen auch schon etwas Durra und bereiten
Durrabier, lofögga«.
Die M welle oder Mbelle trafen wir in 2 Gegenden, einmal östlich
der Mitte des grossen Weges Jäunde-Nachtigal-Fälle, und dann nördlich
des Sananga an den Nachtigal-Fällen. Sie bauen auch rechteckige Hütten
und 2 reihige Dörfer und sprechen eine dem Jäunde ähnliche Sprache.
Die Mwelle nördlich des Sananga haben schon sehr viel von den Wute ange-
nommen. — Sie haben auch Getreidespeicher auf 1 m hohen Pfählen,
rechteckig, aber mit rundem Dach (Abb. 1). — Sie
bereiten Salz wie die Esum. — Das Durrabier wird
hergestellt, indem sie die Körner erst zum Keimen
bringen; dann werden sie auf den Mahlsteinen
gerieben, mit Wasser gekocht und stehen gelassen;
nach 2—3 Tagen ist das Bier fertig. Sie haben die
gewöhnlichen Palaver-Trommeln, sowie solche aus
Holz mit 3 Füssen, 60—80 cm hoch, 20 cm Durchmesser, mit Fell be-
spannt, von dem aas Stricke nach einem in der Mitte herumgehenden
Lianenring gehen; der letztere wird durch darunter getriebene Holzkeile
gespannt; sie wird nur beim Tanz verwandt
Dicht am Sänanga und auf dessen Inseln wohnen die Sananga,
die eine Wüte-ähnliche Sprache sprechen; die Hütten waren gemischt,
Rund- und Rechteck- Hütten. Ihre Einbäume waren ohne Besonderheiten,
ca. 10 — 20 Menschen fassend; die Ruder ca. 1 m lang mit ovalem Blatt
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Die Wute von den Jäunde: Babütti genannt, wohnen nördlich des Sa-
nanga bis zu dem langen hohen Gebirgszuge, an dessen Süd -Fuss
Ngutte's Dorf Li'nte liegt, und westlich bis zum Mbam. Nnr astlich der
Batschenga liegen einige Dörfer im Süden des Sananga, und ganz vor-
geschoben, ca. 30 km davon, Tabenne, nördlich von den Esüm. Sie
bauen Rundhütten von 3—5 m Durchmesser und 2—3 m Höhe; die-
selben bestehen entweder aus einem bienenkorbartigen Stangengerüst, das
mit dicken Lagen Gras bedeckt wird, oder häufiger haben sie eine senk-
rechte, lVi— IV* m hohe Wand aus Stangen mit Lehmbewurf, auf der
ein glockenförmiges Dach ruht (Abb. 2 a). Letzteres ist oben entweder
abgerundet oder zugespitzt (Abb. 2 b); der Mittelpfosten ragt Vi — 1 Vi m
hervor; bei Häuptlingen etc. findet sich eine Spitze aus Gras, wie sie
Abb. 2 c zeigt, oder auch 2 solche nebeneinander. Die Hätte Ngillas
war bedeutend grösser wie der Durchschnitt und hatte einen ca. m
langen First, auf dem 10 — 12 leere Flaschen umgekehrt aufgesteckt
waren. Ngütte's Hütte in Säse hatte 15 m Durchmesser, bei 4% m
Höhe. Innen ist der Raum meist dorch eine Querwand in zwei Theile
getheilt. Die Thür ist 1,60—1,80 m hoch, 0,90—1 m breit und etwas
vorgebaut. Die Lehmwände sind häufig mit Figuren (ca. 20 — 40 cm
hoch) bemalt (Abb. 3). Mehrfach hatten die Hütten durch in Kopfhöhe
eingelegte Qnerstangen einen Boden, der als Getreidespeicher diente, und
öfter durch eine besondere kleine, auch etwas vorgebaute Thür zugänglich
war. Die Dörfer liegen fast alle rings von Wald umgeben, oft noch mit
Graben und Wall und darauf meist eingewachsenen Pallisaden versehen;
auch auf dem Zugangsweg durch den umgebenden Wald sind oft noch
Pallisaden und Thore. Die Hütten des Häuptlings sind meist nochmals
mit Pallisaden eingefasst (Abb. 4); bei Ngütte wie Abb. 4 b; oder es
Abb. 1.
Abb. 8.
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^ ^ steht vor dem Thor ein rechteckiges Haus
/O 0\ \0^ni \ V0Ü m ' durch das mftn hindurch muss
^ 1 Iq qOI und in dem sich eine ständige Wache und an
V ^Q J W-T - ^ den WSn( * en aufgenitogt Gewehre, Bogen und
a ^ ^ Pfeile etc. befinden. Bei Ngütte waren die
Abb. 4. Pallisaden doppelt und der Zwischenraum bis
zu Kopfhöhe mit grossen Steinen ausgefüllt;
der Vorhof war mit ständiger, starker Wache besetzt. In. jedem
Dorf findet sich ein grösserer freier Platz, meist vor der Häupt-
lings- Wohnung, für die Tänze etc., und meist mehrere, ebenfalls runde
Palaverhotten, deren Wände ohne Geflecht und Bewurf sind. — Auch
finden sich stets in ziemlicher Zahl Senkgruben, die oben mit Stangen
überdeckt und mit Lehm bis auf ein kleines Loch in der Mitte geschlossen
sind; darüber ist meist noch eine niedere Grashfltte gebaut.
Die Männer tragen meist Hüfttücher, die zwischen den Schenkeln
durchgezogen und an einer Schnur um die Hüften vorn und hinten
etwas übergeschlagen werden. Sehr viel werden von den Vornehmeren
die Haussa-Röcke und -Hosen, resp. entsprechend gearbeitete Küstenstoffe
getragen; bei Ngütte waren die Aermelausschnitte noch ringsum mit in
rothes Leder gefassten Löwenkrallen verziert; dazu die Sackmützen. Es
wird auch vereinzelt noch Rindenstoff hergestellt und getragen, natur-
farben oder schwarz gefärbt. — Die Weiber tragen nur vorn ein paar
grüne Blättchen oder ein kleines übergeschlagenes Zeugliippchen; selten
auch ein kleines Hüfttuch. — Die Haare werden in Zöpfe geflochten, die
dem Kopf glatt anliegen, ähnlich wie bei den Weibern in Ostafrika, und
diese mit dem Oel aus den Schalen der Palmfrüchte getränkt und ganz
fest gemacht, sodass die Frisur wie eine Kappe aussieht. Die Weiber
haben die gleiche Haartracht, doch tragen sie noch oft von Ohr zu Ohr
über die Stirne weg einen Strahlenkranz senkrecht abstehender, leicht
nach vorn gebogener Zöpfchen von 3—5 cm Länge, oft auch einen
solchen rings um den Kopf. — Die oberen mittleren Schneidezähne, seltener
alle 4, sind zugefeilt, meist wie Abb. 5a, oder auch wie Abb. 5bc Sehr
beliebt ist auch das Bemalen des Körpers mit ^j^* jryi '-"" w ^ y
Rotbolz. Aus dem Holz eines Strauches machen \]\] K/Ks
sie sich Zahnbürsten, oft bis zu 30 cm lang a b C
und 1—1 Vs cm dick. Abb.*.
Als Waffen führen sie Steinschloss- Vorderlader; grosse Bogen mit
langen Pfeilen ohne Fiederong; dazu geflochtene, lange dünne Köcher,
oft hübsch gekerbschnitzte hölzerne Sehnenspanner, die über der Hohl-
hand getragen werden, und am Unken Handgelenk ein Schutzpolster aus
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Leder mit eingepressten Mastern; hübsch gearbeitete, ca. 1V> m lange
Speere mit Widerhaken; europäische nnd wenige selbstgefertigte Hau-
messer in geflochtenen Scheiden; vielfach auch Haussa-Sch werter ; endlich
noch, doch wohl mehr als Werkzeug, kleine Handmesser : an einem ovalen
1 — 2 cm breiten Eisenring, der um die Hohlhand passt, sitzt eine drei-
eckige, 2—5 cm lange, doppelschneidige Klinge. Als Schutz dient der
grosse Büffelschild mit den beiden Haarbüscheln recht« und links; doch
ist er nicht mehr sehr häufig.
Die Kriegstänze bestehen in Einzeltänzen, indem ein Krieger mit
Schild und 6—8 Speeren hervortritt, wilde Sprünge vollfahrt, einen
feindlichen Angriff abzuwehren scheint, oder wild im Kreis herumrennt,
dann dem Häuptling und ev. hohen Gästen die Hand schüttelt und wieder
abtritt — Die Weiber tanzen in einem eigenartigen Springschritt, indem
sie das eine Bein immer mit der Ferse bis an das Gesäss schleudern;
die Arme halten sie dabei am Körper, die Unterarme wagerecht, wie beim
Laufschritt
In den Dörfern finden sich vielfach Baumstämme mit kurz gehackten
Seitenästen als Kleider- und Waffenhalter eingesetzt; ebenso ca. 2 1 /, m
hohe und breite Gerüste aas zwei oben gegabelten Pfählen mit einer
Querstange, an denen die Büffel- etc. Felle zum Trocknen aufgespannt
werden; am unteren Fellrand werden Steine etc. angehängt Vielfach
sind auch grosse Topfe als Wasserbehälter bis zum Hals in die Erde ein-
gegraben; auch Schleifsteine aus Quarz etc. finden sich viel. Mehrfach
sahen wir massive Sessel aus Holz, 30 — 50 cm hoch, 25 — 30 cm Durch-
messer. Auch die Dekanaten Spielbretter haben sie, ca. 60 cm lang,
10 cm breit, mit einem grösseren runden Loch an einem Ende und
10 Paaren viereckiger Löcher.
Sie bauen sehr viel Durra, ferner Mais, Kassada, auch eine ganz feine
Hirseart, kleinen rothen Pfeffer, etwas Sesam, wenig Bananen. — Auf den
Feldern stellen sie 2—3 m hohe Wachgerüste auf. Als Genussmittel
dienen: Tabak, Durrabier, Palmenwein und viel Kola. Auch Honig ge-
winnen sie. Als Hausthiere haben sie wenig Rinder, einige Pferde, Ziegen,
Schafe, Hunde, Hühner, Meerschweinchen; Wemba hatte auch grosse
schwarze Schweine (vielleicht von Jaunde). Als Hühnerställe bauen sie
auf ca. V« m hohen Pfählen kleine runde Hütten von 1 — l l / t m Durch-
messer, zu denen ein Stamm emporführt. Salz kaufen sie von jenseit
des Mbäm, meist die »Salzhütet von der Küste. Sie sammeln auch
Kautschuk, der in ca. 40 cm langen, 1—2 cm dicken Würsten in den
Handel kommt Büffel, Löwen etc. erlegen sie mit vergifteten Pfeilen.
Als Trommeln finden sich die gewöhnlichen Palavertrommeln und
andere auf beiden Seiten bespannte Trommeln von 40 — 80 cm Durch-
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messer und 10—30 cm Höhe; die Holzwaud ist meist mit rothem Tuch
bezogen ; auf jedem der beiden Trommelfelle sind meist noch zwei Spann-
seiten; die hakenförmigen Klöppel sind aus Holz. Die Trommel wird
an einer Schnur um die Schulter auf dem Leib getragen und gleichzeitig
rechts mit dem Klöppel, links mit der Hand geschlagen. Ausserdem
werden Elfenbeintrompeten und kleine Pfeifen aus Holz oder Antilopen-
horn geführt.
Als Tauschartikel gehen: Gewehre, Pulver, Messer, Rum, Salz, Stoffe,
grosse schwarze runde Perlen, Spiegel etc. In allen grosseren Dörfern,
z. T. auch in selbständigen Dörfern, wohnen eine Menge Haussa und
einzelne Fulla verstreut, die den Hanpthandel in Händen haben und auch
hübsche Korbflechtereien und Lederarbeiten anfertigen. — Ueber grössere
Flusse bauen sie Hängebrücken; auf einer solchen ca. 60 m langen und
recht gut gehaltenen passierten wir den Mpem.
Am West-Ufer des Mbäm, etwa in der Höhe des Ngaundere der •
Langbans'schen Karte, wohnen die Balöm, wie sie von den Wüte und
Bufia genannt werden. Ihre Sprache soll dem Tik&r ähnlich sein. Sie
bauen ebenfalls Rundhütten mit Lehmwand und Grasdach, von der
gleichen Grösse wie die Wüte. Ihre Dörfer sind meist offen, die einzelnen
Hütten liegen weit verstreut mit Feldern dazwischen ; nur einzelne Dörfer
waren mit lebenden Hecken eingefasst und auch immer wieder durch
Hecken Abtheilungen geschaffen; ein einziges Dorf, Dodäng des Binscho,
war mit Pallisaden umgeben, in dem 2 Vi m hohe Pfähle, etwa '/s m
von einander entfernt, in die Erde gerammt und dazwischen zolldicke
Stangen kreuzweis eingeflochten waren. Die Hütten waren meist innen
durch eine Querwand mit Thür in zwei Theile getheilt und hatten einen
Oberboden, zu dem ein Baumstamm mit eingehauenen Stufen emporführte.
Sie hatten 4—6 m Durchmesser, die Wand war 1,60—1,80 m hoch, die
Spitze ca. 3*/* m, sie hatten eine oder zwei Thoren mit Schwelle und
Seitenpfosten. Ueberall fanden sich rechteckige Palaver-Hütten mit
offenen Wanden. Sonst waren rechteckige Wohnhütten sehr vereinzelt
und sollen von den Bäfu-Leuten, die in N.-W. wohnen, gebaut sein; sie
haben gleichfalls eine Querwand und nur eine Thür. Der Thürverschluss
geschieht meist durch einen Vorsetzer aus Raphia-Mark, wie bei den
Indikki, oder auch durch Holzplatten oder ebensolche Rindenstücke.
In den Hütten findet sich meist die Feuerstelle aus Lehm gemacht, kreis-
rund, und auch einige Sitze aus Lehm, ca. 20 cm hoch, 30 cm Durch-
messer; ferner überall Mahlsteine. — Auch enthalten die Häuser ähnliche
Wandbretter wie bei den Indikki zum Aufsetzen von Töpfen etc., in
die Querwand Bind meist Pflöcke eingesetzt zum Aufhangen von Sachen.
Auch finden sich die Körbe für Hühner in Astgabeln überall in den
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Hütten. — Die Betten sind wie die der Jannde etc. und auch ähnlich
die kleinen Stühle; daneben auch solche aus Holz (Abb. 6). — Die
Töpfe sind von der gewöhnlichen bauchigen Form, sehr einfach nur mit
Strichen verziert. — Die Feldhacken sind lediglich aus Holz (Abb. 7). —
Abb. 6. «/» d. wirkl. Or. Abb. 7. »/. d. wirkl. Gr.
Körbe haben sie die gleichen wie die Indikki mit einem Nabel unten,
die von den Bäfia kommen sollen ; ausserdem die grossen, unten spitz zu-
laufenden Körbe und grosse muldenartige Korbschalen, 1 — 1,20 m lang,
50 — 60 cm breit, ferner Netze zum Tragen von Sachen auf dem Rücken
oder an der Schulter. — Auch finden sich dieselben Kehrbesen resp.
Fliegenwedel wie bei den Indikki. — Endlich ist in allen Hütten meist
sauber gesetztes Brennholz und Pfeilrohr vorhanden. An der Anssen-
wand der Hütte, die häufig mit rohen Malereien (Abb. 8) verziert ist,
Abb. 8.
läuft unten herum eine ca. 20 cm hohe und breite Erderhöhung. In
den Dörfern sind überall verstreut kleine Erdhügel von l*/j — 3 m Durch-
messer und bis 1 m Höbe, auf denen sich ein oder mehrere Bäume
befinden; dieselben sollen für die umliegenden Hütten als Mittelpunkt
für die Tänze, wenn ein Elefant geschossen ist, etc., dienen; in einem
Dorf fand sich auch an dem Baum ein Menschen- und ein Löwenschädel
aufgehängt. — Die rechteckigen Vorrathshütten ruhen auf Vi — 1 m
hohen Pfählen und haben Wände aus Lehm oder aus ca. oberarmdicken,
senkrecht nebeneinander gebundenen Strohbündeln; sie sind ca. 2 m lang
und V4— 1 ra br eit, der First befindet sich ca. 2 m über dem Erdboden.
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Die Blasebälge sind dieselben wie überall. Als Amboss dienen grosse
Steine oder Holzklotze, die man häufig auf Plätzen oder in den Hütten
liegen siebt.
Die Männer tragen die Penis-Futterale aas Flaschenkürbis oder
Blättern; doch nach unserer Ankunft fast alle Hüfttücher, die sie aber
beim Sitzen vorsichtig in die Höhe zogen. Vereinzelt werden auch die
Sackmützen und Haussa-Hosen getragen. Die Weiber tragen nur an der
Hüftschnur ein ganz kleines übergehängtes Läppchen oder ein paar Blätter,
viele gehen aber völlig nackt. — Männer und Weiber tragen dünne
kupferne und eiserne Ringe an den Fingern und Zehen; vereinzelt auch
fingerdicke Eisen- und Messing- Armringe; die Männer häufig dünne Ringe
aus Elephantenhaut, oft bis zu 8 — 10. — Die Haare werden in kleine
Zöpfchen geflochten (ähnlich wie bei den Wassarämo in Ostafrika) und
stark mit Oel getränkt, einzelne tragen sie durch einen umgelegten Streifen
alle nach oben gerichtet; auch rasiren sie zwischen den Zöpfen noch
Streifen aus; vereinzelt sieht man auch Perlen eingeflochten, auch lange
Federn eingesteckt, die senkrecht emporstehen. — Tätowirung sieht man
verhältnismässig wenig, allgemein aber das Bemalen mit Rotholzmehl.
Sehr viel werden Amulette getragen, als Hörner, Zähne etc.
Als Waffen dienen wie immer: Steinschloss- Vorderlader, mit dem
Fellschutz für das Schloss und kleinen Pnlverflaschen aus Kürbisschale,
die sie in kleinen Ledertaschen oder geflochtenen Säckcheu an der
Schulter tragen; statt dessen tragen sie auch kleine Täschchen an der
Innenseite des Oberarmes; weiter 5 — 6 Speere, auch Bogen,
Pfeile und Köcher wie die Wüte; die Speer- und Pfeilspitzen
haben übrigens nichts Einheitliches, sondern es kommen alle
möglichen Formen vor; sodann breite Messer und auch
europäische Haumesser in Scheide aus Flechtwerk oder aus
dünnem Holz mit Fell- oder Eidechsenhautüberzag und
2 Henkeln an jeder Seite, die an mehrfachen Schnüren an
der Schulter getragen werden. Einen Messergriff sah ich,
der sehr hübsch als Menschenkopf geschnitzt war; meist sind
aussen auf den Scheiden noch 1—2 kleine Messer befestigt.
Alle tragen Signalpfeifen, meist ans Antilopenhörnern,
die an der Spitze ein kleines Loch haben, das mit dem Finger
geöffnet oder geschlossen wird, während oben quer darüber
, i gepfiffen wird. — Sie haben auch Palaver-Trommeln; ferner
solche ans Holz mit Fell bespannt, dessen Schnüre nach dem
unteren Rande herabgehen, ca. 60—80 cm lang, 20—30 cm
Durchmesser. Die Hunde tragen oft Glocken am Hals, an-
Abb. 9. geblich zur Jagd.
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Die Einbauine fassen ca. 20—25 Mann; an dem einen Ende sind
innen am Boden 2 grosse Höcker aus dem Holz herausgearbeitet, zum
Gegenstemmen der Füsse des dort siteenden Steuerers, die Ruder sind
ca. 1—1 Vi na lang ca. 15 cm breit (Abb. 9), doch dient als Ruder auch
einfach ein gespaltener Stock, in dem einige Bretter oder ein Stuck Baum-
rinde eingeklemmt und mit Rotang festgebunden werden.
Sie haben kolossal viel Hühner, ferner Ziegen, Schafe, Hunde.
Sie bauen Durra, Mais, Bataten, Kassada, Taro, Erdnüsse, Planten,
Flaschenkürbisse, Tabak, Ricinus, Papayen, Strauchbaumwolle; die Felder
sind sehr sauber. Auch findet sich in allen Dörfern ein Strauch, eine
Labiate, mit gefiederten Blättern, die zerrieben und ins Wasser geworfen
als Fischgift dienen; es ist derselbe wie in Ostafrika. Sie haben an-
scheinend viel Elfenbein ; auch soll es Kautschuk geben. — Als Genuss-
mittel haben sie Durrabier und Bananen wein. Ihre Tabakpfeifen ähneln
etwas denen der Bali.
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Bücherscliau.
Im Sinne der „Anfänge der Kunst", wie durch die comparativ-genetische
Methode der Ethnologie zur Geltung gekommen und mit den Arbeiten Grosse's,
Stolpe's, von den Steinend, Haddon's, Hein's u. A. in sachkundige Pflege über-
nommen, hat Kroeber das von ihm unter den Arapahoes angesammelte Material
einer Behandlung unterzogen, die zugleich von einem zutreffenden VerstAndniss
der hier in Frage kommenden Probleme Zeugniss ablegt. Es handelt sich um
Einheitlichkeit der Umschau, im Gesammtumfang des Globus (für die Kunde
von seinen Völkern). „Only by understanding its totality can we really wider-
stand its smaller parte, those productions, that have always a predecessor, but
never a beginning" (im einzelnen Detail der Wechselbeziehungen zu durchforschen).
tu 3k xaUlao npwTov, aunuv dpa vo xaSJXou (b. Aristoteles), obwohl dMvarov 3k tu
xaMXov ötapfjom pi) 3t ira/Tjc (auf empirischer Grundlage der Induction), bei vor-
ausgesetzter Umschreibung des jedesmaligen Horizontes (S/MC«**«), in den Einzel-
aufgaben (zur Controlle mit der Deduction).
Für eine dogmatische Behandlung der Ethnologie ist es noch weitaus zu
früh. Seit wenigen Jahrzehnten erst, hat die bisher enge Peripherie ethnischer
Umschau über den gesammten Globus sich erweitert, über die Gedankenwelten
der Menschheit hin, durch afimmtliche Phasen ihres Geschichtsverlaufs, in Raum
und Zeit. Nach allen Richtungen hin öffnen wunderbare neue Perspectiven
sich auf, wo noch ungeordnetes Rohmaterial stapelweis (bergehoch) aufgethürmt
liegt, und erst nach genügender Verarbeitung durch monographisch detaillirte
Specialarbeiten dürfte gewagt werden, allgemeine Grundzüge festzustellen, deren
Richtigkeit vertraut werden könnte. Bis dahin hat es bei dem Experimentiren
zu verbleiben („senaate experienze"), um beim Durchwandern der verschiedenen
Areale, da, wo ausreichend gesicherte Daten geboten sind, in dem von ihnen ge-
zogenen Kreis, die vorliegenden Aussagen nach proportioneilen Gleichungsformeln
untereinander abzumessen, und daraus das bei der Prüfung erprobte Facit zu
ziehen, im logischen Rechnen.
Erst wenn im Fortgang auf solcher Forschungsbabn die Denkmöglichkeiten
erschöpft sind, wird dasjenige sich annähern lassen, was in Ursprungsfragen ge-
sucht ist, ob in einer „Natura naturans", ob in (Darwin's) „Creator" oder
(Newton's) Höchster Intelligenz, zur Werkmeisterschaft der „grössten aller
Maschinen" (s. Windelband), „Deus sive Natura" (in den Weltgesetzen).
Wer eine Maschine arbeiten sieht, weiss, das* sie von Jemanden hergestellt
ist, mit der Zielrichtung auf den von ihr erreichten Zweck; und sofern Inter-
esse vorliegt, steht einer Bekanntschaft mit dem Künstler oder Techniker nichts
im Wege.
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Auch im pflanzlichen Organismas arbeitet eine Maschinerie, auf ihren Zweck
hin, am den Geschöpfen auf animalischem Bereich nutzbare Früchte zu schaffe n
für Ernährung und Erhaltung dortiger Constitution.
Hier jedoch verbleibt der Künstler oder seine Kunst, in soweitiger Weite
der Denkmöglichkeiten, ihnen unzugängig, da es, statt eines „Machens" oder
Schaffens (aus dunkeln Tiefen schöpfend; zur Schöpfung), um Entstehen sich
handelt: um Ausentwickelung dessen, was vorher entwickelt lag (für Rät b sei-
fragen).
Nach dem Auseinanderrollen ist die Sache deutlich genug, wie? sie dies
jedoch aus ihr selber (sich selber) gemacht bat, dem Menschenkinde ebenso un-
verständlich, wie das Bild, auf dem der amüsante Baron am eigenen Zopf aus
dem Sumpfe sich emporsieht, oder die Naturphilosophie dies Kunststück beim Ver-
sinken in den „Urschleim" versucht hat (oder in dessen plasmodiscbe Auf-
frischung). Es handelt sich in naturforschlicher Deutung um das Wirken kleinster
Theilcben, die weil als solches Product (verschwindend klein) in minimalste Zer-
krümelung auslaufend (beim Ineinander von Kraft und Stoff) nicht in ihrem
An-sich gesehen werden können (den Ausschärfungen der „Visio mentis" ent-
zogen), sondern erst in derjenig ersten Unität, welche als fassliche ins Dasein
getreten, dort sich manifestirt Quae oculorum aspectum effugiunt, ea mentis
acie comprehenduntur (s. Celaus), wenn das „Bangsa-alus" sich erhellt (in
geistiger Schau).
Was in der Maschinerie bewegend arbeitet, ist die Umwandlung des Stoffes
durch die (aus Latenz erweckten) Kräfte, zur (äusserlich) materiellen Realisation
dessen, was (innerlich) lebt, und bei Ablösung der Frucht seine eigenen An-
fänge wiederum reproducirt (in Vervielfachung der Samen).
Bei der animalischen Organisation verhält es sich ahnlich (unter Lostrennung
vom terrestrischen Bodengrund); und so bei der humanistisch zugehörigen.
Auch hier reali.-irt sich, in seinen Lebensfunctionen, für somatische Existenz
der durch Kräfte umgewandelte Stoff, dem (aus seinem „influxus physicua*
hervortreibend) psychische Entelechieen sich verlängern, um an den sensualistisca
vorgesehenen Apparaten in Wechselbeziehungen zu treten mit Kraftäusserungen,
die als mehrweniger freie agiren (ohne substantielle Unterlage, oder doch in
Wurzelenden nur mit ihr verbunden); und bei humanistischer Specialität tendirt
der „Nisus forinativus" im Psychischen zum Noetiscben hin, indem freie Kraft-
bethätigungen zum Verkehr mit einander zusammentreten, innerhalb der ge-
sellschaftlich umschlossenen Kreisperipherie, auf zoopolitischer Sprachsphäre; wo
jeder der zugehörigen Coroponenten das Centrum das Ganzen in sich selber trägt,
(je nach dem es dort willenskräftig hat fixirt werden können).
In sobezöglich neu geschaffner Welt repetieren sich die physiologisch im
somatisch psycho-physischen Individuum vertrauten Vorgange, auf deren sensua-
listischer Schichtung. Die Denkgebilde werden gesehen (sichtlich vor Augen
stehend, in der „Visio intellectualis" eines oculus rationalis), sie werden gehört,
beim innerlichen (Nach-) Sprechen [aus dem Echo des (in „8abda u ) „ewigen
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Lauts"], zusammengeschlossen untereinander in lautlich umkleideten Anschauungs-
bildern (aus acusto-optischer Concordanz).
In dem sohin, mit dem [aus dem psycho-pbysiscben Individuum (das leib-
liche Kinder zeugt) und dem zoopolitischen (dem Vater der geistigen) gepflogenen
Zwiegespräch] hinzutretendem Bewußtsein, hätten sich demnach, wie in phytolo-
gischen Fructificationen , die Anfänge (vervielfältigt) zu reproduciren, aber in
(stofflich) immaterieller Form oder Epiphanie, weil energetisch umgeschaffen (zu
freier Ablösung).
Schon im Blüthestand der Pflanze mögen den vitalen Kräften (ihres
mechanisch regulirten Organismus) freie Erzeugnisse entgeh weben, in dem (die
tonganische 8eele allegorisirenden) Blumenduft, aber obwohl man ihr metaphorisch
(oder in „Nanna's" Mythologis irung) eine Seele hat beilegen wollen, wäre doch,
von einem Bewusstsein zu reden, leeres Gerede nur („inflatus vocis") für den
normalen Denkorganismus (eines gemeinen gesunden Menschenverstands). Da-
gegen sind ihr (im Haushalt der Natur) ihre Aspirationen („in spe") zu einem
(animalisch) Seelischen gewährt, wenn von Animalien verzehrt und in deren
Constitution assimibrt, um in metamorphosirenden Processen sich umzuwandeln
hin und her (wie es ihr belieben möchte). Solche Aufnahme in einen höher
geschätzten Stufengrad existentieller Erscheinungsformen setzt in der Hauptsache
bei den (Lebens-) Früchten der Pflanze erst ein, die von den Würmern gemäch-
lich verspeist werden, während wenn sie an die (in ihren Vorstadien) vom
schwellenden Leben noch strotzende Pflanze sich wagen sollten, sie trotzig zurück-
gestoßen sein würden, durch die Reaction aus immanentem Selbsterbaltungs-
prineip (solange nicht pathologisch etwa verstört). Den aus brav tauglicher Aus-
führung schmackhaft veredelten Früchten mag ausserdem die Ehre erwiesen
werden, von demjenigen Wesen, das die Krone der Schöpfung sich auf das Haupt
gesetzt bat, in höchsteigener Person seinem Verdauungapparat eingeführt zu
werden. Und ob sie dort nun behaglich besser sich befinden dürfte, als in dem
flimmrigen Epithelium eines Lumbricus bleibt wieder ihrem eigenen Geschmacke
überlassen („de gustibus non est disputandum"). Ob (oder wie) es mit Geistes-
früchten des „Homo sapiens" so oder ähnlich hergehen mag, bleibt dahin gestellt.
Was die Menschen säen, ernten die Götter (meint der Dichter), und den Dewa
waren im Sorna Seelengerichte aufgetischt, aus denjenigen, die zum wechselnden
Mond fortzuflattern , sich geinütssigt gefunden hatten. Rathsamer also die zur
Identification mit des Ursprungs Ursächlichkeiten gelangten Gedanken auf die
»olare (Lebens-) Quelle hinzurichten oder (da auch dieser allerlei Fragliches an-
haftet) auf einen gewissenhaft leitenden Pol (zu richtig correcter Steuerung der
Lebens harke). (A. B.)
In Seler's sachkundiger Besprechung der von Lumholtz unter den Huicbol
angesammelten Bereicherungen der Ethnologie werden objectiv willkommene Be-
stätigungen geliefert zu der auch auf fortgeschrittenen Phasen des Wachsthums
gleichartig erwiesenen Manifestation der Elementargedanken, und solche Be-
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— 116 —
legstücke sind besonders schätzbar, wenn ans dem Echo des anf transatlantischer
HemisphBre abgetrennten Kontinentes wiederholt
Und eine doppelte Beweiskräftigkeit erhalten sie aus denjenigen Gesichts-
punkten, die, weil unserer occidentalischen Cultur (bei jäherem Bruch mit ihrer
Vergangenheit) entzogen, ihr ans cnltnrellen Seitenstücken, die bei weniger
rühriger Geschichtsbewegung unverletzter geblieben sind, supplirt werden müssen,
auf denjenigen ethnischen Arealen nämlich, wo der die höheren Entwicklungs-
phasen der Cultur mit ihren primitiven Unterlagen verbindende Leitungsfaden
noch nicht abgerissen ist, und somit die lebendigen Zeugen derselben mündlich
noch erzählen können von dem, was in archäologisch (oder prähistorisch)
stummen Flesten zu Tage gefördert wird — um im vorliegenden Falle z. B.
die Geschichte der Nahuatl zu erhellen, seitdem aus dem Trümmerschutt der
mit der Conquista über sie hereingebrochenen Katastrophe wiedererweckt und
den Studien zugänglich gemacht.
Da den in solcher Hinsicht auszuverfolgenden Richtungen von dem Ver-
fasser, mit der ihm zur Verfügung stehenden Fachkenntnis», der Weg bereits
eröffnet ist, sind zum Fortgang auf demselben bequemliche Erleichterungen ge-
wahrt.
In der uralten Erdgöttin (Takotsi Nakawe) unb der jugendlichen Göttin
des Mais (iku), die als „Mutter" (Täte) im Verhältniss der Tochter zur „Groß-
mutter" (Takotsi) steht — wie bei den Azteken in männlicher Wandlung des
Sohnes (irokesischem Hiawatha entsprechend) — läset, unter localen Variationen,
ein Duplicat sich einregistriren zur hellenischen Mutter-Erde (Demeter) und der
jugendlich (im Anodos und Katodos) die Pflanzen durchwandernden Tochter
(Proserpina), oder (auf Java) „Devi Sri" (und anderen ethnischen Doubletten
und Tripletten zu Häuf; zur Auswahl aus den „Etbnika").
Der Feuergott (Tatevali) am Herde, als Mittelpunkt des Oikos, wohnt auch
in dem der Erde, wie Vesta mit Gäa identificirt wird (b. Ovid), in Beziehung
zu Vulcan — ol /xev tov 'Hyrjinov ytXäv, oi dk Trjv 'Exrrta* (s. Aristotl.) — und als
„Wärme, vermöge welcher die Kinder sich erzeugen im Leibe der Mutter"
(bei den Huichol) kommt solche Function mit der Baiwe's (bei den Lappen) zu-
sammen (für das „Junge des Renntbiers").
Tato Ypun, die doppelköpfige Schlange umschlingt bie Erdperipherie gleich
ägyptischer (oder Midgard's) und zwischen ihren Köpfen ist Durschgang ge-
lassen für die Sonne, in welche der Sohn der Adlerjungfrau, im priesterlichem
Schmuck in das „Ofenloch" der Erde (einen durch Devotion geschlossenen Erd-
schlund etwa) geworfen, wieder aufgestanden war; der mexicanischen Analogie
(b. Sahagun) entsprechend (bei der Festfeier zu Teotihuacan).
Die Hirschjäger (Tevalir) gehen nach dem Tode zur Sonne, um sie auf
ihren Wegen zu begleiten (bei den Huichol), wie die dem Leben gewaltsam
entrissenen Krieger (der Nahuatl), am Orte Hai Tonolipa [„sich erhebende (sich
loslösende) Wolken' 4 ], oder die auf dem Schlachtfeld Gefallenen (s. Gill), ins
buntschimmernde Wolkenland Tiairi's (auf Mangaia); und so in Parallelen
weiter (wofür auf die lehrreiche Abhandlung zu verweisen, nächstgelegt ist).
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117 -
Um Aebnlichkeiten zu vergleichen, unter proportioneilen Verhältniss-
werthen, und nach den für die Differenzen gültigen, diese unterscheidend zu
markiren, vermag die DenkthHtigkeit ihre Bearbeitung eines (materiell oder
immateriell) vorliegenden Hypokeimenon da nur nutzbringend in die Hand zu
nehmen, wo causale Verknüpfung präsumirt ist („vere scire est per causas
scire"), um ans den Wirkungen des (im vorhanden Gegebenen) augenscheinlich
Fassl&ren — dessen also, was dort dem Auge [als „oculus naturalis" oder (auf
der „Yisio mentis") „oculus rationalis" ; das „oculus contemplationis" vorläufig
beiseits gelassen] vorliegt — , auf immanente Ursächlichkeiten zurückzuschliessen,
bis auf letzt noch fassliche PrimordalitUten ; und indem sodann, von dem dort
erlangten Ausgangspunkt ab, derselbe Weg zurückverfolgt ist: aufwärts zum
Abschluss hin (unter doppelter Controlle der Deduction und Induction), wird
dieser demnach, je nach den verfügbaren Hülfsquellen, geklärt (oder erklärt)
sein, soweit auf dem von der Natur ursprünglich beschrittenen Wege, ihren
Fussspuren nachzugehen thunlich gewesen ist (seitens des Naturkundigen).
Eine individualistisch causale Verknüpfung wird auf biologischem Studien-
bereich, als Organisation umschrieben, worin die Mittel den Zwecken und diese
jenen dienen, und wo immer eine derartige Organisation (oder ein Organismus)
vorliegt, wäre demnach (bei Verbindung der genetischen Metbode mit der com-
parativen) das Zusammengesetzte (nach dem durch Newton erneuerten Satz der
Peripatetiker) auf das Einfache zu reduciren, in cellulären Unitäten (potentiell
geschwängerter Reimungen) ; wie die Chemie auf ihre Elemente gelangt, als
soweit Letzt-Aeus8erste8 (vor dem Hinübertreten in Kraftcentren etc.).
Wie der „Anthropos", in seiner (zoologischen) Erscheinungsform als „Bi-
inanus", agirt auch der von seinem zoopolitischen Charakter umkleidete „Homo
sapiens", als Organismus (im „Regne humain"), und aus der Functionsweise
seiner Organe spiegeln die Schöpfungen der Gesellschaftsgedanken in der den
socialen Kreis (als Stamm oder Volk) umschwebenden Weltanschauung, unter
Buntheit der Völkergedanken ; je nach den Umgebungsbedingnissen aus histo-
risch-geographischer Provinz.
Um deshalb solch einfachster Unitäten (oder Monaden) gesichert zu sein,
sind die Elementargedanken festzustellen, starr unveränderlich fast (gleich anor-
ganischen Elementen) auf dem Niveau des Wildstands (unter localen Varianten),
aber entwickelungssch wanger schwellend, wenn zum Sprossen angeregt (beim
Aufblühen der Cultur). Das hervorgerufene Product wird zunächst mit dem
Stempel der geographisch zugehörigen Provinz geprägt und gefärbt sein, während
wenn auf den die geographischen Provinzen topisch verbindenden, Geschichts-
bahnen fremdartige Einflüsse zugetragen (und entlehnt) sind, die dadurch be-
dingten Modihcationen (und Aeugelungen) zur Veredelung heranreifen mögen,
bei wahlverwandtschaftlich congenialen Affinituten, — oder (andererseits) mehr-
weniger gestört sein; auch gänzlich zerstört, bei brutal incongruentem Eingriff
oftmals leider (ehe es gelungen ist, die Originalitäten im Thesaurus der Museen
sieber niedergelegt zu haben, als Arbeitsraaterial auf weiterhin).
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— 118 -
Dieser inductive Forschungsweg hatte der Individualpsychologie sich bereit*
wünschens werth gemacht, um an Unitaten (und Monaden) einen Anhalt zn
gewinnen, in Beneke's „Urvennögen" oder Proprincipien (b. CampaDella), als
„psychische Urelemente" (s. Münsterberg) oder „Empfindungselemente" (in der
Psycho-Physik), mit Er-weiterong zu xotw ivvoitu (der 8toa), dem „ab omnibus
et ubique" (b. Cicero) Gedachten (oder Geglaubten) oder notitiae commune«
(b. Herb. Ch.), als „common principles" (s. ßeid) des „Common sense", wie
dem gemein gesunden Menschenverstand bereits verstandlich. Aber solch selbst-
verständlich einlaches Denkgebilde stösst auf Schwierigkeiten, um Eingang
zu erlangen, wo mit scholastischen Dogmen vollgepfropfte Köpfe den Geschmack
am Natürlichen verloren haben.
Wenn den Reisebericht erzählen hörend, von einem in anderen Continental
angetroffenen Gebilde, das, pflanzenartig ausschauend, Zweige ausgestreckt
habe und mit Blättern behangen gewesen sei, wird der bei naturgemäßer
Lebensweise der Nüchternheit beflissene Naturforscher nicht gross darüber
staunen, sondern vielmehr meinen, dass Zweige her vorzutreiben und Blätter
anzusetzen jedem Baum in Fleisch und Blut läge und dass, wenn auch die
Fructificationsorgane überbracht seien, derselbe unter botanischer Definition dem
Lehrplan eingerückt sein könnte und mit einem Preisnamen beehrt werden.
Dass die Pflanzen in allen Erdtheilen gleichartig wachsen, darüber wundert
sich Keiner (seit durch die Zellentheorie belehrt). Die Vollblüthe mag weitest
differenciren, unter verschiedenartigsten Gestalten im Pflanzenreich, aber jeder
derselben liegen dieselben Elementarbildungen unter, in cellulär einfachster
Unität (nach der auf heutigem Barometerstand der Naturerkenntniss gültigen
Anschauungsweise).
Und ebensowenig kann überraschen (weil gegenteilig selbstverständlich
an sich), dass am ethnischen Organismus unter allen Zonen derselbe Elementar-
gedanke hervorsprosst, der in seiner Identität leicht genug aufgewiesen ist,
sobald die ihm klimatisch übergeworfene Maskirung abzuziehen, der Mühe
werth erscheint.
Wie wir nie den Menschen als solchen sehen (in seinem somatischen
Habitus), sondern nur die ethnisch zugehörige Variation, roth als Indianer,
schwarz als Neger, gelb als Mongole u. s. w., so spielt in dem Sebapparat
der „Visio mentis" buntschillernd die Epiphanie der Völkergedanken» aus denen
der Normalbefund des Gesellschaftsgedankens (in Universalität seines Mensch-
heitsgedankens) demgemäss herzuleiten ist (im systematischen Fortgang der
Forschung). In allen aber steckt der gleichartige Elementargedanke, der die
Bemühungen um seine Auffindung reichlichst dem Denken belohnen wird,
durch Vereinfachung seiner logischen Rechnungen (wie es genugsam sich be-
reits bewährt hat).
Die Uebereinstimmigkeit der ethnischen Elementargedanken ergiebt sich
somit als ein zwingendes Postulat und ebenso die analog entsprechende Aehnlich-
keit, im Abverlauf cultureller Entwickelungsphasen.
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- 119 -
Das muss so sein und könnte anders überhaupt nicht sein, seit (oder so-
bald) wir uns bereit gefunden haben, den vormals auf den Stammbaum heroi-
scher Ahnentafeln gesteiften Menschen, in den „Zusammenhang der Dinge"
einzufügen. Von ihnen allen wird eine Gotteskindschaft reclarairt, eine gleiche
Mutter in der „Natura Naturans", und dem eines Kopfes Länge darüber hin-
ausragenden Menschen ist dieser Vorzug nur gewährt durch die ihm, ab? „forma
superaddita" (b. Telesius) zugefügte „Pars rationalis" (s. Cicero) ; oder deshalb
vielmehr, weil der ihm innewohnende Wachsthumsprocess bis zu solchem Stufen-
grade emporgestiegen ist, und so auf höherer Warte der Umschau (in der
„Visio intellectualis" eines „Oculus rationalis") von denjenigen Reflexen, einer
kosmisch das Telluriscbe Überragenden Umwelt, getroffen wird, die in seiner
Denkthätigkeit ihm zu bewusster Empfindung gelangen (bei rationeller Be-
rechnungsweise der gesetzlich gültigen Verhältnisswerthe ; im Zwiegespräch des
7.00 politischen Individuums mit dem psycho- physischen, Aber gemeinsam einigende
Persönlichkeit).
Davon abgesehen, verhält es sich mit ihm, wie mit allen übrigen Dingen
biologischer Erscheinungsformen - insofern nümlich : dass die organisch in ge-
regeltem Wachsthumsprocesse (metaphorisch gesprochen) gewandelten Functionen,
an jedesmaliger äpXjj rij? turaßoXifi. auf primäre Unitäten sich zurückführen
lassen, aus denen sie hervorgesprosst sind.
Wenn bei dem, unter Abweisung des Nichtsein's (bei den Eleaten), ge-
setzten Sein eines xoeftt»; dkovtos, der physiko-theologische Beweis (b. S. Parker)
für Erfindung der Weltmaschinerie (in mechanischer Naturbetrachtung) nicht
genügend erschien, sind die Erklärungsweisen in den „Regressus ad infinitum"
eines absoluten Werden' s hineingerathen, ob es um eine „kreisende Gebärerin"
(b. G. Bruno) sich handelt, ob (in polynesischer Kosmologie) um ein „Hervor-
blühen" (pua-ua-mai) ; am mythologischen Baum etwa, für Ask und Embla
oder Mescbia und Meschiane, mit ethnischen Parallelen sonst zu Häuf, in der
Völkerkunde (bis auf den in Sachsen, „woran die schönen Mädchen wachsen ; w
im volkskundlichen Ueberlebsel).
Immerhin, ob so oder so, dass in Praxis der modernen Naturforschung die
genetische Methode zur Empfehlung gekommen ist, weiss Jeder genugsam.
Im somatischen Individuum ergeben sich diese Primordalitäten als celluläre,
von denen aus ein in seiner Haltbarkeit zuverlässig (experimentell) erprobter
Leistungsfaden bis auf psychische Entelechie (aus dem „influxus physicus" her-
vortreibend) unabgerissen fortzuführen, der exacten Forschung bereits gelungen
ist, und betreffs des zoopolitischen Organismas sind »«bezüglich die Elementar-
gedanken substitnirt — die, sofern eine besser zutreffende Bezeichnung dafür
vorgeschlagen wird, auch diese beigelegt erhalten können ; die im Uebrigen
aber auf ein und dasselbe hinauskommen, im gleichen Sinn nach der in der
Biologie durchweg adoptirten Auffassungsweise: um dasjenige verständlich zu
machen, was vor den Augen sich abspielt (unter den Wandlungen des Werdens
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— 120 —
im Sein) und nach den Vorschriften der comparativ-genetischen Methode seine
zweckdienlichste Behandlung zu erhalten hat.
Und dem in seiner Entfaltung zum Ansetzen von DenkblUthen (und
Wissenschätzen) tendirendem Wachsthumsvorgang seine primär unterliegenden
Unitaten festgestellt zu haben (objectiven Aussagen gemäss, ohne subjectivistisch
deutelnde Zuthat), darf als werthvollster Gewinn um so mehr geschätzt werden,
indem in der dadurch gewonnenen Eins die Fülle des Gesammt eingeschlossen
liegt (wie in jedem Samenkorn die daraus metamorphosirte Pflanze). Obwohl
stumm und -starr, wie sie (das h xat sav), wenn im Pluss der Zahlenreibe van
Reden gebracht, von demjenigen künden, was unter den Wundern, die umgeben,')
deren Bäthsel zur Lösung zu bringen verspricht, je mehr die Vielheiten [die
Theile (oder Theilganzen) im Ganzen] in ihr durch monographisch detaillirte
8pecialarbeiten zur Aufklärung gebracht sein werden, um unter sich dann
wieder, aus wechselweisen Ergänzungen, zusammenzustimmen (in Einheitlichkeit
der durchwaltenden Gesetze).
') Auf mathematischen Unterlagen des AH beeindruckt in mechanischer Naturbe-
trachtung die Welt als grösste der Haschinen, das Werk höchster Intelligent
(b. Newton) oder aus organischen Molcculen (im Vorlauf der Zelltheorien) als Organismw
(b. Buffon), worin der noeto-psychische Wachsthumsprocess, (aus dem influxus physicos
herrortreibend) zur (ablösbaren) Frachtkrone reift auf zoopolitisch socialer Sprachsphäre,
deren Objecte (aus Incarnationen des Gesellschafegedankens) ebenso real [oder
(b. Lamettrie) körperlich, in (stoischer) Körperlichkeit ; und (b. Hobbes) des Staatskorpers
auch] wie die optischen Gebilde im oculus naturalis einem oculus rationalis (in der
Vivio intellectualis), gegenüber stehen aus acustischer Concordaaz in lautlich umkleideten
Anschauungsbildern, die religiös durchwehten Rechtsinetutiooen spiegelnd (aus Braach
und Sitte) ; und solch gesellschaftlicher Organismus (im Umgriff der integrirungsfahigen
Individuen) ist regulirt durch moralische Functionen (aus physiologischen transfonnirt)
im „moral sense w (b. Shaftesbury) für menschlich angeborenen Unterscheidungen von
Recht und Unrecht (b. Voltaire), aus den naturnothwendigen Voranlagen geselliger
Existenz, nach dem „Geselligkeitsbedürfniss" (b. Grotius), in den Moralgeboten anf
primärem Niveau, als (passive) Tugenden : bei Ausfall des Mordes innerhalb des Stammes
aus dem Selbsterhaltungsprincip (das andererseits den Todschlag gegen den Feind
pflichtgemäss gebietet) und Ausschluss des Diebstahls (bei communalem Eigenthura),
während mit der Ehe nach dem (in Idealisirung dann veredelten) Recht des Starkem)
(wie bei den Altersklassen) der Ansatz zum Privateigenthum zu den Kämpfen um eine
„Helena" führt (im australischen Wildzustand u. s. w.) ; und die Lüge [wie von Mao-
digoes (b. M. Park) und (b. Herodot) von Persern gerühmt] ist unbekannt, weil
dem ungeübten Gedankengang das Wahrspreeben einfach leichter (aus vis ineiüae),
wobei gegen die, Unzurechnungsfähigkeit herbeiführende, Berauchung Proteste eingelegt
sind (b. Sachem etc.). In dem Gesetze von Erhaltung der Substanz und Erhaltung
der Kraft (bei Umsetzung der Energien in der Wärme) ist das im ersteren Falle, weil
tellurisch nach seinen Verhältnisswerthen durchwanderbar, insofern isoürbar, während
es im letzteren in makrokosmische Unübersehbarkeiten hinausliegt; wohin indeas aus
Uebereinstimmigkeit der Denkgesetze eine Brücke zu schlagen sein wird, bei Behandlung
der humanistischen Studien nach comparativ-genetischer Methode (auf Grund der ethnisch
angesammelten Thatsachen).
(A. B.)
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Dr. Augustin Krämer: Die Samoa- Inseln. Entwurf eiuer Mono-
graphie mit besonderer Berücksichtigung Deutsch-Samoas. Heraus-
gegehen mit Unterstützung der Kolonialabtheilung des Auswärtigen
Amts. I. Band. Stuttgart, E. Schweizerbartsche Verlagsbuch-
handlung (E. Naegele). 1901.
Obwohl eine der jüngsten kolonialen Erwerbungen Deutschlands, scheint
Saznoa doch als erstes unserer Schutzgebiete eine umfassende Darstellung seiner
ethnographischen Verhältnisse erhalten zu sollen. Eine solche wird ja freilich
durch die geringe räumliche Ausdehnung der Inselgruppe ebenso erleichtert,
wie durch die zahlreichen Vorarbeiten von Männern wie Turner, Stair, Pratt,
Fräser, Sttttol u. a., die dem Forscher hier zu Gebote stehen. Eine er-
schöpfende Monographie, in der die gesammte vorhandene Litteratur verarbeitet
wäre, ist das Krämersche Werk freilich noch nicht, wie denn auch der Verfasser
es nur als den Entwurf einer solchen bezeichnet; aber eine unendliche Fülle
neuen Stoffes, eine Menge von werth vollen Berichtigungen und Ergänzungen zu
den Berichten der alteren Autoren bringt bereits der erste, nunmehr vollendet
vorliegende Band, der die Verfassung, die Stammbaume und Ueberlieferungen
von Samoa enthält. Was aber den ohnehin grossen Werth dieses Materials noch
beträchtlich erhöht, das ist die geradezu mustergiltige Vorsicht und Sorgfalt,
mit der der Verfasser beim Sammeln und Aufzeichnen desselben vorgegangen
ist. Er hat sich niemals an einer Quelle genügen lassen, sondern jeden Stamm-
baum und jede Legende sich von mehreren, oft fünf bis zehn verschiedenen
Eingeborenen erzählen lassen und die Berichte verglichen, um möglichst ge-
sicherte Ergebnisse zu erzielen. Viele Einzelheiten sind natürlich trotzdem
uiigewiss geblieben; wenn es aber dem Verfasser gelungen ist, die Stammbäume
der fünf bedeutendsten samoanischen Familien für die letzten 15—20 Generationen
in Einklang zu bringen, so ist das ein höchst bemerkenswerthes Resultat seiner
Forschungen und zugleich ein Beweis, dass die Traditionen doch eine weit
grössere Zuverlässigkeit besitzen, als man es von einem schriftlosen Volke vor-
aussetzen sollte. Weiter rückwärts als auf etwa fünf Jahrhunderte läßst sich
die geschichtliche Tradition allerdings nicht verfolgen; alle Ueberlieferungen,
die sich auf eine entlegenere Zeit bezieben, tragen einen mythischen Charakter.
Die Hoffnung scheint daher auch gänzlich ausgeschlossen, dass man aus den
Traditionen etwas Sicheres über die Herkunft der Samoaner und die Besiedelung
Samoas erfahren könnte.
Der Inhalt des reich mit Abbildungen und Karten geschmückten Bandes
ist so angeordnet, dass nach einem kurzen Reise- und Arbeitsbericht zunächst
eine Darstellung der Verfassungsgeschichte, der vorgeschichtlichen Zeit und der
als Grundpfeiler des samoanischen Staatswesens zu betrachtenden Familie gegeben
wird, nebst Bemerkungen über die Kawa und die feinen Matten, die beide im
Leben der Samoaner eine so grosse Rolle spielen. Auf diesen einleitenden Ab-
schnitt folgt nun der Haupttheil des Buches, in dem, nach den einzelnen Inseln
(Savaii, üpolu, Tutuila und Manua) und deren Hauptbezirken geordnet, der
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Reihe nach die Faalupega, die Stammbäume und die Ueberlieferungen im Urtext
und in Uebersetzung mitgetheilt und mit erklärenden Bemerkungen versehen
werden. Neu ist hier vor allem die Faalupega, d. h. die ceremoniellen Be-
grüssung8formeln, mit denen der Sprecher (tulafale) die Berathungsversammlungen
(fono) erQffnet Dieselben haben ihren bestimmten, ein für allemal feststehenden
Wortlaut, auf dessen Beobachtung mit grosser Strenge geachtet wird, und ent-
halten alle Ehrentitel, die von einer Familie, einem Dorf oder einer Landschaft
im Lauf der Geschichte erworben sind und ihr ausschliesslich zukommen. Die
Stammbäume sind die der bedeutendsten samoanischen Familien, deren Geschichte
zugleich die Geschichte Samoas repräsentiert, während die Ueberlieferungen tbeils
mythischen, theils historischen Inhalt haben. Darauf folgt die schon erwähnte
chronologische Vergleichung der Stammbäume untereinander und mit dem
Stammbaum der Könige von Tonga (nach Tregear und Bastian) und zum Schluss
ein sehr dankenswerthes Literaturverzeichniss, das ebenso wie der Sachen- und
Namen-Index den Werth und die Benutzbarkeit des Buches wesentlich erhöht.
Den zweiten Band, der Wirthschaft, Gewerbe, Kunst u. s. w. der Samoaner
bebandeln wird, stellt der Verfasser binnen Jahresfrist in Aussicht.
Naturwissenschaftliche, nicht ethnographische Studien waren es ursprünglich,
die Dr. Krämer in die Sudsee führten; aber wie schon manchen vor ihm, fesselte
ihn die eigenartige Kulturwelt der Oceanier mehr und mehr, je näher er sie
kennen lernte, und andererseits mahnte ihn der rasche, fast mit Händen zu
greifende Zerfall dieser Kultur daran, dass Eile noth thut, wenn noch etwas für
die Wissenschaft gerettet werden soll. „Man rüstet jährlich zoologische
Expeditionen aus," sagt er, „um Thiere zu erforschen, die nach Hunderten und
Tausenden von Jahren auch noch vorhanden sein werden; man bedenkt nicht,
dass im Pacifischen Ocean Völker dahinschwinden vor dem mächtigen Andrang
der Civilisation, deren geistigen Schatz wir im Begriff sind dahinschwinden zu
husen, wie die spanischen Conquistadoren es vor 400 Jahren in Westindien
gethan. Sollen wir uns dereinst dieselben Vorwürfe machen lassen? Oder
ist denn der Mensch weniger interessant als eine Qualle?" Es ist nichts Neues,
was Krämer hier ausspricht, aber man raus» auch hundertmal Gesagtes immer
von neuem sagen, bis es Gehör findet, und die Thatsache, dass die citirten
Worte in einem mit Unterstützung der Golonialabtheilung des Auswärtigen
Amtes herausgegebenen Werke stehen, lässt uns hoffen, dass man nunmehr auch
in massgebenden Kreisen anfangen wird, wenn nicht die rein wissenschaftliche,
so doch die praktisch-kolonuvlpolitiscbe Bedeutung der Ethnologie höher ein-
zuschätzen, als es bislang der Fall war.
B. Ankermann.
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Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Band III. - Heft 3.
Mit 4 Tafeln.
Berlin.
A. Haaok Verlagsbuchhandlung.
1904.
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Inhaltsverzeichnis.
Seit«
G. Zenker: Die Mabea 1
G. Fritz: Die Chamorro 25
R. Hermann: Erklärungen zu den Tafeln 1— IV 101
A. Brandeis: Das Gesicht im Monde. Ein Märchen der Nauruinsulaner . . . 111
ßüthorschau 115
«gle
*Die Mabea.
Von
G. Zenker.
An der Küste zwischen Klein*Batauga und dem Campofloss, der süd-
lichen Greuze unserer Kolonie Kamerun, leben verschiedene kleine Volks-
stämme, die ßeundo, Babuko, Banoko und Mabea bis Grossbatanga,
weiter südlich bis zum Campo die Eyarra, sowie im Urwalde nomadi-
sierend das Jagdvolk der Bakjielle (Baquea) von untersetzter Gestalt
(bis zur Zwergform). Alle diese Stämme sind verschieden in ihren Sitten
und Gebräuchen sowohl als auch in ihren Sprachen.
Banoko-, Babuko-, Beundo- und Eyarra-Leute sind Seefischer
und Händler. Ihre Wohnsitze und Weiler liegen längs der Küste, die
meisten Ansiedlungen gehen nicht über einen schmalen, vom Urwald be-
grenzten Küstenstreifen hinaus. Dicht hinter diesen haben sich die
Mabea, auch Kaschua genannt, angesiedelt. Von diesen soll hier die
Rede sein, da sie noch wenig bekannt sind.
Der Mabeastamm ist von den vorhergenannten numerisch der grösste,
aber seine Wohnsitze sind wenig zusammenhängend. Man findet Mabea-
weiler längs dem linken Ufer des Lokundje von Bipindi bis Ebea,
dicht hinter Longji, Plantation, Kribi, Wasserfall, G ross-Batanga
und weiter bis Campo. Im spanischen Gebiete Bata sitzen ebenfalls
Mabea, die sich zani Unterschiede von den in unserem Gebiete sitzenden
Bata-Mabea nennen. Diese sprechen eiu etwas verschiedenes Idiom,
doch können sie sich mit den hiesigen verständigen. Als in den Jahren
1887 bis 1889 die Kaiserliche Forschungsexpedition ihre ersten Vorstösse
ins hiesige Hinterland machte, fanden wir Mabea- Ansiedelungen noch
in Gebieten, die nun seit mehr denn 10 Jahren von den Fang-Stämmen
(Mpfong) okkupiert sind. Die Mabea sind vom Süden eingewandert; sie
haben manches mit den Mpougwe (Gabun) gemein. Die Grenzen ihrer
Landschaft sind hier in unserem Bezirke folgende: Im Süden grenzen sie
an die Buli resp. Eyarra, im Osten an die Nguinba, in Nordosten
und Norden au die Bakoko (Betjek) und Benudo, im Westen an die
Banoko und Babuko.
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Historisches aus älterer Zeit ist von den Leuten wenig zu erfahren;
grosse Helden und bedeutende Mäoner scheint dieser Volksstamm nicht
hervorgebracht zu haben. Der Häuptling Mbela, Mamiaca und andere
konnten mir nur weniges aus ihrer Jugendzeit erzählen; Wahrheit und
Dichtung war dabei nicht zu trennen.
Im Anfange des vorigen Jahrhunderts sassen die jetzt hier ansässigen
Mabea bei Ntongu und Malande (zwischen Gross-Batanga und Campo),
sind jedoch, um unruhigen Nachbarn zu entgehen, nach den Bala ba joa-
Bergen gezogen; auch dort blieben sie nur einige Jahre und siedelten sich
dann, weil sie von Südosten und Süden her gedrängt wurden, nach ver-
schiedenen Kämpfen mit dem Betjekhäuptling Unkombe in der Bipindi-
gegend an, zwischen dem Mittellauf des Lokundje und Nkiango. Bei
Abschluss der Friedensverhandlungen zahlten die Mabea (sie scheinen also
nicht gerade siegreich gewesen zu sein) an den Häuptling Unkombe für
das Recht, sich in Bipindi ansiedeln zu dürfen, 5 Mädchen und Frauen,
Schafe und Eisengeld (»viele Tausende«). Doch sollten sie sich auch hier
nicht der gewünschten Ruhe erfreuen. Der Häuptling Mbiangante von
Gross-Batanga überfiel eines schönen Tages die Betjek. Diese glaubten,
dass hieran die Mabea die Schuld trügen, zogen gegen sie ins Feld,
töteten mehrere Leute und beraubten sie ihres wenigen Viehes. Nach
dieser Niederlage teilten sich die Mabea und zogen zum Teil flussabwärts
bis Ebea, zum Teil siedelten sie sich hinter den Ortschaften der Küste
an; doch wahrten sie sich ihre Unabhängigkeit gegenüber den umwohnenden
anderen Stämmen.
Kriege, oder besser gesagt Überfälle von Seiten der Ktistenbevölkerung,
hatten die Mabea in der Bipindigegend noch bis zum Jahre 1896 auszu-
halten, und diese hörten erst dann auf, als ich mich hier ansiedelte. Sie
wurden blos deswegen von Seiten der Küstenleute unternommen, um
Hühner, Schafe, Ziegen etc. zu rauben, dio dann an der Küste an die
Weissen verkauft wurden.
Regierungsform. Anlage der Weiler. Bau der Häuser.
Mannerhaus, Frauenhaus, Familienleben.
Die Familien sitzen in kleinen Bezirken zusammen. Ihre Regierungs-
form ist patriarchalisch. Jeder Mabea, der eine oder mehrere Frauen
hat, besitzt seinen eigenen Weiler. Diese sind in Form eines Rechteckes
angelegt. An beiden Enden stehen die grösseren Männerhäuser, an den
Längsseiten die der Frauen. Letztere bilden eine zusammenhängende
Reihe. Das Baumaterial ist Baumrinde. In der Küstengegend oder wo
sonst noch die Raphiapalme vorkommt, wird die Bedachung aus den
Fiedern der Wedel dieses Baumes hergestellt, die zu Matten (contschia)
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verflochten werden, sonst aus den Blättern einer Marautennrt. Die Mäuner-
häuser haben 6 — 8 Feuerstellen und ebenso viele Betten (d. h. Ge-
stelle). Diese Häuser dienen der Familie nnd etwa im Dorfe anwesen-
den Güsten am Tage zum Aufenthalte. In irgend einer Ecke befinden
sich die Signal- und die Tanztrommeln. Letztere stehen auch Öfters am
Mittelpfeiler. Unterm Dache sind Schädel verschiedener Tiere angebracht
(Jagdbeute), ebenso werden Fischnetze, Jagd- und Angelgeräte, Huder,
Körbe etc. dort aufgehängt, weil es der trockenste uud vor Zerstörung
gesichertste Platz ist.
Diese Häuser sind in der Regel G m breit, 8—10 m lang nnd 2 m
hoch. Die Frauenhäuser sind 3—4 m breit, 2 ra hoch und 8-10 m
lang. Zusammenhängend haben sie oft eine Länge von 50 — 100 m. Der
Besitzer errichtet dieselben nach und nach je nach dem Zuwachs an
Frauen. Jede Hütte ist in zwei Räume geteilt, einen grossen und einen
kleinen. In ersterem befinden sich vier Bettstätten mit zwei Feuerplätzen,
in letzterem eine grosse für zwei Personen mit einer Feuerstätte.
Die Bettstellen bestehen aus dem leichten Holz des Schirmbaumcs
(Mussuma Smithii) oder aus den Rippeu der Raphiapalme.
In den Dörfern an der Küste findet man auch öfters Bettstellen nach
europäischem Muster.
An den Wänden hängen Schüsseln aus Holz und Iiöffel, am Boden
stehen gusseiserne Töpfe, hölzerne Mörser und Reibesteine. Die grossen
Fruchtschalen eines Urwaldbaumes, die zum Reiben dienen, liegen daneben.
Am Dachfirstbalken hängen Körbe mit verschiedenem Inhalt an Feld-
und Urwaldfrüchten. Grosse Odikakuchcn vervollständigen die Vorräte,
die da oben im Rauche vor Verderben geschützt sind.
Über der Feuerstätte befindet sich ein flaches Gestell aus Raphia-
rippen, das dazu dient, Kassade zu trocknen oder Fleisch zu räuchern.
An den Giebelwänden hängen dicke Fischnetze mit Holzreifen, die zum
Fangen kleiner Fische in Tümpeln und Bächen verwendet werden. Der
kleine Raum dient dem Hausherrn zum Empfange von Besuch und der
Frau zum Aufbewahren der wertvolleren Gegenstände: Zeuge, Schmuck etc.
Oftmals findet man in der Mitte dieser Hüttenreihe ein grösseres
Haus mit % bunt bemalter Türe, grossem Vorhängeschloss, eiuem kleinen
Fenster etc., dann ist der Besitzer entweder ein Händler oder ein ver-
mögender Maun. Vor einigen Jahren bestanden in vielen Weilern kleine
sogenannte Buschfaktoreien, Kaufläden, wo Gummi und auch Elfenbein
gegen europäische Waren eingetauscht wurden, doch ist das Gebiet nicht
mehr ergiebig genug: der Gummi wird jetzt fast nur noch von der Ost-
grenze der Kolonie hergeholt. In der oben erwähnten Hütte hebt der
Herr seine Reichtümer in hölzernen Koffern rohester Form auf. Diese
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hier unter dem Namen Trade box bekannten Kisten besteben aus 4 Langs-
und 2 Seitenbrettchen und sind mit Schlössern versehen, die sämtlich
ein und denselben Schlüssel haben.
Diese Kisten stehen auf einem Gestelle an der Wand. Dort deponiert
der Besitzer seine Zeuge, Messingdraht, Pulver, Eisengeld und vielen
andern europäischen Tand, dort verwahrt er auch sein Salz, seine Amu-
lette, Gewehr, Speere und Hanmesser, seine Munitionsbeutel etc. Oftmals
ist aber alles bloss Schein, d. h. die Koffer sind leer.
Fetischhäuser werden nur zu den Mannbarkeitsfesten abseits vom
Weiler, im Baschwald errichtet und mit einem dichten Zacni umgeben.
Unglücksfälle, Todesfall, Missernten, durch seinen Aberglauben er-
zeugte Furcht vor bösen Nachbarn, können einen Familienvater veran-
lassen, seineu Weiler an einem ruhigeren und besseren Platze zu errichten.
Er sucht sich dann in einer wenig bewohnten Gegend seines mit Urwald
bestandenen Landes einen ihm güustig gelegenen Ort, womöglich an
einem Flusslauf, sei es direkt am Lokundje oder einem Nebeuflusse. Dort
reinigt er einen kleinen Platz vom Unterholz und errichtet mehrere 10
bis 15 m lange Schutzdächer, je nachdem wieviel Bettstätten —
zwischen je zweien muss Kaum für eine Feuerstatte bleiben — er auf-
stellen will, und siedelt mit einigen jungen Leuten seiner Familie oder
auch Anverwandten dorthin über. Er bolzt nun einen */s üa grossen
Platz ab und baut zuerst ein grosses Männerhaus und einige Frauen-
häuser. Ist die Entfernung nicht zu gross, so schafft mau auch die
alten Seiten wände und Dächer (doch nur die aus Raphia hergestellten
Mattendächer) nach dem neuen Weiler. Die Frauen bringen nun, ent-
weder täglich oder in längeren Zwischenräumen, Lebensmittel, Pisang,
Bananen, Cassadebrote (uande) und von den alten Pflanzungen Cassade-
stecklinge, Pisang und Bananenschössliuge und fangen an, den vom Unter-
holz freigeschlagenen Urwald zu bepflanzen. Ist dieses geschehen, so
werden erst alle grossen Bäume abgeschlagen. Wie diese fallen, ist
gleichgültig. An die ganz grossen wagt man sich bloss mit Feuer, wenn
man nicht vorzieht, sie stehen zu lassen.
Das verrottende Laub und faulende Holz giebt dann die Düngung.
Diese Neupflauzuug schiesst bei Beginn der Regenzeit tüchtig in die Höhe.
Sind die Baulichkeiten alle errichtet, so siedelt die ganze Familie mit
Schafen, Ziegen, Hunden und Hühnern ins neue Heim über. Bis zu
dieser Zeit giebt es im neuen Weiler schon Mais, Grundnüsse und Ge-
müse (bittere Blätter von einer Solanum-Art). Pisang, Bananen und
Cassade holen sie aber aus ihren alten Pflanzungen.
Wie ich schon erwähnt habe, liebt der Mabea seine Weiler an einem
grösseren Flusslauf auzulegen, weil er hauptsächlich von den Erträgnissen
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des Fischfangs lebt, doch liebt er auch die Jagd und den Handel, d. h.
den Zwischenhandel. Erst seit einem Jahrzehnt haben die jungen Leute
angefangen, für die Raufleute, mit einem kleinen Muss auch fiir die
Regierung, Tragerdienste zu leisten.
Körperbeschaffenheit.
Die Mabea oder Kashua (letzteres bedeutet Hand) sind von Mittel-
grösse, untersetzte Individuen sind vorwiegend. Ihre Hantfarbe variiert
zwischen tiefstem Kaffeebraun und lichtem Gelbbraun. Albinos sind nicht
selten. Das Haar ist wellig und wird kurz getragen, mitunter werden
Streifen ansrasiert, oder man rasiert den ganzen Kopf, lässt aber an der
Stirn ein Büschel stehen. Der Mabea hat die echte Negerphysiognomie,
doch giebt es anch Leute mit weniger wulstigen Lippen und weniger
breiter Nase, besonders beim weiblichen Geschlechte. Sein Gesichtsaus-
druck zeagt nicht von grosser Intelligenz, aber von einer Verschmitztheit,
die wenig vertrauenerweckend ist. Sein Charakter ist aber auch darnach :
falsch, betrügerisch, diebisch, sinnlich im höchsten Grade, lügnerisch und
feig. Er ist (wie alle Stämme) grausam und einer richtigen regelmässigen
Arbeit abhold, wenn er nicht dazu gezwungen wird.
Glau ben.
Die Mabea erkennen ein höheres Wesen an, das sie Nsambi nennen.
Von ihm kommt alles Gute und zu ihm kommen auch die guten (sie)
Menschen. Der böse Geist führt den Namen »Mingfue«, er haust in der
Erde und verwandelt die bösen Menschen in Tiere, besonders in Gorillas,
Cbimpausen, Leoparden, Elefanten etc.
Sie glauben aber noch an viele andere Sachen, die, in Form von
Amuletten, gegen alle mögliche Unbill des Lebens schützen sollen.
Auch besitzen sie Mittelchen, anderen Menschen Böses zufügen zu können.
Sie geben auch nie den natürlichen Tod eines Menschen zu, sondern
dieser tritt nur durch anderer Leute Schuld ein; daher auch vielerlei
Streitigkeiten beim Tode mancher Personen. Stirbt z. B. einem Manne
die Frau, so verlangt er von ihrer Familie entweder eine andere ohne
Zahlung, oder Rückzahlung des Kaufpreises.
Todesfalle durch Schuld anderer werden durch Zahlung gesühnt.
Fischfang.
Fischfang und Jagd sind des Mabea liebste Beschäftigung. Am
meisten liebt er aber das dolce far niente. Zum Fischfang bedient er
sich der Netze (rundes Wurfnetz), der Angel, Reusen und verschieden
gebauter kleiner und grosser Fallen. Letztere erfordern viel Arbeit und
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werden nur in der Trockenzeit errichtet. Er ist ein vorzüglicher Ruderer
und steuert sein Canoe laut singend und mit der grössteu Gemütsruhe
durch ganz tüchtige Flussschnellen, was einem anderen unbedingt miss-
lingen würde. Zum Fischfang bedient er sich eines kleinen Canoes aus
leichtein Holze, wie es auch die Küstenstämme benutzen (nur etwas
kleiner). Seine Angelgeräte sind sehr primitiv. Angelhaken werden aus
alten Nägeln gefeilt, Angelschnüre von Ananasblattfaser gefertigt und
als Angelrute dient die Rippe eines Raphiapalm wedele. Die Köder bilden
reife Pisangs, Krabben, Regenwürmer und einzelne Waldfrüchte. Der
Mabea fährt nun mit dem Canoe ein Stück aufwärts und lässt sich von
der Strömung treiben. Die Angel hält er so, dass der Köder oben
schwimmt, oder er benützt an günstigen Plätzen die Gruudangel (Steiulot
als Beschwerung).
Fische, die in Bächen, unter Baumwurzeln und in Löchern hausen,
fangen die halbwüchsigen Jungen mit einer Angel, die sie mittelst einer
vorn gespaltenen Rute in die Höhlungen einführen. Beisst der Wels an,
(denn zu dieser Art gehören diese Fische) so zieht er nnd der Fisch
— er reisst sich nur selten los — ist seine Beute. Auf diese Weise
werden oft ganz stattliche Exemplare gefangen. Da nun der Fisch in
der Rücken- als auch in den Seitenflossen Stachel u besitzt, so fasst man
ihn an der Rückenflosse und tötet ihn durch einen Messerstich in den Kopf.
Der Reusen bedienen sich die Frauen, um Krebse zu fangen, was
hauptsächlich in der Trockenzeit (Dez. -März) geschieht. Diese Tiere
sind verschieden von den unsern; sie haben lange Scheren, oft von be-
deutender Grösse. Als Köder wird die Kassadenwurzel, aber auch ver-
faultes Fleisch benutzt. Netze haben sie mehrere Arten. Das am meisten
verwendete ist das Wurfnetz. Es ist ein kreisrundes, am äussoren Räude
mittelst Bleistücken beschwertes Netz, mit einer in der Mitte befestigten
längeren Schnur. Der Mabea fährt nun mit seinem Cauoe, beide oder
einen der Füsse über den Rand hängend, so leise wie möglich rudernd,
nach irgend einer ruhigen Stelle im Flusse, wo er Fische vermutet, und
schleudert nun sein Netz mit gewandtem Wurf so auf die Stelle, dass
es wie ein geöffneter Schirm ins Wasser sinkt, lässt es für einige Minuteu
ruhen und zieht es dann langsam iu die Höhe; hat er sich nicht ge-
täuscht, so fängt er sicher einen, öfters auch mehrere grössere, div. Kilo
schwere Fische. Dieses Experiment wiederholt er öfters mit wechselndein
Glücke. Die besten Fangzeiten sind die Morgen-, Abend- und Nacht-
stunden. In kleinen Flüsschen benutzt er auch ein langes, feines Netz,
das er von Ufer zu Ufer spannt und die Nacht über hängen lässt.
Die Frauen und Mädchen gebrauchen kleinere, aus der Faser der
Ananas gefertigte Rundnetze mit Bügel, um kleinere Fische, Frösche,
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Kaulquappen etc. fangen zu können. Der Fi seh fallen bedient man sich
teils in der Regenzeit, teils in der Trockenzeit. Die für die Regenzeit
bestehen bloss aus einem kreisrunden Gestell, das in der Nähe des Ufers
errichtet und mit einer Falltür versehen ist. Der Köder ist innen be-
festigt. Bäche und Gräben sind, bevor sie in den Fluss münden, mit ge-
flochtenen Zäunen abgesperrt, in deren Mitte sich eine Öffnung befindet.
Bei hohem Wasserstand wird diese geschlossen. Hat sich nun das Wasser
verlaufen, sodass der Graben blossliegt, so wird oft eine grössere Menge
Fische gefangen.
Die in der Trockenzeit verwendeten Fallen erfordern bei weitem
mehr Arbeit. Sie haben oft eine Länge von 30—40 m. Mittelst gefällter
Bäume wird von Ufer zu Ufer ein Damm aufgeführt, der, durch Lehm
und Blätter gedichtet, das Wasser vollständig abschliesst. Nur an einigen
Stellen sind 8—10 m lange Schleusen eingelassen, die in einen vier-
eckigen Korb enden, der etwas höher liegt als die Anfangsstelle. Der
Fisch, der keinen andern Ausweg findet, gerät in die Schleuse und liegt
zuletzt auf dem trocknen Korbgestell, wo er sofort durch seine Bewegungen
von dem auf Wache stehenden Manne entdeckt und getötet wird. Man
Hingt oft sehr grosse und stattliche Fische von 10 — 15 kg. Es kommt
z. B. oftmals vor, dass andere Wassertiere, z. B. Lederschildkröteu, so-
wohl kleine wie grössere (bis 1 Vi m grosse und viele kg schwere), ge-
fangen werden, was oft zu grossem Freudengeheul, mitten in der Nacht,
Veranlassung giebt. Krokodile sind jedoch sehr selten; es lebt nur eine
kurzschnauzige Art oberhalb der Schnellen, die von diesen gefrässigen
Raubtieren gemieden werden.
Jagd.
Zur Jagd verwenden die Mabea ebenso wie die andern Inlandstämme
lange Jagdnetze, Hunde, Wildfalleu und Fallgruben (letztere selten, weil
sie ziemlich viel Arbeit erfordern). Der Mabea geht am liebsten allein
auf die Jagd und bedient sich des Steiuschlossgewehres oder, wenn er kein
solches besitzt, der Armbrust mit vergiftetem Pfeil. Zum Vergiften benutzt
er die auf Stein zerriebenen Samen von Strophantus gratus, ence genannt.
Das Gift verliert seine schnelle Wirkung jedoch schon nach einigen
Tagen. Die Pfeile werden sorgfältig umwickelt in einer runden Rinden-
schachtel getragen, und zwar in der Achselhöhle. Mit der Armbrust
schiesst er kleine Antilopen, Affen, Vögel, resp. alles Kleinwild, indem
er sich in dessen Nähe schleicht. Es fällt oft sehr schnell. Die Schuss-
wunde wird sofort ausgeschnitten.
Am liebsten lässt er sich durch die Bakjelle mit Wild versorgen
gegen Entgelt in Nahrungsmitteln, Pulver, Blei, Tabak und Rum.
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Die Bakjelle, auch Baquea genannt, ein im Urwald hausender Stamm,
sind unter den verschiedensten Namen über ganz Centrai-Afrika ver-
breitet. Jeder Mabea-, Ngumba- oder Bakoko-Chef hat seine Bakjelle,
die zu ihm halten, und die er gegen Wild mit allem Nötigen versieht
Handel und Trägerdienst
Mühelos Geld resp. Tausch waren zu verdienen, ist oiuer seiner
Lebenszwecke; in erster Linie, um sich in den Besitz eines resp. mehrerer
Weiber zu setzen. Ist er alt, so will er sie nicht für sich, sondern für
seine Söhne haben.
Da die Inlandstamme vor noch ganz kurzer Zeit sich untereinander
abgeschlossen hielten, so kam es, dass ein reger Zwischenhandel getrieben
wurde. Da kamen die Ngumba, Buli etc. zu den Mabea mit Elfenbeiu
und Gummi, und dann wanderte der Mabea mit diesen Schätzen zu seinen
Freunden an der Küste, während der Verkäufer auf seine Rückkehr
wartete und sich die Zeit in der Weise vertrieb, dass er seinem Geschäfts-
freunde ein Stück Urwald niederschlug. Der Küstenfreund brachte das
Elfenbein zum weissen Kaufmann, Hess sich einen Teil Waren in Vor-
schuss geben, den Rest auf einen Zettel, Buch genannt, schreiben und
bezahlte dann den Mabea mit dem erhaltenen Vorschuss. (Die Küsten-
händler hatten den Inlandstämmen die Weissen als Geister hingestellt,
mit denen nur sie verhandeln könnten. Deswegen warteten die Mabea
ausserhalb des Ladens, während der Händler zum Weissen hineinging,
um den Handel abzuschliessen. War dies geschehen, so nahmen die
Mabea die Waren am Ausgabefeuster in Empfang und trugen sie ins
Dorf.) Am Abend erfolgte noch ein kleines Trinkgelage in Rum, worauf
sie sich am andern Tage unter kurzer Begleitung zurück in ihr Dorf
begaben. Der Mabea zahlte nun an seinen Freund, den Ngumba einen
Teil der Waren aus, einen Teil behielt er als Provision für sich, und
ebenso machte es der Ngumba mit seinem Freunde, dem Jaunde oder
Baue, sodass der eigentliche Besitzer doch nur sehr wenig erhielt. Jetzt
ist diese Art Handel nur noch in geringem Massstabe üblich, und so
ziehen es die altern Leute vor, sich Kredit zu verschaffen, der ja leicht
zu haben ist, und kaufen Gummi bei ihren Bakjelle, denn zum Selbst-
sebneiden sind sie zu faul. Die Jüngeren ziehen es seit 1894 vor, Träger-
dienste zu leisten, was für sie sehr rentabel ist. Der junge Mann tragt
vielleicht mehrmals ehrlich seine Last zu der Faktorei, zu der er geschickt
wird (jetzt oft eine monatlange Reise), doch dann beginnt das Stehlen.
Keine noch so gut verpackte Last ist sicher vor ihm. Hat er Rum zu
transportieren, so wird der Kork des Demijohns mittelst langer Bambus-
stäbchen so fein herausgehoben, dass das Siegel unverletzt bleibt. Dann
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wird der Inhalt einiger Flaschen abgefüllt, durch Wasser ersetzt und in
Kompanie getruuken. Mittelst Streichhölzchen oder gliinmendeu Holzes
wird der Siegellack wieder in seine alte Form gebracht. Ist der Appetit,
der ja mit dem Trinken kommt, grosser, so wird der Demijohn geleert
und, nachdem das Siegel ebenfalls wieder hergestellt ist, zerbrochen, die
Ruine wandert dann als Beglaubigung, dass der Träger unglücklich ge-
fallen, zu dem Faktoristen; Zeugen sind stets vorhanden. Man führte
deswegen den Rum in Tin und Kisten ein, doch änderte dies nichts an
der Sache. Jetzt entstehen kleine Lecks, die Kanne (Tin) wird dann
auf eine Schüssel gestellt, und ist genügend ausgelanfen, so wird die
Stelle mit der Kannenfarbe (Mennige) überschmiert Ja, oftmals lassen
sie die Kanne auslaufen und legen dann den leeren Behälter so lange ins
Wasser, bis er voll ist.
Aber nicht nur von Rum, neiu, auch von Petroleum ist der Mabea
Liebhaber. Sie besitzen wohl Lampen, wollen aber kein Petroleum kaufen
und behelfen sich so mit dem Entleeren der Petroleumlasten. Es kommt
ja öfters vor, dass die leicht gearbeitete Petroleumkanne ein Leck be-
kommt; wenn der Träger mit ganz verbranntem und wundem Rücken
eintrifft, so kann man annehmen, dass nichts gestohlen ist. Der Mabea
hat aber ganz andere Ausflüchte zur Hand, wenn er mit halbvoller Kanne
endlich am Bestimmungsorte eintrifft.
Tabak in plombierten Säcken, Zeuge in Teerzeug wasserdicht ver-
packt, Pulver etc., alles wird bemaust und stets so, dass der betreffende
Faktorist es erst dann merkt, wenn er die Last gebraucht, da ja von
aussen keinerlei Beschädigung wahrzunehmen ist. Von den Zeugen
nimmt der Betreffende nicht etwa ein ganzes Stück; Gott bewahre! nein,
er schneidet von innen 1 — '/a Faden ab, legt das Stück fein säuberlich
zusammen und steckt es wieder in die Last. So macht er es mit einer
ganzen Anzahl von Stücken. Wie er es mit den heraufzubringendeu
Waren treibt, die oftmals gar nicht ihren Bestimmungsort erreichen,
sondern karawanen weise in der Heimat der Träger verschwiuden, so
tut er es auch mit dem nach der Küste gehenden Produkte, dem
Kautschuk. Früher, als zum Transporte noch gewöhnliche Säcke benutzt
wurden, ging die Räuberei vorzüglich: sie erweiterten die Enden und
holten so Ball für Ball heraus, oft kessel weise (der Gummi wird uacli
Kesseln gehandelt). So kam es, dass bei Ankunft die Lasten bedeuteud
weniger wogen, als der Faktorist im Innern angegeben. Ehe man die
wahre Ursache entdeckte, schob man den Gewichtsverlust auf die im
Gummi enthaltene Feuchtigkeit. Den so gestohlenen Gummi brachte
man dann in eine andere Faktorei zum Verkauf. Jetzt stiehlt mau
trotz Plomben und wasserdichten Säcken. Träger anderer Stämme
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(besonders Jaunde) tan jetzt dasselbe; sie haben es ebenfalls von den
Veyjungen gelernt. Der Kaufmann und die Händler stehen dem Treiben
machtlos gegenüber. Um gerichtlich vorgehen zu können, fehlen ihnen
die Beweise; ausserdem kostet Klagen Geld, Zeit und Arger und in
vielen Fällen glaubt man dem Verklagten mehr als dem Kläger, wofür
ich selbst Beispiele anführen kann.
Handwerke.
Die eigne Anfertigung der Töpfe hat seit Einführung eiserner
Kochtopfe aufgehört. Eisengewinnung und -Verarbeitung sind be-
kannt, werden aber durch Fremde ausgeübt. Zur Herstellung ihrer
Eisenmünze benutzen sie europäisches Metall. Sie fertigen Netze, Körbe etc.
an; einige Leute verstehen ganz hübsche Holzteller, Schüsseln, Sitze,
Löffel und Kämme zu schnitzen, auch verstehen viele von ihnen die
Anfertigung von Kanoes und Einbäumen mit ganz primitiven Werkzeugen.
Weiberankauf.
Ist der Mabeajüngling zu europäischen Waren, Eisengeld etc. gelaugt, so
kauft er sich eine Frau, oder er fangt an, eine anzuzahlen. Er bringt
dem Vater seiner Auserkornen einige Hundert oder Tausend Stück Eisen-
geld, sogenannte Speere, 1 oder 2 Gewehre, etwas Pulver und einige
Stücke Zeug als Kanfgeld (»Bnndu«). Die Frau erhält er aber nach
dieser kleinen Anzahlung noch nicht.
Sind mehrere Bewerber vorhanden, so zahlt jeder einen Teil des
Kaufgeldcs an, und der Vater des Mädchens kauft nun dafür seinem
.Sohne eine Frau. Da er eiu alter Herr ist, so erhält er die Frau sofort
ausgeliefert. Der junge Mann zahlt nun seine Bundu weiter und be-
sucht seine Zukünftige fast jeden Tag, bis er sie erhält, im anderen
Falle niuss der Vater das Kaufgeld wieder herausgeben, was aber mit
vielen Schwierigkeiten verknüpft ist und oft langwierige Streitigkeiten
zur Folge hat. Ist sie endlich iu seineu Besitz gekommen, so gründet
er sich seineu eigenen Weiler. Die Frau arbeitet, und er sorgt für
Fleisch und Fisch, schlägt den Wald nieder, so viel er braucht, spricht
Hecht, unterhält sich mit Spiel, natürlich um Eisengeld, und liegt den
grössten Teil des Tages am liebsten auf seinem Lattenbett.
Kleidung, Schmuck, Bewaffnung.
Seine Kleidung besteht gewöhnlich aus einem sehr schmutzigen und
defekten Unterhemd, einem noch schmutzigeren Hüftentuch und einem alten
Filz- oder Strohhut, wenn er sich überhaupt des Besitzes eines solchen erfreut.
Bei festlichen Gelegenheiten trägt er ein reines, womöglich neues Singlet,
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einen abgetragenen europäischen Rock, oftmals Militärrock (Interimsröcke
sind sehr beliebt), neues Hüfteutuch, Stroh- oder Filzhut. In früheren
Zeiten trugen die Familienhäupter, wie die Jaunde, Baue etc., Leoparden-
fell, eine Mütze aus dem Kopfe dieses Tieres, Elfenbeinarmriiige, Messing-
spangen, Fussringe u. s. w. Bewaffnet ist der Mabea mit Gewehr und
Munitiousbeutel, der durch Katzenfelle beschützt und mit allerlei Medicin
behängt ist. Als Schmuck trägt er Ohrringe (die als Zahlungsmittel bei
intimem Umgang mit fremden Mädchen und Frauen dienen), Halsketten
von Perlen, an denen sich Amulette oder Schwanzborsten vom Elefanten
befinden. Letztere sieht man viel bei Frauen und Mädchen; sie gelten
als Medicin gegen den >Ngi«. An den Fingern trägt man Ringe von
Messing, Eisen, Kupfer, Silber oder Neusilber (die zuerst geuaunten sind
eigenes Fabrikat, die letzteren europäischen Ursprungs).
Die Mabea tätowieren sich und zwar im Gesicht sowohl wie am
ganzen Körper, die Frauen mehr als die Männer.
In früheren Zeiten bereiteten sie sich ihr Zeug aus der Rinde des
Feigenbaumes (biang) selbst zu, versahen es, wie dies im ganzen Inland
noch heute geschieht, mit Mustern und färbten es mittelst Ocker gelb,
mit Thon weiss und mit Rotholz rot. Der Ocker findet sich in kleinen
Stücken im Lateritboden. Schwarz stellten sie aus der Frucht eines
Waldbaumes her. Diese Farbe dient jetzt noch zur Bemaluug ihrer Haut
(falsche Tätowierung); besonders junge Mädchen und Frauen lieben sich
so zu verschönern. An den Armen und Füssen trug man Ringe und
Spangen aus Messiug oder Kupferdraht, auch dünne Elfenbeinringe. Die
Häuptlinge schmückten sich, wie schon gesagt, mit Leopardenfell etc.
Damals besassen die Mabea keine oder nur wenige Gewehre, sondern
waren mit Speer und Haumesser bewaffnet, die sie vou den hinter ihuen
wohuenden Mpfongstämmcu kauften; auch ihre Hunde und gewisse Arten
von Glocken bezogen sie vou dort. Die Mpfong siud ein im Schmiede-
handwerk sehr bewandertes Volk.
Familienleben.
Hat der Mabea seinen Weiler fertig gestellt, so liegt der Frau alle
häusliche und landwirtschaftliche Arbeit ob, während der Mann, wie ich
schon vorher erwähnt habe, anderen Beschäftigungen nachgeht. Erhält
die Frau alles ihr Zukommende, wie Zeuge, Perlen und alles Sonstige,
was man anderen Frauen giebt, so kauu der Mann sich auf sie verlassen ,
sie wird allen seinen Wünschen nachkommen. Sollte die Frau in andere
Umstände kommen, so wird sie selbst ihrem Mann soviel wie möglich
raten, noch eine Frau zu nehmen, und dieser sucht dann auch durch
Handel, Trägerdienste etc. soviel Geld zu verdienen, um den Wunsch
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seiner Frau erfüllen zu können. Hält der Mann sie aber schlecht, giebt
er ihr kein gutes Zeug, keinen Schmuck etc., so wird sie ihm bald un-
treu and lässt sich durch einen früheren Liebhaber entfahren, d. h. stehlen.
Die Ursache so vieler Streitigkeiten, bei denen es sich am Rückerstattung
des Kaufgeldes, »bundn«, handelt, stammt oft aus Grossvaters Zeiten her.
Was bei unverheirateten Mädchen gern gesehen wird, sich zahlungs-
fähige Liebhaber anzuschaffen, darf eine Verheiratete nicht ton. Strafe
für Ehebruch giebt es wohl, doch begnügt sich der Mann mit einer Sühne-
zahlung und die Frau erhalt ihre Schläge noch hinterher.
Moralisch steht der Mabea auf einer sehr niedrigen Stufe.
Manchmal ersinnt der Ehemann, wie ich hier Fälle erlebt habe, gauz
scheussliche Strafen, manchmal tötet er sie auch, wenn sie nicht schon
an den Martern zu Grunde geht. Ist der Ehegemahl ein alter Mann,
so läuft sie oft ebenfalls mit einem jungen Burschen weg, der danu das
Kaufgeld zurückerstatten muss; kann er dies nicht, so verkauft die Familie
sie an einen anderen, der sofort zahlt. Doch kommt es auch vor, dass
der Alte ein Auge zudrückt, bloss um Nachwuchs zu erhalten; er weiss
ja auch, wie schwierig es oft ist, sein Geld zurückzubekommen.
Ist die junge Frau schwanger, so verrichtet sie ihre oft recht schweren
Arbeiten bis kurz vor ihrer Niederkunft. Tritt diese ein, so kommen
einige alte Frauen, um zu helfeu. Ist es jedoch eine schwere Geburt,
so rufen sie einen Medizinmann (engang), der dann durch grossen Lärm
ausserhalb des Hauses der Kreissenden die bösen Geister vertreibt oder
durcii Schlachten eines Huhnes oder Schafes besänftigt und durch Massage
(Drücken , Einreiben mit Ol etc ) die Geburt zu befördern sucht. Von
Todesfällen bei Geburten habe ich bloss einmal gehört in den 7 Jahren
meines Aufenthaltes in der Bipindigegend. Wenn das Kind geboren ist,
wird der Nabel mit Raphiabast abgebunden und dann mit einem Bambus-
messer (Raphia) fingerlang abgeschnitten. Nach der Geburt nimmt die
Frau sofort ein Bad im Flusse. Hierauf lässt sie sich kneten und bindet
ein breites, aus Bast hergestelltes Tragband um den Leib und verfügt
sich dann in ihre Hütte zurück. Die Nachgeburt wird unter einer Pisang-
staude vergraben, deren Frucht, wenn das Kind männlich, der Vater,
wenn weiblich, die Mutter isst.
Kindheit.
Die Wöchnerin bleibt so lange im Hause, bis der Nabel geheilt ist.
Die Frau nährt ihr Kind selbst oft zwei bis drei Jahre. Da der Mann
andere Frauen hat, so macht es wenig aus. Auffallend ist hier und in
Ngumba das Vorkommen einzelner Frauen, deren Brüste nur unvoll-
kommen entwickelt sind, und die auch keine Kinder bekommen. Ob
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dies auf eine Operation der Geschlechtsteile zurückzuführen ist, konnte
ich leider bis jetzt nicht ermitteln. Diese Frauen stammen zum grössten
Teil au 8 dem Bakokolande.
Das Kind erhält nach einigen Wochen schon von der Mutter vor-
gekaute Speisen. Im 2. oder 3. Jahre wird es entwöhnt. Kann es
laufen, so ist es den ganzen Tag sich selbst überlassen. Es treibt sich
mit den andern Kindern im Weiler herum, lungert in den Hütten der
alten Frauen und spielt. Im 4. oder 5. Jahre schliesst es sich schon
den altern Knaben an. Oft sieht man die kleine Bande schon am frühen
Morgen im Flusse baden, andere versuchen kleine Kanoes zu bauen, oder
hocken auf den im Wasser liegenden Baumstämmen und angeln. Ist
eine grössere Anzahl Fische gefangen, so geht es mit grossem Geschrei
ins Dorf zurück, wo die Beute sofort gekocht und mit Cassadebrod
(uande) verzehrt wird. Wollen die Jungen grössere Fische fangen, so
gehen 2 — 3 zusammen und fischen zwischen den blossgelegten Wurzeln
der Uferbäume und in Löchern der Ufer wand.
Jugendzeit. Beschneidung.
Die Beschneidung geschieht zwischen dem 5. und 7. Jahre. Nach
der Operation dürfen die Knaben sich 5 Tage nicht waechen. Als Heil-
mittel wird fein gemahlenes Rotholz benutzt; auch heisses geriebenes
Pisangmehl. Um die Wunde zu schützen, wird ein Blatt als Scham-
schurz getragen. Die Operation anzusehen, hatte ich bis jetzt keine
Gelegenheit.
Knabenspiele.
Ausser den Vergnügungen am Wasser kennen die Knaben noch ver-
schiedene andere Spiele. Sie ringen und balgen sich oder bilden zwei
Parteien, jede mit zugespitzten Stöckchen bewaffnet; die eine rollt eine
runde Scheibe gegen die andere, deren Mitglieder nun ihre Stöcke auf
die rollende Scheibe zu werfen versuchen. Bleibt einer davon stecken, so
hat die Partei gewonnen und darf nun die Scheibe rollen. Sie benutzen
dazn oft auch eine grosse grüne Frucht von Kürbisgrösse.
Bis zur Mannbarkeitserklärung bleibt der Knabe im Weiler, begleitet
des öftern den Vater in den Wald oder auf Reisen und trägt bei dieser
Gelegenheit eine kleine Last. Ist er etwas grösser (zwischen 10 bis
12 Jahren), so stellt er Fallen oder geht in der Umgegend des Weilers
mit der Armbrust, die er sich in kleinerer Form selbst anfertigt oder von
einem altern machen lässt, auf die Jagd. In dieser Zeit sind ganz er-
staunliche Fortschritte in ihrer Bildung zu bemerken. Sie treten in ihre
Flegeljahre ein, sind vorlaut, ungezogen, lügnerisch, diebisch und ge-
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— 14 —
borchen nur widerwillig. Dem Vater ist dies buchst gleichgültig. Schlügt
er den Jungen, so beweist dieser seinen Zorn oder Unmut dadnrch, dass
er sich zu Boden wirft und ein fürchterliches Geschrei erhebt. Anch
den Frauen gegenüber tritt er befehlerisch auf und betrachtet sie als
seine Dienerinnen, alles Mögliche verlangt er von ihnen. Oftmals entsteht
dadurch grosser Streit zwischen den einzelnen Frauen, die sich unter
vielem Geschrei und Geschimpf an den Haaren ziehen und nicht eher
ruhen, als bis der Sieg durch einen kleinen Ringkampf entschieden ist.
Vom 12. bis 16. Jahre ist das Wachstum ein ganz enormes. Ich
habe Knaben, die früher in meinen Diensten standen, nicht wieder-
erkannt, als sie sich nach ein oder zwei Jahren von neuem zur Arbeit
meldeten, so gross und breit waren sie geworden.
Pubertäts weihe.
Für Zeit der Pubertät versammeln sich die Familienväter und be-
raten, an welchem Knaben die Mannbarkeitserklärung erfolgen soll. Dann
wird in einiger Entfernung von dem betreffenden Weiler, sei es im Ur-
oder im Busch walde, eine kleine Hütte, die mit einem Zaune verseheu
wird, errichtet. Dort weiht ihn ein älterer Mann in der Zeit von 4 Wochen
in alles das ein, was er zum ehelichen Leben gebraucht, z. B. in den
Umgang mit Frauen, in die Trommelsprache, die geheimen Zeichen etc.
Nach dieser Zeit beginnen die eigentlichen Festlichkeiten.
Zu diesen Tänzen erscheinen alle in der Umgegend befindlicben Iin-
bounknaben in ihrer Tracht. Eine Maske aus Baumrinde nebst Mütze
ans Korbgeflecht bedeckt ihr mit Ton weiss bemaltes Gesicht, der Ober-
körper ist mit gelbem und weissem Ton bemalt (mit letzterem auch die
Beine), um die Lenden tragen sie einen Gürtel aus Bananenfaser, an
diesem einen riesigen aus Holz angefertigten, weiss und roten Phallus.
In der Rechten haben sie einen langen Stecken und unterm Arm ein
aus zwei Brettchen bestehendes Instrument mit den Gehäusen einer Wald»
Schnecke behängt, die beim Laufen, Springen und Tanzen zusammen-
schlagen. Am Tage vor dem Anfang der Tänze beschimpfen sich Männer
und Frauen gegenseitig. Bei den Tänzen selbst sind Frauen, Mädchen
und Kinder nicht anwesend.
Nachdem in den Dörfern der Reihe nach getanzt worden ist, wird
bei einem grossen allgemeinen Feste die Stainmesmarkung vollzogen; die-
selbe besteht in drei Längsschnitten im Nacken.
Ist einer der Knaben etwas verrückt geworden, was ich hier schon
öfters beobachtet (die Folge von mit Rinde versetztem Palm weine, der
eine Art Delirium tremens erzeugt (bei den Bakoko häutig), so muss er
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nochmals als Medizin diese Ceremonie durchmachen, jedoch ohne Fest-
lichkeiten oder Markung.
Während der vierwöchentlichen Klausur räubern die Jungen zeit-
weise während der Nacht Federvieh, versteigen sich auch manchmal zum
Raube einer Ziege oder eines Schafes, und vergreifen sich auch an den
Besitzern der Tiere, wenn dieselben sich der Beraubung widersetzen.
Nach den Festen dürfen sie heiraten. Wenn der Vater viel Frauen
hat, so schenkt er seinem Sohne vielleicht eine davon, andernfalls sucht
sich dieser durch ehrliche oder unehrliche Arbeit die Mittel zu verschaffen,
sich eine kaufen zu können.
Das Jugendleben der Mädchen.
Bei der Geburt eines Mädchens herrscht immer Freude im Weiler;
es bedeutet dies ja einen Zuwachs des Vermögens. Die Kindheitsjahre
gleichen denen des Knaben. Sind die Mädchen etwas grösser, sodass sie
kleine Handreichungen tun können, so helfen sie der Mutter. Sie schälen
die Pisangs oder die Kassadewurzeln, die ins Wasser gelegt werden
sollen, oder pflücken junge Kassadeblätter zur Sappe, lernen beizeiten
Grundniisse nnd Odika auf Stein zu zerreiben, schüren das Feuer, holen
Wasser, kehren die Hütte oder waschen die Schüsseln und Teller. Gehen
die Weiber in den Wald, um Früchte zu suchen, oder an die Bäche zum
Fischen, so schliessen sich ihnen die Mädchen an. Oft geht ein solches
Kind schon frühzeitig in den Besitz ihres Zukünftigen über oder dient
als Pfand.
Festlichkeiten beim Eintritt in die Pubertät finden nicht statt. Nur
wenn sie ins Dorf ihres Zukünftigen kommt, findet eine kleine Festlich-
keit mit vielem Schiessen statt. Ein Mädchen inuss schon frühzeitig alle
häuslichen Arbeiten, besonders das Kochen lernen, und die Herstellung
mancherlei Sachen aus den Früchten des Urwaldes kennen, die als Zuthat
zu ihren Suppen dienen.
Nahrung.
Die Nahrung der Mabea ist sehr manuigfach. Ihre Hauptspeise ist
Kassade, und zwar als Brot: in Blätter gehüllte Stangen aus Kassademehl,
die, mit einer Faser aus Pisang umwickelt, gekocht werden. Das Kassade-
mehl stellen sie aus der Wurzel her, die geschält, 3—5 Tage gewassert,
dann gewaschen, getrocknet und zuletzt gerieben wird. Brot (uande)
sowohl wie Mehl sind sehr bekömmlich und sehr nahrhaft. Ein Mann
bat mit drei solcher Brote, die mit Pfeffer (Paprikapfeffer) und Salz ge-
gessen werden, eiue genügende Tagesration.
Pisang (bequan) werden teils unreif, teils reif genossen, unreif ge-
röstet und gekocht. Geröstet schmecken sie etwas trocken, aber mit
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Butter recht gut; im reifen Zustande isst mau sie als Suppe, der Euro-
päer als Kompott oder geröstet zum Morgenimbiss; sie sind sehr süss.
Macabo, die Knolle einer Colocasia, vertritt die Stelle unserer Kartoffel,
ist sehr stärkehaltig und wird in mehreren Arten kultiviert. Busch-
yams (ungong), die Knolle von mehreren Arten einer Dioscorea, kommt
auch wildwachsend vor. Süsse Kartoffeln (intoco) werden wenig angebaut
und finden sich verwildert überall. Mais hat man nur in kleinen Quanti-
täten, er wird meistens frisch verzehrt. Als Zuspeisen zu diesen Haupt-
nahningsraitteln dienen verschiedene Suppen von Grundnüssen (wunde),
Kürbiskörner (untua) und verschiedene ölhaltige Samen von Urwaldbäumen.
Die Samen der eben genannten Früchte werden erst über dem Feuer ge-
rostet und auf dem Steine zerrieben, dann ins kochende Wasser ge-
schüttet, worin entweder ein Stück Wildfleisch, geräucherter Fisch oder
Huhn brodeln, und endlich eingerührt. Eine solche Suppe ist auch für
europäische Gaumen mundgerecht.
Spinate werden aus Blättern der Kassadc, der süssen Kartoffel, einer
gewissen Solanee und verschiedener Urwaldpflanzen hergestellt. Auch diese
besitzen keinen üblen Geschmack nnd sind oft den Konserven vorzuziehen.
Im Urwalde wachsen einige Bäume, die für den Eingeborenen, sowohl hier
wie anderwärts, von grossem Nutzen sind. Da ist in erster Linie der
Busch mango zn nennen, aus dessen Fruchtkernen die auch von uns Weissen
gern gegessene Odika hergestellt wird. So ein Odikakuchen hat ein
marmoriertes Aussehen, seine Anfertigung erfordert viel Mühe und Arbeit,
und es betätigen alt und jung, d. h. Weiber und Kinder, einen ganz un-
gewöhnlichen Eifer, um recht viele Fruchte zu sammeln. Diese werden
in der Mitte mit dem Messer aufgeschlagen und der innere Kern wird
herausgenommen, geschält und über dem Feuer geröstet Sind genügende
Mengen gesammelt, so wird ein Teil im Mörser zerstossen, gekocht und
in Formen resp. in mit Blättern ausgelegte Körbe geschüttet. In die
Mitte wird ein Stock gestellt. Sobald die Masse erkaltet ist, wird sie her-
ausgenommen und in der Hütte unters Dach gehängt. Im Aussehen
gleicht sie einem mit vieleu Mandeln durchsetzten Pfefferkuchen. Zum
Gebrauch wird immer mit dem Messer ein Teil abgeschabt und mit Fleisch,
Fisch etc. zusammen gekocht, was in Form von »Bündele oder als Suppe
genossen, eine recht gut schmeckende und nahrhafte Speise giebt. In
Ermangelung der Töpfe kann man zum Kochen von wenig wasserhaltigen
Speisen anch Blätter von Planten (Pisang) benutzen, die man Bündel
nennt, was unserem Ausdruck Pastete entspricht.
Unter den Ölfrüchten nimmt die Ölpalme die erste Stelle ein. Aua
ihren Früchten stellen die Mabea zweierlei Öle her. Das eine dient als
Speiseöl zu Suppen und Fleisch und kommt mit Reis als Zuspeise in der
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Woche auch bei Europäern auf den Tisch. Der Mabea isst dazu gekochte
Pisang oder seine uande". Das andere öl aus dem Innenkern der Frucht
dient zum Einreiben der Haut oder auch als Heilmittel, resp. zum Vor-
beugen bei Hautkrankheiten. Es kommen hier zwei Arten Palmfrücbte
vor, eine mit grossem Kern und wenig Fruchtfleisch, die andere
mit viel Fruchtfleisch und kleinem Kern. Beide Sorten haben auch
verschiedene Benennungen. Auch haben die Frucbttranben verschiedene
Farbe; erstere ist schwarzrot, letztere gelbgrün. Die Ölpalme ist
auch die Spenderin einer Art süssen Palmweins. Leider schlagen
die Mabea die Palmbäume zur Gewinnung des Weines ab; derselbe
ist frisch von angenehm prickelndrra Geschmack. Rum zieht man
jedoch vor.
Im Urwalde befinden sich einige Bäume, die ebenfalls Öl liefern uud
bei den Mabea sehr beliebt sind. Eine Art ist eine mehrteilige harte
Nuss mit braunen Kernen in der Grösse von Piniensamen und roh von
ähnlichem Geschmack (engale). Diese dient ebenfalls zur Suppenbereitung,
doch wird auch ein feines weisses Öl daraus hergestellt, das sowohl zur
Speise, als auch zur Toilette zum Einreiben der Haut und der Haare
überall sehr beliebt ist. Nach Aussagen der Leute befördert es den Haar-
wuchs und macht die Haut glänzend weich und geschmeidig. Aus den
Kernen der grossen Butterfrucht > matsch io« wird ebenfalls ein Speise-
uud Toilettenöl hergestellt. So giebt es noch eine ganze Anzahl Frucht-
bäume im Urwald, die den Eingebornen zur Nahrung oder auch zu andern
Zwecken dienen, wie zur Herstellung von Stricken und Garnen für ihre
Netze. Dieses wären die Nahrungsmittel aus dem Pflanzenreiche. Unter
denen aus dem Tierreiche sind die wichtigsten Schafe, Ziegen, Hunde und
Hühner. Von Wildarten Wildschweine, Antilopen, Affen und alles was
läuft, kriecht und fliegt; ja selbst die giftige Hornviper dient den Mabea
zur Nahrung. Ausgenommen sind nur einige Arten, die ihnen durch pe-
netrauten Geruch widerwärtig sind, oder die sie, durch ein Gelübde ge-
bunden, nicht essen dürfen. Das beliebteste Fleisch ist das vom Elefanten.
Von diesem Tiere bleibt nichts übrig, als die Knochen und die Borsten
des Schwauzes, die um den Hals getragen werden. Von den Fischen
dienen alle zur Speise, mit Ausnahme des »elektrischen c, den man
fürchtet. Unter den Insekten giebt es auch einige, die gern gegessen
werden, so einige Satumiaraupen, die als Delikatesse sehr geschätzt
sind, ferner fliegende weisse Ameisen, die besonders nach grossem
Regen in Massen auftreten. Die Frauen müssen alle die Arten der
Nahrungsmittel und deren Zubereitung kennen, wenn sie gute Haus-
frauen sein wollen.
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Landwirtschaft.
Den Frauen liegt auch die Landwirtschaft, besonders die Feldarbeit,
ob, doch da sie bloss für ihren aliernotwendigsten Bedarf bauen, ist die
Arbeit nicht besonders schwer. Die hauptsachlichste Feldarbeit besteht
im Legen der Kassadestecklinge und im Pflanzen der Pisaugschösslinge.
Daneben bebauen sie ein kleines Feld von Grundnüssen mit etwas Mais
und Macabo und einigen Stauden Zuckerrohr in der Nähe des Weile«.
Sie bedienen sich dazu einer kleinen Hacke und eines Handspatens.
Die groben Vorarbeiten, wie Schlagen des Urwaldes etc., sind Sache
der Männer. Das Grundnussfeld wird, um Schafe, Ziegen oder Wild
abzuhalten, mit einem leichten Zauu umgeben. Es kommt auch vor, dass
eiue Herde Elefanten alles zerstampft und verwüstet. Dies wurde mir
auch stets als Grund angegeben, weun ich fragte, weshalb so wenig
angepflanzt würde.
Der Viehstand der Mabea ist gering. Man findet nur selten in ihreu
Weilern Schafe oder Ziegen. Einige Hunde von lehmgelber Farbe, mit
weissen Flecken und spitzen Ohren, die gut genährt, einen ganz netten
Eindruck machen, ausgehungert jedoch abschreckend hässlich sind, dienen
teils als Zuchtvieh, teils zur Jagd. Diese Hunde können nicht belleu,
fängt einer zu heulen an, so heulen sie alle mit. Sie ähneln den Schakalen.
Sind sie zur Jagd abgerichtet, so eignen sie sich vorzüglich sowohl zum
Hetzen als auch zum Folgen eines schweissenden Wildes, nur muas man
ihnen eine Glocke an den Hals hängen, damit man ihnen folgen kann.
Die Nutzhunde werden kastriert, erreichen eine fürchterliche Dicke und
sind als Leckerbissen sehr geschätzt. Einige Zwerghühner vervollständigen
ihren Viehstand. Die Stallungen sind primitiv, oft findet man überhaupt
keine. Schafe und Ziegen kampieren im Freien unter den die Wand über-
ragenden Hüttendächern. Die Hühner schlafen nachts in der Hütte oder
haben einen kleinen, engen Stall am Hause. Zum Brüten wird an der
äusseren Giebel wand dicht unterm Dache ein Korb befestigt, sodass das
Huhu ein und aus fliegen kann.
Katzen findet man selten, sie sind aber wegen der vielen Ratten, die
sich im Weiler befinden, sehr beliebt, verwildern jedoch leicht und ver-
schwinden im Wald. Andere Haustiere kennt der Mabea nicht, nur an
der Küste trifft man hie und da einige türkische Enteu an, Hausschweine
siud unbekannt.
Aberglauben.
Vom Glauben der Mabea habe ich schon gesprochen. Hier sei noch
etwas vou ihrem Aberglauben gesagt. Um ihre Pflanzung vor Diebstahl,
Misswachs und audereu Fährlichkeiteu zu schützen, hängen sie an Schnüren
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am Zäune verschiedene Gegenstande auf, denen sie alles zutrauen, die
aber auch von anderen gekannt und daher respektiert werden. Vor dem
Einflass des bösen Blickes, vor Krankheiten, Unglücksfällen etc. sucht
sich der Mabea durch Amulette verschiedener Art zu schützen. Er trägt
sie teils um den Hals, teils um die Hüfte oder an seinem Munitionsbeutel.
Bezweifelt man die Kräfte seiner Amulette, so lächelt er mitleidig, als
wollte er damit sagen, ja, was verstehst du davon? Wegnehmen lässt er
sie sich nur ungern, selbst wenu man ihm ein gutes Geschenk anbietet;
im Gegenteil, dann tut er es erst recht nicht. Einige Tiere gelten auch
als »nicht sicher«, so z. B. Elefanten, die schon Menschen getötet haben,
Chimpausen und Gorilla. Nachts fürchtet er die Geister, ruft der Kauz
(Eule), so verscheucht er ihn. Muss er des Nachts irgendwohin gehen,
so geschieht es mit Fackel und lautem Gesang. Er verlässt selten nachts
seine Behausung. Will er eine Reise unternehmen, so befragt er vorher
das Orakel. Stolpert er gar auf dem Wege, so bleibt er zu Hause. Reist
er ab, so dürfen sich seine Frauen nicht waschen. Er traut keinem
seiuer Nachbarn und verbirgt seine Reichtümer, damit sie nicht Ursache
zum Neid geben.
Krankheit, Unglücksfälle und Tod werden stets anderen in die Schuhe
geschoben, einem der »Medizin gemacht« oder die bösen Geister gehetzt
hat. Medizin machen gegen Regen ist nicht bekannt.
Krankheiten und deren Heilung.
Die Mabea gehören nicht gerade zu den reinlichsten Menschen, trotz-
dem sie oft im Wasser liegen. Die Kinder starren oft vor Schmutz und
sind mit allen möglichen Krankheiten behaftet. Sie leiden oft an lang-
wierigen Hautkrankheiten, besonders au Krätze. Läuse sind in Massen
bei Jung und Alt vorhanden. Ringwurm und Sarne (Erdbeerflechte) sind
weit verbreitet. Letztere wird sehr oft von Kind zu Kind künstlich über-
tragen, denn erscheint diese Krankheit bei älteren Personen, so sind
nach erfolgter Heilung der Flechte noch mancherlei andere Folge-
erscheinungen, die oftmals zum Tode des Individuums führen, zu be-
kämpfen. Am meisten scheinen Herz und Nieren in Mitleidenschaft ge-
zogen, was an ihren geschwollenen Füssen zu sehen ist. Elefantiasis
kommt ebenfalls vor.' Geschwüre mancherlei Art, offene Schäden an
Beinen, Füssen, Armen, Händen, die nach Heilung fleischrote und weisse
Stellen hinterlassen oder auch gar nicht heilen, sodass die Gliedmassen
brandig abfallen, kommen oft vor und viele Leute sterben daran. Die
Mabea leiden auch viel an Parasiten, insbesondere an Würmern: Spul-,
Maden- und Faden würmer im Darm, in den Nieren, der Blase und im
Auge, die sich in mancherlei Art bemerkbar machen (Blutharnen, ge-
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scbwollenen Augen, Leibschmerzen etc.). Von den Geschlechtskrankheiten
nimmt die Gonorrhoe die erste Stelle ein. Syphilis scheint auch vor-
zukommen; schwere Fälle habe ich wenig beobachten können. Wie sie
Gonorrhoe heilen, ist mir nicht bekannt, ich glaube, sie wenden gar keine
Mittel an, sonderu sie heilt von selbst. Erkrankungen der Hoden sind
ebenfalls häufig, und zwar endigen sie oft mit dem Tode. Ob Wasserbruch
die Ursache ist, darüber konnten mir die Leute keine Auskunft geben;
wahrscheinlich wollten sie es auch nicht. Von Krankheiten der inneren
Orgaue kommen Lungenerkrankungen in den kühlen Monaten Juli, August
öfters vor, hauptsächlich Katarrhe, Lungen- und Rippenfellentzündungen,
die oft zum Tode führen. Fieber in leichtem Grade findet man bei den
Mabea, die im dichten Walde und in der Nähe von Sümpfen wohnen.
Richtige Malaria und perniziöse Fieber habe ich bei den Eingeborenen
nicht beobachten könueu, trotzdem ich seit 7 Jahren im Lande mit
Mabea arbeite. Dysenterie kommt vor, und mancherlei andere Krank-
heiten, die ich lieber einem Arzt zu studieren überlassen möchte. Die
Heilmittel sind verschiedenartig. Sie stammen zum grössten Teile aus
dem Pflanzenreiche und werden teils in Infusion, teils als Tee benutzt
Zahlreiche Arten von Pflanzeu werden dazu aus dem Wald geholt Auch
Rinden und Blätter vieler Bünme benutzt man zu Heiltränken. Alle
diese Tränke und Mixturen werden von älteren Frauen, die auch die
heilkiäftigen Pflanzen kennen, hergestellt. Sie verlassen sich auch viel
auf die Hülfe von Medizinmännern. Ein beliebtes Mittel sind auch Kom-
pressen von heissen Blättern. Ist jemand schwer erkrankt, so wird mit
Trommeln und Singen viel Lärm gemacht, um die bösen Geister zu ver-
treiben; Huhner oder Schafe werden geschlachtet und der Kranke wird
mit dem Blute gewaschen. Das Trommeln dauert oft Tag und Nacht.
Ausserdem wird nachgeforscht, wer die Krankheit hervorgerufen hat. An
der Heilung ist der Medizinmann nur wenig beteiligt, am meisten sorgen
die Frauen für den Paticuten. Die Männer nehmen sich selten Erkrankter
an, besonders wenn sie einander fremd sind. Nächstenliebe kennt der
Mabea ebensowenig wie den Dank. Kinderkrankheiten sind häufig in
den Monaten Dezember, Januar, Februar, Juli und August, wo viele
Kinder sterben. Von Epidemieu habe ich nur eine miterlebt Es waren
aber bloss die Spitzpocken, die in hiesiger Gegend uur wenig Opfer forderten.
Öffentliche Versammlungen, Gerichtsverhandlungen,
Gottesgericht.
Soll in eiuem Mabeabezirke eine wichtige Angelegenheit zur Sprache
kommen, so werden die verschiedenen Familienväter durch Trommel-
siguale oder durch Boten in den Weiler zusammengerufen, dessen Ober-
r
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haupt eine Mitteilung zu machen hat oder gern eine Stammesangelegenheit
zur offenen Aussprache bringen will. Bei Streitigkeiten nehmen die Par-
teien Schiedsleute (Ntnle genannt), die aber keine Bezahlung für ihre
Vermittelung beanspruchen. Ehe man jedoch die Ntule ruft, deren Urteil
man sich unterwerfen muss, wird die Angelegenheit, so lange es geht, in
langwierigen Sitzungen erörtert, wobei grosse Reden geschwungen werden,
die des öfteren dnrch lauten Beifall unterbrochen werden. Der Sprecher
steht stets in der Mitte des Weilers. Bei Mord, Streit, Diebstahl heisst
es: Sühne zahlen. Bei Mord wird oft unter grossem Geschrei der Täter
verlangt, um ihm Gleiches mit Gleichem zu vergelten, doch sobald sich
die Aufregung gelegt hat, ist man mit einer angemessenen Sühnezahlung
zufrioden. Bei Mord mit Vorbedacht kommt es wohl vor, dass trotz
Sühnezahlung der Thäter nach einiger Zeit durch Gift oder einen Schuss
aus dem Hinterhalt getötet wird. Weiberdiebstahl, eheliche Untreue,
Schulden von Urgrossvaterszeiten her, Handelsschulden, Kaufgeld »bundu«
für Frauen, bildeu die häufigsten Streitobjekte. Kurzes Gedachtniss be-
sitzt man nur für die Schulden, die man in den Faktoreien der Weissen
gemacht hat. Die Sühnezahlung wird in Eisengeld, Mädchen, Frauen
oder europäischen Waren geleistet.
Auch Prügelstrafe existiert. Man verwendet hierzu dio Flusspferd-
peitsche, und zwar werden damit die Weiber und erwischte Diebe ge-
züchtigt. Bei ganz besonders schweren Anschuldigungen tritt der Ngi in
Aktion, ein geheimes Gericht mit viel Geschrei und Trommellärm, wobei
man das Brüllen des Gorilla nachahmt. Es wird nur Nachts abgehalten.
Leider hatte ich keine Gelegenheit einem solchen beizuwohnen; auch
weiheu sie Weisse nicht darin ein. Weiber dürfen nicht dabei sein. Bei
den Bakoko ist der Ngi sehr gefürchtet. Dort verschwinden immer
Personen auf Nimmerwiedersehn, besonders Frauen; dann heisst es am
Morgen: der Ngi hat sie geholt. Dass an der Sache etwas Wahres ist,
beweist mir, dass eint'S Morgens ein Mabeachef zu mir kam, mit einer
Bakokofrau (seiner Schwester) und mich bat, ich möchte sie photo-
graphieren, denn die Bakoko wollten sie durch den Ngi töten; um dieses
zu verhüten, sollte ich sie photographiereu. Da nun Bakoko bei mir
täglich verkehren und einzelne Hofarbeiter diesem Stamme augehörten,
so sprach sich dieses natürlich herum, uud die Frau stand unter meinem
Schutz.
Wie es bei den Bakoko ist, so wird es wohl auch bei den Mabea
sein. Der Ngi ist auch bei den Buli bekanut und ähnelt bei diesen den
Muskentänzen der Mpongwe und Shekiani in der Kolonie Gabuu; bei den
Mabea trägt der Ngi keine Maske, färbt aber seiu Gesicht.
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Gottesgerichte werden selten abgehalten, man bedient sich dazu der
Rinde des >ellongc (Erythrophlocum guineense) als Aufguss. Bei Diebstahl
resp. Ableugnen eines solchen steckt der Medizinmann ein Samenkorn von
Ocimom gratissimum oder einen Schlangenzahn ins untere Augenlid.
Kriege.
Kriege haben die Mabea wohl früher zu ihrer Verteidigung geführt,
grosse Heldentaten scheinen sie jedoch nicht vollführt zu haben. Sie
werden sich wohl bloss auf Einäschern von Weilern und Toten einiger
Personen beschränkt haben, denn der Mabea ist Menschen gegenüber
feige, wenu er weiss, dass die Gegenpartei starker ist. Andern Gefahren
gegenüber scheint er es jedoch nicht zu sein, ich hatte öfters Gelegenheit,
dies auf der Jagd als auch auf dem Wasser zu beobachten. Ihre Be-
waffnung im Kriege ist das Gewehr und das haarscharfe Haumesser.
Als die Buli 1898 und 1900 hier in der Nähe und nach der Küste
zu einen bewaffneten Vorstoss (Raubzug) unternahmen, arbeiteten meine
Mabea in der Farm stets mit Gewehr und stellten Posten ans, freilich
hatten sie gut Hierbleiben, erstens war genügend Munition vorhanden,
und zweitens hatten die Buli wohl die Absicht, zogen es aber vor, davon
abzusehen. Ausser den Mabea waren noch über Nacht 200 Bakoko mit
Haumessern auf dem Hofe. Die Mabea hatten aber trotzdem ihre Wohn-
stätten verlassen und ihre Habseligkeiten in Sicherheit gebracht. Der
Raubzug richtete sich besonder« gegen die hinter Gross Batanga sitzenden
Mabea, Babuko und Banoko. Ausserdem bot sich eine gute Gelegenheit,
die Faktoreien der Weissen zu berauben. Krieg mit den Weissen hatten
eben diese Mabea im Jahre 1892. Als Kriegsentschädigung mussten sie
den Weg im Urwald zwischen Kribi und Bipindi ausschlagen. Sonst
haben sie keinerlei Reucontre mit den Weissen gehabt.
Tänze und Vergnügungen.
Die Mabea lieben Tanz und Gesang. Man kennt mancherlei ver-
schieden benannte Tanze. Alle gipfeln in Bewegungen der Glieder und
Muskeln, die teils auf einer Stelle, teils im Kreise ausgeführt werden
und sich durch ihre obseöne Natur auszeichnen, ob die Tänzer nun
Männer oder Frauen sind. Die Tänze werden mit Händeklatschen und
Gesang begleitet; natürlich fehlen die Trommeln nicht. Zur Zeit des
Vollmondes tanzen sie oft die ganze Nacht. Bei Ankunft einer neuen
Frau, nach Abschluss eines guten Geschäftes oder nach erhaltenem Kredit
beim Weissen, wenn obendrein ihr Lieblingsgetränk Rum oder Gin vor-
banden ist, dauern die Tänze oft mehrere Tage. Öfters veranstaltet man
auch Ringkämpfe, die tagelang zuvor schon augekündigt werden. In
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Festkleidern versammelt sich die Menge am Festplatz und bildet zwei
Parteien; zwei Männer, mit Ruten bewaffnet, halten die Ordnung aufrecht
und passen auf, dass alles rechtlich zugeht und keiner zu Schaden kommt.
Darauf folgen Tänze bis gegen Sonnenuntergang, worauf sich alles nach
Hause begiebt.
Genussmittel.
Die wichtigsten Genussmittel sind Kola (mbili), wuale (die Frucht
eines anderen Waldbaumes), Palmwein (menjoa), Tabak (nta), Rum und
Gin (melam). Ausserdem giebt es einige Baumrinden, die verschiedene
Wirkungen auf die Nerven ausüben sollen, doch hatte ich keine Gelegen-
heit, dieselben zu erhalten. Zu dem wuale genannten Kern, der bitter
und von weisser Farbe ist, wird Rum oder Gin getrunken, d. h. wenn
man welchen hat; die Wirkung ist ähnlich der der Kola. Palmwein
trinken sie gern, doch haben sie diesen Genuss nicht täglich. Rum und
Gin kommt auch nur in geringer Menge ins Inland. An der Küste jedoch
veranstaltet man gern Rumgelage mit Tanz und Spiel. Tabak, den man
Aber alles liebt, hat auch Geldwert; man kann dafür alles haben. Ge-
raucht wird er aus selbstgefertigten Thonpfeifen, aber auch aus europäischen
Gipspfeifen; man stopft ihn ungeschnitten, d. h. gerollt, in die Pfeife,
zündet sie mit Kohle an, tut einige Zöge und giebt sie dann dem Nach-
bar, oder lässt sie, wenn niemand weiter zugegen ist, erkalten, um später
wieder einige Züge zu rauchen.
Todesfall.
Beim Tode eines verheirateten Mannes herrscht grosses Wehklagen,
und von jeder Partei, die dem Toten ihre Ehre bezeigen will, werden
ungezählte Schusse abgefeuert. Freunde opfern diverse Gebrauchsgegen-
stände, wie Hüte, Hemden, Hüftentücher, Tabak, Kola etc., was alles dem
Toten mitgegeben wird. Nachdem der Leichnam gewaschen und geschmückt
ist, werden einzelne Täuze aufgeführt und die Klageweiber halten die
Totenklage. Hierauf wird der Leichnam in die Grube (Nische) gelegt.
Die Nische befindet sich seitlich am unteren Ende des viereckigen Grabes.
Die von Freunden gespendeten Gegenstünde werden dem Toten zur Seite
gelegt, dann wird die Nische mit Baumrinde abgesperrt und das Grab
zugeschüttet. Ist die Todesursache nicht bekannt geworden, oder hat
man Verdacht geschöpft, dass ein Verbrechen vorliegt, so wird die Bauch-
höhle von dem Medizinmann geöffnet, der dann, wenn er einen bestimmten
Wurm sieht, gleich auf Zauber diagnostiziert. Nach dem Tode des Mannes
sitzen sämtliche Frauen splitternackt in ihren Hütten. Erst nach mehreren
Tagen erhalten sie zerschlitzte Pisangblätter als Lendenschurz. Sie dürfen
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sich nicht waschen, beschmieren ihren Oberkörper kreuzweise mit weissem
Thon (Farbe der Trauer), dürfen keinen Schmuck tragen und ihr Kopf-
haar nicht flechten und sind gezwungen, im Dorfe zu bleiben. Nach
einigen Wochen oder Monaten bringen sie dem Familienoberhaupt ein
Bündel mit gekochtem Fleisch, Macabo und Pisang und erhalten durch
den ältesten Sohn der Schwester des Verstorbenen je zwei Stückchen
dunkelblauen, ca. Vi q m grossen Zeuges, das sie als Lendenschurz vorn
und hinten tragen. Nun dürfen sie sich wieder waschen und Umgang
haben. Die Trauer dauert 6—10 Monate, oft noch langer. Beim Tode
einer Frau trauert der Ehemann — jedoch bloss einige Wochen — indem
er sein Hüftentuch anders bindet und sich ebenfalls mit Thon auf der
Brust ein schräges Kreuz malt. Beim Tode eines Kindes trauert die
Mutter. Sie bestreicht sich mit weissem Thon bis zur Hüfte. Am Ein-
gang des Weilers, wo sich ein Todesfall ereignet hat, wird ein länglicher
Tisch errichtet. Darauf werden täglich einige Esswaren und Genussmittel
gelegt, um dem Geist des Verstorbenen Nahrung zu spenden, bis er
Kühe gefunden bat. Doch nach Ablauf eines Jahres ist der Tisch ver-
schwunden und vielleicht denkt keiner der Lebenden mehr des Toten.
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Die Chamorro.
Eine Geschichte und Ethnographie der Marianen.
Von
G. Fritz, Bezirksbauptmann in Saipan*).
Vorbemerkung.
Von dem einst so zahlreichen Marianenvolk sind heute nur noch
spärliche Reste vorhanden; und auch diese siud zum gröasten Teil ver-
mischt mit fremdem Blut (mit Spaniern, Tagalen). Der fanatische Eifer
der spanischen Mönche hat die alten Gebrauche verbannt, fremde Zu-
wanderung nene Sitten ins Land gebracht. Indessen: während der
200 jährigen Brachzeit spanischer Herrschaft sind die Wurzeln des alten
Volkstums wieder ausgeschlagen, es erwies sich auf dem heimischen Boden
starker als die ihm wesensfremde europäische Kultur. Wir gewahren
überall in Sitten und Anschauungen die Triebe des alten Stammes, auf
die ein äusserliches Christentum nur künstlich aufgepfropft ist.
') Herr Fritz bat mit vielem Fleisse und liebevoller Sorgfalt eine ethnographische
Sammlung angelegt, die in ihrer Reichhaltigkeit eine Zierde unseres Museums bildet.
Dazu gehörte auch die nachfolgende Arbeit, die wohl fast alles enthält, was Ober die
Chamorro von ihm und von anderen beobachtet worden ist Von der Direktion des
Museuros wurde mir der Auftrag, das mit zahlreichen Zeichnungen ausgestattete Manu-
skript druckfertig zu machen. An den von Fritz benutzten Arbeiten (siehe die Anmerkung
auf Seite 26) hat er auf Grund eigener Beobachtungen sachgemäße Kritik geübt Für
die Sorgfalt seiner Beobachtungen spricht der Umstand, dass das mit prächtigen Ab-
bildungen ausgestattete Werk von Freycinet, Voyage autour du monde, (1817 — 1820
entrepris par ordre du roi. Paris 1828. Historique, tome premier, deuxietne partie
und Atlas historique, Paris 1825), welches ebenso wie die von Freycinet nicht unab-
hängige „Oceanie" de Rienzi's, ihm nicht zugänglich war, auf Grund ähnlicher Beobach-
tungen zu gleichen, bezw. ähnlichen Resultaten kommt Viele seiner Citate aus Le Gobien's
Histoire des lies Mariane« u. a. sind schon im 5. Band von Gerland-Waitz' Anthropologie
verarbeitet wurden aber hier, als zum Verständnis wesentlich, beibehalten. Die Abbil-
dungen habe ich z. T. nach den Skizzen von Herrn Fritz, z. T. nach den im könig-
lichen Museum befindlichen Originalen gezeichnet. Das Nähere ist aus den Erklärungen
zu den Tafeln zu ersehen.
Die essbaren Concbylien bat Herr Geheimrat v. Martens, die Arzneipflanzen
Herr Prof. Volkens zu bestimmen die Güte gehabt wofür beiden Herren auch an dieser
Stelle zu danken ist.
i. A.
Rudolf Hermann.
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Ein Vergleich der beutigen Cbamorros mit ihren Vorfahren wird uns
zeigen, dass Massenmord und eine dem Volke seiner Natur nach fremde
Erziehung ohne tieferen, nachhaltigen Einfluss bleiben auf den eigent-
lichen Volkscharakter. Eine Wirkung freilich des spanischen Kreuzzuges
gegen ein tapferes Naturvolk ist deutlich erkennbar: die Auslese der
Schlechteren, der Feigen und Schwachen, die sich unterwarfen und daher
der allgemeinen Vernichtung entgingen; sie äussert sich in dem Verlust
oder wenigstens in dem Verblassen der Mannestugenden der Alten. Die
Kühnheit der Cbamorros, die in kleinen Segelboten von Insel zu Insel
fuhren, ihre Freiheitsliebe, der Sinn für stattliche Bauten ist verkümmert.
Ihre naturliche Begabung und Bildsamkeit nnd die seitherigen Erfolge
einer ihrer Eigenart gerecht werdenden Verwaltung lassen jedoch hoffen,
dass aus den kümmerlichen Resten wieder ein an Zahl nnd Tüchtigkeit
starkes Chamorro-Volk erwachse.
Litteratur 1 ).
Die wichtigste Quelle für die Kenntnis der alten Cbamorros und der
Geschichte ihrer Unterjochung ist Le Gobien. In der Einleitung sagt er:
»C'est sur les Memoircs des homrues Apostoliques que j'ai ecrit l'histoire
que je donne au public. Je n'y ai rien avauce que ce que j'ai trouve
dans les lettres et daos les relatious de ces Missionnaires, qui m'ont ete
envoyees de Rome, d'Espague et des Pais-Bas«.
Die Missionsberichte selbst Bollen nach Felipe de la Corte 1683 ver-
öffentlicht worden sein.
Die neuere Geschichte wurde von Montero y Vidal, von Felipe de
la Corte, Gouverneur der Marianen von 1855 — 1866 und Luis de Ibanez
y Garcia, Gouverneur von 1871—1873 behandelt. Das Buch des letzteren
ist voll grober Irrtümer; in Kapitel X will er die Sitten und Anschauungen
der Cbamorros schildern, mengt aber, ohne es dem Leser kenntlich zu
machen, Dinge unter, die sich auf die Philippinen beziehen. So redet
er vom Tigbalan, dem Teufel der Tagalen, den die Chatnorros nicht
') Benutzte Werke nnd Aufsätze werden nachstehend folgendennassen citiert:
Histoire des lies Mariane» par Charles Le Gobien 8. J. 2. Aufl. Paris 1701 unter G.
Historia de las Isias Marianas por Felipe de la Corte (Handschrift) » C.
Historia de las Isias Marianas por Louis Jbaflez y Garcia. Granada 1886 . J.
Die Marianen -Inseln nach Alvarez Gnrra von Ferd. Blumentritt Globus.
III. Zeitschr. für Völkerkunde 44. Band. 1883 No 9 „ Ahr.
Moo voyage aux iles Mariane» par Alfred Marche. Bulletin de la S*« de
Geographie de Marseille 1890 • M.
EI Archipie'Iago Filipino y las Isias Marianas, Carolinas y Palaos por Jose
Montero y Vidal. Madrid 1896 . V.
Les iles Philippines, Marianes et Carolines par E. Rios « R.S.
Carolinen und Marianen v. Dr. 0. Finscb. Hamburg 1900 „ P.
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kennen, von Kaimans, Schlangen, Affen, von Gold und Sklavenhandel,
Dinge, die es niemals auf den Marianen gab. Die Art, in welcher Ibanez
den für ihre Freiheit und ihre Sitten kämpfenden Eingebornen gerecht
wird, ist die des mittelalterlichen Fanatikers. Ein Memoria de Marianas
von dem Gouverneur Olive, das 1887 bei Ramirez y Girardier in Manila
erschienen sein soll, war mir leider nicht zugänglich.
Geschichte.
Im Augost 1519 trat Magallanes mit fünf kleinen Schiffen von 60
bis 130 Tonnen von Sevilla aus die kühne Fahrt an, um eine Verbindung
des westlichen mit dem Ostmeere, also eine neue Strasse nach Indien zu
finden. Nach Überwindung der schwersten Mühsale, Meuterei, Sturme,
Kälte und Hungersnot, gelangte er am 27. November 1520 durch die
Strasse, die seinen Namen trägt, in den Stillen Ocean. Zwei Schiffe
hatte er bereits verloren, Wasser und Lebensmittel gingen zur Neige,
Offiziere und Maunschaft worden unsicher. Die Kraft seiner Persönlich-
keit allein stützte die Schwankenden und mit dem Mute des Genies setzte
er die Fahrt ins Ungewisse fort. Zahlreiche Leute erkrankten, 22 starben
und die Verzweiflung stieg aufs höchste, als die ersten Inseln, die man
endlich nach mehr als einem Monat entdeckte, sich als unbewohnt und
öde erwiesen. Man nannte sie »die Unglücklichen«, Las Desventuradas.
Und noch zwei Monate dauerte die Not, bis am 6 März 1521 zwei schöne
Inseln auftauchten, die Magallanes nach Sankt Lazarus benannte. Eine
Menge kleiner Boote mit dreieckigen Segeln umringte alsbald die Schiffe,
die völlig nackten Eingebornen kamen ohne Scheu an Bord und brachten
den Fremdlingen Früchte des Landes. Doch bald wurden sie zudringlich.
Die kleinen Geschenke der Spanier, besonders die aus Metall, das ihnen
bisher unbekannt war, verführten sie, sich solche Dinge eigenmächtig
anzueignen. Ja, sie bemächtigten sich eines Bootes und es kam zum Streit
Die Eingebornen kämpften mit Wurfspeeren und Schleudern und über-
schütteten die Schiffe mit einem Hagel von Steinen. Doch den Feuer-
waffen waren sie nicht gewachsen, die Spanier töteten einige und plünderten
und verbrannten ein kleines Dorf am Strande. Wegen dieser Vorfalle
nannte Magallanes die Inseln die Ladronen oder Diebsinseln. Nachdem
die Flotte sich mit Wasser und Lebensmitteln versehen hatte, segelte sie
am 9. März 1521 weiter und erreichte die Philippinen, wo ihr kühner
Führer am 26. April 1521 auf der Insel Mactan getötet wurde. Nur ein
einziges Schiff von den fünfen, welche ausgezogen waren, vollendete die
erste Erdumsegelung und kehrte unter den Befehl Eltanos am 7. September
1522 nach Spanien zurück.
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- 28 -
Auf einer zweiten Reise entdeckte Eltano die Insel Rota 1524. Auf
einer dritten ergriff Legaspi 1565 förmlich Besitz von dem Archipel für
die Krone Spaniens und nannte ihn nach der dreieckigen Form der Ein-
gebornensegel den Archipel der Lateinsegel.
In den nächsten hundert Jahren wurden die Inseln von den zwischen
Ncnspanien (Navidad, seit 1602 Acapulco) und Manila verkehrenden
spanischen Schiffen gelegentlich angelaufen, auch Holländer besuchten
zuweilen den Hafen von Umatag auf Guahan (Quam). Aber erst 1668
mit der Ankunft der Jesuiten unter dem Pater Sanvitores beginnt die
tatsächliche Herrschaft der Spanier.
Sanvitores hatte auf der Reise nach Manila 1665 Guahan besucht;
ihn jammerte die Nacktheit und das Heidentum der Bewohner und seine
Berichte rührten das Herz der frommen Königin Maria Anna. Mit ihrer
Hälfe aberwand er den Widerstand des Gouverneurs von Manila, der die
Inselgruppe für wertlos erklärte (und wie Sanvitores ihm »prophezeit«
hatte, im Kerker starb) und begründete hiermit seinen Ruhm als Apostel
der »Marianen« — so hiessen von nun an die Inseln nach jener Königin.
Die Marianenleute nahmen die Priester freundlich auf. Der katho-
lische Kultus mit seinen Feierlichkeiten, seiner Prachtentfaltung und
seinen Gesängen gewann die Eingebornen, und viele Hessen sich taufen.
Quipuha, der angesehenste Chamorro von Hagatnia, der Hauptstadt von
Guahan, schenkte ihnen einen Platz für die Kirche und von den andern
Inseln kamen Abgesandte und baten um Missionare. Besonders Taga von
Tinian, der im Jahre 1638 schiffbrüchige Spanier gastlich aufgenommen
hatte und durch sie mit der neuen Lehre bekannt geworden war, lud sie
freundlich ein.
Aber bald erhob sich Unzufriedenheit. Der Adel wollte nicht zu-
geben, dass die ihnen als so beilig geschilderten Sakramente auch dem
verachteten Volke zu teil würden. Und noch ein anderer Grund: Die
Ehe der Chamorro war eine sehr lose und nur auf die Dauer der Neigung
geschlossen, und sie betrachteten die von ihnen verlangte Ehe auf Lebens-
zeit als eine unerträgliche Einmischung in ihre Angelegenheiten. Die
unverheirateten Uritans lebten gemeinsam in grossen Häusern und kauften
oder liehen sich Mädchen von deren Eltern. Die Priester schufen sich
in diesen jungen Leuten ihre Hauptgegner, als sie es versuchten mit
Worten und schliesslich mit Gewalt diesem Brauch ein Ende zu machen.
Besonders aber die Wühlereien eines Chinesen Choco, der einige
Jahre vor Ankuuft der Missionare vom Sturm hierher verschlagen worden
war und im Süden der Insel grossen Einfluss besass, regten die Be-
völkerung auf. Er behauptete, die Priester seien Sträflinge, von ihrem
Vaterlande verbannt; die Kinder töteten sie mit dem giftigen Taufwasser
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und die Kranken durch Zauberei. Der Chinese fand williges Gehör beim
Volk trotzdem Sanvitores sich öffentlich mit ihm auseinandersetzte und
ihn sogar taufte. Man fing an, die Kinder und Kranken vor den Missio-
naren zu verbergen und hinderte sie schliesslich mit Gewalt. Indessen
hatten sie vorerst noch den Adel auf ihrer Seite. Diese Priester waren
keine geschickten Männer; sie wollten in einem Jahre die Früchte ernten,
die nur langjährige Geduld, Rücksicht auf die Eigenart der Zöglinge und
kluge Nachgiebigkeit im Kleinen zur Reife bringt. Und sie dursteten in
zweckwidriger Eigensucht nach dem Ruhme der Glaubenszeugen.
1669 besuchte Sanvitores in einem Ein gebor nen- Kanu die Nordinseln
bis nach Maug und legte auf Tinian einen zwischen verschiedenen Dörfern
ausgebrochenen Streit bei. Es ist bezeichnend, dass beide Parteien sich
sodann gegen die ungebetenen Vermittler verschworen. Nur durch Zufall
entgingen diese dem Tode. Überlistet unterwarfen sich die Gegner und
verpflichteten sich, zwei Kirchen auf Tinian zu bauen. In Hagatuia
gründete Sanvitores das Seminar San Juan de Letran, das bis 1899
bestand und mit jährlich 3000 Pesos von Spanien unterhalten wurde.
1670 brachen die Unruhen aus. Der Pater Medinilla wurde auf
Saipan getötet. Auf Guahan stellte sich der Chamorro Hurau an die
Spitze der Aufstandischen und belagerte die kleine Schar der Spanier in
Hagatoia; sie bauten Schanzgräben und Wälle und pflanzten darauf die
Schädel ihrer Ahnen, die sie abergläubisch verehrten. Als aber bei
einem glücklichen Ausfall die Spanier diese Totenscbädel zertrümmerten,
baten die Chamorro um Frieden. Er wurde ihnen unter der Bedingung
gewährt, dass alle zur Messe kämen und ihre Kinder in die Missions-
schulen schickten. 1671 ging eine Chamorro -Abordnung nach Manila
und Mexiko.
1672 wurde Guahan in 4 Kirchensprengel geteilt: Nisichau, Pigpug,
Pagat, Merizo. P. Lopez gründete auf Tinian ein Seminar. (Das statt-
liche Gebäude wurde durch ein Erdbeben am 22. September 1902 stark
beschädigt) 1672 wurde Sanvitores von Mätapang und Hirau getötet,
als er des enteren Kind gegen den Willen des Vaters taufte. Der
Gouverneur Juan de Santiago baute unter standigen Angriffen der Ein-
gebornen eine Feste in Hagatnia und ' unternahm dann einen Zug nach
Tumbom, wo Sanvitores ermordet worden war. Man versperrte ihm
durch Baumverhaue den Rückweg, und als die Spanier an dem Strande
entlang heimkehrten, wurden sie von dem Feinde in Booten angegriffen,
konnten sich aber mit ihren Verwundeten nach Hagatnia retten. Wieder
unterwarfen sich die Chamarro und immer wieder reizten die Spanier
sie zum Aufstand. Die Soldaten ermordeten harmlose Eingeborue; die
Priester machten sich den Sohn des alten Missionsfreundes Quipnha zum
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Gegner, indem sie die Trennung von seiner zweiten Frau verlangten, da
die erste noch lebte. Der Pater Dias Hess mit Gewalt ein Mädchen aus
dem Hause der Uritaus holen und brachte es in das Seminar nach Riti-
dian. Darauf griffen die Uritaus die Mission an nnd töteten die Priester.
In Orote verheirateten die Spanier gegen den Willen des Vaters ein
Uritau-Weib an einen Soldaten, und als der Vater sich widersetzte, Hess
(lOUTerneur Irisari ihn aufhängen unter dem Ruf der Truppe: es sterbe
der Hund, der kein Christ sein will. Ferner griff Irisari Chuchuga an
und verbrannte mehrere Dörfer, weil die Bewohner nicht zur Messe
kamen.
Die einzelnen Dörfer hatten früher in steter Fehde untereinander-
gelebt, es gab keine Häuptlinge, nur eine Art Adelsherrschaft. Nun
verband sie der gemeinsame Hass gegen die gewalttatigen Fremdlinge
und in Aguarin, einem früheren Freunde der Christen, fanden sie einen
kühnen und beredten Führer, der ihnen ein Volksbewusstsein und eine
Vaterlandsliebe einflösste, welche die Spanier erst durch die fast völlige
Vernichtung des Volkes überwanden.
Die Kampfweise der Chamorros hatte stets die überlistung des Feindes
zum Ziel, sie scheiterte an der ünentschlossenheit im entscheidenden
Augenblick und an der Treulosigkeit einzelner Abtrünuiger. So zündeten
sie die Kirche in Airan an, um die Aufmerksamkeit der Spanier abzu-
lenken und griffen sodann in Massen Hagatnia an; da sie indessen keine
Feinde sahen, glaubten sie ihrerseits an eine Falle nnd zogen sich zurück.
Ausgesandte Kundschafter fanden die Wachen schlafend, statt indessen
sofort dem Führer Nachricht zu geben, trieben sie Unfug und gaben den
Spaniern Zeit, sich vorzubereiten.
Als man die Spanier auszuhungern versuchte, versorgte sie der Cha-
morro Agihi mit Nahrung.
Die Waffen der Chamorros bestanden aus Lanzen »togtchac, an
deren Ende ein zugespitzter, mit Widerhaken versehener Bein- oder Arm-
knochen befestigt war. Der geringste in der Wunde haftende Splitter
einer solchen Lanzenspitze soll unfehlbar den Tod herbeigeführt haben,
nicht weil sie vergiftet waren, sondern weil nach der damaligen Auf-
fassung den menschlichen Knochen selbst diese giftige Eigenschaft inne-
wohnte (G. 55)! Eine solche Lanzenspitze wurde in der Höhle aa Teo
bei Tanäpag gefunden (s. Taf. II Fig. 4). Ihren eigenen Toten und den
gefallenen Spaniern und Missionaren entnahmen sie stets die Arm- und
Beinknochen zur Anfertigung ihrer Lanzen. — Zuerst überschütteten die
Mariauen den Gegner mit einem Hagel von Steinen, die sie mit grosser
Sicherheit und Gewalt aus beträchtlicher Entfernung schleuderten. Solche
Schleudersteiue »atchon-atupat« finden sich zahlreich auf allen Inseln.
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Sie sind länglichrund, an beiden Enden zugespitzt und oft sehr hübsch
abgeschliffen; die Mehrzahl ist jedoch roh vom Stein abgesprengt, immer
aber unter Wahrung der länglichen, doppelspitzigen Form (Tai*. II Fig. 1
nnd 2). Pfeil und Bogen und Schwerter hatten sie nicht, auch keine
Schutzwaffen ; erst der Chinese Choco lehrte sie eine Art fahrbarer Schilde
aus Holz herzustellen, unter deren Deckung sie bis nahe an die belagerte
Feste heranrückten und Steine und Feuerbrände schleuderten (G. 148).
Auf der Halbinsel Orote griffen die Eingeborenen die Mission an,
steckten die Kirche in Brand und entführten die Schulkinder. Der Pater,
die Katecheten und 7 spanische Soldaten flohen zum Strand, verfolgt von
den Aufstandischen. Doch wagten diese aus Furcht vor den Feuerwaffen
der Soldaten nicht, sie anzugreifen. Da erbot sich ein Chamorro Cheref
die Flüchtlinge in seinem Boot nach Hagatnia zu bringen. Mit Freuden
willigten sie ein, doch als sie im tiefereu Wasser waren, stürzte Cheref
das Boot um, das Pulver der Holdaten wurde unbrauchbar und alle
wurden getötet.
Ein Zug nach dem Süden der Insel, auf dem Agafan, Pigpug und
Talofofo zerstört wurden, entschied den Sieg der Spanier. Viele Eingeborne
wurden getötet, eine grosse Zahl floh nach Zarpaua (Rota). 1680 wurde
Quiroga Gouverneur. Er verfolgte die Aufständischen und ihre Freunde
tatkräftig und zielbewußt Die erschreckten Eingebornen halfen ihm
Halbst bei der Verfolgung, töteten ihre einstigen Führer oder lieferten
sie zur Hinrichtung aus. Rota war die Zuflucht aller Unzufriedenen.
Quiroga landete dort, verbrannte die Dörfer, tötete viele, unter ihnen
Aguarin und zwang 150 Familien zur Rückkehr nach Guahan. Er gründete
hier 6 Kirchdörfer nebeu Hagatnia: Pago, Juapean, Juarahan, Merizo»
Huniatag, Agat, zerstörte alle übrigen Orte und Höfe und zwang die
Eingebornen, sich um jene Kirchen anzusiedeln. An die Spitze der Ge-
meinden stellte er ihm ergebene Chamorros. Diese Zentralisation hatte
den gewüuschten Erfolg. Unter der ständigen Aufsicht der Priester
legten die Leute ihre alten Bräuche ab, vergassen ihre Gesänge, bekleideten
ihre Nacktheit und kamen regelmässig zur Messe; sie ehelichten lebens-
länglich und begruben ihre Toteu auf dem gemeinsamen Friedhof; die
Totenschädel verschwanden nnd die Lanzen aus Menschenbein. Sie aasen
Fleisch und bauten Mais und sündigten nicht mehr öffentlich. Aber uoch
einmal erhob sich das geknechtete Volk zu einem letzten, fast erfolg-
reichen Kampfe.
Quiroga, der gefürchtete, tatkräftige Freund der Jesuiten, wurde 1683
durch Esplana abgelöst, blieb aber unter dessen Befehl und segelte mit
einem Teil der Trappe, begleitet von 40 Canoes nach Saipan — infolge
der Unruhen der letzten Jahre hatten sich alle Priester von den Übrigen
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Inseln nach Guahan zurückgezogen. Er lief zunächst Tinian an, dessen
Bewohner unter Kaisa's Führung sich widerstandslos unterwarfen und mit
ihren Booten die Flotte verstärkten. Sie fuhren in den Hafen von
Tanapag und wurden dort von den Saipanern angegriffen, deuen es hei-
nahe gelang, die Fregatte wegzunehmen. Die Spanier und ihre Ver-
bündeten landeten unter dem Hagel der Schleudersteine und Lanzen,
schlugen die Gegner in die Flucht und durchzogen verwüstend die Insel.
Der Hauptort Alaian — vermutlich Laulan auf der Ostkuste, wo sich
ausgedehnte Trümmer befinden — wurde verbrannt, der Hauptführer
Ladahan floh nach dem Gani; so hiessen die weiter im Norden liegenden
Inaein. Dorthin segelte ein Teil der spanischen Streitmacht und unter-
warf sie ohne Mühe. Quiroga aber, den nun seine Verbündeten ver-
lassen zu haben scheinen, verschanzte sich im Süden von Saipan.
Unterdessen hatte sich auf Guahan unter der Leitung des Chamorros
Jula eine Verschwörung gebildet. Die Erfahrung hatte gelehrt, dass ein
offener Angriff selbst bei erdrückender Überzahl gegen die Feuerwaffen
des Feindes erfolglos blieb. Nur 60 entschlossene Männer kamen daher
eines Sonntags mit verborgenen Waffen zur Kirche nach Hagatnia. Am
Schluss der Messe fielen sie über die Spanier her, töteten 45 Soldaten
und einige Priester und verwundeten schwer den Gouverneur. Da fiel
Jula, ihr Führer, und wie stets in ihren Kämpfen der kleinste Erfolg des
Gegners sie zum Wanken brachte, so kostete sie auch dieser Unfall den
Sieg, den sie schon in Händen hatten nnd rettete die Spanier vor völliger
Vernichtung. Die Überlebenden gewannen Zeit sich zu sammeln, der
ihnen treue Chamorro Hineti eilte mit seinen Leuten zu Hülfe und ver-
trieb die Aufständischen.
Auf die Kunde von diesen Ereignissen wurden die Priester Angelis
in Ritidian, Borau ga in Rota und Strobach in Tinian, dieser nebst 16
spanischen Soldaten ermordet. Die Männer von Tinian verbrannten die
dort verankerte Fregatte Quirogas und zogen mit denen von Rota nach
Saipan. Quiroga schlug ihre Angriffe zurück und kehrte, als er endlich
von den Vorfallen auf Guahan erfuhr, auf 8 Kanos dahin zurück; 3 von
diesen gingen unter, ihre Besatzung rettete sich nach Tinian, wurde dort
gut aufgenommen und nach Guahan gesandt.
Das Verhalten der Bevölkerung von Tinian zeigt, wie sehr dieses
Volk von den Stimmungen des Augenblicks beherrscht wurde, die ein
planmässiges, folgerichtiges Handeln vereitelten. Im Laufe eines Jahres
hatten sie sich mit Quiroga gegen Saipan verbündet, dann die spanische
Besatzung getötet und sich mit Rota und Saipan gegen Quiroga ver-
einigt und schliesslich wehrlose Spanier hilfreich aufgenommen; sie unter-
warfen sich beim Anblick der spanischen Streitmacht, empörten sich auf
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die Kunde von dem Unglück der Spanier in Guahan und unterstützten
diese wieder, als ihr Anschlag auf Saipan erfolglos geblieben war.
Auf 5 Booten kehrten die 25 von Quiroga nach dem Gani geschickten
Soldaten mit dem Pater Coomans nach Saipan zurück; auf ein verab-
redetes Zeichen brachten die eingeborenen Führer die Fahrzeuge zum
Kentern und nur 5 Soldaten und Coomans konnten sich nach Alamugan
retten; doch auch dieser wurde bei seiner Rückkehr nach Saipan ermordet.
Die Ankunft Quirogas auf Guahan entschied den Kampf zu Gunsten
der Spanier, jedoch wieder eine andere Gefahr tauchte auf: Die Führer
Esplana und Quiroga waren uneinig nnd eifersüchtig aufeinander, die
Priester wirkten gegen den ihnen nicht genehmen Gouverueur, die Truppe
war demoralisiert. Nach dem Weggänge Esplanas empörten sich die
Soldaten und setzten Quiroga gefangen, die Tagaleu hielten es mit den
Eingebornen. Nur mit Mühe wurde die Ordnung wieder hergestellt.
1694 wurde Quiroga wieder Gouverneur uud vollendete nun sein Werk
der Centralisation, deren Folge die Entvölkerung aller Inseln ausser
Guahan und Rota uud die Vernichtung der Eingeboruen war. 1695
wurden alle Bewohner von Tinian, die sich auf das schwer zugängliche
Agiguan geflüchtet hatten, nach Guahan und die des Gani nach Saipan
gebracht. Auch diese mussten 1698 sich in Guahan ansiedeln.
Was der Krieg nicht vernichtet hatte, das rafften nun Seuchen und
Hungersnot weg, als natürliche Folgen der veränderten Lebensweise und
der Zusammendränguug des Volkes.
1688 schleppte ein Schiff aus Mexiko eine Seuche ein, von der
Niemand verschont blieb: »uue espece de rheume, aecompagne de fievre
et de flux de sang«, >alle Kranken aber, die auf den Rat des Paters
Schurtnoysen Weihwasser tranken, genasen« (G. 376).
1700 raffte eine furchtbare Seuche fast die ganze Bevölkerung
weg (C).
Nach dem Berichte des Paters Bowens von 1706 starben viele
Hungers (J. 193) uud 1710 waren nur noch 3678 Eingeborene übrig
von den mehr als 100 000, die nach der Schätzung des P. Sanvitorcs bei
seiner Ankunft im Jahre 1G68 hier lebten. Blumentritt (Alv. 137) meint,
man dürfe den vagen Schätzungsberichten der Missionare keinen hohen
Wert beimessen; die hohen Zahlen seien in jenen Berichten am Platze
gewesen, nin den Rat von Indien den Plänen der Jesuiten gefügig zu
machen. Dum Kenner der Inseln aber erscheint jene Schätzung nicht zu
hoch. Auf jedem Schritte, bis in die Gipfel der Gebirge stösst man auf
Gefässtrünimer, Muschelrcste, Steinmörser. Zahlreiche Steinsäulen zeigen
die Orte, wo einst die Häuser der Vornehmen standen, die Masse des
Volkes wohute in niedrigen, nun natürlich spurlos verschwundenen Hütten.
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In den Felsen und Balkenwänden deuten zahlreiche rauchgeschwärzte
Höhlen auf ganze Städte der Armen, und wer auf den elenden, fast un-
zugänglichen Felsen Medinilla, Assongsong, Mang die Spuren der Alten
gesehen, ist überzeugt, das fruchtbare Inseln wie Guahan, Saipan, Tinian,
Rota fast übervölkert gewesen sein müssen. Übrigens sind die Schätzungen
der Missionare nicht vage, sondern durch die Angabe der Dörfer- und
Häuserzahl belegt.
Um so furchtbarer erscheint uns das Ergebnis dieses Kreuzzuges, der
unter dem liebreichen Wahlspruch geführt wurde: Es sterbe der Hund,
der kein Christ sein will!
Dem Morden folgte eine fast 200 jährige Grabesstille; denn wie in
allen ihren Kolonien vermochten die Spanier wohl zu erobern und zu
zerstören, nicht aber aufzubauen.
Der Handel der Philippinen, wie überall monopolisiert und daher
keines Aufschwunges fähig, beschränkte sich auf die jährliche Entsendung
eines mit Waren beladenen Schiffes von Manila nach Acapulco; auf der
Rückreise lief dasselbe dann Guahan (Umatag) an, brachte Geld und
Truppen von Mexiko. Die Besatzung bestand aus 150 Mann, 2 Kom-
pagnien Spanier und 1 Kompagnie Philippiner unter einem Major. Der
Gouverneur, gewöhnlich im Oberstenrang, und sein Beamtenstab verfolgten
ihren persönlichen Vorteil in derselben Weise, wenn auch in geringerem
Umfang, als die Philippinen-Gouverneure: sie waren die einzigen Händler
in Einfuhrwaren, der Sold der Truppen floss in ihre Tasche (C.).
1811 fuhr die letzte »Nao« von Manila nach Acapulco.
Gouvernement und Mission hatten ausgedehnte Güter, auf denen
Landwirtschaft und besonders Viehzucht getrieben wurde; neben Rindvieh,
Schweiueu und Hühnern wurden auch Pferde, Esel und Maultiere ge-
züchtet. Auf Tinian beßndet sich heute noch eine Herde verwilderten
Rindviehes von etwa 800 Stück, die aus jener Zeit stammt, auf Rota,
Tinian, Saipan zahllose Wildschweine, auf Guahan und Rota Philippinen-
hirsche.
Im vergangenen Jahrhundert dienten die Marianen als Verbannungs-
ort für politische und Strafgefangene.
Öfters schon wareu durch die herrschenden Ostwinde Eingeborne
vou den mittleren Karolinen nach Guahan verschlagen worden.
Finsch (Carolinen und Marianen S. 40) hält es für sicher, dass die
Bewohner gewisser Karolineninseln von jeher Fahrten nach Quam (Waghal)
unternommen hätten, ein Verkehr, der mit der Vernichtung der Marianer
durch die Spanier sein Ende fand. Der sehr zuverlässige Le Gobien er-
wähnt nichts hiervon, sagt vielmehr S. 396 bei Schilderung der unfrei-
willigeu Ankunft einiger Karolinen- Boote: »Quoique ces Isles ne soient
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pas eloignees des Marianes, ces Insulaires n'ont aucun commerce avec les
Marianois«. 1815 baten eine Anzahl von Karolinern um die Erlaubnis,
sich hier niederlassen zu dürfen, da ihre Insel durch einen Sturm ver-
beert worden sei. Der Gouverneur gestattete ihnen die Ansiedlung auf
Saipan mit der Bedingung, dass sie auf ihren Booten regelmässig Fahrten
über Tinian nach Gnahan machten und das auf jener Insel bereitete
Salzfleisch nach Hagatnia brächten.
In den Jahren 1865—69 wurden über 1000 Karoliuer in Guahan,
Tinian, Pagan angesiedelt, um bei der Kopraernte als Arbeiter zu dienen.
Etwa seit jener Zeit ist die Eopra als Ausfuhrgut von stetig wachsender
Bedeutung für die Marianen geworden.
In den Jahren 1823 bis 1850 liefen jährlich bis zu 30 englische
und amerikanische Walfischfanger die Marianen — Guahan, Tinian,
Saipan — an, um sich mit Lebensmitteln für ihre Meisen zu versehen;
seitdem aber die Wale sich nach dem Norden verzogen, erscheinen nur
etwa 3 oder 4 Schiffe jährlich hier, auf ihrer Reise nach dem Behringsmeer.
1898 wurde Guahan von den Vereinigten Staaten dnrch Überrumpelung
der Spanier genommen, die von dem ausgebrochenen Krieg keine Kenntnis
hatten. Am 17. November 1899 übernahm das Deutsche Reich die übrigen
Inseln, nachdem vorher sieben Monate lang das Spanien treu gebliebene
Philippiner-Bataillon der Macabebe auf Saipan eine harte Willkür-Herr-
schaft ausgeübt hatte.
Die Namen der Inseln.
Einen Eingeborenen - Namen für den ganzen Inselbezirk giebt es nicht.
Magallan es nannte sie 1521 «Sankt- Lazarus-Inseln« und »Ladronen«,
Legaspi 1563 »Inseln der Lateinsegel«.
Seit 1668 heissen sie »die Marianen«. Die einzelnen zu der Gruppe
gehörigen Inseln heissen von Süden nach Norden:
1. Guahan, heute Guam; amerikanisch seit 1898.
Hauptstadt Hagatnia (Agana); Dörfer: Sumai, Asan, Piti, Agat,
Umatag, Merizo, Inaraban, Pago.
2. Sätpana oder Luta, heute Rota,
3. Agiguan,
4. Tinian,
5. Saipan; Hauptort Garapan; Dorf Tanapag.
6. Medinilla, benannt nach dem Gouverneur M. im Jahre 1812;
war den Missionaren unbekannt, aber nach vorgefundenen Resten
von Chamorros bewohnt oder besucht; vielleicht identisch mit
einer von einigen Seefahrern genannten Insel Botaha.
7. Anatahan,
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8. Sarigan,
9. Güguan,
10. Alamägan,
11. Pagan,
12. Agrigan,
13. Assöng9ong,
14. Maug oder Mang oder Tanas (fälschlich Uracas!),
15. Urakas (Farallon de Pajaros).
No. 7 — 15 wurden von den Alten das »Gani« genannt; dieses Wort
erscheint in der letzten Silbe der Inselnamen 7 — 12 und bedeutet das Auf-
fabren eines Schiffes auf Felsen, diese Inseln haben aber keine Riffe und
keinen Strand. Songsong b eiset Dorf, Assongsong sich in einem Dorfe
vorübergehend niederlassen; es könnte auch bedeuten: as Songsong, dem
Songsoug (alte Ghamorrofamilie) gehörig. Sanvitores taufte die Insel
Assumpcion, wir ziehen die alte Benennung vor.
Maug heisst das Loch, Mang = Vulkan, Tunas steil: Ein Kraterrest,
3 kleine Inseln die das »Loch« einschliessen, und deren Wände »steil«
in das Meer stürzen. Falsch ist die auf den Karten übliche Bezeichnung
»Uracas« für diese Insel: Das ist der alte Name für den Farallon de
Pajaros. (s. G. S. VI: Maugou Tunas est composee de 3 rochers . . . .
eile est ä 5 lieues de Urac, la derniere et la plus septentrionale de ces
lsles.)
Die Marianen bildeten und bilden ethnographisch ein einheitliches
Gebiet. Rota könnte man vielleicht hervorheben als diejenige Insel, auf
welcher die Eingebornen Blut, Sprache und Sitten verhältnismässig am
reinsten erhalten haben.
Bevölkerung.
»Man weiss nicht, wann diese Inseln sich bevölkerten, noch woher
das Volk stammt. Da sie etwa dieselben Neigungen und dieselben Vor-
stellungen vom Adel haben wie die Japaner, so glauben einige, dass diese
Menschen aus Japan einwanderten, das nur 6—7 Tagereisen von hier
entfernt ist. Andere meinen, dass sie von den Philippinen und deren
Nachbarinseln kamen, da ihre Gesichtsfarbe, Sprache, Sitten und Regierungs-
form viele Ähnlichkeit mit denen der Tagalen zeigt. Es scheint, dass
sie von beiden Ländern stammen, und dass diese Inseln durch sturm-
verschlagene, schiffbrüchige Japaner und Tagalen bevölkert wurden.c
(G. 45.)
»Diese Inseln sind sehr bevölkert Allein auf Guahan rechnet man
30 000 Einwohner, auf Saipan und auf die übrigen Inseln im Verhältnis
ogle
- 37
(ihrer Grosse) etwas weniger. Sie sind voller Dörfer in der Ebene and
im Gebirge, einige von 100 uud 150 Häusern.« (G. 46.)
Hagatnia hatte bei der Ankunft der Missionare 53 Haupthäuser und
etwa 150 kleinere, getrennt davon liegende. Die übrigen Ortschaften
bestanden an der Küste aus 50 — 150, im Gebirge aus durchschnittlich
20 Häusern. Man zählte 180 Orte von mehr als 20 Häusern. (G.)
Rechnet man auf jedes nur 5 Bewohner, so ergiebt sich eine Mindestzahl
von 18 000 Einwohnern. Hierzu kommt aber noch das Mehr der grösseren
Orte, sämtlicher Dörfer von weniger als 20 Häusern und die zahlreichen
alleinstehenden Gehöfte; ferner die ledigen Männer, die in jedem Dorf
ihr gemeinsames Haus hatten. Die Schätzung Guahans zu 30 000 Ein-
wohnern erscheint daher keineswegs übertrieben.
Nach achtmonatlicher Missionstätigkeit betrug die Zahl der Getauften
— anf allen Inseln zusammen — 13 000, die der Katechumenen mehr
als 20000, darunter 4000 Getaufte allein auf den im Verhältnis unbe-
deutenden Gani-Inseln; »bis 1672 waren an 50 000 getauft«. (G. 167.)
Ferner sind, wie oben erwähnt, die Hauptinseln Guahan, Saipan,
Tiniau, Rota übersät mit den Resten der früheren Besiedlung; man rindet
sie am Strunde und hoch im Gebirge, im Busch nnd in den Savannen,
die (wie die »capoeira« in Brasilien) nichts sind als verlassenes Ackerland.
Wir dürfen daher der Missionsgeschichte, die auch in jeder anderen
Hinsicht sich als zuverlässig erweist, glauben und die Bewohnerzahl der
Marianen im Jahre 1668 zu 100 000 annehmen.
Dann kam der verheerende Glaubenskrieg, die gewaltsame Entvölke-
rung fast aller Inseln, die Zusammendrängung der Eingeborenen in
wenigen Städten auf Guahan und als Folge Hungersnot und Seuchen.
»Die Männer zogen den freiwilligen Tod dem Joch der Spanier vor, die
Frauen machten sich unfruchtbar oder warfen ihre Kinder ins Wasser«.
(J. 69.)
1710 gab es noch 3678, 1760: 1654, 1790: 1639 Marianer. Neben-
her hat sich aas den Heiraten der Spanier und Tagalen mit eingebornen
Frauen, die von den Priestern gefördert wurden, ein Mischvolk gebildet,
das die reinen Eingeborenen an Zahl bald übertraf: 1790 zählte man
neben 1639 Marianern schon 1825 Mestizen und Philippiner, 1825: 2683
und 3218. Von da ab gaben sich die Mestizen für Eingeborne aus, um
wie diese steuerfrei zu bleiben.
1815 wanderten Karoliner aus Ruk ein und Hessen sich in Saipan
nieder. In den Jahren 1865—1869 wurden über 1000 Arbeiter aus
Lamotrek, Satawal und Elato auf Pägan, Saipan und Guam (Tamunig)
angesiedelt, solche aus ünane, Bizerrat und Unon in Tinian bezw. Tanäpag.
Die iu Guam wohnhaften kamen, über 100, im Jahre 1901 alle nach
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Saipan. Sie bewahren die Sitten ihrer Heimat in Kleidung, Gesängen
und Tanzen .und ihre Sprache. Sie wohnen getrennt von den Chamorros,
die sich für höherstehend halten, Heiraten zwischen beiden Stämmen
sind selten. '
In den 60 er Jahren kamen 89 Chinesen nach Guahan, sie legten im
Laufe der Zeit ihre Zopfe ab, heirateten Eingel orene und — eine seltene
Erscheinung! — ihre zahlreichen Nachkommen zerflossen unter den
Chamorros; in Saipan sind einige Japaner mit Chamorro-Frauen ver-
heiratet, sie selbst und ihre Kinder rechnen sich zu den Chamonos.
Die Einwohnerzahl aller Inseln betrug 1854: 9065; Die Blatteru-
seuche des Jahres 1856 raffte in Guahan allein 3463 hin.
Die Zahl betrug 1856: 4724, 1865: 5088; 1887 : 9680. 1902:
10000 in Guam (nach Schätzung der Amerikaner) + 2401 auf den
deutschen Inseln. Die folgende Tafel veranschaulicht die Bevölkerung
der deutschen Marianen nach dem Staude am 1. April 1902.
Chamorros
Karoliner
Fremde
Summa
. J Gärapan
| Tanäpag
Tinian
Rota
Sarigan
Alamagan
Pagan
Agrigan
891
76
36
440
7
6
35
14
524
97
59
49
1
2
102
18
42
1
1
1457
174
95
490
8
8
137
32
1902;
1901:
1900:
1505
1330
1302
852
772
700
44
30
36
2401
2132 *
1938
Vermehrung 1900-1902
203
152
8
463
durch
a) Einwanderung
b) Geburteuüberschuss
100 im Jahr©
i90l aus Guarn
zugewandert
385
78
Am 1. April 1903 waren vorhanden: 1611 Chamorros, 895 Karoliner,
41 Fremde.
Das Verhältnis der männlichen zur weiblichen Bevölkerung ist bei
beiden Stämmen 47 : 53%.
1900 kamen auf 112 Geburten 56 Todesfälle.
1901 „ „ 89 „ 61
1902 „ „ 83 „ 54
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— 39
Die Kindersterblichkeit im ersten Lebensjahre ist bedeutend und
hängt offenbar mit der ungeschulten Geburtshilfe zusammen. Die ame-
rikanischen Arzte in Guam teilten mir mit, dass sie durch einen Heb-
ammenkursus eine ganz auffallende Verminderung der Kindersterblichkeit
erreicht hatten.
Die Chronik verzeichnet folgende Seuchen: 1688 schleppte ein Schiff
aus Mexiko »eine Art Katarrh (rheume) ein, begleitet von Fieber und
»flux de sang«, von dem niemand verschont bliebe. (G. 376.)
Um 1700 raffte eine nicht näher beschriebene Epidemie fast alle
Eingebornen weg (C).
1849 starben an 200 Personen, besonders junge Frauen, keine Kinder
und nur wenig ältere Leute an Faulfieber (Kirchenchronik).
1855 an Keuchhusten 200 Kinder bis zu 6 Jahren. 1856 schleppte
ein amerikanisches Schiff infolge grober Nachlässigkeit des spanischen
Arztes die Blattern ein. Von März bis Oktober starben 3463 Personen.
Man impfte mit Menschenlymphe, ein Verfahren, das den Chamorros der
Marianen ebenso wie den Bewohnern der Philippinen von alters her be-
kannt gewesen sein soll! (J. 71).
1861 Masern, an denen 50 Kinder starben.
1898 Keuchhusten, dem allein in Hagatnia an 100 Kinder zum
Opfer fielen.
1899 Influenza »Katarrh mit Fieber und Schmerzen im Genick, die
sich bis zu den Hüften fortpflanzten, Atem- und Schlingbeschwerden«.
Diese Krankheit ergriff besonders junge Leute von 18 — 30 Jahren, breitete
sich auch auf den anderen Inseln (zumal in Rota) aus und Hess vielfach
Lähmungen der Extremitäten zurück.
In früheren Jahren soll es zahlreiche Leprose auf den Marianen ge-
geben haben, deren grösster Teil aber 1856 von den Blattern hingerafft
wurde. Sie waren in Tinian isoliert, später in Pajo auf Guahan, wo
man 1890 noch 110 Aussätzige zählte. Zweifellos wurden auch viele
andere Hautkrankheiten der Lepra zugerechnet, besouders wohl Lupus,
der nicht allzuselten vorkommt und Frambösie, die unter den Kindern
und jungen Leuten sehr verbreitet ist.
Auf Guahan sind z. Z. 25 Aussätzige in Tumhom interniert, während
auf den deutschen Inseln der einzige ärztlich festgestellte Fall 1901 durch
Tod endete. —
Wir haben es auf den Marianen mit zwei verschiedenen Volksstämmen
zu tuu; den mehr oder minder reinen Nachkommen der von den Spaniern
hier vorgefundenen »Chamorros« und den erst neuerdings zugewanderten
Karolinern. Das Nachstehende bezieht sich, wenn anderes nicht ausdruck-
lich erwähnt wird, ausschliesslich auf die Chamorros.
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I
- 40 -
Der Name soll von dem portugiesischen »chamorro« kommen uifd
sich auf die Haartracht der alten, von den Portugiesen Magallan's ent-
deckten Eingebornen beziehen: sie Hessen auf dem Scheitel des kahlr
geschorenen Kopfes nur eiwn kleinen Schopf stehen; chamorro heisst im
Portugiesischen »bartlos« und wurde als Spottname zwischen Spaniern
und Portugiesen gehraucht. Das Wort könnte aber sehr wohl ein ein-
heimisches sein, wenn man nur ein 1 an Stelle des r setzt, welches die
Missionare sonderbarerweise regelmässig in Chamorroworten da gebrauchen,
wo die Landessprache, welche kein r kennt, heute 1 setzt, tchamo-li
würde heissen: schaue nicht; oder tchä-manley: nicht gut. Übrigens
nannte sich der alte Adel nicht Chamorro, sondern Chamorris, eine Be-
zeichnung, welche sich schliesslich alle Eingeborenen, auch die Plebejer
beilegten. Blumentritt (Alv. 138) irrt, wenn er annimmt, dass mit dem
Namen »Chamorro« die Mestizen bezeichnet wurden: das Gegenteil war
der Fall, man unterschied früher Chamorros (d. h. reine Eingeborne) und
Mestizen.
»Die Eingebornen sind von brauner Hautfarbe, aber heller als die
Philippiner. Sie sind stärker und kräftiger gebaut als die Europäer, vou
hohem Wuchs und ebenmässiger Gestalt. Obgleich sie sich nur von
Wurzeln, Früchten und Fischen nähreu, sind sie dick, als wären sie auf-
gebläht, trotzdem aber flink und geschmeidig.« (G. 45.)
Diese Schilderung Le Gobiens' trifft noch heute zu, vornehmlich in
bezug anf die Bewohner liotas und der Laudorte Guahans; aber auch
in dem stark mit fremdem Blut durchsetzten Hagatnia ist dies der Typus.
In Rota fand ich nntcr 30 Schulkindern die Kopfform: oval bei 12,
breit bei 18. Backenknochen vorspringend bei 8, nichtvorspringeud bei
22. Nase: stumpf, sehr breit an der Wurzel bei 28. Augen: geschlitzt
und schräg bei 27, dunkelbraun bei 16, schwarz bei 10, hellbraun 4.
Haar: schwarz bei 18, dunkelbraun bei 10, hellbraun 7, durchweg straff,
bei einem kraus.
Entsprechend ihrer zu stumpfsinniger Träumerei neigenden Gemüts-
art ist das Auge ausdruckslos; den Abkömmling des Tagalen erkennt mau
hingegen sogleich an dem lebhaften Gesichtsausdruck.
Wohn platze, Häuser.
In bezug auf die Wohnplätze und Dörfer der Alten verweise ich
auf das oben Gesagte. Die auf fast allen Inseln im Walde und in der
Savanne zerstreuten Steiusäuleu bestätigen die Angaben der Missionare.
Diese Ruinen bezeichnen aber nur die einstigen Wohnorte der Vornehmen
oder der wohlhabenden Plebejer; die Masse des Volkes wohnte in Hätten
aus Holz und Palmblättern, und zahlreiche Mahlsteine aus Basalt oder
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— 11 -
Kalkstein deuten auf ihre früheren Standorte. Fast alle Höhlen des
Kalkgebirges waren bewohnt; manche mögen nur vorübergehend während
der spanischen Verfolgung benutzt worden sein. Bei Tanäpag ist eine
»calaberas« (Schädel) genannte Felswand in der Nähe eines grosseren
Trümmerfeldes, deren Höhlen mit Menschenknochen angefüllt sind. Sie
sind zwischen Schichten gebrannten Kalkes gebettet und daher vermodert.
Wir haben hier, da die Alten ihre Toten einzeln beerdigten, die Schädel
als Talisman in ihren Häusern aufbewahrten, Bein- und Armknochen
aber zu Lanzenspitzen verwendeten, nicht eine Begräbnisstelle der alten
Eingebornen, sondern vermutlich ein von den Spaniern ihnen bereitetes
Massengrab vor uns. In derselben Felspartie fand ich aber eine wirkliche
Höhlenwohnung: etwa 10 m über dem Erdboden, schwer zu ersteigen,
zuuächst eine ranchgeschwärzte Nische, an die sich eine an der Mündung
etwa 1,50 m hohe, nach hinten sich verengende Höhle anschliesst In
ihr fand ich ein Stück Schmiedeeisen nnd einen eingekerbten, zum Trage
stopk hergerichteten Bambuspfahl. Im Eingang waren — zum Schutze
der Bewohner — etwa 12 Totenschädel aufgestellt, von denen mehrere
auf der linken Schläfe, vielleicht durch Säbelhiebe, zertrümmert waren.
Eine andere grosse Tropfsteinhöhle, nicht weit von der genannten, hoch
wie eine Kirche, im Durchmesser etwa 40 m gross, muss lange Jahre
als Aufenthalts- oder Versammlungsort gedient haben, denn im Eingang
befindet sich eine meterhohe, ausgedehnte Aschenscbicht. In dieser Höhle
wurden eine Lanzenspitze ans Menschenknochen (s. Fig. 3) und zwei
Muschel-Signalhörner gefunden. Im Hintergrund ist ein nach der Fall-
höhe 70 m tiefes, im Durchmesser wohl 15 m breites Loch, in welchem
mit Sicherheit zahlreiche Geräte und Gerippe vermutet werden dürfen.
Ein Hinabsteigen ist aber nur mit Vorrichtungen möglich, die mir nicht
zur Verfügung stauden.
Ausser dem Haupteiugang hat diese Höhle, die As Teo heisst, einen
niedrigen Seitengang. In Jnai i lagua, gleichfalls im Norden von Saipan,
ist eine an 70 m hohe Felswand mit zahlreichen kleineren und grösseren
rauchgeschwärzten Höhlen, davor befindet sich ebenes Bnschland mit
Gefä8strüinmeru, Mahlsteinen und gabgab (Aroru, tacca pinnatifida,
Kulturpflanze der alten und der heutigen Chamorros).
Auch im Süden der Insel, in Naftan sind ausgedehnte, einst bewohnte
Höhlen.
»Wegen der Entfernung der einzelnen Häuser und der Unzahl kleiner
in den Bergen und den unzugänglichsten Orten zerstreuten Dörfer war
es schwierig, die Leute zum Unterricht zu versammeln. Um diesem Miss-
stand abzuhelfen, teilte Quiroga die Insel (Guahan) in sechs Bezirke, drei
im Norden und drei im Süden ; eiuen siebenten Zentralbezirk verlegte er
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zwischen diese in die Mitte der Insel. Jedem Bezirke schloss man eine
Anzahl Gehöfte und kleiner Dorfer au und schnf so grosse Kirchdörfer,
die sich rascher bevölkerten als man gehofft hatte.« (G. 281). Wir haben
gesehen, wie diese Zentralisation zum Untergange des Volkes führte.
Heute sind auf Guahan neben der Hauptstadt Hagatnia mit etwa
6000 Einwohnern noch die Dörfer Snmai auf der Halbinsel Orote, Agat,
Umätag (die alte Hafenstadt), Merizo, Jnarähan, Pago, sämtlich auf der
südlichen Hälfte der Insel und am Strande gelegen mit kleinen Häfen.
Auf der nördlichen Hälfte sind keine dorfabnlichen Niederlassungen, wohl
aber, wie auch im ganzen Inuern der Insel zahlreiche Einzelgehöfte.
Längs der etwa 10 kra langen Strasse von Hagatnia nach dem Hafen
Piti liegen gruppenweise und einzeln viele Eingebornenhäoser und die
Orte Asan und Tepungan. Die genannten Dörfer haben zwischen 600
und 200 Einwohner, das grösste, Merizo, 800.
Die zweitgrosste Insel Saipan besitzt zwei geschlossene Ortschaften:
Gärapan mit 1601 und Tanäpag mit 197 Einwohnern. Auch hier sind
allenthalben, über die ganze Insel zerstreut, zahlreiche Einzelhütten, die
zum teil standig, zum teil nur während der Feldarbeiten von den sonst
im Dorfe sesshaften Eingebornen bewohnt werden. Die übrigen Inseln
haben, soweit sie überhaupt, bevölkert sind, je eine geschlossene Nieder-
lassung am Strande.
Die Strassen dieser, sämtlich in spanischer Zeit angelegten Ort-
schaften sind gerade und schneiden sich rechtwinklig, die Richtung der
Hauptstrassen ist in Gärapan Nord-Süd. Iu Hagatnia und Gärapan sind
die Gehöfte durch Zäune oder Mauern gegen die Strasse und die Nach-
barn abgeschlossen. Die Breitseite der Häuser zeigt nach der Strasse,
sie sind 10 — 15 m voneinander entfernt; hinter dem Hause steht die
Küche als besonderes Gebäude, meist ist auf dem Hofe noch ein Brunnen
mit schlechtem Brackwasser, zuweilen kleine, schlecht gepflegte Gärtcben
oder Saatbeete für Tabak. Strassen, Haus und Hofräume sind reinlich,
solange die Behörde mahnend und strafend darauf dringt.
Gärapan hat 211 Wohnhäuser, von denen 144 von Chamoiros, 67
von Karolinern bewohnt werden. Es leben durchschnittlich in einem
Hause: 6 Chamorros, bezw. 9 Karoliner.
Bevor wir das heutige Ghamorrohaus betrachten, sei mir gestattet,
dasjenige der Alten nach den Berichten der Zeitgenossen, und seine
Ruinen nach eigener Beobachtung zu schildern (Taf. I, Fig. 2, 3, 4, 5).
»Ihre Häuser sind behaglich; erbaut aus dem Holz der Kokospalme oder
des Palo-Maria (Calophyllum inophylluui DG) Jedes Haus hat vier
Räume, die durch Matten aus verflochtenen Kokosblättern voneinander
getrennt sind. Diese Räume siud reinlich und jeder hat seinen be-
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_ 13 -
stimmten Zweck; der erste dient zum Schlafen, der zweite zum Esseu,
der dritte als Vorrats- und der vierte als Arbeitsraum. Auch das Dach
besteht aus Kokosblätternt. (G. 62.)
So beschaffen waren aber sicherlich nur die Hänser der Reichen und
Vornehmen. Die Menge wird anter Dächern gewohnt haben, die un-
mittelbar auf der Erde standen und in dem ungeteilten Raum wurden
Schlafmatten auf die Erde gebreitet, wie in vielen Fallen heute noch:
denn Bäume zu fallen mit Stein- und Muschelwerkzeugen, die das Dach
trugen und den Fussboden erhöhten, war eine harte Arbeit und wohl
auch der Grund für die Verwendung der Steinsäulen an den vornehmeren
Häusern. (Taf. I, Fig. 4.)
In Bericl ten über Tinian (Deutsches Kolonialblatt 1901 S. 150),
Rota (Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebieten XIV S. 194) und
die nördlichen Marianen (XV S. 96) habe ich mehrere jener Ruinen be-
schrieben. Am häufigsten sind es 2 parallele Reihen roher, in den Boden
eingegrabener, */*— 1 m hoher Korallenfelsen, gewöhnlich 5 in jeder
Reihe, die unter sich lVj m und vom gegenüberliegenden 3 m entfernt
sind. Oft ruhte auf jedem dieser Pfeiler ein jetzt abgestürzter rundlicher
Korallenblock.
Vielfach bestehen die Pfeiler aber aus sehr regelmässigen, vierkantigen,
nach oben sich verjüngenden Säulen, auf denen je ein halbkugeliges
Kapital ruht. In einem Falle in Rota waren die Säulen durch rundliche
Mauerstücke — etwa von der Form der Grabsteine auf jüdischen Fried-
höfen — vertreten, in einem andern Falle stand einer Säulenreihe eine
gleich hohe Mauer gegenüber mit schmalen, nach unten sich verjüngenden
Öffnungen, auf denen wieder die Kapitale rnhten. — In Alamagan und
Pägan (Vulkaninseln, also häufigere Erdbeben!) lehnen schwere, bis zu
etwa 7s ihrer Höhe eingegrabene Basaltplatten schräg an den Basalt-
säulen. Sonst ist das Material dieser Bauwerke grobkörniger Sandstein,
nicht etwa Mauerwerk. Die Säulen sind nicht fundamentiert. Die
Grössenverhältnisse einer Hausruine in Halum anite auf Rota sind folgende:
Reihenabstand 3,75 m; je 6 Säulen (zusammen also 12); Abstand von
Säulenmitte zu Säulenmitte 3,90 m; Querschnitt der Säulen 0,96 X 0.65 ro,
Höhe 1,70 m, nach oben sich verjüngend. Kapitäl-Durchroesser 1,86 m,
Höhe 1,35 m.
Berühmt durch ihre Grösse sind die Säulen von Tinian, das HaUB
des Taga, eines christlichen Chamorros: 2 Säulenreihen von je 6 Säulen.
Reihenabstand 4,22 m; Säulenabstand 3,60; Querschnitt der Säulen unten
1,45 X 1,10 m, oben 1,20 X 0,85 ra; Kapital-Durchmesser 2,45 m, Höhe
1,66 m; Höhe der Säule 4,10 m, mit Kapital 5,76 m. Vor der Längs-
mitte der Ruine liegt aas 3 excentrisch und stufenförmig übereinander-
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gelegten runden Steinplatten bestehend, der Sockel des Kreuzes, welches
alle Christen Wohnungen auszeichnete. 1855 standen noch 9 der Säulen
aufrecht, 1900 noch 5, das grosse Erdbeben vom 22. September 1902 bat
auch sie gestürzt bis auf die eine, auf welcher sich die Grabhöhlung der
Tochter des Taga befindet, die er hier einst in Heisuiehl beerdigte 1 ).
Wie mögen die Alten diese gewaltigen, viele Tonnen schweren Säulen
und Kapitale aufgerichtet haben? Man kann sich dies etwa so vorstellen,
dass sie zuuächst an ihren künftigen Standorten Erdhügel von der Höhe
der Säulen aufwarfen mit steilem Absturz nach jenen Standorten und
sanftem Anstieg nach der entgegengesetzten Seite. Dann wurde auf
Walzen die fertige Säule den Hügel soweit hinauf befordert, bis sie auf
der steilen Seite umkippte. In derselben Weise wurde sodann das Kapital
aufgesetzt.
In der beigefügten Zeichuung (Taf. I, Fig. 2) habe ich versucht, ein
altes Chamorrohaus darzustellen. Die schweren Kapitale hatten den Zweck,
das Haus gegen die hier so häufigen Stürme zu sichern. Heftige Erd-
beben sind auf den südlichen Marianen selten, die Geschichte meldet nur
ein grösseres im Jahre 1849, das von dem des Jahres 1902 weit über-
troffen wurde. Doch müssen schon vorher schwere Erdbeben statt-
gefunden haben, denn fast alle höheren Säulen sind seit langer Zeit um-
gestürzt. Auch auf den aus tatigen oder kaum erloschenen Vulkanen
bestehenden Nordinseln sicherten sich die Alten durch das oben ange-
gebene Anlehnen von Basaltplatten an den Unterbau ihrer Wohnungen.
Der Raum unter den Säulen diente bisweilen zur Aufbewahrung
der Boote.
*>. . . Es ist erwiesen, dass die Edlen zur Zeit der Eroberung in
Häusern wohnten, die auf hohen und festen Säulen aus Mauerwerk
ruhten. In einer glaubwürdigen Urkunde heisst es, dass sie ausserdem
andere, öffentliche Gebäude in Form von Säulenhallen besassen, um ihre
Fahrzeuge aufzubewahren. In dem grössten dieser Häuser in der Nähe
des Hafens von Guahan, wo die Flotte Legaspis Wasser einnahm, waren
4 Fahrzeuge; es war kreuzförmig, mit grossen Säuleu aus Mauerwerk
und während des elftägigen Aufenthaltes der Hotte wurde Messe darin
abgehalten«. (V. 440.)
Die Zahl der Säulenpaare, nämlich füuf, entspricht der von Le Gobien
berichteten inneren Einteilung des Hauses in 4 Räume. Ein bei den
grösseren Gebäuden vorhandenes sechtes Säulenpaar hat vermutlich einen
verandaartigen Vorbau getragen, den man noch heute bei den meisten
Chamorro-Hänsern findet.
') Ah. 136 „die Toten werden nicht in der Erde begTaben, sondern in Mauer-
nischen eingemauert". R. H.
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45 -
Bei dem heutigen Cbamorrohaus (Taf. I, Fig. 1) sind' an die
Stelle der Steingaden zwei Reihen von je 5 Holzpfeilern »alike« getreten.
Sie tragen das Dach »atoft ans geflochtenen Kokosblättern und bilden
den Rahmen für die aus demselben Material oder aus Rohrgeflecht be-
stehenden Wände. Etwa 1 meter über der Erde ist an den Pfeilern der
Fussboden »sadgec aus Latten von Betelpalmholz oder aus Brettern be-
festigt, der ausserdem noch durch 5 Mittelstützen zwischen den Pfeiler-
paaren »horkonc getragen wird. Der Raum unter dem Fussboden ist zu-
weilen mit Latten geschlossen und dient als Hühner- und Schweinestall.
An der Mitte der Langseite oder auch der Giebelseite des Hauses
ist ein kleiner überdachter Vorbau angebracht, von wo aus eine Holz-
stnfe in den Wohnraum fuhrt. Zuweilen befindet sich auf der Röckseite
des Hauses ein ähnlicher, »kahita« genannter Anbau.
Vier bis sechs quadratische Fensteröffnungen »bentana« werden
durch einfache Läden »tanipe«, aus demselben Material wie die Wände,
verschlossen, d. h. diese werden ebenso wie die beiden Türen auf der
Vorder- und Rückseite des Hauses mit Bast angebunden.
Droht ein Sturm, so hängt der Chamorro mehrere, paarweise an deu
Spitzen verbundene Kokosblätter (hogse) mit der schweren Blattscheide
nach unten über den First. Eine ausführlichere Beschreibung siebe unter
den Erklärungen zu den Tafeln I, 1.
Aus dem Vorbau (kahita) gelangt man mittels der Treppe »guaot«
zunächst in den Wohnraum, der Fussboden, sadge, besteht in der Regel
aus Latten der Betelpalme, die auf den dormentes, Längsleisten aufge-
nagelt oder an sie festgebunden sind; zuweilen treten hier gesägte Ifil-
bretter an die Stelle der Latten. Eine Decke ist nicht vorhanden, man
sieht über sich das Dach. Ein Tisch, eine Bank, 2 oder 3 Stühle, eine
Steinöllampe, zuweilen eine Nähmaschine bilden das Inventar des Wohn-
zimmers, Heiligenbilder deutscher Herkunft schmücken die Wände. Rechts
und links vom Wohnraum, von diesem durch die Wände (divisianos) aus
Rohr oder Palmgeflecht getrennt, befinden sich die Schlafräume. Das
Bett besteht aus einem auf den Fussboden gebreiteten »guafak«, d. i.
eine aus Pandanus geflochtene Matte, femer aus einer aus Japan
stammenden Wolldecke und einem mit Baumwolle gefüllten Kopfkissen.
Die früher allgemein gebräuchlichen Nackenstützen ans Holz »alona«
(Taf. II, Fig. 8) verschwinden mehr uud mehr. Auch Hängematten sind
üblich.
Hinter dem Wohngebäude und getrennt von ihm steht die Küche,
>sadigane«, ein unmittelbar auf der Erde errichtetes Dach ohne Wände.
Ausserdem befindet sich in der durch einen Stangenzaun aus tcbnpak,
paipai oder ähnlichen Hölzern eingefassten Hofreite gewöhnlich noch ein
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Brunnen', tupo, der, im Meeresniveau, brackiges Wasser liefert. Getrunken
wird Flußs- oder Regenwasser. Aborte giebt es nur in wenigen Höfen.
Die einladende Nähe des Strandes und Busches macht sie für die Ein-
geborncn entbehrlich.
Aus Amerika stammt die Sitte der einstockigen Steinhäuser mit
einem überdachten Treppen vorbau und einem l'/i — 2 m hohen keller-
artigen Verlieas zwischen Fassboden uud Strassenniveau. Der Bau des
mit Palmwedeln, in Goam auch mit Savannengras oder Nipa (Nipa litto-
ralis) gedeckten Daches und die innere Einrichtung des Hauses ist die
oben beschriebene. Neuerdings werden von wohlhabenderen Eingehornen
Wände nnd Fussboden aus japanischen Nadelholzbrettern hergestellt;
dann fuhrt gewöhnlich nach der gleichfalls auf Holzpfahle gestellten
Küche ein erhöhter Gang, >batalanc. Fremden Ursprungs sind auch die
in Agana häufigen zweistöckigen Steiubauteu mit einem selten über 2 m
hohen, nicht erhöhten Erdgeseboss, das als Lagerraum dient; eine Holz-
treppe fuhrt im Innern des Hauses nach den europäisch hergerichteten,
aber unordentlich gehaltenen Wohnräumen, die zuweilen mit Glasfenstern
versehen, zuweilen nach der Strassenseite von einem Korridor umgeben
sind, dessen Fenster mittels Schiebläden verschliessbar sind. An den
Ecken des Hauses sind oft eigenartige kleine Erker angebracht, die an
Vogelkäfige erinnern. Das Dach dieser vornehmen Häuser ist mit Hohl-
ziegeln gedeckt, die froher in Guani verfertigt, neuerdings eingeführt
werden. In Agana stösst die Langseite der Häuser im vornehmen Viertel
meist unmittelbar an die Strasse, in Garapan stehen sie etwa 3 m hinter
dem die Strasse begrenzenden Zaun der Hofreite; hier ist auch durch
zwei Baumreihen der Fahrdamm von dem beiderseitigen Fussweg geschieden.
Ausser seinem Wohnhause im Ort besitzt jeder Chamorro ein Rancho,
»lantcho« in seiner oft weit entfernten Pflanzung. Wochenlang liegt er
dort mit seiner Familie weniger der Arbeit, als einem träumenden Nichts-
tun ob. Er beschäftigt sich dort höchstens mit der Jagd auf fliegende
Hunde, »faniec, wilde Schweine, Hähne, Kokoskrebse »ayuyoc und mit
dem Fischfang. Nur Sonntags reitet er dann auf seinem Ochsen zur
Messe und zum Hahnen kämpf ins Dorf. Diese Feldhutten sind kleiner
und weniger sorgfältig, im übrigen aber ebenso gebaut wie die Dorf-
wohnungen; ihre kahita liegt an der Giebelseite oder, was noch häutiger
der Fall ist: ein Durchgang teilt den Rancho in einen grösseren Wohn-
raum und eine kleinere Abteilung zur Aufbewahrung der Geräte.
Gemeindebauten ausser Kirchen und Pfarrhäusern giebt es nicht.
Die Uritauhäuser der Heideuzeit, iu denen die Junggesellen ihren ärger-
lichen Lebenswandel lokalisierten, sind verschwunden.
Der Stil der Kirchen ist in allen Ortschaften derselbe: niedrige, sehr
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lauge Seiten mauern mit kleinen quadratischen Fenstern; schmucklose,
oder höchst geschmacklos in viereckige Felder eingeteilte Giebel wände.
Die Rundbogentur liegt nach Osten, der Hochaltar gegenüber mit dem
üblichen naiven Schmuck aus künstlichen Blumen, Spiegeln, farbigem
Papier. Zwei Reiheu hoher Ifilstämme tragen das Zinkdach und teilen
vom Schiff zwei Seitengänge ab. Wände und Holzsäulen sind weiss ge-
tüncht uud mit einer blau und roteu Zierleiste verseheu.
Die Kirche in Garapan war durch das Erdbeben von 1902 be-
schädigt worden und ist nun im Äusseren verschönt durch eine Erhöhung
der eintönigen Giebelwand, die von kleinen Türmen flankiert und durch
zwei Rundbogen fenster etwas gehoben wurde; auch die seitlichen Bauern-
fenster wurden im Rundbogenstil umgebaut.
Verzierungen irgend welcher Art, Schnitzwerk an Häusern oder
Geräten sind nicht vorhanden.
Haus- und Küchengerätschaften.
Gewöhnlich liegt im Hofe einer jener Basaltmörser, wie sie bei den
Alten in Gebrauch waren und die man überall im Walde findet (Taf. II,
Fig. 5). An Stelle des Stössers ans Basalt, den die Alten benutzten, be-
dient man sich heute einer Stampfkeule aus Holz »falo«, um in jenen
»lusong atchoc genannten Mörsern Reis zu enthülsen oder »amot«,
Medizin, zu bereiten. Statt dieser alten Steinmörser, die der Chamorro
wie alle Überreste der Vorzeit als Eigentum der anite, der Waldgeister,
mit aberglänbiger Scheu betrachtet, verwendet man heute mehr den
lusong-hiio, einen Holzmörser. Zum Zerreiben des Maises dient der
»metatec (Taf. II, Fig. 6), ein aus Manila eingeführter flacher Stein, auf
welchem die geschälten Körner mittels eines Basaltsteines (Taf. II, Fig. 6a)
zerquetscht werden.
An dem von Pandanus, Paraiso oder andereu Sträuchern beschatteten
trichterförmigen Brunnenloch steht die Frau an der »batea« (Taf. II,
Fig. 7) einer länglich flachen Schussel aus Palon-Maria, wäscht mit
importierter Seife die Kleider der Familie und das Weisszeug des Haus-
halts und breitet es dann zum Trocknen auf dem kleinen Rasenplatz aus.
Vor der Küche sitzt ein Junge auf dem »kamjo« (Taf. II, Fig. 12), der
Raspel aus Holz mit einer runden, gezahnten Zunge aus Eisen und reibt
damit den Kern der Kokos aus der geöffneten Nuss.
An einer Kokospalme ist ein Wedel so angebunden, dass das am
Stamme abfliessende Regenwasser von der Mittelrippe jenes Blattes in die
untergestellte unatabsina«, einen meterhohen japanischen Tonkrug ttiessen
mu8«. In Rota vertritt oft ein dickes, 3—4 m langes Barobusrohr, dessen
Querwände durchgestossen sind, die Stelle des Kruges. Kleinere Ton-
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krüge werden »tinähas« genannt. Bei den alten Cbamorros uauss eine
umfangreiche Tonindustrie bestanden haben, denu überall im Wald und
in der Savanne, am Strand und auf den Bergen findet man die Scherben
ihrer Gefasse, selten aber unzertrümmert einen der halbkugeligen, ohne
Töpferscheibe hergestellten Krüge (Taf. II, Fig. 11).
Eine eigentümliche Form zeigt das in Taf. II, Fig. 10 dargestellte,
gleichfalls aus alter Zeit stammende Gefäss, >biskot genannt. Ich faud
es bis zu der aus der Zeichnung ersichtlichen Einbuchtung in die Erde
eingegraben in einer Küche zu Gärapan.
Heute giebt es auf den Marianen keine Topferei mehr.
Als Wasserbehälter werden neben den aus Japan eingeführten Blech-
eimern und Glasgefässen noch vielfach die tagüas benutzt, ausgehöhlte,
mit Kokosfaser umschnürte Kürbisse.
Wir treten in die Küche. Als Herd (fogon) dient ein viereckiger,
2X1 m grosser, 40 cm hoher Kasten, dessen Wände aus horizontal über
einander gelegten Pandanusknüppeln besteben. Er ist mit Erde ausge-
füllt, drei Steine, zuweilen auch ein eiserner Dreifuss bilden den Rost
für die Kochtöpfe, welche oft auch an einem am Dach befestigten Seil
über dem Feuer hängen. Das Feuer wird unter Zuhilfenahme von
trockenem Bast der Kokosnuss mit Streichhölzern oder mit einem vom
Nachbar entlehnten Glimmspahn angezündet und mit einem Fächer,
»guba« (Taf. II, Fig. 13) angefacht. Sind, etwa im Rancho, keine Zünd-
hölzer zur Hand, so schneidet der Chamorro aus trockenem Hibiscosholz
ein »djugdjug«: auf ein flaches Scheit wird ein rundes mit zugespitztem
Ende senkrecht aufgesetzt und zwischen beiden Handflächen gequirlt; an
der Reibstelle liegt etwas trockener Kokosbast, der nach kurzer Zeit zu
glimmen anfangt. Oder zwei möglichst dürre, gespaltene Bambusstücke
werden senkrecht zu einander mit den Kanten gerieben: djugdjug-pian.
Auch Funkenschläger aus Stahl und Kiesel, wie sie früher in Deutschland
üblich waren, sind in Gebrauch: djugdjug-lulok.
Bei der Entdeckung der Marianen durch Magallanes soll den Einge-
bornen das Feuer noch unbekannt gewesen sein; sie hielten es beim ersten
Anblick für ein Tier, das Holz frass und ihm nahe kommende Menschen
biss und durch seinen giftigen Hauch verletzte. (G. 44.)
Es ist dies kaum zu glauben von den Bewohnern der Marianeu,
deren nördliche Inseln mit tätigen, stets rauchenden Vulkanen besetzt
sind. Fast alle Höhlen zeigen Rauchspuren und meterhohe Aschenschichten.
Sogar auf dem den Missionaren unbekannt gebliebenen Medinilla fand ich
rauchgeschwärzte Höhlen und wie überall, Scherben aus gebranntem Tou.
Ihre Hochseeboote kalfaterten sie mit in Kokosöl gelöschtem Kalk »afok«,
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ihre Sprache besitzt Worte für Feuer: »guafet für brennen: »songgec
und für Rauch »apo«.
Die Kochgefasse sind durchweg fremden Ursprungs und werden aus
oder über Japan eingeführt In der »lauja«, spanisch la olla, einem runden
Eisentopf, wird der Reis gekocht; der etwas grossere »calderoc (span.)
dient zum Wasserkochen; das »sartenc (span.) ist die ans bekannte Pfanne
für Eierkuchen. Die wohl über die ganze Erde verbreitete eiserne Thee-
kanne finden wir als »takuri« wieder. In der »tcharera« aus Ton wird
der Thee, in dem »batitut« aus Eisen oder Bronze (Japan) wird die
Schokolade aufgetragen. Der Mais wird, nachdem er durch Einweichen
in Kalkwasser enthülst ist, auf dem oben beschriebenen »metate« zerrieben,
dann werden Kuchen »tortillas« geformt und auf einem runden, rand-
losen Eisenteller »gomat«, geröstet.
»tape« sind hier gefertigte, kahnförmige Holzschusseln aus daog
(Calophylluro) (Taf. II, Fig. 14). Aus der gereinigten, harten Kokosschale
werden Schöpflöffel mit langem durch Bast verbundenem Griff (Taf. III,
Fig. 7), Esslöffel und Trinkgefasse hergestellt (dudo).
Die Nahrung der Alten bestand nach dem Zeugnias der Missionare
aus Kokos, Zuckerrohr, Reis, Brotfrucht, einigen Wurzeln, Gemüsen uud
Fischen. Gewürze, die den Appetit reizen, fügten sie nicht bei, sie
aasen massig und waren daher gesund und kräftig und lebten lange.
Der Mais wurde erst von den Spaniern eingeführt, durch die sie auch das
Schwein, das Rind und das Huhn kennen lernten. Den fliegenden Hund
»fani'e«, heute ein Leckerbissen, erwähnt die Missionsgeschichte nicht,
auch nicht das Waldhuhn »sasngat« (Tetrao?), das heute auf allen Inseln
zahlreich vorkommt.
Im Folgenden werden die hauptsächlichsten einheimischen Nahrungs-
mittel aufgeführt:
Kokos (reif: nijog, zum Trinken: mänha).
Mais (maes).
Batate (kamüte) Süsskartoffel, dioscorea batatas in vielen Spielarten.
Bananen (plätanos oder plantanos) gleichfalls in zahlreichen Arten,
anter ihnen wildwachsend eine solche mit Kernen.
Zuckerrohr, cana dulce.
Brotfrucht in den zwei Arten: lemai ohne, dügdug mit Kernen.
Wurzelgewächse:
Arorn, (gabgab) tacca pinnatifida.
Ein andres, hier aroru (»arrowroot« ist bekanntlich 1 ) falsch!)
') Daw Wort „arrowroot" soll sieb angeblich auf eine Fabriksmarke beziehen; viel»
leicht besteht aber ein Zusammenhang mit anderen gleichfalls „Pfeilwurz" genauoten
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genanntes Wurzelgewächs mit lanzettlichen Blättern und r üben förmiger
Wurzel.
suni, blauer Taro, baba, gelber Taro,
digo Jam; nika, gädo, piga Rüben.
Maniok (mendioka), roanihot utilissima, wird selten angebaut und nur
als Stärke genossen.
fadang oder Federico, eine Palme, deren giftige, hühnereigrosse
Früchte in Wasser ausgelaugt, gerieben und dann zu Starke verarbeitet
werden; Hauptnahrung der Dorfbewohner Guam's.
kafo, Pandanusfrüchte, werden mit der Machete geöffnet, der mandel-
artige Kern wird roh oder geröstet gegessen,
tah'sai, Mandelbaum,
kamatchü,
munggo, Erbsenbohne; verschiedene Arten von Kletterbohnen (baba),
Kürbis (calabasa),
Melone (melön),
Wassermelone (sandia),
atis, anona squamosa S. süss,
anona, „ ? säuerlich, grösser als atis,
papaia,
guaiaba, psidium pyriferum Bl. verwildert, kaum meterhoch, bildet
besonders auf Tinian viele Hektar grosse Savannen,
mangga, mangifera indica, Mangopflaume,
kasoe. pinia, Ananas,
Kaffee, Kakao.
Von Tieren werden ausser Fischen, Krebsen, Muscheln gegessen:
Kokoskrabben: ayüyo,
fliegende Hunde: fani'e,
Waldhühner: sasngat,
wilde Tauben, (paluma) Enten, (nganga), Schnepfen (dulile u kalalang),
Schildkröten (hagan),
Seevögel, Möveneier,
wilde und zahme Schweine (babui),
Hühner (mänok),
Rinder (guäka), Büffel (karabau),
Hirsche (benado).
Der Leguan, ilitai, wird nicht gegessen; ein Aberglaube liegt dem
nicht zu Grunde; dagegen soll, wer die von einerbrütenden Henne nicht
Pflanzen, Maranta alonya von Cayenne und Maranta arouma in Guiana, die ihre
botanischen Namen nach den einheimischen erhalten haben. Die Wurzelstöcke beider
Arten werden ebenfalb zur Gewinnung eines Stärkemehls benutzt L.
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ausgebrüteten Eier isst, blödsinnig werden; Schweinahirn und Hühner-
köpfe werden nicht gegessen.
Salz (asiga) wird wenig verwendet und ist für den Chamorro kein
unentbehrliches Bedürfnis. Es wird in grossen Eisenpfannen kalahe von
1 m Durchmesser über Feuer eingedampft. Die Pfanne steht in der
Regel auf einem 60 cm hohen, ans Lehm aufgebauten Herd Fogön-salinas
nnd ist überdacht. Als Würze dient der kleine rote, sehr scharfe Pfeffer
döne-sale, Zitronen (lemon), Tomaten, tomates, und der grosse röte Pfeffer
done-tiau. Essig und ebenso Hefe für Brot und Kuchen aus importiertem
Weizenmehl liefert der vergorene, aus dem abgestutzten Blütenstengel
strömende Eokossaft (tuba).
Zum Essen setzt sich die ganze Familie auf die Erde (Kniebeuge)
um die in Tonschüsseln aufgetragenen Speisen, die alle zu gleicher Zeit
vorgesetzt werden. Jeder greift mit der Hand in die gemeinsame Schüssel
oder, wenn die Speise klebrig ist, mit dem Blechlöffel, der den früher
üblichen aus Kokosschale mehr und mehr verdrängt. Flüssige Speiseu
werden mit Tassen aus Porzellan, oder tcheretas aus Kokosschale geschöpft.
Um 0 Uhr etwa erhebt man sich und nimmt als »desayuno« oder
>amotsa« (almuerzo) tcha (Thee) zu sich oder tchokolate; (Verbnm:
tchuma, Thee trinkeu, tchumokolate, Schokolade trinken, kumaf«', Kaffee
trinken) dazu tortillas aus Mais, die man in eine würzige Brühe taucht:
finadene aus Essig, Salz, Zitroue, wenig Wasser und Pfeffer (done). Statt
der tortilla giebt es wohl auch Brot, (importierten) Zwieback oder rosqnete,
Kuchen aus Arorustarke, Zucker, Eier und Schweineschmalz.
Um 12 Uhr ßndet das »nataloane«, Mittagessen statt; es besteht aus
hinegsa (gekochtem Reis) Fisch oder Fleisch, tortilla oder atole (fein ge-
mahlener oder gesiebter Mais in Kokosmilch gekocht); ferner je nach der
Jahreszeit digo, suni, Bananen (tchoda), Rima (lemai).
Als »merienda« um 3 oder 4 Uhr: Kaffee, Schokolade oder aho:
geschabte junge Kokosnuss unter Zusatz von Arorustarke und Zucker in
heissem Wasser (also ähnlich dem »waisälo« der Samoaner). Die »cena«
um 7 oder 8 Uhr des Abends besteht aus etwa denselben Gerichten wie
das nataloane. Die Brotfrucht, lemai, wird in Wasser abgekocht oder
in der Asche geröstet, auch in Scheiben geschnitten, an der Sonne ge-
trocknet und aufbewahrt. Die Kerne des dugdug röstet man wie Mandeln!
Eine mehr den Karolinern eigene, aber auch zuweilen von den
Chamorros bereitete Speise heisst matchahan: ein spanutiefes Loch in
der Erde füllt man mit Steinen aus und macht ein kräftiges Feuer darüber.
Auf die erhitzten Steine werden dann lemai, Fleischstücke, Fisch etc. ge-
legt und mit Bananenblättern bedeckt bis sie gar sind; wenig Salzznsatz.
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Penhod: unter gemahlene reife Kokos werden Fische oder Krebse
gemengt, in Bananenblätter gewickelt und gekocht oder als matchahan
gebacken; wenig Salz.
Fala: roher Fisch mit Zitrone, Salz und gemahlener Kokos.
Malado: Fleisch oder Fisch wird mit Salz gar gekocht, dann wird
Gemüse mit Kokosmilch zugesetzt.
Viele Arten von Muscheln bezw. Schnecken werden in Wasser oder
Kokosmilch gekocht, die Brühe wird dazu getrunken; auch roh werden
einige gegessen. Oder man tötet sie in heissem Wasser, giesst sodann
kaltes darüber und lässt sie so 3 Tage stehen; danu setzt man gemahlene
Kokos, Zitrone und done (Pfeffer) zu.
Die Namen dieser Essmuscheln und -Schnecken sind:
hima = Tridacna elongata Lam.
doogas = Strombus gibberalus L. (von ihnen findet man allenthalben
ausgedehnte und tiefe Schichten, die Speisenreste der alten Ohamorros).
aliling = Turbo setosus Gm.,
pagan = Area maculosa Reeve,
amson = Mesodesma striatum Chemnitz,
tapon = Venus puerpera L. (Varietät ohne violette Flecken an der
Innenseite),
toro — Pterocera lambis L.,
palos = Spondylus zonalis Lam.
Suppe ist nicht landesüblich; das Fleisch wird am Spiess geröstet
oder gebraten. Als Bratfett dient meist Kokosöl, das die Speisen für
europäischen Geschmack ungeniessbar macht.
Man sieht, der Marianer hält einen nicht üblen Tisch, Nahrungs-
sorgen quälen ihn nicht, denn wenn er auch den Reis als tägliche Nahrung
nicht gern entbehrt, so liefert ihm der Wald mühelos Ersatz hierfür. Es
ist daher nicht nur übertrieben, sondern falsch, wenn Herr Marche be-
hauptet: »c'est sans doute a ce genre de nourriture, qu'il faut attribner
les maladies qui exercent leura ravages dans l'archipel, la lepre par exemple.»
(M. 23). Es giebt im ganzen 25 Lepröse im Archipel.
Kleidnng.
Die Kleidung der alten Chamorros war möglichst einfach, denn sie
gingen ganz nackt, wenigstens die Männer; auch ihr Kopf war kahl mit
Ansnahme eines kleinen, fingerlangen Schopfes auf dem Scheitel (G. 47).
Die üritaus aber, jene lockeren Junggesellen, führten als Zeichen ihrer
Burschenfreiheit einen Stab, an dem 3 Rollen Baumrinde, 7a Elle lang,
und grobe Fasern als Troddeln herabhingeu (G. 202).
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Die Frauen trugen grobe Gewebe aus Rinden- oder Wurzel fasern,
durch die sie sehr entstellt wurden, denn diese Gewebe, sagt Sanvitores,
gleichen mehr einem Käfig als Kleidern. Trotz dieser Unschönheit nötigte
er anch seine männlichen Täuflinge, ihre »sündhafte Nacktheit« in solchen
Käfigen vor den schamhaften Blicken der Spanier zu verbergen! Da sie
sich aber »und zwar mit Recht« sagt Sanvitores, lächerlich darin vor-
kamen und dem Volk zum Gespötte wurden, so trug der Diener Gottes
selbst einen solchen Schurz über dem Priesterkleid und besiegte damit
ihren Widerstand und den Geschmack (G. 85).
Der Festschmuck der Frauen bestand aus Muschel werk, kleinen Perlen
und Stücken von Schildpatt, die ihnen auf die Stirne herabhiugen. In
ihr langes, künstlich gebleichtes Haar flochten sie Blumen und um die
Hüften trugen sie muschelbesetzte Gürtel, von denen kleine, hübsch ge-
arbeitete Kokosnüsse herabhingen. Ihre Zähne aber schwärzten sie mit
gewissen Pflanzensäften (G. 58).
Die heutige Werktagstracht des Mannes besteht aus kurzen bis zum
Knie reichenden Hosen (katsumes-ca)zonee) aus weissem oder blauem
Zeug, die durch eine Strippe zugebunden werden, einem kurzen, über
den Hosen getragenen Hemd (tchiuina) und einem breitrandigen Stroh-
hut (tuhong) aus Pandanus. Bei der Arbeit wird das Hemd abgelegt,
zuweilen auch die Hose; dann aber wird das Hemd als Lendenschurz
vorgebunden. An breitem Ledergurt mit Scheide, der zuweilen auch aus
Flechtwerk gefertigt ist, trägt der Chamorro sein kräftiges, hier ge-
schmiedetes Buschmesser (matchete) (Taf. II Fig. 15), als Fussbekleidung
im dornigen Busch oder auf spitzen Korallen tragt er Sandalen, dog'ga,
aus Leder oder geflochten aus Pandanus (in Rota), zur Feldarbeit und
so oft er das songsong (Dorf) verlässt, begleitet ihn stets der aus Pan-
danus geflochtene Futterkorb (kostat tengguang), in dem sich einige
faustgrosse Stücke hinegsa (gekochter Reis) befinden, in Kokosblättern, die
zu Würfeln oder Oktaedern verflochten sind. Die Arbeitskleidung der Frau
ist ein hochgeschürzter Rock (lupes), ein kurzes Hemd (tchiniua) nebst
Kopftuch (paniou-ulo). Die Kinder tragen bis zum 6. Jahr ein langes Hemd.
Sonn- und Feiertags, und wenn er beim magalahe (Amtmann) an-
zutreten hat, erscheint der Chamorro in langen, weissen oder blau und
weiss gestreiften Hosen. Darüber hängt ein weisses, bis zum halben
Oberschenkel reichendes Hemd mit gestärkter Brust und gestärkten Man-
schetten, goldenen Brust- und Ärmelknöpfen. Der kleidsame, breitrandige
Pandanushut wird leider immer mehr durch billige Japan wäre verdrängt.
Die nackten Füsse stecken in absatzlosen Lederpantoffeln; auch weisse
Segeltuchschuhe sind üblich. Ringe von Silber oder Gold, zuweilen noch
ein unter dem Hemd an einer Halsschnur getragenes silbernes Kreuz
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bilden den Schmuck des Mannes. Macht der Chamorro eiue längere
Reise über See, so hängt ihm die Mutter einen Rosenkranz um den Hals,
an welchem auf Brust- und Rückenseite ein escapulario hängt, d. h. ein
Bild der Jungfrau Maria und seines Schutzheiligen.
Der Sonntagsstaat der Frau besteht aus Unterrock (lupes san halum),
einem faltigen Kleid, oft mit Schleppe und aus möglichst buntem Zeug,
auch Seide (lupes san hijung), das mit einem farbigen Baude befestigt
wird. Ferner ein ärmelloses Unterhemd (tchinina san halum) und ein
kurzes, weitärmliges Oberhemd aus durchsichtigem, feinem Gewebe. Deu
freien Hals schmückt eine Kette aus (importierter) roter Koralle mit
goldenen Zwischengliedern und einem Kreuz aus Bernstein. Dazu kommen
Ohrringe (alitos) aus Gold, Silber oder Schildpatt (den Kindern werden
die Ohrläppchen mit einer Nähnadel durchstochen, der Faden bleibt einige
Tage in der Wunde), ferner Fingerringe aus denselben Stoffen. Das lange
Haar ist entweder zu einem einfachen Knoten geschlungen, oder häufiger
als Zopf auf dem Hinterkopfe aufgesteckt. Als Kopfputz dient den wohl-
habenden Frauen eines jener zarten, mit Blumenstickereien versehenen
schwarzen Spitzentücher aus Manila, oder ein billigeres farbiges Tuch
(panion ulo); in der Hand trägt die Chamorrofrau beim Kirchgang das
panion-kane (Taschentuch) und ihre Füsse ziereu, wenn sie es erschwingen
kann, rote Strümpfe und weisse Atla&schuhe mit hohen Absätzen; sonst
die üblichen Schlappen aus Leder. Die Kiuder sind nach dem Vorbild
der erwachsenen Geschlechter gekleidet.
Genussttiittel.
Alle Chamorros kauen Betel : mamaon, auch wie auf den Philippinen
buyo genannt. Die Nuss pügua (areca catechu L.) wird aufgebissen und
zur Hälfte, mit oder ohne Schale, in das Pfefferblatt pupulo gewickelt,
zuweilen mit, in der Regel aber ohne Zugabe von etwas ungelöschtem
Kalk, afok, der Lippen und Zähne ziegelrot färbt. Alte Leute mit
mangelhaftem Gebiss stossen das mamaon vor dem Gebrauch im Stein-
mörser. Die Sitte Betel oder wenigstens das Blatt zu kauen herrschte
schon bei den heidnischen Chamorros. Le Gobien berichtet S. 51: wenu
ein Edler au ihrem Haus vorübergeht, so laden sie ihn zum Essen ein
und bieten ihm ein Kraut au, das sie stets im Muude haben und das
ihnen den Tabak ersetzt.
Beide Geschlechter, die Jungen schon mit 9 — 10 Jahren, rauchen
Tabak und zwar in der Form von Cigarren, die von den Frauen ange-
fertigt werden. Die Einlage andüyo wird lose zusammengefaltet und
gerade, nicht schräg in das Deckblatt palillo gewickelt; die Cigarre ist
daher an beiden Enden gleichdick, walzenförmig, und wird entweder mit
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gabgab-Stärke verklebt, oder mit hilon-tchoda, Bastfaden aus dem Stamm
der Banane, zugebunden.
Cigaretten sind nicht üblich, wohl aber bei alten Weibern Pfeifen
aus Rohr tcbigando-piau oder aus Ton tchigando lauka.
Alte Leute schnupfen wohl auch feingeschnittenen Rauchtabak ohne
weitere Zubereitung.
Der Genuss alkoholhaltiger Getränke ist den Eingebornen verboten.
Doch besteht seit langer Zeit die wohl von den Philippinen stammende
Sitte, aus dem Safte der Kokospalme ein berauschendes Getränke »tubac
zu bereiten. Zu diesem Zweck wird ein Blütenstengel der Kokospalme
(auf Guam auch der Nipa littoralis) gestutzt, das Ende zugebunden;
täglich zweimal wird frisch geschnitten und wieder verbunden, bis nach
drei Tagen der Saft ausströmt, der in einem entsprechend befestigten
Bambusrohr aufgefangen und zweimal am Tage entleert wird. Oft hängen
zwei bis drei Rohre an einer Palme, die etwa einen Monat lang je
dreiviertel Liter Tagesausbeute geben. Unterlässt mau danu ein weiteres
Anzapfen, so soll die Palme keinen Schaden leiden, vielmehr reichlicher
Frucht tragen als vorher (?). Aus dem süssen Safte wird durch Ein-
kochen eine Süssspeise almibad gewonnen. Der gärende Saft tuban
magsom berauscht und wird heimlich viel getrunken. Er schmeckt recht
gut, ähnlich dem federweissen Traubenmost. Jedem Familienvater, der
darum nachsuchte, wurden seither zwei Tnbabäume gestattet; jedoch nur
für Haushaltungszwecke, um Süssigkeit, Essig und Hefe zu bereiten.
Das Meiste wird natürlich getrnnken, und da dieses halbvergorene Getränk
die Gesundheit, besonders der Karoliner, schädigt, so soll seine Bereitung
allmählich ganz unterdrückt werden. Als Ersatz wird der Biergenuas,
der durch seine Kostspieligkeit sich selbst beschränkt und keine üblen
Folgen zeigt, gestattet werden. Ein altes Chamorrogetränk ist »laulanc
aus Reis und geschabter Kokos hergestellt, von welchem schon Le Gobien
(G. 57) berichtet, dass es bei den Versammlungen getrunken wurde.
Heute wird es allerdings un vergoren genossen; aber sein Name
(laulau = zittern) deutet darauf hin, dass es ursprünglich kein so harm-
loses Genussinittel war. Aus Citrone und Zucker wird Limonade bereitet
und ebenso wie Cigarren, Bananen, Reiskuchen und süsses Backwerk
Sonntags bei den Hahnenkämpfen und anderen Spielen von Kindern feil-
geboten.
Sport und Spiele.
An den Nachmittagen der Sonn- und Feiertage versammelt sich der
männliche Teil der Bevölkerung auf dem Spielplatz. Eine Anzahl kräftiger
Hähne mit gestutzten Kämmen, 20—25, sind mittels kurzer Stöcke an
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kleine in die Erde getretene Pflöcke gebunden. Gruppen sachverständiger
Chamorros und Karoliner schätzen ihre Fechtertugenden und suchen ihr
Kampfinteresse zu wecken. Haben sich zwei Gegner gefunden, so werden
sie kunstgerecht >bandagiert«. Am Sporn des linken Fusses wird ein
etwa 6 cm langes, spitzes Messer mit Bindfaden befestigt; zunächt bleibt
es noch mit einer Lederscheide bedeckt. Die beiden Besitzer der Hähne
treten mit den Paukanten auf den durch ein Tau abgesperrten Kampf-
platz. Sind die Wetten geordnet und die Betrage, deren Summen oft
100 Mark übersteigen, niedergelegt, so beginnt das Gefecht. Der eine
Sekundant hält den Kopf seines Hahnes dem andern so hin, daas ihm
dieser einige aufmunternde Bisse in die Bartlappen versetzen kann, dann
geschieht dasselbe von der Gegenseite. Hierauf folgt ein Ehrengang, bei
dem sie mit gesträubten Halsfedern sich anfauchen, aber bei den Schwänzen
festgehalten werden. Endlich werden die Scheiden abgenommen, die
Kämpfer erhalten von ihren Sekundanten noch einen anregenden Klaps
und werden aus einiger Entfernung gegeneinander losgelassen. Gewöhnlich
dauert es nicht lange und schon der erste Anflug entscheidet; der mutigere
Draufgänger siegt fast regelmässig, und wenn es ihm auch nicht gelingt,
was jedoch meistens der Fall ist, dem Gegner einen tötlichen Stich in
die Brust beizubringen, so wendet sich der schwächere Teil nach immer
matter werdenden Versuchen, die Ehre zu retten, schliesslich zur Flucht,
begleitet von dem Hohngelächter der Partei des Siegers. Sein Leben
hat der Überwundene in jedem Falle verwirkt, er wird sogleich getötet
und gehört dem Herrn des Siegers.
Andere Gruppen spielen Tanggano: es wird mit grossen Met allstücken,
gewöhnlich mexikanischen Silberdollars aus einer Entfernung von etwa
10 m nach einem auf die Erde gestellten Maiskolben geworfen; jeder hat
2 Würfe und die Spieler und Zuschauer, die zu beiden Seiten der Wurf-
linie niederhocken, wetten unter sich auf matumba, er fällt, oder timatumba,
er fällt nicht. Auch hier wird oft recht hoch gewettet
Auf der Strasse belustigen sich jüngere Burschen mit Ballspiel, bola:
A. Der in der Mitte stehende maestro (M.) wirft den
J. Ball nach I., von wo ihn der zur inneren Partei
I. (J.) gehörige Spieler mit einem 1 m langen
A. J. II. M. IV. J. A. Holzstück möglichst weit zurückschleudert. Die
III. Aussenpartei (A.) sucht den Ball im Fluge zu
J. fangen, gelingt es, so zählt es für sie 1 Punkt;
A. anderenfalls müssen die zu ihr gehörigen ihn
möglichst rasch dem maestro zuwerfen, denn so lange der Ball unterwegs
ist, laufen die Spieler der Innenpartei über III und IV nach I und haben
gewonnen, weuu alle 4 dort eingetroffen sind. Die Spieler der Aussen-
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partei dagegen gewinnen, wenn sie dreimal den Ball im Fluge erhascht
haben. Der Einsatz für jeden beträgt 50 Pfennig.
Bei einem anderen, mehr bei den Karolinern üblichen Spiel, stellt
sich eine beliebige Anzahl im Kreise auf ; ein Ball wird in die Höhe ge-
worfen und beim Herabkommen sofort wieder hochgeschleudert. Bei
wem er hierbei schliesslich zu Boden fallt, der hat verloren.
Kinder und Erwachsene lassen Drachen steigen, die aus Bambus-
stäben gefertigt und mit Papier überklebt werden; die japanische, vogel-
artige Form ohne Schweif heisst »papalote maroc, die herzförmige mit
Schweif »papalote karason«.
Tolompo« ist ein Kreisel aus Holz mit aufgewickelter Schnur, deren
Ende man in der Hand behält; einer der Spieler wirft seinen Kreisel
nach einem Loch in der Erde; trifft er nicht, so muss er ihn in das
Loch legen und die andern werfen nun nach ihm und suchen ihn zu
zertrümmern. Der »tolompon gasgas« genannte Kreisel (Taf. II, Fig. 9)
tragt einen Nagel mit einer Blechhülse, auf welche die Schnur aufge-
wunden ist. Er wird geworfen, summt in der Luft, ohne die Erde zu
berühren, und die Schnur wickelt sich von selbst wieder auf.
»Casillast ist ein Spiel, bei welchem mit einem Geldstück aus 5 m
Entfernung nach einem in Quadratdezimeter eingeteilten Brett geworfen
wird; derjenige gewinnt, dessen Münze in ein Quadrat so zu liegen
kommt, dass sie keine der Linien berührt.
»Görumai«: der eine der beiden sich in 10 m Entfernung gegen-
überstehenden Spieler wirft dem andern aus einem halbierten Bambusrohr
einen Stab zu, den jener mit einem Stock zurückzuschaudern sucht.
Dann wirft ihn der erste Spieler in die Höhe und schleudert ihn mit
seinem Stock zurück, oder er legt das Stäbchen auf einen Stein, schlägt
auf das überragende Ende, uud schnellt ihn so dem Partner zu — ein
fast vergessenes Spiel, das nur alte Leute noch kennen.
Die Mädchen spielen mit kleinen Muscheln oder runden Steinen
»Pilai«. Nach einer Reihe Muscheln wird aus kurzer Entfernung mit
dem Mittelfinger ein Steiuchen geschnellt; die aus der Reihe geschossenen
Muscheln sind gewonnen.
»Patabara«: Vor dem auf der Erde sitzenden Kind liegt eine An-
zahl Muscheln; es wirft einen Stein in die Höhe und erhascht bis zum
Niederfallen so viele der Muscheln, als es kann.
»Tchikic und »Tangjau«: Das Kind wirft eine Anzahl Muscheln in
die Höhe und fangt sie mit dem Rücken der Hand wieder auf.
»Tchonka«: ein Holzbrett mit 2 Reihen zu je 7 Vertiefungen, in
welchen bei Beginn des Spieles je 7 Steinchen, Schnecken oder Muscheln
liegen (Taf. III, Fig. 1). Beiderseits am Ende des Brettes ist die Kasse
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jedes der beiden Spieler. Der erste nimmt den Inhalt eines seiner
7 Häufchen und legt von rechts nach links je 1 Muschel in die nächst-
folgenden, in seine Kasse, dann in die Fächer des Gegenspielers. Er
endet in einem der letzteren, nimmt dessen Inhalt und zählt in derselben
Weise weiter, ohne aber etwas in die Kasse des Gegners zu legen. Endet
er in einem seiner Ställe, der leer ist, so darf er den Inhalt des gegen-
überliegenden in seine Kasse legen, aber nicht weiter spielen. Endet er
in einem leeren Stall des Gegners, so spielt dieser weiter. Es kommt
darauf an, möglichst viele Muscheln in seine Kasse zu bekommen.
Schliesslich sind nur noch wenige Muscheln in den Ställen und das Spiel
kann sich sehr in die Länge ziehen.
Kleine Kinder spielen mit Rasseln aus kleinen Kauri-Schnecken, die
an Kokosfäden befestigt und in Bündeln zu 10 oder 20 vereinigt sind.
Im übrigen wird Kinderspielzeug aller Art aus Japan eingeführt.
Musik, Tanz, Festlichkeiten.
Die alten Chamorros waren grosse Musikfreunde und der katholische
Gottesdienst mit seinen Gesängen und Feierlichkeiten erleichterte den
Missionaren ihre Werbearbeit. Als sich die Eingeborenen bei der An-
kunft der Schiffe scheu zurückhielten und nicht an Bord korameu wollten, ^
Hess Sanvitores die Litanei der Jungfrau anstimmen, und alsbald kamen
sie herbei, mischten sich unter die Spanier und sangen mit. (G. 95.) Beim
Einzug in die Dörfer wurde die Christenlehre gesungen, die San vi to res
in Chamorro- Verse übersetzt hatte; und alle kamen und lauschten, denn
sie liebten den Gesang. (G. 95.)
Bei ihren Festlichkeiten stellen sich 12 oder 13 reich geschmückte
Frauen im Kreise auf. Ohne sich vom Platze zu bewegen, singen sie die
Lieder ihrer Dichter mit einer Anmut und Schulung, die selbst in Europa •
gefallen würde. In den Händen haben sie kleine Muscheln nach Art der
Castagnetten. Alle Zuschauer aber sind entzückt von den ausdrucks-
vollen Geberden und Bewegungen, die ihren Gesang begleiten. (G. 58.)
Auch die Männer unterhielten sich mit Tanz und Wettspielen; im
Laufen, Springen und Ringen stählten und prüften sie ihre Kräfte. Sie
erzählten die Abenteuer ihrer Väter und sangen die Lieder der Dichter.
Mit ihrer Unterwerfung verschwanden diese heidnischen Gebräuche
und geistliche Lieder ertönten an Stelle der »unreinem weltlichen
Gesänge.
Auch der heutige Chamorro liebt die Musik, Gesang und Tanz, und
er benutzt jede Gelegenheit, um für seine Sipp- und Freundschaft ein
Gelage mit anschliessender Tanzmusik zu veranstalten: Heirat, Geburt
und Tod, die Reisernte und die Dachdeckung. Die Eingeladenen müssen
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aber die Kosten bezahlen, jeder giebt 5, 10, 15 Mark in die Kasse des
Gastgebers, der mit einem fetten Reingewinn abschneidet. Auch Natural-
beitrage werden geleistet, ein Schwein, Zucker, Essig etc. Für jedes am
Fest teilnehmende Familienmitglied inuss etwas gegeben werden. Es wird
sorgfältig gebucht, was jeder gestiftet hat, denn wenn demnächst einer
der Gäste selbst ein Gelage stellt, so erhält er genau den Betrag zurück, den
er zum »tchentchulec seinerzeit eingezahlt hatte: so werden diese Ver-
anstaltungen bezeichnender Weise genannt, denn tchule heisst bringen
uud tchontchon das Nest, also ins Nest zusammentragen. »Tchentchuloc
heisst ein Fischnetz, jenes Wort könnte also, da es ja in übertragener
Bedeutung einen Fischzug bezeichnet, auch hiervon abgeleitet sein.
Einem Haus mit oft wiederkehrenden Familienereignissen froher und
trauriger Natur und ausgedehnter Sippe klingt das Geld im Kasten und
kinderarme Verwandte und ledige Vettern beeilen sich Schritt zu halten,
um wieder auf ihre Auslagen zu kommen, denn eine Einladung kanu
man nicht ablehnen. So geben dann oft recht gewagte Korabinationen
den Anlass zum Vergeltungsgelage, z. B. der Fandango (Polterabend)
eines Dienstboten im Hause, die Geburt eines ausserehelichen Enkels von
Tochter- oder Sohnesseite, und wenn auch dies versagt bleibt, so werden
einem oder etlichen Heiligen »novenas« veranstaltet: d. h. es versammeln
sich an neun aufeinander folgenden Abenden die frommen Verwandten in
dem Hause des Festgebers zu Gebet und Gesang. Am neunten Tage
findet nach Beendigung des Lobgesanges das Gelage statt. Auch wenn
einer der Geladenen nicht teil nimmt, muss er doch seinen Beitrag zu-
steuern; man schickt ihm dann einen Teil der Speisen ins Haus. Zum
Festessen selbst werden in den besseren Häusern Tische und Stühle auf-
gestellt. Da die Zahl der Plätze und Gedecke für alle Anwesenden nicht
reicht, so wartet die zweite und dritte Abteilung, bis die vorhergehende
abgespeist ist. Der Gastgeber und Frauen setzen sich überhaupt nicht
zu Tisch, sondern sehen zu oder essen abseits. Junge Leute des Ortes,
welche unentgeltlich mitschmausen uud später tanzen wollen, besorgen
die Küche und tragen die Speisen auf, die, reichlich au Zahl und Masse,
alle zu gleicher Zeit auf den Tisch gestellt werden. Als Getränk dient
Wasser, Limonade, Kaffee, Kakao mit »broas« (Kucheu aus Maismehl),
selten einige Flaschen Bier. Gesprochen wird wenig bei Tisch, aber um
die Wette gegessen; man schwelgt im Fleische, um seinen Beitrag mög-
lichst herauszukriegen.
Schliesslich werden die Tische weggeräumt und der Tanz beginnt.
Schon vorher hat ein eigenartiges Orchester zur Tafel aufgespielt: eine
Violine, Ziehharmonika, Guitarre und Triangel; vielleicht wurde auch
noch aus dem Pfarrhause das Harmonium geliehen. Selten sieht man
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noch das »belemban-tuyan« (Taf. II Fig. 8), ein 2 m hoher Holzbügel
mit einer Metallsaite trägt etwa in der Mitte einen halben ausgehöhlten
Kürbis als Resonanzboden, der mit der breiten Öffnung auf den Bauch
(tnyan) gesetzt wird. Dieser Kürbis ist dnrch eine über Saite nnd Bügel
gehende Schnur befestigt und dient hierdurch auch zum Spannen der
Saite und zar Abstimmung der beiden Töne. An Stelle der Metallsaite
soll früher eine solche aus Hibiscus-Faser üblich gewesen sein. Die Saite
wird mit einem Holzstäbchen angeschlagen und giebt nur zwei reine Töne.
Das »belemban-batchott (Taf. II Fig. 17) ist ein Bambusstück, in welches
eine Zunge geschnitten ist. Das Instrument wird auf den halbgeöffneten
Mund (batchot) gehalten, seine Znnge mit dem Finger in Schwingung
versetzt und hineingesungen, so wie man auf einem Kamm musiziert.
Die Muscheltrompete dient nur als Signalhorn, nicht als Musikinstrument;
ihr Gebrauch war den Alten der vorspanischen Zeit bekannt, denn ich
fand in Ruinen und Höhlen mehrere solcher Tritonshörner mit dem künst-
lich hergestellten (seitlichen) Blaseloch. »Die Missionare lehrten ihre
Schüler in den Semiuaren europäische Musikinstrumente« (G. 296).
Die Tänze sind gleichfalls ausschliesslich europäische: Walzer, Polka,
Mazurka, Contretänze und der spanische Fandango als Hochzeitstanz des
Brautpaares. Nur ein Tanz »Kanakac wird von Jungen zuweilen auf-
geführt, der aus gewissen, den Karolinentänzen eigenen Bewegungen des
Körpers besteht und lediglich eine Parodie derselben darstellt.
Gesungen wird wenig; ausser geistlichen Liedern in der Kirche und
bei den »uovenas« giebt es nur ein einziges Ghamorrolied, dessen Melodie
ich aber bereits in Südamerika gehört zu haben glaube. Es lautet:
An gumupo si paluma
Ja tumoh'gue gi bentana
Para hufaisen i tchclumo
Hafa tairoano si nena.
Nana lan na gadbon flores
I gumuho gi bentana
Ja manlegnia bai hutife
Sa esta jujog minasania.
Nai hutchiko i fasumo
Ilegmo nanalan na tan tan
Nai monhajan ban umomag
I panjuho un sinausan.
Die Taube kommt geHogen
Und setzt sich auf das Fenster,
Und fraget den Bruder
Wie es dem Liebchen geht.
0 sieh die schöne Blume
Die dort am Fenster blüht,
Besser schon, ich breche sie,
Denn sie ist reif zum Pflücken.
Wenn ich küsse deine Wange
Sagst du: nein, was für ein Mensch!
Und wenn du ans dem Bade kommst
Trocknet dich mein Tuch.
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Para unoha karasonho,
Lau bai nae i neniho
Diolo jo sin korason
Solo pot i pinitiho.
An nn hasso hutchumiko
Tchiko i punton guienglio
Ja tchiko un na duro
Asta lalaulan Buisenho.
Nur ein Herz habe ich,
Doch ich gab's der Geliebten
Und sie lässt mich ohne Herz
Allein mit meinem Weh.
Doch ich küsse dich, wenn mir's
beliebt,
Mit der Spitze meiner Nase
Küsse ich dich glühend,
Bis mir die Sinne schwinden.
Die Zahl der Verse ist unbegrenzt, jeder Sänger erfindet neue.
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An gu - mu-po ai
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lu - ma
ja tu - moh-gegi
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i i>n - aju - bo im
nai mon - ha-jao lian
a - mo-
#
si • Dan • san.
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- 62 —
Gewerbe, Handel.
Die geistigen Bedürfnisse der heutigen Chamorros sind sehr gering.
Ihr Interesse beschränkt sich auf die kleine Welt, in der sie leben. Sie
verlassen nicht gern ihre Heimat, und wenige haben als Matrosen auf
Walfischfängern San Francisco oder Japan kennen gelernt. Die meisten
bleiben zeitlebens anf der Insel ihrer Geburt und lernen selbst diese nicht
gründlich kennen. In der Heidenzeit gingen ihre Boote von Insel zu
Insel; aber seitdem diese entvölkert wurden, hörte auch ihre Schiffahrt
auf. Noch bis in die 80iger Jahre des 19. Jahrhunderts verkehrten in-
dessen Hochseeboote zwischen Guan, Rota, Tinian und Saipan. Als aber
einige derselben verunglückten, verbot das spanische Gouvernement diese
Art des Verkehrs ganz und gar.
Die spanische Verwaltung hatte sie aus ihren über die Inseln zer-
streuten Höfen in grösseren Ortschaften, um die Kirchen, angesiedelt und
sie dem früheren Naturleben entwöhnt, ohne sie aber nun zur Arbeit zu
erziehen, ihnen neue Interessen zu schaffen und sie damit für die Kultur
zu gewinnen. Man schickte zwar europäische Handwerker in die Dörfer,
um die Kingebornen zu unterrichten im Spinnen, Nähen, Weben, Gerben,
in Steinmetz- und Maurerarbeiten, Handwerke, »die ihuen völlig unbekannt
waren« (G. 296). Aber diese Fertigkeiten blieben Kunststücke, die sich
nicht zu Gewerben entwickeln konnten, da keine Nachfrage nach diesen
Leistungen und Erzeugnissen vorlag. Ihr Christentum ist ganz oberflächlich
trotz scheinbarer Frömmigkeit. Und trotz ihres Stolzes und Eigennutzes
lässt ihre Trägheit es nicht zu, über den Bedarf zu arbeiten. Es giebt
keine Handwerker in unserem Sinne, die ihr Gewerbe als ausschliesslichen
oder Hauptberuf betreiben. Es giebt Schmiede, Schreiner, Schneider,
Schuhmacher, Gerber, Silberschmiede, die oft ganz gute Arbeit liefern,
allein ihre Haupttätigkeit besteht in der Bestellung einer Fläche mit Mais
und Süsskartoffeln, die bei günstigem Ertrage eben zum Unterhalt der
Familie hinreicht. Tritt eiue Missernte ein, nun, so liefert ja der Wald
Brotfrucht in Menge, die paar Kokospalmen geben einen Erlös, der zur
Bestreitung der »höheren« Bedürfnisse, Reis, Kleidung etc. genügt. Im
Notfall und aus Gefälligkeit wird auch einmal geschmiedet, geschreinert,
geschustert, im allgemeinen nicht für Geld, sondern für gelegentliche
Gegenleistungen. Geld weiss man kaum zu schätzen, denn man braucht
es ja nicht unbedingt zum Leben, nur zum Hahnenkampf und zum Tang-
gano ist es erforderlich; aber ebeu dort sieht man, wie im Handumdrehen
5, 10 Pesos gewonnen werden, und da soll einer noch Lust haben, für
die gleiche Summe einen Monat zu arbeiten V Lieber geht er da fischen
und kehrt nach meilenlangcm Weg am glühenden Strand des Abends mit
zwei kleinen Fischen und einem Krebs zurück.
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Ähnlich ist es mit dem einheimischen Handel, d. h. es giebt eigent-
lich keinen Markt und keinen Laden; Kinder verkaufen Sonntags
Limonade und Zigarren und verspielen alsbald den Verdienst. Es ist
etwas besser geworden, seitdem die Steuer- und Arbeitspflicht streng und
allgemein durchgeführt wird, denn am Mouatsschluss kann der Eingeborne
nach Belieben seine Arbeitsmarken sich zu je 75 Pfennig auszahlen, oder
auf seine Arbeitspflicht verrechnen lassen; meistens wählt er das erstere
und bleibt also auch für den nächsten Monat noch arbeitspflichtig. So
lernt er den Wert von 75 Pfennig als eine Tagesleistung schätzen und
sucht auch auf andere Weise zu verdienen.
Der Hauptgegenstand des einheimischen Handels ist die Kopra,
welche, zu 7 Mark der Zentner, von den japanischen Händlern aufgekauft
und nach Jokohama verschifft wird. Seit der deutschen Herrschaft be-
steht auch eine eingeborne Handelsgesellschaft, welche mit sichtbarem
Erfolg arbeitet und auf zwei eigenen Schiffen Handel mit Jokohama und
Guana treibt. Die Eingebornen ernten ihre Kopra nach Bedarf, d. h.
wenn sie Geld brauchen. Sie sammeln dann nicht nur die am Boden
liegenden Nüsse (nijok), sondern sie hauen auch die noch nicht ganz
reifen ab und erleiden hierdurch eine nicht unerhebliche Einbusse durch
Eintrocknung. Aber das ist nicht der grösste Schaden, den sie sich zu-
fügen: um die Baume bequem ersteigen zu können, hauen sie tiefe Kerben
als Stufen in die Stämme, in denen sich Feuchtigkeit und Schmarotzer
ansammeln, Fäulnis verursachen und die Palmen um einige Jahrzehnte
vor ihrem natürlichen Ende zum Absterben bringen oder wenigstens un-
fruchtbar machen. Aber für solche in der Zukunft liegenden Folgen hat
der Chamorro ebensowenig Verständnis wie fürs Sparen.
An zweiter Stelle als Handelsartikel kommt Tabak (tchupa). Früher
soll er nach Manila verkauft worden sein, heute ist er nur Gegenstand
des Binnenhandels. Er wird nach dem Trocknen in palillos zu 10 Blättern
gelegt; 16 palillos sind eine mano. Eine regelrechte Fermentierung fiudet
nicht statt, der Tabak ist daher in Europa unverkäuflich. Die Einge-
bornen ziehen ihn jedoch jeder fremden Zigarre vor.
Geld, Maasse und Gewichte.
Die mano tchupa im Werte von etwa 1,50 Mark vertritt zuweilen
heute noch das Geld, man rechnet nach manos. Braucht ein Chamorro
Geld, so verkauft er dem Nachbar seinen Tabak zu 50 Pfennig die mano,
lieferbar nach der Ernte. Er muss bis dahiu alle Arbeiten im Tabaks-
feld verrichten; das Darlehen kann aber auch vorher nicht zurückgefordert
werden. Missrät die Ernte, so muss der Gläubiger warten bis zum nächsten
Jahr.
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Ein anderer kauft Tabak vom Nachbar, lieferbar sofort und zahlt
mit seinem noch auf dem Halme stehenden oder eben erst gesaeten Reis,
lieferbar nach der Ernte. Dann wird 1 mano tchupa gerechnet = 1 kaban
fae (ungeschälter Reis), 1 kaban = 25 gantas, 1 ganta = 8 tchupa; 1
ganta = 3 Liter.
Mais (maes) wird gemessen nach tinahas = 16 gantas.
Nach Gewichten wird im einheimischen Handel nicht gerechnet
Längenmasse sind: die braza, von Fingerspitze zu Fingerspitze der wage-
recht gestreckten Arme; die bara, von der Fingerspitze bis zur Brustmitte,
also = Vi braza; der codo (Elle) von Fingerspitze bis Ellenbogen; die
kuatta (cuarte), Spanne, von der Spitze des Daumens bis zur Spitze des
kleinen Fingers, 4 kuatta = 1 bara, 1 bara = 0,836 m. Maß im allge-
meinen heisst (veraltet) tchinage von tchage, prüfen.
Als Geld diente bis zur Einführung der Markrechnung der mexikanische
(bezw. philippinische) Silber-Peso (2 M.) = 8 reales zu je 20 cuartos.
Die in Taf. III, Fig. 2 a— d abgebildeten halbmondförmigen Steine
mit durchbohrten Spitzeo, die in drei verschiedenen Grossen auf Tinian,
Saipan und Alamagan gefunden wurden, scheinen das Geld der Alten ge-
wesen zu sein. Acht der grössteu Sorte wurden aufrecht stehend in
einem aus gebrannten Ziegeln hergestellten, vergrabenen Behälter in den
Ruinen auf Alamagan gefunden.
Das Handwerkszeug der Alten, Äxte, Meissel, bestand aus Basalt
oder aus Tridacna- Muschel (Taf. III, Fig. 3 — 5). Eisen lernten sie erst
durch die Spanier und Holländer kennen und schätzen. Zuweilen findet
man in den Ruinen und Höhlen lange Schiffsnägel und roh gearbeitete
Eisenäxte (Taf. III, Fig. 6).
Die Einrichtung einer Schmiede besteht wie in Europa aus einer
Esse mit Blasebalg, der aus Leder und Brettern hier verfertigt ist. Ge-
feuert wird mit Holzkohle, die der Schmied selbst in Meilern herstellt.
Ambos, Schmiedehämmer, Schraubstock, Zangen sind importiert.
Es werden hier hauptsächlich die schweren, vorzüglich geeigneten
Buschmesser (Machete) (Taf. II, Fig. 15) geschmiedet, die der leichten
europäischen Waren entschieden überlegen sind, ferner kleinere Messer,
fusimos (Taf. III, Fig. 13), Nägel. Der Schmied liefert aber auch nach
Modell jede andere Arbeit in solider Ausfuhrung. Das Rohmaterial wird
als Rund- oder Stabeisen aus Japan eingeführt
Der Silberschmied macht auf Bestellung recht hübsche, sauber ge-
arbeitete Ringe, Knopfe, Rosenkränze, Ohrringe, Trinkbecher aus Kokos-
schale mit Silberbeschlag etc. ; das nötige Metall liefern Silber- oder Gold-
münzen. Eigentümliche Bronzegefässe werden in den Ruinen von Rota
gefunden (Taf. III, Fig. 8—10). Sie haben sämtlich einen Ansatz im
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Boden, in dem früher einmal ein Nagel befestigt gewesen zu sein scheint
(s. Fig. 9 a). Ihr Zweck ist unbekannt, doch stammen sie sicher von
auswärts, wahrscheinlich aus einem Schiffbruch 1 ). Heute werden sie von
den Eingebornen als Öllämpchen benutzt Sonst dient, wo keine Petroleum-
lampe vorhanden ist, Tridacna (hima) -Schale diesem Zwecke, aus welcher
ein Docht von Baumwolle über den Rand hängt. Das öl wird aus der
geschabten Kokosnuss durch Auskochen gewonnen.
Mit der zunehmenden Verwendung von Brettern zum Hausbau und
von Mobein in den besseren Familien hat sich ein Schreinerge werbe ent-
wickelt, das allerdings meist von Tagalen ausgeübt wird.
Das spärliche und jeder Eigenart entbehrende Schnitzwerk in den
Kirchen ist mit dem Meissel hergestellt. Geländerstangen an Fenstern uutl
Erkern werden auf der importierten Drehbank gedrechselt.
Gerberei (tumo).
Das Lcder für Pantoffeln, Schuhe, Sandalen, Riemen etc. wird in
folgender Weise zubereitet: Die rohen Felle werden 15 Tage in Kalk-
wasser eingeweicht, hierauf mit dem Messer im Meer gereinigt. Zur
Entfernung des Kalkes legt man sie dann in der Regel '/» Tag in Zitronen-
wasser, oder (in Guam, wo Branntwein gebrannt wird) in Tubaschlempe.
Als Gerbniasse wird die Rinde von Mangrove oder von Camachil
mit dem Messer zerkleinert und zugleich mit den Fellen in kaltem Wasser
eingeweicht. Alle zwei Tage wird die Masse tüchtig durchgearbeitet,
nach Vi bis 1 Monat ist das Leder gar. Färben heisst gleichfalls tumo.
Diese Kunst wird von den Chamorros fasst gar nicht mehr geübt. Früher
wurde Indigo (augiles) gebaut. Caesalpinia-Reisig, >sibogao<, mit ge-
branntem Kalk in Wasser gekocht, giebt eine schön karminrote Farbe,
die als Tinte, nicht aber zum Zeugfärben benutzt wird. Dieses Holz
wurde eine Zeitlang in grösseren Mengen ausgeführt.
Ein Absud von Mangroverinde, unreifer Koko, Guayabenrinde und
einer >ti'tumo« genannten Pflanze färbt Stoffe dauerhaft schwarz und wird
zuweilen noch verwendet
Die Kleiderstoffe werden heute ausnahmslos eingeführt, nur die
Karoliner stellen sich ihre Lendenschurze und -Binden mit einem primitiven
Webstuhl aus den Fasern von Banane, Ananas u. a. selbst her,
die sie vorher mit heimischen Stoffen gefärbt haben. Vermutlich haben
die Voreltern der Chamorros ihren spärlichen Bedarf an Kleidungs-
stücken in derselben Weise gefärbt und gewoben, doch ist hierüber nichts
') Form und Material der Nagelköpfe lässt darauf schliessen, dass sie aus Japan
stammen. Ähnliche Nagel dienen dort als Beschlag zur Verzierung der Tempel. R II.
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Zuverlässiges bekannt, von einer Beschreibung des Karoliner Webstuhls
wird hier deshalb abgesehen.
Die Baumwollstaude ist über alle Inseln verbreitet. 8ie wird jedoch
nicht angebaut, sondern ist verwildert; vermutlich wurde sie schon in der
Missionszeit eingeführt, denn ich fand einige Pflanzen auf dem seit Ende
des 17. Jahrhunderts entvölkerten, schwer zuganglichen Mang. Mittelst
einer einfachen Spindel — einem Holzstäbchen, das unten eine Holz- oder
Lederscheibe trägt: »malakate« — spannen sich früher die Eingebornen das
Garn für ihre Fischnetze; auf Rota und wohl auch in den Landorten von
Guam ist dies Verfahren heute noch üblich.
Stricke (hahlun) zu 2 oder 3 Fäden werden aus Hibiscusfaser (pogse)
mit der Hand gedreht; die besseren, zur Herstellung der talaja-Netze
dienenden Schnüre zuweilen auch aus Ananasfaser. Dickere Seile und
Tane (mekate) zu 2 oder 3 Strängen werden gleichfalls aus Hibiscus mit
dem »birador«, bestehend aus einer dnrchlochten Scheibe als Führung für
die Einzelstränge, einer Kurbel, welche das Seil dreht und einer einfachen
Holzgabel am Vereinigungspunkt, hergestellt.
Die Karoliner, nicht aber die Chamorros, verfertigen mit der Hand
bessere Taue und Stricke aus der Faser der Kokosnuss, welche vorher
eine Woche lang im Meer eingeweicht wurde.
Flechtarbeiten.
Wie oben erwähnt, werden die Aussen- und Innenwände der Häuser
aus aufgeschlitztem Rohr oder aus Palmblättern geflochten. Letztere dienen
auch zur Herstellung der gewöhnlichen, wenig dauerhaften Körbe: ala,
alandoble, guagua (dieser etwas sorgfältiger gearbeitet, mit Boden). Die
Schlafmatten guafak, breitrandige Hüte tuhong und gute, dauerhafte
Körbe kostat tengguang, der Futterkorb und köddot werden aus trockenen
Pandanusblättern, agag, verfertigt. Zunächst werden die scharfen Zähne
des Blattraudes entfernt, das Blatt dann zusammengerollt, nachts wieder
aufgerollt, bis es ganz trocken ist und schliesslich mit einer spitzen Nadel
si'e (Taf. III Fig. 11) in Streifeu von der gewünschten Breite geteilt
Geflochten wird mit der Hand.
Ackerbau.
Kokos, Bananen und Reis scheinen die einzigen Kaitarpflanzen der
alten Chamorros gewesen zu sein, vielleicht wurde noch suni (Taro)
zwischen Reis wie in Rota und in Sumpflöchern (wie auf den Karolinen)
gebaut. Der Wald lieferte ihnen Kokos, Brotfrucht und viele Wurzeln;
die Kokale hatten ihre bestimmten Besitzer und erbten in der Familie
fort und zwar, wie wir oben sahen, nicht auf die Kinder, sondern auf
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die Brüder oder Neffen des Verstorbenen» der Erbe nahm den Namen
des Grundstückes an. Sie waren (und sind beute noch) benannt nach
benachbarten Felsen, Hohlen, Flüssen, nach der nahen Brandung oder
dem Strande, oder der von hier aus sichtbaren Nachbarinsel, häufig gab
auch die Gestalt eines Hügels, Hanges oder einer Landzunge ihnen den
Namen menschlicher Körperteile, oder es erinnert ihre Benennung an
auffallende Ereignisse; Erdbeben, Stürme, Blitze, Geistererscheinungen,
Tod, Geburt, deren Schauplatz sie waren. Auf Rota sind solche »Ge-
wanne« mit feststehender, überlieferter Bezeichnung, die oft schwer zu
deuten und selbst den Eingebornen nicht mehr verstandlich ist, häufig
nicht grosser als ein Hektar. Mit der Entvölkerung nnd dem hieraus
folgenden Überfluss an Land verlor sich der Begriff des Grundeigentums,
der Wald und seine Kokosbäume wurde jedermanns Eigen, das frühere
Kulturland verhaperte und ward zur Savanne. Nur die Reisfelder in Quam
und Rota blieben zum Teil unter dauernder Kultur und in festem Besitz.
Erst als in dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts die Kopra-
ansfuhr begann und die Kokospalme immer steigende Gelderträge abwarf,
suchten sich die Eingebornen wieder festen Grundbesitz zu sichern. Die
spanische Gesetzgebung erleichterte dies. Die »Ley Hipotecaria para las
Provincias de Ultramar« von 1893 bestimmte, dass jeder, der den tat-
sächlichen, wenn auch noch so kurzen Besitz eines Grundstückes nach-
wies, dieses auf seinen Namen in das Register eintragen lassen konnte.
Diese Vergünstigung wurde weitgehend, oft mißbräuchlich benutzt. Heute
hat fast jeder Chamorro seiuen festen Grundbesitz; doch kommt es vor,
dass einer Anspruch auf Kokosbäume erhebt, die auf dem im übrigen
unbestrittenen Grundstück eines andern stehen. Denn es herrschte seit-
her die Auffassung, dass die Bäume dem gehören, der sie gepflanzt hat
nnd alle übrigen dem Staate; das Nutzungsrecht an den letzteren steht
aber nach altem Brauch jedem zu. Auf Guguan und Medinilla sind
keine Kokospalmen.
Die Pflauzkokos werden etwa ein Jahr lang dicht nebeneinander
an einen schattigen Ort gelegt und in der Regenzeit verpflauzt; sie haben
danu meist meterlauge Triebe und starke Wurzeln angesetzt; letztere
werden glatt abgeschnitten und die Nuss nach dürftiger Reinigung und
Auslichtung ihres Standortes mit etwas Erde bedeckt. Die Pflanzweite
beträgt 8 — 10 m. Eine Bodenlockerung, sorgfältige Bereitung eines
Kubikmeter-Loches und Schonung der Wurzeln, wie es die Theorie
als unerlässlich verlangt, findet niemals statt; und doch gedeiht die
Palme und trägt nach 6 bis 8 Jahren reichlich Frucht. Leider
herrscht, wie überall in Mikronesien, die Unsitte, Stufen in den Stamm
zu hauen, welche Fäulnis und frühzeitiges Absterben der Bäume ver-
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Ursachen. Ausser der vielseitigen Verwendung der Früchte als Speise,
Getränk und zur Ölbereitung, der harten Nussschale zu mancherlei Ge-
fässen, des sie umgebenden Bastes zur Verfertigung von Tauen, des
Saftes zu Essig und Alkohol, dienen die Blätter zur Bedachung und zu
Flechtwerk, die Stämme zu Hauspfosten. Im ersten Stadium, bis zu
Eiergrösse heissen die Früchte dadek, später aplok, halbreif zum Trinken:
muoha, fast reif: masüo, ganz reif: nijok. Die Kokospflanzung: fanijükan.
Auch die Banane ist heimische Kulturpflaoze; sie findet sich ver-
wildert auf allen Inseln, und wird in zahlreichen Arten angebaut In
Entfernungen von 3—4 m werden Pflanzlocher von 50 cm Tiefe mit dem
Fusinios (Taf. III Fig. 13) gegraben, in welche der kurz über der Wurzel
abgehauene, etwa mannshohe Schössling eben hineinpasst. Die unreife
Frucht (welche gekocht oder gebraten wird) heisst tchöd'da, die reife
aga. Es giebt zahlreiche Arten: aga-tauluke, 25 — 30 cm lang, kantig
mit orangegelbem, nach Käse riechendem Fruchtfleisch; aga-manila von
derselben Form aber kleiner, ähnlichem Geschmack, fleischfarben, a. bidia,
dünn, grün auch in reifem Zustande, a. galajan, a. dama, a. dedo,
a. guahü. a. halam-tano (Wald-Banane) mit erbsengrossen essbaren Kernen.
Die Brotfrucht, ruma, chamorro: lemai wird nicht angebaut, scheint
aber, trotzdem sie der Missionsbericht nicht erwähnt, schon in vorspanischer
Zeit auf den Marianeninseln vorgekommen zu sein. Ich fand sie auf
Assongsong, nicht aber auf Maug, Sarigan, Guguan, Medinilla. Die
schmackhafte Frucht wird in mannigfacher Zubereitung genossen, dient
ausserdem neben den Blättern als Futter für Rindvieh und Schweine,
das Holz (besonders der »dugdug« genannten Varietät, deren Frucht
Kerne führt), zur Herstellung von Booten, der Milchsaft, mit rotem Lehm
verrührt, ergiebt den wasserbeständigen Anstrich der Karolinercanoes.
Man findet ausgedehnte Brotfruchthaine, doch deutet dies nicht auf kunst-
liche Anpflanzung, da sie sich durch Wurzelausschläge vom Mutterbaum
aus weit verbreiten.
Der Reis wird in den sumpfigen Niederungen auf Guam, in Rota
auf terrassierten, von Kanälen durchzogenen Hängen angebaut
Ich führe hier das an, was ich über die Reiskultur auf Rota im
XIV. Band 3. Heft der Mitteilungen aus den deutschen Schutzgebiete»
berichtet habe: Der Fluss (sadok) Hokog auf der Südkuste von Rota fallt
über mehrere Terrassen ins Meer. Einige derselben sind nach einem
wohlerwogenen System künstlich in Felder abgestuft, zwischen denen
grössere und kleinere Gräben das dem Flusse abgestaute Wasser auf-
nehmen. Die Wasserzu- und -abfuhr wird durch Steine an den Mündungen
der Gräben geregelt. Die Anlage erstreckte sich früher auf mehrere
Terrassen, heute ist nur etwa ein Drittel der früheren Fläche bestellt
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nnd zwar mit Reis, Taro u. a., auch etwas Kaffee und Kakao; sie über-
ragt weit die Intelligenz und Tatkraft der heutigen Chamorros. Die Reis-
felder wurden in folgender Weise bestellt: Im Dezember oder Januar
wird auf dem ganz unter Wasser gesetzten Beet von 4,3 X 35 m zwischen
zwei Bambusstaben ein etwa 0,50 m breiter Streifen Erde bis zur Höhe
des Wasserspiegels angehäuft und dicht mit Reis besät. Nach einigen
Tagen (oder Wochen), wenn die Saat aufgegangen ist, wird der Erd-
streifen verbreitert, bis am Ende des Beetes nur noch Waesergräbchen
von 20 cm Breite bleiben ; auf diesem Beet werden nun die Reispflänzchen
verschult und schliesslich auf andere Beete in 50 cm Entfernung verpflanzt.
Von 3 Pfund Saat werden etwa 70 Pfund geerntet. Die Gesamternte
der Insel betragt an 1O0 Zentner. Es werden jährlich abwechselnd zwei
verschiedene Schläge bestellt, das Reisfeld dieses Jahres hat Brache im
nächsten Jahr. — Das jedesmalige Herrichten der Beete ist eine erheb-
liche Arbeit; die Anlage befindet sich etwa zwei Wegestundeu von der
Niederlassung entfernt, die Leitung und Aufsicht der Bewässerung ist eine
ungenügende, der Ratteufrass eine Folge der mangelhaften Aufsicht. Es
giebt aber schliesslich den Vorwand für die Nichtbestellung und den
Verfall eines jährlich wachsenden Teiles der kanalisierten Fläche. Heute
ist ungefähr ein Drittel der letzteren unter Bebauung, das vorhandene
Land und die Wassermenge würde bei Einhaltung einer rationellen Be-
wässerung für eine weit grössere Reiskultur hinreichen. In den Besitz
dieser Felder teilen sich zahlreiche Eingeborne. Die Frauen ernten den
Reis, die Männer enthülsen ihn; die Aussaat erfolgt gemeinschaftlich.
Bei Saat and Ernte findet ein Fest statt, das zuweilen vom Besitzer,
zuweilen gemeinschaftlich als »tchintchulec bestritten wird.
In Guam wird das Beet im September bereitet; im Oktober werdon
die Pflänzchen verschult, im Dezember/ Januar auf das mit dem Pflug
bearbeitete Feld in Entfernungen von 50—60 cm verpflanzt. Die erste
Ernte findet im März oder April, die /weite acht Wochen darauf statt;
sie er giebt das 10— löfache der Aussaat. Zuweilen wird künstlich be-
wässert mittels Kanalisation; die Dämme heisseu pilapet; ungeschälter
Reis: fäo, geschälter: pügas, gekocht: hinegsa. Famaäjan, das Reisfeld.
Mais wurde von den Spaniern Ende des 17. Jahrhunderts -eingeführt
(ble dTnde) (G. 295). In der Instruktion von 1680 wird das Gouvernement
aufgefordert, dafür zu sorgen, dass sich die von den Eingebornen bestellte
Fläche jährlich vergrössere. — Die erste Maissaat erfolgt im April, die
Ernte nach 4 Monaten. Vor derselben wird schon die zweite Saat zwischen
die Reihen gebracht; die dritte Aussaat im November. Der Boden wird
mit dem Fusinios (Taf. III Fig. 13) gereinigt, dem einzigen Ackergerät
der Chamorros, denn der Pflug wurde seither selteu und nur iu Guam
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▼erwendet, erst seit der deutschen Herrschaft werden auch die Grund-
stücke des Bezirksamtes in Saipan gepflügt.
Das abgestossene Unkraut bleibt zum Trocknen einige Tage liegen
und wird dann verbrannt. Wald wird in Meterhohe umgehauen, nicht
gerodet, die Aste schichtet mau am Rande auf und verbrennt sie später.
Gesät wird zwischen die Baumstrunke und umgestürzten Stämme: drei
oder mehr Arbeiter in einem Schritt Abstand nebeneinander schreitend,
machen mit ihrem Fusinios von Schritt zu Schritt ein kleines Loch.
Hinter ihnen kommen andere, die in jedes Loch 4 bis 5 Maiskörner legen
und Bogleich zutreten. In den schlecht gereinigten oder von Unkraut-
feldern umgebenen Ackern richten die Ratten recht bedeutenden Schaden an.
Süsskartoffel: kamute, wird im August/September oder im November/
Dezember gepflanzt und ist im Dezember/ Januar bezw. März/April reif,
bleibt jedoch bis zum Bedarf in der Erde oder wird im Hause aufbewahrt.
Eine bestimmte »kamuten-yap« genannte Sorte kann zu jeder Jahreszeit
gepflanzt werden, giebt auch reichlicheren Ertrag. In Abstanden von
1 m werdeu mit dem Fusinios runde Erdhaufen von etwa 30 cm Durch-
messer aufgelockert und drei oder vier junge, frisch abgeschnittene Blatt-
zweige zur Hälfte eingesteckt Sie wachsen rasch an.
Taro: die blaue Sorte suni, und die gelbe baba, wird in sumpfigen
Niederungen, auch zwischen den Reisbeeten aus den dicht unter dem
Wnrzelansatz abgeschnittenen Stengeln gezogeu. Von der suni werden
auch die Blätter als Spinat gegessen; sie ist in der Regel die erste
Frucht, welche man auf entwaldetem Boden anpflanzt.
Jam, »dägo« wird wenig angebaut; er kommt verwildert im Walde
vor und wird, ebenso wie andere Wurzeln mit einem lanzen förmigen
Messer »Kubo« (Taf. III Fig. 12) ausgegraben.
Aroru »gabgabt ist alte Kulturpflanze und fast auf allen Inseln, be-
sonders in der Nähe von Ruinen zu finden. Er wird aber heute nur selten
angebaut, man gräbt aber nach den allenthalben vorkommenden Knollen.
Eine andere Knollenfrucht mit rübenfürmiger, weisser Wurzel, aus welcher
man ebenfalls Stärke bereitet, heisst hier »aroru«. Auch sie wird selten
angebaut und scheint, da sie im Innern und anderen Inseln nicht vor-
kommt, erst später eingeführt zu sein.
Der Tabak »tschupa« wird im August auf ein beim Hause befind-
liches Beet ausgesät; die jungen Pflänzchen werden nach etwa 4 Wochen
auf grössere Beete in kleinen Abständen verteilt und im November bezw.
Dezember auf das Feld in Abständen von je einem Schritt verpflanzt.
Die erste Ernte findet im Februar, die zweite im März» die dritte im
April statt, oft werden 4—5 Ernten gemacht. Man erntet nicht die
einzelnen Blätter, sondern haut gleich die ganze Pflanze ab und hängt
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sie zum Trocknen unter dem Hausdache auf. Dann erst werden die
Blatter abgenommen, in drei Grossen geordnet und beschwert, 10 Blätter
werden zu 1 palillo, 16 palillo zu 1 mano yereinigt. Die kleinsten und
rissigen Blätter werden nicht geglättet, sondern in andujo, Bündeln zu
je 10 vereinigt. Zum Schluss kommen sie in Kisten und machen eine
nicht kontrollierte Fermentation durch.
Viehzucht.
Die alten Ghamorros kannten keine Haustiere; und nur einige Vögel
gaben ihnen einen schwachen Begriff von der Tierwelt. Auch von
(Land )Vögeln gab es nur eine der Turteltaube ähnliche Art, die sie
indessen nicht assen, sondern nur abrichteten und sprechen lehrten
(G. 44).
Die Spanier erst führten Rindvieh und Pferde ein, ferner Schweine,
Ziegen, Hühner, Hunde und Katzen.
Über eine Lamazucht auf Assongsong, welche Blumentritt (Alv. 137)
erwähnt, konnte ich aus der mir zur Verfügung stehenden Litteratur
nichts entnehmen; ich habe diese Insel besucht und keine Spuren oder
Reste gefunden.
Im 18. Jahrhundert trieben einige Gouverneure Rindvieh- und Pferde-,
auch Mauleselzucht im grösseren Stil.
In der heute aus etwa 800 Köpfen bestehenden Herde verwilderten
Rindviehes auf Tinian haben wir die Nachkommenschaft einer solchen
Zucht zu erblicken: Die Tiere sollen aus Amerika stammen. Sie sind
meist ganz weiss, mit gleichmassiger Hörnerbildung und von dem schlanken
Wuchs, den die Freiheit verleiht. 1868 wurden zwei Tinian-Rinder nach
Rota fiberführt, das heute einen zahmen Bestand von 150 Köpfen besitzt.
Ihre vorherrschende Farbe ist nicht mehr weiss, sondern braun und schwarz,
auch ihre Gestalt nicht mehr die des Wildrindes; es ist jedoch nicht
sicher, ob nicht später von Guam oder Saipan einzelne Stücke nach Rota
gebracht wurden. Wiederholte Versuche, Tinian- Wildrinder in Saipan
aufzuziehen, scheiterten; die Rinder gingen nach kurzer Zeit aus bis jetzt
unbekannten Gründen, vielleicht an Texasfieber, ein. Auch das Saipan-
Rind leidet stellenweise sehr an Zecken.
Auf Saipan sind etwa 400 Stück Rindvieh und ausserdem auf der
Ostküste eine von entlaufenen Tieren abstammende Herde von etwa
100 Stück.
Man findet unter ihnen, die gleichfalls amerikanischer Abkunft sein
sollen, schöne starke Tiere; im allgemeinen ist jedoch der Schlag klein;
die schwarze Färbung herrscht vor neben braun und gefleckt; die Hörner-
bildung ist nicht so gleichmäßig wie bei der Tinianherde.
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Fast jede Chamorro- nnd Karolinerfamilie hat ein oder mehrere
Rinder. Sie wurden seither durch die Behörde mit glühendem Eisen
numeriert; jeder Viehbesitzer hat seine feste Nummer. Eine regelrechte
Fütterung findet nicht statt. Die Tiere werden an langer Leine unter
der Koko8 oder im Walde angebunden und suchen sich ihre Nahrung
selbst. Zweimal täglich werden sie umgtbuuden und alle zwei Tage ge-
tränkt. Den Kälbern wird nach dem Absetzen mit einem zugespitzten
Holz die Nasenscheide durchstochen, um den aus Pandanus geflochtenen
Ring aufzunehmen, an welchem die »atgoja«, die Leitleine befestigt wird.
Nach dem zweiten Jahr werden die Rinder und zwar auch die weiblichen,
als Last- und Zugtiere, sowie zum Reiten benutzt. Als Tragsattel dient
der apareho: ein viereckiges Stück Leder tragt auf der Unterseite zwei
Bauschen aus Agag (Pandanus), »Conillosc, welche auf den Sattellagern
des Rückens glatt aufliegen; es ist durch einen Bauchriemen »talen-tujan*
und einen Schwanzriemen, »talen-dädalag« befestigt Rechts und links
trägt der apareho einen grossen Pandanus-Korb »kästat dänkuloc zur
Aufnahme der Lasten. Geritten wird ohne Sattel mit Leitleine.
Der Bau des Ochsenkarrens geht ans der Figur 14 auf Tafel III
hervor; er dient sowohl zur Personen- wie zur Lastenbeförderung und
macht mit seinen Vollrädern einen altertümlichen Eindruck. Das Nacken-
joch ist mit der Deichsel fest verbunden, der Führer sitzt mit gespreizten,
auf die Deichselarme gestützten Beinen auf dem Boden des Wagenkastens
und lenkt mit der Leine. Peitschen sind nicht üblich, das Tier — es
wird nur eins vorgespannt — wird durch Zuruf oder durch einen leichten
Stockhieb in Trab versetzt. Die Wege befinden sich grösstenteils in
gutem Zustand, über Flüsse und Gräben führen Brücken mit Steinmauern
und Holzbelag. Von Pagan berichtet Felipe de la Corte, dass sich dort
ein Stück alten Weges befinde, der nach Art der Römerstrassen ge-
pflastert sei. Ich habe bei wiederholten Besuchen auf Pagan diesen
Weg nicht gefunden. Auf steilen, steinigen Gebirgspfaden wird die
»kangga«, eine Schleife benutzt, ein Wagen mit Kasten wie der oben ge-
schilderte, aber ohne Räder.
Zum Transport von Stämmen dient eine Schleppe, die batangga: an
der Deichsel sind zwei Querhölzer angebunden, auf denen der Stamm be-
festigt wird.
Die Kastration der Stiere findet im 2. bis 3. Lebensjahre statt, ist
indessen nicht häufig: der Hodensack wird fest unterbunden, die Hoden
mit einem Prügel zerquetscht. Trotz der Tortur sollen die Tiere niemals
eingehen, nur eine verspätete Operation ist gefahrlich. Schneiden ist
nicht üblich. Nach 15 Tagen ist der Ochse bereits wieder arbeitsfähig.
Die Tiere sollen infolge der Kastration in der Regel die Farbe wechseln,
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schwarze braun werden und umgekehrt — eine Behauptung, deren Richtig-
keit ich noch Dicht prüfen konnte.
Als Last- und Reittiere werden meist Stiere and Ochseu, aber auch
Kühe benutzt. Gemolken wird selten, das Vieh giebt wenig Milch.
Auf Gärapan sind auch einige, auf Guam eine grossere Anzahl
»Carabausc, indische Büffel; sie müssen jeden Tag in die Schwemme ge-
trieben werden. Stiere werden bald nach der Geburt durch Ausschneiden
der Hoden kastriert.
Schweine »babuic finden sich verwildert in grosser Zahl auf Rota, Saipan,
Anatähan, zu Tausenden auf Tinian. Sie sind auffallend schmal gebaut,
hochbeinig mit langem Rüssel, fast ohne Fettansatz, ihr Fleisch ist
minderwertig. Die Hausschweine, offenbar von ganz anderer Rasse, sind
gedrungen, kurzbeinig und werden oft sehr schwer und fett.
Sie werden täglich einmal gefüttert mit Brotfrucht, Kokos oder den
entölten Kokostrebern, Bananen, Mais, Grünfutter. Die Kastration der
Kber findet durch Schneiden gleich nach der Geburt statt. Die Wunde
wird mit warmer Holzasche bestreut. Das Kastrieren der Schweine und
Rinder besorgen zwar bestimmte Personen, welche Bescheid wissen, doch
ist mit dem Amt keinerlei Aberglaube verknüpft.
Ziegeu werden weniger gehalten. Das Fleisch ist unbeliebt. Auf
Tinian leben einige Hundert in wildem Zustand.
Schafe giebt es nicht auf den deutschen Inseln, auch keine Pferde;
in Guam dagegen befindet sich eine nicht grosse Zahl im Besitz von
Eingebornen.
Gänse, Enten, Puten werden von den Chamorros nicht gehalten,
wohl aber Hübner in grosser Zahl, auch Haustauben. Auf allen Inseln
sind eine Menge verwilderter Haushühner, besonders viele wieder auf Tinian.
Die übergrosse Zahl zweckloser Hanshunde wurde durch die Be-
steuerung der Hündinnen erheblich eingeschränkt. Sie werden nicht an-
gebunden und machen sich nur bei der Schweinejagd nützlich. Ein Rudel
verwilderter Huude richtet auf Tinian unter dem dortigen Wildvieh zu
Zeiten Schaden an.
Auch Hanskatzen sind in geringer Anzahl vorhanden. Sie verwildern
leicht.
Jagd und Fischfang.
Die Chamorros siud eifrige Jäger. Dieser aufregende, aber ungefähr-
liche Sport ersetzt den Enkeln die Aufregungen des Krieges, die Kampfes-
lust und -list ihrer Ahueu. Wie in jenen Kämpfen die Überlistung des
Gegners dem offenen Angriffe vorgezogen wurde, so spielt heute die
Schlinge die Hauptrolle in ihrem Waidwerk. Scheidnagel (Alv. 138J
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scherzt mit seiner Fabel vom grell bemalten Chamorro, der den Hai mit
dem Dolche in der Hand in seinem Element angreift. Der Chamorro ist
ein sittsam bekleideter, kein grell bemalter Christ und weder ein guter
Schwimmer und Taucher, noch wiel weniger ein solcher, der dem Hai
zu nahe tritt. Etwas Ahnliches sah ich bei badenden Karolinerjungen,
die ich vom Strande aus auf die Nähe eines Hais aufmerksam machte.
Statt sich nun in Sicherheit zu bringen, verfolgten sie das fliehende
Raubtier im Wasser, warfen mit Stöcken und Steinen nach ihm. Der
hiesige Hai ist übrigens nicht sebr gefahrlich und während der 3'/j Jahre
meines Aufenthaltes kam es nur einmal vor, dass eiu Eingeborner beim
Fischen von einem solchen »balüo« in den Oberschenkel gebissen wurde.
Ein Gefahrte des grell bemalten Haijägers im Reiche der Fabel ist
der Chamorro als »ausgezeichneter Schütze, dessen Schuss höchst selten
die Scheibe fehlt« (Alv. 138). Das Schiessbuch der Polizeitruppe in
Saipan lehrt, wie lange es dauert, bis diese ausgezeichneten Schützen die
Bedingung: »kein Fehler auf 100 m« erfüllt haben. Vermutlich war
also der Ruhm eines Schützenkönigs ehedem leichter zu erringen. Er-
fabelt ist auch die unglaubliche Menge von Hirschen auf Guam, die zahl-
losen Hirschrudel auf Saipan und ihre ungeheuren Mengen auf den Nord-
inseln: Auf Guam wird höchst selten noch ein Hirsch geschossen, doch
mögen früher mehr dort gewesen sein. Auf Rota bevölkerte eine nicht
sehr zahlreiche Herde die Halbinsel Taipiugot, von wo ich 1900 sechs
nach Saipan bringen und hier in Freiheit setzen Hess. Auf den übrigen
Inseln befindet sich nicht ein Stuck. Zur Schonuug ist die Jagd auf
Hirschwild bis auf Weiteres ganz verboten, auch die verwilderten Rinder
auf Saipan und Tiniaii, auf dieser Insel auch die wilden Schweine, Hühner
und Ziegen dürfen nur von den Beauftragten des Bezirksamtes gejagt
werden.
Im übrigen ist die Jagd frei und wird, wie erwähnt, eifrig geübt,
h&lum tano heisst der Wald (wörtlich das Innere der Insel); durch Ein-
schiebung der Verbalsilbe — um — entsteht humäium tano = wäldern,
jagen. Ebenso entsteht aus babui: Schwein, bumaubi: Schweine jagen.
Zur Sauhatz vereinigen sich 4—6 Männer mit möglichst viel Hunden.
Haben diese ein Schwein aufgestöbert, so eilen die Jäger, so schnell es
das Dickicht erlaubt, hinter der Meute her und töten das Wild mit der
Matchete, weiden es sogleich aus und zerlegen es in Stücke, die auf einer
Stange von 2 Männern befördert werden.
Wo zahlreiche Fährteu zur Tränke führen, werden Schlingen gelegt,
deren Aufstellung und Wirkung aus Figur 15, 16 und 17 der Tafel III
ersichtlich ist.
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Mit Gewebren werden Schweine nicht gejagt. Das beliebteste Wild-
pret liefert der fliegende Hund, fani'e, ume fani'e (fliegende Hände fangen),
der zahllos auf allen Inseln vorkommt. Bei Tage wird er von den Bäumen
geschossen, abends, besonders bei Mondschein, mit dem >läguan-fani'e« im
Fluge gefangen. Es ist dies ein an einer 4 m langen Stange befestigtes Netz
aus Stricken oder aus dornigem Reisig p&kau (Taf. IV Fig. 1). Ver-
wilderte Hähne werden in Schlingen gefangen, die aus schwächeren
Stricken, sonst aber ebenso gestellt werden wie die Schweineschlingen
(Taf. III, 15—17). Mau baut an geeigneter Stelle, auf einer Waldlichtung,
30 und mehr derselben auf und setzt einen zahmen Hahn (jöte) in die
Mitte, der durch seineu Gesang die wilden Genossen herbeilockt; oder
der Jäger ahmt das Gegacker eines Huhnes nach, und führt die liebes-
eifrigen Hähne iu die Schlingen, oder er schiesst sie mit der Schrotflinte.
In Schlingen, aber ohne Anlocken, werden auch die Waldhühner,
SHsngat und die Wildenten, ngäuga, gefangen. Anderes Vogelwild sind:
4 Taubenarten: töddot, die Turteltaube, paluman künan, p. halum-
tano, p. ap&ka;
1 Amsel, sälc,
2 Schnepfen, dohle und kalälang,
1 Wasserhuhn, pnlätat;
der weisse Reiher, tchutchiigo apaka und der schwarze tch. ätilong.
Verschiedene Möwen, luan, hahang, tchungi. Die letzteren werden
nachts gefangen, indem man mit einer Fackel in die Büsche leuchtet;
sie fallen herunter und werden mit der Hand gegriffen.
Die übrigen der oben genannten Vögel schiesst man mit der Schrotflinte.
Eine sehr schmackhafte und beliebte Speise liefert die Kokoskrabbe,
ajujo. Sie hält sich in den Löchern der Kalkfelsen auf. Man legt ihnen
Köder aus halbverfaulter Kopra und greift abends gegen 8 Uhr die um
die Lockspeise versammelten Tiere mit der Hand.
Von See- und Strandkrebsen giebt es viele Arten; panglau-maanite,
p. tünas, admaugan, p. etchong (Taschen krebse) , ümang, der Einsiedler,
mahiingang, Hummer, ühang, ein kleiner Flusskrebs. Man greift sie mit
Ausnahme des Hummers mit der Hand, zuweilen nachts bei Fackellicht
auf dem Riff. Der Hummer wird mit der zweizinkigen Fiska (Taf. IV
Fig. 6) gespeert. Taschenkrebse fängt man wohl auch mit der in Taf. IV
Fig. 2 gezeichneten Falle ökndo, ohne Köder.
Frauen und Kinder graben mit den Händen Muscheln und Schnecken
aus dem Sand oder sammeln sie bei seichtem Wasser auf dem Riff; die
häufigsten sind: täro (Pterocera lambist), tapon (Venus puerpera L. var),
dögas (Strombus gibberatus L.), palos (Spondylus zonalis Lau.)» allling
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(Turbo seto8us Gm.), hima (Tridacna elongata Lam.), pägan (Area macu-
losa Reeve), ämson (Mesodesma striatum Chemnitz).
Der Fischfang bildet natürlich eine Hauptnahrungsquelle der Insel-
bewohner. Es wird jedoch nur innerhalb des Riffes gefischt; nur die
Karoliner gehen zuweilen auf die hohe See, besuchen das 25 Seemeilen
von Saipan entfernte Agiguan, tauchen nach Trepang (balate), den sie
den Japanern, verkaufen und nach Schildkröten hagan; auch legen sie
Reusen (näso) innerhalb der Riffe, eine von den Chamorros nicht geübte
Art des Fischfangs. Diese benutzen hauptsächlich Netze: die taluja ist
ein rundes Netz von 4 m Durchmesser, am Umfang mit Bleistucken be-
schwert. Die zweistränigen Fäden sind aus Ananasfaser auf dem Knie,
dann mit der Spindel gedreht und sehr dauerhaft. Zum Gebrauch nimmt
der Fischer den mit einem Griff versehenen Netzmittelpunkt zwischen
Daumen and Zeigefinger der rechten Hand, hängt etwa die Hälfte des
Netzes über den rechten Vorderarm und greift mit dem linken Vorderarm
unter das Netz, so dass es beim Wurf sich vollkommen über den vom
Strande aus gesehenen Schwärm von Fischen ausbreitet; es wird dann
langsam ans Ufer gezogen, die Bleie schleifen am Meeresgrund und lassen
keinen Fisch heraus. Hat sich ein grosser gefangen, so springt der Fischer
ins Wasser und beisst ihu tot. Es werden im allgemeinen kleine Fische
mit diesem engmaschigen Netz gefangen, für grössere macht man weitere
Maschen. Der Fischer geht am Strande entlang, begleitet von einem
Jungen, der ihm den Korb trägt und erkennt an der Bewegung der
Wasserfläche die Nähe eines Fischzuges; er wirft vom Ufer aus auf
höchstens 8 m Entfernung. Mit diesem Netz werden hauptsächlich ge-
fangen: kitcho, güili, luiguan, ti'au.
Das lägua-Netz ist 5 m laug und 1,70 m hoch, an der unteren
Langseite sind Bleigewichte, an der oberen Schwimmer (boya) aus leichtem
Holz (Hibiscus, Brotfrucht) angebracht, die Kurzseiteu siud an je einer
Stange befestigt.
Zum Fischen vereinigen sich 12 — 15 Frauen und Jungen. Au jeder
Stange, die schräg vom Meeresboden zur Wasserfläche gehalten wird,
steht eine Person. Die eine bleibt am Ort, die andere zieht das straff ge-
spannte Netz nach der Richtung, wo die Fische sind, ihr entgegen stürzen
zu gleicher Zeit unter Schreien und Plätschern die übrigen Theilnehmer
und treiben die Fische dein Netz entgegen, dessen Bleie sie schliesslich
erfassen und mit der Beute hochheben.
Das Netzwerk wird aus hier gesponnener Baumwolle, meist aber aus
eingeführten Hauffäden verfertigt.
Dieses Fischen mit dem Ugüa bei Tag wird lal&go, bei Nacht gumade
genannt.
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Das tchentchnlo : Netz ist bis zu 200 m lang und an 3 ra hoch,
aus eingeführten Hanfstücken verfertigt und zwischen kräftigen Tauen
befestigt; unten sind Bleie, oben Schwimmer angebracht. Die Teilnehmer —
bis zu 40 an der Zahl — fahren in 2 Booten mit dem Netz hinaus zu
einer geeigneten Stelle, am besten dahin, wo eine Landzunge eine kleine
Bucht bildet. Vor der Mitte dieser Bucht angekommen, nimmt jedes
Boot die Hälfte des Netzes, beide entfernen sich in entgegengesetzter
Richtung und lassen allmählig das Netz ins Meer gleiten; anf der Außen-
seite des Netzes verteilen, sich in gleichen Abständen Leute, die die
Schwimmer über die Wasserfläche heben, nm zu verhindern, dass — was
sonst vorkommt — die Fische den Netzrand überspringen. Ist das ganze
tchenschulo im Wasser, so rudern beide Boote mit grösster Eile dem
Lande zu, und die Mannschaft zieht das Netz mit der Beute auf den
Strand. Die Maschen sind weit, es werden daher meist grössere Fische
gefangen: gufli, tataga, lägua, tarakito, mafüte, hamotan, gido, lfliluk,
manägang.
Zuweilen baut man bei Ebbe in der Nähe des Riffes einen ge-
schlossenen Hof aus Steinen auf; bei Flut wird um diese Mauer das
tchentchulo gezogen und die nun in die Falle geratenen Fische mit der
Hand gefangen, oder gespeert mit der zwciziukigeu »fiska« (mit Wider-
baken) (Taf. IV, 6). Tchentchulo- painge heisst das Fischen bei Nacht;
tch.-haäne bei Tag. Das Fischen mit der Angel (haguet), welche aus
Eisen ist und eingeführt wird, heisst lumulai; man hängt die an einem
Seil (tüpak) befestigte häguet mit Köder (kleineren Fischen, Krebsen etc.)
in die Löcher des Riffes. Man angelt bei Vollmond, nur Kinder mit
kleineren Angeln bei Tage.
Nachts bei niedrigem Meer wird auch mit Fackeln (h&ef, das trockene
Deckblatt der Kokosblüte) gefischt und gekrebst, die Tiere mit der Hand
gegriffen oder gespeert: kumutoktscha; diese Art des Fanges heisst sumülo.
Aale, palüt der Meeraal und basüle der Flussaal, werden mit der Hand
gegriffen oder gespeert. In Rota haben sich noch zwei alte Fangarten
bewahrt: Atchüman heisst ein Fisch, der mit einem Stein (ateho-pueo)
gefangen wird; dieser hat ungefähr die Form einer Halbkugel (Taf. IV
Fig. 7); auf der flachen Seite ist mittels Gummi aus dem Saft der Brot-
frucht eine halbe Kokosschale (bai'güas) befestigt, in welcher sich zer-
riebene Nuss (manha) befindet, die unter Wasser durch ein in der Spitze
der Schale befindliches Loch langsam ausfliesst und die Fische in grosser
Zahl herbeilockt. Der Stein ist an zwei gegenüberliegenden Stellen der
Flachseite durchlocht und hier an einem Strick (hidak) befestigt. Der
oben im Boot sitzende Cbamorro fängt die Fische mit der Angel oder
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mit einem Ugua-Netz, das an rundem Ilolzbügel befestigt ist und mit
einem Seil hochgezogen wird.
Lägua: Ein Lockfisch wird an einem langen Faden, der am durch-
bohrten Kiefer befestigt ist, angebunden; der Faden wird langsam ein-
gezogen und der Lockfisch kehrt häufig mit Genossen zurück, die mit
dem Ugua-Netz oder der fiska gefangen werden. Nach beendetem Dienst
wird der lägua an einen »Stein angebunden, oder in einen Steinpferch
gesperrt.
Diese beiden Hauptarten waren schon bei den Alten üblich; in den
Ruinen finden sich puco's und andere durchlochte und gereifte Steine
(Taf. IV, Fig. 8 — 12). Welchem Zweek die letzteren dienten, ist unbe-
kannt 1 ). In Fig. 5 derselben Tafel haben wir wohl den Teil einer alten
Angel zu erblicken.
Auch Fischgift ist üblich: gumäsa. Es wird aus der Frucht einer
Mangrove, püding hergestellt, deren Rinde im Steinmörser zerstossen und
auf das Wasser gestreut wird.
Fig. 3 der Taf. IV stellt den Aufbau eines Fischgartens, gigau, dar:
zuerst treibt man in 1 m Abständen die estahas, Pfähle, in den Meeres-
boden; an ihnen wird dann der eigentliche Zaun aus Rohrstöckeu (pian),
die mit der längsgeteilten Wurzel einer Pandanusart pähon, verflochten
werden, angebunden.
Man fangt in diesen oft recht ausgedehnten Fanggärten alle mög-
lichen Fische, besonders laiguaa und torakfto; zuweilen verirrt sich auch
ein grosser Hai, halüo in ihu, dessen Rücken gegessen wird.
Schildkröten, hagan, werden, wie bereits erwähnt, mit der Hand
gegriffen: der Eingeborne eilt, wenn er sie in der Nähe des Riffes er-
blickt, mit dem Boote dorthin, stürzt sich in das Meer und erfasst sie
mit den Armen, wobei er sich vor dem kräftigen Gebiss des Tieres in
Acht nehmen muss. Einem gefangenen Weibchen wird zuweilen das
Bauchschild am hinteren Ende durchbohrt, ein starker Drabthng durch
das Loch gezogen und mit der an einer geeigneten Stelle angebundenen
Gefangenen andere Schildkröten herbeigelockt. Man tötet das Tier durch
Stiche, legt den Mund an die Wunde und trinkt das Blut. Dann wird
es, ehe es ganz tot ist, mit dem Rücken nach unten in eine Grube
gelegt und Feuer darüber angezündet bis das Fleisch gar ist; es schmeckt
wie das beste Rindfleisch. Die in dem Schild angesammelte Brühe wird
getrunken.
') Die Vermutung liegt nahe, dass diese Steine als Netzbeschwerer gedient haben.
R II.
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Das Schildpatt der hier häufigen Art ist dünn und wertlos und wird
überdies durch das Feuer zerstört. Die echte Schildkröte »carai« kommt
selten vor.
Boote.
Als Magallanes die Inseln entdeckte, wurde seine Flotte umschwärmt
von zahllosen Segelkanus, Doppelendern, die pfeilschnell üher das Meer
hinflogen. Nach ihren dreieckigen, aus Blattgeflecht hergestellten Segeln
nannte Legaspi die Eilande »Die Inseln der Lateinsegelc.
Mit diesen Booten fuhren sie von Insel zu Insel uud der Pater San-
vitores und andere Missionare besuchten auf solchen Fahrzeugen der
Reihe nach alle die kleinen Vulkankegel, welche die Marianengruppe
bilden.
»Von erstaunlicher Leichtigkeit waren die Boote und von gefälliger Form ;
kalfatert mit eiuem Harz und Kalk, den sie in Kokosöl löschten«. (G. 52.)
Mit dem Untergang des tapferen Völkchens, von dem nur Schwäch-
linge übrig blieben, verschwanden auch die Hochseeboote. Erst die im
19. Jahrhundert zuwandernden Karoliner, deren Fahrzeuge und Segel uach
dem Zeugnis Le Gobiens (S. 401) schon im 17. Jahrhundert dieselbe
Form und Bauart wie die Marianerboote hatten, nahmen den Verkehr
zwischen Guam, Rota, Tinian uud Saipan wieder auf, bis die weichliche,
falsch angebrachte Fürsorge einer kurzsichtigen Regierung wegen einiger
Unglücksfalle auch diesen Fahrten ein Ende machte. Der letzte »sagman«
soll 1892 aus Saipan in Guam eingetroffen sein.
Die Chamorros benutzen jetzt — lediglich zum Fischfang innerhalb
der Riffe — nur Einbäume aus dugdug, lemai (die zwei Brotfruchtbäume),
nonak oder djöka, ohne Aufsätze (Taf. IV, Fig. 13). Sio sind 3—6 m
lang, heissen galäide und werden mit dem soso, einem Hohlbeil, aus dem
frischen Holz gehauen. Als Bänke werden eine Anzahl von Querhölzern
aufgenagelt. Zwei l'/t — 2'/a m lange schwach gekrümmte Stangen
(gäbet) tragen den Ausleger »lutcha«, einen massiven, parallel zur Boots-
axe stehenden Holzkörper von der Form eines kleineren Bootes.
Gerudert und zugleich gesteuert wird mit den pogsai, kurzen Paddeln,
die, ohne festen Drehpunkt auf dem Bootsrand, senkrecht ins Wasser
gesteckt werden. Gewöhnlich benutzt man aber zur Fortbewegung eine
lange Stange »tulus«, die der aufrechtstehende Fährmann auf den Meeres-
boden aufsetzt, und mit der er sich und das Boot abstösst. Nach Corte
soll es auf Guam zahlreiche, künstlich hergestellte Kanäle geben, welche
die Riffe durchschneiden und so eine bequeme Einfahrt der Boote
ermöglichen.
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Standesunterschiede, politische Verhältnisse.
Die alten Marianer schieden sich in streng gesonderte Kasten:
G. 49: »Es giebt unter ihnen 3 Stande: »Adel (matuas), Volk
(mangatchangs) und Mittelklasse (atchaots). Der Adel ist von unglaub-
lichem Hochmut und hält das Volk in einer Erniedrigung, von der man
sich in Europa keinen Begriff machen kann; so sehr, dass es für einen
Edlen als die grösste Schande, ja als ein Verbrechen gilt, sich mit einem
Mädchen aus dem Volke zu verheiraten; seine Familie aber verliert jeg-
liches Ansehen, wenn sie eB duldet. Vor ihrer Bekehrung zum Christen-
tum versammelten sich, wenn Leidenschaft oder Eigenutz einen Edlen zu
solch unwürdigem Schritt verleitet hatten, alle seine Verwandten und
reinigten den Makel mit dem Blute des Schuldigen.
So eifersüchtig wachte der Adel über seine Stellung und die Rein-
heit seines Blutes. Nicht nur bei diesen Gelegenheiten zeigt der Adel
seine Verachtung für das Volk; er hält es in einem solchen Abstände,
dass dem Gemeinen nicht erlaubt ist, sich auch nur dem Haus oder der
Person eines Edlen zu nähern.
Wenn ein »Chamorrisc, so heissen die Angesehensten des Volkes,
etwas von einem Plebejer will, so muss er es von weitem fordern. Ein
Edler würde sein Haus für entehrt halten, wenn darin einer aus dem
Volke gegessen oder getrunken hätte. Dies und viele andere Umstände
deuten auf den karoliniscben Ursprung der Masse des Volkes, während
die Chamorros tagalische oder mongolische Eroberer zu sein scheinen.
Das Fremde heisst gi lago, d. h. aus dem Westen, finu lago, die fremde
Sprache, finuhaia die heimische (die östliche) Sprache. Auf die Spanier
kann sich dies nicht beziehen, denn sie kamen aus dem Osten. Auch
später liefen die spanischen Schiffe wegen der hier fast das ganze Jahr
herrschenden Nordostwinde die Marianen auf ihrer Reise von Mexiko nach
Manila, nicht von Manila aus an. — Die Chamorrosprache soll der
tagalischen sehr ähnlich sein; dies würde nur beweisen, dass die erobernden
Ghamorris den Karolinern ihre Sprache aufgedrängt haben, tagah'lo heisst
hochstehend.
»Die Adligen haben erbliche Familiengüter. Aber Erben des Ver-
storbenen sind nicht die Kinder, sondern seine Brüder und Neffen, die
dann seinen Namen oder den des Familienhauptes annehmen. Diese Sitte
erscheint uns sonderbar, aber sie ist so eingebürgert, dass sie keinerlei
Unordnung oder Streit verursacht. t Noch bis vor Kurzem beerbte der
älteste Sohn allein den Vater, nach heutiger Sitte wird aber der Nachlass
zu gleichen Teilen unter alle Kinder geteilt. Der Mutter verbleibt der
Niessbrauch bis zu ihrem Tode, der älteste Sohn wird seinen jüngeren
Geschwistern gegenüber pater familias.
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»Der höchste Adel der Inseln wohnt in Agaüa, der Hauptstadt von
Guahan. Er ist zahlreich, denn die Lage des Ortes ist günstig, die
Wasserverhältnisse vorzuglich und die hervorragendsten Familien haben
sich hier niedergelassen. Man zählt ihrer mehr als fünfzig, die auf der
ganzen Insel angesehen und geachtet sind.
Die Häupter des Adels leiten die Versammlungen. Man schätzt,
man ehrt ihren Rat, aber man trägt ihren Meinungen nur soweit Rech-
nung, als man es für nützlich hält. Jeder kann sich entscheiden wie
ihm beliebt; niemand nimmt ihm seine Entscheidung übel; denn diese
Menschen sind keinem Herrscher und keinem Gesetz unterworfen. Sie
haben aber ihre Gewohnheiten, die sie so treu befolgen, als wenn es
wirkliche Gesetze wären« (G. 49 — 51).
Die Not des Krieges lehrte sie gehorchen und sich der Leitung einzelner
überlegener Männer fügen, die Standesunterschiede verschwanden vor der
gemeinsamen Gefahr. Die Missionare hatten dem vorgearbeitet; sie waren
im Anfange ihrer Tätigkeit auf den Widerstand des Adels gestossen,
als sie die Sakramente auch dem verachteten Volke reichten. Aber ihre
Lehre von der Gleichheit aller Menschen fand Eingang, und die Spanier,
die auch hier, wie überall in ihren Kolonien, ihre Rassenüberlcgenheit
nicht betonten und sich unbedenklich mit Eingeborenen verheirateten,
freundlich gesinnte Chamorros wie Ihresgleichen behandelten und sie zu
Ämtern zuliessen, gingen ihnen in der Betätigung dieser Lehre voran.
So sehen wir, wie die Mehrheit des durch kein Gesetz und keine
Regierung geeinten Volkes sich wiederholt zu blutigem Aufstaud gegen
die Fremdherrschaft erhebt. Von Insel zu Insel eilt die Kunde von der
Erhebung, und willig fügen sich Adel und Volk der ungewohnten Führung
Einzelner, deren Beredsamkeit Stammesbewusstsein und Vaterlandsliebe
in ihnen weckt.
Nach der Niederwerfung des Aufstandes, d. h. nach der Vernichtung
fast der gesamten Bevölkerung, führten die Spanier in den noch ver-
bliebenen Ortschaften dasselbe System einer Art Selbstverwaltung unter
geistlicher Vormundschaft ein, wie auf den Philippinen. An der Spitze
jeder Gemeinde stand der gobernadorcillo (kleiner Gouverneur), ein Ein-
geborener als Vertreter der Staatsgewalt, oft zugleich Friedensrichter und
Notar; ihm zur Seite die gleichfalls eingebornen cabezas de barangay
(Bezirksaufseher). Sie bekleideten Ehrenämter mit geringer Besoldung,
doch übten sie in ihrem Kreise eine fast unumschränkte Willkür aus.
Die polistas, die arbeitsfähigen Männer von 15 — 50 Jahren, waren zu
einer Arbeitsleistung von jährlich 15 Tagen für Gemeinde- oder Staats-
zwecke verpflichtet, eine Pflicht, welche je nach Gunst oder Abgunst
der Ortsgewaltigen sich verringerte oder erhöhte. Iu Wirklichkeit
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arbeiteten die polistas zumeist für deD Schulzen und die Aufseher. Die
ganze Bevölkerung war auch im Rechtsschutze abhängig von dem Wohl-
wollen des enteren, und da die spanischen Beamten im grossen dieselben
Vorteile genossen, wie die eingebornen Beamten im kleinen, so wurden
Missbräuche selten geahndet. Gefürchtet aber, weil eingeweiht in alte
Ortsverhältnisse, tronte und gebot der Priester als meist einziger Spanier
über alle.
Die deutsche Verwaltung behielt Orteschulzen und Bezirksaufseher
bei, aber lediglich als Ausführungs- und Aufsichtsbeamte. Die Arbeits-
kontrolle erfolgt unmittelbar durch das Bezirksamt in Saipan, Recht-
sprechung und Verwaltung ist ihnen gänzlich abgenommen worden. Die
Arbeitspflicht wurde auch unter der deutschen Herrschaft beibehalten
mit der Abänderung, dass Ehemänner nur 12 Tage, Junggesellen vom
15. bis 50. Lebensjahre dagegen 20 Tage jährlich für öffentliche Zwecke
arbeiten müssen. Väter von mehr als 5 Kindern bleiben von der Arbeits-
pflicht, Väter von mehr als 8 Kindern auch von der Personalsteuer be-
freit. Letztere beträgt 3 Mark jährlich für alle der Arbeitspflicht Unter-
worfenen.
Jenes oben erwähnte spanische System begünstigte wieder die Bildung
von Klassenunterschieden. An der Spitze stand die principalia, die Orts-
beamtenschaft und ihre Sippen, unter ihnen die übrigen Chamorros, stolz
aber sehen beide Theile auf die später zugewanderten Karoliner herab
und behandelten sie oft wie Hörige; sie mussten stets für angebliche Ge-
meindearbeiten zur Verfügung stehen. Heiraten zwischen Chamorros nnd
Karolinern waren und sind heute noch selten. Es ist nicht zu verkennen,
dass die Chamorros geistig regsamer sind, mehr Familien-Interesse und
mehr Bedürfnisse haben als die in ihrer Nacktheit auch äusserlich auf einer
niedrigeren Kulturstufe stehenden Karoliner. Ihre Tänze, ihr lockeres
Familienleben, ihr unkirchlicher Wandel, ihre einfachere Lebensweise
bringt sie in einen Gegensatz zu den wenigstens äusserlich mehr moderni-
sierten Chamorros.
Rechtspflege, Stellung der Frau.
>Vor Ankunft der Spanier auf den Marianen lebten ihre Bewohner
in völliger Freiheit Sie hatten keine andern Gesetze als das Gutdünken
jedes Einzelnen«. (G. 43.)
»Jeder ist frei in seinen Handlungen, sobald er Vernunft und Selbst-
bewusstsein erlangt hat. Die Kinder wissen nichts von Ehrerbietung und
Gehorsam ihren Eltern gegenüber; sie erkennen ihre Gewalt nur solange
an, als sie ihrer bedürfen. In seinen Privatstreitigkeiten schafft sich
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jeder selber Recht; Streitigkeiten zwischen Ortschaften werden durch
Fehden entschiedene. (G. 53.)
»Die Rache ist eine ihrer Hauptleidenschaften. Hat man ihnen
nrecht getan, so zeigen sie ihren Zorn nicht durch Worte und laute
lagen. Äusserlich sieht man ihnen nichts an; aher sie bergen im Innern
ihre Bitterkeit. Meister ihrer Leidenschaft, lassen sie sich zwei, drei
\re lang nichts merken, bis sich eine günstige Gelegenheit zur Ver-
^ ung bietet; dann aber entschädigen sie sich fOr ihre Selbstbe-
schnng und lassen sich zum schwärzesten Verrat und zur furcht-
barsten Rache binreissen«. (G. 56.)
»Ihre Unbeständigkeit ist unglaublich und .... aus einer Über-
treibung fallen sie in ihr Gegenteil. Was sie eben glühend begehren,
verschmähen sie im nächsten Augenblick. Das haben die Spanier oft
genug erfahren müssen, und diese Flatterhaftigkeit war ein Haupt-
hindernis für die völlige Bekehrung der Eingebornen«. (G. 57.)
»Sie verabscheuen den Mord und den Diebstahl. Man tat ihnen
Unrecht, ihre Inseln die Ladronen zu nennen. Statt Diebe zu sein, leben
sie vielmehr in einem so grossen gegenseitigen Vertrauen, dass sie nicht
einmal ihre Häuser verschliessen. Sie lassen alles offenstehen, und
niemand bestiehlt seinen Nachbar. Sie sind freigebig und lieben es,
andere zu erfreuen. Das empfanden die Spanier bei dem Schiffbruche
der »Concepcion« im Jahre 1638: Die Geretteten wurden freundlich
aufgenommen, und man suchte ihnen ihr Schicksal durch Gastlichkeit zu
erleichtern«. (G. 62.) Vergehen gegen das Leben sind heutzutage überaus
selten, nnd die Ermordung des Gouverneurs Pazos 1884 ist die einzige der-
artige vonChamorros verübte Tat, über welche die Kirchenchronik (seit 1847)
berichtet. Sie war die Folge einer Verschwörung der unter eingebornen
Offizieren stehenden, ganz sich selbst überlassenen und undisziplinierten
Polizeitruppe, die dann von Zeit zu Zeit wieder mit übermässiger Strenge
behandelt wurde. Pazos wurde vom Wachtposten erschossen, nach der
Tat aber wagten die Verschwörer nicht, ihren Plan, sämtliche Spanier
zu töten, auszuführen.
Kleinere Diebstähle von Hühnern, Esswaren etc. sind leider sehr
häufig.
»Die Männer können beliebig viele Weiber nehmen, nur Verwandte
dürfen sie nicht heiraten. Gewöhnlich aber begnügen sie sich mit einer
Frau. Diese maßen sich Rechte an, die anderwärts nur den Männern
zustehen. Die Frau herrscht unumschränkt im Hause; und der Mann
kann ohne ihre Einwilligung nicht über das Geringste verfügen. Weuu
er gegen sie nicht ganz so ehrerbietig ist, wie sie es glaubt verlangen
zu können, wenn seine Führung nicht ordentlich oder aber, wenn sie selbst
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schlecht gelaunt ist, so misshandelt oder verlässt sie ihn und lebt frei
wie vor der Heirat. Denn die Ehe ist nicht unlösbar und dauert nur
so lange, als beide Teile miteinander zufrieden sind. Ist dies nicht mehr
der Fall, so trennen sie sich. Aber wer von ihnen auch schuld sei am
Zwist, die Frau verliert nichts von ihrer Habe, die Kinder folgen ihr und
betrachten den neu gewählten Ehemann als ihren Vater; und so ein
armer Ehegatte sieht sich nicht selten durch weibliche Laune und Grillen-
haftigkeit kummervoll allein, verlassen von Weib und Kind. — Aber
damit sind die Leiden eines Ehemannes noch nicht erschöpft. Wenn die
Frau ein ungebundenes Leben fuhrt, so kann er sich an ihrem Geliebten
rächen, ihn sogar töten; aber die Frau darf er nicht zuchtigen, er kann
sie höchstens verlassen. Ist der Gatte untreu, so schafft sich die Frau
auf eine Weise Recht, die ihn zur Pflicht bringt: sie teilt allen Weibern
des Ortes die Untreue ihres Mannes mit. Diese versammeln sich, mit
Lanzen bewaffnet, die Hüte ihrer Gatten auf dem Kopf. So rücken sie
in Schlachtordnung vor das Haus des Beklagten, verwüsten seine Pflanzung,
zertreten sein Getreide, plündern die Fruchtbäume, kurz, sie richten eine
schreckliche Zerstörung an. Darauf ergiessen sie sich über das Haus, und
wenn der unglückliche Ehemann sich nicht vorsichtig zurückgezogen und
unter Deckung begeben hat, so greifen sie ihn tatlich an und verfolgen
ihn, bis er die Flucht ergreift. — Sie haben noch eine andere Art von
1 lache zur Verfügung: Sie verlassen das Haus und teilen ihren Ver-
wandten mit, dass sie mit ihrem Gatten nicht weiter leben könnten. Jene
ergreifen mit Vergnügen die Gelegenheit sich zu bereichern, stürzen Rieb
unter dem Vorwand, ihre Verwandte zu rächen auf das Hans des
Schwagers, plündern es und nehmen alles bis auf die letzte Kleinigkeit
weg. Der Hausherr ist noch glücklich, wenn sie sich damit begnügen
und nicht auch, was zuweilen vorkommt, ihm das Haus selbst einreissen.
Wegeu dieser Herrschaft der Weiber über die Ehemänner zieht eine
grosse Anzahl junger Leute es vor, überhaupt nicht zu heiraten. Fnr
einige Eisenstücke oder Schildkrötenpanzer mieten oder kaufen sie
Mädchen von deren Eltern und bringen sie in ihre öffentlichen Häuser.
Dort führen sie mit ihnen »zum Ärgernis der Braven unter dem Volk«
den liederlichsten Lebenswandel. (G. 59—62.)
In der Bekämpfung dieser lockeren Verhältnisse begegneten die
Missionare heftigem Widerstand. Die UnlÖsbarkeit der Ehe dünkte den
Eingebornen ein unerträgliches Joch; besonders die Frauen, gewohnt zu
herrschen und nach ihrer Laune den Mann zu wechseln, wollten sich der
neuen Tyrannei nicht unterwerfen. Aber man veröffentlichte die Be-
schlüsse des Tridentiner Konzils über die Ehe uud zwang jeden, sich
darnach zu richten. (G. 299.)
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Die Uritan- Häuser wurden zerstört, ihre Bewohnerinneu in die
Seminare gebracht oder an Spanier verheiratet. Auch einige den Christen
ergebene angesehene Chamorros (Quipuha, Hineti) lebten in erweiterter
Ehe, und es kostete die Spanier viele Mühe und manchen Freund, ehe
ihnen die äuaserliche Durchführung dieser strengen Grundsätze gelang,
zumal sie selbst den Eingebornen mit keinem guten Beispiele vorangingen.
Die getauften Christinnen waren, wie Le Gobien S. 297 klagt, im spanischen
Lager vielfachen Versuchungen ausgesetzt. Die kirchliche Ehe ist auch
heute unter den Chamorros, mehr freilich noch unter den Karolinern, ein
lockeres Band. Die öffentliche Meinung nimmt keinem Manne den Ehe-
bruch übel, und die Fehltritte der Gattin werden vom Hausherrn über-
sehen und verschwiegen. Es kommt auch häufig vor, dass die ihres an-
getrauten Mannes überdrüssige Frau ihn mitsamt den Kindern verlässt
und mit einem anderen lebt; dann kommt wohl der gekränkte Gatte zum
Bezirksamtmann uud bittet ihn um seine Vermittlung, nicht als Richter,
sondern als »magalahe«, der patriarchalisch auch diese innersten Ehezwiste
schlichten soll Die Entscheidung oder der Rat wird widerspruchslos be-
folgt. Ich bedauere feststellen zu müssen, dass die Schuld in den meisten
Fällen bei der Frau liegt. Seitdem jedoch einem verlassenen Ehemann
der Rat gegeben wurde, es mit seiner Frau doch einmal auf einer anderen
Insel zu versuchen, wo weniger Männer seien, ein Rat, der von ihm
freudig, von ihr widerstrebend befolgt wurde und gute Früchte trug:
seitdem wird grossere Vorsicht geübt, denn ein betrogener Gatte kann
sein Weib bitter strafeu, indem er dem magalahe den stets gewährten
Wunsch vorträgt, mit Familie nach einer anderen, einsamen Insel über-
zusiedeln. Die wilden Ehen sind zahlreich und werden ebenso nachsichtig
beurteilt, wie der freie Verkehr der Jugend, der etwa vom 15. Lebens-
jahre an für selbstverständlich gilt.
Als die Amerikaner Guam besetzten, nötigten sie die Priester, einer
Menge wilder Ehen den kirchlichen Segen zu geben, die vorher wegen
geringfügiger Hindernisse, Höhe der Gebühren, weitläufiger, aber des
bischöflichen Konsenses bedürftiger Verwandtschaft, nicht förmlich ge-
schlossen waren. Es darf billig bezweifelt werden, ob alle diese Zwangs-
maßregeln die Sittlichkeit mehr als oberflächlich beeinflussen. Eine zwei-
hundertjährige Kirchenzucht hat die Ehemoral der äusserlich sehr frommen
Eingebornen nicht verändert. Ein Chamorro hatte sich wegen Verführung
seiner Stieftochter zu verantworten; er entgegnete: ich habe das Kind
jahrelang gefuttert und grossgezogen, wer in der Welt hätte, wenn ich
wirklich schuldig wäre, ein grösseres Recht auf sie als ich?
Dass indessen der Ehebegriff der Chamorros ein innigeres Verhältnis
bedeutete als blosses geschlechtliches Zusammenleben, ergiebt sich aus
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der Etymologie der bezüglichen Worte: sague = schützen, sagua = Gatte,
auch die schützende Meeresbucht; umä'sagua = heiraten; umasigua =
die Ehe.
hatcha = eios; batchaigua — gleich, eins, umätchaigua = eins werden,
begatten, umäkitchi, ausserehelich verkehren, leglog, die einsame Be-
friedigung, die unter der Jngend sehr verbreitet ist. loglog, die Zuneigung,
heisse Liebe: auch das Kochen des Wassers.
In Haus und Wirtschaft führt heute noch die Frau das erste Wort,
sie giebt den Ausschlag in allen Angelegenheiten, die die Kinder betreffen;
ist aber eine Schwiegermutter im Haus, so hat sich alles ihr zu fügen.
Sie ist das anerkannte Haupt der Familie, die ihr mit gröastem Respekt
gehorcht. Begegnet ihr ein Angehöriger auf der Strasse, so hat dieser
ihr nnter tiefer Verbeugung die Hand zu küssen. Sie schliesst dann wohl,
wenn sie gut ist, ihren Sohn oder Enkel in die Arme und küsst ihn auf
die Wange, giebt ihm aber im Anschluss an diese Liebkosung vielleicht
eine kräftige Ohrfeige wegen schlechten Verhaltens. Der Kuss der Ehr-
erbietung und der Liebe besteht nicht in einer Berührung mit den Lippen,
sondern in einem leichten Anlegen der Nase auf Hand oder Wange und
einer Art Beriechen; küssen und riechen heisst gleichlautend »nginge«.
Der europäische Kuss wird »tchiko bagbagc genaunt, wegen des dabei
entstehenden Geräusches.
Bei den Alten herrschte grosse Höflichkeit: »ati arinmoc (richtig
hati adengmo, ich küsse deinen Fnss) war die Begrüssungsformel auf der
Strasse; im Haus süich man sich gegenseitig mit der Hand über den
Magen (G. 51). Als die Missionare zum ersten Mal Guam durchquerten,
wurden sie am Strande von einer grossen Zahl festlich geschmückter
Kriegor empfangen und nach der Hauptstadt Hagatnia geleitet (G. 71).
Als sehr unhöflich galt es, in Gegenwart einer Person, der man
Achtung schuldet, sich zu räuspern; ja nicht einmal in der Nähe eines
fremden Hauses durfte man dies tun (G. 51). Eine schöne Sitte, die den
in dieser Hinsicht wenig rücksichtsvollen Spauiern allerdings auffallen
musstc. Le Gobieu nennt es »eine Sitte, deren Grund man nicht genügend
erklären könuec ! Die modernen Chamorros spucken wie die Spanier,
sie leinen aber allmählich wieder, zum Anstand ihrer Vorfahren zurück-
zukehren.
Die Frau, besonders in der reinen Chamorrofamilie auf Rota und in
den Landorten auf Guam, führt die Wirtschaft, sie verrichtet die schwere
Arbeit im Felde, der Mann besorgt das Vieh, fischt, jagt, macht Netze.
Da ist es nur billig, dass sie befiehlt und, so es not tut, was nicht selten
der Fall ist, mit treffenden Handbeweguugen den schläfrigen Gatten auf-
muntert.
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Eine eigentliche Erziehung der Kinder findet nicht statt. Die Söhne
helfen dem Vater, die Töchter der Mutter, bis sie selbst heiraten; in
ihren Vergnügungen legen sie sich keine Schranken auf. Nur wenn der
Sohn in fremden Dienst gehen will, entscheidet die Mutter. Kinderreiche
arme Leute geben wohl ohne Vergütung ihre Tochter oder ihren Sohn
in ein befreundetes Haus. Dort dient er, ohne Lohn zu empfangen, ausser
Nahrung, die nötigste Kleidung und vielleicht etwas Taschengeld. Heiratet
der Diener (tentägo), so erhält er vom Herrn eine kleine Ausstattung:
das sind die guten Herren, es giebt aber auch schlechte und gewissen-
lose, die genau Buch führen über alles, was der tentago über seine Kom-
petenz erhalten bat und ihm, wenn er den Dienst verlassen will, eine
erstaunlich hohe und garnicht zu kontrollierende Rechnung vorlegen, die
er erst abarbeiten soll. Er bleibt dann Jahre um Jahre und würde nie
aus der Sklaverei erlöst werden, wenn er sich nicht eines Tages das Herz
fasste und dem magalahe seine Not klagte. Im übrigen fühlt sich der
tentAgo durchaus als Sklave und für verpflichtet, seinem Herrn auch im
Unrecht zu dienen: als Zeuge gegen seinen Herrn vernommen, wird er
immer zu dessen Gunsten aussagen, selbst unter dem Eid. Bei dieser
Gelegenheit sei erwähnt, dass es für den Richter überaus schwer ist,
sich nach den Zeugenaussagen ein richtiges Urteil zu bilden. Die Ein-
gebornen sind Wahnvorstellungen zugänglich, es ist ein Leichtes, sie zu
überzeuget], dass sie etwas gauz anderes gesehen haben, als sie anfangs
glaubten und das suggerierte Bild verdrangt völlig das wirklich gesehene.
Eingeborne werden daher nur im äusserst en Fall vereidigt.
Der junge Mann heiratet zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr,
doch giebt es auch 16 jährige Ehemänner; in demselben Alter stehen
zumeist die Bräute, doch bereits mit 14 gelten sie als heiratsfähig. Ein
mutiger Jüngling hält selbst um die Hand seiner Erwählten bei deren
Eltern an, anderenfalls schickt er seine weiblichen Familienhäupter vor.
Gewöhnlich erhält er, wenn die Braut hübsch, reich und viel nmworben
ist, die Autwort: ja, er könne sie haben, aber nicht jetzt, denn sie sei
noch zu jung, sondern übers Jahr oder später. Dann muss von heute
bis zum Tage der Heirat der Verlobte beim Schwiegervater dienen oder —
falls er zu vornehm ist, um selbst zu arbeiten — ihn durch Geschenke
erheitern, Schweine sind sehr beliebt. Am Tage vor dem ersten Aufgebot
in der Kirche schickt der Verlobte das iob zum Schwiegervater: das
ist ein Haufen Brennholz, wenn er arm, ein kaban Reis und ein Schwein,
wenn er reich ist. Nach dem dritten Aufgebot aber schickt der Bräuti-
gam seiner Zukünftigen Kleiderstoffe, Schmuck, Schuhe, kurz eine ganze
Hochzeitsausrüstung; auch Strümpfe dürfen nicht fehlen, denn, wenn auch
nie vorher und später im Leben, bei der Hochzeit tragt die Braut
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Strümpfe und der Bräutigam, wenn er es erschwingen kann, braune
Leder- oder schwarze Lackschuhe.
Als Mitgift erhält die Braut in der Regel nichts; neuerdings zuweilen
ein Stück Feld, ein Haus oder Geld.
Am Abend vor der Hochzeit findet im Hause der Braut und ebenso
in dem des Bräutigams tchintchüle, Festessen mit darauf folgendem Tanz,
statt. Gegen Mitternacht zieht der letztere mit seinen Freunden unter
Musikbegleitung nach dem Hause der Braut und tanzt mit ihr den
fandanggo, den bekannten spanischen Liebestanz. In den sehr gefälligen
Bewegungen, jetzt würdig und gemessen, dann dringender auf der einen,
zurückhaltend auf der anderen Seite, schmollend, glühend, leidenschaftlich
bis zur schliesslichen Erhörung, kommt das Liebeswerben in allen seinen
Stufen und Stimmungen zum Ausdruck. Um 1 oder 2 Uhr zieht der
Bräutigam wieder ab, in der Frühe um 6 findet die Trauung statt und
eiu gemeinschaftliches Festessen hält den nächsten Tag aus.
Haben die jungen Gatten noch kein eigenes Haus, so nimmt der
Mann seine Frau in das Elternbaus oder auch umgekehrt, und sie teilen
mit Eltern und Geschwistern den gemeinschaftlichen Schlaf- und Wohn-
raum.
Das Erstgeborene trifft uicht selten unerwartet früh ein, oft auch
zum Erstaunen des Mannes!
Wenn die Zeit der Geburt herannahte, so machte man früher aas
alten Kleidern der Wöchnerin ein Nest zurecht: jesta polo i tchentchon:
das Nest ist fertig; heute bereitet man ein Bett aus Baumwollkissen.
Die Nabelschnur wird zweimal, in 5 und in 10 cm Abstand vom Leibe
fest abgeschnürt und mit einer Binde an den Leib gebunden, nach 1—9
Tagen fallt sie von selbst ab. Auf die Wunde streut man fein geschabtes
Mehl von der harten Kokosschale. Die Nabelschnur wird begraben, nicht
fortgeworfen. Gestillt wird 5 Monate bis 4 Jahre, im ersten Fall unter
Zuhilfenahme eiuer Amme; als solche dient zuweilen eine Ziege, an deren
Euter das Kind trinkt. Auch mit der Saugflasche und Gummimundstück
wird Kuh- oder Ziegenmilch gegeben.
Das Neugeboreue kommt in eine fanggapsa, einen Wickel aus Pau-
dauusgeflecht, der am Kopfende etwas dicker ist. Die Hände werden an
den Körper gelegt, das Kind bleibt etwa einen Monat in diesem Wickel-
klei d.
Die Taufe findet unter dem üblicheu tchintchüle möglichst bald nach
der Geburt statt. Als Name wird der des Tagesheiligen gewählt, dazu
auch ein anderer. Der Pate »padrino« tritt in ein engeres Verhältnis zur
Familie, er wird »compadre« und macht von Zeit zu Zeit kleine Ge-
sekenke.
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Es kommt zuweilen vor, dass der Kopf des neugeborenen Kindes
abnorm gross ist: Dann wickelt man ihn in die mit Kokosöl bestrichenen
Blätter des ilum monte; nach etwa 4 Tagen soll er die normale Grösse
erlangt haben!!
Die Witwe trauert ein Jahr um ihren Mann: 6 Monate trägt sie
schwarzen Rock und schwarzes Hemd, 6 Monate nur einen schwarzen
Rock. Ebensolang trauert man um die Eltern, ein halbes Jahr um den
Bruder.
Aber »rey muerto, rey puesto« einige Witweu heiraten wieder noch
vor Ablauf des Trauerjahres, vielleicht schon nach 3 Monaten.
Bevor einer stirbt, kündigt er sich den Verwandten zum Abschied
im Traume au; besonders wenn er Schulden hat, klopft er ihnen, damit
sie für ihn bezahlen; auch durch den Geruch meldet er sich. Zumeist
allerdings erinnern sich die Angehörigen erst nach dem Todesfall der
vorhergegangenen Ankündigung. Das Begräbnis findet nach der kirch-
lichen Einsegnung auf dem geweihten Friedhofe statt. Der Leichnam
wird bekleidet in den Sarg gelegt. Verheiratete werden in schwarzer,
Ledige in weisser Kleidung bestattet. Schmucksachen behält man zurück.
Dicken Leuten wird der Oberarm mit Stricken umschnürt, um Aus-
scheidungen aus Mund und Nase zu verhindern; zu demselben Zweck
wird das Wachs einer brennenden Kerze auf den Nabel geträufelt.
Die Gräber werden im allgemeinen nicht im Stand gehalten, ein bald
vermodertes Holzkreuz ist die einzige Grabeszier. Neuerdings setzen an-
gesehene Familien ihren Toten bessere, aus Japan bezogene Steindenkmäler.
Der Schmerz um den Toten scheint weder tief noch nachhaltig zu
sein. Die Alten waren lebhafter im Ausdruck ihres Gefühls: Nichts ist
so traurig wie ihre Beerdigung: Tränenströme und Wehklagen! Sie nehmen
lange Zeit keine Nahrung mehr zu sich und bringen sich körperlich so
herunter, dass man sie kaum wiedererkennt. Ihr Schmerz dauert 7 oder
8 Tage, manchmal auch länger je nach ihrer Liebe zum Toten und nach
den empfangeneu Wohltaten. Trauergesänge füllen ihre Zeit aus, die
Malzeiten hält man am Grabe, über welchem, oder zu dessen Seite man
einen Hügel auf wirft. Man schmückt ihn (den Leichnam oder deu Hügel V)
mit Blumen, Palmzweigen, Muschel werk und Kostbarkeiten. Mütter, die
ihre Kinder verloren, sind uutröstlich, sie halten ihren Schmerz wach, in-
dem sie einige Haare des Kindes als teure Erinnerung aufbewahren.
Um den Hals tragen sie einen Faden, in deu sie soviel Knoten schlingen,
als Nächte seit dem Tode verflossen sind.
Grenzenlos ist die Trauer um eineu Adligen, einen Chamorro. Wut
und Verzweiflung erfasst sie, ihre Bäume reissen sie aus, verbrennen ihre
Häuser, zerstören Boote und Segel und hängen die Fetzen vor ihren
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Wohnungen auf. Die Wege werden mit Palmzweigen bedeckt und Trauer-
gerüste zur Ebre des Verbliebenen errichtet Hervorragenden Fischern
oder Kriegern schmückt man das Grab mit Rndern oder Lanzen.
Hatten sie sich in beiden Mannestugenden ausgezeichnet, so verschlang
man Röder und Lanzen zu einer Trophäe. Air dies geschieht unter
Wehklagen und Lobreden: Mein Leben ist zu Ende, ruft einer aus, nur
bittere Langeweile mein Los. Die Sonne, die mich belebte, ist erkaltet,
der Mond, der mich erleuchtete, verdunkelt, verschwunden der Stern, mein
Führer. Tiefe Nacht nmgiebt mich, ich versinke in einem Meer von
Tränen und Kummer. Aeh! klagt ein anderer, alles habe ich verloren;
ich sehe nicht mehr das Glück meiner Tage, die Freude meines Herzens.
Was bedeutet nun der Mut unsrer Krieger, da der Stolz des Volkes, der
Ruhm des Landes, der Held des Stammes nicht mehr unter uns weilt!
Er hat uns verlassen, was soll nun aus uns werden, wie können wir
ferner noch leben!
Diese Klagen dauern den ganzen Tag bis tief in die Nacht hinein,
und jeder bestrebt sich seinem Schmerz den lebhaftesten Ausdruck zu
geben, das höchste Lob dem Verstorbenen zu spenden.« (G. 67, 70.)
Das Christentum milderte den Trennungsschmerz durch die Hoffnung
auf ein Wiedersehen im Jenseits. Man begrub die Toten entweder in
gemeinschaftlichen Hohlen, oder in der Nähe der Häuser (G. 84 und 298)
und noch der christliche Chamorro Taga bestattete seine Lieblingstochter
in Reismehl auf einer Säule seines gewaltigen Hauses auf Tinian: das
Grab ist heute noch vorhanden.
Religion, Mythologie, Gespenster.
»Von weiten Meeren umgeben, getrennt von allen andern Völkern,
an ihre Inseln gekettet als Welt für sich, wursten sie nichts von andern
Ländern und hielten sich für die einzigen Erdbewohner«. (G. 42.)
Als sie mit den Spaniern bekannt wurden, englische und holländische
Schiffe ihre Inseln berührten, wurden sie ihren Irrtum gewahr. Aber
ihre Dichter machten ihnen darüber Fabeln zurecht, die sie, als grosse
Liebhaber von Märchen, für bare Münze nahmen; denn sie schmeichelten
ihrem Dünkel, der ein Grundzug ihres Wesens ist.
»Alle Völker«, sagten sie, «stammen von einem Ort auf Guaban,
der heisst Funa; »aus Stein wurde dort der erste Mensch geformt und
alle andern Menschen gingen aus von diesem Stein und wanderten nach
Spanien, nach Holland und andern Ländern. Verbannt von ihrer Heimat,
vergassen sie in der Fremde ihre Sprache und die Art ihrer Väter.
Daher können sie nicht mit uns sprechen und verstehen uns nicht Wenn
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sie auch einige Worte stammeln, so wissen sie nach Narreuart selbst
nicht, was sie reden, und verstehen einander nicht ....
Trotz ihrer Unwissenheit glauben die Chamorros nicht an die Ewig-
keit der Welt. Sie setzen ihr einen Anfang und erzählen darüber un-
gereimte Märchen, die sie in schlechten Versen bei ihren Festlichkeiten
singen.
Eine Gottheit erkennen sie nicht, und ehe ihnen das Evangelium
gepredigt wurde, hatten sie keinerlei religiöse Vorstellung, keine Tempel
und Altäre, keine Opfer noch Priester. Nur einige Betrüger, die sich
mit Prophezeiungen abgaben. Diese berufsmässigen Gauner hiessen Ma-
canas. Sie hatten dadurch Einfluss gewonnen, dass sie dem Volke vor-
logen, durch Beschwörung der Anite, das heisst der Abgeschiedenen,,
deren Totenschädel sie in ihren Häusern aufbewahrten, könnten sie der
Natur gebieten, Kranke heilen, das Wetter andern, ihnen reiche Ernten
und Fischzüge verschaffen. Die Macanas beuten aber nur des Volkes
Dummheit aus und leben auf seine Kosten; sie selbst erweisen den
Schädeln keine Ehrerbietung, verwahren sie in kleinen Körben und lassen
sie im Hause herumfahren. Beachtung schenken sie ihnen nur, wenn ein
Tor sie um Rat zu fragen kommt.
Ob sie nun gleich keinen Gott anbeten, so sind sie doch sehr aber-
gläubisch in bezug auf die Toten weit. Stirbt einer, so legen sie ihm
einen kleineu Korb neben den Kopf und beschwören den Geist, er möchte
doch, wenn er den Körper verlässt, in dem Körbchen Platz und Wohnung
nehmen; oder wenigstens darin ausruhen, wenn er sie besuchen wolle.
Andere schmeicheln noch mehr ihren Toten, salben sie mit wohlriechendem
öl und führen sie durch die Häuser ihrer Verwandten, damit sie nach
Belieben sich eine Wohnung oder eine Rast suchen, wenn sie zum Besuch
ihrer Freunde ans der andern Welt herüberkämen. Denn sie glauben
an die Unsterblichkeit der Seele und selbst an ein Paradies und eine
Hölle, von der sie sonderbare Begriffe haben.
Die Hölle nennen sie Sasarraguan oder das Haus des Ghnifi. So
heisst der böse Geist, der diejenigen grausam peinigt, die das Unglück
haben, in seine Gewalt zu geraten«.
Bei Merizo auf Guahan heisst ein Loch, vielleicht ein alter Krater,
heute noch Sasalaguan. »Seitdem sie von den Spaniern das Feuer kennen
gelernt, sagen sie, der Chaifi habe eine feurige Esse, wo er die Seeleu
glüht wie Eisen und sie beständig schmiedet.
Ein Ort der Freuden ist ihr Paradies; sie verlegen es aber sonder-
barerweise unter die Erde, und bei ihrem beschränkten Vorstellungskreis
machen Kokosnüsse, Zuckerrohr und andere dort hervorragend gute Früchte
die ganze Herrlichkeit des Ortes aus.
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Übrigens fuhrt nicht Tagend oder Sande dahin; nicht gute oder
schlechte Werke, sondern nur die Todesart ist ausschlaggebend. Wer
eines gewaltsamen Todes stirbt, kommt in die Hölle, wird in Sasarraguan
eingeschlossen. Der Strohtod aber führt zum Paradies, zum Genuss des
Uberflusses au Bäumen and Früchten.
Die Marianer sind überzeugt, dass der Geist nach dem Tode zurück-
kehrt . . . Sie klagen, von Gespenstern verfolgt zu werden, die ihnen
oft Schrecken einjagen; und sie beschwören ihre anite, die Seelen der
Abgeschiedenen, weniger in der Absicht eine Gunst, als Ruhe vor ihnen
zu erlangen. Aus demselben Grunde beobachten sie tiefes Schweigen
beim Fischfang und fasten; sonst glauben sie, würden die anite sie
peinigen und nächtlich sie im Traume schrecken«. (G. 62 — 67.)
Auch die heutigen Gbamorros glauben fest an das Vorhandensein der
anite; was für Wesen sie sich darunter vorstellen, ist ihnen selbst unklar.
Ihre Toten erscheinen ihnen zwar nachts und bei Tage, stets; und sie
fürchten sich sehr vor ihnen. Sie bezeichnen wohl auch einen Toten-
schädel als »anite« und würden es nie wagen ihn anzurühren. Aber
dieser alte Gespensterbegriff widerspricht ihrem christlichen Glauben und
sie verstebeu daher unter jenem Namen heidnische, gespenstige Wald-
menschen, oft von uugeheurer Gestalt, mit Augen so gross wie Kokosnüsse,
wie der »dangulo« (dankulo ülo = Grosskopf) in Rota, welche ihre alten
Säulenwohuungen und Höhlen noch heute bewohnen, ihre Mahlsteiue und
Signalhörner noch heute benutzen; wehe dem kilisiano, der sie in ihrem
Besitze stört, er muss sterben. Kein Chamorro geht nachts in den
Wald. Im Schatten der Bäume, in den elektrischen Entladungen des
Savannengrases, die in schwülen Nächten (Elmsfeuer), in feurigen Kugeln,
die bei Gewittern (Kugelblitze) häufig sind, in dem fahlen Mondlicht,
das über Waldlichtungen sich ergiesst (C. 104), erblickt er Gespenster,
und wenn er im einsamen Rancho oder in einer Höhle nächtigen muss,
so stellt er ein Kreuz vor den Eingang oder ritzt es in die Felswand,
dann verliert der anite die Macht über ihn.
Diese bösen Geister lieben es nämlich, auch ungereizt die Menschen-
kinder zu foppen: so ging es zwei Schwestern, von denen die eine ver-
heiratet und in gesegneten Umständen, die andere ledig war; sie gingen
eines Abends durch den Wald, und die Jungfrau mussto das Kind ge-
bären. Ein Zweifler befriedigte seinen Leibesdrang in der Nähe eines
alten Hauses und fand das Produkt dann zu seinem Erstaunen im Brot-
korb wieder.
Aber trotz dieser dem Christen im allgemeinen nicht freundlichen
Gesinnung sind sie nicht unnahbar; sie pflegen Freundschaft und ver-
kehren mit gewissen Familien, deren Angehörige sie bei der Jagd beraten
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— 93 -
und ihnen die Fischnetze füllen, meist sind Frauen die Freunde der anite
und werden kakana genannt (nicht macana, wie Le Gobien berichtet).
Durch die Fürsprache solcher Personen ist dann auch für andere Leute
manches von den Waldgeistern zu erlangen: zwei Kinder hatten sich im
Walde verirrt, die Eltern suchten sie vergebens und wandten sich schliess-
lich an den kakana. Der bezeichnete ihnen den Ort, wo ihre Kinder
sich befanden, warnte sie aber, sich unterwegs aufzuhalten; sie taten es
dennoch und fanden die Kinder tot. In Gärapan lebt eine Ehefrau, die
mit anite verkehrt, ihr Vater war schon mit einem solchen befreundet.
Ihr Mann hat selbst gesehen, wie sie öfters nachts in den Wald ging
und mit Gespenstern sich unterhielt. Sie fürchtet sich gar nicht, er aber
Sicht es nicht gern.
Eine andere kakana wollte ihren unchristlichen Verkehr mit dem
anite aufgeben, legte das escapulario an und ging in die Kirche; doch
wagte sie nun nicht mehr, nachts in den Busch zu gehen, auch wurde
sie für lange Zeit krank.
Natürlich lernen die kakanas von ihren Geisterfreunden so manche
verborgene Kunst und Zauberei: Eine solche bekam Lust nach einem ge-
wissen Gebäck, das ein anderes Weib feilhielt. Als diese ihr das Ge-
schenk verweigerte, erkrankte sie und erstickte fast an einem Bissen,
der ihr im Halse stecken blieb. Da eilte ihr Mann zur kakana, bedrohte
sie mit dem Tode und sofort wurde das Weib wieder gesund. Diese
Zauberer werden sehr gefürchtet, sie sind schlau, nähren deu Aberglauben
der Leute und nützen sie aus. Fast in jedem Ort ist eine solche
Schwindlerin — denn meistens sind es Weiber — und sie verstehen es,
sich zu bereichern, die besten Kokale und das schönste Vieh an sich zu
bringen.
Die anite werden jetzt nicht mehr als personifizierte Naturkräfte, als
Baumnymphen oder Quellnixen gedacht, sondern als Kobolde, deren Beruf
es ist, die Menschen zu ärgern; es sind nicht die Geister der Abgeschiedenen,
wie bei den alten Ghamorros, sondern heidnische Teufel, die noch heute
die verfallenen Häuser der einstigen Christengegner bewohnen. Diese
Vorstellung zeigt deutlich den Einfluss der Priesterschaft, die ihre Zöglinge
vor dem Verkehr mit deu wenigen noch heidnischen Stammesgenossen
warnten, und alles Ünheil, das sie betraf, auf jene Heidenteufel schoben.
Einzelne Chamorros waren zweifellos dem allgemeinen Tod entgangen
und lebten verborgen in den Wäldern aller Inseln, vielleicht bis vor nicht
lauger Zeit. Auf diesem wirklichen Grunde baute nun die Angst den
verpönten Gespeusterglauben der Vorfahren wieder auf, unterstützt von
den Wundertaten und Teufelsbannungen der christlichen Mönche, deren
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Aufzählung kein Interesse bieten dürfte, da sie sieb ohne viel Abwechslung
in allen Missionsgeschichten wiederholen.
Ärzte, Medizin.
Die Alten schrieben den im Hanse aufbewahrten Totenschädeln die
Macht zu, Krankheiten zu verursachen und zu heilen, uud die käkauas
verwendeten sie zu demselben Zweck. Daneben wurden jedoch auch heil-
kräftige Kräuter benutzt. Heute behandeln eingeborne Ärzte (aamte),
deren Kunst sich in der Familie forterbt, die Kranken, und zwar eben-
falls mit Kräuterabsnden und -pulvern (ämot). Bezahlt wird nicht mit
Geld, sondern mit Geschenken an Kleidung oder Essen. Geschwüre werden
oft durch blosses Berühren geheilt. — Man kennt 21 Arzeneien aus
Blättern, die mit den einheimischen Namen und ihrer Heilkraft bezeichnet,
im Folgenden aufgezählt sind;
1. Gegen Halsweh:
Napa = Cyperus ferox,
Vejaco del monte = Flagellaria indica.
2. Gegen Frambösie:
Pago = Hibiscos tiliaceus,
Banalo = Thespeaia populnea.
3. Gegen Zahnweh:
Calao = Polypodium phyraatodes,
Sumag = ?,
Gasoso = Colubrina asiatica?
Akancang = Vigna lutea.
4. Gegen Hüftweh:
Papaya = Carica papaya.
5. Gegen Leibschmerz:
Pikante = Capsicum fruticosum,
Camachile = Pithecolobium dulce.
6. Gegen Kopfweh:
Hoja de mostera = Sinapis alba.
7. Gegen Magenweh:
Dadangchi = Triumfetta seinitriloba,
Gaogao = Erythrina indica,
Agao = Premna Gandichandii.
8. Gegen Zahnen der Kinder:
Tomate chaca = Physalis minima,
Acangcang = Vigna lutea.
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- 95 —
9. Gegen belegte Zunge der Kinder:
Tomate chaca = Physalis minima!
Popndpud = Peperonia sp.
10. Gegen Erkältung, Schnupfen:
ßarlena = Heliotropium indicum,
Tagua = Cucumis sptc.,
Gasoso = Colubrina asiatica?
11. Gegen Fieber der Wöchnerinnen:
Calao = Polypodium phymatodes,
Galag = Asplenium Nidus,
Nincano ayuyo = Procris cephalida,
Achalan = Deeringia baccata.
12. Gegen Hämorrhoiden:
Lada = Morinda citrifolia,
Granada == ?
13. Gegen Diarrhoe:
Jatnlag = Callicarpa cana,
Aghao = Premna Gaudichaudii,
Gaogao = Erythrina indica.
14. Gegen Kopfweh mit Fieber:
Ayuyo = Procri8 cephalida,
Popudpud = Peperonia spec,
Chnmag = Baudia Graeffei.
15. Gegen Hundebiss:
Uojos de Atis = Anona squamosa,
16. Gegen ausbleibende Menstruation:
Yerva St. Maria oder Manzanilla — Artemisia vulgaris,
Guayabe = Psidinm guayava.
17. Gegen Leibschmers:
Galag = Asplenium Nidus,
Lodurong = Muruna gigantea.
18. Gegen Geschwüre:
Golondrina = Euphorbia pilulifera.
19. Gegen Halsweh:
Fopgo = Convoloulus spec.,
Alum = Mallotus moluccanus.
Von den europäischen Ärzten und ihrer Medizin sagt man, dass sie
ja bei Weissen Erfolge hätten, für Eingeborne sei aber ihr amot besser.
Auch erkrankte Haustiere werden mit amot behandelt.
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— 90 -
Sprache.
Die Chamorrosprache zeigt Anklänge an dasMalayische, bezw.Tagalische;
eine Anzahl von Worten ist beiden Sprachen gemeinschaftlich. Hieraus
ist indessen nicht ohne weiteres anf den malayischen Ursprung der
Chamorros zu schliessen; es ist vielmehr sehr wahrscheinlich, dass
viele dieser Worte von den unter spanischer Herrschaft einge-
wanderten Tagalen eingeführt worden sind. (In Guam stand seit Ende
des 17. Jahrhunderts eine Kompagnie Tagalen neben zwei Kompagnien
Spaniern.)
Solche Folgerungen kann nur die vergleichende Sprachwissenschaft
auf Grund des gesamten Aufbaus der Sprache ziehen. Als Material für
derartige Untersuchungen soll meine vom Orientalischen Seminar heraus-
gegebene Grammatik nebst Worterbuch des Chamorros dienen. Ich be-
schranke mich hier auf einige kurze Angaben:
Die heutigen Chamorros kennen kein r, die Aussprache fallt ihnen
schwer; in den dem Spanischen entlehnten Fremd worten verwandelt es
sich in 1 oder t (corral wird kollat, Padre = Pale). Früher, bei Ankunft
der Missionare scheint dies anders gewesen zu sein, in vielen Wörtern
steht an Stelle des heutigen 1 ein r. Alte Leute in Umatag auf Guam
gebrauchen heute noch das r statt 1. Der Artikel für beide Geschlechter
heisst i, vor Eigennamen si; der Plural der Substantive wird durch siha
hinter dem letzteren, bei Adjektiven durch die Vorsilbe man- gebildet,
die Steigerung durch Vor- und Nachsilben, das Verbum durch Einschiebung
von -um-; kollat, Zaun; i kollat, der Zaun; i kellat siha, die Zäuue;
i kekollat, der Zaunmacher.
i dankulo ra kollat, der grosse Zaun,
i kollat dankulo, der Zaun ist gross,
i kollat siha mandankulo, die Zäune sind gross,
dankulonia, grösser,
dankulölolo, am grössten,
kumollat, einen Zaun machen,
guaho hukollat, ich mache einen Zaun,
hago onkollat, du machst einen Zaun,
tchamo kuraökollat, du sollst keinen Zaun machen.
guaha kollatho, ich habe einen Zauu (wörtlich: es giebt Zaun mein).
zi Huan guaha kollatnia, Johan hat einen Zaun.
Zahlen: heute sind nur die spanischen Zahlen in Gebrauch. Das
Nachstehende entnehme ich einer Handschrift aus dem 18. Jahr-
huudert.
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— 97 -
Grandzahlen
für Tage,
Monate, Jahre
auf die Frage
fijai, wieviele?
Sachen
auf die Frage
bafia, wieviel?
Lebewesen
V./1U 11 U II ^/..tlHLU
maisa
imena, ifenamona
hugua
i fena hugua
tato
i fena (tato) hato
fatfat
ifena(fatfat)hafat
lalinu
i fena hatnia
guagunum
i fena haunum
1 «IM Ii
1 ICllii lltlU LI
guagnalo
i fena hauru
sasigua
i fena basgua
maonot
1 fena banot
maonot nagai
i fina banot nagai
maisa
maisa
maonot nagai
hugua
U. 8. w.
hugua na fulu
tato na fulu
gatus
hugua na gatus
tato na gatus
14 U^, IIA law
tcbalan
hugua na fuln
na tchalan
Als Längen-
1 hatcha
2 hugua
3tulo
4 fatfat
51ima
6 gunum
7 fiti
8 gualo
9
10
11
12
manot
nianot nagai
hatcha
nagai
u. s. w.
20 hugua ua fuln
30tnlo na fulu
40 fatfat na fulu
n. s. w.
lOOgataH
200 hugua na gatus
300 tulu na gatus
U. 8. W.
tchalan
hatchijai
hugijai
tumnijai.turgijai
fatfatai
limijai
gunmijai
fitgijai
guatgijai
aigijai
manotai
manotai nagai
hatchijai
nagai
1000
2 000
10000
20 000
hugua na
tcbalan
u. s. w.
manot nat-
U. 8. W.
hugijai na fulu
rgijai na I
u. s. w.
igijai nag:
u. 8. w.
tchalan
hugijai na
man äpo
(100 brazas)
tagtcbalan
1000 brazas
tcbalan nagai
tagma-honto:
1010 brazas
tagmahonton
na tchalan:
10000 brazas
100 000 raanutu
milintifong (malingo i tifong, die Zahl verlieren): unzählig
haha na guihan sinibekmo Wieviel Fiecbe hast du gefangen?
Antwort: batitip 1, atsgan 2, tato 3 u. 8. w.
ais gan, ein Paar, hugua na ais gan, 2 Paar u. s. w. (Fische)
iusau, 10 Paar, hugua na iusan, 20 Paar
bugnan maisa, VJ, Paar; i usan na gai batitip: 10'/» Paare
tag- Vorsilbe bei L^ngenmassen.
tagfian ini na Sagrn^n? wieviel brazas hat dieses Boot?
taghatchnn, eine braza; taghatchnn na hinfantifi, 1 Spanne.
taghnguan, 2
tagtalon, 3
taghatan, 4
Uglimun, 5
11
hemlum hatchijai, 1 Fingerlänge.
„ hugijai, 2 Fingerlangen,
tn rgijai, 3
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- 98 -
tagguuum, 6 braza
taghitun, 7 „
taggualun, 8 „
tagsiguan, 9 M
tagmaonton, 10 „
tagmaonton nagai taghatchun, 11 brazas.
hugua na fulu nagai taghuguan, 22 „
gatus uagai tagmaonton, 110 „
umatitip, je einer, mumaisa, jeder
( -um ist die eingeschobene Verbalsilbe, also hier: je 2, je 3 etc. machen).
latcha: 1 mal
fahagna: 2 „
fahatu: 3 „
fahafat: 4 „
faharma: 5 „
fahaunum: 6 „
fahauti: 7 „
fahaulu: 8 „
fahasgua: 9 „
fahanot: 10 „
fahanot nagai latcha: 11 mal
hugaa na fuln nagai latcha: 21 mal.
haäne, Tag,
puenge, Nacht,
(puanan alt) pulan, Monat,
sakan (=Ernte), Jahr,
agupa, morgen,
umugua |
humngijai j
zwei
Zeitrechnung.
i tergua, in 3 Tagen
i fata „ 4 ,,
i limija „ 5 „
i guuutna,, 6 „
i firgua „ 7 „
i guargua,, 8 „
i sigija „ 9 „
i maoot „ 10 „
\ alt
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- 99 -
nigab, gestern
(hugua pueuge) vorgestern, (2 Nächte) alt,
inigabnia, vorgestern.
1. Januar: tumaiguine (=es fehlt hier, d. Ii. die Vorräte sind ver-
zehrt).
2. Februar: mairao ?
3. März: omutaraf ?
4. April: lumnhu (wieder stärker d. h. es fallt im April der erste
Regen).
5. Mai: makaman ?
6. Juni: mananaf (manano: unter Wasser stehen).
7. Juli: 8emo ?
8. August: tenhos (=Ungeduld.)
9. September: lumamlam (=b)itzen, vielleicht auch, da Gewitter hier
schwach und selten: aufleuchten, sich aufhellen).
10. Oktober: fagoalo (= den Acker bestellen).
11. November: sumongsong (songsong, das Dorf; also vielleicht, da
jetzt die Zeit der Stürme: bleibe im Dorf, oder wahre
dein Haus).
12. Dezember: umajanggan ? (umaneugheng würde bedenten: es
wird kalt).
13. Monat: umagahaf ? (guaha hafa, es giebt etwas; — um —
Verbalsilbe. Also vielleicht: Sorge, dass etwas vor-
handen ist).
fanutchanan, die Regenzeit: Juni — Dezember.
-
faniumnagan, die Trockenzeit: Januar — Mai.
Über die Bezeichnung der Himmelsrichtungen herrscht keine Klarheit.
N: san kätan, aber auch san lago (Guam),
S: san litchan, „ „ san hiia „
0: san biia, „ „ san kätan „
W: san Ugo, „ „ san litchan „
also eine Meinungsverschiedenheit um 90° zwischen Rota und Saipan
einer- und Guam andrerseits.
ija lutcban (alt) Sonnenuntergang,
manün (alt) Süden,
gujif-litchen (alt) S.W.-Wind,
zunehmender Mond: sumahe i pilan,
abnehmender Mond: mengua i „
Neumond: hokog i „
Vollmond: gualafo,
7*
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— 100 -
r (keoano: Spewe, kiha wohl
Mondfansternis: kenano kilis . , , *
l eine verdorbeue >echpee€)
während derselben können Schwangere nicht gebären; geschieht ea doch,
so hat das Kind einen Fehler.
Bilderschrift.
>I1 lenr fit enterrer les oa les cranes de leurs ancetres, que quelques-
una gardoient par superstition, ä la persnasion de leurs Macanaa. Iis
en conservoient les fignres gravees snr des ecorces d'arbres et snr des
bonts de bois. II les obligea de les brüler . . .< (0. 82.)
Auf der Nordspitze der Bucht von Inarahan (Guam) besuchte ich
eine Höhle, deren Wände mit seltsamen Schriftzeichen bedeckt sind. Es
geht die Sage, sie stammten von fremden Schiffbruchigen, die sich hier
einige Monate aufgehalten hätten. Ich habe jedoch ähnliche Schrift-
zeichen in einer Hoble im Innern von Saipan gefunden und glaube, dass
sie sehr alten Ursprungs sind, vielleicht aus der Zeit, da die mongolischen
Vorfahren der Chamorro- Aristokratie die Inseln eroberten. (Tafel I, Fig.
6 a und b.)
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101 -
Erklärungen zu den Tafeln I— IV
von Rudolf Hermann.
Bei der rergleichenden Betrachtung des ethnographischen Besitzes
der Marianer haben sich im wesentlichen 3 Arten von Objekten unter-
scheiden lassen : die autochthonen im weiteren Sinne, die von den Arabern
beeinflusaten nnd die von den Europäern beeinflussten. Autochthon sind
wohl Taf. II, Fig. 1, 2, 4, 10, 11, (12a), Taf. III, Fig. 2, 3—5, Taf. IV,
Fig. 5, 8 — 12. Auffallend ist das völlige Verschwinden des einst so
entwickelten Töpfereigewerbes. Arabischer Einfluss ist unverkennbar,
indirekt vielleicht an dem Sattel (man sehe die Abbildung bei Freycinet,
Taf. 80e) und direkt an dem Brettspiel, tchonka Taf. III, Fig. 1.
Das Spiel findet sich auch in Afrika, soweit der arabische Einfluss
reicht, und nach einer mündlichen Mitteilung Prof. v. Luschans mehr-
fach auch in Indonesien. Europäischen Einfluss zeigen die Eisengerät-
schaften und ihr Zubehör, wie Lederscheiden etc., Taf. II, Fig. 12, 15,
16 (besonders merkwürdig als die Nachahmung einer ledernen >matchetec-
Scheide in Holz), Taf. III Fig. 6, 11, 12, 18, Taf. IV, Fig. 6.
Die übrigen Gerätschaften finden sich teils bei den Malayen, wie die
Fallen Taf. III, Fig. 15—17, teils im übrigen Mikronesien, wie Taf. IV,
Fig. 1 und 7, wieder; Basaltmörser und Reibsteine wie die Taf. II, Fig. 5
und 6 abgebildeten kommen auch auf den Philippinen vor, ganz ähnliche
Reibsteine auch in Centraiamerika.
Von einem japanischen oder chinesischen Einfluss ist eigentlich nichts
zu merken, trotzdem die Spanier bei der Besitzergreifung der Inseln
schon einen Chinesen vorfanden, der eine grosse Bolle in den Kämpfen
spielte. Die Bronzenagelköpfe, Taf. III, Fig. 8—10, sind als Lampen
nutzbar gemacht, doch kann von einer Einführung nicht die Rede sein.
Erst in ganz neuer Zeit werden von Japan Gefässe o. a. eingeführt.
Tafel L
Fig. 1: heutiges Chamorrohaus (Text Seite 45), nach einer Zeichnung
von Fritz, teilweise abgedeckt, »um die Bauart zu veranschau-
lichen«. Die Erklärung der Einzelheiten des Hauses habe ich
mit geringen Änderungen von Fritz übernommen:
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- 102 -
a — alike
b = horkon
aus Ifil: Eperna decandra Bl., Ahgan, Gigo:
Afzelia bijuga, Camaichil, Palon Maria: Calo-
pbyllam inopbyllum D. G.
c, ci, — cn = dormente, aus denselben Hölzern. Die dormentes,
welche den Fussboden tragen, sind auf der äusseren Seite
der alike eingelassen, A der Zeichnung, und mit langen
Schmiedenageln befestigt. Der auf den borkones ruhende
Mittel-dormente ist auf die in B angedeutete Weise ange-
bracht; ebenso sind die oberen dormentes c, auf denen die
Dachscheeren (tiheras) ruhen, in die alikes eingelassen.
d — jabes, aus Ifil, Figo, u. a. Hölzern, sind auf die dormentes
genagelt oder mit Nupi, Agag (Pandaausblätter) bezw.
Balibago (Hibiscusbast) Balingaynm decumbens Bl. aufge-
bunden.
e = kanat die den dormentes entsprechenden Querbalken.
f = pie derecho aus Langite, Paipai. Gulus u. a. An ihnen ist
die Haus wand lugan mittels Agag festgebunden. Diese besteht
entweder aus horizontal übereinander gelegten, gespaltenen
Kokosblättern, deren Einzelblätter quer verflochten sind (lugan-
higai), oder aus einem breiten Geflecht von aufgeschlitztem
Rohr (lugan-aaguale).
g = tchigit, Latten aus Bambus entsprechen den pies derecho«,
mit denen sie durch Agag verbunden sind und befestigen
die Wände von aussen.
h = tiheras, die Dachscheeren aus Paipai, Langite, Tschupak.
Sie ruhen auf den dormentes in der in Fig. C im Querschnitt
angedeuteten Weise und sind mittels Agag oder Nupi an
ihnen befestigt.
j = trabesanios aus Langite u. a. an die Dachscheeren ange-
bunden.
k = barakilan, Dachlatten aus Paipai, Tchupak, auf die Sparren
gebunden.
1 == kaballete, Firstbalken.
ni — - balas, Latten aus Bambos oder Betelpalme, befestigt an
den barakilan, an welche die bigai-atof, die das Dach
deckenden, verflochtenen halben Kokosblätter mit Agag an-
gebnnden sind. Die Blattrippe wird gespalten, die Blätter
der halben Wedel untereinander verflochten und die letzteren
Rippe an Rippe dicht übereinander festgebunden. Über
den First wird
n = der pupnng gelegt: ein ganzer und halber Palmwedel
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- 103 -
werden seitlich mit ihren Einzelblättern so verflochten, dass
in der Mitte eine ganze, an jeder Seite eine halbe Blatt-
rippe steht.
Quer durch diese über den First gebreiteten pupung sind
zu ihrer Befestigung die togtchas, dünne Stäbe, gesteckt,
p = asuguak, führen von der Mitte des Firstes nach den
4 Ecken des Hauses und sind unter den tiheras festgebunden.
Fig. 2: altes Chamorrohaus nach der Rekonstruktion von Fritz (Text
Seite 42 bis 44). Auch hier ist das Haus teilweise abgedeckt,
um die vier Innenrftume zu zeigen. Auf dem vordersten, sechsten,
Säulen paar ruht der verandaartige Vorbau.
Fig. 3: altes Chamorrohaus nach der Rekonstruktion von Freycinet.
Haus eines mächtigen Häuptlings, c. 7 m der wirklichen Grösse.
„ 3a: von der Seite gesehen. Das Dach ist durchsichtig gedacht
„ 3b: Längsschnitt.
„ 3c: Querschnitt.
„ 3d: Projektion auf die Grundebene.
»Auf Grund der Auskünfte (schreibt Freycinet), die mir
in Guam gegeben worden sind, habe ich versucht, eine Vor-
stellung von diesen monumentalen Gebäuden zu geben, und
ich bringe hier die Aufrisse, den Grundriss und die per-
spektivische Ansicht. Eine starke Diele, durch Pfeiler ge-
stützt, mit einer weiten Öffnung, durch die man heraufsteigt,
diente der Familie zur Wohnung: dort befanden sich die
Betten, die Vorräte und die Wertgegenstände. Der Unterteil
bildete eine Art Schuppen, wo man sich tagsüber aufhielt,
und wo man arbeitete. Man wird bemerken, dass das Dach,
das sehr tief hinabreichte, diesen unteren Teil des Hauses
beschattete, und eine in den Äquatorialgegenden immer
angenehme Frische behielt Wahrscheinlich war der Boden,
ebenso wie es auf den Carolinen und den Sandwich- Inseln
üblich ist, mit einer Lage von Steinen, Kies oder Muschel-
schalen bedeckt, auf die man manchmal Matten legte, um
ihn für die Feuchtigkeit (Nässe) weniger zugänglich zu
machen. c Fr. V. t I, 2 p. 1828.
Fig. 4: Ruinen eines solchen Hauses (2 und 3) auf Tinian (nach einer
Zeichnung in Fr. V. Atlas Historique 1825, pl. 74, 1), »/, der
Original-Abbildung.
Fig. 5: altes Chamorrohaus nach der Rekonstruktion von Freycinet:
Haus eines gemeinen Mannes, g«uma saga genannt (Fr. V.
Atl. H. pl. 81), ein 7„. d. w. Gr.
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- 104 -
Fig. 5 a: Längsschnitt.
5 b: Projektion auf die Grundebene.
Fig. 6: alte Schriftzeichen (nach einer Zeichnung von Fritz, von dem
auch der in Anfuhrungszeichen gesetzte Begleittext stammt,
Vi der OriginalBkizze):
„6 a: aus der > Höhle bei Inarahan (Guam). Sie befindet sich in ge-
ringer Manneshöhe in der Nähe des Strandes, steht zuweilen
unter Wasser. Die Zeichen sind mit dauerhafter, weisser Farbe
auf den Felsen gemalt, viele verwittert und schwer zu erkennen.
Darunter befinden sich mit schwarzer Farbe gezogene Horizontal-
und Vertikalstriche (auf der Zeichnung nicht eingetragen).«
„6 b: aus einer »Höhle auf Saipan, im Innern der Insel. Die Zeichet
sind in die Tropfsteinwand eingeritzt, durch die Kalknieder-
schläge vernarbt und schwer erkennbar.«
Tafel IL
Fig. 1 u. 2: Schleudersteine (nach den Originalen), l / t der wirklicken
Grosse, atchon-atupat (Text S. 30/31).
Unter den zahlreich eingesandten Exemplaren lassen sich
deutlich zwei Formen unterscheiden, deren Extreme abgebildet
sind: die spitze, schlanke (Fig. 1) und die runde, ellipsoide
(Fig. 2). Die erstere ist häufiger; auch sind allerlei Zwischen-
formen vertreten. Ob es sich bei Fig. 2 um abgebrauchte Stucke
oder ältere Formen handelt, wage ich nicht zu entscheiden.
Fig. 3: Nackenstütze, aluna, ans Holz (n. d. 0.), Vi, der w. Gr. (Text S.45).
Fig. 4: Lanzenspitze aus Knochen (n. d. 0.), Vi d. w. Gr., bei Tanäpag
in der Höhle as Teo gefunden (Text S. 30). Es handelt sich
um eine rechte menschliche Tibia. a, b, c stellen ideale Quer-
schnitte der betreffenden Stellen dar.
Fig. 5: BaBaltmörser, lusong atcho, nach einem Modell aus Korallenkalk
(Text S. 47). Nur noch selten in Gebrauch. Diente zum
Enthülsen des Reises uud zur Bereitung von Medizin.
Fig. 6: Reibsteine, metate (nach einem Modell aus Muschelkalk), dreifössig
(Text S. 47). Ein in der amerikanischen Abteilung des Museums
aufgestellter Reibstein zeigt folgende Masse:
Länge: ca. 42 cm, Breite: ca. 30 cm, Gesamthöhe: ca. 21 cm,
Höhe der beiden Hinterbeine: ca. 7 cm, Höhe des Vorderbeines:
ca. 13 cm.
Der Mais wird auf der etwas schrägen, schwach gewölbten
Fläche, mit Wasser vermischt, derart gerieben, dass eine der
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Längsflachen des Reibers (II, 6 a) horizontal und parallel der
kleineren Seite des Reibsteines hin- und hergerieben wird.
Fig. 7: Hölzerne Waschschüssel batea (nach dem Original) von oben
gesehen. 7 a stellt einen durch die Mitte gehenden idealen
Längsschnitt dar. */>• der w. Gr. (Text S. 47).
Fig. 8: Ein Musikinstrument aus Holz mit einer Metallsaite und einem
Stuck Kürbisschale als Resonanzboden, a = Vorderansicht, b =
Seitenansicht (n. d. Original), Vm d. w. Gr. Das Nähere siehe
im Text, Seite 60.
Fig. 9: Kreisel aus Holz, tolompon gasgas (n. d. Orig.), V« d. w. Gr.
Die Spitze besteht aus Eisen. In die Mitte der oberen Fläche *
ist ein Nagel eingeschlagen, der einem Blechzylinder mit etwas
geringerem Durch messer als der Nagelkopf als Längsachse dient
Über die Handhabung siehe Text S. 57.
Fig. 10: alter Thonkrug, bisco, aus Gärapan (nach dem Original), V» der
w. Gr. Die kleinen parallelen Rinnen lassen auf die Herstellung
dieses grossen Thongefasses schliessen. Es ist wahrscheinlich
aus einzelnen Stücken (teils von der Form eines Zylindermantels,
teils von der eines abgestumpften Kegelmantels) zusammengesetzt.
Es wurde zu etwa 7$ in die Erde eingegraben und diente wohl
zur Abkühlung des Wassers, bezw. zur Aufbewahrung von leicht
verderbenden Früchten (Text S. 48).
Fig. 11: Ebenfalls ohne Töpferscheibe hergestellter alter Thonkrug (nach
dem Orig.), Vm d. w. Gr. (Text S. 48).
Fig. 12: Kokosnu8sraspel aus Holz, kamjo (n. d. 0.), '/io d. w. Gr. Die
eiserne Spitze ist durch einen eisernen Ring am Hals befestigt.
Das S-förmige Zeichen auf dem Sitz und am Hals scheint eine
Eigentumsruarke zu sein (Text S. 47).
Fig. 12 a: Eine von Freycinet abgebildete ältere Form der Raspel (V. a.
d. monde, Atlas histor. pl. 79) ist in Fig. 12 a stark verkleinert
wiedergegeben. Hier besteht die Spitze aus einem mit Bast be-
festigten Stück Schildpatt.
Fig. 13: Fächer zum Anfachen des Feuers, göba, aus zerschlitzten Paliu-
blättcrn geflochten (n. d. O.) 7t« d. w. Gr. (Text S. 48).
Fig. 14: Schüssel aus daog-(Calophyllum)holz, tape (n. d. 0.), 7t« d. w. Gr.
Fig. 15: Buschmesser aus Eisen mit messingverziertem Horngriff, matchete
(n. d. 0.), 7 I# d. w. Gr. (Text S. 53 und 64).
Fig. 16: Scheide zu dem >matchete< (n. d. 0.) 7t 0 d - w - Gr. Während
die Scheide meist aus Leder mit eingeschnittenen Verzierungen
besteht, haben wir hier ein Exemplar aus Holz mit geflochtenem
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Gurt. Wie der Querschnitt 16 a zeigt, ist die Scheide vorne
an 88er einem Rand beiderseits offen.
Fig. 17: Eine Art Maultrommel, belemban batchot, aus Bambusrohr
(n. d. 0.), Vi d. w. Gr. Die 5 Querschnitte und ein idealer
Längsschnitt (17a) dienen zur Erläuterung der Einzelheiten. Die
Benutzung s. Text S. 60.
Tafel III.
Fig. 1: Eine Art Spielbrett aus Holz, tchonka (n. d. 0.) la von der
Seite, 1 b von oben gesehen, mit 14 kleineren und je einer
grösseren Vertiefung, Vi» d. w. Gr. Das Nähere ist aus dem
Text S. 57 zu ersehen.
Fig. 2: Steingeld? Schmuck der alten Chamorro aus Tridacna (n. d.
V« d. w. Gr. Ob es sich hier um Geld oder nur um einen
Schmuck handelt, ist kaum noch zu entscheiden. Nach v. Luschan
sind die Stücke als Nachbildungen von Pbyseterzähnen aufzufassen.
Solche sind aus Oceanien mehrfach als Schmuck und auch als
Tauschmittel bekannt. Unter den uns eingesandten Exemplaren
waren, wie aus den Abbildungen hervorgeht, 4 Grössen zu
unterscheiden (2 a— d), rechts ist jedesmal der dazugehörige
Querschnitt, der durch die Mitte jedes der Stücke gelegt zu
denken ist, mitangegeben. 2 c. ist dadurch bemerkenswert, dass
darauf noch deutlich die Struktur der Muschelschale zu erkennen
ist. 2e ist ein vergrößerter schematischer Längsschnitt durch
das rechte Ende von 2 b, um zu zeigen, dass die Löcher an
den Enden von zwei Seiten gebohrt sind (Text S. 64).
Fig. 3—5: Muschelwerkzeuge der alten Chamorro aus Tridacna-Scbale
(n. d. 0), '/a d. w. Gr. Die stehenden und liegenden Kreuzchen
geben die Stellen an, von denen die rechts gezeichneten Quer-
schnitte genommen sind. Fig. 4 ist anf der Oberseite stark
abgeschliffen und stark gerundet (Text S. 64).
Fig. 6: Eiserne Axtklinge aus den Ruinen von Saipan (n. d. 0.), V* d.
w. Gr. Der Stiel war wohl in dem rechts auf der Zeichnung
sichtbaren Winkelraum mit Stricken befestigt. 6 a zeigt einen
Längsschnitt der Klinge (Text S. 64).
Fig. 7: Schöpflöffel, kutchala dankulo (n. d. 0.), */„ d. w. Gr. 7 a ist
ein Längsschnitt durch die Mulde und den unteren Teil des
hölzernen Stieles. Die (wagerecht gestreifte) Mulde aus Kokos-
scbale ist ungefähr in der Mitte durchbohrt. Der (quergestreifte)
in die Mulde hineinreichende Stiel ist daran durch (schwarz ge-
zeichneten) Bast befestigt, der durch das Loch, dann aussen in
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dickerem Geflecht an der Mulde entlang zu der Einbuchtung
des Stieles fahrt, um auf der anderen Seite wieder im Geflecht
zu endigen (Text S. 49).
Fig. 8—10: Bronzenagelköpfe aus den Ruinen von Rota, vermutlich aus
Japan stammend (n. d. 0.), 7s d- w. Gr. 9 a zeigt einen idealen
8cbnitt, um die (meist viereckige) Ansatzstelle für den eisernen
Nagel zu zeigen (s. Text S. 64).
Fig. 11: Schlitznadel, sie (n. d. 0.) t 7« d. w. Gr. Sie dient dazu, Pan-
danus- u. a. Blätter zu zerschlitzen, um aus den erhaltenen
8treifen Flechtarbeiten herzustellen (Text S. 66).
Fig. 12: Eine Art Rübenstecher kubo, aus Eisen zum Ausgraben von
essbaren Wurzelgewächsen (n. d. 0.), '/, 0 d. w. Gr. (Text S. 70).
Fig. 13: Ein Ackergerät, fusinios, aus Eisen (n. d. 0.), '/u d. w » Gr -
Dazu gehört ein etwa 3— 3 7» m langen hölzerner Stiel (Text
S. 64, 68, 69, 70).
Fig. 14: Ein Ochsen karren, nach einem Modell aus Holz und Bambusrohr.
Die Räder haben eiserne Reifen und werden durch eiserne
Pflöcke an der Achse festgehalten.
Die einzelnen Teile werden von Fritz folgenderniassen benannt:
»a: Das Joch jugo ist mit
b: der Deichsel largero durch eine mekate, Hibiscusstrick, fest
verbunden ;
c: die banbala, ein Strick der unter dem Hals des Tieres her-
fährt und an beiden Deichselenden befestigt wird. Der
Wagenkasten heisst »kaman-karetac und besteht aus:
d: dem trabesanios; das mittlere ist mit der Achse, eje, fest ver-
bunden und heisst sibo,
e: die estakas, in der Mitte estakan-sibo sind in die durchlochte
Deichsel eingelassen,
f: luga die Langshölzer sind mit Hibiscus an den estakas ge-
bunden,
das Rad sueda besteht aus Palo-Maria (Calophyllum)-Bohlen
und hat in der Mitte eine Erhöhung
g: tnasa.
h: die mecba der Achse wird durch
i: die kuuia gesichert,
bujas sind die Buchsen, sebika der Eisenbeschlag derselben, c
Weiteres siehe im Text S. 72.
Fig. 15—17: Schlingen zum Fangen (ver)wilder(ter) Schweine (nach
Zeichnungen von Fritz) (Text S. 74). Fig. 15 war zu klein ge-
zeichnet, um die Funktion der Falle zu erkennen. Von 3 Aus-
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legungsmöglichkeiten ist nach reiflichster Überlegung die dar-
gestellte als die wahrscheinlich richtige gewählt worden. — Von
einem elastischen Stamm s fährt eine Schnur zu dem Stell-
hölzchen h, um dann auf dem Kohrgeflecht, bezw. -ge-
stell r eine Schlinge zu bilden. Die beiden Seitenpfosten p
tragen ein festes Querholz f and in einer Kerbe ein lockeres
Querholz 1. Der Köder ist an dem Stellhölzchen h befestigt,
h ist wahrscheinlich zwischen f und dem oberen Ende von r
festgeklemmt. Tritt das Tier, um zu dem Köder zu gelangen,
auf r, so fallt das Querholz 1 zu Boden, zugleich damit das Ge-
stell r; sofort schnellt der Stamm, weil die Hemmung bei h auf-
gehört hat, in die Höbe, und das Schwein sitzt mit dem Fusse
in der sich zuziehenden Schlinge. — Ich bemerke ausdrücklich,
dass auf Herrn Fritz' Skizze ein Köder nicht zu sehen ist, doch
ist ein solcher auch nicht unbedingt nötig, wenn die Schlinge
gut versteckt auf der Fährte angebracht ist Fig. 16 versteht
sich wohl von selbst. Fig. 17 ist nach einem ähnlichen Prinzip
gebaut, wie 15. Das Stellhölzchen h sitzt hier locker in einer
Kerbe. Stösst ein Schwein an der lose über einen Dorn d ge-
legten Schlinge an, so gleitet h aus der Kerbe, der stark ge-
bogene Stamm s schnellt in die Höhe und das Tier ist durch
die Zusammenziehung der Schlinge gefangen.
Fig. 18: Eine Netznadel (n. d. 0.), V* der w. Gr. zum Stricken der
Fischnetze.
Taf. IV.
Fig. 1: Netz zum Fangen fliegender Hunde, laguau-fani'e (n. d. 0.), '/to
w. Gr. Von der 4 m langen Stange ist nur ein kurzes Stück
gezeichnet (Text S. 75).
Fig. 2: Krebsfalle, okudo-panglau (n. d. 0.), V« d. w. Gr. Ein Bambus-
rohr, dessen vordere Seite offen, dessen hintere Seite geschlossen
ist, trägt auf der Oberseite 2 viereckige Öffnungen, eine kleine
schmale v t und eine grössere fast rechteckige v t . Ein Einschnitt
bei 8 trägt einen elastischen Bogen b — b aus Rohr, dessen ge-
spannte Hanfsehne auf das Rohrstuck r— r einen starken Zug
ausübt. Diesem Zug wirkt das in v, eingehängte Stellholz h
entgegen. Der (Taschen-)Krebs, der gern dunkle Löcher auf-
sucht, betritt das Rohr und kriecht darin weiter bis er an h
anstosst. Das Stellholz gleitet sofort aus der Öffnung v t heraus,
infolgedessen ist nur noch der von b — b durch die Sehne aus-
geübte Zug wirksam und r— r verschliesst, wie ein Pfeil durch
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die Öffnung v, geschlendert, die Vorderseite des Rohres (vergl. 2 a)
(Text S. 75).
Fig. 3: Ein Fischgarten im Meer (n. e. Zeichnung von Fritz). Die
Herstellung ist im Text S. 78 beschriehen. Die Fische gelangen
an der lengua (Zunge) lg entlang in das Vorgemach a (aposa-
mento), von da ans an der linguata (Sperrkegel) lt vorbei in
die botsa, wo sie mit leichter Mühe gefangen werden, a = ala,
die rechts und links angebrachten Seitenflügel.
Fig. 4: Rattenfalle, ökudo dschagga (n. d. 0.), Vi« d. w. Gr. In ein
auf beiden Seiten hohles Bambusrohr wird am hinteren Ende
durch ein am Boden gebohrtes Loch der elastische Rohrstab r
gesteckt Von dem freien Ende von r führt eine Schnur mit
dem eingeknüpften Stellhölzchen h durch das Loch 1 ins Innere
des Rohres. Hier schmiegt sie sich der Wandung leicht an und
führt dicht bei 1 durch die Öffnung o, in der sie durch je einen
Knoten innerhalb und ausserhalb des Rohres befestigt ist, um
dann eine kleine Schleife zu bilden, die von rechts über das
Stellhölzchen gelegt ist. Dadurch wird die Schnur bis zu h
gespannt und r durch den Zug stark gebogen, h wird an dem
Verlassen der Schleife durch das leicht bewegliche Stützholz z
verhindert, dessen unteres Ende den Köder tragt. Berührt eine
Ratte den Köder, so entgleitet h der Schlinge, und das Tier fangt
sich in der in 4a angegebenen Weise.
Fig. 5: Wahrscheinlich der Teil einer alten Angel, aus Muschelkalk
(n. d. 0.), Vi d. w. Gr. In der Rinne r hat vermutlich der
Angelhaken gesessen, während die beiden Anne a die Angel-
schnur getragen haben (Text S. 78).
Fig. 6: Zweizackiger Fischspeer aus Eisen, fisca (n. d. 0.) mit je einem
Widerhaken auf der Innenseite. Vi» d. w. Gr. (Text S. 76
und 77).
Fig. 7: Köderstein, atcho pucö (n. d. 0.), Vi» & w. Gr. Die Beschreibung
ist auf Seite 77 des Textes zu finden.
Fig. 8—12: Bearbeitete Steine (z. T. aus Ruinen), puc6's u. a., V4 d.
w. Gr. Fig. 8 mit der ringsherum laufenden Längsrinne mag
ebenso wie die durchlochten Steine 9—12 als Netzbeschwerer
gedient haben. Bei dem wohl sehr alten Stein Fig. 12 möchte
ich noch auf die Kerbe k aufmerksam machen, die wohl un-
zweifelhaft durch die Durchscheuerung eines früher dort vor-
handenen Loches entstanden ist (Text S. 78).
Fig. 13: Ein Einbaum mit Ausleger, galaide, von oben gesehen (n. e.
Modell), siehe Text S. 79.
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Fig. 13 A stellt einen Querschnitt durch das Boot, Aaslegerstange und
Ausleger dar, um die Befestigung der Stange zu zeigen.
Fig. 13 B ist ein Querschnitt durch den vorderen Teil des Schiffes mit
Bank.
Fig. 13 C zeigt 3 Querschnitte durch den Ausleger.
Fig. 18D ist ein Längsschnitt durch die Bootsmitte.
S ist ein den Anker ersetzender mit Bast befestigter Stein.
Die Buchstaben a— f entsprechen sich in allen 5 Boots-
Zeichnungen.
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Das Gesicht im Mond.
Ein Märchen der Nauruinsulaner.
Vod
Antonie Brandeis.
Vor langen Zeiten, als die Welt anders war als sie jetzt ist, und die
Geister noch in Verkehr mit den Menschen traten, da war auf der lieb-
lichen Insel Nauru eiD junges Mädchen namens Ejiawanoko, die mit
ihrer Gross matter unter einem sehr hohen Baume lebte. Dieser Baum
hiess Inkumateri, und seine höchsten Zweige berührten den Himmel.
Seine Zweige waren herrlich grün und so dicht, dass die Sonnenstrahlen
sie niemals durchdringen konnten und sie auch gegen den Regen ein
gutes Dach bildeten.
Ah die Grossmutter ihre Enkelin heranwachsen sah, dachte sie
daran, dass es Zeit sei einen Mann für sie zu suchen, aber sie wusste
nicht recht wie sie es machen sollte.
Sie sagte sich, dass die Schönheit ihrer Enkelin sie berechtigte einen
Gott zu ehelichen. Da sie es nicht mehr hinausschieben wollte nach
einem Mann Umschau zu halten, rief sie die Enkelin herbei und sprach
zu ihr: > Ejiawanoko,« sagte sie, »Du musst nun daran deuken, Dich zu ver-
heiraten, und da sind viele Mäuner, die um Deinetwillen durch Feuer und
Wasser gehen würden, aber ich habe schon für Dich gewählt und will
Dir jetzt meine Vorschriften geben. Morgen früh,« sagte sie, »bevor die
Sonne aufgeht, musst Du Dich vom Lager erheben und Dich für Deine
Reise vorbereiten. Salbe Deinen Körper mit wohlriechendem öle, und be-
kränze Kopf und Oberkörper mit schönen Blumen. Darauf ersteige den
Baum, unter welchem wir unser Heim haben. Du weisst, dass Stufen
am Stamm des Baumes bis zur Höbe reichen, obwohl noch niemand ge-
wagt hat ihn zu ersteigen, denn es wurde sicheren Tod dem bringen,
der dies unternehmen würde. Du aber kannst ohne Furcht gehen, denn
die Zauberformel, welche ich über Dich sprechen werde, wird Dich vor
Unheil bewahren, und alles wird gut werden.«
Da antwortete Ejiawanoko: »Ich will hingehen, wohin Du es wünscht,
denn ich weiss, dass alles, was Du für mich tust, zu meinem Besten ist«.
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— 112 -
Nachdem die Grossmatter ihre Zauberformel über sie gesprochen
hatte, legten sich beide auf ihren Matten zur Rohe. Zur bestimmten Zeit
fand sich Ejiawanoko am Fusse des grossen Baumes ein, mit schönen
Blumen geschmückt und mit wohlriechendem Ol eingerieben. Dann rief
sie ihre Grossmutter, die sie umarmte und sagte: »Mein Liebling, kommst
Du zurück, so ist es mir lieb, wenn nicht, so weiss ich, dass Du Dich
in guter Hut befindest c.
Nun erstieg das Mädchen den Baum, und getragen von der Zauber-
formel legte sie den Weg über die Zweige schnell und gefahrlos zurück.
Als sie am Gipfel angekommen war, sab sie ein kleines Haus vor sich,
neben dem ein altes, blindes Mütterlein sass, das Palm wein zu Syrup ein-
kochte auf heissen Steinen in Kokosschalen. Es rührte eifrig, damit der
Syrup nicht anbrenne. Das Mütterlein sang bei der Arbeit und zahlte
ihre Schalchen. Jedesmal, wenn sie mit Zahlen fertig war, nahm Ejia-
wanoko, die sich leise genähert hatte, eine Schale fort Als es immer
weniger Schalen wurden, rief die Alte: »Was ist das, es werden immer
weniger Schalen !« Schliesslich dachte das Mütterlein, die Schalen können
nicht fortlaufen, jemand muss sie genommen haben, und bei der nächsten
Gelegenheit griff es zu und erfasste auch wirklich den Arm von Ejiawa-
noko, welche gerade im Begriff war eine nene 8chale fortzunehmen.
Die Alte rief: »Endlich habe ich Dich, wer bist Du, die Du einer
armen, blinden Frau den Syrup stiehlst? Aber Du wirst teuer dafür
bezahlen, denn meine beiden Söhne Iguan (Sonne) und Merrimen
(Mond) werden Dich töten, wenn sie hören, dass Du ihre Mutter miss-
handelt hast!«
»Oh, hab Erbarmen, ich tat es nur aus Scherz,« sagte das geängstigte
Mädchen, »bitte vergieb mir, ich will niemals wieder etwas Derartiges tun,
bitte, lass meinen Arm los!«
Doch das Mütterlein hielt noch immer den Arm des Mädchens um-
klammert.
»Mein Name ist: , Eniburara', ich bin die Mutter von Iguan und
Merrimen und koche Syrup für sie, wie ich es jeden Morgen tue, aber
die Götter helfen Dir, nun habe ich nichts für sie,« sagte das Mütterchen,
»denn Du hast alle Schalen gestohlen!«
»Oh, liebe gute Eniburara, lass mich diesmal los, ich will alles für
Dich tun, ich will Deine Dienerin sein und Dir stets gehorchen.«
Die Alte antwortete: »Ich brauche keine Diener, das Wenige, was
ich tue, tue ich aus Liebe zu meinen Kindern, ich selbst bedarf nicht
Nahrung, Getränk und Schlaf.«
»Oh, lass mich gehen, vergieb mir, liebe liebe Eniburara, und dann
sage ich Dir ein Geheimnis, das meine Grossmütter mir mitgeteilt hat!«
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- IIS -
»Gut, törichtes Kind, sage, was es ist.«
»Ich kann Deine Blindheit heilen!«
»Nein, nein! das kannst Du nicht, jeder hat es versucht, und niemand
ist es gelangen.«
»Lass es mich nur versuchen, und sollte es mir nicht gelingen Dich
zu heilen, so kannst Du mit mir tun, was Du willst.«
Da Hess Eniburara den Arm des Mädchens los, worauf Ejiawanoko
das Gesicht der Alten in ihre beiden Hände uahm, und nachdem sie
einige Worte gemurmelt hatte, in ihre Augen spuckte. Da krochen
Eidechsen und Käfer aus den Augen der Alten, und nach wenigen Augen-
blicken konnte sie sehen.
Vor Freude klatschte sie in die Hände und rief: »Welch' schöne
Welt! Ich dachte stets, sie sei dunkel und bässlich, aber nun werde ich
die Gesichter meiner lieben Söhne sehen können. Aber ich muss jetzt
an Dich denken, denu wenn ich Dich nicht verberge, so werden Iguan
nnd Merrimen Dich sicherlich töten, denn sie töten jedermann, den sie
treffen. «
Darauf steckte sie Ejiawanoko unter einen grossen, leeren öltrog und
sagte ihr, sie solle ganz still sein, denn Sonne und Mond wurden gleich
kommen.
Kurz darauf erschien Iguan in seinem Glanz und blendete seiner
Mutter Augen so sehr, dass sie genötigt war ihr Angesicht zu wenden.
Als Iguan dies sah, fragte er die Mutter: »Warum drehst Du Dein Gesicht?
Du tatest dies nie zuvor.«
«Weil ich Dich jetzt sehen kann, mein lieber Sohn, was ich früher
nie konnte.«
-
»Wieso, Mutter, wer vollbrachte dies Wunder?«
Als er dies fragte, kam sein Bruder Merrimen, und seine Mutter dachte
als sie ihn erblickte, wie sanft und milde er ausschaue im Vergleich mit
Iguan, dem niemand ins Angesicht sehen könne.
Merrimen ging auf seine Mutter zu und sagte: »Wie kommt es, dass
Du uns anblickst, als ob Du uus sehen könntest?«
»Ja, mein Sohn, ich kann sehen und Dich anschauen, aber Iguan
mit seinem Glanz tut meinen Augen weh.«
»Aber Mutter, was ist das für ein Duft? es riecht nach mensch-
lichen Wesen!«
»Es ist so, meine Kinder, ein Menschenkind, ein junges, liebliches
Mädchen ist in der Nähe, und sie ist es, die mich vou meiner Blindheit
geheilt hat. Das Mädchen ist so hold und schön, und ich denke, einer
von Euch sollte es heiraten.«
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»Ja, Matter, antworteten beide, las9 das Mädchen kommen and
wählen zwischen uns, wir wollen nicht eifersüchtig aufeinander sein.<
Darauf ging Eniburara zum Öltrog, und als sie ihn hob, kam Ejia-
wanoko hervor. Eniburara nahm das Mädchen an der Hand und führte
sie zu ihren Söhnen und sagte zu ihr: »Nun Kind, triff Deine Wahl,
welchen von beiden willst Du zum Manne haben?«
Ejiawanoko überlegte einige Augenblicke, sah Soune und Mond an
und sagte dann: »Ich kann Iguau nicht heirateu, er ist zu heiss, und
ich kann ihn nicht ansehen, aber Merrimen sieht so ruhig und gut aus,
ich will mit ihm gehen !c
Als das Mädchen so gesprochen hatte, kam Merrimen auf sie zu,
legte seine Arme um sie und begann mit ihr durch die Luft zu segeln,
und bis auf den heutigen Tag kann man Ejiawanoko sehen, wie sie mit
Merrimen durch den Himmel reist.
Dies ist die Geschichte des Gesichtes im Monde.
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- 115 -
Bücherschau.
Krämer, Dr. Augustin. »Die Samoa-Inselnc. Entwurf einer Mono-
graphie mit besonderer Berücksichtigung Deutsch-Samoas. Heraus-
geg. m. Unterstützung der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts.
2. Bd. Stuttgart 1903.
Der erste Band des Krämerschen Werkes hat im vorigen Heft des
Notizblattes die verdiente Würdigung erfahren. Vieles, was dort gesagt
ist, gilt in gleicher Weise für den zweiten Band, so der Hinweis auf die
grosse Sorgfalt und den unermüdlichen Fleiss, mit dem Krämer die Trüm-
mer der samoanischen Kultur gesammelt, gesichtet und geordnet hat.
Ein zweites kommt hier hinzu: Krämer hat, wie schon aus den früher
erschienenen Teilen ersichtlich, erkannt, dass Samoa keine abgeschlossene
Welt ist, dass es vielmehr in mannigfachen Beziehungen zu sämtlichen
umliegenden Inselgruppen, besonders zu Fiji und Tonga, gestanden hat,
eine neue Widerlegung des Märchens von der »Geschichtslosigkeit der
Naturvölkerc. Er hat sich aber mit der Feststellung dieser Tatsache
nicht begnügt, sondern in mühsamer Arbeit klar zu legen versucht,
welche Kulturelemente jeder der einzelnen Gruppen eigentümlich ange-
hören; und ich glaube wohl, dass man ihm in allen wesentlichen Ergeb-
nissen beistimmen muss.
Selbstverständlich ist es unmöglich, hier auch nur eine Ubersicht
über den reichen Inhalt zu geben, der nicht nur die Entdeckungsgeschichte,
Anthropologie und gesamte Ethnographie, sondern auch die Ethnologie
umfasst, soweit sie nicht im ersten Bande dargestellt ist; daran schliesst
sich dann noch ein Überblick über die Fauna und B'lora des Landes.
Nur weniges sei besonders hervorgehoben: So die ausführliche Beschrei-
bung des Tatauierens, bei der man ja allerdings vielleicht mit der völligen
Ablehnung religiöser Bedeutung nicht ganz einverstanden sein mag. Be-
deutenden Wert besitzen weiter die Abschnitte über Haus- und Bootbau,
die eine seltene Vollständigkeit zeigeu, wie überhaupt die Darstellung der
mänulichen und weiblichen Handfertigkeiten. Die reichhaltige Sammlung
von Kochrezepten würde, besonders in Anbetracht der verhältnismässig
wenig zahlreichen Materialien, jedem Kochbuch Ehre machen. Belustigend
8*
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ist die Schilderung einer Reise, die ein Häuptling mit seiner Familie zn
Verwandten unternimmt; wie ein Heu schreckensch warm fallen sie Ober
das mit dem Besuch beehrte Dorf her und gehen nicht eher wieder, ehe
alle Vorräte rein aufgezehrt sind; beim Abschied nehmen sie dann noch
alle Wertgegenstande mit, die nicht niet- und nagelfest sind. Mit grosser
Teilnahme hat Krämer das tägliche Leben der Samoaner beobachtet, das
doch nicht so ganz müssig ist, wie oft angenommen wird. Den Grundzug
des Wesens freilich bilden doch Frohsinn und Lebenslust, die an Festen
und Tänzen Freude hat. Das« solch Charakter auch im Verkehr der
Geschlechter sich äussert, ist klar; um so bemerkenswerter ist das strenge,
aber gemütrolle Verhältnis des Bruders zur Schwester. Jede Verletzung
des Zartgefühls der Schwester gegenüber wird gerügt; der Fluch der
Schwester ist das Schlimmste, was den Samoaner treffen kann, Blut-
schande das ärgste und ein unsuhn bares Verbrechen. Allen ist dies
Geschwister Verhältnis heilig, wie denn selbst im Kriege, der alles mensch-
liche Gefühl im Samoaner tilgt, der Bruder freien Zutritt zu der Schwester
im feindlichen Lager hat.
Diese wenigen Andeutungen mögen genügen. Zahlreiche Abbildungen
sind dem Bande eingefügt; das Register entspricht nicht ganz dem un-
geheuren Stoff, den das Werk giebt. Sicher hat Krämer mit der Samoa-
Mouographie eine ethnologische Quelle ersten Ranges geschaffen, so dass
wir nur wünschen können, recht bald von anderen Gruppen der Südsee,
ehe es zu spät ist, ähnliche Arbeiten zu erhalten. F. Graebner.
Karl Knortz, Streifzüge auf dem Gebiete amerikanischer Volks-
kunde. Altes und Neues. 284 Seiten Leipzig 1902.
Das Buch handelt grösstenteils von europäischer, nicht von ameri-
kanischer Volkskunde. So gehören die »Oster- und Weihnachtsgebräuche«,
die »Spruchweisheit« und die »Teufelsgeschichten« vollständig nach
Europa. Der kleinere amerikanische Teil bezieht sich auf die weissen
Bewohner der Vereinigten Staaten, besonders auf die Deutech-Pensyl-
vanier (»Sitten, Aberglaube, Sprache und Litterat ar der Deutsch-Pensjl-
vanier«) und den Staat Indiana (»Amerikanische Volksrätsel«). Nur das
letzte Kapitel bringt etwas von den Negern und noch weniger von den
Indianern Nordamerikas (»Allerlei Lieder und Reime«). Das bunte Durch-
einander des Gebotenen, das geographisch oder inhaltlich nur oberflächlich
gruppiert ist, und das Fernbalten jeder erläuternden Bemerkung, die die
vielen zusammenhanglosen Einzelheiten als Teile eines wissenschaftlichen
Ganzen erscheinen lassen könnten, geben dem Werke mehr den Charakter
einer UnterhaltuDgslektüre, zumal — wie schon der Titel besagt — sehr
viel Altes mithineingeflochten ist. Namentlich sieht man an den Teilen.
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die ans litterarischen Quellen geschöpft sind, wie z. B. ans den Angaben
über indianische Lieder, dass es dem Verfasser nur auf unterhaltende
Andeutungen ankommt Und da muss man zugestehen, dass die gefällige
Art der Darstellung es einem sehr erleichtert, nach den Tatsachen in dem
Buche zu suchen, die man wissenschaftlich verwerten könnte.
K. Th. Preuss,
E. Weule. Völkerkunde und Urgeschichte im 20. Jahrhundert.
Thüring. Verlags-Anstalt. Eisenach und Leipzig 1902.
Die Bedeutung des vorliegenden Schriftchens liegt vor allem darin,
dass hier einer der wenigen Inhaber eines Lehrstuhls für Ethnologie in
Deutschland sein Programm aufstellt. Sie wird dadurch noch erhöht,
dass der Verf., auf dem Museum für Völkerkunde zu Berlin vorgebildet,
jetzt selbst Direktor der ethnologischen Abteilung des Museums in Leipzig,
eine Kenntnis der Materie und der einschlägigen Litteratur besitzt, wie
nicht viele ausser ihm, und dass seine Studie über den afrikanischen
Pfeil zu dem besten gehört, was auf ethnologischem Gebiete bisher ge-
leistet worden ist.
Es war daher zu erwarten, dass der Aufsatz allgemein empfundene
Bedürfnisse zum Ausdruck bringen würde. So erhebt auch W. den
Mahnruf, noch in zwölfter Stunde zu retten, was von dem Kulturbesitz
der Naturvölker übrig ist; mit dringenden Worten wendet er sich vor
allem an die Kolonialmächte, sie möchten ihre Pflicht der Anregung und
Unterstützung solchen Sammeleifers erkennen, hebt auch er die Not-
wendigkeit geräumiger Museen hervor. Gern wird man ihm auch in dem
beipflichten, was er über Wert oder vielmehr Unwert kleiner Museen
ohne die nötigen Existenzmittel sagt. Einen Vorbehalt wird man freilich
machen müssen, wenn er meint, dass es mit der wissenschaftlichen Bear-
beitung Zeit habe. Gerade der Ethnologe kennt Beispiele geuug, wie
eine Sammlung mit peinlicher Sorgfalt angelegt worden, im Zusammen-
tragen des Materials scheinbar nichts übersehen sein kann; und wenn man
sich dann an die Verwertuug macht, wenn einem dann erst die Probleme so
recht aufgehen, dann erst merkt man, dass das Wichtigste oder wenigstens
manches Wichtige fehlt. Häufig ist es dann zu spät.
Aber Weule ist es mit dem Aufschieben der wissenschaftlichen
Arbeit auch gar nicht so ernst. Denn er selbst spricht ausführlich über
Ziel und Methode der Forschung. Und wieder kann man es mit Genug-
tuung begrÜ8sen, dass er mit aller Schärfe den Grundsatz vertritt, die
Ethnologie müsse in die Tiefe arbeiten; sie müsse die Verwandtschaften
und Beziehungen der Völker nicht nur registrieren, sondern ihr Inein-
andergreifen, ihre Folge zu erkennen und so die Entwicklung der
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- 118 —
Kulturen herauszuarbeiten suchen. Und ebenso erfreulich ist die Er-
kenntnis von der grundlegenden Bedeutung der Sprachforschung für die
Volkerkunde.
Nur in zwei Punkten kann ich nicht unumwunden znstimmen, zwei
Punkten, die allerdings auf die ganze Grundstimmung der Abhandlung
Bezug haben: Das ist auf der einen Seite ein unverwüstlicher Optimismus;
es ist eine alt bekannte Erscheinung, dass junge Wissenschaften, je mehr
sie noch in den Kinderschuhen stecken, mit um so lauteren Posaunen-
tönen ihre Vollreife verkünden und sich gerade den nächstverwandten
Zweigen mit einer gewissen Schroffheit gegenüberstellen. So auch die
Ethnologie, und wohl hauptsächlich von diesem Gesichtspunkte aus ist es
zu -verstehen, wenn ein umsichtiger Beurteiler wie Weule den Windmühlen«
kämpf gegen die sogenannte alte Schule der Historie führt. Ebenso ist
Helmolts Weltgeschichte wissenschaftlich verfehlt, da die angeblich neuen
Grundsätze in Wahrheit so alt sind, wie die Geschichtswissenschaft selbst.
Der Kenner weiss, dass nur die geringe Entwicklung der darstellenden
Urgeschichte und der Volkerkunde Schuld hat, wenn in der »zünftigen
Geschichte« die beiden Disziplinen zwar nicht stiefmütterlich, aber mit
mangelhafter Sachkenntnis behandelt werden. Wir sollten doch offen
eingestehen, dass wir bisher mit allen Arbeiten nicht wesentlich weiter,
als zur Stellung von Problemen gekommen sind. Von einer Methode
haben wir bisher nur die gröbsten Züge und können nicht mehr haben,
so lange wir nach echter Jugendart am liebsten das Haus mit dem Dach
beginnen und zuerst die grössten, Völker und Meere, ja wenn möglich
den ganzen Erdball umfassenden Probleme lösen möchten. Machen wir
doch Ernst mit Weules Forderung, die Völkerkunde zur Geschichte zu
erheben, nicht nur dem Eudziel nach, sondern vor allem, indem wir die
gewissenhafte historische Kleinarbeit nicht verschmähen, die Beziehungen
der Stämme, der Völker Schritt für Schritt verfolgen. Die grossen, ge-
nialen Zusammenfassungen, die brauchen wir nicht zu rufen, die kommen,
jede zu ihrer Zeit, ganz allein.
Dem scheinbaren Optimismus steht eine vielleicht etwas wirklichere
Resignation gegenüber. Weule sagt von Anthropologie, Ethnographie, Ethno-
logie und Prähistorie, »dass jede von ihnen allein grosse rassen- und völker-
geschichtHche Probleme nicht lösen kann«. Das ist nicht unrichtig; was
thun wir aber mit Begriffen von Wissenschaften, die keine sind? Der
Ethnograph, der nicht Ethnologe ist, gleicht im besten Falle einem eifrigen
Marken sammler. Nehmen wir wieder den Begriff der Geschichte, auf
den uns Weule hinweist, so umfasst er nicht nur Ethnologie und Ethno-
graphie, sondern zugleich die Sprachforschung. Die Einheit dieser drei
müsste, so meine ich, imstande sein, ihre Probleme selbständig zu lösen,
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- 119 -
oder die Ethnologie verliert ihre Existenzberechtigung. Selbstverständlich
ist, wenn die Ergebnisse der Kulturgeschichte denen der Anthropologie
widersprechen, eins von beiden falsch, aber Weule selbst betont, dass da-
durch nnr eine Revision, nicht ein Hinübergreifen der einen Untersuchung
auf das andere Gebiet gerechtfertigt wird. Auf der andern Seite muss
an der unauflösbaren Eiuheit der drei andern Disziplinen festgehalten
werden. Man kann wohl einzelne Beziehungen aufdecken, aber niemals
die Knlturgeschichte eines Gebietes als Ganzes begreifen, ohne auf
allen drei Grundlagen zugleich zu bauen. Eius freilich werden wir
stets vermissen, das ist die viel geschmähte politische Geschichte,
die wir vielleicht zuletzt ganz nebelhaft ahnen, aber nie deutlich schauen
werden, und die wir doch zum vollen Verständnis nicht entbehren können.
Denn auch Kultur wächst nicht wie eine Blume, sie wird gemacht; sie
ist die Tat handelnder Menschen, ihre Art, Höhe und Verbreitung das
Ergebnis von Krieg und Frieden, Schlacht und Vertrag.
Fritz Graebner.
Druck tod A. Haack, Berlin N.W.
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Ethnologisches Notizblatt III, 3.
TAFEL I.
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Ethnologisches Notizblatt HI, 3.
TAFEL II.
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Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
too der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Band IE. - Heft L
Mit 176 in den Text gedruckten Abbildungen und 3 Karten.
1901.
Druek und Verlag von A. Haack.
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HARVARD UNIVERSITY.
LIBRARY
OF THE
PEABODY MUSEUM OF AMERICAN
ARCEEOLOGY AND ETHNOLOGY.
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Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Band in. - Heft 2.
Mit 11 in den Text gedruckten Abbildungen.
1902.
Druck und Verlag von A. Haack.
Berlin.
HARVARD UN1VFRSITY
1,1 BK \ KV
OF THR
PEABODY MUSEUM OP AMERICAN
ARCHJEOLOGY AND ETHNOLOGY.
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Reccived
VERÖFFENTLICHUNGEN
AUS DEM KÖNIGLICHEN
MUSEUM FÜR VÖLKERKUNDE
Ungefähr alljährlich I Band . •
io 4 Heften von zusammen etwa 24 Bogen Text nebst Tafeln in Folio, geheftet.
Verlag von W. SPEMANN in Berlin.
I. Band (Heft 1—4 zusammen) Preis 12 Mark.
Heft 1, Dr. M. ühle, Ausgewählte Stücke zar Archäologie Amerikas. 6 Bg. Text mit
2 Farbendruck- und 8 Lichtdrucktafeln. 1889
Heft 2/3. Prof. k. Pander, Das Pantheon des Tschangtscha Hutuktu. Ein Beitrag
zur leonographie des Lamaismus. Herausgegeben und mit Inhaltsverzeichnissen
versehen von Dr. A. Grünwedel. 9 Bogen Text mit vielen Zinkdrucken 1890
(Einzeln Preis 8 Mark)
Heft 4, Dr. E. Seier, Altmexikanische Studien (Geschichtswerk des P. Sahaguo. Saerale
Gefässe der Zapoteken). 9 Bg. Text mit Zink- und autotvpiscben Drucken. 1890
(Einzeln Preis 6 Mark.)
II. Band:
Heft 1/2, Dr. P. Ehrenreich, Beiträge zur Völkerkunde Brasiliens: a) Die Karayastämroe
am Rio Araguaya (Govaz); b) Ueber einige Völker am Rio Purus (Amazonas).
Seite 1 — 80 mit Textabbildungen. 15 Lichtdrucktafeln und einer Farbenskizze
1891. Preis 20 Mark.
Heft 3/4, H. V. Stevens, Materialien zur Kenntniss der wilden Stämme auf der Halb-
insel Maläka. I. Theil. Seite 81—164 mit Textabbildungen. 1892. Preis 10 Mark.
III. Band:
Heft 1/2, Beschreibung einer von G. Meissner zusammengestellten Batak-Samralnng.
Mit sprachlichen und sachlichen Erläuterungen versehen und herausgegeben von
F. W. K. Müller. Seite 1 - 94 mit zahlreichen Textabbildungen and 3 auto-
typischen Tafeln. 1893 Preis 22 Mark
Heft 3-4. H. V. Stevens, Materialien zur Kenntniss etc. II. Theil (Forts, zu
Veröff II 3/4». herausgeg. von A. Grünwedel. VIII Seiten und Seite 95—190
mit 30 Textabbildungen 1894. Preis 14 Mark.
Verlaß von DIETRICH REIMER
Abonnementspreis pro Band 24 Mark.
IV. Band:
Heft 1, F. H. Cushing, Sammlung von Idolen, Fetischen und priesterlichen Aus-
rfistungsgegenständen d. Zum od. Ashivi Indianer. Seite 1 — 12 m. Textabbilden
C. Sapper, Altindianische Ansiedelungen in Guatemala u. Ghiapas Seite 13—20
F. Seier, Alterthümer aus Guatemala. Seite 21-53 mit Textabbildungen. 18»
Preis 8 Mark
Heft 2/4, O. Stuebel, Samoanische Texte. Seite 54-246. Herausgegeben von F W
K Müller. Preis 24 Mark. * '
V. Band:
Heft 1/4. A. Grtinwedel, Buddhistische Studien. Seite 1-136 mit Textabbildung™
1895. Preis 21 Mark. p
Verlag von W. SPEMANN
VI. Band:
Heft 1, H. Strebel, Ueber Thierornamente auf Thongefässen aus Alt-Mexiko S*itn
1—28 mit 19 Tafeln 1899. Preis 16 Mark. "
Heft 2/4. E. Seier, Altmexikanische Studien II. Seite 39-204 mit Textabbildungen
1899. Preis 30 Mark. »oouaun B en.
VII. Band:
Heft 1/4. W. Grube, Zur Pekinger Volkskunde. Seite 1—160 mit 10 Tafeln 1901
Preis 30 Mark.
Snpplementheft. Georg Hnth, Neue Mahaban-Inschriften. Seite 1 — 19 mit 9 Ah.
bildungen 1901. Preis 10 Mark. ^
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen.
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Ethnologisches Notizblatt.
Herausgegeben
von der
Direktion des Königlichen Museums für Völkerkunde
in Berlin.
Band III. Heft 3.
Mit 4 Tafeln.
Berlin.
A. Haaok Verlagsbuchhandlung.
1904.
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RECE1VED.
iADODY MUSEUM.
Inhalt der bisher erschienenen Hefte des
Ethnologischen Notizblatts.
Band 1, Heft 1: A. Gritnwedel: König Maname. — W. Grabe: Cber eine chinesisch«
Bildrolle. — F. W. K. Müller: Neue Erwerbungen au* Hinterindieu. —
E. Seier: Die grossen Steinskulpturen des Museo Nacional de Mexico. -
F. v. Lngchan: Über die Pfeifen der Bali. — YY. Grabe: Ein Bronzegeriit
aus China. — Die Dolmen auf Tonga. — Purrah-Maske. Preis: Mk. 5.—.
Heft 2: F. v. Lnsrhau: Über zwei alte Canoe-Schnitzwerke aus Neu-See-
land. — A. Grttnvredel: Notizen über Indisches. — F. W. K. Müller: D- r
Weltberg Meru nach einem japanischen Bilde. — F. W. K. Mililer: Anzeig'-
neu eingegangener siamesischer Bücher und Handschriften. — £. Selcr: Alter-
tümer aus Guatemala. — Vi. Grube: Sammlung chinesischer Volksgötter au?
Amoy. — K. Wenle: Von der jüngsten Durchquerung Afrikas. — A. B.:
Anthropologisches Stiftungsfest. — Das siamesische Prachtwerk Trai-Pbüni.
Preis: Mk. 9.-.
Heft 3: A. Grünwedel: Notizen aus deu Reisen des Hrolf Vaughan Steven.«
in Maliika. — A. GrDnwedel: Notizen über eine Terraeotta aus Magdi&chu. —
A. Grttnwedel: Bericht über den Besuch des Kgl. Schlosses zu Schwedt zur
Besichtigung alter Gemälde mit ethnographischen Darstellungen. — F. IV.
K. Müller: Über den Ausdruck Kälasütra — F. W. K. Möller: Die dm
Welten nach einem humoristischen Bilde von Utagawa Sadashige. — K. Weule:
Zum Fetischwesen der Ewe. — K. T. d. Steinen: Indianische Karten
Zeichnungen und Kerbstöcke. — F. v. Lu«chnn: Zur Ornamentik der Maori —
Ostafrikanische Erwerbungen im Jahre 1895. Preis: Mk. 8.—.
Band II, Heft 1: F. v. Lnschau: Über den Tanzschmuck der Balantes. — ' v . Grnhe:
Vorläufige Notiz über eine neuerworbene chinesische Sammlung. — A. Gröu»
wedel: Bhrikuti. — F. Vf. K. Müller: Aus der Kokkwa. - £. Seier:
Quauhxicalli. — K. v. d. Steinen: Ein marqucsanischer Sarg. — P. Ehren-
reich: Zur Ornamentik der uordamerikauischeu Iudianer. — M. Bartels:
Ostafrikanische Armringe aus dem Hufe des Elefanten — A. Baessler:
Masken von Mangaia. — Vf. v. d. Steinen: Steinbeileder tiuarayo- Indianer. —
K. Th. Preuss: Die ethnographische Veränderung der Eskimo des Smith-
Sundes. — lt. Ankermanu: Eine Tanzruaske der Baining. — K. Wenle:
Afrikanisches Kinderspielzeug. — Randglossen zur Erörterung schwebender
Fraget» in der Mensch- und Völkerkunde. Preis: Mk. 9.— .
Heft Hnhl: Mitteilungen über Sitten und rechtliche Verhältnisse auf
I'onape. — Ethnologische Zusammengehörigkeiten (zum Vorstehenden). —
F. Elton: Verzeichnis japanisch-buddhistischer Holzbildwerke. — F. Yf.
K. Müller: Bemerkungen zu dem vorstehenden Verzeichnis. — K. y. d. Steinen :
Der Paradiesgarten als Schnitzmotiv der Payaguä-lndianer. — K.Tb. Preass:
Der Affe in der mexikanischen Mythologie. — A. B.: Zum Seelenbegriff in
der Ethnologie. Preis: Mk. G.— .
Heft 3: F. Fülleborn: Über künstliche Körpervemnstaltungen bei den Ein-
geborenen im Südeu der deutsch-ostafrikanischcn Kolonie. — A. Bae*sler:
Goldene Helme aus Columbien. — A. B.: Zur uoctischcn oder ethnischen
Psychologie. Preis: Mk. H. — .
Band III, Heft 1: B. Ankermaun: Die afrikanischen Musikinstrumente. — E. Seier:
Ein anderes Quauhxicalli — A. B,: Die Berührungspunkte der physichen
Psychologie mit der uo&ischen. — A. B.: Zur ethnischen Psychologie.
Preis: Mk. 9.-.
Heft 2: K. Hinily: Ein chinesisches Werk Über das westliche Inner-Asien
- VI. Lehnmnu: Die Bezeichnung des Krieges im Mexikanischen mit sprach-
lichen Erläuterungen. — Hahl: Fest« und Tänze der Eingeborenen vou
Ponape. — Höseraanu: Ethnographische Tagebuchnotizen von der Expedition
gegen die Esuni und vom Marsch Jaunde-Watare-Ngila-Ngntte zum Mbam
Preis: Mk. H. — .
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MUS45.S.1 (3) „, . .
Toner Library
3 2044 043 533 488
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