LIBRARY
UNIVERSITY OF CALIFORNIA
FEß 12m.c
Recewed
Auessiofts Shelf No.
Sitmittlnng
gemciiiücrft&ttblid^er
tot||en|d)aftltd|er Vorträge
^etauägegeben uon
Uni. unb St* n. i§ol|eniotff.
XIX. $erie.
^cft 433—456.
füFI
t \ Q TT. ^ .
^ITTi
6rtUit SW. 1884.
Setlag oon @arl ^abel
{€. 4. l'äiirttfi^e Sirli(ili«iti(iitlim|i.)
tt. BiOftni.eirai« SS.
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V ,\=ä
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|n|iilt«°9n;(ii|ufi to XIX. S(tit
4«ß ^ Seite
433 434. Sreutlein, ißiof. Sie Siurd^qiietunflen SIfrifa’g.
^tt einer .^arte . . . . . ^ . . ^ 1 — 92
435 '436. tUlarggraff, .^lugo, ®ie SSorfa^rcii ber ©ifenbafjneu
u. ®aiiH)froagen. '■IJIit 20 in beii iert gebrucften Slbbtlb. 93—156
437. aCBoIffberg, Dr. ®., lieber bte 3mpt»ng. ^)t|'toriic^"
ftatitUfc^e gKittbeilungeii über iPocfenepibetnien unb 3tn<
pfung nebft einer S^eorte ber <Sd)u^impfung . . . . 157—204 ■ — ‘
438. 0 (!b ro g 1 b , Dr. theol. TO., Sutberä gntiPicftung Dom ^Ibni^
juin .^efonnntor 205 — 236
439. Ublig, Dr. SB., Heber bag Sorfommen unb bie (£iit«
ftebung beg (Srbölg 237—280
440. ^äufener, Dr. 3-. Uufere 5laifetfoge 281—336
441/442. Griebel, Gmft, 'üiig ber SBor.^ett ber . . 337 — 400
443. 3Beniger,(lipin.^S)ir. Dr. B-, 5)er6IottebbienittnD[pmpia 401 — 436
444. ^eltnaii, Dr. 6., lieber bie Sreii^en ^jtcilc^en pfpc^ifi^er
0efunb^eit unb ©eifte^ftörung 437—472
445. 9lei6ner, (£., ^>ora.^, SBerfm^, gupetml, btc ^anpt-
Dertreter ber römif^en Satire 473—512
446. Uffelmaitn, ^rof. Dr. 3-. ®rot unb beffen btä<
tetifc^er ®ert^ 513 — 548
447. 2)iercCg, Qultou, $oetif(i^e i£umiete 549—580
448. p. g^Ieper, $rof. (B. .&., S)ie iBebeutmig beg gttbmungg»
proaeffeb für ba$ ^ebeii beg tbierif^en Drganigniug . 581—612
449. gteumann, g., j&ugo ^rottug 1583—1645 613—644
450. Sotf^, ür. SB., $ie SBert^eiluiig ber 'Ulenfc^cn über
bie (Srbe unb bie Urfat^en ber »erf<biebencn SBotfei-
Derbic^tung in ben einjelnen 6rbtl)eilen 645—692
451. t>. .S^litcfbo^n, ^rof. 91., 5)er General Ppn £d)arn^orft 693—732
452. (£ucfen, iRub., äiriftoteleg* gnfdbnuuiig Don greunbftbaft
unb pon ^ebenggütern 733 — 776
453. 6) Übel, Dr. Heber bie gegenfeitigen Seaiel&ungen
ber ^flan,^cn-gtgane 777 — 808
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IV
«(ft 6eUc
454. ^agen, $rof. Dr. {>., Heber elementare Sreigniffe
im «Itertbum 809—852
455. SSoIIinger, ^of. Dr. C., Ueber 3®^9* ““b Siefen-
mucbä. ÜRit brei ^oljfcbnitten 853—884
456. 2>enide, Dr. Son ber beutf<ben ^anfa. <£ine
biflorifcbe ©Rja« 885-920
3(b bitte ju beadjten, bag bie Seiten ber ^efte eine bopbelte $agi<
nirung hoben, oben bie Seitenjabl be4 einjelnen 4>(fte4, unten — unb
jmar eingetiammert — bie fortlaufenbe Seitenaabl be« 3abrgange4.
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Ducdiperungen 2fciktt0.
3roci SSorträge
0011
fl. Stratlein,
^rofeflor am ©pmnafium ju Äarlöru^e.
9Jlit einet Pforte.
ficrlin SW., 1884.
SSetlag Don 6arl ^>abel.
(C. 4. irakrritj'iiti Ütrlinsliiltllliiiklliiq.)
3S. Silbtlm • £tiak< SS.
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2!a^ ber neberfeöung in frembe <äprad)eit luirb Dorbebultfu.
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OP THB V
fUNIVEESITTi)
0>T
^IP0T>
cOwei geograp^ifc^en Problemen, bet *1)0101» unb bet
5Sftifotor[d^ung, war im SBetlaufe beS lebten ^olbjo^r^unbertö
bte oBgemeinfte 9lufmerf|amfeit gugemenbet, unb ie mij bea
etngelnen ÜöfunggDcrjuc^en unb i^ren @rfolgen ober ®i§etfolgen
richteten [ic^ bie iSugcn bolb mebt nodb 9iorben, bnlb wteber
mehr noch ©üben, ben beiben (äjrtremen fltmotifcber Sjrifteng.
3n ber ©egenwart — e8 bebotf ja nur beö 9?ennenö ber ©ebiete
Slegppten, IranSoaal, Äongolouf ober ber 5)iänner Slrabi ober
SJiabbi, ©tanlep ober Stagga! — in ber ©egenroart, jage teb, ift
eS ungroeifelbaft ber für uuö jo nabe unb bod) immer noch fo
buntle ©rbtbeil, meldjem baS allgcineiiifte Snterefje gemibmet ift.
Unb bieS aud leicbt begreifli^en ©rünben.
grüber mar eS in erfter Dieibe »arme rein menfdblidbe SCbeil»
nabme an bem Sobl unb SBebe bet SJlännet, »elcbe unter ©r»
bulbung größter ÜJiübfal ©efunbbeit unb leibet gu oft baö geben
einfe^ten, um bem grofjen Unbelannten ein ©tüif feineS Seft^eß
um baß anbere gu entreißen; unb weiter waren eß früber not
allem geograpbijtljc gtagen, beten Sluftlörung con jenen Oleifen»
ben erwartet würbe. 3e^t aber ift eß nicht mebt bloß 9leugier
unb ©taunen, wobutch bei ber jfunbe »om fernen ©üben bie
©emütber bewegt werben, nicht mehr finb eß bloß 23obenrelief
unb ber Sauf ber ©ewäffer, 9lrt unb ©itte ber Sewobner Slfrifaß,
©rweiterung unferer Äenntni§ oon Ä'ultur* unb ©ptachgefchidbie
ber ü)Jenf(hheit/ welche non eingelnen SDiänneru ber SiSiffenfehaft
in Sltlanten feftgelegt, in 23üchem oergeichnet werben — nein,
niel unmittelbarer baß praftifche Seben unb .^anbeln an» unb
XIX. 433. 434 1* c*>
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aufreäcnbe 3nter«nen finb eö, weldbe unß 6utoj)äet ^eute mit
afrifo in Sejte^ung fe^en, bie gtagen befl ©rofe^anbelS unb
fio(itijd|et SRa^tentfaltung, unb t^rer @ntfd^eibung im einen ober
anbetn Sinne gilt je^t fd^on unb mitb in ben fommenben 3a^r>
je^nten me^r unb me^r gelten IDenfen unb ^^un bet großen
lBol(ömaf[en @utopaS.
SBenn fo bei S&tm bet 3nteieffen be§ Itageö an unfet
fd^lägt unb bie gto^en ^ragegeie^en bet Sufunft »ot unfetem
IHuge auftauc^en, fo ift ed ein natütli^et IlBunjc^, 33erftänbni§
jn ^aben füt bie 3uftänbe nnb ©efc^c^niffe bet ©egenmatt,
»otbereitet ju fein auf bie ©reigniffe-, melt^e jebeö fcmmenbe
3a^t, ja jebet j£ag biingen fann.
fRid^td abet oermag beffered SSeiftänbni^ bed Sot^anbenen
3u geu&^ten, al6 bie Sluffaffung biefeö IBor^anbenen ale eines
©emorbenen, 9Ud)t0 oetlci^t beffeten ©inblid in bie Unibilbung
aOe0 Seienben al0 bet IRüdblid auf feine ©ntmicfelung in bet
Seit. —
ISngemanbt auf ben ©egenftanb, bet un0 ^eute befd^äftigen
foll, fü^rt bet eben au0gef)>ro(^ene ©ebanfe fofott auf bie 0rage:
„SBie ift bie ©tf(^lie§ung SlftifaS erfolgt? 3Bem ^aben mir
unfere Äenntnife biefeö in jeglid^et ®e3ie^ung fo frembartigen,
fo eigent^ümlid^en unb batum fo äu^erft fc^mietig ju etfotfc^en*
ben ©rbt^eileö gu oetbanfen?"
9Ran mtib mit gerne gugeben, ba^ cd nic^t möglich ift,
biefe Stage fo allgemein unb meitumfaffenb, mie fie eben gefteUt
mürbe, im {Rahmen eines SSottiageS gu be^anbeln, felbft menn
mid^, mie id) gleich je^t fd^on fagen miQ, auf bie ©ntbecfungS>
gefd^i^te beS lebten falben 3a^t^unbertS befc^tanfe. ©in SBlicf
auf 9lrt unb SBeife geogta^j^ifd^et Sorf(bung geigt biefl fofott.
IDie ©tforf^ung eines fo meiten ©rbgebieteS mie 9fti{a
fann naturgemä§ in gmeifad^er iStt ftattl^aben unb ift aud^ in
bet ^^at gemifc^t, auf beibetlei Seife erfolgt, ©leic^mie ein
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^ergfc^aft abgeteuft unb von feinet tiefften 0teQe auS nad; ben
vetfi^tebenften diie^tnngen ^in @änge eröffnet »erben, um bie
ig(^5ee be8 ©obenS ju ^eben, io fann man ou<^ bei aeogra«
Vbifc^et ^orfc^ung von befannter ©teile au8 einen S^orfto^ unter*
nehmen bis 3U einer paffenben ©tation, um von biefet au8*
ge^enb unb ftetö »iebet ju i^r iurüeffe^renb ba8 ganje ringsum
liegenbe @ebiet nad) allen feinen (Sin^ein^eiten in Qieftaltung,
iSetväfferung unb Semo^nung fennen ju lernen. @ntfprecf|enb
ttieberljolteS 93orgeben gu neuen ©tanborten unb gleid^eS Slr=
beiten febiebt bie Stengen beS Unbefannten immer weiter gurücf,
unb in fteter, fidbeter, wenn freilicb nur aQmäl)li(ber forgfamer
'Arbeit vieler @ingetnen unb nad)fclgenber IQerglei^ung unb
3ufammenfaffung ibtet ßrgebniffe gelangen mit ftbliefelicb bagn,
jenes größere @ebiet alS geograpbifdb befannt betrachten gu
burfen. — @ang anberS bie gmeite SCrt. 9lut gegmungen am
f eiben S^rte vermeilenb, ftrebt unfet ^orfeber als $fabfinber
immer weiter voran, immer fReuem, Unbefanntem entgegen, unb
von befanntem Gebiete auSgebenb unb gu befanntem gelangenb,
gwar nur auf fcbmaler Sinie, aber in langgeftredtem SSerlaufc
erfcbliegt er weite Sanbftridbe boeb im @ro§en unb @angen
menfeblicbet ^enntnig. fStaneber, ber gut einen >^rt bet $otf(bung
auSgog, ift butcb oft feltfame Rügung bet Serbältniffe gut an*
bereu gebrängt worben. SSerlnngt bie erftere mebt forgfamen
$lei§, ®ebu[b, @ntfagung unb gar oft felbft 33ergi(bt auf 9(n<
erfennung in weiteten Äreifen, fo erforbert jene gweite Slrt
gtofeen petfönlidjen fKntb, @ntf(bloffenbeit unb gäbe ^batfraft*
eine ftete Slnfpannung aller Äräfte ÄörperS unb ©eifteS, ge»
wäbrt aud) freilich bem, bet bie ungäbligen ©chwierigfeiten
überwunben, bie unfäglicben ©efabren überftanben, größte @bie
unb ewigen fRacbrubni.
tSfrifaS ©ntbedungSgefchichte gäblt von beiber 'jlrt tReifenben
eine übergroße tHngabl. $eute fei nur betet gebacht, welche
(»)
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burd^ raftlofeö unetf(^rocfene8 SSorbttngm tn jenem Snfelerbl^eil
»on 9Reet ju ÜJleer gelangten unb jo bie JDurt^querungen beS
Äontinenteö burdjfü^rten, welche ju ben größten geiftungen geo»
gtap^ijc^et ^orfc^ung geböten.
SBir werfen junätbft einen Uebetblicf über ben ©efammt»
f^aupia^ ijjrer 2l)ätigfett, biefen (Jrbtbeil, ber etwas meljr al8
ein S3iertj)eil ber ganjen ©rbfefte anSmncbt. !Durc^ bie
biejeS im S3ergleicbe gu 3)eutfcblanb meljr al8 gwölffacb jo gro§e
„9Keer o^ne Söaffer“, wirb gang Slftita in gwei ft^on ber @rö§e
nach, aber audb in jeber fonftigen Segie^ung ungleiche
J^eile gerftbnitten. Sluf ba8 Don ber ©übgrenge ber SBüfte füb=
li(^ liegenbe QJebiet, auf iJequatotial= unb @üb»9lfrifa, fommen
etwa gwei JDrittel be8 Kontinentes, wä^renb oom norblicbm
3)ritt^eil, pon 9lorbafrifa, bet bewohnte (Streifen löngö beS
Ü)iittelmeere8 felbft wieber etwa ein IDrittel auSmadjt.
9iur biefer (entere Streifen ift 3eu0e nitet Kultur; »on
ben wenigen übrigen Küftenfäumen abgejeljen, welche feit »ier=
^unbert Sauren burcfe ©uropäer befe^t unb in geringem ©rabe
nur befiebelt würben, war faft aQc8 übrige afrifanij^e ©ebiet
bis in bie gwangiger 3a^re unfetcS Sa^r^unbertS oödig unbe=
fannt. 3war war man im oorigen 3ai)t^unbert no(b unb gu
Anfang beS je^igen Pon ber Kapftabt auS norbwärtS, pon Sri*
poli aus fübwärts, am ©ambia oftwärtS porgebrungen. 9lber
nur wenig war in ber erfteren SRi^tung gefc^eljen; in ber gweiten
Ijatte .^jornemann (1798) ÜKurfnf in geffan erreicht unb auf
ber angebeuteten 3Beftoftri(btung war 9)iajor ^ougtjton (1791)
bis por Stimbuttu gefommen. 9iun aber erfolgten fräftigere
9Sotftc§e: in 1822f— 24 btangen SDenbnm unb ©lapperton
bis 93ornu Por unb liegen ben mittleren Sl^eil beS Suban mit
bem Slfabfee jowie bie SBüfte gwift^en bem Suban unb Beffan
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genauer befannt werben; Jimbuftu, biefe al8 (Sentraltunft oon
fünf Äara»anenftra§en wic^tivgfte Stobt beö gonjen inneren
9lorbofrifaö, war 1826 t»on 9lorben ber burcb Soing erreicht
worben; bie (Sjrpebition gor unter JRicharbion, SBorth, Ooer»
weg, bonn SL^ogel (1849—56) burchforjehte boS grofje (Gebiet
Don Jripoliö au8 fübwärtö bis jum SRtget unb ü?inue, 3wi[chen
Jimbuftu unb Söobat ton SÖeft noch £5ft.
8onge batte eö gewährt, biö bie wei§en J^letfen unferer
Äarten beS b«‘ben @rbtl)eil8 ton ollen Seiten ber jufommen»
jufebrumpfen begonnen; um |o rafeber febwonben fie in ben auf
1820 folgenben tiertbalb 3obr3ebnten. '?(ber — tom 3uge
ßaiUi^’ß nbgeieben — evft mit ber ÜKitte ber fiinfjiger Sabre
bracb bie biß jur ©egenwart reicbenbe Seit ber ©ntbeefungS»
geiebiebte an, bie man füglicb o(^ bie 3«* b« S^urcbcittcrungen
Stfrifae be^eiebuen fönnte. Dieie IDurcbquerungen beö Snfel»
erbtbeilß, biefe mübl’amen unb gefobrooHen äöonberungen ton
9Jleer ju 9Keer, fie haben bie großen 3üge ber Sobengeftoltung,
ber Öcwäfferung unb ber 5?ewobnung feunen gelehrt, fie haben
boö f^aebwerf gegeben, bao bureb bie gleicbjeitigen unb noch»
folgenben ifofalforid)ungen mehr unb mehr auögefüüt würbe unb
noch aufgefütlt wirb.
3)en ffijjjirten jwei großen ©ebieten Slfrifaö entfpreebenb
laffen ficb bie IDurcbquerungöreiien auch gut in 2 ?lbtbeilungen
behanbeln: eö finb bie beö 9torbenö unb bann bie IDurtbquerungen
ton SRitteU unb ©ubofrifo. iPeginnen wir mit ben elfteren!
I.
afrifa’ö *Jiorbranb ift ton ben ben SSölfern ©uropaö fo be»
tonnten SKaffern beö üKittelmeereö bejpült; aber bennoeb war
er felbft unb waren bie h'ater ihm liegenben 8änber biö gum
tflnbrueb unfereö Sahrhunbertö ben ©uropäern faft töflig un«
befannt, ja nod) Sabre lang naebber waren fie für jene nur
(?)
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8
Orte ^6<^[ten ©^redenfi. SJJaroffo, ällgtet, 2uni8, Jttpoliö —
tote grauftg tönten euio^äifc^en O^ren biefe 9tamen at@ ©tamm«
ft^e gefürc^tetftet ©eetäuber, alS So^ingbutgen ^öd^ften mu^m>
mebanifc^en ^anatidmuS!
Saft fcbien ed unmögUcb, bag @iner eö wage, l}ieT etnj(u>
bringen; gar bieje Bänbet burd^queten 3U woOen, um jum at>
lanttjc^en Ocean ju gelangen ober nacbbem et von Unterem aud^
gegangen, mugte bofjpelt unmöglich fdbeinen unb ftdjeret 2^ob ob
bec fonnenbuTcbglü^ten fegtet enblofen $Büfte. Hnb bo^ warb’ä
gewagt unb warb gewonnen, jogar nod) beoot butd) bie ,^anonen
SuropaS SJlaroffo’S Sanatidmud gu äu^erlic^eT 9iui;e gebradst,
noc^ e^e Suniö unb j^tipolid bem ftiebltcben ^anbelöoeifet^r er<
öffnet, noch et)e 'Ülgtei fran^öftfebe ^Prootnj geworben war.
3wai batten Europäer mit bewunbeinbwertber 9iu8bauet
Sabtbunberte lang oerfuebt, in’« ^erj oon 9iotbaftifa ocr»
3ubringen unb 42 Steifen ftnb befannt, welche bie8 3irt erftrebten
unb auf oetfebiebenen Sßegen e0 erftrebten: »om ©enegal au6,
Don jlripoliö b^c> von Ülegbpten unb bem oberen 9iil au8, gar
and) auögebenb Dom @olfe Don IBenin. lDreiunb3Wan3tg biefer
0iieitenben begannen ihren 9)iarfdb an ber IBeftfufte, aber feiner
gelangte 3um 3)iittelmeer. 2)er erftc, welcher bie8 SBagni§ ooll»
führte, war bet Stan3oie (SaiUi^ (geb. 1800). ©eit früher
Sugenb febon oom IDrange nach Dieifen erfüllt, geht er 16 jährig
mit 60 Stc8. nur unb ohne beffere Silbung nach ©enegambien,
um fich ber 3um (Sambia aubgejanbten (Srpebition au3uf(blie§en.
IDer 93er)u(b mi§glüdt unb über äBeftinbieu fehrt er nad) ber
c^eimath 3urüd, um aber 1818 febon wieber am ©enegal 3U
fein: er reift biefen Sl“fe aufwärtd, wirb aber franf, fann im
bortigen jflima nicht gefunben unb mu^ wiebet nach S^anfreid)
3urüd.
aber i. 3. 1824 fommt er 3um britlen fDiale 3um ©enegal,
Dorerft um einem fleinen .jpanbel obguliegen; aber halb treibt
(S)
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i^n öte 8uft gum SHeijcn inS Snnete. 6t Berroeilt jundt^ft
3a^te bet ben Stafnaö, um oollenbet arabifd) gu lernen unb
bte ^ult^anblungen bet URauten gu üben; nacb @t. Souid tütf«
gelehrt, finbet et bei ben ftangbfitd^en {Regtetungebeamten feine
UnteTftü|ung für feine fReifepläne, Detfucbt eS bed^alb an bet
englifd^en ^üfte oon tS'ierra Seone unb ^ört ^iet non bem
gto§en ?)reife oon 10 000 §tanc0, melden im Sa^te 1824 bie
geograp^ifd^e ©efellft^aft gu ^ari0 au0 eigenen unb geftifteten
ORitteln au0gefe^t ^atte für ben erften Europäer, meieret bie
ge^eimni§DoOe @tabt Slimbuftu erteiepe. @ofott fte^t eS für
@ailU4 feft, biefen ^teiö eningen gu »oQen. @t madjt Söefonnt»
febaft mit ben QRanbingoS unb ben ^anbelSleuten auä bem 3n>
netn unb tbeilt biefen unter bem Siegel beS @ebeimniffe0 baS
$olgenbe mit: et fei in Slegppten non atabifeben 6ltetn ge>
boten, fei in frübeftet Sugenb gelegentlitb bet ©tobetung beß
Sanbeß bureb bie gtangofen non biefen nadb ^anfreicb mit>
gefdbleppt worben unb feitbem an ben Senegal gefommen, um
^anbelßgeftbäfte für feinen .^enn gu beforgen, bet ibu bann
ie^t, beftiebigt »on feinen JDienftleiftungen, frei gegeben b“f>e;
er woQe nun natb Slegppten gurüeffebten, um bort feine Familie
wiebet gu finben unb bie mufelmännifcbe ^Religion wieber auß>
juüben. S)ie je^t unb auä) fpäter guweileu gehegten Bweifel
wu^te 6aitli6 gu beben buttb fleißige ©ebetßübung, burtb eifrigeß
8efen beß J^oran unb außwenbigeß ^erfagen oon SteQen auß
Oemfelben. 3m 3nnetn beß ganbeß erfe^te er SHejranbria, wo»
bin et gu reifen gebente, alß gu wenig betannt, bureb ^IReffa
unb fanb ficb ob feiueß oft heiligen 6ifetß nur notb angefebener.
3m Sefi^e oon erfpatten 2000 Bteßw öou welchen 1700
in paffenben Siaufebwaaren angelegt würben, brach ©aiOiö am
19. Slptil 1827 non Jfafonbp am 9lio 9iuneg, füblicb »on Sene»
gambien, auf, in Begleitung »on fünf freien SRanbingo, btei
Sflanen, einigen SEtögetn, einem gübtet unb beffen grau. Slftro.
(9)
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nomiic^e 3u|trumente befa^ et nic^t, felbft nic^t eine llljr, et
ic^ägte alfo bie @tunben na^ bem ©tanbe bet ©onne, roo^l
abet ^atte et 2 ©uff ölen im ©efi^, meldje i^m jjto|c ©teufte
leiftcteu, unb mafe roiebet^olt um ÜKittag bie ©c^attenlänge
eines ©tabeS, motauS fii^ ju ^aufe bie betteffenbe Drtflbteite
betec^nen liefe. ®t jie^t junätfift oftmättö, butd^ Suta ©ft^iaHon,
tfeeilreeife begleitet von maubeinben unb ^anbel treibenben
Sula^’8, übetaH mit 9leugiet al8 ganbSmann beS ^ptopfeeten
angeftaunt unb burtb @l)retbietung, ©eftbcnfe unb ©erabreidjung
Don ©afetung außgejeic^net unb wegen feineö teligiöfen ©ifetö
beglucfmünfcbt. Anfang SORai fteu^t et ben Safing, beu .^aupt»
juflufe beß ©enegal, unb mac^t jeufcitS beffelben btei SBodjeu
SRaft. 3n ©efeQjcbaft »on 60 bis 80 Äöpfcn weiterjiebenb ge*
langt et halb jum ©ft^ioliba, bem Oberläufe beS ©iger unb,
roäfetenb ftarteS lieber ficb einftetit, am 17. 3uni nad) Äanfan,
wo er, wegen bet ftetS regnerifdjen SBittetung unb ba feine
jReifegelegenbeit fi<t> finben liefe, einen oollen 90Rcnat ju oet*
weilen genötbigt ift. läeufeerfte ©otfitbt ift etfotberlitb, um ben
©cbcitt beS IDieftapilgerS ju wabrcti: ftetS i)at er, wenn ©efud)
fommt, ein ©latt beS ÄovanS in ,^''änbcn, batin jit lefen, jwei*
mol täglid) gebt et pr 50Rofdjee, oQe 31uf.^eid)nungeu biet
überbaupt wäbrenb bet ganzen Steife mufe et mit ©leiftift unb
Döllig im ©ebeimen matben, ftetS ceu Äoran als ©ecfung bereit
baltenb. Sltitte 3uli jiebt et weiter, oftiuartS, junäcbft in baS
IJanb SBaffulo, bei unaufbörlitbem Stegen, über tbeilweiie über»
fcbwemmteS üanb unb fommt am 3. 3luguft in bem tbcilS oon
mubammebonifcben SJlanbingo, tbeilS oon bfibuifcben ©ambatta
bewohnten bübfdien fleinen ©orftben ©imme an. .^iet will er,
weil nitbt mehr matftbfäbig, bie Teilung einer f^ufewunbe ab*
warten unb löfet Darum bie jefet abgebcnbe Äatawane fort^ieben,
fteter Siegen im Sluguft bebt nidjt feine ©timmung, bie SBunbe
oerfcblimmert fid) unb 6nbe Üluguft bilbct fid) gar eine jweite
(10)
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n _
SBunbe am jelben )o bafe « nidjt ju ftel)en Detmai3 unb
genöt^igt ift, unter ber fogenannten pflege einet »on Sag ju
Jag unfteimblic^et roetbenben alten 9iegetin unb ben IDiebereien
unb ^rprefjungen feineö 3Bittl)e8 auSgefe^t einen ganzen SOlouat
gu J^aufe ju bleiben, ben feucbten SBoben al8 Saget, jeinen
Sebctjacf als Äopffijjen benu^enb. SRac^bcm aud) bet laeptember
unb Dttober oicl JHcgen gebracht, jchliefet fich anjang ^^tonember
bie ?5ufemunbe; 6aiai4 roia ftd) jcbon freuen, ba geigt ftct) bie
b5jc Äranfheit beS gtorbut, bie ihm jebeS @fjen oerbietet unb
jdjrecfliche ©chmergen bereitet. Unb je^t bricht gar jeine SBunbc
ffiieber auf! 3um Sfelett abgemagert, jogat feinet Umgebung
«Dlitleib einflöfeenb, netliett et jegliche ©nergie unb münjdit nur
noch ben Job herbei — ba enblich SJUtte IDejember tritt SBejje»
tung ein, er erholt fich langfam unb finbet auch Begleiter gut
SEBeitetteije. 9iorbroättS, auf 2)jchenne, alS 4>auptftation not
Jimbuftu, finb feine ©ebanfen gerichtet.
9tach fünfmonatlichem ilufenthalte in Jimme oerläfet et bieö
am 9. Sanuat 1828 mit etma 50 '3Jtanbingo unb 35 Jfrauen,
afle jpanbelSlaften ttagenb, bagu acht anfül)iet mit 15 ©fein.
«Durch mehl beoölfette, non einet frieblichen unb gemerbtreiben»
ben SöeDÖlfetung beroohnte ©egenben, roo »on ben oiclen fleinen
^)äuiJtlingen jeweils SBegegöttc erhoben werben, wo oielfachet
anbau üon Jabot unb SaumwoOe unb Sierfettigung Bon Stoffen
aus leitetet bie 3{egjamfeit bet Seoölfetung geigt, geht eS ftetS
netbwärts, bis am 10. 93tätg bet weftöftliche Sauf beS hiet
150 m breiten «Dfchioliba ober fRiget erteilt ift, unb mit ihm
bie oon gweien feinet ©eitenorme umfchloffene ©tabt «Dfchenne,
biefet gegen 10000 ©inwohnet gählenbe lebhafte Karawanen.
but^gugSplah.
3ftach 13 tägigem «ufenthalt, im Sefi^e oon ©mpfehlungen
für Jimbuftu, bie fich ©aiQiö bur^ SSetfehenfung oon ©cheeren
ober eines fRegenfehirmeS u. f. w. erworben, fe^t et feine Steife
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fort, jeftt gu ©c^iffe ben mojeftätifc^en Strom binabfa(>renb.
®tn äu§erft lebhafter ScbifffartbSoerfebr jeigt fidj flonje
glotillen »on 60 — 80 ©(Riffen, je 30, 4 unb 2 m begw. nad)
Sänge, ©reite unb Jiefe mejfenb, alle reld) belaben, mit 16 biä
18 Schiff leuten befebt, führen bie ©rgeugniffe beä Sanbeö, aud)
Stlaoen, ftromab ber großen Stabt gu. ©ic weite unb ein»
förmige @bene bot bem 2luge wenig 9Rahrung; um fo fd)limmer
machte fich bie ©ehanblung fühlbar, bie unfet SReifenber auf bem
Schiffe, faft nach 3lrt eineS Stlaoen, gu erbulben hatte. 6ß
war eine @tlöfung, alß nach ben oiet fchweren Wochen ber Sahtt
am 20. !äptil ber .^afenpla^ oou Jimbuftu unb ua^ einem
fKarfche oon wenigen Stunben lanbcinwärtß biefeS felbft erreich*
worben war. (Snblich war et angelangt in biefer geheimnih»
oollen Stabt, biefem lange Sahte erfehnten 3«le feinet 2Sünfche.
®roh war feine Steube, unb hoch burfte er fie nicht äuhetn!
’jibec gang unb gat nicht entfprach feinen Erwartungen '2(nblicf
unb 3nnereß biefer Stabt: in unenblich fcheinenber, ober, fan»
biget Ebene liegt fie ba mit ihren fieben SRofcheen unb ben
10—12 000 bem iRegerftamme ber Äiffut ungehörigen ©ewohnern,
bie in fchlechten Erbhäufern leben, aber in SBohnuug unb jtlei»
bung außgefuchte tReinlichteit pflegen, ^ür ben ^nbait ift ber
©oben ungeeignet, unb fo ift man, ba felbft Jrintwaffer getauft
werben muh, auf ben ^anbel angewiefen, gumal auf bie Saig»
Ein» unb ©urchfuhr oom Storben her. ©ie Sebenßmittel finb fehr
theuer, unb Saitliä wäre in fchlimmfter Sage gewefen, fatlfl et
fie fi^ hätte auß eigenen 9Rilteln befdhaffen müffen. Et warb
freunblich aufgenommen, unb fo blieb er gwei SBodhen, ba er
am oierten ©age fchon hätte weiterreifen tönnen. lieber aQe
©erhältniffe fuchte et ftch gu unterrichten, unb fo erfuhr er benn
auch genauer, waß er fchon in ©fchenne h^tte anbeuten hären,
bah fein Sanbßmann Saing, ber oon IRorben her getommen,
turg guoot bei ber Stabt überfallen unb getöbtet worben war.
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fleber ben iDcitcren 8auf beö 25f(^ioliba, bcn et ctftmaie ouf bev
befaljrenen Stterfe erforjebt, »ermodjte et nichts ju etftagen; feine
Setmutbung, ba§ et in ben 93u|en non Senin Pie§e unb mit
bem 9liget ibentifch fei, ertpiefl [ich nacbtnalS aW ȧllig ticbtig.
9lm 4. ÜJtai 1828 »etlie§ (5ailli4 Eimbuftu, mit einet Äa®
tamane non 600 Äameelen notbrnärtS butcb bie SBnfte jiebenb,
non äuperft ftatfet ^i^e gepeinigt; in eU2itauan, ebenfaQS einem
BvifcbenbanbeiSpIa^ ebne eigene .ipülfSqueOen , cetfetgte ibn
ein maurifebet ifaufmann, um ft<lj ben Propheten günpig ju
ftimmen, mit bem fRotbigften fut bie meitete {Reife, unb non
l)ier ab wuebS bie Bob^ bet ^ameele auf 1400. 0ie fepatfeu
Dftminbc, bie ©anbpiirme unb bet SBoPetmangel wäbrenb bet
näcbften a^t ^age braepte bie .Karawane bem Untetgang nape;
TOÖbrenb afle Uebtigen pep in bet ^olge etpolen fonnten, »at
(SoiOli^, als ob et ßprift wärt, jinei ÜRonate laug non Seiten
bet begleitenben IDlauten, ja felbft bet butep biefe aufgefta^elten
Sflanen anpaltenben fcptecllicpen Duäleteien unb SSetpöbnuiigen
auögefe^t, fo bafe et Pep felbft jeitweilig in bie Belte Slnbeter
Pücpten mupte. SSielfacp mu| et pep SBaPet etbetteln; in eU
•5>atib, wo et 13 Jage netweilt, mup et, um @pen unb Sltinfen
gu erlangen, ben Stauen Ülmulette fepteiben bepufS ©ewinnung
non PRdnnetn füt ipte Slöcptet. @nbe 3uli ift et boep naep
Saplet gelangt, nape beim UtlaS, unb maept non piet nadp
feepstägigem ülufentpatt einen mepttdgigen 9luSPug naep bem
nielbefucpten URatfte non !33opeim, non wo eine weitete ^ata«
wane naep Seg abgepen foDte. 93om flafcpa piet Untetftüpung
etbettelnb, abet abgewiefen, nettaup @aiQi4, anf bie @efapt pin,
gang nadt gepen gu müpen, ein .^leib unb mietpet einen @fel,
um j£agS batauf mit einet Karawane non 200 fOhultpieten naep
Seg gu teifen. IDie pietbei noOfüptte IDutdpquetung beS ^tlaS
bringt äupetp quälenben .punget unb fepteefliepe PRfipfal.
SDiit bet anfunp in Sej (12. Sluguft), bet fcpönpen Stabt,
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u
bic et in Slftifa gefe^cn, ift er na^e am 3»el, ob« gröfeer unb
grö|et fc^eint bie @efa^r ber (£ntbe(fung jeineS SSetrugeS 311
werben. 6t wagt bet einem 3uben ben Serfauf 3weier engltfc^en
6olbflü(fe; um an bie näc^fte ^ü[te 3U fommen, wenbet et fid^
nun jübweftwärtd, auf ^JRefinaS gu unb, batob beargwöhnt,
heuchelt er,' er begehre ben jifaifer gu fehen uub biefem feine
traurige Sage gu flagen. 6r eneicht jene @tabt nad| \)axUt
äBanberung am tHbenb unb wirb weggewiefen, alö er in einem
Stade bleiben, unb ba er nun in bet dRofchee übernachten will,
wirb er hinouflgejagt: et fchlöft bei faltet Stacht im freien.
Schon wollen ihn bie Ärafte »erlaffen; bie |)offnung, in JRabat
am SReete einen frangöfif^en Äonful gu finben, hö't ihn ouN
recht: er pnbet ihn, aber e8 ift ein einheimifchet 3ube — er
»ertraut fich ihm an, aber ber wenbet fühlloS fich ab. traurige
öiergehn Jage »erlebt h*« 6aidi4, untertagö an Strafeenecfen
fich aufhaltenb, nachts ben ^riebhof am SReet als fRuheplah
wählenb, ftetS unter *^ngft unb in -junget. Slm 2. September
wid et auf gemiethetem 6fel bis Stanger reiten, mufe aber tro^
bet ^cgahlung, ba baS ^h>« 3n jdhwadh, gu ben 9Beg
machen, geplagt »on heftigem Bieber unb üu^erfter 6rmattung.
Äranl unb enlfrdftet fommt er in fanget an, in biefer »om
glühenbften ©laubenShaffe erfüdten Stabt; faft fcheint eS — fo
nahe am Siele — nicht möglich, ben Äonjul JDelaporte gu fpte^en,
unb als er nach »ielen bangen, ja fdhrecflichen Stunben biefen
gefunben unb ihm fich entbedt hotte, »ermo^te er nur unter
größter @efahr für fein fieben baS Sanb gu »erlaffen: »erfleibet
gewinnt er baS Schiff, baS eigenS für ihn auf beS ÄonfulS Se=
treiben auS 6abir gefommen war, unb nach 10 Stagen betritt
et in Stoulon heimifdhen ©oben (10. Dftober), erholt fich hier
etwas »on ben furchtbaren Strapagen unb fehrt nach IJoriS
gurüd.
508 Jage hot 6aidie’S fRcife in Slfrita gewährt; 301 bet=
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jelben loaien gewoDte ober aufgcjioungene Siu^ctage, bie et an
18 Drten »erlebte, fo ba§ er »oüe 207 3!age auf bem 9Jlatf(^
butcb bad unbcfannte f!anb 3ubrad}te. S)te »on ibm burcb>
wanberte ©tiede ift größer al8 bie ©ntfernung »om Jfap 9Ra=
tapan, ben faft füblicbften ^uuft ßuropab, biß gu beffen norb»
lidjftem ?)unft, bem fUorbfap. 6r ^at tro^ ®?angel8 an aßen
Snftrumenten eine gute .Karte bet burcbwanberten @egenb ge*
geben, et bot ihre flimatifcben unb aQgemein
»ölfer* unb fpratbfunblidien mie il)re ^anbeI8»33etbältniffe er»
forfcbt unb Sage unb Siefe bet Srunncn in ber SBüftengegcnb
aufgejeicbnct, er bat Simbuftu befcbrieben unb ein gro^eß Stürf
beß langen 3Rigetlaufeß erforfcbt unb beffen njafferrcicbe Suflüffe
angegeben: mit IRedbt mürbe ibm bet »ier Sabre jurot auß»
gefegte 'Preiß unb mebt alß baß gucrfannt.
SBcnn au(b ßaiflie’ß Oteife unmittelbar nicht bie gro§e tSn«
regung gab, bie oon ibr hätte ermattet metbcn fönnen, fo mirfte
bocb auch fie mit, baß Snterefje an 5lfrifa mach ju erbalten.
IDurcb biefeß getrieben, gingen immer neue gotfcbet bortbin ab,
einer um ben anbern fein geben laffenb auf bem fcbredlicben
©cblatbtfelbe. S3on Dberguinea l)ex mar bet fcbon genannte
©lapperton auf einer gmeiten tReifc (1825) biß ©ofoto »or=
gebrungen, fanb aber ba gleicbmie fünf feinet ©egleiter beu Job.
vSein IDiener ganber, bet bie Sagebiuber nach ©utopa gurütf»
gebracht halte, unternabm feinerfeitß mit feinem Sruber eine
fReife nadb betn öliger (1830), burch melche Re feftftellten , baR
ber gtoRe Strom, ben ©aiQiö im centralen Slbeile befahren batte,
in ber Slbat ber in ben @olf »on ©enin einmünbenbe 9iiger
fei. ©löngenb maten bie ©rfolge, melche bie »on ber englifchen
JRegietung i. 3- 1849 außgefchidte ©rpebition unter SRicbarbfon,
Sartb unb Ooermeg ergielte; leiber lehrte nur 33artb gurüd
(1855), unb auch t. 3. 1853 ihnen na^gefchidte ©buarb
S3ogel mar »erfchollen, mabrfcbeinlich in Söabai, cftlich »om
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S.fal)jee ermorbet (1856), wenn bie unfic^eren 92ad)rid)ten 9te(^t
bedielten. 3ut ^ufflärung feined @(^i(ffald foQte eine auf
'Petermann’8 Slnregung au8gef(^idte ©icpebition (1862) non ©par-
tum au8 buTd) ^orbofan unb Slarfut nad^ SBabai vorbtingen,
fonnte aber lc^tere8 8anb nitbt erreichen; v. Söeurmann aber,
1861 SU gleichem 3*»ecfe »on Sengahft nach bem ©uban auf»
btechenb, h<>lie fchon ^uta, bie ^auptftabt non 93otnu, eneicbt
unb war oftwärt8 auf SBabai gugesogeu, al8 auch unterweg8
in Äanem ermorbet würbe (Sanuar 1863).
SBahrhaftig, bie Slu8fichten für einen ©rfolg auf biefem
gebiete waren äuherft gering — ba8 hielt aber @erharb 9iohlf£
(geb. 1834) nicht ab, auf bem fo überaus gefährlichen SBege
oorsugehen. SGBaS ©aiHiö für bcn SBefien, baS hat er für ben
mittleren S.he»l 9lorbafrifa8 nollbracht; ja er hat, wie man faft
jagen barf, swei folche ^Durchquerungen unmittelbar nadh einanber
burd^geführt.
SRachbem SKohlfS gans jung noch ™tt SfuSseichnung im
fchle8wig»holfteinif^en Jhiege gefochten unb barauf ^ebicin ftu»
birt unb in ber algietjchen grembenlegion ben für einen Sremben
böchften militärifchen Slang erlangt, sugleich Sprache unb Slrt
eines Arabers fich völlig angeeignet hatte, lam er fiebenunb»
swansigjährig al8 Slrst in bie ©ienfte unb in bie ©unft beS
©rofefcherifS, welcher in einem grofeeu $h«>*e »o« Slorbweft-
afrita ald geiftlidheS Dberhaupt gilt unb unter beffen ©mpfehlung,
als SDlohammeb reifenb, wagte er suerft (1862) einen ^jluSflug
in bie maroffanifche Sahara, unb obwohl er hietbei von feinen
f^ührern Überfällen unb nach 3etf(h™£tterung feines SlrmeS burch
3ufaQ nur gerettet worben, trat er gleichtvohl, im fDiärs 1864
von Dran nach langer gefommen, von hic^ auS mit nur we»
nigen ^Begleitern feinen ^atfch nach ®üboften quer burch ^aS
IHtlaSgebirge an, eneichte glüdlidh bie Dafe f^afilet, wo felbft
„bie ©ingeborenen aQe in bewunbernbem ©ntfe^en über feine
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Jl^ü^n^eit waren j inbem fie felbft nur in jfarawanen non 1000
ober 2000 f)etionen übet ben 9lUaö jie^en“. SBeiter^in füb*
öftli^ jie^enb unb an baS @übenbe ber ^roninj Sluat gelangt
(17. «September), mu§ JRoblf8 »otne^mli(b au8 SRangel an ben
notljigen ?(Jtitte!n auf feinen ^lan oergicbten, oon ^ier ou8 nad>
Simbu!tu abgubiegen; oftwärts ba8 @ebiet bet Juateg but(b«
wanbernb, babei ftet8 in bet grSfeten ©efa^t, al8 ß^rift erfannt
unb getöbtet gu werben, gelangt et (28. 9ioo.) na^ 9t^abame8,
unb non ^iet but(^ fiebenge^ntägigen SRarfd^ (am 29. 2)egbt.)
na^ Slripolt.
SJlit einem Slufwanbe non 3300 Jl batte 9toblf8 feine an
geograpbiftbct 9u8beute reiche unb ebenfo fübne al8 bridante
Steife burcbgefübrt unb patte im gewiffen Sinne fogat ben Äon*
tinent gefreugt; aber na^ bem audp oon ipm erfebnten flimbuftu
war er nicpt gefommen. IDtum gönnte er fiep nur einen ftüdp«
tigen ^efuep IDeutfcpIanbg unb war im fUtärg 1865 fepon wieber
in Stipoli, um einen neuen SSetfuep in bet erfepnten fRieptung
gu wagen.
9lm 20. 9Rai 1865 gog et — bieSmal al8 ßprift unb ^teupe
— fübwärt8 au8, übet 9Ri8ba naep Sfipabame8, »on wo et mit
^ülfe eine8 2uategp&uptling8 ba8 @ebirg81anb bet ^ogor be=
fuepen unb naep bem Sliget notbringen gu fönnen poffte. 5)et
SBortbruep biefeS ;^auptling8 unb friegerifepe Bewegungen unter
ben Juareg benapmen jebe fWögli^feit, in Der beabpeptigten
JRi^tung norgugepen — umfonft erbulbete fRoplfS oon SJlitte
3uni bi8 @nbe Slugup in 9lpabame8 bie Dualen ber Jpipe unb
fcpwete Äranfpeit: er mupte fidp gut Umtepr entfcpliepen; boep
foHte biefe niept bie ^>eim!epr bebeuten. Bon bem im S3er=
gleiche gu ^tipoli nur 1^ ®tab fübli^er gelegenen f£Ri8ba au8,
wopin et rürfgeteprt war unb wo er pep neu au8rüftete, btaep
er nun 6nbe September fübmärt8 auf, um auf tpeilweiö un*
betretenem SBege am 26. Dftober fUturjuf gu enei^en, bie
XIX. 433. 434. 2 (I7J
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<t>aut>tftabt Bon $enon mit wo^l 3000 ©inwoijnern. Seit ^atte
^ier iRo^lfd genügenb, um bie t^olitifd^en unb mirt^fc^aftlid^en
SBet^ältniffe gu ftubiien : ben ^anbel fanb et unbebeutenb, leibet
Detl)ältni§mä§ig am micbtigften ben @UaDen^anbel, bet im le^t«
»etfloffenen 3a^i attein butd^ biefe Stabt übet 4000 Sfleget
beföibett ^atte; bie Sewo^net leben vom @rttage bed ^obene,
bet bei bet lei^t gu befc^affenben Tünftlic^en Semäffetung jä^t<
lidb fünf @tnten giebt unb einen ungemeinen Jieicbt^um an
^Dattelpalmen aufmeift; fRegen füQt feiten unb mirb anii
gemünjc^t, ba fonft bie nut au8 falg^altigen @tbflumpen auf»
geführten Raufet getflie^en.
9tacb fünfmonatlidjem 'jlufent^alte in 3Rutfuf ging bet
äBeitetmatfd) (am 25. fUlütg 1866), im @togen unb langen auf
D. Seutmann’d unb Sßogere SGSeg, fübwättS, bem Sfabfee gu,
gunä^ft in bie BoOIommene SBüfte. @to^ mat ^iet bie SRü^fal,
f(^on bie beiben etften Slage entfe^lid): eS ^ettic^te eine faft
unetttäglic^e ^i|e (biS 50° (S. im 0(batten, nacbtö ni^t untct
30°) betart, ba§ eine im Sonnenbranb liegen gebliebene Stearin»
fetge BöOig abfd^molg unb bet begleitenbe .^unb auf bem bis gu
70° erlji^ten Soben feine gü|e oerbtannte; eS erhoben fi^ lang
anbauetnbe Sanbftütme unb in $olge bacon fanben fic^ Stunnen
netf^üttet, unb eS {onnte ben SRutl^ nic^t et^ö^en, alS man gat
bei einem betfelben ein ungeheures .^noihenfelb fanb auS jtameel»
ttie SRenfchenfnothen beftehcnb — ^)i^e, Sanbftutm, SBaffer»
mangel, ftatfe SteftricitätSentuidelung, bagu noch ein Sturg
IRohlfe’ Dom j^ameel, SDeS neteint machte bie mehr als fünf»
mödhentliche Steife bis Bilma, bet ^auptptocing beS gebirgigen
£ebu»SultanatS ^auar, gu einet faft enblofen. SIS biefe £)afe,
bie SRitte beS SBegeS gum großen See, am 2. fDtai erreicht war,
erfuhr man, ba§ h^ci^ feit einem h^tii’en 3ahte fein eingiget
SRann unb feine Stachri^t mehr auS bem Süben gefommen
mat, unb bet Sultan felbft etll&rte, bahin feine Aatamane auf»
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treiben gu fönnen unb feinen ^üljtet gu roiffen. Sieben SBo^^en
»ergingen, biö 0iol}lf8 für fi(b, feine fed)8 eigenen unb fteben
fremben Begleiter ben gweiten i^eil ber SBanbemng butdj bie
®üfte ermSglitben fonnte.
aber neue 5flot^! Biertägigefl entfepc^ mü^iamefl ^Jaffiten
»cn Sanbbünen bei enormer ^i^e, babei »ielfacbeö SÖiarfcbiten
gu bebufS Schonung bet J^omeele, nachte bad ftete Um«
fch»ärmtiein »on ^\)äntn brohte Äorper unb ©eift aufgureiben;
rceiter ein erfteS ni^t geblanted abitren »om regten ®ege unb
fRüeffehr gum au6gang8punft machte brei Sage »erlieten; ein
gmeitmaligeS abfichtliche« Srregeführtwerben unb treulofeö Ber«
laffen burch einen anberen Bühter brachte bie ©efahr beg nahen
2obe8 »or Berfchmachten, ben nur ein ;)lß^Uchet ©emitterregen
abmanbte. ©nblich, nach brei ®ochen mar ber ®albftreifen
erreicht, ber ftch »om S^il in einer Breite oft »on »iet big fünf
Sagereifen big gum atlantifchen Dcean hin erftredft, unb menige
Sage nachher — ein befeligenbet anblicf! — ber Sjobfee, mo
tropifche Sanbfchaftgbilber bem äuge ungemohnten ©enu§ be«
reiteten unb bag BrüQen »on IRinberheetben bem Dhre alg
fßftliche ÜJlufif erf^ien. 9lach bem Ueberfehen übet einen glu§
mit 4>ülfe eineg über adht Äürbigflafchen erbauten Sloffeg marb
am 22. 3uli 1866 Jfufa erreicht, bie mohl 60000 ©inmohner
göhlenbe unb roegen unbefchränfter ©emerbe« unb j^anbelgfreiheit
blühenbe ®alb« unb ^auptftabt beg iUetcheg Bornu. 0ie gaft«
liehe aufnahme mie früher »on Beurmann, fo je^t »on IRohlfg
burch i^^n Sultan geftattete hier müh^enb bet IRegengeit ©rholung
»on ben Strapazen unb Sammlung neuer Äräfte.
Beibet marf in biefeg »erhültnihmühig angenehme Beben
©tneg feine bßfe Schatten, bie ©elbnoth: bie feitherige Steife,
bet tägliche Unterhalt, bet anfauf eineg ^fetbeg, beg ©efchirreg
für gmei ^ferbe, bet monatliche Bohn bet 2)ienet unb arbeitet,
bag Honorar für -bie Sprathlehter, bie ©efchenfe in baarem
2* (t»)
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@ribe, 3llleS rerme^rte bte SJuSgaben übet ©rwartcn; babei
ttaten viele bet mitgebtadbten SBaaten fcbon an bie unetfättUc^en
bettlet am J^ofe ju ^ula a(8 ®ef(benfe bingeg^^^i^i
übrigen liefen ficb viele ni(^t, nie gehofft, mit @eroinn vet«
taufen. @o butfte e8 5Rol)lf0 faft noch al8 ®lüct bettatbten,
ba§ et 3u 100 p@t. auf fünf 3)lonate ®elb geliehen befam.
ÜRit einet mebt al0 6000 ÜRenf^en 3ählenben ©flaven»
fatatvane fcbicfte unfer dieifenber 0tiefe in bie ^eimath, unb
al0 audb nvdb nach vielet 3Rühe behufS @rlangung von @inttittSs
etlaubnig in fein 8anb ein $ote an ben ©ultan von äBabai
abgefchicft mar, hotte SRohlfö, bis von lehteren, »ohl faum vor
Slblauf 3»eiet SJionote, Slntivott eintreffen mütbe, Seit genug,
0taat8» unb j£)anbel0oerhältnlffc 3U ftubiren, fomie bie ©ptache
unb bie 5DiaIette von 93otnu, biefeö 3ut Seit mächttgften oBet
innetafrifanifdhen 5Regerteiche. 3n bet falfcpen SJieinung, bie von
3uni bis SWitte ©eptembet ivahtenbe 5Regen3eit fei 311 önbe,
untetnahm Blohlfö (8. ©eptbt.) einen Slugflug fübwdttS in bo8
ftein> unb bachlofe ©umpflanb Uanbala; abet balb glich bie
Äatawane mcht einem gelbhofpital ol8 einet BteifegefeBfchaft,
unb fo tonnte et ftoh fein, am 12. Ottobet, fteilicp mit ge»
l^wd^tet ®efunbheit, tviebet nach J^ula 3U gelangen, n>o in ben
nächften SBodhen 9lBe gat feht vom Riebet 3U leiben hotten,
gjlittleiiveile »aten übet btei ÜRonate vetfhichen, feit 0tohlf8
feinen S3oten an ben ©ultan von ällabai abgefanbt hotte: et
hatte fich von biefem bie @tlaubni§ unb SSetficherung etbeten,
ungefdhtbet feine ^auptftabt betteten 3U bürfen; faB8 bie8 nicht
angehe, möge et ihm ^Papiete unb S3üdhet von S3eutmann obet
SSogel, bie noch in be8 ©ultanS Sefih feien, übetfenben. Slbet
jegli^e 9lachticht blieb au8, unb menn aud) 9iohlf8 übet ba8
©chidfal bet beiben genannten beutfchen 0fieifenben 5^Ja^richten,
leibet afl3U trübe 9lachridhten erlangen tonnte, bei bem ÜJlangel
aBen S3ertehre8 au8 Sotuu mit ben weitet füböftlich im 3nnern
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gelegenen Sänbern n>at übet bie leiteten felbft nic^td 9leued 5U
erfragen.
SBo^in foüte nnn fRobIfS »enben? 5Ro(b Offen, nad)
©üboften, na(b @üben, überaQbin war ber fXuegang unmögli^
tnegen birefter $einbf(baft unb wegen ber bortigen beftünbfgen
©flanenfriege unb 9l{aubjäge. <Bo blieb nur ber SBeg nad)
Sübtneffen, in baö gebirgige Sanb Slbamaua, um non ba jum
©nineabnfen ju gelangen, 9lene fiebetethanfung »on SRoblfÖ
felbfi unb aller feiner SDiener, ferner bie Slnmelbung einet Äa>
rawane auS Brffon, bie bann audb wirflidb mit ^Briefen au8
@utopa eintraf — oieö unb iSnbeteä uetjögerte bie Slbreife biö
jum 13. IDejember.
2beif*»eife ODerwegö ©puren folgenb ging e0 nun auf febr'
belebtem SBege burcb bicbt, aber febr gemij^t beB6Herte0 ganb,
mit 9leujabt 1867 in ba0 immer noch mubammebanifd^e, aber
in mannigfacbet Schiebung uon ben 9iegerftaateu ab»ei(benbe
fReicb bet $uQo, unb naä} 14 $agen war bie im Slpenlanbe,
in parabiefifcber Umgebung gelegene unb für europöifcbe ^olo>
nifation empfeblen0wertbe @tabt Sacoba mit ihren 150000 6in*
Wobnetn erretd)t. 3)er jwan^igtägige 9lufentbalt b'®’^ brachte
für lRoblf0 feine ÜlRinberung be0 ^ieber0, ba0 ficb bi®^ Sorm
»on gönglicber ©tfcböpfung unb »on ©cbmerjen be0 ganzen
Äörpet0 jeigte, »erbunben mit tiefet ÜRutblofigfelt be0 @eifte0,
unb ba0 nur burcb grobe unb ftetige 3)ofen CSbinin in ©cbranfen
gebalten werben fonnte. 9iacb Ueberfteigung be0 @oragebirge0
mubte, ba fein birefter SBeg nach SRabba am 9ltgerfluffe gu
führen fcbeint, fübwärt0 abgebogen unb bie nabegu breiwücbent«
liebe fo befcbwerlicbe IReife über bie ^oebebene burebgefübrt
werben; IRoblf0 befcbleunigte biefe fdblieblicb f<b®*n wegen feiner
fteten SieberanfäQe, aber auch be0wegen, weil bie fRegengeit
berannabte unb er bie febier nicht glaubliche 9facbricbt erhielt
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»on einet großen @^rtften[tabt am 3ufammenflu| beS $enue
mit bem 9tiger.
9lac^ einet aiemlid^ rafti^en 9leife butc^ baö 8anb bet getift^»
anbetenben ^fo*9leget matb enblitb am 18. Sliätj bet {ec^Sjebn
Sa^ie guDot con Dr. Satt^ entbedte Senueflufe eueic^t, bet
bem 9Hflet ben SEtibut au8 bem ^>etgen Siftifaö jufübtt — abet
no(b beburfte eS einet me^t als 3ueimonatli^en Slnftrengung,
um am großen SBaffet anjulangen. 2)enn jefet gingS auf einem
ni(bt ganj bteiten, 1' tiefen unb 30' langen @inbaumfabt>
jeug Slage lang ben fijcbrei^en Senue b<nab bis Sofoja am
3?igei, roo bet Sorftanb bet feit jmei Sagten bafelbft gegtün»
beten englifcben 9iigermiffton unb bet cbriftlicben @emeinbe
wabrbaft btübetlidbe unb uneigennü^ige @aftfteunbf(baft ge>
wäbrte; abet nach fünf Sagen fd)on mu§te bie trc^ bet inter*
effonten Scenerie bet bi^tbelaubten Ufer mit ihren beerben non
Pavianen unb fDieetfa^en, tto^ bet ’jlbmeibfelungen, bie bet
glu§ mit feinen glufepferben unb Ätofobilen bot, eS mu§te bie
tro$ allebem bet fleinen giftigen gliegen megen quaiooDe gabtt
ben fJUger bitt““f angetteten loetben. IDiefe führte innerhalb
oierjehn Sagen nach fRabba, unb ein einmonatlichet Duermatfch
buTch baS 3orubalanb mit SSerlebung fchauiiget fRächte im Ur>
»alb führte über bie Sßafferfcheibe groifchen 9iiger unb Ocean
hinmeg enblich am 28. 9Rai 1867 an baS erfehnte 3iel, ju bem
englifcben .^afenorte i^agoS, mo eine »ahthaft fürftliche @aft<
fieunbfchaft beS .^ambutger ^aufeS £>’@malbS bem Steifenben
bie lang entbehrte SBohlthot eutopäifchet .^ultut ju Sheil metben
lieh, bis baS 8ioetpooIer IDampfboot ihn miebet bet .^eimatl)
jnführte, bie et »or mehr als jmei 3ahten oerlaffen h»tte-
€o mar IRohlfS auch gmeiten fDtale nicht na^ Simbuftu
gelangt, unb eben fo menig mat eS ihm geglücft, nach SBabai oor»
gubtingen unb unmittelbarfte 9lachti^ten ju geminneu übet baS
herbe ©dhidfal feinet 3mei berühmten SSotgänget. S)iefeS 3itl
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ju eneic^en, ^at Dr. @uftab 2?a(^tigal au0 Äöln (geb. 1884)
fic^ al8 Aufgabe gefteüt, unb ju bet JRoblffl’fcben Steife bilbet
bie von Staibtigal ein mütbiged ©egenftücf. (Sie batf gioar
ni(bt im rein geometrif^en, »o^l ober im geogro<)^ifd)en Sinne
ebentofl0 olö eine 3)ur(bquerung non Slfrifo begeicbnet werben.
?m Sietgletd^e 3ur erfteren noch tei(bet an Erfolgen, für bie
öftlicben Sonber non Soboro unb Subon 'jlebnlicbeS leiftenb
wie swonjig 3obre gunor Dr. Sortb für bie mittleren, würben
jene (Erfolge freilich ou(b nur in einet burd) fünf 3ab^e fi4
bingiebenben ununterbrocbenen Steibe oon faft übermenfcblttbra
Orntbebrungen unb 8ciben erworben.
Stoblffl gegenüber batte bet Sultan JDmar oon ©ornu ben
SBunfeb auSgefprocben , in '.Ünerfennung (einer freunbfcbaftlicben
©efinnung, feinet ©rofemutb unb unmittelbaren Jpülfeleiftung,
welche et Scurmann fowobl al8 StoblfS etwiefen, möge ibm ber
.tfönig »on ^Heufeen einen Jb^on, einen SBogen unb eine
Scblogubr gum ©efcbenfe machen. 35iefem SBunfcbe foHte nun
willfabrt werben, unb bet Slrgt Dr. Slacbtigal, bet i. 3- 1868
burcb eine Sruftfranfbeit gcnötbigt worben war nach Slgiet gu
geben unb fpäter Slrgt in Junis gewefen, follte bet Uebetbtinger
ber ©efcbenfe fein.
SIm 18. f?ebtuat 1869 »erlie§ Slocbtigal Jripoli unb b»ite
auf ber gewöbnlicben Strafe am 27. fütärg (Dturfuf erreicht, aW
hier fcbon bie Scbwierigfeiten begannen: bet SBeg fübwartö übet
Silmo nach Sornu, ben auch Stoblfö gegogcn, war je^t in golgc
non Stäubergügen verübet unb oerfpertt. SIbet ftatt tbatenloS
in Seffan liegen gu bleiben, wagte Slacbtigol einen fübnen 3ng
füboftwörtS, wie ibn fcbon SSeurmann unb StoblfS geplant batten,
gu ben Jibbu, in baS oafenartige SabaragebirgSlanb Jibefti.
So verlieb et benn am 6. 3uni SJlurfuf mit vier wobl»
belabenen .^ameelen unb vier 5Dienetn, gog gunöcbft wöbrenb
breier äBocben burcb 3^ @rabe fübwörtS auf bem gewöbnlicben
m
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SBege, f^toenße bann nad) ©üboften ab unb nad^ anftrengenben
SRätfc^en übet eine balb äu§etft fteinige, halb fanbtge SBüjte,
fp&tet übet teinen ^eleboben, habet binnen einet SBoc^e jogar
3»eimal bet gutd^t beö SBerbutftenS an^eimgegeben, wat et
^itte 3uli bet renttalen @ebitgdntaf|e na^e gefommen unb
ettei^te enblicb nac^ einet 33tanbfc^a^ung butc^ feinblicbe Xibbu
unb in ftetet @otge not meu(bleri)^en Uebetfällen, 3um 0(^lufie
naö) banger, Dietge^ntägigei @nDattung bet dtüdffe^r eineö Soten,
tneltbet an ben 0ultan abgefanbt wotben, — 9lad}tigal, fo
fagte t(b, eiteicüte enblic^ am 8. Sluguft Satbai, bte Stabt beg
@ultan0; bod^ nettiet^ [d^on non ferne baS bum)>fe @emutmel
bed fanatifcben SSolfed unb bann bie ^^uffotbeiung ©injelnet,
ben @btifte»f)unb gu tobten, bie fiu^erft bto^enbe Sage. 3n bet
Stabt toatb 9iacbtigal in einem nut ungenügenben Sd^u^ not
bet Sonne gemä^tenben Belte einen ^onat lang gefangen
gehalten unb nur eben not bem ^ungertobe bewahrt; nic^t bon
bet ü^üte feineö Belteä fonnte er fit^ entfernen, o^ne fi(^ bem
SRärt^reitobe burtb Steinigung audgufe^en; wod^enlang mutben
über i^n oom Sultan unb feinen @blen taglidb Veratmungen
abgebalten; ftiti|dber mürbe noch bie Sage, ald bie fRacbticbt con
bet ©tmotbung einer eurot>äii<ben fReifenben, bc8 ^rl. Slinne
fam unb bie oom beootftemenbern ^tege gmifcben Sirabetn unb
ben Sibbu. 21lg ibm fd^liellicb audb no(b faft SHed abgetJte^t
motben, entging fRadbtigal bem faft fieberen Sobe nur butcb
^luebt: in ftetet Sorge für ba8 geben, bei ungenügenber 9?abrung
unb mieberbolt 13 bie 14ftünbiget ^ubmanbetung übet bao
fteinige Sertain, »om gübrer oerlaffen, auf ben eigenen Sdjultetn
@et>ä(f unb SBaffet ttagenb unb für bie lebten fünf 2:age nur
no(b je gehn IDatteln ale 9iabtung bepbenb — fo febrte fRaebtigal
gutüef aue bem unmirtblicben unb ungaftUeben Sanbe unb et<
teiebte, bulb blinb bureb 2iugenentgünbung , mit butdb Sonnen»
<2*)
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branb entjünbeten Bü|en, al6 ein @(^atten in jumpen, int
Dftober 1869 etjl teiebet bie |)aupt[ttofee unb geffan.
^ier buid^ ungünftige iBerijältniffe ein ^albed 3a^r, niel
länger ald ju feiner @r^oIung nötl^ig »ar, jurücfge^alten, fonnte
9lac^tigal erfl im 21pril 1870 0[Rurfuf mieber oetlaffen unb mu§te
je§t gerabe in ber ^ei§en Sa^reö^eit bie SBüfte burt^manbern,
gelangte aber bod| in S3egleitung eines türüfcben ©efanbten am
6. 3uli mo^lbe^alten in J^ufa am ^fabfee an, »o er alSbalb
feinem @^renauftrag beim Sultan genügte.
Sie 0ieg(ngeit ^ielt i^n nun im 33ornurei(be jurücf; aber
nic^t für feine |>eimfel)r martete er beren @nbe ab; fRacbtigal,
obwD^l nur no^ im 33efi^e non 40 Scalern, fepmiebete neue
^Idne — ba^ barunter auc^ ber mar, nad) SäJabai gu fommen,
miffen mir — ; aber einer jener i)läne um ben anberen lüfte fi^
in nichts auf. Ülucb blieben bie fo fe^nlid^ auS ber ^eimatl)
ermatteten ©eibet auS, meil in Sripoli untcrfc^logen, fo ba§ er
nur Don Snle^en ju leben »ermnebte, bie er gu riefigen ^rocent«
fä^en aufgunepmen genütbigt mar. So befebaffte fSiittel mußten
es ibm auch ermöglicben, oon fDtärg 1871 bis Januar 1872 an
einem oon 2lrabern unternommenen fRaubguge tbeilgunebmen,
ber ibn in ben ülorboften beS SfabfeeS, na^ Äanem unb in ein
gmeiteS ©ebirgSlanb ber Sabara, nach 23orfu, führte. Söeftänbig
bebrobt oon ben Strabern unb oon ben ©ingebotenen, bie ein
mubamebonif^er üRiffionär gegen iljn oufgemiegelt, allen ben
©efabren eines ^piünberungSgugeS auSgefe^t, in Lumpen unb
nach bem gall feiner Äameele geitmeife gu Sub, mit unenblidjer
^angfamfeit manbernb, bürftig oon Samen unb Satteln fidb
näbtenb — fo oerlebte SRa^tigal bet geograpbifeben gotfebung
gu liebe ftatt bet ermarteteu oier, ooHe ueun 9Dionate grä§liibftet
gangemeile unb furchtbarer ©ntbebrungen für ©eift uub Äürper.
„3<b benle mit meniget Sebaubetn an Sibefti unb feine ©efabren
gurücf als an biefe neun üJionate fRomaben^&uberlebenS"
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finb feine eigenen SBorte; 3um @lüd hielten auf biefer Steife
bie @Tgebniffe bec §otf(^ung ben OJiübfalen bie SBage.
laum gwei Odonaten {Raft gu j^ufa toat 9la4tigal
fcbon wifbet auf bem SBege gu neuer ©tforfd^ung non 8anb
unb Leuten: nach ^ag^irmi, bem füböftlic^ non Sfabfee fi(^
auöbreilenben JDelta beß Sd^arifluffeß, »at er aufgebro^en,
unb mieber na^m er an einem IRaubguge S^beii, bteßmal an
einem fönigli(ben; benn ber non feinem 9la(bbar, bem Sultan
non SBabai, entthronte Äönig non Söagbirmi fudjte fid) nun
burd) Staubgüge in ben heibnifcben 8änbern im ©üben feincß
ehemaligen IReidheS fchabloß gu halten, ^ier brachte fRachtigal’ß
SReife 8icht in ein meiteS gunor unbefannteß ©ebiet. IDurch
einen Speerftich nermunbet, fehrte er unb gmar inmitten ber
IRegcngeit mit einer Sflanenfataroane nad) Äufa gurütf, unter«
wegß faum Sefchreiblidjcß erbulbenb in §olge non Äranfheit
unb Slnftrengungen , bie ihm feine 9Ritte!Iofigfeit auferlegte.
Unb obroohl er bie brei URonate non September biß 5)ecember 1872
in ber Sflefibeng beß greifen milben ©ornufultanß feiner ©rholung
gelebt h^tte, mar er faum fieberfrei gemorben, rheumatifche
©elenf« unb Änochenhautaffeftionen bauerten nod) fort.
Unb bennoch plante er fReueß, ©röfeereß. ®ie greunbfchaft,
bie feit ben lebten Seiten bie ^öfe non Somu unb SSabai
netbanb, Iie§ il)n baß fReifeprojeft mieber aufnehmen, nad»
äSJabai, alfo na^ bem Dften nom Xfabfee norgubringen, jenen
IReifeplan, beffen Sußfühtung ben beiben eingigen europäifdhen
IReifenben, bie baß SBagniß unternommen, IBogel unb ^eurmann,
baß 8eben gefoftet unb ben IRachtigal felbft früher alß unburch«
fühtbar ober allgu gefährlich faden gelaffen h“lte. 9ficht ent«
muthigt burch aDfeitigeß Slbmahnen, ja fogar nicht burch bie
SBarnungen beß SBabaifultanß felbft, brach er gu Anfang
9Rärg 1873 bahin auf unb erreichte nach SRonotßfrift beffen
je^ige ^>auptftabt Slbefchr. 9lur fehr aflmählich mürbe ihm,
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gefc^ü^t butd) ben energtf(^en ©ultan, freiere Bewegung
gebattet, unb ec unternahm felbft im Sommer 1873 einen
9u8flug in ben Süben, teerte aber franfbeitfii^alber unb au8
SRangel on Energie früher al0 juerft beabflcbtigt jurücf unb
»ermeilte bo reifemübe, forfcbungSfatt , oerge^rt oon ber Se^n*
fuc^t nadj ber ^eimatb, ober gleic^mo^l feine Stubien über
Jo^jogropbie unb ©eftbicbte beö gonbeö oerconftönbigenb. (änblicb
ÜJiitte Sonuor 1874 warb bie burcb 2^ronwe^fel unb Untuljen
in 2)atfur neronlo^te SBer^ögerung in ber äbreife nod) Dften
gehoben, fRocbtigol fcblug ben SBeg noch ©orfur ein, unb ol8
et in beffen .jpauptftabt gor 5?riefe unb @elb, ou0 (Europa übet
aegppten bortl)in gefcpicft, ootfanb, oenoeilte ec bi« gor ouö
eigenem Sintrieb nod) noHe »iet Ültonote, um oiub bie ©eogtapb«
biefeä ÜonbeS möglicbft genau ju erfunben. 93einobe bütte ibm
biefe 93erjögetung arge @efobr gebracht; beim al8 er ©otfut
»erlaffen batte unb enblicb am 10. tSuguft in Obeib, bet ^loupt*
ftabt Äorbofanö, angelangt mar, fanb et bi« ben @ou»etneur
be0 dgpptifchen Subanä bereit, in ©arfut eingurficfen, bos 8anb
ju erobern unb ^egppten einjuoerleiben , ein ^pian, bet ja
befanntlid) gut 2(u8fübrung gelangte. 2luf einem S(la»enfcbiffe
ben 9lil ftroraabmärtö fabtenb tarn 9iod)tigal im fHooember 1874
na^ laffiut unb fanb bier gu feiner Uebertafcbung einen prächtigen
fHilbampfet »or, roelchen bet Äbebioe »on 5(egppten für ibn
entfanbt batte, um ihn mit fücftlichen @bi^en nad) ^aito gu
bringen. SBenig fehlte, fo maren »oHe fe^8 Sabre »ergangen,
feitbem fRachtigal fübmdrtS gegogen.
@ro|e, gemaltige @teigniffe »on meltgefchichtlicher 9)ebeutung
batten mdbtenb 9tad)tigar8 fo langer Slbmefenbrit gar ä^ieled
in 6uropa »erdnbert — aber auch für Slfrifo foUte »on biefen
Sabren ab eine neue Seit anbrechen, i^ioingftone, ber berühmte
IReifenbe, mar nach feinen großen ä!8anberungen, »on benen mir
noch hätten merben, »erfchoOen gemefen unb ber 'jlmerifaner
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Stanlep ^atte im .perbft 1872 wieber bte etfte jfunbe von t^m
unb feinen neueren @ntbe(fungen na^ @uropa gebraut; Sameron,
bet 8iningftone batte auffncben »öden unb nur feine Seicbe
gefunben, noQfübrte eben feinen Bug quer bur^ 2(frifa, unb
©tanlep wot getabe auf bem SBege, »on Baujibar au8 feine
gweite gto§e 0fteife angutreten. Sud) 2)eutf^Ianb batte begonnen,
bie fettber in lofen |)rivatunternebtnungen betriebene @rforf(bung
äfrifaS ourcb ©rünbuug einer .Deutfdben Sifrifanif^en ©efell»
f(baft“ (19. Slpril 1873) ju oereinbeitUdjen unb batte bereits
eine {)aupterpebition an ben .^ongo felbft unb noch gnei bie
erfteren flanfirenbe (?rpebitionen auSgefdjiift, bie eine fübtidb nach
ülngola, bie anbere nörblid) baoon an ben Dgoiuefiu§. 2)a§
bie leitete günftige ©tgcbniffe aufguaeifen batte, netbanfte fle
ihrem Leiter Dr. O. 8eng: über gmei Sabre lang (3unil874 biö 5Ro=
»embet 1876) bereifte unb erforfcbte biefet ©eologe ba8 ©ebiet
beS Dgo»eftrome8 unb erwarb fi(b butcb ernftefl Streben
unb praftifcbeS SSerftänbnib, burd) bie Buoerläfftgfeit feiner
Seobacbtungen , nicht minber auch butcb feine Sparfamfeit bie
Snerfennung feiner 2luftraggeberin. freilich, baS ,pauptgie(
feinet |)offnungen, oftwörtS »iefleicbt bU gum gualaba not»
gubringen, batte er ni^t erreicht, unb baS unbeilnotle ^lima
jener SBeftfüfte batte ibm arg gugefe^t.
9lid)t0beftowenigcr unb obwohl bie Slufmerffamfeit bet
gebilbeten SBelt, bauptfächlich burch bie 'Anregungen ber (Sep*
tember 1876) oom Äönig ber Selgier in0 geben gerufenen
„ Snternationalen Affociation ", faft auSfchliebUcb auf ba8
äquatoriale Afrifa gerid)tet wor, nahm Dr. OSfar Seng gerne
von ber beutfchen afrifanifchen ©efellfchaft ben Auftrag an, eine
Sieife in dltaroffo auSgufübren unb womöglich verbältnih>
mäbig wenig befannten weftlichen Sb^tl AtlaSgebirgeS geologifch
gu unterjudben. IDutch ein Bufammentreffen günftiger Umftänbe
bat bann aber biefe Steife gröbere AuSbehnung gewonnen unb
(M)
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fid) ju einet voQen ^Durchquerung 9torbtueftafrtta’ä geftaltet, unb
fte hut um {o ermünichteren 3[uffd)luh übet jene fernen Gebiete
gebracht, je jeltener biefelben non @uro)>aem betreten morben finb.
?enj begann feine JReife oon bet fHorbmeftjpihe Slfrifa’8,
U(7n flanger au8, nachbem er non fDtarfeide her erft Oran befucht
unb @urc^a nochmals in Gibraltar einen SBefuch abgeftattet
hatte. 3n langer om 13. SRouember 1879 eingetroffen, unter»
nahm 8enj junächft eine ^robetour oftmärtS nach ^etuan, um
bie 9(tt be0 fReifenö in SKaroffo hroftijch fennen ju lernen;
bah bie norhanbenen .harten über bieje Europa fo nahe @egenb
fehlerhaft unb oöllig ungenügenb feien, ergab fich fofort Sie
Snftrengungen , auch bie füblich bauen gelegene Sanbfehaft
ein^ubringen, maten nergeblicb, »eil fich biefe in offenem Slufftanbe
gegen bie ^Regierung befanben.
93alb alfo nach junget jurüdgefehrt , h^tte nun 8enj bie
^bficht, nach f^eS 3u reifen, non ba in ben SltlaS jn gehen, um
bann icomöglich nach beffen Surchquerung Safilala ^u eneichen,
ben Äreujungfipunft fo uieler Äaranjanenftrohen. @8 foUte
anberS fommen. 3n fanget lernte 8enj einen Skrmanbten be8
berühmten iSbb»el'Äabet tennen, einen @cherif, b. i. 3lbf5mmling
be8 Propheten, gugleich ein fUlitglieb einet oerbreiteten religißfen
®efte. Siefer hotte im ®inne na^ 2;imbuftu ju reifen unb
ihm fchloh fidh 8en3 an ; er mürbe in ber Slhat fein Rührer unb
Solmetfcher unb leiftete in feinet genannten breifachen (Sigen»
fchaft mefentliche Sienfte. 6in überall refpeftirter ©eleitSbrief
be8 @ultan8 non ÜJiaraffo etmie8 fich nicht rainbet merthooB.
2lm 22. Secember 1879 oon Sänger aufbreepenb, hotte
8en3 nadj a^t Sagen bie mohl 80 000 @inmohnet 3ählenbe,
aber arme, meil fchlecht oermalte 9iefiben3 ^e8 erreicht, mo für
btei Söo^en Aufenthalt genommen mürbe. SBegen bet bireft
fubmärtS houfenben tduberifchen Serberftömme matb nun nach
(»)
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$Beften, jur ^üfte abgebogen unb untemege aud jai^Iretcl^en
3nfc^ttflen eine Srfimmerftntte al8 baS alte 33olubili8 erfannt.
SSon ber jfüfte ab ttiebet lanbein • nnb bann fübwärtfl
jie^enb gelongte 8enj am 14. gcbtuat 1880 ju ber am f?u§e
bet 9tla8<@d)neegipfe( romantifd^ gelegenen, aber freilich aOüberaQ
bic ©puren beö aSerfaOefl aufmeifenben gweiten ^auptftabt
SRaroffo (üWaralefcb = bie ©efcbmürfte) nnb t«nb l)ier gafllic^e
?lnfna^rae.
©eitler war et al8 @^rijt gereift unb in europdifr^er
J^leibung; non '^iet ab war e8 aud^ für i^n geboten, bie 9toDe
eine8 türfifc^en üKilitdrarjte8 , genannt ,^aftm Omar ben 9(li,
unb bamit mu^amebanifd^e ©itten unb ®ebrdu(^e anguneijmen.
91un ging’8 übet bie treibe« unb Slertidr:, bann £ria8>
©Übungen beß 3ftla8gebirgeß, [tet8 in bet Süii^tung bet Äüfte
in einem SJbftanb »on wo^l 100 Kilometern »on berfelben, bur(^
ein wegen feiner fanatifd^en unb rdubetijc^en ©ewoijner ^öcbft
gefd^rtid)e8 @ebiet, unb nac^ einem non ®efangenfdf|aft wenig
nerfc^iebenen.gwölftdgigen 9lufent^a(t in 5£arubant (180m fi. b.3Jl.)
burc^ bie am l^eften aI8 Slnti^Stlaß gu begeidjnenbe @ebirg8tette
in ba8 ©ebiet be8 nom ©ultan faft gang unabhängigen geiftli(hen
Dberhaupte8, ber ©öfe8 im ©dbilbe führte, wegen be8 gerabe
abguhaltenben !D{atfte8 unb bamit netbunbenen ganbfrieben8
fidh aber norerft gurücFhielt. ,^iet mußten nun für bie eigentliche
SBüftenreife Vorbereitungen getroffen werben; ^ferbe unb flKauU
thiere würben nerfauft, neue Kameele befter ‘Jrt angefchafft unb
neue ©ienet angenommen, ba bie au8 9Raroffo mitgenommenen
nicht weitet gu gehen wagten.
fRoch führte bet SBeg gum höheren 8anbe auffteigenb je
mit längeren 3lufenthalte einen SWonat lang fübwärtß; mit
Seginn beß 9Rai 1880 aber begann in 28° fRorbbreite baß
IDutchfchneiben bet ©ahara in füböftlidher SBanbetung. IDie
eben fo fcltene alß metfwürbige, ja unheimliche ©rfcheinung beß
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tönenben @anbed; baö langfame gothürfcn bet Sanbbünen,
bafl SBorlotnmen Bon @teinfal3, baö feit uralter 3cit auflgebeutet
unb in Slaufenben Bon ^ameellaften aDjäi}rli(^ na^ Slimbuftu
beförbert njirb. bafl Sluffinben Bon je^t alten ©tabtmauerteften,
aue @rbe unb @tein|alj gebilbet — bieö ättleä waren ©egen»
ftänbe gut Slnregung md^tenb bet langen, [tetg nächtlichen SBüften*
wanbetung, bie unter 22°33reite in rein f übliche Züchtung einbog,
welch’ leitete bann biö gum (^neichen bed altberühmten unb fo
jelten befudhten Jimbuftu (in 17^° n. S3r.) beibehalten würbe.
1. 3uli langte Seng hi^i^ on, in biefer je^t Bon fnaph
20 000 Sltabetn unb Siegern bewohnten fultanlofen ©tabt,
welche, eine Slagereife nörblich Bom 9^iger gelegen unb eine obe
Anhäufung Bon .^äuiern unb Selten, nur Smifchenlagerpla^ ift für
SBaaren au8 bem 9iotben unb für @rgeugni[fe auö bem ©üben
unb fich nur noch als ein ©chatten Bon bem geigt, waS fie
früher gewefen jein joD.
Saft brei Soeben hielt fich Seng hiee auf; et jagt felbft,
ba^ bie befferen .^eife bet arabifchen ©efeUfchaft wohl nicht
geglaubt haben bürften, ba§ et ein fDtoSIem fei; aber ba§ fie
bied oomehm ignorirten unb eä fogat billigten, ba§ et unter
bet angegebenen SRaSfe reife. 3ebenfaQd war fein tSufenthalt
ein burchauS ungeftörter.
3weifello0 oerfehren nach Seng’ ©tfunbigungen oon Jimbuftu
an0 in faft genau weftlicher [Richtung Karawanen mit bem
9Rünbung0gebiet be0 ©enegal, b. i. mit ©t. Soui0; Seng aber
gog e0 Bor, nach ®üben audbiegenb weftwärtd burch ben eigent«
liehen ©uban gu gehen unb fo ba0 gange ^ambarragebiet burch>
giehenb an ben ©enegal gu gelangen. Seute freilich, wel^e
jolche [Reife hätten mitmachen wollen, fanb er nicht, fo bag er
fteM oon Drt gu Drt Xragthiere unb 2)iener raiethen mu§te.
[Rach langfamem, oft burch Äronfheit ber [Reifegefährten er»
fchwertem, wieberholt auch gefährbetem [IRarf^e burch fruchtbareB,
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abwedjfelnb faft nid^t unb bann »iebet ganj bid^t benölferteö
ebenes 8anb war enbli^ am 2. 9?0Beinbet 1880 ?lRebine, bei
öu§erfte frangöftfcbe SRÜitdrpoften am Senegal, erteilt unb
2euj fonnte nach elfmonatli(bet Keife burc^ bie SBüfte unb ben
Suban gum erften fKale »iebet im Serfe^r mit gebübeten
©utopdern fcbmelgen. Kadb bequemer ga^tt ben Senegal ab»
»drtS fanb unfer SanbSmann in St. SouiS eine ebenfo liebenS«
rcütbige al8 ebrcnoolle Slufnabme, unb halb ^atte iljn ein
iDamtjfet in bie etfe^nte ^>eimatb gurücfgebtacbt.
Unb obmo^l et nur Derbdltnigmd§ig geringe ®elbmittel
aufgeboten, fe^rte 8eng bodj mit Sc^d^en reidj belabcn gurücf:
ibm uetbanfen »ir ba8 S3erfd)winben eineö großen »ei§en ^ledenö
unferer Äarten, i^m bie genaue geognoftifcbe Äattirung feines
gangen SBegeS, i^m bie SluSfunft über bie ^öbencerbdltniffe
beS »eftlicben bet Sabara unb bamit bie enbgültige
9lb»eifung beS ^loneS con einer Unterroafferfebung beffelben,
ibm au(b bie Suffldrung übet bie fDtöglicbfeit unb bie 3^or»
bebingungen für eine im Suban gu erbauenbe, fo wie für eine
bet Borgefcblagenen tranSfabarifcben @ifenbabnen.
2) et foeben unb gule^t erwdbnte ^unft gemahnt unS an
bie möglicbe unmittelbar praftifdbe SBicbtigfeit ber '2lrt ncn
Keifen, »ie fie bet ©egenftanb meines heutigen SBortrageS finb,
unb Idfet bie nabeliegenbe ^rage auSfpretben, ob nicht gerabe
im 3ntereffe ber ^anbelSerfcbliebung jener fernen innerafrifanifcben
iJanbftricbe neuere Keifen quer burcb Den Stabtbeil beS Kontinentes
ftattgefunben buben.
3) ie grangofen buben ja gmei Kanbgebiete SlfrifaS inne,
Sllgiet unb Senegambien, unb fie pnb in ber Sbut f<bo« lange,
feit ben lebten Subren aber eifriger als jemals beftrebt, gmifdben
biefen beiben Kolonialldnbem eine bauetnbe fiebere 33erbinbung
bergufteHen. 2lm Senegal hinauf, oftmdrtS bem Kiger gu buben
fie *})often um ^often oorgefeboben, unb oon Ullgier bf^ fueben
(sa) I
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fie jenen bte ^anb 3U telegen. Sber bie von 92orben ^er jule^l
au8gef(^i(fte ©ypebition unter glotter 8 ift leibet je^je^n ©reiteu»
grabe jübli^ von ^onftantine, auf 5n>et ^Drittel be8 3Bege8 jum
9}iger, aber ofltvärtS von bemfelben abgebrängt, von ben Suareg8
völlig vernichtet »orben (ttahrfcheinlich am 16. gebruar 1881).
lSu(h eine beutfehe, gtvei 3ahre juvor anSgefanbte @rVcbition
unter 9iohIf8, bie e8 vieOei^t gu einer IDurö^querung
gebracht hätte, hat gmat bebeutungSvoKe @rgebniffe nach ^aufe
gebracht, hat aber ihr ^auptgiel nicht erreicht. 3m ^Jluftrage
beö beutfehen ^aiferd foQten, mie frühst bem @u(tan von SSornu,
fo je^t bem von 9Qabai ®efchenfc überbracht werben, unb
8tchlf8, ber mit biefer Senbung beauftragt war, wollte hierbei,
gugleich im ISuftrage ber beutfehen afrilanifchen ©efeUfchaft, in
fünfjähriger Steife erft ba8 gtofee Oftfaharagebiet gwifchen
Jripoli»geffan=S£ibefti»Stfabfee einer» unb Sleghpten anberfeitS
erlunben unb bann in ben wafferreichen iSequatoriallänbem ba8
@ebiet be8 gum Slfabfee flie^enben @<hari in feiner Stouten*
verbinbung mit bem mittleren Äongo erforfchen. l^eibet ift au^
biefe @rpebition vor Erfüllung biefer ihrer Hauptaufgabe ge>
feheitert; bie Oafe Äufrah war erreicht, aber bie Sefuiten bc8
38lam, bie ©nuffi, vereitelten ben SBeitermarfch; au8geplünbert,
vom 2obe bebroht, fiüdhtenb lehrten bie Slh«lnehmer norbw5rt8
gurücf unb eneichten (25. Oltober 1879) S3enghafl na^ gerabe
einjähriger Sbwefenheit vom IDtittelmeere.
S3on bem 9üti§glücfen biefer @fpebitiou härte ber 3talieuer
Dr. |)ellegrino SJlatteucci (gcb. 1850), al8 er gerabe von
feiner gweiten afrilanifchen Steife gurüdtehrte, welche ihn burch
abeffiuien bis an ben blauen Stil geführt hatte. Stun wünfehte
er baS äBageftüd gu unternehmen, bis nach SBabat vorgubringen
unb hatte fchon von bem HanbelShaufe Slrbib in Stripoli, welches
mit Söabai in ©efdhäftSverbinbung ftcht, bie ©rlaubnife erhalten,
fidh einer feiner Karawanen bahin angufchlie§en, als ber italienifche
XIX. 493. 494. 3 (991
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@tooanni Sorg^efe babon ^öite anb nun unter lieber«
na^me ber Soften ebenfaOe an bet ge))Ianten (Reife tbeilgune^men
inünf(bte. 9lun erfd^ien aber bem ^aufe 9rbib bte (Berantwortung
ju gro§ unb e^ jog feine Sufümmung jurficf; bie beiben Italiener
aber, einmal eingefebt in ben ©ebanfen einer (Reife nach SBabai,
woQten nun ibrerfeitS nerfudben, non Ofien olfo non Seg^pten
au4 in biefed gefürdjtete 8anb eingubringen. Begleiter,
inSbefonbere für (Bomabme ber Ortdbeftimmungen, mäbtten fie
fi(b no(b ben italienifdben Lieutenant !3lfonfo QRaria (üRaffari;
ba Bürft Borgbefe fpäter in ber (DHtte bed gangen (Reifemegefi
beimfebrte, fo finb eS SRoitencd lutb äRaffati, »eldbe, ohne
bieb urfbrünglicb beabficbtigt gu bai’CKi nörbli^en ^bdle
ftfritaä eine nofle (Durchquerung beS Kontinenten, unb gtnar
bie erfte unb bin je$t eingige non Oft nach Sßeft, burcbfübtten.
SBie mir f^on barten, b°tte ja Dr. (Radbtigal im ^üb°
jabre 1874 bad Lanb non SBabai bin gum (RU burcbmanbert,
batte ja aber and befannten @rünben au§er Kompabpeilungen
feine genaueren Beobachtungen machen fönnen. (Diefe genaueren
Ortdbeftimmungen gu machen unb naturgef^i^tliche mie etbno«
grahbif<be ©ammiungen angulegen, foDte ber ^auhtgmecf ber
neuen bis SBabai andgubebnenben Steife fein — um fo auf«
faQenber ift ed, bah (Staffari erft fünf Sage nor ber SIbreife
non feiner Aufgabe erfuhr unb ibm nur biefe lurge 3eit gemobbt
mar, um fleh bie nStbigen 3nftrumente gu befchaffen. ({Ran
moQte non Oft^ b^t <>uf ^obai gumarfchiren, obfehon man
fich fogen mu|te, ba| ber @rfolg ein bö^ft gmeifelbafter fei.
(Denn mir erinnern und, bah (Rachtigal gerabe noch
Slugenblid bie äghptifche ®renge erreichte, ald ägbhtifche Sruhhen
biefe überfchritten bitten, um bad Lanb (Darfur ber ^crrfchaft
bed Kbrbine gu untermerfen. 3ahrelanged Blutnergiehen mar
gefolgt, unb menn jeht auch ^cbe b^fibt^/ f<> tnar bo^
Slufregung genug norbanben; indbefonbere muhte natürlich ber
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angtengenbe Sultan t>on SBabat uon äulerftem !Dii§trauen et>
ffiQt fein gegen alle fRcifenbe, »eldje »on Dflen famcu. 3n
bet ^^at ^atte er an^ Sa^te lang allen SSerte^r über feine
Dfigrenge bei SobeÄftrafe »erboten, fo ba| beS gürftcu 8org^efe
@rt><bition »on allen ©eiten wiberrat^en wnrbe.
9lber tro^ Slletn f^ifften fid^ bie btei SE^eilnebmer am
24. Februar 1880 in ©ueg ein gu i^rer großen IReife, »on
welcher i(b «uö ben bfirftigen bis je^t batüber »erSffentlidbten
9ia(br{(bten baS SBefentli(bfte 8U berid^ten
©uafim am rotten OJieere marb ber ganbmeg meftmärtS but(b
bie SBfifte nadb S3«ber am 5Hil genommen (6. — 18. ?Wätg) unb
in einem ©egelfcbiff ben 9lil hinauf mar na(b einer SJoebe
erreiebt, btefe wegen ihrer günftigen Sage mehr unb
mehr matbfenbe unb aufblübenbe ©tabt. 3bren Sborafter mtrb
fie freilich in j^ürge nodh >nehr &nbem; benn bem ®efe^e »on
1878 gufolge bürfen bafelbft mie überhaupt in 9egppten fdhon
je^t feine ©fla»en mehr »erfauft metben unb 1890 merben
fogar alle ©flauen frei fein. SenfeitS beS 9MIS marfchirte man
eine Seit lang bemfelben entlang anfmärtS, bann bei großer
<|)ihe unb bnt(h @egenben, bie ht Solge beS lange mühr^nben
jrriegeS mefentlich an ihrer Seoölferung »erloren hatten, nach
el Dbeib (26. Slprll) nnb Sobfeha (11. SJlai), bem fernften
fünfte telegraphifth« SSerbiubung, mo gwei SBochen {Raft ge»
macht mürbe, lieber (£ab>(Sabiah, bem »on ben Sleghptern neu
' ein gerichteten <^auptorte ber ^ro»ing, mo man ebenfalls m&hrcnb
eines gongen flRonatS raftete, marb bann @nbe 3uni 21bn»
@h«rem eneicht, ber le^te üghptifche Ort, ein mahrer nur »on
©olbaten beoölferter @rengplah.
Unter ben gmei »on hier nach SBabai führenben SBegen
mählien nufere {Reifenben ben, melcher fie bur^ baS an iSeghpten
tributpflichtige, gebirgige unb fleine 2:amareich führte, gmar
etmaS länger mar als ber gmeite mSgliche, aber ben SSortheil
3* Ci')
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bot, Iet(btet bae fo Slbfenben oon 9lac^c{d^ten na(^
fBabai ju etmögHc^en. ^reiltd) fonnte nur unter tclegra^j^ifd^ev
Bu^ülfena^me ägpptifd^en ^)O(i^btucf0 ber ©ntritt in bie ^aupt»
ftabt ©nett möglich gemadfet werben (6. ©e;>tbr.). Son ^ter
warb nun an ben Sultan oon SBabai baS @efu(^ abgef^icft,
er wöge i^nen alö 9ti^tdgpt>tern, al8 9ticbttörlen ben 8efud^
feines BanbeS geftatten. Bange blieb bie Antwort auS; unb ba
fie e^er abfcbläglic^ alS juftimmenb erwartet werben mugte, fo
teerte f^ürft 9?org^efe, ber o^nebem burdb 23erfprec^ungen gut
^eimte^r oerpfli(ptet war, ^ier jurud (1. Oftober), fUiatteucci
unb SKaffari aber bereiteten fi(^ f^on oor, füblid^ um SBabai
^erum bur<^ I3ag^irmi nac^ Sornu gu gieren. @nbli(i^ fam
bod^ bie @tlaubni^|. ®in fünftägiger fUiarfcp brad^te fie burd^
fruchtbares, obwohl wenig beoölferteS Banb na^ ber gewöhnlich
80 biS40SEaufenb, angefttagen wohl bie oierfache ©inwohnermenge
gdhlenben ^auptftabt iHbefchr, beren Sage beftimmt warb, ^enn
fie fanben im langen freunblidbe Aufnahme, »erlebten hier aber
boch cidht fchwierige unb traurige, ja unfithere Slage.
äBoElten fie nun norbwärtS burch bie SBüfte ben Heimweg
nehmen, fo mu§ten fie 4 bis 5 ÜJlonate auf bie Karawane
warten, welche alljährli^ oon Slripoli auS europäif^e SBaaren
hierherbringt unb StrauSfebern unb ©Ifenbein borthin gurfidf«
nimmt; fie entfdhloffen ftch beShalb, ihren weftlichen ÄurS weitet
beigubehalten.
9lm 7. fRooember begannen fie ben SRarfdh über bie weite
bis .^ano fidh erftredenbe ©bene. IDurdh bie SRibogo* unb
Sulala>@ebiete uub burch gu 3Babai gehörige IBaghirmi,
ouf einem wegen ber »ielen SBafferläufe unb ber fchlcdhten
IranSportmittel fchwierigen SBege gelangen fie in ber gweiten
^älfte beS 3anuar 1881 nach Äufa, ber IRefibeng oon Sornu,
wo alltäglich ein oon etwa 4000, allwö^entlich ein oon wohl
30 000 ^erfonen befuchter SRarft abgehalten wirb. 52 Jage
(S6)
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»et»f{ten fle ^ler, weil fic^ bet ©ultan ent|(^Ue|en fann,
fie reifen ju laffen; unb aie et efi erlaubt, ift i^nen bet SBeg
notbwSrtg bur<b bie SBfifie »erfagt, weil im 9lorben beö Ifabfee’ö
tSuberifebe Stämme alle Karawanen berauben. So jieben fie
bur^ eine ungemein bi^te unb fe^r betriebfome unb fleißige
Seoölferung na<b Äano unb Bon ba (am 1. ÜÄai) über gebirgige^
8anb na(b S3ibba am SRiget; auf Soote fahren fie in Bter Sagen
ben $(u§ @89^> f(bwargen
Seamten ber eurctjäifcben ^aftorei auf’8 SBefte aufgenommen
werben. Drei 3öo<ben oerwetlen fie hier unb erreichen bann
mit Dampfer in nier Sagen ben Dcean bei Slfaffa (1. 3uli 1881).
SRach befl 3taliencr8 (Sora Serechnung haben fie mit einem 9iuf»
Wanbe non etwa 33 000grc8. wohl 5000 Jfilometer burchwanbert:
baoon waren 3100 gunor fchon genügeub befannt, 800 hatte
9iachtigar8 fERarfdb, freilich in einer 8inie nur burchjogen unb
nur burch S3u|fclenaufnahme feftgelegt, auf einet Strede non
1100 Kilometern hatten aber ÜJlatteucci unb ÜJloffari Böllig
unbefannte8 8anb fennen gelehrt.
@ine rafche gahrt brachte fie nach (Snglanb, unb wenige
Sage nachher hätten bie beiben greunbe ihre .^eimath wieber
begrüben fönnen. Da8 Schicffal hatte e8 anbet8 beftimmt;
fe^t na^ nollbrachtet Dur^qnetung fchon einen neuen Bug oou
SBeften her übet Simbuftu ju ben 9Riam>5Riam planenb warb
IKatteucci, al8 er eben englifchen Soben betreten hatte, wie fo
oft fchon Bom gieber befallen, jeht heftiger al8 je, unb erlag
bemfelben gleich am folgenben Sage (8. Sluguft 1881), ein
Opfer ber auSgeftanbenen 90Rühfalen.
3ch flehe am S^luffe meine8 heutigen S?eri^te8. (58 waren
im wefentlichen fünf gro§e SRcifen, beten SSeranlaffung, 33er«
lauf unb @rgebnih im ©angen gu ergählen war. @ro|en«
theil8 war e8 bie ©efchidhte ber üeiben unb (Sntbehrungen
lühnet Uliänner, bie ich ja berichten hatte; aber idh hatte auch
(ST)
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t>on Erfolgen 3U bctii^ten, mert^ bet oft furd^tbaten Vtü^faL
3ene 3Rännet ^aben im SBeften, in bet ÜRüte, im Often unb
einer oon Oft nad^ S8eft 9lorbafrifa buc^jogen unb l;aben biefeö
^Drittel btt ^ontinentet in feinen ^auptjügen fennen gelehrt.
3{on wem unb wie bie ^utc^quetungen bet mittieten unb füb>
liefen S^eUet non ^frifa ooOfü^rt würben, fod ber @)egenftanb
bet näc^ften SSortraget fein.
n.
@t ift unmöglich, oon bet geograpl)if(^en Srforfc^ung ®üb>
unb felbft SRittelafrifat gu teben, o^ne fofort bet 9tament oon
Dr. iCabib Sioingftone (geb. 1813) ju gebeuten; beim feinen
unermüblii^en unb erfolgretcben f^orf^ungtreifen gebül^rt bie
iBnregung unb ein gang ^eroortagenber Sl^eil ber au§erorbent>
tilgen Sortfe^ritte, weldje bie ©eogtap^ie oon Slfrifa in ben
lefften oter 3a^rge^nten gemailt ^at. 2Bar bod; faft ^^Oet, wat
man bit oor jwölf übet bat gange @ebietoom 21. @)rab
füblicber 93reite bit gum Sequator wu§te, fein SBerf!
@rfi gehn 3a^re ait, mu§ er fi^on bet ©elboerbienftet
wegen in einer ^abtif arbeiten; burib ^rioatftubium bilbet er
fteb aut; no<b neungebnjäbtig arbeitet et wäbvenb bet ®ommert
in einer SaumwoQfpinnerei, um äBintert in @latgow 93ot«
lefungen übet grieebifebe Spraibe, !£b<tIogie unb fIRebicin gu bören.
6t mad)t fein 6jrameu für fUlebicin unb ©bi^urgie — aber not,
um fi(b für bie Slutbreitung bet 6oangeIiumt möglicbft geeignet
gn marben. 2)enn bie {)eibenmiffion fa§t et alt feine Sebent«
aufgabe. 2(it fDUffionar ift Sioingftone nach Slfrifa gefomnten
unb fDtiffionar ift er geitlebent geblieben. 3b>n war’t ocD unb
gang um bie Slutbreitung bet 6b^'fi<ntbumt gu tbun; mit ber
Sibel in ber ^anb ift er gereift, unb bodb barf man nicht
fagen, ba§ et ein ^ofifb&nget gewefen. 3b>” in
(Reibe bat @etlenbeil feinet tSfrifoner am ^ergen ; aber er wei|,
(M)
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ba| bie« nur ju ernteten butd^ eine Setbeffetunij ibret irbtf(ben
^age, unb 9Ii(btd, fo etfannie er, iftanb biefer Sßetbefferung
mebi im SBege als ber unfetige Sflanenraub unb Sflauenbanbel.
IDrum wenn er fi(b auch felbft aQübetaQ Sebwietigfeiten be<
leitete butcb fein offenes SSorgeben gegen bie (SflaoenbönWet,
et lie^ nicht bauen: gegen bie pottngiefifeben arbeitete er im
Sambefigebiet, am Sualaba unb Sanganjifa gegen bie arabifebrn.
3m 3abte 1840 ift ^ioingftone nach ber ^apftabt ge«
fommen, unb oon ben 33 3abten, bie ibm naebbem noch oer«
gönnt waren, bis er übet fecbjigjübng am 4. fDiai 1873 ftarb,
bat et nicht weniger als 29 3abre, nicht blob 3u jagen in 'Sfrifa,
fonbetn wanbetnb, forfchenb, lebienb auf feinen ©ntbeefungS^
fabtten gugebracht. IDie gwei IReifen in bie .peimatb, nach
@nglanb, gliebetn feine 2frbeit auf 'UfrifaS Soben naturgemäß
in brei gerieben: bie erfte oon 1840 bis 56, bie gweite von
1858 bis 64, bie britte non 1866 bis 73. S)aS leßte SSiertel
beS erften fechgebniäbtigen SeittaumeS fchließt ab mit bet faft
gweimaligen Durchquerung ISftifaS, beten S3efprechung gu meinet
iSufgabe gehört.
Siuingftone war halb, nachbem er ajtifanijchen 93oben be«
treten, oon ber ^apftabt unb ber sfllgoabai auS auf Ochfenwagen
bunbert beutfehe fD^eilen norbwärtS gegogen bis ^uruman, bem
bamalS fernftgelegenen 3)iijftonSotte; er batte fich feft angefiebelt
unb war auf wieberbolten (Reifen um 3 bis 4 @rabe norbwärtS
gefommen bis ^olobeng im äBeften bet DtanSoaalrepublil unb
batte in leßtereS 8anb ber unter ben BoerS anfäffigen ®tämme
wegen gwei (Reifen gemacht. (Rachbem er barauf ben fchon
früher erfunbeten, oon .f^utuman auS um 100 beutfehe (Sieilen
norbwärtS gelegenen (Rgamifen aufgefucht (1. tSuguft 1849),
anch in @rfabrung gebracht, baß baS (Rorblanb butchauS nicht
eine große fanbige Hochebene fei, fonbern ber Siüffe oiele ent«
halte, unb nachbem ec einen erften mißlungenen (1850) unb
<S1*)
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im batauf einen jweiten gelungenen SSerfud) gemacht, bte
befonbetö megcn bet f(brerflid)en Jfetfefltege fo gefür(^tete Äata»
bariwüfte gu butd^gieben, erreicbt et ben ^fdbobeflub unb an
ibm bie 0tabt Sinpanti, bte SRefibeng bed ^IRafoIoIoffltfien
©ebituane. S3on biet ««8 entbedt et (3uni 1851) mitten im
Kontinent ben gtofeen Sambepfttom in feinem OJiitteliaufe.
Siningftone empött bet biet geübte fJJienftbenraub ; et glaubt,
bop eö möglitb fein müfte, ibn gu untetbtüden burtb ®in*
fübrung eineö tegelte^ten .^anbelS, but^ SuStaufcb von @tgeug>
niPen eutopäiftben ©ettetbpeipefl gegen 8anbe0ergeugniPe. @etne
liepe et Pcb b^ niebet unb möchte bie Anlegung »on ^anbelS«
»egen planen; abet bie Oegenb ift ungefunb. 6t weip audb,
bap in j^olobeng, mo er fo lange Dermeilt, bie IBoerd auö 6igen>
nub nicht auf ftieblicbem SSege bie Untemeifung bet 6in>
geborenen gugeben werben. @o fa^t et „ben 6ntfcblup, feine
Familie nicht länget ben Gefahren biefeö ungefunben l^anb^
fttichefl auögufeben, fonbern fie nach @nglanb gu fenben unb
ollein bieib«!^ gurüefgufebren, in ber Slbpcht, baö 2anb gu bureb»
forfchen, einen gefunben 23egirf aufgufu^en, au0 bem fleh ein
PRittelpunft ber 6ioilifation machen liepe, unb baö Snnere
mittelft eines SBegeS gu etfcbliepen, bet entmeber an bet Op«
ober an ber SBeftfüfte münbete." 3n biefen feinen SBorten
liegt bie 6rflörung für feine gange folgenbe S£b®tigfeit.
6t febrt alfo nach bet Äapftabt guvücf (iSpril 1852) unb
fchidt feine 'Stau unb Äinbet nach 6nglanb. 25aS Stübjabr
1853 Pebt ihn aber f^on wiebet in iümtanti, 230 beutfehe
Stellen norbwärtS oom Äap, unb im ©ommet befährt et mit
bem Äönig unb 160 feiner 8eute auf 33 Ääbnen ben mafeftätif^en
Sambep aufwärts biS gum 6inPuPe beS 8iba. 9iacb itinpanti
gurücfgefebrt (©eptbr.), auS beffen »on ihm beftimniter Sage
(18^® f. 93.) et fchliept, bap eS nicht gu weit uon 93enguela au
bet SBeftfüfte fei, fenbet er Äunbfchafter wepwörtS; ba biefe
C40)
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iljm tnelben, bafe bafi SBeftgebict »on ber Slfetfeflieje befc^t
f«t unb von ©flaDen^JinbleTn burcbjogen loetbe, plant er berufe
^uSfü^Tung bed vorhin mit feinen eigenen SBorten angebeuteten
@ebanfend ben ^Itatfcb auf Soanba, unb bieS um fo me^r, aie
au^ bie dJtafoIoIo ben SSort^eil eigenen .^anbelö mit ber SBeft*
Tüfte einfe^en unb i^n gu begleiten fid^ bereit erfidren.
So bliebt benn Sioingftone am 11. 9iooember 1853 von
ginpanti au8 mit 27 auSgewdblten Sambefiem auf, um bie
2^idbrige fReife angutreten, bie gu einer 2)urcbquetung iSfrifafl
fül)ren feilte.
2)en S£f(bobe binob “*>b bann ben 3ambefi=8iambpe auf»
»arte, mdbrenb ein JReifegefellfibaft am glufeufet bin»
giebt unb fteiienweife bie ^dbne um bie ©tromfebnenen ober
0dne b^^nmgetragen »erben, fommt man fpdter ben ^ibaflub
oufmdrte in ber JRegengeit unb, oielfa^ oom gieber geplagt,
Einfang 3anuar in bab @ebiet ber 93alunba, mo »eiblicbe
Häuptlinge bab Solf regieren. 33on folcben au(b geleitet, giebt
iJioingftone feitab oom gluffe naeb Sterben unb ift halb in
©(bintc’ö ©tobt, jept fepon 6 @rab uörblicb »on feinem 9lu8«
gangSpunfte. Siebet bereiten ibm gro|e Qual; in freien
©tunben geigt er bem ftaunenben SBolf feine 3oubrrlaterne mit
ihren biblifcpen Silbern. ÜRit gübrern oerfeben unb bem Sterte,
fi(b 8ebenßmittcl gutragen gu laffen, giebt 8ioingftone meiter
burdb »eit überfebmemmte Gebiete, aud benen, aber niept aud
Quellen, fäbmdrtS bie feitber befahrenen unb überfebrittenen
glüffe, norbmörtö ber Äaffai mit feinen oiclen ©eitenflüffeu
beroorgeben. @r gelangt an ben iDilolofee, ber mobl nur eine
glufeoerbreiterung ift, uub bomit an bie SBafferf^eibe gwifdbm
ben ©emöffern, bie ficb bem inbif(ben, unb benen, bie fi^ bem
atlantif^en Qcean guwenben. Stun über ben ^afai felbft, ber
bem Steicbe be0 gefürchteten ÄonigS SDtotiamoo guftrümt — unb
bann roeftwdrW bureb ftarl beoölferte ©ebiete über bie gabl»
(*i)
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rei^ien 9l«benflfiffe be8 j^afat bi8 SRjambi. 3)a Sioingftone
^iet ^brt, ba| bad »eftlid^e (Sebiet fc^isei |>afftTbat unb »on
0t(aDen^änbleni burc^jogeit fei, fo biegt ec nad^ fRocben ab,
eiet vom ^ebet geplagt unb }u einem @eiippe faft abge^cenb,
einmal gar au^ genöt^igt, feine ob ber vielen SBibecivättig«
leiten mut^lofen unb fic^ aufle^nenben iieute gum ©el^ocfam gu
givingen. Sergeblid^ ben ^oangaflu^ eetvartenb, ber bo(% ^ier
fein raü§te, fc^neibet Sivingftone viele norbmärtfl gerichtete
laufe, trifft gahlreiche ©efcQfchaften eingeborener {)£nbleT, welche
£uch, 0alg unb perlen mit fich führen, um SienenivachS ein*
gutaufchen, unb fommt nach Ueberfteigung ber SRoffambaberge
am 3. ^pril 1854 an ben ^oangofiu^ unb mit ihm an bie
(4renge beb portugiefifdhen ^efthe^r no<h ^affange,
ber iveiteft lanbeiniv&rtS gelegenen Station ber ^ortugiefen.
Son biefen gmar ald ein gur Unteebrüdung bed 0llavenhanbel4
abgefanbter ’flgent ber englifdhen 3iegierung beargwöhnt, aber
hoch freunblich aufgenommen, ja neu betleibet, verlauft er hie*^>
gur Sreube ber hnnbelerftrebenben fDlatololo, bereu mitgebrachte .
(^lephantengähne gu h^h^n greifen. 2)aö fich wiebereinfteOenbe
lieber, welches ihn bie SBochentage unb bie 9lamen feiner ®e*
führten vergeffen macht, macht bie SEBeiterreife gu einem elenben
Sortfchleppen auf ben Dchfen; in 9lmbala ftöift ihn SBein gum
evften 5Kale wieber feit 14 Sahten! 9Jun h^t er noch bie Slngft
feiner fchwargen Begleiter gu nbeewinben, welche fürchten, an
ber JSüfte verlauft unb gefreffen gu werben; aber enblich, am
lebten HJtai 1854, ift bie portugiefifche 0tabt 8oanba an ber
SBeftlüfte erreicht.
SBochenlange jh;anlheit unb fchrecfliche ^Abmagerung ift bie
nüchfte Solge von ^lima unb ©trapagen. lAber obwohl er ge«
funben, ba| wegen ber bebeutenben SBülber, $lüffe unb ©ümpfe
ein 8anbweg, wie er gehofft, nicht angelegt werben lann, unb
Icohbem englif^e ©chiffe ihn nach ©t. Helena ober nach ^aufe
<«*)
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gu bringen corfcblagen, aid B{t>ingfi'’n^ feiner @efunbung
isieber gurücf, um feine 3}eglettet gurficfgubringen gu ©eteletu,
gang befonberd aber, um von ginpanti auS, fadd er ed erreitbt,
eine ©trage an bie Oflfufte gu erfunben unb becgufteden.
©0 vertagt er benn nacg viermonatlicbem Sufentgalt, am
20. ©eptember 1854, mieber ©t. $aul be Soanba, na<bbem
guvor bie portugiefif^e Ortdregieruug feine auf bie @röffnung
bed ^anbeld begüglidjen $läne gebidigt. @t mad)t gmei 9b<
fte^er f&btvärtd an ben ^oanga, um bad 8anb unb feine frügeren
dRiffiondanftalten fenneu gu lernen, fegrt bann bei bem in
unferer 3eit fo vielgenannten SKalange Jvieber auf feinen
früheren SBeg gurücf unb erreid}t @nte Januar 1855 mietet
Äaffange. .^ier erfährt et benn autb, bag im' 3ntereffe bed
.panbeld, ber feit langem mit aden umliegenben 8änbern in be>
beutentem Umfang betrieben mirb, fd)on viergig 3ugre guvor bie
gtvei fog. fcgwargen .^änbter Saptifta unb $ofe bid an bie £ft>
füge gelangt unb von bort voieber gurütfgefe^rt mären. 9iacb
Ueberfcbreitung bed üoango änbert 8ivingftone bie jeitgerige öft«
li(ge 9ieiferi(gtung in eine norböftlicge, um ben dRatiamvo gu
befucgen, ben erften .Häuptling ader Salunba; aber bie 5iranf«
geit, bie dritte ^prit aud SBecbfelgebet in ein geftiged tgeu<
matif^ed Riebet übergegangen mar unb mocgenlanged ^iegenbteiben
verurfarbt gatte, bagu mandgetlei anbered |)emmnig, bad nur
gegn Sage im ddonat gu reifen erlaubte, ferner bie diacgriibt,
bag ber dHatiamvo einen fübmürtd gericgteten IDurcbgug bur(g
fein 8anb burdgaud nirgt geftatte, enblicg bie äSagrnegmung,
bag burdg bie migti(g vielen Slufentgalte bie mitgeuommenen
dSorrätge ftarf gef(gmunben maten, bied 9lded lieg, ald .Rabango
am 21. ddai erreicgt mar, bie 9)Rarf(gti(gtung in eine füböglirge
übetgegen. unb dRitte 3uni mar er, freilirg nicgt ogne unter»
megd ben fiebenunbgmangigften ^ieberanfad audgalten gu muffen,
miebet gu ^atema’d ©tabt am IDilolofee gefommen. dKit
(♦»)
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gutem ©lidte erfennt 8it)ingftone bie bpbrogrop^tjtfte Sebeutung
biefet ®egenb unb tiet[u(^t bie )>eriobif(ben Uebet«
f(b»cramungen beö Sawbefi unb baS 9lil gu etfläreu.
®en trüberen SBeg einbaltenb, bem 8iba unb Sambefl ent«
lang, fommt ?iutngftone im September 1855 »ieber in Sinponti
an unb finbet bei ©efcletu unb feinen Leuten grobe Slnetfennung
ob feinet ©röffnung bet ^anbelöfttvibe fRorbmeften. Sofort
geigt ftcb hoppelte tru^t baoon: aUbalb »erben neue 33otcn
mit SBaaren nadb Soanbo abgefepirft, unb freiwillige bieten ficb
8ioingftone an gu feinem SBeitermarfdbe narb Dftcn. SBobl
f(b»anTt er bei ber SBabl beö 3ielc8, ob auf bem 8anbwegc
3angibar, ober ob bem 3ambefi folgenb bie Dftfüftc gu erftreben
fei; er entfrbeibet fi(b für ben lebteren 2ßeg unb betritt ipn, alS
fi(b bie grobe ^i^e beö Dftober (big 34 ° R) gemilbert batte*
@ang oon ben fölafolclo auSgeftattet unb oon 116 ber«
fclben begleitet bvirpt 8i»iugftone am 3. SRoeember 1855 gur
Oftfüfte auf unb entberft norb »or Slblauf beö SKonatg bie grob»
artig febönen SSiftoriafäDe beö 3ambefi, erfennt biefe aber auch
fofort ale Slbflub eineö SeeS, ber frübet baS grobe rürfwärtö
liegenbe ©ebiet überbeeft palten mubte. 33on pter ab »erlübt
er ben Strom »egen ber unfüglirpen Sepwierigfeiten an ober
auf biefem gu reifen, unb giept erft in nßrblirper, bann norb«
öftliiper Otieptung in einer Spalte bapin, bie »opl 60 m über bem
3ambefi liegt. 5)?epr unb mept fteigt ba0 ©elönbe unb e8 »irb
na^ ÜRonatScerlauf bie pöcbfte, 1500 m ü. b. 211. gelegene Stelle
erreiept. 2JUt fReujapr 1856 fommt gioingftone »ieber an ben
immer »affeneiepet »erbenben Strom, in boffen 2fäpe er ba6
Jpierleben ungemein reiep entwicfelt finbet; überall »erben, wenn
au^ ber ©mpfang guweilen feinblitp, oft füpl ift, bo(p oon 3)orf
gu Dorf geute gut füprung mitgegeben. ?lm ©influffe beö
goangwa finben p(p bie Srümmer ber alten portugiefif(pen 9ln«
fieblung 3umbo, oon »o früper bie ©ypebition beö Dr. gacerba
(«*)
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(geft. 1798) unb bte oon ^eieira weit norbnoibweftlicb bid 3u
^agemba’d <Stabt vorgebrungen war; gleic^wo^l b<>tten fic^
feine .^anbeldcetbinbungen angefnüpft, weil ftd) bie f>0Ttugie[en
ni(^t gut ®ewä^Tung von ^anbeldfreibeit Ijatten aufjdbwingen
fönnen. gioingitone felb[t {priemt ficb ungünftig über.^anbeie>
grunbfä^e unb iBerwaltung bet $ortugie[en aug.
JDutcb febön bewalbete ©egenben weiter giebenb, gebt
8i»ingftone @nbe Sanuat auf ba8 redjte Ufer bc8 3ambefi über,
»erlöst btefen aber eineu SKonat fpöter gang, -weil er wegeu
heftiger fRegenguffe au8 feinen Ufern getreten war, unb ba8
ftänbige ^fluffud)en von gurten in ben fRebenflüffen äugerft geit^
raubenb war. giebt er fübwärtS im äSogen b^tui^ unb
wirb, wie feitber von freigebigen @cbwargen, fo au(b bei feiner
9(nfunft in ber portugiefifeben Station $ete (3. Sötärg 1856)
von beffen Äommanbanten freunblicbft aufgenommen; vorgügU^e
pflege lobt unferen fReifenben halb wieber gu Ärdften fommen,
fo bab er in ber fRöbe gelegene Kohlenlager, warme Quellen
unb ©olbwdfcben befudbt. ©rfunbigungen über bo8 norbwdrt8
liegenbe ©ebiet berichten ihm von einem 45 Sagereifen ent»
fernten, fRpanja genannten See, Den an enger Stelle gu bureb»
queren 36 Stunben IRubern8 ober vielmehr Kabnf(bieben8
erforbere. ^ier in Sete erwartet 8iving[tone einen flRonat lang
ben beginn ber gefunben 3abre6geit für bie Küftengegenb, Idbt
bie flRebrgabl feiner ©egleiter b*®r 3urü<f, ba er bab im
3Rünbung8gebiet Sb«u«’^uufli f“ >£)nnger8notb be^^f^be, unb fdbrt
mit nur 16 feiner Sreuen unb begleitet vom 8ieutenant fOliranba,
auf brei großen SBooten flußabwärts (22. Slpril) unb eneiebt
am 20. 3Roi 1856 Kilimane, bie an ber SRünbung feines 3um»
befifluffe8, am inbifeben Ocean liegenbe Stabt ber ^ortugiefen.
©enau vier Sabre waren vergangen, feitbem er bie Kapftabt
verlaffen, auf ben Sag gwangig SOtonate b^H« ft unf biefe
erfte IDurchquerung be8 Kontinentes von Sßeft nach Oft ver*
<«)
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»anbt. 9lod) fed)flwe(^entlt«^em 5Sufentl)aIt, »äljrfnb befreit et
feine lebten Segieitet, au|er einem, nac^ !(ete jurfitff^ieft, um
bort feine 9iü(ffunft ju ermatten, befteigt giningftone ein englifd^e«
®cbiff, mufe ^iet miebet englifcb fprerben lernen, fte^t feinen
lebten febmargen Begleiter ob ad bn neuen @inbtüdfe mo^n«
finnig metben unb fi(b iw8 ÜWeer ftürgen — unb fommt enblidi
am 12. (Degrmbet 1856 in @ng(anb on: übet fe^ge^n 3a^te
finb »ergangen, feitbem et ben b^imat^Iic^en S3oben vetlaffen.
dJMt Subei marb gioingftone in ber ^eimat^ aufgenommen
unb mit 9te^t als einet ber größten @ntbeder gefeiert; allgemem
war baS ©erlangen, maS et fo fd^ön begonnen, foOe gu 6^ren
@lotteS unb gum 9lu^cn non @ngIanbS ^anbel meitetgefüi^tt
metben. gining^one fcibft j® »orgefd^Iagen, am 3®mbefi
fenfeitS befl portugiefifeben ©epbeS Stationen gu grünben, aber
bureb bie ^ortugiefen mit ber ^üfte in ©erbinbung gu bleiben;
©eförberung beS ,^anbelS fei bie befte ©HffionStbätigfeit.
©on ben gmei großen englifcben .^ocbfd)uIen marb bemnacb
eine eigene (Stpebition auSgerüftet unb abgefanbt, bie fog.
»UninerfitätSmiffton*; freilicb füllte biefe halb an bet Dftfüfle
rin elenbeS @nbe nehmen. 2)ie englif(be {Regierung aber be<
traute ben unermüblirben SBanberer Siningftone felbft, im meiten
©ebiete beS 3ambefiftromefi in feinem Sinne meiter gu arbeiten.
<Dn0 grübjabr 1858 fab i^n fo mieber am Ufer beS 3®*"*
befi. Unermübli^ burdbforf(bt et baS 8anb oft« unb norbmärtS:
et befäbrt ben S^iteflu§, et entbedt benSd)«»®’ (18- Slptil 1859)
nnb ben IRpaffafee (16. Septbr. 1859), burcbquert in 1860 aber»
male ben bQll’en Kontinent, ben 3®mbefi entlang bie Sinpanti
bin unb %tx, giebt in ben beiben folgenben Sabren meiter
nötblidb, non ber Oftfüfte auS, ben {Ronuma aufmärte bie gum
{Rpaffafee unb befäbrt beffen SBeftfüfte, febrt gum 3®mbeft
gutfief unb burebftreift im Sabte 1863 bae 2anb mefttidb nom
©paffo. 1864 febrt er gu niept gang gmeijäbrigem Slufentbalte
f4fi)
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itad^ @ng(anb jurfid, freilid^ o^ne ben .^au^itjtoed feinet SReifen
erreid^t gu ^aben, nämlicb in Sunerafrifa eine bauernbe Stätte
be4 @^Tiftent^ume unb bet j^uUut gu begrfinben. ^bet xoai
bet SJMjfionar 8ioinflftone einbüfete, baW* l>er ©eogta^)!) Mining«
ftone gewonnen. Unb eben bet ^öfung geogtabbif^er Stagen
wegen befuebt et ein btittefi 9Ra( jenen @rbtbcil.
93enor wit ibn in @ebanten bottbin begleiten, muffen wit
un6 bie folgenteicben @ntbedungcn netgegenwättigen, wel<be im
Setlaufe beö unmittelbar notangegangenen Sabtffinfted im
äguatotialen Sbtüe t)on ülfttia gema(bt wotben waten.
®lei(bwie Siningftone im Süben, fo batten auch beutfebe
fSRiffionate im äquatotialen Ofiaftila neben ibret Setuf0tbäHg>
feit ciftigft ben geogtabbif<btn Stubien ficb gewibmet. So wat
bott non SRebmann bet febneebebedte Sultan Jfilimanbfcbaro
entbedt wotben (11. 9)Rai 1848), unb DRebmann fowiejftapf
unb (Srbarbt, btei in 3Rombafa an bet £>ftfüfte ftationirte
beutfebe SRiffionate, gogen in ben folgenben Sabten eine fDRenge
@tfunbigungen ein übet noch anbete Sebneebetge unb melbeten,
was fie non atabifeben .pänbletn unb @ingebotenen etfabten
batten, nach ^aufe: inSbefonbete, ba§ weit lanbeinwärtS gto§e
Sinnenfeen lägen, bie eigentlidben OueOfeen beS 0RiI.
2)iefe 9ia(bri(bten, baubtfä^licb aber bie non jenen fSRiffio'
naten neroffentIi<bte Äatte, auf bet ein fonbetbat geftalteter, gat
an(b über gwölf Steitegtabe fi(b auSbebnenber See alS gang
befonbetS auffailenb etf^ien, aQ bieS netanla§te bie geogra))bif(bt
@)efeOf^aft gu Bonbon, eine @jcpebition na(b Oftafrifa auS-
gufenben gut aufflärung übet ©jeifteng unb Bage jenes SeeS,
ber baS» geograpbif<be Snteteffe 811er im bö<^ften @tab rcigte.
annettraut würbe biefe @;rpebition ben beiben BieutenantS non
bet inbif^en armee, Sur ton unb Spefe; ber erftere war ftbon
als untetnebmenber SReifenbet rübmlicbft befannt unb ibm würbe
ber Dberbefebl übergeben.
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9lm 20. JDejembet 1856 in Sansibar gelanbet — alfo foft ju
gleidjer Seit, aie Stmngflone oon feiner erften Steife naci^ @nglanb
jUTÜcftel)Tte — unb non Sansibar auS in füblicbem 93ogen weft«
u>5rtd jie^enb, erblidten fie nach S)ur(binanberung einet @tre(fe,
toelcbe bet non S^attä bid SBien glei(bfommt, als bie erften
©utopäet (am 13. Februar 1858) ben Stanganjifafee, ineltben
®^efe alSbalb buti^querte unb bann mit Surton gufammen
auch in feinet Sübnorberftredung befuhr, o^ne baS Siotbenbe
etreicben ju fönnen. DrittelmegS gut Dftfüfte gurüdfgefebrt,
raftete 93urton in bem non fe^t ab nodb oft gu nennenben
Unpan^embe, bet tegfamete @pefe aber bracp mit einer {leinen
©(baar unteme^menber (äingeborenen am 9. 3uli 1858 notb»
märtS auf unb erreichte am 30. beffelben ültonatS baS Sübufet
beS grö§ten S3innenfeeS auf bem Kontinente Sfrifa, beS Ufereme,
n»el(bem ©pefc ben Slamen beS S3iftoria*9lpanga beilegte. 9tie»
manb fannte feine Bange, aud; non ^ö^erem ©tanbpunfte auS
war feine 93reite nicpt gu übetfcipauen. ätber ba§ in biefem
®ee ber Utfprung beS SlilS gu fudjen fei, war ©pefe’S f^on
bamalS feft auSgefpro(pene Uebergeugung; fte gu beweifen, war
bieSmal nic^t möglich, er mu|te umfe^ren. Stacp fünfunb»
gwangigmonatlid)er Steife warb glü(fli(p wieber bie Dftfüfte unb
halb au(^ wieber @ngtanb erreid)t (8. Sltai 1859).
9lber wenn aucp ©pefe für feine @ntbe(fungen alle @^te
gu S^eil würbe, fo fanb bo(p feine StilquelIen*Sl^eotie, biefer
SSerfucp einet Böfung beS uralten StätpfelS, nielfac^en unb
ftarfen äBiberfprucb , nid^t am wenigften gerabe burcp feinen
Steifegefä^rten Surton. SSegreifli^ batum, ba§ ©pefe barnac^
ftrebte, burcp eine gweite Steife ben ©ai^nerbalt nollftänbig auf»
gufldren: gerne bewilligte i^m wieberumbieBonbonergeograptjifdpe
©efeOfcpaft bie ÜJlittel ^iergu. Diefc gweite Steife, bie eine wirf»
li(^e ©utdjquerung ber Storb^älfte beS ©rbtpeilö non ©üb na^
Storb werben follte, nolIfül)rte ©pefe, nun Kapitän, in 33egleitung
(«)
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feines alten f^reunbeS unb Sagbgenoffen auS 3nbicn, beS Äa»
pitön @tant, »um September 1860 bis 3uni 1868. 6ine
flemiffe ©eru^igung fonnte eS bei bem SBagni§ gewähren, bafe
fidj ein »ot .tfurgem nad) @nglanb gefcmmener @Ifenbeinl|änb(et,
‘Petbetif, ber Diele 3abre in ben oberen 9?illänbern jugebracbt
batte, aus freien Stntfen erbot, Schiffe nadj ©onbofoto am
oberen 9Ml ju fteflen, in ber Smifthengeit 8eute ben tt)ei§en
Älu§ aufmörtS 3u fenben, (Elfenbein ju fammeln unb bann,
wenn möglich, Spefe unb @rant beim .^erabfommen ju unter»
ftüfien.
So jogen benn unfere beiben ^orfd^er, ^amthtg
i^pefe unb % @rant, oon @nglanb auS unb tarnen mit
einer mübfam erlangten Sfleifegelegenbeit über föiabeira, 9tio be
3aneiro unb Äapftabt SRitte iSuguft 1860 in Sonjibar an; mit
beginn beS Dftobet ging’S lanbcinwörtS , bem Jtinganifluffe
entlang, mit einer auS 212 ^erfonen, 12 fDiauItlneren, 3 (Sfeln
unb 22 Siegen beftebenben Äarawane. SBoju jo tiele S?e»
gleiter? — mag fDlnndjer fragen , ber jum erftcn ®lale Don
foicber {Retje im trcpifcben SIfrifa bört. Slber wöbrenb ber
^olarmenfcb baS Stenntbier, ber 0ewobner gemäßigter I23reiten
baS ?)ferb, ber 9lorbafrifaner baS Äamcel, ber Sübafrifaner
OcbS unb @fe( benußt, um jlDtcnfcben ju tragen unb Saften ju
fcbleppen, fteßt feines biefer 5Rittel bem fReifenben in ÜRitteU
afrifa 5ur Verfügung: er ift gan^ angewiefen auf menfcblicbe
Jräger unb Don ber Sefcbaffung unb 33efcbaffenbeit biefer Präger
ift ber @rfolg einer JReife in erfter Sinie abhängig, ©aju
fommt, baß SRetaUgelb in jenen @legenben unDerwenbbar ift;
afrifanifdbeS @elb beftebt in fRatur» unb Äunfterieugniffen Der»
fcbiebenfter 3lrt unb ift felbft bäupgem Söecbfel ber 9Robe unter»
worfen. SBenn unS nun Spefe erjäblt, baß er u. Ä. 79 Jraglaften
Detfcßieben gefärbter, befonberS amerifanifcber ^aumwoUenjeuge,
fowie Diele %ti unb golbgefticfte Söieften, 36 Saft i'erlen ber
XIX. 433. 43t. 4 (4:^)
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maiu^falHgften Slrt unb garbe, 13 Saften ®?efflng* unb Äupfer=
bra^t aI6 @efd)enle unb Staufc^mittel mitjunel^men l^atte, fo ift
bie gro§e 3a^l ber Präger too'^l begreiflich, begreiflich aud^, wie
viele ^uh< ma^en mng, folche 3Rengen von unbiSgiplinirten
SRenfchen einigermaßen einheitlich gu (enfeu.
3n langfamen 3Rärfchen gog @)>efe über baS wenig an>
fteigenbe ,$^iiftenlanb unb bann burd^ bad von angfterfüDten
unb burch ^ungerSnoth gepeinigten SRenfchen bewohnte 93erg>
lanb Ufagara, eine ^ügelfette um bie anbere überfteigenb, enblich
über einen mehr atd 1500 m h<>ßcn ^aß gu bem ^odßlanbe beö
inneren, h'^^ gunächft burch bie wilbe Sanbfchaft Ugogo, bann
im 3)ecember in achttägigem SJtarfd^e burcb eine SBilbniß; am
23. 3anuar 1861 war ber erfte $Iaß gu längerer Staft erreidßt,
bie unter 5° ©übbreite gelegene ©tabt Äage im Sanbe Unpam=
wegi, wo ©pefe mit Surton brei Saßrc vorher ebenfalls ©taub»
quartier genommen hatte, um bamalS weftwärtS gum S^anganjifa
unb norbwärtfl gum S3iftoriac9tpanga vorgubringen. S)er Snblicl
ber Karawane vermo^te jeßt freilidh baS .^erg nicht gu erfreuen:
einer ber Segleiter war tot, einer war auSgeftoßen, fedh§ waren
unterwegs gur ä^üfte gurüdtgejchicft worben, 123 waren befertirt,
von ben 3irgm waren 15 entwenbet, bie mitgenommenen Sttaul-
thiere unb @fel waren fämmtlich tot; mehr alS bie .^älfte aller
©achen war geftoßlen, vom 0tefte ein übergroßer Slh®il
braudht burdh wegen ber {)ungerSnoth ungewöhnli^e .^ähe ber
Sfleifeloften. Dagu litten 3Hle — ©pefe jelbft ausgenommen —
an ben 9tachwirfungen beS anftrengenben 9)tar{cheS ber leßten
SJlonate, einige am gieber, anbere am ©forbut, wieber anbere
an 2lugenentgünbung. ©eine S3orräthe an Slaufchmitteln tonnte
©pefe hier ergangen, freilich um einen ?)reiS, ber 400 ^rocent
über bem 9)tarftpreife non 3«ngibar ftanb; aber troß gweimonat«
liehen Aufenthaltes wollte eS nicht gelingen, bie Sücten in ben
JReiben ber Präger gu ergängen. ©o entf^loß ftch ©pefe, einen
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feines ®epätfe§ jurüdjulaffen, norbmärtS ju sieben
feinem fReifegiele gu, um ba etft STräget anguwerben, bie bann
tüdtebren unb bie gurüdgelaffenen Sßaaren nac^btingen foQten.
6in liefet ^)offnungen erfüllte fi(b; aber bie »ielen
bet arabif^en .^änblet mit ben Eingeborenen unb ber (enteren
unter einanber, baß ^ereingieben unferer Steifenben in biefe
ewigen ©treitigfeiten veranlagte einen Slnfentbalt um ben anbem,
ja fogar eine IRüdreife ©pefe’S biß Äage. iSufß 9leue Borge*
brungen unb geitweilig von @rant getrennt, b^uften fi(b neue
unb neue Sdbwierigfeiten: ErgSblungen vom fHorben ber fom*
menber geute über Sebrüdungen unb Seraubungen, bie ihnen
bort roiberfabren , bagu ©efpenftcrfurcbt lieb @pe!e’ß Sieger
gurüdfdbreden unb meutern — nocbmalß mubte er Dlnfangß 3uli
nach .^age gurüd. Son neuen ^übrern begleitet, ging’ß wieber
norbwürtß; aber ^antbeit ©pefe'ß, fowie bie fteten langwierigen
IBerbanblungen über bie Eaftgefcbenfe, weldbe ben ^äuf>tlingen
gu geben waren, auch eine Erpreffung um bie anbere von
©eiten ber le^teren lieben 3ulii Sluguft unb ©eptember ser*
ftreicben, ohne üiel voran gu fommen. fUlitte 9tovember war
©pefe nadb Äaragwe gelangt, einer ganbfcbaft weftlidb »on ber
ÜJlitte beß -Jlpangafee’ß, unb bamit war Erlöfung von ?)tünberern
unb fl^ fo nennenben Sefcbübern eingetreten. Eaftfreunblicb,
ja mit fürfllicben Ebren empfing unb bebnnbelte unjeren 9iei» •
fenben ber jtönig IRumanifa beß Sanbeß; burcb einen ISußflug nadb
Söeften unb burcb ein vom Äonig begünftigteß 3lußfragen weit
gereifter ?eute fonnte ©pefe Slußfunft über nähere unb feinere
©egenben erbalten. Sluffällig war ibm biw baS Jßeftreben
gumal ber SDornebmen, ihre grauen möglicbft bid unb fett
werben gu laffen, vielmehr fie burcb wenn notbig ergwungeneß
Jrinfeu vieler fUlilcb fo gu machen, berart, ba§ fie nicht mehr
gu geben vermögen.
IDer Etifette beß Sanbeß gemä§ mu^te nun an ben großen
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^önig ^te{a von Uganba im 9torben bed ^^^an^afeeS ein Sote
gef(!^i(ft metben, um Spefe'd Sefud^ anjufimbigen; jmei Monate
mu§te man beg^alb märten, bie biejer jurfidfam, unb @pefe
^atte ^ietbutcb Seit, ftcb über ade !{}er^ältni[ie geogra^^ifebet,
etbnograpbiftber, b^naflifcber, linguiftifdjer diatur ju untenidbten.
dHitte Januar 1862 Heb ft(b enbti(b ber ^lang bet Uganba>
ttommel nernebmen: ein fbniglicber Beamter mit grober (Sdforte
mar gefommen, gum S3eju<be in Uganba eingulaben. Seiber
mar @rant an einem bö[en Subleiben fibmer erfranft, unb ba
vor 2iblauf von ein ober gmei dRonaten nidbt auf @ene[ung gu
rechnen mar, fo gog @pele aQein norbmärtS, mie er felbft fagt,
,im Snnetn völlig fi^er, bab er in Äurgem bab grobe 9lil»
<>Toblem für immer löfen merbe." 3m gaftlicben Sanbe lieb er
alfo feinen Breunb gurüd, nadbbem noch Briefe unb gefummelte
9iaturalien gur 0eförberung nach ^age unb Snngibar bereit
gefteHt maren.
S3alb mar ber von ©pefe brei Sabre guvor febon erfunbete
meftlicbe ^auptguflub beS ©eeS, ber nicht eben breite, aber febr
eingefebnittene unb redbt tiefe ^itangule, erreicht, unb nach bem
Buge bureb ein ungemein fru^tbareb, an 2lntiloven reichet
@elünbe, bureb »ein voQfommened ^arabieb für (Reger," marb
am 31. 3anuar ber 2lnblid bed großen <Seeä gemonnen. 3n
meitem IBogen unb boeb bem ©ee fo nabe mar man alfo um
benfelben b^^u>ngegogen unb erft jebt fam man an baS norb»
meftlicbe @d beffelben. Ueber S3erglebnen unb fcblammige Sb^l*
fohlen unb in beftänbiger ©iebt beö ©eeö, jebt genau unter
bem 2lequator ging’6 norboft», bann oftmartö am Ufer beS ©eeS
bin. Soten auf 23oten famen: ÜRtefa, ber Äönig, vermöge
Toum bie Slnfunft ber SBeifeen gu ermarten unb b«*’« ftb^n
meiter fübmartö gefebidt, um auch ben rüdgebliebenen @rant
möglicbft rafcb berbeigubolen. @nblicb, am 19. gebruar 1861, marb
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bic Sleflbenj be0 SReic^eS erteilt, bie erft na(^ fü«fmonatl{(^ein
aufent^olt »erlafjen werben foQte.
£>ieS Ujanbareid), non ben umgebenben Eänbern fo net«
fcbieben wie bie Staaten unb Oiegierungen Europas von benen
Slfienö, ift wol)l, nat^ Spefe’ö ÜRcinung, unb gwar in viel grö»
lerer 9Iu§bel)nung al8 |eute von vor langer Seit audgewanberten
Slbvffiniem gegrünbet worben, bie freili(| il)re 8bftantninng
buT(|au6 verga|en. UnumfebtänTte ®ewalt eignet au^ |ier bew
Jtönig; Jobeäftrafe ift fein bäufigftet unb fofort gu voUjicljenber
@ntfibeib. @in ftarf geglieberteS Seamtenbeer, ft&nbig an ben
^of gefeffelt, wirb in bünbiftber Unterwürfigfeit gehalten; ftreng
ift bie lDi@ciplin beS än|eren wie inneren ^ofbalted, feierlidb,
aber b^üjft jeitraubenb finb bie wobl 3U bea^tenben ^or*
malitäten.
Dur<b fräftigeö Sluftreten gegenüber bem jfflnig, bureb frei«
gebige unb aufmerffame ©ebanblung ber Äoniginmutter verfebaffte
fi(b Spefe halb eine gefieberte, ja würbevoKe Stellung, wenn
nud? freilid) manche biplomatifcben Sebwierigfeiten gu über»
winben waren. Spät erft fonnte ber finberbaft launifcbc Äönig
bagu gebracht werben, S3oten jübwärtö ju jebiefen, um wirflicb
ben rücfgebliebenen ®rant ab3uboIen, unb 93oten norbwärtt
augjujenben, um über bie IDföglicbfeit beS SBeitermarfebefi gum
9fil (Srfunbignngen eingujieben. @nblicb, @nbe 9Rai, fam @rant
nach, aber leiber wegen ber tSngft ber auSgefaubten Schwarten
nicht über ben See, wie eß Spefe fo febr gewünfebt batte; auch
bie Soten vom 9forben famen gurücf, freilich mit nidbt eben
einlabenben 'jfußfiebten gut IBeitetreife, aber gugleicb mit brr
aufregenben fRacbricbt, ba| bort gwei wei|e SRdnner ange«
fommen feien, alfo wobl bie non (Inglanb auß ben 9lil auf«
wärtß entgegengefebiefte ^ülfe, welche, wie man büre, ficb ebenfo
eifrig nach Spefe unb @raut erfunbigten, alß biefe nach ihnen.
Ungeftüm war nun bie Sebnfuebt vorangufommen. @rft warb
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geplant, bag @trant nac^ ,Satagwe jurücfieifen, baS bort hinter«
laffene @epädf mitne^men unb bet ber Sifldfa^it über ben @ee
ben (enteren erforf4|cn foQe, uä^renb Spete ben auS bem @ee
fommenben glu§ entlang birelt nöibltc^ cotbringen mürbe; abet
unübetmtnblit^e 0cbmierigfeiten (ir^en biefen $lan nicht jur
fluSführung fommeii, bie beiben ^reunbe reiften mit einanber.
IDenn cnblich h^tte ber ^önig eingemiCligt in bie (Reife nach
9iotben, bie über ben Urfprung bed 9M1 iXuffchluh brintgen
fönte: am 7. 3uli fanb ber Slufbrudb ftatt. üRit »iden 33er»
jögerungen ging ber ÜRarfch norb», bann oftmärtS, unb am
»iergehnten Stage ftanb Spefe am Ufer beö »luffeS, ber fein
anberer ald ber (Ril fein fonnte. SBel^e @ntfchäbigung für
ade bie vielen Seiben! 3n weiteren acht Stagen brang man
am linfen Ufer bc8 Bluffet, bichteö 3ungle burchwanbernb , an
ben 3|amba»®tromf(hneQen vorüber, bi8 gu ber ©teile vor
(28. 3uli 1862), wo ber (Ril etwa in 4 m hoheni- ^«^th Reifen
gebrochenen Bade au8 bem (Rpangafee au8flie§t.
SDie ©orgen unb (Entbehrungen ber lebten gwei 3ahre
waren alfo nicht umfonft gewefen, „ber 3>vedF ber (Erpebition
war nun erreicht.“ SBie gerne auch @pefe noch ben öftlidjen
Jheii beö großen ©eefl erforfcht hätte, er mufete äJergi^t leiftcn
— fein S3eftreben galt nun ber (Srforfchung be8 (RillaufeS.
SDem Ufer entlang wieber flugabwürtö giehenb, warb halb
wieber bie ©tede errei^t, wo guerft ber 5Rü erblicft worben
war; mit vieler dRühe würben ht^^ fünf 33oote gufammen«
gebracht unb bie Bahit ftromabwärtd begann; aber ber 3Biber>
ftanb ber 'Anwohner ergwang fchon am britten Sage bie Stuf»
fuchung bei 8anbwegeö, ber im weftlichen 33ogen vom (Ril
wegführte. (Rach vieltägigem .^inhalten burften bie 3Q3ei|en
enblich in bie .^üttenrefibeng j^amrafi'ö, beö ^önigö von Unporo,
eingiehen (9. ©eptember), wo biefelbe verbecfte unb offene
33ettelei, biefelbe {ompligirte SDiplomatif ftatthatte gur @rreichung
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längeren Suf^altene). Jpier »arb Spefe bestätigt, ba§ einige
@rabe norbteärte liannibalen meinen, bie 9^tam>9Mamd, beien
itanb ^et^eritf 1857—58 betreten ju feaben angob unb ©ebwein»
furtb bann später ivirflicb be|u(bte. ®ar jebr brängte @pefe
barauf wieber fortjufommen, aber faum jebien er e9 ju erreidben.
2)a8 fonute er enblicb burebfe^en, ba^ einer feiner bunfeln S3e»
gleiter norbuärtS jiebe, um über |)etberi(f'8 6jcpebition, bie nach
mieberbclt ein getroffenen 9iacbricbten nicht aUgumeit entfernt
fein foQte, @rfunbigungen eingujieben unb mit ibr, menn
möglicb , 93erbinbungen angufnüpfen. '^18 nun (1. Ofiooember)
ber ©ote gurüeffam mit ber 9lacbricbt, roenn auch nicht ^etberief
felbft, fo bo^ feine ©orpoften gefunben gu haben unb ba§ biefe
©efebl batten, auf ©pefe unbegrengte 3eit gu märten, ba modte
©pefe um jeben i’'rei8 ocrmävtS: enblicb fab ib« ber 9. 9lo=
oember 1862 auf bem SBege, einige 5Tage lang in ©ooten ben
9lil binab, bann aber bei ben ÄatumafäQen ben Blufe oerlaffenb,
ber ficb oen biet in meitem ©ogen nach SEBeften friimmt. 3n
ber ©ebne mürbe biefer ©ogen abgefebnitten unb fo freilich
über ben mirtlicben Blublauf unb ben ©ee, mit bem er in
©erbinbung fteben folle, niebtS ©icberee erfunbet. 5Ran erfuhr
nur, bn§ ein glufi, eben ber 9Ul, nacbmalS ©ommerfet genannt,
von ben jiarumafäQen au8 meftmärtS einem anberen ©ee gu«
fliehe, aus biefem aber halb al8 fog. äBeiher 9iil auStrete. @8
mürbe nun bauernb gu l^anbe marfebirt, ba ber gerabe SBeg bie
in 2^ jähriger ©lanberung Geprüften rafeber @onbotoro,
ihrem näcbften 3iel, gufübrte. 9lacb tier SSßoeben b«lte ©pele
ba8, mie peb bci^flu^fteDen fodte, gmeifelbafte @lücf, ?>etberif8
©orpeften gu treffen, eine ©lijcbung oon IJumpenterlen »on
©Ubiern, Stegpptern unb ©tlaoen aller iJirt, etma 200 an ber
Sabl, eine fcbauerlicbe ^lage ber Eingeborenen, ©odb mar bie
^anbel8>, b. b> ©aubtbätigleit biefer ©anbe nicht gang gu Enbe,
unb fo muhte ©pefe, ba ba8 oorliegenbe ?anb nur in grober
(S5J
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but(^jogen »erben fonnte, lange fBo(^en aud^arren.
@ift Sinfang Februar 1863 fam bei üllarfd) in ®ang, nur ein«
mal nod^ untermegg ben 9iil betübrenb unb bann »teber in
®onboforo, bad am 15. Februar eneid)t würbe. Sie enttäufdjt
war Spefe, b^ien, ba§ jene böje ®d)aav gar nicht
'petbericf gehöre, ba§ ftdj biefcr tro| bei großen ©elbfumme,
bie in @nglanb jur Unterftfi^ung Spele’ö jufammengebracht
unb ihm übergeben worben war, faum um biejen befummelt
batte, f^nöbc nur feinen eigenen jpanbelöintereffeu nadbgebenb.
31ber betjlicbc f^teube erfüllte baß ^)erj unfereß IReijenben, alß
er je$t feinen ffreunb @amuel Safer begrüben fonnte, bei
mit allem ju einer langen Dieifc fRötbigen auf brei ^abrjeugen
hierher gefommen war, in bei 'llbficbt, Sf>efe ju fuchen, unb
nun, burch biefen über baß (Srfunbete unterrichtet, mit feiner
ffrau ju eigenen fforfchungen außjog. (Sx befuhr in ber S£hnt
im gvübjabr beß folgenben 3ahreß jenen ©ee, welchen @pefe
erfunbet, ben 9Rwutan (3llbert=9liianga), fowie ben in ihn fich
ergiehenben fRil, juchte aber ben tHußfluh öeß le^teicn nicht auf;
erft ®effi, einer ber Sngenieure beß ©ouceineurß unb Oieneralß
©orbon ^'afcha, hat (SltMil 1876) oon 9lcrben ben 5Ril herauf»
fommenb, bie tSußflubfteQe beß lehteren auß jenem See wirflich
aufgefunben.
^ür Spefe folgte in ©onboforo bei Sofer eine JRaft oon
wenigen Klagen, unb nach einer an '^bwechfelungen unb iSben»
teuern reichen ^abrt ben 9iil herab war ein paar Soeben
fpätei Slleranbria unb halb auch ber heiuüfche Sobrn ©nglanbß
eaeicht. Som 9lil auß hatte Spefe an ben um bie Sfrifn«
forfchung fo oerbienten i'räfibenteii ber geograpbifeben ©cfcll»
febaft, an QRurchifon, baß 3;elegramm abgefanbt: „Der 9lil ift
abgemacht" (the Nile is settled), baß Telegramm, baß nachher
fo oft citirt, in feinem Snhalt beftritten, Perfpottet würbe; aber
in ber $hat war, wie bie golgejeit lehrte, ber 9lil abgemocht,
(!i6)
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bie 5RUqueIIenfrafte ^atte bur<^ ©pefe tm SBefentlid^en t^ren
9lbf(^Iu6 erreicht, unb eö erfüllt unfet ^erj mit SBe^mutl), 3U
erfahren, ba§ ©pefe blefen feinen Eriump^ nid^t me^r erleben
follte: ein nnglüdlit^er Sufall auf ber 3agb machte am 15. ©ef)»
tember 1864 feinem £eben ein @nbe.
üJlan fann fub benfen , melden ©inbrurf bie non Spurten
unb ©pefe unb @rant gemadbten ©ntberfungen, biefe Sluffinbung
beö üanganjifa» unb befi Ufevemefeeb , unb bie (§rfunbung beö
SJimutanfeefl , ganj befonberö aber bie (Erörterung ber Srage,
Pb benn bie fRilqueDen nun entbecft feien, auf 8ioingftone
machen mußten, ber fur^ nad) ©pefe’ö |>eimfe^r, im Saljre 1864,
ebenfaUÖ nac^ @nglanb jurücfgefommen »ar. Unmittelbar für
bab SRiffionSmefen f(^ien er feine fo großen ©rfolge aufmeifen
ju fönnen; aber, mie idf »orbin febon fagte, »ab ber SRiffionnr
8ioingftone eingebü^t, bab ber ©eograpb Uibingftone ge«
»onnen. Unb eben biefer (Seograpl) 2ioingftone fonnte feine
Olube finben, fe^t nad) ©befe’0 5Reife erft recht nicht; bab gro^e
|)toblem ber SBa|ferfd)eibe gmifchen fRil, Äongo unb 3a»nbefi
follte gelöft, ber Sufammenhang biefer glufefpfteme mit ber
fRegion ber großen ©een follte flar gelegt unb bie f^ragc nach
ben eigentlichen OueDen beb 9lil follte beffuitio entfehicben
werben.
©0 30g benn l‘iüingftone 6nbe 1865 3U feiner britten
großen Steife aub, oon ber nur feine ^eidje 3ur hfitti'f^fn ®fbe
3urücffehren follte. Sen 3an3ibar aub war er im Frühjahr 1866
ben Stocumafluf) hinauf unb um bab ©übenbe beb Stpaffa hetum
gewanbert, bann norbweftwSrtb 3U ben neuen, non ihm entbedten
©een üJlogro *) unb Sangweolo, unb wieberholt, halb non ber
Dft«, bolb non ber SBeftfüfte oub, mar fälfchli^er SBeife fein
2ob gemelbet worben unb aub Ubfd)ibfchi am Janganjifa war
feine le^te Stadhricht nom 9Jlai 1869 nach ©urotja gefommen,
(Da fahte ber ©igenthümer ber amerifanifchen 3eitung
(57)
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Metall)", @otbon Sennett, ben @ntf(^lu§, einen
eigenen Soten auSjufenben, »elc^ei über ben SSerbleib be8
großen Sieijenben fiebere SuSfunft oerfebafen fode. 9118
aSolen »öblte er ben in SBaleS im Sa^te 1840 geborenen unb
im 9Iimenbau8 erlogenen 3ame8 iRomlanb, ber in 9imetifa non
feinem Principal abeptirt motben unb ficb nach biefem ^enrQ
äKorelanb ^Stanleb genannt b^ite. 9118 3eitung8beri(bterftatter
batte er fdbon meite IReifen gemacht unb mar eben im Dftober 1869
Don ben Kämpfen bei 23alencia in SOiabtib angefommen unb
nach ^ati8 gereift, aI8 et Don S3ennett ben furzen unb fo
inbaltfdjtteren Auftrag erhielt: „ginben (Sie giDingftone!"
©lanlep uoHfübrte junüdbft noch al8 SSeriebterftatter feiner
Stitung eine grofee fRunbreife über 9leg9pten, ^aläftina, bie
Ätim, Werften, Snbien unb traf im Sanuat 1871 über 9Rauritiu8
an 9lfrifa8 Dftfüfte auf Sansibar ein, um je^t unter 9)enü^ung
einee unbefebrönften, oon feinem 9lbfenber gemährten ÄrebiteS
feinen ,^auptauftrag auSjufübten. 9iacb einem achtmonatlichem
ÜRarfche meftmörtS traf et in ber ^b®* miber (ärmorten
(10. SRooember 1871) in Ubfchibfchi am Sanganjifa ben gefuchten
giningftone, bet oier SBoeben juoor nach fünfjähriger IWeife b'W
angefommen mar. Bioingftone tbeilte nun ©tanlep mit, ma8
et in ben lebten Sabren erlebt: et mar im Sommer 1869 über
ben2anganjifa gefahren unb norbmeftmäitS in8 Banb bet menfehen*
freffetifchen ÜKanjuema oorgebrungen, mar burch b®rinädtige
gufegefcbmüte 80 Jage lang auf ba8 8ager gebaunt unb oon
feinen IDienern »erlaffen gemefen, b«rie im Sebruar 1871 au8
Sanjibat jebn @fla»en inbifebet Äaufleute al8 93egleiter nach^
gefchieft erhalten unb mit biefen, febt gegen ihren SBiQen, einen
Sorftoß bis an ben gegen 3 Äilometer breiten 8ualabafiu^, ju
Dem großen flJiarft flipangme unternommen, mar aber »on bi«^.
bem nörblichften fünfte aller feinet IReifen, äufeerft elenb nach
Ubfchibfchi gurüdgefebrt , um bt^t^ 3® erfahren, ba§ aDe feine
(J8)
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93ottät^e »eräufeert morben, ba^ er ein Settler fei. 3n btefet
Seit war je^t gerabe ©tanlcn getommen unb biejer ftattcte
mit feinen 93orräl^en 8i»ingftone neu aue.
Seibe dteifenbe oerlebten nun in trautem Sufotnmenfem
fünf 5)fonote, beren einer ber Umfahrt um bie uörblicbe ^ülfte
bed Sanganjifa gewibmet war: ba§ biefer webet jum fniU, noch
jum 8ua(aba* (b. t. gu bcm naebmalä uon Staniep ibentificirteu
Äongo») @ebiet gehöre, erfcbien alfl ftareö ßtgebnif) U)rer Um»
fa^rt. Sine jweimonatli(bc Steife, wöbrenb beten bie ©efanimt«
ja^l bet Pon ©tanlep in 13 9)tonaten erbulbeten gieberanfälle
auf 23 ftieg, führte i^n an bie ^üfte jurud, unb er bradjte
nun — na(^ iBerbrautb con ni<bt weniger al6 9000 ‘Pfb. St.
Steifegelbern — ber feit lange barrenben 3BeIt bie fiebere fflaeb»
riebt, ba§ gioingftone nod) lebe. ®riefe unb Sagebüiber ibted
großen ifanbämanneP, bie ©taulep mitbraebte, gaben aber aueb
ben Snglänbetn .Kunbe bauen , erftenö bafe bie ©reuel beiä
SflauenbanbelS an ber oftafrifanifeben Jbüfte jumal immer noeb
fortbauerten, unb ^weitenö, bab iJiuingftone uon Stanlep reicblieb«
äuöbülfe an uielem Stotbwenbigen batte annebmen muffen, bo
fUtänner, bie mit Uebetfenbung von Unterftübungen an ibn
betraut worben waren, ihre '>))fli(bt auö ©leicbgültigfeit ober
auS fonftigen Stünben ni^t ober nicht vgenügenb erfüllt batten.
3)ie betrubenbe Staebriebt uon ber erfteren biefer Ibatfaeben
ueranla^tc bie englifebe Stegierung, einen eigenen ©efanbten
unb balb barauf jur üueübung genügenben IDrnded felbft eine
glotte nach Sansibar gu ftbiden, um mit bem Sultan einen
SBertrag gu f^liefeen betreff« Unterbrüdung be« SflauenbanbeU.
ÜJlit Stndfi^t auf jenen gweiten bet gu aUgeineinet Äenntni«
gefommenen ^unlte befcbloff bie gonboner geograpbif<b«
feüfcbaft, naebbem bie im grübjabte 1872 gut Sluffudbung uub
Unterftü^ung giuingftone’ö auSgefanbte Sjepebition gefebeitert
war, eine neue auögurüftcn, welebe gu ?iuingftone fto^en, ibm
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bic SeTOcije bet Setounberung »on @nglanb unb bet ganjen
gebUbeten SBelt übevbttngen unb jut 6t»eiterung ober
Slbfd^liefeung leinet l^otfd^ungen gut 23erfügung [teilen [oDe.
IDer neununbgaanjigjö^rfge ÜKarine» Lieutenant äJettte^
Lorett ü^meton »urbe mit bet Leitung biefeS Untetne^menö
bcaufttaigt, unb i^m [<bIo& Pc!) f<%on in ©nglanb [ein Bteunb
Dr. Dillon unb ftsäter in 3nujibnt bet Lieutenant SJlutb'^V
»om inbi[d)en ^eere, [omie au(^ Li»ing[tone’8 9ief[c ?Dlo[[at
an, meid) Icjiterer, al0 et uon bet ©tpebition ^5tte, (ein einjigeö
23e[i^tl)um, [eine Sucfetplantage in SRatal, uerfau[t ^atte unb
nach 3au3ibar geeilt war.
3«t)ei »oOe [Dlonate, gebtuav unb SKärj 1873, »etgingeu
mit ber 93e[^af[ung bet nöt^igen S3egleitmann[c^a[ten unb @e»
pädtröger; er[t mit 93eginn beS SJbtil fonnte au[gebto(^en werben.
tHnfongS butc^ ebenes, gut bebautes unb mit ga^lteid^en 0öt[ern
bcjäteS ©el’iet, halb ^ö^et [teigenb unb in be[d^n>erli(^en Sötät«
l<ben übet [teile ^flgel, gtope ©raspöc^en unb übet ab«
[aQenbe ©c^lui^ten meg3tel)enb, meitet^in but^ eine @^(amm«
gegenb wanbernb, tüdte bie im mn[ang auS na^eju 300 9)ten[(ben,
22 @jeln unb 3 ^unben bepe^enbe ^atamane lang[am genug
uotan, unb bie Sc^neQigfeit fonnte baburc^ ni^t be[(^leunigt
werben, bap ©ameron [owo^l als ^Dillon, bie [d^on in 3«n3ibat
»om gieber befallen worben waren, aud^ unterwegs wiebet^olt
baran litten, ja beS^alb unb wegen eines ftanfen §upeS oon
(Sameron mupte [ogat einmal btei SBod^en gerapet werben.
S3alb pel SRoffat bem Älima gum Opfer. 3uni unb 3uli
joutben auf ben 25urc^jug butc^ baS Laub Ugogo »erwanbt
unb nur bie ©ntric^tung gropen XributeS madjte bieS mögli^:
77 farbige Sü^er, übet 700 SHeter gewöpnlicpen 3eugeS, eine
Oiofle 2)tapt unb brei ^funb perlen waten »etbraud^t, als man
jenen 2)i[ttift pinter pcp patte. Unter mancpfacpen @orgen not
Töuberifcpcn UebetfäQen unb wegen Stägpeit unb SluSteipenS
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ber Präger (^agagi) gelangte bte Karawane am 4. Sfuguft in
baJ 8anb Unpanpembe, gu einer 3lraberftation, wo fie freunb»
liebe iSufnabme fanb, aber gieicpwobl genug bec eibulbete.
3)ie biflbet geniietbeten ?)agagi würben b>ev abgelö^nt unb ent»
(affen; aber ni^t nur, bag feine neuen febienen aufgetrieben
werben gu fönnen, au<b bie gebliebenen unb neu gebingten
würben gum 0efertiren oerleitet, eine reicbliite Quelle oon
aerger unb Unfoften. aber bieä foBte nidjt baö ©cblimmfte
fein: ein gieberanfaB um ben anbern fam, um iSameron fowopl
alä 2)iBon auf’ä gager gu werfen, au^erfte (ärmattung, Un»
fäbigfeit gu jeglicber arbeit, wilbeS @ntgünbung
ber äugen, ja bei SDiBon, wie ed ben anfebein gewinnen woBte,
(Stblinbung, bie8 aBeä febien bie @jcpebition in Srage gu fteBen,
um fo mehr, al8 bie in ber fieberfreien 3eit mit aufbietung
oBer jhdfte woÄenlang fortgeje^ten ©emubungen gur 33e»
febaffung oon Fragern oöBig oergeblicb febienen: oon ben 130,
bie einmal gemietbet waren, fonnte @ameron nie mehr ald ein
IDubenb gnfammenbringen, unb au^ mit biefen war nicht oiel
angufangen.
2)a, am 20. Qftober 1873, fam gar bie irauerbotfeboft,
bab Sioingftone, gu beffen Unterftü^ung ja aßel bienen foBte,
tobt fei unb ba^ feine 8eicbe in Burgern eintreffen werbe.
Sioingftone war ndmlicp, aU er ficb am 14. 9Rärg 1872
oon @tan(ep in Unpanpembe oerabfebiebet unb enbltcb auch um
14. auguft bie oon Unterem für ibn gemietbeten üeute erbalten
batte, in einem nach ©üben gefrümmten ü3ogen an ben 2;an:
ganjifa gurücf» unb an beffen Qjtufer fübwärtg gegangen, um
weftlicb abbiegenb ben 23angweo(ofee gu erreichen. 2)enn wie
in bem Sualaba ben 9ii(, jo glaubte er in bem 0angweolo
einen gang füblicb gelegenen QueBfee beS 9iil entbeeft gu haben,
unb biefen, fowie bie merfwürbige SteBc, wo ber Sambefi unb
fein 9iebenflub jtafue, ferner bie bem ifualaba guftrömenben
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^uflra un^ Sotnami gatij na^e bei einanbet entfpringcn feilen,
wollte er nod) bejudjen, bcDot et ben ^>einiweß über Sanjibat
antrete. 8ber er warb frönfer unb fränfer; et mufete fl<b trogen
loffen, unb bennoeb ging’ö weiter an bem Oftufer jenes SeeS
entlang, Slag um üag bei ftrömenbem Siegen im SBaffer watenb,
babei ftetfl im Kampfe mit .junger, ÄSlte unb Slöffe unb gor
mit ÜJlaffcn oon SImeifen. 9ic(b erlebte Sioingftone ben ©eginn
bet trorfenen 3«t unb neue j£)cffnung fdbien i^n aufleben gu
machen — aber fern non bet ^>eimot^, am 8ulima(aflü§^en
beim ;^äuptling S:fcbitambD in ?Ia(a erlag ber <^elb am
4. gjlai 1873.
SBobl oI)nenb, wa0 fogat bie geicbe ibteS ^)ertn für ©ng«
lanb wertb fei, nahmen Siningftone'S ©egleiter feine mit @alg
fonfernirtc unb an ber ©onne getro^nete geid^e auf unb be°
gönnen mit biefer nadb 14tögiger Siaft ben traurigen Siüdmarfd^
bis Songibat- gogen fie nun ^in in ftetem Äampfe mit
^)unger unb Äranf^eit, mit bem ©t^reden ber 2Bilbni| unb
bem !ilberglauben ber Eingeborenen, neun ooQe Slionate bie
8ei^e nebft allen Snftrumenten, lagebüc^etn, ifleibungSftüden
auf ihren ©chuitern tragenb, auf einem SBege non nicht weniger
als 1800 .Kilometern, b. i. einet ©trede etwa gleichfommenb ber
non ^loreng bis EhtifttaniOi unb einer bet ©egleiter, ber »on
einem ©tlaoenfchiff weg befreite, im SKiffionShauS gu ©ombop
ergogene unb 8iningftone gugefebidte SBainright führte über ben
gangen 3ug genaues Stagebuch. Bür immer bleibt biefe hcioif^e
Jhat ein bewunbernSwertheS 3eugnife für bie pflichttreue unb
91nhänglichfeit afrifanifcher Eingeborenen, wie auch füc bie ©er<’
ehrung, welche 8ioingftone fich bei ihnen erworben.
SDiefer eingigartige 8eichengug nun traf Enbe Dftober 1873
in Unpannembc bei Eameron ein. Se^t war ber eigentli^e
3wed feinet Ejrpebition hinfällig geworben, unb bemgemäh wollte
fWurphb unb SDitlon muhte, alS fich gu feinen oielen Bieber-
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anfäQen au^ nod^ {Darmentjünbiing einfteCite, jur j^üfte jurficf«
festen, ©ameron aber entfc^lcfe fitb »eiterju jie^en , junäd^ft
um fic^ einet »on 8toinflftone in Ubfcbibf(%t jutiitfgelaflenen
Äiftc mit Suchern unb ©c^rlften ju »ergeteiffern unb fte unter
fi(!i)erem 6$eleit an bie ^üfte fd^i(fen; bann aber wollte
Gameton beö SReifterö 5?orf(^ungen weitet oerfolgen, inßbefonbere
bie $tage bed Sanganfifa unb Sualaba lofen.
9iac^ über oierteljd^rigem ÜJufent^alte in Unpanpembe er»
möglitüte ei Gameron, unterbe§ ju einem ©felette abgemagert
unb nic^t gang einen Gentner me^r wiegenb, weiter gu gieren,
wenn freilich allein unb unter ben größten SBiberwartigfeiten:
ftetefl 2(u0rei§en ber Stöger, babutep not^ig geworbeneg Um»
paefen unb leiber aud^ SBegwerfen oon ^onöt^en, bagu bie
9la(üri(pt oon ber in ber giebertaferei erfolgten ©elbftentleibung
be0 Breunbed 2)i[Ion, SdeS follte gufammenwirfen , 9)iut^ unb
J^aft b^rabguftimmen. 9116 bad IDurcbla^oetbot buteb bad Sanb
Ugara enbliib gurüefgenommen war unb nach oielerlci anberen
jfjemmniffen aller 9lrt gelangte bie Gjrpebition auf neuem 5Bege
enblidb am 21. Februar 1874 an ben Sanganjifa, mä} Kamele,
bet j£)auptftabt beö oielgenannten Ubfdjibfdbi — genau 15 3ab*e
unb 5 Sage fpöter al4 bie Gntbecfcr SBurton unb ©pefe.
Garoeron fnnb b'er bie oon 8ioingftone gurürfgelaffenen ©atben,
inSbefonbere eine witbtige Äarte, beförberte bie0 nach Gnglanb
unb beftimmte feinem Sluftrage gemö^ möglicpft genau bie iiage
be0 ^auptorteö unb bie ^)6be beö Sanganjifafpiegelö (gu 2710
engl. Sufe). ^Darauf umfubt et gu Soot wdbrenb gweier füionate
(13. ÜJlörg biö 9. fJJlai 1874) ben größeren, burdb oier Steilen»
grabe füblicb oon Ubfebibfepi fi^ auöbebnenben Sbeil beö ©eeö;
eö ftellte fi(b babei berauö, ba§ auf biefem ®ebiete gwar 96 bluffe
in benfelben einftrömen, bafe aber nur ein eingiger aus bem ©ee
auöfliefet. aber getabe bie Slufpnbung biefeö einen an ber
SBeftfeite auö» unb wobl gum Bualaba abfliebenben Bufuga
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entjd)ieb na(% (Sameron’d Meinung bie feit ber (Sntbecfung
be6 @eed oietfac^ eröiterte B^oge ba^in, ba§ er jum Gebiet
beö ?ualaba, alfo »o^l Äongo gehöre.
fDer Anfang 3uni fa^ 6ameron auf feinem S3ormatf(^ gegen
Säieften, ju bem gro|en ^anbelSpIa^e fRjangme am ifualaba,
uub bie Hoffnung audgufübren, roai ^iuingftone nicht geglücft
war, nämlich bort S3oote ju erhalten, um in jwei ober brei
fJJlonaten oielleicht auf bem unbefannten Bluffe baö fKeet ju
erreichen, belebte ihn auf’8 9leue. 3tm 4. iSuguft hoWe et,
jiemlich auf bemfelben Sßege wie Sioingftone, butch Uguha unb
SKonjuema fRjangwe erreicht, biefen jiemlich genau in bet 9JJitte
ber Dftweftcrftrecfung beb Kontinentes liegenben ^>aupthanbelS*
p(a^ arabifcher .^änbler. Salb ergaben bie fUteffungen am
(Strome, ba§ berfelbe bem 9til nicht jugehören fonne: bie mehr
als fünffache SBaffermenge unb bie tiefere 9lioea«lage im Ser»
gleiche ju bet beS Sil bei ©onboforo [teilte jeneS ©rgebniß für
ihn als fichet feft. @ro§ waten bie Semühungen ßameton’S,
Soote gut ^)inabfahrt auf bem großen ©trome gu erhalten,
aber leibet burchauS nergeblidh: bie fo begreifliche ©cheu, bem
Bremben gu helfen unb bie Ülngft oot ben, wie eS h<e&, wilben
unb friegerifchen Anwohnern beS BlufeunterloufeS liefen Sfaugwe'S
Sewohner bie hohen ?)teife, bie (Sameron bot, auSfchlagen.
SJie gioingftone mu§te auch er auf ben geliebten ^lan oet»
gichten.
©0 wollte er, oon Sjangwe am 27. 9luguft fübwärts ab«
biegenb, ben im SBeften gelegenen räthfelhaften ©ee ©anfona
befuchen; bcnn eben in biefem ©ee foHe fich — fo fagte man
(Samcron — bet gualaba ergieheu unb bis gu ihm fdmen
4)änblet, mit Seintleibern angethan, in großen ©egelbooten,
um Palmöl unb in Beberfielen oerhadten ©taub, wohl ®olb«
ftaub, eingiihanbeln. SBieberholte iäbweifung aber unb ber Ser«
gicht auf gewaltfameS Erreichen feineS SieleS liefen ßameton
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itnineT weiter ffib° unb fäbwefhrärtS gelangen bur<^ bad liebtet
Uma, unb ald et a\xd) im @ebiet beg Königs i^afongo von
©nbe Oftober 1874 bifl @nbe J^ebrnar 1875 verweilt, o^ne ijier
iu eneidjen, bafe er ncrbweftwärW jum 'Sanlorraiee unb von
oa 3um 8uaIoba»Äongo reifen bürfe, leiftete Gameton enbli(ft
bcfinitiv auf biefen ganjen ^lan 93er3icbt. @r ^atte, bij ber
auf fRaubjitgen abwefenbe ÄSnig 3urü(fle^rte, tro^ SBerfagung
ber *®rlaubni§ burc^ bie Königin, ben Heineren nörblicben, mit
Pfahlbauten befe^ten, ÖRohrpa« unb ben größeren fübli^en
ifaffali«0ee befucbt. 3)ann hatte et ben Äönig vermocht, ba|
et mit beffen @hie§ge|ellen 3(lve3, einem un3uver (affigen unb
lügenhaften ))crtugiefif(hen 91eger, unb feiner halb .^anbelfls
halb @!lavenraub»jfarawane weitet weftwärtb reifen bürfe.
ijangfam nur ging’6 voran; benn immer unb immer wieber gab
e0 Aufenthalt, bi0 in ben 3uni währenb, unb auch bann wollte
ber Platj^ nicht recht in @ang lommen, je^t burch eine un>
ge5ählte ÜRenge von SöJafferlöufen aufgehalten. @chon war bet
Ütcvember hetbeigefommen, unb nodj betrug bie Gntfernung von
ber ^üfte 126 geogt. 5Reilen; aber bie 3Reht3ahl ber ?eute war
faum meht matfehfähig. 0o eilte benn Gameron, faft ohne
jegliches @epäcf, mit fünfen feiner i^eute unb einigen 3uge30genen
voraus unb trat ben ©auetlauf nach ääeften an, bet enblich,
enblich nach bet portugiefifchen 0tabt Oenguella, an bie j^üfte
beS atlantifchen OceanS unb gu Gurohäern führte. Bum @lücf
war bei Gameron erft in ben lebten Jagen bet @Iorbut in
heftigfter SBeife auSgebrochen , wo ihm jeht öt3tlidhe ^)ülfe 3U
Jh«l wetben fonnte; wenige Jage guvor, unb fein 8eben wöre
unrettbar verloren gewefen.
00 war bie gto§e (Durchquerung vollführt. 91ach ^oanba
übergefahren, rüftete noch Gameron ein 0chiff auS, auf welchem
er feine üeute Anfang gebruat ringS um baS Äap nach Ban3ibat
rücfbefctbem lieh; Gameron felbft fam am 2. April 1876 wieber
XIX. 433. 434. 5 (63)
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in @nglanb an -- ni(^t »eniger alö 31^ Sa^re ^atte feine 3ieiie
gewährt.
(Sameron ^atte, nie bie Dorangegangene @rjäl}lung eifennen
läfet, eine 9ieil)e wichtiger @rgebniffe »on feiner fReife ^eim*
gebracht — aber bo<^ war no(^ Siele« unflar geblieben. Sor
9nem mar fa bie .^ongofrage noc^ nic^t gelöft; benn Sameron
nermutl^ete im Sualaba „einen ber ;^au^tguflüffe be« ^ougo",
obmotjl er bie ÜRöglic^feit gugab, ba^ jener gro|e Strom felbft
ber Äcngo fei. ferner ^attc er jnar oiete Slufflärungen über
ben Stanganjifa gegeben, aber feine entfc^eibenbe Subfunft über
feine Sufiüffe a*” Sübufer unb feine über bie Suge^örigfeit be«
^ufuga ju bemfelben. Unb gar ber Uferene! 3^n ^otte 6ameron
gar nit^t berührt, unb tro^ Spefe’8 (Reife mar eS ^öc^ft unflar
unb viel umritten, ob biefer See mirflic^ ein einjiger fei unb
eine gldb^e »on über 1800 jQuabratmeilcn bebecfe, b. eine
glädje, etmo fo gro§, mie ba« @ebiet ber brei fübbeutfc^en
Stoaten, ober ob er, mie bie ©rfunbigungen fiioingftone’« ju
ergeben fc^ienen, au8 fünf Seen befte^e, ober ob er nic^t gar
auf unferen harten ju »erfd^minbeu l^abe unb ^öc^ften« einer
ber »ielen „Sinfengräben* fei, mie fie Spefc unb @rant fo
gablreic^ in jenen @egenben gefunben Ratten.
fragen gab c8 aljo nod^ genug, bie %er Slntrcort darrten;
ber biefe gab, mar 9Ä. Stanley.
3«n Slpril 1874 mar biefer Unermüblicbe auf ber 9lü(freijc
auö bem Slfc^antifriege nad^ (Snglanb begriffen, al8 i^n bie
(Rac^ric^t erreichte, ba§ 8i»ingftone tobt fei unb ba^ fid^ feine
£ei(^e auf bem 3Bege na(^ @nglanb beftnbe. 9Bie mu§te gerabe
Stanlep biefe (Rad^ric^t erfc^üttem! Sor jmei 3a^ren l^atte er
ibn »erlaffen, frifc^ geftorft, neuen 3Rut^eß unb »oH fieserer
.poffnung, baö SBerf je^t ju »oHenben, bem er fein geben ge=
mibmet. Unb nun ^atte er feinen ^ob gefunben am Saume
jener buntein 3iegionen, bie er gu erforf(^en roünfe^te!
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9la(ö Ueberwinbunä beö elften fd^tnerjüd^en ©inbtudfe«
ftonb in ©tanlep ber @nti(blu§ feft, gioingftone’ö SBetf ju »er*
Bollftfinbigen. 9to(^ begleitete er bie trbi|(^en SRcfte feinefl
^reunbc« in bet SBeftminftcroblei gut lebten Stu^eftötte, no(b
Bfllenbete er, wie er Berfpto^en, bafl Suc^ über „^maffi unb
8Jtagba(a", in fieberljafter ©pnnnung bo8 ©elübbe gu löfen,
bo8 et fi(b gegenüber get^an; aber ÜJlitte 3luguft 1874 trug
ibn t<^on baö @(^iff weg non ©nglanb’S Äüfte, unb 28 SJtonate,
nacübem er nac^ feiner erften Steife Sangibar uetlaffen, war et
f(^on wiebet auf biefer 3nfel angefommen (21. ©eptember 1874),
Bon welcher auögehenb er @ro§e8 gn unternehmen gebuchte.
S)em großen 3wecf entfprechenb waten gro^e SJtittel in 33ereit»
fchaft gefegt. 3®ei Sfitungen nereint woren e8 je^t, bie ©tanlep
hinauSfdhicften, ber englifche ^ailp Telegraph unb ber ame*
rifanifche 9lew=5Jorf .^eralb, unb wie ein ^ürft ift ihr Seauf«
tragter gereift, wie ein gürft geehrt feilte er h«»u*ehren. 91ber
nach ujclch langer unb oft fchrecflicher SJtühfal!
Stafcher al8 gewöhuli^ waren bie nöthigen, faft gahllofen
3Sc?rbereitungen getroffen. Sticht weniger al8 8165 Äilo, alfo
übet 163 3entner SäJaaren ber Berfchicbenften 9ltt waren gefauft
unb in ©ingelpadEc non je 27 kg nertheilt, bie brei englifd^en
Begleiter waren bereit, 270 fraget, 36 fronen unb 10 Änaben,
iowie non früheren ©jepebitionen her erprobte ÜJlänner al8 bie
nöthigen Rührer waren auf gwei 3ahre angeworben unb foOten
auher Seföftigung gwifchen 2 unb 10 IDoHarfl monatlich erhalten,
ber Biermonatliche ißorfchuh unb ^oftgelbentfchäbigung war mit
etwa 26 230 SJtarf begahlt — am 17. Stooember 1874 that bie
356 ^etfonen ftarfe Karawane ihren erften ©chritt bem Snnern
gu. 35ie ÜJtarfchlinie war mit bet befannteren St oute parallel,
boch etwa 50 km Hörbücher unb führte guerft burch ^jügelgebiet,
weiter burd) großartige ganbfehaften; halb nahm ein fünftel
bet Jräger IReißauö, bie Stegen* unb .^ungergeit trat ein unb
5* (67)
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mit etelfad^e nnb t^eilueid f(i^were jbcanf^eit, au(^ bet Sob
cinefi bet brei engli|d^en {RetfegefS^rten. ©egen ©nbe beö So^teä
mar Ugogo etret(^t, ein butc^ 9icituT unb S3emo^nei rau^ed nnb
nnfteunblicbed 8anb, unb bi^t bog bet ^atfcb noTbicättd ab,
bem Utereme ju, burcb milbe, pfablofe i^anbfdbaften, gegen beten
ftteitjücbtige SSemobnet bet 2)ut(bgang but(b BoCe Ätiegfübtung
ergmungen metben mugte. ^tet freugte Stanlep audb eine 9teibe
»on ©ä(ben, bie gu einem Sluffe oereinigt, in ben Uferewe ibt
SBoffet ergie|en, unb fo überjcbritt unb fartitte er bie fübli(bften
Quellen be8 9iil0. ©nblidb war mit ©nbe ?^ebtuat 1875 bie
etfebnte Äüftc beö Uferewe|ee8 erteidbt. ©rß&e, ©ejtalt, 3u*
unb Sibflüne biejeS @ee8 gu etfor|(ben, war eines bet ^>aupt»
giele bet IReife, unb auf feine 9tt fonnte bieS bequemer unb
gugleicb ooQftänbiget erreicbt werben, al8 butdb Umfabtt tingS
um ben @ee. 3n wenigen !£agen war audb baS bi<>^3u nötbige
®(biff bcrgeridbtet, 12 m lang, 1,83 m breit unb 76 cm tief.
3n ©nglanb au8 fpani|<bem ©ebembolge nerfertigt, war eS in
adjt je eine Sragloft gebenbe ©tüde gerlegt, bi8 bietb«i^ getragen
worben unb würbe nun bin am ©eegeftabe gufammengefügt.
3ebn auSgewäbiie B^t^bige, ein ©teuermann unb ©tanlep gingen
am 8. 5Rotg oftwärtS unter ©egel, bie Uebtigen blieben unter
bet Dbbut bet beiben SBei§en am ©übufet gurüd, »ertrauenb
auf baS SBoblwqDen beS QrtSfürften ^abuma, eines echten
centralafrifanifd^en Be^bruberS.
®a8 ©lüd lieb gleich am erften Sage einen gfibret finben
nnb unter feiner Leitung fuhr bie fleine ©chaar oftwärtS, er»
funbete ben ©pefegolf unb ben in ihn münbenben ^lub ©chimiju,
bet wohl gegen 70 geogr. SDieilen long ift unb fo, als am
weiteften nach ©üben teichenber 3uflub beS SRilS, le^teren auf
eine gänge »on 912 geogr, OJleilen bringt unb ihn hi«i^i>ufch
gum gweitlängften ©trome ber SBelt macht. Seht Sage ©egelnS
unb IRubernS führten gur Qft= unb weitere gehn bntch ©türm
C68)
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ober $einbf(^aft bet Uferbewo^ner unangenehme Slage führten
juc fßorbfüfte, an welcher entlang fahrenb @tanle^ balb jum
fog. 9tof)o(eonIanaI nnb erftmald ju ben Süponfällen bed Uferewe«
auöfluffeS, beJ 9M18, futj batauf in ba8, wohl über 4000 geogr.
IDuabratmetlen gto^e lebtet von Uganba tarn, in beffen ^au^t«
ftabt unb bei beffen Äönig SJlteja 13j- tHahit« früher (Spefe fo
lange ©aftfreunbfchaft genoffen hatte.
^reunblich warb auch Stanley aufgenommen (Anfang 9f)rü
1875). ^atte @pefe ben Äonig al8 Änaben gcfehen unb ihn
al8 launifchen, halSftarrigen unb blutgierigen 0e8poten fennen
gelernt unb gefcbilbevt, fo fah ihn jcht ©tanlep al8 ruhigen,
gefegten, l)öchft intelligenten unb ma^toollen dürften, bec felbft
auf religiöfe ©efprüche einjugehcn liebte. 3wei SBochen blieb
je^t 0tanlep in Uganba unb hatte hicc ba8 gro|e IBergnügen,
ein ÜJlitglieb bcr vom 9lil her fübwärtS gefommeuen ©ypebition
bed ägpptifchen @ubangouverneur8 ®orbon ^afcha gu treffen,
ben ^angofen 8inant be SeQefonbS, ben bann vier fStonate
fpäter bei ber IRücfrcife ber Sob burch ^einbedhanb ereilte.
^JJlitte ülpril fe^te @tanlep auf feinem Soote bie Umfahrt
um ben @ee fort, bem Äonig ncrfprecbenb, binnen ÜJJonatöfrift
mit allen ben Seinen unb mit ®efchenfen gurücfgufehren , unb
gwar auf Schiffen, bie ihm ber ^önig gu fteUen unb fe^t
gleich mitgugeben verhieb. @8 waren aber bofe S^age, benen
Stanlep entgegenfuhr. Wan hatte am norbweftlichen @de be8
See8 ben fog. Sllejranbra • 9lil mit frdftiger Strömung in ben
Sec einmünbenb gefunben unb Stanle» erfannte in ihm ben
ftärfften 3uflub gum lehteren. Slber non jenen vetfprochenen
3)ooten war nur ein Slhcit geliefert worben unb au^ biefe ent«
wichen balb, unb wenn auch ^te 8anbfchaften am Sßeftufer gu
ben f^önften gehörten, bie ba8 Sluge gu erblicfen vermag, fo
geigten fidj bie Sewohner ni^t im gleichen günftigen 8ichte
3umal bei benen ber großen Snfel Surabireh glaubte Stanlep
(»)
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{<^on [eine le^te @tunbe gefommen; nur eine raf^e auf
ben Sooten unb bet Qjebraudj bet Seuetmaffen mad^te {Rettung
mbglid}, »ie eb fd^ien, nut, um in ben näc^ftfolgenben Sagen
vor Jpunger fterben ju muffen. @nblt(^, nac^ 57 tägiger 9Ib>
mefen^eit ncn bem am ©übenbe beb @eeb enidbteten Saget,
roat biefeb wieber enei^t, erteilt na(^ einet 1600 km langen
Seefahrt — unb @tanlep Sansibar bib fe^t me^r alb
ein ^Drittel feineb ^ötpergemicbteb eingebü^t. Unb traurige
Sotf(^aft fam i^m entgegen: bet jtveite bet englifcben unb fedjb
bet übrigen 93egleitei maten unterbe^ ^ranfbeiten erlegen, unb
@tanlep felbft mieberbolt ^ieberanfäQe gu beftebeu.
Unb bie SBeiteneife? 2)et Sanbmeg im SBeften war allen
{Racbricbten infolge butcbaub ungangbar wegen aUgeiueiner hit>
gerifdbet Serwicfclungen, bie gabrt über ben @ee ftbien uu»
möglich aub {JRangel an äSooten — unb bocb woQte 0tanlep
fein Sßort halten unb auch ben norbweftwärtb gelegenen rätbfeU
haften flRwutan ober {Slbert^^Rjanja befucben! @o oerfcbaffte et
fi(b benn bocb i^^nig einer bena^barten Snfel leibweife
26 3)oote, unb alb et auf biefen feine 150 ^erfonen unb bie
nötbigen SBorrätbe eingefcbifft batte, ging eb am 19. 3uni weft»
unb norbweftwärtb, wieberum unb fc^t auf entgegengefr^tem
©ege Uganba ju. SRebifa^eb 5Ri§gef(bicf bereitete SSergögcrung,
machte fogar eine {RucFfabrt gum früheren Saget notbwenbig,
unb eb f^ien bab hiegerifcbe IJolf oon ber 3nfcl 33umbireb
auch je^t wieber fcbwere {Roth bereiten gu woQen.
2)a, gu rechter Seit tarn Jpülfe oom Äönig {öltefa gefchicft,
fo ba§ ie^t Stanlep übet eine Streitmacht oon 470 3Rann ver-
fügte; erft nach hartem Kampfe oermochte er mit feinen nun
38 Schiffen unb 685 3>erfonen ungeftört weitergufabren. 6t
legte in 5)umo, nicht weit oom {Rotbenbe ber ©eftfüfte, ein
befeftigteb Säger an, lieh in biefem ben gtöheten Sheil feiner
Begleitung gurüd, unb weitetfabrenb traf er bann am 22. 3(uguft
CTO)
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71
ÜJlteivi uiebet, unb jioat bei ben 9iil>onfä[len , aber auf bem
Ätiegöpfabe mit feinen roo^l 150 000 Ätiegern unb gegen
100000 9iic^lfömpfenben, babei 325 ©d^iffe mit übet 8000 fUiann
SBefa^ung. 'jlld nach gmet fIJiouaten bei .^rieg gegen bie 9lac^>
batn fein ®nbe erreicht, burfte .©tanlep an bie f^ortfe^ung feinet
9ieife benfen, b. gunäd^ft an bie @tfotfcbung beS Sanbeö
jroifi^en bem Ufereroe unb bem weftlicher liegenben fDirouton.
(Siner bet .päuptUnge mutbe beauftragt, Die Begleitung ju über»
nehmen, ©tanlen fehrte gunäcbft bootfahtenb ju bem Saget
feinet Begleitmannfchaften jurüd unb jog mit biefen norbmeft»
wärtö in baa Sanb Unjoto, mo bie Bereinigung mit bem lanb«
matte getommenen Häuptling ftatthatte. 2>ie Öltmee — benn
fo burfte bie Begleitung je^t mol)l bei&en — bcftanb aue
2290 Äriegern ober, megen bet mitjiehenben Seiber unb Äinber,
aue nahezu 2800 ©eelen, geigte ftd) aber ale menig nu^bringenb;
benn ale man auf bem .fpochlanbe bie auf 1^ km ju bem mohl
450 m tiefer liegenben 3Jimutanfee uotgebrungen mat (11. Snnuot
1876), befiel ^anif bie Sltmee unb eb erfolgte fRuctjug unb
ihre 2luflöfung.
©tanlei) aber jog je^t (@nbe «ebruat) im Seften beb
Ufereroe fübroärtb, Sauf unb Bebeutung beb Äageta, feineb meft»
liehen ^laupt^ufluffeb, ju erforfdhen: eb geigte fich, bafe berfelbe,
feeattig ftch nerbieiternb, aub einem anbetn ©ee, bem Sleitanbta»
Bjanga, h«fommt. 31m 7. 3lptU fagte ©tanlep ben Sänbetn
Sebemohl, melchc ben 9lil mit Saffet cerfehen, um fieh in
meitem, füboftmättb aubgebuehteten Bogen bem Xanganjifa gugu»
menben. Untermegb traf er mit bem, im gangen ©üben beb
Ufereroe unb roeitethin gefürdhteten ,J)äui)tling fUiirumbo ju»
fammen, bet fi<h im Betlauf beb oorangegangenen Sflhifünf*«*
auf einem gebiete, h<*lb fo gro§ rote ^Deutfchlanb, einen bei
(ringebotenen unb atabifthen .^änblein 3lngft etroedenben 9iamen
gemacht unb fidh in bet gangen Dfthälfte beb äquatorialen
(ti)
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Slfrifa einen ebenfo weit uerbreitetcn 5Ruf wie ÜJlteja non Uganba
erworben Ijat. 3Rit biefem 9ia^oleon Snnetafrifa’e Stanlep
$lutdbrüber)(baft unb erreichte bann ungefä^rbet Ubfcbtbf(^t am
jfanganjifa (27. 9Kai 1876).
S)a er ^ier »on oerfd^iebenen erfahrenen 9)iännern bireften
SBiberfptu^ hörte gegen ®ameron’8 früher (®. 64) erwöhnte
SKeinung, ba§ ber @ee etwa in ber ÜJUtte feines 3Be|iufer8
einen iSuSfluh, ben iiufuga, h^ibe, unb weil brei größere 2:heile
feiner Uferftrede nodh unerforfcht geblieben waren, fo entfchlie^t
fich @tanlep, ben gangen @ee gu umfahren: baS gerlegbare Soot
wirb hergeridhtet , ein gweiteS gemiethet unb am 11. 3uni be^^
ginnt bie $ahrt an ber Dftfüfte fübwärtS, in 0egleitung von
40 Gefährten, ^itte 3uli werben voQe fechS Sage bem liufuga^
fluffe gewibmet: ba8 @rgebnih war, ba§ biefer bei weiterem
Steigen beS @eeS in ber Shat ein SluSfluh werben wirb.*)
9ia(h 51 tägiger Wahrt wirb Ubfchibfchi wieber erreicht unb ein
genauer $Ian ber 233 geogr. Sßeilen langen ^üftenlinie ift auf«
genommen.
9lun fonte eö in ben minber befannten SBeften gehen —
bie aingft machte fofort 43 ber 170 Begleiter au8rei§en. aber
gleichwohl gog Stanlep weftwärtS unb war nach 43 tägigem
3Rarfchc am großen Sualabaftrome, brei Sagemärfche oorfRjangwe,
angefommen, bei biefer am weiteften nach SBeften oorgefchobenen
Station ber arabifchen ^änbler auS Sangibar. .i^iei erfuhr
Stanlep, waS ich vorhin ergählte, bah @ameron aud Sfiangel
an (^noeS unb wegen ber Wrtnbfeligfeit ber SBilben ben Strom
nicht habe hinabfahren Tonnen unb vor bem gleichen S^idfal
wie Sivingftone fich beugte. IDie auch Stanlep entgegentretenben
Schwierigfeiten fchienen ihn nur um fo ftärfer gu machen —
er wollte feinen i)lan voUführen unb er h^l i^n voHführt.
Dutd> grohe aSerfprechungeu lieh fich ber arabifche .^änblet
SippU'Sib gewinnen, mit feinen 400 S3egleitein auf eine Strede
(7»)
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Bon 60 Sägern tnitguicifen. 9{un ging eS Dom 5. 92oDembet
ab DormärtS, junäd)ft in fc^recflid^en Urmalbmärfc^en burc^
SBunber bei Vegetation, bann in getrennten %upt)en, ein S^eil
ben Blufe ^inab unb immer »ieber mit ben anberen fid) Der«
einigenb, babei mel)tfa(i^ in heftigem j^am^fe mit ben Snmo^nern,
bis 9Bei^nad)ten, mo S)it>t>U‘:£ib auf anberem SBege nad^ fRjangme
gurücffe^rte.
3e^t mar alfo (Stanley mit feinen 148 Begleitern gang
auf eigene Äraft angemiefen, bie 62 @e»e^re, bie er befo§,
fteDten feine le^te Sufluc^t bar. 2luf 25 meift ))aatweiS gufammen«
gefopt’elten Booten, Don meicben 23 in ben Kämpfen ber lebten
SBocben erbeutet worben, waren am 28. December bie ffibnen
Sleifenben unb ihre brei IReitefel untergebracbt, unb e§ ging nun
„binaue in bie unbetannte Seit", ungewiß, ob ber ^ongo ober
bet fJliger ober ber 9U1 fie bem Seitmeere jufübten werbe.
3wei 2)inge würben halb flar: ba^ biefe @egenb ungemein bi<bt
beDolfert — tonnte bocb ©tanlep gleich am erften Sage auf
einmal oietjebn getrennte Dörfer 3dblen! — unb ba§ biefe
BcDölfetung feinblicb gefinnt, tbeilweife fogat fannibalif^ fei.
Unter faft täglicben J^ämpfen mit Sanbtruppen unb ganzen
BlotiDen, babei hinter ben erbeuteten unb aufgefteQten ©cbilben
ficb becfenb unb bie gebliebenen 43 (Gewehre benü^enb, faben
fie ben 3anuat 1877 Dergeben; mit feinem @nbe war auch bet
Slequator erreicht unb bie böfe ©trecfe bet fieben ©tanlepfäUe
übetwunben: bie Skiffe waren an jebem berfelben auS bem
Saffer gezogen unb auf ^uDor gehauenen Segen, im gangen
13 engl. OJieilen weit, unb unter bem Schule regeltest an«
gelegter Berfchangungen übet Saub gef^leift worben in ben je^t
fcho« faft 2 km, halb fogar 6 bi0 11 km breiten ©trom. 3mmer
war biefer norb« unb nur norbwdrtg gefloffen; enblich mit
Anfang Bei’i^uar wanbte er ficb, wieber fchmaler wetbenb, weft«
unb halb fogar fübweftlich, unb am 18. Bebruar war ber IScquator
(7S;
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iciebn erreicht, nad)bem man 8 OJtinuten meniger als 2 @rabe
übet benjelben ^inaudgetommen mar. Slbet bet fetnbltc^e Snfturm
bet SBtlben ^ötte ni(^t auf; am 9. ÜJlärj etft »at bet te^te,
ber 32. Äarapf 3u hefteten. 3110 ob fibb bie 3^atur nun t^tet«
feitb an ben Sielgeptüften oetfuc^en moQe, jo geigte fi(!^ Sag
um Sag ein für bie 23oote ^ocbft gefä()rU(^cr @turm auö ©üb»
meft. Slbet glücflic^ marb halb bie jeeartige, etioa 80 qkm
bettagenbe @tweitcrung be0 Slufje0 erreicht, bie feitbem al0
„Stanlep*^fu^l" befannt ift, nach beten 2)ut(bfa^rt bann bet
Jfampf mit bem gu einem tiefigen @ie§bad^ geworbenen, wie
Don einem Drfan gepeitic^teu Sttom wieber beginnen füllte;
benn biefer ftütgt fi^-oon ^iet an btaufenb burcb ben tiefen
gä^nenben ©d)Iunb ^inab, ber wie ein tanger @ngpa§ von bem
breiten bo^en Safellanbe na(b bem atlantifcben Ocean binab»
führt. fReun 9Jlann gingen an einem Sag in ben ÄaliilufäHen
oerloren, unb am 2. 3lptil war bie fleine glotte bereit0 auf
13 ^abrgeuge rebucirt, unb no(b gingen weitere brei »erlcten.
IDabei welche unenblicbe Arbeit unb wie langfame0 IBorfcbreiteu --
nur 55 km in 37 Sagen! 9Witte 9Rai würben brei ©inbaum«
fcbiffe im Urwalb gebaut unb bie übrigen an fteilem 3lbbang
400 m bo(b hinauf, oben über eine SBegftrccfe oon 5 km ^änge
unb wieber 400 m gum ©trome hinab gefchleppt. Unglü(f0fdtle,
Äranfheit, .punget, SJieuterci unb immer neue SSJafferfätle unb
©trcmfchnelleu, bet Sob be0 lebten weiten 33egleitcv6 — wahr»
haftig @lenb genug im 3uni 1877. 3m 3uli fteigerte fich ber
9Rangel nm fRothwenbigften, unb al0 mit @nbe be0 3RL'nat0
bie 3fangilafälle erreicht waren, warb ber ganbweg eingefchlagen:
feit bet üaufanbetung weftwärt0 wu|te ja ©taulep, bafe eä ber
Äongo fei, ben er befahren, unb ba| bie portugiefifche ©tabt-
Söomma nicht mehr weit fein fönne. 33oten würben üorau0gcfanbt,
um .£)ilfe gu hoien für bie bem Jpungertob Sflahen, unb fie
brauten fie im ISugcnblide bet atlerhöchften 9ioth. Söenige
(7<)
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Sage noc^ unb Somtna tvot geisonnen (9. Suguft) unb mau
begegnete ben erften SBei^en. 6in !Dompfet brachte bie bem
i'eben BuTÜcfgegebenen nac^ bet pottugieftjd)en Stabt 8oanba,
»0 nom 21. Sluguft biö 3um 27. September geraftet »utbe.
^iet traf Stanlep mit ben portugiepfc^en Sotfdjern Serpa
?>into, ßapcElo unb 3»enö 3u|ammen, oon roelien bet etfteie,
isie mir gleich na^^et nocfe ^örcn inetbeu, iSfrifa son SBcft
na<^ £>ft buri^manbein joUte.
Stanlep aber — ^atte Semanb meijr SRed^t ald er, an bie
^eimfa^rt gu benfen? Unb boc^, an pd; felbp badete er jule^t;
ber Suponb feiner farbigen Segleiler war bevartig, bap er
biefelben unmöglicb oerlaPen fonnte. @r machte alfo bie Steife
no(^ ber Äapftabt mit unb geleitete pe fogar nac^ 3a»iibar,
wo 6nbe Stosember 1877, aljo nac^ einet iäbwefen^eit son
etwas über brei Jahren, bie ©rpebition i^ren äuSgangSpunft
wiebet erreichte. 114 i^rer ültitglieber teerten fteilid^ nicht mcl)t
gurücf, pe hflUfn ?eben gelaffen im fernen SBeften. ÄUe,
bie fRüdgefehrten unb bie 23erwanbten ber ©eftorbenen, würben
nun bem ä>erfpred)en gemäp abgelohnt, unb nacp fünf Sagen
war c}ud) biefeö ©efdjöft erlebigt: bie angto * ametifanifcbe
tfjcpebition aufgehört gu fein. 9toch galt'S ben ^bfcpieb
non ben treuen Schwargcn, inöbefonbere non benen, welche fegt
als Slnfnhrer gebient, bie not feepS Sahven Beugen bet #'^reube
gewefen, welcpe üiningftone beim Ulnblicfe Staulep’S empfanb,
bie 2iningftone bei feiner lepten nethängnipoollen Steife begleitet
unb bie ben berühmten Sobten auS bem inneren 'jlftifa’S nad)
bem inbifchen Dcean getragen hoUen- SBehmutb im Jperjen
reipe Stanlep h«“’i freubigen StolgeS, bie brei
gropen ?)tobleme ber ©eographie beS bunfeln ©rbtheileS gelöft
gu hot>en.
©nglanb, Sranfreiep, SDeutfcplanb unb je^t auch
33ereinigten Staaten hatten fiep um bie SBette faft betheiligt an
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ber Suffiätutig bcS bunfeln @ibt^eilS. butfte auffallen,
ba| in bet JRel^c bet (Sntbecfet bie ^ottugicfen fehlten, ffe,
welche ftd) boc^ feit ^a^t^unberten im Sefl^e beS gtö§ten
2.^eiled bet Dft» fomo^l mie SBeftfüfte beS äquatorialen <3üb«
afrifa befinben unb auS benen Dot 3a^tl)unbetten fd^on fo fü^ne
^fabfinbet ^erotgegangeu waten. @tft gegen @nbc bet 70er
3a^rc, angeftac^elt burc^ bie @rfoIge con 8ioing[tone, @ameton,
©tanlep, ^aupt|äd)li(^i aber but^ bie non »etfd^iebenen ©eiten
befonbere oon ©amercn ber portugififc^en JRegietung gemad^ten
SSorwütfe, ba§ fte bie ©tfotf^ung t^tet eigenen Sefl^ungen
gtemben übetlaffe, me^t nod), bafe fic in i^rem ©ebiete baS
fc^mat^ootle Treiben ber ©flanen^änbler uic^t unterbnirfe, erft
je^t erwachte and) in ^^ortugal ber S^rgeij, an bera SEBettftreitc
in bet ©tfc^llefeung Snnctafrita’ö J^eil ju neljmen.
3lut Stntrag ber giffaboner geograp^ifd^en ©efellfd^aft warb
im 3ai)te 1877 oom portugiefif^en Staate bie Summe non
134 000c4( bewiQigt be^ufS Unterfuc^ung ber ^pbrograp^ifc^en
Regierungen gwtfcben bem Reefen beö Äongo unb bem be8
3ambefi, fowie für bie ©tfcrldTung bet gönber gwifcTcn ben
portugiefiftTen Kolonien an beiben Äüften Sübaftifa’8. fRae^
fpäteren Snftruftionen folltc me^t ©ewicTt auf bie Rermeffung
be£ .^ongonebenfluffeS Duangc gelegt werben, fowie auf baS
Stubiuni ber gänber, in welken bie gum atlantifcTen Dcean
ftrömenben Quanga unb Äunene, fowie bet füboftwärtö giefeenbe
Jfubango enttptiugen, unb wenn mögli^ audT auf eine forgfältige
Reftimmung M jfunenelaufeS. !0tan ftert: ein flareS Programm
war riennit feineäwegö gegeben.
3u Seitern biefet Staatflerpebition, benen aucT bie Reftim»
mung bed '^uSgangSpunfteS Aberlaffen werben foQte, würben
bie Sieutenantö Rtito6apello unb fRoberto 3oenä fowie bet
ffRajot ISleranbet ba fRocTa Serpa ^into ernannt. iDet leptere
(geb.1846) ^atte fiep 1869 im Sambefigebiet au einem militärifdTen
(7«)
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Buge bet^eiligt unb babei jenen ^lug biS in bie 9tä^e bet
SSiftoriafäDe verfolgt, ^atte bann an ben @cbire unb 9tjaffa
einen BagbauäfLug gemaibt unb noch bie Komoren unb @e9(be0en
beju(bt.
Son 8iffabon aud (7. 3uli) am 6. SÄuguft 1877 in 2oanba an»
gelommen, ftie^ 0etf>a f)into fofort auf ein faft unüberwinblicbed
^)emmni&, bafl aud) »eiterbin auf bet gau3en SReife fur^tbare
0dbU)ierigTeiten machen foQte, auf bie Unmöglicbfeit nämlich,
Präger ju ethalten. IBierhunbert Sraglaften foDten inS innere
mitgenommen werben — unb felbft bet ©ounemeur bet fhovinj
erflärte fich fofort au|er Stanbe Präger ju bef^affen! @o fuhr
^into norbwdtte, an bie Äongomunbung, ob fich bort t>ülfe fänbe.
$aft an bemfelben Sage war auch ®tanlep von feinet gewaltigen
itongoreife angefommen, unb eben bur^ biefe war au^, wie
Serpa ^Mnto beim Bufammentreffen mit ihm erfuhr, ein Sh«Ü
ber ben ^ortugiefen geftecften Aufgabe gelöft. ©tanlep felbft
woDte feine 3)egleitungSmannf(haft bagu bewegen, mit ben
^ortugiefen ju Ifanbe bie 9iücfreife an bie Dftfüfte ju machen,
aber, wie nach bem vorhin @rjählten leicht ju begreifen,
vergeblich! ©erpa^into brachte alfo fich unb ©tanlep unb beffen
114 Begleiter nach Uoanba jurücf, unb ba bie 53erhältniffe pch
hier unterbe§ nicht gebeffert, bet auf ben fRorben bejügliche
Sh«l bet Slufgabc au^ burdh ©tanlep gelöft war, fo befchloffen
0erpa ?)into unb (SapeUo, fowie ber Ülnfang September erft
nachgefommene 3ven8, in bem faft 4‘‘ füblicheren 33engueüa
fiaftfträger anjuwerben unb bann von bet noch faft weitere
5® fübli^er gelegenen füRünbung beb älunene au8 biefen auf»
warte bib jut äDuefle 3U verfolgen, um barauf in füböftlicher
0flichtung vor3ubringen.
ÜRan ging nach Senguetlo (7. Septbr.) — aber auch hier
waren feine Sräger 3U befommen: bab Äuneneprojeft warb auf»
gegeben. fRach wochenlangen Bemühungen waren enblich mit
(H)
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änfanfl 9icDembet bo(^ gese« 70 Kläger unb baju 14 fretmiDige
Solbaten gewonnen. ÜKit tiefen würbe, um nid^t nod} monate«
lang an bet Äüfte liegen bleiben, am 12. fJlonember auf»
gebrodjen, um in weit (üblichem Sogen nat^ bem etwa 8^ gange»
grabe lanbeinwärtß gelegenen Si^e 311 fommen, wä^renb ber
alte weitgercifte ^>finbler @iloa ^orto e8 übernahm, bie ,^auf)t*
mnffe bcö ©epärfeS bireft oftw&rtS nat^ Si^e ju ft^affen. 9Wau
gog alfo fnbwärte, junädjft nur jwei Sagemärfc^e weit; non ba
fonnte erft am 4. ©ecembcr nac^ @inftellung neuer Präger für
bie auSgeriffenen weiter marf^irt werben, unb eS übernahm
babei im wefentlii^en Snenö bie geograpbiffbeni @apeQo bie
meteorologif^en unb naturgcfdbi^tlidjen Arbeiten, wäbrenb @erf)a
^into ben JranSfjort gu überwaeben neuntägigem
füboftwärt8 geridbtetem üliarfcb bureb obeS ganb war bie fdblimme
Äüftenregion burdifebritten ; man flieg auf gu bet fd)on 900 m
hoben Serg« unb SBalbtegion unb raftete l)ier 14 Sage in einer
portugiefifeben fßiebetlaffung; mit 9teujabr 1878 würbe ber
fDlatfcb naib fRorboften eingefdblagen unb nach Ueberfebreitung
non gor nielen glfi^tben bet äufeerfte bortugiefifdie ?)often Äafonba
erreifbt unb bamit ba8 über 1500 m fidb erbebenbe centrale
j£)0(bplateau , weltbeS ben größten Sbeil beS Snnern »on tSfrifa
einnimmt. föapcHo blieb biw franf gurücf, 3nen8 unb ©erpa
"iJintD maebten aber getrennte SÄuSflüge gum Äuneneflu§
Januar); nach ber Sflücffebt fanb fid) bie gleiche fRotb wegen
ber gaftträger wie früher. @0 warb benn befdbloffen, ba§
©erpa ^into mit ben allein noch gebliebenen fed)8 Sengueüa»
Srägern noranmarfebiren, weiter oorwätts Sräger fu^en unb
biefe gutüdfd)icfen foOe. @8 gefcbal) (8. Bebr-)- unb ©erpa ?)into
war fiebevftanf um ein Srittel beS SBegeS non .^afonba bi8
Sibe norgebrungen, al8 Uju in einem Dorfe be8 .£)äuptling8
Äapolo Soten mit Sriefen non feinen ©efäbrten ßapello unb
3oen8 einbolten (16. gebt.): fic feien entfcbloffen, allein bie
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5Rcije fortjufe^en unb fie »ütben i^m oom ©eiamratgepäcf
40 Mafien gufi^tcfen. 9Ran [teile @erpa ^into’fl liebet»
tafi^ung, Sufregung unb «Sorgen ooi! S3i4 33i^e aDein ^atte et
gioan^ig Sage, »o täglid), ja [tünblid^ @igent^um unb !|^eben ge»
[ä^tbet war, wo bet oieletfa^rene SUoa^otto ftd) oft mit
beutefüci^tigen SBilben ^atte burtbld^Iageu müjjen. ®lei<^wol^l
gc^t cv »otan mit [einen wenigen Segleitern aufl SengueHa unb
40 Stößern; aber [ofort in bet er[ten 5Ro(^t entfliegen bie
leiteten. @r nimmt neue, in geringerer 3aljl “«b lö§t oon
[einem @eböcf einen Sbeil gurücf; unter unaufhörlichem [Regen
unb Sturm, fieberfranf, oon meuternben Schwargen begleitet
fommt er gum j^ubango, entlö§t jenfeitS [eine Seute, [ud^t neue,
unb über butchaue aufgeweichten 93oben marjchirenb, gefchwöcht
oon Ohnmächten unb ^ieberbelirien, angefchwoUene Bluffe mit
9ioth überf^reitenb, in einem berfelben nach jtentern beb J^ahneb
fnapb bem Sobe entrinnenb, fommt Serpa 'J)into enblich am
16. [Dlörg im 55orfe 33elmonte in S3ihe an, wo feine gwei früheren
©eföhrten, auf anberem SBege fommenb, feit 8 Sagen fchon
ongelangt finb. S3on biefen fi^ abioubernb überfteht er glücflich
eilte ©ehirnentgünbung; alfl et [ich erholt, mu§ et feine Sebütf»
niffe weientlich oerminbern; benn bie SSorröthe geljen gu @nbe
unb bie SBaaren, welche oon ä3enguella bireft fommen foQten,
finb noch nicht ba. (Sr fürchtet, fie möchten nicht fommen: et
lauft al[o alte ©ewehte ein unb reparirt pc, er fabrigirt Äugeln
aub alten 6ifenwaaten, et ethanbeit ©labpetlen. IDenn fein
©ntfchlufe fteht feft: er geht nicht gurücf, et will bireft gum
oberen 3awbefi, will oon ba eftwörtb marfchiten, wiQ bie linfen
[Rebeupüffe bib gum 3umbo aufnehmen unb über Sete nach
JtiQimane gut Dftfüfte gelangen, ©nblich fommen hoch bie
erjehnten SBaaren (©nbe aptil) — Siloa ^^orto h^tte eben
auch nicht fofort Stöger erhalten fönnen, erft ©nbe JDccember
waten 200 bet gemietheten Sailunboleute in Senguella ein»
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flctioffen unb bie übrigen 200 fogar etft 6nbe gebtuat. 0en>a
'})into »in nun, ba et bie etn>ünid)ten SJorrdt^e ^at, am
10. 9Rai aufbredjen; adein feine Jrdget finb bi8 auf 30 net»
fd^munben. fReue ©orge, neues anmerben: am 27. ÜJiat briit
er mit wenigen auf unb sie^t oftwdrtö.
3n beu gleiten Sagen etwa brechen auch @apeDo unb ^oenS
von Si^e auf unb girren notboftwdrte gum ^uanga ; e8 fei mir
erlaubt, rof(^ beten SBanberung ju ffiggiren. Ueberfc^wemmteS
@ebiet in längerem SRarfc^e bure^gie^enb fc^neiben fie @nbe
3uni ben guanbo, einen 9lebenflu^ be8 Äuanga, unb wenbeu
fid^ bem ^oberen ^anbe gu, in weldbem bet Duango, ^affat,
^uanbo unb Sfcbtfapa bi<bt bei einanber ihre Duellen
fie machen ficb um bie geftftellung biefer SBafferftbetbe gwif^en
bem ©Iromgebiete befl S^mbefi unb bem beS Äongc netbient
unb etfunben bie am iSnfang beS .^affai ft^enben ^ölferf^aften.
9lacbbem fie bann bem Duango eine Seit lang norbwdrts ge«
folgt, trennen fie fi^: ßapeflo gie^t öftlidb, 3ven8 weftlicb von
biefem ©ttome; nach Uebetwinbung unfdglidbet ©d^wierigTciten
unb auch von ihren Srdgern vetlaffen, finben fie ficb wiebet in
ber portugiefifcben dliebetlaffung Äaffange (Dftober), wo fie,
tbeilweife fronf, ba8 6nbe bet 9iegengeit erwarten. 6in 3?Dtfio§
norbwdrtS gum Duango unb ein gweiter von dRalange aus, bet
fie btei 53reitegrabc nötblicb führt, geben wichtige geogtcqjhif^e
’iluffchlüffe; ber fRüdtweg übet iHmbafa unb Donbo ben .^uanga
hinab führt fie wiebet nach ?oanba (5. Dftober 1879), non wo
fie Anfang 1880 nach ?iffabon gurüdfommen, ein .^albjaht
fpdter als ihr früherer ©efdhrte ©erpa flinto.
2Bit verliehen ben gelteren oftwärtS von S3ihe: Sag um Sag
hat et unter bet fchrecflichen Srägetfrage gu leiben. @r fommt
hier in ein ©ebict, baS — von bem ungebilbefen portiigiefifchen
Jpdnbler ©ilva ^orto (1852 — 53) abgefehm — noch nie von
einem ©utopder betreten war. (?r ift am 14. 3uni 1878 bis
tm
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jum Jl^uanja DOTgebrun^en ; ald bie ttieber^olt oerf^Tod^enen neuen
Srägei nid)t fommen, cert^eilt et 75 Saften untet bie corbanbenen
unb cetni(bnet fcbweten ^etjenö 61 $acfe feiner SBaaten.
So leichter, bod) aaä) atmet gemotben fteigt et auf gu 1600 m
.pöbe unb hält ficb foweit nörblicb, ba§ er bie DueQen bed
größten Sauibefinebenftuffed, beS ^uanbo nämlicb, auffudjen
fann (11. 3ult), fuiuie bie be^ ^ubangui. Unb nun fübmärtd
biefem leiteten, bann bem Jtucbibi entlang matfcbitenb über>
fcbreitet er biefen (4. Slug.) unb jiebt bi^i^uuf in 15« ©übbreite
etroa oftmärt«, bie et bei ftarf abnebmenben ajotrdtben, oon
©iblaflofigfeit, auch oon .punget gequält, fd}lie^li(b noch butcb
©üniffe matenb am 24. Sluguft an ben Sutnbeft gelangt. @t
bat fo ooUbracbt, maS bie erfabrenfteu {)änblet in Sibe al4
unauefübtbar erdärt butten.
@t fe^t über ben Sumbefi unb jiebt in Sialui ein, bet
nabegelegenen ^auptftabt bet 93atot[e — feine eigenen .^ulfe^^
mittel finb oöllig erfcböbft, allein bie Hoffnung bült ibn anfredbt,
bet .Völlig Soboffi metbe ibm @unft etmeifen unb meitet oetbelfen
(Setabc ein SSierteljabibunbett frübev (fDlitte IDccember 1853)
roat Sioingftone biet geroefen; aber wie batten fid) bie 23erbältniffe
geänbert! 2)amalö borrfcbten oon ibtet meitet fübli^ liegenben
.pauptftabt Sinpanti aud bie fmafololo, bie felbft ftübet vom
©üben bot eingebtungen maten, bem j^etne nach auö ^afutoe unb
S3etf(buanen beftebenb unb bie untenoorfenen ^ölferfcbaften mit
ficb amalgamitenb. Seftt »at ihre ^)ertf(boft babin — bie S3atotfe
batten ficb etboben, bie Üliafololo oernicbtet unb einen Ifönig
um ben anbern eingefe^t. Soboffi’ö Sltmee mar gegen einen
folcben trüberen Äönig im äfrieg; untet 33eibülfe meidet @lfen»
beinbänblet mar fie gefd)lagen morben, unb gerabe an bem Slage,
ba ©erpa ^into anfam, roar biefe fcfalimme 33olfd)aft gemelbet
morben, baju bie meitere, ba§ au<b ein anberet mächtiger .päut?t>
ling einen Singriff auf bie SBarotfe ootbeteite^r *■
XIX. 433. 434. A G ■ ■
(mirts VI ^
82
SBa8 foDte ba aud @et)>a |}into aeiben? Riebet auf ^tebei
Veinigt i^n; bie 8eute auS Si^e »oDen gurücf, et mn§ fie
entlaffen; bet j^önig argwöhnt einen Sufammen^ang unfered
fRHfenben mit fenen 3Bei§en, bie feinen ^einben geholfen unb
befiehlt (1. ©eptbt.) fofortigefi Serlaffen beS ganbeJ unb fchreibt
ihm ben 9Beg auf Sihe not; baS @ebot wirb gwat jurücf*
genommen, aber faum entgeht et einem ^otbanfihlag; e§ jeigt
fi(h 8enath bei feinen ihm gebliebenen 8euten; fein Saget wirb
9ta(htd überfallen (6 ©eptbr.) unb angejünbet unb nur burd)
9iittoglhcerinhaltige jhigeln, bie et aud ber „^üchfe be8 J^önigS* *)
jchieht, tann et bem SRotben @inhalt thun. ©(hleunigft gieht
«t feitab auf bie Serge mit feinen 58 Segleitetn — aber in bet
brittfolgcnben 9la(ht netlaffen ihn bie meiflen feinet 5Reget unb
nehmen faft alT fein ^ab' unb @ut mit: 3 ilRännet, 3 j^naben,
2 SBeiber bleiben ihm alg Begleitung, bagu 55, fage gange fünf«
unbfünfgig Patronen! i^bei et oergagtni^t: et finbet noch etwas
Suloet, unb Tätigt fidh auS biefem unb ben Sleiftücfen eines
^ifchneheS 235 weitete Patronen.
@t fchidt Boten an ben ^önig, nethanbelt auch felbft mit
ihm unb ethSlt, ba beffen 2(rgwohn gefchwunben, bie @tlaubni§
unb btei Boote, ben Sawbefi hinab gu fahren. @ern wäre et
oftwättS gegangen bis gum Soengwe unb wäre erft biefen hinab
bem Sambefi gu; allein bieS wirb »etweigert, weil bie Begleiter,
welche Sioingftone eben in jener Siichtung not fahren mit«
genommen unb gutüdgubiingen vetfptochen, nicht wiebet getommen
feien. 6r ergiebt fidh in fein ©chidfal, umfomeht, als er hott,
ba§ ein weiset flfliffionat non ©üben \)n, auS bet @egenb
f üblich ®on ben Biftoriafötlen Boten gefchicft h®he, um bie
©rlaubnife gum (Eintritt in baS Borotfelanb gu erlangen. 3«
biefem wiH er nun, unb ba et 60 SBanbettage bafür berechnet,
fo barf et fich täglich f«nf ©chüffe geftatten.
Slm 24. ©cptember werben bie btei Boote befliegen unb
halb geht eS an ^äQen norbei unb über eine fUlenge non ^lu§«
(»3)
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83
l^ttellen hinüber, mehrmals in {d^tedfUt^ei $a^rt, baliei flebet«
ftanf unb lebeileibenb, fo ba§ et gu fterben glaubt. @Iei^tDobl
fteQt er feft, ba| auf bet gangen @ttede btd @mbattra {ein
3ufiu| tec^td in ben 3<iinbefi fommt. Sei @mbatita, »o bet
j{nnnbo, »on 2iDingftone aI8 Sljcbobe begeicbnet, in ben Sontbefi
münbet, ift bie SBaffetfabtt gu 6nbe (18. Dftbt.)!, unb @ett>a
fMnto ift erfreut, brei Sage guoot einen S)ienet bei 9Rt)fionat8
getroffen gu ^aben, bet bie 9intn>ort Deß Äönigfl gobojfi erwarten
foQ, unb melbet, ba§ fein ^err grangofe fei. 6r erfährt
aber auch, ba§ am anberen Ufer be8 ^uanbo in näcbfter fRä^e
gwei SBeibe baufen; er ermöglicht eine Sufawmenfunft mit ihnen
unb wirb non biefen, gwei @nglänbetn Dr. Sraböhnw unb
SBalfh, bie fich goologifcher ©tubien wegen hiev aufhalten,
ctuf'S liebenSwürbigfte aufgenommen. Sber andh fie h^ben {eine
Sßaaren, unb not Segahlung bet Sootführer wiQ bet ^äuhtling
unfern armen elenben fReifenben nicht entlaffeu. *So fenbet et
Soten fubwärtö an jenen ^angofen unb bittet um SBaaren —
wie freut er fich, alö biefe {ommen! 9lur gwei Sage no^, unb
@erpa ^into ift (22. D{tbr.) im ^auS unb in ber fo nöthigen pflege
beä ^DMffionard @oillarb unb feiner Stau unb 9U^te, bie f^fon
gwangig 3ahre in @übafri{a ihrer cinilifatorifchen Slufgabe leben.
Son fchweret @r{ran{ung erholt er fich halb, unb möchte gar
gerne bie fReife ben Sonibefi hinab fortfehen. 3bet bagu {ann
ihm SoiOarb nicht bie nöthigen ÜRittei geben, unb ba be§
^e^teren $(an, in baö Sarotfelanb corgubringen, »ereitelt ift,
fo entfchliegt auch er fich gur Stüdfehr. @o reifen fie gemeinfam,
nach einem Sefudh ber SiftoriafäOe bur^ @erpa ^into, füb>
wärtö (@nbe fRooembet) unb burchgiehen in breiligtägiget S^h^i
auf Ochfeuwagen bie böfe J^alahariwüfte, öftlich oon bem SBege,
ben Sicingftone unb SaineS, wefHich von bem, welchen 3Rohr
unb (Shapmnn bur^ biefelbe genommen. iSn bet gto§en 0alg>
hfanne bcS ÜRa{ati{arifee’8 vorüber führt feht ber SBeg, unb
0er^a $into ftedt bie metfwürbige ©rfcheinung feft, baft biefet
6* (SS)
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@ee burd) ben Sugoflul mit bem 9tgamifee in iBerbinbung fteljt
beratt, ba§, wenn bie Slegenjeit befl DftenS bie Suflüff« beö
crfteren 3ee’9, aljo and) biefen felbft (ibmellen macht, biefet
fein SBaffer nach äBeften jum 9igamifee abgiebt, mährenb ju
anbetet 3«it getobe bafi ©egentheil eintritt. $Den 9lgomifee
etflätt et fo aI8 eine ©tmeitetung tei .^bangofiuffed, bet
na^h« 'JRafatifatifee fttömt unb fein« ©eroöffet jut
Setbunftung btingt.
fDHt bem (e$ten Sage bedSahteg 1878 wat enblich ®(hof(hong
erteicht; abet hiet btach auch Siebet and, bad bem 93iel>
geprüften baS Sieben ju nehmen btohte. äßiebet etholt et [ich,
unb non einem englifchen ^anblungShaud mit $fetb unb ©elb
netjehen, teift @etpa |)into SKitte 3anuat 1879 fübwärtö, ent«
leiht untetmegO non nomabiftrenben ^oetS Silagen unb fommt
mit biefen am 12. Stbtnat nach ^tetoria, bet {»auptftabt non
Standnaal, unb hiec butch ben Selegtaph^n in SSetbinbung mit
bet j^abftabt unb bet .peimath- fün bet S)eIagoabei ben Siudweg
ju nehmen, geht wegen beS Suluftiegeö nicht an; fo wenbet et
fich (8. 9Kärg) füboftmöttö unb gelangt übet .^eibelbetg in
IDutban (19. SRätg) an'S Slteer, an'S langentbehtte unb lang«
etfehnte. 2)et 5)ampfet, bet halb batauf bie Reiche be8 oon 3ulu«
hanb gelöbtelen^tinjenfRapoleon mitgebtacht, nimmt Serpa^into
auf (19. SSptil) unb führt ihn übet San^ibot bet .Jpeimath ju:
et betritt wiebet 8iffabon am 9. 3uni 1879, nachbem er 622 Sage
auf afrifanifchem 93oben unb 702 Sage auf bet [Reife angebracht
unb für leitete nicht ganj 20 000 SOiait oetwenbet hatte.
6in hn*^e8 3aht nach @erpa ^into lehren auch, wie ich
fdhon gefügt, feine früheren begleitet, ßapello unb 3oen8, jutürf;
währenb jener butch bie Ungunft bet SJerhältniffe oon feinet
utfptünglich beabfichtigten 9)larfchtichtung ftarf füblid) abgebtdngt
worben war, fommen biefe mit Sluffchlüffen freilich nut übet
ben füblichften Sheil be8 ^ongogebieteS na^ .^aufe, b. i. be8«
ienigen ©ebieteö, beffen ©rfotfchung unb Älatlegung gerabe je^t
(84)
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8d
bte für @eogtap^ie fid> 3ntete[firenben am meiften in 9Infpru(^
na^m. (Stanlep ^atte ben gewaltigen SIu| befahren unb ^tte
bte gtofee ÜJlenge feiner reichen 3uflüffe, bie überaufi bitftte
Secölferung feiner Ufer, bie ungemeine gru(f)tbarfeit feine«
gan3en Gebiete« fennen gelernt. iSuf nähere @tforfd^ung unb
^anbel«mägige ÜluSnü^ung biefeS Gebiete« ridfitete ficb nun bet
©inn ber Sölfer unb gab ben fdjon »or^anbenen, auf ba« gleit^e
Siel gerichteten SSeftrebungcn neuen, »erftärften 2lnfto§.
3n JDeutfchlanb war im Sa^re 1873, wie ich W®“
früher gelegentlich bet {Reife üon ^enj erwähnt ho^’«»
„Deutfche ©efeDfchaft jur ©rfotjchung 'Jlequatorialafrifa*«* ge«
grünbet unb e« waren jur wiffenfchaftlichen ©tfotfchung be«
jfongogebiete« eine ^auptejrpebition unb jwei biefelbe flanfirenbe
©rpebitionen auSgefanbt worben. 3nt 3ahre 1876 (12. bi«
14. ©eptbr.") warb bann auf Ötnregung beS j^önig« bet ©elgler,
behuf« 6tforfd)ung 9lftifa’8 unb al8 5)anb für bie auch hierauf
gerichteten Unternehmungen ber eingelnen {Rationen, bie „3nter»
nationale 'Äftifanijche 9lffociation" gegrünbet, unb in Anlehnung
an biefe würbe am 18. IDecember 1876 bie fdhon genannte
beutfehe ©efelifchaft in eine „©eutfehe SSfritanifche ©efeUfdhaft*
umgewanbelt. 511« ^)aupt3iel [teilte fie fich bie ©rfotfehung be«
idongobecTen«, unb al« .^auptjugang 3u bemfetben warb ber
SBeften feftgehalten, wenn auch bet Äongomnnbung ein«
geleitete .fpauptejrpebition im SBefentlichen mi&glücft mar. 3lbet
im {Rotben baoon, am SDgowe, h“U* [^«»3 f<höne ©rgebniffe
et3ielt, unb wenn man fidh nun auf ben ©üben, auf ben 3}orfto§
»on Slugola au« foncentrirte , fo waren hoch wefentliche gort»
[dritte gu erhoffen. 3n ber 2;h<>l foßte ^oon hier au« ba«
bebeutenbfte SSorbtingen nach fRotben unb im 0(nf^luffe \)\txau
bie bi« je^t le^te fDutchquerung be« afrifanifchen Kontinente«
burchgeführt werben, unb gwar von bem beutfehen !^ieutenant
©. XSiffmamt. ,^5ren wir beten SSetlauf.
3m 3ahre 1875 war Dr. ^ogge »on 8oanba au« ben
(BJ)
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Ottaija auf« unb im @anjtu @cab ofltDäitö bU in bie
^aufjtftabt bed SJtuata 3amvo ober ^atiamno uorgebrungcn
(9. Decbt.), beS gefürchteten SehenftherS eines großen 8unba«
reiches, non melchem jeber ber früheren jene @egenb Sereifenben
gehört, melden aber feiner gefehen hatte. 9(uch (Sameron mar,
als er mit bem berüchtigten SUoej reifte, jmei @rabe oftmürtS
non ihm oorübergefommen. @in Siierteljahr lang h^tte ft^
Dt. $ogge bei bem SJiatiamoo aufgehalten, unb mä) feiner
Diücffunft mar bann Dr. SSuchner beauftragt morben, bie oon
f)ogge begonnene Borfchnng im @übfongogebiete fortjufeben
unb eben jenem ^errfcher ®efchenfe beS IDeutfcheu .^atferS ju
überbringen. Suchner hatte, am 5. IDecember 1878 in Soanba
angefommen, ein 3ahr unb fe^S Slage fpäter bie Jpauptftabt
IDiuffumba erreicht unb feine @efchenfe übergeben, mar bafelbft
aber ein halbes 3ahr lang gurücfgehalten morben unb fonnte
erft 5Kitte 3uni 1880 feine IRücfreife nach SBeften antreten.
@he er jurüdfgetehrt mar, ja fchon im Dftober 1879 hatte bie
IDeutfche Sfritanifche @efeQfchaft befchloffen, eben in ^uffumba
eine ©tation für bauemben Aufenthalt einjurichten unb hatte
bamit Dr. ?)ogge unb Lieutenant Sßi|mann beauftragt, als bie
nöthigen SJlittel flülflg gemorben mären.
Am 18. 9looember 1880 oerliehen bie Reiben .^amburg
unb hatten nach fe^S SBochen Loanba an ber SSeftfüfte Afrifa'S
eneicht, fuhren oon \jiix ben Duan^a hinauf bis IDonbo, melcher
Ort mit Siecht als bie „«^ölle ber SBelt" benannt mirb, unb
liehen fich oon ba, gumeilen gehn bis gmölf ©tunben meit an
einem Sag, burch Sieger bis SJlalange tragen, mo fie am
25. Sanuar 1881 anfamen. ^ier mußten Saufchmittel ein>
getauft merben; ba aber baS gu benühenbe, freili^ jeht faft leere
SBaarenlager erft f)>ät neue IBonäthe erhielt, fo erforberte bieS
einen oiermonatlichen Aufenhalt. Siaturmiffenfchaftliche ©tubien
füllten bie Seit auS ; Slialange fanben fie fehr rücfmärtS gehenb,
ba bie Ausfuhr oon @ummi unb SS^achS, ben beiben ^aubt«
(M)
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^anbelSgejenftänben, fid) meitet weftivärtd ge^o^en ^atte. ^ter>
je^n Sage nac^ bet Sinfunft unferet Steifenben in SRalange
fanb ^ier, non Often juiücffe^tenb, aui^ Dr. 93ud^ner ein, ein
für fBi§tnann um jo auffaUenbecee Sufammentteffen, alS fie beibe
7 Sa^re juoor in SJiagbebutg wegen 3»eiJ««npfö ©efaugene unb
Simmeinacbbam gewejen waren unb fid^ eift je|t wiebet an
ben @rengen bet (Sioilijation einanbet begegneten. 93ucbncr
tbeilte feine ®tUbnifje, inbbejonbere bie in tJKujfumba mit,
gumal wie feine Serfudbe, oon ba aufi gegen ben ^ongo vot>
gubtingen, an bem maffen^aften Slubrei^en feiner Präger breimal
gef(beitert waren, unb et riet!} |)ogge unb SBi§mann baoon ab,
ebeufalle nad) 9Ratiomoo’0 @tabt ju jicben. ©leicbwcbl oet»
taffen fie ^alange (2. 3uni) intern Aufträge gemd^ in bet
Oftri(btung auf .^imbunbu gu unb erreichen biefen Ort auf
befannter 0ioute am 20. 3uli.
{)iet aber b^ten fie, ba§ bet fübliche wie ber notblicbe
äiJeg nacb^uffumba wegen friegetifcbetSäerwicfelungen ungangbar
fei, unb in Erinnerung an bab, wab il}nen S3u4tner über
!DlatiamDO gejagt, unb in @twdgung beffen, wab fie biet oon
einem erfahrenen weiten 'Portugiefen über ben im 5Rotben
wobnenben c^duptling ^^ufenge b^ten, entfchlte^en fie fich bei
bem (enteren ihre Station angulegen unb SRuffumba oödig auf«
gugeben. iDenn ’iSiufenge unb fein iBoIf, bie Suffelange, bab
erfte ber Söalugaoölfer, foüen fich *“> Sntereffo ihrer ^>anbelb«
politit aufeetgewobulich frieblich unb freunblich gegen ^tembe
erweifen, berart, bag bort .^dnbler mit ihrer itarawane wähtenb
ibteb .fpanbelbaufenthalteb fogat frei oerpflegt werben; in Solge
baoon b<t^( ^^>0^ ifubulu, bab Sanb bet ^eunbfchaft.
9lIfo auf nach Subutu!
2)ie tReife bog nun norbwdrtb ab, am weftlichen Ufer beb
Sf^ifapafiuffeb entlang bib gu beffen Einmünbung in ben
^affai, unb war re^t angenehm, ba in ^olge ber fchwadben
Siegen bie Sümpfe leicht paffirbat waren. 3>oat machten bie
(8U
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^ofo, bereit 8anb burd^jogen warb, ©d^wierigfeiten , ba fie
i'^r .^anbelStnotiofiol bet ben 5tu(filange bebro^t glaubten, unb
auch bte im gleiten Sntetefle eingertdbtete Äalunbajperte mu|te
burc^brod^en werben; aber am 3. Oftober warb glüdfltdb auf aä)t
Äanoeö bet etwa } Jbtlometet breite Äaffai paffirt unb eö er»
^öbte wefentlicb bie Suoerfit^t, alS ^ier ein ^weiter Sluffilange»
Häuptling Äingenge ju Sefudb fam unb inftänbigft bat, nidjt
feinen 9tadbbarn unb früljeren ge^nö^errn füJtufenge, fonbern il)n
felbft ju befut^en. @o trennten fi(b benn bie beibcn fRcifenben
am 23. Oftober: ?)ogge reift ju fKufenge unb wirb, am
80. Oftober bei biefem anfommenb, ^öc^ft fteubig empfaugen
unb oerweilt bei ibm biö gum 29. fRooember; Sßi^mann aber
ge^t mit Äingenge unb »erweilt, tjon feinem ©efä^rten nur etwa
fecbS ©tunben SBegeS entfernt, mit i^m in fidlerem briefittben
Serfebre unb i^n fogar auch einmal befuebenb, ebenfaHfl einen
ÜRonat in itingenge’8 Stabt, al8 Jpäuptling unb j£>albgott
^awaffubabaamabubamba uerebrt.
Slnfang JDecember gogen ^ogge unb SEßibmann, wiebet oer=
einigt unb in ©egleitung beS SRufenge fammt etwa 100 SJtännern
unb 100 SBeibem feinefl 93olfe9, fowic mit über 30 ihrer friibe«
ren Jräger, füboftwdrt8 weiter gutn gulua, wo bie ©renge beö weft»
afrifanif^en@a»annen»SBalbgebiete8 erreicht ift unb nun bie weiten,
äufeerft ftar! beoölferten ^raitien 6entralafrifa’8 betreten werben.
Sunddbft gebt e8 an ben fabelhaften @ee ÜJtufamba ober
©anfutru, ben febon ©ameron fo gar gerne befudht hätte; er fei
fo grob, biefe «8. ba§ S3ögel nicht barübet wegfliegen, unb fo
ftürmifdh, ba§ S3oote nicht barauf fahren fönnen. 33i8 auf eine
Sagereife ©ntfernung waren foicbe Sabeln noch gu höre« —
unb h'nfl'fomwen, umritt ihn SBi|mann in 3«t »on fünf
©tunben. 9?acb einer lebten fUteuterei ber Srdger, in Solge
beten alle bi8 auf 20 fortgejagt werben, gelangen fie bureb ba8
bidhtbewohnte 8anb ber pradhtooll wilb bemalten äSafcbilange
weitet an ben 8ubi (5. 3anuar 1882), einen fRebenfiub be8
(M)
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8ubUafd&, unb na(^ bcffen Ueberfcibteitung gu ben 93affonge unb
l)ffr »ie tn eine neue SBelt: in retnlidben, fc^öncn Dörfern,
beren geräumige, nette Raufer, non eingejäunten @ärt(ben um»
geben, fl^ in f^nurgeraben ©tragen an einanber reifen, mo^nt
ein f(^öner, fräftiger 5Jlenf(^enf(!^!ng, unberüljrt non jebem 6in>
fluffe Bon au|en, ftarf an 3abi( tfi<^ ®*> ®Dcn S3ebürfniffen
beö Gebens, bie i^m bic üppige 9latur fpenbet, bof^fte^enb in
fuuftfertiger Bearbeitung beS @ifenS, Äupferö, Übonö, .^oljeS,
ber Äleiberftoffe unb jRorbflecbtercien. 3n jwei Stagen einen
nur Bon ©lefanten, Büffeln unb SBarienfebmeinen belebten Ur«
toalb paffirenb, famen fie (14. Sanuar) jitm Äatftbitf<b, bem
Bebervftber beä IReicheä Äotto (5° 7' f. Br.) unb überfdjreiten
(29. Sanuar) nadb Uebevrcinbung Bieter ©d)>nierigfeitcu ben
angreu^enben, nur bem Äaffai nadjftebenben gubilafcb, Bcn bem
fie ie^t erft erfahren, ba§ et mit bem ©anfurru ibentii'cb ift.
9lun ging e§ SKonatc bur(h teid) bemäfferte Brairien, welche
Bcn friegerij^cn unb eine Snbnftrie aufweifenben, Bielfadb
fannibalifcben Bölferfchafteu in oft fünf ©tunben langen Dörfern
bewohnt werben; mit bem Äompa§ fich oon Dorf ju Dorf
füblenb, paffiren fie ben Homamt, unb je^t 0iid}tung auf 'Jijangwe
nehmenb unb burch weithin überfchwemmteö, oon Böflig Berfiljten
©räfern bewachfencö unb barum äu§erft fthwet paffirbareö l'anb
giehenb, erreichen fie (2. 3lpril) bcn l‘ufubu, fonft einen fleincn
?|lu§, jc^t faft ein 9Jleer. Jpier müffen fie hungernb acht Slagc
Betweilen, um Ä\inoe0 gu bauen. Stuf biefen erreichen fie am
16. IHpril ben mächtigen Sualaba unb Slagö barauf 9lpangwc
unb finben hier recht gute 9lufnahme bei ben anfäffigen ara»
bifchen ^Ȋnblern.
2Bi§mann fa|t hier ben Gntf^luh, bet Dftfüfte fid) guju»
wenben, währenb ^ogge am 5. OJtai mit betfelben Äarawane,
mit bet fte beibe gefommen, rücfwärtS marfchirt, na^ SJtufenge’S
Stabt, um hier je na^ ben Berhältniffen auf eine neue beutfebe
©rpebition ju warten ober ebenfaCie jut Äüfte ju gehen. @nbe
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@e)}teinbeT ^at et ft^) benn auc^ brieflich au8 ^ufenge'S @tabt
Bon 33erlin bie SRittel jur JRürftetfc an bie SBeftfüftc erbeten.
SBi|mann aber iBartet in 92jangn7c SBoc^e auf SBo^e Bergeb(td)
auf eine ^ataKone unb bricht enblicb (1. 3uni) allein oftmärtS
auf, mit Biet Leuten Bon bet Söeftfüfte unb 20 geliehenen
©flauen, fomie 15 ©ewehten. Unter Slnmenbung gtohet ©trenge
gegen feine f)Iünbernben 93egleiter gie^t et in URanjuema füblidi»
non ©tanifp’ß unb ©ameron’ö Dtoute, freujt biefe in Sambarra
unb gelangt an ben Sanganjifa, tuo et in bet nicht lange guBot
gegtünbeten englijchen Slliffiondftation IRuanba am SBeftufec
auf’8 giebenfimürbigfte aufgenommen wirb. 9lad) einem uier*
tägigen ^udflug an ben Sufugu unb Slufflätung bet fo wibet>
fl>rechenben 9lad)ri(hten über benfelben, fenbet et feine Sltäget
unb 10 ©ewehre gurücf unb feht nach Ubfchibfchi über, biegt
nörblich Bon bet ^arawanenftrahe ab, befucht ben im 93erlaufe
be8 SOortragfl wieberholt etwüh”*«« ©chrecfen Dftafrifa’8, ben
gefürchteten ^>äuptling 9Jiitambo, trifft am 5. ©eptembet in
Slabora, bei ftangöfifchen ÜJtiffiondftation, ein unb befucht Bon
hier aus bie beutf^e wiffenfchaftliche ©tation in ©onba.
3m ^nfchluh an bie Unternehmungen bet SiUetnationalen
Slftifanifchen illffociation war nämlich uon bet 2)eutfchen
aftifanifchen ©efeflfchaft im ©ommet 1880 burch ben .^>aupt»
mann a. £). b. ©chölet, ben 5Ratutforfcher Dr. S5hm unb ben
afttonomen Dr. Äapfer gwij^en bet Sangibarfüfte unb bem
Janganjifafee eine fefte Station gegrünbet worben, erft in
^afoma, bann in bem uon Slabora etwas fübweftlich gelegenen
IDötfchen ©onba, unb h*” befuchte Söifemauu oom 10. bis
©eptember 1882 feine lianbSleute.
Sluf bem ^Diarfch na^ ber ^üfte fchloh fich bann 98i§mann,
weil et gu feinem 9tachtheil bie ©chattenfeiten beS fSlleinteifcnS
erfahren, an ben ebenfalls ia meinem SSortrage gut ©rwähnung
gefommenen Sibbu>£ib an unb gog auf ber gewöhnlichen
^arawanenftta§e burch Ugogo unb uon htet an allein auf bem
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tixoat nörblt^eren SBege nac^ @aabani bet 3«njibat, ivo et am
15. Slotembet 1882 freien ^ergenö baö ?0Jeer begtü|te: bie
(Durchquerung bed j^ontinented mar gelungen.
IS10 SBifemann, eben in bie .gieiraath jurüefgefehrt, im
gtühjahre 1883 beu granffurter ®eograhhen»
togeS »om'33erIauf feinet grc§en Steife beri^tetc, hatte er feinen
©hrenhla^ neben bem greifen Dr. StüppeD, bet mehr al8 fünfzig
Sahre nother fein reblich 2hcil jut (Jtfotfehung beS bunleln
@rbthei(6 beigetragen. (Deutlid) d^nug marb fo bie J^entinuität
in ben auf jeneö 3«el gerichteten Seftrebungen not flugen ge»
führt — aber mie finb in biefem halben Sahrhunbert biefe Steifen
fo fehr oiel gahlreicber, mannid)faltiger, auggebehnter gemorben!
3d) hatte in meinem Sortrage oon elf (Durchquerungen
Slfrifa’e ju fprechen, non melchen fieben allein bem lebten
Sahrjehnt cingehoren; e8 ift baö gemaltige Slerbienft biefet
gro|en Steifen, jenen @rbtheil in feinen .tpauptjügen fennen
gelehrt, unfete 2luffaffung »on bemfelben im (Mro§en unb ©anjen
feftgelegt gu haben.
3ur auafütlung beö gadjmerfö unfeiefl Söiffenä bienen bie
nieten Reineren Steifen, mel^e in reicher tSngahl bie le^te Her»
gangeuheit fchon gebraut, in noch reicherer bie Sufunft bringen
mirb. Hon Storb unb ©üb, non Dft unb SKeft, non faft aOen
fünften bet ^üftenlinie audgehenb, arbeitet man je$t baran,
9(G[e8 aufjuflaren, ma8 nod) bunfel geblieben; unb nicht in nor»
übergehenben Steifen, fonbem oen bauernb augulegenben ©tationen
au8 feil baö^anb erforfcht, foH ber SBaarenhanbel begrünbet unb
audgebehnt, foQ bie j^ultur unferer jehmargeu Hrüber gefbrbertmerben.
Sti^t mehr finb eS nur @nglänbet unb (Deutfd>e, bie ftch
»or anberen Äulturoölfern bie ‘ilfrifaforfd)ung angelegen fein
laffen ; neuetbingS wetteifern alle Stationen barin, opfetroillige
©treiter in bie ^halanr berjenigen eingureihen, welche bem
räthfeloollen (ärbtheil in hartem Äampfe gegen Älima unb He»
oöKerung ein @leheimni§ nach bem anbern abringen, fogar bie
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neue SBelt ^at ni(^t ben 3Bettfnm))f nur aufgenommen, fie ^at
but^ bie $^at i'^reö SüertreterS Stanlep alSbalb faft alle früheren
^eiftungen übertroffen.
Unb nic^t Slbatfa^en nur follen je^t ertunbet werben,
weld)c gefammelt unb »erarbeitet ber ©ele^rte in S3ü(^ern bar=
fteflt, in Äartenwerfen nieberlegt; eö finb, wie un0 Äaplanb
unb IBegnpten, wie unS ocv SKlem baS gewaltige Äongogebiet
unb ba0 in il)m ftd) je^t entfaltenbe rege jlreiben ^anbgreiflic!^
beweift, e0 finb bie realen ?ntereffen beä ©ro&^anbelfl, beö
SöettbewerbeS ber IRnticncn unb i^rer politifdjen Sötac^tent*
faltung, womit tjeute bie Sorgen ber SBöIfer um Slfrtfa ju»
fammenfallcn. Unb biefe neue 3lrt ber Sebanblung unb 93er*
wertbung afrifnnifcber ©eograpl)« bat fi(b im SEBefentli^en
aufgebaut auf ben fReijen, beren Slnlafe, 93erlauf unb @ingel*
ergebni§ id) in meinem 93 ortrag 511 erzählen batbe, auf ben
©urebqnerungeu beö bunflen Äontinenteö.
^mtierhttttsen.
1) 2ßo au« bem am 8. Dtoocmbcr 1867 oon Siuingftone entbedten
ü)io€rojee ber iJualaba berauSfUeUt, liej^ ba« 2)orf be« ^>öuptling8 9Jlpweto.
^ier war Üioingftonc ber ö)aft be« nraber« Spbn ben ^abtb auä San*
;tbar, icelcper um 1844 jeine au«gebcl;nten IRcifen non 3<mjibat au8
begonnen bntte, über ’7lbftt>ibjcbi unb Äajembe'8 Stabt ju ben DJtafolo am
oberen Sainbefi gefommen war unb Ijier 1853 mit Sioingftone jufammen-
getroffen war. ($r war bann nach Soanba an ber 9Seflfüfte gegangen,
bnlte oerfcpiebene IKeijen in« 3nnere gemacht, oon benen er noch gweimal
nach Voanba jurücffehrte, war wicber oftmärt« an ben Sambefi unb jum
fUjaffa gefommen unb hatte wiebcr bie £>fltüfte erreicht. — 2Bie biefe
eine genauer befannt geworbene boppelte fl)urchquerung be« ätontinente«,
mägen noch mand)e anbere non arabif^enäfaufteuten au9geführt werben fein.
2) (Snglijche 9Jtiffionare haben fpäter, im Sahre 1879, ben Sufuga
bereift unb teftgeftellt, ba^ berfelbe in ber JRegenjeit einen ftarten Su«-
flu^ be« 3anganjifa bilbet.
3) IDer ÄSnig non ^Portugal hatte bem fReifenben oor feiner Stbreife
eine 2?üchfc im ®erthe non 500 £ (= 10 000 9Jlf.) gefcpenft.
(9it)
^nut von (0 ttx. Ungn (X6. Wrimin) in Verlin, £4öne6«Tgnflrai( 17 m.
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3n bemfelben SSerlaße finb folgenbe SSerfe erfdjienen:
Praftifd^e
mu|timU|'d|e Coitt|io|itionBlel)r(
in Jlufgaßen.
jal^ltfic^tn, aoii^litglid) in brn gebrudtni Utbungb^ unb @i<
länternng« <8eiipiflfn nad) btn ffifrffn bft trfttn 3)fdßfr tpfiemotUdi •• md^obifi^
bargffleUt
t^en
®nnb: Ct^rt oom 3onfo| (^rtisbrodj. g«b. in ^lalbft. UDt.).
— I. J&armonififbte in 6i Sluigabfn (^)reia brod). 4 — II. Sonttapunft.
a) 3>(r ftrcnge in brt mußtalifd)fn (Sompcßtioneltbrt in 52 Vufgabtn
(^tfii btod>. 4 SW.). — b) (Scntrapunft unb Rugf im ftfi«n (moberntn) Ion-
in 33 änfgaben (^rcid bto<^. 4 SD?.).
3writrr S9anb; ^tit CompoßtiDu (^rrid brod). 13 SDI ; gtb. in 4)albfr. I4 SW.)
— I. SDIufifoliicbe jücrnifnlfbrf in 33 ^ufgabtn (^tti« brod). 4 SD?.). — II. 3n»
ftrninrntatien nnb Ordlffttriap in 18 Slnfgaben (^rfiJ bro(^. 8 4?.).
InSoitifiimjuiiti tn$d)iübanIi(|ttiinbeiie@{fniplaTeftftgo(m:ii^^ ”lHi
llartUiitltubinnt.
^o6ul‘ation öev ftCaffifc^en ^eipetr
an ja^li(id)cn IBtiipitltn oon
^(d^oo^n. '^oflno: n.
ftläutfrt ton
9)rfi8 eltg. btod). 8 SD?.; gcb. in Orig. tngl. Ücinen 9 SD?. 50 |)f.
®e|'d)id)tc ber Üliifik.
SSortrdge
üb<i
biE fortsriirEitEniiE (EntmitkElnnji brr Mnsik in ber desijiilitt
von
^u^Ier.
erßfr ®ortrag: Bit «nßk btp Älttrtljnms. — Bacitft «ortrag: IHnßk ktp
BliHtlaUcrp bis Baltßiina unb CofTus- — 3)titlcc IlioTtTag: Bit Anfik
btt Mtnjtii mm Boltßrina bis ßod). - Vierter 'ilortrag: Bit ®ptt bip
Blndi. — fünfter mortrag: Bit 3nßrmntntul-BinOh. ßmibn unb 4lo}att.
— @c(^iier S3ortrag: Bttibontn, ftint 3tiigtnof]ftn unb Baibfolgtt.
^reia fifg. broeb. 3 SD?.-, gcb. in Orig. engl. Scinen-^aub 4 SD?.
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(£lementar»t)toItn=S(i?uU
von
^dnrtd? Urban
^fis 4,50
unb im Slnfc^lufe baran:
Welodicn ffir ^nfün^er im $ionnf)iifl,
flcfammelt unb eiuöcrid)tct, jomic jum li)cil frei bearbeitet
»cn
f)rinricb Urban.
.^eft I unb II.
^ebeö.'peft; a) gür 1 iBioline. 'Breie a .^eft 1 ü){.
b) ?YÜr 2 iiiolineu. Breie ä .t)cft 2 B?.
c) ^ür Bioline mit SJeflleituufl be§ Bianoforte. Brcid
h ^eft ii Bt.
SCae SBerf ift bereite in ber „Beuen ÄuUat'je^en afabemie
Fer Jonfunft" unb im „Stern’jct)en öonfernatorium" ^u Berlin aie
fie^rftoff eingefü^rt.
^(tr ®ußau (Sngtl fagt über ba(! äSert in ber Soififcbtn 3(itung:
,!Der Serfaiier hti äSerfet, aU Siolinfpieler out bet CDrjüg(i<ben ®(bnle
8aube'l b^iuoi^egangen unb al< ISemponift jn ben begabteftrn unb beft(|rbilbetett
ber neueren Seit gebürigi bereinigt mit ben bataue entfprinaenben SSorjugen eine
anberorbentUepe pabagoai{(pe Siegabnng. 2)ie uon i^m gefipriebene (Slementaf
iBiolinfipule ift baper für ben lernbegierigen Anfänger ebenfo prnttifeb eingeriiptet,
aI8 fie ibm bat tbeoretifep SMtptige in gebrängter, fablidjer unb für feinen Gtanb>
punft gerabeju geeigneter Sorm metbobUip überliefert. Sat äUerftpen niirb, wie
mir glauben, bie roeitefte Verbreitung ftnbeii.'
unb in feinem ©ipreiben uom 9. Se^ember 1881:
.®ie ber ®i olinfdjule bon fieinricb Urban beigegebenen ,3)?elobien*
für Anfänger im Violinfpiel, a) für eine Violine, b) für jmei Violinen, ^ für
Violine mit ©egleitnng bee ^'ianoforte, flnb jum jpeil bem Sipap unferer Vel(6’
lieber, gum Speil ben be^en ^Berten au« bem (gebiete ber 3nftrumental>, Dpem>
unb Oratorien •ÜJiuftf entnommen, mit ©efcpmaif unb mit Verüdfliptigung ber
Auffaffungtfraft bon Anfängern autgemäblt unb mit mufftalifcpem nnb pobaaO’
gifepem (äefcbiif bearbeitet. Sie merben wefentliip baiu beitragen, ber Violtn*
upnle bon ^einriep Urban bie meitefte Verbreitung gu fi<P«n.*
g>e6ic^fe
oon ^ermann llletbt.
IDritte, reiip bermeprte, mit bem Vilbnip
betSiiptert berfepene (0efammt>Autgabe.
gtt. in Crin.-enne mit r<i(^n C8oIte(r|i(nin j
nno Wolfef^nitt 8 W.
^in6erfic6er
pon Hermann AIclKe.
®efamt: Ausgabe mit bem Vilbnip bei
SDicpterl.
4. (Sieg. cart. 4 9R.
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«^ripttnttnoos. ^us bin f:agin bentriQir f r-
l;rbung. SRoman von auguft ^rllr. 3 Sänbe elcg. biocb- 15 SR., dtg. in
3 tngl. 8einenbänb( gebunbtn 18 ^{.
|(tn bm Jlnifit^n^C. $in ^oman ans bim btiiHig'
iSbtigen Ätifg« oon SBilb«Im Senken. ä®fi Sönbt. Gleg. brodj. 12 9R.,
geb. in 9«inen 14 9Jl. 60 |)f.
'^nsmabl bintr<|ii 0ibi<Qti, fti^imatifi^ giorbnit, im
anjdjlug an ein 8ebrbu(b bet ^oetif. ®on 6. SonneÜ. 3« ^Wlbleinen
geb. 5 3R 20?)f., in @an)leinen (Otig.>Sb.) 6 9». 20
^toii bifgift^i ^oniCTin ans bii fodofin ^itt. '^on
(Saroline (Gravüre. IBon ber Serfaffeiin autorifltte Ueberfe^ung. (Sieg. bio(b.
3 9R.; gebunben in Seinen 4 9)1.
'^oniKin ans bii romonifi^in ;$(|mii|. '^on ^obirt
6(bttei(bel. I. II. 111. Sammlung. Sufammen 10 9)1. @rfte Sammlung: 3«
QJebitg unb Jbäl- 5 9K. 40 ^f. 3»eite Sammlung: 3«M’ ““b ©enferfee.
4 9)1. 60 $F. ^Dritte Sammlung: 3>n ^ocblanb. 4 9)1. 60 $f.
^miibUbir oon ^obut ^(laranbir. $(ig. gib. in ^rig.'
9?anb mit @Dlfc|(bnitt 2 9H. 80 ^f.
^anm'^fbnm. <itts aliir nnb ninir
3eit unter 9)lttwirfung uon 6Iariüa Sobbe, 6. a. Sratbuogel, ©uftab ju $utlib,
3. ®. ©eorgcii«, 9. ^ieti*, g. anibt, 9)laj: 9Ung unb Slife Delbner, b«®“*'
gegeben oon 3- ®1. e. @a9etfe=@ecrgen8 unb ^lermann Äletfe. 6Ieg. bto<b.
9 9)1.; eleg. gebnnben in Dtig.'Sanb 10 9)1. 60 ^f.
^nifi, ^bnigin oon '^rmbin. «3nr frinnitnng an
ihren bunbcrtjäbrigen ©ebutlbtng. (10. 9HSrj 1876.) 9)on auguft Ä'lurfbobn-
A. aubgabe auf ge»öbnli(bem Rapier mit bem mUbnig ber jlönigin, brrgeftedt
in bem neuen ®ru(foerfabren uon 3- aibert in 9Hün(bfn: brotb. 1 9)1. 80 ^f.;
geb. in Seinen 2 9)1. 80 9)f. B. $ra<btau8gabe in gr. 8. auf 9)elinpapier mit
bet £)tiginal<|)bDtDgrapbic ber Königin: broib. 4 9)1 60 ^pf. ; eleg. in Seinen
gebunben 6 9)1. 60 ^f.
Gf« lagt über bab fflerf bie ,9)oiri((be 3eitung": .®oe oorliegenbe @b“raftet
bilb ber Äonlgin Snife barf aH ein 9)leifterU5ert beAeiebnet »erben, bab nidjl
nur beb beigegebenen fibönen Sitbibrudeb, ben ber IBerleger na(b einet guten
^aften<3cidiuuiig bat bftftetl«« laffen, wörbig ift, fonbetii gleltbjeitig eine«
brr geiftig »ertbuotlfien anbenten bilbet. bn« ju ber beuorftebenben ©ebnrt«-
tagifeier ber unBerge^litben gürftin bargeboten »irb*
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^att56tt(5 bet^rd&irT(^^n^r}if|nngS'
met^obe, ©pietgaten unb SJejc^äftigungen. gröfcel’8 ©Triften «nb
ben ©(^(riften ber grau ©. ». SKaren^ol^'SiiIoU} bearbeitet »on ^ermann
Qitolbammer. 5JJit Setträgen »on S. ». SöJaren^ol^-SüIoW SDritte »er*
mehrte unb umgearbeitete Auflage. 9Jtit 120 2afeln Stbbilbungen. I.
3)ie gröbel’f^ien ©pielgabcn. (ÜJlit 60 Jafeln Slbbilb.) 5 ÜJl. 60
geb. in Drig.*Sanb 7 SDt. II. 2^eil: 2)ie Sef^dftigungen be«
Äinbergarten«. (Sölit 60 2afeln Stbbilb.) 4 ÜJl. 20 geb. in Drig.»
Sanb 5 3JJ. 60 f)f. III. 2^eil: ®pmnafti|(^e ©piele unb Silbung«»
mittel für Äinber »on 3 — 8 Sagten. Sür .^)au8 unb Äinbergarten.
3 *01. 60 ^f., geb. in Dtig.-Sanb 4 *Dl. 80 ?)f. IV. Jl^cil: “Die fpratb*
lid^en SilbungSmittel für Äinber »on 3 — 8 Sauren, gür $)au8 unb
Äinbergarten. 3 9JI. 60 ?)f., geb. in Orig..Sanb 4 *0i. 80 ^f.
in jwei Driginol- engl. 5?einen»Sönben gebunben (unb jwat 2^eil I./II. unb
2^eil III/.IV. pfammen) pro ©inbanb 1 9K. 50 ^f. (Seber J^eil bilbet
ein obgefcploffene« @anje8 unb ift einzeln fduflitb.)
oom ^tnbe. ^as .^inb in ben brd erften
l'eben8ta^ren. ©eine (Sntwicfelnng, pflege unb ©rjie^ung. Sin Sut^ für
5Kütter »on 4>ermann ©olbammer. ^rei8 eleg. brot^. 6 3R., eleg.
gebunben 7 *Dl. 50 ^f.
IQethode Froebei. Le jardin d’enfants, Dons et occupatiou
a l’usage des m^res de famille, des salles d’osile et des ecoles pri-
ruaires par HERMANN GOLDAMMER. Avec une introduction de
Mme. la ßaronne de MARENHOLTZ-BÜLOW. Ouvrage traduit de la
troisi^me edition allemande avec autorisation de l’auleur par LOÜlS
FOURNIER. 2« edition. 2 Bände in 1 Band broch. 10 M.; in Orig.-
engl. Leinen-Band geb. 11 M. 50 Pf.
The Kindergarten. A gnide to FroebeFs niethod of education)
gifts, and occupations by HERM.ANN GOLDAMMER, with intro-
duction and conclusion by Baroness B. v. MARENHOLTZ-BDELOW.
Translated with the author’s consent froin the third german edition,
and compared with the second french edition by WILLIAM WRIGHT.
2 Bände in 1 Band broch. 10 M., in Orig.- engl. Leinen-Band geb.
11 M. 50 Pf.
^rtebrttQ ^röbrf, ber ^egrüttber ber <^ittbergartett'fr'
^ie^ung. ©ein Seben unb SBirlen bargcftetlt »on ^ermann ©olbammer.
SreiS brot^. 2 'Jöi., geb. in engl. Itcinen 3 9JJ.
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$ie ^orfa^rett
unferer
(Kifcnbakcn and <gamßfömgitt.
8on
i§it(jo ^orggraff,
3ngenieur in ^lün(^en.
2Jlit 20 in ben 2e)rt gebrutften Slbbübnngen.
6ttHu SW., 1884.
SSetlag non 6atl .^abel.
(C. 10. Xitnitriitir Vrtlag)biiti||anilin|).)
}3. SHlbdni'Stiaie .13.
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2)aä jRec^t her Utberfeßunfl in frembe 'äprndjen lotrb t)orbe()aUeit.
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Va^6 finb jtDci merfiüürbigc ©rfa^rungcn, ba§ bic cmfad^s
ften 3fceen meift bie lebten finb, unb ba§ bie wic^tigften @nt*
becfungcn unb ©tfinbungen ni(^t feiten geraume Seit auf niebetet
Stufe nerljarren, ucn nselc^er auS ein einziger Schritt norirätlS
genügen mürbe, um i^ten ,f)D^epunft ^u erreichen. 35ie ©efc^ic^te
bet Sputba^n, bet IDampfmaft^ine unb beä IDampflranäportefl
beftätigt bad noQfcmmen. 5Die l^eute not^menbig jufammen*
ge^erenben ©ebanfen ter ©ifenba^n unb ÜDfomotiDc gingen
SJJenfc^cnalter binburefe unfruchtbar nebeneinanbet bet, ebne fi(h
ju Bereinigen. 3ame0 SBatt, bet rubmnolle Schöpfet bet
hoppelt mitfenben SDampfmaichine, mar einft 3U @eorg IIL non
Snglanb befchieben, um ihm feine ©tfinbungen ju erflären.
„3Baö nerfaufen Sie eigentlich?" frug ihn bet Äönig; „SBafl
bie Äönige lieben, Sire, — ÜJlacht," ermiebette bet 23efragte.
IDiefe „TOacht" bet IDampfarbeit feilte im IDienfte beS SetfebrS
erft nach Verlauf eineS halben SahtbunbertS bie gemaltige Sie»
Bolution in bet gefammten materiellen SBelt unb in ber menfeh»
liehen ©efellfchaft hetootrufen. Sreffenb jagte 3ob. Schartet:
„&6 gehörte gemife ein größerer Schatffinn baju, mittelft 5)ampf»
unb Spinnmafchinen au8 einem ^funb S3aummofle einen 882 000
f^u^ langen gaben 3U probujiten, alö bet ©ampffraft ein
SUoeau mitten burch (äuropa ju bahnen!"
3)ie bunten SBanblungen unb ©eftaltungen, melchen bie
Jedjuif be8 ©ifenbabnmefenö not feinet (Sonfolibitung unter»
U'orfen mar, bieten eine gülle be8 Sntereffanten unb einig Denf«
XIX. 435. 1* (95)'
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4
würbigen. gut ©eutfd^lanb, beffen einjc^lägtge 3?eprebungen in
ben folgenben ©fijjen ^crtorragenb gefennjei(bnet pnb, fcblte§t
bie Sorge(d)tdjte bc0 IDampftTanSporteS etuja mit bem 3a^re
1840 ab.»)
nttb fiuttale al$ fdflentrSget.
Sn ben natürlicben 3Bo[ferftra§en b“* bte SRatur bem
ÜRenfcben ein ebenio woblfeilefl al8 bequemes 5Jlittel jut götbe»
rung beS SSinnenuerfebtS verlieben. »Die @lef(bicbte meift natb,
bafe ftib bie glufefcbifffabrt in aDen übetboupt bicfür befähigten
Äulturlänbern viel früber entmicfelte alö bet ©trafeentranSport.
Deutfcblanb — um glei(b Hefe0 ju fommen — , fcbenttc
troj feinet votttefflitb gelagetten bpbtcgtapbifdjen 2?etbält»
niffe 3<Jb*bnnbette b»nbut(b bet 0flegulitung, ©dbiffbatma^ung
unb Snftanbbaltung bet geinpfabe feinet SBaffetroege nut
fpStlicbe Slufmetffamfeit. ©tapeltedjte, jablreidje unb btürfenbe
glu^joDe etfdjttetten ben glu§oerfebt, politifebc Setfliufelung
unb ^attifulatiSmuS ttugen baS 3bee bet; fo blieb auch bet
Sau bet gabtjeuge bö^fi ptimitiv. 3n ein neueö ©labium
ttat bie glubfcbifffabtt na^ bem @tfcbeinen bed 0ampfbooteS,
meltbeS befanntlicb butcb ben ämetifanet IRobett gulton
(eine 8eben8ftaft etbielt. !Die von biefem 1803 auf bet ©eine
gu |)ati8 Botgenommenen Steamboat-gabtten blieben unbeadjtet,
bod) f<b‘’n wenige Sabre barauf untetbielten feine JRab»
bampfet tegelmä§ige (Jontfe auf bem .D“bfon unb 9Jliffifippi.
1809 petitionirte gultcu bei ter bapetifcben fRegierung um ein
au8f(blie§enbe0 |)ricileg auf (Sinricbtung bet ©ampfftbiff fahrt
auf bet !Donau gmiftben Ulm unb 2öien; bet Sotfcftlag watb
afabemiftberfeitö geptiift, jebotb au0 facblidjen unb pahriotiftbeu
ORotioen gutürfgewiefen. 1816 ttat bet ©elebtte @eotg von
Oieitbenbatb, von bem auch eine etptobte Setbeffetung „im
(»6)
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5
gegen unb ©teilen befl ÜRofteÖ ber Slljeinicifeiffe", fotoie wo^l bie
erfte 3i>ee l>et ©eilfdjiftfaljrt ober Slauetei ftammt, für bie
9lü^lid^feit ber glufe»5)annjfjc^ifffal)rt öffentlich in bie ©chran«
fen. *) 6in guftrum fpäter fe^en wir bie beutfdjen glüffe be=
lebt von jahlreidjen ^Dawbfbooten ; währenb unfere gehrmeifter
im @i|enbahnwe|en, bie @nglänber, biefeö33erfehrdmittel faum
noch in (ärroägung gezogen holten. 1835 crftrecfte fich ber
2'ambferoetfehr bereits auf ber 2)oncra bis ffiien, auf bem
dihein oon ^IRainj bis jur fDiünbung. Ü)H^t bloS in 2)eutfch«
lanb. fonbern in allen ^ulturlänbern ber @rbe eilte baS
S)amt}ffchiff bem S)ampfn)agen bahnbrechenb voraus.
3)ie fünftlichen ©chifffahrtSfanüle, biefe hochwichtigen
SietbinbungSglieber großer SBafferläufe, würben fchon im grauen
Üllterthum für ÜJiaffentranSporte gegraben, ©ehr fpät, erft feit
Slnfang beS 17. SahrhunbertS cntwicfelte fich baS Äanalwejen bei
ben mobernen jiulturDclfern, aDerbingS in feiner oollen 2^rag>
weile, nachbem ber hoHänbijche .ppbroteft ©teoin burch 6in»
führung ber Äammerjchlcuje bie llerpflanjung ber Kanäle oom
glachlanb inS .^ügellanb ermöglicht hotte, granfretch begann
mit biefen ©auten unter gübwig XIV. unb ooQenbete bis j. 3-
1821 jährlich ra. 8 km, oon ba bis 1837 mit freigebigfter 3)elaftung
beS ©taatSfäcfelS jährlich burchfchnittlich 175 km Äanaljtrecfen, jo
bah nun etwa oiergig jolcher äBerfe bem allgemeinen ^erfehre
bienten. — ©nglanb’S Beitalter ber Äanalherrfchoft eröjfnete 1758
ber beühmte ®ribgewater»Äanal; jein ©chöpfer unb bamit bet
älater beS ehebem mächtig blühenben englifchen ÄonalwefenS, ift
^)erjog @gertcn oon öribgewater, fein (Erbauer ber fühne 3n=
genieur örinble». @inft befragt, wo^u @ott bie glüjfe erjchaffen
habe, wenn man überall .Kanäle anlege?, foQ Srinblep verfemt
haben: „@ott crj^uf biejelbcn, um — bie Kanäle mit SBoffer
gu oerjorgen!“; unb er jprach bamit ein wahres SBort. ^Den
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@ifer ^nglanbä im prioaten, ti>ie ftaatlicpen .^analbau bezeugt
bie 3ttbl bet »om Parlament ertljeilten Äanalafte, »el^e fi(^
bis j. 3. 1800 auf 82 , Bon ba biö 3. 3. 1834 auf 39 belief.
— ^ollanb unb Belgien befi^en, auf bcn ?flä(beninbalt be8
ganbeS au8gef*lagen, bie mciften SäJafferftraficn unb Kanäle in
(Sutopa. Die Fossa Drusiniana unb bie Fossa Corbulonis
(bet heutige „8e(f") in ^oClanb erinnern nodb an bie S;bätigfeit
ber Siömer am Unterrbein. — (Sine beifptellofe
ber ©tbaffung auögebebntefter .ffanalnetbinbungen entfalteten
bie norbameritanifdben greiftaaten, uugeadjtet bf8 IReid)'
tbum8 an natürlicben Sßafferlaufen unb ungeachtet ber geringen
tBollSbicbtigfeit. (®8 genüge bie 'Jlotig, bnft feit ber 3nbetrieb»
fe^ung be8 erften namhaften Äannl8 (mit 125 2d)Ieufen) länge
bem@(büBlKll«^luffe i. 3. 1815, binnen 3tt»eiDe3ennicn 4800 km
Äanäle crfteDt mürben, unb bafe allein ber ©laut ^ennfpluanien
in bet Seit nun 1827 bi8 1836 neben 240 km (äifen bahnen mehr
al8 900 km @(hifffahet®f“nöle erbaute.
3n Deutfchlnnb gefchah Bcn jeher noih meniger für
Kanäle al8 für bie Blwffe, bie S3urcaufratie Betfchlofe fl^ jeber
JBürbigung ber großen in ben 9iachbarl5nbetn ergielten @tfolge.
Die @ef(hichte be8 älteren beutfepen Itanalbaue8 märe mit ber
Slufgählung Bon einigen smangig berlei SSerfen unter ^ernot»
hebung be8 ©teefeni^» unb Sinom=Äanal8 (ron 73 be5m. 58 km
8änge) abgethan. gaft alle jene befinben fich in ^teuhen,
beffen ^>anbel8ftänbe Biel 3ur Sörberung be8 ÄanalmefenS bei:
trugen; hoch geftattete ihr primitiBer SSetrieb nicht, bie gracht»
fähe im großen @an3en erheblich niebriger al8 beim 3(ch8ttan8port
3U ftellen. 9Weht Seben in bie nationale ©ache braute bie
Äanal«93erbinbung be6 ?Dtain8 be3m. fRhc**'ö mit ber
Donau. SBie befannt hegte fchon Äarl ber ©rofec biefen
fühnen ^lan, an beffen Slu8fühtun0 thatjächliih gefchritten mürbe.
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mie ein nod; cor^anbenee furjeS @rabenftütf näc^ft bei @ifen<
ba^nftation ©tön^atb (Fossa Carolina) bezeugt; bie ißoQenbung
f(^eiteite an bet Unfenntntfe bc8 35un^ft^Ieufen8. Dr. SUcy.
8ip8 fu^te feit b. 3- 1805 bie cffentlid^e 9Reinung für beS
gro^n Äaifetö 3bee gu gewinnen; feeren, @i(b^otn nnb anbere
@ef(bic^t8id^teiber fpraci^en begeiftcrt fibet btefelbe, wäljrenb
3of. 0, Saaber be^arrlic^ für ben @tfa^ bet ptojeftirten SBaffet»
ftiafee burdb eine „eiferne Äunftfttafee* fömpfte. Slud^ bet be»
fannte ©tragen» nnb SBaffetbaubirettot d. SBiebefing gefeilte
fidj ju ben Äannl^Opponenten. SUIein Äßnig gubwig I. non
Sapern war für baö Äanalwetf fo eingenommen worben, ba|
Baaber bie beftimmte SBeifung erhielt, baffelbe in feinet SBeife
mebt angufedbien- 1834 enbltcb erfolgte ba8 ®efe^, weldbe8
ben 174 km langen 8ubwig8fanal jwifcben ^elbeim nnb Bamberg,
ba8 ©lieb einer ganjen j^ette oon ©ntwfirfen nnb Borarbeiten
feiten8 ber baprifd)en ^Regierung, bet Berwirflt^ung entgegen»
führte. 5)ie ©efammtlänge aller beultgcn @(bifffflbrt8fanäle
be8 beutfcben fRei^eS bürfte 1700 km faum überfteigen.
@8 ift b^r ni(bt ber Drt, bie Borjüge nnb fRa(btb«le.
fowie bie ©yiftenjbebingungen fünftlidjer SBafferwege ju erörtern.
®ie ©efcbidjte ber Kanäle, namentlid) ber englifeben, bol
ba§ biefelben gut rentiren, aber auch febr wenig abwerfen
fönnen.
Ueberall etfennen wir bie .^analanlagen al8 unmittel»
bare BorlSufer ber nationalen ©ifenbabnfpfteme,
ja in 3lnbetra(bt »ielfeitiger ISnalDgien binficbHitb »brer ©efe^eö»
beftimmungen gerabegu al8 beten Borbilber. fRaturgemä§
fonnte bie Binnenfdbifffabrt feit bem 3n8lebentreten be8 8ofo»
motiBtran8porte8, natbbem auf eine weife 3neinanbetfügnng
nationaler ,Ranal» unb ©ifenbabnfpfteme oon feinem ber eure»
päifdben ©tauten Bebadbt genommen werben war, webet an
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innerer audbilbung nod^ an r¨id^er SfuSbe^nung gewinnen.
3m @egent^eil ftnb fa^ aDerwärtd, nid^t bloS in 2)eut{d>lanb,
SiüdFfc^rÜte ober gänjlic^e gd^mungen in ben nunmehr auf
SWaffenfrad^ten o^ne ftye gieferftift befc^rdnften Äanalbetrieben
wa^rjune^men, unb felbft bie häufigen ^erabfe^ungen ber ^anal«
abgaben oemto(^ten nid^t bem erfc^ütterten ^analwefen nad^°
l^oltig aufju^elfen.
Ber ilrnn^port auf Stragra.
.^ein 93olE be§ ülltert^umd wie ber 9ieujeit ^at fo
nenteö im SSegebau geleiftet, al8 bie 0iömer. @in eng°
mafc^igeä 9ie^ non du|erft foliben unb foftjpieligen .jpeer=‘ unb
^anbeldftra^en bebecfte bie ^rooinjen bed ^aifeaeic^S na^
allen fRii^tungen ber SBinbrofe. 9lad) bem Untergange römi*
fc^et .£)enli^feit geriet^ au(^ baä ©trafeenweien in jdl)en SJer»
fad unb eö bilbet ber miferable Suftanb unb bie Unfic^er^eit
ber 8anbwege im Seitalter beö IRaubrittert^umS, ber dteformation
unb De8 breigigjd^rigen Äriegeö einen fc^roffen @egenfa$ ju
jenen antifen S3ier!en. @in me^r geregelter, immerhin nod^
überaus mangelhafter ©tragenbau macht ficb im 18. 3ahrhunbert
in @nglanb, ^anfreicb unbt^oDanbbemerfbar. ,Äunft [tragen“
aber batiren erft auS ber jweiten ^dlfte beffelben, al8 man in
@nglanb Scdftätten behufe tegelmd§iger Unterhaltung ber 8anb>
ftragen gu errieten anfing, fie finb jünger alä bie @rftlingS>
werfe ber englifdhen ^analbautechnif! ©eitbem würben bie
^auptoerfehrSrouten ®ro§btitannirnS, meift alS jubventionirte
^rioatunternehmen, unter iieitung SlelforbS u. muftergiltig
auSgebaut unb — mit .^)ilfe hoher, felbft brüdenber SBegegelber —
unterhalten. Salb nach 1820 warb non bem oerbienftoollen
©chotten fSiac Slbam baS nach ihm benannte ©pftem ber
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Stein) c^Iag {tragen ailerwärtS burc^gefü^it. Swedniältg, bequem
unb Dtonomijc^ wie bie Sa^rmeqe (Snglanbä mar bag Babr-
material, (baralteriflrt bur^ leiste unb mä§ig belabene ^ubr>
metfe; bie ^oft» unb ^erlcnenbeförbevunq mittelft ber »Stage
coaches“ unb ber »Royal mail'^ lieg menig äBünfebe auffommen.
IDaS Stragenmefen granfreiebö mar nad) ber 1791 erfolgten
@$tünbung beö non gerönnet geleiteten „Corps des ponts
et chaus^es“ jiemlieb außgebilbet. ©ie ^pflafterftrogen für
Saftentranßport unb bic fog. @lranbbal)nen für leicgtereß ^ugr^
merf mürben fämmtlicg opulent bureg ben Staat beivgeftellt.
9iapoleon I. »erauägabte in ben erften gmölf Sauren biefeß
Ssabrbunbertß oQein für (Sl)auffeebauten 277 OJliQionen fres.
©elgten uub q^otlanb bejageii ebenfallß ein auSgCi)eid)neteß
unb biibteß flieg »on Äunftftragen.
3n 35eutfdblanb gab eß ju beregter Seit ebenfomenig
eine Äunft beß Sälegemacgenß ale Äunftftragen, benn ber Stragen«
bau marb nur alß Jpanbmerf gepflogen. Die unb 9luß»
bebnung ber Jpanbelßrouten mar eine geringe, ^flafterftrageu
befegränften fieg eigeutlicg nur auf Ditjebaften; bie befteinten
Sagnen maren mit fcglecbtem OJiaterial unterhalten, ftaubig,
fotgig unb menig tragfaljig; ber gofaloerfehr blieb ftiefraütter»
lidjft behanbelt unb mcift nur auf notl)bürftig hergeriegtete ®rb=
mege angemiefen. Staat, Diftvifte unb (äemeinben beftritteu
bie Untergaltungßfoften ihrer Stragen mit äugerfter Sparfam»
feil auß ben anfaHenben 3lbgaben. Die Jranßportroagen mugten
fehr fräftig unb mit ftarfer 2)efpannung uerjehen fein. Die
Sefchaffenheit ber ^oftmagen fchilberte ber ^J)oftbeamte Streitei
auß ^ugßburg anno 1811, anlaglicb ber Sßorlnge feiner „SBageii»
cerbefferungen" an bie t. baper. Slfabemie b. 3Ö., mie folgt:
„Sie finb baß Segreefen für ^etfonen fcgmachen Äßrperbaueß, bie
ton einer eifetnen fflothmenbigfeit auf folig ein )Reifemittel gebannt
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roetbcn. ift nur eine Stimme über bie qualDoOen ©t^läge,
bie ein fo gtofeer unb in aOen Jljeiien übermSfeig befd^mertet
unb anfcbeinenb für ein Sabr^wnbert gebauter Äaften, gleicbBiel
ob in Äetten ober ©op^eltiemen bängenb, ben Üteifenben in
bie Seite oerfe^t @in »^u^rnjerf, bag leer ftbon bie
PoHe Äraft »on brei ^ferben für bie (Sntfernung einet floft*
ftaticn erforbert, mu§ noch mit 15 6tr. belaftet mit 3«tbuung
eines einjigen ^ferbcS, nömlicb oierfpännig, in oorgefcbriebener
3eit befcrbert loerben". Sefjr oerbient um baä reijenbe ^'ublifum
madjte ficb in ben 20 er 3ab«n ber preufeifbbe Oberpoftmeifter
0. 9fag(er bur(b ©infü^tung ber „ßün’avgen" , weldben bie
franjöfifcben unb belgifcben f0iane»^often unb bie iDüigencen
ber ^arifer Messageries Royales, bereu ©runbgeftalt ben
früheren englifdjen Stage coaches entlehnt mar, ju @runbc
lagen. 3ht SBagenfaften ruhte bereits auf Duer= unb iJängS=
iebern unb beiafe ^emmfchuhe. 3n ben 30er 3ohten famen
bie aus ^\uiS ftammenben „Omnibuffe" in (gebrauch.
2rol^ ber mefentlidien l'erbcfferung ber ©ommunicationen,
troü ber SlerooOfommnunvg ber (^uhrmeienSmedjanif unb tro^
oielfadjer iSufhebung bet ©hnuflew^gaben nach bem SBiebet»
etmadien oon 3nbuftrie unb .^anbel in ©eutfdhlanb, fönnen
bie JtanSportfoften auf ben ?anbfttafeen faum unter bie früheren
hetnbgebrücft merbeu.
3)ie begrenzte airbeitSbauer bet 3wgpferbe, bie nachtheÜigen
SBitfungen ber 'JJferbehufe auf bie ganbftraßen, bie rafche 9lb«
nü^ung ber Stra§enflacben unb ber ©laube, mit 25ampffraft
♦thnetler unb roohlfeiler alS mit ber 6h®“ff«e
tranSportiren ju fönnen, gaben mehl ben näthften 2fnfto§ ju
ber 3bec bcS
$trii|f rn ■Sdtti|)fniogen<9i,
rcelthe im i?anbe ber unternebmungSmuthigen Sritcn, mo bie
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?Dani|3farbeit fc^on längft üermert^et, ibo bie Äc^le bifltg, bafl
'Pfetb aber treuer war, fcfte SBurjet fa§tc. ®ie älteftcn bcjüg»
liefen 2}orjdiIäge batiren bereits ron ©aoerb, bann non Dr.
SRobijon au3 ©laSgow, wclrbet 1759 in feinet Mechnnical
Philosophy ein ©ampffuijrwnf befc^reibt. %\mtS 3Batt erläutert
in feiner ^atent.©pe3ififation ein IDattipfgefäbtt mit 91ieberbru(f,
bet fidb freilid) nidjt jii biefem 3»ecfe eignete. ®ie etfte witf=
libbe Sabrt mit einem breiväbrigen 5)ampfwagen für niet ?)er>
fonen «cflfübrte llugnot ju 'Paris nor Slugen bcS ,g)et3og8 non
©boifeul; allein baS rclje SÖctf 3crfd3ellte unb warb nidjt mebt
erneuert. !Det (Sntwurf 3u einem E'ampfmagcn mit .^obbbrurf
beß älmerifanerß Dlincr ©naiiß würbe alß ©cbwinbel nerlacbt,
biß betfelbc naib fal)relangen iPemübunvgen ein foltbeß — ur«
fbtiinglid) für einen ©ebienenweg brftimmleß — Bat}r3eug, ben
„Oructer Amphibolos“, 3U ©tanbe brad>te unb bamit i. 5. 1804
in ben ©tragen ^l)ilabelbbi^’® t-’pt 20000 begeifterten 3»*
frbauern manöorirte. 'Prnftifebe Slußnu^ung fanb bie ©acbe
nirbt; benno^ prepbejeibte l^nanß in einem ©<brift(ben: „35ie
jeftige ©enetation will fi(b mit Äanälcn begnügen, bie nätbfte
wirb Gifenbnbnen unb ^ferbe Dcr3iel)en, aber ibte aufgeflärteren
9lacbfommeu werben meinen 5)ampfwagen alß bie ocHtommenfte
Jranßpcrtweife anwenben".
3n3wifcben war in bem er3rei(ben (fornwad ein pbantafie»
»oHefl @enie in IDienften Silatt’ß mit (Srfolgen auf ben SBerf»
plab bet bort bccbenl*®icteltcn IDampfarbeit getreten: SRidjarb
Srenitbif (geb. 1771, geft. 1833), ber ©rfinber jener nielbe»
wunberten ©otnwaHmafcbinen mit runben Äeffeln für .poebbruef
(SBatt benübte nur feg. Äcfferfeffel unb ITampf con niebetem
Drutf), fowic ber SBafferröbrcnfeffel. ?llß Ingenieur ber (Sornifb
SBerfe oblag er eifrig ber (ärftellung einer 5?ampflutf(be, welche
et am Gbriftabenb 1801 31t öamberne probujirte. 2?alb barauf
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na^m er gemeinfc^afHic^ mit feinem »eljl^abenben SSettet
81. SMoian ein ^latent auf nerbefferte „Steam engines for pro-
pelling carriages“ unb im fStai 1803 fuhren 83eibe auf ihrem
fedhSfibigen fDampfcabriolet burdh ©tragen 8onbonö, freilich nur
in Raufen wegen unjureidhenber ^Dampfergeugung. fDer £reib=^
apparat war eine hoppelt wirfenbe ^ochbtucfmafchine mit ge>
fchmiebetem Äeffel, innerer Neuerung, 5)ampferpanflon unb 8lu0»
blajen beö 8lbbampfe« in ben ©d)ontftein: lauter Sebenßelemente
ber mobernen ©ampfroagen. 2)a jebod) bie Sleparaturen ber
SDiafchine fein @i;be nahmen, mürbe baS SBerf oerfauft unb
weitere S3evfuche aufgegeben.
1820 gaben pomphafte 8tnfünbigungen einer betriebsfähigen
5)ampf»|)oftfuti(he beö 35ubliner 83elingham (womit aber
beren tSften fdhliefeen) baS ©ignal ju erneuten be3Üglid)en @r»
perimenten unb witflid} tauchte nun ein ?)rcjeft, ein patent
nach bem anbern auf. 3)ie 'JJreffe fuchte in ber golgejeit baß
in Blu§ gerathene Sthew« «Iß «ine gtc§e nationale Üliaferegel
hinfichtlich SSefchränfung ber ^ferbe^ucht unb beß ^aferbaueß
hinjuftellen, ba ja jebeß ^ferb nach Slbam ©mith fo oiel an
Butter coniumire, alß jur hinlänglichen ©rnährung ücn acht
9)ienfchen nöthig fei; au§er ber .perabbrüdung ber Sirmuth
würben — fo l)ie& fß — auch bie 9lährmittel wohlfeiler, unb
ferner würben bei allgemeiner (äinführung oon ©ampffuhrwerfen
nicht mehr 18 000 '>))oftpferbe jährlich ber Ueberanftrengung jum
SDpfer fallen.
2)ie ©trahenbampfwagen, burchweg für ^erfonenbeförberung
beftimmt, waren gweierlei 8lrt. (äntweber erfchienen pocbbrucf=
mafchine unb .^utfehe in einem jförper oereinigt — bie eigent«
liehen ^Dampffutf^en — ober eß funftionirte ber IDampfwagen
alß Sugmafchine, wcldher bie gewöhnlichen ^aff agierwagen an>
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gelängt »utben. 3>n 9lad)fte^enben feien bie befannteften eng»
liftben |)atentmaf(binen angebeutet.
©riffillj’ö 2)ampffutf(be war nidjt weniger al8 27 gufe
lang, fam aber nidjt ju öffentliibet ^enu^ung. ®ie 3«9*
mafcbine non £)anib @otbon foOte innerhalb einer gro|en
Sirommel mit
nach bem $rtnji)> be8
rateS arbeiten; berfelbe
fa^te 1824 bie ebenfo ori>
gineHe, natürlich ni^t le*
benöfähige 3bee, bie SJla»
fcbine burdb mehrere nach
art beS ©angeS ber ^ferbe
automatifch ttirfenbe 93eine, unter anmenbung oScillirenber @h>
linbcr, fortftofeen ju laffen. (^ig. 1)»).
Söurftall unb Sohn ^ill »ermenbeten bei ihrer 2)amhf»
^oftfutfche äufeerft ho<h gefpannten ®ampf nach ^erfinS 9Jie»
thobe ; bie Äraftübertragung erfolgte mittelft fonifchcr ©etriebe auf
bie (Rabnaben. Ofen, Äeffel unb ©chornftein erhoben ftch hinter
bem ©i^faften ber ^affagiere. Sei einer Serfuchöfahrt barft
bet Äeffel.
©urnep’8 2)ampfomnibu0 non 1827 ^eigt Sig* 2; beffen
Sßagenfaften, nidht weniger al8 neun früh über bem Soben er»
haben, gewährte ^la^ für 12 ^ajf agiere^). Der ©rbauer nahm
mit feiner fKafchine bie weiteften in ber ©efdjichte ber ©trafeen»
Dampfwagen überhaupt befannten SReifen sor, ja er foO cier
SRonate lang regelmäfeige 2ariffahrtcn auf Cer (?hauffee jwif^en
©loucefter unb ©h^ttenhnm oeranftaltet haben.
5)iittlerweile hatten bie (5h*canen »on 3i<eginfpcftoren unb
^uhrwertbefihem 3ahtreiche ^ofatgefe^e veranlaht, welche bie
Dampfwagen mit wiQfürlich normirten hohen abgab e i (
im
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©Urnen nun ncrftanb e8, i. 3. 1831 im Unterljnufe bie @rrtd)tung
einer @i>eci‘>lfntnniifficn jU eingeljenber ^'rüfung ber brennenben
1519-
grage bur^jufe^cn. 2)ie Äoinmijifon, faft nur auS Sntereffenten
befte^enb, anertannte bie 5Rii^li(^feit beS fraglichen Jranflport*
mittels unb »erfprach, baffelbe nor unbilligen 36tlen fchü^en gu
tooQen, »nrauf bie gefpannteften ^)offnungen rege würben. 5Rod)
in bem gleichen Sa^re erfdjienen IDam^jfomnibuffe non ^>ancodE
unb non @ibb§, ein breiräbriger ^})baeton non Dgle unb
©ummerö, bie fd)werfällige ©ampfbiligence beS Dr. (Sl)ur(^
in Sirmingham für 56 'Perfonen; 2B. SRapier in ©laSgow ner*
fu^te bie .Ifraft beS 5Dtafd)inenwagenß burd) ein 8aufbanb auf ben
Äutfchwagen gu übertragen. Södhrenb in 9lmerifa ber plumpe,
noch mit Salancierö nerjehcne Kampfwagen $owarbß non
ft(^ reben machte, nerherrlid)ten englifdhe Sölntter bie jüngften
^Probefahrten ber Kampf* ©ilwagen non Slnberfon, URacerone,
©guire, 9iuffel, tRoberte, «iclb, .pancodE u. 31. ©egen hunbert
SJlafchinen, atleerbenf(id)enÄeffelconftructionen,ÜenfDorrichtungen
unb medhanifdicn Äünftcleien waren biä g. 3.1835 nerfiuht uub
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enorme ©elbfummen ocrerpcrlmentirt worben. ®er Grfinbunv-j?»
geift ber gejdjicfteften SÖJec^anifet f(^eiterte an ber ©c^tanfe,
roeldje ber beträ^tlid'c Söiberftanb auf nod) fo guten ©tragen
fermeren ^Damt^fwagen entgegenfteüt, ioät)renb aDe 91lafd^inen>
Organe bennod) fe^r fräftig unb folib fein muffen, auf j^often
ber ^eijflä^e unb bamit ber ^^lu^wirfung. SDte gewähnten
älort^eile beim Sergauffa^reu traten nid)t ein; baö Slnljängen
ber .^utfe^wagen an bie 3ugmaf(bine brachte feinen ^iewinn;
bie SBeteinigung beiber Sbfüe wat für bie Sleifenben un«
bequem, beunruljigenb, ja gefährlich; 33etrieb0» unb Unter»
baltung^foften ftanben au|er adern 33crbältni& ju ben ^eiftungen.
ä
@0 ift fein ein^igeb iöeifpiel einer anbauetnben S3enü^ung folcher
gahtmafchinen nachroeibbar; bie wenigen febeinbar gelungenen
brachten im günftigften 5^ad jwanjig ^erfonen, unb nie jehneder
al0 15 km pro ©tunbe fort. 5)a0 ÜBcrgeben einiger 35ampf»
futfd)en»©pefulanten, mit ben l'ofomotiobahnen in ^oncurten3
gu treten, fädt in0 Sereiefa ber Jpirngefpinnfte.
3n 35eutfchlanb entwarf jehon i. 3- 1803 6. 31. Jpenf chel
in Äaffel ein mit ©ampffraft gu bewegenbeb «uhrwerf, wieber»
holte e§ fpäter alb dJiobcd in natürlicher @rö§e unb erhielt
1817 ein furbeffifcheb 'Patent barauf, oon bem jeboch nie @e=
brau^ gemacht würbe. @benjo frühgeitig halle fi^h ber oben
erwähnte SReifter im ©ebiete bet gein=3)lechanif: @ecrg o.
IReichenbach, mit bem Saue eineb 2)ampfwagenb „gur @t»
lei^ternng beb Jranbporteb auf ben gemeinen ©tragen unb für
aubgebreiteten ©ebrauch fowohl auf bemiJanbe alb in ©erfftätten"
befd)äftigt. Setfaffet 2)iefeb fanb unter ben Slrchioalien ber
f. Sltabemie gu 5Rüncben*) ein breifad) oerfiegelteb ©d)riftftü(f
mit bet 3luffchrift „3nftrnment gut ©icherung ber Priorität über
bie ©rfinbung einer neuen 2)ampfmafd)ine“ nebft einem begüg«
liehen ©efuche 3ieichenbad)b b. b. 3. Februar 1816. 3eneb 2)o»
(107;
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fument, beffcn @infi(^tna^nte Isetn SSerfaffct geftattet toutbe,
enthält einen erlöuternben «uffafe be8 6rfinber8 nnb bie ^anb-
fc^riftlic^e ®eftätignng breier Slfabemifer „fänmitlic^e SL^eile bet
9Rafd)tne bereite nollftänbig augerid^tet gefe^en gu ^aben". «(8
^auptgfige be8 freilich »iel gu ccmpenbibfen, nur 4^- 6tt. fetteten,
bteipferbefräftigen ©ampfroagenS finben ftch angegeben: Se»
ieitigung bet ©ampfconbenfation, «mnenbung ho^gefpannten
JDampfeS mit erpanfion, oSciairenbet gplinber, einet ©d^ieber-
ftencrung unb eine8 ©chtonngrabe8, enblich mehrerer bim»
förmiger, bur^ fRchren nerbnntiener Jfeffel. S5a8 SBetf warb
non eingeweihter ©eite öffentlich angcfünbigt, fcgar non frember
'öeitc fcharf fritifirt, hoch Weber SJtafcbine noch SBagen famen je
gum Sotjchein.
CRach %t. ©teiner foH bcr gjiechanitu8 Sofef 33ogef am
^olptcchnifnm gn ^rag fchon i. 3- 1815 eine anerbing8 höchft
mangelhafte gweifi^ige 3)ampffaleiche gefertigt unb oor einem
gewählten ^ublifum !J)robefahtten im „Subenetfchgarten* an»
gefteHt haben. 2)iefelben würben angeftaunt unb »ergeffen wie
jene, welche gwangig 3ahte nachher 55oigtlänber mit einer
um ben hortenbcn Äaufprei8 non 600 ?)f. @t. au8 dnglanb
begogenen ©ampffutfche ben fchauluftigen SBienern im gratet
gum 33eften gab. 2)em gleichen ©dhicffal »erfielen mehrere
©ampffutfchen, bie anfang8 ber ©reisiger in SBtüffel unb 3lnt»
werpen bebütirten unb womnter fidb aud) ein nom talcntnoaen
ÜRedhanifer <Dteh au8 5)armftabt mit Unterftü^ung be8 @rafen
^)ompeich gebautee, fpäteranch in^ari8probucirte8,33ehifeIherDor.
that. ©nblich aber fügte bü33ernunft über bieSpefulation, obgleich
bet ©laube an eine rentable IBerwenbbarfeit jener gjiittelbinger
gwifchen ©pannfuhrwert unb gofomotioe noch lange in ben Äöpfen
ber ÜJienge fputte. ®) @ine not etwa gwei 2)egennien gegrünbete
„Saperifch=pfälgiichc©trahenbampfwagengefcllichaft" ging alSbalb
CI08)
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17
in bie ©rüc^e, nnb »ereinjelte neuere ©erfu^e enegten nur »otübet»
ge^enb ölufmerffamfeit. Stbgefe^en non bennfi^litbenmobemen.nut
gong beftimmten Swetfen, niemals aber bem öffentlichen ©etfehr
bienenben ©tra§enlofomoti»en, galjlt baS gefchilberte
jeug neben bem lenfbaien 8uftf(hiff gu ben unbanfbarften unb
unglürflichften 3been im ©ebiete bet SEcchnif.
Bit eifeme 9pnrbnl|n.
®a0 SEagewctf ber üKenfihen ober beim Saftentranö*
hört auf ben holhcngen Strafen befteht im ©tunbe hauptfäch*
lid) in fortmährenbem ^eben beS ^uhrwetlS auf üeine @t*
höhungen unb in Uebetwinbung bet ebenfo unaufhörlichen fleinen
©töfee. Schon bie ‘4lten bcnuhten ©ahnen auS Stein, auf
melden »eniget SBiberftanb gu befiegen »at; bie Steingeleife
ber griechifchen Jemhelftrahen, ber ©g^htcr gum ?>hramibenban,
bie furchen in bem homhejanifchen ^latten^flafter u. f. n>. ftnb
©eiihiele baoon. Jpoljbahnen in §orm gemöhnlichet ©reitet
maren in bem malbretchen ^titteleuroha ebenfaQS feit Urzeiten
gebräu^lich. 2)te Urahnen unferer Shutbahnen aber et»
fennen mir in ben „^unbelöufcn" ber fchwunghaft betrie»
benen beutfchen ©erg» unb ^üttenwerfe beS 15. unb 16. Saht*
hunbertS im ©tjgebirge, im ^arg unb in SEptol. JDer für bie
innere wie äußere götberung angewanbte „^unb", ein Heiner
JRotlmagen, würbe bort auf ober jwifdjen swei hatallel gelegten
©alfen ober JRiegeln bur^ füienfchenhönbe fortgefchoben. JDa,
wo bie [Räber beS {)unbewagenS auf ben ©alfen roQten, waren
biefelben beS ShurhaltenS wegen mit nach innen oorfhringenben
[Ränbern (Sputftängen) »erfehen. 2)a8 altehrwürbige ©ergwerffl»
buch beS ©eorg Slgricola auS ^emmni^ bringt eine S^th^ung
beS ^unbeS (§ig. 3); in bet Uebetfehung beS SBetfeS hc'ht «8
(Seite 117) wörtlich: „bieweU et aber/ fo mon ihn bewegt/
XIX. 4U. 2 (10»)
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18
ritt t^ott gibtt/tag cttlid^c bfnttdtt er ein t^on/ bem
brlleii ber ^unben nix^t onglcii^/ l^abenbt fie tl)n ein iQuttbt
grnanbt/^ Dbtge DueQe bejei^net
baS ^o(3geftänge alS ,)glri^ bet
trötnctt^^ unb e§ bütfte baS leitete
SBoit als baS Stamnmort beS
^eute noc^ übltdjen „gramen" (SaU
len) unb beS engltfdjen „Sltam»
SBap“ anjufe^en jein.^)
Sfid^tige beutft^e ©etgleute, lueicbe ^>etnri(]b VI., f|>ätet
aud^ bie Königin @(ifabet^ na<^ @nglanb fommen liefen, »er«
bflangteit bie ^öljerne ©putba^n bort^in. $Dte lueitere 6nt»
»idlung bctfelben au§erbalb bet ©rubenfinftenitffe fpielt fortan
lebiglt^ auf bem Sufelteic^e. Um 1620 erftbeiut bie erfte, »ou
Seaumont fut ein 93etg»etf bei Sflemcaftle ootgerid^tete |)feibe=
ba^n; bie Äo^Ienfarren („SBaggonS") liefen ^ier noch auf
fdbtt>a(ben ©o^Ieu. 9latb Seginn beS 18. 3abr^unbettS fe^te
man ftarfe gejimmerte 9liegel auf äDuet^öl^er unb benagelte fie
biSmeüen an bet iSbnu^ung befonbetS unterworfenen ©teilen
mit gefdbmiebeten gla(beifen; bie bölaetnen ober gufeeifemen
Siäber erhielten ©purfranje, fo ba§ fie baö ©eleije nid>t ner*
laffen fonnten (f. gig. 18). ©olc^e 9iiegelbabnen ober raU-
roads, ouf Wellen ein ‘Pferb 40—50 (5tr., baS SBietfacbe wie
auf ben bamaligen ©tragen, gog, bebnten fi(b immer weiter auS
unb nic^t feiten für gemeinfibaftlidbe Senu^ung meuteret aSBerfe.
Der Pfetbegug ging mei^ nur aufwärts, in ©efätten lie§ man
bie ffiagen bureb ihre eigenfdtjwere abwärts laufen, baber Un»
fälle flottfanben.
6inc läbmenbe Ätife im ©ifenbüttenbetrieb oeranlafete im
Sabte 1767 Sölr. JRepnolbS, ben 8efibet bet ^»odböfen in
©oalbroofbale, bie eifengingen anftatt in »arrenfotm nunmebt
(110)
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19
in gom Bon glatten (gtg. 4) ju gieren, »eld)e er einpwetUn
an bie ©teile bet |)oIjriegel feiner SBetf bahnen fe^te, unb —
bie „föifenba^n* tDot erfunben. SDiefc rein tJroBiforif(^)e
bfonomifcbe lDia§regeI bewährte ftcb aber berart, bag man an
33efeitigung ber ©il'enfd^ienen nidjt me^t backte, fonbern Biel*
me^r bie ^lattenba^n ober tram- 4 8lg. 6
road aud) anbermärtS nacba^mte.
1776 Berfa^ Senj. 6urr bie glatten*
f(^ienen (plate-rails) mit einem nadb
innen gu angcgoffenen SRanb (gig. 5) unb f(buf fo bie erfte
eiferne ©putba^n; er beabfi^tigte, bie gemSljnlicben ©tragen*
wagen auf bie ©ifenba^n übergeben ju Inffen unb Berlegte be^^alb
bcibe ©cbienenftränge in einem ber Sagenfpur entfpreebenben 9lb*
ftanb. @in ^albe§ 5n'^rl)unbert fpäter übertrug ©tepbenfon biefe
Icineßwegö tedb«if<b erwogene, gang gufätlige ©purwette (4' 8^"
engl, ober 1 ,436 ra) auf bie erften gofomotiobabnen unb eS ift bie*
felbe — tro§ eines lebhaft entbrannten gebetftiegeS um bie
aSorgüge unb SRa^theile einer größeren ©eleiSweite — noch
heute mit nur geringen 3lu8nahmen (g. S3. in lHu§lanb) auf allen
europäifdien SSnhnen bie unabänberbare Sflorm,
SEBährenb nun baS l'angfthwcHen* ©pftem mit gladh* ober
Sßinfelfchienen in ben fübli^en, mit eifenbefthlagenen IRiegeln
in ben nörblithen ?>roBingen unb in ©dhottlanb Borherrfchte,
Tarnen hier “«*5 ^>ort, inSbefonbere in ben aSergbaubiftriften oon
8ecb8 unb fRewcaftle, fRailwapS mit hothfantigen, gu|eifernen
©tab* ober Äantenfdhienen (edge-rails), welche aSagentöbet
mit ©purfrängen erforbetfen, in Aufnahme, ^lerburcb würben
fewohl bie SBiberftänbe beim fahren nerminbert, alö auch @^nee*
unb ©chmuhablagerungen auf ben@eft5ngen Berhütet. SB, 3ef*
fop gab 1789 ben in gu§eifernen ©tuhlchen ruhenben ©chienen
einen pilgförmigen Duer'chnift fowie bie rationelle etliptlfche
2* O't)
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20
untere Segrenjung. SDiefe fog. gi|(:^bau(^f(^ienen (gig. 6)
e. erhielten, nacbbem 6 b-
Outram ben
)(^weQenbau verlief, unb
bie^lattenfcbienert butcb
@teinbl6(fe inlermitti*
renb nnbrftü^te, nach Seginn unferefi 3a^tl)unberl8 eben»
falls ben maffinen Unterbou. 3)ie ÜJte^rjo^l aflet SBa^ncn,
»el(be in btelet ßeitperiobe t^eilö innerhalb ^Jtioater 3nbu*
ftrieftätten allet Slrt, t^eilfl gut öffentlidjen Senu^ung für
StobpiobufttranSpoTte (j. 93. jiviidben Bonbon unb $ort^8«
montb), tbeilS tenn)orär ju Saugwerfen (juerft 1807 beim
93au bet großen ^afenbaffinö oon Bonbon) in betrieb ftanben,
befa§ nur ca. bret gu| @pUTtt>eite, unb ebenfo lang waten
bie ®^ienen.
IDie fpTÖben, unela[ti)d)en ®u§etfenf(^ienen jeigten fic^ gac
halb bet anbauetnben 93e(aftung nicht gewachfen, we§ba(b einige
©rubenbahnen mit gefchmiebeten, hochfantig gefteHten glach»
eifen »erfeben würben. @ine epochemadbenbe SBcnbung nahm
bie SSemoDfommnung be0 ©eftängeö jeboch erft, al8 Sohn
93erfin0hfl®i ©igenthümet mdchtiget ©ifenwetfe ju IDurham,
um 1820 baS ^Stinjih beS SSSaljrnS non QnetaQftücFen auf bie
gabrifation bet €^ienen anwanbte unb einen fchwierigen ^to«
geg etfonnen hatte, um gifchbauchfchienen non )>i(gf5rmigem
|)tofile unb gugleich in grögerer Bange hetjuftellen. @. ©tephcn*
fon befürwortete bie gewalgtc nnb non mehreren @teinquabem
getragene gifchbauchf^iene warm, obwohl beten gorm nun
ni^t mehr bet bet Snanftiruchnahme ihted lUtaterialS
entfprach, unb aboptirte fie gum S^heil auf bet @tocfton*35ar»
lington 93ahn, burchweg auf bet BinerpooUWanchefter 93ahn.
(Hl)
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21
S3on je^t ab erhält bie ^ntroidflung ber ©bUTba^n »tel Se>
unb tDiffenjcbaftlic^e @)runblage. 3^ren lebten be>
beutfatnen @dbritt eiblicfen toit tn ber Sinfü^tung ber getDoIgten
@tu^lf (biene mit fpmmetrif(bem Duerfcbnitt unb parallelen
Ober» unb Unterfld^en ouf ber 2onbon-©irmingbam S3abn
bur(b 9tob. ©tepbenfon i. 3. 1838 (gig. 7), wel(be ein
bobeS Sragnetmögen mit geringem SJiaterialaufwanb Bereinigt;
mit ibr fibliegt bie @ef(bi(bte ber gifcbbaucbfcbiene ab.
SBie in ßnglanb, (o mar auf bem Kontinent baö „eng«
lii(be Dberbaufpftem" b. b ©eftänge au0 geroalgten ©tubl»
f(bienen mit ©teinmürfeUUnterftübung, anfangfl am »erbreitetften,
mie ja au(b ber Söebarf an fömmtlicbem SBalgeifen mit gerin«
gen Sludnabmen non englifcben Jütten gebeeft merben mu|te,
man gog jebo(b bie einföpfige |)arallel»©(biene »or; bie fpmme»
trif(be erfebien guerft auf ber Staunudbabn. SBelgien bebielt no(b
bie gif(bbau(bfcbi««f. befeftigte biefe jeboeb auf bölgtnien Quer«
f<bmeaen. «Die ©teinunterlagen 7 3 «ig. 9.
unb ©tül)Ie offenbarten erbeblicpe
9iacbtbeile unb auch in ben @r>
martungen, melcbe man oon ber
@rm5gli(bung beSUmfebreng fpm«
metrifeber ©(bienen gebegt b>>ilf(
fab man fl(b getäuf(bt. 5)e6balb ging man mehr unb mehr ju bem
DuerfebmeUenbau mit b’reitb|afigen ©(bienen über: bat
fpecifif(b „beutfebe Dberbaufpftem.“ 3n bem bolgreicpen, aber
eifenarmen iXmerifa mar neben eifenplattirten Sangbölgern eine
breitbafige^toljf (biene auf gangfcbmeHcn übli(b, bereu '))rofll ber
englif^e Sngenieur 6 b- fBignoIeönadb (Suropa oerpflan gte, mo ba8«
felbe unoerjüglicb ouf ber @reat-SBefternbabn unb in ©eutfdjlanb
guerft auf ber 2eipgig»2)re8bener Söabn (gig. 8) gur älnmenbung
Tarn, ^eute ftebt bie adeln rationede breitbafige fog. 93ignole8«
mi)
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22
fd^iene ($tg. 9) in manc^etld ^obififationen auf ben ntetflen
euTopäifcben Sahnen in ®ebtau(^. S3on ben neueren U7id)tige>
reu SBetbefferungen am Dberbau ift bic SBerbinbung bet
@^ienen burcb fcbmiebeiferne 9afd)en, bie gabrifation uon
Sta^Ifopf« unb @an3>®ta^If(^ienen unb bie 3mprägnirung bet
^oijftbnjeflen mit 8äulni§ cer^inbemben Stoffen betoorgu^eben.
3n jüugfter 3dt finbet baö aeiierne Dberbauf^ftem" mit
gang eifernen Duer:= ober Sangf^meQen feiner ^Dauerbaftig!eit
»egen mehr unb mehr Verbreitung. Viä babin — jagt 9Jl.
». SBeber richtig — »feben »ir bie eifeme ©purbabn troh
taufenbfacber Umgeftaltung bo(b enblitb an tecbnifcber SDurcb«
bilbung b'nicr ber @ntmi(flung beb Vetriebb unb ber Babt*
geuge gurücfbietbenb*. @egen»ärtig genügt bie ^ragfäbigfeit
ber Schienen, »eiche feit ben j^inbbeitbtagen bet 2)am)>fbabn
faft bie breifache SRateriai» unb @e»ichtboermebrung erfuhren,
allen ülnforberungen ber gefteigerten Saften* unb fDlaffenbe»egung
auf benfelben.
Sie Slteren Steillmhnrti.
3ur Vefabrung non Shutbabnen über fteiie, nicht gu um*
gebenbe ober mit |)ferbefraft nicht gu bemältigenbe älnböhen
beftanben ebebem in @nglanb g»ei fUietboben, nämlich (idt
1788) Die „felbftmirlenben fchiefen (Ebenen * mit £Do^^^)els
bahn, bei »eichen ber bergab fabrenbe belabene 3ug burch Ver*
mittlung eineb oben auf ber ^öbe um eine bc’ngontale, bremd*
bare 9io0e gefchlungenen SeileS ben leeren ober fch»ach be*
labenen 3«0 auf»ärtö gog; bann (feit 1808) bie fHampen mit
feftftebenben iDam))fmafchinen, »eiche bie Saft mittelft ber
um groge S^romnieln fich »idfeinben Seite emporgufdbaffen unb
gleichgeitig bie abȊrt0 gebenben IBagen gu bremfen bitten.
Veibe Spfteme be0 Seitbetriebs für Steigungen bis gu 4 p@t.
(11«)
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23
ftanben natnentlid; in ben ®rafi(i^atten 2!)uT^ani unb ©unber»
lanb, fpälet auf pennfploanifi^en Sahnen, in auögebe^ntem @e»
brauet). 5)ie ^)enfc^aft beö ©am^fwagenS mae^te überall ben
©eilba^nen mit i^rem erfd^merten unb geitraubenben Setriebe
ein @nbe.
Stuf bem Kontinent erbaute um 1840 ber belgifd^e Jn*
genieur SJtauS für ben öffentUtben Serfebr jmet ©eilebenen mit
ftationären ÜRafebinen bei 5Sad)en unb 8ütti(b- Stanfreieb be»
fam eine folebe auf ber 8inie 89on«6roiji--9iouffe. ©ie erften
unb gugleicb lebten ©teilbabnen biefer 9lrt in 2)eutf(blanb er;
hielten in ben 40er Sabren bie (älberfelber Sabn bei ^)0<bbabl
unb bie S'^**'i*®B'^b®l**'ö»Äoblenbabn bei SRenigeS mit je jV
Steigung; in beiben fallen mirlten 8ofomotinen bei ber Serg»
fabtt mit. lieber eine frübgeitige Sermenbung jelbftwirfenber
Stampen für ültbeiWbabnen mdbrenb beä geftungSbaueS auf bem
©brenbreitftein t. 3. 1825 beriebtete feinergeit ber |>bbfifet
». 2)elin; bort lagen nier ©eleife für ebenfociele Iranflport»
magen nebeneinanber, mit gegähnten Schienen an ben Seiten
gum ^emmen ber SBagen bei enent. Seilbruebe; eine fteineme
Slreppe »on 520 Stufen bagmifeben führte ben fteilen Bel8 b**'<*n.
2)aS ^ringip ber gangen ober tbeilroeifen 6ompenfirung
bergan gu fßrbernber 8aften bureb bie abwärts gebenben mit
Jpilfe beS ©egengewiebteS mobiler SBafferreferooirS, wie folcbe
in jüngfter 3eit bei ben fteilen 2)rabtfeil>3abnt“l>*>flb“®®
3nterlafen unb oon ÜKontreujc benu^t werben, b®t nachweisbar
guerft 3. ». Saaber 1815 entwicfelt, fpäter Senj. Stboropfon
aufgegrijfcn unb in 35urbam auSgefübrt. 8ebiglicb fölobifi»
fationen beS üblichen SeilbetriebS waren bie Sotf^läge »on
8eitenbecber unb @raf SBeftfabl gur Serwenbung grober ?)ferbe»
gßpel, oon ^rof. ^urftnjß in SBien (1825) gur (Smpotfebaffung
ber Sagen mittelft einer Äette ohne @nbe bureb ©etriebe. —
(US)
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24
8ange unb lebhaft bieluiirt mürbe bte „Unbulttettbe ®ifen«
ba^n" beS @nglänberd SabnaQ : auf einer fortiaufeuben fRei^e
oon natürlicben ober fünftUcben älnbcben unb SRulben foOten
bie SBagenjüge oermöge ihrer bei ben erlangten
lebenbigen ^aft bie anf(bliebenbe Steigung mit ober ohne
fRacbbilfe oon IDampffraft übetminben. — IBignoleÖ unb
3. @ricffon nahmen 1830 ein patent auf bie 3bee, bte 9tei*
bung gwifcben ben SofomotiO'Oiäbern unb ben Schienen auf
fchiefen @benen burth fünftiicheä ‘änpreffen jweier
taler ^rictionörollen gegen eine befonbere fReibungSfchiene
gu oerftörfen; ber @nglönber gell hat biefeS 'Pringip in neuerer
Beit auf ber prooiforifthen @ifenbahn über ben Plont (lenid
mit @rfoIg angemenbet.
Slujgergetadhnliche (Eifenbithtttn.
Die Söahrheit, ba^ baö fcheinbar Sejfere fo oft ber geinb
beS wirfli^ ®uten ift, fpiegelt fith auffaQenb in ber gluth oon
Projeften oergangener Beiten, für bie beioährten Spurbahnen
unb beren S3etriebömaterial Surrogate gu {Raffen, bie natur>
gemä§ oon mancherlei Ungereimtheiten untermifcht waren unb
meift in ben Elften ber Patent Offices oerfchwanben.*)
Sei ben „Seweglichen (Sifenbahnen" für Strafen
oon ßaplcp, Srpan Donfin, .Runter unb SRarfthaCi feilten enblofe,
oon ber 8ocomotioe bewegte Äetten ben fRobern fortwöhrenb
©eleifeftüde (S^ienenfchuhe) fo unterlegen, ba§ bie ÜRafthine
immer auf benfelben gu laufen hätte; Sopbell’d „(Snblofe Schien
nenbohn" oon 1854 lä§t biefeö pringip wieber erfennen. —
Der fog. „gliegenbe .^unb", b. h- ein auf abwärts geneigtem
Seile in hängenber Sage roQenber ^anen, ben neapolitanifchc
Sauleute fchon oor Bahthunberten gebrauchten, ift baS Proto«
tpp bet „Sehvst’cnben ober ^ängenben Sahnen** für
(116J
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25
ffetne Saften. 3n feiner Sonbonec @ifenba^npatent<@pejififaHon
«on 1815 erläutert 3of. ». 0aabet bie 3bee einer auf @tänbern
ober Pfeilern »orgericbieicn Slfenbaljn für 3Weiräbrige SBagen
unb oerfcrperte pe ba6 barauf an einem gvopcn SRobeO,
melebeS lange in ber f. flRafcbinenmerfftätte 311 SRüntben auf>
gepeOt blieb. S)er @nglänber fRobifon^almer eignete pcb jene
3bee an unb erhielt 1821 bad patent auf feine 10.
einf^ienige hüngenbe ©ifenbohn (Sig. 10).
■©ie 93alance ber beiberfeitfi beb ©cbienen»
ftrangeS an ben verlängerten fRaba(hfen
auf gehängten, nothioer.big gteid^belafteten
SBagcnfäften hält bie beibcn hiniffcinanber
ongcbrachten fRäber aufberSöahn. IDcr^ferbe*
3ug war nach 'Analogie be€ SeinengugS auf SBafferftrapen gebadht.
^almer’0 einzeilige „Suspension Railway“ leiftete übrigens auf
einer Siegelei bei Sh^^huni IDienfte, beSgleiihen mit abgeän*
berten 3)etaiI8 1834 gum ©tcin» unb ^ol3«S£ranßport beim
BeftungSbau in ^ofen unter Scitung beß prenpifchen Sngenieur*
C^auptmannß ißrittmip, melcherauchburchSchripenbiefem^ranß«
portjpftem enueiterten (Eingang 3U oerfchaffeu fuchte. 1826 gab
eine Keine im SRufcumßgartcn 3U Slberfelb aufgePellte fOlobefl»
bahn nach ^almet’ß Sanart iSnftop gur 3?ilbnng einer @efell»
fchaft behufß Slnlegung einer folchen .tohlenbahn 3n)i!chen (Slber*
felb unb ©armen, welche jebc^ nicht nermirKicht würbe. 35ie gwei»
fchienige patentirte S^webebal)n mit oienäbrigem SBagen beß
babenpfchen ©alinenbireftorß ßaßpar ». Sobmer fam in fur3en
©treefe 1826 bei Debenbnrg unb 1830 bei |)efth 3iir lÄußfühtung,
würbe aber ihrer @cbred)en halber halb wieber abgetragen. tSehn^^
Iichc?>roiefte hegten ferner ©argent in©ofton, .^enfchelinjtaPelunb
ber äBiener Slrchiteft o. fRiegel. — ©ienÄiinftlichengahrgeleife*
». SEBiebefing’ß, beren geheim gehaltene ^läne ber ergroute 6r*
(117)
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finber eifoIgloS gum Snfauf anbot, beftanbcn ber ^auplfad^c nad^ in
langen, auf etngerammten ^fäblen tu^enben SBintelfcbienen, begtt.
inner^olb bet ©tobte aufl ©teingeletfen. — ^>enf<ber8 otigineQeg
Obetbanfpftem vomSa^te 1833 tnitsttei »etfd^teben geformten unb
ung{ei(bbelafteten©(bienenfträngen neb|t3Bagen mitEeit«, Trabant«
unb@egenräbern(le^tere)oQten
in Äutoen baß (äntgleifen »er»
^inbern)oetftnnlid)tgig. 11.—
ferner fcblug ^)enfdje[ oor, bie
6tfenbabnfu^n»erfe auf 81b»
Rängen mte in ber (Sbeue butc^
einSDra^tfeilfortjUjie^en, wel»
d^eß ftd^ anben etwa brei ©tun»
ben entfernten ©tationen butcb
S)ampffraft an großen Srom»
mein auf« begi». abmicfeln foüte.*) — 93Ioß gum ©d)erg fei ber gum
Defteren un: no(b lurg »er 83eginn ber beutfc^en (Sifenba^nära »on
3. 6. Eeiu^ß in fJlürnbcrg angeregten albernen 3bee ber
„fRutfcbeifenbabnen* gmifi^en »etfe^rßrei^en ©täbten, ge»
ba^t. IDiefelbe gipfelte in ber Anlage gmeicr entgegengefe^t ge»
ri^teter fcpiefer «äbencn auf ®erüften, ÜRouern ober ^außbadjern;
bie |)affagiermägeld)en foQten »on ^o^gelegenen ©tationen auß
burd) bie Äraft ihrer ©(hmere mit SBinbeßeile bie betreffenbe
Stampe hinab laufen.
8llt finb bie Semühnngen, »rrbichtete ober »erbünnte Euft
mittel» ober unmittelbar bem 8Serfehre bienftbar gu machen, fie
gehen gurud biß auf IDioniß ^apin. 3ngenieur Sltebhut^ ge»
buchte einem Eonboncr ^rofpelt »om 3«h^e 1812 gufolge,^®)
|>oftfachen unb Steifenbe innerhalb gefchloffener Stohren »on ca.
6 $u§ SBeite butch comprimirte Euft in auf ©chienen laufenben
^olben»8Bagm, unb gmar mit 50 engl. Slteilen @efch>»inbigfeit
(118)
3»0. 11-
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27
in btt Stunbe ju befötbern. 2)ie JReoltfirunä bieiet »ie jebet
nat^tnaligcn auf Sßemenbung gepreßter Suft gum SranS^orte
t)tngielenbet 3bee fc^riterte an ben untTbittlic^en @eje^en bei
baffelbe ©^irffal ereilte bie ^tojefte bet fog. pneu»
matifdben Sunnelba^nen unter ISnwenbung veibfinnter Suft,
meldet namentlich SBaOance befürmottete. 3Jlehi Slnmartjcbatt
auf @tfolg l^tingip bet (Sijen«
bahnen*, bei melchen bie IDrucfbiffereng gmijchen bet äußeren
SUmofphäte unb bet innerhalb einer (Röhre eingefchloffenen net>
bünnten 8uft jum Borttreiben con guhtwerfen auf gemöhnlichen,
au§eihalb bet Streibröhre befinblichen, iS^ienen benuht mirb.
S)ie Ueberfehung biefeö ^lingipö in bie ^raj:i8 machte Diel
Äopfgerbre^enÖ wegen bet technifchen ©chrcierigfeiten, wel^e aber
bie Sngenieure 6Iegg unb ©omuba auf geniale SBeife übermanben.
allein bie wenigen in ben 40er Sahren in ©nglanb unb Stanl«
reich entftanbenen futgen S3erfuch0ftrecfen (JKngfiton»5)alfen,
©t. @ermain=@hatou :r.) offenbarten jeneö Uebertragungömittel
aUeinebenfo unöfonomifched alö fcftfpieligee unb unf^mirgfameö,
bah» auch iBignoleb bet SBürttembergijehen diegierung
empfohlene aboptirung bet 6legg'f<hen Buftbahn für bie (Route
©tuttgartäßannftatt unterblieb.
Qir (ßrfd)iihtc CocontoHoe.
SireDithii'ö ©treben nach ben SRiheifolgen fein» IDampf«
futfehen galt nunmehr ber ä}»mählung bei <^ochbrucfmafchine
mit ber ©purbahn. IDaö oon ihm 1802 gefertigte (DlobeD eine!
„Sramwaggonö" (bet (Rame Bofomotioe ift jüngerer .g)etfunft)
D»anfchaulicht §ig. 12. Snfolge einer mit bem @ifenwerfabeSh»
^omfrap jingegangenen h<’h^>' SBette baute S.reDithif eine fchwei>
fällige eingplinbrifche ÜRaf^ine mit ©chwungrab unb piei burch
Sahnrabgetiiebe gefuppelten gaufräbern, welche im Februar 1804
(H9)
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28
m 12.
atS bte erfle Sofomotive bet SBelt auf bet ÜRert^pt'jlpb&U«
93a^n bampfte unb eine Siei^e etjbelabener äBagen beförbeite.
aber fie mar ju fermer für bie ge«
floffenen ^lattenfc^ienen, welche be«
ftönbig unter i^rcr Saft bradjen,
unb miebetum ju leicht für namhafte
Haften, »e§^alb fie binnen Äut3em
»teber befeitigt marb. ©ntmut^igt,
»erjroetftungSDon lehrte ber „a^ne
bet Hofometinerfinbung" in feine
ÜBertftatt gu Samborne jurüd, um
anbermeitige ^läne ju fc^mieben,
bte ben unftüten fStann fcbliegli^ in
9lotl) unb @lenb [türmten.
Die Siöber obigen DampfttagenS befaßen glatte Saufflöt^en
unb eö ^atte fomit Jrecit^if ba8 ©enügeu iljrer 0ieibung ober
„ab^öfion" auf bem ©eftänge gut SBerbinberung be8 ©teitenS
barget^an, gleit^moljl blieb biefeS ^ct^mic^tige fDJoment ein ^aU
be§ SKenfdjenalter Ijinburc^ unbeab^tet, wenn and) ber ©ebanfe
beS Dampftran8porte8 nic^t einfdilumnierte. SSlenfinfop »er«
fa^ ben einen Sebienenftrang mit einer angegoffenen Ba^nftange,
in ttel^e ein »on ber Hoforaotioe gebrcljteß 3al)urab eingtijf,
rcäbrenb bie »ier Haufräber auf ben glatten (£d}icnen roHten.
Seit 1811 »erbradjten berartige, oom 9)tedianifer Söiutrep con»
ftruirte fDiafcbincn jmölf Sa^re lang bie Äcljlenmagen ber
SRibbleton)n>©iuben im ©^ritttempo nadb Heebö. 3^re Dampf«
rplinber »aren »ertifal in ben Äeffel »erfenft, bie Steuerung
geftbal) mittelft ,^a^nen, ber ,^effel in ber ©röfee eincö SBein»
fu^tfaffeS mar uon einem .^oljmantel umgeben, unb ber Dampf
ftrömte unmittelbar in bie Huft au8. — Die ©ebtüber 6^ap«
man moDlten läng8 bet ©eleifemitte eine .^ette au8legen, bie
(I»)
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29
um eine an bet gofomoHce befeftigte unb »on il)t gebre^tc, ge=
ferbte Srommel gefd^lungen merben joQte. SDet enotme ^raft>
mluft burc^ 9ieibung verbot bie praftifc^e 2intoenbung btefeS,
an bie Äettenfci^lfffaljtt nuferer Sage erinnemben ^rinjit»8. —
1813 oermirnic^te SBrunton auf ben tBulterlep>@i)enU)erIen bie
^aarfträubenbe, nad^mald mieber^olt von Snbem (vergl. ^ig. 1)
aufgegriffene 3bee: bie ©emcgung ber 3n0t^iete mittelft jmeier
am ^intert^eil feiner Sofomotive arbeitenber Stbiebefrucfen nac^
jua^men. ©d)on bie erfte ^robefa^rt na^m infolge 0erften8
beS Äeffelö einen traurigen Verlauf. — 9iac^ mifeglucfteu 0er*
fu^en, bie (S^onftruftionSpringipe Srevit^if'g unb 01enfinfo)>'d
ju vereinigen, Iie§ ber überaus t^ätige ©rubenbefi^er 0lacfett
ju SBplam burd^ feinen gefcbitften SBerffübrer SBill. ^eblep
im Sn^e 1813 eine einc^Iinbrige Sofomotive auSfü^ren, bie
tro^ aller SRängel infofern einen Sßenbepunft im gofomotivbou
bejeicbnet, als fie mit glatten Sreibräbern verfemen mar unb bie
SulSnglid^feit ber 21b»
^äfion jwifdjen fRübunb
©(biene f ür i mmer con»
ftatirte. 6tma6 beffet
gelang bie UKaf^ine ber
(Obengenannten von
1815 (gig. 13). ©ie
be)a§ acht burd} 3a^n»
rüber gefubpelte, alfo
gleicbjeitig angreifenbe
JRäber, inbirefte ©in»
fübrung beö ©am^feS
in ben ©^lot, ein rüd»
febrenbeS IRaucbrobr, gmei ©blinber mit .^abnenfteuerung
unb 9Batt*f(be Parallelogramme.
(iti)
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30
3njiDif(i>en war bet nad>mal§ erfolgreidbfte unb auSbauerabfte
^Ionier be« beflügelten SftabeS, @eocg ®tep^enfott (geb. 1781
geft. 1848), beffen feltrne Sefä^igung tbn fc^nell nom einfachen
geiget gum 9Ra|d)inenmeiflet ber ItilHngwort^er Äoljlennjerfe
emporgel^cben ^atte, bemül^t, bem IDampfwagrn bte bislang
fe^lenbe lidjere Sewegung ju ertljeilen. ©eine erfte, mit
^tlfe »on l!otb JRaBenwortb’e ©elbuntcrftfi^ung gefertigte 8ofo»
motine üon 1814 „Mylord“ war gwar i^ren Sorgöngerinnen
überlegen, aber nod) unbe^ülflicb unb tljeuer gu unterhalten.
5)ie \f\ei angeroanbte 3ah*>ru^*“bertragung fam bei feiner „Tra-
Telling Engine“ ber ^iOingworthbahn non 1816 gang in 3Beg<
fad, währenb al8 wefentliche äSerbefferung gunäcbft baS unent«
behrli^e 5)ampfs33Iaferohr im ©(hornftein gur 93erftärfung befl
8uftgugß hiugutrat; bie Slbhüfton auf ben (ingwifj^en eingeführten
ftörferen gifd)bau(hf(hicnen) mar burdh Jhippelung ber beiben
$reiba(hfen mittelft einer .^ette ohne @nbe oermehrt unb baß
Äeffelgcftell auf IDampffebern gelagert roorben. SBeitere belang»
reiche Suthaten erhielten jene gofomotioen, roeldhc ©tephcnfon in
feiner 1823 gu SRerocaftle gegrünbeten SRafchinenfabrif baute,
nämli^ äufere Äuppelftangen an ©teile ber Äettcnfuvpelung,
ftählernc SEragfebern, eine IDrucfpumpe unb eine ©dhieber»
©teuerung mit „lofen (Sycentricß* guni Uor» unb IRücfroärtß»
fahren; bie beiben 25ampfcplinber waren ccrtifal in ben Äeffel
oerfenft unb eß wirfte jebe Äolbrnftange auf eine befonbere
Schfe. 3)iefe Drgane befaßen bie birfleibigen „Stcn ^orfeß",
welche — mit ©taunen unb ©cheu »om Solle betrachtet — auf
bet $etton»iiohlenbahn langfam hin unb wiefcer ftöhnten, ben»
felben Jppuß bie ftärferen IDampfwagen bet ©tocfton»3)arling»
ton»Sohn, welche bereitß 90 tons 8aft mit 15 km ©efchwinbig»
feit pro ©tunbe beförberten. 35ic „Jenber* beftanbcn lebiglid»
in leinen SEranßportwagen mit einem barauf befinblichen Soffer»
(IM)
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31
fa§. nic^t unwid^tig i|*t bte @infü^rung oon dtäbern mit
)(^miebeifernen Sanbagen bur(ft 91. SEBoob i. 3. 1827 3U er»
mahnen.
@in unDer^ältni^mägiger Sljeil ber Semeguigd traft mu§te
bei jenen 9Jlaf(^inen jur ^ortmäl3ung i^rer eigenen 9Raffe nebft
9Jlunition nermenbet metben; au§erbem befaßen fle feine0n?eg§
bie (äigenfc^aften, um ni^t blo§ 3«31>fetbe, fonbern auij 3«t
3U eriparen, b. al0 „©djnellläufet* 3U bienen. Smfig unb
be^arrlidfi fci^affte (Step^enfon weiter, neue 8eben8organe
feinen tDampfroageu ^in3ufngenb, befte^enbe »erbcffemb. tDie
©ifenba^n 8iDerpool«üRanc^eftet uafjte ihrer 93oücnbung, aber
noch mar man unfi^lüffig über bie SBa^l ber Jriebfraft. ®egen
JDampfbetrieb eiferten namentlich bie j?analbefi^er, unb gar beS
©rofemeifterJ 2?el)auptung, mit IDampf hoppelt fo fchnell al0 bie
©ilpoft fahren 3U wollen, warb felbft uon fsaäjfunbigen oerhöhnt.
JDa lie§ ©tepl)enfon eine 9JlateriaIjug8»9)lafchine auf ber Sahn
laufen, bie »ortrefflidb arbeitete; nun entfdjlofe fich bie ©efed»
fchaft 311 einer 6oncutren3eröffnung, beftimrate eine Prämie uon
500 ^f. ©t. für bie befte ©ampflofomotioe unb ernannte SBoob,
Sflaftrirf unb Äenuebn 3U 'Preisrichtern. Sie 'PteiSmafdhine füllte
u. a. bei einem fDleiftgewicht »on 6 tons auf ebener Saljn bad
breifadhe ihres eigenen ©ewichteö mit 10 englifchen SReilen
@ef<hwinbigfeit in ber ©tunbe fort3ufchaffen nermögen. ^m
6. Oft. 1829 begannen bie berühmten (5oncunen3fahrten bei
SlainhiQ unb maffenhaft fhömte baS Soll herbei. 6S [tanben
Bier Sampfwagen gum frieblichen SBettfampf bereit: „The No-
velty“ oon Sraithwaite u. Srieffon, eine 3ierli(he fog. Jenber»
mafchine mit eigenthümlichem Sampfgenerator, weldjc oiel 80b
erntete; „Sanspareil“ oon .^aefworth mit einem Äeffel alten
©tplS; „The Perseveranc^e“ oon SurftaH, ein plumpeS fDlach«
wert; enblich „The Rocket“ oon &. ©tephenfon (gig. 14),
(12S)
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32
4^ toDs id)roer, mit Ijohen Jliäbern, jmei iditäg liegenben @p*
linbftn unb — al8 mic^tigfte 9leuerunji jum 3roecfe beträc^tlid)
erljö^ter 35ampfptobuftiDn — einem Äeffel mit Dielen Äupfer=
röhren jur Slufna^me ber 5?euerga|e, rebft befonberer ^euet»
büt^fe. 35ie „Sfiafete" ent»
iprad) allein allen anfot»
berungen be6 ^rogrammeö
be^üglic^ 93auatt unb 8ei»
ftung, roäl^renb bie 'Probe*
fabrten ber übrigen 8ofo»
motioen mit 2)efeften unb
ÜJHfeetfclgen enbeten ; ia
nod) mel)r, bieielbe legte
bei einet ange^ängten ?a(t
ton 13 tons pro ©tunbe
14 engl. ÜJleilen, cljne
gabung aber faft 30 SReilen SBeg c^ne jeglidjen Unfall
jutürf. ©iefeS glänjenbe (Srgebnife fam fogar ben ge»
roiegten gat^fennern unerwartet, ©tep^enfon ^alte fic^ felbft
überboten! 3^m unb bem ©efellicbaftSiefretär 5ü3oot^, bem
geiftigen Urheber beS epoe^emadjenben Sio^renfeffelS, warb bet
^reiö jufammen ^nerfannt. 55et eigentlid)e ©e^öpfungSaft beS
©ifenbabnwefenö fc^lie§t mit ben nenn ewig benfroütbigen Sagen
ton SfJninl)ifl.
Untet ben natbftfolgenben, an ©toße unb i^etbampfungS»
fä^igfeit entroicfelteren ©ampfmagen auf ber üiDerpool»2Rancbeftet
SBaljn mat bie 5Kaf(biue „'Planet" bereits mit ^origontalen (Splin*
betn, aufeenliegenben (^oljetnen) JRa^men unb fe^t auSgebilbeteu
©etailS Detfeljen, unb eS beginnt mit il)t ber groeite Slbfc^nilt
bet 8ofomotitgefd)icbte, mit bem ber 9iame 9?obcrt ©tep^enfon
innig teritebt erfc^eint. ©iefet (geb. 1803 geft. 1859) ^atte
(1J4)
■3i9- 14.
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33
ingttifdjen bie Leitung bet ^od^berü^mten gofomotiofabrif ju
S^ewcaftle »on feinem SBater übernommen unb häufte eine
iBetbefferung beö ©ampfmagenfl auf bie onbete, im glet(hea
@(britt mit bem roijiben Snroadjfeu beö Sahnrerfebrö. @t oet»
längerte bie Äeffel, »ertbeilte ba8 SDiafebinengemiebt gur ©rgielung
oermebrter Stabilität unb ruhigeren 8aufe8 auf fechß fRäbet
unb brachte bie umgeftalteten, nun gang eifernen fRahmen ouher»
halb bet fRäbet an. ^ig. 15 ift eine Sfigge bet i. 3. 1835 »on
©tepheufon für bie 93ahn 'iRürn= 15.
betgjgürlh gelieferten gofomotioe
„Äbler" “), bet erften, irelche
auf beutfehem SSoben lief. 3u
bemerfeu ift hici^f bafe ©nglanb
an ben behufß S^erminberuug
beß 2Bärme»erluftcß unterhalb
beß fRauchfaftenß angebradhten
©ampfcplinbern fefthielt, inbefe bie fontinentalen Sßahnen au§en
lieejenbe (Splinber, welche feine „gefröpften" ^teibachfen bebingeu,
aboptirten. — 9Iuß jener Seitperiobe batiren bie erften wiffen«
fchaftlich'praftifdhen SSerfuche über bie Slrbeit bet Kampfwagen
unb bie SBiberftänbe ber Söewegung aller f5ahrgeuge,vwelche
@. be Tambour auf ber gioerpoolbahn »ornahm. ©tephenfon
hatte feiuen tü^tigen ©oncurrenteu Surp, Gurtiß uub Äennebp
in 8i»etpool, .^awthom in fRewcaftle (ber bie heute noch übliche
Steuerung mit »iet feften ©ycentrieß einfübrte), ©h“’^P
JRobertß in SRanchefter (welche bie ©egengewidhte an ben Jteib«
räbern erfanben) unb enblich fRothwetI in SSoIton, ben ?)fab
geebnet; »ergebenß trachtete ©tcphenfon’ß huetudefiger SBiber»
fachet, 3ffluibarb Srunncl, jenen im gofomotiebau gu überholen.
$^on ben ndchften belangreichen Steuerungen an ben Kampf*
unb SRunitionßwngen finb h*^®orguheben: baß SSormdtmen beß
XIX. 4Si. *36. 3 (12J)
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34
®)>n{en)afieT4 Don S)e dtibber, bie ^ecfteQung DerftStjlter 9iab«
banbagen Don @cod), bae 5uerft rom Sranjoi'en Slape^ron be«
nu^te ötonotnifcb micbtige „@]cpanbttenla{|en" be4 S)ampfeS in
ben 6plinbern unb bie @infül)rung bed non unjeretn ^anbömaim
i. J^lein erba(bten ,$unfenfängerd*, addier au(b bie ^olj< ftatt
ber Kohlenfeuerung ermöglichte. S)a@ 3ahr 1843 enblid) brachte
©tephfnfou’ö bocbbebeutjame (ärfinbung ber 6oultffeu»©teuer*
ung gut @rgeugung beliebig oerÄnberlither ©ampfejcpanfion
mittelft ber (Souliffe, b. b- dneb gefchlibten Sivifchenftucfed gur
SSetbinbung bet @]ccenttic6, in bem bie ©cbieberftange auf unb
nieber bemcgt metben Fann. ^iemit nimmt bie jüngfte ^eriobe
beb SoFomotiobaueb ihren 'jlnfang.
^üt bie @ifenbahnen jenfeitb beb Oceanb »urben anfangs
lieh bie benöthigten IDampfmagen bei @tephenfon befteQt; nach
3ahte 1832 arbeiteten bie einheimijehen gabrifen oon ^)all,
IDaoib unb ©ärtner nadh englifdhen SKuftern, inbeffen Salbmin
in 31orrib ebenbafelbft ein »cQig felbftftänbigeb,
ben in »eiten ©rengen fich bemegenbenSteigungb unb Krummungb»
nethältniffen ber Sanbebbahnen angepafeteb ©pftem aubbilbeten,
»elcheb alb eine ©pecHalität beb araerifanif^en ©ifenbahnmefenb
gilt unb im SBefentlichen burch bab oimdbrige, um
bare SSorbergcftell (iruef ober öogie), jo»ie burch mädhtig lange
Äeffel (haralterifirt ift. Si^orrib orbnete bie Sreibrdber feinet
©tftlingbmafchinen ‘ *) (gig. 16) bet gtö§eten abhdfion »egen
»ot bet geuerbüchfe an, SSalbroiu oerlegte fie behufb ftabilercn
8aufeb hinter biefe. JDie ÜBottheile beibet *J)rincipe Bereinigten
1837 ©aftmief u. .parrifon mit ^)ilfe gweiet gefuppelter Xteib»
tdbet, fo bah bie gofomotiDcn, wie noch h«nte, auf acht 9idtern
laufen. 2luch in ben fDiafchinenbetailb finb ben amerifanifchen
Sngenieuten niete finnreiche Konftruftionen gu nerbanlen.
SBenben »it unb jeht übet 93elgien, wo Sohn ©oeferiO in
a*s)
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35
©«raing unb JRenatb in Srüffel bem gofomotiobau oblagen,
bann über granfreicb, wo Scbneiber in ßreujot unb Slnbr^ Äö(^*
lin in üRübl^ufen benfelben eifrig pflegten, nadb 35eutj(blanb.
^>iet bejogen bie erften Sa^noerwaltungen ihre Darapfwagen
(unb au^ bie ©ampfwagenfübrer) faft nur au8 englif^en, oet»
ffig- 16.
einjelt au^ aud belgifcben unb ametifanijcben Gabrilen; bie
^auptlieferungen fielen ©tcpbenfcn, fowie ©b^tP unb JRobertfl
gu. 6inc oon JRotbweH für bie 8eip3ig=!Dre8bener Sabn gelieferte
gofomotioc, ber „Äomet“, würbe 6nbe 1836 in Seipjig als
SBunberwerf in angebeiitem Suflonb gegen @ntree jur @dbau
gefteQt. ®ie erfte im Snlanb felbft gebaute ÜRafcbine, bie
"©ajronia", ging 1839 auS ber »on ^rof. ©cbubert geleiteten
gabrif Uebigau bei DreSben betucr. 9lad) mehreren fcbüdbicrnen,
tbeilweife mißlungenen IBerfu^en im Sofomotiobau folgten bienft«
fähige 5Jlaf(binen 1840 oon ^>aSwelI in SBien, 1841 oon ©orfig in
Söloabit, 3)laffei in .pirftbau unb Äeßler in ÄarlSrube; einige
Sabre fpäter entftanben bie befannten Sofomotiobauanftalten oon
©geftcrff in ^jannooev, .^artmann in 6b«*nniß unb ^enftbel ln
ätaffel. 2)ie bisherigen ©ampfwagen waren mehr ober minbct
getreue äbopien auSlänbifcber ©orbilber unb eS mußten nodb
oerfcbiebene ^b^^^ u)ie ^<bfen, Sldber, ^effelblecbe u. f. w. im«
8» (1*7)
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^ortirt werben. @rft um 1848 entlebigte ^Deutfd^Ionb gäuj«
ber frcmben Beffel«; immerhin ^atte bet 35erein beutjt^er
(Sifenba^nverwaltungen eine wat)re ÜRufterfarte non IDami^f«
wagewS^pen aufjuwetfen.
©ingreifenbe SSetbefferungcn an ben 3u3waf(biiien flnb
feit @infü^Tung ber fd^weren fecbßräbrigen 5^atent»8efomotbe
©tep^enion’fl ton 1843 nicht mehr p tetjcidjnen, woQen wir
nicht ben @rfa^ bet Äclbenpumpen burch @iffarb’0 I'ampfftrahl*
pumpe unb bte 9?etbrängung ber ßoafö» burdh bie billigere
Steinlohlenheiijung im Sufammenhalt mit fog. rauchtcr^ehren»
ben fieuerungen bahin rechnen. Sin ben allgenieinen Seftrebungen
noch 33erebelung unb Vereinfachung aller ouf Sicherheit unb
Oefonomie beS Vetriebö hi^ii^i^nben 2)ctailö, inSbefonbere
bet Steuerungöorgane, nach Unfdiablidhma^ung ber ftörenben
eigenthümli^en Schwingungen bc8 ijofomotitförperß, nach
guter Slubbalancirung aller VewegungSmedianiSmen, nahm
Deutfdhlanb ernftlidi Slh*il- Säubern toron f^ritt Deutjch»
lanb in ber .^erftellung gewaltiger Saftgugömafdhinen mit 6 biS
8 gefuppelten fRöbern jum Gefahren non Steigungen, bie man
fonft nur mit Seilbetrieb ju bejwingen nermocht h^tte. Wit
9Raffei’ö „Vataria“, welche bei ben benfwütbigen im ^)erbftc 1851
ton bet öfterr. JRcgierung neranftalteten ^reiöwettfahtten auf
bet Semmeringbahn unter tiet concutrirenben SoTomotit»
foloffen ben erften ^teiS ton 20000 ?DuIaten gewann, war bet
Oieigen ber Verglotomotiten eröffnet worben. Vergleichen wir
©rohe unb ©ewidht, gotm unb ©eftalt, Äraft unb Schnelligfeit bet
je^igen ^Dampfwagen, bie nun ben .^öhepunft ber Vollfommenheit
erreicht haben bürften, mit ben ©tfllingöinafdjinen, welch’ ge»
waltiger Slbfptung! Sofomotiten, bie ein halbes Slaufenb ^ferbe»
ftärfen entwicfeln, bie mehr al@ tierjig 2:on8 wiegen unb bequem
ein halbes ^unbert tollbelafteter ©üterwagen fchleppen, finb heute
0»)
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nichts nngetvö^nltAed, unb nä^renb bie alten @i(^oftn>agen mit
10 km pro ©tunbe fc^on 9n§erotbentli(beS gu (elften glaubten,
»erlangen mir oon ben mobernen unb Sagbgügen min«
heftend bie ac^tfac^e ©efcpminbigfeit.
3ur ^erooQftänbigung fei fc^lieglic^ noch an einige eigen«
artige ‘Dampfroagenfpfteme ber 9leugeit erinnert, SBit meinen
bie Don (Riggenbach unb Sfchi’ifc erfonnenen, bem Souriften»
»erfehr bienenben 3ah”t®^’5R^I^*nenfür fteile 3ahnftangen«
0ahnen; bie oon J$rau§ audgebilbeten Senberlofomotioen;
bie (Dampfomnibuffe für ©efunbar» unb gofalboljnen, unb —
last not least — bie jüngft oom gabritbep^er ^onigmonn bei
Sachen erfunbenen, oieloerfprechenben „feuerlofen fRatron«
3)ampf»8ofomotioen.*
Snfnüpfenb an bie ®efchichte bed S)ampfmagend fei aud,
ber Bemühungen gebacht, ben 0ampf bei manbelnben SRafchinen
burch ftarf gepreßte 8uft gu er*
fe^en. (Diefe „Seber ohne ORaPe
unb Trägheit, bie nichtd foftet
unb nie lahm loitb", beabfichtigte
3- ». Baaber i. 3- 1820 auf
bie (5pIinberfolben feiner in
gig. 17 oeranfchaulichten „üuft»
Sofomotioe, analog ben ge*
fpannten Söaffergafen bed (Dampfmagend, roirfen gu. laPen,; er
projeltirte an ©teile bed (Dampffeffeld nebft ©chomftein mehrere
guftregipienten, an ©teile unferer SBafferftationen
ftehenbe 9leferooird mit aufgefpeicherter, burch Söaffet* ober
IDampffraft ergeugter oerbichteter 8uft. Bon fReuem loonbten
pch in ben 30et Sohren bie Oberbauröthe 6, S. J£)enfchel in
ÄaPel unb 8. grelle in Berlin, ber ©nglönber SBright unb ber
^rangofe Snbraub jenem Steterer oeranftaltete
(1*9)
8ifl. 17.
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38
ipirflicb 1844 auf ber Sa^n f^aTiS'^SerfaideS — aOctbiagS mi|<
glü(fte — Sufttvagen^^a^rten nntei ISSerwenbung von 25 ittno*
ff>^ärcn Suftbnuf. 9ber bet geväbntf fRu^en folget 3^0*
maf(btnen envicS ficb al4 eitel unb ^infäQtg. neniget
eingebilbet loaren bte Sottbeile, velcbe ftd) ^ecqueur unb ^epet«
9{{etet von bei permanenten Suleitung compTimirtei 8nft na^
bera in Snb^t befinblicben 8ufhvagen in einet gmif^en bent
@eleife angebrachten Stöbre, vetfptadben.
Sie (Etthnidilntig irr difmbainiimgrit.
.9{ab unb @^tene geboren 3ufammcn tvie ÜJiann unb
ffieib”, pflegte @tepbenfon ju fagen, um bie engen SßecbfeU
begiebungen gmif^en beiben @purbabn< Elementen gu fenngeicbnen.
@(bon bie älteren 38agen bet fRiegelbabnen micben. abgefeben
von ber gemeinfamen haften«
form, infcfern von ben
@tro|enfubrwerfen ab, al8
bei ihnen ber SBcnbcfcbemel
megfiel unb meiftenö auch
ihre JRäbet feft mit ben
9(d)fen vetbunben waren
(gig. 18). 2>ie anfangfl noch
1 0 f en , ficberbeitSgefabrli^en
j£)olgräber bet 2ramwap«gubr*
werfe würben aOmäblicb ebenfadß butd) feft auf ben 2(<bfen
fi^enbe gu§eiferne SiSber mit au§enliegenben 3Icb8tageru erfe^t.
fDie gleiche Slnorbnung erhielten bie gabrjeuge ber jüngeren
9iailwap8, beten Süäbet mit ©putfrängen verfeben würben;
StemJbtbel, wenngleich bet einfacbften 2lrt, fehlten felbftverftäub=
lieb »i^t. @0 geftaltete 8aftwagen, ben SroDwagen mobetnet
SltbeiWbabnen öbnliibr führte noch bte ©torfton- 33abn, fie finb
(HO)
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baS ^ototpb aDei @ifenbabat)e^tte(. 9Rit @infü^rung ber
®ampffraft entftanben ftabilere unb ttagfä^igete, aber unbeberfte
SranSportmagen von 80 @tr. Sragfraft, mit niebriger Plattform,
reprä(entitt butd) bie fog. „8o»rte8“ (oon low = niebrig),
mricbe gegenivätttg 3um Siandport coit (^eleifebaumaterialien
Sermenbung finben. ?ene ^lateaumagen marrn bereite mit
5?ebem utib mit f(bmiebeiiernen SRSbern nad^ 8o§b’e patent
auegeftattet. Die 8onbcn=S3itmingbam»8abn brachte offene
©ütermagen mit elaftifcben 3ug* unb SBufferoorriebtungen fomic
mit abneljmbaren ober umlegbaren ©eitenmänben ^orbö); bie
SnSber batten bereite jum 3®e(fe be§ leichteren unb fieberen
Durebfabrene oon .^uroen fegelförmige S3anbagen.
auch bie älteften ?>etfonenioagen ber ©tocfton=8abn mit
5nnen* unb aubenpläfeen glidjen ben ©traffen Dmnibuffen.
©pöter bauet man ®agen mit brei oon bet ©eite jugänglidjen
6oup4§ in jmei Älaffen; ibre äuffetlicb brei aneinanber ge»
reihten „Setliuen“ gleidbenbe ©eftalt ift noch an älteren beut»
feben (äifenbabnwagen anjutreffen. fDiinbet bemittelte gabrgäfte
nmfsten fidb anfange mit offenen S3orbmagen begnügen, erft
nach unb nach mürben balbacbinartig überbaebte ©tebmagen
mit Botbängen in bie 3üge eingefteüt. gig. 19 jeigt einen jener
^rioat < ©quipagenmagen , beten
©igentbümer barin fibenb be»
förbert merben burften, ' *) Die
fransöjiidben unb belgifcben
93abnen oermenbeten Deligencen
mit Goupäe, Dmnibuemagen unb
einfache i?anfmagen. 3« 9lorb»
amerüa entftanben bie betannten, bie 3U 18 m langen, bnr^weg
auf 3mei getrennten brebbaren UntergefteOen ober „Jrude*
(oergl. $ig. 16) rubenben aebtrübrigen 3^raneporhoagen. Die
gtfl. 19.
40
juerft Bon Ko§ SBtnanfl 1834 einaefü^tten „amerifanif^en* ?>«:
fonemBagen d^iafteriftien ferner ein ffRittelgang unb jmei burc^
bequeme Sre^pen Bon ben j^obfuänben aud jugänglid^e
formen, »eldje bie ßommnntcation mit ben 9la(^barnjagen er=
möglichen. Serfd^iebene Sßagenflaffen ^at eS bort nie gegeben,
bie Sieger waren geraume 3nt ganj Bon ber @ifenba^nbeförbe>
nrog audgefcbloffen.
2)eutfcblanb Berjprad) fi(^ auS merfantilen @rünben feinen
großen Sluff^wung bc8 ©üteroerfe^re, wefe^alb 3. 8. auf ber
8eib3ig • SDreSbener 8a^n anfangs me^r als bo^jpelt fo niele
i>erfonen* als 8aflwagen liefen. JDiefeS ungefunbe 33er^ältnifi
feierte fic^ gwar nad^ bem Sufammenwad^jen ber @in3elba^nen
um, allein eS machte fic^ ein mißlicher Umftanb fühlbar.
renb nämltc^ @nglanb treu an bem alti^ergebrac^ten ©pftem
Bierrdbriger SBagen feft^ielt, ämerita fid^ nur acbtrdbtiger
Söagen bebiente, famen in iDeutfcblanb nic^t nur bie|e beiben
©pfteme in Slufna^me, foubem eS würbe auch baS für aQe
gofomotioen angewanbte fec^Srdbri|ge ©pftem auf bie SlranS--
portfu^rwerfe übertrugen, welche babureb ruhigeren @ang unb
Bermebrte ©tabilitdt erhalten foQten. Jpeute freilid) ift baffelbe
auf ben 3luSfterbe=6tat gefegt.
Sie beutfeben 8aftwagen betreffenb, würben gundebft bie
Söagenfaften oergröfeert, mit IRücfficbt auf baS ^afpren ber 3ubl'
reidben SoOgicngen aUfeitS gejcbloffen unb mit @cbiebetbüren
nerfeben. Ser 3unebmenbe 9Rafjen»@ütertranSport b®*lc
fucceffine Sunabme ber Sragfraft Bon 80 auf 200 ßtr., .^anb
in ,g)anb mit bet Serminberung ber fog. tobten 8aft, im @e»
folge, gür bie 'Perfonenwagen blieb baS englifebe (Soupö°<3pftem
Boxberrf^enb, inbe§ erbielten alle gabrgeuge eine elegantere 9luS°
ftattung, bie feebSrdbrigen Sßagen 1. unb n. dflaffe würben
woblweiSlitb Bereinigt unb in fünf ober feebs @oupöS abgetbeilt;
axi)
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infofern fprid^t man roo^I au(^ oon einem ,S)eutf(^en ^agen°
fpftem“. SBon 'Unfanc) an i^atten ft(^ auf aden beutjc^en
Sahnen jebecfle SBajen III. Älaffe mit @(^icbefenflern etnge*
bürgert, einige Sermaltungen führten felbft unbebecfte @te^»
magen IV. klaffe, mel(^e jeboc^ fpäter entmeber ganj befeitigt,
ober — befonCetS auf norbbeutfdjen Sahnen — beibeljalten,
aberoöHig gefc^Ioffcn mürben, '^tmerifanifcbc acbträbrige ,,3nter»
f omin un if ationßroagen" etfdjieuen juerft 1838 auf ber
8eipiig»2)re6benet S3a^n, enbgillig aboptirte biefclben äButtem-
berg, bie Serlin-granlfurter unb fcic öftetr. @üb«!öa^n. @eit
ben 60et Sauren finbet iibtigenä bie Jtombiniru ng be0 (5oup4*
fpfteme mit bem 'JKittelgangfpftem meljr uub mel)r Verbreitung.
’2ln ben gortjcliiitten in ber Äonftriiftiou unb Sabrifation
bet bauplfä(blici)ften Söagenorgane, bet iHcbfen, JHäber, iäc^ö»
bluffen unb Scbmierapparatc, bet Untergeftelle, Vuffcr, 3ug=
ftangen unb .Kuppelungen, enblid) bet fontinuirlicben Vremjen
gebührt ben beutfcben @ifeubal)n= unb .püttcntechnifern ein
8öroenantl)cil. Surchaus beutfc^eö Verbienft ift u. a. bie ga»
brifvition beS (Ecpalcnguferabca oon ©rufen, beb fthmiebeifernen
©(heibentabeo oen 5)aelen, beöÖufeftahl'Vollrabeb oon 3- SKoper,
ber ©ufeftiahlacbfen pon Söerner, bie burchgehenbe Sugftange,
bie mechanijehe ©(hnfllbremje oon jpebcrlein, oomebmlid) aber bie
(Einführung gang eifetner Untergeftelle feit etma 1860, mel^e
alb bie burchgreifenbfte Veroodfemmnung beb ^agenbaueb ader
gdnber betrachtet merben mufe. ‘3u(b ber mohlthStigen iDampf»
heigung pon ber ifofemotioe aub moden mir, alb einer beutfehen
©rfinbung, nicht oergeffen.
3m ©inflang mit bem beutfehen Vationalcharafter trat bab
Streben nach möglichfter SBiberftanbbfähigteil nnb (Danerhaftig»
feit ber Slranbpcrtmagen, biefen ©tunbbebingnngcn ber VetriebS«
ficherheit für £eben nnb ©igenthum fomie für bie ^Rentabilität,
(i»j)
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f^on in ben 9<nfängen bed beutfd^en @tfenba^nwcfend häftig gn
2age, unb eö ^at baS nielfeitige ^robiren unb ©jrperimentiren
jum Sbeil aud^ feine guten ^fruchte getragen.
@0 erübrigen no(^ einige 2Borte über bie ©ntwidtlung bet
beutfrben SBagenbau*9{nftalten. 3)ie ©rftlingSba^nen »crs
fcbrieben SRufterwagen auS @nglanb ober tl3elg{en unb liefen
barnac^ iljren SSagenparf ftetß in i^rcn eigenen SSerfftätten ober
inlänbifdjeu ©tellmad)ereien unfertigen. 3(u0 ben lefeteren erwucbö
alflbalb eine ben ©ebarf ©eulfcblanbö mebt al8 bedcnbe 3al)l
rationell geleiteter prioater SBaggcnfabrifen, »on bencn »iele,
g. ©. bie f^innen SReifert in ©ocfenbeim, SEalbot in Sladben,
^ffug in ©etlin, noch befteben unb namhafte 3luftr5gc
»om Ülußlanbe erhalten, ©ie ade, obenan 6Iemen8 SReifert,
förberten bie SBagcnbautechnif rühmenflmerth.
fRadhftehenb follen nun:
bie erden (Eifenbai|nen be$ ^niilanbe$r
nebft ihrer ©orgefdhichte, foweit biefelbcn alö ©otläufet ber
nationalen Sifenbahnne^e in ben SRahmen oorliegenber ©fij3en
IJoffen, furforifd) »orgeführt »erben.
Wrofebritannien. 5)a8 ©erjeichnife ber oom ?)arlamente
oon 1758 an, al8 bie erfte ßiienbahnafte bie SRe^töoerhältniffe
neuer 3nbuftriebabnen h>nfi(htlid) ©efahrung frember @runb»
ftürfe regelte, biß 18.34 conceffionirten ©(hienen»ege ift ooH»
ftanbig, nicht fo feneö ber meift furzen unb nur eingelnen 28er=
fen gehörigen ^rioatbahnen. 9tadh Srebgolb gab eß oor 1810
nur 10 inforporirte ©ahnen cen guf. 163 km gonge, 1824
fchon 33 oon 380 km gänge, 1834 ober 60 ©ahnen »on
1554 km ©efammtlänge, »ogu minbeftenß no^ 650 km ^rioat»
bahnen fernen. 3u ben ccrgüglichften unb meift boppelgeleifigen
®fenftra§en beß britten 3ahrgehntß gehörte bie fWerthpr-ßar»
biff*, bie ©erhomrn. unb bie ©umt)«©ahn, fe ca. 40 km lang.
(tM)
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9uf Anregung be4 Kaufmanns unb Duäfrrd @b. ^^eace !am
bic crfte @iffnba^n für ben effenllidjen Staaten* unb ^o{fa*
gternetfebr au8 bem ÄoljlenTepicre ©arlington nad> tem
@tapelbla^e ©todton ntbft Sbjnetgungen gu ©tanbe; tie betr.
^atlament^afte »on 1821 (djrieb ber ©efftlfiaft bereits fejte
2arifgrenjen für bie .toblenoerfracbtung unb gablreide ©trafbe*
{Kmmungen cor. Stepb^nfon, unterftü^t cen feinem tljeo»
retifd; auSgebilbeten ©o^ne fRobert, leitete nid}t nur ben S$au
mit aCfet Umfiebt unb fonbern fe^te au<b tro^
gern SBibetftanbe bie (Srptobung ber J'am^jffraft bureb. fDenf»
würbig bleibt bic probbetifete ©teQe einrö JoofteS, ben et eineS
SlbcnbS in fleinem Steife auf baö ©ebeiben beS UntemebmenS
auSbraebte: „9lun 8eut(ben, 3br etfebt ben 2ag, »o bie ^oft*
mageii auf ben ©dienen laufen unb bie ©iienbabnen bie ^aupt>
ftrafeen für ^önig unb Untertban fein »erben; bie 3tit fommt,
fo »abr i(b lebe, »o man »obifeiler mit bem S)ampf»agen ald
ju gufee reifet . . .!" S)et ©reffnungStag ber 33abn, ber
27. ©ect. 1825, geftaltetc fid) gu einem fRationalfefte. IDet
©reffnungSgug, beftebenb au6 8cfomotire, 2enber unb etlicbcn
brei|ig ceflbefe^ten^affagier» unbüaft»ageii, legte tie 16km lange
©trede in einer ftarfen ©tunbe gurüd, fo ta§ fDlenfcben unb felbft
eine 2)iligence gum Grgö^en bet Swfdauet cergeblicb mitgurennen
fud)ten. S)et — übrigens nc(b jebv brimitice — @ala»agen
ber ©efellfebaft trug ben befdjeibenen 9iamen „©yferiment“ unb
baS OJiotto: „Periculum privatum utilitas publica“. !Pie
fommcrgiellen unb ftnangiellen ©rgebniffe teS fortgefe^ten, tbeilS
mit 3)ampfa tbeilS mit ^fertefraft bemerffleÜigten SPetriebeS
übertrafen bie fanguinifebften @r»artungen.
3m Sluguft 1828 erfolgte bie Snbetriebfe^ung ber Solton»
8eigb'S?abn, im 3«ni 1829 jene bet furgen ÄingS»infort«S?abn
mit IDampffraft für ben öffentlicb^n ©ebraueb.
(1*5)
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44
SBir muffen nun etma8 in bet 3e«t jutüdßteifen. 1821
^atte bet jfapitalift 0anbat8 in Sinetpool ein ($omit4 ge«
grünbet jum 3»ede ©c^ienenoerbinbung biefet ©eeftabt
mit SKanc^eftet, bem Sentrum blit^enber Snbuftrie unb ga»
btifen. 3ojei auf betreiben ©anbarö inxi) SBill. 3ame8 unb
©tep^enfon votgenommene ä^ermeffungen unb Stracirungen
litten unter unglaublichen |)inberniffen feitenS bet Bauern unb
unter ben Umtrieben breiet ^analgefeUfchaften, benen jufolge
bie na^gefuchte @t(aubnih 3um Bau nom Unterhaufe cerroeigert
mürbe. Unbeirrt burd) berlei 9JU§erfolge liefe bie Bahn»®eieQ»
fcfeaft eine britte, nun gelungene Jrncirung burcfe SRennie belfeätigen.
9lach ben günftigen JRefultaten bet ©tedlonbafen erfolgte enb«
litt), nachbem bereits 50 000 'pfb. ©t. oerauSgabt roaren'«), bie
©enefemigung beS BaueS butch bie umfaffcnben 'Parlaments*
afte oom 5. 'JDiai 1826, jugleich bie erften gefefelidjen Beftim*
mungen übet 'Einlage unb Betrieb oon (Siienbafenen. 3)ie Ober»
leitung beS SBetfeS mürbe ©tepfeenjon übertragen, ba 9ien*
nie nicht bie Berantmortli^feit bctfelben tragen moQte. ©er
Bau bot ganj enorme ©chroierigfeiteu; fo mar baS auSge*
behnte, tiefe unb fluffige Äafeen * 9Jloct 5U paffiren, eS
mufeten auf ber nur 15 ©tunben langen ©trecfe 63 Brücfen
unb Söegfühtungen (baruntet ber impofaute ©anfep«
Biabuft), ein übet 2000 m langet Sunnel unter bet ©tabt
8ioerpool (mit ©eilbetrieb) unb ein 3000 m langer Berg«
burchftich hcrgefteüt merben. ©och unetfchrotfenen
5DieifterS Äunft fiegte übet bie 3fit, bie Äopfarbeit über
bie Jpanbarbeit. ©eine ©efchminblofomotine aber fefete bem
gtofeen Söetfe bie Ärone auf. ©en 15. ©eptember 1830, ben
©röffnungStag beregter ©ifenftrafee, begrüfeen mit alS ben @e«
burtStag ber ^JRutter aller heutigen ©chienenmege; et inaugurirte
unbeftritten einen äBenbepunft im gefammteu Kulturleben ber
(IM)
^ k.
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ÜRenf^^eit. ^reilid^ jivit baß erfte ©jrperiment tljeuer crfauft,
eß »erfd)Inncj über eine SKillion ?)fb. ©t., trc^bem aber ge»
währte bie 5Sal)n f(bcn im erften 2?etriebßjabt 8 p6t. fRente,
tie ft(b in bet ^clge nod) er^öbte. SRapib mudjß bie JReife»
luft unb ber ©üternetfebr, unb adeß mn§ige Kapital flc§ nun
3um großen 2^l)eil ben (Sifenbabnunternebmungen ju.
IDod) »ie jebe grofee Steuerung im Suftanb beß SBetbenfl,
io batte nu(b baß neue 93etfebrßmittel nidit menige Qiegner.
SBdbrenb bie einficfetflootle SBelt ben beiben ©tepbenjcnß alß
ben ©enbboten jujubelten, mcldbe Ciuartiev für eine f(bönere
Seit beftedten, nerfünbeten bie ftarren Opponenten beß 3)ampf»
tranßportß einen eödigen iocialen Umfturj oder ©itten unb
Bebenßoerbältniffe, ben Untergang beß ©pannfubrrnefenß unb
adet bamit jufammenbängenben 9tabrungen ober Äieingewerbe,
nornebmlid) ber ©djmieben, Söagnereien, ©atllereien unb ^>et»
bergen, ben SRuin bet ^lub= nnb Äanaljdjiftfabrt, bet 8anb»
mirtbidjaft unb ^ferbegud)! — ad’ biefeß alß eine unoermeib«
Hebe golge bet Gtiparung an £bier» unb 'Dienicbenfraft. SBieber
Slnbete nabmen bie Qiefäbrlidbfeit ber S5ampfmagen unb bet
febneden ^abrt unb jonftige Idcbetli^e Sebenfen jur Sielfebeibe
ihrer Singriffe. The Times oom 3. 1831 braebte bie @r»
fldrung Don 71@runbbefi^ern mit benörafen ©larenton, (Iffep unb
^atrobp an bet @pi^e, um bie Sluofübrung ber geplanten @ifen»
babn 8onbonc93irmingbam mit oder (Energie ju bintertreiben.
JDie Oppofitionen oerjögerten baß Suftanbetommen längerer
©(bienenwege metflieb; erft 1837 tarn bie Hioute 8ioerpool.S3ir»
mingbam, 1838 bie SRoute 8onbon«23irmingbam gut 33odenbung.
@iner um 1845 außgebroebenen, non Stüdicbldgen begleiteten
©ifenbabnmnnie folgte roenige Sabre barauf bie ^eriobe tnbi*
ger unb fteter @ntmidlung beß britifdben 93abnue^eß, melebeß
— butebmeg in ben ^dnben großer ©efedftbaften rubenb — non
(1S7)
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46
©eite ber Üanteöregierunij rocbcr finanjieU unterftü^t, nod) aber
befc^ränft würbe.
Don IDifficultätenmacbeTcien jiemlicb ceifc^onte 9Iorb«
amerifa 3Ö,^erte feinen 3luaenbli(f, bie grütbte ber jungen
finbung noQauj ju nü^en. X)ie erfte Snbuftrieba^n entftanb 1827
bei '43ofton jum betrieb ber ©teinbrut^e Dcn Duincp, unb rajtb
mehrten ficb auSgebebnte Linien für ben allgemeinen SSetfe^r,
2)anf ben SJcftrebungen ber Sngenieure ©tvirflanb, SBrig^t,
Smpnn, Slannp u. tU. 2)ie im ^etbft 1830 in ®etrieb ge»
fe^te 30 km lange @(^upltiU»@t{enbapn jlamaqua»$ort<@Iinton
^at unjern beutjc^en üanbSmanu griebriib Bift gum iuteUef»
tueOen Urt^eber, welcher auf einem SluSfluge burd) 3ufa0 ein
rei^l)altige8 Äoljlenbedeii entberfte unb eine ©cfeOidjaft mit
500 000 SDoÜarg Äapital bcbufö q^ebung ber ftbroargen Öoben»
fd)ä^e unb (Srfcplie§ung ber ©ebirgömilbnife ins üeben rief.“)
1831 bampfte ber erfte (Jjrcurfionögug Ülmerifaö mit ©tcp^en»
fon’ö gofomotipe „3o^n 33uU" auf ber 9Jie^an>f=.pubfon»23a^n,
uitb von nun an wud^fen bie ©cpienenmege ber ^reiftaaten wie
^ilge au8 bem 33oben. ®ie über 400 km meffcnbe Söaltimore»
D^io«33apn (bifl 1835 mit ^ferten betrieben) bemieö fo ret^t
beutlid), wie bequeme unb fd^neOe ^Iranbportmittel ben leb^afteften
SBerfe^t felbft in öben Bänbereien ^erporjurufen »crmcgen. Sn«
gefi^tg ber frei^eitlidtften, bunbe8feit8 meber befd^ränften noch
beaufficptigten prioaten ober einjelftaatlic^en ©aut^ätigfeii (auf
3ie(bnung be8 ©taatee baute Dorne^mlidt i>ennfploanien @ifen»
ftrafeen), bei bem praftifdjen ©inne bet angelfäcpfijcben 9iace
überhaupt, fann bie intcnfioe Entfaltung be8 Eifenba^nwefenS
ber Union fügli^ nit^t SSuuber ncljmen. 5.1on tMnfang an mid)
bie Sed)nif beffelben mefentlidr oon ber euiopäifcpen ab. S)ort
war bie IDeoife: billige unb fc^neQe ^erftellung ber ©c^ienen»
mege, bemgemä^ Ütnfc^miegung bet Srapen an baä Terrain unb
(1»8)
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möftlicfefte JBerroenbunfl beS .Ödjcd ju SJauwerfen. BrütJicüiji
lorgte bet Söettieb für fräftige unb foltbe, ben 2racirungegrunb=
fä^en angepa§te SofomottDen, bequeme unb geräumige 3Bagen
unb — »D^lfeüe ga^t^jreife.
Oeftemic^. ©ubernialtatl) Srang Sofef JRitter oon
©erflnet in ?>rag, ein SSeteran im ©ebiete bet t^coretifc^en
SRet^anif, ^atte bie fc^on feit b. 3- 1375 gum Oefteten bib>
cutitte ^analnerbinbung bet Sonau unb 9Rolbau megen
te(^nif(^et €(^mietigleiten für unt^unlic^ erflart unb 1807 an
(Stefle bet SÖaffetftrafee einen ©diicnenmcg »orgefc^lagen. Slbet
erft nac^ SJeginn bet freien ©c^ifffa^rt auf bet 6lbe mat eö
beffem ©o^ne Btang »Jlnton in SBien befc^ieben, befl Saterfl
^läne gu Detförtjern unb bie 1825 t>ri»ilegirte „@tfte f. f. öfter»
teic^ifc^e ©ifenbahngefettfe^aft“ ine geben ju rufen. 9lad) normet»
gegangenen ©ifenbal^nftubien in ©nglanb begann ©etftner jun.
fofort feine ^^ätigleit alö te(^nif(!^et geiter be6 ^uptjä(^li(^
gum Sraneport non '^etatialfalg aue bem ©aigfammergut nach
33ö^men, oon 4>olg unb au(^ uon JReifenben mittelft '))fetbeftaft
beftimmten Unterne^menb. @runbfä|li^ mürben nur fanfte
Steigungen unb fc^mac^e jtrümmungen ber Srace, fomie ein
fd)malfpuriger Oberbau mit einfachen eifenplattirten gangijolg»
ft^meflen in baö söauprogramm aufgenommen. 3m .pctbft 1828
gelangte bie 61 km lange Jljeilftretfe Submeie — Äevfcbbaum in
Setrieb — bie erfte ©ifenba^n beö Kontinente, ja ©uropae, oon
beträ(^tli(^et ©rftretfung. 5)en Sßeiterbau bie ging übertrug bie
©efeUfc^aft, ungufrieben mit ©erftner’e ©mnbfä^en unb Koften»
überfd^reitungen, bem Sngeuieur ©(^önerer, meieret biefe gmeite
Sa^n^älfte in oiel coupirterem Jertain gum großen fRadjt^eil
ber IKentabilität in ftarfen ©teigungen unb Kuroen auefü^rte,
mobutep gleidjgeitig bem oon ©erftner befürmorteten 5?ampf«
traneport ein SRiegel uorgefc^oben mürbe. 3n ber 2^at biente
(IW)
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bie ^^fetbcba^n Subweiö — ginj (ganj eröffnet 1832, 85nge
126 km) gcrabeju alß abfcbrecfenbcß ^eiii?iel. (5inc non ©erftner
fen. entworfene 9lftten«^ferbebal)n non ^rag no(b ?>ilien fam
nur biß 8o^na (55 km, eröffnet 1830) ju Stanbe, ^jrcßperirte
jubem nid)t unb ging in ben ^rioatbefi^ beß ‘jfürften ©gen über.
JBeffer gebiet) bie 1836 bem S3erfel)r übergebene gortfe^ung bet
obigen ^ferbebal)n con 8in^ nnd) ©munben im ©aijifammergut.
3)en llebertrilt ber Sotometioba^nen oon i^rem SRuttertanbe
nadb bem Kontinent Detmittlid)fe mit bercifd)em €eIbftoertrauen
baß junge, ^od)inbuftrieDc Selgiett, beffen aufgeflörter Äönig
geopolbL, ein bentfeber ^rinj, halb nach feinem fRegietungß»
antritt bie 0d>affung cineß fpftematifeben ©iffnbnt)"neb*®
j»at auf Staalßfoften befd)Io§. Stepbenfon leitete bie
33oratbeiten, bie engliftben Ingenieure o. fRibber unb ©imonß
ben 28au. 9lm 5. 5Jiai 1835 burdbeilte bet erfte JDampfjug mit
900 gabrgöften unter Slugen ©tepbenfcn’ß binnen 45 'Dünnten
bie 17 km lange ^beilftrerfe S?tüffel — 3)lecl;eln. „3)ie jabllofe
5Renf(benmenge fd)ien oot ©rftaunen ob bet SBirfung ber in fo
Keinem JRaume eingefebtoffenen JRiefenfraft eineß ©lementeß bin*
geriffen" , lautete ein Seritbt. 3)ie folgenben 3al)re brad)ten
bie Snbetriebfebung bet ©eftioneu 'Dietbeln — Slntmerpen, QRecbeln
— Stermonbe, unb 1843 gelangte baß ©taatßbabnneb ootlSufig
gum iSbitbluffe. 5Danf ben feit Sefteben bet Sioerpool — Dian»
(bejter fSab" gemachten Sortfebrttten unb ©rfabtungen waren bie
Slnlagefoften bet belgif^en SBabnen fünfmal, bie SBetriebßfoften
brei biß »iermal geringer, bie^abrpreife »ietmal woblfeilet unb
bie 3“bl SReifenben hoppelt fo grofe geworben alß bort.
3n ^ronfreicb fam baß ©ifenbabnwefen, merflid) beeinflußt
burd) bie Äanol.SRanie, oerböltnißmäßig fpät jur
Steife. 3n ben mehrtägigen IDebatten ber ©eputirtenfammer
im 3uli 1822 über bie, 230 ÜRiH. ffteß. Äoften entgiffernbe, ÄanaU
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Dotlage bet JHegierung warb ber ©tfenba^nen ni(^t mit einet
Silbe erwäljnt. SBo^l traten ^3ia»ier, ©otbiet, ?)etbonnet u. 91.
enetgifc^ für ein einheitliches Sahnfpftcm ein, bo^ ohne bireften
6rfolg. @ine ancnnme ©efeHjchaft, an beten ©pi^e Cie ©ebrübet
Seguin unb ®. SSiot ftanben, erbaute brei 'Pfetbe=35ahnen jwi*
fcpen bet l'oire unb JRfyone non jufammen 140 km Sänge jum
porgugSmeifcn JranSport »on 25etgwer!S* unb ^üttenprobuften,
beten erfte (St. (ätienne— Slnbr^cieujc) im Ottober 1828 in S3e=
nu^ung fam; einige Sahre fpäter würbe obwecbfelnb mit
^fetbe« unb mit IDampffraft gefahren. ' «) ©ifeubahngefe^entwürfe
gelangten 1835 not bie Äamnier, giuvgen jeboch nicht burch. Unter
ben ©egnern bet ©ifenbahnen befanb ficb bet gefchicfte Stech»
ttifetlDupin, ber fchatffinnige 2lc. Jh'^tö unb auch gro§e@e»
lehrte ültago, weichet Schienenwege nach ben SeehanbelSplä^en
für ein Unbing erflärte, weil ©fiter auf benfelben nie beforbert
unb fReifenbe biefe yxahrgelegenheit nie benu^en würben; alS
Schrecfen aller Schreefen bäuchten ihm bie unumgänglichen
SunnelS, ba — für ade 'paffagiere bei bem jähen 2cmpetatur=
wecbfel bet Silagflufe unausbleiblich fei. 1837 enblich began»
nen bie erften regelmäßigen 2)ampffahrten auf ber Siuie
Paris — St. ©etmain, unb fünf Sahre barna^ entftanb ein
burdh ©eieß feftgeftetlteS Spftem gemifchten Staats», ©ommu»
nal» unb PrinatbaueS non Schienencetbinbungen , mit SSetrieb
burch bie Prinatinbuftrie.
^oQcmb ffimmerte fidh, im IBetlaffe auf feine fchwunghaften
JranSpcrtgelegenheiten gu SBaffer, lange ni^t um ben ©ifenbahn»
bau, gnmal öehörben, bie 31hebet unb SchiffSeigenthfimer
entfehiebenen SBiberftanb entgegenfeßten. ®elgienS SSorgehen
öffnete bie 9lugen unb bewirfte 1836 bie Snangriffnahme bet
Streefe 3lmjtctbam— Jpnrlem burch -£)auptmaun 93rabc. — Slße
XIX. 43S. 436. 4 (140
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50
übrigen 8änber @uro^aä entbehrten, abgeiehni ncn S)eutf(blanb,
in biefer 3eit;)eriobe nod) beS neuen 33erfebrdmittel@.
Bit Borgrfd^iihtr br? bentfihen difenbahntaefens.
SBie id)on erwähnt, h<tben wir bie erfte SInbcutung ber
@purbahn in ben beutfchen @rubenbauten beS 15. 3ah<hunbertä
ju fuchen. ©pejififih unterfchieben unb unabhängig uon ben
ober« ober unteritbijchen 3nbuftriebahnen finb bie uralten „iBohlen«
Wege“, welche ouf befonberS unwegfamen Strecfen für gewöhn*
liehe fcuhiwerfe ba unb bort Dorgerichtet würben. @ttenharb'd
aSergwerföbuch ergdhlt anno 1566 oon ben jetnergeit berühmten
ergiebigen ©Uber«, ©ifen* unb jtupferminen auf bem galfenftein
bei ©dhwaj in Iprol, bie Duelle beS IReichthumö ber Slugöburger
^ugger, unb melbet, bafe bort bie .^unbegeftäuge in ben ©tollen*
furoen („IReiben") mit 23anbeifen (IReibeijen) benagelt waren —
bie ältefte literariid) nachweiöbare Slnwcnbung bc8 föijen? für
©eleife. 1775 fonftruirte 2)ireftor griebrich in 6lau8thal eigene
Srichterwagen , welche bie (Srge auf eifenbefchlagenen gang»
fthweUen („©trahbäumen") uon ber @rube ^Dorothea gum
’J^ochwerle nerbrachten. Slflgemeiner unb beftimmter organifirt
erfcheinen (Sifenbahnen mit Jpunbewagen=§örberung burch 3Ren*
fchen» ober |)ferbefraft nach ^Beginn unfereä Sahrhunbertö, nor*
nehmlich in ben 'Pfälger Ächlenreoieren unb in ben fchlefifden
©rjbiftritten gwifchen @leiwi|> unb SRnlopane. Ungwcifelhaft
ift, ba| im Sahre 1815 fogar ein Kampfwagen mit fafeähnli^er
Umfleibung beS Äeffelö nach 9Rurrep«23lentiniop8 Sahnrabfpftem,
beffen Seith^ungen bie nachmaligen S3ergräthe @cfarbt unb
Ärigar in SSerlin aus ©nglanb mitgebracht hflite«»
preufeif^en jpüttentechnifer ^rang ©chmahel in ber JReichö'
(142)
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^auptfta^t jelbft oerfertigt unb auf einer Äo^Ienbabn tm <$aar=
brücfen’fdjen futje Seit in @ang gefegt würbe. '
SBenig beadjtet finb bie jablrei^en oberirbifcben Sörber«
bahnen ber fRu^rgegenb jur äbfübrung ber ^robufte ihrer
uneri(höpfli(hen Äehtenlager. Sieben berielben ejriftirten fchcn
geraume Seit cot 1826, hoch bleibt ihr Urfprung in ®unfel
gehüllt. Seitbem würbe jebe Seche mit einer ^rinatbahn Der*
fehen, unb e§ bürfte bie ©eiammtUinge aller au8 ber SBorjeit ber
beutjchen gofomotiDbahnen ftammenben Spuvwege, bie fiih auf
einen glächenraum Don minbeftenS 10 □ Weilen oertheilten, mit
70 km nicht überfchä^t fein. fUach d. [Reben ' *) beftanben bie,
felben iumeift auö fehr fchmalipurigen, eifenplattirten ^)olj*
geftdngen; einige ©rubenwcrfe inbefe, j. S. bie Sechen SlntoniuS
unb [Rülanböbanf , hatten ba§ ältere „beutfehe ©pftem",
b. h- gufeeijerne Schienen mit einem au§en angegeffenem
erhabenem [Ranb, auf Sangfchwellen abeptirt. $Die einträglichfte
unb größte aller Wontanbnhnen war bie fchmalfpurige, 11 km lange
Slftien'Pferbebahn bei Steele, beren (Sinweihung i. 3- 1825 ^rinj
SSilhelm oon ^reiifeen nebft gamilie beiwohnte. Wehrere
^Mattenbahnen nach englifcher ©auart befaßen bajumal auch bie
Kohlengruben an ber Saar, ja bie ^ouifenthaler ©ahn hotte
8 km 8änge unb anfehnli^e SDamm* unb Äunftbauten auf*
^uweifen; ein i^ferb fonnte ein IDuhenb belabener SBägelchen
jiehen, unb Suge mit einem halben .^unbert Rahrjcugen foHen
nicht feiten gewefen fein. 9lnfang8 ber 30 er würben neue görber*
geleife eröffnet bei gteiberg, auf _bem ÜRei§ner unb oon ber
Saline ©ürrenberg nach ben ©raunfohlengvuben bei ?)otlwih.
®ie bcfprochcncn SnOuftriebahnen bilben intereffante 6Ie*
mente für bie öifenbahngefchichte IDeutfchlanbe, beffeu ehebem
enorme h^h« ßifeupreife in ben althergebrachten ^unbJläufen
4* (uj
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nie ben Äeim but(^greifenbet Umgeftaltunfl be0 8anb»$tan8»
portmefend etfennen lie|en.
©leic^jeitig mit ©erftncr l)atte Oberftbetgratb unb 9Raf(^tnen*
bireftot S^itter Don 99oobcr (gcb. 1764 geft. 1835) in
3Riinc^en mit üorjdjaucnbem ©liefe ten ©ebanfen bet @ticnbabn
aufgenommen unb feit b. 3>. 1807 — mel)t benn ein 3a^t»
ge^nt not bem Auftreten bet elften britijeben ©ifenba^n«
tjubligiften J^omaS @rat), Jrebgolb, SSoob, 9>ii(^olfon u. 9t.
— unauSgefe^t bafüt gewirft, nidjt nur in feiner (jigenfe^aft
als Slfabemifet, fonbern au(^ als ein belebter, überaus pro«
buftiner ©(^rifffteHet. «Seine ©orfd?läge unb ßifinbuiigen Ratten
im ganbe 3o^n ©uQS genugfam Stoff ju einem fDn^enb non
patenten geboten. föJit UebergeugungStreue fuc^te er bie non
i^m wieberfiolt an Crt unb Stetle beobachteten fWüngel ber
englifchen Spurbahnen unb SBavgen an ben 'Pranger gu ftetlen
unb in feiner in allen ilieilen non jenen abroeichenren Sauart
gu ^eben. (Sin fleineS arbeitenbeS fUKoted bet leiteten mürbe
im 3a^re 1814 non ben Äaifern non iRufelanb unb Defterreich,
bann non SapernS ^Regenten, befichtigt. 3m folgenben 3a^re
erhielt Saaber ein fgl. 'Prinileg auf feine „Sifernen Äunft»
ftrahen", baS adererfte in biefem ©ebiete überhaupt ertheilte
beutfdje 'Patent. 1818 erperimenlirte berfelbc an einer mirflichen
(Sifenbahn in halber fRaturgröfee; SapernS .^onpringeffin gog
— mie bie ÜRünchener Stabtdhronif melbet — einen mit
16 (Str. belabenen SBagen bequem mit einet .^anb fort. fDaS
bamalS bem Sunbeetage unterbreitete Programm feines (erft
1822 etfehienenen) hiftorifch intereffanten SBerteS „fReueS Spftem
bet fortfehaffenben dRechanit" mürbe ad acta gelegt. IDie 'Prin»
gipien ber Saaberfchen, übrigens nur für .£)anbelStranSporte nach
ÜRa§gabe ber bnmaligen ©üterbemegung berechneten „(Shauffee»
«pferbebahnen" erhellen auS genanntem 3Berte: ©eringe fSnlage»
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unb Unter^altungdfoften, geringer SRaumbebarf, Umwanbiung
ber ©eitentetbung an ben ©(^ienen in eine roOenbe, (Srmög»
lid^ung fcbatfer Sa^nfnroen «nb beö Uebergangö ber SBagen
auf bie gc»ßl)nlidbe Strafe. 3*n Sefonberen backte fic^ ©aaber
ein ununterbro(bene3 unb er^ö^teS ©teinbämnuben al3 Unter«
bau befi guleiferneu ®eftänge8 »on nur 18 3olI ©punueite
(gig. 20); leichte Slranöportwagen mit 3Wei SBeubeftbemeln»
»ier (leinen 8aufräbern, a^t feitlicben geitrollen jum Spur,
galten unb »icr großen, f?l9- 20.
beiberfeitfl be8 Dammeö
frei bängenben SiSbern
gum Swecfe ber SBeiterbe=
forberung bet äßagen auf
bet ganbftrafee oljne Um«
labung. Sie an lange
©eile gefpannten Sugpferbe
follten nicht innerhalb, jonbem neben ber ©al}n geben. @e»
»iifenbaft war für aQe 9iebenPorricbtungen, bie auf ßifenbabnen
nötbig werben, geforgt. fUiancbetlei i^orfcbläge, welche in ocr»
änbertem ©ewanbe nach Degennien »on iSnbern erneuert würben,
wie g. ©. bie ©erminberung ber Slcbfenreibung buvcb fog.
gri(tiou8f(belben , unb bie breifcbienige ©abn, muffen wir übet*
geben.
SBiebevbolt petitionirte ©aaber bei bet baperifcbcn JRcgievung
um Slnftellung eines entfcbeibenben ©erfucbeS mit feiner ©ifen»
babn in wirflicfeer ®ro|e, erfolglos empfahl bie Äammer ber
ganbftänbe bie unuetguglicbe 3lnwenbung ber ©rfinbung gwifcben
9inrnberg unb ^rtb fowic gwiftben 5Rain unb (Donau; erft bei
ber brüten Stänbeuerfammlung Don 1825 warb bie erbetene
Summe dou 8000 fl. bewilligt. 9lun würben unter ©aaberS
Leitung im Shlofegarten gu 9lpmpbenbutg bei fUiüncben gwei
(MS)
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je 780 öufe lange, in juiiicffe^renDe ©ifenba^nen neben*
einanber angelegt, bie eine nad^ englijc^er ©anart (Jramwap)
mit englij(^en SBagen, bie anbete nad) ©aaber’ß ©auart nebft
^u^rmerfen mit neuen ^pcmmvorricbtungen. !Die [Ric^tungß*
önberiingen würben bcrt bur* JDre^fcbeiben unb eine SBeic^e,
Ijiet burc^ einen ,&nlbfrei8 »on 40 2)urd)meffer vermittelt;
beibe ©a^nen befaßen jubem [teile ab^dnge. 3«n ^rü^ja^r 1826
fanben öftere nergleicbenbe [val)tfDcrfud)e mit ^fertetraft not
'Äugen Äönig ^ubwigS, oor einer minifteriellen unb einet ata»
bemtfe^en ^^rüfungßcommiffien unb Der mebreren wiffenfdbaft»
lidben ©ereinen ftatt. @8 mürben bie ©ortbeilc beß ©aabcr’fcben
<ä9ftcmß in aQen ©e jiebungen pr etof ellarifcb anerfannt, unb bie (oer»
^eiblicben) ©cbenfen bteier alß Sarbüerftdnbige beigejogenet Subv»
leute wegen ©erfürgung il)ree©etbienfleö beißinfnbrung Dent^ifen»
bahnen gehoben.’*) ©leicbwcbl fö 1?« biefen ©erfudben
fein ©ewenben unb würbe bie Änlage Don ©ifenflta^en ftaalß»
feitß überhaupt oertagt, Dießeicbt gum @lücfe.
3n Dinglerß polptetbnifibem 3outnaI Dom Sabre 1831
fünbigte 3- d. ©aabet eine neuerfunbenc, febr leichte „Sott*
f^affnngßmafcbine" an, beten Äraftmoment jeberjeit bem gu
nberwinbenben SBiberftanbe entfprechenb regulirt unb Dermebrt,
überbieß beim ©ergabfabren gut ©ewinnung eineß neuen 3u»
madjjeß Don bewegenbet Äraft Derwenbet werben fönne. 35ie
®etailß biefer etmaß rdtbfelbaften 3u9»naf(hine bleiben ©ebeim»
nih, gumal ©aaberß literarifeber ©ncpla^ in frembe .pdnbe gerietb
unb ipurloß Derloren ging; Dermutblicb war fie eine 8uftlofo»
motioe, beren überfchüffige Äraft 8uft in bie ©ebdlter gurücf»
pteffen begw. magaginiren foDte. Äuberbem batte ©aaber Äuß»
unb ©inlenfungßDorrichtungen an HJiafchine unb 3Bagen erfonnen,
um ben 3u‘3 an jeber beliebigen ©teile wdbrenb DoIIet <5obrt
auf bie baneben befinbliche ©trafee unb wieber gurüdf in baß
(146)
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Weleife auf bie SSa^n ju bringen. — 1832 übergab Sofepl) o-
U^icbnciber ber Deffentlicbfeit ben SBorfc^lag 5ur @rbauung
einer bie ^lüffe 3nn, 3fat iinb 8ed^ freugenben „baperifi^en
öberianbba^n* nebft Slbgroeigung eineS f^iffbaren ÄanalS non
berfelben na^ ber 8anbeel)auptftnbt. Saaber fnüpfte hieran
eine f^Iugfc^rift, njorin er für’8 @rfle bie .^erftellung einer @ifen»
hal)n g»if(^en 9Rün(ben unb Starnberg in 93erbinbung mit
einer 3)ampff(bifffn^rt auf bem SBürmfee nadjbrüdlidjft empfal)f.
9!Rerfroürbig , afle eben genannten SSorft^läge fa^ 0apetn erft
gmei ootle 3a^rge^nte fpäter nerroirflicbt.
33aabcr’8 9lppclle an fRegieriing unb ^ublifum blieben eine
Stimme be? fRufenben auö ber SSüfte; er erlebte nit^t mel)r bie
?(u8fül}tung feiner 8ieblingöibee im @rc|en. ©eredbt unb billig
i''t e§, ba^ bie fRa(b»elt feinem patriotifd^en f^euereifer unb ber
flleinbcit feiner Ülbfic^ten bie 'Jnerfennung golle, welche il)m bei
Vebgeiten Befangenheit, fUlifigunft unb wibrige SSerhöltniffe ner»
fagten.
Unter ben beutfehen SRännern bie com oolfömirthfcbaft’
lidjen ©eficbtöpunfte au6 für ben ©ebanfen, ba§ man bie
(rifenbat)nen al8 bie ©runblage gu einem großen nationalen
Sraneportfnfteme, al8 ba0 flRittel gu nationaler ©mancipation
be0 ^)anbel8 unb ber 3nbuftrie betrachten müffe, förberfam
mirften, fte^t obenan ber Schwabe .ftonful ^riebrich
:geb. 1789, geft. 1846), ber gro|e BolMwirth unb Slgitator für
ben beutfehen 3oHt»erein. @r nerftanb eS wie fein Slnberer, baö
3ntereffe für ein fReh non ©ifenftrahen im 3ufammenhang mit
einer aufgebefferten .^anbelSpolitit burep ungdhUge ^robufte
'eineö elaftifchen ©eiffeö unb burch gewanbte Sprache wach gu
erhalten. Bc?n fRorbamerifa auö, wohin er politifdher ÜRotine
halber auöguwanbem gegwungen worben, unb beffen 3tührigfeit
unb Selbftftänbigfeit bei ©inführung beö neuen Jran0port»
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inftituted ftc^ oot feinen Singen entfaltete, mad)te er feit 1827 <
|)ropaganba für eine ßtienbal^noerbinbung jmifdben SRb«n unb
SBefer, jwifeben ben ^anfaftäbten, j£)annoDer, ©übbeutfcblanb unb
bet für ein t)reu§if(be@, fädbfifc^ed, babifcbee unb württem<
betgifebcfl ©ifenbabnfpftem ; fein Sriefmecbfel mit 3- »• Saabet ift
reich an föhnen @ntn>ürfen, worin bie0ef<hränftheitnurS8inbbeute'
lei ergrübelte. 9leben .parfort gebührt ibm wohl baS meifte S3er=
bienft an ben ©rünbunggarbeiten ber erften größeren Solomctiobahn
^cipgig — ®re8ben. 3)en gegebenen SSerbältniffen entfprecbenb, i>lai=
birte ?ift für ©taatfl^ ober für ^rinatbau, für ^ferbe» ober ©ain^jf»
betrieb, ftetä ba8 woblfeile amerifanifcbe ®eleifebau*@hftem juv
»orläufigen Slnnjcnbung empfeblenb. 2)a85Re^ Don600b.üJleilen
^ifenbahncn, welches er einft auf einem Äärtchen*®) entwarf, ift
nach 15 3ahren oollenbet gewefen. Unb weldjen 35anf fanb
biefer raftloS fchaffenbc, oielget>rüfte 9J?ann? — Sein fummerooller
8ebenSabenb unb fein freiwilliger Job antwortet braftifch genug!
©letch 8ift erftrebte auch 5iürnbetgS waderer Äaiifmann
unb Sürgermeifter SobanncS Scharrer (geb. 1785, geft. 1844),
ber Urheber heute noch blühenber te^nifcher Schulen in bei
alten SleichSftabt, nicht nur bie Söiebetbelebung oon 3nbuftric
unb ©ewerbe, fonbem auch bie pebung ber in ben geffeln oon
Äleinftäbterei unb ülcinftaatcrei tief gefunfenen materiellen tlieg»
famfeit JDeutfchlanbö burch 93erbefferung bee 3oU= wnb 31erfehrö=
wefenS; er befannte fich übrigens ju bem gemäßigten SreihanbelS*
fnftem, inbeß iJift bas Schußjollfpftem »ertheibigtc. Scbarrer’s
^lan galt 3unächft ber 93erbinbung SRürnbergS unb BürlhS burch
eine iJolomotinbahn nach englifctjen 9)iuftem. Seiner überjeu»
genben 93erebfamfeit gelang eS, einen ÄreiS geachteter Äaufleute
beiber Schwefterftäbte für baS Unternehmen ju gewinnen unb ein
©omit4 unter SSorfiß besOberbürgermeifteröSinber inüRürnberg ju
bilben. Schon am 19.gebr. 1834 erfolgte bie !gl. 'prioilegiruug ber
<M8)
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„gubroicjßeijenba^ngefeQicfecift", 311 beren fteUcertretenbem IDireltor
©(^arter erwäblt rourbe. 5Die geplante UebertragungberSBauleitunfl
ou einen non fR. Step^enfon empfohlenen englifdjen Sngenieur
fcheiterte an 3U hohen Oehaltdanfprüdhen , unb ein Slnerbieten
beg gu IRathe gegogenen Dberftbergrathö 3of- ». Saaber; an
©teile bet loftfptcllgen englifd)en ÜJiufter fein neueö, noch geheim
gehaltenes ©pftem beS Oberbaues, bet Sßagen unb 8otomotioen
ju »erfuchen, »arb bcv Uncrprobtheit beS ©pftemS wegen ob»
gelehnt. 9lun würbe berf.baperifdjeSBegirfSingcnieur 'J'anl ©eniS,
welchen ber ©efellfchaftSoorftanb ?)latner butch Sufall fennen
gelernt h^ite, mit bem 33au betreut, ©ant bem umfidjtigen
Sufammenwirfen »on ©eniS unb ©charrer fonnte bie erfte
beutfdie Sofomotiüb ahn fchon am 8. ©eg. 1835 feicrli^ft
bem SSerfehre übergeben werben.*') Sie bie auf ©eite 33
ffi^girte gefomotioe „Slblcr", fo ftammten auch Sagenräber
aus (änglanb, wdhtenb bie ©tuhifchienfn unb bic Sagen im
Snlanb gefertigt waren. 33orfid)tShalber erfolgte ber 33ctrieb
abwet^felnb mit ©ampf» unb mit '))ferbc{raft. ©er S^h'^P'^^tS
für bie km lange öahnftreefe war — bei ocrboppelter nähr»
gefdiwinbigteit — burchfdjnittUch auf bie ^älfte brr 6ilwagen>
taten unb auf ben adjten Jh^l ber giafertajren her^bgefunfen.
©chon im erften iüermaltungSjahr fam eine ©ioibenbe oon
20 p6t. für jebc Ülttic gur Skrtheilung unb cS blieben audh in
ber golgegeit bie f^inangergebniffe giemlich gleich, gum @lücf
unb ©porn für bie fünftigen Gifenbahnunternehmen. ©charrer
wirfte bis gu feinem Sobe als ©ireftor unb ^'atlabium beS
SnftitutS; ihm unb feinen S3erbicnften möge bie beutfehe 9lation
ein ewig banfbareö tSnbenfen bewahren!
GS fei [jm eine furge Ginfchaltung geftattet. 3m Ginflang
mit bet einftigen inbuftrielleu wie rommergiellen Grfchlaffung
beS bürfligen unb gerriffenen ©eutfcblanbS ftanb bic Slbneigung,
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jum SJiinbeften bie ©(eic^giltigfeit ^egcn Slnlage con 6ifcn»
[tragen; fotl bo^ felbft bet geniale Stopfet bet ©ilpoften,
©eneralpoftmcifter d. 9Jaglcr, in ber Sleilje ber @ifenba^ngegnet
geftanben fein. ülnfangä ber 30er fuc^te fid) faft äDbeulfdj»
lanb be8 jungen iUerfelirämiltelö 3U ermebren, tl)eil8 wegen Un»
etfdjwinglicbfeit ber nötbigen Kapitale, tbci(8 alö einer Quelle
jabllofer fflatbtbeile unb C^efabren: (ärbrüefung bc8 ijanbrnannä
unb ber iiahnroblereien, Sceiuträdjtignng bet (gtaatSfaffen, @r=
leid)terung feinblicbft Snoafionen im Kriege* *) unb anbete Sluö»
gebürten einer Seblafrorfäpbiloiopbie ober .^npoebonbrie; baä
9Jii§Iiugen bet böb>”>Wen 'Pfetbebabn trug baä Seine bei. @0
liefe, um nur ein öeifpiel anjufübren, bie ju Stlangen 1836
etfdjienene S^rift „3!been über Gifenbabnen in Sapern unb
beren ©efabren für gang ©eutfcblanb" bie neue Ginriebtung
jmar in aller SKelt, nur nicht auf beutjdiem 'öoben portbeübaft
fein. 55aö IRaifonnement nüchterner Qpponenten au8 bem
Äreife Sencr, bie ben partiellen jeweiligen SSerfebr jum 9Rafe»
ftab beS fünftigen nafemen, wieberbolte fi*, al8 ber 2)ampf»
tranöport bereits ©ürgerreebt erlangt b^tte. 3)er SBclfSwirtb
@taf ©corg Gancrin mifebilligte bie Gifenbabnen alS Sache
einer SEageSmobe unb beS gupuSoetfebre, ba bie ScbneQicjfeit
ibr eingiger 35orgug fei, ja nod) i. 1850 ertärte beffen ^acb»
genoffe gubw. p. Jpallet biejelben als 'OTiturjacbe bet - aUgemei»
nen IsBetatmung, al8 5Jlörber jeber ^eimatbSliebe, als ^erberer
gwecflofet Oteifelnft, ber Serfebwenbung nnb beS Sßagabunben»
tbumS.
@enug bfeioon! Seitbem in Seutjcblanb ber erften Uofo»
motioe bie GingugSpforte etfcbloffen worben war, «erftricb noch
ein polleS Suftrum, bis bie erften Qllafcben gu bem nationalen
Gifenbabnnebe gefnüpft waren. Söobl arbeiteten febon um 1830
petfebiebene GifenbabneomiteS, aber erft nadj bem febüebternen,
CI 50)
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59_
bod) Dortrefflid) gelunijencn Unternehmen ber SubroigSbahn trat
bafl ®ebürfnife, bie ^iothroenbigfeit non Schienenmegen flarer
gu Stage unb ipucfcg ba8 3?ertrauen in bie C5inträg(i(hfeit ber=
felben, wäbrenb gleicbgeitig SDcutfthlanbä inbuftrielle SBieber«
gebürt jum ©urebbrud) fam. SBir feljen nun bie nerfehröreichen
Stäbte eifrig befliffen, ftd) bet SBcblthafen beö ©ampftranS*
perteö, ber je^t ba8 ©ageögefpäd) unb getabegu ben ftehenben
Slrtifel in ben gadjgcitfchtiften bilbetc,**) gu nerfiihetn. ©ie
?anbe0regietungen machten unnetgüglicfa non ihrem Jtiedjte bet
©inwirfung ®ebtnu^, roeldje fid) im ßtlah cen Sunbamental»
beftimmungen für ptinale ©ifeiibahnuntcrnehmen, oc*n (Sjrpto»
priatioiiögefe^en, poftalifcben unb poligeilidien fReglementä u. f. w.
Sufeerte. ©ie ÜJlehrgaht ber Staaten, Bornehmlich bie füblichen,
entfchlo§ fid) alSbalb nach bem öeifpiele bet ametifaniiehen Unien
gum ?lu8bau ihrer Hauptbahnen in eigener Oiegie; bie übrigen,
namentlich ^reufeen, ©aebfen nnb bie fä^Rjchen Hfrsoflihütner,
unterftüf}ten ben 'Pviratbau burch Subüentionen nerfdjiebenet
Ülrt. 31. (Sredc, projettant bev 5berIin<Pct8bamer 93ahn, jeheint
guerft (1835) bem ©pftem ber Staatebahnen energifdj baSSBort
gerebet gu mähtenb ber SOlarburget Profeffot 3i(ep. 8ip8,
ein wunberlicherÄaug, bagegen eiferte mib gubemnurbenPetfonen«
tranSport al8 bie ©cmaine be8 ©ampfbetricb8 gelten laffen
mollte.**) ©ie SBethanblungen wegen 3lnfchluh ftember Sahnen,
Streitigfeiten gwifcfcenfHlIgemeinWi'hl unb Sonberintereffen unb bie
SSahl ber Sahnrichtungen oerurfaetten langwierige Setfchlepp»
ungen unb. oft ftürmifche ©ebatten. 5n oielen Süden würben
bie Stimmen berufener britifcher Ingenieure, wie Stephenfon,
SBalfer, 8inblep, Sud, Signclc8, @ile8, nernommen.
1838 ftanben bie 8cfomotiobahnen diürnberg=Sürth, 8eip»
gig=©re8ben, Serlin«pot8bam, ©üffeIborf>C?rfraih unb Staun«
fchweig-SBoIfenbüttel ton guf. 150 km 8Snge, im Serfehr. 3n
UM)
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60
furzen Swifdjentäumen gelangten biö 1840 bie Streefen SJlagbe»
burg*3d)önebe(f, Aranffui-t^SBieSbaben (lauiiuöba^n), bis 1842
bie 9Rüncben=3lug8burget, bie JRljeinifcbe, bic 9)lannbeim«^eibel»
berget, bie S3erlin«9ln^altet, bie ©ergijc^=9JJarfifc^e, bie ©etlin»
jpamburger, bie Oberf^leftjc^e, jowic bic ScrIin«Stettiner Saljn
im 0etrieb unb eö war bie ©efammtlänge bet 0a^nen i. 3.
1840 auf 470, i. 3. 1842 auf 930 km augewad^fen, 95ou ba
ab beginnt bie jpftematifc^e ^2iu8bUbung be8 beutf(^en 0a^n<
ne^eS, inbem bie noc^ ijolirten Linien allmä^lid) gu ben auS«
gebe^nten SBeltoerfcbrörouten guiammenwadbfen. 3«»« Scrgleidbe
fei bewerft, ba§ i 3. 1840 Cefterreidj unb granfreic^ je 430,
©robbritannien 1350, Belgien 330, JRu^lanb 30, bie fRieber*
lanbe 20 unb 3talien 10, fomit gang ©uropa runb 3070 km,
bie Unioneftaaten 5340 km unb bie gange @rbe 8600 km
®d}i»ncnmege für ben allgemeinen 23erfel)r beia^.
gaft jebe ber galjlreidien ölteren beulfdjen 0a^n»erwaltungen
war mäj anbern ©runbfä^en geleitet unb organifirt, inS>
befonbete bot bie — gröfetentbeilS ddu (fmpirifern auSgeübte —
0auted)nif ein eigenartig bunteö 0ilb, ein ©emifd^ fflaoif(b
nadjgeabmtcr unb mehr ober minber t'offenb inS lDeut|d)e übet»
fester Gonftructionöelementc, beren ©rtjrcbung Biel iJe^rgelb
foftete. 3Jbev in Slnbctrac^t beö gängli(^en ÜRangelS an tedjnifc^en
6entral*0ilbung8ft5tten ift bie üljatfacbe, ba§ eö auSnaljmblcö
fDeutfebe waren, weldje bie junge IDiSgiplin auf beutfd}e @rbe
Berpflangtcn unb rerförperten, nur ein neuer 0ewci8 ber beut>
fd^en Unerfc^roden^eit, 2lu8baucr unb Sl^atfraft. 2)ic fRamen
ber (Srbauet unfeter erften beutic^en Uifenba^nen, bie eineö
JDeniß, Äung, Grelle, 9Rertenö, ©rujon, ^imbfel.wcU
(^en wir bie fRamen ber Defterrei^er ©erftner unb ©d^öneter
anrei^en, nerbienen mit unnergänglic^en Settern ben 2(nnalen
Baterlänbifc^er 3ngenieurfunft einoerleibt gu werben!
(I5S)
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61
dd|lti|niOtl.
Unter allen Iranöpertmitteln, welct'c fccni SDienfctjen bet
©egenroart ^ut Iterfügung fielen , etmcglidjt allein ble @ifen»
ba^n mit 2)ampfbettieb bie moljlfeilfte, rid'erfte, fcfcnellfte, regel«
inäfeigfte unb pünflic^fte Jranelaticu ücn Slienfeben iinb ©ütein.
Die ßifenba^nen haben non ben id)ii'ad;cn Slnfängen an
ben Sollbreicbtbum iinb bie ä>olföbilbung gefleigert, teu ?eben0:
geniili unb bie ©ejelligfeit a^öl^t, ben ©refebttrieb unb bie
©entralifatien be§ Slclf8leben3 beförbett, fie finb mit ©inem
SBort bab Slutaberjpftem bcö i?aiibc8= unb SBeltterfcljrs ge»
morben. ©ie jpielen eine nid)t minber bebcutiame DicQe al8
etwa bie '))reffe unb ba6 'PiilBcr, |ie finb aber auch 3U einem
^aupttheil beö ■üiatiBnali'ermögenS in unfern 3fit berangemaebfen;
bas auf fie uermenbete 'Jlnlagefapital überfteigt nach IHicbaib
im Deutfd)en JReid)e 7 f)liilliarben fBlatf, möljrenb baö
JBubget feiner fä^tlit^en ©innafimeu unb ÖluSgaben me^t al8
800 be^w. 500 fDlillioneu 9JJarf beziffert.
@rbeblid)c f^crtfdjritte auf bem Dorgefiihrten ©ebiete finb
für bie Sufunft mobl faum ju ermatten, c6 rcirb fid^ bet 5?etrieb
mehr unb me^t an bie gegebenen ©viften^bebingungen, ijcfal»
üerljältniffe unb S3ebütfniffe aujupaffen fnden; fo lautet beute
baö *})rognoftifum. Die Seit bet „itorfabren unferet ©ifen»
babnen unb Dampfroagen" liegt nicht meit hinter unö; glei(b=
tocbl geminnt eb ben 3lnfd)cin, alö menn bie Seebnit beö
©ifenbabnmefenö in biefem Slugenblitfe bereits ihren ©ulminationö»
punft erreicht hübe.
(IM)
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^nnterkungeti.
1) 5}orjug«n)eifc wurte benu{)t: ÜJJ. SRülilmann „Slllgtm. 2JJaf4>tnen*
If^re" S8b. III. (©tragen, unb öifcnba^nful.'rrcerfe); .tjeufinger öon
aüaltegg ,,^)anbb. f. jpejielle Sifenba^ntecbnif, 58b. I. — III. (Sifenba^n.,
5£3agen- unb Uofomotiöbau), aud) gr. ©tfiner „5Bilbet au« b. @efd)i(^te
b. IBerfebr«" gcftfc^rift, ^rag 1880. — 55ie tem eingefügten ?lb*
bübungen »urben faft burt^weg alten ©tbriffen entlehnt unb crfc^eineu
grcgtcnt^eilö jum crften 2)lale in bcr neueren gacfcliteratur.
2) .ffibientl. Ittnjeiga f. Äunft unb (iSeinetbeflcig in Sapern"
1816 ©. 51 ff.
.8) Su8 ?Iley. ©erben ^lieber gortbenjcgung e^ne Jbierfraft :c.*
3lu8 b. @ngl. SSJeimat 183H. ©iefer ©c^rift mürben au^ gigg. 12 u.
13 entnommen.
4) ,iTa« 9tu«Ianb“ 5)Jnnd)en, 1828 9Ir. 11 u. 12.
5) Sie umfangreidjen, bem ißerfaffrr bereitmidigft jur ©infic^t-
na^me nberlaffenen älteren Sitten ber matb/ematifdi'pbcrifalifdjen Älaffe
ber f. SIfabemie ber SBiffenfebaften ju ÜUfincben (ebebem bie beratbenbe
©teile be« SUinifterium« in allen polptecbniftben gragen), in«befonbere
bie Sitten über bie afabemifebe ibrerjeit bfrecrragenbften
beutf(ben gatbgclebrtcn 3of. ». SSaaber, SBiebefing unb »on
5Rei(benbatb, gemabren ein bccbintereffniite« 58ilb Den ben bamaligcn
?eiftungen, ißeftrebungen unb — gebben auf bem noeb menig erleuchte-
ten ©ebifte ber tbecretifdien unb praftifeben SDieebanit.
6) 3oi tj. ©aaber fud’te in jablreicbcn fpublifatienen bie Unm6g-
licbfeit eertbeilbafter (Jinffibrung bcr Snmpfroagen auf ©tragen bar-
jutbun.
7) ©anj irrtbümlid) erfebeint bie Slbleitung bc« ißJottc« „tram“
con bem Spanien ,Outram“, een melcbem ©. 20 bie 5Rebe ift.
8) ©ingebenber Irnnbeln bitbüber bie Sd'riften „Sammlung ber
bi« 1836 betr ©ifenbabnen gemachten ©erbefferungon unb ©orfd;läge",
9lrbg. 1836 bei beueb«; 9Jl. ^eppe „bie Sclegrnpben u. ©ifenbabnen*
©ttgt. 1834; Dr. Slug. Äübne .©elebrungen über Slnlegung unb ©cn-
ftructien een ©ifenbabnen" Spjg. 1834, mit 124 Slbbilbungen.
(I.',4)
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9) 6. Ä. ^)en((^el „9leuc öcnftruction b. ©ijenba^nfit unb \!ln'
Wfnbutifl comprimirtfr ?uft j. Öeajegung b. gu^titcrfe", Äaffel 1833.
10) 3m 81u«jug mitgrt^eilt in ©inglcrfl polpt. 3ourn. Sb. 57
®. 313.
11) Sergl. SRtbcnftein „ätep^enjon'b ürfomDtioe auf ber ifub»
wigSbalm" 9irbg. 183G.
12) (s. „'illlgein. ©ncpflcpfibic b. sBiffenfdjaftcn u. Äünftf" ?pjg.
1844, airtifcl „Sifenba^n".
13) 2lu8 „3)a« größte iüunbenmcrf unferer 3eit ober bie (Sifenb.
^wifcben Viioerpocl unb fDJandjefter". UJiit 13 Stafeln, ülrbg. bei (Sampe.
14) 2)ie .Rcflen ber parlamenfarifepen Sanction oon (^ifenba^nbUI«
waren in (Snglanb mitunter enorm; fie beliefen fit^ j. S. für bie gonbon*
Sirmingbam-Sabn auf 94 000, für bie @reat>®eftern<Sai)n fogar auf
157 000 ^fb. ©t.
15) „är. 2ift’b gefammrlte ©cbriHen", beraußg. oon ü. $)5uffer,
©ttgt. 1850.
16) 2)er llerjonenoerfebr auf ber ?ioerpool»9Jian(^efter", auf ber
©t. @tienne-8pon« unb auf ber ?inj«Sutweifl.Sa^n uerbielt fiep im Snrdj-
fipnitt ber Sapfe 1834 unb 1835 bejw. wie 154:58: 1, ber ©üter-
rerfepr be^w. wie 12:14:1.
17) 9lefroIog ©cpmabelS im Serliner ©ewerbeblatt oen fUeutranb,
1845 ©. 163 ff.’
18) äöilp. 0. Sieben „2)ic öifenbapnen 2)eut|(planba", 11 Sänbe,
Serlin 1843 — 46, baß erfte oollftänbige .f)anbbucp für bie beutfebe
(Sifenbapnfunbe.
19) fHöpereS über bie Serfudpe, weidje fdbft im Bulletin des
Sciences technologiques belannt gemaept mürben, f. 3- »■ Saaber „lieber
bie Sortpeilc einer oerbefferten Sauart non (Sijenbnpnen unb 2ßagen",
9lfab. geftrebe, SJJüncpen 1826.
20) §r. 8ift „Heber ein fä(pfifcpe6 SifenbaPuipftem :c." l*ptg. 1833.
21) 9)Jan febe 3cp. ©eparver „5)euticplanba erfte (gifenbapn mit
Dampffraft ober Serpanblungen b. 8ubwig8babngefelI|dMft" Sirbg. 1836.
22) Sem entgegen beutete gr. Sift in einem oortrefflitpen lÄrtifel
ber „9nig. SJlilitärjtg. 1836' bie Sicutcii an, melcpc im Sntereffe ber
ifanbefloertpeibigung unb jur Serpütung non 3n»aficnßfriegcn gebaut
»erben müßten.
23) Sieicppaltige Slacbricptcn braditen förelle'ß „3oum. f. Sau-
funjt", 2)ingler’a „polpt. 3ournnl‘‘, Ueudj’« „Ülflg. .ftanblungSjeitung*'
unb inSbefenbere bafl »cn gr. ?ift in 9fltona peraußgegebene „(Sifenbapn-
OF TT-’-: \
\\ /^ , r.-j"
64
joutnol unb IT^attonalmaoajin k.", eine »a^re 6^ronif ber @tfen<
bahnen, »eicbeä infolge eines unaufgeflärten Q^erboteS in Cefterreic^ leibet
nur bie 3abre 18H5 bis 1837 umfaßt; fein ^auptjwedf »ar bie SSor»
bereitung eines allgemeinen beutjc^en Gifenba^nfpflemS mit befcnberet
SeTÜdiltttigung ber Ängclegenl;eiten beS SotlöereinS. SDatin finbet ftiift
aucfi ber ißotfdjlag unb bie flunctation einet 35ereinbarung be3Ügli(^ äuf»
ftetlnng »on JHellbfnt-Sugenieuren in IRorbamerifa, Snglanb u. f. ». nebft
©rünbung eines beutfcfcen Scntral«6orrefpDnbenj*SureanS auf gemein*
f(baftli(f!e Äoften ber bcutfdien (Sifcnba^nbirectionen.
■24) 21. Stelle „liebet Sifenba^ncn alS Ißtirjatunterne^mungen",
Öerlin 1835, nnb Dr. ÜipS ,,J)eutf(blanbS äBdt^anbelS SBiebergeburt"
5ltbg. 1836. gips, bem »or Stcffnung bet ')lürnberget löafjn
®tra§enbampfwagen als bie 9Jlaj(^ine beS beutf^’cn 4>eilS gegolten batiei
fud^ in leßtgenanntem 2S}etfe batfut^un, baß iDeutjc^lanb burt^ bie Sifen*.
bahnen unb ben l£;Dnau>l[Rain*^anal einen ii^beil beS eeiloten gegangenen
SBelt^antelS mieber gewinnen fönne. 3« ben ciftigften ©cfötbetern bet
beutfdjen ©ifenbabncn 3ät)[te übrigens auc^ berUBürttemberger §t^r.D.Sotta.
(15C)
'Etucf Bon 0«br. Uiiact (ifi. ©titnm) in Serlin SW. «tbönebcrflcrftt. 17a.
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Utbtt ötc Jmpfung*
^iftcrifc^ * ftatiftifc^e 3Witt^eilungen
über ^pocfencptbemien unb 3ßt|)fung nebft einer
X^eorie ber ^tbu^im^jfung.
6in SSortrag
Don
Dr. S. ttolffbrrg,
^rioatbocent brr .^ijgiene in Sonn.
6«lln SW., 1884.
Sßetlag Don @ail ^abeL
(C. t. IsttTiti’iitii SnligiltsitiliiiiillnnB.)
33. SiI6<Iin • etta^t 33.
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ber Ueberfe^ung in fiembe ®pia(^en rotrb Doibe^atten.
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)9ontu>rt.
^ie ©ammlung gemeinDetpänblt^et wiffenfd^aft*
lt(^et 93 or träge enthält bereits einen in gtteiter Siuflage
erfc^tenenen 93ortrag non $rof. 93o^n über 93ebeutung unb
SBert^ ber S(^u^t)0(feninn)fung (^>eft 34, 1872). 3m golgenben
^ofen n>ir ben @egen[tanb na^ einigen Seiten ^in ju ergangen
unb fortjufü^ren.
gür bie |)ocfen« unb Smpffrage ift non befonberer, bisset
(aum gen?ürbigter 9Bi(^tigfeit ber gewaltige @inf[u§, welken
baS Lebensalter auf bie ©efäi^rlic^feit ber 9^ocfenerfranfung
anSübt. SBä^renb bie $o(fen ber ungejd^ü^ten ^inber faum
bem 0(^arlad) g(ei(bTommen in ber 93ebrol)ung beS Lebens
wie bie|eS oft gelinbe auftraten, burc^fc^nittlic^ aber unb im
allgemeinen etwa 10— 12p6t. ber ©rfranften ba^inrapen, —
bro^en jie ben (ungef^ü^ten) ®rwad^fenen mit ber ^ö^e ber
?)eft* ober bet G^oletagefap; b. eS fterben »ou ben
(überaus leitet emt)fängli^en) (Stwai^fcnen, wenn fie inflcitt
worben, feiten weniger als 30 unb oft mep als 50p6t.
IDie Situation ift bemgemä§ folgenbe. Um baS $o(fen>
elenb beS »origen SapbunbertS gu ocrbüten, ift bie obligotoriftbe
3ugenbimpfung unumgänglich. 9Bie wenig biefe allein auS«
reicht, geigt beutlich genug baS 93eifpiel 93aiernS, wo allein im
Sahte 1871 etwa 5000 fUJenfchen (=1 pSK. bet 33e»ölfetung),
meift @rwachfene, bie gum gröpen ^h^i^e geimt)ft waren, an
ben ^ocfen ftarben. 2)et geitliche 2Berth ber SBieberimpfung
XIX. «7. 1* (>M)
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4
im breijel)nten ?fbenßia^re, welche baß beutf^e Smpfgefc^ öor»
fd^teibt, ift unbefannt unb Don perjd^icbcnen Umftänben ab«
gängig. 3t)t »a^rit^etnlic^er 9lu^en bünft unß nit^t fe^t be*
bcutenb. Die SBieberimpfungen werben Vifen, mantbe unnoU«
fommene (Srftimpfungen ju etgättjen. JpierDon abgefeVn, wu§
erwogen werben, ba§ allen Beiten, felbft in ungefc^üVen
Seoßlferungen, feine iSltetßftufe für bie Slattern weniger em«
pfängli^ gewefen ift alß bie ber reiferen Sugenb. Da wir biefe
nunmeV nach bem ©efe^je ber Sßieberimpfung unterwerfen, fo
befteV (ine nur geringe SBal)rf(b(inlicbfeit, ba§ bie burt^ bie
jweite 3wpfung V^norgerufenen S3eränberungen, welche ben
gd^u^ bebingen, feV burcbgreifenb, non feljr oorVitiger Äraft fein
fönnten. gidjerli^ aber finb bie SBirfungen ber gefeVit^(n Bweit»
impfung für S3ie(e bereitß erVblic^ abgefcbwäcbt, wenn bie
natürlid^e SSlatterngefaV wieber 3U fteigen beginnt. Dur(^ bie
bebeutenbe ^ö^e, wel(be bie natürliche ©latternbißpofition, nicht
minber bieSIatternletalität jenfeitß beß fünfunbjwanjigften gebenß»
jahreß erreicht, erwächft eine neue ©efahr ; unb ohne nochmalige
Smpfung wirb h»(tburch für ©iele bie felbft jweimalige Sugenb«
impfung ju einem bebenflichen ©efchenfe; benn biefe fchiebt bie
©rfranfungßfähigfeit biß ju einem fiebenßalter hinauß, in welchem
bie ©efahr ber Äranfheit — wenn auch bur^ bie Sugenbimpfungen
oft abgefchwöcht — immer noch in cielen göUen erheblidh
bebeutenber bleibt alß in ber Sugenb.
Durch bie bißher fo glängenben IRefultate beß beutfchen
Smpfgefeheß foQen wir unß baher nid^t aUju fehr beruhigen
laffeu; fchlimmerc Beiten bürften allein burch bie SRenaccination
ber ©rwachfenen fich bannen laffen. —
Sonn, 9looember 1883.
Dr. @. SBolffberg.
(160)
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5)ie genjaltigften geinbe ber ÜRenft^^eit ftnb bie ©eueren,
bie unautbottfamet unb unerfättli^er al0 bei ^iteg bie heften
ttie bie ©tbma^en ba^intaffen. 3?et mebijinifeben SBiffen*
jc^aft ift e8 biflljet nur in |el)t bcjtjjeibenem gelungen,
ben ©eu(^en @in^alt ju gebieten unb ben SRenfe^en baS 93ewu§t«
fein gröfeeter greiljeit gu gewähren. SBieleö nerbanfen wir ben
allgemeinen gortfd^ritten ber Kultur, ja baS SReifte.
IDie einft häufigen ^anbemien ber f0io!oria*^anfheiten unb ber
Stuhr, bie ^eft, bet ‘JluSfo^ unb anbere Seuchen fmb au8 ©uropa
gum Sihcil nerfchmunben, gum ^h^'^ geworben. Siber
noch bebroht bie fortmährenb »ieberholten Bügen
bie ciDilifirteften Gebiete; noch forbem bie Sungenfchwinbfucht
fotoie ^pphen unb e))ibemif(he Darmfranlheiten, ©dhatlach
unb ^Diphtherie beftönbig gahlreiche Opfer, ^iegegen oerfchwinben
faft — mit fRürfficht auf bie Lebenserhaltung — bie ^ortfehritte
ber neueren Therapie. Sie finb in h^hem SJta^e rühmenSweith
olS gortfehritte beS SöiffenS, bet @rfenntni§. 3lu(h bürfen
wir immerhin gnfrieben fein wefentlich gu helfen gut ^ürgung
unb gut Linbeiung gahlreidher Leiben; ja wir hoben gelernt,
nicht fo gar feiten fchwere Äranfheiten gleich nach ihrer @nt»
fiehung abgufchneiben, in SELahrheit gu heilen. Slbet bie
höchfte unb enbliche IHufgabe ber fDtebigin befteht hoch barin,
Saufenbe in bie Gefahren bei ^anfheiten gar nicht erft gerathen
(161)
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3u laffen, tndbefonbere bie ©eueren für 9Qe vermeibbat ju
maijcn.
Sluf bem SBege gu biefem Siele ift in bet neueften Seit ein
bebeutungdnoOet @(britt nortDärtS gef(beben.
2)ie Urfatben »ieler ©eu^en, ihre (Streget, ftnb erfannt,
für alle ift bie SSermutbung begrünbet, bo§ i^te (?neger in
niebrigften organifirten SBefen pflangli^et 9lrt befteben, bie fldb
but(b ein au§erorbentli(beS ißetmögen bet Sernielfältigung auS*
geiebnen. 2)er J^ampf gegen bie ©eueben ift nunmehr b^ügifirt
aW ein Äam^f gegen biefe mifroffobif^en Dtganifiraen, bie gut
Älaffe bet ^ilge geböten, gegen bie S3afterien; unb unfete 9luf*
gäbe ift eS nunmehr, bie Sebenöbebingungen biefet Organismen,
bie SSerbältniffe, melcbe ihrer Erhaltung unb Setmebrung au§er«
unb innerhalb beS lebenbigen IförbetS günftig unb ungünftig
finb, gu ftubiren unb inSbefonbere biefenigen Safterien, mel^e
als ^anfbritSerreger befannt ftnb, gu unterfudjen.
ülDgemeineS Sntereffe ermeefen bieauberorbentlicbenlRefultate,
melcbe auS bet ^enntnib non bet {rantbeitSerregenben ^aft bet
Satterien für bie ©bi^f nrgi e bereits gemonnen finb. ©ie fnüpfen
ficb an ben Flamen SifterS, eineS bet großen äBobltbüter bet
3Renf(bbeit. IDie SJtetboben beS englifcben @biiurgen finb in lebtet
^nie auf Siefultate bet beutfeben ^otfebung gurüefgufübren. IDenn
eS ift eine beutfebe @ntbecfung, bie inSbefonbere ©cbulge unb
©cbmann butcb @rbrtimente begrünbeten, bab bie @äbrungS* unb
Süulnihbtogeffe non bem Sutritt lebenber ^eime abhängig, unb ba^
bie atmofpbärifcbe Suft überall mit biefen jfeimen erfüllt ift.
fDtit ben ^äulnibbaherien hoben bie @neger ber feu^en*
artigen ^anlbriten generelle 93ermanbtfcbaft; aber bie Srten bet
leiteten finb unter einanber fomobl mie non ben Sänlnihbilgen
(baraltniftifcb nerfebieben. ©o munberbar Sein biefe Organismen
<iö)
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7
alle finb, fo not^menbig ba^er jd)on eine gro§e äu§ete 9e^n«
lic^Ieit ^etleitet, fo ^aben bie verfeineiten Qnterfn^ungS*
tnet^oben bet neueften Seit für aOe befannten j^ranf^eitSerreger
f^>ejifif(be Unterfd^eibungötnerfmale gelehrt, weldbe ben @(blu|
3ulaffen, ba§ in biefer miftoffopif^en SBelt fo oiele wo^I unter«
f(biebene iSrten ficb finben wie in irgenb einer klaffe ber großen
^flanjen ober Spiere; unb fo wenig eä für bie ^iftorif(be Seit
geglücft ift, ben Uebergang non einer Spejied in bie anbere
na(^3uweifen , fo beijalten auch biefe mifrojfonif^en Wirten i^re,
wie eö bisher ft^eint, unabänberli(ben änderen formen. fDer
9>ü3 ber @(^winbfu(bt ift wo^I unterfebieben nom Säulnibpil3,
nom $il3 bee i^eS @rpf4>el6 unb anberer ^anfbeiten;
nnb mit ber grö§ten SBabrf(beinli(bfeit i^ für bie fIRafem, bad
@(barla<b unb für bie f)o(!en nicht minber je ein fpe3ifif(bet
|)il3 als j^ranfbeitSerreger an3unebmen wie für bie anbem tppifeber
Snfeftionflfranfbeiten ber SRenfeben unb ber Stbiete.
Stuf biefer @rlenntnib beruhen unfere neuen Hoffnungen onf
hbgienifche gortfebritte. @^on wiffen wir, bab bie belonnten
|)il3e lünfiUeb, b. b- unabhängig nom tränten ätör^er, ficb güdbten
unb mehrere auf flRenfcben uno Sbicte mit bem @rfoIge fpegififeben
Äranfbeiten ficb übertragen laffen. SBir tönnen auf bie gegücbteten
^ilge nerfebiebene SRittel unb 93ebanbIungSweifen einwirten laffen
in ber @rwartung, Sludblicte auf rationelle Serbütung unb
Sebanbinng ber Lautheiten gu gewinnen. ift ferner betannt,
bab mehrere ^ilgarten, in beftimmten fRäbrmebien gegogen, unter
einanber einen ^amt>f um bie fRabrung unb um bie (Srifteng
führen, welcher oft nur einer 9rt ben @ieg, ben anbem
gängli^en Untergang bringt: fo erweifen fid) in biefem Äam^f
nm’fl fDafein, wie e8 febeint, bie gäulnibbatterien meipenfl olfl
bie träftigeren. SBeiter febeint auS neueren Unterfuebungen
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8
t^ervor^uge^en, ba§ ed gelingt, but(^ fünftlic^e Ueberttagung
{pejifij^et Safterien eine gefäl^rli(be Sugentranf^eit, »elc^e auf
SBu(^erung anbeiet ft^e^ififd^et 93aftetien beni^t, ju cecbi&ngen,
b. i. ju feilen. SBir ttiffen ferner , ba§ unter beftimmten @r«
n&^rungdbebingungen manche ^ilje eine eigent^mli^e 93er*
änberung erfahren, tvelc^e ivm i^ren ^Irtc^arafter nic^t be«
rü^rt, aber eine i^rer ))^9ftologif(^en @igen{(^aften, nämlic^ i^re
Iranf^eiteeTjeugenbe ^aft, nerringert ober jelbft auf^ebt.
Unter ben Sacboerftänbigen ift wc^l bie allgemeine Ueber*
geugung lebenbig unb wirffam, ba§ in biefem <Stubium, in bem
ber Biologie ber mifroffopifcben ^ilge, auf breitefter 93afie für
bad beteinftige 3Bc^l bet 9Kenfd)l)eit gearbeitet wirb.
91bet eS märe fe^t unrecht, moQte man über biejem neueften
Sort)(^titt auf bem SBege gut ä^eil^ütung ber Seuchen, meldjer
bo<^ bidber nur bi’ffen lä§t, ba^ et größere @rfolge bringen
merbe, überfeben ober gering fcbü^en, mab bie epibemiologif^e
gor)(bung oorbem gegeitigt batte.
3ib btaud^e nur bie b^be Sebeutung beroorgubeben, melcbe
bet 93 oben in bet Sletiologie mebretet enbemijcbet unb et>ibemi{(ber
^anfbeiten beft^t, um an aubgegei(bnete 6nungenj(baften ber
neueren beutfdjen ^orfcbung gu erinnern. S)ie 93ebeutung beb
Sobenb für bie @ntftebung oon j^anfbeiten batte man fcbon im
9Htertbum erfannt unb inbbefonbete bie 9Ibbängigfeit ber ![}lalaria«
9ffeftionen , beb einfachen unb ber fompligirten 9ßecbfelfieber,
fomie gemiffer 93etänberungen bet 931utmifcbung oon bem iSufent*
halte auf fum))figem Soben fcbon feit ben Seiten beb .^ibf’ofrateb
oerftanben; aber eb mar ben neueren, gumal ^ettenfofer'b
fforfcbungen oorbebalten, für mehrere anbere jtrantbeiten, oon
benen in erfter iünie Sppbub unb @boleca gu nennen finb, ben
92acbmeib gu führen, ba§ bie epibemifcbe 9lubbteitung berfelben
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9
im engften 3ufammen^ange mit gemiffen örtlichen 33orgängen
welche im 93 oben ablaufen. ergab ftc^, ba§ gut
@ntwi(felung oon (Sbolera« unb S£pp^ubet>ibemien in bet Siegel
bie SSerfi^leppung bei |pegiftjd)en ^eime nicht auSreicht, bah
nielmebr örtliche unb geitliche 93ebingungen erfüllt fein muffen,
bamit na^ @infchleppung bet genannten Jbranfheiten @)>ibemien
entftehen. 3n ben »äbbmanlungen bc8 ©runbmaff er*
ftanbeö fanb man einen SJiahftab, welcher für oiele Drte in
bei Sieget gleichfam wie ein Uhrgeiger angiebt, bah 9^ccgeffe im
93oben ablaufen, welche halb bet @ntwiclelung oon @pibemien
günftig, halb ungünftig finb. Unb eö würben hict^urch nicht
nur theoretifche 93orftellungen bib gu einem gewiffen @rabe
befriebigt, fonbern e0 folgten alöbalb fruchtbare ^jraftifche SSioh*
regeln, welche barauf abgielten, bie örtlichen 93ebingungen für
£pph>i^‘‘ unb (Sholera«(Spibemien gu beeinfluffen.
Siid)t bie @chwanfungen beö @tunbwaf[erd an fi^ fchoffcn
ober unterbrücfen biefe 93ebingungen; biefe werben oielmehr fehl
wahrt^einlich buich bie IBeränberungen in ber 3ntenfitdt
oon^äulnih° unb @ähtungÖprogeffen erfüllt, welche butch
bie erfteren nur angebeutet werben. fam bähet barauf an, ben
93oben überhaupt, {oweit al8 bieS in bewohnten ©tätten möglich
ift, oon fäulnihfähigem SJiaterial frei gu um unfere
äBohnbegirte gegen jene @pibemien einigetmahen gu fchühen.
Slian muh gugeftehen, bah bie praftifche ^Durchführung biefed
^ebanfend ooitreff liehe @rfolge aufguweifen hot; bah fDiahtegeln,
welche barauf gerichtet waren, ben Soben unfeter @tdbte oon
füulnihfähigen Stoffen frei gu holten, inöbefonbere eine georbnete
j^analifation, in ihter Schuhlraft gegen ^pphnö unb ^huleta
fich bisher auSgegeichnct bewährt hoben. Senn bieS noch nicht
in gröhetem Sliahftabe geliehen ift, fo erwäge man, bah u>ir
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in S)eut{d)Ianb eben etft angefangen hoben, un6 gegen jene
Seuchen }u fichetn. Unb eS mag in einet Seit, ba gang @uro^
foeben noch mit banget @twattnng bem futebtbaten Schaufpiele
gufah, ba8 in Segppten fid) abfpielte, — ba mit allee {>ei( uon
bet Slbfpetmng bet infigitten Dttfcbaften unb uon Duatantänen
etmatteten, mobl angebtacht etfeheinen mtebetum batan gu ge>
mahnen, bah bet fichetfte @(h»h in bet SSetbefferung bet ein«
heimtfehen fanitären Suftdnbe, infibefonbete abet in bet Stein«
haltung be8 UntetgtunbeS gegeben ift.
9u(h auf biefe Sethdltniffe , auf bie eigenthümliche IRoCle,
melche bet 33 oben in bet @ntftehung8gef(hichte manchet ,^anf«
heitra fpielt, mitb, »ie man hoffen barf, bie neuete bafteriologifche
^orfchung neues üicht wetfen.
Slbet meht alS alle anbeten mebiginifdhen @ntbecfungen hot
eine ootbeugenbe Sltahtegel, mit weichet wit unS heute befchöftigen
woQen, bem Sltenfchengefchlechte gum Segen geteicht, bie 93et>
impfung bet f. g. ^^uhbocfenlpmphe- SSielleicht witb baS
Sletftänbnih auch füt biefe SJtahtegel butch bie neuete 3^)ilg«
forfchung geflätt wetben. IDenn fo leicht bie Slhotfa^e felbft gu
beweijen ift, bah bie Impfung gegen bie SRenf^enhoden Schn^
gewähtt, fo finb wit hoch oon bem ooQen lüetftänbniffe betfelben
weit entfetnt.
SBie gering ift unfere ©inficht in bie Statut bet 3fnfeftionS«
Itanfheiten biShet gewefen, ba eS noch nicht gelang, bie Schuh*
witfung beS einen fOtittelS, welches bielDiSpofition beS3nbinibuumS
gu einer eingigen Lautheit gu heben ober hoch erheblich h^eob«
gufehen oermag, wiffenfchoftlich hinlänglich oufgutlären unb gu
begreifen! 3ibet batin liegt fein @runb gut 33efd)ämung. SDenn
ungweifelhaft ift bie ©rflätung etft bann möglich, wenn wit
nertiefte Jfenntniffe übet aOe SebenSbebingungen bet i^rantheitS«
a«)
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unb genauere SSorfKellungen über bie @igenf^aften, über
Seben unb SQaebSt^um, anatomif(bc unb p^pfiologifibe S)iffetengf>
rangen bet ben menfcblidben Körper btlbenben Sellen befi^en.
SBie au^erorbentlitb uerfe^rt ift alfo ber @tnwanb, ba§ man bie
Smpfung nt^t befürworten bürfe, weil ba0 wiffenfcbaftlidbe S3et»
ftänbnife für bie Smtjfwitfung fe^le! 5(^ werbe mir aber jp&ter
erlauben, eine ^ppot^efe ju entwicfeln, wel(^e biejeö S3er»
ftänbni§ cieOeid^t anguba^nen vermag.
©0 einfach baS IDtittel ber Smpfung ift, fo hnt man
nirgenbwo auch nur entfernt ben großen ^tu^en eneicht, ben
eö bet aWenfchheit gewähren fann. 3ch brauche nur an bie
furchtbare |)ocfenfeuche gu erinnern, welche im Slnfange bet
ftebgiger 3ahre gang @uroha ein au§erorbentli(hed unb bodh ver«
meibbaree @lenb brachte. 0(lein im 3ahre 1871 ^nb nur im
hreuhüchen ©taate 60 000 IDtenfd^en burch bie ^ocfen bahingerafft
worben; beinahe eine hnlbe 9)H0ion ober 2p@t. aller Einwohner
waren erfranft ; unb bie Opfer beS folgenben 3ahred waren noch
gahlreicher. 3ebeS biefet 3ahte hnt bem preuhifchen ©taate
mehr IDtenfchenleben burch bie ^ocfen entriffen als ber bänifche,
ber öfterreichifche unb ber frangöftfche $elbgug inSgefammt. ISIS
im ftangöfifchen ^ege baS {>eer beS geeinigten IDeutfchlanbS
41 000 tapfere ©olbaten oerloren , tröfteten wir unS über ben
unetfehlichen 93erluft in bem freubigen Sewuhtfein übet ben
@rfoIg, über bie großen @rrungenfchaften, bie unfete SSrüber mit
ihrem S3lute unb ihrem 8eben bem 93aterlanbe bargebra^t
hatten. 3BaS aber tröftete unS , wenn um biefelbe Seit
IDeutfchlanb mehr als hoppelt fo viel 3)ienfchen einet jbranfheit
bahin opfern mu^te, bie unS feinen gewinn, nur ben trüben
©ebanfen gurüefliel, ba§ biefe 1 3Renfchenleben bei befferer
©efunbheitSpflege gu erhalten gewefen wären? IDaS neue beutfdhe
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Sdeid) ^at in bem feit bem 3al)te 1874 ju IRedjt beftc^cnben
Smpfgefe^ eine SBo^lt^at für feine Sürger gefc^affen, »eld^e i^m
einen an bet ©pi^e aQer Staaten ber äBelt anweift, ein
@efe^, welches feine gro§e Sebeutung für bie @if)altung unb
93ermei)rung bet beutfdjen 33e»ßlferungen , wie bie 93etöffent»
lid)ungen beö @efunb^eit8amteö beweifen, fofort ergeben Ijat unb
au(b ferner bart^un wirb.
(Sin 3wpfgefe^ wie ba8 beutfcbe mit obligatorifcber 3wbfung
ber ©äuglinge unb obligatorifd^er SBiebetimpfung ift gerabe in
unfern Seiten eine gebieterifc^e fHot^wenbigfcit für aüe cioilifirten
Staaten geworben. @6 ift gerabe je^t bie ^ß(^fte Seit, ba^
auch unfete fRac^barftaaten ju ä^nlid^cm ^orgel)en ficb ent>
fc^liegen, unb id) bin feft überjeugt, ba§ o^ne bie8 unfere
fRad^batn @pibemien entgegenge^en, welche ber furd)tbaren
‘J)anbemie oon 1870 biß 1874 nid^tß nadjgeben werben, wäfjrenb
JDeutfdjlanb Derl)ältni§mä^ig weit weniger ga^lreidje Dpfet wirb
gu tragen ^aben. 5Doc^ mu^ icb fcbon ^ier ^ingufügen, ba§
au(^ burd) baß beutfc^e 3mpfgefe^ bie ^ßd?fte Stufe ber et»
reicbbaren IBort^eile feineßwegß gewä^rleiftet ift
Um bie Q)rünbe für biefe 3)ei^auptungen außeinanbergufe^en,
ift eß nßt^ig, ben ß^arafter bet ^otfeuepibemien gu unterfuc^en,
welche feit ben lebten Seiten beß notigen 3al^tl)unbertß, aifo
feit ben lebten Slegennien oor ber aümä^lid^en 2)utd)fü^rung ber
Smpfungen in ben cinilifirten Staaten biß gu bem oergangenen
' 3a^rgei)nt ge^errfcbt ^aben.
©ie SBerbreitung einer fo lei^t auftedfenben Äranf^eit wie
bie ^ocfen ift ^auptfäc^lir^ abhängig oon ber 3ntenfität beß
93erfei)rß unb oon ber ^ß^e bet inbioibueDen @mpfänglid^feit
ber flRenfc^en. ©a oon .fpauß auß alle flRenfc^en für bie ^ocfen»
hanf^eit fe^r empfänglich finb, fo begreift man, bah, nachdem
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einmal bie ^oden i^ren @tn3ug in ein cicilifirteg ©ebiet, baö
bur(^ einen nie ju bemmenben innern SBerfebr fid) außgeicbnet,
gebalten, aQe 9Ren[dben mit wenigen Üludnabmen ihnen »erfaUen
müHen. 3m notigen 3abrbnnbert gab eö nur wenige, weld)e
baö breifeigfte Sab^ erteidjten, ebne ^jodentranf gewejen gu fein;
ja bie überwiegenbe 9Kebrgabl bet ^Kenjdjen gablte not bem
15., meiftenö fcbon not bem 10. 3abrc bet Ätnnibeit ibten
STtibut, unb man fann annebmen, ba§ mebt ald bie .palfte aller
^odenftanfen jünger al8 5 Sabre waren. 3n aQen l*änbetn
6utopa6, jo auch in SDeutfdjlanb, ftarben Sabr für 3abr 250 biä
300 Äinbet auf 100 000 ©inwobnet an ben '^oden, unb überall
göblte man unter 100 Sobten acht biö gehn ^odentobte.
9)lan bnt behauptet, ba§ erft bieSrapfung ber ÜJienfdien»
poden eine fo allgemeine Süerbreitung ber .^ranfpeit brrbei»
geführt bntlr- ®enn in ber Smpfung ber achten ÜJlenfcben»
pcden, in ber ißariolation, bnlte man ein nielfacb geübte!
ÜKittel gefunben, fünftlicb bie Äranfbeit bernorgutufen, weldbcr
burcb natürliche 3lnftedung jebet gu netfallen beftimmt fcpicn,
unb welche, wenn fünftlicb ergeugt, in ber [Regel jebr niel milber
nerlief unb nur feiten gum 2obe führte. Snbeffen fonnte burcb
biefe ÜRetbobe bie 3abl bet ©rtranfungen nicht nermebrt werben,
ba in ber Jbnt audb früher faft alle SRenfcben einmal an ben
^oden erfrantten. 3ubem ift g. 93. in ^te ufeen bie 93ariolation
erft um 1775 in Slufnabme gefommen, — unb wie wenig b>erburcb
bie |)äufigfeit be8 Sölattemtobeö nermebrt worben ift, gebt g. 93.
au! bet ©tatiftif be! nortrefflicben 93erlinet Slrgte! ÜRöbfen
bernor, welker im Sabre 1775 nacbwie!, bah in ben lebten
17 Sabren non 1758 — 1774 in ooüfommenet Uebereinflimmung
mit ben für 8onbon gütigen 3ablen auch für 93erlin bet
Slntbeil ber |)oden an bet allgemeinen ©terblicbfeit auf 8, 3p©t. gu
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betec^nen wat. @ine getingete 93rud;ja^l (7, 8p@t.) aber toirb
erhalten, toenn man bte retative ^äuftgfeit beS ^odentobed in
Setitn für bte 18 3a^re von 1783 btd 1800 berechnet, in
meicben bie SSarioiation am erbeblicbften verbleitet geivefen ift.
SBie allgemein vor 1775 ftbon bie jüngeren Äinbet ben
florfen verfielen, (e^rt gerabe auf inftruftive SBeife bie ®ef<bi(bte
bet ©infübrung bet Sßariolation.
gtiebricb bet ©tofee batte ^^en alS tütbtigen flraftifer
unb Smpfar^t berübmten ©nglänbet IBaplieS, bet bid babin
in iDtebben getvirft, natb S3etlin berufen unb beauftragt, feine
©tfabrungen auch btet nu^btingenb ju vermertben. 91acb an«
fangS vergeblidben IBemubungen, Impflinge gu gewinnen, erhielt
93 ap lies vom 3uftigminifter von Seblib bie ©riaubnib, auS
400 Söglingen beS großen §riebti(b=^)oipital8 unb« SBaifenbaujeS
bie ibm geeignet fcbeinenben ^inber auSguwäblen. 9!uf 93efebl
beö Königs würben viergebn ^rovinjialärgte berufen ben Snofu«
lationen beiguwobnen. 9tun gefcbab baS ^erfwürbigfte. S)ie
mit grobem Slpparat in Scene gefegten Impfungen von 24 ^inbern
f^Iugen fammt unb fonberS fehl unb brachten ber SHetbobe fowie
bem ÜIrgte felbft begreiflichen Spott ein. 3Bir befi^en eine burch
ihre Dbjeftivität föftlidhe, hoch nicht ohne feine Satire gefchtiebene
Schilberung beS SSorgangeS nach bem Sagebuche eines ber
berufenen Schüler ^aplieS. 9Iber auS biefem Sagebuche unb
bem SSotberichte bie^SU gebt b^Dor, bab einer bet Impflinge
nicht unbeutliche Spuren von fchon überftanbenen 931attem im
©efichte batte, unb fein eingiger war jünger alS acht
Sabre. 2)aS Sllter ber 24 Smpfltnge fchwanfte gwifchen acht
unb achtgebn Sabren; ein ungünftigereS SRaterial hätte ^aplieS
in^bet Sbat nidht nehmen fönnen, ba er nicht flehet fein burfte,
ob auch nur ein eingiger feinet Patienten von ben 93lattern
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btj^ei oerfc^ont unb bemgemd§ für bie ^(atternimpfung no(b
cinpfängli(b toax.
lieber biefen $unft urt^eilte ein nic^tärgtli^et 3<ttgenof|e
folgen bemalen:
„2)ie 93etmutbung, ba| biefe @ingetmpften btc natürli^en
Slattem f(bon gehabt batten, ift fo ganj nmoabrfcbeinlicb ni(bt.
S)et grölte Slbeil ber ^nber, »elcbe in folcben iSnftalten unter«
halten merben, finb j^nber oon gemeiner @rjiebung, melcbe,
wenn fie aufgenommen werben foQen, wenigftenö oiet Sabre alt
fein muffen. 91un fann man immer annebmen, ba| aOe 5 bid
6 Sabre, befonberö in einer oolfreicben @tabt, bie ä31attem
epibemifcb wütben unb aQe Sabre einzelne ^inber bamit befaQen
werben. 3)et einer @pibemie bot man aber bei folcben ^nbern
bie IBorficbt nicht, ihnen alle SBege jur iSnftedlung ju uerfdblie|en,
man überlä|t fte ihrem (Scbicffal, unb bann fann ei nicht fehlen,
fie muffen auf taufenberlei 9rt angeftecft werben. SBetl man
bergleichen J^inber nicht fo ängftlicb mit SBdrme unb btl^gen
fUlebifamenten befolgt, fonbern ihnen bie Freiheit giebt, fich allen
9rten oon Witterungen auö3ufe|en, fo pflegen fie bie IBlattern
glücfli^ ju überfteben unb werben nicht ^eitlebenö fo graufam
burch fRarben gejeichnet, alb ei oftmals ^inbem oon 3ärtlicber
@rjiebung begegnet. fDMtbin fann man nicht ohne ®runb an«
nehmen, ba| oieHeicht bie meiften jener 24Jfinber bie glattem
auf eine wobltbätige !Srt gehabt batten, fo ba| man wenig ober
gar feine fRarben baoon bat bewerten fönnen."
Sch habe biefe fRotij nicht ohne Söebacbt wörtlich wieber«
gegeben, ba fie eine Seftätigung bafür enthalt, ba| bie glattem
im Dorigen Sahrhunbcrt, fo au|erotbentlicb jablreich ihre Dpfer
waren, nicht immer fo töbtlich gewefen finb, alb man brate faft
allgemein annimmt. IDenn eb ift gänglich unridjtig, wenn
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behauptet wirb, Don ben podenitanfen ^inbern fei allenial bad
Dierte ober baö brüte geftorben. 2)ie8 war in ben btfüäftcn
@pibemien in berS^at ber^all, ja e8 gab epibemifcbe^onftitutionen,
in welchen an einigen Drten aDe ober faft alle ©rfranfte erlagen,
aber baö finb lofale unb temporäre auönabmen. 3m aOgemeinen
»aren bie (Spibemien mit einer mittleren Jöbtlidbfeit am bäufigften,
unb biefe mittlere ^öbtli^feit bet ©lottern ^at gegen 6nbe be8
Dorigen 3abrbunbert8 etwo 10— 12p(£t. betragen; oon 100 iftanfeB
ftarben im SDutdjftbnitt wie audb in ben meiften cinjelnen
(äpibemien jefjn bi8 jmölf. SBet nur bie heutigen Scbilberungen
lieft, fönnte glauben, e8 h<ibe ehebem eine leidtte ^ocfenfotm
überhaupt nicht gegeben; unb hoch maren bie leichten gäQe in
ben meiften ©pibemien in bet föiehrgahl. 9licht8 liegt mir
ferner, al8 bie gro^e ^})o(Iennoth be8 nötigen 3ahrhunbert8 gu
Detfleinern; ober um ben Gharafter ber Äinberpocfen recht gu
Derftehen, ift e8 Don 3ntereffe gu wiffen, bo^ unter 100 ^ocfen»
franfen bie leichteren unb bie fchmeteren formen ungeföht in
folgenber SBeife burchfchnittlich fich oertheilten:
6t»a breifeig Äinbet maren faum franf gu nennen, bet
au8f^lag unb bo8 Sieber fefer gering; non ihnen hüteten nnt
einige ba8 ©ett, unb e8 ftorb feine8. 3nbere btei unb breifeig
hotten mehr Sieber unb ou8gebreitetere ^ocfenpufteln ; fchmöchliche
ober fefer jugenbliche Snbiüibuen erlagen auch wohl; non hunbert
folcher Äranfen etma gmei. Sünf unb gmangig anbere Äinbet
maren fchmev franf, bo8 ©jcanthem aUgemein, fo bafe bie halbe
Äcrpetobetflöche non ihm bebecft erfcbien; Don biefen Äranfen
ftorb ber gehnte 2heü- 2)ie ärgtliche Äunft fonnte gerabe biefen
Äranfen aufeerorbentlich nü^lich merben; leibet ift aber bie
SWehrgahl aller ?)o(fenfäfle im notigen Sahrhunbert ni^t unter
ärgtliche ©efeanblung gefommen. — 9ioch erübrigen non unfern
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^unliert Äranfen jaolf, weld^e »on ben allcti^linimften gotmen
ergriffen »aren. Unjd^lige, oft 3ufammenflie§enbe, oft blutige
Slattern bebedften ben Äörpet : ein entfe^lid)e0 33ilb be8 Sammetö
unb bet D^nma^t; ben Job erlitten bret Siertel biefer hänfen,
biefen furd^tbarften SBIatterntob etwa 7 p6t. aller Äinber.
3c^ ^cb fc^on ^eroor, ba§ nur bie geringere 3a^l ber
^ocfenfdtle in ärjtlicber Se^anblung fi^ befanb. 6in wefentlic^er
SRu^en bet leiteten beftanb aut^ bamala in ber überaus notl)»
wenbigen Slbwe^r oon @d)äbli(^Ieiten. Siele ärgtlicbe unb
anbere, befonberö geiftli(be ©^riftfteller auS bem 6nbe befl
Dotigen 3a^r^unbert8 Hagen über bie trofllofe Serwa^rlofung
bet ^ocfenfranfen fowie übet baS jammeroollfte biätetifd)e
^Regimen, weldjem bie Äranten burdj i^te Slnge^örigen unter»
wotfen würben. i‘üftung beS Äranfenjimmetö , 3Be(!^fel bet
SEBdfdie fürchtete man als töbli^. ©ethürmtc geberbetten, hfife«
Stuben, er^i^enbe Duacffalbereien unb Ijei^e Oeltdnfe waten
in ben meiften aller jehweten ^ocfcnfäHe bie angewanbten SRitteL
Stuf bem 8anbe würbe bet Sranntwein in großen ®ojen Heinftcn
Jfinbern »erabreicht; eine'befonbere SRolle fpielte an Dielen Orten
al0 ÜRebifament Schaffoth in ©ranntwein. SBir terftehen unb
glauben eS, wenn auS manchen epibemiologifchen Säuberungen
bie Älage ertönt, ba§ bie ^älfte, ja jwei SDrittel aHet STobeS»
fälle hätten fönnen oerhütet werben, unb mit SErauer wenben
wir un0 ton einem ©ilbe ab, auf welchem bie ©atbatei ber
Sorurtheile unb ber hpflienifchen 3gnoran3 mit grellen garben
gegeichnet ift, — leibet wohl übet3eugt, ba§ innerhalb bet
cioilifirteften fRationen auch ^«ute noch aufeerorbentlich Diele
onaloge Uebelftänbe beftehen.
3Ru§ man bemgemä^ gau3 gewi^ 3ugeben, ba^ allein unter
paffenbet ©ehonblung unb butdh görberung bet öffentlichen unb
XIX. 4S7. 2 (171)
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^tiDaten ^pgtene aud; bie ^nbet)>o(Ien »iel von i^tet 5l6btlt4°
feit verlieren würben, fo bliebe boc^ genug beS @(enbS jurüd,
um jene 9Ra§rege(n aQein, auf welche moberne ^mpfgegnet als
^inlänglid) mirffam verweifen, als uugenügenb gu fenugeid)nen;
forbem bo(^ aud) ^eute no^ anbere fd^were jfranf^eiten wie
©d^arlac^ ober 2)ip^t^erie fowie bie $oden felbft nad) wie vor
i^re Opfer.
ISber wenn ferner eS aud) gelänge, bur<^ ^pgienijd^e 3)ta§<
naljmen allein fowie burcp 91bfonberung ber .kanten viele
SRenfc^en wä^renb eines großen S^eilS i^reS 8ebenS vor ber
auf taufenb Sßcgen bro^enben SInftedung ju bewahren; bie
SRe^rga^l würbe i^r früher ober fpäter bodh verfallen unb
ftdherlich viele in einem 8ebenSalter, welches baS Ueberftehen ber
flocfeninfeftion fehr viel weniger wahrfcheinlidh machte.
@S ift für unjere SSetracbtungen von größter 2Bi(htigleit,
hier einen ‘3ugenbli(f bei bem @influffe gu verweilen, welchen
baS 8ebenSolter auf bie @mpfänglid)feit für bie ^oden,
bie IDiSpofition, fowie auf bie ©efährbung burch bie ^J)oden,
bie ^rognofe, auSübt. SDiefer @influ§ ift fepr beträchtlich,
wirb aber, wie mir fcheint, nicht überall genügenD gewürbigt
unb verftanben, obwohl er eine einfchneibenbe SBichtigfeit fo*
wohl für baS Serftänbnih ber neueren IBlatternepibemien
als auch füt bie richtige Seurtheilung bet Smpfwirfung
befi^t.
SaS nun gunächft bie S)iSpofition gu ben $ocfen be>
trifft, fo ift fie von frühefter Sugenb auf vorhanben. Vielleicht
ift fte in ben erften 0äuglingSmonaten geringer; hoch muh man
erwägen, ba§ bie ailerjüngften auch vor bet ©cfahr ber Sin«
ftecfung mehr gu behüten waten alS etwas ältere äfinbet, unb
hierauf begrünbete eS ftch wohl gumeift, wenn in allen älteren
(174)
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19
©pibemien bie Äinbet beö erften 8ebcn0ja^tefl in geringerer
3a^I »ertreten waren alS bie älteren, ^eute freili(b ift überall,
wo einjährige j^inber geimpft werben, baS lBerhäIni§ umge«
fehrt, unb e0 fterben hier in ben poftoacrinalen @pibemien bei
weitem mehr .Rinber unter aI0 über einem 3ahre. SBährenb
in früherer Seit auf 100 ^orfentobte be0 erften gebenöjahrefl
meift 700 biß 1000 2obte ber folgenben 3ahre biS jum jehnten
gejählt würben, ftarben in SSaiern währenb ber lebten großen
©pibemie auf 100 Säuglinge nur 21 Äinber oon 1 bifl 10
Sahren; unb man barf, — nach Slnalcgie ber älteren ^ocfen«
feuchen unb nach Vergleich mit ben ^orfenercigniffen in üänbem
ohne Smpfjwang, — mit Seftimmtheit annehmen, bah in ben
lebten epibemifchen Sahren in 33aiern, ba etwa 1500 unge»
impfte Säuglinge ben ^odentob erlitten, burch bie Swpfung
allein wenigftcnö 10 000 Äinbern bifl gu 10 Sohren ber Job er»
fpart geblieben ift.
Sn neuerer wie älterer Seit nahmen oiele an, bafe bie JDiö»
pofition mit ocrrücfenbem Lebensalter erlofche, ba§ @rwachfene
eine geringere (Smpfänglichfeit als ^nber befä§en. @S giebt
feine einjige Slhatfache, welche hierfür angeführt
werben fonnte. IDenn ba§ oor Senner’S Auftreten @r»
wachfene nur gau3 auSnahmSweije an ben Slattern erfranften,
ift in ihrer IDurchfeuchüng begrünbet gewefen, 2)a faft ade
Äinber bis jum 15. Lebensjahre ben Slattern »erfielen, fo waren
fie für bie fpötere LebenSgeit bis auf wenige Ausnahmen gegen
eine gweite Slttacfe gejchüht. Sn neuerer Seit aber fehen wir
gur Seit Don ©latternepibemien auch bie (nur in ber Sugenb
geimpften) ©rwachfenen in grober Sohl erfranfen, unb wenn
»erhältnihmähig weniger (ärwachfene olS ehebem ungejchühte
Äinber unter ben ^odenfranfen gegählt werben, fo ift ficher für
2* ci«)
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20
SSielc bi8 in ein 2(ltet ber Smpffd^u^ wirffam geblieben.
5)a ^eute fafl ade ©tao^fene geimpft ftnb, fo Dergleichen bie»
jenigen, welche bie Unteren alb Don ^aub aub minber empfänglich
anfehen, ungefchü^te Minber mit gefchü^ten @imachfenen. SBenn
'aber bie s^DcfeninDafion in ein bibher noch nicht burdhl’euchteb
©ebiet erfolgt, fo erfranft 3ung unb 2llt, feine Sebenbftufe
bleibt Derfchont, unb ade oerfaden in gleicher relatiner 3ahl
Äranfheit.
5)ie @mpf änglidhfeit ift alfo i« jebem Sebenbalter Dor=
hanben; bie ^rognofe aber geftaltet pdh je «ath l>em Sllter
auperorbentlich Derfchieben. 3<h habe gefunben, ba§ bie meiften
neueren S^riftpeder ©rmachfene für minber gefghebet halten
alb bie Minber. dli^tb fann unrichtiger fein, unb audh biefer
SlnPcht liegt ber unbewußte S3ergleich gwifchen ungefchühten
Äinbem unb geimpften ©rroachfenen ju ©runbe. 3m ©egen»
theil, eb ift fehr wichtig ju wiffen, bap ©rwa^fene burch
bie ^odeninfeftion erheblich ftärfer gefährbet finb.
3m Dorigen 3ahrha”t5ert waren in ben cioilifirten Staaten,
alb faft ade ©mpfängliche — unb nur gwei ober brei oon
hunbert dRenfchen mögen bauernb unempfänglich gewefen fein —
fchon im Äinbebalter ben ^octen oerpelen, bie erften brei Menb»
jahre am meiften bebroht. @b ftarben bib gum brüten 3ahre
Don hunbert ©rfranften im JDurchfchnitt etwa gwangig bib fünf»
unbbreipig. IDa man annäherungbweife annehmen barf, ba§
ungefähr 60 p©t. ader Äranfen weniger alb 5 3al)r alt waren,
in bemfelben Sllter aber üier fünftel bib fünf Sechftel ader
^oefentobten pch befanben, fo mögen bib gum fünften 3ahte
Don 100 hänfen meifteub 16 bib 20 geftorben fein. SBieber»
holten bie ©pibemien fich häupger, fo blieben jeber eingelnen
faft nur bie jüngften Minber alb Opfer übrig, unb eb ergaben
(176)
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21
fid^ bann oft ^o^e @terbet)TOjente. Sflle ^inber, welche ältet
als 5 geworben waten, e^e fie bet ©eud^e oerftelen, Ratten
im Durcbf^nitt bis jum 15. Sa^rc eine fe^t oiel geringere
getalität, bie tegefmä^ig auf etwa 5 p6t. bet @tfranften gu
f^ä^en ift, für @utbe^anbelte oft geringer. SBieber^olten fi(^
habet bie ©ptbemien mit mittlerer ^)äufigfeit, alle 4 — 5—6 3flbw»
wie eS bie Siegel war, fo ftieg bie ©terblidbteit nur auf ein
mittleres üliafe unb betrug 10 bis 12 ^)6t. SefonbetS günftig
waren bie .^inbet na^ bem 10. biS gum 15. gebenSjabre fituirt.
8eiber eneicbten nur wenige biefeS Sllter, ohne ben ?)odfen gu
»etfaflen. 3n biefet gebenSgeit b®i 8etalität wobl feiten
mehr alS 3 p6t. betragen unb ift oft felbft unter 1 p6t. ge»
blieben.
Diefe 5)ifferengen madben eS etflätlidb, ba§ übet bie @e»
fdbrlidbfeit ber ^odfeu unter ben beften S^raftifern beS oorigen
SabrbunbertS oerfcbiebene Slnficbtcn b«tf(ben fonnten. 9US eS
fi^ barum bonbelte, ob bie fünftli^e Blatternimpfung gu em>
pfeblen fei, warb oon berühmten äetgten, inbefonbere ben
SBienet Üeibärgten »an ©mieten unb be ^>aen lebhafter
SBiberfprucb erhoben, weil nach ihi^e« ©tfahrungen bie natür»
liehen Blattern nicht gefährlicher feien alS bie {ünftlidhen. @S
waren nicht gufällig leichtere @pibemien, in welchen biefe h^dh»
geachteten fSergte ihre Beobachtungen gefammelt. Unterfucht
man, auf welche SäQe oan ©mieten fidh berief, als er be»
hauptete, bie Blattern forberten bei guter Behanblung faum
2 ober 3 Opfer unter 100 @rfranfungen, fo erftaunt man, lebiglich
auS .^abettenfd}ulen, 38aifenhäufem unb |)ofpitälem, welche
jüngere ^nber nur oereingelt ober abfolut garnicht aufnahmen,
ftatiftifche Eingaben gu finben, unb ber re^te ©chluh wäre ge»
wefen, in biefem Lebensalter oon 7 bis 15 fahren oer»
(m)
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22
laufen bte natütlid^en ^otfen ebenfo gelinbe wie bic luferirteu
im SlQgemetnen.
fOlan mirb fi(b über btefen üRangel an @tnfid^t munbeni.
2ibet in bem S^italtet bet ‘jlntoritäten, mte man baä ad^t>
geinte Sn^i^unbert paffenb genannt ^at, war bad unbefangene
Urt^eit feiten; unb i^ glaube baiin nidbt 5U inen, ba§ ed
93oei^aaDe'3@infIu§ gewefenift, bur^ welchen nan Swieten
getäufi^t würbe.
Soer^aane, einet bet ^ernottagenbften Sletjte aller 3«ten,
^atte in feinen Sp^oiiSmen ben <3a| aufgefteOt, dünget e
Rotten lei(btete ^oden al8 Sleltere. 33an ©wieten’ö
Seitgenoffen nariirten biefe S3e^auptung bed berühmten fStgted
fo, ba§ bet f(bwebi)(be Sltjt 0fiofen non IRofenftein fagte:
„Snnge 8eute Ijoben allejeit gelinbere ^oden als alte 8eute;
unb fe jünger, je beffet" (!) 2)er ©cbweijer 2tffot behauptete:
,,@0 lange man jung ift, fo lange finb bie flattern nicht ge<
fohtlich"; — bet .^oDanber ßamper: „93ei Äinbern non einem
ober gwei 3ahren finb fie überhaupt gerechnet geringer; h^uftget
bei ©twachfenen; fehr gefährlich bei älteren ^erfonen, bie größte
@efaht aber ift bei ©reifen ju fürchten."
©0 fehr beherrfchte baö 9lnfehen bet gro|en Slerjte wie eines
Soerhoane bie Äöpfe bet SJeften. SDieö ift ohne Sweifel
»an ©wieten’Ö unb be .^aen’8 ©ebanfengang gewefen: —
r»enn in bet Statiftif jener Äabettenfchulen unb .Jtofpitälet bie
Slattern fo gelinbe ft^ etwiefen, wie »iel milbet noch müffen
fie — fo begeugte eS Soethaace — bei ©äuglingen »et*
laufen, ©egentheilige ©tfahtungen würben butch fchlechte
JÖehanblung etllärt, unb ben Slergten bet reiferen Sugenb
warbiüob unb ^tetS gefpenbet, welches bie Äunft ihrer 93e»
hanblung nicht immer »erbiente.
(178)
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23
3n Deutfc^Ianb gab ber »ortieffHiiöe ÜKö^fen gum erften»
male eine Uebetfi^t ber Slattemtobten nieler 3a^re nach ihrem
alter unb »ieö bie Snthümlidbfeit non Soerhaane’8 ?ehrfa^
nad}. au8 eigener ©rfaljrnng fonnte er berichten, ba| et mehr
alß 900 ?)ocfenftanfe, welche älter al9 10 Sa^re waren, behanbelt
unb bauen nicht mehr al8 iech8 uetloien höbe, unb feine S^abeDcn
erwiefen ihm, ba§ bie ©lottern ben jüngften Äinbetn am ge«
fährlichften waten. 5Rit IRecht rügt 9Röhfen, ba§ bie weiften
feinet Seitgenoffen e8 fich gut (Shte rechneten, ihre ©ö^e mit
©taten au8 ou8wärtigen berühmten ©chriftftellem gn beftätigen,
unb cerlangt, ba§ auch anbete gleich ihm m großen beutf^en
©täbten ftatiftifche Unterfudhungen uornehmen feilten, bamit
falfcher SBahn au8gerottet unb bie Söahrheit unterftü^t werbe.
S^arin freilich ii^e auch 3J2öhfen, wenn et au8 feinen SubeOen
fchloh, ba§ bie ^oefen ben @rwachfenen fo gut wie gar nicht
gefährlich wären, f^rcilich hatte er unter beinahe 7000 |)ocfen»
tobten, bie in 17 3ahren in ©erlin gemelbet waren, nur 45
älter al8 15 3ahre oergeichnen lönnen; aber et überfah, bah
hiergu bie äufeerft geringe Sohl ber erlranften ©rwachfenen
in ©egiehung gebracht werben muhte, unb boh 3nbinibuen übet
15 3ahren wegen ehemaliger ©ut^feuchung bagumal in
ber fRegel immun waren.
35ie getnbegu troftlofe üage, in welker unvgef^ühte @t«
wach je ne gegenüber ber ^orfeninfeftion fich befinden, wor ben
älteren autoren wohlbefannt. ©(hon nad) bem 15. 8eben8jahre
»erfchlimmert fich bie ^rognofe beträchtlich, unb e8 fcheint nach
ben älteren ©eobachtungen, bah Brauen biefe8 aiter8 bie
@efahr in hübetem 5Kahe uorhanben unb mit fchneOeten
©chritten gunimmt, al8 für SJlänuer, beten gefährli^fte8 alter
erft mit bem fünfunbgwangigften UebenSjahte erreicht ift. 2)ie
(17»)
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24
älteren ISutoren, weld^e aOe über 15 Sa^re 9llten erwac^fen
nennen, fagen: ben @rtna(i^{enen tnetblit^en ©ef^led^td
finb bie ^>oden weit gefä^rltd^er alg ben @rwa^{enen
bed männlid^en ©efc^Iec^td. 3^ bin geneigt angune^men,
bag bie Umwanbelung, bie Umprägung, welche baS S^Üenleben
beä Organismus erfäljrt, fobalb bie inbinibuelle ©elbftänbigfeit
ber förpcrlic^en ©ntwirfelung fic^ auSbilbet unb abgefd^loffen
ift, bie Sellen empfänglid^er, wiberftanbSlofer macht gegen bie
^ocfenpilge ober gegen bie bei ber SSermeljrung ber flocfenpilge
entftehenben @ifte. (Be^r unrichtig ift bie SorfteQung, ba§ ber
fchwächlichere ober, wie manche meinen, ber wafferteichcre Äörper
ber Slnfiebelung unb Vermehrung infefti&fer Vafterien geringeren
3Biberftanb entgegenfe^e als ber fräftigere. SBaS bem Körper
Äraft unb Energie oerleiht, ift für bie Vermehrung ber Saf»
terien unb für bie ,^öhe ber fpegififchen j^anfheit gang irrele>
nant. 3ch holte eS im @egentheil für fehr wahrfcheinlich,
ba§ im Allgemeinen ber finbliche Organismus gegen bie in
ihm wuchemben ^Podenpilge refiftenter ift, ober ba§ eine geringere
fDtenge beletärer ’Probufte burch ben SebenSprogeh ber $oden«
pilge im t inblichen Körper fich bilbet ober eine größere gur
AuSfcheibung gelangt. @o oiel ift pdher, ba§ bie gange furcht-
bare @ewalt, weldhc bem i'odengifte innewohnt, erft bann in
bie @rfd)einung tritt, wenn eS ungef^ü^te (Srwa^fene na^
bem 25. Lebensjahre infigirt h®t. ^ür biefe LebenSftufe ift
baS ?>Ddengift foum minber gefährlich alS bie ?)eft ober bie
©helerO; unb eS fterben »on hundert Ergriffenen feiten weniger
als brei§ig unb oft mehr als fünfgig. S>ieS gilt für bie
Gegenwart, unter cioilifirten Verhältniffen unb bei
trefflidhfter Vehanblung, faum minber alS für rohe
Völferfchaften, unb als eS ehebem gegolten hot-
asoj
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25
Sür biefe ^e^auptung, icelc^e manchen neueren ^nf Hauungen
tniberfpric^t, l^abe \d) bei einer anberen Gelegenheit bie, wie
mit fcheint, genügenben Seweife beigebracht, ^iei möchte ich
nur an ein fehr intereifanteö Rattum erinnern, welches bie un«
günftige Sage bet Grwachfenen gegenüber ben ^ocfen lehrreich
unb traurig jugleich iduftrirt.
SBdhrenb ade [tatiftijche SRachrichten auS früheren Saht«
hunberten etweifen, wie feiten bie dJienfchen bis jum reiferen
alter non ben ^oden »erfchont blieben, befi^en wir bcj^ eine
Sifte übet eine febt gro§e 5leihf non fürftlichen ^etfonen,
welche im höhnen Allier bie ‘Porfen bahingerafft würben,
auherorbentliche dJtahregeln waren getri^ffen, um bie Familien
bet j^ürften »or anfteefung gu bewahren, an ben meiften
europäifchen ^>öfen war ben .jpofleuten nerboten, in ein .^auS
gu geben, worin |>odenpatienten lagen, ober fie mußten 40
Sage ben .^of meiben unb in biefer Seit auch brS Umgangs
mit ben übrigen ^ofbebienten [ich enthalten. SBenn man be«
rüeffi^tigt, wie febr oerbreitet unb ununterbro^en bie Äranfheit
heufchte, fo begreift man bie ©ebwierigfeit, biefe anorbnung
burchgufühten, unb man glaubt eS, wenn oan «Swieten
beridbtet, bah ^ie S^ornehmen fo oiel wie möglich bemüht
waren, ihre ^oefenpatienten gu oethehlen. Äeine Sorficht
hinbette baher, bah »*«1« fürftli^e Äinbet ben Slattern oerfielen.
Gelang eS aber nicht, bie abfpetrung geitlebenS erfolgreich burch»
guführen, fo waren bie in ber 3ugenb behüteten SRitglieber ber
Sürftenhüufer in hüh^ton alter um fo mehr bebrobt gefährlich
gu etftanfen.
SJian weih, um nur beutfehe 9iamen gu nennen, bah
{)auS ber .^ohengollern mehrere SRitglieber ber furfürftlichen
Familien an ben flattern oerloren, welche, wie ein alter ärgt>
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26
liefet ©^riftfteOer meint, bem Sranbenburgif(^en ^aufe oet<=
bängnifeBolI gu fein fc^ienen. @8 ift ferner befannt, ba§ Äaifet
3ofef I unb nad; it^m gwet ^aiferinnen, feebb (Srgbergoge unb
(Srgbergogtnnen an ben Slattern ftarben. fIRarta
lourbe als bejahrte ^rau ergriffen unb burdb fRarben cntfteQt.
©tefer ÄranfbeitöfaD mürbe bie Seranlaffung, ba§ bte Äaiferin
Äatbarina Don Stufe lanb flcb bie ächten ^ öden ' impfen
liefe. 3n ©eutfci)lanb ftarben im lefeten Sa^rbunbert ferner ein
Äurfürft oon ©aebfen unb ber lefete Äurfürft »onSSaiern.
3m 3abre 1779 erlag bie .^evgogin griebrich »on S3raun»
f^bweig .ft'ranfbeit. Stacb biffem lebten JobeöfaU mürben
auf Sefebl beö Äönigö griebricb Sßtlbflm II. bie föniglicben
Äinber, guerft bie beibeu jüngeren ^ringen i^einricb unb 2Bil»
beim, bann ?>ring 8ubmig unb ber gebnjäbrige jSronpring, ber
fpätere Äönig Sriebricb SBÜbclm III., mit ben natürlichen ?)ocfen
geimpft, ©eit biefer 3cit ift meineö Söiffenö fein SRitglieb
eines europäifeben ^)errfcherbaufe8 an ben Slattern geftorben. —
Unfer erlauchter ^aifer ift als ^nb burch ben berühmten
Dr. .^eim fchon mit Äubpocfcnlpmpbe geimpft roorben. —
©ie enorme S.öbtlichfeit, melch« ben ''pocten her ©rma^fenen
eigen ift, macht allein bie aufeerorbentlichen SSerlufte erflärlich,
meldbr aDc Seoölferungen — mögen fie cioiliRrt fein ober nicht —
erleiben, menn bie ätranfbeit auf ben SBegen beS SSerfebrS ihnen
gum erften 9Rale gebracht mirb. ©o mürbe ben ©Ingeborenen
oon SRerifo bie Slnfimft ber ©panier im Anfänge beS fechS.
gebnten 3abrbnnbertS oerberblich. ©urch einen ftanfen Sieger,
fnaben brachten ihnen bie fponifchen ©roherer bie poefen, mel^ie,
mie eS heifet, mie eine ^eerbenpeft unter ben 3nbianern mütbeten.
©ie Seichen fammelten fich in bem SRafee an, bafe man bie
Raufer nieberbrechen mufete, um fie gu begruben. Sticht minber
(Ui)
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»üt^eten bie |)o(fen 1651, ald but(^ bie 2)änen bie ^eDot^ner
ber Snfel getto angeftetft »aren. 2)ur(^ ^olldnbifdje ©djtffer,
toeli^e podenfranfe ^tnbei an Sorb Ratten, warb 1718 bie
@eu^e Don Dftinbien na^ bem SSorgebtrge ber guten
Hoffnung uerfcbiebbt; fur^tbar waren bie S3erlu[te ber
tentotten, biö blefe ben nod) ni^t angefterften Sbeil i^re0
8anbe0 mit 3BdQen umgaben unb befe^t hielten unb biejenigen
mit ^'feilen tßbtcten, welche au8 ben angeftetften Orten fi^ ju
nähern wagten. 3m 3a^te 1733 warb buri^ einen Änaben bie
@eu(^e au0 bänifcbem Gebiete nad^ @rön(anb einge«
fd)Iet>pt, unb uat^ ben 91a(^ri(J)ten ber SKifponare jcllen ^ier
in einem Sa^re an 3000 ^erfonen erlegen fein, ©egen @nbe
beS »origen 3a^rl;unberte brachten bie ©nglänber bie ^ranf*
heit nach Slmerifa; »on fünfjig ©rgriffenen ift in bet @e=
genb ber .^ubfonSbap faum einer mit bem geben ba»on ge*
fommen.
©oId)e Serwupungen ridjten bie Slattern nidjt nur bann
an, wenn pe in ein ©ebiet gum erpen ÜJlalc gelangen, fonbern
allemal, wenn pe feit längerer Seit — wegen mangelnben iBer»
fehtö — f”” geblieben waten, fo bap pe unter ben ©r*
wacpfenen ein reichliches empfängli^eS fDkterial »orpnben.
So haben bie ©lattern u. a. wieberholt ben Sölänbern furcht*
bare SBerlufte »erurfacht, welche g. S3. allein im 3ahre 1707,
na^bem feit 35 Sahreu feine ©pibemie geberrfcht hatte, mehr
als 35 p©t. ber SBeoölferung betrugen.
SRanche mögen eS auch füt nicht unwahrfcheinlich halten,
bap baS ^odengift, falls »iele ©twachfene ipm gum Opfer
fallen, eine auch für j^nber beletärere ©ewalt annepme; bap
ber ^odenpilj, wenn er »orgüglich in ben geibem ber ©r*
wachfenen fortgegüchtet wirb, eine intenpoere Ärap erhalte;
C18S)
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28
unb Ijierfür fonnte bie (aUetbingö nic^t gang fidlere) ®eobad^»
tung au0 neuerer 3«t angeführt »erben, bafe bie Torfen in ben
lebten @pibemien, »el^e an ben meiften Orten uorjügti^ unter
@t»o(bienen ^errl^ten, ^ierfelbft ben (ungeimpften) Äinbern
oerberblicber gemefen feien al8 nor Senner’ö 3eit. —
3enncr’8 Serfuebe, bureb bie 3inbfung mit Äubbocten»
Ibmpb^i bie IBaccination, bie @mpfängli(bleit für bie
SJlenfcbenblattern ju tilgen, »urben in 3)eutf(blanb juerft 1799
befannt. 3n Berlin finb bie erften 3mbfungen im f^rübjabr
1800 Dorgenommen »orben. IDie erfte 3n>t)forbnung erf(bien
1810; »on einem allgemeinen 3»bfjwuufle war fie weit ent*
fernt; nur bie 6rlaubni§ jur Konfirmation, bie Slufnabme in
ein ^anbmerf, in eine öffentli^e 0ilbung8anftalt machten bie
IBaccination jur Sebingung. »urben baber bie Kinber gum
SEbcil wft nach bem fünften gebenöjabre geimpft, unb biefeö
SSerbältnife ift bis 1875 in einem großen 2b*‘lr »o« ^reufeen
bie Siegel geblieben. — Slocb jäblte man im 3abte 1809 unter
100 lobten eines 3abreS 6 ^odtentobte, im 3abre 1810 ebenfo
Diele unter 1000 lobten. Siebmen »ir nun einmal bie 2b“t'
facbe ber @cbu||»irfung als bemiefen an; nehmen »ir ferner
an, bab biefer @cbub für Diele nur 10 ober 15 3abre anbauert:
»aS mu&te bie f^olge fein?
3ur 3eit ber erften Smpfungen beftanb bie SeDölferung
gu mehr alS 80 p6t. auS ben bereits früher ©eporften; biefe
»aren gum allergrößten ^brilCi wie bie ©rfabrung aller 3eiten
gelehrt bat, gegen eine grneite ©rfranfung immun. iSueb Don
ben Kinbern »ar ein nicht geringer ^bri^ bereits burdbfeuebt,
ein anberer warb geimpft, — »aS äüunber, baß nun eine 3cfl
Don 10 bis 15 Saßren folgte, in »elcßer auf eine früßer un*
(IM)
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flea^nte Söeifc ©tatterinjatienten ju ben (Seltenheiten ge«
hörten. —
9Jlan »at beglücft über ben SuwachS ber jugenblidjen
Senölferung. 3« jenen 3ah^en betrug ber jährliche ©ewinn
an SRenjchen gegenüber bem cergangenen 3ahrhunbert im
Königreiche ?)reu6en wenigltenS 10—15 000, »eiche leben blieben,
ba fte hoch ehebem un3»eifelhaft ben SSlattern erlegen »äten.
Syie ju geftcn brängten fith bie SDRütter ju ben Sergten, um
ihren Kinbern bie SBohlthat ber Srnpfung ju oerf^affcn. 3)ie
jeitgenöffiichen Sd)riftjteHer finb ncll <Danf uub Siührung über
bie Seltenheit ber Slottern, »eiche nur nereinjelte Ungeim^fte
befallen; fte melben, bag bie Schulftuben auf bem iianbe gu
fletn »erben, unb hoffen eine neue Slera für baS befreite
ÜRenfchengefchlecht. 3n Berlin famen bie Slerjte olljährlich am
14. SJiai gujammen, um bur^ bie Sammlung non 3liachrichten
über ben Fortgang ber 3mpfungen unb über etwaige flattern*
epibemien baä ISnbenfen unb ben *>er erften öffent»
lidhen Saccination burch Senner ju feiern.
9lach einigen Sah^^^n »erben bie erften SlatterufäHe bei
©eimpften beobachtet. Ülnfänglich beftritten unb faljch gebeutet,
»erben fie halb alö leicbtefte Bälle wahrer ©lottern erfannt.
Unter manchen Schwierigfeiten, »eiche inöbefonbere burch ^<e
un ächten Kuhpocfen bereitet waren, gelangt man atlmähli^
jU ber ©rfenntni^, ba§, um einen genügenbcn S^u^ ju er»
jielen, eine genügenbe 3ahl »cn Smpfpufteln h®x®orgerufen
»erben mu§; unb longfam übergeugen fich bie Slergte, ba§ ber
flchere Schu$ nur eine befchränite Beit aubauert.
Solange nun bie Smpfungen giemlich gleidhmähig weiter»
hin burchgeführt würben, blieben anfänglich bie ^odenepibemien
noch inimerhin feiten unb örtlich befchränft. So herrfchte 1818
(184)
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in @ bin bürg eine (Spibemie, in welcher nad; bem Berichte beS
^tof. Xboml'on Bon ben Ungeimpften, bie 3um größten
au8 iüngften Äinbetn beftanben, 25 p(5t. ftatben. Stbom|on
beobachtete itn ©an^en 310 Slattemfälle bei 33accinittcn ; bie|e
jeichneten fich in ihrem ÜBerlauf bur<h eine au^erorbentliche
ÜKilbe au8, jo ba§ er fte nicht Sariolen, jonbem SSarioloiben
nannte; bie Raufen hatten ein Sllter Bon 10 SBochen bie ju
15 3ahten; non ben 310 fällen enbete ein einjigcr töbtlich.
3Jon ^erjonen über 15 Sahren erfranften nur jehr »enige. —
@inen ähnlichen ©hata^ter h<tben alle hier unb ba folgenben
©pibemien. SBeifpieleroeife erfranften im Sahre 1819 im {Rup*
pinjehen Äreije 250 ^erfonen; bnrunter mären 30 geimpft,
unb Bon biefen jtarb niemanb; non ben Ungeimpften finb 15
erlegen. 3e weiter nun bo8 3ahi^h“”bert norjehreitet, um fo
mehr änbert fid) ber ©harafter ber ©pibemien. @ie erjeheinen
jeltener al8 norbem, unb nur auenahmemeife erreicht bie 3ah^
bet SJlatterntobten eine8 3ahre6 ben jehnten 3:he*l ber ehemaligen
burchjchnittlichen Sobten3ahI. iHbet e8 wäcbft bie @umme ber
erfranften ©twachfenen — au6 begreiflichen ©rünben. 3)ie
jeit bem IHnfange be8 3ahrhunbette batirenben glüdlicheren
Seiten bemirften, ba§ bie meiften ber in biejem ©äfulum @e«
botenen unbur^jeucht blieben; bie 3mpfung aber gab einen
flcineren ober größeren S^h^Üe von ihnen nur einen geitlich be>
fchränften @chuh- t!He baher um @nbe be8 brüten Sahrgente
neue @pibemien burch Europa 3ogen, etwiefen fi^h anbere aie
früher alle üebenealter bie 3um 30. 3ahtc bieponirt; nur bie
ftijch geimpften unb faft alle über breifelg Sahre Sllten waren
immun; bieje lefeteren hatten noch bie @pibemien be8 acht«
3ehnten Sahrhunberte burchgemacht unb waren früher fchon ein«
mal poefenfranf gewejen. ©o lefen wir non ÜRarfeille, bafe
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bort im Sa^re 1828 faft niemanb nad) bem 30. 8eben0ja^te
etftanfte. Unter Süngeren ober erfrantten üiele ©eimbfle, nod^
me^r Ungeimpfte; eS ftarben 45 »on ben erfteren unb übet
1400 Don ben leiteten; e0 lägt fid) berechnen, bag auf 25 Un<
geimpfte, aber erft auf 1500 @4eimpfte ein SobeSfafl norfam.
SBer fchon bie ^ocfen gehabt butte, mar jiemli^ fi<bn> benn eS
fam erft 1 SobeöfaQ auf 12000 ©eblatterte. — 3e älter ba8
Sabrbunbert mirb, um fo mehr b^uft fi<b bie Suhl ber @r»
macbienen, meldje, in bet 3ugenb geimpft, ihre @mpfängli(bfett
für bie ^ocfen miebetgemonnen haben. 3n ben @pibemien bet
piet3iget 3abte ermiefen fi<b olle SHterfiftufen bi8 3um fünf»
gigften 3abte empfängli^; menige erfranften, meltbe älter maten;
unb in unfern Jagen ift bie ©mpfäuglidbfeit überall
verbreitet, in allen ^lter0f laffen , ba in aOen bie früher
fcbon beblätterten in ber ÜJMnber3abl ficb befinben.
J)a unfere £inber nicht mehr ben einft gleichmägig mieber»
lebrenben @euchen3Ügen unterliegen, fo finb mir beute, um
©chug vor ben |)ocfen 3u befigen, einsig unb allein auf bie
3mpfung angemiefen, auf Smpfung unb SBiebetimpfung.
fJliemanb, bem biefe SBerbältniffe flat gemotben, mirb pch
munbern fönnen, bag bie ^JJodfen in biefem 3abtbunbert »on
©pibemie 3U bpibemie megt Jobeöfälle »erfchulbet, unb bag
ftetd mehr brmachfene unter ben brfranften fich befanben. SBit
vertrauten bidbec einem Deinen ^Jliittel, melched ungleich ber
natürlichen ^latternfranfbeit vielen nur für eine 3ieibe von
3abten fieberen Sdbug giebt; fönnen mit verlangen, bag bie»
felben glücklichen Buftänbe bebarrten mie jene beb erften J)tittelb
biefeS 3abrbunbert0, alb noch bet grögte Jb^il ber 3)e>
völfetungen burchfeuebt mar? @0 nehmen nach unb nacb bie
SSlattern ihre alte tööbartigfeit mieber an; unb mäbrenb in ben
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brei&iger Sagten »on ben ©eimpftcn nur 1 — 3 ber @t«
fwttftcn [tatben unb no(^ biö 1864, al8 in SJetlin beino^e 2
aOet Sobe8fäQe von ben Stattern veranlagt waren, nur 4 bt8
5 SobeSfätle auf 100 erfranfte ©eimpfte gered^net würben, —
ftarben in ben Sauren 1870 bis 74 von ben ©eimpften 10,
15, tjie unb ba felbft 20
3rt biefer lebten heftigen (Spibemte ift aljo bte burcbf^nitt»
U^e unb ^äufigfte ,^5^e ber SöbUicbfeit, welche e^emaid bie
Äinfcerporfen in ßuropa befeffen, weit überfcbritten. Slnalpfirt
man bie einzelnen 0eu^enau8brü(^e biefer lebten ^anbemie,
fo erwac^fen junä^ft für bie ©tatiftif gro§e ©(^Wierigfeiten,
welche wefentlic^ in ber UnnoDftänbigfeit be8 Materials hefteten,
^ür bie Ungeimpften ergiebt ficb faft überall in jeber aiteröftufe
eine gang ungewö^nlidbe ©terbe^äufigteit. 2)a angeblich von
ben erfranften Ungeimpften 30—70 p6t. ftarben, fo wirb ^ier»
burd) bie aud) fonft begrünbete ^nnat^me beftätigt, bag viele
leichter erfranfte Ungeimpfte nidjt gut Äenntnig gelangten. JDie
eingige, auf’8 ©enauefte fo auegcgäglte Gpibemie, bog alle Sin*
fprücbe ber ©tatiftif befriebigt finb, biejenige ber ©tobt ©gern»
nig, ergiebt für bie Ungeimpften eine fegt viel betr&djtlicgetc
Jtranfengagl al8 für bie ©eimpften; fie ergiebt ferner, bog in
(igemnig, wo feit lange eine rügtige gegnerif^e Slgitation
baö 23olf betgört, vergältnigmägig fegt viel megr Äinber ol8
anberwärt8 erfranften. Son ben ungeimpften jUnbern bi8 gu 10
Sagten, wcldje an ben ^ocfen erfranft waren, ftarben nur 9 p6t.;
im Sllter von 10—15 Sagten etwo 2 p(5t.; 33ergältniffe, welcge
benfenigen älterer ©pibemien auffaClenb analog finb. 93on ben
erwotgfenen Ungeimpften finb nacg einet minimalen Se=
tecgnung 30 p6t. ber ©rfranften geftorben.
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Unter ben geimpften Ätnbetn btfl ju 10 Sagten ftorb
feinet; non ben @rtna(^fenen tnenige.
3n ben meiften beutf^en Sänbem ftnb ntele in ben erfien
Lebensjahren geftorben, weil bie Äinber nielfaeh erft im fdjul*
pflichtigen Slter geimpft würben.
3n Saiem, wo bie Smpfung bet einjährigen Äinbet feit
1830 in rühmlicher Äonfequeng burchgeführt worben, gehörten
unter 100 Jobten ber erften 10 Lebensjahre 82 bem ©äuglingSs
alter an; non geimpften .^nbern ftarben nur fehr wenige. 93om
gwangigften Sahte ab nahm bafelbft bie 3ohl l>er lobten gn
unb ftieg, auf bie gleiche Sah^ jeber SllterSflaffe Lebenben
beregnet, nom gwangigften 3ahre an bis gu ber höchften IHlterS»
flaffe, welche Untere überwiegenb reich an 5Durdhfeuchten war.
Siber nicht bloS bie abfolute ÜRortalität wächft non 3ahr gu
3ahr, fonbern audh bie relatine; b. h- »om gwangigften Sahre
ab ftarben non 100 (Srfranlten in jeber eingelnen SUterSftufe
mehr unb mehr, bis in ber höchften baS fDiajcimum erreicht
ift. äBährenb unter ben beimpften non 20 bis 30 fahren nur
nethältniSmä|ig wenige ber (Srhanften ben Slattem erliegen, ent«
fprechenb ber geringen Slattemletalitdt im 3. Sahrgent unfereS
SahrhunbertS, werben für 30=3ähtige an nielen Orten fchon
4 — 6, für SBiergigjöhrige 6—10 unb für Sleltere felbft 15 unb
barüber biS gu 20 lobten auf 100 @rfranlte gegählt.
SBie man fieht, finb für niele ältere ©eimpfte bie SBlattern
wieber gu einet beletaren ÄranTheit geworben, unb benno^
werben nirgenbwo bie enormen ©terbegijfern eneicht, welche
ben ungefdhü^ten (Srwachjenen eigen ftnb. @o gahlreich ba>
her auch unter ben älteren ©eimpften 5£obeSfälle notlamen, jo
wot bennoch für niele ber ©rfronften ein beträchtlicher fReft non
XU. 437. S (189)
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gutücfgeblieben, welcher i^nen wenigflenS baö 8eben
erhielt unb t>ie(en bie ^anf^eit lelattD leidster geftaltetc.
fDie Bal^Ien lehren unö, n>aS baoon gu galten ift, wenn
unwiflenbe ^nt^fgegner meinen unb bem 93oIfe ergä^Ien, bie
^ocfen »Ören bei bet mobemen Sei^anblung eine leichte @r»
ftanfung. 9ber fie lehren unS jugleic^, ba§ gegen bie ben @t*
wad)ienen fo enorm gefö^rlid^e ^anf^eit nad^ ber einmaligen
Smpfung eine Sd^u^mirfung gegeben ift, welche in ber fRegel —
aUerbingfi ni(bt in aUert f^öDen — »iele 3a^re »or ber @r*
franfung bewahrt; eine gemiffe, »ie i^ glaube, ni(^t geringe
3a^I non ^enf^en »irb burd^ eine orbentlidfie 3mpfung
felBft für baä gange Beben gefi^ert. Oft freilid^ tritt bie
.®mpföngli(^feit na(^ einer SRci^e non Sauren wieber gu läge;
biefe lö§t fi(^ burdb SBieber^olung ber 3»bfung für eine gewiffe
Seit oon neuem befeitigen. ®in JReft non relatinem 3»bfft^u§
bleibt für bie fWeiften felbft na(^ einmaliger 3»pfung bifl in
bad ^oc^fte Bebensalter erhalten.
3n einem großen Steile non IDeutfd^Ianb waren bis gum
@rlaffe beS 3wbfgefe^eS bie lUaccinationen auf re(^t unweife
2lrt burd^gefü^rt worben. 9)lan impfte niele, in wandten
©egenben bie weiften Äinber erft nac^ bem fünften BebenSja^re;
bomit liefe man bie 3üngften, »eldje ftetS am ftörfften bebrofet
waren, ungefd^üfet, unb man gab benen @d)ufe, weidfee audfe in
früfeeren Seiten am wenigften geföferbet waren, — ein um fo
bebenflicfeereS ©efcfeenf, olfl bei oielen ber Befeteren bie ©mpföng»
licfefeit in einem BebenSalter wieber erwacfeen mufete, welcfeeS bie
?)odfen gu einer feöjfeft geföferlidfeen Äranffeeit ma(fet. Der wafere
©egen ber 3mpfung berufet in ber aJiöglidjfeit, jüngfte Äinber
ifer gu unterwerfen unb oor ber ifenen fonft nerberblicfeen ©eudfee
gu fdfeüfeen. DiefeS ?)ringip feat g. S. fidfe in ber fefer geringen ^odfen»
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SRortalität bet über 1 3a^r alten Äinbet in Saiern cortrepidb
beteä^rt unb »irb je^t in ganj 2>eutf(i^Ianb sn^Iteicben Äinteni
bad Seben erhalten.
3Bel(^e SSottljeHe bie je^t in ®cutf<^Ianb aUgemeine SBiebet«
impfung bet gaolfjä^tigcn Äinbet gemähten wirb, lä§t nod)
nicht ermePen. @8 ift nicht unmöglidh, bap bicfelben nicht feht
beträchtlich fein unb wefentli^ barin beftehen werben, ba| bie
immerhin gahtrei^en jfinber, welche au^ fortan im erften 2eben8»
jahre entweber garni^t ober, worüber manche Erfahrungen
»orliegcn, fehr ungenfigenb geimpft werben, währenb ihrer
iSchulgeit, wenn pe ni^t »orher baö Dpfet ber ^otfen geworben
pnb, einen neuen unb befferen ©chu^ empfangen. 3nt Uebrigen
lagen lebiglich DpportunitätSgrünbe uor, gerabe gwölfjährige
Äinbet gu reoacciniren. 53eun wenn behauptet wirb, ba& bet
ben weiften Äinbern gehn 3ahre nach Swpfung bie 2)i8popton
gu fchweren SSlattern wieber oorhanben fei, fo ift bie8 unrichtig;
richtig ift nur, bap bei einem gewipen Sru^theil ber @ut*
geimppen fchon gehn 3ahre nach ber 3nipfung eine geringe
Empfänglichfeit befteht. Serüefpehtigt man aber, bap gerabe
in biefem fSIter felbft Ungefchüpte ober nur Einmalgeimppe,
wenn überhaupt, bann in bet (Regel milbe erfranfen; bebenft man,
bap nach ben Erfahrungen in SSaiern, wo boch bi8 1874 nur
einmalige SOaccination ftattfanb, in ben heftigften Epibemien bie
SllterSpufe ber 11» biS 20» 3ähn8cn f«hi^ ßünftig ptuirt war,
fo ift fein gwingenber innerer Erunb gegeben, »on ber
Pieeaccination bcrSwölfjährigen gerabe heroorragenbgutePlefultate
in Sufunft gu erwarten. — 3hrem wefentlichPen SEBcrthe, bie
•fchledhte ober gang ausgefallene 3ugenbimpfung guergängen, ftellen
Einige baS ©ebenfen gegenüber, bap bet männli^e SEheif bet
beutfehen Seoölferungen , welket früher bei ber SBieberimpfung
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bet @oIbaten otele bolle @TfoIge geioann, nunmehr gerabe in
bicfem gefä^tli(!^en ^Xlter ntd^t feiten mit getingergtabigen
©rfolgen fid^ »itb begnügen muffen. 3)ie Sulunft mu§
lebten, inmtemeit gerabe biefe 93efürd)tung berecbtigt, unb weld^en
@influ§ auf bie IDiSbof^iion bie bieget fo äu§eift erfolgreicbe
SleDaccination bet @olbaten fortan auäfiben »erbe.
@0 überaus erfreulidb ballet baS beutfc^e ^mpfgefe^ ifl, fo
erfc^eint eS bod) nüt^ig, oor gu mett ge^enben @rnartungen fi(^
gu ^üten. 9lo(b freilicb ift ein guter S^eil beS IBolfeS burcb
oot^ergegangene 93latternepibemien gefcbü^t, unb untere .^tnbet
»erben fortan, fo lange baS @efe§ in Äraft bleibt, eines relatio
bebeutenben @cbu^eS burdb 3»pfung unb 3Bieberimpfung fi(b
erfreuen; aber bem oieUeicbt nicht gang unbeträchtlichen Stud}>
theil ber @r»achfenen, weldhe eine erhebliche IDiSpofition »ieber
gewinnen, brohen neue @pibemien, beten Letalität fich taum
geringer alS bisher geftalten mö^te.
2)enn bei ber unenblichen @nt»icfelung unb IBerwidfelung
beS 9!^erfehrS bringen von nah unb fern ^ocfenleime auf unS
ein; unb je größer baS burdhfchnittlid^e fDlah ber IDiSpofttion
in IDeutfdhlanb ift, um fo leichter unb uiirb bie Seuche
aufflammen. SBit haben bemgemäh erftli^ bie IBerpflichtung,
bie burchfchnitttiche IDiSpofition ber Seoölferungen auf einem
möglichft niebrigen IRioeau gu erhalten.
Um bieS gu erreichen, muh i^be eingelne 93accination unb
Sleoaccination, »eiche baS ®efeh oorfchreibt, mit ber gröhten
@e»iffenhaftigfeit unb mit ooHem ©tfolge burchgeführt »erben;
aber eS mu§ ferner hingufommen bie IReoaccination ber nach
meiner Uebergeugung nach U)ie oor gefährbeten @r»a^fenen.
OJlit biefer fKahregel gu »arten, bis eine ©pibemie in ber
IRachbatf^aft broht, halte ich nach ben bisherigen (Erfahrungen
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für ungenügenb. ®^e ba^er neue @^}tbemien traurige getreu
geben, fonn nicht bringenb genug oUen (SrwQChjenen bie
SBiebetimpfung empfohlen metben. — Sflach Sluöbruch bcr
Slatternhanfheit wirb auch in Bufunft ein (bebingter) 3wang
gur fRecaccination folcher (Srmachfenen , welche vor längerer
Seit unb mit ni^t hinlänglichem Erfolge geimpft waren, ald
wünfchenöwcrth fidh ergeben.
SweitenS ober finb in Bwfunft internationale ÜRah«
regeln gegen bie ^oden fo nothwenbig wie gegen man^e
anbere SSerfehrbfrantheit. ©o lange bie weiften nuferer fRochbat«
ftaaten fowie ferne Sßölfet, mit benen wir im SSerlehr ftehcn,
bet cbligatorifchen 3wpfungen entbehren, bleiben wir beflänbig
bebroht. 9Ran wirb unter heutigen SScrhältniffen gum ©chu^c
ber nationalen ©efunbheit 1 gegen bie pathogenen Äeime beö
Slublanbä nur in feltenen gäHen ben SSerfeht erf^weren lönnen.
5Die $rage aber erf cheint mir bibfutabel, ob eb ni^tbipIomatifcheSRittel
geben foQte, im Snllc einer größeren (Spibemie im Slublanbe bie
©efaht ber weiteren Verbreitung gu »erringem, inbem man auf
bie ^Durchführung fofortiger prophplattifcher ORahnahmen h*n»
wirfte. SBie bab ^ringip ber Broangbimpfung felbft, fo finb
berartige internationale 3Rahregeln nur bie ^onfequeng beb wohl
gu beachtenben Umftanbeb, bah eb niemalb gelingen fann, für
alle Bnbioibuen unb für alle Beiten eine abfolute Smmunität
gu gewinnen.
qpoffentlich werben bab Veifpiel beb beutfchen fReichcb unb
günftige jiRefultate bagu helfen, ber obligatorif:hen 3mpfung
unb SSieberimpfung auch l*ei benfenigen ^Rationen, mit weidheu
wir im lebhaften Verfehr ftehen unb welche fich felbft nicht
genügenb bibher gefchü^t h^ben, iSnerlennung gu oerfdhaffen.
Viele fpegieöere fragen, inbbefonbete foldhe, welche mit bcm
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risjclnen 3mpfafte felbft im Sufommen^ang fielen, blieben ju
erörtern, tvenn »it ei aU unfete Aufgabe betracbteten , bie
ganje $üOe beö ®toffeö ju er|(^öpfen. IBieUeicbt b^ben @ie bei«
{piets weife Eingaben erwartet über bie ^DiffeTen5en ber bumani:
firten, non 9rm gu §Irm fortgebflanjten, unb bet animalen,
im fortgejü(bteten 8pmpbe; »ieDei(bt eine 33efpreöbung
bet mit bem 3impfalte angeblich fo mannigfach nerbunbenen
©efabren, nieOeicbt anbere ©pecialien.
3nbeffen muh i<b >ni(b bamit begnügen, übet bie wicbtigften
flunhe meine auf eigenen @rfabtungen unb einer ziemlich genauen
^cnntnih bet Siteratut berubenben '^Inficbten babin auepfptecben:
1. JDie ©efabten bet burcb einen woblunterridjteten Slrgt not*
genommenen 3m^fung finb wefentlidb fleinet alö anbete,
benen wir un8 unb unfere Äinber auö weit geringfügigem
Slnldffen oft unterwerfen. SDie ©efabten ganj abguldugnen
ift nicht geftattet; hoch ift im @in3elfalle bie SBabt*
f^einlicbfeit, bnh eine ernftete @tfranfuug bet Smpfung
folgen werbe, febt gering. 2öie non jebet anbetn SBunbc
fönnen ouch non ben Sm^sfftellen au0 arcibentelle @r»
franfungen beö ^ötperS erfolgen; hoch lebten bie gort*
f^ritte bet ^bii^urgie, bah <>u(h biefe ®efabt prinjipiell al8
nermeibbar angefeben werben barf. ^abm wir ein SRecht,
^ocfenepibemien beraufjubefchwören, weil bie Schulimpfung
beute noch nicht gu einer für alle gdQe unbebingt gefabrlofen
fUianipulation entwicfelt ift? 3mSlllgemeinen fönnen bie
feltenen, auch ben Impfungen nerbunbenen ®efabten
ni^t im entfernteften in Setra^t fommen gegenüber ben
groben Sortbeilen bet obligatotifchen Smpfungen.
2. güt bie allgemeine Einführung bet animalen Spmpbe
fpricht bet Umftanb, bah neuere fUietboben geftatten, gerabe
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mit bet animalen Spmn^e o^ne Se^eQigung non ÜRenfc^en
unb mit geiingeiei 9Raf[enim)>fungen buid^gntül^Ten
atö mittels bei ^umanifirten.
IDa§ bem moi^luntemcbteten IHrjte bei SSeimenbnng
bet ^umaniruten gpmp^e größere ©efa^ren bto^en alö bei
ber SSerioenbung ber animalen 8pm)>l}e ift naib meinet 9lnfid)t
mebet bunb bie @rfa^rung bemiejen noch t^eotetifcb mit @i>
folg ju begtünben. 3)a bie nad) bet Smpfung oornebmliib
in iBetiacbt tommenben @tfranfungen an ben lofalen 3mpf>
effeft ficb anf^Ue^en, fo fann in biefet ©cgie^ung non bet
äSetmenbung animaler ^pm))^e feinSSort^eil eimartet wetben.
2)agegen ^alte id) eS feineSmegS für auSgemac^t, ob bet
animalen, inSbefonbete bet Jf&lbeilpmp^e berfelbe bebeutenbe
@(bu^mertl) innemo^ne mie ber ^umanifirten gpmp^e.
JDiefe fragen bebüvfen aber nod^ grünblii^etet Unter»
fuibungen, e^e fie für eine populäre S)arftellung reif finb. —
3. 9io(b ift eS nicht gelungen, baS fpejifif^e ^ontagium ber
^ubpocfen gtneifelSfrei rein nachgutneifen ober gar fünfilich
gu güchten. IDennoch baif man mo^l mit Sicherheit an»
nehmen, bah ä^ontagium ein fpegififcher ^ilg, unb
mit äBabrf^einlichteit, bah ber abgefchmächte $ilg bet
fKenf^enpocfen ift- 2>aher barf mon hoffen, bah ®tt
beteinft in ber Sage fein »erben, unabhängig non rnenf^»
liehen ober thierifchen flbimpflingen übet ein gänglich teineS,
fünftlich gegüchteteS Schuhpoden»^ontagiuni nnb übet be»
liebige Sölengen beffelben gu nerfügen. SiS bahin fönnen bie
biShnigen ÜRethoben old »ohl befriebigenb betrachtet »erben,
^at nun unfete Unterfu^ung ben unantaftbaren 93e»eiS
für bie Schuhhaft bet Smpfung gebracht? Da »it unS mit
ben eigenthümlichen SSeränbetungen befchäftigt, »eiche bie ^oefen»
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e))ibeniien in bet )}oft»accinalen $etiobe erfaßten ^aBen, lonnten
mit (onftaticen, ba§, eine für Diele ©eimpfte befcBr&nIte
bauet ancjenommen, bie ©pibemien in bet mit fo Derönberten
@igenf(Baften Detlaufen mußten. 2)iefee SemeiSDetfal^ten fann als
inbirelteS, bet SemeiS alfl ^iflotift^et bejeit^net »erben.
8öge fein anbeteS 9)iaterial oot, fo Ratten bie ©egnet 9ie(^t,
Don einer ^^m^ft^eotie ju fpretben, aber ge»i| nur Don einer
noBIbegrünbeten.
aber eS giebt birefte Seweije für bie ©(bu^fraft bet
SSaccinationen , »eicbe fte ju einet bet geficbertften
bet fDiebigin ergeben: erperimentelle unb fiatiftifdbe ä3e>
»eife. SBie bie biffotiftbe SRetbobe ftatiflifcbe Unterlagen Dor>
anSfe^te, fo fann eS eine ©tätigt niebt geben ebne genaue
linifebe ober erperimenteOe ©injelbeobacbtungen. äBet nicht im
©tanbe ift, bie leiteten anjufteHen ober ju oermertben, fann
»ebet mebijintfebe ©tatiftif überhaupt noch 3nipf> unb ^otfen^'
ftatiftif im befonbem betreiben. 8eibet ift gerabe bie 3mpf>
ftatiftif bet Slummelplab bilettitenber 9teigungen gemorben, unb
felbft ©tatiftifer ton Sacb b“ben auf bem ©ebiete ber Smpf»
unb ^odenftatiftif ficb bev moles inerudita ^ugefeÜt 9Ran bat
gefagt, bie biSbetige 2!»ptftati)tif habe überhaupt feinen foliben
Soben. IDieS ift inSbefonbere richtig für einen gewiffen Sbeil
mobetnet Unterfuebungen, gumal foicber, »el^c ftd| mit bet
©terblicbfeit ber erfranften ©eimpften unb ber erfranften Un>
geimpften befeböftigen. 9lebmen ©ie ben gall, eS jeige ficb
Setolität bet ©eimpften gleich 10 biefenigen bet Ungeimpften
glei^ 30 p©t., fo bat man hieraus meift fur^meg ben in ben er*
franften ©eimpften noch abflingenben 9teft ton 3mpff<bub
ftatiftifdb etfcblieben »ollen, ©in folcbeS 93etfabren ift unjulaffig,
ba bie tetfebiebenen 2llterSflufen fo au§erorbentlicb terftbieben
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gefä^ibet finb. Seftanben j. jene ®eim^ften and jHnbem
im atlflemetnen ober gar and foltfeen jwijc^en 10 unb 15 Sagten,
bte Ungeimpften aber and (Säuglingen, fo ift nid^t einjufe^en,
inie burcb jene Sailen bet Smpffd^u^ bemonjirttt »erben
foDte. Umgeleljrt fönnte bet ni(^t beftritten »erben,
»cnn et»a irgenb»o non ben ©eimpften (6r»o(bf enen)
10 pst., non ben gleici^jeitig erlraniten Ungeimpften (et»a
jHnbern 3»ij^en 7 unb 15 Saluten) nur 5p@t. geftorben »aren. 3)iefe
0eifpiele lehren, ba§ o^ne fe^t genaue Stngelbeobac^tungen unb
o^ne je^r genaue flinifd^e unb epibemtologifd^e .^enntnifle feine
Smpfftatiftit mögli(^ ift.
Die moberne ©tatiftif ^at ferner mit bem Umflanbe gu
fämpfen, ba§ faft überall nur ein geringer SSrud^t^eil ber
Benöllerung un geimpft ift. Die meiften Unterf Übungen fd^eitem
ba^er an bet @d^»ierigfeit, abfolute Differengen, »eld^e größer
al8 bie unnermeiblicben Seobad^tunggfe^ler Ȋren, gu finben unb
ner»ert^en gu fonnen. SBet aber bie Literatur jener Seiten
lennt, in »eichen bie Sn^l ber Ungeimpften no(b anje^nli(^er,
ber Smpffcbu^ felbft aber burc^fd^nittlic^ no^ frifd^et »ar, »irb
erftaunen übet bie grofee ©efäbrbung bet Srfteren in jebet
Spibemie, »ä^renb bie©eimpften fid^ au^erorbentlic^ niel günftiger
befanben. O^ne ^iet auf »eitere Singel^eiten einge^en gu fönnen,
fie^t foniel feft, ba| ©eimpfte fe^t niel feltener — inflbefcnbere
in ben erften Snbten na(b ber Snipfung — erfronften ; ba^ bie
©tftanfungen meift fe^t niel milber netliefen, unb ba^ indbefonbere
in ben erften gehn bid g»angig Sauren na^l einet orbentlid^en
3ugenbimpfung ^obebfäOe an ben ^ocfen gu ben 'HuSna^men
gehörten; fo»ie, ba§ @r»a(bfene burd) eine mit noOem ©rfolge
auSgefü^rte Oienarcination et^eblicb gef#$t »urben.
{)iermit ^at bie ©tatiftit nur beftätigt unb ergängt, »ad
(19T)
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42
bafi @j;periment une geteilt, ale burci^ 3ennet’g unfterblid^eS
äSerbienft na^geuiefen iDurbe, ba§ oacciniite 9){en{(ben, toenn
fte mit achtem ^ocfengift geimpft werben, fi(b anberS vergalten
als nic^tgefdbü^te: bie Unteren nämlid) erftanfen an ben ächten
SRenfchenblattem, bie SSaccinirten bleiben immun. IDiefeS um
bie SBenbe beS Sahrhunbertd taufenbfad) wieberbolte @jcperiment
hübet bie eigentli^e 0afiS für bie glüdlicbecen Suftänbe, wel^e
alSbalb @UT0pa bejdbieben waren. Renner batte nicht in allen
Folgerungen fRecbt, welche ficb ihm au4 feinen Unterfucbungen
ergaben, indbrfonbere inte er in ber Sfnnabme, ba§ bie Smpfung
ftete einen lebendlänglicben <Ecbu^ gewähre, .^eute freili^
wirb bie anhaltenbe ^auer ber Smpfwirfung meiftenS unter«
fdhä^t, währenb wahrfcheinlich bie forgfältige 3ugenbimpfung
ber 3)lehr5ahl einen wenigftend relatioen <Schu^ gegen bie
^ocfen bis in’S hödjft« Lebensalter ju oerleiheu oermag.
IDurch 3enner’S ^opf unb ^anb hat bie praftifche flRebigin
auf wahrhaft glänjenbe unb humane SSieife aQe Spötter unb
Sibetfacher gefchlagen. IDurch bie 93accination ift augerorbentli^
vielen fDienfchen baS Leben erhalten unb baS bebeutenbe Stefultat,
bie mittlere LebenSbauei beS fUienfdhen ju oerlängern, erreicht
worben.
SEßienun im @in3elfalle ber Schu^ ju Staube fom me,
welchen bie ^hPoden«3mpfung wie bie Slattenihanfheit felbft
gegen eine neue ^ocfeninfeftion gewährt, taffen fich
nur tBermuthungen äußern; unb wenn ich fdhlie§lich bie meinigen,
wel^e von ben bisherigen abweichen, an biefer SteOe oortrage,
fo gefdhieht eS, weil fie bie Gelegenheit gewähren, au^ hierin
einen ber wefentli^en Stoecfe populär«wiffenfdhaftlicheT IBorträge
3u erfüllen, nämlich an gro§e fruchtbare ^ringipien angufnüpfen,
welche bie SSiffenfchaft bewegen unb förbern.
(IM)
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43
3U4 ben u)iTf[anien SSeftanbt^eil ber ^u^pocfenl^mp^r be>
tra(^ten wir niebrigfte OiganiSmen unb jwai — Dermut^ungS*
Weife — bie ^ilje ber 9Renf(bcnpocfen, welche burd) bie lieber»
tragung auf baä 9Hnb abgefcbwäcbt finb. 3n welchem
materieQen SSorgange bie Slbfc^wäc^ung befielt, ift no^
unbefannt. ©ie ift eine Solge ber geönberten (Srnä^rung beö
^iijfÖTperd, unb man fönnte fid^ beufen, ba^ burc^ wiebei
anbere (Srnä^rung bie urfprün glichen digenfc^aften fic^ wieber»
^erfteOen liegen. 93iSbct ift ober u. 38. aud einem ab gef c^wäcgten
|)ilj niemals wiebet ber fräftigere gewonnen worben. 9iiemalS j.Sß.
entftegt nad^ Uebertragung ber SRenfcben^oden auf bie jtug
unb nac^ IRücfübertragung ber burc^ mehrere ^^ietinbioibuen
^inbutcb fortge))f{anjten 8pmp^e auf ben ORenfdgen baS utfprung»
lidge ä^te ^odenbilb. 'Die 3lbf^wäcbung ift baget jebenfaUS
eine fegt bur^greifenbe SSeränberung in ber jConftitution beS
^iljeS. 0^i(gt als ob burcg aQe Wirten bet Slbfrgwäcgung notg»
wenbig ber ^ilj 3U begeneriren, iranf ju werben brauchte: —
eS mag aucg eine folcge Ülrt bet 3lbf(bwä(gung geben — ; für baS
Äontagium ber Äugpoden ift aber ficgerlidg nicgt bewiefen, bag
eS auf geeignetem ülägrboben ficg nirgt nortreffli(g oeroielfältigen
fonnte. Sunäcgft bütfen wir wcgl nur annegmen, bag bie
unbetannten materiellen @runblagen für bie gewiffen menfcglirgen
Sellen fcgäblicgen @inflüffe ber $Ü3oegetation burtg bie oeränberte
(Srnägtung mobig3irt werben.
2)ie ©(gugwirfung nun, welrge bie 3unä(gft an ber Sw^f»
fteQe ficg nermegrenben, bann burcg ben gan3en DtganiSmuS
»erbreiteten — ä^ten ober abgefrgwäcgten, b. i. tgeilweife ent»
gifteten — ^orfcnpil3e entfalten, berugt auf SSeränberungen,
wel^e im @)efüge gewiffer SeQengrugpen 00t ficg gegen.
SBägrenb im SlQgemeinen bie meiften inneren Organen fowie
(199J
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44
ba6 Slut gegenüber bem ^'ocfenpilj eine jiemlicb gro§e SBiber»
ftanbSfroft befi^en, finb e8 befenberö bte ttcfliegenben 3fDen
ber Dber^out, inncrtjalb unb gwil^en benen mäj ber Snnjfung
bte ^üje »ertne^ten unb bie eigent^ümlid^en SSeränbetungen
^etoortufeu, roelt^e bie regelmäßige Smmunität bewtrfen.
Sßotin befteßen nun biefe SBeränberungeu? SBer
ftdb mit ber wic^tigften ©rrungenfdjaft ber neueren ÜJlebijin,
ber Don iBir^om begriinbeten 6ellular>^atl)ologie nertraut
gemadßt, mirb geuiß biefe Sleränberungen nicht in ben ©äften,
fonbern gunächft in unb an ben Sellen, ben felbftftänbigen
@(ementartheilen beS Drgani@muä, juchen.
^)ier ift nicht ber )Drt auSjuführen, marum ich bie bisherigen
.^ppclhefen für ungutreffenb halte.
3n bem einen fünfte finb U5ohl bie SKeiften einig, boß
nach ber Sm^fung ^mifchen ben fhejififchen 'PUgen unb beftimraten
Sellen ber ^>aut eine Slrt »on Äampf ftattßnbet, unb baß bie
golge biefeS ÄampfeS bie Smmunität ift.
Sebeutenbe (äreigniffe fpielen fich nach ber Smpfuug in ber
gefammten Dberßaut ab. 9lur ßlerburdh ift ju erflären, baß
bie totale Snfeftion jur aQgemeinen Smmunität führt. SEBir
nehmen für bie ©iSpofition eine materielle QJrunblage an —
nicht eine beftimmte @nbftanj, »i eileicht nur eine beftimmte
©truftur — , welche inöbefonbere an gewiffe SeQen ber f. g.
fDialpighifcheu Schicht ber Oberhaut gebunben ift. 3« gtößer
bie IDiSpofition, um fo intenfiner bie Betänberungen in ber .^aut,
welche bie 2)i8pofition löjchen, gur 3mmunität führen. 3n ber
SJ;hat hängt bie 3ntenfität ber ©ntgünbung, wel^e im Seginne
bet gweiten SEBodhe, befonberS bei ermachfenen Snbioibnen, in
bet Umgebung ber 3mpfpufteln aufflammt, nicht allein non bet
Qualität ber Spmphe, fonbern auch von ber @mpfänglichteit bet
CSOO)
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@eim^>ften ab. — 3n feltenen gäflen fommt e8 ferner na<b ber
3mpfung gu einer aQgemeinen @ntn?tcfelung von ä3Iä8c^en. S)te
@ntftel}ung btefeS aQgemeinen @rant^em8 ift offenbar am unge:<
giDungenften fo gu erflärcn, ba^ bie äSeränberungen nur gra<
buell von benen verfd^teben finb, meld^e audb fonft in ben
häufigeren fällen, bie gu einem allgemeinen ©ranthem nicht
führen, innerhalb ber Oberhaut vor fi(h gehen. SBorin biefe
SSeränbetungen beftehen, geigt im hö^fi^n @rabe ber 9lu0»
<>rägung ber mifroffopifche 33au ber ^ocfen« ober ber 3mpf»
puftel unb ber lolalen 3mpfprobufte überhaupt. 0iefe eigen«
thümli^en ®ebilbe laffen barauf fchliegen, bah bie Oberhaut
au8 Sellen von verfchiebener 9lrt, verfchiebener JRefiftengfähigleit
gnfammengefeht ift, — von »eichen bie einen burch bie ^oden»
pilge gerftört, anbere gereigt unb gur fchnellen SSermehrung
augeregt, noch anbere garnicht veränbert erfcheinen. SBährenb
aber in ber öchten ^odenfranfheit fo bebeutenbe SSeränberungen
in einem gro§en Gebiete ber .^aut vor fich gehen, bah ein
fpontaneS SlQgemeineranthem erfolgt, ift bie burch 3mpfung
herbeigeführte Uleaftion ber gejammten Oberhaut nur auSnahmS»
»eije ebenfo burchgreifenb. 9iur an ben 3mpfftellen felbft er«
folgt ber höhere @rab ber [Reaftion, bie ?)uftelbilbung, ver«
muthlich »eil hier nicht nur eine bebeutenbe Ouantität be8
fpegiftfchen ^ontagiumS niebergelegt, fonbern auch burdh bie 33er«
le^ung ber |>aut bie Arbeit beö Äontagiumö erleichtert »irb.
3n ber Jhat läht fi^ burch eine aSerle^ung, »eiche, — einige
Seit nach ber 3mpfung — , an einer non bem 3mpfherbe ent«
fernten ©teile, ber Oberhaut in analoger SBeife »ie beim eigent»
li^en 3mpfafte, aber ohne jebe gpmphe, unter beftimmten Äau*
telen beigebradht »ttb, bie SSilbung einer ächten ?)ujtel hervor»
rufen, »eiche ben charalteriftifchen Sau ber 3mpfpode felbft bepht
46
unb infeftionflfä^ifle ^pnip^e enthält. SBie man fie^t, bebutfte
e0 nur bet ©cbmadjang bet 3e0en butcb bie SBerle^ung unb
bet ab^ebung bet obetften ©cbti^t, um bett gefc^mdebten Äub»
podenpiljen — au<b entfetnt ton bet 3mpfftelle — biefelbe
äBir!ung 5U ermögltcben, mte [ie bie achten ^Podfenpilge fpontan
entfalten. 3cb mu| bin^ufügcn, ba§ biefeS ßppetiment nicht
immet gelingt. 3n folchen gdtlen ift entmebet bie ©iSpofition,
b. i. bie 3ahl jchmdd^eren ©lemente, obet bie Ätaft bet
^ilje getinget. abet auch ^onn metbcn bie telatiu fchmdcheren
ßlemcnte bet 3Jlalpighifchen ©chicht, feien c8 ganje 3eflen obet
jelbft nut OJiolefulatgtuppen ein^elnet 3eDen, bur^ bie ^ilje
jetftöit, welche auf Äoflen bet etfteten wachfen unb fleh »er*
mehten.
SBatum bie 3fDen gegenüber ben ^ocfenpiljen ftch oet»
fchieben oerhalten, ift einftmeilen nicht ju beantworten. 33ielleicht
batf man an SSerfchiebenheiteu in bet anetbnung unb 93inbung
bet ÜJtclefulargruppen, welche bie Beden jufammenfe^en, obet
an 93erfchiebenheiten innerhalb bet ÜRolefüle felbft benfen, welche
bie 3edenelemente einmal beftdnbig, im anbem gade un*
beftdnbig machen gegenüber ben ^iljelementen, beten intta«
unb intermolefulare SBewegungen mit bebeutenbet lebenbiget
@nergie auf bie ©toffe in ihrer Umgebung 5U witfen fcheinen.
(Sbenfo wenig wiffeu wir, warum in ben ein3elnen $ilj»
ftanfhelten bie oerfchiebenen Organe oetfehiebeneS 93ethalten
jeigen, warum bie ^ilje in ben einen ftch oetmehten, in anberen
ni^t. 2>ie 3eden f^einen in manchen Organen bie ^dhigfeit
ju hflte”» anfiebelung gewiffet ^ilje fich ju erwehren;
fpejied bem f)ccfenpil3e gegenüber mögen 3. 93. im ©ehirn
letigli^ wiberftanbflfdhige 3eden enthalten fein, in bet Ober»
haut bagegen nut oerein gelte.
C»V)
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47
Sflennt man biejenigen 3eDen, welche in biefcm Äanipfe
gmifc^en ben ^i(j> unb ben SDrganelementen geminnen, bie
ftatlen, biqenigen, welche unterliegen, bie jc^mac^en, fo ftnb
in bet Oberhaut beS Weufdjen fcbwadje unb ftarfe 3eDen not»
banben: bei manchen febr bigponirten 3nbiciDuen mehr fcbmacbe,
bei anbem mehr ober augnahmfimeife felbft lebiglicb ftarfe
Sellen. Sutcb bie ©inmirfung bet ‘■Pocfenpilje nun geben bie
l^macben 3eQen ju Qirunbe. IDie entgifteten ^pilje ber S(ü\^<‘
^ocfen räumen freilich unter ben fchmachen 3eQen nicht fo noO<
ftänbig auf mie bie ber ächten SRenfchenpocfen. 3mmer aber
bleiben bie relatin fräftigeren Sellen unb Sellenele*
mente beftehen, unb inbem fich burch SSermehcung
bet leiteten bie .^aut neu aufbaut, ift bie mehr ober
minber nollftänbige Immunität alg Siegel h^^’
geftellt.
2)ie Immunität burch Smpfung fomie nach fe« ^odten
felbft beruht, menn meine ^ppothefe richtig ift, auf bem großen
^rinjipe, melcheg gumeift bie (^ntmiclelung ber lebenbigen Slatur er>
möglicht hot. ©ie ift gurücfjuführen auf ben fo überaug frucht«
baren ®ebanfen jeneg @efe^eg, beffen Sragmeite IDarmin ung
gelehrt bat, auf bag @efe^ ber iSuglefe burch ben l^ampf
umg Beben, auf bie IBerniihtung beg Schmachen unb Untaug«
lidhen unb bie ©rhaltung beg ©tarfen unb Söiberftanbgfähigen,
— fomie auf bag ©efe^ bet gortp flangung bet ®igen«
fchaften burch bie SSercrbung.
(ao3)
Sruif eoB Wetr. UBgtt (tt. Kriimn) in Vtrlia, E^öntkngnfttiitc 17*.
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£utl)cr’§i dnlwirklung
Bom ä“nt Sleformatot.
Son
Dr. theol. ^on| Sil^nutlb,
^cbiger an ber ®t. 9Rattini'i?ir(^e $u Stenten.
ßwllit SW., 1884.
SSetlag »on 6atl ,J)obeI.
(€. (t. SiibtrH)'i4t !ttrla|sbii^||inblsns.)
S3. 9B{IbtIm>6tTat( 33.
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%ai Ixt Ueberfe^ung in ftembe ©prac^m mirb Dorbe^altcn.
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^eina^c ied)3e^n, man barf wo^l fagen: beinahe 3»an3ig 3a^te
lang ift SRartin i?ut^er ein ÜJiond) gewefen *)• ®on biefer langen
Seit »erlebte er bie brei erften Sabre in ftrenger Snebt, in »ielen
fdjweren Slnfecbtungen unb ©eelenfSm^fen, ju 6tfutrt, bie folgenben
Sabre, oufeerlid) weniger befebränft, inncrlidb befreit, im SBitten»
berget Älofter. ®ie8 afleö weife Sebetmann ; aber tm StUgemeinen
begnügt man ficb mit einet febr uncollftänbigen unb wenig
anfcbaulicben 93orfteOung »on bem Beben, bad Butber alS C(R5n&
fübrte. IDacon finben ficb auch in ben beften S3iogrobbien beö
SReformatorö, in ben ©ebriften Äöftlin’8, Sürgenfi’, grevtag’9,
SRanfe'S, nur bürftige ©Ü33en; nirgenbS ein »oGlftänbigeS unb
anfcbaulicbefl Silb*). @in folcbeö S3ilb entbeefte icb aber gu
meiner gteubc in einem fleinen 110 ©eiten umfaffenben, beut»
gutage äufeerft feltenen Sücblein, woraus SürgenS einige SluSgüge
mittbeilt, in ber im Sabre 1504 gu 9iürnbetg berauSgegebenen,
unter ©taupifeen’0 93orfife renibirten SSerfaffung ber Slugujtinet»
Eremiten, alfo beS OrbenS in weichen Butber ein Snbe fpäter
eintrat*). iDiefl SSü^lein würbe mir in febr gütiger 3Beife
»on bem jperrn Sibliotbefar ber Senaer Unioerfität an»ertraut * ),
unb gu mebreren febwierigen ©teilen beffeiben gaben mir einige
faebfunbige iDiänner erwünfibte (Sriäuterungen *). ©o laS unb
ftubirte icb bie wertbnoOen, wenn auch guerft eher abftofeenben
aiS angiebenben 93iätter beS aiten S3ücbiein8, mit »ieiem @ifer
XIX. 488. 1* (807)
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unb vieler 3Rü^e. S)enn jte ftnb in jiemlic^ fc^lec^tem 8atein
geft^rieben, unb mit vielen fe^r ftatfen, baö 8efen fel)t etftbwerenben
Slbreviaturen gebrucft^). SQmä^licb aber, ald i(b in ihnen
einigermafeen betmiftb tourbe, trat mit au8 ihren bürten Äapitel<ben
überall bet ÜJiönch SOiartin lammt jeinen Älofterbrübern entgegen.
S)aö 8ebendbilb nun, bad mir fo in mehreren tXrbeitSmochen
ertocrben h“he, baö biete ich \)iet bem geneigten 8efet um ben
Spottpreis einet h^I^^flünblichen tSufmerffamfeit fäufli^ an;
hoffenb, bafe SKan^e eS nid)t vetjchmöhen »erben.
'3m ISbenb beS 16. 3uli 1505, hatte IDiartin Suther, bec
bamalS noch nicht 22 3ahre alt, jeboch jchon D9iagi[ter »ar an
bet berühmten Univerfttät gu Erfurt, einige ^reunbe in jeiner
Sohnung oer|ammelt. IRa^bem et mit ihnen in heiterer ©efellig«
feit einige ©tunben gugebracht hatte, übcrrafchte er fie mit einer
für fie betäubenben 9iachricht. „©o »ie 3hic *nt(h je|t feht,
fprach er, »erbet ihr mich nicht »iebet jehen. 3ch »erbe ÜJiönch,
Huguftiner’)." Jtoh ih«n IBorftellungen unb Slbmahnungen
ging et noch in betfelben 9iacht in'S jtlofter. iDa fannte man
ihn fd)on feit längerer Seit; ba hatte et vor ein paar Slagen
bem f)rior in einer @eneral • 93eidhte fein 8eben ergählt, fein
.^etg auSgefchüttet. 3eht ermattete man ihn gu verabrebeter
©tunbe. 3m anbern Slage, am ^age beS heil« 3le]ciuS, »utbe
er in bie Sahl ber Stüber, gunächft al8 fRovig, „für ein 3oht
unb einen 5£ag" gut ^robe aufgenommen *). 2?ie 3rt »ie biefe —
unb aller 9iovigen, Aufnahme gefchah, »itb unS in ber DtbenS«
SSerfaffung, Äap. 15, genau befchrieben. Sur 3ufnahmefeier vet»
fammelten fich fämmtliche Stüber in bem (Sonventfaal ober in
ber JtapeQe beS ^lofterS. Jamale »ar biefe .Kapelle nach bem
Scugniffe eines Seitgenoffen gutherS, beS guten 9Rpconiu0, ein
TleineS, altes, hölgemeS @ebäube, 30 ^uh lang unb 20 $ug breit,
„ähnlich bem ©taUe, in ttelchem ber SBeltheilanb einft geboren
(208)
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teurbe." SBenn bte Serfammlung in biefet Äa^?elle ftattfanb,
bet ?)rtot in bet SJMtte be8 6i)ot8, »ot bem Slltat. 2)et
SRootj, »on einem ober mel)teren 33tübetn begleitet, mutbe »ot
i^n ^ingefü^tt: „SBaä fuc^eft 3)n ^iet?* fragte i^n bet ^tiot.
„@ottefi Sarm^erjigfeit unb bie ©utige" antmottete bet Sin*
fömmling. ,Sebenfe too^l »afl bu ^iet finben roitft," etmibette
bet ^tior, unb in einer längeren freien Slntebe ftellte et bie
S3ef(^n)erben beö Äloftetlebenö bar. JDarauf antwortete bet
5Roöij — wenn et nicht im lebten Slugenblicf nodh fchwanfenb
geworben war, wa8 wol)l faum jemaI0 gefthah, — ba^ ermit@otte8
^)iilfe alles ertragen unb alleS thun woQe, waS bie OrbenSregel
ju ertragen unb ju t^un befahl, „©emnarh," fptach alSbann bet
^tior, „nehmen wir bich auf jum Probejahr. Sltöge @ott, bet
in bir baS gute SBerf angefangen hat, eS auch »oDenben!“ 9lun
ftimmte bet Äantor einen an ben S3atet beS DtbenS, an ben
heil. iSuguftin, geridhteten ^)nmnu8 an, ben 9lo»ij feiner f^ürbitte
gu empfehlen. SBährenb biefeS (SefangeS würben bem 9lo»igen,
an bem bereits bie^onjut »ollgogen war, wahrfcheinlich in einem
9lebenraum feine weltlichen Äleibev abgenommen unb bte DrbenS»
fleibet angelegt. 2)er (Sinfleibung folgten mehrere liturgifche
©ebete unb ©efänge. 2)ann ftanb bie gange SBerfammlung auf,
unb ging, in feftgefteHter Dtbnung, unb in tiefem ©tiöfchmeigen,
in ben 6on»entfaal. 5Da empfing bet fUocij, gucrft »on bem
^rior, bann »on jebem ber S3rübet, ben griebenSfu^. fJlachbem
er ihn »on allen empfangen hotte, fniete et »or bem |)tior
nieber, bet gu ihm baS gto§e — bei SutherS Slufnahme für
unS unb noch nicht für fatholifche Ohren unb .^ergen faft
tragifch flingenbe SBcrt fprach: „9Ucht wer anfängt, fonbetn
Wer behanet biS an’S (änbe, ber wirb felig werben!" 9la^ biefem
©orte, übergab bet ?)rior ben 9lo»ig bet Leitung eineS älteren
unb bewährten S3rubetS, bet ihn wähtenb beS gangen ^tobe*
(Kt)
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6
ja^red, in aQen ®ebräu(^en unb SSotfc^riften bet Orbenfltegel
3U belehren unb tu bet ^nft ju üben batte, legeliecbt gu geben,
gu fteben, ft^ gu fe^en, fid) gu uetbeugen, baS Jheug gu fcblagen,
bie 93li(fe gu regieren, gu effen, gu trinfen, fnrg, aOee unb jebeS
gu tbun, »omit bie Slage unb bie 9lädbte bed ^(ofterlebenS aud<
gefüQt würben.
33evor i(b aber aud ben iBorfcbriften, bie unfer ^elb fo fennen
unb üben lernte, einige ber wicbtigften 93eftinmiungen mit«
tbeile, fei ed mir geftattet, naeb ben 'Eingaben bed 24. unb
25. Äapiteld ber Otbendregel, fo genau al8 moglid}, bad Äoftüm
ber Sluguftiner @infieb(er, aifo bad .^oftüm unfetd Sutberd, gu
fdbilbetn. @d ift giemlicb uetfcbieben von bem, bad unfere fDtaler,
audb bie beften, gewöbnlicb und barfteOen. fDer bed
fUlöndbed war, mit Üludnabme einer gwei Ringer breiten .^aar«
frone, bie in Heiner Entfernung con ben oberen Cbrenfpi^en
fi^en blieb, ooOftänbig fabt, abrafirt. @ie würbe burcb eine
Wß(bentli(b wicberbolte IRafur tabl erbolten. 3(uf bem Ober»
baupt trug er ein fleined f(bwarged .^äppcben, „cappa“, unb
über bem .ßäppcben eine fdbwarge .^appuge „caculla“. SDie
übrige .^(eibung war con weiter $arbe: „omnia albi coloris“.
©ie beftanb aud folgenben ©türfen: an ben güfeen niebere
©djube, caligae breves; an ben deinen, turge bid an bie
jfnie teidbenbe .^ofen, femoralia; ein .Mittel, camisia; ein
Unter« unb ein Dberfleib, tanica longa et alia brevior; ein
©(bulterfleib, Scapulare, b. b- «n langer, 93ruft unb IRüdfen
bebedfenber, bid an bie gübe bctabreicbenber Sudbftreifen; ein
Kiemen von fdbwargem Seber, bü^ftend gWei unb minbeftend
anbertbalb ginger breit, womit bie Siede umgürtet würben ®).
Snie biefe jfleibungdftüde, mit Sludnabme bed Eürteld unb ber
Seinfleiber, waren oon grobem SBoDgeug. 3m SBinter burften bie
fKonebe nodb einen SJiantel, eineChlamy8‘“), tragen, unb fogar
(110)
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7
unter ben Siöcfen einen f)e4, nur ni(^t von eiuem »üben Spiere,
alfo tvo^I einen ®(i^aft)elg unter bem |)rop^etengeioanbe. Sluc^
burttcn fie, menn ber iSr^t eS i^nen verorbnete, befonbere 9tad^t«
f(^u^e, aarnte Pantoffeln, calcei nocturnales, gebraud^tn.
ttnb »at^rlid), nenn man bebenft, tvaS ein fac^funbiger ^reunb,
^en Dr. 5tub. 9teu|, gemife auf @runb genauer Äeuntuiffe
mir verfilterte, ba§ in benjtlöfiem tö^fteuö baS Dormitorium
im SBinter gezeigt mar, fo mu§ man gugeben, ba^ bet erlaubte
Pelg fein tiujcud mar. Suct ergätlte l^utter mettmald in fpäteren
Sauren, mie bitter er im Älofier gefroren SBottfcbcinli^
vergicttete er, aud mönctifcbet ^römmigfeit, auf ben Pelg, ben
et tätte tragen bütfen. 5Docb bei feinem ©ntritt in’8 Älofter,
aRitte Suli, t®tte et ein paar SRonate nicht gu frieren, fonbem
an feine bicfen motlenen Kleiber fctmi^enb fi^ gu gemötnen. S)ie
SBBotlttat eines erfrifctenben, grünblict reinigenben S3abeS burfte
et nur genießen, menn ber Slrgt eS ihm verorbnete unb nur in ber
Sabeftube beS ^lofterS. ^er Sefuct öffentlicher Säber mar ben
aJlöncten ftreng verboten. 3ber für bie innere 9ieinigung unb
fSbfühlung ber ©rüber mar gefcrgt burcb einen regelmäßig, in
jebem Soßre viermal, auögeführten SSbetlaß, Minntio.
Slber mie füllten bie aßöncbe eineö beutfcben Sluguftinet»
Älofterö ihre 3cit au8? aiacJj melchet Jageöorbnung lebten fie?
IDaS mitb une unfere ^aupturfunbe fagen: @8 ift 9lacht, unb
mit iSuSnahme einiger aRagifter ber »‘’n benen ein
jeber in feiner eigenen Seile fcblafen burfte, ruhen alle ©rüber
in einem gemeinfamen Staume, in einem Dormitorium, in
hö^ft einfachen bürftigen ©etten, unb menn ich t»«« betreffenbe
burch fein mir befannteS lateinifcbeS SQörterbuch gu beleuchtenbe
@teQe richtig enträthfelt habe, liegen bieje ©etten auf ben ^liefen
be8 $ußboben8, nicht in ©ettfteHen > '). 0a8 Dormitorium
ift aber von einer hcD brennenben Sampe erleuchtet, bamit bie
(»11)
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SBa(^enben lefen unb beten fönnen. Um bie gmölfte @tunbe, gut
@tunbe, mo $aulu$ unb @ita§ im i^etfet gu @ott ein
8ob(ieb fangen, unb in @rinnetung an i^ren weltübensinbenbrn
®efang, metben jebe 92a<bt bie trübet butd^ ©lodenfc^lag
gemedt. @ie ergeben ficb non t^ren i^agem, fc^Iagen baö ^eug,
tleiben ftc^ taf(^ an, — i^r ©capuliet ober boc^ %e j^a^uge
^aben fle o^ne^in nid^t abgelegt — unb ge^en in feftgefe^ter
Dtbnung, in tiefem ©tiflfcbweigen, gut ÄapeQe, ein febet mit
feinem ©ebetbuc^, feinem Sreoier**). 2)a mitb burd? @ebet
unb @efang bet erfte @otteSbienft beS in tiefet 9tad}t anfangenben
£age8 gefeiert. Um 3 Ubt ^torgenS finbet in gang äijnlicbet
SBeife ein gmeiter ©otteöbienft ftatt ; um 6 U^t ein brütet, um
9 Ul)r ein oietter, um 12 U^t ein fünfter, um 3 U^t ein fed^fter,
um 6U^t Slbenbö ein fiebentet unb lebtet, baS Completorium. 2?o(^
butfen unb foQen bie 9)t5n(be noc^ aufeetbem beten, ©ebete lefen,
fogat 5Ro^t8 im Dormitorium * *). SDet .^auptgotteSbienft unter
ben fieben ^ier genannten ift bet um 6 Ubt SKorgenS gefeierte,
mit welchem eine 9benDmal)l8feiet, öfter au(^ eine ^rebigt unb
längere ©ebete für bie oerftorbenen 23rüber unb bie SBo^ltl^äter
be8 Drbenä ficb oetbinben. Sä^rlic^ mu^ jeber S3ruber, menn
er nic^t burc^ ein bur(^au8 uernünftige8 unb oom ^rior genügenb
befunbeneS ^inberni^ abge^alten mirb, menigften8 ac^tge^n CDtal
baö ^eilige Slbenbma^l genießen. 2Ber eö nicht tl)ut, mirb ftreng
beflraft: mu§ Jag für Jag auf bem ©oben fifeen, btei ÜJlal
möchentli^ faften, ununterbrochenes Stidfehmeigen beobachten,
bis et feine <äünbe, nach ©tmeffen beS ^riorS, gebüßt h®t.
Smifchen ben ©otteSbienften börfen unb foDen bie ©rüber,
ein jebet in feinet 3eQe**), ober auch in bet Älofterbibliothef
ftubieren, hnuptfädhlich, mo nicht auSfchlie§Iich , theologifche
©dhriften unb bie ©ibel. 3)och »iffen mir, ba§ guther, als er
in’S Älopet eintrat, auch feinen ©irgil unb feinen ^lautuS mit»
(*U)
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na^m unb tea^tfd^etnlid) ^at er mancbmal auc^ am 33etfe^r
mit biefen leibet »erbammten .Reiben für ein furjefl ©tünbd^en
fic^ etgö^t. @emi§ aber mibmete er, mie aQe jeine re(^tj(^afTenen
>Drben8genofjen, fajt [eine ganje @tubien3eit bet @otteSgeIa^rt^eit.
IDcd) ber ^enjcb, unb jelbjt bet !D2ön(b fann nii^t non
©otteö SSort allein leben. Gr bebarf auch beS S3rote8, bag au6
ber @rbc betuotmäcbjt. So a§en benn bie ^lofterbrüber jtoet
9)tal täglid). 3JUttagg, um 1 Ubr, mar bie ^auptma^ljeit,
bag Prandium; iSbenbg, um 5 U^r, bag ^jlbenbefjen, bie
Coena. S3ei biefer jmeilen OJlabljeit befaraen bie ©rüber an
allen Safttagen nur ju trinfcn, mabrfcbeinlicb ©iet, unb ein
menig ©rob gu efjen. IDie Safttage aber füllten mehr alg ein
IDrittbeil beß Sa^teg aus. IDenn im Älofter f«ftete man jmci
3)tai möcbentlicb, am 3Rittmocb unb am Stettag, ba3u jebeg 3a^t
»om Seftc Slllet Jpeiligen bis SBeibnat^ten , unb oom Sonntag
Duabragiftmö, b. l). fieben Söodjen cor Dftern, big Dfterfonntag.
Strauriger alg biefe langen S^ifteujeiten , mar bie Slrt unb
SBeife, roie immer, aHetbingg ncdj meljr an ben Safttagen, bie
^ablgeiten, man barf nicht fjgen genofjen, fonbern eingenommen
motben. 3ur feftgefe^ten Stunbe mürbe bie @locfe geläutet.
3)a gingen bie Siönche aug i^ren Sellen hetcot, mufchen ftch
in tiefem Stillfchmeigcn bie .päube ‘ *), oerfammelten fich in
einem ©orjimmet bcg gceifefaalo, beg Refectorium. IDa
fa^en fie ftillicbmeigcnb bis bet ^tior fie obljolte. 3n feft»
gefegter ^Reihenfolge, et gule^t, führte er fie an ben Sifch. 2)a
ftanben fie, beteten ein längeres Gebet, festen fich, unb et»
hoben, nach abermaligem SBarten, enblich bie ^)änbe gu bem bis
bahin jugebecften, bürftig bereiteten -üRahle. Stillfdhmeigenb
a|en fie. SBährenb beg GffenS mürbe cotgelefen, nicht aug irgenb
einem leicht faßlichen, ober gar heiteren ©uche, fonbern aug ben
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0d?ttften be6 ^eiL auguftin; na<^ einer im 3a^re 1512 non
Staupi^ getroftenen neuen ©inrit^tung, auS bet Stbel. 9ia(^
bem 6ffen mürbe mieber gebetet. Unb ftillfc^meigenb , in
bestimmter {Reibenfolge, »erUe|en bie ©rüber baö {Refectorium,
lehrten jurüd in ihre 3cQen, ober gingen gut Kapelle. 0n ben
Softtagen mürbe, mie gejagt, gu abenb nur getrunfen, bö^fienä
©rot gegeffen. 3«t Eröffnung biejet foum fo gu nennenben
SRablgeit fpra^ ber ^tiot eine art Memento mori: „@ott
f(benfe unS eine gerubige fRacbt unb ein feligeS ©nbe“! IDie
ORöncbe |a§en not ihrem Nönnchen, bo8 fie immer, menn fie
einen SErunf tbun mollten, mit ben gmei ^>önben onfaffen unb
ruhig gum 9Runbe erbeben muhten, „©rüber," fo fproch am
@dhl“ff® ©orlefenbe: „©rüber, feib nüchtern unb machet,
benn euer SBibetjadber, ber Sleufel, fcbleidbt umher, mie ein
brüDenber ?öme, fucbenb, men et netfchlingen möge." fRach
biefer Söarnung, ftanben bie ©rüber auf, nerricbfeten bo8 JDonf»
gebet, unb entfernten fich in gemohnter feierlicher SBeife ou0 bem
©peifefaal.
3Ba8 gu biefen füRohlgeiten, unb überhaupt gut ©eftreitung
ber materiellen ©ebürfniffe be8 ^lofterö nothmenbig mar, bo8
muhte, infofetn e8 nicht burch bie ©infünfte bet ©tiftungen
gefiebert mar, erbettelt metben. JDie ©rüber, befonber8 bie
{Rooigen, mürben, aber nie einet allein, fonbem immer je gmet
unb gmei, täglich au8gefanbt in bie ©tabt unb in bie Umgegenb,
um fromme @aben gu fammeln. auf biefen SBegen feilten fie
mit ben Beuten menig, unb fo niel al8 möglich, nur Stomme8
unb {RühlicbeS fprechen. ©or ben Stauen, bie überall in bet
Otben8regel — ich w^ih nicht marum — al8 befonberS gefähr«
liehe äBefen betradbtet merben, foDten fie nur ba8 fRothmenbigfte
fprechen; nie bei ihnen fi^en, fie nicht anfehen nie ohne 3tugen
mit irgenb einer oetfebren, felbft mit einet leiblidben ©chmefter,
f»U)
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felbft mit bet eigenen 5Wntter nic^t. SDo^ genügte e8, menn
ein 5Dlön(^ mit feinet ©c^mefter obet feinet SWuttet, au§et^atb
beS ^loftetS obet im .^loftet felbft 3ufammenttaf, ba§ ein anbetet
fUtöncb a(8 !flugen3euge babei mar. 0^ten3euge bet in folcben
gäUen geme^felten ©efpräd^e btauc^te fein btittet 3U fein. 5Dic
^öncbe aber unteteinanbet butften im .^(oftet felbft ftc^ nie
gegenfeilig in iijren SeDen befu(^en, nie mit einanbct in fteiet
SBeife »etfebten ' ®). 2)odb beoba^ten unb überma(ben foUten
fte fid) fottmä^tenb; jebet alle, unb aüe einen jeben; unb menn
einet einen anbetn auf irgenb einem Beblet, auf itgenb „einet
leichten, fchmeten, fchmeteren obet feht fchmcten SSerfchulbung*
ettappte, fo mufete et ben ©^ulbigen in ©egenroart aller Stüber
not bem ^tior oetflagen. Doch butfte bet Äläget nie ben
^ngeflagten anteben. @r butfte immer nur non ihm fpredhen,
in bet britten $etfon. 3Burbe bet ^jlngeflagte nach tafchet
Unterfuchung fchulbig befunben, fo befam er feine in ben Statuten
feftgeftellte , obet nach bem ©rmeffen be8 ^viotS feft3ufteflenbe
©träfe. 6t mu§te 3. S. Sufepf atmen hetfagen, einige Stage
faften, in bet SWitte be8 ©peifefaal8 auf bem Soben fi^en, auf
einem nacften Difchlem befam er fchlechtete ©peifen, mufete not
bet Sthüt bet Kapelle unb be8 6onocnt8 liegen, mährenb bie
Stüber an il)m norübergingen. Süt bie fchmerften Sergehen
mat ber Äat3er oetorbnet; bie @ei§elung, au^ für geringe ‘ ^). 3Bie
biefe bei ben Sluguftinern ooHgogen mürbe fteht in meinem Sü^»
lein nicht gefchtieben. SSahtfcheinlich gefchah e8 in einet feht
mürbeoollen unb frommen SBeife, ungefähr fo mie bet in biefcn
Dingen faum übertroffene .kennet Ducange e8 oon einem anbern
Drben beifpielSmeife berietet: „SBenn Semanb bie ©eifeelung,
bie Disciplins, befommen foO, fo tnie et niebet unb entfleibe
in befcheibenet anftänbiget SBeife, „modeste“, feinen Dbet»
fötpet bi8 an ben ©ürtel ; bann beuge et fich oormätt8. SBährenb
12
er gefc^Iagen totrb, foQ er entweber burc^aud fd^weigen, ober
nur fagen: „68 ift meine ©d^ulb. 3c^ werbe mi(^ beffetn.
Mea culpa. Ego me emendabo. “ ISucb foQ fein anberer
5)ruber, wenn ni(bt etwa einet ber 93orgefe$ten für ben ©ejücbtigten
eine gürbitle t^un wiH, irgenb etwn8 fagen, bi8 ber ^riot
erflart, ba§ bie (Strafe »oDgogen ift IDann fofl ber ^rior felbft
bem S3rubet bcift« fitb wi«ber anfieiben. 25iefet aber, wenn
er ongeflelbet unb wtebet aufgeftanben ift, foQ unbeweglitb flehen
bleiben, bi8 ber^riot fagt: „@el)e, fe^e bi(b! Ito sessum.“
JDonn »etbeuge ficb ber Öruber unb gebe wieOer an feinen
—
@ewi& waren folcbe Seftrafungen unb bie ihnen »oran»
gebenben S3efenntniffe ober ülntlagen unb Uuterfucbungen, bie
intereffanteften ©teigniffe be8 ÄlofterlebenS. Sie b«lfen, uieU
lelcbt ?0iancbem „bie Schwere beS 2)afein8 ertragen, unb ba8
ermübenbe @letcbma§ bet Jage; fie bewegten fröufelnb ba8
ftocfenbe geben." $Denn wabrlicbf ein ftcrfenbeS, elenbeS,
wibematürlicbee, uumenfcblicbeS geben war c8, ba8 unfet gutbet
ber nach bem Seuflniffc feiner geinbe fowobl al8 feiner Serebter,
ein genauer ©eobaebter feinet OrbenSregel war, im ©rfurter
Älofter unb fpäter noch im SQMttenberger, führte, ba er nach
folcben Salbungen lebte unb wir fragen un8, wie b“t «
biefeSwangejaefe jerriffen, wie bat er ficb felbft unb Diele Jaufeube,
au8 biefem Äerfet befreit, mit anbern Söorten: wie ift bet
SQlöncb Uieformator geworben?
©lefe gro§e gtage, idb ma§e mit nicht an, fie Dollftänbig
unb mit Dotier Sicherheit beantworten 3U fönnen. aiielmebr
glaube ich t>a§ fie, wie alle gleichartigen gragen, eigentlich fen»
feltS ber ©rengen bc8 meuf^lichen @rfenntni§Dermögen6 liegt
SBie Don ber 91atur, fo fann unb mu§ man wohl auch Dom
?Kenfchen fagen, bafe „fein gefchaffenec ©cift in fein 3nnere8
(216)
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einbrinflt." 9liemanb fennt fid) felbft Dodftänbtg unb mit »ollet
©idjet^cit. 2Bie foll itgenb jemanb einen 3Rann mie ?utl>et,
einen je fomplijitten, fo tief angelegten, fo oft in einem bunfeln
3)rang fic^ bewegenben @eift ergrünben? Slifo ni^t fidlere unb
ben ®egenftanb etfdbövfenbe fRejultate, fonbetn nur mad-icb,
nach ti’blidjem »Jia^benfen. für roabrf(t)einlid> unb annät>emb
rid^tig bem ^efer mitt^eilen: Slnregungen gu
fernerem 9la^benfen.
Suerft erlaube id) mir ju bemerfen, bafe Butljer roeber bet
erfte nod) bet leftte 3Rön(b ift, bet ein 0flefotmatot geworben
ift 5Hotb weniger ift er ber erfte ober ber le^te in ber enblofen
Siei^e berer, bie oen geiftiger ©ebunben^eit ju geiftiger greiljeit
gelangt finb. Unter ben iHeformatoren ber norreformatorifeben
Seit nennt bie JReligionÖgefcbidjte meutere 3[R5nd)e, unter Slnbetn
©ottfcbalf, Slbälatb, Jaulet, ©anonatola. (Sinige ber fDiitarbeiter
gut^erS waten SRonebe: fo ^)einricb uon Sütp^en, fo_ Lambert
non Snignen, unb neeb manche Ülnbere, weniger befannte. IHuf
einem bet Äircbe benad^barten ©ebiete fönnte man ^ier an
flRänner benfen wie fRabelaig, Slcltaire, ©rnft SRenan. Slu<^
fie finb gewifferma^en mönd)if(b .erlogen worben unb in i^rer
SBeife ^aben fie eine reformatorifebe, jebenfallö eine antüatbolifcbe,
antimonaftif(be entwirfelt. Ueberbanpt ift eö eine
niibtS weniger ald feltene ©rfebeinung, ba^ Männer, bie in ihrer
Sugenb ein jebwered, btücfenbeg Soeb getragen haben, baä 3o(b
ft>äter abwetfen, unb ju einer manchmal übermäßigen unb fcbäb>
lieben, mancbmal auch fegenSreicben Freiheit gelangen. UeberaU
auf bem ©ebiet beö geifligen 8eben8 folgt ber ©ombreffiou be8
IDefpotiSmuS bie fRcaftion ber Freiheit.
äln ben fIRöneben, bie icb fo eben in ©rinnetung gebracht
habe, bemerfte man gwar ihr gebenlang bie beutlicben ©puren
ihres früheren fIRönchthumS; finb boch bie oon mir genannten
(ZIT)
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afle als !IRön(^e, in i^rer OrbenStra(!^t geftotben, auf il^Tetn
Sette ober auf bem ©cbeiter^aufen. Su^ geigen bte 9)ienf^en,
bie aus ben ®(^ranfen einet fnccbtifcben IStgte^ung gut ^eii^eit
butd)btingen, meiftenS in itgenb einet SBeife bie 9la(^n)itfungen
ibtet anfänglichen Unfteibeit, wate eb auch nut butch ihte übet«
fponnte greiheitflliebe. 6twaö ähnliches abet muffen mit, wenn
wit getecht fein unb bet ÜBahtheit bie @hce geben wcDen, auch
in bet @ntwicflung unfetS herrlichen i^uthetS anetfennen. IDenn
auch et hat, mitten in feinet refotmatotifchen Laufbahn manchen
©chtitt gethan, non bem mir befennen muffen: er war eines
fUlöncheS mütbiget als eines OieformatotS. 2)ie wüthenbe Schrift
gegen bie auftühterii^en, unb fchon mehr alS halb befiegten
Säuern, hat nicht bet Steformator 8uthet, foubetn bet üJlönch
Sliartin gef^rieben, nach beffen DtbenSregel eS feine gtöhete
Sünbe gab, alS Ungehotfam gegen bie gerechte ober ungerechte
Dbtigfeit. IDaS Siecht bet Siothweht auch g^scn einen Iriege«
rifchen Slngtiff hat nicht bet {Reformator, fonbetn bet SRönch
geläugnet. Sarlftabt gegenüber mar eS bet SRönch {Diartin,
nicht guthet bet {Reformator, bet ba behauptete, bafe (ShtiftuS,
wenn er am SbenbmahlStifche fagte: „Siehmet, effet baS Srot . . .
{Rehmet hinbenÄelch, trinfet aHebatauS“— fehrmohlmeinenfonnte,
wit foQen mit ben Sippen blo§, ni^t mit ben ^änben, baS ,^eilig«
thum anrühten. IDem weinenben Btningli hat nicht bet Sieformatot
Suthet, fonbetn bet SRönch {Diatlin bie Stubethanb »etmeigett.
3?enn nur bet flRönch, nicht ber {Reformator, fonnte fleh beS
leibhaften ©enuffeS beS SeibeS ©hrifti nicht entwöhnen, unb
muhte bie Sernunft alS beS Teufels Staut befchimpfen. 3)ie
giemlich gahlreichen Schriften, bie Suther gegen jebeS Sinfen»
bringenbe ©elbgefchäft, als gegen einen bem ©hriften eigentlich
unerlaubten „SSucher" gefchtieben, hat et nicht alS {Reformator,
fonbern als 9Rön^, als treuer Bögling bet mittelalterlichen Äirche
(J18)
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gtf(^iieben * »). 9lu(^ bte beflagcnSwert^en a«u§erungen 8nt^er8
über 9ey^Ie(^tli(^e SJerljöltntfff, f!nb, genau beferen, 9io^»
ttitfungen feiner flöpetlid^en (ärjte^ung. 35enn im Älofler ^atte
er gelernt bie natürlii^en SSer^ältniffe beS e^elic^en SebenS
ald S(^mu$ unb ©ünbe anfeijen. Slber au(^ ©t^öned unb
@ble8 ^at Butter aue feinem Jtloftcr in’S Seben mitgenommen
»ert^noDe Talente, bie er in bet ©tiDe fi^ gefammelt ^atte.
3d) erinnere nur an feine gto|e ©enugfamfeit, an feinen eifetnen
Slei^ itn ©tubiren, an feine bid gut teilten äebenSftunbe fort«
gefegten ®ebetSgen>o^n^eiten. SBa^rlic^, im Steformator ift bet
fDtön^ nic^t nemid^tet, fonbern nur befreit unb nerflärt worben.
S)ieö wollen wir feinen übermäßigen 93ereßrern, fowoßl ald feinen
freeßen @)egem gegenüber, je nad) Gelegenheit getro^ behaupten,
ober bereitflwillig gugebeu*®).
' Slnbererfeitfl aber bütfen wir gu unferet reinen greube bei
einet genauem Betrachtung beS ÜRöncheS Buther un§ fagen, baß
in ihm feßon gar mancheö gu finben ift non bem Beften unb
SBerthnollften , wag wir in bem Oteformator bewunbern. 91S
Buther, um feiner ©eligteit willen auf baö Biebße nergichtete,
wafl ein Süngling feinet ärt beßßen fonnte, auf feine .^Öffnungen
nnb Sufunftbträume, um fleh in einem Bettler«^lofter gleid^fam
lebenbig gu begraben, bethätigte er bie religiöfe Begeiferung,
bie nöQige ©elbfthingabe beS fpäteren 9teformatord. SUS er
feinem, ihm felbft Idftigen Gelübbe, troß ben Slbmahnungen
feinet gteunbe, troß bem 3otne feineß Baterß, troß bem Bächeln
unb ©pötteln ber Gebilbeten, troß feiner, eigenen fteue, un>
erfchütterlid) treu blieb, alß er, bet ÜJtagiftcr, mit feinem Bettelfacf
in Grfurtß ©troßen hwu^iflinfl» i«» Älofter bie uufauberften
fRäume fdjeuerte, ba bethätigte et bie Beharrlichfeit, bie SBitlenß»
fraft unb ^füchttreue, bie er auf bem SBege nach SBotmß unb
not bem SBormfer fReicßßtage in ben aUbefannten alle Seitalter
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burc^flingcnben SSoTten au0f|)Tad). @cbon in jeinem ^(oftet
tt>at et, »ie fpäter al0 Steformntor not feinen ©egnern, „in
feinem ®e»iffen gebunben, fanb e8 nid?t geratljen, et»a8 »ibet
baS ©eroiffen ju t^un." ©(^on im jflofter fpti(!^t et: „{)iet
bin id); id^ fann ni(^f anberS. @ott Ijelfe mir!"
Unb @ott half ibm auc^. Bunäcbft unb jumeift rnobl
babutcb, bafe er ibn bie bitterften ©nttduicbungen erleben liefe,
„©otteß unb ber Stüber Sarmbergigfeit* featte er im Älofter
gei'ucfet. @t fanb aber mebet jene, nod) bieje. ©otteß Sarmfeetgig«
feit, »ie batte er fie finben fönnen in Hebungen unb ©ntfagungen,
bie tt>efentli(b au0 bet Sorftetlung bei^t^crflesangen finb, bafe
©ott bem ÜKenfdjen gürnt, bafe ©ott baö natütli(b*menf(bli(be
Seben mit jdbaerer SDlifegunft aniebe? SBic batte er 9iube finben
fönnen, er, bet ernfte ?Kenf(b, mit feinen tiefliegenben unb tief
blitfenben Slugen, in Hebungen, con benen er nur aOgubeutlidb
fühlte, bafe fic auch in ifeten beften Seftanbtbeilen eine butefe
SDteffut angeeignete 2atBe roaten? SBie fonnte et Sefriebigung
finben für feine nad) ©ott bürftenbe ©eele, wenn et gefen 3Ral
beß 5£ageß auß feinem Sreciet lange ©ebete betfagte unb b^rfang,
fo bafe et manchmal, mie er felbft eß gefleht, niefet mefet roufete,
ob er am ISnfang, in ber URitte ober am ©nbe eineß ©ebeteß
war? SSie fonnte et glauben, bafe ©ott an folcbem Stobnbienfte
SBoblgefaUen habe? JDuteb bie eigne ©rfafetung unb butdb bie
unoermeiblicbe Seobaebtung feiner Äloftctbrüber , but<b baß
'Probiten, baß überall mehr »irft alß baß ©tubiren, lernte et
bie SSerfebrtbeit unb Scrberblichfeit beß 5Möncbtbumß fennen,
unb mürbe fo mit ben Söaffen außgerüftet, bie et f^jäter mit
unmiberfteblicber Äraft gegen bie flofterlicbeu |>eiligfeitßibeale ge*
brauchte, ©otteß Satm bergigfeit fanb et im Älofter nicht, roobl
aber fanb et bie flare ©rfenntnife, bafe fie im Äloftcr nicht gu
finben fei.
CS20)
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Utib aü6) ber Stüber Sarm^etgiglett fanb er nici^t im
Jtlcfter. „Sackam per Nackum!“ Jagten fie fajt tägli(^ ju
i^m, in tijtem abfc^eulic^en, nur für IDeutf^e cerftünblicben
Latein. „?Ri(^t mit ©tubiren, fonbetn mit Settein, mirb bafl
Äloftergut gemehrt!" SBenn et am Sbenb einefl f^afttageä, bei
ber @oQation armfelig bafa^, unb ju feinem ^önnc^en Siet eine
©emmel a§, fragen mandje oon feinen lifc^genoffen nidjt weniger
al8 fünf ©emmeln, aui^ nodj ein .jpäufcben ^feffernüffe baju,
unb tranfen ibre ^wei ^änndb^n Siet, vietlei^t au^ no^ gum
@(blu§ ein Jtänndben SBein. SBäbrenb et im (Sonoent unb im
©peifefaal manchmal bemüt^ig aufftanb unb feine Serftö^e
gegen bie Orbenfiregel befannte, ftanben ünbere ^ang getroft
auf unb beichteten bie ©ünben ihrer Stüber. SBenn bann bie
^ngeflagten auf bem Soben fi^en mußten, ober bie fRuthe
belamen, fonnten bie btübetlichen Ülnfläget oft laum ihre fülle
greube rerbergen. Sei folchen Stübern fanb et bie Sarmbergig»
feit nicht, bie er im ^lofter gejucht b^üe. Unb auch in bet
heiligen ©tabt, in weichet, nach feinem butch feine gef chichtlicbeÄritif
noch erfchütterten ©lauben, gange Legionen oon SJlärthrcm
ruhten, auch in 9iom, ald er in iflngetegenbeiten feinet Orbend
unb gur (SrfüDung eined frommen @)elübbed, borthin pilgerte,
fanb er, tro$ aQ’ feiner naioen ©Idubigfeit, bei feinen bortigen
flöfterlidjen ©aftfreunben bie längft oermi^ten Stüber nicht, bie
fein ,^)erg fuchte. SBie mu| ihm hoch gu SRuthe gewefen fein,
wenn er ben ÜJleffen beiwohnte, bie fie, wie er fpäter ergählte,
,im ,^)ui fchmiebeten", ober wenn et felbft bie fUleffe, nach
@efübl unaudftehlich langfam lad, unb fie ihm ihr „Passa,
passa!“ guriefen, unb ihn aufforberten, bodb tafcher „ber hül.
Sungfrau ihren lieben ©obn gurüdgufchiden ", ober wenn fie
ihm bei Sifch ergdhlten, wie bet heil. Sater, nadh bem ©iege oon
^ang 1., bem lieben {>etrgott geflucht h^be, weil et frangöfifch
XIX. 4M. 2 (3il)
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18
geworben fei." 9lein, aud^ btefe waren nid^t bie
^eftnnungdgenoffen, na^ beten ©emeinfc^aft feine @eele bürfteie.
S)o^ nt(^t aQe 9)ienfd^en, bie et alS 9)i5n(^ fennen lernte,
waren oon biefer 8laffe. ©d^on im @rfurter Älofter, unb nod^
me^t in SBittenberg, aiS et im Sa^te 1508 but(^ ©taupi^en’ö
SJermittlung al8 |)rofeffor bort^in »erfe^t würbe, fanb et
SRenfd^en, bie it^m in flöfterlid^er ober in weltlicher Botm ^atm>
herjigfeit etwiefen, unb ihm gum @enuffe bet göttlichen 33arm>
herjigfeit »ethalfen. Unter biefen ^)elfern unb 6r3iehern 8uther8
möchte ich Steihe biejenigen nennen, bie, fo ju fagen,
abwefenb unb in un)>etfönlicher (äeftalt ihm nahe waren; juerft
feinen Soter. 3»« Sahre lang jürnte ihm biefer tüchtige,
eines folchen ©ohneö wütbige ffiater, wegen feineö (äintrittS in’S
jülofter. 9118 ihm jwei ©öhne an ber |)eft ftarben, unb man
ihm fagte, ba§ auch f^in ^tartin im J^lofter erfranft fei, unb
nach IBetföhnung oetlange, blieb er in feinem Born unerfchütterlich.
@rft al8 guther im Sahte 1507 jum ^rieftet geweiht würbe,
fam bet ehrwütbige j£>an8 oon OKanSfelb het nach @rfurt, mit
gwanjig berittenen Steunben unb 9tachbam, unb brachte feinem
©ohne ein @efchenf non gwangig @ulben mit. 9lber auch an
biefem Slage bet 93etföhnung lieh oc noch feinen gebäm;?ften
@Toll aufflacletn. „3Ber weih, fagte et am Sifche, ob biefe
@efi(hte, non benen mein 9)tartin fagt, bah @ott fie ihm gefanbt
habe, um ihn in’8 jtlofter gu treiben, nicht nom Teufel waren?
@ott jebenfallS — ba8 fotltet 3hr geiftlichen ,penen am beften
wiffen — ©Ott hat ihm unb un8 allen gefagt: „SSater unb
ajiutter foUft bu ehren" — alfo auch beinern SSater nicht un»
gehotfamfein!“ Diefer SSaterumfdhwebte— baShatberSieformatot
fpdter manchmal gefagt — anfeheiuenb wie ein Sletfuchenber,
in ber ^hat aber al8 ein erleudhtenber ©eift feinen atmen nach
Sicht unb ^eiheit fdhmachtenben ©ohn. Unb auch anbte OJtänner
(222)
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19
unb bie unfet 8ut^er in ÜRanSfelb, in 6iiena4, in bet
Stabt (ätfurt, einet ber fteieften unb aufgeflärteften Stabte
S)eut{(blanbä , ^atte fennen unb fc^ä^en lernen, waten i^m
geiftig na^e unb erinnerten i^n in i^rer i'tummen unb gewaltigen
St>ra(^e, ba§ @otte0 Sarmbergigfeit aufeerbalb bcffer al8 inner»
halb be0 jtlofterS ibr Ei^t leuchten la[fe unb ihre erquicfenbe
Söärme »erbreite. So mag — um nur ein23ei|piel gu etwäbnen,
ba0 SBort, ba0 einft {eine eble Sobltbäterin $rau 6otta »om
unfebähbaren Sßertbe feufeber $rauenliebe gu ibm, al0 er
noch (Surrentfcbüler war, mit beiterem ßrnft gefproeben b^*tte,
wie ein btH« Stern in bunflet Ulacbt in feinem bumpfen
Dormitorium ibm manchmal wie gut greibeit gewinft haben.
9lu^ in ben Büchern, bie er in feiner Belle unb in ber
Sibliotbef beö Älofterö, fpäter in gröberer Slngabl gu SBittenberg,
gu lefen befam, fanb er IDienfcben, bie gewaltig unb tief auf
ihn einwirften. Sorgüglicb la8 er aQerbingS, aufeer feinem Sreoier,
fcbolaftifcbe Schriften, aber auch in biefen fanb er gar manches,
was ihm Anregung, Äraft unb Stoff gab gu feinem fpäteren
reformatorifchen Söirten. Dccam, >J)eter oon Ülillp, 9iicolau3
unb Epra woreu butch ihre Schriften feine Eehrer. ^at man
boch non Echterem, wenn auch nrü mih^äer Uebertreibung , fo
bo^ nicht ohne ©runb gefagt, bab wenn „er nicht geleiert,
Eutber niiht gelangt hätte. Si Lyra non lyrasset,
Lutherus non saltasset“. Schon im drfurtcr Älofter fanb
et üon ungefähr einige Schriften ^)uffen’0, beS gu @ottc8 @bte
»erbrannten, unb bem SKönch Eutber no^ nerbabten ÄeherS. @t
nafchte barin, unb fanb, ftaunenb, bab biefer Sliann boch
manches chriftliche gelehrt batte. ^Mt tSuguftin befchaftigte er
fich febon in (Erfurt, wal)rfcheinlich auch auber ben DJiablgeiten,
jebenfallö febr eiugebcnb, feit feinem tämtSantritt in SBittenberg.
Siefer alS jebeS anbete 33uch wirttc auf ihn, in (Srfurt fchon
2» (*23)
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20
nnb no^ tne^r fpäter, bie 93tbel, unb {n ber S3iBel bte Sammlung
bet ^auHnifcBen ©riefe, am aQermciften bet ©tief an bie 0l6met
unb bet ©aloterbrief. 35a fanb ev bie ?e^te, ba§ @otte0 ©nabe,
eben »eil fie ©nabe ifi, eine ©abe fei, unb nidbt cerbient werben
brauche, no^ fönne, fonbern butd) ben ©lauben allein ergriffen
werben muffe. „35et SWenfd) wirb gerechtfertigt bnrch ben
©lauben, nicht burch bie SBerfe. SBer burch SBerfe, burch baä
©efe^, gerecht werben wiQ, ber ift oerfiucht, con ©briftuö ab»
gefallen.“ Solche ©Jorte fanb üuther in feiner ©ibel, unb fie
leu^teten tief in feine Seele hinein. Sie öffneten ihm, wie et
alletbingö an ber Schwelle feiner reformatorifchen ^'eriobe fagt,
„gan3 weit bie ^atabiefeö" unb ffihrien ihn ju
©otted ©nabenthron. Ueberhaupt fanb Suther in feiner ©ibel,
wie neulich einer meinet liebften gehret, ber geiftcoDe, in feinem
©reifenalter ungebrochene unb anfdheinenb jugenblicheStrahburger
^tofeffor ©buatb IReuh in einet afabcmifchen geftrebe fagte,
,von allem waS feine £)tbenSregel oorfchrieb nichts, wohl aber
baS, »aS er fuchte, ben 5Beg bc8 .^eilS unb ber Freiheit"**)-
©ber nicht bloh in abwefenben, burch fRaum unb 3®it con
ihm getrennten, auch in periönlich gegenwärtigen SRenfdhen fanb
guther, fchon in ©rfurt, unb noch mehr in SBitteuberg, heilfnme
antriebc unb görberung. 3ch erinnere nur an ben alten füRönöhi
ber ihm ben im apoftolifchen ©laubenöbefenntnil, im Credo, ent»
haltenen Sa^ con bet ©ergebung bet Sünben in liebecoller
SBeife als ein göttlid^eS ©ebot an’S .^er^ legte, ^auptfächlich
aber »irfte auf ihn, währenb feinet ©rfurter^eriobe, ber ©eneral»
©icat ber beutf^en 3luguftiner, Dr. Staupi^. 35iefet flWann,
bet leibet bie unS je^t genugfam befannte DrbenSregel beftätigt
unb h®wnSgegeben hnt. ber als ©enebiftiner=*Jbt ju Salzburg
geftorben ift, fdjeu cor gutherS Kühnheit unb hoch in tiefer
giebe mit ihm oeibunben, er war, trcf( aClet feiner fWängel ein
(SM)
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aud^ auf bem !@oben ber weiten Seit, au<^ an fürftUd|en
^öfen ftd^ frei unb ficket bewegenber 3Rann, Ilug, gewanbt,
ttiQendftart, unb tuenn aud^ au8 (briftlicbcr Siebe unb natürli^r
<BäfXßää)e ein ^ecbt alter, feine Stellung bebrücfenber ©a^ungen,
bodb ein innerlich freiet unb frommer Sb^iftenmenfcb- @r mürbe,
für Sutber, beinahe barf man fo fagen: ein geiftlicber SSater. @t
oerfrbaffte bem atmen in groben unmürbigen ISrbeiten feine 3rit
»erbtaucbenben 9Köncb ein grö&erefl 5Ka§ oon greibeit, ein etmaJ
menftblidjereS Seben. @t oertraute ibm fcbon in @rfurt, unb
noch mehr fpäter, ebrenooQe ‘Remter an; lie§ ibn an feinet
@tatt bie ^löfter ©ad^fend infpiciren. @r tröftete ibn in feinen
Ülnfecbtungen, — bie er felbft oieQei<bt mehr auf bemSege frommer
Seftüre unb tbeologifcber S3etracbtung, aU bur^ eigne @rfabrung
lannte, aber bocb einigermaßen oerftanb. Sld Sutber ibm feine @ünb>
baftigfeit flagte, oerjmeifelt ißm fcfarieb: „SD, meine ©ünbe, meine
©ünbe, meine ©ünbe!" antmortete et ibm, bie ©ünben, bie ibn
quälten, feien gar „feine recbtfcbaffenen Sünben, fonbern .Rumpel«
merf unb ^uppenfünben.“ ßb^^iftuö ober f«i ein mabrer dtlofet»
ein ßrlöfet ber mitflicben ©ünbet. 3n ibm foDe er ©ottefi
Sarmber^igfeit ergreifen, unb ficb baran genügen (affen.
einft Sutber an einem Brebnleicbnametage, bei einer ^togeffion,
in ber fRäb« beS @eneral=33icar8 , feineä oerebrten greunbeS,
einbetging, unb biefen bad', heilige ©aframent tragen fab
erfcbraf er beim ^^nblicf be8 unficbtbar gegenmärtigen @beiftud
fo febt, baß feine ©tirne fi^ mit Slngftfcbn'eiß bebedte. ©alb
barauf beichtete er .©taupi^en felbft biefe qualooOe (Srfabtung:
„92i(ht not SbeiftuS b^fi bidb gefürchtet, fprach gu ihm ber
milbe oernünftige SRann, fonbern cot einem Sabnbilbe. 3)enn
©briftuö erfchredtet 9liemanben. ©ott grollet bir nicht. $Du
groUeft ihm. ©ei bu mit ihm »erföbnet, fo ift et’0 mit bir.* —
IDo^ baS mirffamfte maS Dr. ©taupi^ für Sutber unb burch
(JS5)
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für bie Sßell t^at, war wo^l, ba§ er feine 93erfe^ung na(^
Sßittenberg, feine Serufung jum ißrcfeffor an ber bcrtigen
Unicerfttät beim Äurfürften erwirfte. 2)ort, an biefer jungen
llnicerfität, fanb ?utljcr mehrere tüchtige ftrebfame, an Äenntniffen
t^m iiberiegene ?9]änner, bie feine Stubiengefä^rten, feine SJlit»
arbeiter unb greunbe wnrben, unter onbern Gorlftabt, Slmöborf,
Scnafl, 2i5ence8lau8 ?incf, ^oilidb, balb au(^ ÜJieifter ^^ilipt>
fKeland^t^on. fDa fab er ficb non einer »on Sa^r gu 3<Jbe
wad)fenben @<baar mutbigcr, jugenblicb ftrebenber unb Ijcffenber
©tubenten umgeben, con i^rer ?iebe, uon ihrer Segcifterung
getragen unb getrieben**). JDa würbe er, wenn er au^ guerft
etwa8 fd^eu unb mi|trauifib i^t gegenüber ftanb, uen ber bama(8
gang Deutftbianb, ja bie gange gebilbete Sßelt fo gewoltig
bewegenben unb erregcnben Oieformaticn ergriffen**). 9llle8
brängte 8idbt, na^ meljr 8icbt, nad) Freiheit, nad)
einem neuen geben auf allen gebenBgebieten. @inmal fort»
geriffen, würbe er balb ein ®elbft feine ©egner, tlieilS
bureb ihre 2)umml)eit unb ihre fWifegriffe, wie 2e^el, (lajetan
unb 6mfer; tbeilS bureb ihre ©elebrfamfeit unb gogif, wie
Dr. @df bei ber ?eipgiger !Di8putation, tbeilS bureb bie
glängenbe ©tedung, bie fie einnabmen, wie ber @eorg, wie
ber beutfebe Äaifer unb ber lEbnig oon (änglanb, trugen fel)r »iel
bei gu feiner »cQigen ^Befreiung, ©ie »erbalfen ibm gum flaren
SSerftänbnib, unb gu einer fonfequenteren fDurebfübrung feiner
©ebanfen, gum fBoHbeH^ feiner Äraft. 3m Äamufe gegen fie
würbe er bet bernorragenbfte ?fübret aller reformatorifeb ©efinnten.
3)ab er, bet bc^, genau befeben, nur einer war unter »ielen, bet
erfte unter allen würbe, ba8 oerbnnft er, nicht feiner ©elebrfam«
leit, obwohl et auf bem ©ebiet ber fcbolaftifcben unb ber
biblifeben Äenntniffe befafe unb erwarb, auch
nicht bem befonbet8 großen SJlabe feiner Slufflörung. Dieudjlin
(136)
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23
unb OJlelan^t^on waren wobl gelehrter als er. ©raSrnuÖ war
aufgeflärter. Slbcr ade anberen Oieformatoren, bte neben i^m
arbeiteten, überragte et bur^ bie ©ctteöfraft feiner in bet
@tiBe unb in bet beö ÄlofterS erwac^fcnen f^tömmig*
leit. 6r war ein ?Kann be0 ©ebetefl, wie gewi§ nur SBenige
eö jemals gewefen fiub. ©eine Äloftergebete waren aHetbingS
ni(^t immer wa^te .^jcrjeuSgebete. 93iel ^Haupern Ijat fic^
batein gemif(^t. Slber fo wie fie waten, waren fte für i^n, bet
beten woQte, gleidjfam bie .jpimmeisleitcr geworben, auf welcher
er im bunfeln 3)rang feinet ©eele ©otteS ^eilige Söofjnung
erflomm, auf beren ©tjrcffen ©ctteS @ngel ju ibm ^erabftiegcn.
Äortwä^venb fud^te et feine Äraft in ©ott, im llnenblit^en,
ailmä^tigen. ©ott war feine fefte 93utg, wo^in er immer
flüchtete, feine gute SBeljr unb SBaffe. 33iefe ©ewohnheit unb
Jntenfität beS ©ebets, fie ift bie j£>auptquelle ber reformatorifchen
Äraft unfereS SutherS, boS ©eheimnife feinet ©rohe. 35ie
SBcrte, bie er in bie SBelt bineinrebete, ober in f^lammenjcbrift
burd) bie SBelt fliegen Iie|, et hatte fie betenb ju ©ott gefptocben,
ehe er fie ju ben ÜJlenfthen fprach- Sflor ©ott hatte et gejürnt,
geweint, geftrebt, geliebt unb gehabt. SlQeS, waS et ben Leuten
in’S Jperj hinein reben wollte, baS hatte et guoot fich felbft
unter ©otteS Säugen gu .^ergen genommen. IDeShalb ging eS
au^ Säüen fo gewaltig gu ^jergen, unb id) glaube nicht gu inen,
wenn ich behaupte, bafe feine auch uon einem Söoffuet bewunberte,
IBöIfet hinteifeenbe SBerebtfamfeit **), gerabe in ber ©tiHe beS
ÄlofterS, in ber Verborgenheit feinet Seile, in ihm gu ihrer
Bollen Äraft fich entwicfclt hat. JDiefe Verebtfamfeit würbe bie
|)auptwaffe beS ^Reformators, ©r führte fie aber mit einer,
tro0 adern gegentheiligen ©chein, wunbetbaren, genialen ^lug«
heit, „©ewaltig unb mafeood war fein SBide,“ wie ?cteptag
fehr f^ön unb richtig fagt. ®uch wenn et noch fo tcdfühn, unb
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felbft feinen ^eunben nod^ fo berwegen erf(!^ien, war et bo(^,
o^ne fing fein j^u tnoQen, ja bie j^lug^eit »etac^tenb, munbetbar
fing. fDetra faft immer ttaf et baS Süchtige; fanb 3ur rechten
Seit bad teerte SBott, unb bie mitfitcb opportune Z\)at. SMefe
geniale von Segeifterung unb Seibenfebaft getragene unb bureb*
bmngene Klugheit aber, fte ift, mie idb glaube, mefentU^ eine
gru<bt feines ©ebetSlebenS. 2Bie bet gro§e {Reformator bet
antifen unfer Sutber ein, — auf fd^einbat
gang anbetm, unb oiellei^t bo^ gleicbartigem SBege enungeneS
SDSmonion in fi(b: ein Oratel, baS ibn lehrte, maS et tbuu'
»aS er laffen foHte, baS ibn trieb unb gurürfbielt, fräftiger unb
fi(beter als bet rubige, baS ^üt unb Sßibet überlegenbe SSerftanb
eS t^un fann. 3BaS er tbat, baS b^t auch er „getoägt unb
bann gemagt": im ®ebete gemägt, im Glauben gemagt.
@0 erfebeint mir uufer Sutber, je länger icb ib° anf^aue,
befto beutli^er, bem großen oon bet allteftamentlicben @age unb
lDi(btung oerberrlicbten Propheten @liaS äbnlicb, oon bem ber
gute 3afobuS in feiner golbeneu, nicht ,ftrobernen“ (äpiftel
gefagt bot: „@liaS mar ein fDienfcb gleich >oie wir, aber et
betete ein ®ebet, unb ber brei 3ob^c unb feebS SRonate oer«
fcbloffene .^immel öffnete ficb unb gab feinen {Regen unb bie
6tbe gab ihre ^uebt." SBie biefet @liaS, fo b®t uufer Sutber,
bet unftreitig ein {IRenfeb mar, ein bloßer {Dienfcb, in manchen
Srrtbümern befangen, unb oon manchen ©ünben befledt, betenb
ben ©tanbpunit gefunben, ben ein gro§er üRatbematifer beS
ISltettbumS abnungSooU unb oergeblicb fuebte: ben ©tanbpunlt,
mo er unbemegli^ fteben fönnte, unb oon bem auS er bie @rbe
bewegen woOte. IDiefen @tanbpunlt bot 8utber in bet geiftigen
9Belt, in @ott, witflicb gefunben. IDeSbolb hoben wir auch aQe
freubigen ^)cr3enS, mit {JRillionen unferet ©laubenSgenoffen
feinen oierbunbertjäbrigen ©eburtStag gefeiert: eine fepöne, wenn
C»8)
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ou^ fe^t geringe QJorfeier, befl »iel größeren lagefl, an welkem
baS Steid^, non bem er in feinem i)enlic^[ten Siebe gefangen
l>at, ben @tben feineö ©eifteö, ben f^ortfe^ern feines ©ebeteS,
alfo ibm, ber in i^nen fortlebt unb fortmirft, jufaden wirb.
:Anmerhnngett.
1) Seine Älofterjeit bereebnete Sutbet gerne auf „wenigftenS fünf»
jebn Sabre". Sllfo betrachtete er feinen (Eintritt in’8 Älofter im
Suli 1505 al« ben Slnfang, unb feine (Sntfübrung auf bie ffiartburg
im ÜJlai 1521 al8 ba8 (Snbe biefer Seit- ®eil er aber erft bureb feine
SJerbeiratbung im Suni 1525 non feinen ©tliibben fitb »oflftänbig lo8*
machte, fann man mit einigem ©runbe fagen, bag er menigften8 jmanjig
Sabre 9)löncb geblieben ift.
2) „91icbt8 febeint bunfler ju fein faft in Sutbcr'8 ganjem geben,
al8 feine ißerbältniffe, 3uftänbe unb Gntwicfelung im (Srfurter Älofter".
©0 fogt Sürgen8, iöanb I. ©eite 558.
4>err 'Profeffor (5arl ^>afe, ber berübmte JUtmeifter ber Äircben»
gefebiebte, ben icb bat, mir ein 4?ucb angeben ju ujollen, in njelcbem icb
ein anfcbaulicbeS 2Mlb non gutberfi .ftlpfterlcben finben fönnte, antoortete
mir in einem mcblmotlenbcn SBriefe §olgenbe8: . .. „3* bcflage, nicbt8
genaueres auf Sb« Srage antmorten gu fennen, aber Sie werben e8
auch anberwärtS fcbwerlicb finben 2)a8 SluSfübrlicbfte noch im I. 6ap.
non jJoeftlin’8 Sliartin gutber, 1875. @8 ift boeb aud) ba8 nur ,2tu8»
fubrung be8 Sefannten".
4>err ©infler, Pfarrer in (Srfurt, bem icb mehrere, ba8 bortige
Stuguftiner.ÄIofler betreffenbe fragen brieflich norlegte, wonon er mir
einige beantwortete, fcbliegt feine febr freunblicbe Stntwort mit folgenben
IBorten: „gutberS Slufentball im birRgf» Älofter ift leibet eine giemlicbe
Terra incognita. SBie bie tßerbältniffe liegen, wirb e8 wohl ?oum
(JKV)
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möglich fein, fcarüber flarereS ?i(bt ju »erbrciten. 6« fehlen eben gSnjlicb
fpejietie Slufjeitbnungen". — ®d troftIcS biefe Slu«fprü(be »oren, lie§
i(^ mi(b bod) ni(^t enhnutbigen.
3) ie Slnguftiner (Eremiten enfflanben in bet 3Ritte be« XIII. 3a^t*
bunbertfl aua nerfcbiebcnen @inftebler»@efell)d)aften, bie unter bie angeblich
9luguftinifd;e Siegel getl^an tturben. ®er £5rben foll au8 faft 2000 Ä(6flem
mit me^r al8 30 000 SJJcncben, unb me^r al8 300 Slonnenflßftern be-
ftanben ^aben . . . £Eer Orben genc§ teS beften SiiifeS . . . Sine
innigere (briftlid)c ©eftnnung fanb ficb bei ihnen; mehr al8 bie meiften
anberen Drben lebten fte ber füllen Söetraditung, bem ©efcböft bcr eigenen
Heiligung unb ben Stiibien*. 3ütgen8, I, 559 — 560. 33gl. oud»
.fjelpet. S3b. III., 0eite 8 ber beutfthen Ueberfehung. 2)a erfahren mir,
ba§ bie 3>eteinigung bcr ermähnten Sinrifbler-Sefeflfcbaften bur^ ein
IDecret bc8 ^apfte8 Snnocen; IV. im Sab^r 1244 nngcortnet mürbe.
2)ur(h biefcS IDccret mürben bie Sinftebler, „bamit fie nidjt mie ©cbafe
ohne .f)irten feien" unter bie bem großen Äirdjenoatcr ?luguftinu8 ju*
gefchriebcne Siegel geftctlt.
4) SJiit bem Semcrfen, baß e8 .mahrfthcinlich ein Unicum" fei.
SBärc aber bann nidit ju münfchcn, baß baoon eine neue 31u8gabe Der»
anftoltct mürbe? Slur fo fönnte bcr SBeßß biefer midjtigcn Urfunbe ber
gefcbi(htlid’en SBiffenfchaft gefiebert bleiben.
5) ü)ic8 thaten .^err ©tabtbibliothefar Dr. Siub. Sieuß au8 ©traß*
bürg unb ^err Dr. Cfarl Siobenberg au8 23crlin. 3lud) <t)crr ^forret
Sßinficr au8 Srfurt gab mir über ba8 bortige 9luguftiner>.SIofter mit
großer ©efältigfeit einige nüßlidje Sioti;cn.
6) 9118 unbequeme 9lbrcoiaturen ermähne id) h'f'^ SeifpieI8roeife
frt's = fratrcis, liiiioi = hujtismodi, oin = oninia, coia = conimunia,
tpe = temporo. 93om cbfcuren Latein be8 33üd)Iein6 metben fid) in ben
folgenben Gitatcn einige groben ßnben. Ser 5itel ber Drbcn8regel
lautet: ^Constitutiones Fratrum Hereniitaniiii Sancti Augiistini
ad aposfolicoruraprivilegiorum fomiain proKeforniatioiie Alciiianie“.
Unb am ©(bluffe ber oon ©taupiß felbft gegebenen Dedicatio fteßen
bie SBorte: „Datum Nnrmberge Anno 1504. Vigilia Pcnthecostes“.
7) Sie grage, mie biefer Sntftbluß in Sutherd ©eift entftanben,
ift Bielleidjt noch febmerer jU beautmerten, al8 bie grage, beren Sofung
in biefen 93lättern »erfudjt mirb. 9Ba8 üuther felbft über feinen Sintritt
in’8 Älofter gelegentlid? geäußert h^t, läßt an Klarheit nnb 9lu8führli(b»
feit, aud) an Uebereinftimmung Biel ju münftben übrig, ©emiß führte
ihn religiofe 9(ngft, ©orge um feine ©eligfeit in’8 Älcfter. „3(b warb,
(2S0)
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27
fo i'agt ft in bet 3uf4>r'ft feinen l*atcr ju ber St^rift »on ben
Äloftergelübben, ja nicht gern unb willig ein Sölcncb, uiel weniger um
SKöftung be6 öautbe« willen, frnbern als ich “'•1 Sdjrecfen unb 5lngft
beS JobeS elenb umgeben, gelobte ich ein gezwungenes unb gebrungeneS
©elöbbe." 0ein ©elfibbe, fagt et in einem ©tiefe, „fei nicht cen .^'»erjen
unb willig gethan' (ITe 5B?ette II, 101). „®rfchterfliche ©efichte" trieben
ihn bo3U. ?lud) feil er geauficrt haben, ba§ er fein ©elübbe in ben
nachften Sagen bereute; bo§ „et felbft niefd fngen fenne, wie er baju
gefemmen fei, eS abjulegen" (SürgenS I, 53G). Söahrfcheinlich, wenn
auch ungenugenb bejeugt, ift bie ßrjählung, wonad? ber übetrafebenbe
2cb eines gteunbeS ihn an ben eigenen 2cb, an bie entfej}lichcn ©efahren
beS göttlichen Wericf'teS gemahnt, unb nngetrieben habe, auf bem »on
bet Äircbe emhfchlencn Sffiege feine Seligfeit ju fuchen. (Sin (iöemitler,
baS in ber fHäbe ren (Srfurt ihn überfiel, mag feine unficfiere Slngft in
einen öntfcbluf! oeriranbelt haben. !Toch liegen, bei einer aufmetffameren
©etraebtung beS Lebensweges, ben Luther geführt würbe, noch anbere
6tflärungen biefer ffianblung nahe. LJJan barf »ielleicht annehmen, bag
feine juriftifdjen Stubien unb bie SufunFtSpIäne, bie fein ©ater für iljn
hegte, ihm läftig waren, baß er im .(Ucfler, ohne ftch felbft alle feine
©eweggrünbe flat ju machen, aucl) bie äußere greiljeit unb baS ihm
felbft noch oerbergene ÜIrbeitSgebiet fudde, ju bem et berufen war. Unb
noch anberS läßt fich bie bfßd;clcgifche ©erbinbung beS ©löncbSlebenS
Luthers mit feinem fväteren refcrmatcrifchcn Leben unb 'Birfen auffaffen,
nämlich fc: Luther in ber ganjen '.'luSbehnung feines innerlichen BefenS,
wie eS fich in feinem Leben bargeftellt hat, war beibeS: ein frommet
SKönch unb ein SReformator. ®iefc beiben Seiten feines (JharafterS
mußten, feweit bie äußerlichen LebenSbebiiigungen eS geftatteten, jut
(Srfcheinnng femmen — unb ba ein fRüefgang beS SRefermaterS in'S
jblcfter nicht möglich noch benfbar ift, fo mußte ber SReforrnator, ehe
er jum [Reformator würbe, iSRönd; werben.
8) SBuf (förnnb einet angeblid; »on Luther felbft herrührenben ?luf-
jeichnung, »ermuthet Äceftlin, baß Luther auSnahmSweife, nach einer
fütjeren 'Probejeit, fd'on am ^nbe beS SahreS 1505 fein ®elübbe ab*
legte (©anb I, 61— G2).
9) jCorrigias quibus cucullae cirigantur de nigro coreo esse vo-
lumus, qujce et duorum digitoruni latitudiarm non escedant, nec
minus quoque digitum cmn medio habeanl“. üDaß bie Borte;
„nec minus“ 5C. ju »erflehen finb, alS h'cfee eö: unec minus ejuam
(!31)
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28
digitum uDum ac dimidium“ ift mit buc(^ ^errn Dr. Siobtnberg
(rflärt ttcrben.
10) S)ie Sefc^retbung biefec (S^Iam^ ift mir unb aud> mrinem
freunbli(^fn Reifet 4>etrn Siobenbftg ni(t)t ganj flat gemorbni: „Clamides
(sic) ante pectus ligatas absque ligatura serici et metalli infra loca
deferri licebit“. SBa^rfc^finlit^ foflcn bieft SCBorte bebeuten, bo§ b«
IDiantel eont übet bet IBruft gefc^loffm fein butfte, boc^ ni(f)t mit einem
feibenen Sanbe unb aucfi nic^t burc^ einen metaOenen ißerfc^Iu§, ba§ et
aber non bet ^üfte, eigentliif) mo^l eon bet Scheibe an, „infra loca“,
offen bleiben mu§te. 33gl. Ducange, sub voce Locus.
11) „Fratres in dormitorio super fiiscones . . . quiescant“.
Unb meiter unten: „Et sicut sanis ita infirmis lectisternia quae-
que curiosa inhibemus“. SBJabtftbeinlic^ ift baS in feinem für un8
erteidjbaren 2ejricon erflörte ffiort fiiscones eine latinifirte gorm beS
beutfcbcn obergliftb, unb bejeic^net bie Seenplatten, mit ueldpen
ber Söobeu be« iDormitoriumS gepflaftert mar. Sie uerbotenen Lectis-
ternia curiosa finb aber maerf^einlitf) Settftcllen. Sot^ fönnte
auch bad SSort lectisternia fteönere IBetttüteer ober iliffen, unb baS
3Bort fiiscones g(ie§e ober grobe äBoIltüieer, laueaniina bejei^>
neu. Sn le^terem gaH bürfte man fue baS Saget bet armen 5K3n^e etma«
menfeeenmütbiger ocrfleHen, unb annebmen, ba§ fte jmar ohne Seintüibet
unb anbere« feinere« Settjeug, auf biefen toben SBoHtü^em, botb in
irgenb melcben ©etlftellen, ftbliefen.
12) Unfere Siremer Stabtbibliotbef befibt in einem ftbenen Syem*
plar, bn« im Sabrt 1507 btrau*9*6tbene S3reoier bet Sölainjet Siocefe,
ju meicber ba« 6rfurter 2luguftiner*Älofter gebörte.
13) ®cbon im Sllten Seftament finbet in frommen ibreifen, in
ber nacbejcilifcben 3fiL biete Sitte, fteben füial jeben Sag ju beten.
(33ergl. ^f. 119, 164.) So(b mar biefe« fiebenmalige ©cbet mabt
fcbeinlicb nitbt fo mortreicb, mie e« in bet cbriftlicben Äircbe gemorben ift.
14) SBie gro§ mar Sutber« Seile? SBelcbe ©eftalt boHe fte?
Söelibe SJJöbel unb ©erütbe mären barin? SBar ibr genfter mit @Ia«»
fdjeiben gefcbloffen? Söar im Erfurter 3luguftiner*ÄIofter ein ©arten?
Siefe gragen f^teHte icb brieflitb an einen Erfurter ©eiftlicben, 4)etrn
|}farrer SKinfler, oon bem i(b einen in ber SHuftrirten Seitung (am
25. Sluguft 1883) erfibienenen Sluffab über ba« bortige Sutberfeft mit
oielem Sntereffe gelefen b“lie. Sr antmortete mit golgenbe«: „Sa«
biefige Jluguftiner>Älofter ift in ben Sabeen 1521—23 »on ben 3D?5n(ben
uerlaffen morben unb bat bi« in bie gmeite 4?älfte be« 17. Sabrbanbett«
(Mi)
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29
untniu^t geftanbtn. @rft 1649 ^at man eine ber ^albeerfatlenen Sellen,
unb jttar auf jiemlit^ unfic^ere Snbicien ^tn, al« ?ut^er8 SeHe bejeid^net
nnb einige alte 9)JöbeIftü(fe, einen Stubiitifd), einen ®ebctfc^emel, einige
<Stü^Ie ^ineingeftellt, nebft einigen unjweifel^aft echten ?utbeneUquien,
einet ©ibel mit SJanbgIcffen »cn 9ut^et’8 ^)onb, einem Sintenfa^ JC.
Ueiber finb alle bieje ®egenftänbe 1871 mit netbtannt. 2)ie SfUe f)atte
ein genfter, »on bem man annimmt, ba§ e8 mit öutjenfdjeiben (in
©lei gefaxt) nerfeben n?ar. 3n biefer SBeife bot man je^t bie SeDe
reftaurirt.
„Sin ®arten befanb fttb im Älcfter, mabrjtbeinlid) fogar mebrere.
Ser eine, oieüeicbt 60 (Scbritte lang unb 40 breit, mar »cm Äreujgang
umgeben; ein anberer, etma8 greßeret, lag auf ber aSeftfeite be8 ÄlDfter8,
na(b bem fogenannten Scmtburbofe bin. aßem biefe ®5rten jur ©e-
nu^ung ftanben, ift ober nicht betannt." 3(b füge b*nju, ba^ in ber
Orben8regel ocn einem Äloftergarten unb Bcn ber ©enufiung eine8
fol^ien nicht bie SRebe ift.
15) ©cn anberen SBafcbungen, ausgenommen bie uom ?(rjte »er»
crbneten ©aber, ift in ber Orben8regel nirgenb8 bie SRebe. 5ßcju auch?
,lDen SReinen ift alle8 rein" — unb manchen ^>eiligen war befanntlich bet
@chmu6 b^'l'S- ^)änbe aber mußten »or ber 9Rabljeit gewafchen werben.
Senn ®abeln unb auch Jifchmeffer gab e8 bamal8 in ITeutfchlanb nitgenb8
ober nur in febr »ornel;men ^)äufern, nicht am Sifthc rechtfchaffener
©ettelmcnche (©gl. bietüber einen lehrreichen Sluffag »on gr. Äörner
in 2Beftermann’8 ÜRonotSbcften, ©b. 22). SDag aber bie ÜRcnche na^
ber ©tabljeit fich bie ^)änbe mujcben, wirb in bet Crben8regel nicht
gefagt.
16) fDoth auf bie Äranfen finbet bii8 @efeh be8 @tiUfchU)eigen8
unb auch bc8 gaftenS, nur eine bejchränfte Slnwenbung. Sie werben in
einem befcnberen, ihnen gewibmeten 9taum »erforgt, in ber Infirmaria.
SDabin orbnet ber ^riot einen ©ruber ab, unb gwar einen folchen, „in
beffen wal;re ®otte8furcht wohnt", al8 fßfleger. liefet bot bie
Ätanfen Jag unb fRacht in oder ßiebe ju bebienen. 3ft bie Sohl bet
jbranfen ober ihre ^flegebebürftigleit für ben einen fpfleget ju gto§, fo
befommt biefer einen ®ebülfen. Ser 'Prior felbft befudbt bie Ätanfen,
forgt bafür, ba§ ihnen nicht« ©otbwenbigeS fehlt, ermahnt fee }ut ®ebulb
unb jur ©eichte, fragt fie auch, ob fte nid)t eine« anberen ©ruber«
fchwere, unb ber Shrc be« .f^aufe« unb be8 DrbenS gefährliche Sünbe
ihm beichten fönnen. „Inquirat a quolibet si sciat cnlpam alterius
fratris per quam ordini Tel domui scandalum generari possit.'^
231^
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©0 longe f« nun ft» front finb, baß f« in i^rtm ©ctte rffen muffen,
fmb fie ni(f;t jum erbnungimäßigen ©titlfc^aeigen Dcrpflid;tet. ©otolb
fte ober in i^rer ©enejung fo »eit fcrtgefc^riften fmb, bo§ fie oljne
^ülfe eined Stnbern jur jl'apeQe unb jur iBetfoinmlung gelten unb bie
gewöhnlichen ©veifen effen fönnen, tritt auch für fie bo8 ®efeh be«
©tiUfchweigenß »ieber in Äroft, unb wenn fie e« übertreten, feilen fie,
je noih Urnftönben, beftroft »erben. 2)ie Äronfenpfleger, fc lange fte
ihteö Slmteö »orten, fmb com (Sefeh beS ©tiÜfchweigcn« biöüenfirt,
bech feilen fie biefe greiheit mö§ig gebrauchen, ba felbft ben Äranfen
bo« ciele ©prechen jchabcu würbe. Ueberhoupt wirb burth eerfchiebene
löeftimmungen bem 5)liBbraucte »orgebeugt, ben manche törüber een ben
ben Äranfen bewilligten (Erleichterungen unb äJequemliihfeiten machen
fennten. Sie Äranfen feilen nicht Seeferbiffen »erlangen, unb bie i'fleger
feflen ihnen jebenfaDö feine geben, ©ebalb fie wiebet gefunb fmb, feilen
fie »ieber ju ben ®efunben gehen unb mit ihnen leben. ?llö gefunb
aber feil feber 2)e»ehncr be« Ärantenjimmer« anvgefehen »erben, febalb
et feine frühere ©efichtäfatbe unb Gerpulenj »ieber gewonnen hut, unb
ba« frühere SOlaß »on ©peifen »ieber einnimmt, ©ill aber ein folcher
nicht jur syetfammlung ber Jörüber fich begeben, fo feil man il;n nöthigen
unb ihm bie Jtranfenratien entziehen.
17) 3118 charofteriftifch mag hi« ou8 (Jap. 47 — 50 golgenbe«
angeführt »erben:
1. Seichte 5>erfchulbungen, culpae leves: 2Benn geläutet
wirb, nicht fofert jur Äapelle gehen; in einer Stile ober im
©chlaffaal Särm machen; einen S3tuber jum Sachen bringen;
©peife ober Stanf eerfchütten; (Etwa« an ben Unrechten Drt
hinlegen. Strafe bafür: (Einen SJuBpfalm h«fagen unb eine
©eihtlung.
2. Schwere SJerfchulbungen, culpae graves: IDlit einem
lötubet ^anfen; eine ©chulb ihm »orwerfen, bie ec gebüßt hut;
plaubern; Stüber auf einanber he(}tn; SBeiber anfehen ; mit einem
Üöeibe ohne Stugen fprechen. Strafe bafür: bteimalige Geiße-
lung unb brei gafttage. 3m galle bet Söieberhclung: eine eierte
Geißelung unb ein cierter gafttag unb bie 7 Sußpfalmen
herfagen.
3. Schwerere SSerfchulbungen, culpae graviores, SBiber«
fpenftigfeit gegen ben ^Jrior. Strafe bafür: Ser Schulbige muß
mit entblößtem ^taupte in Gegenwart 3111er feine ©chulb be*
fennen, im jRefectorium unb im (Eonuent auf bem Soben fihen,
(231)
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31
f(^le(l)tere« ©rot effcn, nur ©affer trinfen, »or ber 2()ürc bcr
ÄapeDe liegen beim öin> unb ^etauöge^en ber ißrüber, non
feinem ber Srüber angerebet, fe^ließlicb non einem jeben ber
SRei^e nat<) fnieenb gegeißelt »erben.
4. iDie ollerfc^ujerfte ®c^ulb aber, culpa gravissima,
ift bie Un»eibefferli(^feit beffen, ber bie ®cf)ulb nicßt f(^eut, unb
bie ©träfe nicht annehmen »iti. ÜJer »irb bi« ju feiner ®cffe«
rung in einen anbcren Drben cerfcßt.
18) ©iel;e Sucange, sub voce Disciplina.
19) (St bei feinem (Eintritt in bcn heiligen ©ettelorben noH-
ftänbige iSefihlofigfeit gelobt unb »ährenb feinet ganzen fUlöncböjeit treu
beobachtet. Äeiit Sßunber, baß er auch IHeformator etma« wie eine
heilige Scheu Bor febem ©elbgewinn behielt unb eine heilige greigiehig-
feit, ja Söerfchwenbung iibte, woburch er feiner praftifchen Ääthe manch*
mal ba« fJeben erfchwerte. ,8uther’ö ©runbfä$e über ©elbnehmen, fagt
4>au8rath in feiner nortrefflicten flJlonogtaphie „l'uther unb Ääthe*
(Seite 275—276 ber Äleinen Schriften religionfl-gejchichtlichen Snhaltö),
hatten auf 3ebermannfl Söeifafl mehr ju rechnen, alg auf ben feiner
^tauflfrau. war gegen fein ©ewiffen, Bon ber ©emeinbe töefolbung,
non ben Stubenten (äoHeggelb unb non ben iöuchhänblern .^onorar 3U
empfangen; ba er mit bem SBorte nicht h^fern wolle. 2)abei aber
heftanb fein ganje« offentli^eS ©ehalt alö Sprofeffor aus 200 ©ulben.
3m jweiteu 3ahtf ^“*1' ff ©ulben Schulben unb
würbe hoch nach wie nor non glüchtlingen, fReifenben, SRcnchen unb
Slonnen al8 ihr natürlicher ^atrcn in 3(nfptuch genommen unb gebranb-
fchoßt . . . SBie ÜRatthefiuS erjählt, fam er feiner ©heff““ fngnf» njenn
fie im äBochenbett lag, übet baä 'patbengelb, um Settler bamit ju
befriebigen. So fehr fie abwinft, fchenft er einem atmen Stubenten
einen filbetnen ©heenbechet, unb ba Äurfürft 3oh“”” einen
Äuy in ben Silbetbergwetfen ju Schneebctg 3uweifen will, als 8ohu
für feine Sibelüberfeßung, lehnt er eS ab. 6r wolle beten, bamit bie
©t3c befteßen unb gottfelig nerwenbct werben; baS allein fomme ihm
3U.* — ©ine gan3 anbere ©efinnung fpricht fich allerbingS in bet re»
formatorifchen ©rflärung ber iBitte um’S tägliche iBrot auS, wie fie im
Äleinen ÄatcchiSmuS gefchrieben fteht. äßet aber unter „täglich fBrot"
ba« nerßeht, »a« ßuther bort auf3ählt, 3. iB. ,,$iau«, 4)of, älcfer, äSieh,
©elb, ©ut", bet ift in feinem Streben nach irbichem @ut nicht gerabe
befcheiben, unb leibet nidjt an ber unwirtl;jchaftlichcn unb mönchifchen
©rcßmuth be« großen fReformatorä.
(235)
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20) JDifjen 3e<l<n meiste tdj al« SHuftTatirn ein Bon ?uca8 ßranai^
im 1532 gemalte« Silb Sut^er« beifügen. 3n ber alten fDlünt^enet
^inafotl)ef wirb e« aufbema^rt, but(b ®etBielf5ltignng aber ift e« überall
leicht ju erreiiben, unb brr grS§ten 93erbreitung würbig. 0a fte^t
Dr. ÜJlartin ?utber, mit freiem .^aat unb bem in ber DrbenSregel ner»
botenen ©arett gefcfcmücft, im ®ewanbe eine« ©ele^rten gelleibet. ®«
ift nii^t ber ’JJlönd), fonbern ber ÜJJann Butter, ber ^Reformator, unb
boc^ ift e« no^ bet fUlüntb- 3n feinen febenen ruhigen ^önben hält et
ein fleine« ©üchlein, wohl nicht feine ©ibel, fonbern feinen lieben |)jaltet
ober fein ©reoier. ©ertheilt auf bie jwei jur JRechten unb jut hinten
feine« $)aupte« freien Sflänber beö ©ilbe«, ftcht ein gewi§ Bon ihm bem
befreunbeten Waler angegebener lateinijcher ©ibelfptuch, **” mönthifchet
SBahlfpruch befl ^Reformator« : „In silentio et spe erit fortitudo vestra“.
— fRach üuther« eigener ©erbeutfthung; ,0urdj ©tiUefein unb ^loffen
werbet ihr ftarf fein". 3m ?lu6truct feiner ^hhPosnomie unb feinet
Slugen fäüt mir eine gewiffe 6mü(hterung auf. 6r h“t beinahe be«
„ffieltmann« ©lief, aber boch noch be« Schwärmer« ISmft." 3a be«
©(hwarmer«. 0enn oot Äurjem erft h®l b'' ben proteftantifchen
gürften bie Ifehre ertheilt, ihr 8anb unb ihre 4>errf(haft, ®ut unb ©lut
auch ihrer Unterlhanen, bem Äaifer wehrlo« prei«3ugeben, wenn er fie
angriffe, unb auf @otte« SBunberhülfe ju warten.
21) Sltabeniifcte geftrebe jur geier be« Bierhunbertjährigen ©eburt«*
tage« Dr. Wartin guther«, am 9. SRoBtmber, 1883 in bet 9lifolaiKtche
ju ©trafiburg gehalten Bon Sbuarb 5Reu§, erfchienen in S. g. ©chmibf«
Unioerrität«"©uchhanblung.
22) ?ll« bie ©ulte burch (Stfurter ©uihbtucfet Berbreitet würbe,
nahmen ©tubenten bie jum ©erlauf auSgeftellten Qftemplate weg unb
warfen fie in'8 SBoffer. „68 ift, fagten pe eine ©lafe, bulla. ©te
mup fchwimmen." Unb bie SBittenberger waren gewiß nicht anbet«
gepnnt.
23) ©elbft auf ben fernen ©ebieten befl ©rahmaifimufl, be« ©ub«
bhiflmu« unb be« 38lam brachen im XV. 3ahrhunbert unb am Slnfang
befl XVI. gewaltige reformalctifche ©ewegungen au«. — ©iehe IRanfe'«
0eutfche ©efchiihte im Seitalter ber ^Reformation, ©b. I, ©. 151 ff.
24) „II arait,“ fagt ©offnut Bcn iljm „une eloquence admirable,
qui entrainait les peuples“.—
(236)
^rtid cen Wflr. Ungrr (2t. (Orimm), «ttUn HW., 17a.
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lieber bns; ISorbommen
unb bie
€ntftel)un0 ht^ €tdöb.
SBün
Dr. fi. Ut)lig,
^riDatbocent an ber Unioerfität in äüten.
2)iit jwei in b«n 2ejt gcbiudtcn ^>o4f(^nitten.
ßrrlin SW., 1884.
aSetlag Don Sari J^abcl.
(t. ((. Xäkrrih'sdli StrlD|9bml)||inilqne.)
33. S}il^clm*£tTa^( 33,
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2)aö bet Ueberiefeung in frembe ®prad)en roirb öotbe^alteit.
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33efanntli(^ ift ba8 (Srböl erft Dor ungefähr fünfunbjwan«
313 Sagten in ben ÄreiS berjenigen 9latut^>robufte cinbe3ogen
worben, weld^e ber 5J?enfd^ gum 3»e<Ie cultureller 33erwenbung
in grölerem 3I2aa§e au8beutet. Slro^bem ^at e8 feiltet in wirf^«
ft^aftlidjer J^infidjt eine fe^t SBebcutung erlangt unb man
mufe gcfteljen, bafe bie ©efc^td^te feiner Gewinnung, feiner 8u8*
beutung unb ^erwenbuug einen nid^t unwid^tigen unb uninter»
effanlen J^eil ber ©efcbidjte ber raateriellen Gultur in ber
3weiten Jpälfte unfere8 Jj^r^unbertS bilbet.
2)o8 SJorlomnten »cn @rböl unb bem bamit na^e ner»
wanbten 9l8pl)alt unb @rb^ar3 mar bem 9JJenfd)en frcilidj fd^on
feit ben älteften Seiten belannt, aber e8 würben biefe SRatur*
;>robucte nur in fe^r untergeorbneter SBeife, meift aI8 Schmier»
mittel ober 9lr3nei au8genufet. 3eugni§ hierfür legen fd^on bie
3a^lreid^en Ort8nomen in aQen Grbölreoieren , namentlich in
©alisien unb ^Rumänien ab, bie con bem SSorfommen biefer
mertmürbigen fDiineralförpet l)cr3uleiten finb, unb au8 bem claf*
fifchen 3Uterthum liegen fogar l)iftorifche JDaten über bie 23er«
wenbutig non ©rbcl unb 3ieph“it bor. Sodh erft, al8 e8 im
Sahre 1859 in ^Jennfploanien gelungen war, burd) Jiefbohrungen
bebeutenbe 2Rengen non Petroleum bem ©chofee ber @rbe ab»
3ugeminnen, unb al8 man faft gleichseitig in Slmerifa unb in
©alisien gelernt hatte, au8 bem [Rohöl ein nl8 2eud^ftoff brauch*
bare8 IDeftillationeprobuct hf^juftellen, entftanb mit wirflidh un«
XIX. 439. 1* (S39)
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4
erhörter [Rafd^^cit bie eigentliche ^etroleuminbuftrie unb aflcnt»
halben cetlAafite baS Petroleum ©ingang.
Schon bie eigenthümlichc ©ejchidhte bc8 ^ctroIenmS fidhert
biefem raerfwürbigen 5Rineralförpet ein tegcS Sntercffc, unb
biefeS wirb überbieg noch babuTch nicht wenig erhöht, ba^ {ich
auch jahlreiche intereffante, wenn auch {chwicrige wiffenfchaftliche
fragen an {ein SSorfommen unb {eine Gntftehung anfnüpfen.
@8 ift natürlich, ba§ man 311 beginn ber fünftlichen @c<
winnung be8 ©rböl8 mittels Sohtung unb @^a(htabtäu{ung
noch unflare unb unrichtige SSorfteBungen übet bie 9ltt {eines
SBorfommenö unb bamach auch {einen Ursprung hat*«« mu§te.
Seither haben {ich aber un{ere bieSbegüglidjeu ©rfahrungen unb
^eoba^tungen in auheroTbentlicher 9Bei{e oermehrt, unb eS mag
nun einiges 3nteref{e barbieten, mit ben geläuterten wi{{en{dhaft»
liehen ISnfchauungen barüber befannt gu werben.
2)ie 9lnwe{enheit oon Siohöl unb nerwanbten Äohlenwa{{er»
l'to{{Derbinbungen in ber ©rbtinbe oerräth bie 9iatur bem SDien{dhen
in mannigfaltiger SBeifc. 9ln cin3elnen Drten treten an ber £)ber»
fläche Don SBaf{er{hiegeln fleine Sln{ammlungen oon ©rbcl auf,
welche {ich burch ih^e irifirenbe Färbung unb ben intenfloen ©eruch
leicht fenntli^ machen. Üln anberen £)rten quiBt baS ©rbol
birect aus ber ©rbe hei®or, ober ftatt beffen beobachtet man
fortbauernbe 3lu6{trömungen non Äohlcnwafferftoffgafen, welche
angegünbet brennen unb bie {ogenannten ewigen Seuer bebingen.
Unterfucht man bie SteBen, welche burch ^aS Auftreten oon
©rböl auSgegeichnet^finb, etwaS näher, {0 finbet man, ba§ hi®f
entweber eine mit Del bur^tränfte ©efteinfehichte gu Sage auS:
geht ober aber nur eine fecunbäre Snfiltration oon Del, beffen
eigentlicher Si$ in größerer üiefe gelegen ift, oorliegt. 3m
erfteren gaBe fennt man bann bereits bie Oelf^ichte, im Unteren
wirb man biefelbe erft burch Bohrungen ober Ülbtäufungen oon
(*tOJ
\
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©d^dc^ten aufgu|u(^en ^abcn. ©erattige OeIf(!^td^ten ^abcn tn
aflen bisset beobachteten gdllen gewiffe ©igenthümlichfeiten ge»
meinfam; fie »erben immer »on ©efteinen gebilbet, beren 3u=
fammenhang nicht gan^ liidfenloS ift, »te »on ©anben, ©anb>
fteinen, Gonglcmeraten ober fanbigen ©chiefern, 3»ifth^*'
etnjelnen Äornern, bte ein folcheS ©eftein jufammenfehen, be*
finben fich ftete »erhältnigmähig gro^e ^ohlräume, »eiche gänj»
lieh mit Del unb Delgafen erfüllt erfcheinen. ©a, »o ©palten
unb J^Iüfte ben ©chichtenbau burchfehen, »irb baS Del ald ein
leicht bemegli^er, fpeetfifeh leichter unb unter hohet« ©tuefe
ftehenber Körper, »ohl auch ber Delfchi^te in bie Älüfte
gelangen unb bort aufgcfpeichert »erben fönnen. ©crartige öl»
führenbe ©chichten fonnten fid^ ju allen 3«ten ber ©rbgefchichie
unb in ben »erf&iebenften S3iIbungSräumen abgelagert ho^^n.
3n ber^h^t finben »it bie Delnorfommniffc auf aQe gormationen
unb ade 5£heile ber ©rbe geitlich unb räumlich »ertheilt, »enn
auch nt<ht aOe bie gleite »iffenfchaftliche unb nationalöfc^nomifche
SBebeutung in Slnfpruch nehmen fönnen; fo fommt ©rböl oor
in SRorbamerita, im Äaufafien, ©alijien, fRumänien, Dberungarn,
im @lfa§ unb im norbmeftlichen ©eutfchlanb, in Dberitalien,
im ^enbfehab, in 33irma unb manchen anberen ©egenben. ©ie
»idhtigften biefer 33orfommniffe »ollen »ir in Äurjem fennen
gu lernen »erfuchen unb beginnen in ber ©chilberung ber Del»
regienen mit bet ölteften unb »or furjer 3eit noch »ichtigften,
bet »on 9lorbamerifa.
3n 9iorbamerifa tritt baS ©rböl namentlich in 5 ©ebieten
auf; in bet ©egenb »on ©nniöfillen in ©aitaba, gmifchen
bem ^)uron» unb ©riefee, im Se^irt »on ©aSpö in 3Rotb =
©anaba an bet dRünbung beö 8a»renceftromed, in ^enn»
fplnanien gmifchen bem ©tiefee unb ^ittöburg, in Dhio
unb ®irginien, unb enblich in Äentudp unb iJenneffee.
(Sii;
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^it ^jluSna^me beS untergeorbnelen 93orfommenä Don
liegen aQe biefe (Gebiete »efiltdi nom 9lQeg^anp=@ebiTge. SBenn
man non bet Cftfüfte '^mettfaS gegen bad innere bed 8anbeS
gu fcTtfc^reitet, fo gelangt man befanntlicb in bad oon SW nadb
NO ft(b ^injie^enbe aileg^an9*@ebirge, wel^eä au8 einet 3ftei^e
fe^r tegelmä^iget Bulben unb ©ättet befielt, an beten 3ufam«
men|e$ung bie probuftine Äoblenfctmatiou mit üielen Äoblen»
ficken einen ^eroonagenben Sint^eil nimmt, ^at man biefeä
@ebitge über jc^ritten , fo befinbet man ficb im ^lateaulanbe
9lotbametifa’8, »o alle ©cbicbten eine faft ganj fla^e Lagerung
jeigen. 2)emgemä§ mürbe fidj bnS 8anb al8 eine (äbcne bat»
fteOen, menn ni(bt butcb bie ^lu^audmafcbung ^Hceauunterfcbiebe
gefd^affen mütben. 3n ber bcifolgenben ^rofUlfijje 3eigen bie
©(bii^ten bet JDeutlicbfeit megen einen oiel ftarferen @infa(10»
minfel, als in bet 9iatut, mo baS @infaOen ein faum merfli^ed
ift. ©ie bajelbft aufftetenben Formationen jtnb bie Äoljlen»
unb namentli^ bie ©eoonfotmation. ©ie leitete ift auS»
fd^lie§(id) Trägerin bet @rbö(ootfcmmniffe. *jlI0 baS ältefte
beoonifcbe ©c^it^tfpftem [teilt fi^ bie fogenannte ßotniferouS»
©tuppe bar, meldbe au8 einem canernöfen Äalfftcin mit ja^l»
reichen ÄotaQentcften unb .^)orn[teinen bcfteht. Stuf biefe folgt
bie ^amilton>©ruppe, auS grauen unb fc^mätjli^en, bitu»
minöfen ©cbiefetn beftebenb, unb barauf miebet bie (Sbeniung*
©ruppe, bie au8 ©(^iefetthonen, ©cbiefern, @anbfleinen unb
Konglomeraten gufammengefe^t ift. ©ie ©ho>nunggruppe mitb
gemöhnlicb oon ben braunen ober fchmar^en ©chiefetn beö @ub»
carbon unb biefeS oon bet eigentlidhen ©teinfohlenfotniation
mit Kohlenflözen überlagert. fUlacht man einen ©urc^fchnitt
oonn Knni Stillen, ber Celregion Kanaba'S nach ^SO gegen
f>ittsburg, fo erhält man baS beiftehenbe fchematifche 93ilb /
(8ig. 1).
(2«)
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7
'pennfplD anien gewinnt fein Del auö bet (S^emung*
@iu^^e, (Sanaba au8 ben geologifc^ älteren halfen bet @oi«
niferou8»@tut5pe. 3n ben fc^watgen ©(liefern unb Sinnen
ber @^etnunggruppe finben fi(^ nämlic^ einjelne ©d^ic^ten non
©anbfteinen, ©anben unb Konglomeraten eingelagert, bie flc^
buTC^ i^ten Delteic^t^um au8jeic^nen. @en>ö^nli(^ metben in
ben Delfc^ädjten brei berartige ^orijonte non ©anb ober ©nnb*
ftein angettoffen, welche al8 bet 1., 2. unb 3. Delfanb bejeidjnet
werben. JDiefc Delfonbe galten febod^ nir^t auf weite ©treden
^in an, fonbern fte feilen fi<^ halb früher, halb fpäter nad)
allen fRi(^tnngen ^in au8 unb fteQen fo wa^re 8infen bat. fDie
Sig- 1.
P = ^obuct. ®tetnfot|lrnform. S = @ubcaibon. Ch =(S^emunggruppe.
H = .J)amilton9runpe. (’o = ßorniferouögruppe (nac^ ^>öfer.)
in ben netfc^iebenen @egenben nad^ einanbet etbo^tten btei DeU
fanbe, beten Delteid^t^um mand^mal ein riftaunlid) großer ift,
entfprecben einanbet nicht gang genau, ba bie Delfanbe in ben
netfchiebenften Sagen bet gefammten Kh^munggtuppe anfe^en
fönnen. fDa8 9tohöl be8 obetften DelfanbeS i^ immer bunfel,
bicf^üffig unb Deihältni^mä§ig reichet an ben fchweteren Sohlen*
wafferftoffnerbfnbungen, wie ?)aTafin, e8 ift meifi fog. ©chmierßl,
währenb baß Del bet tieferen .^>origonte meift li^tgtün gefärbt
unb bünnflfiffiger ift unb norwiegenb au8 ben leichteren ^ohlenif
waffetftoffoerbinbungen, wie ?)etroIeum, Sengin u. f. w. beftebt.
üu^et Siohol liefern manche Delbtunnen auch Delgafe in
f ehr heTOonagenbet SRenge, manche, bie fogenannten ©aßbrunnen
(S43)
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8
liefern nur Delgafe. Sluö einigen ©djädjten ftrömt baö
unter großem 3)ru(fe in riefigen Quantitäten ^eraufl unb wirb
3ur Beleuchtung unb Beheizung non Stabten, alö motorif^e
Äraft, ober bei metaDurgifchen ^rogeffen in henjorragenber SBcife
»ertuenbet. SRerfioürbig ift, ba^ baS an oielen Stellen
burcb mehrere 3ah^^e binburch anbauemb aubftrömt, ohne bag
fidh eine Berminberung feiner Quantität »ahrnehmen lie^e. $Da
man in bcrartigen jebimentären Schi«hten» wie m ber ßhemung»
ober ,^amilton>@ruppe feine größeren |)ohIräume erwarten
fann unb berglei^en auch »ie erbohrt »urben, mu^ man »ohl
annehmen, ba^ biefe @afe unter hi’hem IDrude innerhalb ber
boröfen Sanbfteine unb auf Heineren Älüften in hochaefpanntem
Suftanb angefammelt ftnb, ähnlich »te bie ©rubengafe in ben
Kohlengruben. SBirb eine berartige Schichte angebohrt, fo ent»
binben ftch biefe @afe unb bringen mit einer Kraft in’8 §rcie,
bie ihrer Spannung entfpricht. IDiefe @afe finb e6 »ohl audh,
beren 3)rucf baS UeberqueUen be0 Qelcfl über ben Schachtfrang
erzeugt. Bei ber faft ooDfommen horijontalen Schi^tenlage unb
bem allfeitigen 9lu0feilen ber Qelfanbe ift ba0 Berfommen oon
QelfpringqueQen nur auf biefem ^ege unb nicht burch hP^to°
ftotifche ©efe^e ju erflären. @ine bet berühmteften biefer Spring»
quellen »ar 8abp»^unter»SBell, 4 km oon ^etrolia (Sitp. 9ia<h
halbftünbiger Oiuhe lie^ fich au0 ber Siefe be0 Bohrloche0 ©e>
töfe oernehmen, bann ftieg plö^lich ein großer, mächtiger Qel»
ftrahl bl0 ju 3 m in bie ^)öhe, in wenigen SOlinuten trat aber
wiebet Diuhe ein. 3n ben erften Stagen foll betfelbe Brunnen
täglidh 4770 hl Oel geliefert haben.
SDie Qelmengen, welche viele pennfploanijdhe Brunnen ge»
liefert haben, finb überhaupt erftaunlich gro|e. fRamentlich gu
Beginn ber Qelgewinnung , al0 bie oerfchiebenen Qelterrain0
noch a^ jungfräulich gu nennen waren, fonnte bie ^u0beute eine
(»4«)
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9
au^erorbentlic^ gtc^e genannt metben. @e»5^nHd^ liefert ein
Brunnen eine befdjränfte, halb längere, halb fürjere Seit lang,
gro§e, glei^bleibenbe Delmengen, nach Berlauf einiger äBoeben
ober iDionate nimmt bie Quantität bed gemonnenen Siobftoffed
immer me^r ab, bis fdblie^licb naeb ebenfalls febr oerfcbieben
lang anbauernbrr |)robuctiDität ber Qeljuflu^ ganj oerfiegt. lDur^<
jcbnittlicb bleiben bie Qelj'cbäcbte nic^t me^r als 2 — 3 Sa^re
ergiebig. @S ift jelbfioerftänblicb , ba^, trenn auf einen unb
benfelben Qelfanb mehrere Bohrungen in geringer (Entfernung
Bon einanber in bie Siefe gebrocbt »erben, bie Delmengen in
ben einzelnen berfelben oerbältniSmä^ig geringer finb.
iBaS bie räumtlicbe SluSbebnung beS bcnnfploanifcben Del«
gebieteS anbelangt, fo beträgt biejelbe ungefähr 8064 qkm, mo«
pon fi(b aber nur ungefähr ber je^nte SUjeil alS mirtlid) ergiebig
ermeift. fRamentlicb gu Beginn ber DelauSbeutung, als man
noch nidbt genügenbe Erfahrungen über baS geologifche lUuftreten
beS Petroleums gefammelt »urbe bie !fluSbehnung ber
Delterritorien überjd)ä^t unb gar oiele ©Rächte unb Bohrungen
»urben oergebenS in bie ^iefe gebracht. Snnerhalb beS penn*
fploanifchen DelgebieteS unterfcheibet man »ieberum gwei $aupt«
Ölregionen, bie fogenannte obere unb bie untere. 3)ie erftere ift
om Dil creef gelegen unb wirb befonberS burdh bie ©täbte
SlituSoiQe, Dil dtp, Petroleumcentre, Sibcont, pieafantoiHe ge«
!enngeichnet. Bon hier auS nahm bie amerifanifthe Deletrploitation
ihren älnfang unb bie ©churfthätigfeit mar \)in in ber erften
Seit ber Delinbuftrie eine überaus lebhafte, ©päter menbete
man fich mehr ber unteren Delregion am 9lQeghanprioer mit ben
^auptorten Petrolia unb Samrenceburg gu unb biefe ift gegen«
märtig bie michtigere unb probuctioere.
IDaS canabi|(^e, gmifchen bem |)uron« unb bem Eriefee
gelegene Eebiet ift Biel Heiner unb meniger ergiebig, alS baS
(»4i)
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10
|)ennf9(Dani)d^e. Unter einer gtemlic^ mächtigen ^ede eines bldu«
licken bUunialen S^i^neS liegen bie @d)iefer ber ^ami(tongrub))e
in geringer ÜHdc^tigfeit unb barunter bie canernöfen l^oraQenfalfe
ber ßorniferouSgruppe, »el(^’ Untere bie eigentlichen Jräger beS
canabifchen @rböIS bilben. Suueilen tritt baS Del auS ber 6or>
niferouSgruppe h^^duS unb fammelt fich in halb größeren, halb
fleineren ültengen gaifchen bem biluoialen ^hi’ne unb bem feften
©ebirge an; bie urfprüngliche ^agerftätte bilbete bie (SorniferouS«
gruppe. IDaS canabifche @rbö( ift Diel parafftnreicher, als baS
pennfplDanijche, unb erfc^eint häufig mit faighaltigem SBaffer Der*
mifcht. @S enthält ferner merfliche 9)lengen Don @chn>efelDer*
binbungen, welche Beimengung feine ©rauchbarfeit als ©rennöl
Dermintert, aber wie wir fehen werben, Don einigem wiffenfchaft*
liehen Sntereffe ift.'.
SDte gweite canabifdhe Delregion liegt bei ©aSpö an ber
SÖeftfeite beS ©olfeS Don @t. gawrence. 35aS @rböl tritt hier
in (Schichten auf, bie geologifch noch älter finb, als bie beDonifdjen
Delfchichten in ^ennfplDanien unb ©nniSfiÜen, nämlich in ^alf*
fteinen, bie berf!ower.^elbeTberggruppebeSDbeTfilur angehören. 3n
öfonomifcher©egiehung hat biefeSBorfommen gegenwärtig faft gar
feine ©ebeutnng, aber eS ift feines geologifch fehr h^h^n ÜllterS
wegen in wiffenfchaftlicher ^inficht beachtenSwerth- ©emerfenS*
werth ift ferner, ba^ bafelbft foffile fUtolluSfengehäufe ber ©at«
tung DrthoceraS auS ber ©ruppc ber Äopffufeler (lintenfifche)
gefunben werben, beren ^ohlräume mit biefem Del unb ©rbwachS
auSgefüÜt erf^einen. fUlan l}dt biefeS ©orfommen übrigens
auch anberwärtS beobachtet.
3n 9lorb* unb Süb*Dhio, unb in SBeftoirginien tritt
baS Petroleum unter ähnlichen geologifchen ©erhältniffen auf,
wie in ^ennfploanien. Sluch hi^i^ erfcheint eS in ber ©h<niung*
gruppe, hült fich aber bemerfenSwerther SBeife nicht an regel*
<»«)
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11
mä^tße ginfen con ®anbe« unb Sanbfteinen, fonbern ift in
Spalten unb Klüften angefammelt unb jvar namentlich ba, wo
ftch bie leiteten tu ben fogenannten Schidjtfätteln porfinben.
2)ie obetften 8agen bet ^amiltongtnppe, bie fch»arjen Schiefer
@eneffee=3one entgolten bafelbft eine erftaunliche ültenge pon
Dcigafen unb Situmen. 3)ie @afe treten jutteilen in natürlichen
DueQen ju £age, »erben aber h^uptfächlidh fünftlich burch Soh«
rungen geiponneu unb wie in ^ennfplpanien technifch perwerthet.
iDaS Del pon Äentucfp^Senneffee ift ein fchwereö, burch
Sdh®efel perunreinigteö Schmieröl, »elchefl iu fchworjcn Schie»
fern her 5DePonformation porfommt. 3n wirthfchaftlicher ^)in*
fidht ift auch biefeg füblichfte ber amerifanifchen Delgebiete biS>
her nicht befonberö h«®orgetreten.
SBir »öden nun baö föiutterlanb ber 'Jletroleuminbuftrie
petlaffen unb unfl einem anberen Dclgebiete 3uwenben, »elchcö
ebenfaClä erftaunliche Delmengen probucirt, nämlich Äaufafien.
3n ttirthfchaftlichet SSe^iehung ftel)t biefefl (ärbölgebiet bem
amerifanifchen »enig nach, unb auch in »iffenfchaftlicher ^)inficht
bietet e8 fehr piel 3nterreffante8 bar. 2)a8 altberühmte ©ebiet
pon IBafu auf ber .palbinfel ^pfcheron befinbet fich am öft>
liehen @nbe beö ^aufafu8, erftiecft fich aber noch mehrere ülteilen
füblich am Ufer beS Äagpifeeö. 2)a8 »eftfaufaftfehe ©ebiet be»
ginnt auf bet palbinfel Äertfch, finbet feine gortfehung auf
ber palbinfel Slaman unb erftreeft fich Pon ba am fltorbabhange
be§ jfaufafuS in einer ^änge pon ungefähr 24 beutfehen fSteilen
unb einer Sreite pon ungefähr einet beutfehen 9Jieile nach Oßen.
3n biefem ©ebiete, in ber be8 Blümchens .^uba Jfo
(fRaftathal) tourbe im 3ahre 1866 eine tBohrung angelegt, welche
ein auherorbentlich günftigeS IRefultat ergeben hot- S3ei 123 $ug
i^iefe erhielt man einen Springquell Pon @tböl pon 14 §u§
pöhe, welcher währenb jwei SÖoehen täglich 1500 — 1600 ©imet
(V47)
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12
mit SBaffet gemifd^t unter Begleitung »on heftigen @a8»
ouejtrömungeu geliefert ^at. ©aö SRo^r »erftopfte fic^ unb man
bohlte bal)er weiter unb erhielt bei 182 gu^ 2iefe abermals einen
©pringqueH »on 40 8u§ ©prungböbe, welcher täglid) me^r alfl
3000 @imer gn ©age fßvberte. 9Jacb abermaliger Berftopfung
beS Bcljrloibä unb weiteret gortfe^ung ber Bohrung entftanb bei
242 gufe Stiefe gum britten 'Dliale eine ©pringqueDe, welche nun
gar 5000 6imet täglidb awf bie Dbetflä(be brachte. Badb einiger
Seit nahm aber bie ©prungbeb« “nb gleicbgeitig baS Delquantum
bebeutenb ab. ©iefer ©pringqueü im Äuba Äo bat im ©angen
in 57 ©agen ni(bt weniger alfi 82 452 ®imer 9iob5l gu Jage
geförbert. BicbtSbeftoweniger b^>t baS wefttaufafifcbe Delgebiet
um unteren Äuban bocb nicht fo gro|e praftifcpe Bebeutung ge®
wennen, als man utiprünglicb erwartete, gerneve Petroleum«
tevvainS finben ficb in ber Umgebung non JifliS, bann am Je»
retfluffe, norböftlicb non SBlabifawfaS unb enblicb bei ©et»
bent unb ^etronSt am Äaöpijee.
Unter ben faufafifcben Delterritorieu ift baS non Bafu,
an welches auch bie Snfel Jfchelefen im ^aSpifee angereibt
werben fann, wobl baS befannteftc, gegenwärtig wichtigfte unb
om meiften unb längften auSgebeutete. ©ie .^albinfel Slpf^eron
beftebt aus geologifch fcbt jungen, weichen tbonigen unb fanbigen
©chichten bet jüngeren Jertidrpctiobe. SBäbrenb in Smerifa
bie ölfübrenben ©chichten non febr b‘>bctn geologifchen Üllter fich
etwiejen haben, finb eS b'« geologijth febic j“«ge Ablagerungen,
bie in jo bcbeutenber Sölenge mit Del förmlich getränft finb, ba^
felbft eine längere unb jebr intenfioe AuSnü^ung ben unter»
irbifchen ©egen noch nicht erheblich betabminbern !onnte. ©ie
Unterlage beftebt \)itx auS oolitbifchen^alfen mit gabireichen mifro»
ffopijchen Berfteinerungen (Foraminiferen), welche bet im füb»
liehen fRuhlanb unb in Cefterreich febr neibreiteten fogenannten
(MS)
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13
farmatifc^cn ©tufe anae^ören. 5)atübet felgen bie mufcbelteitben
©anbe, 2^one unb ©anbfteinc bet fogenanuten pentifeben ©tufe
((Jongcrienfdjic^ten), wel^e meutere, gemö^nllc^ 3 ölfübtenbe
©anbfteinlagen enthalten. 3n t^rer unteren ^artljie finb fie rcic^
an ftefeligen ©inlagctungen. 3d) will glei<^ ^tet bemerfen,
bafe aud) bie Oelreic^tbümet SiurndnienS an ©c^idjtcn beffelben
geologtfdben 9llter8 gebunben finb unb überhaupt bie ©rbolDct»
fonimniffe Äaufafienö mit benen pon SRumönien unb nä(bftbem
Don @ali3ien bie meifte ISe^nlicbfeit b^ben. ®a8 Oel tritt
hier fdjon in bet geringen Siefe con 10—40 m auf, rodbrenb in
ämetifa erft in ber Jiefe non 100 — 180 m bebeutenbe Oelmengen
eneiebt werben. IDic gewonnenen Oelquantcn finb natürlicb,
wie überall, ortlicb »etf^ieben, bo(^ oetbdltni8md§ig fe^t bebeutenb.
@0 ergab ein Oelbrunnen einige 3«it täglich nai) ober»
fldcbliibet 9lbjcbd$ung 25 000 ^uD (1 ^ub = 16,38).
SBie in anberen Delgebieten, finb audj bic^ SpringqueDen,
intermittirenbe Duellen unb ©aSauäftrömungen ju beobachten, ja
bie leiteten genießen fogat eine biltorifcbe Serübmtbcit. 5)ie
©aSqueHen treten öftliib oon Safu, in ©furaebanp auf, fie finb
ei, weltbe bie f^on feit 3abTh“**berten, angebli^ feit 920 n. 6bi^-f
unauSgefe^t in SBtanb befinblicben bfiüfl«« Beuct fpeifen, gu
welchen ehemals gro§e ©chaaren inbifcher Feueranbeter roallfahr»
teten. 3ut @thaltung biefeS merftoiirbigen SReligionSfuItuS biente
bet Jempel unb baS .ftlofter atfdjega. |)eute h^i fid) bieS frei*
li^ erheblich gednbert, benn eS würbe bort eine Petroleum»
raffinerie aufgeftcQt, welche bie ©aSauSftrömungen gut ©rheigung
bet Utaffineriefeffel auSnü^t. !Da8 Älofter ftcht nun giemlid)
Derlaffen ba, nur ein einjamer inbifcher Feueranbeter feil eS noch
bewohnen, unb bem ^nblifum gegen ein Saffchifch bie ©etemonie
feines ©otteSbienfteS gut Slnfchauung bringen. IDie SWenge beS
gu ©futachanp auSftrömenben ©afc8 ift eine fo bebeutenbe, bah
(«»)
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14
aufeet ben flammen bc0 tnbifd^en jfloftetbtubcrS unb ben für
ben 93etrteb ber ^abrif not^wenbigen (SaSquantitäten aud^ no^
mehrere au0 aufrecht ftehenben etfemen fRöhren h^i^auStretenbe
glammen gefpeift »erben, bie beß fRachtß bie Beleuchtung ber
Jfabriföanlage cerfehen.
Stuwer ben grc^artigen @aßenianationen finb eß namentlich
bie (S^lammnulfane, bie imDelgebiete nonBafu unferSnter«
effe in Slnfpruch nehmen unb bie namentlich bc» Sala^ann, nörb»
lieh non 33afu, auftreten. 5Die ©chlammnulfane, beffer ©alfen
genannt, finb niebrige, fraterähnliche ©^lammfegel, »eiche t>on
3eit 3u 3eit Schlamm unb ©efteinSftücfe, nermengt mit faljigem
SBaffer unb @tbel unter Slußftremungen ton ÄDhlenmafferftoff»
ga(en außmetfen. 2)aß bunfelbraune, biefflüffige 6rböl jehmimrat
in bet Siegel in runben Se^en auf bet Oberfläche ber ätrater»
flüffigfeit unb »iib beim Ueberpie^en berfelben an ben iflbhängcn
ber Salfe abgelagert. 2luf biefc Söeife bilben fich manchmal
red)t mächtige Slblagerungen einer fchmarjeu pechartigen äRaffe
in ber Umgebung ber Salfen. Stach allem, »aß man bißher
über bie mertmürbige Staturerfdjeinung ber Salfcn »eip, barf
man biefelben feineßmegß mit ber ed)t nulfanijchcn Slhätigfeit
bet @rbe in 3ufammenhang bringen. Sie finb cielmehr auf baß
Borhanbenjein gemiffer »eid)er Schichtgefteine non tertiärem
iSlter unb beren ho^ent ©ehalt an ÄDhlenmafferftoffnerbinbungen
gegrünbet. 55ie h*^h« ©aßfpannung, bie unter günftigen Um»
ftänben babei gut @nt»idlung femmen fann, bemirft, bap örtlich
balb bauernb, halb nur geitmeilig Schlamm unb ©efteine in
bet befchriebenen Söeife außge»orfen »erben. Sludh aufÄertfeh
unb 2aman erjeheinen Schlammnulfane alß Begleiter ber Äoh»
len»Qfferftcfffühtung ber bärtigen, ebenfallß geologifch jungen
S^ertiärfchichten.
Sluperbem ift baß oftfaufafijehe Oelgebiet auch ^ur^ baß
(2SO)
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15
SSotfommen Bon ©aljquellen unb feine Umgebuna burc^ fcviö
auftreten ^ei§et Quellen auflaejeic^net. IDieje legieren bürften
abet n>ol)l ni^t ald eine mit Dem Delreicbt^um jufammen^änaenbe
@tfd)einung aufaefafet »erben, fie ftnb ein ganj felbftänbigeö,
unab^änaiaeS ^i^änomen.
®ie j£emperatuv beb aub terfd^iebenen liefen ^eraufgcljolten
Siotjolb ift eine unaleidje; bie Sc^manfungen ftnb aber ni(^t
bebeutenb, baS Slemperaturminimum beträgt et»a 14°, bad
9Rarimum 22,5° H. 2)ie Untere Temperatur ift aber im 23afuer
IDiftrihc eine feiten oorfommenbe audna^me, in ber fRegcl fcb»anft
bie Temperatur bei ben Berfd^iebenften übrigens BerbältniSmä^ig
ftets unbebeutenben Tiefen a»if^en 14° unb 19°, fie überfteigt
aifo bie in 93afu ziemlich beträc^tlid^e 93obentemperatur nid^t
erbeblid) (2—3°). @S »urbe fogar ein BaO namijaft gematzt,
»D bie Temperatur ber IjerBorqueflenben fRapl}t^a nur 7° erreichte,
alfo »eit l^inter ber burc^fc^nittlid^en IBobentemperatur gurürf«
blieb.
3n ©ejug auf bie burcbfcbnitilic^e djemifebe öefebaffenbeit
be« 9iobCMö ftebt iöafu ben meiften anbern Oelgcbietcn et»aä
natb, benn bie bortige fJtapbtba ift raeift fe^r fcb»cr, buufel
gefärbt unb feljr reich an fcb»even, cidjten Äcblen»afferftDff*
Berbinbungen, »ie Paraffin, daneben fommen »0^1 auch b«Ue
Delforten Bor, »ie befonbetS ju Sfuta^ani). 3m allgemeinen
ift auch baS Del ber oberen ©ebiebten ein febttereö
©cbmtcrol, unb biebter, alS baS bet tieferen f!aacn, boeb er»
leibet biefe Siegel auch manche auSnabmen.
IDie überreichen Delmengen oon 33afu haben bisher baupt»
fädblicb ben Sebarf beS rufficbeu fUiarfteS gebeeft: eine eigene
BlottiQe bringt baS Del Bon Safu bie ääolga aufmärtS bis in
baS ^>erg beS ruffifeben IReicbeS. 3n neuerer Seit beginnt eS
ficb »obl auch febon jum Tbeil in fBiilteleurcpa feft^ufeben.
(251)
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16
Seim 9iaffinerieproce§ bei Safuet Delcfl bleiben giemlic^
grofee ü)iengen oon t^eerartigen JRficf^Snben juriicf, weld)e wenig
ober gar nicht verwettbet werben. 9ludb ift bie Dualität bet
•burcbfchnittlichen Delforten feine befcnbetS gute unb ftebt ber
weiteren Setbreitung betfelben im SBege. 3)ic Safuer 3nbu|triellen
bieten nun aHe moglidjen SKiltel auf, um bie erwähnten SRücf»
ftänbe burch Gonftruction befonbercr Defen jum Jpeijen verwenb*
bar 3U machen unb burch ^erftellung neuer Rampen mit ftärferem
3uge auch *”»t geringfortigeren Delen ein fchoneS Sicht 3U er»
fielen. 2)em Sernehmen nach foÖen au^ bereite jiemlich be»
friebigenbe Stefultate erreicht worben jein. @0 fpemt bie jRatur
ben 9)ienjchen ju fortwährenben Serbejjerungen, gu jtetem »ort»
jehritt an.
Slnbcre Serhnltnifje treten unö in ben ©rböl^onen ber
galijijehen Karpathen entgegen. IDie gewonnenen Delmengen
ftnb bajelbft freilich oerhältniSmähig gering, nichtSbeftoweniger
bieten bie galijijehen (ätböloorfommnifje »iel Snterejjanteö bar.
3n ©nlijien h^t man jehon frühgeitig Setjuche gemacht, bie bet
bäuerlichen Seoölferung befannten ©puren non ©chmieröl
auSgubeuten unb in ber 5lhat gelang eS bem iSpothefer unb
nachherigen ^etroIeuminbuftrieQen Sufajiewicg, baraud Srennöt
hergufteHen , furge 3«t benot noch ©illiman in Slmerifa ben
jRaffinetieprogeh entbeeft hatte.
IDie überaus gahlreichen ^unbpunfte non Petroleum ner»
theilen jich auf bie gangen Äarpathen; bie bie leiteten gujammen«
je^enben Schichten jinb in allen ^heilen ber galigifchen Äarpathen
jo gleichförmig entwicfelt, ba§ fich bie Delfühmng an vielen
Drten wieberholt. 5Die gleichartige 3ujommenjehung ber ©chi^»
ten bebingt eS, ba§ bie Ä'arparthen im allgemeinen ein überaus
einförmiges ©ebitge hüben, ©ie beji^en burchfchnittlich eine
^öhe non 300 — 1500 m unb finb auS gahlrei^en, langgeftreeften,
(JSS)
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fc^malen ©ebirgSju^en gufammengefebi 9{amentlidb in £)ft>
golijicn ijt baö @ebirfl6prei(^en ein erftaunli^ regelradfeigeö,
ade (^ebtrgStü(fen cerlaufen linear unb faft ganj genau non SW
na(b NO unb la{|en fic^ »ft meilenweit verfolgen. 3)em ent*
jprecbenb ift au(b ber geologifcbe Sau ein fel)r gleicbförmiget
unb regelmäßiger. 3n SBeftgaIi3ien geßt baS Streicben allmäblicb
in bad oftmeftlicbe über, unb bie ©ebirgöjüge geigen leinen fo
anbaltenben unb regelmäßigen Serlauf. 2)ie|ee große eintönige
Jtettengebirge, welcbeö fi(b bur<b bie Sufowina in bie dUolbou
unb SBalacßei fortfeßt, befteßt auöfcbließlicb aud äußerft fofftlarmen
fanbigen Scßiefern, ©anbfteinen, tßonigen ©(ßiefern, unb bitu*
minöfen ©dbiefern mit ^)ornfteinen, welcße gum 2ßeil ber Äreibe»
formation, gum Sßeil bet älteren 2:ertiärformation angebören
unb burdb einen eigentbfimli^en, gemeinfamen^abituöauggegeicßnet
finb. ORan fann biefe ©efteine übet ©cßlefien unb dRäßren
nacß 0^lieber» unb Dberöfterreitß, wo fie ben nörblicßften ©aum
ber ^Alßen bilben, unb von ba in bie ©cßweig, ja felbft in bie
SlVVenninen verfolgen. 3« ber ©^weig ßaben fie bie Se*
geicßnung „glpfcß", in ©beritalien ,3Racigno", in Oefterreicß
„SEßiener ©anbftein", in ben Äarpatßeu „Äarpotßenfanbftein"
erßalten. 3!ßte ©efammtbefdbaffenßeit ift eine fo fonberbate,
ißre Serbreitung eine fo große, — fie finben ftjß nämlicß aucß
in ber gangen Salfanßalbinfel, in ^leinaften, im ^aufafuS, —
baß eS vieDeiißt vetloßnen bürfte, einige SBorte batüber gu vet*
lieren. IDie ßervoTftecßenbfte ©igentßümlicßfeit biefer fogenannten
Slpfcßgefteine ift, baß fie auf ben ©dßicßtoberfläcben merfwürbige,
auffatlenbe äBülfte, Sßatgen unb anberweitige meift giemlicß regel*
mäßige Figuren erfennen laffen, bie ficß in ben meiften $äQen
einer näßeren S)eutung gwar ßartnädiig wiberfeßen unb baßer
woßl aucß „.^ieroglppßen" genannt werben, aber bocß woßl als
©puren eßemaligen t^ebenö angufeßen finb. Sußerbem finbet
XtX. m 2 (253)
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man faft überaQ bie fogenannten Bucoiben, b. t. baumförmtg
»eräftelte 3«(i^nungen, bie man ftüljer alfl iSbbrürfe non ^langen
gebeutet ^at unb neueftenS al@ @))uten non 93ol^igäugen f^lamm*
bemol^nenbet SEBürmei anjuje^en geneigt ift. SBocbenlang fann
man in ben ^arpatl^en urn^ermanbern, o^ne ein anbered @e>
fiein, als berartigen „glpfd^*, gu begegnen.
(Sfl ift begreifiitb , ba§ bie Olieberung biefer einförmigen
@eftein§grufpen eine fe^r fi^mierige unb etmaS unfid^ere fein
mu§. fRid^tdbeftoweniger ift ed aUmä^Iic^ gelungen, nerfd^iebene
@d)i(^tcomple^e non cinanber gu unterf^eiben unb i^rem geo«
logifd^en 9lter nac^ gu beftimmen. (Sbenfo einförmig mie bie
geologifc^e Sufammenfe^ung ift aud^ bet geologifdbe Sau bet
farpat^ifcben $Ipf(^gone. IDie @(^ic^ten fallen nämlicb in bem
gangen, meutere fKeilen breiten ©cbirge faft ftetd mäj SW ober
S ein nnb festen in golge »ieber^olter galtenbilbung in bem»
felben ^aut)tbur^fd)nitt fe^r oft mieber.
IDad @rböl ift in ben ^arpat^en nur in gemiffen @c^i$t*
grunpen enthalten. 2)ie muffigen, mäibtige Sänfe bilbenben
unb meift bie @ebirgdfämme gufammenfe^enben @anbfteine bet
mittleren Äreibe unb bed oberen Dligocaen fmb noUfommen oel»
frei, »0^1 ober finbet fic^ baffelbe in fc^iefrigen ©anbfteinen,
melcbe in bet Siegel meidben bläulidben unb röt^li^en Simonen
eingelagert finb. Derartige ölfü^renbe ©(biibten geböten geo»
logif^ jum Dbeil ber ^reibeformation an, mie bie fo»
genannten Siopianlafcbicbten, bie na^ ber altbefannten |)e»
troleum fü^renben Sofalität Siopianfa bei Dufla benannt finb,
gum D^etl bet @ocaen» unb Dligocaenformation. 3m
allgemeinen fann man bie Seobadbtung machen, ba§ bie geologif^
älteren £)ele ber Siop{anfaid)i(bten l;od)gtabiget, geller unb pe*
troleumrei^er finb, ald bie jüngeren bed ©ocacnd unb Dligocaend,
bie fid) meift ald fc^toete, bunflr, paraffinteid^e SDele ermeifen.
(»M)
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19
35a8 geologiid^e Auftreten beS @rböl8 in ©alijien bietet
man(be Sinalogien ju ben amerifaniftben unb faufafifcben 33et«
bältniffen bar. 3lucb biet tft ba8 Del an i5oröfe ©anbfteine ge=
bunben unb witb meift non mebt ober minber ftarfen Delgajen
begleitet, beren ßntwicfclung juweilen eine i'o ftarfe ift, ba^ fie
betn (Grubenarbeiter ben Aufenthalt im 0cbadbte unmöglich macht
unb bamit auch bie SBeiterfühtung ber @chachtanlage nerhinbert.
Auch in tätigten ift an ein3elnen Socalitäten ein Ueberquetlen
be8 Del8 über ben ©cha^tfranj norgefommen, wenn auch feine
berartig ftarfen ©pringqueHen entftanben finb, wie in 9lorb»
ametifa ober in Äaufafien, 2)ie Detmengen, welche bic farpa»
thifchen Delterrain8 geliefert hoben, finb freilich niel geringere,
als bie ber amerifanifchen unb taufafifchen @ebiete. Auch in
ben Itarpathen ma^t man bie (Erfahrung, ba§ namentlich jene
©Rächte, bie anfangs befonbet8 auffallenb gtofee Delmengen
liefern, mit ber 3eit ihre (Grgiebigfeit cerminbern ober felbft
gänzlich verfiegen. (Daneben giebt e8 aber auch wenig
©chödhte, bie fchon feit Dielen Sahren, 10 unb barübet, regel»
möfeig nicht unbebeutenbe, wenn auch “ff bet Seit geringer
wetbenbe Duantitdten Del geben.
(Daburch, bafi ölführenbe ©chidhten angebohrt ober abgebaut
werben, ift bem im ©efteine unter (Drutfe aufgefpeicherten
Dele ©elegenheit jum Austritte geboten unb ba8 Del fammelt
fich in ber Slhot om Soben bc8 SBohrlocheS ober be8 ©chachteS
an unb wirb nach einiget Seit ouSgepumpt. (Durch ba8 ein«
malige AuStreten be8 Del8 au8 ben $oren be8 ©anbftein8 wirb
aber ba8 ftatifche ©leichgewicht in ber Delfchichte geftort unb e8
mufebaS Del au8 bet ferneren Umgebung allmählich an bie AuSflufe*
fteCle, wenn biefe wiebet frei geworben ift, na^ftrömen. (58 ift
flat, bah ber Deljufluh fich um fo mehr Detringern wirb, je
länger biefer ^roceh fortgefetjt wirb.^jpat ber Deljufluh gänzlich
2* (««)
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20
aufge^ört ober ift er {o gering geworben, ba§ er bte Arbeit ntd^t
tne^r lo^nt, bann fe^t man in ber Siegel bie bergmännifdbe
Slrbeit fort, um oietleicbt abermals ein Oelnioeau angutreffen
IDieS ift benn audb häufig ber $all, äbnlidb, wie in ISmerifa,
wäbrenb aber bie fogenannten IDelfanbe S>ennf9(oanienS räumlich
befcbrönfte ginfen bnrfteHen, [treiben bie @cbi(bten in ben Äat»
patten oft filometeiweit mehr ober minber regelmäßig fort. 9iur
macht man häufig bie raerfwürbige 99eobachtung, baß biefelbe
Schichte, bie an einer gewipen 8ofalität alS feht ölreich
erweift, in ihrer gortfeßung im Streiken ooHfommen fteril unb
unergiebig ift. fDtanchmal dnbert p4) bie ^etrographpche
©efchapenheit eines ganjcn an einet beftimmten gofalität öl»
füßrenben ^ori^onteS im Streichen in einet bem Oeloorfommen
fo feßr abträglichen SBeife, baß febwebc Delfüßrung aufßört
2ille bisherigen Erfahrungen jeigen, baß bie ergiebigen Delan»
lagen genau bem Streichen ber ölfüßrenben Schichtcomplere
folgen. IDa nun baS Schichtftreichen in ben ^arpatßen im Sil»
gemeinen faft ftetS oon SO nach NW gerichtet ip, fo Peßt man
häupg eine Slnjoßl oon SBoßrungen unb Schachtanlagen in biefct
Slichtung linear aufeinanbet folgen, welche alle bapelbc Schießt»
fpftem auSbeuten. @8 pellen pcß auf biefe Söcife fogenannte
Dellinien ober Delgonen h«, SBorhanbenfein feßon gu S3e»
ginn bet ^etroleumgewinnung erfannt würbe; nur ßat man an»
fangS h^upg auch Deloorfommniffe in eine i^inie ober 3one
gufammengegogen, bie thatföcßlich auf ungleichartige, geologifcß
oerfcßiebenaltrige Seßießtgtuppen begrünbet waren.
SUie bie Delmengen in ben galigifcßen äSarpathen geringer
Pnb, als in ben oorßin befeßriebenen ©ebieten, fo treten aueß
bie Delgafe in geringeren Quantitäten auf; boeß fennt man
fünfte, wo ©aSemanationen ftattpnben. 2lu^ in ©aligien fanb
man, baß baS fRohöl h^upg oon falgßaltigem SBaPer begleitet wirb.
(S56)
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21 ‘
®te galigtfc^en Oelfunbpunfte ftnb )o 3a^lreicl^, ba§ e8 nic^t
möglich ift, ^iei ade namentlich aufjufähren. 3u ben älteften
unb betannteften gehören in SBeftgali^ien: Söbtfa, SRoptanfa,
©iarh, gibujcha, gi^jtnfi, {)arfloma;in Dftgalijien: ©loboba tun»
gurflfa, f)olana. 2Da p(h bie Äarpathen mit bet nämlichen geo»
logifchen 3u{ammeniehung aud^ über bie ungariich'galijifche
Qjtenje nadj Dbcrungarn fortfehen, fo trifft man auch einjelne
Delnotfommniffe an.
SRoch ein michtigeö ©ebilbe jeichnet fich in ©alijien burch
reiche ÜJiineralführung au§, nämlich bie fogenannten ©aljthon»
fchichten. 5)er ©aljthon gehört Der dJMocaenftufe ber jüngeren
Sertiät3eit an unb bildet einen jchmalen, faft noDfommen 3ujammen>
hängenden ©treifen am 9lcrbranbe bet Äarpathen, ber [i4 au8
©chlefien nach ©aligien unb in bie Sufomina fortfeht unb fich
non hi« in bie ÜJtolbau unb SBalachei netfolgen läfet. Sahlteiche
Sotfommniffe non @9p0, ©teinfal3 unb ©al3quellen gei^nen
biefeS ©ebilbe auä unb haben ihm feinen Sdamen gegeben. @o
gehören bie altberühmten ©alinen non äBielicgfa unb 93o^nia,
bie gahlreichen ©algfoolen OftgaligienS unb auch bie ©chmefeU
läget non ©gwobgoroice bei SBielicgfa biefer gormatian an. 3n
Oftgaligien ift biefelbe aber auch durch i>i« Rührung non ©rböl
unb ©rbwachS aubgegeichnet. 5Da8 Untere wirb auch Dgoterit
genannt unb ift ein bräunlicher ober gelber, fnetbarer Äörpet
non »achSartiger Äonfifteng. 9lach ihr« h^i'i^äwphifth«” 3u»
fammenfehung befteht bie miocaene ©algthongruppe gumeift au8
bläulichen ober bunten ®anben unb ©anbfteinen, bie
mit benen ber geologifch älteren j^arpathengefteine gumeilen eine
auffaDenbe Slchnlichfeit haben.
SDa8 6rbmach8 findet fich befonber8 in ber gocalität 93otp6«
lam bei IDrohobpcg, roo e8 gu einem fieberhaft betriebenen Staub»
bau ber merfmürbigften 9Irt ^3nlaff gegeben hat. 3)a8 michtigffe
(J57)
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iDeftiOationSpTobuIt be§ (SrbiDac^jed, bad fogenannte 6etiftn, bet<
mog nämlic^ bo8 SicnenwadjS in allen feinen SScraenbungen »oH»
flänbig ju erfe^en unb ift habet »tel billiger, ba^er bet gto§e Sert^
beffelben unb bic bebeutenbe Ulaebftage barnaA. SBä^renb ba8
gali^iftbe 'Petroleum bie ©rennen be0 ?anbe8 faum überfdbreitet, unb
im ganbe felbft nur jur bie Äonfunenj mit bem amerifa»
nifeben, faufartftben unb rumdniftben £)ele auSjubalten oermag,
finbet baö ©rbroadjä »on SBcrpölaro allenthalben feinen Slbfa^. Un=
gejügelte ©^jelulation »etbunben mit bem SKangel bergrethtlidjer
Seftimmungen bradjte eä ba^in, ba§ gu SBotnSlaw auf einem
glädbenraum »on ungefähr 150 3och«” toeniget al8 12 000
0^ächte meift in ber ungulänglithften 3Beife augelegt unb ba8
gange Senain berartig nntermühlt mürbe, ba^ fe^t, mo man bie
©chäben biefeS (gpftemä auch an Drt unb «Stelle längft erfannt
hat, ein rationeller Bergbau faum mehr möglich ift. 9Bohl in
feiner gofalitdt ber alten SBelt hot baö fogenannte „Delfiebet" fo
eigenthümliche SSerhdltniffe gegeitigt, mie in SBorpfllam, bie in
ihrer Slrt ben ametifanifchen an fJJlerfmürbigfeit faum nachftehen.
©egenmdrtig h“t ^tobuftion ben «t)öhepunft bereits über»
fchritten, ift aber immer noch beöeutenb genug (c. 250000 (5tt.
©rbmachö unb 30 000 (Str. @rböl). 2)ie Satgthonfehichten bilben
in SotpSlam einen beutlichen Sattel; benn pe fallen füblich unter
bie fogenannten fDienilitfchiefer, du§erft bituminöfe, blättrige
Schiefer mit gahlrei^en fofplen f^ifchen unb mit |)ornfteinbdnfen
ein, bie h*fr ben nörblichften Äarpathenranb bilben. 3n bet
fDHtte beä IReoierö liegen bie Schichten gimlich Padh unb im
nörblichen ^h®’^ beflelben fallen Pe nach 9lorboften. 35ie Jpaupt»
tegion beö ©rbmachfeö (DgoferitS) fdQt mit ber Slchfe biefefl
Schichtfflttelö gufammen (nergl. gig. 2). 2)ort pnbet pch bet
Dgoterit theilfl in bünnen, ben Schichtpdehen parallelen Sagen,
theilS aus 2luSfüllungSmaPe bon ^lüpen unb gangartigen
(JM)
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23
©^»rüngen, »eli^e bad @eftdn gerabe in ber @atteItegion butc^*
fe^cn. JDiefe (edleren ^aben oft bebeutenbe 5)imenfionen unb
umfaffen ben ^jauptreic^tbum an Djoferit. 3n gröberer @nt»
femung von ber ©^eitellinie erfc^eint bad @rbwa(!bÖ nur in
geringer SJlenge unb nod) weiter bavon trifft man nur me^t @rböl
an. Sowie bicr in 33orpdIaw, fo b^t man überhaupt iu ben
J^arpatben, unb noch früher in ^merifa bie Seoba^tung gematbt,
bab ba8 @rbol namentlich in ber fJlähe ber Slchfen von Schicht»
jätteln fich angehüuft norfinbet.
ifig. 2.
m sw
Hirchtym,
S = Saljtbonfthichten. M = 3RenUttl<hiefer (na^ 6. 5K. ^aul).
SBir woQen unS nun bem ^etroleumnorfommen von
3lumänien guwenben, baS in ber (enteren 3dt eine nicht geringe
wirlhfchaftliche Sebeutung erlangt hol* SBie betaunt, ftreicht
bie Sanbfteingone ber Karpathen auS Oftgaligien über bie
0ufowina in bie ÜJiolbau unb febt fich von ba um bie oft»
weftlich ftrei^enben trandfplvanifchen Sltpen herum in bie SSalachei
fort. 35a bie geologifchen unb petrographifchcn IBerhältniffe
giemlich unveränbert bleiben, ift eö begreiflich, wenn auch ^u»
mänien burch ©rbölvorfommniffe ausgezeichnet ift, unb biefe in
(»59)
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24
it)rem geologifd^en 2(uftteten oiel Sle^nlid^teit mit ben galtgtfc^en
aufmeifen. S)ied ift namentlid) in bet SRolbau bet BaD, mo
ba8 Petroleum im Sejirfe Sacau in mehreren gofalitäten, beten
toici^ttgfte SJloinefti ift, gewonnen wirb. £Da8 Del fdjeint ^let
fowo^l bem älteren tertiär, wie bem geologifc^ jüngeren @al}*
t^one anguge^ören unb wirb »ielfadj oon @teinfalg unb ©alg«
foolen begleitet. 6twa8 abweic^enber finb bie SSer^ältniffe in
bet flialacbei, wo ba8 Del in größerer fDtenge oorfommt, unb
gtöfetentf)eil8 ben geologifc^ noc^ jüngeren Jertiärfcbic^ten bet
fogenannten Songerienftufe ange^ßrt, aifo betfelben ©tufe,
wel(ber ber gröfete SEljeil be8 faufaftfdjen Dele8 entflammt. 3)a8
wala(^if(^e @rbölgebiet liegt am füblicben !flb^ange ber tran8>
fploanifcben 91l))en, weldje au8 benfelben cretacifcben ©anbfteinen
unb ©(^iefcrn befielt, bie in ©aligien mit bem Flamen ber
0icpianfa«Sd}i^ten belegt würben. ©a8 ©treidjen biefer ©(bienten,
mit benen ficb autb maffige ©anbfteine bet mittleren Äteibe»
formation uerbinben, ift bem Serlanfe bc8 @ebirg6famme8 ent»
fptecbenb ein oftweftlidbeö. ©arau legen fidb jüblicb in einet
febr breiten 3one bie ©ebiebten bet miocaenen ©algformation
an, bie au mebreten Drten butcb ©algfübrung bemetfen8wertb
ift unb audb ©tbölfputen aufweift, ©arübet legen ficb enblitb
bie geologifeb uoeb jüngeren fogenannten Songerienfebiebten,
bie ben |)am3tolrei(btbum bergen, ©iefe befteben in ihrer unteren
Partie au8 mächtigen, feintörnigen mürben ©anbfteinen, ©anben
unb fanbigen ©ebiefetn, bie an gewiffen Drten wahre Dellager
bilben. ©ie Delfühtung ift namentlich in ber 9täbe ber ©alg*
tbonfebi^ten eine bebeutenbere unb bie an oielen gocalitäten ge»
wonnenen Delmengen geben bem amerifanifeben unb faufafifeben
nicht Diel nach. tBemertengwertb ift, ba§ ba8 @rböl auch bi<^
guweilen mit febwefligem unb falgigem SBaffet gemengt ift. ©ie
wiebtigften ?)unfte, wo ba8 6rbol gegenwärtig gewonnen wirb,
(*«)
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25
liegen in ben S>i[tiiftcn 2)4mbon)i^a, ^ra^owa unb S3ujeu. 3m
erftgenannten Diftrifte ift bie SocalitSt ^olibaffi mo^l bie be*
fanntefte unb ölteic^fte, im IDiftrifte ^ra^oma gehören @ämpina,
an bei 33a^nlinie 93ufaieft*^Prebeal>^ron[tabt, Saicoiu, Sintea,
2)iaganefe gu ben am meiften auSgebeuteten.
Sßir woOen nun nod^ mit einigen Sßorten auf bie @iböl«
norfommntffe 2)eut)(^lanbä einge^en, con benen befonberd bie
im norbmeftlid^en 2)eutic^lanb einige Seit lang bie ISufmerffam*
feit auf fic^ gelenft ^aben. ©(^on feit langem finb Petroleum»
norlommen im 61ja^ befannt, mo im Unter<@lfa^ bei .^agenau,
im Dber»6liafe bei tBUftrc^ ©tbölfputen auftreten unb fc^on fm^=
geitig eine, wenn auch nur geringe unb ^auptfäcblic^ auf
gelichtete Qiieminnung ftattfanb. 3m Dber=@i|a| gehört bad
@iböl ben fanbigen unb thonigen ©chichlen bei ^ertiärfor«
mation an. ^^nbere uubebeutenbe IBoifommniffe trifft man in
ber ^falg bei fDietterheim, unb in Dberbapern bei Siegern«
fee an. 3n ber leiteten gocalität ftnbet eö fiel? in alttertiären
„gl9|(h"='®chichten, alfo in berfelben Ablagerung, bie auch ™
ben galigifchen jtarpathen fich fo ölreich ermeift. SDie größte
S3ebeutung fonnen mohl bie IBorfommniffe beb norbmeftlichen
SDeutfchlanb beanf^ruchen, unb gtnar namentlich bie in ber Um«
gebung nou ^annocer unb ti^raunjehmeig. @8 ift befannt,
ba^ im 3ahrc 1881 bei Älein=Debelfe, in einer üocalität, bie
mit bem ÜRamen Delheim belegt mürbe, giemlich bebeutenbe 0te«
fultate eigielt mürben, melche au^ ba ein mahreb „Oelfieber“
ergeugt unb niele Unternehmungen in’b ^eben gerufen h"l>^n>
non benen feither bie meiften mieber aufgegeben mürben. SDie
SSeihältniffe, unter melchen bab 6rböl htc<^ auftritt, finb befon«
berö fchmierig gu erfennen. @8 trägt hlerju menig ber
Umftanb bei, bah auch geologifche S3au bei @egenb ein fehl
neimicfelter unb in $olge ber mangelhaften Auffchlüffe unb ber
(S61)
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26
möd^ttgen oberflächlichen IDecfe Bon JDiluBialbilbungen fchwer ju
erfennenber ift. 3n Delheim btlben nach bet ©arfteüung Bon
9{oelbefe bie Schichten bet (ogenannten SBälberthonformation
einen @attel unb »erben Bon ben ^hotten ber unteren ^eibe
überlagert. 3)a8 Oel finbet fich hic^ i« Schichten be8 SBäl»
berthone8 Bor, hoch gehört e8 an anbeten Socalitäten »iebet
anbeten Schichten an.
SBenben wir un8 nun ber ^tage nach bet @ntftehung
be8 ^etroleum8 ju. Seber Sßetfudh, biefe Seofle ju beant»
»orten, »itb »chl junächft auf bie chemifche Swfammenfe^ung
be8 ^etroIeum8 IRücfficht ju nehmen haben unb fo muffen »ir
un8 »ohl Borerft noch fut^ bamit befannt machen. 35a8 IRohöl,
»elche8 an ben Berfchiebenen Socalitaten ge»onnen »itb, geigt
feine8»eg8 allenthalben biefelbe chemifche 3ufammenfeöung; e8
ift überhaupt ni^t moglt^ eine allgemein gütige chemifche 8or=
mel bafür aufguftellen. 2)a8 9iohöl fleQt fich ftet8 al8 ein @e»
mild» Bon mehreren Äohlen»afferftoffBerbinbungen bar, bie Ber=
fchiebene 2)ichte, Berfchiebenen Siebepunft unb ocrfcbiebene @nt»
günbbarfeit haben. 3)iefe ÄohlenmafferftoffBetbinbungeu finb
berart befchajfen, ba§ bie SIngahl bet SBafferftoffatome einer fol»
chen SSerbinbung bie ber Äohlenftoffatome ftetS um 2 überfleigt,
entfprechenb ber Formel Cn Pin + 2. 2)a8 unterfte ©lieb bie»
fet 9ieihe (CH^), ba8 befannte ©ruben» ober Sumpf»
ga8, fehlt im IRohöl, »ohl aber fommen bie IBerbinbungen
C^H, unb CgHg Bor, bie beibe gasförmig finb, unb bei ge=
»öhnlichct Temperatur ent»eichen. fDie SBerbinbungen CgH,o
bis CgjHjg finb fümmtlich f^lüffigfeiten unb baS ©nbe biefer
{Reihe bilbet baS fefte Paraffin. Die chemifche Äenntni§ biefer
»ichtigen S3erbinbungen ift übtigenS noch feineSmegS gum boQ»
fommenen Slbfchluffe gelangt; fo hat neuerlich 6 hau bl et im
{Rohöl gmei Süerbinbung8teihen unterfchieben, non benen bie eine
(362)
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27
nad) bet gormel C2nH2n + 2 anbere nad^ bet gormel
CnH2n + 2 gujammengeji’^t crf^eint.
®afl Sfto^öl ift ftetö je^t reic^ an @afen, enthält nod^ bie
bei geringerer Temperatur entjünbli^en Oele unb ift beS^aib
äufeerft feuergefd^tlitb. Um biefe gu entfernen, ben unangene^«
men @eru^ gu befeitigen unb bie fcbmereren SUerbinbungen
wie ?)araffin, u. f. tu. msm eigentlichen SBrenncI gu trennen
untergieht man ba6 Sfioböl einer mehrfach unterbrcdben, ftac>
tionirten DeftiHation. Diefe aitb in eifernen, mit fctjlangen»
förmig gerounbenen Äühlreh'cn nerbunbenenÄeffeln Borgenommen
unb ffihrt gut Silbung Don Bier ©ruppen Don 35efliÜatic?n8*
probuflen. Suerft Dertoffen bie JDeftiQaticjnöblafe jene leicht
entgünblichen unb leicht bemeglichen SBerbinbungen, bie man al8
@fff*^en gufammengufaffen pflegt; e8 fiub bieS h<*uptf5£blich baö
Äerofelen, auch 'i'etroleumäther, gigtoin, föagolin genannt unb
ba6 23engin. 2)aö Äerofelen h^i fbccififche ©ewicht Don
0,65 bis 0,7 unb fietet bei 40°, roährenb baö Sengin erft
gmifchen 100 unb 200° fiebet unb ein fpecififcheS ©emicht Bon
0,7— 0 74 befi^t. Seibe Derbunften in ber freien 2uft mie be»
fanut fehr rafch unb geichuen fich baburch ou8, ba& fie Sette,
Dele unb bergl. fehr rafch l^fen unb efttahiren. I)ie gmeite
©ruppe Bon 2)eftiIIatiDn8ptobucten bilben bie eigentlichen Stenn»
öle, ^hotf'ä^n» Äerofin, raff. Petroleum. Sluch baö festere ift
nod) ein ©emenge nerfchiebener Ä'ohlenmafferftoffBetbinbungen,
bereu fperififcheS ©emicht gmifchen 0,76 unb 0,86 fchmanft unb
bereu ©iebepunft gmifchen 200 unb 300° f^anft. IDie britte
©ruppe ton ©eftiflationöprobucten bilben bie fogenannten
©olatöle unb «Schmieröle mit bem fpecififchen ©etoichte ton
0,8—0,93, ton benen ba8 leitete gum Sdjmieren bet fJJiafdhinen
fehr Bortheilhaft nermenbet miib. Sei meiterer Surtfe^ung beö
JDeftiHationflproceffeö erhält man gundchft fehr paraffinhaltiges
(26S)
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28
Del unb enblt(^ bo0 toeifee, flodfige ^atafttn in feftet j?orm.
IDet aSp^alt» obet tbeetartige 0tü(fftanb wirb ^&uftg felbftdn«
biger fabiilämä^iget Se^anblung untet3ogen; juweilen wirb ec juc
Srjeugung Don @oaf0 cerweTtbet. S)ie0 ift in j^urjem bet
®ang beS lDeftiQation0))rccef]e0; bie babei auSfadenben ^ro«
bufte finb jebccb ciel jablreicber al8 bie biet genannten, unb ge«
»if[e äbdnbetungen im SBetfabren ermöglicben bie 4>erftellung
jablreiebet oetttanbtet gabcitate, non bereu gcböriget Suönubung
gar oft ber ftnanjielle ßrfolg bet JRafftnetien abbängt.
2)a0 gewonnene Stennöl wirb nach Seenbigung beS JDe«
ftidationöoocganged noch mit igcbwefelfäure gemijcbt, um nod;
oorbanbene, ftembe mineralifdbe Seftanbtbeile gu getflören, unb
fcbliefili^ ber ©inwitfung beS ©onnenlicbteö aufigefe^t. 5)ie0
gef(biebt, um baS Del gu bleidjen unb ben etwa nod) anwefen«
ben @afen ©elegenbeit gum (Sutweicben gu geben.
2)a0 bem 6rböl oerwanbte 6rbwa(b8 ift in (bemifdjer ^in»
ficbt dbnlicb gufammengefebt, wie bafl @rböl, nur wiegt in feinet
3ufammenifbung bafl Paraffin weitaus oor. 5)ut(b ben ®e*
ftidationSprogeb erbdlt man b<>uptidcbli(b baS bem SienenwacbS
fo dbnlicbe ßerifin unb ba8 '»Paraffin, in oiel geringerer SRenge
mineralif(be Dele, wie fie autb bei ber 2)eftidation be0 ©rbölefl
gewonnen werben.
3n dbnlitbet SBeife, wie au8 IRoböl unb Grbwatbfl, fann
man, wie befannt, auch auS organifdben Stoffen, wie ^olg,
Äoble, 2orf burcb trccfene 35iftidation uerfcbtebene Äcblen»
wafferftoffoerbinbujlgen, wie unfer gewobnlicbfö 8eucbtga0, Pa*
■'taffin, ©olaröl unb bgl. ergeugen. Seoor man nc(b fRobol in
großen SDfengen gu erbobren wufete, gab e0 ja einen befonbereu
Snbuftriegweig, welcher auf bet ©rgeugung oon Paraffin, So*
latöl, 3;bcfr Äoble unb Jorf begrünbet war. 68
liegt nun gewib recht nabe, angunebmen, ba^ man e8 im 6tböl,
(*M)
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29
6tbn>a(^6 unb ben oerwanbten Stoffen mit ben notürliii^en 5De»
ftiöationätjrobuften ehemaligen pflnnjli^en ober thierifcljen 8e»
bend ju thun h^be. 3n bet 2)^0^ feit jeher geneigt,
ben Urfptung beS @tböI8 in bieiet ^Richtung ju fucfeen, bodh ftnb
baneben and) anbete SInfchauungen oerlautbait morben. So ift
bie Slnficht auflgcfproehen rootben, bo§ bo8 6rb5l feinen Ut»
fptung bet ©manation au8 größerer ©rbtiefe eerbanfe. JDa»
na(h wäre im '2luftreten bed @rböiS eine Stfcheinung ju et«
Tennen, »eiche in ben Dulfanifchen $h<3nomenen, im ^orfommen
eblet fDietaQe auf @tjgängen, heilen Duellen unb @a8e]cha>
lationen bie ndchftcn Analoga h^it. 5Ran Tann biefe leitete
,^p»olhefe fut^meg bie Smanationflhhpothefe nennen.
SBir werben fehen, ba§ fich bie leitete au8 oielen ©rünben
ale unhaltbar etweifen »ito. SEBürbe ba8 ©tbol »itflich au8
größerer ©tbtiefe hettühren, fo müfete man fein ©tfcheinen not»
ttiegenb in oulfanijchen ©ebieten gu erwarten h^^en.
ÜJlan fennt aber in SBirflichfeit feht gahlreiche »ulfanifthe
©ebiete gang genau, ohne ba§ eß gelungen wäre, eine berartige
SBahrnehmung gu machen. ^Die Dulfanifchen ©jrhalationen Wut«
ben DielerortS unterfucht, ohne ba^ man babei Sohlen«
wafferftoffe entbedt hätte. Slnberntheiie finb bie ©ebiete,
in welchen gegenwärtig ©rbol auftritt, burchauS au8 febimentären
©efteiuen gufammengeje^t, auö ©efteinen, bie fich im SKeete
butch I9nhäufung Don IDetrituS unb unter fUlitwirfung organifchen
Bebens gebilbet haben. SBir Tennen im .^auTafuS unb füblich
banon gro§e ORaffen oulTanif^et ©efteine; bie ©tbolDorTomm»
niffe bepnben fich jeboch nicht in ihrer fRähe, fonbern entfernt
baoon in ©ebieten febimentärer Statur. ©twaS Slehnli^cS be«
werft man in ben .Karpathen ; au^ h‘**^ fommt baS ©tböl feineS»
wegS in ben ^Regionen Dor, bie Don Dulfanifchen ©efteinen burch*
btochen »erben, wie in Schlefieu, ober im Sra^ptgebiete Don
(J6S)
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30
Dberungant, fonbern ftetö »eit entfernt banon. 5n ©c^leffen
fennt man allcrbtnafl ©puren baoon, aber biefelben finb gegen
bic galijijcben SOorfommniffe faum nenncnömert^ unb fielen
überbiefl mit ben bortigen »ulfanif^en ©efteinen in gar feinem
Sufammen^ange.
3m pftfaufafifd}en ©rbölgebiete treten freilid) ©tfd^einungen
anf, bie md)t wenig gu ©unften bet fogenannten ©manationd«
^ppot^efe fpredjen, unb ttjatfac^lic^ fielen Diele Sl^eoretifer, wie
^rattifer, bie il)re ©tubien ^auptfäc^Iic^ auf biefem ©ebiete ge»
macht hoben, mehr ober minber auf bem 93oben ber ©manationfl»
hbpothefc. @0 erjeheinen bort jahlreiche hei§e Quellen, welche
bieielbcn Schichten Durchbrechen, au8 welchen baö ©rböl ge«
Wonnen wirb. ©a§ gegenwärtig bie heifeen Quellen mit ben
9Japhtho»orfommniffen gar feine S3erbinbung hoben, ergiebt
fich fchon barauS, ba§ bie Unteren ftet8 eine geringe Slemperatur
aufweifen, welche bie ©Obentemperatur faum um 2 — 3® über»
fteigt. 23ieS macht wenigftenS bie ©ermuthung fehr wahrfchein*
lid), ba§ ein Derartiger Sufommenhang überhaupt nie beftanben
höbe, ©ine anbere ©tfcheinung, bie bei oberflächlicher ©etrach»
tung bem Dulfaniichen ©harafter ber 91aphtho baö SBort ju
reben fcheint, bilben bie fchon erwähnten fogenannten Schlamm«
Dulfane ober ©alfen, bie fowchl im ©ebiete Don ©afu, al8 au^
auf Äertfch unb Staman auftreten. 2)och würbe fchon im ©or«
hergel)enben betont, bah biefe pfeuboeruptiDen©orgängcfeine8weg8
auf bie eebt Dulfanifchc Jhotigfeit bet ©rbe gu begichen fei. ‘ 2)a8
au8geworfene SJiaterial bet ©alfen, felbft ber Don ^aterno am
Sletna, befteht au8 weich geworbenem Schlamm unb ©anb bet
Jertiärfchichten, welche ben©obenber betreffenbenSalgegufammen«
fe^en, wie fich bieS au8 ben ga hiteichen miftoffopifchen otganifchen
fReften ergiebt, bic ©ümbel Darin nachgewiefen hot. IDie mit
auSgeworfene fRaphtha unb bie ©rholationen dou Ifohlenwaffet«
(»66)
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31
ftoffgafen ^uic^ ben ui(pTÜngIic^ im SBoben tior^anbenen
@e^a(t an biefen bie Eruption mitbeutTfenben Stoffen bebingt
unb bie SSulfane fönnen bet Saljen, bie in nuUaniji^en @e>
bieten auftreten, nur infofcrn bei biejer ©rftbeinung betbeiligt
{ein, aU bie burcb fie bebingte örtli^ er^ö^te ©rbbobenmdrme
bie Serfe^ung bet otganiicben SBetbinbungen in ben halfen
fbrbert unb bamit ben ’Ünla§ gu localer etuptioer Sl^ätigfeit
er^ö^t.
SSäre bie @manationd^ppotbefe richtig, bann müßten mit
bad @rCol Dor allem auf ben großen Sermetfungdfpalten obet
in bet 9iä^e betfelben b^tDortteten {el)en, maS tbat{ä(bli(b but(b*
and nicht bet SaQ ift. äBit miffen gmat, ba§ bad (Srböl in ge«
miffen ©djicbten bauptfä^licb in Älüften unb ©palten »otfommt,
aber biefe finb nur non geringer Sludbebnung unb geben nicht
übet bie ültä^tigfeit be8 ölteicben ©cbicbtnerbanbeS b<naue. 3n
olreicben ©cbicbten muffen ficb, mie bieS ja felbftnerftänblid) ift,
bie Dotbanbenen Klüfte, bie in feinem ©ebirge fehlen, mit @rböl
füllen, ba fie ein fteieö au8treten beö £>el6 au8 ben Smifcben»
räumen beS ©efteind geftatten. tflber biefe untergeorbneten
Klüfte finb nicht gu nermecbfeln mit jenen großen Srucblinien,
melcbe gange ©ebirge burcbfe^en unb länge melcber bet 3u«
fammenbang ganger Formationen unterbrochen ift. fDiefe reichen
in bet ^bat in bebeutenbe Siiefen, menn fie auch oberflächlich
ni^t ale offene ©palten gu erfennen finb. ©olche Linien burch«
gieben bie ©ebirge »ielfach unb finb ben ©eologen febr mobl
befannt, ohne ba^ man jemale einen ähnlichen Bufammenbang
gmifchen benfelben unb ben ©tböloorfommniffen erfannt hätte,
mie er gmeifeQoe für bie ^b^^tnen unb nultanifcben ©ruptione«
fteQen ermiefen ift.
5Dae SBorfommen bee ©tboie in linearen 3onen fpricht
fcheinbar für bie ^erfunft beffelben aue größerer SÜefe. 9tun
(SG7)
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32
entipridjt aber bie|e lineare Slnorbnung bet DelBotfommniffe
cineg Gebietes jum S^eil auch bem regelmäßigen ^ortlaufe bet
ölfüßrcnben <Sd)icbten, mie gum 93eifpiel in ben J^arpatßen, ober
eö metben babur^ bie 3pen ber Scbic^tfättei gelenngeicbnet, bie
fidß mie mir gejeßen ßaben, burcb befonberen £)elrei(^tßum and*
geidbnen. Bumeilen mag moßl au<b bie lineare 'jinorbnung bet
IDelfunbpunfte eine gufäQige [ein ober ei mögen audß manche
berartige Sinien burdb 3u|ammengießen eigentlich nicht gufammen«
gehöriger Delpunfte fünftlich conftrnirt jein.
fehlt aljo im geotogijchen ätuftreten beö @rbö(ö febe
thatjächliche ‘Änalogie mit jenen ©ebilben, beren ^>erfunft au8
großer ©rbtiefe pchergejteDt ift, mie mit ben Sulfanen unb
^h^imen.
S)a8 S3othanbenfein non maßren DeQagern, oon ölfüßrenben
Schichten, bie fich burch bejonbere petrographij^e @igenthümli^>
feiten non ben nichtölföhrenben beffelben Schichtoerbanbeö unter*
jcheiben, geigt gang beutlich, baß bie Delführung alS eine äßn*
li^e ©rfcheinnng gu betrachten ift, mie baS 55orfommen non bi»
tuminöfen Schiefern ober non ©teinfoßlen nnb baß eö in feiner
^nuptmaffe nur mit ©efteinöbilbungSoorgängen febimentärer
jRatur in 33erbinbung gu bringen ift.
9iut folgenbe ©rfcheinungen »erbienen noch unfere 93each*
tung, ba fie tßatfächlich ein non bem gemöhnlichen abmeichenbe8
SJorfommen non Äohlenmafferftoffnerbinbungen barfteüen. 9Ran
hat h'e unb ba bie ^Beobachtung gemacht, baß fich biefelben in
menn au^ nur feßt geringer fDienge in ©efteinen nulfanifcßer
^)erfunft norfinben, fo in ben 2)ioriten non ©aöpö in ©anaba,
in ßolfteinifcßen ©ranitgefcßieben unb bergl. ferner meiß man
burch ^'c$e, baß bie fogenannten geuer bet ©ßimaeta in 8p»
den (Äleinafien) auf ©manationen non Äoßlenmafferftoffgafen
berußen, melcße au8 einem nulfanijcßen ©efteine, Serpentin, ßer*
(268)
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33
Bortrcten. SBenn aud^ bte erflercn SorfommDtfle »erfd^tebene
Deutungen julaffen, fo fpric^t boc^ baö leitete fe^r baffir, ba|
tu ber ßrtlid) befc^rönfte ©manationen »cn ÄD^Ienwaf|et»
ftcfroerbinbungen Dorfommcn fcnnen, bie oerniut^Üc^ auö großer
Jiefe ^errü^ren. Wlan ^at c8 aber bann nur mit örtlichen
jtbeinungen ju tl)un unb i^re Statur ergiebt je^r halb auö
einer jelbft nur flud)tigen Betrachtung beS geologifchen Siuf»
tretenö.
Der befannte ruffifche ÜRenbelejeff h^t fich bie
Gntftehung non ÄoblentDaflerftoffüerbinbungen in großer 6rb»
tiefe in folgenber Söeife al8 möglich gebadet. 5Ran hat aßen
©runb, im ©rbinnern gro^e Anhäufungen »cn SJJetaflen, na«
mentlich oon 6ifen in gluthflüffigem Buftanb üorau8jufehen.
SBenn ba8 @ifen unb bie übrigen ?0teta[le in Batm »an 58er«
binbungen mit Äohlenftoff oc^rhanben finb unb SBaffer Bon ber
(Srboberfiächc gegen innen einbringenb angenommen ttirb, fo
werben fidh beim Bufammentreffen biefer Stoffe nothwenbiger
Söeife ÄohlenwafferftoffBerbinbungen bilben muffen. Die SWen«
belejeff’fd^e ^Bpothefe ift, wie man fieht, auf BorauSfehungen
aufgebaut, bie wir äu§erft fchwer gu beurtheiien ober auf ihre
OJlöglichfeit gu prüfen in ber gage finb, fie ift aber jebcnfans
infofern intereffant, weit fie einen ^inweiS an bie ^anb giefct,
wie man R4 wohl ba8 Buftanbefommen örtlicher (ämanationen
Bon ÄohlenwafferftoffBerbinbungen au8 großer ßrbtiefe benfen
fann.
Die beobachteten erforbern alfo, wie wir gefehen
haben, feineBwegS eine Emanation Bon Äohlenwafferftoffen in
größerem SKafeftabe, unb ber geologifche Bau aller ©egcnben.
Wo größere Anhäufungen biefer Berbinbungen oorfommen, wiber«
fpricht gerabegu ben Borau8fehungen, unter welchen wir un8
eine @manation benfen fönnten. Anberö nerhält e8 fich, wenn wir
XIX. 439. 3 (269)
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34
auf bie Scage oom organifc^en Ursprung be8 Petroleums
einge^en.
Bunäd^ft unterliegt eS feinem Sweifel» t>ie ^erftellung
oerfd^iebenet ^o^lenwafferftoffoerbinbungeu, fomo^l ber f(^weres
reu, nie ber leid^teren auS organifc^en <Subftaujen t^atf&d^lic^
möglich ift, benn mir vermögen [ie in unferen ^emifc^en 8a>
boratorien burdh trodtene 5)e[titlation fomohl im Äletnen, mic
fabrifSrnäfeig hetjufteDfU-
@in ähnliches IRefultat fonnte mohl ait^ bie 9fatur im IBer«
laufe ber unenblich gro§en Seiträume ber @rbgefchidhte ^u ©tanbe
bringen, menn auch ber IQorgang, ben fie einfehlug nicht gang
bemjenigen entfprach, ben mir in unferen SBerfftätten einhalten.
©omie mir baS @rböl in allen Boimationen vorfinben, non
ber älteften bis gur füngften, fo begegnen mir auch in allen
©chichtgruppen ülblagerungen, bereu IReichthum an IBitumen
ein auhergemöhnlicher ift. @S finb namentlich ©dhiefer unb
^alfe, bie fich in biefer IRidhtung auSgeidhnen. ©ie oerbanfen
ihren @ehalt an Bitumen gmeifeDoS ber Berfe^ung berfelben
iOtganiSmen, beren ^arttheile in oerfteinertem Buftanb in biefen
bituminöjen ©dhichten enthalten ftnb.
SDerartige ©djiefer finb g. 33. bie bituminöfen ©chiefer bet
(Shemunggruppe unb ^amiltongruppe IRorbamerifaS, bie beS
oberen 8iaS von IBürttemberg, bie beS 8iaS im ungar. S3anate,
bie farpathifchen, obetbaprifdhen unb elfäffif^en IDienilitfchiefer
mit ihren gahlreidhen ^ifchreften unb eS märe ein leichtes, biefe
8ifte vielfach gu vermehren.
5)ie farpathifchen SKenilitf^iefer finb gumeilen fo reich an
S3itumen, bah pe inS geuer gemotfen, brennen; eS fann mohl
faum begmeifelt merben, bap bie gahlreidhen ^ifche, beren ©fe«
lette in verfteinertem Bupanbe biefe ©chiefer enthalten, urfptüng»
lieh baS 33itumen geljefert haben. 3m SQßörttembergifchen 8iaS
C*70;
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35
finb ed ebenfaüS »orwiegenb 6e^^alo))cben unb )oa]^i<
fdbeinli^ in erftcr ginie and) bie großen ©eerc^jtitien, bie unter
bem 9tamen ber 3^t^bcfauren befannt finb, beren SBei^<
löt^jer in Äc^lentoafferftoffuerbinbungen übergegangen pnb. »JJlan
bat bie merfwürbige 93eoba(btung gemacht, bab bei ben grb§e>
ren älteren 3nbi»ibuen ber Scbtbpofauren burcbauS bad @(bmanj«
enbe ber SBirbelfäuIe nach unten gefnidt ober gebrochen erfcheint
unb bat bied babin gebeutet, bah bie älteren 3chibb‘’fQU'^cn offen:
bar gettfloffen befeffen haben muhten, bie »ermöge ihrer ©dhmete
nach bem Slobe bet bctreffenben ibif^e baS 6nbe ber SBirbel»
fäule fnicfen fonnten. IDet betfib>nte 8. oon Such b^t fcbon
in ben breifeiget Sabren biefeS Sabtbuabertö ben bob«n 53l>
tumengebalt bet oberen 8ia8)chiefer mit ben inneliegenben ülbiet*
reften in urjächlichen Sufammenbang gebracht, unb feitber würbe
wohl faum Don 3emanbem bie IRichtigfeit biefer Slnfchauung in
3weifel gejogen.
2)er ©itumengehalt ber württembergifchen unb Sanater»
8ia8fd)iefet ift ein fo grober, ba§ man frübeter Seit baraufl
Paraffin unb ©teinöl fabrifflmähig berfteDte.
5)ie fcbon erwähnten Orthoceren au8 ber filurifchen 2ten*
tongruppe, bei benen in ber SSobnfammer an ©teQe beS bie°
felbe ebemaU bewobnenben ^btereS eine Heine {Quantität @rböl
ober ülSph^lt oorliegt, bie auch anberwärtö, wie im fogenannten
baltij^en ©ilur 9torbeuropa'8 gefunben würben, beweifen wobl
auch beutlich genug nicht nur bie iDtöglichfeit bet Umwanblung
organifchet ©ubftanj in Äoblenwafferftoffoerbinbungeu, fonbern
auch bie Slb^itfÄchlichfeit biefeS iBorgangS.
9ln einjelnen ©teilen ber @rbrinbe fönnen wir noch beute
bie 93ilbung oon @rbö( unb 33itumen au8 iDrganiSmen cetfoU
gen, wie und bie8 bie 33eobachtungen oon %xaa6 an ber ,Rüfte
befl rotben 9Reere8 gelehrt haben. 3?er genannte Sorfcher fanb
8* (»71)
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6rboI unb Söitumen in bem ÄoraHenriff beS JDjebel 3eÜ b« ei
5Eor. JDort befinbet fic^ ein älteres ÄoroBentiff auf ben pot»
p^ptifcben ©efteinen bet Äüfte angelagert, »elcbeS baS je^ige
SWeereSnineau beträchtlich überragt. 3n einiger ©ntfernung oom
Ufer »erläuft baS etwa hunbert ©chritt breite fich noch fott»
bilbenbe ©tranbriff. .£)iet befinben fith ^'etroleumgruben, in
gotm Bon gödhern, bie in baS 9iiff wenige ©chritte »om Ufer
entfernt gegraben werben, foba^ barin baß ©eewaffer im 9li»eau
beS SöteereöfpiegelS fteht. Suf bem SKaffer, auö bem fich wibet*
liehe ©afe entwicfeln, fammelt fich eine grünlich braune, irifirenbe
^lüffigfeit an, welche ganj augenfcheinlich auS bem .Korallenriff
quillt. Die Sßefdhteibung, welche graaS barüber giebt, ift fo
anfchaulich unb für bie Sr^ije na^ ber 6ntftel)ung beS ©rboleS
fo wichtig, bah ich eS mir nicht »erfagen fann, bie SBorte
biefeS iorfcherg ouS feinem SBerfe: „?lu8 bem Orient" wörtlich
wieber 3U geben:
„ÜRir fiel nicht ein, an irgenb einen anbeten Urfijrung beS
Delö ju benfen, als an ben auS jerfehten organifchen Äötpern
im fRiffe felbft unb in bet Lagune. DaS nächft bem SWeere ge=
legene fRiff erfcheint wie »on Bitumen burchbrungen, baS Oel
fchwi^t tropfenweife auS, unb wirb »on bem ©eewaffer alS fpe«
cififch leichter nach oben genommen, auf welchem eS fchliehlich
fchwimmenb flehen bleibt. fRut ein Jheü ber ©afe, bie fich
beim äJermefen ber gahflofen, in bet Lagune lebenben
entwirfeln, entweicht in bie 8uft, ber anbete conbenfirt fich ju
fogenannten fchweren Kohlenwafferftoffen, bie fich in baS ab=
geftanbene Jtalfriff hineinfehen, in bem bortigen, poröfen Äall
noch weitere ©onbenfation erfahren unb einmal 3U Oeltropfen
coagulirt, in ben ©ruben beS fRiffeS fich fammeln. DaS gu«
gleich^mit bem Situmen audh ©hi^’^natrium fich finbet, ift ein
weiteret SeweiS für ben gemeinfamen Urfprung beiber auS ben
(»I»)
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37
gefallenen unb jngletd) an organifd^en Stoffen iiberrcic^en ga»
gune."
3ntercffant ift ferner, ba§ fidj eine ^albe Jagereifc, fübltc^
üom Sfebel Beit eine eigent^nmlicbe, bem Äorallenfalf äquioa»
lente Slranbbilbung au0 ©ppö, unb Sdiwefel norfinbet.
25et Schwefel burcbbringt ben @pp0 unb hübet auc^ ganje 8n>
get unb SRcfter non gebiegcnem Sdjrocfel. Offenbar finb bie
fautenben tl)ierif(^en fRefte, bie l)ier in enormer fDienge oor=
^anben waren, auch noch alö Dueile beö Sc^wefeloorfommenfl
ju betrachten, wä^renb fiel) bnd Sal3 unb ber ©ppS, wie aß»
gemein befannt, bireft anö ber überfältigten gagiine abgefeimt
haben. iDiefe äkrtjältniffe werfen ein bebeutfameS iiid)t auf
bie ©ntftehung ber Äol)Ienwafferftoffoerbinbungen im ’JllIgemeinen
unb erinnern im tBefonberen nameiitlidj lebhaft an baö canabifdie
Oelüotfommen non (änniefiQen unb bie i?erl)ällniffe ber gali«
gifchen mioeänen ©algformation. 9luth in Ganaba finb eS ca»
oernöfe Äoraßenfalfe, bie ein Del führen, weld?e0 mit ©algwaffer
gemengt oortommt, unb mertlicfce 9)iengcn oon Schwefeloerbin»
bungen enthält. Schon im Saufe ber ©arftellnng würbe he^'
Dorgehoben, ba§ bad (Irböl faft aQenthalben, in SMmerifa wie in
Äaufafien, ©aligicn, 0fiumänien, Oelheim u. f. w. mit falgigem
SBaffer gemengt befunben wirb unb in ©aligien enthält ein unb
biefelbe Formation bie mioeäne Saljformation, Saig» unb
Schwefelflöhe, wie au^ (ärbol unb @rbwache.
3n ffiielicgfa fommt ein eigenthümlicheö fettglängen»
beö Saig nor, bafl fegenannte Jtniftcrfalg, welcheö @afe in
ftarf comprimirtem Buftanbe enthält unb feinen ^tarnen baher
erhalten hui» i’fi 3lufl6fung in SBaffer bie SBänbe ber
mit @a8 gefüllten ^ohlräume unter ftarfem Äniftern gefprengt
werben. SRadj S3unfen enthält bafl @a8 84,6 p6t. Sohlen»
(»73)
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38
wafferftoff, 2,58 ^>6t. Äo^Ienfäure, 2 @auerftoff, 10,35
©tidftojf.
Seim lang(amen @<)alten ber ©tüde mit bem SKcffet ^ört
man ebenfalls baS j^niftern nnb fü^It einen beutlic^en @rb5l«
gerud). IDie mifrojfopifc^e Unterfnd^ung biefeS metfmütbigen
©al^eS but(b Sitfel ^at in Ucbereinftimmung mit ben JRefuU
taten Snnfen’ö ergeben, ba§ barin mifroffopifcbe Biöfftfl^^itS*
einfd^lüffe »orbanben finb, bie mabtjcbeinlid) auf Änblenmaffer»
ftoffe ju belieben Rnb. 3lu|erbem beobachtete Ären^ bartn
33itumenflorfen, welche fich bei ber SluflSfuug in SBaffer mit
ben (SaSblöSchen gur Oberfläche erbeben, unb erfannte, bah P<h
bei ISuflofung eine« ÄnifterfalsftüdeS in beifeem Söaffer auf ber
Oberfläche bünne, itifirenbe gettbäutcben bilben. Slnch in ber
befannten an (SrbmachS reichen Socalität ^orhSlaw fanben fich
berartige Änifterfalje nor. 9Kan mu§ wohl in biefen Serbält«
niffen einen beutlichen SeroeiS ber gleichzeitigen Silbung ber
Äoblenmafferftoffe nnb beS ©aljeS erbliden. SBir erfennen ba
augenfchetnlich fo fchlagenbe Slualogien, bah »«ttw pth benfelben
faum entjieben fann.
@0 flar unb einfa^ fich auch bie ßebrc »on bet otganifchen
^erfunft beS @rböl8 in ben allgemeinen Büßen barfteOt, fo ift
hoch anbererfeitö nicht zu »erfennen, bah fi^ i*” einzelnen hoch
mancherlei ©chwierigfeiten einfteHen. @o giebt eS einige 51*
reiche ©chichtcomhlejre, bie hoch nur wenig foffilc eines
ehemaligen, reifen otganifchen ßebenS erfennen laffen. fDian
muh in folchen BäUcn in @twägung ziehen, bah f«be niele
SJleerefitbiere, gerabe fo wie beute, gar feine ^>arttbeite befahen,
alfo auch feine ©puren ibreS 2)afein8 zueücflaffen fonnten. §er=
ner ift zu berücffichtigen, bah viele .^arttbeile burch fpätere che«
mifche ?ßroceffe, bie ja in ben ©efteinen bet ©rbrinbe ftetS
tbätig finb, wiebet zerftßrt werben fonnten. JDerartige ölfübrenbe
(S74)
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39
aber foffilarrae ©efteinc finb beifpielSaeifc bie Äarpat^enfanb»
fteine. ©erabe bei biefen ift ju bebenfen, ba§ fie fteilid) nur
TOetilg ftd)et beutbare ‘goffüten enthalten, baneben aber ja^lreti^e,
niii^t mit Seftimmt^eit beutbare Spuren eine@ reifen orga*
nij^en 8eben8 erfennen taffen, bie früher unter bet ©ejeidjnung
,,^)ieroglpp^en“ erwähnt mürben. ^
@nblid^ mug au^ noc^ ^ernorge^oben merben, ba^ fic^ bag
@rb5I ni^t not^menbiger SBeife in benjenigcn ©efteinen gebil«
bet ^aben mu§te, in meld^en mir e8 gegenmartig antreffen. 9Kan
ift fogar fet)r häufig geneigt anjuneljmen, ba§ mandje poröfe
Sanbfteine i^re Oelfü^tung ihrer Umgebung, bc3m. Unterlage
»erbanfen, au8 melrher fie reidhlirh oorhanbeneö ©itumen »er»
m5ge ihrer phpfifalifchen ^efrhaffenheit auffaugen unb conben»
firen fonnten. bereits fertig gebitbeteS £)el fonnte feine
urfprüngli^e Ifagerftätte »erlaffen hoben unb in anbere ©ebirgS»
f^ichten aufgenommen morben fein. Del unb Delgafe finb fa
fpecififch leichter alä SBaffer, fie finb überaus leicht bemeglich
unb »errathen adenthalben eine lebhafte füleigung nach aufmärtS
gu bringen unb an »ielen Derttich feiten befinbet fich fa baS Del
ganj beftimmt auf fecunbärer Sagerftätte, mie 3. allenthalben
ba, mo eS in ben biluoialen, oberflächlichen Sehm eingebrungen
ift. 3n ber JRegel nimmt eS babei eine »eränberte chemifche
S3ef^affenheit an, inbem eS mohl unter ©inroirfnng »on Sauet»
ftoff unb bur^ ©ntmeichen ber leichteren ffietbinbungen, meift
bie ©eftalt eines fdjmeren Schmieröls erhält. So mürbe fchon
mehrfadh bie Slnficht auSgefptodhen, ba§ ein, menn audh geringer
“Eheil beS farpathifchen fRohölS auS ben bituminöfen flRenilit»
f^iefern he^tühtc« möge.
35amit gelangen mit bereits ju einet Dieihe »on 9ln»
f^auungen, bie in gemiffem Sinne bereits eine SBermittelnng
jur fog. ©manationshppothefe hcrfteüen, menn fie auch am or»
{2T5)
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40
ganif^en Urjprung fccS @tbö(6 feftljaltcn. <So ^aben ftd) ein«
3elne j?orfd)er bafür erflärt, e0 mögen bie @tböl»orfomramffe
genjtffet ©egenben au8 i^rer bereits in jiemlid^ bebeutenber @rb»
tiefe gelegenen, organijebe ©toffe in befonberS rei(bli^er SOJenge
entbaltcnben ©runblage b«rrübren. Denft man ficb 3. 33., bo§
baS giegenbe eines ölfübrenben ©ebirgeS auS einer mächtig ent»
»icfelten Äoblenformation mit 3ablreicben .Kohlenflözen ober auS
fehr bitnmenreichen Schichten beftänbe, jo fonnten bei bet in
größerer liefe befanntlich gefteigerten ©rbmärme burch
allmähliche JDeftiHation Äohlenmafferftoffoerbinbungcn entwicfelt
merben unb allmähliih in bie barüber liegenben, geologifch junge»
ren Schichten aufgenommen werben. ®ie ÜKöglichfeit eines fol»
eben 33organgeS an fich wirb wohl faum beftreitbar fein, allein
gerabe in ben befonberen gäQen, für welche berartige Grflärun»
gen aufgefteüt würben, hoben fie fith t>nth olö unhaltbar er»
wiefen. So würbe bie 3lnficht auSgefprochen, bafj fich nieHeicht
bie SelnorFommniffe ber gali3ifcben Jtarpathen baburch er»
Hären, ba§ in SBeftgaligien bie Äohlenformation beS Oftrau»
Ärafauer ätohlenreoierS, in Oftgali3ien bie fehr foffilreichen, bi»
tuminöfen Sdiidhten ber Silurformation ber 2)njeftergegenb baS
f^iegenbe ber Äarpathen hüben unb bie urfprüngliche Quelle ber
©rbölrei^thümer biefeS i!anbeS oorfteQen. äBenn wir auch nuS
geologifchen ©rünben annehmen fönnen, bah bie 3U einem nicht
unbeträchtlid}en ©ebirge gufammcngefalteten Schichtgruppen
bet Karpathen an ihrem 9iorbranbe über bie wenig geneigten
Schichten ber fubetifdjen Äohlenformation unb beS ©njefterfilurS
übetgreifen, alfo bie non ber ^^ppothefe geferberten 33ebingungen
3um Slheüe corhanben fmb, fo wiffen wir hoch anbererfeitS
ebenfo beftimmt, buh bieS in anberen 2he*leu ber Äarpathen,
wo audh ©rböl norfommt, nidht bet gaU ift, fonbetn anbere
©efteine bie Unterlage hüben müffen. 5Dian wirb baher biefe
(»76)
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41
@tnätung0tet)ud|e getabe fut bie Äarpat^en wol)l jurücfwetfen
muffen.
SBaö nun bie @ntfte^ung bed @rbmadbfeg ober £)joferitö
anbelangt, fo ift man ^ufig bei 9)teinung, ba§ baffelbe alö not«
IjärteteS Ummanblungdprobuft be8 @tbö(S gu betiad^ten fei. 3n
ber 2;^at ftnb ja @iböt unb @ibma(b8 fe^r na^e cetmanbte
©toffe unb bet ber JDeftiQation beö leiteten .erbäll man jum
2^eil biefelben SSetbinbungen, wie bei ber beö erfteren. Siefe
tSnfc^auung ift tro^bem wo^l nicht faltbar, benn wo wir @rböl
unter @inwir!ung ber äußeren Suft fich cerbichten fe^en, wie in
ben locferen oberflächlichen ©chottem be8 IDilüoiumö, ba ner»
wanbeit eö fich nicht in @rbwachd, fonbern in eine theer> ober
fchwar^e ©ubftan3. JDer D3oferit tritt, wie fchon
erwähnt, nicht nur in Älüften unb gangartigen ©palten, fon»
bern auch in wohlgeftalteten Slö^en, ähnlich ben jtohlenfiöhen
auf unb fein geologifcheö IBorfommen beweift feine felbftänbige
@ntftehung. Sürbe bie Umwanblung non @rb5l in SBach^ unb
umgefehrt wirflich in größerem föia^ftabe ftattfinben, bann wäre
eö hö^hft fonbetbar unb jebenfallS fehr fchwer erflärbar, warum
man in fo oielen großen unb reichen (ärbölgebieten faum ©puren
non ©rbwachd antrifft. ^Dagegen fönnen Derartige Umwanb«
lungen in geringerem fUtahftabe hie unb ba gan3 gut nor fid)
gegangen fein.
3Bir hätten nun noch Die $tage gu erörtern, ob man bie
^)auptqueHe ber Jtohlenwafferftoffnerbinbungen mehr in Orga»
niömen pflan3li^er ober in folchen thierifcher fRatur 3U ner»
muthen höbe. SBfirbe bafl 6rböl feine @ntftehung norwiegenb
Anhäufungen ehemaliger pflan3licher Organismen nerbanfen.
Dann müßten wir erwarten, ba§ fich mit ben oielen j^ohlen«
flögen, bie unS in allen @egenben unb allen Formationen be=
fannt finb, hoch öfter Petroleum ober IBitumen oergefeHf^aftet
XIX. 439. 3** (277)
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42
BDtftnben feilte. Statt beffen finben wir, ba§ bie ftemben ot»
gonifc^en (äinfdjlüffe ber Äo^lenflö^e geme^nlit^ ober
wac^gartiger 9tatur flnb. 9lut an fe^r wenigen f)unhen wer-
ben wir bur^ bae S3oifommen »on, wenn au(^ geringen ÜRen«
gen non @rböl mit ober in Äo^lenflö^en überrafti^t. Slber felbft
in btefen wenigen fällen ift bie ©ntfte^ung beS 6rböI8 au8
ber ÄD^Ie feineöwegfl fidler, ba baS Petroleum entweber
auf fecunbdrer 8agerftötte befinben, ober aber feine 6ntftel)nng
benjenigen tbierif(^en fReften oerbanfen !ann, bie ehemals in
bemfelben SilbungSraum gelebt ^aben, wie bie ^flangen, bie
bie ©Übung beö Äo^lenfio^eö oeranla^ten.
ferner ift e8 befannt, ba§ fi(^ oiclerortö über ben ^oljlen«
flögen Sdjiefert^one befinben, bie »iel oerfo^lte ^panjenabbrüde
enthalten, ohne eigentlich bituminös gu fein. SBo man bitu*
minöfe Schithten »orpnbet, pnb pe ftetö reich «« Sojplien thie«
rif^er 9?atur, nicht aber ppanglicher. 3m norbamerifauifchen
Silur unb 3)eDon, welches in ben früher erwähnten ©egenben
fo überaus olreich ift, pnbet man feine Äohlenpöhe, bagegen ift
bie probuftioe Äohlenformation, welche bie ölführenben Schich*
ten bafelbft überlagert, feht reich an ÄohlenPöhen, ohne 6rböl
gu führen.
©on (Sinigen würbe auf bie 3R5glichfeit, bap pch baS @rböl
aus Slnhäufungen Don ÜReereSalgen gebilbet haben fönne, hi“*
gewiefen. 3n ber Slhot pnbet man in gaplreichen ©efteinen
nergweigte iHbbrüde, bie man bis »or Äurgem für 0*leftc oon
SReereSalgen erflärt hat. Scitbem eS neuerlich waprfchein»
lieh flemacht würbe, bap biefe f^offüfpnren gum grepten Slhe'l«
ehemaligen SBurmgängen entfpredhen, ift bie angegogene 9n<
f^auung giemlich hi“f“ö»8 geworben, wenn au^ bie eoentueHe
theilweife fUlitwirfung »on SReercSalgen, ob unS nun f^on ihre
CS79)
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43
Stefte erhalten fJnb ober ni^t, feineflmegS ouögcfd^t offen »erben
fann.
9BaS aifo bie (Sntfte'^ung beS ^ettoIeumS cmbelangt, »irb
man ge»i§ mit JRedjt geneigt fein, fie cotwiegenb ’ t^ierifd^en
unb nid^t pflanjUd^en Dtganiömen jujufd^teiben. Slnberö »er«
^ält eö fidb aber mit ber grage mit) ber 6ntfte^ung beä @rb«
»acbfefl. 35te na^e SSerwanbtfd^aft beff eiben mit bem ^»ro»
tjiffit, ber wa^S^altigen Sraunfoljle, bie 8agerung0»er^ältniffe
in ber wic^tigften Ojoferitlocalität SorpSla», bie (^emifd^e 3»'
fommenfe^ung biefeS grö§tent^eil8 au0 Paraffin befte^enben
ÄörperS matten eö fe^r ma^rf(^einli(^, ba^ 3ur Silbung beffel»
ben nebft t^ierifc^en Organismen aud^ ©ee» unb Sanbpflanjen
beigetragen Ijaben. Se^tere fonnten an einzelnen ©teilen in
großer 5Dlenge an ben Äüftenftricben in baS SReer eingefcbroemmt
werben, unb ^ier baS ^auptfä(^li^e SRaterial für bie Ojoferit«
bilbung abgeben. 3n ber Sl^at finbet man in Sor^ölaw unb
in anberen 6rbwac^8 fübtenben 8ocaIitäten 3al)Ireicbe SRefte »on
8anbt)flan3en, 3apfen »on 5RabeUj6l3ern unb bergt., bie in einer
^üUe »on ©teinfal3 ber Umbilbung in Äo^lenwafferftoffoerbin»
bungen entgangen finb unb fo »on i^rer ehemaligen @pften3
3eugnife ablegen fönnen.
Ueberblicfen wir 311m ©^luffe baß ©efagte, fo ergiebt ftth,
ba§ bie 3ahlrei(hen, unö h^ute »ortiegenben SBeobadhtungen über
baS geologifdhe Sorfommen unb bie (^emif^e Sefdjaffenheit beö
6rböl0 mit Sicherheit ben ©dhluh 3ulaffen, ba§ baß @rbßl »or«
wiegenb ober faft außfchliehlich entftanben fei burch aUmähli^e
©eftißation »on 3lnhäufungen ehemaliger OReereßthiere unter
SRitwirfung ber ©rbwärme unb beß hoh«” ©ebirgßbrudteß. 5Da
ft(h biefe wichtigften Sebingungen 3U allen 3«ten unb aHerwörtß
cinftellen fonnten, finben wir @rböl»orfommniffe in allen Sthcil«”
ber (Srbrinbe unb in allen Formationen. Emanationen auß
(279)
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flrofeet ©rbtiefc unb in gtcfeetem ÜKafeftabe brauc^>en gut @r»
fldtunci bet 'Petrolfü^rung in ben großen, gegenwärtig bcfann»
tcn Delteoiertn nic^t Ijerangegogen gu werben; bogegen geigt e8
fi(b, ba§ baö 6tböl al8 überaus bewegli^er Äörper feine 8ager»
ftdtte innerhalb ber gef(bi(bteten @rbrinbe leichter, alS anbere
fStineralftoffe netdnbern fann. ^DieS ift woi)! auch ^aupt>
grunb, warum baS geologifcbe iBorfommen beS Petroleums fo
feljt Don bem aller anbeten fUlineralfötpet abweidjt.
(260)
fTnid Don 9<fcr. Un^er in 9<rlin >SW^ ^4)dnct>rrgerftra|c 17 a*
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^nfexe ^aifexfa^e
SS ort r a 9
oon
Dr. 3ofrf ^Sugntr.
^ 5/>- OP TRr^ ^
[(uiriVEFriTri
flerHn SW., 1884.
Verlag von @arl .^abel.
(C. 4. Zitnitt’iilii B(rli|ib«4i||giiilta|.)
33. Qil^cIm.eiTait 33.
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S>ttä Siecht ber Ueberfe^ung in ftembe Sprachen toirb oorbebalten.
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ein glucfüc^eö Skt^&ngnid batf ed bettad)tet werben,
ba§ unfere tieffinnigften nationalen CORpt^en non unjeren
grölten S)i(|teTn unb jwat gerabe in i|ren lemorragenbfien
®d)öt)fungen bearbeitet unb baburc^ unferem IBolfe ju fo un>
netöu|erli(bem Seftltum geworben finb, ba| fie feine wiffen>
f(baftli(^e Sorfc^ung i|m je wirb rauben fönnen. S>ie ^tif
^at und ben $auft unb ben SeQ genommen; benn wad bad
fritijdbe ©ecierme{|et non biejen ©agengebilben ald jfern lod*
gef(|ält, nerbient taum ben Flamen bed ^iftorifi^ « Sirfli^en;
aber eine unnergängli(|e IDic^tung |ält bie beiben ^erfönlid^feiten
jeft unb fpottet ber jerje^enben SBifjenf^aft.
9ud^ bie Sage nom bergentrücften ^aifer Satbato^a |at
bet |iftorif(^en Soif^nng Stanb galten muffen, unb ob mif
|ier eine erbarmungdlofe ^itit an ber erhabenen JfaifergeftoU,
ja felbft an bem ÜRamen unb bem e|rwücbigen roten Satte
bed jfpffläuferfaiferd gerüttelt, ob fie und au^ ben gl&n^enben
beutf(^en Staufen|enf(|er entriffen unb ben inbogermanifc^n
9fiaten gugewiefen, i|n jum internationalen Eigentum geftemt>elt
^at, inbem fie i|n jufammenfteOt mit bem im Serge weilenben
{)oIget non S)änemarf unb bie ^ette bid gu ^arafur&ma, bem
im OJla^enbraberge fortlebenben Serni(|ter bet ^fd^etriad, bem
neruanifdjen Siracod^a, bem me^ifanifclen Oue|atcoatl unb bem
toltefifc^en Sllolpin|in fü^rt — : fo ift bodf) bur(% taufenb finnige
XIX. 440. 1* (*M)
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4
6Tj5^(ungen , wel^e ber Sßcifdgeift oom bergentTÜdten ^atfet
gefc^affen, unb eine ftattlic^e Sietbe oon SRotbartbic^tungen,
worunter 9ifi(fett8 ^bff^äuferbaUabe bie befanntefte fein bfirfte,
mit ebemen Sügen unferer eingegraben, wie „ber alte
Sarbarofla, ber Äaifer grieberiib, im unterirb’f(ben @^lof[e"
feit Biel bunbert Sabren mit bem grc|en, burdb ben $ifdb ge»
»adbfenen Sßart „uerjaubert" am @teintif(be rubt, fein ^au^t
in bie ^anb geftü^t unb b^rrenb ber 3<it, wo er erwägen unb
au8 feinem SBergoertiebe bo^oudtreten wirb, um fein 93olf jur
alten @rö§e gu führen. wirb ba§ fagenumfponnene S3ilb
Äaifer Sarbaroffafl im SSewiifetfein beß beutf^en SSolfeß fort»
leben, unbciat burdb bie Arbeit ber Jtritif, bie ba fagt, allcß,
waß @age unb lDi(btung oom bergentrüdten @^wabenfaifer
ergäblen, gebe mit nidbten auf ben JRotbart Sriebridb I., fonbern
auf eine anbere J^aifergeftalt.
äBobl feine ®age ift tiefer in baß nationale Sewnbtfein
unfereß IBolfeß eingebrungen. Sabrbunberte binburcb b^i
beutfdbe @eniuß an ibr feftgebalten unb gerabe in trüben Sagen
in bem treubewabrten @ebanfen, ba§ ^aifer Sriebridb nid^t ge»
ftorben ift, fonbern im Serge fdblafenb feiner SBieberfebr bone,
©pmbol unb Sürgfdbaft feiner nicht für immer babingegangenen
nationalen @rö§e erblidft.
3ft nun aber bie Sage »om wieberfebrenben Äaifer in gauj
bernonagenbem Sinne eine nationale gu nennen, fo erlangt fie
eine noch erböbte Sebeutung, wenn wir ben @ntwidfelungßgang
inß 2luge faffen. Sirgt biefelbe bodb ein gut Stüd beutfdber
©efcbicbte, unb jwar einer um fo echter unb unoerfSlfchter über-
lieferten ©ef^ichte, je lauterer unb unmittelbarer ber Solißgeift,
beffen eigenfteß unb liebeß .^nb bie Soge ift, fidb borin wieber«
jufpiegeln pflegt. SBaß feine ©bionif, fein Stein unß melbet,
(M4)
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5
baS innetfte ^>offen unb SBünfii^ien, bte geheime Se^nfu^ft un»
fereS S3oI!eg in ben vergangenen 3a^ri^unberten : bie SBoIfdfage
^at e6 erlaufet atn ^>ergen be8 S3olfe8 unb treu überlietert.
• @0 tft bie ^iebri^fage gum getreuen Spiegel bet
nationalen unb politij^en @rn>artungen unjecer 9iation geworben.
SWögen biefe au(^ im 8aufe ber Seit vielfad) fid) geänbert ^Ben,
fo gie^t fi(^ bocf) burc^ bie vetid^iebenen SBanblungen unferet
Sage ber ©ebanfe wie ein toter gaben ^inbutc^, ba& ber er*
wartete .^aifer baS IDeutfcpe Oieic^ wieberum einigen unb gum
großen Siege über feine geinbe führen wirb.
3n Weid) glüngenbet SBeife baö 3a^r 1870/71 biefe @r:
Wartungen verwirflic^te, ^aben wir erlebt.
gaft gleid^geitig mit ber glorreichen @rfüDung ber Sage
bemächtigte fich jeboch au^ bie gefchichtliche gorfd)ung beS ^{f*
IjänferfaiferB unb förberte allmählich «n faft übeneicheö SJiaterial
gu SLage, baö unS einen S3licf in bie geheimnisvolle äSertftätte
ber Sogenbilbung eröffnet, welcher um fo größeres 3ntereffe
bietet, je fchwerer eS gemeiniglich ift, ber ©ntwicfelung einer
Sage, biefeS traumhaft fdhwanfenben ©ebilbeS auS SBahrheit
unb IDi^tung, Schritt für Stritt nachgugehen.
IDer gro|artige äuff^wung, ben bie ©ejchichtSwiffenfdhaft
in unferer Seit genommen, h^i i» >^i<^i wenigen Partien bet
©efehichtfehreibung eine grünbli^e Umwälgung gnr golge gehabt.
SBenn nun auch manche bet berühmten neueren „Diettungen“
mehr geeignet finb, bnreh fühne 9teuheit gu imponieren als burdh
ihre objeftive 9iichtigleit gu übergeugen, fo batf bo^ tonftatiert
werben, bah i>uech .^ervotgiehung neuen DueQenmaterialS
IDinge, bie lange genug als gefchichtliche IDogmen mitgefchleppt
würben, vielfach als eitel Siäufchung vor ber ^ritif fich erwiefen
haben.
(IM)
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6
9nd^ bae SRefnttat ber ^orft^nngen über unfere bentftbe
Äaiferfage war gnnäcbft bie Scrfförung einet SHuflon.
Satbaroffa, aaf welchen aOetbingfl aOe jene anmutigen @t*
gfihlunB«» Bont ÄhffhäwMoifer bei ben Stübern ©rimm u. 31.
tonten, jonbetn fein @nfel, griebtichn., ift bet auf bet
©otbenen 3(ue im Setge fcbtummetnbe Ifaifer. 9Bo
imtnet bie @ogc »om 13. bis 17. Sabrbunbett un8 begegnet —
unb bie Seugntffe finb jablteichet al8 bei irgenb einer anbeten
Sage, — tritt nbetatl ber Sweite griebrich al8 Präger betfelben
ouf. @rft feit 1680 ma^te — »on einet »orübergebenben, füt
bie fetnete ©eftatt ber Sage ober gonj einfIu§lo8 gebliebenen
Setwechfelung in einem SotfSbuch au8 bem Sahte 1519 ab«
gefehen — griebtidbl., ©arbaroffa, feinem gto^en ©nfel ben
9>(ah ftreitig, bi8 et ihn allmählich gong au8 ber @age net«
btängte.
Äann nun ouch hietfn fein 3»eiffl weht obwalten, fo ift
bie nnfl h^^^ befonberö befchöftigenbe gtage nach
ftehung bet griebrlchfage noch “ftht »nü betfelben ©eftimmtheit
entfehieben, unb e8 bürfte um fo lohnenber fein, bie ©enefifl
biefer (Sage gu netfolgen, al8 wir baburch audh bie anbere @t«
fcheinungSform bet ifaifetfage, wir meinen bie jfarlfage, nicht
nur unter einen einheitlichen ©efichtöpunft mit ber gtiebti^fage
gu bringen, fonbem audh baS gteidhgeitige fRebeuhetlaufen beiber
Sagenformen etflären gu fßnnen glauben.
9ti(ht8 tann nerfehrtet fein, al8 bei bet gtage nach
Urfpmng einet Soge non beren fertiget ©eftalt, welche fie
einige Sahthunberte nach ihtem Sluftreten aHmähli^
gewonnen hot» auflgugehen. @8 wirb fl^ auf biefem SEßege nie«
mal8 entfeheiben laffen, wo8 an bem Sagenprobufte wefentlidh
unb wo8 unwefentlich ift. 5Bir hoben nielmehr bie früheften
(*W)
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7
0rfd^cinungett bet Soge in8 Sluge ju faffen, ©d^ritt für ©d^rltt
bie einzelnen 3uf&$e gu betlelben gn »erfolgen, fie ^iftortfdb gu
begtengen unb t»o möglid^ %en Urfprung unb 3n>edf nad^gn*
tseifen.
Unb ba mn§ benn nun »on »om^etetn geleugnet wetben,
ba§ ble SergBetfe^nng bet eigcntlid^e Äetn bet @age ift,
jo, bo§ fte fibet^oujjt in ben etften So^rbunberten bet ©jrlfteng
unfetet ©oge @mäbnung fänbe. Unb gwot nidbt ettto, bofi
jene frubeften S3eri(bte »on einem bctortigen Sfufentbolte Äoifet
fWebricbS im Serge blob fdbwiegen; nein, fie geben gerobegu unb
mit ebenfo grober @inbelligfett mie Seftimmtbeit einen onberen
SBobnort beffelben an. gtiebridb foH nämli^ ou8 bem Orient,
wo et ol8 ?>ilget ficb oufbölt, wiebetfebren. SDortbin ift et
gegogen, non bott fommt et oI8 SBolIet gntüdf, wie ibn »iele
Sonern beteit8 bo unb bort gefeben haben. Son einet Serg«
entrücfung ift erft febt fj)5t, um 1519, bie Siebe, olfo weit
übet gwei »olle Sobrbunberte nodb bem Sluftou^n bet ©oge.
Unb felbft bomol8 war bie Serfe^ung in bie 2:iefe be8 Setge8
feine8weg8 eine allgemein feftgebaltene ; »ielmebt war man fi^
bet ftübeten Serfion recht flat bewu§t. 9io<b um 1680 bemerft
ein ©agenfammlet bei @tw5bnun0 be8 Ähffbfi«fer8, bab bet
Äaifet ftüber oben in bet Sutg, alfo notb nidbt im Serge,
gebauft habe. 6tft feit ibn bie geinbe feine8 @efolge8 beraubt,
habe et fidb in ben ©cbob be8 Serge8 gurüdfgegogen.
3m 13. 3abtbunbett lebt bet Äaifet „in der weite wtt“,
wie Saufen Snifel berichtet; bet ficilifcbe ^feubo»^iebri(b
»on 1262 giebt ficb al8 §Dilget au8, unb al8 Eremiten ha
geiebnen fidb burebweg auch bie beutfeben falfcben ^iebricbe.
3)er bebeutenbfte berfelbcn, SEile Äolu^, welcher am 9Meber«
tbeine auftrat unb 1285 (7. 3nli) auf bem ÄnlSmunt bei IBe^lat
(MT)
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8
bie ufutpierte ^atferroQe mit bem Seuettobe bejablen mu§t<, gab
auJfü^tlidb et fet ««8 Serbrul an ben fRegietung8gefdb«ft<»
fortgegangen unb l^abe 30 3abre in bet gerne al8 ?)ilger
gelebt. JDie meiften Seritbte nennen gerabeju ^aldftina olfl
Ort, »o^in ft(b bet Äaifet begeben. JDortbin, über8 SKeet, ^at
et ft(^ na^ 3o^ann n. SBintertbut (um 1348) mit feinen
(Setreuen jurücfgegogen ani gütest feinen geinben, unb bie
SJiagbeburger @^d)>pen(btonif fügt bei : „er ist enwech gef^an,
do men meinde, dat he storven wer“.
@rft bei bem @btoniften @nge(^ufiuS (f 1434) etfabten
wir, bag fidb Snebridb Castro Confusionis aufbalten foQ.
JDa§ bamit ber Äpffb^ufer gemeint ift, 3eigt SBiganb ©erften»
betger, ber ®nbe beffelben 3abrbunbert8 in feinet |)effif(ben
®btonif bemetft: „Unde ist noch in Doringen, wie das er
(gtiebrt<b n.) nach leben sulle uff syme slosse Keuff>
hasse“, inbem et babei al8 ©ewäbtSmann eben ben etwäbnten
@ngelbufiue anfübrt. äBenn ber an berfelben ©teile no^ ge*
nannte 3obann (Rpteffel, an beffen fRamen ficb bie Slutot*
febaft einer ^effifc^en ©bti’nil fnübft unb ber halb narb 1^1
ftatb, ebenfalls beS j^ffbäuferS erwähnt haben foOte, — bie
©teile ift 3U unbeftimmt, um bieS mit einiger ©irberbeit 3U
frblteben — , fo würbe bie frübefte ©rwäbnung be8 Äpffbäufet*
frbloffeS frbon in bie erfte ^älfte beS 14. 3abtbunbett8 3U
fe^en fein.
Slber no^ ift e8 bei ben erwöbnten ©rbriftfteHern feinefl*
weg! baS 3nnere beS SergeS felbft, wohin gtiebrirb oerfebt
wirb, fonbetn bie oetbbete 93urg, auf ber et wanbett. 3o,
fein SBobnfib ift fo wenig ein feftet, ba|i ber @ngelbuft»8 glei^*
geitige tbüringifrbe ©btonift 3ob- 9iotbe beifügt: griebridb
wanbere 3uJ^ffbaufen in Sbütingen auf bem wü^en ©rbloffe
(}88)
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9
unb aud) auf anbeien ȟften SBurgen, bie }U beut Steife
gefrören.
6tft 1519 puft ber Äatfet in bic Sicfe beö S3erge8 gurürf.
3)a8 betn genannten 3a^re guge^örige SSoIfdbüd^lein fagt;
„Die pawrn und schwartzen Künstner sagen, er sey noch
lebendig in ainem holen perg, soll noch herwider komen
und die gaistlichen straffen . . .
91a(^ biefen ^iftorijc^en 3«u0ni[fen» benen noch meutere bet»
gefügt werben fönnten, wirb man barauf »ergtcbten muffen, bte
93ergner|e^ung aI8 grunblegenbe8 6lement unferer ^aiferfage
^ingufteQen.
S)amit tP nun aber guglett^ auc^ einer ^2(np(ht non ber
©enepe unferer Sage baö Urteil gefprod^eu, welche ehebem oou
beu berufömäpigen ©agenforfchern uertreten unb felbft heutgutage
no^ uon SRanchen verfochten wirb. S)iefe fehen nämlich im
^pphÄuferfaifer lebiglich nur bie S3etjüngung ber altbeutfchen
@5tter» unb ^)elbengeftalteu. 5Bic SBuotan, Siegfrieb, @^el,
^Dietrich u. na^ bem S3olf8mpthu8 fi^ in bie Serge gurüff»
gegen, wo pe nach Einführung be8 pe in ihrer Etipeng be»
brohenben EhtiftentumS fortleben, fo hnbe audh ba8 beuifche
Solf feine großen Äaifergeftalten ibealiperenb mit ben erhabenpen
3ügen ber alten verflungenen ©ötter gefchmüeft unb al8 fort»
lebenb im Serge gebacht. 91amentlich würbe — unb bie Er»
wähnung ber um ben ^pphÄufer piegenben diaben fchien biefe
^Deutung guunterpü^en — auf eine Sbentipgierung mit SBuotan
oerwiefen. 6r unb ber rotbärtige JDonar wohnten ehebem mit
ben ©eiftern ber gefallenen {>elben in ^immelSburgen; al8 ba8
©hinptntum fie baroufl verbrängte, fuchte fie baS Solf im
Snnern ber Serge, wo fie al8 bePen himmlifche Sefchü^er fort-
leben. äBenn >ine fpätere 3«it an @teQe biefer mehr unb mehr
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10
in ein »erfc^roommenefl 5DämmerIi(^t j^uTurftretenben @öttet bcn
ftaftDolIen, BolfSgeliebten ©arboto|fa fe^te, fo »at man geneigt,
btefe ÜJletamotvbofe nur al6 bie gortentmidelnng beS fibeterbten
Slbfttaftum« befl jn bem Äonfretum bet ^iftorijc^en
SBefen^eit griebrid)8 I. gu betrat^ten.
(Danad) läge Der tieffle unb eigentli^e Äetn bet @age in
bet Sergüetfe^ung, beten 3wed, wie i^n bie j^>ätete @age
au(^ auöfprid^t, fein anbetet ift, aI0 ba§ bet enttürfte Äaifet
berelnft ermac^en unb fein getriffeneS Sieidj wieber aufrit^ten
wirb. 3ft aber untere @age nur bet netfüngte SBuotonmpt^uÖ,
bann l)ätte — bieS ift eine unabweisbare Folgerung — bofl
wefentlid^e unb butdbfdblagenbe 5Jloment beffelben, bie 93etg»
»etfe^ung, beteitfl in i^rer frü^eften ©eftalt gu Jogc treten
muffen. IDieS ift aber, wie gegeigt, feineflwegö bet gaQ.
3(u(^ bet anbete 3ug, in weld^em man einen gwingenben
Hinweis auf SBuotan gu finben glaubte, bie ©twöbnung bet
IRaben in bet Änff^äufetfage, ift erft in feljr fpätet 3«it,
nachweislich um 1680, gut jtaifetfage hingugetreten. Snbefjen,
fönnte man einwenben, ift bamit nicht gefagt, ba^ et im S3ewu|t»
fein beS ätclfeS mit unfetet ©age nicht fchon früher innerlich
oerwoben gewefen ift, wenn et auch auSbtücflich erwähnt
wirb. IBtel bebeutfamet aber ift, ba§ bie Staben, in bencn man
DbinS ©öfterbaten, ^mgin unb SJlunin, etfennen wiD, feineS»
wegS jener IBorftellung entfprechen , in welcher bie altbeutfche
fUtpthologle fie fennt. IDie Staben SBuotanS fl^en auf ben
©chultern beS ©otteS unb raunen ihm ftetS neue Äunbe »on
ollem, was auf bet SBelt gefchieht, gu; auch bie Änffhänfct»
toben mühten bemnoch in ben ©erg hineinfliegen, um bem
fchlummernben Äaifer ©otfchaft gu bringen, ©tatt beffen —
unb bieS muhte auch ^'e gewiegteften ©agenforfchet wie ©im»
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11
to(f ftu^ig machen — fitegen fte um ben Serg Return,
j^eine bet mannic^fat^cn fpmboHfc^en 0ebeutungen, welche bad
f(offtf(^e Sntertum fowo^l wie bie germanif(^»notbif(%e
legte btefen Sögeln al8 wegwetfenben, ratenben, regenuerfün«
benbeu, mantift^en SBefen beilegt, wollen ber gunftion blefer
Jtpff^äufetraben geredet werben. 5)ie Sieben ftnb mü^igefi Sei«
wer! Don fe^r untergeorbneter SloHe, unb fo trioial eS Hingen
wag, fo bürfte bo^ bie nüt^terne @twögung ^la^ greifen, ob
benn nidjt oielleit^t witflid^e Slaben um bie feit bem 15.
als Sluine baliegenbe Äpffbäuferbutg flogen. 3n biefem gaüe
würbe bie befanntc grage be9 Äaiferö nur bebeuten, ob benn
no(^ immer in ber SBelt braufeen alles fte^e wie ^uoor, ob not^
feine Spmptome einer Serönberung — nur wenn bie ollgemeine
Serwirruug iferen fiötbflen @rab erreicht ^at, foH ja nad^ bet
Sage ber Äaifer erwadfeen — fid^tbar ftnb.
2)afe bei ber fbäteren blaftrWen SluSgeftoltung bet Sage
SleminiScenjen on bie alten ©ötter, beten Spuren felbft Ijeute
nod) ni(bt auS bem Sewufetfein beS SolfeS »erbrängt ftnb,
wirffam waren, fann feinem unterliegen, ©erabe bie
Sergentrüdung, ein 3ug, mit welchem bie SolfSfage auf bie
3eiten bet .^ügel« ober ©rabbeftattung im ©egenfafee jum Ser*
brennungSjeitalter ^inweift, wie ja auc^ „in ben Serg gefeen"
fooiel als ft er ben feeifet, barf fidfeerlic^ als ein bumpfer 9lad^*
flang an jene abfd^winbenben ©öttermptljen angefefeen werben.
Aber ebenfo ift gu betonen, bafe 3bentifijierungen mit unfern
alten ©öttem unb bereu SBeiterleben in ben Sergen burtbauS
niebt bie treibenben Äräfte bei ber ©enefiS ber Sage waten.
9Ber ba weife, in weltfe bunter 38eife mittelalterlicfee Sagen
gufammenjufefeen pflegen, ben wirb eS nid^t befremben, wenn
wir auefe in unferer beutftfeen jfaiferfage ein ^Konglomerat »er*
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fc^iebener ©agenelemente aufjubecfen fuc^nt, »elc^e fid^ im Saufe
von Sa^T^unberten , nad^ bem @efe^e bet Sßa^Iuermanbtfc^aft,
frembgemoibeneb abfto§enb unb mit neuen fongenialen 3been
fi(^ oerbinbenb, aOmä^Iic^ ju einem glfinjenben ©agenbilbe
ft^ftaUifierten. Unb um eS gleid^ ^ier gu fagen, fo liegen gu
einem guten 2:ei(e bie Elemente bet ^aifetfage über^aut>t nic^t
im germanifc^en 93oIfdglauben, fonbetn meifen, fo feltfam eS
fUngen mag, auf ben Orient ^in. @etabe g. S. ber „bürte
S3aum*, an ben ber wieberfeljrenbe Äaifer feinen ©c^ilb Rängen
foQ, ein gang ftei^cnber 3ug übrigens weit älter
ift als bie 0ergoerfe^ung unb bie IRaben, würbe mit Unrecht
auf altgermanifc^e (Erinnerungen an bie SBeltefc^e ^gbrafil
gurüdfgefü^rt. 0ie ©age felbft oerfe^t i^n fonfequent in ben
Orient unb in ber 2:^at begegnen wir bort einer viel»
verbreiteten, unter anberem auc^ bei ben Slrabern in 0erbinbung
mit iDlo^ammeb auftretenben ©age, eine >l^atfa(ber welche aud^
@rimm in feiner ÜRpt^oIogie nachträglich bie ^age aufbrängte,
ob nid^t am @nbe ade beutjchen 0olfSüberlieferungen hierüber
aus morgeniän bif^en 0ieifeberichten ftammen.
@ine genauere Prüfung wirb biefe Slnficht noch
ftätigen. Sunächft faffen wir bie älteften 9lachrichten inS Sluge,
welche von einem 6)erüchte, ba^ ^aifer Bnebri^ noch lebe,
wiffen.
I.
3n ber gweiten ^älfte beS 13. SahthwnbertS erfahren wir,
butch einen beutfchen, in SBien (um 1280) fchteibenben
niften. Saufen @nifel, ba^ in Sälfchlanb (Stalien) überall
no^ ein ©treit h<*^f<b^r ob ^riebrich geftorben unb begraben
fei ober ob er noch „irgenbwo in bet weiten SBelt" lebe.
ÜBoher ftammt biefeS Gerücht?
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13
3unä^^ beri(i^tet ein italienifc^er ©c^tiftfteHei, bet SRino*
ritenbtubet ©alimbene, ber um 1284 fc^rieb, »tele Rotten bie
9la(bn(bt vom jlobe beg ^aiferS ni(bt glauben fönnen, weil man
no(^ größere ^inge non ^ttebrid^ II. ermartete. @8 ift belannt,
in melcb @iabe baS 13. 3abr^unbeit fowo^l in teligiöS«
politifcber, wie aud^ tu focialer ^infi^t erregt mar. 9leue Sbeen
unb Sbeorien non ©taat unb Ifird^e, weiche baS oiel^unbert*
jährige iDer^dltnid beiber 9)td(^te umjugeftalten breiten, baS
mdt^tige .^emorbrängen bed BaienetementS innerhalb ber .^irc^e,
bad Geltung »erlangt, aQed bieS ^atte eine tiefe, alle ©c^i<bten
ber @efeQf(baft aufmü^Ienbe @&^tung ^eroorgerufen, bie und
gang an baö Seitalter ber fWeformatiou gemahnt. ®er Äampf
jmifeben Äaifet unb ^apft ftanb auf bem ^öhepunfte unb würbe
»on ben unftreitig bebeutenbften Vertretern beibet SJtfichte,
Sriebrith II. unb 3nnocen3 in. fammt beffen Vatbfolgem
@rcgot IX. unb Snnocenj IV. geführt. JDie breite SKaffe bed
Volfed felbft war »on bet Uebet3eugung burchbtungen, ba§ bie
beftehenben Verhättniffe »ot einet gtünblithen Umwäljung jiehen.
©(hon in nächfter Seit erwartete man ben 2lnti(hrift, ber haupt«
füglich an ber in Uehpigfeit unb ©(hmelgerei »erfunfenen ^ier>
archie ein horted ©trafgericht »oQjiehen werbe, bamit bann erft
bie ^rdhe wieber rein unb ber a^oftolifchen Seit entfprechenb
aufgerichtet werben fönne. Vereitd fprach man »on bem großen
Vlutbabe, bad bem ^lerud, befonberd ben hohen Prälaten beoot«
ftehe ....
3m fDtitteI))untte biefer in Siudmalung ber fommenben iDinge
fleh ergehenben Träumereien ftanb ber talabrefifche iHbt 3oa»
(him »on gtorid (f 1202), ein 9Jtann, beffen ^rophetengabe
unbegren^ted Slnfehen geno§ unb ber eine förmliche ©chule biU
bete, ©ein mnftifch=apofaIo^)tifched ©hftem war »on bem @e»
(893)
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14
banfen gettagen, ba^ bet SBeit^rojel fi(^ burd^ eine aQmä^H(^e
SuHdfung b<8 @innlid}en im Q^eiftigen noüjie^e, foba§ bie britte
unb (e^te 9Belt()eriobe, in mel(^et bad Ueberflnnli(^<@eiftige ben
@ieg etcingen, but(^ bie iRüdfe^t gut a))oftolif(^en @infa(^^eit
unb abfoluten Sitmut eine gtünblid^e @rneueiung bet J^itt^e
bthigen wirb, ein teligiöfed 8eben, wie ed beteiti tppifc^ im
Drben bet fontemblativen SlRönc^e notgebiibet fei. 0iefe SBet*
änbetung fte^e unmittelbat benot, i^t äBetfgeug, baS fRei(^ bet
(S^albäet, b. I;. bet S)eutfc^en mit intern ^aifet an bet
f^icfe fid^ f(^on an, bie Sut^ltute übet bie ^itdje gu fr^wingen.
8ie§ Soa^int noc^ gweifel^aft, weichet Äaifet gemeint fei,
fo oetweifcn bie um bie fDtitte M 13. 3a^t^unbettS aud feinet
@(^nle ftammenben pfeubo^^joac^itif^en .Kommentare gu 3efaiad
unb Seremiae beftimmt auf ^riebtid^ II. 3<t, an maueren
@teQen ift gerabegu gejagt, ba§ biefet Kaifet bie Kitd^e auS>
rotten werbe ald SSorläufet unb Statthalter beS nahen
Slntichriftd.
S)ah in einem non apolalpptif^en Sbeen butdhtr&nften 3<it«
öltet eine berartige antichrifttidhe ^unftion auf ben Staufer
8tiebti<h II. übetttogen werben fonnte, wirb mon etfl&tlirh
finben, wenn man bebenit, mit weldher ^eftigleit biefet Kaifet
ben Kampf mit bem Zapfte unb bet Kirche geführt, ^atte et
bo(h in einem an bie au6wörtigen dürften geridhteten Schreiben
mit adern fRachbtudfe etflätt, bie Kirche bringe beShalb feine
SBunbet mehr heroor, weil fie oon ihrer Seftimmung obgefoden,
b. h* weil fie reich geworben fei. 9Bie fehr fam et alfo in biefem
Stücle ben 3lnf^auungen bet 3oachitifchen Sdhule entgegen!
SIbet nicht bloh ihr allein; bet ©ebanfe unb bie ^otberung einet
fRücffeht gut opoftolifchen Sltmut war überhaupt bem 13. 3ahr»
hunbert populär. 3hni oetbanfen bie bamalfi aufblühenben
(»4)
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93<ttelotben ter ^anjiflfanet unb Slominifanet i^re äuget«
otbcntli(^e Serbreitung unb Seliebtgeit. Sriebri(^ felbft fonnte
eine 3eit lang goffen, in ignen brauchbare SunbeSgenoffen gu
erhalten, bid fte bann fbäter burd) ihte unbebingte Unterwerfung
unter ba0 ))at)fttum feine erbittertften @egnet unb SBetfünbiget
ber gegen ign gerichteten pä^fftlichen S)efrete würben.
@0 fehr nnn aber ^iebrichS ^otbetung, bag bie .Kirche fich
aUeS weltlichen ISeftgeb ent&ugcrn foQe, zugleich auch bie ^ofung
einet mächtigen firchlichen Strömung beö 13. ^oht^^unbertö war,
fo richtete ftch hoch bie Erbitterung unb bet ^ag ber Eurie gu>
nächft nur gegen ihn. IDenn abgefehen banon, bag et biefe
feine SInfchauung nicht etwa in verfchwommenen mhftifch<ahoia«
Ipptifchen Formeln fagte, fonbern fie unverhohlen unb mit ber
ihm eigenen S^ärfe bireft auf ben ^apft anwanbte, brohte
feine energifche ^olitif biefelben au^ ju verwirflichen. Seine
Eegner waren übet bie ganje Etöge ber Eefagr nicht im Un«
Haren. Etegor IX. goHe ihn ben IBorläufer beö Stnti^riftd
genannt unb bem parbelähnlichen ^Hpofatppfe ner>
glichen, nnb bie non Snti^rifterwartungen erfüllten 3oachiti{chen
^eife verweilten nach biefem Ißorgange mit Eifer in- ber wei«
teren 9Iuömalung beö eöchatologifchen 93ilbeö griebrichö; f^on
hatte man ausgerechnet, wie lange er noch werbe unb
welche Steden auS ben h<digen Schriften auf ihn lauteten.
2)a ^riebrich 11. fo im Elanje bebeutfamfter apofaipptifcher
aWiffion ftanb, fo lägt pch etmeffen, von weichet Bewegung bie
Seitgenoffen bei ber fRachricht feineS SobeS ergriffen würben.
3)er bereits genannte gtaniiSfanetbruber Salimbene fchreibt,
et h^t^e biefelbe erft glauben (önnen, als er fie auS bem dRunbe
beS ^apfteS Snnocenj IV. in ber ^rebigt ju genara gehört;
auch hätten einige 3oadhiten beim Auftreten beS italienifchen
(S»i)
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flfeubo'Briebtid^ 3o^anneS be @alcaria (um 1262) unb beS
am 9lieberr^eine um^etjie^>enben üle .Kolm) (1282 — 1285)
btefen Setrügetn Glauben gefc^enft eben auf @runb jener 9Bei0«
fagungen. @r felbft erflärt ftd^ t>on biefem Soacbttifc^en äSa^ne
geteilt; anbeie aber hielten, mie feine ^olemit gegen biefelben
jeigt, länger baran fefl. 2Bar e0 bo(^ au(i^ für Icid^tgläubtge
@emüter ju na^eliegenb, jur @r(lärung jo eigentümli^er @r«
f (Meinungen, wie bie ber falfd^en j^tiebrtd^e, auf alte ^rop^e»
gelungen, jumal feiere au0 3oad^im0 berühmter @^u(e, 3urücf>
augreifen.
2)agegen ift eiue anbere Srage, ob auS biefem oereinaelten
SBa^nglauben einiger 3>oad^iten (,aliqui Joachitae‘ jagt @a«
limbene) fi(^ eine von fSiunb gu SJiunb ge^enbe älolfefage non
ber einftigen Sßieberfe^r ^riebric^S entmicfelt ^at. 9Hc^tS be*
re^tigt ju einer folc^en Slnna^me. D^ne ba8 Auftreten ber
^feubo'griebric^e ^ätte oermutlidfi fRiemanb me^r on jene 3oa*
^itifc^en @prü(^e gebockt. Unb mte man ^rop^egeiung
nadj Angabe beö (J^roniften erft beim Sluftreten ber ^feubo»
griebric^e mieber erinnerte unb pe glei^fam al8 gt^riftbeweifl
für biefe ©rfc^einungen ^ercorjog, fo mirb Pe nad) bem fläg»
licken @nbe jener 93etrüger auc^ mieber »erfc^oOen fein. iSuc^
geigt @alimbene0 pragmatift^e @rf(drung jener ^ropbette, mo«
nac^ biefelbe tnfofern in ©rfüHung gegangen fei, al8 ja fKanfteb
t^atfäc^lic^ ben 2:ob be8 SßaterS oer^eimlic^te, flar, ba§ man
mit niebten auf eine äBieberfunp beS ba^ingegangenen ^aiferä
fc^liepen mupte. 3a, bie SBeiPagungen felbft ^oben pdb ben
3eitumftänben angepapt unb »erben im Saufe ber Seit immer
oorpd^tiger unb allgemeiner, »ie ja bie um bie 3)iitte be8
13. 3a^rpunbert8 oerfapten pfeubojoa^itifepen ©d^ripen f(ipon
nicht mepr an einer unb berfelben ÄaifergePalt feftpalten, fonbern
(S9€)
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17
bie JDcutung, unb jtoar jebe tpStere ©c^rift um eine ©enetotion
»eitet, ^inauSfc^ieben, »on ^einri(b VI. auf griebtic^ n., ddu
biejem auf feinen ©o^u ober übet^au^t einen 9ta(^fommen
feines @ef(!^le(^tö: sRic^t me^r griebriib II. »itb alS bet bie
.^ataftro^be ^etbeifü^tenoe apofalpptifd^e S)tacbe bejeic^net, fon«
bern bet „Same ^ebritbS“, feine 9lad^fommenfcbaft. 31ucb bie
beutf^en Sfpolalpptifet, »eicbe in ©d^wäbifcb'^aU um baS 3a^t
1248 auftraten, fotbetten auf ju beten fut ^riebrid^ unb feinen
©o^n, weil fie bie ©eiecbten unb SSolIfommenen feien.
©0 »ar benn baS seinen Friderici biefen ©^»Srmem ein
»iQfommener 9IuS»eg für alle ©nentualitäten. 3Bie »enig man
jum ©lauben einet inbinibueQen SBieberfe^r beS .^aifetS fcbteiten
mu^te, geigt u. iS. beutlicb 3otbanuS n. DSnabrücf, bet um
1280 bie früher auf Snebticb bireft loutenbe ^ophetie fchon fo
fa|t, ba§ eine „fünb^afte äButgel" lommen »erbe „auS bem
©cho§e gtiebrichS, mit SRamen griebridh", »el^e ben ÄleruS unb
bie römif(he jtirihe güc^tigen foQe.
8li<ht fo leicht »at bie ^erfon griebridjS II. bur^ einen
feinet 9lachfommen gu etfe^en, »cnn »it baS po litifche 3beaU
bilb, olS »elcheS griebtich feinet 3eü etfchien, inS 9luge faffen.
3n bem glorentinifchen Slrchio „dei Contratti“ finbet fich
nämlich hü^hft intereffanter hoppeltet ^aufaft, batiert auS
©angemignano (oom 10. Suguft 1257 unb ein gang ähnlicher
nom 28. beffelben ÜJtonatS), »onach ^bbello bi ©entile unb
älcoppo bi SSonaggiunta bem ©olbfchmieb iBraccio
60 ©cheffei ©etreibe »erfpte^en, »enn et feftftelle ober eS no»
torifch »ürbe, ba§ griebtich II., ben man tot foge, noch
lebe. —
SBelche Swerfe mochten biefe 50Iännet wohl babei »erfolgen?
SBenn »it bebenfen, ba| »it in bet 3eit jener ge»altigen, gang
XIX. 440. 2 (297)
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3talten aufwü^Ienben poIitif(^en Kämpfe jtttfd^en ®uelfen unb
@^ibellinen [te'^en, {ener Kämpfe, bie alles o^ne ^uSna^me in
i^ien Sereicb jogen, fetnet, ba§ nad^ noc^ »or'^anbenen Urlunben
einige 3a^re barauf (28. ÜRai 1261) baffelbe ©angemignano
mit nod) einigen tuSfif^en (Kommunen fi(^ ju einer Union fnt
SKanfreb gegen bie ©uelfen oereinte, fo »erben wir fafl not»
»enbig auf baS politifd^e Gebiet geführt »erben. 9luS poli»
tifd^en ©rünben ^atte OJtanfreb ben 3)ob feines SSaterS per«
^eimlidfit, unb ba§ eben babureb baS @erü(bt, ^ebricb lebe
nodb, entftanb, berichtet 100 3abee nachher ber @ch»eijet
@hi^<>nift Johann o. SBinterthur unb oiele anbere 9iach»
richten, oon benen »ir nur bie .Kölner @tabtdhronif (1499)
anfühten »oDen (. . . ftarf fo heinilidh, bat niemals »ail fichet«
lieh uifte of he ^ere of niet). Ratten oieCieidht ^ebrichS
politifche Snh&nger ein Sntereffe baran, biefeS auS ber anfäng»
liehen Unficherheit über beS ^aiferS Sob entftammte @erü^t
nicht untergehen ju laffen, fonbern für ihre Sit’ede auS»
jubeuten?
iSudb wenn eS $tiebrich nicht felbft auSgefpro^en hätte, lonnte
man ni^t im 3»eifel fein — unb bie ©egner tfiuf^ten fich
batüber (einen Sugenblicf — , ba§ baS Siel feiner mit ^aft
unb ^onfeqnenj geführten f)oIitif bie Schaffung eineS @inheitS»
ftaateS mit UnterbrüdCung ber Heineren tenitorialen Gewalten,
»orab ber pöpftlichen, »ar. Äühner unb energifcher alS irgenb
ein Äaifer beS fUlittelalterS, mit einer ÜRachtfülle, »ie fie (einer
feiner SSorgünger in Italien befeffen, hotte er Sahr^ehnte hin*
burdh ben .Kampf gegen baS .^apfttum geführt, gleidh gewanbt
auf bem Schlachtfelbe »ie in ber biplomatifdhen ^unft. Unb
bereits fchien er nadh einer äu§erft bewegten öiegierung gegen
baS 3ahr 1250 auf bem ^un(te gu fteheu, ben lebten ent«
(198)
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19
ft^eibenben Schlag auf bie Äird^e gu führen. ®enn niemal«
»ar feine ?)artci mäcl^tiget bageftanbcn: 5Dle ©aracenen teaten
unter bie SBaffen gerufen, fein So^n Briebridf) ertoartete mit
beutf(^en unb italienif^en £rup)>en in ÜJMttelitalien , ber ge«
toaltige ©ggelino in Oberitalien bie Slnfunft be« Äaifer« um
Io8jufd^lagen; in 9iom felbfi begrü§te eine mä(^tige Partei ben
Äaifer al0 ^etlanb unb fRetter nom ^jäpftlicfeen 3o(^e: — ba
fam bie 9iad^ric^t von feinem STobe.
@Iei(^geitige 93erid^te fc^iibem ben (SinbrudC, ben biefe
Äunbe auf feine |)arteigäuger ^ervorbrad^te. 2Bie feine ©egner
fro^lodften unb 3nnoceng IV. in faft tierifd^em ®rimme über
bem frtfd^en @rabe griebrit^B an bie flcilifc^en @ro§en fdjrieb:
„3ubeln foDen bie ^immel, fro^lodten bie @tbe, ba^ bet ent«
fe^Iid^e @emittetfturm fidb in linben 2;auminb umgewanbelt,
nad^bem jener au« ber SÜBelt genommen ift, ber bie jHrd^e
@otte« in SSerwirruug geflürgt . • fo verni(^tenb mar ber
@^lag für bie g^ibellinifd^e Partei, weldje in ^iebtid^ II. bie
Sürgf^aft be« Siege« gefe^en ^atte. 9le^men mit bagu, ba§
nad^ griebti(^8 STobe bie allgemeine SSermitrung burc^ bie Un»
einigfeit gwlfc^en ÜRanfreb unb Äonrab, ben Sonnen be« Äaifcr«,
noc^ gefieigert mürbe unb in Dberltalien auf Setreiben be«
Zapfte« ber gombarbenbunb fid^ erneuerte (1251), fo fd^ien
jegli^e ^)offnung für bie laiferli^e @a(^e gertrümmert.
5Da« ift aber eben bie reifte Sltmof^j^dre für erregte ®e«
müter, um ®erü(^te, gumal menn fle ben ^>ergen«münfd^en
entgegenfommen , fritiflo« l)ingunei|men unb mit Segierbe gu
ergreifen. Unb biefe ®erüd^te maren t^atfadbli^ oor^anben.
SRanfteb ^atte, mie bereit« ermSIjnt, ben STob feine« Sater«
ver^eimlii^t, um ber Sefi^na^me Sicüien« butd^ Äonrab guoor«
gufommen, unb felbft in ben faeftunterrid^teten Äteifen ^enfd^te
. 2* (2*9)
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20
einige Ungewig^eit über ben !£ob bed ^aifeid. SBenn ba*
^et bie g^ibetiintfdbe Partei biefen anfänglitb in Stalien b*n»
fd^enben 3»eifel no^ ju Seiten (1257), »o bie
äBabrbrtt längft am 2;age fein mu§te, wenn fte $itebn<b, bet
nun einmal burc^ feine weit auSgreifenbe ^olitit für 3n^t«
bunberte binaue bie ißetför^erung fowobl bec £)berbobeit bet
weltiicben ®ewa(t über bie fUtadbt bei ^trdbe aie au<b bet non biet
an nie mebt nerfcbwinbenben 3bee einel italifcben @inbeitj<
ftaated geworben war, in jenen bei&en i^äm^fen a(0 noch
unter ben Bebenben weilenb oerfünbete, fo böigen wir für
biefen )>f9(boIogifcben $roceb genug SInalogien. 38ir erinnern
nur an bie ^feubowalbemar, ^feubobeinricb , an bie @)erü^te
Bom Sortieben beS Äönigö ©ebaftian (f 1578), an benen bie
unter baS fpanif(be 3o(b gebeugten ^ortugiefen noch ^a\ju
bunberte b^^tnäcfig feftbielten; nodb im Sabre 1838 foQ eS
im Snnern non Srofilien ©ebaftianiften gegeben haben* ©er
@(aube beS britif(ben äSoIfed an bie ÜBieberfebr .^önig '^rtud’
war fo tief in bag SBewu§tfein eingebrungen , ba§, wie ein
SBericbt aufl bem 12. Sabrbunbert lautet, jeber, ber in ber
Bretagne bieö geläugnet hätte, unfehlbar gefteinigt worben wäre.
3a, na(b 3«an ,bel ßaftillo ging baö ©erebe, ^bü'PfJ H*
habe bei feiner 93ermdblung mit ber engtifcben 3Raria fcbwüren
müffen, feine 9lnf^>rü(be auf bie englifcbe Ärone aufgugebeu,
falls Äönig SSrtuS einfi wieberfommen foHte. — 9(ucb nod> in
neuerer Seit tauchten berartige giftionen wieberbolt unb nie*
mal8 ohne ®rfolg auf. ©o fanb bie Äunbe Bom 2obe Äaifer
SofefS IT. Bielfacb feinen ©tauben in feinen 8änbem; man
meinte, bie ©elftlicbfeit habe ihn entführt unb halte ihn in
einem unterirbifchen Äerfer ju fRorn gefangen. Sluch Bon Äßnig
9Jlat II. Bon SBaiern meinte man, ba§ er noch irgenb*
(300)
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21
)oo lebe. 9la(b bem glauben bet Umwohner j^art^agoS
tterben bie alten Jföntge beS SanbeS, bie in ^ö^len noc^ fort»
lebenben .J)ofafa, bei bet jroeiten SBieberfunft beS ©tlöfetfi
«inft niebetum über fie ^errfc^en. 3a au(^ auf Oroai^t lebte
gu .^o^ebue'ö Seit nodb bie @age, ba§ ber über bie Untreue
feiner ©ema^lin @runa ergümte Äßnig Slono bie Snfel »er»
laffen ^abe, aber einft n^ieberfommen unb alleS mit fi^ bringen
»erbe, maß »ünfienßnjert fei, worauf bann baß golbene Seit»
alter fommen würbe, baß bei feinem Fortgänge aufgebört
batte.
^Derartige @rf(beinungen auß alter unb neuer Seit liefen
ficb »obl nodj »crmebten. @ß ift nun einmal in ber menf(b»
lieben fUatur begrünbet, an ber»ortagenben ^erfönlicbfeiten, gu»
mal wenn beten burebgrelfenbe SBirffamfeit in bewegte Seiten
ober »or jäbe Äataftropben fällt, bartnoifig feftgubalten; non
ihrer iBebeutung erfüllt fann ober wid eß baß bingebenbe ®e»
müt nicht faffen, bab fie für immer babingegangen fein
foQen unb beftet ficb baber »ertrauenßooQ an ihren großen
©(batten.
9lun batte aber griebricb II feine, bie gange gufünftige t)0»
litifdbe ®ntwicfelung Stalienß beberrfdbenbe unb erft in aller»
neuefter Seit »erwirflicbte ©taatßtbeorie nicht blofe guerft rücl»
baltloß außgeft>rocben unb mit bem 'jlufgebot aller materiellen
wie geiftigen ^liittel »erfo^ten, fonbern er follle audb nach bet
italienifcben ©ibpQe ber le^te Äaifer fein, bem feiner mehr
nacbfolgen wirb, ©o febreibt ber fiorentinifebe ©uelfe S3tu*
netto 8atini um 1266: „SBenn SDierlin unb bie ©ibpKe bie
äBabrbeit fagen, fo mu§ mit ffriebricb bie ^aiferwürbe gu @nbe
geben." IDabet fonnte auch bie »on ihm erwartete bdiüf<be
SRifpon auf feinen feiner 9lacbfolger übertragen werben. 3ene
(»Ol)
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22
bm ot)ofa(9^tt{4ien Sc^ttdrmern fo beliebte ^beijie^ung be4
i^Samend ^ciebticbd* vat bei biefet Sluffaffung abge[cbaitteii.
SBie febr aber bab politifibe 3bealbilb ^iebticbb IL in bo4
93ewu|tfein beS italienifd^en 93olfe8 gebrnngen war, geigt u. 2(.
bie ^lagentiner 6b<ont( beS 3obann be SRufftd am @nbe bed
14. 3a^rbunberte. IDiefer fpricbt, nac^bem er gegen bie weit*
UAe HJiacbt bed ^apfttumd geeifert, im Sufnmmenbange mit
$riebri(b U. non einem mächtigen ^mfcber, bet {ommen werbe,
nm bie 3Racht ber Kirche gu nernichten unb feine .^err«
f^aft über gang Stalien audgubreiten. Slnbrerfeitd wirb
ald IDemonftration bagegen in einer non entgegengefe^ter @eite
audgebenben |>Tophcgeiung um 1256 con einem J^dnige ge«
fbrochen, ber fommen werbe um bem tömifcben @tuhle feine
frühere Ultacht wieber gu uerfchaffen unb ade iBerte i^aifer
Sriebtichd gu vernichten.
@inb ed nun na^ bem @)e)agten politifche @rünbe unb
f>oIitifche Stnecfe, wel^e bem anfänglich verbreiteten @)erebe,
Sriebrt^ lebe noch, 92nhi^nng gaben unb ed no^ einige Seit
nach bem Sobe bed .^aiferd audbeuten liegen, fo mug gleich«
wohl in Sweifel gegogen werben, ob biefed politifche Slgitationd«
mittel nicht benn hoch am ,@nbe feine ^aft verlor. SBenn
fchlieglich bie fchwärmerifchen Unpftifer ber @^ule Soachimd
fleh vor ber URacht bet SBirfli^feit beugen unb ihrer apofalhh*
tifchen ^orfteQung non Sriebrichd II. ^erfon unb @enbung ent«
fagen mugten, um wieviel megr wirb bied bei bem nüchternen @h«*
rafter politifcher J^üpfe ber SaQ gewefen fein! ^tebridhd offe«
ned Q^rab gu Palermo, ber verberbli^e .^aber feiner Söhne unb
in ^olge beffen bie allgemeine 9?erwirrung unb ber IRüdgang
ber faifetlichen Sache waren wagrlich mächtig genug, jened
Gerücht gügen gu ftrafen. ^ugerbem mag auch traurige
(30»)
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23
SHoQe, ttelc^e bet fldtlfd^c 9>feubofriebri(^ (1262) fowie ln
<Deutf(^lanb Süe j^olup, na(^ bem ja bie lotnbaibif(^en
©tobte but<^ eigene obgefcbicfte ©efonbte erfunbigt, fpielten,
emü(^ternb gewitft unb berortigen ))oIit{f(^en Betrügereien ben
Boben entjogen ^oben.
SBo§ boe Auftreten folfd^et griebrid^e über’^oupt angelt,
fo beweift boffelbe an unb für P<b gor nid^te für boe Befte^en
einer eigentlitben Bolfefoge; benn ee finb 3. B. oud^ ^feubo*
raonfrebe in Stolien aufgetreten, o^ne ba§ ein berartiger ©laube
fi(^ an fie gefnüpft ^ätte.
3n bet SE^ot lauten ond) bie f^)äteren fBeiffagungen über
ben bereinft Stalien einigenben ^etrfdjer Diel aflgemeiner. ©0
in bem 3«tbucbe bee ÜJii(bael be 8eone j. 3- 1348: „@in
einziger wirb ^err fein, bae römifd^e IReicb erbb^t verben, ber
^5nig Don granheicb mit feinen Baronen fallen, ber ^o^ft
mit ben Äarbinölen nernicbtet »erben/ Bon SRiengo »iffen
»ir, ba§ et fi(b felbft für ben alfo oorbetbeftimmten Erneuerer
bet gangen ^albinfel mit bet ^auptftabt IRom bidt.
@0 feben »it auS bem 2ingefübrten , ba§ griebricb II.
aQerbingg fowobl für bie apofalpptifcbe wie politifcbe ©trbmung^
jened Beitalterd ©egenftanb bet bbcbften ©rwartungen geworben
war, ja, ba§ felbft noch feinem Sobe notb einige Beit bei be-
fonbern Botfommniffen alte |)rot)begeiungett übet ibn bee®w*
gegogen würben. S)a§ bieS befonberd Don ©eiten ber ©egner
bed ^apfttumd gefcbab, lag in ber ungweibeutigen S:enbeng
jener SBeiffogungen, beten @pi^ gegen bie beftebenbe gorm
bet jUt(be gerietet war. @d war baber, um bied gleidb b<et
angubeuten, gang naturgemäß, wenn fpätetbin bad geftbalten
jener ©twartungen unb bet ©laube an griebri(bd SBieberfebr
Don ben popfttreuen ©ef(bicbtf(brpibem bireft ald „feßeriftb“
(SW)
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24
bejeid^net wirb. 9U8 „Äe^er" waren bie falfr^en griebric^e
netbrannt worben unb bte fc^Hmmfte ^ärefie war e8 )ebenfaQ8,
bte bet ^r(^e ba8 Steibt auf 9teic^tämer unb weltlid^e Snadjt
beftritt. 9lo(^ int 3a^re 1321 erfl&tten bie fübftangöfift^en
Äat^atet not ben Snquifitoren, Äatfet griebrid^ werbe auf»
ergeben, um i^re @e(te, eine gnpftifc^»buatifüf(^e ^t(^e, gu et»
weitem unb ben ^leruS gu güc^tigen; fd^on nötiget ^atte3)o(»
eine (f 1307), ba8 ^aupt eine8 ben üJlinotiten nad^gebilbeten
Settelotben8, bet fog. Slpoftelbrübet, »etfi(^ert, gtiebiid^ werbe
fommen unb Äoifet werben. aHerbingS war für biefe Äteife
au8 bem Sntic^ften gtiebtii^ eine fet^nlic^ft erwartete, ^offnungS»
reiche 9Re|fia8geftalt geworben.
Snbeffen ftnb jene oben genannten, bei beftimmten iSn»
läffen auftaud^enben (^nnetungen an alte äBeiffagungen nod^
weit entfernt oon einer non 9)iunb gu Wunb ge^nben S3oIf8»
fage über ein inbinibn.ene8 SBieberfommen ^aifer griebrid^S.
SBit ^aben fogar gefe^en, wie fpätere 0erid^te jene ääeiffagungen
nerfia^ten, wie fie ftet8 allgemeiner unb unbeftimmter würben
unb fc^lie^lic^ bie ^erfon griebrid^S II. gang prei8gaben. @o
berichtet, worauf wir fc^on oben nerwiefen, um 1280 3otbanu8
non£)8nabrü(f, bie geitlicb gunäc^ft in S3etrac^t tommenbe
Quelle, bie SBeiffagung bereit8 fo, ba§ non bem S3ilbe griebri^8
nur noäf beffen 9iame übrig geblieben ift.
n.
Ungleich wid^tiger unb bebeutfamer aber ift, wa8 wir un»
mittelbar barauf bei bemf eiben 3nrbanu8 lejen: „@8 fei eben:
bafelbft no(^ eine nieloerbreitete SBeiffagung, ba§ au8 ben
Karolingern, b. au8 bem ©tamme König Katl8
unb bem ^aufe be8 ftänfif^en Königs ein Kaifer
erflehen folle, mit 9lamen Karl, ber ba fein werbe
004)
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25
$ücft unb ^eirfc^er Bon ganj @uro^a, bet iSticbe unb
Steid^ teformieien unb melci^em fein anbrei j^ai{er
tne^r folgen folle.
äBo^er mit einem 3RaIe biefe beftimmt lautenbe ^rob^e«
geiung Bon einem lebten .^aifer jfarl? fDierfmürbig genug
finbet fidb biefrlbe nidbt lange batauf unb gmar not^ ptäcifet
unb au8fü^tlt(bet bei Sodann B. SBintert^ut (um 1348),
fetnet in einem SReifterliebe unb einet ©ibpllenmeiffagung
ebenfallä au8 bet fUlitte be8 14. Sabt^unbeitS unb Bielen anbetn
Seticbten. Stufet bei 3otbanu8 lautet aber biefelbe — unb
biefl ift Bon größter SBi^tigfeit — ftatt auf Äarl überall auf
Äaifer griebti^.
S3etra(bten mit gunäd^ft bie ausgeprägte Raffung bei bem
SBintert^urer S3ettelmönc^: 3um Sa^re 1348 fd)reibt er: @8
fei Bon ben 3Renf^en allet .Klaffen auf8 guBerficbtli^fte in
biefen Seiten behauptet morben, jfaifer ^riebric^ metbe fommen
um bie gang oerborbene ^ir^e gu reformieren. 3a er muffe
fommen unb menn er in taufenb @tüdfe gerfd^nitten ober gu
@taub Berbrannt märe. @obalb er nun miebet feine ^errfd^aft
erlangt, metbe et bet armen So(bter ben reifen 9Rann gut
@^e geben, fDlönd^e unb 9ionnen Ber^eiraten, Ben SBittmen
unbäBaifen unb allen beraubten ba8 3^cige gurudferftatten unb
jegli^e @erecbtigfeit erfüllen. „IDie jflerifet aber mirb et fo
gtaufam oerfolgen, ba§ fie i^te Sonfur mit 3ßift, menn fie fein
anbereS fDiittel gum 93ebedfen ^aben, Berbecfen, bamit fie nidf|t
erfannt metben. IDie IDiön^e, meld^e bie päpftlic^en IDefrete
gegen i^n Berfünbet, befonberS bie ÜRinberbrübet mirb et Bon
bet @rbe oerjagen. 3Benn et nun miebet bie ^Regierung über*
nommen, mirb et geregter unb glorreicher regieren al8 guoor,
fobann mit einem gahlreichen ;^erre übet ba8 ^eet giehen unb
(J05)
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26
auf bem Oelberge (obet bei betn bünen 0aume) feine ^one
nieberlegen, b. abbanfen."
^ie hier aufltetenben 3iige finb »on ba ab ganj f^etjenb
in bet ^iebriebfage. ©ober ftammen fie unb wie fonnten fle
fl(b mit bem Silbe gtiebri(b0 II. »etfnüpfen, getabe ju einet
Seit, wo bie apofalpt^tifdben wie ^olitif(ben ®^wätmet ftcb ge*
nötigt faben, bie ^erfon jenes j^aifetS gutücftteten gu laffen
um ibte @twattungen gang unbeftimmt an itgenb einen feineS
9Iamen8 gu beften obet gat inS Allgemeine oetflöcbtigen gu
laffen? (Setabe weil jene Sltäumeteien »on gtlebtldb II. im
Abfebwinben waten, müffen bie Oltotioe, welche ihnen wiebet
neue Äonfifteng gaben unb fogat eine SReibe anbtet Süfl*
fügten, mächtig unb unwiberfteblich gewefen fein.
©ir fennen glüdlidbetweife ibte DueQe: eS ift bie alte
©eiffagung »om lebten tömifchen Äaifet. IDiefe eigent*
liehe, fchlechtbin fo gu nennenbe ^aifetfage batte längft im
Sewuhtfein bet chriftlichen ©eit, bet moigenlänbijchen wie
abenblänbifchen, gelebt, beoot fie fich mit itgenb einem be*
ftimmten ^aifet, fei eS Sari obet Biebrich, vetbanb.
Um 948 fchtieb ein frangöfijehet 3Röncb Abfo auf An«
tegung bet ®emablin SubwigS IV. oon ^tanfteidb eine S^tift
übet ben um jene Seit aufS beftimmtefte etwarteten Antichti]^
IDatnach feU in ben lebten Seiten einet bet j^önige bet ^tanfen
baS römifche (Reich empfangen, ein machtooller, glotteichet .^en;*
feber, gugleich abet auch t>et le^te aQet Könige. „(Racbbem bet*
felbe, fäbtt Abfo fort, fein (Reich glücfli^ tegiett, witb et gu*
le^t nadb Setufalem gieben unb auf bem Delbetge
@ceptet unb .^tone niebetlegen. IDieS ift beS tömi*
fchen unb chtiftlichen (Reiches @nbe unb foglei^ banach
fommt bet Antichtift."
(306)
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27
2>iefe ganje |)aTtie nun 9(b(o aud bet urfpiünglid^
gne(^i{(f)en , aber in unjä^ligen lateinifci^en Ueberfe^ungen unb
$arat>^rafen int Slbenblanb neibreitcten f^rop^etie eines ge>
n>i[fen ÜRet^obiuS, »eit^e in Sp^anj wo^l f^on nor bem
8. 3a^t^unbert entfianben ift. iSnfnfi^fenb an bie @r|(^einung
bed Slnti^rifi, auf »etcbe ja gu allen Seiten bet Semblid bet
(^riftlic^en IBelt gerichtet war, verheilt fie einen lebten römi*
fchen (natürlich griechifch^röcnif^en, ba wir in Spgang finb)
.Kaifer, bet na^ Serufalem giehen, bort auf Golgatha feine
£rone am ^olge beS ^reugeS niebetlegen unb fein IReich ®i>tt
übergeben wirb, worauf bann baS ^eug fich erheben unb bie
^atufie beS ^errn eintreten foll.
SDiefer weitcerbreitetcn fUtethobiuSweiffagung liegt bie^e»
ralliuSlegenbe gu ©runbe. @S ift befannt, ba|, na^bem
eö ben Verfem unter ©ho^’^oeS II. gelungen war, bis 3eru»
falem uorgubringen unb bie von ber J^aiferin .^elena angeblich
gefunbene ^reugeSteliquie als @iegeStrophäe nach ^erfien mit«
gunehmen (614), erft Äaifet ^erafliuS (621—628) bie ^einbe
gurücfbrängte unb baS Ihreug wieberum im Siriumphe gurücf«
brachte. 93eim (Singuge in bie hi- ®tabt verga| er aber, wie
bie ®age ergählt, ba| bagu bie Fracht eines SlTiumphutorS
nicht paffe. ISIS er baper vom Delberge herabtommenb vor
bem ©tabtthore etfchien, lüften fi^ bie Duabern non bet IDlauer
unb fchloffen ben Sugang. @in @ngel verweigerte bem ^aifer
ben @ingng, wenn er nicht im ®ewanbe bet IRiebrigfeit, wie
einft ber ^ett, erjcheine. Sofort legte bet jfaifet bie
^rone unb allen faifetlidben Schmud am ^reuge
nieber.
fSUt biefer in ben .Rümpfen gwifchen (Sheiften unb IDtoha«
(307)
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28
tnebanern enttoidelten Begenbe ^atte ber angebliche ÜRethobiud
bie ^ntichnfierwartung ceibunben.
$atte nun biefe IDletbobiudweiffagung auf bpjantinifchem
93oben ben 3<ved, bem grtechtfchen ^aifertume bie ^rärogatine
ber ihm allein unb utfptünglidb non (Sbtifto annertrauten SSelt*
herrfchaft ju mähten, fo ift in bet ermähnten S^rift Slbfo’8,
meldhe jene Seiffagung faft m örtlich aufgenommen bat, au8 bem
tömtfch'bpjantinifchen ä^aifet ein ftänfifcher gemorben. S)tefe
SBanbtung ber ®age mar burch ihte SSerpftanjung nach bem
Sbenblanbe bebingt. S)enn Sranfen maren ja feit^arlö b.
ä^rönung (800) faftifch bie @rben beö chriftUd)>r5mifchen ^aifer»
tumd gemorben. @ine bauernbe Uebertragung auf bie IDeut«
fchen fanb erft nach 9bfo, burch bie j^cönung Otto'8 I. (962)
ftatt. Slber felbft je^t noch ftdnfifche ^aifertrabition
fo mächtig, ba| ber @ach)e Dtto bie j^rönung auf altfränfi»
f ehern S3oben unb in altfränfif ehern @emanbe empfing.
Unb auch nadh iDtto'ö Krönung, ben ^apft 8eo auSbrucflich
als ben erften „beutfehen" Itaifer begeichnet, fpricht man mehr
non einem fränfifchen ald beutfehen j^aifertume, mie benn
g. S3. Dtto 0. Sreifing, bet leiblidhe Oheim beö beutfehen ÄaifetS
f^riebrich I-, gerabeju meint, baS IRei^ ber IDeutfchen fei über«
haupt nur ein 2:eil beS fränfifchen .Königtums, eine SInficht,
melche auch non anbern geteilt mürbe.
üluher bei 2(bfo finben mir jobann auch anbermärtd bie
ermähnte ^rophegeiung. IBefonberö michtig i^ hic)^ sin &t*
bicht au8 bem @nbe bei 12. ober Anfang bei 13. 3ahrhunbertif
„ber (Sntechrift*. ^Darnach mirb einer ber granfenfönige,
ber gule^t fommen foQ, „9iom unb ben Bateran begmingen unb
alle 9fleichc gemaltig; fie .muffen ihm 3ini geben, @r foH felig«
lieh leben in niel langer 3sit unb meit unb breit ber Sßelt ben
(SO«)
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29
??Tieben geben.“ Sule^t bewehrt er ft^ too^I unb gebietet eine
^eerfabrt nach 3>erufalem, wo er baS Iai|erli(be @ewanb,
@peer, ® dauert unb jhone nieberlegt unb auf bem Oelbetge
baS faiferlidie 0tabem ®ott mit eigenen ^dnben barbringt.
„2)ann, f^liefet e«, ift romif^eö ti(bifl enbe“.
2(u|er ber befannten 3)Uffion, ba§ ber le^te ^aifer nad^
rubrnDoUer SRegierung, bie ber SBelt ben Rieben giebt, eine
^eerfabrt nach Serufalem machen, bort auf bem £)e(berge bie
faiferlicben 3nfignien nieberlegen unb refignieren »erbe, tritt
hier noch ber cbarafteriftifcbe 3ufa$ auf, bafe berfelbe fRom unb
ben Lateran bejwingen foll. iSucb ber „bürte Saum“,
an ben ber fiegreidbe ^aifet feinen @cbilb bangen wirb, um bann
gu fterben, tau4)t hier gum erften ORale auf.
fRodb immer ift eS bidber ein fränfifdber ^önig, bet bie
SKiffion befi lebten römifcben ÄaiferS übernimmt; erft nacbbem
baS beutf^e ^aiferbewubtfein unter bem ftauflfcben .paufe er«
ftarft war, würbe ber fränfifcbe burcb einen beutf dben ^aifer
»erbrängt.
SDiejct ©cbritt in ber SGBeiterbUbung bet ®age ift nacbweiö«
bar guerft getban in einem lateinifdben ^ubu8 »om 2(nti«
Triften, weidbet au8 einet Jegernfeer ^>anbfdbrift beS 12. Sabif*
bunbert8 neuerbingä wieberbolt berauögegeben ift. 3m SWitteU
fünfte biefeS mittelalterlidben IDramad ftebt ein beutfdber
^önig. IDer IDicbter wei§ wobl, bab er bamit bie biSberige
93erfion ber ®age burcbbricbt unb lä^t baber ben ftangöftfdben
Äönig »ot ben SBoten beS beutfdben ÄaiferS ^jroteftiercn :
„SBenn man ben ©ef^icbtjcbreibcrn glauben batf, fo gebührt
ba6 DReicb unö felbfi.“ IBber nidbt nur ber frangöfifcbe ÄSnig,
fonbern auch ber grie^ifcbe ^aifet muh ficb bem beutf^«römi«
fiben unterwerfen; oDeö wirb ihm bienftbar, bie gange Äirdbe.
(J09)
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30
2)a ergebt ftc^ bet JtSnig oon 93abpIon gegen bte d^riftlicbe 9Ra(^t
unb rüftet ft(^ aut ©toberung Setu^alemö, »irb aber ^befiegt.
3e$t betritt bet Äaifer ben Sempel a« 3erufolem, legt
Ärone unb @cet>ter nicbet unb fibergiebt @ott baS
91 ei^. 35ana^ erfd^cint ber Slntid^rifl. —
3n biefet neuen SJetfton, wonadb ber le^te röntif^e Äalfcr
ein Deutfd^er ift, begegnet unö uon ba an bie Äaiferfage.
9IIerbing§ nic^t au8j(^lie^licb, fonbern ti behauptet fid^ auch
weiterhin baneben bie fränfi|^e Srabition. 3)a§ biefe legiere
bet neueren Sanbiung bet @age fi<b nicht anbequemte, ift um
fo mehr erflätlidh, ald bet erregte ^amt>f gttif^en ben ftauft«
f<hen .Ralfern unb bet Äitche nicht nur eine ba8 ganae Sbenb»
lanb ergteifenbe Spaltung in bie awei gtofeen 8aget ber ©uelfen
unb ©h^^^Dinen h^rbeigeffihi^ h^ite, fonbern auch but^ bie
Anlehnung be6 ?>apfte8 an gtanlreidh ben getabe in biefet
Seit auftretenben Äai(eranfptfichen granheichö gtofeet
93oti(hub geleiftet würbe, ©o ift eS je nach ber politifchen
©teQung bet Autoren halb ein beutfd^er, balb ein ftfinfifchet
^)enfchet, bet bie Sunftion beS lebten Äaifetö in bet Sage
übernehmen foD.
^et noch <tn anbetet Sug, welcher ber ntfptünglichen
©age Dom lebten Äaiiet fremb war , tritt nun mit 9ladhbtudf
hctDot. 35a8 gro|e firchenpolitif^e Problem einet iSbgtenaung
ber faiferlichen unb päpftlidhen 9)iachtfphöre, beffen göfuug bie
gange Seü beS 9RitteIalter8, befonberö auch ©taufet be»
fdhöftigt, muhte auch i" bet Äaiferfage burchblidfen. 3Bit fahen
bereits in bem angeführten (Sebichte Dom @ntechrift auS
bem 12. ober Anfang be0 13. 3c«h’fhu«bert0, ba§ bet le^te
Äaifet, beDot er nach 3etufalem giehif fi<h “nb ben
gatetau unterwerfen foD. IDiefe gegen bie 9Wacht beS
(310)
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31
|)a^fttumd getid^tete Süffamfeit beS lebten J^atfetS pa§t, waS
faum gejagt gn toetben braucht, gang in ben jRa^men einer
taijerlic^g^ibeninifcben Sinfcbaunng. ^anb in ^anb mit bet mehr
nnb me^t fid^ geltenb mac^enben Slntipat^ie gegen bie SIRac^t
ber ^t(be ging bet [Ruf nad; 0ie j o rm berfelben. Sßit ermähnten
oben, wie biejet {Ruf nach Erneuerung unb {Reinigung ber
^rd^e unb bed j^ieruS gerabegu baS @(bIagwort beS 13. 3a^r*
^unbertd geworben ift. {Darum mu^ bet ^aifer au(^ bie
Äit^e reformieren.
SButbe io ber (e^te Aaifer auf bet einen @eite ber Präget
fpecififc^ g^ibelIinif(^CT, antipöpfllid^er 3been, jo war eö natur«
gem&§, ba| bie fränfijcbe jtaijertrabition burcb bie oielfad^en
Serü^rungSpunlte mit ben Snterejjen bed ^apfttumö eine ent«
j^fieben bentjdbfeinblic^e, lurialiftijcbe jlenbeng erhielt. 3a wir
fe^en eine geraume Seit beibe SRid^tungen nad^ ber .^aijerjage
greifen unb in i^rem @inne geftalten, jo bag jie, wie bie na<^
folgenben Seugnijfe flar geigen werben, für lange Seit ald
ein jiibereS ^riterinm ftaufijcb>beutj(^en unb frangö«
fij^>j>üj>[tlic^en @tanbj)unfted gu betrad^ten ijt.
III.
{Die in bieje beiben ©trömungen bifferengierte, noch namen«
loje j^aijerjage erfuhr nun mit ber gweiten ^älfte bed
18. 3a^r^unbertd eine weitere Sortbilbung, wie ber angegogene
Seridbt bed 3orbanuS beweijt. 93ei i^m wirb nämli(b ber le^te
^aijer „lommen aub bem ©tamme ^önig ^axlt unb bem
^auje beS franfijc^en Königs, Imperator nomine Karolas“.
{Die Äaijerjage ift bei i^m aljo gnr Äarljage ge»
worben.
{Ricbtd lonnte für bie fränfijd^e ^aijerjage nä^er liegen aU
biejer @d>ritt. Äarl war ja ber ©tünber unb gro^artigfte S3er»
(311)
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32
tretet be8 fränftf^ • fatolingifc^en Jfönigö^aufefl. Sfn feine
gianbioje @eftalt ^atte fid^ fc^on ftü^jetttg ein bunter ^anj
»on Sagen geheftet. Se^r olt ift ber 3«a-
Pilgerfahrt nach Serufalem gemacht; in @deharba SBeltrhronif
lefen mir, ba| bei 93eginn bet ^reujguge (1095) aOgemein ge«
glaubt mürbe, ^atl fei uom @rabe erftanben, um am ^eug«
juge teitjunehmen. ^ein üSunber aifo, bafi man bem lebten,
aue feinem Stamme unb ^aufe ermatteten jfaifer ben 9iamen
be0 großen Slhnhetrn beilegte.
fReben biefer jut ^arlfage fortentmicfelten j^aiferfage be«
rietet 3orbanu0 noch non einem ®erüd^te, monach au0 bem
Samen griebri^ö eine „fünbhafte Söutjel, fRamenS grie brich“
hernorgehen merbe, um ben Älerufl ju [trafen. @ine eigentliche
griebrichfage , melche bet non ihm angeführten ^arlfage gan}
analog märe, fennt et alfo nodh nicht. 3n, er ift gerabegu ein
SemeiS bafür, mie menig au0 ben apofalpptifchen SBeiffagungen
übet gtiebrich ber ©loube an beffen einftige SBieberfunft mit
)}ft)choIogif^er fRotmenbigfeit muhte. fDenn
flcherlich hätte ber ftaufenfeinbliche SSerfaffer bie ©elegenheit
nicht nerfäumt, bei bet abfälligen Äritif übet berartige SBeiffa«
gungen auch einer etmaigen griebri^fage fchnrf entgegengutreten.
IDaS aOerbingd fehen mir audh au0 3ortanu8: jene Prophegei«
ungen hatten nun einmal griebrichä 93ilb in eine S3eleuchtung
gerüeft, moburch eö äufeerft brauchbar mar für eine legenbäre
S3ermenbung, vjang befonbetö für ein ©ingehen in bie nothanbene
Sage nom lebten Äaifer.
©iefet Proceh mar innerlich notmenbig, menn mit
an bie gaffung bet Äaiferfage benfen, mie Re im ermähnten
©ebidhte »om ©ntechrifte (@nbe be8 12. ober 9lnfang befl
13. Sahrhunbertö) oorliegt. Dort mar bie SRifRon be8 lebten
(Sii)
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83
Änifer« bereitfl eine auflgejproc^en ^japftfeinblidjc. SBet aber
batte nun unmittelbar na^b^t biefen ©ej^enfa^ gegen bie Ätrdje
mehr uerjcbärft alö eben gtiebricb II.? J^atten il)n ni(bt bie
©ibpQen ald jenen mädbtigen Äaijet be^cicbnet, ber ben Äampf
mit bet .^ietartbie ju @nbe führen feilte? Unermüblicb bntien
bie Soaebiten baö »om Zapfte felbft in officiellen Urfunben be«
banbeite Jbema, ba§ j?ricbri(b bet äntiebrift fei, uariiert unb
ibm bie 0ftoG[e, tuelcbe natb bem ©tauben ber erften cbriftlicben
Seit 9Ieto eigen mar, jugeteilt. fWebr bie Kt^litbe Oppofition
als bie ^artifane ber faifeilicben ^olitif bitten bem ^ilbe bed
<Stauferd ein für allemal bag @tigma ber ^opftfeinbjebaft auf>
geprägt. 9tuc bie §olie biefer iHnfcbauung ift eS, menn anberer«
feitö, wie 2)olrino unb feine Slpoftelbrüber, fo bie beutfebeu
Slpofalpptifer ju @(bu)äbtf(b*^a(l, uon benen unö ‘Älbert »on
@tabe febreibt, in griebricb ben beiberfebnten SteformatDr et»
blirften, bet bie Äirdbe ftblagen werbe, um fie bann na^ ihrem
Sinne 3U reinigen. @8 ift ferner oben an auSbrüdtliiben Seit»
ftimmen gegeigt morben, für »ie weite greife griebticbö 9?ame
Spmbol unb Unterpfanb bet oerfünbeten, allgemein erwarteten
3ü(btigung fRomg war.
aber gerabe in biefer Sluffaffung lag bet entfebeibenbe 33e»
rübrungSpunft mit bet fWiffion be8 lebten Äaifetö. Slueb
biefe war ja juft gegen bie Äircbe unb JRom gerichtet. @rft
wenn er ficb IRora unb ben Lateran unterworfen, foll bet
Äaifet feinen lebten 3»g nach Setufalem untemebmeu!
fRo^ au8 einem anbern ©runbe lag eine Sbentifigierung
^ebriebS mit bem lebten .^aifer nabe.
gtiebticb war auch lebte Äaifer. 5)ab er bieö fein
follte, batten bie ©ibpllen gewußt, ©alimbene, 25runetto gotini
U. tH. Unb et war e8 tbatfäcblicb, wenigftenS für ein balbe8
XIX. Mü. 3 (313)
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34
Sa^T^unbert unb jwar gerabe jeneS ^albe Sal^r^unbett, in meU
i)tm unfete Äaiferfage btefe gortbilbung jur gtiebri(^(age
em^fongen b“t- mit ^i^inrid) VH. (1312) »nrbe bie
Äaifetmütbe miebet erneut. SBenn nun aber ^ebtic^ II.
für biefe ganje 3»tfcbenjeit in SBa^r^eit bet le^te Äaiiet war,
wo blieben bann für bie bamalige Seit bie (ärwartungen, welche
man allenthalben auf ben altimus Imperator gefegt? Sollten
bie SibpUen ade gelogen h^^en, joDte aQeS, waS fo beftimmt
unb allgemein von ben Seitgenoffen erfe^nt würbe, in 9ii(ht8
jerfallen? @ntweber mu|te man an jenen 93erhei§ungen ber
Sage oetjweifeln unb fie ald eitel Släufchung bei Seite werfen
— baju war aber bie alte ^aiferfage gu tief in gleifch unb IBlut
übergegangen, — ober man griff begierig nach bem oon ben
Slpofalpptifern wie ben politifchen Parteigängern SriebrichS füt
eine fagenhafte SBetwenbung fo brauchbar gemachten, in meffi>
anifchem ©lange ftrahlenben 93ilbe ^iebtiihS, beS lebten .Raiferö:
@r muhte noch wahr machen, waS ba oon ihm gefchrieben
ftanb, et tann noch nicht geftorben fein.
So war eS alfo bie Sluffaffung ^iebrichS als beS 3iom
güchtigenben unb erobernben, fobann als beS faftifch lebten
ÄaiferS, welche ein ©ingehen feiner Petfon in bie Äaiferfage,
bie babuTch gut Briebrichfage würbe, notwenbig bebingte.
IDarauS folgte, bah bie ^aiferfage nicht nur butch bie 93er>
binbung mit bem 93ilbe ^ebridhS II. eine auSgefprodhen anti*
h.ietatchifche Senbeng erhielt, fonbern auch jenes einige Seit
nach SriebrichS 2:ob ba unb bort auftretenbe ©erücht, ber
.^aifer lebe noch, neuen äSeftanb unb weitete ^uSbilbung er«
langte. 3a, erft bie Kombination mit ber oiel oerbreiteten
SSollSfage oom lebten Kaifer gab ihm feinen eigentlichen Snhalt:
griebrich II. lebt noch unb foU wieberfehren um bie Kirdhc gu
(SU)
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35
güc^Hgen unb ju reformteren , ein m&c^tiged SRetc^ aufgurid^ten
um bann nac^ Sletufalem 3U jte^en unb bort feine ^errfi^aft,
in ber i^m feiner me^r nac^fotgt, nieberjulegen.
9locb fannte Sorbanuö, ber um 1280 f^rieb, biefe SEBanb»
lung ber Äoiferfage, alfo bie griebric^fage, nid^t. @r berichtet
in feinem bcm ?>apfie felbft jugebadbten 93u^e bie ^aiferfage
non feinem frangofenfreunblit^en, antiftauflfdjen ©tanbpnnfte
au8; nid^t ein beutfc^er, fonbern fränfif«^er .^errfc^er übernimmt
bie Sunftionen be8 lebten ^aiferS, bem er weiterhin ben 9tamen
^arl giebt.
SSon einer jur griebr ic^fage ermeiterten Äarlfoge fönnen
mir erft fpred^en feit ber SBenbe beS 13. Sn^r^unbertö. 3n ber
9ieimd)ronif DttofarS (um 1300 »erfaßt) begegnet unö bie
erfte fRotij, bie nielleid^t auf eine bereite nor^anbene f^riebri^«
fage f(blie|en I5§t. Sei ©rjä^lung ber Serbtennung $ile
^olupe nämlid^ i^ei^t e8: „iDa ^abe man gefagt, eS märe non
©otteS Äraft, bafe er (^riebric^ II.) leibljoft no(^ bleiben unb
bie Pfaffen nertreiben foDe." ®a ^ier non ^iebri^ n. unb
jwor non iljm ollein bie ©rttartung au8gef^)ro(^en wirb, fo
fdjeint biefl jene Sorm ber Sage norou8jufe^en, beren Etägcr
beftimmt griebrit^fl II. ^erfönlit^feit, nid^t etwa einer feineä
©tammeS ober fRamenS ift. SDieö ift aber eben bie jur
f^iebric^fage geworbene alte .ßaiferfage. 3Benn Ottofar barauS
nur ein fIRoment, bie fleruSfeinblid^e S^ätigfeit beS lebten
ÄaiferS '^ernor^ebt, fo ift baö begreiflid^; benn biefe ©eite war
unb blieb baS ©runbmotin auc^ in ber lombinierten ©agen*
form.
fUlit ncOfter Seftimmt^eit unb in i^rer noHfommenften
©eftalt erfd^eint bie Äaiferfage al8 Sriebric^fage bei Sodann
n. SBintert^ur, beffen Seric^t loben angeführt ift. Sei t^m
3* (31S)
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36
ift bet ben ÄletuS jüt^tigenbe ^iebri<^ »öHig ibentifd^ mit bem
mäi Serufalem jie^enben, bort refignierenben lebten lömijd^es
Äaifer, wie i^n bie SJlet^obiuflmeinagung »cr^eifet. Da§ man
biefet leiteten unb i^rer Uebertragung auf gtiebri(^ II.
flat be»u§t -ttat, alfo im ÜJiitfelaltet »on bet @enefl8 bet
^tiebtidfljage eine jebenfaDd beutlic^ere iBotfteQung befa^ a(8
bieö bei ben mciften ptofeffionömä^igen $agenfotf(^ern neuet
Seit bet $aQ ift, geigt au(^ bet Umftanb, ba^ in 9Ret1)obiu0>
eyemplaten befl 14. Sa^t^unbertö fl(b ©loffen befinben, »el^e
getabegu auf griebri^ IL, „ben bie SKenfcben al8 einen Stoten
mSi^nten", 93e5ug nehmen.
Sugleid) geigt bet faft ftürmifc^ fanatifc^e Jon bet 6r»
mattung Jtaijet Btiebtic^S, „ber fommen mu^ utib menn et in
taufenb @tü(fe getje^nitten obet gu ©taube uerbtannt ift", ba|
bae 93ilb be6 miebetfe^tenben ^aifetS ^tiebtid^ ibealifiert unb
gum Jtäget bet böd)ften mefftanifc^en ©rmattungen gemacht
wutbe. 3nbem gtiebtid^ bei feiner SBieberfunft nid)t nur
„SBittmen unb SBaifen i^r Eigentum gutürffteOen, fonbetn
au(b bet atmen Jochtet ben reifen fIRann gut @^e geben,
überhaupt feglit^e ©etec^tigfeit etfüHen foll", »irb »on il)m bie
enbgültige i^öfung beS focialen 'Ptoblemd ermattet. J)et ^etn
aOet ©rmartungen aber ift unoerfennbat bie fiteren > unb pa)}ft«
feinblidje Jenbeng gtiebric^S: 6r foD ben ÄIeru8 gültigen unb
bie Äird^e refotmieten.
©etabe biefet fd^atf betonten Jenbeng ^at eS bie ^riebticb*
fage, ob fie gmor jünger ift al8 i^re ©d^mefterfage »om .Kaifet
£atl, gu oetbanfen, bag fie eine meit gtö|ete 93erbteitung aI0
biefe leitete erlangt ^at.
fDiefelben meffianif^en ©tmattungen mie 3oI)ann oon
SBintert^ut treten fobann in einem fIRciftetlieb aud bet
(31«J
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87
SRltte bc8 14. 3a^r^unbert8 ^etuor. Danad^ »itb, »enn bet
3n)if(^en ben ^)fiuptern ber ß^tiften^eit gto§e8 Un«
^etl angeri^tet l^at, ba§ 92ietnanb eS ju geftiden oermag, ^aifet
8riebti(^, ber ,,^el)re unb audb ber milbe“ na^en, „bur^ @otte4
SBiUen“; btc ga^rt ge^t überS SWeer. @ott wirb bem Äaifer
baS Sieicb wiebergeben, worauf allen 8anbeu unb heften bet
f^rieben fommen wirb. Äeinet greift me^r ben anbern an:
„@D gewint bp werlt bann freüben alfo oil“. 5)er Äaifet
fd^rt bort^in jum bürten 23aum, b^ngt feinen @dbüb an ib«,
unb er grünt wieber. 35ann wirb ba§ b^- gewonnen,
ade bfibnif^en 9iei(be unterwerfen fi(b bem Äaifer, bet Suben
Äraft legt et barnieber unb oder Pfaffen SReifterfcbaft, »on bet
faum baö fiebente Seil befteben wirb; bie Älöfter jerftört er
gar, giebt bie IRonnen ju bet @b’i ft« tnüffen ibm bauen
SBein unb .^orn: 38ann bad gef^iebt, )o fommen und gute
Sabre.
Q)an3 dbniicb tlingt bie um bie dritte beffelben Sabrbunbertd
angelegte ©ibpllenweijfagung. „@ott wirb ben .Raijer geben,
ben et in feiner @ewalt bebalten, gtiebri:^. (fr fammelt bad
(briftli^e S3olf unb gewinnt bad bl- @rab jenfeitd bed fSleered.
fDort ift ein bürret Saum, brr fo lange „bloft" fteben wirb,
bid ber Äaifer feinen ®(bilb batan b“rigt; bann grünt er aufd
fReue. Sefet ftebt ed aber aurb in oder SBelt wieber gut. Der
.Reiben glaube muft jergebn; ade, Suben, .Reiben unb Dänen
werben ©briften."
6d fbtingt, wie gefagt,. in bie fSugen, baft bie Sbentift^ierung
bed lebten Äaifetd mit bem firrbenfeinblidben griebrid) nur auf
ber ®runblage einer gbibedinifcben Sluffaffung fi^ vodgog, ju wel«
d)et bie frangöflfrb'furialiftifrte ©egenftrömung ft^ nirbt oerfteben
fonnte. ^>iet war man mebt geneigt, an ber burrb Slbfo
(S17)
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cingcbiitgeTteB Äarolingertrabitton, mel^e »ir bereits bet 3ot»
banuS 3U einet .^otlfoge fonfret enttoirfelt fo^en, feftju^alten.
9lotürlicb fe^It ^ter baS bet griebri^fage immanente ÜÄoti»,
bie Süi^tigung beS ÄletuS but(ft ben miebetfe^renben Äaifet.
©egen @nbe beS 14. Sa^t^unbertS erleben mir baS ^öi^ft
metfmürbige ©c^aufpiel eines förmlitben SöeiifagungS»
ftiegcS 3toif(^en ben beiben Variationen ber Äaifetfage, bet
Äarl» unb gtiebric^fage.
IDie betreffenben St^riftftücfe ftnb ber [og. JeleStJ^oruS
unb 9lntiteleS^)^oru8. 5Die erftere @(^rift ift oerfa|t non
einem angebli^en JeleSp^ctuS ober St^eolopljoruS. JDiefet^be*
rid^tet, bafe er auf ben 0fiat eines i^m 1386 erf(^ienencn ©ngelS
fic^ in baS @tubium ber SBeiffagungen vertieft ^obe. ^Danac^
foKe um baS 3a^r 1409 ein beutidber ^aifer ^riebri^ auS bem
©amen CeS 3meiten giiebrid) fic^ als Äaifer erbeben, bie tß«
mif^e Äitcbe nieberfcblagcn unb einen beutfcben ©egenpa^jft
auffteDen, ein allgemeines Vlutbab über ben ÄleruS »erbangen
unb bann auS 3talien nach Sranfreid) 3ieben. ©et Äönig Äarl
»irb fein ©efangenet, aber burrb ein SBunber auS bem Äerfet
befreit, frblagt unb tötet er ben beutf(ben Äai|er, worauf ber
unterbeffen auf ben pö<)ftli^en ©tubl erhobene ^aftor SlngelicuS
ben beutfcben Bürften ibt JRecbt ber Äaiferwabl auf emig nimmt
unb ben fran3Öfifcben Äßnig Äarl 3um Äaifer ernennt unb
hont. 9tlSbann 3ieben beibe, Äaifer unb ^apft, nach ^alöftina,
baS^e ooüftänbig erobern, unb je^t folgt bie Vefebrung aßet
ßJienfcben unb bet gro^e SBeltfriebe.
IDie ©lemente biefeS in bie Borm ber SBeiffagung gefleibe»
ten fran3Öfifcben ßlationalwunfdbeS treten flat 3U Sage. 9lu(b
wenn ber Verfaffer nidbt auSbrüdlidb betonte, ba| er mit 3oarbi*
tifcben ©cbriften befannt fei, mürben mit baS auS bem semen
(»18)
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39
Friderici fowie barauS, ba§ et bte SBirffamfeit bed tommenben
Äaifetä öotjugSweife naä) Stalien »etleflt, |(^Iie^en müffen.
JDet gweite Sleil, wonad^ ^apft unb Äaijer einen 3ufl nad^
^aläftina machen metben, bem fobann ber aOgemeine SBeltfriebe
u. f. w. folgt, geigt unBerfennbor unfere ^aifetfage. SHIerbingg
ift ihm ber erfehnte wieberfehtenbe Äaifer ber ftangofijche Äarl ;
wie fehr jebc^ bie Sage bereits nu^ mit bem Flamen gricbridhS
bauernb allgemein nerf^molgen war, geigt befonberS bet Umftanb,
ba§ bet frangöfif^e fSutor burcb einen etwas gewaitthätigen
@riff (Äaifer ^tiebti^ fällt burcb ben ftangßfij^en Äßnig im
Äampfe!) bie 3üge beS „lebten ÄaiferS" (b. b- bie gabrt nach
bem bl* Banbe unb bie |>etbeifübrung beS SBeltfriebenS) Bom
Silbe gtiebricbS erft loSfcbölen mu§ um fie feinem frangöfifeben
Äarl, ber natürlich in engfter Setbinbung mit bem Zapfte ftebt,
Bon bem er auch an ©teile beS abgefe^ten 5\riebri<b jum Äaifet
ernannt wirb, beilegen gu fönnen.
3n IDeutfchlanb fuchte man bie SBirfung biefeS tenbengiöfen
SaticiniumS auf gweifache 9lrt abgufebwä^en. 3unäcbft but^
einen propbetifeben SlnliteleSpbotuS. Diefet lä§t einen fran»
gefifeben Äßnig Bom Zapfte gum rßmifchen Äaifer gefrßnt
werben, ber ben IDeutfcfaen bie ^etrfdbaft entreifeen unb welchem
9iom unb Italien anbangen wirb. 3ul^b^ aber, nachbem ber
JtleruS alle fReiche bet 3Belt unb alle Bürftentümer gu @frunbe
gerichtet bat unb felbft ber beutfehen Station baS {Reich 3“
reiben, überhaupt fämmtlicbe weltliche dürften gu Bemichten fteb
anfdbicfen will, ba fommt ber witflicbe tßmif^e Äaifer, erobert
9lom unb nimmt ben ftangßftfcben Äßnig gefangen: fünftig wirb
beS ÄßnigreiebS granfrei^ nicht mehr gebadbt werben, fenbern
nur beS beutfehen {Rei^eS. {Radibem bann gu ORaing ein
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40
beutjd^efl ?>atrtar^at gegrünbet toorben, foß ein 3ug nac^ bem
^eilige 8anbe unternommen n>erben. —
au§erbem erfc^icn uotfe eine t^eologifd^e SBiberlegung be8
S£eIe8))^oru8 oon ^einridb von ^angenftein. 9lac^bem et
gegen Sooc^im unb_Seleft>^oru8 »egen i^rcr heftigen 2tu8fäße
gegen bie.Äitd)c geeifert, berichtet er: 9lad^ 6 3al)ten foße
unter großer S3e»egung ber bentfc^en Station ein Äaifer griebric!^
ge»&^lt »erben. 3)iefer »erbe ba8 @c^i8ma (^einricb von
Sangenftein fc^rieb gut Beit be8 grogen 9)apftfcbi8ma8 am @nbe
be6 14. 3a^r^unbert8) auffeeben, babei aber ben Äleru8 in grofee
0rangfal bringen.
SBenn nun für bie golgegeit in 35eutf(blanb bie Äatlfage
entfc^ieben gurficftritt gegen bie f^riebrid^fage, fo liegt ber
@tunb biejer @rjd^einung »ieberum unoetfennbat in ber
papft« unb fletu8feinbli(ben Otic^tung bet leiteten. ®erabe
»ie bie ^äretif^en Siidbtungen am Anfänge be8 14. 3a^t*
^unbert8 na(^ bem S3ilbe be8 fircbenfeinblicben j^aifer8 aI8
anfet ber Hoffnung in il}ren Verfolgungen griffen, fo ranft
fi(^ aud) je^t ber oergmeifelte Unmut einer gegenüber bem
Voß»erfe ber ,^ierar^ie obnmäd^tigen ©trömung an ben
Serbei§ungen auf, ba§ ein Äaifer fommen werbe, bet bie Buc^t»
rute übet bie j^trr^e fc^wingen foße. @8 fann nämlic^ nad^
ben galjlteicben, halb mit bumpfem @roße et»a8 oer^alten, balb
mit lautefter @ntrüftiing auftretenbcn Beitftimmen feinem B®e«fel
unterliegen, ba§ bet fefte ©laube unb bie beftimmte ©rwartung
eines na^en über bie Äirdje ^ereinbrerbcnben ©trafgeridbtcS, ba8
gumal ben entarteten j^IeruS treffen foße, bie ©emüter be8
14. Sa^r^unbertS unb noch »eitet ^inau8 nößig be^errf(^te.
3a nod^ um 1527 fd^tieb Sut^er: 9iac^ bem ©auernfriege non
(KO)
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41
1525 ^abe f!d) bei ^leiuS gefreut, toeil nun bie |)ro)>t)egeiung
Don bem großen Slutbobe, baS über ben ÄletuS tommen foUe,
Borüber fei. — Sei biefer in bic Seit eingebrungenen unb
ebenfo entfc^ieben aie ^artnädtig fic^ be^auptenben Ueberjeugung
mu^te bae Silb be§ fleiuSfeinblidben @taufer6 ald beö 3Bert>
jeugd biefer 3üd)tigung in brn näcbften ®efic^tbfreid ge<
rüdt merbcn. ^ag boc^ in bei i^m jugebaditen ^Diiffion, feiner
lefcrmievenb eingreifenben äüirffamfeit bie einzige Sürgfc^oft
gegen ben ?)cffimi0mu8 ber Seitgenoffen.
SÖie tief in ber erften ,^älfte beö 15. Sa^r^unbertö ba8 Se»
mufetfein, ba^ griebricp ber erwartete le^te römifcbe Äaifer fei,
in ba8 beutfcbe Solf gebrungen war, geigt fobann ^jlnbreaS
Bon 9tcgen8burg, weld)tr in feiner (J^ronif (SRitte be8
15. 3a^r^unbert8) berichtet: 3(18 Äönig 0igi8muitb 1431
gur Äaiferlrönung nach 3*tom gog, ba h^be im Solle bic ÜRei«
nung geherrfcpt, ba§ ihn ber $apft nicht falben werbe, theil8
Weil er bie ^uffiten nicht au8gerottet h<>i>c> theil8 aber au^,
weil er nicht ben fRamen griebrich trage, benn nach ber
©ibpQe habe man allgemein geglaubt, bah feiner mehr ^aifet
werben folle anher mit Flamen griebrich. 23ie alte
Kölner ©tabtchronif will fogar wiffen, bah ih«! ber ^apft bei
feiner .Krönung einen neuen Flamen gegeben unb ihn al8 JKaifer
Briebrich gefront habe!
SeachtenSwert ift bei biefen lebten Serichten eine gewiffe
rationaliftifche Umbeutung ber griebrichfage, infofern nicht mehr
griebrich II., fowie er geleibt unb gelebt, fonbern ein Äaifer
biefeS SflamenS überhaupt fommen foll. .Se^t war e8 nur
nodh ein fleinet Schritt, bei auch in ber £hat halb barauf ge«
macht wirb, ben 9famen felbft appeHatioifch gu beuten unb
(321)
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42
a(0 eine 9lrt SSeinamen jebwebem beliebigen Äaifec
beijufügen.
2)ie8 fe^en wir bereitä in ber „IDüringenfcben ß^tonif*
befl So^anneÖ IRot^e (f 1434). 3nbem biefer on ben ita»
lienifdben ?)feubofriebti^, ber 1262 aufgetreten war, anfnüf>ft,
f(breibt er, bafe „einige Äe^er* glauben, Äaifer §riebri(b lebe
no(b; na<b i^m fei fein realer Äaifer me^r gewefen unb werbe
auch feiner mehr fommen. IDaS fei aber eine ^äufdiung, er>
funben vom Teufel um einfältige 8eute ju äffen. STfan meint
wo^l, fä^rt er fort, bag vor bem jüngften Sage ein mäd^tiger
Äaifer ber 6l)riftenbeit werben foHe, ber grieben madbe
unter ben f^ürften, worauf er eine SJieerfnbrt antrete
unb ba0 bl- @rab gewinne, „unbe ben nenne man $re«
bericb umb frebiä willen, ben ber maebit, a)) b^^ nidbt
alfo getouffet ift". 2)a§ IRotbe ben ©lauben, ^Ifbricb lebe
noch, befonberä Äckern in bie ©dbube febiebt, bat wie oben ge»
3eigt, feinen guten ©runb. Stufeerbem brachte e8 wobl IRotbeS
Stellung — er war .^offaplan jU ©ifenaeb — mit, auö bet
vulgären Äaifet Sriebridjfage baö 23i!b befl flerufl» unb fitzen»
feinblid)en «tiebricb II-, bafl ibm für ben „lebten Äaifer“ un»
paffenb febeinen mochte, ju entfernen. Slnbererfeitfl jeboeb er«
feben wir audb aufl feinem S3ericbte, bafe bie Sage vom „lebten
Äaifer“ mit aller Seftimmtbeit auf (Xtiebticb gelautet haben
mu^; benn wafl hätte ihn fonft bewegen follen, biefe Äritif
an ber jtaiferfage mit bem: man mepnet wol bafl vor bem
jüngiften tage" u. f. w. ju üben? SBäte bie Äaiferfage in
ihrer namenlofen ©eftalt no^ in Umlauf gewefeu, fo bütte
er fie gewi§ angeführt, ba er babutefc überbeben war, ficb ju
bem IRotbebelf einer etpmologifcben SDeutung befl SRamenfl
griebricb 3u verfteigen.
(3*f)
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43
beveift aber auch unfere Se^auptung vom Sücücf*
treten bet Äarlfage. Denn wenn i^m btefe befannt mar, wie
gefd^i(ft fonnte er fte, ganj wie wir bieö in ber Raffung bei
Sorbanuö gefe^en ^aben, alö fcblagenbefl Argument jenem oon
i^m al8 „fe^ertfd^" bejei(^neten Äult griebrttbS entgegenfe^en!
@ewi§ ^ätte fidb ber ort^obore .^oftaplan bie8 ni^t entgegen
laffen.
3n ber 2^at ftbeint bie Äarlfage wenigftenS in bem Än»
benfen beB äJolfeö in SJergefjenbeit gefunfen ju jein. Sßit
jinben fie jwar in fatbenrei(ber 9lu0malung am UnterSberge;
bort fofl Äaijet Äatl fi^en, um am 6nbe ber Sage, wenn
3ammer unb ©lenb afljugro§ werben, bie gro§e ©djladbt auf
bem SäJaljerfelbe ju jcblagen, jo gewaltig, „ba^ ba6 Slut bi8
an bie Sdienfel rinnen wirb." Danach joH ber jüngfte Sag
eintreten. — 3nbeffen ift auch h**f ältefte fchrift liehe
Srabition vom 3ahre 1529 nicht für Äarl, jonbern für
Äaijer grie brich. ®rft im fogenannten ©rijeener SBolfBbud)
au8 bem 3«hre 1782 jieht Äarl in ben Unteröberg ein. 9Kan
hat Bielleicht mit IRecht barauf verwiejen, bafe ein berartiger
SBechfel beiber Äaijergeftalten burch bie Dertlichfeit felbft be=
bingt war; auf bairif^«ofterreichifchem SSoben unb im 6rj»
bifchöflichen Serritorium mochte wohl ber fromme, fogar tanoni»
fierte Äarl, ben aufeerbem eine alte @age in S3aiern auf ber
jRei^mühle im SllühU ober SBurmthale geboten jein Iaht, bem
fleruSfeinblichen gtiebrich mit bem gröhten (ärfolge ben 'Plah
ftreitig machen. —
©onft ftohen wir aber nur no^ einmal auf einen ^Bericht,
wonach Äarl, alletbingS nicht berörfte biejeS 91amen8, jonbern
Äarl V. als Sräger ber antihierardhijehen ÜKijfion beß lebten
Äaijerß erfcheint. 3m 3at)re 1519 würbe nämlich, alß eben
csas)
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44
Äarl V. gewäljlt »ar, folgenbe ^rop^ctte »on @nglanb na^
SBenfbig gebrockt: !Det neue Äatfet »erbe aüe Staaten unb
Stölfet unterroerfen, bie ?Ko^ammebaner gum ß^riftentum be»
festen, Butter aber 5Rom unb ^loteng (.^aubt be8 ©uelfentumS
in ben frii^eren JtStnbfen) mit Seuer Berbrcnnen; gule^t jie^e
er fobann nad) 3erufa(em um auf bem Oelbevge feine ^one
niebergulegcn unb ju fterben.
5Die gleiche SBeiffagung bringt au^ 35ertt)clb, SJifchof
Bon (Shiemfee, in feinem um 1519 Berfa§ten SBu^e „bie gaft
ber Äirche“ mit bem Semetfen, fie foHe um 1505 in Stniien er*
febienen fein. 2)a nun gut Seit al8 ©ertbolb fchrieb, Äarl V.
no^ nicht getrählt mar, ohnehin auch nach feiner Angabe bie
SBeiffagung febon gu Anfang be6 Sahrhunbertö etfehienen war,
fo fann h*er nicht Bon einem lebiglicb auf ben fbanifch»hab8»
burgifchen jtaifer gehenben Vaticinium post eventum bie 9iebe
fein. (Such bie anbern un8 befannten 3üge Bon ber Sahrt nadh
Serufalem unb bem SRiebetlegen ber Ärone auf bem Celberge
geigen, ba^ wir bie alte Äaif er jage al8Äarlfage Bor un8 halben,
welche man hiet eben willfürlich auf ben fünften Äarl übertrug.
2)iefe ©rwöhnung ber Äarlfage, bereu 8lu8beute, wie wir
fchen, im a3ethöltni8 gut gtiebrichfage überaus gering ift, bleibt
übrigens au^ bie le^te. Sonft ift bie IDurcbführung ber ba»
maligen 3eithoffnungen ftetS an ben fRamen f^tiebrichS ge*
fnüpft.
Unb biefer @laube hotte fich im ©ewuhtfein beS ©olfeS fo
tief feftgefe^t, bafe wer immer unter ben nachmaligen dürften
ben fRamen f^tiebrich trug, bie Hoffnung erregte, bofe et baS
SBerfgeug einer gtofeen, glücflichen ©etäuberung fein werbe.
ayie gegeigt, machte ben Einfang gu biefer gang inS
Allgemeine h'>^ou8laufenben IDeutung ber ^riebridhfage bereits
(IM)
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2lnbtea8 »on SRegenöburi}, ein Seitgenoffc ©igiSmunbfl.
mürbe griebrtc^ III. ©egenftonb lebbofter ©rmartungen.
greilttb maten bie Seitgenoffen nidjt menig erftaunt, al8 fein
SSerböltniß gu 5Rom (ein 6bw“ift fi'flt feinet ©bni^Äfteriftil
begeid^nenb genug bie$ßorte bei: nec odiens clerum) bemfelben
feinefimegS entftjracb. @erabe bied oeranla^te aber ben berübrnten
9bt 3obanne8 »on iritenbeim (f 1516) gu feinem meg«
merfenben Urteile über berartige SBeiffagungen. „®ie @r»
mortungen, fagt et, oon einem Äaifet griebri(b feien eitel unb
nitbtig, ba fie an gtiebtitb III., „ben mir alle al8 einen bis
gu feinem ^obe ftiebliebenben unb bem Tömif(ben
|)apfte untermürfigen unb ergebenen dürften fennen",
fü fcblecbt eingetrofft’tt feien. 2(ucb an anbere griebtiebe Inüt>ften
ficb bie nämlicben Jpoffnungen. 0o in einem geiftlicben ^iebe
beS 16. 3abrb“wi>ctt0 an einen ^ergog griebriib, ferner an
gtiebticb V. oon bev ^falg unb an gtiebrieb ben SBeifen, Äurfürften
conSaebfen. 2)ie2)eutung auf ben leiteten lefen mir bei feinem @e*
ringeten al8 iJutber, bet in feinet 1522 erfebienenen Sbbrift
„S3om ÜRifebtoudb bet SDReffen" fagt: 6r bobe in feinem 53ater«
lanbe alSÄinb eine ^^robbejeinng gehört: Äaifer griebricb merbe
ba8 b«iiifl« etlöfen. 2)iefe SBeiffagung halte er nunmehr
für erfüllt, inbem fie aufgriebti(b bcnSöeifen gebe: benn biefet
fei ja au<b in granffurt gum Äaifer gemöblt morben „unb mar
ou^ marbafftig Äapfer, menn et gemoHet bet"; inbem' et bem
@uangelium gum Siege cetbolfen unb bie 1)1- <B(btift oon bem
!Dru(fe be8 fie gleicbfam bemaibenben ^leruS befreit habe, fei oon
ihm auch ba0 beilifl® ®rab erlöft morben. —
IV.
fIRit bem Slufgeben bet Werfen gtiebriibS II. mar allen 33ermu*
(SS5)
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46
•tungen ein um founbeätenjtetefl gelberöffnet, al8 tragaufebcrSa^t»
^unberte auch bie nationalen SBünfcbe unb Siele anbere gemorben
tnaten. 93ot aDen gingen muffte bie gewaltige ©eifteSrencIution
beö 16. Saffrffunbertö iffren @influff au(ff ffiet auöüben. @erabe
bet fptingenbe f)uu{t ber griebtid^fage, bei fleruöfeinblii^e
Bug, ben wir bieffei als ^etn bei @age noigefunben, beginnt
jefft aus ber üRijfion beS lefften ÄaifeiS ju jcffwtnben. @anj
natüilicff: benn burcff bie Sleformation mar ja bie SRadft beS
lömifeffen ^leiuS tffatjäcbli^ am empfinblicffften getroffen, bie
@ntDÖIIerung bei ^löftei mar eingetieten unb bie alte gofung
„^Reformation" mar nidfft bloff in ben oon ber alten Äirc^e fid»
loStrennenben Seil, fonbem aucff in bie römifc^e ^irc^e felbft
eingebrungen.
iSudff ber @ebanfe vom äBeltenbe unb bem Auftreten beS
2lnti(ffriftS, fo mefentlidff unb bui(bf«^lagenb er im Anfänge ffer*
vorgetreten mar, tritt meffr nnb meffr jurüd, ebenfo bie fcfalieff«
lidffe Siefignation beS ÄaiferS auf ©olgat^a. 2)ie Sffötigfeit
beS verffeiffenen ^aiferS befcffränft ficff auf ben ^ampf gegen
bie Ungläubigen, befonberS bie Surfen, baS .^inffängcn beS
©^ilbeS an ben bürren Saum unb bie ^erfteDung beS groffen
SölferfriebenS. 9locff fpäter treten au<b ber bürre Saum unb
bie @roberung beS ffl. ©rabeS jurürf, fo baff bem mieberfeffren»
ben griebri^ nur bie S6ieberaufri(btung feines JReicffeS vor«
beff alten bleibt:
„@r ffat ffinabgenommen
5)e6 jReidjeS .^errli^feit,
Unb mirb einft mieberfommen,
9Rit iffr, gu feiner 3«^-"
SBir feffen, mie mit ben veränberten nationalen Sebürf*
niffen unb Aufgaben beS beutfdffen SolfeS audff bie Äaiferfage
(3»6)
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gleiten @c^ritt ^ält unb gum treuen @d^o bet äßünfc^e unb
(Erwartungen unferer Station wirb. 92a4|bem ber firc^enfeinb«
Itc^e 3ug, biefer eigentliche S)ifteren2punft mit ber ^arliage, ber
(Sage abgeichwunben war, fonnte recht wohl auch ^otl
@ro§e, Dtto ber ®rohe, Heinrich I., überhaupt jebe be«
beutenbe .^enid|ergeftalt an bie Stelle rücfen. 33ag foQen wir
bagu fagen, wenn wir lejen, ba§ nach bem ilobelRapoIeond I.
unter bem 95olfe in Ihü^lns«» bie ÜReinung geherrfcht haben
ioQ, bah ber j^aifer mit bem Ileinen breiedigen |)ute unb bem
glängenb fchwargm Haupthaare ben Stotbart abgelöft habe?!
@ewih eine bittere 3ionie ber Sagenbilbung, bie wir aber be»
greiflich finben, wenn wir bebenfen, bah ber bämonijche üDlann
.auch »an anbereu 9tationeu in baä oergötternbe IDämmerreich
ber Sage gerüdt würbe. SBuhten boch auch bie ^alermitaner,
bah ber grohe 3n|ulaner einft wieber erfdheinen unb bie S3erg*
maffe befl üJionte ^JeKegrino in ba8 ÜÄeer ftfirjen werbe.
SBährenb nun aber bie früher fo fcharf umriffene Slhätig»
feit bed wieberfehienben ^aiferb immer mehr eine allgemeinere
wirb unb bie früher ihr eigentümlichen 3üge abftreift, erwä^ft
ihr ein @rfah bafür in ber fonfreten Dlubmalung be$ ^aifet*
hilbeb felbft, bie wir h<s^ nur furg anbeuten wollen. SBelche
©lemente bei biefer plaftif^en Sluögeftaltung beftimmenb mit»
gewirft haben, ift um io fchwerer feftguftellen, ald gerabe hin
SBiHtür unb 3 »fälligfeiten ungemeffeneö Spiel hatten.
@leidh bie erfte ?^rage, weöhalb fich bie .Raifer=griebridhfage
»orgugSweife an ben Äpffhä»iet auf ber golbenenSlu feftgeheftet
hat, bürftc bieö flar machen. SBie oben erwähnt, tau^t im
günftigften Salle im 14. Sahthuubert, angebli^ bei Sohanu
{Rpteffel, beffen ht|fi|d)e (Ehronif jeht leiber oerloren ift, bie
(Erwähnung beffclben erftmalö auf. 3ht» »»b bem oben gleich»
(3tl)
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faQS ermwibntcn @ngelbuftuS nadjergäblenb fc^reibt SBtganb
©erftenbergcr am gnbe bed 15. Sabt^unberM: 3n
bertjcbe no(b bie Ü)leinunc5, Äaifer griebricb (II.) folle nodb
leben auf feinem ©cbloffe Äpffbaufen.
SBeebalb nun non ben ©(blöffern unb Burgen S)eutf(blanb8
gerabe am Äpffbäufet bie Sage fi(b lofalifiett bol. ®itb fd)tt>et
.ju fagen fein. 3>vat b^i nmn auf bie übetaud bewegte ®e«
f(bi<bte bed tbütingifeben iianbed im 13. 3abtb^tnbert nerwiefen
unb baran erinnert, ba§ Jilleba am ^ufee befl ÄpffbäuferS, eine
alte Äaiferpfalj, wieberbolt gtiebrid) I. beherbergte, bafe gegen
@nbe ber ^Regierung ^riebriebd U. gerabe im tbüringifeben
ganbgrafen ^>einri(b JRaSpe ein ©egenfönig aufgeftellt würbe,
na<b beffen ^obe wieberum baS Ifanb in febwere 9tot geriet,
aibretbt, an beffen SBater (^>einti(b v. fJReiben) ba8 8anb ge»
faQen war, b^ite fenen fcbmäblicben iiänberfebadber mit Sbolf
DonfHaffau geplant, gegen welchen bie^büringee fitb weigerten.
Äaifer ^iebriebö eigene Joebter, bie ©emablin beS 8anbgrafen,
foUte 1270 auf Slnftiften ibreö ©emabl’ä ermorbet werben unb
entfam nur wie bureb ein SBunber. 3n ber ©rinnerung an
folcbe ©tlebniffe mo^te fttb in ben .fpergen ber SlbWnger hoppelt
ber Sßunfd) «gen, bafe ber Äaifer ^ebricb fommen muffe, ja
ba| er bereits in ihrer 9täbe fei, um ihnen bie febnlicbft er»
wartete ©erecbtigleit gu teil werben gu laffen.
OJian mag immerhin btefe @rfl5rung in Ermangelung
einet beffeten b'nnebmen; bab fie ein IRotbebelf ift unb feinetlei
innere IRStigung beft^t, liegt auf ber jpanb. ©etabegu in ben
5)etei(b reinften SufoDeö ober gelangen wir, wenn bie neuefte
3lnfi(bt re^t haben foQte, wonadb bie Ortsangabe EngelbufiuS’
(in Castro confusionis) eben nichts weiter alS eine Ueberfebung
»on SB a bei ift, wohin man ben gum iSnticbtifteu geftempelten
(M8)
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griebti(^> wie einftenö ?Reto mit Serufung auf ga^lreici^e «SteDen
in bet apofalppfc uetfe^t baite- 3« biefem gaHe wäte9totbe’8
Ueberfebung non castrom coniusionis mit sloss koufhoser ein
Srrtum gewefen, bet bann füt alle Seiten ueibangniöDolI
bleiben füllte. 3nbeffen witb au§et bet jetfaHenen Surg —
beun biefe ift, wie oben etwä^nt, bie Sebaufung gtiebticb«,
noib nicht ba8 Snnere be8 Setge8 — beS Äpffböufert auch
noch bie Bon Äai|et8lautetn beteit8 um 1532 erwdbnt;
nach einet anbeten 9iacbti<bt audb bet Untet8betg (um 1529).
Slucb bet £tifel8 witb al8 lSufentbatt8ott genannt; nach
anbern gebt bet Äaifet im Sltnotbale um. 3m Dbenbetge,
@uben8betge, in einem fleinen ©anbbetge ^wifchen 9iütnbetg
unb Sürth, ferner in bet 93utg 2)enfenberg im ^abetbotnfchcn
füll ^aifet .^arl wohnen, £>tto im .teilet be8 Dueblin«
bürget @chloffe8. iSu^ bet @^uc!en8betg u. iS. ift al8
^aiferbebaujung befannt.
3öenn Bon aü biefen gofalifietungen fp&tetbin bet ÄpffbSufet
eine ganj befonbete Serübrntbeit erlangt unb bie anbeten Drte
atlmäblich au8 bet @age gurüdgebtängt b^t« fo tnos
wiebetum ein febt gufäQige8 @reigni8 beigetragen haben. Um
bad 3abe 1^46 nämlich H’ar ein armer @chneibet Bon Sangen*
falga, bet erft in feinet {»eimat gefänglich eingejogen, bann al8
irtfinnig lo8gegeben, aber im @)ebiete be8 ®rafen Bon .^enne«
betg wiebet bingfeft gemalt unb fobann ebenfa08 wiebet frei*
gelaffen war, in bie @egenb be8 Äpffbäuferb gefommen, wo et
in einet Kapelle mehrere Sage unb IRädhte bei einem Seuet
fah. 2118 bie Seute, butch ben 3iau^ Beranlaht, binaufgingen,
foben fie ben atmen im trautigften Suftanbe unb oollftet 93ct»
wabtlofung. @ie hörten, wie et „wunberliche Sieben getrieben,
fi^ Bieter Äonigreich unb Äaifertum8 berühmte." IDarauf
XIX. ua 4 (339)
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50
fei ein ungel^eueret Sufammenlauf nad^ bem Serge geioefen;
„Äoifer gtiebrtt^ fei aufetftanben," l)abe baS ganje Solf ge»
f4|iie^en. äbet tneber bet Surgvogt noch bet lian^leioenDalter
von bem naben ®onbetbbaufen b<en an bem fS^enfdien etmad
Seibä<btiged gefe^en. „@in armer, wabnmi^iger Slüenfcb, ohne
Saifcb, ohne Setrog, bet nicbtd rebl ober tbut, bag f(bäbli(b
ober gefäbtli<b* — fo lautete i^t Sefunb — »urbe er fobann
geitlebenb mit @ffen unb Stinten oerforgt.
S)iefeb Sorfommnid fällt in bie lebten Sage 8utberd, bet
noch baoon gehört unb geäußert haben fo0: 3(h tvei^ ui(ht,
toab i(h baoon foU halten, bet Seufel hat oormald mehr ben
Beuten eine 9tafen gemacht." ISuch ^er^oge von $teu^en,
loelchem von bem 9lütnberger ^ietottpmuö Schür ftab ber
obige Sericht erftattet toutbe, etfchien eine „foldhe Seufelei"
feineötoegd unmöglich.
So toenig nun bie tragifomifche SioQe beö armen Schneiberö,
ben übrigens einige 3ahthunberte vorher faum etwas gef^ü^t
hätte, feine „fehctifche" JRoHe beS ^feubo«§tiebrich getabe wie
Sile ^olup unb anbere ^feubofriebriche mit bem ^euertobe gu
begahlen, jenen Sorftellungen entf^rechen mochte, welche bie
Sage vom ^aifer gebrich entwidfelt hatte, fo war ihm hoch
„bet närrifche ^öbel", wie bet Serichterjiatter fagt, in heß«*
Raufen gugelaufen. SBir ftehen eben am Sorabenb beS Schmal»
falbifdhen ÄriegeS, wo bie erregten ©emüter von ber 9iachricht,
Äaifer griebrich fei auferftanben, um fo leidhtcr in Spannung
verfemt werben mußten. Sicherlich wirb baS gemeine Solt no^
naif fahren beS wunbetlichen SJianneS auf bem ä^ffhäufer ge»
bacht unb von ihm ergählt haben. Sei bet .^onlurteng mit
anbem Ortsangaben würbe bie nun einmal burch ben Sotgang
erregte 3lufmetffamfeit vorwiegenb bem Äpffhäufer als Siufent»
(3S0)
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51
Ijaltäort befl .Rai|er8 3uge»enbet, wogegen bie onbetn Dertlii^»
feiten 3urü(ftteten mußten.
äßad nun bie ungweifel^att an ben alten ©ötteiglauben
anflingenbe 0ergoeife^ung angelt, fo finbet ftcb biefelbe fo
jiemltcb bet aUen iBöIfetn. @o wo^nt, um nur @tnigeS anju«
führen, ber alte Sad^ienber^og SBittefinb in einem Serge in
SBeftfalen; Stell, ber mptbifdje Sefreiet ber @cbwet3. au8 bem
bie Sage fogor eine SDreibeit non Steden gefcbaffen, in einer
gelienböbl* “•** ©rütli; im Slrbennermalbe bunt feiner SBiebet»
febr bet nieberldnbifdbe Dgier, bei ben SDönen «folget; Äonig
ÜlrtuS, 0watopluf, 'jlnbreaS ^ofet wobnen im Serge.
^Hu(b notbamerifaniftbe Sagen oon 9{i|) oan SBintel unb
^ubfon, bretonifdbe non dJiornan 8e3<Srei3, f^anif^e non
Soabbil* el Gbtcoß, britiftbe non bem dlationalbelben 8e»
minocf ober iSemenif, raotiöfifcbe, portugiepftbe u. f. w. fennen
bie Sergentrüdung. @regotooiu8 berichtet non einet Solfs»
jage auf @a^)ri, wonach <^uifec Stiberiuß ebenfadß in einem
Serge bawfl» ““t bron3enem SRoffe p^enb, mit bridantenen
Sugen u. f. w.
fRachbem nun aber ber d^aifet (nach bemfelben SolfSbüchlein
nom Sabre 1519, in welchem wir auch bie erfte Sertaufchung
mit griebtich Sarbaroffa norftnben) einmal feinen feften @i^
im Serge genommen h®^. ««nübet bie gef^dftige ^b®®i®ft®
ni^t, fein Silb biß inß SDetail auß3umalen. Sereitß um 1529
weih MUß bie dltefte fchriftliche Ueberlieferung nom Äaifer grie»
brich «m Unterßberge 3U nermelben, bah ber Sart beß Äaifetß
grau ift unb biß 3um QSürtel reicht; fpdter aderbingß fiht
Ifatl im Unterßberge mit fchneeweihem Satte, ber ihm bereitß
3Weimal um ben Stifch gewachfen. ®eotg Sabinuß, ber um
1532 alß 2lufenthalt beß ^aifetß bie Surg non Jfaiferßlautem
4* (331)
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52
angiebt, erfährt „aud alten Annalen'*, ba| grtebttth bott
fdhiummete. <Sohatihn, wie in einem „@efhiä(b einei römif^en
@enatoriä unb eined j£eut{(hen" vom 3aht 1587 etgänjenb bei>
gefügt initb, (Sinet gefe^en, ben man an einem @eile
gelaffen, fi^enb „auf gülbenem @effel unb mit einem
gtaufamen ©arte." 3)et befonbetä »on ben Srübetn @rimm
benu^te 0agenfammIer 3ohonn |)raetoriud fügt f(hon
tneitere 3üge jur Staffage hinj“- 3" feinem früheren Suche,
ber „fReuen SBeltbefchreibung" (1666) fi^t Äaifer griebricb (II)
tief unter ber @rbe in einem Serge auf ber Sauf, an einem
runben Sifche unb fcbldft. @i h^t einen „gräulich sro§en
grauen Satt“, ber bis jur @rbe reicht. 3n bera fpäteren
Suche, bet Alectryomantia (1680), morin er, merfmürbig genug,
plöhlich »on Äaifer griebrich L, bem gangfdhläfer, fpricht, er«
gählt er, wie einft ein Schafhirte in ben Setg gefommcn unb
bott vom j^aifet gefragt morben fei: f^liegen bie 9iaben noch
um ben Serg? 3» biefem unferer heutigen SorfteQung beS
.^pffhäuferalten unb feiner Sehaujung fo mefentlich unb un«
entbehrli^ fcheinenben 3uge tritt halb barauf ber neue nicht
mieber tief einget)rägte, ba| ber Satt beS^aiferS burch ben
Sifch gemachfen ift, n>ie eine 9Iachricht auS bem 3ahre 1696
befagt. fRoch bei bem eben genannten ?)rätoriuS mar et breit
über ben Sifch gemachfen, wie et »on „einem glaubmürbigen
9Iümberger" gehört; früher auch „um ben ^ifch “■ Unb mahrenb
biegarbe früher »eih ober gräulich »ar, fo begeichuet Sehren S
am Slnfange beS 18. 3ahrhunbertS, nachbem er ben ^aifet
griebrich fchlechthin diotbart, Aenobarbus genannt, ben Satt
beS ^aiferS folgerichtig als rot. Ülbet biefe neuefte SBanblung
»ermochte feineSmegS bie frühere fSnfchauung auS bem gelbe gu
f^lagen. @etabe ber belannte Streit um beS ^aiferS Satt,
(MS)
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53
ben @eibel fo anmutig befangen, ift roo^I mit fRec^t non
% ®rimm auf bie fRioalität gvifcben ber alten unb neuen S3et>
ftou bezogen »otben.
lDo(b ^at berfelbe SBebrend auf bie f)laftif(^e fSuSgeftaltung
ben aQergr5§ten @influ^ geübt. 9ta(^ ibm nämti(b fi^t ^aifec
griebrid) mit but<b ben Jifdb gemaibfenem Sorte „am ftei*
netnen S^ifcbC/ ben jtopf in bie .^anb geftü^t, ru^enb
ober feblafenb; er ni(ft ftetig mit bem .Raupte unb
gminfert mit ben ^ugen, alö menn er etma nic^t recht
fchliefe, ober halb wieber erwachen molle." 5)iefl finb ja bie
unb aub IHücfertb ^pffhöuferbaQabe fo moblbefannten 3üge
welche ber 0idhter jwar nicht birelt aub Sehrenb, fonbem aub
ben ollerbingb »on Seprenb ganj unb gar abhängigen SoIIb»
jagen oon Süfdhing fchöpfte. 9iur ber „elfenbeinerne"
©tuhl unb ber „marmelfteinerne" Stifdh finb aifo freie 3«*
thaten 3U feiner Sotlage. 9luch bie @rimm fu§en in lebtet
Oteihe auf bem non Sehrenb entroorfenen Äaifetbilbe.
@0 hoben mir unfere Sage oon ben crften Slnfängen bib
gu ihrer lebenboollen ^ubgcftoltung »erfolgt. SBie »erfchieben
ift bieb fertige Äaiferbilb »on jenem „lebten Äaifer" ber 9Re*
thobiubmeiffogung! 3ug um3ug h“t ft^ allmähli^ »eränbert;
alteb ift gef^munben, neueb i ewigen
SBechfel ift @ineb uuoetfennbnr: ber meffianifche 3ug, ber burch
afie SBanblungen ber Sage geht.
3n unjähligen ©efchichten »om Äaifer gtiebrich im Äpff«
höufer, welche unb burch bie finnigen @rjählungcn ©rirnmb unb
anberer beutfdjer Sagenfammler oon frühefter Sugenb l)cr in
nnaublöfdhlicher @rinnerung leben, hot fich bie ^h“o*ofie «nfereb
Solfeb erf^opft. 2)a fi^t benn ber Äaifer im golbftrohlenben
(SSS)
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@etp5lbe beS 93erged, Don unb ^enlid^Iett umgebra.
@in ftattlicbeS, woblbeuafpieted ^rtegS^eer, nur {eined 3BinfeS
gewärtig, umgiebt ben greifen aber no(b gu Staaten unb
gioneic^en @tegen berufenen ^elbenfaifer. 9uib im Serge bat
et fein beutfcbed Solf nicht vergeffen unb bieberer @inn finbet
in 9löten gern bereite, reiche ^itfe bei ihm. ®ar mancbe» bie
bort ben Äaifcr gefeben, »iffen gu ergäblen »on feinem präcb*
tigen Surgoerlie^e, glängenb non @olb unb @belgeftein, uon
feiner ebrfurcbtgebietenben ©eftait unb .Roheit, gugleicb auch
feiner großen @üte unb Sreunblid^teit. Salb ift ed ein luftiger
flJiufifant, ber am ^pffbäufer uorüberfommt unb bem alten
Äaifer ein ©tdnbcben bringt, ober ein fcblicbter ,^irte, bet ihm
auf ber ©acfpfeife einS auffpielt. 3um £)anfe bafüt wirb er
non einem 3merge binabgefübrt in bie glangum^offene ^aifet«
bebaufung, wo ibm ber gute ^aifer feine ^eunblicbleit taufenb<
facb vergilt. 2)a fpenbet er bem @inen einen Saumgweig ober
ben eines ^anbfaffeS, ber ficb bann beim IRacbbaufefommen
in QJolb oerwanbelt, bem ‘2lnbern wirb löftli^er SBein in ein
nimmeroerfiegenbeS Ärügletn gefcbenft. Slrme l'eute pnb c8
namenllicb, Säuern, bie ficb ber ©utbergigfeit beS alten ÄaiferS
gu erfreuen haben unb benen fi^ bie von Utdben ober einem
Strabanten gricbricbß empfangenen Äoblen in lauteres @olb um»
wanbeln ober eine Uabung SBeigen mit einer IJaft beS ebelften
SRetadeS vergolten wirb, welche bie ^Pferbe faum nach ^aufe
gu gieben vermögen. @ineS freilich ift unbebingt notwenbig:
fchlichtet unb gerechter Sinn. Ser ben faiferlichen Sorten
nicht folgt ober feines ©efchenfeS — unb wäre eS nur ein un»
fcheinbareS Sträußchen, — nicht achtet ober wer von arger ^ab*
fucht getrieben gu tief in beS ÄaiferS SErube greift, ber trägt
in feiner |>anb gemeines Slei ftatt roten @olbeS.
(S34)
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55
SBicbtigfite ^erjeneangelegen^eit bleibt i^m aber auc^ im
Serge bie nationale @ro|e unb SBo^lfa^rt feineö Solfeö. 9Jlit
brennenber Segietbe fä^rt et »on 3«t j« 3eit au8 feinem
@^lummer auf unb fragt, ob benn bie 0tunbe no6 immer
ni(^t gefommen fei, mo er ^erauStreten unb feinet Station ben
gebü^renben 9tang wieberum oerf(^affen fönne. 2)ie 3«»* ifi
ibm freilid^ lange gemotben. ^atte {Rudert im 3a^te 1817
in feinet {Rotbartbidjtung bem fragenben Äaifet nur ben trau»
rigen Sefc^eib geben fönnen, ba^ bie {Raben no^ immer um
ben Setg fliegen, fo bafe er no(^ länget f^lafen muffe, fo
miffen au^ bie nac^folgenben ^ff^äuferfläuge nur oom fc^la»
fenben Sarbaroffa 3u fingen. 9lur »on 3eit ju 3«it bricht in
jenen 3al{ren t^olitifcber Sieaftion, welche ben @ebanten an
beutfc^e @in^eit al8 ftaatSgefä^rlicb tiet^orreScierte, au8 bem
bumpfen @roDe bie faft »ormurfSoolle ffrage ^ettjot:
SBann ermac^ft bu .f)elbenfeele,
Sliegft im ®turm verjüngt but^8 8anb?
IDet mutige Sänget ber ^ei^eit, ^offmann oon gaHerB»
leben, giebt im Sa^re 1840 feinet Unjufrieben^eit Sluöbrud in
bem Seufjer:
,SBenn ber Äaifer bod^ erftänbe, aä) er fd^läft 3U lange 3«it!*
Siele taufenb .^et^en fa^en in jenen IDecennien fe^nfuc^tS»
voll nad^ bem j^pff^äufer; aber Sarbaroffa fc^lief, fc^lief tief
unb lange. —
@rft mit bem .RriegSjaljre 1870/71 brac^ für ben mit ecbt
beutfc^er Jreue feftge^altenen .£)et3en8ivunf(b nac^ ber SBieber»
fe^t äfaifer §riebric^0 bie .^eHe ber SRorgenröte an. @in
greifet .^elbeufaifer, wie i^n bie Sage ftetö vet^ei§en, 30g au8
vom beutfd^en 8anb um in ^ei^er Sölferf^ladbt ben geinb be8
(33i)
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56
Deutfd^en 92amenS auf6 ^aupt ju f^Iagea unb bie ^Rifflon beS
emorteten Äaifetö glonci^ ju erfüQen, inbem et bte lange er»
feinte flaatlid^e @in^eit S)eutf(^lanbe auS bem nebeligen
(Dämmerteidbe bet Stäume in ben 2,ag bet SBirOiiblett
cinfübrte. 3«^* nadjbem bte Hoffnungen bet ©effen
unfetet 9lation fttb DeiwitfUdbt unb unfete nationale ®age
in glänjenbet SBeije fttb ooUenbet baüCr konnte @etod hu
rubigt fingen:
IRun altet ©atbatoffe
8eg friebeooK bein mübed 9^>>br
Dttonen ibt, bu ^aifet ^atl bet (Stoffe,
9iun fcbtaft in bet Süatmottrnb.
(336)
Etnd CO« ®(bt. Ungfc (Sb. Wrimm), eniin SW.
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Jl«9 lift iifr
ortrag
gehalten in bet (SeneralDeTfammlung be0 fDentf^en
f^if^eteioereinS in 0etlin
Don
(Entß Giebel,
©tabttatl) unb Strigemen bt« WäTHIAtn VioDiniial-SSuieumb au »etlin.
6rrliit SW., 1884.
Seilag Don 6ail ^abel.
(C. 10. töbniti’iilit Hnli(ibii4|inil«ig,)
33. CBf(b(lm.€trat< 33.
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Sad htt Uebtrfe^ung in frtmbe Sprachen nitb oorbt^alten.
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@inet unfern beflen früheren öfonomifd^en @d>rift|ieDer, bet
alte So^annefi (Joletuö, njd^It unter bn Uebnfc^rift:
„SBn bie gifti^ne^ erft erfunben ^at“
f^olgenbeS. „gifd^fang, 93ogelfang unb SBilbfang ift o^ne
gveiffel getnefen »on bet SBelt anfang ^er. rü^>
met fi(^ Sabulon er fep bn nfte ©^iffmann onb ^f(^er ge»
tsefen, im jübtf(^en IBüdblein »on ben ^eftamenten bn ^tnbn
3acob. 3)a id^ in 6anaan auffä ^eer fam, ^ab tc^ meinen
Satter Sacoben mit gifdbgejabe gejagt, »nnb miemol »iel im
3Ren ertrundfen, noc^ bin i(b tmbeleibigt geblieben. 3(b ^ab
bn aUnerfte ein ©c^iff im Söleer gu faxten gemadjt, »nb Qlott
^at mit Serftanb onb SEBei^^eit barin gegeben, »nnb ^ab ^inben
am ©(biff «n fleben »nn bab «» breite«
!£u(b mitten im ©dbiff aubgebreitel, nnb alfo im ©d^if burdb»
manbnt ba« SHeer, nnnb fifd^et §i|(be meine« Satter« ^aufe,
bi| fo lange ba§ mir in (ägppten fommen fein. — günff 3abr
bab i(b gefif^et, einem jeben, ben idb fabe, gab icb, baju b<>b
i^ au(b meine« Satter« ^au§ jur genüge verforget. 3tn .^nbft
flfcbet icb, i’nb im äßinter weibet idb bie .^irbe fampt meinen
Stübern, pp. — Sun weite id) biefe« wobl gerne »erteibigen,
abn mir ftebet Soab mit feinn ©dbiffart auff bem rechten großen
Dcean in ber ©ünbflutb im SBege. — Slibullu« febreibet« ben
^iprii« gu, prima ratem ventis credere docta Tyms. @tlidbe
febteiben« ben Srgonauti« gu, etliche anbem."
XIX. «1. US. 1* CSS9)
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4
6oleru8 bemängelt weiterhin jene labblntfdben gabeln, ^dlt
aber an bem ^o^en Sllter bet gtfd^etei feft unb jiebt babei
offenbar einen analogifd^en @c^lu§ anS bet Setiac^tung bet
9latnTDölfer, welche bet (Regel nach btei @tnfen bet Sntwicflung
bntchmachen, fo jwar, ba| bte gifchet» unb Säflerftfiwwe bie
untetfte Stufe einnehmen, bafe fie mit bet Sucht bet ^auöthiete
auf eine h^h^te Stufe al8 Ritten unb SSiehjü^ter gelangen,
um fchlie§lich al8 fehhnfte ^cfetbauet bie (Botftufe gu
etflimmen, non bet ab bie eigentli^e ftaatliche unb gefellfchatt«
liehe Äultnt bet SBölfet etft beginnt').
Soweit bie gefchidhtlichen (Rachtichten reifen, wirb un8
bie gtofee wirthf^aftliche Sebeutfamfeit ber gifchetei nicht blo8
an ber 9Reere8füfte, fonbern auch ®n ben Strömen unb Seen
be8 Sinnenlanbe8 nielfach beftdtigt, unb e8 ftellt fleh but^ einen
S^etgleich mit bet Gegenwart h<cuu8, ba§ getabe bet gifchfang
feine (Srheblichteit al8 witthf^afUichet gattor non bet dlteften
@lefchichte ab bi8 h^ut wenig ober gar nicht gednbert hut, ba§
et noch ie^t mehr al8 ein eigentliches bewerbe, eine, äbetall
wo gifchgewdffer noihanben finb, jut Geltung (ommenbe Solt8«
thdtigfeit ift, wdhtenb fein glei^ialteriger Stüber, bet SBilbfang,
entwebet ein bloheS Setgnägen, ein Spott, ober, wo er non
eiu3elnen ^erfonen, non ben betnf8md§igen Sägern, in ben
groben gufammenhdngenben .^atben unb Sßdlbetn betrieben wirb,
mehr ein ^nhdngfel bet gorftfultur b. h- genau genommen ber
{)olgwirthfchaft, alfo eines Gewerbes geworben ift, mit bem et,
wegen beS SchabenS, welken baS SBilb unleugbar ber gorft
gufügt, in einem lofen unb eigentlich wenig günftigen Sufatn*
menhange fteht. So wenig gnnftig, bab bie Stifteng bet Sagb
wiebetholentlich bereits burch bie neuere Sefe^gebung — eS fei
nur an bie Sotgdnge beS SahteS 1848 erinnert — re^t ernft»
(S40)
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5
li^ bebto^t ge»e|en ift, »Sl^tenb getabe umgefel^rt bie öffent»
lid^e SRetnung überaO, in @uro^a ttie in Slmerifo, fid^ in
jug ouf ben ^o^en äBert^ bet glf^etei fe^t günftig fteöt nnb
gut SBerbefferung berfelben, S)anf not '^Qem ben Seftrebungen
unb 9lntegungen bed 'Deutfcben $if^etei>SeretnS, non ftoailid^r,
non gemeinbltcber unb non ^tinaiet (Seite bebeutenbe Dpfer mit
greuben gebrodjt toerben.
SBad bisher betübrt würbe, finb — wenn au(^ ted^t alte
— fo bodb immet^in no(^ ^iftorifc^e Regierungen. (SoIeruS
jagt ober, et netmutre, bet gifibfang fei non bet SBelt iSn»
fang ge^t aifo rinmit weit übet bie eigentli(be @$e<
fdbicbte riiiau6 in bie RotgefcTidTte unb Utgej^id)te bet
SRenfdbr eit.
3)ie Reweife für bieS r^tTfle, foft unfibetferbate Stiter bet
^ifcbetei bleibt et unS freilicb fc^ulbig, unb in bet
tS audb bis je^t no^ feine etfcTöfifenbe Urgef^icTte unb Rot«
gef<bi(rte bet gifcTetei. 35iefet wiffenjcbaftlidTe 3»etg ift nur
wenig fultinirt unb |o jungen 3)atumS wie bie moberne wiffen«
fcbaftlidTe Rot« unb UrgefcricTte felbft. Rot SlOem ferit ed an
einet einigermaßen nollftfinbigen Bufammenftellung bet giemIi(T
gariteicben, aber überaus nerftreuten SRatetialien einer S)atftel>
lung beS ut> unb norgefcßicrtlicren ^ifcbwefenS, unb idß netmag
bei bet Änoppreit beS mit gugemeffenen 0flaume8 felbftnerftfinb«
Ii(b audb nur einen lüdfenraften Sbriß gu geben. 3mmetr«n
aber glaube id), wenn man unter bem 6oIeruS'f(ben SiuSbrucf
„non bet SBelt Slnfang ßet* bie SInfänge beS eutobSifcßen
fWenjjßenß foweit wir fie fennen, nerfteßt, bartßun gu fSnneu,
baß audb bet gif^fang woßrftreinlitb naßegu ebenfo alt ift*).
35ie öltefien ©puren be« gifcßfangS, weld^e bis jeßt
in 6utopa befannt pnb, f*einen auS bet Äent’S ^ole, einer
(8«)
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6
in <Denonf^ire im {übmeftUc^en @nglanb, gu ftammen.
SDiefelbra befielen in ben Sieften »on gwei gifcbipeeren ober
|)ar^unen au§ .^nin^en, welche in bei 9l5^e »on ©felettie^en
beS fogenannten fäbelgd^nigen .^ö^Unlömen (Machairodus lati-
dens) autgegraben worben ftnb. IDie übrigenb bislang nodi
lec^t raten fRefte biefel fürc^terli^en Siaubt^ieie werben »on
gewichtiger Seite bemjüngften^liocenb. h- lulturgef^ichtlich
(nid^t geologifch) betrachtet, al8 einet fchon feh» entlegenen gec«
logifchen ^eriobe, nämlid> betjenigen angehörig gugewiefen,
welche bem, bie »erfchiebenen @i8perioben umtaffenben ^(eiftocen
ober S)Uu»ium unmittelbar »orangeht. lDa6 erwähnte 0iaub>
thier weift im ÜlOgemeinen auf ein wärmeres ^lima h>”r unb
Sopb IDawKnS, bet berühmte englifche .^)öhlenerforfcher, ift ber
^EReinung, ba§ baS in ber ^ent’dc^öhle gefunbene Srem^Iar
fchon bei EReige beS ^liocen angehörte, wo bereits nörblicher
eine langfam beginnenbe ISblöhlung, als @inleitung bei elften
@iSgeit, fi^ fühlbar machte unb »iele £h<^c nach bem wärme«
ten Süben »ertrieb. So eifärt ftch baS gleichgeitige IBorfom«
men beS wollhaarigen Elefanten, beS woühaarigen ERaShomS
unb beS SRenthierS in betfelbigen Schicht.
aber felbft gefegt, bie erwähnten Bifthh«l>“nen feien mit
bem Machairodus latidens nicht »oQfommen gleichalterig, fo
gehören fte immerhin noch in eine überaus entlegene urgefchid)t«
liehe Seit unb müffen »on febem Bif^er unb Bif^fieunb mit
@hefurcht betrad)tet werben.
SBit gehen nunmehr in bie eigentliche Steingeit b. h> in
bie 9>eriobe menf^li^ei .Rulturentwicfelung über, wo bie Schmel«
gung ber EDRetalle unferen SSorfahren noch unbefannt war*).
IDiefe Steingeit ber gifcheroölfer reicht butch baS ^leifiocen
(IDiluoium) in unfere je^ige @rbbilbung, baS SOuoium hinein.
(341)
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7
3m Sitgern fann man untetf4^etbcn bte ber @i8jcit mit
einet fe^t aubgebebnten Setgletfcberung @utopa8, möbrenb
melc^eT menfcbltd^e (ouni na^gemiefen finb.
hierauf fommt bie bet @i8beriobe folgenbe ^etiobe mit atf>
tifcbem, febt tattern ^lima unb einet tunbta>äbnlidben SSegetatiou.
tSud btefet Sacieb entmicfelt ficb mit abnebmenbet @ttältung
beb Sobenb füt einen gto§en Sb^t von (Sutopa eine ®tebben«
jeit. tDie ungetegetten SBaffetfttöme bet ^oftglagialjeit bAi’^n
ftcb ibte Setten aubgegraben, ungebeure Sinnenfeen finb vet»
blieben unb baneben entmicfelt ficb auf ben ttodengelegten
Släcben bet @bene unb beb SRittelgebitgeb eine Steppenfauna
unb Steppenflota mit einzelnen SBalbinfeln. IDie Stmännung
nimmt gu, bie Steppen f<btumpfen ein unb ibte weiten Stteden
wetben mit SBalb übetgogen, ungebeute 2:otfmoote bitben ficb
in ben IReliftenfeen unb Sümpfen. ^)iermit beginnt bie Uebet»
leilung in bab ältefte SIQuvium, wäbtenb beffen mie te^t lange
auch noch wäbtenb bet folgenbcn jüngeten SQuvialpettobe bie
Steingeit bet ^fcbetvölfet fortbauett. 6in gto§er ^fcbtei^
tbum, gemabnenb an bie Setbältniffe, welche noch jebt in ben
gewaltigen Strömen an bet ©rengfcbeibe @utopab in ber SBolga
unb bem IDon votbanben finb, unb ein ^ifcbbeftanb von nobegn
benfelben Srten, welche jebt unfete ®ewäffer beleben, tenngei^net
biefe, viele Sabttaufenbe umfaffenben Bntabfdbnitte.
IDab bet 3Renfch beb IDiluviumb fi^ biefen ^fd^ieichtbum
gu fRube gemacht b^ben werbe, batf man von vornherein et>
warten unb ber Rtengete Seweib bafüt ift beteitb bntcb eine
aubgebebnte Steibe von ^nbftücfen etbtacht worben^).
9lb dlteften Slbfchnitt biefeb IDiluviumb pflegt man \<tnt in
bet IDrift abgelagerten ^ieblagei gu begeidbuen, von benen
namentlich bie bei Stbbeville im Somme*^b«I unb weitet fttom«
(M«
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8
aafwärtd bei ®t. Scheut ua^e SCmtene t9))ifc^ jut ^ataherifi«
rung einer großen Siet^e fi^nlidjer Ablagerungen in ^anfrei(i^,
@ng(anb, 93elgien ]c. getnorben ftnb. 3tt biefen Ablagerungen
fotnmen fcbvete (SiflSrte, mie fte, gum Sumen^auen, non ben
^fc^em gebraucht fein mögen, not^). 5Die gto|e jHeöanljäufung
bei @t. Acbeul befinbet fic^ gerabe an einet @teDe, mo bie
fRebenfiüffe 9iope unb Arne fic^ mit bet «Somme nerbinben,
unb ma^rfcbeinlic^ bot biefer Umftanb einem Stamm non
gifc^etn SSetanloffung, fld) an biefer Stelle nicberjulaffen —
ttie ja au(^ ä^nlid^e natüilicbe SSort^eile bie erften (Sinmo^ner
non Amienö unb AbbeniQe an biefe |)lä|ie ge5ogen ^aben. 8e«
juchten nun jene tnilbeu ^ifcberftämme biefelben $lä|e ^unberte
unb tanfenbe non 3a^en nacbeiuanber, fo fann unö bie 3)ienge
bet in bem $lu§bett netloren gegangenen @iömei|el k. niii^t
me^r übertafc^en. Sie mögen butd; bie ftetö offen gel^altenen
^öcber auf fRimmermieberfeben b<nal>9efunfen fein. SBäbrenb
beö langen SBinterö »at auch wobl bie Verfertigung neuer
fBetljeuge, in einem Sanbe, baö Uebetflu§ an $euerfteinen bat,
ununterbro(ben im @ange, unb Saufenbe non Splittern unb
Abfällen inerben babei norfä^licb unb unnorfä|li(b inö SBaffer
gelangt fein. IDaS Urnolf bicr mag, »ie |)refttni(b anbeutet,
in feiner gebenöineife jenen ametilanif<ben Stämmen geglichen
haben, mel^e je^t bie @egenb gmifcben bet .^nbfonöbap^) unb
bem f)olatmeer betnobnen. Vach ber Vefcbreibung non ^eatne
»elibet mehrere Sabre unter ihnen lebte, netlegen ft^ biefe
Snbianer, fo oft baö SBilbnret am 8anbe feiten wirb, auf ben
^fcbfang in ben fflüffen; unb beöhalb, fowie um äSaffer jum
!£rinten gu erhalten, finb fie fortwäbrenb bef^äftigt, tunbe un<
gefäbr fu§gro§e 8ö<ber in baö @iö gu bauen, burcb welches fie
Angelbalen ober fließe auS werfen. Oft befeftigen fie ihr 3<lt
(SU)
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9
auf 6em @tfe unb mad^ett Söd^et in biejeS mit 9Rei§eIn Don
StetaO, wenn fte foldbe ^ben {önnen, obei wenn nic^t, mit
SBerfjeugen »on geuet« ober |>Drnftein. §ifd^er«@erät^e
aus {)orn ober Sein, .^arpunen unb bgl. f^einen auS biefen
ältcften 2)riftf(^idbten noc^ nit^t na^gemiefen.
3(n bie geologifdben Serbältniffe f^lie§en fi(^ bieJpö^len«
Sefunbe an. üluger bem SJtenfdben enthalten fie bie Siefte
nom f0tammutb, vom woQ^aarigen 9taS^om, nom Höhlenbären,
»on ber H^^Ienh»äne, »om Stiefenbirfcb, ber f^Iiehlich bem
fRenthier baS Selb räumte, »om 9Rof(huSo(bfen, »on ber @aiga>
antiIo);e, »om Sielfra§, »om 3Bilb))feTb, »on ber @emfe, »om
©teinbodf, »om fERurmelthier u. a. m. Sögel, Sleptilien, Sifc^e
unb 9Ro0u8fen, bie ben lebenben ^rten gleid^en ober analog
finb, trifft man in biefen bilu»ialen ebenfalls
an, bo(h finb fte »erhältni§mä§ig nicht fo häufig, alS bie @äuge>
thiere, nwS leidet erflärlich. 3n Setreff ber Sifd^e h^i
(Sb. 8artet folgenbe intereffante Semerfung gemacht: je feltener
man fie in einer fnochenführenben H^^ie finbet, ein um fo
höheres poIäontologifdheS SIter fann man ungefähr bem betref>
fenben ^ager jufchreiben. @o hat man 3. S. in ben @rotten
»on Slurignac (Houte«@aronne), fWouftier, ©orge b’enfer
(JDoröogne) unb 8a ©h®ife (6h®tente), beren
^ochenpfeile ohne äBiberhafen finb, bis je^t noch feine eiu3ige
Sifdhgeäthe entbecft.
3oI^ ') fügt hier htnju: „Seh^e eS ben älteften Semohnem
unfereS ©rbftrichS an ben erforberlichen Sifchgeräthen unb muh»
ten fie auS biefem ©runbe auf einen reichli^en Sif<hf®°S
gichten, ober halten fie, rcaS nicht angunehmen ift, bie ©emohn»
heit, bie Sifche am Sangorte, b. h- an ben betreffenben Slufe»
Ufern gu »er3chren?*
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^fd)e finben bagegen häufig in ben Grotten neuem
JDatutnS, in SKabelaine, ©pjie«, Stuniqnel u. j. n?., njo bie
mit SSiber^afen neife^enen Pfeile unb ^at))unen coitommen.
üe^tere mögen gum Sl^eil mit fBurfbtettern, »ie biefi bie ^en«
tigen @efimo0 t^un, geworfen worben fein, woburcb fie gewal*
tige ©{bneCiigteit (Sa^rt) unb ^erluffionöfraft erhielten®).
ber ^enfcb mit bem SBaffer, namentlich mit bem
9Reer, bereits »ertraut war, beweifen folgenbe Jbatfachen'“).
IDie Unfein @ ar bi nien unb @i eil ien enthalten mani}igfaltige,
ber älteren ©teingeit gugufchreibenbe ^o^en unb (Steingeräth«.
2)ie Seoölferung ber Unfein muh um gu le^teren gu gelangen,
eine lange 0eereife gemadht hüben, ^uf @lba fiub unter bergL
Serfgeugen oiele non einem auf ber 3nfel nicht natürlich vor«
fommenben Duargit, baneben niele ^abrifationSabfälle gleicher
)>etrographif<her ISbftammung. IDiefe Duargite muffen hoch in
jener entlegenen SSorgeit imhortirt worben fein. ISuf ^ianofa,
einem einfamen fleinen @ilanb gwifchen ben jSüften 3talienS
unb Don ^orftla hut man Dbfibian«9luclel, -SJteffer unb ^Sb«
fpliffe gefunben; bie nächfte S3egug6quetle be0 ObfibianS liegt
weit entfernt in ber oulfanifchen @egenb 0fibitalienS ; auöh hi^
fommen weite, gefährliche 0eereifen in $rage. 9Ber aber fol^e
guTÜcfgulegen oerftanben hut, bem wirb auch — bieS barf man
ohne aSebenfen folgern — ber gifdhfong nicht fremb gewefen fein.
ainfpredjenb unb eigenartig finb bie auf baS gifchwefen be«
güglichen Stefte, welche in ben fogenannten Stenthierhöhlen ge«
funben werben. IDaS ^lima ift fortbauernb rauh, Suuna, ^lora
arftifch, ber ÜUenfch ift auf befchränfte SiSohnplähe unb einen
harten ^ampf um’S IDafein angewiefen. Seine 9tahrung ift,
wie noch ben hi’^uorbifchen unb antarftifchen äSölfem,
gang überwiegenb thierifcher IRatur.
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@e^en »ii und je^t bte ben btenenben @erät^e
nd^et an. 3d^ lecbne ba^in in erfter gtnie bte Sifd^f^eere unb
^aipunen, bie in ber mannigfad^ften ^udbilbung unb in reä|t
gefd^icftei tSnpaffung nor^anbcn [inb: mit einem SBibet^afen,
mit 3n>ei unb me^t bergleic^en, fcTnet mit SBibet^afen, bie in
»erftbiebener {Richtung gefteClt finb. JDad ©peeten, @pic§en,
ober ^arpuniren bet großen $if(be jc^eint, ndcbft bem ©reifen
bet $if(^e, melc^e im flie§enben SBaffet f^mammen ober bei
bet 6bbe ober anbetmcitig abgefpertt fein motbten, mit ben
bIo§en J^dnben, bie dltefte 3(tt bed lünftlit^en giftbfangd
gemefen gu fein, ebenfo alt niedeitbt bad iSnloden ber Bif<^b
unter bem but<bft^tigen @ife burtb geuetf^ein unb bad Se»
tauben betin^olgebacon ^etbeigefcbmommenen $if(be
burcb S^Idge mit Steinen auf bad @id, fo mie bad fangen
ber giftbe in ben ©elegen »dbrenb bet gaicbjeit mit ©totf
unb ©djlinge, bad fogen. ©Steifen“).
SBotjäglicb fd^ön finb jene Harpunen aud ben englifcben,
belgiftben, Ic^ttei^erifcben unb fübfranjöfifd^en (Rentbiet^öt)Ien
erhalten**). SDamit fein 3»eifet üb« bie Seftimmung biefet
©erdt^e fein fann, finb biefelben jum Sl^eit mit bet JDatftel»
lung non ^ift^en felbft audgeftattet. ©o netmeife icb auf einen
bei ©eifie abgebilbeten ft^önen, mit einem SBibet^afen netfe^e«
nen ^ftbfpeet aud fRentl^iergemei^, bet ben t^eilmeifen 8eib
eined ^f<bed geigt, ferner auf einen fogenannten ^ommanbo«
ftab aud fRent^iei^orn non ^^tigotb, bet mit nielen eingtaoir«
ten Bij(b<n oetfe^en ift, bedgl. auf einen ^ommanboftab, mit
einem iad)i vergiert, aud ber belgifc^en ;pö^Ie non ©opet.
3e^t nimmt man ^ie unb ba an, ba^ biefe mit ein bid niet
übt^ern »etfe^enen ©ewei^dfte ©dbleubetftöcfe gemefen feien,
meltbe dienlich ben »orermd^nten äBurfbrettdf^en, gum ^ortfc^ieu*
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bern ber SBuifpfeite nnb Harpunen bienten. tSe^nlid^e t>aIäoIi«
t^ifc^e ÜÜbbitbungen non ^fcben, bie mitunter eine überrafcbenbe
9latutt»a^r^eit bejeugen, finb gar ni<bt feiten. beliebe mxä)
no(b aiif eine .^arpune and Sientbierborn, beren unteres @nbe
ben Äobf eines großen gifebeS jeigt*®).
Stber auch bie Sibbilbung beS gifi^erS ber Sientbier»
beriobe felbft fehlt unS nicht. IDie auSgejei^neten Kenner beS
DiluniumS Wartet unb ©b’^'ftp b“ben in ber ©rotte ber 9Rabe'
laine eine ^nocbenffulptur gefunben, »eiche ben $ifcher barfteüt,
teie er foeben naeft auS bem Sßaffer fteigt, bie {)arhune auf
bem SRüefen, bem feften Sanbe jufchreitenb, baS burch bie ©egen»
wart non jwei ^ferben, genauer ^ferbetöpfen angebeutet wirb,
ttäbrenb als 93eute ein mächtiger 9(al norbanben ift, alS baS
^auptftücf bcS 93iIbeS, nach finblidben Sluffaffung ber 91atur»
nölfer, auch ungeheurer ©rö§e gej^eichnet
fDIan bemerft, wie für biefe entlegene, gar nicht nach bem
3eitmaa§ ber ©efebidbte, fonbern ©eologie, ju f^äbenbe Urzeit,
ber gifcher [ich eine in ber 2bul jmeifelloS recht beträdbtli^e
fünftlerijche 33ilbung angeeignet hatte. £ange Seit ift man
gw«r oielfach gegen bie 3ei<h®a”8®® “”b Äunftfehnibereien ber
Höhlenbewohner, inSbefonbere ber h®tb fthefghaft fogenannten
fRenthierfrangofen, febr mibtrauifch gewefen, unb in ber Sbat
finb mehrfa^ ^älf4>ungen non bergleichen .^unftprobuften ner»
fucht — aber auch «utlarnt — worben. H'efacben bleibt jeboch
aus ben nerfdhiebenften gunbflätten eine fo grobe SIngabl ein«
wanbSfreier ^unbftücfe mit febr ^aracteriftifchen, gum Sheü
ftaunenerregenben ©fulpturleiftungen, bab über bie bebe ^nft»
fettigfeit biefet Urfifchet fein emftlicher Sweifel mehr fein fann,
8lm meiften erinnern biefe funftte^nifchen 8eiftungen an
bie non noch eriftirenben hatbaorbifchen ^fchet>0tämmen, an
f»4»)
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\
bie @(^nt$aibeiten bet Bapplänber, befonberS ber @t{imod, bie
ibre Stf<^eretgerätb{<baften jum ”0^ j<tst in einem äbn>
lieben @til servieren.
^öcbft metfmütbifl ift e8 nur, ba§ biefe Äunfttecbnil in
bv*i nadbfolgenben @)>o(be beS SlQueiunib, in bem längeren
©teinalter, in ben Sanbftridben, »o fte im S)iluoium gepflegt
mürbe, fo gut mie oerfebmunben ift; minbeftenS ift niemals etmaS
IHebnliebeS an 9ta(bbilbungen non Slbieren unb 3Renf(ben unter
ben jabllofen ültanufacten aud |)olj, ,^o(ben, ,^otn unb 0tein,
mel<be jene Seit unS überliefert bat, aufgtfunben morben. üRan
nimmt habet nieHeiebt nidbt ebne ®runb an, mie jene erfte auö
Säget» unb gi|(ber»@q)pen beftebenbe Urbeoölferung fid) fo in
ihre gefeüfd^aftlidben unb flimatifiben SSerbältniffe eingemübute,
ba§ fle beim Eintreten märmeten ^limaö unb gleicbgeitig au^l
mobl bureb baS äSortürfen frember @inbringlinge neranla§t, in
bad ibr liebgemorbene faltete ^lima na^ fRotben auSmanberte.
35ie förperlieben fRefte jener giftet» unb Sägerftämme im @e»
biet ber (Rentbietböblen fdbeinen biefe üfnnabme nicht minber
3u beftätigen; menigftend fann bie fpätere S3eoölfetung ber IRen»
tbierböblen, auch t>er fpätem norgefcbi^tlicben Seit, antbro»
pologifcb nicht mobl non ben ^^öblcnjägern unb ,^öblenfifcbern
abgeleitet merben.
0cbon a priori mö^te man mutbmaben, bab eine fo tecb*
niieb bemanberte SSblferfcbaft mie bie i^öblenfifcber, aubet bem
gif^fang mit bem 0peer, auch ben gifebfang mit bet Mängel,
obmobl betfelbe mehr Ueberlegung, Sift unb ©emanbtbeit nor»
auSgufeben febeint, gefannt haben müffe. IDem ift au^ fo,
man bat bie Ülngel, gmar nicht bie ^rumm»iSngel ober ben
9(ngel*^afen, mobl aber bie 0pib'iXngel, jene einfa^fte fpinbel»
förmige Sngel, melcbe gerabe uerläuft, auf beiben @nben guge»
(348)
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fpi^t ifl unb in ben 8etb beS liöbeiS ^ineingeftecft witb, toie
faum be^meifelt wetben fann, in ben .^öblen gefunben, 3. 0. in
8augetie*0af[e, ebenfo burc^bo^rte ®teinc^en, nel^e al8 Singel«
@enfei gebient ^aben fönnen, wä^renb bie ^ötgernen Singel«
@(^n>immer fid^ auS bet bilucialen nid^t erhalten ^aben * *).
3a noch »eitet bie 9le^fifc^etei, olfo bie britte unb
^ödbfte SiuSbilbungeftufe beS ^f(^angd »itb, nicht ganj un«
»ai^tfcheinlic^, bem Duatetndt betannt gewesen fein, benn man
^at, 3. 0. in bet ^)6^Ie non 8augerie»0a|fe, jfnocbcn»*Rabeln,
weiche ben fpäteten fUe^fttidtnabein ähneln unb mit benen
man noch je^t fRe^c fttidfen ober fititen Tonnte, 3ufammen mit
gifc^teften entbecft^®). 0on ben oetgöngiid)en fRefeen felbfl ifi
auö biefet geologifdben (Spoc^e, foweit ic^ überfeine, bislang 9iichtS
befannt geworben. @8 liegt bieS u. Sl. wo^i au^ an bet 0et«
gänglic^feit beS fDiatetialS, bei weitem man an 0aumbaft
(8inbe, SBeibe), 0infen, fRobt nnb betgi. 3U benten bat. Sluf
^etit Sinfe 38lanb, 0etmilion 0ap, 8ouifiana, fommt cbemifcb
faft reines @teinfal3 in einet Stiefe oon 15 bis 20 ??u^ unter
bet Dbetflädbe in ungeheuren Sibiagerungen tot.
mattenattigeS glecbtaerf nabe bet Dbetflödbe beS @al3eS 3»ei
§u§ unter ben @to^3dbnen unb ©ebeinen eines foffiien @lefan«
ten auSgegtaben motben. fDaS ©eflecbt beftebt auS bet äu|etn
(Rinbe beS gemeinen fübiidben @umpftobtS Anmdinaria macro-
sperma unb bat ftdb lebigticb butcb ben 3ufaQ etbalten, ba^ eS
mit bet präferoitenben Safe beS @al3eS in 0erfibrung Tarn.
Unter gleidben 0etbäitnif|en würbe ftdb au^ ein ri^tigeS Sifdber«
ne^ etbalten haben. iDie Formation gehört bem 8ö§, aifo bem
witfii^n 0iiuoium an. 0ermutbIicb auS bem giei^en ©runbe
leichter 0ergängIi^feit haben ftch fReufen ober öbnliche gang«
gerdtbe, »eiche bem in ber 0onichtung eingetretenen gifdb, ben
(MO)
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3^ü(fjug 3U oeifperren geeignet waren, bid je^t nidbt nacbweifen
laffen * 0-
S)ie folgenbe geologifcbe @f)0(be, bad iSünDium,
ber älnfang unferet recenten, nodb ie^t wäb^enben @rbbilbung,
geigt un8 febon in tbrem älteften übf<bnitt, bet jungem @tein<
jeit, gewtffe gortf^ritte in bet Äunft be8 ^f(bfonge8. 3(b
tetbne batuntet be8 Sluftteten bet eigentlichen .Stuntman gel,
banintet ba8 au8 einem einzigen ©tein gefertigten SlngelbafenS
unb befl mit glintfblittern auflgelegten gifcbftecbetä’*). 3wei
febt ebtwütbige, feltene unb beacbtenSwertbe iRngelbafen au8
^euerftetn habe ich im SRufeum gu 8nnb in Schweben gefehen,
welche aI8 hei^i’tiagenbe j^oftbatfeiten in ©ammetfäft^en auf>
bewahrt werben, beibe fchwebifch, am ©unb bet gomma be«
giehentlich am Ätanfefee in ©dhonen gejammelt ‘ »). 5Drei öhn«
liehe ©tätfe, ebenfalls auS $Iint, bemerfte ich 3- in
©ammlung beS ,^etm @h^i<>nthuS ©ternberg in ©tralfnnb,
einen mit bet Segeichnung ßo^jenhogen, bie anbeten 2 gufam»
men in einem 2:ohf auf bet 3nfel ©eelanb gefunben. 2)aneben
fommen namentlich in ben bänifd^en Sammlungen unb in bet
©ternberg'fdhen ©ammlung (beSgl. von ber 3nfel ©eelanb) leicht
gefrfimmte ^euerfteinfpi^en vor, welche, mit einem ,^oIg* ober
,^ochenfchaft verbunben, votgügliche Singelhafen für ©ee« unb
gtofie ©ühwaffetftfche abgaben. @benfo werben nunmehr auS
^om unb Wochen voOftünbige Slngelhaten gefertigt* <>). S)a>
neben finb ©hi^angeln auS Seuerftein, ^no^en ober ^om im
Gebrauch **).
SBie ?)ef^el unb v. ^ellwolb mit Siecht betonen * *), über«
ragen bie Sifcherftämme bie 3ägerftämme in ihrer Silbung nur
um ein SBenigeS, bo^ ift eine ©efittungSgnnahme — wenn auch
(Ml)
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nur {cl)r unbebeutenb — nii^t gu oerfennen. S)er bot
ben j^ampf nicht mehr b(o8 gegen ein @inge(n>efen, fonbein
auch gegen eine allgemeine (Raturmacht, bafi SBaffer, aufgnneb*
men unb burcbguf übten; ba8 SSemältigen ber Statut if) {o gu
fagen in bie gweite ^oteng getreten; ein IDoppelted ift gu um*
fpannen. 5Die Bijcbct mobnen habet auch ndbet aneinanber unb
finb oft bei bet ^ücfe beS gn befämpfenben Elements auf gegen*
feitige ^ilfeleiftung angemiefen. 93ei ihnen aifo mitb man bie
erften Spuren ge)eQigen SufammenlebenS, bet menfcblidben Statut
gu fucben hoben. IDer [Raum, toeicben bet @ingelne gu feinem
SebenSbebatf beanfprucbt, ift minbet auSgebebnt ald bei bem
Söget, unb bie unb ba bemerft man bie robeften Slnfönge bet
©cbifffabtt, melcbe freilich but^ bie jemeilige SBefchaffenbeit bet
Äüften geforbert ober gehemmt »utbe*^).
Slabei bettf^en in jener jungem Steingeit noch immer
flimatifche unb bbbtogtapbifche Sfetböltniffe not, melche non
benen ber Se^tgeit an ben betreffenben BunbfteDen re^t net*
fcbieben finb. 2)ie Ströme unb Sühmafferfeen übertrafen bie
je^igen noch immer gemaltig an Suöbehnung, menn auch ^ie
Strombetten im @irohen unb (fangen, unb oon ben fRotbfee*
flüffen abgefeben, welche ihren Sauf weftli^er, ber BlutbweQe
entgegen, nerlegt hoben, ber je^igen fRichtung entfprechen.
Sebenfallö waren bie fDieere reichboltiger nach Quantität wie
Qualit&t mit Bif^m, Sßei^tbieren unb anberm, bem ^enfchen
als fRabrung bienenben ^etbier auögeftattet. fRecht belebrenbe
Beläge hierfür höbe ich io bem non mir guerft entbeeften unb
feit Sohren unterjuchten ölteflen SReereöallunium an bet pom*
merjehen Dftfeefüfte nabe ©reifSwalb gefammelt. Sn bet @e*
netalnerfammlung be0 beutfdben Bifchereinereinb gu Sferlin legte
ich int Sobre 1880 u. 'jl. einen recht gierlichen, anfd|einenb aud
(SM)
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obet .^irfc^^oTn gefirnißten Sngeirafen not, weliTet einet
non mit butd)fotf(rten fDiub« unb ^(ai<@^iirt angeß&tt, bie
iiT nacß bet in ißt in Unmengen foffll notlommenben $feffet>
fDiufd^el, Scrobicularia piperata Bellonius, ,®ctobicu(atien«
©(riiTt" genannt ßabe. S)tefe übtigenb e|bate unb gang tnoßU
fcbmedenbe ÜRufiTel fommt lebenb an bet pommetfiben Äüftc
ubetbaupt nicht mebt unb fpotabifcb, au^ giemlicb nerlümmett
etft etwa non SKatnemünbe ab notbweftliib not. Stecht eigentli^
gu ^nfe tji fie in ben ÜRub» unb Älai*335nfen bet Slorbfee,
g. 33. beS notbl^leewigfchen SBattenmeetd; bott ift fie groß unb
mobl auSgebilbet, gerabe mie in bet Sßorgeit im ®teifdwa(bet
0obben. 3n biefet @cn;obicularten'0(hi(ht finben fich tob
behauene, an bie paläolitbifthen Sppen erinnernbe Seuei*
fteinbeile, 6i6meifeel, äufternbrecber, gifchfpeere Sießbefchmetct,
Steßflotten, Slngelbalen, Stefte non Steufen, ^olgtoblen non unb
an eßbaren .^on^plien 3luftetn, biefe nicht getabe häufig, ba
®(blammboben betfelben nicht gufagt, fetnet an anbeien feite«
neren SRufcheln Cyprina islandica unb Mya tmncata, an
©^nerfen bret ©pegieB non Litorina, theilB, mie
bie Slufter, feßt bet Oftfee gänglich, theilB menigftenB biefem
SReere bei @teifBmalb fehlen. Sluch bie bott feßt noch lebenben
©eemufcßeln mie g. 0. Cardiom edole unb Cardiom rosticam
etrei^en nicht bie @tßße unb ©dhalenbide bet Snbioibuen auB
bet ©cTobicuIarienfchicht, maB 3UIeB baiauf hinmeift, baß baB
9Reet ber pommetfchen Äüfte in jcnet Sorgeit meit falghaltiger,
nielleicht auch märmer, jebenfallB nahtuugBteichet unb barum füt
ben gifchet bet Utgeit auBgiebiget mar. Sunbe im |)etfante«
Shal bei .Dolberg unb .^olbetget SRünbe, melche i^ im 3ahte
1882 in ähnlichen ©cßichten gemacht, belehren mich, baß bie«
felben 0erhältniffe auch uu bei hinterpommerfchen ^fte obmal«
XIX. 44L 442. 2 (SU)
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tetcn, ja id) bin, nadf einigen 93efnnben geneigt, bid na(b ^anjig
bin fär bie Oftfeetüfte äbnlicbe <ScrobicuIar(enj<bi(bten mit
5Ranu jaden unb Urtefacten bet ©teinjeitjxjtber anjunebmen**).
3u einem SSerglei^ b^cnnii bie ungejäbi gleicbalte«
tigen, ebenfaOd bei jüngeten ©teingeit angebörigen, berühmten
unb eielbefprodbenen jtjbtf enmöbbinger, bie ^ücbenabfall«
baufen ber bänijd^en lüften, ein. £>iefe merftDÜrbtgen
^ultur>9iefte bet »otgej^icbtlicben ^fcberbenölfetung befteben
bauptfäcblicb aue @(balen ber eßbaren 9)iuf(beln, alS ülufter,
^er3mu{(bet, Snietmufcbel unb @tranbfcbne(fe (Litorina). SSer«
mijcbt bamit finb Knochen von (Säugetbieren, Sßögeln unb
^j(ben, unter leiteten ^äring, ^abliau, Slorfcb, 9(al, glunber
unb anbere 9>Iattfij(be, ebenfo mancberlei ®erätbe von |)om,
S3ein unb @tein, gum 5tbeil für ben ^if^fang beftimmt. S)ie
@teingerätbe finb meift rob gugebauen ober gebengelt; gefcblif*
jene unb ))oUtte ©teinmcrfgeuge geboren gut üu^erften @elten>
beit. 93on ÜRetaQen totrb nt<bt bie geringfte ®pur gefunben.
IDtefe 9(bfaUbaufen fommen meift längd ben .lüften, befonbetS
am iipmfiotb unb J^attegat vor, in Sünfen von 1 bid 3 fllieter
4>öbe, 50 biß 70 SJleter Sreite unb mitunter über 100 SKetcr
85nge. äBo bie lüften niebtig unb flacb finb, liegen bie .Raufen
nur tvenige $u^ übet bet ^lutbmarfe, b^ber ba, tvo bie ;^fte
fteiler ift. @ie geigen oftmals 8ö(ber ober IBertiefungen oben
auf, neben benen geivöbnli(b nabe bei tobe ©teinfe^ungen,
^flafterungen bilbenb, mit ^oblenreften liegen. IDie bänifcben
©elebrten gortbbammer, ©teenftnn) unb SBotfaae, loeltbe bie
.^öffenmöbbinger unterfu^ten, folgerten, bafe eß flcb bi«
bie j(ultur<©puren ber ber ^ifcberei obliegenben Mftenftämme
banbele, beren SBobnpläbc bur^ jene Vertiefungen, bie Äo(b*
beerbe but(b jene ?)f[afterungen unb Äoblenrefte angebentet
(364)
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Kerben. IDie .^erjmnfd^eln, !D2te8muf(^eln unb @iranbfd^ne(fen
biefet ebenfadd grd^er unb ftärfet als
bie betreffenben je^igen con(b»HoIogif(ben Sertrcter in ber Oft»
fee, fo bofe man au^ für jene ®egenb unb für jene 3«t auf
einen grüneren ^alggebait bee dlieerefl gefcbloffen ^at. Unter
ben @ee»6geln ift ber feit 1842, »ie eö f<beint, auf ber @rbe
audgeftorbene gro§e norbifi^e $at)ageitau^er, Alca impennis,
unter ben @üugetbieren neben bem braunen S3är, ber SBilbfa^e,
bem gn^d, äBoIf, ^irfcb, unb SBilbfdbtnein, an Sßaffer»
t^ieren ber Siber, ber (Delphin, bad dlieerfdiKetn unb ber @ec»
bunb in gwei Gattungen unb minbeftenö brei Specied gu nennen.
2(n ^auStpieren ift nur ber .^unb gefunben. 2)er Um»
ftanb, ba§ ber ^üring, ber IDorfcp, ber jCabliau gefangen würbe,
geigt, ba§ wir ed pier mit einem erfal^renen, wir(U<ben ^ifcber»
nolf, welibee fid) mit feinen gaprgeugen biö in bie offene <Bet
^inauiwagte, gu tpun paben. tERan pat aber baraud, ba^ pie
unb ba au(p gefpaltene SRarffnocpen be8 .^unbeS gefunben
werben, gefcploffen, wie langer anbauernbe Seiten eintraten, wo
Weber 3agb nocp ^ifcpfang (opnten, ober bei anpaltenben SBinter»
ftürmen. SreibeiS u. f. f., möglicp waren, unb ber SRenfdp, um
ben grimmigen .junger gu ftiOen, genotpigt war, fein eingigeS
^aufitpier unb gleicpgeitig feinen treueften ^unb, ben .^unb,
gu fdpla^ten unb gu oerfpeijen ^ SDa menf(pli(pe ®erippe in
ben ^jöfTenmöbbinger ni(pt gefunben finb, fo ift bie Staffe biefeS
^ifcperuolfeS unb feine mutpma§li^e 9bftammung fdpwer gu be<
ftimmcn. Samefl @eifie benft an fleingematpfene, runbfßpfige
lappifcpe Stämme, wie fie und ^einricp {>eine im „93ucp ber
lieber* (S)ie ^eimfepr VII. Serd 6) wenig anmutpenb oud*
malt :
2* (355)
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3n 9ap)7(anb finb
$lattf6^fig, brtittnäuHg unb flein;
®it fauern umb $eurr unb baden
®i(^ unb qnäten unb —
Dergleichen gif^erwirthf^aftÖabfaHe mit SReertljieneften
(mitunter unter ber Sejei^nung „^ften«^unbe“ bejthrieben)
finb in Schonen, ferner auf ber SBeflfüfte oon @nglanb, in
S^hottlanb, in ^anheich an ber ^fte oon Rotten, in fRu§*
lanb u. f. f. gefunben; an ben gefammten fRorbfeefüften finb
fie, toeil Untere ftarfen Slbbruch unb gro|e topographifche Ser«
änberungen burch SReereSfluthen erlitten hoben, fchver aufftnb«
bar, Spuren banon glaube idh an ber SBeftlüfte ber 3nfel Splt
in ben untergegaugenen Sorlanben bemerft ju haben*«).
Die gemaltigen natürlichen Seränberungen bed IDieereS unb
ber Räuber an ber cimbrifchen ^albinfel, ber beutfehen, hoQän«
bifchen, olämifchen unb englif^en Jiüfte, welche bie Sifdherbeoöl«
rung ber Steingeit, im harten j^ampf umö Dofein burchgemacht
hat, fepeinen ft^h in folgenben Slbfchnitten hlulc<^ctaanber »oQ«
gogen gu haben.
1. Sunä^ft erfolgte eine gro§e norbeuropäifche Soben«
fenfung, welche namentlich baS .^üftenrelief ber Sorbfee oeränberte
unb bur^ bie Serminberung ber Sreite unb .^öbe ber 8anb«
enge, weldie bamald noch @nglanb mit ^ranfreich oerbanb, ben
fp&tem Durchbruch berfelben vorbereitete. Diefe Senfung trat
nach ber lebten 6i8periobe ein, in ber 3eit com Uebergange
ber palöolithifchen gur neolithifdhen Seit. Die fpäter com SDleer
burchbrochenen Schichten im .^anal, cor ber Dhemfemünbnng
enthalten IRefte com ‘JJlammuth, paläolithifchegeuerfteingeröthe al8
(äiflürte u. bgl., welche beim Saggern unb gifdhen gefunben werben.
2. @0 tritt bie ^auptbilbung ber ÜKarfd^en, an welcher
(3^6)
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21
t>er 9{l)ein, in ben bie S.i^etnfe, anbcTerjeitS bie @Ibe, in tnelc^e
bie @iber, einftmalS ald 9iebenflu§ münbete, mit ©cblicf' unb
S^lammablagerungen ftart bet^eiligt finb, ein. ^urd) bie ®en«
lung njaren gtofee ©trecfen bet ©eidbiebeformation mit ibten
fonbigen Dbetflä^e beS OJleeteö »etfe^t;
bie|e ^ager mürben bem 9BeQan|dblag auSgefe^t, auögef^ult unb
in bem burcb bie 93änfe bed gefunfenen SanbeS gegen ben ft&r*
fern SEßedenfc^lag gef^ü^ten flachen dlieet abgelagert, ^ie
9lorbfee mar nodb immer ein nur nad) 9lorben offener aWeet»
bnlen unb bie SRarfchbilbung am größten in feinem innerften
non bem SBeQenjchlage am menigften bemegten ülheile. 9l0e
fpätere dRarfchbilbung ift gröfftentheilS nur Umbilbung fchon
früher gebilbeter unb burcb fpätere äBafferfluthen gerftörter
URarfchen. 9iach jeber ber gerftörenben, in unregelm&ffigen
Smifdbentfiumen miebeiholten ©turmflnthen geht bie 5Dlarf<h»
bilbung ungemein jchnell nor fleh, unb fomie man übet bie
IDiarfchbiftricte an ben j^üften ber ©imbrifchen .^albinfel gegen
fftorben hinaudfommt, nerliert baS IDteer feine Slrübung unb
graue garbe, mie fdbon bei bet alten gifcherinfel ^elgolanb et»
fichtlich, unb fehl nun nur h^thfi unbebeutenbe @)?uren non
ffliotf^erbe an günftigen (Steden ab, g. S. an ber Sßeftfüfte
non 3ütlanb.
3. folgt ber IDurdhbruch bed jbanalS gmif^en granf»
reich unb ©nglanb, jened furdhtbare @reigni§, non melchem
bunfle dlachrid^ten, an ben 9lamen ber cimbrifchen gluth
gefnü))ft, and bem grauen Üllterthum auf unS überfommen finb.
Sßir fennen ben IRh^n unb feine dRünbung feit etma 2000 3ahten,
unb gu ben Seiten ber SRümer ging bie dRünbung beS fRheinS
burch ben glenuö»See, bort mo je^t bet 3uhber»See liegt.
Später im SRittelalter finben mit bie (Rheinmünbung bei ^at>
(M7)
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22
mpf unb ie^t Ift fie »iet »eitet gegen föeften gerüdft. Db biefc
9teränbeningen ber Stl^einmfinbnngen not ®dbritt ge«
j(^e^en ift, fo ba^ biefe bie ganje ®tr«(fe bcö UferS 8»ij^en
bem ^tenuS unb ber je^igen SRünbung butcblaufen ^aben, ober
cb fie fprungweife eingetreten ift, fo bo^ jwijdienliegenbe ©treden
von ben SRünbungen nicht betübtt finb, bleibt unentfchieben.
SBir finben biefe ÜRönbung vor 2000 3abwn gegen SRorben
ge»anbt, wotaub »ii fc^lie^en, ba§ voi mehr aU 2000 3abren
bet glutbftrom vom 9totben einbrang. SRarfetfle
butchfchiffte ben Äanal fchon im 4. 3ah*bunbert vor ©b^fti
©cburt, fo ba§ »it ben IDurcbbrucb »obl nodb 3obtbw»berte
vorbet anfe^en muffen. Sluf jeben SoQ jcigt bie bamald nur
»enig gegen Seften gerichtete Snünbung bed äRbeinS an, ba§
jener 2)urchbtuch unb bie babut^ vetönbette Blutbrichtung
{ch»erlich fiübet alb baS 3abt 1000 v. ^b^^' eingetreten fein
lann.
4. 2)ie gegenmärtigen IBerb^Itniffe, nur unterbrochen burch
fleine (Srfchütterungen unb ©turmflutben. S)ie (timatifchen S3et«
Änberungen, »eiche bem @inftrömen beb »armem atlantifchen
SBafferb burch ben Aanal folgte, bemirfte eine langfam fteigenbe
mittlere Jemheratur beb Banbeb
3Bäbrenb im mittleren continentalen Europa noch ©teppcn«
fauna unb ©tephcn^ora hecTfchte, bebecften norbifche ^ftanjen,
©traucher unb 99äume bie Jtüften ber 9)orb« unb Oftfee. 3n
ben Slctfmooten finben »ir juunterft bie bib in ben h»^«*
9torben reichenbe 6bpe, bann bic Böh« — ödume in
bet @)reifb»alber ©crobicularienfchicht — , bann bie (Si^e, »eld^e
enblich — ungefähr gufammentreffenb mit bem erften ©ebtandj
metallifcher SBerf^euge — burch bie Suche, ben noch je^t bomi«
nitenben, gut Beit bib an bab füblidhe Ufer beb Senetnfeeb
(8J8)
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23
ret4)enben unb in 9loti»egnt nur ^ie unb ba in gef(^ü|ten
Sb&Itrn nettretenen SBalbbaum, abgelbft ttorben ift.
9Ün§lanb ^at @reu>ingf in ben iS^etgellagern von
^nba in Sieolanb gefunbene utalte Sif4ieranfieblungen mit
vielen j(no(benbatpunen unb ^{ebipeeren, fotvie Sifd^reften ent«
bedt**). auf bet furif^en 9lebtung unb anbeten
Cftpteu§en8 flnb iüngeten ©teinjeit angebörige
^feberfteOen butcb bie j^bnigdbetget (Selebrten aufgefunben unb
unterfudbt ivotben”). @ianj neuerbingS, nämlicb nadb bem
antbtopologen«Äongrefe ju ^iffabon im ^erbft 1880, bat SSit«
(bom bie aufmetffamteit auf bie jwai früher febon entbedten,
aber in »eiteren Reifen taum befannten ^öftenmbbbinger
^ortugaTS auf ber ©übfeite beö SEejo füböftli^) von ^ffabon
aufmerffam gemalt, meldbe ben bänifeben SRufcbelbaufen äbnein.
©ie befteben aud ungeheuren SRaffen von ©eemufcbeln, nameut«
U(b Lutraria compressa unb Cardiom edole, maS in fo fern
febr eigentbümlicb ift, als gegenmürtig biefe 9Ruf(beIn in ber
9tüb< ni^t mehr vorfommen. IBircbo» ift beSbalb geneigt, bie
SorfteQung jujulaffen, bah eine febr viel gröbere Blü^e
beS gegenwärtigen UferlanbeS von fOteertvaffer bebedt war in
ber Beit, wo bie alten ^ifeber hier lebten. 3tvif<ben ben
8Ruf<beln liegen grofie IDtengen von aifcbübemften, namentlicb^
©(buppen, @rätben unb äBirbeln aDer art, ©cbalenßüde von
©eefrabben, bie nnb ba auch gefpaltene ©üugetbierfnoeben unb
jiemlicb ^ablreicb au(b gefcblagene fRoQfteine, — aOeS in einem
febr trodnen, faltigen Sinbemittel, einer art Suff, ber offenbar
bunb auSIaugung ber 9)fuf(belf(balen entftanben ift. S>ie irr
biefen ©(bitbten 3ablreicb gefunbenen ÜRenfebengerippe, mabr«
f(beinli(b ben gleicbgeitigen Sif^em biefer SReereSprobucte ange*
(35»i
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^dttg, 3ei(^nen buT(^ ^latpfnemie (Abplattung bet @(^ien>
beine), ein SRetfmal primitinet SJienfdjenraffen au0*®).
An bet SBeftfüfte non 3tlanb ^abe in ber 8anbfd^ft
3atconnaug^t bie Silbung pon bergleid^en ^fdjeceiabfaQ*
Raufen mit angelegen. 2)ie @eltifcb rebenbe Urbeoblferung ge«
»innt neben ^tfcben bem atlantifdben £)cean ungeheure 3)tengen
Pon j^oncbpiien, meift 9Rui(beln ab, bie alS men|(bli(i^e 9ta^tung,
aber auch 3um Settmacben beS irifcben 9tationaltbier0, beS
@(bn>einS, Pemenbet werben. S)ie ^auptmenge ber 9Rufd}e(n
beftebt au0 Mytilus edolis beffen |(batfe iR&nber gef&bt(i<be
@^nittwunben peranlaffen. ^Die Bifcb^i^t fBeiber unb ^in«
ber, üben in fo weit @i(berbeit0poli3ei, ba§ fie biefe 9Ruf(beln,
na<bbem fie ben Snbalt perfpeift ober perfüttert bo^^«, auf
.Raufen werfen, benen neben ^ifcb« unb ^ruftentbierreften, an
SRufcbeln buuptfä(bli(b Mactra stultorum, Tapes pullastra, T. de-
cussatas, T. virgineas, Venus gallina, V. verrucosa beigemifcbt
finb. An @(bneden finben fi<b fSiengen Pon limpets (Patella
vulgaris), bie bei ber @bbe pom Reifen gelöft unb rob ober in ®trob«
feuer geröftet Per3ebrt werben, ferner Litorina litorea, bie in
©algwaffer abgelodjt unb mit ^äfcben 3um 93erfpeifen
geholt wirb. IDie Aufter fehlt in biefen ^jöffenmöbbinger. S3er«
eiu3elt in benfelben finb fDtaffen ber ©tranbfreifeifcbnecfe, Mono-
donta cineraria, welche in ber Uferregion in 3)tvriaben lebt
unb unbeabficbtigt in bie 9lehe ber gifcbcr gerötb. <&ie unb ba
benu^t man bieie ©cbneden, um bie fanbigen äSege etwas
fefter 3U machen. 3u biefe Abfallhaufen geratben SKaffen Pon
.^artoffelfdbalen, Seegras unb mand)erlei Stangarten. Schließ«
lieh I’dbet fi^ eine fruchtbare ^umuSbede über ben Sd^alen«
bänfen, lalfbolbe unb fal3bolbe |)flan3en flebeln fich an. Per«
rotten unb machen neuen ^flan3engenerationen $la^. IDiefe
(360)
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Jpügel ragen mitunter über bem fiacben i!anbe empor, an bte
Slenemare SRittelitalienS erinnetnb. (Sinjelne @cbalenbaufen
ber irifcben Seit reidben gweifeliod biS in bie oorbiftorifcbe Seit
gurücf. — 3n fleincrem SJtaafeftobe habe tdb berglei^en SWufdjel*
baufen bauptfäcbli(b aud ber OJMebmuf^el beftebenb in ben S^örfern
auf ber 3nfel ®plt bemerft; hier mtrb baS ^(eifcb ber Stufcbel
jum ®(bmeinefutter, bie fUiuldbel felbft jum Spergeln ber gelber
benu^t, mitunter mirft man au(b bie ooOen ÜRufdbeln mit Sang
unb @eegrad oermifcbt ald IDünger auf bie magern üteder unb
@)artenfiede ber Snfulaner.
Unerme§li(b unb überaud meit oerbreitet erfdbeinen bie
Sifcberlager mit i^ten ^jöffenmobbingec in ganj Simerifa.
3Bir fönnen aud bem Ueberfiub nur einige ^eifpiele beraufi«
greifen.
3n gro&er Sluöbebnung erftrecfen ficb ÜRufcbelberge on ber
@olf»Äüfte 9torbamerifa8, bie ootbenfcbenbe ÜJtuf^el ift
Gnathodon cuneatus, mooon biefe Saget, auf benen g. SB. bie
@tabt SDtobüe gebaut ift unb bie in ber @egenb oon 9teu°
DrteanS oielfacb oorgefommen, furgmeg „@natbobon*@(bicbten"
genannt finb; gifcbergerätb, ^olgtoblen, tobe Sopferioaare, glint»
fplitter, fteinerne SabaMpfeifenfßpfe fommen barin oor. SBeft»
lid) oom SDHffiffippi finb äbnlidb shell mounds oielfacb feft>
geftellt. 9iacb SRctt unb@libbon fommen foicbe ©eemufcbel«
baufen am ^labama<$lu^, 50 ÜJtileö binnen oor, aud einet
Seit ftammenb, mo ficb SDtobila<SBap bid bortbin auSbebnte.
JDie ©peifemujcbeln finb meift burcb geuet geöffnet, 50laffen oon
gifcbreften finb ootbanben, oud} ©ebeine ber bomaligen inbia»
nij^e« Seoölferung fehlen nicht. üRandbe bet ©cbicblen finb
mit 1 bie 2 gu§ ^umue bebecft, aue melcben fidb bie bäcbften
SBalbböume erbeben. — ©ir ©barlee Spell befcbreibt einen
(Ml)
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folc^n Shell-inound »on St. ©imonö 38tanb na^e bet ^ün«
bürg be« SHtomalja-BIufleS, ©eorgia, StcteS beberfenb, 5 W8 10
b((f. — Dr. Srinton berichtet Don ö^)nU<^en Äü^cn»
obfall^aufen »on glortba. f>rofef|or S3anutem »oat bet et^e
@e(e^tte in ben bereinigten Staaten, nel(bet auf ben fünftlitben
Urfprung uieler biefet 5Ruf^eIbänfc aufmerffam machte, fpejicD
^infi(btH(b großer Saget ton Sluftetfibalen (Ostrea virginica),
tDel(be na^e bem atlantifcben Ufet, befonbetfl in bet
bap Dorfommen. 9Mc^t 2 Sdjalen biefet Sluftern paßten gu
einanber, autb baö gifcb« unb SBirt^febflftSgerat^ biefet Ut«
beoSlferung fehlte in bet S(bi(bt nicht, tteldbe »on ben SButgeln
bet in ihr gtünenben totben ßebet burchwachfen »at. —
3. 5R. 3oneÖ, f>rfifibent beS fHatntwiffenfchaftlichen 3nftituta
ton 9looa Scotia berichtete übet ^fjöffenmöbbinget ton bet
St. ÜJlatgatethen bap, etwa 22 fDliled fübiteftli^ ton
^altfaj:, welche ben bänifchen auffaOenb ahnein. 2)ie SJtufchel»
arten finb awerifanifche aber ben notbeutopüifchen terwanbte
Sppen, bie @ebetne beS fStoofethier (norbamerifanifchen @Ich8),
bäten, bieber unb Stachelfchweinä, SBaffertögel, ^f^witbel
ton @abuS 2C. temmen gufammen mit Quatgit« unb ^lint»
getöthen, SBohnftellen unb geuerftatten tot. ^rofeffot SBpmann
reiht hicton ^öffenmöbbinget au8 ben Staaten 2Raine unb
fDtaffachufettS.
2(n bet norbamerifanifchen .Rüfte beS ftillen 0cean8,
namentlich in @alifotnien, fehlen bie Spuren bet utgefchi^t«
liehen ^fchetbetölfetung ebenfaHd nicht. Schwer ift ed bei
biefen amerifanifchen ^öffenmöbbinger ba8 91tet gu beftimmen,
weil bie primitite ^Itut ber Bif^erftämme bie @ntbedfung
Slmerifad überbauert h<ii> jo «n bet fRorbweftfüfte noch
tothanben ift. Slu8 bem geologifcben, anthropologifchen unb
(S«2)
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27
botanifc^en 9efun^e Iä§t fi(b aber jcbliegrn, ba| m<bt nenige
biefet BiWerftellen mit i^ren ablagerungen in bie »or^iftoriftbe
Seit and) nach euro)>äif(bet {Rechnung jurflcf batiren unb nac^
tielen 3a^rtau|enbeii ju fcbä^en finb“)- einjelneu Db»
iecten erwähnen mir nur auS bem 9iationa(°Wufeum in SBaf^ing«
ton, mcicbeg an urgejcbid^tli(^ent ^ifcbereigerät^ IBielerlei aufgu*
weifen Ijat"*), ocrftbiebene tnö(berne angel^afen »on Santa
(Sruj, Kalifornien. S)ie Scbenfel biefer 2fnge(n finb no(^ fe^t
mit einem Ueberjug non @rbpe(b nerfe^en, mittels beffen bie
Slngelf(bnur befeftigt war. SemerfenSwertb ift, ba§ gegen bie
allgemeine, namentlich in @uropa beobachtete, Uebung ber SBiber»
hafen biefer Ütngeln an ber ^u^enfeite ber Krümmung an*
gebracht ift. fDie Knochenharpunen ähneln benen auS ber S)or*
bogne, welche gartet unb ©h^ifth in ihren Reliquiae Aquitanicae
befchrieben haben **), fo wie benen, bie noch ie^t auf ben ISleuten*
infeln im Gebrauch finb.
3n Sübamerifa haben fidh an ber Srafilianifchen Dftfüfte
bie unter ben fRamen 6a6queiro8 befannten Sölufcpelberge non
2)efterro, ©antofl unb anberen Orten olfl ben norbamerifa*
nifchen parallele gifcher*Ki6ffenm5obinger ergeben, ebenfo bie
^JRufchelberge, ^))araberoS, beS fpanifchen Sübamerifa, welche
fich bis 3ur 3RagellaenS>@trahe unb ber 3nfel ^euerlanb
hinjiehcn, wofelbft fie non ben wilben Urbewohnern, ben^efcherähS,
noch Qrbilbet werben. Sluch non ber pacififchen Küfte Süb*
amerifaS, non @hü^ unb ShÜi’r finb entfprechenbe ,gager non
^fcherei=l5bfäflen unter bem Flamen ©urantoS befannt ge*
worben *♦)._
SBährenb in ben bisher befchtiebenen ncrb* wie füb*
amerifanifchen Kjöffenmöbbingern bie Sifchereiprobucte unb
^fchereigeräthe, wenn auch nicht immer auSfchliehlicb, fo boA
(S6S)
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28
im bei SBeitem übermiegenben 9)laa^e jum 3Keere Segie^ung
^aben, giebt eä aber and) in SImerita, gumal 9ioTbamerifa bg(.
Ablagerungen, beten Spiere audfc^Iie^li^ and bem @ü§maffer
gefifc^t morben ftnb. fRorbamerifa ^at einen au|erorbentlid)en
9)ei^t^um unb eine befonbere CiRannigfaltigfeit uon großen <Sü^«
mafjetmufdbeln bet Gattungen Unio unb Anobonta, and beten
@(^a(en gewaltige Saget in bet 9lä^e bet t^auptfttbme beS
ÜRiffiffippi'J^alö ange^äuft finb. SDte mit Äo^len, ange*
brannten Steinen, (Setät^idjatten vermengten Sd^altf^iere ^aben
bem Sijcber bet SSorgeit ald 9ia^rung gebient. Aebnlic^e
ma[fet*Äj6ffenmßbbinget ^at ^tofeffot 6ot an ga^Iteic^en
fünften inSnbiana bemertt. 5Ra^e bei ^ReW'^armonp liegt
ein feiger Abfallhaufen, beffen fünftlidhe (Sntftehung bereits
i. 3. 1826 (5. A. Sefueut unb feflftetlten.
(Reben Säugethierreften unb Artefacten fommen h^uptfächlich
bie 9Ruf(hcln Unio plicatus, U. pyramidalis, U. ebenus,
U. crassus unb U. tuberculatus, an St^neden Paludina pon-
derosa unb feltenet einige Melania vor. S3ei Apbelotte
unterhalb (Rew>Albanh. in einem alten Obftgarten liegt eine
S^alenbanf, bie viele @eräthe von Stein unb Sein, Angel«
hafen auS Knochen unb bergl. geliefert h^t ßong ähnli^ ver«
hält fi^ ein ^d^enabfalllaget in dRattin«@ount9 beim
fBhite (River. Auch Blotiba liefert äh»l^^ Spuren bet ur:
gefchidhtlißhfn gifcherftämme**).
Diefe gijcher^Anfieblungen am unb im füfeen SEBaffer führen
und nunmehr gu ben viel befprochenen Pfahlbauten, bie, wenn
auch nitht auSf^liehlich, fo hoch gang vorgugStveife bem fü§en
Söaffer angehören.
Unter Pfahlbauten (Pile-dwelliugs, palafittes) verfteht man
brei verfcbiebene Arten hauplfö(hlt<h Pfahlwerf ober mit
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©enu^ung »on folc^em in ©ewäffetn errichteter, üorübergehen»
ber ober bauernber Sßohnftfitten, nämlich 1. Pfahlbauten im
engem ©inne, Pfahlroerfe freiftehenb im Söaffer, über welchem
{Rofte errichtet pnb, welche bie SBohnhütten tragen. — 2. Pfahl»
wette, innerhalb beten Nahmen .^oljlagen gehäuft finb, wel^e
auf bem SBaffer ober 9Jloraft fchwimmen unb je nach bem
Safferftanb fich h**’®” ober fenfen — bei fehr fdhlammigem
©oben, welcher baö @intreiben oon pfählen htnbert, ongewenbet. —
3. padwerfbauten, bei welchen bie Pfähle nur ald äußeret ober
innerer {>alt für ^afchinenlagen, ©tein», ^ung» unb @rbfchüt»
tungen bienen,, mittels welcher eine iSrt oon fünftlicher 3n|el,
burch anbauernbeS 9lachfchütten im Sauf ber 3ahre gebilbet wirb.
Sn’all biefen ©eewohnungcn ober SBafferbutgen (lake-
dwellings, habitations lacustres) bet ©tein* wie bet PtetaD«
Periobe werben gifchrefte unb Sif^ereigeräthe gefunben, fofera
baS fie umgebenbe @ewäffer ein Bif^gewäffet unb nicht etwa
lebiglich ein ©ertheibigungSgraben ober ein fifchlofet Ptoraft
ift; ber 3wecf bet großen ÜRehrjahl ber Pfahlbauten, neben ber
©icherung gegen menfchliche geinbe unb räubetifche Sh'eWi
alfo ficherlich ootjüglich auch bet, oon ihnen au8 ben gifchfang,
fei eS gewetbSmähig, fei eS wenigftenS als fRothbehelf fobalb
ber ©etfehr mit bem Sanbe abgefchnitten war, ju betreiben.
SSn ^ifchereigeräthen auS ben noch ber reinen ©teingeit an»
gehörigen älteften Pfahlbauten, wie fie g. ©. auS bet©chweig
befannt finb, werben folgenbe gefunben: bie auS einem eingi»
gen @ichenftamm, innen burch 2luSbrennen, au^en burch toheS
3uhauen mit ©teinärtcn hfigefteDten ^ifchetnachen (bie fogenann«
ten ©inbäume), ferner -Harpunen» unb gifchfpeere, fRe^e, fReh»
fehwimmer unb fRehbefchweter, ©pi^» unb Ärumm»angeln auS
(S65)
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30
@tein, iBein unb ^orn, Slngeljcnfer, 91e^ftri(fe, $tfd?förbe au8
Saft unb ^lecbttoetT, 3teufen, ^tfcbotterfaden u. bgl.
2>ie filteften $fablbauten«^fd)eT unterfc^eiben ftcb gegen
b(e Siicberftämme ber bänif(ben unb uettuaubten jtjöffenmöbbin«
ger baburd^ bereit« wefentlie^, bag in ihren 9UebetIaffungen
mehr @)>uren uon {>au«thteren unb bie erften @))uren
fultioirter ^flanjen, alfo bcö Slrferbau« auftreten.
Sie in 9lieben»eil unb fRcbenbaufen (6anton Süricb)
aufgefunbenen 9ie^e ber @teinjeit<$>fahlbauten laffen fi(h non
ben je^t gebräutblidben 9le^en faum unterfcbeiben. Sie 9Jtaf<ben>
weite berfelben f^wantt jwifcbfen ^ unb 4^ cm, unb finb fie,
je nach bem beftimmten 3wedF, entweber au« ®(hnüren ober au«
gang feinen gäben ocrfertigt Siefe 9ie|c würben unten burtb
9te^fenfer (mit @rbt>e(b umwidette ©teine unb bergt.) in
bie Siefe gegogen unb oben burdb ©cbwimmer au« fRinbe vor
bem gängticben ©infen bewahrt. Um größere gif(he eingeln gu
erbeuten, würben au« .^irfchhorn geft^ni^te unb mit 1 bi« 10
SBiberhafen oerfehene ^>at<)utten oerwenbet. Söährenb bie
.^>aupterforf(her biefer genonnten Pfahlbauten, SReffifommer
Sater unb ©ohn, Weber in fRobenhaufen noch in 9lieberweil
eine ©pur oon foI(hen Harpunen entbedten, würben in ben
©een ber weftlichen ©d^weig unb im Sobenfee berartige
SBerfgeuge nicht feiten gefunben. 3n SBangen (Sobenfee) fanb
man, wie wir bereit« anbeuteten, ferner fehr fchöne Engeln au«
j^nochen unb ^irfchhi’rn, bie bei IRobenhaufen unb fRieberweil
be«g(eichen fehlen.
SBie h““Pg «ber gifche oerfpeift würben, beweift bie Shat«
fache, bah ^ ber pfahlbaute IRobenhaufen unmittelbar über bem
©eefalf eine 6 bi« 9 cm mächtige ©dhicht von gifchfchuppen
fich »orfanb. Sluhcr folgen würben bort grofee Unterfiefer oom
(366)
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31
|)e(^t, beS Karpfens ic., metfroÜTbiger äBeije au^ bie Uebertefte
beö 8ad^|ee vorgefunben’^). — S)ie ®efammtmenge bei in ben
0(biDeijer Pfahlbauten biShct aufgefunbenen SBiibelthtere be«
läuft fi(h auf ungefähr 70 ©t^ecieS, wovon 10 auf Bif<h<< ^ «uf
9iet>tilien, 26 auf SSogel (meift SBafferoogel), bie übrigen auf
©äugethiere faDen. 93on ben lehteren finb etwa 6 Wirten als
^audthiere gu begetchnen, nämliih ^unb, ©d)Wein, Pferb, Sicflc,
©<haf unb toenigftend gwei Dchfenarten. Die (Refte toilber unb
gahmer £ht^c liegen burcheinanber gemengt unb ber Suftanb,
in bem man fie finbet, bie Piefferft^uren, welche fie tragen, unb
bie nuin fie ihres SRarfeS wegen aufgebrochen
hat, baS aDeS finb offenbare Beweife oon menfchlicher
feit. 3wei 2:hierarten, eine wilbe unb eine gegähmte, finb
allenthalben am reichli^ften vertreten, nämlich ber @belhirfch
unb bie Äuh- Die Uebenefte biefer ©heciefl übertreffen ge»
wohnlich an SRenge biejenigen aller übrigen Dlrten gufammen.
BefonberS characteriftif^ ift bie Befchaffenheit ber Pfähle jener
©eebauten ber ©teingeit, fie finb viel biefer alS bie ber Bronce»
ftationen; eS finb gewöhnlich gange ©tämme unb gwar von 20
bis 30 cm Dur^meffer. ©ie ragen, weil abgefault, niebt wie
bie ber f^äteren Pfahlbauten auS bem äBaffrr emhor, fonbem
fchneiben mit bem ©eegrunb ab®’').
Die Pflangen ber Pfahlbauten verbienen auch Stanb»
hunft bet Sijeherei Erwähnung. I^ultivirte @ewächfe fommen
mehrfa^ vor: brei SBeigenf orten, gwei ©erfte» unb gwei ^irfe»
arten. SBeigen unb ,^irfe werben gu Brot in Slabenform ver»
baefen. IRoggen, ^afer unb ^anf fehlen. Slach^ ift roh unb
verarbeitet gefunben, unb gwar nicht bie bei unS gewöhnliche
9rt Linum nsitaüssimum, fonbem bet noch h^ui in ber Piittel»
(367)
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meetgeijenb wtlb wac^fenbe L. aDgastifoIiam. 9u8 biefetn
SKateriol finb bie fotoie feinere ©emebc ^ergeliellt*»).
3n S)eutf(!^lanb gehören ju bfefen f^if^etwo^nungen bte
»ora Dberförfter ®ugen §ranf bet ©t^uffentieb, im SBürt»
tembergfcben iDonauIreid i. 3. 1875 aufgefunbenen
ober genauer be3eidjnet 5>fllifoben»83auten. ®ie nnterflen ^ort»
3ontalen ^ol3f(^i(bten (SBo^nböben) liegen bur^weg unmittelbar
auf bem Xorf. S)ie ©to§fugen ber ein3elnen $ori3ontaI^ö(3er
Pub ftet8 mit feinem gefcblemmten X^on unter fit^ wafterbicbt
verTittet. Si@ 3u 8 SBo^nböben, alfo ebenfo oiele ^(turf ebbten
liegen fentreebt übereinanber, meip re^tminflig wetbfellagemb.
IDie ein3elnen 3Bobnbäu|er pnb Don einem mdtbtigen, waperbiebt
bergefteDten big in ben ©eegrunb reitbenben f)alifaben3aun au8
eidbenen ^)albböl3ern nmrabmt. fRebbeber, ^ar^junen, fRe^rePe,
SRe^prirfer, fRe^fenfer, fRebftbwttM*««^/ 9*^<Pe »om ^edbt, SBelS
u. f. f. beuten auf bie Slnmefenbeit einer ben gif<bfang übenben,
ber jüngeren ©tein3eit ongebörenben 23e»5lfetung, wie bieS im
Katalog ber ifluSpeHung präbiporifdber nnb antbropologif<ber
gunbe ©eutfcblanbB 3u SBerlin i. 3. 1880 unb in ben bort er»
wdbnten ©becialftbriften auBeinanbergefe^t ift. — Slebnlitbe
gijtberpaPonen Pnb auB ben Oberbaperiftben ©een befannt ge»
worben.
2)ie Pfahlbauten ber gifeberbenölferung ber lBor3eit bauern
in ber nunmehr folgenben petiobe beB ©ebraudbB ber 9Re»
talle fort. SBir wenben unB 3unSdbP ber Srou3e»3eit3u b. i.
berjenigen Periobe, in welcher für einen gropen Sb^il i’e»
fannten @rbe bie öron3e b. b- 8egirung ober SRifebnug
»on etwa 90 äb^lc" Äupfer mit 10 Jb**Ie*' 3«nn baB leitenbe
SRetall ift, neben bem 3U ©cbmuef »erarbeitet @olb oorfommt,
(J68)
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33
»ä^renb @i|en unb Silber etfl tnele Sa^r^nnberte fpäter ad*
tnä^li(^ Eingang finbet. SBiele bet ^fd>er>$fa^Ibauten bet
©(^weij unb Dberitolienfl gehören biefer a3Tonje»?)eriobe
an. S)ie ^fä^le biefet St[c^etbötfei unterfc^eiben fidb burcb i^re,
in Solge ber 9nwenbung befferer (bron3ener) SBetf jeuge gefäQigete
0eatbeitung non benen bet Steingeit. häufig finbet man nnn«
me^t bie Pfahlbauten mit längeren 0aumftämmen in tieferem
SBaffet eni(htet; man lann mitunter in ben Seen Pfablfe^nn»
gen mahrnehmen, melche fhecied bem ^ifdhfang bienten, baS
IBaffer einengten unb fo ermöglidhten, bie ^if(he gmifchen jenen
Pfahlfe^ungen mit aufgefpannten diesen gu fangen ober fie in
leichterem unb fdhmalerem gahimaffer oom Aachen auS mit ber
Harpune ober bem Speer gu erlegen. {)ineingetTieben in jene
SteQnebe mürben bie $i{che jebenfaOS, mie no^ h^ut übli^,
burch Pulfen b. i. Schlangen mit Steinen auf ben Schifföboben
ober SBerfen mit Steinen, bad bie erfchrecft. Slld Saht«
geuge bienten noch immer bie ermähnten, adetbingS je^t forg*
faltiger bearbeiteten @inbäume.
35en Anfang ber 0ronge»Petiobe chronologifch genauer gn
firiren, mirb nur auSnahmSmeife gelingen fönnen, ba bie 9n»
fange oor bie Seit beS gemüngten ©elbcd unb bet Schrift
faden. 5Da0 aber miffen mit au8 ben Schichtenoerhältniffen ber
SBohnflätten, au8 bem Inhalt ber 9Birth|chaft0abfäde in unb
bei ben Pfahlbauten, au8 bem' Inhalt ber Grabhügel unb
Umenfriebhöfe, bafe bie Srongegeit, mie norangebeutet, »iele
3ahrhunberte gemährt, ba^ ber @ejchmad( unb bie Hechnif bet
@eräthe im Saufe berfelben fich mefentlich geänbert hat unb ba§
im dlotben gu ben urfprünglich oom Süben h*i^ importirten
Slrtifeln auch eine heimifche Srongeinbuftrie — Semeiä h^e*f“e
bie nicht feltenen 0ronge|chmeigftätten. @u|formen, Sronge» unb
XIX. Ul. U2. 3 (^)
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34
Sinnbanen, ©u^japfen, Sd^melgftüde mit @u^nä^tett,
f^ladtn — aQmä^lid) getreten ift. SScr^anbene bronzene Ülngel==
^ofen bet »erfibtebenften @tö§e unb ©tdrfc berechnet für bie
tleinften 3Bei§fi{(!^e mie bie größten .^ec^te, ©alrne, Slale,
@töre nnb SBetfe verrat^en eine gefd^idte unb fixere ^anb<
^abung bet 3RetaIlte(^nif unb eine genaue ^unbe bet Sebürf»
niffe beS ^if^fangd. SDetgleid^en brongene ^ummangeln fomie
fRe^ftridnabeln fd^einen gu ben gangbarften @tn« unb iSudfu^t»
»aaten gehört ju Ijaben**).
9ti(^t überleben bütfen mir an biefer ©teile bie 6tan=
nogeS b. bie fünftlic^en SBaffetbutgen in mand^en bet
iil&nbifd^en ©een, bie als SufludbtSftdtten, von benen auS
gelegentlich Sifchfang betrieben würbe, gelten. @ie ähneln ben
©chweijet Pfahlbauten ber gefdhilberten britten iSrt, ftnb aber
infofetn als fie ringS non eingerammten SSdumen umgeben wer«
ben unb alS ^ern immer eine natürliche Snfel, bie wenigftenS
bei Slachwaffer fichtbar war, aufweifen, unterjdhieben. S)iefe
3nfeln finb burch ©tein^adungen unb 6ichenftdmme allmdhiich
aufgehöht unb enthalten neben vielen ©dugethieneften auch
gifdftefle. 5Rach SBilbe, ber i. 3- 1836 juerft in ben Procee-
dings of tbe Royal Irish Ac^emy biefe SBohnftdtten befdhrieb,
bebeutet Srannoge fo viel wie ^ol^infel, wobei bahingeftellt
bleibt, ob jene ^oljpfdhle ober bie {)oIjhütten bet 3nfeln ge«
meint ftnb. SBie IHmolb non 8a|aulr in feinen Sieifeffijjen auS
Stianb 1878 annimmt, waren ihre Sewohnet fdhon bie Seit»
genoffen beS futghörnigen D^fen unb beS gewaltigen fRiefen»
hitfcheS. 2)et größere Sheil bet @iannogeS gehört aber wohl
ber Sronjegeit an, unb jebenfaHS waten einige noch i>n 17. 3aht>
hunbert unferet Seitredhnung bewohnt.
3m äScrübergehen mögen erwähnt werben bie in mancher
(»70)
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85
S3e3te^ung nod^ immer rSt^fclBoHen fogenannten Sterremare
ober SBafferburgen 9Rittelitalien0, weil bte|clben ju einem
Serglei^ mit ben eigentlichen Pfahlbauten ber Sronjejeit ein«
laben unb non manchen ^urfchern ald SBohnftätten non $if^er«
ftämmen angefehen werben. Unter einer Serramara (wörtlich
„fette @rbe*) »erfteht man eine leichte (Erhebung über bem
93oben, welche eine alte .^ulturftätte, auf Pfählen erridhtete
.pütten onbeutet, mit folgenber geologifcher S^ichtung oon oben
noch unten: junächft ©ammerbe, bann mergliche S^honerbe, im ehe«
maligen ©umpfwaffer entftanben, enblich grfingrauer 8ehmmergel
aie ehemaliger ©umpfgrunb, in bem bie auö Ulmen unb @i^en
beftehenben Pfähle haften. Swifche« benfelben liegen allerhanb
Qjeräthfchaften, barunter f eiche auö Jörouje; @ifen fehlt. @u§:
formen — ich hul>e felbft eine ®u§form in ber Serramnra Don
Safilica bei Parma i. 3. 1873 auggegraben — finb
mehrfach befannt unb jeugen bafür, ba§ bie hier angepebelten
Slcferbauer nicht ohne einen gewiffen @rab »on Snbuftrie waren.
Eigentliche SSeruföpfdher fcheinen hier nicht gehaup gn hu'&en,
jwar ift ein 2heil bet Setramare in ehemaligen theilS natür«
liehen, theilS fünftlich angelegten ober umgcftalteten Söaffet«
beefen, bie gum Stheil noch jeht fumppg finb, angelegt, allein
e8 fehlt in bet Sterramare baS eigentliche Sif^hergeräth, unb
unterf^eibet biefer fUiangel bie mittclitalienifchen ©umpfanpeb«
langen oon ben Pfahlbauten ber oberitalifchen unb ©chweiget
©een ber 93ron3e«Periobe. 3)ie gewaltigen Ueberfchwemmungen,
welchen bag Serremaregebiet gwifchen Parma, Sieggio unb
fDiobena feiteng beg Po unb feiner füblidhen Su^üffe feit Silterg
big in bie (Gegenwart auggefe^t ift, fcheinen bie Einlegung oon
Pfahlbauten in bemfelben begünftigt gu hülfen. Swmcthin
haben bie Jerremarebewohner einer 8lrt »on gifcherei, bem
3* (sn)
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36
^ifd^ien uab bem @ebrau(^ Bon ©ü§»Qfjerniuf(^eIn (ünio pio
toram L. unb Alasmodonta compressa Menke [Unio Bonelli
F4r.]) obgelegen. JDajn hitt in bet Senemate non 3RontaIe
bet feltene Unio sinuatus, bet in bet Malacologia Yeneta Bon
be Setta, 1870, au8 bet ®egenb non @fte unb au8 bem
$abuant{c^en etwdbnt mirb, ben i(^ abet ftifcb auc^ non (Saftei
®offtebo bei fOiantua, aifo na^e bem Semmatebifttift befi^e.
SBa^rfcbeinlic^ finb biefe 9Ruf(betn gefif(^t motben, um, wenn
ntcbt al8 menf(blt(be IRa^tung, fo bo^ al8 Buttet füt @^weine
ju bienen ♦*).
lDie8 etinnett mich an Abfallhaufen einet notwenbif^en,
wabt|(heinli(h getmanifdhrn Bif^nbenölfetung, weld^e id) anf
bet btanbenbutgifdien £)bet»3nfel 9leuenbagen, Ätei8
^öuig8berg in bet 9ieumatf unweit be8 93ahnhof8 fReuenhagen
au8gegtaben bem ®elänbe unb im ^ange be8 ehema*
ligen Unten Ufet8 bet alten Ober, wel^e hl« bie ©renje bet
9Reu» unb Urfermarf bitbet, jiehen fi(h gewaltige AbfaUmaffen
au8 bet .^au8wirhf(haft cine8 hi« in bet S3tonjejeit anfdffig
unb auf Bif<herei bebadjt gewefenen @tamme8 hl», ^jöRen«
möbbinget, beftehenb au8 ungeheuten 9Raffen bet S:ei(h» unb
fDialetmuf(heln(Anodonta anatina unb piscinalis, Unio pictormoy
tnmidas, crassus unb batavus), Bifchtnochen unb Bif^9tdthen,
Bifchfchuppen, gefpaltene fDiatRnochen wilbet Slh<«Cr |>ol3fohten,
in Beu« gebotftene ©teine, 9iefte non ©ronjegeräth (fein
6ifen), oiele @<hetben gtobet, ohne IDtehfcheibe beatbeitetet,
abet gum Sheit mit |)enfel oeifehenet @efä§e au8 mit ©tetn»
gru8 netmengtem, fchlecht gebtanntem Shon, bie gan^e Ablage«
tung but(h eine im Saufe bet Sahthunberte baiübet gewehte,
non ben äButjeln bet .^iefetn unb .^aibefräutet fdhliehlich gum
©tehen gebtachte Blugfanbablagetung ein ÜJietet hoth fiberf(hüttet
(37*)
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37
unb feft jufammengeprelt. Obwohl bie ©dealen brödlid)
geworben, ftnb bie erwähnten Wirten leicht fenntlidh- ^at bai
weichliche, ober faftige gleifch biefer „©ühwaffcrauftem* aU
menf^Iiche Citahrung gebient ober hoben bie gemtanifchen Sifcher
ber Sorgeit ihre Schweine eigenthümlicher Stoffe mit bem gleifch
gefüttert?
gaft mö^te man, bo olterthümliche Gebräuche ber ©egen*
wort, gumol bei einer fo am SKthergebrachten flebenben Se«
fchöftigung wie bie gif^erei ift, gu Siücffchlüffen ouf bie 2Jer»
gongenheit berechtigen, jene grage bejahen. Stoch jegt fann
man an warmen Sommertagen fehen, wie bie erwachfenen
SJtöbchen ber gifdherbörfer läng8 ber Ober jener @egenb biefelben
SJtufchelarten in gro|en SJtengen einfammeln. Stur mit bem
^embe belleibet fahren fie auf feilte Stellen unb wühlen bort,
au8 bem .^ahne weit nach vorn übergebeugt, mit ben .^änben im
gluhfanb nach ben in biefem ftecfenben SRufcheln. SJtanche
SJtäb^en, um ihr ,^embe nicht na§ gu machen, ftreifen baffelbe
oom ^al8 bis gur $üfte herunter unb arbeiten fobann mit ben
nacften braOen türmen unb mit einem wahren geuereifer im
@runbe herum, al8 gälte eS bie Sterten beiber 3nbien gu
fifchen. gür ben ber ganbeflfitte ungewohnten SBanbeter ein
feltfameS, primitioeS unb an bie norgef^ichtliche Kultur ber
gijcherbeoölferung anftreifenbeS Schaufpiel.
IDie Don ben gifchertöchtem gefammelten lebenben jStujcbeln
werben hernach auflgefchrapt unb bafl fo gewonnene gleifch on
bie S^weine, bie baoon fett werben füllen, nerfüttert. SDa bie
8eute, gumol bieÄinber, bort hü^ifig barfuß gehen unb fich an
ben fcharfen Schalen leicht emt>finbtich oerwunben fonnten, fo
werben biefelben an beftimmten Stellen hingeworfen. @benbahin
gelangen auch Scherben, &lai, Wochen, @ifenftüde u. bgl. So
(ITS)
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ent^e^en moberne J^öffenmöbbtnget, unb nai^ 3a^T^unberten
uiib man ftd) bet Sufbetfung eon beigleic^en @i^a(en^aufcn
oieQdc^t benJ^opf jeibred^en, moju bie non ber.^anbbIonberSifd^et>
fc^önen ge))flüdten „^üd^te bed (Sü^maffetd" gebient ^aben.
93ei bem @täbt(^en SudFom in ber SRärfifcben @^ueij,
28 km norbbftlic^ 93et(in, fanb ii^ bie gleichen neualtetlichen
Slu§muf(helhaufen in ben iBorftäbten unb benachbarten IDörfem,
barunter ben feltenen Unio ater. Diefelben ftammen gumelft
aud bem benachbarten ®tobberbach unb »erben ebenfalls 5ur
@ch»einemäftung nermenbet. 2)a{felbe ift nadh 3RittheiIung
be8 Dr. 5RoH in ben JDörfern, bie bem SKain bei ^ranffurt
nahe liegen, ber $aQ, unb bei jebem biefer 06rfer fann man
an beftimmten @teden iSnfammlungen leerer Unio< unb Sinobonta«
@cha(en finben. SÜBatenbe nnb babenbe J^inber h»Ien bie 5lh<^<
aufl bem bluffe**).
SBad baS SSeripeifen non @ü§maffermu|cheln anlangt, fo
fommt in ben jbüchenabf&Qen be8 iRömerfafteOS in SBieSbaben
neben ben 0eemu|cheln Cardiom acoleatom unb ber @peife>
Siufter bet erwähnte, je^t fo feltene Unio sinuatus in folcher
nerbächtigen ÜJienge nor, ba§ bie 93ermuthung, bie alten iRömer
hätten ihn h'^i^ nerfpeift, nahe liegt, hiermit ftimmt ed, bah
in ber ©egenb non SSenebig, wie Dr. Süeffanbro ©hiamenti ju
Shioggia mittheüt, nodh je^t bie 5£eichmufchel (Anodonta anatina
L., SBuigärname: caparone d'acqoa dolce) unb bie OJlalermufchel
(Unio pictomm L., SSuIgämame ebenfo ober stadiglia dei
pittori ober cncchiarella) tro^ ih^er Sähigfeit,' be8 faben
@efchmacf8 unb ber Unnerbaulichteit noch je^t gegeffen, auherbem
al8 iSngellöber nerwenbet wirb.
2ln ben 3iu)fif(hen Oftfeefüften ftnb bi8 in fehr alte
norgefchichtli^e 3«it gurüdfreichenbe ®ühwaf|etmufchelhoufen
(8M)
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39
Don ber gift^creibeBölfetung ^mü^tenb ebenfallö aufgefunben
rooTben, »el^e bit gleid^en SSemenbungdatten ber Unionen unb
iSncbonten, alS t^ierifc^e ober menfc^Iid^e Steife offenlaffen.
3m bottnifc^en ^eetbufen rufftf(^erfeitd ge^en biefe 3Ruf(^eIn
in bad faum mehr fähige 9)ieer unb »erben ^ier an manchen Steilen
noci) je^t gegeffen. 9m 9i{o9iegro in Sübamerifa gelten bie«
jelben 3Ru|4ielgattungen aW 9lebenprobuft bet 5?if(^etei unb »erben
fo»o^I oon ben farbigen »ie auc^ t^eil»etfe oon ben iianb«
be»o^nern europfiifc^er 9bfunft, ben @au^o8, gut ®peife benu^t.
9ii^t oerlaflen fönnen »ir bie Sronsepertobe ber ^fc^er«
beoölferung, o^ne eine ©teile betreten ju ^aben , »eid^e |o»o^I
butd^ i^re SBerü^mt^eit an fic^ »ie butd^ i^ren 9tei(^t^um an
$>robuften ber J^ifd^erei, 3um a3er»eilen befonbetS einlabet: »it
meinen bie mut^ma§li(^e ©teQe bed alten Stoja. Siubolf
Sitd^o», SSotftanbSmitgiieb be8 JDeutj(^en §tf(^erei»33etein8,
^at einer @in(abung feine8 $reunbe8 ^einric^ ©d^Iiemann
be8 @ntbecler8 be8 alt^omerifc^en S£roja’8 auf bem Burgberg
oon .^iffarlii in ^lein«9fien folgenb, bafelbft in feiner befannten
SBielfeitigfeit unb ®rünblic^teit ben 3Birt^fd)aftdabfäilen ber alten
SJeoölterung einge^enbe SerüdFfir^tigung gefc^enft. 0ereit8
Sd^ltemann felbft »aren in ben Krümmern ber, oon unten ge»
rechnet, vierten oorgefcbic^tlic^en ©tabt bie au8gebe^nten ^öffen»
mdbbinger au8 iDtufc^et^aufen befte^enb aufgefallen. 3n feinem
beräumten 93ud^: 3üo8, ©tabt unb Sanb ber Trojaner, fagt er:
„S)ie ^Raffen oon ©egalen unb ©tra^lmuf^eln , bie in ben
Krümmern ber Raufer aufge^äuft liegen, finb ^iet fo erftaunlic^,
ba§ fie aller Sefd|teibung fpotten. 9m beften fönnen bie S3e*
fu^er fie in bem großen ©(^uttblodt fe^en, ben ic^ bi^t neben
bem „@ro^en S^urm" fielen lie§. @in Solf, ba8 alle feine
(375)
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j^c^enabfdlle auf ben $u§boben feinet ©emädbcr liegen Iie§,
mu§ auf einet focial fel^t niebrigen @tufe gelebt ^aben/
5DetgIei(ben SifdbeteiabfdQe ^tebdt^iere, 9)iuf(bebi,
©dbnecfen) gieren fid^ butd^ aQe Stabtfd^id^ten uon^iffatlit non bet
6teingeit ab biA in bie römijcbe ^oc^e hinein, in ben betStongegeit
angel^ötigen 8agern imponiten fte abet befonbetA butd; Snäd^tigleit.
tBitcboto ^at in @(bliemann'A 0ucb bie oon i^m gefammelten
but^ bie BiftbctbeoöIIetung füt bie ^dbe unb {>auAioitt^f(baft
bet alten Stojanet einftmalA gewonnenen «SReeteAftücbte" felbft
befebtieben. gifcbtefte finb nngemein tetcbliib- ^ie in manchen
f)fahlbauten unb notbbeutfcben SSutgtoaHen bilbeten Slnhäufungen
oon $if<hf^uppen unb {leinen ©täthen, äBirbeln u. f. f., namentlich
oon S3atAatten, oeteingelt audh 9tefte oon feht gto§en ^hnn:
fifdhen unb .^aien, gange, hnnbhohe Sagen. 93ot SlQem fanben
fich Unmengen oon Suftetn, CiJHeAmufcheln unb .^etgmufcheln.
3n Segug auf ^öhe unb Sage bet ©(hinten ift hinftthtlich
biefet @peifemufcheln ein Untetfchieb nicht gu bemetten. SnbetA
oethält eA fich SutuAmuf^eln. 3bge|ehen oon gemiffen
Sietmufcheln, wie Columbella, Troc^os unb Pectunculus, beffen
©chalen am Schloß butchbohtt finb, gleich SRufcheln in
gemiffen palaeolithifchen fübeutopäif^en .^öhlen, ift gang befonbetA
bie ^utputfdhnecfe gu etwähncn. ©ie etfcheint
in ben ht'ht^cn Sagen untet bet Ipfimachifdhen SRauet, in einet
Seit, mo ouch baA IBemalen bet Söpfe ^obe mat; befonbetA
beachtenAmetth batuntet ift ein ©tüd oon Purpura baemastoma,
welche ©chnede biAhet auA bem Sllterthum no^ nicht befannt
aiat, aber no^ {e^t auf SRinotca gum ^dtben bient. $aft aQe
^utputfchnecfen finb lünftlich geöffnet unb gwat hnuptfächlich fo,
ba§ man bie ©chalen in bet QJtitte bet SdngAate quet bntdhbtach
unb bann an bem unteten Stuchftücf noch wiebet ein gtöheteA
(876)
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8o(^ auf bec ^aul^tn)öIbung anlegte. SMefe Srt ber 93eile^uuj
ift fo audgefprocben, ba| (ine beftimmte Xec^nif, in bet Slbfic^t,
bie SbicTe jum ©c^önfärben ju oervenben, beutlicb erhellt.
!Die meiften ber übrigen bei ben äluägtabungen gefunbenen
©cbnedten unb fDluf^eln ^aben o^ne Siveifel ben 2;TojaneTn ober
3Iien{em ald ©peife gebient unb fie jcbrinen habet bie no(^ b^ut
an bet jtüfte bed SRittelmeereS unb bed ägäifcben fDleereS üblichen
@riffe angemenbet gu b®ben. Cerithium, Trochus, Patella,
Ostrea, Spondylas, Fecten, Cardium, Venus, Tapes unb Solen
übenoiegen unb finb gerabe bie (Gattungen, toelche auch
noch in ben begeichneten ®egenben, theiltoeife unter S3en>ahtung
bed altgriechifchen ^tarnend, oerfpeift werben**).
2)er Doden @ifengeit gehören bie für bie Bifchctri oon
erheblicher ^ebeutung geworbenen flaoifchen Pfahlbauten
unb 93urgwälle im norböftlichen iDeutfchlanb an. S)iefer
Äbfchnitt ber SBorgefchichte fällt für bie ÜJiarf ©ranbenburg unb
oiel anbern benachbarten ^anbe mit ber .^errjchaft ber heibnifchen
©laoen, befonberd ber SBcnben, gufammeu; fie enbet mit ber
bauetnben Unterwerfung berfelben burch 'Wibrecht ben ©ären,
inbbefonbere mit ber ©erchriftlichuug ber alten Bifcherftabt an
ber .^atel ©ranbenburg**).
3>ie wenbifche Bifch^ibcoölfecung, ©orbeu in ber Ober« unb
SRieber«8aufihr SBüjen in ber Ptarf unb Pommern, Dbotriten
in Ptecflenburg, lebte in gefchloffenen ^Dörfern, fogenannten diunb«
lingen, in ber ber gifchgemöffet. 3ur ©icherung ber«
felben, au§erbem gum ©chu^e ber ©ewohner in ^riegälduften,
bienten runblidje ©changen, ©utgwäDe ober ©chwebenfchangen
genannt, gum ^h^il ©enu^ung natürlicher ©Obenerhebungen
ongelegt — bie ©orchelte ber gaufi^ — , gum 2heil auf Pfahl«
(JTT)
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40
i^enabfäUe auf ben $u§boben feinet @etnäd^ei liegen lie§,
tnu§ auf einer focial fe^i niebrigen @tufe gelebt ^aben.*
JDetgleicben gifd^eteiabfäße (8if«be» Ätebät^lete, 9)iuf<beln,
@<bnedfen) gieren fid^ bui^ aße Stabtfd^id^ten son^iffatlil von bet
@teingeit ab bie in bie römiicbe@^o(^e hinein, in ben bet S3rongegeit
ange^örigen gagetn imponiren fie aber befonberb buicb ßJiäd^tigteit.
äSircboto ^at in ©cbliemann'd S3ucb bie von i^m gefammelten
buTcb bie SifdbetbeDÖlterung für bie ^d^e unb |)auen)irt^fd^aft
bet alten Srojanet einftmalS gewonnenen „ßlieerebfrucbte" felbft
befcbrteben. Bifc^refte finb ungemein tetdbli^. 3Bie in manchen
9>fa^Ibauten unb norbbeutfcben Surgmäßen bilbeten ISn^äufungen
von Bi|(^f(^ubpen unb Keinen ®rät^en, SBirbeln u. f. f., namentliib
von Sardarten, oereingelt auch ßiefte von fe^t großen S^un:
fijd^en unb ^aien, gange, ^anb^o^e gagen. SSor ISßem fanben
fi(b Unmengen von Suftem, ßRieSmufcbeln unb ^etgmufc^eln.
3n 93egug auf ^8^e unb gage bet @(^ic^ten ift Ijinficbtlicb
biefer ©peifemufcbeln ein Unterftbieb ni(bt gu bemetfen. SlnberS
oerbalt eS fi^ mit ben gujcuemufibeln. ISbgefeben von gewiffen
Siermufcbeln, wie Columbella, Trochos unb Pectunculas, beffen
©cbalen am ®(blo§ bur^bobrt finb, gleidb ben ßRufcbeln in
gemiffen balaeolitbifcben fübeuro)}äif(ben .^öblen, ift gang befonberS
bie ^nrburf^nede gu enoäbnen. @ie erfdbeint b^ufiget erft
in ben b^bci^cn gagen unter ber Ipfimacbtfcbrn ßRauet, in einer
Seit, wo au(b baö 23emalen ber 2e|)fe ßJiobe wot; befonberfl
beacbtenSwertb barunter ift ein @tüdf von Purpura haemastoma,
welibe @(bnecfe bieb^r auS bem IXltertbum no(b nicht befannt
atar, aber noch je^t auf fßtinorca gum S&tben bient, gaft aße
^urpurfcbnecfen finb fünftlicb geöffnet unb gwar bauptfäcblicb fo,
ba§ man bie <ScbaIen in bet ßltitte ber gängSajce quer burdbbracb
unb bann an bem unteren SSrucbftücf noch wieber ein größeres
(378)
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auf ber $au);t0ölbung anlegte. IDiefe 9(rt ber. SSeile^ung
ift fo audgej^ro(^en, ba§ eine beftimmte l^ec^nif, in ber Sbftc^t,
bie 3uni ©(^önfärben gu nertnenben, beutlicb er^eDt.
IDie meiften ber übrigen bei ben SlnSgrabungen gefunbenen
6<bnecfen unb 9Jluf(beln ^aben o^ne 3»eifel ben 2;rDjanern ober
31ienfern alS S^jeife gebient unb fie fcbeinen habet bie nodb b^ut
an bet jtü^e bed fUhttelmeereg unb bed ägäifcben 3)^eereö üblidjen
griffe angemenbet gu b^ben. Cerithium, Trochus, Patella,
Ostrea, Spondylus, Pecten, Cardium, Venus, Tapes unb Solen
übetviegen unb ftnb gerabe bie Gattungen, uelcbe audb je^t
noä) in ben begeicbneten Qlegenben, tbeilmeife unter IBemabrung
be8 oltgriedbifcben 9lamenä, oetfpeift »erben«*).
2)er ooUen @ifengeit geboren bie für bie f^tfcberei non
etbeblicber IBebeutung geworbenen flauifcben Pfahlbauten
unb SBurgtodlle im norboftlicben IDeutfcblanb an. S)iefet
8bf<bnitt ber Sßorgef(bi(bte fällt für bie SOlarf ©ranbenbutg unb
oiel anbetn benachbarten Sanbe mit bet .^enjcbaft ber beibnifcben
@laoen, beionberS bet SBcnben, gufammeu; fte enbet mit ber
bauernben Unterwerfung betfelben burcb Qllbrecbt ben S3ären,
inSbefonbere mit ber SBercbriftlicbung ber alten ^ifcberftabt an
bet .gjaoel S3ranbenbutg*‘).
2)ie wenbif^e gif^erbcoöltetung, Sorben in ber Ober» unb
9Heber»gaufi^r SBilgen in ber fDlart unb Pommern, Dbotriten
in Söledlcnburg, lebte in gefcbloffenen 3)örfem, fogenannten fRunb»
lingen, in bet ^)6be bet gifcbgewäffet. 3ut Sicherung ber»
felben, au^erbem gum Schule ber 93ewobner in .^riegdlduften,
bienten runblicbe Scbangen, 93urgwälle ober Scbtoebenfcbangen
genannt, gum Sb^il Senu^ung natürlicbet ISobenerbebungen
angelegt — bie öorcbelte ber gaufi^ — , gum $b<*l ““f Pfabl*
(37T)
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roften otei $ad(n>eifen ober burc^ eine einfa(^e ülnfc^üttung
erbaut 93on fleinen, nur auf inenige Familien bereAneten
@tnf(lbfi^§ungen an, wedbfeln biefe @rbtx>äOe biS ju grofiartigen,
für Saufrnbe oon fUfenfd^en berechneten (RtnginäQen. 9Qe ftnb
in ©ümpfen ober ©erodffern, minbefienö »on breiten ©rüben
umgeben, angelegt
lieber bie flaoif^e ^eilunft ber SBafferburgen unb ihre
©ntftehungämeife haben wir burch ÜR. 3- be @oeje in getben
fÜTjtich eine neu aufgefunbene intereffante 91otij erhalten, wei^e
»on 0lbü Dbeib aUSefri, einem um 1160 lebenben
iStabifchen ©^riftfteller aud einem i^ericht mitgetheilt wirb, ben
ein jübifcher 9igent 3brahlm ibn 3afüb, welcher fich um 965 om
J^ofjfaiferDtto’Sl. in ÜRerfebutg aufhielt, abgefa§that „Slbraham
Safobfohn" fpricht »om 8anbe ber Dbotriten unb fagt:„ SBlli»
@räb (b. i. bafl je^ige ©täbtchen fWerflenburg an ber S3ahn
jwifchen j^leinen unb Sßidmar) ift an einem Sü^wafferfee, wie
bie meiften Surgen ber @la»cn, erbaut SBenn fie nämlich eine
©urg errieten wollen, fo fnchen fie ein Sruchlanb au8, ba8
reich an SBaffer unb ©chilfmoraft ift, unb fteden ba einen runben
ober »ierecfigen ^la^ ab, na^ ber ®eftalt unb bem Umfang,
welchen fie ber ©urg geben wollen. IDann heben fie barum
einen @raben au8 unb häuften bie auSgegrabene @rbe auf. 9Rit
^lanlen unb ©alten wirb biefe ($rbe fo feft geftampft, bi8 fie
bie Seftigteit einer Sehmmauer erhält SBenn ber !BaD bis jur
gewünfehten ^)öhe aufgefuhrt ifl, wirb in ben fRanb, wo man
eS begehrt, ein angebracht unb »on biefem eine häl^etne
©rüde über baS Söaffet gebaut"
9118 eine förmliche ^fahlbauftabt wirb un8 in ,^etborb’8
Sehen be8 ©ifchofS Dtto »on ©amberg bie Stabt 3ulin, ba8
fagenumf^onnene ©ineta, ba8 h^uiis^ äBotlin i. 3- 1121,
CS7»)
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gef^ilbetl; beim Slngtiff bet ^etbnif(ben Sommern auf ben
^)eiligen Otto fällt bet leitete oon ben ^ö^ernen ?)Iattfotmen
in ben ÜJlotaft, witb nut mit SJlübe auö bemjelben b«fttu6»
gezogen unb nut but^ f^leunige Setftötung bet ^öljetnen SStürfe,
»eld)e bte ?)fal)lbau[tabt auch ^tet mit bem feften 8anbe oer«
banb, Bor bem föiättptettob bewahrt. Ungeheure ÜRengen Bon
gijc^teften au8 flanif(b»^eibnif(^et Seit bcfunben noib ^eut bie
33ebeutfamfeit beS alten 3ulin an bet ©ietenoro a(8 §if(berpla^.
93on ben wenigen, Bormenbif^en Surgmällen beS noib»
öftlidben fDeutfcblanb abgefe^en, fte^t bie gto^e fUtaffe betfeiben
im engften S3etbältni§ gu bem ^fa^Ibauwefen unb beibe, Surgj
»ad unb ^fa^lbau, in innigftet SBedjfelbegiebung gu einem ben
$i|d)fang liebenben, in Bieter IBegie^ung gtabegu auf benfelben
angemiefenen SSolfe. SDa^et bie Bielen bei fold^en gifd^eeraften,
SBajfetbauten, IButgwäQen wie Pfahlbauten gefunbenen, auf baä
gifd)wefen begüglidbcn ©egenftänbe, al8 gifdjgeräth allet 2ltt,
9ie^e, ©cbnüre, die^fenfer, die^ljebet Bon J£)olg, SRe^flotten, ,^ut»
faften, gifchotterfallen, meljtginfige gif^flethet, gifchfpeete, Singel»
hafen, ei8ätte, ©tblittfnocben , ©isf^litten, gifchcrna^en mit
Slu8tüftung8gegenftänben, ^o^geräthfcbaften, ^ifcbgtäthen, gifch»
jcbuppen, SBaffergeflügftfnod)en, SRufcbeln, ©chnecfen u. bgl.
sieben ben eigentlichen Pfahlbaufiftbetbörfern finb in ben
betreffenben ©een mitunter eingelne ^ifcherhütten Bon ben SBen»
ben errichtet worben, um Bon bortau8 ben Bifchfong au8giebig
gn betreiben, ©ei bem erften in ber gaufi^ — Bcn mir felbft —
entbedften Pfahlbau oon gübbinchen, im ©ee gleichen 9lamen8,
unweit ©üben, Prooing©ranbenburg, welcher ein bi8 in bie frühfte
chriftliche 3«it bewohnt gewefene8 fDotf getragen h^t, fanb ich,
nßlHg ifolirt unb eine Biertel SJJeile entfernt belegen, mitten
im ©ee eine folche eingelne Pfahlbauhütte, welche fich butdh bie
(«»)
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in i^t auSgegrabenen Jopffd^erben al0 groetfellofl wenbifc^ etmiefen
^at. (Sine \o\ic)t auS unb auf (Sicbenpfä^Ien (@paltfnüp)>eln)
etri(^tete »enbifc^e |)fa^lbau»gif(^erl)ütte befi^t baß ÜKdrfifc^e
SJlufeum auß bem 93fi$*@ee bei 9llt*§ri|a(f, ctma 7 SDlcilen
norbweft!i(^ Serlin.
JDie flaoifi^en, auß bem wafferrei(^en Dften unb 9iotb«
cften eiugemanberten Slnfieblcr finb fomit recht eigentlich alß
ein gif^eroolf, wie ihre Süorganget, bie ©ermanen, alß ein
Sägerodf, an3ufprcchen. Sin ben @een unb Bluffen beß 8anbeß,
fagt 8ubwig ©iefebrecht in feinen äßenbifdhen ©efchichten,
trieben Blfchet ihr einjameß ©ewerbe; ganje JDorffchaften (villae
piscatorum) beftanben nur auß ihnen. 9llß Söelag für bie ?luß»
gicbigfeit beß gifchfangß unb feine Dolfßwirthfihaftliche S3ebeutung
fann folgcnbe gefchi^tliche fRachvi^t bienen.
©efrib, J^apcQan unb 93egleiter beß genannten Stpoftelß
unb S3efehterß ber Sommern, erjdhlt »un bem Bff<h«i<hthuni
bafelbft u. 9. B»Igenbeß: „@ß henjcht bort ein unglaublicher
Ueberfluh an Bifchen, fowohl auß bem Ü)teere wie auß Bluffen,
®een unb Reichen, unb für einen S)enar würbeft bu einen
ganzen ©agen ftifcher Bifchtunfe (bicf eingefochte Blf^hpafte)
befommen, unb wenn ich uon bem ©cruch unb ber 2)icfe becfelben
erzählen würbe, wie ich bente, fo würbe ich l^er ©efrdhigfeit
befchulbigt werben."
3m 3ahve 1783 urtheilte bet berühmte Bifihfunbige Dr.
SRatfuß ©liefet Söloch übet bie wenbifche BiftheTbeuölfetung
Bolgenbeß.
„©ß finb allenthalben in bet fDlarf ©puren 5U finben, ba|
ju ber ©enbenjeit bie mehreften S3rücher in ben |)eiben unb
Belbmarfen mittelft ©tabenß in lUerbinbung geftanben hoben,
wel^e burch bie Sänge bet Seit uetfallen finb; unb wahtfcheinlich
(lao;
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ftnb bie me^reften 93iü(^et unb Socket JCarpfen« ober anbere
nu^bare Sif^teic^e genefen. @f)uren oon anetnanbec ^Sngenben
Seteben ftnbet man in ber Sbi’^nf^en {)eibe, mo|e(bft baS
jflofter (Sbotin ^ar^fen* unb $if(bteid)e gehabt, welche aber im
brei§igiäbrigen Kriege unb nach ber 0iefotmationr ba ed ben
Sefi^ern an bem @eIboorIage jur Unterhaltung biefei SInftalten
gefehlt, ober bie @üter bona vacantia geworben, eingegangen
finb. gehört alfo 5ur SanbeSfultur, bergleicben cerfaQene
Seidhe, welche wegen ber ©tagnation bed SßajjerS nachtheilige
tXudbünftungen unb eine ungefunbe SBeibe h^’^>’'’Tbringen
unb baher fchäblich finb, wieberum hf^3«fl«öcn. — 3ut
SBenbenjeit ift baS platte 8anb in ber 9Rarf weit beffer beoölfert
unb fultioirt gewejen, aU h^ul 3u Sage, nachbem ftch ber
§lei§ nadh ben in neuern Sriteu erbauten (Stabten gezogen unb
iaS platte 8anb grö^tentheüö jur unfruchtbaren SBüftenep ge«
worben, wo bie ehemaligen fru^tbaren Selber mit Sanb über-
30gen, ober mit {>eiben bewaihfen finb, unb bie ehemaligen
fruchtbaren S^iehweiben in ungefunbe, bem S3ieh fchäbliche Sümpfe,
SOtoräfte, Üüchet unb 23rücher oerwanbelt unb bie gu Seichen
bienlichen Derter faum mehr ju erfennen finb, wenigftenS mit
großen Äoften wieberum oon neuem angefchafft werben
muffen" *®).
3Rag biefe Sudführung auch bezüglich ber fünftlichen Seich«
wirthfehaft bed SBenben etwad übertrieben fein, fo beweift hoch bad
Snftitut ber 'Pri^ftapel ober ^ri^ftabel (oom SBenbifchen
^riftaw, 5}ogt), bie aldgifchereiauffehet fich oon berSBenbenjeit her
noch in Söpenif, IRuppin unb Spanbau bid heute erhalten haben,
ba§ bad Sifchn’eien bereitd in ber flaoifchen S^orjeit polijeili^
geregelt unb überwacht würbe. Sebenfalld hat fich in alt«
weubifcher ©egenb, nämlich in 'Pei^, Äreid (Sottbud, bie äfarpfen»
(J8l)
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jud^t noc^ immer in einet großartigen Sudbe^nung erhalten; e8
ift bort bie Äarpfcnbörfe für einen nic^t unbelräd)tli(^en Stb«i^
»on 9?Drbbeutfd)Ianb. 9lu8 SBillibalb non (Scbulenburg’8 Ser»
jeidb^tfe ber bei ben @pteemaIb*SBenben üblidben Sifcbereiaufl»
brüdfe erbedt, wie viele berfelben in baS ^Deutf(be übergegangen
finb, g. S.: bukleja — bet ^flei, Albarnus lacidus; karas —
^araujcbe; bleja — bet Slei; piskor — bet f)ißfer, Cobitis
fossilis; plosica — 5>Ioße; rapa — ber SRaab, Aspius rapax;
smarl — bie @^merle; wada — bie SBate
ÜJlit biejem gifcbiegen gelangte bie wenbifcbe ?0iarl an bie
beutf(ben djriftlidben ©robfter. 2)er beutjebe ©roberer befe^te
nnb befielt ben alten ^faljlbau bei. .!^ier erricbtete ber %eubal»
berr gern feine Surg, bie wenbifcben SBäQe al8 ©runblage ober
Sdbußmebr feineß au8 f^elbfteineu aufgemauerten SBobnbaufeS
benußenb. 3lu8 ben größeren Surgwäßen ober im SBeicbbilb
berfelben entwidfelten bie erften ^riftlicben ©täbte ber ÜKatf,
vor beten Sboten am SEÖaffet ober im ©aßet auf bem ^fabl»
bau, in ben fogenannten ließen ober Äiegen (oom menbifdben
Kitza, Kititza, ^olgbütte, 5if<berbütte) bie alte wenbifcße S»ftb*r*
bevölferung p(b, con ber teutf^en Seoölferung verarbtet, in
ißrer Sefonberbeit noch Snbrbunberte lang erbielt*®).
Siele beutf(be Stabte oerbanfen fo ber giftb«« ibr*n U**
fprung, nnb bereits Äönig, ber ^>iftoriograpb »on Serlin, b^lt
bie Slbnen ber blutigen Semobner unferer JDeutfcben Äaiferftabt
für gifdber. „SBirft man einen Slirf auf bie 8nge ber alten
©tobte ber 5Ratf Stanbenburg, fo ßnbet man, baß ße mebten»
tbeil8, mit finget Slbß^t, an ©ewößer unb fcbißbare Slüße
angelegt worben ßnb, welche wobl anfdnglidb nicbt fowobl gut
,^)anblung bienen foßten, al8 weil ße ben erften Sewobnem
Unterhalt gaben. 55ie ^ifcbeteien in ber OJlatf ßnb non jebet
(382)
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fe^r ergiebig gewefen, unb gaben ben erften 9la^rung03n>eig ab.
Seiber \idbtti fU neueren Seiten fe^r abgenomnten, unb ftnb
nid^t me^r, »ad [ie »aren, »ouon nid^t allein bic gugenommene
SRenge ber SRenf^en, »el(^e bie S3a[ferbe»o^net in großer
iSnga^l aufge^ren, fonbern aud^ bie @tn{c^ränfungen ber
burc^ bad tjäufige Urbarma^en, Urfad^en geworben ftnb. 93er«
jdbiebene @täbte, g. 0. äBrte^en an ber Ober, trieben einen fo
anfe^nlid^en ^tfc^bunbel im iJludlanbe, ba^ man ben alten 9ia(^<
rid)ten baoon faum Glauben gufteDet, unb bie ^ie^e unb ^e^er
ftnb SRamen, bie man fe^r im Sraudb finbet, wo fiitbreit^e
@tdbte finb. 9iatürlid^ liefen fidb aifo bie Kolonien bed 9Rar!<
grafen Sllbredbt gern an folcbe ^lüffe nieber, wo i^nen bie
Sllatur foglei^ einen jo beftimmten ald reic^bultigen Unterhalt
anwied. @d würbe ba^er nicht unrecht fepn, wenn man bie
Stammeäter ber ^Berliner öiftbe^ nennete."
Saffen wir gum Schluß unferer QRittheilungen aud ber 93or*
geit ber gifdherei ben Slicf noch einmal nach ben floffifchen
Sölfern bed ÜUterihumd fdhweifen, fo finben wir etwa 900 bid
1000 3ahtc Bor unferer Scitrechnung in bcrSliad bed ^omer
bie jRachri^t oon einem Pfahlbau {vlrj, lateinif^ matoria) im
See ÄejjhifiS, auf bem ein fhäter non .^teftor nor Slroja er»
jdhlagener, reich begüterter 9Rann, Oredbiod, wohnte. Sin fehr
primitioe äverhditniffe erinnert bie Sage, ba§ObB|feud burch
einen ^feil getöbtet worben fein joll, ber mit bem Stad el eined
IRo^en Berfehen, aljo in ber SBeife audgeftattet war, wie bied
bie gifcherftämme gewiffer Sübfeeinfeln mit ihren 2Baffen thun.
Slngefidhtd ber dieichhaltgfeit Bon ^ifihereiprobuften , welche bie
Sludgrabungen {)einri^ Schliemann'd in ber Slroad, aud
ber SSorgeit and Jagedlidht geförbert haben, tlingt ed befrembenb,
bah hcuieiifchen .gelben wie fpäter bie dlteften 9iömer mit
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bem ®enu& bet Sifc^e faft unbefannt waren. 9lad^bcra man
i^n inbeffen fennen gelernt ^atte, fanb man wie in ©ried^en»
lanb, fo and) in 9iom entjc^iebenen ©efc^mad baian, fo ba|
baS SBoit oifiov ober obsoniam, wel(^eS urfprünglii^ aDeS am
geuer 3ul>«e>icte im ©egenfa^ be« Sroteö umfaßt , fpöter au8»
f(^lie§lic^ non gifc^en 3U nerfte^en ift. lDa§ mit bet gift^etei
unb bet gifc^foft in ben lebten Briten bet 9iepublif unb wä^renb
bet j^aifer^eit non ben fcbwelgetifcben [Römern ein unglaublidfet
8u]cu6 getrieben würbe, ift befannt®").
23on gtofeem Sntereffe für bie S3otjeit ber gifc^erei ift folgenbe
[Rad^ricbt bei .^erobot au8 ber Brit, al8 SRegabajuS nach bem
nernnglücften gelbjuge befl JDatinfl gegen bie ©cpt^en nom
3al)r 513 n. 6^t. in Sl^ra3ien mit einem petfifc^en ,^eere ftanb,
über einige inacebonifc^en SSölferftbaftcn.
„^Diejenigen, weld^e um ben SSerg ^angaeud wobnen, unb
bie IDoberct unb Slgrianer unb Dbomanten unb bie om ©ee
^rafiaö würben ton 9Regabaru8 gar ni^t be3Wungen. 5Den»
no(^ würbe ber nergeblicbe [ßerfucb gemacht, fogar bie 3a unter«
werfen, welche in bem ©ee wohnten, unb gwar auf folgenbe
SBeife: e8 fteben auf ^o^en ^fä^len mitten im ©ee 3ufammen«
gefügte Plattformen, gu welt^en nom ?anbe nur auf einet
S3rüde ein enger Bugang ift. 2)ie Pfäble nun, anf benen bie
Plattformen fte^en, erröteten bie Bürger inSgemein feit alten
Beiten; fpäter aber gefcba^ e8 non ©efe^eS wegen unb 3Wat fo:
jebet 9Rann ^olt, wenn et eine grau ^eiratljet, au8 bem ©e«
birgc DrbeluS brei Pfähle unb treibt fie in ben ©cegtunb ein;
e8 nimmt aber jebet ©in3elne niclc SBeiber. ©ie wohnen ba»
felbft nun auf folgenbe SBeife: ein Scber ift Bcfi^et einet ^ütte
auf ben Plattformen, in weld^er et wo^nt, unb eine gaHt^ür
fü^rt burc^ bie Plattform hinunter 3um ©ec. IDie Keinen
(384)
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^inbet binbct man, bamit fte nic^t l^inunterfaden, mit €^eUen
an einem feft. 3^« ?)ferbe unb ba8 gaftöie^ füttern pe
mit Bifd^en. Son biefen giebt el eine fo grope fSienge, bap,
toenn man bie BoQt^ür öffnet, unb einen leeren ^orb an einen
©trid in ben @ee hinunter löpt unb nad^ fntjet Seit »Über
^eraufjie^t, er gang »oll non gifd^en ip.“
9iu(^ im (gelobten 8anbe fanben fi^ Bij^ftätten in ^fa^U
bauform, mie ber berühmte arabifd^e ©eograp^ SJ Ibuf eba im
©upplement ber ^Rarte ©prienö um 1328 berichtet. @r fd^ilbert
ben ©ee non '^pamea fehr anf^aulid) mit feinen vielen
Slbt^eilungen unb JRohrgebüfchen , bie oon SSögeln aller SIrt
wimmeln. 2)er ©ee fei mcift nicht über fUlanneShöhe tief, habe
aber fdjlammigen @runb. @ine ber Heineren auSbudhtungen
beö ©eeS nannten bie Araber „ben ©ee ber
er non chriftlichen Bifd^ctn befe^t wor, wel^e \)xtx „im ©ee in
hölzernen unb auf pfählen ruhenben .Jütten wohnten.“
9118 folche, auf Jütten im ©ee ©enegareth ober im
©aliläifchen ÜJteer lebcnbe, mit ihren ©chifflein halb hierhin,
halb borthin gur SlnSübung beS BüdhfangS fahrenbe Pfahlbau»
bewohner haben wir un8 nietleidht ©imon ^etru8, fowie
3afobu8 unb Sohaa"®®* bie Söh«e Sebebäi, ©imonS ©c»
feilen gn ber Stit gebenfen, al8 ©h^iftaS pe gu IDlenfchenpfdhem
machte. 3)iefer benfwürbige ©ee non Liberias ift noch
überaus pfchreich; mitunter Pnb weite ©trecfen fo gebrängt noQ
Bifche, bah bie ’JlücfpcPen bie Dberpädhe beö SBafferS ftreifen.
JDet ©ee würbe mit bem gwifchcn gwei 33öten gegogenen Sug«
neh (oayTjvi^) unb mit bem Sßurfneh (aftfpißlrjatQov) bcpfcht,
wobei ber Bifth^t aufg«fdt)“rst ober nadft inS SBaPer pieg unb
baS 9ieh gefchidt berartig aufwarf, bah e8 pch auf bem SBaPer,
inbem e8 gleichgeitig untertauchte, auSbreitete, wonä^ft e8 mit
XIX. 441. 442. 4 (38S)
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jd^nedem 9{u(f an einem ©trid mieber in bie ^5^e gezogen
würbe, bte giftfee, weld^e in feinet SRd^e gewefen, mit fi(^ teifeenb.
QS ift biefe gifi^erei, mit bet ^etruö unb fein Stubet Slnbreafi
nad) ÜRatt^äufl 4, 18 »on 3efu4 im ©aliläif^en 9Reet betroffen
würben»*).
bie Sngel wutbe von ben @aUIäif(ben Bifti^etn benu^t,
wie wir in bet ©ef^idjte oom 3in8gtofi^en o. a. D. 17, 27 ^ören :
,Sluf ba§ mir aber fie nic^t ärgern, fo ge^ ^in an ba0 fDleet,
unb wirf bie ^ngel au8, unb ben erften gifc^, bet ^erauffä^rt,
ben nimm; unb wenn bu feinen fDiunb auft^uft, wirft bu einen
@tater finben, benfelbigen nimm, unb gieb i^nen für mic^
unb bid^.“
3)et äpoflel f>etru0 oom @<^iff ou8 angelub ift ba8 Sa^r»
geid^en ber ^äpfte auf intern @e^eimfiegel, bem $if(^erting,
geworben, ja in ber fDipflif be8 fDiittela(ter8 bebeutet bet angelnbe
Sifd^et mitunter ben ^eilanb 6^riftu8 felbft, fo wie im Siegel
ber iKat^ebrale oon iSberbeen bei ber @eburt (Sbrifti ftatt be8
.^nbe8 ein Sifcp in ber Grippe liegenb bargefteQt ift, gema^nenb
an bie töebeutung be8 gtiecpifdjen SBorte8 für gif(^ /X&Y2'
b. i. 'Irjaovg XQiaidg, &eov * Ywg, JTtotijp, 3efu8 @bnfdi8,
<5Jotte8 So^n, ^»eilanb. —
@0 fe^en wir, wie fidb au8 ber SSorjeit ber gifc^erei einet
ber primitioften Smeige menfcblicbet Sl^ätigfeit me^t unb me^t
gu einem befonbern bewerbe entfaltet ^at unb wie au8 bem
$if(berftanbe f^Iie^licb bie Senbboten ^etoorgegangen finb, weld^e
bie wi(^tigfte ^ulturp^afe ber dRenfcb^eit guerft über uufere @cbe
weitet oerbreitet boi>en- ^icf^ I^odjbebeutfame ÜRiffion wirb
un8 bie SSorgeit bet ^ifdl^etei immerbat benfwürbig unb e^t<
wütbig erf(^einen laffen.
(SM)
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51
S^ntnrthnngrtt.
1} SUgl. 3o^annee (Solttue: Oecooomia ruralis et do-
mestica. SDlainj, 1656, tin für bie bei gilc^erei nichtiges
2Berf, Sb. I, S. 638 ff.
2) Sgl. ben Slufja^ t>on ®abriel beSRoitület: Origioe de la
Navigation et de la P6ohe in Revue Archeol. 10. Cft. 1866.
©.269—282 «nb übet gMt^emSlfet f)ef(^el: SluMonb 1868 9lt. 8
®. 169 — 176 unb in bet Sölferfunbe ©. 202 — 216. Uebet bie Sor*
gef(bi(^te bet >n Sorbametifa ^aben mit non .^atl Stau in
SBaf^ington, aljo non berufenftet .^anb, bemnäc^ft eine SerSffentlic^ung
ju geoärtigen; i(^ habe beS^alb bie ametifanifc^en Setbältniffe faum
ongeflreift, obwobl mir für biefelben bereit« ein retbt rei(bli(be« ÜJlaterial
»erliegt. — fmbt b« SKenfeb fein Sefteben bureb ba«, ma« er
»on einem Hage jum anbeten crmiibt, fubet jn ftellen, er jagt 8anb*
tbiere ober SBaffertbiere, unb ift Süfler ober giftbet. — Sagb unb gif<b*
fang nehmen ben Slenfcben in mantben Beziehungen auf bie namlitbe
SBeife in Slnfprwb. Säger unb giftbet bebürfen abaetbfelnb ober autb
gleitbjeitig, je natb bet Hbieratt, bie fie jagen, bet ®ebulb nnb be«
fUlutbe«, fie muffen immer bie eine ober bie anbere 2lu«bülfe in Bereit«
ftbaft haben. — 3m ®anzen bebarf wohl ber giftber feinet fo großen
Knfpannung bet jfrüfte, al« bet Säger, unb nitbt aQe phbfiftbrn jträfte
»erben bei ihm in gleitbei SBeife in Slnjprutb genommen. @r bebar
feine« fo feinen ®ebät« unb feinet fo großen ®e»anbtbeit, »ie ber
Säger.' 31. be jQuatrefage«: 2)a« fDlenftbcngeftbletbt. &ii)iig, 1878.
6. 186, 187.
4* (J87)
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52
3) Sßgl. SB. S3opb 2)air!ind: Gave Hunting. Bonbon 1874,
®.324ff. 3ame8 ©eiftf: PrehistoricEurope. ?cnbon, I88I,@. 90ff.
®it @^aile8 89dl: !Dad 9Uter be8 SDlenf^engtfc^MiS. IDeutf^ bon
S^ü(^>ner. *2. «ufl. 1874, ®. 5. 61, 65 ff.
4) 35et 9la(^brud liegt bi«r auf bem SEBort ®(^mel3ung, benn
bie falte SBearbeitung Bon BietaOen, baS äuS^mmern Bon Bleteoieifen
ober Bon gebtegenem jfupfet, wie j. (enteret in alten SBo^nftätten
auf ber @renje jaififien jfanaba unb ber Union Botgefunben U)irb, rei(!^t
jinar in bie Steinzeit jurfitf; ^ier uurbe aber ba8 BletaQ Die feber
anbere ©tein „falt" bearbeitet.
5) S3gl. Älfreb 8le^ring: ®ie quaternären Sauen Bon Sb«^e
unb ffiefteregeln nebft ©puren be« Borgef^ie^tlicben TOenfi^en, im Slrcbio
für Anthropologie. XI. SBraunfthaeig, 1879, ©. 14 ff., unb berfelbe:
Heber bie lebten Ausgrabungen bei 3h<*be in ben SSerh- ber S3erliner
Anthrop. @ef. 1882, ©i^ung Bom 2. SJJörj 1882. „S3on ben Steptilien,
Sifchen unb DitbeUofen Shifren (biefer3nt) ffnb, mit gänzlichem Au«*
f(hlu§ ber (Blufchet) Cyreoa fluminalis, bie ehebem in ber ©omme
unb 3h*“*f* ““f u“b auf einige afiatifche
bef^ränft ift, fo Biel mir Diffen, feine Arten ouSgeftorben. 9t. 3olp:
!Der SUlenfch Bor ber Seit ber SUtetaDe. ?eipjig, 1880, ©. 87.
6) ?pell 0. 0. O. ©. 130 ff.
7) Samuel Hearne: A journey from Prince of Wales' fort
to the northern ocean, unb 9lilffon: !Da« ©teinalter ober bie Ur*
einDohner be« ©canbinaoifchen 9lotben«. Ueberf. non 3- 9Jleftotf.
.J)amburg, 1868, ©. 129 ff.
8) 91. Solp: ©er SKenfch Bor bet Seit bet ÜJIetatle. 8eipjig,
1880, ©. 86.
9) 9lilffon: a. a. D. ©. 126 ff.
10) SJlortillet: a. a. O. ©. 272.
11) IDergleichen ouf ba« 6i« geführte fröftige ©^läge pflanjen (ich
im SBaffer mit großer ©emalt fort. ®ie Sifthe Derben betäubt, er-
halten mitunter fogat Siecfen, bie ©teile anbeutenb, Do bie ©rfchütte*
rung be« ©chloge« f'ih fonzentrirte. 9Ran pflegt bei biefer noch i«ht
Bielfach au«geübten SDlethobe bie Si«becfe fchnetl §u öffnen unb ben be-
täubten S'fth hetOBSjUBehmen. 3u ber 9Jlarf ©ranbenbutg Derben
(S38)
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53
^e^te oielfai^ auf biefe SBeife .gefc^lagen"; ebenfo ift baS
brimitioc wobei man bcm im Belege fte^enben
Sifdf) be^utfam eine an einen langen ®tod bcfeftigte fRogl^aarf^Iinge
^intet bie j(iemenbedel jc^iebt unb bann ben Sifcb mit fr&ftigem Sin«
gleiten aut bem IBaffei b?l>t, eine ftd^eili^ bit in bie entlegenfte Urzeit
jurüdreicbenbe, ebenfo einfad^e wie fixere unb eintiägli^e Uebung bet
gift^fanget.
12) Sol?: «• fl* O- 274. — So^b iDawfinß: a. a. O*
®. 112, 327, 342. — SDi. (S. Subont: l’Homme pendant les
ages de la pierre dans les enTirons de Dinant-sur-Meuse. II. 4d.
1875, p. 116, 120. — 8ouit giguier: l’Hooame primitif. 1870.
p. 117, 122, 135. — Solp, ®. 280, fagt: „Seim gifebfang Wat bie
^)arpune minbeftent ebenfo nüblicb wie ber Slngelbafen ; f'« würbe au^er«
bem gat oft auf ber 3agb nadb SEBafferoßgeln unb SBafferfäugetbieren
benu^t, unb wenn fie biefe 2:biere auch nicht immer }u tobten oermocbte,
binberte fte biefelben hoch, nacbbem fie, butch einen fröftigen SBurf ge«
fcbleubert, in ifit gleifcb ficb eingebaft batte, an ber glu^t. ®ie fnß«
(bemen .^)atpunen ber Srogtobpten ber Sß3bre haben ftett nur auf einer
@eile eine einzige 3ieibe 3äbne ober SÜMberbafen unb baburcb unterfcbeiben
fie ficb wefentli^ oon ben mit ebnen oft oerwecbfelten, fnöcbetnen, mit
SBiberbafen oerfebenen ^feiljpiben, beren ©eiten mit jwei Sabawib“
befeßt finb (»gl. gig. 86, ©. 274). Um eine Heine an ber .^arpunenbafit
angebrachte ©rweiterung fcblang bat eine (Snbe bet ©tridet, mit
beffen 4>ülfe ber gifebet bat gefcbleuberte @ef(bD§ wieber jurüdjog. —
2)ie fnöcbernen Harpunen ber jlurilen«3nfulaner ähneln ungemein ben
©erätben ber borbogner Sroglobpten. Salb mit beweglicher, halb mit
fefter ©pi^e »erfeben, fiben f« an einem .J)o4f<^aft. Derfelbe bat ein
8ocb jum ^>inburcbjieben einet ©tridet, ber tbeilt am ©ebaft, tbeilt an
bet beim 4>arpuniren T'tb »an lötlöjenben ©pifte befeftigt ift.
Sin bat freie (Inbe bet ©tridet ift au&etbem noch eine Slafe gebunben,
bie, auf ber SBaffetfläcbe febwimmenb, ben SBeg bet flficbtigen Stbier«®
an3eigt. — 2)ie bem Ufer bet Se3ke entlang liegenben fehlen bargen
eine enorme fUlenge öaebtgräten. 2>iet beweift fcblagenb, ba§ bie ^)5blcn«
bewohnet in bem ihren SBobnungen nabe gelegenen gluffe unb ben
anberen, bem Dcean 3uflie§enben ©trömen bet ^etigorb biefen wohl«
febmedenben gifcb angelten ober »ielmebr barpunirten. Ratten fie bereitt
Siebe? Sliebtt beutet an, bag biet bet gaÜ gewefen ift."
(M9)
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13) ©fifie: o. a. O. lafrt A, 5*8*^ “>*9 ber JDorbogne. —
Siguiti: a. a. O. 124, gtg. 60. — 2)npont: a. o. O. ®. 117,
gig. 15. — giguitr: @. 135, gig. 41. — ^ellwalb: ®«t öof
gef(bi<^tli^e 9Rtnf(b- 2. XufL <3. 367.
14) ®a»fin9: ©.344, gig. 117; gtguiet: ©. 136, gig. 72
giett biefelbe Äbbilbung, aber »erfc^rt.
15) giguitr: ©. 122, gig. 57. — ©enonet: gifc^eteigeröl^e
in ber Urjeit unb bei ben ©üben, ÜJUtt^. ber Slnt^rcp. @ef. in ©ien,
Sb. IX., ©ien, 1880, ©. 221) beric^itet, ba§ Dr. IRiccarbi in
einer Sefibreibung bet im Srtbrop. SDufeum ju gIoren3 eorfinblic^en
gifc^ereiger&t^e bemerfe, bie erfte ©lementar • Singel ^abe au9 einem
getaben bünnen 3—4 cm langen ©plitter non Knochen rber Sient^ier«
^orn beftanben. Sann famen an einer ©eite grjä^nte Singeln, Harpunen
Bon 22 cm ?änge, bann fol^e an beiben ©eiten gejSbnte. gernet er»
B)5^ne Sliccarbi Singeln au9 ber ©tein» unb Sronje-Spot^e, »ie au^
gift^figuren en relief unb en creux au9 jlnccbcn cbtr Sient^ier^orn
au9 bet SWabtlaine k. — 3<^ bemerfe ^ierju, ba§ Biele bergl. ©pi$»
angeln an9 bem JDiluoium bi9 Je^t mi§ac^ttt finb, weil bie »enigften
©eiterten nnb ©ammiet bie gifi^ereigerät^e geljJrig fennen. 69 ge»
nugen aud) ©pi^angeln au9 ^olj, bicfe b<>t)en fiib fteilicb fo menig in
ber IDrift wie in ben ^6^1en erhalten. 9Rit bergl. .^oljfpit^angeln be»
ginnen gemß^nlitb noc^ je^t unfere Änabtn ihre SlngelBtrfud^e. —
®a9 SKSrfifc^e SJJufeum befi^t 2 ft^ßne ©pi^angeln au9 geuerftein,
bie eine Bon mir in einer bet neolit^ijc^ien 3t>t angeljßrigen ©o^n»
ftätte anf bem Älabomet ©anbwerber, einer 3nf«l in bet ^anel bei ber
©tation ®(^lacbten[ee }ini{4)en ©panbau unb ip<’t9bam, bie anbere auf
einer 3nfel bei 9ieu»0luppin gefunben. 3" meiner „@ef(^i(flte ber
gij(berei", aratli^e Strickte über bie internationale giftberei'Slu9ftelIang
ju Serlin 1880, Serlin, 1881, ©pejialbericbt übet bie ^ifloriftben Db»
jefte bet Slu9fle0ung, bilbe icp ©. 128 gig. 86—89 ©pi^angeln, ber
jüngeren ©teinjeit ange^ßrig, jumeift au9 ©angen in ber ©cpnei},
@. 126, gig. 64, eine ebcnfatl9 fcbmeigerifclje, ft^t feltene ©piftangel
au9 Sronje ab, melc^e leßtere bcmeift, ba§ bie ©pijangcl ftt^ bireft
au9 ber ©teinjeit in bie SKetaUjeit bineingie^t. — üriftan (2ri|'tant)
ber 4>elb einer au9 bunfler feltifcber SJlptbclogie b^rn^gcgangenen
bretonifipen ©age, »el(be fpäterbin mit jfönig Slrtu9 unb feiner Saftl»
tunbe in Serbinbung gebradjt »irb, ber ©eliebte 3fi>lbe’9, ber @e»
(SSO)
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ma^Iin fdnet £)5etm6, beö JtSnigt SRarfe »on SornvaQil, gilt no(!^
altft notbtfcl'n ©age aU ©rfinber b«fl Singeln«; (Sil^art p. CXVI,
ngl. no<l> IRublteb Sragm. 12, 13, 8at. @eb. ©. 183; ferner Sllwm
©(fiul^: ®a8 j^ßfiftfie geben gur 3«it ber IDlinnefänger. geipjig, 1879,
l, ©. 367 f. u. Sing, für ®eutf(^« Sltert^um u. 3). gitterotur, VII,
1881, ©.117. — SSolIIonimen m^t^ologifc^ flingt bie Ueberlieferung
ou8 ber ©ubfee, njonoe^ SJlawi gum Seifen ber Snfel 3la‘9lfl*3Jla»i
((^a^tnomawi) fegelnb, mit einer Änoc^enangel, nämli(^ ben ^innbaden
ber oon 4)ina gebotenen Äinber, SDlotarili (SDlorgenftern) nnb Siefea^ia^i
(äbenbftern) pfc^enb, burt^ ben erfteren Uleufeelanb au8 bem SBaffer gog.
©aftion: 3)ie SBere^rung ber ^imraeWfcrper. 3«itf<f)r. f. St^nctogie,
Sb. 4, 1872, ©. 370. — Der inbifc^e ®oft SBifefmn angelt mit feinen
6berg4^nen bie (Srbe au8 ber 2iefe beS Ocean« heraus. — 3Hit einem
an bie Singel geftedten ©tierfopf fßb’erte Slfa-S£^or bie f<^eu§lid)e 9Jlib*
garb»S(blange unb gie^t fie empor, bi« fein Segleiter, ber fRiefe 2)mir,
au8 Sunljt Bor bem ©eeunge^euer bie Slngelf^nur burt^fctneibet unb
ibm fo gum @ntf(^lüpfm nerl^ilft. 9lo(f> gu Äonrab non ÜJlegenberg’8
3eit im 14. 3a^r^unbert, mar ber ®lanbe nerbreitet, er sei ain grozer
▼isch, der haiz celebrant, dar auf ute daz ertreich, und hab seinen
Sterz im mund: wenn sich der weg oder umbker, so pidem daz
ertreich. (S3u^ ber 9latur. ^er. non Swng ^Jfeiffer, Stuttgart,
1881, ©. XXXIX unb ©. 107. ®r fügt bingu: daz ist ain törsen-
maer und ist niht war. — Offenbar liegt in jenem fübbeutfdjen Solle«
glauben ein ©rinnerung an bie 5Dlibgatbf(^longe , jene« fifd;attige Un«
geheuer, beffen Semegungen, nad> notbgermanifcfier Sluff.iffung bie 6rb«
beben ^ernorrufen. — Der Slngell>afen au« einem ©tüd gef^ni^t ober
gemei§elt, erforbert atlerbing« bereit« niel Ueberlegung; e« fcfjeint aber,
ba§ bie ülteften ^afen au« gtnei ©tüden beftanben, au« bem ©cboft
für an ben ein Splitter ber Ärt angebunben mar, ba§ er mit bem
©(^aft gufammen einen SBinfel ober ^)afen bilbete. Der ©t^aft fonnte
ou« ^clg ober Sein, bie ©pi^e ou8 Stein ober Änc^en fein. Stu«
Slftftüden non hartem ^olg waren übrigen« au(^ einheitliche brauchbare
Singelhafen leicht h^ftellbar.
16) St0uier: ©. 122, Sifl- 56, 58. — S<9- 56 ähnelt einer im
alluniaien 2orf bei Sago», nahe Sranbenburg an ber ^anel au8ge«
grabenen, au« |)itf^> ober @lenge»eih gefertigten Seh^ridnabel, »eiche
i>err non @r;cleben, flRitglieb be« Deutf^en Sifth^^i'^trein«, im
(S9I)
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Sa^rf 1872 b« Setliner Snt^rol». @ef. Dorlegte. Sgl. Ser^. bet
Serl. Knlbr. @ef., Setl. 1872, ©. 131, in bem Seriell mu§ e« nii^t
Sanbom fonbem Sago» feigen.
17) Sgl. S öfter: Pre-historic Races of the ünited States of
America. II. ed. Chicago, 1873, ©. 56 ff., »obei id) auf Slnm. 2
»erweife. — ®ie SReufen anlangenb, fo »ermSgen gewiffe affen fo ge«
febidte manuelle arbeiten ju oerriebten, ba§ man bem boeb unenblitb
über ben Sierbänbem ftebenben iDilucialmenfcben »obl bie Operation
befi §le<bten8, fo »eit jie bei Steufen in 8rage fommt, jutrauen barf.
18) 3oIp, ®. 279, brüeft ft^ übet bie bi« in Srage fommenbe
Beit »ie folgt au8: „3<b erinnere namentlich baran, bag man in einigen
®(b»eijer ©ecanfiebeluugen, in SBangen am Sobenfee j. S-, fo»obl
funftreicbe Sefte al8 auch SegbejcbBcrer ou« 8ebm unb Sebbalter ober
^ottbßlier gefunben bat. — Bitniliib oft trifft man in ben nämliiben
f(b»eijer Pfahlbauten Steufen au8 SBeibenmtben unb noib häufiger
angelhafen unb Harpunen au8 ©tein, Plufcbelfcbalen unb .Dothen;
auch eine anbere art oon angelgeräthen, »eiche ganj fo auSfehen, al8
ob jte Bon ben Jegigen ©ingeborenen be8 Äurileninfeln ober ©rönlanb
gemacht »orben »aten (§ig. 95), |tnb ebenfall8 an Berfcbiebenen fünften
©fanbinaBien8, granfreicb8 unb 3talien8 entbeeft »orben. — Plan fieht,
bie gifebgeräthe entfpreeben febon in bet Urjeit bem 3»ecf bet gifeb«
Borgüglicb, benn fie »aren, »ie bie unfengen, mit .J)citcben nerfehen, bie
ftcb in ben ©aumen ber fich feftbei§enben Seutc einhaften unb fie feft>
hielten. ©Ben 9liljfon hat fteineme ein« ober mehrriQige, feht febön
polirte angelfcbnurgewichte abgebilbet. („S)ie Ureinwohner be8 ©fanbi«
naoifeben 9lorben8", 5Eaf. II, gig. 31 — 35*. — IDer gijebfpeet ber
©cbofcbonen.Snbianet in Sorbamerifa ift ein fehr einfacbe8, ftnnreicb «•
bacbte8 SBerfjeug. IDie ©pi^e befteht au8 jtnoeben unb ift in ber
Plitte an eine fleine, ftarfe ©ebnur befeftigt, bie bann »ieber et»a ^»ei
gu§ tiefer an ben ©chaft gefnüpft ift. am Borberen @nbe biefet Spifee
fängt eine fleine au8höhlung an, »eiche ftcb bi8 an ben äugerften Sunft
berfelben erftredt; fie ift gang flach- 3» biefe Stählung »irb ber untere
3^eil be8 ©^afte8 gelegt. Ser ©ebaft befteht au8 leichtem 9iohr unb
ift ungefähr 10 gu& lang. 3ft ber gifeb getroffen, fo »irb bet ©chaft
h«au8gegogen unb bie ©ebnur jerrt bann bie Änoebenfpige in eine ent-
gegengefegte IRicbtung. Sie gifebnege, beftehenb au8 bem Seutel« unb
©cblagneg »erben au8 Stinbe gefertigt. Sie8 Slaterial liefert einen
(SM)
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l'e^T ftarftn gaben. 0o^e 9le$e ftnb inbeffen ben »eftlic^ nom SJiadenjie
voi^ntnben 9lotbe5Ifern unbefannt. 9%i(^arbfon’< Arctic Expedition,
vol. II, p. 25; ©tt 3o^n üubbotf: 2)ie ootgefd^idjllit^e 3«t- ®eutf(^)
con Raffern. 2. üb. 1874. ©.223. — ©inen gije^fte^et aue ©leb-
geweib mit gcuerfteinfplitter-Sinfäben non 2)irwangen, ^roninj Oft»
Preußen »gl. bei SBujaf u. Sprotbmann: 55reu§. ©teingerötbe. üEaf. V,
gig. 11 unb Setliner Sld8ft.»Sat. 1880, ©. 428.
19) Äbgebübet bei 9IUffon: ©teinjeit, gig. 28 u. 29.
20) 9Ulffon: gig. 20, au8 einem ©(bonenftben Jorfmocr. ~
griebel: ®ef(b. bet gif(betei, a. a. 0. gig. 80, 81, 82, ©. 128, eben»
bafelbft gig. 92 ein lDoppel»2(ngeibafen auS einem ©ebueijer ©ee.
21) SgL bie betreff. Angaben in 9(nm. 15.
22) griebr. ». .^ellwalb; Äulturgef(bi(bte in ihrer natürli(ben
©ntwidelung. 1875. ©. 43. — S*ftb*I‘ SSöIIerfunbe ©. 202 ff.
23) „2)ie ©uionen, alfo bie Sorfabten bet ©tbrneben unb 9lot»
mannen, lannten 3U 2acitu« Seit (um 117 n. 6b*-)> ®*r»
mania 44 au8brü(fli(b fagt, ben gebrauch ber ©egel no(b ni^t, eben»
fonjenig bie ©nriebtung gefcbloffenet JRuberbänfe; Sorbet» unb |)intet»
tbeil mar bei ihren ©ibiffen nicht gefebieben, fo ba^ fie, ohne ju wenben,
überall lanben fennten. ©olcbe altnorbifcben j^äbne mosten jur gabrt
3tcif(ben ben Snfeln unb in ben Selten unb giorben geeignet fein; im
^cebfommet festen fte »ieDeicbt »on bet Snfel ©otblanb in ben finni»
feben unb rigoifeben SWeerbufen hinüber; aber erft mit ber au8 ©üben
gefommenen Seebnif be« ©egeltucb« unb be8 6ifen« fam bet 9Jtutb 3U
ben »eiten S)ifinget3Ügen. ^o8 beutfebe 38ort ©egel, agf. segel, altn.
segl, im ©ennanifeben bunfel unb frembartig, ftammt Wohl au8 bem
Äeltifcben (altirifcb aeol, s6ol, mit unterbrüeftem gutturalem Snlaut).
i'itauer unb $olen entlehnten »ieber bab beutfebe ©egel, litauifcb ieglas,
polniftb iagiel, bie Söbmen halfen ftcb mit ber SBenbung; ©tücf Sein»
»anb ober SBinbfang, bie ©übflaoen brauchten ©<bo§ für ©egel, bie
Sinffen nahmen bab grieebifche tftipog in ber gorm parus an — lauter
fpöte ©praebprobufte.* Sgl. Sictor ^>ehn: Äulturpflan3en unb 4)aub»
thiere in ihrem Uebergange aub Elften nach @riecbenlanb unb Stalien
fo»ie in bab übrige 6uropa. 2. Slufl. 1874, ©. 160 ff. — Sn ber
Shat haben fp&ter bie IBenben an bet Oftfee »on ben heibnifchen ©fanbi»
na»iem unb ben chriftlichen IDeutfcben bie ©eefebifffahrt unb ben ^oeb»
(*9J)
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feefifc^fang geirrnt, lod^tenb fte ctgnitlic^ ein Sdabau* unb SIn§ftf(^fang
trribenbeb 93olI uaren.
24) ißgl. ^tiebel: Scrobicularia piperata unb Balanus
improTisus tm 9la^ri(bteblatt ber beutfc^m ^alafojoolog. ®rfenf(b<tf^
K. 1872. ©. 82. — 6. griebel: ©rläuteningen ju einet ©atnmlnng
uigefcbidptlit^er unb »orgeft^ic^tüc^eT ®egenftdnbe au8 ber Umgegenb non
@reifemalb, im (Satalog bei 3. »om baltifi^en @entral*iBeieitt für
Sl^ierjuc^t unb S^ietfcbub neranftalteten ^uA^edung Dom 11.— 15. fOlät}
1881. <3. 1— VI. — @. g liebet: J^ierlebeu im SReer unb am ©tranb
Don 91euDOTpommern, in ber 3eitf<^nft ,!Der 3oDlogif4»* ©arten"
Sfl^rg. XXIII. granffurt a. 9R., 1882, ©.307, fomie in ben 9la<^)»
trägen ju biefem äuffa^. XXIV. 1883, ©. 105 flg. — SSergl. enbli^
®. griebel in ben 93erl^. ber ^Berliner Slntbrcp. ®ef. 1882, ©.214
unb S. griebel: 3ur ^ommetfcben SGBeii^t^ierfauna , 9la(^ri(^WbIatt
ber b. malafojool. ©ef. 1882, ©. 87.
25) ^u4 ber fe^r ungemein weitfc^ic^tigen Literatur bet bänifc^ien
ÄJöHenmjbbinger fü^re ic^ nur @inige6 an. 8peII: a. a. D. ®. ff.
— ©eilie: a. a. O. ©. 365 ff. — ©ir 3o^d 8ubbod: JDie Dorgefc^.
3eit, I, ©.217 ff. — 3d? b<*be bereit« in meinem Stuffa^: gif<b»ff*n
in ©fanbinaoien unb ©cf)le«»ig*^)oIftein, Sirculare be« beutfdjen gif(f>etti»
SSerein«, 1874, ©. 88 betont, ba§ mä^renb bie Unterfuc^ungen ©teen»
ftrup’a, got(^^ammet’8, SBorfaae'« erft feit 1847 batiren, fx(^ be»
reif« im 3a^re 1844 bei Oer ft eb in feinet flafftfc^tn JDiffertation
Oe regionibus marinis. Elementa topograpbiae historico-naturalis
Freti Oereaund. p. 19 eine at(bäoIogift^ erfic^tlid^ faum beacfitete
©(flilberung Don 3 ©4)i(f>ten eine« .^ügel« bei IBillingebael finbet:
a) stratae areoae vagae; b) stratum animalium mariDoram. — ln
colle, ab ora remoto, per quem via ducta est, stratum fossilium
quae specierum nunc mare babitantium sunt, Buccini undati,
Fuai antiqui, Littorinae littoreae, Cardii edulis, Cyprinae islandicae
et aliorum magna multitudine stratorum arenae borizontalium
(a) incluBum cernitur; ut primo aspectu effectus maris invenire
nobis videamur. Diversa vero animalia, quae in tarn diversa
profunditate vivunt, quam Cardium ed., Cyprina isl., res arti-
ficiosae quae ibi adsunt, inprimis magna carbonis mul-
titudo, aliaque bis similia, facile nobis persuadent, hunc
collem cumulum arenae, qui Klit appellatur, esse, ut ostendat,
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quantopere effectus aeris maris effectus imitari poasint. — !Bic
b mit ibten ©peifeconApIien unb ürtrfactrn bärfttn ni(^t< aU
bte jtiSffrnmdbbing rineS »orgefibic^tlic^rn gifc^ecoolfd fein.
26) ®. Sriebel: JDie ÄjöHenmobbinget bet SBeflfee,
für ®t^nologie, 1, 0. 82 — 85. — ®. giiebel: ^öblenbauten and bei
Jüngeren 0teinjeit auf 0plt. 3«if4>r- ber @ef für ©tbfunbe, S)b. IV,
1869, 0. 259 — 266. — n. 4>eli®alb: !£er oorgef4ii(^tl. üJlenfct,
II. «ufi., 0. 503 unb 524.
27) gor4)^ammer: lieber bie SSeftanbt^eile beJ 9JJeet»affer«,
feine 0trcmungen unb beren @influ§ auf baS jllima ber jlüften ncn
9lotb*6uropa, im amtl. Setiebt übet bie 24. 9laturfcrf(ber»3Serf. ju
Äiel, 1847.
28) ® re» in gl: JDaJ fölergellaget »on Äunba in Sieulanb.
IDorpat, 1882.
29) Dr. D. 2i|'(bifr: ©eitrüge jut Äenntnig bet 0teinjeit in
Dflpreugen unb ben angrcnjenben ©cbietcn. 0(briften btt p^püfolift^*
äfoncmifdjen @ef., Sa^rg. XXIII, Ä6nig8b. 1882. Stußcr Äfcttcn-
mcbbinger fommen bi* rcidien gunbe Den ©emfltin in ©etraebt,
ben bie gif(berftämme bet ©orjeit funftpoU )u bearbeiten oerftanben.
JDie grc§artigen ©aggttungen, »el(be bie gitma 0tantien & ©edet
im jtutifiben 4>aff not bem Sabeort 0cb»aticrt im neclitbiftben SlUu*
»ium Bornebmen lä^t, haben Botjüglitbe ©emfteinarbeiten geliefert.
SDiefe ©emfleinfad)en fommen nur an gewiffen 0teÜen be« 4>aff8 Bor
unb finb »obl bei 0turmflutben, »eltbe übet bie 9lebrung fortgingen,
im .{>affgrunbe abgelagert worben, ©gl. Dr. fRicbatb Äleb«: fDet
©ernfteinftbmud ber ©teinjeit oon ber ©aggerei bei 0(b»arjort unb
anberen 2ofoIitSten ©reugenS ic., ©ebriften btt pbbf.'üfcn. @ef. ju
Äßnigabetg, 1882 unb ©ttliner Slu0fteIlung8»ÄataIog , 1»80 , 0. 394
bU 397.
30) ©irtbom in ben ©erbanblungen bet ©erl. 3lntbrop. @ef.,
1880, 0. 339 ff.
31) gojiet: a. a. £). 3. 156 — 164.
32) 6ine ftböne ©ammlung primititer gifebereigerütbe au8 9lorb*
9merifa war auf ber ©erliner Snternationalen gij(berei»Äu8fteHung oom
Sabre 1880 jufammengebraebt. ©gl. G. Brown Goode: Exhibit
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of tbe Fisherics and Fisb Culture of tbe United States of America,
made at Berlin in 1880. Washington 1880.
33) Charles Rau: The Archaeological Collection of the
United States National Museum, in Charge of the Smithsonian
Institution, Washington, D. C. Washington City: 1876. ©. 27,
63, 64, 67.
34) S3et^. bet S3erl. Slnt^rop. ®ef. 1877, ©. 143; 1871,
©. 29; 1873, @. 19 ff.
33) gofter, 164—168.
36) 4>. SDleffifcramet fils: gifd^ereigerät^e bet ^fa^lbauet, in
„Slntiqua", Unter^altungflblatt für greunbe bet 9l(tert^um8funbe,
1883, 9lt. 1, ©. 4 ff. — 3n bem flfa^lbau non ^oo8feebotf fanbra
ft^) u. 21. 5 ^)ornl^arpuiien. 9ubbod: 2)ie cotgtft^. Seit. I. @. 11.
37) ?ubbocf: 2)ie Borgefc^it^tl. Seit. I. ©. 171 ff. — M. Troyon:
Sur les Habitations Lacustres. — ®. ®efor: 2>te Pfahlbauten befl
9leuenburget ©eefl. — SRutimeper; .Unterfuchung bet
ben Pfahlbauten bet ©(hweij* unb „Die gauna bet Pfahlbauten in
bet ©chweij."
38) (Srwähnt fei noch, bah bie 2Baffemu§, Trapa natans, eine
fchuimmenbe Pflanje, beten mehliger item ben Pfahlbaufifchetn al8
9Iahrung gebient ju hoben fcheint, in ben ffeinjeitlichen gifcherftatten
non 9Roo8feebotf unb Siobenhaufen norfommt. Die Pflanze ejciftirt
lebenb in bet ©chmeij anjcheinenb nur noch an einet ©teÜe. @ine
gtöhere ncrwanbte ©pecieä wirb non bet gifchetbenßlfcrung in gewiffen
®egenben (ShinaS noch le^t al8 9Iebenprobuft eingefammelt unb ähnlich
ttirthfchaftlich nerwerthet. Die umfänglichfte 2(rbeit über bie einjchläg«
liehe glora ngl. bei 4>eet: Die Pflanzen bet Pfohlbauten.
39) SSgl. (Srnft griebel: gührer but^ bie gifcherei*2tbtheilung
be« IDlärfifchen ProninjiahPlufeum«, Serlin, 1880, ©. 30. — Da«
Plärfifche Plufeum ift reich an bergl. bronzenen gif^erei.®eräthen. —
Da8 S(. ülntiquarium ju töerlin beRht eine bronjene 2lngel mit SBibet*
hafen, au8 bem Pachlah be« Dbriftlieutenant ©chmibt 1846 erworben,
be«gl. eine au8 ®ethatb'e Pachla§ 1869 erworben, eine bergL ohne
SBiberhofen, eine bergt, complicirter mit 2 größeren unb 4 Heineren
.^afen, wohl jum 2lalfang, nier Pabeln 3um Pehftriden, fämmtUdh bei
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6(«ee gtfunbtn. 9ue ber ®ammlnng SDUnutoIi. £)b alle foI(^e, btel*
fac^ au(^ in anberen, öffentlichen wie privaten @antmlungen corhanbenen
bronzenen gif<hereigeräthe fämmtlich bet engem ©ronjejeit angefiSren,
bleibt felbftrebenb babingefteDt. pftfßnlicb h®*’* feinen Sweifel, ba§
bie IRömer, al< fie Slbtüc von ©etmanien bebeirfchten, noch mehrere
Sahrhunberte nach ©^8'"" «nferer 3«itrechnung theilmeife noch bronzene
Singelhafen benuhten, getabe wie noch Jebt folche aufl SWeffing gefertigt
merben, »eil manche Siebhaber Slngelgerfith aut bergl. IDletall bem
leicht roftenben Sifen Vorlieben. S3gl. Dr. S. gtiebetichö: jfleinere
Äunft unb Snbufttie im Slterthum. ©üffelborf, 1871, ©. 253 ff. —
Slbbilbnngen von bronzenem Slngelgeräth ber @ch»eii h®i>‘ i<^ gegeben
ln meiner ©efchichte ber gifcherei k., ®. 126— 128. — Sgl. auch
bafelbft ®. 99 ff. Sin gifchangeln befinben fi^ aut ben ©chweijer
Pfahlbauten von Sibau: 189, SiSringen: 12, Sftavaper; 43,
6ortillob; 71, ßorcelettet: 10, Sluvernier: 2, in einer
©ammlung. SubbocJ: 2)ie vorgefch. Seit- I. ©. 12 unb 41.
40) Sgl. ©trobel unb v. SJlartent in Serh. ber Serl. @ef.
für Slnthrop., V, 1873, ©. 19 ff. — ©trobel; ®ie Serremare. Sr. 7,
Sb. III ber 9Jlitth- ber Slnthrop. @ef. in SÖien. — IDerf.: Le valve
degli Unio nelle Mariere dell’ Emilia e nei Paraderos della
Patagonia.
41) 6. griebel: lieber bie Serwenbung ber ©ügwaffermufchel-
thiere alt ©ch»einefutter in Sorbbeutfchlonb, Seth- ber Serl. Slnthr.
@ef., 1873, ©. 23. — 6. griebel: 2)ie lebenben SBofferthiere auf ^
Internat. gif^erei-Slutft. ju Serlin im Sahre 1880 in bet Seitfchr-
„3)er Soolog. @artm" 1880, @. 326 ff. — gerner bafelbft 1874,
©. 100 bit 102; ferner 6orref ponbenjblatt bet ©eutfchen
gifcherei»Sereint, 1874, ©. 88; ferner @. griebel: ©efchichte ber
gifcherei auf bet intern. gifch.«3lutft. von 1880, ©. 302.
42) ®. griebel: ©efd). bet gifcherei a. a. O. ©. 102. — ^)aupt»
cotalog ber intern. gifch.-Slutft. von 1880, ©.33. — Serh-
ber Serl. Slnthtop. ®ef. 1873. ©. 19.
43) ©chliemann: Slict, ©tabt unb 8anb ber Srofoner. Seipjig
1881, ©. 579, unb Sirchom’t Sotijen bafelbft ©. 133 ff. — Sergl.
auch Sirchom in Serh. ber Serl. Slnthrop. ®ef. 1880, @. 263, 267
bit 269 unb @b. von Startent im Seri^t über bie ©i$ung ber
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Okfellfd^ft natuTfor{(^enbeT ^reunb« ju Snlin »om 17. 3uni 1879,
®. 86 — 93. — 6. STtebd: @efcb. b«r gifi^erri, ®. 116 ff.
44) 35ie eingflnen ©pede« fie§e in tnetnti ©ffd^ic^te bet
gijdjetei jc. ®. 118.
45) SSjl. ®tnft gtiebel: ©te ©tein«, Sronje» unb ©ijeiytit in
bet SRaif l^tanbenburg. iBetlin 1878, ©. 32 ff.
46) ®. gttebel: @ef(bi4te bet gi|(fcetei, ©. 103 ff. — 4>et«
botb’4 Seben be4 93if(^of4 £)tto non ä3ambeig, II, Aap. 24,
1 unb 41. — S3Io(b: Cefonom. 9Iatutgef4). bet gtfcpe ©eutfc^Ionb«,
I, ©. 127. — SBit(^Dtt): ®trculate be« ©eutfc^en gif(^erei*93etein# im
3a^te 1873, ©. 149. — ®. gtiebel: ®enetal'9eri(^t übet bie gift^tei*
2ln<ften. jn Serlin im 3«^te 1873. ®ott.*Sl. be« ©eutft^. gijc^etei*
’Betein«, 1873, ©. 75.
47) ®. gtiebel: @cf(^. bet gif^etei, ©.106. — 6ort.«SI.
be« ©eutfc^en gif djetei.Sßetetn«, 1881, ©.58 ff. — ®. gtiebel:
gurret bur4» bie giftf)etei.2lbt^. be0 fÖlärl. j)tou.>9)Iufrum0, ©. 17 ff.
48) ®. gtiebel: ©ie ©tein«, SBronje« unb Sifenjeit jc. ©.42.
— ®. gtiebel: gürtet jc., ©. 32. — 3ln Äie^en finb u. Ä. »ot*
^anben ober »erben bod) erwähnt in bet ^rooinj Branbenbutg unb 811t»
marf: 1. Branbenburg mit 2 jUe^en (fD)atfgrafen»jIie^ unb j(ie^ eon
bet 8lltftabt»2Bolti^ ; 2. Bee0fo»; 3. Biefent^al; 4. ©liefenborf in bet
Saucf^e; 5. Scpenid; 6. ©renfe; 7. ©riefen; 8. gabrlonb; 9. grant»
furt; 10. greienmalbe a. D.; 11. ®öriö, 2anb 2ebu4; 12. @r£ben im
Jelto»; 13. Äüftrin; 14. ganbsberg a. 9B.; 15. 8ebu0; 16. Sii^ten»
berget Äieft bei Berlin; 17. 8uno», Ucfermart; 18. Dberbetg;
19. $ot0bam; 20. ^rigDalf; 21. fRat^no»; 22. IRet^; 23. Di^ino»;
24. bei ©4iorin je^t fDIacquarb; 25. ©panbau, j»ei, alter unb neuer;
26. ©onnenbutg, 2anb ?ebu8; 27. ©toljen^agen, Udcrmatf; 28. ©tran§«
betg; 29. ©d)webt a.O.; 30. Sangermünbe, SlltmatI; 31. 3ßffn<;
32. ajtieaen.
49) Äßnig: Betfucb einet ^iftorif(^en ©(fjilbetung bet SReffbenj»
ftabt Berlin, 1792, Bb. I, ©. 7. — ®. gtiebel: @ef(f)i4te bet
gifc^erei, ©. 115.
50) ^)omct: 31»« V, 708 u. 7d9. — Slt^enaeu« 1, 16, Onib,
gaft. 6, 173: Piscis, adhuc illi populo sine fraude natabat. Varro
(S»9)
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63
b<t Non. p. 216. H. Bücbeler p. 211: Nec multinummus piscis
ex salo captuB Helops neque ostrea illa magna Baiana quivit
palatum suscitare. — 0edet’S ®aQn<, III. 3. @. 236.
— 3- SDlarquorbt: 4>anbb. ber IRöm. Slltert^ümer. VII. 0b.,
2. 35a« ^tieatlfbett bet Süötntr, 1882, ©.416 ff.
51) ^erobot, V, 16.
52) Sula«, 5, 1 — 11. — H. B. Tristram: The Natural
Histoiy of the Bible. III. ed., 1873, p. 289.
(399)
Stutf noii (Sebt. Unflft (Jl|. (Sirimni) in Serlin SW., ©(fionebergerftt. 17a.
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4
J)er
SottesdtenPt in #fympio.
S3 0 r t r a 9
Don
Dr. ßKbniig Sltitiget,
6(i)ntnan(ilbireftor in äBeimar.
firtU« SW., 1884.
SSetlag Don @arl ^abel.
(C. (0. Bttligilra4i|iaiibIiiDg.)
33. . etrab« 33.
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Saä 9tec^t ber Ueberfe^ung in ftembe Sprachen lohb Dorbe^alten.
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^ie 9Ratutforf(^ung unferet Slage ^at erfannt, ba§ in bcn
gißten untetirbifc^er Äo^Ienlaget ©onnenwärmc unb Sonnen»
H(^t ber Urgeit aufge{)}et(^eTt liegen, »el^e bereinft ftattlici^en
33aumtt)ud^S auf bet @rbe ergeugt ^aben. ÜJienft^Iid^e betrieb»
famfeit fßrbert biefe j^räfte in ©eflalt beS fß^wargen Stenn*
ftoffeö au8 bet Stiefe »ieber empot, unb inbem »it unfete
Sitnmet feigen obet baS IDunlel bet 2öintetnä(bte et^eDen, ge»
langt bie gebunbene ©onnenftaft utweltlit^et Seiten gu neuet
JBitf famfeit.
@in a^nlid^et Sotgang finbet ftatt, wenn bie ^anb be8
Borfd^etS au0 Stümmetftätten be8 Slltett^umS ^unftgebilbe längft
entfcbmunbenet ©ef^led^tet an ben Sag ^olt. HJiädbtis^ Hebet»
tefte Don @tgeugniffen e^emaliget ®eifte8bilbnng liegen an ben
einftigen SESo^nfi^en begabtet Sollet ^iet unb ba untet bet
fd^ü^enben .^ülle bet @tbe oetbotgen. grob @ntbedfung
graben unfete @elel)tten biefe merfmütbigen SEBetfe bet Set»
gangenbeit miebet au8 unb bringen fie mitten hinein in ba8
geben bet ©egenwatt. lDut(b 3ei<bnung unb Sefdbreibung met»
ben Saufenbe mit ben gunbergebniffen befannt gemacht, unb fo
gef^iebt e0, ba^ bet in ben ©ebilben bet Sotfabren gebannte
ÜHenfdbengeift gu neuem geben erwadbt unb noch einmal fein
gidbt übet »eite Äteife unb ferne Seiten leuchten läfet.
3Bie reichlich folth neugetoonnener SilbungSftoff bet auf»
XIX. MS. 1* (WS)
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geiDanbten (o^nt, ift ni(^t gu ermeffen. 9(u^ bte großen
Ausgrabungen, welche baS beutfc^e SRet(!^ an ber Stätte beS
alten Olpmijio fe(^8 Sa^re ^inbur^, »om ^lerbft 1875 biS
gum ^^ja^r 1881, mit einem Aoftenaufwanb non übet
600 000 ÜDlarf oeranftaltet ^at, ^aben einen unf^ä^baren ®e>
toinn gebracht, ^eilid^ flnb bie erjten (Smartungen OJlan^et
getäufd^t worben. 9Ber geglaubt ^atte, man werbe ein griec^t«
fd^eS ^omijeji ■ ftnben , mit ftolgen £em))e(n, i>räd^ttgen .fallen
unb einet güQe non ©ebilben aller .fünfte in fo wo^ler^altenem
Suftanbe, wie bie campanifc^e ^leinftabt, unb äu^erlid^ ebenso
glängenb, ber ^at feine Hoffnung nid^t in Erfüllung ge^en fe^en.
3)et Anblid beS unge'^eueren StümmerfelbeS wirr untereinanber*
geworfener Steinblödte, wie eS bur(^ bilblidbe ©arftellung be«
Tannt geworben ift^), mac^t einen entmut^igenben @inbrudf.
Au(b wer bie gefunbenen ^nfiwerfe muftert, finbet wenig
barunter, waS, wie bet .^ermeS unb bie Siegesgöttin, butd^
überwältigenbe SRadbt ber Sd^ön^eit beim erften Anblid ge«
fangen nimmt. Allein eS wäre t^öridf)t na<^ oberfläc^lid^er
SBabme^mung gu urtl^eilen, wo fc^on bie IDlaffe beS Aufgefun«
benen mit Sid^er^eit erwarten lä§t, ba§ oieleS @ingelne barunter
Bor'^anben fein wirb, weites in irgenb einer ^infic^t eigen«
artigen 2öert^ befi^t.
^enn unS bet berühmte grie^ifc^e ^eftort nid^t in einem
Suftanbe erhalten würbe, bet bem ber oerfdbütteten Stäbte am
IBefuo entfpric^t, fo finb baran bie Sc^idtfale fc^ulb, weld^e
über benfelben nodb nac^ bem SSerfaOe ber ^edenifc^en 93ilbung
»erbangt gewefen finb. @8 bat fi(b betöuSgefteQt, ba§ bie be»
beutenberen 3fiefte beS alten Olpmpia in ben frübeften Seiten
beS SDlittelalterS burdb 3Renftbenbanb unb dlaturgewalt gum
großen $beile »emidjtet würben. 9iadbbem im 3abtc 393 un«
ferer Seitrecbnung gum lebten Sölale bie Spiele gefeiert waren,
(404)
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^at no(^ me^me 3a^T^unberte lang eine ^eruntergefommene
93evölferung an bem alten ^eftorte geno^nt unb mancherlei
SBechfetfälle in Jhieg unb ^rieben erlebt. Silbung unb äBobl*
ftanb ber früheren Seiten maten längfit bahin, überbied war
burch baS @hi^iftenthum bad 33erftänbni§ für bie j^unftergeugniffe
ber 9(ten abhanben gefommen, benen faft immer bie hcibnifche
8eben0anf(bauung anhaftet, unb bie 9ioth ber Beiten lag fchwet
auf ben SRenfchen. Sieben au^ bie SRaubjüge germanifdher
tBülfer non beweglichen @)egenftänben äu§eren SBerthS nur wenig
gurüd, fo befanb ft^h bo^ immer noch ein unerfchöpflicher (Reich»
thum bebeutenber ^unftwerfe an Drt unb ®teOe. ülber rücf»
fichtSIoS bebienten fich bie Einwohner beffen, waS fie für ihre
nächften 8ebenSbebürfniffe brauchen fonnten: eherne S3tlbwerfe
unb @eräthe würben eingefchmoljen, SRarmorarbeiten eblen
©tpl8 in bie Äaltöfen gefchleppt unb ju (Diörtel gebrannt, mit
welchem man bie SBruchftücfe ber alten ^errlichfelt ju fchlechten
Raufern unb 33ertheibigungflwänen oerfittete. 3n folcher SBeife
lebte man, wie ÜRüngfunbe erweifen, bis gegen @nbe beS fechften
SahrhunbertS lümmerlich bahin. (Roch Ranben bamalS bie großen
Stempel; benn weber S3recheifen noch oereinte @ewalt ber SHrme
war im @tanbe gewefen bie ungeheuren Sßerfftücfe auS bem
feften ©efüge ber (Borgeit h^rauSgulüfen. Slber bie Elemente,
welche ba8 @ebilb ber SRenfchenhanb hoffen, oollenbeten enblich
bie längft begonnene Setftörung. SDie fur^tbaren ©rbbeben oon
521 unb 551 nach welche in 93orberafien unb ©riechen«
lanb ganje ®täbte oernichtet hnben, ftürjten in wenig ISugen»
blicfen bie Sauten ber QRenfchen um unb warfen bie ftolgen
Säulenreihen gu Soben. (Roch h^ul^ liegen bie mächtigen Slöcfe
auf berfelben Stelle; au8 ben leicht »erf^obenen Steintrommeln
be8 3eu8tempel8 lä^t fich ba8 frühere 9lu8fehen noch beutlich er«
Tennen, unb gewih wäre e8 möglich einen großen Sh^t^ Säulen
(4051
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«noerfe^rt am ölten 'Stanborte »lebet oufjuricbten. SSergftütje
unb IRegengüffe, »el^e baS @ibreicli bet naben |>5ben b^tab*
f))ütten, vor tSQem bie Ueberf^»emmungen bei betben Ströme,
»elcbe Dlpmtjia von }Wei Seiten einfcblie^en, besten na^ unb
nach eine f(bü^enbe .^üQe von Sanb unb Schlamm übet bie
Srümmevmelt *).
Untei biefet IDecfe b<>i fi^ unoetjebtt gelegen, biS nach
mebi als taujenb Sabren bie ;^bpetboteet bet DReujeit beftimmt
»aten, bie eblen 9iefte beQenif^en ülltettbumö »lebet anö Siebt
gu boien. Unb bie beutjeben ^otfebet finb fi^ bet Sebeutung
ibteö Sbunö lebt »obl be»ubt ge»e|en. IDenn |o grob auch
bie Setflörung erjebeint, unb |o »enig bad ©efunbene bureb
@lang unb IReicbtbum gu blenben vermag, |o unetmebli^ bleibt
boeb, »ie man licbtig geahnt batte, bei »iffenjcbaftlicbe SBeitb
bed butcb bie üluögrabungen and Siebt ©ebraebten. IDurcb bie
Stufbeefung von Dlpmbia finb bei Sltertburndfunbe @ifenntnif[e
gugefloffen unb ^Sufgaben er»aeb|en, an beten Bewältigung man
»eit übet bad gu @nbe gebenbe 3abrbunbert binemd gu febaffen
haben »iib. ©ilt bied gunäebft in Begug auf bie »ertbvoflen
Beiträge gut ©efebiebt^ ber bilbenben fünfte naeb ib^en mannig«
faltigen Stiftungen, gilt ed von ben gablretcben Belehrungen
auf bem ©ebiete bed beHenifeben Staatd> unb ^jlUtagdlebend,
beffen Betftänbni^ vornebmlieb buteb bie gro§e Sltenge von 3n<
febriften geförbert »itb, gilt ed ferner für bie SBiffenfebaft bet
Sptaebe, »elebe burf bie gefteigerte j?enntnib bet gtieebifebfn
IDtunbarten Beteieberung erfährt, fo ift ed boeb elfter Stelle bie
Drtdfunbe bed alten Clbmvia, für bie bad ©tgebnib ein in
hohem ©tobe belebTenbed fein mu^te. IDied aber »iegt um fo
ffwetet, je bebeutenber elnft bie|e Stätte menfeblicbet Bilbung
an fieb unb für bad ©tieebenvolf indbefonbere gemefen ift. ^)iet»
mit gufammenbängenb »irb aber aueb ein metfmütbiged ©ebiet
(««)
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o!täried>tf(^en gebcnS unb SDenfenfl me^t aI8 btö^et Det[tänbli(b.
@8 ift bieS bie gu jDlpmpia in gto^et ißoQenbung auSgebitbete
art ber ©ötteTtete^rung. 2)et olpmbifc^e @otte8bien[t
geigt ein fo tunft»oQe8 @efüge, ba^ i^m gegenübet bie geptieie«
nen Spiele mit allem Subeljör an Sebeutung gurüdtreten, fo»
fern man fie nid^t felbet al8 einen J^eil gotteSbienftli^et SSet»
ric^tung auffaffen will. @8 ift in ^o^em @tabe angie^enb
biefem ®egenftanbe nac^guge^en unb ba8 fReuentbe^e mit ben
teid^lic^ et^altenen fRac^tic^ten bet Sd^tiftftellet be8 aitett^um8
gufammengufteDen.
JDet gefiott Dlpmpio gehörte bet peloponnepfc^en ganbfc^aft
$ifati8 an, wel(be mit ben 9ta(^bargauen 2;tip^plia unb fRiebet»
eli8 Sanb unb Staat @H8 audmat^te. 3m Sßeften bitbeten
bie Stutzen be8 ionif<^en OReeteS, im Dften bie mächtigen $ö^en
be8 atfabife^en IBetglanbeS bie natutlidien Stengen bet ftuc^t«
baten unb anmut^igen Sanbfc^aft. @in Senat von neungig
teben8längti^en fIRitgliebetn, au8 einet Snga^l in tteinen St&bten
obet auf S3utgen fe|^after abel8gef(^le(^tet entnommen, oetfügte
übet bie ftaatlid^e flRac^t unb ^anb^abte biefelbe im wefentli^en
in aufgaben bet IBetwaltung. 0enn ba8 elifcbe 8anb geno§
eines ftebenben @otte8ftieben8. IDutcbgie^enbe .^eete mußten
an ben Stengen bie äBaffen abtegen, unb wenn auib bie 93e»
wohnet in etregten Seiten nic^t vöQig bet S^eilna^me an ^äm«
pfen fi(b enthielten, fo wat bo(h @li8 me^t, al8 ein anberet
griechifcber Staat, vom idtiege oerfdhont unb wu^te fidh biefeS
gefegneten SuftanbeS flug gu bebienen. IDet äSohlftanb nahm
gu unb wutbe butdb taufenb Duellen, bie bo8 $eft ihm etöffnete,
genährt. 9Birfli(h etfcheinen bie @leet wie ein ptieftnlidhe8
IBolf untet ben @tie(hen, unb iht 8anb galt al8 heilige @rbe,
bie ben @6ttetn auSnehmenb am .feigen lag. @iftige pflege
bet @otte8öetehtung, ©thaltung bet beftehenben Sa^ungen unb
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8
lebensfähige äBeiterbilbung »iib atS aidbtige SfegierungSaufgabe
betrachtet, not allem aber bte Leitung bet gtohen, aOe t>ier
3ahic gefeierten Spiele mit »ohlübertegter Sorgfalt unb auf
@tusb einer @rfahrnng, welche bie Uebung non Sahrhunberten
auSgebilbet hot, gehanbhabt. ^Den 9efti^rbnem, welche @liS
fteUte, hatten aQe ©riechen @ehorfam gu leiften. 3h^ 9tame
^eQanobifen, baS hei^t .^eOenenrichter, galt nicht bloS als ein
@h>^^titel, fonbern beruhte auf unbeanftanbeter Slnerfeunung.
Sie waren fith berfelben fehr wohl bewußt, unb bte ^tegierung
non @IiS nerftanb fie unter ^enu^ung aller .^ilfSmittel religiöfen
€lnfehenS auch mächtigen Staaten gegenüber gu ergwingen’).
^Oe Säben ber gotteSbienfilichen SJerfaffung unb SerwaU
tung liefen in ber ^auptftabt @lis gufammen. IDie Sh^tigleit
bet Sehötben erftredtte fleh in erfter Sleihe auf bie Sorge für
bie ^eiligthümer unb bie @ctterbienfte in ber ^auptftabt felbft
unb in Olhmpia. @liS war mit bem Mtotte bur^ gwei $ahr>
ftrafien oerbunben. IDer fogenannte heiligt 3Beg führte in einer
gluSbehnung non etwas über ftrben SJieilen butch bie fru^tbare
9iieberung beS älüftenlanbeS unb gewährte bie URoglichfeit in
einet SageSfahrt ben heiligen Drt gu eneichen. @ine gweite
Strafe, bie weiter bftlich übet bie 93erge lief, war etwas näher.
Dlpmpia als eine Stabt gu begeichnen ift man faum berechtigt.
<SS beftanb auS einer Ißereinigung non gahlreichen gotteSbienft*
liehen unb S3erwaltungSgebäuben , befa§ aber feine eigentlichen
93ürger, bie, wie anberSwo, in bauernbet Sehhaftigfeit unb im
ä)ewu§tfein eineS felbftänbigen @emeinwefenS lebten ober, non
^jllterS heimifch, burch ^anbwerf unb bewerbe ftch nährten.
9)ian wirb eS am erften einem großen SBallfahrtSort fatho»
lifcher Sänber nergleichcn bürfen, ber gu beftimmten Seiten be<
fonbetS ftarf befucht wirb unb, wie eS S3ebütfnih unb Neigung
mit fich bringt, gro^e Sauanlagen unb banfbare Stiftungen
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erhalten ^at. 3nbe§ ftnb fold^e SJetgleiti^e ni(!^t im ©tanbe
ein genügcnbeö ©ilb ber einjigattigen ©er^ältniffe 8“ geljenr
beten ©erftänbni^ fid^ ei[t bem etf(^lie§t, bet auf t^te gotted>
bienfilit^en ©tunblagen nä^et einge^t. 3ut Seit bet gefle »ur.
ben bie ftattlic^en Slem^el unb ^aQen bnrc^ ^enfc^en«
maffen belebt, abet biefe ÜJlenfdben waten Brcmbe unb weilten
nut auf futje 3«t am Ort. 3n bet Sfiegel mu§ e8 einfam in
JDIpmpia au8gefe^en 0ieifenben, weld&e ben
@ammeli>la^ fo »ieled 3Rer!wütbigen gu befu(^en famen unb,
Bon ben ^tembenfü^retn geleitet, bie 3?äume butcbwanberten,
Snaurer, ©teinme^en unb anbete ^anbwetfet, bie ununterbtocben
©efc^äftigung fanben, geifllid^e Sßütbenttäget Berfd|iebener (^rabe,
benen tegelma^ig 8« Berfe^enbet Opferbienft oblag, brachten ein
fpätlicbeS geben in bie ftiHen @tta§en beS ©ötterparffl. ©on
6li8 ^er famen, wie ein neuerer Borfcbet finnreid^ bemerft, glei^
einet ^eiligen ©arnifon bie für be^immte S)auet gewählten
prieftetlid^en unb ©erwaltungSbeamten gut feftgefe^ten Seit i^reS
Amtsantritts herüber unb blieben in Dlpmpia, bis i^re Ablöfung
einttat. 9lur wenige SDienfte fd^einen ftänbigen SBo!^nft^ Ber*
langt gu ^aben*).
Unter feieren Umftänben entwidelte fic^ bie bauli^e AnS*
ftattung Bon Olpmpia bur^auS eigent^ümlic^. ©on Often nach
SBeften rollt bet glu^ Alp^eioS bem 3onij(^en ÜJteere gu, Bon
ÜRotben bet faft rei^twintlig münbet in i^n bet .RlabeoS ein.
3tt bem öftli(ben SBinfel, ben bie beiben ©ttßme bilben, liegt
ber beilise ^ain beS 3euS, bie Alt iS, ein unregelmäßiges
©ieredf Bon betrdibtlicbem Umfange bebedenb, welcbeS Bon $eft*
gebäuben eingefcbloffen war. ©orbwärtS würbe eS butcb einen
bewalbeten ^ügel begtengt, gegen Often bebnten fi(b bie beiben
©ennbabnen für gäufet unb ©offe auS. S)et große weite ^laß
bat fi^ im gaufe bet mebt alS taufenb 3abte, butd) welche
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o^ne [törenbe Unterbre(i^ung »on längeret Dauer bie @pte(e ge<
feiert würben, mit 0auti^feiten aller ^rt, verfcbiebener Qirö§e
unb oerfd^iebenen ^^unftftpled angefüQt. Dem^jel, j^apeden, palaft»
artige ^runfbauten unb eine ungejäblte ÜJienge von @tatuen
erhoben swifc^en ben forglicb gepflegten Säumen beS ,^ainS
in woblgewäblter Slnorbnung, gut angelegte SBafferleitungen
forgten für Sebürfni^ unb Slnmut^, unb eigend baju beftedte
Seamte wagten über bie @rbaltnng unb Erweiterung ber 9ln«
lagen mit Eefc^macf unb Serftänbnil, bem reiche drittel gu
,J)ilfe famen®),
bie ältefte @tdtte olpmpifc^er ©otteSvere^rung barf
man ben ^ügel betrachten, an beffen 0ubabhang bie ÜUtiS fleh
auSbreitet. 9(uf feinem ©ipfel beftanb lange »or Anfang ader
gefchichtlichen Ueberlieferung ein ^>6henbicnft beö Äronofl, ber
adern ülnfcheine nach morgenlänbifchen UrfprungS ift. 9ln biefen
0ih ehrwürbigen ©ottedbienfteS fchloffen fidh bie anbern heilig«
thümer, immer wachfenb an S^hl Sebeutung, an. äBir
bemerfen barunter nur wenige STempel, bagegen finbet fich eine
erftaunli^e Slngahl im freien erri^teter ISltäre gum 3w<dfe
eines eigenthümli^ auSgeftatteten 0pferbienfteS nor, wie er
nirgenbS im Sitterthum feineS gleichen gehabt h«i-
gereifte ^aufaniaS, welcher im gweiten 3ahrhuubert na^ @h>^tfto
bie SlltiS befuchte unb für bie unS erhaltene Sefchreibung
OlpmpiaS unb feine ©efchichte noch ältere Clueden auS guter
Beit benu^en tonnte, h<>t in feiner Darftedung einen werthooden
Einblicf in bie Crbnung beS SDpferbienfteS ber olpmpifd|en ©ott*
heiten eröffnet. Et giebt nämlich eine Slufgeichnung ber Slltäre,
an benen geopfert würbe, unb begleitet fie mit eingeftreuten Se»
Wertungen über bafl, wafl ihm babei bebeutfam etfdhien. Diefer
aufjeichnung ift nicht bie örtliche Sage, fonbern, wie ^aufaniaS
oorauSfehiett unb fpäter noch einmal auSbrüdlich wieberholt, bie«
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jenige Speisenfolge 3U ®runbe gelegt, in welcSei in jebem SOlo«
nate oon ben geiftlicSen S3eSörben auf all biefen .^eiligtSümern
baJ regelmäßige Dl)fer bargebratSt würbe. SBir feßen, baß bie
SPeißenfolge nicßt nur ab unb ju ber räumlicSen wiberfpridßt,.
jonbern baß fie aucS nicSt an bie 3eitli(Se @ntfteSung gebunben
ift. muffen alfo auefcSließlicß gotteebieuftlicSe @)efi(Stdpunlle
gewefen fein, welche bie S3eS5rben gu biefet Slnorbnung beftimmt
ßaben, bo<S finb biefelben für und nur in ein3elnen gdHen nocß
erfennbar. SPitSt weniger al0 69 aitäre werben aufgefüßrl, bei
benen ber monatlicSe SPunbgang erfolgte. @r begann bei einer
Dpferftätte ber .^eerbgöttin im ^rptanenßaufe unb enbete eben«
bafelbft bei einem Sfltare beS ^an®).
IBon allen biefen .^eiligtSümern ift ber große ÜlfdSeuattar
bed bei weitem bad merfwürbigfte. 6t bilbete ben SDPittel«
punft aller gottedbienftlidßen IBenicStungen in £)lpmpia, unb
wie 3eud alle ©ötter, fo überragte er alle anbern Dpferftätten
an @röße unb 33ebeutung. 6r lag auf einem freien $laße im
fSPittelpuntte ber tHltid unb war aud ben IBranbreften bet bem
@otte geopferten StS^^f^Senfel 3u beträcStlicSet j£)öSe aufgebaut,
^aufaniad wibmet ißm eine eingeßenbe 93ef(Sreibung. „JDer
erfte SIbfaß bed iSltard", fo berichtet ber alte SPeifenbe, „ben man bie
^rotßpfid nennt, ßat einen Umfang oon 125 guß, berjenige über
ber ^rotßpfid oon 32 guß, bie |>5Se bed ®an3en beträgt 22 guß.
IDie Dpferlßiere müffen auf bem unteren 3bfaß gef(ßladStet wer-
ben, bie ©cßenfel aber trägt man auf bie ßocSfte ©teile bed
iSltard unb opfert fie bafelbft. 33on 3wei ©eiten bet ^rotßpfid
' füßren fteinerne ©tufen auf biefelbe; ber obere ißeil aber ßat
©tufen oon Slf^e. S3id 3ur ^rotßpfid ift ed aucß fSPähcßen
empor3ufteigen geftattet unb in gleitbet SBeife grauen 3U bet
3eit, wann fie nitßt oon Dlpmpia audgefcßloffen finb; oon bort
bid 3um obe^ften Ißeile bed 3Iltard werben nur SDPännet 3U«
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gelaffen. ©eopfert aber wirb bem 3eu8 nut^ aufeet bet Beftjeit
von Privatleuten unb {eben 5lag von ben (Sleern. 3ä^rltdb ein«
mal, am 9. Sage beS PtonatS @Iat)^{o8, ^olen bie @e^er au8
bem Prptanen^aufe bie bort angefammelte Slfdbe, mi[(^en fie
mit SBaffet au8 bem Sllp^cioS unb ftrei(^en fte fo übet ben
Slltar. 3Rit anberem SBofjer aber läfet fi<b «wö bet Sfebe lein
8ebm bereiten, unb be§balb gilt ber aipb«o8 für ben liebften
Slu| be8 olpmpifdben 3eu9*- Someit ber antife Seriebterftatter.
@8 leudbtet ein, wie gefpannt bie ®twartung ber SluSgrabenben
»at, ob c8 gelingen werbe bie Stätte biefeS wichtigen ^etlig»
tbumS wieber aufjufinben. Unb bieS ift witllicb bet gaü ge«
wefen. 5Racb langem Sueben fam im vierten 3abre ber Unter»
grunb be8 wunberlicben $auwerl8, ein eirunber fRing au8
unbehauenen Steinblöden jum SBorfebein. SBie im alten Sefta«
ment 3ebovab bureb 3Rofe ju SSrael rebet: „So bu mir einen
fteinernen Siltat wiDft madben, follft bu ihn nicht von gehauenen
Steinen bauen, benn, wo bu mit einem ÜReffet barübet fäbreft,
fo wirft bu ihn entweihen" — , fo galt auch ben ©riechen ba8
funftlofe ©ebilbe bet fRatur für beil*SW, al8 SBetf ber ÜRenfehen»
banb. JDiefe erhabene Stätte unaufhörlich gepflegten unb mit
uralter SEBeiSfagelunft verbunbenen Dpferbienfte8 für ben SSater
ber ©ötter unb SRenfeben war ber eigentli^e Hochaltar von
Dlpmpia, von bem täglich ber Dpfetraudh h^^ «De
{»eiligthümet 3um ^)immel ftteg. Sludh ber im Pifatengau alt«
heimifeben ©öttin ^>era, fowie ber ^eftia unb ber ©rbgöttin
waren Slltäre von Stfebe geweiht, allein fie erhoben ficb niebtey
ju ber 4>öhe beS 3eu8altar6, bem fie auch an Sebeutung unb
JDpferbienft naebftanben. Unter ber großen 3ahl ber übrigen
aitäre treten nur noch wenige befonber8 hei^oor. S3on biefen
verbieneu feebs paarweiS georbnete genannt gu werben. .£)erafle8
felbft batte fte alter Uebetlieferung 3ufolge errichtet unb für 3«u8
C«2)
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unb ^ofeibon, ^era unb Slt^ena, .^ermed unb SpoQon, IDion^fod
unb bte S^ariten, Slrtemid nnb ben ^lu^gott Sflpbeiod, enbli^
für Jhonod unb 9i^ea je eine gemeinfame @tätte bet SSere^rung
gegtünbet. 2)ie ©ejt^tbpunfte, nad) benen bie ®ötterf>aare »et*
bunben morben ftnb, laffen nic^t mebi beutlicb eifennen,
ba§ ci bebeutenbe unb wohlerwogene waten, batf au8 manchen
anjeicben gefchloffen werben^-
^Die weiften aOet von ^aufaniaS erwähnten aitäre finb
völlig verfdhwunben, von einigen hat man ©puren entbedt. IDet
Dpferbicnft felbft hingegen h“t feinen einftigen Umfang burch
beutliche Seichen bejeugt. Sn vetfchiebenen Stellen bet aitiö,
gun&^ft ba, wo einft bie afchenaltäre beö 3eu8 unb bet $era
geftanben haben, bann ofllich vom ^eratempel, weftlidh vom
ÜJietroon unb füblich vom Tempel beS 3eu8, fam bei ben ®ra«
bungen eine erftaunliche SJiaffe von Äohlenreften, Dpfetaf^e
nnb {[einem @eräth ju Sage. Einmal barauf aufmerlfam ge>
worben ging man biefen Spuren forgfältig nach unb gelangte
tiefet grabenb nach unb nach beträchtlich unter bic antife SSoben^
fläche bet aitiS. @8 ergab fich, bah bad @rbreidh von bidfen
Sdhi«ht«n eherner unb thönemer SSotivfigürchen ju @h’^en bet
@öttcr, von Scherben, SSlechftüden unb Jfnodhenreften burchfeht
war, unb bah biefe Schichten felbft unter bie @runbmauern bet
älteften @öttertempel hinabreidhen. IDaS ift eine Shatfa^e von
weitreichen bet Sebcutuug. Sie befunbet, bah bereits vor 6r*
richtung ber ©otteflhäufcr in Dlpmpia aitarbienft im heiligen
.^ain unter freiem ^immel ftattgefunben hat. 6rft fpäter wur»
ben bann Sempel errietet, von allen nachweislich am fpäteften
aber gcrabe ber beS 3euS mit bem 93ilbwerf beS ^hi^iaS. Um bie
vorhanbenen aitäre auf ber für ben SeuStempel beftimmten Stätte
p fchoncn, baute man baS ©otteShauS übet biefelben hinweg,
unb noch 3U ^aufaniaS Seit ftanben fie mitten in ber (5eHa
Ml»)
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unter betn freien .^immelSiic^te, baS oben burdb bte 2)ad^öffnun$)
einfiel®).
SStele taufenbe eiserner unb t^önemer Bigürd^en ^at man
aud ben IReften ber Sranbopfer ^erauggelefen. IDte meiften finb
con fe^r einfadber Arbeit, meift IDarfteQungcn oon «18
^ferben, tRinbern, and) SSögeln unb gabelgebilben, »ie ©reifen
unb bergleicben, aber au^ ÜRenfdbengeftalten in oerfcbiebenet
(Stellung, bagu oiele ©eratbftüde mit ben erften Ißerfucben alter«
tbümlicber Sergierung, bagegen feine eigentlichen ©ötterbilber.
SBeggemorfen ober nach lanbläuftger Sitte al8 SBeibgabe am
^Jltar niebergelegt, ober, wie bie angebrachten Siorrichtungeu be«
geugen, an ben Säumen bdd ,^ainS aufgebängt, halben fte fich
in langem Seitraume gu biefen maffenbaften ülnbäufungen gu«
fammengefunben. Unter ben ©erdtbftücfen fallen befonberö bie
gablrei^en fRefte oon IDreifüben auf. @8 ift befannt, mit »el«
dber Sorliebe man ficb biefeS ©erätbcS im griecbifcben @otte8>
bienft für Dpfergwedfe unb al8 immer »ieberfebrenbeS SBeib«
gefcbenf bebiente. IDenno^ bleibt biefe reicblicbe IHnmenbung in
Dlpmpia erftaunlidb. ©rgbledbe, bie getrieben ober gufommen«
genietet bereinft ©infabfeffel ber ehernen Subgeftelle bitbeten,
haben fidb oorgefunben, aber auch gange 2)reifu§e fleinen Um»
fang8 oon guter (Erhaltung fehlten nicht. Sie muffen an ber
gunbftätte felbft irgenbrnie Sermenbung unb SluffteHung gefun»
ben hoben. @rwägt man nun ade Umftänbe, fo fteHt ftdh im
^inblicf auf manches, maS auS Sdhriftftetlernachrichten befannt
ift, ein fehr eigenthümlicheS Sitb oon bem ©otteSbienft be8
oorgefchi^tlichen Otpmpia heraus. Sohthunberte früher, ehe
bort ber ©riechen SSotfer oon fern unb nah gu ben Spielen gu»
fammenfirömten, beftanb ber Dpferbicnft auf bem meitfdhauenben
©ipfel beS ^ronoShügelS mit feinem heiligen Sergattare, beftanb
gu gü^en ber J&ohe ber umhegte .^ain mit feinen forvgfam ge«
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^jfleäten wUben Oelbäumen, |)lotanen unb ©ilberpapijeln, unter
beten ?aubbo(b SHtäre e^rfur^tgebietenber ©ott^eiten ftanben.
Äuf ben unbe^ouenen Steinen biefet Dl>ferflätten Raufte bie
afi^e bet jahraus jahrein maffen^aft uerbtannten il^iete, unb
feiten n>o^l verging ein Sag, an bem nid^t bet ben ©öttern
wo^lgefäDige $ettbampf bnx6) bie Saumwipfel emporwitbelte.
SRingd um bie %'ltäte ftanben gto§e IDteifüfie, an ben Sweigen
bet Säume gingen J^effel unb Seden, bie beim IRauf^en beö
SBinbeS wie ©lodfen aneinanbetfcblugen unb weithin ^unbe ga>
ben von bet ^eiligen SBei^eftätte ^o(bgefeietter ©ötter. ©8 ift
baffelbe Silb, weld^e8 von bem alten Si^e be8 pelaSgifd^en
3eu8bienfte8 im epirotifd^en 0obona überliefert ift, wo neuere
Ausgrabungen ebenfalls ^öd^ft bemerfenSwertl|e ^unbe ju Sage
gefßrbert hoben. JDie olpmptfihe AltiS bilbete ein gotteSbienft*
lid^eS ©angeS, eine Sammelftätte jahlreid^er Altäre, bie, ver>
fdjiebenen ©ottheiten geweift, bod^ gleichfam in ein etngigeS
großes 2Beihgefd)enf gufammengefaht erfd^ienen unb auS bem
©ebanfen erwacbfen waren ben lidfiten SJiädjten beS |>immel8
wie bet bunflen Siefe bet ©tbe ©htfurdbt unb ©anlbarleit ju
befunben unb fith i^reS SeiftanbS gu vetfidhern®).
IDet gefteigerte ©lang beS gefd&ldhtlidben Dlpmpia ift auf
biefer alterthümlidien ©runblage erwaihfen. Sd^uf er auch fort
unb fort Seränberungen beS ehtwütbigen SilbeS Der Urgeit, fo
hat et bodh beffen ©runbgüge niemals gang gu verwtfchen ver<
mocht. 68 folgte bie Seit ber Sempelbauten. 9lodh lä§t fidh
etfennen, wie am §u|e beS ÄtonoShügelS bie erften größeren
J£)eiligthümet entftanben finb, unb wie man von bort weiter
nach bet 9Ritte beS AltiS vorgerüdft ift. 25aS ältefte ©ebäube
bet Art ift bet Sempel bet ehtwütbigen EanbeSgöttin von ^ifa,
ber .J)era, beren Serehrung, auf morgenlänbifdjer ©inwirfung
beruhenb, nad^weiSlich lange vor bet beS SeuS beftanben hat.
(♦15)
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9Iu(^ an unb füt fic^ i[t baS ^eräcn eined bet metfmütbigfien
SOauteerfe beS iSItert^umS, ba ed, tnte fein anbered, no(^ bie
Spuren urfprüngltd^er ^oljarbeit jeigt, toie fte and ben ^er^ält«
niffen bed .^ainbitnfled naturlid^ ^eraudgemacbfen ift. So alt
ed gewelen — unb bie Ueberlieferung rei<bt bid in bad elfte
3a^r^unbert, bie {>erfteOung aud Stein Iä§t fi(b auf bad a^te
3urü(ffübr«n — fo befunben botb, wie wir fo^en, bie Slfe^enrefte
unter feinen ©tunbmauern bad frühere Sefte^en bed tempellofen
IDienfted. S)ad .peräon le^nt ficb im 92orbweften ber 9ltid bid^t
an ben 93erg bed ^ronod an unb würbe f^on frü^ ald Sd^a$>
fammet für befonberd wert^ooQe SBei^gefcbenfe benu^t. 5Der
jweite Tempel war ber ©öttermutter fR^ea gewibmet, er lag weiter
nac^ Dften unb ift ber 3eit nad^ jünger; audb ^ier bejeugen
S<bidbten non Dpferaf^e unter bet @runb(age bed 93aued,
ba^ ber bena^barte tSItarbienft bet @)tunbung ooraudgegangen
ift. SDer britte unb fpätefte, freilidb aud^ bet ftattlicbfte ber
olpwpifd^en Siempel ift ber bed 3eud in ber ÜRitte ber Slltid, bad
berühmte äQerf bed @(eerd 8ibon, oon bem bebeutenbe Srüm*
nier, indbefonbete bie Söilbwetfe bet ©iebelfelber, aufgefunben
worben 33olIenbet würbe bet Sou um bie 9Ritte bed
fünften 3al)tliunbettd oor @^riftud; ni(^t oiel fpäter erhielt ber
Tempel feinen ^errlicbften Sd^mud in bem @5oIbeIfenbeinbiIbe
bed t^ronenben 3«ud oon bet ÜJleifterbanb bed ^^bi^iaS- 31ber fo
bo(^ au(b ganj @riedben(anb oon ber großartigen Sdbonbeit unb
SEßürbe biejed Äunftwerfed begeiftert wot, beffen mächtigem @in»
brucf feiner, ber ed gefcßaut ßat, ficß entgieben fonnte, fo war bodb
feine Sebeutung für ben ©ottedbienft eine untergeorbnete. 3)enn
ber Dpferbienft bed Äroniben blieb nach wie »or an ben gto»
ßen Slf^enaltar ohne Silb unb unter freiem ^immel gelnüpft.
^ußer ben genannten brei enthielt bie ^Itid anbere Tempel nidbt.
iSußerbalb bed b^iliiien pained lag in bet 9täbe bed Stabiond
Ut6)
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17
ein ber JDemeter, ferner am ab^ang be8 Ärono8.
bügel8 ein 5£empe( ber ^immlifc^en Sp^robite unb eine iDoppel«
fapeQe ber Qeburtggöttjn unb be8 5)ämon8 @ofipDti8. iDodb
,^aben unfere au8grabungen btefe fünfte nidbt in i^r Sereicb
gezogen, auch fd)einen bie Sauten ni<bt bebeutenb gemefen gu
fein. S)ie ga^ireicben ©ebäube aber, bie fonft in Dipmpia nor>
banben waren, bienten ber aufbewabrung non @(bä^en ober
bem Sebürfni§ ber Verwaltung unb ber ©cbauftedung non
|)radbt unb f^rSmmigfeit. Unnerfennbar bleibt ber eigentü^e
OJotteSbienft bi8 in bie fpäteften 3«ten eben an bie aitäre ge»
fnupft, unb bie Opferbarbringungen unb bie feierlidben Ver»
ricbtungen, wel^e an bieie fidb anf^Ioffen, bilbeten feinen wefent«
lidbften Seftonbtbeil’“).
SBenn e8 ficb nun barum banbeit ein Silb be8 regelmäßigen
®otte8bienfte8 im alten Olpmpia gu gewinnen, fo barf man gu«
nä(bft non ben großen §e ft opfern abfeßen, wel(be nor, wöb»
renb unb na^ ben Spielen non Seiten ber abgefanbten großer
Staaten, wie non @ingelnen, in betracßtlidber angaßl unb unter
(Entfaltung großer Ißtatbt bargebra^t würben. 2)iefe Opfer,
gu Denen umfangreiche Viebb^erben non weit unb breit ßer»
getrieben würben, waren freiwillige; fie fanben nadß Sebürf»
niß unb Steigung an ben aitdren biefer ober jener ©ottbeiten
ftatt. Smmer aber bilbete bet ^jocßaltar be8 3eu8 ben
fUlittelpunft. 3n ftattlicbem aufguge gogen bie f^eftgefanbt»
febaften um bie ait&re. Voll ftolgen SBetteiferS waten bie Jß”**
neßmer beftrrbt bureb glängenbe au8ßattung bie Scßauluft ber
gaßlteicb nerfammelten ©emeinbe gu befriebigen. dltädßtige
Staaten, wie reieße unb angefeßene ©injclne, pflegten für biefe
©elegenßeit ißre alten Scbauftücfe non eblem fOtetaO, namentlich
Opfergerätß unb ^runlwaffen, au8 ben Schaßfammem ßetnor»
gußolen unb in bem farbenreichen Seftguge aufgufüßren. ©ine
XIX. U3. 2 (417)
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«r^ö^te Stampe im Dften bet Sttid enthielt @i^plä^e für ein*
^eimif^e SBürbenträger unb frembe @^rengäfte; non ba and
fonnte man bie l^rojeffion am beften übetf(^auen, njenn fie
unter ben klängen ber SRufif bur^ baS ^eftt^or i^ren @injug
^ielt unb fi(^ am Beu^tempei norüber langfam ben Stufen be8
^ocbaltard näberte, mo bie feierlicbfte aQet Dpferbarbringungen
ftattfanb. Snbeffen tritt felb^ baS grofee ©taatöopfer bet ®leet,
u>el(bed urfpTÜngliib tnobi ben ^aupttbeil bet Dlpmpienfeier
au9gema(bt bot unb in einer .^efatombe für 3eu9 beftanb, an
toeicbe fl(b Semirtbung ber Staates anf(bIo§,
tro^ aQeS |)runfe9 in feinet gotteSbienftlidben Sebeutung gu*
TÜd, infofem eS eben nur alS Stücf einer @iu3elfeier gu be*
trachten ift. Slngiebenber als bie raufcbenbe |)ra(bt beS ^och*
fefteS unb lebrreicber für bie @runbanfcbauung ber olpmpifcben
^otteSoerebrung bleiben in ihrer 9irt bie regelmäßigen ®ottee*
bienfte ber ftiQen Bvifchengeit, welche, wenn bie 0Dtenfchenma{fen
ber nierjährigen ^auptfeier fich verlaufen b<>il^n, in hccflcbrachtet
Orbnung jahraus jahrein unb fOtonat für SRonat nerridbtet
würben.“)
SluS ber IDarfteQung beS ^aufaniaS fcheint betvorgugehen,
baß ber SJtonatS bienft an ben 69 Sltären, bie er aufgähit
nicht auf bie eingelnen 5£age nertbeilt war, fonbetn baß an
einem beftimmten ÜOtonatStage, fei eS am erften ober am fieben*
ten, ben beiben b^iliflcn Klagen oon jeher, ober gut SSoUmonbS«
geit, an aDen ISltären bintereinanber bie Opferung ftattfanb.
Sag bie SDorbereitung beS ^euetangünbenS, wie eS fcheint, be*
fonbem IDienetn ob, bann fonnte baS heiüge @efchäft, wie eS
f>aufaniaS befchreibt, in guter Orbnung non Sonnenaufgang bis
fDtittag erfolgen. IDenn bie ^anblung war furg unb nach bc>^*
gebrachter Sitte auf ben fStorgen befchränft. IBot ber SRittagS*
geit mit bem IDienft ber ^immlifchen aufgubSren gebot alter
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@Iaub(; benn ^lac^mittag unb Sbenb ge^brte ben Unteritbifd^en.
aiudb war bte ©emeinbe toä^renb bet ^etli()en 93erri(btung mit
mit bem Slngefld^t nach Sonnenaufgang gewenbet S)ie ^eilige
Salbung ^atte für ben fRunbgang an aQen Siltdren beftimmte
IBotfcbriften feftgefe^t. fOlan lie^, md^tenb ade Snaefenben
in »eibeoollem ©(bmetgen cer^arrten unb f^IStenmufif ertönte,
SBei^raudb unb ein @emenge non SBetjenme^I unb ^onig über
bet flamme aufbam^fen unb f^enbete ben @öttetn SSBeingüffc;
bte i2Utäre aber mürben mit Dlinengmeigen unb Sdnbern ge«
fcbmüdt. S)em 3euS gu @bren fanb ferner, mte mir faben, an jebem
Slage ein Dbf« «“f bem ^)0(baltare ftatt. Sei aDen Opfern für
3euö mu^te baö ^olg nach einem alten burcb bie Sage begrün«
beten ^erfommen non ber Silberpappel genommen merben;
fo nämlidb fodte ei ^erafled felber geftiftct haben. ^u§et biefen
regelmäßigen ^ageS« nnb ddonatöopfem fanben anbere größere
Darbringungen bei befonberen Gelegenheiten ftatt. IBiele maren
mit gaftlicher Semirthung im 9>tptanenhaufe nerbunben, mo
bie Sluögrabungen no(h unb ^afelgefchirr gu >£age geför«
bert haben. Dort mar auch eine ^apede ber ^eerbgöttin ;^eftia
eingebaut, unb auf bem Sfchenaltare biefer Göttin brannte ein
emigeö Seuer. Sei ben Opfermalgeiten maren beftimmte GebetÖ«
foimeln norgefchrieben, meldhe bei ben äßeingüffen gu Einfang
beö Sdhmaufed gefprochen mürben. Such pflegten eigenö gu
biefem 3we(!e in botifcher ddunbart abgefaßte geiftlidpe Sieber ge«
jungen gu merben^*).
dJlerfmütbig für un6, aber im SBefen bet Sache felbft be«
grünbet, menn biefelbe bei dRannigfaltigfeit unb Sielfeitigfeit
ber Vorgänge Dauer haben fodte, ift bie peinliche Genauigfeit,
mit ber auf bie überlieferten Saßungen geachtet mürbe. G8
erflärt fich barauö, gumal menn man auch bie gahlreichen anber«
meitigen gotteöbienftlichen Senichtungen unb bie umfangreiche
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SJrrttaltuncj bcfl Bon Sa^T^unbert ju So^t^unbert amnadjfcnben
(Sigent^umd in Setra^t bie beträchtliche 9(n3ahl ber Bom
elifd^en Staate befteDten Seamten. Ueber bie Betfdhiebenen
Slemter, benen ber ©ottesbienft unb inSbefonbere bie 2)ut^*
fühmng bet Opfer oblag, geben bie SchriftfteDer einigen 8In»
halt, unb ba3u ift je^t bur^ bie ^nfehriften weitere Belehrung
gefommen. SBährenb bie Leitung bet ^efifpiele nnb adefl beffen,
wad an biefe fidh anfehioh, ben ^eilanobifen unb ihren Unter«
gebenen übertragen war, fo ftanben an ber Spi^e ber geifilidhen
Sehötben brei fDtänner, wel^e ben Sitei Bon führten
unb in ber Bierjährigen Seit Bon einer Olpmpiabe bis 3ur an«
bern mit ber oberften Leitung ber gotteSbienfilichen ©efchäfte
betraut waren. Sie theilten fich in biefelbe fo, bafe einet nach
bem anbem je einen ORonat lang beS Slmtefi waltete. 3)ie
Sheofolen gehörten Bornehmen elifchen ©ejchlföhtern an unb
fcheinen nur währenb ihrer 2)ienft3eit in DIpmpia gewohnt 3U
haben, wo ihnen ein eigenes 9(mtSgebäube 3ur SSerfügung ftanb.
©eigegeben war ihnen ein fdhriftBerftänbiger ©eamter, bet
©rommateuS, um baS mancherlei Schreibwerf, weldheS baS Ber«
antwortli^e 5lmt mit fich brachte, 3U beforgen. 3h«cn gut Seite
wirften brei anbere geiftliche SBürbenträger, bie Sponbophoren.
3Ran barf biefelben wohl als bie fltechtSfunbigen beS ^)eiligthumS,
bie ©ibeShelfer unb .^üter ber in Olpmpia abgefchloffenen ©er»
träge be3eichnen. ISuch lag ihnen ob, alS Slbgefanbte beS elifchen
?)riefierftaateS in jeber Olpmpiabe ben ©eginn ber Sefi3eit unb
beS bamit für ©riechenlanb gebotenen ©otteSfriebenS an3ufagen.
2Bie bie Sponbophoren, fo gehörten auch ®lrr als „Seher“
begeichnete geiftlidhc ©eamte 3U bem ftehenben Opfetperfonal.
auch ihnen waren noch befonbere ©errichtimgen übertragen,
über weldhe weiter unten gu hnnbeln fein wirb, gür bie @r»
haltung beS SnoentarS waren gwei Äleibu^en, gu beutfeh
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©^lüffelträger, angeßeDt; fie Ratten bte Db^ut übet bie ^eiligen
6)eb&ube unb bmn @(^ä^e. $ür bie 3nftanb^altung bec
Bauliebfetten, Slltäre unb aufgefteUten ^^nftmerfe tnaib bureb
einen be|onberen 0adbuerftänbigen, ben Ülrdbiteften, gefolgt.
3)en böbeten SBiiibenträgern [taub eine grofee SJienge oon Unter«
beamten, toie SageSopfeier, Siötenfbieler, SSeinfebenfen, ^ö^e,
unb S)ienerfdbaft für Heine Beniebtungen 3U1 Seite. Sogar
Ständer, toelcben bie SuSfübrung bed oermutblid) in fün{tli<be<c
IReigenform ftattfinbenben Dpferumgangfl unb äbnlitber litur«
gif^er ^anblungen itbetioiefen toar, unb Srembenfübrer für bie
3ablrei^en Befueber, bie DlbmpiaS 9)iertioürbigteiten ju befeben
famen, merben genannt, felbft ein ^oljtoärter (XpleuS) fehlte
nicht, bei baS oorgefebriebene Dbferbol^ gu liefern b«Hs-
gewinnt man baS Bilb einer umfangrei^en, ben Bebürfniffen
anget>a§ten Beamtenfcbaar, weiche ftänbig ober oorübergebenb
in DIpmpia weilte unb reichliche Befebäftigung fanb. S)a bureb
biefe 9Könner bie ben jablrei^en ©öttern gebübrenbe Dpferebre
gewifferma§en im großen unb ganjen oerriebtet würbe, fo be«
burfte man eigentlicher ^riefter für bie eiugelnen ©ottbeiten
faft gar nicht. SBir böten nur oon ?)rieftcru beS Äronoö, bie ben
altertbümlicben Sitel oon Königen führten ; auch einer beS 3eud
wirb erwähnt, boeb war feine Stellung ohne fonberlicbe Beben«
tung. Hl6 SIngeftellte priefterlicber 2lrt fann man aKenfaHS
noch bie |)baebrpnten bezeichnen, !Dlänner aud ber IRj^fommen«
febaft bee ^hibiaö, weldjen bie {Reinigung unb ©rbaltung beä
Seudbilbed oblag, unb benen ein befonbered Dpfer für 9ltbene
©rgane gur gemacht war. Snblicb foll au^ beS .Knaben
nicht oergeffen werben, ber mit golbenem SReffer bie Deljweige
gu ben SiegeSfrängen oon einem beftimmten Baume abgufebneiben
batte. {Rur ein folcbeB Äinb, bafl beibe ßltern noch am 8eben
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^atte, butfte mit biefet ^eiligen ä3etri(^tung betraut werben,
ba blefe eine reine unb glficfli^e ^>anb erforberte ' *).
3)tefer großen ®(^aar männli(^er ülngefteQter fte^t eine
Slnja^i im @otte6bienft befc^äftigter grauen gegenüber, welchen
ni(bt minber geregelte JDbliegen^eiten übertragen waren. @ine
0(bwefterf(baft von fec^jebn betagten IDamen nome^met 9b*
fnnft, beten Stiftung auf bie Vereine ^ippobamia jurücfgefübrt
wirb, ^tte in @liS bem IDionpfoS, in Dlpmpia bet .pera gn
@^ren mancherlei Obliegenheiten. 9IIe uiet Sahte mußten fie
ber großen @ötterfönigin ein ^ra^tgewanb weben unb einen
IBettlauf junger Räbchen oeranftalten, wobei ber Siegerin ein
Olioenfrang unb ein Stücf con einer bet ^exa geopferten ^uh
gefpenbet würbe. IDen fechgehn ^auen ftanben oerheirathete
3)ienetinnen gur Seite. IDie Schwefterfchaft hatte ferner gu be*
ftimmten Sfiten gu @hren ber beiben ^>etoinen ^hpöfoa unb
^ippobamia Steigentänge aufguführen unb @ebächtni^feiern gu
ueranftalten. IDiefe Aufgaben »erlangten bie 9nwefenheit ber
Sechgehn balb in @Iid, balb in Olpmpia. ferner h^^^cn wir
»on einer alten ^au im IDieufte M SofipoliS unb ber 6)eburtd*
güttin. Sofipolid war ber Sepu^geift bed 8anbed unb hatte
im innetn IRaume bet oben erwähnten IDoppelfapeQe fein <^eilig*
thum, welches nur bie 9lte in weiten Schleier gehüQt betreten
burfte, bie ihm Sühnopfer unb .^onigfuchen barbrachte. IDie
norbere paQe ber .Kapelle war bet ©eburtSgöttin geweiht; bort
pflegten f^tauen unb SRäb^en bie Gottheit burch feftlichen ®e«
fang gu ehren unb fRäucheTwerf bargubringen. IDie greife
IDienerin beS SofipoliS muhte fid) nach elifcher Sa^ung eines
oöQig enthaltfamen äSanbelS befleihigen. UebrigenS befah auch
bie ©eburtSgöttin felbft eine *})rieftetin, welche jebeS Saht neu
gewählt würbe, pochangefehen war enblich baS ^rie^erthum
ber @föttin IDemeter; eS we^felte unter ben oornehmen Stauen
CiM)
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bed 8anbed unb brachte ben befonbeten SSötl^eit mit fic^, ba^
bie Sn^aberin ben Dl9m^>if<^en Spielen juf^auen barfte, teö^reab
allen anberen ^auen baS blo§e betreten bed ^eftpla^ed mä^renb
bet ^eiligen 3eit auf baß ftrengfte »erboten mar^*).
3n ben bisherigen ©rßrterungen ijt eine Seite noch nicht
berührt, bie auf einer befonberen Siichtung hcHenifchen ©laubcnS
beruht unb im Saufe ber Seit immer größere Sebeutung er»
halten hat- IDicS ift ber auch in @IiS-'Dlhmpia reich auSgebil»
bete ^»eroeubienft. 5)ie gro§en ^erfönlcdhfeiten ber Urjeit,
Don benen Sage ober ©efchichte .^unbe gab, unb bie um Sanb,
SOoIf ober ©otteSoerehrung 33erbienfte hotten, burften nicht un»
geehrt bleiben. JDieS erforberte iDanfbarfeit unb abergläubifchc
Scheu zugleich. Solche ©eftalten finb eS, bie mit bem SRamen
|)eroen bejei^net »erben. 3h*e Verehrung fnüpft [ich ganj
überwicgenb an ^Reliquien unb an ©räber. 6S galt in ben»
fenigen griechifchen Sänbern, bie befonbetS auf gotteSbienftliche
Ucbung hielten, in Stabten namentli^, »ie fDelph»» Sheben,
2lrgo8, für ein befonberS fchfih^areS ©rbtheil ber SSorjeit, heilige
©räber ber oerbienten SRothhelfer unb ^üter beS 0rtä ju bc»
fihen. fStan badhte ftch bie Jperoen in ber ©rabfammet
mohnenb unb ber gebührenben Cpfergaben hoeeenb, jumal an
3ahreStagen ber ©rinnerung ihrer Ahnten ober bei grofeen SanbeS»
feiern. 5)a rief man fie auch ®ohl burch ©ebet unb ©efang
empor unb glaubte, ba§ fie unfichtbar fich einftellten, bem 9iufc
gehorcheub. Solcher heiligen ©räber befah auch Olpmpia unb
bie ^)auptftabt ©liS nicht »enige; »or allen waren bie
beS ^elopS unb ber ^)ippobamia in ber SSltiS »ürbig auSgc»
ftattet, umfangreiche Sejirfe, fleinen griebhöfen gleichenb, mit
©aumpflanjungen, baulichem unb ftatuarifdhem Schmuef »er»
fehen. 3m Stabion befanb fich ein ©rabmal beS fagenberühm»
ten ÄönigS ber SBorjeit ©nbpmion, unb in ber JRennbahn »urbe
(i»)
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eine @teQe gejeigt, an welcher bie ^fetbe fd^eu gu tterben
pflegten, benn bott war ed nic^t geheuer, trgenb ein ^eroö lag
an bet @teDe begraben, wer eS [ei, barüber waren bie OReinun«
gen get^eilt. ferner waren weitet aufwärts am
@täber beS Äönigö OinomaoS unb bet ^eier feinet 2o(^ter gu
fe^en ; (elbft »on ben ?)fetben jener ^eiet wieö man bie @rab»
ftätten vor, unb fogar ein übelberüc^tigter 0iäubet bet Sorgeit
[RamenS @auroS erbieit gebübrenbe ©rabeS^fiege. f9n ber
8anbeSgrenge war baS @ftab beS SRanneS, bet ben erften olpm«
t)if(ben @ieg errungen botte, befl ÄoroiboS, erbalten. 5« 6ÜÖ
felbet aber glaubte man bie fRubeftätten ber alten SanbeSfönige,
beS O^cpIoS, beS fSetoIoS, beS SlugeaS unb Slnberer gu befi^en,
fogar eine leere ©ruft beS SldbiQeufl rühmte man fieb bott gu
haben unb hielt fie bi’tb tn ©b'^e»; t^enn war ben 8ei^nam gu
beftatten nicht möglidb gewefen, fo behalf man ficb mit einem
Äenota^jb, um an biefen bie ©rinnerung gu fnüpfen'®).
[Run beftanb auch biefen Slobtenbienft alte tjriefterliche
©ahung. ©chon ber Äönig OirploS, fo bie§ e8, unter bem
aetolifche ©inwanberer bereinft in ©liS fi^ angefiebelt batten,
habe für bie ©rbaltung bet alten i^eroenbienfte ©orge getragen
unb neue eingefübrt, unb noch gu ^aufaniaS Seit würbe aOen
^)eroen unb ^>etoinen, fooiele ihrer nicht blofe in JDIpmpia, fon»
bem auch unb fogar in 2letolien verehrt würben, baS
gebfibrenbe ©ranbopfer bargebra^t. gür gröbere .^eroenopfet
beftanb ein befonberer ©rauch, t>er fogenannte ©nagiSmoS. S)a
baS Opfer ©erftorbenen gewibmet war, fanb eS gegen 9lbenb'
ftatt, unb aDe ^beiinebmer waren bei ber heiligen {)anblung
nach ©onnenuntergang gewenbet, wo nach altefter ©orftellung
baS [Reich ber lobten lag. fDie Opferung gefchab nidbt auf einem
IHltat, fonbern übet einer ©rube; benn eS fam barauf an, bab
baS ©lut in bie ©rbe binabbrang. iDaS Opfertbier würbe bar*
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über gebeugt, bet aber ^inabgebrücft unb abge|d^nitten,
ttä^tenb bei für bie ^itnmltfdben @)ötter bet ^aU bei
Sbieteg nad) oben gerichtet unb bet £of>f na^ gezogen
ttutb^ 93on aOen ^etoen galt in DIpmpia als bet bebeutenbfte
^elopS, ihn ehrte man fo hi’ch unter ben ,^eroen, tvie ben 3eud
unter ben ©üttern. Sähtlich »urbe ihm ein fchwatjer SBibber
geopfert unb audh hierbei baä ^)olj bet SBei&pappel gebraucht.
SBet aber oon bem Dpferfleifche a§, burfte ni^t in ben 3euß»
lempel treten, benn er war burch tSerührung mit ben 3)iächten
beß j^obrß unrein geworben; baher erhielt au^ ber @eher nicht,
wie fonft üblich, 9lntheit am ^(eifch, unb nur ber ;^oIjwärter befam
ben ^>aU beß Jh*eteß. IDie ©rabeßehren für .^ippobamia würben
oon ben fechßgehn grauen bargebracht, unb baß Opfer machte
ebenfaUß ben .^aupttheil berfelben auß. 9ioch in fpüter 3eit
glaubte man in DIpmpia bie heiligen @ebeine biefer @agen>
geftalten bet SJorgeit ju befi^en unb ergöhlte ffiunberfameß oon
ihrer SBiebergewinnung, nadhbem fie lange im Sußlanbe [ich be>
funben hatten. IDie olpmpifchen ^eroenehren müffen giemlich
gahlreich gewefen fein, wenn fie audh nur theilweife überliefert
finb. @ie »eroollftänbigen baß ©efammtbilb beß olpmpifchen
©otteßbienfteß nad) einer fWichtung, welche im Saufe ber 3eiten
leineßwegß oerbla|te, fonbetn unter bem ©influh gefchichtlidher
SSerhöltniffe neue Slnregung erhielt, wie 4>eiligencerehrung gu
3eiten auch bei chriftli^en 3?ßltern ben reinen unb unmittel*
baren ©otteßbienft gu überwuthem gebroht h<>t- eß foweit
ni^t fam, bafür forgle in Dlpmpia bie feftgefugte Drbnung ber
©otteßoerehrung , welche baß alte heilige 9Serhältni§ niemalß
ungebührlich trüben lie§**).
Sieben bem SUtarbienfte unb ber .jperoenoerehrung tritt alß
britte bebeutfame ©inrichtung beß olpmpifchen ©otteßbienfteß
baß uralte Orafel ber ©rbgöttin hetüor. Uralt war eß, wie
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bie @Tborafel in ©riec^enlanb überhaupt, ^an eilennt and
tnancberlei Sagen unb unmittelbarer UeberUefeTung, ba| fpäter
ber Dienft ber btnimlif^en @5tter bie SSere^rung jener 9]%ä(bte
ber Xiefe unterbrüdte, in ben ^inlergrunb fcbob ober in ge>
jcbidter SEBeife ber iDttdlegenbe unb bem IRituat eiu3uorbnen oer>
[tanb, inbem man bie SBei^e bed ISUertbumS unb baS @e^eimni§«
»olle biefeS 2)ien[te8 für bie ceränberten Siele nu^bar machte.
3n DIpmtJia, wiffen mir, befa§ bie (ärbgöttin @da einen 9lfdjen»
altar unb trat baburdb an SSebeutung ber ^eftia, fo mie ben
beiben ,£)auptgott^eiten Seuä unb ^era an bie Seite. 9leben
biefem 21j(benaitar mürbe eine @rböffnung gezeigt, au8 ber bie
begeifternbe ^raft bem Scbo§e ber nä(btli(ben Siefe entftrömte.
@in jmeiter Slltar neben biefem ßrbfpalt mar ber SE^emifl ge»
meibt, meldbe nlö 33ettrelerin ber göttlichen Sa^ungen in 9Rit»
mirfung trat unb ba8 SBalten einer emigen unabdnberlichen Drb*
nung befunbete. S)ae @rborafel oon Dlpmpia f<hIob fi(h an
3eu0 an, neben bem bie ©rbgöttin bereinft in gleicher SBürbe
geftanbcn gu haben fcheint, mie in Dobona. Später trat ihre
Sebeutunvg juröcf, unb bie Drafelgebung felbft erfuhr manche
Slenberung. 3n ber älteren Seit haben bie Sprüche ber olpm»
pifchen @äa namentlich in ben peloponnefifchen gänbern eine
anerfannte unb gefürchtete ÜKacht gebilbet. IDamalS gog man
nach £)lpmpia nicht um Spiele gu feiern, fonbern um bie Sahun»
gen ber Gottheit gu vernehmen unb an hi’^heiliger Stätte
hoppelt mittfame unb mohlgefäQige Dpfer bargubringen
3Benn nun aber auch allmählich ba8 ^Infehen ber prophe«
tifchen Stätte über ber ©ntmidelung ber anberen Seiten olpm»
pifcher |)errlichfeit mehr unb mehr bahinfchmanb, fo erhielt ftch
buch bie (ärinnerung baran in ben Seherf amilien ber
Samiben, Älntiaben unb JeÜiaben fort, beten ©lieber in eine
priefterlichc ©enoffenf^aft eingeorbnet mären. 2)ie 2elliaben
i*K)
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treten geitig in ben ^intetgrunb, bie beiben anbern @ef(i^Ie(^tet
aber nahmen Sa^r^unberte lang an ben Opfern t^eU unb pfleg*
ten am .^o^altar bed 3eud altüberlieferter Jbunft auS ben
brennenben Settt^eüen ber ©cbenfel, befonbetd aber and ben
Siiffen unb ©palten be8 ScUeö ber bargebratbten Opfert^iere
bie Sufunft gu beuten. 3nbem fo bie ©eljerfunft ben @ef(^le<^»
tern an^aftetr, blieb bie Stellung ald Opferma^ifager in ben*
felben eine lebenslängliche unb erbliche, mdhrenb bie übrigen
geiftlichen SBürben gumeift burch 9Bahl befe^t mürben. So er*
hielt fich vom SSater auf ben Sohn fortgeerbt bie eigenthüm*
liehe ^enntni§ ber Sei^enbeutung alS merthooHer Sefi^ unb
mit ihr oerbunben ein Scha^ ftaatli^er unb gotteSbienftlicher
SSeiSheit, ber auch im iSuSlanbe 21nerfennung fanb. Mächtige
Staaten juchten ©lieber biefer ©efchle^ter alS IRathgeber in
ihr 8anb gu giehen, unb bie ©ejchichte berietet oon bem 6in»
mitten biefer SKännet auf bie ©reigniffc. fflamentlich jeheint
mon fie gern als ^eereSpriefter, melche bei jfriegSgügen bie
Beihilfe bet ©ottheiten »ermittelten unb jelbft friegerifche IRoth *
fchläge ertheilten, gemonnen gu haben. 3n ihrer ^eimath aber
geugen gahlreiche Snfehriften noch in romifcher Seit »on ihrer
2:heilnahme am Sltarbienfte. S)ie SluSgrabungeri haben ein
mertmürbigeS ^enfmal gu Sage geförbert, melcheS man mit
biefen Sehern in Segiehung gebracht hat- ©S ift ein niebriger
»ieteefiger Sitar mit aufgemalter ISldtterDergiecung unb ber 3n*
fchrift fjQwog, baS ift „bem J^eroS gehörig". 9ldhere Unter*
juihung ergab, bah unter brr oberften ^arbfehicht anbere ftch
befanben, unb eine »orfkhtige Sblöjung etmieS, bah mehr als
ein 3)uhenb foefcer Schiften mit ähnlicher SBetgietung überein*
anberlagen. S)ie forgfdltig angefertigten Sbbilbnngen aber geigen
einen SBechfel ber 3nfdhrift, mitunter finbet fich neben fjQu>ng
in bet ©ingahl auch ^ie Sorm ber SWehrgahl r^Qiiutv. 5Den
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®c^(u§ »on @urttud, ba| biefet auf blo^ei (£rbe innerhalb
eines ^auerringS mit tricbterattigei Vertiefung in einem 2ln«
bau beS ben Stb^ofolen eingeräumten SlmtSgebdubeS gefunbene
ültar ben beroifdben Slbnbetrrn bet Samiben unb ^Iptiaben
ober bem bei erfteren adein gemibmet mar, unb ba^ barauS
bei 9Beibfel non @inga^l unb lIRebija^t fi(b etfläte, ift febt
beftecbenb. 3ft er richtig, fo mürbe auch bie meitere Folgerung,
bah eben bort bie @tdtte bed @rborafel8 gemefen fei, jiemli^
berechtigt etfcheinen. @rmiefen ift freilidb feines non beiben.
2iu(h fcheint eS an ficb mabrfcheinlidber, ba§ baS @dabei(igtbum,
mie bie dtteften ber ^ItiS überhaupt, innerhalb beS c^ainS unb
näher bem ^ronoSbeige 3U gelegen h^l- 2iheof<^lenhauS
aber liegt außerhalb ber meftli^en SlltiSmauer. ®ei bem, mie
ihm molle, eS mirb baburch ber S^hatbeftanb nicht beeinflußt,
baß ber olpmpiiche 2)ienft ln feinet früßeften Seit unter bet
fcßmermiegenben SRitmirlung ber Drafelgebung ber @rbgöttin
unb beS SeuS, nermittelt burcß erbli^e ©ehergefcßlechter, fich
entmidfelt unb auSgeftaltet h“i**)-
3Qit fommen fchlteßlich auf einen bet erheblicßften ^^eflcßtS*
punfte für baS Verftdnbniß ber olpmpifcßen ©otteSnerehrung,
nämlich auf'baS Beftmefen unb ben heiligen dfalenber. Senn
eS ftch nach griedhifcher Sitte »on felbft »erfteßt, baß bie @ott»
ßeiten eines in ritualer ÜluSbilbung fo ßocßentmicfelten DrteS je
nach ißter Vebeutung neben bem laufenben 5)ienfte auch i>urch
befonbere geiern geeßrt merben mußten, unb menn biefe geietn
an beftimmt mieberfeßrenbe Stage im Saßre ober einen längeren
Slbfcßnitt gebunbenmaren, foergiebtftchnothmenbigbaSVorßanben»
fein einet für bie Swedfe beS ©otteSbienfteS georbneten Seit»
eintßeilung. Seßtere feßt als @runblage ben bürgerlichen dfa»
lenber voraus. Snbeß ift biefer in feinen 9(nfängen überaD in
griechifchen ganben felbft auS ben religißfen Vebürfniffen et»
(4*8)
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»a^fen. 9[lte |)tiefteTiDei0^eit ^at bet ben ^edenen bte
ftbwterige dReffung unb Orbnung ber Seit burcb @rfenntni§ be0
Kaufes bet beiben meffenben ®eftirne @onne unb dßonb ju
beaetffteDtgen gelernt. 5)ie ©tiefen befaßen ein SRonbjabr »on
12 SRonbmonaten ober 354 Sagen. S)iefeS blieb Eintet bem
@onneniabt um 11^ Sage gurücf. .^ierauS ergiebt fi^, ba§
beftimmt batirte ©ötterfefte nad) unb nach bitten bur^i aOe
3abre0jeiten muffen. 6in folget Suftanb war
ganj unbaltbar. (Sin ©rntefeft 3. S., bei »eicbem gemiffen
©ottbeiten !Banf für bie ©abe ber gelber bargebradbt »erben foH,
fann ni^t baS eine mal am 1. Sluguft, ba0 nä^fte 3abr 11^ Sage
früber am 21. Suli unb natb SSetlauf »on 3ebn »eiteren Sobren
3U Anfang SKörg gefeiert »erben. SIbbilfe bot allein ein Slu§»
glei^ 3»if(ben bem «Sonnenjabr »on 365| unb bem ÜRonbjabt
»on 354 Sagen burcb recbt3eitige ©infcbaltung an 3»edmä§iget
©teile, ©ebr fröb wan auf ben a^tjäbrigen ©(balttreiö
gefommen. 3n a^t Sab’^*“ ergiebt bet ttnterf^ieb »on je
11^ Sagen bie runbe ©umme »on 90 Sagen unb biefe 90 Sage
teilte man in 3 dltonate »on je 30 Sagen auf unb fügte jebeS
brüte, fünfte unb atbte 3abt biefeö Seitgan3en einen gu ben
übrigen 3»ölf als ©dbaltmonat gu. ©0 entftanb bad berühmte
©roljabr ber ©rietben, bie fogenannte DftaeteriS, »eltbe ad)t
gewöbnlitb« 3ab^f umfafete unb, al§ ein beüifleS ©angeö geltenb,
»obl überall burcb ein b<t»orragenbeS geft bet ganbeSgottbeit
eingeleitet »urbe. 3(u^ bie elifcbe ©eberfcbaft, »eicbet, »ie au8
einet ©teile beö ^aufaniaS b«’f®argu geben fcbeint, bie Orbnung
beö Äalenberö oblag, baüe biefe ©inridbtung bereits febt früh
burcbgefübrt, ein SSerbienft, baS, »ie manche anbete ber olpmpifcben
SDrbnungen, bem ^erafleS gugefcbrieben »urbe. 33ieIeS fbricbt
bafür, ba| bie alten Olympien beS SeuS unb ber j^era bereinft
a^tjSbrig gefeiert »urben. ©ie »aren ein ©dbaltfeft gut ©in»
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teitung beS neuen ScitfreifeS unb hielten ben @inn einer grogen
Steinigung unb SteugerfteOung bet gottedbienftli^en Regierungen
feft. 0)>äter, a(d bet ®Iang bet 0piele beten r^ufige 9Bieber>
rotung ertnünlcgt machte, uutbe bad groge Sogt non 99 SJtonaten
in gwei Sgeile getlegt unb bie Dipntpienfeiet ade vier Sagte
abtt>e(gfelnb balb nadg 49, halb nacg 50 dJtonaten begangen. 3)a4
elif^'olpmt^ifcge Sagt begann im ^ocgfommet an bem bet
0ommetfonnenmenbe gunäcgft liegenben 92eumonb. Ron ba an
liefen nun feine gwolf SJtonbmonate oon abmecgfelnb 30 unb
29 Slagen tegelmägig fort. Ron ben Stamen biefet SRonate
pnb nur »iet belaunt. SBie bet etfte ÜRouat be8 3agte8 genannt
mutbe, miffen mit nicgt, bet gmeite aber gieg SlpoOonioS unb ent*
jpta^ etroa unferm Sluguft, bet britte, ^artgeniofl, fiel in bie 3«it
beä September, bet neunte, @(apgio8, in bie be8 IDtärg. @nbli(g
gaben bie 3nf(grifteu einen 5Jlonat SlgpioS überliefert ; biefet mat
oermutgli(ig bet fünfte unb etma bem Slooembet gleicggeitig. >*)
@8 fteQt fi(g nun bie miffenfcgaftlicge iSufgabe getau8, gu
ermitteln, mel(ge ©ütterfefte @li8 unb Olpmpia, bie in biefem
gaQe bei bet gemeinfamen Oberleitung unb bem Sufammengang
bet gotteSbienftlicgen Retfaffung al8 ein @ange8 gu betrauten
pnb, gefeiert gat, unb in meldje SJlonate biefelben fielen. Allein
biefe Aufgabe ift nur in menigen ©tüdfen I68bat. O^leicg ben
Krümmern eineS 9lto|ai(boben8 , non beffen Rilbmufter einige
Umriffe ergalten finb unb augetbem ein befcgeibeneä ^)5ufdgen
bunter ©teine ogne Otbnung, liegt bet überlieferte ©toff not ben
klugen be8 ^otfcgerS, Siatgfel übet Siätgfel bietenb, bie gum
grögeren 2geil niemals igre Söfung finben merben. ©orgfdltigeö
©udgen ermöglicgt gier unb ba einige ©tüde miebergerguftetlen; im
gangen ift nur gu ertennen, bag ein moglgeorbneteß SBerf not«
ganben mar. güt bie erften IDtonate mirb bureg bie @ef^i(gte
bet S^ftfpiele nodg am meiften Singalt geboten. ^Qe nier Sagte
(4J0)
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obwec^felnb , baS eine mal im '2(polloniee, baS anbre mal im
^att^enioö, fanben ju 6^ten beö 3eu8 bic Dlpmpien ftatt. @ie
fielen in bie SSoQmonbgjeit unb bauerten urfprünglidl} einen,
fpäter fünf Jage, »om 11. btfl jum 16. bc8 SfflonatS. ®a8 geft
beftanb in gefc^icbtlicbet Seit au8 ben 3Seltf)}{e[en ber ORünnet
unb Sünglinge im @tabion unb in ber Siennba^n, baran fcblofi
ftdj eine feierlicbe ^rojeffion mit bem @taat8opfer ber 6Ieer
unb fefili^e SBemirt^ung ber ©afte, »on ben freiwilligen ®ar»
bringungen nic^t gu reben. !Die erften 5lage be8 jDlpmt^ien«
monat8 gehörten bereit8 bem ©otte8frieben an unb waren bur<b
rituelle lOorbereitungen , |>erDenfeicrn unb freiwillige £)t>fer
befe^t; in 6li8 begingen bie ©ecböje^n grauen ein Irauerfeft
am ©rabe be8 9ld^iQeu8. 3n ben ÜRonat |)art^enio8 fiel in
bemjelben Saljre, wie bie Dlpmtjien, ba8 ^o(bfeft ber ^era, bie
|)eräen. @8 beftanb au8 bem oben erwähnten SBettlauf ber
Sungfrauen, einer ^Jrojejfion unb bem Opfer einer Äu^ mit
bem üblichen geft{cbmau8, auch würbe ber ©öttin ba8 non ben
@ecb83e^n gewebte ^raebtgewanb bargebrad)t. gerner f^eint
bie jä^rlic^e Slobtenfeier be8 ^ippobamia um biefelbe Seit ftatt*
gefunben 3u ^aben. 93 on geften ber näc^ften SJlonate ift ni(^t8
überliefert bi8 gum !£^pio8. 3n biefem beging man in @li8 bie
93aIcbo8feier ber ^^pien, bei weldper ber ©ott bureb ein noep
erpaltene8 8ieb ber ©eepgepn grauen perbeigerufen würbe unb
fein ©rfepeinen baburep lunb gab, bap in einer oerfcploffenen
j^apetle oor ber ©tabt aufgeftetlte ^effel in wunberbarer 9Ei)eife
ft(p mit Sein anfüDten. IDaran fcplop fi<p feftli(pe8 ©elage
mit Opfern unb mufifalif(p»bramatif(pe8 geftfpiel wanbember
©(paufpielertruppen im Slpeater. 3m ÜJionat 6lappio8 begegnen
un8 meprere gefte; gunöcpft »eranftaltete man in Olpmpia eine
grope geier gu ©pren ber 9lrtemi8 ©lappia. gerner würbe am
19. be8 9Jlonat8 bie 9lfdpe oom Slltar ber .^eerbgöttin auf ben
(4*1)
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,^0(^altat bed übertragen. 2(m Sage bec $rübling8«Sag*
unb 9iacbtg(ei(be, bie in benfelben äRonat fiel, braibten bie
Äronoepriefter tbrem @otte ba8 ^)ß^eno^>fet bar.’“)
JDieö finb bie bürftigen Uebetliefetungen berjenigen ©türfe
be8 elifcben tneldbe ftcb noch in i^rer geitUdben 93ei>
tbeilung erfennen laffen. äSeiter ift berichtet, ba§ in Cl^mpia
ber @5ttin @i(eitb9ia unb bem IDämon ©ofipolis gu bie
oben gefcbilberte ^rauenfeier begangen mürbe, ba§ ber IHrtemiS
au^er bem norbingenannten noib anbre ^efte gewibmet maren,
ba§ |)elop8 feine jäbrlicben .^eroenebren erhielt, bab in ©tabt
^lie baö ^eiligtbum be8 Unterweltdgotte8 .^abeS einmal fabtliib
aufftanb, aber au^ bann nur con feinem ^riefter betreten atx*
ben burfte. ßbenbafelbft fanb ein SBettftreit ber ©cbönbeit
ftatt, bei meinem bie ©ieger SBaffen al8 $rei8 erhielten, melibe
fie ber Ültbene meibeten. 3lber mir »iffen nicht, in »eliben
SJlonaten biefe ^eftlidbfeiten begangen mürben. S>ab enblicb
au^ anbern Gottheiten, mie in Olhmt^ia namentli^ ber {Rb<^>
bie einen ber groben Sempel bejah, ber IDemeter, bem apollon,
bem ^ofeibon, ber Slpbrobite Urania, ferner ben 3nb®&ei^ ^8'
midbtigften ISttcire unb manchen bet .^eroen, vor aOem bem
^erafleö, eigene Sahreöfefte gefeiert mürben, batf angenommen
merbeur überliefert ift nichts baoon. ^Dagegen füllt ftdb baS
gotteSbienftlicbe Saht bnrdh bie tdgli^en Dpfer beö 3eu8 unb
ben monatlichen IRunbgang an allen ütltären, fo mie bie feft«
gefegten SBeingüffe für bie .^etoen. ^Rechnet man gu aOebem
Gingelftiftungen unb bejonbere Gebräuche, mie fie überall an
Stätten grober Götteroerehrung in Griedbenlanb in 8Jlenge »or«
hanben maren, jo läbt fi^ ein ©d^lub auf bie ununterbrochene
IRegfamfeit be8 gottedbienftli^en SirfenS machen. @8 ift un«
oetfennbat, bab bie geiftlichen Sehörben oon Gli8, um ni^ts
gu oerfehen, 9titualaufgeichnungen ähnlidbet Slrt, mie bie .^eiligen*
f«S)
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talenber bei römift^en J^irc^e unb b{e 9lefio(ogien bed 3RitteI*
alteiö befeffen ^aben muffen.
gut un8 Hegt auf biefem ©ebiete ein Stmmmerfelb »ot,
nici^t minbec grc§ unb nic^t minber miir mie baSjentge, melc^eS
bie Slufigrabungen in bei 2llti8 blo^gelegt ^aben. 3mmet()in
entbcdt ba8 fud^enbe iSuge au(^ au8 biefem SBirrfal weit^DoUe
©injel^eiten, mel^e, wenn man fie in gebü^renbet SBeife gu
einem ©äugen ncroollftänbigt benft, belunben, wie gio^attig
ba8 alte Dlpmpia auf bem ©ebiete gotte8bienftIidber ©inric^tungen
au8geftattet war. SBa8 un8 iReueie aber woi)I am meiften in
©iftaunen fe^t, ift bie ^b^tfacbe, ba§ biefe ©inrid^tungen weit
über ein Saljrtaufenb fi(b ungeftört erhalten Ijaben. 35enn bi8
über ba8 adjte 3abrb“n^>®’^* Dordiriftlicben Seit gurüd (affen
fie fi(b oerfolgen, unb bi8 ju ©nbe be8 »ierten 3a^r^unbert8
nach ©brifto haben fie in faum unterbrochener fRegelmähigfeit
angebauert. 3ahrau8 jahrein, auch wenn ber alle »iei 3ahre
erneute 8örm ber Spiele f^wieg, oerrichteten bie geiftlichen
33ehörben »on ©li8 ihre Obliegenheiten in ber prachterfüllten
Stätte ber ISltäre, SBeilfgef^enle unb h«iiis®” Sauten. Slber
fie wußten fehr wohl, warum fie biefe ^flid|ten fo ernft nahmen:
fie felbft unb ihr 8anb ficherten fich baburch SSohlftanb unb
©influh weithin übet bie gange antife SBelt. Unb wenn ber
größte Staat8mann unferer Slage mit fRecht barauf hingewiefen
hat, ba§, fo weit gefchichtliche Ueberlieferung reidht, ber alte
SBettftreit gwifchen Äönigthum unb ^riefterthum fich »erfolgen
laffe, fo beweifen bie merfwürbigen ©inri^tungen folget Orte
wie Olpmpia, ba§ auch in ©riechenlanb ba8 |)riefterthum cer<^
ftanben hat, eine ebenfo glängenbe, wie tief eingreifenbe 3Ra^t
^Xntnerhnitgeit.
1) 966übung beS Srümmerfelbd in bcn Sludgrabungdtonlen,
au^ b« 31. S3ßtli<^er, Dl^mpia iEof. II. XII. 25a8 2öerf »on ©ötti^ier
barf folgen, bie ein leidet jugänglic^eS ©efammtbilb beS alten DIpmpia
nnb feiner @ef(^i^te ju erhalten tcünfd)en, t>or aQen empfohlen werben.
2) Untergang DIpmpiaS: ngl. Sücfing, Monatsberichte ber
berliner 3lfab. 1881, 6 315 ff. 6urtiu«-3tbler, Olpmpia nnb Umgegenb,
©. 18 f. SBötticIjer, a. a. O. ©. 29 ff.
3) .^eiligfeit unb gute SSertoaltung non @liS: ©trabo 8
©. 333. 343. 358. 366 f. ^olpb. 4, 73 f. 3Eenoph- 7, 4, 30. |)au.
faniaS 4, 28, 4.
4) 33ewohner oon DIpmpia: ogl. @. 6urttu8, bte 3(Uäre non
DIptnpia, 3lbh. Serl. 3lfab. 1881 ©. 18. 28. 38.
5) Ueberficht ber 3(Iti8: ogI. bie 3:afeln non jtaubert unb
®6rpfelb bet 6urtiu8*3tbler a. a. JD.; über bie SBafferleitungen ebb. ©.14
unb Strchäologijclje Sf'tung 1883 ©. 274.
6) Slltäre: $auf. 5, 14, 5. SSgl. 6urtiu8, Stb^. SerL 311. 1881
©. 3 ff. unb bie Ueberficht ©. 39.
7) Hochaltar: f)auf. 5, 13, 5 ff. 14, 5 ff., t»gl. 2. Mofe 20, 25.
— 2)ie Doppclaltäre: ^eroboroS bet ©^ol. ^inb. £)I. 5, 10. StpoUcbor 2,
7, 2.
8) SSronjefunbe: Surtwöngler, 31bh. 33erl. 3lfab. 1879 ©. 4 ff.
tDreifü§e: ebb. ©. 12 ff. 14. 103. (5urtiu8, 3Utäre ©. 10 ff.
9) 3teUefter ©otteSbienft: ogl. Sßtticher a. a. D. ©. 186.
10) Sempelbauten; ogL 6urttu8<3(bter @. 36 ff. ^auf. 6, 20.
ößtticher ©. 190 ff. 246 ff.
11) geftopfer: jJraufe, Dlputpia ©. 77 ff.
(4S4)
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12) SKonotSclJfer: ?)auf. 5, 15, 6 f.
13) S3 tarnte: ^auf. 5, 15, 6. 93gl. ÜDittenberger , 8r^. 3*9-
1880 S. 57. ff. Onfc^riften). (Surtiud Slltare ®. 18. ÖÖtticf)« ©. 151.
Sa^rbücfiet für 1883 ©. 480 f-
14) grauenbienfte: ?)ouf. 5, 16, 2. 6, 20, 1 ff. ’JSgl. meine Slb^.
über baa (Sollegium bei ©e(!^ajc^n grauen jc. ^rogr. SBeimat 1883.
15) fernen: »gl. Slb^. ®e(^8je^n grauen ®. 19. O^lert, ©eitröge
jur 4)ercoIogie bet ©rieten. ?)rogr. ?auban 1875 u. 1876.
16) Jobtenbienft: Äb^. ©edp8je^n grauen ®. 18 ff.
17) Drafel: ©trabe 8 b. 353. Sßouf. 5, 14, 8. ogl. 6urtiu8,
Ältöre ©. 14 ff.
18) ©e^ergeft^Icc^ter: ©(f>oL |)inb. DI. 6, 7. 111. ©gL 6urtiu8
Slltöre ©. 16 ff. Slbbilbung be8 ^)eroenaltor8 ebb. ©. 22 f. unb S^fel I.
©ötticber ©. 312.
19) @Hf(^er i?alenbet: ©cf)ol. |)inb. Dl. 3, 33. 35. ©auf. 5,
13, 11. 6, 20, 1. ?lbb. ©ci^je^n grouen ©. 13.
20) 6lifefie8 geft ja br: cgi- 4)ermann, @otte8bienftI. Slltertbümer
2. 3Iufl. § 51, 1 ff. 31bb. ©edjSifbn gr. ©. 10 ff. — @ine eingebenbe
iDarftedung bitfea ©egenftanbea ift een mir eerbereitet.
(4J4)
3>ruit Bsn (Kebr. Ungti (Sb. ttrimm), Dnltn SW.
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tteaer hie #renseit
jtt)ifd)en
pfijdiifdirr irfunli|eit ntili idUrsfliinino.
6 1 n c @ t u b i e
Don
Dr. d. pelmott,
®ireftor ber Snenanftalt ©rafenberg.
m
fietlin SW., 1884.
Serlag Don ®arl ^abel.
(€. 10. tnitritj’litlt Stclagsboijlllinilaiig.)
33. SU^tIm>etraic 33.
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2)aä fRe^t bei Ueberff^ung in frembe 3prad)rn roirb norbe^alten.
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Unter ben gortfc^ritten, an benen unfere Seit fo reic^ ift,
ftefet bie ©ntroidetung ber ?Ratur»ifienf(^aften oben an, unb bic
kelteren unter und werben ber SBanblungen nod^ wol^l
erinnern, bie unfere Slnfd^auungen auf biefem ©ebiete erlitten
^aben. S)enn nic^t immer ftanb ber @a^, ba^ bie Statur feine
Sprünge mad^e, fo unbeftritteu feft, wie bieß ^eutjutage ber
gall ift. SBo je^t taufenb ^fabe bequem unb faft unmerfbar
»on einem ©ebiete 3um anbem ^inüberfü^ren, ba flafften nodb
»or furgem faft unüberfteiglic^e Slbgrünbe unb man fonnte ftcb
ein neueß Seitalter nur auf ben Drummern beß alten benfen,
baß erft in Seuer unb SBaffer mit adern, waß eß enthalten,
gu ©runbe ge^en mu§te, um einer neuen Schöpfung ^la^ gu
mad^en. .
3)afe eß ^ier gang anberß geworben unb unfere 3tnf(^auungen
fic^ fo »on ©runb auß gu einem anberen unb beffereu »eränbert
^aben, baß »crbanfen wir in erfter Steife bem gorfdjergeifte
eineß UJlanneß, beffen 9tamen wir mit mehr ober weniger
SSereljrung, immer aber mit öewunberung nennen müffen.
6^. JDarwin war eß, bet butt^ feine großartigen gorfc^ungeu
baß gange ©ebiet bet 9taturwiffenf(^aften mit neuem geben
befeelte, unb beffen E^eorien ein früher ungeaßnteß gid^t narb
allen Seiten außftrablen.
Sa, eß ift anberß geworben, baß läßt fi^ nun einmal ni^t
leugnen, unb für ungäblig »iele 2)inge würbe unß baß Set*
XIX. 444. 1* (43S)
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ftanbnil etfc^loffen, ao früher tiefcö ®unfel unb unficbeted
Umljertappen ^cnfc^te.
33on ollem am meiften ober bot bie (ätfenntni^ be6 9Renf(ben
felbft gewonnen, bafl unftreitig fcbwierigfte, ober ebenfo nnbe»
ftritten oud) bo8 intereffontefte @ebtet, weldje8 bet eineÄ
^urjcberg betreten fonn. Unb unter benen, welchen bie neue
Sebre ju @ute gefommen ift, ftebt bie @eelenl}eilfunbe ntc^t
jule^t.
35et Botbin erwähnte ©o^, bie 9lotur mo(bt feine ©prünge,
gilt für fie fernetbin eben fo gut, wie für aDe onberen 3»fige
ber groben Üloturfunbe. Äeine jcbotfe @renje trennt bie geiftige
©ejunbbeit oon bem jfrantfein, unb wie überall in bet 9lotut
gebt eins in’S onbere ollmöblicb über. 33on bem beftgeorb«
netftem ©eiftc biß gut tbieräbnlicben ©ntortung fönnen wir eine *
ftufenweife SBeronbetung uetfolgen, unb in biefer Äette reibt
ti(b ®lieb an ©lieb ebne 8üdfe unb ohne Unterbrechung.
Um l'o leichter bie ÜSeurtbeilung an ben äu|erften fünften
ift, um fo {^wieriger wirb fie nach ber Witte bin, unb eS giebt
ein breites unb redbt beBölferteS ©renjgebiet, wo eS genauer
jVenntnib unb grober Uebung bebarf, um ben Borliegenben $aQ
richtig aufjufaffen unb ju beurtbeilen. ^ier ift ber weite
Summelplab aller oerfannteu ©enieS unb auch wohl einiger
echten, \)iex begegnen wir ben fogenannten Driginalen, ben @t»
finbern, JHeformatoren , ganatifern unb Snfpirirten, bierbet ä«*
bören bie Summier unb Sagabunben oon Wetier unb bie
falfchen Propheten, ja nach ^^nficht Bieter auch bie wahren.
Sor allem aber beBÖltert biefeS 3n>iffhcnlanb bie grofee Waffe
bet gewobnbeitSmä§igen Setbrecher.
@8 ift leicht etflärlich, ba§ man biefen 3wftünben erft fpät
feine iHufmerffamfeit juwanbte, unb manche bo'Ten noch i’i^ nuf
biefe ©tunbe ihres WeifterS. IDenn als man überhaupt anfing,
ein Serftonbnih für bie fronfhaften ©eelenjuftänbe ju gewinnen
unb fich bie Uebergeugung Sahn brach, man h<>be eS h<ct n^i^
C440)
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Äranfen ju l^un, bie man nic^t, wie bieS biflljer gefd^e^en, für
ben JReft i^reS Gebens in Äetten legen, fonbern bie man be»
^anbeln unb feilen fönne, ba war e0 flar, ba§ man fi(^ juerft
ben Suftänben un3n)eifell)after ©eifteflftörung jumanbte. ,^ier
t^at eine ^)ülfe »ct aflem unb l)ier griff man auc^ ^elfenb
unb föibernb ein.
9iac^ unb na^ aber erweiterte fidj bie Äenntnife unb man
fonnte fic^ ber Ueberjeugung ni(bt »et|c^lie§en , ba^ eS neben
ben gwetfeOod unb, wenn ic^ fo fagen barf, ben offiziell cer<
rücften noc^ eine gweite unb nicht etwa Keine Älaffe »on
3ubimbuen gebe, bie man faum nedb ben geiftig gefunben gu«
gäljlen bütfe.
Unb möchte ich mich 0lei<h ocu uemherein gegen ein
etwaiges SJlihoerftänbnih ficher [teilen, unb meine Verwahrung
gegen hieraus heroorgehenbe Vorwürfe einlegen.
9Kan wirft ben Srrenärgten guweilen nor, bafe fie, fei eS
nun aus allgu einfeitiger Vefchäftigung mit bem weniger »er«
ftänbigen 2.heite unferer fDKtmenfchen, fei eS burch ben hierburch
gef^ärfteren Vlid, oft auch eine Q^eifteSftorung gu fehen
glaubten, wo fie in ber SBirflichfeit nicht »orhanben ift, unb ba§
ihnen gegenüber eigentlich Viemanb ficher fei, am @nbe gar
für nicht recht richtig gehalten gu werben.
©egen biefen Vorwurf nun möchte ich »erwahren.
fßieht minber aber auch gegen ben Verbacht, ba§ wir fein
Verftönbni§ für ben genialen 'Aaltenwurf in ber ©eele unferS
Vächften hätten, unb unS am @nbe gar einen Vormalmenfchrn
fonftruirten, einen ?Oiufterbürger »on Diuhe, Orbnung unb gang*
weiligfeit, wo wir in jeber Abweichung oon biefer Schablone
ein bebenflicheS ,£)inneigen gum Srrfein witterten. 2)aS ift nicht
ber ^aH, unb um jebeS 9Ri§oerftänbnih gu nermeiben, müffen
wir einen Augenblicf bei bem Vegriffe ber ©eifteSftörung »er*
weilen unb unS barüber Kar werben, waS wir aOeS barunter
»erftehen.
C«i)
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6
Unter ©eifteöflörnnß im weiteren (ginne umfaffen wir bie
Sleu^erungen bed frant^aft oeränberten ^iin« unb 9tetDenlebenS,
ober mit anberen SBorten, bie @eifteeftörung ift bie ^olge einer
@rfranfung bed ©ebirned.
JDaö ift einfadb unb flar, unb eö mürbe )omit ber
meid einer @rfranfung beS ©e^irneS, a(S beö Organes bet
geiftigen ^unftionen, genügen, um aud) bie ©eiftedfranfbeit
felbcr feftgufteDen unb eine f^arfe ©renje jwifcben ©eifteS»
gefunbbeit unb ^anfbeit aufjuricbten.
3n Dielen $äQen wirb unb mug bied gelingen, unb id)
weife nur auf bie gericbtlicben Unterfudbungen beö ©emütbß*
juftanbeß bin, in anberen aber wirb eß fcbwer, ja unmöglich
fein, unb jwar auß folgenben ©rünben;
9)ian nennt baß ©ebim baß Organ beß ©eifteß unb biefe
Annahme bürfte b^ui^ ^A»m auf ernftlicben SBiberfprucb fto^en.
IDaß normale ©eifteßleben ift fo enge mit ber Integrität
beß ©ebirneß oerfnüpft, unb bie ©rfranfungen beß le^teren
wirfen fo bireft auf bie ^bötigfeit beß ©eifteß ein, ba§ eß oer>
geblicbeß bemühen wäre, wcQten wir an einem urfäcblicben
Sufammenbange, wie er in Organ unb gunction gegeben ift,
noch ferner jweifeln. Unb bocb liegen bie ©acben b*« etmaß
anberß alß wie bei ben übrigen Organen beß ^örperß, unb
wir unß jenen Sufammenbang in wefentlicb anberer SBeife
DorjufteUen. 0et ben übrigen Organen nämlich ift bie Bunftion
bie einfache Bc^lge auß ber anatomifchen ©truftur. fOiit ber
^enntnih ber Sufammenfehung eineß Organeß ift auch baß
IBerftänbnih für bie Bunition beffelben gewonnen, ba biefe ni^tß
anbcreß ift, alß baß fRef ultat ber Bewegung ber Slbeile, auß
benen fich baß Organ jufammenfeht. @o jiebt fich ber SKußtel
jufammen, weit feine fleinften aȧ einem tontraftilen
©emebe befteben, ^eber unb 'Jiiere fonbern ab, weil ihre Äon»
ftruftion baju eingerichtet ift, unb bie ^bbftologie, b. b- bie
i!ebre non ben Bunftionen ber menfchtichen Organe, ift nichtß
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anbeiS, ald bie praftif^e Skmett^ung bet iinatomie, weld^e
und ben 0au bieiet feiben Organe gelehrt ^at.
93etm @ebitne aber ift baS anbetd, unb wir mögen no(^
fo tief in feinen inneren Sau unb in bie onotomifi^e Äon«
ftruftion feiner fleinften I^etlcben eingebrungen fein, fo fehlt
und hoch bid je|t febe Äunbe über bie Semegung betfelben,
unb von einem Sufammenhange biefer muthma^lichen Semegung
mit bem ©mpfinben, IDenfen unb SBoQen, jenen Sleufeerungen,
bie wir unter bem 9iamen bet @eele 3ufammenfaffen , wifjen
mit nichtd. • iSnbeterfeitd ift bad @ehirn, ald bet ebelfte
bed Äotperd, oon ber 9latur mit bem ftärfften Schule umgeben.
Starre unb ftarfe Änodbenwänbe hüDcn ^i» unb fe^en einer
birettcn Unterfuchung beim fUlenf^en unüberwinbbore Schranfen
entgegen, währenb aQe Unterfuchungen bei Schieten, unb würben
pe mit nodj jo großer ^finheit unternommen, und übet bie
Sorgdnge ber Seele, übet Serönberungen in bem ©mtJpnben,
5)enfen unb SioQen nur fehr fpätliihe (Srgebniffe liefern lönnen.
So finb wir gerabe hif' großen .^)ülfdmittel, bie und
fonft jut Seite fte^en, beraubt unb bet Spefulation ift ein
größerer Soben freigegeben.
Diefe ülbfcbweifung auf bad nicht ganj leichte Gebiet ber
©ehirnphvpi’logie f^ien mir nöthig, um auf bie Schwierigfeiten
hinjuweifen, welche pch einet Seurtheilung bet Seelen3uftänbe
entgegenftetlen , unb bamit man ben 3trenat3t ni^t ber Un>
wiPenheit 3eihe, wenn ihm biefe Seurtheilung guweilen nicht
fofort gelingt. S)enn nidht überall, wo bie Seuperungen bed
Seelenlebend oeränbert, unb mit bem normalen ’^blaufe ber
^)irnthätigfeit fehlest iu @inflang gu bringen pnb, miD und ber
birefte fßachmeid einet ©ehitnerfranfung gelingen.
SBir müpen und aldbann an bie ’^leupetungen felber holten,
unb fchon ben Schlup aud einer Seränbetung betfelben auf eine
@tftanfung bed Otganed wagen.
£)ahet fönnen wir auch bad Silb eined normalen Seelen«
(**»)
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lebenS nt(^t entbehren unb jmat bebütfen ait beffelben al8
emed 9Ra§ftabed, an welchem wir bie Slbweic^ungen bemef|en.
2)o(^ ift bied nic^t etwa fo gu verfielen, alS ob wir etwas
gang befonbereS, etwa ein ^tormalbilb befä§en, baS unS in
feiner urfprünglid^en unb non aQem Seiwert loSgelöften fRüc^>
tern^eit nac^ 9lrt ber @oet^e’fd^en Urt)fiange alS fRormalmeter
ber menf^licben 3nteIIigeng gu bienen ^ätte. 3)ieS ift nid^t ber
gad. SSielnie^r befte^t fogar bie Steigung , ber Snbinibualität
beS @ingelnen einen größeren «Spielraum gu gewähren, alS bieS
wo^I fonft ber Bad ift-
@0 wäre falfd^, wollte man in jeber 9(bweid)ung oon jener
9torm fogleic^ eine @eifteSftörung oermut^en. SBo^l aber ^at
ficb unfer 9uge gewöhnt, bort f(^on eine in baS ©ebiet beS
^anf^aften faHenbe Sbweic^ung oom normalen Seelenleben gu
fe^en, wo anbete nur iSbfonberlic^feiten , Ungegogen^eiten ober
gar netbre(^erif(^e Steigungen anne^men, unb wenn wir ba^er
ab unb gu »erf(^iebenet SReinung pnb, unb IDiefen ober Seueu
für uns beanfpruc^en, ben bie öffentliche SReinung bet SRip*
achtung unb ber Strafe überweifen will, bann meine iä),. mühte
man unS eigentlich gum IDanfe oerppichtet fein, bah »>ir unS
bemühen, an bie Stelle ber äSerachtung baS SRitleib, unb ftatt
bet Strafe bie Teilung gu fe^en.
SBir ade fennen bie Driginale unb Sonbctlinge, unb
brauchen gewih nicht weit gu fudjen, um auS bem engeren
Greife uufeter Sefannten ein folcheS Original hwau^gugreifen.
3war ift unfere 3^t ben Originalen nicht mehr günpig, unb
nicht mit Unrecht behauptet man oon ihnen, pe theitten baS
8ooS ber Uroölfer unb gingen bem ^uSfterben entgegen. 3(h
glaube bem entgegenpeden gu foden, bah h^ute noch
in gleicher 5Beife, wie früher, geboren werben, bah ihre ®nt«
wicfelung bagegen eine oiel fchwierigere geworben ift.
Unb baS bringt mich gu einer anberen @rwägung. IDer
(Ui)
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5Wenf(^ al6 Sabicibumn ift jwat ein ©an^eö, aber bicJeS @ange
ift nur bad ^probuft non ©ebutt unb ©rjie^ung.
2)ie SKenf^ljeit giebt und 33ater unb üJiutter, bie SWenjd^*
li^Ieit bagejjen nerlei^t und nur bie ©r^ie^unj.
^ürft ^antomir brücft biejen ©ebanfen in folgenben
SSerjen auS:
äßir pflegen bei ^atuc juar aQed betjulegen,
iDodb tt'enn »ir {eben Jrieb aufmerffant nur erwägen,
0c finbcn wir, ba^ e5 »on ber (Srjiebung rübrt,
Unb ba^ i^r aUe8 8cb unb aller 8Iud> gebührt,
2)a ite ber jungen 23ruft — bem ©runb ju eblen Jriebcn —
3m ©egentbeil baS 3}Ub p gafterii eingejcbrieben. —
SSir werben, wad wir finb, burd) ©eburt unb ©r^ieijung,
unb unfere fpäteren ©igenfcbaftcn fangen wir ber
9KuttermiI(^ ein, an biefem ©efe^e ift nie^td ju änbern, unb
baffelbe gilt beule gerabe fo gut, wie nor taufenb Saljren.
aber wenn ed auch nidjt in unferer 9Jla(bt ftebt, bie geifti«
gen göbigfeiten, bie wir mit jur SSBelt gebracht, in bad ©egen»
tbeil gu nerfebren ober gegen anbere umgutaufcben, fo ift eine
aenberung berfelben innerhalb gewiffer ©rcnjen bodb möglich,
unb wir fonnen ed babin bringen, unfere ftnnlichen 9ieigungen
gu begäbmen. Talente taffen ficb gwar bort nicht erwerben, wo
fie fehlen, unb aud bem geborenen 93erfchwenber wirb ebenfo
wenig ein ©eigbald, wie aud bem SOiutbigen ein Feigling.
Sohl aber liegt ed in ber fDlacht bed ©ingelnen, ben aud>
wüdpjen feined angeborenen Semperamented entgegen gu arbeiten
unb ihnen ba, wo Beit unb Umftänbe ed gebieten, B^um unb
Bügel angulegen. Unb ber SSeg, auf welchem mir biefe gäbigfeit
erlangen, ift bie ©rgiepung.
Die ©rgiebung aber ift gegen früher eine anbere geworben,
unb fie erweift fich beute ber ©ntwicfelung ber Originale
gerabegu feinbli^. 9Kag man ed nun tabeln ober loben, fo
ftebt bad ©ine feft, ba§ unfer heutiger gebrplan ber Snbiribua*
lität bed ©ingelnen wenig ober gar feine JRedjnung trägt. @r
C«s)
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»erlangt ein genjiffefl mittleres 9Jta^ unb eine beftimmte mittlere
Veranlagung. 3n bieleS ÜJMIitairma^ ber 3)tittelmä§igfeit mu§
fi(% ber ©injelne einpaffen, unb jebe inbioibuelle Äraftdufeerung
über baffelbe hinaus »irb unangenehm empfunben. Vicht mit
Unrecht hot man barauf hingen?iefen, t»ie bie fogenannten beften
©chüler, jene, bie mit Äonfequen^ bie erften ^lä^e einnehmen,
nur feiten bie förmartungen erfüflen, bie man »on ihnen h«3tc-
2)enn bie ©runblage biefer förmartungen war falfch-
Vielfach h^iwl^^lte eS fich hierbei um eine '})rämiirung ber
VUttelmdhigfeit, unb mancher hat eS fpäterhin ju etwas gebraut,
bem »ou ber ©chule ein fchlechteS ^rognoftiton mit auf ben
SBeg gegeben würbe, ich erinnere nur an 3. bon giebig.
IDaS aber glaube ich behaupten gu fönnen, ba§ nichts fo
geeignet ift, wie bie ©chule, um ©Icmente »on abfonberlicher
Veranlagung »ollftänbig gu ©runbe gu richten, unb fie rafch
bahin gu bringen, wo über ihre geiftigen öähigfeitcn ein 3weifel
ni^t mehr möglich ift- -^ierwit aber ift ber ©ntwicfelung ber
fpäteren Originale ein »orgeitigeS 6nbe gefegt.
Unb was bie ©rgiehung ber eigentlichen ©chule übrig liefe,
»oOenbet bie mächtigere @chule beS gebenS. iSuch unfer geben
ift gegen früher anbetS geworben. @ang anbere Slnfprüche treten
an uns h^ran, unb raftloS mufe 3eber »orwärtS ftreben, wenn
er nicht gurüdbleiben wiQ.
IDa ift wenig Vaum mehr für garte Vücffichten unb feine
Seit für eine inbicibuelle Vehanblung beS ©ingelnen, unb wer
fich bem allgemeinen Schema nicht fügen wiQ, wirb einfach gur
Seite gefchoben.
V$ir »erlangen h^utgutage ©efeUfchaftStoilette unb ©lacee>
hanbfchuhe, unb oer gaune beS ©ingelnen finb burch Sitte unb
Vtobe bie engften Schranfen gejefet. Ob iDiogeneS h^ute noch
in Slleranber einen Vewunberer finben würbe, fd)eint mir fraglich,
mit Sicherheit aber läfet fich f«in gooS »orherfagen, wenn ein
anberer IDiogeneS am ^^9^ Vtenfchen mit ber gaterne
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fuc^en ober feinen Söo^nfi^ in einet Sonne auffc^iagen rooQte.
Unfere Seit ift in bet S^at ten Dtiginalen nic^t fonbetlic^
gunftig.
3ln bie ©onbetlinge f(^lie§en fic^ bie ©flooen bet @e*
wo^n^eit unb bet Dtbnnng, unb baS ^eer bet fogenannlen
9(ngewo^n^eiten an.
SEBir finb alle bet 9Ra(^t bet ©ewo^nljeit untetworfen,
me^r aU wir gewö^nlic^ meinen, unb bet 2)tcl}tet nennt fie
unfere Slmme.
Unb ^ier möchte ic^ einen Slugenblirf bei bem oermeilen,
waö ic^ über bie Munitionen be8 ©e^irneS gefagt ^abe,
3(b ^atte bort angebeutet, wie wir un8 bie ©eifteSt^ätigfeit
als eine 2lrt bet ^Bewegung ju benfen Ratten. IDie fleinften
S^eil^en be8 ©e^irneS gerätsen in Bewegung, unb je na^ bet
©ro§e unb 9Itt biefer ''Bewegung ^aben wir bie 3ntenfitöt ober
bie S3erf(^iebenljeit unferet feelifc^en Munitionen, be8 ©mpfinbenS,
^Denlen8 unb SßoüenS.
SBit fe^en nun bei bcn gewöhnlichen Bewegungen, wie pe
um fo leichter ocn Statten gehen, je hnupget fie geübt werben,
unb wir ade machen biefe ©tfahtung täglich im ©tiernen
einet jeben manuellen M«tigfeit, g. B. beä Älaoierfpieleö,
9ticht anber8 ift e8 mit ben Bewegungen be8 ©ehitneS,
auch pe gehorchen bemfelben ©efe^e ber ©ewohnheit. Unb
hierin liegt ein Bortheil, aber auch eine grope ©efahr bet ©t=
jiehung.
9Kan lann einer einfeitigen ©ntwirfelung butch bie ©r»
giehung entgegenarbeiten, ober pe mächtig förbern, je nacpbem
bie {)anb, welche pe leitet, oerftänbig ift ober nicht.
3. 1>aul brüdt bieS in feinet 8eoana fo au0: „3ebe fittlidhe
©igenthümlithleit bebarf ihm ©rengberichtigung jur 3u8>
bilbung ihres entgegengefepten ^raftpoleS" unb 3- ^Paul put
«echt.
3ebeä einfeitige .^ingeben an eine beftimmte «ichtung ift
{«?)
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»etfcbrt. jebem neuen @ef(bel)en ttirb bte Söa^n beS @e«
bitned, auf tcelcbet btefe 33orgänge ablaufen, ausgetretener, unb
bie SJcrbinbungen enger, bis enblitb btefelben 33crfte[lungen bet
jeber (Gelegenheit mitflingen, unb fidb alS üble ober fomijcbe
Stngemobnbeiten geltenb machen.
hierher geboren bie fomifcben diebenSarten, bie, fie mögen
t)a§en ober nicht, überall angebradbt werben, bie jonbcrbaten
angemcbnungen unb bie (äigenbeiten ber ©elebrten, bie ben
Inhalt fo mancher Slnefbote bilben.
9(ucb möchte ich 3unggejeQen unb bie alten 3ungfem
hier einfügen. Glicht jeber unoerbeiratbete 9Kann ift beShalb
ein alter Sunggefelle unb nicht jebeS alternbe ^äbdben eine
alte Jungfer.
IDaju gehört etwaS mehr. SBohl aber wirb in ber IDiogeneS*
tonne beS (SölibateS mancher jum ©onberling, bet eS im ga*
milicnfreife fchwerlich geworben wäre. 3n bet ©bcloftäfc't
liegt ganj entfd)ieben eine ©efahr, unb baS gehlen ber ©tenj*
berichtigung, »on welcher 3, ^aul rebet, fönnen nur wenige
Secorjugte ungeftraft ertragen. 9lichtS (cheint jo geeignet ju
fein, bie fdjatfen Konten beS eigenen abjufchleifen,
als bie fanfte j^anb ber liebenben ©attin, unb bei ber Äinber»
erjiebung unb ben täglichen @orgen beS ^auShalteS fehlt jebe
Seit jur Gnlwicfelung jener Siercteien unb ber taufenb ©onbet»
barfeiten, bie baS 8eben einet alten 3ungfer nerbittern.
(fbenfo hollen bie igtecfenreiter bie fDfitte jwifchen ben
^umoriften unb ben fJlarren.
(äin folcher IReiter beS ©teefenpferbeS ift glürflich, wenn
er irgenb ein nergeffeneS SJiitglieb einer hohen gamilie in feinen
©tammbaum eingetragen hoti unb wenn eS ihm gelungen, in
einem alten ©riechen ein Äomma an bie ©teile eines fünftes
ju feben, ift er fo ftolg, wie ein anberer, bet eine wertbnofle
©rfinbung gemacht b®l-
(41^)
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bie @«mm(eT bürfen n>ir ba^in te^nen, bei benen
un3 oft genug bie ^)eine’idöen Serie in’ö Hingen;
O jtdnig ^Umatitbra, o »elcb' ein Dc^d’ bift S)u,
Saß 2)u foeiel fcrgeft unb flagefi,
Unb alle« um eine — Äu^.
@S finb bie« {db^n Störungen, aber bod} erträgliche. Schlimmer
unb näher bem pathologijchen (Gebiete liegen bie C^igenthümlich«
feiten, beten DueUe nicht auf bie Gewohnheit gurüdgeführt werben
fann, unb bie wie bad Salten einer fremben Seit in bie unfete
hineinragen.
IDie ^jllten, benen folche Suftänbe nicht fremb waren, fugten
ihre Grflärung in ber Seelenwanberung. waren mächtige,
wenn auch nur bunfle Grinnerungen, bie unä auö einem frühe»
ten in baä je^ige ^eben gefolgt finb, unb fich h'^t^ ^ilö Seigungeu
unb Triebe geltenb machen.
IDie ^h^lfo^c fell’ft ift nicht ju beftreiten, unb auch
Grflärung wohl in foweit ridhtig, al6 e« wirtlich SachHänge
eines früheren geben® finb, nur ba^ wir biefeS geben in unfern
Gltern geführt hohen.
Unter bem Ginfluffe einer oft nachweisbaren ererbten 2ln»
läge brängen fich in unfere SorfteHungen ganj fonbetbare
3been ein, bie ohne unb felbft gegen unfern Sillen fommenb,
halb unfet ganzes IDenfen behertfehen unb unfer .panbeln be»
ftimmen.
IDiefe Grflärung möchte ich hen fogenannten Sbiofpufrafien
geben, jenen oöllig unmotioirten 3u* unb ISbneigungen gegen
beftimmte ©egenftänbe unb ^etfonen. Sir fönnen biefeS ober
jenes nicht leiben, ohne ba^ wir unS über baS warum eine
Siechenfehaft geben fönnen, unb biefet SibetwiHe fann eine
folche Stärfe erreichen, ba§ et 6tel unb Äranfheit oerurfacht.
Gine weitere Gntwicfelung auf abfehüfftget Sahn hüben
bie fo gefürsteten SmangSoorftetlungen. 5)ie ^ennlni^ biefer
3uftänbe ift »erhältnihmä|ig jung. Set erinnert fiS nidbt auS
(M)
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bet JHnbetjett ber ^übfd^en Srgäblung in @nmm'd ©ammlung
beutfdjet ?Difi^rd)en, »o bie fluge 9Wagb in ben Äefler gefd^i^t
»irb, um Silein ju unb niibt miebetfe^rt. @tnet nadb
bem anbern non ben Q^äften ge^t tl^r nadb unb fie aDe fommen
nid)t wteber, weil fie benfen unb fortbenfen muffen, wie eö woljl
läme, wenn bet ^>an8 bie ©ret^e nä^mc, unb bie ©ret^e be»
f&me ein ^inb, unb baS ^inb ginge in ben teilet unb bet
@tein fiele bem ^inbe auf ben J^opf, u. f. w. fRun wiQ id^
nicht behaupten, bag ed SwangSootfteOungen gewefen, an benen
bie fluge f0iagb gelitten, aber etwas bem ähntidbeS war e8 bo^,
wa8 9Ragb unb ©öfte quälte.
2)enn jut Qual unb gu einer te^t bitteren gnmal fönncn
biefe 3wang8ibeen werben.
3fbet Don un8 h«t fichetlich fcb^n leichte 3lnflänge an ber<
artige 3uftänbc gehabt, wo irgenb ein ©ebanfe pch bet Slrt in
ben Borbergrunb brängte, bag wir ihn trog aller Bemühungen
nidht wiebcr loSwetben fonnten. Unb nun benfe man fich foldhe
Sbeen, ocu beten Shorheit wir ooHftänbig übergeugt finb, trog»
bem gu fo unumjchränfter .^errfchaft gelangen, bag wir nichts
bagegen oermögen unb ihnen ohnmächtig unb gleichfam gebunben
anheimfallen.
Balb ift e8 bie Borftellung, bag man etwas nergeffen habe,
wie g. B. einen Brief gu unterfchreiben, ober ben ©elbfdbranf
gugufchliegen, unb trog aller befferen ©infi^t muffen wir immer
wieber nachjehcn, um unS non bem gu übergeugen, woran wir
im ©runbe nicht gegweifelt gaben.
Balb unb baS finb fcgon gang beftimmte formen, brängen
fich .^anblung 3weifel auf, bie gu enblofen gtagen
Beranlaffung geben, ^hhftologiich gaben mit etwas aegnlidgeS
bei ben Äinbetn, bie IHQe megr ober weniger in ber Sragejucgt
leiften. 3m fpäteren Sllter bagegen fönnen ber 9lrt Beute Reg
unb anberen gut magren ^lagc werben. @o reifte ieg noeg
jüngft mit einem .i^errn, bet gang entfdgieben gietgin gu gäglen
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ttat. @d^on war er mir burdj jetn gebrüdted SBefen
auf$)efaQen, unb fpäter würbe mir Har, worin bieS begrünbet
war. @r war nämlidb nid)t im <Stanbe, obwohl man ei feiner
0teQung unb 0ilbung md) wobl b^tte oorauSfe^en fönnen,
aud eigener ^raft irgenb einen ©ntfc^lu^ gu faffen, unb feine
fragen bauerten nom fUiorgen gum tübenb. SBaö meinen @ie,
foll i(b um 7 ober 7 ^ Ubr auffteben, foB icb auf meinem Bimmer
ober unten Äaffee trinfen, ben leisten ober fdbweren fRod an»
gieben, bem portier ober .^aufilne^t Irinfgelb geben, mir eine
6igarre angünben ober einen Sognac trinlen, fo unb ber iSrt
ging baö fragen fort, unb nur baS f^aibintereffe lie^ mich er»
tragen waä fonft unerträglidb gewefen wäre.
@in äbnli^eS 0dbwanfen unb ber gleiche BRangel an @nt»
fdblufe führte befanntlidb bei Suriban’8 6fel gum SEobe, unb
mancher ©elbftmorb oerbanft feine SSeranlaffung gleicher Ur»
fache, benn ein folcher Buftanb ift auf bie S)auer unerträglich.
Bloch qualooBer werben biefe 3been, wenn fie pcb mit
tjeinlidben unb oerfebrten IBorfteQungen oerbinben unb, was
über furg ober long ftetö ber gaQ fein mu§, bo8 SBoBen unb
^anbeln in BRitleibenf^aft gieben. @chon baS etnfadbe 0cbwanFen
nerleibt unferm jpanbeln etwaS unfichereö unb energielofeä.
Serwirren ftch aber bie SBorfteBungen in ber SBeife, bafe man
fich ober anbete burch Serübrung anguftecfen ober gu pergiften
glaubt, bann nimmt auch ba8 .^anbeln einen fonberbaren unb
auffaQenben
Blo^ beoor biefe Suftänbe ihre SJebanblung unb S3efchrei»
bung in ber giteratur gefunben batten, batte ich ©elegenbeit
mit einem ^errn gu netfebren ber burch fein fonberbateS 33e=
nehmen aUerbingS nielfache SSeranlaffung gu ^emerlungen gab,
im übrigen aber für gefunb galt. 9luf ber ©trafee hielt er im
©eben ftetö eine fchnutgetabe Slichtung ein, genau in ber Bllitte,
unb er bog nur im rechten SBinlel ab, nachbem er einen ülugen»
blid fteben geblieben unb fich oerfichert batte, bah er Bliemanben
{♦.MJ
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berühren werte. 3m 2Birl^8l)aufe rficfte et forgfältig, wenn
au(^ D^ne gciabe aufjufaöen, »on feinen SRac^barn ab unb »er*
mteb ängftli^ jebe Serül)tung. 91ie beja^lte er bireft, ftetö lie§
et feine 3e<^e l>ur(^ feine f^rau berichtigen, unb ich erfuhr non
ber gau3en Störung erft bann, al8 feine fvrau mich h'«i*r bem
SRiidten bed ÜRanneö um {Rath
@tn anbetet .^err hatte bie 3bee, ba& er fi^ burch Strpch»
ninpitlen oergiftet hätte. Diefeg @ift fafe in feinem Äötpet
unb äußerte audh auf anbere feinen nacbtheiligen @inf(u^, bähet
bei bem fonft feingebilbeten unb geiftreiöhen 9Ranne ein höchft
fonbetbareb SSenehmen. Stuf Spajiergängen »ermieb et jebe
Berührung unb jumal ^inbetn wich et fchcn non weitem auö.
duftete aber jemanb plöftlich unb fah et feinet SRexnung nach
fehlest aub, fo ging er rafch auf ihn ju unb fragte ihn, ob er
ftch fchon lange unwohl fühle ober erft foeben eine franfhaftc
Smpfinbung nerfpürt habe. ÜRan fann fich bie SBitfung auf
ben harmlofen SBanberer unb namentlich anf Äinbetmäbchen
benfen, unb bie überrafchten unb oetwinteii Slntworten waren
nicht geeignet, ihn »on feiner franlhaftcn 3bee gu furiten.
Unb wieber in einer anberen gotm äußern fich bie SwangS»
»orftedungen in ber Unmöglidhfeit, aQein unb ohne Begleitung
über eine Strafee ober einen freien '])la^ gu gehen ohne in
'Ungft unb bie größte Unruhe gu »etfallen. @8 ift fein eigent«
licheö Schwinbelgefühl, baö bie an biefet ^la^furcht leibenben
jebcfimal befällt, wenn e8 fich barum hanbelt einen freien Staicm
gu burchfehreiten, fonbetn eine unüberwinbliche S^eu unb baS
Bewuhtfein bet Unmöglichfeit, ba8 getabegu lähmenb wirft.
SBir nähern unö hiermit allerbingö fchon bebenflich bet @renge
beö witflichen SrrftnnS, obwohl biefe 3uftänbe bei fonft guten
©eifteöfräften beftehen fönnen.
(äine junge grau wohnte in einem ^aufe, ba6 fchr »on
IDtäufen heimgefucht war. 2)a fie gerabe oor biefen Jhieren
einen befonbeten SBibetwillen hatte, fo rieb unb wufch fie jeben
(«aj
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©egenftonb auf bafl peinlid^fte ab, beoot pe i^n in bie ^>önbe
nahm, aud Surd^t, ba| et mit ben SJlfiufen in Setübrung ge»
fommen fei, unb fo oft fie et»a8 angefapt botte» »uftb fie p(b
bie ,^änbe. Salb oetlangte pe ba8 gleiche von betn 3Ranne,
ben ^nbetn unb ben IDienftboten, unb bi^nnit nicht gufrieben,
fab pe im 8aufe beS Sage8 unjäblige fDiale nach* ob ihre
SBäf^e gut oetfchloPen unb vor fDiäufen gepchett fei. „@8 lag
bieS nicht in meinen SBünfchen, fo fagt pe felbp in ihren 2luf»
Zeichnungen, fonbern ein übermdltigenbeS Sebürpiip, baß mein
Serftanb unb mein SBille in gleicher Steife verurtbeilten , trieb
mich baju an unb ich konnte nicht miberfteben. gleichzeitig
entwidfelte pch bei mit eine gto§e Sermitttbeit, ba ich oft
zweifelte, ob ich mich gemaf^en b^ii^ unb baburch zu immer
neuen IBafchungen gezwungen war. 3ih fchtieb beßbalb auf,
wann unb warum ich mid) gewafchen hotte, aber obwohl ich
nur in SSbfürzungen fchrieb, fo füllte ich t>och zuweilen in einem
Slage ca. 50 Seiten bamit an, unb enbli^ glaubte ich ouch
meinen Sufzei^nungen nicht mehr. Sergebenß rief ich mir zu,
welch’ traurigeß Serbängnip, bu boft gute Slugen nnb ein guteß
@ebör, ein vortrefpi^eß ©ebächtnig unb hoch fannft bu bich
nicht bavon überzeugen, bap alleß fo vetfchloPen ift, wie bu eß
haben wiQp. Unb wenn ich Pcrben foQte, ich fann eß nicht
laPen immer wiebet unb wiebet nachzufeben, ba mi^ eine un»
wibetPehlicho @ewalt auch gegen meinen SBiQen treibt." SU»
möhlich nahm biefer Buftanb immer gtöpere 2)imenponen an.
IDie furcht pdb zu verunreinigen unb bet Stvang pch zu wafchen
trat fchon bei ber blopen SorfteQung eineß befchmupten ®egen»
ftanbeß auf, unb pe brachte ihre ?age nur mit bem Wafchen
ihrer .^änbe z«- @ie lebte nun einfam in ihrem feftverfchloPenen
Simmer, wozu jebem ber ©intritt verboten war; pe laß nicht,
fdbrieb nicht, verbat pch jeben Sefudb unb nahm felbp an ihren
Äinbern feinen Slntbeil mehr. 9iur feiten rebete pe mit einem
ihrer gamilie unb bann nur mit leifer, unp^erer Stimme.
XIX. 444. 2 (4iS
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Scftdnbige unb 3»eifel oetfolgteu unb quälten fle. —
^ bet plpc^tatrifc^en ^ac^ltteratui finb btefe Suftänbe
neuerbingS unter bet 93egetd^nung mit bet §ut(^t
Bot IBetü^tung frember @egenftänbe" befd^rteben morben.
Stöbet ^anbelte eg ft(b um SSerle^rt^eiten me^r ^atmlofer
9latur, bie man bem ©tngelnen fc^on nac^fe^en fann. IDag ift
aber nicht immer bet $a0 unb in einer meiteren Sieihe fehen
mir ben ^ang gum SBerbrecherifchen in einer ©tärfe
treten, ber mir oft rathlofl gegenüberftehen.
33on ben Seibenfchaften unb ISffeTten gilt in noch
@rabe, mag ich vorhin oon ben @)emohnheiten ermähnt, unb
man rebet nicht umfonft oon ben @flaoen ber Seibenfchaft.
9m auggeprägteften finben mir bieg bei ben 5ltinfern, unb
mer fich mit biefer leibet recht auggebehnten @efeDfchaft nähet
gu befchäftigen Gelegenheit h^l, mei| bavon gu ergählen, mie
feiten eg gelingen miQ unb mie fdhmer eg ift, einem Gemohn«
heitgtrinfer bag !£rinlen abgugemöhnen. ^iet ftreift bie äBitlen»
lofigfeit bet Printer unb ihre Ohnmacht bem übermächtigen
Sitinlen gu miberftehen, fchon h^rt an bie Gtenge beg 3rrfinng
unb mir begegnen in ber Sh^t hm unb mieber bem IBetfuche,
bie Gemohnheitgtrinfer alg mirfliche Geiftegfranfe aufgufaffen
unb fie alg folche gu behanbeln. IDoch bürfte bieg benn hoch
etmag gu meit gegangen fein unb ich glaube baran fefthalten
gu muffen, ba§ ber gemohnheitgmähige 9Ri§btauch geiftiger
Getränte, im änfonge menigfteng beftimmt, ein Hafter ift, für
bag man ben Setreffenben mohl oerantm örtlich machen unb be«
fhafen botf. $Da& ber Gemohnheitgtrinfer im meiteren SBetlaufe
feineg oermerflichen Sreibeng, gang abgefehen oon 9ugbtüchen
mhrflichen Srrfinng — bem befannten JDelirium bet Irinfer — ,
enbli^ in einen 3ufl<mh beg «Stumpffinneg unb ber Geifteg«
fchmäche oerfinft, ber ihn einem oöllig 33löbfinnigen nahe fteQt,
ift befannt genug, unb nicht menige Snfaffen ber Srrenanflalten
oerbanfen ihr unheilbateg @iechthum ben SSermüftungen beg
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®rannt»ein§. 68 tft bie8 eine golge bet 6inttitfung alfo^nl«
faltiger getränte auf ba8 6e^im, bie fi(^ um fo net^ängni^*
voDer geltenb mac^t, alS ft(i^ ba8 @e^{tn eines gto§en Steile!
biefei Snbinibuen fc^on o^ne^in untei bem 6htfln§ Tranl^aftet
Anlage unb nerfe^rter 6tjie^ung beftnben wirb. 6inen S^eil
bet Stinlet glaubt man o^ne meiteted ben ©eifteSftanfen gu>
jaulen ju bütfen. 6« finb bie« bie fogenannten Duattalöfäufet,
bie IDppjomanen, non 9iatut au« nüi^teme unb feineSmeg« 3ura
©enuffe betaufc^enbet ©etränfe ^innetgenbe geute, bie angeblich
in mebi obet meniget tegelmd^igen Svifd^enrdumen anfangen,
ma|lo« ju excebiren unb ft(^ fo lange ju betaufd^en, bi« ge in
nöllige 6tf(^laffung nerfaQen obet ein IDelitium bie ®cene be>
fc^lie^t. min ^iet nut an einen unfetet beliebtegen SMc^tet
etinnetn, übet begen Seben biefe ^anf^eit einen bunfeln
©(batten gemotfen bot 3)enn biefe Quortalttinfet gnb in bet
S^bdt geifteSftanf, unb meift liegen biefen Sinfänen Buftänbe
non melancbolifcbet Untube obet auch non tobfücbtigei 6ttegung
ju ©tunbe. 3n bet inneten 9iotb ober bem Sebfitfnige nach
äußeren Sieigmitteln greift bet jttanfe nach bem ©ett&nfe um
g(b JU betäuben; unb bet ftanibafte Stieb netfcbminbet gugleicb
mit bem ©tunbjuftanbe, bem er feine ©utftebung neibanfte.
93ei ben eigentlichen Haftern bagegen bei§t e« ben Anfängen
entgegentreten unb ge bebettfcben ju lernen. SSit finb geiftig
fo frei al« mögli^, menn mit e« babin gebracht bol’cn, unfete
Stiebe butch bie Vernunft ju jügeln. 3e mehr mit bie Ätag
bietju netlieten unb fe mehr mit un« ihrer gßacht miHenlo«
übetlagen, um fo meitet entfernen geh bie i'eibenfchogcn non
bem ©ebiete be« normalen Beben« um ba« be« franfbagen
ju betteten. 8ln unb für geh gnb bähet Beibenfehagen unb
Ülgefte noch feine ©eigeSgörung, mobl aber bilben ge ben
fruehtbargen Soben für bie ©ntftebung berfelben, fo bag man
eine geitlang fogat bie SButgel fämmtlidber ©eelengorungen in
einet ftanfbagen Serittung bet Slffefte unb Beibenfehngen fu^en
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woQte. 0a6 ift nun ni(^t ber $aQ, unb bie Seit ift gludlid^ei
SBeije Doiübet »o man in ber @)eifteöfranfbeit ein moralifdbed
@ebredben fa^, baS folgeridbtig aud^ non bie|em Stanb^unfte
aud beurt^eilt unb be^anbelt mürbe. SBaö man bamalfi für
bie Urfacbe gebalten, ift oft meiter nicbtS als bie Solge beffelben.
2)er 5ERenf(b mar Ieibenf^aftli<b unb »erfe^rt, meil er bereits
geifteSgeftcrt mar, unb baS gemaltfame .^ernoitreten ber nieberen
Triebe be^ei^nete fc^cn ben beginn ber @eelenftörung.
Sür eine dieibe non anberen SäQen reicht biefe Snfebauung
inbeb nicht auS. ^ier jeigt fi^ bie lafterbafte Steigung unb
Serfebrtbeit fo früh unb fo inftinftin, bab mir unS nach einer
anberen @rflärung umfeben muffen.
2>ie 5Ratur erjeugt mit merlmürbiger öonfequenj fort»
mäbrenb Snbioibuen, bie moralifcb befeft finb. @cbon bei ben
^inbern fäOt ben @Uern ein ^ang 3um SSöfen unb eine 9ieigung
gu allem SSerfebrten auf, bem fie nergeblicb gu mebten fueben,
unb ber ffe in Unruhe unb in @r[taunen febt.
9Ran hofft auf Seffetung, ober bie erfte Sebingung bi«rgu,
bie @inficbt in baS begangene Unrecht, bie @rfenntnib beS Un»
rechtes übeibauht, ift ni^t norbanben. @S ift als ob ber @inn
für Siecht unb Unre^t gänglich mangele, unb etmaS SlebnlicheS
ift auch mirflich ber $aH.
3)ei fonft anfeheinenb guter geiftiger 93eföbigung beftebt
ein abfoluter SRangel an etbifebem @efübl, unb man bot biefe
unglücflichen ©efchbpfe ni^t mit Unrecht als moralifche Sbioten
begeichnet.
@0 machten fie beton, unb @rgiebung unb Strafe hoben
nur menig baran gu beffern nermocht. SJUt ben Sohren unb
ben erma^enben i^eibenfehoften mirb eS immer fchlimmer, bis
baS i!eben fie mit fchonungSlofen Firmen umfaßt unb als Sßraef,
gebrochen unb nerfommen an ben ®tranb beS SrrenbaufeS ober
beS ©efängniffeS mirft.
S)aS finb bie lOerbre^er auS Siatumotbmenbigfeit, auf
«5«)
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@runb einer franf^aften ©e^imanlafle, bet unb ho^ einet guten
Stjie^ung, bie fid) ^iet eben fo nu^IoS erweift tnie leibet auch
in ben meiften SdDcn bie fo rei^lit^ batauf oetnjanbtc SJlü^e
bei ben eigentlichen Sbioten.
©iefe gäöe oetlaufen alle nahezu nach betfelben Schablone,
unb toenn ich einen bancn hicr^^ f?^e< n^itb man bie anbein
leidht etfennen fönnen.
2)etS3atct war ein tüchtiger ©efchäftflmann, aber überteijt,
netDöfl unb leidet ju gro|et ^eftigfeit geneigt. 2)ie 5Ruttet
gart, unfelbftänbig, unb wenn au^ in anberet 3Beife wie bet
33atet netoßS. ©uftan war bet jüngfte »on fünf ©efchwiftem,
fßtpetlidh wohlgebilbet, geiftig aber in ho*?«“* ©rabe befeft.
Sobalb et 3um felbftänbigen .^anbein fähig war, war biefeS
^anbein verfehlt unb fehlerhaft. 9tafchhaft, »erlogen unb
biebifch aie ^inb, blieb et gleich unempfinblich gegen bie \)äx“
teften Süchliflungen beß in ^ühjotn außbre^enben H^aterß, wie
gegen bie ^Bitten unb ©rmahnungen bet allgujättli^en ÜRuttet.
93on Schule ju Schule gebracht unb fortgefchicft, blieb er auch
im Eernen 3urücf, obwohl eß ihm bntchauß nicht an bem nßthigen
SSetftanbe fehlte unb et feine 'Jlufgaben gan3 gut beihalten
Tonnte, wenn et eben woOte. 0kchbem aDe möglichen Schulen
burchgenommen waren unb alle Wehtet erflärt hotten, ba§ et
ein IBetbetb für bie anbetn Knaben unb unmöglich länget 3U
halten fei, fam et 3U |)rioatlehrem, bie tro^ beß hoh«n ^reifeß .
ebenfo wenig im Stanbe waren, ben Änaben auf bie 5)auet
gu holten. Schulbenmachen unb enblich offener IDiebftahl unb
©inbruch in bie ©elbfaffe beß ^iatetß unb bet Sehter war
fchon bamalß nichtß felteneß, unb bei bem IDutchfuchen feinet
Sachen fanb fich gerabe3u Unglaubli^eß, hunberte »on Spielen,
Silberbüchetn, ^rachtwerfen unb betgl. , bie et gar nicht ge>
brauchen Tonnte, ^it bem 3unehmenben 3ltet traten auch
Steigung 3um StunI, gu allerhanb fchlechtet ©efeQfchaft unb
gu anbeten recht bebenflichen IDingen hingu, unb alß fich enblich
(4SJ)
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nad^ langem @uc^en mtebet 3emanb fanb, bet ti unietne^men
moDte i^n gu beffern, ein $faner auf bem Sanbe, tt>u|te et ftd^
balb bte @unft bet altetnben 2)ienftmagb gu oetj^^affen unb
mutbe mit 17 Sagten bet SSatet eines ^nbeS.
@t wutbe batauf auf ein @ut gef^idit unb fam mit auS
ben 9ugen bis ic^ plö^lic^ nad^ einigen Sagten mieber SSetan*
laffung ^atte, mi(^ einge^enbet mit i^m gu befd^äftigen. @t
mat nämlicb gum SRilität gefommen unb bott nac^ vielen toQen
©tteid^en enbU^ befettirt. SSetgeblicb ^atte id^ frü^et batauf
aufmetffam gemacht, ba^ et nie unb nimmet @oIbat »erben
bütfe, ba eS gang unbenfbat fei, ba§ eS bott gut mit t^m ge^en
fönne.
£ie Ungewi§^eit, »aS man mit ii^m ma(^en foQe unb bie
{>offnung, ba^ man bott mo^I mit i^m fettig werbe, waren
ftätfer gewefen als meine Sbma^nungen, unb burc^ aOet^anb
Setbinbungen unb Sergünftigungen war eS auc^ eine SBetle ge*
gangen. Slber wie? ®o ^atte et unter anberen bei allen @^nei*
betn bet @abt feine Uniformen ma(^en laffen, gu gangen S)u^en*
ben, unb fie wiebet gu ®pottpreifen vetfauft, unb fo war eS
weiter gegangen bis et enbli^ bod^ bet @a(^e fatt würbe unb
einfa(^ butc^ging. 3um @Iüct ^atte man i^n in bet @^weig
anfgegtiffen, bott feinen Suftanb tid^tig etfannt, feine SuSliefe*
tung verweigert unb i^n einet 3rrenanftalt überliefert. Unb
tro|bem toftete eS gro|e fDiü^e unb fogar einet @ingabe beim
oberften ÄriegS^errn, bis baS Setfa^ten gegen i^n eingefteHt
unb et für geifteSftanf erflört würbe.
@ang auf bem Soben ungweifel^after geiftiger jhant^eit
liegen eine fRei^e von einfeitigen Stieben gu befiimmten gewalt*
famen ^anblungen. IDoc^ ift man in bet @rfenntni§ biefet
Suftänbe neuetbingS etwas anbetet Snfi^t gewoiben unb bie
vielberufenen ORonomanien, wie man fie genannt ^at, treffen
^eutgutage auf eine me^t ffeptifc^e Seurt^eilung.
Unb in bet S^at lann bie Slnna^me eineS ifolirt auf*
(«8)
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tretenben S3ranb* ÜJlotb» ober ©te^ltriebeö mit unfcien 3in»
[(^auungen oon ber Sb^tigfeit bed @eifted ni^bt gut gufammen>
gcbraibt werben, unb bann ift auch nicht 3eber, bet ohne nacb>
wetöbaren @runb motbet ober fHeblt, beSbnib nerrfirft.
!Die Seubetung eines @t>i|buben nom ^acb ift cbaraltetiftifdb
genug um bietfär alS Beuge angeführt gu werben.
„SSenn (Sie glauben, jagte er, ein 3)ieb würbe ni^t ftehlen
weil er eS nid^t nothwenbig hätte, fo wären @ie im 3rrthum.
SBaS ein orbentlidber ©pi^bube i^, ber ftiehlt ob rei^ ober arm,
fo wie fich ihm eine Gelegenheit baju bietet, benn biefe Gelegen*
heit fönnte in gleicher Güte nicht wieberfommen'*.
Unb baher hot ber fogenannte ©tehltrieb immer etwaS oer*
bächtigeS, um fo mehr als ber ,^ang 3ut wiberrechtlichen fXn*
eignung fremben GigenthumeS nicht gerabe baS auSfdhliehliche
IBonecht bet ni^t befihenben GefeQfdhaftSTlaffe ift.
IDie großen 93ajare ber fReugeit fönnen ein 8ieb baoon
fingen, unb manche nornehme 0ame, non bet man eS ficher
nicht nermuthete, foH in bem Sünbenregifter eines ober beS
anberen biefet SSajare eingetragen fein als GelegenheitSbiebin,
beren 93ewachung ben SngefteDlten gut befonbeten ^fUdht ge«
macht ift.
dagegen bürfte baS gewöhnliche .^eer ber SSerbrecher, bie
unnerbefferlichen ifumpen, bie Summier unb Sagabunben non
Seruf wieber gum Grenjlanbe gehören.
|)iet wirten angeborene Gigenfchaften unb Gr^iehung ner«
eint nach einet Stiftung, fiät gegenfeitig ergängenb unb et*
ftidenb.
Sßo foQ ber Serbrecher überhautJt bie fittlichen SorfteQun*
gen hemehmen, bie feinen non Geburt an fehlerhaften Stieben
hemmenb in ben 3Beg treten fönnten? Slu^ er ift geiftig befelt,
Wenn au^ nicht auf Grunb einer franthaften fünlage, fo hoch
in Böige einer nerfehrten Grjiehung, bie ber Gntwicflung jebeS
etwa nothonbcnen ÄeimeS beffeter Gmhfinbungen frühjeitig ent*
• («»)
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gegengetretea ift, unb fo aud^ i^n gu einet 2(tt »on motaltfc^en
Sbioten gemacht ^at.
9(u(^ bem @e»o^n^eitdoerbre^er fe^tt ba@ 93et»u§tfetn non
Siecht unb Unre^t, baS wir anbeien SRen[(^en befi^en. @t
tcei§ unb bie (Srfabtung ^at e@ i^m gelehrt, ba^ et für gewitfe
^anbiungen beftraft wirb, ooraudgefe^t, ba§ man i^n babei er«
tt)if(bt unb t^n trc§ feined 8eugnenS bet ^anblung überführen
fann. 2(bet eigentlich Unrecht im ethifchen @inne btS äBorted
hat er feiner SReinung nach ni<hl> »»b er fann eigentlich feine
anbere fUleinung
3Ran h<tl bähet auch »^ohl in jenen ©emohnheitSoerbrechern
eine eigene klaffe non ^JRenfchen fehen wollen, bie ftch non ben
®eiftedfranfen jwat unterfcheiben, aber hoch manche^ mit ihnen
gemeinfam hoben.
2Ber ©elegenheit hot mit ben Snjaffen eines größeren @e»
fängniffeS ober einet SlrbeitSanftalt in Setührung ju fommen,
fann barüber merfwürbige @tubien machen. @chon bie $hhfiog°
nomien hoben etwaS abfonberlicheS, man glaubt nielfach 9Rit<
glieber berfelben Familie oor fich ju hoben unb nicht mit Un«
recht fpricht man bähet non Serbrechertppen. ©^wetlich bürfte
ein Silbhauer hiet feine SRobeüe finben unb nach foqjerlicher
Schönheit unb IBodfommenheit wirb man nergeblich juchen.
S)er (Stempel beS IBetfommenen ift ben ÜReiften gar gu fi^tbar
aufgebrücft unb gwat haftet er an ihnen fchon non @eburt an.
3e tiefer man in bie fRaihtjeiten beS menjchlichen iiebenS
einbrang, um fo beutli^er fanb man, ba§ fich mit bet mangel«
haften @ntwicflung beS @eifteS auch gewiffe törperlidhe ^ih>
bilbungen nerbinben unb oft fchon als äußerliche Seichen ber
©ntartung angefprochen werben müffen, wenn bie gehler ber
geiftigen (Sntwicflung no^ nicht gut ^Beachtung gefommen finb.
^Diefe fogenannten IDegenerationSgeichen, wie man fie nannte,
IBerbilbungen bet Dhren nnb beS @aumenS, Unregelmäßigteit
ber @iefichtSgüge, unooUfommene iiähmungen unb bergt, mehr
(«Oj
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finben ftd? nun eben fo teicblid^ in ben Snenanftalten rote in
ben ©efdngntffen, unb fie »eifen fo auf eine innere SSerroanbt»
fc^aft, auf einen engeren Sufantmen^artg bet beiberfeitigen 3n»
faffen ^in. Unb notb auf eine anbere SEBeife wirb biefer 3u»
fammen^ang barget^an.
9lad) ben übereinftintmenben (ärgebniffen einet grß|eten
fSngabl »on Säblungen erfranfen etwa 3 »on 1000 @inroo^netn
eines Banbeö an ©eifteflftotung. 5)ie eben fo einftimmigen
Angaben ber @efangen^äufet ergeben aber einen ganj anberen
l^rogentfa^ unb man fann bie 3abl ber Söerbted^et, bie un=
jweifel^aft geifteSfranf werben auf etwa baß fünfje^nfadje jener
3o^l anne^men, ober auf na^ejti 5 oom ^unbert. S3et allet
JRiufficbt, bie man ^iet auf bie au§etorbentli(^ fomplijirten Sßer»
^ältniffe nimmt, unb wenn man ben Slnt^eil beö roilben unb
uerbreeberifdben SebenS, beS S^runfeS unb ber iSuSfdbweifungen
biefer fOienftben no(b fo bo^ anf^lägt, fo bleibt bodb immerbin
no<b genug jurüd, roaS nur auf eine gemeinfame SBurjel, auf
bie bei beiben gleiibartige Anlage gurüdgefübrt werben fann.
3)a§ ftcb mit biefen Slnftbauungen, wie wir fle tbeilen, bie ro>
mantif(ben Srjdblungen oon wunberfamen Slütben an ©eifteS»
f^önbeit unb Slugenb, bie auf foltbem Soben betnorgefproffen,
ni^t recht »ereinen wollen, ift nicht gu dnbem, unb ebenfo wenig
tonnen wir ben erbaulichen S3eifpielen non plö^lichet IReue unb
S3efferung, womögli^ erft auf bem @^affotte, niel ©lauben
fchenfen. 3a, wenn man bie gange ©rfabrung ber früheren
Sage mit einem Schlage nernichten fonnte, unb bann bie fo ge«
fdbaffene Beere mit bem ©egentbeile beS bißberigen f^fiblenß unb
IDenfenß erfüllen würbe, bann oieQeicht mö^te eß gelingen, unb
auch bann nur, wenn bie organifche Selaftung beß ©ebirnß ni^t
ftarf genug ift, um tro^bem alle IDdmme gu burchbrechen unb
fich fchranfenlüß roieber bem Swonßc ber ererbten fRotur bin»
gugeben.
!Die gtangofen haben ein Sprichwort, „Sllleß begreifen beiflt
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atleö oergri^en,* unb für unß liegt in bet eine grofee
SBa^r^eit barin. iDenn ift eS nidft eine gio|e Serubigung,
trenn wir einen S£^eil ber @(^eu§li(^feiten, welche bad 3Renf(^en>
gefd^ied^t (d^&nben unb wonon unä bie ©efd^ic^te ergä^lt, auf
bie ©eifteflftörung übertragen fSnnen?
Bwar ^at audb nad| einer anberen Stis^tung bie @^ren«
rettung, ber ft^ einige neuere @e{(bi(btbforf(ber mit bejonberem
@ifer ^ingeben, mancbeS @ute gu Sage gebracht, unb wir
muffen, um gerecht gu fein, g. 33. mit 8ucregia 33orgia ein
anbered 0Ub nerbinben, ald wie wir früher gewohnt waren
unb wir fte noch ouf ber 0ühne bargefteOt fehen; bei
anberen aber, wo bie Shaten nicht gu begweifeln finb, mu§
ber @eiftedguftanb einer eingehenberen Unterfudhung untergogen
werben. @o finb bie Slaubier (Siberiud, 9iero, 6aligula unb
@laubiud), Don beren Shuten wir und fchaubernb wenben, ber
©eiftedftörung mehr ald »erbodbtig, ber finftere ^h'*W
Spanien unb 3wan ber Schrecfliche oon fRufelanb litten an
0erfoIgungdwahn , unb laum werben wir eine Seite ber @e«
f^ichte auffchlagen fönnen, ohne bah neued fSiaterial für
unfere Itnterfuchungen entbecfen.
{tierbei h^Ben wir und vor einer Klippe gu hüten, unb ed
wäre nerfehrt, wollten wir Beiten unb üRenf^en oon bem Stanb«
punfte unferer heutigen Snf^auungen unb 0ilbung heraud be«
urtheilen. Slnbere Beiten, anbere Sitten, unb wad in anberen
Bahrhunberten ober an anberen Drten für natürlich unb felbft>
oerftänblich galt, will und heute oft »erfehrt unb fchwer erllär«
lidh bünfen.
SBoden wir anbere Beiten unb anbere SJtenfchen wirtlich
oerftehen, bann müffen wir und gu ihren Snfchauungen bequemen,
und gleichfam in ihre dJtitte oerfehen, mit ihnen leben unb
benfen. 3)er Brrthum einer Beit ift noch feine ©eiftedftörung,
fo abfonberlidh er und au^ fcheinen mag. Unb wad für ben
Brrthum eined gangen Solfed gilt, barf auch für ben wiffen*
c«ej)
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f^aftUc^en Srtt^um eineg ^ingelnen geltenb gemacht tveTbrn.
iHu(^ bet tt)if[enj(^aft{i(^e Sttt^um beg (Sinjelnen ift an ft(^
nod) feine ©eiftegftörung, obmo^l et biefet ®tenge untet Um«
^änben tec^t na^e fommen fann.
Dgfat »on SRebmi^ fotbert in feinem Obilo, ba§ mit ung
ben -Sl^ot^eiten bet QRenf^en gegenübet ein mitleibigeg 8ä^eln
bemai^ten foQen, unb D. t>on iRebmi^ ^at Siedet, benn:
SBn biefeg Sätbelng jfunft vecftebt,
9iur bet mit »ollem SBeltoerftanb
Unb 0eelenru^e .^anb in ^anb
S)urcb biefe SBeltfomgbie ge^t.
Unb ben i;!a))alien unb {cnbetbaten Sünfereien gegenübet,
momit bie ©(bolaftifet beg SJMttelaltetg fi^ abmü^ten, mitb eg
ung nid)t fc^met galten, unfetn .^umot ju bemalten.
SBenn mon fi(^ bomalg batübet fttitt, ob eine 2aufe gültig
fei, menn man fic^ ^ierju beg SSieteg obet @uppe bebient
^abe, unb felbft ein Sl^omag oon Slquin Untetfu^ungen an«
fteOte, mie \joä) bie ^i^e in bet .^öUe fei, mit ^aben nut ein
8ä(^|eln übet folc^e JDinge. Unb fe^en mit in unfetcn Jagen bie
^nfttengungen eineg Sin^elnen, bie Sonne in intern Saufe auf«
ju^lten, obet bie ©aufeltünfte eineg Sc^minbletg mit bem
Salten nod^ unentbecftet 9iatutftäfte ju etf laten, bann mitb
eg ung oieHeicbt etmag fc^meret, abet mit lächeln audi) bann noc^.
Sc^met abet mitb eg fein, bag Säcbeln auf ben Sippen gu
galten unb nicht mit beg UnmiOeng gebadtet Sauft gu oet*
taufdhen, menn mit in bie büfteten Seiten bet Jpexenptogeffe
hinabfteigen, unb ad bet Sammet unb bag @lenb an ung hetan«
tfitt, ben Slbetglaube unb teligiöfe Schmätmetei ergeugt.
Unb hiet etinnete ich baran, bah toit folche (Itfcheinungen
nut im 3ufa«menhange mit bet Seit bettachten bütfen, mo fie
fich geigen. S3on biefem Stanbpunfte aug mäte eg oetfehtt,
modten mit bie toden unb ftampfattigen Suefungen beg d)iitte(«
altetg in bag @ebiet bet @eiftegftötungen oetmeifen.
(4«S)
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28
2)ic Jänner unb ®ei§let bc8 XIV. Sa^t^uDbettS, bie
Äinberfreujjüge unb enbltd^ bie Sefeffenen unb ^ejcen, fte ade
mären ©eifteßepibemien, b. franl^afte ^Bewegungen gro§et
SKaffen, bie auf bem SBege bet fWac^a^mung wie bur(^
SInftedung »erbreiteten. @8 waren Serirrungen, »on benen
wir uu8 jum J^eil mit abfc^eu abwenben, aber eigentlitb
geifteSfranl in unferem Sinne waren biefe Snbicibuen ni(^t,
2Bo^l aber mag e8 an wirfli(b SSetrüdten unter i^neu nic^t
gefehlt ^aben, benn in btefer 93ejie^ung wirb e8 ft(b bamalS
nic^t anberä uerbalten ^aben, wie ^eute au^.
@8 läuft viel unau8gereifter SEßa^n im ®emüt^8< unb
@eifte8leben frei in ber 3Bclt um^er, ber jebe8 inneren .g»alte8
bar, wie bie SÖIotfe von bem 8i(bte, von jebem fReuen unb
©onberbaren ungezogen wirb. 33egeiftert für SHIe8, wa8 fie
nicht verftehen, werfen pe pdj jebem Schwinbel in tie 9lrme,
unb treten für jebe neue Sefte in bie S^ranfen. 9lu8 ihnen
refrutiren pth bie Slnhänger be8 93egetariani8mu8, bie ©b'^tipen,
Sifdhrüder u. f. w., hoch möchte ich ^>><h hi^^ bagegen
verwahren, al8 wenn ich nun ade, bie biefen freien j^ünpen
hulbigen, für geifte8franf hieite. 3m ©egentheil wid ich gerne
jugeben, bap biefe Slrt von 'Parteigängern ben eigentlichen
Süngern, benen e8 mit ber Ucber5eugung 6rnft ift, h«>^jtich
unbequem finb. lÄn ber Sache felbft aber änbert bie8 nicht8.
3« gleicher SBeife erflärt fi^ eine anbere S^hntfo^e, bie
fonft parabor etf^einen müfete.
2öir jehen mit politifch aufgeregten Seiten, 3umal mit
0ftevotiitionen, eine Abnahme ber @eifte8hanfen einhergehen,
währenb wir von vornherein baS ©egentheil erwartet hatten.
©iefe Erfahrung hat pth bei bet Patifer ßommune wieber
beutlich herau8gepedt. Sit bürfen barau8 ben Schlup giepen,
ba§ berartige Bewegungen in ihrer 3(rt lupteinigenb pnb.
Sie wirfen nämlich bei aden irgenbwie geiftig befeften 3nbi»
vibuen wie bet Stich bet Jarantel. EJJJit veden Segeln eilen
C«*)
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29
fie ber SSeweäung ju, unb i»a6 ble Äugeln bcr ®egner übrig
laffen, ge^t bur^ 2tunf unb Stufregungen jeber Slrt mit ber
Semegung felber ju ®runbe. ©cld^er Slrt ift ber ^eiljame
@influ§ ber 0ie»oIutionen unb Slolföbemegungen auf bie®eifte0=
flörungen.
Sei bem lebten großen IDrama biefer Slrt, bcm 6ommune=
aufftaube in ^ariä, niar bie {Rolle, welche eine {Rcilje nctorifd^
oerrüdter ^nbioibuen babei einna^m, feine geringe, unb wenn
wir bie ^^otograp^ien ber Gomunarben, namentlich in il)rem
weibli^en 5£be>Ie bur^muftern, fo werben wir auffaUenb niete
finben, benen ber SSa^nfinn mit unnetfennbaren
Bügen auf bie ©time gef^rieben ift.
2)iefelbe Sinnahme wirb auch für bie Solföfranfheiten beö
Söiittelalterö geftattet fein.
Ginige wirtlich Serrücfte ercffneten ben {Reigen, fei eö,
ba^ fie glaubten, in SSölfe »erwanbelt ober ccm Slenfel befeffen
gu fein, bafe fie fich mit ®eifeeln jerfteifchten ober nach bem
Ätange ber iarantella bis 3ur ©rfchöpfung in wahnfinnigen
Saften brehten, unb bie Slnberen folgen na^, umgarnt con
6lenb, Serbummung unb Slberglauben, hineingeriffen in ben
wilben Srubel. Unb fo ging e8 bie Sahrhunberte h*nbur^,
bis fich baS Sitte cerlor unb {Reueö an feine ©teile trat.
2)ie .J)ej:en ftnb fo jiemlich cerfthwunben, unb wenn fich
je noch eine 3eigt, fo wirb fie nicht mehr cerbrannt, wenigftenö
bilbet bieö nicht mehr bie {Regel. Sah«r fann {Rcbwi^ feinen
IDoftor fagen laffeu:
@inft hätt’ ale ^ere man bie Äranfe
Sei SuBpfalmlicbern unb ®eläut’
Serbrannt mit hßHifchem ©eftanle,
Unb ihre Slfche noch »erflucht.
3n unferer glaubenJarmen 3r>t
93armher3igec je^t ble 5)lenf(hliihf*it
SlU Äranfe fee ju heil«« f“<bt'
C465)
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30
Slber tm @tunbe ^at bo(b nur bie @cenerte getvetbfett,
unb na^ 93ei|^ielen geifttget SInftedung Brauchen toit aud) ^eute
nicBt weit gu fuc^en.
3Beit hinten in ^atiö erftnnt irgenb eine t^örid^te ^etjon
ein ebenfo t^örid^teS ^oftüm, unb unfere fe^r verftänbigen S)amen
^aben nicbtd eiligeres ju t^un, als fdlleunig i^ten gewohnten
Slnjug gegen baS 5fleue gu Bertauf(ften, unb jebet »erftänbigen
@TWägung guwiber, |o lange als klarten bet neuen ^obe ein«
^eiguge^en, bis eS benen in ^aris beliebt, eine anbere IBer«
fleibung auf ben fIRatft gu bringen.
IDaS ift bie ÜJlaebt bet 9tacba^mung, jenes gewaltigen
SriebeS, bet unS gu einem fo gefeHigen, aber anä) gu einem
von ber ©efeUfd^aft fo abhängigen äBefen macht.
S)odb möchte ich einen Sugenblid gu bem SRittelalter
gutüdfehren. 2)aS SJiittelalter ift bet üp^jigfte Soben für eine
@tuppe uon @r{cheinungen , bie, wenn auch heutgutage leibet
noch nicht gang oetfehwunben, hoch gewöhnlich ihte @tlebigung
halb DOt bem ©taatSanwalte finben. 3ch meine bie teligiöfe
SSergüduug, bie fogenannte ©jeftafe, unb bie bamit »erbunbenen
religiöfen @t[dheinungen, bie IBifionen.
3n bft (Selbftbiogtcqjhie ber heiligen Jhetefe befi^en wit
eine flaffifche ©chilbetung folchet Suftänbe, wo bie ^eilige mit
in bie @luth ihrer S3egeifterung getauchter Seber ihre eigenen
6mpfinbungen unb ^ifionen bef^reibt.
3um Serftänbnih biefet Suftänbe muffen wit einen lurgen
©treifgug auf baS @ebiet ber Srrenheilfunbe unternehmen.
Unfere ©mpfinbungen, baS Sehen, ^ören u. f. w. lommen
baburch gu ©tanbe, ba§ ein äußeret IReig auf bie ©inneSorgane
wirft unb butdh ^ie ©inneSneroen bem ©ehime gugeführt wirb.
^)ier finbet erft bie eigentliche ©mpfinbung ftatt. SBaS wit
©eben ober {>ören nennen, ift bähet im ©runbe genommen
eine beftimmte unb gang befonbere Seränberung beS ©ehirneS,
(4«€)
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31
adeibingd »eranla§t bui(^ bte ©c^ioingungen von 8uft unb
dlet^n unb bir (Sinmtrcfung biefet 0d}tt>tngungen auf bie ner>
»Öfen Elemente in 3uge unb O^r.
Untet normalen SSeriifiltniffen bebarf eS gum Suftanbefommen
einer jeben ©inneSempfinbung gundd^ft eineS du|eren Sietged,
unb mir bören unb {eben ni^tS, maö ni(bt audb in ber SBirf«
li<bteit oorbanben märe. d)aneben (önnen mir eine dbnlidie
93emegung beS ®ebimed, menn audb in meit geringerer Stdrfe,
miDfürlicb bctoorrufen, unb bie^auf beruht bie (Erinnerung einer
©inneSempfinbung. (Dag ge{unbe @ebim empfinbet babei ben
Unterjdbieb bet S3emegung unb ift ft(b biejeS Unterjcbiebeg mobl
bemu&t, unb mir merben bie ©mpfinbung {elbft mit ihrem (Er*
innerungSbilbe fo leidet nicht oermecbfeln.
Anberg ift eg fcbon im ©chlafe, bei lebhaften (träumen,
unb in ben eigentlichen @eiftegftörungen, bei ben franfbaften
(Reigguftänben beg (^ebirneg ift oon biefem Unterfchiebe feine
Siebe mehr, ^ier fann bie Semegung beg (Eebirneg aug inne<
ren (Borgängen \itxau6 in gleicher @tärfe auggelöft merben,
mie bieg untet normalen 33etbältniffen nur bei ber 3Babr>
nebmung äußerer (SegenRänbe gefdbiebt, unb an bie ©teile bet
©innegempfinbungen tritt bie {)aOugination. @ine Unter«
{Reibung ift bi^^ nicht mehr möglich, bie .^nDngination impo«
nirt alg mirfliche ©innegempfinbung. (Der ^ante fiebt unb
hört mit berfelben ©enauigfeit unb ©^ärfe, alg menn er ben
@egenftanb felber vor fich bntte, unb bag franfbaft oeränberte
Gehirn fann auch oon anbeter ©eite bei feine ^oneftur bet
falfdben SSorfteQung eintreten laffen.
(Dag äluftreten oon {)aUuginationen ift baber unter allen
Umftänben ein nicht unbebenflidbeg ©pmptom, fann aber au^
bei geifteggejunben Snbioibuen ootfommen.
(Die einfeitige unb intenfioe SSetfenfung nach einer Siich*
tung unb in einen @ebanfen fann gu ähnlichen (Erfcheinungen
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32
führen, unb bie @e[(^i(^te bei .^eiligen liefert unS ^ieifüt ein
leidi^altigee SJiaterial. SIbet aud) bei profanen ©efc^ic^te
mangelt eö nic^t an 3)eifpielen unb bie S3ifionen !Diobameb8
unb bei Jungfrau non Orleans, Sut^er’S S^eufelerf^einung unb
@ötbe’S ^Doppelgänger fönnen bici: angeführt werben.
^ut^er unb @öt^e beS^alb für geifteSfranf 3U erflären, i^
nod^ 9Hemanbem eingefommen, unb baffelbe wiberftrebt unS bei
einer ber lieblid^ften @rf(^einungen, oon benen unS bie @ej(^i(^te
erjd^lt. S)aS fUläbc^en oon S)om 0lemp, bie l^elbenmüt^ige
Befreierin granfreidjS, bietet ber gorfdbung na^ mehr wie einer
(Seite i^in gro§e diätljfel, unb fie bürfte wo^l gu jenen gott>
begnabeten ^erfonen gehören, bie nur oon Seit gu Seit er«
fc^einen unb an bie wir einen anbern SRa^ftab legen muffen,
als womit wir bie gewö^nlitpen ©terblidben meffen. Bei einer
langbauernben unb einfeitigen BefdbÄftigung mit einem ®egen«
ftanbe alfo lann eine innere .Rongentration ber ©e^imt^ätigfeit
na(^ biefem einen fünfte ber (0rt ftattfinben, bag bei gleich«
geitiger neroöier Einlage unb Ueberreigung beS 9teroenfpftemS
buid) haften unb fRac^twacben @inneStäuf^ungen auftreten.
3)iefe ,J)aUuginationen werben in Sorm unb Snbalt ber Stieb«
tung ber ©eifteStbätigfeit entfpreeben, unb ba eS ficb b*^'
um teligiöje BorfteQungen b^nbeln wirb, jo ift aueb ber ©b«’’
ratter ber JpaQuginationen ein religiöfer. fStan ftebt unb bört
je nach Seit unb Bilbung bie fDtutter ©otteS, ben Teufel unb
bergleicben mehr.
BJenn wir näher gufeben, fo finben wir, bafe eS fitb, wenn
auch auSfeblie^licbr meift um grauen bnnbelt.
Bei ben geauen eben überwiegt bao ©emütb, unb bie
gartere ^älfte beS fDtenjcbengej^ledbteS mu^ biefeS SJtebr an
SiebenSwürbigteit, baS fte unftreitig oor unS oorauS bat, gum
Xbeil wenigftenö auf Äoften beS nüchternen BerftanbeS beftreiten.
Stebmen wir biergu bie größere Sartbeit ber Äorperfonftitution
unb eine hieraus folgenbe größere Steigung gu Steroenftörungen,
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33
jo fabelt mit SJn^altSpunfte genug, um bie a3orliebe für baö
fdjöne ©efcbledjt, jugleid^ aber aud^ bie ftanfbajte Dtatur biejet
SJorgönge gu etfläten.
3cb bin ni^t ungalant genug, um ben be§ alten unb
groben 8ateinerd gu unter jcbreiben: malieri ne mortuae quidem
credendum, aber einen gemifjen S^eil »on bemühter unb un»
bemühter Sduf(bung merben mir in feinem biejet gäHe cermifjen,
mögen jie nun Swuen ober auch ÜJiännev betrejfen. ®o jtnb
g. S. bei gouije galeau einj^eil bet i^e^auptungen, oor allem
bie mangelnbe ^Ra^rungSgufu^t unbebingt in baö jReitb beS
SetrugeS gu cetmeijen.
anbereö lä§t gum Sl^eil menigftenS eine anberc ©tfldrung
gu. -Die SRerocn oermitteln au^et SBoune unb @d)merg, au^et
©emegung unb ©mpfinbung auc^ bie förnabrung ber ©emebe,
bie SBertbeilnng beö SBluteö unb bctgleicben mehr.
SBir fcnuen nun gemifje ©rfranfungcn bc6 jRercenjpjtemeö,
unb au^ bi«'^ miebet »orgugemeije bei ben grauen, bie jtcb
unter Slnberem burd) merfmütbige «Storungen in bet Srndbrung
unb $bötigfeit bet ^nut unb anberet ©emebe äii§ern, unb bie
man unter bem Flamen ber -J)9fterie gujammenja|t. SDbmobl
entjcbieben franfbajter jRatur, jo finb bieje Störungen bem ©in»
jlujje be8 SBillenS bo(b nicht gang entgegen, unb ba ber SBille
bei biejer Ärantbeit »ieljacb oerfebrt unb in franfbafte 23abnen
geleitet ift, jo ergiebt jicb ein berartigeö ©emijib oon beab»
jicbtigten unb unbeabjidbtigten ^ranfbeitSerjebeinungen , ba§ e^
faft eines 3lriabnefabenö bebarf, um jicb b’ft guredbtgufinben.
3cb miQ bem meijen Seijpiele SSitdbom'S folgen unb mich
nicht auf eine ©tflärung oon 2)ingen einlajjen, bie ich nid)t
jelbet gejeben, unb ich giebe eS baber oor, bie ©ntjtebungö*
gejebiebte äbnlicbet SBunber an einem jelbjt beobachteten gälte
ocrgujübren:
SlgneS 3Rep mar ein menig entmidfelteS SRäbeben oon
18 Sabten, bie, nadbbem jie eine 3«* lang förperlicb leibenb
XIX. 444. 3** (469)
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34
getoejen, auc^ geiftig eifranfte. <3ie luai tveinetlic^, flagte fid)
aOeilei Ketnei SSetge^en an, unter anberen, ba^ fie einen @5ioi(^en
untetfc^lagen, ben fle im Aufträge ber ^)en|(^aft an ‘Krme
geben fotlte, Sudergeug genaf^t b«be unb betglei^en mcljr.
SlQmä^Iicb mürbe fie [tarrer, fte ag fcbMt, fonnte nur mit
^üt}e gefüttert merben, unb fie mu^te megen @cbmäd^e unb
©tarrfuc^t bauernb im S3ette liegen, ^ier lag fie mo^enlang
na^eju o^ne 93emegung mit getreusten $ügen unb feft gefaltenen
^änben ba, leife vor ftd^ ^inmurmelnb, unb nur ^in unb mieber
gab fie su verfte^en, ba§ fie 6^riftuS fei unb am ^euje ^änge.
@e^r halb Bilbeten ficb an ben §ü§en munbe ©teilen unb
auf ben ,^anbrüden gro|e mit IBlut gefüllte Slafen, bie geit>
meife ftarf abfonberten. Unb ni^t genug. IDad fDläbdjen
fd^mi^te fo ftarf, ba§ ficb bie ^aut über unb über mit fleinen
glängenben ^ufteln bebecfte, bie namentlicb auf ber ©tim gu>
fammenfloffen unb einen voQftänbigen jfrang bilbeten. @o fehlte
nichts an bem S3ilbe einer ©tpgmatifirten, unb nur bie groge
Unreinlichfeit ber Jfranfen unb ihr früheres aufierorbentlich al>
bemeS unb einfältiges S3enehmen h<elt baS SBartperfonal ein>
geftanbenerma^en bavon ab, hmt an ein Iffiunber gu glauben.
3n bem vorliegen galle mar an ber Äraniheit fein Bmeifel,
aber maS märe nicht SllleS möglich gemefen, menn boffelbe unter
anberen SSerhältniffen vor fich ging. SBie leicht märe cS ge»
mefen, mit etmaS ^antafie unb vielem guten SBiDen eine neue
Souife Bateau in ©gene gu fehen.
IDenn gumeilen glaubt man fich mirflich in bie Seiten ber
Äreuggüge unb ber Äe^er Verfolgungen gurüctverfe^t, unb bie
^heofe com 19. 3ahrhunbert miD unS manchen @rfahrungen
gegenüber ni^t gang angebracht erfcheinen. 9feben ben Smeiflem
unb ben Ungläubigen begegnen mir noch oft genug bem blöb»
finnigen 93ruber beS ©laubenS, bem Aberglauben, unb bie @e»
richtSverhanblungen in SRarpingen unb anberen @nabenorten
haben unS manchen traurigen Auffchln§ barüber gegeben. S)a
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ift eS benn fd^wer genug, beb Säcbelnb j^unft gu üben unb nicht
Sebem ift e8 gegeben, wie @u(enfpiegel bie feinet
Seit mit leichtem SRuthe gu uetfpotten.
Äebren wir nach btefer hiftorifchen Slbfchweifung auf ben
S3oben bet Gegenwart gutücf, fo hatten wir no^ einiger @ruh>
pen gu erwfihnen, bie wir fchwerlich in biefer ©efedfehaft uer^
muthen würben. 3cb meine nämlich bie einfeitigen Stalente unb
bie @enie0. Die fogenannten SBunberfinber finb im ©runbe
genommen feine angenehme (Srfcheinung.
3u bem begriffe eines ÜJienfchen gehört bie hoTmonifche
!flu8bUbung feiner fämmtlichen Sähigfeiten, wie wir fie g. 93.
bei @6the im aHerooflenbetflen ?Dla§e bewunbem. 9iun fann
gwar nicht jeber ein @öthe fein, aber biefe altflugen unb fonber*
baren ©ejehöhfe, bie fchon in ben SBinbeln mathematif^e 3(uf<
gaben löfen ober eine Spmphi’nie fomponiten, finb hoch gar gu
weit Bon biefem Sbeale entfernt. 3Jlir wenigftenö ergeht eS
wie @ulenfbiege(, ber weinen mu§te, wenn er einen 93erg hinab>
ging, ba er fchon wiebet an baS ^{ettern ba^te, füRir will bei
jebem ^unftftücfe biefer Äinbet, bei jebem 93ogenftriche bet
@ebanfe an baS @nbe ni^t au8 bem ^opfe, unb baS liegt ge>
wohnlich fehr nahe beim Anfang. @8 befteht in oorgeitiger @r»
fchöpfung, in @eifte8nacht unb frühem Sob.
Diefe ^inber fommen im eigentlichen ©inne älter auf bie
£}elt al8 anbere. @ie überfpringen bie glücflichen Sahre bet
jtinbergeit, um fofort in ba8 fDianneSalter eingutreten, unb fie
ftnb serbraucht, erfchöpft unb gum ©reife geworben, wenn ihre
9lltei8 gen offen fich noch <”it ben ©eheimniffen ber IRechtfchrei«
bung abquälen. Da§ e8 auch unter ihnen befonberS begabte
Ausnahmen giebt, fann nur ben alten ©a^ Bon ber Siegel be«
ftätigen.
aber bie ©enieS, wie fommen bie hierher, wie fommt ©aul
unter bie S^ropheten?
SBeun wir un8 ben ©eifteSfranfen etwa fo Borftellen, al8
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36
ticr übricipn npTtnalen SBelt gegenüber in bet SRinbet^eit, hinter
ibr jurü(fgeblieben unb ibr folgenb, fo gebt baS @enie grabe
entgegen gefegt bet SBelt noranö, ti giebt fie hinter fld) b®’^ “nb
führt pe an auf bet S3abn beö gortfcbritteS. SBtt haben ni^t
bie einfeitige ©ntroirfelung not unb, wie bei ben SBunberfinbern.
üJiit gewaltiger Äraft wirb ba8 gange @ebiet beö ©eifteö um»
fapt unb baS @enie ift in fid) allein bie 93erförperung be« Seit«
geifteß. Sro^bem ift ba8 @enie feine normale ©ntwicfelung
£»e8 ©ebirneS. Oft genug erweift fi(b jene Äraft al8 gu ge»
waltig für ba8 Drgan. JDa8 ©ebim fann ben Slnforberungen
nicht entfprecben unb e8 bridbt unter ihnen gufammen. Slucb
ben ©enie8 ift feiten eine lange iiaulbabn nergönnt unb bie
Annalen bet Srrenbäufer wiffen non manchem großen ©eifte gu
ergdblen, bet in ihnen gu ©runbc ging.
^jlnbererfeit8 ergiebt bie ^amiliengefcbicbte bet ©enie8 ihre
nabe SBerwanbtfcbaft mit ©ebirn» unb fRernenftörungen. ®it
pnben bei ben SOüeipen, ba§ pe einer Familie angeboren, wo
gabireicbe fWitglieber an ©eifteSfranfbeiten, SRetoenleiben unb
bergleicfcen gelitten haben.
©in englifcber ©cbriftpeHer löpt bo8 ©enie nur auf biefem
53oben entfteben unb gebt fo weit, pcb mit bem SBabnpnn net»
föhnt gu erflären, weil man ohne ihn auch auf ba8 ©enie ner»
gidbten müpe.
Sßir etfeben barau8, wie wir ba8 £icbt, wa8 wir ben
©Ottern entreißen, auch tbeuer begabien müpen, hoch
fann unb barf un8 bie8 nicht abbalten, Den ^faben gu folgen,
bie $rometbeu8 3abrtaufenbe nor un8 gewanbelt ift.
(472)
X)cu(f een CUtfci. Ungti (ZI). (Krünn), Cttltai 8W. , 17 1.
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^ora5, Pctfius, Juoetiaf,
He «&aiiptüertreter ber römifc^eit 0atire.
SSortrag
oon
<E. firiHner.
Jiiveuali» urdi't et juKulat, Persius
insnltat, Horatia!« irridet.
J. C. Scaliger.
flerli« SW., 1884.
Setlag »on (Sari ^abel.
{C. täbtitti’adjt Bttlagabsdiliinblnng.)
33. SSilbelm • StTiilt 33.
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2)qö 5Red)t ber Ueberfeöung in frembe Sprotten rotrb Dorbe^alten.
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totr nun einmal nid^t me^r in jenem golbcnen 3«t=
alter leben, inelc^eg bie fDid^ter jo f^on beftngen, in melc^em
jebet freiwillig, o^ne @efe^, baö fRecbte t^at unb glüdflidb
unb gufrieben im ffioBgennffe aller ©fiter, mfibeloö nnb ebne
Sorge in einem traumbaft»feligen dolce far niente feine Sage
»erbringen tonnte: fo ift eS gang natörlicb, ba§ »on allen
Seiten IDiebatmonien erflingen, oft fo gewaltig, ba§ fte bte gu
©runbe gelegte SJlelobie fibertönen. 3Bie »erbalten ficb nun
bie 50lenfcben gn biefem Gongert, baS fie bod) anboren muffen,
ba fie bei ihrem ©intritt in baö geben gugleicb autb ein Swang«
billet bagu erbalten haben? IDieö fommt gang auf ihre geiftige
Anlage an unb anf ben ^la^, ber ihnen gufäOig angewiefen
würbe. S)ie einen finb fo glfidlidh, fein ober wenig muftfalifcbeS
@ehör gu befihen, fo ba§ fw bie Sölufif tro^ ihtcS BJlihflongeß
unbebingt loben; anbere »emeinen fiberhaupt jeglidhe|)armonie;
mandhe halten ficb ^te Oh^^n gu unb wenben ftcb ab; »iele
grämen unb ärgern ft^ ftill; nicht wenige laffen ihrem Sorn
freien gauf; nur eine geringe Slngahl fügt ft^ mit JRuhe unb
©leicbmuth in baß Un»ermeibliche unb fu^t im Stimmen»
gewirre bie ri^tige SBeife gu erlaufchen; ja eß giebt auch folcbe,
bie bagu lachen, wenn ber gätm nicht gar gu betäubenb um
ihr eigeneß .^aupt fchlägt. 9luß bet Sabl berer nun, bie ba
hören unb nid)t fchweigen tonnen ober wollen, bitbet fich baß
Kontingent ber Satirifer, »on benen einige Jpeetffihrer auß
XIX. ui. 1* C«i)
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t
4
tötnifc^er 3<*t ©egenjtanb unfeter S?etrad^tung fein
l'oOen.
3ut>oi aber »ollen mir in aOet ^rje fe^en, »aö bad SBott
(Satire, Deffen ältere gorm satura lautet, eigentlid^ bebeutet,
»oran ft^ furge Erörterung fnüpfen »trb, wie ficb
bie Satire als Sd^riftgattung entwicfelt ^at, unb bamit wirb
au(^ bie ^age erlebigt werben, worin i^r eigentli(^eä SBejen
befiele.
SoQ man „Satire* mit i ober 9 fd^reiben? So fragen
gewi§ viele Sterbli^e, wenn fie in ben BaD fommen, biefeS
SBort burc^ bie ju jie^en. IDie SReinungen fin^ set^eilt,
obwo'^l fi(^ bie SRajorität fc^on längft für i entfcbieben ^at,
baö ja au^ bur^ unfere neue Orthographie ben Stempel
höherer SBeihe empfangen hoi* Seuffel meint, ba§ fein
orbentli^ Eefdhulter meht Satire fdhreibe.*) @6 ift bieö eine
etwas f(htoffe ^nfitht von biefem hmhverbienteu, vor noch nicht
longer 3«it verftorbenen ©eiehrten, ba fich eine ftattli^e Sleihe von
fonft fehr wohlgebilbeten Leuten aufgählen liege, bie mit bem
alten ^Brauche noch nicht gebrochen haben. 3Ber wirb g. einen
ber erften 3lefthetifer unferer 3eit, %x. $h- Sif^hfi^i ni^h* “**fer
bie orbentlich ©efchulten rechnen? IDerfelbe fdhreibt unentwegt
bis in bie neuefte 3eit 9. ^QerbingS mögen Sleuffel unb über*
haupt alle bie, wel^e für i ihre i^ange einlegen, re^t haben,
bag bie Satire nichts mit ben griechifchen Satpm, jenen über*
müthigen Vertretern beS VaturlebenS, ben Vegleitem beS 25io*
npfoS, unb mit bem Satprbrama gu thun hat, ba griedhifcher
Einflug auf bie satura ber alten Seit faum bentbar ift. ^tc-
bor SRommfen bringt in feiner römifchen ©efchi^te beibe
SB Örter, baS griechifche unb loteinif^e (aarvpoi, satura), mit
einanber in SSerbinbung, inbem er bie Satire erflärt alS ben
„SJlummcnfchang ber vollen geute“; ber SRummenfchang begiegt
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5
bemnad^ auf bad ben ®atprn gleid^e 93et^alten bet Slcteutd,
bie bei feftli(ben ©elegen^eiten uad^ gehöriger ©dttigung —
benu satur Reifet ja fatt — in auflgelaffenet SBeife aUetlei Un»
fug trieben, inbem fie, ttie ÜJlommfen fagt, in unb
Sodffeüe gefüllt, mit i^ren @pä|en ba0 geft befcblie^en".
0et @iammatifer 0iomebed aud bem 4. n. lä§t
bie ginge in Sejug auf bie Slbftammung offen. ®r meint
ndmlic^, bag bad ^ort na(^ feinem Utfprunge entmeber auf
bie ©atptn ^inmeifr, meil in befagter Sichtung läc^eilic^e unb
fcbmu^ige Dinge oorfämen, loie fie bie ®atprn fügten unb aud>
führten, ober „ooDe ©d^üffel (lanx satura)“ bebeute, bie gefüllt
mit einet ÜJienge oon mandbeilei @tflIingSftu(bten in alten Seiten
ben @öttetn ald Dpfet bargebracbt toorben fei; bei bet britten
@ttlätung, bie er giebt, beruft er fid) auflBano, bet baSSBort
mit einet 9lrt SBurft — lat. farcimen, »on farcire, füllen —
bie au8 Dielen Dingen bereitet, be3- bamit gefüllt mürbe,
in Sufammen^ang gebracht h^^be. 9(uf eben biefem SSerbum
beruht auch baS italienifche &rsa, eigentlich »gülfel, ©emengfel“,
fran3öfifch farce, unfere *^offe*. Äut3: bie übermiegenbe
9Rehr3ahl ber ©rünbe fpricht für bie Ableitung Don bem Slbjec»
tiDum satur, mag man nun 3U bem gemininum satura bad
©ubftantiDum lanx «©chüffel“ ober einen 93egriff
eigön3en. SSieHeicht h«t>en auch welche in bem SBorte
ein felbftänbig gebilbeteö ©ubftantiuum 3U erfennen glauben.*)
Demnadh h^^i ^ie ©chreibart mit i ihre DoIIe S3eiedttigung.
Die ©atire al0 befonbere liteiarifche ^unftgattung ift eine
©ihöpfung beS römifdhen ©eifted. Slber fie hotte mie jebe anbere
Dichtung eine lange 93ahn 3U burchlaufen, biS fie biejenige
Sollenbung erhielt, bie fie befähigte, eine hertorragenbe ©tel*
lung in bet Biteratur ein3unehmen. Denn ihr Urfprung, auf
meldhen 3urüd3ublicfen unfer Dhema und aufforbert, fällt in
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6
Beiten, »elc^e bad Sic^t bet ®ef(^i(^te nic^t genägenb beleuchtet.
Seinahe ade 9iachri(hten baiübet finb tuin unb unoollftänbig.
6in8 |ebo^ ift fithet: Die @otite ift fo ju Jagen ein Jopf»
geväd)^, welcbed betn müttetlichen 33oben beS SSolfSthumS ent»
nommen ift. 9Hit anbeien SBotten: fie uerbanft i^t Dafein
fomif^en ®^)ielen, bte bafl 93olf in üKittelitalien ju feinet @t»
heitetung bei feftlichen Gelegenheiten fidh felbft fc^uf unb bie
in ihiei ooQenbeteren gotm ein mixtum compositum waten
Don Gefang, Gtjdhlung, Dialog, lebhaftet Geftifulation unb
untet ^Begleitung oon ^lötenfpiei. .<pietbei waltete wo^I
bie Bmprooifation ooi, inbem man im ^3lQgemeinen bie 3bee
bet .^anbiung oetabiebete, abet bie Ausführung beS ^efonbeten
bem Augenblitfe übetlieh. Den biefet Spiele trifft
cieDeicht SoIgenbeS: man nedte unb fpottete, unb gwat nicht
in bet feinften SBeife, wobei wohl bie eingelegten Siebet befon*
betS wirfungSooK gewefen fein mögen, bie wahrfdjeinlich h»“*
fichtlich beS BnhaltS oiel Aehnlidhfeit mit ben obetbaitifchen
Sdhnaberhüpfeln hoüen. 9Iun gab eS aber in jenen Beiten
noch anbere ooItSmähige Auph^ungen, bie fogenannten $eScen>
ninen, Snimen unb Atedanen, bie fämmtlich ben Satiren in
biefet ölteften Gewalt feht nahe ftehen unb wohl nicht immer
genau oon ihnen gefchieben wutben.^) Den größten @inp§
aber auf bie Satire fcheint eine Art oon ^Pantomimen, unfet
heutiges fallet , mutatis mutandis, auSgeübt ju hol’en, welche
oiedeicht fogat ben Anfto§ jut Satire gegeben h^hen, wenn wir
einem jagenhaften 33eri(hte beS ^>iftotifetS SituS SitiuS (VII, 2)
trauen woden. Detfelbe erjählt, bafe einft im 4. 3ahrh“ni^«rte
0. (She. eine furchtbare f>eft in 9iom wüthete unb man bei bem
adgemeinen S^recfen ade fUUttel anwanbte, um ben Been bei
Götter ju oerföhnen. Da fei man auf ben Gebanfen oerfaden,
gu biefem !@ehufe Schaufpielet auS Gtruiien hetheignrufen,
(476)
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7
unb fo ^abe Siom ein Sl^eater et^alien, bad ti cor^et
no(b nidbt ^atte. S)tefe etruSfifcben ©piele I^atten leinen !£e^;
man tanjte no(^ ben Älängen bet gißte unter anmut^igen,
(^arafteriftifdien IBemegungen. IDieß gefiel. S)aß SSolf a^mte
nac^, unb mag e3 nun feine Satire erft je^t gef(^affen ober
au(b nur oerooQftänbigt ^aben, fie fowo^l als au(^ bie anbcren
SBolfßfpiele bauerten no^ lange fort, auch bann no^, alß baß
junftmä^ige Sweater baß urmüc^fige IDrama oevbrängt ^atte
unb auf ber ©runblage griedjift^er ÜJlufter funftgemä§e 2)ar«
fteQungen ju @eficbt unb @e^5r brachte.
3?ie Satire mürbe fpäter alß 9lacbfpiel, exodium, auf bie
S3ü^ne mit ^erübergenommen , aber halb oon ber Slteüana,
melcbe injmif^en fid^ meiter außgebilbet Seite ge«
feboben. 2)a nabmen fi^ ber SSermaiften literarif^ gebilbete
DJldnner an, unb fo mürbe fie narb IHbftreifung ihrer Urmüebfig«
feit ju einet Äunftform, meltbe bie IRomct oon bem SSormurfc
beß SJiangelß an literarifcbec f)robuftiDität binfi<bili<b bei ®i*
finbungen neuer iiiteraturgattungen gerettet b^^i unb feitbem
eine 9JJa(bt im öffentlichen iJeben gemorben ift. Satire quidem
tota nostre est, „bie Satire ift unfet eigenfteß 9Berf," fagt
Quintilian (X, 1, 93) mit Stolg. 2)enn in allen übrigen
IDiibtungßarten rächte ficb, mie c^otag fagt, baß bur^ Saffen
eroberte @riecbenlanb an feinem Sieger babureb, ba§ eß biefem
bie geffeln feineö ©eifteß anlegte.^)
mber bie IBolIenbung gef^ab nidbt fofort. '^uß ber IRaube
entftanb gunäcbft bie $ut)be, auß ber enblicb ber Schmetterling
fich entmirfelte.
9iachbem bie Satire einen l^lnh in ber Literatur erhalten
batte, mu|te fie natürlich eine Umgeftaltung erfahren, gleichmie
ein üinb, baß in bie Schule fommt, auch oon feiner Eigenart
mancheß aufgeben mufe. (Snniuß, bet im 3. unb 2. Sahrhunbertc
(47»)
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8
V. lebte, führte bte Satire in bie 8itetatur ein unb pe
geftaltete p<b, fo eiel n>ir bacon n>if[en, unter feinen ^änben
3U einem i)robufte, meld^eS mit ber alten Satura bie Unbeftimmt>
beit b. b- bie lodere SSerbinbung be8 Snbaltö unb bie SKannig«
fa(tig{eit bed ÜRetrumS gemeinfam batte. Slber Pe biente ni<bt
lebiglidb 8a^en 3U erregen, fonbern war uielmebt au<b
empbaper 9(rt, wobei baS bramatifcbe Element nicht auper
^(bt gelapen würbe, wie g. S3. auS einem SSericbte bed DuintiUan
(IX, 2, 36) pd> ergiebt, welcher ergäblt, bap 6nniu8 in einet
Satire ben Stob unb ba8 8eben um ben SBorgug ftreitenb ein«
geführt habe.
33 on ben fPa^foIgern beä @nniu8 foQ nur einer genannt
werben, welcher wie ein uerlorener ^often im 1. Sabrbunbert
». @bi- baftept, nachbem berfenige bereit« aufgetreten war, ber
bie Satire in bie Sahn einlenfte, in welcher pe »on nun an
bleiben foHte. 3enet ©pigone ift 3R. SerentiuS SJarro au8
fPcote, ein ^ol^bifiot unb juglei^ einer ber fchreibluftigPen
?Kännet, bie e8 je gegeben bat- SDerfelbe b“t ungefähr 620 93ücher
gejcbrieben, oon benen 150 Sucher ben Slitel „satorae Menip-
peae“*) führen, unb auperbem noch 4 Sücper saturae. @t
überbot ben @nniu8 formal, inbem er mit ben Ser8mapen
noch peier umging unb nach S3elieben $tofa mit Serien unb
Satehtifcb mit ©riecpifch abwecbfeln liep. .^orag fpricpt gar
nicht Bon ipm, wa8 um fo bepembenber ip, al8 er bie Satiren
eine« anberen, oiel unbebeutenberen Sarro erwähnt, ber gum
Unterfchiebe oon jenem Sltacinu« b. i. ber oom Sitar, einem bluffe
in ©aUien, peipt (®at- 1» 10» 46).
3Ba8 feplte ber Satire nocp, na^bem Pcp ipt bie Pforten
be« giteroturtempel« geöffnet patten? Seftimmter SDup unb
beftimmte garbe. SDa fam ber re^te ©ärtner, ber Pe in
ben ipr gufagenben Soben eingrub, fo bap fie feffe SButgel
(480)
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9
taffen nnb ftd^ gebet^lid^ entwideln fonnle. JDtefet aber mar
SurtUud, ber in bei 2. ^älfte beb 2. Sa^r^unbertS c.
lebte, bet @prö§ling eines »o^langefe^enen Stittergefd^led^tefl
auS @ueffa iSuiunca in (Kampanien, ein tÜJiann non reicher
©Übung, wacferen ©Uten, nnb barum au4l bei greunb bet
©eften feines ScitalterS, »erftänbig, fc^arf, wi^ig, geifttei(^,
aber aud^ wo^IvoOenb, wo er ®uteS fa^; aQeS in allem: ein
ailann, gana baju geeignet „bie IRoffe 3U lenfen", wie Suoenal
fagt (I, 20). Unb biefe l)at et benn aud^ weiblid> auf ber
neuen Siennbabn getummelt. @r ift eS gewefen, ber bie ©atire
3U einer eigent^mlid^en 2)id^tungSgattung von beftimmtem
Oepräge et^ob, bie nur nodt> ber fiinftlerifd^en ©ollenbung ent»
beerte. IStleS, waS »or i^m ba war, ift nur »orbereitenb, fo
ba^ man i^n mit bemfelben 9le(^te ben ©ater ber ©atire
nennen fonnte, wie man ^jerobot ben ©ater ber ©ef^ic^te ge»
nannt ^at. Unb banfbar erfennen bieS aud^ bie fpäteien ©a»
tirifer an, befonberS .^)otaj, ber i^m unumwunben bie Otigi»
nalität ber ©rfinbung, ja aud) bie ©upen'orität beS ©eifteS
3ugefte^t, wäbrenb er nur gweietlci, alletbingS fe^t fd^arf, an
i^m tabelt: feine ©(^reibfeligfeit unb bie 3fncorreft^eit bet
^orm.®)
Slber was ift benn nun bie .^aujjtfac^e bei biefer ©eu»
geftaltung? ©ei ber alten ©atura in i^rer fd^on auSgebilbeteren
$orm tarn eS, wie wir gefe^cn ^aben, ^aut>tfä(^li(^ auf 2Bi^
unb ©pott an; ©nniuS unb feine ©ad^folger oeiallgemeinetten
fie, unb eS würbe ein pcle-mSle, ein potpourri, barauS, baS
man »ielleicbt mit ben©auferien bei$ran3ofen oerglei^en fann;
bie neue ©atire aber, wie fie ifuciliuS f^uf unb wie fie »on
feinen Süngem weitet auSgebilbet würbe, na^m bie ©runbibee
ber alten ©atura wiebei auf, lie^ aud) baS bramatifdbe ©lement
nii^t faden, entäu|erte fic^ nid^t gang bet ©reite ber ©nniani*
(481)
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10
fdjen ©alire unb t^ret 9leigung ju ‘Digteffionen, naljm ben
.^ejramclet an, bet bet 2uciliu8 aQetbingfl no^ mit Stocken
unb Samben »erfe^t ift, unb — »aö bie J^au^>tfa<^e ift —
erhielt eine et^ifd^»Iritif(^e STenbenj, b. fie mutbe ein 8e^r»
gebiet mit bet auögefproc^enen 2lbfi^t, 3:^ot^eiten, geilet unb
Unfittli(^feiten gu geißeln, »obei gugleic^ ou8 bet gried^ift^en
Äomöbie bie petfönlid^en Angriffe entlehnt »utben.^) 3(18 @toff
biente »ie üotbem ba8 gange eolIeSKenidjenleben in feinen mannig»
faltigften @tfc^einungen, we8t^alb bie ©atite au(^ füt bie 6ultut>
gejc^it^te eine reid^e gunbgtube geworben ift. 3n golge i^ret 6nt»
mitflung aber je^en mit and) in bet früheren Seit no(^ gumeilen
jenen allgemeinen ß^arafter, mie er bei @nniu8 fid^ geigt, oot«
betrf^en, fo bo§ literarifcbe^robucte ol8©otiren begeic^net merben,
bie biefen 9lamen mit Unrecht gu führen fd^einen; benn mit ^oben
un8 gemö^nt, mit bem SSegriffe „©atire* jene etl)if^»ftitifcbe
Senbeng in engfte SSetbinbung gu fe^en. IDa nun, mo biefe
»orfiertfc^t, legt bet ©atirifer etuen ibealen SKa^ftab an bie
IDinge, in bet .^offnung, butcb eine genaue IDiagnofe bet ^anl*
beit beten .^eitung gu bemtifen ober menigften8 ba8 SSotbanben*
fein bet ^anlbeit feftgufteOen. Unb eben baburcb unterf^ieibet
et fi(b Dom ^a8quitlanten, bem e8 nut batauf anfommt, gu
fdbmdben, gu läftein unb gu Detlefen.
3e natb bem Temperamente unb bet ©inne8art be8 93er»
faffer8 mtrb nun entmebet ©(^erg ober @tnft »ormiegen, me8»
halb man au(b im IHUgemeinen eine latbenbe unb eine ftrafenbe
©atite untetfcbeibet, obmobl p(b bie ©renglinie ni^t immer
genau beftimmen labt.
SBie fi(b nun bie ©atire bei ben btei ©atirifern, D. ^o»
ratiu8 glaccu8, 9lulu8 (ober etru8Kf(b 2lule8) 9)etfiu8 glaccu8
unb 3)(eclmu8) 3untu8 3uoenali8 geftaltet bat, ba8 foQ im
golgenben nabet bebanbelt merben.
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SS16 ^)oraj, geb. 65 ». 6^r., geft. 8 d. ©br-» ber ©ob«
eines °uS bet Keinen 8anbflabt SSenufta in
lien, in bie güeratut eintrat, waren bie Seiten mittlerweile
gan3 anbere geworben. SuciliuS tonnte in allen äSejiebungen
nodb frei b«auflfagen, waS ibm baS .g>erj bewegte; .^joraj fanb
eine bur(b politifebe Parteiungen jerflüftete ©efeUfcbaft »or,
»ot welcher gewiffe Punfte nur mit bet größten SSorfidbt be»
fprocben werben burften. @0 war ein friegerifcbeS Seitalter.
SBäbrenb beS gan3en SabrbunbertS b“tte innerhalb unb aufeer»
halb StalienS bet ^ampf getobt. 9tacb bem Sobe 6äfarS
fi(b ein neues S^riumoirat gebilbet, unb eS bonbelte ficb nun
batum, wer enbgültig .^>err ber 3Belt werben folltc — eine
Stage, bie i. 3- 31 o. 6br- burch bie ©d)la(bt bei Slctium gu
©unften CctaoianS entfcbieben würbe. Slucb ^»ora3 böKe fii^
als junger Ptann, im Slnfange ber 3wan3iget 3abte ftcbeub,
an bem jtriege betbeiligt. @r hielt fi^ gerabe, um griecbif^e
SEßeiSbeit an ber Duelle fennen 3U leinen, in Sltben auf, als
Pt. S3rutuS im ifluguft beS 3abieS 44 o. 6be. babin tarn, unb
fcblofe fitb mit anbern bort ftubirenben jungen 9R5metn bem
lepublifanifdben .^eere an, in weldiem er bie ©b^^^äe eines
SEribunen erhielt. IDa ma^te bie Schlaft bei Pbilippi i. 3. 42
feiner militärifcben Saufbabn ein @nbe. @t felbft benu^te bie
Slmneftie, bie man ben Srümmcrn beS gefcblagenen .^eereS ge>
währte, ba3u, na^ (Rom 3urücf3ufebren. (Über fein oäterlidbeS
@rbgut würbe confiScirt, unb ba er fo mittellos geworben war,
mufete er froh fein, baS Slmt eineS DuSftorenfcbteibetS ober
©efretärS 3U erhalten. S)amalS nun war eS, wo et begann,
feine 3amben, auch @poben genannt, unb feine 3Wei Suchet
Satiren 3U bicbten, womit et ungefähr 3ebn 3abre ^ubracbte.*)
IDurih biefe ISrbeitcn gewann et bie Sreunbfchaft eines SariuS
unb Sergil, unb burch biefe wieberum würbe er bem Vertrauten
12
bed j^atferö, Sl^aecenad, DorgefteQt, mit bem i^n f^äter bie
tnntgfte $reunb[(^aft bid an bad @nbe beö SebenS nerbanb unb
bet i^n au(^ in ben @tanb fe^te, in be^aglidb<t unb iorgenfteier
Seife feinen fReigungen leben ju fönnen. 2)iefe brei aber,
^oraj, SBergil unb Soriuö, mürben bie ©timmfü^rer einer
neuen 9ii(^tun3 in ber lateinifd^en |>oefie, meiere bie Slenben3
»erfolgte, burc^ Dtbnnng unb 3Jlaa§, mie fte in ber gtiec^ifc^en
©i^tfunft bie latcinifdjen 3U »etebeln. 25a^et au^
bie Dt)pofitiDn gegen bie SSorgdnger, benen getabe biefe ©gen*
fc^aften in ^o^em @rabe mangelten.’)
Saturn manbte fid^ ^»ra3 gerabe 3undc!^ft bet f^arfen
3ambenbi(^tung, einer ©d^meftergattung ber ©atiren, »orin
i^m ber ©ried^e ^tc^ilod^ud aU SBorbilb biente, unb vornehm*
lieb — benn jene 3atnben fpielen eine untergeorbnete fRolle —
ber ©atire 3U?
.^ota3 fagt felbft barüber:
$IU mich »on bem dtTtegdb^nbueefe befreite,
S(U icb gebrochenen HRutbS, ohne ©tanb, bee S<>>nilimeibgutd
0ar fab, ba trieb mich bie Dlotb, bie HRutter ber jtübnbeit,
Slerfe ju machen an. 6p. II, 49 — 53. i“)
Jeuffel“) bemerft gu biefen SJetfen; „©eine 5u|ere ©tel*
lung als ©ctiba mar »on ber 9lrt, ba^ er bamit faum bie
bringeubften SBebürfniffe beftreiten fonnte unb feine 2iebe gut
S3equemli^feit machte ihm eine 93erbefferung feiner l^age gut
gebieterifdben 9lotbmenbigleit. 3)ie paupertas trieb ihn fomit
an, ben SSerfueb gu ma^en, ob er peb nicht butcb feine Talente
auS feiner fümmerlicben Sage b^auSbelfen tonne. @r fühlte
in Pcb bie abftracte ÜRöglicbfeit etmaS gu leiften bei feinet
©Übung ut\b feinen ©ortenntniffen , feiner ^>errf^aft über bie
©pracbe eä in Slllem gu etmaS gu bringen, ©efonbereu inneren
©etuf für irgenb einen 3»ei9 fühlte er nicht in Pcb unb liep
(«*)
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13
ba^er tn ber SEBa^I beffen, »aö et guetft bearbeiten wollte,
but(b äußere JRüdffid^tcn leiten. @r begann |i^, weld^eS gelb
am banfbaiften wäre, welibefi noc^ am wenigften bebaut fei
unb ba^er einen neuen Searbeiter am meiften 8o^u oer^ci^e.
@r fa^ fid^ um in bet tömif(^en 8iteratutgefd)ic^te unb fanb,
ba§ bie ©atire nod^ eineö weiten 9lu8baue0 fällig fei unb ent»
d^lo§ pd^, felbft biefer Aufgabe pcb ju unter^ietien."
@ine ^ödjft eigent^fimli(^e ©rflarung. Da8 ift bod^ getabe
fo, als woDte man etwa fagen: @oetbe fa^ pd^ um in bet
beutf(^cn giteraturgefdbi^te unb fanb, bap ba0 3iitterbrama
no(^ nidpt oertreten fei, unb entfdplop pcp, felbp biefer Aufgabe
p(b ju untetjiepen, weöpalb et ben @ö^ oon Serlidjingen
feprieb. ©cwopl bei bem einen wie bei bem anbern wäre
WDpI nur etwas SammerooDeS ju ©tanbe gefemmen, wenn
fie nid)t in anberer SBeife biSponirt an ipte Aufgabe ge»
gangen wären. 2)ie erwähnte Slcuperung beS .^orag, bap ipn
bie 9iotp gut 25idjtfunft getrieben ^abe, ift atletbingS niept etwa
ein bloper ©d^erg, wie man pe pat beuten wollen. 0i(ptec
unb ©dpripfteUer jener 3<it fu(pten p(p ©öuner gu erwerben,
bie eS für ipre (Sprenppi^t pielten, baS Salent gu unterftüpen,
weil bamalS, wie eS fdpeint, bie 33ucppänb(er feine Honorare
begaplten. IDapet tracptetc auep ^)orag batnaep, auf biefe
3öeife feine 8age gu oetbefferu, waS ipm ja auep gelaug. @t
würbe aber ntmmermept im ©tanbe gewefen fein ©atiren,
gerabe ©atiren gu fepreiben, wenn ni(pt befonbete Umftänbe
mitgewirft pätten. Sunäd^ft waren eS wopl bie SSerpältniffe,
innere wie äupere, bie ipn antrieben, in biefe Sapn eingulenfen.
©eine politifcpen Sbeale waren ipm, »iellcicpt fdpon wäprenb
feinet IDienpgeil alS Tribun, genonnen. 3)ie SBelt geigte ipm
ein anbereS Slntlip als »orbem: fein fd^arfeS 9luge fap bie.^opl»
peit, Serfaprenpeit unb Sßerfeprtpeit ber fcrialen Suftänbe unb
(485)
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14
ber Unmuts barüber, btc @orge um bie 3u?«nft
biiidten i^m bie Sebet in bie ^anb, bie er aber flugermeife
nic^t in ®ift tauchte, fonbern ec fd)rieb fo, nie eS ber ©eifi
i^m gebot.
JDann »or adern aber fommt feine JDiöpofttion 3ur Satire
in 23etra(bt. ^oxai batte mehr 93erftanb unb fritifdben Sdbarf»
blid, mebt @6prit unb SBi^ al8 glübenbe ^bantafi^
ber ©mpflnbung, ©cbmung unb S3egeifterung, unb fcbon biefe
feine geiftige Begabung befähigte ibn oorjugSmeife ju einer SDicb*
tungflart, beren innerftefi äBefen e8 erbeifcbt, baS miberfpru(b8i>ode
Treiben ber SRenfdben ju erfennen, baS Ungereimte unb
in ihrem ^Dichten unb brachten, ihren SBünfcben unb IBegierben
auSjufpähen. Unb obfcbon et eine mefentlidb contemplatioe
fRatur unb 3ur 5Rube unb Sebagli^feit geneigt »ar, fo toar
er boeb in fo meit aggreffto, ba| er baS, n>a8 ihm Unbehagen
oerurfaebte, mit ©etoalt oon ficb ab3umebten tradbtete. SBeii
er nun mit benjenigen ßigenfebaften ooQfommen au§geftattet
mar, bie 3ur Satire befähigen, mar eS ba nicht natürlich, ba§
et in jener gefebilberten Stimmung, bie in ihm burdh bie Seit*
»erhältniffe angeregt morben mar, ftcb gegen biejenignr SRä^te
manbte, bie feine Äteife ftorten? @r fagt:
2Bie bet Äöpfe, fo gicl't e8 ber ©innc
Saufenbe; mich nun crgoht’8 in §ü§e 30 föigen bie 3Borte
9lacb be8 8uciliu8 Slrt. ©at. II, 1, 27 — 29.
Unb an einer anberen Stelle:
!Da^ ein jeglicher btobt mit ber ^unft, in ber er fich [tarf fühlt,
£)ag bie 51atur bie8 »itl, bie gemoltige, fchliefjtn wir alfo:
fficif greift an mit bem 3ah" mit bem ^eme; wie fSm’ ba6
Chut ©timme ton innen?
©leicptiel, ob mir ein geruhige« Stlter
^)arrt, ober ob mich bet Sob f^on mit bunfelen Singeln umflattert,
(486)
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15
ober arm, ju 9tom ober, »itl’ä ba« ©efc^td, in SSetbannung,
!Bte mein 8eben geflalten mag, ic^ biente!
©ot. II, 50-53. 57—60.
S)aju tritt no^ ald weiteres Oltotnent bie @rj{e^ung ^in3U,
bie i^m jein 93ater ^otte angebei^en laffen.
9J?ein trefflic^iet SBoter l^at babur^
$el)Ier ju fliel^n mi(^ gewSbnt, bag er ©c^recfbeifpiele mir oorbielt.
©at. I, 4, 105 sq.
äiufgä^lung einiger biefer abfe^redenben Seijpiele
fä^rt er fort:
©benjo füblt fub ein junges ©emütb burtb onberer ©cbonbe
Dft Bor geilem gemornt. ©o blieb i(b bel^ütet oor allen
gaftern, bie-jum SBerberb ^infül;ten, bin einjig in gefjeln
kleiner, ocrjeiblicber geiler. SSietteiebt nimmt jelbp no(b Bon biejen
tUlantben baS älter bin®f0. unb ein ofjenberjiger greunb, unb
6igner SSerftanb ; benn an mir feblt’S ni(bt, unb jei’S auf bem fKubbett,
©ei’S in ©ejeUftbaftSballen, fo beni i^: „baS ift baS beffre;
®enn icb baS tbu’, bann leb’ id) glücflitber, bleibe ben greunben
Steuer unb wertb. 9licbt fein t^un einige biejeS; unb bo"bl’ itb
ÜJlan(bmnl eben jo jelbft, unmijjentli:^?* ©ol^eS bejpretb’ id)
?eije mit mir, bie l'ippen geprefet, unb finb’ iif) bie 9)Ju§e,
SSring’ it^'S gleich jU ^a))ier. ©ot. I, 4, 128 — 139.
35ieje Söerje erflären bipt^olosijt^, wie fo frü^ jeho«
eine jo oorgügli^e ÜJtenj(Sen= unb SBeltfenntni^ fid) erwerben
tonnte: jein 23ater leitete iljn gu einer jergfältigen Beobachtung
beS gebenS unb beS eigenen „3ch" an; benn baS „jehau in bich
unb jehau um bi^" ift eine ^auptbebingung für ben ©atirifer.
aSeil jener aljo nicht jo thöricht war, jeinen ©ohn nur auf bic
©djattenjeiten aufmerfjam gu madben, jonbern ihm auch, wie
aus ben Beifpielen gu erfehen ift, bie Sichtjeiten geigte, jo würbe
eS bem Jf)orag bei jeinem gejunben fflatureU möglich, tu einem
fortwöhrenben 2äuterung§brcgcfje fich gu jener reinen 9Kenjch>-
lichteit emporguarbeiten, bie bejonberS in jeinen Briefen ihre
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16
fc^önften IBlüt^en treibt unb bie i^m auch 3u jener Unerf^ütter«
li^feit bed @eifted unb jener Dbjefttnität in ber 93etra(btun9
ber S)inge biefer SBelt verbal j, weidbe i^ren ^öd^ften iSuebrucf
in bem „nil admirari‘‘ fanb.
9li(bt8 anftaunen, ba« ift ttobl ba« einjtge SRittel, Ttumicme,
3ft ee aDein, toae ben 9Renf(ben jum uabren unb bauemben ®Iüd fü^rt.
I, 6, 1 sq.
IDiefe auf ftoifd^er öafiö beru^enbeu SBorte, welche barauf
noch weiter erörtert werben, geben ben Siath, fich burch feine
9(ufregung beirren ju laffen, fonbern aüeS, waö und locft unb
reijt, beunruhigt unb quält, richtig ju fchähen unb ruhig unb
feften ©chritted burch bad 8ebeu gu wanbeln.
2Benn wir beu ^£>0003 eineu ftoifchen ©a^ audfpredben
hören, fo war er hoch weit entfernt, ein blinber 33erehrer biefer
philofo^hif^cn ©chule 3U fein. @r befennt fich na^ feinen
eigenen SBorten halb 3ur Sehre bed ßpifur, halb 3U ber 9ii^=
tung, welche aud ben »erfchiebenen ©^flemen
bie unb jene Sehre h««u8flteift/ ju bem ©fleftieidmud. 9HIer=
bingd neigte er im reiferen Silter immer mehr 3U ben ©toifern
hin, ohne jeboch bereu Sludfehreitungen 3U billigen; namentlich
hat er fich nie mit ihrem Sugenbbegriff befreunbet, ben fie auf
eine folche .^öhe ftellten, ba§ ihn ber menfchli^e 93lid nidht
mehr erreichen fonnte. 3n feinen ©atiren 3eigt er fi^ burdhaud
ald ©pifuräer. Smmer unb immer wiebet empfiehlt er bie
golbene ÜRitte.
Äurj, ei aHe6 beftimmte Segtenjung,
50or ober jenfeitö beren unmcgli^ baö Diecfite beftehn fonn.
Sat. I, 1, 106 sq.
2)cmgemä§ fieht er auch ald bie oorgüglidhften biejenigen
an, welche bie wenigften gehler befihen; benn mangelhaft finb
alle fUienf^en unb gerabe folche, welche fich für bie größten
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17
Jugenbljelben galten — nad^ feinet Slnfic^t eben bte ©toifer —
erfc^einen i^m in intern ^j^ilofop^ifdben ^oe^mut^e unb SBiffenS»
bünfei, mit bem fie auf bie anberen ^erabfe^en, gugiei^ au4>
al8 bie größten 9larren.
Ueber^aufjt ift ja bie SBelt »oUet 9lan^eit — baö ift bo8
i^auptbogma beö ^)ora3. 5Damit ift auch juglci^ bet SEon, bet
in feinen Satiren ^errfcbt, gefenn3eic^net, ben ic^ fürs mit ben
©orten @oet^e’0 im „Äoo^tifdfien 8iebe* dbaraftcrifiren möd)te:
Äinbet ber Älugb'it, o habet bie iRanen
@bcn 3um Platten aiub, »ie fich’8 gehört!
flauen aber behanbelt man nicht wie SBöfemichte. JDeß=
halb 3ieht eö ^ora3 au^ not, lachenb bie ©ahrheit 3U fagen
(Sat 1, 1, 24) unb nur uerhältnißmäßig feiten fcmmt eö uor,
baß er ben ftrafenben 5Eon anfchlägt. Unb babei bebient et fidh
aller SDlittel, um burch großtmöglichfte SfJiannigfaltigfelt in bet
IDiction ba8 Sntereffe 3U beleben. Saune, ©i^, 3ronie, @at=
faömufl, ^>umot, alle bie ©eifter, welche bem ©atirifer 3U @e»
bote ftel)en muffen, wenn et nicht langweilig werben will, ruft
unfer ^Dichter herbei unb weiß fie mit ISnftanb 3U 3Ügeln, mit
Urbonitdt, wie ber Slömer fagt, welcher unter biefem begriffe
ben gan3en ©^liff bet Silbung in ÜJianieten unb Sprache uer^
fleht, wie er nur in ber .g>auptftabt erworben werben lonnte.
lDa3U fommen nodh bie gabel, bie Slnefbote, baS ©leichniß, bie
Senten3 u. f. w. Oft auch I“ßt er fcheinbar ben Soben fallen,
um ihn 3Ut rechten Seit wieber auf3unebmen. 3n biefet ©eife
läßt er eine wunberliche ©ruppc »on ^erfonen in feinem thea-
trum mundi auftreten, meift fomifdße Ääu3e, welche bie ober
jene oerfehrte ^affton haben unb nun mit ihrer 5Rartenfappe
auf bem .Raupte einherftol3iren, ©timaffen 3ießen, ihre ^ut3el»
bäume f^lagen unb mit ihren Schellen flingeln. Unter ihnen
befinben fich auch einige tppifche ©haeaftere, bie wohl bem 8u=
XIX. 445. 2 (489)
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citiud entlehnt ftnb, wie bet SBetfd^wenbet 3)iaeniud, bet @ba§*
macker ^antelabuä, ber ©klemmet 9iomentanuS. Sefonberd
»iberwdrtig finb i^m ber ©einige unb ber ^ablfid^tige, fowte
beren ©cgenfa^, ber ftnnlofe S3erfd)»enber; unb nid^t tninber
ftetlt er ben @enu§füc^tigen jeber SIrt on ben Pranger unb legt
bie 9Ud)ttgTeit bed 2:ugenb[d^wä^er6 unb anberer SRenomiften
bar — furg unb gut, jebefl @j:trem, mag efl ft(^ 3cigen, wo unb
wie e8 wifl, unterliegt feinem @t>otte. 5)en ganjen SReid^t^um
feiner ©eftalten i)ier aufjujä^len, ift nii^t möglich, ©r umfaßt
baS ganje Sereic^ bed focialen Gebens, etnftblieglid^ be8 litera«
rifcbeu, ober mit Uebergebung ber ^olitif; babei tritt audb feine
eigene ^erfon ben Sorbergrunb, ja fogat ganje ©a»
tiren bre^en fitb um biefelbe, ba et b^ufig ©elegenbeit nehmen
mufete, ficb gegen feine SBibetfa^er ju nertbeibigen'*). 3uglei(b
giebt er audb oft genug feinen fRarreu ben SBeg gu einem ricbti*
gen Sßcrbalten an, wenn er fie ni^t mit feiner Stonie beim=
febidft. Setra(bten wir fein SSerfobten an einigen groben. @8
trete junö^ft bet ©arbe 2igelliu8 not. SBa8 fagt ^>oro3 oon
ibm?
©ämmtlicben ©ängetn gemein ift bie Unart, ba§ f»« auf Sitten
9liemal6 fingen Bor greunben, unb ftngen fie unaufgeforbert,
ginben T'* nie ein 6nbe. 3)er ©arbe SligeUiuS jäbltc
©anj ju biefem ©efcbiccbt. SBenn Gafar, ftatt ju befehlen,
©elbft ihn bol, bei ber Siebe ju ihm, jum 93ater, fo war ba«
aHe« umfonft; bo(b fo oft e« ihm einfiel, fang er Bom Slnfang
gort bi« jum 6nbe be« 9Rabl«: ^)eil Sacthu«! halb in ben hßthftm
£5nen unb balb in ben tiefften be« 2:etrachorbe« ber ii)xa.
@Iei(b ptb JU bleiben nerftanb er in nidjt«; oft lief er fo ftbnefl als
SBär’ er auf haftiger g(u(bt Bor bem geinb; oft ging er bebächtig,
@lei(h als trüg’ er ben Äorb einer 3uno; bWt fuh an ©claoen
Dft jweihunbcrt unb oft nur jehn. Salb fpratb er fo Bomehm
aäJie ein Sietrach, wie ein JJönig, unb bolb: mein SEBunfch ift ein lifchlein,
©infache« ©alj in ber SRufch«!, ein Äleib nur gegen bie Äölte,
(♦90)
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@rob mag’« fein, wie e« wolle". 3u ^)unberttaufenben gab man
JDiefem S8ebürfni§(ofen, ©enügfamen — faum eine SEBoc^
©päter unb alle« war fort! Salb wat^t’er be« Dlac^t«, bi« ber UKotgcn
Slnbrac^», halb öerf4>lief et ben Stag. Äein ©terbli(ber war je
®lei(^ »oH 3Biberfprüd>e. ©at. I, 3, 1 — 19.
SDiefe ©d^ilberung bient bem SDie^ter nur jur Einleitung.
3m fRdd^ftfolgenben tabelt et bie Eigenliebe bet 5Kenftben,
meld^e fo gerne i^te geilet überfe^en, bagegen ein febarfe« äuge
für bie ihrer greunbe SEßie foO man fibh fleijen biefe
»erhalten? ^)otaj »crf(hreibt folgenbe« fRecept:
Seffer, wir wenbcn ben Slid auf bie Siebenben, bie für bie SWängel
©linb finb ihrer ®eliebtcn, fogar fich freuen bcr ÜJlängel,
SBie fi^ an .^agna’« 9lafenpoIpp Solbinu« ergcpte.
SBdr’ man hoch ebenfo blinb in ber greunbfchaft! ^dttc bie Ethif
3rgenb ein ehtenbe« SlBort hoch gefunben für biefe Serblenbung.
®lei^wie ein Sater »om ©ohne, fo foUen au(h wir »on bem ^reunbe,
IBenn ein ®ebre<hen fich j^igt, un« nicht wegwenben mit Sbfcheu.
„Slinjaug" nennet ber Sater ben ©chielenben; „fjuppchen" ba« ©ßhnlein,
29enn c« fo gwerghaft blieb, wie einft ber ju frühe gebot’ne
©ifpphu«; , ©chrägelchen" ben mit weit auSfäbelnben Seinen,
, Stumpelchen" laUt et bem ju, ber ben Älumpfuh hintenb baherfchleppt.
8ebt wer allju genau, ben nenne man orbentlich; ift wer
Staftlo«, macht fich ju Inut, bann fag' man: er will nur ben ^reunben
8ieben«würbig erfcheinen; hoch ift er ein folteret, ift er
Swanglo« über ®ebür, bann gelt' er al« offen unb furchtlo«.
^)ihig unb unüberlegt, ba« nenne man feurig. 34> meine,
SDa« fnüpft greunbe jufammen unb h^lt bie Serfnüpften in Eintracht.
®at. 1, 3, 38—54.
Ueberhaupt fchenft ^oraj feinen ^reunben bie größte 0tücf:
ficht, ba ihm ^eunbfchoft al8 einfl ber höthP*" @üter be« 8e»
ben« erfcheint — eine ©efinnung, bie in folgenbcn SBorten
gipfelt:
Sticht« hoch gleicht einem theueren greunb! benft, wer bei Ser-
nunft ift. ©at. I, 5, 44.
2* («91)
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aßet läfe ferner nt(^t immer wiebet gern jene neunte @o*
tire bed erften Sucres mit %en prächtigen S)iaIogen unb SRo«
nologen, in welker gefchilbert wirb, wie ein aufbringlicher
®(hwä^er, ein wahrer SEßinbbeutel, fi<h an ,^oraj h^ranbrängt
unb bur^oufl ben Sugang 3U bem Streife bei ÜJläcenaS fidb er«
jwingen will?
0o(h nicht immer finben wir eine fo hrrjerquidtenbe Reiter«
feit wie in biefer unb anberen ©atiren, fonbern auch oft lange
©trerfen, in benen ein wohlthuenber 6rnfl oorwaltet, wie 3. S.
in folgenben SSerfen, wo bet 35i^tet in »ollen S3ruftt5nen baS
@Müd befingt, baS ihm burch bie @üte beö a^täcenag 3U ^h<ft
geworben ift, bet ihm ein ßanbgut gefchenft hatte, ba0 geliebte
©abinum:
Do8 Wat immer mein SBunfch: ein @ut, nur »ob mäßigem Umfang,
©ammt einem ©arten, unb noch beim ^au6 ein lebenbiged üßaffei,
Unb ein ©tücflein 2ßalbe8 bajn. iDoch haben bie ©öfter
ajlehr mir unb Seff’te« bef^eert. SBohl mir; brum bitt’ ich ™<hr»
IDlafa’ö ©ohn, al8 ba§ bu mit bie« ol8 eigen belaffeft.
{>ab’ ich »ach nie mein ©ut burch hä§lich^ fünfte »ergrö§ett,
SBerb’ ih e« nie burch «igme ©chulb unb fehlet »erringem;
S3itt’ ih bich thöricht nicht um betlei: war’ hoch ba« SRächfte
iianbftüd auch »och mein, ba« fe^t unförmlich ba« ©ut macht!
Seigte mit hoch ein ©lücJ«jufatl einen ©elbtcpf, wie Jenem
Lohnarbeiter, ber bann mit bem alfo gefunbenen ©cha^e
@ben ben Slder gefauft unb bebaut, burch ^erfulefl ©üte
©liicflich; freu' ich “>*1 ®anf mich meine« SBefihe«, fo bitt’ ich:
ajjoche bem ^>errn fein 33ieh recht fett, unb alle«, nur ein« nitht,
9ticht fein ^)er3! unb bleib, wie bu »fltgft, ein mächtiger ^ütet!
©at. II, 6, 1—15.
Unb welcher Subei, wenn er bet ©tabt entfliehen unb bet
9tatur unb bem ©tubium feinet lieben ©riechen btau|en anf
bem 8anbe fleh in bie Slrme werfen fann’®). IDo^ genug ba»
(49J)
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21
Don. 3um jei nod^ bte furje SSoifc^rift angeführt, bie
gelegentlicb übet bte Slbfaffung bet @atire gegeben wirb:
— bem ^Srenben nitbtS aU ein lautet ®elä(bter erregen,
®at ift ju wenig — bodj jäbift autb in bem gatb Ptb« alt SJorjug —
j^ürje bebarf folcb Sßerl; ber ®eban!e mug eilen, er barf fi<b
91i(bt in äBorten nerwideln, bie laftig bat nur ermüben.
?lu(b einer Sprache bebarf’t, bie mit 6mft oft wechfelt unb Scberjen,
93alb einen 0iebner unb IDicbter »erräth unb flug barin wechfelt,
S3alb ben wibigen 5ÖJann, ber gefchiit fiib beherrfcht unb bie JtrSfte
SHieber mit Jtbftcbt hält; benn et fchlagt bot Äomifche beffet
£)ft unb entfchiebener burth, auch in wichtigen Sachen, alt $athot.
Sat. I, 10, 9-15.
3n biefem SEone finb audh SlDgemetnen feine Satiren
gehalten; ba^ er ben richtigen getroffen, bafür jeugl bat Sob
aller Seiten, bat ihm in reichem fDiafie gu Slheil geworben ift.
greili^ ift hingujufügen, ba§ et in feinen Briefen noch gröfeer
ift, non benen fogar eine giemliche ISngahl gu ben Satiren ge<
rechnet werben tonnte, in fofern alt fie fi^ non benfelben in
nichts weiter unterf^eiben alS burch bie perfönli^fen 93egiehungen,
in welche er gu ben (Smpfüngern tritt, wie er benn ja auch
felbft bie Satiren unb 33riefe unter ben gemeinfamen Flamen
sermones b. h- ngivanglofe Unterhaltungen" gufammenfaht.
(äiuige SDecennien nach -^orag tritt ^etfiuö auf. @t war
geboren im Sahre 34 n. ©h^- ftarb im 3ahre 62 in
no^ nicht noUenbetem 28. BebenSfahre. Sunächft non grauen
ergogen, fchlofe er pch, nachbem er in baS SunglingSalter ein»
getreten war, eng an ben ftoijchen ^h'lofophen g. SlnnaeuS Gor»
nutuS an, beffen ^reunbfchaft er gu gewinnen unb gu erhalten
wuhte. Sein SSiograph, SaleriuS |)robuS, f^ilbert ihn milb
non 6h(>i^otter, jungfräulich fchüdhtem, fchön non ®eftalt unb
freunblich gegen fUlutter, Schwebet unb SEante. Seine erften
(«8)
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22
bid^terifc^en SSetfuc^e würben nac^ feinem ^Tobe auf ben
bed eben erwähnten ^ornutud unterbrüctt, feine fed^S Satiren
aber finb und erbalten unb b^ben bie nerfcbiebenften Urtbeile
betnorgerufen. SBenn non irgenb einem Sudbe, fo gelten non
bem f einigen bie SEßorte: habent sua fata libelli. IDad Filter«
tbum pried ibn, ba et bem bettfcbenben ©efcbmacfe gemä§ f(btieb,
bad (briftliebe 3!Kittelalter unb au(b bie Solgejeit bewunberte ibn
»egen feined @rnfted unb feinet Sittenfttenge, bie ^Reu^eit net»
hält fidb mebt ablebnenb ald anetfennenb, inbem fic fein Stre»
ben »obl gelten (äbt, abet bie äftbetif^en ^JRängel feinet Sa»
titen f(batf tügt. So foll fein S^itgenoffe 3R. ^nnaeud 8ucanud,
bet 3)i^tet bet — allerbingd fein niubtetnet S3e»
uttbeilet — bei ©elegenbeit einet aSotlefung bed ^erfind aud»
getufen b«ben, bad etft feien »obre ©ebi^te. Ouintilian fagt,
^etfiud b^ibe fidb niel »abten 5Rubm etmotben, obfcbon et mit
ein 93u^ gefcbrieben; SRattial feiett ibn in gleidbet Sßeife in
einem IDifticbon. STettullianud, 8actantiud, Sluguftinud, ^ietonpmud
cititen IBetfe non ibm unb abmen feinen Stil nadb- Slbet neben
biefen anerfennenben Uttbeilen finben fiib audb ganj abmeicbenbe
anficbten. IDa fagt 3. SB. Sofef Scaliger: ^etfiud, ein ganj
atmfeliget Scbriftfteßet, befleibigt fi^ bet 2)unfelbeit; ed finben
ficb feine Sibönbeiten bei ibm, abet ed ift möglidj, febt niel
Siböned über ibn ju fibteiben. Unb anbetdmo: c'est un pauvre
poete. 2Bad bie IDunfelbeit betrifft, fo foU ^)ietonpmud an»
fänglicb jotnig bad S3u<b weggemorfen haben mit ben SBorten:
wenn bu nicht witlft nerftanben werben, fo braucbft bu audb
nicht gelefen gu werben. SBon ben fReueren lobt SBernbarbp ben
^erfind ald 2Renfchen wegen feined eblen unb reinen (Sbatafterd,
fpticht aber norwiegenb Sabel übet ibn ald SchriftfteUet aud.
Seuffel nennt ibn jugenblich unreif, aber ebel gefinnt, unb ut»
tbeilt in 33egug auf feine Schteibweife : IDie Uebetlabenbeit
(494)
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23
unb @ef(^raubt^eit, we(^e ^ut 9)}antet ber Seit gehört, ift in
biefen ©atiren bi8 3ur JDunfel^cit gefteigert. 9tm ^drteften
cenprt iljn 2^. ÜJiommfcn in feiner römifcben @ef(^ic^te. JDiefet
fagt Don i^m: er fei „baS rechte 3beat eine8 hoffdrtigen unb
mattherjigen ber §)oefie befliffenen 3ungen" (I *, p. 236). —
Unb in ber Jh^t, bie Stabler haben nicht fo gan5 Unrecht, ^er»
fiuö bricht unermüblich 8anjen für bie Sugenb, aber biefe $u»
genb ift bie ftoifche in ber höthften ^oteng ihrer Sntoleranj.
Die »ier ©arbinnltugenben ber ©toifer finb: fitlliche ©inficht
{(fQÖvrjatQ), Japferfeit, S3efonnenheit unb @ered)tigfeit. Slber
nur berfenige fann bie einzelne 2ugenb n?ahrhaft befi^en, ber
aöe Jugenben in fl^ Bereinigt. JRecht fchön. SBenn nur bie
ftrengen Dogmatifer unter ben ©toiferu nicht ju weit gegangen
iBÜren unb eineStheilö burch eine fchroffe ©intheilung in SBeife
unb ihei^en nicht ben realen Sßoben unter ihren Sü^en uerloreu,
anberntheile fich einem .^ochmuthe hingegeben hätten, ber fie
ben auberen fUlenfchen im hö<hften @rabe abfto^enb unb lächer«
lieh erfcheinen liefe. Dnfe ?)erflu0 aber |u biefer ^Richtung ge*
hörte, ift au8 allem erfichtlich. ©o fagt er g. S.
— »enn ben ginget bu ftretfeft, fo irrft bu:
9ti(ht8 ift gering. Du toirft niemals burep £)pfet betoiifen,
Dafe auch nur ein Sitelcben SBeiöheit hafte am Dharen.
D. h- njet nicht BoHfommen »eife ift ober menigftenfl ju
biefer SBeiÖheit gu gelangen fucht, gählt gu ben Dhoren, unb
jebe ^^anblung, mag fie auch noch f*’ unbebeutenb erfcheinen, ift
thöri^t. S3on biefem rigorofen ©tanbpunfte auS beurtheilt er
flRenf^en unb ÜRenfchenleben — fo weit er bieS fonntc; benn
weit rei^t fein ©efichtSfreiS nicht, nicht hinauf über bie ©chule
unb über bie geftüre, ba et bem eigentlichen geben immer fern
geftanben hat. SEBie wahr, wa8 ®oethe bem 9(lphnn8 im
„lorquato laffo" fagen läfet:
(«»)
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24
@in eblet Snenfc^ fann «nem engen jtreife
9li(^t {eine Silbung banfen. Siaterlanb
Unb äßelt mu§ auf t^n »irfen. Oiu^m unb Sabet
9J2n§ ei ertragen lernen, ©ic^ unb anbere
SBirb er gejuungen rei^t ju fennen.
fDal^et fd^ieibt ftd^ aber au^ bie fHimutb ber Stoffe bed
f)erflu8. Sunä^ft eröffnet er ben {Reigen mit einem Prologe,
in meinem er fid^ ftreng oon ben fDi^terlingen {einer Seit unter«
{(Rieben wif{en will. JDie barouf folgenbe erfte Satire beginnt
{e^t (barafteriftifcb mit bem freilidi bem Suciiiud entnommenen
93er{e:
lieber bet 9Ren{(ben S3emübn! 3Bie eitel unb leer bocb bie Sßelt i{t!
{Ra(^ einem ^Dialoge, in welchem et am Sdf|Iuf{e oerfitbett,
ba§ i^n {eine 9RiIg baju gwinge, in '^erauöforbernber 9Bei{e gu
lachen, fommt er gum eigentlichen Schema: er weift aDe @^emein«
{(haft mit ben fDid^tern {einet Seit« beten @e{(hmadf(ofigIeit unb
@itelfeit et tabelt, gurüd, mögen fie aud^ noch @unft
bed |)ublifumö {ich erfreuen; ihn treibe fein 3nnereö gut Satire;
freilich nicht beliebt, aber batum tümmere ec fich nicht ;
er wolle vielmehr nach ben SRuftern beö SuciliuS unb,^orag bichten:
Suriliub einft,
gu^jue unb lIRuciub, bicb, unb ben SSadgahn brach er an ihnen;
Sein wei§ glaccuS bem ^eunb an jeglichen gehler gu ta|ten,
®ag er babei felbft la^t, unb er{chlie§t man bafl innerfte ^)erg ihm,
ffiarmt er e6 {pielenb; bc« SBolf« weih fbih‘8 “ 3“ fpotten.
Surfte benn nicht auch i<h wi^ mudfen — geheim — in ein 8och nur?
Soch fei hi« eö oerfcharrt: „Such, Such, ich {<>h ** Slugm,
Ohren bee @{el§ befcht .J)err 9liemanb." Siefeb @eheimni§,
Sieb mein Sachen, wie {ehr auch ni^itig, »erlauf ich nm feine
Slia« bir. ®at. 1, 114-123.
|)iergu noch ^olgenbeö:
Slld einft, fo ungefähr ergählt £)rib, in einem mufifchen
<4»6)
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25
0tteite gwifci^en $an unb SboDo, alfo jwifc^en bet $löte unb
bet Äpt^ara, bet p^tpgifd^e ^önig SKibaS bem ^an ben ^tetfl
juerfannte, He§ i^m SlpoHo gut Sttafe @fel8o^ten »ati^fen,
bie et fotflfdlHg untet feinet 5Kü^e oerftecft 3ebo(b
feinem gtifeut lonnte biefe ©otteSgabe nit^t nerbotgen bleiben.
IDa nun bie meiften SKenft^en gut SKittbeilung geneigt finb
unb ni(bt am »enigften bie gtifeure, jenet arme ober bodb
butdbaub fdbmeigen mu^te, fo machte er feinem bebtdngten ^et>
jen babut^ 8uft, ba§ er ein goch in bie @rbe grub unb bie
SBorte b'neinflüfterte: dtönig ÜJlibaS 6fel8obren.
becfte bet grifeut bie Deffnung mit @tbe wiebet ju, abet leibet
wu(h8 an bemfelben £>rte ©chilf empor, ba6, com Sinbe be<
wegt, in »eträtberif^er SEBeife immer jene SBorte flüfterte. — ©o
Win auch $erfiu8 feinem ^Büchlein annertrauen, ba§ bie Seit
»oQet 8lc<<h )vie ba8 0^ilf, wirb auch ^i^feb
jenes groge ©eheimnig funb tgun. hierbei aber ift nod) 3u
bemerfen, bag bie Sorte „©feUogren hat jebet" non ©otnutuä
hettühren, weldher bie utfprünglid)e SeSart:
auricolas asini Mida rex habet —
„2)et Äönig SKibaS hat ©felSohten" uerönberte, inbem er
bafür fchtieb: auriculas asini quis non habet? alfo eigentlich,
„wer hat ni^t ©felöohren?" — unb jwar tgat 6ornutn8 bieö
beöhalb, bamit man nicht etwa benfen foOte, bag bet .Äaifer 9lero
bamit gemeint fei.
aifo la^en will ^erfiuS über bie Slhat^eiten bet fWenfehen.
Sie thut et bieö? 9JJit einem bitterböfen ©epcht fegt er pch
auf feinen ftoifd^en gehrftuhl unb bocitt opn bemfelben feinen
Seitgenoffen, oft in te^t ausfälliger Seife, immer unb immer
wiebet, bag fie hoch recht fchlechte unb erbärmliche ©efeQen feien
unb nur bie ^)lngabe an fein ©pftem fie oom SBerberben retten fönne.
©ine ©put Don gtohpnn unb ©chalfhaftigfeit itgenbwo ju
(«7)
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entbecfen möchte wo^l jelbft bem fc^ärfflen Sluge umnöglid^ fein.
9lw(^ Bon @elb[tflefäHigfeit ift ?)etflu8 nid^t fretjufprecben, fo
bo§ er in ben Singen etneS ^ora^ wo^l bie JRoQe fpieien möd^tc,
bie bte{er bem 2)amaftppu8 guert^eitt, einem ehemaligen ^auf«
mann, bet nach 33etluft feineä SSermögenfl ftdj ganj ber ftoifdjen
bie Sltme geworfen unb in langer Diebe bem
^orag bie Dli^tigteit aüefl Stbifd^en unb bie SSerfehrtheit bet
DKenj^en flar gn machen fucht, »or feinet eigenen SBeiöheit
aber ad^tungSooH ben j^nt jieht**).
Die jmeite Satire ift an einen greunb, ^lotiuö DJlactinuö,
gerichtet. Diachbcm ^erfiu8 benfelben gu feinem ©eburtfltage
beglücfmünfcht h“i» nimmt et ©elegenheit fidh über bie Steilung
ber DJlenfchen ju ben ©öttern unb befonberS über ©ebete unb
Dpfet auSjufpre^en, wobei er mannichfache ?eben8bilber hingu»
gieht unb enbli^ gu bem Diefultatc gelangt, ba§ bie unRnnigeu
unb felbftfüchtigen SBünfche nicht erfüllt werben, ba§ bet SJienfdh
»ielmeht nur burch oernünftigeB Denfen unb ri^tigeB .^anbeln
bie ©Otter Hth S^neigt mache.
SRubigcn ©inn, fih bc8 Diecbten bewußt, unb im innerften ^>etgen
Feinheit, ein Seben getränft mit bem ©ittlicben — laß mich ben Tempeln
Die« barbringen, bonn fcpofft mir ba« Dpfer SrhBrung bet ©Bttin.
©at. II, 73 — 75.
Die nSchften Satiren erBttern nur ftoifdßc ©runbjähe unb
bilben fo gewiffermaßen einen ©pcIuB für fich.
Die brüte Satire ermahnt gur unbebingten .^>ingabe an
bie D^hiI<’i<’Ph<«> ouf weichet alle ©efunbheü bcB ©eifteB beruhe;
bie oierte gum aavrnv“ gut Selbfterfenntniß; bie
fünfte Satire ift ein Senbfchreiben an ©ornutuB, weldßeB ben
^ernpunft ber ftoifchen $htI°fophi^i bie flehte non ber wahren
ffreiheit, auBeinanberfeht, unb bie fecfafte, an ©aefiuB S3affu8
gerichtet, h«nbelt ton bem rechten ©ebrauche ber itbifchen ©fiter,
C498)
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27
wobei ^erftuS ein ©efprdc^ mit feinem 6tben fingirt, ben et
boTt mitnimmt, wenn et fic^ etwo übet bie ffietminbetung beö
@rbed beflogen foQte.
@8 ift nic^t ju leugnen, ba^ juweilen tiefe Stßne be8 @e»
fü^l8 erflingen, wie 3. 33. bie folgenben 33etfe 3eigen, bie bet
fünften ©atire entnommen finb:
©infam reben wir fe^t, brum ttitl ic^, ©omutuS, bet HJlufe
geigen unb gan3 bir bie 33ruft aufftbliegen, bir jeigen, geliebter
gteunb, wie fo treu i(b bi^ liebe, wie gan3 mein ^erj bir geweift ifi
iprüfe mi(b, prüf mein SOßort: bu fannft ja fo fein unterf<beiben,
3öa« nach ©ebiegenem flingl unb wa8 nur blenbenber Süntb ift.
2>aju mc(bt i<b mit füljn auSbilten bet Stimmen ein bunbert,
Um aufritl)tigen Sinn« ju »erfünben, wie tief bu in« fülle
4)et3 mit gegraben, unb ba§ Botlftönbig erfc^Ioffen bie äBorte,
3Ba« in bet fdjweigenben S3ruft fiib Unau«fptecbli(be« reget.
Sat. V, 21-30.
^Jlbet wir finben bei i^m auc^ febt oiel ®emacbte8, eine
golge bet 33ilbung be8 3«italter8, in welchem bie
3enbe Jriumpbe feierte, wo man alfo ben SBortptunf liebte,
getnet ift bie gtofee Slbbängigfeit be8 ^etpu8 non guciliu8, fo
weit fie ficb conftatiren läfet, ba wir oon biefem nur gragmente
befi^en, unb gau3 befonbetS oon ^>ota3 eine bö^bfi unerfteuli^e
SEBabtnebmung, bie in bob**” @rabe geeignet ift, gegen ibn ein»
gunebmen, ba wir immer an jene Iftäbe erinnert werben, bie
ficb mit fremben gebern febmfufte.
5)a8 ©nbrefultat, ba8 wir au8 bet Seftüre biefet ©atiren
gewinnen, bürfte wobl folgenbetmaben lauten:
Sieben wir bie ©ntlebnungen unb Uebertreibungen ab, fo
fonnen wir wobl fngen, ba§ ^erftu8 fo fpriebt, wie c8 ibm um
bad J^er3 ift — unb ba8 ift 311 loben. 3u bebauern jeboeb ift,
ba§ fein enget .^ori3ont ben 331icf in bie ®ten3en feine8 SBeicb»
bilbe8 bannte unb ibn oerbtoffen unb mi^mutbig machte; 3n
(499^
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abein ift feine @ef^madflofigfett, bie nur biejenigen überleben
fönnen, uel^e über ben @mft feiner ®eftnnung bie Snforbe«
rungen, »elcbe an ein Äunftwerf ju ftellcn finb, »ergeffen.
3n bemfelben 3a^rbunberte wie ^erfind unb nod^ weit
barüber ^inauS lebte 3uoenaI, nämlidl etwa non 47 ober nadb
einer neueren Slnfi(^t »on 57 — 130 n. 6^r. 3)a i^m bemnac^
ein giemli^ ^o^ed 9l(ter ju S^eil würbe, fo fann man baraud
erfe^en, ba| eine grofee Bornmüt^igfeit nicht immer lebensge-
fährlich ift. Die Duellen über feine ©chidffale flielen trüb unb
finb fhätlidh- 3n Slquinum geboren, rhetorifdh gebilbet, nielleicht
au^ Dffijier, oerbannt wegen eines lofen SBi^worteS gegen eine
bei |)ofe beliebte ^erfönlichleit h“t er 16 ©otireu hinicrioff*«»
bie meift umfangreich finb unb hi»fi(^iii(^ 3nterhretation
nicht geringere ©dhwierigfeiten alS bie beS ?)erfiu8 bieten. 6r
gehörte gur Suhl berfenigen OJtänner, bie bur^l ih^e ma§lofe
Offenheit unb IRüdfichtSlofigfeit bie SBelt in @rftaunen fe^en
unb gerabe beShalb auch großer Erfolge fich rühmen fönnen.
38aS Sllfreb SBoItmann in feinem Sluche „^uS 4 Sahrhunberten
uieberlänbifch'beutfcher Äunftgefchichte" über ben englifchen 9Kaler
j^ogarth, ber in feiner @igenfchaft alSÄünftler offenbar eine au§er»
ocbentliche Slehnlichfeit mit bem 2)ichter 3uoenaI hat, fagt, ba§ bei
ihm bie (Sarricatur oorherrfche, ba^ er im ^ä^lichen, 3Biber>
wattigen unb SSergerrten fchwelge — baS gilt auch »on Suoenal.
3h>n ift oS burchauS nicht heinlidh in ber unoerhüllteften unb
fchonungSlofeften 9irt über menfchlicheS ^h^n unb Treiben gu
Bericht gu fi^en unb eS oor baS ü£ribunal ber Deffentlichfeit
gu giehen. $reili^ liegt eS in bem SBefen beS flafftfdhen IHlter«
thumS, bie iDinge beim richtigen IRamen gu nennen unb ohne
©cheu reale IBerhältniffe jebweber iSrt blo^ gu legen, wie eS in
bet ©egenwart nicht gum guten Stone gehört: aber hoch geht
(500)
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29
3uö«nal in biefem fünfte bifl jut äufeerftcn @tenje. @t f^reibt
nic^t in usum Delphin!; o^ne bie gcTtngfte Suiüd^altung jeigt
et mit grimmigem Se^agen auf biefen ober jenen ^äfeli(^en
gleden am Äörper feines SeüaWerö — unb ba§ biefeS nic^t
baS tobenSmett^efte mat, barübet belehren unS bie 2(nna(en
jener Seit faft auf jeber @eite. 3d^ braune nur als fRepräfen»
tanten berfelben bie 9iamen 9iero unb IDomitian 3U nennen.
33erborben^eit unb ©ittenlofigfeit jogen immer weitere Äreife
unb baS glänjenbe römifcbe 3Be(treic^ ging baburd^ me^r unb
me^t feinem aSetfaOe entgegen. @S ift nidjt ju leugnen, bafi
unter fo ^eillofen IBer^Itniffen bie 9Renf(^^eit gum großen
!li;ei(e voQftänbig entartete. Unb vorjügli(^ waren eS bie obe*
ren @(fti(^ten bet ©efetlf^aft, welche mit bem fc^Iec^ten S3eifpiele
corangingen.
3lbet wie folt man bie Jbnetpte loben,
jtSmmt boc^ bae Stergemt^ oon oben!
^te bie ©lieber, fo aucp baS ^auUt!
(Äapuj. in ffioDenfl. 8ager.)
!Da§ aber bie @uten unb 93raven nic^t ooClig auSgeftorben
waten, bauon finb ebenfalls Diele Seugniffe Dot'^anben. Sagt
bo^ 3. S3. felbft ilacituS, welcher wa^rlii^ bur^ feine rofen*
farbene 58tiHe fie^t, in feinen .^iftorien (I, 3):
„IDennoc^ ift baS 3a^r^unbert nic^t fo arm an eblen Sügen,
ba§ eS nid)t au(^ gute 93eifpiele aufge3eigt ^ätte. fDlütter be<
gleiteten i^re ©ö^ne auf ber glu^t; eS folgten grauen i^ren
5Jlönnern in bie SSerbannung; SlnDerwanbte f(^rerften Dor ,J)in>
betniffen nic^t gutüd. ©ibame waren ftanb^aft; ©claoen blieben
felbft unter goltcrqualen unoetbrüd^lii^ treu; ^oe^geftellte
ÜRönner erbulbeten bie öufeerften IDrangfale, ja felbft ben Slob
ftanbtjaft, unb i^r ©nbe war eben fo ru^mrotl wie baS jener
ÜRänner beS Slltert^umS".
(401)
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30
Daß ift bte anbetc ©eite beß Sleppid^ß, »te ber iStaber
fagt. 3u»enal aber [teilt bie ^a§lld)Ielt in eine folc^e 93e»
leudbtung unb lä§t in bera Cirabe bie greOften ©(blaglid^tet auf
fie fallen, ba§ man beinahe glauben mSd^te, eß fei alle ©^ön«
^eit auß bem 8eben entreid^en — wenn er ficb nicht, bejonbctß
in ben SBeifpielen, bie er bringt, juweilen felbft oerriethe unb
fo bie obigen SBorte feineß gro§en Scitgenoffen beftätigte. SBaß
er aber burd) feine ©chilberungen bejWedt, nämlich einen ge=
wattigen ©inbrud auf bie ©eele feiner 8efer außjuüben, baß
bat er erreicht; unb wenn ihm audb unfer fritifcheß Seitalter
mehr auf bie Singer fleht, alß eß oorbem gef^ab, unb feinen
rbetorifchen ©pajiergängen auf bie ©pur getommen ift, fo ftebt
er, ber gefeierte ©tbicuß beß ÜJlittelaltcrß bo^ noch immerhin
grob genug ba, ba man feine gewaltige ,^raft unb feinen ge«
raben ©inn nicht in Steige ftetlt, ja er b>^t fich einen folcben
fRamen gemacht, ba§ er fo 3U fagen alß ber ©atirifer xar
f Snyj]v gilt. Weil er jeneß fritifche ©lement, welcheß burch 8nri=
liuß ber ©atire beigemifcht würbe, in tBerbinbung mit dbenber
©chärfe am confequenteften jum äußbrucf bringt. Suß eben
biejem ©runbe ift er auch ber „tieffte ©atirifer“ genannt
worben, ßinige Urtbeile befannter UJlänner mögen bieß betätigen.
©0 fagt j. SB. ßefftng in einer Dbe (an J^errn 9T*):
Suf Sreunb! bie @ci§cl ju crfaffen,
2)ie bort Beruiobern will.
©eit Suöcnal fee fallen laffen.
Siegt fie, Triumph ib^ ?after! ftill.
Der ,£)iftorifer Sobanneß »on SKüHer fpricht fleh folgenber»
magen auß:
„©anj anberß (nämlich «Iß ®on fJRartial), fo recht inß
^erj hinein, würbe ich nnu meiner »ierten geftüre bejoubert,
»on 3u»enaliß. 6be«nalß »erftanb ich ih” ni<^t, aber bie grogen
(50»)
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31
Stabte unb bie Sebendecfa^rung l^aben i^n mir commentirt.
fBelc^er 9)tann, wenn er fic^ erijebt! 9Ber moQte nt(bt gern,
teie (5icero, fterben um jo einen 5Häd)ct! Bi^enib »on bem
geuer, |o er in mir entflammt, l^rieb id) nur bie SlnfangS»
»orte geaiffer großer ©teilen, bie lebenSlängli^ ju lefen finb,
»eil fie in ben innerften ©c^a^ ber IJJleniii^^eit, bie Seute bcr
Sa^r^unberte, geljören ‘ *).*
2Qie fam nun biejer fo ^ocb gefeierte 2)tann gu bem @nt<
fc^luffe, ©atiren gu bienten? @r ftanb bereits in ben mittleren
Sagten, als er ungefähr i. 3. 100 n. 6^r. biefe 2^ätigfeit be»
gann, beren 23lütl)egeit in bie Otegierung JrojanS fällt, Der fi(b
ben 93einamen „ber befte Äaifer" erworben ^at. Slber au(b
unter ^abrian je^te er baS angefangene SBerf weiter fort, ob»
wo^l mit jcbwäcberen Äröften; benn bie ©atiren ber lebten
Seit geugen oon ©rmübung. 9Jtan ift beS^alb fogar geneigt,
einige berjelben i^m abgufpreeijen, obfebon bie Dafür beigebrad^ten
ülrgumente nic^t burdb|d)Iagenb finb. 91a(b bem gewaltjamen
üluSgange IDomitianS at^mete bie 3BeIt wieber auf: baS freie
SBort Durfte fi(^, naebbem ber mi^trauifd)e unb graufame Jprann
babin war, wieber an bie Oeffentlicbfeit wagen, wenn auch
immerbin gewiffe ©rengen gegogen waren, bie gu überfebreiten
au^ Damals nicht geftattet war. IDa fattelte auch 3unenal fein
feuetf^naubenbeS 9io§ gu einem jebarfen JRitte. SBaS ibn bagu
Beranlafete, fagt er felbft. 2)ie erfte ©atire ift gewiffermafeen
baS Programm, baS et ficb ftellt. 3n wib<g bei§enber gorm
fd^ilbert er gunäcbft baS SBefen unb Sireiben ber geitgenöffifeben
IDicbter, bie ibn mit ben IRecitationen ihrer ^robucte quälen*®).
iSueb er will nun nicht länger in tböriebter äBeife milb fein unb
baS Rapier febonen; er fei ja auch in bie ©cbule gegangen unb
habe Dort bem ©utla — er meint Damit ben berübniten IDiftator
beS 1. Sabrb- »• ßb^f- — *>en 0tatb gegeben, ficb Doch liebet
(603)
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32
in bae ruhige ?)r{DatIeben gumdju^ieben. .^tetbei ift fe^r be«
acbtenSmeTt^, ba^ ei feine t^etorifcbe SSilbung betont; ti ift
bieS ein gingetjeig für bie SSeurt^eilung feiner SJiction! 3)ar»
auf wenbet er fi(b jn bem eigentlichen ^h^ma, toarum er gerabe
ber Satire [ich »ibme. „5)afl Slbfurbe regiert bie SEBelt“ —
unb baS fann er nid^t ru^ig ertragen. ^Oed ift auf ben .^opf
gefteOt. 0ieS uirb burch eine Steihe non Seifpieten bewiefen.
Unter folchen Umftänben eine anbere IDiihtungSart gu wählen,
wäre ühotheit- *ft «8 fchww, ni^t Satire ju fchreiben.
(Difficile est saturam non scribere. I, 30).
Sollte bergletcben icb nicht nenuftnifchet Feuchte für uürbtg
siebten unb wählen jum Stoff? Unb liebet non 4>erfule8 fingen
Ober non Spbeud Sohn, ¥abprinthu8’ SrüQen, bet jtnaben
3f«ru8 Sturj in8 SUleer, non be8 Äünftler8 3)äbalu8 ginge?
I, 51—54.
SBieberum fe^t er baö IRäberwerf in Bewegung, nn8
fchwarge ©eftalten gu geigen, big ihm abermal8 ein Sluhepunft
nothig erfcheint, um baS SSorhergehenbe nc>(h weiter gu commen*
tiren.
®ag’ ein S3erbre<hen, wofür bu nach ®paru8 foüteft, in8 3uchthau8,
SBMflft bu wa8 fein. Siechtfehaffenheit lobt man unb lägt fte nerhungetn,
2)o^ bem SSerbrechen neibanft man ißaläfte unb ißarfe unb Siifche,
Uralt Silbergefchirr unb ?)ofale.
I, 73—78.
Unb fobann weiter:
— 33rrfagt’8 bie 9latur, bann fchmiebet ben SSer8 bie 6ntrüftung,
äßie fte ihn eben netmag, wie ich mach’ unb Slunienu8.
I, 79 sq.
So erhält bei biefer ©elegenheit ein gewiffer ßluniennfi,
febenfallS ein fchlechter Dichter, non bem fonft weiter nichtö be»
fannt ift, einen Seitenhieb, wie Snnenal ei liebt — gang nach
2lrt beö ^)orag.
(■'•04)
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33
Unb abermals ^olt er einen neuen 4>aufen »on aUerlet
fragmürbigen Q^eieOen ^erbei unb jagt fie über bie Sü^ne, beren
^)intergrunb bie alte^rmürbige aSergongen^eit — i'ein 3beal —
bilbet”)- 3orntg über bie 0(li(bt8nu^igfeit bet ©egenwart
bricht er barauf in bie Sßorte anS:
S(b«fr wirb’« werben bereinft für bie Dtacbwelt, will jte efl ärger
ajlac^en al« wir; fie »ermag nichts UteueS ju thun unb ju wünfcben.
3egli<hft ift ftho" ®“f l'f*” .pöbcpunft.
I, 147—149.
Unb nun hinein in bieö roogenbe fUieer. 2)aher ruft er
fid? felbft ju:
brauche bic Segel,
©reite fie recht weit aus!
I, 149 gq.
3d) mr.fe \)xtx auf einige iBerfc jurüefgreifen, bie ben ^lafi
»er biefen h“üen. Sie lauten;
SSaS ba treiben bie DlJienf^en, ihr SBünfdben unb fürchten,
^>affen unb Sieben, ihr greuen unb Sagen ift Stoff für mein ©üchlein.
I, 85 gq.
©ein @toff alfo foß bafl bunte Treiben ber gangen SiJell
fein. 3ft bieS ber gatl? 3a unb nein, ©eine SBelt ift 5Rora,
aClerbingS „baS ^irn jener SBelt", wie ©ictor ^ugo fagen mürbe.
3eboch fcheint mit ben eben citirten SSerfen bet ©(blufe ber
erften ©atire nicht übereinguftimmen, roo er fagt, et moQe pch
nicht ber S^obeSgefahr auSfe^en, unb beShalb nur bie ©erftorbe«
nen richten, aber biefer ©inmanb ift leicht gu befeitigen.
ailerbingS nimmt er nielfach S3egug auf bie Vergangenheit, gu«
meift auf bie jüngftc, infofern, als 9lamen unb fonftige 'Per«
foualien in Vetracht fommen. 3m Uebrigen aber gilt faft aHeS,
maS er non ber Vergangenheit berietet, auch füc bie ©egen*
mart. 3n ber fDlehrgahl ber gäüe ift er biefem Jheüc beS
Programms, bem ©piloge ber erften ©atire, untreu gemorben:
XIX. 44S. 3 (»05]
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34
fein @ifet ^at t^n ^ingettffen, feinen Seitgenoffen einen Spiegel
Dor baö Ülntli^ ju galten, wie e8 fein anberet Satirifer »ot
unb nac^ i^m getban ^at.
Se((^ eine BüQe beS Stoffes, mit ber unS Suoenal über»
fd^üttet! SBeld^ großartige ^etfpcctioe, bie er unS auf bie
prächtige, glänjenbe, ewige unb bodb bis in baS innerfte 9Rarf
franfe 9icma eröffnet! Unb unter welche blutrotße SSeleu^tung
fteiU er biefe Scenerie! !DaS golbene .^auS ber ÄaiferS, bie
glän3enben ?)aldfte ber ©roßen, fowic bie fcßmußigen SBinfel
ber Slrmutß unb ber 33erworfenheit , ©öttertempel, 21)eater,
©irruS, bie 3lrena, bie gewaltig hoßen Sinöhäuf«, bie SBerf»
ftätten, bie 8äben, SBirthSßäufer, Äücßc unb ÄeQer, ©arten,
^)aine, SBriufen, ben gelben $iber, baS 9JlarSfeIb, bie ^löße,
bie ©affen in ber Stabt unb bie Straßen, welche auf baS üanb
unb in bie ^rooinjen führen — älleS bieS jeigt er unferrn
crftaunten Sluge unb belebt eS bei Sag unb bei fRacht burch
eine SBolfSmenge, in ber jeber Sh®*l fo weit ße be*
fannt war, oertreten ift, unb mit ber wir in ber auSgiebigften
SBeife befannt gemacht werben, ©iefeS S3raufen unb Söogen
mit all feinen Unannehmlichleiten unb ©efaßren ift befonberS
in ber britten Satire höchft lebenbig unb jum Sßeil auch h“wo»
rißifch uub gemüthooH gcfchilbert. UmbriciuS, ein lieber greunb
beS 2)idhterS, iß beS 8ebenS unb SreibenS in IRom, wo man
faum auf bie Straße wagen barf, oßne »orher baS Seftament
gemacht 3U hoben, wo man nicht ruljig fcßlafen fann, wo außer»
bem nur Schürfen unb eßrlofe ?)ar»enüS gu Slnfeßen, SRacßt
unb Sfleichlhum gelangen, fo öberbrüffig, baß er befdhloffen hot,
in baS friebli^e 6umä auSjuwanbern. SSon ben Sewohnem
SdomS aber ßnb bem ehrlichen UmbriciuS befonberS bie glatten
unb aalgewanbten ©riechen »erhaßt, bie baßin gefommen waren,
um ihr ©lücJ ju madhen. Sunenal benußt nämlich oft bie ©e»
(SO«)
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35
legen^eit, um auf btefe unb überhaupt auf bie ba8 alte, rdjte
3t6mertbum ^etfe^enben ®u0länbct einige feiner fdjatfen |)feile
abjuf^iegen. ift eine lange ülueeinanbeife^ung, von bec ic^
nur eine Ber^öltnt|mä§ig feljr ja^me ©teile ^eroor^eben »iD,
bie über bie ©(^mei^elei ber ©rietben b^nbelt. „5)ie ganje
Station fpielt ^omöbie*, b^i^t eS:
S)u lacbeft laut: noib louter
©(ballt fein Soeben; er »eint, »enn bie Slugen beS ©Snner« er na§
pebt,
Ob"* ©efübl von ©^merj; oerlangft bu ein geuer im ©bätberbft,
Siebt er ben SPeljrocf an; fagft bu ,f^wül ift e8," fo ftbrnißt et.
III, 100—104.
Unb mie ftebt ed mit ben anbern ©iementen ber ^aupt»
ftabt? Äein Sllter, fein @tanb mirb von ibm unberü(ffi(bt ge=
(affen, faft jebeö 23orIommni§ be8 8eben8 untergiebt er bet
Äritif. SBir lernen ba g. S. bie S3erbältniffe bei .^ofe fennen,
bebauern lä^elnb ben armen ©lienten, ber bie größten S)e>
mütbigungen von feinem flolgen unb übermütbigen Patron ge«
bulbig bi""*b"'*" entarteten ©b^^ögling be«
rübmter gamilien fi^ megmerfen ober in ftbmoblicber 5Ber«
fommenbeit ba8 8eben friften, plagen über ben
fümmetlitben 8obn ber geiftigen Slrbeit, mobnen ©eridbtSverbanb«
tungen unb bem Unterridbte in ber ©cbule bei, jdbauen ben
Uebermutb be8 3Jiilitär8, lernen (Betrüger aller 9(rt fennen, be«
obaebten ba8 (Bolf in feiner Arbeit unb fDluge, feinen Seiben
unb greuben, feinen geblern unb gaftem, werben von bem
5Did)ter mit ben intimften (Berbältniffen ber gamilie befannt ge>
ma^t unb erbalten oon ibm über bie ©ebeimniffe ber ©tabt
(Suff^lüffe oller art. @ebr ungufrieben geigt fi(b Suoeual
mit bem fronen ©efdble^te feinet Seit, beffen ©ebretben
— nach gemiffenbafter (Berechnung finb e8 31 — et in 661
3* (iu7>
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36
l^etfen ausführlich f^ilbcrt. SBoher btefet ^>a§? SBetl in golge
beS allgemeinen fniebergangS beS SJienf^engefchlechteS auch bie
meiblicbe 9latut entartet fei. ©ein SJlahftab ift, wie fchon er«
wähnt, bie gute, alte Seit, bie er »ielfach bet ©egenwart gegen«
Überft eilt:
Denn bamalS, aU bie @rbe noch “"b ber .^imntel noih neu war,
Vfbte bae ÜWenfchengeichlecht ganj anber«. VI, 1 1 sq.
SBelcher Jon in biefer ©atire, bie für fein bebeutenbfteS
aSert gilt, herrfcht, fann man fchon barauS erfehen, ba§ Otto
IRibbccf'*) in einem rein fritifch gehaltenen 33uche über
Suoenol, baS nur für a^h«lologen beftimmt ift, e6 nidht übet
fich gebracht hot, über biefelbe beutfch 3U f^reiben, fonbem fleh
ber lateinif^en ©ptache bebient hot. ,iDer ©toff bet 6. ©atire
»erlangte gebieterifch bie flaffifche ^)üQe", fagt er (©. 182).
Diefe ©atire, welche für fich allein — aÜerbingS nadh einet
fpäteren ©intheilung — ein Such bilbet, baS jweite, unb bie
man wegen beS gewaltigen ©rolleS unb ber überftrömenben
@rbiiterung, bie fich in ihr offenbaren, mit einer lang anbauern«
ben »ulTanif^en ©ruption oerglei^en fann, bilbet übrigens einen
SBenbepunft in bet ©ntwicfelung 3u»enalS, infofern nämlich,
als anftatt beS lobernben SorneS immer mehr unb mehr in ben
noch folgenben brei Süchern bie IRefleTion »orwaltet unb auf
©runb einer reichen 8ebenSerfahrung bie geftellteu Jhemota
befprochen werben, wenn auch noch genug feurige fRafeten em»
porfteigen.
2luS bem ©efagten läfet fich hinlönglich erfennen, wie 3u«
oenal feine ©toffe behanbelte. Swei fünfte aber oerbienen
noch befonberS hetoorgehoben gu werben. 3n»enal befinbet fich
im Sefi^e aHet fomifdhen aJMttel, bie er auch reichlidh an«
wenbet, um feine fchwer »erbaulichen ©peifen 3U wüt3en; unb
ba ihm auch baS ©eftaltungSoermögen innewohnt, fo mödhte
(50«)
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H7
bte Se^auptunj nid^t atlju gewagt etfc^einen, ba§ et
unter anbern Umftänben etn üotjuglic^et Suftfpielbic^tet ge-
worben wäre, ferner beft^ränft er nicht nur auf bie nega»
tioe Äritit, fonbern 3eigt auch fe^r oft, worin ba8 {Rechte be-
gehe. ©0 gefd^ieht bieS ifehtere 3. 33. in bet 3ehnten ©atire,
in bet et »on ben thörichten SBünfchen unb ©ebeten fpridbt —
ein Shenw, ba0, wie erwähnt, auch ^erfiuö behanbelt. ©egen
ben ©chlufe hin «8:
©oH man fonach um nichts benn ffeh"? SBenn mt^) bu um {Rath
fragft,
©teile ben ^immltfhen felbft ju erwägen anheim, waS am meiften
§ür uns pagt unb waS fie für uns am nühlichften holten.
Statt beS Stgßhii<hP®” werben fie ftetS baS ©ceignetfte geben.
2heuter ift ihnen ber SSJlenfch als biejer ftch felbft
X, 346—350.
SBet aber bitten wiQ, ber bitte um wahrhaft {Rühlicheä unb
©ute0:
gleh’, baß bein Äörper gefunb unb gefunb im 3?ßrpet ber ©eift fei.
SSitt’ um ein tapferes .^erj, baS gur^t nicht fchrecft ror bem Jobe,
2)aS in beS JDafeinS äugerftem 3<el ein ©efchenf ber 9iatur fieht,
Jegliche ÜJlüh’ ju ertragen oetmag, baS nimmer ber Jähjom,
9tie bie ©egierbe behenfcht — X, 356—360.
©ie be3eidhnenb für ben 2)ichter8! Unb
ebenfo be3eichnenb ift bie nachfolgenbe ©etflchetung, ba^ ni^t
butch ein aufeethalb beö ÜRenfchen ftehenbeS ©dhicffal, fonbern
nur butch eigene Äraft unb Jüdhtigfeit bie höthPcn ©üter beö
8eben8 su erlangen feien.
Supenal fteht ol8 SRarfftein ba; er ift nicht nur ber lehte
©atirifer bet {Römer, fonbern mit ihm fchliefet audh bie ©e»
fchichte ber tömifdhen fDichtlunft ab, fo weit in ihr pon ©eift
unb Originalität bie {Rebe fein fann.
auch wir wollen h^w einen 9Rar!ftein fehen. ©teilen wir
(509)
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38
unfetc brei tSatirifcr je^t no(^ einmal nebeneinanber, fo je^en
wir gwci reib^e SRönnet unb in beten SRitte einen armen.
SBon biefen jwei ^iännern aber befi^t bet eine weltmännif(^e
Sübung, feine ©Uten unb einen umfaffenben Slicf, bet weit
übet bie ©rengen fetneö 33aterlanbe8 ^inau8tei(^t : er gehört gu
ben Kosmopoliten unb wirb in allen Sa^r^unbetten non ben
©ebilbeten oerftanben werben. 'Der anbeie bagegen ift ber
@o^n feinet Seit, bie i^n netbittert ^at, unb er felbft »ertieft
fi^ noch au^crbem berartig in feine ©timmung, ba§ eS itjm
Rreube macht, gu feiner eigenen ©enugt^uung fo recht auS bem
IBotlen heraus feinen ^^bfc^eu bet SBelt gu »etfünben. IDet
arme SDlann enblich pth “l’et wir hören nur
immer baS ©ptüchlein, baS et in ber ©chule gelernt hat.
Unb nun noch ein SBott. 5)ie SBeltgefdhichte burchgiehen
rothe gäben, weldhe, oft in bet fernften ^Vergangenheit an»
gelnüpft, biS in bie ©egenwart h'neinrei^en. ©o lä§t fi^
auch ein folchet gaben »on bet alten ©atura bis auf unfere
Seiten »erfolgen. Unfet .^anSwurft, unfct Kasperle finb Kinbet
jener Sage, wo bie ©iebeuhügelftabt noch in ber SBiege ober
»ielmehr, ba biefeS ehrwürbige ©tüd beS ,^auSrathS fo giemlich
»etfchwunben ift, im Korbe lag, wenn biefct SluSbrucf erlaubt
ift, ber no^ nidht in gleicher SBeife wie baS äBort .äBiege"
»on ber ißoefie umftrahlt wirb. Unb au^ unfere literarifche ©atire
in äBort unb IBilb, bie im i^aufe ber 3ahrhunberte bie mannig»
fachften gönnen angenommen hat, ift nur olS eine gortfe^ung
jener luftigen ©piele StalienS angufehen, wie fie in ähnt^'i^
aöeife baS 33olf in feiner gröhli^feit an ©mtefeften, Kirmeffen
ba unb bort, befonberS in folgen ©egenben, bie etwas abfeitS
»om großen SBeltoerfehre liegen, gleichfam auS IRa^e gegen bie
üothergehcnbe Seit bet ^lage unb Slrbeit noch he«tgutage auffuhrt.
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^mnerhnitQen.
1) ^aulp'8 9JcaI*6nc9cI. unter „Satire".
2) So .^ermann Sri^fc^e in feiner 9(u6flabe „be« Q. ^eratiufi
Slaccu« Sermonen", (Sinl. p. 11., 3tnm. 1. Eerfelbe überfe^t satura
mit „bie gulle" unb erinnert an SBötter toie fabula, fama non fa- wie
4>aT<; Bon <j)ct unb an grietffifcfje Subftantina gen. fern, wie vpyr„
bie 9täffe.
3) 3)ie gefleenninen ftnb benannt nae^ bem Drte i^rer (Sntftel^ung,
ber Stabt Fescennium (ober aud> Fescennia) in (Strurien, fo wie
gleic^faU« bie ÄteHanen nac^ ber Stabt Atella in Sampanien. 23ie
9Jlimen, bei ben fRSmern (aud) bei ben ©riechen gab eä foldje) in Unter-
Italien (magna Graecia) juerft aufgefü^rt, ^aben iljren Flamen Bon
berbtomif(^en fJtadja^mungen au8 bem ?eben. Diomedes: (mimus) a
Graecia ita definitua; ,uT^o's e«-Ti(v') /xlfx)^(ni; ßlou t« tc ruyxey^wpyi/ue'fct
xai p*iT<t nepiey^wv.
4) Hör. Ep. II., 156—157:
Graecia capta ferura victorem cepit et artea
Intulit agreati Latio.
5) Heber ben 6influ§ be8 ©riechen 9Henippu8 auf bie remift^e
Satire f. grifefifie a. a. O. p. 23 ff.
6) Sat. I, 4, 6 — 13. 8uciliu8 me^rfad) erwdf)nt in Sat. I, 10
unb II, 1.
7) Sat. I, 4, 1—5:
Eupolia atqne Cratinua Ariatophaneaqiie poetae
Atque alii, quorum comoedia priaca virorum eat,
Si quia erat dignua deacribi, quod malua ac für,
Qnod moechua foret aut aicariua aut alioqui
Pamoaua, multa cum libertate notabant.
8) 2Bir ^aben ^loraj nur al8 Satirifer beurt^eilen. 26a8 er
fonft no(f) gefe^rieben ^at — feine 4 iBüc^cr Iprifcfie ©ebi(f)te, ba8
carmen aaeculare, bie Samben ober (Spoben unb bie 2 Sucher Sriefc
— fommt l^ierbei nid^t in 33etra(^t.
9) 2)iefe neue Äunftric^tung (teilte fid; in jc^roffen ©egenfa^ ju
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ber großen 2Raf|e bc6 ^ubltfumfl, ben 35ilettanten unb btn Sütert^ümltrn.
3(m i4)ärfften pnbet |i(^ berfelbc au8gefproc^oi in ^)or. (5p. II, 1.
10) 2)ic Ueberfe^ungen finb jumcift Scbetletn unb SMnbet (^)oraj)
unb Jeuffel (^crftuS unb Suoenal) tntnommra.
1 1) SBil^. ©igm. Jeuffel, 05^araftfriftif be« ^)craj. ?etpjig, Dtto
SBtganb, 1842.
12) ©. befonberS ©at. I, 4. 6. lü. II, 1.
13) ©at. I, 6 enthält bte treffenbfte ©(^ilberung ber greuben
feinea ?anblebenS. ©. ferner (5pob. II.
14) 4>or. ©at. 11, 3.
15) 2)aju noch golgenbe«: 3n Serggiefe^übel, einem ©täbtdjen
©ac^fen«, finbet fiep in bem fogenannten i})Detengange eine Stifeprift
folgenben 3npalt8, beren SSetfaffer Äarl griebritp Slpeobor SBinfler ift,
weldjer fiep al8 ©epriftfteller Sipeobor ^>etl nannte:
35er ©nnger frommen ?ieb8, ber peitre gabelbiepter,
Unb 2)cutfeplanb8 Suuenal, ber feine ©ittenriepter,
Sie pflegten pier ju rupn naep 3wiefpwtp «nft unb traut.
9toep tönet ©eKcrta 9iupm unb IHabenerS 9Iapme laut.
Äuf iprem ©epottenftp lagt iprem Ängebenfen
Uns treue 35anfbarfeit }ur @pre S)eutfeplanb6 fepenlen.
1765. Speobor ^eO.
16) 3>gl. baju 3u»- ®»t. III, 9 unb VII, 36—47. — Ueber
biefe SRecitationen, »elepe ju einer üRobetranfpeit gettorben waren, maept
fiep auep ^oraj ©at. I, 4, 73—78 luftig.
1 7) Silan pat mit Unreept bem 3ut>enal ein römifepeft unb fhtliepet
3beal abfpreepen wollen (SJemparbp, ©runbri^ ber römifepen 8itteratur*)
p. 609 unb Ä. D. SllüHer, ©rieepifepe i?iteraturgefepiepte l., 239 A.)
Um fiep con ber ©runblorigfeit biefer Slnfupt, welepe überpaupt bie Se*
reeptigung be« 3u»fnal al8 ©atirifer im eigentlicpen ©inne be8 SBortea
in gtage (teilen würbe, ju überjeugen, lefe man folgenbe ©teilen:
I, 94—95. II, 73-74. III, 312—314. VI, 1—10; 265 — 267;
287 — 291; 335 — 337; 342 — 345. VII, 210—212. VIII, 98 bi«
99. X, 298 — 299. XI, 77 — 119. XlII, 53 — 59. XIV, 160 bi«
171; 179 — 189; 316-320. XV, 166—168; 171-174.
18) Dtto aiibbeel, ber eepte unb ber uneepte Subtnal. S3erlin,
©uttentag 1865.
(513)
Ituif fcn ®ebi. Uitgft (H- ®timm), ®trlra SW., &<b6»«b«rjnHr. IJ «.
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Vas Brot
unb beffcn öiätcttfcl^cr IDertt?
3? 0 r t r a ß
Don
3Srot- Dr. 3. tttfrlmann,
in SRoftocf.
ßttlln SW. 1884.
Si^eilag Don @arl
(C. täintt|*Jiii( SitiagibniiilitDMaag.)
38. üBil^clai • ettagc 83.
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^0^ bet Ueberfefeung in ftembe ©prad)en roirb oorbe^alten.
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^Benn eS eine S^atjac^e ift, ba§ bte 9(rt unb äBeife ber
@rnä^rung ben größten @influ§ auf ben @e(unb^eitSjuftanb,
bie ^eiftungd« unb SBiberftanbefä^igfeit bed 9}lenf(^en auSübt,
fo tnu§ eS Don ganj bcfonberer SBicbtigfeit fein, ben biätetifdben
SBertb bed 8roteS nä^er {ennen gu lernen. 2)enn, bet aQen
Stationen unferet gemäfeigten 3one »erbreitet, ift e§ baß »or«
nebmfte SRa^mngßmittel für Scbermann, für SfJeid) unb Slrni,
für ^o(b unb 9liebrig, für 3uug unb 2(U. @8 bitbet bie @runb»
läge bet ganjcn (ätnä^rung, fel^lt ni(bt SKorgenS auf bem Stifte,
ni^t fUUttagß unb nicht Sibenbß, begleitet ben Arbeiter bei
feinem Jagewerfe, baß Äinb gut ©^ule, ben 9fletfenben auf
feinen fBanberungen, unb ift, obgleich täglich Qcnoffen, hoch
ftetß in glei^em fDia^e beliebt unb begehrt. 6in fRahtungß»
mittet, metcheß eine fo gto^e 0iotle im .^außhatte bet fDienfchen
f^iett, oetbient eß in bet Slhai» ha§ man mit ihm unb feinem
biätetifchen SBeethe, feinem @influ§ auf bie Qiefunbheit fich ein*
gehenb befchäftigt. 3tu^ für ben fRichtargt Hegt h*crgu hin*
reichenbe ÜBerantaffung vor, ba eß ihm hoch nicht gieichgüttig
fein fann, gu erfahren, uetcheß 93rot baß nahthaftefte , baß am
teichteften verbautiche, baß gefunbefte ift.
SBotlen mir nun ben biätetifchen Süßerth beß genannten
fRahrungßmittetß tintig abfehä^en, fo müffen wir vor Sltlem
bie chemifche Sufnmmenfe^ung unb bie äSerbautichfeit beffetben
fennen, b. h- wit müffen »iffen, weiche fRähtftoffe c8 enthätt,
XIX. 446. . 1* (Mi)
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4
in welchem Set^ältnil biefdben unter einanbet fteben unb toie
fie vom inenf(^({(^en Digant6mu8 auSgenu^t werben. ' 9Iuf aDe
biefe fünfte werbe id^ beS^alb beS (Räderen einge^en.^
!Die (bemif^e Sufammenie^ung beS SroteS int ^Dgentetnett
unb ber (bemifdbe Unterftbieb ber einzelnen Slrten be8(el6en tm
Sefonberen wirb am lei^teften rerftänblt(b , wenn man fi(b ein
33ilb nom Saue unb non ben SeftanbtbeUen be8 ©etreibefomeS
jn verfcbaffen fucbt. 3)ie8 Untere, mag e8 ba8jentge be8
9ioggen8 ober S8ct3en8 fein, wirb non einer, in mebrere @<bi«b*<«
getlegbaren ge(b«bräunli^en .^ant umgeben, welche au8 bem
für SJlenfcben faft unoerbaulicben, ?5flan3en3elIftoff,
ber fog. ßellulofe, beftebt unb bie ©runbmaffe ber Äleie
bilbet. 9In biefe äußere ^>üOe fd)lie|t ficb nach innen bie
wichtige ^leberfcbicbt an, welche au8 einer einfaAen 0ieibe
grober, bicbt an einanber gelagerter SeOen 3ufammengefe9t ift.
Bebtere enthalten innerhalb einer, gleicbfan8 au8 3ellftoff be=
ftebenben, 3orten ^fiCle neben fhariamen ffetttröpf^en 3abllofe
fleine, runblicbe fcbwach gelblidb gefärbte J^crn^en. lDie8 finb
bie .Rleberförncben; Kleber aber ift ein @iwei§, weldbe8
nicht blo8 febr bebeutfam al8 9fäbrftoff, fonbern auch uunm»
ganglicb nötbig ift al8 Mittel 3ur @r3eugung ber fiebrigen,
eloftifchen, ba8 Slufgeben beförbemben ©igenfchaft be8 Srot*
teigeS. SRacb innen non ber Äleberfcbi<ht liegt ber weifec
SJicblfern, bie ^>aut)tmaffe be8 gan3en Äorn8. ©8 beftebt im
Sßefentlichen au8 ©tärfemebl, beffen äfügelchen non farblofen,
bünnwanbigen Sellbäuten umfcbloffen ftnb, enthält aber auch
no^ etwa8®iweib, 2)ej:trin, ©ummi, Sudfer unb ©alge,
Sluberbem finben wir im ©etreibefom nur nodh benÄeimling,
welcher, an bem einen 6nbe feitwärtS gebettet, fowobl ©tweib
al8 f^ett enthält.
lDa8 5Roggen= ober SBei3enforn bietet un8 bemnadb boljisen
Sellftoff (SeQuIofe), ferner Siweib, fobann ein wenig gett,
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5
oiel ®tärfemet)l, einige anbete biefem na^e »erttanbte ^o^le:
bpbrate unb enblic^ ©al^e, untet n>e(d)en leiteten, »ie ^iet I}in::
gugefügt metben mag, bejonberS ^alioetbinbungen mit
fdure notmiegen. 2)ad 93etbältni§ bet einzelnen 9iäbr^offe gu
einanbet ergiebt fi^ and folgenber BufammenfteOung:
^Dag SBeigenfotn b^t in 100 Slbeilen burcbfdbnittlidb
ein>ei§artige ©ubftang = 13 5lbeile
gett «= 1 ^
©tärfemebl =65 „ i alfo nerbaulidje itoble»
JDettrin, ©ummt u. Burf« = 7,5 „ j bpbrate = 72,5 ütbeile-
@a[ge = 1,5 „
3eUftoff = 1,5 „
Söaffet = 10,5 „
2)ad 3}erbä(tni§ beS ©imei^ed gu bet ©efammtmaf|e ber
^oblebpbrate ift bemnad) im SBeigenfotn etwa wie 1 : 5,6.
S)aS dioggenfotn geigt eine gang äbnli(be Bufammen^
fe^ung; botb ift jein ©ebalt an 6iwei§ (12,5 p(5t.) ein wenig
geringer, an BeDftoff (2 p6t.) etwas größer, als im SBeigenforn.
löemerfenSmertb bürjte aber fein, ba§ baS 6iwei§ beS leiteten
gu einem bebeutenberen 2(ntbeil alS bei erfterem auS Kleber
bejtebt; ein Umjtanb, welcher gewiffe, bemnäcbft weiter gu be<
jprecbenbe 53orguge beS SSBeigenbroteS leicht erflärt.*)
S3eim jlltabirn jutbt man nun gunächjt eine mögli^ft gute
Berfleinerung beS ^omeS unb au§erbem eine 2lbjcheibung beS
unuerbaulichen , gejchmacflojen B^llftoffeS gu ergielen. Um jo
»otlftänbiger S3eibeS erreicht wirb, bejto feiner unb wei|er ift
baS gewonnene fDiebl. Seiber bittet aber bie ungemein wichtige
Kleber jchicht giemlid) feft an ber äußeren ,f)üQe, unb jo fommt
eS, ba§ mit leitetet ftetS auch ÄlebergcQen abgetrennt werben,
©ine oöQig fieberfreie Äleie giebt eS gut B«t noch nicht, jo
jebr man fich auch bemühte, fie be<^2ufteOrn, unb jo bebeutjam
auch bie 33erbefjerungen finb, welche bie SKuDerei in ben lebten
CM?)
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6
Sauren erfahren ^nt. IDie bteier Se^auptuag lö§t
ftc^ leicht erweifen. @in S3li^ but^’d SJlifroffop geigt und,
ba§ faft an jebem j^leieftüdt^en fteinere ober größere ^aitteen
bet leicht gu etfennenben J(Iebet)c^id)t haften, unb auch bte
(^emifdje Prüfung ergiebt, bofe Äieie noc^ gu 14 — 15 p6t. ihrer
9)iaf|e aud @ituei^ befteht. Bit muffen alfo thatfächUd; bie
^jlbtrennung bed für und SRenfcben burcbaud nu^Iofen SeQftoffS
mit bem SSetlufte eined recht erheblichen f<h^ werth<=
Doöen ÄlebcTd etfaufen, ober muffen, um Unteren in feinet
gangen SRenge gu erhalten, ben nicht ndhrenben SeOftoff mit=
nehmen.
Sud ber Slhatfache, bah bie .^aupteimeihmaffe brd ©etreibe:
focned nahe ber Dbeifläche beffelben ftch befinbet unb ber
äuheten .^aut giemlich feft anhaftet, erflört ftch übtigend auch,
bah ^od SRehl, melched ^(eie enthält, mehr @imeih führt, ald
bad fleienfreie, bah au<h bad flJiehl um fo ärmer an ätleber,
unb um fo reicher an ®tärfe ift, je feiner unb meiher ed fich
Ijräfentirt. Da bied nicht genügenb beachtet mirb — oerlangt
hoch ber Bohlhabenbe faft burchioeg ein mdgli^ft toeihed @e>
bäd — , fo laffe ich hic^^ befferen 3üuftration bed @efagten
bad @rgebnih ber chemif^en Unterfuchung oerfchiebener flRehU
arten folgen:
(^inetg
(Stärfemebl
Beigenmehl aud bem gangen .^orn h<>t
13 p6t.
65 p6t.
„ mittelfeined „
11,3 ,
66,5 „
„ feinfted
8,9 „
69,0 „
IRoggenmehl aud bem gangen .^om hat
12,5 ,
63,0 ,
„ mittelfeined „
11,1 .
64,0 ,
„ feinfted „
9,6 „
66,0 .
DiefeSahlen (ehren bie Slichtigfeit beffen, »ad foeben behauptet
mürbe. SOerbingd wirb fich bei näheret Betrachtung ergeben,
bah biefem h^h^^^n @ehalte bed groben fDtehled an @imeih
(»1»)
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7
buT(^au0 nic^t ein grö^etet p^pftoiogifc^er 9lä^rweTt^ entfprid^t^
ba§ e0 melmet)t jmedmälig eric^eint, tnenigftenS auf ben
bf« 6i»eife 3u üergtc^ten, bet ni(^t o^ne bie gröbere (äellulofc
gu haben ift unb ihn lieber gu anberetn S^ecfe, al0 für bie
menjchliche Ernährung, gu nerwerthen. 9(ber eö brängt fid)
hoch baneben ber @ebanfe immer miebet auf, ba§ man fe^t
niedeicbt in ber ÜluSfd^eibung bet geUftoffigen Sefianbtheile all^
gumeit gehe, bah eö rationeQer fein möge, ein mUtelfeineö alö
ein feht feines fDieht gur^^erftedung beS 93roteS gu benu^en.
3d) merbe h^^i^auf meiter unten noch einmal gurüdfommen,
wenn uon ber SJerbaulichfeit unfeteö dlahrungömittelS bie fRebe ift.
diachbem bie Sufammenfe^ung beS dRehleS befptochen würbe,
fod nunmehr bie SBeteitung beö Sroteö in fo weit erörtert
werben, al8 für unfere Swecfe nöthig erfdheint. Die Äunft biefer
Bubereitung ift ungemein alt; ader SBabrfcheinlichfeit nach
ftammt fie au8 bem diUlanbc unb würbe oon bort anberen
iBölfetn übermittelt. Urfptünglich ah man baS grob gerfleinerte
(iietteibefotn auöfdhliehlich in gorm eineö S3teie0 unb einer
@uppe, wie bieS bei ben alten Deutfchen beftimmt noch gu
SSnfang unferct Beitrechnung ber gad war. @rft fpdter ol0
bie Sereitung biefer eben genannten Speifen lernte man ba0
ungefäuerte, noch fpäter ba0 gefäuerte 93rot hetfteden. ISie
fehr biefe neue ^nft im Sllterthum gefchöht würbe, geht beutli^
genug au0 ber ^hatfache heroor, bah ntan fie al0 ba0 @^ef(hent
eines @otte0, bei ben ©riechen be0 DionpfoS, bei bendtömem
be0 ^an, betrachtete. Unb in SBahrheit, fie burfte wohl al0
eine werthoode ©abe angejehen werben, ba bet SBohlgefdhmad
be0 S3toteS ein fo auherorbentlich oiel befferet war, al0 bet
be0 I3reie0 unb ber ddehlfuppe. Da0 war eben ber grohe
Bortfehritt, bah man gelernt hatte, ben Snhalt bc0 ©etreibe»
fotneö gu einer Sebermann auch auf bie Dauer gufagenben,
leicht oetbaulichen ©peife gu oerarbeiten.
(419)
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8
@e^en »it gu, auf »eld^e SBeife, bur(^ »eldje SKittel man
bie« ergielte unb nod) ergielt. 2)ie erfte Operation ift befannt=
lid) bie Stlbung beö Jeige«. JDiefen leiteten bereitet mon,
inbem man baS @etreibemel)l mit SBaffer ober 3Ril(^ gleidb»
mä§ig »ermengt. SBtrb eine fol(^e ÜJlaffe rafc^ perbatfen, fo
befommt man ein menig fc^macf^afteS, ungefäuerted, fefteö b. i).
f(^ma(^poröfed SSrot, melc^ee etmaS, aber nid^t oiel per baulicher
ift, aie ein SHe^Ibrei. @in anbered unb ungleich beffered 9iab=
rungdmittel erhält man, menn ber S^eig Pot bem S3acfen auf^
gelodert, poröd gemacht wirb, wie bied je^t allgemein gefchieht-
3n bet Siegel perwenbet man gu folchem 3»ede einen fog.
©ähtungderteget, nämlidh ^)efe ober ©auerteig. 2)er erftere
ift ein Konglomerat mifroffopifcher Slädcpen, ber .^efegeUen,
welche bei angemeffenet Temperatur eine ©ähtung bed Swclerd,
b. h> eine Umwanblung beffelben in ^2ilfohol unb ^ohlenfäure
gu SBege bringen. Der ©auerteig aber ift alter Teig, in
welchem bereitd ,^efegellen unb nebenher butch ^nfieblung aud
ber lJuft noch anbere fleine, bie fog. fOiilch» unb ®jfigfäute=
gährung bebingenbe Organidmen fich befinben. ©ein Sufa^
gu bem frifdhen Teige ruft bedhalb nicht blöd eine Umwanblung
bed Suderd in Slfohol unb ^ohlenfäute, fonbern auch Pie SiU
bung pon 9)iilch= unb Kffigfäure hetuor- @p erflärt ee ficb
ohne SBeitered, wedhalb bad {)efenbrot nicht fäuetlich, bad mit
©auerteig bereitete aber jäuerlich fchmedt.
31lfo mon nimmt 9Jiehl, SBaffet ober ÜJUlch, je^t gur Kr»
gielung größerer ©chmadhaftigfcit unb gtöfeeret J^oltbarteit Ped
l^roted etwad ^ochfalg hiugu, mengt ben ©ährungderreger bei
unb fnetet forgfam burch. IDiejed leitete follte )d)on aud Siein«
lichfeitdrudfithten ftetd mit ben bereite oot 100 Sahten etfunbenen
unb feitbem ungemein nerbefferten .Knetmafchinen*) bewert»
ftelligt werben. Slber auch bie {Rüdficht auf mßglichft gute
Dualität bed ©rotee lä^t bie ©erwenbung biefer Apparate
(420)
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btingenb isünfcibendwert^ erfcbeinen, ba fte eine niel gleich»
mäßigere 2)ui(^atbeitung bed Sleiged unb beS ©ä^tungdeTregerd
betnirfen. üu^etbetn erfpart iljr ©ebraud) viele Seit unb viele
8ltbeit, fo ba§ eS jvgar im eigenen Sntereffe ber S3äder liegen
würbe, fid} i^rer gu bebienen.
5)ie fertige Seigmaffe wirb nun ber Sdrme ouflgefefet;
benn nur bei angemeffener Sem^eratur finbet, wie f^on gefagt,
eine SBirfung ber @äbtungderreger ftatt. Sllbbann veränbert
ficb gunäd)ft unter bem @influ[fe eines befonberen, ber 3Ralg=
biaftafe ä^nlidben SetmenteS, wabrfcbeinlid) beS @erealin, ein
Jljeil ber ©tärfe bcS üJle^leS in SDejrtrin, weiterhin in Suder,
richtiger in 9Kaltofe. SDiefe unb ber fcbon von vornherein
vothanbene Suder wirb bann burd| bie ^hütigfeit ber ,^efegellen
fei eS ber .^efe ober beS Sauerteigs in Sllfohol unb bie luft=’
artige ^ohlenfäure umgewanbelt. äSeibe ^robufte ber @ährung
würben frei entweichen, wenn nicht ber Seig bie gühid^ctt be>
föße fie, inSbefonbere bie 33lafen ber ÄohlenfSure gurüdguhalten.
JDet Sleig verbanlt bieje gähigfeit aber lebiglich feinem ©ehalt
an Kleber, i^e^terer binbet einen erheblichen Slheil beS ju-
gefe^ten SöafferS, quillt burch baffelbe auf unb wirb fiebrig.
Söenn bann in golge ber ©öhrung lölajen von Äohlenföute
fich entwideln, fo fönnen biefe ben elaftifchen 5leig nicht butch°
brechen; fie blähen ihn nur auf, erfüllen ihn mit jenen IBlafen
unb lodern ihn auf biefe SBeife. Sehn Äilogramm Söeigenmehl
vermögen nicht weniger als 45 000 ^'ubifcentimeter, baS finb
45 Eiter Äohlenfäure gu liefern, welche bann in ber Eeigmaffe
^la^ fudhen. IDie ^<Hufloderung ber legieren ift um fo bcbeu^:
tenber, je gro§er ihre Älebrigfeit unb @lafticität ift; biefe aber
hängt ihrerfeits ab non bem größeren ober geringeren Otehalte
beS ÜJiehleS an gefunbem Älebet. Deshalb liefert SBeigenmehl,
welches nach bem früher Oiefagteu am fleberreichften ift, baS
10
poTÖjefte @ebä(f, unb aud bemfelben @)runbe lägt fidb
tne^I, iseil fteberatm, 3U1 93iotbereitung mentg t>erwert^en.
Sei biefem Soigange ber Üluflotferung, tveld^er ungemein
micgtig ift, meil bie Setbauli^feit bed SadmerfS in geiabem
Set^ällnig ju leinet ^orofität fte^t, büfet ba0 jum Jetge »et*
manbte 9Jlebl etwa 1,2 — 2,0 t)6t. feines ©ewic^teS ein. @0
»iel gebt eben in üllfobol unb ,^oblenjäute über, bie fpdter fid)
»etflücbtigen. SJtan bat beSbalb »ielfadl einen Setjudb gemacht,
biegodetung burcb anbete ÜlUttei gu et3ielen, welche bemSReble
9ticbtS ent3ieben, unö alfo jene @inbuge etfpaten. 3. »• 8iebig
berechnete, bag man bei Setmeibung ber (egteren in Seutfchlanb
täglich 200000 *J)funb mehr, baS b«<fet 9tabrung für
400000 ü)tenjchen gewinnen würbe, |elbft wenn man lebiglich
einen ©äbrungSDerluft »on 1 p©t. annäbnie.*) ©c fdglug auS
biefem ©runbe »or, bem Jeige foblenfaureS Platten unb @al3»
fäure 3U3ufegen, beten SJlifchung bann im Sleige Äoblenfäurc
entwideln würbe, ©leichen 3i»ed »erfolgt bie 3ugabe beS
.^orSforb*8iebig'f chen SadpuIoerS, baS auS faurem t>ba^=
hbotfaurem Äalf unb bohpeltfcblenfaurem 9tatron beftebenb im
!£eige baS Steiwerben ber j^oblenfäure 3ur $olge bai- @i>r ®e*
mifch »on bem nämlichen 9iatronfal3 unb ^einfteinfäure mit
etwas ^ebl unb ^teie fommt in Slmerifa unb ©nglanb als
Yeast-powder, .^efepuloet, ab unb 3uin Stnwenbung, um
ebenfalls burch ©ntwidlung »on .^oblenfäure ben STeig auf*
3ulcdern.
©togen 'jlnflang haben aQe biefe SlUttel bislang ni^t ge*
funben, 3um ^b^'t it’sbl beSgalb, weil fie bem Srote einen eigen*
tbümli^en, nicht 3rbem gufagenben ©efchmad ertbeilen, 3um
^beH aber beSbalb, weil ihre Serwenbung eine 5Reuerung war,
ber baS Sädergewerbe überhaupt, wie eS fcheint, recht wenig 3U*
getban ift. ‘Jluch biente eS nicht gerabe 3U ihrer ©mpfeblung,
bog fie gar nicht feiten bei fa^perftänbiger ?)tüfung als unrein,
(iM)
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11
ja als gifthaltig befunben mutben. (Dagegen fcbeint baS finn*
reiche 93eifahten non (Dauglifh allmählich mehr S3oben ju ge»
minnen. (Diefei englifche IHijt fchlug nämlich not, bie J^ohlen»
fduie, beten man jur Suflodetung bebütfe, in einem befonbeten
Apparate 3U entmicfeln, bann in äBaffet bineinjupteffen, le^teted
in einem gefchloffenen 93ehältet innig mit bem fDlehle ju einem
Seige gu mengen unb biefen nunmehr pottionemeife anbtretcn
gu taffen, um ihn gu bacfen. hat biefe OJlethobe ben jehr
fchä^endmerthen IBbrgug, ba| fie unenblich nie! fauberer ift, aI8
bie gemöhnliche; bagu tommt noch, bei ihrer !Jinmenbung
baö SBrot binnen onberthalb ©tunben fertig gefteOt werben fann,
bah eö in golge bet ©rfparung »on .^änbearbeit billiget ift
unb ein fchöneö auSfehen, fowie gleichmäßige gocferung geigt.
(Doch joQ nicht ootl fo fchmadhaft fein, wie bad mit @ährungS»
enegern hergeftellte. (Der SJiehrgewinn, welcher noch ^em S3er»
fahren »on (Dauglifh an SBacfwaaren ergielt wirb, beträgt 1^ p6t.
bii 2 p6t., ift bemnach beim ©roßbetriebe gar nicht unbebeutenb.
Um fo bringenber fann man bie Jperftellung biefed feg. „agreted
bread“ empfehlen, welches in Bonbon recht beliebt fein fotl,
übrigens auch bereits in eingelnen @roßftäbten beS (Kontinents
fäuflich ift-
.jpat man nun ben £eig, gleichoiel burch welches fUUttel,
aufgelocfert, fo wirb er geformt unb bann »erbaefen. Se^tereS
erfolgt bei einet demperatur »on 160 — 200 ßentigraben unb
ruft eine IReihe »on SUeränberungen in bet STeigmaffe
welche in biätetifcher S3egiehung »on fehr grobem Seetange finb.
Sunächft behnen fich in ber .pi^e bie ^ohlenfäureblafen auS,
wie bieS ja gang natürlich ift. (Daburch wirb ber Seig noch
etwas loderet, als er fchon »othet wor. (Dann »erflüchtigt fich
jenes (KfaS unb mit ihm ber größte Sh^H Slfohol. (Die
fDlenge beS leiteten, welche auf biefem SBege entweicht, ift gar
nicht unbeträchtlich; benn 100 g fDlaltofe liefern 51,11 g Ifllfohol,
(6JS)
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unb barnac^ würben bei ^erftellung eine§ SroteS non 5 kg
etwa 25 g tSlEs^ol entfielen. ®ra^am ^at berechnet, ba§ aOetn
in Bonbon bei ber Srotbereitung jübtUcb a» 13 !DHQionen
l'iter btejeS viel begehrten @enu§mitteld im äüertbe oon nicht
weniger aie 6 9)iiQionen ^larf in bte Buft entweichen, ^h«!*
jächlich finb auch bereits gahlreiche S^erfuche angefteüt worben,
um wenigftenS in ben großen S3äcfereien biefen immerfort nu^loS
fich oerflüchtigenben SUtohoI wieber gu gewinnen, bis je^t leibet
ohne (Erfolg. Vielleicht gelingt eS aber hoch einmal ber raftloS
fortfdhreitenben £.echnif, bieS Problem gu löfen. 2>tn Uebrigen
entweicht ber Sllfohol nid^t ooQftänbig auS bem Vrote; ftifcheS
Vrot enthält oon ihm nod) etwa ^ p6t., alteS ^ feiner SRaffe,
fo ba§ berjenige, welcher 1 kg frifcheS Srot geniest, mit bem*
felben noch annähernb 3 g Sllfohol einführt.
Veben Unterem unb ber ^ohlenjäure oerflüchtigt fich beim
Vacfen felbftoerftänblich auch ein erheblicher 5lheil beS SßafferS.
@uteS Vrot foll baffelbe nur noch gu 38 — 40 p6t. enthalten.
2lm meiften trocfnet bie Oberfläche beS SeigeS, unb baburch
bilbet fich bie Vinbe ober Prüfte, bie nur etwa 16 — 20 t)6t.
SEBaffer enthält unb beShalb felbftoerftänblich reicher an Vähr*
ftoffen ift, als bie Ärume,
SBaö ben Äleber anbelangt, fo oerliert er burd) bie Vacf*
hi^e feine ^ähigEeit gu quellen unb feine @lafticität. @r er«
fcheint in gahllofe graue ober graugelbliche Streifen gertheilt,
welche bie ©tärfeförnchen umfchliehen unb ift transparent ge<
worben. SBurbe Sauerteig gur Währung benuht, fo erfcheint
ber Äleber nach bem Vacfen bunfel, unb gwar in ^olge einet
@inwirfung ber @ffig* refp. SRilchfäure, welche fich nach jenem
3ufah bilben. 6in berartig bereitetes SJrot geigt, weil bet
Äleber gleichmäßig oertheilt ift, eine bunflere garbe, als ein
.jpefenbrot.
Such bie @tärfeEöm^en finb burch bie ,^iße oeränbert
(W4)
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teorben : Suetft quollen fie in bet ^et§en ^eud^tiqfeit auf, bann
gingen fie in ben fog. IBerHeifterungSguflanb übet unb nahmen
bamit bic ©igenfd^aften ber loSli^en ©tärfe an. JDie« ifl un*
gemein wichtig; benn bie leitete wirb fe^r oiel leichter oetbaut,
ald bie gemobnlid^e ©tätfe. ift aber um fo mic^tiger, al8
bet eben genannte 9ld^rftoff im ®tote quantitati» bet ^ernot»
tagenbfte ift, unb alö et in bemfelben mit bem @imei§e innig
»erflebt notfommt. SBürbe et, (bie iStätfe,) ft^met oerbaut
metben, fo mürben bie IDigefiionSfäfte au^ 3u bem J^lebet
jdjmietiget »otbringen fSnnen, ba biefet ja nielfad^ »on jener
eng umfc^loffen ift. 2öit müffen alfo jene SBerönbetung in ber
Sl)at als eine fetjr mefentti(^e unb belangreiche anfehen.
@in 2h^l bet @tätfe geht aber bei bet ^i^e in IDertrin
rcfp. @ummi übet unb mirb au^ babutch »etbanlichet. SSon
biefen beiben UmmanblungSprobucten bitbet fich am meiften in
bet Siinbe, meldhe ber ftärferen ^)ihe auBgefeht ift. iDer ©lang
ber Oberfläche, bad fog. S3lanfe berf eiben, rührt eben baoon
her, ba^ fi^ ©urnmi in bem SBaffer, mit melchem ber 93ärfet
ba8 S3rot noch mährenb beS 33etbacfen8 beftreicht, rafch auflöft
unb bann beim 6introdnen ber Blüffigfeit alB ein bünner,
glängenbet Uebetgug gurüdtbleibt. 3n bet IRinbe hüben ft^
aber in Rolge ber ftarlen ,^ihe noch onbere bemerfenflroerthe
^robucte. 2Bit finben in ihr nämlich einen btäunli^ gefärbten
Surfer, ben fog. ©otamel, eine burch IRoften eutftanbene 9Jio=
bification beB im Seige oorhanbenen, nicht in Sltfohol unb
Äohlenfäure übergeführten SurferS unb aufeerbem nod) ein @e»
mi)^ »on anbermeitigen 0t5ftprobucten, melche aromatifcher S^tatur
finb. 35iefe »etleihen bet Stinbe ben angenehmen, Slphetit et=
regenben ©erudh unb ©efdhmad; bur^ bie SBilbung jeneB 6a*
tamel aber erhält fie ihre bräunliche gatbe. gelteren fann man
leicht butch SluBgiehen mit SBaffet geminnen; bie aromatifchen
IRöftfubftangen aber ejrtrahirt man am »oUftänbigften burch Slether.
(526)
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©(Rüttelt mon jerflemerte 0fiinbe ftorf mit bi«fer ^löjftgfeit unb
tagt fie bann nerbunften, fo erhält man einen golbgelben, öligen
tRücfftanb, weldber ungemein fröftig unb gwat na^ frifdsem
Srote unb gugleicg ein »enig, mie Slpfelgelee riecht, fi^wacb
fäuerli(^ unb red^t piquantibitter fdbmedt. @ine nähere @töt<
terung bet 0flatur biefer SRöftprobuctc gehört ni(bt ^ierget; ba»
gegen bürfte e8 nt(^t über^üffig fein, gu betonen, bag igre 9n«
mefengeit non groger S3ebeutung ift, weil fie, ägniicg ben @t«
tractinftoffen beö Blcifdgeö, alS ®enugmittel witfen, bie Slbfonbe«
rung bet tBerbauungSfäfte unb baburcg bie Serbauung felbft
befötbctn.
@ine fegt belangreiche SBirfung ergielt bie ^adgi^e enblicg
nocg in fo fern, al8 biefelbe bie germente bet @fftg* unb SRilcg»
fäuregögtung , fowie bie ^efegellen »crnidgtet begw. unwirffam
madgt. Sliefe, wie jene erliegen beftimmt unb ooQftänbig einer
Slemperatur, wie fie in bem Sadofen gerrfcgt, oorauflgefegt,
bag fte lange genug einwirft, um aucg bis inS innere beS
SeigeS norgubringen. 3a, eS genügt bagu fdgon eine ^ige non
100° 6-, ba überall in ber 9Raffe nocg geucgtigfeit gugegen ift,
bie ©ägrungSerteger aber in geiger Seucgtigfcit eger, alS in
trodner ^ige gu ©runbe gegen.
Slucg biefer (Sffect ift ein biätetifcg fegt bebeutfamcr. IDenn,
würben bie genannten ©ägrungSeneger nicgt getöbtet, fo würben
fte au^ nodg nacg ©ntfemung beS SroteS auS bem Dfen igre
Jgötigfeit fortfegen, baS ©eböd weiter nerönbem unb felbft
na^ bem ©enuffe im IBcrbauungSfanal beS fUienfcgen ©ägrungS>
erfcgeinungcn gernotrufen. ^gatfädglicg tritt ja SegtereS ein,
wenn ein nicgt nötlig gareS 93rot, inSbefonbere ein angefcgobeneS
geuoffen würbe, in welchem, wie man leidgt nacgwetfen fann,
ber Siegel na^ bie ,^efegellen ni^t burcgweg unwirffam gemacht
finb, unb welcgeS ficgerlich in §olge beffen fo leidgt ©obbrennen,
©aSentwidelung im Silagen u. f. w. gu SBege bringt.
(J»8)
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15
Daö fertige S3tot l^at nun tm allgemeinen folgenbe d^emifdfee
Sufammenfe^ung:
5n 100 Stl^eilen finben ft(%:
6 — 7,5 ©imeifefubftonj,
50—53 „ (Stfitfe, @ummi, IDejctrin unb 3urfw,
0,5-1 „ gett.
1,5 H ©olje,
0,3 — 1,5 „ ßeHulofe,
36 — 40 „ SBaffer.
©robed unb feineg 3Beijenbrot ^aben ein menig me^r @i>
wei^, olg gtobeg unb feineg {Roggenbrot, grobeg Srot überhaupt
me^r 6tmei& alg feineg. SRiltbbrot ift in golge beg 3ufa^cg
»on ÜRUdb jum SReble eiwei§» fett» unb gutferl^altiger, olg ein
mit SBoffer bereiteteg. SBefentli(be abweid^ungen »on ben fo
eben notirten Biffei« jcigt aber bie 3ufammenfe^uug feiner un=
ferer gemö^nlid^en Srotarten. {Rur ber 3»iebacf, ein toie
ber {Rame fagt, gweimal geboefeneg S3rot, macht eine augnahme.
6r enthält »iel weniger SBaffer, bofür erbeblicb mehr 6in>ei6=
fubftang unb Äoblebnbrote, »on erfterer nämlich ca. 10—12 p(5t.,
»on Unteren 78 — 80 h®t. £)ie englifchen Sigeuitg, »eiche
aug fehr feinem unb beghalb eimeihärmerem {Kehle
»erben, finb ungleich weniger nohrhaft, alg unfere guten 3»ie=
barfe; benn fie haben nur ea. 7 p6t. 6iwei§fubftanj unb 75 ^3®t.
^ohleh»brate. Ungemein reich an @i»et§ finb bagegen bie fog.
Äleberbigcuitg ober Äleberbrote, welche man befonberg
für Sutferfranfe em^jfohlen hat, unb »eldhe aug Äleber uebft
etwog {Kehl bereitet werben. @ie bieten nicht weniger alg
55 — 75 p6t. diweihfubftang neben 10—30 p@t. Äohlehpbraten.
grifcheg unb alteg Srot weichen in ihrer 3ufammeufehung
»iel weniger »on einanber ab, alg man nach bem fehr »erfdhie»
benartigen ©efchmadfe glauben follte. 6g »erliert bag ©rot
aHerbingg beim aufbewahren mehr unb mehr SBaffer, fo wie
(S»7)
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16
ben 3To§ten beS nod) Dot^anbenen Sllfobold; aber bieS
ift au(^ bet einzige Unterfcbieb. (Sine nac^trSglic^e 93eränbe»
rung »on 5Rä^r»SejianbtbeiIen finbet nidjt ftatt, wenn wir non
unri^tig 3ubereitetem ©ebäd abjel^en. 35a brängt ftd) benn
natürlii^ bie grage auf, worauf bte gro|e Serfc^ieben^eit be8
©efcbwacfeS beruhe. 3)et SBaffernerluft fann biefelbc nid^t be=
hingen, ba e^ eine S^atfad^e ift, ba^ altbadened S3rot, wenn
e8 ni(^t aUju troden war, wieber frifdbfd^medenb wirb, wenn
man e8 furje 3eit auf etwa 70° 6. erwärmte. 68 mu& bemnae^
eine anbere Urfac^e »oiliegen. Souffinggault nimmt al8
fclt^e eine Slenberung be8 ÜRolecuIar3uftanbe8 ber SSrotbeflanb*
t^eile an. 3Bal)tfd)einli(^er ift mir, bo§, wie »on Sibta be-
hauptet, beim Slufbewabten be8 S3rote8 ba8 Söaffer mit ber
©törfe ober bem .Kleber eine intimere SBetbinbung eingeht,
welche beim 6rwärmen be8 6ebäde8 wieber fich lodert unb
biefem ouf8 9leue ©efdhmeibigfcit, 6lofticitöt oerleiht. SSieüeicht
fnielt babei ber ©ehalt be8 Srote8 an Kleber eine IRoHe auch
in fo fern, al8 leitetet burch höh^i^c Jemperatur bei Slnwefen*
heit Don Seuchtigfeit geloft wirb, bei Abnahme bet Stemperatur
aber in ben unlö8lidhen Suftanb übergeht.
Äennen wir nun auch bie cbemifche 3ufammenfehung be8
Srote8 unb feiner einjelnen Sitten, fo fennen wir bamit noch
feine8weg8 ben wirflicpen SRährwerlh beff eiben. 3)enn e8 giebt
SflahrungSmittel, welche reich an 9lährfloffen finb, aber fchlecht
»erbaut, ba8 helfet fchlecht auSgenu^t werben, unb anbete, welche
weniger reich an 9tährftoffen finb, aber oortreffli^ au8genuht
werben. 68 fann alfo »crfcmmen, ba§ jwei 9iahrung8mittel
bei fehr »erfchiebenem SRährftoffgehalte gleichen 9lährwerth unb
bei glei^cm 9iährftoffgehaIt fchr oerfchiebencn 9lähtwerth be*
fifeen. 5)em menichlichen £)rgani8mu8 fommt eben nicht Sllle8
gu @nte, wa8 er genicfet, fonbern lebigli^ ba8jenige, wa8 er
oerbaut, wa8 er in jeine ©äftemaffe einführt. 3)ie8 wollen
(5*8)
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17
tDtr gatij befonberS auch bei Seuttbeilung beS tbatfä^Iidben
5Räbrwettbe8 bet eingelnen 9?totoTten im Stuge bebalten.
^Die S3erbauli^!eit eine8 9iabrung8mittel8 ift im SOgemeinen
um fo gtöfeer, je leiertet bie eiti3elnen 5Räbrftoffe, au8 benen ed
beftebt, ben SMgeftionSfäften 3ugängtg finb, je befjer e8 jelb^
»DU leiteten in feinet SSotalität buttbbtnngen »itb. @o ift
3. S?. fefteS, betbe8 Bleif^ febwetet, al8 lodeteS unb »eidbe8,
ein barte8 6i tiel ftbwetet, al8 ein »eicbe8 3U »etbouen. 3u(b
ba8 SStot mitb um fo beffet unb nollftänbiget auSgenu^t, je
lodetet unb potofet e8 ift. Sei foicber Sefebaffenbeit beffelben
fönuen bie SetbauungSfäfte leiebtet in baffelbe einbtingen, tafdbet
3u ben 9iäbrftoffen gelangen unb fic ouflöfen. 55e8balb mußten
mit ja getabe oom biätetifdjen ©tanbpuntte bie 9iotbmenbig»
feit einet au8giebigen ijodetung bc8 2eige8 fo befonbetS be=
tonen. 3(bet auf bie Setbauli(bfeit be8 StoteS finb nodb S»ei
anbete SRomente »on nidbt 3U untetfebä^enbem ®infiufe, nämlidb
bet ®ebalt an Äleie unb betjenige an @äute. S53a8 bie etftete
anbelangt, fo miffen mir beteitS, ba§ fie, fomeit fie au8 bem
bolgigen SeOftoff beftebt, »cm SKenfeben faft gat ni^t »etbaut
mitb, unb miffen nicht minbet, ba§ bet ibt anbaftenbe Älebet
»on ßeHulofebülIen umfebteffen ift. Siefe leiteten fe^en bem
Einbringen be8 SigeftionSfafteB ctbeblicben SBibetftanb entgegen,
menn fie nicht in golge be8 5Kahlbtoceffe8 itgenb meldb« 9üffe
unb Süden erhielten. 68 tann bemnacb, mcnigften8 »on bet
groben Äleie, nur ein relati» geringer SÄntbeil ihrer Eimeife»
fubftan3 unfetem Organismus 3U @ute fommen. 9lodb miebtiger
aber ift e8, ba§ bie Slnmefenbeit erbeblicbeter Stengen »on EeUu»
lofe im Stote entfebieben auch bitect bie 9lu8nu^ung beffelben
überbaust unb bet ein3elnen SRäbrftoffe beffelben im Sefonbeten
binbert, mabtf^einlicb meil fie felbft 311m Stbeil in ©äbtung
übergebenb, ©äbtungSoctgünge im ©peifebrei et3eugt, unb meil
fic meebanif^ bie SSetbauung8otgane tei3enb, fräftigere 3ufam»
XIX. 446. 2 CM»)
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18
menjie^ungen bet ^Dammudfulatur, in $oIge beffen aber eine
rafc^ete 93otwärtSbewegung bed @f>etjebteied betoitft, bie bann
i^retjeitS natüclid} eine weniger voOfommene SiuSnu^ung beS
leiteten ju 3Bege bringt. $inben ftc^ enblid) otganift^ @änten,
i(b meine ÜJtilc^« unb @ffigfäure im Srote, wie bieS ja bei
bem mit Sauerteig ^ergefteQten tege(mä§ig ber ift fo be«
mitfen auch fif, ebenfo wie bie .^(eie, eine }u raf(^e tBormörtd«
bewegung beS S^eifebteiee, unb bie @{ftgfäure ^inbert ma^r«
fii^einlitb fc^on o^nebieb bie SSerbauung ber @iwei§{ubftang.
9ta(b biefem werben wir erwarten müffen, ba^ baS SBeijen«
brot, weil )>oröjet unb locferet, beffer aufigenu^t wirb, ald baS
Stoggenbrot, ba| jebeS mit Sauerteig bereitete Srot fcbleebter,
als ein mit ^efe bereitetes, jebeS grobe, fcble^ter a(S ein feineS
verbaut wirb. So ift eS in bet £^at, wie bieS auS ben Unter«
fud^ungen mehrerer gotjd^et*) ouffi S3e[timmtefte bwoorgebt.
@S wirb nämlic^ auSgenu^t:
Beines SBeijenbrot im @an3en gu ... 95—96 t>(£t.
Beines ^Roggenbrot , „ „ ... 90 ,
OtobeS fSuetlicbeS 9ioggenbtot im ©angen gn 80—81 „
Berner werben auSgenu^t:
im feinen äBeigenbrot baS @iwei§ gu 81 ))(S;t., bie Ifoble^pbrate
gu 98,5 f3©t, bie Salge gu 70 p6t.;
im feinen ^Roggenbrot baS @iwei§ gu 77 )>6t., bie ^oble^Vbrate
gu 95 p@t., bie Salge gu 70 p6t.
im groben ^Roggenbrot (Si^wargbrot) baS ©iweife gu 58 i)6t.,
bie j(ol}le^9brate gu 89 ))6t., bie Salge gu 60 p6t.
äBä^renb alfo SBeigenbrot na^e ooQftänbig bis auf wenige
^rocente auSgenu^t wirb, bleibt baS grobe {Roggenbrot gu i
unoerbaut. Sd}on bieS ift in ^obem @rabe beac^tenSwertb.
S)aS gule^t genannte IBrot finft in feinem biätetifcben äSertbe
aber nodb mehr, wenn wir inS 9ugc faffen, um wie SSieleS
weniger fein wertbooQeS @iwei^ unS gu ©ute fommt. 2)aS«
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19
i<n{gf beS äBeijenbrotcS wirb, »ie bie obige Snfamtnenßeaung
ergiebt, 5U f, bcrtjenige beS groben Sioggenbroted nod^ nt(bt ein«
mal gn | »erbaut; beinahe bie |)älfte bet @imei^f!offe be&
legieren bleibt bemnadb unauSgenu^t. ift bad eine 2;^at«
fad^e, auf loelcbe ic^ mit um fo grögetem 9tadbbrud aufmerfi'arn
mad^e, al0 fie bislang im nic^tärgtlic^en $ubli!um menig be«
Tannt geworben gu fein fc^eint.
SBenn aifo baS Sc^wargbrot aud^ etwas me^r an @iwei§
enthält, fo fübrt eS »on bemfelben unferem Organismus bo^l
er^eblid) weniger gu, als eine gleidbe fDienge SBeigew unb
Oioggenfeinbrot. @S finben fidb g. 33. in 1000,0 Cloggenfd^warg»
brot 72,0 6iwei§, unb oon blefen werben 41,7 »erbaut; in 1000,0
JRoggenfeinbrot finben fid^ gwar nur 65,0 @iwei&, »on biefen
werben 50,0 »erbaut. 33on weldb’ ^o^er 33ebeutung bieS fowot^l
in ^»gienift^er, alS in »oKSwirt^fcbaftlidber ^infic^t ift, wirb
3ebem o^ne SBeitereS einleui^ten. 5Der fDienfc^ !ann t^atfäcblicb
einen beftimmten @iwei|bebarf mit einem etbeblicb geringeren
Ouantum »on Sßeigen* unb Sloggenfeinbrot, alS »on 9ioggen>
grobbrot beden, unb geniest er le^tcreS, fo fü^rt er bem Stbtpti
»iel me^r unnü^en, unter Umftänben fogar fc^äblidben 33aQaft
gu, als wenn er jene anberen 33rotforten gu fidb nimmt. Um
50,0 6iwei§ feiner Säftemaffe eingnoerleiben, mu§ er faft 1200,0
fRoggengrobbrot effen. @inen gleidben @ffect aber würbe et
ft^ott mit 1000,0 Süoggenfeinbrot ergielen. 2)arauS er^Ot, ba§
ber 33aflaft, weldben bet 2Renf(!^ mit bem ©enuffe beS erfteren
einfü^rt, red^t beträd^tlid^ ift. IDie Bufu^r nu^lofer fDtaffen
mu§ aber moglic^ft eingefc^räntt werben, ba fie immerhin 3(n*
ftrengungen bet 33etbauungSorgane unb in golge beffen 33er*
gcubung »on ^raft bebingt.
fRelati» günftiger fteHt fi^ ber biötetift^e 3Bert^ beS ©(^warg*
broteS, wenn wir feinen ©e^alt an »erbaulichen ^ohlehpbraten
berechnen. 3n 1000,0 eiueS foldhen 33roteS finben wir 500,0
2* (531)
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20
Äo^Ie^pbtate, »on weldbcn 445,0 auögenu^t ttetben; in 1000,0
Sioggenfeinbrot finben toit 510,0 Äoble^bbrate, »on njeltben
485,0 auögenu^t »erben. Um 500,0 Äo^Iebpbrate feinet @5fte»
maffe einjunetleiben , bebatf bet SRenfc^ bemnad^ bet 3«fubt
»on 1120,0 groben ober »on 1030,0 feinen ^Roggenbrote«. 55er
Unterfcbieb ift olfo nit^t fo fe^r bebeutenb, »ie et fi^ fo eben
beraudfteQte, al« »it ben ®e^alt an »erbaulicbem @i»ei§ ju
©tnnbe legten.
9tacb biefen Setracbtungen fönnen »ir nunmehr ba^u
fcbreiten, ben 9täbt»ertb bet Srotforten mit bem ’Preife ber*
felben gu »ergleicben. @ine rationelle ^bfcbä^ung be« leiteten
fann bocb unmöglidb allein auf @runb feiner (bemifcben 3u«
fammenfe^ung, fonbern nur auf @tunb biefet unb ber bbpfio*
logifcben äSermertbung, ber tbatfäcblicben Slu«nu^ung im Orga>
niömuö, »erfudbt »erben. SBon biefem @a^e ouögebenb finben
»ir, ba§ aQerbing« Oa« grobe ober f(b»arge ^Roggenbrot ni^t
blo« abfolut, fonbern audb relati» biDiget ift, b. b- flleicbe SRengen
affimilirbarer 5Räbtftoffe für geringeren ^rei« bietet, al« gein=
brot unb SBeigenbrot. 55enn für eine 9Rarf erbalten »it gut
3eit 4125,0 Sioggenfeinbrot unb in benfelben 268,0 6i»eib »on
benen 206,5 »erbaut »erben, nebft 2103,0 Äoblebpbraten, »on
benen 2000,0 »erbaut »erben, güt bicfelbe ©umme aber faufen
»it 5500,0 grobe« ^Roggenbrot, finben in benfelben 396;o @i»
»ci§, »on benen 229,0 gut Slffimilation gelangen, nebft 2750,0
Äobleb»braten, »on benen 2447,0 gut afRmilation gelangen.
55a« lebtbegei^nete IBrot bietet alfo tbatfäcblicb für benfelben
|)rei8 mehr »erbauliche fRäbrftoffe, al« ba« feine unb felbft»
»erftünblicb au<b al« ba« au« SBeigenmebl bereitete. @« ift bie«
nicht un»efentlicb; benn bie ^rei«»ürbigfeit ft>ielt bei bet 33e*
urtbeitung be« »abren Berthe« eine« S3olf«nabrung«mittel« mit
IRecbt eine gtofee fRoQe. prüfen »ir bie »erfdbiebenen ©orten
be« 93rote« »eher, fo finben »ir noch g»ei SRomente, »elcbe
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21
fÜT bad grobe fpred^en. 2)aS leitete munbet junädbft einer
fe^r gro§en 3«^! »on 9Kenf(^en 3umal auf bte SDauer beffer,
als baS feine, unb bieS ift alS bie $oIge beS @e'^aIteS an @äuren
anjufe^en, welche bem@ebfi(f einen frifchen^efdhmacf verleihen. @o<
bann gewährt eS länger baS ®efühl ber Sättigung, h^lt, wie ber
Slrbeiter fagt, länger vor. SuS biefem Umftanbe wirb bann
gefchloffen, ba§ baS grobe S3rot auch Iräftige als baS feine.
@ine foldbe Annahme ift aber eine irrige. 2Ille Unterfudhungen
lehren ja, wie oben auSgeführt würbe, bafe gleiche fUlengen Bein»
brot bem 33lute mehr 5Rährftoffe, inSbefonbere mehr ®iwei§ ju»
führen, als Schwarzbrot. S)aS S3olf oerwedhfelt augenfcheinlich
baS burdh ^nfüQung beS fStagenS mit einem berb»confiftenten
9iahrungSmittel ergeugte @efühl ber Sättigung unb bie buntle
©mpfinbnng ftärferer Arbeit ber SSerbauungSorgane mit bem
@efühl größerer Kräftigung. Smmerhin bleibt eS richtig, ba§
baS grobe 23rot bem Arbeiter beffer munbet unb ihm eine nach*
haltigere Sefriebigung feines .pungerS gewährt. — @8 finb baS
fUlomente, welche nebft ber gro§eren‘ Sitligfeit fehr inS ©ewicht
faQen gegenüber ber Shc>t)ache, ba^ bie S3erbaulich!eit eine ge«
ringere ift. 3)ie 9lahrung beS SlrbeiterS foH billig unb hoch
wohlfchmedenb fein, foD auch fettigen, eine h'oreichenbe 3eit
verhalten, weil ohne baS ©efühl bet auSgiebigen Sättigung
jene innere Sefriebigung fehlt, weldhe jum thatf räftigen , freu*
bigen Schaffen erforberlich ift. IDeShalb fann eS gar nidbtS
nü^en, bem 33olfe eine 2lenberung 4n feiner ©mährung vor*
gufchlagen, wenn auf bie oben bejeidhneten fünfte feine IRücf*
ficht genommen wirb. 35er arbeitet will in erfter iJinie ge*
fättigt fein unb zwar zu bem biUigften 95reife, fowie auf meg»
lichft lange Seit hiuauS. 35aS fDiah ber auSnu^ung feiner
92ahrung ift ihm vöQig gleichgültig. 35eShalb bürfen wir unS
nicht ber Jäufchung hingeben, eS werbe bet arbeitet auf blofee
Empfehlung h»n baS billige, fättigenbe Schwarzbrot fortlaffen
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22
unb bad t^eute Seinbrot effen. ä^om biätetifcb«^9gienif(i^en @tanb«
fünfte muffen mir münf^en, ba§ bad erftbejeic^nete @ebäd
burc^ beffere ©orten me^r unb me^r oerbrdngt merbe, meil ed
fii^weTer oerbaulicb ift, fcbied^ter auSgenu^t mirb, bie (Sinfübtung
einer größeren ÜJtenge läfKgen SaQafteS bebingt. 2iber mir
muffen au(b bebenten, ba§ biefer 3Bunf<b niemals fi(b cermirf«
lieben mirb, menn mir nie^t bem SSolfe ein tbatfäebli^ beffereS
Srot bieten, melebeS bie SSor^üge ber oollftänbigen ISuSnubung
unb leichteren SSerbauliebf eit mit benen ber SiDigfeit, beöSBobl*
gefd^madeS unb ber nachbaitigen ©ättigung oereint. giaui’c,
ba^ ein foIdbeS @ebäd ju ergielen ift bnreb SBeimenbung eineS
SloggenmebleS mittlerer Seinbeit, rnelebem, ca. 20 f)@t. unb ba*
mit bie groben, oorjugSmeife b‘’l5<3^>' entjogen
mürben, fomte bunb IBermenbung oon ^efe nebft etmaS faurer
9)til(b an ©teile beS ©auerteigeS. @S lä|t fieb auf folebe SBeife,
mie ieb feftgeftedt bai><* ein ^ei’t bereiten, melebeS aderbingS
nicht gang aber annähernb fo bidig mie ©chmargbrot, babei noch
moblfchmedenber alS biefe? ift, benfelben @ebalt an @imei§ be>
fi^t, reichlich fo (oder ift, ebenfo nachhaltig fdttigt unb babei
gu faft 90p@t., aifo fo gut mie dioggenfeinbrot. auSgenuht
mirb. ©omit bürfte eS ben ^nforberungen ber ^pgiene unb
IDiätetif ebenfo ood, mie ben SBünfd^en beS ^ublifumd ent«
fpiechen, meines an eine fubftantiedere ,^oft gemöhnt ift unb
theure Srotforten gu faufen auher ©taube fich befinbet. Sür
eine dJtarf laffen fich oon bem genannten @ebdd bei jehigen
greifen 4850,0 heefteden; in biefen erhält man 350,0 ©imeifi,
oon melchen 270,0 oerbaut merben unb 2530,0 ^ohlehpbrate,
melchen 2380,0 oerbaut oon merben, erhält alfo für ben«
felben @elbmerth gmar etmaS meniger ajfimiliTbare .^ohlehpbrate,
aber nicht unerheblich mehr affimilitbare ^(Ibuminate.
Sluch baS fog. 6ommiSbrot, mie eS na^ ben neueften
Se^immungen für bie ©olbaten unferer Urmee angefertigt mirb,
(S34)
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23
ift fc^on beffet, intbefonbm leid^tet verbaulicb, als baS int
9lorben S)eutf(^IanbS fo beliebte, auS ^e^I »cm gangen jtom
gebadene ©ebwargbeot. @rfteieS mu^ nämli(b je^t anS einem
9Reble bereitet tterben, welebefl bie eigentlich gtebe Äleie nicht
mehr enthält. IDte IBorfchrift lautet, ba§ non 50 .^lograntm
Sioggen beim Sermahlen 7| Kilogramm, alfo nicht »entger als
15 p6t. .^leie bur^ Sichten mit einem Si^teblatt abgufonbein
finb, welches auf einem jDuabiatcentimeter Dberfläche 17 bis
18 Säben geigt. IDaburch wirb in ber 2;h<tt bet größte Sihetl
ber berbholgigen 93eftanbtheile auSgefchieben. 2)aS gewonnene
IDiehl ift atlerbingS no^ nicht baSjenige mittlerer Reinheit, fteht
bemfelben aber hoch nahe. SBirb eS gut nerbaden, jo erhält
man ein 93rot, welches wohlfchmedenb, hiin:ci<hcnb loder unb
nachhaltig fättigenb ift. 3ch habe mich hiervon butch längeren
Olenuh noQfommen übergeugt. Seine SSerbaulichfeit erreicht
noch ni^t noQ biejenige beS SioggenfeinbroteS; benn eS wirb
auch bei befter Dualität nur gu etwa 85 — 87 p@t. auSgenuht,
wenn ich auS ben an mir felbft gemachten ^Beobachtungen einen
allgemeinen Schlug giehen barf. Smmerhin liegt in bem jegigen
IBerfahren ber ,^erfteHung beS SolbatenbroteS ein nicht un«
wefentlicher $ort)chritt gegen früher. 6)ang ficherlich lägt eS fich
aber ohne erhebliche HJiehtfoften noch weiter oerbeffern, wenn
baS Dorhin angegebene Verfahren gang ober gum Shell an«
genommen, inSbefenbere ein noch etwas feineres Sllehl oet«
wanbt wirb.
Das hbgienifch befte 93rot lann alletbingS nie«
malS burch SSerwenbnng eines 9t oggenmehleS mittlerer
Reinheit ergielt werben, c^ietüber möchte ich leine Sweifel
beftehen laffen. Dem Sbeale, welches bie Diätetif auffteUt,
entfpricht, wie wir bereits gefehen haben, am meiften baS auS
feinem, aber nicht allgufeinem, SEBeigenmehl heegefteüte @e«
bäd. Daffelbe führt, gumal wenn mit ÜNilch bereitet, ber Säfte«
CJM)
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24
maffe me^t ^iä^rftoffe 3U, als irgenb eine anbere Sorte, fteHt
babei leine l^o^en Stntorberungen an bie SBerbauungSorgane unb
nöt^igt t^nen faum irgenb welchen nu^Iojen Sadaft auf. S>iefent
ißrote würbe bidtetifd^ am näd^fteu fielen baS auS feinem
3loggenme^l mit ^)efe bereitete. SSerwenbet man neben le^terer
ein wenig faure 9JU1(^, wie bei ber ^erfteQung beS ^iittelbroteS,
fo er^lt man ein fo oortreffiicb auSfebenbeS unb fo oortrefflicb
fcbmetfenbeS ©ebädf, wie man eS, sumal für baucrnben @enu§,
ficb ni^t beffer wünfcben fann. IDaSfelbe bat bann bieäBeiße,
fowie bie 8oderbeit beS ^ei^enbroteS unb ben angenehmeren @e>
fcbmacf beS 0ioggenbroted, ift gang fcbwacb fduerlidb unb bürfte
auch (na<b norldufigen geftftellungen [oerbdlt eS ficb fo) febr
gut auSgenu^t werben.
IHber baS Seigenbrot unb baS fHoggenfeinbrot haben oor
ber ^anb bei unS in Seutfcblanb nodb leine grofee Sluöfidjt, fo
allgemeines SSolfSnabrungSmittel gu werben, wie fie eS in
einigen gdnbern ßuropaS bereits finb. Schon um beS ^reifes
wiQen werben beibe Sorten, oorauSfichtlidb noch auf Idngere
Beit hinaus, im SBefentlichen nur ben woblhabenben klaffen
gum ®enuffe bienen, welche ja jeht baS grobe Jlleienbrot faum
noch effen. 5)a nun biefeS leitete bidtetifch nidbt gu empfehlen,
jenes feinere 93rot aber für bie mittleren unb unteren IBollS»
Haffen gu theuer ift, fo fodten biefe, alfo auS oorwiegenb pral»
tifchen ©rünben, jenes ©ebdd mittlerer geinheit genießen, welches
hinpchtlich feiner 23erbaulichfeit bem fRoggenfeinbrote nahe ober
gleichlommt, im greife aber um ein nicht gang UnbetrddhtlicheS
nachfteht
2)ic SBerwenbung mittelfeinen fölehleS, b. h- «neS folchen,
aus welchem gwar ade groben, berbholgigen S^hcdo ber j^leie,
jeboch nicht auch bie garteren unb feineren auSgefchieben würben,
ift Dom bidtetifchen Stanbpunfte Rcherlich gerechtfertigt. Senn
bie garte (Sedulofe ftört bei Slnwefenheit rndfeiger Sdiengen bie
(U6)
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25
Sßecbauung jebenfaDS wenig unb beeinttäd^tigt bte SuS:
nu^ung t^atfäd^lid^ in ungleidb gecingerem 9}ia§e, alfi bie grobe.
iDabutc^ aber, ba§ baS 9)ie^l nur oon le^terer, nid^t ton erfterer
befreit wirb, bleibt efl »iel eiweifereicber, alö baö feine unb
feinfte, wie bieä fc^on oben feftgefteHt würbe. @8 ift ba0 ein
Umftanb, weither fe^r wobl in 93etrad)t gejogen werben mufe;
benn bie bei SBeitem weiften OJienfdhen pflegen ihren Sebarf
an @iwei§ 3ur .^dlfte ober gu einem no^ größeren Sntheile
burth Srct ju betfen, unb Ie^tere8 wirb bur^ 9Iu8icheibung
outh ber feinen Äleie au8 bem 9JiehIe nid^t blo8 ärmer an 6i«
wei^, fonbern auch reicher an .^ohlehhbraten, enthält bann alfo
biefe beiben 5Rährftoffc in einem oiel ungünftigeren gegenfeitigen
aierhä(tni§, alö ber ©toffwethfel e8 erforbert
3ft enblidh ba8 (Serealin, wie oben angegeben würbe, in
SBirflichfeit nöthig gur Umwanblung ber @tärfe beS^eigeb in
tofe, jo liegt eine gewichtige S3eranlaffung mehr oor, in ber 9lu8*
fcheibung berC^eOulofe nicht allguweitgu gehen, nidht ba8 allerfeinfte
SRehl für baS biätetifch befte gu erllären. IDa0 (Serealin finbet
fich nämlich oorgugöweife in ber Äleie.
lDurdhau8 nothwenbig bleibt aber bie 9lu8f^eibung oder
gröberen unb herberen 2hf*Ic GeDuIcfe. ^)ierüber fann nach
bem bisher ©ejagten wohl lein Sroeifel mehr beftehen. Sie*
felben foüten nicht länger bem 5)?enfthen überwiefcn werben,
welcher au8 ihnen both feinen 9tu^en gicht. Sa8 5örot au8
gefchrotenem Äorn, ba8 grobe, fdhwarge Srot, ift bemnadh, um
e8 noch einmal gu betonen, au8 hVäisnii^fm unb oolfSwirth*
fdhaftli^em ©efichtäpunfte gu oerwerfen. 9fur für gewiffe biä*
tetifch'therapeutif^e Swecfe, auf bie ich h>w näher ein*
gehen fann, feilte man e8 nod) oerwenben, im Uebrigen oon
ihm Döflig abfehen, gang befonberö bei ber ©mährung oon
.Rinbern ber erften Sahre* welche in ihrer ©efunbheit burch bie
faft unoerbauliche, blähenbe ©ellulofe unb bie ©dure be0 S^warg*
(5S7)
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26
brotö oft f(b»et gefc^ötiigt werben. Die gröbere Äleie gehört
ben ^flanjenfreffem , wel^e fie ooQftänbig auSnu^en unb und
in gorm non gleifcb ober wicber gurürfgeben.
älQerbingd liegt ber ©ebanfe fe^r na^e, ed mö(^te ftc^ niel«
leicht eine beffere Serwert^ung ber nä^renben Seftanbt^eile bet
^(eie für ben SRenfö^en auf irgenb eine SBeife erreichen laffen.
@d finb au^ in ber 2:^at bereitd ba^in jielenbe SSerfud^e ge*
mac^t worben, befonberd non @4jille unb 9Jlöge»3Rouri^d.
6rfterer weichte bad ©etreibe in SBaffer auf, lie& ed bann einen
fDtetallc^linber paffiren, ber eine rau^e, reibeifenähnliche fläche
hatte, befreite ed fo non ber äu§erften, reinholgigeu ^üOe unb
braute ed nunmehr in einen jweiten SRetaUcplinber, mit radpeU
artiger SBanbung. 3n biefem entfernte er burch Slnbrücfen mit
befonberen ©ürften noch einen Keinen Dheü reftirenben
(SeQulofe unb weichte ed bann in einer fauerteighaltigen ©äh«
rungdflüffigfeit auf, 3erquetfchte ed jwifchen ifäalgen ju einem
Sötei unb formte aud Unterem bie ©rote, bie aldbann ohne
SBeitered nerbacfen würben. Sei einem berartigen ©erfahren
feilen nur 5 pSt., ber oöHig werthlofe j£h«K» ©etreibefornd
entfernt werben. 3Rege«fl[Rouri4d bagegen empfahl bad ^orn
guerft ju fchroten, bann noch einmal 3U mahlen, nun gu fieben,
ben Keiehaltigen ©ried, ber babei gewonnen würbe, mit foch«
fal5hnltigem SBaffer ju oenühren, biefe SRifchung auf ein feined
^aarfieb gu bringen unb bie burchlaufenbe trübe ^lüffigleit mit
bem feineren SRehle gu nerbacfen. 9Ran foQ auf folche SBeife
84 p@t. bed Äornd gewinnen, bie gröbere ©eUulofe , welche auf
bem .Ipaarfieb bleibt, audfeheiben unb babei ein guted 3Bei§brot
in gröberer ÜRenge ergielen, ald beim gewöhnlichen Serbaefen.
6d ift gweifellod bie befte non allen 9Rethoben, wel^e man gur
noQftänbigen Serwerthung bed nährenben Slntheild ber ^leie er«
bacht hat. SSrohbem fanb fie ebenfowenig, wie biejenige @4«
gille’d, eine weite Serbreitung. Sielleicht hängt auch bied
(5J8)
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27
mit bem conieiBotioen ©inne bet SBäffet, mit i^iet f<%on »ot^in
betonten Slbnetgung oor 9leuetungen, 3u|ammen, mögiid^enveiie
aber auc^ bamit, ba§ man e@ t^at|ä(bti(b füt geioinnbringenbet
hält, bie grobe Äleie, fo »iefie i[t, ben ^flanjenfreffetn 3U übet»
weifen, anftatt biefelbe unter 2(m»enbung comblicirter SRa^t»
unb S3admet^oben für ben 2Jtenf^en au83unu^en.
SBenn nun ober ouc^ bie oerf(biebenen Sitten Srot, bie
wir fennen gelernt ^aben, je natb ibret ßubereitung binfiebtli^
beS biätetif(ben Söettbeö unter einanbcr biffetiren, fo finb fie
bo(b alle ein »ortreffUebeS 5<iabrung6mlttel, welebefl 3<betraann
bocbfcbüb^n mu§. S3ietet e8 bodb, gleicbuiel in welcher Suberei»
tung e8 genoffen wirb, fämmtli^e 9läbrftoffe, beten bet ^enfcb
bebarf, nämlich Siweih, Seit, Äohlehpbrate unb ©al3e. ®abei
ift auch 9Jlenge feinet 9lährftoffe relatio bebeutenb 3U nennen,
^ebenfalls fleht baS S3rot hinftthHiih berfelben entfdhieben ciel
höh^ Kartoffeln, welche nur 2 p@t. @iwei§ unb 20p6t.
Kohlehpbrate enthalten. @8 gleicht bagegen in Se3ug auf bie
@iweif>menge bem IR ei 8, welchem e8 nur an Kohlehpbraten
nachfteht. IBon ben pflan3lidhen 9lahrung8mitteln finb e8 auch
allein bie .^ülfenfrü^te, welche burch ih^cn ungleich h^h^^^n
@iweihgehalt bo8 l6rot übertreffen. lDa8 Sierhältnih, in welchem
bie fticfftcffhaltigen fRöhrftoffe biefe8 5Rahtung8mittel8 3U ben
ftirfftofffreien ftehen, ift etwa baSjenige non 1:7 ober 1:7,5,
b. h- ni«ht flon3 fo, wie e8 für ben ©toffwechfel be8 5Renfchen
3n wünfchen wäre (1 : 5), aber hoch ein relatio günftige8, 3.
faft ba8|enige, welche8 in bet biätetifd> fo fehr gefchähten 6fe»
linnenmilch fich finbet. Sllletbing8 präoaliren im S3tote unter
ben ftidftofffreien 5Rährfubftan3en bie Kohlehpbrate fo fehr oot
bem gette, bafe biefeS oollftänbig in ben ^intergrunb tritt. @8
ift ba8 ein thatfächlicher SRangel; bemfelben wirb aber fehr ein»
fach baburch abgeholfen, bah ju unferem 91ahrung8mittel
S3ntter, @chmal3 ober ©perf geniehen. (Sine folche Sugabe muh
CM»)
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für t)iel rationeOer erflärt merben, ald biejenige »on @pcup,
.^ontg obet ObftmuS, Welche fäimntlid^ baö Uebettna^ bet ^o^lr>
^pbtate nut noc^ »erme^ten. @ie ift inebejonbere füt ben St*
beiter bie befte Sugabe, treil biefer ber §ett|ubftangen , aie ber
Dorjugömetfe ^udfelfraft etgeugenben, |o fe^r bebarf unb ,^o^Ie°
bpbrate o^nebin meift jdbon in 3U rei^licber 3)ienge genie|t.
5Dad Ü3rot mu^ aber nicht b(od wegen feines ©ebalteS an
ftoffen, fonbem auch wegen feiner 33etbauli(bfeit
werben. S)enn Sßei^enbrot wirb im ©anjen genau fo gut,
wie Siinbfleifcb auSgenu^t unb fte^t bemfelben nur bejügltcb
bet ^uSnu^ung feineS @iwei§eS nach, wie ja überhaupt aOeS
pflanzliche @iwei§ weniger »erbaulich ift. ®aS 9ioggenfein«
brot wirb im ©anjen faft fo gut, wie Kuhmilch auflgenuht,
wenn wir wteberum »on ben Slbuminaten abfehen. @S fteht
hinfichtlich feiner IBerbaulichfeit h^ber alS Kartoffeln, als Stuben,
olS ^ülfenfrüchte. 3a, felbft baS ©chwarjbrot übertrifft nod)
bie beiben gule^t genannten StahrungSmittel h'^fichttich beS
SRaheS ber SluSnu^ung um @twaS.
^rohallebem »ermag ber SJtenfch auSf^liehlich mit S3rot
obet mit S3rot unb SBaffcr feinen Organismus nicht ju erhalten.
®t würbe »on feiner Äörpermaffe jufehen unb fchlte§li^ 3U
©runbe gehen, felbft wenn er fo »iel 23rot 3U fich nähme, wie
er nut 3U effen im ©tanbe wäre. @S hüngt bieS bamit 3u<
fammeu, bafe in unferem StahrungSmittel bie ©iweihftoffe nicht
baS ?Dia^ erreichen, welches fie ben fticfftofflofen Slährftoffen
gegenüber hüben müffen, wenn ber Organismus im ©leichgewidht
beS ©toffwechfelS fich erhalten foQ, unb ba§ baS gett in ihm
»iel 3u fpatfam »ertreten ift. SöoHte Semanb feinen ganzen S3e»
barf an @iwei^ (täglich 118,0) unb an Kohlehpbraten (täglich
500,0) in Otoggenfeinbrot beden, fo mü^te er, wenn baS oben
eiterte 9Ra§ berauSnuhung zu©runbe gelegt wirb, binnen »ier«
unbzwonzig ©tunben ca. 2000,0, ober »ier S^funb geniefeen.
(JM)
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S)ied wate ein viel gu beträc^tli^ed Duantum, al8 ba§ eS Sag
füt Sag bewältigt werben fönnte. Uebetbied enthält e8 nur ben
britten S^eil bed ^etted, welcbeS ein @rwac^{ener täglich im
3)iinimum nötbig bot, eines 9iäbrftoffeS, ber unentbebriicb ift
unb von bem eS noch nidbt feftftebt, ba§ et bur^ ein $(u8 von
.fiobtebpbraten erfe^t werben fann.
9iacb SOem 2)iefem ift bie IBerurtbeilung gu SBaffer unb
Srot, welche frübet fo b®»fig Statt b^tte “uti) je^t noch
becretirt wirb, eine Strafe, welche fcbwere Scbäbigung ber @e<
funbbeit na^ ftdb gieben mufe, fall8 fie nidbt auf febr furgeSeit
eingefc^ränft wirb. S)er menfcblidje Ifötper fann eben nicht
mit jenem eingigen 9labrung8mittel befteben, fo wertbvoH baö»
felbe im Uebrigen auch ift. S)ieS b<it fcbon vor vielen Sabren
berßnglänbet Star! an fidb felbfi erfahren. 6r afe eine lange
3eit, gegen 6 SBocben, tögUcb etwa 1| ^funb 93rot unb nahm
wäbrenb biefer Seit 17 ^funb ab. 5)ann fing er an, ein etwas
größeres Duantum (faft 2 ^funb) nebft einer getingen 5Wenge
Surfet gu geniefeen unb verlor nunmebt in 28 Sagen nur nod)
3 ^fuub. Sein ©ewiebt flieg jeboeb fofort, als et barauf tag*
lieb If ^funb S3rot unb giter ÜRilcb gu ficb nafem. Slueb
JRubnet’S Serfuebe Ijobtn febr beftimmt etwiefen, bafe ber
Äörper, felbft bei ftarfem ßonfum leiebt verbaulicben SBeifebrotS
allein, ficb ©leicbgewicfet beS StoffwedjfelS gu erbalten
vermag.
2lu6 biefen ©rorterungen gel)t ohne SBeitereS b«®ot, bafe
bet ©enufe fefer grofeer SRengen SSrot, wie wir ifen fo b®Mp3
in nieberen Stäuben conftatiren, butebauS nicht ratbfam ift.
IDerielbe fufert eben gu viele Äofelefebbrate im S3erbältnife gum
©iweife unb inSbefonbere gut 9Renge beS affimilitbaren ©iwetfeeS.
^Der S3erbauungSapparat gelangt auS biefem ©tunbe an bie
©renge feines SeiftungSvermogenS, efee nur baS nötbige Quantum
©iweife aufgenommen ift, unb wirb babei mit einet SBaQaftmenge
(Ml)
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30
üEietlaben , bte in me^i als einer SBeije na(^tl)eilig witlen
mu§. S)agu fommt, ba§ bei jOrganiSntue beim Sonfum gtc§et
Dnantitäten ©rot entfliehen ©efabr läuft, eine gu rnäffcrige
©fiftemaffe unb in golge beffen gu »äffetigc Dtgane gu erhalten.
SBetben bodb mit 1000,0 ©rot gegen 400,0, unb menn eß feudjt
ift, felbft 500,0 SBoffet elngefü^rt. Sßöfferige Organe bebeuten
aber mentger wiberftanbefä^ige Organe. @o brängt fid^ un>
»iDfürlid^ bie grage auf, ob fidj ni^t eine @tenge feftfteDen
lä^t, übet welche binauß man tm@euuffe non ©rot nicht geben
füll. 9lun, (Srfabrung unb wiffcnfcbaftlicbe gorfcbung haben
gelebtt, ba^ eß für einen ermacbfenen SRann nicht »ortbeilbaft
ift, mehr alß 750,0 g ©rot für beit Sag gu confumiren.
fDieß Ouantum liefert ihm etwa | feineß ©ebarfß an @iweth
unb mehr alß | feineß ©ebarfß an Jtoblebhbiaten. $ür Stauen
würben 600,0, für 12 — 14 jährig« Äinber 275,0 baß Sageß»
marimum fein.®)
©on weldb’ bal)«m ©elange eine foldbe Siritung ber böch^*
guldffigen SRenge auch für bie öffentliche (^efunbbeitßpfiege ift,
welche fich um bie Ernährung beftimmter ©enölfetungßflaffen,
ber Firmen, ber befangenen, beß SRilitärß, ber Süglinge non @r<
giebungßanftalten gu fümmem bat, liegt auf ber ^anb. IDoch
ift eß nieOeicht nicht überfiüffig gu betonen, ba§ bei jeber ber«
artigen 9ioimimng bie Sirt beß ©roteß unb baß 3Ra§ ber Sluß«
nu^ung in ©eiechnung gegogen werben mug. .^aben wir hoch
gefeben, bag nom @chwargbiot ein erbebli^et 9lntbeil bem (Son<
fumenten gar nicht gu bute fommt, unb ergiebt fich gang
non felbft, bag bie nu^loß eingefübrte 2Raffe, ber ©aHaft, alß
9täbrmaterial nicht oeranfchlagt werben barf, felbft wenn fie an
unb für fich näbrenb ift. 3ch fage, eß verlohnt fich wogl, bieß
gu betonen, weil tbatfächlich febr oft nicht nadg bem eben her»
Dorgebobenen brunbfage ncifabren wirb, unb weil eß hoch burch*
(Mi)
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31
OU0 geboten ift, gerabe @m&]^rung 3ebent [ein
IRe^t »erben ju laffen.
Damit wäre bie Darfteflung beö biätetifcben SBert^eS
unjered 9ta^rungSmitteld beenbigt. Doch batf nid^t fdbliegen,
o^ne »enigftenä in ^urje ber tSnforberungen, »eld^e bie .^pgiene
an baS 93rot [teOt, {owie betjenigen gefunb^eitlidb bebeutfamen
Segler gebac^t gu ^aben, welche baSfelbe barbieten fann. —
„Daß ©rot foO", unb bieß ift bie gorberung bet ^pgiene, „au8
reinem, gefunbem Material gut inßbefonbete gleich*
mähig aufgegangen, gar, hoch nicht gu gar gebaden, htnteichenb
lodfer, non angenehmem ©eruche unb ©ef^macfe fein. Der
©ehalt an SBoffer batf 40tj6t. nicht überfteigen; bementfprechenb
batf auch ber @ewichtßnerluft eineß gu 3 Kilogramm auß*
gebacfenen SBroteß am erften unb gweiten Dage nur 34 g,
am britten Sage nur 56 g unb nach längerem Seit*
»erlauf nur 72 g betragen.“’) Da§ eß allen biefen gotbe»
rungen ftetß genüge , fann man leibet nicht fagen. @in
9lohrungßmittel oon fo hetoonagenber gefunbheitlicher Se*
beutung, welcheß non Sebetmann in fo großen Mengen täglich
genoffen wirb, follte bodh in möglichfter ®fite unb möglichft
tabelfrei in ben |)anbel fommen. klimmt man fleh ober bie
SJJühe, baß S3rot genauer gu prüfen, fo finbet man fehr, fel)r
häufig gehler, welche non nicht geringem SBelange finb.
6ß fommt »or, ba§ baß nerwenbete SRehl oerborben war,
fei eß, bah eß auß außgewachfenem ^orn bereitet, ober ba§ eß
in feuchten IRäumen aufbewahrt würbe. Daß auß folchem
SRaterial gewonnene 93rot fann nicht bie nöthige ^orofität be<
fifeen. Denn in jebem bet beiben gälte geht mit bem wichtigen
.Riebet eine belangreiche fWobification »or; berfelbe wirb in bie
lößli^e gorm übergeführt unb babutch gut Seigbilbung un^^
geeignet. 5än manchen Orten pflegen bie Säefer betartigem
SJiehle bei ber Srotbereitung metallifche Sufä^e gu modhen,
(M3)
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welche bem ÄleBer feine UnloflUc^feit unb bamit feine gS^igfeit,
SBaffet ju binben, »ieber ertbeilen. (©ie^e unten.) JRi^tiger
ift bie Bon S. ». Siebig gu biefem 3we^e »orgeft^Iagenc SSet»
wenbung non ^alfwaffet; nod^ lidbtigei aber ift, ein cetbotbeneS
ÜJle^l über^ubt nit|t me'^r gut Sßereitung »on SSrot gu benu^en.
— 9ie(^t oft finbet fid^ ferner, ba§ ba0 SKe^l mit SRe^len
minberet Quolitdt, g. 33. mit Kartoffel*, S3o^nen», 6rbfen»
@erfte=ober.^aferme^l ocrfe^t würbe. 3n folgern gade erf(^eint ba8
@ebd(f weniger locEer, weil bie genannten Sufö^e arm an Älebet
Rnb bgw. i^n gar nid^t enthalten. 6in berbereö SSrot ift aber,
wie wir wiffen, weniger oetbaulitb; f^cn beSbalb mu§ eine
berartige 33etfälfcbung, gum SKinbeften ber .^anbelSwaate, au§er
in Seiten ber 9lotl) »erboten fein. — SKitunter ^at baö 9Rebl
entfdjieben gefunbbeitögefd^rlidbe, ja giftige S3eimengungen, g. 33.
oon 5Jiutterforn, BonÄotnrabe» unb Saumelloltbfamen,
bie but(^ änwenbung geeigneter .^ornreinigungSaBparate febt
wol)l unb mit 8eicbtigfeit bdtten femgebatten werben fönnen.
9io(b böufiger finben wir e8 mit fdbdblidjen Stoffen oermengt,
bie mit offener 3(bfid)t bet gdlfcbung gugefe^t würben, fo mit
©dbw erfbatb, mit germablenem ©ppö. @8 gcfcbiebt auch,
ba§ nacbtbeilige ©ubftangen erft im Slugenblicfe ber 33rotberei*
tung gu bem 3wede beigemengt werben, um bem ©ebdtf einen
befferen 9ln|d)ein gu geben (Sllaun), ober um ein wenig gutes
SJiebl gur Sleigbilbung geeigneter gu machen unb gu bewirfen,
ba§ baS S3rot wdffriger wirb, ohne e8 gu fcbeinen (ÄuBfetBitriol
unb SiniDitrioI). 2)ct 3ufab biefet fogenannten 3Serbefferung0»
mittel ift glüdflicberweife bei un8 in SJeutf^lanb nicht feht ge=
brdu(hlich; bagegen trifft man ihn gicmlich oft inS3elgien, granf»
reich unb (Snglanb.
©ntfdhieben bie meiften gebier be8 33rote6 entftehen aber
nicht fowohl burch bie 33erwenbung ungeeigneten 3)iaterial8 unb
ungehöriger 3nfd^e, al8 burch eine abfichtlich ober unabficbtlich
(M4)
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33
»etfe^rte SIrt bcr 3uJ>ewitunä. Salb wirb ber 2eig nidjt gut
mit ben ©ä^rungäettegern burcbfnetct; bie golge ift ungleich»
mäßiges Slufge^en unb ungleichmäßige ^orofität. Salb ift ba8
©ebäcf im ©an^en ober an ben ©eiten, mit benen eS angejchoben
war, nicht gar geworben unb enthält bann meiftenS ju viel
SBaffer, feßr oft auch noch, '»ie o^en gejeigt würbe, uuoerän»
berte, nicht »erfleifterte ©tärfe unb noch wirffame .^)efejfnen;
au^ fehlen «hm in foldhem SaQe recht oft bie aromatifcben Dioft*
hrobucte ber JRinbe. JDen le^tbejcichnetcn fUlangel jeigt gleich*
faOe baS Srot, welches in $olge atlguftarfer Sacfhi^e an feiner
Dberfläche oerfohlte. 55tle biefe fehler finb, wie au8 ber früheren
IDarftedung erhellt, auch biätetifch oon Selang, ba fie bie
Serbaulichfeit ungünftig beeinfluffen. ISIS gerabeju ungefunb
aber muß jebeS Srot bezeichnet werben, weites adzufauer ge«
rieth- S)ieS Untere ift bie Wnlse einer Serwenbung ju alten
©auerleigS ober einer ju langen $Douer ber ©ährung. JDie
übermäßige ©äure beeinträchtigt bie Serbauung in hnheni ©rabe,
ftört, wie wir wiffen, bie SluSnuhung ber 9tährfto|fe unb ruft
nicht feiten 2)armfatarrh hcruor.
@nbli^ fann baS ©ebäd an feiner Dualität leiben, wenn eS
in feuchten, bumpfen, ungenügenb gelüfteten IRäumen aufbewahrt
wirb. ©S bilbet fich bann auf unb in bem Srote, zumal, wenn
eS wafferrei^ ift, fehr leicht ©chimmel, fei eS ber gewöhnliche
graue (Mucjor Mucedo) ober ber graufchwarje (Rhizopus nigri-
cans) ober ber gelbliche (Thamnidium).®) kleine (Mengen
eines folchen SroteS fchaben, wie eS fcheint, bem SKenfehen nicht;
größere aber rufen, inSbefonbere bei länger anhaltenbem ©enuffe,
oftmals SJtagen* unb SDarmtatarrh bieS
burch zahlreiche ^ittheilungen oorzugSweife franzöfifcher 9Jlilitär«
ärzte beftimmt erwiefen ift.
9lach biefer nicht einmal »otlftänbigen ISufzählung fann
baS Sret thatfächlich eine 9ieihe gefunbheitlidh bebeutfamer
XIX 446. 3** (i*i)
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55e^ler barbieten. Um fo fcbwerer ift e§ gu befloßen, bafe bie
fanitätSpoligcilitbe 6ontrole, »el^e erfteulicbetmeife mit bem
gleifdbe unb ber ÜJiilcb in jüngfter Seit eingebenb fidb be»
icbäftigt, gar nic^t ober faft gar nic^t auf taS 0rot auSgebe^nt
mirb, obfdbon biefed an gefunbl)eitlicber Sebeutung ben eben ge>
nannten 9iabrung8mitteln ma^rlicb nic^t nacbfte^t. 3?ie Söertb*
oerminberung ber SWilc^ bnr(^ SBaffergufa^ wirb fcbarf, baö
Beilbalten gu wäffrigen 93rote8 faum jemals geabnbet, unb hod)
ift bie 9trt ber Bdlfdbung genau bie nämlicbe. ©duerlicbe 9Jiil(b
unb oerborbeneS gleif^ werben confiScirt, auf abgebadeneö, gu
faureS, burcb fc^le^te IHufbewabrung rerborbeneS S3rot aber
fabnbet man nid^t. @8 liegt barin eine Snconfequeng, welche
man nicht entf^ulbigen fann, unb welche man entfcbieben be>
fämpfen mu§. ^lllerbingS empfiehlt [ich nicht, bie SBieber«
einführung ber früheren Srottayen gu erftreben; biefelbe würbe
feinen ©egen bringen. SEBohl aber bürfte e8 am ^la^e fein,
eine Ueberwachung ber iBdcfereien unb eine öftere nicht regeU
mäßige Unterfuchung ber Sacfwaaren gu forbern. ©rftere, bie
dontrole ber S3äcfereien, ift in @nglanb f^on fehr lange bur^
ein befonbereö ©efe^, bie Bakehouse Regulation Act, ein«
geführt. 9iach bemfelben finb bie ©efunbheitSbeamten befugt,
jebergeit währenb be8 23acfen8 bie für baffelbe beftimmten Släume
gu betreten, fowie gu reoibircn, unb finb bie 3nhaber berfelben
»erpfiichtet, für auSgiebige Sfieinhaltung ©orge gu tragen, ©ine
berartige SSerorbnung garantirt aüerbingS noch nicht eine beu
5?lnforberungen ber ^jpgiene entfpre^enbe Dualität ber SBacf«
wäre; ben'n oon Unterer ift in ber genannten 9(ct nicht bie Diebe.
31ber trohbem wirb bie SSeftimmung, bafe ©efunbheitSbeamte
in bie SBadhnwfet eintreten bürfen, fchon für ftch manche Uu«
gehörigfeit oerhüten; auherbem follen fie auf bie .^anbhabung
ber Dieinlichfeit achten, unb gefchieht bie8, fo wirb baburch ficher«
lid) auch Dualität be8 16rote8 birect um S3iele8> gebeffert
(54«)
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toetben. Smmer^in »ürbe bie blo^e Ueberwod^ung bet Sod»
Raufet ni(^t genügen; e8 mü^te, wie gejagt, eine öftere fanitätö*
potijeilidbe Unterfui^ung bed !0iote8 ^tngufommen, unb ba8
fRefultat üetfelben öffentlit^ befannt gemad^t werben. 2)te 3)ur(^»
füljrung betartiger 9Ra§nal}men erfdbeint im 3>ntereffe ber 9i(l»
gemeinbeit bringenb geboten, ba eS fi^ um ein 9labrung8mittel
Bon gan3 betöorragenb bPüienijcber 33ebeutung banbeit.®)
^nmechungett.
1) Der tJefer Bergleidje inSbcfonbere bie Slbbanblung ^Birnbaum’« :
Da893rotbaden in beffelben SlutorS 2ebrbucb ber ianbwirtbfcbaftlicben
©ewerbe, 1878, unb J^önig, bie menfcblidben 9labrung8* unb @enu§*
mittel, 1883, II ®. 351 ff.
2) älnbete ©etreibearten fominen für un8 faunt inS3etiacbt. Die
©erfte, an ftcb febr nabrbaft, aber arm an lieber, giebt ein wenig
locferee, fabe fcbmedenbeS ©ebdd, unb 4>afet, ber noch tleberärmer ift,
liefert ein S3rot, welche« brödelig ift unb gleicbfatl« re^t fabe fcbmecft.
Da« SWaiSfotn würbe, aüerbing« nur bei richtiger 53erarbeitung, jut
©rotbereitung fi^ febr ®abl eignen; e« wirb aber in Deutfcblanb ju
wenig angebaut, al« ba§ e« an biefet ©teile einer eingebenben ©erüd*
fichtigung rerbiente. SBei^en unb Sieggen bleiben unfere eemebrnften,
fa faft auSfcblieblicben ©rotfrüebte.
3) Die erfte Änetmajihine war Bon ©alignac im Sabre 1760
cenftruirt. 3«bt finbet man am bäufigften biefenigen ©olanb’«, Slol»
lanb’« unb Delirh’«; biefe, wie jablreicbe anbere, auch beutfehe, ftnb
augführlicb, unter ©eigabe Bon Sei^nungen, in ber oben citirten Slb»
hanblung ©irnbaum’« befebrieben.
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4) @4 ift tabei jeboc^ }u bnrüdfit^tigen , ba§ bn 93ertuft lebiglic^
bie j^o^lel^^brate, nic^t auc^ bad @itDei§ betrifft, unb ba§ jene für fiif)
allein feine Dta^rung bilben fönnen.
5) 3d> ^obe hierbei befonbetS bie ©rgebniffe ber Unterfuc^ungen
SUle^er’a unb Slubnet’« im Säuge; fte^e Sntfcbtift für Biologie
SBonb VII unb IBanb XV. fowie XIX. 3n Unterem 0anbe befpritbt
IRubner fpecieü baS SBeinjenlleiebrot ber englifc^en „bread reform
leagufi“, welche« bie Äleie fel^r fein nnmol^Ien enthält, mit ^)efe, ®alj
unb etwas 3«der bereitet ift unb ju ca. 88 p6t.* »erbaut wirb, aifo
beweift, ba§ bie feine 3frfleinerung ber Äleie ber SluSnu^ung fbrberlidj ift.
6) gür jfinber ift baS 2;ageSma;cimum aucf) relatic niebriget ju
bemeffen, als für @rwa(f)fene; benn jene bebürfen erfahrungsgemäß eines
gtüßeren DuantumS von animalifchem @iweiß unb werben von ber @in>
füßrung unoerbauli^en SoHafteS, wie fie bei jebem ©rote Statt hol»
viel leidster ungünftig beeinflußt.
7) So lauten inSbefonbere bie iBeftimmungen übet bie Dualität
beS SKilitärbroteS.
8) Sieße barüber beS IBerfafferS Slbhanblung: IDarfteHung beS in
oußerbeutfthen ?änbetn auf bem ©ebiete ber öffentlichen ©efunbheitS*
hflege ©eleifteten. 1878. Seite 270, fowie ®ingler’S polhtechnifcheS
Sournal 92 (Seite 466) unb 114 (Seite 435).
9) lieber bie 9)lethobe ber Srotunterfuchung finbet ber i?efer 9lä»
heteS bei IBimbaum loc. cit. S. 290.
(54K)
35tu<l Bon e*cbr. lltifler (Sb. ®rimm) in Serliii SW.. (£(6onfberstr(tt. 17a.
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poctifd^c Curnicre,
33 0 r t T a g
Don
(Bttßao Bierih's;.
6etUii SW., 1884.
33erlag von @atl .^abel.
(C. (0. X«kiittV*4l< Bttlagili«iti^inil«ii(.)
SS. Sflftlm.etiatc SS.
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®Qäi 5Red)t bft Uebcrie^uiig in frembe Sprachen rotrb norbebalten.
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IXeberaD ba uttb gu allen Sfiten, tto unb »ann bie ‘Ditftt*
funft ober allgemeiner: bie infeDectueDen 3ntereffen ©influfe auf
bo8 fociale unb politijd^e geben ber SSöIfer gewannen, fe^en wir
halb bie (Entfaltung einer regen S^ätigfeit auf ben ©ebieten
be8 geiftigen ©^affenS »or ftdb ge^en unb einen eblen SBetteifer
unter ben Slragem ber literarifdjen ^robuction entfielen. 55iefe
©rfdieinuHg ift »otlig natürlidb, benn ber menfdb*
lieben 9Jatur eingeboren unb auf baS ©ngfte mit bem Slbätig»
feitS» unb au^ mit bem Gr^altungötrieb »erbunben. 3ft habet
einmal auf irgenb einem ©ebiete menfcblicbcr Jbötigfeit ein
neues gelb, eine neue 33abn eröffnet, fc wirb audb alSbalb eine
eifrige ©oncutrens gu bemerfen fein, bie gut ©ntwicfelung bet
begüglieben Äräfte unb göbigfeiten in bebeutenbem 9Jia§e bei»
trägt.
SEBo nun bie literarif^e Sbätigfeit einen fo tiefgreifenben
©influfe auSübte, bafe pe ade ©(bidbten ber ©efeKfcbaft in
gleicher SBeife in ihren 33ereicb gog, wo biefer (Einflup in einer
natürlichen poetifdbeu ^Begabung feinen ©runb batte, ba fonntc
eS nidjt auSbleiben, ba§ pdb aOmäblidb biefeS allgemeine Sntereffe
barin befunbete, bap in Heineren ober größeren ©emeinfehaften,
»or fleinerem ober größerem 3uborerfreife, ja enblicb »or bem
gu feftli^er ©elegenbeit oerfammclten Sßolte neue Dichtungen
Borgetragen, ba§ in greunbeSfteifen, in literarifchen SSereini»
gungen, gragen oon allgemeinem 3ntereffe biScutirt würben.
XIX. 447. 1* (551)
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barf und ba^et nic^t in @rfiaunen fe^en, »enn wit IDicl^tungm
trüget gerieben, wenn wir p^ilofop^ifd^e ©(griffen bed grie»
(^i)d^en SUtert^umd in biaIogi)d^er Bi’tm finben, benn biefe ift
bet Sudbntd einet natütli(^en @ntwicfelungd:p^aje bed geiftigen
gebend. 2)ie 25idcuffiDn übet ein angetegted S^emo wat bie
etfte Sotm, in bet teife SJiünnet ben @tunb jut SBiffenicbaft«
li(^feit legten. JDie ©idcuffton ift intmet om »ot3ÜgIi(bften ge-
eignet, bie fcblummetnben gS^igfeiten, bie eingebotncn Oeifted»
ftöfte ju etweden unb gunt ©tteben nac^ entfpte^enbem Sludbtud
anjufpotnen. @o entftanben bie etften Slcabemien, bie etften
|)flegeftätten wiffenfd^aftlic^en gebend, bie ^^udbitbungdfdbulen
füt bie ©eiftedttäfte and bet SSeteinigung eingelnet ^od^begabter
Snbiöibuen gu etnftet 93efptecbung, aud bet funfenfprü^enben
Sdeibung felbftt^ätiget ©ciftet. .Rotten bie intenectuellen 3nte»
teffen, ^atte bie $oefie bie OJtaffen einmal fo nöOig etfa§t, bag
fie mit ben ^5(^ften anbetn Snteteffen bed inbisibuellen unb
bed nationalen gebend concuttiren tonnten, wat bie bet
ptobucitenben ©eiftet fo angewac^fen, bag bad ©eiftedleben
einen ^o^en ©tab non fRegf amfeit etlangt l^atte, fo entwidelte
fi(b in golge beffen audb ein fc^atfet ftitifcbet ©eiji, bet
bie geiftungen bet [oetfc^iebenen Stäget bet literatifc^en 0e<>
fttebungen gegen einanbet abwog unb ein Utt^eil fäQte. 2)ad
wa^fenbe 3nteteffe bet gto^en ÜRaffen on bet ^oepe liep pe
au(p an bet Ititiptenben Sbätigfeit 2:^ei[ nehmen, wie ed in
feinet Sntenptät op gtabegu bem fflationatgeift unb SeitgeiP
ben ©tempel aufbtüdte. 9tacbbem bann bie ÜPenfcpen einmal
ba^in gelongt waten, gum 3eitoettteib obet aud ©tfenntnip bet
9lü^li(bfeit füt bie Sludbilbung bed Äotpetd, bie p^ppf(^en Ätäpe
an einanbet gu mePen, äBettfämpfe gu oetanftalten, wat ed bei
fold^en IBölIetn, bie an bet ^^ätigfeit bet S)icbtet unb Mentet
tegen iSnt^eil nahmen, nut eine natütliebe golge, au^ bie
(S5S)
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@eifteefräfte ber eingeloen 3nbtotbuen in öffentlid^en )>oett{(^en
SBett!äm)>fen bemeffen gu wiffen- SDeraitige Sßettfämpfe mu§tm
jebo(b not^wenbiget SBeifc ein SRejultat ergeben, fie waren gmecf*
log, wenn ni(^t bie ^ritif bed 9iationatgeifited in feiner @efammt«
^eit ober einzelner anerfannter äSertreter beffelben über bie
8eiftungen ber al8 SBettfännjfer Sluflretenben entfc^ieb unb bie
^eroonogenbften berfelben in irgenb welket SBeife belohnte.
@0 fe^en wir innerhalb ber ©efcbid^te ber 5Jlenf^^cit gu wiebet«
holten SJialen unb bei oerfdbiebenen SSßlfem bie Snftitution bet«
artiger ^joetif^er SBettfäm^3fe entftehen, wie audh anbete »er« •
wanbte @rfd^einungen, bie und in ber Kultur bed SRittelalterd
begegnen, nicht cereingelt auftraten, fonbern ihre felbftftänbigen
Vorgänger unb 9iachfoIger hatten.
IDie älteften berartigrn 3BettIäm))fe, für bie wir füglich
Sott Slurnier anwenben bürfen, wenngleich bagu bie engen
@rengen, in bie biefer S3egriff heute eingefchloffen ift, hte unb
ba überfdhritten werben müffen, fanben, fo weit wir mit @idher«
heit urtheilen fönnen, in ©riechenlanb ftatt, wo gu ber Seit bet
Gulturblüthe bed 8anbed bad Sntereffe ber SSolfdmaffen für bie
^oefie einen relativ au^erorbentlich hi’^en ®rab von Snteufität
aufweift. IDie $oefie h^tte bort, butch ben Umftanb, ba§ fie
einen wichtigen Slheil bed religiöfen Sultud audmachte, feine
©tü^e unb Begleiterin war, »ou ben früheften Seiten an fo
nachhaltig auf bie Boltdmaffen eingewirft, bad Sntereffe für
fich in folchem @rabe in Slnfpruch genommen, ba^ fie gewiffer«
ma§en 9iationalfa^e, ihre ^robucte nationaler 33efi^ würben,
ba| ber gtiechif^e ^tationalgeift auhcrorbentli^ gu poetifcher
Bethätigung h>uneigte. 2)ie vier großen nationalen Seftfpiele,
bie ol^mpifchen, bie ppthifchen, bie ifthmifchen unb nemäifchen
bienten aDetbingd faft gang audfchliehlich ben ghmnaftifdhen unb
ben ritterlichen Itönften, hoch waren bei ben fjpthif^en mit
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biefen auc^ muftfaltfc^e Settfänq}fe Derbunben, ja ed fcbeint,
alö ob bie pptl^ifcben Spiele urfprünglicb nur biejem te^tetn
3»ecf gebient Ratten. @in gorbeetftang für ben beften ^ptnnuä
auf Apollo ttat ftübseitig an Stelle ber @elbjumme, bie bafür
als ^reiö auögefe^t war, unb eö ift bc3eicbnenb für bie grie»
(bif(^e iDenfweife, ba^ bie greife bei allen 3öettfänipfen feinen
materiellen, fonbern nur ibeeQen äSert^ befaßen, in ^almen>
gweigen unb in ^^ängen aud natürlichem iiorbeer, @ppi^,
gichtenreifern :c. beftanben. gieilich geno^ ber Sieger in ben
olpmpifchen Spielen befonbetö neben bem über bie gange grie*
cbifche SSelt uerbreiteten Slnfeben, ?)riDiIegien unb SSortheile,
bie einen bebeutenben materiellen ÜBerth repräjentirten. ^Jluch
bei ben ifthmifchen unb nemäifchen Spielen waren mufifche SBett*
fampfe, bei ben erften fpeciell poetifche gebräuchlichf an benen
fich auch IDichterinnen betheiligten. IDie olpmpifchen Spiele
hatten mufifche SBettfämpfe ni^t in ihr Programm aufgenommen.
5Die gro§e 93ebeutung berfelben, bie ungeheuren ÜJienfchenmaffen,
bie fie hwbeigogen, würben aber Beranlaffung, bafe ^Dichter,
belehrte, ^hi^afophen bort oor ber oerfammelten ^enge ihre
ncuefteu ßrgeugntffe oortrugen — ohne freilich um einen au8*
gefegten ^rei8 ju concurriren, fonbern nur um fich befannt gu
machen, wogu [ich alletbingS feine günftigere Gelegenheit bot.
33on wefentlich S)ebeutung al8 bieje nationalen
^eftfpiele waren jeboch in literarifcher .jpinficht bie mit ben al8
S)ionpfien begeichneten [heften oerbunbenen äBettfampfe brama*
tijeher ^Dichter. 9tu8 bem 2)ionpio8cultu8 hatte [ich ba8 IDrama
entwicfelt, ba8 oermöge biefe8 feines religiöfen UrfprungS ein
hohes iJInfehen genoh unb eine gewichtige diolle im Gulturleben
ber Griechen fpiclte, benn baS ^h^ater galt ihnen mit Siecht
als hächfte SilbungSanftalt unb bie Sh^aterbichter erfaßten ihre
Slufgabe bemgemä§ unb bemühten fich wirflich in ber früheften
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Seit bcr ©ntaicfclung beS 3)tama8, ©Tjte^er beS Solleö j« fein.
@0 würbe bie pflege ber biamatifc^en ^oefle al8 ®taat8fa(i^e •
betrautet unb bur^ SluSfe^ung von @taat8preifen, bie ebentaQS
in natürlici^en Jtränjen unb ferner in 2)reifü§en beftanben, bet
SBerteifer bet 3)id^tet angef^jomt. 35ie oberfte ©taatöbe^örbe
prüfte bie neuen @tü(fe, bie für bie JDionpfien einliefen, unb
lie§ nur biejenigen gut Bewerbung um ben ^reifl ju, bie fie
al9 geeignet unb würbig anerfannte. SDiefe ©tüde, gewö^nlid)
»on 3 concurrirenben 2)id^tem, würben nün gut Sluffübrung
gebracht unb banacb Don ben bagu auSgeiooften unb beeibigten.
Preisrichtern beurtheilt, worauf bann oor »erfammeltem Publifum
bie SJertheilung ber Preife ftattfanb. SDiefe SSorfteDungen ge»
ftalteten fich ftetS gu ben gro§artigften geften, an benen ba8
S^olf Don 91then fidh auf ba8 Sebhaftefte betheiligte unb jo baS
3ntereffe befunbete, baö e8 an ber Poefie nahm.
Db in '^(epanbtia poetifcheäBettfämpfe mit Preibcertheilungen
oeranftaltet würben, erhellt nicht mit JDeutlichfeit au8 ben 9Kit»
theilungen ber Sllten. S3ei bem überau8 regen Q$eifte8leben, ba8
in ber .^auptftabt be8 ptolemäerreidhs hettfchte, in ‘^lepanbtia,
baS al8 bie ©eele be8 römifchen SieltreicheS, al8 bie geiftige
SRetropole beffelben begegnet werben barf, ift man wohl be«
rechtigt, biefe ©tabt au^ al8 ben ©chaupla^ oon poetifdhen
^outnieren gu betrachten. 0efannt ift, bag in jener Pftegeftätte
bet SBiffenfchaften unb ber Poefie, im Piufeion, bei feftlichen
Gelegenheiten SSorträge oon neuen bichterifchen Grgeugniffen
ftattfanben, unb bah oon bem Grfolg berfelben ber 9iuf bet
^Dichter abhing. SDie furchtbarften Äabalen beftanben gwifchen
ben Parteien, bie bie ©elehrtentepublit beS Piufeion gerfehten
unb war e8 an fich fchon eine febr hohe ©h^^e gu bet poetifchen
Goncuneng gugelaffen gu werben, eine 2)i^tung bort oor ben
Cv^en ber gelehrteften Äritifer unb Grammatifer oorgutrogen,
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fo gingen aud^ ^nfteDungen an Den wiffenfc^afilici^en 2>ttfHtuten
^(ejranDriaS Danon ab. äDodoniuD non {R^oDoS tonnte in feinet
SSaterftaDt nic^t bleiben, ald et, S)anf Den Snttiguen be9 £aQi«
tnacboS unb feinet f)attei, mit feinem @poS Sltgonautica eine
völlige fRiebetlage etlitten ^atte, unb etft me^rete ^Q^cje^nte
fpätet mutbe i^m unb feinet S)id^tung bie gebü^tenbe @^te gu
5£bei(, al8 et von Sibobod nac^ SUetanbtia betufen tvutbe, um
bott bie Leitung be9 fIRufeion gu übetne^men.
3n 9tom lagen bie SSetbältniffe gang anberS al9 in @tie(ben>
lanb. IDott übenvog bie tSuSbilbung bet ^bpftf(^^ ^äfte gu
allen 3«ten bie bet pjp^ifcben fo gang, ba| bie ©ntftebung
einet iiitetatut bafetbft but^ 'jluSlänbet angeba^nt, ba^ baS
3ntereffe füt ©eifteSbtlbung, füt Jfunfte unb 5Biffenf(baften
mü^fam auSgebilbet metben mugte. IDet Untetfc^ieb im
bet Spiele bet ©tietben unb bet Oiömet ift füt biefe SSölfet
böcbft begei(bnenb. 3n @tiecbenlanb waltete in bet Seit feinet
)0[ütbe unb vot betfelben baS Stteben nadb b<temonif(bet IDutcb«
bilbung bet Äötpet» unb ©eifteöftäfte, nach eblera ©leicbma^
gmif(ben ihnen vot. 3n IRom Dagegen geigt ficb nut bie ein>
feitige '.SuSbilbung bet phPfif^en ^äfte, wotauS bann in ben
Seiten bed .ftaatlicben 93etfall9 jene thietifdhe ißettohung unb
(Sntattung entftanb, bie fi(b in bem (gefallen an ben ab>
fcbtedlenbften SSlutfcenen befunbete. ©tfreute bet ©tie^e bet
petifleifcben Seit pdh an ben henlidhen ©tgeugniffen feinet
ISrcbitecten, Silbhauer, 3Ralet unb JDichtet, fo bet {Römet bet
auguPeifchen Seit unb bet batauf folgenben ^etiobe nut an
©labiatoten« unb Shtetfämpfen bet iStena. 3Benn 9ieto in
feinem unbänbigen Selbftbewuptfein unb in feinet gtengenlofen
©itelfeit fi(h von bem IBoIIe al9 gro§et IDichtet bemunbett unb
vetgöttett tviPen moQte unb gu biefem 93ehuf poetifche äSett«
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fämpfe veianftaltete, fo wäre ed boc^ Derfe^It, biefe überbau)}!
nur mit benen ber Qf^riedben nergteicben ju woQen.
S)er ^iftortfcben Siei^enfolge gemä§, wie fie in unfern &e»
fic^töfreiö troten, finb e8 nun bie literariftben gefte ber feltif^en
93arbenorben, bie und guerft begegnen, beren (I^arafter aber
nur fe^r fcbwet gu erfenuen ift. 3(uc^ biefe SBettfämpfe, bie fo«
genannten ©iftcbbfobd, bie in iSberfraro, ßaerwpd, SJlat^raoal
unb an anbetn Orten bed feltifc^en Britannien unb @aOien
abge^alten würben, ftanben unter ber 9(uffid^t bed ©taatd, bet
bie Äampfricbter ernannte. S3id gut Seit ber Äonigin ©lifabet^
non @ng(anb erhielten fie tro$ bet Bebeutungdlofigfeit, gu
ber bad Barbenwefen aud politifc^en @tünben fc^on lange normet
^erabgebrüdFt worben war.
Berwecbfeln bürfen wir mit biefen wirfiicben SSettfämpfen
natürlicb nic^t jene poetifcben Borträge, bie bei feftiicpen ®e«
legen^eiten überall ba ftattfanben, wo oon poetifc^er Siegfamfeit
unb oon Sntereffe für bie ^oefie bie Bebe war. SBie 'Poefie,
@efang unb Sang urfprünglicb im IDienfte bed religiöfen .^ultud
ftanben, aud i^m ^erootgingen, fo waren mit religiöfen geften
meift bei allen auf nieberer ^ulturftufe ftebenben Böllern
poetifcbe Borträge oerftbiebener 3rt oetbunben, benen batum
ober ber ß^arafter ber SBettlämpfe natürlicb noUfcmmen abging.
9lu(^ im germanifc^en Borben, in Sfanbinaoien unb auf
Sdlanb würben poetifc^e Surniere oeranftaltet unb fc^einen eine
giemli^ gewöhnliche Unterhaltung gebilbet gu h^l^en. ©o weit
wir aud ben notbifchen Literaturen fchlicfeen fönnen, hatten bie
eigentlichen SBettfampfe jeboch einen weit ernfteren 6h“taUer
ald bie früheren bet ©riechen, ald bie fpäteren bet ^rooengalen,
benn ed würbe bei biefen Surnieren guweilen bad Leben auf
bad Spiel gefegt. Sunächft finben wir ein Spiegelbilb ber an
allen norbif^en .^öfen unb bei aOen gto|en Seftlich^eiten unb
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@aftmäb[ern gebiäucblicben ©falbentuiniere, unb ber fpejtfi|cb
norDi)(ben ^orm berjelben begegnen wir in Derj(biebenen©icbtungeii
bet älteten unb jüngeren (äbba, wo wie in SSaftbrubniSmal Dbin
(©angrabr) unb SSaftbrubnir al8 @egnet auftreten. 3)a8 teli»
giöje SEBifjen ift e8 b»^r *** Sotm oon 9lätbielaufgaben
ben ©egenftanb be8 S3ettfanipte8 bilbet; a(8 ^fanb wirb aber
beibeTjeit8 bet Äopf eingelegt, ben betjenige oerliert, bet ein
Dcm Segnet aufgegebene8 Sfiätbjel nicht Ißfen fann. 2)ie 25ot»
ftellung biei'et jtämpfe unb gwat in §orm oon Stätbfelftagen
finben wir freüteb bei waneben inbogermanijehen ißßlfein, fo bet
ben ©riechen in bet ®nge oon Debipu8 unb bet @pb***t wiebet
unb fie finb in bie beutfehe SDRätihenbichtung übergegangen, in
bet wir ihnen giemlich h*iwfi0 begegnen. Slm getreueften ift
biejeS StäthfelbueU Dbin’8 mit Söafthrubnir, aber gunächft in
bet notbijehen «^erwaratjage wiebetgegeben , wo Dbin in bet
Seftalt be8 blinben Seft fich mit ^önig Jpeibret im StäthfeU
rathen mifet unb wo ebenfalls ber Äopf beffen al8 ^fanb gilt,
ber ein SRäthjel nicht gu löjen »etmag. lDa8 Snterejfe für
folche SSJettfämpfe mu^ bei ben Sermonen überhaupt jeht ftarf
entwicfelt gewejen fein, benn au§et biefen mpthifchen St»
göhlungen bietet bie j^ulturgejchichte noch viele IBeweife bafür.
(Die SRorblänbet liebten ben Siortrag von Sichtungen, unb bie
38lanbet befonbet8 pflegten bie natürliche poetifche Begabung,
bie fie befaßen unb heute noch neben grofeet Schärfe be8 Seifte8
befi^en fotlen, auf ba8 eiftigfte. So beluftigte man fich bei
Saftmähletn gern mit bem „^Jtänneroergleich'' bet barin be»
ftanb, bah fich 3®ei Parteien bilbeten, oon benen jebe eine be»
fonbere ‘‘Perfönlichfeit in iJiebetn bejong unb ihren gelben übet
ben gegnerifchen gu erheben fuchte, wobei benn wohl gnweilen
ober oft au8 ben SBorttämpfen Schwerlfämpfe entftanben, ba
(sr^)
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bie großen Waffen von 9Ret^,. bie man ju tiinfen gemeint mar,
bad irrige jur @i^iQung bei @emüt^ei beitrugen.
3n ber ©ubrun finbet fid) ferner eine Stelle bie bemeift,
ba§ man an ben ^öfen bie IDid^tung liebte unb pflegte. 2)er
bänifc^e .pelb unb Sänger Jporanb fpric^t, Strophe 40G, jur
fc^önen Jpilbe:
D ebleg ^JJtägbelein,
ÜJltin .J)ert fjat alle Sage an bem 4>ofe fein,
3»ölf, bie bet weitem beffet al8 i<b um greife ringen,
®at füg ifl ibre SBeife — boeb fann mein ^err am alletbeflen fingen.
25ie §orm beö ÜRätbfelratbend mit (äinfe^en beö Äopfeö
jum 'Jlfanbe bilbet aber, oerbunben mit bem „fDiänneroergleit^"
auch ben ©egenftanb ber Sage unb ber fDic^tung vom Sönger=
flieg auf ber Sartburg, bet groifebeu 1206 unb 1208 bafelbft
ftattgefunben foß- Sie Sicberbeit mit ber biefe Sage
auftritt, bemeift ferner, ba^, menn i^t nic^t eine
Sbatfabbe gu @runbe lag, fo boeb bei germanifebe @eift immer
baß leb^aftefte Sntereffe für poetifc^e Söetttämpfe begte.
Sie feltifcben Barbenmettfämpfe feilten befonberß auf notb=
frangöfiftbem ©oben in cbriftlicber Seit ihre 'Jlacbfolget finben,
bie eine bebeutenbe tRolle in bem mittelalterlicben @eifteß(eben
gu fpielen berufen maren. @be mir auf biefe jebod) einen ©lief
merfen, muffen mit unß gunäebft einem anbeten ©olfe oon
anberet iRaffe gumenben, ben Qltabetn nämlitb. 3tucb bei biefen
mar bie ^poefie ©ationaljatbe unb griff tief in baß fogiale ?eben
ein. Sie natürlicbe poetift^e ©egabung, bie ficb in bem allen
©ebuinen eigenen Sntprocifationßtalent befunbet, mar bie Ut'
fadje für baß au^erorbentlit^e Sntereffe unb ©erftänbnife, bie
fie allen bebeutenben Schöpfungen beß @eifteß entgegenbrachten.
Srftanb in irgenb einem Seltlager, in irgenb einem Stamm ein
neuer Sichter von ungemöhnlicher ©egabung, |o mürbe biefeß
(Ü9)
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6reigni§ burd) grofee gePe gefeiert, ©elbft in bem politifdben
lieben fpielten bieS)i(bter eine grope SloQe, benn wenn pe, wie
gewöbnlic^, gugleid^ auch tüchtige .Krieger waren, fo übertrug
man ihnen bie Leitung unb SSertretung ihreS ©tammeS anberen
gegenüber. 3n ben Kriegen waren pe ti, bie burch
.^erauSforberungen bie Äömpfe eröfpteten; Pe fungirten al8
@4l*cb8ri(hter, wenn langjöhrige Äriege beigelegt werben feilten.
IBon einem ^Dichter non IRuf befangen 3u werben, galt, wie
bieS au8 manchen bezüglichen Erzählungen erhellt, al8 eine
auperorbentliche Eh^^^r ^rmen reich, ben ^ülflofen
mächtig machte. 9(n ben gropen .^ulturftälten würben bei Ee<
legenheit oon Sahtwärften unb religiöfen geften meift auch
SBettfämpfe »eranftaltet; bie bebeutenbften berfelben waren jeboch
bie »on OfhflZ/ auf bet gropen SahreSmePe bie gröpten
SMchter pch mit einanbet mapen unb ber ?)rei8, bet ber f^önften
^Dichtung zu Sh^i^ würbe, beftanb barin, bap biefelbe mit Eolb
auf ©eibe gefchrieben im 9iationalheiligthum ber Araber, in bet
^aaba zu ISieffa aufgepängt würbe, unb 7 folcpe IDi^tungen,
bie fogenannten ^oaUatat pub ber äBelt erhalten geblieben.
3n bem ibeellen Sharafter beö ?)reife8, ber bem IDichter ettpeilt
würbe, befunbet pch auch ^^u Erieepen ba8 hape
auiepen, baS bie ^oefie bei bem arabifepen SBolfe genop.
IDurcp SHopammeb unb bemgemäp burip bie iSlamitifcpe
Ortpobcjrie war bie ^oefie in ben iölamitij^en IReidpen zuerft
unb tm ^3Qgemeinen in 9)iip!rebit gebracht worben unb entartete
bann einerfeitfl i\xx .^ofbieptung, anbererfeitö trat pe in bie
JDienfte bet ^olitif unb ber Slenbenz; am meiften würbe pe oou
ben SSolfem geppegt, bet benen bie religiöfe greigeifterei unb
Äeperei am gröpten waten : bei ben Werfern, ben pzilifcpen unb
fpanifepen Ülrabetn unb SJlauten. ^oetifepe SBettfämpfe würben
feit bet Seit be9 Epalifen Seztb zwar auep im Orient oetan«
(660)
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ftaltet, befonbcrfl fpätet unter ben Slbajflbijc^en «^ertfc^eru in
Sagbab innerl^alb bet 8iterarif(^en ©efeQft^aften nnb Älubö. 3m
iflügemeinen aber traten fie im Orient nereinjelt auf, njä^tenb
im (S^alifat Äötbooa, überhaupt im mauetifc^en Spanien, bie
poetifd^en Sutniere gu ben gen}5^nlic^ften IBeluftigungen ber
SSorne^men gehörten, unb ebenfo roie bie ritterlichen Uebungen
bort lange »er ber 3eit gepflegt mürben, in ber ba0 (hriftliche
9titterthum mit feinet JRomantif entftanb. gahtenbe Sänget
jogen allein ober »on ihren ÜRufifern begleitet burd) bie iöla»
mitifchen IReiche, unb maren houpl|ädhli(h on ben maurifchen
^öfen unb in ben ^alöften ber SReichen gern gef eben. Grafen
bafelbft mehrere IDichter gufammen, jo ergaben fich bie 3Bett»
fompfe alSbalb oon felbft. S3ei grofeen religiöfen geften, wie
am ©eburtötage beä ^Iropheten war e0 an manchen Orten, bei»
fpielflmeife au^ in geg Sitte, öffentliche SBettfämpfe um h^hc
greife gu oeranftatten, bie oon ben betreffenben gürften »ertheilt
würben.
iJeo tSfrifanuö berichtet über biefelben nach S^aef ('•poefie
unb Äunft bet Araber I 84) folgenbermahen: „35ie ^Dichter in
geg oerfaffen jährli^ @ebichte gum ^obe 3Ruhammeb0, oorgüg»
li^ an beffen Geburtstage; bann nämlich ftrömen fie fchon früh
ÜJtorgenS an bem Orte gufammen, wo ber oberfte ber SJeamten
feine SBohnung hot unb regitiren nach ber fReihe, inbem fie
beffen erhöhten Si^ befeitigen, oor einer großen 33olI8mengc
ihre gobliebet; benjenigen, beffen Gebicht als baS elegantefte
unb fchlagenbfte anertannt wirb, ruft man bann für baS 3ahr
gum JDichterfürften auS. So lange noch bie Sületiniben heitf<hten,
berief ber jebeSmalige ^önig bie Gelehrten unb Schöngeifter,
fo Biele beten in ber Stabt waten, in fein Schloß, bereitete
ihnen einen prächtigen Gmpfang unb lieh jeben in feiner Gegen»
wart Bon einem erhöhten ^la^ fein Gebicht auf fUiuhammeb
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Bortraäen; wer bann, nadb aCfer Urt^eil, ©ieger wor, warb
»om .Könige mit einem ^»rä^tigct Stoffe, einer ©ffauin, ljunbert
©olbftücfen unb bera ©cwanbe, baß ber Äönig felbft getragen,
belohnt."
«Derartige SEurniere muffen aufeerorbentlic^ beliebt gewefen
fein, benn fie würben bei befonberen ©elegen^eiten auch nc(5
lange md) ber Sernid^tuug ber 9Kauren^errfd)aft non ben 9Jlo.
rißfen oeranftaltet, wie eß auß bem 2. SSanbe ber ©efd^idjte
bet SSürgerfriege uon Pcrez de Hita erljcHt. 3n §olge ber
fur^tbaren Sebrüdfungen , bie bie unglüdlic^en ?0toriß!en »on
bem Sl^ron unb bem tSltar ©panienß gu erbulben Ijatten, Bet»
fucbtcn fie gu wieber^olten SJlalen, bie fpanifcbe J^errfd^aft ab»
gufdjütteln unb ftd^ wieber i^re frühere Unabljängigteit gu et»
ringen, ©o Ratten fie 1568 9lben Dmcpa gu ihrem Äonig
erwählt unb lämpften mit gtö|ter Erbitterung gegen bie $eete,
bie Philipp II- 8^96” entfanbte. Einige ©iege waren er»
fcdjten unb bei ©elegenheit eineß fol(hen würbe 1569 in ?)ur»
<hena, ber JRefibcng beß SJtorißfenfönigß, ein grofeeß geft gefeiert,
an bem biefer unb alle feine Äriegßoberften Sh^ü nahmen.
SBie in ben SEurnieren früherer 3«*, würben nun gunäd)ft gitm»
naftifche unb ritterlidbc SBettfampfe oeranftaltet, Äroftproben
gcmarht — in ähnlicher SBeife wie eß im 9. unb 10. 3ahr=
hunbcrt am EhoÜffnhofc gu jfdrbooa ©itte gewefen war.
31n einem ber lebten Jage beß großen Sefteß traten au^
mauetifdhe Jängetinnen unb ©ängetinnen auf, bie um ben ^reiß
für baß hefte gieb, ein foftbareß ©ewanb, rangen. «Die @c»
wohnheit, berartige hoetifche SBettfämpfc in Heineren ober größeren
greifen gu Beranftalten. fam fogar in manchen ©ebichtformen
gum Slußbrucf, bie ben hotcmifchen Eharafter im SMalcg, in
Siebe unb ©egenrebe, in bem bramatifch ftch gufpi^enben ©treit
übet ein gegebeneß Jhema beweifen.
(5fiS)
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Slud^ bte a(te ©ewo^n^eit ber Scbuinen, betn ®^»ett=
fampf Dor einet eine poetife^e .^erauSforberunii »oran*
ge^en ju laf[en, wutbe non ben ^Rauten @pantenä beibe^alten
unb übettrug ftcb nie fo unenbli(^ »ieleS anbete au^ gum S^eii
auf bte ©egnet, ging bo^ aud^ bem SBaffenturnier bei ben
fDlo^ammebanern wie bei ben (Sbtifien tm SDgemeinen eine
9(it .^eraudfotbeiung in gebunbenet ober ungebunbener fRebe
ootan.
SBir treten nun in bte Äulturfp^re ber ß^riftenljeit übet
unb gwat muffen mir un8 \)ietiü auf frangörifdjen Soben begeben.
JDie alten 5B6lfer Ratten ftd^ auSgelebt, bte alten 3?ei(be
waren gnfammengeftürgt, baö (S^riftent^um unb bie ©ermanen
waren berufen, neue ©taatgorganiömen gu ftbaffen. Unter bem
©influfe bet arabift^-mautiicbcn Äultur, unter ben Kämpfen bet
ß^riflen gegen ben SSlam erwatbten bie SBölfer, bie au8 ben
SBirren ber SBolferwanbetung, au8 ber 9Jli|(bung bet fRationen
aKmäljlic^ ^erootgcgangen waren, gum Seben. 3m SBoCibeft^
iljter pljpfif^en unb pfpd^ifcben Äräfte fut^te bie djriftlidje
9Renf(^l)eit biefelben aud^ anguwenben unb gut Sluöbilbung gu
bringen, unb in i^tet Sugcnblicbfeit »ieö fie natürlid^ audb
alle jene ^araftcriftif^en (äigenjcbaften auf, bie ber erften
8eben8pctiobe beS 9Renfd)cn überall unb immer beimobnen.
Ueberj(bwängli(bteit beS ©mpfinbungSlebenS, ^b^ntaftif, -bie
unter bem @influ§ bet fatoliftben Äultur gum SölpftigiSmuö
binneigte; baö 3?ewu§tfein bet pbpftfdben .Kraft unb baS baraufl
entfpringenbe Sebürfni§, biefelbe anguwenben — ergeugten jene
wunberbaren ©tjtbeinungen unb Unternebmungen beS 9Rittel=
alterg, auf benen für unS moberne SRenf^en berfcibe Sauber ber
SRomantif rubt, ben bie ©tinnerung an bie Sugenbperiobe in
jebcm SRenfcben bcroorruft. (58 ift baS ^'rioilegium ber Sugenb,
ja ein natürli(be8 ©tforbetnife ibre8 SBefenS , ba^ fie . ftcb au8=
(S63)
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16
toben mufe; fo batf e8 unö ni^t in Setwunbernng fe|sen, wenn
wir bie mittelalterH(^en SRenfd^en Sbealen, Seftrebungen, ^im»
geipinften, $^anta3magorien aQei 9it nac^jagen fe^en, bte wir
beute nur begreifen fönnen, wenn wir ben @eift unb ©bfl^after
jener Seit einer eingebenben Prüfung unter jieben. 3ene Seit,
in ber bie ®nen ber franlljaften asfefe, bem religiöfen gana*
tiSmuS unb ben ibm nerwanbten @rf<beinungen, bie Sinberen
ben auSfcbweifenbften Siegungen beS ©innenlebenS verfielen, in
ber SJiinionen pcb ber 3bee ber Äreujjüge gum Dpfet brachten,
ben @rita3men be3 ^eufeU, ben S^ubereien fdblauer I0eträger,
ber ^eilfraft »on Sieliquien ©lauben beima|en — jene Seit
war e3 ancb, bie baS Siittertbum, ben SliarienfultuS, ben Sßinne«
bienft entfteben fab. @ie aQe erwu^fen auf bem 8oben ®aUien3,
beS ehemaligen $ranfenrei^3, gingen au8 ber IBerbinbung nor>
bifcber Äraft unb arabif^er ©alanterie, germanifcber grauen»
»erebrung unb überfcbwenglicber Sleligiofität beroor, benen ba8
fubjettioe @mfinbung8» unb ©innenleben ber 3ugenb al8
IBermittler biente. Unter bem @influ§ be3 glücfUdben ^limaS
©übfranfreicbS , beffen fruchtbarer tBoben mit geicbtigfeit alle
SebenSbebürfniffe befriebigte, ber ©orglofigfeit, bem grobftnn
einer lei^tbeweglicben fanguinifcben Senölferung 93orf(bub leiftete,
entfalteten ff(b bie geftaltenben gaftoren beö 9Rittelalter8 : Slitter»
tbum, SJlinnebienft, ?)oefie, SJiufif — furg: bie JRomantif in
Doflfter 23lütbe unb bie prooengalijcbe, bie iroubabourpoefte ift
ihre gru^t. IDiefe gewährt al8 e(bte8 (ärgeugnife ber bamaligeu
Seitnerbältniffe unb .Kultur einen norgüglicben (Sinblicf in jene
^eriobe ber 9Jienfcbb«t8gef(bicbtf.
SBurben in grieben8geiten bie furniere bie beliebtefte 8e=
fcbäftigung ber nach IBerwenbung ihrer ^aft ftrebenben jungen
tSbeligen, fo würben ba, wo bie Sliilbe be8 J$lima8, wo bie ©e°
mäcblidbteit be8 l^eben8 erfcblaffenb wirlten, an ©teQe ber pbp»
(564)
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17
ftj(^en .^Taftübungen bte geiftigen gefegt. Angeregt buiig ben
t>oetif(ben unb tittecli^en @eift, burtg bie pflege bet mufifcben
unb bet ritterlidben .^nfte, bie bei ben 3]^auren ©ganienö }u
|)aufe waren unb |i4) ^on bort übet bie d^riftlidbe Setölfe^
tung 9iotbfpanienfl »erbreiteten, fonben auig bie fongeSfrogen,
me^t gum @enugleben alö gut Arbeit unb gu J^aftanfttengungen
neigenben ^tonencalen mel^r SSergnügen an ben goetifdben
.^ulbigungen unb bem SKinnebienft, bie fie ben 5Damen bat=
brachten, alö an ^rieg unb SUtterfgielen. S)ie gagiofen fleinen
.^öfe bet ^tonence würben bie ^flangftätten bet ^oefie; bie
Slamen fcgenften ben .^ulbigungen bet ritterlicben
@änger, bet SEtoubaboute unb igter iBoten unb ÜKufifet, bet
Jongleure, gern ®eböt, liegen ficg bon i^nen ben .^of ntacgen,
ogne bag bie hatten gatten wagen bütfen, baran etwad aud=
gufegen. fDie ^roubaboute waten an allen ^5fen bet 6griften=’
geit wintommen, igre Sgtatge war überall in ben gögeten
©(giften bet @efellf(gaft betannt unb igt @tfcgeinen würbe
IBetanlaffung gu gtogen ^eftlidgf eiten, bei benen bet Steicgtgum,
bie ^ta(gt bed gegen ülbeld gu boQem Klange entfaltet würben,
f^reube unb ®^etg, Siebe unb ^oefie waten bie begleitet bet
Sroubaboute. ^eeilicg feglte eS guweilen ni^t an etwad SBet^
mutg, ben bie @ifetfucgt bet @atten gegen bie Siebgabet et°
geugte unb bem man(ged Seben gum Ogfet fiel. ‘Denn waten
bie SEroubaboute au(g feineöwegd audfcglieglicg @&nger bet Siebe,
nagmen fie »ielmegt ben lebgafteften ^ntgeil an ben Seitereigniffen,
bonnerten fie in mäcgtigen ®treitgebi(gten, ben @itnented, gegen
beu tBetfaH bet ^tcge, gegen bie Entartung unb fittlicge 33et>
wilbetung beS ^lerud unb bet gegen ®tänbe, gegen alle golitiftgen
unb focialen ©(gäben, fo war eg in Gegenwart bet 3)amen, im
gefeOf^aftlicgen 93erfegi boeg nur bie Qlalanterie, bie ^unft gu
lieben, bie gegflegt, fcgulgetecgt beganbelt unb bemgemd^ in
XIX. 447. 2 (i65)
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18
fpi^finbigfteT 3Bei{e auSgebilbet wucbe. S)ad Sufammentreffeii
me^teier SEtoubaboute unb bie gefeQige Bereinigung gaben Ber*
anlaffung ju ^oetifd^en 2){Scuffionen übet irgenb mel(^e galante
^agen, bte ficb aub ber Unterhaltung ergaben. IDie Beurtheilung
ber äBettgejänge niurbe ben anwefenben IDamen überlaf^en unb
biefe älrt »on @efellf(haft8fptelen fanb fo allgemeinen Beifall,
mürbe jo eifrig ge))flegt, ba§ bie barauS entftehenbe ©euohnheit,
in galanten Streitfragen baS Urtheil non feiugebilbeten in ben
@efehen ber bamaligen höfijchen Sitte erfahrenen hi^h^» IDamen
anjurufen, im 8aufe ber Seit bie ©runblage ffir bie Snftitution
jener 8iebe0höfe jdhuf, bie eine ber eigenthümli(hften bera ba*
maligen Seitgeift aber oöllig entfprechenben @rjcheinungen ber
mittelalterlidben jovialen 6ultur bilben. IDer ®eift beS Sdholafti«
ci0mu0, ber bie miffenjchaftlidhen Beftrebungen bamaliger Seit
(harafterifirt, unb halb genug in geifttöbtenbe Bebanterie unb
Sbihfinbigfeit auSartete, ergriff natürlidh im Saufe ber Seit auch
bie Boepe, fchuf ©efe^e ber ©alanterie »ie ber Boetil unb je
weiter bie erfteren, befto enger bie Unteren. Sin ben lleinen
gürftenhöfen, wo früher ben IDamen nur ber ^of gemacht morben
mar, bilbeten biefe nun nach unb nach unter bem Borph ^iuet
©rmenparbe »on Dlarbonne, ber Königin ©leonore »on ©u^enne,
ber 5Jlarie »on ©huuipagne, ber ©hbille b’SInjou unb mie pe
fonp h«ifeeu mochten, ©erichWhöfe, an bie man ahhellirte, beten
Urtheil man Pdh unterwarf unb bie enblidh ben ©havafter wirf«
liehet Tribunale mit einer gropen Beamtenfchaar unb mit einet
ben bürgerlichen ©eri^tShüfen entfprechenben ©inrichtung an«
nahmen, woraus wir allerbingS nodh nicht fd^liepen bürfen, bap
bie bort gefällten Urtheile über ben Bereidp biefer fleinen früh«
liehen Äreife hiuauö SJiacht gehabt hätten, freilich ift biefe
ganje Srage ber HJiinnehöfe nod^ feineSwegS enbgültig erlebigt
unb währenb bie ©inen unter ben ^orfchern biefe Snftitutionen
CM«)
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19
lebtglti^ ai0 ^eitere @efeDfd^aften auffaffen unb hai ®anje al8
Sinegorie unb a(8 bramatifc^en @(^crj bettac^ten, wofüt manche
Umftänbe fprechen, moGlen Slnbete fie wiebri ald fogiale 3nfti«
tuKonen »cn hbdhfter S3ebeutung, ald @ittengeri(btdhöfe anfehen,
beten Urtheile wirfU^ adgemetne Geltung gehabt h&tten — unb
auch bafüc bietet ftdh manchet Inhalt, befonbetS bte @tjählung
non bem ÜJlinnegertcht, baS unter ^arl YI. non Btan!rei(b 1382
ftattgefuuben haben foK. @o »iel fteht feft, ba§ folche 8iebe«»
höfe, beten ^läfibentinnen bte oben genannten hohen 3)amen unb
anbete ^ütftinnen unb SIblige au8 ben oornehmften Qiiefchlechtern
waren, in @übftanfrei(h beftanben haben, unb al8 bie be>
beutenbften werben bie »on ?)iertefeu, Stir, tRomanin, ©igne,
unb Soignon genannt.
@0 würbe gu weit führen, auf bie (Sinridhtungen biefer
8iebe8höfe eingugehen, jo mögen nur einige Schemata erwähnt
werben, bie bort gum föegenftanb oon bi^terifdhen äBetttdmpfen
gemacht würben, ba finben wir:
„Äann gwifchen ©heßatten wahrhafte Siebe beftehen?" waS
mit „9lein"' entfchieben würbe. „3Ber ift würbiger geliebt gu
werben, ber welcher freiwillig giebt ober ber welcher wiber
IBiOen giebt, nur um für freiwiQig gu gelten?" „SBen von
gwei im Uebrigen gleich würbigen Siebhabern foll eine iDame
annehmen, ben reifen ober ben armen?" eine IDame
für ihren @eliebten eben )o oiel thun, alö er für fie?" ,lBon
ber ^ein beS ÜRannee, ber feine geliebte um eine anbere oer>
lägt, fidh ihe fpäter aber wieber guwenbet." „3ßa8 ift gröger,
bie greuben ober bie Seiben ber Siebe?" „SBelcher ©öhmetj
ift gröger: eine (geliebte burch ben Sob ober burch Untreue gu
oerlieren." jc.
5Daö ©efegbuch ber Siebe aber enthält gum SSeifpiel bie
©runbfäge, bag e9 nidgt oerboten ift, bag eine grau oou gwet
2*
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20
Männern, ober ein 3Sann non }wet ^auen geliebt weibe;" ba|
,bte @^e feine legitime @nt|(bulbigung gegen bie Siebe ift* ic.
£)b unb in wie weit bie Urtbeiie, bie an ben SiebeS^bfen
gef&Ot würben mit ißert^eilung non greifen oetbunben waten,
ift wiebetum iu ermitteln. 3n @nbftanfrei^ befianben
fdbon in ben ^eibnifcben Seiten bebeutenbe S)ruibenf deuten,
bie bann unter ben 9l5mem ju gelehrten ®(bu(en umgeftaltet
würben unb ftdb unter weiteren SBanbtungen , bie fte
burdbgumacben Ratten, bid in bad ^Ritletalter erbielten. 3n
manchen non biefen, bie wieberum bie @runblage für bie fpüteren
9Rinnehöfe, literarifchen ©efeUfchaften unb ^oetifchen ^Ifabemieen
würben, »eranftaltete man notorif^ unb jwar mit bem 12. 3ahr>
hunbert jährlich poetifche furniere, bei benen greife auSgefe^t
unb oertheilt würben. So gefchah* eS g. 93. in |>up Sainte*
9Jtarie unb auch wohl in 3;ournet, $up«oerb unb anberen Drten
ber ^ronencc. 3m Uebrigen werben bei ben gefefligen 23er«
gnügungen unb ben bamit oerbunbenen 2Bettgefängen ober 2;ut«
nieten, bie fich bei ber ’Knwefenheit' mehrerer SEronbaboure unb
Songleure oon felbft ergaben, im SlQgemeinen ünb in ben
früheften Seiten bet prooengalifchen i)oefle nicht gerabe befonbere
greife außgefe^t fein, fonbetn ber Sieget wirb non ber JDame
feined ^ergenS ein Seichen ihrer ®unft, eine 23lume ober ein
anbereS 2Inbenfen erhalten ho^en, worauf fich bann fpäter bie
Gewohnheit entwidelte, 23lumenpreife für ben Sieger im 2Bett«
fampf andgufe^en. S)ie ^otm in ber folche 0ueQe ober furniere
ftattfanben, befunbet fich beutlich in ber ^Dichtungsgattung bet
Sengone, bie wie fo oiele anbete (Singelheiten bet Sronbabour«
poefie unb beS StitterthumS ipr 23orbiIb in ber atabifch*mane«
rifchen poefie hatte. !Die Sengone würbe ^onrnepamon genannt,
wenn mehr alS gwei S)ichter über ein gegebenes ^h^ma in
^oefien biStutirten. Swar finb biefe Gebichte im üHgemeinen
(468) .
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ß>o^t von etngelnen S>t^to:n gef(^rieben worben, manebe aber
waten ba9 wirfU^e @rgebni§ beS Sßettfampfed unb bitten in
ihren verf^iebenen ©troph^n bie betreffenben dichter ju 93et<
fajfem, bie al9 Kämpfer in bet ^Dichtung be5ei^net würben.
3n jebem ^all geben fie ein 93ilb oon bem * ^b^tafter btefet
äUettTämpfe. S)a9 Sbewa baju würbe entweber von einem bet
3)i(btet, ober von ber JDame beS |)au|e0 ober einet onbeten
S)ame gegeben; bie 2 ober 3 5Di^ter bie ftcb nun am SOSett*
fam^jf betbeiligten, traten entweber fofort in inbrooiftrten 2)i(b*
tungen . in bie S)i9fu{fion ein, ober fte beft>ra(ben unter ein*
anbet, welche @teOung ein jeber gu bem gegebenen Sb^wa
nehmen wollte, bereiteten fitb barauf vor unb fochten ihre <Sad^e
bei ber nd^ften Sufammenfunft ber 9irt au8, ba^ bie ©tropbc
beS Eingreifen ben im gleiten Sleim unb EletSmab beantwortet,
unb fo im ElUgemeinen in vier ober fünf Strohbenhaaren bet
@egenftanb bebanbelt würbe, worauf bie ESorfihenbe be9 ^inne«
bofeS na^ 93eratbung mit ihrem @tabe von SRichterinnen felbft
bae Urtbeil fprach unb ben ^reiS verlieb ober. beibeS burch eine
ihrer IBeirdtbinnen gefcbeben lie^. Eiucb biefeS Urtbeil würbe
in ESerfen audgef^jrocben. S)ie gewöhnlichen IBeluftigungen biefer
Elrt würben al9 jeox mi-partis begeicbnet.
Sei ben 9lotbfrangofen b“W<n fi<b ebenfaHö giebelböfe ge*
bUbet, bo^ befo|en biefelben einen wefentli^ ernfteren Gb^’^ftcr
al9 bei ihren (Sübfrangöftfdhen SanbSleuten. Elue ben (iterorifchen
Beften unb SBettfdmpfen ber leltifcben Sarben waren bort bie
puys d’amour ober jieux de l’ormel in benen
bie ^oefie auf baö eifrigfte in regelmäßigen 3u|ammen!önften
gepflegt würbe. 3)ie bebeutenbften puys, bie wir füglich mit
litetarifcben @efeHf^aften vergtei^en unb aI9 foicbe begeid|nen
fönnen, beftaiiben in Elmiend, 6aen, IDieppe, Salencienneö unb
an manchen anbeten Orten befonberö SurgunbienS, ber 9lor*
(m
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22
wanbie unb bet ^icarbie. 2)iefe puys waren bie ^flegeftätlen
beS norbfrangöfifc^en ©eiftedlebenS, bie ^etbe poetifc^er Bilbung,
bort fammelten fic^ bie eptfd^en Stoffe bet gangen mittelalterlichen
SBelt, bort würben fie »erarbeitet unb »on bort gingen fte in bie
9lachbarlänbcr über. — 2Bie bet ben alten ©ermanen, fo hatten
au^ bei ben hribntfchen .feiten bie grauen eine bebeutenbe Stolle
im fogialen, Ja fagar im politifchen 8eben biefer aSßlfet gefpielt unb
einen bebeutenben @influh auf bie Kultur berfelben gehabt; fo
hatten bei ben ©alliern wie bei ben Stlänbetn grauen ihre
eigenen Stathßoerfammlungen gehalten unb butch biefelben bie
politifchen SSerhältniffe ihrer gänbet beeinflußt, fo waten e8
au^ fpäter in dh^^ftlidher Seit IDamen, bie in ben puys eine
heroonagenbe Stolle fpielten. SBie fie fa überhaupt ben fStittel«
punft ber Stitterlichfeit bilbeten, wie eßSDamen waren, bie gum
Schluß bet SBaffenturniere bie greife »ertheilten, fo waten tS
auch tarnen, bie in »ielen puys .^of hielten, Urtheil fpra^en
über bie poetifchen Seiftungen, unb biefelben mit entfprechenben
greifen belohnten. Uebetwog aber im Süben granlreicßS an
ben bortigen 8iebrehßfm, tvie gefagt, auSfdhließlich bie pflege
ber .funfi gu lieben, ber ©alanterie, fo im Storben bie wirtli^e
ernftliche pflege bet fDichterfunft. IDiefe puys, unb bie bamit
»erbunbenen poetifdßen SBettfämpfe hatten fich bem frangößfehen
©eift fo tief eingeprägt, waren fo beliebt, fo allgemein anet»
fannt worben, baß auch in oiel fpäteren Seiten ba8 Sntereffe
bafür fo wadh blieb, baß man biefe fStinnegebichte unb alleS-wad
bamit oerbunben war, nodh in bramatifcher unb hnmoriftifcher
aSeife »erwerthete, baß wieberholentlich fogar eine SSelebung
biefer 3nftitutionen »erfucht würbe. Sei befonbeten feßlichen
©elegenheiten würben auch in 3talien in fpäteren Seiten
poetifdhe SBettfärnpfe infeenirt, um wie ^heateraufführungen ald
Seluftigungen gu bienen. 3n fpoUanb bilbeten fich na^ bem
(570)
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23
Soibilbe bei puys, jum S^etl jogai aud i^nen liteiaiifcbe
@efeOf(baften, woraus bann bie Chambres de rhdtorique unb
j^ammein beS 9lebeipfei8 entftanben. iSelbft in 2)eutjcblanb
fanben bie pays mit i^ren Slutnieren unb ^reiSoertbeilungen
^iacba^mung.
9la^bem bet Sllbigenfetftieg 1205—1229 bem beitern geben
bei ^rooence ein jänbe, biejeS ganb jur SSüfte gemacht
fcbmanb auch bie ^oefie au8 jenen feligen QiefUben, in benen
fie übet 200 3abte ein .g>eim gefunben baW«- 9iur bie unb ba
etbielten ficb bie fReminifcengen an bie früberen beitem Seiten
unb Snftitutionen ; nut bie unb ba fiifteten giebeSböfe unb puys
ein fümmeilicbeS 2)a{ein. 'jtn ben .^öfen bet aiagonijcben unb
fatalonifdben dürften Spaniens, bie ftetS bie Stoubaboute gern
bei p(b gejeben baüen, fanb bie au0 bet ^tooence oerttiebenc
^oefie nun aber fteunblicbe äufnabme unb foigfältige pflege,
gteilicb entartete fie noch mebt, alS c8 in ben lebten Seiten
ibter @jriftenj in bet ^tooence bet §aU gewefen, bie Äünftelei
trat an ©tetie wabtet Äunft unb ^oefie; bie fonoentioneUe
^b^afe an ©teüe beS iHuSbtudS innigften @mpfinbungS>
lebenS. 3Ran war aber wenigftend auf baS eiftigfte befttebt,
bie ^)interlaffenf(baft bet ^rooengalen in @been ju beiten unb
nach Ärdften füt bie Sßelebung unb (Srbaltung bet ^oefie ju
jorgen. Safob I. oon 3ltagon, getbinanb UI. »on Äaftilien,
fein großer @obn, aipbonß X., bet SBeife unb »iele anbete
fpanifcbe Könige waren in biefem ©inne tbätig.
0iefeS S3eifpiel, baß bie fpanifcben 'dürften unb ootnebmen
iDamen gaben, wirfte halb wiebet auf bie ^looence gutüd unb,
ben Sleibdltniffen in ben übrigen cbtiftlicben ganben entfpiecbenb,
war eß nunmebt bet SBütgetftanb, bet fl<b bet »erwaiften ^oefic
annabw. 3Bat fie ootbei ein ^tioilegium beß iSbeIß gewefen,
war fie oon ibm ju feinet Seluftigung gefjfi®äi worben, fo
(571)
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24
traten nun bte Sürger an bie ©teile bet 0Utter unb »on bet
^Touence ging eine neue literarifc^e Bewegung and, bie bei
bet gune^menben SRa^t bed Sütgerftanbed beti anbeten ©tfinben
gegenüber halb in aOen euro^äifc^n 8anben entf)>te(^enbe @nt<
((Reibungen ^ernoitief.
7 2)i(^ter ttaten nümli^ 1322 in Souloufe gu einet @e«
feOf(i^aft gufamtnen unb erliefen für ben 1. fDtai 1324 eine
(Sinlabung an alle ^reunbe bet ^oefie gu einem großen ^oetifc^en
furnier, für bad bie cberfte ©tabtbe^ötbe ein golbened 93eil(^en
ald $teid audgefe^t ^atte, mogu bann in wenigen Sagten no<^
anbete ?)teife, eine wilbe Slofe, eine 9iingelblume, eine 9ielfe
and ©ilbet lamen, an beten ©teile in h)dtetet 3«it wiebet no^
anbete Blumen and @belmetaO ttaten. 1325 wutbe bann bie
@efeüf(||aft bet 7 SEtoubaboute in bad Äonfiftotium bed leiteten
SBiffend umgeftaltet, bad gang na(^ bem Sotbilb bet Uninetfi«
täten eingerichtet war, IBaccalauteen unb S)oftoren ernannte
unb halb ihre .^anjler, SRoliniet, mit bet Ülbfaffung einet $oe«
tif beaufttagte, bamit hoch nur bad bichtetifche Talent fo tegeU
recht wie möglich audgebilbet werben möge. 2)iefe $oetiI, bie
ben Flamen „^iebedgefehe" trug, erfchien 1358. @d begreift fleh
leicht, bafi bie IDichtfunft unter ber Saft bet a!abemi[chen @e»
fc^e unb bet f)ebanterie bed ftrengen ©cholafticidmud immet
mehr entartete unb bod öffentliche 3«tereffe halb gang einbüfete.
3)a würbe gu @nbe bed fünfgehnten 3ohi^^unbertd, 1484, wiebet
ein JBerfuch gemacht, bie ©i^tfunft gn heben. @ine reiche
S)ame and Slouloufe, (SIdmence Sfaute war ed bet ©age nach,
»on bet biefe Sefttebung audging. Det literatif^en @$efellfdhaft
würbe nun eine etwad »eränberte ®eftalt gegeben, bid fie 1695
»on 8ouid XIV. gum IRange einer Sltabemie mit allen begüg*
li^en Siechten erhoben werbe, um nun ald bie bet S3lumenfhiele
mit Unterbrechungen »on wenigen Sahten bid heute in Souloufe
cs«)
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25
il)t S)afrin ]u ftiften. 9lac^ i^rem SBotbilb wutben au(^ in
Stollen unb Spanten ö^nlic^e Snftitute in$ geben gerufen. Sn
regelmäßigen Sufammenlnnften unb Seften, bei benen in poe«
tifcßen Slumieren um bte audgefeßten greife geldmpft mürbe,
pflegte man bie ^oefte, bie fretltdb barüber nöllig bem ftarrften
, Formalismus anßeimfiel, in Felge beS @ebotS, baß ni^t melt'
lid^e giebe befungen merben burfe, jebe Spur von 9iatürli(ßfe{t
ber @mpftnbungen einbäßte. @rft in biefem Saßrßunbert, in
bem natb mie not bie Slfabemie ber 01umenfpiele in Siouloufe
ber .^eerb ber pronengalif^en 2)i^tfunft geblieben ift, naßm
biefe, getragen burdß bebeutenbe Talente mie Sanfemin, Ülubanel,
»or allen SDiiftral einen neuen auffeßmung, in Folge beffen bie
öffentli^en 0lumenfpiele anä) mieber an |)rat^t unb an aOge«
meinem Sntereffe gemonnen ßaben. an jebem 3. 9Rai finbet
nac^ ber fir^licßen Feier, bie baS Feft einleitet, in bem Capitol,
bem IRatßßaufe, mo fi^ bie Acadämie des jeox floraux be«
finbet unb mo eine Statue ber mpftifeben Slömence Sfaure auf«
fteQt ift, in ßergebraebter Form baS 01umenfpiel, biefeS poetift^e
5lurnier ftatt, an bem fieß am^ IDicßterinnen betßeiligen bürfen;
28 Flauen ßaben mäßrenb beS 0efteßenS biefer Snftitution ba<
felbft greife errungen.
Barcelona mar unb blieb für Spanien bie bebeutenbfte
|>flegeftätte ber Sroubabourpoefie unb ber nadß bem SRufter
berer von S^ouloufe bort eingerießteten 0lumenfpieIe, na^bem
au(ß bort ein „adatß beS ßeitern SBiffenS" cingefeßt unb natß«
bem bur^ aufiaS ÜRareß, ©afteloi unb anbere Didßter feit ber
fDiitte beS oierjeßnten SaßrßunbertS eifrig für Selebung ber
üroubabourpoefie gemirft morben mar. 1388 ßatte Soßann I.
»on arogon eine ©efanbfdßaft an ben ftanjöfifdßen Äönig Äarl YI.
gef^idt, um fidß oon ißra einige ©idßter jur föinritßtung einer
afabemie im (Sßaralter berjenigen oon Jouloufe ju erbitten.
(5»)
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3)iefem SBunj^e würbe golge geleiftet; 2 ,9Roiateneur0“ würben
na(^ @)}anten entfanbt unb in Sarrelona ber 9tat^ be0 Reitern
SBiffenS 1390 gegrfinbet, beffen Sinfünfte unb ^rinUegien halb
fe^r er^5^t würben, unb ber unter bem Marquis Enrique de
YUlena großen Sluffc^wung nai^m. ^ocb bort wie in SSalenda,
i£orto[a unb anberen @tdbten, bie Barcelona unb Souloufe
nacbeiferten, fonnte bie iDialeftbidbtung fi(b nicht b®*ten; bie
3bee ber poetifcben furniere fanb ober in gonj Spanien ben
größten Slnflong. 2)ie foflUifcbe ^oefle, bie gonj in bie iDienfte
ber SReligiün trot, muhte auch ben Äirdjenfeften @lanj »erleiden
unb wöbrenb beö 15., 16. unb 17. 3ab’^buni>«t0 Pnben wir
bort bei ©elegenbeit öon .Äir^enfeften folcbe poetifdbe SEurniete,
justa poeticas, bie bei bem iBolfe auherorbentlicb beliebt waren
unb bei beneu biä 5000 SDicbtungen um bie greife fonfnnirten.
@0 fanb 1474 ein groheS lurnier gur SSetberrlicbung ber 3ung»
frau fDtaria, 1511 30 @bten ber heiligen Katharina ftatt; bie
pracbtigften waren jebocb bie, bei benen Lope de Yega ben
Sßorfth fübi^te unb bie 3U ,^eiligfpre(bung ber ^ereSa
1614, beö 3fibor 1620 unb 1622 »eranftaltet würben, SDo0
3ntereffe für bieje SBetttämpfe würbe aUmölig, weil Dom .^leruS
genährt, fo groh, ba§ biefe 93eluftigungen enbli^ in golge ihrer
^Otöglichfeit unb Entartung @egenftanb beS SpotteS würben.
2)a8 ^ufgehen Kataloniens unb ‘^ragonienS in baS König«
reich Spanien h<>ite inswifchen ber ^rooin3ialliteratnr biefer
gänber jeben S3oben 3U ihrer (Sriften3 ent3ogen, wie auch
Sprachen biefer ^rooin3en ihre Selbftftänbigfeit unb IBebeutung
einbühten. So oerfchwanben benn aOmdlig auch i<»e litera«
rifchen IHfabemieen unb ihre ISlumenfpiele, bie fich fpe3teD bie
pflege ber prooeu3alif^en unb ber au8 ihrer S^ule h^i^forge«
gangenen norbfpanifchen IDialaftbichtung gur Slufgabe gemacht
hatten.
(i74)
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27
SEBerfen toii nun, e^e ttit bie neuerbingS in Spanten ein«
geführten S3lumenfpie(e betrachten, einen 93licf auf anbere 2änber.
Sn Ställen hatte bie SBieberbetebung bet SBiffenfchaften, bie 9ln»
tegung, bie »on ber ^ronence h«t gegeben worben, bie ©rünbung
mancher Bereinigung jum 3<»e(fe huntaniftifcher Stubien, bet
pflege bet Spraye unb ^ocfie gut golge. än bem ^ofe be3
arabifch gebilbeten Äaiferö griebtidh II. würbe nicht allein ber
©runb gut italienifchen Literatur gelegt, fonbern auch n>i[fen*
fchaftli^e üntegungen gingen oon bort aud, um halb in gang
Stalien SEButgel gu faffen. SBie an ben atabifchen ^)öfen Slnba»
luftenS würben audh bort poetifche SBettfämpfe oeranftaltet, war
bo^ ber .^of oon Palermo ftetd ber Sammelplah vieler unb
ber erften Sinter unb ©elehrten jener Seit. Sll8 nun bie
flaffifchen, bie huwianifchen Stubien ftch Bahn brachen, würben
baib neben ben Unioerfitäten literarif^e unb gelehrte SIfabemieen
unb ©efeüichaften gefchaffen, innerhalb beten bie S)i8fu{fionen
baS Sntereffe an ben äSettfämpfen lebenbig erhielten. Seitbem
1341 ber ruhmfüchtige ^etrarta auf bem römifchen ^apitoi mit
bem iDichterlorbeer gefchmüdt worben war, würbe bet ©hegeig
aller bebentenben ©elfter baburch noch weiter angefpornt unb
baö Streben nach biefer höthften würbe ebenfaKö Beran»
(njfung, ba§ befonberS in beu Sprachalabemien, bie gugleich
theüweife ^flegeftätten ber nationalen IDichtfunft waren, poe«
tifche unb gelehrte Sumtere au8gefod)ten würben. SBir bürfen
bieS füglidh au8 manchen oerftreuten §(nbeutungen unb au8 ber
Crganifation ber nach itolienifchem fDtufter gef^affenen beutfchen
Sprachgefellfchaften fchlie§en. Slu8 bem 15. Sahrhunbert liegen
fogar mehrere Berichte über öffentliche poetifche SBettfämpfc oor,
bie theil8 gu ©h^^” hah^i^ ®äfte an ben .^öfen oeranftaltet
würben unb bie bann aHerbing8 meift ben ©haoafter oon ^h^ater«
aufführungen unb Belüftigungen hatten, theil8 aber fötberlich
C57«
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28
aut @nt»icfe(ung beS ©eifteSlebend einwtrfen joOten. @o
^otte ber IBater Borenjo'd von 9)}ebtd, Pietro, ein poetifd^ed
Sumiet für ben 22. Oftober 1451 angeorbnet, für ba8 aU
Sterna; „bie mbte ^eunbfd^aft" gegeben unb alö 9>rei6 ein
fitberner ifoebeerfranj audgefe^t worben war. Sreilid) na^m
biefeS Siumter einen anberen S^erlauf aU geplant war. 9nd
@prerbietung gegen ben bamald in ^lorettj anwefenben ^apft
patte Pietro bie apoftolifcpen @ecretäre beffelben }u ^arnpf«
Tteptern ernannt, unb alö nun bie !BerIefung ber eingelaufenen
®ebi(pte erfolgt war, erflärten bie Stifter eine @ntf(peibung niept
treffen ju fönnen unb beflimmten ben ^orbeerfronj ‘für bie
2)omfir(pe, in ber biefed Seft gefeiert würbe.
fOMtben S)i(pterfrdnungen, bie feit @nbe be6 lö.Saprpnnbertd
au(p in S)eutf(planb gebräueplid) unb oom ^aifer SJiarimilian II.
juerft wieberpolentlicp ooUjogen würben, oerbreitete fitp bortpin
auep bad Sltabewiewefen unb in ber wiener literarifcpen @efeD>
f(paft IDanubiana, an beren @pi^e 1497 jfonrab SelteS be<
rufen worben war, würben al8 greife für bie 33ewerber in ber
93erebfamfeit unb ^oetif ^orbeerfronen oerliepen. 9(u^ bie
üDleifterfingerfipulen patten ipre ^eife für bie Söettgefänge,
bie bei ben ale ^eft« unb ®ing|cpulen oeranftalteten Sufammen:^
fünften ftattfanben. Sei biefen (extern, bie monatliip ab*
gepalten würben, oerliep ber SRerfer in ber Spat nur bie greife,
bie in einer filbernen liette mit J^önig IDaoibe Silbni§ unb in
einem ^ranj aud feibenen Slumen beftanben, benn biefe JUein«
obien mußten nadp ®cplu§ ber betreffenben ®i^ung wieber gu*
rütfgegeben werben. 3n ben früpeften ^erioben ber @efcpi(pte
beö 9Reiftergefang0, ald no(p ein frif^er lebenbiger @eift biefe
Sufammenfünfte befreite, ba waren bie (^efangSwetten , bie
poetifepen Surniere in ber 9(rt wie fie bei ben ^rooengalen ge*
übt worben, ocQig gebräu^lidp unb auep bie ^orm ber Sengon*
(57«)
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29
bafür ^erc^ebra^t. £Dad „@inf^nfen* mit einem Sieblein, bie
^etauafotbetung 3U einem SBetlftreit eröffnete immer einen
frif^en unb fröt^licben @ängetfrieg, bet in bet @rt^eilung eined
^reifed feinen 2(bf(^Iu§ fonb unb — ni^t jo blutig mar, mie
bet ben ^intergrunb bet «Sage nom ®ängetftieg auf bet SBart«
bürg bilbenbe.
?il6 bann im 17ten Sa^t^unbert an ©teile bet SKeifter«
fingetfcbulen bie ©t>ra(^a!abemien jut Hebung bet beutf(ben
©ptacbe unb ^oefie traten, bet ^almenotben ober bie frucbt«
btingenbe ©efeüf^aft 1617, bet gefrönte SSlumenorben 1644,
.bet @Ibf^manenorben 1660 unb anbere, ba mürben and) inner«
^alb biefer literarifc^en @e)eQfii^aften 2;urniere oeranftaltet unb
— mie im ©lumenorben an ber ^egni^, SSlumen al8 greife
gegeben.
iDie Dome^me 9Belt von ^atiS enblic^, bie, im unbeftimmten
SBemufetfein bet ©efdjraubtbeit unb Unnatur bet bamaligen
fojialen 93er^ältniffe bie 9iiirffel)t jur fRatur mo^l al8 ein ge»
funbe8 (Eorrectio bagegen erfannte, in i^ter @ebunben^eit an
ben 6onoentionaIi8mu8 be8 ©alon8 nunmehr aber ber oon
©panien au8gehenben Ungeheuerlidhfeit eine8 oergerrten ©cbäfer«
thum8 anheimfiei, fudhte in ihrem ^afdhen nach Belüftigung
unb nach ‘<Sbmech8lung au^ bie prooenjalifchen SRinnehöfe mit
ihren furnieren 3U ihrer Erheiterung mieber in8 Seben ju rufen.
Earbinal ^Richelieu oeranftaltete 3. B. einen folchen SBettfampf
in bem bie pföl3i|che ^rin3effin ^arie at8 ^räfibentin, fIRa»
bemoifede be ©cub4tp aber al8 Eeneralabootatin fungirte.
iSbet nicht nur 3ur Bertreibung ber Sangemeile mürben
Belebung8oeriu(he bet mitteialterlidhen Siomantif unb im Be«
fonbem ber ptooen3aIijchen Blumenfpieie gemacht, fonbetn gum
3»ecfe bet Hebung ber ^Rational« unb ^tooingialpoefie mürben
fie oon fReuem unb mie bereit8 ermähnt in ©übfranlreich mit
(577)
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30
glü(fli(^[tetn Stejultat auSgefü^rt. S)ie bortige 93ewegung blieb
jebod^ nif^t auf bie Provence befcbtfinft, fonbern witfte auä) an>
regenb auf ©panien. SBenige 5a^t3e^nte flnb auc^ batübet
^ingegangen, ba^ in golgc ber inneren politifd^en SBirren unb
Parteiungen in ©panien bie einzelnen Proningen fi(^ »ieber
ihrer alten urtprünglic^en Unab^ängigfeit unb Autonomie be>
mu§t würben, unb fo entftanb aud; in Katalonien, baS fic^ gu
allen Seiten bur(^ ©elbftbewu|tfein , J^aft unb Energie aud«
geic^nete, eine partifulariftifdfie Bewegung, bie auf bie SBieber»
^erftellung be0 ehemals felbftftänbigen J^önigreid^fl abgielte. SJlan
würbe fi^ bewußt, ba^ bie ratalonifdje ©prat^e in früheren
Seiten minbeftenfl gleiche Söered^tigung rait ber caftilifc^en ge=
bnbt Ijatte, ba§ bie catalonifd^en Diester unb @elel)rten lange
Seit ^inburc^ bie ^auptföc^lid^ften Präger beS ©eifteöleben« in
©panien waren unb fo würbe bie 2)ialeftbi(i^tung in catalonifc^er
©pracpe begonnen, bie alSbalb in allen anberen Prooingen
ä^nlid^e IBeftrebungen wad^rief, foba^ wir ^eute bereits von
einet galigifdjen, anbalufifcben unb einer fe^r reichhaltigen cata>
lonifchen Literatur neben ber eigentlich fponifcben in caflilifcher
©prache fpredhen fönnen.
Sluf politifcher Safifi aljo, burch politifche {Rüdffidhten unb
Seftrebungen h«i^öorgerufen , entftanb fowit in Katalonien eine
neue geiftige 93ewegung, bie beS früheren SufantmenhangS
Kataloniens mit ber-pro»ence eingebenf, unb in golge ber
großen SSerwanbtfdjaft unb iSehnlidhfeit, bie heute noch gwifchen
ber catalonifchen unb prooengalifchen ©prad^e befteht, bie Lite-
ratur ber früheren catalonifchen ^Dichter beS 14. unb 15. 3ahr-
hunbertS unb ber prooengalifchen Siroubaboure gum S^orbilb
nahm. JDie SlrSger biefer Seftrebungen organiflrten fich 1859
in ^Barcelona gu einet ©efellf^aft, bie ber früheren Slfabemie
beS Reitern 3BiffenS unb bet ber Slumenfpiele in Stouloufe ähn-
(578)
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31
wot. IBtctor Salaguer, einer ber bebeutenbften ^oUtifer
unb 5Didbter ber ®egemnart in @i)anien, würbe bie eif^entlicbe
@eele biefer Unternehmungen unb ift eS h<ute noch, unb bie
äSIumenfpiele unb bie poetifchen Slurniere, bie nun jährlich in
Sarcelona gefeiert werben, ftnb bereits 5U geften geworben, bie
bur(h ihren ©lang unb — ihre ijolftifche Sebeutung baS Sluge
gan3 (Spaniens auf fi^ gelenft hn^en. 3a, noih mehr. IDaS
iBorbilb, baS ©atalonien, im SBefonbern Barcelona unb 5£arra<
gona in biefer .^inftiht gaben, würbe balb in anberen ^heilen
nachgeahmt unb jährlich ftnben nun in einer ganjen fReihe
Bon Orten betartige SSlumenfpiele ftatt, bei benen freilich bie
Slumen, bie utfprünglich natfirlidhe gewefen, bann golbene unb
fUberne geworben waren, fich nunmehr 3um ^hei( in ©elb<
fummen, golbne gebern, filbeme 3:inten3euge, ^rachtwerfe unb
ähnliche ©egenftänbe oerwanbelt haben.
2)aS lBer3eichni§ bet bei bem literarifchen unb wiffen«
fchaftlichen SBettfampfe im Slteneb non Sllmetia im 3ahre 1879
Bertheilten 8 greife mag hier als Seleg folgen.
1. ©ine natürlidhe Slume bem Slutor ber beften Iptifchen
SiebeSbichtung.
2. ©ine filbeme gebet bem beften ©idhter im Iptifchen
patriotifchen ©eure.
3. ©ine 0lofe Bon ©Über unb ©olb bem beften Iprifchen
Sichter mit freiet SBabl beS ©egenftanbeS.
4. ©in ©remplar beS Son Ouijote non Sore illuftrirt.
5. ©in filberaeS ©chreibgeug oom ©tabtrath für bie befte
Slrbeit hiftnr. frit. SnhaltS über ben Utfprung unb bie
frühere ©rö^e non ISlmeria.
6. ©in ^reiS non 3000 JRealen non ber ^roBin3ialbeputation
für bie befte Senffchrift über ben gegenwärtigen ©tanb
beS SldferbaueS, jpanbelS unb ©ewerbeS in ber ^roBiu3
(579)
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32
Sdmeria unb übet bie geeignetften SRittel bie @ntioicfIung
berjelben ju förbetn.
7. @in fUberneS Sc^reibjeug oom aboocatencolleg 5U SUmetia
für bie befte Slrbeit über baö SE^ctna: @influ§ ber Sitten
unb ber politifc^en £>rgani[ation eined iBolfeb auf ba8
Serbrec^en.
8. grämte »on 1500 JReoleu »on ber Jtörperfi^aft ber 3n»
genieure be8 S3erg» unb SBegbauwefenö über ^Darlegung
unb Prüfung ber doctrina transformiata, i^re 3jorgönge
unb Solgeu.
2!)a8 mobeme ©eifteöteben ber SBelt weift nun enbltc^ in
ben ^reiöauflfc^reiben ber iSfabemieen, Sournalen, Sweater»
bireftionen, au(^ eine 9(rt uon furnieren auf, bei benen bet
Sauber mitlelalterlicber iRomantif aQerbingS t>ergeb(i(^ gejuckt
wirb, bei beuen greife in Ilingenber ü)iün}e au8gefe^t werben;
— aber freilich barf auf biete ^Prei8au8|(^reiben über^upt faum
me^r ber Segriff beS SumierS auögebe^nt werben, ba bie ein«
jelnen iSrbeiten ni(^t uon i^ren SSerfaffern in öffentlichem SBett«
fampf unb unter iSnwenbung be§ früher bamit uerbunbenen
SlpparatS corgelefen, bie greife nicht »on fchönen Damen »er«
theit werben. 2Boh( bürfen aber bie nationalen ober inter«
nationalen Sieberfe^e ber 9ieu3eit ISnfpruch auf bie 3)egeichnung
beb mufijchen DurnierS machen. 3n ^inficht ber poetifchen
Durniere aber h<tben bie oeränberten Sritftrömungen, ber oer«
anberte Seitgcift biefe natürliche SBanblung heroorgebracht. SBie
im Ülllgemeinen, fo hot auch biefem ©ebiete ber 3beali8mu8
unb ötomanticiSmul früherer Seiten bem nüchternen IRealiSmud
unb ^racticiSmufl ber gegenwärtigen weichen müffen.
(S80)
!ttu<t Don (VfbT. Dnjti (2b- Wtimm) in V<rlin, SiböncbtT^nfti. 17 n.
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^ie
^rlieotong JLtjiinitnpprojrfeü
für ba^ ßebett M tl^icrif(i^cn Drgantömuö.
Sß 0 r t r a g
^of. jQermattn ooit Me^tt
in 3iiti^.
fitrll« SW. 1884.
SBerlag Don @atl ^abel. ‘
13. Sil^clm • etrat« 13.
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9le(!^t bei Uebeifelsung in fiembe 0prac^en rotrb Dorbe^alten.
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^ie augenfäQigften (Stfc^einungdmeifen beS oor^anbenen
Gebens in einem organtfd^en äBejen au8 bei S^ierrei^e ftnb
beffen fic^tbaie ^Bewegungen, welche bur^ bte eigenen in bem
DrganiSmud waltenben Kräfte bei»oigerufen werben. £)ie 33e«
wegung burci^ innere Äräfte ift fo ie^r an bie 6^arafteiiftif be8
t^ierifc^en DiganiämuS gebunben, ba§ eine gro§e fleinfter,
nur mifroffü<)iid^ fid^tbarer organifd^et .Rorper früljet für Slljiere
erflärt würben, weil fte [icb in bem Söaffer, baß i^nen jum
iSufent^ait bient, auf baß leb^aftefte bewegen, unb eß gehörten
crft je'^r genaue unD umfaffenbe ©tubien bagu, in i^nen ijflanj»
lid)e ®ebilbe, fogenannte ©cbwärmfporen, gu crfennen. — Sei
ben am ^öd^ften cntwidfelten Drganißmen ift ein J^eil biefer
fi(^tbarcn Scwegungen Don bem SBiHen abhängig unb treten
nur bann in bie (frfc^einung, wenn fie mit me^r ober weniger
Sewufetfein witlfürlic^ ^eroorgebra^t_ werben. 55iefe Älaffe
Don Bewegungen fann beßwegen aud^ gcitenweife Doilftänbig
ru^en unb wir wiffcn alle, bafe in bem ©cblafc, wenige Jraum’
bewegungen außgenommen, eine Dollftänbige äußere Slu^e, eine
DoUftänbigeSewegungßlofigfeit, beobachtet wirb, wee^alb manbenn
audi) wohl in bichteriicher fRebeweife ben ©chlaf einen „Sruber
beß 2obeß" genannt h^l- — SRögcn aber aud) ade fonft fo
fichtbaren Bewegungen ber ©lieber unb beß 5Rienenfpielcß in
no^ fo tiefe Diuhe terfenft fein, in fo tiefe, bafe ber ober«
flöchlidhe Beoba^ter tiedeicht fogar ben Suftanb beß Slobeß gu
erfennen wähnt, fo l^och gwei Bewegungen ununterbrochen
XIX. «!«. 1 • (588)
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4
t^dtig unb Tu^en felbft in foldjen Suftdnben Hejftet du^etlid^
^Ru^e nicht; eS finb bte betben Setnegungen, beten beftdnbiged
iBonftattengeben eine ©tunbbebingung füi ben ungeftdrten
Bortbeftanb be8 Bebend ift, — nämlich bie ^ergbemegung unb
bie BlthmungdbetDegung. ®e(bft bie fleinfte Unterbrechung einer
biefer 2:hätigfeiten genügt, bad Beben auf bad fchnellfte aud>
gulöfchen.
@d liegt etmad @ro§artiged in biefem burch eine gange
Bebendbauer hinburch unermübiich thdtigen, nie nachlaffenben
SBirfen unb faft unglaubli^ finb bie Beiftungen, welche burch
biefe beiben wunberbaren ORe^anidmen erfüllt werben. —
SRehmen wir 70 .^ergbewegungen in ber SRinute, fo finben wir,
boh in ber @tunbe beren nid^t weniger ald 4200 gefchehen
müffen ober in 24 ©tunben 100 800 unb in einem 3ohic
36 792 000, alfo nahegu 37 ORillionen. — 5Ridht gang fo gro§,
aber nicht minber imponirenb, finb bie Bah^f® ülthmungd»
bewegungen. Sfled^nen wir baoon 20 in ber ÜRinute, fo gibt
biefed 1200 für bie ©tunbe, 28 800 für 24 ©tunben, für bad
gange Sah* ni^t weniger ald 10 512 000, alfo beinahe
11 fDlillionen. — SBei ber sSuffteHung biefer Bohlen inbeffen
nur bie ruhigen normalen Buftdnbe berüdlfichtigt; für leiben*
f^aftliche ober hanfhafte Buftdnbe fönncn biefe Buhte® fuft
auf bad hoppelte fteigen.
3)ie |)ergbewegungen fonnen ni^t gefehen werben; oon
ihrem Sonftattengehen fann man nur burch angelegte Ohr
unb bie aufgelegte ^anb fRachricht hut?en; — burch bad Ohr
»ernimmt man bad ©chlagen ber Jpergflappen unb bad {Raufchen
ber ©lutftröme, — burd) bie aufgelegte ^)anb fühlt man ben
©toh ber Jpergfpihe gegen bie Söruftwanb. ©eine Sthdtigfeit
ift alfo bem gewöhnlith®® Beobachter oerborgen.
@in Slnbered ift ed mit ben Slthmungdbewegungen. 2)iefe
finb ftetd mehr ober weniger fichtbor, in ber ^>ebung unb 6t*
Weiterung bed Sruftforbed unb felbft in leichteren begleitenben
(584)
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5
Seaegungen ber ©eftcbtegüge, — unb au^erbcm tna^en flc
fi(^ no^ babut(^ bemetfUc^, ba| bte ein> unb auStTetenben
Suftfttöme gefüllt unb unter Umftäuben fogar gehört tnetben
fönnen. — S)a bie ^tt^mungSbeueguugen bemna(j^ leicht erfenn«
bare, jebem in bie Beobachtung aufnöthigenbe Seu^erungen
beS 8eben8 finb, fo hat »Sthmen* ouch »on jeher faft gleich»
bebeutenb mit „geben" gegolten. — „0ine8, »aö Dbem hat“
jagt ber ^Dichter unb meint bamit bie ganje lebenbc SJtenfch»
heit, — man gelobt „bifl jum lebten 4>auch" einer Sad^e treu
ju bleiben, — exspirare, auflhauchen, auSathmeu, jagt ber
{Römer für „fterben". JDie crfte Unterfuchung bei einem ruhen»
ben Äörper, ber möglicher SBeife tobt fein fann, geht barauf,
ob bie ^thmungöbewegungen mahmehmbar finb. Bei einem
©cheintobten, 3. B. burch @rtrinfen, ift baö SBieberlehren ber
Slthmungebemegungen baS Seichen bafür, bah Sßieber»
belebungSoerfu^e gelungen finb. Unb bie $rage, ob ein tobt
gefunbeneö neugeborenes ^nb lebenb geboren morben fei, wirb
non bem ©erichtSarjte babur^ gelöft, ba§ er bie Sungen unter»
jucht, um gu jehen, ob baS ^inb geathmet habe.
3n SBirftichfeit ift benn auch ber SltbmungSprogel ber
Wichtigfte (Regulator ber gebenöthötigfeiten. IDer Berbauungfl»
apparat fchafft gwar bie nöthige ÜRaterie für ben ISufbau beS
Körpers anb tönnte in fo ferne bebeutenber erf^einen,
inbeffen ift beffen SEhatigfeit immer nur non Seit gu Seit in
gröberen Swijchenräumen nöthig unb fann fogar feht lange
Seit ohne wef entliehen SRadhtheil entbehrt werben, wie unter
^nberen baS Beifpiel beS Dr. SEanner beweift, welcher 40 Sage
lang fich aller (Rahrung enthielt, unb babei gwar fchwfichcr
würbe, fonft aber fich wohl befanb. IDie @tnführung con guft
in ben Körper auf bem 9Bege ber Sthmung fann bagegen faum
eine SRinute entbehrt werben, ohne bah baS geben auf bem
©piel ftönbe; benn non ihm hängt ba8 Bonftattengehen einer
(586)
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6
SRei^e »cn gebenflptojeffcn ab, beten ununtetbtoebenet gortganj
für bie gottbauer beg ?eben8 unbebingt not^roenbig ifL
$ßit ftnben beg^alb and) in bet ganzen S^iemelt bie Stn-
ricbtungen für ba« SUbmen. Um aber bie oerfibiebenen gormen
biefet @inri(btungen unb bamit bie @teQung beS menfcblicben
atbmung8at)parate8 ju nerfteben, ift e8 notbwenbig, erjt bie
S9ebeutung bet Stbmung für ben Drgani8mu8 ju ermitteln.
^Diejenigen cberaifeben ©runbbeftanbtbeile, »elcbe ben £>r»
gani8mu8 gujammcnfe^cn , Rnb ni^t in fo einfadjet gotm mit
einanbet »etbunben, wie biefe8 in bet unorganifcben SBelt bei
beten (bemifcben @rnnbbefianbtbei(en bet gaQ ift. Sßäbtenb
nämli^ in biefen bie Elemente immer binär, b. b- tn Sweigabl
mit einanbet cetbunben finb, finb fie in bet organifcben SBelt
bet 9ltt mit einanbet nerbunben, ba§ ihrer gleichseitig btei,
»iet ober mebt ju einet SBerbinbung sufammentreten. SSet»
binbungen biefet Urt nennt man beSmegen and) „organifcbe".
@ie b^ben alle ba8 QJemeinfame, fteilicb bie einen mehr, bie
anbern weniger, ba§ fie feine Seftänbigfeit b«ben, fonbetn
fi^ febt leicht wiebet Ibfen unb jwat um fo leichter, je feuchter
fie finb. 3n8befonbete ift e8 eine feftgefteHte bafe
alle lebhafteren fogenannten 8eben8etfcbeinungen in ben Ge-
weben, wie bie fIRngfeljufammensiebungen unb bie fRetoen«
funftionen, mit chemifchen Setfe^ungen ihrer ÜRaterie uetbunben
finb. @ine jebe folche gunftionSübung oerni^tet alfo einen
gewiffen Jbeil bet fnnftiongfäbigen 9Ratetie. Jpietau8 geben
aber sweietlei SSetbältniffe in ben ©eweben betbUT. @ine8tbeil8
nämlich ift bamit ein (Subflanjoerluft für ba8 ©ewebe gegeben,
unb cnberentbeil8 werben baburch unbranchbar geworbene Se>
ftonbtbeile, Abgänge, in ben ©ewebcn gehäuft. — Ser ©ubftanj=
oerluft muh erlebt werben, bie 3lbgänge müffen befeitlgt werben,
wenn bie ©ewebe in ungeftörter gnnftion8fäbigfeit fortbefteben
joden. Ser ©tfab für ba8 oerloren ©egangene wirb bur^ bie»
(5i«6)
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7
jenigen Materien geleiftet, welche bet !93erbauung8^toje§ bem
^(ute 3ufü^rt unb weldje burd^ ben Slutumlaut fobann ben
@eweben bargeboten toerben. SBie aber fdnnen bie ^^bgSnge
befeitigt werben V — ©ooiet ift beutlit^, ba§ bie le^te Se»
feitigung, b. bie dtücfgabe t^rer Elemente an bie Qlu^enwelt
Duri^ bie ^JIbionbetung8apparate gefc^e^en mu§. 3Bte aber
fönnen fie biefen gugefü^rt werben? Offenbar ift eß aucb
wieber ber SSIutnmlanf, weld^er biefeS oermittelt. hierfür
muffen fie aber in geeignete ©eftalt gebradjt fein, unb ba§
biefeß gef(bie^t, bafür tritt ber SltbrnungSproge^ oermittelnb
ein. 3nbem biefer nämlid) ben ©eweben ©auerftoff jufü^rt,
gibt er ben Slbgängen baburc^ ©elegenbeit, fid) mit .^ülfe t>on
biefem in oerfd^iebene (bemifdje SSerbinbungen umjufe^en, weldbe
für bie au8f(beibung geeignet finb. 3erfe$ung orgonifdjer 33er=
binbungen unter SJtitwirfung oon ©auerftoff, woburd) neue
SSerbinbungen entftei)en, an wel(^en biefer wefentlid) bet^eiligt
ift, nennen wir aber „S3erbrennung". IDer ben ©eweben gu»
geführte ©auerftoff „oerbrennt" alfo bie Abgänge unb fe^t fie
in Sßerbinbungen um, welche für bie le^te 9(u8fd;eibung burch
Oie Sbfonberungßapparate geeignet finb. ^iefe $^erbinbungen
finb aber breierlei iSrt: e8 finb: Äohlenföure, SBaffer unb
ftidftoffhaltige SSerbinbungen. 5)ie jfohlenfäure unb ba8 SEBaffer
werben, erftere in ©aßform, (e^tereß in S)ampfform, burd) bie
Bunge unb bie äuffere Jpaut ber Slugenwelt wiebergegeben; bie
fticfftoffhaltigen 3^erbinbungen aber werben in w&fferiger Büfung
burch anbere ^^tußfdheibungßorgane befeitigt. — S)ie Verbrennung
ber Säbgünge ift alfo bie .^auptwirfung beß in ben Otganißmuß
eingeführten ©ouerftoffeß.
3)iefer Verbrennungßprogeff hnt aber feinerfeitß nod) eine
fel)t widjtige fRebenwirfung. 3eber Verbrennungßprogeff ift ja
befanntlicb mit SBärmeentwicfelung oerbunben, unb fo audh ber»
jenige ber Slbgangßftoffe ber ©ewebe, — unb bamit ift bann
bie .^auptquede ber thierifcben äBärme gegeben.
(587)
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8
(Die SSebeutung be8 atbtnungfiptojeffe« für ben t^ierifdjen
^örpet ift aifo bie, ba§ burd^ ben in bemfelben eingefü^rtea
©auerfioff bie Abgänge ber t^ieti|(^en ©ewebe »etbrannt metben,
wobut(^ einerfeitö beten 0efeitigung au0 bem ^br))et ein*
geleitet wirb unb anbererfeitfl bie @igenu>ärme beS ^6t;>er0
ergeugt wirb, weldbe beffen Sefte^en innerhalb gewiffer ©rcnjen
unabhängig von bet äu§eren Senq^etatut hinfteQt
^ie gefdhilbetten (hemifchen ^togeffe fann lein
entbehten; bei aQen mu§ aIfo bie SUöglichfeit gegeben fein,
ba§ bie ©ewebe mit ©auetftoff butdittänft wetben. S3ei einet
großen iKngahl von Slhieten finben wit bann auch aOetbingS
befonbete Otgane, als beten S3etri(htung gu erfennen ift, ba§
He bie Slufnahme beS ©auetftoffeS in ben OtganiSmufl »er*
mittein, unb welche beSh^Ib auch nSthmungSotgane“ genannt
wetben. 0ei anbeten uetmiffen wit baS IBot*
hanbenfein folchet Dtgane. ^fluffallenb, wie biefe 2:hAifo<i>e
auf ben erften 93Iicf erf^einen mag, lä^t He ft(h boch ohne
©chwietigfeit erfläten.
^ierfüt ift abet not aQen IDingen feftguhalten, ba§ bet
©auetftoff bem ben umgebenben fDiebium entnommen
wetben muh, entwebet aifo bet atmofph&tifchen 8u|t obet bem
SBaffet.
3n S3egug auf bie in bet 8uft lebenben Slhiete iH cS faum
nöthig befonbetS angufühten, bah bet ©auetftoff ein feht
wefentlichet Seftanbtheil bet atmof))hätifchen 8uft ift, inbem et
in biefet, mit ISuSnahme gufäQigei ^Beimengungen, in bem un*
gefahren SSerhältnih oon 1 gu 3 mit bem gang inbifferenten
©tidftoffe gemengt ift. ^>ict ift aifo ein genügenbet SSonath
oon ©auerftoff beftänbig gut ^etfügung unb eS ftagt Hch nut,
in weldhet SBeife betfelbe in bie ©ewebe eingefühtt wirb. Diefe
f^tage witb fhätet einlählid)er gu behanbeln fein.
^t bie in bem Sßaffer lebenben h^t baS umgebenbe
C»88)
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9
SBoffct ben nöt^tgen ©auerftoff gu liefern. 3»ar Befi^t baß
SBaffet in feiner 3«faramenfe^ung eine fe^r BeträdBtlidBe ÜRenge
»on ©ouerftoff, bicfe ift aber o^ne eine dbemif(^e 3erlegung
beß SBafferß nid^t frei gur Verfügung. ®ie SlBgabc »on ©auer’
ftoff anß bem SEBafjer ift olfo ouf anbere SBeife gu erfiären.
|)ierfür ift eß nun »on befonberem Sntereffe gu wiffen, bafe
baß SBaffer baß Sermogen bcp^t, @afe in ficB aufgune^men
unb an fidb ju binben, wenn au(B biefc IBerbinbung eine fe^r
lofe ift unb burd^ ©rwärmung ober Sferminberung beß Suft«
brurfeß fe^r leicht gelbft werben fann. — 2)ie lo^lenfaurcn
SBaffer geben bafür baß einfa^fte unb befanntefte SSeifpiel. —
@in jcbeß freie mit ber Qltmofp^äre in S3erüBrung ftebenbe
SBaffer enthält beßwegen eine gewiffe fIRenge »on atmof))^rifcBer
Suft unb alß beren IBeftanbt^eil eine entfpre^enbe fIRenge »on
©auerftoff gebunben. greilid) beträgt biefe Bödlfteuß V/U Ber
SBaffermenge (bem Bolumen na^), inbeffen ift bamit bodb
immer ein genügenber iBonatI) »on ©auerftoff in leicbt »er°
fügbarer ©eftalt in bem SBaffer »or^anben unb fann für bie
fSt^mung benu^t werben. S)ie Siliere, welche in bem SBaffer
at^men, entnehmen alfo eigentlitb au^ nur ber atmofp^ärif^en
Suft i^ren '©auerftoff, wenn biefeß aud; burdb baß SBaffer in
begeid^neter SBeife »ermiltelt wirb.
SBo unb wie nun auch ber ©auerftoff bem Drganißmuß
bargeboten wirb, fo fann er niemalß alß freier Suftftrom in
bie ÜRaffe ber ©ewebe einbringen, benn biefe flnb überall gegen
aufeen abgeft^loffen. Sie gorm, in welcher er einbringen fann,
mu| ba^er ftetß nur biejenige ber Siffufion fein b. bie»
jenige, ba§ er »on ben glüjfigfeiten, welche in ben ©eweben
liegen unb biefe burcBtränfen, ben SSerbinbungen, in welchen er
fi(^ befinbet, entgogen wirb. Ser ©auerftoff ber 2uft mufe
alfo ber äußeren Suft babur^ entgogen werben, ba^ er von ben
geuc^ttgfeiten ber ©ewebe, welken er bargeboten wirb, ab»
forbirt wirb; — unb auf gleite SBeife mu§ ber an baß SBaffer
(S89)
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10
flebunbene @auet[toff biejem entjojen »erben. — SBit bürfen
l)ierfüt eine 9trt i'on Sfnjie^unij bea @ouerftoffe0 burdb bte
(^eu^tiäf eiten ber ©cwebe anneljmen.
(gelbftnerildnbUd) »irb für biefe Slnjie^ung eine getoifle
räumli(^e ©ren^e gev3eben fein muffen, über »el(^c ^inou0 fie
ni(^t me^t »irfen fann. 3;l)ierförper nun, weld^e »ic biejenigen
ber 3nfuiorien in il)ter gan3en ©rö^e biefe @ren3e nidjt über*
fc^reiten, fönnen beSmegen mit i^ret Dberfldc^e oljne 2Beitere§
i^rer Umgebung ben notl)igen ©auerftoff entnehmen unb be«
bürfen beSmegen feiner Sltl)mung0apparate. — 5n bem gleichen
^aQe befinben fid| auch folt^e it^ierleiber, »el(^e wie manche
niebere ©eet^iere 3. S. 9)iebufen, eine unoer^öltni&mäfeig grofee
glüffigfeitamenge in i^ret Subftan3 entgolten; auc^ biefe be»
bürfen befonberer SJlt^mungaapparate nidjt, inbem bie an ber
äußeren Oberfläche be0 SEhi^rleibea mit ©auerftoff belabene
©cbichte innerer Stüffigfeit fich leicht in bem gan3en Äorper
biffunbirt unb auf biefe SSJeife ber an ber Oberfläche auf»
genommene ©auerftoff überall in ben Äörper »ertheilt wirb.
S3ei gröhereu ”1*^ fefterem Sau finb inbeffen be»
foubere ©inrichtungcn nöthig, welche ben ©eweben ben ©auer»
ftoff birefter 3uführen; fo finben wir 3. S. bei ben fefler ge»
bauten SRabiaten (©eeigel, ©eefternen) ein ben Äörper burch»
giehenbea Äanalfpftem, weld)e0 ba0 umgebenbe SBaffer auf»
nimmt, fo bah biefe0 burch ben Äorper innerlich oeitheilt, feinen
©auerftoff au bie ©ewebe abgeben fann.
3)a0 fchönfte Seiftjiel birefter Sufühtung bc0 ©auerftoffea
31t ben ©eweben finben wir inbeffen bei ben 3nfeften.
3n ben ©eitenlinien be0 Äörpera befinben fleh nämlidh bei
biefen 3»if^en ben hom«tigen geibearingen fleine runbliche
Oeffnungen (stigmata) unb »on einet jeben berfetben geht ein
©pftem oon JRöhrchen aua, welche fich theilen unb »ieber
theilen, bia fie fich enblich auf ba8 feinfte au0gefpalten in allen
Organen uerbreiten. Die SBanbung biefer Siöhr^en, wel%
(>90)
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11
man „Stac^ecn“ nenn!, ift burt^ einen ummtnbenben ^ornattigen
©piralfaben fo gefteift, ba§ fte Jtetö ein offenes turnen um*
f(^lie&t. JDurd^ bie Stigmata tritt nun bie äu§ete 8uft in
biefe Scac^een ein unb oert^eilt fic^ burd) biefelben in beni
ganzen Äöri>er. Se^r aQgemein finb biefe ©ligmata butd)
jum SJ^eil feljr jierlid^e ©ebilbe oergitteit, fo bo6 bure^ bie»
felben fein Staub in bie Slracbeen einbringen fann; unb »aö
bie 33ert^eilung bet Srac^een angelt, fo ift biefe eine fo alfge»
meine unb fo feine, ba§ man faum irgenb einen S^eil eines
3nfefteS unter baS fKifroffop nehmen fann, ohne in bemfelben
Jhrile Don beten festen SSeräftelungen gu finben. — 3Bit be»
gegnen in biefet (äinrichtung bet überaus intereffanten
fache, ba§ butch biefelbe ben ©emeben biteft f^uft gugeführt
wirb unb finben barin eine wichtige Seftdtigung bafür, bafe
bie Sauerftoffjufuht in ben Äörper ttitflich in naebftet unb
engftet SSegiehung gu bem fjeben bet ©ewebe fteht. — lernet
werben wir aber auch burch bie nähere 33etrachtung biefer ©in*
richtung batauf geführt, ba§ wir ben Drt ber 33etbrennung
bet SlbgangSftoffe ber ©ewebe in ben ©eweben felbft gu fuchen
haben. S)ie Berfe^ungSprobufte ber ©ewebe finb ja febenfaDS
wäfftige gßfungen ober wenigftenS wäffrige weidje Subflangen.
SBürben biefe in bie Tracheen einbringen, um in biefen oer»
brannt gu werben, fo mü§te man fie fichet unter bem fUlifroffop
bort fehen fönnen. fRiemafS aber fieht man in ben Siracheen
etwas anbereS alS 8uft. ©ie i^eteinigung beS SauerftoffeS
mit ben Betfe^ungSprobuften mu§ alfo nothwenbiger Seife
innerhalb ber ©ewebe gefchehen. Selbes bann baS weitere
Schicffal ber SSerbrennungSprobufte ift, fönnen wir ni^t fagen.
Sit werben aber anetfennen muffen, bo§ fie nur auf gweierlei
Seife aus bem Äörpet entfernt werben fönnen; entweber nämlich
fönnen fie fid) ben in bet UeibeShöhle befinblicben freien ©lut»
maffen beimengen unb auS biefen burch abfonbetnbe ©rüfeu
auSgefchieben werben, — ober fie fönnen in ©aSgeftalt in bie
(591)
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12
Srac^een gelangen unb auf biefem SBege baS Bteie gewinnen.
SBa^rfdbeinlidb finbet beibeb ftatt, inoem bte wäffrtgen Söfnngen
but(i^ bte abfonbernben IDrüfen, bte gaSf6imtgen 9>robufte ba<
gegen buicb bie Slrad^een in bie Su^enwelt gelangen.
S>er ^t^munggapparat ber 3nfeften gibt un6 alfo fe^t
ttid^ttge 9uffd^(üffe, inbem et und einen birelten ^inweid
batauf giebt, ba| bie S3ebeutung ber @infü^ntng bed @auer>
ftoffed in ben Ocgantdmud nur bann wirflidb jut @rfüQung
fommt, wenn berfelbe in fein nert^eiltem Suftanbe ben ©eweben
fo bargeboten wirb, ba^ er fie gang burt^btingen fann. IDie
feine SSert^eilung ber Luftwege burc^ ben gangen .Körper gibt
hierfür bad .^ütfdmittel ab. — 93ei benfenigen inbeffen,
welthe ein fd^arf audgebilbeted @efä^fpftent beft^en, n&mlidb bet
ben SBtrbelthieren, bebarf ed etned folchen ^ülfdmitteld nicht.
IDiefe hoi’C” ©efägfpftem eine Ülnorbnung fein
audgefpaltener (Röhren, weld^e in ihren lebten SSertheilungen ald
ein feined 9teh in ben 6)eweben gelegen finb. Sunädhft finb
biefe Stohren aderbingd ber ^ühtung bed S3luted beftimmt,
welthed, auf biefem SBege ben Geweben gugeleitet, biefen bie«
jenigen SRaterialien barbietet, beten biefelben gut @rgängung
ihred Slufbaued bebürfen; inbeffen gewinnen fte hoch auch bte
gleiche Sebeutung wie bie Sltacheen ber 3nfe!ten, inbem fte
auher ben @mährungdmaterialien auch n<’(h nöthigen
@auerfto{f gu ben Geweben hinfühten. @elbftDerftänbli(h
fönnen nicht biefe beiben SRaterialien getrennt neben einanber
in ber gleichen @efä§röhre geführt werben, unb ed ift ihre
gleichgeitige Sefötberung auf berfelben 33ahn nur baburch mög»
lieh, bah einet einheitlichen SRaffe bereinigt finb. @o
ift benn auch SBirflichteit bad ben Drganen guftrömenbe
SJlut eine SJlengung »on S3lut im engeren ©inue, b. h- »on
(Smährungdfiüffigfeit, mit ©auerftoff, welker an biefe butch
Slbforption gebunben ift. 3n ben @eweben werben non biefen
beiben 93eftanbtheilen entfprechenbe ^ntheile abgefe^t unb pnben
(59J)
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13
no(^ i^ret 9lrt S3erwenbung, bie ©rnS^rungöflfiffigfett für ben
38ieberer[a^ ber ©ewebe, ben ©auerfloff für bie äSetbrennung
ber 3etfe^ung0probufte. ©agegen treten aber bie 3erfetung8»
l^robufte ttieber in bie ©efü§e ein unb gwar fc^on ale »er«
brannte 3«tfe^ung8brobufte in ©eftalt non wöffrigen 8ßfungen
unb in ©eftalt non SEßaffer unb ^o^Ienfäure. IDa^er ift benn
aud^ baß burdb bie 93enen au8 ben ©enieben jurüeffe^renbe Slut
reic^ an SBaffer unb Äo^Ienfdure unb nerbanft biefem Umftanbe
feine IDünnflüffigfeit unb feine bunfele Färbung. @8 ift inbeffen
bie 9JißgIid)feit nit^t gau3 »on bet ^anb ju weifen, ba^ bie
3etfe^ung0probufte t^eilroeife au(^ in ro^em Suftanbe, b.
unnerbrannt in bie !@Iutba^n einbringen unb erft in biefer burc^
ben noch im Slute jurüdgebliebenen £^eil beS ©auerftoffed
nerbrannt werben.
@0 entftebt nun bie ^age: 3n welcher Seife fann ba0
23Iut* mit bem in ber äufeeren ?uft, bejie^ungßweife in bem
Saffer enthaltenen ©auerftoffe fo befrachtet werben, bag er
ber angegebenen S3ebeutung entfpre^en fann?
• 5Da0 S31ut ift, wie jebe anbere glüffigfeit, wäffriger fRatur,
geeignet, ©afe burch iflbforption in ftch aufgunehmen. Um eine
gewiffe SKenge »on Sauerftoff an ba0 33Iut gu binben, ift
bähet nur nöthig, ba§ eine gewiffe fUlenge »on S3lut mit ber
äußeren Suft ober mit lufthaltigem Saffer in nahe Berührung
gebracht werbe. Unmittelbare Berührung ift nicht möglich, ba
ba0 Slut ftet0 in feinen IBahnen eingef^loffen bleiben mu^,
unb e0 genügt auch nach ©efe^en ber IDiffufion, ba§ biefe
Serühtung mit 3wifchenf^altung einer ganj bünnen unb jarten
fUiembran gu 0tanbe gebracht wirb.
Sir finben nun biefen 3wecf baburth erreicht, ba^ ein fehr
gart gebauter $h*il Äörperoberfldche, in welchem eine fehr
reichliche S3Iut»ertheilung in einem fehr gartwanbigeu ©efd^ne^
au0gebreitet ift, ber SBetührung mit bet dufeeren 8uft be»
(5»3)
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14
jiet)unge»ei|( mit bem lufthaltigen äBaffer audgefe^t ift. 9ia(h
ben @e{e$en ber IDiffufion nimmt bann an einer fold^en f^lä(he
baS S3Iut ben ©auerftof ber äu§eren Suft auf unb gibt bagegen
an biefe bie in ihm enthaltene non ber Verbrennung ber Wn-
gänge h^^ührenbe ^ohlenfäure ab; an folchen Bischen fann
audh, menn fte mit 8uft in Verührung pnb, leidbt rine gewiffe
aUenge beö in bem SSlutc enthaltenen SBafferß »erbarapfen. —
©ol(he Oberflächen hol’c« fo f«ne bie gleiche Ve»
beutung wie bie Stigmata ber Snfelten, alö fie bie ©intrittö»
tjforten für ben bem Äörtjer nothwenbigen ©auerftoff finb; —
fie unterfcheiben fidh aber non ben ©Hgmata baburch, bah »on
biefen au6 bie 8uft bireft in bie ©emebe geführt wirb, währenb
an ben in bejeichneter SEBeije organifirten Oberflächen bie 8uft
gunächft nur an baö Slut gebunben wirb, um bann mit biefem
ben ©eweben jugeführt 3U werben.
S)a nun aber immer nur nerhältnihmähig Heine ^h^He
ber äußeren Oberflä^e be6 2:hi*HeibeS eine folche Organifation
geigen fönnen, weil hoch an bie Oberfläche überhaupt ber Än»
fpruch einer gewiffen SBiberftanbäfähigfeit gemacht wirb unb
biefe eine herbere ©truftur nerlangt, unb ba ferner hoch noth=
wenbiger SBeife ftets eine moglicpft grofee aiienge non 33lut
mit ©auerftoff befrachtet werben muh, fo finb bie bejeichneten
Slheile ber Oberfläche burch reichliche Saltenbilbung fehr be*
trächtlich nergröhert unb 3wat fann eine folche Vergroherung
in gweietlei 9lrt ftattfinben.
2)ie eine 9lrt ift bie, bah «nf «ner Keinen Vap8 ber
äuheten .Ipnut eine grohe Slngaht bünner Vlätter ftehen, welche
mit einer fehr garten J^aut übergogen unb reichlich mit S3lut=
gcfähnehen burchfelgt finb; biefe ^orm nennt man „Äiemen*.
begreiflicher SBeife fönnen folche Äiemen nur ba Verwenbung
finben, wo ber ©auerftoff bem äilaffer gu entnehmen ift, benn
an ber ^uft würben fie fchnell oertroefnen unb bamit untauglich
werben.
(S94)
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15
!Die gtoeite 9lrt ift biejenige, in weld^er bie SSetgrö^etung
bet Dberflä^e burdb ©inftulpungen in baS innere beö ÄörperS
enei(bt wirb, ©olc^e 6inf^ül^3ungen fönnen cntroeber nur ©öde
fein, njeicbe an bet ^ötpetobetfiäcbe auSmünben unb etwa an
i^tet inneren Dbetflädje no(b eine ängabl »cn Borfprtngenben
Balten geigen, wie bei ben B^öfcben, ober fie fönnen bie ©eftalt
aftartig auögefpaltenet JRöljren geigen, wie bei ben ©Suge»
t^ieren. äBelc^e non biefen beiben ©runbgeftalten fie aber audb
haben mögen, fo führen fie ben fRamen „2unge“.
@ine etwas eigenthümliche 3n>if(bcnform geigen bie Bifch^-
S3ei biefen befinbet fich nämlidh jeberfeitS hinter unb unter bem
Äopfe eine fehr gto^e Oeffnung in ber geibeSwanb, weldhc
geraben 2öegeS in ben ©chlunbfopf fuhrt. SDiefe Oeffnung ift
»on einet Slngahl gartet 23lStl(hen ddu bem Saue ber Äiemen
gitterartig burrhfe^t unb gwifdjen biefen ftrömt beflänbig baS
SBaffer hindurch, fo ba§ an beten Oberfläche bie ©auerftoff=
aufnahme in baS S3lut gefcljehen fann. SBenn biefe ©ebilbe
nun auch nitht> ®i« anbere Äiemen, bircft bem SÖaffer bar=
geboten finb, fonbern baS SBaffcr bur^ befonbcre Slhötigfeit
ftetS gwifchen ihnen hinburch getrieben werben mu^, fo nennt
man fie bo^ ihres SaueS wegen ebenfalls „gtiemen",
$Da nun bie iÄufnahme ooii ©auerftoff iu ben jförper in
bem gewöhnlidhen ©prachgebtau^e „Slthmen" heifet, fo pflegt
man gu fagen, bafe gewiffe Sthiere but^ Slta^een, anbere burch
Kiemen unb wiebet anbere burd) Zungen athmen.
3nt SUlgemeinen fommeu Jra^een ben Snfeften gu, .ttiemen
ben SBafferthieren unb ßungen ben Sanbthieren. — Seffer
würbe man inbeffeu wohl fagen, ba| Jtiemen bie ©auerftoff»
aufnahme auS bem SBaffer oermitteln, jungen aber biejenige
aus ber Suft; benn gewiffe Söafferthiere, wie Jritonen unb Söale,
welche Sungen befi^en, nniffeu ftetS an ber Oberfläche beS
SöafferS ?uft in biefe eingiehen unb fönnen ihren ©auerftoff«
bebarf nicht mit ^ülfe ber iiungen bem Süöaffer entnehmen.
(S95)
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16
S)ui^ bie angegebenen üllobtftfationen eined S^eiled bei
J(örperoberfläd)e -in @e[talt non ftdcbenreicben fernen ober
jungen roitb eS bann eiiei(^t, ba§ bie gejammte 9 (nt:
maffe beS ^örpeid ben bejeic^neten Umn)anblungSprc;;e§ et«
fahren fann, e^e fte, nac^bem fle ald S^enenblut aug ben @e«
»eben juiüdgefe^it ift, in i^rem beftänbigen ^eiölaufe tttebet
auf’8 9leue in bie ©emebe entjenbet mitb. JDet ganje ÄtciS«
(auf beS SluteS befielt alfo eigentlid^ barin, ba§ baffelbe in
bie in ben ©eweben liegenben ©efä^ne^e einfhömt, ^ier <Sauer«
ftof^ abfe^t unb S^erbtennungdijrobufte aufnimmt, — fobann abet
in bie ©efa^ne^e bei at^menben gläd^en (fernen, gungen)
eintiitt, ^iet bie Seibrennungfiprobufte abgibt unb (Saueiftoff
aufnimmt, — l)ierauf wiebet in bie ©ewebe ge^t jc. — 3wif<^en
biefen beiben gewiffetmafeen al8 ^ole be8 ÄteiölaufeS bafte^enben
©efäfene^en (Äotpergefä§ne^ unb 3(t^mung8gefä&ne^) ptömt
ba8 ^lut in gto^eten @tämmen, in welche gugleic^ al8 ^tieb«
ftaft für ben Ärei8lauf ba8 eingefügt ift,
SDet Drt bet ©infügung be8 ^erjen8 ift abet ein »er«
f^iebener unb bana^ ^aben auc^ bie ÜIt^mung8a^parate eine
»etf(^iebene telatioe Sage ju bem ^evien.
33ei ben Ätebfen, meld^e allein unter ben witbellofen
Spieren einen au8gebi( beten ,^ei8Iauf befi^en, fammett fi4) ba8
au8 ben ©eweben tücffe^tenbe, Senenblut in Stämmen, welche
fid^ wiebet in ben Kiemen »erafteln ; unb bie au8 biefen wiebet
au8tretenben Stämme ge^en bann gum ,^etgen, um »on biefem
wiebet in bie ©ewebe getrieben gu werben.
S3el ben gifc^en bagegen ge^t ba8 SOenenblut guerft gu
bem jpetgen unb wirb »on biefem gunä(^ft in bie Äiemeu ge«
trieben; au8 biefen gurüefgefe^rt unb in einem Stamm ge*
fammelt ge^t e8 bann wieber in bie ©ewebe, um fid^ in biefen
gu »ertbeilen.
Sei ben ifrebfen liegt alfo ba8 ^)etg gwijt^en bem Jriemen»
gefö&nel unb bem Äetpergefaßne^ in bem arteriellen Strome,
(S96)
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17
— bei ben ^ifd^en aber a»if(^en bem Körper gef dfenc^ unb bcm
ifiemengefd§ne^ in bem nenofen ©trome. (SrflefeS ^eigt bed«
megen aut^ „Äötper^erj", le^teteö ^Äiemen^era". aHe
SEBitbelt^iere (SSögel, ©äuget^iere) befi^en aber an beiben
genannten ©teilen ein ^erj, beft^en alfo ein Äör^jer^era in bem
artieDen ©trome unb ein ^iemen^eta (ober i^ungen^erg) in bem
oenojen ©trome. IDiefe beiben ftnb jebocb äu§erli(^ fo oer«
einigt, bag man fie ald ein einjiged Organ anfie^t, melc^ed
man f^lec^tweg *^erg" nennt. JDiefe ungenaue 3luffa[fung
veranlagt benn eine ent{i>re(benbe ungenaue IDarfteHung beä
iBIutfrei^Iaufed. IDtan lägt nämlicg bag IBenenblut beä ^ör))erg
in baö „.^)era“ eintreten, au8 bem „.^ergen" in bie Zungen
gegen, — bann natg gefcgegener Umroanblung gu bem „^>ergen"
gutücffegren, oon bem „.^etgen* wiebet in ben Äßtper gegen jc.
— Dieje Sarftellung gibt bann ba8 geläufige aber ungenaue
5?ilb be8 Äreifilaufeg, wonacg man gwei J^reiSläufe unter«
{(geibet, wel^e ficg in bem ^er^en berügren, nämlicg einen
„gtogen ÄteiSlauf" oon bem ^)ergen burtg ben Äörper gu
bem |)ergen gurüd, unb einen „fleinen Jfteiölauf“ ober
,ljungenfrei0lauf " oon bem ^)etgen burtg bie Zungen gu
bem .^ergen gurütf. — ^iernotg ift alfo ein befonberer Slgeit
ber IBlutbagn, weltgen aber ba8 gejammte 3)lut immer burtg«
laufen mug, ege eS wiebet in bie ^örperblutbagn eintritt, in
birefte 93etbinbuug mit ben SStgmunggwerfgeugen (ben jungen)
gebracgt.
35ie Äiemen werben beftänbig oon SBaffer umfgjült. @6
ift begwegen feine befonbere ^gätigteit notgwenbig, um in
ignen ba8 Slut mit bem Sauerftoff in Sctügtung gu bringen
unb felbft bei ben giftgen wirb nur eine unbebeutenbe SEgätig«
feit gierfür in 'jinft>ru(g genommen.
9nber0 ift e@ bei benjentgen agieren, weltge burtg Sungen
atgmen. 3n ben im 3nnern beö Äörpetß gelegenen ^ogltaum
XIX. 44k. 2 (5*7)
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18
ber Sungen tann bte Buft ntd^t von fetbft etnbringen. ®te mufi
mit einet gewiffen @e»alt, mit einet gewiflen Äraft btnein»
gettieben metben, um i^n etfüllen 3U fönnen @8 ift biefe8
um fo not^menbiget, als, mie ft>5tet noch be[onbetS b^TUoC’'
ju^eben fein mttb, bie SBanbungen bet 8ungeneinftülf>ung febt
viel elaftifcbeS ©emebe enthalten unb burcb beffen @inmitfung
im IRube^uftanb uetfütjt unb oetengett etfcbeinen.
9luf jmeietlei SUeife mütbe eS nun mbglicb fein, bie 8uft
in ben 8ungenfa(f einjutteiben, entwebet nämltcb babutcb, ba^
eine biteft eintteibenbe ^taft in ^b^tigfeit gefegt mütbe, obet
babutcb, bag bie äBibetftänbe fo »etminbett mütben, ba| bet
&u|ete 8uftbtud alS eine telatiu gtöbete @emalt bie @intteibung
ju bemitfen im @tanbe fein mütbe. @S mütbe gu meit führen,
menn entmicfelt merben foQte, matum bie etfte Srt, bie birefte
Sletmebtung bet eintteibenben Äroft, faum burcb bie ^ülfs=
mittel beS DrganiSmuS erhielt metben (önnte. @S fei beSmegen
foglei^ bie ^rt unb SBeife nadbgemiefen, in melcbet bie 9Biber«
ftänbe oetminbert metben tonnen, fo ba^ bet äußere Buftbrucf
als eintteibenbe @emalt oollftänbig genügt unb benten mit
babei gunü^ft an bie IBetbältniffe beS menfcblicben Körpers.
Setanntlicb ift bie 8nnge in bemjenigen ^b^ile bet IRumt^f«
höhle gelegen, meldhen man alS Stufthöhle begeichnei IDiefcr
9taum ift tingSum von bem Inöchetnen Sruftforbe (ben fRibpen)
umgeben uub ift nach unten butch baS 3metd}fell abgef^loffen.
IDaS 3n>er^feQ ift eine SRuSfelplatte, melche an bem ganzen
unteren Umfange beS SruftforbeS angeheftet ift unb im et«
fchlafften 3uftanbe butch bie von ben Sauchmanbungen gu«
fammengebrängten !0aucheingemeiben fo nach oben gebrücft
mirb, ba| fie ftatf fonoejr in bie Sörufthöhle hinein tagt unb
baburch beten JRaum beengt; — im jufammengeiogenen 3n«
ftanbe ift fie jebodh abgeflacht unb bet Srufthöhlenraum ift ent*
fprechcnb oergtöhett. — SEBit etlennen in biefem S3ethöltni§
fchon ein michtigeS ^pülfSmittel, um ben ©intritt ber 8uft in bie
(r.»9)
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?unge ju oeranlaffen. bo8 ben SBibet»
ftanb ber 33au(^mu8feln übeininbenb, jufammen, fo witb ed
bie S3aud^etn3ewetbe ^inabtreiben unb bie älauAwanbungen
babuic^ audbe^nen, ber 9ru[t^ö^lentaum aber wirb erweitert
werben. @0 ift bied nit^t anberd, ald wenn ber @tembel einer
@pri^e anc^ejogen wirb. 3Bie bei biefer in Solge beS ^njiel^end
beß ©tempelß nnb ber baburc^ bebingten SSergrö^erung iijreß
.po^Iraumeß bie 8uft burc^ baß ©augero^r einftrömt, fo ftrömt
au(^ bei ber burcib bie SSerfiacbung beß 3wer(bte{Ieß gegebenen
Sergrö§etung beß Sruftraumeß bie 8uft burdj bie mit ftanen
SBanbungen »erfe^enen Luftwege, bur^ bie 9tafe unb bie 8uft*
rö^re in bie 93ruft^ö^(e ein unb erfüllt bie ^o^Iräume ber
tiunge. 2)ie lebten @nbigungen ber üuftrü^renäfte finb aber
fieine fe^r bünnwanbige ^läßd^en, in welchen ber ©aßaußtaufcb
gwifc^en Suft unb 0lut ju @tanbe lommen fann, weil ein
reicbeß ®efä§ne^ in beren äBanbungen enthalten ift. — 3ft
ber @aßaußtau|^ fo weit gebieten, ba§ ber in ben 8ungen
eingefthloffenen 8uft ber ©auerftoff ju einem großen
entjogen unb an beffen ©teile j^ohlenfäure getreten ift, bann
mu§ bie Sunge non ^uft foweit möglich entleert werben, bamit
auf’ß 5Reue atmofphärifche 8uft eingejogen werben fann. 3)iefe
6ntleemng ber 8unge fommt aber auf baß einfachfte ju ©taube.
IDurch bie einbringenbe 8uft ift nemlidb baß bie gange 8unge
reichlich burchfehenbe elaftifchc @ewebe außgefpannt unb eß
genügt bie ©tfchlaffung beß 3werchfelleß, beffen 3ufammen»
giehung ben Stuftraum erweitert h“lf bie ©laftigitöt biefeß
@lewebeß gut ®eltuug gu bringen, fo bah fl<^ bie gange Sunge
auf einen fleineren Umfang gufammengieht unb ben grölten
Stheil ber enthaltenen 8uft h*naußtreibt; gleichgeitig brangeu
bann auch bie norgetriebenen Sauchwanbungen bie non ihnen
umfdhloffenen @ingeweibe wieber gegen baß 3werdhfell, fo ba|
biefeß wieber in bie Srufthöhle hineinflctrieben wirb unb bereu
JRaum nerfleinert.
2* (5»9)
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35iefed ift bet SRe^aniämaö, but(^ »eichen In bem ge=
YDÖ^nlic^en ruhigen 3uftonbe bet (äinttitt bet ?uft In bie
^unge unb beten Entleerung gu ®tanbe fommt. @8 ijl abet
gugleid^ betjenige IBotgang in bem 2(t^mung8)>tcge|,' meld^en
man aQein beobachtet unb beSwegen Quch baS «Spiel
biefeS SKecbaniflmuö in bet SßolMfptache „Slthmen“ unb beffen
eingelne Slfte „Einathmen“ unb „Sluöathmen*. — 5Bte au8
bem ^othetge^enben gu etfehen, ift aifo beim gemöhnlidben
ruhigen Sithmen nut baS Einathmen eine lebenbige flRudM«
thätigfeit, ba8 9u8athmen aber nur bie^oige bet SBirffamleit
phhfifalif«h*'^ Äräfte.
9li(ht immer bef^ränft fid) bet 9Ithmung8me(hani8mu8 auf
tiefe einfachen SBotgänge, melche eigentii^ nur eine 9ltt oon
iBentilation in ben .pohlraumen ber Sunge ergeugen, inbem
babei bie Sunge niemals auf ihr fDiajnmum auSgebebnt unb
audh niemals gönglich entleert wirb. ES fommt häufig »ot,
bah ein gtöhcreS SlthmungSbebürfnih eine ftdtfere SJufüIIung
bet Sungen »erlangt, ober auch, «ne ftärfere Entleerung
bet iiunge, als eS beten Elaftigitdt aOein gu Staube bringt,
gebraust »itb, — etftereS bei ftärferen fötperlichen Slnftten»
gungen, hnpigem Saufen k., Unteres bei lang gebehntem Stufen
ober Singen, bei ftarfem SSlafen jc. 3n tiefen fällen mitb
tie SBanbung ter ©tufthöhle gu |)ülfe genommen unb batch
beten ^)ebung bet innere Sruftraum erroeitert.
3)ie Stippen liegen nämlich fo in bet Sruftmant, bah pe,
hinten an bet iEBirbelfäule beweglich befeftigt, f^räg nach norn
unb unten abfteigen unb gwar bie unteren mehr alS bie oberen.
3ln baS in bet »orteten üJtittellinie bet Stuft gelegene Stuft»
bein finb bann bie »orteten Enten bet fieben oberen Stippen
feltlid) angeheftet unb gwar fo, bap bie erfte, gweite unb britte,
au^ wohl noch bie »ierte Stippe in einem einfachen Sogen von
bet SBitbelfduIe gu tiefer änheftungSftetle gehen; bie folgenben
Stippen aber fteigen in ihrer Schieflage fo tief hinub, bafi fie
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erft mit einer ftarfen ^bfnidfung nach oben, in intern notberen
6nbe aufmärtd fteigenb, bad ä3ruftbein eneic^en fönnen. SBie
ftarf bie)e iSbfnicfung ift, fann man baranS fe^en, ba^ bie
fiebente SWipt)e, an »eichet Re fi(^ am ftörfften 3eigt, »on ber
{)ö4e beS fiebenten S3ru[tmitbeIS bid ju bet |)6^e beS jniölften
3)ruftmirbel@ ^inabReigt unb bann miebec big gut {)ö^e be0
achten 3)rufttoirbeld ^inauffteigt, um baS untere @nbe bed
Smftbeined gu erreichen. S)ie folgenben (ac^te bid gwölfte)
9tif)t>en jeigen bie entff>re(!^enbc Slnorbnung mit bem Unter«
f(^tebe, baR i^re lebten nor ber SIbfniefung gelegenen S^^eile
ft(b nid)t an bad 93ruftbein, fonbern an ben auffteigenben S^eil
ber 3unä(^ft barfiber liegenben diRjpe anlegen. 3)ie auffteigen«
ben 2^^cile ber fiebenten nnb ber folgenben SRipfjen bilben ben
feften feitU^en Otanb bei fogenannten ^er^giube.
93on befonberet 3öid)tigfeit für ben SKec^aniSmuä ber
0Up))en mirb bei Umftanb, baR alle 0{ipben in t^rem noibeien
Steile ni(^t me^i fnöc^ern ftnb, fonbent fnorpelig; infibefonbeie
finb bei benjenigen Stipb^n, meldbe bie erw&b>>te (Sinfnidung
geigen, nur bie abfteigenben fnöcbein, bie ^nidungfifteQe
felbft aber unb bei auffteigenbe bagegen fnoipelig.
äSBeiben nun bie Riippen gehoben, fo muR i^ie b*nteie
Slnbeftnng an bei Söirbelfäule in unoeran beiter ^age bleiben
unb autb norberefl birelt ober inbiieft mit bem öiuftbeine
oeibunbeneö @nbe fann megen bei geringen Bemegli^feit biefet»
ÄnodbenS nur geringe gagenneiänberung erfabren. 3n ber
gehobenen 9Uppe muR fi^ bedbalb bei biegfame fnoipelige
ÄnirfnngSwinfel gerober ftieden unb bie fo geftreefte 9ftippe
muR bann um ibie beiben feftgebaltenen @nbpunfte nach
auRen unb oben »äljen. 5)aber »iib benn bei tiefem @in*
atbmen ber SSiuRfoib an beu ©eiten, namentli^ unten, furjei
unb weiter unb babei »erbreitert Rdb bie ,^erjgrube.
Diefefl Serbalten ber unteren abtbeilung befl SruRforbeö
bei bem gefunben unb (räftigen ©inatbmen weift biftmit aucR
(«i)
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auf bte 9tol^wenbig!eit ^in, bie ^etoegungen bei StuftforbeS
äbetbauf)t unb namentlich feinet unteren ni^t gu h«n>
men, wenn bet 93ebingung entfptochen werben foQ, ba§ bie
Üungen mit einer entfprechenben fOienge frifcher 8uft erfüllt
werben; — unb ed geht baranS beutlich h^roor, welchen fRach»
theil eng anliegenbe ^(eibungdftüde, namentlich Schnütleihe
(6orfet8), auf ba8 gehörige SSonftottengehen be8 Slthmung«»
progeffeö auöüben unb wie ftörenb fte beShalb auch <iuf bie für
gefunbeö £eben fo nothwenbigen chemifchen ^rogeffe be8 Or*
ganiömuö einwirfen. 2)r&ngen hoch folche enge ,^leibung8ftücfe
ben 93ruftforb oft bis gum SSerfchwinben ber .perggrube gufammen!
3>a8 gewöhnliche ^SuSfunftSmittel, ben oberen S^heil beS
iBruftforbed gewaltfam gu heben, fann aber für bie mangelhafte
IHuSbehnung beS größeren unteren S^heileS beS 93ruftfotbed nur
feht unooQftänbigen @tfah gewähren.
3>aS ^eben ber Stippen gefchieht burch SRuSfeln, welche
von ber SEBirbelfäule hertommenb an bie Stippen fiep anfepen
unb biefe gegen bie in Stupe oerharrenbe SBirbelfäule bewegen.
IDer angegebene SRechaniSmuS genügt fepon in fepr h^h«"
@rabe au^ einem ftärteren iXthmungSbebürfniffe. 3nbef[en
fommen boep wopl auep 8äQe oor, in welchen er niept genügt.
@8 finb biefeS bie ^äOe pödhfter tSthmungSnotp g. 93. bei <^erg«
leiben, 93ruftwafferfucpt k. äBeitere .pülfSmittel al8 Hebung brr
Stippen fönnen bann aOerbingS niept gugegogen werben, aber
e8 fönnen bie gur Hebung bet Stippen oerwenbeten .^äfte oer«
meptt unb biefe .^ebung baburep auf ein SRarimum gebracht
werben. IDiefeS gef^iept aber baburep, ba§ eine gewiffe Slngapl
Don SRuSfelu, wel^e fonft @cpulter, Slrm unb ^opf bewegen,
wobei ber Sruftforb ber fefte 9Iu8gang8punft iprer SBirfung ift,
oerwenbet werben, um bei geftftellung be8 ÄopfeS, ber ©cpulter
unb be8 9lrme8 ben öruftforb gu bewegen. Patienten, welcpe
an folcper 9lthmung8noth leiben, fiept man beSwegen auep ben
Äopf burep ftarfe StücfwärtSbeugung be8 .polfeS feftftellen, bie
(602)
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28
®d)ultet nad^ hinten ^inaufjte^en unb häufig aud^ no(^ bie
baburd) gegebene $i]cirung bet @^uUet butcb Slnftemmen bet
Sltme untetftü^en. 3n gcringetem ©tobe fann man bieje ^>al»
tungen fcbon bei ^etfonen, »elcbe 3. 93. na^ [tattern Saufen
„au§et Sittern" ftnb, wabtne^men, inbem ald dbataftetiftifcbe
flRimif füt fotcbe Buftänbe bet 3utüdgebogene ^opf unb bie
nach binten gehobenen ©cbultern beoba^tet metben.
3n aQen Bällen, in weltben but(b |)ülte oon
Rippen bad ©inatbinen 3U @tanbe tommt, in meliben alfo
jtarfe unb [tätffte ^DtuSfeltbätigfeit bafüi in 9lnfptu(b genommen
wtTb, ift bie 9ludatbmung eben jo wie bei bem leisten, obet<
fiäcblicbeton Sltbmen auf bie SSMrfung bet @lafti3ität bet Sungen
angemiefen, biefe mitb abet no^ mefentlicb unterftü^t butcb bie
@lafti3ität bet fRtppenfnotpel. S)ie JtnotpeIfubjitan3 ift nämlicb
in bob<tn ©tabe burdb @lafti3ität auSge3ei(bnet, unb wenn in
bet ©inatbmung bet winfelig gebogene IRippenfnorpel gefttedt
wirb, fo mu^ beffen ©laft^ität butd) bie Äraft bet ©in«
atbmungdmuöfeln übetwunben wetben. ©obalb abet bann bie
SRuSfeltbätigfeit na^ läfet, ma(bt fi(b bie ©laftisität be8 Änot«
pel0 geltenb unb betfelbe ttitt tafcb in feine IRubefteOung (SluS«
atbmungSfteDung) 3utüct. 3ebem tiefeten ©inatbmen pflegt
be§balb ein fcbneHeS ttäftigeS 9lu8atbmen 3U folgen.
äßenn nun audb bet 9lu8atbmung8pt03e§ ein gan3 un«
wiQfürlicbet, nut auf bie pbpfifalifcben Jträfte bet ©laftisität
bet Sungen unb bet IRippenfnotpel angewiefenet 9lft ift, fo ift
e8 bocb möglich benfelben butcb ÜUtuSfeltbätigfeiten 3U mobi«
fi3iten, fo bab et langfamet unb allmäblicbet obet tafcbet unb
gtünblicbet 3U ©tanbe tommt. IDie Regelung in bem ©inne,
bab et langfamet 3U ©tanbe tommt, witb babutcb bewittt, bab
man bie ©inatbmung8mu8feln nicht plöhlich ib^^^ ^bätigteit ein«
fteDen labt, fonbern nur langfam unb aQm&hli(h> ^i<
äßitfung bet @lafti3ität fi^ nicht auf einmal geltenb machen
fann, fonbem nut gewiffetmahen fchtittweife in bem SSethält«
(«03)
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24
utffe, wie bte S^ätigfeit bet @inat^mungdmudfeln na<^lä|t.
iSuf biefe SESeife if) ei benn möglich bem Studat^mungdafte eine
je^r lange 2)auer gu geben, wie bieieJ g. 0. beim @pre<b«i
unb me^r noch beim ©ingen geft^e^n mufe. — iHaicb unb
fräfiig (ann bagegen bie ifludat^mung, g. 0. beim SBegblafen
eines ®egenftanbeS, ^etuorgebra^t werben, wenn man bie 9iii(f>
fe^r bet i!ungen unb ber 9ii))penfnor))eI in ihre IRu^elage ni(bt
nur ber Sßitfung bet @laftigität übeilä^t, fonbetn ÜRuStelfräfte
bafür in iHnfptucb nimmt. ,^ietfüi bienen einetfeitS bie ^uS<
fein ber 0au(!^wanbung, welche in lebhafter Sufammengie^ung
bie 0au(beingeweibe gegen baS SwetcbfeU btücfen unb biefeS
babutcb tiefet in bie 0ruft^ö^le bineinbtängen, — anbererfeitS
aber tönnen auc^ bie gehobenen Stippen but(^ befonbere ÜRuSfeU
t^ätigfeiten ^erabgegogen unb baburcb bet 0tufttaum verengert
werben.
tlngeftrengte ^ortfe^ung foldber auSat^menber SKuSfelt^ätig«
feiten ift bann au(b im ©tanbe, ben 0ruftTaum über ben but(b
feinen Siu^eguftanb begeir^neten Umfong gu verengern unb babnrdb
bie SuSatbniung über baS ÜDfa§ binnuS gu verlängern, welches
burd) bie Sßitfung ber @laftigität allein b^^forgebraibt wirb.
S)ie)eS ^ülfSmittel finbet feine Snwenbung, wenn ^öne febt
lange gebalten werben muffen ober wenn ebne neueS Sltbem«
bolen no(b einige SBorte gut 0oQenbung eineS ©a^eS ge>
fptoeben werben feilen.
S)er biet näher angeführte iDfecbaniSmuS b^t in allen fei*
nen angegebenen bem augenblicflitben 0ebürfniffe angepa^ten
aRobipfationen nur ben 3wf«f, bie 8uft in ben Zungen gu et»
neuern, fo bap baS in ben i^ungen umlaufenbe 0lut ftetS mit
ftiftben guftmengen in 0erübrung treten fann.
@S ift inbeffen ni(bt gu vergeben, ba§ bie Stbntigfeit beS»
felben nur bann gum fRu^en baS DrganiSmuS wirft, wenn burd)
benfelben wirflicb ©auerftoff in baS 01ut eingefübrt wirb.
(«04)
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25
SBü ^aben ja ge jeben, bag bie @infübtung biefeS füc bad 8eben
fc loidbtigen @lementeS ba8 ^auptjiel bed 31tbmung$me(bani6mu0
ift. — fDie SRöglicbfeit feines @intritteS in baS 931nt berubt
aber ni(bt auf einet befonberen 3(njiebungöftaft beS SluteS für
ben ©aueiftoff, fonbern auf ber @igenfcbaft beS SluteS, alS
einer wäfferigen ^lüfftgfeit, @afe in ficb aufjunebmen ober gu
abfotbiten. 2)affelbe nimmt habet aQe ®afe in fidb auf, meldbe
ibm in ben Sungen botgeboten werben unb fübtt fie ben @e*
weben gu. ©inatbmen anberer @afe ol8 bet fauerftoffreidben
atmofpbärifcben Suft fann habet ni(bt ohne febt wefentlidbe @in*
witfung auf ben Organismus bleiben, ja eS genügt b’^efüt
f<bon eine größere Beimengung betfelben an bie atmofpbürifcbe
8uft. @S geigt ficb «bet babei eine nicht unbebeutenbe Bet>
fdbiebenbeit unter ben ©aSartcn. — @ine l^ategorie »on @aS»
arten, als beren üppuS ber ©tidftoff baftebt, ift »oElftünbig
unfcbäblicb unb bet fRacbtbeil bet (äinotbmung gröberer ÜJiengen
betfelben beftebt nur barin, bab baburcb bie 3ufübtung neu
Sauerftoff befebräntt ober bebinbert wirb; foldbe @afe wirfen
alfo aus bem gleichen @runbe erftiefenb, wie baS Untertaueben
unter SBaffet. — IDie gweitc jfategorie bilbet bie Äoblen«
fSute. JDureb bie Sltbmung foH ja Äoblenfdure als iSuSwurfS*
ftoff beS Organismus entfernt werben; wenn aber bemfelben in
ber eingeatbmeten 8uft reidblicb Äoblenfäure geboten wirb, fo
Tann bie in bem Blute enthaltene ^oblenfäure nicht auStreten
unb eS mub gu ber @infcbräntung beS Eintrittes non ®auer<
ftoff babei noch ber 9iacbtbeil ouftreten, welchen baS 3urücf»
holten biefeS auSwurfSftoffeS bebingt unb welcher ficb gunächft
in geftörter ^>ergtbätigfeit unb habet rübrenben Äongeftionen
öubert. ©tdrfer noch müffen biefe Erfcheinungen betbortreten,
wenn bie Äoblenfdure in folchet SRenge in bet 8uft enthalten
ift, bab fie »om Blute aufgenommen wirb, Ungefdbr 20 pEt.
j^ohlenfdnre in bet 8uft genügen fdbon biefe Etfebeinungen bis
gu töbtlicbem SluSgange gu fteigern. 3)er fRachtbeil gu langen
(«Oil
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26
5iet»eilenä in überfüllten IRäumen ift jum großen ü^eil barouf
jurüdfsufü^ren, ba§ bie 8nft in biefen ju fe^r mit auSgeat^meter
Äo^lenfäure gemengt ift. — $Die britte Äategotie oon @afen
umgreift biejenigen, njel(^e »irflit^e Störungen in bem ^eben
beö Drganiömuö biö gu töbtlic^em Erfolge bebingen; biefe
mirfen alfo birett ol0 @ifte. S3on ben belannteren ©aSarten
gehören ^ier^er namentlich baö Seuchtgaö unb baö Jbohlc»’
ojcpbgaö, non melchen namentlich lehtereö in $olge gu frühen
Schließend ber Ofenfla)}f)en fchon vielfach ernfte @rfranfungen
über gar Job veranlaßt hai*
Sud biefen f^olgen unpaffenber Beimengungen gu bet ein*
geathmeten guft ift erftchtlich, »ie feßr ed im »ohlverftanbenen
3ntereffe liegt, bafür gu forgen, baß in ben SBohnräumen mög*
lichft reine atmofphürifche 8uft ber Sthmung geboten werbe.
Bugleich aber ift auch erfichtlicb, welche fRachtheile eine Bimmer*
luft \jahen muß, wie fie häufig auf bem 8anbe getroffen wirb,
wo niemald ein Senket geöffnet wirb, unb Ofenbunft, Speifen«
bunft, .^autaudbünftung gahlreicher menfchlidier unb etwa auch
thierifcher Bewohner unb anbere unnennbare ®adarten ver*
fchiebcnftcr Srt für ächte athembare atmofphärifche 8uft fanm
einen ^la^ übrig laffen.
9ia^ bem in früherem @ntwicfelten finb alfo bie @in*
athmungdbewegungen unb gelegentlich audß bie Sudathmungd*
bewegungen auf SRudfelthätigleiten gurücfguführen. Sld folch«
finb fie aber von ben 9ierven abhängig, benn auf eigenen Sn«
trieb fönnen fich bie ÜJiudfeln nidßt gufammengießen, fonbetn bie
Snregung bagu muß ihnen ftetd von ben 9letven gegeben wer«
ben. — IDiejenigen ?0iudfeln, welche biefen Bewegungen bienen,
gehören äße gu ber Älaffe, welche burch unfere freie SBiflend*
thätigfeit ihre SRervenanregung befommen fönnen b. h- ed finb,
wie man fi^ gewöhnlich etwad ungrammatifalifch audgubrücfen
pflegt, „witlfürliche" ÜRudfeln. — @d ift batum eine hü^ft
C«0«)
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27
merfendwert^e (j^rfc^tinung, ba^ bie ^ftion biefer SRubfeln in
ben ^t^muagdbewegungen nicht burch unteren SBiQen angeregt
»trb, fonbem ohne unteren SBinen0einfiu& gewifferniahen auto»
matif^ gu cStanbe fommt. @8 ift unoerfennbar, ba§, um bte*
fe0 möglich ju machen, eine betonbere hierauf abgielenbe @in«
richtung innerhalb be0 tReroenthftemed fich oorfinben mu§, unb
bie ^hpfialofl« ift au<h ja weit in baö ®eheimni§ biejer 6in»
richtung eingebrungen, ba§ fie einen gewiffen Slheii fo«
genannten oerlängerten ÜJlarfeÖ, b. h- be8 oberften bem ©ehirne
gunächft gelegenen £heüe8 be8 9tucfenmaife8, al8 ben 'j(u8gang8«
^junft ber 3fthmung8bemegungen etfannt hat. SBelche SJlomente
e8 aber finb, welche bieten Jheil in t^ beftänbiger dtregung
halten, ba§ von ihm fortwährenb bie ^^nregung ber betreffenben
9ieroen au8gehen fann, ift gwar no^ nicht gweifeUo8 ermittelt,
aber e8 ift hoch t<^on oon großem SBerthe, bah wir jenen lüu8>
gang8punft ber 9thmung8bcwegungen al8 tollen haben fennen
lernen unb ba§ wir wiffen, ba§ bie biete automatitchen 33ewegungen
beftimmenben Dteroen bort ihr Zentrum haben. 81u8 bietet
^hattache erflärt e8 fich auch, bah IBetlehung biete8 ^h^Ürö
bet SReroencentra augenblicflichen lob burch ©rfticfung jur Solge
haben muh. 2^a nun eine tolche Serlehung fehr leicht burch
einen @tich unmittelbar hinter bem .jpinterhauhte au8getührt
roerben fann, t“ ift auf bieje SBeite leicht eine rat^he ^öbtung
hetbeigufühten; — unb biete wirb auch geübt burch bie Säget
in bem togenannten „©enidfang" unb auf bie gleite SBeije
wirb in ben ©tiergefechten ber ©tier gule^t burch ben ©tpaba
niebergeftrecft.
äUenn aber auch bie betreffenben 3Ru8feln bie 9(thmung8<’
bemegungen ohne SJfitwirfung unfere8 9BiQen8 automatitch au8*
führen, jo bleiben fie barum bo^ bem SBitlen unterworfen, unb
mShrenb ihre automatifche ^ftion bie ^ürgfchaft bafür giebt,
bah ^ie tSlthmung8bewegungen niema(8, auch iw tiefften ©chlafe
nicht, eine Unterbrechung erleiben, jo ift e8 un8 bo^ gu gleichet
(607)
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28
Seit geftaltet, butd^ unferen SBiQen8einflu& biefelben ju tnobi*
fijiren; unb je nach ©utbfinfcn ober SBebürfnil fönnen wir fie
beö^olb au(!^ befe^Ieunigen ober berlangfamen, Ijäufiger ober
fcltencr, tiefer ober oberfläc^lii^er machen; — ja! wir fönnen
fle fogar »oKftanbig hemmen, wie bicfeö norüberge^enb gefdbie^t,
wenn wir bei ftarfer förperli(^er Slnftrengung ben ©ruflforb,
»on welchem au8 bie fräftigeren 8(rmmu8feln wirfen, feftfteDen
wollen. — @8 werben gäüe er5äblt, ba§ ^erfonen fid^ freiwillig
getöbtet ^aben bnburcb, bafe fte, wie man annabm, i^re 3u«ge
cerfcbludften; ba aber ein fol^eS SJerfcblucfen ber Sunge eine
anatomifdbe Unmögli^Ieit ift, fo mnffen wir, um folc^e gäHe,
wenn fie, waS nidjt abjuweijen, wahr finb, 3u erfldren eine
anbere Urfacbe eines folgen freiwilligen ©terbenS 3U ermitteln
fu(ben unb pnben biefe barin, ba§ o^ne Sweifel fold^e ^erfonen
mit großer SBiDenSanftrengung ben iSt^em fo lange an^ieltcn,
bis ©rfticfung erfolgte.
Äe^ren wir aber 3U ben automatifd^en 3lt^mung8bewegungen
gurüdf, fo werben mir in ber SUjotfad^e, ba^ biefelben »on ber
S^ätigfeit ber 5Rer»en ab^öngig finb, ©rflörung für mand^
intercffante 6rfal)rung flnben.
@8 ift eine anerfannteSlbotfodbe, ba^ biejiraft einer ^Bewegung
abhängig ift »on bem @rabe ber Erregung berjenigen 9ieroen,
welche fie »ermitteln. S^wö^er erregte 9ier»en er3eugen be8»
wegen fchwödhere Bewegungen, ftörfer erregte bagegen ftätfere
Bewegungen. Bei gefcbwächten ^erfonen finb barum auch bie
SthmungSbewegungen unfräftiger unb oberflädhlidher, bei leiben»
fdhaftlich erregten bagegen fväftiger, energifcher unb tiefet.
Bei rpthmifch auftretenben Bewegungen ift aber auch ferner
wahr3unehmen, ba§ ftärfere (Erregung ben IR^thmuS bef^leunigt,
bie Bewegungen fomit häufiger macht, währenb 2)e^)reffion ber
9ier»en ben JR»thmu8 »erlangfomt, bie Bewegungen fomit fei»
tener ma^t. ©0 bebingen ja auch alle geiftigen Aufregungen
eine lebhaftere .^er3thätigfeit unb mit iht einen frequenteren
(608)
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29
?)ulö, »ä^renb ade beprimtrenben affefte bte ^erjt^ätißfeit
berabfttmmen unb ten ?)ulö feltenet machen. 2)a8 ©leiere ift
benn aud) mit ben StbrnungSbeaegungen bet gaH.
SBeobatbten mit ben @rmübeten, ©efdbwäcbten, aengftlidben,
9iiebergefdblagenen, fo finben mit bi« bic (gdjwäcbe ber atbem«
jüge beutlidb auögefprodben. 5Da ftdb aber bteje auf groeierlei
SBeife funb geben fann, ndmlid) einetfeitfl burd) ^aftloftgfeit
bet Semegungen, anbererfeifä burd) langfameren Sptbmu«, fo
finben mir au(b je nach ben Umftänben ober je noch bet 3n-
bbibualität baib bie eine halb bie anbere norbetrfebenb.
®ie Sltbemjügc finb feltener, lange gebebnt unb fonnen in
biefet 3)ebnung eine 3iemlidbe Jiefe etreicben, ober fie finb
füt3er unb obetfiäcblicber unb crbalten babureb auch öftetö eine
etwas gröbere greguenj, weil nur babureb bem atbmungS»
bebürfnib entfproeben werben fann, ober fie »eebfeln auS bem
gleitben ©tunbe mit einzelnen langfamen tiefen atbemjügen
ab. — aebniiebe SBitfung bat bie gefpannte ©rwartung, ©tau»
nen unb anbete in rubigeret Söeife bie ganje pfpebifibc 2bätig»
feit in anfprueb nebmenbe Seeleujuftönbe; benn biefe »itfen
atle bureb abftvaftion läbmenb auf bie beftänbig witfenben
OlerDentbätigfeiten. IDie fd)laffe allgemeine J^altung beS ganzen
ÄötperS unb baä febfafff Offenfteben beS fUlunbeß unter folgen
SSerbältniffen finb ja fpticbttörtlicb geworben; unb fo werben
au^ bie atbmungSbewegungen in g(eid)er äBeife gehemmt; ba»
bet man »on „atbemlofer ©rwartung" unb »on „ntbemlofem
©taunen" fpridbt.
anberS ift eS bei erregenben affeften, bie atbemjuge wer»
ben lebhafter unb 3War entweber fibnefler unb tiefet, ober
häufiger, ober beibeS. ©eben eine freubige ©tregung, eine
Jöegeifterung „fcbwellt bie Jbruft" ober „bebt bie S3ruft böb^t"-
©in oon angft Sefreiter „atbmet nen auf“. — heftigere ©t=
regungen aber rufen bemetflicbere ©rfebeinungen bfioo^-
(609)
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30
^eftigfte 3otn läfet fräftig unb tief, habet aber futj einat^men
unb überläßt bie iSueat^mung nicht ben etaflifchen Säften,
fonbern er führt btefelbe burch eine fräftigere furje fD2uSfe(>
thötigfeit auS, fo ba§ ber Suftftrom mit einem
räufche nach äugen tritt; biefefi ift baS „(Schnauben nor SButh".
betrübte 9lffefte, welche fich nicht burch gebrüdte Süuhe
äugern, fonbern burch einen (eibenfchaftlichen Sturm in bem
fReroenfpfteme, welcher gugleich burch äBeinen [ich 3U äugem
pflegt, haben ebenfallö ihre befonbere 9lrt gefteigerter fSthmungfl.
bewegungen; einer hffÜsen, furgen, faft frampf haften tiefen @in«
athmung folgt eine in mehrere fur^e Stoge verlegte iüuSathmung.
Seibe iXtte, 6inathmen wie iSudathmen, finb bann ebenfalls
mit hörbarem @eräufche bed Suftftromee oerbunben.
IDiefe {>inwei{e mögen genügen gu geigen, bag bie Sithmungb:
bewegungen nicht nur ein formlofeö ,^ülf6mittel für bie förper=
liehe Erhaltung bed 8eibed ftnb, fonbern bag fie auch in ebenfo
enger 33egiehung gu einem höh^i^^n ®eifted> unb Seelenleben
ftehen, wie bie Bewegungen beS ©efichtefl, — bag fie gleich
biefen bon ben pfpcgifchen Suftänben beeinflugt werben unb bag
au8 ber hieraus heroorgehenben fUiobififation ber Bewegungen
in gleicher SBeife, wie au8 ben Bewegungen nnb ,^altungen
beS @efichte8, (Rüdf^lüffe auf bie 9lrt ber pjp^ifchen Erregung
gemacht werben lönnen. — IDie ISthmungdbewegungrn nehmen
baher einen widgligen Slntheil an ber ÜRimif ber geibenfehaften
unb erheben fich baburch au8 ber Stellung einer biogen @r.
nährung8funftion gu einer wefentlich höheren vergeiftigten
Stellung. — 2)ennoch aber ift btefe8 noch «i^ht bie höfhft«
Stellung, welche wir ihnen guerfennen müffen, benn fie ge=
Winnen einen no^ bebeutenb höheren SBerth baburch, bag fte
bie ©runblage für bie Sprache werben. 2)er oberfte 2h«l ber
guftröhre geigt nämlich no^ eine befonbere SDrganifation al8
Äehllopf, welker fein geglieberte Slpparat geeignet ift, mit
(61U)
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31
^)filfe beö au8geat^meten 8uft[trome8 einen großen Umfang non
Sönen ^ernorjubringen. ^Dut(^ bie fDiunb^ö^ie l}tnau8jie^enb
unb but(^ beten Detänberltc^e innere ®efta(tung nielfad^ rnobi«
fijirl, »itb bann bet tönenbe unb aud^ bet tonlofe Suflftrom
©runblage für bie S3ilbung bet ©prad^Iaute. S)ie ©prac^e
aber ift ba8 fDUttel, but(^ »eld^eS pfpc^ifd^e Suftfinbe unmittel=
bar fid^ mitt^eilen lönnen unb auf tnel^eS bet gange geiftige
SSetfe^t be8 >iKenf(ben mit bem ÜRenfcben flt^ ftü^t; — unb
fo erlangen benn bie !3t^mung8t»etfgeuge al8 bie @runb>
bebingung für @rgeugung bet @pta^e noc^ einen SBert^,
welcbet, i^te 93ebeutung für ba8 3nbinibuum weit übetfc^teitenb,
für ba8 gange gefeDfc^aftlic^e unb ftaatlic^e i^eben maggebenb wirb.
S5Sii erfennnen bemnacb in bet iXt^mung eine bet wichtig«
ften uub begie^ung8rei(^ften gunftionen be8 organifc^en Seben8.
Utfprüngli^ nur ein 3^^eil bet mit bet (Stnü^tung net*
bunbenen (Sifc^einungen, nimmt fie bod; fd^on al8 foldbe einen
gemiffen bevorgugten 9tang ein; benn bie mit i]}t netbunbenen
(^emijd^en Vorgänge gemalten un8 bie feinften (Srnä^tungS»
materialien in Buftgeftalt unb befeitigen bie untaugli^ ge>
motbenen Seftanbt^eile ebenfall8 in bet feinften luftförmigen
©eftalt. @ie ftnb bemnat^ bie ebelfte gotm be8 ÜKatetien»
au8tauf(^e8 mit bet 9lu§em»elt, unb wir treten bur^ fie in
unmittelbaren otganifd^en Bufammen^ang mit bem liuftmeere,
ba8 unfeten |)laneten umwogt, wät^renb bie an ben ^et<
bauung8apparat gebunbene gorm bet ©rnä^tung in toljetet ©e>
ftalt unfet IDafein an tie groben SWatetien be8 6rbboben8
feffelt.
IDie ^^t^mungdbewegungen aber, welche ba8 |)ülf8mittel
finb, butc^ welches jener SUaterienaudtaufc^ mit bet Sltmofp^äre
ermöglid^t wirb, gewinnen al8 t^eilne^menb an ben mimijc^en
f6U)
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32
2lftionen unb alS Q^runblage ber Sprad^e unb beten ge^obenetet
Sotm, bed @e|anged, eine tnicbtige ©teOung in ben Seu§eiungd«
tveifen bed ©eelenlebenb unb in bem geiftigen Serte^re bet
aJlenfdb^eit,
(61S)
I>TU(f ren Urgfr (4^. (^rimm) in l?trUn -SW., Gdbcnef^trgnrftr. 17»,
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1583-1645,
Sott
£. flrnmantt.
6*rlttt SW., 1884.
Setlag Don @atl .^abel.
(C. VfllltTitfattit Brrlngsboftitiin&lnng.)
33. 9ßUbc(n*€tTa|c 33.
, y Google
Din ■
®aä Dtec^t bet Ueberfe^ung in frembe (Sprocken roirb oorbeliaUen.
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r
^er nad^ früherer @itte laltniftrle gamüienname bcö
berühmten 9Jlannefl, be||en 8eben unb ©eifteflt^aten »it bem
gefer btefer ®lStter »otjufit^ten beabftd^tigen , eigentlich
@root. SBenn je ein 5Uamc gu feinem Sräget e8
berfenige @roct’8. JDenn eine toahrhnft grofie, in ihrer 9lrt
einzige ^erfönlichleit tritt unS h^er uor bie Sugen, betnunberungd*
mürbig nach l)rn nerfd^iebenften dtidhtungen, burdh unb burdh
unb gebietenb. Unb ni^t unjeitgemäh bärfte bie
ßrinnerung an foldheu 9Kann fein, menn eben in bem 3ahre,
in bem mir biefe Seilen nieberfd^tieben , bie brüte ©öcularfeier
feiner ßeburt unfi mahnt eine 0chutb beS ^Danfefl unb ber
giebe abgutragen.
5Denn c8 gehört ^ugo.ßrotiuS jener Suhl nuSermähHer
^enfdhen, benen eS mie einem iSriftoteleS, 93aco non SSerulam,
9tett)ton, geibnih hennH’entieQ gegeben »ar, ba8 ©ehräge ihre®
©enieS ber gangen ^olgegeit aufgubrüdCen, fdhöhferifdh gu wirfen
im ©ebiete ber SJiffenfihaft wie be8 hractifdhen gebenS. JDen
äBenigften war e8 wie ihm vergönnt, ben Stuhm ber ftaunen8>
wertheften ©elehrfamleit mit bet be8 thätigen @taat8manne8 gn
vereinigen. 9tiemanb hut in h^h^^^ni ©rabe al8 er in ben
äBe^felffillen eine8 vietbewegten geben8 feine gehre burdh ;ba8
ÜJiufterbeifpiel hoh«» rein menfdhli^ier ©efinnung unb ^anblung8»
weife befiegelt.
XIX. 449. 1* («15)
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4
geben unb ^d^rjften @root’8 ergänzen fl(^ »e^felfeitig, *
unb Wenn fein 3«ttgenoffe SRubenS in bem befannten Silbe bet
2)teflbenet ©alerie ©toot’ö itbifd^e 3«fle a«f unö gebrad^t
wirb beffen ©eift unb ^erg un»ergängli(^ in feinen SBetfen
' fortleben.
.^ugo ©root ber ®prögling einet ^oQänbifc^en Familie,
beten 9tame o^ne i^n tro^ i^teö alten SlbelJ unb anfe^enS
fc^werlid^ auf bie 9la(bwelt gefommen wäre, erblidte ba8 gebenS«
lic^t ju IDelft am 10. april 1583, »iet Sa^re nud) bet Utre^tet
Union (23. 3uni 1579), weld^e bie fieben nörblidien ^tooinjen
gu einem unabhängigen @taatenbunbe machte, unb ein Saht
vot ©tmotbung SBilhelmS oon Oranien, beS ©rünberS biefet
Unabhängigfeit. Sein Sätet Sohan be ©root, Sürgermeiftet
oon IDelft unb ©uratot ber Unioerfität gepben, gab bem fich
wunbetbat fdhnell entwidfelnben Hinbe bie forgfältigfte ©tgiehung.
©(hon im gwßlften gebengfahre warb et an bie Unioerfität oon
gepbeu gefdhidt, wo er bie claffifd^e giteratur unter anleitung
beS berührten ^hi^oI<>3en 3of. ©caliget fennen lernte, unb gu
iht unoerfiegbare giebe fd)öpfte. Äaum fünfgehn Soh^e alt, er*
langte er, ben bie gelehrten Seitgenoffen al8 einen Süngling oon
wunberbarem ©enie begeichneten, ben ©rab eine« IDoctorS bet
Bieste.
ai8 im 3ahre 1598 bie ©eneralftaaten eine ©efanbtfdhaft an
Heinrich IV. oon granfreith fchicften, um ihn gut gortfehung be8
Äriege8 gegen ©panien gu bewegen, nahm einer bet ©efanbten,
Dlben Sarneoelbt, ben jungen .^ugo ©root, mit beffen ©efchirf
ba8 feinige in fpäterer Seit fo tragif(h oerflodhten würbe, al8 SReife*
gefährten mit fich- ©root würbe oom Äönige hulbooll empfangen,
unb fnfipfte mit ben bebeutenftcn ÜRännetn Serbinbungen an.
3n bie ^eimath gurücfgefehrt oeröffentlichte bet laum bem
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5
.^abenaltet entwac^fene Jüngling eine Steife non gelehrten
arbeiten, meift ^j^ilologifdjen Sn^alW, tod^renb e^r jugleic^, »enn
au(^ o^ne befonbere SSorliebe ald 0te(^teanmalt ^jracticirte. 3nt
Sa^re 1609 betrat er, gum ©eneralaboocaten non ,^oIIanb, <See»
lanb unb SBeftfriedlanb ernannt, bie öffenttid^e Saufba^n, unb
erhielt bie e^rennoQe Aufgabe bie @efd[>id^te bed Srei^ettSfam^fed
ber Stieberlanbe gegen Spanien 3U fcprelben. 3n» Sa^re 1609
fc^rieb et feine Ijerrlid^e Äb^anblung „Mare liberum“ bapn*
brec^enb, mnftergültig, tnafegebenb für aDe golgejeit. 5Der 3»e<*
tt>ar gunäcbft bie ^anbeldfrei^eit ber 9MeberIdnber in bem inbifd^en
Ocean gegen bie anma^ungen ber Spanier unb ^ortugiefen gu
nert^eibigen. 3n einer ä^nlic^en, bie ,^anbel8frei^eit betreffenben
Streitigfeit würbe @root fpäter an ^önig Safob I. non @nglanb
gefi^icft. 3m 3a^re 1618 würbe er ald ^enfionär ober SpnbicuS
na^ tRotterbam berufen, unb er’^ielt in foldfier @igenf(paft als
fDlitglieb ber ^rooingialfiänbe t^oGlanbS Si^ unb Stimme in
ben @eneralftaaten. 3n biefer Stellung warb er aucp in ben
t^eologifcpen Streit, welcher bamalS bie 93ereinigten fProningen
erfcpütterte, unb bie Se^re beS ^rebigerS arminiuS non ber @nabe
gum @egenftanbe l^atte, ^ineingeriffen. IDlit ben beften SJldnnern
beS 8anbeS war et ben arminianern guget^an, wä^renb ber
Stabt^alter ber 93ereinigten $roningen, 9Rori^ non iDranien,
mit ber SJle^rga^l bet ©eiftlid^feit unb auf bie SlolfSmaffen
geftü^t fiep auf bie Seite ber peftigen ©omarianer neigte. JDer
religißfe Streit war Jeebel unb 9Ra8le für ben politifd^en. JDort
ftanben bie Patrioten unb göberaliften, bie ariftolratifcpe Partei;
pier ber nad^ aileinperrfcpaft unb ^Bereinigung ber ©ewalten
ftrebenbe ^elbperr, geftüpt auf fein fDlietppeer unb bie urtpeilS«
lofen SRaffen, gumal beS StäbtepöbelS. IDiefer ^ampf ber
Parteien bur^giept bie gange ©efepiepte ber Stepublif bis gu
(«17)
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6
Intern Untergang (1793). 3m tSuftrage ber ^OBinjialftaatcn
Don {)oClanb fertigte ;^ugo @root ein @bict and, tnobutd^ ben
gatteten SSetfö^nlic^feit unb iDulbung em^fo^Ien matb. 9(fä
aber gut ^Dämpfung ber entftanbenen Unruhen im Sluftrage
berfeiben ^toving 2;ru^;>en geworben würben, erfldrte ber Satt«
^cuber bie[eö aU einen @ingtiff in feiner @ere(btfame. (Sr
wu|te bie @eneralftaaten auf feine Seite gu gieren, auf bereu
Sefe^l Dlben SBarneoelbt, ^ogerbretö unb .^ugo @root »er^aftet
unb fofort als SSerät^er beS SSaterlanbeS unb Aufwiegler an«
geflagt, unb ber erftere, ein gweiunbfiebgigid^Tiger @reiS gum
^obe, bie beiben lebten gu lebenSwieriger .^aft oerurt^eilt würben.
@TotiuS würbe auS berfelben erft nac^ gwei Sauren burcb bie
aufof>fembe 8iebe feiner ®attin IDlaria, auS bem ®efcble(bte ber
tReigerSberg befreit, unb rettete fi(^ mit manigfa^en Sd^rli^feiten
na(^ $ranfrei(^. .^ier lebte er alS Privatmann vom 3a^re 1621
bis gum 3a^re 1631. Sein unbanfbareS 93ater(anb, baS er
bis gum 5£obe gdrtlid) liebte, baS er alS Staatsmann unb als
Se^riftfteller bur^ feine SBerfe verherrlichte, fonnte er in ber
Solge nur gweimal unb flüchtig betreten. 0aS erfte 3Ral, alS
Pring gebrich von Dranien na^ bem Slobe feines SruberS
9Rori$ (1625) gum Statthalter gewdhlt, bie fReligionSvetfolgungen
fofort einftellte unb bie ©ingeferferten befreite. 3m 3ahte 1631
wollte fomit @root nach ^vllanb gurücffehren, aber neuetbingS
verfolgte ihm bie 3Buth feinet Seinbe, welche fogat feine ewige
Setbannung bewirften. 2)aS gweite unb lehte 9Ral betrat er,
nur burdhreifenb als (^efanbter SchwebenS am frangöfifchen .^ofe
ben h^imathli^en 93oben.
IDet größte ^h^ll SRaffe bet Arbeiten unb
tiefe ©elehrfamleit auSgegeichneten, ja ftaunenSwerthen literarifchm
^hätigfeit, bie et übrigens faft bis gum le|ten Athemguge nicht
(618)
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7
aafgab, fönt in bie |)eriobe fetneß etflen je^njä^rigen Slufent^altS
in ^anfteid^. ^icr lebte er geehrt tm Äretfe bet ebelften ?!Jlfinner,
vom ^öntg Subtnig XIII buicb einen SabreSge^alt untetftü^t,
unb ^ier wor efl, »o er (1625) fein bcm ÄSnig 8ubwig XIII.
ge»ibmete8 unftetblic^eS SBetf De jure belli ac pacis I|etau8gab.
aber bie fran3öfif(be ^enfion würbe i^m fe^t unregelmö^ig
autgeja^lt, enblid^ noDenbS eingefteOt, al8 er fi^ weigerte in
gewiffe, biö fe^t unbefannte Rotbernngen be8 6arbina!8
{Ridjelieu einjuge^en, ber i^n für gtanfreicb8 JDienfte gewinnen
woOte. 9Ba8 ber (Sarbinat non i^m »erlangte, ftanb gewi^ mit
feiner iBaterlanbSliebe im SBibetfpru<be. fDenn in einem feinet
S3riefe fc^reibt er feinem SSater, er fönnte aQe8 hoffen, wenn
et bie Sorge füt8 Saterlanb ben SRücffitbten auf feinen perfSn«
ii(^en SSort^eil opfern woHte.
®rotiu8 oerlie^ Sianlreicb, wie8, nur auf ba8 geliebte
äSaterlanb bebadbt, bie antrfige mehrerer dürften in i^re IDienfte
ju treten, 3urücf, unb »erlebte bie na(bften jwei Sa^re in .^am*
bürg, al6 bet gro§e Sdbwebenföuig @ufta» abolp^, ber i^n
bo^fc^ä^te, unb wie aieranbet »on IDtacebonien bie ^liabe, ba8
SBerf de jure belli et pacis ftet8 mit fidb führte, i^n für feinen
IDienft gu gewinnen fud)te. 5)ie @(bla(bt »on ?fi^en (1632)
madbte bem .^elbenlauf Qilufta» abolpb^ ein @nbe, aber fein
Söille warb erfüllt »om Sßotmunbe bet jungen Äönigin ©b^fline,
bem Serwefet be8 9ieitbe8 Orenftierna. @rotiu8 folgte bcm
Stufe eines folcben fUlanneS, warb gum ©efanbten ©(^webenS
bei bet Ärone gtanfreicbö ernannt, unb begab fi(^ Anfangs beS
1635 na^ S^ariS. 35a8 93ertrauen Drenftierna’8 in
^)ugo ©root’8 @eift unb SBiOenSfroft mufe gro^ gewefen fein,
ba er iljn in bem augenblicf gum ©efanbten ernannte, wo bie
Satbc bet mit ^anfreicb »erbünbeten Schweben na^ ber Schlugt
(«19)
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8
»on SRötblingen^ (1634) unb @a(bfen9 Slbfall faft »erloren
fd^ien. @root fid| biefet nid^t untcertb bewies,
würbe fcbon auS bet Sll^atfad^e er^eOen, ba§ er ftd^ tro^ aOet
33etläumbungen feiner geinbe, tro^ ber fSiad^inationen beS
j^a^uginerS 3ofe)>^ unb beS aQmücbtigen ^arbtnalS felbft, butdb
ge^n Sa^re, gut Sufriebenl^ett DjrenfHetna’6 unb ©dbwebenS auf
feinem fcbwierigen ^often gu erhalten wu§te. Üiber eö gelang
i^m nidf^t ben Sractat mit ^tanfreid^, ben er betreiben foQte,
gu ©taube gu bringen, unb et befam obenbrein »erbrie^licbe
Äam})fftreitigfeiten mit 9ii(belieu, ber al8 ßatbinal i^m wie
anbere uom ,^önige ernannten @efanbten felbft in bet eigenen
SBo^nung bie Dber^anb ni(bt einrfiumen wollte. 35er frangöfifcbe
<^of »erlangte fogat feine 3urüdberufung , bie feboib nic^t be=
willigt würbe. 91ad^bem i^m jebod) ein ©ecretür, ber eigentlich
ein ihm fontroUirenber ©t>ion war, beigegeben warb, auch fonft
feine ©tellung immer unbehaglidhet würbe, feinte er fidh felbft
nach feiner Surudberufung, welche 1644 erfolgte. @r begab fi^
nun nach ©chweben, wo ihn bie Königin Shtiftine hulbreich
emt>fing unb ihn in ben ©taatSrath aufgunehmen befd^log.
SIS aber auch biefeS »on feinen ^einben hintertrieben würbe,
»erlief et 1645 bie fchwebifdhen 3)ienfte gängli^, unfchlüffig,
was er je^t beginnen, wohin er fidh wenben follte. Suf bem
Sßege nach 8übecf, würbe baS Schiff, baS ihn trug, burdh einen
heftigen ©türm an bie pommerfdhe Äfifte »etf^lagen. 3)er
SlobeSgefahr faum entronnen, lieh et fich nadh IRoftocf bringen,
wo et fchwer ertranite unb nach wenigen Slagen am 28.Suguft 1645
in feinem 62. SebenSjahre mit chriftlid^er Ergebung, fern vom
aSaterlanbe, fern »on ben ©einigen ftarb. ©eine irbifche ^>ülle
würbe na^ 3)elft gebracht unb in ber @ruft feiner SSorfahren
beigefe^t. ©eine felbft »erfaffte ©rabfchrift lautet:
(6*0)
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9
Grotias hic Hugo est, Batavus, Captivus et Exul,
Legatus regni, Suecla magna tui.
S)ret unb eine Slod^ter überlebten i^n. @etn
jc^ledbt lebt fort, unb ber berühmte, oor loentjen 3a^ten oer>
ftorbene ®ef(bicbtdfd)reiber @rie(benlanbd, @rote foO in birecter
IJinie Bon .^itgo @rotiu0 abftammen. 3)er treffliche nieberlänbifche
Staatsmann, Bor {urjem no^ @efanbter am SBiener ^ofe Q)raf
93an Bupl^n Ban ^tieoelb führt feinen Stammbaum in birecter
^DeScenbenj auf bie Sochter ®root’S hinauf.
3n ber @efchi^te ber SBiffenfchaft wirb ber 9tame .^ugo
@rotiu8 neben ben größten unb beften unBergünglidh fortleben.
©rotiuS war Surift, ^»iftorifer, 3;heolofle unb Philologe, auf
aQen biefen ©ebieten erften fRangeS. @r fchrieb in hollänbifcher,
franjöPicher unb lateinifdher Sprache, in biefer mit noHenbeter
^Reinheit unb ©leganj. SluS ben Älafpfem fchopfte er Äraft
unb S;roft im Unglüde, auS ben heiligen Sdhriften jenen milben
©ei ft ber SBerföhnung unb Siebe, ber ihn burdh S^nge Beben
begleitete. Unabläffig befchäftigte ihn ber ©ebanfe, aQe fReligionS'
Parteien wieber ju Bereinigen. 3>iefen ©ebanfen gu Berwirllichen
mad;te er bie tief Pen Stubien ber ^irdhenoäter, fchrieb er eine
grope Btngahl Bon Slractaten, fcheute er nicht ben Bon ben pro>
teftantifchen ©iferem ihm gemachten Sormurf beS Ärppto»
fathoIiriSmuS.
^ein beflereS ORitfel giebt eS, biefe fchöne Seele unb aHe
©ingelnheiten biefeS reichen ©eipeSlebenS fennen gu lernen, alS
bie Sammlung feiner S3riefe, wel^e im 3aht^ 1687 in I9mfter>
bam Beröff entlieht würbe, bie gugleich eine gunbgrube ift für
Äenntnih feiner 3e«t, gumal ber frangopfchen Suftänbe.
©S fei unS geftattet, hitt, wenn audh im engem IRahmen
übet baS äBerf, weites Bor allen ben 0iuhm ©root*S für aQe
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golge^eit begrünbete, 9iä^etc8 ju «wähnen. 3llö @totiu8 fein
SSBeef: de jure belli ac pacis in ülngriff na^m, beabflc^tigte et
feine8»eg8 ein gpftem be8 9latur» unb SlölferredjteS gu ent=
werfen, ©eine iäbficbt war gunäcbft barauf gerichtet, fRet^te
unb ^flicbten bet J^iiegfüijrenben batgulegen. Unb wie ein
^iebenSengei etf^ien fein SBBerf inmitten bet fürt^tetli^en
@po(be bed btei§igjö^tigen Ittiege8. 3)ie geiftlid^en Sempera»
mente bet ^itci^e, ebenfo ba8 {Rittert^um Ratten i^te .^aft unb
^ebeutung (ängft verloren. IDie eutcpäifcbe ORenfcb^eit war
ni^t minbet von bet eigenen al0 bet fremben Satbatei bebto^t,
Deutfcblanb ein großes ©(blar^tfelb, halb nur eine gro^e @tötte bet
SBer^eerung. 2)ie ^tatiö beS 33ölferredbte0, guntal be8 Ätiegfl»
rechtes war eine troftlofe. 3n feinem ©ebiete ^atte bie SBiffen»
fdjaft eine größere, fegenöreirbere ?(ufgabe ju erfüllen ul0 in
biefem unb fic ^ucb etfüllt, al8 in bem be8 935lfene^te8.
©ie ift gewifferma^en an bie ©teile eineö Codex juris gentium
getreten, unb felbft bet übermütbigfte ©roberet wirb fe^t 33e»
benfen tragen an bie ©teHe bet gogif eineö @rotiu8 bie be8
93rennu8 }u fe^en; er wirb feine ©ewaltacte mit Argumenten
jU befcbönigen, unb fo inbircct, um ein befannteö SBort 8a
lRo^efaucaulb’8 anguwenben, bem IBclferrcebfe ben Sribut
bet Anerfennung bargubringen. L’bypocrisie est un tribut que
le vice paye a la vertu.
®ie SGBiffenftbaft al8 retbtflerseugenbe unb re<bt0bilbenbe
^otenj b^t nirgenbö größere Autorität al8 in bet inteinalionalen
fRecbtöorbnung erlangt, unb gewi^ giebt e8 fein 33u(b, ba«
practifdb bebeutfamet unb folgenreitbet geworben, al8 baS übet
ba0 IRerbt beS Ätiegcö unb griebenö von .£)ugo ©rotiuS. 2)a8
ßentrum bet Unterfurbungen, welrbe ©rcot anftellte, war bet
Jftieg unb beffen {Recht. Aber fcbon bie etfte Stage, wer Ärieg
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gu führen berechtigt fei, führte ti)n auf bo8 ftaaWrechtliche
biet, unb inbem er ba8 Sunbament beS Staates unb aQe8
^Rechtes auffuchte, nach ber 93egninbung bed @igenthumS, ber
tBerbinblichfeit ber Sßerlräge forfdbte, ju ber Slufftetlung ber
lebten ©runbfahe über 0iecht unb Staat, fo ba§ er allmählich
jn ber Peripherie flelangt, ben gefammten Äreiö ber fRechtfllehre
umfaffte. So gelangte er auf bem SBege ber IHnolpfe jum
SRaturrechte, fo warb er, ber unfprünglich nur ba8 Sßölferrecht,
unb auch nur eine Partie beffelben, ba8 Siecht be8 .Krieges be»
hanbeln wollte, ber @)rünber ber gefammten äBtffenfchaft beS
Slatur* unb SBolferrechteS. 2)a8 Spfiem beS SiaturrechteS ging
organifch, ungejWungen au8 bem .^auptwerfe, biefeS erweiternb
unb begrünbenb hetoor. Crescit ingcnium cum amplitadine
rerum. @r felbft fagt in feinen Prolegomenen, ber äSorrebe
jum jus belli ac pacis, welches wie eine pradhtooQe S3orhatle
in baS erhabene Silerf einführt, bie lieber jeugung, bah tö
Siechte unb Ißerbinblidhfeiten unter ben SSölfern gebe, welche
fowohl auf bie Unternehmung eines ^iegeS, als auf bie Slrt
unbSBeife ihn gu führen, ihrelSnWenbung finben, habe ihn bewogen,
über biefen @egenftanb gu f^reiben, um fo mcl)r, ba er ben
großen Pühbrauch wahrgenommen, ber fowohl beim ©nftehen
als bei ber gührung beS ÄriegeS um fich greife. Sluf beiben
Selten gehe man gu weit, fowohl wenn man gar feine Siegel
beS SSölterrechteS im Kriege gelten laffen wolle, als wenn man
jeben Krieg, auch ben gerechteften für gang unb gar unerlaubt
erfläre. @r habe geglaubt bie richtige Piittelftrahe einhalten gu
müffen, auf bah i>ie einen nicht wähnen, bah fiar fein Krieg
erlaubt, bie anbern, bah im Kriege alles erlaubt fei, unb fei er
fo bemüht gewefen, bie burch bie Ungerechtigfeit feines IBater*
lanbeS oeranlaffte Piuhe gum heften, ber Sie^htSgelehrfamfeit gu
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toermenben. ©ejen ben oft, namentlich im »orijen
erhobenen SSorwurf, et habe feinem SBerle eine SJlaffe ton
Gitaten angehängt, tertheibigt et fich fclbft am beften in ben
^rolegomenen. 6t habe bie Seugniffe bet ©efchi^tdfchreiber,
3)idhter, ^hi*ofo^)hcn unb Slnberet ju IRathe gejogen, nicht al8
ob benfelben unbebingt gn glauben fei, fonbern »eil bie Ueber«
einflimmung bet Sßeifeften unb heften aller Seiten unb 8änbet
in gewiffen $unbamentalgrunbfähen be8 {Rechtes unb bet {IRotat
füglich als bet ^uSbrudf beS ©efammtbemuhtfeinS bet URenfch*
heit angefehen »erben fann. SBie ein herrlicher Ätang buftenbet
S31üthen umgeben bie fchönften ©teilen bet 6laffifet, bie et>
habenften ©chrifttette unb SluSfpriiche bet Äitdhenuäter baS
tieffinige, etnfte SBetf. 3)ie ^ellficht feines eblen ^>et3enS finbet
nuS bem ©cha^e feltenftet 6rutition ftetS bie richtige ©teile
heraus. SBenn man langfamen ©^ritteS, — benn ©root’S Buch
»in ftubirt, nid^t »ie ein {Roman gelefen fein — butch bie
eingelnen Slbtheilungen beS »iffenfdjaftlidhen ©ebäubeS fdhreitet,
ift bet ©eift erfreut, inmitten bet großen 9Rännet unb ©reigniffe
aller Seiten auSruhen gu fönnen. S)ie ©runbfähe übet {Redht
unb ©Ute »erben nicht ton bet Berebfamfeit eines eingelnen
URenfchen, fonbetn ton bem tereinigten ©eniuS bet llRenfd^heit
ange)}tiefen unb getragen. S)ie llRethobe beS ©rotiuS ift eine
inbuctite. 2)er eingelne URenfch unb beffen ©ocialitätStrieb ift
bet {Red)t* unb ©taat etgeugenbe gactor. ^bet biefer appetitua
Bocialis ift nicht bloS phpftfrhe SBedhfelbebürftigfeit, fonbern
tielmeht ein SBohlmoDen gegen Slnbete, im ©egenfa^e gum
bloßen ton jebem ethif^en {IRotite abfehenben {Ru^en, ben
»ebet für fich noch in Betbinbung mit gurcht tot ©träfe bie
©tunblage bet ©efeUfchaft, beS ©taateS bilben fann. S)ie ge<
fellige 9latur bcS URenfchen ift bie ©tunblage unb baS ^rinclp
(««)
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befl 5Red^te8. ®a8 bataufl fliefeenbe Siecht ift baS jus naturae,
worunter aber femeSweflö bet utopif^e ^laturjuftonb ju »er»
fielen ift, ou8 bem bie 9tad^folget @root’8 afleS 5Re(bt a priori
bebuciren wollten. ^)ugo @root war ein ju erlen<bteter @eift,
um fid^ in nebelhaften Speculationen gu oerlieren.
wie ben IRömern, bie naturalis ratio, bie au8 ben realen 93er«
hältniffen hc<’<’>^SS^^nbe Betrachtung al8 maggebenb. Jbommt
audb bei ®root noch f^h’^ häufig bie Bermifchung prioat« unb
»olferredhtlichft SKaterie oot, wenbet et au^ nicht feiten @runb«
fahe beS privaten, brfonberS be8 rbmifdhen IRechteS auf ba8
Bölferredht unb beffen Behanblung an, fo barf bodh nicht übet«
fehen werben, bah « wahrhaft fdhöpferifch, juerft eine felbft«
ftänbige SEBiffenf^aft beS Bölferrechtö begrünbet, unb allen
9lachfolgetn bie Bahn vorgegei^net hat. 5)er hwoiane, rein
fittliche (Seift, von bem fein ganjeö SEBerf burchbrungen ifl, hat
nicht wenig bagu beigetragen bemfelben gleich vom @rfcheinen
an eine ©eltung ju vetf^affen, beren rt<h wenige fchtift«
ftellerif^e ?eiftungen rühmen fönnen: @8 war ein ©ro^eS gu
geigen, mit unwiberlegbaren ©rünben gu geigen, bah auch
ben Berhältniffen von Bolf gu Bolf nicht bet Bu^en fonbem
ba8 Becht mahgebenb fei. ERicht nur al8 erfter ©rfinber, fonbern
auch burch bie !flu8führung, bie ^iefe bet ©ebanfen unb bie
lebenbige Sluffaffung ber wirtlichen Saftänbe überragt ©root
feine ERachfolger. 6t beabfichtigte ein philofophifche8 Bölfer*
recht gu f^reiben, von bet ohnehin fo mangelhaften, bet Regelung
erft bebürftigen ^ra]ti8 feiner 3«it abgufchen, unb fein SBer! ift,
wa8 man au^ fagen mag, im beften @inne be8 9Botte8 ein
pofitioe8, welches von philofophif^em ©elfte erfüllt unb ge*
tragen ift. Äein SBunber, bah nach bem 2obe beS 9)ieifter8
feine Schüler, je nach ihrer Slichtung bie SÖBiffenfehaft be8
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SSölferred^lefl auffafienb, bte ^j^ilofop^tjc^e ©d&ule »ie jene bet
fügen. ^ofitiDlften au6 @root fd^o^>ften, fi(^ auf i^n beriefen, ba§
entgegengefe^te ft(^ beTömpfenbe ©pftemc au8 feinem @(ii|oo|e
^ernotgingen.O
fRad^ bet Sinf^auung @root'8 bilbet bet menf^(i(^ SBiQe
ben ©taat, ba8 93oIf im juriftif^en ©inn, unb au8 bet Sßers
einigung eingelnei äSölIerinbiütbuen entfielt bad SSoIfetred^t.
@ine Setetnigung bet flRenfc^en unb 93ölfer buttb Ueberein«
ftimmung ^at aber wefentlicb gut ®tunblage ben SSettrag,
begie^ungeweife bie au8 betfelben ^etvorge^enbe SSetbinblidbfeit.
2)a alfü bie äiernunft, bie naturalis ratio gebiete, eingegangene
SSetbinblidbfeiten gu galten, fo fei aüeS (Recbt, bad bürgetli^e
n>ie ni(^t minbet ba8 tB&lfenecbt au8 biefet Duelle abguleiten.
Slbei et fügt gleidb, biefen SuSfptud^ nä^et be^immenb, ^ingu,
ba^ nadbbem bie SSerbinbli^feit au8 Uebeteinfunft in bem
natürlichen (Rechte murgelt, bie menfchliche (Ratur, nicht ba8
Uebereinfommen an fich unb für fich allein betrachtet, al8 le^te
Duelle beS (SiniU unb (ßölfenechteS angefehen merben müffe.
2)er Sormurf, ben ©tahl in feinet ©efchichte berJRe^tJ»
bhilofophi^ erhebt, ba§ @root einen (RedhtSbau mit Slbfttaction
non bem Urheber bet fittlichen Dtbnung aufguführen unter*
nommen h^be, ift getabegu unbegreiflich, felbft wenn non bem
gangen SBetle, unb bem chtiftlich ethifchen, eS burchbringenben
unb etfüQenben Reifte abfehen wollte.
^ein Slutot ift mehr gelobt, feinet mehr getabelt worben,
aI0 ^)ugo @rotiu8. 6r ift bet ©rünbet bet SBijfenfchaft be9
(Ratur* unb 93ölferrechte8, bet ©ntbeder einet neuen geiftigen
SBelt, unb wie fchatf, wie fchwach ober gar nid^t begrünbet ift
oft ba8 Urtheil bet ©pigonen, bie au8 ihm gefdhöpft, auf feinen
©^ultern emporgeftiegen finb. JDo tritt ein ÜRann oon bet
m)
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Sutoritfit ©ta^l’ö auf, unb bricht übet bafl gan3e SBerf, über
©root’8 ©bftcw @tab. 2)ie SBcrtragSt^eorie ©root’ö,
feine Sluffaffung »om ©taote ma^e baö gange SSerf Berrocrflicb.
@Toot ^abe bet SSorftellungSweife guerft 9lu8brudf gegeben, ba§
bet Staat feine Siutotität in fi(^ felbft übet ben ÜJJenfc^en
bobe, fonbern fie nur but<b SSertrag etbalte, unb feinen 3wfcf
in fi^ felbft b“^enb, nur gum Swecfe bet eingelnen fDienftben
biene. So ift, fährt Stahl fort, mit @rotiu8 ein ^rinciv in’8
geben getreten, ba8 in feinet SBeitetbilbung gut gehre Äant’8
unb IRouffeau’ö, gule^t gut frangofifdhen fReoolution mit fRoth»
»enbigfeit führte. 5)ie gehre @root'8, ba^ bie Unterthan8bflidbt
ihren @tunb in einem, ob au8brü(fli(hen, ob ftillfchweigenben
Siettrage höbe, ift, wie Stahl meint, bei @root felbft gang un=
fcheinbar unb unoetfänglich- 9lbet fie braucht nur in ihrem
gangen Inhalte unb in ihren Balgen entmicfelt gu werben, fo
war fie ba8, wa8 ein 3ahrhunbert fpätei bie Orbnung
©uroba’8 ftürgte. So ift eine Schneeflocfe, ruft unfer Äritifer
pathetif^ au8, bie fich »om 93etge8gibfel 16ft, unfcheinbat, aber
fie wälgt fidh fort, unb fallt bann al8 gerfthmetternbe gawine
in bie 2iefe.
®ah @rotiu8 ni^t auf ben Stanbpunft bet heutigen ge»
fihifhtli^en IReihtsfdhule ftehe, noch ftehen fonnte, ift eine 2:hot»
fadhe, bie feinem Sachoetftänbigen auffallen wirb. IDa^ fein
2Betf mit ihm nicht abgefchloffen war, fonbern wie ade wahr»
haft genialen Schöpfungen fruchtbare Äeime ber ßntwicfelung
für 3ahrhunberte enthielt, ift eben fo uatürli^. 2lber bie 8lrt
unb aSeife, wie Stahl einen fo mädhtigen IDenfer, ba8 .^aupt
einet gangen Schule oon ‘])hilofophen oerurtheilt, geugt minbeften8
Don 3Rangel wiffenfchaftlicher Pietät.
SBir modhten biefen Vorgang al8 eine post mortem de-
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nuDciatio bejeid^nen. QliotiuS wirb wie ein gto§er S^ulbiget
»Dt bie ©d^ranfen eineö @etid^te8 citirt, er wirb folibatifc^ er»
flärt mit Äant unb felbft mit SRouffeau; e8 fe^lt wenifl unb et
wirb für aOe ®täuel bet ftan^öfifc^en JRe»oIution »etantwottli^
gemalt ©eine wa^r^aft ^tiftlic^e Btömmigfeit, an bet fid^
männigli^l etfpiegeln fönnte, fein eblet, tein menf^llic^et ©inn,
wirb bem angeftifteten Unheil gegenüber faum aI8 milbetnbet
Umftanb angefeben. ^ie8 ift eine eben fo woblfeile aI8 un*
begrünbete ölrt ju fritifiren. @8 ift bie8 bie ©timme bc8 re»
artionören ißoIitiferS, nic^t bie be8 obfecti», unparteiifdb bentenben
SBobl wiffen wir, ba8 alte 9taturre(bt feine
Seit ge'bobt, ift ein überwunbenet ©tanbpunft. aber feine
großen, bleibenben ffierbienfte um Sfied^t, Sreibeit, ©taat, wirb
fein gefunber @eift in abrebe fteOen. (Sine ganje @eifte8ri<btung,
bie ihre Seredbtigung b^tte, bie in bet @ntwic!Iung8gef(bi(bte
bet SSiffenfdbaft eine fo gro§e ©teile eingenommen unb ihre
aufgabe erfünt b<>t, fann nicht fo in ^aufdb unb Sogen »et>
bonnett werben. üJlit bemfciben SRe^te wie @rotiu8 für Sflouffeau
unb bie ftanjöfifcbe SReooIution, fonnte (SoIumbuS für bie ©tfiuel
eines 6orto8 unb ^ijarto »erantwortlidb gemacht werben. Sunt
Ueberfiuffe Weift fRouffeau (Contrat social II. 2.) jebe ©oli»
barität mit @rotiu8 jutüdf, greift ihn al8 einen 2obrebner bet
2?rannei, al8 einen ©chmeichler gubwig XIII. auf8 beftiflft*
an. ©ab @rotiu8 feine Sorliebe für gefe^lofeS ?>öbel* wie für
lDe8t)otenregiment gehabt, beweift fein 8eben unb beweifen feine
©chriften; ba^ er ben ^atrimonialflaat mit feinen ©onfequenscn
al8 eine Sbu(fu<he ni^t läugnete, ohne ihn im entfernteften ju
wünf^en ober gar gu ibealifiren, beweift für feinen unbefangenen
©inn, unb wie wenig er in feinen juriftifchen Snbuctionen »on
bem fogenannten ©taate in bet 3bce auSging. Siouffeau aber bat
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feine geiftige SBerroanbtjt^aft mit @root gewi§ mit »eit grS*
§erem (Reffte geläugnet, al8 Sta^l besauftet.
©cbliefelitb tooflen mit no(b einige^ übet baS literatifc^e
©(bicffal beö metfmürbigen Su<^e8, bo6 un8 ^iet junäi^ft be»
f^äftigt, nnfü^ren.
©elbftcetftänblicb beabficbtigen mir leineSmegd eine soGI^’
ftänbige Literatur fämmtlidjer SBetfe ©roofä gu bieten. 3n
biefem etfcbßbfcnJ>e« Umfange mürbe fc^on bie ülneinanberrei^ung
ober fpfteraatifibe SufaDimenftellung ber nur ouf baß .^»auptmerf:
de jure belli ac pacis begüglicben Literatur ein anfebniicbeß Such
füQen. SBir muffen unß \)\tx nur auf fummarif^e, baß leitete be>
treffenbe Angaben befdbwnlen. 2)a^ eß gabllofeSlußgaben erlebt bat,
unb in bie ©pracben fämmtliiber ^ulturDÖlfer überfebt morben ift,
bürfte gu etmabnen faft übetflüffig fein. JDie ?)arifer Original»
außgabe nom 3abre 1623 ift eine bet größten bibliogtapbifcben
©eltenbeiten gemorben; bie meiften nacbfolgenben @bitionen finb
in ^Imfterbam unb in ^ranffurt a. 9R., barunter acht nodb bei
gebgeiten ©root’ß erfd^ienen, inßbefonbere bie bei S3leau in
amfterbam 1642 gebrudCte »om Berfaffer felbft mit gablteidben
ÜRoten nermebtt morben, meicbe fiib in allen fpäteren Slußgaben
mieber finben. 3m Sabre 1691, alfo 46 Sabre nadb ©root’ß
Stöbe mürbe baß S3utb in f^ranlfurt a. D. oon SSecfmann cum
notis variorum ebirt, eine @bre, bie ibm gleich ben alten ($laffi»
fern, ibm allein unter ben neuen ©^riftftellern über ©taatß»
miffenfcbaften gu Stbeil »urbe. Sablreicbe Kommentare erfcbieuen
in rafcber ^olge gut Ktflärung beß Bucbeß de jure belli ac pacis,
aQe übertroffen, menn nicht entbebrlicb gemacht burcb ben ber
berühmten Reiherten (Batet unb ©obn) .^einricb unb ©amuel
Kocceji, melcber in fünf mächtigen Ouartbänben gu 8aufanne
im Sabre 1751 erfcpien. ■
XIX. *49. 2 (6S9)
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91ebft ben DoQftänbigen 6omtnentaTen übet ®rotiud giebt
eS eine Olienge »on toeldfe jut Seleuci^tung beS
SBeifeg ober eingelnet 1)attien beffelben gefc^rieben »urben,
tabeOarif(be unb fpnoptifc^e SufammenfteQungen, Sludgüge, 9b>
^anblungen, ^onogia)>^ien bet Det[(biebenften älrt, bie in bem
SiJerfe befl gtei^ettn uon Dmpteba: Siteratur beS 33ölferre(^te8
(1785) genjtflen^aft netjeicbnet finb. JDafe ade, bie ©efcbic^tc
bet neueren |)l}ilofo)>^ie unb inSbefonbere bet SiecbtSp^Üofopbie
bebanbelnben SBerfe me^t ober mtnbet augfü^tlicb non Q^rotiud
unb jeinem ©pfteme ^anbeln müffen, ‘ift |elbftnet[tänblid).
bie Uebeife^ungen beS ä3ud^ed de jure belli ac pacis
betrifft, befi^en bie grangofen eine aa^tljaft claffi|cf>e non Sat»
beptac, »el(ben bie ttefflid^en fWoten befl Ueberfc^erö gut wert^e
nodfiten 93eigabe bienen. @ie erf^ien gule^t nadfi SSatbepiac'fi
Sobe mit älndgügen aud bem Socceji’fcben Kommentar nettne^rt,
in 5. SiuSgabe in Duarto in Reiben 1759. Unter ben @ng<
länbem b«t, bet älteren Ueberfe^ungen nic^t gu gebenfen, bet
bebeutenbe belehrte 9B. SBbewed 1854 eine neue Ueberfebung
bed SBerfed ^etauSgegeben. 3n>ei gang neraltete bentfc^e Ueber«
fe^ungen finb in ben erften 3flbten beö 18. Sa^r^unbertö er»
fd^ienen. SBir fönnen fie je^t entbehren, feit im Sa^te 1869
in ^Berlin bie fe^t gute 3}erbeutj^ung non ^ird^mann erfc^ienen
ift. ©ämmtlicbe Uebetfe^ungen, bie »ir ^iet dnfü^ren, bieten
im Eingänge me^r ober minbet ausführliche biogtapbif(he> <^ugo
@root betreffenbe dlotigen. 3)ie norgüglichfte, nodftänbigfte 5Bio»
graphie, l>ic auch in’8 SDeutjdbe übetfe^t »urbe, ift bie non
SBurignp: "Vie de Hugues Grotius, ^oriS 1752, in gttei öän»
ben. Unter ben IDentf^en h«t ber befannte ^iftorifer 8uben
in feinem SSetle: .^ugo ®rotiuS nach feinen @chidfalen unb
Schriften bargeftedt (Setlin 1806) eine ausführliche, mit 8iebe
(6S0)
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abgefa^te 8ebendbefdbteibung {)ugo @coot’d oeiöffentlic^t. Uber
aud^ eine fütjete, getreue S3tograt>^ie »oUen wir nid^t unerwähnt
laffen, welche ber Sibbe feinem in^aitreid^en Su^e: Etade
sur le drok de la guerre, ^atiö 1875 voranfc^tdFt. Slm ©bluffe
flnbet man noib ein weiteres 93erjeid^ni§ non meift ^ollänbifd^en
Siograpbien, bie ®root betreffen.
Unb wenn anä) wir jum ©c^luffe nod^ eine bibliograpl^ifc^e
SR0H3 ^ingufügen, fo begießt ftc^ biefelbe auf bie fog. 33 or»
läufer unfereS @rotiuS. @r ift ber eigentliche @rünber ber
SBiffenf^oft befl 33ölferrechte8. iDem Sllterthume mit
feinen fich ifolirenben ober nach Unioerfalherrfihaft ftrebenben
©taaten, bem SRittelalter, weldhed nom stampfe bec 9)lonar(hie
mit bcn Üehenwefen erfüllt, innerlich obforbirt würbe, fonnte
biefe SBiffenfchaft ihren Urfprung nicht nerbanfen. . ©ie ift ber
92atur ber gangen gefchichtlichen (SntwidFlung ein ^robuct ber
SReugeit, fie fteht im untrennbaren 3ufammenhange mit ber
33ilbung ber anberen ©toaten. unb ihrer 3Bechfelbegiehungen,
ber ©taatenfpfteme. JDah fidp in ben ©chriften ber mittelalter»
lidhen Suriftcn unb Sh'ologen h®“ftä «ngelne, gerftreute @e»
banfen über internationales (Recht, gumal über baS Verhalten
im Äriege oorfinben, ift gweifelloS. (Roch wehr, ber ©panier
33althafar (Kpala, Q^eneralaubitor beS fpanifchen .^eereS in
glanbern, ber berühmte Drforber ^rofeffor (Slberidh ©entili,
ein Italiener non @eburt, fchrieben bereits formlidhe Stractate
über baS Stecht beS Krieges, unb bantbar gebentt, namentli^
©entili’S ^ugo @root.
5)er um baS 33olfene^t bur^ »iele geiftungen fehr »er*
biente Freiherr 0. .^alteborn hinterlieh ein 33uch reichen Inhalts :
(Die 33orl5ufer beS ^>ugo ©rotiuS, IJeipgig 1848. 6ine ahn»
liehe, fehr genaue Arbeit oeroffentlichte 1882 in (Brüffel: Droit
2* (6SI)
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de la gaerre et les pr^curseors de Grotios, ein waderet bei«
gifcbet ©ele^rter ^en Dr. ßrnft 8Rp8. ÜRit 9ied)t berutt fidb
au<b bejügli^ fetneö S^emad ^en 9Ip8 auf bad fÜT bte 8ite«
ratut beö IBölfeae^tcS SBa^n brecbenbe SEBetf Ompteba’S:
Ütteratur be8 gefammten fovo^t natütlic^en al8 pofitinen
93ölferre(^t8.
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^Anmerkungen.
1) (Sine gebröngte Ueberftdjt be8 SBerfe9 de jure belli ac pacis
bürften bie eben gemachten ©emerfungen übet bie Slet^obe unb ben
Sbeengang be8 StutorS am beften begtünben unb anjc^aulic^ madien.
3m erften IBuc^e ^anbelt er non bet @etec(>ttgfeit be8 Krieges übeti^aulJt,
non bet @intl^ei(ung beffelben in ben öffentlid^en unb ben eigent^ümlic^
fo bejeiebneten $rinat« jbrieg, non bet ©ounetänetät, nom Staate, non
ben nerftbiebenen gormen beffelben, non ben Pflichten bet Untertbanen
gegen ben Staat. 3m jmeiten SBuebe »erben bie Sleranlaffungen }um
jCriege, »eicbe ba8 @igentbum, petfbnliibe, bingliibe ober SSertragSreebte
betreffen, erörtert. (Daran anfnüpfenb wirb bie ganje 8ebre nom (Sigen*
tbum, non SSerträgen, ihrem @ntfteben, 0efeftigung8orten unb @tlöf(ben
berfelben, alfl ergän^enbe unb erläutembe SBegrünbung bet noraulgefcbidten
Sebtfdb« erörtert. 3m britten unb lebten S3u(be wirb unterfutbt, »a«
im Kriege erlaubt, wa8 netboten fei. ^>ietan f(blie§t ber Uebergang
jur 8ebre non Seenbigung be« ÄtiegeS unb non griebenSnerträgen. 3«be8
bet brei Sütbet jerfäüt in Sitel, biefe in (Sapitel, Untere in eine geringere
ober größere 3<>bl »on ^aragtapb^n. $Ian unb @intbeilung beS äBerfeö
befpri<bt Qörotiuö felbft in ben 63 Stbfdben ober Paragraphen ber
Prologomena, welche offenbar erft nach IBoIlenbung beö ällerfeö nerfapt
worben Pnb.
gut bie Stuffaffung ®root’8 nom Ubaturreebte genügt e« feine (Depnition
beö Dbaturre^teö anjufübren. Jus naturale est dictatum rectae rationis
indicans actui alimi, ex ejus <x>nyenientia aut disconvenientia oum
ipsa natura rational! inesse moralem turpitudinem aut necessitatem
morabem, ac consequenter ab auctore naturae. Deo talem actum
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aut vetari aut praecipi. (8. I. 6. 1. § 1). Älar ge^t au« biefm
SEBorten Reiser, ba§ ®root füi ein @9ftem be« natürlichen Siechte« ein
rein ethifche« litincip ohne Sifidjtcht auf Siuhra auffteUt. 93e!anntUch
hat bie SBoIfffche ein 3ahihunbert fbäter, um bie gefanunte
9ie(ht«Iehte auf oermeintlich ununiftü§Hche ©ronblage ju fteOen, eine
fein foQenbe mathematifche SRethobe in biefelbe einjuführen beabjichttgt,
fa biefelbe auf ba« ganje fittliche ®ebiet, auf bie SBelt bet Freiheit
übertragen uoHen. Schon SIriftotele« hot biefe« SSotgehen in ethif(hen
S)ingen für unjuläffig erflürt, unb auch ®eoot »ie« e« energifch al« un«
fiatthaft jurücf, ein SSorgehen, ba« unfere« ©ebünfen« um fo gefähtliihet
ift, al« e« au« midfütlichet 9>rümiffen filo ratiocinii )u fcheinbar un*
truglichen Siefultaten, ju toiffenfchaftlicher IDüntelhaftigfeit ober auch ju
geiziger Srügheit führt.
2)a« natürliche Siecht fann nach ®tcot'« ^ priori beviefen
Verben, uenn borgethan vitb, ba§ e« mit bet natürlichen unb gefelligen
Statut be« SRenfehen übereinftimmt, a posteriori, »enn unb infofem e«
»on allen ober hoch ben gefitteteren 935ltem bafüt gehalten ttirb. 35enn
eine allgemeine SBirlung erforbert eine allgemeine Utfache. (8. 1. 6. 1. § 12.)
2)em jus naturale ftellt @root ba« voluntarium entgegen, genauer
betradhtet jur Seile. SJlan mu§ bejüglich bet Schematif, bet ganjen
@lieberung be« SBerfe« nicht oergeffen, bog ®rcot bei allet Unabhängig*
feit feine« ®eifte« unb ber Siefe feiner Sorfchung ftch boih »on ben in
bei Schule jener 3<it henrfchenben Jlnfihauungen nicht loSmachen fonnte,
ober, nenn man viO, ni^t umhin fonnte, biefen Slnf^aunngen, um ben
Seitgenoffen oerftünblich ju fein, »iffenfchaftliche unb practifche 6rfolge
}u erjielen, bi« ;u einem geviffen ®rabe auch gerecht gu »erben.
IDa« jus yoluntarium, »eiche« feinen Urfprung im SBiOen hat, ift
entveber ein jus humanum ober ein jus divinum. IDa« bumanum
ift ent»eber ein jus cüvile, »eiche« ent»eber non ber potestas cüvilis
au«geht, ober ein ^echt im engem Sinne, (jus arctitu patens), »eiche«,
g»ar bon ber bürgerlichen ®e»alt nicht audgehenb, ihm hoch untergeorbnet
ift, umfafft bie @tbote be« SSater«, be« .^enm unb Sehnliche«. (8. 1.
@. 1. § 12). 3m Diiginal h^i^t e«: jus arctius patens et ab ipsa
potestate civili non veniens, quamquam ei subditnm varium est,
praecepta patria, dominica et si quae sunt similia in se continens.
2)a« varium begieht fi^ offenbar auf bie mannigfaltigen, im Staate
befinblichen, ton ij)m gefchühten Sle^tSfieife. @nblich folgt al« britte«
@intheilung«glieb ba« jus voluntarium humanum, im ®egenfahe gu
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bftn oben befprc4)enen arctius patene, bad jus latius patens, toelc^S
nichts anberee alb bab jus gentium ift. bebarf faum bet 9lä^ettn
erflärt ju toetben, baß biefeb jus gentium, wel4)e0 ^eut ju Sage etnfa(b
al0 bie Iateinif4)e Sqei<bnung für baS iBflferiec^t gilt, in feinet nr*
fprünglic^ rümifc^ re(btli(^en Ü3ebeut«ng etmad anbereb, bem heutigen
internationalen ^rioatrec^te 91naloge0 bebeutet, »enngleit^ gef(bi4|tlidt
naibnetSbar ift, ba§ biefeb antife jus gentium in feiner (Sntwicflung auf
bie {>eranbilbnng beS mobemen iBülferre(bte0 wejentlid^en @in^u§ aueübte,
loäbrenb äßiffenfc^aft unb $ran§ be0 fBölIeredjtd in bet eigentlich, tec!>« *
nifdfien SSebeutung be« ©orte« aU >J)robuct ber 9leujeit angefe^en »erben
muffen, liefet I3511erre(f)t, baS jus voluntarium humauum latius potens
erhalte feine oerbinblic^e Äraft burcb ben Söillen aDer ober Dielet SJölfer.
®r fage Dielet, fügt Oroot in ber oben citirten ©teile ^inju, »eil außer-
halb beS 9laturrechte0 (extra jus naturale) faum irgenb ein fogenannte0
IBSlferrecht ju finben ift, baS bei allen IBSIfem gälte. IBielmehr ift oft in
einem ber 6toe etwa« Dülferrecbtliih, tja« e6 in bem anbem nicht ift.
jfommt auch bei {)ugo ®root noch häufig bie Sßermifchung
»rioat- unb Dölferrechtlicher KJlaterie Dor, »enbet er auch f*lten
®runbfühe be0 prioaten, befonberS beS römifchen IRechteä auf ba0
SSßlferrecht unb beffen Sehanblung an, Derfennt er auch »o" f«nem
Stanbpunfte au« bie obfectiDe hSh^e IBebeutung be8 SUBlferrechte« , fo
barf bo4 nicht überfehen »erben, baß er mit »ahrhaft fchöpferifchem (^ei^e
juerft eine felbftftänbige 3Biffenfchaft be« IBülferrechte« begrünbet, unb
allen iHachfoIgem bie IBahn Dorgejeichnet hot.
2) 2)aß {)ugo ®root 3urift, unb j»ar al0 toie al«
^ractifer gleich h*r®»rtagenb »ar. Dafür fprechen in erfter Uinie fein
Jpaupt»erf, bem »it unfete ^Betrachtung Dor 2lIIem ju»onblen, fein für
alle Solgejeit muftergültige« IBuch mare liberum, feine florum sparsio
ad jus lustinianeum, enblich fo Diele ÜJlonogtaphien über juribifche
SontroDerfe.
3) äBa« @rotiu6, bem ^)iftorifer, betrifft, fo gebenfen »ir hier Doret^
feiner berühmten ©efchichte be« Äampfe« ber feit bet Utrechtcr Union
Dom Sahre 1579 ju einet SüberatiD-Slepublif Dereinigten fieben nörtlichen
^roDinjen be« ehemaligen burgunbifchen Äteife« gegen bie erfte IDiilitär-
macht jener Seit. Aanales et bistoriae de rebus belgicis usque ad
iuducias anni 1609. 3)a« »ar ber befannte {»elfjährige 9BaffenftiIIftanb,
»eichen bie Dlieberlanbe mit Spanien fchloffen, nach beffen Stblauf fie
ben älampf {u Sanbe unb jur See mit glüdlichem @rfoIge fortfeßten,
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bis ®panien in bem gricben oon fünfter 1648 i^re Unat'bängii3!eit
ntblit^ unb enbgfiltig anerfanntr. ©rotiuS fc^rieb baS im Siuftrage bet
Oeneralftaoten fd?on Bor Sagten begonnene SBerf, bie großen ^iftorifer
beS 3Htertßum8 als SDlufter neßmenb, unb in großartig objectioer SBcife,
in freiem ®ei[te nacßaßmenb, in einem maßrßaft claffifd) ju nennenben
?atein. 5DerS3or»urf, ben iijm Kleiber unb Ij^perfritif^e SJeurtßeiler mad>ten,
er ßabe feinen Liebling iEacituS foft fcloBifcß in ber ®iction nacfjgebilbet,
ifi feitßer langft wlberlegt worben. ©rotiuS ßat 5£acituS nad^geaßmt,
’nii^t nac^geäfft. 6r |(f>ilberte aJlenjdjen unb JDinge mit energifeßer
jtfirje, ja, unb baS gereicht ißm wie bem Serfe gewiß nießt jum 9lac^>
tßeile, fonbern jum Dlußme, mit ber fpridjwßrtlitß geworbenen brevi-
loquentia tacitea, mit SSermeibung jeber Unflarßeit, mit Boiler 8ebenbigfeit
unb SBärme ber Wctualltöt. ?uben in feiner trefflidjen Siograpßie
©root'S (Serlin 1806), geßt offenbar in ber Slnpreifung ber SDarftetlungS-
weife ©root’S juweit, wenn er feine ©c^ilberung non gcfcf)i(f)tlic^n Sßoractem
wie Sllba, ©rannetla u.a. in eine für ©{fiiller, in feiner ©efdjicbte beS SlbfallS
ber 9tiebrrlanbe feßr ungünftige parallele feßt. ©erabe bie non tiuben
angeführten ©teilen jeigen bie 9Reifterf(haft unfereS ©(filier. 3lbet in
einer SSejießung unb bie beiben Stutoren, welche benfelben ©toff beßanbelt
haben, nergleithenb , fffnnen wir bei ber hßihft™ Verehrung für ben
großen £Di(hter nitßt umhin unfete 8lnß(ht bahin auSjufprethen , baß
©robt als 4)iftoriograph im antifen ©inne unb ©tple betrachtet, nicht
hoch genug geftellt werben fann.
äber noch «nbere hiftorifth* Slrbeiten hinterließ ©root ben 9lach*
fommen. Um ßch ©chweben, feinem 8lboptio»93atetlanbe, baS ißn geehrt,
mit ihm unb burch ißn ftch felbft nerherrlicht hotte» ein 3lnbenfen gu
bieten, beabficßtigte er anfänglich 8eben ©uftan ÄbolphS gu fchreiben,
gab feboch biefeS SSorhaben auf, ba er fonb baß bie nothonbenen
lUlaterialien ni^t hinreichten, um bie eines fo großen 4>elb«n würbige
S3iogrophie gu entwerfen, ©tatt beffen wanbte er ßch ber älteflen ©e*
fchichte ©chwebenS gu, unb überfeßte beS f)rocopiuS nanbalifche unb
gothifche ©efehießte. SiS auf feine Seit befta.nb nur eine hi'thft »nangel«
hafte Ueberfeßung biefeS SKerfeS in bie lateinifcße ©praeße. 9Wit ^>ülfe
gelehrter Archäologen gelang eS ißm gwei werthBoUe lUJanufaipte ber
Bon $rocopiuS herrüßrenben ©efeßießte aufgußnben, welcße ißm bei feiner
Arbeit wefentlidh gu ftatten famen, ber fteß eine SReiße, baffelbe
Sßema beßanbelnber 9Ronograpßien anf^loffen.
®ir glauben in ber gifte ber hiftorifeßen SBerfe ©root’S aueß eine
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Unterführung üfcer ben Utjprung bet SBeao^nct Slmerifa« erwähnen ju
feilen. 0te ffifirt ben Sitel: De origine gentium Americ&nanim
dissertatio, unb erfc^ien in ipari«. ©einen nimmer ru^enben, allen
3eitfragen Slufmeetfamfeit fdrenfenben @eift mufete andj biefe Swfle
befdräftigen. ^)ugo ©root ujar ber SUleinung, Slmerifa fei »on Dtormegen
one fibet 38lonb unb ©rßnlanb beuSlfert »erben. 2)a§ biefe SJleinung
bia in unfet Sa^rbunbert btrouf 3(nbänger unb Sertbeibiger fanb, ift
eine befannle Sbolfatb«; ba§ fte aber eben fe bäupg beftritten »urbe,
ift nihrt minber belannt. SSBaa ÜBunber, ba§ ©roet ebenfallB in
©rmangelung fefter Slnbaltepunfte ju ^pvi’^b^f^ Buflu^t nahm.
8lu(b bt« befunbet et feinen bioinatoriftben ©eift. 3)enn feeiel unterliegt
na<b b<ulis<n gerfebungen fcb»erli(b einem BQ’cifel, bag bie erfte ju>
eerläffige ©ntbeclung Qlmerifa’a een ben ©fanbinaeem auBging, bag
een 38lanb auB in ©renlanb @elenien gegrünbet »urben, bie freUiib
no(b im ajlittelalter 3U ©runbe gingen, ba§ felbft baB geftlanb im
9lerben ämerifa’B, ?abraber, bie DJiimbung beB ©t. SctenjftremeB ben
9terbmannen nicht unbefannt »aren.
SBenn »ir im ©enteyte unferer ?lrbeit fagten, ©roet fei 3»rift,
^ifterifer, ^bilcloge, ütb^elege gemefen, fe fügten »ir bin^u, ba§ er in
feinem biefer auBgebebnten ©ebiete et»a nur alB Dilettant, eielmebr in
jebem alB IKeifter erften 9langeB auftrat. ÜJlan ftaunt nun, baß er
alle biefe SBiffenfibaften eellfommen beberfebte, baß er in feinem eiel-
bemegten ?eben bie 3füi bie SJluje fanb, fe gro§e, eft riefige Beiftungen
unb mit fe tief eingebenber ©rünblidrfeit ju eoHbringen. SBobl galt
een ibm ©icere’B Jlnpreifung ber SIBiffenfcbaft, bie ibm im Unglüde
Sreft unb 3u^ucbt barbiete (haec studia adversis rebus solatium ac
perfug[ium praebent). SBelcben Sireft, »eicbe ©türfung er auB ber
heiligen ©dprift unb ben Äircbenöätern febopfte, gebt auB feinem ganjen
Beben »ie auB feinen SBerfen b«n>or.
4) ©rotiuB »ar »on feber ein, man fann fagen leibenfcbaftlicber
Slnbänger beB internaticnalen griebenB. IDaB fpredrenbfte 3(ugni§ baoon
geben jabireicbe ©teilen feiner S3riefe, in benen er ben ®er»anbten, ben
Sreunben fein ganjeB ^)erj erfiblie^t. 9JJit Sorliebe nennt er ftcb felbft
Surger beB UniserfumB. Unb noch lebhafter angefaebt würbe biefe,
feinem SESefen fe natürliche ©timmnng beim $(nblicle bet entfeblicben
©räuel beB breigigjäbrigcn jfriegeB, ni^t minber bet blutigen, fe »iele
£)pfer etbeifebenben IBirren in feinem eigenen ^aterlanbe. @r jittert
»er Sreube, fte »ar leibet nur »on ju furjer iDauer, alB er »emimmt
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9{t(^lteu felBfi looQe ben allgeinetnen Sriebtn ^trfteDen. 0ehie
S9eri(^te an bie ^inigin non ©(^loeben unb ben OietdbSlanjIei atl^men
bun^ud glfi^enbe SiiebmSltebe. o^ne Snttrrffe ift btt Setnerfung,
tttlt^e et in bem 0(^rtiben an einen ^eunb bejüglit^ granfiei^ie mac^t.
Snit SSergnfigen neunte er va^r, bag bie ^anjo[en ben ^eben lieben,
unb jut (Sinft(^)t gelangten, bag bet Ärieg nur ein SlnSfnnftdmittel fei,
beffen fit^ bebrängte ^Regierungen bebitnen um innere ®efagren ju
befeitigen.
!£)er giiebe ift baS 3beal beS @rotiuS, unb aU er vom Seginn
ber (Sonferenjen in SRunfter unb Dfinabrüd in ben erften nierjiger
Sauren Äunbe ergält, begrügt et Re alfl bie SBorboten einet bcffeten
Sufunft. !Dem SBiberfprm^e jtuif^en feinen ^erjento&nfc^ mit ben
^flitgten feinet Stellung al8 Sotft^fter fonnte et febotf) nid^t immer
entgehn, ^öefanntlit^i fam betgtiebe, trog geplanter, oft untetbrotgenet
6onfeten3tn et ft natg Sagten, aU ®rotiue längft bie %ngen gefdgloffen
gatte, enbgultig 3U Stanbe. S» bet 3i»if(gen3eit aber mürbe ber jtrieg
mit aller ^eftigfeit fortgefegt, toeil feber Sgeil (Srfolge unb burcg fie
günftigere griebenSbebingungen 3U etreicgen goffte. 2)e«galb mugte @rotind
toiebergolt auf 9tuebe3aglnng bet oertragemägig 3ugefi^erten fran3{ftf(gen
©ubfibien für bie ftgwebiftgen Sruppen bringen.
IDer groge ®ebanfe, bet unfern ®rotiu6 oor Sllem erffiQte, mar
bie .$>rrbeifiigrung bed religibfen griebend. IBiele bebeutenbe URänner
im 16. unb 17. Sagrgunbert, unter ben jtatgolifcgen mie ben ^rote^nten,
bacgten inmitten ber IReformationefriege, bed ®emirree bet l^arteien unb
Secten an eine Slnnägerung, an eine aUmäglicge SSerfognung unb
SEßieberoereinigung bet getrennten unb Reg befegbenben ©onfeffionen. iDa#
SeRreben mar gemig ein ISblieged, münfegenemertge Siele betreffenbeS.
$tber bie Seibenfcgaftliigteit, bie URagloRgfeit bet Parteien fonnte in fo
tief aufgeregten Seiten folgern IBemägen niegt förberlitg fein. S)a0
erflört, mie felbft ein 9Rann »on ber ©eifteSfigörfe eine« Sagle in
feinem Dictionaire philsophique fene 3aglrei(gen 93erfu(ge, eine bleibenbe
Djetfögnung aßet fReligionSparteien 3U bemirfm für au«R(gteto«, bem
Stein ber SBeifen ober bet Duabratur be« ßirfel« oergleitgbar, erflärte.
(Srging e« boeg au(g ®root in biefem ®ebiete niegt anber«, als mit bem
profectirten emigen grieben 3mif(gen ben lB5ltem, ben an3ubagnen, mit
fortfegreitenber ®eRttung unb magrgaft (gtiRli^ ©eRnnung 3U förberu,
et gleieg ben grieben«freunben unferer S^ge niegt für nnmSglicg gielt.
©eiläuRg gefagt, galten mir e« für fegt magrfegeinlieg, bag et in ber
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3ett, al« er mit Dlben SSarnecelbt am ^ofe ^tinrii^ IV. etfi^ien, »cm
Q^ebanfen beS emt|jen griebenS, ber eben bur4) ^einri(^ IV. unb feinen
Sninifter ©uOp }ur )>iactif(^en @eftaltung gebracht meiben follte, mächtig
angeregt würbe. 3«, in feinen (Scnceffionen an bie cerfchiebenen ®on«
feffii^nen, beren ma§lofen, unerfättlichen gotberungen gegenüber geht er
oft fo weit, ba§ webet bie Äatholifen noch bie ‘Profteftanten mit ihren
gahlreichen inneren Secten ihn als ben ihrigen anerfennen, Bon feinen
üSerfühnungdBerfuchen etwas wiffen wollten. Seine theologifchen Stubien
gehören ju ben umfaffenbften unb grünblichften beS auherorbentiichen
iUlanneS. 6s ift faum gu begreifen, wie et inmitten feiner anberweitigen
Slrbeiten in ben oerfchiebenften ©ebieten ber Surisprubeng, ber ©efchichte,
ber ge’tabe auch in bet 3fit feinet ©efanbtfchaft, welche fchon
für fich bie aufreibenbfte i" älnfpruch nahm, eine fo groge
Soh^ theologifchet i£ßeife, meift polemifchet ^rt publicireu lonnte. 6S
genügt einige biefer SBerfe anguführen: De veritate religionis cbristianae,
Votum pro pace ecxlesiastica; De imperio summarum poteatatum
circ» sacra; Aunotatioues in vetus testamentum in btei Soliobdnben,
Anootationes in novum teatamentum u. f. f.
6ingelne Siefotmatoren beabfcchtigten bie SfBieberoereinigung ber
eingelnen ©ecten im ©cho§e beS SproteftantiSmuS. ©rotiuS hatte fich
ben Biel umfaffenberen plan Borgefeht, alle 6hriften in einet ^iche gu
Bereinigen. Slbet auch in biefer SSegiehung hatte et glüngenbe SBorgänger,
einen 6raSmuS, einen ÜJlelanchthon, einen ^einri^ IV. Unb eS ift
metfwütbig, ba§ et mit fortfchreitenbem SUter immer größere 6nergie für
baS, was er für feine ÜJliffion hält, entfaltet, mit immer fteigenber itraft
feiner hohe« Aufgabe gerecht gu werben bemüht ift. 2)ie SJorwürfe unb
iPerläumbungen feinet erbitterten ©egnet behanbelt et als ohnmächtige
SnnectiBen, welche ihn in einet gto§en ©ott gefälligen ©ache nicht be»
hinbem, unb in feiner ©eelenruht nicht ftören Knnen. ©rotiuS fcheiterte
in feinem lOorhaben, wie fo niele eble ©eifier baran gefcheitert finb.
aber bie fRachwelt wirb fein SSerbienft auch in biefer Stiftung banfbat
gu wütbigen wiffen.
©rotiuS bewahrte feinen frommen chriftlichen ©inn, feine echte
IReligiJfität butch frin gangeS Ueben, butch bie ftanbhafte ©tbulbnng Bon
?eiben, bie ihm in reichfter gülle gugemeffen waren. Unb fein 6nbe
war baS eines 9RanneS, ber fein 8ooS mit Eingebung in ben gättlichen
äBiOen ertrug. 6t würbe, wie wir oben erwähnten, bei ber IRüdfehr
Bon feiner lebten Steife nach ©chweben butch einen hffti0*n ©türm an
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bie pommerf(^e Äufte üerfd^lagen. ©eine Sibjii^t war nac^ göbetf
ju begeben. SBo^in et weiter reifen WoUte, ift unbefannt. SBal^tfc^in*
lief) wu§te ber große SiKann, einer ber größten feine« Sa^r^unbert«, felbft
no^ ni^t, wo et nac^ S3erni(f)tung aUer feinet 4>offnungen fie^ begeben
follte. Set 2obe8gefabr faum entronnen, mit gebroe^enet Äraft, fu^r
et nac^ ^übeef, »on ba nad^ fRoftoef. SBeiter ju reifen geftattete niebt
fein leibenbet 3uft«nb. ®in Slrjt, ben er berief, erflärte, bie übermäßige
Sinftrengung ßabe feinen Äötpet gef(f)wä(bt, aber einige SRuße würbe
ißn fräftigen unb wieber ßerftellen. SU« er aber am näd)ften iEage
waßmabm, baß ber äuftanb be« Patienten ein bebenfli^er geworben,
empfaßl et ißm einen ©eiftlicben tommen ju laffen, ber ißm in biefem
ernften Slugenblicfe bie Ströftungen bet fKeligion bereiten werbe. Soßann
Duiftorp, ein lutberifcber ©eiftliißer unb ^rofeffor an ber Unioerritöt
JU IKoftocf, Bon bem wir einen Seriebt übet bie Icßten Slugenblicfe
©root’« befißen, ermähnte ©root an bie Sufunft, an ba« anbere ?eben
JU benfen, in welchem bie ©eßeimniffe biefe« 8eben« bem Sülenfdßen Har
werben, et möge etfennen, baß et ein ©ünber fei, bet allein in ©otte«
SBarmßerjigteit ^eil unb ©nabe ßnben lönne. SJon biefer SSarmßerjig*
feit ßabe ber 36nner im ©oangelium feine ©eeligfeit geßofft. Sa
antwortete ©rotiu«: 3(ß bin biefer 3äHn«- Sarauf ermaßnte ißn
IDuiftorp, feine Hoffnung auf 3efum ®ßriftum ju feßen. ©rotiu« er*
wieherte, er feße feine .^offnung auf Sefum Sßriftum. Sann betete
Quiftorp unb fragte ißn, ob er ißn serftänbe. ®r ontwortete, bie
SBorte oerfteße ieß woßl, aber faum nermag ieß ben ©inn ju faffen.
Unb al« er bie« rußig gefagt unb ptß mit Slnflrengung gefaßt ßotte,
ba Berließ ißn, fo fcßließt bie auf un« gefemmene ©rjäßlung be« ©eift*
ließen, fanft unb leife bie ©eele in ber ©tunbe ber lOiittemaeßt be«
21. Slugnft 1645, unb feßrte ju bem ewigen Urquell be« 8eben« jurücf,
bem fte fuß feßön unb ebel Bor meßr al« 62 3aßrn< entrungen ßatte.
©eine geinbe entblöbeten ß«ß »itßt ftlbfl bem lobten üble 9la(ßtebe
JU ßalten. @r fei, fagten bie einen, al« jfatßolif, bie anbern, er fei al«
Sltßeift geftorben, er ßabe fogar meßrere SBefenntniffe abgelegt. 3a felbft
gewaltfame £obe«art würbe ißm naeßgefagt. SlDem biefem ©erebe braueßt
man nur ba« 3cugniß be« ganj unbefangenen Duiftorp entgegen ju ßalten.
©rotiu« ßat al« frommer ®ßrift gelebt, unb ift al« Sommer ®ßrift
geftorben. Set ©laube an eine gottbauer oßne ®nbe erfüttte fein
ganje« Söefen. Slbet aueß auf ®rben wirb fein 9lame unfterblicß fort*
leben, al« bet eine« bet erßabenften ©eifter, eine« ber Seften, ©belften
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29
bt« ÜJlenfc^|en0t|djle(^te«. ©fine ffietft, feine S^oten, feine I>o^e @e»
finnung, feine tiefe Steligiofität, olle0 cereinigt wie wir am Eingänge
ju unferei üirbeit bemerften, ju einem in feinet 9t rt einjigen, gro§*
artigen ßbaracterbilbe.
5) erübrigt unt no<f> jur tBernoQftänbigung biefer ©^ilberung
biefeS wiffen|(f>aftli(^en ^ero(, ©rotiud ben $^i(o logen nä^er ind
9tuge 3U faffen. SOiit befonbeter SBotliebe betrieb ®rotiuS feit ber
früljeften 3ugenb bU in feine testen Sebendtage baS ©tubium ber 9((ten.
©eine @bitionen bet (Slaffifer I}ütten allein genügt feinen f)tamen auf
bie 9ta4)welt ju bringen. S>ai große ^ublifum tennt nur fein ^aupt>
wett über baS äie^t be8 jtrieged unb beS ^riebene. Um wie oiel
weniger nimmt man baoon 9iotij, bag ®rotiud aucf) S)i(^ttr, unb jwar
^prifer, Spigrammatifer, ja felbft 93erfaffer »on einigen Jragübien ^ei.
©ein ©eift, fein ©emütg lebt in allen biefen ©i^tungen. 9tber fte
allein Ratten |(gwerli(p fRugmedtitel für il)n abgegeben. IDenfen war
für ign, wie ©ftge oon ftd) fagt, probuciren. Unb wie reicp war bie
©ebanfenwelt beS augerorbentlidjen SDlannefl!
aSBenn ft^cn, wie im Sterte angeführt würbe, bie 3«tgenoffen @rotiu8
ben Jüngling einen juyenem portentosi ingenii nannten, fo red^tfertigte
er biefe« (Srftaunen ftpon burtp feine erfte ppilologifcpe 9trbeit, eine
9tu8gabe ber im füJiittelalter fept gefcpägten Mortianua Capelia, aive
de nuptiis philologiä et Mercurii, einer 91rt non @ncpclopäbie be8
aSBiffenSwertpen. Unb biefefl augerft ftpwet »erflanbli^e SEBerf bet fpateren
8atinitöt ebirte ®rctiu6, al8 er fgum »ietjepn Sapre alt geworben.
2)ag fein Zepter an ber Unitjerfität 8epben ipm biefen ©toff unb biefen
Stutor empfeplen fonnte, beweift, wa8 für eine f^einung et oon feinem
Slalente unb ebenfo oon feinet ©eleprfamfeit patte.
(Sin ©lief in ba8 1599 erftpienene 93u(p weift auf bie faft un»
glaublicpe 3apt antifer ©(ptiftfteller , welcpe gelefen, gtünbli(p ftubirt
werben mugten, um ßapetla ju erf löten. SDie grögten kennet be8
9Utertpum8, ein ©caliger an ber ©pige, ein (Safanbonu8, ein SBoffiu8
fpenbeten bet 9(rbeit be8 Änaben ba8 »otlfte 9ob, erftörten er pabe ben
gau3 »erunftalteten (Sapetla wieber wie neu pergeftetlt.
3nt 3«pre 1609 etftpien fein ?ucan (Lucani Pharsalia, aive de
bello civili inter ('aesorem et Pompejum libri X), leoibirt unb mit
fo wettpooHen Dloten au8geftattet, bag 93offiu8 ipm ftpreiben fonnte,
mit SHeipt bürfe @rotiu8 8ucnn in biefer ©eftalt ben feinigen nennen,
inbem er suetft ipn' in foltper aSoflftönbigfeit bearbeitet pabe. SDie gan3e
(641)
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30
gelehrte SBelt jei i^m beS^alB )u 2>anfe oerpflic^tet. ^Der größte
feiner ^^ilologifc^en 9(rBeiten fiel in baS Sa^tje^nt »elc^ei et als
f>rit>atinann in ^anfteit^ jubrae^te (1621 — 1631). 4>iet gab et 1622
baS Florilegium Stobaei, baS gtie(^ij(^e Original mit gegenüber
fle^enber lateinif^er Ueberfe^ung ber poetif(^n ©teilen alter 2)ic^tet
heraus. ©tobciuS ^atte @;cceri)te auS einigen ^unberten, bnn^ bie Un>
bin bet 3«iten für unS meift tetlorenen 2)i(^tem eeranftaltet, ttoburc^
eben biefe Slumenlefe »on fo großem SJert^e ift.
@in; im ©eifte beS Florilegiums non ©tobäuS, U)ie jur @rgänjung
unb gortfe^ung beffelben, ebenfaU« mit einer Ueberfe^ung in lateinifc^en
SSerfen auSgeftattete flrbeit ®root'S erf^iien 1626 unter bem Xitel:
Excerpta ex Tragoedüs et ComoediisGraecis, tum qua extant, tum qua
perieniut, emandata et latiuis versibus reddita. IDiit feiner Ueberfe^ung
erfc^ienen am^ bie Phoenissae beS Suripibefl bet ju feinen gieblingSbidjtem
gehörte. @benfo (1 640) XacituS mit trefflid^en Slnmerfungen non ®rotiuS.
9tod; muffen mir am ©c^luffe einer in i^rer ÜIrt einjigen p^ilologifc^en
Strbeit ®root’«, feinet metriic^ien Ueberfeftung ber grie<^if(^en Slnt^ologie
gebenfen. 9Bie bie (Sbition beS nRartianuS 6apeUa fein erfteS äBerf in
biefem ®cbiete mar, fo bie Stnt^ologie ba« legte. Sefanntlicg ift bie
älnt^ologie, ju ber faft 300 2)i(gter igre Sieber, bot allen i^re (Spigramme,
baS 9Bort in clafüfcgem ©inne beS SBorteS genommen, beigeiragen ^aben, fo«
mo^l in practifcfier |)inric^t, in ^ejie^ung auf ©pracge, ©itte unb baS ge«
fammte ^eDenifcge Seben in beffen oerf(^iebeneii ^erioben ein unftgägbareS
jbleinob, welches unS and; für ben SSerluft fo oieler lprif(ger, namentlidt
elegifcget 2)i(gter einigermaßen f^abloS l^ält. HuS ben oerf(^iebenen alteren
älnt^ologien oerfaßte ßonftantinuS^ep^alaS ju ßonftantinopel im lO.^l^r^.
eine umfaffenbe ©ammlung, bie bet IDidncg ^lanubeS im 14. 3a^r^. in
einem SuSjug brachte. Dlac^bem biefe legte ©ammlung in ja^lreii^en
VluSgaben bereits erf(^ienen mar, entbedte ©almaftuS (Saumaise) im
3a^te 1606 in ber berühmten Bibliotheca Palatina in ^>eibelberg eine
aus bem 10. 3a^t^. ftammenbe ^anbf^rift, me^e bie ganje 2lnt^oIogie
beS ßonftantinuS j^ep^alaS entfiielt. ©almaftuS na^m Sbfc^rift non bem
Sobet; ber Palatina, aber feine Slbftc^t einet neuen fritifc^ SluSgabc
!am nic^t ju ©tanbe. äßo^l ^atte er feine IBerbefferungen unb Sufäge
feinem greunbe ®root mitget^eilt, ben ein eigener 9tei3 gu ber 9lntl)ologie
^injog, beren ©ebic^te et in metrift^er lateinift^er Uebetfegung bem
gtieegift^en Xejrte gegenüber fteßte. Slber oor aßen befi^üftigte ign nur
ber ©ebanfe bie ganje Slnt^ologie in ergdnjten, nefbefferten, bisher fegt
(6«)
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31
corru)5ten Ifxte ju üfrSffentli(^en. 3n feinem 60. ?eben8ja^te ma^te et
ft(^ mit fugenbli(f)ec Segeifterung an biefe utnfaffenbe, äugerft fcfimierige
Slrbeit. 31bet bei bem Semü^en um biefe fd^on bruÄfertig »orliegenbe
gtD§artige Stiftung, bem ^Bedangen nac^ immer ^c^erer @Ieganj unb
©orrect^eit, »etftric^ bie Seit, unb al« er fic^ bem Siele feinet 3Bünfc^e
näherte, unb wie in iQoia^nung feined }u frühen @nbe8, brängte, über«
tafelte i^n ber Slob. 9lod^ im Sanuat be« SofiteS 1645 richtete er,
bie Sorge für bie .Verausgabe bem greunbe Sfaf SSoffinS empfe^Ienb,
an biefen ein Schreiben. Schon batte bie ü)ru(f(egung begonnen, als
in bemf eiben Sabre 1645 na^ einigen Söicnaten ber 5Eob feiner Ungebulb
ein @nbe machte. S*»ar ging baS äJlanufcript beS griechifchen »on @root
reoibirten SejrteS in 23erluft; aber ®anf einem gütigen ©efehiefe würbe
baS Suwel ber ©rcot’fchen Ueberfehung, feine loftbare |)interlaffen«
fchaft wieber aufgefunben, unb (1795) oon einem SanbSmanne ©root’S,
bem bemorragenben ©elebrten non ben IBofcb in einer trefflichen, im ©eifte
©root’S gebuchten unb auSgefübrten ©bition bem griechifchen 2ejcte 3ur
Seite publicirt. Glicht unerwähnt wollen wir laffen, ba§ bie mufter«
gültige eon griebrich SacobS bearbeitete SCuSgabe ter Slntbologie, wie
auch beffelben Delectus Epigrammatum, nach IBorgange oon ben
IBofch in feiner poetifchen SSorrebe baS bleibenbe SJerbienft ©root’S um
bie griechifche Slnthologie banfbar unb liebeootl beroorbeben.
(M3) .
0ru(( Dcn Q$e6r. Uiiijfr (tb« tn (Berlin, >£<bcnrbergerftT. IT a.
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|ln:t|l(ilniig btt Prnfibrn übtt bit f tbt
unb bie
llrfat^en ber tjerfc^iebenartigcn ^olfööcrbi^tung
in ben einzelnen ®rbt§cUen.
Deffentli(^et SSortrag, gehalten im 3onuat 1883
Don
Dr. «Ul), fiotrd)
in ®era.
ßttli« SW., 1884.
SSerlag oon (£ail ^abel.
(C. ITubtTiti’idit Btrlagsbmilllimblong.)
33. SBilbelm . £trai< 33.
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2>a^ bei Ueberfe^ung in ftembe Sprachen rotib Doibe^alten.
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Communi!« torra mater
est Omnium roortaliom
Liviug.
ber neueften ©(bä^img füllen auf unfetet @tbe
1434 9Kinionen SRenfc^en ujo^nen. SCu^crotbentltc^ gro^ ftnb
bte SSerfc^ieben^eiten an ^örperbi(bung, .^autfaibe unb $aar,
©prad^c unb ©itte, »eldje uuö in biefer 3al)I entgegentreten,
unb c8 ift unftreitig »on ^obem Sutereffe ben Utfacben nadbju*
foifcben, tnelcbe biefe Qnterfdbiebe im 8aufe ber 3eÜen betauS>
gebilbet hatten. 9bet ntibt minbet ift auch bte anbere ^age
Bon Sebeutung, »ie fldb bie obige 3abl Berf^icbenen
gänbertäume oettbeilt unb »eltbe Urfatben b*w «ne bitbtere,
bott eine fpärltcbeTe 0eB5iferung bnl’cn entfteben taffen, eine
gtage, bie fidb mit ber elfteren in mancbeu |)uuften berührt,
greift bodb bie SeBöIferungSfrage b«ite bereits tief in unfere
inirtbf^ftliiben unb t>otitif(ben Serbältniffe ein, fo bab mir
gejtBungen ftnb auf fDiittet unb SEBege gu finnen, toie mir bie
Kräfte, meicbe bem SSaterlanbe burcb bie bei ber rafcben Sunabme
ber 0eB5Iferung ftcb ftetig fteigernbe ^uSmanberung notbiBenbig
Berloren geben muffen, in nationalem unb n>irtbf(baftti(b«n 3u'>
fammenbange mit bem fOiutterlanbe erhalten unb fo auch ferner«
bin bemfelben nu^bar machen fönnen.
Unter biefen Umftänben bürfen mir eS mobt atS eine
Slufgabe, bie ber EllJiübe lohnt, eradf|ten, eineStbeilS bie IBer«
tbeiliing ber üJlenfcben über bie 6rbe feftguftetlen unb anbern«
tbeilS bie Urfacben ber oerfcbiebenartigen IBolfSBerbicbtung in
ben eingelnen ©rbtbeilen gu ermitteln. 2Bir mcrben, um gur
XIX. <50.
(«47)
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4
gSfung tiefer feineSwegß leichten Slufgabe ju gelangen, in bet
SBeife »erfahren, ba§ »ir junäcbft eine Ueberfic^t übet bie @rb*
tbeile naä) ihrer abfoluten unb relaticen Senölferung geben unb
bann unterfudjen, acltheß bie »etfcbiebenen Urfa^en finb, benen
ein hetnrnenbet ober fcrbernbcr @infiu§ auf bie SeDölfcrungß»
»erhältniffe eineß 8anbeß gugefthriebcn »erben mu^. Stuf biefen
crften allgemeinen einge^enbe Sefpre^ung
ber einzelnen @rbtheile folgen.
»ir feboch unferer eigentlidhen Slufgabe unß gumenben
fcnnen, finb einige erläuternbe IBemerlungen ooraußgufchicfen,
»eiche h<iuptfächlici) baß ftatiftifche fDlaterial unb beffen SSer«
»erthung betreffen.
S)ie gefammte 93oltßgahl eineß ®ebieteß bilbet bie abfolute
ISeoölferung beffelben. 6ß ift flar, ba^ ein burchauß gucerläffigeß
ÜRaterial nur burch genaue Sählungen ge»onnen »erben fann;
»0 bieß nicht ber §aU ift, finb »ir auf blc§e Schälungen an«
ge»iefen. SQein bergleichen periobifche Sähiuugen h^i^^
in S<h»eben, 9iot»egen unb ben ^bereinigten Staaten feit bem
@nbe beß notigen, in ben eutopäifdjen ^Iturftaaten erft feit
bem 93eginn biefeß 3ahthunbertß ftattgefunben unb erftrecfen
fich h^uic noch nicht auf bie ^älfte bet oben genannten S3e«
nolferungßgahl unferer @rbe, nämlich nur auf 626 SiiUionen
äfienfchen, »enn »ir Diuhlanb, »o nur fogen. ätenifionen ftatt«
finben, mit einre^nen »otlen.‘) @ß bleibt bemnach no^ bie
3ahl non runb 800 fDiiQionen übrig, »el^e auf bloßen Schälungen
beruht. IDiefe Schälungen fönnen natürlich non fehr nerfchiebenem
SBerthe fein: eß giebt Schälungen, »ie unß bie @)ef^ichte ber
Senölferungßftatiftif lehrt, *) beten Slefultate nur alß nage SBer»
muthungen gu begeichnen finb, unb »ieberum folche, bie non ber
äBahrheit, baß fann man »ohl behaupten, nur um ein @eringeß
abmeichen. 3u ben leiteten müffen »ir bie unten gu er»ähnenben
Berechnungen non Behm unb SBagner gählen; gu ben erfteren
gehören bie Berfuche ber Statiftifer beß nötigen unb auch
•)
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5
biefeS 3al)t^unbert8, weld^e fo »erfuhren, ba§ fie 3unä(^ft ben=
jenigen S^cil bet ©tboberfläc^e abfc^ä^tcn, ben fte Überlauf t
für bewohnbar hielten, unb biefe glöcbe bann mit bet ©idjtig«
leitöga^l, bie fie au8 i^rer näibflen Umgebung berechnet Ratten,
multiplicirten. 2luf biefeSBeife gelangten einjtlne ju betunge^euren
Summe non 4000, ja bi8 ju 13 385 SQlUHonen Sewo^nern,
anbete gu au§etotbentIi(b niebrigen Sailen. ?Re^men mit nodb
^ingu, bag biefe iBetec^nungen gu einet Seit angefteOt mutben,
wo bie wabte au8bebnnng bet ganbfiäcben uut böi^ft ungenfigenb
befannt wat,*) fo wetben mit mit 5Redbt biefelben al8 noQig
wettblo8 begeic^nen fönnen. 3lut weit fie non b'ftorifdjem
Sntereffe finb, woDen wit b«« einige biefet SSetjutbe bie @e»
fammtbenölfetung bet @tbe gu fcbä^en nodb anfübten.
3l’aaf 33offiu8 (1685) nahm bie Seoölferung bet 6tbe
nut gu 500 ÜRiQionen an. ^Det b«n§if<b* Selbptebiget @ü§»
mitdb fibäbte bie 93ewobnet bet @tbe auf 1000 fDMtlionen.
Seine im 3abte 1742 etfibienene S^rift: ?Die göttli^e Dtbnung
in ben SBetdnbetungen be8 menfibliiben @ef^tecbt8 u. f. w. wat
epocbema^enb, unb feine Sablen b^^^^n, wobt gum ^b^il mit
wegen bet bequemen 'jlbtunbung, bie 8ebtbü(bet butcb einen
Beittaum oon 100 3abten bebettftbt. 3m Slnfange unfete8
3abib»nbett8 febtte man wiebet gu ben niebtigen Sablen be8
17. 3abtbw"*>^t8 gutütf. Setetbnete bo^ noch non 0toon in
feinen „Qitunbgügen bet 6tb«, tBölfet« unb Staatenfunbe" (1840)
bie 3abt Sewobnet unfetet @tbe auf nut 864 ÜJlilUonen.
@rft feit bet Segtünbung be8 geogtapbtf^en 3abtbu(b8
(1866) but(b 6. ©ebm ftebt un8 in ben etften btei SSänben
beffetben ein in bi^b^m @tabe gui>etldffige8 unb ade Stbeile bet
6tbe umfaffenbe8 ftatiftifibe8 SJlateriat gu ©ebote, welibe8 in
bet feit 1872 non SBebm unb SBagnet gemeinfibaftliib betau8»
gegebenen »Senölfetung bet @rbe" (3abtg. I— VII, @tgdngung8=
befte gu $etetmann’8 dRittbcitungen) ftetige IBetmebtung unb
(grgdngung etfabten bat. 3ebet, bet einen 331i(f in biefe „S3e>
(649)
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6
toöKeiung ber @tbe" get^an, »iib bie Ueber^eugung geictnnen,
ba§ mir ^iet eine Arbeit »or und ^aben, mo mit ber t>einli^jten
@)emiffen^aftigfeit unb unter S3enn$ung unb Eingabe aQer nur
irgenb gugänglicben Duellen bad Sa^lenmaterial jujammenge«
ftellt ift.
Ungleich mid)tiger unb son meljeitigerem 3ntere{ye ald bie
abjoluten Bohlen ber Serölferung finb bie relativen. äBir
erholten bie relative Sevölferung, menn mir bie Bohl S3c»
mohner eined 8anbed burch bie feiner Duabratfilometer bivibiten,
unb man verfteht bemnach unter ber IBolfdbi^tigfeit biejenige
Bahl ber 93emohner, melche auf {eben Duabratfilometer entfallen
mürbe, menn biefelben gleichmäßig über bad betreffenbe ^nb
vertheilt mären. IDiefe relativen Bah^^ fi>^^ wefentliched
Element ber ©eogratJhiSr baß ohne fie' eine annähernb richtige
SSorftellung von einem Sanbe, bem ^ulturjuftanb, ben fojialen
unb t)olitif^en IBerhältniffen bcffelben faum möglich
fie nüßen natürlich nur bei vergleichenber Bufammenftellung ber
IBolldbi^tigfeit in ben verfchiebenen Säubern.*)
Solche IBerglei^ungen gmifchen verfchiebenen Säubern fomie
innerhalb eined einzelnen Sanbed führen und auf michtige Unter*
fchiebe ber gefeQf^aftlichen Buftänbe. (Sine gemiffe IBolfdbidhte
ift nothmenbig für bad SBoßl ber ©efetlfchaft. @ine über meite
Gebiete gerftreute Sevölferung ift nicht im Staube bie 9iatur*
fräfte biefed ©ebieted gu beherrfchen, fonbern muß fich benfelben
untermerfen, mie man ed an brn 9ta^fömmlingen ber Spanier
in SüDamerifa unb ben canabifchen $rangofen h^il fth^tt fönnen.
IDie Sortfchritte ber .Kultur entftehen eben nur unter einer ver*
bi^teten ^evölferung burch eine fortgefeßte ^h^itung ber ülrbeit,
bie jeben ©ingelnen hinrinfügt in eine höchft vermicfelte, aber
äußerft mirffame ©lieberung.“)
3Bir mollen hi^^ unterlaffen auf gemiffe fehler, in
bie man leicht bei biefen vergleichenben ^Betrachtungen verfallen
fann, aufmerffam gu ma^en. 3Jian mürbe ficher gu faifchen 93or*
(«M))
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7
fteHuiii^en gelangen, wenn man etroa JJdnbergebiete t»on fe^r
Det)d)iebener @rö§e mit einanber »etglei(^en »oUte ober
»enn man bei ^änbern, meldje jo^lreic^e unb gro^e Sinnen»
ge»ä[fcr enthalten, biefe bei bet Seredtnung ber Solföbicbtigfeit
nicht in 9(b3ug brächte. @o barf man nicht etma baS unbebeutenbe
(Gebiet bet Stabt ^>amburg (410 qkm), weldheö 453 869 Se*
wohnet, alfo eine IDichte oon 1115 h®*- Sänbetn wie
©adifen, welches 198, ober Selgien, welches 188 Sewohner auf
1 qkm hat, in Setgleich ftellen. (Sinjelne gtofee Stabte lönnen
einem @5ebiete eine oiel grä|ete SeoölferungSbichtigfeit verleihen^
olS baffclbe in bet Sthat befi^t. 2)ie Umgebungen »on Setlin,
München, ^abtib u. a. ftnb Deihältni§mä§ig fchwach beoolfect,
würben abet mit {)injutechnung bet @inwohnetjahl btefet Stabte
als jiemlich bicht bewölfett erfdieinen. So h«t, um nur noch
ein Seifpiel an^ufühten, bet IRegietungSbejitf ^otSbam ratt
Setlin 110, ohne Setlin nur 56 Sewohner ouf 1 qkm. @8
geht batauS hetoot, ba§ bie groben Stäbte, beten SeoblterungS«
jahl baS |)tobuft eines ganjen 8anbeS', ja oieUeicht eines ganzen
@tbtheil8 ift, bei biefen IDur^fchnittSberechnungen am beften
ganj 'in Sbgug ju bringen finb, wenn auch i^gegeben werben
mu§, bab bann bet wahre Slurchfchnitt immer noch nicht ootl»
fommen genau beftimmt ift. @benfo mub man aber auch
Sänbetn wie bem feenreichen ^innlanb, beffen Seen jufammen
einen Flächeninhalt oon bet @röbe bet Schweij (41 670 qkm),*)
alfo mehr als V9 ®efammtareal8 haben, bie Fläche biefet
Sinnengewäffer abjiehen, ba fonft bie SolfSbichtigfeit geringer
etf^einen wirb, als fie in SBirflichfeit ift.
3n ben Sereich biefet Setrachtungen gehört au^ noch bie
tartographifchb S)atfteQung ber SeoöKerungSbichtigteit.
9lach iSnalogie bet Semperaturfarten, {Regenfarten, ber ethno»
graphifchen unb anbetet ftatiftifcher harten finb auch jahlteiche
Setfuche gemacht worben beoöiterungSftatiftifche J^arten h^^jn«
ftellen, oon benen wohl bie meiften bie »erfchiebene Stärfe bet
(6M
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©eöolferung but(!^ Bctjd»icbene Satbentöne auSbtüden. 35et
einfacbfte unb bequemfte 9Bej, ben man habet einftblagen fann,
ift jebenfatlS bet, ba§ man bie -©eDÖlferunfläbidbte möglidjft
Meiner ©ejitfe, aifo j. ©. für 2)eutfd)Ianb bet Ätctfe berechnet
unb bann bie(elben nad; einet beftimmten @ca(a coloritt.^) 0a
aber felbft innerhalb io fleinet Serwaltungöbejitfe mie bet
pteu|ii(hen ^eife, melche burcbichnittlic^ eine ®töhe non 800 qkm
haben, immer noch eine gto§e ©erfchiebenheit in bet ©ertheilung
bet ©emohnet nothanben fein fann, fo mürbe eine folche Äarte,
metche bie politijchen Qkenjen auch alS @tenjen für bie färben«
töne anmenbet, im @runbe nicht niel mehr gemühtm al8 eine
0ichtigfeitötabeOe; ein nollftänbig mahted ©ilb bet ©olfSnet*
theilung gu geben mürbe fte nicht im Stanbe fein, ^an muh
bähet eingeftehen, bah relatinen ©enölfetungögahlen ober
bie mittlere ©olföbichte eineö 8anbe8 unb beten fattogtahhif<hc
SSiebergabe gum nollen ©erftänbnih bet natürlichen ©ebingungen
bet ©enöllerutigdnethältniffe noch nid)t auöteichen. Um bahin
gu gelangen, hoben bie ^etauögebet bet „©enolfetung bet @tbe"
auf ben beiben bem 2. 3<>htgange beigegebenen hatten gum
erften Zitate eine netmicfeltere uqb fchmietigere ilRethobe ein«
gefchlagen. 0aö habet in iSnmenbung gebrachte ©erfahren foU
hier mit ein t>oat SB orten erlöntett metben.*) 3unächft hot
man bie eingelnen Bünbet in möglichft fleine ©egitfe gu theiien
unb für biefelben bie ©enölferungöbidjte gn berechnen. 0ann
m erben biefe ©egitfe mit ihren 0id}tigfeitSgahlen auf topo«
gtophifche iforten eingetragen unb nun erft mit IRücfficht auf
bie gröbere ober geringere ^)äufigfeit her Ortfchoften, mie fte
nur auf topographifthen Jfarten erft^tlich ift, bie eingelnen
0ichtigfeitögebiete burch jtumen non einanber getrennt unb in
bie gmifdben biefen liegenben 3onen bie färben eingetragen.
Um un8 einen ©egriff banon gu machen, meldhe fDfühe eö et«
forbert bie non ben Herausgebern bet M^bbölferung her Stbe"
gefertigten jfarten hergufteQen, genüge eS batauf hingumeifen,
(«»)
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9
ba§ biefen .harten etwa 3600 ‘Dic^ti^feiteberet^nuni^en ju ®runbe
liegen, »on benen 2500 auf ©utopa, 464 auf Elften, 157 auf
Sluftralien unb ^olpnerten, 175 auf Slftifa unb 305 auf Ülmerifa
cntfaQen.
9lut mit ^lilfe einet foldien Äatte, wie fie eben beftbtieben
wutbe, b. b- burd^ iOergleic^en betfelben mit ben entfpied^enben
p^pftfalifdjen unb ftatiftifcben ,^atten beffelben ©ebietefi fann
man bie Uifad^en ber nerf(^iebenattigen tBert^eilung ber SJtenfcben
übet bie ©ibe etfennen, ba aQein biefe mit bem iSufgeben bei
politifc^en Segtenjungen ben natürlichen 33erhältniffen toll*
fommen diechnung tragen.
Die (Erbtl^eile nad? iijrer abfoluten unb relatioen
öeDöIferung unb bie Urfaci?en ber oerfd^iebenen
öeoölferungsbid^tigfeit im Allgemeinen.
ÜIudgang8pun!t für unfere weiteren Betrachtungen fteOen
wir eine tabeÜarifche Ueberpcht über bie S3eo5lferung8oerhältnif|e
ber einzelnen ©rbtheile, nach beten BoIfSbichte georbnet, voran.
Die 1434 ÜRillioneu fOtenf^en vertheiien fi^ nach ben
neueften ©ered^nungen („©evölferung ber ©rbe“ "VII) wie folgt:
qkm
t. p6t.
Seroobner
l. p(5t.
äleio.auf
1 qkm
SuTopa . . .
9 780 576
7
327 743 400
22,8
34
Slfien ....
44 580 860
33
795691000
56,6
18
«ftifa . . .
29823 253
22
205 823 260
14,4
7
Stmerifa. . .
38473 138
28
100 416 400
7
2,6
luftratien u.
$olpnefien .
8 952 855
6,6
4282000
0.3
0,6
^olatgebiete .
4478 200
3,4
82 600
—
—
136 088 872
1 433 887 600
10,5
(CU)
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10
©c^on bet einet obetfiäd^Ii^en SSergleidjung mufe bet 9to|e
@e»3enfa^ jaifc^en bet alten unb neuen SBelt fofott in bie Slugen
fallen. äSoKen wir aber biefen ©e^enfa^ gwtft^en bet alten
unb neuen SBelt noch beutlic^ei gum SluSbrucf bringen unb gu
btefem 3we^e »on ISfrifa, beffen SSenölferung un8 am »enigften
ficket non allen Srbt^eilen betannt ift,®) abfe^en, fo »erben
»ir ftnben, ba§ in ben beiben alten ^ulturfi^en (Suropa unb
Slfien, »et^e gufammen 40 p(St. ber gelammten Bänbermaffe
unferer 6rbe umfaffen, runb 80 p6t. aDet fOlenfcben »o^nen,
»äbrenb wenig me^r alö 7 p6t. auf bem faft gleid) großen
areale leben, wcldbeö amerifa, aujtralien unb bie ^olargebiete
gufammen bilben. SBenn nun auch ein wefentlicber antbeil an
bie|er }o äufeerft geringen 33enölterung ber neuen SBelt ber
nod) jungen Äulturentwicfelung biefer Bänber gugeftbrieben werben
mub, fo b^i^^n boeb autb, wie wir bei ber 33efprecbung ber
eingelnen @rbtbeile feben werben, gum nicht geringen S^bcile
geograpbil^e Urfadben babei einen bebeutenben @influg auSgeübt.
@eben wir nun non ber abfoluten S3eoölferung8gabl über
gut relatioen unb betrachten wir bie burcbfcbnittlicbe Sleoolferung
bet eingelnen 6rbtbeile. auch bi*' afrifa mit feinem
IDutcbfcbnitt t>on 7 33ewobnem auf 1 qkm wiebet in ber SKitte
gwifeben ben bidjtbeoölferten unb fcbwacbbeoölferten Bänber«
räumen ber @rbe. amerifa unb Sluftralien finb weit unter bem
IDurcbf^uitt (10,6 auf 1 qkm) beoöltert: erfterefl b“i Vi.
Unteres faum Vss beffelben. iDagegen b“i ‘-SR*” wü «n«
IDiebte oon 18 faft baS IDoppelte unb Europa mit 34 mehr al0
ben breifa^en 3)urcbf^nitt aufguweifen,
@rgiebt ficb nun febon au8 biefen allgemeinen anbeutungen,
ba§ bie 33ertbeilung ber SJienfcben über bie 6rbe eine au§er»
orbentlicb ungleicbmä§ige ift, fo tritt bieS noch mehr b*'V<’'i
fobalb mir mehr inS eingelne eingeben.
SBäbrenb g. ba8 j^önigteicb ©adbfen mit einem flächen«
inbalte oon ungefähr 15 000 qkm faft 3 fWillionen Sewobner
(6M)
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11
ernö^rt (1880), »o^nen auf bem 500 mal fltö§cren geftlanbe
»DU Sluftratien nit^t gauj 2} fDlillionen (1881). ©tbitien ift
an ^(ädbeninbalt um 2^ fUlill. qkm gTÖ§er atd @uroi>a, bat aber
nach bet Setecfcnung für 1879 etma 3 911200 ßtnujcbnet,
ujöbrenb bie eine ©tabt 8onbon im Sab'^e 1881 bereits 3 814 571,
mit ben IBoiftäbten fogat über 4^ fDtiD. ©eelen gäblte.
Sßenn nun unfere eigentliche Slufgabe barin befteben foQ
bei ben eingelnen ijänbergebieten bie Serfcbiebenbeit in ben
SeublferungScerbältniffen auf ihre Urfacben jurudjufübren, fo
mub eS uns meiter junäcbft barauf anlommen, ba§ wir im
gemeinen feftftellen, welches bie uerfchiebenen Urfachen finb, bie
auf bie IDichte ber Seuölferung überhaupt einwirfen fönnen,
unb in welchem fD2a§e ihnen ein folcher (Sinfluh gugefchrieben
werben barf.»'’) 3u biefem 3»ecfe ift eS nötbig, wie oben an*
gebeutet würbe, bie .^arte ber 0eDÖlferungSbichtigfeit mit ben
betreffenben DrcjbpbrograpbifchenÄarten, Jemperaturfarten, 0legen»
farten u. f. w. gu Dergleichen.
3)ie ©onnenwärme ift bie erfte ©runbbebingung beS
menfchlichen wie aHeS organifcben ^afeinS. IDurch bie 9lb*
nähme ber Särme fowobl nach ben ^olen gu als auch >nit
ber .^öbe über bem fDleereSfpiegel wirb ebenfo ber IBetbreitung
ber $flangen unb Sbiere wie bem HJlenfcben, ber fa an biefe
gebunben ift, eine 03renge gefegt. ®egen ben fRorbpol bin fann
man wohl ben 71. @rab als bie @renge beS URenf^engefcblechtS
anfeben ; benn nur an wenigen ©teilen wirb berfelbe »on fcften
Slnfiebelungen überfchtitten , wie an ber SBeftfüfte ©rönlonbS,
welche fogar bis gum 78. @rab bewohnt ift, in fRorbfibirien unb
auf einigen 3nfeln beS norbametifanifchen Archipels. Slber waS
für ein geben ift baS! SllS geopolb »on Such, fo ergSblt
D. ^efchel in feiner Sölferfunbe, im arftifchen IRorwegen reifte,
übergeugte er fich, ba§ bie menfchliche @efeQfchaft »on ben
bortigen Sewobnern feine geiftige Sereicherung bcanfpruchen
bürfe, benn bie »olle jfraft beS 0[Renf(hen werbe gänglich auf*
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12
geje^rt bur^ bcn ^ampf mit einer ftrengen SRatnr um bie
fümmerlic^e 91ot^burft beS 8eben8. 9lut baS ec^te |)olatüo(f
bet @8fimo0 Ijat bie fc^wierige Aufgabe gelöft ben ^o^en 9lorben
unletet @tbe bauernb beoölfetn, bteje ©egenben, „wo Jag
unb SRadjt übet bie IDauet non 3al)re3jeiten fl(^ erftterfen, roo
ein neunmonatli(^er SBintet baS 8anb uerfteinett, wo fein 33aum
me^t tcäcbft, ja mo nic^t fo siel .ipolj angeje^wemmt wirb, um
nur al0 ©c^aft gu einem ©peet ju bienen.*
©egen ben ©übpol liegt bie ©ten3e bed 3Renj(^engej^Ie(^t0
nod) in weit niebtigeten ©reiten. 9iitgenb8 etieit^en Ijiet bie
^enfe^en ben 60. ©tab, fie weichen fogar bi0 jum 40. unb 30.
jutüdf. ^2u§et bet geringen f üblichen ©tftteefung bet ©rbtbeile
unb bem ÜRangel an 3nfe(n in ben {üblichen SReeten ifl hieran,
»ie unfl ein ©lief auf bie Sfot^etmenforte 3eigt, nod| bie faltete
Jemperatut bet füblicben .^albfugel f^nlb; man oetgleic^e nur
bie Sage bet ^fot^ermen non 10° auf beiben .^älften. S)ie
fd^inimmenben ©iSmaffen be0 antarfti{(^en D3ean0 fotnmen bem
Sequator um 10 ©reitengrabe näl|et a(0 jene be0 nörblicben
^olatmeereS: man ^at fie febon auf bet ^öbe bet ^apftabt
beobachtet.
Slueb bie in nettifaler IRi^tung abnebmenbe SBärme fe^t
bet ©erbreitung bet ^ienfeben unb ibiet S)i^tigfeit beftimmte
©ren3en butcb ba0 Sufbören bet ©egetation, ba0 nach öitlicben
©etbültniffen natürlid) in netfebiebenet ^öbe ftattfinbet.* ')
©ine bi’bc Jempetatut febt nur bet ©erbreitung bet net>
febiebenen Staffen, ni<bt aber bet ©etbiebtung bet ©enölfetung
getabe3u ^inbetniffe entgegen. 3n ©utopa befinbet ficb bie
biebtefte ©enölfetung 3tnij<ben bem 40. unb 60. parallel ober
3»ij(ben ben 3abre0ifotbetmen non 5 unb 15° ©., in 9totb«
amerifa 3»ij(ben bem 30. unb 50. parallel (10 — 20° ©.), in
©bina gwij^en bem 20. unb 40. parallel (15 — 25° ©.), in
Snbien 3inifiben bem 10. unb 25. Parade! ober ben 3fotbetmen
non 25° — 30°©. IBit feben alfo, ba§ e§ auch ln bet Jtopen»
(««)
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13
jene 8anbf(^aften giebt, n>el(^e ju ben am bic^teften beDölferten
geböten.
SBir fommen weiter ju bem ßiufluffe, weltben bie geudjlig»
feit auf bie iDic^tigfeit bei Seoölfeiung ^at, unb ^aben ed
^iet mit bet SSert^eilung bet ffliebetfcblöge, mit ben @in.
wirfungen be8 SDieeteö unb bet Slüffe ju t^un.
Sietgleidben wir bie fRegenfatte cineä einjelnen Sanbeö,
alfo beijpieUweife iDeutfc^lanbd, mit bet j^atte bet SeuölfetungS*
bid^tigfeit beffelben, fo finben wir butdbauS feine Uebetein»
ftimmung gwije^en beiben: niigenbg tritt ba bie ^jlbbängigfeit
bet S3e»ölferung8bid)te uon bet größeren ober geringeren {Regen*
menge ^etuot. (Sine foI(^e Uebeteinftimmung ift aud^ fc^on
bed^alb nic^t möglicb, njeil bie mit reichlicheren {Rieberfchlägen
Dctjehenen ©ebirge eine geringere Seoölferung geigen als bie
weniger ^euchtigfeit eihaltenben ©benen. {Rur oollftänbiger
{Regenmangel ober grofee {Regenarmuth machen h»ct «ft ih«n
(Sinflu^ geltenb. 2)aher lä^t ein {ßetgleich bet ißenölferungS*
bichtigfeitefarte bei gangen (Srbe mit einer ^arte über bie
{ßertheilung bet 9iieberfchläge (Stielerö ^>anbatla0, Slatt 6)
unjdhwei eifennen, ba§ bie Uifachc bet au^erorbentlich bünnen
S)eDÖlferung beS grogen afrifanifch*afiatifchen SBüftengürtelS nur
bet {IRangel an {Rieberfchlägen ift. 0ei e8 nun, ba§ bem 3nnent
bie Seu^tigfeit burch bie {Ranbgebirge entgegen wirb, wie in
iSuftralien ober {Rorbamerita; ober ba^ ein antarftifcher {fReered*
ftrom, wie in ©übamerifa unb ©übafrifa, bie in« 8anb giehenbe
iJuft troefnet, überaQ haben bie tegenarmen SBüftengebiete feine
ober nur eine feht fpätli^e Seoölferung. 9ln unb für [ich ift
bet Soben anbaufähig, tuie barau8 hcroorgeht, ba^ überall ba,
wo burch Quellen ihm bie nöthige geuchtigfeit gugeführt wirb,
menfehliche SInfieblungen gu finben finb. Streicht hoch bie S3e*
Dollerung an eingelnen ©teilen in bei ©ahara fogar eine IDichte
non 20 auf 1 qkm.
Sludh bafi {IReer inufe, unb gwar fchon beöwegen, weil e8
(6J7)
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14
ben 83etfel)r begünftigt, gu benjemgen (hafteten gcredbnet werben,
welche eine größere ÜJlenfc^enga^l anjujiel)en ijflegcn. mit
Unrecht würbe ed ba^er non ben alten ^eQenen ald bte .^eilige
©aIgflutV' »ere^rt, auö ber ©ßtter, @rbe unb SDRenfc^en Ißereor«
geftiegen fein foDten. SBenn wir Don ben Sewo^nern beS
^o^en 9lorben8, benen bafl föieer bie SRutter unb ©r^alterin
befl gebenö ift, weil c8 für fte ben größten 2ßeil beö 3oßre8
bie alleinige 92a^rung8queQe bilbet, ßiet abfeßen, fo finben wir
überall an ben 3Reere6füften eine biente SSenöIIerung, außer wo etwa
ungünftige Serßdltniffe be8 Jflimafl unb ber 33obenbef(^affen^eit
bieS nerßinbem. infolge be8 SufamntenwirfenS nerfc^iebener
f^aftoren wirb aber ber @inblicf in ben Sufammen^ang gwif(ben
SRatur unb Scnölferung feßr erfc^wert, fo boß eö nidßt möglich
ift bie nerfebiebenen natürlichen Sebingungen htnftcblli^l
@influffe8 auf bie lOolfönerbiebtung f^arf gegen einanber ab*
gugrengen.
@rfennbarer al8 ber ©influß beS SReereö ift ber, welchen
bie Slüffe auf bie Slnfammlung ber SRenftben b“ben- ©cb^n
bafl ftetS fi^ emeuernbe 23ebürfniß ber fRabrung treibt flRenfcben
unb £b'^^ 3^ Ufern. 3)em Stepben* unb SBüftenbew ebner
ermöglicben fte allein ben ISderbau. 3b^^c böcbfte SBebeutung
liegt aber barin, baß fte bureb Slblagerung fruebibarer ©rbe an
ihren fRänbent eine bi^te aderbauenbe Senölferung gu serfammeln
im ©taube finb. ©ie finb bemnacb al8 bie wahren $ul8abem
beS gefeQf^aftli^en 8eben8 gu begeiebnen. 9ln ihnen liegen bie
SBiegen ber ©taaten; fie finb bie SBurgeln ber großen ©tobte.
5)od) gehört erft ein gewiffer @rab non Äultur bagu, um biefe
äSortbeile auögunußen. S)ie IBewobner ber neuen SBelt waren
noch nicht bi8 gu biefem @rabe gelangt, baßer finb bie großen
©tröme 9merifa8 für fie oßne Sebeutung geblieben unb geigen
noch feßt eine fpörlicße 93eoölferung. @ang anberö in ber alten
SBelt! .^)ier haben ficb in bem ©djwemmlanbe ber großen ©tröme
bie ungeheuren Setjölferungßcentren gebilbet, beren SSefteßen
C6&8)
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15
berettä nac^ 3ai^rtau)'enben ®angee unb IBramaputra, bte
^ineftfdien ©törne, unb iH^ein ernähren an ihren Ufern
eine Seoölferung bie gu ben bichteften auf bet @tbe gel)6rt.
fRirgenbg aber jei^t [ich bieö in großartigerer Seife aU beim
9HI, bejfen lanbbilbenbe Äraft — noxafids tQyttrixns nennt
ihn .^erobot — bad fchmale, faum 4 ©tunben breite Sh<>l ju
einem hcdhft fruchtbaren fDiarfchlanbe umgeftaltet hat, auf »elchem
eine ber grSßten S)ichtig(eit europäifcher ^ulturftaaten gleich«
tommenbe Seoölferung ermachfen ift, wahrenb 3U beiben ©eiten
biefe6 fchmalen @ürtel8 faft menfchenleere Süfte fich befinbet.
Um bie oerfchiebene äSertheilung ber ^enölterung gu er«
flöten, i^ ea ferner nöthig bie orogtaph»fche ©eftaltung
eines SanbeS 3U berücffichtigen. 3ebe häh^c IBobenerhebung
ift ber IBolfSoerbichtung hinbetlich, vor allem natürlich bie
^lateaur unb .pochgebirge. IBei biefen finb eS bie flimatifchen
Serhöltniffe, melche unmittelbar Vegetation unb 2:hierteben,
mittelbar ben ORenfchen beeinfluffen. 3n bet Siegel merben
baher bie Slieflönbet unb ÜJiittelgebirge eine bebeutenb größere
VeoölferungSbichtigfeit geigen alS bie |)ochebenen unb .poch«
gebitge. S)och finben fich auch oereingelte ^jluSnahmen. ©0
finb bie ISnben weit ftörfer bewohnt alS baS fübamerifanifche
Salb« unb ^ulturlanb, ebenfo baS Plateau oon SOierifo im
Vergleich gu ben ^ftengegenben. 3n ber neuen Seit haben
jeboch abfonbetliche Verhöltniffe bie Jfultur nach po^ebenen
gegogen.’*) ISußerbem ift aber wohl gu beachten, baß bie
VolfSbichtigfeit ber podhgebirge nnb pochplateaur immer gu
meffen ift mit berjenigen gu ihren Süßen. Unter einanber Der«
gli^en geigen biefelben immer noch fehr oerfchiebene @rabe ber
IDidhtigfeit. ©0 erfcheiucn bie SUpen mit einer ©ichtigteit oon
15 — 20 Vewohnern auf 1 qkm ni^t blo8 bem fchottifchen ober
tibetanifchen pochlanbe gegenüber alS bicht beoölfert, fonbern
würben auch in ‘Huftratien, 3lmetifa unb ‘Ufrifa noch gu beu
beftbeoölferten ©ebieten gehören.
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16
3Bo entließ gu ben günftigen fUmatifd^en S3er^ä(tniffen noc&
bie ^robultibitdt bc8 Sobenö ^ingutritt, ba aerben toir
aud) eine biente S8eȧlferung antreffen. 5n erflet ^inie fomtnen
^tet bie terttären unb bilueialen Slblagerungen, alS 3^er>
unb Äulturlanb in SJetrac^t.**) ©o liefern bie bilunialen Slb»
lagerungen ber uorbbeutfeben 9iiebetung, fomeit fie 8ö§ enthalten,
frudbibaren Seferboben, ber eine gto^e IBerbicbtung bei $e«
Bölferung geftattet; al8 ©anb» ober Äie8boben bagegen finb fie
bem Snbau unb einer biebteren IBeoölterung bin^erlicb.
3ur größten Sidbtigfeit erbebt fitb aber bie Seoölferung,
wenn' ber 33oben nu^bare 3Jtineralien , oor allem ^oble unb
@ifen, entbölt, fo ba| ficb bie Snbuftrie entmicfeln fann. Sem
IBorbanbenfetn ber ^oble oerbanfen oor aQem bie großartigen
englif(ben Snbuftriebegirfe, ebenfo bie rbeinifeben unb belgifcßen
ihren mädbtigen Sluffebwung. künftige natürliche 93e«
bingungen für ÜldFerbau unb Snbuftrie, oerbunben mit
günftigen flimatifeben 33 erbältniffen, ba8 finb bie
.^auptfaftoren , welche bie biebtefte IBeooIferung
ergeugen.
Sie8 wären bie geograpbU^b^i^ Urfacben, welche auf
bie Berfdbiebene Siebtigfeit ber SeBolletung ihren ®influß au8*
üben; boeb laffen ficb bureb biefe allein bie IBerfcbiebenbeiien in
ber 33eBolferung8bicbte noch nicht aOe erllären. 3Bo nämlich
unter gleichen geograpbif^en 33ebingungen bennoeb eine Ber«
fdbiebene S3olf8bicbtigfeit ftdb geigt, ba müffen immer biftoiifcbe
33oigänge bebeutenber 3lrt ober @igentbümlicbfeiten
be8 S3olle8 ihren @influß gur Geltung gebracht h^ben. 3118
S3elege bafür lann man in ©uropa bie Sürfei unb ©t?anien
anfehen, bie troß ihrer ^obuftion8fähigfeit weit geringer be«
Bölfert finb al8 anbere europäifebe i^änber, welche Bon ber 9latur
weit weniger reich au8geftattet würben, ©panien foH gur
türabergeit über 25 SRillionen ÜJtenfcben ernährt haben, wdhrenb
e8 jeßt nur 16 9KtHionen gählt.'^^) 9Kan nimmt an, baß an
(6«0)
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17
biefet ©ntvölterung Spaniens neben ben jerrfitteten Politiken
Sßer^ältniffen bie (Sntbednng SlmerifaS »efentlicben Slnt^eil
habe, benn untet ^ail I. foQ bie Senblterung beS SanbeS auf
10 ORiQionen, untet Äarl II. (SDMtte beS 17. Sa^r^nnbertS) fogat
ouf 6 SRiflionen jufaramengefd^moljen fein. > ®) Sluf bet SBalfan»
^albinfel ttagen, wie in Spanien, bie traurigen politifc^en S3er»
^ältniffe bie St^ulb an bet »er^altni§mäfeig geringen Senölferung
berfelben. SlnbererfeitS geigen unö bie SSeBölferungSnet^ältniffe
in bet neuen 2Selt, ba§ nur bet Äulturguftanb, nic^t aber
bie Statut bem ütnaacbfen bet SBeBÖlfetung fitb entgegen [teilte.
iDenn berfelbe 33oben, bet je^t untet ben .^änben bet (äutopäet
fo ttcfflicbe 6rnten liefert, bafe et ben SBeltmatft mit Oietreibe
Beriotgt, mar Boi bet @inwanbetung bet @utopSer nur Bon
f^macben Snbianerftämmen bewohnt, bie in beftdnbigen gebbea
unteteinanbet fi^ auftieben.
Die Dertf^eilung ber ZTTcnfcben innerhalb her
ein3elnen €rbttjeile.
Sluf bieje aDgemeine Uebetfiebt laffen wir nun eine ein»
gebenbe SSefpte(bung bet eingelnen @rbtbeile folgen, um fowobl
bie Betfcbiebene ißettbeilung bet S3eBÖlferung innetbalb berfelben
als auch bie Utfacben, butcb welche jene bebingt ift, fennen
gu lernen.
SBit bereits bct»‘’^9c^eben, ba^ bie beiben gule^t
entbeeften ©tbtbeile, Sluftralien unb Slmetifa, welche als SnfeU
©tbtbeile ben brei unteteinanbet gufammenbdngenben föutopa,
SIfien, aftifa gegenüber fteben, in ihren SeoölferungSBerbältniffen
manches ©emeinfame h“ben. Sie finb bie am fcbwädjften be»
Bolferten untet aOen unb fenngeiebnen ficb weitet babutdb, ba§
fie ihre febige Senölletung grö^tentbeilS butcb (finwanbetung
aus bet alten SBelt erhalten \iahen. Sluf bem geftlanbe Bon
XIX. 450. 2 C««l)
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18
Sluftralien befielt faft bte gefammte 95eȧlferunfl, in Slinerifa
me^t al8 bte ^älfte au8 eingewonberteu ©uropäern.’
2)te ©inuo^nerja^l bei auftialifd^en Kolonien, toelt^e im
3a^re 1871 nod) 1 978 748 betrug, ^at nat^ einem 3a^tje^nt
bie Don 2 835 954 erreicht, unb bie jährliche S3et>olferung8*
gunahme beträgt auch je^t noch burchfchnittlich 3 — 4 t>©t. unb
geigt un8 alfo, mrnn mir ba8 natürliche ^a^Sthum, b. h- ben
Ueberfchuh ber ©ebuiten über bie <SteibefäDe gu 1 p©t. annehmen,
ba| bie ©inmanberung auch h^nte noch eine gang bebeutenbe
ift. 3n 9lorbamertfa ftieg bie 3nhl ^ei ©inmanbeier in eingelnen
3ahren auf | 9RitIion, fo bafi bie ISeoölferung ber ^Bereinigten
0taaten, melche tm 3nh’^e 1830 noch ORiUionen gählte, nach
SSerlauf oon 50 3ah’^^n bie Summe »on über 50 SRtllionen
erreichen fonnte.
21uftralicn unb polyncftcn.
2Bir betrachten gunächft ba8 ^eftlanb unb bie größeren
3nfeln, bann ^olpnefien. Suftralien ift bei am fchmächften be«
nolterte oon allen ©rbtheilen unb hnt, ohne bie 3nfeln, nur
eine burchfehnittliche Seoöllerung oon 0,3 auf 1 qkm. 9ber
bie S3eo51ferung ift [ehr ungleichmäßig übet ben ©rbtheil oei<=
theilt, mie fich bie8 fchon au8 bei folgenben Ueberficht übet bie
eingelnen Kolonien ergiebt. ber Sählung oom 3. 9lpti( 1881
fommen auf:
lReu>@äb-S3aIeä . . .
qkm
. 799 139
iöeoölferung
751468
93ero. auf 1
0,9
Sictoria
229 078
862 346
3,7
IQueenöIanb
, . 1730 721
213 525
0,1
f (Süb • auftralien . . .
. . 985 720
276 414
03
\ 9lorb " Sertitorium . .
. 1366 891
3 451
—
^eft'Kuftralien
. 2527 283
31000
0,01
7G27 832 2 138 20t 0,3
baju Eingeborene ööOOO
@eiamnitbeDölI. b. geftlanbeä o. Sluftratien 2 183 200
91u8 bet obigen Tabelle läßt fich jofort erfeßen, baß | bet
(662)
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19
Sesölfeiung auf bte beiben Kolonien iBictoria unb 91eu*©üb*
SBaleö entfaDen, gufammen etwa | bed SrealeS umfaffen.
6in üet^dltnifemd&ig bid)t beoölfcrtet ©üboften fteljt bemuad^
einem faft menfc^enleeren Innern, fRorben unb SBeften gegenübet.
SRatürlic^ ift auc^ innerhalb bet eingelnen Kolonien bte Ser*
t^eilung ber Sewc^nei no(^ eine fe^r ungleic^md§tge. S>te
Seuölfetung concentrirt ndmlid} faft auSfcbIie§Itdb um bie
grofeen ©tdbte. 3fi bot^ allein in ben 6 größten ©tdbten
Sictoriad faft bie .^dlfte ber Sewot^nei biefer jtolonie entl^alten.
9Rit eutopdifd^en Ser^dltniffen Id§t fid^ freiltdb bie Did^tigfeit
felbft ber am beften becölferten Gebiete Suftraliend nidjt im
©ntfernteftm meffen, benn nur 14 000 qkm befl Rejtlanbe8 ^aben
eine butd)fd>nittlicbe Senölferung oon 20 — 30 , 44 000 qkm
eine folc^e non 10 auf 1 qkm.'*)
3)a§ biefer ©üboften tro^ feinet größeren Entfernung oon
ben europdifc^en JSulturldnbem bennod^ eigentlich ber faft allein
bevdlferte Kontinente ift, bae oerbanft berfelbe au§*
f(hlie§li(h ben günftigen geographifth^ Sebingungen. 91ur im
©üboffen erhebt fich bie ^lateaumaffe bee auftralif^en Seftlanbee
gu bebeutenberer ^öhe, gu größeren Eebirgetetten. SBenn bie*
felben auch ©chneegrenge überfteigen, fo nerbanft ihnen
hoch ber ©üboften feine oerhdltni§mdhig reiche Sewdffernng.
9Bir hot’cn hi^i^ cingige größere ^lulfpftem mit bauernbem
SBaffet, ben ÜRuttap-iDatling. gteilich fteht baffelbe tro^ feiner
SluSbehnung in gar feinem Setgleidj mit ben glufegebieten anberer
Erbtheile, ee würbe für ben Setfeht weit mehr teiften, wenn
e8 Bon einem Hochgebirge wie unfere üllpen gefpeift mürbe.
äBeiter lommt ht^S^i Klima biefeS füboftlichen
Eh®'fe8, welche^ etwa bem Bon ©übfranfteich ober Dberitalien
entfpricbt, ein für Europder aufeerorbcntli^ gefunbed ift.
2Ba8 bie ©umme ber fflieberfchldge anbetrifft, fo barf man
Sluftralien bur^auS nicht gu ben regenarmen Gebieten rechnen;
namentli^ ber fRorben unb bet fchmale Küftenfaum im Often
2* (66J)
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unb @üboften erhalten retc^ltd^e 9liebetfd^(äge; bo(6 ift fc^on
jcnfeiM ber oftUc^en Otanbgebitgc bie Sett^eilnng bcrfelben
eine berartige, ba^ oft auf ein3elnc au§erge»ö^nlt(be JRegenguffe,
welche Ueberfcbwemmungcn ^ernortufen unb »eite
6benen unter S9affet fe^en, eine monatelange 5)ürre folgt.
IDiefe lange an^altenbe Srocfen^eit unb bie and bem 3nnem
fommenben ^ei^en äBinbe, »elci^e fogar bis na<b 2^a§manien
»eben, Wnnen bie Vegetation in !urjer 3«it oemidbten. ©ie
finb bie ftblintmften geinbe ber .^oloniften, benn eine einzige
Dürre fann ben Viebftanb um füliflionen »erringern.
SBenn nun autb ber ©üboften unb Dften ni(bt frei ftnb
Bon troftlofen fanbigen, mit bi^tem ©eftrüpp beftanbenen @in»
oben, fo finben »ii bod) auch au^erorbentlidb fruchtbaren 3cfer«
boten, »elcber ben 2lnbau oon Sßeijen, 3Rai§ unb Kartoffeln,
Surfenobr unb VaumwoOe geftattet. 9(u^ Drangen, ßitronen,
geigen, Slepfel, Simen, ©ein unb anbere burcb bie Koloniften
eingefübrte @e»a^fe gebeiben oörtrefflicb. Der weitaus grö§te
Sb^l beS SobenS beftebt aber auS ©eibelanb. Daher bat
Sluftralien in ber Vieb3U(bt ade 8änber ber 6rbe in.fur3er
Seit übertroffen. Vacb ». Veumann»@pallart (Ueberficbten ber
©eltmirtbfdbaft, Säb'fäang 1880) bat ficb »on 1870 — 78 bie
Sabl ber Vinber in ben englifcben Kolonien ISuftralienS um
faft 3 5RiQionen, bie ber ©cbafe um 10 SJlillionen oermebrt,
fo ba§ auf 1000 (Sinwobner 2840 Vinber unb 23 400 ©dbafe
fommen.'*)
Sfucb in Se3ug auf baS Vorbanbenfein nu^barer SRetalle
ftebt ber Dften ben übrigen S£b®<t«n beS geftlanbeS »eit »oran.
Sinn unb @ifen, Kupfer unb Koble finb »eit »erbreitet, aber
im gan3en no^ wenig auSgebeutet. VicbtS bat aber einen
größeren ©influ^ auf baö fcbnede ©acbStbum bet Senölferung
in ben Kolonien beS ©üboftenS auSgeübt als bie ©ntbecfung
ber ©olbfelber im Sabre 1851. @8 lä§t ficb bieS an bem ra«
piben ©teigen bet Seo5lferungS3ablen in ben lebten 30 Sabwn
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beutlic^ »erfolgen. ?Rac^ ^)ent9 ©refrat^ beläuft bet
©olbertrag in ben ouftralifd^en Kolonien bi8 1881 auf 5677
üKiHionen SJlarf.®“) „SDie ©olbära", fagt er, „toanbelte ben
bisher giemlic^ ruhigen ©ang beS auftratifc^en gebend »öQig
um. IDer gewöhnliche ©efchäftdoerfehr bradh ab, in ben ©täbten
unb ^Dörfern fah man nur nodh ©reife, Stauen unb Äinber,
ja fDlelbourne war wie audgeftorben. IDie Kolonie ©übauftralien
entoölferte pch unb fd^ien ruinirt 3U fein ; in Sadmanien brachen
bie ©träfllnge lod. 5)ic ©dhäfet in ben großen SBeibebiftriften
IRioerina unb IDarling liefen baoon, unb niemanb wollte unter
120 — 140 ÜJif. täglich ®<hafe fcheeren. ©hatnhagner war fo
giemlich bad gewöhnliche ©etränf geworben, unb bie Slafche
würbe mit einer Unge ©olb (etwa 80 IDlf.) begahlt." 2)ie
©ntbedung ber ©olbfelbet hatte alfo gut Solge, ba|i bie S3e>
oölferung feht bewegli^ würbe unb gwifdhen beu eingelnen
.Kolonien hin unb her wanberte. SRit bem Slbnehmen ber ©olb»
erträge werben pch febo^ bie IBewohner anberen 0efchäftigungen
guwenben unb allmählich fephafter werben. 9Rit ber Seit werben
auch i^ie nörblichften ©ehiete »on IDueendlanb, bed 9torbterr{>
toriumd, fa felbft SSeftauftraliend, in benen man theilweife fchon
mit ©ludE tro)}ifche ©ewädhfe angebaut hat, noch mehr ülnfiebler
anlodFen. IDad innere bagegen mit feinen weiten <Stred'en
bichten 93ufdhwerld, falgigen @ümt)fen unb ben »on nu^lofem
©tachelgrad bebedften ©benen wirb wohl für immer bem Stefer»
bauet fowohl ald audh bem IBiehgüchter ein »erfdhloffened ©ebiet
bleiben.
IDie auftralifdhe Snfelwelt umfapt einfdhliepli^ Slad«
maniend ein Sreal, welched bebeutenb größer ift ald ©entral«
europa, ernährt aber nur etwa ben 50. ^heil ^er SSeoöltemng
beffelben. ©d bepnben pdh barunter gahllofe Snfelchen, welche
nur bie ©röpe »on wenigen Ouabratfilometem haben, währenb
anbere an ©röpe ben beutfdhen IDUttelftaatcn gleichfommen.
IRut 9feu>®eelanb unb fReu«©uinea würben in bie fReihe ber
(««)
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eutopäif^en @ro§ftaaten gu fe^en {ein. SS^ünii^e SBotfSgä^lungen
traben bis je^t nur bort jtattgefunben, too ©uropäet in gtöbetrt
Üngabi angefiebelt {Inb, {onft ftnb »ir auf bie Eingaben bet
{Oülfionäre unb eigene @cbä|ungen angewiefen. ü/ocb Iä§t
fi(b iouiel fagen, ba§ biefe 3nfeln burcbfcbnittlicb eine tueit
bubteie SeuöKerung b^ben a(S baS geftlanb.
$ei bei :8etia(btung bei betn Beftlanbe gunä^f) gelegenen
gröberen 3njeln fönnen vir non bem noch fo ventg befannten
9teu> Guinea coQftänbig abfeben. @S fommen bann nur SEaS«
manien unb 9teu>iSeeIanb in Setracbt. Seibe haben ihre jebige
Säeuölfeiung in uerbältnibmäbig lurger Seit erhalten unb haben
eine gleiche IDichte, 1,8 auf 1 qkm. SBie in bem gebirgigen
iXaSmanien, fo führte auch auf 9ieu>Seelanb baS gefunbe j^lima,
bie Bruchtbarfeit bei Shäler unb uoi aQem ber Sieichthum cm
nuhbaren {Mineralien bie rafche S3efiebelung herbei. Meufeelanb
nahm befonberS nach ber @ntbeclung feiner ergiebigen @olbfelber
(1861) einen großartigen ^luffchvung unb gählt fchon jeßt mehr
größere Stabte alS bie übrigen auftialifchen Kolonien mit 9uS>
nähme SictoiiaS. !Sber felbft venn, vie ooiauSgufeßen ift, ber
@rtrag ber @olbfelber fich noch vefentlich oerringern wirb, fo
ift bie 2)op^elinfel hoch, ba gwei IDrittel ihieS ä)obenS fultur«
fähig ftnb, bur^ ihre wiithfchaftlichen IBerhältniße berufen bie
heroorragenbfte MoOe unter ben engUfcßen Kolonien gu fpielen.
Statt bei halben {Million, bie eS feßt ernährt, fönnte biefeS
• ' H®ioßbiitannien ber Sübjee", ba eS ber italifchen ^albinfel an
Flächeninhalt faft gleichtommt, einer ^eoölteiung oon mehr
als 20 {Millionen ben Unterhalt gewähren.
2)ie fieineren ogeanifchen Snfeln ftnb gwar im Allgemeinen
ßäifer beoölfert alS baS Feftlanb unb olS bie größeren Snfeln,
bo^ geigen fie unteieinanber immer noöß eine fehl oerfchiebene
IDichtigfeit. 9Bir erfeßen bieS f^on auS ber folgenben oon
Sehm unb IBagner auf @runb ber {Ratui ihrer 93ewohner ge*
machten SufammenfteOung. @S fommen banach auf:
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3Relanefien 145855 qkm 617 400 iBero. 4,2 auf 1 qkm
®oli)nefien 0 781 „ 121 500 „ 12,4 „
©anbrottfa'Snffl« • 17 008 „ 57 985 „ 8,4 „
Dfifronefien . . . 3530 „ 91600 „ 26 „
Cjeanien . . 176 184 qkm 888500 Sero. 5 auf 1 qkm
2118 bic Urfac^en tiefet tie^teren SJeDÖlfetung ^'olDnefienS
ijat man bie ^ruc^tbarfeit unb ba8 gleicbmä^ige o^eanifcbe ^lima
anjufe^en, roelt^eS biefelben tro^ i^rer 8age in bet ^ei§en 3o«e
genießen. bie niebrigen, meniget gut bewäfferten unb ballet
»eniget ftuc^tbaten Unfein immet eine fpdtlicbc Seuölfetung
bemalten metben, liegt auf bet ,£)anb; bagegen batf man et--
»arten, ba| auf ben l)oben mit ibtem au8 bet Seife^ung bet
Dulfaniftben ©efteine entftanbenen, bun^ teie^e Sfliebetf^lägc
angefeucbteteten .^umuBboben mit bet ^dt eine »eit ftütfete
Seuölfetung ftcb anfammeln witb.
2tmerifa.
@8 ift eben bereits etm&^nt, ba§ fSmetifa, naäj 2lfien bet
grd§te unter ben ©tbt^eilen, fou>o1)l wegen bet abfoluten al8
au^ wegen bet relatiuen 23eudlfetung vorläufig noch bie gweit*
unterfte ©teile einnimmt. 2luf bie beiben an Slä(^enin^alt fafi
gleichen .^älften biefeS @tbt^eil8 vert^eilen ficb bie 100 fUliQionen
Sewo^net fo, ba^ gwei ^Drittel auf 9lotbametila, bet JReft auf
©übamerita unb SQeftinbien entfällt, fo bag alfo 9lotbametiIa
no(b einmal fo bid|t beoolfett ift al8 ©übamerifa.
2)ie folgenbe SabeUe giebt gunäcbft eine Uebetfiebt übet bie
SSctt^eilung bet S3e»olfetung auf bie eingelnen Staaten, bodj
^aben wir bei ©übametila baoon abgefe^en, ba fid; bie 93e>
DÖlfetungSbi^te betfelben wenig DonbemDut(^fcbnitt(l,6)entfetnt.
9loTbamerifa ■ . ■ . 24190876 qkm
brit. 3lorbamerifa. 8 651429 „
arft. 'Unbiuel . . 3470 830 „
^Bereinigt. Staaten 9 331 360 ,
^Dtefito .... 1945471 „
{£enttal»amerifa . 547 308 „
SBeftiubien .... 244 478 ,
Sübomerifa .... 17752292 „
72 045 124 IBem 3 auf 1 qkm
4505364 „ 0,5
10000 „ -
50 442 066 , 5,4
9 577 279 „ 5
2 893000 „ 5
4 617 415 „ 19
28 3802r>0 „ 1,6
fC«7)
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®c^on eine cbetfläd^U^e äSetrac^tung jeigt und, ba§ bte
i^euttge Sewo^ner^a^l 'jlmerifad noc^ in feinem 93ei^ältni^ fielet
gu bcr ungeheuren 3lu8behuung feiner 8änber. JDie SBereinigten
©taoten, beren @ebtet faft fo gro§ ift alfl ©uropa, haben bcch
nur 50 fDfiQionen ©eelcn, mährenb unfer @rbtheil halb baS
©iebenfache erreicht. ®ang ©übamerifa, melched beinahe boppelt
fo gro§ ift loie ©uropa, h“* boch nicht mehr Semohner alä
baS j^önigrei^ Italien.
9Ba3 nun bie SSertheilung ber Seoölterung im @ingelnen,
welche fidh aud ber obigen Tabelle natürlidh nicht ooQfommen
erfehen ld§t, anbetrifft, fo ftehen au^ hier wie in iSuftralien
eingelnen oeihältni^mähig bicht beoölferten Gebieten weite faft
raenfchenleere 3läume gegenüber.
3n 9lorbamerifa pnben wir bie ^>auptmaffe bcr Se«
oölferung in bem öftlichen ^Drittel. IDaS am bichteften bewohnte
Gebiet wirb im ©üben burch ben 30. ^aratlelfreiö, im SBeften
burch ben mittel^en ^eribian begrengt; im fRorben reicht ed
bis gu ben canabifchen ©een, im fRorboften fogar noch üi^er
biefelben hinaus bis gur ÜRünbung beS SorengftromeS. Jbleinere
93eoö(ferungSanfammIungen finben wir bann nur noch um
©. Francisco unb auf bem Plateau oon !IRerifo. 90eS übrige
®ebiet ift au§erorbentIich fchwach beoölfert. 3n ben .^ubfonbai*
tdnbern fommen auf 50 qkm faum 1 — 2®inwohner. IDer
gange arftifche 'jlrchipel aber umfaßt mit SluSnahme ber lüften
@rönlanbS oöQig unbewohnte eifige (gebiete, bie gu feiner
bauemben fRieberlaffung geeignet finb, unb wirb höchRenS auf
ben bem Kontinente gund^ft liegenben 3nfe(n oorübergehenb
oon @SfimoS bewohnt. ®benfo ift baS öbe, ben arftifchen
8dnbem ähnliche Snnere oon 8abtabor unbewohnt, wdhrenb wir '
unter gleicher geographif<h« ©reite in ©uropa bie am bichteften
beoolferten Kulturldnber antreffen.
3n ©übamerifa finb fefte ülnfiebelungen unb eine bichtere
Seoölferung auf bie Äüftcnrdnber befchrdnft, mit SluSnahme
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von Columbia unb @cuabor, »o bte bid)tere SBevöItetung auf
ben .^o^ebencn bet Slnben gu finben ift; ferner finb ausgenommen
ber Otanb ber Stacamamüfte unb bte lüften ^atagonienS. 3ni
Snnern treffen wir nur ouf ben .^)o^ebenen S3oUolaS unb 2lr«
gentinienS einen bid^ter bevölferten ©tridfl, ber fid) biS gut
5Künbung beS ^gtaguap fortfe^t unb gatft^en biefem unb bem
^orana fogat eine 3)i(^le von 40 ouf 1 qkm erreid^t. 3u einet
foid^en ^5^e gelangen nur wenige ^egenben beS fäbamerifanifdl^en
^üftenlanbeS : in 93ra{iUen bie ^fte von @eara biS S3a^ia,
fonft nur bie nöc^fte Umgebung ber größeren @täbte. iSQe
übrigen lüften ^aben nur 2 — 10 (Sinwo^ner auf 1 qkm, baS
3nnet? bagegen ift von ^erumftreifenben 3nbianem, alfo äu^erft
bünn bevölfert.
2)ie 93ev5(!erungSbid^tigfeit bet Unfein ift, abgefe^en von
ben 93a^amainfeln, eine wefentlic^ größere alS bie beS Beft*
lanbeS; namentlich gilt bieS von ben fleineren Unfein. IDie vir*
ginifdhen 3nfeln hn^en eine burdhfdhnittlidhe Ißevölferung von 68,
bie Ileinen lüntiOen eine fol^e von 76; unb unter biefen leiteten
eneidht URartinique fogar eine IDic^te von 163, SSatbaboS 370
Einwohner auf 1 qkm.
IDie Utfachen ber geringen abfoluten Sevölferung beS @tb*
theils unb ber ungleichmäßigen SJertheilung berfelben hoben wir
gunächft in bet Sage unb S3obengeftaltung beS .Kontinents unb
ben baburch bebingten Üimatifchen unb ^robuftionSverhöItniffen
gu fuchen. 3n beiben ^)älften werben weite Eieflänber von
meribionalen Gebirgen im Dften unb Sßeften eingefdhloffen.
2)ie{e weiten @ebiete beS 3nnern, theilS Steppen unb SBüfte,
theitS Utwalb, finb außerorbentlich bünn bevölfert unb fteßen
bem an @belmetaQen reifen SBeften unb bem in jeber Begießung
bevorgugten Dften, welcher bie ^)auptmaffe bet 33evölferung ent*
hält, weit nach- 9im ungünftigften jebocß finb bie SSerhältniffe
im äußerften Süben unb IRorben; baS unwirthliche Patagonien
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iviib ebenfo menig wie bai aeftifcbe 9torbamerifa jemald eine
felbafie Seuölletung etljalten.
Sfleben biefen natütlicben Sebingungen ^aben aber and)
bie fullurellen unb politi|(ben ®etbältniffe i^ien @influ§ in
bob^m Qirabe geltenb gemalt. äSot ber @ntbetfung unb 33e>
fiebelung Slmerifad burcb bie @uropäer befanb ftcb eine bicbtere,
‘Jldetbau treibenbe 33enßl!erung nur auf ben .^ocbebenen non
SRejrifo unb |)eTu. SBenn fi<b fpätet bie (Sinwanberung gunätbff
auf bie £)fttüften bet beiben Hälften erftredte, fo b°^ bied
feinen Qirunb in ber günfiigen geograpbif^<n Sage, ben cot«
Irefflicben $afen unb ben übrigen norjüglicben fRaturbebingungen.
9iur geigte fidb febr balb ein wefentlicber Unterf^ieb in ben
eigentbümli^en Einlagen ber neuen iünftebler, unb biefer Umftanb
war non bem aflergrö^ten (Sinfluffe auf bie S3eoölferungS«
nerbältniffe ber neuen SBelt.
iDie @))anier unb ^ortugiefen, wel(be lebiglicb bem Qiolbe
nacbgingen, ermangelten beS folonljatorifcben Satented, ba8 ben
germanif<ben Söllern, not allem ben @nglänbern in b^bctn
@rabe eigen ift. 3)ie elenbe $olitit biefer romanifcben Sölfer,
welche bie traurigen bi’Ittifcben Serbältniffe beö fDlutterlanbeS
in bie Kolonien eintrug unb fcbliebli^ bie Soöteibung betfelben
berbeifübrte, war bie Urfacbe banon, bab bie @inwanberung in
biefelben geitweife gänglicb aufbörte, wäbrenb biejenige na<b ben
Sereinigten Staaten non 3abr gu 3abr gunabm, fo bab ber
germanif^e fRorben ein bebeutenbeö Uebergewicbt über ade
anberen @ebiete erhielt, infolge ber elenben fRegierungSguftünbe,
ber unaufbörlicben Sürgerfriege unb beö @tumpffinneö ber
flRifcbbenöIferung in ben ebemalö fpanifcben ^olonieen <Süb«
unb @entralamerifaö ift baber auch noch nur ein nerbältnib*
mäbig Meiner S^b^M beö Sobenö angebaut. So bieö aber ber
Sad ift, ba liefert berfelbe reichen Ertrag unb bat eine bicbtere
©enölferung angefammelt. fRut einer ber fübamerifanifcben
Staaten b“t fi<b feit bet UnabbängigfeitaerHärung einer gröberen
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9tu^e unb ba^ei etned bebeutenben Sluffc^uungS ju erfreuen
gehabt: bte 9{e)}ublif 6^ile, ein mit guten ^äfen, mtlbem ^Uma
unb ebien 3}{etaQen reidb autigeftatteted 8anb, in welcbeS bei
bem lo^nenben ^^nbau europäifcber @)emä(bfe eine fo ga^Ireicbe
@inwanberung ftattgefunben ^at, bafe bie ©eoölferung in ben
lebten 20 Sauren um me^r al8 ^ SJiillion fi(b »ermeljrt l)at.
3Wd^t beffet al8 in ben fpanifdjen Äolonien ftanb e8 in Srafilien.
iDurcb bie ftiefmutterlicbe Se^anblung »on ©eiten bet ^ortu«
giefen »urbe anfänglicb jeglii^er Stuffcbmung uerbinbert, feit
ber 8o8rei§ung uom SOlutterlanbe (1821) in ben
von ben feuchten ©üboftminben eneicbten Mftenl&nbern bet
3ucfet> unb iSaummoQenbau unb nodb mehr bie ^affeefultut
gu gto^attiget ^)5be gefteigett unb bemgemä| b>«
Dölfetung uerbi(btet.
3n Senttaiametifa ift eS nic^t bie Unetgiebigfeit be8
S3oben8, meicbe eine SSetbicbtung ber S3euö(ferung in eingelnen
©egenben »crbinbert bat, fcnbern lebiglid) baß ungefunbe, füt
ben ©uropäet gerabegu tobtlicbe ^(ima. 3)abet metben bie
atlantif(ben j^üftenniebetungen bem gefunben, menn au(b nicht
fo fruchtbaren ;^c7cb(anbe gegenüber immer an ^emobnetgabl
gurücffteben.
SBeftinbien ift, wie mit oben gefeben baten, ftotfet be»
oöifett alß bae übrige ülmerifa, oerban!t aber biefe bicbtere
Seoßlferung neben bem Umflanbe, ba§ e0 oon ben Spaniern
guerft entbecft unb befiebelt würbe, oor adern feiner günftigen
SSeitiage unb bet aubetorbentlicben Srudbtbarfeit beß Sobenß.
3udetrobt, Sabaf, SaumwoDe, ’Jieiß unb fämmllicbe ©übftücbte
geitigt baß j^lima. @ß mub jebocb b^i^t^atgeboben wetben, ba§
biefe 3nfeln, oor adern bie gröbeten, noch eine weit gablteicbete
Seoöltetung gu ernäbren im ©tanbe waten, wenn nicht bt^^
ebenfo wie in ben füb« unb centralametifanif^en 9iepubli(en
bie gertütteten politifcben Suftänbe eine glei^mäbige ©ntwidelung
unmöglicfa gemacht hätten. S)aß ptäcbtige .^aiti, gtob^^ a(ß baß
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^öntgrei^ Maiern, fönnte na^ einem 9ludf)}tu(]^e beS ^raftbenten
@tant minbeftenS 10 aJlitlionen Wenfc^en ernähren, ^at aber
nut 850 000 Bewohner. 0e^nlidb oer^ält eS fic^ mit @uba,
Samaica, ^uertorico.
Sßenn mir jum 0d^lu^ no^ einen S3Iicf auf bie SSenölferungS*
ver^ltniffe ber IBereinigten Staaten, unb gmat beS öftlicf^en
iDritteld betfelben merfen, fo l^un mir bieS nid)t nur aud bem
@runbe, meil baS beftbemo^nte@ebiet9[meriIad einer einge^enberen
Setracbtung mert^ ift, fonbern aud^ meil bie bortigen 93er^ült>
niffe für unS non utigleid^ größerem 3ntereffe ftnb aI8 anbere.
0inb bo(b in ben testen 40 3a^ren me^r ald 3 ^DHDionen
Seutfc^e ^ier eingemanbert!
SSorgüge mannigfacher iSrt finb bie Urfa^e beS unoergleich«
lieh fchneUen üuffchmungeS biefer j^olonien. IDie Sage in ber
gemäßigten 3one, bie reiche ®Iieberung ber £üfte, bie große
Slnnäßerung an bie alte SBelt ftnb ohne Sweifel oon großem
Einfluß auf bie (Sntmicfelung berfelben gemefen; ebenfo auch bie
phpfifch^ ©eftaltung beS SanbeS unb bie ^robuftioität bed Sobenfi.
2)iefem leßteren galtor ijl ber größte Einfluß auf bie oerfchiebene
93ertheilung ber 93eoölferung gugufeß reiben, ba in flimatifcßer
^)inficht in biefem öftlichen ^Drittel ber bereinigten Staaten
generelle Unterfeßiebe nicht oorßanben finb.*‘)
3n ben ©übftaaten nimmt ber SBalb noeß 50 — 60 t>(5t.
be6 bobend ein unb ein großer Sßeil ber ^üftrngegenben ift
fogar noch mit Sümpfen unb @een bebeeft, namentli^ bie gange
Sübßälfte ber ^albinfel $(oriba. 3n biefen ^üftengegenben ift
baßer bie bolMbicßte eine feßr geringe unb finit biö gu 1 — 2
auf 1 qkm ßerab. äber felbft in bem beoöllerteren nörblicßen
SLßeile ber ©übftaaten treffen mir erft eine JDttßte oon 5 — 10
bernoßnem an, ba infolge ber ^lautagenmirtßl^aft nnb ber
Sflaoerei bad innere nur Heine Stabte unb S)örfer befißt unb
felbft bie größeren ©täbte, melcße ald ^>anbeldemporien on ber
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Äüfte ober an ben S3erfe^t8fha§en Hegen, meift 50 000 6tn«
wohnet nid^t überftetgen.
3e »etter man aber oom 36. parallel nac^ SRorben ge^t,
befto me^r nimmt ber anbaufähige 0oben unb gleichzeitig auch
bie 5)i(httgfeit bet SSeoßlferung ju. 3n bem SBinfel j»if(hen
Dh*o unb SJliffouri, bet cigentli^en Äornfammer 3lmeti!a8,
crreitht biefelbe bereits bie ^)ßhe »on 30 bis 40 auf 1 qkm,
eine JDidbtigfeit, »eldbe nur »on ben atlantifdhen ÜKittelftaaten
übertroffen wirb, ©iefe gelteren, welche etwa einen gldchenraum
wie baS .Königreich 3talien umfaffen, ernähren jeht bereits
14 50liHionen, unb in bet Umgebung bet gröberen ©täbte »er*
bid^tet fidh bie Seoölferung bis jur .^öhe »on 70 auf 1 qkm.
@ie »etbanfen biefe bichte S3e»ölferung in erfter 8inie bem
gieichthura an Äohle unb 6ifen. IDodh h“* Sunahme ber
33e»61ferung biefet atlantifdhen ÜJiittelftaaten (wie fich auS einer
SufammenfteKung in bet „SBeoölfetung bet 6tbe“ VI, @. 76
unb VII, @. 69 ergiebt) in ben lebten 20 3ahten ni^t mit bet»
jenigen im 3nnetn ©chritt gehalten, unb zwar beShalb, weil
man „ben fi^ »erringemben @rtrag beS SobenS nicht bur^
intenfioere .Kultur, fonbem in fortwährenbem ©rängen na^
SBeften bur^ .^inzunahme nie zuooi^ bebauter glächen zu
fehen fuchte."
2tfrifa.
©iefet ©rbtheil fann nidijt z« ben fdhwach be»ölferten ge»
rechnet werben. 6t ift hoppelt fo »olfrci^ als 2lmetifa, unb
wir ftnben hi« ni^t weht^ ®ie in ben beiben oben befptod^enen-
6rbtheilen nur »ereinzelte, »erhältni§mä§ig Heine Jheü«» welche
eine ftärfere SBeüolferung haben, fonbern gro^e zufammenhängenbe,
ÜJliHionen »on qkm umfaffenbe ©ebiete mit einet ziemlich bichten
33e»ölferung.*®) SBill man nodh bazu baS Slreal ber SBüften
unb Seen, welches nach „S3e»5lferung ber 6rbe" VI, S. 59 z«
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mei}i ald 10 3RtDioneti qkm geregnet werben fann, in Sbjng
bringen, fo erreicht 3(frita gerabe bte burc^idjnittli^e SeBölferungfl«
bicbte ber ganjen @tbe (10 — 11 SSewo^ner ouf 1 qkm).
£)bwo^l nun SIfrifa, wie oben bereits erwähnt würbe
(@. 10 u. 9Inm. 9), nach feinen SSenölferungSserhältniffen im
@ingelnen auch h^u^^ tioch fehr wenig befannt ift, fo ift eS troh>
bem möglich im @an3en ein beutlicheS 93i(b bet SSoIfSoer«
theilung 3u geben, infolge ber wenigen IBeränberungen in
ben lebten 3ah’^<n ftimmt baffelbe immer nodh mit bem non
ä?ehm im 1. ^anbe beS geograt)hif4en SahrbucheS (S. 87)
gegebenen überein. „SSie gering auch bie Sunerläffigfeit bet
abfoluten Bahl^o betfelbe, „fo beutlich fteQt ftch bo^
im @au3en baS ä3ilb ber SSollSoertheilung in 2lfrifa heraus.
@in bidht bewohnter @ürtel 3ieht fich um ben Sufen non
@uinea, non Senegal bis 3nm @unene. IDiefer Q^ürtel nimmt
in feinem norbweftlichen ^h^tle ben 9iaum 3Wif(hen bet Sahara
unb bet J^fte non Ober>@uinea ein, fchwillt bann in ber 3Jtitte
bebeutenb an, inbem et fich faft über bie gan3e Sreite beS
JSontinentS biS nach bem ägpptifchen Suban unb ben @aDa>
8änbem erftrecft, wirb aber gegen Süben wieber bebeutenb
fchmäler, fo ba§ et bie (Region ber großen oftafrifanifchen See«
nid^t mit einfchlie§t. $aft alleS 8anb außerhalb btefeS ©ürtelS
ift öufeerft fchwa^ benölfert. 3m (Rorben behüt fi^ faft butcb
bie gan3e Streite beS @rbtheitS bie Sahara auS, wo fich bie
S3en5lferung am (Ranbe beS Suban unb« in ein3elnen £)afen
fon3cntritt. (Rur ber (Rotbranb, längs bet Äüften beS 9RitteI«
mecteS ift wieber etwaS bichter bewohnt. Süblich non ben
®aOa*^änbem nimmt bie (BoIfSbid)tigfeit rafch gegen Süben hin
ab; im Allgemeinen iR bie gan3e Sübfpihe AfrifaS nom 10.Sreiten>
grab abwärts fehr fpätlich bewohnt.**
Siefe fut3e Sfi33e mag burch bie folgenbe UeberftchtStabeQe
ergän3t werben, welche, in SÜücfficht auf bie Serfchiebenheit bet
Dberflächengeftaltung 3ufammengeftellt,*ä) bie ungleiche 93er=
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t^filung ber SeDÖIferung unb gugleic^ bie oeogtap^ifd^en Utfad^en
berfelben mit einem 93li(fe erfennen (ä^t:
Hlorbofrtfa (oorroiegenb äSüfte)
amn.
qkm
10
ajliü.
SBero.
20
3(uf
1 qkm
2
©uban unb ßentralafrifa cSBalb-, Kultur-
unb ©aoannfnlaiibfchaft)
9
140
16
Dfiafrifa (©aoannen unb ©teppen) . . . .
4
30
7
©fibafrtfa (uoroiegrnb SBüften, ©teppen unb
^Suf^Ianb) . . ■ .
6,3
10
1-2
Snfeln
0.6
4
7
3u beiben ©eiten be8 SlequatorS \fahen wir alfo ba8 reiche
SBalb: unb ^ulturlanb mit ben tropifd^en Senit^altegen; ^iet
meinen 70 ))(£t. ber gelammten 93emo^ner älfrifae. Slötblid)
unb füblid^ bauen erftreefen [id^ bie beiben @tep)}en> unb SBüften«
güitel foiueit, ba§ fie nur einen fc^malen SRanb übrig (affen,
ber in bie fubtrobifdbe 3one ^ineinreid)t unb in S3e3ug auf
^lima unb S3obenbef^affen^eit befonberS begünftigt ift. (Denn
bie ^erraffen beS fübafrtlanifd^en SlafellanbeS finb
meift weite baumlofe 6benen, bie nur, wenn fie in ber fur3en
(Regenzeit fi(^ in ein )}rü(^tigeö Slumen^ unb @raSmeer uer>
wanbeln, gur SSie^weibe benu^t werben fonnen. 9tur ber füb<
lic^fte X^eil beö ^aplanbed, welcher ber fubtropifc^en 3one
angel^ört, unb ber Kimatifc^ beuorjugte, bur^ ©ommerregen
reid^Iicb befruchtete ©üboftabhang finb für ben Ülcf erbau günftig;
buch ift auch htet nod^ bie Seuölferung eine fo fpärliche, bah
fie erft in ber Umgebung ber gröberen ©täbte eine (Didhte uon
10 auf 1 qkm erreicht. Ungleich günftigere natürliche Sebingungen
für bad SBachbthum ber IBeuöIferung finben wir am fubtropifchen
9lorbranbe, bem einzigen IhcK« Slfrifaö, welcher feit alterS mit
ben afiatifchen unb europoifcheu fRachbarlänbern in Serfehr fteht;
bo^ lä|t ber 38lam biefe ^üftenlanbf^aften nicht ju ber ^lüthe
gelangen, ju welcher fie non ber 9lotur befähigt wären. 3n
bem fruchtbaren Äüftenfaume ber tHtlaSläuber, bem fogenannten
Stell, fteigt bie (Dichte auf 30 ^to qkm, iu StuniS fogar bis
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ju 70. @e^en ttit »etter nad^ Dften, fo fommen »ir enbUd^
5U bem fd^malen 9titt^ale, auf beffen bunfelbraunem @d^»emm>
taube feit Sa^rtaufenbeu eine 3a^lreic^e acfetbautreibenbe Se*
uölfetuns lebt. Siingt man nur baS wirftii^ brauchbare 8anb in
Stnfcblag — ein anbereö SBerfahren würbe hier gu Dötlig unrichtigen
SBorftellungen führen — fo ergiebt fich eine JDichte non übet
200 Bewohnern nro qkm, alfo eine fo bichte Seoolfetung, »ie
fie in ©utopa nur in Snbuftriegegenben erften SRangefl ge*
funben wirb.
SBa8 bie afritanif^en 3nf ein anbetrifft, fo machen wir
»ie bei Qluftralien unb Slmerifa »ieberum bie 0emet!ung, ba§ fie
im IDurchfchnitt »eit bcnölfcrter finb al8 bafl gcftlanb. JDie*
jenigen, »eiche pch burch gefunbe« Älima unb gruchtbarfeit beS
IBobeng gan3 befonberd au03eichnen, erreichen fogar bie S)idhte
bet europäifchen Snbuftrieftaaten. ORabeira mit einer ©ichtig»
feit non 160 unb bie ORaSlarenen mit 138 ftehen au8 biefem
®runbe alten anberen »eit noran, unb unter biefen lehteren ift
QRauritiuS befonberS beffen Senöllerung fich
in Solge be§ bebeutenben 3u(Ierrohrbaued in ben testen 30 fahren
nerboppett hatr f» ba§ bort je^t 187 SIRenfehen auf 1 qkm leben.
5Die geringe ©enölferung 9Rabaga8far8, bet größten non allen
afrifanif^en 3nfeln, »eiche faft boppelt fo gro^ ift al8 @ro&*
britannien, aber nur ben 10. Jh«if ®on beffen S3e»ohnetn enthält,
ift 3um ^heil eine ^olge beS ungünftigen .KIima8 ein3elner ®e*
genben; au^etbem ift ba8 fübliche ^Drittel eine flache, troefene
Steppe ober SBüfte.
itftcn.
SDie abfolute SenöIFerung 9fien8, be8 größten non alten
6rbtheilen, beffen Slreat ein Drittel bet troefenen @rbobetfIä^e
au8ma^t, beträgt, felbfi wenn »ir bie neuefte, etwas geringere
Schälung non 795,6 ober runb 800 Millionen annehmen, immer
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nod^ weit nte^r aie bie ^dlfte ber 33ewo^ner unjeter @ibe.
iSber biefe maf[en^afte ä3et>6IIeiung ift fe^i ungUtd^md^ig über
ben Kontinent »ertbeilt. ,^ein anbcrer (ärbt^eil ^at fo gewaltige
©egenjd^e in SSejug auf orogra))^if(^e ©eftaltung unb flimatifcbe
SSer^dltniffe aufjuweifen unb ebenfo ^infic^tlid^ bet Sßett^eilung
ber SBeuölfetung. 5)en corttefflic^ gegliebcrten, mit allen ©aben
bet 9iatur tei^lic^ auögeftatteten Sltopenlanbf^aften be0 @üb-
oftenS mit i^rer uralten acferbautreibenben SSeublterung unb ben
jabltei^en fRiejenftdbten fte^en gegenüber bie faft menf(^enleeren
Steppen unb SBüften beö wafferarmen ^o^lanbeS unb ba0 un«
wirt^li^e Sibirien mit feiner ungeheuren SBinterfdlte, bie gröfite
unb ungugdnglidhfte ^ontinentalmaffe ber (Stbe, bie erft feit ser«
hdltni^mdfeig furjer Seit »on einer fe|h®ften S3e»5lferung in
Sep^ genommen ip.
@in mddbtiger ^)oihebenengürtel bnrchjieht ben förbtheil
»om dgdifihen SJleere biä 3ur ÜJlanbfdhurei bnreh 100 Sängen»
grabe ma(hti>otl beftimmt er baS ^lima unb fd^eibet
bie 33erbreitung0be3irfe bet ^Pan3en unb Elpere fowoljl al0
aud) ber Böller.
IDie folgenbe Jabelle^*) wirb bie Bertheilung ber S3e»
»ölfetung auf bie brei flimatijthen .^auptgürtcl unb bie
Utfadhen ber »erf^iebenen IDichtigfeit flar gum 3lu8bru(f bringen.
TOiü.
gjtiu.
p6t. b.
SeDöft.
auf
qkm
33ero.
1 qkm
1) $0^ nörblicbe Sßalbgebtet
(©ibirten unb 9lmurlanb) . . 13,4
7
0,9
0,5
2) Sotroiegb. ©teppenii. Sßüfte 19,1
58
7,1
3
a. (Sentralafiat. ,/pod)Iänber . 7,1
10
—
1,4
b. äralo'Äaöpi>58ecfen ... 4,4
10
—
2,2
c. ®orberafien ...... 7,<j
38
—
5
3) 2)a0 ^onfungebiet .... 12,3
735
92
60
a. Stop. SBalblanbfc^. (,£»inter-
inbien u. oftinbifd). Slrcbipel) 4,0
.55
14
b. Äulturlanb:
a. iöorberinbien .... 3,9
260
_
67
ß. 61)m“‘3apan. ... 4,4
420
—
95
3öir fehen au8 biejer JabeHe, bap auf bo8 nörblicpe Söolb»
XIX. 4&0. 3 (677)
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gebiet, roelc^eö an Streal baö OJicnjungebift übertrifft, ncc^ ni(^t
1 p6t. bet Senölferung entfäÖt, roä^renb baö geriete nabeju
bie gejammte Semo^netja^I beö (SrDl^eilS, nämlic^ 92 p(5t.
umfaßt.
3Bir ivenben unS nun ju einet einge^enbeten Sefptediung
biefet btei cetjdjiebenen ©ebiete, um ju fe^en, meiere Untetfe^iebe
innetbalb betjelben ned) »oi^anben unb mobutc^ biefelben be»
bingt finb.
IDab nötblid^e SBalbgebiet ge^ött ju ben am jd^mäc^ften
benölfetten gönbertäumen bet 6tbe. ©ibitienö gläi^entn^alt
ift bebeutenb gtö^et olä bet @utopa8, abet eß ttobtten ^orl,
rote oben fc^on bemetft wutbe, nut einige Jaufenb ©inwo^ner
me^t alß in gonbon. 2)a8 ausgeprägte ^ontinentalflima, oet«
bunben mit bet weiten ©rftredung über ben ^olatfreiS ^inauö
in bie falte 3onCi [teigem bic SBinterfälte gu einet [Diesen jpöbe,
wie pe in feinem anbern (ärbt^eile »orlommt, unb bewirfen,
bap ein gtopet jl^eil (Sibiriens Dollig unwitt^licbeS @ebiet ip.
2)ocp gerfänt Sibirien in gwei natp 23obenge[taltung unb Älima
fept »er[c^iebene Oftpbitien ift Dorwiegenb ©ebitgSlanb,
SBeftpbirien 2)ie SabteSifotpetme oen 0° 6. tritt
mit bem 60. @tab in Sibirien ein unb gebt bis gum Sübbogen
beS iSmur (50°) berab; batin [pri^t pdb bie bebeutenb niebrigetc
Temperatur beS DftenS auS. Dftpbirien bat noch biS gum
42. @rab mit @iS bebeefte Äüften, unb noch im 5Rai füllen
(äiSmaPen baS o^otSfijibe 5)iecr. JDaber bie größere Unwirtb*
li(bfeit DppbirienS unb bie bebeutenb geringere ©eoölferung.
3m Slmurgebiete fommt erft auf 10, im Äüpengebiete fogat
erft auf 25 qkm ein Sßewobner; in bem erfteren pnben fid) nur
2 Stabte, in bem leiteten feine Stabt mit 5000 (Sinwobnetn.
Ueberbaupt pnben mir nut im Süben, an bem SRotbranbe beS
centralafiatifcben ;g)DcblanbeS, wo an bem Oberläufe bet gröpeten
glüpe, beS 3lmur, ber gena unb Slngara ©etreibebau mögli(b
ift, ober wo bet ©rgreieptbum ber ©ebirge angiebenb wirft, wie
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im 2Utai' unb Sablonoi* ©ebirge, eine bid^terc Seuölferung
(<tt»a 5 auf 1 qkm). Slu^etbem jie^t fid) im Söeften no^ ein
anbaufähiger Streifen ju beibcn ©eiten ber großen ^oft= unb
^anbeIS[tra§e, »eld)e fRu^lanb mit bem innern 3lfien Dcrbinbet.
9lbcr au(h bie Sid^tigfeit erft biö ju 10 auf 1 qkm.
2)a§ mittclafiatifdhe 3Büften= unb Steppengebiet
fteht 3War an relatiuer Seuölferung höher al8 bn8 fibirifdhe
SBalblanb, »eil einzelne 2hf'^^ eine jiemli(h biehte Seuölferung
haben; e8 umfaßt aber anbererfeitS au(h »ieber bie größten
raenf^enleeren ©ebiete, bie roir auf ber ©rbe haben. 55ie jobl»
reichen großen unb fletnen SBüftenftriche, wie bie ©obi unb baö
Slarimberfen, ferner bie Heineren SBüften ^wifdhen ülrau unb Spr,
fübliib com Slralfee unb faSpifdjen fJJteer unb enblidh ba8 ganje
Snnere »on 3trabien flnb öbe, menfthenleere ©ebiete. 9iur an
ben wenigen Stellen, wo bem 95oben SSefru^tung ju 2he'l
wirb, finben wir ülnbau unb bidhtere Slnfieblungen. So gieht
pdh an ben Ufern be8 Slarim ein fdpmaler Äulturftreifen mitten
burep wüfteß ©ebiet, ebenfo haben SSrnu unb Spr an ihren Ufern
eine jiemli^ biepte Seoölferung gefammelt. 2)ie gebirgigeren
©egenben SlrabienS, oor allem baS ftiebfepeb unb bie Dftfüfte
erhalten reidhlidpe 9Ueberfchläge unb bringen eö auf bem frudpt»
baren SBoben ju einer größeren Sidptigfeit, in ber ©egenb oon
9Ra8cat fogar biS gu 60 auf 1 qkm. 9li(pt opne Seoölferung,
aber bodp äufeerft bünn bewohnt (etwa 2 auf 1 qkm) finb bie
Steppengebiete: bie Äirgifenfteppe, baö ^otplanb »on Scan unb
»on Äleiuafien. 3m Uebrigen ift Äleinaflen baö am heften be«
»ölferte »on aQen »orberafiatifchen Säubern; namentlidp finb
bet 91otb< unb äBeftranb bureb reiflichere fRieberffläge oot
ben übrigen Jpeilen bebeutenb beoorgugt unb eneiepen eine
2)i(pte »on 25 — 30.
3n ff reffftem ©egenfat3 gu ben bißper befprof enen Sänbem
ftept baö SKon fungebiet, in welfem wir bie maffenpaftefte
S3e»ölferung nift nur SlfienS, fonbem bet @tbe überhaupt an*
3* (679)
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trcjfcn. Unbewohnte Utäume giebt e8 jwat ni^t, bodh ftnb,
wie fd^on au9 bet obigen Tabelle hewoig^^t, and) innerhalb
biefeS Gebietes noih bebeutenbe @egen{d^e oothanben. 0o
ftehen ^interinbien unb ber oftinbifche Slrthipel mit einet S3e»
Boltcrung oon 55 sUliDionen unb einet $Di(htigfeit oon 14 pto qkm
bem übrigen ©ebiete, weld&cS 680 ?Dtinionen unb eine JDid^tig*
feit ton 82 hat, gegenübet, ^intetinbien unb bet ofiinbifdhe
ätchipcl finb feht gebirgiget Statut unb geböten 3um gto§en
Sh^ile ber Sropenjone an. S)arau8 erflört ft(h wohl ihre
weientlidh geringere 8eoöIferung8bi(htigfeit. Sn .^intetinbien
ift bie Seoölferung am bidhteften in bem üftlidhen unb weftlichen
Äüftenfaume unb in ben fruchtbaren ^hdletn bet großen Ströme;
fie bringt e8 h'e^ 3“ bet .£)öhe oon 20 — 30 pro qkm. 2)er
oftinbifdh« ®r^ipet ift jwar in golgc beS feud^t=hei&en .^limaS
ein duherft fruchtbare8 ©ebiet, aber noch grö&tenthcil8 mit Ut»
walb bebecft. JDahet fteigt bie IDid^tigfeit bei bet ÜReht3ahl
ber Snfeln nicht übet 10; nur bei einigen ber “”b
»ot allem auf Sana pnben wir in §olge ber oortrefflichen
.^Itioiruug be8 :0oben8 120 Bewohner auf ben qkm.
Sn ben übrigen be8 fUionfungebieteS oertheilt pch
bie S3eoölfetung im SlHgemeinen fo, ba§ bie bichtbeoölferten ©e»
biete in ben ©benen 3u finben finb, bie weniger beoöltcrten auf
bie ©ebitgSldnbet fallen. 9lur Sapan macht hieroon eine 9lu8»
nähme. 2)ie japanifchen Snfeln finb burchweg gebirgig, aber
ba8 milbe ^lima, bie regelmdhtgen unb rei^li^en Stegen
3ufammen mit bem frudhtbaren »ulfanifdhcn SScben machen Sapan
•gu einem ber gefegnetften i^dnber 3(fien8. ^iet hat bet Sleih
bet SSewohnet, welcher felbft ben fteilften Setgabhdngen burch
forgfdltige Sewdfferung nodh eine rei^e ©mte abgewinnt, eine Se»
o5lfetung8bichtigteit ermöglicht (126 pro qkm), weldhe berfenigeu
©hiaag wenig nachfteht.
Sn ©h*”® finben wir bie bichtefte Seoölfetung in bet
frudhtbaren Siefebene gwif^en bem 30. unb 40. ?)arallel. 2)a9
(6W)
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ganjc 8anb tft bem Slcferbau geatbraet, ber unter bet .^anb
beö raftloS fleißigen (Sbinefen 2 btS 3 @mten liefert uub eine
fo erftaunlicb biente tBenölferung ernährt, bag 300 bid 400 93e>
wohnet auf 1 qkm fommen. Sir fonnen und eine iBorftellung
banon machen, mie bi^t bie SenöKerung in bem d^inefifeben
2:ieflanbe jufammengebrängt ift, wenn mir eutopäifdbe ©ebiete
jum aSergleidb bstanjieben. 3n JDeutfrblanb , meltbed ungefähr
benfelben Bläcbeninbalt bat, mie bad eben befebtiebene ebinefif^e
^ieflanb, fommen auf 1 qkm nur 84 99emobner; in S)eutfd^lanb
mobnen 45 SRiOionen, bort 140 ^DMIIionen auf bemfelben ^täcben«
roum. 6ine fo maffenbafte 33eo5lferung fann felbft bei ben
günftigften fiimatifdben unb iBobenoerbäitniffen, mie mir fie biet
in (Sbina oorfinben, nur ernährt merben, menn von ben S3e°
mobnetn bie mä^igften ^nfprüd^e an ben Unterhalt gefteOt
merben. JDied ift in (Shina ber Satl. gür- einen großen Z\)eil
ber 33emobner hüben JReid unb Siftb«» welche ber ©oben unb
bie glüffe in reichem 9Wo§e liefern, bie einsige 8lahrung. IDa
Seftdhina unb bad gange i^anb füblicb oom 3ang°te>fiang
mefentlicb l^erglanb ift, fo nimmt naturgemäß nach Seften unb
©üben gu bie IDicbtigfeit ber 53eoölferung ab.
Slebnlicbe Serhältniffe finben mir in Sorbetinbien. Slueb
hier ftnb bie eigentlidhen SeoölFerungdcentreu in ben Stiefebenen
gu finben. 9lm beoölfertften ift bie ©angegebene, mo auf bem
Sltluoialboben oon unerfcböpfticber ^uebtbarfeit, ber bur^ bie
regelmäßigen Uebetfebmemmungen bed ©anged bemäffert unb
mit reichen Sieberf^lägen oom inbifeben Dgean »erforgt mitb,
bie 2)i^tigfeit bet Seoölferung bid übet 250 auf ben qkm fteigt.
JDemnädhft finb bie jcßmalen Äüftenftreifen ber Dft» unb Seft»
füfte burdh ihre f$ru^tbarfeit unb biebte Seoölferung audgegeiebnet.
Samentlicb ift bie ^oromanbellüfte eine oon gahlreidhen ^lüffen
burebftrömte fru^tbare ©bene, in melcber bie ©iebtigfeit bet
Seoölfetung gu berfelben |)öhe fteigt mie in Sengalen. 3)ie
große innere ^lateaumaffe bagegen ift, fomeit ißr bie geudhtig*
(681)
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38
feit burc^ bie Oianbgebitge entgegen ®irb, grö§tentl)eit8 tterfen
unb [te^jpenortig. 2)a^er finft ^iet bte S3e»ölfetung8bt(^te be»
beutenb ^erab unb erreicht faum 20 ^jto qkm. 9loc^ geringer
ift biefelbe in bem Steppen» unb SBüftengebiete beö unteren
Jnbuö, bem ^eifeeften unb troefenften SBinfel ber gangen ^alb»
infei, ber nodj nicht eine JDichte non 2 erreicht. 9tnr ber nörb»
lichfte ^h^if be8 3nbu8gebiete8, ba8 ^anbfehab, bem butch bie
»Jlähe be8 @ebirge8 unb burch bie gahlrei^en glu§abern reichliche
Seu^tigfeit gugeführt mirb, bringt e8 mieber gu einer Sichtig»
feit »on 100 pro qkm.
(Europa.
Unfer @rbtheit nimmt in nieler 93egiebung eine beoorgugte
Stellung ben anbern gegenüber ein. @r ift ber eingige, meldhet
gar nicht bie heffee 3one berührt, unb r»a8 non iljm nörblich
bet 3ahre8ifotherme oen 0® C. liegt, alfo bet falten 3one an»
gehört, betrögt faum ^ ber gangen ganbmaffe. Äeine ®egenb
entbehrt ber fRieberfchlöge, hoher fehlen bem ©rbtheil bie SBüften
gönglich, unb Steppen treten nur in verhältnihmä§ig geringer
I9u8behnung auf.
Sinb auch i^ifchen bem unmirthlidhen fRotben, in welchem
nur 1 3)ewohner auf ben qkm fommt, unb ben reich gefegneten
Siftriften SRitteleuropad mit ihrer bichten SSeoölferung non über
200 pro qkm noch erhebliche ®egenfö^e eorbanben, fo finben
fich biefelben hoch niemal8 unoermittelt neben einanber, wie
mit bie8 bei ben onberen @rbtheilen gefchen haben.
5Jlit 3lu8nahme be8 h^hrß 9Rorben8 unb ber fübruffifchen
Steppen finb bie 33eroohner giemlich gleichmöfeig übet unferen
(ärbtheil oertheilt, ba bet ©oben im ©ro^en unb ©angen ber
gleichen .Kultur fähig ift. @8 beftötigt un8 bie8 auch bie
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folgenbc Sabetle, in »eldjet wir nadb ben flimatii^en 3?et^ä(l=
niffen folgcnbe @rub^>en untetf (Reiben:
'öcni.
qkm iöeoülferung auf 1 qkm
'Jlorb unb C'ft'Giiropa. . GUI 308 it0105 758 14,7
©üb' Europa 1460001 67 314 642 46
f ßenlrabeuropa . ... 1284931 92200 343 72
1 ffieft. Europa 874 333 78122 671 89
Säiir feben aifo Ijietaug, bafe bte SSepelferungöbid^tigfeit in
Söeft« unb Gentraicuropa feine wefentlic^ oetid^iebene ifi; au*
©Übeuropa ftel)t nod^ nt*t übetmöfetg gegen bic beiben elfteren
jurüct. ^Dagegen ^at bet Sflorben unb Often beä 6rbt^eil8,
uelt^er etroa f beS SlrealS umfaßt, bebeutenb weniger als ein
^Drittel bet Seoölfetung auf3uweifen. gaffen wir nun SBeft*
unb Gentraleuropa, wel*e fid^ an relatioer Sepolfernng ungefaßt
gleid^fte^en, jufammen, fo ert)alten wir btei gro§e ©ebiete,
welche fi*, wenn aud^ etflätlid^etweife nid^t gan3 genau, mit
ben brei perf(^iebenen flimatifd^en ©ebieten ©utopaS berfen.
68 Iö§t fi(^ alfo fd^on je^t erfennen, ba§ 3unäd^ft bem Älima
unb iobann ber natürlid^en S5ef(^affenl)eit unb 5)robuftinität beS
SobenS bet wefentlic^fte Slnt^eü an biefet oetfd^iebenen SSet«
t^eilung ber Setüfferung 3ufäUt.
SBir wollen btefelben bet fReilje nac^ einet einge^enben
Sejptec^ung untet3te^en unb beginnen mit bem fd^wad^ be»
pölferten fRotben unb Dften, alfo mit ©fanbinaoien unb
IRu^lanb.
IDen größten SE^eil bet ffanbinapifi^en ^albinfel nimmt
ein i^od^gebitge ein, weli^eS ein faft hoppelt fo gto^eS ©ebiet
^at als bie Sllpen, eS bilbet eine 3ufammen^ängenbe golge oon
'J-Hateaur, bie nac^ SSeften ftcil unb mauerartig 3um ÜJlcete
abftüt3en unb nut eine fpätlic^e aipenweibe gewähren. IDa^er
ift in 9iotwegen f, in ©(^weben bie Jpälfte beS SobenS un*
probuftio, unb bet probuftipe S^eil befte^t gtö^tentljeilS auS
®alb. 2)ieS erllärt unS bie aufeetotbentli* geringe JDi^figfeit
(GM)
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bet 33eoölfening. 9l5tblic^ »om 61. ®rabe, »o ^aufenbe von
qkm fa[t menf(^enUere ©inßbe pnb, nur von lapptft^en 91 en«
t^iernomaben burc^gogen, ift bie {ep^afte S3e»öl(erung lebtglU^
auf bie fi^malen glupt^äter unb Äüpenfäume angewtefen. 91ut
bet ©üben (in Sflorwegen bet Äüftentanb von ©tavanget bis
@^riftiania, in ©c^weben baS auSgebe^nte ^lac^lanb füblic^ bet
©eentegion) oetraag eine bic^tete Seoölfetung gu erna^tcn, wellte
in bet butci^ i^ie 8age unb ^ruc^tbatfeit bevorgugten ©übfpi^e
von ©c^onen fogot bis gu 70 pto qkm fteigt.
aiic^ 91uplanb eS nut bis gu einem ‘Duic^fd^nitt von
15 93en>o^nern pto qkm btingt, fann unS nic^t munbetn, benn
auc^ ^ier fommen noch 40 p@t. beS SobenS auf unptobuftioeS
unb ©taSlanb unb von bem 9ieft nut 20 p(5t. auf baS Sltfet»
lanb. iSIfo ‘ift au(i^ ^iet bet gtö§te ^^eil beS S3obenS noc^
ni(^t {ultivitt. 91ur im mittleten 91u§lanb pnben mit bebeutenbe
Städten, meld^e eine giemlic^ bidjte S3evölfetung etnä^ten. 2)et
f(^mole norbtuffifcJje iJanbtüden fc^eibet baS nßtblidje 3öalb=
unb Sunbrengebiet, in welchem nut an ben ^lufeufetn fpätlic^e
menf(^Ii(f|e Slnpebelungen angettoffen metben (nßtblic^ beS ^olat>
fteifeS ni(^t 2 auf 1 qkm), von 9RitteItu^Ianb, wo mit fott»
f(^teitenber 8i(fctung bet SBälbet auSgebe^nteret SKnbau unb eine
bittere 35evölfetung P(^ anfammeln wirb, je|t etwa 20 Se»
wohnet auf ben qkm fommen. 3n bem ©ebiete bet fd^watgen
@rbe, welches pch von ben Abhängen bet Äatpaten bis gut
oberen Söolga hi”3*sht, erreicht bie SDidjtigfeit fogat bie .^ohe
von 50 — 60. ©üböftlich von biefer acfetbauregion 9KttteIru§=
lanbS fommen wir bann in baS bünnbewohnte ©teppengebiet,
wo nut an ben Ufern bet ^lüffe Slderbau unb ^aumwuc^S
unb fomit auch eine etwaS bichtere SSevölfetung pdh pnbet.
^Die fiufeetft geringen ©ommenegen unb bie grope SBinterfölte
pnb hier bie geinbe bet Äultut. Seträgt bodh g. S. für DbePa
bie mittlere fühcliche ^Regenmenge nut 360 mm, für Sifttachan
fogat nut 120 mm. Sn aftta^an (46° 21' n. S3r.) Peigt bie
(M4)
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41
bur(i^{(^mtlltd^e lemijeTatut beö fölteften SRonotfl auf — 6,4°,
in bem 24 @tab nßtblid^eten ^>ammetfeft (70° 40') aber etfl
auf — 5,1°.
3n ^nnlanb, wo ber größte 2:^eil beS IBobend aud ja^l«
lofcn @een, ÜKoor» unb ;^eibebifiritten befielt, ifi nur au wenigen
©teilen eine intenfioere .Kultur niöglicb, fo in bem fiat^en, gum
£^eil mit ^Jinuoium bebedten ^üftenfaume, in welkem bie 0e°
üölferung ftd^ gu einer 2)i(bte »on 10 — 15 ergebt.
3n ©übeuropa treffen wir eigentbümlid^e-SBer^altniffe
an. S)ie Sert^eilung ber Seoölferung in ben bret füblicben
^)albinfeln ift eine giemlicb gleic^möfeige, i^te 3o^l aber gegen*
über SBeft» unb SJlittcleuropa unb im S3ergleidb gn berjenigen,
wel^e biefe 8onber im aitertbum ernährten, feljr gering. SDie
Urfac^e ber geringen SSolfSbidbtigfeit biefer einft fo blü^enben
üönber liegt in ben politift^en Serbältniffen. 9tamentli^ leiben
bie Salfan» unb ^prenäenbolbinfel unter benfciben. 3n ©riechen*
lanb ift bie ^älfte bed Hreal6 fe^t unt>robuftioed unb äBeibelanb,
ber Slnbau liegt ooQftänbig barnieber. 2)ie fcbßnften ^I&cben
finb mit Unfraut bebedt, unb wo man angebanteß 8anb trifft,
ba wirb e8 in ber t>rimitioften SGBeife bearbeitet. iHuf ber
^prenäenbalbinfel beträgt baS ^der« unb ©artenlanb nur 30 p6t.
^)ier geftalten ftcb bie SSerbältniffe bur(b bie orograpbifeb«
ftaltung beß 8anbeS noi) ungünftiger. S)ie fte^penbürren ^odb<
ebenen lönnen nur alß SBeibelanb benu^t werben; ba^er wirb
^ier nur eine SSeoölferungSbic^tigteit wie in ben 9ll;}en ober
auf bem fdjottifd^en ^oc^lanbe angetroffen, 15 — 20 ^jro qkm.
9tur wo rei^liibere fHieberftbläflc »or^anben finb, wie an ber
fRorb» unb SÖeftfüfte, ober lünftlid^e Sewäfferung, wie im ©üben
unb am ©olf oon SSalencia, ba ^at fidb eine bebeutenb biestere
Seoölferung angefammelt (100 biS 150 auf 1 qkm).
33effer ift bie mittlere ber brei füblic^cn ,^>albinfeln »on
ber SRatur auflgeftattet. grcilicb Ijaben wir au^ ^ier weite,
unfruchtbare ©ebiete, bie eine äu§erft bünnc Seoölferung
(68S)
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wie bie ficber^aut^enbcn ©umpfbiftrifte, welche fi(^ Bon ^ija
längs bet SBefttüfte bis 3U ben pomptinifc^en ©ümpfen erftteden.
!Dem gegenüber ^at Stolien aber auch teid^e, forgfältig bebaute
©egenben, wie bte frudbtbare Webetung beä Sirno ober bie
campanifebe 6bene, bie ftben im SUtertbum bureb ib« Sruebt»
barfeit berühmt war unb gabireicbe ©täbte unb IDotfer batte.
3)ie bidbtefte ScüöUerung StalienS finben wir in ber ^oebene,
beren ^robuftenfüHe unb SJlenf^eupracbt fdbon ^olpbiuS rübmt
(II, 15). SUlmäblicb but^ bie 5luff(büttungen ber Sllpen» unb
Sfpenninenjuflüffe entftanben, bat biefeS ©cbwemmlanb Bon jeber
bureb feine au§erorbentIicbe ^ru^tbarfeit eine SeBÖlferungS«
bi(bte erzeugt, welche, obwohl nur auf bem Üldetbau berubenb,
bennoeb mit ben bicbtbeBolferten Snbuftriebejirfen rinaliftten fann.
Die ^oebene entbölt faft bie .^älfte bet Sewobnet Bon gang
Stalien, unb eö leben b>f^ 160 bis 180 SOtenfeben auf 1 qkm.
@S erübrigt noch auf bie SeBöIferungSBerböltniffe in SBeft*
unb Gentraleuropa einen Slid gu werfen. Da biw bie Ilima»
tifeben Serbältniffe im gangen wenig Unterfebiebe geigen, fo
fönnen bie ©egenfd^e, wel^e in Setreff bet SolfSöertbeilung
Bielfadb Botbanben ftnb, nur auf bie orograpbifd)e ©eftaltung
unb ^robuItiBität beS SobenS gurüdgefübrt werben.
Daher geigen bie .podbgebirge, wie bie Sllpen unb baS
fdbottif^e ^ocblanb, wafferarme ^eibeplateaur, wie bie ^ocb>
länbet ber 3luBetgne unb ©bampagne, unb ©anb* nnb @umpf>
lanbfdbaften, wie bie üanbeS, bie J£)eibe= unb ÜJloorbiftrifte im
norbweftli(ben Deutfdblanb eine glei(b bünne Senölferung, bödbftenS
20 — 30 auf 1 qkm.
6inige anbere niebtige plateauartige ©rbebungen, wie
baS taube, einförmige ^lateau bet 6ifel, beS .^unStüd, bet
baperifdben ^odbebene, geigen eine um weniges biebtere Se»
BÖlferung, etwa 40 — 50 auf 1 qkm.
3ut bödbftcn Didbtigfeit fteigt bie Seoölferung nur bort,
wo ber Sldetbau reichen ©rtrag liefert ober bebcutenbe inbuprieQe
(68«)
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J^ätigteit entfaltet toerben tann. IDaS erftete ift bet gaH in
bet t^einif^cn Tiefebene, im t^uringiidjen Jpügellanb, .am
Slu^enranbe bet notbbeutfd^en 5)tittelgebirge, in ben ftu^lbaten
9Katf(^en bet 9iotbfeefüfte unb im englift^en gladjianbe. 2)ieje
SeBölferungöcentren ftnb meift 3l(tet8 unb ^aben in bem
©oben eine unoetfiegbate Duelle i^teä Söol)lftanbe8.
3»citeu8 ift eS bie ^o^e inbufttieHe Gntffiidfetung, »eld^e
bie Secülferung »etbidjtet. Äc^le unb ©ifen, baö finb bie
beiben mäd^tigen .^ebel, meld^e oon Dberfcbleficn bis jum 6^=
gebitge, üom 9lotbab^ange beS t^eini)(^en ©d^iefergebirgeS bi8
mö) Stanfteii^ hinein unb in no(^ gto§aitigetet SBeife im
centralen ßnglanb in Iut3ct Seit eine ©eüolfetung ^etuorgebrac^t
^aben, bie eine ^öt)e üon 300 unb me^r ©emo^nern auf 1 qkm
erreicht.
2)iefe Snbuftriebegirfe gehören bet jüngften Vergangenheit
an; fie fenn3eidhnen ft^ al8 folche bureb bo8 rapibe SBachSthnm
bet ©eBölfcrung einerfeitS unb butch bie Sunahme bet ftäbtifeben
gegenüber bet länblichen ©eBÖlferung anbeterfeitS.
@8 ttirb Bon Sntereffc fein, in biefer |)infid)t groifchen ben
bebeutenberen Staaten einen Vergleich nnguftellen. lDa8 ftäbtifchc
Element nimmt in benjenigen 8änbern, melche au8f(hlie§tich auf
ben Sldtetbau ongemiefen finb, nur einen fleinen S3e»
Bölferung ein; in S^weben etwa 10p6t., in 5Rotwegen 13p6t.,
in Defterrei^=Ungnrn 16 h®t. 3u benjenigen Staaten, mo bie
Snbuftrie gwat fc^on einen bebeutenben QluffchiBung genommen
hat, in benen aber bodh noch bie VeBölferung Botmiegenb uom
^efetbau lebt, toie in gtanfreidh unb IDeutfdhlanb, erreicht bie
ftäbtifche VeBölferung bereits 25 p6t. 9lm ungünftigften ift baS
Verhältnis etflätlichenBeife in ©roSbritannien, wo bereits bie
ipälfte allet @inwol}net in ben Stabten wohnt, unb wenn wir
Bon Schottlanb unb Stlanb abfeljen, fo fommen in bem eigentlichen
©nglanb 66,6 B®t. auf bie ftäbtifche unb nur 33,4 v(5t. auf bie
länbliche VeBölferung („Veoölferung bet 6tbe" VIT, 11).
(687)
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SBir müficn hiermit unfcte Setrad^tungen abfd^Iie§en, 5)er
8efet wirb auö un|eren Ausführungen ben @inbru(f erhalten
haben, ba§ mir hici^ »ot einem Schema ücn unerfchcpfltchet
güHe ftehen. 3)er enge 9fiahmen etneS folchcn SortragS er»
forbert aber eine ^efdjränlung auf baS 9lothwenbigfte. 55aher
fonnte mandheS nur angebeutet, anbereS muhte noQftänbig über»
gangen »erben. 5)ie »orhergehenbe JDarftellung follte unS geigen,
»ie fi(h bie 1434 ÜRidionen fDienfchen über bie eingelnen 8änber»
räume uertheilen, unb »ir haben gefehen, bah Städten non
einer bidhten SSeoölferung bewohnt finb, ja wir fßnnen fagen,
gum 2h**I f^on heute an Ucberoölferung leiben. 5Da bringt
fich benn wohl ber @$eban!e auf, ob unfer planet nodh lange
im ©tanbe fein wirb bie fich immergu mehrenbe 3ahl ber QJlenfchen
gu faffen.
S3on ben 1434 ÜRillionen 5ölenfchen leben faft } ober runb
1000 SKiÜionen in 6urot>a, 93orber»3nbien, 6hina unb Sapan,
b. h* auf einem glächenraume, welcher nodh ”'*^1 fiebenten
Slhell ber Sanboberfläche auSmacht. ^ür bie übrigen | bleiben
baher nur 434 9JHQionen ober 3 — 4 Sewohner auf 1 qkm
übrig. 9iimmt man nun felbft an, bah bie .^älfte biefeS DiefteS
(bie groben unb fleinen SBüften, bie bürren ©te^jpen unb bie
nörblichcn 3;h«le »on Afien unb Amerifa**) feiner ftärferen
23eeölferung fähig wäre, fo bleiben hoch immer nodh runb
56 SJliflionen qkm (alfo ein ©ebiet, baS bebeutenb gröber ift
als Afien) übrig, bie eine weit ftärfcre Seoölferung gu ernähren
im ©tanbe finb, alS fie je^t ernähren.
JDiefe ^h^tfache wirb unS bie Seruhigung gewähren, bah
auf lange Seiten hluuuS für fommenbe ©ef^le^ter
noch Siaum genug auf unfeter @rbe »orhanben ift.
C«B8)
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^ntnerhnngm.
1) S. Se^m unb Söogner, Seeßlfetung bet 6rbe VI, ©. 6
unb bie biefem So^rgange beigegebene Heberlic^tfifarte ber Sänber, in
welchen bial^er wirflie^e SSolfbjäbiunflo* flattfanben. — ®ie fegen.
SReoillonen in atuglanb ^aben nic^t ben SBertf> »irtli(^)et iüolf83äl)Iungen,
ba bie JöeoßlfetungSfumme auf @runb polijeilicber fRegiflrationen, bie
niebt glei(bjeitig ftattfinben, jufammengefteüt wirb.
2) ®. S3ebm unb SBogner, Seuölferung ber ®rbe II.
gemeine ©etraebtungen unb Stücfbliefe) ®. 4. — 3lucb bie
folgenben Slngoben finb im iäOgemeinen biefet Sinleitung entnommen.
3) 3118 ein ©eifpiel, ba^ felbft wenigen
i?5nbern ber (Srbe ber gläcbeninbalt binreicbenb genau befannt ift, möge
Surepa bienen, ba8 feinem SIreal na(b om beften befannte ©ebiet ber Srbe.
9Iocb Diitter gab ba3 3lreal beffelben ju 150 000 Quabratmeilen (= 8‘/4
fBIiUionen qkm), SEBappduS (1854) ju 154 000 jQnabratmeilen (= 8'/j
fUIiflienen qkm) an [©utfjc unb SBagner, ?ebrbucb ber ©eograpbie II,
5. Slufl. 1883. ®. 27], wdbrenb ©eneral üon Strelbi^fp (La super-
ficie de l’Europe, 1882) ju bem fRefultate oon etwas übet 10 SOiill.
qkm gefommen ift. ©enauereS barüber finbet man in „©euölfetung
bet ©rbe" VII. ®. 21 unb 139.
4) ®. @. ©ebm. ©eograpbif^e« 3abrfc»(b 130, ber bift
juerft eine genaue nergleicbenbe SufammenfteUung fdmmtliiber Sdnber
ber 6tbe auf ®. 131 — 137 giebt.
5) .^auSbofer, gebt« unb ^)anbbu(b ber ©tatiftif. 9Bien 1882,
S. 106 unb O. ©eftbel, ©ßlterfunbe. 3. 3lufl. Seipjig 1876, S. 472.
6) 9Ia(b ben ©ereAnungen Strelbibfp’S in , ©eößlferung ber
erbe" III, ©. 92.
7) 3n biefer SSeife ift bie Äartc ber ©oüSbicbtigleit 'Deutf^lanbS
angefertigt, welche bem 19. ©anbe (3abre8fupplement 1881 — 82) non
'IJleper’8 ÄonnerfationSlejrifon beigegeben ift. ©ine ©ergleicbung berfelben
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4«
mit bec Ucberfi^tefarte über bic ©eeolferung Seuli'c^lanb« »Jon Se^m
(^clcrmann’6 9JcittbeiIungen, Sabrgang 1874, S.afd 1) wirb jebcn »on
ber Siit^tigfeit unfcror weiteren Sarlegungen (eidjt überjeugen.
8) „S3et)6ltening ber (?rbe* II, ®. 92—95.
9) Sä^lungen haben bi« je^t nur ftattgefunben in Sllgerien, Unter«
Ägypten, in ben franjöfifcben JBefihungen an ©enrgol unb ben britifeben
Jlclcnien in Sübafrifa, augerbem auf ben Snfeln, mit ?(u«nahme »on
5Kabaga«far. ©. bie UebcrfichtÄtarte Don SBagner ju „©eeclferung
ber 6rbe" VI.
10) cermeifen l;ier auf bie Bortreff liebe Sarftellung (5. ilebm’«
in „IBeBDlIerung ber Srbe* II, ©. 97—102, melcbe un« al8 ®runblage
bienen fonnte.
11) „(S« haben SJlenfcben ben Ghitn^orajo (6310 m) befliegen unb
ftnb in Buftfehiffen bi« jur ^)öhe Bon 6780 m gelangt. 3lber biefe
4)öhen «erben nirgenb« bauernb betnohnf. Sie hcthflf" bewohnten Orte
ber Srbe fmb ^oinle in SBefttibet (4598 ra), Serro be ^a«co (4352)
unb ^otoft (4069) auf ber peruanifeb-boliBianifchen .^ochebene, ?abaf in
SBefttibet (3600); in unfern Sllpen ift ©ta. SJlaria am ©tilfferioeb
(2535), in unteren fDlittelgebirgen ba« gelbberghau« (gegen 1400) bie
hötblten bauernb bewohnten ©teilen." 9ia(jel, SInthropo • ©eographie,
©eite 311.
12) 3. @. Äohl, ©fijjen au« DIatur« unb SBßlferleben.
13) ,Ä. S. non !öör gebt boton ou«, bo§ ba« ©tbaf bei ben
Jbulturanfängen ber alten SBelt eine große IRotle gefpielt habe, unb weift
barauf hi»> baß ba« ©cbaffameel (Bama) ber 3(nben al« einjige« nüß«
li(be« ^au«thier Slmerifa« Stebnliche« in ^eru bewirft haben fann."
(S3eo5lferung ber Srbe II, ©. 102.) — Slaturprobuften ber
peruanifeben ^otblanbe nerbanfen wir bie Srjiehung ber fübamerifanifeben
Äultumölfer, nämlich bem SSortommen ber Bama«2lrten, ber Äartoffel
unb ber Äincahirfe." (O. 'Pefcbel, Slolferfunbe, 3. 3Infl. ©. 476).
14) gür Seutfchlanb ift ber Sinflu^ ber geologifchen fßerbältniffe
in eingehenbfter SSeife naebgewiefen non S. Sotta, Seutfcblanb« Soben,
fein geologifcher S3au unb beffen Sinwirfung auf ba« Beben ber fölenfchen.
2 IBänbe. Beipjig 1858.
15) 9lach ber 3ähl“ng ton 1877. ®othaif(ber 4>offalenber 1882.
©eite 985.
16) „9lu8 allen SBelttheilen" 3ahrg. XIV, ®. 126. — Sie ©tabt
Sorboba jählte unter ber ^terrfcbafl ber Slraber über eine üliillion
Sinwohner, ießt (1877) nur 50 000. ®oth. 4>offal. 1882. .©. 986.
17) Sine fiberiichtlicbe 3»fammcnftellung giebt 4)- SBagner, Behrbuch
ber ®eograpbie, 5. Slufl. 1882. 1, 2. 286.
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18) .f)ier unb im ^clijentcn ftü^en mit un« auf tie rocrfljBonen
SlngaBen ©agncr’ä in feinem öe^tbne^ bet ©eograpfjie, iöb. I, 1882.
Sib. II, 1884. — lieber bie ilertbcilnng bet 33eBclfenmg in ®üb-
ouftralicn nergleic^e man ^etermann’S Äarte im Ü)iaf;i'tabc son 1:5000000,
ÜJiitt^eilungen 1873, 3af. 22. — 2/00 neuefte ftatiftifd^e Material über
bie fommerjietle Sebeutung bcS @rbt^eil0 finbet man bei 6. 3ung, ber
SBeltt^eil 'Jluftralien, 4 Sbe. ^tag 1882; fürjer in bem betr. Slbfdjnitte
Bon Slnbree’0 gecgrapl)if(^em 4>anbbuc^c, @. 46 — 119.
19) 2Sir führen jum Ulergleic^ an, baß nad) ben neueften @r»
fiebungen in (Europa 310 IRinber unb 682 Strafe auf 1000 ßinnjoljner
fommen; unb jmar in I»eutf(f)lanb (1873) 384 unb 609, in (»erbien (1866)
609 unb 2201.
20) 31u0 allen Jffieltt^cilen, 3u^rg. XIV, ©. 17.
21) ^ann, ^anbbm^ ber Älimatologie. Stuttgart 1883, S. 544.
22) SDtan ^at jmat nielfat^) gegen 33el}m’0 löcrec^nung ber Se>
Bclferung Slfrifa« (Sinwenbungen ertjoben unb bie 'änna^me Bcn 200
SWiUionen Semo^ner fogar um bafl doppelte ju Ijod) erllärt, aber bie
6ntbecfung0reifen ber lebten 3o^rc liaben bie au^erorbentlidj bid)te Se»
Bclferung Gentralafrifa« nur cen neuem beftätigt.
23) 9lad) Sogner, öebrbuc^ ber @eograpl)ie 1, ©. 379. —
9Ran Betgleicbe ^ierju bie Äarte über bie llerbreitung ber miditigften
^flanjengtuppen bet 6rbe (SJJepet’S Ä'cnBerfation8«8epifm, 3aljw0'
Supplement 1883/84) unb ß^Banne'ä Äarte bet SegenBert^eilung in
Slfrifa (fRunbje^au für ©eograptjic unb Statiftit, VI. 3al;rg. 1. ^)älfte).
24) 91ai^ 4). SEßagner, 8c^tbu(^ bet öeogr. I, S. 543.
25) 51a(^ ben öerecfinungen 93el;m’« in .iöeBölferung ber 6rbe",
3a^rg. II, S. 95.
6ine Aarte ber S3eBölferung«bic^tigfeit, reelle gewiß Bielen
8efem ermünfe^t märe, fonnte befl^alb nidjt beigegeben werben, weil eS
bei bem fleinen UJlaßftabe, in weldjem biefelbe Ijätte angefertigt werben
müffen, unmöglicfi gewefen wäre ein nur einigermaßen genügenbe« 33ilb
ber SJclfflcertßeilung im Singeinen gu geben. 3öir fügen baßer bie 33e«
merhmg ßingu, baß bet neue Stßulatlaa non2)ebe8, Airdjßoff unb
Aropatfcßecf bergleitßen ftatiftifeße Aorten Bon allen Srbtßeilen (mit
SluSnaßme SfrifaS) entßSlt unb boß bet weit Berbreitete ^anbatlafl Bon
SBnbtce menigften« Bon Suropa unb 2)eutf(ßlanb eine fol^e Aarte giebt.
(69U
fcn Ungfr in Set^Rfba^erftT. 17 a.
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25er
Cl^enerai non ^(^ai:nl)oc|i.
®on
firrlitt SW., 1884.
Sßetlng Don 6arl .^»abel.
(€. iC. Xübtriti'iitit SnligibiifilianblBng.)
33. JSIIbdm-Ctraic 33.
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5)aö bet Ueberfe^ung in ftentbe (Spradjcn wirb Dorbebaltcii.
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Unter ben großen 09t5nnern, n>el(^e ft(^ um unfei SBaterlanb
in ben !£agen feiner tiefften (^rniebrigung bleibenbe SSerbienfte
erttjorben ^aben, fte^t @^arnl)orft in norberfter SRei^e. 6r ifi
eS ja nor aDen ülnberen, ber ben büxi^ 9la)>o(eon zertrümmerten
unb feiner Kampfmittel beraubten preugif(^en @taat wieber
wehrhaft gemad^t unb i^n befähigt ^at, in einem ru^muonen
Kriege bad be8 fremben Unterbrüderd abzufd^ütteln, fo ba§
i^n fi^on Seitgenoffen al8 ber beutfcben grei^eit SBnffenfd^tnieb
bejei^net ^aben. ©d^arn^orft ift aber auch baburd^, ba^ er
auf ber ®runb(age ber allgemeinen Sße^rpflidbt ein mit ben beften .
geiftigen unb fittlicbcn Kräften ber Station auSgerüfteteS ^eer
un8 fd^uf, ber Urheber unferer mobemen Sßc^rfraft unb ber
SDRitbegrfinber unferer gegenwärtigen @rS^e geworben.
Snbem i^ bie Siufmertfamfeit bet 8efer auf baS bebeutungS»
»oHe SBirlen biefeg SDRanneS lenfe, »erlebte i^ mir ni^lt,
ba^ (S^arnborft’8 ?>erf5nlidbfeit ben ©ebilbeten unfereS SBolfe«
fo wobt befannt ift, bab iljnen auf ben nadbfolgenben Slättern
nur wenig 9teued geboten werben fann. 3rre icb aber nid^t,
fo gebärt unfer $elb nicht adetn burcb bie ©rö^e feiner SBerbienfte,
fonbem auch burcb ^obeit feined 3^ benjenigen
weltgefcbicbtlidben ^erfönlicbfeiten, bereu Biib wir und immer
wieber gern »ergegenwärtigen, felbft wenn ed und nur in fnappeti
XIX. 4il.
(895)
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4
Umriffen entgesenftitt. Unb foOte ni(^t auc^ btt
^jintergrunb, auf bem igd^arn'^otfi’8 geben, jumol in ben ent»
fc^eibenben Salären feiner SBirffamfeit, in ben Stagen bet SBiebet»
gebutt unb bet (Strebung unfereS SßoIfeS, fic^ abfpielt, unfetc
S^eilna^nte immet non neuem in Sinfptuc^ nehmen bfirfen?
6ine0 ^annöuetifcben ^äd^terö So^n toutbe ©ct^atb SDauib
©d^atn^otft am 12. 9to»cmbet 1755 ju 93orbenau an bet
Seine, 3 9Jlei(en uon bet @tabt ^)annoner, geboten. @t ge^ött
alfo ebenfo wenig wie bie @taat8mäunet ®tein unb ^atbenberg
obet wie bie ^elb^erten SBlüd^et unb @neifenau, mit benen et
fid^ bereinft in ^teu§en jU einet e^joc^emadbenben SBitffamfeit
verbinben foQte, von @ebuit bem Staate Stiebri(b8 be8 ®ro§en
an. SDafe eS ein auf 9laffouif<bet @tbe geborenet 9teidb8rittet, bet
greifen: Äarl von Stein, gwei .Hannoveraner, Se^ambotft unb
{>arbenberg, ein ^ecflen bürget, 01üc^et, unb bet von fübbeutfcben
@(tern geborene 9teibbatbt von ©neifenau waren, wel^e vor
aQen 2(nbem ba8 bem Untergänge na^e $teu§en auf neuen
©tunbiagen wiebet^ergefteHt, für feinen heutigen 0ernf tauglidb
gemacht unb ju glorreichen Siegen geführt hoben, baran Tann,
fdbeint mir, nicht oft genug erinnert werben.
3n einfachen unb engen 3?erhältniffcn ift unfet o®f
bem ganbe aufgewa^fen. 9la^ bem fein S3ater, 6m|t SBHhelm
S^mhorft, eine8 flüchten SBauern Sohn, weichet in jungen
fahren in bet honnöverif^en Ülimee gebient unb e8 bi8 gum
Duartiermciftet gebraut hotte, mit feinet ©attin, bet Mochtet be8
Sreifaffen Siegetmahet in SSorbenau, mehrere 3ahte in brürfenber
Sbhängigfeit auf bem Schwiegervater8 gelebt hotte,
pachtete et, um felbftftänbig gu wirthfthoften, ba8 SBotwerf Hämelfee
in bet fUähe von $oja an ber SBefet. ®ott hot bet junge Sdharn»
horft feine .^abengeit vom 4. bi8 10. gebenSjahte gugebradht.
(«««) •
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5
waren fc^toere 3a^te für bie ■9>äci)ter8Ieute. 2)enn jn ben
Saften be8 flebenjä^rißen ÄriegeS famen bolb bte großen Äo^en
eines langwierigen ^ro^effeS, burd^ weld^en ber Sater beS jungen
©erwarb feine Snfprüc^e an baS @ut ber mittlerweile »erftorbencn
@(^wiegereltern ju nerwirflü^en fud^te. @o war auf bem IBor»
wert ^ämelfee bie eingefi^r&nftefte SebenSweife bei unabläffiger
S^ütigfeit geboten, nnb unfer ^elb lernte frü^ an bem S3eifi>iele
ber wiDenSftarlen @ltem, waS be^anlic^er ^lei| unb ftrenge
©enügfamfeit für baS Scben wertl) flnb. SKü^igge^en burftea
aud^ bie ^eranwad^fenben ^nber beS raftloS t^ätigen ^äc^terl
ni(^t, fie würben nielme^r frü^ gu leichten Arbeiten in ^anS
unb Selb ange^alten unb ©erwarb namentlid^ gur .^ütung ber
@{^afe unb Äü^e »erwenbet. @8 war ungefähr um biefelbe 3«t,
aI8 in einem tbüringif^n IDorfe ein mutterlofer ^nabe befferer
^erfunft, bem au^ nic^t ber Selbmarfd^allftab in bie Siege ge>
legt war, i(^ meine ©neifenau, baarfu§ bie ©änfe gehütet ^ot.
IDie 93ebr5ngni^ ber @(barn^orft'f(^en Sonilie, beten jbinber«
gal^l auf vier ^eranwu(^8, würbe nod^ nerme'^rt, al8 eine SeuerS*
brunft bo8 SBorwetf ^melfee grö^tent^eil8 in Slfd^e legte unb
bamlt aud^ einen S^eil be8 SRobiliarbeft^eS be8 $ä(^ter8 »er«
nic^tete. 9luf einem SSorwerfe be8 nur wenige Stunben »on
^amelfee entfernten IDorfeS IBot^mer, ba8 gtücflii^er Seife gut
^adbtung fi<^ batbot, begann bet unterne^meube fDtann »on
9teuem gu wirt^fc^aften. @8 beburfte aller Umfid^t unb ©nergie,
um au8 ben brudenben IBerlegen^eiten ^erauSguf ommen , bi8
enblic^ bie SluSfic^t auf einen glücflic^en 9(u8gang be8 berührten
?)rogeffe8 bo8 geben freunblid^er geftaltete.
Sür ben fünftigen 5(rieg8^elben war e6 nic^t o'^ne Sebeutung,
ba| bet allgemein geartete IBater vielfach mit benachbarten
ySchtem »erfehrle, bie gleich We Saffen im 35ienfte be3
(»0
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6
SaterlanbeS getragen Ratten. S8ie eifrig ^orc^te er auf, ber
»{^begierige ^nabe, mit ben großen, ^eQen klugen, fo oft jMegÖ«
ereigniffe ben @egenftanb ber Unterhaltung bilbeten. 9lament«
(ich machten bie @r3ählungen eined Snvalibenunteroffijierd einen
tiefen Ginbrud auf ihn unb fleigerten nicht wenig baS 3ntereffe,
baS er an ben Ileinen friegSgefdiichtlichen ©chriften nahm, bie
et bei bem ?>tebiget in Sothmcr gefunben. @o erwachte in
bem jungen @charnhi?rft, ben bet äSater jura 8anbwirth beftimmt
hotte, ber lebhafte SBunfdh @oIbat ju werben, ©einem @hr0«3
foD babei al6 h^^fteS 3icl bad 33orpoftenfommanbo eineS Unter*
offijierd oorgef^webt haben. 3um ©olbatenftanb fühlte ft<h
auch förderlich tüdhtig. IDenn feine von ^au8 au8 femige @e>
funbheit war butch ba8 einfache 8anbleben mit ben regelm&^igen
Sefdhaftigungen im freien nur noch nieht geftShlt worben, fo
ba§ ein abgehärteter, allen Slnftrengungen gewachfener Mörder
neben früh gewedtem Pflichtgefühl, SBiQen8energie unb (Shatafter*
fefligfeit bie werthooHe ÜJUtgift bildete, bie er au8 bem @ltern*
häufe mitnahm.
9tur bie geiftige 3(u8bilbung be8 fdäteren ^ieg8he(ben, ber
bi8 3ur @onftrmation auf ben fdärtichen Untenicht ber 3>orffchuIe
angewiefen war, blieb noch länger nemachläffigt. 3war griff
ber junge ©charnhorft nach jebem ^uche, ba8 feiner 8embegierbe
93efriebigung »erfdtoch, ober ber daffenben Suchet fonben fich
in Sothmer unb Umgegenb wenig genug, unb auch ber Unter«
rieht, ben ihm ein d^nflonitter ;^audtmann in ber HJtathematif
ertheilte, woQte wenig bedeuten. @in entfeheibenber ©chritt ju
feinet Sorbereitung auf ben lünftigen Seruf fonnte erft gef^ehen,
a(8 ber langj&htige Progeh über ben Sefi^ be8 grohelterlichen
@ute8 gewonnen unb bie Ueberfiebelung nach Sorbenau erfolgt
war. S)a erwarb fich ber Sätet al8balb bie Sichtung unb @unft
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bed Qirafen 9Bil^e(m von Sätfebuig, wettet ben 18j&^rigen
Jüngling im .^etbfte beö Ja^teS 1773 in feine berühmte Ätiegfl»
f(^ule aufnabm.
IDet Heine @raf non ©(baumburg«8q5ije, welket in fo
etfolgteid)et SBeife in bo8 geben Stbarnbotfi’d eingreifen follte,
»ai einet bet auggejeidjnetften dürften unb ^elbbenen feinet
Beit. 9iacbbem et mäbtenb be8 fiebenjäbtigen ^iegeö in IDeutfcb-
lanb tt)ie in ^ottugal fi(b glSnjenbe SSeibienfte aU ^eetfübtet
mie als Stu)jpenotganifatot emotben, etticbtete et in feinem
gänbdben auf bem 0ott äüBilbelmftein im ©teinbubet ^D^ieete eine
mit einem Jngenieut» unb Stttilletiefot^d oetbunbene ^egSfcbule,
an bet untet feinet eigenen ‘^ufficbt unb lAnleilung treffli^e
gebret bie Böglinge tbeotetif(b unb b^uctifcb in bie j^tiegdfunft
einfübtten. S)ie ©cbület bet untetften j^Iaffe mußten neben
bem »iffenf(baftlicben Untetticbt ben SMenft mit ben @$e>
meinen tbun; bie bet gmeiten l^laffe
Untetoffigieten; bie @leven bet etften .klaffe, ^onbucteute ge>
nannt, nabmen eine ©teQung gmif^en ben Untetoffigieten unb
ben Dffijieteu ein. 9iiemanb mutbe aufgenommen, ohne ba^
bet ®taf felbft ibn »otbet ge^itüft b^tte. JDa§ bet junge
©(batnbotft nut tai befcbeibenfte 9)Ra§ non J^enntniffen mit>
btacbte, lä§t fidb benfen. Slbet baö fcbutfe Sluge be8 9Kenfcben=
fennetd enietb auf ben etften ^lid bie bebeutenbe 93ef&bisung
beS jungen fDianneö, bet juglei(b but(b fein gangeJ SSBefen ben
©rafen fo febt anjog, ba& et übet bie bütftige Sotbilbung
beffelben binweg fab.
©(barnborft, »eidbet mit bem bebanlidbften glei§e ein
audgegeicbneted ©eböcbtnig unb ein noch felteneted IDenfnet»
mögen netbanb, tecbtfettigte bad IBetttauen feined äBobltbütetd,
inbem et fcbnelle gottf(btite in allen SBiffenftbuften raadjte.
(699)
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9(ber nic^t allein bte ISlat^ematif, bie unb bie eigentlid^en
SRilitairiDiffenidbaften jogen ben jugenblid^en @eift m&c^tig an>
fonbern mit bemfelben 6tfer [tubirte et neuere @^rad^en, @e*
fc^id^te unb ®eogro^^ie unb befielt babei nod^ Seit übrig, fi(b
audb mit ber bamald frijc^ aufblü^enben fd^önen Siteratur be>
fannt ju madben, fo ba§ neben feinem flaten, fd^atf ))rüfenben
IBerftanbe auch fein für aOefi 9ie(bte, @ro|e unb @dböne er«
glü^enbeS ®efü^I bie nüt^ige ffia^rung fanb.
SBenn eS unfer ^elb tro^bem nie ba^in gebracht b«t, ba§
S>eutf(be ganj fehlerlos ju fcbreiben, unb wenn er namentlidb
im ®ebrau(be beS fDatiud unb Slccufatind eine gewiffe Unfi^er«
^eit »erriet^, fo ift baron gu erinnern, ba§ bei bem mangelhaften
grammatif(hen Unterricht feiner Seit gar mand^e bebeutenbe
SRünner nicht beffer batan waren. ®o hot j. um non
S3lüchet gor nicht ju reben, bet taijfere 2)orf, @raf »on SBarten«
bnrg, nie in brr fDtutterfprache fich correct auSjubrüdFen gelernt.
„0ie uerbammten mir’S unb mich’d," b^egte er ju fagen; „beim
©chteiben geht eS noch, ba macht man einen Sug, unb jeber
fann ti lefen, wie er wiQ, aber beim ©blechen mu§ man
heraus bamit."
®o fchlimm freilich ftanb eS um ®charnhorft'S fbtachliche
S3ilbung ui^t. ©eine Briefe unb zahlreiche Schriften zeigen
vielmehr ein in feiner Sinfachheit oft vortreffliches IDeutfdh, unb
wo bie gorm mangelhaft bleibt, ift ber 3nh“It um fo Hatet unb
überzeugenber. — SKit bet theoretifdhen Silbung aber hielt in
ber 3Rilitärf(hule bie btaTtifche gleidhen Schritt. meine bamit
nidht allein alle Sitten beS gewöhnlichen SBaffenbicnfteS, worin
bie @leven beS äBilhelmfteinS fleißig unterwiefen würben unb
Scharnhorft fich balb burdh 9)ün!tlidh!eit unb ©ewanbtheit her«
vorthat, fonbern ich ^enfe babei namentli^ an Uebnngen
C700)
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wi[fenf(^aftli4)=te(^ntf(^ct Statut auf bem ©eblele bet SlttiQerle-
unb Sugenteutwiffenfcfiaften. JDec @raf jelbft, »eld^et 3«el unb
^id^tung beS Unterrtdbtd überaQ beftimmte unb manche Uebungen
unb 93erfu(^e felbft leitete, be^ertfd)te alle Steile bet j^riegdlunft
mit f Dieser 9Jieifterf(^aft unb war feiner Seit fo weit uoraud '
geeilt, ba§ @neifenau nad^ Prüfung bet im SüdFebutger Strd^in
aufbewa^tten .^anbfdbtiften i^m fogar nadbgerfi^mt ^at, et ^abe
unfere ganje IQolfSbcwaffnung com Sa^re 1813, l^nbwe^t unb
Sattbfturm, baS gange neuere J^iegSwefen, ausführlich bearbeitet
unb aQeS con ben größten Umriffen bis auf baS Ileinfte @ingelne
{(hon gewußt, gelehrt, auSgeführt; auS feinem Reifte hatten fich
fo weit in ber Seit corauS, bie größten ^iegSgebanfen ent<
widFelt, aus beten fpäteren IBerwirflichung gule^t bie gange SRacht
92apoleonS eigentli^ gufammengebrochen fei.
3n .einet fo auSgegeidhneten @chule h^i @charnhorft ben
®runb gu feiner feltenen IriegSwiffenfdhaftlidhen S3ilbung gelegt.
9(1S ber @raf Sßilhelm, weldher ihn cot allen anberen Süglingen
f^ä^te unb liebte, im 3ahre 1777 plöhlich ftarb, würbe er tief
erfchüttert, unb wie et feinem fürftlidhen SBohlthäter gcitlebenS
ein pietätcoQeS Snbenfen bewahrte, fo erinnerte er fid; aud) an
bie militärifchen änftalten unb @inrichtungen beffelben immer,
wie er felbft fagt, mit einer IStt con ©nthufiaSmuS.
@in 3ahr nach bem 3:obe beS Grafen SBilhelm trat ©dharn«
horft als Sähnbrich in ein hannöcerif^eS IDragonenegiment, baS
gu 9iorbheim ftanb, ein unb würbe con feinem @h^fr bem cor>
trefflidhen (General @ftorf, mit bem Unterricht an ber SiegimentS«
fdhulc betraut. 3nbem et bie eigenen @tubien mit beharrlichem
gleifee fortfe^te, würbe et gugleich ein antegenber Sehrer. 2)ie
@tfinbung eineS SRifrometerS für gernröhre lenfte audh bie 2tuf»
merlfamfeit gelehrter Äreife auf ihn.
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3m 3fl^ve 1782, junäc^ft no(^ al8 Sä^ntric^, ju ber iSrtiQeiie
nai^ ^annoBct »erfe^t, fanb ©c^anitiorft ^ier al0 gehret an bet
3te8tment8f(^ute, bU bann ju einet allgemeinen ÄriegSftbuIe et»
weitert würbe, eine größere SBitffamfelt. Slbet wä^renb et mit
gtcfetem @ifet untertirbtete unb nur in bet mangelhaften lüor»
bilbung bet S^dlinge eine unbequeme ©chranfe fanb, entfaltete
et guglei(h eine fru^tbare fdhriftftetlerif^e 3ntereffe
bet Dffigiere. 9ln militdrifche 3eitf^tiften , bie et h<wu8gab,
j(hloh R(h ein „^anbbmh fut Dffigiere" an, fetnet ein „mili»
tdrifcbeS 2:af(benbu(h gum ©ebraudh im Selbe'* unb eine 0teihe
non bebeutenben fiiegSgefdhichtlichen Arbeiten, wobutch et ft(h
ben fRuhm, bet gelehrteftc 3)iilität}(htiftfteller feinet 3«t gu
fein, erwarb.
IXber fo gto^ auch feine f(htiftftelleti)(he S^hntiqfeit war,
fo würbe et bo^ leineSwegS gu einem ©tubengelehrten. @chon
bie ^raftifche IRi^tung ber URilitdrwiffenf (haften bewahrte ihn
bauet, ©ein heUeS ©olbatenauge blieb immer bem 8eben gu>
gewanbt unb richtete fi^ über bie Sntereffen feines engeren SBater»
lanbeS, bem et noch butch mancherlei litetarifdhe $ldne gu bienen
gebachte, früh hinaus auf bie allgemeinen beutfehen Ungelegen»
heiten. 3m ©ommet 1783 unternahm er eine IReife nach ben
fübbeutfehen ©taaten, ferner nach Oefterteich unb |)reuhen, um bie
militdrifchen Einrichtungen biefer 8dnbet fennen gu lernen.
SBahrf^einlich unter bem Einbtud feiner bamaligen Betrachtungen
hat et ben ©a^ nlebetgefchtieben: „Äein 8anb hat eine er»
bdtmli^ere Einrichtung gut gefchwinben ^ülfe im ^iege als
IDeutfchlanb." Süt ferne warme nationale ©efinnung in einet
theitS bem J^oSmc^iolitiSmuS, theilS ber Betgötterung StanfreichS
hulbigenben Seit fptechen auch ^ie fchünen SfBorte:
„Es hat mich immer traurig gemacht, bah wi*^ S)eutf^en
(703)
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fo wenig SSatetlanbdliebe unb fo wenigen 92ationaIftoIj be<
fi^en, bafe ein SEt>eil unfetet feutigften, un{eter corjügli^pen
©cbriftflener fic^ mit me^r @nt^ufia9mu9 für bie fTan3Öjtf(^e,
ol8 für bie eigene Station intereffiten fann.“
Slut^ bem gefetligen geben ^ielt fi(^ S^arn^orft gu ^annonet
nic^t in bem 3Jia§e fern, wie ei fpäter i^m gur ©ewo^n^eit
würbe. SRidbt oHein, ba§ et einet großen militärifd^en gefe*
gefellfcbaft vorftanb, fonbetn et netfe^tte auc^ häufig mit anbeten
@efeQf(f|aft8f(affen, liebet fteilic^ mit biebern, ic^Ii^len 0Atgetn
al8 mit Snge^ctigen bet fog. ^ö^eten @tünbe. 9(m büufigften
fab man i^n im ^)aufe feines ObeimS, beS .^offifcberS <5cbatn*
borft, bei bem au^ feine neiwittwete SRuttet wobnte unb bie
anbetn ©efdbwiftet oft gufammentrafen. @in ftatf auSgeptügtet
Samilienfinn wat bem ü^ten 9Ueberfa^fen immer eigen.
28 3nb*e grünbete @<barnborft feinen eigenen ,^eetb
mit einet .^annoneraneiin, beten IBtubet, bet ffiätere ©ebeimratb
@(berg in Berlin, ibm eng befreunbet war. Son feltener (Süte
beS ^)ergenS unb fanftet ©emütbSart, bereitete ibm bie @attin
eine glfidlicbe |)äuS(idbfeit, bie f)>äter nur baburdb etwas getrübt
würbe, bab bie b^ufig Iräntlicbe unb fcbwürmerifrb empfinbfame
^au baS geben febt fcbwer nahm. 3n früheren 3ab<cn boHc
ße na(b guter grauen 9tt rege Sb^i(n<thme für bie Arbeiten
ibreS l0ianneS unb erbeiterte ibm bie wenigen fOiubeßunben, bie
ibm feine lDienftgef(büfte unb feine literarif^e Slbütigfeit übrig
ließen. IDaS büuSlicbe @lücf aber würbe noDenbet burdb bie
Geburt unb baS ftöbUcbe @ebeiben bet j^nbet, beten nach unb
na^ nier b^tanwucbfen; an ihnen bi»g @^arnborft mit un*
bef(breibU(bet giebe. @ang befonbetS b<<t er »on jebet feine
ältere Mochtet 3ulie, bie ß(b fpäter mit einem Grafen oon 2)obna
»etmäblte, in fein ^exj gefcßloffen. @ie ^olV-^ftbem. fie mit
V' - ' ' (J03)
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^ by Googie
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btm Sauber vornehmer Slnmut^ eine ^ocl^^erjige Qiefinnuno
Bereinigte, ald baS geiftigc @benbilb bed SBaterS, unb mürbe
na(b bem SBerluft ber ©attin, ber eine jüngere Jodler olßbalb
im ijobe folgte, eine »ertraute grennbin. 3luf biefe SBeife ent«
ftanb ein ^riefmed^fel, ber für ben ©iogratj^en ©d^amVift’ö
eine DueOe erften IHanged hübet, mir merben bemfelben
^ier unb ba ein ebarafteriftifd^eS SBcrt entnehmen.
@0 lange ©dbarnborft mit ^au unb .^inbern in .^annoDer
lebte, mar eö i^m no(b einer arbeitöDOÜen SBoebe bie liebfte
©rbolung, Sonntage mit ben Seinigen einen Spajiergang in
bie ©rtenrieb gu machen. tSuf bem SBege borthin pflegte ber
befcheibene unb freunblich auftretenbe Dffljier in bem lebten
Ü3äcferlaben nor bem ©gibienthore vorgufprechen , um für einen
©rofchen SSeSperbrob gu faufen. 3Ber hätte in bem Snfpruche«
lofen ben größten friegerifchen ©eniuS iDeutfchlanbe nermuthet?
IDie 9ie»olution8hiege foHten Sdhatnhorft bie etfie ©elegen«
heit bieten, fleh im Selbe auSgugeid^nen. IDa ber j^urfürft non
.^annooer juglei^ .^önig von ©ro|britannien mar, mürben bie
hannöverif^en Slruppen von ber englifchen ^Regierung im 3ahre
1793 gu bem ©oalitionöfriege gegen Stanfreich nadh ben fRicber»
lanben entboten. Scharnhorft, gum Staberapitün ernannt, nahm
mit feiner ^Batterie fomohl an ber 93elagerung von Stftungen,
als in Selbfchla^ten 2:heil unb geichnete fi^ überall burdh Um«
fuht unb laltblütige ^pferfeit au8. lDa§ ^ö^fte aber leiftete
er im Sahre 1794 an ber Seite beö hannöverifchen @enetaI8
von ^ammerftein bei ber h^benmüthigen SSertheibigung ber
Seftung üRenin unb bem lühnen IDnrchfchlugen be8 fleinen 6orp6
bnreh einen gehnraal ftärferen S«nb. 3)aB Serbienft biefer au8«
gegeichneten friegerifchen Slhat mürbe von bem ©eneral von
.^ammerftein felbft unter ben ehrenbften S(u8brflcfen bem ^aupt«
(TOi)
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mann @^atn^OTft beigefegt. ,lDie[et (o ber^tete er bem
@eneraIfeIbmatf(^aIIvoniBaQmoben, bet feinem ganzen fHufent^alte
in ÜRenin nnb (e^tlicb beim 2!)uTd^{^(agen Sä^igfeiten unb Talente,
»erbnnben mit einer gauj unnermerfli^en Sranour, einen nie
ermübenben @ifer unb eine bemunbernewürbige (Sontenance ge«
geigt, bag ic^ i^m aOetn ben glü(fli(^en Sfudgang meines $(anS,
mi(b burt^gufc^fagen, eerbante. @r ift bei aOen fSuSfü^rungen
ber erfte unb ber le^te gemefen, fann eS unmöglich aDeS
befc^reiben, non wef^iem großen 9bu^en biefer fo fe^r nerbienft«
noCfe unb einem jeben gum ÜJiufter aufgufteHenbe Offigtet mir
gemefen ift.* —
3)er 3ai|re8fag non ÜWenin mürbe in ©(barn^orfi’S .^aufe
für immer gu einem ^amilienfefte. S)er .König non @ng(anb aber,
beffen ®nabe ber hoffnungsreiche .i^auptmann anf’S mürmfte
empfohlen mürbe, befchenfte ihn mit einem ©hrenfä^Jef, ernannte
ihn gum üliajor im ©eneralftabe unb gum ©enerafquartiermeifter«
©ehülfen. SHur ber ihm ermünfchtefte 8ohn, bie nerbünbeten
3lrmeen pegen gn fehen, blieb ©iharnhorp nerfagt. 2>ie englifch«
hannönerifchen Slruppen mu§ten pdh unter 93erluften gurücfgiehen,
bis ber Triebe non 0afet bie iffiaffenruhe audh im 9iorbmeften
S)eutf(hlanbs mieber hctftellte. IDap ©charnhorp mit feinem
f^arfen Üluge bie Urfadjen ber feinblidhen @rfoIge mohf ertannte
unb aus bem ®tubium beS frangöPfchen ^cermefenS unb ber
neuen Kriegführung bfeibenben iRu^en gog, braucht nidht gefagt
gu merben.
9lach einigen menigen Sahren, bie ©charnhorft, mipen»
f^aplich nnb practif^ thütig, mieber in .jpannoner gubradhte,
follte er enblidh Gelegenheit pnben, feine gefteigerten ^ühigfeiten
in einem gropen SBiifungSfreife gu bemühren.
©chon im 3ahre 1795 maren ihm northeilhafte fSnträge,
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in bänifc()e S)ienfte gu tteten, gemacht tnotben, er lernte fte ab.
@benfo»enig nahm er tm folgenben Sa^re baS günftige §(netbieten
an, bad ibm auf @m))fe^lung beS |)ergogd ^erbinanb non Sraun«
f^btneig non preu^tfcber Seite gemacht würbe. @r warb bafür
gum Dbriftlieutenant beförbert. 3>a jebodb nach weiteren 4 fahren
ber (Erfüllung feineS berechtigten SBunfched ber Sfnciennität gemäh
ein ^analerieregiment gu erhalten, non Seiten bed h^nnönerifchen
StbelS entgegengewirft würbe, entf(hIo§ er fi^, auf erneute 9(n«
trfige, bie ihm ^riebrich SBilhelm HI. im 3ahre 1801 machen
lieh eingugehen.
@8 würbe ihm nicht leicht, fi^ non bem Staate gu trennen,
bem er 23 Sahre mit größter Eingebung gebient hatte, aber
burfte er, ber tud^tigfte aller StabSoffigiere, fich geringjd)ä|ig
behanbeln laffen, weil er ein fDlann nieberer .^erfunft war?
IDagu fam für ben 2RctteQofen bie fRüdficht auf {eine Samilie.
Unb fönte er nicht auch in bem SSorgefühle gehanbelt haben,
bah inbem er ba8 engere S3atertanb nerlieh, für baS grohe
@ange gu wirfen beftimmt war? .^atte er hoch fchon lange nor
feiner 93erufung na^ IBerlin ben 93emühungen gebrich SBSil«
helmS III. um bie IBerbefferung ber ^reuhifchen iSrmee feine
Sh<ilnahme gugewanbt unb im 3ntereffe non gang IDeutfchlanb
jenen Steformbeftrebungen glücfli^en @rfoIg gewünf^t.
3n äSerlin nom .^önig gnübig aufgenommen, würbe er gum
Oberftlieutenant im 3. Srtillerieregiment ernannt, unb gugleich
mit bem Unteni^t ber jüngeren £)ffigiere ber 3nfanterie unb
^anallerie betraut. 93alb genug aber foQte et bie auherorbent»
liehen Schwierigfeiten fennen lernen, bie ihn audh hier umgaben.
@r fanb bie JDffigiete bet Strmee, bie nodh an bem Otuhme
$riebri(h8 beS drohen gehrten, ohne mit ber Beit fortgefchritten
gu fein, nur gu ^nmahung unb @igenbünfel unb
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bem ^emben, gegenüber »oU 5Reib unb niebrtger ®(^el»
fu^t. 00 |a^ et man^erlet Sattlungen auSgefe^t.
0(^on feine äußere @rfd^einung lonnte oberfläc^ltd^etn Ut<
t^eile als ein ®runb 3ur @eringf(^ä^ung erf^einen. 2)enn
©4>am^orft’0 ?)etf5nli(^feit ^atte auf bcn erftcn Sltd wenig
9ln3ie^enbe8 unb ftanb barin 3. 33. hinter SÖIfic^er unb ©neifcnau
weit 3utücf. ©ein nat^läffiget @ang, bei etwaö »orgebeugter
Srper^aitung — er fc^Ienberte, fagte Simbt, fogat unfolbatifi^
eintet, gewo^nlii^ etwas »oruübet gebeugt — feine bebäd^tig
langfante Siebe, feine ®eringf(bü^ung aller Sleu^erlit^feiten,
erinnerte nte^r an ben ©ele^rten, ben ^tofeffor in Uniform,
als an bie ftramme Slrt preu§tf(bet Dffyiete, !Da§ aber in
bem Äopfe beS eigenartigen SölanneS, über beffen JDenferftirn
baS ^aar nac^läffig ^erabgefümmt war, „bie tiefften unb geift«
»oüften ©ebanfen fid^ btSngten“ blieb bem Dberflö^Iid^en um
fo me^t »erborgen, olS ©cbarn'^orft nad^ Slrnbt’S SluSbtud, ge*
lernt l^atte, „feine ©cfü^le unb ©ebanfen mit einem nur ^alb
bur^fic^tigen ruhigen ©Fleier 3U umfangen, wä^renb eS in
feinem Snnern fod^te." 9lud^ gereichte i^m feine niebrige ©eburt
in ber preu^ifc^en 9lrmee, bie nur oblige Dffi3iete anerfennen
wollte, noch me^r als unter ber Slriftofratie .^annooerS 3um
33otwutf. iDagu fam enbli^ no(b, ba§ eS i^m aud^ an »or>
nehmen ^affionen gebra^. ©(^arn^orft ^atte nur 3Wei geiben*
fd^aften unb bie waren gut bürgerlidfiet 9lrt: er liebte übet alles
bie 33ü(^et unb tranf »iel Jüaffee.
3nbe§ gelang eS i^m, burcb ben Untenid^t ange^enber
Offt3iere unter ben jüngeren einigen iSn^ang 3U gewinnen.
3nbem er überall auf baS ©elbftbenfen größeres ©ewic^t legte,
als auf baS SBiffen, regte er geiftig empfängliche ©chüler mächtig
an. ©laufewih 3. 33., ber gto§e Süilität'^laffifer, weldhet ©charn*
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^oift ben Sßattt feinet ©eifteS ßenannt, ^at t6 immer für ba8
größte @lüdt gehalten, fein 3u^ötet gewefen gn fein. Unb a!8
auf ©t^atn^orft’e Setrieb bet einfi(^tige Äönig bie bifl^et
mangell>afte Se^tanftalt gu einet »oQftfinbigen afabemie für bie
jungen Dffijicte bet 3nfanterie unb ÄanaHerie umwonbelte,
wu(|8 bie 3a^t bet SJlönner, auf beten @eift unb ©Übung er
nadbbaltiß einmitfte, in etfreulii^et SBeife. JDie alteten Dffigiete
aber »etftanb et butcb Stiftung einet militätifdb«" ©efeUft^aft,
bie unter feiner umfidb^^ßcn Leitung einen aufierotbentlit^n
'^uffdbmung na^m, mit feinen Snftcbten von ^ieg unb ^tieg>
fü^tung befannt gu mad^en. 9Iut feine 9iegiment6fametaben
Vtten feine @m))finbung für ben unfcbä^baten 3Bettb bed i^nen
ftembartigen SRanneS unb verbitterten i^m butcb Slänfe unb
.Kabalen bab 8eben fo fe^t, ba^ et um ©etfe^ung an eine anbete
Stelle bat. gtiebtidb SBilbeI***i welcher S^arn^otft’8 bob'
©ebeutung für bie Sltmee »0^1 gu ivütbigen verftanb unb i^m
))erfönli^ mit befonbetem äSo^lmollen begegnete, et^ob i^n in
ben Slbelöftanb, beförberte i^n gum Obetftcn unb mad^te t^n
gum 3. ©eneralquattiermeifter bet Sltmee.
3n biefet @igenf(baft na^m unfet ;pelb an bem unheilvollen
^iege theil, ben $teu§en nad| langet fchtvci^lichet 9leuttaUtät
unter ben alletungünftigften Umftänben gegen 9laf)oleon8 äBeIt>
mad^t im 3ahte 1806 begann, ©ergebend h^itte Sdhatnhotft,
tvie et in einem feinet ©riefe fagt, von Einfang an ©otfchläge
gethan, mie man bem Unglücf guvotlommen fönnte; et
bie @rtid|tung einet 9tationalmilig, bie allgemeine ©etvaffnung
beö ?anbe8, bie ©erftätfung bet Siegimentet, eine engere ^olitifd^e
©erbinbung votgefehlagen. 9lun fah et in bem ^auhtquortier
in S^hütingen bie vollenbete SRathlofigTeit unb Unfdhtgfeit bet
.^eereöleitung, auf bie er, bet junge Dbetft, gegenüber ben et»
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grauten @eneta(en, feinen @infln§ 3U üben oermoe^te. 9{nt baS
^erbienft tonnte er ftd| ertoerben, ba§ an bem großen nnglüdS*
tage be8 14. Dctober, al8 ein bteu§ij(^et ^eerefltl^eil bei 3cna
3er{d}mettert unb bie .^au^tarmee bei Siuerftäbt gefi^Iagen würbe,
wenigftenfi bet eine glügel befl bei Stuerftäbt fämpfenben J^eere«
fi^ oortrefflii^ ^ielt. 9ta(^bem nämlic^ ber Dberbefe^Id^abet
f^wet oerwunbet war unb jebe Oberleitung fehlte, ^atte auf bem
einen §lügel 0d^arn^orft bie gü^rung on fi(^ genommen. SDUt
SEobe8»era(i^tung flritt et an bet ©pi^e biefer Gruppen, un»
befümmert barum, ba| er non einem ©treiffd^u^ in bet ©eite
blutete. 9lber baS ©d^idffal beS SageS vermochte er mit feinen
wenigen Siegimentern ni^t ju wenben. 3n bie gluckt beö bet
3ena gefe^Iagenen .^eeteä würbe au^ bie SStmee oon Slucrftdbt
»erwicfelt, eä war bet Slnfang einer allgemeinen Sluflöfung.
3Ran weife, wie nur Stummer ber fto^en Slrmee fid^ auf Um»
wegen über bie @lbe retteten, wie $rin3 .^o^enlo^e bei ^renjlau
fcfeimpfli(^ lapitulirte, bie jtärfften geftungen unter atter8|cfewa(^en
©eneralen o^ne ©(^wertftreidti ftc^ bem ©ieger überlieferten,
wä^renb 93lü(^er wenigftenfl bie fd^wer gefd^äbigte SBaffenefete
rettete, inbem er mit feinem fleinen ^otpS auf bem IRüdfjuge
nach bet niebcrn ®lbe, »on gwei, ja brei ftanjöfif^en Sötarfd^ölleu
»erfolgt, na^ Sübecf gdfe glficflic^ buT(^fd)lug unb erft bei SRatfau
»or bet feinbticben Uebermai^t bie Waffen ftreifte, al8 IBrot unb
Munition il^m au8gegangen waren.
ffiet sölüc^er in ben ©tanb fe^te, in ber 3«t ber ©c^wäd^e
unb .^opfloggfeit ein leu(^tenbe8 33eifpiel befferet Sage aufju»
ftellcn, wot fein anberer al8 ©d^arnfeorft. 6t biente auf jenem
berühmten 3uge IBlüd^er al8 6eneralftab8c^ef unb mad^te but(%
eing^t8»o0en fRat^ wie bur^ füfene 6ntf(^loffen^eit ba8 @e»
XIX. 451. 2 (70»)
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wagtefte Btd et bei bem @tta§en(am^fe in ^übed am
äSotabenb bet Kapitulation gefangen genommen tmttbe.
„fBie @ie gefangen »aten", fagte i^m Sliu^er mit Sutanen
im Singe, .wat i<b oetloten. Sie waten bie Seele meinet
Kotpd, o^ne Sie ^atte flUemanb fDbtt^, o^ne Sie tonnte nicbtö
gefc^eben.“
IBenige Sage fpätet würbe Scbatnbotft gleid| Slücber ju
Hamburg aujgewe^felt unb tonnte fi^ nun übet Sioftoif unb
S)angig nach Königsberg begeben, um ft(b feinem unglü(fti(ben
KtiegSbetrn oon neuem gut Setfügung gu ftetlen. Übet wer
befdbreibt bie Dualen, bie et auf biefet IReife in bet Seele trug?
IDet @ebante an bie Scbanbe bet Slrmee unb ben Untergang
beS Staats worb i^m gut poltet. „fDUcb trifft eS,* fo tlagt et,
,boppelt, ba i(b an bie Seblet, bie IDummbeit, bie Feigheit tenne,
bie unS babtn gebracht.* 33on ficb felbft burfte et fagen, ba^
et für feine ^etfon taufenbmal mehr get^an, als et gu t^un
brauchte. 9bet „bie einet Sltmee unb bie Sichtung einet
fRation, mit fo oielem S3lute ertauft, gu @cabe gu tragen^ bet
Schanbe pieiSgeben gu muffen ober gu überliefern, ift für mich
baS Schrecfli^^e, waS bem SRenfchen alS Staatsbürger begegnen
tann." — Dft genug h“t i“ jeoen Sagen bet Schmetg beS
.gelben fidh in Shränen Suft gemacht, gumal wenn et oor feinet
Sochtet fein ^erg auSfchüttete. „9loch ift fein Srief an 2>ich
abgegangen, bet nicht mit Shränen bene^t ift IDu bift IDeinem
SSater gu ähnlich, alS ba^ ^Du nicht wie er baS Unglücf, baS
uns trifft, tief fühlen foUteft. S)u hafi aber auch gewih SRuth
genug eS gu ertragen.*
Som König unb oon bet Königin ^ouife, wel^e bie tapfere
.^altung beS S3lü^er'fchen Korps fteubig anerfannten, anf'S
gnäbig^e aufgenommen, fah Scharnhorft auch feinen S8unfch
C710)
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et|fint, toiebei in iS^dtigfeit oor bem geinbe ju fommen, wenn
au(^ unter ben ungünftigften ä3eii;dltni{|en. ^reugen, baS ein
falbes Sa^r^unbert früher unter bem großen Könige einer Seit
in Sßaffen jahrelang erfolgreid^ 5lro^ geboten, (onnte nur noch
wenige taufenb 3)iann in’d $etb fteden, unb nur mit .^ülfe ber
enblic^ naiienben ruffi[^en Sruppen an eine ^ortje^ung beS
jhrieged benfen. 3um 93efe^(6^aber bei fieinen SiorpS, auf bem
bie lebten ,^offnungen grtebrid^ SBil^elmö beruhten, mürbe ber
törperlid^ unb geiftig (dngft gealterte @eneral tf’Sftocq ernannt
unb bemfelben ald ®eneralftabg(bef ©diarn^orft beigegeben.
mar bed Unteren SSerbienft, menn bie ^reugen namentti<^
an ber benfmürbigen @^la(bt bei @ilau, ben rugmoollften ^n*
tgeil nagmen. ©dgarngorft ergielt ben Drben Pour le mörite,
aber bie Hoffnungen, bie fi^ an ben @rfoIg jeneg Sageg fnfipften,
mürben gule^t auf ben blutgetrdnften gelbem oon grieblanb,
mo bie diuffen eine entfcgeibenbe dtieberlage erlitten, gdnglicg
oernitgtet. 35er Äaifer Sllejcanber bot bem ©ieger bie
gum grieben unb überlieg ben unglficHicgen ^dnig, ber nur nodg
ben dugerften SBinfel ber dlionarcgie fein nannte, einem unbarm«
gergigen 0cgidfal.
3u Jilfit mürbe oon dlapoleon ber griebe bictirt, ber bie
preugifcge dlionarcgie auf bie Hälfte rebucirte unb au(g bie bem
.^onig no^ oerbleibenben oier alten ^rooingen oftmdrtg ber
@lbe auf unberecgenbare 3<it ber IDccupation feinblicger Sruppen
unterwarf.
3n fo beifpiellofer 8age begann ber ^önig mit
grogen dlidnner, mit benen er fi(g umgab, ben dieubau beg
@taateg. SBdgrenb @tein in gogem @inne bie Sioilangelegen«
geiten leitete unb jene tiefgreifenben dieformen unternagm, bie
feine furge ISmtgfügrung für immer benimürbig gemacgt gaben,
2* (711)
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Yt>ac ®(^arn^0Tfi bie ®eele ber SRilitäneorganifation, bie nid^t
rainber epocbemad^enb gewotben i|). Sie getttümmerte 2(tmee
in netnerem 9ia^men unb auf neuet ©runblage wiebet ^etju»
fieQen, ade unwürbigen Elemente unb fämmtli^e geworbenen
üiuSIänbei auejuft^Itegen, bie Offi3ieiefteQen bet nur nod; au8
Snldnbern befte^enben SIrmee auc^ ben bütgerli^en Talenten
gugöngltdb gu machen, bie Bewaffnung, wie bie SBethflegung,
bad @jreTcitium wie bie SiSciplin jwedmä§ig umgugeftalten unb
bad fo gefchaffene, neu auSgerüfiete unb gefcbulte nationale ,^eer
mit ))atTiotif(bet Begeifterung unb fittlicher ^aft nicht minber
wie mit friegerifcher Bübung gu burchbiingen bad war bie hohe
Aufgabe, ber ©charnhorft fleh mit größter Eingebung wibmete.
Sabei fonnte ed nicht fehlen, ba§ ber Btudh mit ben bisherigen
Gewohnheiten, IWoilegien unb dJlihbrduchen unb bie Berufung
fo mannet Sntereffen hefiiflen 2öiberftanb heroortief. 3n ber
(Sommijfion, welche bet Äönig gut SReorganifation ber Slrmee
berufen, burfte (Scharnhorft, ber Borfi|ente, nur auf bie
ihm gleich gefinnten Gneifenau unb GroOmanu unb ben fpdter
hingugefommenen Bopen gdhlen; bie anberen dJlitglieber ber
Gommiffion waren gegen ihn unb noch mehr, manche einfluh»
reidhe dRdnnet auS bet Umgebung beS IfönigS nebft allen älteren
Offlgieren ber SÄrmee. 8(bet ©charnhorft’S 3Ruth wuchs mit ben
©chwierigfeiten, bie fich ih«n in ben 2Bcg ftelltcn, unb nur feiner
Beharrlichfcit fonnte eS gelingen, in ungünftigfter 3eit ein SBerf
bet Sieform gu »oClbringen, baS feines gleichen ni^t hatte.
Unmöglich bagegen geigte eS in ben Sohren 1807—12
baS ^rincip ber allgemeinen SBehr^fUcht, baS ber SReorganifotion
gu Grunbe lag, in SBirflichfeit burdhguführen, fei eS in gorm
einet dlationalmilig, ober einet dleferoeatmce ober einet 8anb*
weht. SBohl arbeitete «Scharnhorft einen Gntwurf nach bem
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anbecn auS, um oQe me^r^aften Männer in ben ^tenfl bei
S3ateilanb(g gu [teilen, abet abgefeben non ben in unübet>
winbli(ben flnangieUcn @db®i«i8Wten begränbeten S3ebenlen
be8 JfönigS mad>te im 3ab’^* 9lai>Dleon8 iKocbtgebot bie
3)ur(bfübrung jener $läne gu nid^te. S)enn in bem SSertrage
über bie enblicbe Siäumung beS Sanbed non Seiten ber feinb«
li^en Srn^ben, ben ^iapoleon bamaI8 ergtnang, fi4
auSbebungen ba§ ^reu^en [ein ^eer ni^t über 42 000 ÜRann
nermebre unb feinerlei Sanbmebr erri(bte.
SBöre eö au[ Stein, Sdbaro^or[t unb ihre ^eunbe an»
gefommen, [o hätte bet Äönig, [tatt jenen ©ertrag gu ratificiren,
[dbon im Sommer 1808, als 8iapoleon in ben [panijdben ^eg
[i(b nertnicfcite unb Defterreicb gu einem neuen ^amp[e nacbboltig
rü[tete, im ©ertrauen au[ ben @ei[t befl neu ge[cbaj[enen ^eerefl
unb au[ bie über gang 91orbbeu[(bIanb gum Sn’ccI einer ©oIlS»
erbebung auSgebreiteten geheimen ©etbinbungen, ben ©etjudb
gemagt, baS nerbafete 3oib in einem Äampfe au[ geben unb
$ob abgu[dbütteln.
2Bie bamalS ber j^önig ohne JRublanbS ©ei[tanb gu einem
[o ge[abrooQen Schritte [l^ nicht gu entfalteten nermocbte, [o au^
im 3abre 1809 ni^t, als bie ö[terreichiichen .^eere gegen 91a»
poleon an ber S)onau fämp[ten, in ben tiroler ©ergen ber
^reibeitSTrieg entbrannte unb auch in 91orbbeutjchIanb eingelne
©erfudbe ber 3n[urrection unternommen mürben. S)a mar mit
©lücher unb ©neifenau auch ©chatnbor[t mieber unter benen,
melche ben .^önig, ber [chon bie j^riegSbereit[cha[t genehmigt
batte, meinten [ortreiten gu fcnnen. 3Ran mei§, mie Defteneidb
not ber Seit noch einmal unterlag, unb freuten gu ber ©olle
[tummen ©eborjamS gegen ben gümenben Smberator gutüd»
febrte.
(TU)
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911Ö biejet Umfci^Iag erfolgte, toutbe gum erften ORale ba8
Sertranen erfc^üttert, baS ber i^cnig, allen (Sinflüfterungen unb
^Inflagen gutn £ro^, feinem JtriegSminifter unb erften müitäiif(^en
Serat^er bewahrt batte. ©efrSnft bat ©cbamborft unter Sot*
läge einer glängenben gefcbrtebenen Sftecbtferttgungdf^rift um
feine @ntlaffung. @r trug fi(b mit bem ©ebanfen, in Sufunft
feineu iDegen im englifdben 5Dienfte gegen ben Unterbrücfer
ßunpa’e gu führen. @lütfli(bertt>eife fab aber griebri(b SSilbelm
halb genng fein Unre^t ein unb lohnte bem SSerleumbeten mit
oerboobeitem SSertranen.
©0 fuhr ©cbarnborft in ber ©title fort oermittelft beß
fogenannten Ärümberfbftemß für einen fünftigen Ärieg oiel mehr
Srubpen b^cangubilben, a(8 ber ^arifer SSertrag geftattet b&tte,
biß enblicb 9tapoIeon bur^ bie frangofenfreunblicben 3)tienen beß
gegen feine 9latur gum SKeifter in bet Ännft ber Scrftedung
(geworbenen ficb ni^t länger täufcben Iie§ nnb bie @nt(affung
©(barnborft’ß oom .^iegßminifterium entf(bieben forberte. „@in
ehemaliger ©öttinger ^rofeffor, ein gelehrter ÜKann, ber baß
frangöfifche ©ouocrnement h“§t“, fo war ©(harnhorft »on bet
frangüfifchen geheimen f)oligei fchon längft in bet 8ifte bet
IBerbädhtigen begeichnet.
IDie @nttaffung oom ^iegßminifterium fonnte bet J^bnig
nicht oerweigern, er behielt aber ben Unerfehlichen nicht aOein
atß @h^f beß (Seneralftabß unb 3nfbectorß ber Seftungen im
IDienfte, fonbem wieß auch ben neuen j^riegßminifter im Geheimen
an, ©charnhorft auch in 3ufunft alß feinen SBorgefe^ten angu*
fehen, unb ftch in allen wichtigen ^agen mit ihm gu oerftänbigen
unb feine ©enehmigung einguhoten.
Diefe ©teDung, wohl eingig in ihrer 3ltt, bauerte nodh fort,
alß 9taboleon feine 93orbereitungen gu bem fRiefenfamhfe gegen
(7U)
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Siu^Ianb traf unb bem unglödlii^en $reu§en, auf bet {)eetftra^e
na^ bem 63aienrei(^ gelegen, nnr bie. 9Ba^l Iie§, fi^l i^m ganj
ju untetmerfen , ober ben ^am^f bet äSerjtoetflung gegen feine
Ueberma^t ju tämpfen. 9lie mar bem Könige bet Untergang
beS ©taateS fo bto^enb not Singen getreten, unb nie ©d^atn«
^orft’ö Siat^ unb 0eiftanb i^m unentbe^rlidber gemefen, aie feit
bem ©ommer 1811. 6t betraute i^n mit t>eimlid^en fUliffionen
nach ^eterdburg unb SBien unb lie§ i^n sugleic^ ade S3or>
bereitungen ^um godfc^Iagen treffen, bid er enblidfi na^ langem
©träuben o^ne ^ilfe oon au^en, fcf)on umringt oon feinblid^et
bemalt, ben SSertrag bet Untermerfung bem .^elbenfan^jfe
t’oijog t 3u bem bie ^^n^eit ©d^am^orft'S bis jule^t
gebrängt ^atte.
91un mu§te na(b Siücbet unb ©netfenau and) ©d^arnborft
Serlin unb ben ^ienft beS .^önigS oetlaffen. ^rauemb, aber audb
je^t nicht an bet Sufunft oerjweifelnb, jog er ftdb nach @chlefien
juTÜcf. (Dort lebte er, mähienb ^anfteichS c^eetf^aaren, burch
baS preugifche unb öfteneichifche .^ilfScorpS oerftärlt, nach
lanb oorbrachen, anf^einenb ganj feinen miffenfchaftli^en
Sirbeiten; im Geheimen aber beforgte er im Sluftrage beS
J^önigS, bet mit ihm auch fe^t no^ an bet ^ofnung auf eine
SBenbung beS ©chicffalS fe^h<<Iii bie StuSrüftung ber fdhlefifchen
^e^ungen.
Snbeh burfte er in folcher Sage nicht einmal in ben ©riefen
an bie flochtet oenathen, maS er in ben bangen dRonaten beS
luffifchen ^elbgugeS litt, erftrebte unb hoffte. SBir erfahren
bähet auch nicht, wie bie erfte ^nbe oon bem fürchterlichen
©chidffal, baS bie gro§e SIrmee auf ben ©dhneefelbem Siuglanb’S
ereilte, auf ihn gewirlt h«i- ®ber wer fönnte jweifeln, ba^
ber heißblütige Patriot nicht anberS em^fanb, als aQ bie Saufenbe,
C«i)
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24
»el^e an ben Untergang bed ^la^oleontf^en .^eeted bte {)offnttng
bet 3Bieberaufrid}tung beS äSateilanbed fnü^ften. 9tur erma§
Sii^am^orft nieUeid^t beffet als irgenb ein anbetet bie an^et=:
otbentlic^en @^wierigfetten, bie no^ 3U äbetminben tooten, e^e
$reu§en fic^ mit oufgeft^Iagenem 93ifit gegen ben Untetbtü(fet
ergeben tonnte. 9todb »at bad Sanb oon ga^lteicben ftanjöfiftben
Inqjpen befe^t unb felbft bet Äönig tonnte, wenn et bie @e*
banten beS iSbfaQed, mit benen et fid^ trug, botjeitig oeniet^,
jeben 9(ugenbli(f gefangen genommen werben. @r ge^ot(^te
habet nur bem Spange bet Sierbältniffe, wenn er felbft bie
batriotifcbe £b<>t bed @enetald ^ott 00t bet SBett mißbilligte,
icb meine ben bentwütbigen iBetttag oon Siautoggen, wobutcb
Sott baS preußifcbe .^UfSfotbd ben ^anjofen entzog unb bamit
ben erften Ülnftoß gu bet balbigen @idbetung DflpteußenS gab.
@bd man in ä3erlin bie 3Hadte $ianttei(b gegenüber abwetfen
burfte, mußten bie Stüftungen im Sanbe weitet gebießen unb
bie Segießungen gu ben befteunbeten ÜDlädßten, 00t adern gu
Olußlanb, fefter geregelt fein.
S)aßet burfte audß @cßarnßotft au8 bem S>untel bet 3u>
rüdtgegogenßeit erft wiebet ßeroortteten, ald bet ^önig, um ^ert
feinet @ntf(ßließungen gu fein, baä .^oflaget oon Setltn na<ß
bet oon feinblidßen Stuppen nicßt befeßten 4?nuptftabt ©dßleßenS
oetlegtc. greilitß mußte gtiebtidß SBilßelm, ben bet ftangößfcße @e»
fanbte nacß 93reSIau begleitete, au^ feßt no(ß ben «Sdßcin gu wußten
fucßen, ald ob bie Stüftungen, beten ®eele feßt gang unb gat wiebet
@(ßatnßotß war, 9tapoleon gu @ute tommen fodten. tlbet
beoor nocß in bem fernen Äonigöbetg bie patriotiftß begeiftetten
®tänbe Dftpteußend eine adgemeine ^Bewaffnung ober bie €lud>
rüßuug einer Sanbweßr befdßloffen, gu bet ©laufewiß, bet 8ieb«
Ung8f(ßület @<ßarnßotft’8, ben ©ntwutf gemacßt, tßat man in
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Jöttfllau einen ©djritt, übet beffen 0ebeutung ficb nur bie
gtanjofen täufc^n la[fen tonnten.
©^atn^orft fe^te nämlicb bei bem Könige but(^, ba§ bie
jungen Männer bet ®tänbe nom 17. bis 24. Sebenb;
ja^te, bie fid> felbft Ketben unb bewaffnen tonnten, jur Gilbung
fteiwiOiger 3ägertorbd aufgefotbert würben. ®eine ^jlbfic^t babei
war, ffbuTib .^erbeigie^ung unb @ntbufiaSmirung brr (Sebilbeten
ben @eift be4 ganzen fDtilitärd aufjufrifc^en nnO ju ^eben unb
jugleir^ baS Sntereffe allet gamilien an ben Ätieg gu tnüpfen.“
©egen wen bie fteiwiQigen Säger bie Söaffrn fübten füllten,
war in bem Slufrufe »om 3. gebtuat, ber ftatt bev Unterfc^rift
beS Königs bie beS ®taatStanjIer8 trug, nod| nicht gefügt: aber
jeber echte ^reu§e wu^te, ba§ eS nur bem @inen gelten tonnte,
beffen 9lame 4>a§, glu^ unb Stäche bebrütete. SBie ber Sluftuf
gegünbet h«t> ift betannt. Sn heQen .Raufen eilten bie tampf*
luftigen fStänner Sreölau gu, notan bie ftubirenbe Sugenb, fo
bah |)5rföle ber Uninerfitäten unb bie oberen Älaffen ber
©pmnofien fich leerten. Sn S3te8lau war eö bet mit ©^arnhorft
befreunbete ^rofeffor ©teffenS, welcher mit feinem gangen
iSubitotium, gegen 200 ©tubenten, auf einmal in’8 Sägerlorpö
eintrat. 1818 et bann bei @charnl)orft »orf^jrach um fich Slath8
gu erbitten, eilte biefet ihm in tiefer SSewegung entgegen, um^
armte ihn unb rief; „©teffen8, ich »ünfche Shnen ©lüct, ©ie
wiffen nicht, wa8 ©ie gethan haben."
Sn einem gleichgeitigen S3rief an bie Tochter freilich, bet
frangöfifchen ©pähetn in bie .pänbe fallen tonnte, fanb et nöthig,
feinen Subei gu oetbergen unb untunbige gefer auf falfche gärthe
gu führen. Um fo raftlofer bereitete er in bet ©tiQe bie grohe
©ntfcheibung not. ©chon haUe et ben £)peration8plan für bie
in feinem ©eift bereit8 Bereinigte preuhifch'rnffifche Slrmee üol»
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lenbet; am 9. gebtuar erfd^ien baS 6bict, baS für bie S)auet
btefeß Äriegeß ade Befreiungen »on ber 5Jlüitärbfli(bt aufbob;
au(b baß ®efeb über bie Bilbung ber Sanbmebr in gang i)reu§en
batte er febon mit eigener .^anb entworfen, daneben berietb
er mit j£>arbenberg unb bem Äönige jeben bit>lomatif(ben ©ebritt,
ber im ruffifdben .Hauptquartier, in SBien, Bonbon u. f. w. ge»
febeben fotlte. „@<bon um 5 Ubr SERorgenß", fo ergöblt fein
bamaliger tSbjutant tfWat baS Bureau beß ©enetalß
geöffnet, ©{barnborft felbft arbeitete bann gewöbnlidj, in einen
weiten 2:uibmantel gebullt, in feiner ©tube meiftentbeilß fnieenb
Dor feinem ©ebreibtifebe, eine ©tellung, bie ipm eine wobltbütige
abwetbßlung mit ber fibenben gewährte.- 9iacb 10 Ubr pflegte
er ficb gum Könige unb bem ©taatßfangler gu begeben, non
wo er feiten früher alß gum ddittageffen gurücffabm, baß er
gewöbnlicb gang allein für ft(b einnabm. Um 4 Ubt 9iaibmittagß
erwartete er mich wieber auf bem Bureau, wo bie Slrbeiten meift
um 8 ober 9 Ubr enbeten. SBar inbeffen ©^arnborft no^ gu
Sonferengen gum ©taatßtangler gegangen, fo würbe eß auch
wohl d)iittema(bt, beuor er gurüeffam. 3cb muhte ihn aißbann
erwarten, ba eß ftetß noch etwaß anguweifen ober gu bictiren
gab. Defterß fielen ihm babei vor ©rmübung bie Slugen gu,
er fanf für etwa 10 SJlinuten in einen anfibeinenb feften ©tblaf,
bann ermunterte er ficb rafdb unb fe^te baß IDictiren gang an
ber ©teile fort, an ber er obgebroeben batte."
URit fol^er ^nfpannung ber ^äfte gu arbeiten, war nur oon
einem 3Ranne möglich, welker ni^t allein »on gäber Äraft, fonbern
auch von @Uutb ber Begeifterung für eine bvbe unb heilige ©adbe
von deinem ubertroffen würbe. 9Bie grofec ^inberniffe ©ebam»
borft auch in biefen lagen noch gu überwinben batte, werben
wir niemalß gang gu ermeffen im ©tanbe fein. Hieben ber
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beifpiellod f^wiettgen Sage beö ©taatS war ed nicbt am »entgfien
baS burc^ {^(imme (Stfa^rungen gebrüdfte forgenvoQe @emüt^
bei Honigs, bad fü^nen unb rafc^en @ntfd^Iüfjen wiberftrebte.
5Rur mü^fam fonnte gticbrtc^ SBU^elm ben guBerfid^tUc^en
erlauben an ben großen Umf^wung, ber fi(^ vodgog, gewinnen.
„SBer wirb benn ba fommen?" ^atte ber Äonig gefagt, ald
@(^arn^orft feine Suftimmung gu bem Aufruf au bie freiwilligen
3äger gu erlangen fu(^te. 6rft al8 ber ©eneral il?m eines
Jage« »cn einem genfter be« ©reSlauer ©c^loffe« bie jubelnben
©d^aaren ber ^erbeiftrömenben greiwiUigen geigen fonnte, würbe
er in tiefer JRü^rung inne, ba§ ber ^offnungSootle fWa^ner
richtiger geurt^eilt al8 er felbft. Slber bann fam bem jfönige
wieber bie ©orge um bie ungel|euren Äoften einer fo au8»
gebe^nten 33olf8er^altung? SBo^er follte ber »erarmte unb oom
geinbe au8gefogene ©taat bie SJtittel nehmen? ©(^am^orft
empfahl aud^ ^ier ben Appell an bie DpferwiHigfeit be8 93olf8,
worauf ber jfönig mi^trauifdfi erwiberte: „Wer wirb benn ba
wo8 geben?" S!u^ batüber fonnte erft ber @rfolg, freilich ein
über aHe8 hoffen gldngenber ßrfolg, bem Äönige jeben Sweifel
nehmen. SQie man wei§, ^at niemal« eine gefittete Station
*,^ab' unb ®ut opferfreubiger bem IDienfte be8 S3aterlanbe8 ge>
wei^t, al8 e8 in ^reufeen in bem un»erge§li^en grü^ling unb
unb ©ommer be8 3a^re8 1813 gefd^e^en.
„3)ie fDlenge freiwilliger ®aben", fagt ^üfer, „unb be»
fonberS be8 ©ilbergeugS, bie in ben SBoeben oor ^ufbruc^ ber
Ülrmee beim ®eneral ©(^arn^orft abgeliefert würben unb burc^
meine ^dnbe gingen, grengt wirflid^ an’8 Unglaublid^e. ®ange
SBafdjfötbe »oll ber fc^werften filbernen ©uppenterrinen, 3lrm»
leu(^ter, ©d^üffeln, ©coolen u. f. w. ^abe it^ in bie UJlünge ge»
liefert, ebenfo bie prac^tBoOften ©^imudtgegenftdnbe oder 9lrt."
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9lber ni(^t bie Sieic^en ober äßol^l^abenben, burfen t»ir ^inju>
fc^en, fpenbeten, wa8 fte an ©elbeSmert^ Ratten, fonbern
rü^renbet noch waren bie gal^IIojen @aben, welche bie Un*
bemittelten unb Ültmen auf bem Altäre be8 ^aterlanbeS opferten.
©dbott Ratten friegerifcbe 0egeifterung unb patriotiftber
©emeinfinn einen großen Sbetl befl preu§ifcben 0olfe8 in einer
nie geahnten SBeife ergriffen, al8 nodb bie Oiegierung formell
mit granfreid) in grieben lebte unb für ben beoorftebenben
^ampf, in bem e8 ftdb um ®ein ober 9ii(btfein b^n^eln feilte,
noib jebe8 fieberen 0unbe8genoffen entbehrte. Defterrei^, auf
beffen .^ilfe man mit Oieebt entfebiebenen SBertb gelegt bottCr
bebarrte unter 9Jietterni(bt8 »orpebtiger 8eitung in feiner ab»
wartenben Haltung; auch bie 0unbe8oerbanblungen mit @nglanb
unb @^»eben ftiepen auf ©(bwierigfeiteu. Oloeb weniger liep
pcb oon ben OibeinbunbeSpaaten eine Ürieg8ernärung an ben
gefürchteten ^etfeber erwarten. 3a felbft mit bem Äaifer
Slleranber oermoebte ber preupifdbe Unterbänbler ^nefebeef, ber
pcb in ba8 ruffifebe Hauptquartier ju Äalifdb begeben, in feiner
übertriebenen 0ebädbtigfeit nicht gum Slbfcblup gu lommen.
2)a war ©ebamborft unter benen, welche meinten, über
bie oon bem 6garen gepeilten 0ebingungen nicht länger marften *
gu fotlen. „Unfere Aufgabe ift ben @ieg gu führen; über bie
Sertheilung ber ©eute wirb ber griebcn8fongreb entfdbeiben."
fUiit bem vom Könige am 25. gebruar gu 0re8Iau genehmigten
©unbe8oertrag begab p^ ©ebarnborft gu bem rufpfeben Äaifer
nach ^alifcb unb untergeiebnete al8 ©eoollmäcbtigter ^reupenS
am 28. gebruar bie Urfunbe, wobureb Oiuplanb Pcb oerpPi^tete,
ben ^rieg an ber ©eite ^reupenS fo lange fortgufepen, bi8
biefe8 wicber in bem ©ePp ber fDiacbt gelangt fein werbe, bie
e8 Bor bem Sah« 1800 gepabt hott*- Sbf^luPe
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beö Äaltfc^er SünbniffeS aber Dergingeit notb 14 5Eage, für
Scbarn^orft jelbft Sage »od unbefc^reibli^et anftrengungen,
bis bet Äönig bem getnbe gegenüber bie le^te ÜKaflfe faden lie§.
9lm 16. aJlfitj würbe ber Ärieg an granfteid^ erflärt, om
17. ba8 @eje^ über bie SSilbung bet 8anbme^r etlaffen unb an
bemfelbcn Sage erj(bien audb ber berühmte „Sluftnf an mein
SBoIf", worin griebridb SBilbelm mit h^jüdhen SBorten feine
SBranbenburger, ^reufeen, ©cblefier unb 9>ommern 3U bem lebten
entfcbeibenben .^am))fe aufbot, ju einem .Kampfe, in bem ed
gelte, glorreitb gu fiegen ober ehrenood untergugehen.
@0 war benn enblidb bie gro§e Seit gefommen, wo ©dbam=
horft fi^ bet grüdbte feinet aufS .^ödbfte gefieigerten Shätigleit
freuen burfte. $Danf bet genial gebac^ten unb mit unerfcbütter»
liebet auSbauet burdbgefübrten Drganifation, ©ant nicht minbet
bem friegetifdben SEBetteifer ader ©tänbe war ^reu^en im ©tanbe,
in wenigen Söodben au§et 46 000 8inientruppen noch 95 000
Slefruten für bie ftebenbe 9lrmee, 10000 freiwidige Säget unb
120000 SOlann 8anbwebt gu fteden. „dJtcin SEBirfungöfreiS",
fo burfte ber Sefcheibene mit ©elbftgefübl feinem Sreunbe
@neifenau f^reiben, gab ber gangen dtüftungdangelegenbeit baS
8eben, ich fu^e fie, foweit idb fann, gu enben, ehe ich abgehe
(nämlich gut 9rmee). Sch otbne bie SluSführung fo an, bah
fie nicht unterbrochen werben fann, — ohne bieS würbe bie
8anbwehr ni^t gu ©tanbe fommen unb bie anbeten germationen
(b. h- her 8anbfturm) »iedeicht erft in mehreren dJlouaten. S«h
verfahre beSpotifch unb labe viel SSerantwortung auf mich, <>her
ich glaube bagu berufen gu fein."
9teben bet Einrichtung unb Sludtüftung bed neu gefchaffenen
,£ieere8 hotte ©charnhorft feine raftlofe Shötigfeit befonbetö ber
0ilbung eined tüchtigen EeneralftabS unb bet Sefe^ung ber
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^ öderen OfftjierSfteQen gugrwenbet, habet aber, tote er feiner
Socbter fcbreibt, für ftcb felbft fein ^ommanbo nehmen fönnen.
„3(b I^nbe mich nur begnügt, gute brauchbare 8eute betvorgu«
gieren, i^ tonnte bied nur burchfehen, wenn' ich felbft adern
entfagte." 3nbe§ hoffte er, im SBefi^e be8 unbebingten 35er*
trauend ber beiben oerbünbeten fDtonar^en, auch ohne ^ommanbo
auf bie iDperalionen entfcheibenben @inf(uh gu üben. 33or adern
war Slücher, ben «S^arnhorft ald ben 33efehldhnber ber gunö^ft
in 33etracht fommenben ©chlefifchen ^tmee aOen (Sinwenbungen
gum !£roh beim ^önig burchgefe^t hotte, auf feinen dtath an«
gewiefen. 2)enn ©charnhorft ftanb bem ^elbengreife, bem
triegdwiffenfchaftlidie Gilbung fremb war, ald erfter General«
quartiermeifter ober @eneralftabdchef gur Seite, unb gugleich ald
gweiter @eneralftabd^ef ber ihm congeniale @neifenau. 9fur
S^abe, ba§, fobalb bie ruffifihe SIrmee unter SBittgenftein fidh
mit ber tjreufeifchen »ereinigte, ber jDberbefeht bem Diuffen
SBittgenftein gufiel, obwohl berfelbe faum einmittelmä§iger@eneral
unb bie ruffifchen Srupt^en cor ber ^anb fehr fchwach waren.
@rwog man bagegen, ba§ dtapoleon feit dRonaten bad
grohe frangöfifche Äaifeneich unb feine SSafadenftaaten gu ben
umfaffenbften SRüftungen angetrieben hotte unb im älpril 1813
an ber Spi^e eined mächtigen, nur oon feinem SBiden ab«
hängigen ^eered fich auf bem SBege na^ ^^hüringen befanb,
um bort fidh no^ burch bad ^orpd bed 33igefönigd @ugen gu
»erftärfen, fo fonnte man Borläufig, ehe bie ruffifchen SReferoen
unb bie nodh in ber 33itbung begriffenen Sanbwehrtruhpen auf
bem Äampfpla^e erfchienen, faum auf gro^e ©rfolge hoffen.
„3öir oerfuchen unb wagen", fagte Scharnhorft. SBäre ed
nach feinem fRathe gegangen, fo hotte man bad Ülderfühn^e
gewagt, nämlich Bor fRapoleond Idnfunft fi^) ouf @ugen’d üorpd
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gefiÜT3t, e6 gef(^Iagen, unabläffig ueifolgt nnb ganj jRorbbeutfc^«
lanb gum Slufftanb fottgerinen, JDic Oluffen aber tetmorfen
ben cenoegenen ^laa unb wollten, nad)bem f!e mit ben
^reu|en bie 6Ibe überjd^ritten, ben geinb in ©a^jen erwarten.
„SQo bie SnteQigeng mangelt, meinte ©neifenau, ba wirb bie
2)ai»ferfeit entfcbeiben." Slucb ©(barnborft blieb, fo fe^r et bie
©(bwädbe bet IRuffen beliagte, guten 9Jlutb@ unb blicfte „getroft"
in bie Sufnnft. „3Bir eine gro^e pbpflf^be Uebermaebt
gegen un0, wir buben aber ÜKutb unb [treiten für bie b«lifle
©aibe, barin b“ben wir bafl Uebergewidjt." SBütbe bet geinb
au(b noch fo gro|e Siege erfechten, „bie gange Anlage beö
^ege@ ift fo ba§ im Saufe biefeS ^elbgugeS und fowobl bie
Ueberlegenbeit ald ber ©ieg nicht entgehen fann. .^iernon bin
ich feft übergeugt, unb IDu wei§t, ba§ ich eher fchwarg ald
rofenfarbig fehe/ „Sollte ich bad @nbe bed $elbguged auch
nicht erleben, fo fterbe ich in ber feften Uebergeugung, bah bied»
mal bie 55reibeit unb Selbftönbigfeit ^reu§cnd unb JDeutfchlanbd
fiegt. SJieine ISnwefenheit im .£>aui)tquartier but mir bie
Uebergeugung gegeben."
So fchrieb Sdbarnbor^ am 28. ülpril aud ISltenburg,
4 Stage oor ber für ibn oerhängibo ollen Schlacht »on Sü^en
ober ©rohgörfdbcn. 9iapoleon marfchirte in ber 0lichtung auf
Sei^gig, ald bie SSerbünbeten befchloffen, bad gweimal fo ftarfe
feinbliche .^eet füblich »on Sühen angufaHen. 9Jlan hotte
meinen foUen, ba§ ed nach ©dbui^nborft’d SDidpofitionen ge»
fchebe, aber SBittgenftein buW® bie Slnorbnungen gur Schlaft
feinem ruffifcheu ©eneralftabe überlaffen, unb ald Slücher, bei
bem fleh ©charnhorft unb ©neifenau befanben, bie 3lufmarfch=
befehle erhielt, war ed troh aller Semübungen für eine Slenberung
ber ©idpofition gu f^jöt.
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@rft gegen ü^ittag beS 2. ÜJ2at geriet^ man an ben Beinb,
unb jvar junäi^ft an bad ^otpd 9lep, bad eine Gruppe non
4 S)5rfern, baiunter @ro§< unb ^leingörfd^en, befe^t ^ielt.
SSlucbere ^crpö machte ben ^ngtiff unb mit ^elbenmntb
5um ©türm. ®rei bet ©orfer mürben in 3meiftfinbigem
mötberifcbem Äampfe bem geinbe entriffen, SJlittlermeile mar
9lapoleon felbft mit frifcben SEruppen beibeigeeitt unb trieb bie
|)ren§en 3urü(f. Slber ein neuer furibtbaret SInfturm braute
bie JDörfer nodb einmal in i^te ©ernalt. „®Iaubt i^r, ba§
mein Stern untergebt? fragte 9lapoleon ben Sertbier. IDet
Slnblict be0 preufeilcbett ^elbenmutbö entlodfte ibm ben Üluflruf:
„®iefe 'Jbte« b“ben maß gelernt." .^Stte audb bie rnffif<be fRe»
ferne recbt3eiitg eingegriffen, ober, mie Scbarnborft fagt, SBittgen»
ftein anberö operirt, fo bitten bie SSerbünbeten „ben etlatanteften
Sieg“ erringen fönnen. 3fber baß ruffifcbe IRefetneforpß blieb
bem Stblacbtfelbe fern, mÄbrenb 9lapoleon neue SBerftärfungen
erhielt. lDa3u fam auf Seiten bet Serbünbeten ber ORangel
einer guten unb fidbene« «übrung. Salb fommanbirte SBittgen«
ftein, halb ber Äaifer Slleranber, halb fRiemanb, unb am
meuigften bet @ine, ber not allen anberen berufen gemefen möre,
baß S^laibtinftrument, baß et gefcpliffen, auch 3U banbbaben.
Scbarnborft mar ln ben Äampf an bet Seite Slüdberß
eingetreten, bef(bränfte ficb aber ni^t barauf, biefem alß IRatb*
gebet 3u bienen, fonbern erliefe mieberbolt audb Anträge an ben
Äaifet Slleranber gelangen. feuriger alß an biefem
SEage b“tt« w“” gefeben. fDlebtmalß brang er mit ge»
30geuem Säbel an bet Spifee bet SEruppen in ben geinb; et
fenerte bie Beute an unb tief: cß lebe bet Äönig, inbem et ben
Säbel f^mang. Sein brauner @nglänber mürbe ibm unter
bem Beibe burtb eine Äanonenfugel etf^offen. 6in 3meiteß
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?)ferb, baS er beflieg, »urbe blefftrt; eine Äugel ging i^m but^
ben Sfd^afo, eine anbere but^I5(i^erte feine Uniform, bis enblid^
gwif(^en 6 unb 7 Ubt, al8 bie wieber^olt im ©türm genommenen
Dörfer noc^ oon ben ^reu§en be^au^itet mürben, eine Äuget
fein Sein fo gef5f)tlidb traf, ba^ er ber D^nma^t na^e fam unb
Bom §)fetbe ju ftürjen brodle, ©ein gmeiter ©o^u, ber i^m
Sbjutantenbienfle leiftete — au^ ber ältere jeid^nete ftc^ unter
ben tSugen befl SoterS unb gu beffen ^o^er greube bur^
Sapferfeit au8 — ^ielt i^n mit 9Rü^e aufrecht unb brachte
i^n nad^ unb no(^ au§ bem geuer.
©0 nerliefe er baS ©c^la^tfelb, e^e bie ^ei§ umftrittenen
tDorfer Don ber Uebermad^t beS BeinbeS enbgültig miebet ge»
nomraen mürben, unb blieb ber SKeinung, ba§ bie Serbünbeten
gefiegt, md^tenb man in SBal)r^eit, mie bie Solge bemieS, nid^t
einmal fagen fonnte, ba^ bie ©d^lac^t unentfe^ieben geblieben.
3lm fpäien SIbenb nod^ erreid^te ber oermunbete ©enctal
^egau, mo iljm bie erfte ärgtlid^e |)ülfe ^u J^eil marb. ?Kan
febnitt ibm bie Äuget auS bem Sein unb oerfi^erte i^m, ba^
er in 4 SBo^en mieber fein fonne. IDann fu^r er
über Sütenburg meiter nach IDreSben, ba bie Slrmee, fiatt am
3. ?Kai ben Äampf fortgufe^en, mie bie ^reufeen oerlangten,
ficb nadb ber @lbe gurütfgog.
3n IDreSben fühlte fi^ ©dharnhorft fd^on nach ein t5aar
S^gen nidht allein fähig feine tDienflgefihäfte mieber aufgunehmen
unb Dorgüglich an ber .Jjerbeifdhaffung ber nSthigen ÄriegS*
materialien gu arbeiten, fonbern er erbot fogar gu einer
ebenfo anftrengenben, mie michtigen 2Riffion.
Uebergeugt, bap man Defterrci^S >^ülfe nicht länger ent*
bepren lönne, moUte er an beö ungeeigneten ÄnefebedfS ©teile
perfönlidh ben gaubernben SBiener j^of für bie Ullliance geminnen.
XIX. 4M. 3 (725)
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S)ie Sletjte loibeinet^en bie »eite Steife, unb auc^ ber ^önig
gab ungern bem 3)tängen be§ @elbftlofen nadb.
91m 7. ober 8. 9)tai reifte ©dbomborft non Sreflben ab.
3n Sittau fd^on mu§tc er ^>alt machen. JDaS ga^ren batte bie
SSunbe nerfcblimmert, ber ^anfe fieberte unb fam 24 @tunben
nidbt gu ficb. SIber faum batte et ficb unter auSgejeidbneter
pflege etwa8 gebeffert, fo lle^ er fldb ni^t abbalten, bie gefabr*
DoOe Steife fortjufe^en, inbem er allen Slbmabnungen bie
£)^)ferpfli(bt für Äßnig unb 93aterlanb entgegenftetite. Unb
bod) foOte er SBten, wobin ed ibn fo mädbtig gog, ni^t
erreichen.
3n Sna^m, gehn SJteilen »on bem b«^ erfebnten Siele
entfernt, füblte et feine 3Bunbe fo »erf^limmert unb feine
Ifräfte fo erfcböpft, ba§ er nur nodb »om SBagen auf baö
Saget gebracht werben fonnte. Stoch ^uferS SJteinung hätte
©cbarnborft feinen Suftanb wefentlicb baburdb »erfcblimmert,
ba§ et au^ in jenen Jagen ftatt paffenber Stabrung nur ben
ihm unentbehrlichen Äaffee gu fich nahm.
„3^ gebe rot Ungebulb gn @tunbe", flogt er oon Snapm
aud feinem @neifenau, unb felbft ber geliebten Jochtet, non
ber er jebe Sorge fern halten möchte, geftebt er, wie fdjmerg*
baft bie 9Bunbe geworben, unb bob et übet ''Prag gurücfgufebren
genötbigt fei. 9lber Weber tbut ihm, bah er in einem ent«
f^eibenben Slugenblicfc, wo er an Drt unb Stelle Diel tbun
fönnte, — e0 finb bie Jage ber Schlaft Don 93auhen — un«
bötig bleiben muh.
3nbe§ bafftt er au^ je^t noch, in ein paar SBochen wieber
gu Pfcrbe fi^en gu fönnen. 33on ber SEBelt freilich will er
ni^tö mehr, ba fie ihm ohnehin nicht giebt, waö ihm wertb
ift. würbe fein gröbteö @lüd fein, wenn er auf bem
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^Sc^lai^tfelbe fallen fönnte, o^ne wieber »eiaunbet ju »erben.
9lIIe8 anbere ift glei%ültig. „Äönnte ic^ baö ©anjc
fommabiren, fo Ȋre mir baran nie! gelegen, id^ ^alte mic^ in
aller Sergleit^ung bagu fä^tg." — „31n JDiftinftionen ift mit
nichts gelegen; ba id^ bie nid)t erhalte, bie id^ cerbiene, fo ift
mit jebe anbere eine S3eleibigung, unb i^ mürbe mid^ cera(^ten,
»enn id^ anberö büchte." — „alle Crben unb mein geben
göbe id^ um ba8 ,^ommanbo eiueS 2age8." — bieg,
»00 i(^ ^iet f(^reibe,'' fo fä^rt ber merf»ürbigfte aQet Sriefe
an bie 2^od(|tet fort, „gang meinem !£ßefen guwiber, ba^ idb
nid^tg oerlange, nie mi(b ungufrieben äufeere, unb je^t fo gang
anbetg 3)it fd^teibe, »itb 2)i(b beftemben. @g ift aber bieg
fein 93tief, fonbern eine eigentliche 9lachri(ht für iDich, »ie
iDein SSater badete, »enn idh nid^t mehr ba fein foQte."
@0 enthüllte ber gro|e (Schmeiger auf feinem einfamen
@(hmergenglaget ber certrauten Tochter ben eingigen großen
@h<^ü^ig> unbefriebigt feine @eele bemegte unb heimlich «n
feinem geben gehrte. SBohl mag man eg ein tragifcheg @ef^idf
nennen, ba| gerabe bem SKanne, ber unter unfäglichen ©orgen
unb SJlühen bie befte armee ber SBelt gefchaffen, ber
3Bunf^ beg |)eTgeng, fie ein eingigeg fDtal alg tommanbirenber
gelbhetr gum @iege gu führen, »erfagt bleiben foQte.
@nbe 3Rai erreichte Schar nhorft ^rag unb mu^te pdh
»iebethoU fchmerghaften Dperationen untergiehen. @r hie^
©hatpie »ißfommcn, bie ihm bie theure Jochtet aug bem
fernen Äöniggberg fanbte. an ber |)offnnng auf Sefferung
aber h'clt « noch aab ebenfo blieben feine @e«
banfen auf bag ©chlachtfelb unb bie @efdhicfe beg IBaterlanbeg
gerietet.
„3ch hoff*"» f«h*i*6 w am 18. Juni mit gitternber .^anb,
3* (7S7)
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mit bfn erften ©treitern beim SBicbetauSbtuc^ beö Äiieaefl
fiegen ju fonnen unb werbe boju aße ßJUttel onwenben.“
2)tei 2age fpäter (21. 3uni 1813) ftarb er/ na^bem er,
wie erjä^lt wirb, noc^ bie greubc gehabt ^atte, mit bem grei*
^errn Don @tein [eine ©ebanfen über ben enblit^en ©ieg ber
guten ©ad^e audgutaufdben.
6r ftarb im Stlter non 58 Sohren auf frember @rbe unb
würbe auch junötbft in ?)rag beftattet, aber mit aß ben @^ren,
bie einem öfterreidbifc^en ©enerallieutenant gebührten unb
unter ber Xbeitnabme einer nadb nielen Saufenben jäblenben
33oIfdmenge.
SBie aber nahmen bie greunbe, wie baö preufeifdfie unb
beutf^e Sßolt bie Jrauerbotfdbaft auf?
2Bäl)icnb bem ©iebter 3irnbt ber ©efaßene wie ein ©iege§«
bote erfebeint, ben bie für i^re Srei^eit fümtjfenben ©ermanen
ihren Sinnen na^ SBalbaßa fenben — „9lur ein .^elb barf
^>elbenbotf(baft tragen — barum mu^ ©ermanienö befter üllann,
©ebarnborft mu§ bie S3otfcbaft tragen" — fbru<b ber er»
i^ütterte j^önig in feiner flüchten SBeife: „9Kit ibm briebt
mir eine treue fefte ©tü^e,- er wirb mir unerfe^Iidb fein."
©tein, ber eberne ßJlanu, bradb in Slb^f^nen au8, unb ber greife
S9(ü6er eradjtete ben .^eimgang feines ^reunbeS einer »er«
lorenen ©dbla^t gleidb; »ergeffen aber b<>t et feiner niemals,
»ielmebr immer »on bleuem, fo oft er alS ©ieger gefeiert
würbe, in feurigen SBorten baS Slnbenfen beffen erneuert, ber
ibn unb bie Srmee }u fiegen gelehrt b^be.
Stiefer nodb mögen ©neifenau unb ©laufewib ergriffen
gewefen fein, ©ie wibmeten bem greunbe unb SJieifter einen
feurigen 91acbruf. 2Bir fagen bem fDieifter, beun als ©^arn»
borft’S Sünger b«ben fi(b beibe immer banfbar befannt. „@ie
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teaten fein So^anneS, fagte ©netfenau, t(^ nur fein ?>etru8,
bod^ bin i(b i^m nie untreu geworben, wie jener feinem 9Reifter.“
9tocb auf ber ,^ölje feineä 9lume8 lernte e8 ber gelbmarfcbad
ab, einem 9Jtann gleid^ gefegt ju werben, ber ein {Riefe gegen
i^n, ben ^pgmaen, fei, beffen ©eifteStiefe er nur bewunbern,
nimmer aber ergrünben fönne.
{Rur einer ;^ulbigung woden wir nod? gebeuten, bie bem
großen lobten 11 Sa^re nad^ feinem ^injtbeiben bargebrac^t
würbe. SDaö ©rabmonument oon {Raud)’8 {Dteifter^anb auf
bem Snoalibenfircb^ofe ju S3erlin war oodenbet, unb bie 3lfcbe
©^arn^orft’8 oon ?)rag bort^in gebradbt. 31m Slbenb be8
Jage8, al8 ba8 3)enfmal cntbüdt war, weilten no^ lange jwei
warme SSere^rer be8 eblen lobten, beibe {IRanner,
an ber ©rabftätte. 5Der eine war ber Ätieg8minifter oon IBopen,
ber narb ben greibeitäfriegen im ©eifte 8dbarnborft’8 fegenSood
feines 3(mte8 waltete; ber anbere ber ©efcbicbtSfcbreiber flreufe.
„Sir waren bie ©ingigen", ergäblt ber ^e^tere, „an biefem
feierlichen Drte. ©^weigenb überließen wir un8 unfercn ©e»
bauten unb ©efüblen. Seim ©cbeiben entblößte Sopen an»
bdcbtig fein ,^anpt unb fpracb jum {Dlonument gewcnbet, bie
Sorte, mit benen auch wir oon unferem ^>elben Slbfcbieb nehmen:
9Roge e8 bem SSaterlanbe nie an Solchen fehlen, wie JDu
einer gewefen."
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£itrrartfi^e £loti|.
Sie ^«ute fe^lt eS ouffaDiger SBeife on einer ieS großen 9Jlanne«
ttürbigen S3iogtapl;ie. SBa« „über taS geben unb ben S^orafter »on
Sc^ml^crft'' au0 bem 9lad)laffe befl ©eneral ßlaufeioi^ »on
geopolb 9lanfe im 1. Sanbe feiner ^iftorifc^politifc^en Sfitfcbriit 1832
mitget^eUt mürbe, befielt in einet halb nad) bem lobe ©^am^orft’S
»on feinem gieblingSfcpüler unb »ertrauten grennbe niebergefc^riebenen
geift»cllen S^arofteriftif unb einet einige 3al)re fpäter »erfaßten ^lotij
übet fein geben. Seibe Sluffä^e, benen no^ ein paat ©riefe ®(^am«
borft’0 on ßlaufemi? beigefügt finb, merben tro$ i^reS geringen Um»
fongeS immer einen ^er»orrogenben 9Bett^ bel^oupten. JDoffelbe gilt »on
ber f leinen ®d)rift beS ehemaligen Ärieg0miniftet0 »on ©open
„©eiträge jur Äenntni§ be« ®eneral »on ©(fjamborft unb feiner
amtlichen Shätigfeit in ben Sahren 1808 bifl 1813" (1833), meld>e
ben bie ©erbienfte beg ©chüpferS ber preußifchen SBehr»
fraft gegen ©etunglimpfungen in ©cpu^ nahm, bie fchon bomol« »on
jfüniggbetg ouggingen. — S)ie auf amtliche Duellen geftü$te Arbeit
©cherbening’8 „bie Sieorganifation ber preußifchen Slrmee nach ben*
Silfiter grienen" in bem ©eiheft jum 9Jlilitärmochcnblatt 1854 ff. ent»
hält (I, 27) eine biographifche ©fijje ©chamhorft«, nachbem fchon bo8
aUilitärmochenblatt »on 1847 einige ©riefe beg ®eneralg aug bem
Sahre 1813 gebracht h“llE. Slnbere ©eiträge ju bem geben ©^arn»
hotft’g bot ©erh in feinen SBetfen über ©tein unb ®neifenau.
©^meber enblich »eröffentlichte im 3ahre 1865 eine fleine populäre
©iographie, bie gut gefchrieben ift, ohne h^^ffcn Slnfprüchen gu ge.
nügen. — IDagegen mar ®. ^flippel fo glücilich einem geben be8
®enetal »on ©chamhorft", bag berfelbe in 3 ©änben 1869 — 1871
herauggab, eine gro§e 3ahl merth»olIet, bigher unbetannter ©riefe unb
Slftenftüdfe, bie er theilg gamilienpapieren, theilg amtlichen ©ammlungen
entnehmen burfte, ju ®runbe ju legni fonnen. Slber mie meit bleibt bag
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SBfrf ÄlippeU leintet ben Slnfotberungen jurucf, bie man an eine toiffen«
f(^aftli(^e 5)lono0tap^ic unb »oHenS ein biograp^ifdjeS Äunftwerf fteHen
mu§! Sirop be8 9ieuen unb @uten, melcpeS ba8 Suep entfjSIt, ift eö
ni(^t nur ungeniepar, fonbern auc^ ni(^t überall juöerlaffig. — Um
fo lieber »erna^m man, bag 2Rajc Seemann eine ©iograp^ie 0cparn*
prft’8 ju preiben unternommen. 2)ie erfle Srut^t feiner Stubien mar
bie au8gegeic^nete Stbrift „Änefcbecf unb Stbon, ©eiträge jur ©efdjicbtc
ber greibeitShiege" (1875), worin 0(barnborft mit Senu^ung omtlicber
■Quellen gegen Änefeberf oon ber Jlntlage freigefproeben würbe, im
3abre 1813 bunberte oon Dffijieren jum 9(u8tiitt au8 ber preu§ifiben
Slrmee bewogen ju »äbrenb ibm gegen bie ©erunglimpfungen
0d)ön8 fein ©erbienft um bie preu§if(be ganbwebr ftegreiep gewaprt
würbe. 35a inbeg (1876) in bem Suepe „ju 0cputj unb $rup am
@rabe 0(pön'8, ©über au8 ber 3«it bet 0tpma(b unb ber ©rpebung
iPreugenS. ©on einem 55reu§en" no(p einmal bie ©ertpeibigung ber
©epauptungen 0cp6n8 oerfutpt würbe, lie§ 9JJ. ?epmann 1877 bie
0(pupftbtift ,0tein, 0(parnporft unb 0(pön'' folgen, bie für ben
2epteren fo oemieptenb au8fiel, ba§ au(p ber lepte 2peil beS IV. Sanbe8
ber ipublifation „SäuS ben papieren be8 iIWiniftei8 jc. oon 0^on*,
ber eine 9eben8ffijje 0(barnporft6 au8 bem 3“pK 1851 entpält, nur
geringen ©jertp beanfpruepen fann. — ©on ben in ben lepten 3apren
befannt geworbenen ©eiträgen jjur ®ef(pi(ptc 0cparnpotft’8 erwäpne i(p :
„Senfwürbigfeiten au8 bem ^eben be8 @eneral8 bet 3nfanl«ri« Bo»
.J)üfer* (1877), welket in bem unoerge§Ii^en grupling 1813 Säbjutant
0cpatnporft’8 Wat, unb baS „9eben be8 @enetal8 6orl oon ßlaufewip
unb ber grau lOlarie oon ßlaufewip 5C. oon Ä. 0(pwar5 (1878)
mit intereffanten brieflidjen ÜJtittpeilungen be6 3ünger8 über ben ©ieifter.
Slu(p Dmpteba’8 politifcper ©acplap, Sb. 2 (1869) unb SB. OndCen,
„Defterreidp unb 'Preupen im ©efreiung8friege" 2. ©b. (1879) bringen
einige8 Sleue über ©cparnporft’8 oielfeitige Spätigfeit. ©cn befonbetem
SBertp ift enbliip bie Slbpanblung 31. 0terns: ,3ur ©eftppte ber
SJliffion 0(parnporft’8 naep ©3ien im 3apte 1811" (gotfepungen jur
beutftp. ®ef(picpte 20. ©b. 1880). — Sit meifterpafte Sparafteriftif,
welcpe 4). 0. 2reitf(pfe oon ©tparnporft entworfen, ift febem Befer
be8 1. ©anbe8 ber „beutfeben ®efcpi(pte im 19. 3aprp." in Erinnerung.
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3)tud DOK Wtbt. Ungn (£b. Wtimm), Setltn HW., Scböaeberjerfti. 17*.
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SlriftotelcS’ Slitf(l^auun9
m |teitniifi|aft 0011 Irlirnsgütern.
Son
Kttbolf (Enihett.
6rtHn SW., 1884.
Seilag »OQ @arl .^abel.
(C. Xiitriti’litit SirliBibni|)|ianMnRg.)
33. SU^Im . @tra|e 33.
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llripDtelcö’ Slnft^auung
non |temtliff|aft tinii 00» feliettSDtitetn.
93on
Knbolf (Sniheii.
«etlin SW., 1884.
93eilag doq (Sari ,^abel.
(€. (S. Httla|)sbait)|iaiililang.)
J3. IBitgcIm.Stiatc 33.
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2)ad 9ie(]^t bet Ueberfe^ung in frembe ©(»tacben rotrb oorbebalten.
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^inen eigenartigen Steig gewährt ei, bie in ben einfa^jten
menf^Iic^en SSer^ältniffen erwad}{enben ^anblungen nnb &e*
finnungen unter ceränberten Umgebungen, in ber @ebanfemnelt
ferner Seiten nnb 93ölfer aufgufutben. (Stmaiger Ueberein>
ftimmung mögen mir unö ale eines SeugnijfeS für baS non
nnS n>ertb @ebaltene freuen, in ^bueid^ungen aber einen Antrieb
gur beutlid^eren tSegrünbnng beS @igenen finben; but(bge^enb
ttitb ferner bie SSergegenwärtigung beS f^remben auf fcbärfere
Raffung beS Staren ^inwirfen, mit bem mir gu fe^r ner«
macbfen ftnb, um ei unmittelbar alS (langes unb ©igent^üm*^^
Hc^eS gu mürbigen. Stur non bem Slnbern ^er netmag bet
SJtenf(^ fic^ felbft gu erfennen.
Sn fcld^er nergleic^enben SBetracbtung ma§ unS aber fein
SSolI me^t antegen alS baS griecbifc^e. 2)ie non feinen leitenben
@leiftern in ber @rgrünbung unb ©eftaltung beS Steinmenfd^li^en
etmiefene Genialität ^at aUer fpäteren Gnttnicflung bie Grunb«
läge gefdiaffen; mag ^iet errungen, ift unaufgebbare 93otanS*
fe^ung alles Späteren. ISber mir Steueren befinben unS ben
8ebenSptoblemen gegenüber ni(^t me^t in betjelben Sage. SSit
braudjen bie SSergleicbung nur gu beginnen, um ben erbeblicfien
Unterf^ieb gu gemalten, bag bie ISlten bei allem S)rang in
bie Jiefe, bei allem Verlangen geiftiger 33erarbeitung beS
Gmpfangenen bie einfacfie ISnft^auung beS GegenftanbeS, ben
erften unbefangenen Ginbrud fräftiger feft^alten unb fruchtbarer
XIX. 45S. 1* (7Si)
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4
bertteriben aU »it. ^ögen ttjt grdgetet freiem
y'-j VJ *
@rl|ebung über ben <Stoff eingreifenbe Umwälzungen be8 @r*
fennend unb bed hebend banfen, mit bem 3Bagni| ift audb bie
®efal)r unb mit ber ^ei^eit bie 3rt|^Iitterung geftiegen; eben
bei »oder Sinerfennung bed eigent^ümlicb dJtobemen werben
wir und gern bie fcblicibiß^ef unmittelbar fatblic^e, man möchte
fagen, unfc^ulbigere Slrt ber Sllten ald ein ergänzenbed @egen>
jurfitfrufen.
9iun pflegt und ald d)hifterbi(b ebler gried^ifcber hebend*
anfc^auung $Iato ju gelten. @r^aben^eit ber @ebanfen unb
bewältigenbe dda^t ber ^erfönli^feit vereinen ftcb ^ier mit
beftricfenbem ^arbenreig ber Sludfübrung, mit leud^tenbem ©lang
ber (DarfteQung. 5Die im größten 0inn gefc^affenen Entwürfe
»on SBelt unb 8eben muffen immer von SReuem greunbe unb
SSere^rer anzie^en; wad ^iet vorliegt, ift unb bleibt ein Se»
fenntni§ ber Genfer unb Seiten, ©o mächtigem ©inbrudC
gegenüber fann ber gro^e ©dbület, fann Slriftoteled leicbt im
©(batten bleiben, ©ein aHerfaffenbed ©pecialwiffen, bie dlücbtem»
beit, bie z«tlegenbe unb unterfdbeibenbe^Slrt feined 93erfabtend
fcbeinen i^n bem menfcblicben .^erzen in gleidbem d)ta§e zu
entfremben, wie fie i^n bem SSerftanbe wertb ma^en; ba§ er
mit bem Sludbrud perfönli^er 5lbeilnabme zurüdbält, fann ald
©leicbgültigfeit bed ©emütbed verftanben werben; wenn er bei
ben 8ebendprcblemen ber eigentbümlitben 33eid:affenbeit menfib»
ti^er 9latur unb 8age feine Sfufmerffamfeit in büb^ut @rabe
Zuwenbet, fo mag bad audfeben, ald wolle er bie Sufammen«
bänge unfered S)afeind mit bem Sßeltleben aufgeben ober bo^
abfcbwädben. Sltlerbingd ift Striftoteled ein anberer ald ?)lato,
aber ben @runb welchen biefer gefcbaffen, giebt er feinedwegd
auf, unb in ibm wurzelnb befuubet et wertbvolle SSotzüge.
(TM)
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5
auf bem Gebiet inenfc^lic^en hebend atbeitet er bad 3beale
Iräftiget in baS dieale ein, nimmt ei baS 2;^atfä(^U(^e in
teic^erei ^üQe unb mit genauerem Sufe^en in bte ®ebanfen>
melt auf. @t erfcbeint glei^ bemunberungSwürbig in ber S3ei«
!nü;>fung bed SRannigfac^en gu einem @efammtbUbe mie in
bem Saft, eined 3eben Eigenart gu mütbigen. fflaäj 3n^alt unb
$orm bema^rt er jened 3Ra^^aIten, baS ni(^t gu ^arafterlofer
3RitteImä§igfeit abf^leift, fonbem toelcbeö aHed @ingelne im
®angen nerfte^t unb nac^ ben 3tt>eden bei langen beurt^eilt.
SBennf^on 9lriftoteled Erörterungen über geben unb gebenSgüter
teineSwegd auSmeicbt, fo ift eö nid^t feine 3rt, berartige ^agen
normiegenb nom ©tanb^unft beS eingelnen ©ubjeftö auS gu
be^anbeln unb bem ÜIuSbrudF ber Empfinbungen meiten ©^iel-
raum gu gönnen. 9ia(^ biefer ©eite ^in bürfte er ficb nirgenbg
me^r etf^liegen alö in einet Unterfud^ung über bie ^eunbfd^aft,
mel^e fic^ im achten unb neunten ä3ud> feinet Et^if finbet.
5Da8 befonbere ißtoblem erfc^eint ^iet fo fe^t ald SKitteU
;>unft aOgemeinet Uebergeugungen, ba^ mir ein Eefammtbilb
ber gebenöanfd^auung geminnen, ein Eefammtbilb, ba6 oor
aQgemeinen Erörterungen ben SSorgug fefter Umgrengung unb
• anf^aulidber ^uSfü^tung ^at.
S>aper mag e8 geftattet fein, oon biefem ^unft auS einen
3)urcbblid ariftotelifd^er ge^re gn oerfudfien.
ÜIQerbingö mag bie erfte Snfic^t beS Eegenftanbed e8
gmeifel^aft etfc^einen laffen, ob fi(b ^ier mirflit^ bie Eefammt«
übergeugung beS ^^ilofop^en in ooQer ^aft unb Siefe audpräge.
3)ie ©(^Ii(bt^eit ber 2)atftenung fönnte bie Meinung ermetfen,
als fei ber 3n^alt giemlic^ unbebeutenb, ja faft felbftoerftünblid^.
^be§ ^üten mit un8, etmaS gering gu achten, meil eS fic^
einfa^ unb flar giebt, etmaS für felbftoerft&nblic^ au9gugeben,
(717)
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6
■»eil efl fei»e i^orafteriti{f<^c ©gcnt^fimli^fnt nit^t bet crften
fIü(^Hgen Setracbtung aufbt&ngt. ^liftoteted fpri^t ni(^t Diel
Don feinen Uebergeugnngen, et jie^t eS dot, fie in bet S3e<
^nblnng bet @egen^änbe nntaittelbar 3u Dertreten unb ju
etweifen. @em entwidelt et feine gelten an unb bei befonberen
Stögen, bie leitenben ©ebonfen oetfenft, jo Detftecft er mandb»
mal fo in ben @toff, bo| fie g(ei(!^fam bet (Sntbedung Rotten.
@tnb fie ober entbecft, fo f)flegt sugletcb gu et^eDen, bag bo8*
jentge maS fo farbloS unb felbftoeift&nblic^ fi^ien, fe^i eigen«
artige unb folgenreiche Uebetgeugungen cinf(ihlie§t. Siefer
©efichtSpuntt ift oon SEBi^tigfeit füi unfere eigne Untetfuihung.
3tne(f ift, fouohl bie- aiiftotelifcbe ^nfdhouung im Sufommen«
hange gu f<hübern aiS eine präcife @rfaffung ihrer @igenthüm«
(i^feit angubahnen; hai aber lann fie nicht erreichen burch bloheö
Sorfnhten bet ©ebanfen in ber gotm, »Die fie un8 überliefert
finb. Sie mu§ ein getoiffeS ©leidhmah gtoifchen ben eingelnen,
Dom in feht oetfchiebener Sueführlichfeit behanbelten
Seiten be§ ©egenftanbeS ^ fcheinbat ger«
ftreuten ©rbrterungen ben leitenben gaben aufgufuchen, oor
^Qem aber h<it fie alleS Sefonbere gu ben leitenben IHincipien
in äSegiehung gu fehen unb biefe ihrer ©igenthümlichteit nach
möglichft h^Q beleuchten. S)abei mn§ fie bie ©efahr meiben,
Shdtfachc unb IDeutung gu tetmengen, eine ©efahr, bie faum
anbetS fo nahe liegt n»ie bei bet SSehanblung ber ^tten. IDenn
»enn biefelben un8 guerft oft fo einfach unb felbftDerftänblich
Dcrfommen, bah U)it fie lei^t unb unmittelbar glauben erfaffen
gtt tonnen, fo pflegen fie un8 in bem HJiahe ferner gu rüdten,
al8 mit auf einem genaueren unb refüofen 33erftänbnih beharren.
3n beginn ber Untetfu^ung ift bie Sebeutung be8
ariftotelifchen Slu8bm(Jc8 fe^gufteHen, ben n>it mit gteunb«
(7»)
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7
f^aft nur annä^etnb ju überfe^ett vermögen. S)em SBort tpilia
fd^eint ^teBe injofern e^er gu oitf)>re(Ben, all eS fid^ nm bie
93egei(Bnnng bet ®rabe perfBnlidBet Suneignng BonBelt,
fowie aud^ beSmegen,' toeil bo8 griecBifcB« SBort, mie 8iebe in
unferem @^tadBgebrau(B, aDe 93et^ältniffe vom ÜRenfdB gu
^enf^ in unabfeBbarer 9(udbe^nung oermanbt mitb. ^bet ein
8li(f auf ben Sn^alt le^rt unö, ba§ bafl freie SerBältnife
@)Iei(Bftebenber, im 93efonberen bie 8ebend> unb @emütB8°
oeremigung eingelner geiftig Bcrvortagenber SJlännet. bem
griedBif(Ben ^Denfer aI8 bie ooQfommenfte SBetmiiÜicBung bed
33egriffe8 »orfcBmebt, in i^r erblicft er baS Sbeal für alle S3et=
Bültniffe Don ?)etfon gu ?)etjon, fie giebt @efe^ unb Siegel
für bie ©eftaltung biefer SSerBüItniffe. 2)otum fönnen mit
nic^t anberS al8 von ^eunbfdBaft unb von ^reunbeSliebe reben.
ÜKag babei feinen fSugenblitf bie meitere SBermenbung mit bem
lateren ©inn gu oergeffen fein, e8 ge^t bie SegteBung auf bie
©eftalt, mel^e ben ^)5Bef}unft bilbet, nie oöHig verloren, eß
bleibt für SebenSfübrung unb ©emütb begeid^nenb, ba^ ft(b bie
greunbf^aft im engeren ©inne al8 Slorm für ade unb febe
Bereinigung bet SJienf(ben, bie ^eunbeßliebe al8 Urbilb für
ade Berbinbnng ber ©efinnung barftedt.
SBorin aber ba8 eigentbümlt(be Sdefen von ^eunbf^aft
unb gteunbeßliebe gegenüber anbern'Berbältniffen beflebt, boß
bat Slrifioteleß im Umrib burcb genaue Hbgrengung gegen baß
SBoblmoden entivicfelt. IDaß SBoblwoden b“t ohne 3w«fel
man^eß mit ber §reunbf(baft gemein, eß fanti alß eine S3e»
bingung, eine Borftufe berfelben ongefeben »erben, aber getabe
bei foldber Stäbe geigt ft^ ibm gegenüber ber unterfcbeibenbe
©b^iofter ber ^eunbf^iaft befonberß anfcbaulidb. Sctfen »it
alfo einen Blicf auf baß, »otin beibe oußeinaubetgeben. SBobl»
(78»)
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8
woQen tft oft einfeitig, ^reunbfd^aft oetlangt ©egenfeitigfeit;
SBo^IiooQen ge^t audfi auf Unbelannte, 3. S3. wenn wir aie
Suf^auet eines 3Betifam))feS einet f)artei unfere @9mt>at^ie
3uwenben, Sreunbfcbaft forbert Sefanntjc^aft, ja SSetttaut^eit;
Sßo^lwoflen lann uiele, ecbte ^eunbfd^aft nut wenige umfaffen;
jenes mag fidb oerfteden, biefe mu§ 3a SEage treten unb beiben
Sl^eilen bewußt fein; jeneS entfielt ntci^t feiten plö^Ii^, biefe
reift langfam unb aQmä^lid^; SBo^twoHen ift ein Buftanb o^ne
aufregung unb Snff>annung, ber ficb oft nid}t in 2:^at umfe^t,
^eunbfdjaft treibt äBirfen unb Schaffen hoi^or, fie bröngt 3um
fUtiteinanberfein unb Bufammenleben, währenb äSohlwoUen auch
Don ber gerne h« ftattfinbet. 6ben mit biefer gotberung
thätiger ©emeinfc^aft ift baS nach fSriftoteleS’ Ueber3eugung
heroonagenbfte fDierfmal ber greunbfchaft be3eichnet. IDenn bet
Qiebanle beherrfcht alle ein3elnen StuffteQungen: greunbf^aft ift
nicht eine im Bnnetn behaltene @efühlenegung, eine ein«
feitige Siichtung bet ©efinnung, fonbem fie bebeutet ein thätigeS
3}erhalten, ein lebenbigeS gegenfeitigeS Sßirlen mit unb aufeinanber,
eine fefte IBetbinbung oon Shun unb SBolIen bur^ baS gan3eSeben.
IDahet ohne ä3erühtung ber 8ebenSfteife, ohne thatfächliche Set«
Infihfung ber 3ntereffen unb bet ^anblungen feine greunbfchaft.
35er Snhalt biefer Äreife, bie äJlichtung ber Sntereffen ent«
fcheibet über ihre nähere Sefdhaffenheit: welker Slrt bie @e«
meinfdhaft, ber 9rt bie greunbfchaft. fOtögen ben @inen Srinfen
unb SBürfelfpiel , ben Snbem förderliche Uebungen unb 3agb,
weiter fünbere wiffenfchaftliche gotfchung unb geiftige !£hötigfeit
angiehen; waS jeben erfüQt, bafüt fudht et @enoffen, baS will
et mit bem greunbe theilen. Slbet blo^ äufeereS Bufammentreteu,
blohe Serfnüdfung ber {tanblungen alS äu|erer geiftungen giebt
noch feine greunbfchoft; gu ihr ift eine Setbinbuug ber @e«
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mutier, ift gegen[ettige [Siebe unentbe^rlid^. S)et (Sine mug
fi^ übet baö Sßo^i beS Ülnbent fieuen, über fein Seib betrüben,
unb gwar and feinem anbern ®runbe alS um beS ^reunbeS
felbft miOen, er mug gefonnen fein, alleä jenem förbetlicge aQein
bed ^leunbed wegen gu tbun. 3Ran mug unmittelbareg (Se>
faden aneinanber flnben unb bag bloge Bufatnmenfein, abgefe^en
non aden folgen, für ein gogeg (Sut eradgten. @o mug ft(b
gur ®emeinf(gaft ber 2;^ätigfeit ©inigung bet ©emütger ge»
feden, um ben Segriff ber greunbft^aft gu nodenben.
SBelt^en SBertg aber bürfen wir ber fo gefagten greunb»
fegaft beilegen? ^ann ficb ber ^gilofop^ bet ^ogen @d;agung
anf(bliegen, welcge bag 3}oIf in ungä^ligen ©pri^tnörtern be>
funbet unb welche bie ^iegter in igren üleugerungen faft noch
fteigem? 2lriftoteleg neigt fi^ bahin; er erflärt bie greunbfehaft
für bag höchfte ber äugem ®üter, ja für etwag gum ®lütf fo
Unentbehrlicheg, bag dUemanb ein mit aden fonftigen SSorgügen
auggeftatteteg Seben ohne ^eunbe unb Sieben überhaupt würbe
leben mögen. ‘Jlber eg ift ein Snbereg fi^ gu folget ©d^ägung
gu befennen, ein Slnbereg fte wiffenfchaftlich gu begrünben. ©ieg
fann ni^t wogl gef^ehen, ohne bie ©tedung ber ^reunbfehaft
im ®angen ber Sebengaufgabe gu erörtern; wir müffen bie
Sehre non ^i^eunbf^aft unb ^eunbegliebe auf eine adgemeine
®runblage gurüdführen, wenn fie alg ein @tüdf philofophif^er
Uebergeugung SSerftänbnig finben fod. äBenben wir ung-barum gu»
nachft bem Problem beg häuften Sebenggieleg, bem beg ®Iüdeg gu.
5Dag ®lücf, fo geigt ^riftoteleg, fann nidht in bem beftehen,
worin eg lanbläufige d)ieinung fegt: nicht im finntichen
®enug, benn wag ber dJtenf^ mit ben gemein h^t«
fann nicht bag @nbgiel feineg IDafeing bilben, nicht im 93eftg
non ®elb unb ®ut, benn bag ift nur drittel für anbereg,
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»ä^tcnb bafl ©lüd ©elbftjtted fttn mu^; aud^ mi^ itt @^re
unb 3ln^m, bann fofern biefe ba0 Urt^eil ber anbetn übet un8
au§btü(fen, ftnb flc im bcften gaH ein S^JtegelbUb unfeter
jEüc^tigfeit in ber ©(^a^ung bet Umgebung; bamit aber fe^en
wir un8 auf bie 2:ücbtig(eit al8 ba6 überUtgene unb begtünbenbe
^ingemiejen. ©oOen mir bemnacb in biefer, b. in bet
Jugenb im weiteftcn, nidbt blo§ im eng morolifi^en ©inue, ben
Snbegtiff beS ©lücfeö fu(^en? 8u^ bo8 fto§t auf Sebenfcu.
Denn fo wenig ©iücf o^ne Slüd^tigfeit möglich ift, fo fpcicbt
cerf(biebene8 bagegen, ©lüd unb Dugenb einfa^ gleii^gufe^en.
Dugenb fSnnen wie al8 bioge ©igenfd^aft, al8 ruhigen
Sefi^ o^ne S3et^ätigung benfen, wä^renb wir uu8 bagegen
fträuben, in t^atenlofem iBer^alten bie 93oIIenbung be8 Sebeu8
3U finben. S3egteiten wir aber bie Sugenb in ba8 SBirfen, fo
fann nur t^eoretifc^er ©igenfinn fi(^ bagegen oerblenben, bo§
5U glüdlidbcin ©elingen binjufommen mu§ bie ©unft ber Um»
ftänbe, bie 9(ngemeffent|eit ber Umgebungen, ba§ fie ba8 ©lüd
mit bebingen, ja ba§ febwere ©cbidfal8f(bläge bem aBoblfein
ernftticbe ,^emmung bringen fönnen. SBirb man o^ne SBibet»
fpru(b unbefangenen Urtbei(8 3emanben glüdlicb, nollfommen
glücflitb nennen bütfen, ber, wennfebon innetli^ tüchtig, fein
geben binbureb an ,^anfbeit leibet, ober bem günjiicb
bie ÜJlittel fehlen, bie in ibm fdblummembcn Äräfte ju entfalten,
oder ber enblicb an feinen Sieben Äummet unb Selb erfährt? 'Z
SBenn biefe $rage gu verneinen, fo ift vorläufig audh bie
Dugenb gurüefgufteUen unb ba8 ©lücf anber8wo gu fueben.
Sei folcbcm Serfogen ber näcbftliegenben Slnfidhten fönnen wir
un8 aber gu feinem anbern führet wenben al8 gur |>hilofobhi«;
fie allein vermag un8 neue SluSfichten gu eröffnen, inbem fie
auf le^te Uebergeugungen von SBelt unb ©ein guruefgreift.
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Den'erften ^oltpunft gewährt un8 ^ler bet ©ranbgcbanfe
attftoielifd^er Se^ie, bag bet £ein bet IDtnge nic^t in einet
netf(^lof[enen Siefe ^intet aller ©rft^etnung netbitgt, fonbeni
ba§ et fi(b im SBitfen, in bet Sbäligfeit erf^Iie^t. S)a8
SBefen bet IDinge liegt in bcm SBetfe, baS pe »erti^len, eben
bann ibi^c Statut, bap Pe biefeS 93eftimmte tpun unb
leipen. Da nun ba8 @tü(f gweifelloä mit bem SBefen beS
IDRenfcben jufammenpängt, fo etgiebt p<b bie Sermutbung, bap
e8 auch gu unterer Dbätigfeit in enget 93e3iebung pepe, bap e8
bet|elben um fo mejentlicbet nerbunben fei, je mept pe p(p ju
einem ©angen gufammenfcpliept unb bie @inpe{t unfetet Statur*
gum I9u8btu(f bringt. @8 gülte alfo eine Spätigfeit gu et>
mitteln, melcpe bem SQtenf^en al8 SDtenfcpen, nicpt na^ bem
Unterfcpieb bet 93erufe unb ©eifteärieptungen, gufommt. 3ur*
Slufpnbung berfelben leitet un8 ein gmeitet ®ap be8 $pilo«
fot>pen. Die bepenfdbenbe j£)6pe ber Jpdtigfeit, bet ben gangen
Umfang be8 ©ein8 buttpbrtngenbe 3»ed mup, fo meint er, in
bem beftepen, »08 einem SBefen, einet 9ltt eigentpümlicp ip.
.^iet, unb nicpt in bem, wa8 ipm mit anbetn gemeinfam, liegt
ba8 9lu8gei(pnenbe feine8 Dafein8, ba8, motauf aQe8 ^nbete,
ba8 ipm gugepört, al8 SKittel ober SSotpufe gn begiepcn ip.
9(18 ba8 ©igentpümlicpe bet menfcpliipen Statur pnbet pcp aber
bie SSernunft;' baper mup bie un8 befonbet8 gutommenbe
Jpötigfeit eine »ernunfterfüllte fein. Die ©ntwidfelung unfete8
gefammten Dafein8 ip batan gebunben, bap bie IBernunft aQe
SDtonnigfaltigfeit unfere8 SBitfen8 ergreife unb bepertppe, bap
pe ba8 in un8 Angelegte cetmitflicpe unb bie fonft geiftreuten
8eipungen gut ßinpeit ber 8ebcn8füptung »etbinbe. ^©olcpe
tpatfrdpige (Sntfaltung unfetet Statur, in uoUem ©elingen unb
al8 ba8 gange ^eben umfaPenb gebatpt, ip nun eben ba8.
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woiin n>it baS gu fu^en ^aben. Silit bte|em Begriff
ooQenbeter 8ebenet^ätigfeit tft ein Qlipfelpunft erreicht, von bem
auS ivit au^ bem anbern, ba8 für jt(^ ni^t genügte, geteert
merben fönnen. iDenn aDe anbem @ütet treffen in bet Sl^ätig==
feit jufammen unb ftufen fic^ flogen cinanbet ab. 9118
grunblegenber Beftanbtbeü erfc^eint babei innere ^üc^tigfeit, aber
e8 erbeQt 3UgIeic^, ba^ fte i^ren redeten SBert^ erft burc^ Um«
fe||ung in .^anbeln unb Slirfen befommt/ 3U JDIpmpia tragen
nicht biejenigen einen Jfran3 bauen, »eiche im höchften SRa^e
fchon unb ftarl fein mögen, aber fich am Äampf nicht betheiligen,
fonbern nur au8 ben Äämpfenben geht bet Sieger h«»Dr- 3n
ber j^hÄtigfeit aber gefeüen [ich gut 5£üchtigfeit SBohl«
fein unb @unft umgebenber Berhöltniffe, an fie ift bic S3cr=
förperung ber innern ^raft ebenfo gebunben »ie ber brama«
tifche JDichter für bie 9lufführung feineS 2Berfe8 an bie fcenifche
9lu8ftattung. Bereinigt ftch aDe8 gu einer fraftooden, leben«
umfpannenben 3Birffamfeit, fo bringt btefelbe unmittelbar ?up
unb Sreube mit fid}, unb mir fehen nun nicht, ba| noch etmaS
gum @lüd fehle.
®ehen mir etma8 nahet auf biefe @Iü(f8lehre ein, fo ge«
mähren mit al8 eigenthümli^ an ihr ootnehmlich ba8 Streben,
bie vetfehiebenen Sntereffen, mel^e bei bem
Probleme gufammentreffen, in lunioerfenem Uebetblid gn et«
faffen unb mit überlegenem Urtheil gegen einanbet auSgugleichen.
SBenn fich babei Dichtungen, in benen mir f^roffe ©egenfä^e
gu erbliden gemohnt finb, vereint finben, fo fehen mir barin
einerfeitS rin Seichen ber Seite unb Unbefangenheit be8
fophen, anbererfeita aber ift nicht gu verfennen, ba§ bie'öegen«
fä^e noch meniger fd^arf gugefpi^t maren, bah man^e Probleme
noch fchlummerten, beten ©tma^en ba8 ©efammtbilb ber Sache
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Deränbein mu§te. StiftoteleS Dermoc^te no(^ ®ebanfenrt(^tungen
mit einem fomo^l — al8 au(^ frieblic^ gu nerbinben, bie fpdter
al8 entmeber — ober in Porten Äamt)f mit einanbet geriet^en.
SBic glauben einen Slugenblicf bei biefem |)unlte oermeilen gu
foOen, ba ficb ^ier bie gefammte SebenSftimmung befonberS
rein unb beut(i(^ auSbrüdt, auf melc^er aud^ bie Ueber3eugung
Don ber greunbfc^aft ru^t.
@ei e8, ba§ mir auf baS S3er^ä(tni^ oon innerem ju
9leu§erem ober baS oon ^rei^eit unb ©efcbicf ober baS oon
8eben8ge^alt unb 8uft blicfen, überall fe^en mir iSriftotele8
feinen SEßeg gmift^en ben ©egenfö^en gelten. — 2)ad Snnere
mag er al8 Äern be8 8eben8f>ro3effe8 meitau8 ooranfteDen, bem
Slcu^ern mirb jein {Rec^t feine8meg8 oerfurjt. Sofern mir
ben 9Jienf(^en in fertiger ©eftalt auf ber ^)ö^e be8 SEBirfen8
betrachten, erfc^eint ba8 Seugere freilich nur al8 SRittel,
nur in bienenber Stellung. Unb 3mar bient e8 nur fomeit, al8
e8 oon ber Shntiflteit ergriffen unb in unfern 8eben8frei8
hineingegogen ift. @8 barf über bie Sebeutung be8 9Qerf>
3euge8, fomie über bie bamit gefegte ©renge ber l?lu8brhnung
nicht h<nnn8ma^fen. ohne 93ernunftgehalt unb ©lüd unfere8
Seben8 ernftlich 3U bebrohen. 9Ba8 mir aber an URitteln unb
2Berf3eugen bebürfen, ift nicht oiel, man fann thätig unb
glüdlich fein, ohne über ?änber unb ÜReere 3U hertf<heti. 9tur
in auffaUenben, ihrer fRatur nach »ereingelten Fügungen mag
äuhere8 ©efchid eine eigentli^e iffienbung be8 8eben8 hevbei«
führen; aber felbft ba8 fchmerfte Unglüd fann ben 2:ü(htigen
nicht eigentli^ elenb machen, benn burdh allen Schmerg mirb
ba8 ©bie ht*'^>utth leudhten, menn Semanb fchmereS ©efchid
gelaffen trögt, nicht au8 Stumpffinn, fonbern au8 Seelengröfee.
So erfcheint h*w ^>“8 9leu|ete al8 ein 9tebenföchliche8, baS
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Bebcndroerf feinen ^au^jtjügen na(^ al6 ein nnn innen @e:
fd^affrned. Slbec bie SBert^fibä^ung Derwanbelt nenn tnti
auf ben 9Beg achten, bet ben einzelnen gum 3iel< fühtt. ^ier
begegnen mit bet Uebergeugung beS ^h^Iofo^h^n, ba§ bie bem
SRenfcben innewohnenbe geiftige !2(nlage gut @ntwi(felung etft
burch »orangehenbe unb antegenbe gelange. S)et @ingelne
mu§ in ein lebenbiged thatfä^licheg ^anbeln hineingeftedt fein,
um butch bie \jitt eifolgenbe 93elebung, ^Richtung unb Se^
feftigung bet 5lhätigfeit fi^ feinet »etnünftigen diatut geuiffei«
ma§en gu bemächtigen. 93on etfcheinen ®efe^ unb
@itte bed umgebenben ®angen alö S3ilbnet beS @h^taftet8
unb bet ®efinnung, bamit abet etweifi fi(h ^ib @t»ecfung unb
iBoIIenbung beö 3nnetn non etwad abhängig, maS bem (§\xi-
gelnen gunächft nut con au^en gegeben fein fann. @o gefchoh
eö nicht ohne @tunb, wenn fchon bad fpätete Ulteithum ben
Sotwutf gegen tSnftoteleS ethob, et h<^^^ Selbftänbigteit
bed 3nnetn nicht genfigenb gewahtt. SRochte et innetbalb bet
^anbiung ba8 Seu^ete alö äBetfgeug noch fo f^h^ unterotbnen;
infofetn bie tSuSbübung bet @efinnung an bet »on au§en gu
erwedenben Sh^t h^ngt, erhält eS feinerfeitd eine ma§gebenbe
SSebeutung. $üt ihn felbet brauchte abet batauS feine S3et>
wicflung gu etwachfen, weil et SBeltgefchehen unb Innenleben,
innete Anlage unb umgebenbe IBerhältniffe nicht fchioff non
einanbet loStih, fonbetn beibeS in einem netnunfterfüHten SID
ald eng gufammenhängenb befaßte. dRit bet @tfchüttening
biefet Uebetgeugung mu^te auch bet oetfuchte SluSgleich gwifchen
3nnetem unb Sleuhetem gufammenbtechen.
^udh bet ®egenfa^ »on ©chicffal unb Bteiheit ift bei bet
®lüddlehte beö ^[tiftoteleS noch nicht in feinet ^erbigfeit auf«
gegangen. SBet fo fehr bie Sihätigfeit gut .jpauhtfache macht
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nne er, bet fann baS ®iü(f nic^t ablöfen DOtn SBoDen unb
^anbetn. 91un unb ntmmet fann e8 bem (Singeinen o^ne fein
Snt^nn »ie ein @ef(^enf netlte^en weiben, eä ift bnt(^ eigene
anftreugung gu erringen unb in fortbaucrnber Äraftaufbietung
gn behaupten. 9fie mirb eS gu einer @ad^e ruhigen 93eft^ed,
mit @infleDung brr Si^fitigfeit mü§te eS fofort erlSfc^en. aber
menn bad @Iüd atö Sßerf nnb bed flRenfc^en ber
greift bebatf, eö ift baö feine grei^eit, welche fid) SRatur unb
@ef(^id entgegenfe^te, fonbern aufi ben .^änben biefer nimmt
baa SBirfen be8 ?Kenf(^en ben gaben auf; ni(^t nur auaftattuug
bea ^anbelna, nid)t nur cemünftige Umgebung, au^ bie geiftige
Segabung, bie urf))rüngli(^e fRid^tung auf baa @ute mu| ber
SJlenfc^ empfangen unb banfbar aia (^abe bea @efd)icfea uer«
e^ren. <Bo lebt unb wirft er in großem Sufammen^ängen,
ohne ba^ biefelben feine grei^eit erbrüden foDen.
9Ran ^at in neuerer Seit bie et^ifd^en ©pfteme in fold^c
ber Jugenb unb ber guft einget^eilt. @8 märe fr^mer, bie
oriftotelifc^e 8e^re ben einen ober anbern gugurec^nen, wenn«
fd)on bie Stugenb offenbar bie erfte @teQe einnimmt, aber ea
finb beim 8eben 9iealge^alt unb fubjeftioe ©mpfinbung weniger
fi^roff gefd^iebeu aia bei ben Steuern. 3Jlit aller ©nergie fteHt
ft^ ariftotelea ben SSerä^ltem ber 8uft entgegen. JDiefelbe er«
fd^eint if>m aia unerlä§Iid^er Seftanbt^eil be8 @Iüd8, al8
etwaa, nad^ bem oon 9fatur aQe8 ftrebt. aud^ für bie ^l^ätig«
feit felber ift bie 8uft wect^ood, .nid^t nur inbem fie una angeigt,
ba^ eine 4)anblung un8 gang unb gar erfülle, — benn erft
wenn wir etwaa mit 8uft unb Siebe t^un, ift ea ooQig fieser, ba^
bie 2^at aua unferem gangen SSefen ^eroorge^t, — fonbern aud)
bur(^ fac^lid^e gorberung beö ©trebena. 2)enn fie wirft an«
tegenb unb fd^ärfenb auf baa .Raubein unb fü^rt ea baburd^
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jeinet SSoHenbung nä^er. @o »ert^eibigt Slriftoteleö bie 8ujt»
Slbet e0 ift ein eigent^ümlid^er ®inn, in bem et fie »ett^eibigt.
@t wiQ nid^t eine 8uft, bie ji(^ non bet S^ätigleit ablöfle unb
in fteijd|iDebenbet @]tijten}, o^ne aOe Sejie^ung auf einen
Snbalt genofjen »etben fönnte, fonbetn et fd^ä^t fie, fofetn fie
in enget SSetbinbung mit »etnunftetfülltem SBitfen unb ©Raffen
fte^t. 9Bie auf ein Utnbänomen bet 9latut beiuft et ficb
auf bie St^atja^e, bag S^ätigleit al8 Entfaltung beS ^efenS
unmittelbat fteubige Er^5I)ung beS gebend mit fi(b btingt; et
etacbtet al0 ö^te Suft nut fold^e aud bet S^ätigleit ^etnot«
quellenbe ©teigetung be8 8eben8gefü^Ie0. ©te^t bie ©a(^e
bet 9ltt, jo ttüt bie 8uft bet ^anblung nid^t oon au§en wie
eine ^tämie ^in3u, jonbetn fie gebött unmittelbat jum geben
befl fOlenj^en unb fann un8 nic^t butcb SBiHfüt entzogen »etben.
gernet ift bei jolc^et Slnjdbauung Sltt unb @tab bet 8ujt oer»
j^ieben nach bet S^b^tigfeit: je mettbooDet unb bebeutenbet bet
©ebalt be8 8eben8, befto eblet unb grölet bie guft. 2)a8 @lu(f
be8 Süebtigen ift ein anbete8 al8 ba8 be8 gemeinen, be8
.Saftigen al8 ba8 be8 ©dbmaeben. UebetaQ mitb jomit fReaU
gebalt unb 8eben8empfinbung unttennbat in einen ?)t03e§ oet»
j^lungen; guft unb Jugenb lajjen fidb in bet JböitflWt ni(bt
gegen einanbet abfonbetn.
SBenn in allen biejen fünften jpätete ©egenffi^e noch un*
gejcbieben jujammengeben, fo märe e8 unoetftänbig, Stiftotele8
be8megen ju tabeln, meil et JDinge nidbt fab, bie noch ni^t in
bem »ifjenjcbaftli^en @efi(bt8ftei8 bet fUlenjcbbeit lagen, @egen=
jä^e no(b ni(bt in bet ©dbärfe erfannte, melcbe erft »eitere
Eifabtung be8 9Jlenjcbengef(ble(bt8 betau8geftellt bai- Slbet
anberetjeitS ift bie SKitmitfung eine8 inbioibuellen gactor8
unoetfennbar. ®8 ift ariftotelijdbe SBeije, bie Sebanblung bet
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Probleme innet^alb ber ®renjen beS unmittelbaT votliegenben
3Beltge|^e^en6 ju galten, etwaige ©(^wterigteiten (iebet auf ft(^
berufen ju laffen, alS ju i^rei 8ö|ung in Siefen ^inabjufteigen,
bie fi(^ i^nt lebiglid^ ald bunfie '^bgtünbe batftedten.
Äe^ien wir nunmehr jum Problem ber greunbfcbaft gurüdt,
um ber Btage na^ intern Söett^ uub i^rer S3ebeutung nou bet
gewonnenen ©runblage auS nä^er gu treten. Slugenfdbeinlii^
ift ber Sufammen^ang oon greunbfcbaft unb @lücf. SDenn baS
@Iücf war begrünbet in ber S^dtigfeit, greunbfc^aft beruht auf
©emeinfamfeit ber S^ätigfeit, eb wirb fi(^ ba^er ber ÜBert^
ber Sreunbfd^aft barnatb bemeffen, welche SSebeutung bie ®e<
meinf(^aft für bie S^ätigfeit bat. 5Run bebarf e8 bei fo ad»
gemeiner Saffung beß Problems für 2lriftoteIe9 feiner ©eweiö*
fübrung, ba§ adeß oernunfterfüdte SBirfen unb @^affen S3er»
binbung ber Ärofte »erlange, ba§ ber 9Kenf(b nur in ber @e»
meinfcbaft bie Aufgabe feineß SBefenß »odenben lönne. SBo fo
»iel barauf anfommt, ba§ baß innere ftcb in umfebt, fo
entfcbieben bebouptet wirb, bab erft vom ^anbeln auß ficb bie
©efinnung bilbet, ba wirb ber (Singeine nie für ficb, fonbern nur
mit anberen baß Bebenßgiel gu erreichen vermögen. IBebarrenb
unb baß innere erfcbliebenb aber wirb bie ©emeinfcbaft erft
in ber greunbfcbaft, barum wirb ficb ©influb bet greunb»
fcbaft übet ade 8ebenß»erbültniffe außbreiten, an jeber @tede
wirb fie bie IBerbinbung fräftigen unb »erinnerlidben. @elbft
bie Staaten fcbeint Sreunbfcbaft gufammengubalten unb für
fie nocb mehr gu bebeuten alß bie ©erecbtigfeit. @ß ift aber
für bie IDurcbfübrung biejeß @ebanfenß befonbetß wi^tig, ba§
bet Sriftoteleß auf aden (Gebieten bie ©efübißerregung an bie
IBegiebung auf beftimmte ^erfonen gebunben erfcbeint. @ß
löfen ficb ni^t Familie, Staat, dRenfcbb^H alß abftrafte ©röben
XU. 4i2. 2 (742)
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von i^ies ©liebetn ab, um al8 fold^e eine äBirfunq an^l auf
bad 3nnete 3U üben, fonbern tvaS gefd^te^t, baS bettegt in
ben , fteilid^ objeftin gebunbenen SSetl^ältniffen unb ©efinnungen
non 9)2enf(^ gu 3Renf(^. 93on ba^et ertieQt aud^, ttte bie
^eunbfd^aft im engeten «Sinne, bie Bebend« unb @emüt^d«
nerbinbung gttifc^en einigen ttenigen ^etfonen, S3orbiIb aHer
Regierungen im menfdrii(Ten IDafein gu ttetben nermag.
Stagen ttit nun rneiter, ttorin fidT bie eingigartige ^ocT«
f^ä^ung biefer Sreunbf^aft begrünbet. <Die StidTtung bet Re«
antttortung ttirb nomermlicr babutdT angebeutet, ba§ Slriftoteled
bie SteunbfdTaft ald eine @rtteiterung bed Selbfi betradTtet,
ald eine Sudbernung bed 3dr, nicTt ald ein üfufgeben, eine
@infdrtänlung beffelben. @t fcTeint ben anbetn |>rilofopren
notan ben Sreunb guerft ald anbered Selbft begeid^net gu
raben, er r«i öfter unb mit 9ta(Tbru(f get^an, ald ttotle
et gu netfteren geben, ba§ ed fidT ni^t um eine bloge SRebe«
ttenbung ronbele. lSu(r gie^t et aQed (Srnfted bie 6onfequeng,
bie Biebe gum Sreunbe auf bie Siebe gu fi^ {elber gurücf«
gufürten; er beraubtet, bag bie ®efinnung, mel^e ttit gu und
felbft in bet SreunbfcTaft auf ben anbern audgebernt
tterbe. liegen jolcTe SlnficTt fofort auftaudTenbe Rebenfen
gttingen aber gu einer genaueren IHudeinanberferung. Slriftoteled
fann Steunbfd(|aft ni^t auf Selbftliebe gurücffürren o^ne in beiben
einen gemeinfamen ^em aufgutteifen, er fann jene nid^t fdTä^en
o^ne biefe ald bere^tigt bargutrun. IDürfen, ja foOen ttit
unfer Selbft lieben? @d fommt, fo meint ber
borauf an, mad unter bem Selbft unb bem SBitfen für baffelbe
nerftanben ttirb. Rebeutet ed eine ^n^aufung non Effecten
unb Beibenfcraften unb erjagt man biefen gu Biebe bie äuleten
®üter, um tteld^e bie ORenfcTen ftreiten, ttie finnlicTe Buft,
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@elb unb Snfe^en, unter rüdffi^MIofer Surüdfbrängung anbete ,
fo »erffiUt {old^e @eIbftUebe geregtem !^bel. tSber fo
ftd^ »einunfterffinteS Seben über 8eben nad^ Seibenfd^aft
ergebt, fo fte^t ein »a^reS ©elbft übet jenem falf(ben.
iDem 9>^i(ofop]^en gilt alS baS toaste Selbft beS fbtenfd^en
bie ^5^e feines SBefenS, baS tHuSjeit^nenbe feinet 92atut, bie
SSetnunft in i^m. @t benft ba^et bei bet SSe^ufjtung beS
Selbft nid^t an etmaS, baS bie ^enfd^en gegen einanbet
abf^lie§t, fonbetn an baS, ua8 fie einanbet oetbinbet. SSenn
batnad^ unfet ©elbft lieben ^eifit bie SSetnunft in und lieben,
unfet ©elbft fteigetn bie SSetnunft in unS füeigetn, fo mn§
Selbftliebe al8 f)fli(bt etf (feinen; getabe bet @ble alS einet
bet ben meiften @tunb ^at, fic^ feines SBefenS ju freuen, mitb
foId^eS fangen an feinem Selbft betunben. @in SBitlen auS
biefet ©elbftliebe lann nie in ©egenfa^ gu ben Snteteffen an»
betet treten, eben inbem bet fDienfdb non i^t auS ftäftig für
SSernunftgmecfe ^anbelt, mitb et bie anbern am meiften fötbetn.
9iut infofetn mö^te et etmaS oor i^nen ootauS ^aben, als et
fid^ im (Sblen notanftellt, fid^ baS S^metfie ootbe^ält. 2)ieS
beifet miebetum nitbt, ba§ er alles SBitfen an fi^ tei§t, oiel»
mebt fann unb mitb baS ^öbere oft in bem Suräcltreten, ja
in bet Slufobferung feinet felbft Hegen. SBenn aber bet ®ble
fein geben bem SSatetlanbe batbtingt, menn er bem gteunbe
nicht nur einen Sonang in Gütern unb fonbetn au^
im .^anbeln gugeftebt, fo b^t et nur fcbeinbat fein Selbft auf»
gegeben : benn inbem et gto^e ^bot^n f^ä^t als fein geben,
inbem et bet Urbebet beS ®lüdeS anberet mitb, bat et bie SSernnnft
in fidb, fein ibealeS Selbft nidbt geminbett, fonbetn gefteigcrt.
fDUt biefet edbten Selbftliebe geigt ficb nun in bet
5£bat bie ^reunbeSliebe nabe oermanbt. 9Ran »erlangt,
2* (7S1)
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ba| bet gteunb ben anbern feinet felbft wiCfen Hebe, abet wo
bejeigen wtt eine berartige unnermittelte 8iebe utfptänglid^et
unb häftiget a(8 im 93et^Itni§ jum 3n^alt beS eigenen Bebend«
heifed, ju und felbft? SDie greunbfd^aft beruht auf bet @e«
meinfci^aft; mit wem abet fielen wit in tnnigetet @)emeinfdbaft
old mit und felbft? <So fc^eint adetbingd bod eigene 3d>, fo«
fetn ed einen Snbalt gewinnt unb fid^ felbet benfenb etlebt,
ni^t nüt ®egenftanb non Biebe unb Breunbfcbaft 3U werben,
fonbern non biefem Soben aud fd^eint fi(b ^reunbf^aft ju
onbern ju entwideln; bet dJtenfdb trägt in i^t übet ft(b
felbft ^inoud, wad et gunöcbft in fidfj erleben mu§. 3ut Unter«
ftü^ung biefer Sluffaffung beruft ftdb bet ?)^ilDfop^ getu auf
bie SSolfdmeinuug, weldbc befouberd ^erncrtogenbe greunbfd^aftd«
bünbniffe burdb bad Bob audgeic^net, man liebe ben anbern wie
ftdb felbft. 35iefer 0a$ erhält bei i^m einen ftrengeren unb
eigentlicben ©inn. fdbeint ed, ald ob wit ben greunb in
SBabt^eit in unfet geiftiged ©ein aufnebmen. !Denn wenn
unfer SSefen liegt, wo unfere Sb^Hgfeit, fo mug Sludbebnung
e^tet ^b^Hgfeit ben .^eid unfeted ©eind getabe^u erweitern.
@ine berartige ^udbebnung erfolgt aber im Beben unb SBitfen
mit bem Wteunbe; habet wirb et ein ©tüd unfeted SBefend,
wit lieben in ibm unfet eigened ®ut, und felbft.
?Run würbe bie ^age eintreten, wad bet SRenfdb but^ fol(bc
@tweiterung feined ©elbft, but^ IBe^iebung feined Bebend auf
ein gweited 3^ gewinne. IDiefen Gewinn b»(b angufiblagen mug
Slriftoteled um fo bereiter fein, old an leinet onbern ©teile feiner
SBeltanf^auung fidb bad menfcblid)e Beben fo febt ald ganged et«
f^liegt. @t lennt lein eigentlicbed @)emütbdoerbältnig gut äßelt
unb 0f|atut, nodb eind gut @ottbeit, audb bei ben menfcblicben
Sufammenbängen faben wit bie 3nnerlicbfeit fi^ nur im S3et«
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^ältni§ Bcn ^etfon ju yetjon auöbilben. ®a^et bürfen »Ir
fagen, ba§ in bei eigentli^en ^reunbf^aft etuad fc^Iec^teibingS
unoergletcblt^eb nörgele, ^iet ift bie eingige @tätte, an bei jtdb
ä3f3ie^ung tnen{d^licben 3)afeind »om fangen gum Orangen
bilbet, wo eine reine Innenwelt fic(> gu entwideln unb gu be«
feftigen vermag. SBenn wir bamad^ erwägen, wie viel bie
$reunb{(baft für iSriftoteleS im @runbe bebeutet, fo mu| eö und
befremben, bie SUert^fc^ä^ung nur an eingelnen fünften unb
auch ^ier giemlid^ jd^werfäQtg entwidelt gu finben. SBir fe^en
genug von bem Slbel unb bcr Jiefe ariftotelifd^er ©mpfinbung,
um und feinet ^lunbauffaffung gu veigewiffern, aber eine grope
Sude in ber üludfü^rung ift nid)t gu verfennen. 3uw Sl^eil
entfprang biefer 3)langel fid^crlit^ ber 3eitlage, weld)e ben 9lud»
brud reinen G^emüt^dlebend nic^t fo leidet machte wie f))äteie
@pod^en; aber auc^ tfi inbivibuelle Ülrt bed
nitbt äuget €pie(. 33ieIIei^t bat ign bie @(beu vor adern
Wad unbegrengt unb geftaltlod, von näberem hingegen auf ben
©egenftanb abgebalten; jebenfadd ift ed igm nitbt in bet
f^nffendfräftigen SBeife ^lato’d gelungen, bad wad bie innetfte
^iefe bed Sehend bewegte, aud bem ©cbattenreidb in bad ©ebiet
bed Sicbtd unb Sehend gu fübren. SBir finben in ber 9lud*
einanberfegung gerftüdelt, wad ber Einlage nadb nur ald ©anged
gemeint fein lonnte.
©d finb aber vomebmlidb folgenbe ©rwägungen, burdb
weldge Slriftoteled bie .^oibfcbä^ung ber greunbfcbaft in feinem
©tnne redbtfertigt. JDamit ficb ber SKenfcb fcined Sehend unb
SBirfend erfreue, mug et ed ftdb gum Sewugtfein bringen, ed
benfenb erfaffen; babut^ erft wirb ed im bötbften ®inne fein
eigen, .^iet bringt aber bie greunbfcgaft eine groge Steigerung.
JDad Sgun bed ^reunbed trieben wir wie ein eigened, aber wir
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vermögen tS beutli^er gu fci^auen, lei^lter gu »«gegenwärtigen,
als bad wae wir felbft t^un. Snn« erweitert freunbfd^aftlic^e
SSerbinbung ben ^eid b« 5l^ätigfeit, benn überaus »iel »««
mögen wir im SSer^ältni^ gum Sreunbe unb nur in biefem
ißer^ältni^ gu wirfen. $ür ft(i> allein würbe man nic^t in
fortwä^renber iSnfpannung beS ^anbelnS bleiben lönnen, mit
bem Sreunbe unb in ^infiii^t auf t^n ift eS e^er möglid^. 91u(b
erfährt baS für .^anbeln unb ©lüd wefentU(b{te, bte Süc^tigleit,
ni(^t g«inge Sörbeiung; im Bufammenleben, in ber SSerbinbung
b« SBerfe unb ©emüt^er wirb bie 2Ra(^t beS ©uten gehoben;
»or Errungen fönnen bie ^eunbe einanb« ft^ü^en, ©bleS non
einanb« anne^men.
SBie »iel aber bie Sreunbfc^aft in allen biefen Regierungen
bem ©ingelnen fein fönne, baS r^nst rau))tfä4|liir von fein«
eigenen Ref^affenreit ab; wir fönnten fagen: baS «jte ©elbft
entfcbeibet barüber, waS burcT baS gweite gu gewinnen ift.
2Ber im redeten ©inne $reunb werben wiQ, mug felbft liebend*
wertr fein, mit ficT felbft in ^rieben leben, in »ernünftigem
{)anbeln ReranlicTteit, an SBirlen unb ©(Taffen S<^eube T^ben.
IDieS aQeS aber oetmag nur ber £ü(Ttige. SBec bagegen in
feinem 3nnem gefpalten ift, wer auS 2eibenf<Taft ober SrägTeit
nicTt auSfü^rt, waS « für baS Refte eiacTtet, babei in feinen
©ntfcTlüffen fortwäTrenb umf(Tlägt, ober wer gar wie bie
©^le^ten oon peinigenben ©rinnerungen unb böfen ©rwartungen
gequält wirb, ber fann ebenfowenig ^reube an ficT felbft Taben,
fidT felber ein §reunb fein wie ben anbern ein ^eunb werben.
21uf ©runb fol(T enger Rerbinbung b« $reunbf^aft mit
uvb äCBefen beS SRenf^en weiT ^riftoteleS man(Te
SebenSetfdTeinungen einfacT gu etllären, bie oft als auffaUenb
erörtert unb alS Beiden fcTledTter 9(rt beflagt werben. SSir
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gewahren in bem ^Teunbfc^aftjon^<ni^ bui^gfingig bie ®e>
benben eifriget unb beftänbiger als bie @m)>fangenben , biefe
{(feinen iaf(b unb gern gu mge{|en, jene baS ®et^ane immer
wteber fid^ unb ben anbem norgn^alten. ®elbfi im !93er^ältni^
ber @ltern unb ^inber geigt ftd^ baS, jene t>flegen in bet Siebe
weit voraus gu fein. @oQen mir barauS eine Snflage gegen
bie menjd^Iic^e 9iatur entnehmen? 3ft etma jene (Srjdheinung
fo gu erflären, ba§ jeber eben nur feinem IBortheil na(hgel|t,
nadh Srt eineS ®^ulbverhältniffeS, mo ber ©laubiger ein eigen«
nü^igeS Sntereffe an bem Wohlergehen beS @^ulbnerS h«ir
mährenb biefet ber tßerpflidhtung gern entlebigt fein mSdhte unb
baher ben ©Idubiger fortmünf^t? SlriftoteleS giebt bereitmiQig
gu, ba§ bie ÜJtenge lei^t vergibt, ba^ ber 5Durchf(hnittSmenf<h
©Utes lieber empfängt alS ermeift, aber biefet 2)ur<hfdhnittSmenf(h
bebeutet ihm nicht ohne Weiteres bie lüienfchhctt/ bie menfdhli^e
9iatur. @S miberftrebt ihm, anoerbreitete SSorgänge fo gu et«
flären, ba§ aOeS in Saufch unb Sogen auf bie Serberbtheit
nnfereS ©efchlechtS gefchoben mirb; f^on ber SRethobe nadh
fcheint er ein fo fummarifcheS Serfahren nicht fonberlich gn
fchä^en. IDem S^hntfächlichen nach aber enegt folgenbe Wahr«
nehmung Sebenlen gegen jene IDeutung. Wir finben oft, bah
au^ abgefehen von Sortheil unb Sergeltung, in SäQen, mo
fot^e butch bie @a^lage völlig auSgefchloffen finb, baS 3ntereffe
auf ber ®eite beS ©ebenben gröber ift als auf ber beS ©mpfan«
genben. IDie Siebe bet ©Itern verminbert fich nid^t burdh baS
Semuhtfein, bah bie’,Rinber ihnen baS ermiefene ©ute nicht gu
erftatten vermögen, fie pnb gufrieben bei bem ©ebanfen, bah «ö
benf eiben mohlgeht. 9iamentli^ in ber üliutterliebe, ber auch
für SlriftoteleS höchften @tufe aufopfember SthÄtigfeit, ift Witfen
unb @orgen burchauS unabhängig von irgenb melchem ,^inblid
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auf 8o^n unb SBetgeltung. 5)ie SInalogte beS ®(%ulbBct^ältniffe8
lä§t ^iet in @o gilt e8, flcf| nat^ einer anbeten ®t*
flärung umjufe^en- JDiefelbe ergiebt fi<b aber einfach auö bet
näheren SBettacbtung bet SBitfung, wel<^e ©eben unb Empfangen
für ben 3Renf(^en unmittelbar mit fic^ bringen. 8iebe etweifen
gleid^t bem ^anbeln, iiiebe empfangen bem Seiben. SBer nun
t^ütig ift, bet fteigert fein 8eben unb SBefen; et »erhält fid^ gum
©egenftanb feines SBitfene ä^n(td) mie bet Äünftlet gu feinet
©cböpfung; mie biefen, fo fpri^t i^n au8 bem SBerfe bie SBet=
förperung feinet Sl^tigfeit an; man fann fi^ ben ©egenftanb
nidbt netgegenmärtigen, o^ne eine freubige @t^b^ung be8 8eben8
gu erfahren; batum lieben bie Huftier i^r SBerf wie bie 6ltera
ibte Äinber, unb gwat lieben fic um fo me^t, je angcfltengtet
bie aufgebotene J^ötigfeit war, benn eben burd^ 9Mübe unb
Sltbeit »ermö^ft bet ©egenftanb ihrem SBefen. ©o erflatt e8
fidh, ba| Sltutterliebe größer ift aI8 SSatetliebe. 3Ba8 aber ben
@mpfangenben anbelangt, fo gewinnt et aHetbingS äußeren
SSottheil, aber er fann na(b 9lriftotele8’ Slnfdhauung Äraft unb
©belftnn nid^t wie jener entfalten; et bleibt bähet innerlich im
Sto^theil, er fieht fich im Äem feines SBcfenS mehr hewbgefe^t
als gehoben. Serner »ergeht ba8 Slü^liche mehr ober weniger
tafdh, wahtenb bie eble Sth®* ^*8 ©ebetS beffen SBefen bauernb
angehört. 2)ahet ift eS natürlich, ba§ bem ©mpfangenben fich
©abe unb ©ebet ni^t fo gern unb oft »ergegenwärtigt wie
bem anbern, ba§ überhaupt bie ©tregung beS ©emütheS von
»etfdhiebener ©tärfe ift. Slie würbe, fo meint SlriftoteleS, ein
Äunftwerf, bem eine ©eele eingehaucht würbe, ben .fiünftlet
in bem fDiage lieben, wie eS »on ihm alS feine ©dhöpfung
geliebt wirb.
@0 wate bie fcheinbat rathfelhafte ©tfcheinung in ein«
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fad^ec äBeife erflärt, burd^ @tnorbnung in ein« aDgemeinere
wäre alS natütlid^ee ©ef^e^en begriffen, waS an*
fängli(^ als SSoiwurf gevgen bie 9)2enfd^l)eit gefe^rt würbe,
©egen ner^errenbe ,^erabfe^ung , bie in aQec 8et^ätigung nur
bercc^nenbeS Sntereffe beS Keinen 3(^ finbet, ift bie Söert^eibi»
gung mit @lücf geführt. £)b freili(^ bie ^ter gegebene Seant*
»Ortung olle ©eiten befl ©egenftanbeö erfdf>ö^)ft, ift eine
onbere grage.
S3i8 fo »eit »ar bie Unterfuc^ung bem ©efammtbegriff
bcr greunbjc^aft jugewanbt, beftanb bie Aufgabe barin, i^re
allgemeine Sefd^affen^eit aufju^eHen. Slbet ba§ Sntereffe beS
^^ilofopl^en ift bamit nic^t erfc^öpft; mit nic^t geringerer ©tdrfe
ergreift e8 bie reid^e güDe »on ©eftaltungen, »eldje bie greunb*
fd^aft t^atföc^Ud^ im Seben annimmt. SMefe SJtannigfaltigfeit
foD burd^forfc^t, bie 6igent^ümli(^feit jeber bcfonberen 8lrt feft*
geftellt, baS SSerfd^iebenartige abgegrengt unb bie ©efammt^eit
gu einem ©angen georbnet »erben, gür biefen gilt eö
bie leitenben ©ebanfen mit lÄnf(^auung unb ©rfa^rung in
Söecbfelroirfung gu fe^en unb mittelft gegenfeitiger IDurd^brin*
gung neue Slnftcbten au^ allgemeiner 9iatur gu erfdjliefeen.
.^ier gewahren »ir ben ^^ilofo^)^en im fRingen mit ber Sölenge
ber ©rfi^einungen, aber et bleibt ber guftrömenben glut^ ,^err
unb geigt fid} Ijiet ebenjo alß ?Keifter »ie ba, »o baß ©ebiet alä
©angeß bem ©ebanfen gu unterwerfen war.
3)er ©runbbegrijf, an bem bie oerfd^iebenen 3lrten
fpalten, ift immer unb immer bie 3:l)ätigfeit; »aß ^iet an
^)auptri^tungen »orliegt, baß finbet au(^ in ber greunbfc^aft
feinen Slußbrucf. ®aß SBic^tigfte beim J^anbeln ift nun für
Slriftoteleß baß 3iel, baß ©ut, baß jenem oorfc^webt; eß wirb
ba^er fo oiele ^>aui)tric^tungen bet Sl^Stigfeit unb benfelben
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entfprec^enb ^auptarten freunbfc^attUi^er SSetbinbung geben
als ftib oetfd^tebene Stele im 8eben unb Streben erfljfnen. @8
unterfcbeibet aber Slriftoteleö i^tet btei: bafl @ute, baö Sin»
genehme, baS 9lü^H(be. 2)enn e8 fuc^en bie !llienj(ben entweber
an ficb SBertbvoOeS ober @enu§btingenbe8 ober enblitb Mittel
jum Beben. 0em folgen brei ^auptarten bet $reunbf<baft.
nach bem Siele, baS bie @)emeinfcbaft erregt unb gufammen^ält,
geftaltet ti<b bie S3ef(baffen^eit ber SSerbinbung anberS, an
bem bie ST^ätigleit be^errf^enben ®ute b^ngt audb bie @e»
fmnung, welche unter ben ®enoffen waltet, .^ier wie fonft
im ®ebanfenfrei8 be8 SlriftoteleS beftimmt baS obiettioe ®e»
fd^eben ben fubjeftioen Suftanb, bie Sibat baS @efübl8leben.
3nbem ber barauf auSgebt, jene brei formen
ber ^eunbfcbaft ihrer Eigenart nadb möglicbft beutli(b gu
geiebnen, b<tt er oielleiebt gu febr al8 gefonberte @tfcbeinungen
bebanbelt, wa8 fi(b in SBirfli^feit oft untrennbar oerfcblingt
unb fafl unmerdteb in einanber übergebt, aber e8 bleibt fein
SSerbieuft unbeftreitbar, mittelft energiftber Slufleinanberbaltung
unb confequenter 2)ur(bfübrung einiger ^auptt^pen ben leiebt
verworren bleibenben @egenftanb in b»bctn ©rabe geflürt gu
haben. SEBenn bi<t übrigenö SlngenebmeS unb 9tübli(beS al8
@egenfa| gum ®uten erfebeinen, io finb fie barum ni^t fdbled^t*
bin verworfen. 3ebe8 von ihnen enthält ein untergeorbneteS
®ute, etwas ber häcbften BebenSaufgabe 2)ienli(be8; barin allein
liegt bie IBerTehrung, ba§ ein von 9tatur als fDtittel ober be>
gleitenbe Solge SlngelegteS bur<b ben URenfcben gur .^auptfacbe
erhoben, unb ba§ von ihm als Selbftgwed in'S @nblofe erfhebt
wirb, waS in Wahrheit 9Kah unb Siel an bem @uten h«t. —
Snbem in ,^{nfi(bt auf biefe Unterf^iebe ber ^hili’ffph feinen
IBlicf bem wirflicben Beben guwenbet, erfennt er bie überwiegenbe
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bet SRenfci^en, bie SJlenge, aU ben niebeTcn 3idra
jugeuenbet; aber er wiQ barüber nicht »ergeflen, ba| eine, wenn
auch Hein« SJlinberjahl bem ©uten feft onhöngt- ©affelbe be»
3eigt fi^ auch i» nuferem j^teife ald f£Racht; nicht barin liegt
ber SRihftanb, bag unfere 9latur feiner überhaupt unfähig fet,
fonbem bann, bag ei [ich fo feiten unter unS oerwirflicht finbet.
9ber biefe Seltenheit ber SSerwirtlichung vermag nicht feine
leitenbe Stellung 3u erfchüttem. 0aS ©ute giebt ald bab 9ior*
male ben SRagftab für bte Seurtgeilung aller 8eben8verhältniffe,
bie wenigen Sättigen vertreten gegenüber ber fo viel gahl'
reicheren SRenge bie SBahrheit ber 9latur. So belunbet fich
ein fräftiger ethifcher 3beali8mu8, ben ber SBiberfpruch ber @r>
fcheinung in feinen Ueber3eugnngen ni^t im URinbeften beint.
@8 3eigt fiep aber auch eine eigenthümliche Spaltung be8
HJtenfchengefchlechtS. 33or ben ©ebanfen an bie gemeinfame
Sefchaffenheit aller [teilt fidh hi^^ Unterf^iebeS nach
tüchtig unb gering, nach ^bel unb gemein. 9Mcht barin, bag
biefe Unterfchiebe überhaupt gemacht, wohl aber barin, bag fie
al8 legte aufre^t gehalten, bag fie nicht burch einen allgemeinern
©ebanfen überwunben werben, erblidfen wir etwaä im huh^u
©rabe ©igenthümlicheS. @8 bleibt charafteriftifch, bag in biefen
legten fragen auch berfenige antife ^h<l‘’fuph bte ^enfehheit burch
eine tiefe ^luft gefchieben fein lägt, welcher auf politifchem
©ebiet ber IDemofratie mehr al8 bie meiften onbeten Vertrauen
unb Spmpatgie entgegenbrachte.
Sluch bie f^reunbfehaft fann ihr SBefen unb ihre Jiefe nur
ba eneichen, wo ba8 Streben nach bem ©uten bie SSerbinbung
begrünbet unb burchbringt, nur hier trifft völlig 3U, wa8 vorher
über ihren ©ehalt unb SBerth allgemein bemerft würbe. 9tur
hier wirb ber gan3e Umfang beS 8eben8 gemeinfam; e8 wirb
(7J9)
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ber 9nen{(^ nid^t »egen eingelner brau^barei (Sigenjd^aften
ober 8eiftungeir, fonbetn für fic^, feinet ®emfit^0art, bem Äem
feines SBefenS mit) gefd^fi^t, eS ȟnf(^t ^iet bei eine bem an>
bem uneigennü^ig baS @ute, ^iet finbet fid^ ^eftigleit, ja Un>
»anbelbarfeit ber ©eftnnung. 3m »itflid^en 8eben finb bet*
artige Sünbniffe feiten unb um ju reifen beburfen fie bet Seit unb
@ifa^mng, ber blo^e SBiQe ^eunb gu fein genügt feineSmegS.
ülnberS fte^t e8 in allen biefen fünften mit ben nieberen Srten
ber IBerbinbung. Unleugbar ift fteilid) audf> ^iei eine getoiffe
©emeinf^aft. 9Renfd)en, beten ©inn auf bie fUJittel be0
8eben8, ccrne^mlic^ ©elb unb ©ut, gerid^tet ift, mögen ft(^ an
einanber anfd^Iie^en, um mit oereinten Säften me^r gu erteilen
ol8 jeber für fi^; au(^ in 8nft unb ©enu§ fann o^ne Sveifel
butc^ SSerbinbung mehrerer ein jeber er^ebli^en 3u»a(^8 er*
galten, inbem ber eine bem anbern burc^ UmgangSmeife ober
befonbete geiftungen ©rgö^ung bereitet. SHerbingS ift ba8, ma8
ficb l^ier an ©emeinf^aft auSbilbet, recht äu^erli^, aber fSri*
ftoteleS möchte ihm bod> ben fliamen ber greunbfchaft ni^t ab»
fprethen. JDenn immerhin entfteht eine Slrt SSereinigung auch
ber ©emüthei, bie ber ächten ^reunbfchaft einigermaßen »er*
wanbt ift, ba8 JBilb bet höh”«” 8orm ift bei ben nieberen
gegenwärtig, unb enblich fann im Saufe ber Seit ba8 äußerlich
begonnene innerlidher »erben. ^riftoteleS »iQ hier »ie an an*
beten ©teilen gurücfbleibenbe unb abweid^enbe ©eftaltungen
lieber in Sufammenhang mit ber normalen gorm halten aI8 fte
baoon »öDig loSreißen unb ihr fchroff entgegenfeßen, liebet für
eine SIbart be8 [Rechten gelten laffen al8 wie ein feinbli^eS
»erwetfen.
©cidhei principieUen ©chäßung entfpricht auch fein that*
fächlidheS Verfahren, infofern er gern bei bet ©igenthümlidhfeit
(760)
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bet nfeberen gönnen mit feinet Setrac^tung »etweilt. SBei§
et bod), ba| fie t^atjä(^Ii^ in mannigfacher SSetjmeigung
übet baS ganje Seben auSbreiten, ba8 Slbotfächliche aber, au^
wenn eB nid^t mehr ift alS baS iDurdhfchnittU^e bet gewöhn«
li^en Sebenöfühtung, flnbet bei ihm ftetö ein tegeS Sntereffe
unb einen ftcheten iblicf. (SB waltet aber augenfcheinli^ gwi«
fdhen ben SBetbinbungcn bet 8uft unb beS 5Rufeen8 ein gewiffet
©egenfa^: bie 8uft am gteunbe brangt gum Sufammenfein, ba«
mit man fich genießen fönne, bem 9(nhänger beS 92uhen8 ift
petfönliche SBcrühtung gleichgültig; bie luftooHe gteunbfchaft
mag al8 ein flüchtiges unb flattethaftcS rajchem SEBcdhfel unter»
liegen; fo lange pe anhält, ift pe frei oon »erbrie§Iichem 3anf,
ba fie ja auf gegenfeitigem Gefallen beruht unb eö jeben ISugen«
blicf freifteht bie SSetbinbung gu löfen; bie nüp^e mag in
fefteren SSerhältnipen begrünbet fein, aber al8 eine ihrer 9latur
ttad) auf ^Rechnen unb Slbwägen angelegte @ienopenfchaft pnbet
fie fteten 9lnla§ gum ^aber; ein jeber möchte mehr empfangen
al8 leiften, jeber ift geneigt pch für beuadhtheillgt gu halten.
3cne luftooHe 3lrt ber SSerbinbung hat etwas Unmittelbares,
Unbebautes, SiücfhaltlofeS, hierher gehört baS, waS pch im
tägli^en Seben als Biebe begeichnet; bie anbere bagegen hat ben
©haraftergug beS SBorpehtigen, Ueberlegcnben, fRüchternen; baher
ift jene ber in ©egenwart unb ©efiihlSerregung lebenben Sugenb,
biefe bem »orforgenben unb nachbenflichen ©reifenoltergufagenber.
Sei etwaiger fSbfehä^ung wäre bie auf 8uft beruhenbe greunb»
fchap für ebler gu erachten unb bet echten greunbfehaft nähet
gu peQen. 25enn wie bie 8uft als ©elbftgwccf, nicht als PRittel
erftrebt wirb, fo wirb hier ber greunb, wenn auch ni^hi feines
SBefenS halber, fo hoch hinp^tlich feiner äußeren 19rt, in Um»
gang unb Serfehr, feiner felbft willen gefucht.
(761)
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30
3a e8 fann fogar ber ©i^ein einer na^en 35erwanbtf(i&aft,
bie ©efa^r einet 5Bermengung mit bet wogten greunbf(^aft
eintteten, infofetn aud^ biefe bet 8u^ nicl^t entbehren lann.
IDenn o^ne unmittelbare Steube am Sufammenfein netmag fie
ni(bt 3U hefteten. iSbet 2tt>ifc^en gufl unb 8uft ift ^tet unb
bort ein gewaltiger ttnterft^ieb. Sei bet wagten ^eunbfdbaft
begrünbet ficb bie gteube an einanbet in bem @e^It bet ge«
meinfamen 8eben8f^ätig!eit, in bet Uebereinftimmung bet @^a>
raftete; bei bet nieberen gotm bagegen haftet bie 8u|t an 3“=
füDigem unb Seu^etem; bott gefeilt fie ft(^ al8 begleitenbe Solge
bet Bereinigung be8 SBitlenö unb ^anbelnS gn, ^iet tritt fte
al8 Selbftgtnedf auf. 9ta(b au^en aber betunbet fi(^ bet Unter«
f^ieb batin, ba^ Bet^ältniffe blo§en @efaQen8 unter nielen,
Steunbfdbaft al8 8eben8neteinigung nur gwifd^en fe^i wenigen
ftatt^aben lann.
IDemnacb untetfc^eiben fi(^ bem SBefen mä) bie netfc^iebenen
iSrten ber Sreunbf^aft aufS @r^eblid^fte. äibet ba immerhin
eine gewiffe SInalogie bleibt unb ba na^ äugen ^iu fic^ bad
Betf(^iebenartige oft o^nlidg barftellt, fo lann in ber Seut%ilung
leicht eine Betmengung bed Betfd^iebenattigen eintreten; eine
folc^e aber mug in ben Begießungen ber SRenf^en »iel Streit
unb Snung ßerwortufen. Sft c8 bod^ bet <g>auptgtunb bet 3«=
wütfniffe, bog bie SKenf^en ficß nid^t in bem Sinne in SBaßt«
ßeitgteunbe ftnb al8 fte felber e8 wäßncn, bag jebet fi^, feine
©efinnungen unb 8eiftungen ebenfo gu überflögen wie bie be8
anbern gu unterf(ßögen geneigt ift. 2)et @runb biefet 3;öuf(ßung
liegt not aDem barin, bag wir un8 felbet na^ einem
anbetn SRagftabe meffen al8 bie anbern. Bei un8 ftnb wir
geneigt bie Slbfidßt für bie Sßat gu geben, un8 non eblen
3wedten geleitet gu galten, wo un8, wenn ftßon »erborgen, in
(76S)
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31
SSa^T^eit bet 91u$en angog. bie Seiftung erfährt eine
»etjcl^tebene @d^ä^ung, inbem ber ^anbelnbe aDeS äBoIIen, alle
aufgebotene, »ennfebon ni^it gum @tfolge gelangte Äraft ein«
red^net, bet (Smpfangenbe abet nur baS in S^at Umgefe^te
iDÜibigt, unb au(^ biefeS nic^t nad^ bem, wad ed bem anbetn
an ORü^e unb 9tbeit loftete, fonbern nad) bet Sorberung, bie
ti i^m felber tbatfäd^Iid^ gebracht bot. @o gefd^iebt eS, ba§
jeber fid) für ben befferen §teunb, füt ben Sertreter ber etbten
Sreunbfcbaft , ben anbern aber al6 minber eifrig, als minbet
ebel eraebtet, fa ibn überbauet nidbt alä ^eunb im redbten
@tnne gelten la^t. Slber fo Diel an Unliebfamem bist Dorgeben
mag, unb fo mentg bie nieberen Stufen ben ^orbemngen ber
Ißernunft entfbrecben, auch ihnen gegenüber feben wir ben
ni^t fomobl batauf bebadbt, ricbterlicb abguurtbeilen,
als fie ihrer ©igentbümlicbfeit nach gu oerfteben unb audb-in
entarteten ©eftaltungen einen Sufammenbang mit bem 3beal«
begriffe feftgubalten. 3n folcbem Streben unterftü^t ihn bie
Uebetgeugung, ba§ auch in ben IRieberen, ja ben Sdbleibten baS
Don 9tatur allen innewobnenbe @ute nicht oöQig erlofdben fei,
unb bab e8 bie ©ingelnen über fi^ felbft binouSbebe. aHe
Strungen ber Snbioibuen erf^üttem ihn nicht in feinem ©lauben
an bie menfdbliche IRatur. So auch bei bet greunbfchaft. ©egen«
über allem SJiibfäQigen beS täglichen £ebenS fcheint ihm bie Sreube
an ber ©efammttbatfachc bet greunbfchaft burchgufchlagen , bie
greube baran, ba§ bie OJlenfchen fidb überbauet uerbinben, ba§ in
allen medbfelfeitigenlBegiebungenbaS Streben nach einer perfönlichen
©eftaltung, einer Snnenmenbung beS S^erbaltniffeS mächtig mirb.
3u biefer Unterfcheibung ber greunbfchaft nach Siel
unb ©efinnung gefeiten ftch meitere Don anbetn ©efichtS«
puniten au8. fReue Stanborte ber 93etrachtung gemähten neue
(783)
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32
Surdjblide unb ent^üOen neue ©eiten am ©onjen. @o be«
^anbelt SHriftoteleä ben Untetfcbieb al8 einen butc^gceifenben,
ob bie §ceunbf(^aft 3mif^en @(et(^gefteOten ober ob fte jmifc^en
Ungleichen ftattfinbe. 3>abei ift ed in (^rabe bemerfend«
»erth, ba§ er alS normale ©eftalt ber greunbfchaft bie Ser>
binbung ©leicher betrautet; audb unter ben SSerfchiebenen
mu§ irgenb melche ISuSgleichung h^rgeftellt werben, wenn
fie [ich 3u bauember Sreunbfchaft oerbinben follen. S)ad
flliehr auf ber ©eite beg einen mu§ bur^ irgenb melcheg fOiehr
auf ber beg anbem anfgetoogen werben. Unter ben mannigfachen
hier entftehenben fragen ift oon befonberem Sntereffe bie, wie
weit bie SSerfchiebenheit gehen bürfe, um überhaupt noch eine
freunbfchaftli^e SSerbinbung jujulaffen. Tiatürlid) ift eine enge
^Bereinigung überall ba auSgefchloffen, wo getabe ©egenfähe
»orliegen, wie gwifchen ©blem unb ©emeinem, aber eö lann
auch unter SBefenöoerwanbten ber Slbftanb fo grofe werben, bafe
eine Sebenggemeinfehaft ftch nicht gu hüben uermag. ©inen ber^’
artigen, eigentliche Sreunbfehaft augfchlie^enben ISbftanb nimmt
Slriftoteleg jwifchen ÜJienfch unb ©ottheit au; fie erfcheinen ihm
oon einanber ju entfernt, olg bafe fich ein S3erhöltni§ ber ©leich«
heit hci^ftsHen liehe. ÜJlit biefer Slufhebung bet greunbfehaft,
b. h- «ufg ©emüthgoerhältniffeg oon ^etfon gu ^erfon, mu§
bie 0fleligion olg ein befonbereg gebenggebiet aug ber ariftotelifchen
SBeltanfchauung augfeheiben, ein eigenthümlicheg Innenleben
oetmag ft^ an ber 3bee bet ©ottheit hi^t nicht gu entwicfeln.
Slber wenn Slriftoteleg ^eunbfehaft unb perfönlicheg Seben
auf btn menfchli^en ^eig einfchröntt, fo hat er ihnen h«t bie
weitefte Slugbehnung gegeben, j^eine S3egiehung oon fDienfdh
gu SJienf^ ift baoon auggcfchloffen, ba greunbfehoft unb gteun»
begliebe fich nicht auf folche SSerbinbungen befchränft, welche
(T64)
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83
aud freier ttebereinfunft betootge^en unb fid^ burc^ fortbauemben
freien SBiDen erhalten, fonbem ebenfomo^t in ben natur«
gegebenen ©emeinfcbaften »ie gamiiie unb Staat i^ren ^ia$
flnbet. Dabei bängt überall bie Sefcbaffenbeit bcffen, »a8 bie
@injelnen innerlich erleben, an ber gigentbünili^feit beS in ge^
meinfamem äBirfen unb Schaffen tbatfä^lich @eftalteten. Die
^eunbt'chaft führt überall eine SBenbung gum f>erf6nli(hen
herbei unb benirft, ba| alle fDlannigfaltigfeit ber SebenSlagen
im @emflth Siurgel fchlügt. UebcraQ h<^^ tft eS ber 9)tenfch,
welcher bem fDIenfchen bie ^Verinnerlichung bed SebenSgehalted
»ermittelt.
Sefte Qirunbgemeinf^aften aber erblicft Slriftoteled nur in
Familie unb Staat, er fonbert nicht bie QVemeinbe aU
eine eigentl)ümliche 3n>i{(henftufe ab, er behanbelt nicht bie
Einheit bed 9Renfchenge|chle^ted al8 eine ^anbeln unb @mpfinben
beherrfchenbe 3)iacht. @3 erfcheint aber bie Familie in ^tx<=
gleichung mit bem Staate al3 von 9iatur nothwenbiger unb al3
geitlich »orangehenb; infofem ift eö im Sinne be8 ^h<iofoph«n,
wenn eine Schrift feiner Schule bie ülnfänge unb Quellen ber
greunbeSliebe, be3 Staates unb beS fRechtS in ber Familie
flnbet. aber in |)inbli(J auf bie SSernunft, ber ibealen Statur
noch ift ber Staat baß frühere, al8 bie ©emeiufchaft, welche bie
gange Snlnge unferer geijügen Statur »erwirflidht, ohne einet
©rgöngung anberdwoher gu bebürfen, wel^e aDe 3ntereffen um»
fa|t unb alle SBetbinbungen bet SJtenfchen unter ftch begreift.
Der Staat aber fann burchauS nicht ber greunbfchaft entbehren,
bie S3ürger müffen fich einanber perfonlich verbunben fein, wenn
fie n^h gv gemeinfamer Slhätigfeit einigen foüen. Diefer @e»
banfe ift fein nachträgli^er unb nebenföchlicheT, fonbern er
beherrfcht bie politifcpe @runblagen. @t
XIX. 4S3. 3 (tSi)
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34
gettä^rt j. ©. ariftoteleJ einen feften 5Ka§ftob für bie @röfee
bed Staates. 2)etfelbe baif ni(bt fo fe^r anwacbfen, ba| ftc^
bie Sürgei nic^t me^r unter einanber gu lennen nertnögen.
S)enn wenn fid) bie @tngelnen nic^t mebt ^etf5nli<b betübren,
wenn ni^t webt jeber gu einem Urtbeil übet {eben gu gelangen
nermag, fo lann baS Suiammenleben nicht »on tnneili^et liebet«
einftimmung, nicht non bet @eftnnung getragen werben, bie
bocb gu wahrer @emeinfcbaft beS .^anbelnS unb 8eben8 unent«
bebilicb ift- 3n biefem Sujammenbange rechtfertigt fich baS
SBiberftreben gegen gro§e ©emeinfd^aften. SlriftoteleS erachtet
als normalen Umfang beS Staates eine eingige Stabt mit
mäßigem ©ebiet, er beftebt barauf, ba§ ber gange StaatSforper
woblüberfebbat fei. Seine SEbewie begegnet fich wü ben
Sbalf°<hen ber griechifchen ©efchichte, fie nermag an bie über«
lommene ®eftalt ber Staaten angufnüpfen unb biefelbe als
nernünftig gu nertbeibigen , freili^ nicht ohne burch bie iibtl'’“
fot>btf^e Segrünbung einen eigentbümlichen Sinn bineingutragen.
UeberbauiJt aber geigt bie unmittelbare SSetlnüpfung ber greunb»
fchaft mit bem politifchen geben, wie anberS 31riftoteleS Staot
unb inbinibuen>perf5nlidbeS geben gu einanber [teilt als bie
9ieugeit. 3bm baS politifche ®ange baffelbe Siel wie ber
eingelne QJienfch, @lüct unb ®üter ftnb im großem unb fleinem
JtreiS einfach biefelben, baS ^anbeln foQ nach Siichtung unb Snbalt
»
hier wie bort gleichen ©efe^en folgen. IDer Staat ift feine
unperfönliche 3bee, fonbern ein lebenbig petfönliiheS äBefen; ber
StaatSgebanfe wirft nicht wie eine non ben 3Jlenf^en abgelöfte
ÜRacht, bie auS begrifflicher Slotbwenbigfeit Sorbetungen beroor«
triebe unb burchfehte, ohne [ich um baS ©rgeben ber banbelnben
Snbinibuen gu fümmern. SBenn bei SfriftotdeS baS 3nbinibuum
bem ©angen alS ©lieb eineS DrganiSmuS eingefügt wirb, wenn
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35
Ci nit^t felbet, fonbctn bem ©anjen fle^ött, fo ip mdbt ju
becgePen, ba§ ei in bem ®taate menf<^lt(b bccfönlid^ei Seben,
ben 5Kenf(i^en im ©ropen »ieberpnbet. — @inc weitete 6on»
fequenj foldfiet 93inbung aHet ©emeinfd^aft an petfdnlii^e t^at<
fä(bli^e Ü3(3ie^nng ift ei, bap bie 3bee bet 3)2enfd^^eit in bem
et^ifi^en ©pfteme bei IStipotelei feine gtope SBebentung etlangt.
SBo^l erfennt et an, ba§ bie ©emeinfamleit bet SSetnunft«
begabung ein gewi^ei Sanb 3Wif(^en ben ©injelnen ^etfteHt,
bap pe eine 9ltt non giennbfd^aft eimöglid^t, aber biefe
S^atfad^e gewinnt feine eingteifenbe SRacbt; bet ^^ilofopfi
benft nid^t batan, bie 8ebeniatbeit untet ben ©ePc^tipunft
einet gemeinfamen, im Sufammenwitfen gu löfenben Aufgabe
gu peQen unb bie ©efammtbeit bet S^ätigfeit non ba aui
eigent^ümlic^ gu gepalten; bafüt ift bei i^m bet ©ebanfe bet
SPenfc^b^t viel gu fc^atten^aft, et entbehrt viel gu fe^t fenet
jfötpeilid^feit, an weld^e ^iet aQe Sl^ätigfeit gebunben eifc^eint.
@0 bleibt bet Staat bet eigentliibe Staget bei SSetnunp»
lebeni.
SBenn abet bai Staatileben feinet fPatut nadb wedbfel«
feitige IBei^dttnipe unb ©epnnungen bet 93ürget fd^afft unb
trfigt, fo wirb ei benfelben je nad^ feinet befonberen Seft^offen»
^eit einen abweid^enben ©^arafter aufbrücfen. 9)ian fonnte
fagen, bap na(^ atiftotelif^er ÜlnP(^t bie geiftige unb pttlidpe
Ültmofppdce, welche fitb im Staat auibitbet, übet bie ©eftaltung
bet anbern ©emeinfchaften entjcpeibet. 2)emnadh iP auch
Familienleben abhängig non bem Staatileben; wai im gropen
©ebiet bet SDepentlidhfeit an ©utem unb 33ofem nörgelt, bai
ecftredt feine äBitfung bii in ben fleinen ^leii bei |)aufei.
©ine Selbpänbigfeit, ein Siecht beffelben gegen ben Staat Pept
hier überhaupt nicht in Siebe. 3a biiweilen pnbet bet
3* (7«7)
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(SefaQen baian, bte wie ein 9bbilb bed @taate(,
wie einen volitifc^en SRifrofodmud gu bemänteln. 9IIe SRannts«
faltigfeit ber ©taatäeetfaffungen fcbeint in ben einfad^en S3et>
^ältniffen ber Familie wieberjufe^ren. @r unterfcbeibet abet,
von ber StegietungSfoim audge^enb, guntid^fi iDionat^te, Srifto*
fratie nnb Slimofiatie (fpäter meift S)enioftatie genannt), ^em
Jfönigtbum entfpricbt baS normale 93er^ältm| oon ll^ater unb
®o^n, ber SIriftofratie ba6 von 3Jlann unb Stau, ber 2;tmo>
fratie ta9 bet IBrüber untereinander. &S erjdbeinen aber ancb
bte @ntfteOungen ber S3etfaffungen wieber, weldbe baraue ent«
flehen, ba^ bte IRegieienben nid^t bag SBo^l beS langen, fonbem
ibie eignen 3ntereffen oerfolgen: ^l^rannid, Dligarcbie unb
iDemofratie (fpäter gewobnlicb Dcblofratie genannt). @in 33er«
bältni^ nadb 3lrt bet SpranniS mag fitb bem ©flauen gegenüber
redbtfertigen, eine @ntartung ift e8 gwifd^en @Itern unb jfinbein;
ber 33erbtnbung ber hatten ft^Iügt bte ^riftofratie in Dligartbie
um, wenn ber 9)fann aHed an [icb reifit ober gar bie Stau,
etwa auf mitgebradbten S3efi^ geftübi» fi^b ^tenftbafl be-
mächtigt; bemofratifdb enbltcb gebt eS in ben Jpäufern gu, wo
feine ober nur eine fcbwatbe Siegterung oorbanben ift unb feber
tbut, wag ibm gerabe beliebt. IDiefe 3^araQelifirung bäuSIicbet
unb ftaatlicber IBerbältniffe ift befanntlicb für bie poUtifcbe
Jbeorie fpäter febt einflubteicb geworben; nicht wenig aSetwirrung
ift baraud erwacbfen, ba§ bie oetfcbiebenen Züchtungen bie 9lna«
logie bet Somilie unmittelbar alg aSeweiSmittel für baS Zletbt
befonberer Staatgformen oerwanbten, fei eg ba^ bie ORacbt beg
33aterg, ober bie überlegene @inficbt ber Pleiteren, ober bie
Gleichheit ber IBtüber alg Sppug für bie politifcbe Geftaltung
berangegogen würbe. Gin berartigeg aSerfabren liegt airiftoteleg
fern; wenn et einen gebier begebt, fo ift eg bet umgefebrte:
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ben 9amilient)et^ällmf|en buT(^ bie malgebenbe Sfnalogie btd
politifd^en Sehend i^t eigent^ümliched {Re(ht jn Deifümmern.
fBie bet her 9tt bie @eftaltung bet Sreunbfc^aft
im Bufammen^ange fefter Sebendorbnungen unterfu(^t, |o vex«
»enbet er niibt geringere Slufmerffamfeit barauf, i^te Seaä^rung
in ben mecbfelnben Segiebungen unb ©efd^icfen bet @in^e(nen
ju nerfolgen. @t geigt, mad fie für bie netfdbiebenen Sehend»
alter bebeute, wie fie bem 3üngling ^inweifung gum Siechten,
bem 5Jiann görberung im ©choffen, bem @reid pflege unb
@tu^e bringe, er erörtert audführlicher, wie SBerthboDed in
®lü(f unb Unglüd ^eunbedliebe gu leiften vermöge. @d mag
geftattet fein, hici^ »och einen Sugenblicf gu verweilen, ba fich
babei nicht nur eble 9(it unb feinfühlenbed Urtheil befunbet,
fonbern fich auch bie aHgemeine Sebendanficht wieberum eigen*
thümli^ audprägt.
fUiit großer @ntf^iebenheit weift ^Jlriftoteled bie fDieinung
ab, ber ©lücniche bebütfe ber greunbfchaft nicht ober hoch we«
niget ald anbere. iDied würbe nur gutreffen, fofern bie ^reunb«
fchaft lebiglich Siu^en ober SInnehmlichfeit ald Gewinn brächte;
beffen fann ber ©lüdliche aOetbingd entbehren, ülber gut Sreube
an bem @uten unb gut eblen 5£h<>t braucht et @enoffen; er
muh mittheilen unb wohithun fönnen, bad ift im regten Sinne
nur Sreunben gegenüber möglich; er muh 3ewanben h^ben, ber
an feinem Wohlergehen mit felbftlofer ^eube theilnimmt, bad
vermag wieberum nur bet f^reunb. S)iag bem Unglücflidhen bie
Breunbf^aft gut @^fteng nothwenbiger fein, gut 93oIIenbung bed
Sehend ift fie ebenfo unentbehrli^ bem @Uücf liehen. @rft bei
biefem erreicht fie in grober unb freiet ©efinnung ihre höchfte
Stufe.
3m Unglücf aber ift ber greunb eine Stü^e; vielleicht barf
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man fagen, ba§ er bie 8aft mittrögt unb babutdb »erringei^
jebenfaQS ^at fc^on feine ©egenwart etwaS Sufrid^tenbeö unb
Stöftenbed. @3 n>trb aber bec Süchtige feinerfeitS möglich^ net«
meiben, ben Steunb iu fein @lenb hineinjugiehen, benn eS mu^
ihm fchmerglich fein, anberen ein ®tunb non Setrübni^ gu
merben; er tuirb bähet, mofern ei fidh nicht um übem&Itigenbe
@chicffalSfd>läge h<>nt>flt, fein 8eib liebet ftid für fidh tragen.
5Rur »eibifch ©eflnnte mögen gteube baran finben, jemanben
um ftch gu ho^^°f tnit ihnen fammert unb flagt. 3ut
Sheilnahme am aber fann bet Sü^tige ben Sreunb nicht
gu tafch hci^^ci^olen, hi^i^ brängt ed ihn, bem anbern mögli^ft
rafch Don bet freute mitgutheilen. @etabe entgegengefe^t mitb
man fich gu uerbalten ho^^nr t»enn eö gilt gu ben @tlebniffen
beö ^eunbeö Stellung gu nehmen. 3u»t UnglüdFli^en foQ man
fofort unb ungetufen eilen, bem ®lücflichen aber nur bann
rafch nahen, wenn man ihn alö ^reunb bei feinem Shun
fötbetn fann; h^nbelt ei ftch aber um bloheö @mpfangen, fo
fcheint 3ügern geboten, benn eö ift nicht ebel, in Erwartung
eines SSortheilS gum gteunbe gu fommen.
3n folcher ®tt unb ©efinnung »erfolgt SlriftoteleS bie
^teunbfchaft weitet in bie SSergweigungen unb SBechfelfüQe bet
Lebenslagen.
ISuch baS Problem beS ©tlöfdhenS bet ^eunbfchaft h«t
unfern iDenfer befchäftigt. SBenig Schwierigfeiten ma^cn h*«
bie nieberen Sormen; wie ihrem Sßefen nach ouf unficherem
Soben begrünbet, fo ftnb fte ftetS bet Sluflöfung auSgefeht.
9lm meiften üluSfi^t auf iDauet haben fte, wenn bie Setheiligten
fi^ in benfelben Sntereffen gufammenfinben; je »etfchiebenet bie
S3eweggrünbe ber SSereinigung, befto leichter werben fi^ bie
SBege fcheiben. Uber auch Si^eunbfchaft beffeter ISrt ift ni^t
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»öDig fldjct Bot 3etwüifnife. (S8 famt ge|(^c^en , ba| ritte
unetgennü^ige SSerbinbung nut von bet einen @eite etn[tIi^ge»ont
iDurbe. 2)ann mu| ba§ S3ünbni§ jeifaQen ; wer aber gut
{(^ung SBeran(a[fung gegeben ^at — unb ni(^t b(o§ burdb Sßet*
fe^en be8 anbern für beffet genommen ifl — , bet ift gärtet ju
beuribriien alö ein 9)2ünjfäl|(bet, benn bict bonbeit eS ftcb um
SBertbBoQered al8 um ®elb. üludb eine tbatfü^licb beftebenbe
$teunbf(baft ift infofetn ©efabten au6gefe$t, alg bie $ieunbe
in bet @ntmitfelung auSeinanbet gu geben, unb wenn nicht gut
ibtet fittlicben äUcbtung nach in (Segenfa^ gu geratben, fi<b hoch
fo weit in bet ?eben01bätigfeit »on einanber gu entfernen
»ermögen, ba§ eine @emein{cbaft bed |>anbeln0 unb bet @e«
finnung gwifcben ihnen ni^t behauptet werben fann. Sbet
wenn bie Trennung unter Umftänben unuetmeiblicb ift, febenfadS
foUen Bteunbe ficb nicht leicht fcheiben. <Bo lange wie möglich,
fod bet .^öbetftebenbe helfen unb betaufgieben; nach BoQgogenet
Trennung aber geratbe bie Botmalige SSertrautbeit nie in 93et«
geffenbeit.
@0 bie @ebanfenentwidelung bed SlriftoteleS.
3um Schlul feien einige SBotte gut SBürbigung geftattet.
3n ben ootangebenben ^Darlegungen geigt ficb und ^riftoteled
in gwiefacher ^inficht; ald dRenjch unb ald ^b<Iafopb; beibed
ift in bet IBeurtbeilung audeinanbet gu halten. SBad bie rein«
menfehliche Raffung bed @legenftanbed anbelangt, fo ftebt ibt
äBertb au^et aQem 3iueifel. äBeiter 93lid für bad ©ange unb
feinftet Statt für bad ©ingelne, ruhige Unbefangenheit gegenüber
ben Stbatfachen unb fefte @netgie in bet 93eurtbeilung, Klarheit
bet SDatftellung unb SBörme bed ©efübld, atled tragenb aber
eine eble unb liebendwürbige ©efinnung mit bem unoetfenn«
baten Stempel bet ©chtbeit, fie fiebern bem ©angen eine blei>
(771)
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benbe Slnjic^ungSfraft, fie mad^en baS ®efammtbi(b ju einet
liefern @runblage p^tlofop^ifcber Sorft^ung.
Raffen tvii aber bie :t>l}ilofop^if(be SSerarbeitung inö 9uge,
fragen wir, wie bie »erfibiebenen ©eiten beS @egenftanbe9
faebUeb nertnüpft, wie bie unmittelbaren @inbrü(fe wiffenftbaftliib
gere<btfertigt, wie bafl befonbere ®ebiet ju allgemeinen $tin>
cipien in SSejiebung gefegt ift, fo finben wir ebne grage eine
buribauS (barafteriftifebe Slbeone, weld^e fowobl bie (Sigenart
beS S)enfer8 ald bie feined Solfeä unb feiner Seit gum Sluäbrud
bringt. 9(ber eä ift biefed (Sbaealteriftifcbe fo glei^mdbig übet
üaS gange ®ebiet auSgebreitet unb mit fo gäbet Energie in
alled etngelne bineingearbeitet, eö tritt babei fo anfprucböloS auf
unb febeint fo unmittelbar au4 ber erften iXnficbt ber @a(be
berootguwadifen, ba§ e8 — ein grober Sriumpb für ben 2)en*
fer — feiner SReubeit unb ©elbftänbigfeit nach oon fpöteren
Beiten gerabegu überfeben werben fonnte. 2)enn nur bei lieber«
febung beffen, wie viel @igentbümli(bed , gef^icbtlicb SebingteS
unb ge|(bi<btli^ 93egrengteS b^et oorliegt, fonnte bie ariftotelifcbe
@tbif Sabtbunberte binburd) a(ö aDgemeinmenfcblicbe gelten, al4
normale gepriefen werben. 2)ab bie ©a<be anberfi liegt, ba§
bie SebenSprobleme \)ier nach befonberen, für un4 nicht mebt
ober boeb nicht ohne weiteres gültigen SorauSfebungen unb
Sbeen bebanbelt finb, bafür legt eben ber ©egenftanb Seugnib
ab, bem unfete ^lufmerffamfeit gugewanbt war. 2)ie an ihm
gu Sage tretenbe t^b^lofophifcb^ ^ebenSanfiebt b«t bei aDer Oitöbc
unoerfennbare ©^ranfen, ber fie umfcbliebenbe IRabmen ifl
bureb bie geiftige IBewegung bet OJienj^b^t tbatfäcblicb gerfprengt.
SBeltgefcbicbtlicbe @rfabrung b«t gegwungen, bet negatioen
©eite beS Gebens erheblich mehr 93ebeutung beigumeffen alS fie
hier erhält. @0 ift eine lebensfrohe, thatenmuthige SInfebauung,
(77»)
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41
-9
welche bie ariftotelifd^en SSuffteQungen bc^etrfc^t, fctcfclbeu jpie»
geln bie SBeltanfidjt be0 ©lüdltd^en, ^Sftigen, geiftig 33or»
nehmen, »eld)e baß ©emeine nicht fennt, bo8 ^liebere al8 Sor=
ftufe gelten Idfet, bur^ ade eorhanbenen 9)ii§ft5nbe in ^erfonen
unb ©sehen ihrer geftigfeit nach nidht erfchüttert »irb. ®em
Unglütf gegenüber geigt fidh bie ©eelengröhe Bomehmlich in
tapferer Abwehr; ein innereß 3lufnehnten beffetben in ben l*ebenß=
progeh finbet ni^t ftatt, eine läuternbe, umwanbelnbe, oereinenbe
Äroft wirb ihm nicht gwerfsnnt. 5n Solge bcf|en bleiben weite
Siefen beß ©eelenlebenß unerfchloffen.
9iach einer anbetn Slichtung hin muh eß unß befremben,
wie wenig 93eschtung bei bet f^reunbfdhsft bie ^nbioibuslitdt,
bie geiftige SSefonberheit bet ©ingelnen finbet. 3e mel)r bie
©ntwidlung ber neueren Jl^ultur jebem @ingelnen bie ISufgabc
guerfannte, baß äSeltleben unmittelbar mitguerleben unb baß
©äuge in fich eigenthumlich bargufteden, befto mehr muhte in ben
perjönlichen SSerhaltniffen baß Problem gegenfeitiger ©rgdngung
heroortreten; baß aber fonnte nicht gefchehen, ohne ber ©sehe
eine neue SBenbung gu geben, ohne anbete Slufgaben unb
Söerthfehahnngen einguführen. 9lun fagen wir nidht, bah 2lriftoteleß
auf biefen ^unft überhaupt nicht fommt, aber wir behaupten,
bah ihn nuch nicht annähernb in ber SSebeutung würbigt,
in welcher ihn baß moberne S3ewuhtfein erfaht h'^t- ISriftoteleß
begreift ben Sdlenfchen »iel gu wenig im SEBerben, oiel gu wenig
im IRingen mit ber SBcIt unb mit fich felber; finbet fich bei
ihm ©ntwidflung, fo bebeutet fie ©ntfaltung einet gegebenen
Einlage; läht er ben ©ingelnen bur^ bie SSereinigung mit anbern
gewinnen, fo hnnbelt eß fich niehr nm Slußbehnung, Bereicherung,
Bewuhtfeinßfteigerung , alß bah in bem Äampf um ein geiftigeß
3)afein eine @rfd)ütterung unb Umwanblung biß gut Siefe erfolgte.
XIX. 4M. 8** CI7S)
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42
9lu8 biefea unb anberen ©rüiibeu ift ju behaupten, ba^
ariftoteleS’ p^ilofop^ifdje 8e^re Bon bet greunb|(feaft mit feinet
ganjen @t^if gefc^Ioffen hinter un8 liegt. Eibet mit meinen
ni(^t, ba§ pe beflmegen allen ffiert^ fut un8 »etloren Ijabe.
f^teilic^ müpen mit eine @tmägung bet fpecipfcb p^ilofop^ifcben
Stiftung aI8 in ben ©tteit bet Se^tmeinungen »etmicfelnb ^iet
able^nen. Elbev mit glauben, bn§ aud^ bei einet me^t etotetif(^ien
S3etta(^tung, bei EJetgegenmdrtigung beffen, ma8 bie miffen»
fcbaftlic^e Eltbeit gut geiftigen IDurdbbtingung bet ollgemein menf^»
licken Einfidjt an 5JHfteIn aufgeboten ^at, fi<^ ^etcottagenbe @igen»
f(baften etmeifen. S3ot Eitlem ift bie ©netgie gn fdifi^en, mit
bet eine butcb unb burd^ eigenattige p^ilofop^ifc^e ^^eotie an
bem ©egenftanbe »etförpett ift. Si8 in8 ®ingelne unb Äleinfte
pnbet fid) eine au8geprägte ©efammtübetgeugung butd^geffil>tt,
Don jebem $unft au8 fe^en mit un8 auf ba8 ©ange mit feinen
(bataftetiftifdjen ©tunbgebanfen ^ingemiefen. ffii^t fatblofe
Umtiffe bet iDämmetung, fonbern ^eH befd^ienene unb flat p(^
ab^ebenbe ©eftalten fte^en not unferm Eluge. IDabei mag
ba^ingejfellt fein, ob bie ^iet erfc^loffene ESeleud^tung alle
bunflen Siefen auf^eÜe, jebenfalie ift fie frSftig genug, bie
9ltbel gu gerpteuen, mel(^e ©efammteinbrüde unb »ermorrene
Stimmungen übet ba8 ©ebiet gu »erbreiten pflegen.
©olcbe ftaftooHe ©r^ebung be8 ©egenftanbe8 in eine ©e*
banfenmelt bringt bie ©efa^t einfeitiget ©ubfeftiDität gmeifelloS
mit fl(^. SBenn mit biefe ©efa^t ^ier gang oergeffen, menn
mit bei einet ariftotelifd^en ©töriernng un8 be8 @inbrud8 nid^t
ermel)ren fönnen, nidfit blo8 bie Elnfic^t eine8 genialen 3nbi:<
oibuum8, fonbern eine bi8 gum ©runbe etfd^bpfenbe ©nt«
midtlung be8 ©egenftanbe8 gu erhalten, fo fe^en mit un8
babutdb gut Elnerfennung einet bemunbetung8mfitbigen Sadblic^«
(774)
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43
feit, etned 0enfen<( unb Urt^eilrnd aud bet ^Jtatut beö @e^en<
ftanbeS gegmungen. Slriftoteled wäre freilich ni(^t
wenn ei nic^t über bte erfte @rfc^einung ^inaudginge unb ben
®egenftanb weiter 3U etfcülie§en unternäi^me, aber bae
9ieue wn8 er fuifet, ift nic^t ein frcmbeö, fonbern bie ben @r»
fdjeinungen ju ®runbe liegenbe jt^atfac^e, bie in ihrer ^iefe
wirfenbe J^raft. Dtefe 0{i(htung ift bei ihm nicht blogeg SBoQen
geblieben, fonbern gang unb gar gut SBtrflichfrit geworben.
@0 bewunbern wir bie gro§artige ©egenftänblichfeit ber Unter»
fudhung, bie gleichmäßige @ntwiJlung ber @aci)e, bie überlegene
fRuhe ber (Stimmung, baS S)enfen unb S)arfteDen au8 ber
SBahrheit ber 2)inge. 3n biefem |)unfte geigt iStiftoteleö fi^
enger mit @oethe oerwanbt al8 irgenb ein Slnberer.
Sobalb wir unS vergegenwärtigen, baß folche Objeftivität
nicht einfach 0Dlenf(hen wie ein Gegebenes gufädt, fonbern
baß fie burdh Arbeit unb Äampf h*riufteöen ift, leuchtet ein,
baß eben in foicßer fich äußerlich wenig abhebenben ^eiftung bie
glängenbfte (Srweifung geiftiger Jlraft oorliegt, baß bad f^etn*
bare 93erfchwinben be8 Subfeftö ben höthften Triumph be0
@eifte8 hübet. SBa8 aber ben ^hitofi^Phen i*“ Sefonbeten
anbelangt, fo fann er ber Slufgabe nur burch thatfräftige
Unioerfalität genügen. 9iur burch fi<h«rc Erhebung übet bie
eingelnen ©eiten fann er bie ©a^e al8 @ange8 gut ©eltung
bringen, er h^t bie ibeale Einheit be8 ®egenftanbe8 immer
gegenwärtig gu hotten unb auf biefen ÜRittelpunft ade8 33efonbere
gu begiehen. SBie er bie eingelne ©rfcheinung im Bufommen»
hange ficht, fo hot er auch bie oerf^iebenen Sntereffen in
einer adumfaffenben SBerthfchäßung au8gugleidhen. Bür ba8
ade8 onmag bloße SJielfeitigfdit unb Sielwiffen gar nichts, nur
überlegene theoretif^e Bteihcit unb unerfchütterliche ©elbftänbig»
(77i)
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44
feit beä ©ebonfenö ftnb ber Slufgabe geaac^fen. Striftoteleö aber
ttütbc nid^t Don je^et aI0 unioerfeUftet IDenfer gepriefen fein,
wenn er ^ter nid^t feine ©rö^e in ^eroorragenber SBeife
befunbete.
aber ber SOfenft^ auö einheitlichem ©ebanfen ber
@adhe bie güKe ber ©rfdheinungen »erftehen fann, baS »irb
nur möglich bei ber Sßoraufifehnng, ba§ alle fKannigfaltigfeit in
SBahrheit auf ein einfaches, baS unS gugängli^, 3urücffommt,
ba§ in bem ©^lichten, »aö burdhgeht, ba8 SBcfen ber Sache
behalten fei. Sluf bem ©ebiet ber greunbfehaft ift 8lriftotele0
mit großem ©rfolge bafüc eingetreten , er h^^ einfach
9!Jicnf^li(he überall al8 ©runb unb Äraft ermiefen, er h^t »on
ba au8 fich 3U allen iiebenSerfcheinungen einen innern Sugong
ju bahnen nerftanben. Selbft feine ©arftcUung befunbet burch
bie SdbliAtheit, mir möchten fagen, bie Scrtraulichfeit ihreS
j£one0, toie er au8 ben terwidfelten ©ebilben be0 großen ©e*
bieteS unmittelbar einfache ©runbgeftalten h^iouSfieht.
■äJiittelft fcsl^er SSorjüge h®i fSriftoteleS ba8 gefammte
©ebiet redht eigentlich bem wiffenfchaftlichen ©ebanfen unter»
morfen; alle fpätere 93ehanb(ung, wel^e ben 3uf<>ntmenhang
gefchidhtlid^er läibeit aufnimmt, wirb gu feiner Beiftung al8
einer bahnbrechenben gurüdffchauen müffen.
(-7«)
t)cu(f i'cn ClScbi. Uiiiitc (ib. ^rimm)/ Stclin 8W. , Cc^öscbtr^crftr 17*.
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Ueber bie
orgriiftitigra $r;i(^nn9(n btt Pan^rnotpnr.
33 0 r tt a g
gehalten in ber naturforftbenbeu ju JRoftorf
Don
Dr. jß. (Boebel.
m
Berlin SW., 1884.
33ertag con @arl .^abel.
(€. <e. rUtrit|'sd)( 5rrlagflii(ti||intliing.)
SS. lBiI^tIin.<StTate SS.
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2)a£ 9te(^t btt neberfe^ung in ftembe Sprachen totrb Dorbe^aittn.
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ift eine @rfa^rung beS aQtäglid^en 8eben§, bo§ bte
eitijeinen Steile unb Digane etneö ^flanjenT5i))ere, j. eines
93aumeS, unter fld^ niet »entget enge Sejte^ungen geigen, alS
bie beS I^ictförpetS. ©ei fe^t Dielen Säumen ift jebet 3»eig
Dom Saume getrennt, unter gänftigen Umftänben befähigt, gu
einem neuen Saume ^erangumac^fen, beim Diuliren »erben
^nofpen, beim Sfcopfen gange (Sprogftüde Don einem ^nbioibuum
auf ein anbereö übertragen unb treten mit bemfelben in organif^en
Sufammen^ng. Sogar Slätter laffen fidi Don einem J^eil
einer ?)fiange ouf einen anbetn übertragen. Änig^t ' ) ^at g. S.
Slätter beS SBSeinftodS auf ben ^rucbtftengel , bie Sianfe ober
einen jungen Srieb gepfropft, fie »uc^fen an unb festen i^te
Sebendoerric^tungen fort.
IDiefe Unab^ängigfeit ift aber nur eine morp^ologift^e, in
pbpfiologif(^er Segie^ung bagegen finb bie eingelnen J^eile beS
^flangenförperS nic^t unabhängig Don einanber, fonbern ftef|en
in SBedjfelmirfung. 3i)« gegenjeitigen Segiehungen pnb jeben»
faHö Dielfad) fe^t fomplicirter 3lrt, unb bie ßrfenntnifi berfelben
»itb überall ba erjchwert, »o experimentelle ©ingriffe nit^t
möglich pnb.
IDie 9n»enbung beö ©xperimentS gut ©ntfcheibung mor^
phologif^er fragen ift aber offenbar Don hö^hP«*** Sntereffe.
XIX. «3. 1 • (779»
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4
@eftattet fte unS bo^, und bem 3<ele: bte urf&c^ltc^enSebingunsen,
tDeld^e ben ^ormeet^ältniffen ju @runbe Hegen, fennen ju lernen,
einigermaßen ju näßern. 2)abei fteOte fic^ nun ßeraud, baß
(9röße unb Sudbilbungdform ber ^flanjenorgane feinedmegd
immer burtß SSererbung ßrirt pnb, fonbern cielfacb erß im
IBerlaufe ber @ntmi(Kung burcß bie gegenfeitigen Sejießungen
ber einzelnen Slßeile beßimmt »erben. 93on biefen ©ejießungen
bängt ed 3. fd. ab, ob eine S31attanlage 3ur braunen, nur ald
©cbußorgan bienenben ©tbuppe ober 3um gaubblatt, ob ein
Sproß 3um unterirbifcßen Üludläufer ober obetirbifcßen 8aub-
gweig »irb, ob ein Sproß aufre^t ober geneigt »ädßft, unb
namentli^ aucß, ob er überboupt ficß entfaltet ober auf einem
frühen @nt»icflungdßabium ftcben bleibt unb bann nerfümmert,
unb ferner, roelcße ©röße et unb feine Slätter erreitben.
Die leßt angebeuteten Segießungen ßnb bie einfacßßen unb
am leicßteften in bie 9lugen fatlenben. Dad ^rincip, »elcßed
ißnen gu ©runbe liegt, fönnen wir ald bad ber ©ompenfation
bed Sßadbdtbumd^) begeicßnen. @d berußt darauf, baß feber
^ßangenfßrper ( — wir ßaben babei gunöcßft nur bie Samen»
pßangen im 2luge — ) meßt Drgananlagen bilbet, ald er gu
entfalten im Stanbe ift. ©benfo werben ja anfäßrlicß große
fWaffen »on Samen gebilbet, wel(ße notßwenbig gu ©runbe
geßen muffen, weit ed an JRaum für ißre ©ntwidlung feßlt,
oiete gelangen überßaupt nicßt gur Jl^eimung, unb non ben
Äeimpßangen erliegen wiebet oiele bem „^fampf um’d Dafein“.
5)lit biefem Äampf um’d Dafein laffen ßcß nun au^ bie Se»
gießungen ber Dtgananlagen eined ^ßangenförperd nerglei^en.
Diejenigen unter ißnen, weltße günftiger fituirt ßnb, benen bie
im gangen ^ßangenförper ootßanbenen Baumaterialien rei(ßlicßet
gußießen, entwideln fibß, bie anbetu bleiben im Sßa^dtßum
(780)
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3urürf unb ge^en früher ober fpötet ju ©runbc. SJlan brautet
nur in einem »n »eicbcm bie Dbftbäume reicbUd) grücbte
anfe^en, bie gtofee 9Kenge »on unreif abfadenben 3“
beachten, um fich Don ber Siichfigfeit beS oben aufgeftellten
3U überzeugen, ©er Saum fe^t ciel mehr grüchte an,
als er ernähren lann, eine gro^e 3ahl berfelben mu§ aifo 3U
®unften ber übrigbleibenben »erfümmcrn. tritt, »ie es
fchcint, bieS Serhältni§ befonberS bei unfern fulticirten Dbft=
bäumen meldjcn bie ein3elnen fruchte oiel größer
»erben, alfo mehr fRährmaterial beanfpruchen , alS bie ber
„wilben“ ©tammform; offenbar fann ja ein Saum bei glei^er
SJtenge organifchen Saumatcrialö entweber eine größere 9(n3ahl
fleinerer ober eine fleinere iSnzahl größerer grüchte 3ur 2lu8»
bilbung bringen, ©ie ©ärtner fennen biefen Umftanb fehr gut:
bie riefigen ©tachelbeere'n, Sirnen unb anbere grüchte, »eiche
»it auf unfern @artenbau«5lu8ftcllungen be»unbern, . finb oiel»
fadh auf bie SBeife erzielt, ba| man bem Saume ober ©trau^
nur einige »enige ^rü^te läfet, bie nun eine gro^e ?Kenge oon
fRährfubftanzen 3U ihrer Serfügung haben. Sehnlich Hcht »an,
ba§, »enn Säume, 3. S. Sinben, einer großen Anzahl »on
3»eigen beraubt werben, bie ftehcnbleibcnben ober neu au0»
treibenben nun Slätter bilben, beten ©rohe »fit über ba0
gewöhnlidhe 9Rah h»au8 geht.
Sielfadh erreichen nun aber Drgananlagen nidht nur nicht,
»ie in ben angeführten f^ällen, bie ©röfee, 3U ber fie eigentlich
heranroachfen fönnten, fonbetn fie »erben burch baö SBachöthum -
anberet Organe ganz unterbrfnJt. ©ie grucht ber (Siche 3. S.
fchliefet einen, relati» fehr großen ©amen ein. Unterfucht man
aber bie Sru<bt in jugenblichem Stabium, »ot ber SluSbilbung
beS ©ameuS, fo finbet man in berfelben fech§ ©amenumlagen,
0*1)
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bie offenbar aQe gang normal gebaut unb entmi(!Iungfif&^{g
ftnb, unb »on benen n>a^rfcbetnlt(b ^öuflg mc^r alö eine befragtet
mirb. Ütber faft audna^miod geminnt eine berfelben bad Ueber:
gemi(^t über bie anberen, erfticft pe unb fpeidbert nun in P(b
ade ber $ru(bt guftrömenben Saüftoffe auf, »eicbe pe bann ffjater
bei ber Keimung gur 9lu8bilbung ber erpen Drgane ber Sttim*
pPange oermenbet. 35ap auch bie anbern ©amenanlogen ent»
toicflungSf&^ig Pnb, geigt fc^on bie S^atfac^e, ba§ gutoeüen
einige berfelben pcb mirflic^ auSbilben; eine @icbelfru(bt mit
fe<bb ©amen ift aHerbingS too^l ni^t befannt, foicbe mit fünf
aber pnbet man, »ennglei^ fe^r feiten.
9to^ aupadenber Pnb bie IBorgänge bei ber ©amenbilbung
mannet Sflabelbölg®'^- Äiefer pnb in ber Samen-
anlage 3 — 5 befruc^tungdfä^ige @igeden oor^anben, oon benen
jebe gu einem @mbrpo merben lann. dte^men mir an, ed feien
3 @igeden oor^anben unb jebe berfelben werbe befru^tet, fo
bilben p^ gunä^ft 3 ^eimanlagen (©mbtponen). 3ebe ber»
felben fijaltet Pcb aber noc^ in oier felbftänbig wad^fenbe
iSnIagen, beren jebe einen Keimling liefern Tönnte. 9Ran müpte
beren bann gwölf in. einem ©amen treffen, er enthält aber petd
nur einen eingigen, e8 ift ba8 berjenige, weleber über bie anbern
bie Dber^anb gewonnen ^at, unb pe gum Serfümmern bringt,
fo bap tm reifen ©amen faum nocp ipre gerbrüdften fRefte wapr«
nepmbar Pnb. IDie regelmäpig pattffnbenbe IBermebrung ber
^eimanlage burcp ©paltung ift alfo oodftänbig nuplod; ba bod^
immer nur eine ber fo entftanbenen Anlagen gu »oder 9lue»
bilbung lommt.
S^ielfacp Pnb bie im Kampfe mit anbern obfiegenben
Drgananlagen bur<p ipre ©tedung bagu prübiffionirt. Sin
8Iütpenftänben g. S., bie eine grüpere ülngapl oon 01ütpen
(78J)
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^cttotbringen, rettet bafl SJlaterial je^r häufig nic^t me^r ^in,
um bie jüngften, le^tgebilbeten Slüt^en, meiere am @nbe beS
Slüt^enftanbd flehen, jut (Sntfaltung 3U bringen. Sn ben
meiften berfelben finb jmat ade ihre Organe angelegt, man
finbet alfo jbeld^, S3Iunien!rone, ©taubblätter unb Sru^tlnoten
tn jugenblic^em, aber normalen Suftanb in i^nen, aOein ju ber
Seit, mo biefe Slüt^en gur äBeiterentmiefiung an bie IReibe
fämen, ^aben bie älteren SSlütben bereits begonnen, ©amen
angufe^en, unb biefen ftrömen nun ade 93ilbung6^of[e gu, bie
iüngften Slütbenanlagen aber oerfümmem. ©0 ift eS g. S9.
häufig bei ben eigentbümlid) fcbnrdenförmig eingerodten IBlütben«
ftänben einiger Soragineen, gu melden einige ber oerbreitetften
Siirget unferer glora gehören, ferner bei ber diathtferge
(Oenothera biennis), bie, auS fRorbamerifa eingemanbert, h^ute
ntelr glu|ufer, ©chutthaufen u. bgl. mit ihren grofien gelben
Slüthen fehmüeft. (Entfernt man bie jungen Brächte re^tgeitig,
fo fann man bie fonft oerfümmernben Slüthenanlagen gur @nt>
widlung bringen unb baffelbe mirb audh ohne bie genannte
9Ra§regel eintreten fönnen, wenn bie gange ^flange fi^ nnter
befonberS günftigen äußeren S3ebingungen befinbet. 3n anbem
Bäden merben bie gule^t angelegten Slüthen bagegen non
nornherein gur Ißerlümmerung nerurtheilt; biefe uhrb h<n alfo
nid)t burch bie SBeiterentmidlung, fonbern fchon burch bie SuS>
bilbung ber erften IBlüthen bebingt. J^önnte man bie festeren
aber entfernen, fo mürben ohne Smeifel bie fon^ oerfümmernben
SSlüthenanlagen fi^ entfalten. ©0 ift eS g. SB. bei unferen
äBiefengräfern, in jeber IBlüthenrifpe berfelben finb IDu^enbe
oon oerfümmerten Slüthen auf aden @ntmicflungSftabien angu>
treffen.
IDerfelbe 93organg mieberholt fich auch rä ber oegetatioen
8
{Region, in nie^t feltenen fällen bebingen Änofpen but^ %e
Stellung begünfrigt bag Cerfümmetn anberer Änof^jen. Untere
fu^en ttir 3. 33. im @|)5tfommer bie 3»eige beg glieberg, fo
geigt ba| an allen heften bie ©nbfnofpe oerfümmett, fie
oertro^net unb fällt ab, mä^renb bie untet il|r fte^enben gmei
Seitenfnofpen ftd^ Itäftig auäbilben unb im ndd^ften gtü^jal^r
gu neuen Stieben aug»a(^fen. 3lu^ biefe S^atjac^e beruht,
wie experimentell nad^weifen ld§t, barauf, ba^ bie Seiten^
fnofpen bie ©nbfnofpe gum Slbftctben bringen. @ntfernt man
bie erfteren ndmlic^ rec^tgeitig, fo oerlümmert bie @nbfnofpe
ni^t, fie bleibt erl^alten unb oerldngert fidb im nd^ften 3a^re
gu einem Stiebe.
@8 finb »on ben Sa^rcgtrieben ber S3dume — im ©egen*
fa^ gu bem oben für einige S3lütbenftdnbe 3!lngefü^rten —
gewöbniit^ gerabe bie oberften, jüngften ^ofpen, bie ficb auf
. Äoften bet unteren, älteren entwidteln *). 3ln einem Ulmengweig
g. 33. Id^t fi(b febr elegant beobachten, wie bie 8dnge bet ©eiten»
gweigc oon bet Sweigfpi^c nach ber S3afi8 h«n abnimmt. SDie
unterften .^nofpenanlagen finb hiec, wie in vielen anbern gälten
entweber gang »erfümmert ober al8 „Äurgtriebc“ auggebilbet,
eine ©pro§form, auf welche ich gweiten Sheile biefet ©t»
örterung gutücffomme, bei bem {Rachweig, ba^ bie gegenfeitigen
33egiehungen bet ^flongenorgane nidht nur in quantitatioer,
fonbern ouch in qualitatioer 3lu8bilbung berfelben ftch geltenb
machen, ©chneibet man oberhalb einer ber bafalen, normal
nicht gut Sugbilbung gelangenben 3»eigfnofpen ben 3®eig ab,
fo lange ber S3aum no^ im 3Buchg beftnblich ift, fo treibt
biefelbe au8 unb fann pch gw einem Iräftigen 3weige entwidfeln.
©ang nu^log finb bie pch nicht entwicfelnben ^nofpen für bie
■»PPange übrtgeng hoch nicht. Sie bleiben alg „{Ruhefnofpen*
(784)
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oft 3a^re lang lebenbig unb !önnen bann, wenn bur^ i^dblid^e
©inwirfungen bie übet t^nen fte^enben ^b^tle gerftört werben,
au6treiben unb fo gut St^altung beö ^flangenfSrperS beitragen.
6in let^t gu beoba^tenbeS, lebtreicbeS Selfpiel bieten bie Äeim*
t)flangen ber SBaünul (Juglans regia). Oberhalb bet Äeim»
blötter (Äotplebonen) finbet ft(b bie^ eine größere 3ngabl oen
@pro§aniagen — bi8 ac^t — übet einanbet , eine ^uSnabme
»on bem gewöbnlidben SBerbalten, wonach über jebet S3latfbafi8
nur eine Slchfelfnofpe ergeugt wirb. S3on‘biefen gabireichen
.Rnofpen wä^ft aber bei ungeftörter ©ntwicflung bet Äeim«
^jflange feine gu einem Steige au8, unb nach 93erlauf weniger
Sabre finbet man feine ©pur mehr »on ihnen. JDie S3er=
fümmetung all biefet ( — bi8 gu 16 — ) Änof^jen wirb bebingt
baburch, ba§ bie Äeimpfjange alleö ibr gu ©ebote ftebenbe
SKaterial gur ©ntwidlung ihrer ©nbfnofpe »erwenbet, welche
fi^ aQmdbli^ gum ©lammten »erldngert. SBitb biefe 6nb»
fno8pe gerftört, fo lange bie erwähnten ©eitenfnoipen noch
entwicflung8fdbig finb (im erften ober gweiten SebenSjabr ber
Spange), bann wd^ft eine ober einige wenige ber ©eitenfnofpen
gu einem Sltiebe auä unb fi^ert fo bie SBeiterentwicflung ber
Äeimppange. Sablreiche oerfümmernbe Anlagen an »egetatioen
unb an 231ütbenfproffcn laffen fich alfo auf SBadjAtbumö»
compenfationen gurüeffübren.
9ludb für bie Jbeile ber S31dtter laffen fich foldbc (5om»en=
fationSerfcheinungen in einigen gdHen — bie pch jebenfadS noch
bebeutenb oermebren laffen — nachweifen. Söiele ©Idtter tragen
an ihrer 93aP8, ba, wo fie bem ©prop anfi^en, auf jeber ©eite
ein bldttdbenartigeä Slnbdngfol. 68 führen biefe, eutweber
troefenbdutigen ober faftigen unb grünen ©ebilbe bie Segeidb»
nung dlebenbldtter ; pe bienen im SQefentli^ben al8 ©chuhorgane
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für bog 931att felbft im .^nof))enftabtum ober für bie @nbInofpe.
©tattli(% entmitfelt [inb fle 3. S. bei ber ^ferbebo^ne, Vicia
Faba. S)ie Q)iö^e bie{ec ^Nebenblätter mirb mit bebingt bur(b
bo8 SBad^Stbum beß Slatteö, an bem fie fielen ♦). Entfernt
man möglicbft frü^geitig bie junge Slattanlage oberhalb ihrer
SNebcnblätter, jo erfahren biefe eine bebeutenbe SSergröhetung.
SBährenb ejn 9lebenblatt (einer beftimmten Sarietät) im normalen
Suftanb etwa 150 qmm $lä^e befiht, !ann man burd^ ben be*
f(hriebenen ©ingriff SNebenblätter mit über 900 qmm gläehe
er3ielen.
©8 ift biefe Slhatfadbe, abgefehen non bem Sntereffe, meld^eß
fie an unb für fich h«tr beßhalb oon SBerth, weil fie un8
einen ^ingerseig giebt für bie richtige Sluffaffung einiger fonft
fchwer erflärbaren ©eftaltungßoerhältniffe. @0 würbe gelegent*
lieh im freien eine ÜJlihbilbung oon Yicia Faba gefunben, bei
welcher bie 33lötter »ollftänbig oerfümmert, ihre SNebenbldtter
enorm oergröfiert waren. S)a8 angeführte ©rperiment geigt,
bah Umftanb eine golge be8 erfteren ift. IDie 33er«
gröhetung ber fRebenblätter wirb aber hierbei eine nodh betracht«
liiere fein, al8 bei fünftlicher ©ntfernung ber 331attanlage,
welche bodh immer erft gefchehen fann, nadhbem auf ba8 3Bach8«
thum ber 0(attanIage eine Duantität UNährmaterial oerwenbet
ift, welche nun ber S3ergr5§erung ber ^Nebenblätter nicht mehr
gu gute fommen fann.
3Ba8 bei ber 33ohne al8 gelegentliche fDtihbilbung oor«
fommt, geigt eine anbere, bemfelben S3erwanbtfchaft8freife an«
gehörige ^flange fonftant, ober boch.faft fonftant. ©8 ift bie8
eine fleine, in oielen ©egenben nicht feltene, namentlich in @e>
treibeäcfern wachfenbe SBiefe, ber Latbyras Aphaca. 1)ie
S3lätter pnb hier (mit 9lu8nahme einiger weniger, auf bie Äeim«
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blätter fo(genben) entttebrr fe^Igef^Iagen, ober (in bet oberen
©tengelregion) ju bfinnen gäben, ju JRanfen, umgebilbet,
mittelft beten bet bfinne @tenge( ft(^ an benachbarten ^flangen
befeftigt. gür feine eigentliche 9lufgabe: bie Slffimilation beß
j?ohlenftoffß unb bie Abgabe von äßafferbampf i|l ein berartig
umgebilbeteß IBlatt natürlich nicht mehr geeignet, eß verhält
fich in biefer Segiehung ebenfo, alß wenn eß gang oerfümmert
wäre, ©eine gunftion wirb übernommen butch bie feht »er*
gröhcrten, auch in ihrer gorm etwaß »erönberten Ulebenblätter.
fUlan fönnte fich nun benfen, biefe @igenthümlichfeit fei burch
allmähliche Sergtöherung ber fRebenblätter im Saufe gahlreichet
Generationen entftanben, nnb fei fchlte§lich gu einer fonftanten
©igenfchaft geworben. Unfere Stfahmngen mit Vicia Faba
berechtigen unß gu einer anberen tSuffaffung, unb gwar, wie ich
glaube, gu einer befriebigenberen : wir tünnen nämlich au^ h^^^
bie SBergro^erung bet fRebenblätter alß birefte golge beß S3et»
fümmetnß ber Slattfläche betrachten. Gelegentlich finbet man
übtigenß Gremplare ber genannten 9>flange, beten Slätter nicht
gu ber IRanfenbilbung aufgegangen finb, unb baß ift, wie ber
IBergleich mit verwanbten gönnen geigt, jebenfallß ber utfptüng>
liehe Suftanb gewefen.
SBenben wir unß gu ben 93(attgebilben bet Slüte, fo
treffeu wir auch hi<i^ ähnli^e Sompenfationßoerhältniffe. IDie
wilbe ©tammform unfereß GartenfdhneebaUß g. IB. befi^t einen
bolbenfürmigen 8lütenftanb. IDie IRanbblüten beffelben h°^^n
eine Slumenfrone, welche viel größer ift, alß bie ber innern
S3lüten, eß bienen biefe vergrößerten IRanbblüten bagu, ben
gangen 93lütenftanb für bie bie Seftäubung vermittelnben 3n<
feiten auffällig gu machen. fSIlein bie bebeutenbe Gntwidlung
ber Slumenirone erfolgt auf .Roften ber ©ejcualorgane, welche
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in ben Staubblüten ganj »erfümmert ftnb. SJtan ^at ^war nodb
ni(^t ben SSetfuc^ gemacht, burcb frfi^jettige Entfernung bet
Staub' unb ^tud^tblüttei auc^ bei inneren Stuten beS Slüteu'
fitanbd eine folc^e Sergrögerung ^eroorjurufen , unb ein folget
Serfuc^ ^at audb n>enig StuSrtc^t auf Erfolg negen ber Si^wierig«
feiten ber Studfii^rung unb ber »ahrfc^einlidb^n Sefcbäbigung
ber Stute. !Dafe ober ein EompenfationSBer^öItnife ^iet je^r
wo^rfdjeinlic^ ift, geigt bie ©artenform beS S(^neebatt8, ^ier
finb aud; bie Stumenfronen ber meiften inneren Stuten »er»
grögert unb biefe Stuten finb bann roie bie Slanbblüten bet
witben ^orm voDig fteril. Ebenfo festen bei ben Staubblüten
mancher Eompofiten bie Staubbtätter unb jugtei(^ befetjen biefe
Stanbbtüten bebeutenb größere Stumenfronen aI8 bie inneren,
au^ mit Staubbtöttern »erfe^enen Stüten.
Ob bei manchen Brfuhten, bie feine ober taube Samen
hüben, wie bie ^ulturform ber ^nana8, bie reichtidbe Entwid»
tung be0 ^ru(htfleif(he8 auf Äoften ber Samen erfotgt, bteibt
bahingeftellt, angegeben wirb wenigftenS, ba^ bei ber witben
Stammform bie §rüd)te Samen enthatten, aber ein weniger
entwicfelte8 gruchtfleifch befi^en. Sebenfattö aber töfet fich baS
bei einer ^flanjc fonftatirte Eompenfationfloerhöttnife nicht auf
eine anbete ohne Söeiterefl übertrogen: jahtreiche grüchte bringen
fclmfähige Samen unb reichticheS gruchtfleifch gugleich
Eigenthümlich finb bie Segiehungen, wetche gwifchen ben
Stüten, tefp. ben ^ortpflanjungSorganen im Sltlgemeinen unb
ben »egetatiöcn Jhe'le** obwatten. Einerfeitö nämlich tä^t fi^
in »ielen gdOen teicht fonftatiren, ba§ mit ber Sitbung ber
gortpflangungSorgane eine Etfchßpfung ber »egetati»en
»etbunben ift, befonberfl bann, wenn in ben weibtichen gort»
pflangungSorgonen ein Embtpo fleh bitbet, gu beffeu Ernährung
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nun bie uerfügbaren *DlateriaHen oernjenbet teetben. 35ie Äetm»
pPanjen bet Sarnfräutet 3. 23. entfielen an f (einen, grünen
unfd^einbaren ©ebilben, ben ^rot^aUien, »eii^e bie ©efd^le^W»
Organe tragen, ©ntfte^t au8 einet befruchteten (Sijelle ein
©mbr^o, fo lebt er junächftf ehe er felbft 23Iätter unb SBurgeln
gebilbet hatr auf Äoften be8 ^rothalliumS. 6t erfchöpft baS«
felbe baburdh regelmä§ig fo fe^r, ba§ feine 6ntwicf(ung bamit
abgef(h(offen ift. 23leiben fämmtlidje weibliche ©efdhle^tSorgane
beß ^rothaHiumö bagegen unbefruchtet, fo fann eä unter Um«
ftönben 3ahre lang weiter wachfen, unb immer neue ©efchlechtö«
Organe ergeugen, bie aber fchliefelich eine abnorme gorm an«
nehmen.
(Such »iele @amenpf(angen werben burch bie 23Iüten= unb
fjrudhtbilbung fo erfchöpft, bah fte abfterben ; ein befannteö Sei»
fpiel bafüt liefern bie Sanonen (Musa), unb auch wufere „ein*
jährigen" 'Pflangen. 3“ biejen gehört auch öie als Bietpflange
allgemein oerbreitete fRefebc. ©chneibet man an berfelben bie
blühenben 2riebe rechtgeitig ab, fo fann man babutdh bie 6r»
fchöpfung bet ^flange oerhinbern, unb biefelbe fo frdftigen, bah
fie einen bäumchenartigen SBuchö annimmt unb mehrere Sahre
hinburch oegetirt. änbererfeitS ift nicht gu ocrfennen, bah
fach 23etminberung beß oegetatioen SBachßthumß eine
oermehrte Sölütenprobuftion, unb umgetehrt mit gefteigertem
Sßachßthum ber gaubfproffe eine SSerminbetung ber 25lüten«
btlbung ftattfinbet. 6ine ^flange, welche „in’ß Äraut fchieht,"
blüht ni^t, eine folche, beren oegetatioe 6ntwirflung gehemmt
ober geftort wirb, fdjreitet oft frühgeitig unb reiflich gut 23lüte.
2)ie Bichtc i- 53. blüht normal erft etwa im 50. Sahre ihteß
gebenß, wirb fie oerfeht, unb babur^ in ihrer oegetatioen 6nts
wicfluug geftort, fo fann fie fchon oiel früher blühen. 6twa
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lOjä^rige ^ic^ten g. 93., melc^e in ben „SSoIIdgarten" in SBürg«
buTS gefegt mürben, brachten maffen^aft SBIüten ferner, (weiche
inbe§ feine f^rüc^te anfe|(ten,) obwohl niete beifelben faum
Wanned^ö^e eneic^ten. tDie gättnerif^e flrariö fennt biefen
Umftanb fd^nn längft. @ie {ud^t an üfipig entmidelten IBäumen
bae negetatine iBac^St^um burc^ S3efi^neiben ber SBurgeln gu
i^emmen unb babuic^ 93Iüten> unb ^ru^tbitbung ^ernorgurufen.
Unb benfelben Btnecf nerfotgt fte burc^ Kultur non £)bftb&utnen
in köpfen. S)ie @ntmicflung bed SBurgelipftemd unb bamit
au^ bie bet übrigen negetatinen Streite ift bei einer Jopfijflange
natürlich bef^ränft, bafür aber treten 93lüten unb ^rü^te ga^l«
reidber unb früher auf, al8 bei ungehemmter negetatiner @nt«
midlung. 9IQetbingS mirb bafür bie SebenSbauet ber fo be«
hanbelten 91)fiangen nerfurgt, benn eS mu§ fcbiie^Iith eine @t«
fthäpfung beä negetatinen iBadbfithumg, melched ba8 Btaterial
gut 93Iüthen< unb Btu(btbi(bung liefert, eintreten, allein ber
3ü(bter ift burdb ben reicheren ^ruchtertrag bafür entfehäbigt.
S)er gegentheilige Satt, in tnelcbem eine gu üppige negetatine
(Sntmicflung al8 Utfa^e ber Unterbrüdfung ober 93erminberung
ber 931üthen> unb §ru(htbitbung angufehen ift, finbet ftdb feht
andgeprägt bei manchen j^artoffelnarictäten. @8 giebt fotche,
roelche gmat fehr reichlich Anoden tragen — befanntli^ finb
biefe nichts anbereS alS bie angefchmoDenen, gu üieferneftoff»
behältern ouSgebilbeten @nben unterirbifcher (Sproffe — aber
nicht blühen. ©pecieQ gilt bieS non grühfartoffeln. fDian
fann aber bie 93(üthen« unb gruchtbilbung h^i^Dortufen , tnenn
man bie ^noUenbilbung nerhinbert. SSerfuche biefer 9(rt mürben
jehon non Änight, meldhem bie experimentelle
fDlorphoIogie eine IReihe ber merthnoQften ^otfehungen nerbanft,
au8geführt‘). 6r pflangte im grühjaht einige @tücfe einer
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fcl»r frühreifen Äartoffelforte , tneldhe nodh niemals bei ihm ge»
blüht hatte, in So)>fe, mobei er bie @rbe über ben fRanb bet
Söpfe fo hach möglich häufte, unb in bie Sni^e biefeS
SergeS ein @tüd bet Änollen eingrub. 9118 bie ^flanjen
einige 3olI hcJ^ waren, würben fie an ftarfe, in bie 6rbe ge»
fterfte ©täbe befeftigt unb bann bie @rbe burth einen ftarlcn
@trom SBaffet »om unterften Üh^ilc ber ©tengel abgefpült.
2)ie IJflanje fchwebte fo in bet 8uft, fie war nur bur^ ihre
äSur^eln mit bem 0oben in SSerbinbung unb e8 war beShalb
mögli^, bie fonft im 93oben oerborgenen 91nlagen bet ^noDen
ju gerftören, fobalb fie ftch seigten. IDie golge baoon war bie
93ilbung gahlreicher 93lütben unb grüchte.
©ne rein fpetulatioe Betrachtung, ohne Äenntni§ be8 an-
geführten ©berimenteS hätte h'®* ju bet 9lnnahme führen
Tonnen, bie Blüthenbilbung fei bei ber betreffenben Barietät
ober {Raffe ganj unterbrütft, unb bie gefdjle^tliche gort^jflaujung
hier but^ bie ungefchledhtliche (burch ji^nollen) erfe^t. 0em
ift aber nicht fo. ®a8 Bermögen bet Blüthenbilbung ift noch
oorhanben, e8 Tann ftch aber ni^t geltenb machen, weil alle,
auch bie fonft jur Slüthen» unb gruchtbilbung oerwenbeten
(Stoffe oon ben \)itx früher al8 fonft fich bilbenben ÄnoHen
beanfprucht werben. 9lnbererfeit8 ift 3. B. beTannt, ba§ bie
ßueferrübe in wärmeren gänbern Teine „{Rüben" bilbet: fie
blüht bort fchon im erften Saht, unb bie fonft in ber „{Rübe*
ol8 {Referoeftoffe abgelagerten flRaterialien bienen 3ur Blüthcn=
unb gruchtbilbung. 9lu^ bie Shatfache, ba§ bie maffenhaft
Blätter bilbenbe Äugelala^ie nicht ju blühen pflegt, werben wir
auf baffelbe ©ompenfationSoerhältnih jurücTführen bütfen. Unb
wahrf^einlich gilt baffelbe auch für man^e 2Bafferpflanjcn.
SBachfen biefelben (3. B. Alisma Plantago, Sagittaria, Hippuris
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Limosella aquatica, Veronica -Anagällis u. a.) in gu tiefem
Söaffet, io bilben fie gmat i^rc SSegetationSorgane üppig au8,
üppiger al8 ttenn fte auf bem ^anbe ober in feic^tem aBaffet
»egetircn, fe^en aber feine aSlüt^en an. SBit »iffen freilidb
nic^t, ob bie Unterbrüdung ber ^lüt^enbiibung ^ier bie Urfac^e
be8 gefteigeiten oegetatioen SBa^St^umd ift, ober umgefe^rt.
angeführt fei nur, ba^ manche ^flangen, bie fomo^l im SBaffer
al8 auf bem 8anbe ieben fönnen, in lefeterem gaQe niebrig
bleiben unb nach ber grud^treife abfterben, im SBaffer bagegen
größere ©tmenponen erreitben unb langer leben. @o g. 83.
mandje ßallitricbe» unb 9Ranuncullu9»8lrten.
2)ie 2radbt be8 ^flangenförpera beruht, abgefeben »on ber
oeridbiebenen ©eftaltung feiner 21)6*1^» b“uplfütbl'tb «uf ber
iRidbtung berfelben. IDiefelbe ift feine gufäHige. @ie wirb bei
bem .^auptftamm unb ber .^auptmurgel bebingt bureb eine ben
^fiangen eigentbümlicbe IReigbarfeit für bie IRicbtung ber
Scbroetfraft, ben „@eotropi8mu8". ©ie .^auptmurgel einer
83obne ober Sanne g. 0. fucbt unter normalen Umftänben ab>
wärtfl, in ber Siidbtung beö 6rbrabiu8 gu macbfen, fi« ift »po*
fitio geotropifcb" ber {>auptftamm bagegen ift „negatio geo»
tropif^“, er wädbft in entgegengefe^ter fRicbtung aufroärtfi.
33eibe fucben au8 ihrer normalen 8age gebracht, biefelbe — fo«
fern fie noch mach8tbum8fäbig finb — mieber gu erreichen, ©ie
SRichtung ber ©eitenmurgeln unb ©eitengmeige büngt — ab»
gafeben oon ben ©inmirfungen be8 8idbt8, Selaftung8Derbält«
nijfen u. bgl. — ab einerfeit8 oon ihrem „@eotropi8mu8"
anbererfeit8 oon ihren S3egiebungen gur ^jauptwurgel unb gum
.paupt|pro§. Slm einfacbften geigt bie8 ba8 Seifpiel ber SBurgeln.
©a8 SBurgelfpftem einer Sohne beftebt au8 einer früftigen in
ber ^Richtung ber gotblinie nach abmärt8 machfenben c^aupt»
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tvuTjcl unb einet Slnja^I von ®eitenivurje(n, )vel(^e ni^t fenf>
re(^t {onbein unter einem fc^iefen iBinfel nad) abivätld mahlen,
unb fi^l i^retfeitS tvieber vetjtveigen fönnen. @^neibet man
bie <Spi^e bet ^auptmutjei unterhalb einet jungen Seiten«
wutjel ab, fo beobad)tet man in vielen Bällen, ba§ ba@ SBac^S«
t^um biefer Seitemvurjel fic^ änbett: fie ni(^t me^t
jc^ief jonbern fenfrc(bt nad^ abwärts unb fuc^t fi(^ in bie SBer*
längetung bet ^auptwurjel ju fteQen. 9Rit biejet 9iid^tungS>
änberung ift au(^ eine tSenbetung bet @igen|c^aften ver«
bunben, eS ge^en biejenigen bet .^auptwutjel auf bie frühere
Seitenwur^el übet, b. SBac^St^umS > unb tBer3WeigungS>
fä^igfeit bet früheren .jpauptwutiet werben gefteigett, fie gewinnt
baS Uebcrgewicbt über bie anberen Scilenwur^eln unb wirb
nun jut ©tunblage für bie weitete ©licbetung beS SBurjel»
fpftemS®).
güt bie obctitbifc^en Sl^eile bieten bie fRabell)öl3er in biefer
Se^iebung bie tebrreicbften Seüpiele. ©ine Spanne ober gi^te
3. ©. befi^t einen aufredjt wa^fenben Jpauptftamm, bet fräftiger
als alle Seiten3weige ficb entwicfelt. @r weicht von ben (enteren
au(b fonft ab, 33ei bet Stanne (Abies pectinata) finb an i^m
bie ©lättet (fRabeln) unb Seitenfproffe ringsum gleichmäßig
vertbeilt. 2tn einem boti3ontal gewacbfeuen Seiten3Weig ba>
gegen finb bie SRabeln „gefcheitelt", fie ftnb in bet .g)ori3ontal*
ebene fo auSgebreitet, baß pe färnrntlicp ihre Dbetfeite na^
oben, ißte Unterfeite nadß unten febten. 5Da bie beiben Seit^
Des SSIatteS, wie man f^on an ibtet abweicbenben gärbung er»
fennen fann, vetfdbieben gebaut pnb, fo erhält bet gan3e 3w«3
babutdb in pbpPologifdbet a3e3iebung eine Dbet» unb Unterfeite,
waS fi^ auch batin auSfpridbt, baß feine Seiten3weige vot3ugSweife
nur auf ben beiben Seiten, in Dem angenommenen gatle alfo
XIX. 4i3. 2 (79S)
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in ber ^otijontaiebfne [id^ entwidfeln. 3n bem ^nofpenftabium
aber finb .^aupt« unb ©eitenjweig »oDftänbtg einanber gleid^,
an betben finb 91abeln unb @pro§anIagen ringsum gleid^mä^ig
»ert^eilt, ber ©eitenjmeig aber »irb burc^ feine feitlidbe ©teHung
— atfo feine Sejie^ung 3um .^auptftamm, gu einer uon ber
beS legieren abweidbenben ÜluSbUbung ueranla^t. 9Ran fann
ft(b »on ber urfprünglic^en Sbentität beiber ©profeformen leiert
übergeugen, rcenn man ben ®tpfel beS .^auptfproffeS über einem
jungen @eitenfpro§ entfernt. SDann rid^tet fi(b bie ©pi|ie beS
Unteren auf, er fucbt ftdb, refp. feine noib madbStbumSfäbigen
Slbcile in S3erI5ngerung beS .^auptfproffeS gu ftellen, unb
erhält bamit audb beffen @igenfcbaften. 2)ie einmal „ge>
fcbeitelten" 9labeln aOerbingS behalten ihre ©teHung bei, bie
nach ber SÄufrichtung neu h^toortretenben 9tabeln geigen bie
SSertheilung, wie fie bem ^)auptftamme gufommt, unb baffelbe
gilt für bie SSergweigung. Glicht bei aßen Koniferen gelingt in*
be^ bie sReubilbung eines ©ipfelS auS einem ©eitentrieb. Gine
folche ift g. S. bei ben 9lraucarien nicht ohne SBeitereS möglich.
2)odh ift eS ben ©ärtnern gelungen bieS 3iei bur^ geeignete
SJlahregeln gu erreichen.
2)ie le^tbefdhriebenen gdlle gehören fdhon gu benjenigen,
in weldhen fich bie gegenfeitige 93egiehung ber £)rgane barin
auSfpricht, ba^ urfprünglidh gleichartige IHnlagen bifferent fich
auSbilben. Sir fönnen biefe Grfdheinung ben oben befpro^enen
GompenfationS*lBegiehungen als Sad)SthumS<Gorrelation
gegenüberfteOen. GS liegt in ber 5Ratur ber ©ache, ba^ fthni^t«
©rengen gwifdhen beiben fid) nicht giehen laffen.
gaffen wir gunädhft bie GorrelationSerfcheinungen ber
©proffe in’S 9luge. Slu§er ben träftig fich entwidelnben, jebeS
3ahr um ein bebeutenbeS ©tücf wachfenben Sri eben finbet fidh
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bei ben Säumen gemö^nlid^ ncd^ eine anbere @pro§fortn,
Triebe, bie nur feljt wenig wad^fen, alfo feine geftrerften ©liebet
befi^en, aud^ i^ren .^oljfötper nur wenig entwicfeln, unb fid^
meift nur bann nerjwcigen, wenn fte Stützen bilben. 3)eun
an üielen Säumen 3. S. ben Slpfet; unb Sirnbäumen ftnb
gerabe biefe „Äut33Weige" ober „ ©taud^linge " bie Orte ber
Slüt^enbilbung. @8 [timmt baö überein mit ber oben erörterten
2^atfad)e, bn^ oerminberte oegetatioe J^ätigfeit — wie fie ja
beutlic^ in ben Äur3trieben ftattfinbet — ber Slüt^enbilbung
günftig ift. 3m allgemeinen finb bann au(^ biefe ^urgtriebe
Bon befc^ränfter SebenSbauet, fie fällen nach einiger 3eit ab,
wä^renb bie „Sangtriebe" baS bleibenbe ©eruft beS ©tammefl
aufbauen. (Solche Äur3triebe finb e8, 3. S. welche bie Slatt»
^jaare unferer liefern tragen, bie ^(^fe biefer Äur3triebe bleibt
’^ier aber fo flein, bafe fte äufeerlid^ gar nid^t ^eiDortritt. 2)er
anlage nat^ aber unterfd^eiben fi(^ biefe Äur3triebe nicht üon
ben Sangtrieben, ©d^neibet man ben ©pro^gipfel oberhalb
eines .Rur3triebe8 ab, fo wädbft ber leitete 31t einem ßangtriebe
au8. 3m normalen Serlaufe ber Segetation wirb er batan
oerhinbert burdh bie Se3iehungen 3U ben anbern, fich al8 Sang«
triebe au8bilbenben ©pro^anlagen. Unb 3Wat finb baS bei ber
.Kiefer bie ber ©pi^e beS 3ahre8trieb8 nächftftehenben Änofpen.
@8 ift alfo ber jf'ur3trieb eine SerfümmerungS» ober .pemmungS«
form beS SangtriebS , worauf auch bie UebergangSformen , bie
fi^ gwifchen beiden an manchen Säumen finben, hinbeuteu, mit
biefer Serfümmerung ift aber au^ eine theilweife Seränberung
bet ©igenfehaften oetbunben. Son ben bet Anlage nach gleichen
©eitenfnefpen eineS SahreStriebeS pflegen fich bie unteren al8
Äurgtriebe au83ubilben, bie oberen äfnofpen finb, wie fchon oben
herootgehoben würbe, in ihrem SBachSthum geförbert, fie werben
2* (W5)
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gu gangtrieben. !Die uriprünglid^e ©leicbartigfeit »on ?ong»
unb Äurgtrieben läfet babur(^ erwei)cn, bo| man 8anä«
trieb» SIntagen reranfafet, gu Äurgtrieben auflgubilben. @8
gefc^iebt bie8 bei ben Obftbäumen, inbem man einen mit
^ofpen befe^ten Stieb natb abwärts biegt. ®ie In bet nadb
abwärts gebogenen Partie befinblicben ^nofpen bilben fidb nun
tbeilwei|e gu Äurgtrieben auS, wä^renb fie im normalen 93et»
lauf ber IBegetatiou gu 8angtrieben geworben wären 0- ®irt
näheres (äingeben auf biefe S3etl)ältni[fe würbe 8“
weit führen, gumal noch eine Slngabl anberer SorrelationS»
©rfdbrinungen oon ©ptoffen b^i^ßorgubeben finb.
68 würbe oben erwähnt, ba§ bie Kartoffel ein gum Oteferoe»
ftoffbebälter umgebilbeter ©prob ift. 5)aoon fann man pdh audb
erperimentell übergeügen. ©d^neibet man »on einer Äartoffel»
pflange am Beginne bet BegetationSgeit bie übet ber @tbe he-
finblidbcn Wffl» fo wad^fen bie oorhet unterirbifeben
©proffe berfelben übet ben ©oben bilben fi^ je^t aber .
nidbt gu ÄnoHen, fonbern gu grünen Saubfproffen auS, mit
welchen fie in ihrer erften Slnlage offenbar auch übereinftimmen.
68 liegt olfo audh h<ft in ben SSethfelbegiehungen gwif^en
ben eingelnen Sheilen ber pflange begrünbet, ba§ eingelne
©prohanlagen fi^ gu .RnoHen auSbilben, feineSwegS aber finb
biefe Einlagen unabänberlidh gu einer folchen ^uSbilbung be»
ftimmt. Äann man hoch fogar obetitbifchc ©proffe gut ÄnoHen»
bilbung »etanlaffen! 68 gefdhieht bieS, inbem mau bie unter»
irbifchen SÄuSläufer früh entfernt, ober ihre Berblnbung mit ben
oberitbifehen Sheüen beeinträchtigt. Änight giebt fogar an, ba§
e8 ihm gelungen fei bie Bilbung oon Knollen an ber ©pi^e
(oberirbifcher) ©eitengweige gu oeranlaffen, ben fünften alfo,
welche oon bem normalen Drte ber ÄnoOenbilbung am weiteften
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entfernt finb. 9(n allen anberen ®teDen nämlid) tnurbe bie
jhtodenbUbungner'^inbert, unb „nad^ einem nergebli^en Sträuben*
non einigen 3Boc^en würben bie ^flanjen feinen SBünfc^en
geljorfam, unb biibeten bie Knollen gerabe an ben Steden,
bie er ii^nen angewiefen ^atte. Offenbar beruht alfo bie Anoden«
biibung barauf®), bafe in bie gaubfproffe ein „^Silbungflfaft“
(wenn man biefen adgemeinen tSuflbrudf, >ber gum minbeften
ebenfo bere^tigt ift, wie bie Slnna^nie eineö magnetifdjen
gluibumfl in ber ^^pfif, ^ier geftatten will) in 8aubfpro§»
anlagen einwanbert. JDiefer „SSilbungSfaft* flrcmt bei unge-
hemmter @ntwicflung nach unten, in bie unterirbif^en iSud«
läufer. 3)ur^ ©ntfernung berfelben aber fonn man ihn in ben
oberirbifchen Slh^ilfu gurüdhalten, unb hier befinbliche Sprohan»
lagen jur jtncdenbilbung neranlaffen. Gelegentlich finbet man
auch *ui freien Äattoffelpflangeu mit fnodig »erbicften a^fel»
fproffen. 68 liegt bie SSeimuthung nahe, bah an biefen ^flanjen
bie unterirbifche Jtnoflenbilbung gehemmt war, unb biefelbe —
burdh Beobachtungen weiter gu pn'ifenbe — SSermuthung läfet
fich auch auf bie Slhutfache anwenben, bah in Söpfen im S)unfeln
fultioirte Kartoffeln häufig in ben Blattadhfeln ihrer oberirbifchen
Stengel Knoden anfe^en. Sll8 le^teS Beifpiel für Sproh*
ßonelationen fei bie 3)ornbilbung genannt, bei weld^er bie
Spi^e ber betreffenben Sweige hart wirb, unb ihre Blattanlagen
oerfümmern läht. S^neibet man ben 9lft, an Welchem eine
SDornanlage (bie in SSBirflichfeit mit einer gaubfprohanlage gang
übereinftimmt) ab, fo wirb bie „©otnanlage“ nicht gu einem
3)orn fonbern gu einem Baubfproh; berf^ad liegt hier alfo gang
ähnlich; wie bei ber Kartoffel, unb hier wie bort läht fleh bie
Sorrelation auch uuf anbere SBeife al8 burdh SBegnehmen be»
ftimmter Sproffc barthun.
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Sßenben wie und ju ben (Sonelationdetfc^einungen an
aSldttern®), fo gelangen wir in eined ber am ^dufigfien unb
mit ben neti^iebenften IRefuItaten be^anbelten (Gebiete ber
SJotanif, in bie „aJletamorp^ofenle^re". IDie Seiebtonfung
biefet S3ejei(bnung auf bie 33(attgeftaltiing ift nur biporif^ be»
reebtigt, benn wie wir oben faben, finbet ja bei ben ©proffen
eine Slnjabl oerf^iebener Umbilbungen ftatt.
@d pnben ficb am ^flan^euförper eine SInjabl »on Slatt»
bilbungen, welche, fo oerfebieben fie ficb <tucb äuberlicb barfteHen,
bo^ offenbar in innerer SBerwanbtfcbaft [leben. 35ie befannteflen
berfelben finb bie ^aubblatter, beten wi^tigfte Sunftion bie
Gewinnung bed .^oblenftoffd aud ber atmofpbärifcben d^oblen*
fäure ift. 3m Söinter finb bie gaubblattanlagen in Änofpen
oetborgen, welche umbüQt unb gefebübt finb von ©^u^pen,
ben .^nofpenf^uppen, welche jufammen mit ben ihnen gleiten«
ben f^uppenartigen blättern an unterirbifeben iSudldufern,
3wiebeln u. betgl. bie Äategorie ber 9lieberblätter bilben. 35a>
ju fommen bie Slattgebilbe bet S31ute, Äelcb*, lölumen», ©taub»
unb Beu^tblätter, unb einfache, in ber ^lütbenftanbdregion auf»
tretenbe, ben 5Rieberblättern meift gleicbenbe ©ebilbe, bie „^oeb*
blätter." 6d foQ für- eine Kategorie biefet Slattbilbungen, für
bie SRieberblätter, ber 9la^weid geführt werben, ba& fie niebtd
anbered finb, ald umgebilbete Saubblätter, bie ficb auch 311
folcben entwicfeln würben wenn bie (Sorcelation ju anbetn
Organen ihnen nicht einen anbern @ntwicflungdgang anwiefe.
Sßorin biefet befiehl, bnd jeigt bie Sergleicbung ber
QJlieberung oen 8aub* unb ©cbuppenblatt. 31n bem gaubblatt
eined bifctplen ^aumed laffen ficb gewöhnlich brei unter»
jebeiben: bie flache, einfache ober verzweigte Ü31attfpreite, ber
SBlattftiel unb beffen etwad erweiterter, fcbeibenfßrmiger ©runb,
C79“)
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bcr ®fattgrunb , welcher bem Swetge auffi^t. IDet ©lattftiel
teirb »on biefett brei Stadien am fpSteften entwicfelt, etft na^.
bem Stattgrunb unb SBIattfpreite fd^on beutUt^ ton einanbet
gefonbert flnb, »irb bet S3Iatt[tiel jmifc^en beibe eingefc^oben.
JDte Olieberblfitter, Bon melc^cn mir fpecieH bie Änof^enf^uppen
im äuge hoben, finb ^jemmungSbilbungen »on gaubblättern,
bie Anlage beiber flimmt überein, aber 3a einem je nach bem 6in3eU
faQc uer|chiebenen Seitbunfte — unb 3Wat ftetfl »or Sluftreten
beö Slattftielö — tritt bte Umbilbung ber iiaubblattanloge gum
9lieberb(atte ein. 68 fann biefelbe in uerjcbicbener SBeife »or
ficb gehen. $Die .^nofpenfdhuppen beS glieberS (Syringa)
3. S. entftehen burch eine, ni^t fehr ttefgreifenbe Umbilbung
ber 33lattfpreite. 93ei fehr »ielen 335umen, 3. S. ben Obft«
bäumen, cerfümmert umgefehrt bie @<3reitenanlage ocllftänbig
unb bet am gaubblatt fleine Slattgrunb entmictelt fidh nun
beträdhtlich 3U einet @(huppe, auf bereu
fümmerte Einlage ber 33Iattf^>reite noch in gorm eines »et»
trodneten, f(ht»ar3en Keinen ÄörperS »ahrnehmen fann, fo
3. 16. recht beutlidh bei »ielen .Rnofpenfchuppen bed ^h^tnS.
Sei @i(hen, Suchen u. a. finb eS ferner bie 9tcbenblätter, welche
bie .^nofpen enthüllen, »ährenb bie ba3u gehörigen Slatt»
anlagen »etfümmern.
£>ah biefe Serlümmerungen unb Umbilbungen auch
burch ßorrelationSBerhältniffe bebingt »erben, läht fich burch
einfache ©jrperimente 3eigen. IDie Slätter »eiche bet 2rieb
eines SaumeS im gtühlaht entfaltet, finb fdhon in bet über»
winterten Änofpe »orhanbeu, fie würben im Serlaufe beS »or»
hergehenben ©ommerS angelegt. Suerft bilben fich bie als
^>üHe bienenben Änofpenfchuppen, bann bie Slnlagen bet 8aub»
blStter. ©oH bie Silbung bet Änofpenf^uppen »erhinbett
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werben, fo mu^ man bie betreffenben Änof^jen »etanlaflen,
fd^on tm Sabre ihrer Slnleäimß auöjutreiben. @8 gej^iebt bieö
befanntlidb «i^t feiten au(b ebne menftbÜJben ®>ngriff beim
fogenannten Sobanniötrieb. Äünftlidb fnnn ba0 Sluätreiben ber
^fnof^jen auf nerfebiebene SBeife neranlabt werben, am einfaebften
babut(b, ba§ man einen Slft oberhalb einer in ber Silbung be»
griffenen SJdbfelfnofpe beffelben abj(bneibet. Die Änofpe treibt
nun aus,, ihre fonft ju Änof^jenfdbuppeu umgebilbeten Saub»
blattanlagen werben wirflidb gu 8aubbldttern , falls bie Um»
bilbung noch nidbt begonnen hat- Sfi biejelbe gang fertig, fo
ift eine weitere 23erSnberung ber Änofpenfehubb«
bem erwähnten Eingriff nidbt moglidb. «£>at bie SluSbilbung
aber eben erft begonnen, fo läfet fie fteb aufbalten: man erhält
bann 33ilbungen, welche in ber fUMttc ftehen gwifchen 8aubblatt
unb Änofbenfdhubbe- ßbenfo fonnte man ficher bei ber Äar»
toffel auf bie obenerwähnte SBeife ÜJlittelbilbungen gwifchen
ÄnoHen unb gewöhnli^en Saubfbroffen erhalten, unb bie S3or=
fteQung, welche wir unS über ben 33organg ber Umbilbung eines
SaubfbroffeS in einen ÄnoQenfbroh gemadbt h“^«nr finbet auch
auf baS SSevhältnih oon Saubblatt unb Änofbenfehubb« (fßieber»
blatt) Slnwenbung.
S3ei ben anberen 33lottformen läfet fidh bis jeht no^ nicht
überall ihre S3egiehung ju ben anbern Organen refb- gnm @e»
fammtwachSthum ber gangen ^flange fo flar erfennen, wie bei
ben 9?ieberblättern. ©icher aber wirb, na^bem einmal bie @r»
fenntnih »on ber funbamentalen S3ebeutung ber ßorrelationen
fich Sahn gebrodhen h^t, audh h^c>^ ©efi^tSfreiS ein
weiterer, unfere ©infidht in bü ©eftoltungSoerhältniffe ber
5>flangen eine tiefere werben, als fie bei einer rein formalen
Setradhtung berfelben fein fann.
(MO)
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0,6 fei ^ier nur auf ble Söer^ältniffe, roie fie fi(^ tu beu
©lütten ßeltcnb ma^en, noc^ einmal 3urü(f3efltiffen, not adern
meil ^ier in ber @arfenfultur ein meiteö, aber miffenfti^aftlic^
no(b feineömegö genügenb au0flebrcitete8 2^atfad)cn= Material
»erliegt, ©pecied gilt biefl für bie fogenanntcn „gefüdten"
^lüt^en. 06 finb bie8 dJlt^bilbungen, beren ©rjeugung ein
mit immer me^r fteigenbem ©rfolg crflrebteS 3icl bet ©örtnerei
ift, obme^l ein an eingel)enbere S3etrad^tung ber ^flanjenformen
gewöhntes äuge aut^ in äft^etifcber Söe^ie^ung iljnen nur feiten
ben SBortang »er ben „einfachen" ©lütten guerfennen wirb.
5)ie SSeränberung ben leiteten gegenüber crfelgt bur(b eine au6»
gieblgere ^rebuftien »en Slumenbldttern, bie aber auf fe^r
»erfebiebenem SBege »er ficb geljen fann, ber ^oubtfa(be na^
entroeber burdb Umbilbung »en in ber einfachen ölüt^e »or=
banbenen Organen in S31nmenblättfr (roelcbe bäupg mit einer,
bntcb Spaltung erfelgenben IBeroielföltigung berfelben »erbunben
ift) ober burcb auftreten »en SBlattanlagen, bie in ber normalen
Iblütbe überhaupt nicht »orbanben finb. .^ierbet läpt ficb in
einigen gäden in morpbelogifcber mie in pl)pfielegifcber Se»
jlebung ba0 IBorbanbenfein »en „dorrelationen" nacbweifen.
S3ei einigen »en ben ©ävtnern al8 „hose in liose“ begeicbneten
331ütben fommt bie güdung baburcb ju ©tanbe, ba§ ber fonft
grüne Äelcb bie gdtbung ber Slumenftene annimmt, fo bah
alfe gmei Slumenfronen in einonbet ftecfen; bieä ift ber gad
bei manchen] Primeln („Primula calycauthema“) 3Kimnlu8»
arten u. a. 53iit ber aenberung in ber garbung ift aber oucb
eine aenberung ber gorm »erbunben: bie beS Äelcbeö »ermanbelt
in bie bet Slumenfrone, fo bap alfe in biefem, »ie auch
in onbern gaden, aenberung in bet garbung unb in ber gorm
mit einanber in SBegiebung ftcben. 23efonber0 ober tritt bie
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Sejte^ung ber ^Blumenblätter gu ben ©erualorganen bet Stütze,
bie f(^on oben ermähnt würbe, bei ben gefüllten Stützen beut»
li^ ^eroor. JDie gruc^tbarfeit berfelben ift nämltc^ in ben
meiften gätlen eine geminberte, ober gauj aufgehobene, felbft
ba, wo bie Serualorgane ber Slüthe (©taubbldtler unb grucht»
blätter) nicht bireft in bie Umbtlbung 3U Blumenblättern hinein»
gejogen finb. SEßo bo8 geltere bet gall ift, fann felbftoerftänbli^
bon ber SluSbilbung oon 0amen feine Siebe fein, allein auch ohne»
bieö fann fein 3n»eifel an ber erwähnten Shnifn<he beftehen.
greili^ ift e8 h>*^ 'n anberen Süllen oon Korrelation nicht
leicht gu unterfcheiben, weld^e oon beibeu Kifcheinungen Urfadhe unb
SBitfung ift, oermchrte Blumenblattprobuftion ober Schwächung
refp. Slufhebung beö SruchtungöDermögene. SebenfaHö hängen
mit ber Aufhebung beS leiteten einige weitere Jhnlfnthen gu»
fammen, bie an unb für fich fehr auffallenb erf^einen fönnten.
@0 blühen 3. 33. „einfache" ©eorginen giemlich oiel fpäter äl8
bie „gefüllten." iJehtere fe^en feinen Samen an, im Swfammen»
hang mit ber Betgröfewung bet SSluinenfrone finb bie Se>:uol»
Organe ooDftänbig oerfümmert. 2)ie einfachen Blüthen aber
brauchen gut 9lu8bilbung ihrer Samen einen großen JheU bet
burch bie Ktnäl)rung8thätigfeit bet S3lätter unb Söurgeln ge»
bilbeten organifchen Bauftoffe. ®ie gefüllt blühenben gormen
bagegen fönnen einen gro§en Slh®ll ber lehteren in ben, au8
angefch wollenen SBurgeln beftehenben, nnterirbifdhen ÄnoHen
ablagern. IDiefe bienen als 9tcferoeftoffbehälter, unb liefern im
nächften Sahre baö OJiaterial gut Bilbung neuer ^flangen. 3e
früher unb reichlicher biefe ÄnoOen alfo fi^ auöbilben, befto
früher unb reichlicher werben au^ im nächften Sahre bie Blüthen
erfcheinen fönnen, unb hierin finb au8 bem angeführten ©tunbc
bie „gefüllten" ^flangen oor ben einfachen im SSortheil, au8
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bemfelben @runbe, au8 betn, wie früher angegeben wutbe, bei
grübfattoffeln oft bie Slütbenbilbung unterbrüdt tft. 9lut^
Änig^t giebt an, bafe „gefüllte" ?)ftan3en frübet blühen al8
einfache, unb anbemeitige Sifabrungen beftätigen bieS für baS
Leberblümchen (Anemone hepatica), ©chneeglcdchen (Galanthus
nivalis) u. a. SSeniger auf bie Seit ol8 auf bie Sieichlichfeit
beS Slühenfl berechnet ift baö SBegnehmen ber jungen Srüchte
an ^ofenftöden, bie tUiaterialien, bie fonft 3ur lSu8bilbung bet
©amen unb grüchte gebient hätten, fönnen nun ben Slüthen»
fnoflpen für bafl nächfte Saht gu gute fommen. 3u bem ÜKangel
beö ©amenanfa^eS ftimmen oiele (feineöwegä alle) „gefüllt"
blühenbe ^flanjen mit manchen S3aftarb»^flanjeu überein. Sluch
bei ihnen ift ba8 ^ruchtungSoermögen oielfach ein oerminberteS.
3n SSerbinbung bamit fteht bei oielen berfelben eine Ueppigfeit
beS 3!i}a^8thum8 unb ber (Sntwidlung oon SButjelfch offen,
Sleften, Slattern unb ©turnen, welche bei ben ©tammeitern
biefer ©aftarbpflanjen audh bei forgfdltiger Kultur nicht an»
getroffen wirb. Äölreuter, einet ber hwoorragenbften ©eobadhter,
ber fich, wie fein Lanbämann 6. ©ärtner um bie wiffen»
fchaftliche Unterjuchung ber ©aftarbirung bie größten ©erbienfte
erworben h<>t, bemerft bereits biefen Bufammenhang. IDenn er
wies barauf hin, bag bie ©aftarbe nur im freien ©oben bie
ooQfommene (Sntwidlung ihrer Slheite erreichen, währenb fie in
köpfen gepflanjt, unb baburch im ©3achSthumStriebe gehemmt,
mehr 9leigung jum Frucht* unb ©amenfa^ erlangen, eine weitere
©e^ätigung unferet oben gemachten ifluSführungen, ©ärtner
hat aber bereits barauf aufmetffam gemalt, ba^ auch
©ejiehungen feine allgemeinen finb, auch ftnb fie jebenfadS häufig
fo nerwidelt, ba§ fie nur burch forgfdltige ©ergleidhung im
Ginjelnen ermittelt werben fönnen, eS ift 3. ©. auch gau3 gut
_^(803)
” h »■ *
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benfbar, ba§ baS in SSecbtnbung mit ber Saftatbirung emorbene
größere @proffung6»erm6gen ^emmenb auf bie bei »ielen
Saftarben noch uor^anbene @amenprobuftion einwitft.
@pecieQ aber lie§e fi^l eine Analogie ber gefüllt blü^enben
^flanjcu unb ber S3aftarbe noch barin finben, ba| auc^ bie
leiteten früher unb reicblit^er ju blühen l^flegen, al6 bie reinen
Wirten, unb jtelreuter fucbt auch hierfür ben ©runb- in ber Un<
frucbtbarfeit (tefp. geminberten grudbtbarfeit) ber S3aftarbe, benn
gerabe bei ben im bncbften ®rabe unfruchtbaren ^pbriben
»erben biefe @igenf^aften auch in befonberfi he>hem ÜRahe an:=
getroffen, freilich ift aber auch hi^e, »ie Gärtner nachmeift,
bie 33ejiehung feine bur^greifenbe, benn gerabe SBaftarbe, »eiche
fich bur^ Sruchtbarfeit auSjeichnen, thun bieS auch bezüglich
ber grühjeitigfeit unb {Reichlichfeit bc0 33lühen9.
3;rohbem »irb bie Sluffinbung folcher S3ejiehungen eines
ber »ichtigften Siele einer rationellen 9Rorphelo0ie fein, unb ba*
bei fann namentlich auch ^<e Unterfuchung von SRihbitbungen
von {Bebeutung »erben. @9 fei hier nur ein ^aO al9 93eiff)iel
angeführt. Der 9Rai9 (türfijcher SBeigen) h“i nn einer unb
berfelben ^'flange j»eierlei SSlüthenftänbe, an ber ©pi^e eine
mit männlichen Iblüthen befehle {Rijpe, in ben Slchfeln einiger
Blätter bie befannten J^olben, »eiche bie »eibli^en ^lüthen
tragen. Die le^teren fi^en auf ber hier jiemlich ftarf onge»
fch»olIenen ©pinbel, »ährenb bie ber männlichen Slüthen bünn
ift. {Run fommt e9 nicht feiten vor, bah auch bie männlichen
{Blüthenftäube ftellenmeife »eibliche 01üthen tragen. Die ©teilen
ber ©pinbel, an »elcher bie le^teren fi^en, geigen fich nun an«
gefch»ollen, fie nähern fich in ihrer Ißefchaffenheit ber ber »eib«
liehen ^olbenfpinbel um fo mehr, je gahlreicher bie »eiblichen
93Iüthen finb. S8ir fehen hier aifo bie S3ilbung von »eiblichen
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©lütten in enger ©ejie^ung 3ut 3lu8bilbung Bon anbem I'^eUen
bet ^flanje, unb 9le^nlt(^eö finbet, tote ic^ nnbetweitig auSju»
führen Beriucbt ^abe'®), au(^ fonft [tatt, namentlich bei bet
SluSbilbung bet oft eigenthümlich umgeftalteten fporentragenben
©lötter bet gatnftäutet, unb eine eingehenbe Unterfuchung wirb
bie 3ohl biefet gätle gewi^ noch Bermehrcn.
!;\nmerhungen.
1) (Einige ber wit^tigften Slrbeiten biejeS ftnb über-
lebt in 8. Jreöiranu?, Sebträge jut 'PfIan3en^.'^9poIogie, @6t»
tingen 1811. .
2) SUJit bie erften ;£)inweife auf biefe Sejie^ungen pnben fitb wobl
bet ®5tbe unb ©eoffrop ®aint«^ilaire (traite de teratologie). (Srfteret
^at feine Slnfdjauungen borüber, wie bie über bie ÜJletamorbf>ofe ber
flflanjen in einem befannten ©ebic^tc niebergelegt, Den wcitbem
fpecietl eine ©teile ju nennen ift. ((Sotta’fcbe ©cfammtauSgabe non
1869, 36. Sb. ©. 164.)
„®0(b im 3nnern ft^eint ein ®cift gewaltig ju ringen
SBie er bur^bräc^e ben .(trei«, SBiHfür ju f^affen ben Sormen,
5öie bem SBolIen; bod) wa8 er beginnt, beginnt er nergeben«.
2)enn 3War brängt er lltb nor su biefen ©liebem, 3U jenen,
Staltet mächtig fie au8, jeboeb febon barben bagegen
Slnbere ©lieber; bie 8aft bc8 Uebergewicbte8 nerniebtet
91 de ©ebene ber gönn unb äße reine Sewegung.
©iebft EDu nlfo bem einen ©efebövf befonberen Sor3ug
Srgenb gegönnt, fo frage nur gleich, wo leibet e8 etwa
HJJangel anber8wo, unb fuebe mit ferfebenbem ©eiftc:
giuben wirft bu fogleicb 311 aller Sübung ben ©eblüffel.
Senn fo b«* Wn Übier, bem fdmmtliebe 3öbne ben obern
Äiefer umfäumen, ein 4)orn auf feiner ©tirne getragen,
Unb baber ift ben 86wen gehörnt ber ewigen fDlutter
©an3 unmöglicb 3U bilben, unb böte f'« oH« ©ewalt auf;
Senn fie bot nicht SJJaffe genug, bie Reiben ber Sühne
Sollig 3U pflan3en unb au^) ©eweil; unb ^törner 3U bilben.
(S06)
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3) ©(^cn ÜJJo^l 6at auf biefe 2^atfa(^f ^ingettiefen. („®ie »rge*
tafcilif^e 3<ne" in: 91. 3Bogner« ^>anbttörterbud^ bet 1855.
©anb 4 ©. 255.)
4) Der nähere 9la^mei§ bafür finbet fid> in meiner Slb^anblung
„©eiträge jut 9Jicrpl)oIcgie unb ©lalte«. Sotanifc^e
Seitung 1880.
5) Die in Deutf(^lanb Ijcrtj^enbe formale ÜJJotp^olcgie ^at biefe
©ejieljungen allerbinß« fo gut wie ganj öernac^läffigt, wa8, wie Ijiet
nie^t näfiet auSgefu^rt werben" fann, mit ber ganjen fRidjfung berfelben
jufammen^ängt. $)iet fei nur barauf I;ingewiefen, baß bie erperimentelle
(Sinwirfung, bur(^ welt^e eine Äno8pe »eranlaßt werben fann, ftcß ju
einem i?ang> ober Äurjtrieb, jur ©lüt^e ober gum ?aubfproß, gut Änolle
ober beblätterten 2rieb, gu leßterem ober einem Dorn auSgubilben,
fcineSwegS eine ßrrungenft^aft bet 9leugeit, fonbern fefjon feit Änig^tö
©erfudjen (benen ftc^ nct^ anbere anreißen ließen) feftgeflcllt ift.
6) ©gl. ©aebö in 'Arbeiten bc9 botan SnflitutS gu 5Bürgburg.
©b. I. ©. 622.
7) ®lan oergl. barüber ©cc^ting, übet Drganbilbung im ©flangen*
reid^ II. 1884, wo auep bie gärtncrifc^en Erfahrungen über ben
Dbftbaumfdjnitt eingcl;cnbe ©erwetthung gefunben haben.
8) ©gl. Sach«, Stoff unb Sonn bet ©fl.ingcn, crgaii. ?Itb. beS
botan. Snftitut« in Sßürgburg. ‘©b. II.
9) Dafl ©orhanbenfein berfelben würbe na^gewiefen in bem oben
citirten Üluffaß, Sotan. 3eitung 1880.
10) ©crgl. ßntwicflungSgcfchichte ber ^flangenorgane. (©chenf,
.fianbbuih ber ©otanif, III. Dheil.)
(#07)
Trud BOn P#ebt. Utiflet (Jft. Wtimm) in Serlin SW., gcfeönctetfletftt. 17a.
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illekr elementare foigniffe
im Slltert^ium.
Son
^tof. Dr. i|tnnanit igogeit.
fincHii SW., 1884.
®etlag »on 6orI ^>abel.
(C. (t. Xsiniti’iitt StrligitaitliiDtlmg.)
53. SU^lm • Sttat« 33.
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2>ad fRed^t bei Ueberfe^ung in ^embe Sprai^en roirb Dotbebalicn.
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'Äeit einet längeren Steife »on 5JJlonaten ift bie SKenfd^^ieit
unferer 2:age in ununterbrochene Stngft unb Aufregung »erje^f
9ii(ht Ätiege »erurfad^en i^r biefen Schreefen: bie ^solitijdhe
jtonftenation lä^t glficflicher 3Sei|e folche ni(ht fo balb befürchten
unb 2)anf ber unermüblichen Slrbeit ber allet Orten »irfenben
^riebenSliga ueiben fie non ^ag 3U Sag in immer weitere
gerne gerüdtt. 9lein, nicht folche JDinge beunruhigen un8, bie,
wie fie burch eigenen Unoerftanb h^beigeführt werben, fo auch
burch eigene SBeiSheit ftdh oermeiben laffen, fonbem @teignif)e,
benen gegenüber ber 3)ten]ch tro^ aDer S3orfichtdma§regeln
fchlie§lich hoch wehr> unb waffenlos bafteht. ^aum hatten wir
uns oon bem @chrecfen erholt, in ben unS baS Unglüd beS oom
JBilbwaffer gänzlich unb auf Sahre h'aauS »erheerten Sprol
uerfe^t hat, fo fam bie traurige j^unbe non ber SSerwüftung
©rinbelwalbS burd) einen Sergfturj, ber bie ©dh'^edfenSftunben
beS unglüdlichen 6Im'S wieber wach rief, unb gleichzeitig bie
SRa^richt oon bem namenlofen 6Ieub, baS bie ^ochfluth in
bie liebreijenben gluren beS gefegneten Sth^tnthalS getragen hat-
9toch finb wir auS bem ©^reefen ni^t heraus : bie Sawine,
welche bei @encnba nom 0tauhen ©lärnifch gu Shal ftürgte,
lieh 9Jiitcibgenoffen für baS 800S ihrer SBrüber zittern, unb
nur mit 9Jlüh’ unb 9loth hiawieberum fonnte im Serner ©ee*
lanb bie SBafferSnoth zurü^fle^Jrängt werben. 6rft ber ftegreiche
(Sinzug beS SenzeS lie§ unS wieber etwas aufathmen, aber
XIX. 454. 1* (811)
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fluf nur atlju furje grift: ein einjiger ©(^log unb ßafamicctola
tDor mit 6000 SRenfc^en gerfc^mettett; menige SBoc^en »ergingen,
fo »ema^m man, ba^ leinten in Oftafien im malaiift^en Srd^ipel
neue furchtbare ©rbbeben 93etge jertrümmert, Snfeln »erfenft,
»eite ©treden »erwüftet unb noch »or faum einem
SJtonat »atb ©mprna burch fech^ @rb)chläge erfchüttert unb
Das benachbarte £f^eSmeh mit 3000 Käufern jertrümmert,
wobei 500 fKenfd^eti getöbtet, an 300 »erwunbet »urben.
Slngefid>t8 biefer enblofen SOlafj'e »etheerenber ©ingtiffe ber
9iatur in baS georbnete ^Dafein beS fSienfchenlebenS brängt ftch
ber ©egenwait unwiQIürli^ bie grage auf, ob wir nid)t einer
burchgreifenbenSSeränberung unferet ©iboberflä^e entgegen gehen.
3)ic8, obwohl »on ben SJiännetn ber SBiffenfdhoft beftritten, /
machen fich benn auch ^effimiften weiblich ju 9iu^e, inbem
fie barin eine Seftätigung ihreS ©a^eS finben wollen, ba§
überhaupt in ber 38e(t 9QeS fchle^ter werbe, SllleS in Sluflüfung
begriffen fei; babei weifen fte barauf hin, wie überall in ©taat,
Äir^e, SJloral an ber gefunben Ueberlieferung gerüttelt werbe, fie
betonen baS Ueberhanbnehmen »on >J)ohlheit, ©h^rafterloftgleit,
@enu§fucht, fie »erjeichnen ben Mangel an alter ©itteneinfalt, bie*
berer Sflechtfchaffenheit, patriotifcher Slufopferung, lurj fie reben »on
ber .^enf^aft beS 3JiaterialiSmuS, ber jebe ibeale IRegung über*
wu^ere nnb in nicht aQjugroher gerne ben »ölligen Oiuin alleS
unb febeS ©eifteSlebcnS h«'^l>«fnh’^*n werbe.
©lüdli^er SBeife ift eS bem unbefangenen Sßeurtheiler, ber
baS @anje unfere hantigen Kultur auS einer gewiffen ^öhe
überfchaut, ni^t fchwer, neben ben genannten ©pmptomen, an
bereu S3efeitigung ju arbeiten unfere ernfte Pflicht fein mu§,
noch eine ganje [Reihe ber glänjenbften ©igenf^aften ju ent*
becfen, bie gerabe in unferer gefdhmÄhtc« ©egenwart reiner al8
je ju Slage getreten finb unb fidh gegenüber bem berfelben
(81J)
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toorgewotfenen 3)2ater{aHdmu8 btelme^r alS bad ^robuft einer
ec^t tbealen SBeltanfclifauung fennjeidiinen. @8 finb vor SQrm
bie Sebürfniffe be8 93olf8, »eld^e no(^ allen Olid^tungen gum
©egenftanb ictafamcr gorft^ung gemad^t werben; Hebung ber
@(bule, ©efeitigung fogtalet 9Jli§ftänbe, Dbforge bet hänfen
unb ©d^wod^en, pflege ber »olfflwttt^f<^aftli(ben Sntereffen:
aQ bted unb ^e^n(id|e8 bie ©egenwart auf i^r Programm
gefegt. 9Kit einem SBortc, eö ifl bet @elfi ber ^)umanität,
welcber getroft al8 bie Signatur unferer 3eit begeid^net werben
fann. IDiefer @eift ber 9Jlenfcbli<bfeit ift eine gru(bt be8 ftifcb
erwachten 2)range8 nach aügemeinet ©Übung, wel^e allein e8
ermögli^t, über bafl 3lfltögli(he, Sufäflige, Scheinbare hinauä
baS ßirige, SBefentliche, 3Bahre gu etlennen unb feftguhalten.
iDian fühlt baS ©ebürfni§, bie eigene Srit im Sufammenhang
mit fämmtlichen voraufgegangenen Epochen gu betrachten, unfere
jfultur als einen 5Ring in ber feftgefchloffenen Äetle fammtlidher
^ulturentwicfetung ber fDienfchhrit aufgufaffen. ^Dah man hier*
bei mit ©orliebe auf baS Sllterthum gurüdgreift, erflärt fich
(ei^t, wenn man fleh baran erinnert, ba§ bei aQen h^tvor«
ragenben Äulturphafen ber SSeltgefchichte eine @inwirfung be8
SnterthumB nicht gu vetfennen ift. Glicht ohne ©ebeutung finb
hier auch bie großartigen @ntbedungen ber fReugeit geblieben.
2)a8 Si^tlgfte ift aber ba8 Stubium bet ©efchichte, unb
barau8 erwachsen un8 gwei föftli^e ©ortheÜe: erftlich inteOeftueQ
IReife unb Unbefangenheit be8 UrtheilB unb gweitenB in
moralifcher ^»injicht eine gewiffe 2lrt von ©efreiung unb Kräftigung
ber Seele. 35Bie fchon im gewöhnlichen Sehen ber Ülnblicf
fremben Setbe8 ba8 eigene vergeffen läßt, fo ergeugt in no^
höherem 9Raße bie ©ef^ießte mit ihrem 9tachwei8, baß audß
bie früheren ©enerationen ähnli^en UnglücfSfäQen auBgefeßt
gewefen ßnb, ja fogar vielfa^ unter noch viel härteren Schlägen
81 S)
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3U leiben Ratten, in und jene leibenjc^aftdlofe Sfiu^e, welche bie
Siltett mit bem iRamen araQa^ia ober ^ei^cit non jeglid^er 6t»
fc^ütterung be3eid^net ^aben.
©erabe bo8 Sllterl^um, auf bad wir mit begeifterter S3e»
wunberung jener nur einmal unb nie wieber ju Jage getretenen
Harmonie allet ÄrSfte unb Sleu^etungen bed SRenfcbengeifted
jurüdfblicfen , ^at in ben mannigfad^ften 6tf(beinungcn bie
bämonift^e ©ewalt elementarer 6reigniffe an fidb gu erfahren
gehabt. 6d fei ^iet geftattet, butd^ SSotfü^rung einiger S3ei»
fpiele bie 9ii(^tigfett biefcd ©a$ed 3U etweifen. 3Röge bie
6rinnerung an bie fcbweren geiben längft ba^ingefd^wunbenet
@ej(^le^ter bie 30genben ^)er3en bed heutigen öpigonent^umd
ftärfen, auf ba§ auc^ an und fidb bewahrheite, wad fRom’d gr5|ter
Iptifdher JDidhter »om dharafterfeflen Spanne gu Hnsen weife:
Unb ftüt3te felbft bed Äetherd SBöIbung,
Ürifft bad ©etrümmer ben UncridhrDcfnen,
5Die fRömer foDten nur gu balb in traurigfter SBeife an
biefen Spruch bed .£)oratiud erinnert werben.
3n gräfelichfter ©eftalt tritt bad SSerhängnife heran, fobalb
bie ÜRenf^en mitten im horm« unb ahnungdlofen Sefcfeauen
einer feftlidhen Sflufführung, währenb Silier Singen unb Sinne in
forgenfteier Unbefangenheit auf nichtd Slnbered, aid bad S^au»
fpiel Dor ihnen gerichtet Rnb, plöfeli^ ncm Unglücf erfafet unb
ohne ©rbarmen 3ermalmt werben. ®ied war ber SaH 3«
gibenae, einem wohlan gefehenen, 3Wei Stunben norböftlich »on
SRom gelegenen 8anbftäbtchen , wo im 3ahre 27 nach 6hr-
bortige Slmphitheoter währenb ber SBorftetlung sufammenbrach
unb unter feinen Strümmem eine Unmaffe SSolfd begrub, beten
3ahl ’&öhe non nidfet weniger ald noDen fünf3ig Jaufenben
erreichte. 9Ran fennt bie SJotliebe bet Sitten für öffentliche
SchoufteHungen, bie fich bei ben Stalitern 3n einer wahren
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ftelgerte, fobalb @Iabiatorenfämpfe ober
3trlu0 in SluBficbt gefteDt würben. @o war eö ni(^t gu »er«
wunbem, ba§ bamald unter bem ^onfulat beS 3)1. Stdniud unb
i. ßalpurniufl eine ungeheure 3<«bl »on SKännem unb grauen
non jeber aiterSflnfe »on allen ©eiten, namentlich »on bem
nahen 9iom hft» i« gibenae gujammengeftömt war, unb gwar
hatte ber 3ubrang be0h?lb no^ gang außergewöhnliche 5)i»
menfionen angenommen, weil, wie und Sncitud berichtet, bad
iBolf währenb ber büfteren Dtegierung bed menfchenfeinbltchen
ÄaiferS Jiberiud bid baßin auf hößer«» Sefeßl »on allen ber»
artigen Seluftigungen grunbfäßlich fern gehalten worben war.
iDarauf war natürlich bie Heine ÜRunicipalftabt nicht einge»
richtet, fo audgebehnt auch jonft berlei Sauten felbft in gang be»
jcheibencn Kolonien angelegt gu fein pflegen. @d mußte eigend
ein riefiger Sau h^tgefteUt werben, unb fofort bemöchtigte fich
bie ©pefulation ber ©aeße. @in gewiffet Sltiliud, einer »on
ber ©orte ber greigelaffenen, wie 2acitud begeießnenb bingufeßt,
alfo, wie et bamit gu »erftehen giebt, einet ton benen, bie oßne
folibe Silbung nur barnach trachteten, rafdh 3)lillionäre gu
werben, ßaHd aud fleinftübtifchem @h^fl^tg unb auch nicht
aud Ueberfluß an ©elbmitteln, fonbetn auf feßmußigen Profit
hin bie ©nießtung cined Slmphitßeatetd auf fieß genommen:
feßon ber Unterbau war ni^t folibe fonftruirt unb barüber
tßütmte er toHenbd ein luftiged ßolgetned ©erüfte auf, oßne
baß bie Salten feft in einanber griffen, ©o ließ benn auch
bie .^ataftropße nießt lange auf fieß warten unb gwat oßne
warnenbed Sorfpiel ober barmßergige 3wifcßcnafte: nein, Slnfaug
unb @nbe fielen in Sind gufammen, wie Slacitud fagt. IDad
©ange ftürgte übereinanber, tßeild naeß Snnen tßeild naeß Slußen.
3licbt nur bie 3ufcßauet würben fämmtlicß gerfeßmettert, fonbern
auch noch Siele, bie außen umßerftanben. Chören wir bed
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8
2;acitue eigene SBorte: „Unb jene, welche ber Sufammenbruc^
gleid^ am Anfang auf ben Sob getroffen ^atte, fonnten babuiob
wenigftenö, fo weit man bei foldbem ®efd^id non einer fUHlberung
fpreci^en fann, ben Dualen entgehen, n0(| mehr aber Waren
biejenigen gu bemitleiben, welchen ein j^öihertheil abgeriffen
worben war, ohne ba^ fie bad 8eben oerlaffen hätte. IDicfe
juchten am 2;age burdh UmherblidFen, in ber jltacht mittelft
Seufgen unb SBehftagen nach ©attinnen ober Jfinbem
umher. 2)ann famen noch weitere 8eute h«bei, bur^ bie Äunbe
oon bem gefchehenen Unglüd h^'^t’^iS^gogen, unb von biejen
bejammerte ber 6ine feinen SSruber, ein tSnberer einen 93cr«
wanbten, ein ^Dritter feine ©Itern. Sludh fotchc, beren Steunbe
ober IBerwanbten aud einem anbern ©tunbe ftch oon .^aufe
entfernt hatten, muhten trohbem in ^ngft fein; benn ba man
noch nitftt in ©rfohrung gebracht hatte, wen tSQe8 jeneö Unglüd
gerfchmettert habe, war in $oIge ber Ungewi|hett über ben
Shatbeftanb bie $ur^t nur noch grö§er. Slld man enblich ben
’^nfang machte, bie gufammengeftürgten .Raufen abgutragen,
ftrömte fSDeö gu ben ©ntfcelten heib«» man umarmt ht«lt
unb mit Äüffen überbedte, unb oft gob eö unter ben 8eib»
tragenben einen Streit, wenn bei ben ocrwif^ten ©efid^tögügen
bie gleiche ©eftalt ober baS namlidhe 9lter bie SBiebererfennung
auf Irrwege geführt hatte."
Den Urheber biefeS namcnlofen £eib8 traf — nur gu
milbe — bie Strafe bet SSerbannung. 9luch war man je^t
— post festum — raf^ mit aHerhanb SJerfügungen bei bet
^anb, bie einem ähnlichen Unglüd oorbeugen foQten: deiner
bütfe eine ©labiatorenoorfteHung oeranftalten, ber weniger S3er*
mögen befi^e, al8 400 000 SeStergen, b. h. ben gtitterccnfufl,
unb jebed Amphitheater müffe auf einem S3oben »on aÜfeitig
erprobter ^eftigteit aufgebaut werben.
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9
3Rit biefem S^eatereinfluTj verglichen erföheint felbjü ber
Sranb beS SBienet Stingtheaterd ober bie vor faum einem Sahre
im 3irfu8 gu Serbitjchem ftattgefunbene ^euerdbrunft faft un*
bebeutenb; fo über aDe TOa^en gewaltig war ber mit jener
jfataftropbr verbunbene ißerluft an SRenfchenleben! IDocb war
bafür glüdlicherweije bad menjchli<he üRitgefübl um fo größer.
SJian merft ed StacituS an, wie er aufathmet, ba§ er feinem
graufigen Berichte noch folgenben nerföhnenben @chlu§ beifügen
fann: „3tn Uebtigen öffneten fidb unmittelbar auf baä frifche
Unglüd hin bie ,^äufer ber SSomehmen aufg @aftlichfte; IBer«
banbgeug unb illergte würben gum allgemeinen S3eften geliefert,
unb fo glich bie Segeifterung in jenen Sagen, obwohl nur
traurige Ollienen gu fehen waren, gang ben währfchaften Sitten
ber SSorfahren, welche jeweiten na^ fchweren Schta^ten ben
Serwunbeten burch reichliche @elbf)>enben unb fonftige forg>
faltige pflege nach <^nften Erleichterung gu nerfchaffen gewohnt
waren."
!Doch ein Unglüd fommt feiten allein. Schon im barauf
folgenben .Kapitel ftcbt fidh SacituS ceranlaht, oon einem neuen
Etenb gn berichten. fRoch nid)t war ber Unfall non gibenae in
SBergeffenheit gerathen, al8 bie Stabt fRom burch «ine h«fiis«
geuerSbrunft niebergebeugt warb, inbem ba8 gange Eälifche
Duartier, mons Caelius ober Caelimontium geheimen, in Stammen
aufging. Es war baS bie gweite ber 14 [Regionen ber ewigen Stabt,
neben welcher ft^äter 93eSt)aftan unb Situd baS weltberühmte
Soloffeum erri^teten. Die »ergweifelnbc Seoölferung lie§ eö
fich nidbt auSrebcn, bah all biefed Elenb eine Strafe ber Eötter
fei, weil SiberiuS feine [Reife nadh Eapri unter ungünftigen
IBorbebeutungen angetreten h^be. SiberiuS fuchte baS burch
rei^e Eelbfpenben wieber gut gu ma^en, bie er ohne Slnfehen
ber ^erion an jeben ©efchäbigten gelangen lie|, unb ergielte
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fcaburc^ in ber fcitenS beä allezeit gut foifetIt(^ gefinnten
©enatö eine folenne ©anffagung.
war bad nic^t baS elfte ORal, ba^ bie Stabt 9iom uon
flammen ^eimgefud^t »urbe. ©d^on im Sa^te 390 ». 6^r.
Ratten bie ©aUiet unter StennuS gouj 3iom burd^ geuet »er»
^eert mit SluSna^me bed ^atiitold, auf bad fid^ bie fül|nen
S3erti)eibiger jurüdgejogen Ratten. „SBie in einem Sc^aufpiel",
jagt 8i»iue, „mußten biefe guje^en, t»ie in ber 31t i^ren gü^en
liegenben Stabt SBeiber unb ^inber unter SBe^flagen um^er«
liefen, baä ©efdjrei ber geinbe ertönte, bie glammen praffelten,
bie ©ebdube unter ^rac^en jufammenftürjten." Slian begreift,
ba§ Sftebner unb ©efc^ic^töfc^reiber nii^t oft genug biefeö Un»
glürf ermähnen tönnen.
IDann fanb ^acituö felbft noch me^rmaiS ©elegen^eit, bie
Sc^ilberung d^nlicber Äatajtropbeni bie Siom getroffen unb bic
er 3um Jljeil felbft erlebte, feiner Seitgefd^icbte ein3u»erleiben.
So brannte im 3. 36 n. @^r. ber Sitfuö 3Kajcimu8 ab fammt bem
gau3en bena^barten auf bem Snentinifc^en IBerg angebauten Duar»
tier. 3lu(b ^ier legte SiberiuS eine beifpiellofe greigebigfeit an ben
Sag: nicht weniger al8 100 IDHIIicnen Se8ter3en sa^lte er au8
feiner ^rioat^atouQe alö ©ntfdbdbigung für bie niebergebrannten
^aldfte unb fDUethquartiere, na^bem er eigenö eine Scbd^ungi»
fommiffion 3ur 3u8mittelung beö Sranbfchabenö eingefe^t.
Sacitud, ber fonft auf Siberiuö nicht befonberS gut 3U fprec^en
ift, glaubt biet noch befonberS betonen 3U muffen, bah beS
jtaiferö Liberalität einen um fo mohlthuenberen ©inbrudf ge»
macht ^ i‘’nft in ber ©rfteQung »on ^rinatbauten
eine grohe 3urücfhaltung beoba^tete. ^atte er hoch felbft im
9iamen be8 Staates nur 3t»ei äSerfe bauen laffen, einen Sempel
für ‘ÄuguftuS unb bie Sühne im Sheater be0 ?)ompeiu8 unb
felbft biefe hatte er nicht einmal felbft eingeteeiht.
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SrnmcT^in ^atte biefeg ^ranbunglücf nur einen ^^eil ber
tömifdjen SeBDlferung getroffen, bo(^ »ar ber @tabt balb unter
einem ff^ateren .^aifer ncd| ein ganj anbered @(enb oorbe^alten,
bad bie ganje tßemo^nerfc^aft, @ro§ unb ^(ein in unfäglic^e
SRot^ ftür^en füllte. 63 mar bieS ber weltberühmte Sranb oon
fRom unter 9leto im 3ahre 64.
STacitu3, ber bamalB etwa 10 3ah« oü
biefer Äataftrophe «ne fo lebenbige ©thilberung, ba§ man gteid)
fieht, bah et babei, wenn er fte nicht felbft miterlebt h“tf
Wenigften3 bem Sieferat eines 3(ugen3eugen folgt. „5)a8 23er»
berben", meint et, „wat fchweret unb grdhli^et, al3 2lf(e8, wa8
bis bahin ber @tabt butch SenerSgewalt jugeftohen war."
^jöten wir feinen Sericht.
„2)er 23ranb begann an bemjentgen SirfuS, bet
fi(h an ben ^aiatin unb ben mons Caelius anlehnt; hier würbe
. burch bie umliegenben 23etfaufSbuben, in benen R(h fot(h«Ict
2ßaaren befanben, wet^e bet glamme fRahrung geben, baS
geuet gugleid) entfacht unb fofort groh gegogen. 33om 2Binb
bahingetragen hatte eS bähet auch augenblicflich bie gange Sänge
beS BirfuS etfaht. IDenn eS tagen feine 2^aläfte bagwifchen,
bie Bon SSranbmauetn umgeben waren, ober Tempel, Bon üRauern
eingefdhloffen, ober fonft ein SSauwerf, baS hinbernb hätte in
ben 2Beg treten fönnen. fDlit Ungeftüm bur^rafle bie geuerS*
brunft guerft bie oberen 2>artieen, bann ftetterte fie bie 3lnhöhen
empor, Berwüftete barauf wieber bie unteren ©tabttheile unb
entgog fich mit 2BinbeSeile allen .^ülfSmahregeln, intern bie
©tabt bur^ ihre engen, batb bahin, balb borthin fich brehenben,
winfligen ©trahen unb bie enblofen jpäufemihen, wie eS eben
im alten 9tom auSfah, ber @efaht gang befcnberS auSgeie^t
war. IDagu fam überall noch baS ©ejammct bet etf^recften
grauen unb baS 2Behflagen Bon üRenfchen hothf^flagltn 3Uter8
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ober unerfa^renet jtinb^eit; bann ba9 .^ia« unb Verrennen von
Leuten, bic für ftd^ unb anbere beforgt waten, tnbem fte bte
j^rattlofen fortjogen ober auf fte warteten. Unb wä^renb fo
bte @inen flehen blieben unb bte Slnbcm eiligft I^crbeiftürjteu,
war aOefl einanber im SBege. Unb oft, wfi^renb fie nur für
einen Slugcnblitf tüdwäiM fc^auten, würben fie von bet (Seite
ober von vorne )>lö^li(b vom Unglücf erfafit ober, wenn fte fidf^
in bie näd^ftgelegenen Üuaitiere gerettet Ratten, mußten fte
halb bie ©rfa^rung ntad^en, ba§ autb jene vom Beuet ergriffen
würben, ja ba& felbft blejenigen ^artieen, bie man für weit
abgelegen von jeber ©efat^r erad^tet ^atte, bad gleiche Schicffal
3u tbeilen h®^***. Schliefelid) wu^te Ütiemanb mehr, wa8 fer
gu vermeiben, wa8 er aufgufuchen h®be, unb jo füllten fie bie
Strafen an unb würben übet bie gelber gejagt, IDie @inen
hatten aß’ iht ^ab’ unb ®ut eingebü^t, felbft ben 93efth be8
täglichen 8eben8bebarf8 , 2lnbere waren butch bie Siebe ju ben
Shrigen, bie fie ber ©efahr nidht h®Wf® entreifeen fonncn,
felber ju ©runbe gegangen, obwohl ihnen ein SluSweg offen
geftanben h®Hc* Unb 9Uemanb wagte e8, bem Schtecflichen
(Sinhalt gu thun, ba man h®ufig von SSielen IDrohungen gu
hären befam, welche bad Söfchen verhinberten, unb weil Anbere
gang offenfunbig gacfeln hineinwarfen unb bagu laut fdhrieen,
fie thäten bafl auf höh^r«n Sefehl, fei eö, um ihre JRäubeteien
um fo rücfhaltSlofer auSüben gu fonnen, ober auf witfliched
©eheife."
3Ba8 hl^t SacituS noch unentfchieben lä§t, h®l
Sicgraph Sucfoniufl gang unumwunben auögefpro^en. „3(18
@iner bet einem Stfchgefprä^ äußerte: „3Benn ich einmal tobt
bin, ba mäge meinethalben bie @tbe in geuer aufgehen!* jagte
9leto: „9lein, im ©egentheil, fo lange ich noch lebe *, nnb
barnach h®nbelte er benn auch- 0enn gleichfam geärgert burch
(SJO)
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bie ^ä^ltc^feil ber alten .p&ujer unb burc^ bie @n^e unb Sinfel
bet Strafen günbete er bie @tabt an unb gwat {c offenfunbig,
bag bie ülieiften feine {)au8gen offen, gemefene .^onfuln, bie fie
mit SBetg unb ^e^fadeln auf i^ten Gütern antrafen, nic^t
angurü^ren wagten: ja, ti würben einige in ber 9lä^e bei
taiferlid^en ^alaftei befinblid^e 3Ragagine, bereu Slreal bem
^aifer befonberi in bie lüugen ftadb, fogar mit .ßriegimafc^inen
erfcbüttert, ba fie, weil aui Steinmauern errietet, nicht fo
leiht angugünben waren. Schi Sage binburh unb fttbcn
flächte würbe bei biefem 6lenb gewuthet,') unb bie Seoölierung
mu§te ficb in öffentlihen @ebänben unb felbft in (^rabbenl«
malern einquartieren. Slu^er einer enblofen Suhl »on 3Jlieth«
Wohnungen brannten bamali audh jene ehrwürbigen Sehaufungen
alter gelbherren nieber, noch auögefhmücft mit ben ©t?olien ber
Seinbe, unb Tempel ber @ötter, noch non ben Jtonigen \)et,
unb bann bie in ben i^unifchen unb gallifhen j^riegen geweihten
,^eiligthümer, furg Ülllei, wai fich noch an Seheniwürbigteiten
unb ©enfmälem au0 ber alten Seit erhalten hatte."
©iei fährt ^acitui in golgenbem noch näher aui: ,@ine
Sählung bet gerftörten Jpäufer unb Duarliete unb 3;em^)el an»
gufteUen, bürfte nicht fo leicht möglich fein; baher nur fo oiel,
bah jener Stempel von uralter .^eiligfeit, welchen Seroiui SluUiui
ber l*una gebaut hatte, gu @mnbe ging, bann ber gro^e Slltat
fammt .peiligthum, welchen ber iKrfabier (Soanber bem ihn be*
fuchenben ^)erlulei geweiht, ferner ber oon JRomului gelobte
Jempel bei Supiter Stator, weiter bie Äönigiburg bei 9luma
unb bie Äopetle bet Sefta mit ben Renaten bei römifhen 53olfefi
bem IBranbe gum Dpfer fielen, ©agu noch all bie hcitühci^
Äleinobien, in fo oiel Siegen erworben, unb bie Sieben
griechifchen Äunflfleihei, ferner alte unb uncerfälfchte @remplare
oon SBerlen grober ©elfter: an Slllei bai werben fih troh bet
(SSI)
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betrlid^en ©djön^ett bet au0 ben S^rümmern »iebcr aufftetgenben
Stabt bte adteien not^ üielfac^ erinnern, benn baS finb 25inge,
bie eben nic^t wieber erje^t werben fonnten."
Ueber bte SuSbe^nung giebt eine genaue ftatiftifd^e 9iotig
unjereS ©ewä^tSmanneS 9luffd^Iu§. 3)a0 gan3e ungeheure
Stabtgebiet non IRom jerfiel befanntlid^ in 14 Siegionen ober
Ouartiere: non biefen waren nat^ SacituS nur »iet Born geuet
unberührt geblieben; brei würben bem ©tbboben gleid^ gematzt,
bei ben fteben übrigen waren nur uo(^ wenige krümmer Bon
Sauten [te^en geblieben unb auä) biefe noi^ gong getriffen unb
balb niebergebrannt.
^a0 Ungtücf war gu fd^wer, a(0 ba^ nicht aOerhanb
abergläubifdhe Sorfteüungen baran gefnüpft hätten. 2)ie @tnen
machten bie Seobachtung, ba§ bie[er Sranb am 14. Bor ben
Äalenben be8 Sejrtiliä (19. 3uli) feinen Slnfang genommen habe,
aifo an bem gleichen 2)age, an bem einft auch bie fenouifchen
©aDier bie eroberte Stabt in glammen gefegt halten (i. 3. 390
B. 6t)r.). Slnbere brachten fogar burch Sählen hf^ouS, bah
gwifchen beiben ^euerbbrünften genau ebenfoBiel 3ahre unb
SJionate unb 5Eagc gelegen feien, nämlich 418 3ahre unb 418
^JDionate unb 418 Sage! 6S ftimmt aber nicht gang.
60 muhte anetbing0 grohe0 Sluffehen enegen, bah fith
Sievo währenb ber meiften Seit be0 Sranbe0 gang ruhig in
^jlntium aufhielt unb ber Stabt nicht eher feinen Sefu^ fchenfte,
bi0 ba0 Seuer laut Sericht feinem eigenen ^alafte, ba wo er
ba0 ^alatium unb bie (Märten be0 S)iäcena0 weiter gebaut
hatte, nahe gcfommen war. 3cbodh fennte audh h*er ber §euer0»
brunft fein 6inhalt gcthan werben, ba0 ^alatium fowohl, al0
fein eigener ^alaft gingen in glaramen auf.
9iero benuhte bie Gelegenheit, auf einmal ben milbthätigen
ÜJlenfchenfreunb gu fpielen, wie et überhaupt für ba0 Schau»
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ipielern «in gaible ^atte unb fogar in eigener ^erjon tnel)rmal8
auf bet 33u^ne aufgetreten war. 2)em »cr3WeifeItcn unb flitcbtigen
Sßolt öffnete er baö ÜRatflfelb unb bie ©entwäler bc0 Slgri^j^a
(»erfdbiebcnc großartige ©ebäube: porticus Vipsania, thermae
Agrippae, Pantheon ic.), ja fogat feine eigenen ©arten am
älatican, ferner ließ er Paraden bauen, in welchen bie ßülfloje
fIKaffe Slufnaßme finben fofle. ISucb würben »on Dftia (bem
^afenplaß »on {Rom) nnb oon ben benad^barten Söiuuijipien
'ßet allerlei J£)auögetStße unb SBcrfgeuge ßerbeigefeßafft unb
bet ^teiS be8 ©etreibeS biä auf 3 ©eSterjen per ©dßeffel
ßerabgefeßt.
3Mefe Slnotbnungen, obwoßl »olffltßümlitßer SRatur, oct«
fehlten aber gleicßwoßl bie beabfießtigte SBirlung, weil fit^ baö
©erü(bt »erbreitet unb feftgefeßt ßatte, baß er gerabe jur 3«t,
al8 bie ©tabt brannnte, eine Süßne in feinem ^aufe betreten
unb bie Setftbtung »on SEroja befungen ßabe, inbem er in bem
gegenwärtigen ©lenb eine wiDIommene SQuftration 3U ben
SEßaten unb geiben bet äBor3eit erblidte. JDafl {Rämlicbe lefen
wir au^ bei ©uetoninS: „©iefe geueröbrunft betraebtete er »on
bem ^butm beö flRäcenad auö, ßatte feine ßelle ^reube an bet
©tbönßeit bet flamme, wie er fagte, unb fang ba3u bie @r»
oberung »on 3lio8 in jenem feinen befannten SBübnenfoftüm."
Unb gwar nic^t etwa ein frembe8 ©ebic^t, fonbern ein eigene8
©po8.*)
35ie erwähnte SRilbtßätigfeit gegen bie atmen abgebrannten
ließ fidß fReto nidjt adguDtel foften. ®t naßm ßierfüt nießt
bloß bereitwillig ÄoQeften entgegen, fonbern »erlangte folc^e
fogat, fo baß er bie ©elbguellen »on ^ro»in3en unb ^ri»at<
perfonen beinahe »oClftänbig erftböpfte, SBeiß bo^ ©uetoniuö
fogar ba»on gu berießten, baß, naeßbem ber Sranb 3U ©nbe ge»
wütßet, bet Jtaifer {Riemanbem ben Sutritt gu ben Ueberreften
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feines ehemaligen S3efi^eS nerftattet unb gmat einfa(h
beShalb, um felber mögli(h[t uiel S3eute 3U machen, mel^’
fchnöDe iSbficht er in baS glei§neri{(he S3etfbte(hen fieibete, er
mode krümmer unb Seichen f^on auf eigene Soften »eg«
fchaffen laffen.
9iun galt eS an ©teile beS alten winfligen engftra§igen
0iom eine ganj mebeme Su;i;uSftabt mit glängenben Prachtbauten,
breiten pid^en unb granbiofen @tra§enflu(hten gu fe^en. S)aS
mirb ganj unummunben alS d)2otiD für bie ^Injünbung angegeben;
auch h^ilc ^aifer cor, bie neue ©tabt nach feinem eigenen
fRamen gu benennen, nämlich 9ieronia, mogu eS aber megen
feines balbigen ^obeS boch nicht mehr gefommen ift. Unter
biefen Prachtbauten nahm bie cberfte ©teQe ein ber faiferliche
Palaft, baS fogenannte golbene {)auS, bei beffen @rftellung in
ber ^^leS ®eftein nicht gefpart morben mar;
Dor SlQem aber ftach eS burch bie rieftgen IRaums^omplejre her»
t)oc, melche ftch ringS um baffelbe lagerten unb halb Promenaben,
Parle, SBUbniffe, halb freigelegene @benen unb 9luSblitfe, halb
Fluren unb S^ei^e barftedten. Slifo gang ein Sajrenburg,
©chme^ingen, 93erfaideS. S)abei bienten ihm als Saumeifter
unb @rfinber gmei dRcnner, ©eueruS unb @eler, bie genug
@enie unb j^uhnheit befaßen, um auch fel<he S)inge, mel^e bie
dtatur vermeigert hätte, auf bem 3Bege ber ^ünftelei gu net«
fuchen unb bie @elbmittel beS Surften gu uerfchleubern.
3m Uebrigen mürben non ber ©tabt bie Partieen, melche
baS dteronifche ^auS no^ übrig lie§, mie fich 5£acituS bitter
auSbrücft, na^ einem genauen Plane aufgerichtet, fo bah boehec
bie ©trahenreihen abgeftedt, breite Snifchenräume ber SBege
aufgeftedt, bie ^)5he ber ©ebäube in corgefchriebenen ©chranlen
gehalten, meite J^ofräume frei gelaffen unb SSorhadeu beigefügt
mürben, um überad bie Seont ber Duartiere gu frönen. Such
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»urben ^Belohnungen auägeie^t, um bie SBemohnet ju eifrigem
SBeltieb ber Sauten anjuftJornen, bie fie aber nur bann erhalten
fönten, »enn fie bi6 3U einem bcftimmten Seitpunft bie ^aläfte
unb Quartiere fertig hätten. 3)a0 Srümmerwerf mürbe fämmf
li^ in beu Sümpfen bei Dftia abgelaben.
©aß Saureglement enthielt ferner eine Sleihe ffrupulöfer
^olijeibeftimmungen, bie alle »on bem ©ebanfen eingegeben
maren, einem fünftigen Sranb enetgifch oorjubeugen. IDie
^>äufer fönten bi8 ju einem feftgefe^ten !£heile nicht anS Salfen
ober Srettermert beftehen, fonbern auä Stein unb 3mar au8
©abinifchem ober Sllbanifdhem, meil biefe Steinart oon ben
glammen ni^t fo leicht bur^bohrt merbe. 9luch fönten feine
gemeinfamcn SBanbe errichtet merben bürfen, fonbern einen jeben
Sau mühten feine eigenen ÜJtauern umgeben. 25ann mürbe ba8
SBaffer bem minfürlichen ©ebrauch ber ^Jltioaten ent3ogen unb
unter Dbl)ut oon SBä^tern (Srunnenmeiftern) geftent, bamit
e8 um fo reidhli^er unb an mehreren Stenen 3um öffentlichen
©ebrauche fliehe. iJluch fone ein Seber 3Kittel 3ur j^anb hohen,
um einer etmaigen §euer8brunft mirffam 3U begegnen. „IDiefe
3um öffentlichen 9lu$en bienenben Serfügungen", meint 3;acitu8,
„oerfchafften ber neuen Stabt 3ugleich au^ einen gemiffen
Schmud." fügt er glei^ noch ht^iWr hah e8 8eute ge*
geben, bie ba geglaubt hätten, jene alte Sorm fei für bie ©e*
funbheit 3uträglidher gemefen, meil megen ber 6nge ber Strahen
unb ber .pöhe ber Raufer bet 2)unft bet Sonnenftrahlen niöht
fo leicht überall l)obe einbringen fönnen. Se^t gebe e8 faft
feinen Schatten unb bafür eine um fo brücfenbete pi^e mit
einet ÜJtaffe oon Äranfheiten im ©efolge.
3lber auch bicfer mit aßen 5Ritteln in Scene gefegte Söh«n
oon ©emeinnü^igfeit unb oolf8thümlich=üäterlichet ©efinnung
fonnte ba8 ©erüdjt oon bet faiferlichen Urheberfchaft fene8
XIX. 4M. 2 (»25)
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(^lenbd ntd^t gum Sditoeigen bringen. 2>a nuc nod^ ein
9JlitteI: e8 mußten gemiffe ©(bulbige auSfinbig gemacht »erben.
8118 folcbe jd^ob er, fagt SEacituö, jene geute unter, weldje »egen
i^rer ©cbledbtigfeiten oer^afet »aren unb nom SBolfe ©Triften
genannt »urben unb belegte fie mit ben auflgefu^teften ?Kartem.
,2)er Url)ebet biefeä 9lamen0, (Sljriftuö, »ar unter ber {Regierung
be8 2;iberin8 bur^ ben Statthalter ^ontiuS ^ilatuS h<ngeridhtet
»orben. JDer für ben Slugenblid unterbriufte oerberblithe aber*
glaube brad) bann »ieDer hetoor unb nerbreitete fich nid^t nur
in 3ubda, ber ^flangftdtte biefed Uebelfl, fonbern audh in ber
.pauptftabt, »0 ja uon allen Seiten aHe8 Scbenfiliche unö
Q$rd§li(he gufammenftrömt unb feine anbdnger finbet. IDaher
würben guerft Einige gepadt, bie ihre @efinnung offen befannten,
unb bann »urbe nadb beren Angabe eine ungeheure SRaffe
überführt unb g»ar nicht in gleichem SRage be8 ihnen gemachten
Bor»urf0, ba§ fie bie Beuet8hrunft ocrurfacht hätten, al8 piel*
mehr »egen ihres .^affeS gegen bie SRenfchhrit. Unb »dhrenb
fie ihrem SJerbetben entgegengingen, trieb man noch allerlei
.^ohn unb Spott mit ihnen; bie @inen »urben in bie Seile
»Uber eingenäht unb bann ben ^unben gnm Serfleifchen
oorgeworfen; Snbere »urben anS Jbreug gefchlagen unb »ieber
anPere »urben mit einem Seuerfleib umgeben unb bann, wenn
e8 Dunfel geworben war, mr {Rachtbeleuchtung oerbrannt." 2)a8
finb bie berüchtigten Sacfeln bed 91ero, burch erfchütternbe 5lon«
bilber unb effeftPolIe ©emdlbe Sh^en befannt. „9lero hatte für
biefeS Schaufpiel feine @drten bem 93olfe geöffnet unb lie§
Daher Sitfuöfpiele aufführen, inbem er in ber Slracht eines SBagen»
lenfers fich unter baS Soll mifchte ober auf einen Streitwagen
ftanb. IDaher entftanb großes {Dlitteib, wenngleich eS Schulbige
waren, inbem man fidh jagte, ba§ fie nicht gnm SBohle beS
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©taated, fonbern, um bfe ©raufomfeit eines ©injtgen ju be»
friebigen, ba^ingerafft mürben."
JDoS mar baS unter bem 9tamen bet ^leronif^en ©Triften»
uetfolgung befannte büfteie 9latbfpiel jum Staube uon SRom.
5)aß jmeite SRatbfptel fam uiet Sa^te batauf, mo et »ou ben
©(^tedgeftalten bet uon i^ra ©tmotbeten »etfolgt, but(^
©alba »cm Xbtone geftütjl, uon jämmtUcben iÄnIjÄngetn »et»
taffen, ton alten Hilfsmitteln entblößt fi^ bet unuermeiblid^en
abnbung feinet Setbte(ben but(b ©elbftmotb entjog.
äBeniget bebeutenb etfdjeinen baneben bie Stanbunglüde
anberet antifet ©täbte, fo meit mit »on fol(ben noch Äenntnt§
haben. SBit b^ben auS beten 3abl nur nod| ben Stanb »on
8pon, bem alten 8ugubunum, anS bem 3abw 58 n. &\)x. betBot,
übet melcben bet ©enefa an feinen gteunb 8nciliuS
berichtet. IDaruacb mutbe bie|e im 3abi^£ 43 ». ©bi^- gegrünbete
Äclonie in einer eiujigen fllacbt »ötlig gerftört unb bamit
prächtige Äunftbentmäler, »on benen jebeS einzelne fcbon genügt
hätte, um ganzen ©täbten gut Sietbe ju gereichen. „fUJitten im
tiefften f?tieben ift etmaS gefcheljen, maS nicht einmal in ÄriegS»
gelten gefürdbtet metben fann." Sluch StacituS gebenft biefeS
©reigniffeS unb fügt bei, ba§ 9lero im 3abi^e 65 eine ©umme
»on 4 9JJillionen ©eStergen b«gegeben habe, um bie »erfchütteten
Sauten unb Duartiere bet ©tobt mleber bwguftetlen , freilich
nicht ohne ben 3ufah, ba& bie 8ugbunenfet ibrerfeitS bie gleidbe
Summe bei UnglücfSfäHen bet Hauptftabt batgeboten batten.
SDiefe ©umme ift gu b^ch, um ongnnebmen, bafe bie Seroobner
bet ^rooingialftabt biefelbe bei einet anbetn ©elegenbeit bat»
brauten, alS eben bei bem oben gefchilbetten Stanb »on IRom
aus bem 3abre 64, um fo anetfennenSmettbet erf^eint biefe
Opfetfteubigfeit bei Beuten, bie felbft noch “ntet ben fchmeten
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folgen eigenen Unglücfö gu leiben Ratten, beten eigene Stabt
no^ gum Sl^eil in Sitümmetn lag.
Unter bem gleichen 3a^te 58 berichtet Jacituö au^ non
einem bei ben Ubiern audgebroc^enen ^oorbranb. „$euer:>
maffen", Reifet ed ,bie anö ber 6rbe ^ernorbra(^en, ergriffen
überall, meffen fie ^ab^aft werben fonnten, Sanb^änfer, Selber,
®6rfet nnb würben fogar bl8 gu ben SRauem ber fürglic^ ge»
grünbeten jJolonie*) getragen. IDiefeS Seuet fonnte nic^t
gelSfc^t werben, Weber wenn ber Siegen ftrömte, noc^ but(b
Slu§waffer ober eine anbere Seudbtigfeit, bi0 wegen SJlangelS
an .J)ülf8mitteln nnb au8 Born wegen bet Slieberlage einige
ganblente Seläblödfe au8 ber Serne barauf warfen: al8 auf
biefe8 ^in bie Slawwon inne^ielten, traten jene nä^er ^ingn
nnb trieben butib Änittel ba8 Seuer, wie wilbe Seftien, gurüd
@nbltd^ warfen fie ©ewönber barauf, bie fie nom 2eibe gegen,
in bet S5orau8febung, ba§ je profaner bief eiben wären, fie um
fo e^er ba8 Seuet erftiefen würben.“ S(blie§li(b erlofd^ ba8
Seuer au8 Sliangel an Siabrung.
Slueb bie Sebreefen eine8 IBalbbranbeS enblidb waren
ben ‘jtlten niibt unbefannt; einen foliben f^ilbert SSergil tppifdb im
2. ©efang feine8 @ebicbte8 oom 8anbbau, o. 303 ff.: „Dftmal8
entfiel bem unaebtfamen ^)irten ein Sunfe, ber guerft bolwli^
geborgen unter bet bfli^ö'öon Siinbe Jfräfte fammelt, bann bi8
iu8 beb® 2aubwerf emporfletternb gewaltigc8 ?)taffeln gen
.pimmel jenbet; oon ba fiegreicb über ba8 ©egweig laufeub
benfebt et auf ben beben SBipfeln nnb umbütlt ben gangen
SBalb mit Slammen unb ftö|t biebt gum Selber empor eine
finftere SBolfe mit peebfebwargem Siaueb; ba, fieb, felbanb fenft
ficb be'^nl’ ni-’m ©(beitel nuf SBälber ein Sturm unb umber»
rafenb ballt er gufammen bie glül)enbe i?obe." Sutb al8 ©leicb*
nib wirb bie bämonijebe ©ewalt be8 unaufbaltfam babin
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ftürmenben ßlementö fc^on früljjeitig doh ben 55i(i^tern »emanbt
bereits bie j^ometifdben .gelben fämpfen einer fpru^enben SSranb»
maffe »erglei^bar, unb bei Siergil erjä^It SlencaS ber gaftlid^cn
IDibo »on ber grauftgen 9iac^t, alS bie Slt^äer in baß forglo|em
©(hiafe ^ingegebene Slion einbrac^en, mit bem gleichen Silbe:
„Som ©tblafe »erb’ itb aufgefc^rerft unb eile gu ben Sinnen
beS ^öebften ©adjeS empor unb fte^e ba mit lauf^enbem D^r
unb ^öre ein Stofen, »ic wenn bei »üt^enbem gö^nwinb bie
glamme inS ©aatgefilb ftürgt ober ein reifeenber ©trom mit
gebirgigem @ie§en bie Selber gu Soben wirft unb bie freubigen
©aaten unb ber ©tiere Slrbeit unb bie Söälber entwurgelt mit
pd) teifet; eS ftarrt ahnungslos ber ^irte, wie er »om hohen
©ipfel beS SelfenS baS Sofen oernimmt."
Sie hieti fo erfdheint au^ fonft oielfa(h baS anbere ©lement
in feiner entfePelten Suth ebenfalls als ©leidhnip. ©o pngt
fchon ,^omer »om Stelamonier 3liaS: „Sie wenn mit SaPer»
maPen ber Slup nach ^er ©bene hinabgieht, »on ©isputh ge»
fdhwoDen, »om ©ebirg h«« burth ben Stegen beS SeuS genährt
unb ber trodenen ©ichen »iele unb Sichten mit pch bahin trägt unb
»iel ©chlamm einherfchleppenb inS SKecr ftürgt, fo burchrafte
bamalS bet lierrli^e SliaS baherftütmenb bie ©bene, StoPe unb
Scannen banieberfchmetternb." Stehnlich fchilbert Sergil baS
unabläpige Stoben beS motbenben fPeoptolemoS: „5äerger, atS
wenn bei gebrodpenen SDämmen fchäumenb ber ©trom auS»
bricht unb bie entgegengeftemmten SäHe mit feinem ©trubel
banieberwirp unb wüthenb mit ber SRaffe in’S ©eplbe hinaus»
fährt unb burch aQe Selber mit ben ©täQen bie .^eerben fort»
fchleppt." Unb enblich heipt eS bei bem nämlidhen SDichter »on
ber unwiberftehlithen Suth beS SleneaS unb SturnuS: „Sie
wenn mit reipcnbem 3lbfturg »on ben ho^en Sergen auf»
fchäumenbe ©tröme herabbonnem unb nach ber ©bene ftürmen,
(8»)
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ein jeglic^et {einen ^fab net^eerenb, ni^t läffiser tajen bie
Selben, Senead unb SuniuS, butd; bie @^Iacbtge{ilbe."
ÜWon [ie^t, baö ftnb berebte Seuflniffe bafür, ba§ jener
^eiteren SBelt bed iHltettbutnd auc^ bie ®cbauet bei Sa {{erd*
not{> nic^tä ^embeS tnaren. 3nbem wir von ben bem @ebiet bei
@age ange^öiigen Uebeifcbwemmungen, nie bei 2)eufa(ionifcben
Biutb unb ^(e^nli^em abje^en, eijd^eint und au^ bist namentlid)
iRom {(bwei von Safferdnotb bebiängt unb 3n>ai ju tvieberbolten
{{Ralen, buidb unjulänglicb leguliiten Sliberftiom. (Dal)in
gebört eine von ^)oioj in bei jroeiten Dbe bed elften Sud;ed
ge{(bi(beite Uebeifcbuemmung, roel^e nicht lange nach jenen, bui^
(Söfar’dßimoibung belustigten Sbenbed 9Rör3Vom3abre44v.6bt-
erfolgt wor: biefelbe mitb Dort in boetifSer ©eftaltung auf Den
@roQ bei 3lia, Der ©tammmuttei bed 3uIiiSeu ©efSleSteö
juiüdgefübrt, welS« ih^f“ ©emabl, ben glu^gott 2iberinud be»
ftimmt babe, »egen (Säfar’dSlob on ben unbanfbaren9ictneru9iaSe
3U nehmen. 3ene Ueberflutbung, begleitet von ©Sneegeftöber,
$agel unb jablreiS^n SlibfSiügen, muh jiemltS bebeutenb ge«
»efen fein. IDenn »enn auS bie SeigleiSung mit bei IDeu«
falionifSen Blutb auf {ReSnung audfSieitenbei IDiSterpbuntafie
}u {eben fein »iib, fo entfbieSen RScrliS bei SiifUSleit bie
Sorte: „®efSaut btii’cu »ii, »ie bet gelbliSe Sibeiftiom
gemaltfam bie Sogen guiücfmöljte vom @tiudfi|Sen ©eftabe
unb fiS aufraffte, bie IDenlmdlei bed Äönigd (fRuma) unb ben
Stempel bei Sefta gu gertrümmern,"
3ui nämliSen Seit fanben auS an anbein £)iten 3taliend
UeberfSwemmungen ftatt, fo in bei ^oebene: „9Rit wahn«
»ibigem Siibel padte bie Salbei bei Slüffe ^bnig ©ribanud
unb butS aDe @benen lib er bahin mit ben ©ehöften bie
4)eetben," fingt Sergil, bei ebenfoHd borin eine ©träfe bei
©Otter »egen ©äfai’d ©rmoibung erblidt.
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Sereitd Suguftud, bet popularfte unb gemeinnü^igfte Sürft,
ben [Rom je gehabt ^at, fa^ bte 2)i{ngü^[eit einet butcbgteifenben
Sibenegulitung ein unb fi^uf ba^et ein eigenes ^mt »on
caratores riparum et alvei Tiberis. 2Do(^ liefen bie SBe»
mü^ungen bief^t 93e^ötbe oiel gu »ünfc^en übtig, fo ba§, als
im 3fl^te 15 n. 6!)t. im gmeiten [Regietung beS
SibetiuS eine gewaltige Uebetfd^memmung bet butd; [Regengüife
ange)(^n)otlenen Stibet iämmtlit^e in bet 6bene gelegenen
^artieen [Rom’S untet SBaffet gefegt ^atte, bie gtage bet
Äotteftion etnftli<^ in Slngtiff genommen unb Seti(bt unb
Antrag batübet bem SlteiuS Sapito unb SuciuS SlrtuntiuS gu«
gewiefen wutbe. 2)eten SJorjtblag ging ba^in, eS foUten bie
glüffe unb ©een, butdb meiere bie 'Jtbet anfcbroelle, einfach ab»
geleitet werben. Slbet bagegen wehrte fich bie ®eoölfetung
jener IJanbfttithe, in benen bie ptojeftitte Äanalifation auS»
geführt werben foQte, beS aHerentf^iebenften. @o meinten bie
Sewohner »on Sloteng, wenn bet ßlaniS in ben Sltno ab*
geleitet werbe, hätten fie felbcr öhnlicheS SSerbetben gu ge»
würtigen; beSgleichen behaupteten bie Sürget von 3nteramna
in Umbrien (SSetni), bet Slufe [Rar werbe, wenn man ihn in
jtanäle gerfpalte, baS gange 8anb untet SEßaffet fe^en; nidht
minbet fträubten fich auS bem gleichen @runbe bie [Reatiner
(Don SRieti im ©abinetlanb) gegen bie geplante SSettammelung
beS SSelinerfee’S an bet ©teile feines (SinfluffeS in ben [Rat.
IDie ängftlichen ^rooingialen hatten baneben noch eine [Reihe
anbetet ©runbe bei bet ^>anb: bie [Ratur habe felber am
alletbeften für bie Söebütfniffe bet ©terblichen geforgt, inbem
fie jebem Sluffe feinen iJauf, feinen Utfprung unb fein 6nbe
üorgegeichnet habe; auch “*äffe man bie teligiofen ©ebräuche
bet Sorfahren refpectiren, welche ben heiwifthen Slüffen 2empel
unb .^)aine unb aitöre geweiht hätten. 3a bet Siberftrom
(831)
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felber aoQe gewt^ nic^t mit geringerem {Ru^me ba^tnflte§en,
inbem er ber benachbarten Suflüffe beraubt werbe, ©er Senat
war rathlod, ba trat einer, S^amend (Sneiud $ifo auf mit bem
Antrag, ed foQe 2(Qed beim üllten bleiben, unb bem würbe
fofort männiglich beigeftimmt.
©aneben fungirte eine ftänbige .^ommiffion non 5 Senatoren
gur Ueberwadjnng ber Siber ruhig weitet, man trifft fle noch
bid auf (Slaubiud auf Snfehriften an.
3n befonbetd fchrerflidhet SBeife fteQte [ich bann wiebet im
3ahte 70 bie SBafferdnoth ein. 2:acitud fdhreibt barübet im
erften Suche ber ^iftorien (6ap. 86): „©ie Sibet, ungeheuer
anfchwellenb , gerrih bie Sublicifche Stüde unb burch bie
krümmet ber [ich entgegenftemmenben SRaffen jurüdgebrdngt,
füBte fie nicht nur bie ebenen unb in ber Hiicberung gelegenen
Sheile ber Stabt, fonbern au^ foldhe Streden, bie fonft oon
foldhen UnglüddfäQen nerfchont geblieben waren. 2(uf ber Strahe
würben bie BReiften weggeriffen, noch >neht Seute würben in
Äaufläben unb ihren Schlafjimmem überrafcht. ©ann folgte
eine allgemeine .^ungerdnoth, ba ed feinen (Srwerb gab unb
wegen Unterbrechung bet Äommunifation feine frifchen gebend*
mittel werben fonnten. ©urch bie ftagnirenben
©ewäffet würben bie ©runbmauern ber Quartiere unterhöhlt
unb biefc ftürjten bann, ald ber Blufe enblich in fein Sett
gurüdwich, einfach gufammen."
auch ber 9ih«i“i Ueberfchwemmungen noch erft
»ot Äutgem fo Biel Schreden Berurfadjt halben, h“tte ff^hon in
alter Seit bie ©emüther beunruhigt, namentlich in feinem
untern nach Selgien gu gerichteten Saufe, ©ied Beranla§te im
Sahre 5 b. ©h^- ^en ©rufud ©ermanicud, in jenen ©egenben
einen großen ©amm angulegen, bet aber erft 63 Sahre fpäter
burch ^aullinud ^omhejud unb S. Setud gu 6nbe geführt
(S39)
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mutbe; btei'elben [a^en in biefer ^tbeit eine ttiCüomtnene
Beji^äfttgung i^ret fonft burdb baä ungebunbene Sagetleben
feiner in Sucht ju huttenben ©olbaten. Vieler 2)amm h«tte
faum ein Du^enb Saljre hiubutch oDe 3lng[t »or Uebet»
fchuemntungen befeitigt, aie, tnieberum in bem genannten un*
glüdtöfdbtteren Sa^re 70, ber aufflänbifche 3(nfübret bet SBataner,
@(aubiuS 6i»ilie, bie biufifchen SBuhren abfichtiich burchftadb,
um bie gefürsteten tTiomer niSt an fiS hs^uutommen 3U laffen.
„@r lic§", jagt Slacitufl, „ben IJibein mit feiner ganjen 2Baffer=
maffe fiS über ©aUien ergiefeen, inbem er SHIea megfSaffte,
maß irgenbwie bem SBaffer noS SBiberftanb bet.“
S)iefe UeberfStnemmungen waren naturgemäß con uer»
beerenben ©euSen begleitet, non benen namentliS eine non
Sacituß mit aQen ©in^elbeitcn gefSilbert wirb, bie fi* bift niSt
wiebergeben laffen. @ine weitere S3efSteibung eineß folgen
Unglücfß, in welker befonberß bie mebijinifSen ©nmptome
genau bebanbelt werben, finbet fiS in Sergil’ß ©eföngen nom
ganbbau. ©nbliS erwähne iS uoS, »on Slnberem ju fSweigen,
auß früherer Seit bie furStbare ^J)eft in Sltben ju Seginn beß
peloponnefifSen Äriegeß, ber auS ?)erifieß gum Dpfer fiel unb
non welSer Sbufpbibeß ein fo anfSauliSefl 23ilb giebt (II, 48 f.).
©iefelbe war, wie eß hieß, auß Sletbiopien gefommen, war
bann naS Slegbpten unb Sibpen berabgeftiegen unb bann weiter
naS ^erfien gcbrimgen. 3n Sltben tauSte fie gang plößliS
auf unb gwar guerft im ^iraeuß, fo baß fiS baß ©erüSt ner»
breitete, bie ^eloponnefier hätten in bie bortigen Siebbrunnen
@ift geworfen. Sie ^eft geigte fiS mit einem furgen Snternall
gweimal; baß erfte ?0lal butte fie gwei nolle Sabre angebauert;
beim gweiten 9Kal beeefSte fte noS ein gangeß Sohr. Ser
SSerluft an SKenfSenleben war außerorbentliS gtoß; Siobor
(XII, 58) giebt ißn auf mehr alß 10 000 ^eie unb ©flauen an,
(833)
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26
i^ufpbtbeö nennt 4400 ^>o^)liten (ben Äetn bet Sütgerfd^aft),
btei^unbert 9tittet (non 1200) unb »om übrigen SSolf eine
unge5a^lte SDienge. „Um biefe 3«t ^eni(^te feine »on ben ge»
mö^nlicben ^anf^eiten, unb mo eine notfam, ging fie in jene
über. Einige ftarben auS SRangel an pflege, anbere aud) bei
ber forgjamften Süartung. 6ä gab fein einjigeö beflimmteS
Heilmittel, non weldbem man ^ätte jagen fßnnen, ba^ jein
@ebrau(b entjcbeibenbe Hülfe gewahre. SDenn maö bem @inen
3uttSgli(^ war, fdbabete bem Slnbern. Äeinc SeibeSbejd^affenbeit,
mochte jie jtärter ober fcbmäcber fein, fonnte biejet Äranf^eit
miberjte^en; fie raffte 8Ule o^ne Unterf^ieb ^in, nac^ welcher
Hcilart man fie and) be^anbelte". IDann meiter: „2)a8
©cblimmfte mar, ba§ ber (Sine bur^ bie pflege be8 Slnbetn
angeftedt mürbe .... SBollte man au8 gnrcbt fid^ einanbet ni^t
nähern, fo ftarben Die Äranfen o^ne SSeiftanb unb »iele Häufet
mürben au8 fUtangel an pflege neröbet. .^am man aber mit
ben .Rtanfen in SSerü^rung, fo mar man »erloren, gumal fold^e,
bie einigen 3)ienfteifer geigen mollten. SDenn au8 @^rgefü^l
»ergaben fie bie Sponung gegen ficb felbft unb befugten i^re
$reunbe: mürben bod^ bie näcbften 9lngel)örigen, meil betäubt
non bem Ueberma§e be8 Unglücfd, am @nbe ber @orge um bie
©terbenben überbrüffig. JDie ©enefenen jebo(b füllten am
meiften ÜJiitleib gegen bie ©terbenben unb geibenben, meil fie
baS Uebel au8 ©tfabrung fannten unb ficb felbft nunmehr
gerettet fühlten; benn ein töbtlidher fRiicffaU trat nicht ein."
®ie {folge biefeS fchroeten Unglücfä mar felbftoerftänblidh
eine überaQ rafch um fi^ gteifenbe JDemoralifation. 3)ie8 betont
auch S^hufpbibeS mit ben SBorten; „Ungefcheuter magle man
nun, maä man fonft, ohne fein ©elüfte offen gu bcfriebigen,
»erheimli^t hnlle» ba man ben rafchen SBechfel beS ©chidtfal8
fah, mie bie {Reichen plöhlich hinftarben, unb folche, bie guoor
(834)
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27
9iid)tfl Ratten, |(^nell in ben 33efi^ Don beten ©ütern famen.
SDa^et wollten -fie ftc^ einen |(^nellen unb angenehmen @enu§
betjelben oeridhaffen, ba geben unb Vermögen, baö eine wie
ba6 Slnbere, ihnen alg [o futjbauetb erjchienen. Tiiemanb hotte
guft, füt iai, »ad atd gut unb ebel galt, noch ein Opfer ju
bringen, ba eö ihm ungewiß bünfte, ob et nicht eor etreichung
feined Bwecfd meggrtafft mürbe. Sßa§ aber augenblicflichen
@enu§ unb bet guft irgenb melchen @eminn gemährte, baö
mürbe a(8 gut unb nü^tich erflärt. j^eine f^urcht oor ben
©Ottern, fein menfchlith^ö ©efeh gab eine ©chranfe. 2)enn jene
gu ehren ober nicht, achteten fie für gleichgüttivg, meil fie hoch
ÖlDeö ohne Unterfchieb eine 93eute beö 2obe0 merben fahen; mag
aber bie 93ctbrecher betraf, fo bachte feiner, ba§ er noch fo lange
leben mürbe, big bie ©ache oor ©ericht entfchieben märe unb
et bie ©träfe auf [ich gu nehmen hätte, ba ja ein fchon be»
ftimmteg, oiel ärgeteg ©trafgericht bereitg übet feinem .Raupte
fchmebte, oor beffen ^ugbtuch man hoch billig bag geben noch
einigermaßen genießen bürfe".
©olche feuchenartige ©rf^einungen glaubte man audh noch
mit anbern, bie gemöhnliche Orbnung ber IDinge umftürgenben
Ißorfommniffen in IBerbinbung bringen gu foHen, fo namentlich
mit oulfanifchen Unregelmäßigfeiten. IDer Umftanb, baß bie
im ^Iterthum fo häufig auftretenben @rb beben oielfach oon
©euchen begleitet mürben, giebt füt biefe Iheorie eine aug»
reidjenbe ©tflätung. ©g ift begeichnenb, baß Slhufpbibeg
(III, 87), nachbem et oon ber gmeiten ^eft gu Slthen gefprochen,
beifügt: ,,©g fanben bamalg auch bie befannten häußgen ©rb=
beben ftatt, in gUßen unb auf ©uboea unb im ganbe ber
Söotier; bort namentlich in Dtchomenog."
IDiefe ©tbbeben maren in bet Slhot für bie eilten eine
ßänbige ^lage; fie hotten barunter troß 3lllem, mag mir heut*
(Mi)
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28
jutage ^aben erleben muffen, boc^ im ungleich ^ö^etem fDia^e
3U leiben, als alle folgenbe Seit-
lieber bie Urfat^en ber ©rbbeben finb im Slltert^um bie
oerf^iebenften 50leinungcn aufgeftellt worben. IBereitö bie
gried^tfc^en 9iaturp^ilofoi)^en Ratten juweilen gerabe baS ton
Sebem als Urgrunb aller iDinge aufgeftellte (Element, geuer,
SBaffer unb bergl. auc^ biefer ©rfc^einung ju ©runbe gelegt;
fte werben beS^alb oon SlriftoteleS, weld^et mit feinem allum»
faffenben ©eift an^ biefe fBlaterie guerft im Sufammenljang
be^anbelt ^at, in einer ©(^rift über bie SReteorologie einla§li<^
gurüdfgewiefen. 6t felbft giebt folgenbe, non ben Späteren
gemeiniglid^ aboptirte ©rllärnng: 2)ie 8uft im Snnern bringe,
inbem fie einen SluSweg anftrebe, eine ©rf^ütterung beS S3obenS
^ernor. JDa^er ge^e einem ©rbbeben gewß^nlid^ SBinbftille oor»
aus, inbem fi(^ alle SBinbmaffe im Snnern oerfangen ^abe.
SBe^e gufällig bo^ ein 3Binb, fo erfc^eine bann bie ©rfd^üttemng
abgefd^wäc^t, weil bie ©ewalt beS SßinbeS jert^eilt fei. ©ie
meiften ©rbbeben fänben 9ia(^tS ftatt ober, wenn am ©age, am
SJlittag, ba gu biefer Seit am meiften SBinbftiQe eintrete, inbem
gerabe bie ©onne bie reguläre SluSbünftung gurüdfbränge.
©enefa fü^rt biefe föieinung in ber SBeife weiter auS,
bafe er auf ben im Snnern ber 6rbe l)errf^enben Äampf oon
SBaffer unb geuer aufmerffam macht, ©erfelbe ergeuge einen
gewaltigen ©ampf, ber, nad^bem er oergeblich einen SluSweg gu
fchaffen gefud^t, fchliefeli^ ba burchbred^e, wo bie ©rbrinbe am
bünnften fei unb ba^er ben geringften SBiberftanb entgegenfe^e.
6S ift bieS eine Slnfic^t, welche audf) ©alluft aufftellt, wenn' er
in einem Fragmente feiner .^iftorien fagt, ba& burch baS Umher»
ftürmen beS SBinbeS in ben -Höhlungen ber 6rbe einige 0erge
geborften unb in fich felbft gufammengefunfen feien.
‘AIS 93eleg bafür, bah ©rbbeben guweilen §olge eineS
(8>6)
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29
unter bei betreffenben @teHe [tattgefunbenen SS^inbfampfed {ei,
fü^rt geuefa a\iä) bie S3eobad)tung an, ba§, tuenn fi^ bei einet
(Srjc^ütterung eine Steile be@ S3obenö geöffnet l)abe, hieraus
meutere Joge ^inbntc^ heftiger SBinb ftröme. So fei biefl 3. 33.
bei bem @tbbeben non @^alfiS (auf @uboea) bei BaD gevefen.
Sa^et fei bamit aud^ gerne eine Seuche oetbunben, ba mit
bem SBinbftrom allet^anb ungefunbe ©ünfte inö 8«ie träten.
3lu(^ ^liniuö ber iSeltere ^ält ben im Snnetn tobenben
SBinb für bie Utfat^e: „iDenn nie", fagt er, „»erben bie Sanbe
erf^üttert, al0 »enn ba0 ÜJlcer beruhigt unb bet ^immel fo
ftiü ift, ba§ bet ging ber SSögel fi^ nid^t me^r 3U galten
oermag, unb auc^ nie, a(g nad^bem lutj oor^er bie SBinbe ge*
»e^t ^aben, inbem nömlic^ ter SBinb fit^ in ben Slbern unb
,^6^len ber 6rbe oerborgen ^at." Slucb bei Sonnen* unb ÜJionb*
finfletni§, ^ei§t e8, famen bie ©rbbeben l)äufig oor, ba um
biefe Seit bie Stürme ruhten. SefonbcrS gerne aber, wenn
auf 0legen trcdfene ,^i^e folge. 9lu(^ jeige fid^ am ,^immel
oot^et eine SBolfe in ©eftalt eineä langen bünnen Streifens.
3n ben 33runnen enbli^ fei baS SBaffet trüber unb ^abe einen
Übeln @ef(bmacf. ©amit ftimmt bie ebenfalls oon ^liniuS
überlieferte IRadjridbt, ba§ ^^erefpbeS, bet lebtet beS ^ptbagoraS,
auS einem ©runt SBafferS baS |)etannaben eines ©rbbebenS et»
fannt habe-
©et ©icbter freilidb legt ficb ben 23organg anberS 3uretbt.
©er ©rang, bie bewustlos wirfenben Äräfte ber 9latur in
poetifcber SSerflärung 3U felbfttbätigen Organismen 3U geftalten,
ermcdft bei 33ergil bie SSorfteHung, ber 8eib beS ßnfelaboS, 00m
SSlit^ftrabl beS 3enS oerfengt, fei in bie liefen ber (Srbe ge*
fdbleubert unb bann bet ungeheure Sletna übet ihm aufgetbürmt
worben, unb fo oft jener ben ermatteten iieib 3ut Seite wenbe,
(8S7)
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30
erbebe mit ®et5fe ganj Srinafrien unb ber ^immel umfleibe
fi^ mit fc^toatjem 2)unft.
©ie (ätbbeben mürben Bon ben 9tlten je na^ bet Ser»
fc^ieben^eit i^red Auftretens unb i^ret mel^r ober minbet Ber»
berblic^en SBirtung nadf brei Kategorien georbnet. „0ie
leic^tefte Art“, fagt ^aufaniaS, „ift bie, menn gugleic^ mit bem
erften Anfang bet Semegung, melc^e bie .Raufet gegen ben
Soben brüdt, fofort ein entgegengefe^ter Sud entfte^t, meiner-
bie bereits nac^ einer @eite gefc^obenen @ebäube mieber auf»
recht fteUt. Sei ©tbbeben biefer Art faun mau fc^en, mie
©äuten, melche fc^on faft auS bem Soben getiffen maten, mieber
aufrecht ju ftehen fommen unb Bon einanber loSgetiffene SKauem
mieber gu ihrer urfptünglidhen Serbinbung ftch gufammenfchlie§en.
ßbenfo fügt ein folcheS ©tbbeben an Kanülen unb fonftigcn
Sßafferleitungen bie guerft auSeinanber geriffenen @tüde noch
genauer gufammen, als menfchliche |)ünbe eS oermöchten."
5)ahin geht auch ber AuSfpruch ^liniuS’ beS Aelteren, bafe rüd«
läufige @rfchütterungen nicht gefährlich feien; berfelbe h^t auch
bie Seobachtung gemacht, ba§ bie SSölbungen unb Sögen bet
@ebäube, mie auch ferner bie ^den ber SBänbe am gefichertften
blieben, inbem bet 2)rud Bon ber anbern (Seite ftdh entgegen»
ftemme. @benfo gehört oon iSenefa mitgetheilte
©tfcheinung, melche bei ©elegenheit ber erften ^ompejanifchen
Serfchüttung Bom 3- 63 Bon einem gerabe bamalS im Sabe
befinbli^en SRanne feftgeftellt marb: bie ben Soben beS SoffinS
bebedenben, gu einet SSofaifbede Bereinigten ©teinchen hätten
fich guerft getrennt unb fo baS SBaffer burch ben Soben Ber»
ichluden laffen, bann aber hätten ftch ©teine plöhlich mieber
gufammengefchoben, moburch baS äBaffer fchäumenb unb auf»
jprubelnb mieber herauSgebrängt morben fei.
„Das ©rbbeben gmeiter Klaffe", fährt ^aufaniaS fort,
(858)
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„jerftört bie leiditeren ©ejcnftänbe unb wirtt atleg, rooraitf eö
mit feiltet SEßud^t fdßf, mit bet ÜRadjt Bcn Selagerungegejcbü^en
ju Soben".
^5Die brüte unb fc^Iimmfte 9lrt enblic^ »ergleit^t man ge»
wö^nlit^ mit bem ®efül;Ie beS @TftidenS, wenn ber iXt^em butd^
anljallenbeö Riebet beengt ift unb mit gvo§cr @ewalt nad^ oben
briuft. Stuf ä^ntidje Söeife fommt aud) baö ©tbbeben in gerabet
9iid)turg unter bie Käufer unb ^ebt i^re ©tunbmauetn fenfret^t
in bie ^öße, gan^i fo, wie bie ORaulwütfc i^re ^)ügel ou8 bem
Sunem bet @rbe emporwerfen. 6ine betartige 33ewegung8»
ritbtung Iä§t ni^t einmal ©puren früherer SBo^nft^e am Orte
jurücf“. Soweit ^aufaniaS.
9io(^ »on einer weitern Slrt fpric^t ^liniuö, wenn er oiel»
mel^r bie roQenben, weQenfötmigen @rf^ütterungen aie bie ge»
fd^rlit^ften erHärt, fobalb bie Bewegung fit^ nur nat^ einer
©eite ^injie^e.
9luf ben engen, wenngleid) nit^t au6f(^lie§Ii{^en Sufammen»
Ijang bet ©rbbeben mit »ulfanift^en ©tfd^einungen lenfte
man natürlid) in erfter ginie feine iXufmerffamfeit. ,^iet waren
eä namentlid) ber SJefu» unb bet SHetna mit il)ten ©tbbeben,
beten ft^redenöooQeS ©eba^ren ft^on ftü^j^eitig für bid)tetif^e
'Jlrobuftionen ben ©toff lieferte. S3ou mehreren ©eiten würbe
gerabe ber Säetno jum fUMttelpunft ganjer 35id)tungen gematzt:
fo Don Sergil in einem ©ebit^t feiner Sugenbja^re, weld^eß jebod^
Derloren ift, unb Don Suciliug bem Süngern in 600 ,^ejtametem.
Setgil ^at aud^ fonft gerne auf biefen ©egenftanbgurüdgegriffen:
im brüten S3ud) ber Sleneiö bei ©elegen^eit ber Slnfunft ber
Strojaner auf ©ijilien fc^ilbert et bie büftere 9laturerft^einung
alfo; „9Rit ft^tedlic^em ©infturj bonnert. ber Sletna unb halb
ftöfet et jum Slet^er empor eine bunfle SBolfe, bampfenb ton
pet^ft^warjem SBitbelwinb unb weifeglü^enben f^unfen unb
(839)
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4
fc^Ieubert binauf Slammenfnäuel itnb bene^t bie ©eftirne, halb
fpeit er geiamaflen unb loageriHenea ßtngeweibe beS ©ebirg’ß
unb flüiftgea ©eftein, 3ufammengebant, unter Sledbj«*.
3ifd)t auf Bom innerften ©ruube.“
bem ©ibbeben gegenüber ber 9)tenf(b bur(^au8 ma^tloa
fei, btefer auf ber ^anb Itegenben SBeobaebtung ift benn audb
»on ben Sitten uielfadb Slu8brudt uetlieben worben, ©enefa,
welcher felber in feinen 3ugenbjabren eine (ni^t mehr »orbanbene)
SHonograpbie de motu terrarum berauflgegebeu unb fpöter Ba8
ganje 6. SBudb feiner 9taturforfcbungen (quaestiones naturales)
biefem Slbewa gewibmet Ijat, meint, freilich, wie e8 feine Slrt
ift, etwas bbperbolifcb unb empfinbfam hierüber: „@egen febeS
anbere Unglücf lann man fiih irgenb wie febü^en, nur gegen
©rbbeben nicht. 93or einem ©türm rettet un8 ber febü^enbe
.^afen. 2)ie berabftrömenbe Dtegenmaffe, bie fein 6nbe nehmen
will, halten bie ©cbäube ferne. 6ine geuerSbrunft folgt nicht
nach, wenn man ficb auf bie glucbt wirft, ©egen Sli^e unb
©robungen beS jpimmetS giebt eS eine 3nflucbt in unterirbifdhen
SSebaufungen. Sei einer ©euche fann man bie SEBobnfi^e
änbern .... ®och biefeS Unglücf ift unentrinnbar, fri§t gierig
um ficb, richtet im ganjen Solfe ©chaben an. 3)enn nicht nur
einjetne .£)äufer ober Familien ober gewiffe ©täbte oerfchlingt
e8, fonbern gange Solfer unb auSgebehnte ganbftri^e wirft eS
gu Soben unb überberft fie halb mit Sriimmern, halb begräbt
e8 fie in tiefen ©^lünben unb nicht einmal fo »iel lä§t e8 noch
übrig, ba§ man barauS erfennen fbnnte, ba§ baS, wa8 man
nicht mehr fieht, wenigftenS einmal ba gewefen fei."
ÜJtan benft bei biefer ©chilberung unwiHfürlicl} an ben ?jall
non Pompeji unb ,^)erfulaneum, boeb bat ©enefa biefe weit*
berühmte, felbft bureb ein großartiges ©äfularfeft nor wenigen
(S4U)
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33
Sorten gefeierte Jfataftrop^e nid&t me^t erlebt. SBo^l aber lag
i^tn eine gro§e 3)taffe anbetweitiger 8elege not.
Sßenngletcb fein @a^, ba§ bad ^rbbeben feinen ©rbt^eil
ceif^one, fonbein überall bie Siunbe mac^e, eine geiniffe, au(]^
but^ bie neueren Seoba^tungen feftgefteOtc IRic^tigfeit ^ot, fo
ISfet fi^ anbererfeitä ni(^t uetfennen, ba§ in bet alten 3eit
toenigftenS gewiffe @rbftri(^e mit SBotliebe »on bemfelben ^eim«
gefud)t »utben, befonberö fol^e 8änber, bie fid^ in bet 9fa^e
bet ÜJleereöfüfte befinben, barunter ©prien unb ?)^önigien, ÜproJ
tootan, bad an @rbbeben getabegu gewohnt mar, in Sufammen«
^ang bamit bie Snfel (Sppern, bann ber mefllic^e Äüftenftridj
Bon Jfleinaften, ber nötblicbe St^eil Bom ^eloponneö, Soeotien,
2;^e[falien unb fDiafebonien, ferner ©tgilien unb Bon Italien
Bor 9lllem (Kampanien, bann auch ber mittlere Sl^etl baBon unb
bie ?)oebene. 8lu8 biefcr ©inroirfung befl SKeereS fc^rieb man
ben ^omerifc^en Seinamen beS ^ofeibon, 6nnofigaio8 ober
6nofi(^t^on, b. t). ßrberjc^ütterer, ^er.
3n allen biefen ©egenben beobachtete man jemeilen eine
beftimmte fiofalifirung, mie ja auch eine folche noch heuijutage
oftmals fcftguftellen ift, fo bei ber Äataftrophe Bon 38ihiaf bie
im nahen 9?eapel nicht oerfpürt mürbe. 3a, ©enefa fpricht ftdh
fogar bahin auS, ba§ bie ©trecfe Bon 200 römifchen fUteilen,
alfo etma 70 ©tunben, nie überfchritten merbe. ©o fei bet ber
SBerf^üttung Bon ^Jompefi (b. h- ber erften Bom 3- 63, benn bie
gmeite, allein berühmt gemorbene h»! ©enefa nicht mehr erlebt)
baS @rbbeben nicht über Kampanien hinausgegangen. iSuch bei
bem ©rbbeben non (ShalfiS auf (äuboe blieb baS nahe Jheben
ruhig ftehen; beim Unglüd oon Slegium in Slchaja fpürte baS
baneben gelegene ^atrae nidhtS, unb alS ^>elife unb SSuriS ner«
fchüttet mürben, mar mieberum Slegium unnerfehrt geblieben.
©chon aus früheren 3ahrhunberten merben @rbbeben ge<:
XIX. 4M. 3 (841)
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melbet: jo bcTid^tet|)o|eibon{ogo.9{^obo8 (im2.unbl.3a^T^unbert
o.@^r.)bet @trabo uon einer ©tabtm^^önijien, oberhalb @ibon’S
i^elegen, tnel^e nöQig nerfunfen {ei, wä^tenb von ®tbon {elbft
fa{t jwei ^Drittel einftütjten, jebocb nic^t plö^lidb, fo ba§ ber SSerluft
non 0Jten{(^en nid)t {e^i betrdi^tlic^ war. S)aju fam bann noc^
na(b ^liniuö ber BaQ ^on jtoei »eiteren ^^onijifc^en 0täbten
@analid unb @5amale, bie einfach nerfc^ludt mürben. @benfaQ<
ber älteren Beit gebärt bie Berftörung ber @tabt 3^antaliS am
@ip9lod in SBorberfleinafien an, bie in eine @rböf{nung nerfanf
unb gmar fo, ba§ and ber @teOe be9 Serged, »eicber bie @tabt
aufgenommen b^itte, SSaffet beenorquoQ unb fo ben @rbf^alt in
einen förmlicben @ee 9iamene @abe umgeftaltete: au(b maren
auf bem @runbe beffelben no^ lange krümmer einet @tabt
ficbtbat. 9In ber gleiten @teQe ftürgte bann ff>äter ber ^erg
SippIoS felbet noch nad), ferner, mie $liniu6 am nämlicben
Ort beifügt, bet b<>^e 93erg ^pbotoA in ^bepgien fammt ber
®tabt ^urite, fomie bie Kolonien ^Pnnba unb ^Jlntiffa am
afo»if<ben SKeet.
äSäbrenb beS peloponnefifcben Krieges mürbe in §oIge
einet @Tbetf<büttemng plö^licb bie gum opuntifcben Softb ge«
hörige, in ber 9läbe beS vielfach von @rbbeben hcttnficfu^lten
@uboea’S gelegene Bnfel ^jltalante vom 3)ieere Verfehlungen : bad
nämliche @chi(ffal ereilte im 3- 373 v. @ht. bie @tabt ^elife
am Iorinthi{(hcn ÜReerbufen: eS mar grtabe SBinterögeit unb
ba8 9Reet ftürmifch erregt, fo ba^ baffelbe bereite vorher bie
gange @tabt ringsum unter äBaffer gefegt h^itte. ^lö^lich er«
bröhnte ein furchtbarer ©cplag — von ^aufaniaS bem ^ofeibon
gugefchrieben — , bae üUteer mich gurüd unb ri^ baS gange |)elife
fammt feinen 3nfa[fen in bie ^iefe. 9ioch lange lonnte man
bei flarer Bluth auf bem SlteereSboben bie .^äufer ber unglöcf«
liehen ®tabt but^fdhimmern fchen. 0et gleiche ^nla§ vernichtete
(84*)
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35
au(^ bie benachbarte @tabt 99urid, von beten Bewohnern nur
foeiele am 8eben blieben, alS gutänig tm j^iege ober and anbet«
»eiligen ©rünben oon .^aufe abwefenb waren*).
@inen auöführltchen ^Bericht ferner über bie im nörbli^en
von ©riechenlanb ftattgefunbenen (Srbbeben bet lebten
3al)rhunberte oot ©ht. oetbanfen wir bem von ®trabo benufiten
.piftorifer SDemetrioö oon Äalatta, welcher bem erften Saht«
hunbert o. @h<^- angehört; betfelbe erzählt unter anberem, ba§
bei einem folchen IHntah bie warmen Duellen oon SlebepfoS unb
Jhennopplae erft nach breitägiger Unterbre^ung wiebet gefloffen
feien, ja bie oon 9lebet>fod feien an einet gang anbem @teHe
wicbet gil SEage getreten. 3n bem Stöbt^en «Sfarph«a auf bet
gleichnamigen 3nfel, welche gut 3nfelgrupg)e 8tchabed bet @uboea
gehört, fonben burch einen ©infturg 1700 (äinwohner ben SEob,
in Jh^onium, bet |>au|)tftabt bet egjilnemibifchen fjofter, mehr
als hall’ fo Diel, unb gwar war biefer Unfall oon einer völligen
Umwölgung be0 bortigen gluhfpftem’S begleitet. Sei 9llgonu0
enblich, ba8 man wohl in bet fliähe bavon gu fuchen hat, hatten
25 3ungfrauen währenb beö ber IDemeter geweihten jlheötaa*
hhacenfefteS — ich erinnere an bie ^h^^atophotiagufen beS
Slriftophaneö — einen Jha^ai om .pafen befliegen, um bem
@tbbeben gugufchauen: ba ftürgte plö^li^ bet Sharm ebenfaDd
ein unb begrub fte fämmtlich im SWeete.
3n 3talien war im 3ahre 217, in welchem bie iRomer
gegen ^annibal bie berühmte ©chlacbt am Srafimenet @ee
auSfochten, nicht weniger al8 57 fDial bie fliachridht von @rb>
beben nach fRom gebracht worben. 3a, ^liniuö ergählt, gerabe
währenb ber genannten Schlacht habe bort ein gewaltige^ @rb«
beben ftattgefunben, fei jeboch in ber pi^e beö ÄampfeS
webet von ben Slömern, no^ von ihren SBiberfachern verfpürt
worben.
3* (»43)
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36
^ann l^ört man ^tec lange nid)t3 non foI(^en j(ata{hop^en
btö jum Sa^te 91 ». 6^t., ein 3al)t »ot bem SunbeSgenoffen»
frteg. 2Da fuhren unter bem ^onfulat beS i. 3Rarciu3 unb
©ejrtuS 3uliu8 in ber 9lä^e bon SJlutina (SKobena) auf einmal
jmei S3erge auf einanbci Io3, juetft anftürmenb unb bann gurücf*
fpringenb, mä^reub ouf ber Äerniliid^en ©tra^e eine grofee 3a^l
römifd^er fRitter, gamUien unb IReifenbe gufc^auten: aOe in ber
3Ritte gelegenen SSillen mürben gerbrücft fammt vielen ÜRenfc^en
unb Silieren.
3mmer^in maren bied bo^ me^t ober meniger oereinjelte
@reiguiffe; um fo meljr mu^te bie SBelt im 3- 17 na<^ @^t.
burd^ bie unermartete 9ladbric^t ergriffen roerben, ba§ in ^lein«
afien nic^t meniger al8 12 volfreic^e ©täbte aQe auf einmal
oerfc^üttet morben feien. &S gef(^a^ bie3 mä^renb ber 9lac^t,
fo ba§ baS @lenb um fo fc^redlic^er mar. ,9lu(^ ftanb*, fagt
£acitu3, „ber bei einem folc^en Unfälle ftdb fonft barbietenbe
9lu3meg, ficb in3 ^reie ^inauSjuretten, l)ier nic^t gu Gebote,
meil ftd^ ber SSoben öffnete unb bie Semo^ner fo o^ne SBeiterfl
verfd^lungen mürben. 3Ran ergä^lt, e8 Sötten fi(^ bamald
ungeheure S3erge gefenlt unb in bie .^o^e fei emporgemac^fen,
maS vorder gang eben gemefen, unb mitten unter ben fRuinen
hätten glanimen aufgeleui^tet." 9lm ^örteften maren bie S3emo^ner
von ©arbeS vom Unglüd betroffen morben: ba^er oerfprod^
i^nen SliberiuS 10 SRillionen ©eftergen unb erlief i^nen obe«=
brein auf volle fünf 3a^re fämmtlid^e abgaben an bie ©taatfl»
faffe. 9Ber erinnert fi(^ ba nic^t an bie erft vor einem SRonat
burd) bie Seitungen gebrachte ^unbe, ba§ in bem na^e gelegenen
©mprno fe(^8 ftarfe @rfdbütterungen verfpürt mürben unb im
bena^barten2fd^eflme^über3000^)äufereinftürgten, öOOÜRenfdjcn
getöbtet unb 300 vermunbet mürben? 2)ann fam ÜRagnefia am
©ipplog, an beffen Flamen fi<^ bereits fo viele ominöfe ©reigniffe
(844)
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37
fnü))ften, ferner !£emnod, ^^ilabel^^ia, Slegeae, Sbi’Qonibea, bte
SKoftener unb macebonif(^en ^^prfaner, ^ierocaefatea, ÜKprtna,
J^nte unb Smotud. Sludb btefe tnurben fämmtlid^ auf bte
gleiche Seitbauer non 5 Sauren non ben ©taaiSfteuem befreit;
au(b würbe ein SHegierungSfonrntiffär abgeftbi^t, um ben S^at°
beftanb on Drt unb Stelle in Slugenfdjein ju nehmen unb für
bie bringenbfte 9lotb Sb^ülfe bereit ju galten.
23on einer ber genannten Stabte, f>bilabelp^ia, j^reibt
Strabo im XII. Su^e feineS 2öerfe8, worin er jene ganje
@)egenb unb beren (Srhbebendjarafter fcbilbert; „|)^ilabet))^ia
^at ni(bt einmol fefte flauem, ba biefe gewifferma^en töglid^
erfcbüttert unb gefpalten werben; bie Sewobner geben beftanbig
auf biefe @rfcbütterungen bed S3obend ^jldbt unb wehren ficb
bagegen“. IDaö Uiämlicbe fagt er aud> int XHI. Sutbe unb
fügt btnju: „Seewegen wobnen nur SSenige in ber Stabt: bie
^Reiften leben anf bem 8anbe vom ^clbban. Slber auch non
ben SBentgen ift e8 wunberbar, ba§ fie eine foltbe Sorliebe für
einen fo gefäbrlicben SEßobnort hoben; uodb mehr aber mochte
man ficb über biejenigen wunbern, welche ficb bort erft angefiebelt
haben“.
@0 eriftirt noch ein int 3. 30 n. ßh^- ju @heen Äaijerö
EibertuS errichtetes JDenImal gn |)utcolt, auf welchem bie Flamen
fSmmtlidjer Stabte nergeichnet finb, wel^e 3;ibetiu8 auf erfolgtes
©rbbeben hi“ untcrftü^t hotte. IDarunter figuriren au§er ben
ebengenannten gwölf no^ .^ibpra unb (SphefuS, bem nämlichen
ßanbftri^ angehörig, non benen jenes im 3. 23, biefeS im 3. 29
auf gleiche Söeife heiwgejubht worben war. IDagu fam noch bie
fchon früher f^wer betroffene Stabt Slegium in 9lchaia, ber
ebenfalls bie Abgaben unb gwar auf brei 3ohTC erlaffen würben.
3n biefer 3Jlnnificeng hotte libcrinS ein herrliches IBorbilb an
SluguftuS, welcher bie Stabt SitallcS mit @elb unterftü^t hotte,
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38
als bafelb[t baS ^pmnafium unb anbece ®ebäube etngeflürjt
maren, fowle bte @tabt gaobicea in ?)^rpflien, unb bet übet»
^aupt (aut bem SJlonumentum iSncptanum, einet 8tt ©elbft»
biogtap^ie, nidbt »eniget als 2400 aRill. ©eft. auS feinet ^tinat»
(^atouQe füt gemeinnü^ige Bwetfe oetauSgabt ^at.
Seichtet fam bie juie^t etvä^nte ©tabt 8aobtcea im % 60
p. 6^t. boDon, »0 fie ficfa o^ne ftembe ^ülfe buttb eigene SRittel
»iebet auf^elfen fonnte. ®ie bortige ©egenb mar überhaupt
but^ bie S3efc^a|fen^eit beS ilettainS gang befonberS ben @rb»
beben auSgefe^t : eS finben fid^ nämlic^ bort nac^ ©trabo (1. XU)
eine SOiaffe untetirbife^er @änge unb aufeerbem flrömen bie
bluffe ftellenweife unter bem Soben.
fRicbt lange batauf ^ielt baS ä?erberben mieber in Stalien
@infe^t unb gmat in bem befannten Pompeji am beS
SSefunS : eS gefc^a^ bieS im 3. 63, an ben fronen, b. am 5.,
beS fDionatS gebtuar, gu einet Sa^teSgeit, melc^e fonft nac^ ben
äSet^ei^ungen ber SSotfa^ren non betattigen Unfällen frei bleiben
foQte. IDaS Unglücf mu^ tto^ ©enefa’S 93emetlung bod; größere
SMmen fronen angenommen bai>on: eS etfttecfte fi(b fcbon bamalS
auch übet ^etlulaneum unb 9iucetia unb Iie§ felbft 9ieapel
nicht unnerfchont. 9Ran begreift ba^et leicpt, ba§ felbft bie
16 3ahte, welche gmifchen biefem @tbbeben unb ber ©chlu^»
lataftrophe oom 3- 79 lagen, nicht non getne auSreichten, um
bie traurigen ©puren bet erften SSerfchüttung gu entfernen,
bähet bie gahlteichen Stinnetungen an jene frühere ^Periobe,
benen mit bei ben hculia^n ^jluSgrabungen gu Pompeji auf
©chritt unb 2ritt begegnen.
IDem gegenüber flingt eS faft fomifch, wenn mir bei piiniuS
lefen, ba§ im 3- 68, bem lebten 3nh’^e 9iegietung beS fRero,
im SRatrucinerlonb auf bem Sanbgut non fReto’S SJermalter
SBectiuS ^RarcelluS ein ©tüd SBiefenlanb unb eine Oelbaum»
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pflanjuno einen @rbfto§ einfach auf bie anbere Seite ber
dffentlic^en Strafe ^inübernerfr^t toorben fei.
^jlbet bei 93efuv »at mit feinen bisherigen Dpfern no^
nicht 3ufrieben. Svat nach ^<>n 3. 63 niete Semohnet
6amt>anienS bem 8anbe iBalet gefagt, aber eS mar hoch noch
SeoöIIerung genug jurüdtgeblieben, um auch taS fommenbe £eib
burchgufoften. Senefa'S Sroftfpruch, ba§ ©egenben, in benen
©tbbeben fchon gemüthet hatten, gegen adeS Sehnliche gefeit
feien, ba baS ©efchicf hi^ feine Reifte bereits aufgebraucht unb
ber Ort gerabe butch feinen Sufammenfturg eine befonberS fefte
©runblage olS Stü^e gewonnen hnb«! würbe — freilich erft
nad) feinem £obe, fo ba§ er fenen nicht wiberrufen {onnte
— butch bie unerbittliche fSBirflichfeit Sügen geftraft.
SBir befinben unS in ber Sage, über biefe Äataftrophe »om
3. 79 noch ausführliche 93erichte gu befihen, unb gwar »ou
einem Sugengeugen, bem gleichnamigen fReffen beS älteren
^liniuS, meldh Unteren baS bamalige ©rbbeben megraffte. SlacituS
hatte jenen gebeten, ihm bie näheren Umftänbe angugeben, unter
welchen fein Onfet babei ben jlob gefunben, ba er baoon in
einem gefchichtlichen SBerfe — in ben erhaltenen ©tücfen fteht
bauen nichts — ber IRachwelt .ftenntnih geben wolle. IDieS
ueranlahte bann ben jüngeren ^liniuS, gwei SSerichte abgufaffen,
beren elfter bie ©chidjale ^piiniuS’ beS Seltern behanbelt,
währenb er in bem gweiten auf feine eigenen ©rlebniffe gu
fprechen fommt. Suf ben näheren 3nhalt biefer beiben IBriefe
in beren gangem äJerlauf eingutreten, ift mit wegen beS furg
gugemeffenen üiaumeS faum geftattet. 3^ erwähne bähet barauS
nur furg ^olgenbeS, bah baS mit einer ©ruption nerbunbene
@rbbeben um 1 Uhr ffRittagS am 24. Suguft feinen Snfang
nahm: gu biefer 3«t erhielt ber ältere *piiniuS, ber bamalS gu
URifenum als glottenfommanbant fungirte, bie ihn als 9tatur>
(8«)
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40
forfd^er lebhaft inteteffirenbe 9lad^ri^t, ba^ fi^ auf bem SSefu»
eine ungetcöl^nUd^ grc^e SBolfe con (^anj merfnütbiger @epalt
jetge. Suglci^ batten einige befteunbete Familien um f^Ieunige
.ipülfe gebeten. @o fuhr ee benn eiligft auf bag gang am §u§e
beS SSefund gelegene @tabiae gu, mel^ed beteitd non einem
bicbten 9fcbentegen übetbecft mar, nerbradbte bafelbft in atlet
Q^emütb^Tube bie fRadbt, obmobl ingmifcben oom SSefun an
mehreren SteQen meitbin fidb audbreitenbe Slammengungen auf>
Unsteten unb aQerbanb @eftein bunb bie 8uft angemirbelt
fam. ^it ^übe tonnte man ibn am fDtorgeu gum Slufbrudb
bemegen: fcbon batte bie Saoa> unb ülfcbenmaffe bie ^bür gu
feinem @ema(b faft nöllig oenammelt. 9lun f(bneü ein ^>aar
@(britte na^ bem fUteere gu: ba fenft fidb plö^licb eine neue
tafdjenmolte brrab, bie ba0 ©iScben Sag roieber in finftre 9ta^t
ummanbelt unb mel(ber bet ftart an Sftbma (eibenbe, bereits
bejahrte ©elebrte fdblie§Udb erliegt.
IDa^ ben ^ompejanern biefeS Unglüd oöÜig unermartet
tarn, tann man leidbt auS bem Umftanbe f^Iie§en, ba^ fie, mie
bie iSuSgrabungen geigen, eine SRenge oon foftbaren unb babei
leidjt fortgufdbaffenben ©egenftänben, fomic oiele für ben aller»
nddjften ©ebraudb notbmenbige ©erätbfcbaften on Drt unb ©teile
im ©ti(b lieben, ©ocb ift bie 3abl ber bisher aufgefunbenen
©erippe unb ber burdb umfliebenbe Sana gebilbeten Körper»
boblräume, bie man betanntlicb mit ©ppS auSgegoffen bat,
nicht fo grob, alS man angunebmen berechtigt märe, menn bie
j^ataftropbe alle unb jebe Slucht abgefchnitten hätte. S)ab
folche, menn gleich unter ben gröbten ©^mierigfeiten, hoch in
münfchbarer ‘ÄuSbebnung bemerfftelligt merben tonnte, mirb auS»
brücflich oon ^liniuS begeugt: geigt hoch auch bie gange ä3e>
fchaffenbeit beS IBerfchütlungSbobenS, ber bei näherer Unterfuchung
fleh nicht als einheitliche 3)laf)e, fonbem als ein Ülggregat
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41
mehrerer übet etnanbet aufget^ürmtei, geitlicb jelbftänbt^er
@d^t(^ten etweift, bag eS ^ier um einen nid^t plö^ltdl),
jonbetn olImäHg eingelretcnen SSorgang ge^anbelt ^at.
3n engem Sufammen^ang mit ©rbbeben fielen 33ergftür je
unb (ätbjc^lipfe. gaft immer berieten bie ©cbtiftftellet bei
ber 33efd^reibung non @rf Fütterungen, toie Serge ju»
fammengeftürjt, ragenbc ©ebirgflfämme bem ebenen Soben gleiF*
gemalt aorben feien. ^liniuS ber keltere erjä^lt (Et, 81),
mie ber ^^ilofop^ iSnarimanber »on Sfflilet ben 8acebämoniern
ein (grbbeben »orauSgefagt unb fte ju reFtjeitigcr SorfiFt
ermahnt ^abe, unb »irtliF fei furj barauf i^re ganje ©tobt
gufammengeftürjt unb ein großer S^beil beS Sta^getog, uelFer
wie ein ©Fipe“^® ^ernorragte, ^abe mit feinen Slrümmern bie
©Futtmaffe noF obenbrein überbedt.
®a8 ©raufige, ba8 in einem folF«n jd^en SergbrnF Hegt,
unb melFcS bo8 fFwer geprüfte ©Fweijerlonb nur oHjufrifF
noF im ©ebdFtni^ bema^rt, ^aben bie alten SiFter lebenbig
erlannt unb mei8HF bagu benu^t, um bamit auf8 ^rdftigfte
ba8 iSnftürmen i^rer ;£)elben gu »erfinnbilbliFen. Som rafenben
^)eItor fingt ba8 13. ^ieb ber 3lia8: „3)ie 2roer [türmten »or=
aärl8, ^aufenweiS: Doran eilte .^ettor, entgegen pF ftemmenb,
al8 »ie ein ©teinblod »om gelfen, ben ein 6i8mafferftrom »om
©ebirgäranb ^erunterftö^t, mann er mit unfdgliFem SlegenfFwaD
bie ‘Pfeiler be8 grauenrotlen §clfen8 burFbroFen — unb ber
piept nun auf^üpfenb einher unb e8 bröpnt unter ipm ber
SBalb. 3)oF er fpringt pFer unaufgebalten ba^in, bi8 er gur
©bene gelangt ift." Dann SBergil »on 2;urnu8 im ©Flup=
gefang feiner 9lenei8: „3Bie wenn ein §el8bIo(I vom ©ipfel be8
Serge8 fäplingS perabftürgt, lo8geriPen com ©türm ober bap
ipn ber tRegenfFouer abgefpült ober ba8 bejaprte tülter peimliF
gelöft pat — ; e8 fd^rt bapin in bie jdpe ^iefe ber ruFIofe
XI.\. 4M. ■ 8** (9«)
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42
©erg mit heftigem Solen unö fpringt auf Bom ©oben, SBälber
mit |ic^ tei^enb unb .^eerben unb OJlannen".
©on bem ^iftorifer Sloruö »erben ferner bie Bon ben
SrienterSlpen mi) Stalien ^erabfteigenben (Simbern unbSeutonen
mit einem jä^en ©ergftur3 Berglicben, unb enblic^ bebient fitb
©iliuS 3talicu8, um baö ©infturjen einer Bom geinbe unter»
minirten fDtauer ju fd^ilbern, beS gleichen ©UbeS unb 3»ar benft
er babei fpe3ten an ein jolchee @reigni§ in SIpengegenben: „©o
3er|plittern in ben Sllpen h'mmelragenbe Seifen mit
bröhnenbem @inftur3 bie Sluh unb eS ftürmt h^iab baS »uchtige
©ellippe."
S5ir finb am önbe unfereS fur3en UeberblicfS über bie »i^tig«
ften elementaren 6reignif|e im IBIterthum angelangt. 9Jtau fleht, bie
Sitten halten Bon benfelben minbeftenS ebenfoBiel 3U leiben, »ie
»ir h^ut3utage. S)a8 giebt un8 einen gemiffen Sroft, in ben
[ich freilich ein ©efühl ucn ©itterfeit mifcht bei ber ©etrachtung,
ba§ e8 ber 9feu3eit tro^ ihren granbiofen (Stfinbungen unb ben
gewaltigen ©ntbeefungen auf bem ©ebiet ber ©aturforfchung
immer noch nicht h^t gelingen »oQen, bie fSflenfchhcit gegen
berartige graufame UeberfäQe auSreichenb gu wappnen. Slber
auch befi^en wir ein wirffameS ©egeugewicht, iubem wir
bie Uebergeugung gewonnen hu^^u, ba^ wenigftenS auf bem
©ebiete be8 ©eifte8 bie elementare 9fatur ihre SJiacht Berloren
hat, ba& bem ftetigen ©orbringen be8 Sortfehrittefl fiep ni^tS
entgegengufe^en oermag, ba§ ba8 unabläffige (Ringen ber
(Dienjchheit nach ©eroollfomnung fcplie^lich bo^ gum gewünfehten
Siele gelangen mu§.
(SW)
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43
^ntnerkmtsni.
1. 3a lehrte ba« geuct au^ nac^^et no(^ einmal jutüd, fo
ba§ ba8 ©anje, 2ltle8 in 3lllcm, 9 Sage lang bauerte; bic jmeite geueta*
brunfl mar »eniger f4)te(fli(^, weil fie fic^ mc^r über bie offen gelegenen
2^eile ber Stabt nerbreitete. ®a§ fie auf ben Sanbgütetn »on 2igetlinu8,
5lero’8 aUmä(f)tigem ©unftling, au8gebroc^en war, »urbc nit^t al8 3“faH
betrachtet.
2. 2)affelbe ift nicht mehr »orhanben, bafür aber hat ber 35er*
faffer im Saht« 1869 in (Sinfiebeln jwei butolifche ®ebichte auf»
gefunben, »eiche, ber 9leronifchen 3«it angehßrenb — bie Sinficbler
ÜJlenche beachteten p« nicht meitcr, ba fie in ihnen nach t«*n 2lu8fpruch
OreHi’8 lebiglich 'Probufte be8 fpäten SHittelalterS faben — ganj
augenfcheinlich jene8 ®po8 be8 ÄaiferS unter gemaltigcn i?obpreifungen
feroilfter Sorte in ben ^limmel erheben, aljo mit großer äBahrfchcinlichfeit
bem 3ahre 64 jujuioeifen finb. 3»ei 4>irten, ^ha'npraS unb Saba8
fommen ju einem 3)ritten, 'JlamenS Ü)liba8, mit ber Sitte, bcrfclbe
möge ihren SBettftreit im Singen fchlichten. Seibe fingen nun Sieber
ju ®hten be8 tichtenben @otte8 9lero, (Sincr ben Slnbern überbietenb;
bag er mit 5Phocbu8 ibentificirt wirb, ift noch l>a8 ®cringfte. 3(ber
ba8 ©anje läuft barauf hinau8, ba§ QlngefichtS bc8 htrrlid;en ®ichter»
nihmes be8 faiferlichen 3tpotl8 bie Stabt TOantua, SergilS 4>eimath,
einfach ihte8 Sohnes 3lenciS mit eigener ^anb jerftert, weil gegenüber
bem faiferlichen 6po8 fünftig nicht mel;r ber Scachtung werth- 2)aS
anbere ©ebicht fingt baoon, ba§ iegt 3lpo((o regiere unb baS golbene
3eitalter angebrochen fei.
3. ©emeint ift ba8 im Sahre 5Ü burch bie Äaiferin Slgrippina,
©laubiuS’ ©emahlin, gegrünbete Äöln.
4. 9Ucht lange barauf, jur 3«it SllepanberS beS ©rogen, hatte bie
Stabt 3lpamea in Spbien — »elcher Sanbftrich auch Äatafefaumene
hieß, ba8 uerbrannte Sanb, »egen be8 burch ^aS unterirbifepe geuer
unterminirten SobenS — an ©rbbeben ju leiben, bann »ieber unter
UJlithribateS, »elcher 3um Slufbau 100 jolente fchenfte.
(SH)
£tuil Bon C)t(br. Ungrt CVrimm) in tJcrlin, £<^öni6(rgcrftr. 17 n.
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Hebet
Sipcrg- und KieCcntPuchs.
SSortrag,
gehalten in bet «nt^ro^jologifc^en ©ejeflit^afl ju ?Kun^en
am 26. Dftober 1883
von
Dr. (Btto BoUinger,
$rof. in 9Rfln(b(n.
9Rit 3 ^oI)f(bnitten.
flerü« SW., 1884.
SBerlag oou 6arl .^abel.
(C. (0. ZiiiTtti’fiiit Sttlagiliniiilioiiiling.)
SS. »il^lm.etraie SS.
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9le(^t bei Ueberfe^ung in fiembe Sprachen mitb norbe^alten.
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^ie metfroürbigen 9iaturipicle beS Swe^ä* unb {Riefen»
iDU(^fe0, bie feit alten 3«ten bie Slufmerffamfeit ber 5IRenf(^en
auf fid^ gejogen unb ber fc^5pferif(^en ^^antafie be0 SSolIefl
reid^Iid^en Stoff jut Sitbung »on Sagen unb SRärd^en geboten
l^aben, finl* Slnt^ropologen infofern »on 3ntereffe, aU
Bwerge unb {Riefen ©jctreme barfteHen, tDtUf)t für bie Setrad^tung
ber normalen @rD§enoer^altniffe be8 menfc^li^en ÄörperS »on
Sebeutung finb.
Unter ben anatomif^en Unterfc^eibungSmerfmalen ber {Raffen
fpiclt bie Äörperlänge eine wici)tige {RoQe unb e8 mögen, benot id^
in mein St^emd eintrete, einige SBemerfungen übet bie normalen
@rö§enner^ältniffe norauSge^en. Sud^cn mir junüc^ft bie
gtage ju beantmorten, in melc^em Slbfc^nitt beö menfd^lic^en
Gebens ber gängenmadböt^um beS^örperd al8 beenbet ju betrachten
fei, fo lauten bie Hingaben barüber etmaS nerfdbieben: {Radb
{Billerm4 bauert ba0 HBachStbum bi8 3um 23., nadb Ouetelet
bi0 3um 25. Lebensjahre, mährenb nach ben H3eobachtungen
Lufchfa’S*) baS LangenmachSthum beS SRenfdhen in JDeutfdb»
lanb mit bem 22. Lebensjahre abgefchloffeu ift. Hlnatomifch ift
biefer Hlbfdhlu§ im .^nochengerüfte baburih auSgefprothen, ba§ bie
ßnbftücte ber ©lieberFnocben mit ben mittleren Slbfchnitten ber»
f eiben in fnöcherne Gontinuität getreten finb. 5IRit {Rüdtficht
auf bicfe mürbe auch fchon non competenter Seite baS
^oftulat aufgeftcDt, bafe man bei ber HluShebung 3um 51Rilit5t»
bienfte ober minbeftenS bei bet Hirt ber HSermenbung in bemfelben
XIX. 4S5. 1* (965)
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4
biefem Umftanbe fRed^nung 3U tragen ^abe, ba not bei angegebenen
Seit bie ©lieber einer längeren angeftrengten J^ätigleit nid^)t gu
genügen »erm ödsten .
IDie mittlere ®rߧc ber 5Deutf(^en ift offenbar »erfdjieben
je nach bem Orte ber S3eobad^tnng.
SBäbrenb Senele bie mittlere ^örpergröffe beS SRittel« nnb
9iorbbeutf(ben anf 1,68 ÜReter für bie männliche SBeoöIfernng,
für bie weiblidhe auf 1,58 SReter angiebt, hake i<^ für bie füb»
baprifd^e SeoöIIerung aI8 ÜRittelmafe ber ÜRännet 1,62 ?Keter,
ber SSeiber 1,52 SJleter gefunben*). 2Bie au0 folgenber Jobelle
eifi^tlidb, finb ale bie größten ORenfdben ber ©ibe bie 'Patagonier
SSIferfchaft
3)ni(i)f4ntttli(be
^Sipeilänge
(in Sentimeter)
Patagonter
180,3
iRotbametifanri Ui SQciitiie . . .
177,0
, , OP«« ....
178,0
Sielänber
1 173,6
6ngl&nb(i
172,7
Setten
170,4
©(fttoeben
170,2
Belgier
168,6
9lorbb(utf(be
168,0
S)entf(h5ftenei(hei
167,0
®Ben
164,2
®fibfranjo[en
163,0
S^inefcn
162,5
9Itbapern
162,0
3talienei
162,0
SRoIapen
157,0
Sopuen , . . .
• 152,4
SIffa (9UIqneHen)
140,0
93u|(]}männer
137,2
Hbongo (fßeffofrifa)
137,0
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5
ottjufe^en, bie eine mittlere ÄortJergr6§e »on 1,803 SJietcr ^abeti;
eine 8Snge ton 1,93 SKeter foH bei biefen Sliefen feine ©eiten»
^eit fein.
IDen 8apt>en mit 152,4 (Zentimetern ^ör|>er^ö^e, bie lange
Seit ^inburc!^ ald ber fleinfte 3)fenf(^enftamm angefe^en tturben,
^aben bie Sufebmänner unb einige anbere ©tämme Sfrifad ben
Slang ftreitig gemacht, inbem biefelben ald fleinfte SRenfeben
bet 6tbe nur 137 — 140 ©entimeter Äörbetlänge befi^en unb
beiläufig ber @rö§e einefl 11— IQjäbrigen beutfeben Äiubeö ent»
fpreeben. — 3)te ton (Sriftoteleö unb er obot bereits ermähnten
?)9gmäeu in ben Duellgegenben beS SM18 finb in ihrer ©rifteng
bur^ unferen 8anbSmann ®eorg ©cbiteinfurth beftätigt
»orben. S3ei bem Äanibalen»Äönige SJlunfa fener ©egenb
traf ©ebweinfurt SSertreter ber SSffa’S, bie auSgebehnte ©ebiete
gmif^en bem 1. unb 2. @rabe nötbli^et IBreite bewohnen unb
eine burcbfcbnittlidhe ^5rpergrö§e ton 140 (Zentimetern haben.
3)et Sleifenbe 8eng fanb in ben 70er Sahren nicht fern ton bet
äquatorialen SBeftfüfte Slftifa’S baS gmerghafte S3olf ber Slbongo,
IDiefelben finb ton fähwächlidheia Körperbau, haben bünne giemlicb
lange @liebma§en, einen ftumpffinnigen ©eficbtSauöbrucf, un»
ruhiges febeueS (Suge, fehr lange ©(bäbel mit totragenben
.^efern, fleine gierlidhe ^änbe unb Bube, eine liebt cbofolabe^
braune Hautfarbe, furgeS ttoDigeS $auf)thaar unb eine IDurcb»
febnittShöh« »an 132 — 142 (Zentimetern bei auSgeroaibfenen
SJiännern, bei Btaucn bebeutenb tteniger.
@S reicht fomit ein S3ufcbmann ober (Sbongo einem ^atagonier
nur bis an bie 93ruft, ber fleinfte SJlenfcbenfcblag hat f bet
8eibe8hohe beS grobten, ein Unterfebieb, bet geringfügig erfebeint
im SSergleicb mit bem ©röbenunterfebiebe gwifeben terwanbten
Staffen gemiffet SEhiere, wobei hi« nur an ^fetbe, j^unbe unb
kühner erinnert werben foll.
Sutn S5erglei<bc mit obiger SabeHe möge eine ton B- Se»
* (8S7)
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6
nefe*) gegebene 3uffl«nmen[tcnung finben, »eld^e JDurd^*
fcbnittdma^e füt bad notmale unb bte normale
^örpergemicbtSjuna^me tm ftnblid^en unb jugenbli^en 91ter giebt:
Sütet
^ötperlänse
(in ßentimeter)
m&nnlidb 1 nxiblicb
jtörtieigctDicbt
(in j^lIogTamm)
männlidb | wriblicb
(Geburt
50,0
49,0
3,2
3,1
1 3abr
71,0
69,5
9,0
8,6
2 „
80,0
79,0
11,5
11,0
3 „
87,0
86,0
12,7
' 12,4
4 .
93,0
i 91,5
14,2
14,0
5 ,
99,0
97,5
16,0
i 15,7
6 „
105,0
104,0
17,8
i 16,8
7 •«
110,6
109,0
19,7
17,8
8 ,
116,0
114,5
21,7
19,6
9 -
122,0
1200
23,6
21,0
10 .
128,0
125,0
25,5
23,2
11 .
133,5
130,5
27,5
25,5
12 .
187,5
136,5
30,0
30,0
13 ,
142,0
1426
33,0
33,0
14 ,
147,0
146,0
37,5
37,0
15 ,
152,0
149,0
42,0
41,0
16 .
156,0
152,6
47,0 j
45,0
17 ,
162,0
154 0
520 1
48,0
18 ,
166,0
167,0
55,0 i
50,0
19 ,
167,0
168,0
58,0
62,5
20 ,
168,0
168,0
60,5
64,0
25 .
—
—
64,0
55,0
35afi baß SGBeib beiläufig um an ^ötfjetldnge — circa
10 Zentimeter bei Zngldnbetn unb JDeutfcben — hinter bem
50ianne jurüdfteht, ttieberholt fi(h anndhemb bei allen ÜWenfcben»
raffen.
Sßenn auch bad 9iormaIma§ ber lörhefli^en Zntmidelung
eine bebeutenbe Sreite hut, fo finb au^erbem nach beiben Seiten
(8W) .
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7
^in getDiffe no(^ in bad ®ebiet beS 9}orniaIen fallenbe ©lenj»
t^pen auf}uf}eQen, bie bei 5U geringer ^&r^grö|e alS tninber«
mäßige, bei fe^r er^eblid>er Sänge aI8 übergroße ORenfdjen ober
jpo(^»u(^8tppen (Sänger) ♦) jn bejeit^nen finb. ®ie 3a^l
ber 3Rinbermä§igen beträgt in iDbetbapem »ie in granireicb
but(^fd)nittlid^ 5 — 6 ^rocent ber Seoölferung; bie fogenonnten
;^0(^njuc^8t9t)en, bie bei ben ©übbapem 6—7 |)rocent ber
Seoöllerung auflmad^en, ^aben meift Ileinen Äot>f, tur3e SBirbel»
fäule, etvaö oerlängerten Sruftlorb, längere ^jlrme nnb S3eine,
geringe ©^ulterbreite unb erijo^te ^üftbreite.
2)ie viel bidfutirte ^age, ob bie @rö^e ber ^enf^en inner*
^alb ber einzelnen ©tämme feit ber SSorjeit bis auf unfere Jage fi(^
»efentli^ oeränbert ^abe, wirb oon ber SKe^rja^l bet gorjc^et
ba^in beantwortet, ba§ bieS wo^I nic^t ber gaQ fei. ©ie @rgeb=
niffe ber präl^i^orifcbenSorfd^ung, bie (Refuitate ber Ausgrabungen,
namentli(^ bie ÜReffungen ber ©felette beweifen, ba§ bie ÜRen*
fdjen bamalS an @rö§e bie gegenwärtigen Sewo^ner ni(^t über*
trafen, ©ie »or 3a^rtaufenben beftatteten SDlumien geigen bie»
felbe Äörpergtö^e wie bie genügen Sewo^ner beS 9liIIanbeS.
©iefer Anfd^auung oon ber @onftang ber ^ötpergrü^e
oermag idfi in i^rer erdufioen Raffung ni^t beigutreten, ba nad)»
weisbat ga^Ireid^e Urfad^en im @tanbe finb, bie ©ntwirflung
beS ÄötfjetS unb bamit baS SJlafe ber Jförper^ö^e gu beeinfluffen.
3ebe p^pftfc^e ©egeneration, mag fie nun burd^ mangelhafte @r»
uähning, burch übermäßige förderliche ober geiftige Arbeit, burdß
ungenügenbeSKuSfelthätigfeit, burch einfeitige^flege berdfddhifthen
Sphäre, burch fDiißbrauch oon ®enußmitteln unb enblich burdh
erbliche ober erworbene Ätanfheiten bebingt fein, führt audh gnr
9)erminberung ber Körpergröße, namentlich wenn gange IReihen
oon ©enerationen betroffen werben.
Um nur einiges h^<iuSgugrrifen, waS meinen obigen Saß
gu beftätigen geeiguet ift, erinnere ich Unterfudhungen oon
• CM9)
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8
3. Slanfc,‘) bet für bt< SeDölferung eine getingere
^dq>eTgro|e feftgefteQt ^at alfi für bie Sanbbenölferung , uobet
neben anbeten ffactoren ficbet bie beim Sanbbemobnet übet==
miegenbe 9Ru0feltbötigIeit eine {)aubttoDe fpiell. 3e grofeet bie
SbÄtigfeit bet ben Soeben umgebenben 9Ru0feln im maibfenben
Körper ift, um fo fräftiget entmiefein ficb bie etfteten; bei un>
genügenbet 9Ru0felatbeit metben bie Jt'nodben aubetbem au<b
bünnet, fcbmalet unb fcbwäcber. 0iefe @d^e miib febet er>
fabtene Sbi^iücbtet beftdtigen unb boi’ra biefelben für ben
ÜRenj^en gmeifelloS biefelbe Geltung mte für SLb*^' ^^nn
bie fRefuItate bet 9Rtlitdr<^u0bebung mit @i(betbeit bemeifen,
ba| bie böbet«*» Älaffen tto^ einer burdbftbnittlid) beffeten @r»
ndbrung überbauet fötperlicb meniget tüchtig finb al0 bie Sn*
geb&tigen bet Sanbbenölferung, fo ift bieö ein emfter ginget*
jeig, bet beutlidb auf bie ©efabren unfeiet mobetnen Gilbung
für bie förpetli^e ©efunbbeit binmeift. — 35urcb SReffungen
an ® (buifinbetn , bie in @nglanb unb 9iorbamerita neuetbingS
in gtöbtem fDiabftabe angefteQt metben, ift gut @otbeng nach«
gemiefen, bab @tabt* unb Sanbleben, S^oblbabenbeit unb Stmutb
(Sinflub auf bad SBaebStbum bet 3ugenb b<iben. fDie intet*
effante ^boifo<bCf bab bie eingeborenen fRotbametifanet an
J^öipergtöbe bie eingemanbetten @ngldnbet, ©cbotten, 3ten
unb 3)eutf^en übettreffen, bemeift beuUiefaet alfl irgenb etmaö,
bab äubete @inflüffe innerhalb telatio futger Seittdume einen
mefentlicben @influb auf bie IDurcbfcbnittegrobe bet ÜRenfeben
auSguüben netmögen. IDaö mirtbfcbaftlitbe @ebeiben, bie günftigen
(Srndbrungönerbdltniffe fomie bie burcbfcbnittli^ gute fört^etlicbe
Dualitdt bet @ingemanbetten büiften biet al0 utfdcbli^e SRomente
in Setraebt fommen. — ^ab anberfeitS bie mobetne 3nbufttie
namentlicb biegabtifatbeit mit ihren gablreicben ®<bdblicbleiten auf
@efunbbeit unb @röbenma(b0tbum bet ^Renfcben einen fcblimmen
@influb auöüben, unterliegt feinem Sueifel- 3Rit felbft finb
(860)
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■ 9
Sabrifbiftricte belannt, wo bie förperlt^e Slücbtigfeit bet SBe«
wo(>net nur but(b fortwfi^renben 3u3ug von au^en, but^ un«
untetbro(!^ene ^ufftifc^ung beS SluteS eintgeima§en conferoitt
witb.
93on einft^netbenber Sebeutung für bie @ntwicfelung beS
©feletta unb bie Jförpergröfee finb enblicb gewiff e Äranf^eitö»
)>roceffe. S)ie englifcbe ^ranl^eit ober (R^acbitiä, bie in ben
^überen @raben neben anberweitigen folgen bie befannten @äbeU
beine bei ^nbei in ben elften fiebendjabren bebingt unb an welcher
in ben gr5|eren Stabten Suropa'b beiläufig ^ aDer .^nber leibet
bauptfächlidb in ^olge mangelhafter @mäbrung unb fehlen bei
3Ruttermi((b, b^^ 8^^ Soige, ba§ bie bamit behafteten ^inber
burcbfcbnittlidb um | fleiner finb ate normale ^nber. 3^ lann
mid) ^eS @ebanfend nicht erwehren, ba§ bie relativ geringe
j^örperbobe beS fonft häftigen altbaprifchen SSoIfSftammed in
ber @bene mit ber ,^äufigfeit ber OibachiH^ in einem gewiffen
Sufammenbange ftebt, wäbrenb im füblichen gebirgigen Ebeüe
Sltba^emö ebcfnfo wie in Sprol, wo bie fDiuttermilch bie vor«
wiegenbe 9iabmng ber Säuglinge bilbet, erheblich gröbere unb
flattliche ^örperformen angetroffen werben. Bür biefe dlnnabme,
bie für bie Seurtbeilung ber ©röbenverbältniffe von wcittvagenber
Sebeutung ift, fpricht bie von 3. fRanfe für Sapern nach»
gewiefene S^hntfacb^r hafi biefelben Segirfe, welche bie gröbte
Sinjabl von kleinen aufweifen, au^ bie gröbte Äinberfterblich •
feit bnl’ro: biefelben focialen SKibftänbe, welche bie erceffive
Jfinberflerblichfeit verfchulben, beeinträchtigen auch ©röben»
entwicflung beö Sfeletted. S)er ©influb patbologifcher fSiivmente
auf bie Jförpergrcbe tritt hier fo beutlich alö möglich 3U 2:age.
fDer wichtige ©influb ber ©rnäbrung auf baS förper»
liehe SBachStbum tritt und in armen ©egenben unb Sänbem fo
über3eugenb entgegen, bab eine weitere ©rörterung überflüfftg
erfcheint. 2)ie IRefultate ber 3;bi«i3ncht unb bad 2^b>twtpetiw«tt
(8M)
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10
gig. 1.
S)ie beibtn Slbbiltungtn mürben natnrgrtreu na<^ p^otograp^tfc^en
SInfnapmrn angefeitigt.
©c^toein butc^ teic^lid^e unb ent)pred^enb gufammengefe^te
fRa^rung auf bad ^Doppelte bed urfpiüni^Uc^en @etui(^ted unb
eine entipiec^enbe Körpergröße ju bringen, tnäßrenb ein gineiteö
urfprüngli^ gleicß großes mit einer mangelhaft gufammengefeßten
(862)
finb im ©tanbe, bie Sebeutung ber @mährung für baö ^ößen«
machSthum flar nor klugen gu füßren. 3cß erinnere ßier gunäcßft
an bie in ÜRündßen non 3ul. 8eßmann«) angefteüten SBerfn^e,
tnelcßem eS gelang, im IBerlaufe weniger fDtonate ein junges
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11
eiroeifearmen 9la^?rung gefüttertes Sdjwein in betfelben 3eit nur
tuentg an ^letti^t unb @r5§e 3una^m unb bei ber @dbla(btung ein
hanf^afteS r^ac^itifcbeS j(nocbengeiüfte batbot. äBä^tenb baS
trocfene ©feiert beS gutgend^rten 2l)iere8 na^ 4monatlrt^et
SBerfucbSbauet 3360 ©ramm ©ettitbt ^atte, wog baSjenige beS
mangelhaft ernährten ÜhiereS nur 1600 ©ramm. — Slehnli^e
Slefultate erhielte »or Äur^em 2)r. .^ermann con .^öSlin^),
als er im ^älathologiichen 3nftitute ju SJtünchen 2 gteichalterige
junge .^unbe, bie oon berfelben fDtutter flammten unb ju IBeginn
beS SSerfucheS faft glertheö Körpergewicht (3,1 unb 3,2 Kilo»
gramm) geigten, naheju 1 3ahr lang mit einer 9lahrung fütterte,
bie fich quantitatio wie 3:1 »erhielt. Der mit ber reichlichen
9tahrung gefütterte Jpunb (gig. lA) hatte am ©nbe beS SSerfu^eS
ein Körpergewicht »on 29,5 Kilogramm, ber gweite ^)unb, (gig.
Iß) ber nur | ber 9lahrungSmenge erhalten hatte, wog 9,1
Kilogramm unb bem entfprechenb »erhielt fich anndhernb bie
Körperhöhe. Die Körperldnge »erhielt fich wie 100 : 83 unb
war bemnach baS Heinere 5lhier etwaS länger alS feinem ©ewichte
entfprach.
Die ftattliche ©tö§e bet J£)äuptlinge bei 3ilatur»ölfcrn
(©übfeeinfeln) wirb »on ben Steifenben auf bie beffere unb
reichlichere 9tahrung gurücfgeführt; fo fanb ein beutfcher gotfCher
6 fDlänner einet ^äuptlingSfamilie ber Kaffem im SKirtel 183
©entimeter hath H ©entimeter höher als baS ORirtel beS
äSolfeS. Die hoh^» ©eftalten, wie fie namentli^ in ber norb>
bentfchen unb englifchen Ulriftofratie angutreffen pnb, fptechen
ebenfalls für ben ©influh einer guten ©raährung einerfeitS wie
ber erblichen Anlage anbrerfeits. 3n Unterer S3egiehung fönnen
auch bie großen $otSbamer angeführt werben, bie »on ben
befannten ©arbiften gtiebrich SBilhelm I. abftammen.
Den höchft wichtigen ©influ§ ber ©rblichfeit auf bie
Körpergröhe »ermag ich niCht beffer gu illuftriren alS burch ben
• (86J)
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12
^tnweie auf bie tn @tbena angeftellten SSerfuc^ »on Dr.
^lönntS,^) weldjec uon einem metblicben @eiben^ünb(ben
($ig. 2B) von 4,5 ^(ogromm @emi(bt unb einem männlichen
fReufunblönbet »on 43,4 Äilogtamm ©emicht 2 Sunge erhielte,
von benen baS meibliche Slhiet ($ig. 2A) fich ooQftänbig nach
bem iBaterthiec entmidtelte unb mit 4 SRonaten fchon bo)))>eIt fo
fch»et al0 jeine Sölutter (B) mar, mähtenb ba0 männliche Sunge
(gig. 2C) butchauS bet SWuttet nachartete, ade ©igenf^aften
eines ©eibenhünbchenS geigte unb in ber ©ntmicfelung meit
gifl- 2.
9ta(h Ol)otograpbt{(hee Sufna^me reprobucitt.
hinter bem meibltchen Sungen gutüdblieb. SBit fehen in biefem
gaDe, wie ä^tc ©ejchwifter fich in jeber Oiichtung, namentlich
in Segug auf Körpergröße oerjchieben verhalten fönneu: bie
Tochter fchlägt voQftänbig bem S3ater, bet @ohn ber dRutter
nach-
3u ben phhjiologifchen @^wanfungen bet Körper«
größe haben wir Die iSbnahme berjelben, wie fie aOabenbliöh
namentlich nach langem Stehen fich eingufteHen pflegt, fowie bie
im häh^i^cn Slltet fidb einftellenbe IBerfleinerung bet Körper«
(M4) •
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13
länge gu ret^nen. IDutci^ lange«, g. S. 24 ©tnnben bauetnbe«,
Stellen fann bie ^örperlänge um mehrere Sentimeter (bi« gu
6 ($m.) abne^men unb beruht biefe ^bnal^me auf einfa^
lifc^en 33eränbetungen: nämlid^ auf Setbännung ber ^ot^el*
fc^etben bet SlBirbelfäuIe, auf ISbfladiung be« ^u^gemölbe« unb
ouf Söerbünnung bet gu§fo^Ie. — 5)a| längete« Siegen, g. S. tu
$olge oon ^ant^eiten ben JSöt)>et gu oetlängetn im Staube
ijt, ift eine alte ©tfa^rung bet Sletgte. — 3)ic im ^ö^eten
Seben«altet fid^ einfteOenbe ISbna^me bet ^öt))ergt5ge beginnt
meift nad> bem 50. 8eben«ia^re unb fann bei SKenfi^en, bie
fe^t alt werben, bi« gu 7 6cntimeter betragen.
@e^en wir nad^ btefen SSorbemerfungen gut 33efptedf)ung
bet 3»etge®) übet, fo ift befannt, ba§ bie 3®erge in unfetet
fDiptbologie eine wi(^tige fRoQe fpielen : unter bem 9tamen 9lb,
@lfen, @lbe, SBic^tel, Iföidbtet, .^eingelmänncben u. f. w. gelten
fte at« bem ^enfc^en fteunblicb gefinnte äBefen, aber au^
mäd^tig gu fe^aben.
SBie bei gablreidjen 9taturetfdbeinungen ift bie wiffenf^aft*
li(be ^Definition eine« 3»«ge« -ni(f|t o^ne Sc^wletigfeit, ba
eine fi^arfe Slbgrengung oon 9totmalen faum möglidb ift. 3m
lÄHgemeinen fönneu wir un« übet ben Segtiff bet 3n)etge ba»
^in »erftänbigen, bafe wir barunter fol^e SOlcnf^en »etfteben,
wel(be im S3et^ältni§ gu intern IHlter aUguetbebltcb unter bem
fOiinimalmaa^ i^rei Stace ober i^te« Stamme« bleiben unb ba»
burdb auffallen. ®0 wirb bemnacb ein patagonifcber 3wetg er»
beblid^ gtö§et fein bürfen, al« ein foldjer bei ben Suf(^männern
ober Sappen, gut bie Sewo^net ÜRitteleuropa« bürfte eine
^6^e »on etwa« über 1 fERetet . (105 ßentimenter) al« ©tenge
gelten, unterljalb weichet ba« 3n>etgent^um beginnt. Hl«
prägnante 0eifpiele von 3n>ergwu^« fü^re ic^ ba« gegenwärtig
in SDlündjcn bepnbenbe 3»etgenpaar au« Hmetifa an:
„©eneral 9JUte," bet bei einem mut^maplid^en HUet »on
(MS)
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14
16 Sauren unb 6,5 Äilo Äorpergettii^t 82,4 6m. gro§ ift,
»ä^renb feine 12jä^ttge Staut 50li§ 9RilHe (»ergl, §ig. 3) 67
(nod^ einer anberen Angabe 72) Zentimeter Äörijerlänge unb
6 J(ilo j^ör^ergewid^t aufmeift. S)ie auS ^oKanb ftammenbe
3»ergtn „^Irinjeffin llauline"! “) njar 1882 im Slltet oon 93a^ten
53,8 Zentimeter bodb unb 4 Äilo febwer, übertraf fomit bie
8ünge (49,0 Zentimeter) unb baS ©ettidbt (3,1 Äilo) einefl neu«
geborenen 50t5b(ben6 nur um ein ©etingeä * “). Zin 3w«g ber
Oemablin Äönig Zarl’8 I. »on Znglanb mar im 8. 8eben8jabre
angeblidb fo flein, bab et in ein Safdbentudb eingewtdfelt »erben
Tonnte.
2)ie Uebergang8formen gut normalen @tö^e, Welche fe^r
»erfdbiebenen Urfptung8, entmeber angeboren ober ertoorben fein
fonnen, begeid^net man am gwedmä^igften al8 gmer grafte
©eftalten, ©felette foicbet g»ergbaften SPienf^en trifft man
faft in allen anatomifeben Sammlungen, namentli(b in ben
©ebärbäufern, ba gmergbafte »eibltdbe Snbioibuen biefe 8lno«
malie beim @eburt8gef<bäft b®ufig mit bem Seben bü^en ober
ben .^aiferfebnitt notbwenbig machen. — 5. SlanTe fanb unter
45 500 baberifdben fWilitairbflicbttgen , bie im Sabre 1875 ge«
muftert »urben, 43 gmergbafte ©eftalten, beten Äörbergrbbe
gmifeben 1,15—1,40 9Reter fcb»anfte.
9118 befonbere unb burcbau8 batbo^'^ß'ltb^ ^*8 3»etg*
»udbfe8 Tennen »ir ben Tretiniftifdben 3wetgwutb8»
enbemtfdb in gewiffen ©egenben »orTommt unb meift mit Sbiotie
unb Äropf oerbunben erfebeint.
©0 batte eine bierbet gebätige SKiTrocebbalin, SKargaretbe
Sedfer au8 Surgeln bei Dffenbacb, ber beTanntcn gamilie Sedlet
angebötig, mit 9 Sabren eine Äßr^jerlänge »on 60 Zentimeter
unb 11 ^funb ©emidbt.
Zin miTroccpbaler Änabe, Srang, Sruber ber »origen, ber
im Sabre 1881 im 9llter »on 9 Sabre» ftarb unb »on Slefdb**)
(866)
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15
in SBürjbutg untet|ud^t nmtbe, ^atte bet einem Jföt^ergemid^t
»on 5,5 ^i(o eine ©c^eiteiftei^Iänge non 44 Sentimetern, voai
einet ^örper^öl^e non beiläufig 85 @entimetern entfptec^en bütfte;
berfelbe ^otte bemnat^ bie @tö§e eines 2— 3 jährigen Jtnaben.
SSon bem enbemifd^en freliniftif(^en 3»er0»m^8 unterfd^eibet
S3it(^oin’*) ben hetinöfen ober ftetinoiben bet
allenthalben ft)otabif(h norfommt. ^iethet gehört bie confefutine
3»ergbilbung , »ie fie bei dhtonifther ^irnhöhlenwaffetfucht
(SBaffetlopf) beobachtet wirb. $Die SBachSthumSintenfität ift bei
Sbioten gang »efentlich abgefchmächt unb nerlangfamt (Äinb '*)
unb lörünnirfe 2. gfirft»®) befchteibt neuetbingS einen
betartigen gaH, »o ein mit biefet Anomalie behaftetes ibiotifd^eS
3Räb^en mit 16 fahren nur 81 Zentimeter gro§ mar, mährenb
bie 9lormaIgtö|e biefeS IKlterS 152 Zentimeter beträgt.
3)ie Swetge metben meift feht flein geboren, ftammen in
ber Siegel jeboch non normalen ZItern ab. @o foGl ber oben
ermähnte ©eneral SJiite bei bet ©eburt 2 ^funb gemogen
haben, ÜJiih SKißie angeblich H ZItern beS @e*
neralS, ber im Sahre 1867 geboten mürbe, finb nöQig normale
Snbinibuen; bie SJiutter mar 17 Sahre alt, als er gut SBelt
lam, ber Süater, ben ich felbft gefehen, hatte eine Äörperlänge
non 170 Zentimeter. SJlillie’S SJiutter, eine mohlgebilbete grau,
mar bei bet ©eburt bet 3n>ergin 32 Saht alt. 3n feltenen
gälten finb mehrere ©efd?mifter, 'tie non normalen ZItern ab«
ftammen, gleichgeitig 3n?crge, fo bafe für berartige gälle, ähnlich
mie bei eingelnen göQen non 9Jiiftocephf<lie unb angeborenem
93löbfinn eine fogenannte coQaterale IBererbung angenommen
metben mufe. — Sn ber Siegel geigen bie ©efchmifter ber
3metge ein normales Verhalten in Segug auf Äörhergtöhe.
Sn eingelnen gällen metben bie 3werge normal groh ge»
boten unb entmicfeln fich in golge bet Hemmung beS normalen
(8fi7)
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16
Sßa^öt^umS erft im 93erlaufe bet Ätnbetja^re ju 3wergen, in«
bem baö ©rö^enma^St^um vorjeitig abid^liegt. '
S)a§ bie Swerge nic^t »on 3o>ergen abftammen, bo^ mitf«
liebe 3n>ergfamilien nidbt ejrifiiten, ift einfach batin begrünbet,
ba§ benfelben bie Sortppanjungßfäbigfeit fehlt ober jum minbe»
ftenß eine fe^t befcbtönlte ift. Slbgefeben ron anberweitigen
^inbetniffen ift bie Sorttjflanjung gwerghafter ?0tenf(bcn fc^on
aOein babureb etf^mett unb in bet Stegei gerabegu unmöglicb, ba^
ben meiblicben Snbinibuen gemijfe meebanifebe SBotbebingungen
bet Geburt, nie g. IB. eine entfptecbenbe SSeite beß 33edenß,
abgeben.
SEßaß bie anatomifeben ^ötbeinerbältniffe bei3)neTge
betrifft, fo liegen barübet nur »enige Berichte »ot. SBflb’^enb
bie bereitß erwähnte, »on Birdh o w unterfudhte ^tingeffin ^auline,
bie ich nur auß einer Sibbilbung fenne, einen tppif^en unb
guten ätürperbau geigte, finbet ficb feiten ber .Körper gleidjmäbig
wohlgebilbet, meift ift bet Äopf gü gro^, ebenfo ber Bauch,
Sinne unb gü§e finb h«wfi3 »etfürgt. Sluß bem Uebermoab
beß Dberfßrperß im Bergteicbe mit bet Unterförperlänge bei
mannen 3tuergen (Slom S^ouce unb Slbmiral Stomp) ergiebt
ficb bet finblicbe ^abituß, ber alß baß Stefultat eineß plöbl*^
eingetretenen SBacbßthumßftiDftanbeß aufgnfaffen ift. 3n anberen
göllen erfebeint ber Jförpet oetfrüppelt, Stücfen unb ©ftremitäten
»erfrümmt, bie leiteten feht bid ober abnorm bünn. 3)ie @e»
fcblecbtßbrüfen finb meift flein unb wenig eutwidelt, bie hiet
unb ba behauptete Sortpflangungßfähigfeit ift nicht butcb ein«
wurföfreie Beifpiete gu erhärten.
@0 wirb berichtet, ba| Katharina oon SJtebici unb bie
®emahlin beß Äurf ür ften 3oadhimgriebricb oonBranben»
bürg ihre männli^en unb weiblichen .^ofgwerge ohne @tfoIg
mit einanber »erheirotheten. Ueber bie (Stfolge ber oon Steter
bem ©to^en oeranftalteten 3»crgenhocbgeit ift ebenfaüß niebtß
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befannt getootben. 3tn 5DlitteIalter »aren be^^alb bie 3»etge
aufi wohlerwogenen @rünben webet erb« noch lehenflfähtg.
Söei geringeren ©toben bet Bwerghoftigfeit finben ftd) bie
SnbiDibuen öfters jeugungSfähig.
Sei ben cretiniftifchen formen beS Swetgwudhfeß pnbet
fi(h öfters neben Sertürgung oUet Wochen eine oorgeitige
fnöcherne Serfchnielgung bet SthöbelbofiS mit Setförgung bet«
felben.
IDog boS ©ehirn bet Bwerge manchmal in Sejug auf feine
SRoffe normale Serhöltniffe geigen fann, beweift eine Seobachtung
won ©djaaffhaufen, '*) bet bei einem 61jährigen Swcrgen
»on 94 Zentimeter iJönge, bie ungefähr einem 4— 5 jährigen
jbtaben entfprechen bürfte, ein ^imgewicht oon 1183 ©ramm
fanb, wähtenb baS ©ehitn eines normalen 4jährigen ^aben
auf 1100 ©ramm ©ewicht gu ueranf^lagen ift.
Swetge »on nahegu normalen, fogat f^lanfen Proportionen,
fommen feht feiten »ot. hierher gehört na^ ben Unterfuchungen
ganget’S ber feinet Beit oiel bewunberte Bwerg Sebe beS
polnifdhen ÄönigS ©taniSlauS, beffen Körperhöhe 33 Parifet
Boll =■ 89,3 Zentimeter betragen holten foQ. fßachbem er im
16. Lebensjahre bie ^)öhe »on 29 Boll eneidht h<'tle» begann
fich bie 5Birbelfäule gu frümmen. Son biefer Beit an würbe
er fränfli^ unb ftarb im breiunbgwangigften Lebensjahre. Son
Semunft unb geiftiger gähigfeit hat man wenig bei ihm wahrt
genommen, bagegen war er leicht gornig unb eiferfüchtig. —
5n biefe Kategorie gehört wahtfcheinlich eine »on Quetelet
befchricbeue Bwergin »on 33 Sohren unb 91,8 Zentimeter
Körperhöhe, ferner ber in SBien Znbe ber 60er Sahre »et«
ftorbene fogenannte .^ofgwerg, bet ungefähr 40 Sahre alt würbe
unb beiläufig 1 55leter grofe wot, enblich ein »on Sitch ow
im ©peffart beobachteter 27 jähriger Bwerg »on 1 SJleter ^>öhe.
^)ierher ift ferner gu rechnen bet Bwerg Upolb, geboren am
XIX. 455. 2 (*«*)
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3. 3«li 1860 in bet ^roeinj ^annower, bet ft<^ im Suni 1883
in 2Rünc^en glei^jeitig mit ber (Riefin SRarianne seigte. IDet«
felbe mar angeblich 97 (Sentimeter ^od^, 3iemli(b gut ^Toportionitt
unb machte einen intelligenten @inbrucf.
0ie inneren Drgane ber 3>uerge merben in ber Siegel bem
^örpervolum ))ro))ottionaI gefunben. 3BaS bie ©efunb^eitd*
»erhältnifie bet Swerge betrifft, fo jeigen biefelben im SlQge»
meinen eine geringe (Refifteng gegen äu|ere (äinflüffe: meifl
altern fie frühe unb fterben balb. Shtr auSnahmdmeife erfreuen
fie fich einer guten ©efunbheit unb erreichen ein hüh^teS 91ter.
@0 mürbe ber oben ermähnte non @chaaffhaufen unterfuchte
3merg 61 Sahre alt, ber 28 3oQ h'^^^ Sui t^roportionirte
f)oInifche @belmann (Boruiamdfp mürbe im äUter non 47 fahren
in Bonbon gegeigt. 33on feinen ©efdhmiftern maren 3 Stüber
normal, ein Srubet unb eine (S^mefter maren ebenfaOö 3merge.
— 5Die ÜRuöfelfraft ber 3merge ift meift fehr gering; eine ge»
miffe Steigung gu 3om, So8heti unb ®iferfucht foH bei bet
SRehrgahl angetroffen merben. — 3)er in SRündhen »on .^einr.
(Ranfe näher unterfuchte 16jährige ©enetal SRite mar geiftig
uollfommen normal; er befa| raf^e SluffaffungSgabe, ein gutes
@ebädhtni§ unb oiel SRuttermi^. Befen unb fchreiben fonnte er
nicht, meil feine @ltern, angeblich au8 furcht fein @ehirn gu
fehr anguftrengen, ihn biefe fünfte nicht lernen lie|en (!). Stach
ben non o. Soit vorgenommenen Unterfuchungen betrug baS
@emi^t bet aufgenommenen Stahrung unb ^lüffigleit 414 ®ramm
pro 2ag mit 135 ©ramm feften Seftanbtheilen. SRit (Rücfficht
auf bie verhältni§mähig grohc Äötberobetfläche müffen nadh
0. Soit betartige 3»etge ähnlich mie f leine Sh^te relativ mehr
gerieten unb vergehren alS normal gro|e SRenfchen.
lieber bie Utfadhen ber miffen mit menig
@ichereS. 2luf alle SäQe ift in biefer (Richtung ber angeborene
3mergmuch8 von ben ermorbenen gormen gu unterfdheiben. Sei
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ben congenitalen Socnen »erben bie ^nber mangelhaft ent:>
»irfelt geboren unb e8 beutet bie Kleinheit bei ber ©eburt f^on
barauf bin, ba§ eine totale @nt»i(felung§ftörnng, eine
.^emmungSbilbung oorliegt, bie auf conce:ptioneQe @inflüf|e
ober intrauterine ©ntmicfelungeftörung gurüd ^n führen ift.
möge bi^^ @rwäbnung ftnben, ba§ man an fünftlicb be>
brüteten .^übnereiem nad|3uweifen im @tanbe »ar, ba§ but(b
Bebrütung bei abnorm 2;em^eratnr ober burcb @in>
ftbtänfung ber ©auerftoffjufubr 3»ergbilbung ber ©mbt^onen
erzeugt werben fann.
©ewijfe formen be8 congenitalen Swergttudbfefl beruhen
auf uäher gefannteu Störungen ber ©felettentwidelung, auf ber
fogenaunten fötalen fRh^nhtti^ (englif^e J^ranfheit), wobei be«
fdbleunigte Berfnöcherung mit geringer ,^norpelwu(hecung unb
abnorme Berbichtung beS ^odbengewebed eine ,^au^troIIe 3U
f^ielen fcheinen.
SBerben 3»erge normal geboren, jo fönnen bei ber @nt>
wicfelung ber 9lbnormität immer noch ©tblichfeit — nament»
lieh I’ei feen aetiniftif^en formen — ober Störungen in ber
Sfelettbilbung (erworbene lUhflchitiö) im S^jtele fein; ba§
ferner gewiffe Störungen in ber ©ntwicEelung beS ©rohhiraß,
wie fie namentlich bei ^ronifcher |)imwafferfu^t ber ^nber
beobachtet werben unb mit 3feiotie einhergehen, ba8 8ängen>
wachSthum be8 .^örperö häufig fchwer beeintrüchtigen, unterliegt
feinem 3weifel. $Die bei Schieren, wie ?)ferb, 0tinb, .^unb,
^a^e beobachteten f$äHe von 3n>ergwuch8, finb meift burch con«
genitale IRhnchitiö bebingt; gwerghafter SBuchö bei 5lhieren ift
abgefehen oon ihrem Borfommeu al0 einer ^jhpfiologifchen IRacen»
©igenthümlidhfeit, öfters bebingt burch mangelhafte ©mährung.
5)er Borfchlag eineö älteren SlutorS, bie ^age nach ben Ut»
fadhen beS 3toergwuchfe8 burch ©jcperimente an 5£hieren gu löfen.
becen äBa^Sthum fünftli^ burch innere unb äußere ^nwenbung
2* (871)
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bed SranntweinS bef^täntt werben (5nne, bärfte wenig
auf @rfolg nerfptec^en.
SBit faffen bennod^ uniere 9Infic^t über bie ©ntfte^ung be8
3wergwud)fe8 bo^in guiammen, ba§ wir fagen: 2)ie Swcts»
bUbung ift ba8 ^robuft einer allgemeinen @ntwicfelung8^emmung,
bie vor ober na^ bet @eburt einfe^t. S3ei Steigerung fold^er
^emmung8Dorgänge ftirbt ber ©mbt^o ab ober ge^t nai^ mangel*
^after @ntwide(ung fd^lie^Hc^ gu @runbe. Db oorüberge^enbe
Suftönbe ber @ltern bei fonft normalem Ser^alten berfelben be»
t^eiligt fein fßnnen, ift na(^ Analogie mit ä^nlid^en ©ntwirfe»
lung8ftörungen nii^t unwa^tfcbeinlic^ > ^). 9uf alle ^öDe hüben
bie 3n>erge leine befonbere Gattung be8 3Renfd^engefd^led^te8,
fonbem finb in ber gto|en fDle^rja^l ber f^älle al8 pat^logif^e
Gilbungen aufjufaffen, al8 alte ^inber mit nur geringen 8eben8>
^ancen, wSljrenb ein geringer S3ru(^t^eil fi(^ me^r normalen
S3erl)ültniffen nähert: bie le^teren fßnnen al8 oerfleinerte SRobeQe
normal gewa(^fener Seute gelten unb finb jiemlicb wiber*
ftanb8fäljig.
@e^en wir gum entgegengefe^ten ©rtrem fßrperlic^en 2Bod^8«
t^ura8, gum fRiefenwuc^8 (ÜRafrofomic)' *) über, fo »erfie'^en
wir barunter eine monftrßS auffaOenbe ^ßrf>er^o^e, bie über
ba8 gewß^nlid^e ^aa§ fe^r großer URenfd^en !^inau8ge^t.
3118 SSorftufe ober UebergangSform fennen wir bie fo«
genannten übergroßen fDtenfd^en ober ^^ocßwud^ßtptjen,
beren Äßrperlange gwifc^en 175 Zentimeter bi8 205 Zentimeter
beträgt unb bie burcbfc^nittlicß 5 — 6 ^rogent ber S3e»ßlferung
bei un8 bilben. Unter 1 SRiQion 3Imerifanetn — bei einer
©ur^ftßnittSgrßße ber Söieftomerifaner non 177 Zentimeter,
ber Dftamerifaner oon 173 Zentimeter — waren:
je 47 über 200 Zentimeter
« 22 „ 203
„ 11 „ 205
(«2)
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21
„ 7 übet 208 ©entimeter
» 6 « 211
, 2 „ 213
^0^. Unter 45500 baperif^en OJltlitarpfllc^tigen fanb 3- JRanfe
nur 4 ÜJlännet, bie 1,90— 1,92 SReter gro§ waren. ®ieje
^od|wu^0t»pen finb in t^ter ISntfte^ung meift auf Sßet«
etbung jutüdf3ufü^ten unb d^arafteriftifi^ für biefelben finb
nad) Sänget neben bet auffaOenben ^otpetl&nge folgenbe
anatomift^e (Sigenfdbaften: bie übergroßen ÜRenftßen befißen
meift einen relati» Keinen Äopf, fut3e SBirbeljöule, etwaö »er=
längerten Sruftforb, Jüngere Slrme unb Seine, oerminbertc
©(bulterbreite, erßößte .^üftbreite, adeä mit 3aßlreid^en inbioi»
buellen ©(ßwanfungen. — JDie gemöljnlicbe @röße bet JRiefen
l'd^wanft 3Wif(ben 2,5 unb 2,35 SReter; fol^e, bie btä 3u 2,50
biß 2,60 9Reter ßotß finb, finb große Seltenheiten; borüber
hinaus finb nur gau3 Derein3elte Sülle belannt unb möchte ich
hier bemerfen, baß bie 9Reht3ahl bet Eingaben über bie Äor^jcr»
große ber SRiefen, befonberß wenn biefelben behufß materieller
Sluflbeutung 3U öffentlicben ©chauftellungen benußt werben,
ebenfo wie bei 3®ergen mit befonberer Sorpeht auf3unehmen
pnb. Sbgefehen con gewipen SRadhhülfen, inbem 3. S,, wie
bem Serfaffer oon guoetlüfpger ©eite mitgetheilt würbe, übet«
müßig bitiJe ©oßlen in einem SaRe angebrad)t würben, lauten
bie Slngaben oon ©eiten ber fRiefen ober ihrer 3lngeh6rigen
in ber JRegel übertrieben. — 3m @an3en mögen 50 — 60 Sülle
oon Oiiefen in bet Sitteratur befeßtieben fein.
Sei bet ©eltenheit bet (Riefen mögen 3unüdhft einige in
ben leßten 3ahren beobachtete Säöe fut3 erwühnt werben, bie,
foweit mit befannt ift, mit Slußnahme ber Säüe Jpaßlet unb
(Rhiner nirgenbß nüher befchrieben würben.
3« ber ©ammlung beß pathologifchen 3npitutß 31t SRünchen
bepnbet pch baß wohlerhaltene ©feiert beß (Riefen Slhoniaß
(873)
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fyatln.
f)atagoDitT.
@agIäDbet.
Xltbober.
Sappe.
SBufdjmann.
3»«8paft.
®enecaI3)2ite.
a»i6 SMtaie.
gig. 3 fon in ftbcmatifcPer 3fi4nung feen Unterfditeb jmifipen bem
.<Rtr{en j>a$let nnb ber fi&bcr ertDäpnten 3D>e^in il){i§ Widie ucranfc^an*
H^en. sieben bei (Scntimetei-Scala finb )um ScrgUicpe bic @r5gcn einiger
ißölferfiämnie angegeben.
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^oölet (gig. 3) ouö @emunb am Stegernfw, ben to. S3ul^I‘*)
nd^er gefc^Ubert ^at. 3)et 93ater bed ^aSlec ftarb im SUter
von 56 3abren an Sungenp^t^ife, bie SRutter mat gut Seit
bed SEobeS i^refi (So^neS noc^ am ^ben. SDei dltefie SQruber
^at fi(b im ®efdngni§ errängt, augerbem lebten no(^ 4 gefunbe
©efdbmifter. S^omaS entmicfelte fi(^ bid gu feinem 9. 3a^te
oöQig normal. Um biefe 3cÜ eiütt er einen ^uffcblag an ber
linlen Sange, ^alb barauf fing et an unge^euerlicb gu ma^fen.
@r a^ viel, vorgugdmeife 93utter unb anbered gett, eine ^oft,
wie fie in unferem ©ebirge üblich ift. SDiit 11 fahren war
XhomaS fo gro§, ba| er and ber ©dhule cntlaffen werben mu^te,
weil er in ben SBdnfen ni^t mehr 9>Ia^ fanb. fUHt 12 Soh^^cn
mafe er fchon 6 gu^. ÜJiit 14 Saht^n fi®t « iw f«wet @tube
unb brach [ich ben linfen @chenielhald unb bie linfe Fibula;
beibe 93rü(he heilten raf^. Slllmdhtich oerbicften fidh bie 0<häbet>
unb ©efichtdfnochen bid gum fDionftröfen unb nicht blöd auf ber
@eite, wo ber .^uffdjlag fich ereignete. Seit er audgewachfen
war, ah er wenig. Seine Hautfarbe war fahl. 6r war fleißig
unb gutmüthig. 3ebe ISewegung machte ihm aber SRühe unb
Sefchwerbe. ^ier unb ba flagte er über Kopfweh. 21m Sage
»or feinem Sobe, ber gang plöhÜch 29. 3uni 1876 unter
ben ©tfcheinungen ber Slthemnoth unb unter Ätdmpfen eintrat,
war Radler noch »oh^ “wb munter. 6t erreichte ein 9Uter
bon 25 Sohren, bad Äcrpergewi^t betrug 155 Kilogramm, bie
Äötpetldnge 2,27 ÜJleter; unter Serucffi^tigung einer Krümmung
bet Sirbelfdule berechnete o. 93uhl bie mittlere 8dnge auf
2,35 SJleter. 2)ie inneren Drgane entfpradhen ungefähr ben
33erhdltniffen bed Äörpetd. JDie Änochen bed Schdbeld geigten
enorme IBetbidungen, fo bah ber Schdbelinnenraum in h»he<n
©rabe beeinträchtigt war unb ber Sob in Böige ber ^irn«
compreffion eintreten muhte. 3>a pch in biefem BaHe im 3ln:
fchluh an ben |)uffchtag bie S3erbicfung ber ©efichtd* unb
(87i)
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@^äbeIfno^en tsie bad ©efammtriefenwac^St^um entroidelte,
fo ift bieSInna^me nic^t auSgefc^loifen, Da§ gwijdben bem bun^
ben ^uffc^Iag gelebten 9Ietje unb bem Sttejenmac^et^um ein
urjäc^lidbet Sufammen^ang ooibanben ift.
6ine gewiffe ae^nlid^feit mit Botliegenbem gaöe ^at bet
Bon gritfd^e unb ÄlebS*“) bef(briebene {Riefe ?)eter {Rbinet
ou8 6lm im Äonton @(atu0, geboten 1838, bet über 2 {Dieter
lang toat unb bis gn feinem 36. gebenSja^te gefunb war. Son
biefer Seit an entioicfelten fic^ franf^afte ©rf^einungen, bie
^auptfacblidb in (Smeic^ung bet Knochen (Ofteomalacie) unb
einet bebeutenben Stimmung bet SBirbelfäule nach hinten be«
ftanben.
3n Diefelbe me^r patbologifd^e ®ruppe, bie mit Anomalien
unhSDeformität eingelnerÄnocben behaftet ift, gehört bienod^lebenbe
{Riefin {Diatianne SBe^e au0 Senlenbotf bei .^aUe, welcbe fi(b
im Sommer 1883 in SDiünc^en t)tobucirte * '■). IDiefelbe ift geboren
am 31. Sanuar 1866, »ar ä^nlidj wie J^aöler biß jum 7. biS
8. Lebensjahre notmal. Um biefe Seit begann baS abnorme
SBathSthum. 3n einem Sllter Bon 16^ Sahnen mar fie angeblich
8 Suh 2 Sott (= 255 ©entimeter) gto§ unb 160 Kilogramm
fchmet. IDie ©Itern finb Bon mittlerer ©röfee; Bon 10 Äinbern
ift fie baS fiebente. JDie ©efchmifter: 6 SSrüber unb 3 ©cbmeftern
finb Bon normaler @rö&e; ein Srubet foU 6 gufe 2 Sott gro^
fein. 3)ie ©eftalt ift im ©angen, fomeit ein Urtbeil ohne nähere
Unterfuchung gulSffig ift, proportionirt. 3n §olge eines ©turgeS,
ben DRarianne bei einem Sranbe in Lonbon erlitten haben fott,
hinft biefelbe. SebenfallS ift eine giemlich bebeutenbe feitliche
Ärümmung ber SEBirbelfSule (©foliofe) Borhanben, über beten
©ntftehung i^ jeboch nichts ©i^ereS eruiren fonnte. 2(lle Slhoilo:
Äopf, .^änbe, ISrme unb Stuft übertagen gemöhnliche menfch«
liehe gormen; bie §ühe finb 15^ Soll lang. SDie Semegungen
finb fchmetfällig. 3m ©egenfah ju ihrer SBalfürengeftalt geichnet
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ft(^ biefe fRiefin buTc^ ein janfted, ru^igeS unb befc^eibeneS
SBefcn ou8. — 3n ber ©todfbolmer anatomiji^en ©ammlung
finbet ftd) bad ©!elett einer riefigen Sappin: au^eibem [inb
Stiefinnen in ber neueren Seit faum beobachtet »orben.
3m 3ahi^e 1881 probucirte fi^ in SDtünchen unb Setlin
ber Siiefe 2)rafa(, ein ^annafe au8 .^oKef^au bei Dlmü^ in
SJlähren, 37 3«^*® alt**).
3)rafal ift angeblich 8 Sufe 3^ SoQ CO hat ein
Gewicht non 310 $funb. 2)erfelbe lebt al8 .^audbefiher unb
@emeinberath8mitglieb in feinem Geburtsort unb ift giemlich
prcportionirt gebaut. Slngeblich fpridht er 4 ©prachen (nämlich
cgechifch, beutfch, rufjtfch unb ungarifch). S)ie noch lebenbe
fIRuttcr unb 3 Gejchmifter geigen nichts 9lbnormeS unb ftel)en
fogar unter normaler @rߧe. JDie »irfliche Gröfee fchähe ich
auf beiläufig 230 Gentimeter.
2)er chinefifche fRiefe Ghang»2)u = ©ing, ber Reh 1878
in S3erlin unb 1883 in München geigte, hat ebenfaQS brn S^npuS
beS proportionirten {RiefenaachSthumS ® 0- IDerfelbe hatte eine
Äßrperhßhe Don angeblich '^86 Gentimeter (nach feiner eigenen
Angabe oon 8 guh unb 10 Soll englifch) (?), ein Gemixt »on
368 ^funb, ift 1840 (nach einer anberen ülngabe 1847) in
*‘Peting geboren. JDie Gltern finb njohlhabenbe Stheepeber unb
wohlgebaut, »on normaler Grß^e. Derfelbc ift burchweg pro«
portionirt gebaut, bie .pänbe unb $ü§e »erhältni^mäRig
flein, »on angenehmem Sleufeeren, hat intelligente ^hbfiaflnamie
unb foH ein gewiegter Äaufmann fein. 2)erfelbe foll »erheirathet
fein unD 2 gefunbe Äinber befihen.
Geht man mit fritifcher ©trenge gu SEBerfe, fo bürfte bie
JRiefenhßhe baS 3Raah »on 253 Gentimeter faum überfchreiten
(^Eanger). ©erfelbe ^orfcher begeichnet als baS grßfete »or«
hanbene ©felett baS ber fogenannten 3rifh Giant, welches im
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S:rinit9<@onege 3U 2)ublin auf bewahrt unb auf 8 6 3oQ
englifdfi angegeben wirb.
S)ae in bet Sammlung bed SdbloffeS IXmbtad bet SnnSbrutf
befmbltt^e |>ortrait eineö ©Ifaffer SJauetu au8 bem 16. Sa^r»
^unbert, be8 ^anned .^am au8 0ofentan bet .l^agenau, mürbe
einet Äörpetbö^e oon 270 ßentimetet entfpret^en, ba8 größte
bt8bet befannte J^öti^ermaa^, uotau8gefe$t, ba§ ba8 ^orttait
mitflidb „getetbt“ gemalt ift. Sidbet conpotitt ift bie Äöttjet»
böb« be8 ftbmebif^en {Riefen, bet in bet @atbe ^iebri^ II.
Bon ^reufeen biente, mit 252 (Zentimeter. S3ou nabegu gleitber
@töfee foU bet römifdbe Äatfet SRatimin, ein jEbr^ftw, ge»
mefen fein.
SBa8 bie einzelnen ^ürpetBerbältniffe bet {Riefen anlangt,
fo unterfcbeibet ganger unter ben {Riefen jmei Sornttbijen,
einen fcblanfen botbbeinigen mit !üt3etem Dberfütper unb einen
gebtungenen, unterfe|)ten mit mastigerem {Rum^jfe. IDie leitete
©eftaltung reprdfentirt in großen IDimenfionen bie gorm be8
mittleren 9Ranne8. — 8lu§erbem laffen ftS bie {Riefen unter»
fSeiben in folSemit normal jufammengefe^ten ^noSen (IDtafal
unb (5b«n9‘2)u*@tn0) unb in folS«, beten ÄnoSengerüfte
neben mangelbofter geftigfeit allerlei SIbmeiSungen; abnorme
ÖrüSigfeit, Siegungen u. f. m. geigt, mie bie8 bei bem oben
ermähnten Sboui^ö ^)o8ler, bei {Rbiner fiSer unb bei 9Ra»
rianne Söebbe mobrfSeinliS ber gall ift. — Die Äöpfe
bet {Riefen finb relatio Hein, bei bet SRe^rga^l bie Äiefenegion
übermäßig VS> ber Unterfiefer meift monftrö8 unb oorgefSoben,
fo ba^ bie unteren Sühne bie be8 Dberfiefer8 allenthalben über»
ragen, ©er ©efiStSfSübel ift mie bie fnöSerne ^>irnlahfel
meiftenS oerbicft, gippen unb {Rafe finb öfter8 gemulftet,
©Snlter» unb Sruftbreite finb ebenfo mie bie .^»üftbreite über»
mä§ig au8gebilbet, bie langen {RöhrenfnoSon finb oerhältni§»
mä§ig bünn.
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@nifpre(!^enb bem fleinen Duetf^nitte ber OJludcuIatut
galten 9Raf|e unb Seiftungdtäbigfeit bet ^luSfeln ni(bt gleichen
@d}ritt mit bem StnmudbS ber {>öbe, eine Siegel, monon nur bie
^aumuSculatur eine Üludnabme bilbet. 5Damit ftimmt überein,
ba§ no(b jUDerlöjfigen Seriditen bie förperlidbe Äraft ber {Riefen
fo gering ift, ba| c6 glaubwürbig erfc^eint, menn berichtet wirb,
ba| ähnlich wie beim j^ampfe ©oliathd am faiferlichen ^ofe
ju 3Bien {Riefen burdh Smerge beftegt würben.
lieber Slbweidhungen ber inneren ^örperovgane ber {Riefen
ift wenig Sicheret befannt. ®rö^e unb 33oIum biefer @ebUbe
ftehen in ber {Regel im 93erhältni§ jum Äörtjergewicht. 3n
einjelnen gäQen ift ein für bie ©jciftenj ber {Riefen gefährliches
{IRihrerhältnih gwifchen ber enormen ^örpermaffe unb ber 9tuS=’
bilbung beS centraten {ReruenfhftemS erwiefen.
2)ie geiftigen ^ähigfeiten unb bie SnteUigenj ber {Riefen
finb nur auSnahmSweife gut entwicfelt wie 3. 93. bei @hinefen
6hang=2)u*©ing; in ber SRehrgahl ber SäHe, nomentlich bt{
gleichjeitiger @rfranfung ber Änochen, ift baS {Riueau ber
geiftigen ^otenj ein geringes unb fteht fogar unter bem {Rormalen.
93oIIftänbig im @legenfah 3ut {Dlpthologie ber Sitten wie jur
norbifchen ©otterlehre, wonach bie {Riefen bie ^erfonification
beS Ungeheuren unb Ungethümen, beS ginftern unb geinbfeligen
in ber (Ratur, ber rohen ungejähmten Elemente barftetten,
fteht baS »on bem Slnatomen Sauger entworfene 93ilb unferer
mobernen SHicfen:
„9Rag bie {Riefengeftalt ihrer ©ettfamfeit wegen noch fo
fehr ©taunen erregen, 5£heilnahme fann fie nie (!) erwerfen.
IDenn alle Sh^tle, wel^e bie geiftige ©eite beS {Kenfchen gum
SluSbrucf bringen, finb unter ber wuchernben 5Raffe ber Drganc
beS^materiellen SebenS manchmal beinahe untergegangeu. 3eneS
fchöne @benmaa§, welches ,alle ©lieber ber geiftigen ©t>häre
unterorbnet, mu^te einem SOlihoerhältniffe weid)en, bei weldhem
(87»)
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28
Ii(t btc ÄautDerfjeuge unb @pttemttatcn ü^jpig »orbtängen unb
getabeju nur nod^ um ben auf breiteftcr SBaftö aufgebauten
{Rumpf ald (Sentrum grupptren. ^aft unb ©nergie ber ^er«
fonli(b!eit finb ^erabgeftimmt unb ber »etbltebene 0left nur
noc^ ben 33emübungen jugemenbet, bie fernere 8aft beö 8eibe8
ju tragen unb materiell ju erhalten. 0c^merfdQig bis jur
Xrög^eit, bietet ber e^te {Riefe halb mit feinen fc^Iotterigen
©liebem ein SBilb beö 3ammer8, halb bei bem SSerfu^e ftrammer
Spaltung ein ©pmbol ungeorbneter, nur burd) ben SRangel an
3lu8bauer gebänbigter Äraft; er fann wobt eine crträgliebe
©tanbfigur abgeben, aber faum »irtfam in’8 geben eingreifen.*
2)iefe in büfteren färben gehaltene @(bilberung pa^t aller«
bingS mit wenigen ISuSnabmen für bie flRebrjabl ber {Riefen.
2)ie gcrtpflanjungöfabigfeit ber {Riefen ift meift feblenb;
äbnli(b wie bei ben Swergen liegt in bem Sehl®“ {Riefen«
familien ein SRoment, weites beutlitber al8 alleS ben franl«
haften 6h«rafter biefer ertremen SBilbungen fennjei(hnet.
^18 Dcrwanbten Suftanb {ann man ben partiellen {Riefen«
wuchs**) auffaffen. 3n folchen öfters beobachteten fallen, wobei
nur eiu3elne j^örpertheile, namentlich bie ©rtremitäten, betheiligt
erfcheinen, geigen bie ergriffenen Organe eine übermäßige 2lu8«
bilbung unb riefenhafte JDimenfionen. 2)er partielle {Riefen«
wuchs, wobei alle Slh^Je — flRuSfeln, Änochen — in gleidhem
Sßerhältniß entwicfelt finb, befchränft Reh auf eine 3ehe, ober
auf einen Singer, auf Sufer ^>anb, eine ©rtremität, in feltenen
SäHen auf eine Äörpethälfte.
S3on frühzeitiger {Reife fpricht man, wenn Äinber fchon
bei ber ©eburt eine - übermäßige Äörperentwicflung geigen.
Solche Äinber werben j. 93. mit 7 — 10 Kilogramm Äörper«
gewicht geboren; nach ber ©eburt »erlangfamt fich bie ©nt«
wicflung allmählich wieber. Ober bie Äinber entwicfeln fich
nach ber ©eburt fo rapib, baß Re, wie in einzelnen Säüen
(8^0)
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29
ridjtet totrb, mit 7 — 8 SOionaten fc^on allein ouf bet Strome
umljetlaufen. — 3n einem berartigen galle mar ein Änabe
Don 4 Sauren 117 ßenlimeter ^oi^, fe^t geftä§ig unb »on
feieret Äörpeifraft , ba§ et einen falben @a(f {Roggen ttagen
unb einen 9Rann »on 65 Äilcgtamm Äßtpergeroidbt auf bem
©c^ubfarten fahren lonnte. — (Eine übetmä§ige Äotpet«
entmicflung finbet man fetnet manchmal bet angebotener gett*
judjt. @0 tjtobucitte ftt^ in 9Rünt^en oot einigen Sagten ein
15iä^tiget Änabe au8 bet Cberpfalj, bet mit biefem Uebel be>
haftet, enorme gettmaffen an fid^ ttug unb ein Äotpetgemidit »on
112,5 Kilogramm ^atte. — 33ei ben S^ieten fommt {Riefen*
»u(^8 ä^nlit^ wie bet 3wer9tt>ut^8 nut fe'^t feiten »ot.
Sule^t noc^ einige SBotte übet bie Utfa^en beS deuten
{Riefenmatfiöt^umS, übet bie leibet roenig ju jagen ift.
{Rac^bem »it auöeinanbetgefe^t ^aben, ba§ bet 9tiefen«
»u(^0 faft nut bei männlichen Snbioibuen »otlommt, ift hiw
nachjuttagen, bafe eine SSorliebe füt.gemiffe {IRenjchentaffen nicht
na^juroeifen ift. 2)a8 abnotme SBachSthum beginnt meift gut
Seit bet etften 33efchleunigung be8 SBach8thum8, mit bem 9—10.
£eben8jahte.
2)a bie @ltetn unb JBoteltetn immer normale ©rßbenoer*
hältniffe geigen, fo ift eine erbliche Anlage al8 utfdchlicher
Sactor bircct au8gufchlie|en.
Sefonbere, ba6 Änochenroach8thum förbetnbe {IRomente,
finb bei ben {Riefen nicht aufgufinben unb bürfen mir bie 6r*
gdhlung SBatünfonS, monoch e8 bem Sifchof ©erfelep im
»origen 3ahrhunbett gelungen fei, butch ein eigenthümlicheS
hvgienifche8 äSetfahten einen itif^en .Knaben fünftlich gum
{Riefen herongugiehen , mit bere^tigtem 9Ribtrauen aufnehnten.
2)a^ dubete ©inflüffe, namentlich bie 9lrt bet ©tndhtung unb
gemiffe fpecififche {Reige auf bie Äörherentmicflung eingumirfen
finb, unterliegt feinem Sweifel- 3m ©egenfa^ gum SUfohol,
(881)
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30
ber attgeblid^ bet jüngeten Snbbibuen bie ^ör))crent)Dt(fIung
be^inbetn foO, i[t burdb bie SSerfut^e tjon @ie8**) ftd^ct mH)*
gettiefen, ba& burt!^ längere Seit fortgefe^te gütterung mit fe^t
fieinen SDofen ülifenif bie jhtotben junger Kaninchen länger
werben unb ba§ bie non arfeniffreffenben Jb*eren geworfenen
Sungen bei ber @eburt an gleiftb, gett unb ^ot^en »iel reicher
waren — bis gu 33 'Procent — olS bie Sungen oon Äanin^en
gleicher ®rö§e, bie bei betfelben 'Jtahrung fein Slrfenif erhielten.
3n ähnlicher SEBeite wie ber Slrfenif, ftheint ber ^hoSphoe
bie ©Übung compaften Äno^engewebeS ju begünftigen. — 3n
@rmangelung einet befferen .^ppothefe mfiffen wir unS begnügen,
bie IRiefenbilbung auf eine befonbere Ueppigfeit beS Einlage«
moterialS beS götuS 3utürf3uführen, ouf ©otgänge, bie oielleidht
mit ber Spaltung oerwanbt finb. 9luf biefe SBeife fommt eS
3u einer Steigerung bet fnothenbilbenben ^rojeffe, bie bis gu
einem gewiffen ©tobe in baS ©ebiet beS ^formalen fällt, wogu
fith in bet 9Rehr3ohl bet gälle ober 3weifelloS franfhofte
©orgänge: ©rüchigfeit ber Änochen, abnorme portieHe ©er»
bidungen, ©etbiegungen unb Deformitäten gefellen. Da»
mit übereinftimmenb beobachten wir bie £hot)a(he> l><>§ ^ie
fjliefen meift einen franfhaften .^abituS barbieten unb früh 3U
©runbe gehen.
(883)
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l^nmerhttngrn.
1) Sttfd^fa, ^ubett Hebet *JJlaa§- unb So^Ifneer^ältniffe be«
menftbli^cn ^?6tpet8. Subingen 1871.
2) 2U9 9JJateriol bienten Betunglücfte unb raft^ geftorbene 3nbi*
Bibuen, wie pe im 3npitute basier jur ®ection fommen. Sei
grSgerem Secba^tungflmaterial bürfte pc^ bie ongegebene SJlittcIgtöge
ber ©übba^em um einige Gentimeter er^ö^en.
3) g. ®. Senefe, ,91otbineft" 9lr. 12. 1882.
4) Sänger, Äarl, SEBac^ät^um be8 menfe^Iic^en ©feleteS mit Se*
jug auf ben SRiefen. (iUlit 7 Safeln.) Senff(^riften bet Äaifctli(^en
afnbemie bet SBipenf(^aften. aJJat^.»naturwipenfc^aftl. JUa^e. 31. Sb.
ffiien 1872. @. 1—107.
5) 3tanfe, 3o^., 3«r ©tatiftif unb bft Äörper»
grßge ber baperififien SUJilitärppic^tigen. Seiträge jur Slnt^ropolcgie
unb Urgefc^ic^te SapemS. Sb. IV. ©.1. 1880. — Sergl. ferner:
31. Seiet, 3ur ©tatiftit ber Äötpergrßge im @rogr;erjogt§um Saben.
Slre^iB f. Slnt^ropologie Sb. IX. ©. 257. 1876; 6. SPlajer, lieber
Sölaag* unb ®enjic^t8Betf)altnipe ber ÜJlilitärppie^tigen Bon ÜJlitteN
ftanfen. SerjtU^e8 3ntelligen^blatt 1862. 9Ir. 24 u. 25.
6) Seemann, 3ul., be8 lanbw. Sereiu8 in Sapem.
LXIII. 3a^rg. ©. 495. 1873.
7) 2)ie bejüglitpen Serfudje B. ^)ßglin’8 pnb no(f> nid>t Ber«
ßPentlic^t.
8) SÜub., Äünftlic^e Sefrue^tung einer ^)ünbin jc.
3naug.«®ipert. SRoftoef 1876.
9) Sine 3ufammenfteflung Bon in ber alteren Siteratur befc^tiebenen
3u)etgen giebt @. gr. 3äger: Serglcie^ung einiger butd) gettigfeit
ober coloffale Silbung au8ge3eicfmetet Äinber unb einiget 3werge.
©tuttgart 1821. ©. 45. Sergl. ferner ^larl Sänger, ütnatomie
ber äugeren gotmen be8 menfdjlic^en Ä6rper8. SSßien 1884. ©. 85.
(SM)
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10) SlBbilbung unb Sejc^retbung btr IJtinjefftn flauline pnbtt ft(b
in bcr 9eipjiger Sfluflr. 3«it«ng 5Rr. 1975. 1881.
11) 3^01^1 iSnatom. Unteifuc^ung eines ntifrocep^alen
jbnaben. geflf(^rift jut geier beS 300 Jährigen SSefte^enS bet SfuliuS*
OJlayimilianS-llniBerrttät ju ÜBürjbnrg. Seipjig 1882.
12) Sirc^ßW, 9lub., götde 3ta<^)iti«, ÄietiniSmuS unb 3werg«
nju(^S, beffcn 9It(^iB f. praft. Slnat. Sb. 94. ®. 183. 1883.
13) Äinb, Slrc^in f. |)fp(^)iatrie. Sb. VI. ©. 447.
14) Srünnide, Soumal f. ^inberfranl^eiten. Sb. 47. 1866.
15) 8. gürft, Sirt^otr’S SSrc^iiB f. pat^. Slnat. Sb. 96. ©.363.
1884. («Blit abbilbung.)
16) ©(^aaff^aufen, ©i^ungSberidit bet nieben^ein. ©efeDf^ft
füt Statut- unb .J)eUfunbe Bom 9. Sunuat 1883.
17) SergL über biefen glunit; D. So Hing er, liebet Setetbung
Bon Äranfbciten. ©tuttgart. 3- ©• 6otta. 1882. ©. 5.
18) Satuffi, 6efare, Deila macrosomia. Memoria. SJtilano.
1879.
19) B. Su^I, 2., SJtitt^eilungm auS bem ^at^olog. Snftitut ju
ÜJlün(^en. ©tuttgart 1878. ©. 300.
20) gritfdje unb itlebS, ©(^weijet 6orrefponbenj-SIatt füt
1883. ©. 162 unb 270.
21) Setgl. bie Slbbilbung in bet geipjiget SDuftrirten ^ntnng
91t. 2101. 6. Dftober 1883.
22) Setgl. bie Slbbilbung in bet 8eipjiget SDujitttten 3titung
Sit. 1961. 29. Sanuat 1883.
23) Setgl. bie Slbbilbung in bet 8eipj. SHuftr. 3«tung Str. 1852.
1878. unb im Sa^eim XV. Su^tg. 1879. Str. 15.
24) Setgl. über partiellen 9tiefen»U(f)S unb frü^jeitige Steife:
Sllblf^'^f SJli^bilbungen beS SJlenfcpen. SltlaS.
25) ©ieS, Sltdjir füt ejrper. ^at^ol. u. 5)^armaf. Sb. VIII. ©.175.
S>mS von VtVt. nnjn in ttcrlin, C^önttergnftt. 17
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Bon der drutftl)en
(^ine ^iftorifc^c 0fis3C
»on
Dr. Benilke.
fierliti SW., 1884.
SBeilag »on 6atl ^abel.
(C. if. tübnitriitii Snligsbsititliiiilsfg.)
33. Silbtln * 33.
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2)aä 3te(^t bet Ueberfeftung in ftembe Sprotten rotrb oorbe^alten.
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mt gutem ©runbe gilt bet SBelteerfe^r aI8 eine bet
impofanteften unb eigenottigften ©tf^ieinungen unfetet Sage.
9Ran fe^e nut ein ftatiftifc^eö ^anbbud^ no(^, um gu ctftaunen
übet bie tieflgen Siffetn »on 6in» unb 9lu8fu^t bet mannig«
faltigften ^anbelflattifel auß unb in aOet .fetten 2dnbet, Siffeni,
beten ^c^e jebe ÜRöglid^feit außfd^Iie^t, eine ttitfli(^e Sin»
fi^auung bamit gu netbinben. 9lidfet miubet ftaunenettegenb finb
bie ÜJiittel, beten ftc^ biefet 93etfe^t bebient, fomo^l baß ^od^»
entwidelte ©tebitmefen alß bie gülle unb 3»etfniä|igTeit unfetet
du^eten ßommunicationßanftalten. 9tut betgeffe man nid^t, ba§
biefet ^anbel ejrtenfin wie intenfis vet^dltni§md§ig nod^ jungen
Datumß ift: im 3Befentlid&en »aten eß gwei gefd^i(^tli(be @r«
cigniffe, welche i^m biefen mdtbtigen Sluffi^mung unb Smpulß
mitget^eilt ^aben, bie gto|en @ntbecfungen um ben Slußgang
beß 15. Sa^t^unbettß, ttjel(^e ^iet ein gang neueß, ungeahnt
ergiebigeß ^robuctionß» unb Slbfa^gebiet auffd^loffen, bott ein
alteß leiertet gugdngli^ mad^ten, unb fpdtet^in bie mannigfad^e
33emenbung bet 35ampfftaft, bie bet Stiump^ etft unfeteß 3a^r=
^unbettß »ctben follte. SSieüeitbt fommt mand^em 8e)et eine
anfptu^ßlofe ©figge ni(^t unetwünfe^t, »el(pe auß biefen gte^«
artigen merfantilen Buftönben bet neuetn unb neueften ©efd^i^te
in eine ftü^ete unb, gwat bie ndd^ftootangel^enbc, ^etiobe bet
J^anbelßgefc^id^te gutüdffü^tt, an ben enget begtengten, abet
übetfid^tli(^eten unb ni(^t »eniget ongie^enben SSetpdltniffen bet
XIX. 45G. 1* («80 •
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4
beutfd^en ^anfa ein mittelalterlid^eS @egenbilb bed mobetnen
fBeltoetfe^rß jet^net. ©te toirb junät^ft in oller Äurje bie
bau^tfä(i^l{(^en ©ntfle^un^dmomente fomie einiges SBenige ouS
ber äußeren @e[d>id^te beS SunbeS ^ernoi^eben, um bann in
bo8 innere Seben beffelben, in ^anbel8= unb ©emerbebehieb,
Äunfttbötigfeit, ^rinatleben unb SSerfaffung etwoö tiefer eiuju»
bringen.
IDie beutfdbe ^anfa ift ouS 3tnei .i^auptmur^eln ^ernors
gemodbfen, 1) ben SSereinen nieberbeutf(^er ^oufleute im 9uS>
lonbe unb 2) ben ©inungen nieberbeutfc^er ©tobte im 3nIonbe.
©cbon öon Äorl b. @r. war ®eut{d>(anbS Dftgrenje bis
3ur ©Ibe unb über bie ©Ibe binauS nadb .^olftein bin^in «u8«
gebebnt worben, aber erft unter ^riebridb SSarbaroffa, alfo
nabe3u 4 3abrbunberte fböter, erreichte pe bie Dftfee, beren
füblicbe UfetlSnber, boS je^ige ÜJlecflenburg, Sommern, |)reu|ien,
bamaie faft au8fdblie§li(b nodb non flaoifcber unb littauifcher
SSenöIferung erfüllt worcn. SDaS SSerbienP an biefem ÜJlacbt«
3uwncb8 gebührt in erper 8inie bem ©adb|enber3og ^einri^ b.
8öwen, ber, wäbrenb ber Äaifer mit weitauSgreifenben unb
am ©nbe bodb unemidbbaren SBeltberrfcbaftSplänen trug unb
befcbüpigte, auf biefem jungfräulichen 33oben eine überaus
frudbtbare ©olonifationStbätigfeit entwicfelte, mit beupchen
Saueru, Bürgern unb ^rieftern audb beutfcheS SBefen unb
chripliche ©epttung bic^b^i^ nerppangte. ©o entpanben auf
biefem ben ©lauen abgerungenen ©oben um 1200 eine Sfieibe
3ufunftSreicher ©täbte, oor allem 8übed, baS .^einridb mit einem
eigenen gou3 ouf bie ©erfebrSbebürfniPe 3ugefchnittenen ©tabt«
recht bewibmete, bem3ufolge ©atb unb ©ürgerfchaft bie weit*
gebenbPen ©efugnipe erhielten, ©iefem Siecht f^lopen p^ bie
rafch aufblübenben ©adbbarftäbte an, fo namentlidb SEßiSmar,
IRopocf, ©trolfunb, ©reifswalb, Slnclam, ©tettin, bie man
(S88)
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5
gemeinhin bie wenbif^en @täbte nannte. — 3m Serlauf beä
13. 3a^r^unbert8 »atb bann aud^ baö ^etbntfd^e ^teu§en »on
bem !Deutfd^orben unb bie heutigen rujpf^en Opjee^sroninjen
»on bem na^oetmanbten Drben bet ©d^wertritter erobert, be»
pebelt unb ^riftianiprt: unb bamit mar benn bie ganje ©üb^
unb Dftfüfte bet Dftfee beutfcb, mie »iel jlaoifcbc @Iemente andb
ba^mifdjen oerftreut no^ fortbefte^en mosten. 2Bie auS bem
golgenben erpcbtlid^ mirb, mieber^olt fid^ nun ^ier berjelbe
gef^id^tlii^e ^rocep, ben mir an ben griecbifi^en Kolonien be8
SUtert^umö unb ben amerifanijcben bet neueren 3«* beobad^ten:
bie jungen f>Pan3ungen überminben me^r unb inebr ben
becngenben @inpup be8 5Rutterlanbe8 unb mitlen mit i^rer
^apiger fcrtfc^reitenbcn ©ntmicflung belebenb auf biefeS jurüd.
3njmifcben maren bcreit8.feit 2 3a^rbunberten unb länger
bie übrigen Umlanbe ber Oft» unb 5Rorbfee bem (S^riftent^ume
gemonnen, aljo 9?uplanb, @d>meben, SRormegen, JDänemarf unb
längft fc^on ©nglanb. — @8 tonnte ni(^t au8bleiben, ba§ pc^
nunmehr ein immer leb^aperer 93erfe^r auf ben beiben 9Keercn
entmicfelte, gumal nach ben Äreu3gügen, bie mit bem Sluffd^lup
neuer .^anbelSmege unb ber ermeiterten Äenntnip oon @ebrau^8«
unb SSerbraucbSgegenftänben ba8 SBebürfnipmap ber gefammten
abenblänbifcben SBelt fo rapibe gepeigert l^atten. liefet nament»
lidb auf ber Dftfee p^ entmidfelnbe SBerle^r erinnert lebhaft an
ben 3!nitte[meerbanbel be8 9llterthum8 unb giebt un8 gute8
Sleiht, pe in ähnlichem ©inne ein (Sulturbecfen gu nennen, mie
man ba8 von bem alletbingS beoorjugteren fübeuro)>äifdhen
Sinnenmeer, bem ©dhaupla^ ber ganzen alten ©efchichte gethon
hat. Slnfänglidh betheiligten pdh au^ frembe Stationen, StuPen,
JDänen, ©nglänber an biefem .^anbel, aber halb genug mürben
pe non bem rinaliprenben beutfdhen J^aufmann au8 allen ihren
?)optionen hftau8gebrängt. @anj fo mie bie norbif^en Steife
(8«)
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6
nac^ @infü^iung b«S i^te ^aatUc^cn unb gefeQ«
f(^aft(i(^ea ]$ormen, Se^nduefen, Slittert^um u. j. f. ben beut«
[^en Snftituttonen na(^gebilbet Ratten, ebenfo unterlag aud^ bie
^anbeU unb getcerbetieibenbe Sevölfeiung in ben ^te unb ba
entftanbenen ®täbten beS 9torbend, wie ^tod^olm, 93ergen,
.^open^agen u. a. bem cuttureDen unb indbefonbere niertantiien
Uebeigewi^t beS beutfd^en Sürgett^umd. ^erfwürbig genug,
in welcher gotm eS biefe großen (Srfolge gewann. 3m jpäteren
SRittelalter {a^en jtd^ aQe Senölferungdfreife auf @elbft^ilfe
angewiefen, fte fud^ten unb nerftanben ben mangelnben ober
unjuteii^enben (Sd^u^ unb Seiftanb beö 0taated butc^ cotpo*
ratine 33erbänbe ju eiferen. <So fdbwuren ftc^ auc^ in ben
nieberbeutfc^en .^anbeUplä^en bie nach einem gemeinjamen äSer«
fe^idpunft ^antiienben ^aufleute ju 0(^u^ unb 2:ru^ unb gegen«
feitiger ^orbetung gufammen unb biefe einjelftäbtifd^en SSeteine
au^ balb unter einanber. ä3on aQen biefen prinaten .^anbelS«
gefeDfc^aften ^at feine eine größere Sebeutung erlangt al8 bie
got^länbifc^e, ein äSerein nieberbeutfcper ^aufleute, welche @ct^*
lanb, bad SSerfe^rScentrum ber £>ftfee, ju .^anbeldjwecfen be>
fud^ten. .jpier lag baS mäd^tige SßiSbp, fo rei(^, ba^ ein IDänen«
fönig jagen fonnte, bie @d^weine fragen bort auä filbernen
Jrögen; no^ .^eute erinnern gewaltige Saurefte bet alten
®tabtmauer unb ber einft befte^enben 18 .^ir(^en an bie e^e«
malige @)rö|e unb .^enlid^feit. iDet S3erein blühte befonberS
im 13. 3a^r^unbert unb gebahrte fid; ganj wie eine politifc^e
3Jla^t, führte ein eigenefl Siegel, ^anb^abte eine ftrenge See»
poligei unb fc^uf ein Seerecbt mit bem Slnfptuc^ auf ä3erbinb>
li^feit für alle, wel(^e bie Dftfee befuhren.
!Diefer @ntwidflung parallel gept tm 3nlanbe bie aOmä^liibe
.^eraudbilbung non Stäbtebünbniffen. ^j(n ®rünben bagu war
wa^r^aftig fein fDfangel. IDie räuberifd^en Steigungen beS um«
(t90)
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wo^nenben ^jlbel8, t>ad bebio^li^ SBad^t^um bet ^üiftenmadbt,
beffen tiefed 9ie^t fidb aud bei fRatui beS Staate^ felbet ergab,
unb juglet(^ ^anbel0po(iti[(^e ünotiee aller 91tt, fo bet 3Bun{d^,
verbannte äSetbrec^ei unb ©c^ulbnet ni(^t in ber 9ia(^bat>
gemeinbe aufgenommen unb gefd^ü^t 3U fe^en, aQeS bieS vets
anla§te ben abfd^lufe oon Verträgen unb ©ünben. Ueber baö
ganje nieberbeutfdje @pia(^gebtet ober geograt>^{{(^ gef^rod^en
bie ganje nieberbeutfc^e Siefebene oon @ft^lanb big ^ollanb,
bie beibe no^ 3um beutfd^en iReic^e ge'^örten, veibreiteten fi(^
fo im 13. unb 14. 3^af)t^unbert berartige fieilid^ 3unä(^ft no(^
3iemli(b locfere @täbteoeretne, bie fic^ aber me^r unb me^t baran
gemö^nen, auf befonbeten Sagfa^rten i^te Angelegenheiten 3U
befpted)en, fich gegenfeitig in Allem 9?otf(hub 3U leiften, in 9ioth
unb ©efahr 3U einanber 3U ftehen. 3m fernen SBeften begegnen
wir bet niebetlänbifchen ober fübetfeeifchen ©täbtegruiJpe, 3U bet
namentlidh ^fampen, Deoenter, Utrecht, Dorbrecht, ©taooren,
3ieriree, Amfterbam :c. 3Öhlten, bann weiter im ©innenlanbe
bem Serbonb ber äufeerft betriebfamen rheinifch^ioeftphälifchen
©täbte, Äöln, Dortmunb, ÜRfinfter, @oe^ u. a., meldhe fich
tro^ ihrer Abgelegenheit oon bem SReere in ber ©efchichte einen
@hienpla^ al8 33ahnbrecher beutfchen ©eehanbelS oerbient haben.
9lun folgt noch Dften eine weite 8üde, ba Dftfriefllanb unb
Dlßenburg noch feine nennenflwerthe ©tobte aufwiefen, öhnli^
wie Dittmarfchen nnb .^olftein gan3 oorwiegenb eine bäuerliche
Seoölferung, faft noch ouf altgennanifdhem gu§e einf^loffen.
6rft on ben SRünbungcn oon SBefer unb 6lbe unb bie Dfifee»
füfte entlang treffen wir wieber auf größere @emeinwefen, ja
bie wichtigften ©lieber be0 SunbeS überhaupt, auf
bie f^on erwähnte wenbif^e ©täbtegruppe, ber auch baS et3>
bifdhöfli^e 0remen unb bad gräflich holfteinifdhe Hamburg 3U«
ge3ählt würben. Siefer lanbein bie märfif^en ©täbte, baj noch
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8
ganj unbebeutenbe ä3etlin, ^erlebetg u. a., betnnäc^ft bie
^ä(^ft^d^en, güneburg, OJlagbebutg, ^annoDet, ^ilbcS^eim, @o8*
lor, Sraunf^wetg u. a., unb im fernen Dfien bie 6 rafd^ empor=
gemac^fenen )}teu§ifd^en Drbendftäbte ($ulm, S^orn, Rangig
©Ibing, Sraundbetg, Königsberg, gule^t in 2i»« unb ©ft^lanb
{Riga, JDorpat, {Renal, ?)emau. — Sefonberö folgenreid^ »utbe
ber jttif(^en 2übe(f unb ^omburg nereinbarte Vertrag n. 3- 1241,
ba gübedf bie {Berfe^rflintereffen ber Dflfee, .£>amburg bie ber
@lbe unb {Rorbfee nertrat; aber man ^at burcbauö lein {Re^t,
i^n mit faft aßen ^anbbüc^em als ba8 @eburtöbatum ber
^anfa auSgugeben. @rftli(b begog er ftd), wie neuerbingS nac^«
getniefen, gunäc^ft nur auf ben gemeinfamen milit&rifdben
bet SBetbinbuugdfhafee beiber ©tobte, mie Jbunberte non 5ljn*
lid^en SSertrögen in jenen Seiten abgefd^loffen finb, unb fobann
tnerben bie bisherigen SluSführungen fi^nn hot’en ertennen
laffen, ba§ ft^ bie .^anfe überhaupt nicht als eine ))lö|li(he
norbebachte, )>lanmä§ige ©chö))fung barftellt, etwa entfprungen
bem ftaatSmännifchen ®enie eingelner, fonbern als baS $robuct
einer langen, faft langfamen @nttnicf(ung, bie fi^ tnie non
felbft macht, auS bem praftifchen Bebürfnih gegenfeitigen
©chu^eS, gemeinfamen 93erfehrS herauSmöchft-
93iSher ftanben nun biefe beiben IBereinSgruppen, bie fauf»
mdunifche unb bie ftäbtifche unnermittelt neben einanber, aQeS
lam barauf an, ba§ fie ineinanber aufgingen. Unb baS gefchah:
aus ben neteinigten SEButgeln erwuchs bet ftolge Saum bet
beutfchen $anfe. 2)ie prinaten ©enoffenfchaften, bie gothlönbifche
nicht auSgefchloffen, tonnten bem .^anbel bei feiner wachfenben
SiuSbehnung unb bet naturgem&§ gunehmenben ©iferfucht ber
fremblänbifchen Kaufmannf^aft auf bie IDauet bodh feinen ge*
nügenben ©chu^ gewähren, unb rafch nun fam biefem Sebürfnih
bie politifche Klugheit unb 3nitiatine ber leitenben lubifchen
(8»S)
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©taatömdnner entgegen. @o gefci^al) eß, ba| jene ^liBatnereine
in ben lebten Sa^rje^nten beß 13. Sa^r^unbertö in immet
gtölete Stb^dngigfeit »on ben ©täbtebünben geriet^en, bie nun
unter gü^rung beß burti^ feine {Reid^flfrei^eit unb centrale tjage
boju berufenen ISübed eine energifd^e gürforge für ben über«
feeif^en ^anbel übernahmen unb in biefem Streben auß ihrer
feitherigen 3folirung hnauß gu einem umfaffenben, freilich nor>
erft noch mentg feften 93unbe gufammentraten.
Schon am Slußgang beß 13. Sahrhunbertß beftanb bie
junge ^anfa, wenn mir fte anbetß f^on fo nennen bürfen, ihre
Feuerprobe in einem erften frtegerifchen Auftreten gegen baß
Äonigreidh 9lormegen, melcheß mit neuen unb größeren 3u*
geftänbniffen in ^>anbel unb SBanbel ben Frieben erfaufen
muhte. Fteili^ verfiel balb bana^ biefe bißher ftetig fort-
fchreitenbe @ntmicllung noch einmal einer rücfläufigen Semegung:
IDünemarf, bamalß bie erfte @ro§macht beß 9iorbenß, trachtete
feit mehr benn einem 3ahthunbert nicht ohne ®lücf nadb bet
SSorherrfdhaft über bie Dftfee, mogu fchon feine Selegenheit am
©ingang berfelben aufguforbern fehlen. 3a, Sübeef mürbe je^t
für ein »olleß 3ahrgehnt »on bem thathäftigen IDSnenfönig
©rieh fDlenceb in eine gemiffe Unterthänigfeit h<neingenöthigt
unb bamit vom S3unbe loßgetiffen. Snbeh mürben bie übet*
haupt nie gdnglich eingefteClten Söerfehrßbegiehungen gu ben
alten Sdbmefterftäbten balb burch neue Sertragßfchlüffe mieber
geregelt unb gefeftigt, unb alß nun ooUenbß i. 3. 1361 bet
IDünenfönig SBalbemat Ültterbag auß Stach« unb .^abfucht ftch
beifommen lieh, ^aß biß bahin f^mebifche SBißbp, bie SBetfebtß*
metropole ber Dftfee, in tiefftem Frieben gu übeaumpeln unb
gu annectiren unb babei ben grabe anmefenben nieberbeutfehen
Äaufleuten empfinbli^e Sßetlufte an ^)ab unb @ut gufügte, ba
ftanb gübed mieber »dQ unb gang an bet Spi^e ber menbifchen
(S93)
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10
@täbte unb einigte fic^ mit i^nen unb eneigif(^ auf bem
@teif6»alber Sage 3U einem SlngriffSfrieg gegen ben tüdflt^tfi»
lofen ©toberer. Slber bie @j:pebition na^m einen üblen ÄnS®
gang, »efentlitb burd^ bie @anmfeligfeit bet in ben Äriegö»
bunb bineingf^os^nen Äünige ocn ©d^weben unb 9lor»egen;
nicbtSbeftoweniget mu^te ber lübifdbe ^lottenbauptmann, bet
Sütgermeiper 3ob- SBittenbotg, auf cffenem ÜRatfte ju 8übed
bad ÜJUpgefcbic! im ^enfetStobe bü§en. 3)tit ben S)änen fd^Iop
man einen »enig oetttauenetmetfenben gtieben; nidbt lange, fo
»utbe et »on i^ret Seite bur^ neue ^lünbetungen banpftbet
Sdbiffe unb neue 3Setfebt0einfd)ränfungen gebtodben; ein no^»
maliger SBaffengang mupte entjcbeiben. @0 ift bie0 bet größte
unb tubmteicbpe Ätieg, ben bie ^anfa nidbt blo§, fonbern
IDeutfdblanb überbaupt 3ut See geführt bat. 3m 9tatbbau0 3U
Äöln fanben fi<b um OJlattini 1367 abgeorbnete au0 ben
pteupif^en, ujenbifiben unb fübetfeeifiben Stabten ein unb ret»
abrebeten bafelbft jene benfmütbige @onfoberation0acte, meldbe
einen 3U)eitcn anvgtiffbftieg gegen SBalbcmat fepfe^te, jebe
Stabt nach 9Jta|gabe ibtcr ?eipung0fSbigfeit 3U einem be»
ftimmteu Sruppencontingent »etpflidbtete unb 3ut Seftteitung
bet ^open einen au0fubr3oQ auf ade SBaaten anotbnete, enblicb
auch SSefdbmerbebriefe an ben ?)app, an .Raifcr .^orl0 IV. unb »iele
beutfdbe Sütpen in au0p^t nahm. IDiefet Sag ift ein ent»
fdbeibenbet fBenbepnnft bet banpfcben @efdbidbte unb mit bütfen
mebt fagen, ein bacb^^^^atfamer and) für bie ®efammtentmicllung
unfete0 S3atetlanbe0 gemotben. .i^iet fdbliebt bie iBotgefdbicbte
bet .^anfe ab: ihre gro§e 3«t beginnt. Die Otlogfcbiffe bet
Stäbte unb ibr au0 dUttern unb Rechten angemotbene0 8anb»
beet übetmanben in gmei fcbmeren .Rtieg0iabten Danemarf jo
ncllig, bap im 9Rai 1370 bet bünifdbe 9iei(b0ratb, bie pänbifdbe
S^ertretung be0 bab^a abel0 unb JSIetu0, 32 ÜRitgliebet nadb
(894)
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11
®tral|unb hinüber fc^icfie, um bott im angeblichen Auftrag
ihres lanbfiüchtig gemorbenen .^enf^etS jenen ^rieben ju unter*
jeichnen, ben mir mit Bug unb IRecht als ben {)öhepunTt in bet
SRachtentmicflung beS beutfehen SürgerthumS überhaupt be<
gelchnen bürfen. gr cetlieh neben beträchtlichen SBerfehrS*
begünftigungen ben SRitgliebern ber Kölner gonföberation, etma
60 .^anfaftäbten baS IRecht, bie nier auf ©chonen belegenen
bänif^en ©chlöffer ^elfingborg, 5SRaIm5, @can6t unb Bulfterbo,
melche bem @unb, ber michtigften SBafferftrahe beS huufijchen
33erfehrSgebieteS jugefehrt maren, auf 15 fahren mit ihren
33ögten unb Sehrmannen 3u beferen, gu nermaltenunbgunieh*
brauchen, unb mehr noch baS unerhörte Stecht, bie nächfte
bänijehe JtönigSmahl ihrer Buftimmung gu untergiehen, momit
fie eine Superiorität gemannen, mie meber ^ai(er nodh ibönige
bamalS über einen fremben @taat auSübten. Breilid) barj
ni^t unermähnt bleiben, ba^ bie gonföberirten bei bem fchon
nach menig Soh^^fu eintretenben Jh^unmechfel auf bie that*
fachlich^ SluSübung biefeS gefährlichen, gmeifchneibigen {Rechtes
oergichteten; bagu neranlaht burch %e bermaligen politifchen
3[$erhältniffe unb gugleich burch ^^uge SBerhanblungen bet jungen
Königin 5Diargarethe, ber Siebter unb Slhtonerbin SalbemarS,
berjelben, bie in ber Äalraorer Union 1397 bie btei notbifchen
gCronen auf ihrem Jpaupte nereintc. Slber bei adebem: je^t
fteht bie ^anfa ba gefchmüeft mit ben Botbeeten eines großen
Krieges unb innerlich but^ {Roth unb @efaht mie burch
machfenbe .^anbelSintereffen fefter gufammengefchloffen, um nun
für anberthalb Sohrhunberte maritim bie erfte, politifch eine
ber erften notbifchen SRächte gu bleiben, unb baS aQeS ohne
Beihilfe, ja ol)ne Buftimmung con Äaifer unb {Reich-
3n biefe ihre gro^e Beit möchte ich ^*u 8efer nunmehr
hineinftellen, ihm im 3(nfchlufe an neuere BorfchungSergebniffe
(895)
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(id^ uerwetje »or allem auf bie audgejeid^nete unb umfaffenbe
DarPeDung biefet JDinge in JD. @d^äfet’0 pteiflgcitßntem SBerl:
S)te ^anfeftäbte unb ^önig SEßalbemar, auS ber au(^ bie nad^=
fte^enbe ©fijje »ot3ug0weife fd^ßpft) mit einigen ©trid^en unb
garben geben unb Stteiben biefer rührigen ©tSbte unb i^teö
SunbeS außmalen.
SuDor @inigeS übei ben .^anbel, ber bod[; meit mel^t a(0
®emerbe unb Sldterbau i^i eigentüd^eS gebenSelement außmadfit.
S)a tarn benn junäc^ft alleS barauf an, bie re^tlofe ©teQung,
meld^e febet ^embe nadE> früf^mittelaUeilic^er iSnfi^auung im
SluSlanbe einna^m, gu befeitigen. 2)a8 6rgebni^ biefer Se«
mül^ungen finb bie ^rinilegien, welche bie ©täbte eingeln ober
»eteint, man barf fagen, gu ^unbertcn ermotben ’^aben. Saft
immer ber ndmli(^e Sn^alt: e8 gilt ©(^u^ »on ^erfon unb
SBaare, iXbfdbaffung beS @(runbru^rred^t0, melc^eS bem ganbeS^
^errn oUeö für »erfallen erflfirte, maS — etwa »om SBagen
^erabfallenb — ben Soben berührte, abfdfiaffung be8 nod^ »lei
fd^Iimmeren ©tranbred^tS, baö bem anmo^nenben ©runb^erm
ade f(^iffbrüc^{gen ®üter aI0 @igent^um gufprac^, Sufage ber
SRed^tSpfiege gegen fäumige Sollet, ^Befreiung »om
unb anberen formen be§ ©otteSurt^eild im @eri(^t0»erfa^ren,
förmS^igung ber 3ßHe, 3ulSffigfeitSerfIärung beS Älein^anbelö,
g. S3. eHenmeifer Sertauf »on Jud^ unb geinen, ber fonft nur
ben @ingeborenen guftanb, unb ä^nlid^e SBerfe^rSerleid^terungen
me^r. 2)a0 »orne^mfte ©innen unb Sra^ten ber .i^anfen ging
aber barauf au0, an ben befud^teften äSerle^rS^Iä^en be0 lSu0=
t lanbeö Kontore anlegen gu bürfen. IDod^ ba»on nod^ f^äter!
®abei fiel i^nen nid^t im entferteflen ein, ben Stationen, mit
welchen fie jold^e IBereinbarungen trafen, alfo @nglänbem,
glomlänbem, 5Rorwegem, IDänen, 9Ruffen i^rerfeitS o^nlit^e
SSergunPigungen gu gemS^ren! 3m ©egent^eil: in Äöln burften
(896)
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beifpielSveife frembe ^aufieute nur breimal im 3a^t erfc^einen
unb bann nur für ben 3eitraum »on wenigen SBod^en. 9lie
ifl meinet SBiffenfl in ber SBeltgefd^ic^te ein ^)anbel8monopol
fo rüdfi(^tfilod burc^gefü^rt worben wie ^ier unb 3War ein
ÜRonopol, bab nid^t jowo^I auf ber eigenen 9iation laftete,
fonbern fed in bie ©oueerainetöt frember Staaten ^ineingriff,
um allen ©igcn'^anbel bafelbft nteberjubtüden ober gar wie in
9lor wegen gu erbtüden.
IBon ben jwei <^au))tftra§en ^anfifc^en .^anbelb erwähne
i^ guerft bie, wel^e bur^ bie beiben 6nb<>unfte, S3tügge,
IRowgorob begei^net wirb. Sie ift mehrere 3a^rl)unberte ^tn»
bur^ fo gut wie auSfd^lie^lic^ oon ben ©(Riffen fianfifi^er ^auf«
leute befuhren worben, wobei il)nen gar nodi »erboten war,
mit Slublänbern, IRuffen, ©nglänbern u. f. f. Gompagniegefd^äfte
gu treiben. 9lowgorob, woblgef(bü^t gegen ©eeräuber, an ber
fc^iffbaren SBold^ow gelegen, fonnte bermalen in gewiffem ©inne
al0 ;g)auptftabt be8 no(b »iel gertbeilten 9iuffenrcid^e8 gelten;
fie concentrirte feit ben Jagen i^reö ©rünberS, beö 3Borägerfl
IRurid, ben ruffif<ben .J>anbel unb erfreute ficb einer faft
re))ubltfanifd^en ©elbftänbigfeit .^ier liefen bie freguenteften
|>anbel0wege nach bem 2)niepr= unb SBolgagebiet auS unb
weiter gum fernen Often. 93on IRufelanb ejrportirte ber beutfcbe
Kaufmann befonberö bie feineren ^elgforten, Siber, 3»bel, Jper*
meline k., unb riefige fBlaffen SBa^S, baö, wie no(b ^eute, in
ben mittleren walbreidben ßanbefl burcb eine au8*
gebebnte S3ienengud^t gewonnen worb, ©ein 3n»bort beftonb
bagegen in feineren SBebftoffen au8 SBoHe, Seinen unb ©eibe,
felbft in ©dbubwerf, ba8 au8 ruffifd^em Seber ba^eim gearbeitet
würbe, au^erbem noch in SBier, 9JletoD* unb Iframwaoren.
ÜRan »erforgte ba8 inbuftriell no(b gang unentwidelte
Sanb mit faft allen (Srgeugniffen be0 @ewerbf(eifee8, beren e8
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über^au^t beburfte. — Srügge, bte anbere @nbftation bet on*
gegebenen @tra§e in Blanixtn, war für bte brei lebten 3a^r«
^unberte be4 0]Ritte(alter8 annä^erungdweife baS, wa4 8onbon
für bie ®egenwart bebentet, neben SBenebig bet eigentUd^e SBeIt>
marft be4 (Sontinentt, »o Italiener, @^>anier, ?)ottugiefen,
granjofcn, @nglönber, Ober» unb Sflieberbeutft^e in buntem
S)ut(^einanber i^re Saaten taufcl^ten. IDort^tn führte bet
^anfe auS Schweben unb Salb)>robufte, 93aufteine unb
@ifen, bab noc^ in Salbfd^mieben t^rimitio verarbeitet mürbe,
enblidb autb einen SlbeU ber ,^upferau§beute aud ben teilen
@(ba(bten von Salun, meld^e gro^entbeilö an lübtfibe bürget
verlauft ober verpfonbet waren. SJuä ben Dftfeelänbem im.
portirte et betreibe, aud ®tanbinavien .geringe unb ©todffifcbe,
lauter 9laturprobufte, für bie er ben betrefenben Gebieten feine
3nbuftriewaaren gurücfgab. @r vertritt in 93rügge ben gangen
SRorben wie im ©eben, fo im ©mpfangcn: benn nur burtb feine
Vermittlung tonnten bie @aben beö ©übenS unb Dftenö, Oele,
Seine, ©ewürge, ©eiben« unb ^urudwaaren, weldbe oorjugd«
weife nod} über bie Sllpenpaffe bie 9i^einftra§e l^inab natb
Vrügge verfrachtet würben, beSgleichen bie vielbegehrten Su^
ber großen flanbrifd^eu Sabrilftübte (nicht feiten würbe bie
@0e mit 90 9fim. begahlt) wieber an bie 9torblänber abgefe^t
werben.
S)er anbere ^auptftrom beS h<>”fiid|en {)anbelä münbete
in Bonbon. Such für biefen ^la^ beforgte er bie (Einfuhr
namentlid) frangöftfcher Seine unb venetianifcher ©eibenarbeiten,
anftatt bah gum Vu^en ihrer ©chifffahrt bie ^robucenten Be
felber gebracht ober bie (Sonfumenten B^ felbet geholt hatten.
3n Siücffracht nahm er vor SHern bie fchon bamalö maffenhaft
gewonnene englifche SoQe, bie er gröhtenthcitö wieber ben
glamlänbern gut fabritmähigen Verarbeituug guführte. lDo4
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93et^ä(tni| lag bamald, man fann fagen, gtabe umgele^rt wie
^eutjutage: wenn ftc^ @nglanb, wefentlic^ banf feinet unoetc
gletd^lic^ glüdlid^en Sage mitten auf bet Sanb^albfugel bet @rbe,
gegenwärtig jur erften @ee« unb .^anbeUmacbt ber fSelt empot«
gej^wungen ^at, fo war ed bamald öfonomifc^ no<b grabe ju
abhängig non 2)eutf(^(anb, baS nach iQeiluft feiner i>oIttif(ben
©uprematie eben auf bem wirt^fc^aftlicben ®ebiet aOen 9iationen
DorauSeilte, — oiellei^t mit ^uSfd^Iu^ bet Araber unb norb>
itali|4|en ©eetepublifen, bie ben orientalifc^en unb ^ittelmeet«
^anbel be^enfcbten. S)ie englifcbe ^aufmannf(^aft ift natüili^l
immer eiferfüd)tig unb fül^it oft Sef(^wetbe not ben Königen
unb Parlamenten, aber jene grabe f^ü^en unb begünftigen tro^
aOet norfaQenben Placfereien immer wiebet ben fremben @in=
bringltng. SBarum? äßeil fie fo wenig wie bie Könige bed
9torbend bie ©übertrugen ber ^anfifcben ©täbte unb ^aufleute
entbehren fonnten, bie fiiib r^re 33orfcbüffc übrigens noc^ burc^
bie Erträge non Sinngruben unb SBoUgölIen unb me^r alS ein»
mal burc^ Snpfanbna^me non j^ron unb 0ef(bmetbe ftdber gu
fteUen beliebten. — @enug, in jenem weitnergweigten 3»if<bm'
^anbel müffen wir bie nornef^mfte Duelle beS ^anfifcben 9ieid^>
t^umS erfennen. — Stuf einige anbere wichtige ^anbelSnerbin^
bungen fomme ic^ bei fpäterer ©elegen^eit gurücf, bie minber
belangreichen wiD ich im tBorübergehen wenigftenS anbeuten;
fo bie mit ©chottlanb unb 3rlanb, mit 93rabant unb f^ranfreich,
bereu Sahtmärfte bie ^anfen tegelmä§ig begogen. ©trebt ihr
^anbel fo inS SBeitc, fo muh “m fo mehr auffallen, ba§ ihr
äierfehr mit ben nächften Ola^barn, ben Dberbeutfchen, fo
fchwach war. Shr Sanbhanbel befchrdnfte ft<h in ber ^hnt nuf
bie nieberbeutfche Siefebene bis nach Shüringen hin, anberer»
feitS bis gum Dber> unb SBeid^felgebiet, wo .^rafau einen lebten
©tühpunft gab. ©ie groben oberbeutfchen ©emeinben am 9Wain
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unb 0onau vetfolgten )}o(iH{(^ unb wirt^fc^aftlic^ anbere 3nter<
effen: wie fte wejentlidb Sabrifftäbte »aten, |o traten fie nur
Dorüberge^enb in @inungen jufammen. !Dte^r auf ben @üben
@UTopad angewiefen, unterf(^eiben fie ficb im übrigen »on i^ren
nieberbeutfd^en iBoifdgenoffen namentlid) nod^ burc^ i^re @oIb^
Währung, infofem jene burd^auS bad ©ilbergelb, gutnal baS
lfibif(^c benorsugten. — 3ebe .^»anfeftabt bilbete natürli^ ben
fDtittelpunIt eine6 lofalen Sßerfe^rS für bie engere unb meitere
9ta(^barf(^aft: ^ier^er fam @belniann unb S3auer, um bie
$rü(^te beS $etbeS gegen ftdbtifc^e ©rjeugniffe umjufe^en, bad
etwa überfi^üffige iBermögen nu^bar ansulegen ober, toad
häufiger oorfommen modhte, baS fehlenbe gu leihen, liübecf unb
iBrügge mären bamalS bie größten (Selbmärfte bed 9lorben8, ihre
9tath6> unb .^aufhenen bie 93anfier3 für j^önige unb ^{ten.
5)ie Slrt unb SBeife beä h®”P|th*” SBerfehrS, gu beren S3e*
fprechung i(h mi(h nunmehr wenbe, unterfcheibet fich bo(h mefent«
lidb Bon ber heutigen. @8 gab »eber ^o^en noch Scrficherungen,
nur wenig 3Be<hfeloerfehr, auch uur fpdrlichcn (gpebitionS» unb
6ommiffion8hanbeI, ber einem ^Dritten JranSport unb iBertrieb
ber Saare überid^t. S)er .^anbel mar eben gang oorheirfchenb
©igenhanbel, forbertc in »iel gröheteui ÜRa§e aI8 heute ein
herfönlicheS (gintreten beS Kaufmanns: meift gog er felbft mohU
bewehrt über @anb unb ®ee nach ^em fernen ^anbe, auf
@ott »ertrauenb unb auf feine 0auft. 3118 @chiff8herr unter»
lieh er nicht, bie ä3oot8leute bur^ ©eminnantheile an ber
SBohlbehaltenheit feines gahrgeugS gu iutcreffiren. Unb in ber
2h®t, bie Steife be8 Kaufmanns war ungleich gefahrooller al8
heute. 2luf ber ganbftrahe überfiel, plünbertc unb fing ihn ber
Staubritter, um ihn erft gegen fchwereS Böfegelb au8 SSerlieh
unb ©efangenf^aft gu entlaffen, unb in ben gahllofen ©chlu^jf»
winfeln ber flihpenretdhen ©eftabc unferer norbifchen SJteere
(HOO)
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lauerten bie StuSlieger bet '})itaten. i9lo(^ immer galten ja
biefe noblen ^J)affionen in »eiten Reifen mehr ober weniger
als entf(bulbbare8 ©efi^äft. IDu^enbe oon jRanbburgen ^aben
bie Stdbte mit ihren Sfleifigen gebrochen, JDu^enbe Bon greU
beuterj(hiffen mit ihren griebenSfoggen aufgebra^t, bie Siäubet
felbct mit Seil unb @(h»ert geridjtet ober frifchwcg übet Sorb
geworfen. 5)ie größten 33imenfionen unb wilbcften Sotmen
gewann ber (Seeraub burd) bie berüchtigte ®efeQ{dhaft ber
@leidhtheilet ober Sitalienbrüber. @8 war bie8 eine bunt gu>
fammengewürfelte ©(haar oon abligen unb ni(htabligen @e=
feilen, bie bei allet auSbünbigen (Rohheit hoch audh ritterli^e
Süge, echten ©eemannSmuth unb tolle Slbenteuerluft nicht ent*
behrten. 3n ben 80et 3ahren be8 14. 3ahrhunbert8 gebilbet,
begwecfte fie anfangs nur, ben Sertheibigung8fami)f beS
©^webenfönigS gegen bie eroberungsluftige Königin SRargarethe
gu unterftü^en, inSbefonbere baS belagerte ©tocfholm mit
Sictualien gu oetforgeu; bahcr ber (Rome. SRatürlich, bafe bie
wilben ©efeHen, alS mit bet Uebergabe ber ©tobt unb bem
Suftanbelommen eines ^ebenS ihr anfänglicher 3wecf wegfiel,
baS einträgliche @efchäft nur immer frecher unb mahlofer auf
eigene f^auft fortfe|ten: ein hßlbeS 3ahthunbert finb fie ber
©chrecfen unferer norbifchen SReere geblieben; faft adfährlich
muhten bie ©täbte foftfpielige griebenSloggen in ©ee fdhiffen,
bie nicht immer Erfolge enangeu, wie bie oiel gefeierte „bunte
Äuh* bet .^ambutger, ber eS gelang, bie gefähtlichften Sanben»
führet, einen GlauS ©törtebefer unb ©obefe SRichel mit ihren
©^jiehgefeflen unb fabelhaften ©^ä^en in Hamburg eingubringen:
brei Sage ftanb, wie bie ©age berichtet, ber genfer biS an bie
Jlnöchel im Slute bet ©erichteten. — ©leidhwohl glaube man
nicht, bah hinter jebem Sufch unb jebet .Klippe ein (Räuber oer^
ftecft gewefen; bie ungeftörte (Reife war hoch bie (Regel, nur
XIX. 45«. 2 (»1)
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18
ba| natürlich bie Suänal^me in ben gteic^jeitigen SSeric^ten
me^r üon teben modbt. — 3u btefen focialen SJli^ftänben
famen noc^ elementaie @efa^ten aQer Sri, befonbetd bie
jeiten bet 5Rorbfee unb bie feid^te Sefc^affen^eit bcr ganj< »or=
wtegenb befahrenen ufernahen ^eereStheile, Gefahren, benen
nodh fein 6ompa§ unb ©hti^nometer, nur wenige @(hiffahrt8»
jeichen unb Seudhtthürme, auch nur ungureithenbe nautifche
Äeuntniffe entgegenwirften. Äein SBunbet fomit, ba§ ©chiff»
brüdhe gu ben SQtäglidhfeiten gehörten, unb bann trat in nur
gu Dielen gdllen jenes graufome ©tranbrecht in Äraft, baS tro|
aOet päpftlidhen Süden unb freien Verträge immer mieber, ja
mit begeichnenber Sorliebe Don bem Sremer ©rgbifchof felbft
auSgeübt wirb. Sei adebem »ar bie ©eereife, bie übrigens
ihrer ©efährlichfeit »egen im SBinter gefchlich Derboten mürbe,
no^ angenehmer unb fichrer als bie gu Sanbe: bieje mu§te fich
auf Dorgefchtiebener @tra§e halten, jebe feitroartS auSbiegenbe
gahrt galt als Sodbefraubation unb hatte bie Sefchlaguahme
ader ^abe gur golge. 6S flingt faft unglaublich, welche 3od=
pladereien bet Kaufmann erbulben mufete. SBie in bem bunten
SBitnih Don SerfehtSmüngen, bie fchliefelich faft jebet @taf unb
jebe ©tabt für fidh auSprägen burfte, fo fpiegelte fich auch in
biefer unfinnigen Uebcrfüde Don SBeg= unb SBaffergöden bie
gange jammetDode Se^ffenheit unfereS SolfeS im fpäteren
3Rittelalter wiebet. Dberhalb Hamburgs gab eS auf eine SBeg»
ftrede Don 12 fWeilen nidht weniger alS 9 3oöfleden. (Sin
@lücf nur, ba§ ber $atif jeht wenig complicirt war; meift
würbe einfadh Don ©chiffS: unb SBagenfracht ober auch baden«,
foh« unb fiftenmeife bet 3oUbetrag erhoben, alfo nicht abgcftuft
nach bem Sierth unb bet feineren ober gröberen Dualität ber
SBaare. Stuf baS Dorgehaltene (Stucifijr legte ber .Kaufmann
nebft feinen etwaigen (äibeShelfern ben ©chwur ab, bah feine
(902)
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19
Slngoben übet bte mitgefü^rten ©ütet » a^r^eitögetrcu feien,
n>te benn bte @tbedletftuitg überhaupt im mittelaitetiid^eti
0ledjt8* unb ©efc^öftSDerfe^r eine auöne^menb häufige 9tn«
wenbung fanb.
6in fur^eö nad^ttoglii^efi SBort nod^ über bie (Seefahrt
unb bie Saumeife ber ^anfifc^en @^iffe. 35iefe waren meift
runbbau^ige ^a^rjeuge mit l)obem ©otb unb einem ?IRaft,
boBon ber ^eimift^e ^lüget ^etQbmel)te, Ber^ältni^mä^ig breit,
au8 ftarfen QJIanfen jufamniengefügt; leicht fonnte man 3“
ftiegcrif^et Serwenbung umänbern burd^ Sluffe^ung fog. ßaftelle,
wo bann Söurfmafcbinen unb SBogenfc^ü^en untergebra^t würben;
im SDur^fcbnitt bürften pe an @r5pe faum ben ^anbelSf^iffen
nad^geftanbcn ^aben, bie nccJj je^t bie Oftfee burd^heujen. 2Bie
gef c^irft man fie ju ^anb^aben nerftanb, erhellt 3. S. au8 einem
3eitgenöffif(ben Serid^t, wonad^ eine ga^rt non Sfli^jen auf 3üt=
lanb bis na^ Slmfterbam in 3Wei Sagen gurüdfgclegt warb. —
SBaö fobann bie ©eefaptt felbp betrifft, fo beftätigt audb pe
jenes au8ge3eicbnete Salent 3ur SBilbung genoPenfc^aftlidber S3er=
bdnbe, worin man jüngft mit IRedbt ben bepen 9lu8brudt ber
polilifi^en 8eiftung8fä^igfeit be8 auSge^enbcn bcutf^en SJlitteU
alterS gefunben ^at. 3d^ be3ic^e mid? babei weniger auf bie
©ewoljnbeit bet ÄauPeute, gef^wabetwcife au83ufegcln, al8
auf bie eigent^mlidben 3nftitutionen, womit man ba8 8ebcn an
SBorb 3u regeln l^Pegte. 6in näherer utfunblic^et 9luff<blup
batübcr ift un8 au8 ber ®litte be8 16. 3a^rpunbert6 erhalten,
(cfr. grentag, SBilbcr au8 bet beutfc^en SBcrgnngen^eit, Sb. IJ,
®.244p.). ©obalb bie Ijo^e @ee erreicht war, Iciftete bie @c^ip6«
gefellfcpaft, bie peb au8 bem ©ebipsberrn ober ßapitain unb ben
©ebipöfinbetn, b. b- ber SRannfepaft 3ufammenfebte, ba8 eiblicbe
Serfpreeben, ben Sorgefebten ;jünftli(b geborfamen unb etwaige
Seute gleicbmäpig »ertbeilen 3a wollen unb inftallirte bann
2* (903)
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21
SBcr^ältntffe foroie bet i^m jufte^enben red^tlid^en SSefuflniffe,
bie faft in iebet 0tabt anbere waren unb burd^auS ^intet
benen bet eingeborenen Sürger jurücfftanben : nidbt wie in ben
cioilifirten Staaten ber ©egenwart, wo jeber, er fei ^eimifd^
ober fremb, ben gleichen fRe^tgfe^u^ geniest. 33ome^mlic^ aub
biefem ÜKangel entfprang bab unabläffige Streben ber .^anfen
nach feften ©ontoren. grü^ fc^on war eine fol(^e fliieberlaffung
in gonbon unter bem fRamen beb ©taljl^ofb, in fRowgorob
unter bem fRamen beb St. ^eterb^ofeb entftanben, bebgleic^en
in Srügge unb mehreren fleineren Orten ©nglanbb unb ber
fRiebcrlanbe, — eine jete mit »erjd^iebenen, wenn audj »erwanbten
?>rioilegien, gebenbgewo^n^eiten unb faufmännif(^en Ufancen,
allefnmmt aber mit bem uufc^ä^baren fRed^t, Streitigfeiten unter
ben ©enoffen nadb ^eimif^en Sa^ungen aubglei^en ju bütfen.
3n iJonbon mu^te ber »on ben ©ontorbrübem erwählte 9leltcr=
manu bab Söürgerre<bt erlangen, woburtb bie gange fRieberlaffung
gleid^fam naturalifirt warb. Sie^nlid^eb gilt non ber Stellung
bet ^anfifd^en Äaufleute in SBrügge, wo fte bei bet ftarlen
©oncuneng non Jpanbelbtreibenben aller ^Rationen überljaupt
feine fc^roff aubgeprägte monopoliflifc^e 9?olle fpielen fonnten;
Ijier bcfa§en fie nur gemeinfame Spei^eträume, wd^renb fie
felbft bei ben ein^eimif^en Bürgern gut SRietlje wohnten,
wenngleich fie au^ IRemtet beb ©armeliterflofterb
gemeinf^aftlid^ über i^re ©cuoffen ©eric^t halten unb ihre
Serwaltungbgefdhäfte erlebigen burften. ©ang anberb in 5Row=
gorob: ht<<^ Uncultur unb nationalen Antipathie
ber IRuffen bie dufeerfte ^orfitht im 33erfehr mit ben ©ingeborenen
geboten, wollte man nicht bie ©jeifteug ber gongen ©olcnie
gefdhtben. IDementfprechenb würbe betfelbe feitenb beb ©ontor»
oorftanbeb unb bet ©unbebtage ben betaillierteften
3?erhaltungb» unb ©ontrollmahregeln unterworfen. Am inter*
(905)
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22
eflanteften aber geftalteten ftcb biefe a3cr^ältni[|e in Sergen,
bem nörblid^ften 9lu§enpoften ^anftfc^en ^anbelö. ^ier in
9torwegen, baS gleicbfaHd no(% auf giemli^ tiefer Sulturftufe
ftanb, f(^Iug ber beutf^e Kaufmann allmä^lic^ mit @elb ober
SBaffen alle ©oncurrenj anbeter 9tationen, namentli^ ber 6ng»
länber, au6 bem Belbe unb begrünbete, etma um 1350, in ber
beftgelegenen unb leb^afteften ©tabt beS SanbeS, eben in Sergen,
ba0 le^te Kontor, »eld^eS fi(b, freilich in überlebter, erftarrter
gorm bis inS oorige Sahr^unbert erhalten gemährt
biefe fpäte ©dhöpfung beS h^nfifchen (Solonifaticn0talent0 mie
laum etmag anbercS einen beutli^en @inbli(f in ben ®eift unb
0ef(häft0betrieb biefer Äaufleute unb mag befehalb ein menig
auöführli^er behanbelt merbeu. — 3lm 3D?eere8ftranbe lagen 21
ebenjoBiel ^anfaftäbten gehörige ,^ßfe, grofee umfriebigte ^lä^e,
bebecft mit hohen ©peichern unb SBohngebäuben, melchelehteren grö§>
tentheil0| auöh noch al8 3Baavennieberlagen bienten; Bonjebem ^of
lief eine ganbungflbrücte in0 9Jieer au0, um bequem bie einlaufenben
©chiffe anlegen unb mit 3uhiif6”flh*”£ mächtiger ^ahne tofdhen
ju fönnen. 3?a0 @anje umfchloh eine Umfaffung0mauer, an
»eiche bie ©chuftergaffe angrenjte, bemohnt Bon lauter junft»
»eife georbneten beutfchen ,g)anbmerfern , »eiche fich hier mit
ihter Samilie bauernb angefiebelt hatten, aber [tet0 treue Fühlung
mit ben alten Solf0genoffen im ©ontor behielten. Äeinem
@ontorhau0 fehlte brr ©chütting, b. i. ein geräumiger fenfter«
lofer ©aal, ber guft unb ?icht burch biefelbe ©achlufe begog,
bur^ »eiche er ben {Rauch Beuerheerbe0 hioauölieh- 2)ort=
hin berief ber Sleltermann bie ÜReifter, ba0 finb bie gactoren
ber h^iniHihcn .Raufhenen gu gefchäftlichen Serathungen ober
geridhtlichen Serhanblungen über norgefaHene Sergehen, bie ber
©ejeHe mitöelb*, ber gehrjunge mit reichlich bemeffener Prügel =
ftrafe abgubü^en haW®- ©benba fafeen an ben langen gefchöft0»
(S«€)
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23
ftiDen 'Jlbenben bed norbifd^en ^interg bie einzelnen B<»nilien,
wie man ben gactor nebft ©efeClen unb ge^rbutfdben ^übftb
unb traulich benannte, eine jebe an t^rem bejonbcien, rol^gefügten
^oljtifd), um mit fermerem ©etränf unb »etgnügllc^em ©eplauber
bie fc^Ieid^enben Stunben ju fürjen. @alt eg Setat^ungen im
3ntereffe bet ganzen ßolonie, fo pflegten im bremer ©(^utting
„3um SJiantel" bie Slelterleute fämmtlit^et .£)5te, ber fog. {Rat^
bet Sldjtje^ner jufammenjutreten, unter benen bet lüberfer,
entfpredbenb bet Ijegemontfc^en Stellung feiner SJaterftabt, fi(^
beg größten Slnfe^eng erfreute. 3n ftreitigen ober augne^menb
wit^tigep Sodjen wanbten fie fic^ mo^l an bag SSetgenfa^rer»
coHegium in güberf, Ijäufiger an ben bortigen IRat^ unb jumeift
an bie ^öc^fle Snftanj, einen allgemeineu J^anfetag. Se^r
niebrig fteQteu fid) bei bet flöfterlic^en ©infad^^eit beg Sebeng
unb ber großen Slnjaljl ber bet^eiligten |)erfonen bie Abgaben
3ur Unterhaltung bet Sactorei. Sic hot jur Seit ihrer 33lüthe
gewi§ an 3000 SWitglieber gegählt unb würbe wie, nur ein
Älofter ober gelbloger, ocn ben ftrengften ©efe^en behenfcht.
j^ein SBeib warb barin gebulbet; mit Sonnenuntergang mu^te
jebet ju v^aufe fein; ber fRaehjüglet mochte fehen, wie et on
ben biffigen ^)ofhunben norbei fom, bie nadhtüber ben .^ofroum
bewachten. fRiemanb oon ben .^anfifchen burfte fi^ mit einer
fRotwegcrin oerheirathen, um ni^t Durch Sermif^ung mit ber
eingeboreneu Seoölferung ben 3llleinbefih ihtet 33otre^te unb
te^nif^cu gertigfeiten ju bebtohen. SBie weit bie erfteren
gingen, mag ber 8efer auch bataug erfehen, ba§ bie 6ontor°
genoffen an ben SEßo^enmörften bie Strahen einfach unb
ungeftraft bur^ honbfefic Äerle abfperren lie§en, um ihr f^äh»
bareg ^orfaufgrecht au^ in SEßahrheit augjunuhen. ©tflätlich
genug, bah fie ouf biefe refolute I9rt bie ©infaufgpreife ganj
willfürlich unb einfeitig beftimmten, wie fich bag non ihren
(SÜ7)
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•24
SBcrfauföpreifen bei bem ÜJlangel jebmebet (ioncurtenj Bon jelbft
Betitelet. @ebr Berjei^lid^, »enn unter bem 2)ru(f biefet toittl)*
f^aftlic^en 5£ptannei ben ohnehin jtemlii^ raufluftigen 9toTmegeru
^umeilen bo^ bie @ebulb ri§. Widern bte 2)eutfc^en ^a^Iten bann
mit ^lri(i^et !Diünge 3urü(! unb blieben »a^r^aftig nickte fc^ulbig.
'Salb {d^lagen fte o^ne 0(^eu Bor bem gufäDig anmefenben
.^onig einen Sif^of tobt, balb fe^en [ie übet ben köpfen ber
bef(^auli(^en dRonc^e ein ^lofter in flammen, bann uiebet
bergen unb entführen fie Serbrec^et ober rauben leicht gewimmerte
Jpolj^äufer, um fo raitfi unb bequem 3U Srennmaterial 3U
fommen. 9lur but(^ fefte ©intrac^t unb ftrenge ©eft^Iojlen^eit
fonnten [ie fid& butc^ Sa^r^unberte in bem unmirt^Ii^en fc^ioad^
beBoIferten 8anbe behaupten. 0ieben 3ahre lang mu^te ber
gchrjunge, bet bur^fchnittlid) im Sllter Bon 12 Sahnen eintrat,
für bie ölteren Äaufgefeden fodhen, fegen, mafchen unb ,^anb=
reidjungen aller SIrt Berridhtcn; bann erft aoancirte er 3um
©efeUen unb 3War unter hc^ft ergö^lichen §eictli(h feiten unb
jinnigen (Zeremonien »ie folgt. @in ftattli(be8 Jrinfgelage auf
beS Sungen Äoften machte ben Slnfang, bem ber le^tmalige
®rnu§ bed in ber Sehrweit alljährlich genoffenen „@taupenfpielS im
^arabieö" folgte: baS mar geinife ein mohlflingenber fRame für
eine gar empfinbliche ©a^e: man teilte nämlich brinnen ober brau»
hen einen Otaum inö (J^eBtert mit Sirfenreifetu ab, in ben bet 3unge
mit Berbunbenen Sugen unb notbürftigfter J^leibung unter fRatren»
geleit eiutreten mu§te, um bafelbft Bon ben @ngeln bcö ^arabiefeö
in ©eflalt fauftberber ^Pritfehmeifter auf ba8 unbarmherwigfte
geprügelt wu merben; fein ©chmetwgef^tei übertönten luflige
jtrommeln unb pfeifen unb baS f^abenfrohe Gelächter bet
rohen ©eföhrten. 2ln biefe Suftbarfeit fchlofe ftch ein feierlicher
Umgug burch bie ©tragen; Boran wmei alö normegifcher Sauer
unb Säuetin baroef maöfierte 5«ngen mit bem Aufträge unter*
(906)
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25
»egä bie gajfenbe ÜKenge mit Söaffetjpri^en unb ä^nlid^cn
@d|ergen 3U necfen unb gu beluftigen. 9tun ^inauS in ®ee
gut erftifd^enbcn SBaffertaufe, gum Äiel^olen bet aufgune^menben
Sungen. 5Rac^ biefer ?)rDcebur bie granfamfte »on allen. SJlan
entgünbete auf bem ^erbe im ®(^ütting einen angefeui^teten
fReiflg^auf, untermifc^t mit gebet, Sl^tan unb .^aaten, gog
ben Unglücflidben bann gum ^Dac^Io^ hinauf unb lie^ i^n
unter beftänbiget ©efaht in bem entfe^lichen Qualm gu erftiden
lange Oteben h^i^fns^n; alfo gang biefelbc ^ehanblung, bie ben
J^eringen im JRauchfang gu warb. 6in »ahreS SBunbet,
bafe un8 nur pon einem @tftirfung8tobe betithtet mitb. 9iun
aber famcn, »ie gebühtenb, auf bie böfen au(h bie guten Stage,
»D bet junge ©efeHe bei feftliihem Sttanf unb @d}mau8 aller
übetftanbeuen ÜRartern »ergcffen mochte. 9luf bie gahlteichen
übrigen Spiele be8 6Dntor8 gehe idh nicht ein unb bemerfe nur,
bah fte ebenfoDiel für ben ^umor wie für bie 5)erbheit bet
bamaligen ©eneration bemeifen ; troh aller Slnfechtungen oon Seiten
ber ^anfe unb 6er eingelnen Stabte finb fie Sahrhunberte lang
»on ben Sontorf^en aufredht erhalten unter bem nicht un»
begrünbeten 23ormanb al8 Suchtmittel bet faufmännifchen 3ugenb
unentbehrlich gu fein; nie aber ift »ohl eine b«bere, prügel»
reichere ^äbagogif geübt morben al8 hier.
@ang furg will ich enblich noch einen SRittelpunft Ijanfifcher
.^anbel8berocgung im 9lu8lanbe berühren, nämlich bie Heine, in
ben Sunb hinauStagenbe ganbgunge »on Sfanör unb galfterbo, ein
Slnhängfel ber gröberen c£)albinfel Schonen, jeht noch eine »er=
ßbete Sanbflädhe, bie nur burch fpärliche Strümmer unb furchen
an ba8 ehemalige lebhafte @efchäft8treiben bahiet erinnert, ^atte
bet 4?eiing im 10. unb 11. Sahrhunbert in tiefigen fDtaffen
befonber8 bie pommerf^en Äüften befudjt, fo »erlegte et banadh
feine Sngrichtung auf bie eben begeichnete Stelle im Suube.
(909)
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2)0 waren benn untere ^anjen fünf bei ber ^)anb; eö gelong
i^nen, biefed einträglid^fte S^erritorium beS bamaligen ^dnemail
faft auSfd^Iieglid^ alS @tgent^um ju erwerben, ein übeijeugenbet
beweis, wie unglaublich fchlecht [ich bie berjeitigen SanbeS°
füiften auf SluSbeutung ihrer natürlid>en SanbeSf^ä^e nerftanben.
IDiefe verliehen ndmlich mehreren beutfdhen @eeftäbten unb gwar
jeber einzelnen bie SSefugni^, je eine SSitte hier anlegen ju
bürfen, baö finb auSgebehnte, umgäunte ^lä^e an ber Äüfte,
welche fie theilweife mit SSerfaufS» unb gijchbuben, au^ mit
einer Äirche bebauten unb burch eigene SSögte nerwalten liehen.
2)a8 SBichtigfte aber war, bah pe »on hier au8 an ben nahen
©ammelfteHen ber ,^eringe unbehinbert ben gang betreiben
burften. JDiefer begann im 3uli unb bauerte biö jum Dctober.
2lu0 allen berechtigten ©tobten ftrömten bann bie .Raufleute,
gifcher unb Sßttcher ju taufenben herbei, um hier ben ^»ering
ju pfchen, gu folgen, gu röuchern, gu »erpacfen unb gu uerlaben. 2)o=
mit nerbanben fidh »ielbefuchte Sahturörtte für bie weite Umgebung.
SBar bie ganggeit gu @nbe, fo cerftummte al0balb auch bieS
laute Seben unb Treiben ber SKörfte. 3m 9lnfong beS 15.
3ahrhunbert0 nahm ber launifche gifch plöhü^ wieberum eine
anbre aiJanberrichtung, bieömal nach ben hoHünbifchen Äüften,
bie er in bemfelben SJlahe bereicherte, wie er ben oftfeeifchen
©tobten Slbbru^ that. @8 war für biefelben ein unwieber»
bringlicher unb unerfehlicher 93erluft, eine üble SBorbebeutung
unb mitwirfenbe Urfache be8 fünftigen lUerfaQS. SBa8 man
aber halb non Slmfterbam auSfagte, e8 fei mit allem feinem
fReichthum auf geringen gebaut, bo8 galt einft unb lange Seit
mit gleichem {Redht für unfere .t)anfaftSbte am baltifchen fDieer.
Sur ©hueutteriftif be6 ^anbelS fei an biefer ©teile nodh
einiges na^getragen. Sßie eS feinen auSgebilbeten @ommiffionS«
hanbel gab, ebenfc wenig fann fthon ton eigentlicher ©pefulotion
(810)
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bie 0}ebe fein: mobl fommen Seitfäufe dot, namentlich im
©etreibehanbel, aber entfernt nidfet in ben SMmenfionen bet
©egenwart, wo „eine Söaare ein JDu^enbmal oeifauft wirb, becor
fte überhauiit oorhanben ift." 5)iefe8 wenig reelle, auf bie
zeitlichen ?)reibfchwanfungen bafierte IDifferenjgefchäft fannte man
faum. aSaare gegen SBaare ober S3aargelb, bafl ift gleichfam
baS fKotto beö hflnftfdhen JpanbelS, womit er freilich nicht non
aßen betrügerifchen ßJlanipulationen freigefprodben fein foß. Dft
genug waren bie unteren Oagen einer .peringStonne oerbcrbte
SBaare, unb oft genug mu^te ein S3aßen Seinwanb non Station
ju Station an ben fRath beS ^erfunftorteg jur Unterfuchung
juriicfgefchicft werben, weil Qualität ober Quantität ben h^mbelfi.
gefehlithen Seftimmungen ober ber getroffenen Slbrebe nicht
entfprach. ßRit befonberer Söorliebe machte ber fchlaue ^)änbler
fich bei berartigen Ueberoortheilungen bie niel berufene (äinfältigfeit
ber fRorweger zu SRuhe.
JDer Umfang biefeS ,J)anbel0 war hoch größer al0 man
meinen foflte, ebenfo grofe unb in einigen 3lrtifeln grö|er al0
auf bemfelben äiertehrSgebiet oor etwa 50 fahren, aljo nor
Slnbruch beS 3)amt)fzeitalter8 , welches unferen ©täbten einen fo
tapiben S3coßlterung0zuwachß unb wirthfchaftlichen Sluffchwung
gebraut hat. 3- 5). war ber gifchhanbel ungleich bebeutenber,
einmal, weil ber .gering noch an naher Qftfeefüfte lonbete,
unb fobann, weil bag firdhliche S3erbct anberen gleifchgenuffeS
alö gijch znr Seit ber Saften no^ IbaS ganze confeffioneß un»
Zertheilte Sbenblanb umfaßte. 3lehnlich oerhält e0 fidh mit bem
im mittelalterlichen ©otteSbienft fo maffenhaft gebrauchten SiJachS.
©in paar 3ahlen werben hier am ^la^e fein unb beutli^er
fchübern al0 SBorte: 1855 würben 3700 Sonnen .geringe über
gübecf eingeführt, 500 3ahre früher 33000. 3n bem ^iegSfahre
1369 betrug ber ©rport au0 30 hanfifchen Seeplä^en tro^ ber
(911)
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S3crfe^r8fpcrte mit bem feinblic^en, fonft fo ccnfumtionSfräftigen
SJänemotf tto^ 130 5Rm., au8 Hamburg allein etmo
40 9JHn. unb Hamburg mar et^ebltc^ fleinet al8 gübedt.
@8 oerfte^t fi<^r fd^wung^aftem ^anbel auc^
bo8 ©ernctbe blühen mu§te. @8 exiftiiten bamal8 in gübecf
faft boppelt fo Biel Södter al8 ^eute. 3n befonberem glot
ftanb bei bet gto§en 5Rod^frage nad^ ^etingSfäffetn au(^ ba8
Söttcbergemerbe, nid^t minbet bei bem Bielgepriejenen JDurft
uniercr 33orfa^ren bie 33tauetei, worin bamal8 ba8 niebet»
beutfe^e .^anfagebiet ©übbeutfc^Ianb nod^ weit überttaf. ^am»
bürget ober SRoftodfer S3iet fehlte nid^t lei^t bei einet ©afterei
im 9iotbcn. gaft fämmtlic^e ©täbte oon ginlanb bi8 jut
SBejermünbung waren Bon weiten .Hopfengärten umgeben, unb
Hamburg in8befonbere Betbanfte fein raf(^e8 ©wpotfommen im
14. 3a^rl)unbert wefentlit^ feinen ©ierbauetn (jeitweilig 500),
Bon benen allein 126 für 3lmfterbamer iSbfa^ probucirten.
9iid^t bIo§ bie Vertretet be8 Äunftgewerbe8, wie @olbf(^miebe,
9JletaDarbeiter, SJtaler, Silbf^ni^er, ^aternoftermad^er, 9lltar»
f(^teiner, fonbetn auc^ niebere H^nbwerfet, 3. 35. bie Stuftet,
nertrieben i^re Slrbeiten im weiten 9lorben, bet Rd^ felbft auf
HerftcHung biefer einfadjften |)robucte nod^ fi^led^t Berftanb.
3Bir fennen einen e^rfamen ©(^u^macber, ber eine Seitlang in
StuRlanb, bemaib in ©tocfbolm für einen SUtter unb fcblie|licb
in Santiago bi ©ompofteDa für Pilger arbeitet. — Sille biefe
Hanbwerfe, bie je na^ brr @unft ber 8oralitäten in befonberen
©tragen unb ©tabtoicrteln gufammenwobuten, waten in Sünfte
organifirt unb lange Bon jeber S^beilnabme am ©tabtregiment
au8gef(bloffen, ba8 allein in bet ^ani ber großen ^auf» unb
©runbberren rubte. 3m 14.
SSorgang ber fübbeutfeben ©emeinwefen auch in ben b<>nfif(ben
©täbten ber „Sunftteufel“ I08, eine tiefgebenbe unb lang»
(»1»)
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bauernbe bemofrattfc^e 93ewe^ung, bie viel S^ermanbted ^at mit
bem ©tdnbefampf im alten {Rom. ©ie Bünfte begehrten @i^
unb Stimme im ÜRagiftrat, erflörten nur unter biefer S3e»
bingung i^ren Sc^o^ 3a^len gu wollen. IDie weiften Stdbte
Ratten in biefet Seit blutige ISufftdnbe ju oergeic^nen, unb bet
.genfer fanb ooHauf gu t^un; ^iet Regten bie IDemofraten,
bort bie ^atiicier, unb nicht feiten erneuerte Reh ber häßlich«
Swift, bieömal vielleicht mit entgegengefe^tem @rfoIg. {Rach
anfdngli^er Surüdhaltung mifchte Reh auch ber ^anfabunb al8
folcher in biefe interna ber eingelnen Stdbte, regelmdRig gu
©unften ber eycluRven ^atricierherrfchaR unb erweiterte bamit
ben Umfang feinet Sweefe, ba et R^ bisher faft lebiglich auf
Schu^ unb Ißermehrung ber auSldnbifchen |)anbeldhrivilegien
befchrdnft holte. flRan wolle übrigend biefe Snnftbewegung als
etwas gang {RaturgemdReS anfehen. 3Bar baS .^anbwerf anfangs
hörig, einem 35ienflherrn, fei eS einem Sifchof, ÄloRet ober
gürRen, gu Sind unb ^jerfonlichen geiftungen verpRichtet, fo
lam nachh^t ber ©runbfaR auf, wer in einer Stabt unange=
fprochen Saht a**b $ag verweile, foHe für feine ^etfon gang
frei fein, ein Segen, ben in jener Seit fchroffet StanbeSunter»
fchiebe bet Sürgerftanb nur mit bem geiftlichen theilte. 3«
biefen {Berufen fonnte auch ein {Riebriggeborener am eigenen
Sopf Reh emporarbeiten, hier fperrten bem Salente webet S3or»
recht noch 93oruttheil bie freie Sahn. flRancher arme üehrjunge
im Sergenet 6ontor ift fpdter ber 8lhnhett Rolget, nodh jeRt
blühenbet dbaufmannSgefchlechter geworben. IRatürlich, t’aR bie
^anbwerler, einmal ihrer greiheitsfehranfen entlebigt, nur beRo
begehrlicher weiter brdngten unb fchoben, gumal baS alte arifto«
tratifche {Regime Rdh immer junterhafter gebetbete. Siudh hüte
man Reh, ihte bamalige fociale Stellung nadh ber heutigen gu
beurtheilen: bie SilbungSunterf^iebe bet eingelnen ©efellfchaRS*
(91S)
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flaflen griffen bei weitem nid^t fo tief a(d in unferen Sagen,
unb überbied lebte au^ im ^anbwetfet eine ä^nlidfie ritteiUd^
©efinnung, wie in bem reichen Äauf^erm. SBit wiffen »on
einem gttQ, ba§ ein @(^ufter, o^ne fi<^ lä^jetlii^ ju machen
einem Serufögenoffen ge^be anfagt, bie blutig enbete.
2)a§, wo ^anbel unb ©ewetbe fo florirten, and) bie Äünftc
empDtfamen, beftätigt nur eine alte ßrfa^rung ber @ef<^ic^te.
3d^ erinnere an bie ^ertlichen got^if^en 2)ome in unferen
|)anfaftäbten, wo^l jämmtlic^ in SBadftein erbaut, welche not^
^eute lautrebenbeö Seugni^ geben von bem @lan3 oergangener
Sage. ^S^Dn unb ol^ne Uebettreibung fagt ein neueret ^orf^er:
„3)cm 9torblänber, ber in Sraoe ober 5Bei(^fel einfu^r, bie
ragenben ^irc^t^ürme bi(^t neben einanber fdjlanf unb lei^t
in bie Suft emporfteigen fa^, 3U ben ^o^en Litauern unb i^ren
ja^lreic^en Stürmen ^inaufblicfte, ben mu^te ein ä^nlic^eS @e>
fül^l anwanbeln, wie ber S)eutf(be ^aben mochte, wenn er bem
ewigen IRom nal^te." iDie ^auptträgeriu biefer funftlcrif^eu
aSeftrebungcu war fteilii^ auc^ ^ier, wie überall im (^riftlic^en
SRittelalter, bie .^ir^e. Slber aud^ bie prächtigen JRathhäufer,
fowie bie wenigen au6 jener Seit erhaltenen ^rioatgebäube mit
ihrem treppenförmigen ©iebelbau unb ihrer bei aOem Oieich»
thum bodh gefchmacfooQen Ornamentif bewrijen cbenfo oiel für
bie pra^tliebenbe 9ltt alS ben foliben .^iinftfinn biefed ©efchlechtd.
3n bet gothifchen ardhiteftur flanb jene Seit bo^ fidherlich
ber unfrigen eher ooran als nach- 93on ftrenger SBiffenfchaft
im mobetnen ©inne fann bei bet Befangenheit in bem ©laubenö»
jwange bed fatholifchen IDogmag natürlich nicht wohl bie IRebe
fein. Swar beftehen bereits an ben meiften ^farrfitchen Spulen,
ootj ugSwetfe für bie ^atriclerföhne beftimmt, aber mit ein paar
©rodfen gatein, mit gefen, ©dhreiben unb ©ingen ift auch i>er
ganje enge ÄreiS bet gehrgegenftönbe erfchöpft. flicht feiten
(91 ♦)
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ift bet einzige ©elebttc bet @tabt bet juttftifd) unb geiftlicb
BotgebÜbete Stabtfdjreibet, bet SIbnberr unfetet heutigen (gpnbict.
Um jo liebet etgab jidh bad gejunbe unb tobujte @ejchledbt
einem behaglichen SBohlteben, gu bem mit 2)eut|(hen ja jeit
utalten Seiten bifl auf ben heutigen Jag neigen. Sumal bo8
SRittelalter »at eine lebenSftohe Seit. OKan braucht nur an
bte buntfarbigen Jrachten, beten auSartenbe Ueppigfeit halb
Äleibetotbnuugen nöthig machte, an Jutniere, Schühenfefte unb
9Rummenj(hanjeteien ju erinnern, um bason ju übergeugen.
Die gtohen (S^maufcteien bei häuölidhen Slnläfjen, Äinbtaufen,
jpocbgeiten :c. mürben meift im ©ilbehaufe ober gar im {Rath»
häufe gegeben, hier auch auf Äoften beö @tabtfädfel8 ootnehme,
oft fürftliche ©äfte teichli^ bemirthet. Die JBermaltung bet
{RathäfeQerei galt a(8 ein Biel refpectablereS ’Jlmt, benn heutgu^
tage. SUIeö baS ift gugleich ein SluSbrucf bet henfchenben
SBohlhabenheit: SBermögen Bon ]00000{Rm. finb nichts Seltenes.
ORan legt fie gern in bena^barten abligen EehnSgütem an, um
babutch felbft in ben ritterlichen Stanb eingutreten, felbft Siegel
unb SBoppen ftatt ber bisherigen .^auSmarte gu erlangen. Der
Stabt Sübecf hat nach bem gro§en Jpanfaltieg geitmeife faft baS
gange .^ergogthum i?auenburg gubehört.
9ln ber Spi^e jebet Stabtgemeinbe ftanb, um gum Schlufe
meinet ‘Ausführungen noch furg bie SBerfaffung ber Stabte unb
ihres ®unbeS gu jfiggiren, ber {Rath, befe^t mit 12—24 9iath8=
herren, bie groat auf SebenSgeit gemählt, in gmei» bis breijähtigem
JutnuS rcechjelten, fidh felbft aus ben Bornehmen rathSfähigen
©efchlechtern ergängten, barunter 2 ober 4 IBürgermeifter, roelche
in ben Si^ungen ben 93otfi^ führten ober, roie man fi^ auS=
brücfte, baS SBort hielten. Alle Bermalten ihr Amt im Sinne
eines ©heeuamtS ohne ©ehalt; ihr ©efchöftSfreiS umf^lieht
fSmmtli^e öffentliche Angelegenheiten ihrer Stabt, Ärieg unb
(9J5)
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griebcn, unb 6Jeri(%t8iDe|en , 3Rarft=, .^anbclī unb
Bunftpclijei unb Bot SlClem bie ^nanj: fte j^teiben ben
aus, ber ujo^l bann unb wann no(b Bon bem @onttibuenten
ni^t gegen Quittung eingeja^It, fonbetn unbemerft in eine auS>
geftellte gäbe geworfen würbe, ein 3eugni| bafür, bafi man ^ie
unb ba baS leibige Steuern no(i^ a(S @^rent>fli(!^t betrachtete
unb feine betrügerifcbe ißerfäumni§ berjelben argwöhnte. S)en
®efammt(harafter biefeS StabtlebenS B^rfcher fcbön unb
treffenb Berglidben mit bem Sufammenleben unb ^auSbalt einer
Samilie; jeber ,^anbwerler fühlte fich in feinem ^eife als ein
Seamter feinet Stabt, wie ja au^ in bet Spraye bet 3«it
bie 3ünfte „aiemter“ 2)«^au8 erflärt fx^ ber warme
Stabt^jatriotiSmuS, bet biefe S3ütger befreite unb einigermaßen
@rfaß bietet für ben ^Jlfangel eines auf ein großes unb einiges
SSaterlanb bezogenen politifcßen 3bealiSmuS. @in föftlich Quente*
bilb bat bie 93remet aufbewabrt. ©a pßt ein ^übeder
mit einem SBremet in ber „gemeinen Verberge" jufammen unb
oertritt auf Äoften StemenS im SBortgefe^t bie SSorgüge feinet
beimifcben Stabt; ebreifrig aber forbert fein jfum^jan, „dat he
sulker werde hude hedde unde drunke syn beer myt make.“
3n ben Stabten erwacht gum erften 3Ral bet mobeme Staats«
gebanfe: ber ©ingelne beginnt fein ^füchtoerbältniß gu einem
©emeinwefen gu empfinben, wäbrenb in ben feitberigen t’olitifchen
SSetböuben beS SRittelalterS nur ein ^jetfönlicheS Slreunerb<niß,
wie gwifchen SebnStröger unb iJebnSberrn ftattfinbet. — ©iefe
©ingelftäbte entfenben im Sebütfnißfall auf ein meift oon
i'übecf auSgebenbeS IRunbfihteiben ißte StatbSfenbeboten, meift
nach cioct wenbijdben Stabt, um bort auf einem ^anfatage in
allgemeinen SBunbeSfachen gu beratben unb gu befchließen. 3>he
ift ein folcher Slag oon allen ^anfaftäbten befchidt worben:
bie SBerfaffung war gang frei, ermangelte jebet tbeoretifchen
(916)
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Sd^ablone. 3ßen grabe bie SSer^anblungSgegenftänbe nä^et
behafen, bet cntfanbte feine Sertreter, bie bonn auc^ im äBintet
bie meite unb befcbmerlicbe Steife nid;t fcbeuten. 9taä) bem
Kölner (Sonföberationdabfd^Iu^ i^ fafi jä^rlic^, in bet Siegel nm
fDtitfommer, eine aDgemeine 2;agfa^rt geljalten. S)iefe Sßet«
famtnlungen überfa^en mit i^tei ^oiitif nieQei(bt einen weiteren
@efi(btSfreid, ald irgenb eine anbete gleic^geitige SRa^t SJteifi
gilt et jebodb ni^t IBet^anblnngen 1^0(bbolitif(b<i^f fonbem
fcblic^t merfantiler Statur, ^^notbnungen in Setreff bed ^anbelS,
6ontrole bet Kontore, (Srwerb non Privilegien ic. k. Oft
finben fid^ gürften ein, um von ben gewanbten unb einfln^«
teidben @täbtern 93unbedgenoffenfdbaft ober bif>Iomatif^e Unter»
ftü^ung ju erbitten. @8 giebt feine gemeinfame j^affe; finb
Selber vonnötben, fo fdbreibt man ein fog. Pfunbgelb, einen
SudfubrgoD auf aQe SBaaten ouS, ben bie einjelnen @täbte
ober ^aufleute ebenfo wenig wie anbere b«nt>siSdcfe|)li(be 3n*
mutbungen weigern bürfen, wogegen bie SJtitbetbeilignng an
rein politifcben 33erträgen mehr in bad freie belieben gefteUt
war. IDie ^ef (bluffe bet SSetfammlungen @^teibee
protofollatifdb aufjunebmen in gotm fog. Steceffe, beten gegen»
wattige .^etaudgabe von @eiten bet STtün^ner ©efdbicbiS»
fommiffion unb beS b^nfif^en (Sefcbidbidvereinb bie wi^tigften
unb oft überrafdbenbften Sluffdblüffe übet bad aubgebenbe fDtitteU
alter beS gefammten Storbeuro^ja gewabert- ^»f Uebertretung
bet 93unbeSvorf(btiften ftanb (Selbftrafe unb äu^erften golld bie
Serbanfung, bie Suef^lie^ung vom Sunbe unb gugleiib bem
SJtitgenub feinet )>rivilegirten Ste<btSftellung im HuSlanbe, eine
S)ta§tegel, welche bie betroffene @tabt gef(bäftli(b ifoliten unb
unb f(blie§li(b banfrott machen mu|te, wofern fie nicht bemütbise
Unterwerfung unter ben S3unbeSwiDen vorgog. 93remen b^i
aHerbingd ein 3abrbunbert lang ben faufmännifdben
XIX. 446. S (91-1)
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Sonnftta^I auöge^alten, aber »o^lgemerft, no(b »or ber etgent=
lid^en sjRac^tentfaltung beö SBunbefl im bänif(^en ^ege. Sluf
bie befonberen Slagfa^rten einjetnet ©täbtegtup^jen, bet pteu«
§if(^en, wenbifd^en, föberfecifd^en :c., bie entoebet einen ^jarti»
fularen ober nur norbetat^enben ß^arafter tragen, ge^e id)
hierorts ebenfo wenig ein, wie auf bie bret, nac^mald nier
^unbedabt^eilungen, bie befannten Duartiere, welche tm 9Bejent>
lid^en nur jur SSeteinfa^ung beg äußeren ®efd)äftSgangeg be>
ftimmt, feine aUju gro§e Sebeutung in Slnfbtucb nehmen. —
5Dlan fieht, e8 ift eine jiemlieh lodere, aber fe^r elaftifthe 33er»
faffung, bie bag gute Sefte bem jeweiligen 3ntereffe unb SBe«
bürfni§ überldlt, wie benn bejeichnenber SBeife au^ feine 93er<
faffunggutfunbe eriftirte. 2)ie Sh^o^e gilt nid^tg, bie S^hotfacbe
unb bag Sntereffe oHeg. 8übecf ift ebenfo wenig »on ben »er*
bünbeten ®täbten jeinalg in feiner SSorortfteQung fbrmlidh an>
erfannt worben, wie ihr ©unb oom beutf(hen Äaifer; eg war
ihnen übrigeng ganj redht unb lieb, bah tiefer fi(h fo gut wie
gar nicht um fie unb ihre faufmdnnifchen Angelegenheiten
fümmerte. @ntbehrten fie auch heg ohnehin nicht fehr wirf*
fomen faiferlidhen ©dhu^eg, fo erfreuten fie fich bogegen einer
faft republifanifdh freien ©ewegung.
3n biefet ©lute h«t fidh bie ,^anfa im ©rohen unb ©anjen
big gum ©nbe beg ^ittelalterg behaut^tet. iDarni aber brach
oon allen ©eiten gugleich bag ©erberben herein. 50Mt @nt*
bedfung ber beiben Amerila unb beg ©eewegg nach Snbien
fanb unb ging ber .^anbel neue ©ahnen, würbe trangoceanifch
unb gerieth, nicht ohne ©chulb ber ^anfen felber, mehr aber in»
folge bet günstigeren Sagenoerhältniffe allmählidh in ben faft
augfchliehlichen ©eph ber wefteuro^jöifchen ©eeftaaten, ©tjanien,
Portugal, granfreich, ber ©ieberlanbe unb guleht ©nglanbg.
©leich nachtheilig warb ber .^anfe bie politifche SBanblung ber
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Seit; bie erftarfenbc gfttftcmnac^t räumte immer euergifd^er mit
ben alten @onberre(^ten auf, juckte ^jllle unb tHQeä }u nivetliren,
um fi^ felbft 3U er^ö^cn. (Sine ©tabt nad^ ber anbcren »er*
fanf in tiefere Ülb^ängigfeit »on ben SanbeS^erren, bie fid^ nun
au^, freili(^ in iljrem Sinne, für »irt^f^aftlic^e ©inge ju
interefpren anpngen, unb in bemfelben 9Jta§e entfernte unb
löfte Pe pcb »on bem alten Sunbe. IDer ^)anfa fallen mie
einem alten SBeibe bie 3ä^ne au8, f^ottete ®ufta» SBafa. (Die
|)olIdnber waren längP fcbon au8 ehemaligen S3ünbnem ju er*
bitterten Sticalen geworben. IDaju fam al8 wi(htigfte8 unb
entf(heibenbe8 ÜKoment ber pegreic^e SBiberpanb ber »on bem
hanfifdhen SRonopol niebergebrudtten ^Rationen, @nglanb unb
IRuplanb fchloften bie ©ontore unb hol>en fur3er ^anb alle
SSorredbte auf. 3)ie ^>anfa glich einem gefunben, fröftigen
0aume, aber auf fchledhtem SSoben, war bebingt »on ber ^oli*
tifdben Schmäche ber heimifchen gürftengewalten unb ber wirth*
f^aftlichen Schtodche be8 ISuälanbeS, unb fobalb biefe negativen
mittelatterlidben Supünbe »on ben Stürmen be8 aufgehenben
9ieformation8jahthunbert8 mehr unb meht hinweggefegt würben,
bradh audh fie langfam 3ufammen, freilich nicht, ohne noch bie
grope gefchichtlidhe Sragobie Jürgen fBulIenweoer 3U ergeugen:
»on feinen patricifdhen Mitbürgern »errathen, mupte ber geniale
bemolratifche Steuerer feinen überfühnen SSerfudh, burdh ©roberung
2)önemarf0 ber pnfenben J^anfe einen lepten SRüdthalt 3U fchaffen,
mit bem Slobc »on .^enferShnnb be3ahlen.
(Die .^xinfa hnt banadh fchwa^ unb f^wä^er weiter »egetirt:
1630 hnt ba8 unerquicflidhe Siedhthnm ein (Snbe: ade S3unbe8*
glieber jagen pch lo8. 9lur bie heutigen brei .^anfapäbte er*
neuern auf ewige 3«ten ben Sunb, ber inbep mit bem alten
nicht »iel mehr gemein hnt, al8 ben dtamen. tiefer aber hatte
feine grope weltgef^ichtliche Aufgabe erfüllt: er hat bem gan3en
(91»)
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9iotbcn ba0 noc^ ^eute überall crTennbare ©epräge beutjc^et
ßultur oufgebrüdt, bat bem beutfcben ^anbel für longe Seit
eine nie »ieber errei^te unb fdbweitidb toieber eneid^bare
©uperioritSt über ben anbeter Elationen enungen, ^at bie
5Reidb8gtenge in 9iotb unb Dft treu behütet unb befebirmt unb
gu einer Seit, al8 unfer Äaifertbum obmnä^tig am SBoben lag,
ber beutftbe ©inbeitSftaat in bunbert Äleinftaatcn auöeinanber»
brodelte, JDeutf^lanbö ©b'ce unb ©inbeit im weiten Umfreifl
ber Oft* unb 9iorbfeelanber gu nacbbrüdlidbet ©eltung gebradbt.
Um mit einem Söort ibreö neueften |)iftDrifer8, iDietritb @(böfer’8
ju f(blie§en: „3118 3Ule8 in IDeutfdblanb partifutar war, blieb
bie ,^anfe, unfer 33olf auf bem 3Reerc, beutfeb-“
(990)
üDnitf 0cn ^thx. Qnger in t^erlin, €<^önt(frgnftt. 17
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AN INITIAL FINE OF 25 CENTS
WILL BE ASSESSED FOR FAILURE TO RETURN
TH18 BOOK ON THE DATE DUE. THE PENALTY
WILL INCREA8E TO SO CENTS ON THE FOURTH
DAY AND TO SI.OO ON THE 8EVENTH DAY
OVERDUE.
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THIS BOOK IS DXJE ON THE liAST DATE
8TAMPED BELOW
AN INITIAL FINE OF 25 CENTS
WILL BE AS8C88ED FOR FAILURE TO RETURN
THIS BOOK ON THE DATE DUE. THE PENALTY
WILL INCREASE TO 80 CENTS ON THE FOURTH
DAY AND TO «I.OO ON THE SEVENTH DAY
OVERDUE.
STöRAetr
ANNEX
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