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Full text of "Annalen der Physik und Chemie"

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ANNALEN  DER 
PHYSIK  UND 


CHEMIE: 
ERGÄNZUNGSBAND 


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ANNALEN 

DER 

PHYSIK  UND  CHEMIE. 


ERGÄNZUNGSBAND  VI. 


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ANNALEN 


DER 


H  Y  S  I  K 


UND 


CHEMIE. 


HERAUSGEGEBEN  ZU  BERLIN 


VON 


J.  C.  POGGENDORFF. 





ERGÄNZUNGSBAND  Vi. 


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NEBST  ZWEI  FIGURENTAKKJJ«.*.'  "V 


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LEIPZIG,  1874. 

VERLAG  VON  JOHANN  AMBROSIUS  BARTH. 


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Inhalt 

des  Ergänzungsbandes  VI  der  Annalen  der  Physik 

und  Chemie. 


Erstes  Stuck. 

Seite 

I.    Zurück fuli rung  der  Siemens'schen  galvanischen  Widerstands- 

einheit  äuf  absolutes  Maafs;  von  F.  Kohlrausch  .    .    .    .  1 
II.    Bestimmung  der  optischen   Constanten  des  Kupfervitriols; 

von  C.  Pape  35 

III.  Untersuchungen  Uber  die  Volumconstitution  der  festen  Kor- 
per; von  H.  Schröder  58 

Abhandlung  V.    Theoretische  Einleitung. 

IV.  Untersuchungen  über  die  Volumconstitution  der  festen  Körper ; 

von  Demselben  69 

Abhandlung  VI.  Methode. 

V.  Untersuchungen  über  die  Volumconstitution  der  festen  Körper; 

von  Demselben  76 

Abhandlung  VII.    Die  einfachen  regulären  Chloride,  Bro- 
mide und  Jodide,  und  daran  sich  Anreihendes. 
VL    Ueber  Elektricitätsstrahlen  und  die  Gesetze  ihrer  Verbreitung 

und  Zurückwerfung  in  leitenden  Platten ;  von  T  h.  S  c  h  w  e  d  o  f  f  85 


VI 

Seite 

VII.    Ueber  die  Natur  der  Elektricität ;  von  E.  Edlund     .    .    .  95 
VIII.    Studien  über  Affinität  in  Eisenchlorid-Lösungen  ohne  Verän- 
derung des  Aggregatzustandes ;  von  A.  Müller     .    .    .    .  123 
IX.    Beiträge  zur  Kenntnifs  des  Stabmagnetismus ;  von  H.  Schnee- 

beli  141 

X.    Ein  Fa r ad ay 'scher  Explosionsversuch;  von  G.  Krebs  .    .  170 

XI.  Explosionen,  erzeugt  durch  hohe  Töne;  von  Champion  und 
Pellet  174 

XII.  Eine  ältere  Beobachtung  der  magnetischen  Declination  vom 
Jahre  1692  in  Breslau  175 


Zweites  Stück. 

I.    Krystallographische  Untersuchungen  über  Naphtalinderivate ; 

von  C.  Hintze  177 

II.  Mineralogische  Mittheilungen;  von  G.  vom  Rath  (Zwölfte 
Fortsetzung)  198 

65.  Ueber  das  Krystallsystem  des  Leucits.  — 

66.  Chemische  Zusammensetzung  der  in  den  Vesuvischen 
Auswürflingen  durch  Sublimation  vorhandenen  Krystalle 
von  Augit  und  Hornblende. 

III.  Ueber  die  Natur  der  Elektricität;  von  E.  Edlund  (Schlufs)  241 

IV.  Studien  über  Affinität  in  Eisenchlorid-Lösungen  ohne  Ver- 
änderung des  Aggregatzustandes;  von  A.  Müller  (Schlufs)  262 

V.  Ueber  Temperatur  und  Temperaturmaafs;  von  G.  Recknagel  275 

VI.  Ueber  den  Nebenstrom;  von  K.  W.  Knochenhauer  .  .  302 
VII.    Ueber  die  thermische  und  mechanische  Ausdehnung  fester 

Körper;  von  A.  Kurz  314 

VIII.    Zur  Frage  über  die  Einführung  der  modernen  chemischen 

Formeln  in  die  Mineralogie;  von  F.  v.  Kobell    ....  318 
IX.    Ueber  einen  neuen  Amylalkohol;  von  G.  H.  B.  Bäk  Hoven  325 
X.    Bemerkungen  über  das  Füllen  von  Gefäfscn  mit  sehr  engen 


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VII 

Seite 

Rohren,  insbesondere  der  Cartesianischen  Taucher ;  von  K.  L. 

Bauer  332 

XL    Salpetersaure  Nickellösung  als)  Absorptionspräparat;  von  H. 

Emsmann  334 

XII.    Auffallende  Regelmafsigkeit   bei  einem  Sternschnuppenfall; 

von  C.  Bohn  335 


Drittes  Stuck. 

I.  Mineralogische  Mittheilungen;  von  6.  vom  Rath  (Fort- 
setzung XII,  Abtheilung  II.) 

67.  Ueber  die  verschiedenen  Formen  der  vesuvischen 
Augite  S.  337.  —  68.  Ein  Beitrag  zur  Kenntnifs  der 
Krystallisation  des  rhombischen  Schwefels  S.  349.  — 
69.  Arcanit  von  Roccalmuto  in  Sicilien  S.  359.  —  70. 
Ueber  einen  ausgezeichneten  Jordanitkrystall  S.  363. 
—  71.  Glimmerkrystalle  vom  Vesuv,  S.  366.  —  72.  Ueber 
den  angeblichen  Epidot  vom  Vesuv,  S.  368.  —  73.  Ueber 
den  Mikrosommit,  S.  372.  —  74.  Ueber  ein  neues 
Mineral  ( Chalkomorphit)  auf  einem  Einschlüsse  in 
der  Lava  von  Niedermendig,  S.  376.  —  Anmerkungen : 
1)  Kalknatronfeldspath  aus  einer  Lava  des  Hochlandes 
von  Quito,  8.  378.  —  2)  Sanidin-umrindeter  Majonit- 
krvstall  vom  Vesuv,  S.  381.  —  3)  Ueber  den  Asmanit 
im  Meteoriten  von  Breitenbach,  S.  382.  —  4)  Quarz- 
stufe aus  Indien,  S.  384. 

II.  Photometrische  Untersuchungen;  von  C.  Bohn  386 

III.  Ueber  den  Einflufs  der  Anziehung  auf  die  Temperatur  der 
Weltkörper;  von  G.  Hansemann  417 

IV.  Ueber  Tropfen  an  festen  Körpern,  insbesondere  an  Cylindern ; 

von  K.  Lafswitz  441 

V.    Ueber  die  Einwirkung  des  Lichtes  auf  freies  Chlor;  von 

E.  Budde  477 


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Viertes  Stuck. 

Seite 

I.    Optische  Untersuchungen  einiger  Reihen  isomorpher  Substanzen ; 

von  Haldor  Topsoe  und  C.  Christiansen  499 

II.  Anwendung  des  mechanischen  Wärme  -  Aequiralents  auf  Mole- 
cularkräfte,  Moleculargröfse  und  Moleculardistanz ;  von  G. 
Weinberg  586 

III.  Ueber  den  Nebenstrom;  von  K.  W.  Knochenhauer  (Schlufs)  607 

IV.  Geometrische  Lösung  einiger  elektrischen  Probleme;  von  Prof. 

E.  Pickering  621 

V.  Untersuchungen  über  die  Volumenconstitution  der  festen  Kör- 
per; von  H.  Schröder  622 


Nachweis  zu  den  Figurentafeln. 


Taf.  I.  —  Kohlrausch,  Fig.  1,  S.  24;  Fig.  2,  S.  32.  —  Pape,  Fig.  3, 
S.  40;  Fig.  4,  S.  45  und  54.  —  Schwedoff,  Fig.  5,  S.  88;  Fig.  6, 
S.  89;  Fig.  7,  S.  90;  Fig.  8  und  9,  S.  91;  Fig.  10,  S.  92;  Fig.  11, 
S.  93;  Fig.  12,  S.  91. 
-    II.  -  G.  vom  Kath,  Fig.  1  bis  28,  S.  385. 


Berichtigungen 
zum  Aufsätze  von  E.  Budde  in  diesem  Bande. 


Seite  478,  Zeile  6  v.  o.  statt:  isolirten  lies:  insolirten. 

-  488,     -     2  v.  o.  statt:  A  {Chlor) ...  B  {Luft)  lies:  A  (Luft)  . . . 

B  (Chlor). 

-  488,     -     9  v.  u.  statt:  0,7°  lies:  0.1°. 

-  489,     -    14  v.  u.  statt:  sollen  lies:  fallen. 

-  494,  Anmerk.  Zeile  10  v.  u.  statt:  wie  dv  lies:  wie  dv? 

-  497,  Zeile  12  bis  10  v.  u.  heifst  der  Satz:  .Bei  den  meisten  Sub- 
stanzen ist  die  Entzündungswarme  das  Agens,  welches  diese  Locke- 
rung leistet;  bei  einigen,  wie  beim  Chlorknallgas,  auch  das  Licht." 


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ANN ALEN 
DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

Bd.  VI.  ERGÄNZUNG.  St.  1. 


I.    Zuriickführung;  der  Siemens',schen  galvani- 
schen Widerstandseinheit  auf  absolutes  Maafs; 

von  F.  Kohlrausch. 

(Der  Gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Güttingen  im  Auszüge  mit- 

getheilt  am  5.  November  1870.) 


•Je  fester  und  allgemeiner  sich  der  Gebrauch  der  Sie- 
mens'schen  Quecksübereinheit  einbürgert,  desto  wün- 
schenswerther  ist  die  möglichst  genaue  Kenntnifs  ihres 
Verhältnisses  zu  dem  wissenschaftlichen,  sogenannten  ab- 
soluten oder  Weber'scheu  Widerstands-Maafse.  Eine 
solche  Bestimmung  soll  den  Gegenstand  dieser  Mittheilung 
bilden.  Sie  ist  im  Jahre  1869  im  Göttinger  magnetischen 
Observatorium  ausgeführt  worden;  einerseits  unter  An- 
wendung der  ausgezeichneten  erdmagnetischen  und  gal- 
vanischen Instrumente,  welche  das  Observatorium  und  das 
physikalische  Institut  in  Göttingen  durch  W.  Weber's 
Arbeiten  erhalten  haben,  andererseits  mit  Quecksilberein- 
heiten, welche  Hr.  Siemens  zu  diesem  Zwecke  eigens 
herstellen  zu  lassen  die  Güte  hatte.  Ich  darf'  voraus- 
schicken, dafs  ich  keine  Mühe  gescheut  habe,  um  den- 
jenigen Grad  von  Genauigkeit  zu  erzielen,  welcher  mit 
obigen  Mitteln  erreichbar  ist.  Zu  der  Annahme,  dafs  dieses 
Ziel  wirklich  erreicht  worden  sey,  glaube  ich  durch  eine 
jahrelange  Uebung  in  dieser  Art  von  Beobachtungen  nicht 
weniger  als  durch  die  schliefslichc  L Übereinstimmung  der 
Resultate  berechtigt  zu  seyn. 

Das  Ergebnifs  ist,  dafs  die  Siemens'sche  Einheit  in 
absolutem  Maa&e  gleich 

9717< 


immun 


See. 

Poggendorff  s  Ann.    Ergänzungsbd.  VI. 


uigiiizea  uy 


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2 


oder,  wie  es  in  übersichtlicherer  Zahl  auszusprechen, 
gleich  0,9717  5*2^  ist. 

°  7  Secundc 

Soweit  der  Raum  gestattet,  werde  ich  das  Beobach- 
tungsmaterial in  der  Weise  mittheilen,  dafs  man  die  Rech- 
nung controliren  kann  und  dafs  ein  ürtheil  über  die 
erreichte  Genauigkeit  möglich  wird.  Abgesehen  davon, 
dafs  bei  einer  jeden  fundamentalen  und  schwierigen  Mes- 
sung, welche  den  Anspruch  auf  Exactheit  erhebt,  die  mög- 
lichst detaillirte  Mittheilung  der  Zahlen  wünschenswerth 
ist,  treten  hier  noch  zwei  Gründe  ein.  Erstens  nämlich 
handelt  es  sich  um  ein  ganz  neues  und  wichtiges  galvano- 
metrisches Princip  von  Weber,  wobei  die  ebenfalls  von 
ihm  zur  Geltung  gebrachten  Beobachtungs verfahren  mit 
schwingender  Nadel  zur  Anwendung  kommen,  welche  bis 
jetzt  wenig  verbreitet  sind.  Dieses  Princip,  den  absoluten 
Empfindlichkeitscoefficienten  eng  umchlielsender  Multipli- 
catoren  aus  der  Dämpfung  der  schwingenden  Nadel  zu 
bestimmen,  verdient  eine  eingehende  Prüfung.  Zweitens 
aber  werden  meine  Resultate  in  der  Widerstandseinheit 
der  British  Association  den  Fehler  von  etwa  2  Procent 
wahrscheinlich  machen,  und  gegenüber  der  Autorität  des 
„Standard- Committee" ,  welches  von  so  hervorragender 
Seite  beauftragt  und  aus  den  ersten  wissenschaftlichen 
Namen  zusammengesetzt  war,  welches  aufserdem  über 
bedeutende  äufsere  Mittel  verfügte,  erscheint  die  gröfste 
Vorsicht,  eventuell  aber  auch  ein  erhöhter  Nachdruck 
nothwendig.  Man  wird  weiter  unten  eine  Reibe  von  Be- 
denken gegen  die  Bestimmung  der  British  Association- 
Einheit  aufgeführt  finden. 

I.  Die  verschiedenen  Methoden  der  absoluten  Widerstandsmessung. 

Die  absolute  Widerstandsbestimmung  eines  Leiters 
auf  magnetischem  Wege  fuhrt  immer  auf  die  Aufgabe, 
den  Strom  zu  messen,  welchen  eine  bekannte  elektromo- 
torische Kraft  in  dem  Leiter  erzeugt;  wobei  als  Einheit 
der  Stromstärke  derjenige  Strom  gilt,  welcher  nach  aufsen 


3 


die  Einheit  der  magnetischen  Wirkung  ausübt,  und  als 
Einheit  der  elektromotorischen  Kraft  diejenige,  welche  bei 
der  Bewegung  eines  Leiters  gegen  magnetische  Kräfte 
unter  gewissen  normalen  Verhältnissen  in  dem  Leiter  ent- 
steht,).  Wir-  verdanken  Weber  vier  Methoden  einer 
solchen  Widerstandsbestimmung,  die  sich  kurz  so  charak- 
terisiren  lassen. 

Die  erste*)  benutzt  die  durch  den  Erdmagnetismus 
in  einem  bewegten  Leiter  von  bekannten  Dimensionen 
(Erd-Inductor)  inducirte  elektromotorische  Kraft  und  findet 
die  Stromstärke  durch  die  Ausschläge  einer  kurzen  Matr- 
netnadel  innerhalb  eines  Multiplicators  von  ebenfalls  be- 
kannten Dimensionen.  Verlangt  ist  aufserdem  nur  die 
Schwingungsdauer  der  Nadel,  nicht  etwa  die  erdmagne- 
tische  Intensität,  da  diese  sich  heraushebt.  Erforderlich 
ist  aber,  dafs  die  Nadel  kurz  sey  gegen  den  Durchmesser 
des  Multiplicators.  Entweder  als  müssen  die  Beobach- 
tungen an  einer  kleinen  Nadel  angestellt  werden ,  oder  der 
Multiplicator  ist  in  sehr  bedeutenden  Dimensionen  aus  zu- 

Die  zweite  Methode  *),  die  im  Folgenden  angewandte, 
ist  eine  durch  eben  diese  Schwierigkeiten  hervorgerufene 
Modifikation  der  ersten.  Als  Galvanometer  dient  ein  enger 
Multiplicator  mit  astatischer  Nadel,  deren  Dimensionen 
den  Anforderungen  der  gröfsten  Empfindlichkeit  und  son- 
stigen Rücksichten  beliebig  angepafst  seyn  können.  Die 
Wirkung  der  Stromeinheit  im  Multiplicator  auf  die  Nadel 
wird  nämlich  nicht  aus  den  Dimensionen  berechnet,  son- 
dern findet  sich  empirisch  nach  den  Gesetzen  der  Mag- 
neto-Induction  durch  die  Dämpfung,  welche  die  schwingende 
Nadel  durch  den  Multiplicator  erleidet.  Ferner  aber  mufs 
nunmehr  aufser  der  Schwingungsdauer  noch  das  Trägheits- 
moment der  Nadel  und  es  mufs  endlich  die  erdmagnetische 

1)  Abb.  d.  K.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1846,  Bd.  1  S.  21i>. 
•  2)  /.  c.  S.  226. 

3)  Abb.  d.  K.  Ges.  d.  Wiss.  zu  Göttingen  1862.  Bd.  10,  S.  20.  Auch 
einzeln  abgedruckt  uuter  dem  Titel:  ZurGalvanometrie.  Gött.  1862. 

1* 


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4 


Kraftcomponente,  welche  auf  den  Inductor  wirkt,  nach  ab- 
solutem Maafse  bekannt  seyn. 

Durch  eine  grofse  Einfachheit  der  instrumentellen 
Hülfsmittel  zeichnet  sich  ein  drittes  Verfahren  aus  ■),  bei 
welchem  nur  ein  Multiplicator  zur  Anwendung  kommt, 
in  dessen  Mitte  eine  Magnetnadel  schwingt.  Ist  deren 
Schwinmingsdauer,  sowie  durch  Ablenkunj'sbeobachtunp-pu 
an  einer  Bussole  das  Verhältnifs  des  Nadelmagnetismus 
zum  Erdmagnetismus  und  die  Vertheilung  des  ersteren  in 
der  Nadel  ermittelt,  so  läfst  sich  hieraus  und  aus  den 
Dimensionen  des  Multiplicators  die  durch  die  bewegte 
Nadel  in  dem  letzteren  erzeugte  elektromotorische  Kraft 
berechnen.  Die  Stärke  des  hierdurch  inducirten  Stromes 
und  somit  der  Multiplicatorwiderstand  wird  aus  der  beob- 
achteten Dämpfung  erhalten. 

Das  letzte  Verfahren  2)  endlieh  setzt  einen  Multiplicator 
von  bekannten  Dimensionen  in  rasche  gleichförmige  Ro- 
tation und  beobachtet  die  Ablenkung  einer  innerhalb  des- 
selben aufgehangenen  kleinen  Magnetnadel. 

Von  diesen  Methoden  bietet  eine  jede,  sobald  es  sich 
um  grofse  Genauigkeit  handelt,  in  der  Ausführung  nicht 
unbedeutende  Schwierigkeiten,  welche  oben  mit  gesperrter 
Schrift  angedeutet  werden.  Wir  werden  zunächst  das 
letztgenannte  Verfahren  des  rotirenden  Multiplicators,  in- 
sofern es  zur  Herstellung  der  englischen  Einheit  gedient 
hat,  etwas  eingehender  betrachten  müssen. 

II.   Ueber  die  durch  die  British  Association  veranlasste  Bestimmung  der 

absoluten  Widerstandseinheit 3). 

Die  vierte  Methode  ist  von  Weber  in  zwei  verschie- 
deneu Modifikationen  vorgeschlagen  worden:  der  Inductor 
kann  um  eine  horizontale  oder  eine  verticale  Axe  gedreht 
werden.    Im  ersteren  Falle  ist  es  nothwendig,  das  Ker- 

1)  Abb.  d.  K.  Sachs.  Ges.  d.  Wiss.  1846,  Bd.  1  S.  232. 

2)  Weber,  Zur  Galvanometrie.  S.  12. 

3)  Report  of  the  Brit.  Assoc.  1862,  S.  125;  1863,  S.  111;  1864.  I. 
S.  345;  1865.  I.  S.  308.  Auf  Jahrgang  1863  beliehen  sich  im  Fol- 
genden die  Citate  mit  blofser  Seitenzahl. 


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hältnifs  der  beiden  erdmagnetischen  Componenlen  zu  kennen, 
da  die  horizontale  auf  die  Nadel  wirkt,  während  die  ver- 
ticale  inducrrt.  Auf  dem  zweiten,  von  dem  Standard- 
Committee  der  British  Association  eingeschlagenen  Wege 
entgeht  man  freilieh  dieser  Anforderung:  die  horizontale 
Componente  kommt  als  inducirend  in  den  Zähler,  in  ihrer 
Wirkung  auf  die  Nadel  in  den  Nenner,  und  so  ist  hier 
ein  in  der  That  höchst  elegantes  und  im  Princip  auch 
sehr  einfaches  Verfahren  gegebeu,  welches  vom  Erd-  so- 
wie Nadel-Magnetismus  unabhängig,  nur  die  mechanische 
Schwierigkeit  der  Herstellung  einer  constanten,  schnellen 
Rotation  enthält. 

Dafür  aber  stellt  sich  in  der  Ausfuhrung  der  zweiten 
Modifikation  ein  anderes  Hindernifs  ein ,  dessen  Wirkung 
in  der  Arbeit  des  „Coinmittee"  denn  auch  auf's  Klarste 
zu  Tage  tritt,  und  welches,  wie  es  scheint,  höher  anzu- 
schlagen ist  als  die  Nothwendigkeit  einer  Iuclinationsbe- 
stimmung.  Es  inducirt  nämlich  jetzt  die  aufgehangene 
Nadel  mit  dem  Erdmagnetismus  zusammen,  und  es  mufs 
demnach  der  erslere  Theil  eliminirt  werden.  Wollte  man 
in  dem  vom  Committee  angewandten  Multiplicator  von 
300m"  Durchmesser  einen  für  galvanometrische  Messungen 
gewöhnlich  gebrauchten  kleinen  Magnet  benutzen,  so  würde 
seine  eigene  Induction  die  des  Erdmagnetismus  weit  über- 
treffen. Sollte  die  erstere  als  kleine  Correction  behandelt 
werden,  so  war  defswegen  eine  ungewöhnlich  schwache 
Magnetnadel  vorgeschrieben. 

Darin  ist  in  der  That  das  Committee  sehr  weit  ge- 
gangen; so  weit,  dafs  ohne  Zweifel  noch  niemals  eine  so 
schwache  Magnetnadel  zu  einer  Messung  verwendet  wor- 
den ist.  Der  Magnet  bestand  nämlich  aus  einer  Stahl- 
kugel von  8n"D  Durchmesser,  also  aus  einer  für  den  Magne- 
tismus möglichst  ungünstig  gestalteten  Masse  von  etwa 
2  Gr.  Diese  kleine  Kugel  aber  war  nun  noch  absicht- 
lich schwach  magnetisirt  und  hatte  einen  Magnetismus, 
nicht  gröfser  als  der,  welchen  man  einer  Nähnadel  von 
der  Masse  &  Gr.  mittheilen  kann,  wovon  ich  mich  durch 


I 


6 

den  Versuch  überzeugt  habe  l).  Zur  Illustration  der 
Zahlen  kann  ferner  dienen ,  dafs  ein  gestrecktes  Eisen- 
stäbchen von  10  Gr.  in  der  Incliuationsriehtung  gehalten, 
den  obigen  Nadelmagnetistnus  durch  Induetion  des  Erd- 
magnetismus annehmen  würde.  Ein  einfacher  Coconfaden 
von  2"  Länge  war  als  Aufhängefaden  der  Stahlkugel  not h- 
wendig,  um  das  Torsionsverhältnifs  auf  diejenige  kleine 
Gröfse  zu  reduciren,  welche  durch  die  wandelbare  Elasti- 
zität uud  die  elastische  Nachwirkung  des  Cocon  geboten 
ist.  Nun  denke  man  sich  mit  der  allerfeinsten  Nähnadel 
als  Magnetnadel  an  einem  etwa  \m  langen  Verbindungs- 
stück einen  Spiegel  von  30",m  Durchmesser  verbunden,  der 
also  für  Luftströmungen,  welche  auch  iu  einem  gut  ge- 
schlosseuen  Kasten  nicht  ganz  ausbleiben,  eine  Fläche  von 
etwa  14  Quadrat'"  darbot  (nach  der  Zeichnung);  die  ganze 
Masse  von  einem  Trägheitsmoment,  dafs  ihre  Schwingungs- 
dauer (S.  173)  10  See.  betrug,  während  diejenige  der  Näh- 
nadel allein  etwa  f  See.  betragen  würde,  uud  man  hat  im 
Wesentlichen  das  Magnetometer,  auf  welches  die  schwachen 
Ströme  im  Multiplicator  wirkten,  und  bei  welchem  ein 
Einstellungsfehler  von  2  Bogenminuten  1  Proc.  Fehler  im 
Resultate  bewirkte.  Dazu  kommt  noch,  dafs  in  unmittel- 
barer Umgebung  dieses  Magnetometers  der  grofse  Mul- 
tiplicator mit  einer  Geschwindigkeit  bis  zu  4  Umdrehungen 
in  der  Secunde  rotirte. 

Es  erscheint  als  ein  Mangel  in  den  sonst  so  ausfuhr- 
lichen Berichten,  dafs,  soweit  mir  bekannt,  nirgends  eine 
Heobachtungsreihe  mit  allen  Einzelheiten  wiedergegeben 
wird,  damit  man  einen  Anhaltspunkt  für  oder  gegen  das 
genannte  Bedenken   gewönne.     Erwähnt   wird  (S.  174), 

1)  Die  Stahlkugcl  lenkte  (Rep.  1863,8.  172)  ans  156,6™'»  Entfernung  eine 
Bussolennadcl  um  arc  tg  0,0078  =  27'  ab.  Daraus  folgt,  die  Hori- 
zontal-Intensität  «  1,76  angenommen,  das  magnetische  Moment 
.  1,76  .  156,6 3  .0,0078  =  26000.  Da  nun  1»**  Stahl  im 
Maximum  etwa  1000  Einheiten  dauernden  Mapnetismus  annimmt 
(vgl.  auch  Schneebeli,  Progr.  des  Zürcb.  Tolyt.  1871—72),  so  kann 
man  den  obigen  Magnetismus  einem  dünnen  Stäbchen  von  26tn*r  mit- 
theilen. 


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7 


dafs  einzelne  Theile  der  länger  dauernden  Versuchsreihen 
wegen  Nieht-Uebereinstimmung  mit  anderen  vor  der  Rech- 
nung ausgeschieden  worden  seyen;  also  scheinen  bedeu- 
tende unaufgeklärte  Unregelmäisigkeiten  vorgekommen  zu 
seyn.  In  der  messenden  Physik  aber  ist  es  immer  bedenk- 
lich, anzunehmen,  dafs  gröfsere  Versuchs  fehler  nur  zu- 
fälligen Ursprunges  seyen  und  durch  eine  hinreichende  An 
zahl  von  Beobachtungen  eliminirt  werden. 

In  der  That ,  wenn  wir  nun  die  Schlufs-Resultate  an- 
sehen, welche  zur  Veröffentlichung  gelangt  sind  '),  so 
scheinen  diese  ein  leises  Bedenken  zu  rechtfertigen.  Diese 
Mittelzahlen  weichen  von  einander  noch  bis  zu  1,4  Proc. 
ab.  Man  findet  ferner,  dafs  die  langsamen  Rotationen  im 
Mittel  ein  um  etwa  0,5  Proc.  anderes  Resultat  ergeben 
als  die  raschen.  Gleicherweise  erlaubt  die  Mittheilung 
einiger  Beobachtungen  von  einem  und  demselben  Tage 
(Rep.  1863,  S.  175)  ein  Urtheil.  Daselbst  kommen  4  Re- 
sultate vor,  welche  bis  zu  2,3  Proc.  von  einander  ab- 
weichen. Und  diese  Zahlen  beruhen  jede  auf  etwa  viertel- 
stündigen Beobachtungsreihen  mit  je  etwa  100  Scalen- 
Ablesungen,  aus  denen  eventuell  die  am  wenigsten  stim- 
menden Zahlen  bereits  ausgeschieden  worden  sind.  An 
so  grofsen  Differenzen  wird  ein  unbefangener  Leser  immer 
Anstand  nehmen. 

Ganz  unverständlich  aber  sind  mir  die  Abweichungen 
bis  zu  8,5  Proc,  welche  unter  Umständen  eintraten,  je 
nachdem  der  Inductor  nach  links  oder  nach  rechts  rotirte. 
Nach  einer  Andeutung  des  H.  Jenkin  (diese  Annalen 
CXXVI,  387)  soll  dieser  Umstand  darin  seine  Erklärung 
finden,  dafs  „der  Faden,  an  dem  der  Magnet  suspendirt 
war,  in  der  einen  Richtung  einen  geringen  Eiuflufs  aus- 
übte." Man  ist  versucht,  auf  eine  einseitige,  dauernde 
Torsion  des  Fadens  zu  schliefsen,  wodurch  die  beider- 
seitigen Ausschläge  allerdings  verschieden  ausfallen.  Aber 
um  Differenzen  zu  erklären,  wie  sie  hier  vorkommen, 
mufste  die  Torsion  so  grofs  seyn,  dafs  die  magnetische 
1)  Rep.  Brit.  Assoc.  1864.  S.  350  ;  diese  Ann.  CXXVI.  S.  386. 


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8 


Axe  der  Stahlkugel  eine  um  viele  Grade  vom  magnetischen 
Meridian  abweichende  Stellung  gehabt  hätte.  Ein  solches 
Versehen  bei  der  Aufhängung  darf  man  wohl  kaum  an- 
nehmen. Sollte  es  aber  vorgekommen  seyn,  so  scheinen 
mir  die  betreffenden  Beobachtungsreihen  verwerflich;  denn 
wenn  man  schon  in  der  gewöhnlichen  Praxis  eine  so 
grofse  Unsymmetrie  ungern  zuläfst,  so  würde  sie  gefähr- 
lich erscheinen  bei  der  Kugelgestalt  und  dem  schwachen 
Magnetismus  des  kleinen  Magnets.  Dal's  nämlich  dessen 
magnetische  Axe,  auf  deren  Constanz  schliefslich  Alles 
ankommt,  wirklich  bis  auf  Bogeuminuten  constant  sey,  wenn 
sie  nicht  in  der  Richtung  der  magnetischen  Directions- 
kraft  liegt,  würde  eine  gewagte  Behauptung  seyn. 

Minder  bedenklich  wäre  wohl  die  andere  Interpre- 
tation des  citirteu  Ausspruches,  dafs  eine  Aenderung  der 
Torsionsruhelage  des  Cocon  durch  elastische  Nachwirkung 
im  Spiel  wäre,  etwa,  indem  der  Faden  noch  nicht  lange 
aufgehangen  war.  Aber  auch  dieses  möchte  ich  nicht  gern 
annehmen,  denn  man  hätte  in  diesem  Falle  die  Beobach- 
tungen aufschieben  oder  doch  mindestens  die  Nachwirkung 
durch  besondere  Beobachtungen  eliminiren  sollen. 

Kurz,  man  wird  die  Annahme  kaum  vermeiden  können, 
dafs  der  schwache  Magnetismus  der  Nadel  erhebliche  Un- 
zuträglichkeiten im  Gefolge  gehabt  habe,  und  die  Regeln 
der  Wahrscheinlichkeitsrechnung  auf  solche  Beobachtungen 
anzuwenden  halte  ich  ohne  den  ausdrücklichen  Nachweis 
von  der  Abwesenheit  constanter  Fehlerquellen  nicht  für 
gerechtfertigt. 

Immerhin  aber  könnte  der  wahrscheinliche  Fehler  von 
0,1  Proc,  der  für  das  Endresultat  berechnet  wird,  sich 
nur  auf  die  Scalenablesungen  beziehen;  ihn  auf  die  ganze 
Messung  zu  übertragen  würde  voraussetzen,  dafs  andere 
Fehlerquellen  nicht  vorhanden  gewesen  sind.  Auch  die, 
wenn  auch  sehr  beachteuswerthe  Uebereinstimmung  der 
beiden  im  Jahre  1863  und  1864  gefundenen  Zahlen  big 
auf  0,16  Proc.  kann  nicht  als  unbedingt  maafsgebend  be- 
trachtet werden.   Wenn  wir  nun  nach  den  anderen  Fehler- 


9 


quellen  fragen,  so  erhebt  Hr.  W.  Siemens  zunächst  einen 
Einwand  gegen  die  Berechnung  des  mittleren  Windungs- 
halbmessers aus  der  Länge  und  der  Windungszahl  des 
Drahtes.  Dafs  ein  solches  Verfahren  bei  dickem  Draht 
unbedenklich  ist,  glaube  ich  aus  eigenen  sorgfaltigen  Ver- 
buchen schliefsen  zu  dürfen.  Der  Querschnitt  der  hier 
vorliegenden  Drahtsorte  beträgt  freilich  (aus  dem  Gewicht 
und  Gesammtwiderstand  des  Drahtes,  sowie  aus  den  Di- 
mensionen des  Multiplicators  zu  schliefsen)  nur  etwa 
1  Quadratm,n,  wobei  man  den  obigen  Einwand  nicht  un- 
gerechtfertigt finden  mag.  Grols  dürfte  immerhin  der  dar- 
aus entspringende  Fehler  nicht  seyn. 

Schwerer  wiegt  aber  möglicherweise  ein  anderer  Um- 
stand, welcher  in  den  Berichten  des  Coinmittee  nicht  be- 
rührt wird,  während  die  Correctionen  doch  im  Allgemeinen 
mit  einer  Umsicht  und  Vollständigkeit  behandelt  werden, 
die  als  musterhaft  gelten  kann.  Das  Stativ,  in  welchem 
der  Multiplicator  rotirte,  bestand  aus  „starken  Messing- 
rahmen",  die,  wie  aus  der  Zeichnung  folgt,  in  sich  ge- 
schlossene Kreise  bildeten.  Es  wird  nirgends  gesagt,  dafs 
und  wie  sich  die  Beobachter  von  der  Unerheblichkeit  der 
Ströme  überzeugt  haben,  welche  durch  den  rotirenden  ge- 
schlossenen Iuductor  in  diesen  festen  Metalltheilen  ent- 
stehen mufsten.  Wirklich  würde  der  Nachweis  davon  auf 
experimentellem  Wege  schwierig  gewesen  seyn;  aus  eben 
diesem  Grunde  aber  dürfte  die  Nachbarschaft  der  Metall- 
massen  Bedenken  erregen. 


Ich  habe  eine  Kritik  des  Verfahrens,  durch  welches 
die  British  Association-Einhcit  gewonnen  worden  ist,  nicht 
umgehen  können,  da  es  sich  um  die  Aufklärung  einer 
Differenz  handelt,  deren  Grund  ich  nach  bestem  Wissen 
nicht  in  meiner  Messung  finden  kann.  Nicht  unmöglich 
ist  übrigens,  dafs  manche  der  obigen  Einwände  durch  eine 
ausführlichere  Veröffentlichung  des  Beobachtungsmaterials 
hin  weggefallen  wären,  deren  Mangel  um  so  mehr  zu  be- 


10 


dauern  ist,  als  er  eine  Lücke  in  den  sonst  zum  Theil 
classischen  Berichten  bildet. 

Die  Frage,  welche  Widerstandseinheit  zur  allgemeinen 
Einfuhrung  geeignet  sey,  gehört  kaum  in  eine  wissenschaft- 
liche Untersuchung.  Der  Physik  selbst  kann  ohne  Zweifel 
die  Concurreuz  zwischen  der  Siemens'schen  und  der 
British  Association-Einheit  nur  erwünscht  seyn,  denn  durch 
sie  ist  das  beste  Mittel  gegebeu,  die  Unveränderlichkeit 
beider  zu  prüfen,  welche  für  wissenschaftliche  Anwen- 
dungen allein  in  Betracht  kommt. 

In  der  Praxis  dürfte  einmal  die  Stellung  des  Hrn.  Sie- 
mens zur  Telegraphie  seiner  Einheit  einen  beträchtlichen 
Vorsprung  gegeben  haben;  nicht  minder  wichtig  ist  der 
Umstand,  dafs  die  mit  Umsicht  eingerichteten  und  soviel 
mir  bekannt  auch  gut  eingctheilten  Siemens'schen  Scalen 
in  grofsem  Maafsstabe  verbreitet  worden  sind.  Auch  kann 
man  kaum  leugnen,  dafs  für  den  Praktiker  die  Deßnition 
aus  dem  Quecksilber  eine  verständliche  ist,  während  die 
andere  fürs  Erste  nur  Wenigen  klar  werden  wird.  Allein 
ein  bedeutendes  Gewicht  legt  sich  noch  in  die  Schale  der 
Siemens'schen  Einheit,  wenn  die  andere,  wie  es  scheint, 

der  absoluten  Er^ua(LraJLt  nicht  erheblich  näher  kommt  als 

Secunde 

die  Quecksilbereinheit  zufallig.  Die  British  Association- 
Einheit  ist  factisch  (auch  nach  der  Auffassung  des  Com- 
mittee;  vergl.  Rep.  1864.  S.  346)  nicht  ein  absolutes  son- 
dern ein  Grundmaafs,  und  es  ist  für  den  Gebrauch  ganz 
gleichgültig,  ob  die  Annäheruug  an  ersteres  bis  auf  2, 
oder  ob  sie  bis  auf  3  Proc.  geht.  Soll  endlich  (Rep.  1864. 
S.  348)  auch  die  Reproducirbarkeit  der  British  Association- 
Einheit  nicht  auf  eine  Wiederholung  der  absoluten  Mes- 
sung gegründet  werden,  sondern  auf  das  Leitungsvermögen 
von  Metallen,  worunter  das  Quecksilber  selbstverständlich 
obenan  steht,  so  liegt  scheinbar  durchaus  kein  Grund  vor, 
aus  welchem  nicht  runde  und  bequeme  Dimensionen  der 
Quecksilbersäule  gewählt  werden  sollten. 


11 


III.  Die  absolute  Widerstandsbestimmnng  nach  der  Zurückwerfungs- 

methode. 

Das  auf  S.  3  als  „zweites"  beschriebene  Verfahren, 
den  absoluten  Widerstand  einer  Kette  aus  einem  Erd- 
Inductor  und  einem  Galvanometer  mit  engen  Windungen 
zu  bestimmen,  beruht  auf  dem  Zusammenhange  zwischen 
dem  Empfindliehkeits-Coefficienten  des  Galvanometers  und 
dem  Dämpfungsverhältnifs  der  schwingenden  Nadel.  Ich 
schalte  die  Ableitung  dieses  Satzes  hier  ein,  da  der  von 
Weber  gegebene  Ausdruck')  einer,  freilich  unbedeuten- 
den, Berichtigung  bedarf. 

Empfindlichkeitscoefßcient  q  nennen  wir  das  Drehungs- 
moment, welches  der  Strom  1  auf  die  Galvanometernadel 
ausübt,  wenn  die  letztere  den  Windungen  parallel  ist. 
Nach  den  allgemeinen  Gesetzen  der  Induction  ist  alsdann 

—  q  ^  diejenige  elektromotorische  Kraft,  welche  die  Nadel 

im  Multiplicator  inducirt,  wenn  sie  sich  in  der  Nähe  der 

Parallelstellung  mit  der  Winkelgeschwindigkeit  ~t  bewegt. 

w  sey  der  Leitungswiderstand  des  Multiplicators  incl.  des 
Weges,  auf  welchem  seine  Drahtenden  mit  einander  ver- 
bunden sind  (in  unserem  Falle  also  ist  w  der  Widerstand 
Inductor  -f-  Galvanometer),  so  inducirt  die  bewegte  Nadel 

einen  Strom  9~  ~* ,  und  hierdurch  erfährt  sie  wiederum 

w  dt1 

ein  ihre  Bewegung  dämpfendes  Drebungsmoment  von  der 
Gröfsc  -  £  £  . 

w  dt 

Zu  dieser  galvanischen  Dämpfung  mögen  noch  andere 
Bewegungs widerstände  (Luftwiderstand  usw.)  hinzutreten, 

dx 

welche  durch  das  Drehungsmoment  —  c  —  dargestellt 
werden. 

Die  Gleichgewichtslage  der  Nadel  sey  nun  den  Win- 
dungen parallel;  die  Schwingungen  sollen  so  klein  bleiben, 
dafs,  wenn  x  den  Ablenkungswinkel  in  irgend  einem  Augen- 

1)  Abh.  d.  Gott.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  10.  1862.  S.  25. 


12 


blicke  darstellt,  das  vom  Erdmagnetismus  und  von  der 
Elasticität  des  Auf  hängefadens  auf  sie  ausgeübte  Drehungs- 
moment durch  —  Dx  ausgedrückt  werden  kann,  wo  also 
D  die  Direetionskraft  der  Nadel  bedeutet.  Bezeichnen 
wir  endlich  durch  K  das  Trägheitsmoment  der  Nadel,  so 
ist  ihre  Bewegung  bestimmt  durch  die  Gleichung 

Dies  ist  die  hinreichend  oft  discutirte l)  Bewegungs- 
gleichung jeder  gedämpften  Nadel,  nur  mit  dem  Unter- 
schiede, dals  die  Coefficieuten  hier  in  ihrer  physikalischen 
Bedeutung  gegeben  sind. 

Der  Coefficient  von  ~  bestimmt  nun  bekanntlich  das 

dt 

Verhältnis  der  Schwingungsdauer  zur  Dämpfung.  Es  sey 
jetzt  t  die  Schwingungsdauer  der  gedämpften  Nadel, 
a  und  b  die  Gröfse  zweier  auf  einander  folgender  Schwin- 

gungsbogen,  also  K  =  log  nat  y  das  sogenannte  natürliche 

logarithmische  Decrement  der  Nadel.    Dann  ist 

Der  zweite,  vom  Luftwiderstand  herrührende  Theil^r 

wird  nun  gerade  so  gefunden,  wenn  man  die  Schwingung*- 
datier  t0  und  das  logarithmische  Decrement  A0  beobachtet, 
nachdem  die  Leitung  des  Multiplicator*  unterbrochen  worden 
ist.    Dann  ist 


Da  nun  t  und  t0  durch  die  Gleichung 

_  '0' 

zusammenhängen,  so  wird  schliefslich 

1)  Gaufs,  Resultate  des  magn.  Vereins  1837,  S.  74;  1839,  S.  55.  — 
W.  Weber,  Abh.  der.  Künigl.  Sachs.  Ges.  der.  Wisa.  1846,  Bd.  1. 
S.  345.  —  Du  Bois-Reymond,  Monatsbcr.  der  Berl.  Akademie, 
1869,  S.  807. 


13 


Dieses  ist  die  wichtige  Gleichung,  durch  welche  der 
Empfindlichkeitscoeflficient  eines  Galvanometers  mit  engen 
Windungen  und  beliebig  gestalteter  Nadel  aus  dem  Träg- 
heitsmoment und  der  Schwingungsdauer  der  letzteren  und 
aus  ihrer  Dämpfung  durch  den  Multiplicator  bestimmt 
werden  kann,  wenn  der  absolute  Widerstand  des  Multi- 
plicators  bekannt  ist.  Mit  Hülfe  einer  Siemens'schen 
Widerstandsscale  wird  die  letztere  Gröfse  künftig  leicht 
ermittelt  werden  können  -). 

Hier  soll  nun  die  Gleichung  zur  Ermittelung  von  to 
angewandt  werden,  folglich  bedarf  es  noch  einer  zweiten 
Beziehung,  durch  welche  q  eliminirt  werden  kann.  Diese 
liefern  uns  die  Ströme,  welche  durch  den  Erdinduttor  her- 
vorgebracht werden,  wenn  man  denselben  in  bekannter 
Weise  rasch  aus  einer  zum  magnetischen  Meridian  senk- 
rechten Stellung  in  die  um  180"  verschiedene  dreht. 

Die  com  Inductordraht  umschlossene  Fläche  sey  gleich  S, 
und  es  bedeute  T  die  erdmagnetische  Horizontal- Intensität, 
so  geht  bei  dieser  Drehung  durch  einen  Querschnitt  der 
Kette  die  Elektricitätsmeuge 

1)  Weber  erhält  (Zur  Galvanomctrie ,  S.  23,  25,  wobei  zu  bemerken, 

q 

dafs    dort         durch  /  und    unser  X    durch  J,    bezeichnet  wird), 

7»  =2  — 0  —  A„)  ]/nt      rj  •    Die,  praktisch  übrigens  unerheb- 

liehe,  Differenz  rührt  davon  her,  dafs  das  log.  Decremen:  der  gal- 
vanischen Dämpfung  als  die  Differenz  der  Gesammtdämpfung  und 
derjenigen  bei  unterbrochener  Leitung  gebildet  wird,  was  nicht  ganz 
richtig  ist. 

2)  Es  bedarf  kaum  der  Erwähnung,  dafs  q  nicht  derjenige  Empfindlich- 
keitscoefflciont  ist,  welcher  für  dauernde  Ströme  in  Betracht  kommt. 
Will  man  die  Ablenkung  x  durch  einen  solchen  Strom  i  durch  x  =  p  .  i 

t  » 

ausdrücken,  so  hat  man,  wie  leicht  zu  ersehen  »  =  7 —°  - zu  setzen. 

n  a 

Nach  sonstigem  Sprachgebrauch  kann  7  der  dynamische,  p  der  statische 
Empfindlichkeitscoefficient  genannt  werden. 


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14 


idt 


w 


Dadurch  gewinnt  nach  dem  Früheren  die  Multiplicatornadel 
eine  Winkelgeschwindigkeit  y 

woraus  man  erhält 

1'  =  t  frji  (H). 

Durch  Gleichsetzung  der  Ausdrücke  I  und  II  ftlr  q1 
kommt  endlich  der  Widerstand  Inductor  -f-  Galvanometer 
nach  absolutein  Maafse 

Um  die  Winkelgeschwindigkeit  j',  welche  der  einzelne 
Inductionsstois  der  Nadel  ertheilt,  und  die  Dämpfung  X 
zu  bestimmen,  wendet  Weber  die  Zurückwerfung smethode 
(Abh.  d.  Königl.  Sächs.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  1,  1846,  S.  349.) 
an,  nach  welcher  bei  jedem  zweiten  Durchgang  der  Nadel 
durch  ihre  Ruhelage  abwechselnd  gerichtete  Inductions- 
stöfse  ausgeübt  werden.  Bezeichnen  A  und  B  den  schliefs- 
lich  constanten  grofseren  und  kleineren  Bogen  der  unter 
diesem  Einflüsse  schwingenden  Nadel,  so  ist 

/.  =  log  nat  4", 


1  85'  r5 

r 


■  A*_+JP  (B\ 

5  \IB  \V 


l 

arc  tg  — 

Tl 


so  dafs  endlich  der  Widerstand 


32 


3  T*        t0  /  X 


2  X  *) 

X.       \       AB       /A\~uct«-  ' 


 lg.      \       AB  fA\ 


1)  Weber,  Zur  Galvanometrie.  S.  16  ff. 

2)  V**  -fr-        kann  immer  praktisch  gleich  n  gesetzt  werden.  Solange 
auch  X  nicht  grofs  ist,  hat  man  mit  grofscr  Annäherung,  in 
Falle  z.  B.  bis  auf  0,05  Procent 


15 


IV.  Untersuchung  der  möglichen  Fehler. 
Wir  können,  da  A0  immer  klein  ist  und  sehr  genau 
bestimmt  werden  kann,  da  ferner  das  letzte  Glied  nicht 
erheblich  von  Eins  abweicht,  und  endlich  mit  Rücksicht 
darauf,  dafs  )?  gegen  n*  immer  klein  ist,  bei  der  Unter- 
suchung der  möglichen  Fehler  den  angenäherten  Ausdruck 
setzen 

S2S'T't0).  AB 

1)  Den  bedeutendsten  Antheil  an  der  Unsicherheit 
werden  wir  der  erdmagnetischen  Horizontallnlensität  T 
zuschreiben  müssen,  deren  Procent-Fehler  doppelt  in  den 
Widerstand  eingeht.  Bei  der,  meistens  wohl  unterschätz- 
ten, Schwierigkeit,  welche  die  genaue  Bestimmung  dieses 
Elementes  bietet,  niufs  also  ein  sehr  vollkommen  einge- 
richtetes magnetisches  Observatorium  als  Beobachtungs- 
local  gefordert  werden.  Man  sieht  zugleich,  dafs  auch 
auf  die  Variationen  des  Erdmagnetismus  Rücksicht  ge- 
nommen werden  mufs ;  denn  die  Intensität  ist  bei  uns  um 
etwa  \  Procent  variabel,  also  könnte  ohne  Beobachtung 
der  Variationsapparate  ein  Fehler  von  1  Procent  in  der 
Berechnung  des  Widerstandes  entstehen. 

Das  Göttinger  Observatorium  genügt  ohne  Zweifel  den 
zu  stellenden  Ansprüchen  vollkommener,  als  irgend  ein 
anderer  Ort,  da  die  von  Weber  daselbst  getroffenen  Ein- 
richtungen zur  Intensitätsbestimmung  den  sonst  gebräuch- 
lichen an  Feinheit  und  Bequemlichkeit  weit  überlegen  sind. 
Die  gröfsten  Fehlerquellen  der  absoluten  Messung  näm- 
lich liegen  unstreitig  in  der  Bestimmung  des  Trägheits- 
momentes und  in  der  Abmessung  der  räumlichen  Ab- 
stände; bei  länger  dauernden  Beobachtungen  der  Varia- 
tionen bietet  die  Veränderlichkeit  des  Magnetismus  der 
Bifilarnadel  nicht  unbedeutende  Schwierigkeiten.  Gerade 
diese  drei  Punkte  haben  wesentliche  Verbesserungen  er- 
fahren. Die  zu  messenden  Abstände  beziehen  sich  ledig- 
lich auf  die  Aufhängefäden  von  Magneten  und  können 
somit  auf  das  Feinste  bestimmt  werden.    Die  Gewichte 


16 

für  das  Trägheitsmoment  sind  fester  mit  dem  Magneto- 
meter verbunden,  belasten  den  Faden  bei  allen  Beobach- 
tungen gleich  stark  und  erlauben  ebenfalls  eine  sehr  ge- 
naue  Messung  ihres  Abstandes.  Das  Bifilarmagnetometer 
endlieh  ist  mit  der  Web er'sehen  Hülfsnadel  versehen1). 

Ich  hatte  selbst  die  Vergünstigung  genossen,  diese 
Einrichtungen  als  Ganzes  bei  einer  Bestimmung  der  erd- 
maguetischen  Elemente  Göttingens  im  Jahre  1867  zum 
ersten  Male  zu  benutzen  und  mich  von  ihrer  Vortrefflich- 
keit zu  überzeugen.  Bei  diesen  und  bei  einer  Reihe  von 
nachher  angestellten  Bestimmungen  hatte  ich  mir  die  ge- 
naue Kenntnils  der  Constanten  der  Instrumente  und  eine 
hinreichende  Uebung  in  ihrem  Gebrauche  verschafft. 

Indem  ich  in  Betreff  vier  Beobachtungen  selbst  auf  den 
nächsten  Abschnitt  verweise,  will  ich  hier  als  Probe  ihrer 
Resultate  zwei  Paare  von  Intcnsitätsbestimmungen  anfuhren, 
welche  je  von  den  erdmagnetischen  Variationen  befreit 
sind  und  daher  direkt  verglichen  werden  können.  Es  er- 
gaben sich  die  Werthe: 

1867,  in  einer  Zwischenzeit  von  16  Tagen  1,83960  und 
1,83849;  Unterschied  =  0,0001 1.  1869,  mit  3  Tagen 
Zwischenzeit,  1,83860  und  1,83832;  Unterschied  =  0,00028. 
In  Theilen  des  Ganzen  belaufen  sich  diese  Unterschiede 
auf  0,00006  resp.  0,00015.  Uebrigens  ist  der  Fehler  des 
Trägheitsmomentes  und  der  Senkelabmessungen  in  diesem 
Unterschiede  nicht  enthalten,  daher  werde  ich  unten  für 
den  möglichen  Fehler  JT  der  Horizontal -Intensität  etwa 
den  zehnfachen  Betrag  obiger  Gröfsen  annehmen,  nämlich 

j-  lööö* 

2)  Das  Trägheitsmoment  K  des  astatischen  Nadelpaares 
wurde  nach  zwei  verschiedenen  Methoden  bestimmt.  Die 
eine  ergab  Är=  1 135700000,  die  andere,  nicht  ganz  ein- 
wurfsfreie 1132800000.  Wir  werden  der  ersteren  Be- 
stimmung das  Gewicht  zwei  beilegen  und  als  Fehler  äK 

1)  Abh.  d.  Gütt.  Ges.  d.  Wiss.  Bd.  6.  1855. 


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17 

die  Abweichung  beider  Bestimmungen  von  ihrem  Mittel 
annehmen,  also 

K  =  ~~750* 

3)  Die  Inductorßäche  S  ist  die  einzige  Gröfse,  welche 
ich  nicht  selbst  gemessen  habe.  Sie  war  von  Weber  bei 
der  Herstellung  des  Inductors  durch  Abmessen  der  Draht- 
länge mittels  Aufwinden  des  Drahtes  auf  ein  grofses  ab- 
gedrehtes Rad  von  etwa  3  Meter  Durchmesser  bestimmt, 
ferner  aber  durch  Messung  der  einzelnen  Windungslagen 
controlirt  worden1).    Ich  setze  den  möglichen  Fehler 

JS  .  J__ 

S  2000 ' 

4)  Die  Schwingungsdauer  t0  betrug  etwa  34,4  Secunden. 
Die  gröfste  vorgekommene  Differenz  zusammengehöriger 
Werthe  von  einander  betrug  0,018  Secunden.  Als  Fehler 
werde  danach  angenommen 

Jt      «  1 

t0  2000' 

5)  Die  Schwingungsbogen  A  und  B  endlich  mögen 
einen  Ablesungsfehler  von  je  =±=  0,2  Mm.  enthalten,  welchen 
die  später  mitzutheilenden  Beobachtungen  wohl  als  zu  hoch 
erscheinen  lassen  werden.  Nun  war,  in  Scalentheilen  ge- 
messen, 4  =  370°"",  B  =  225—,  also  1,64,  A  =  log 

nat  1,64  =  0,50. 

Bezeichnen  wir  nun  die  von  den  einzelnen  Fehlern 
//  T,  JS  . . .  in  w  verursachten  Fehler  durch  JtcTt  JvoN  .  . . , 
so  ist 

J-WT^2~~  =±0,0020 
2  4^  =±0,0010 
— *  =  — ^  ===0,0013 

w  K  1 

^  —  Ü  =  =fc  0,0005 

1)  Abh.  d.  Qött.  Ges.  1853.  Bd.  5,  S.  53  des  Separatabdruckea. 
PoggendorfTa  Ann.    Ergänzungsbd.  V.  2 


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18 


Jwb       AB  /,  l 


JwA       AA/.  \ 


=  0,0019. 


Man  bemerkt,  dafs  das  Verhältnifs  von  A  zu  B  gerade 
derartig  ist,  dafs  ein  kleiner  Fehler  von  Ä  keinen  Ein- 
flufs  hat. 

Summirten  sich  alle  Fehler  im  ungünstigsten  Sinne, 

so  wäre  der  Gesaramtfehler  —  ==  =±=  0,0067  oder  I  Proc. 

Der  mittlere  zu  befürchtende  Fehler  der  einmaligen  Be- 
stimmung oder  die  Wurzel  aus  der  Quadratsumme  be- 
trägt =fc=  0,0033  oder  etwa  }  Procent. 

Die  Beobachtungsfehler  bei  der  Vergleichung  mit  den 
Sieinens'schen  Etalons  kommen  nicht  in  Betracht,  denn 
sie  belaufen  sich  höchstens  auf  0,0001;  um  eine  Armie- 
rung der  Temperatur  zu  eliminiren,  deren  Einflufs  bei  den 
grofsen  Drahtmassen  nicht  direkt  bestimmt  werden  kann, 
ist  immer  eine  vorhergehende  und  eine  nachfolgende  Ver- 
gleichung angestellt  worden.  Da  die  Lufttemperatur  sich 
während  der  Beobachtungszeit  nur  wenig  änderte,  so  ist 
dieses  Verfahren  jedenfalls  ausreichend. 

Es  entsteht  noch  die  Frage,  ob  die  Voraussetzung 
richtig  ist,  welche  in  der  Differentialgleichung  S.  12  den 
Empfindlichkeitscoefficienten  q  des  Galvanometers  constant, 
oder  mit  anderen  Worten,  welche  das  Dämpfungsverkält' 
nifs  als  unabhängig  von  der  Schwingungsweite  annimmt. 
In  Bezug  auf  die  Instrumente  drückt  die  Frage  sich  so 
aus:  ist  der  Multiplicator  hinreichend  breit,  dafs  eine  seit- 
liche Verschiebung  der  Nadeln,  wie  sie  bei  den  Schwin- 
gungen vorkommt,  das  Drehungsmoment  eines  Stromes 
im  Multiplicator  auf  die  Nadeln  nicht  ändert?  die  Frage 
war  hier  leicht  zu  entscheiden.  Die  horizontale  Compo- 
nente  des  Erdmagnetismus  brachte  den  gröfsten  Bogen 
von   etwa  3°   hervor;   wäre   die  Dämpfung   bei  diesen 


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19 


Schwingungen  bereits  geringer  gewesen  als  bei  sehr  kleinen, 
so  mufste  der  Betrag  noch  bedeutend  abnehmen,  wenn 
man  Zurückwerfungsbeobachtungen  mit  inducirender  ver- 
ticaler  Componente  anstellte,  bei  denen  ein  Schwingungs- 
bogen  von  7°  entsteht.    Die  Beobachtung  ergab: 

Großer  Bogen  ==  3°  Dämpfungsverhältnifs  =  1,74430 
,     =7°  „  „  =  1,74255 

Unterschied  0,00185. 

Hiernach  würde  in  der  That,  wenn  die  Induction  mit 
verticaler  Componente  ausgeführt  würde,  an  unserem  Gal- 
vanometer eine  Correction  eintreten,  die  sich  auf  etwa 
\  Sealentheil  am  kleineren  Bogen  belaufen  würde.  Da  die 
Correction  dem  Quadrate  der  Amplitude  proportional  seyn 
mufs,  läfst  sich  hiernach  schätzen,  dafs  sie  für  die  hori- 
zontale Componente  etwa  4, *M1  betragen  mufs ;  eine  so  kleine 
Gröfse,  dafs  ihre  genaue  Ermittelung  sich  nicht  verlohnt. 
Im  Folgenden  wird  keine  Rücksicht  darauf  genommen. 

Was  endlich  die  Induction  der  im  Erd-Inductor  ent- 
stehenden und  vergehenden  kurzen  Ströme  auf  sich  selbst 
anlangt,  so  kann  man  leicht  Überschlagen,  dafs  dieselbe 
keinen  irgendwie  merklichen  Einfluls  auf  die  Ausschläge 
hervorbringt.  Der  neben  dem  Hauptstrom  herlaufende 
„Extrastrom"  veranlafst  nämlich  keine  Aenderung  der  mit- 
getheilten  Geschwindigkeit,  sondern  seine  Wirkung  äufsert 
sich  nur  in  einer  plötzlichen  Verschiebung  der  Nadel, 
wie  ich  an  einem  anderem  Orte  l)  gezeigt  habe.  Aus  den 
dort  angegebenen  Beobachtungen  kann  man  den  „Extra- 
weg" in  unserem  Falle  auf  1,5  Scalentheile  schätzen,  und 
das  bewirkt  einen  Fehler  von  höchstens  0,01  Sealentheil 
an  unserem  gröfseren  Bogen  A,  die  fuglich  ignorirt  werden 

Die  wirkliche  Ueberein Stimmung  der  unten  angegebenen 
drei  Messungen  entspricht  den  Erwartungen  vollständig. 
Man  wird  nämlich  finden,  dafs  sie  um  resp.  0,14  0,04 
und  0,11  Procent  von  ihrem  Mittelwerthe  abweichen,  was 
einem  „wahrscheinlichen  Fehler"  des  Resultates  von 
1)  Diese  Ann.  CXLII,  422. 

2* 


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20 


0,05  Procent  entsprechen  würde.  Nun  sind  hierin  aller- 
dings die  Fehler  des  Trägheitsmomentes  und  der  Inductor- 
fläche  nicht  inbegriffen,  und  diejenigen  der  Intensität  des 
Erdmagnetismus  nur  so  weit,  als  sie  die  Variation  dieser 
Gröfse  betreffen.  Dafür  aber  habe  ich  auch  den  sechs- 
fachen Betrag  oben  als  Fehler  angenommen. 

Ich  behaupte  keineswegs,  dafs  mit  einer  solchen  Fehler- 
gränze  alles  Wünschenswerthe  geleistet  sey;  aber  ohne 
ganz  neue  Instrumente  zu  construiren,  ohne  besondere 
bauliche  Einrichtungen  herzustellen,  dürfte  es  fürs  Erste 
schwierig  seyn,  über  diese  Gränze  hinauszugehen. 

Ferner  ist  noch  zu  überlegen,  dafs  eine  Aenderuug 
von  \  Procent  in  dem  Leitungswiderstand  der  gewöhnlichen 
Metalle  bereits  durch  1°  Temperaturänderung  hervorge- 
rufen wird. 

V.  Beobachtungs-Data. 

Zur  Bestimmung  der  drei  Grundgröfsen  Länge,  Masse 
und  Zeit  dienten  das  Original -Platinmeter  der  Modell- 
und  Maschinenkammer  in  Göttingen,  welches  Hr.  Hofrath 
Ulrich  zu  leihen  die  Güte  hatte,  ein  Fortin'scher 
Gewichtsatz  des  physikalischen  Instituts  und  die  Normal- 
Uhr  der  Sternwarte,  auf  welche  diejenige  im  Observatorium 
zurückgeführt  wurde.  Mit  dem  Platinmeter  war  der  O  e rt- 
lin g'sche  Comparator  des  physikalischen  Instituts  ver- 
glichen, welcher  sämmtlichen  Messungen  zu  Grunde  liegt. 
Es  zeigte  sich,  dal's  die  Theile  dieses  Stabes  bei  —  8°  den 
Theilstrichen  des  Platinraeter  bei  0°  gleich  waren. 

Zur  Abmessung  der  gröfseren  Abstände  diente  ein 
fünf  Meter  langer  in  Centimeter  getheilter  Holzstab  mit 
einem  in  Millimeter  getheilten  Schlitten.  Die  Theile 
wurden  nachträglich  ebenfalls  mit  Oertling  verglichen. 
Dasselbe  geschah  mit  den  Theilstrichen  der  Papierscalen, 
welche  zur  Beobachtung  kamen. 

Erdmagnetische  Intensität. 

Hr.  Prof.  Klinkerfues  hatte  die  Güte,  anzuordnen, 
dafs  während  des  Zeitraums  der  Beobachtungen  magne- 


21 


tische  Local- Einflüsse  in  der  Sternwarte,  wo  die  Varia- 
tions-Instrumente aufgehangen  waren,  vermieden  wurden. 
Für  die  Beobachtung  der  letzteren  bin  ich  Hrn.  Dr. 
Riecke  zu  Dank  verpflichtet. 

Bezüglich  der  Einrichtung  des  Bifilarmagnetometers 
nebst  Hülfsnadel  verweise  ich  auf  den  Aufsatz  Webers  !): 
„Bestimmung  der  rechtwinkligen  Componenten  der  erd- 
magnetischen Kraft  in  Göttingen  von  1834  — 1853".  Den 
dermaligen  Werth  eines  Scalentheils  des  Bifilarmagneto- 
meter  fand  ich  nach  dem  G aufs 'sehen  Verfahren  gleich 
0,000105  in  Theilen  des  Ganzen.  Man  wird  die  einer 
Stellung  ö  des  Bifilar  entsprechende  Intensität  im  Fol- 
genden durch 

T=  1,83846  (1     0,000105  .  d) 

erhalten. 

Absolute  Messung.  Das  Trägheitsmoment  des  Haupt- 
stabes war  nach  einer  neuen  Bestimmung,  welche  bis  auf 
YöJag  mit  einer  früher  von  Weber  ausgeführten  überein- 
stimmte, in  der  während  beider  folgenden  Messungen  herr- 
schenden Temperatur  H-  15° 

ff  =  42997  . 108  Millimeter'  Milligramm. 

Das  Torsionsverhältnifs  war  =  0,01085. 

Die  bei  dem  Schwingungsbogen  p  Scalentheile  beob- 
achtete Schwingungsdauer  r  liefert  die  auf  Null  reducirte, 
da  die  Scale  um  4125  Scalentheile  vom  Spiegel  abstand, 

*  0  -  256^)  "  '  <*  -  0,00000000023  . 

War  ferner  während  der  Schwingungsbeobachtungen 
die  von  einem  bestimmten  Punkt  der  Scale  (auf  welchen 
sämmtliche  Beobachtungen  reducirt  werden)  an  gezählte 
mittlere  Einstellung  ö  des  Bifilarmagnetometers  beobachtet 
worden,  so  ist  die  beobachtete  Schwingungsdauer  mit 
1  -Hj. 0,000 105. d  (vergl.  oben)  zu  multipliciren.  Wir 
setzen  also 

r0  =  r  (1  —  0,00000000023  .  pa  -h  0,000052  .  ö). 
1)  Abh.  d.  Qött.  Ges.  1855,  Bd.  6. 


22 


Nennen  wir  endlich  M  den  Magnetismus,  welchen  der 
schwingende  Stab  an  sich,  d.  h.  in  der  ostwestlichen  Lage, 
in  der  er  nachher  als  Ablenkungsstab  gebraucht  wird,  be- 
sitzt. Bei  den  Schwingungen  kommt  zu  M  ein  Magnetismus 
der  Lage  hinzu,  welcher  für  diesen  Stab  von  Hrn.  Weber 
gleich  780000  absoluten  Einheiten  bestimmt  worden  war. 
Sonach  ist 

(jr+Tsoooo)^-^-.  (^) 

Zum  Zwecke  der  Ablenkungsbeobachtungen  wurde  der 
Stab  JJf,  ohne  von  seinem  Platz  entfernt  zu  werden,  von 
einem  drehbaren  Lager  gefafst  und  kann  nun  ostwestlich 
hingelegt  werden.  Er  wirkt  dabei  auf  eine  kleinere  Nadel 
(Hülfsnadel)  mit  Spiegel,  welche  nördlich  und  südlich  in 
gleichem  Abstand  vom  Stabe  an  Senkeln  aufgehangen  wird, 
die  von  einem  langen  Messingstab  an  der  Zimmerdecke 
herabhängen.  Der  ein-  für  allemal  zu  bestimmende  halbe 
Abstand  dieser  Senkel  von  einander  betrug  bei  der  merk- 
lich gleichen  Temperatur  der  beiden  Bestimmungen 

Ä=  1501,70  Millimeter. 

Das  Correctionsglied  mit  ^  ist  durch  das  Längenver- 

hältnifs  1:2  des  Hauptstabes  zur  Hülfsnadel  nahe  auf 
Null  gebracht.  Durch  Ablenkungen  aus  zweiten  Entfer- 
nungen war  bestimmt  worden,  dafs  der  Ablenkungs- 
winkel (f  in  der  Entfernung  Ii  ausgedrückt  wurde  durch 

Const  10300  \ 

taug  ««-gi-(l  ai-). 

Der  Abstand  des  Spiegels  von  der  Scale,  deren  Stellung 
immer  durch  das  unbenutzte  Senkel  gegeben  war,  betrug 
3015,0  Millimeter. 

Torsionsverhältnifs  der  Hülfsnadel  =  0,00241. 

Der  mittlere  Stand  des  Bifilar  während  der  Ablenkungen 
sey  endlich  wieder  durch  Ö  bezeichnet,  so  setzen  wir  bei 
beobachtetem  Ablenkungswinkel  <y> 

tang  tf0  =  1  (1      0,000105  .  ö)  tang  (f. 


23 


Dann  ist 

M         1,00241  D3. 

=  — to3ööä 

Intensitätsbestimmungen  wurden  am  19.  und  22.  August 
ausgeführt.  Die  Schwingung s datier  wurde  jedesmal  zum 
Anfang  und  zum  Schlüte  beobachtet.    Man  erhielt 

Dauer  Bogen         Bifilar        Correction  auf 

t         p  i      »kl.  Bog.       T0  t, 

See.  See.  See  See. 

19.  20,5709  282Thstr.  -+-3,5  —  0,0004  4-  0,0038  26,5743 

20,5648  205  +  8,9  —  0,0002  4-0,0096  20,5742  

Mittel  =  20,5742  See. 

22.  20,5793  220  —  1,5  —  0,0002  —  0,0015  20,5776 

20,5658  246  4-5,1  -0,0003  4-0,0055  20,5710 

Mittel  =  20,5743  See. 

Die  Ablenkungsbeobachtungen  an  der  Hülfsnadel,  auf 
welche  der  Stab  M  in  den  beiden  um  180°  verschiedenen 
ostwestlichen  Lagen  ablenkend  wirkte,  ergaben  an  einer 
Scale,  deren  Mittelpunkt  auf  770—  war, 

Einstellungen 

Mm.  Mm.  <p  d  <[  0 

Aug.  19.  Nördl.     1250,48     207,25     4f  54'  32"     4-  3,5     4°  54'  38" 
Sfidl.       1210,55     167,34     4  54  22      4-6,2     4  54  35 

Mittel  — 4»  54' 36" 

Aug.  22.  Nördl.     1247,06     202,84     4  °  54' 47"     —0,9     4°  54' 46" 
Sfidl.      1229,33     185,62     4  54  36      4-0,5     4  54  36 

Mittel  =  4°  54' 41". 

Hieraus  finden  wir  für  den  Nullpunkt  des  Bifilarmag- 
netometere  die  oben  (S.  16)  erwähnten  Werthe 

Aug.  19.    T0—  1,83860 
Aug.  23.    T0  mm  1,83832 
Mittel  T0—  1,83846. 
(Auch  der  Magnetismus  M  des  Hauptstabes  wird  in  sehr 
guter  Uebereinstimmung  mm  538630000  resp.  538710000 
gefunden.) 

Aus  dem  Grade  der  Uebereinstimmung  aller  dieser 
Zahlen  scheint  zu  folgen,  dafs  mit  solchen  Hülfsmitteln 


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24 


eine  Bestimmung  der  Horizontal -Intensität  bis  auf  einen 
Fehler  von  höchstens  0,1  Proc.  unternommen  werden  kann. 

Absolute  Widerstandsbe Stimmung. 

Ich  werde  immer  die  Messungen  einer  Art  zusammen- 
stellen. Soweit  es  sich  dabei  um  Operationen  handelt, 
welche  zu  einer  einzelnen  von  den  vier  ausgeführten  ab- 
soluten Bestimmungen  gehören,  sollen  sie  mit  Ia,  Ib,  II 
und  III  unterschieden  werden. 

Erdinductor.  Derselbe  ist  in  der  Abhandlung  We  b  e  r 1  s 
„Anwendung  der  magnetischen  Induction  zur  Messung  der 
Inclination«  (Abh.  d.  Gott.  Ges.  1853,  Bd.  5,  S.  53)  be- 
schrieben worden.  Die  Windungsfläche  wird  daselbst  zu 
39216930a,■,,,  angegeben.  Nach  einer  Vergleichung  des 
damals  gebrauchten  Maafsstabes  mit  dem  Normalmeter  ist 

1  Theil  des  ersteren  =  l,00086n,,n,  also  ändert  sich  die 
obige  Zahl  in 

8  —  39284000°--. 

Das  Galvanoskop  (Taf.  I  Fig.  1  in  }  natürl.  Gröfse)  be- 
steht aus  einem  Multiplicator  von  circa  250  Windungen 
3°""  starken  Kupferdrahtes  in  10  Lagen  auf  einen  100m" 
breiten  Holzrahmen  gewunden.  Die  cylindrischen  Mag- 
nete des  astatischen  Nadelpaares  sind  je  170B,m  lang, 
\±mm  dick  und  wiegen  jeder  nahe  200**.  Der  innere  be- 
safs  etwa  45  Millionen  Einheiten  Magnetismus,  der  äufsere 

2  Millionen  weniger.  (Hieraus  folgt,  dafs  der  Localein- 
fluls  an  dem  etwa  5b00mm  entfernten  Inductor  höchstens 
den  100000.  Theil  des  Erdmagnetismus  betrug.) 

Die  Magnete  liegen  mit  zwei  eingedrehten  Nuthen  in 
den  Doppelgabeln  eines  Bügels,  welcher  an  einem  Tor- 
sionskreis mit  Spiegel  hängt  und  um  den  Multiplicator 
herumgreift.  Der  obere  horizontale  Theil  des  Bügels  ist 
verlängert  und  trägt  an  seinen  Enden,  im  Abstand  von 
je  100n,m  von  der  Mitte,  zwei  kleine  verticale  Stifte  zum 
Aufstecken  zweier  der  Axe  nach  durchbohrter  cylindrischer 
Messinggewichte  für  die  Bestimmung  des  Trägheitsmoments. 
Die  Gewichte  haben  28tt,m  Durchmesser  und  eine  Masse 


25 


von  je  100*'.  Nach  Entfernung  des  oberen  Magnets  kann 
man  auch  in  der  Mitte  des  Bügels  ein  Stiftchen  befestigen 
und  beide  Gewichte  übereinander  auf  dasselbe  stecken. 
Durch  ein  kleines,  in  der  Figur  nicht  sichtbares,  Lauf- 
gewicht wird  der  Schwerpunkt  so  regulirt,  dafs  das  Auf- 
setzen der  Gewichte  die  Stellung  nicht  ändert. 

Das  Ganze  hing  mit  einem  2,7m  langen,  etwa  \mm  dicken 
Stahldraht  an  einem  Balken  der  Decke  und  war  gegen 
Luftströmungen  sorgfaltig  durch  einen  Kasten  mit  einge- 
setztem Planparallel  -Glas  geschützt. 

Trägheitsmoment  des  Nadelpaares. 

Masse  der  Gewichte  zusammen  199970m*rm 
Aeuiserer  Halbmesser  derselben  13,95mm 
Innerer  „  „  0,85ra,n, 

folglich  das  Trägheitsmoment  beider  zusammen,  bezogen 
auf  ihre  Axe, 

—  199970  13>95Y°—  =  19500000  Millimeter1  Milligrm. 

Abstand  der  Mittelpunkte  der  Gewichte  von  einander, 
wenn  sie  auf  den  äufseren  Stiften  steckten, 

199,824""-  bei  17°. 

Also  gemeinschaftliches  Trägheitsmoment  in  letzterer 
Stellung,  bezogen  auf  den  Aufhängedraht,  bei  17° 
19500000  -f-  199970  .  99,912l  =  2015700000  Mm.»  Mgrm. 
und  bei  22°,5  2016100000    „        „  . 

Die  zusammengehörigen  Schwingungsdauern  wurden 
immer  bei  nahe  gleichen  Bogen  gemessen,  so  dafs  eine 
Reduction  unnöthig  ist.  Wo  zwei  Beobachtungen  bei  der- 
selben Belastung  vorliegen,  ist  die  eine  immer  vor,  die 
andere  nach  der  zweiten  Belastung  augestellt  worden. 

Erste  Bestimmung,  a)  Temperatur  =  22°,5.  Die  Schwin- 
gungsdauern des  Nadelpaares  betrugen 
ohne  Belastung  34,0771  und  34,0692;  Mittel  34"%0731, 
mit  Belastung  an  den  Enden  56"c,8157. 
Daraus  folgt  das  Trägheitsmoment  bei  22°,5 


26 


 34'°73r  .  2016100000  =  1 1324< 

56,8157*  -  34,0731»  www 


oder  bei  17°  1132200000  =  Ä". 
b)  Um  die  etwaige  Excentricität  des  Schwerpunktes 

der  Gewichte  zu  eliminiren,  wurde  jedes  um  180°  gedreht 

Temperatur  =  17°. 

Ohne  Belastung  34,1486  34,1304;  Mittel  34'",  1395, 
mit  Belastung  an  den  Enden  öö^^OöO. 

Daraus  JT  =  1133400000 

Mittel  Kx  =  }  (K1  -f-  K")  =  1132800000  Millimeter«  Mgrm. 

Zweite  Bestimmung.  Temperatur  =  17°.  Der  obere 
Magnet  wurde  entfernt.  Derselbe  hat  die  Lange  169,97, 
den  Halbmesser  6,95m»,  die  Masse  199939"*'.  Also  be- 
trägt sein  Trägheitsmoment 

199939  (—f7-'  -r-  ^f)  =  483800000. 

Die  Schwingungsdauer  des  übrigen  Theiles  war 

Gewichte  aufsen  17,3717  17,3720;  Mittel  17"%3719. 
Gewichte  in  der  Mitte  8"%7154. 
Das  Trägheitsmoment  des  Ganzen  ist  hiernach 


*» -  17,37.89»-8,7i5P  •  1996200000 -  19» 


IIIIIIIII 


483800000  *m  1 135700000  Millimeter1  Milligrm. 

Nun  unterliegt  die  erste  Bestimmungsweise  dem  Ein- 
wände, dafs  bis  jetzt  noch  nicht  festgestellt  worden,  ob 
die  Torsions-Elasticität  eines  Drahtes  von  seiner  Belastung 
vollkommen  unabhängig  ist.  Dort  bildete  die  Elasticität 
aber  den  gröfseren  Theil  der  Directionskraft.  Legen  wir 
aus  diesem  Grunde  der  zweiten  Bestimmung  das  doppelte 
Gewicht  bei,  so  wird  das  Trägheitsmoment  bei  17° 
Kwm  1134700000  Millimeter*  Milligrm. 

Davon  kam  etwa  J  den  Magneten,  {  den  Messingtheilen 
zu,  so  dafs  für  eine  Temperatur  0 

K  mm  1 134700000  [1  -f-  0,000026  .  (0  —  17)]. 

Schwingungsdauer.  Bei  der  Reduction  auf  unendlich 
kleine  Bogen  ist  zu  berücksichtigen,  dafs  nur  ein  Theil  der 
Directionskraft  von  dem  Erdmagnetismus,  der  andere  von 


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27 


der  Elasticität  des  Drahtes  herrührt.  Aus  der  Schwin- 
gungsdauer  16  Secunden  der  Suspension  allein  wird  der 
erstere  Theil  fast  genau  gleich  der  Hälfte  des  zweiten  ge- 
funden. Danach  berechnet  sich  aus  der  bei  dem  Schwin- 
gungsbogen  a  beobachteten  Dauer  t  diejenige  f0  *ur  un" 
endlich  kleine  Schwingungen 

l0»l(l- 0,005  .  a*). 
Da  t  bei  der  Widerstandsbestimmung  immer  nahe 
=  34,4  Secunden ,  der  Scalenabstand  =  4047  Scalentheile 
war,  so  findet  man  die  Correction  für  den  Bogen  a  Scalen- 
theile gleich  t 

—   oecunden. 

400000000  ocuuuucu- 

Zu  dieser,  immer  sehr  kleinen  Correction  tritt  diejenige 
aus  dem  Gange  der  Uhr.  Die  beobachteten  Zeiträume 
sind  mit  1  —  0,00017  zu  multipliciren,  was  auf  34,4  See. 
ergibt  —  0,0059  Secunden. 

Bei  den  vier  absoluten  Messungen  fanden  sich  zu  der 
Arten  Schwingung  die  in  der  folgenden  Tafel  angegebenen 
Umkehrzeiten,  jede  nach  dem  Gaufs'schen  Verfahren  aus 
acht  biß  zehn  beobachteten  Durchgängen  durch  die  Ruhe- 
lage abgeleitet.  Aus  den  nebeneinanderstehenden  Zeiten 
folgen  die  hinter  dem  Verticalstrich  stehenden  Schwin- 
gungsdauern. Die  Gröfse  der  zugehörigen  Schwingungs- 
bogen,  aus  denen  die  höchstens  0,0003  See.  betragende 
Correction  auf  unendlich  kleine  Bogen  sich  ergibt,  können 
unter  der  Bestimmung  des  logarithmischen  Decrementes 
nachgesehen  werden. 


N. 


Zeit 


N. 


Zeit 


Schwingungsdauer  Mittel 
beob.       Correct.     corrigirt  t0 


Ja. 


Ib. 


n. 


m. 


4  33« 
17  40 

4  12 

12  16 

4  11 

12  16 

3  9 
9  Ii 


28,15» 
56,16 

8,12 
38,51 

33,47 

8,95 

21,28 
17,80 


17  40»  56,16» 
39  48  24,36 


20  21 
28  25 

20  20 
28  25 

1516 

21  19 


14,06 
49,47 

44,40 
19,84 

14,35 
40,82 


34,4625«  —0,0061»  34,4564«  o^ofi. 

34,4769  -0,0060  34,4709 

34,4336  —0,0061  34,4275  W49M 

34,4352  -0,0061  34,4291 

34,4328  —0,0062  34,4266  ,ii9„ 

34,4304  -0,0061  34,4243 

34,4222  —0,0061  34,4161  o1A14n 

34,4181  -0,0061  34,4120 


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28 


Logarithmisches  Decremetit  A0  bei  unterbrochener  Kette. 
Dasselbe  wurde  in  bekannter  Weise  zusammen  mit  den 
vorigen  Zeitbeobachtuugen  durch  Ablesung  der  Umkehr- 
punkte genommen.  Dabei  war  Sorge  getragen,  dafs  die 
Bogen  im  Durchschnitt  etwa  ebenso  grofs  waren  wie  bei 
den  Zurück werfungsbeobachtungen.  Jeder  Bogen  in  der 
folgenden  Tabelle  ist  das  Mittel  aus  vier  benachbarten. 
Die  Zahlen  sind  bereits  auf  unendlich  kleine  Schwingungen 
reducirt. 

Bedeutet  am  den  mten,  alt  den  nten  Bogen,  so  ist  das 
Dämpfungsverhältnifs 

1 

K  =  {~)n  -  m  und  K  —  log  nat  h. 


m 

Gm 

n 

am 

k 

Mittel 

3 
7 
17 

302,81 
288,48 
255,81 

20 
29 
32 

247,17 
222,30 
214,30 

1,01201 
1,01192 
1,01189 

h 

=«1,01194 
=  0,01187. 

Ib. 

3 
7 
11 
15 

313,27 
298,16 
2S3,29 
268,72 

20 
24 
28 
32 

251,14 
238,15 
225,64 
214,02 

1,01309 
1,01331 
1,01347 
1,01348 

k 
*• 

=  1,01334 
=  0,01325. 

II. 

3 
7 
11 
15 

388,10 
370,14 
352,90 
336,47 

20 
24 

28 
32 

316,94 
302,18 
287,80 
274,39 

1,01199 
1,01200 
1,01207 
1,01207 

k 

K 

=  1,01203 
=  0,01196. 

III. 

3 
7 
11 

336,82 
318,93 
301,73 

15 
19 

23 

285,50 
269,87 
255,04 

1,01387 
1,01402 
1,01411 

k 
K 

m 

=  1,01400 
=  0,01390. 

Zurückwerfung sbeobachtungen.  Der  Abstand  der  Scale 
von  der  belegten  Spiegelfläche  betrug  4050,6*"",  wovon 
5,6m,B  durch  Glasplatten  dargestellt  wurden.  Das  Brc- 
chungsverbältnifs  des  Glases  gleich  1,5  angenommen,  ist 

^  =  l^"""  von  obiger  Zahl  abzuziehen,  um  die  Ablen- 
kung der  Lichtstrahlen  durch  Brechung  zu  compensiren. 
AJso  ist 

r  =  4048,7  Millimeter. 


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29 


Eine  an  der  Scale  gemessene  Schwingungsweite  a  bedeutet 
an  einem  Kreise  vom  Halbmesser  Eins  den  Bogen  A  ') 

m  a     /.       ,    q*  \        a— 0,000000005 1«* 

8097,4  V      3  8097»/  8097,4 

Während  der  Zurückwerfungen  wurde  das  Bißlarmag- 
netometer  beobachtet  und  aus  den  graphisch  dargestellten 
Ablesungen  die  Einstellung  8  (vgl.  S.  21)  für  die  Zeit 
jedes  Inductionsstofses  abgeleitet. 

Ich  will  den  Beobachtungssatz  Ia  ausfuhrlich  mittheilen. 
*i  *»  *3  *4  sind  die  beobachteten  Umkehrpunkte  an  der 
Scale;  die  Inductionsstöfse  liegen  vor  *,  und  *a.  Hinter 
dem  Verticalstrich  sind  der  grofee  Bogen  a  =  s3  —  sl  und 
der  kleine  b  =  s7  —  st  gegeben,  immer  das  Mittel  aus  zwei 
benachbarten  Differenzen.  Durch  den  Horizontalstrich  ist 
die  merklich  eingetretene  Constanz  der  Schwingungen  an- 
gezeigt, die  immer  sehr  bald  eintrat,  da  man  von  der- 
jenigen, durch  Vorversuche  bestimmten  Anfangstellung  des 
Inductors  ausging,  bei  welcher  gleich  der  erste  Ausschlag 
nahe  den  sehlieislichen  constanten  Werth  hatte. 


Ia. 


Bifilar 

Umkehrpunkte 

Bogen 

A 

*> 

a 

b 

299,2 

002,7 

676,7 

374,6 

377,5 

228,1 

-+-5,0 

302,4 

605,8 

679,1 

376,4 

375,50 

230,30 

+  4,0 

H-3,1 

303,4 

605,5 

679,3 

376,3 

375,80 

229,15 

+  2,4 

H-2,1 

303,8 

605,9 

679,0 

377,0 

375,75 

229,25 

-4-2,0 

+w 

304,2 

606,2 

679,8 

376,9 

375,60 

229,25 

-+-1,5 

+  1,3 

304,2 

606,1 

679,9 

377,1 

375,65 

229,10 

■+■  1,1 

4-0,7 

304,2 

606,0 

679,9 

376,8 

375,70 

229,05 

Mittel  A 

=  4-2,3 

Mittel 

=  375,70 

229,16 

T= 

1,8389 

Correction 

wegen 

Theilfehler 

=  -4,15 

-2,75 

—  0,0000000051  .  a J  =  -0,26  —0,06 
Corrigirt  371,29  226,35. 


1)  Wollte  man  noch  Rücksicht  darauf  nehmen,  dafs  ein  Drittel  des  Dre- 
hungsmomentes nicht  dem  Winkel  sondern  dem  Sinus  proportional 
97  1 

ist,  so  würde  OQQ  anstatt  zu  nehmen  seyn.  Der  Unterschied  ist  vor- 
schwindend. 


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30 


Folglich  A  —  W  Ä  0,045853. 

0,027958. 

A  =  log  nat  ~  =  0,49492. 

Ebenso  wurden  die  anderen  Sätze  erhalten  und  redu- 
cirt,   Ich  gebe  im  Folgenden  gleich  die  Schwingungsbogen. 


Ib. 

a 


TL 

a 


LH 


6 


369,34  225,18 


A  =  0,045613 
D  =  0.027810 
A  =  0,49480 
T=  1,8389. 


1+12,5 1  374,21  228,53 
-4,01  -2,68 
-0;26  -0,06 
369,94  225,79 

A  =  0,045686 
B  =  0,027884 
i  =  0,49375 
T=  1,8409. 


+5,4 

5,9 
6,3 
6,7 
7,2 
7,8 
8,9 
10,2 
11,5 

+7,8 


374,65 
5,10 
5,25 
5,30 
5,40 
5,00 
5,30 
5,70 
5,75 


227,90 
8,05 
8,25 
8,20 
8,25 
8,40 
8,30 
8,30 
8,55 


|  375,27 
-4,00 
-0,26 


228,24 
-2,71 
—0,06 


371,01  225,47. 


T 


0,045819 
0,027846 
0,49802 
1,8400. 


VI.    Berechnung  des  absoluten  Widerstandes. 

Setzen  wir  diese  Zahlen  für  A,  ß,  A,  T,  ferner  die  für 
A„,  f0,  K  und  S  in  die  Formel  ein  (S.  14) 
5>  T* 


 L»  \       AB       (±\  n 


2    .  1 

—  arc  tg  — 


so  erhalten  wir  den  absoluten  Widerstand  Inductor  -f-  Gal- 
vanometer für  die  vier  Bestimmungen,  indem  wir  als  Ein- 


heit den  Widerstand  1010  £  -  oder  kurz 

bec. 


Erdquadrant 
Secunde 


setzen : 


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31 


Bestimmung    Ia  Ib  II  III 

to  —  3,9687    3,9937    3,9903    3,9849  . 

7  Secunde 

Der  größte  Unterschied  dieser  Zahlen  entspricht  einer 
Temperaturänderung  der  Drahtmassen  um  weniger  als  2°, 
welche  nicht  controlirt  werden  kann. 

VIL  Vergleichung  des  Widerstandes  w  mit  Siemens'schen  Etalons. 

Die  beiden  Etalons  von  je  4  Quecksilbereinheiten,  mit 
No.  1135  und  No.  1143  bezeichnet,  waren  bei  den  Tem- 
peraturen -h  19°,4  resp.  18°,3  als  richtig  verbürgt.  Die 
Zunahme  des  Widerstandes  in  dem  Neusilberdraht  betrug 
auf  1°  0,0004  des  Ganzen.  Hiernach  müfste  das  Ver- 
hältnifs  bei  gleicher  Temperatur  gewesen  seyn 

No.  1143       .  onn  i  i 
No.  1135  ™  1  ,  wv*4. 

Ich  fand  durch  Vergleichung  mit  dritten  Widerständen 

1,00050     1,00046     1,00055;  Mittel  —  1,00050. 
Die  Differenz  von  obigem  Verhältnifs  entspricht  einem 
Temperaturfehler  von  nur  0°,15  und  kann  somit  als  Probe 
für  die  Genauigkeit  der  Copien  und  der  Vergleichungs- 
methode dienen. 

Da  bei  dem  Beginn  der  Messungen  die  Etalons  noch 
nicht  vorlagen,  so  hatte  ich  selbst  vier  provisorische  Neu- 
silberwiderstande (ich  will  sie  mit  4,  C,  D  bezeichnen) 
nahe  gleich  je  4  Siem.  hergestellt,  die  bei  der  Bestimmung  I 
zur  Vergleichung  mit  dem  Inductor  dienten.  Später  wurden 
sie  auf  die  inzwischen  eingetroffenen  Etalons  zurückgeführt. 
Danach  war  ihr  Werth  bei  18°,85 

4=4,1021  Ä  =  4,0977  C  =  4,1095  D  =  4,0965  Siem. 
Zur  Interpolation  waren  noch  zwei  Zehntel  Siem.  noth- 
dig.  Sie  wurden  aus  zwei  Stücken  Neusilberdraht  ge- 
bildet, die  in  Kupferstifte  eingelöthet  zwischen  den  letz- 
teren je  325m"  lang  waren.  Da  sich  ferner  ergab,  dafs 
3250—  desselben  Drahtes  bei  12°,0  den  Widerstand 
1  Siem.  hatten,  so  stellen  besagte  Stücke  bei  12°,0  rich- 
tige Zehntel  vor. 


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32 


Da  die  Kette  Inductor  Galvanometer  durch  Hinzu- 
fügen eines  kleinen  Ballastes  von  Kupferdraht,  der  ein-  für 
allemal'  eingeschaltet  blieb,  auf  nahe  4  Siem.  ergänzt  worden 
war,  so  konnte  zur  Vergleichung  ein  Differentialgalvanometer 
angewandt  werden.  Dasselbe  war  äufserlich  dem  S.  24  be- 
schriebenen ähnlich.  Um  von  thermischen  Einflüssen  ganz 
unabhängig  zu  seyu,  dienten  nur^kurze,  durch  einen 
Web er'sehen  Magnet -Inductor  nach  der  Multiplications- 
methode  hervorgebrachte  Ströme  zur  Vergleichung,  welche 
durch  die  beiden  Widerstände  und  die  beiden  Galvano- 
meterdrähte verzweigt  wurden.  Die  Erwärmung  durch  die 
sehr  schwachen  kurzen  Ströme  ist  jedenfalls  ganz  ver- 
schwindend; gleichzeitig  aber  haben  auch  zufallige  ther- 
moelektromotori8che  Kräfte  die  bei  einer  über  einen  gröfse- 
ren  Raum  ausgebreiteten  Leitung  unvermeidlich  sind,  gar 
keinen  Einflufs,  da  die  Inductionsströme  an  Richtung  al- 
terniren.  Das  angewandte  Verfahren,  insbesondere  auch  mit 
Rücksicht  auf  den  im  Inductor  entstehenden  Extrastrom, 
habe  ich  in  diesen  Annalen  Bd.  142,  S.  418  ausfuhrlich 
mitgetheilt  und  verweise  auf  den  genannten  Aufsatz. 

Die  Aufstellung  sämmtlicher  Instrumente  zeigt  sche- 
matisch Fig.  2  Taf.  I.  C  ist  ein  Stöpselcommutator  mit 
sechs  Kupferplatten  aus  Hartgummi,  massiv  und  sehr  sorg- 
faltig gearbeitet.  Daneben  befanden  sich  fünf  solide  Klemm- 
schrauben, welche  durch  Schieber  leitend  mit  einander  ver- 
bunden werden  konnten.  Wie  die  übrigen  Theile  hiermit 
verbunden  waren,  zeigt  die  Figur  an.  J  und  G,  Erdin- 
ductor  und  Galvanometer  bilden  die  Kette,  deren  absoluter 
Widerstand  bestimmt  wird;  diese  wird  durch  Stöpseln  bei 
(I)  in  sich  geschlossen.  Behufs  der  Vergleichung  mit  dem 
Siemens'schen  Etalon  wird  (1)  entfernt,  dagegen  stöpselt 
man  jetzt  an  den  beiden  (2).  Dann  ist  also  der  Etalon  E 
mit  dem  einen,  die  Kette  J  G  mit  dem  anderen  Zweig  des 
Differentialmultiplicators  D  zusammen  geschaltet.  Um  sie 
in  Bezug  auf  diese  Zweige  zu  vertauschen,  brauchen  nur 
die  Stöpsel  bei  (2)  herausgezogen  und  bei  (3)  eingesetzt 
zu  werden.    M  ist  die  Stromquelle,  der  Maguetinductor 


33 


(welcher  während  der  absoluten  Messungen  entfernt  war). 
Die  zu  E  oder  J  G  hinzugefügten  Zehntel  sind  durch  0,1 
bezeichnet ;  durch  Zuschieben  und  Festschrauben  der  Vor- 
reiber  werden  sie  unwirksam. 

Die  Nadeln  des  Galvanometers  G  wurden  selbstver- 
ständlich während  der  Vergleichung  festgelegt.  Dafs  die 
Bewegung  des  Inductionsmagnets  in  ^f,  der  bekanntlich 
aus  zwei  mit  gleichen  Polen  gegeneinandergesetzten  Mag- 
neten besteht,  keine  Fernwirkung  auf  den  Inductor  aus- 
übte, wurde  besonders  constatirt. 

Die  Versuche  zu  detailliren  ist  überflüssig,  da  die 
Fehler  der  Vergleichung  jedenfalls  gegen  diejenigen  der 
absoluten  Bestimmung  nicht  in  Betracht  kommen.  Uebrigens 
ist  das  in  der  citirten  Abhandlung  S.  421  angezogene  Bei- 
spiel eine  der  hier  vorgekommenen  Bestimmungen. 

No.  Ia  und  Ib  der  absoluten  Messungen  gehören  zu 
einer  z irischen  ihnen  vorgenommenen  Vergleichung,  und 
zwar  mit  den  provisorischen  Etalons,  da  die  Siemens'- 
schen  damals  noch  nicht  eingetroffen  waren.  II  und  III 
sind  an  anderen  Tagen  angestellt  worden,  wobei  eine  Ver- 
gleichung vorausging  und  nachfolgte.  Die  Versuche  er- 
gaben den  Widerstand  to  oder  Inductor  -+-  Galvanometer 
gleich  folgenden  Zahlen  in  Siemens'schen  Einheiten: 

I.    Temperatur  der  Etalons  =  -f-  15°,3. 
A  +  0,0071  =4,1034  Siem. 
£  +  0,0111  =4,1030    .  Mittel 
C4- 0,0003  =  4,1034    ,  w  =  4,1029  Siem. 

Z>4-  0,01 13  =  4,1020  „ 


Anfang 

Schlufs  j 

In  Siemen  »'sehen  Einheiten 

II.        Temp.  =  4-14Ä,8 

4-15°,0 

Anfang 

Schlufs 

Mittel 

(No.  1135)4-0,1136 

4-  0,1108 

4,1062 

4,1038 

4,1050 

(No.  1143)4-0,1118 

4-  0,1089 

4,1062 

4,1036 

4,1049 

w  = 

4,1049  Siem. 

DL       Temp.  = -hl  3°, 8 

4-14°,2 

(No.  1135)4-0,1002 

4-  0,1104 

4.0915 

4,1022 

4,0968  . 

(No.  1143)4-0,0980 

4-  0,1086 

4,0906 

4,1019 

4,0962 

IT  =  4,0965  Siem. 

PoggendorfFs  Annal.    Ergäninngsbd.  VI.  3 


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34 

VIII.  Resultate. 

Indem  wir  diese  in  Siem ens'schen  Einheiten  ausge- 
drückten Widerstände  mit  denselben  nach  absolutem  Maafse 
bestimmten  (S.  31)  vergleichen,  erhalten  wir 

I.    4,1029  Siem.  =  3,9812  1  Siem.  =»  0,9703. 

IL    4,1049    „     =3,9903    „  „  =0,9721. 

III.   4,0965    „     =3,9849    „  „  =0,9728. 

Im  Mittel  also 

ISiem.  Quecksilber-Einheit  =  0,9717  _Erd(>uad£^! 

^  Sccunde 
Was  das  Verhältnifs  der  British  Association  Einheit 
zur  Siemens'schen  betrifft,  so  darf  als  zuverlässigster 
bis  jetzt  veröffentlichter  Werth  wohl  derjenige  angesehen 
werden,  welchen  Hr.  Dehrns  aus  einer  von  Hrn.  Jenkin 
angestellten  Vergleichung  ableitet  *), 

1  British  Association  Einheit  =  1,0493  Si em. 
Hr.  Dehrns  und  Hr.  Hermann  Siemens  hatten  die 
Güte,  auf  meine  Bitte  eine  neue  Vergleichung  anzustellen, 
wobei  zunächst  eine  im  Siemens'schen  Laboratorium  vor- 
handene British  Association  Einheit  (No.  61)  sich  =  1,0473 
erwies.  Da  diese  Vergleichung  wegen  Beschädigung  der 
Einheit  in  der  Luft  vorgenommen  werden  in  niste,  wird 
ihr  keine  entscheidende  Bedeutung  beigelegt.  Ferner  kamen 
die  British  Association  Einheiten  der  Herren  Brix  (No.  21) 
und  Weber  (No.  51)  zur  Vergleichung  und  ergaben  voll- 
ständig übereinstimmend  mit  der  obigen  Zahl  den  Werth 
1,0493.  Vergleicht  man  dieses  Zusammenstimmen  mit  den 
früheren  enormen  Differenzen  in  den  Angaben  Über  Wider- 
standseinheiten, so  liegt  darin  ein  sehr  erfreulicher  Beweis 
von  dem  Fortschritt  auf  diesem  Gebiete  der  Messung  3). 
Unter  Benutzung  der  Zahl  1,0493  findet  sich  schließlich 

1  British  Association  Einheit  =  1,0196  ^^L1 

7  Secunde  7 

1)  In  dem  Resultat  0,9705  (Gött.  Nachr.  1870,  S.  523)  war  ein  Rechen- 
fehler  untergelaufen. 

2)  Diese  Ann.  Bd.  CXXXVI,  S.  404;  Rep.  Brit.  Assoc.  1864.  S.  349. 

3)  Im  1.  Heft  1873  dieser  Annalen  findet  sich  die  Arbeit 


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35 


d.  h.  diese  Einheit  wäre  danach  um  nahe  2  Proc.  gröfser, 
als  beabsichtigt  wurde. 

Die  elektromotorischen  Kräfte  Daniell  und  Grove 
sind  von  Ammann  und  mir  ==  11,71  resp.  19,98  Siem. 
Weber  gefunden  worden;  sie  haben  also  den  absoluten 
Werth l)  ,  . 

Daniell  —  11,38  . 10"  M"''  Mf7' 

1  Secunde1 

Grove   =  19,42  .  1010  „  „. 

Die  thermoelektromotorische  Kraft  Neusilber  -  Eisen  ist  in 
.  derselben  Einheit  =  2400000  für  1°  Temperaturdifferenz 
der  Lötbstellen  in  mittlerer  Temperatur. 


II.    Bestimmung  der  optischen  Constanten  des 
Kupfervitriols;  von  Carl  Pape. 


1.  Jn  früheren  Abhandlungen  2)  ist  es  versucht,  den 
Zusammenhang  zwischen  den  Axensystemen  zu  ermitteln, 
auf  welche  verschiedene  physikalische  Eigenschaften  der 
Kry stalle  zu  beziehen  sind.  Es  hat  sich  ergeben,  dafs 
das  thermische  mit  dem  chemischen  Axensysteme  stets 
zusammenfallt  und  gleichzeitig  in  allen  Krystallsystemen 
auch  als  das  natürliche  rechtwinklige  krystallographische 
Axensystem  anzusehen  ist.  Bei  anderen  physikalischen 
Eigenschaften  findet  eine  ähnliche  einfache  Beziehung  der 
entsprechenden  Axensysteme  zu  den  genannten  in  dieser 
Allgemeingültigkeit  nicht  statt,  obwohl  überall  eine  über- 
haupt vorhandene  Abhängigkeit  zu  erkennen  ist,  soweit 
vorliegende  Beobachtungen  ein  Urtheil  gestatten. 

Am  meisten  mafsgebend  erweist  sich  bis  jetzt  das 
thermische  Axensystem  noch  für  die  Richtung  der  Axen 

1)  Vcrgl.  diese  Ann.  Bd.  CXLI,  S.  458,  wobei  zu  bemerken,  dafs,  nach 
den  erforderlichen  Heductionen ,  die  von  A  mm  Ann  nnd  mir  gefun- 
denen Zahlen  sehr  nahe  mit  den  Resultaten  von  Waltenhofen^ 
übereinstimmen.    (Ann.  Bd.  CXXXIII,  S.  478.) 

2)  Diese  Ann.  Bd.  125,  133,  135. 

3* 


36 


der  Wärmeleitung  und  der  optischen  Elasticität.  Wir 
wissen,  dafs  in  viergliedrigen,  zwei-  und  zweigliedrigen  und 
sechsgliedrigen  Krystallen  alle  drei  Axensysterae  zusammen- 
fallen und  dafs  bei  den  zwei-  und  eingliedrigen  wenigstens 
eine  der  Axen  immer  mit  der  krystallographischen  Sym- 
metrieaxe  gleiche  Richtung  hat,  während  die  beiden  an- 
deren in  der  Symmetrieebene  eine  von  vornherein  nicht 
zu  bestimmende  Lage  haben.  Für  die  optischen  Er- 
scheinungen läfst  sich  dies  spezieller  dabin  aussprechen, 
dafs  entweder  die  optischen  Axen  in  der  Symmetrieebene 
liegen,  ohne  dafs  sich  für  die  gröfste  und  kleinste  Elasti- 
citätsaxe  eine  bestimmte  Richtung  angeben  läfst,  oder  dafs 
die  Ebene  der  optischen  Axen  rechtwinklig  zur  Symmetrie- 
ebene liegt  und  bei  den  verschiedenen  Krystallen  bald  die 
erste,  bald  die  zweite  Mittellinie  mit  der  Symmetrieaxe 
zusammenfällt. 

Nur  bei  den  ein-  und  eingliedrigen  Krystallen  kennen 
wir  bis  jetzt  irgend  eine  Abhängigkeit  der  Richtung  der 
Wärmeleitungsaxen  oder  der  der  optischen  Elasticität  von 
den  Krystallaxen  nicht.    Es  wäre  nicht  unmöglich,  dafs 
sie  dennoch  vorbanden  und  nur  deshalb  nicht  erkannt 
wäre,  weil  die  schiefwinkligen  Axen,  auf  welche  man  die 
Krystalle  dieses  Systemes  zu  beziehen  pflegt,  dem  jedes- 
maligen Bedürfnisse  entsprechend,  mehr  oder  weniger  will- 
kührlich  gewählte  sind  und  ihre  Berechtigung  in  keinerlei 
physikalischen  Gründen,  sondern  höchstens  darin  finden, 
dafs  sie  eine  übersichtlichere  Darstellung  der  verschiedenen 
Flächenformen  gestatten.   Denkbar  wäre  es,  dafs  auch  hier 
eine  gewisse  Gesetzmäfsigkeit  hervorträte,  wenn  der  Unter- 
suchung das  mit  den  chemischen  Axen  zusammenfallende 
thermische  Axensystem  zu  Grunde  gelegt  würde,  da  das- 
selbe auch  in  krystallographischer  Beziehung  den  Be- 
dingungen entspricht,  welche  man  als  charakteristisch  für 
das   natürliche   rechtwinklige    krystallographische  Axen- 
system annimmt.    Die  Möglichkeit,  dafs  unter  diesen  Um- 
ständen sich  wenigstens  eine  Beziehung  ähnlich  der  im 
zwei-   und   eingliedrigen   Systeme    herausstellen  könnte, 


37 


müfste  um  so  eher  zugelassen  werden,  als  sich  sowohl 
beim  Kupfervitriol,  wie  bei  dem  ebenfalls  1  -f-  1  gliedrigen 
Axinit  neben  den  eingliedrigen  auch  zweigliedrige  Formen 
zeigen,  sobald  diese  Krystalle  auf  rechtwinklige  Axen  be- 
zogen werden,  wenn  auch  die  Symmetrie  des  2  -f-  1  glie- 
drigen Systemes  sich  nicht  herausstellt.  l) 

Aus  diesen  Gründen  schien  es  mir  interessant  zu  seyn, 
für  den  einzigen  Krystall  dieses  Systemes,  bei  dem  die 
zusammenfallenden  thermischen,  chemischen  und  krystallo- 
graphischen  Axen  ihrer  Lage  nach  bekannt  sind,  den 
Kupfervitriol,  unter  Berücksichtigung  der  vorhandenen  An- 
gaben über  die  optischen  Constanten  dieses  Salzes,  nach 
einer  solchen  Gesetzmäßigkeit  zu  suchen.  Bei  genauerer 
Prüfung  dieser  Beobachtungen  ergab  sich  aber  sofort,  dafs 
sie  bei  grofser  Dürftigkeit  wenig  Vertrauen  erweckend 
sind  und  für  den  ausgesprochenen  Zweck  sich  nicht  ver- 
werthen  lassen.  Sie  enthalten  aufser  der  Bemerkung,  dafs 
der  Krystall  optisch  negativ  sey,  nur  Zahlen werthe  für 
den  gröfsten  und  kleinsten  Brechungsexponenten  und  im 
Uebrigen  nur  eine  Schätzung  des  Winkels  der  optischen 
Axen,  der  Lage  ihrer  Ebene  und  der  Richtung  einer  der 
Axen.  Diese  Angaben  wiederholen  sich  überall  in  genau 
derselben  Weise  *)  und  differiren  hier  und  da  nur  in  sofern, 
als  der  Eine  sagt,  die  Axen  für  die  verschiedenen  Farben 
gehen  nicht  merklich  auseinander*),  der  Andere  dagegen 
behauptet,  dafs  sie  ziemlich  stark  divergiren. 4)  Die 
Schätzungen  und  auch  die  Angabe,  dafs  die  Lage  der 
optischen  Axen  für  die  verschiedenen  Farben  wenig  ab- 
weicht, sind  auf  Beer  zurückzufuhren.   Die  Zahlenwerthe 

1)  Diese  Ann.  Bd.  133,  S.  383. 

2)  Beer,  diese  Ann.  Bd.  82,  S.  63  und  Einl.  in  d.  höhere  Optik; 
GraUich  in  der  Uebersetznng  von  Miller'«  Kristallographie; 
Descioiseaux  de  Vemploi  de»  propri/t/s  optiques  birdfringentea  en 
Mineraloyie;  Sc h rauf,  die  Revision  der  vorhandenen  Beobachtungen 
an  krystall.  Körpern  von  A.  Weiss  und  A.  Sehr  auf  in  den  Abh. 
d.  Wiener  Akademie  XXXIX.  1860. 

3)  A.  a.  O.  bei  Beer,  Grailich,  Schrauf. 

4)  Descioiseaux  a.  a.  0. 


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38 


der  beiden  Brechungsexponenten  rühren  dagegen,  wie  auch 
gewöhnlich  bemerkt  wird,  von  Brewster  her.  Ein  Auf- 
satz A  table  of  refractire  Densities  computed  from  Dr. 
Brewster's  Experiments  in  dem  1827  erschienenen  22. 
Bande  des  Quarterly  Journal  of  Science,  Literature  and  the 
Arts  enthält  nur  diese  Zahlen  und  die  Bemerkung,  dafs 
sie  einer,  1813  zu  Edinburgh  erschienenen  Publication 
Brewster's  in  dem  Treatise  on  philosophical  Instruments 
entnommen  seyen.  Unter  Berücksichtigung  der  Zeit,  in 
welcher  sie  ermittelt  sind,  dürften  aber  auch  diese  Zahlen 
mit  Vorsicht  aufzunehmen  seyn  und  somit  die  sämmtlichen 
Angaben  über  das  optische  Verhalten  des  Kupfervitriols 
unbrauchbar  erscheinen. 

Sollte  der  beabsichtigte  Versuch  nicht  anfgegeben 
werden,  so  mufste  zu  der  besonderen  Bestimmung  der 
optischen  Constanten  des  Kupfervitriols  geschritten  werden, 
und  ich  habe  mich  dazu  entschlossen,  da  die  Kenntnils 
derselben  schliefslich  auch  an  und  für  sich  von  Interesse 
ist.  Die  vorliegende  Abhandlung  enthält  die  Resultate 
dieser  Untersuchung  und  beschäftigt  sich  ausschliefslich 
damit,  da  aus  denselben  leicht  zu  übersehen  ist,  dafs  für 
die  gesuchte  gesetzmäfsige  Beziehung  zwischen  den  Axen 
der  optischen  Elasticität  und  den  thermischen  Axen  keinerlei 
Anhalt  gewonnen  werden  kann. 

2.  Um  die  Richtung  der  optischen  Axen  sowie  die 
drei  Hauptbrechungsexponenten  zu  bestimmen,  inufs  bei 
Krystallen  des  1-4-1  gliedrigen  Systemes  im  Allgemeinen 
zunächst  die  Ebene  der  optischen  Axen  ihrer  Lage  nach 
ungefähr  bekannt  seyn  und  darauf  mittelst  eines  aus  dem 
Krystalle  geschliffenen  Prismas,  dessen  brechende  Kante 
senkrecht  zu  dieser  Ebene  steht,  der  mittlere  Brechungs- 
exponent angenähert  ermittelt  werden.  Darauf  ist  eine 
Platte  aus  dem  Krystalle  zu  schleifen,  deren  parallele 
Flächen  rechtwinklig  zu  der  ersten  Mittellinie  stehen,  und 
an  derselben  der  Winkel  der  scheinbaren  optischen  Axen 
zu  messen,  sowie  die  Lage  beider  zu  der  dem  Beobachter 
zugekehrten,  nach  ihrer  Lage  am  Krystalle  bekannten 
Fläche  und  noch  zweien  an  der  Platte  vorhandenen  natür- 


39 


liehen  Krystallflächen.  Aus  diesen  Beobachtungen  und 
dem  zuerst  gefundenen  mittleren  Brechungsexponenten 
läfst  sich  dann  die  Richtung  der  wahren  optischen  Axen 
ableiten.  Nach  diesen  Resultaten  6ind  darauf  Prismen  an- 
zufertigen, deren  brechende  Kanten  den  drei  Elasticitäts- 
axen  parallel  laufen,  und  an  ihnen  die  drei  Brechungs- 
exponenten zu  beobachten.  Da  jedes  richtig  geschliffene 
Prisma  zwei  Brechuugsexponenten  liefert,  bei  drei  Prismen 
jeder  also  doppelt  bestimmt  ist,  so  besitzt  man  im  Vergleiche 
beider  das  Mittel,  zu  prüfen,  ob  die  ursprüngliche  Be- 
stimmung des  mittleren  Brechungsexponenten  hinreichend 
zuverlässig  ist,  oder  nicht.  Im  letzteren  Falle  würde  man 
mit  dem  Mittel  aus  seinen  zuletzt  erhaltenen  Werthen  die 
wahren  optischen  Axen  von  Neuem  berechnen  und  nach 
dieser  Rechnung  neue  Prismen  schleifen  müssen. 

In  dieser  Weise  ist  auch  fiir  den  vorliegenden  Fall  die 
Untersuchung  ausgeführt,  nur  habe  ich  die  directe  ange- 
näherte Bestimmung  des  mittleren  Brechungsexponenten 
unterlassen  und  mich  damit  begnügt,  statt  dessen  das 
Mittel  aus  den  von  Brewster  angegebenen  Werthen  des 
gröfsten  und  kleinsten  Brechungsexponenten  zu  benutzen, 
in  der  Voraussetzung,  dafs  dasselbe  zum  Zweck  der  ersten, 
ungefähren  Orientirung  hinreichend  genau  sein  würde. 
Durch  die  weiteren  Beobachtungen  hat  sich  dieser  Weg 
als  sehr  zweckmäfsig  erwiesen,  indem  die  so  gewonnene 
Zahl  zufallig  mit  dem  wirklichen  Werthe  des  mittleren 
Brechungsexponenten  für  eine  mittlere  Farbe  übereinstimmt, 
während  fiir  den  gröfsten  und  kleinsten  Exponenten  andere 
als  die  Brewster'scben  Zahlen  gefunden  sind. 

Die  Krystallplatten,  an  denen  die  Lage  der  optischen 
Atxen  ermittelt  werden  sollte,  wurden  nach  der  vorläufigen 
Orientirung  so  geschliffen,  dafs  ihre  beiden  parallelen 
Flächen  möglichst  rechtwinklig  zur  ersten  Mittellinie  zu 
liegen  kamen  und  beide  Ringsysteme  deutlich  zu  sehen 
waren.  Unter  Bezugnahme  auf  die  im  133.  Bande  dieser 
Annalen  auf  Tafel  II  gegebenen  Zeichnungen  der  Kupfer- 
vitriolkrystalle  liegt  die  eine  dieser  Flächen,  die  in  der 


40 


Folge  mit  f  bezeichnet  wird,  rechts  oben,  wenn  bei  ver- 

ticaler  Stellung  der  Axe  der  Zone  rmt  die  Fläche  p  ( 1  1  1 ) 
dem  Beobachter  zugekehrt  ist  und  r  rechtwinklig  zur 
Projectionsebene  steht.  Von  den  beiden  optischen  Axen 
liegt  dann  die  mit  Ox  bezeichnete  unten  rechts,  die  andere 
Oa  oben  links  von  f.  Die  Zeichnung  Fig.  3,  Taf.  I.  zeigt 
in  Form  einer  Kugelconstruction  mit  Angabe  der  ent- 
sprechenden scheinbaren  optischen  Axen  0,  und  02  an- 
deutungsweise die  gegenseitige  Lage  der  Axen  und  der 

zur  Bestimmung  benutzten  Flächen  p,  t,  m,  wie  6ie  sich 
bei  einer  der  benutzten  Platten  herausgestellt  bat.  Es 
wurden  gerade  diese  Flächen  p,  /,  m  gewählt,  weil  sie  die 
einzigen  waren,  welche  sich  an  den  wenigen  zur  Unter- 
suchung sonst  Oberhaupt  geeigneten  Krystallen  als  hin- 
reichend spiegelnd  erwiesen  und  dabei  auch  eine  für  die 
Rechnungen  vorteilhafte  Lage  besafsen. 

Als  Mefsinstrument  ist  das  von  mir  bereits  vielfach 
benutzte,  ungemein  vielseitig  verwendbare  kleine  M ey er- 
ste in'sche  Spectrometer  mit  dem  zu  goniometrischen 
Messungen  beigegebenen  Krystallträger  gebraucht.  Bei 
der  Möglichkeit,  das  Beobachtungsfernrohr  nach  Belieben 
mit  dem  drehbaren  Theilkreise,  oder  dem  Ful'se  des  In- 
strumentes fest  zu  verbinden,  genügte  es  allen  Anforderungen, 
die  bei  dieser  Untersuchung  an  ein  Mefsinstrument  zu 
stellen  sind,  wenn  man,  was  in  diesem  Falle  genügend 
erschien,  sich  mit  einer  Genauigkeit  der  Ablesung  bis  auf 
Minuten  begnügt,  die  neuerdings  einfacher  und  in  erhöhtem 
Mafse  durch  Anbringung  eines  zweiten  Nonius  gesichert 
war.  Das  Beobachtungsfernrohr  raufste  hier,  wie  früher 
bei  der  Bestimmung  der  thermischen  Axen  umgekehrt  an- 
gewandt werden,  so  dais  das  Objectiv  dem  Beobachter 
zugekehrt  war  und  als  Ocular  diente.  Es  war  das  er- 
forderlich, weil  die  natürlichen  Flächen  nur  so  scharfe 
Spiegelbilder  der  als  Visirobjecte  benutzten  Lothe  geben. 
Aber  auch  ganz  abgesehen  hiervon  war  diese  Vorkehrung 
durchaus  nöthig,  um  die  nie  sehr  grofsen  Kry stallplatten 


41 


überhaupt  benutzen  und  mit  möglichster  Schärfe  auf  die 
optischen  Axen,  die  Mittelpunkte  der  Ringsysteme,  ein- 
stellen zu  können.  Platten  von  so  bedeutender  Ausdehnung, 
wie  sie  erforderlich  seyn  würden,  um  bei  gewöhnlicher 
Richtung  des  Femrohres  nur  einen  der  Ringe  zu  sehen 
und  den  Mittelpunkt  sicher  zu  erkennen,  waren  nicht  her- 
zustellen, da  das  Innere  grofser  Krystalle  nie  durchweg 
klar  ist.  Bei  den  benutzten  Platten,  deren  Schliffflächen  bei 
einer  Dicke  von  ungefähr  2,5  bis  3lnm  eine  Ausdehnung  von 
nur  etwa  4  zu  10ram  hatten,  war  das  Innere  durchweg  klar, 
spiegelten  die  natürlichen  Flächen  gut  und  konnte  ein  sehr 
scharf  begrenztes  System  von  4  bis  6  Ringen  gleichzeitig 
übersehen  werden,  sobald  auf  die  optische  Axe  eingestellt 
war,  und  eine  bedeutend  gröfsere  Zahl  ging  beim  Drehen 
des  Krystalles  durch  das  Gesichtsfeld. 

Beim  Beobachten  der  optischen  Axen  wurde  das  ein- 
fallende Licht  durch  ein  NicoTsches  Prisma  polarisirt 
und  ging  nach  seinem  Austritte  aus  dem  Fernrohre  durch 
eine,  unmittelbar  vor  das  als  Ocular  dienende  Objectivglas 
angebrachte  Turmalinplatte  ins  Auge. 

Nach  Feststellung  der  Lage  beider  Schliffflächen  unter 
einander  und  zu  den  natürlichen  Flächen  wird  der  schein- 
bare Winkel  der  optischen  Axen  für  die  beiden  Fälle  be- 
stimmt, dafs  einmal  die  eine  und  dann  die  andere  Schliff- 
fläche dem  Beobachter  zugekehrt  ist.  Hiernach  ist  die 
Neigung  der  scheinbaren  optischen  Axen  gegen  das  Loth 
der  dem  Beobachter  zugewandten  Schlifffläche  zu  ermitteln. 
Zu  dem  Zwecke  wird  die  Platte  so  gerichtet,  dafs  diese 
Fläche  senkrecht  steht  und  die  betreffende  optische  Axe 
gesehen  werden  kann.  Das  erstere  ist  der  Fall,  wenn 
den,  nach  einem  in  der  Gesichtslinie  angebrachten  Lothe 
't  parallel  gerichteten  Parallelfaden  des  Fernrohrs  ein 
zweites  Loth  parallel  von  der  Fläche  gespiegelt  wird. 
Auf  das  Loth  /t  wird  das  Fernrohr  eingestellt,  darauf 
durch  eine  Drehung  des  Krystallträgers  die  optische  Axe 
und  durch  passende  Veränderung  des  horizontal  verschieb- 
baren Aufhängepunktes  des  Lothes      dessen  Spiegelbild 


f 


42 


an  dieselbe  Stelle  gebracht.  Bei  dem  Abstände  beider 
Lothe  vom  Krystalle  von  3  bis  im  kann  diese  Einstellung 
sehr  genau  bewirkt  werden.  Nach  Entfernung  des  Kry- 
stalles  wird  der  Theilkreis  mit  dem  daran  befestigten  Fern- 
rohre gedreht,  bis  das  Loth  /4  direct  zu  sehen  ist  und  auf 
dieses  eingestellt.  Aus  dem  Drehungswinkel  a  ergiebt 
sich  dann  der  Winkel  g  zwischen  der  Flächennormale  und 
der  scheinbaren  optischen  Axe: 

(>  =  90-f . 

Zur  Bestimmung  des  Winkels  tf  zwischen  einer  optischen 
Axe  und  dem  Lothe  einer  der  natürlichen  Flächen  wird 
zunächst  das  Fernrohr  mit  dem  Fufse  des  Instrumentes 
fest  verbunden,  darauf  die  Platte  so  befestigt,  dafs  die 
optische  Axe  eingestellt  werden  kann  und  gleichzeitig  die 
natürliche  Fläche  vertical  steht,  also  bei  einer  Drehung 
des  Theilkreises  ein  Loth  den  vertical  gestellten  Fäden 
des  Fernrohres  parallel  spiegelt.  Nachdem  das  Fernrohr 
auf  die  optische  Axe  und  ein  Loth  /,  eingestellt  ist,  wird 
die  Platte  mit  dem  Kreise  um  einen  Winkel  ß  gedreht 
bis  ein  zweites  Loth  /,  von  der  natürlichen  Fläche  an  der 
Stelle  reflectirt  erscheint,  auf  welcher  vorher  /,  zu  sehen 
war.  Hierauf  wird  das  Fernrohr  an  dem  Kreise  befestigt, 
auf  /,  eingestellt  und  der  Winkel  y  gemessen,  um  welchen 
es  gedreht  werden  mufs,  bis  das  direct  gesehene  Loth  l2 
eingestellt  ist.  Für  unveränderte  Lage  der  verticalen 
Drehungsaxe  des  Instrumentes  während  beider  Beobach- 
tungen mufs  durch  besondere  Vorkehrungen  gesorgt  sein. 
Aus  ß  und  y  ergiebt  sich  dann  der  gesuchte  Winkel 

y  =  /Szb(90-f), 

wobei  das  positive  Vorzeichen  gilt,  wenn  das  Loth  I, 
beim  Einstellen  auf  /,  sich  auf  derselben  Seite  befindet, 
wie  die  Kry stallfläche,  von  der  es  zur  Bestimmung  des 
Winkels  ß  gespiegelt  beobachtet  wird;  befindet  es  sich 
aber  auf  der  entgegengesetzten  Seite,  so  gilt  das  negative 
Zeichen. 


43 


3.  In  dieser  Weise  ist  die  Richtung  der  optischen 
Axen  an  zwei  verschiedenen  Platten,  zunächst  unter  An- 
wendung weifsen  Lichtes,  also  für  eine  mittlere  Farbe  be- 
stimmt. Bei  der  Kleinheit  des  Durchmessers  von  nur 
etwa  1°,5  sowie  der  äufserst  scharfen  Abgrenzung  des  fast 
schwarzen  inneren  Ringes  und  des  in  seiner  Mitte  liegenden 
Theiles  des  schwarzen  Büschels  war  die  Einstellung  auf 
die  Mitte  der  Ringe  sehr  genau  möglich. 

Die  folgende  Tabelle  enthält  die  Resultate,  welche  an 
den  mit  1.  .und  2.  bezeichneten  Platten  gewonnen  sind. 
An  der  ersteren  sind  die  Messungen  für  beide  Schlifi'flächen 
angestellt,  um  bei  dem  nicht  vollständig  erreichten  Parallelis- 
mus derselben  eine  Kontrolle  zu  ermöglichen.  In  Bezug 
auf  die  Bezeichnung  sey  noch  bemerkt,  dafs  die  angegebenen 
Winkel  die  der  Normalen  sind  und  dafs  die  Buchstaben, 
durch  welche  die  Durchschnittspunkte  der  Flächennormalen, 
oder  der  scheinbaren  optischen  Axen  mit  der  Constructions- 
kügel  bezeichnet  sind,  einen  übergesetzten  Strich  erhalten 
haben,  die  ersteren  sobald  sie  mit  der  Krystallaxe  -f-  A  auf 
derselben  Seite  der  dazu  senkrechten  Axenebene  B  C  liegen, 
die  letzteren  sobald  sie  bei  der  Beobachtung  zu  der,  der 
Fläche  f  parallelen,  mit  F  bezeichneten  Schliffiläche  aus- 
getreten sind. 


Krystall  1.  Krystall  2. 


Fläche  /. 

Fläche  F. 

Fläche  /. 

Ox  0,    93°  28,71 

93° 

7',24 

|  93°30',32 

OJ      61  .  58,47 

Ox  F 

60. 

53,22 

55.  16,12 

02  f     49  .  46,86 

02F 

54. 

51,56 

otf 

41  . 45,53 

Otm  81.11,36 

Ü,  m 

122. 

55,08 

02p 

31  .45,86 

0,  t      63  .  32,56 

Ö7m 

96. 

3,18 

70 . 46,64 

ft        97.  4,52 

0%t 

118. 

17,49 

ft 

88.  4,95 

fm       32.  0,85 

Ft 

80. 

40,92 

fp 

72  .  13,72 

F~m 

150. 

16,66. 

Die  Winkel  pt  und  f  m,  deren  Kenntnifs  für  die  weiteren 
Rechnungen  nöthig   war,   sind   ersterer  aus  bekannten 


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44 


Messungen  entnommen,  letzterer  besonders  an  einem  guten 
Krystalle  gemessen.  Die  in  der  Folge  benutzten  Werthe 
sind: 

pt  52ft20',00 
tm  122  . 44,72. 

Die  Neigung  der  nicht  vollkommen  parallel  erhaltenen 
Flächen  f  und  F  zu  kennen,  war  nicht  erforderlich,  um 
aber  beurtheilen  zu  können,  in  welchem  Grade  der  Pa- 
rallelismus erreicht  war,  ist  der  Winkel  fF  bestimmt,  aller- 
dings ohne  Rücksicht  auf  die  Lage  der  Flächenkante,  und 
er  hat  sich  ergeben 

rar  Krystall  1  zu  177°  24',88 
„      2   „  179.40,67. 

Ferner  ist  die  Dicke  der  Platten  für  ihre  Mitten  gemessen 
und  gefunden: 

1.  2-,43 

2.  3  ,12. 

Aus  den  obigen  Beobachtungen  folgt  nun  die  Lage 
der  wahren  optischen  Axen  o,  und  o%  und  ihrer  Ebene, 
wenn  der  mittlere  Brechungsexponent  bekannt  ist.  Als 
solcher  wurde,  wie  schon  erwähnt,  das  Mittel  aus  den 
Brewst  er  'sehen  Zahlen  rar  den  gröfsten  und  kleinsten 
Brechungsexponenten  eingeführt.  Die  beiden  letzteren 
sind  1,552  und  1,531,  das  Mittel  also  1,542.  Wird  der 
Schnittpunkt  der  Ebene  der  optischen  Axen  mit  der  Ebene 
pt  auf  der  Constructionskugel  mit  Q  bezeichnet,  so 
giebt  sich: 

Krystall  1.  Krystall  2. 

Fläche  /  Fläche  F.  Flache  /. 

0,0,  56°  0',00  56°  5',26  56°  2',00 

oxt  88.13,00  88.  4,00  88.18,50 

o2t  76.29,50  76.40,00  76.51,00 

tQ  75.38,40  75.55,00  75.48,50 

tQot  84.53,25  84.52,50  85.35,00 


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45 


Mittel  für  Krystall  L 
oxo2  56°  2,63 
oxt  88.  8,50 
o%  t  76 .  34,75 
t  Q  75  .  46,70 
tQot     84 . 52,88 

Als  Mittel  aus  den  Beobachtungen  an  2  und  dem 
Mittel  bei  1  ergiebt  sieh  schliefslich : 

o,oa  56°  2',32 

01  t  88  . 13,50 
o,  t  76  .  42,88 
t  0  75  .  47,60 
tQot  85  . 13,94. 

Aus  diesen  letzteren  Zahlen  folgt  dann  weiter: 

02  Q  =  45°  20',  25 

und  fär  die  Lage  der  hiernach  richtig  geschliffenen  Fläche 
f  oder  der  ersten  Mittellinie: 

fp      72°  52',33 

ft  81.31,10 

fm  43.41,00 

För  einen  Krystall  mit  richtig  geschliffener  Fläche  f 
stellt  Fig.  4  Taf.  I  in  den  ausgezogenen  Linien  die  gegen- 
seitige Lage  der  Axen  und  der  Flächennormalen  auf  der 
Constructionskugel  dar. 

Die  gewonnenen  Zahlen  können  mit  gröfster  Annäherung 
för  Licht  von  der  Brechbarkeit  der  Fraunhofer 'sehen 
Linie  E  als  richtig  angesehen  werden,  da  aus  den  weiteren 
Beobachtungen  hervorgeht,  dafs  die  einzige  hier  nicht 
direct  beobachtete  Gröfse,  der  mittlere  Brechungsexponent 
1,542  bis  auf  eine  Einheit  in  der  dritten  Decimale  mit 
dem  aus  den  Versuchen  flu*  die  Linie  E  abgeleiteten  über- 
einstimmt. 

Die  Angaben  BeerV)  über  Winkel  und  Lage  der 
optischen  Axen,  wie  ihrer  Ebene  können  danach  nur  auf 
1)  A.  a.  O. 


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46 


ganz  oberflächlicher  Schätzung  beruhen.  Denn  während 
angegeben  wird,  dafs  der  Winkel  der  optischen  Axen  c  c. 
45°  sey,  die  mit  o,  bezeichnete  Axe  nahezu  parallel  der 
Kante  zwischen  p  und  *  laufe,  also  fast  rechtwinklig  gegen 
die  Ebene  pt  gerichtet  sey  und  dafs  die  Ebene  beider 
Axen  nahezu  durch  den  Pol  von  p  gehe,  ergeben  sich 
hier  für  die  entsprechenden  Winkel  die  Werthe: 

Oy  ot      56°   2  ,32  statt  cc.  45° 

ot  Q     101 . 23,50    „     „  90 

pQ        23 . 27,60    „     „  0 

tQo%     85.13,94    „     „  90 
also  Differenzen  von  5  bis  23  Graden. 

4.  Zu  der  hiernach  auszuführenden  Bestimmung  der 
drei  Hauptbrechungsexponenten  können  zwei  Wege  einge- 
schlagen werden.  Entweder  werden  alle  drei  an  Prismen, 
deren  brechende  Kanten  den  drei  Elasticitätsaxen  parallel 
sind,  aus  der  gemessenen  Ablenkung  eines  Lichtstrahles 
direct  ermittelt,  oder  es  wird  in  dieser  Weise  nur  der 
mittlere  Brechungsexponent  bestimmt  und  die  Werthe  der 
übrigen  unter  Benutzung  seines  Werthes  aus  Messungen 
einzelner  Ringdurchmesser  abgeleitet,  wie  dies  z.  B.  Mütt- 
rich  bei  seiner  Untersuchung  der  optischen  Eigenschaften 
des  weinsteinsauren  Kali-Natrons  1)  gethan  hat.  Da  aber 
zur  Ermittelung  des  mittleren  Brechungsexponenten  ein 
Prisma  jedenfalls  hergestellt  werden  mufs  und  dieses,  wenn 
es  richtig  geschliffen  ist,  schon  zwei  Brechungsexponenten 
liefert,  im  Nothfalle  also  zwei  Prismen  zur  Bestimmung 
aller  drei  Gröisen  genügen  würden,  und  da  aulserdem  die 
Ableitung  der  Resultate  aus  solchen  Beobachtungen  eine 
einfachere  ist,  so  wurde  diese  Beobachtungsart  gewählt. 
Es  war  die  Absicht,  womöglich  drei  Prismen  zu  erhalten, 
von  denen  jedes  seine  brechende  Kante  einer  anderen 
Elasticitätsaxe  parallel  hätte  und  in  denen  der  Lichtstrahl 
für  das  Minimum  der  Ablenkung  sich  so  bewegte,  dafs 
jeder  Brechungsexponent  doppelt  bestimmt  werden  könnte. 
Die  Uebereinstimmung  je  zweier  solcher  Werthe  und  des 

1)  Diese  Ann.  Rd.  121. 


47 


mittleren  Brechungsexponenten  mit  dem  vorher  benutzten 
Werthe  würde  dann  ein  genügender  Beweis  für  die  Zu- 
verlässigkeit der  obigen  Resultate  seyn. 

Um  diese  Prismen  schleifen  zu  können,  mufste  aus  den 
gefundenen  Werthen  und  dem  brechenden  Winkel,  der 
ihnen  gegeben  werden  sollte,  die  Lage  ihrer  Flächen  gegen 
die  natürlichen  Krystallflächen  berechnet  werden.  Es  wurde 
der  brechende  Winkel  von  45°  gewählt,  um  mit  dem  am 
leichtesten  herzustellenden  gelben  Natronlichte  beobachten 
zu  können.  Gröfser  durfte  der  Winkel  nicht  seyn,  da  die 
Dicke  der  durchstrahlten  Schicht  sonst  leicht  zu  grofs 
wird  und  dies  gelbe  Licht  nicht  mehr  durch  den  Krystall 
dringt,  selbst  wenn  zu  seiner  Erzeugung,  wie  bei  diesen 
Versuchen,  eine  Wasserstoffflamme  benutzt  wird. 

Bei  unveränderter  Richtung  der,  einer  Elasticitätsaxe 
parallelen  brechenden  Kante  können  zwei  Prismen  herge- 
stellt werden,  welche  die  Bedingung  erfüllen,  dafs  der 
Strahl  für  das  Minimum  der  Ablenkuug  einer  der  beiden 
anderen  Elasticitätsaxen  parallel  läuft.  Im  Ganzen  würden 
also  sechs  hier  brauchbare  Prismen  angefertigt  werden 
können,  die  zusammen  für  jeden  Brechungsexponenten  vier 
besondere  Bestimmungen  lieferten.  Da  aber  nur  drei  dieser 
Prismen  hergestellt  werden  sollten  und  es  von  vornherein 
nicht  zu  entscheiden  war,  welche  von  den  sechs  die  für 
das  Anschleifen  vortheilhafteste  Lage  ihrer  Flächen  zu  den 

natürlichen  Krystallflächen  p,  t  und  m  haben  würden, 
wurden  sie  sämmtlich  berechnet,  um  zwischen  ihnen  wählen 
zu  können.  Die  folgende  Tabelle  enthält  die  Resultate 
dieser  Rechnung,  die  Winkel  zwischen  den  Normalen  der 
mit  I  und  II  bezeichneten  Prismenflächen  und  denen  der 

Flächen  p,  t,  m.  Am  Ende  jeder  Columne  ist  aufserdem 
angegeben,  welche  beiden  der  drei  Brechungsexponenten 
or,  ß  und  y  sich  mit  dem  betreffenden  Prisma  bestimmen 
lassen. 


48 


1.  2.  3. 

Brcchendo  Kante  parallel  der  Brechende  Kante  parallel  Brechende  Kante  parallel 
mittleren  Elasticitätsaxe.  der  ersten  Mittellinie,  der  zweiten  Mittellinie. 
Weg  des  Lichtstrahles  für  Weg  des  Lichtstrahles  ftir  Weg  des  Lichtstrahles  für 
das  Minimum  der  Ab-  das  Minimum  der  Ab-  das  Minimum  der  Ab- 
lenkung parallel  der  lenkung  parallel  der  lenkung  parallel  der 
a               b  a                 b  a  b 
1.  Mittel-    2.  Mittel-  2.  Mittel-      mittleren  mittleren       1.  Mittel- 
linie,        linie.  linie.         El.-Axe.  El.-Axc.  linie. 

Im  57°50',50  52M8',50  56«  19\50  114M8',67  105*42\80  158«28\50 
IP  52.48,00  133.39,00  162.45,00  88.1,50  62.20,50  96.53,20 
//    77.26,50   98.0,80  124.26,50     35.46,00     18.22,00  76.30,50 

Ilm  143. 29 ,00  92.55,67  95.47,80  46.54,00  34.30,00  63.49,33 
Up  86.32,10  23.43,00  49.23,50  134.24,00  104.43,80  64.54,33 
Ilt    93.9,80   75.22,80  100.0,50    166.49,00    146.43,00  59.36,00 

Am  leichtesten  und  sichersten  herstellbar  erwiesen  sich 
hiernach  die  Prismen  1»,  lb  und  3»  und  ihre  Anfertigung 
wurde  mit  grofser  Sorgfalt  unternommen.  Dafs  es  trotzdem 
nicht  gelang,  Winkeldifferenzen,  in  einem  Falle  bis  4°,  zu 
vermeiden,  darf  bei  der  bekannten  Schwierigkeit,  Krystalle 
aus  freier  Hand  zu  schleifen,  nicht  wundern.    Nun  würde 
eine  grölsere  Uebereinstimmung  zwar  immer  sehr  erwünscht 
seyn,  sie  ist  aber  in  diesem  Falle  durchaus  nicht  erforderlich. 
Denn  berechnet  man  z.  B.  unter  Zugrundelegung  der  später 
ermittelten  Werthe  des  gröfsten  und  kleinsten  Brechungs- 
exponenten und  der  Gleichung  der  Elasticitäts-Oberfläche, 
die  sich  in  diesem  Falle  von  einer  Kugel  nur  sehr  wenig 
unterscheidet,  für  den  durch  die  gröfste  und  kleinste  Elasti- 
citäts- Axe  gehenden  Hauptschnitt  deu  Werth  des  Brechungs- 
exponenten, welcher  einem,  mit  der  gröfsten  Axe  einen 
Winkel  von  4°  einschliefsenden  Leitstrahle  entspricht,  so 
findet  man  eine  Zahl,  die  sich  von  dem  kleinsten  Brechungs- 
exponenten erst  in  der  vierten  Decimale  um  etwa  1}  Ein- 
Seiten unterscheidet.    Nach  den  Beobachtungen  zeigt  sich 
aber,  in  Folge  der  im  Uebrigen  vorhandenen  Fehlerquellen, 
namentlich  wohl  der  nie  vollkommen  gleichen  physikalischen 
Beschaffenheit  der  verschiedenen  Krystalle,  schon  die  dritte 


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49 

Decimale  veränderlich.  Aufserdem  tritt  die  gröfste  beobach- 
tete Winkeldifferenz  nur  einmal  auf  und  fallt  dabei  nicht 
ganz  in  so  ungunstigem  Sinne,  wie  es  eben  des  Beispiels 
wegen  angenommen  ist. 

Um  ein  Urtheil  über  den  Grad  der  erreichten  Ueber- 
einstimmung  zu  ermöglichen,  sind  in  der  folgenden  Tabelle 
die  gemessenen  Winkel  mit  den  berechneten  zusammen- 
gestellt: 


Prisma  la 

X    IIS  Hl  c*     X  • 

Berechnet 

Beobachtet 

mm  ^  ^m              •  •  •  » 

Differenz 

Im 

57"  50',50 

56°  14,35 

—  1°  36',15 

IP 

r 

52  . 48,00 

54  . 44,14 

-f-  1  .  56,14 

It 

77  .  26,50 

i    »     •    mm  w*  v  ys 

76.  1,45 

—  1  .  25.05 

M.     •    mm  v  %  V/  V 

Um 

Up 

86  .  32,10 

82.  13,05 

-  4.  19,05 

in 

— 

— 

in 

45.  0,00 

44  .  50,48 

—  0.  9,52. 

Prisma  lb. 

Berechnet 

R  f'ohaehtet 

Differenz 

Im 

52°  48',50 

52"  37',43 

—  o°  ir,07 

IP 

It 

98.  0,80 

96  .  54,27 

—  1  .  6,07 

Um 

92 .  55,67 

91  .  30,00 

—  1  .  25,67 

Up 

Ilt 

75  .  22,80 

73  .  43,72 

—  1  . 39,08 

III 

45.  0,00 

49.  3,87 

H-4.  3,87. 

Prisma  3\ 

Berechnet 

Beobachtet 

Differenz 

Im 

105°  42',80 

108°  37',98 

-f-2°  55',18 

IP 

61  .  20,50 

60  . 57,83 

—  0 . 22,67 

It 

Um  34.30,00        34.11,83  —0.18,17 

Up  104.43,80  103.  6,11  —  1.37,69 

Iii  33.17,00        34.31,46  -+- 1 . 14,46 

///  45.  0,00        42.27,09  —2.32,91. 


Poggendorff's  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  4 


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50 


Für  die  Beobachtung  wird  das  mit  seiner  brechenden 
Kante  senkrecht  zum  horizontalen  Theilkreise  gerichtete 
Prisma  auf  das  Minimum  der  Ablenkung  des  durch  das 
Spaltrohr  des  Spectrometers  eintretenden  Strahles  einge- 
stellt. Bei  Anwendung  weifsen  Lichtes  beobachtet  man 
zwei  nebeneinander  liegende  farbige  Spectra,  bei  Benutzung 
homogenen  Natronlichtes  zwei  gelbe  Linien  von  ver- 
schiedener Brechbarkeit.  Jede  Farbe  sendet  also  zwei 
Strahlen  verschiedener  Geschwindigkeit  durch  den  Krystall. 
Beide  führen  ihre  Schwingungen  parallel  der  den  brechen- 
den Winkel  des  Prismas  halbirenden,  durch  die  brechende 
Kante  gehenden  Mittelebene  aus  und  zwar  sind  die  Schwin- 
gungen des  einen  parallel  der  brechenden  Kante,  die  des 
anderen  senkrecht  dazu.  Die  Geschwindigkeit  des  ersteren 
wird  durch  die  in  der  Mittelebene  senkrecht  zur  brechenden 
Kaute  gelegene  Elasticitätsaxe,  die  des  zweiten  durch  die 
in  derselben  Ebene  parallel  der  Kante  gelegene  Axe  be- 
stimmt. Fällt  also,  wie  es  beim  Kupfervitriol  der  Fall  ist, 
die  gröfste  Elasticitätsaxe  mit  der  ersten,  die  kleinste  mit 
der  zweiten  Mittellinie  zusammen,  so  mufs  im  Prisma  la 
der  gröfste  Brechungsexponent  für  den  Strahl  gefunden 
werden,  dessen  Schwingungen  parallel  der  brechenden 
Kante,  also  der  mittleren  Elasticitätsaxe  gerichtet  sind. 
Um  also  zu  entscheiden,  welcher  Elasticitätsaxe  ein  be- 
obachteter Brechungsexponent  angehört,  mufs  die  Schwin- 
gungsrichtung des  zugehörigen  Strahles  bestimmt  werden. 
Da  beide  gebrochenen  Strahlen  senkrecht  zu  einander  po- 
larisirt  sind,  hat  man  vor  das  Okular  des  Fernrohres  nur 
einen  Turmalin  oder  ein  NicoTsches  Prisma  zu  halten, 
deren  Schwingungsebene  der  brechenden  Kante  parallel 
gerichtet  wird.  Von  beiden  verschieden  gebrochenen 
Spectren  bleibt  dann  nur  dasjenige  sichtbar,  dessen  Schwin- 
gungen der  brechenden  Kante  parallel  sind. 

5.  Im  Folgenden  sind  die  an  den  drei  Prismen  für 
die  Natronlinie  erhaltenen  Resultate  mitgetheilt.  Der  an- 
gegebene Winkel  ist  das  Minimum  der  Ablenkung,  wie 
es  sich  als  Mittel  aus  mehreren  Beobachtungen  ergeben 


51 

hat.  Die  den  Elasticitätsaxen  a  >  6  ;>  c  entsprechenden 
Hauptbrechungsexponenten  et  <ß  <y  sind  daraus  mit  Hülfe 
der  oben  angeführten  brechenden  Winkel  berechnet. 

Prisma  1*. 

Schwingung  senkrecht  znr  brech.  Kante.  Schwingung  parallel  der  br.  Kante. 

27°  7\73  27°  29',01 

&„,  =  1,54054  ,7p,  =  1,54711 

Prisma  lh. 
30°  19',37  28°  55',  16 

ß(D)  =  1 ,53825  .    aiD)  =  1,51541 

Prisma  3'. 
25°36',23  24°  7',  16 

Y(D)  =  1,54566  a(D)  =  1,51587 

Als  Mittel  aus  diesen  Werthen  ergiebt  sich: 

a(D)  =  1,51564 
ß(D)  mm  1,53940 
Y(P)  =  1,54639 

Das  Prisma  3*  zeigte  bei  Anwendung  von  Sonnenlicht, 
im  Gegensatze  zu  den  anderen  Prismen,  sehr  scharf  die 
Fraun hofer'schen  Linien  E,  F,  G  und  wurde  daher  zur 
Bestimmung  von  et  und  y  für  diese  Linien  benutzt.  In 
der  folgenden  Zusammenstellung  sind  die  Resultate  nebst 
dem  bei  die*  ?m  Versuche  für  die  durch  Natronlicht  hervor- 
gebrachte Lnie  D  erhaltenen  angegeben: 

Prisma  3*. 

Schwingung  rechtw.  zur  br.  Kante.    Schwingung  parallel  der  br.  Kante. 

25°  37',38  24°  8',02 

fm  =  1,54604  am  =  1,51615 

25°49',20  24°  18',98 

Y{K)  =  1,54996  a(M)  =  1,51983 

25°  59',87  24°  28',66 

Y{r)  =  1,55351  «(,,  =  1,52307 

26°  18',77  24°46',57 
Yw  mm  1,55978  rt(6)  =  1,52872. 

4» 


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52 


Die  sehr  geringe  Abweichung  der  jedesmaligen  beiden 
Werthe  für  «,  ß  und  y  in  der  ersten  Zusammenstellung 
spricht  dafür,  dafs  diese  Gröfsen  mit  grofser  Annäherung 
richtig  ermittelt  sind  und  dafs  den  gleichen  Grad  von 
Genauigkeit  die  Resultate  Über  die  Lage  der  optischen 
Axen  beanspruchen  dürfen.  Aus  dem  Betrage,  um  welchen 
nach  der  letzten  Tabelle  a  und  y  von  einer  Farbe  zur 
anderen  wachsen,  geht  ferner  hervor,  dafs  der  zuerst  für 
weifses  Licht  benutzte  und  mit  dem  beobachteten  Mittel- 
werthe  ftw  =  1,53940  nahe  übereinstimmende  Werth 
/?  =  1,542  einer  etwas  weniger  als  die  Linie  E  brechbaren 
Farbe  zukommt,  also  sehr  wohl  als  der  mittlere  Brechungs- 
exponent der  mittleren  Farbe  des  Farbenspectrums  ange- 
sehen werden  kann  uud  dafs  deshalb  die  damit  berechnete 
Lage  der  optischen  Axen  als  richtig  innerhalb  sehr  nahe 
liegender  Grenzen  für  die  Linie  E  gelten  darf. 

Aus  der  für  er,  ß  und  y  erhaltenen  Zahlen  ergiebt  sich, 
dafs  die  gröfste  Elasticitatsaxe  mit  der  ersten  Mittellinie 
zusammenfällt,  dafs  der  Kry stall  also  optisch  negativ  ist, 
wie  Heer1)  dies  Verhalten  richtig  angegeben  hat. 

Sie  zeigen  aber  gleichzeitig,  dafs  Brewster  noch  vor 
dem  Jahre  1813  genauer  beobachtet  hat,  als  man  mit 
Rücksicht  auf  die  Unvollkommenhcit  der  experimentellen 
Hülfsmittel  jener  Zeit  erwarten  durfte.  Denn  nimmt  man 
an,  was  bei  dem  Mangel  genauerer  Angaben  wahrscheinlich 
ist,  dafs  er  mit  weifsein  Lichte  beobachtet  hat  und  dafs 
seine  Zahlen  sich  auf  die  Mitte  des  von  ihm  gesehenen 
Spectrums  beziehen,  so  findet  man  beim  Vergleiche  der- 
selben mit  den  für  die  Fraunh ofer'sche  Linie  E  ge- 
fundenen Werthen 

Brewster 

a(K)    1,51983  1,531 

y(MJ    1,54996  1,552 
wenigstens  für  /  eine  recht  genaue  Uebereinstimmung, 
während  a  allerdings  bedeutend  abweicht.     Diese  theil- 
weise  Uebereinstimmung  erklärt  sich  aber  vielleicht  durch 
1)  Diese  Ann  Bd.  82,  S.  63. 


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53 


die  Annahme,  dafs  Brewster  sein  Prisma  aus  einer  sehr 
dicken  Platte  angefertigt  hat,  deren  Flächen  sorgfaltig 
parallel  unter  einander  und  rechtwinklig  zur  ersten  Mittel- 
linie geschliffen  waren.  Wurde  dafür  gesorgt,  dafs  beim 
Anschleifen  der  Prismenflächen  die  dabei  verkleinerte  Platten- 
fläche nicht  ganz  verloren  ging  und  die  Ringsysteme  un- 
verändert sichtbar  blieben,  so  mufste  es  bei  einiger  Auf- 
merksamkeit möglich  sein,  wenigstens  die  Prismenkante 
ziemlich  genau  parallel  der  Verbindungslinie  der  Ring- 
mittelpunkte, also  der  zweiten  Mittellinie  zu  erhalten.  Ein 
Prisma,  bei  dem  dieser  Parallclismus  erreicht  ist,  inufs  y 
richtig  liefern,  wenn  auch  die  Flächen  nicht  gleiche  Neigung 
gegen  die  Plattenflächen  haben,  da  die  Geschwindigkeit 
des  zugehörigen  Strahles  durch  die  der  brechenden  Kante 
parallele  Elasticitätsaxe  bestimmt  wird,  für  alle  solche 
Prismen  also  eine  constante  ist.  Der  Werth  von  a  weicht 
von  seinem  wahren  Werthe  aber  um  so  beträchtlicher  ab, 
je  verschiedener  beide  Prismenflächen  gegen  die  Platten- 
flächen geneigt  sind.  Bei  dem  Bre wster'schen  Prisma 
wird  also  vermuthlich  die  brechende  Kante  sehr  nahe  pa- 
rallel der  zweiten  Mittellinie  gewesen  seyn,  dagegen  werden 
die  Prismenflächen  eine  sehr  ungleiche  Neigung  gegen  die 
Plattenfläehen ,  der  Weg  des  Lichtstrahles  ftir  das  Mini- 
mum der  Ablenkung  also  eine  von  der  mittleren  Elasti- 
citätsaxe  sehr  verschiedene  Richtung  gehabt  haben. 

6.  In  den  meisten  Fällen,  in  welchen  die  optischen 
Constanten  des  Kupfervitriols  eine  Rolle  spielen,  werden 
die  gewonnenen  Resultate  als  hinreichend  genau  angesehen 
werden  können.  Es  gilt  das  auch  besonders  für  die  Lage 
der  optischen  Axen,  wenn  auch  die  Angaben  sich  hier 
auf  den  nicht  scharf  bestimmten  Begriff  einer  Farbe  mitt- 
lerer Brechbarkeit  beziehen,  denn  die  Resultate  berech- 
tigen zu  der  Annahme,  dafs  diese  Farbe  im  Spectrum  in 
nächster  Nähe  der  Fraunhofer'schen  Linie  E  liegen 
würde.  Für  specielle  Fragen  könnte  es  indels  auch  er- 
wünscht seyn,  die  Lage  der  optischen  Axen  für  eine  noch 
bestimmter  bezeichnete  Farbe  zu  kennen.    Um  dies  zu 


54 


ermöglichen  und  gleichzeitig  um  ein  Urtheil  darüber  zu 
gewinnen,  ob,  wie  stark  und  in  welchem  Sinne  die  op- 
tischen Axen  ihre  Lage  mit  der  Farbe  ändern,  sind  an 
dem  Krystalle  1.  die  zur  Feststellung  der  Richtung  der 
optischen  Axen  ausgeführten  Messungen  bei  Anwendung 
von  Natronlieht  wiederholt.  Für  die  dem  Beobachter  zu- 
gekehrte Fläche  f  wurden  hierbei  folgende  Winkel  erhalten: 

Kry stall  1.    Schlifffläche  f. 

Natronlicht 

010%  92»49',61 
0xf  61.45,51 
02  f     49  .  35,64 

0,m  81.  2,23 
0,  t      64  . 15,34. 

Die  hieraus  abgeleiteten  Winkel  sind  in  der  folgenden 
Tabelle  mit  den  für  weilses  Licht  gefundenen  zusammen- 
gestellt : 


Weifsea  Licht 

Natronlicht 

56°  2',32 

55°  45',29 

olt 

88 .  13,50 

87  . 47,25 

76 . 42,88 

76.53,15 

tQ 

75 . 47,60 

76.21,00 

tQo* 

85 .  13,94 

84  .  55,67 

o7Q 

45 .  20,25 

45  .  25,00. 

Hiernach  findet  eine  nicht  gerade  grofse  aber  doch  an- 
gebbare Dispersion  statt.  In  Fig.  4  Taf.  I  ist  die  Lage 
der  optischen  Axen  und  ihrer  Ebene  für  gelbes  Licht 
durch  den  punktirten  Bogen  dargestellt,  während  die  aus- 
gezogenen Linien  sich  auf  die  Beobachtungen  mit  weifsem 
Lichte  (£)  beziehen.  Die  Zeichnung  gewährt  dadurch 
<  ine  ungefähre  Anschauung  von  der  Art  der  Dispersion. 

Da  für  Natronlicht  o,  oa  um  17'  kleiner  wird,  t  0  und 
ot  Q  aber  um  33'  und  bezüglich  5'  wachsen,  so  scheint  oa 
seine  Lage  so  ziemlich  beizubehalten  und  fast  die  ganze 
Grofse  der  Bewegung  auf  ol  zu  fallen.  Die  Ebene  der 
optischen  Axen  dreht  sich  also  gewissermafsen  um  o%  und 


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55 


in  der  neuen  Ebene  findet  die  Bewegung  von  o,  und  der 
Mittellinie  f  nach  ot  zu  statt. 

7.  Es  ist  ferner  noch  zu  ermitteln  versucht,  ob  in  ähn- 
licher Weise,  wie  es  bei  anderen  Krystallen  beobachtet 
ist,  die  Lage  der  optischen  Axen  auch  beim  Kupfervitriol 
sich  mit  der  Temperatur  ändert.  Es  wurde  dazu  eine 
nach  Art  der  Platten  1.  und  2.  geschliffene,  sehr  klare 
Platte  3.  von  2mm,54  Dicke  benutzt,  bei  welcher  die  Fläche  f 
fast  genau  rechtwinklig  zur  Ebene  der  optischen  Axen  lag, 
die  aber  wegen  Verletzung  der  natürlichen  Flächen  zu  den 
ersten  Versuchen  nicht  hatte  gebraucht  werden  können. 
Da  hier  beide  optischen  Axen  mit  dem  Lothe  von  f  sehr 
nahe  in  einer  Ebene  lagen  und  der  Versuch  auf  die 
Messung  ihres  scheinbaren  Winkels  beschränkt  werden 
konnte,  war  sie  fiir  diesen  Zweck  geeignet. 

Die  Platte  war  auf  dem  Kry stallträger  mit  einer  kleinen 
Klammer  aus  dünnem  Messingblech  an  langem  Stit-1  aus 
Stahldraht  befestigt  und  ragte  während  der  Versuche,  so- 
wohl bei  gewöhnlicher  als  erhöhter  Temperatur,  durch  eine 
kleine  Oeffnung  in  das  Innere  desselben  mit  Spiegelglas- 
wänden versehenen  Luftbades,  das  bei  der  Bestimmung 
der  thermischen  Axen  des  Kupfervitriols  benutzt  ist1).  Das- 
selbe befand  sich  über  dem  horizontalen  Theilkreise  und 
wurde  erwärmt  durch  einen  langen  Streifen  Messingblech, 
der  mit  dem  Metallboden  in  Verbindung  stand  und  an 
seinem  freien  Ende  durch  eine  Spirituslampe  erhitzt  war. 
In  unmittelbarer  Nähe  des  Krystalls  befand  sich  die  sehr 
kleine  Kugel  eines  Thermometers.  Bei  der  leichteren  Ver- 
witterung des  Salzes  an  künstlichen  Flächen  konnte  die 
Temperatur  nur  bis  46°  gesteigert  werden,  und  es  stand, 
da  die  Jahreszeit  eine  Erniedrigung  der  Anfangstempe- 
ratur unter  19°  C.  nicht  gestattete,  eine  Temperatur-Diffe- 
renz von  nur  etwa  27°  zur  Verfügung.  Dieselbe  schien 
indefs  genügend  zur  Entscheidung  der  Frage,  ob  die  op- 
tischen Axen  überhaupt  ihre  Lage  mit  der  Temperatur 
ändern  und  im  Falle  sich  dies  ergeben  sollte,  auch  viel- 
1)  Dies*  Ann.  Bd.  135  S.  15. 


56 


leicht  ausreichend  zur  ungefähren  Beurtheilung  des  Be- 
trages der  Aenderung,  da  bei  anderen  Kry stallen,  an  denen 
ein  solcher  Einflufs  der  Temperatur  hat  nachgewiesen 
werden  können,  dies  schon  bei  kleinen  Temperaturdiffe- 
renzen  möglich  gewesen  ist. 

Die  Versuche  wurden  bei  Natronlicht  angestellt.  In 
der  folgenden  Zusammenstellung  sind  die  angegebenen 
Winkel  das  Mittel  aus  jedesmal  drei  Messungen: 

Krystall  3.    Fläche  f. 

1.   Temperatur  der  Umgebung. 

0,f«=37°  0',32 
07  f=  56  .  44,(jQ 
01/,-+-Öa/,=  93.44',92.' 

Stellung  d.  Nonius  für  die  scheinbare  opt.  Axe  0,  109°  36',29 

»         »»         r>     »  n  r>      r>     0*  16.11,29 


Ox  02    93 . 25 ,00. 

Anfangstemperatur  18°,2  C. 
Endtemperatur  20  ,0  C. 
Mittlere  Temperatur  19°,1  C. 

2.   Erhöhte  Temperatur. 
Stellung  d.  Nonius  für  die  scheinbare  opt.  Axe  Ox  109°40',17 
»       »       »       *    *         r>  r>      r>    Qa  16.27V28 

0,  Öa  93.12,89. 

Anfangstemperatur  47°,00  C. 
Endtemperatur  46  ,35  C. 
Mittlere  Temperatur  46°,67  C. 

Aus  vorstehenden  Zahlen  folgt  zunächst,  dafs  Oxf 
-t-  ö,  f  um  nur  20'  gröfser  als  0,  Oa  ist ,  dafs  also  die 
Ebene  der  optischen  Axen  fast  genau  senkrecht  zu  der 
Fläche  f  steht.  Sodann  geht  daraus  hervor,  dafs  die  Tem- 
peraturzunahme von  275°  C.  eine  Verkleinerung  des  schein- 
baren Winkels  der  optischen  Axen  um  etwa  12'  bewirkt, 
und  die  Stellungen  des  Nonius  bei  den  verschiedenen  Be- 
obachtungen deuten  darauf  hin,  dafs  die  stattgefundene 


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57 


Bewegung  der  optischen  Axen  zum  gröfsten  Theile  auf 
die  Axe  o,  fällt.  Es  würde  demnach  bei  eintretender 
Teniperaturändernng  auch  eine  Bewegung  der  Mittellinie 
stattfinden.  Diese  Deutung  der  Versuche  erscheint  zu- 
lässig, so  klein  auch  die  beobachteten  Winkeläuderungen 
sind,  da  die  Einstellung  auf  die  optischen  Axen  mit  grofser 
Schärfe  möglich  ist  und  da,  mit  Rücksicht  auf  das  zuletzt 
erwähnte  Resultat,  mit  besonderer  Vorsicht  für  eine  un- 
veränderte Stellung  des  ganzen  Apparates  während  der 
Versuche  gesorgt  war. 

8.  Es  bliebe  nun  noch  die  Frage  zu  entscheiden, 
welche  die  ursprüngliche  Veranlassung  zu  der  vorliegen- 
den Untersuchung  gegeben  hat,  ob  die  ermittelte  Lage 
der  optischen  Axen  in  irgend  einer  einfachen  gesetzmäfsigen 
Beziehung  zu  den  rechtwinkligen  krystallographischen  Axen 
A ,  B  und  C  steht.  Die  mitgetheilten  Messungen  lassen 
aber  leicht  übersehen,  dafs  dies  durchaus  nicht  der  Fall 
ist.  Denn  die  Ebene  der  optischen  Axen  schneidet  die 
Ebenen  der  krystallographischen  Axen  unter  Winkeln,  die 
von  0°  und  90°  verschieden  sind.  Die  Ebene  AB  wird 
zwischen  den  Axeu  -f-  A  und  -+-  B  in  15°  15'  Abstand 
von  B  und  die  Ebene  A  C  zwischen  —  A  und  C  ge- 
schnitten. Mit  der  ersteren  bildet  die  Ebene  der  optischen 
Axen  einen  Winkel  von  75°  50',60,  mit  letzterer  von  1 1 9" 
44',0  und  gegon  die  Ebene  B  C  hat  sie  eine  Neigung  von 
20°  40',0.  Auch  keine  der  einzelnen  optischen  Axen  zeigt 
eine  Beziehung  zu  den  Krystallaxen  oder  deren  Ebenen. 
Selbst  die  Axe  o2,  welche  dem  Durchschnitte  der  Ebene 
BC  mit  der  Ebene  der  optischen  Axen  nahe  liegt,  steht 
von  diesem  doch  noch  um  4°  38'  und  auf  dem  Bogen  to% 
von  BC  um  1°  40'  ab.  Mit  Rücksicht  auf  die  Gesammt- 
resultate  der  Messungen  können  diese  Winkel  unmöglich 
in  dem  Sinne  gedeutet  werden,  dafs  o2  in  der  Axenebene 
B  C  liege.  Aufserdem  würde  ein  derartiges  Zusammenfallen 
allein  immer  nur  von  untergeordneter  Bedeutung  seyn. 

Proskau,  im  October  1872. 


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58 


III.   Untersuchungen  über  die  folumconstitution 
der  festen  Körper*);  von  //.  Sc hroder. 


V.  Tbeorelische  Einleitung. 

198.  ll#8  scheint  mir  angemessen,  zunächst  einen 
Blick  auf  den  Ideengang  zu  werfen,  welcher  mich  bei 
meinen  Untersuchungen  auf  diesem  Felde  geleitet  hat. 
Bekanntlich,  wenn  sich  Substanzen  chemisch  verbinden 
oder  auch  nur  gleichförmig  mischen,  ist  das  Gewicht  der 
Verbindung  oder  Mischung  immer  genau  gleich  der  Summe 
der  Gewichte,  welche  den  Bestandteilen  im  ungemischten 
oder  unverbundenen  Zustande  zukommen,  und  es  läfst 
sich  in  jedem  mechanischen  Bruchtheile  der  Verbindung 
oder  Mischung  das  gleiche  Gewichtsverhältuifs  der  in  ihr 
enthaltenen  Bestandtheile  nachweisen,  wie  in  der  ganzen 
Verbinduug  oder  Mischung.  Man  kann  dieses  Gesetz  das 
Summationsgesetz  der  Gewichte  nennen.  In  der  That  ent- 
nimmt man  aus  demselben,  in  Verbindung  mit  dem  Ge- 
setze von  der  Proportionalität  der  Wirkungslosigkeiten  der 
Trägheit  mit  den  an  einerlei  Ort  gemessenen  Gewichten  der 
Körper,  den  Begriff  von  der  Constanz  der  Materie  oder 
der  Masse,  welcher  für  die  ganze  neuere  Chemie  gewisser- 
mafsen  das  Fundament  bildet. 

199.  Das  gleiche  Summationsgesetz  gilt  unter  gewissen 
Einschränkungen  auch  für  die  Volume  gemischter  oder 
chemisch  verbundener  Körper.  Es  gilt  für  jede  Mos  me- 
chanische Mischung  oder  Durchdringung  von  Körpern,  und 
es  gilt  ebenso  in  voller  Strenge  für  alle  durch  Diffusion 
gleichförmig  gemischten  Gase.     Man  kann  defshalb  bei 

1)  Da  ich  mich  häufig  auf  die  im  Band  106  und  107  dieser  Annalen 
von  mir  mittgctheilten  Untersuchungen  berufen  mufs,  so  gebe  ich 
die  nachfolgenden  Untersuchungen  mit  an  jene  anschliefsenden  fort- 
laufenden Nummern.  No.  1  —  105  findet  sich  im  Band  106  8.226 
u.  d.  f.  No.  106     197  im  Band  107  S.  114  u.  d.  f.  Jahrgang  1859. 


59 


einem  Gasgemische,  z.  B.  reinem  Knallgase,  auch  von 
dem  Volum  eines  jeden  Bestand* heiles  in  der  Mischung 
reden  im  Gegensatz  zu  dem  Volum  der  ganzen  Mischung. 
Sind  zwei  Volume  Wasserstoff  mit  einem  Volum  Sauer- 
stoff zu  drei  Volumen  Knallgas  gemischt,  so  kann  man 
sagen,  dafs  der  Wasserstoff  in  der  Mischung  mit  dem 
Volum  zwei,  der  Sauerstoff  mit  dem  Volum  eins  enthalten 
sey,  obwohl  sich  in  Wirklichkeit  alle  beide  gleichförmig 
in  das  Volum  drei  ausgedehnt  finden.  Der  Ausdruck: 
der  Wasserstoff  ist  mit  dem  doppelten  Volum  in  der 
Mischung  enthalten,  als  der  Sauerstoff,  pafst  vollkommen, 
in  Anbetracht,  dafs  beide  in  jedem  Bruchtheile  der  Mischung 
im  Verhältnifs  von  2  :  1  nachgewiesen  werden  können.  Ich 
will  dies  das  Summationsgesetz  für  die  Volume  mechanischer 
Mischungen  nennen. 

200.  Auch  bei  chemischen  Verbindungen  hängt  das 
Volum  der  Verbindung  nach  unveränderlichen  Gesetzen 
von  den  Volumen  der  Bestandtheile  ab\  indessen  scheint 
auf  den  ersten  Blick  diese  Abhängigkeit  für  Gase,  Flüssig- 
keiten und  feste  Körper  eine  sehr  verschiedene  zu  seyn. 
Man  wird  es  jedoch  von  vorn  herein  als  wünschenswerth 
anerkennen,  die  der  Volumconstitution  der  Körper  in  den 
verschiedenen  Aggregatzuständen  zu  Grunde  liegenden 
Gesetze,  wie  ich  es  hier  versuche,  auf  ein  gemeinsames 
Grundprincip  zurückfuhren  zu  können.  Es  gelingt  diefs, 
wie  ich  zeigen  werde,  in  der  That,  wenn  die  dem  Summations- 
gesetz für  die  Gewichte  und  für  die  Volume  mechanischer 
Mischungen  zu  Grunde  liegende  Anschauung  auch  auf 
die  Volume  chemischer  Verbindungen  übertragen  wird. 

Für  Gase  (so  lange  sie  nicht  so  weit  verdichtet  sind, 
dafs  sie  sich  nicht  mehr  als  vollkommene  Gase  betrachten 
lassen)  hat  sich  ein  sehr  einfaches  Gesetz  für  die  Volume 
herausgestellt.  Die  Volume  der  Atome  der  Elemente  in 
Gasform  sind  einander  gleich,  und  die  Volume  der  ein- 
fachen und  zusammengesetzten  Molecüle  der  Körper  in 
Gasform  sind  ebenfalls  einander  gleich,  und  zwar  doppelt 
so  grofs,  als  die  Volume  der  Atome,  —  insofern  diese 


60 


Volume  alle  bei  gleichem  Druck  und  gleicher  Temperatur 
gemessen  werden. 

Es  folgt  daraus,  dafs  die  Volume  gasförmiger  Verbin- 
dungen nicht  das  reine  Summationsgesetz  befolgen;  dafs 
bei  Verbindungen  und  Scheidungen  von  Gasen  Conden- 
sationen  im  positiven  oder  negativen  Sinne  vorkommen 
müssen,  weil  das  Volum  der  Verbindung  nicht  immer 
gleich  ist  der  Summe  der  Volume  der  Bestandteile  vor 
der  Verbindung.  Als  diese  reine  Summe  erscheint  es 
allerdings,  z.  B.  wenn  sich  Wasserstoff  und  Chlor  zu  salz- 
saurem Gase  vereinigen;  dagegen  findet  eine  Gondensation 
statt,  wenn  sich  z.  B.  Wasserstoff  mit  Sauerstoff  zu  Wasser- 
dampf verbinden;  zwei  Volume  Wasserstoff  und  ein  Volum 
Sauerstoff,  als  Knallgas  zu  drei  Volumen  gemischt,  con- 
densiren  sich  in  Folge  der  chemischen  Vereinigung  zu 
zwei  Volumen  Wassergas. 

201.  Diese  Condensation  läfst  sich  nun,  sowohl  bei 
Gasen,  als  Flüssigkeiten,  als  festen  Körpern,  in  zweierlei 
Weise  auffassen.  Man  kann  sich  vorstellen,  dafs  die  Mi- 
schung der  Componenten  sich  als  solche  condensirt,  dafs 
also  in  dem  erwähnten  Beispiele  drei  Volume  zu  zweien 
sich  verdichtet  haben ;  und  dies  ist  die  bis  jetzt  herrschende 
Anschauungsweise;  oder  aber:  man  kann  das  Summations- 
gesetz aufrecht  erhalten,  und  das  Volum  der  Verbindung 
als  reine  Summe  der  Volume  auffassen,  mit  welchen  die 
Bestandteile  in  Verbindung  treten,  wenn  man  nur  an- 
nimmt, dafs  einzelne  von  den  Bestandtheilen,  bevor  sie  in 
die  Verbindung  eingehen,  erst  einen  anderen  Zustand  an- 
nehmen, und  eine  Volumänderung  erleiden.  Es  wird  dann 
mit  anderen  Worten  der  Vorgang  einer  chemischen  Ver- 
bindung zu  betrachten  seyn  als  eine,  mit  vorheriger  Zu- 
standsänderung  nebst  Condensation  oder  Expansion  ein- 
zelner Componenten  verknüpfte,  Mischung  oder  gleich- 
förmige Durchdringung  der  Bestandtheile.  Auf  welche 
Weise  die  einzelnen  Condensatiotiscoefficienten  für  jeden 
Bestandtheil  hiebei  anzunehmen  seyen,  bleibt  bei  dieser 
Auffassung  zunächst  innerhalb  gewisser  Gränzen  willkühr- 


61 


/icÄ,  weil  durch  den  Werth  einer  Summe  die  Werthe  der 
Glieder  noch  keineswegs  bestimmt  sind.  Wofern  diese 
Auffassung  also  überhaupt  nützlich  und  haltbar  erscheinen 
soll,  raufs  sie  sich  in  einer  solchen  Art  ausführbar  zeigen, 
dafs  auf  Grund  derselben  die  Volumconstitution  der  Ver- 
bindungen durch  Annahme  einfacher  und  regelmäfsig  wieder- 
kehrender Condensationsfactoren  erklärbar  wird. 

202.  Die  Volumconstitution  der  Gase  läfst  sich  nun 
auf  Grund  dieser  Anschauungsweise  mit  den  beiden  Con- 
densationsfactoren 1  und  2  vollständig  erklären,  d.  h.  da- 
durch, dafs  man  annimmt,  dafs  beide  Bestandtheile  mit 
unverändertem  Volum,  oder  der  eine  mit  unverändertem, 
der  andere  mit  seinem  halben  Volum,  oder  dafs  beide  mit 
ihrem  halben  Volum  in  eine  Verbindung  eingehen.  Für 
das  obige  Beispiel  ist  man  darnach  gezwungen,  anzunehmen, 
dafs  wenn  Wasserstoff  und  Sauerstoff  sich  chemisch  zu 
Wasserdampf  verbinden,  der  Wasserstoff  sich  auf  sein 
halbes  Volum  verdichtet,  und  sich  so  mit  dem  Sauerstoff 
nach  dem  Summationsgesetz  mischt. 

Für  die  erste  Auffassungsweise,  wonach  die  Conden- 
sation  auf  die  Summe  der  Volume  der  Bestandtheile  be- 
zogen wird,  reicht  man  keineswegs  mit  nur  zwei  Conden- 
sationscoefficienten  aus.  Für  gasförmige  Körper  hat  da- 
her die  zweite  Auflfassungsweise  entschiedene  Vorzüge, 
worauf  ich  schon  1840  (d.  Ann.  Bd.  50  S.  557  und  558 
unter  §.  6  meiner  Abhandlung  „Allgemeine  Begründung 
der  Volumcntheorie")  aufmerksam  gemacht  habe. 

Die  Gesetze  der  Volumconstitution  der  Gase  lassen 
sich  nun,  der  entwickelten  Auffassungsweise  zu  Folge,  in 
die  drei  Sätze  zusammenfassen  (alle  Volume  bei  gleichem 
Druck  und  gleicher  Temperatur  gemessen): 

A.  Das  Molecularvolum  einer  Verbindung  ist  die 
Summe  der  Volume,  welche  ihren  Componenten  zukommen. 
(Summationsgesetz-.) 

B.  Jedes  Element  und  ebenso  jede  als  Component 
auftretende  Complexion  von  Elementen  existirt  für  sich 
und  in  verschiedenen  Verbindungen  in  solchen  ungleichen 


62 


Zuständen,  dafs  das  Volum  des  Elementes  oder  der  Com- 
plexion  im  Verhältnifs  von  1  : 2  veränderlich  ist.  (Con- 
densationsgesetzJ) 

C.  Die  Volume  der  Elementaratome  sind  gleich,  und 
auch  die  Volume  der  Molecüle  sind  gleich,  und  zwar  sind 
letztere  doppelt  so  grofs  als  erstere.  {GeseU  der  Gleich- 
heit der  Moleculareolume.) 

203.  In  meiner  Schrift:  „Die  Siedhitze  der  chemischen 
Verbindungen  ....  nebst  vollständigen  Beweisen  für  die 
Theorie  der  Molecularvolume  der  Flüssigkeiten"  (Mann- 
heim 1844)  gelang  es  mir,  nachzuweisen,  dafs  auch  für 
flüchtige  Flüssigkeiten  die  gleiche  Anschauungsweise  voll- 
berechtigt ist,  indem  ich  darlegte,  dafs  das  Volum  einer 
Verbindung  wiederum  betrachtet  werden  kann  als  die 
Summe  der  Volume  der  Bestandteile ,  wofern  man  nur 
diese  Volume  bei  entsprechenden  oder  „correspondirenden" 
Temperaturen  mifst,  das  heifst,  soweit  ich  bis  jetzt  er- 
mitteln konnte,  bei  solchen  (ungleichen)  Temperaturen,  bei 
welchen  die  Dämpfe  der  Flüssigkeiten  gleiche  Spannkräfte 
haben.  Ich  habe  im  Besonderen  nachgewiesen ,  dafs  H4, 
Ct  und  O,  in  einer  grofsen  Reihe  organischer  Flüssig- 
keiten bei  correspondirenden  Temperaturen  völlig  gleiche 
Volume  einnehmen,  und  demuach  die  denkbar  einfachsten 
Volumverhältnisse  darbieten. 

Es  wird  sich  die  dort  von  mir  entwickelte  theoretische 
Anschauung  voraussichtlich  um  so  mehr  bestätigen,  je 
weiter  die  Wissenschaft  fortschreiten  wird.  Eine  kurze 
Nachricht  über  diese  Arbeit  habe  ich  im  62.  Bande  dieser 
Annalen  S.  341  u.  d.  f.  gegeben. 

204.  Was  endlich  die  Volum  Constitution  der  festen 
Körper  betrifft,  so  begegnet  der  Versuch  einer  Durch- 
fuhrung der  gleichen  Auffassung  seit  lauger  Zeit  den 
gröfsten  Schwierigkeiten. 

Die  Aufstellung  des  ersten,  oder  des  Summationsge- 
setzes,  welches  lautet:  I.  „Das  Molecularvolum  eines  zu- 
sammengesetzten Körpers  ist  die  Summe  der  Volume, 
welche  seinen  Bestandtheilen  oder  Elementen  zukommen". 


63 


[diese  Ann.  Bd.  50  S.  554,  Jahrgang  1840  —  ich  habe 
nur  das  Wort  „Aequivalent",  welches  ich  damals  brauchte, 
und  welches  seitdem  seine  Bedeutung  veräudert  hat,  in 
„Moleeül"  verändert],  —  die  Aufstellung  des  Summations- 
gesetzes  ist  nur  dann  von  Werth,  wenn  die  an  sich  noch 
innerhalb  gewisser  Grunzen  willkührlich  wählbaren  Volume 
der  Bestandtheile  oder  Elemente  durch  ein  einfaches  Con- 
dens ationsg  es  etz  mit  ihren  im  isolirtcn  Zustande  beobach- 
teten Volumen  in  Zusammenhang  gebracht  werden  können, 
und  dadurch  in  logischem  Sinne  erst  ihre  Definition  er- 
halten. Die  Wahrnehmung  sehr  häufig  wiederkehrender 
einfacher  Beziehungen  der  Volume  ist  in  der  That  der 
ausschliefsliche  Anlafs  gewesen  zu  der  dargelegten  theo- 
retischen Auffassung.  Die  Sicherheit,  dafs  die  erwähnte 
Auffassung  für  eine  in  der  Natur  begründete  Gesetzmäßig- 
keit den  einfachsten  Ausdruck  bildet,  ist  um  so  gröfser, 
je  gröfser  die  Reihe  vou  Thatsachen  ist,  welche  sich  durch 
einfache  Condensationscoefficienten  erklären  lassen.  Das 
Condensationsgesetz  dient  somit  zwar  zu  einem  Theile  dazu, 
die  Definition  der  Volumcomponenten  einer  Verbindung 
erst  zu  vervollständigen;  es  ist  aber  darüber  hinaus  noch 
von  bedeutend  gröfserer  Tragweite,  indem  es  zugleich  die 
gegenseitige  Abhängigkeit  zwischen  den  Volumen  aller 
Verbindungen  und  ihrer  Constituenten  überhaupt  mit  Be- 
stimmtheit und  Vollständigkeit  zum  Ausdruck  zu  bringen 
hat.  Die  bei  der  Aufstellung  eines  Condensationsgesetzes 
aus  dem  ersten  Grunde  noch  vorhandene  Willkühr  wird 
daher  andererseits  durch  die  Forderung  der  Durchführ- 
barkeit des  Gesetzes  im  Einklang  mit  der  Erfahrung  be- 
schränkt In  diesem  Sinne  sind  alle  nachfolgend  bezüg- 
lich der  Condensatious Verhältnisse  aufgestellten  Gesetze 
und  Regeln  zu  verstehen;  es  handelt  sich  bei  ihnen  stets 
darum,  solche  Festsetzungen  zu  treffen,  welche,  zur  De- 
finitionsvervollständigung  für  die  „Volumcomponenten"  be- 
nutzt, zugleich  gerade  den  erfahrungsmäfsig  zwischen  den 
Volumen  überhaupt  zu  Tage  tretenden  Beziehungen  und 
Geset/.mäfsigkeiten  Ausdruck  verleihen. 


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64 


Dieses  zweite,  das  Condensationsgesetz,  wird  sich  zwar 
mit  der  Zeit,  wozu  schon  jetzt  zahlreiche  Andeutungen 
vorliegen,  noch  vereinfachen  lassen;  nach  dem  heutigen 
Staude  der  Wissenschaft  läfst  es  sich  jedoch  nur  so  durch- 
führen und  aufrecht  erhalten,  wie  ich  es  schon  1840  aus- 
gedrückt habe.  (Diese  Ann.  Bd.  50  S.  555,  wobei  ich 
wieder  nur  das  Wort  „  Aequivalent",  welches  seitdem  seine 
Bedeutung  verändert  hat,  durch  „Molecül*  ersetze): 

II.  Jedes  Element  existirt  in  verschiedenen  Verbin- 
dungen in  solchen  ungleichen  (polymorphen)  Zuständen, 
dafs  das  Volum  seines  Molecüls  im  Verhältnis  der  Zahlen 
1:2:3:4:5:6.  .  .  .  veränderlich  ist.u 

Die  Condensationsfactoren  sind  in  der  That  einerlei 
mit  deu  harmonischen  Verhältnifszahlen. 

205.  Mein  schon  erwähnter  1840  gemachter  Versuch, 
diese  einfachen  Condensationen  der  Elemente  nachzuweisen, 
konnte,  obgleich  ich  in  einzelnen  Verbindungen  die  Con- 
densationen der  Elemente  schon  damals  ganz  richtig  auf- 
fafste,  doch  nicht  in  völlig  genügender  Weise  gelingen, 
weil  die  Thatsachen  dazu  noch  nicht  in  hinreichender  Schärfe 
und  Mannichfaltigkeit  vorlagen.  Das  Summationsgesetz 
allein  ohne  das  Condensationsgesetz  annehmen ,  wie  es  in 
Folge  meiner  damaligen  Arbeit  von  anderer  Seite  ge- 
schehen ist,  mufste  jedoch  nothwendig  dahin  führen,  dafs 
man  sich  mit  ganz  undeßnirten  und  defshalb  ganz  unnützen 
Zahlenwerthen  beschäftigte,  da  der  Begriff  der  Volumcom- 
ponenten,  wie  ich  oben  nachgewiesen  habe,  ja  überhaupt 
nur,  in  die  Form  eines  Condensatiousgesetzes  eingekleidet, 
vollends  gegeben  werden  kann. 

206.  Die  Ermittelung  der  Volumconstitution  der  Ver- 
bindungen ist  auf  der  ersten  Stufe  ihrer  Entwickelung  der 
Ermittelung  der  Gewichts  Constitution  der  Körper  sehr  ana- 
log. Der  Auffindung  der  letzteren  mufste  die  Wahr- 
nehmung vorangehen: 

A.  Die  Mischung  in  Verbindungen  kann  nicht  nach 
beliebig  veränderlichen  Verhältnissen  stattfinden,  wie  die 
mechanische  Mischung  und  die  Diffusion,  sondern  nur 
nach  festen  Verhältnissen. 


65 


B.  Wenn  ein  Element  in  verschiedenen  Quantitäten 
o,  «',  a"  .  .  .  .  mit  der  nämlichen  Quantit.it  6  eines  an- 
deren Elementes  in  Verbindung  tritt,  so  stehen  die  Quan- 
titäten a,  a',  a  im  Verhältnis  einfacher  ganzer  Zahlen. 
(Gesetz  der  „multiplen"  Verbindungen.) 

C.  Wenn  die  Quantitäten  6,  c,  d  .  .  .  .  verschiedener 
Elemente  sich  mit  multiplen  Werthen  der  Quantität  a  eines 
anderen  Elementes  verbinden,  so  treten  jene  Elemente  dann 
auch  nach  ganzen  vielfachen  (multiplen)  Werthen  der 
Quantitäten  6,  c,  d  .  .  .  .  untereinander  in  Verbindung. 
(Gesetz  der  aequicalenten  Mengen.) 

D.  Die  Gesetze,  welche  sich  für  die  Gewichte  der 
Elemente  als  gültig  erweisen,  treffen  ebenso  auch  zu  für 
die  Gewichte  der  Complexionen  oder  Verbindungen  von 
Elementen,  weun  diese  ihrerseits  in  Verbindungen  eingehen. 
Ihre  Aequivalentzahl  wird  durch  Addition  der  Aequivalente 
der  Bestandteile  gefunden.  (Gesetz  der  Avquivalent- 
summen.) 

Dafs  nun  diese  Sät/.e  in  der  That  völlig  gleichlautend 
Geltung  haben  müssen,  wenn  man  statt  der  Gewichte  der 
Bestandteile  ihre  vor  der  Verbindung  gemessenen  Volume 
ins  Auge  fai'st,  ergiebt  sich  von  selbst  als  streng  logische 
Consequeuz  des  Vorstehenden,  unter  Berücksichtigung  der 
weiteren  Thatsache,  dafs  einer  jedeu  bestimmten  chemischen 
Substanz  unter  gegebenen  Druck-  und  Temperatur-Ver- 
hältnissen auch  ein  festes, *  durch  vorübergehende  Einwir- 
kungen nicht  bleibend  inodificirbares  Volum,  beziehungs- 
weise eine  speeifisch  unveränderliche  Dichtigkeit  (speci- 
fisches  Gewicht)  zukommt. 

Die  für  die  Atomgewichte  und  Molecuiar gewichte  gül- 
tigen Beziehungen  und  Gesetze  lassen  sich  hiernach  un- 
mittelbar auf  die  vor  der  Verbindung  gemessenen  Atom- 
volume und  Moleculnrcolume  übertragen. 

Dieselben  Sätze  müssen  sich  aber  auch  auf  die  modi- 
ßcirten  Volume,  mit  welchen  die  Compouenteu  in  den  Ver- 
bindungen enthalten  zu  denkeu  sind,  anwendbar  erweisen, 
wofern  wirklich  diese  letzteren  ideellen  Volume  aus  deu  vor 
Poggeudorlfs  Ann.    Ergänzung&bd.  VI.  5 


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66 


der  Verbindung  mefsbaren  mittelst  fester  Condensations- 
factoren  ableitbar  seyn  sollen. 

Ich  will  die  Volume,  mit  welchen  die  Elemente  und  ihre 
Complexionen  in  den  Verbindungen  enthalten  gedacht  werden, 
ihre  „Constitutionsvolume"  nennen.  Für  diese  letzteren 
müssen  demnach  in  der  That,  nach  Analogie  der  für  die 
Gewichte  gültigen  Gesetze  #,  C,  D,  die  nachfolgenden 
Gesetze  sich  bewahrheiten: 

B'.  Wenn  ein  Element  mit  verschiedenen  Constitutions- 
volumen  a,  a\  a  .  .  .  .  in  Verbindungen  vorkommt,  so 
stehen  diese  Volume  a,  a',  a"  .  .  .  .  im  Verhältnils  ein- 
facher ganzer  Zahlen. 

C.  W enn  verschiedene  Elemente  mit  den  Constitutions- 
volumen  6,  c,  d  .  .  .  .  sich  mit  einfachen  Condensations- 
werthen  des  Volums  a  eines  anderen  Elementes  verbinden, 
so  treten  jene  Elemente  dann  auch  nach  einfachen  Con- 
densationsverhältnissen  der  Volume  6,  <?,  d  .  .  .  unterein- 
ander in  Verbindung. 

D'.  Die  für  die  Constitutionsvolume  der  Elemente  gül- 
tigen Gesetze  sind  auch  gültig  für  die  Constitutionsvolume 
der  Verbindungen  oder  der  Complexionen  von  Elementen, 
wenn  diese  Complexionen  selbst  in  weitere  Verbindungen 
eintreten.  Das  Constitutionsvolum  einer  Verbindung  ist 
die  Summe  der  Constitutionsvolume  ihrer  unmittelbaren 
Componenten. 

Anmerkung.  Da  das  Molecül  eines  freien  Elementes 
als  aus  gleichartigen  Atomen  zusammengesetzt  zu  erachten 
ist,  so  kann  auch  das  Aiomvolum  eines  freien  Elementes 
in  obigem  Sinne  als  ein  Constitutionstolum  desselben  auf- 
gefafst  werden. 

Wie  nun  der  Begriff  des  Atom-  und  Molecular-Gewichtes 
seine  volle  Definition  erst  auf  Grund  der  unter  B,  C,  D 
aufgeführten  Wahrnehmungen  erhalten  konnte,  so  kann 
auch  nur  auf  Grund  der  analogen  Wahrnehmungen  B\  C\  Df 
der  Begriff  des  Constituiionsvolums  vollends  erfafst,  und 
das  Condensationsgesetz  gewonnen  werden;  wobei  sich  von 
selbst  versteht,  dafs  die  Constitutionsvolume  als  Atomco- 


67 


lume  und  als  Molecnlarvolume  aufzufassen  sind,  weil  die 
Voluinconsütution  der  Verbindungen  in  Zusammenhang 
mit  ihrer  Gewichtseonstitution  besteht,  und  ohne  diesen 
Zusammenhang  nicht  gedacht  werden  kann. 

Die  Auffindung  der  Gewichtseonstitution  der  Verbin- 
dungen ist  dadurch  sehr  erleichtert,  dals  das  Gewicht  der 
Verbindung  stets  gleich  bleibt  der  Summe  der  unveränder- 
lichen Gewichte  der  Componenteu.  Die  Auffindung  der 
Volumconstitution  der  Verbindungen  ist  viel  schwieriger, 
weil  das  Volum  einer  Verbindung  als  die  Summe,  nicht 
constanter,  sondern  nach  dem  Condensationsgesetz  rer- 
änderlicher  Volume  der  Componenten  aufzufassen  ist. 

207.  Ueberdies  ist  die  Auffindung  der  Volumconsti- 
tution der  Körper  noch  mit  einer  zweiten  besonderen 
Schwierigkeit  verknüpft. 

Während  die  Gewichte  durch  äufsere  Kräfte,  wie  Druck 
und  Temperatur,  nicht  verändert  werden,  sind  die  Volume 
nicht  nur  nach  dem  Condensationsgesetz,  sondern  über- 
dieis  noch  durch  Druck-  und  Temperatur- Einflüsse  ver- 
änderlich. 

Für  die  Gase  ergab  sich  das  Bestehen  eines  ei  ufachen 
Condensationsgesetzes,  wenn  die  Volume  bei  gleichen 
Drucken  und  Temperaturen  gemessen  werden. 

Für  flüchtige  Flüssigkeiten  habe  ich  1844  /.  c.  einfache 
Verhältnisse  der  Constitutiousvolume  für  zahlreiche  Körper- 
gruppen nachgewiesen  bei  solchen  (verschiedenen)  Tem- 
peraturen, bei  welchen  die  Dämpfe  der  Flüssigkeiten  gleiche 
Spannkräfte  haben. 

Für  feste  Körper  gelang  mir  eine  theilweise  ent- 
sprechende Wahrnehmung  erst  im  Jahre  1859.  In  meinen 
„Neuen  Beiträgen  zur  Volumentheorie"  (diese  Annalen 
Bd.  106  und  107)  habe  ich  constatirt: 

III.  Isomorphe  Paare  sind  in  der  Regel  paralleloster, 
das  heilst:  homologe  Verbindungen  zweier  Elemente  oder 
Complexiooen  haben  in  der  Regel  gleiche  Volumdiflerenz, 
wenn  sie  von  gleicher  oder  nahe  gleicher  Kry stallform 
sind. 

5- 


68 


Es  geht  aus  dieser  Tbatsache  aber  zweierlei  hervor; 
erstens  der  Satz  IV: 

IV.  Die  Condensationen  eines  Elementes  in  verschiede- 
nen  aber  isomorphen  Verbindungen  sind  in  der  Regel  die- 
selben;  oder  mit  anderen  Worten:  Die  Constitutionsvolume 
gleichartiger  Componenten  isomorpher  Körper  sind  in  der 
Regel  gleich.  (Regel  vom  Parallelostcrismus.) 

Es  geht  ferner  zweitens  aus  jener  Tbatsache  III  her- 
vor, dafs  die  Constitutionsvolume  fester  Korper  vergleich- 
bar sind  und  einfache  Condensationsverhältnisse  erkennen 
lassen,  wenn  die  Körper  gleiche  Kryslallform  haben;  oder 
wie  ich  in  diesen  Annalen  Bd.  197  S.  144  hervorgehoben 
habe,  dafs  die  ncorrespondirenden  Temperaturen" ,  bei 
welchen  das  Condensationsgesetz  streng  erfüllt  ist,  bei 
»isomorphen  Körpern  nicht  sehr  weit  von  einander  ab- 
stehen können",  oder  mindestens,  dafs  der  Einßufs  dieser 
Temperaturverschiedenheiten  in  diesem  Falle  nicht  von 
Belang  ist. 

Es  ist  hier  offenbar  die  volle  Definition  eines  neuen 
hypothetischen  Begriffes  von  dem,  was  unter  „correspon- 
direnden  Temperaturen"  bei  festen  Körpern  zu  verstehen 
ist,  noch  aufzusuchen.  Hypothetisch  ist,  dafs  es  solche 
Temperaturen  gebe,  bei  welchen  verglichen  die  Volume 
das  Condensationsgesetz  in  aller  Strenge  erfüllen.  Diese, 
nach  Analogie  der  bei  den  Gasen  und  Flüssigkeiten  fest- 
stehenden Erfahrungen,  provisorisch  aufgestellte  Hypothese 
ist  unentbehrlich ,  um  überhaupt  aus  den  Thatsachen  ent- 
nehmen zu  können,  bei  welchen  speeifischen  Temperaturen 
die  Volume  der  festen  Körper  in  Vergleichung  zu  setzen 
sind.  Bis  jetzt  geht  aus  den  Thatsachen  nach  Regel  IV 
hervor,  dafs  für  isomorphe  Körper  die  Gleichheit  der  Tem- 
peraturen, bei  welchen  die  Volume  gemessen  werden, 
wenigstens  eine  völlig  genügende  Annäherung  darbietet. 
Zur  Zeit  ist  es  jedoch  noch  nicht  möglich,  diese  corre- 
spondirenden  Temperaturen  allgemein  zu  bestimmen. 

Die  Volumänderungen  der  festen  Körper  durch  Druck 
und  Temperatur  sind  (glücklicherweise  für  die  Lösung  der 


69 


vorliegenden  Aufgabe)  so  klein,  dafs  die  gemessenen  Vo- 
lume, beziehungsweise  Dichtigkeiten  oder  specißschen  Ge- 
wichte, auch  bei  nicht  genau  correspoudirenden  Tempe- 
raturen doch  in  der  Regel  genügend  genäherte  Werthe 
darbieten,  um  das  Condensationsgesetz  erkennen  zu  lassen. 
Mit  anderen  Worten: 

Die  Modificationen,  welche  durch  Wärme  -  Dilatation 
oder  Contraction  wegen  nicht  correspondirender  Tempe- 
raturen den  gemessenen  Volumen  anhaften  können,  sind 
in  der  Regel  thatsächlich  nicht  grofs  genug,  um  die  viel 
gröfseren  Modifikationen,  welche  das  Condensationsgesetz 
erheischt,  zu  verdecken  oder  unkenntlich  zu  machen. 

Es  ist  daher  zunächst  erforderlich,  die  Condensations- 
cerhällnisse  auiser  Zweifel  zu  stellen;  erst  dann  können 
jene  kleineren  Modifikationen,  welche  mit  Wärmedilatation 
zusammenhängen,  näher  untersucht  werden. 

Es  bleibt  nun  zunächst  zu  erörtern,  in  welcher  Weise 
auf  Grund  der  im  Vorstehenden  entwickelten  theoretischen 
Anschauungen  die  Constitutionsvolume  abgeleitet  werden. 
Es  wird  diels  den  Gegenstand  meiner  nächstfolgenden 
Mittheilung  ausmachen. 

Mannheim,  im  September  1872. 


!V.    Untersuchungen  über  die  Volumcomtitution 
der  festen  Körper ;  von  //.  Sehr  öde  r. 


VI.  Methode. 

208.  Den  wesentlichsten  und  wichtigsten  Anhalts- 
punkt^bei  allen  nachfolgenden  Untersuchungen  wird  immer 
die  Regel  vom  Parallelosterismus  bilden,  welche  ich  als 
Regel  I  hier  noch  einmal  voranstellen  werde.  Sie  invol- 
virt  gewissermafsen  die  Regel  II ,  die  ich  ihr  anfüge.  Es 


70 


bodarf  jedoch,  um  für  verschiedene  von  einander  unab- 
hängige chemische  Gruppen  einen  Eingang  zu  finden, 
noch  mehrfacher  anderer  Erfahrungen ,  welche  ich  als 
Rege]  III  und  IV  hier  an  die  Spitze  stelle,  um  sie  nach- 
träglich zu  erläutern.  Die  Methode  gründet  sich  dem- 
nach auf  die  vier  nachfolgenden  aus  vielfachen  Erfahrungen 
entnommenen  Regeln,  welchen  ich  weiter  unten  noch  eine 
fünfte  und  sechste  anreihen  werde. 

Regel  I.  Die  Constitnlionscolume  gleichartiger  Compo- 
nenten  isomorpher  Körper  sind  in  der  Regel  gleich.  (Regel 
vom  Parallelosterismus.) 

Regel  II.  Wenn  ein  Element  oder  eine  Complexion  für 
sich  mit  einer  Verbindung ,  in  welche  das  Element  oder 
die  Complexion  eingeht,  isomorph  tif,  so  ist  das  Element 
oder  die  Complexion  in  der  Hegel  mit  unverändertem 
Volum  in  der  Verbindung  enthalten. 

Regel  III.  Von  den  Gliedern  einer  Triade  sind  in  iso- 
morph analogen  Verbindungen  in  der  Regel  wenigstens  zwei 
mit  analogen  Condensationen  enthalten.  (Regel  von  der 
Analogie  der  Condensationen.) 

Regel  IV.  Die  Schwermetalle  gehen  häußg  ohne  Con- 
densation,  die  Leichtmetalle  häufig  mit  der  Condensation 
auf  die  Hälfte  ihres  metallischen  Volums  in  Verbindungen 
ein.  (Regel  von  dem  Vorherrschen  der  Condensationsfac- 
toren  eins  und  zwei.) 

209.  Zur  Erläuterung  der  Regel  I  und  III  diene  Fol- 
gendes. Seyen  a  und  b  die  beobachteten  Volume  zweier 
Elemente  für  sich,  «  und  ß  die  unbekannten  Volume,  mit 
welchen  sie  in  den  isomorphen  Verbindungen  mit  einem 
dritten  Elemente  enthalten  sind,  und  sey  <r,  gleichviel  das 
bekannte  oder  unbekannte  Volum,  mit  welchem  dieses 
dritte  Element  nach  I  in  beiden  Verbindungen  in  gleicher 
Weise  enthalten  ist.  Dann  sind  nach  dem  Summations- 
gesetz  die  beobachteten  Volume  beider  Verbindungen 
=  («  -4-  if)  und  (fi  -H  r/),  und  ihre  Differenz  ist  =  «  —  [im 
Man  kennt  daher  aus  den  Beobachtungen  a,  6  und  die 


71 


Differenz  («  —  ß).   Setzt  man  nun       J  »  w,  so  ist  auch  n 

durch  Beobachtung  gegeben.  Es  sey  dieses  w  zum  Hei- 
spiel =  2.  Um  diese  Gleichung  zu  befriedigen,  kann  man 
nun  innerhalb  bestimmter  Gränzen  jede  beliebige  einfache 
Condensation  von  a  voraussetzen,  um  «  zu  erhalten,  und 
das  zugehörige  &  beziehungsweise  die  Condensation  von  b 
bestimmen,  welche  der  Gleichung  Genüge  leistet.  Die 
Aufgabe  bleibt  daher  im  Allgemeinen  unbestimmt. 

Sind  aber  a  und  b  die  beobachteten  Volume  zweier 
Elemente  einer  Triade,  welche  in  isomorphen  Verbindungen 
nach  Regel  III  häufig  analoge  Condensationen  haben,  so 

ist  die  Aufgabe  bestimmt,  und  es  ist  «  =  —  a  und  ß  bs  —  b. 

n  n 

War  n  beispielsweise  =  2,  so  ist  «  =  —  und  ß  =  y. 

In  der  hier  geschilderten  Weise  bilden  demnach  iso- 
morphe Verbindungen  der  Glieder  von  Triaden  einen  einiger- 
mafsen  sicheren  Ausgangspunkt  zur  Auffindung  der  Con- 
densationen. 

Ich  will  hier  nur  die  Gruppe  der  Verbindungen  der 
Leichtmetalle  Kalium,  Natrium  und  Lithium  mit  den  Ha- 
logenen Chlor,  Brom  und  Jod  als  Beispiel  anführen. 
Vom  Lithium  ist  nur  das  Chlorlithium  beobachtet.  Die 
genannten  Metalle  und  ihre  Chloride,  Bromide  und  Jodide 
sind  alle  regulär  isomorph.  Die  beobachteten  Volume  habe 
ich  im  Band  106  und  107  dieser  Annalen  unter  den  bei- 
geschriebenen Nummern  mitgetheilt.  Sie  sind:  K  =  45,3 
(116);   Na  ==  23,9  (115);  Li  —  1 1,8  (1 14);  KCl  =  37,4 

(13)  ;  NaCl  =  27,l  (18);  Li  Cl  =  20,9  (170);  K  Br  =  44,3 

(14)  ;  NaBr=33,4  (19);  KJ  =  54,0(15);  Na  J  =  43,5 
(20). 

Nun  hat  das  Chlor  in  allen  drei  Chloriden  nach  Regel  I 
"das  gleiche  Volum;  ebenso  das  Brom  in  beiden  Bromiden, 
das  Jod  in  beiden  Jodiden;  und  ebenso  hat  das  Kalium 
in  allen  drei  isomorphen  Kaliumsalzen  das  nämliche 
Volum;  desgleichen  das  Natrium  in  den  drei  Natrium- 
salzen. 


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72 


Sind  nun  a,  6,  c  die  Metallvolume  von  Kalium,  Na- 
trium und  Lithium,  und  sind  «,  0,  ;  ihre  unbekauuten 
Constitutionsvolume  in  den  Chloriden,  Bromiden  und  Jo- 
diden, so  erhält  man  die  Gleichungen: 

=    =  r~  =  2,08  aus  den  Chloriden  von  Kalium  und  Natrium ; 

et  —  $  1(M 

o^~~  —n  —        =  1  ,*J7  .  .  Bromiden  „ 

^_^  =  ,  =  2  =  2,04  „  „  Jodiden      .       „       .  „ 

~—  =  n  =  - -~  =  2,03  „  „  Chloriden  von  Kalium  und  Lithium, 
a  —  y  10,0 

Die  Volumdifferenz  der  Verbindungen  ist  thatsächlich 
immer  sehr  genau  die  Hälfte  der  Volumdifferenz  der  ent- 
sprechenden Metalle.  Diese  Thatsache  erklärt  sich,  wenn 
auch  nicht  mit  Notwendigkeit,  so  doch  auf  die  einfachste 
Weise  und  völlig  genügend,  wenn  man  zu  der  Regel  I 
noch  die  Regel  III  zu  Hülfe  nimmt,  wonach  den  Leicht- 
metallen der  Triade  Kalium,  Natrium  und  Lithium  in 
den  erwähnten  Halogensalzen  analoge  Condensationen, 
und  zwar  auf  die  Hälfte  ihres  metallischen  Volums  zu- 
kommen; welche  letztere  Thatsache  zugleich  eine  aulser- 
ordentliche  Einfachheit  des  Condensationsgesetzes  zu  er- 
kennen giebt. 

210.  Die  Regel  IV  von  dem  Vorherrschen  der  Con- 
densationen 1  und  2  wird  durch  eine  grofse  Reihe  von 
Thatsachen  gerechtfertigt.  Sehr  oft,  wenn  ein  Leicht- 
metall und  ein  Schwermetall  in  analogen  Verbindungen 
isomorph  sind,  wie  Strontium  und  Blei,  Natrium  und  Silber, 
Magnesium  und  Nickel,  Aluminium  und  Eisen,  Ceriuin 
und  Eisen  u.  s.  f. ,  ergiebt  sich  die  beobacl  tete  Differenz 
der  Volume  ihrer  isomorphen  Verbindungen  sehr  genau 
gleich  der  Differenz  aus  dem  unveränderten  Volum  des 
Schwermetalls  und  dem  halben  Volum  des  Leichtmetalls. 
Es  ist  dies,  was  ich  an  dieser  Stelle  der  Kürze  wegen 
nur  erwähnen,  nicht  durch  Anfuhrung  der  Beobachtungen 
belegen  will,  z.  B.  der  Fall  für  die  rhombisch  isomorphen 


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73 


Sulfate  und  Carbonate  des  Strontiums  und  Bleis,  sowie 
für  die  Oxyde  derselben ;  für  die  regulär  isomorphen  Chlo- 
ride, Bromide  und  Jodide  des  Natriums  und  Silbers;  für 
die  regulär  isomorphen  Oxyde  des  Magnesiums  und  Nickels; 
tur  die  rhomboedrisch  isomorphen  Oxyde  des  Aluminiums 
und  Eisens,  und  deren  rhombisch  isomorphe  Hydrate; 
für  die  regulär  isomorphen  Oxyduloxyde  des  Ceriums  und 
Eisens  usw.  Eine  so  groise  Reihe  von  übereinstimmenden 
Tbatsacheu  kann  nicht  auf  einem  Zufall  beruhen;  und  sie 
lassen  zu  ihrer  Erklärung  keine  andere  einfache  Auslegung 
zu,  als  die  unter  Regel  IV  gegebene. 

Geht  daher  ein  Schwermetall  und  ein  Leichtmetall  mit 
einem  dritten  Element  oder  einer  Complexion  von  Elementen 
isomorphe  Verbindungen  ein,  so  werde  ich  das  Volum? 
mit  welchem  dieses  dritte  Element  oder  diese  Complexion 
in  beiden  Verbindungen  enthalten  ist,  als  ermittelt  be- 
trachten, wenn  die  beobachtete  Volumdifferenz  beider  iso- 
morpher Verbindungen  der  Regel  IV  Genüge  leistet. 

Durch  die  Regel  III  und  IV  wird  daher  in  der  That 
ein  Eingang  gewonnen  zur  Ermittelung  der  Volumcon- 
stitution  mannichfaltiger  Gruppen  von  Verbindungen. 

211.  Auch  da,  wo  die  Krystallform  keine  Führung 
darbietet,  und  die  obigen  Regeln  nicht  anwendbar  sind, 
giebt  manchmal  eine  mehrfache  Analogie  brauchbare  Winke. 

Sind  a,  6,  c  .  .  .  .  die  bekannten  Volume  irgend  wel- 
cher Elemente,  z.  B.  Schwermetalle,  oder  irgend  welcher 
Complexionen  von  Elementen,  die  mit  A9  B,  C  ,  .  .  .  be- 
zeichnet seyeu;  sind  ebenso  A,  t,  k  .  .  .  .  die  bekannten 
kalben  Volume  irgend  welcher  Leichtmetalle  //,  /,  K  .  .  .  , 
und  es  ergeben  sich  für  die  Verbindungen  von  unbekannter 
Krystallform  oder  auch  für  die  m'cAf  isomorphen  Verbin- 
dungen der  betreffenden  Elemente  oder  Complexionen 
mit  einem  Elemente  oder  einer  Complexion  CT,  also  für 

die  Verbindungen  A  V,  B  0,  CV  .  .  .  ,  H  U,  IV,  KV  

die  gleichen  Reste  A  V  —  a  =  B  U  —  6  =  C  U  —  c  .  .  .  . 
=  HU—h  =  IU—i  =  K  V  —  k  .  .  .  ,  so  ist  eine  Wahr- 
scheinlichkeit vorhanden,  dafs  die  Schwermetalle  oder  die 


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Complexioncn  A,  #,  C  .  .  .  .  auch  hier  mit  ihrem  beob- 
achteten Volum,  und  die  Leichtmetalle  /7,  /,  K  .  .  .  .  mit 
ihrem  halben  metallischen  Volum  in  die  Verbindung  mit  U 
eingehen;  und  zwar  ist  dieselbe  um  so  gröfser,  je  häufiger 
diese  gleichen  Differenzen  sich  ergeben. 

Ich  werde  jedoch  von  dieser  Methode  nur  dann  Ge- 
brauch machen,  wenn  wenigstens  drei  solcher  gleicher 
Reste  gut  bestimmter  Verbindungen  vorliegen,  oder  wenn 
das  aus  zweien  sich  ergebende  Volum  für  U  schon  ander- 
weitig übereinstimmend  gefunden  worden  ist;  denn  diese 
Methode  kann  sehr  leicht  zu  Irrthüiuern  führen,  da  bei 
nicht  isomorphen  Verbindungspaaren  im  Allgemeinen  keine 
Schlüsse  von  der  Volumconstitution  des  einen  auf  die  des 
anderen  zulässig  sind,  und  dieselben  gleichwohl  nicht 
selten  paralleloster  erscheinen,  wenn  z.  B. ,  falls  A  mit 
dem  unveränderten  Volum  a  in  der  Verbindung  A  U  ent- 
halten ist,  U  in  A  U  verglichen  mit  U  in  B  U  um  nahe 
ebensoviel  condensirt  wäre,  als  B  in  B  ü  verglichen  mit  6. 
Solche  Paare  sind  dann  pseudoparalleloster,  und  machen, 
da  sie  nicht  selten  sind,  die  gröfste  Vorsicht  nöthig. 

Die  Wahrnehmung  daJ's,  wenn  man  von  den  Volumen 
der  Verbindungen  eines  Elementes  oder  einer  Complexion 
mit  einer  Reihe  von  Schwermetallen  die  Volume  dieser 
Schwermetalle  abzieht,  dann  nicht  selten  der  gleiche  Rest 
bleibt,  hat  mich  schon  1840  veranlafst,  anzuerkennen,  dafs 
die  Schwermetalle  sehr  häufig  mit  ihrem  metallischen  Vo- 
lum in  Verbindungen  eingehen. 

Ich  werde  die  vorstehende  Methode  als  Regel  V  be- 
zeichnen, und  die  Regel  der  Analogien  nennen. 

212.  Noch  eine  sechste  Regel,  welche  sich  nicht 
selten  als  die  fruchtbarste  von  allen  erweist,  habe  ich  hier 
anzuführen.  Sie  giebt  in  vielen  Fällen  die  dankbarsten 
und  lehrreichsten  Aufschlüsse.  Ich  nenne  sie  die  Regel 
vom  Isosterismus  multipler  Verbindung swerihe.  Nicht  selten 
sind  z.  B.  Verbindungen  von  den  Formen  R  U  mit  R  U% 
oder  mit  Rt  U  von  gleichem  Volum,  also  isoster.  Da  sie 
von  verschiedenem  Typus  sind,  erscheinen  sie  nicht  iso- 


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morph,  und  doch  in  nahem  Zusammenhang  in  Bezug  auf 
ihre  Volumconstitution.  Sind  aber  R  U  und  /?4  U  isoster, 
so  kann  mit  grofser  Wahrscheinlichkeit  daraus  geschlossen 
werden,  dafs  R  in  R  U  das  doppelte  Volura  hat  als  R  in 
#2  II  u.  s.  f. 

Weil  nach  Regel  IV  die  Condensationsfactoren  1  und  2 
am  häufigsten  vorkommen,  so  sind  die  hier  erwähnten 
Fälle  aiüserordentlich  zahlreich.  So  sind  z.  B.  Kupfer- 
oxydul und  Kupferoxyd  in  dem  Sinne  isoster,  dafs  Cu2  0 
und  Cm,  0,  gleiche  Volume  haben.  Es  ist  daraus  zu 
lernen,  dafs  der  Sauerstoff  im  Kupferoxydul  das  doppelte 
Constitution svolum  hat,  als  der  Sauerstoff  im  Kupferoxyd. 

Die  genannte  Regel  erweist  sich  vorzugsweise  und 
am  häufigsten  auf  die  Volume  von  Complexionen  anwend- 
bar, deren  Volume  selbst  mit  Hülfe  der  Regeln  I  bis  V 
ermittelt  worden  sind,  und  giebt  dann  über  die  Volum- 
constitution dieser  Complexionen  oder  Bestandtheile  von 
Verbindungen  die  merkwürdigsten  Aufschlüsse. 

213.  Diefs  sind  die  Methoden,  welche  ich  im  Fol- 
genden einhalten  werde.  Die  Schwierigkeiten,  die  Volum- 
constitution der  festen  Körper  aufzufinden,  bleiben  den- 
noch für  die  Mehrzahl  der  Fälle  sehr  grois.  Es  nimmt 
d eishalb  nicht  Wunder,  wenn  alle  bis  jetzt  von  sehr  zahl- 
reichen Forschern  gemachten  Versuche  gescheitert  sind. 
Um  so  erfreulicher  ist  es  mir,  dafs  meine  langjährigen 
Bemühungen  mich  doch  schliefslich  zu  Ergebnissen  ge- 
führt haben,  die  man  nicht  ganz  unbefriedigend  wird  finden 
können. 

Es  ist  überraschend,  wie  viele  Früchte  auf  diesem 
Felde,  schon  gereift,  der  Hand  desjenigen  harren,  der  sich 
die  Mühe  nimmt,  dieselben  zu  pflücken. 
Mannheim,  im  September  1872. 


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V.    Untersuchungen  über  die  Volumconstitution 
der  festen  Körper;  von  Ii.  Schröder. 


VII.   Die  einfachen  regulären  Chloride,  Bromide  und  Jodide,  und  daran 

sich  Anreihendes. 

214.  Die  beobachteten  Volume  der  regulären  Halo- 
genverbindungen der  Alkalimetalle  habe  ich  bereits  in 
Bd.  106  dieser  Annalen  mitgetheilt.  Nur  für  das  Brom- 
natrium  habe  ich  eine  Bestimmuug  nachzutragen.  Für 
dieses  lag  nur  die  Messung  von  Kremers  vor,  s  =  3,079 
(19).  Seitdem  hat  auch  Tscher mak  dasselbe  bestimmt, 
und  s  =  3,01  erhalten.  Das  Mittel  ist  s  =  3,045,  und 
weil  ot==  103  ist,  t?  =  33,8. 

215.  Ich  habe  bereits  dargelegt  (209),  dafs  in  den 
regulären  Chloriden,  Bromiden  und  Jodiden  des  Kaliums, 
Natriums  und  Lithiums  (für  letzteres  ist  nur  das  Chlorid 
beobachtet)  das  Kalium,  Natrium  und  Lithium  auf  die 
Hälfte  ihrer  Metall volume  condensirt  zu  erachten  sind;  man 
kann  daher  das  Volum  des  Chlors,  Broms  und  Jods  in 
diesen  regulären  Halogensalzen  herleiten.  Für  die  Chlo- 
ride ergiebt  sich  hiernach : 

Vol.  K  Cl  =  37,4  (  13)  Na  Cl  =  27,1  (  18)         Li  Cl  =  20,9  (170) 

}  Vol.  K  =  32,6  (1 16)      iVol.Na=n,9(115)     |Vol.Li  =  5,9(114) 
Vol.  Cl  =  14,8  Cl  =15,2  Cl  = "I5,a 

Im  Mittel  Cl=15,0.  Dieses  Chlor  mit  dem  Con- 
stitutionsvolum  15,2  in  Verbindungen,  vom  Na'Cl  ent- 
nommen, will  ich  zunächst  mit  Cla  bezeichnen. 

Mit  diesen  Verbindungen  isomorph  sind  das  Chlor- 
ammonium und  das  Chlorsilber.  Nach  Regel  I  vom  Pa- 
rallelosterismus  werden  sie  daher  das  Chlor  mit  dem  gleichen 
Volum  als  Clr<=15,2  enthalten.    Hieraus  ergiebt  sich: 

Ag  Cl  —  25,9  (  22)     und  N  H,  Cl  =  35,0  (  16) 

Clf<  =  15,2  (215)  Cla  =25'2  C215) 

Ag=10,7  NH4«*19,8. 


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77 


Das  reine  Silber  hat  das  Volum  10,2  (132).  Es  ist 
demnach  das  Silber  mit  seinem  metallischen  Volum  im 
Chlorsilber  enthalten.  Wäre  ich,  nach  Regel  IV  von  dem 
Vorherrschen  der  Condensationsfactoren  1  und  2,  vom 
Chlorsilber  und  Chlornatrium  ausgegangen ,  so  würde  ich 
demnach  zu  der  gleichen  Auffassung  von  der  Volumcon- 
stitution  dieser  regulären  Chloride  gelangt  seyn. 

Das  Volum  des  Ammoniums  =  19,8  (215)  bezeichne 

ich  mit  Am  . 

216.  Nach  Regel  V  von  den  Analogien  ist  vorerst  als 
wahrscheinlich  anzuerkennen,  dafs  auch  das  Bariumchlo- 
rid, Bleichlorid,  Wismuthchlorid  und  Chromchlorid  das 
Chlor  als  Cla  enthalten.  In  No.  224  werde  ich  nachweisen, 
dafs  das  Constitutionsvolum  des  dem  Blei  isomorphen  Ba- 
riums =  22,4  ist.  Es  ergiebt  sich  nun  der  gleiche  Rest 
ür  Chlor,  nämlich  15,4  im  Mittel,  wenn  man  von  den  Vo- 
lumen der  genannten  Verbindungen  die  Metallvolume  ab- 
zieht.   Die  hierher  gehörigen  Beobachtungen  sind  zunächst: 

a.  Bleichlorid  =  PbCli;  m  =  278;  t  —  48,0  (166). 

b.  Bariumchlorid  =  Ba  Cl, ;  m  =  208 ;  v  =  54,0  (164). 

c.  Wismuthchlorid  =  Bi  Cla ;  ro  =  3 1 4,5 ; 

s  =  4,56  Bödeker;  e?  =  69,0. 

d.  Chromchlorid  =  Cr  Cl3 ;  m  =  158,5 ; 

*  =  3,03  bei  17°  Schafarik;  t?  =  52,3. 
Nun  ergiebt  sich: 

Cl,  =  54,0  (164)  Pb  Cl,  —  48,0  (166)  Bi  Cl3  =  69,0  (216)  Cr  Cl,  =  52,3  (216) 

Ba=  2-2,4  (226)  Pb=  1S,2(131)  Bi  =  21,4  (216)  Cr  =  7,4  (Wöhle  r) 

Cl,  =  31,6  Cl,  =  29,8  Cl3  =  47,6  C\,  =  44,9 

Cl  ==  15,8  Cl=14,9  Cl  =  15,vS  Cl=15,0 

Das  Mittel  dieser  Reste  ist  15,4  =  Cl«  (215). 

Ueber  die  Krystallform  dieser  Verbindungen  ist  nichts 
bekannt.  Ihre  Volumconstitution  macht  es  einigermafsen 
wahrscheinlich,  dafs  es  die  reguläre  ist. 

An  anderer  Stelle  werde  ich  nachweisen,  dafs  auch  in 
deD  regulären  Doppelchloriden  des  Kaliums  und  Am- 
moniums mit  Platin  das  Chlor  als  Cl"  mit  dem  Volum 
15,2  enthalten  ist. 


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217.  Für  die  Bromide  ergiebt  sich  ebenso: 

KBr  =  44,3(  14)       Na  Br  =33,8  (213)  AgBr  =  31,8(nat.Kryst.(23)) 
\  Vol.  K  =  22,0  (116)  \  Vol.  Na=  11,9  (115)      Ag=  10/2  (132) 
Br=21,7  Br  =  2l,9  Br  =  21,6. 

Ich  werde  dieses  Constitutionsvolum  des  Broms  mit 
Br*  =  21,7  (im  Mittel)  bezeichnen.  Für  das  Bromam- 
monium, mit  K  Br  isomorph,  ergiebt  sich : 

AmBr  =  41,2(  17) 
Br*  =  21,7  (217) 

Am  =  19,5  in  Uebereinstimmung  mit  dem  aus  dem 

Chlorammmonium  abgeleiteten  Werthe 

Am*=  19,8  (215). 

218.  Nach  Regel  IV  und  V  scheint  dieses  Brom  und 
das  metallische  Volum  des  Cadmiums  auch  enthalten  im 
Bromcadmium  =  Cd  Br2;  m  =  272;  *  =  4,712  bis  4,91 
Bödeker  und  Gieseke;  i.  M.  5  =  4,811  und  d  =  56,5. 
Denn  nun  ist  Cd  Br2  =  56,5  (218);  ab  Vol.  Cd  =  12,9 
(130),  bleibt  für  Br,  das  Volum  43,6  also  Br  =  21,8. 

Andere  von  den  bis  jetzt  untersuchten  Bromverbin- 
dungen  reihen  sich  hier  nicht  direct  an. 

219.  In  analoger  Weise  ergiebt  sich  für  die  Jodide: 

KJ  —  54,0  (15)  Na  J  =  43,5  (  20)      Ag  J  =  42,0  (  24) 

\  Vol.  K  =  22,6  (116)       \  Vol.  Na  =  1  \J  (115)        Ag  =10,2  (132) 
J  =  31,4  J  =  31,6  J=-31,8. 

Im  Mittel  J  =  31,6.  Ich  bezeichne  dieses  Jodvolum 
mit  J f. 

Für  das  Jodammonium  =  N  H4  J  ,  m  =  145 ,  welches 
mit  dem  Jodkalium  für  isomorph  gehalten  wird,  giebt 
Bödeker  an  8  =  2,498,  womit  t>  =  58,0  wäre.   Es  würde 

sich  hieraus  mit  J*  für  Am  das  Volum  26,4  ergeben, 
welches  bis  jetzt  ohne  genügende  Analogie  ist.  Ich  bin  der 
Meinung,  dafs  die  Dichtigkeit  und  Zusammensetzung  des 
Jodammoniums,  sowie  auch  seine  Krystallform,  einer 
wiederholten  Prüfung  bedarf. 

220.  An  anderer  Stelle  werde  ich  zeigen,  dafs  das 
Volum  des  festen  metallischen  Quecksilbers  sich  aus  dem 
Oxyd  als  Hg  «14,1  ableiten  läl'st.    Dieses  Volum  Hg 


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und  das  J*  scheint  in  dem  gelben  rhombischen  Queck- 
silberjodid  enthalten.  Das  Quecksilberjodid  ist  bekanntlich 
dimorph;  das  gelbe  rhombische  geht  durch  kleine  Anlässe 
in  das  rothe  quadratische  über,  welches  von  gröfserer 
Dichtigkeit  ist.  Für  das  gelbe,  an  einzelnen  Punkten  schon 
gerötbete,  erhielt  Tschermak  s  =  6,1 1  und  $  =  6,17. 
Für  i  =  6,ll  ist  t>=74,2.  Schiff  erhielt  «  =  5,91  und 
o  =  76,8.  Mit  Hg  =14,1  und  Ja  =  31,6  berechnet  sich 
Vol.  HgJ2  =  77,3;  beobachtet  ist  74,2  bis  76,8. 

Ehe  ich  nun  mit  Erfolg  noch  einige  weitere  Halogen- 
verbindungen betrachten  kann,  bin  ich  genöthigt,  erst  die 
thatsächlichen  Condensationeu  nachzuweisen,  welche  sich 
in  einigen  anderen  Gruppen  ergeben. 

VIII.  Die  rhombisch  isomorphen  Spathe  und  daran  sich  Anreihendes. 

221.  Eine  sehr  schöne  Gruppe  isomorpher  und  sehr 
gut  bestimmter  Körper  bilden  die  rhombischen  Sulfate  und 
Carbonate  des  Bariums,  Strontiums,  Bleis  und  Calciums; 
welchen  sich  noch  die  mit  ihnen  isomorphen  Sulfate  des 
Kaliums,  Ammoniums  und  Thalliums,  und  einige  Verbin- 
dungen von  unbekannter  Krystallform  anschliefsen.  Die 
Volume  habe  ich  /.  c.  gröfstentheils  bereits  mitgetheilt, 
und  nur  bei  wenigen  noch  etwas  hinzuzufügen. 

o.  Bariumsulfat,  Schwerspath  =  Ba  S  04 ;  m  =  233 ; 

5  =  4,476  und  t?  =  52,l  (29). 

b.  Strontiumsnlfat=SrS04;  wi=  183,6;  t  =  46,8  (30). 

c.  Bleisulfat  =  Pb  S  04 ;  m  =  303;  t?  =  48,0(31). 

d.  Kaliumsulfat  =  K,  S  04;  m  =  174; 

*  =  2,66  und  0  =  65,4  (25). 

e.  Ammoniumsulfat  =  Am2S04;  m=132;  0  =  74,6(26). 
Ich  habe  den  unter  (26)  angeführten  Beobachtungen 

für  Ammoniumsulfat  noch  die  übereinstimmende  von  Kopp 
*=1,77,  v  =  74,6  anzureihen. 

f.  Bariumcarbonat,  Witherit  =  Ba  C03;  m=197.  Ich 
bin  der  Ansicht,  dafs  von  den  unter  (32)  mitgetheilten 
Dichtigkeit8bfstimmungen  des  Witherits  und  Bariumcar- 
bonats  nur  das  Mittel  der  gut  übereinstimmenden  Dichtig- 


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keiten  von  Kirwan,  Mobs,  Karsten  und  mir  zu  nehmen 
ist,  nämlieh  *  =  4,313.  Die  Filhol'sche  Bestimmung 
s  —  4,565  steht  mit  allen  übrigen  nicht  im  Einklang.  Wird 
ihr  Einflufs  ausgeschlossen,  so  ist  das  wahrscheinlichste 
Voltun  t?  =  45,7  (221),  statt  45,0  (32),  wie  ic  h  1859  annahm. 

g.  Strontinmcarbonat  =  Sr CO  ;  m  =  147,6.  Sein  Vo- 
lum glaube  ich  nun  auch  noch  scharfer  bestimmen  zu 
können,  als  es  (33)  geschehen  ist.  Von  der  Mark  hat 
seitdem  den  fasrijjen  Strontianit  von  Hamm  analysirt,  und 
die  Dichtigkeit  zu  s  =  3,613  bestimmt.  Die  Analyse  ergab: 
Sr  0  =  63,56  Proc;  Ca  0  =  4,80  Proc;  C  Oa  =  30,85  Proc. 
Hieraus  berechnet  sich,  dals  in  demselben  0,614  Molecüle 
SrCO;  mit  0,08tf  Moleeiilen  CaCOa,  oder  nähernngsweise 
7  Mol.  SrCOa  mit  einem  Mol.  Arragonit  zusaminenkry- 
stallisirt  sind. 

Für  die  8  Module  ist  m  =  1133,2  und  8  =313,7. 
Zieht  man  das  Volum  eines  Mol.  Arragonit  =  33,9  (34) 
ab,  so  bleibt  für  7SrCOj  der  Werth  ©  =  279,8  und  für 
SrC03  sonach  t  =  40,0  (221).  Ich  bin  der  Meinung,  dafs 
dieser  Werth  der  Wahrheit  näher  liegt,  als  der  früher 
ermittelte  =  40,8  (33) ,  welcher  ohne  Rücksicht  auf  den 
nie  fehlenden  Kalkgehalt  berechnet  ist. 

h.  Bleicarbonat,  Weisbleierz  =  Pb  CO . ;  m  =  267; 

c  =  41,0  (35). 

t.   Arragonit  =  CaCO, ;  m  =  100;  0»  33,9  (34). 

222.  Es  hat  mich  lange  Zeit  und  Mühe  gekostet,  bis 
ich  aus  der  Summe  aller  für  die  Kalkverbindungen  vor- 
liegenden Thatsachen  zu  dem  Entschlüsse  gelangte,  auf 
den  Versuch  zu  verzichten,  die  unzweifelhaft  zu  ermitteln- 
den Constitution8volume  des  Calciums  in  seinen  Verbin- 
dungen nach  dem  Condensationsgesetz  in  einfachem  Zu- 
sammenhang mit  dem  (118)  mitgetheilten  Volum  des  Cal- 
ciummetalls  zu  erkennen.  Bunsen  und  Matthiessen 
selbst  verhehlen  nicht  die  ungewöhnlichen  Schwierigkeiten, 
die  Dichtigkeit  des  galvanisch  redneirten  Calciums  zu  er- 
halten, und  theilen  ihre  Beobachtung  nur  unter  grofser 
Reserve  mit.    Seitdem  haben  Lies-Bodart  und  Jobin 


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für  Calcium,  welches  durch  Reduction  aus  CaJ,  mittelst 
Natrium  erhalten  war,  durch  Versuche  über  das  Unter- 
sinken desselben  in  Chloroform  und  das  Schwimmen  des- 
selben in  „Bichlorüre  de  Carbone",  und  dafs  es  nur  wenig 
schwerer  ist  als  eine  Mischung  gleicher  Volume  beider 
Flüssigkeiten,  zu  ermitteln  geglaubt,  dafs  seine  Dichtigkeit 
kaum  den  Werth  *  =  1,55  überschreiten  könne.  Hiermit 
wäre  ©  =  25,8.  Nach  Bunsen  und  Matthiessen  wäre 
©=25,4  (118). 

Ich  werde  übrigens  an  anderer  Stelle  nachweisen,  dafs 
es  keineswegs  angeht,  das  Condensationsgesetz  schon  jetzt 
an  jeder  Stelle  zu  erkennen,  selbst  da,  wo  es  den  That- 
sachen  in  einfachster  Form  zu  Grunde  liegen  mag. 

Ich  werde  daher  zunächst  die  Constitutionsvolume  des 
Calciums  nicht  auf  das  Volum  des  Calciummetalls  direct 
zurückbeziehen. 

223.  Nach  Regel  I  vom  Parallelosterismus  ist  in  den 
Verbindungen  BaS04,  SrS04,  Pb  S  04,  K2S04  die 
Complexion  S04,  und  in  den  Verbindungen  BaC03, 
SrCO,,  PbC03,  CaC08  die  Complexion  CO,  stets  mit 
dem  nämlichen  Volum;  und  ebenso  Ba  im  Sulfat  und  Car- 
bonat,  Strontium  im  Sulfat  und  Carbonat,  Blei  im  Sulfat  und 
Carbonat  respective  mit  dem  gleichen  Volum  vorauszusetzen. 
Da  sich  nun  die  beobachteten  Volumdifferenzen  der  Homo- 
logen Strontium-  und  Blei -Salze  gleich  der  Differenz  des 
Metallvolums  Blei  und  des  halben  Metallvolums  des  Leicht- 
metalls Strontium  ergeben,  so  ist  nach  Regel  IV  von  dem 
Vorherrschen  der  Condensationsfactoren  1  und  2  anzu- 
erkennen, dafs  Blei  mit  seinem  metallischen,  Strontium 
mit  seinem  halben  Metallvolum  in  diesen  Verbindungen 
enthalten  sind;  und  ist  hiemit  ein  Eingang  zum  Verständ- 
nifs  dieser  Gruppe  gewonnen.    Es  ist  in  der  That: 

PbCO,  =41,0(  35)  PbS04  -=48,0(31)  Vol.  Pb  =  18,2  (131) 
Sr  C  O,  =  40,0  (221)       Sr  S 04  =  46,8  (30)     |  Vol.  Sr  =  17,2  (119) 

Pb  —  Sr  =~U)  Pb-Sr=~T2 

PoggendorfFs  Annal.    Ergänzangsbd.  VI.  6 


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Es  ergiebt  sich  demnach  für  die  Complexion  S04: 
PbSO4  =  48,0(  31)        SrS04  =  46,8(  30) 
Pb  =1 8^2(131)       \  Vol.  Sr  =  11,2  (1 1 9) 
S04  =  29,8  S04  =  29,6. 

Ich  werde  dies  Volum  S04  =  29,7  zunächst  mit  (S04)* 
bezeichnen. 

Ebenso  ergiebt  sich  für  die  Complexion  CO,: 
Pb  CO,  =  41,0  (  35)        Sr  CO,  =  40,0  (221) 
Pb  =  18,2  (131)       |  Vol.  Sr  =  17^2  (119) 
CO,  =  22,8  CO,  =  22,8. 

Ich  werde  dies  Volum  CO,  =  22,8  zunächst  als  (CO,)* 
bezeichnen. 

224.  Mit  diesen  für  (CO,)"  und  (S04)"  ermittelten 
Volumen  läfst  sich  nun  auch  das  bisher  unbekannte  Con- 
stitutionsvolum  des  Bariums  finden.    Man  erhält: 

BaS04  =  52,l(  29)        Ba  CO,  =  45,7  (221) 
(S  04)'<  =  29,7  (223)         (C  O,)«  =  22,8  (223) 
Ba  =  22,4  Ba  =  22,9. 

Im  Mittel  Ba  =  22,6,  und  vom  Schwerspath  entnommen 
Ba  am  22,4.  Es  ist  dies  das  normale  Constitutionsvolum 
des  Bariums,  mit  welchem  es  am  häufigsten  in  Verbin- 
dungen vorkommt.    (Vergleiche  216.) 

Auch  das  unbekannte  Constitutionsvolum  des  Calciums 
läfst  sich  nun  aus  dorn  Arragonil  ableiten: 

Ca  CO,  =  33,9  (  34) 
(CO,)«  =  22,8  (223) 
Ca  =  11,1. 

Dies  Constitutionsvolum  des  Calciums  steht  in  sehr 
einfachem  Condensationsverhältnifs  zu  dem  Volum  des 
Calciums  im  Kalkspath,  im  Flufsspath,  im  Kalk  usw.,  wie 
ich  später  nachweisen  werde. 

225.  Weil  das  Kaliumsulfat  und  Ammoniumsulfat  mit 
dem  Bleisulfat  isomorph  sind,  so  ist  nach  Regel  I  vom 
Parallelosteri8mus  auzuerkennen,  dafs  beide  Verbindungen 
die  Complexion  S04  als  (S04)fl  =  29,7  (223),  wie  die  er- 
wähnten rhombischen  Spathe  enthalten.  Nun  ergiebt  sich: 


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K,S04  =  65,4  (221)         Am4S04  =  74,6(  26) 
(SO,)«  =  29,7  (223)  (S04)<*  =  29,7  (223)_ 

K,  =  35,5  u.  K  =  17,8       Am,  =  44,9  u.  Am  =  22,5. 

Ich  werde  dies  Volum  des  Ammoniums  als  Am'3  =  22,5 
bezeichnen.    Es  ist  bestimmt  verschieden  von  dem  Volum 

Am*=  19,8  (215),  mit  welchem  das  Ammonium  im  Chlorid 
und  Bromid  enthalten  ist,  worauf  ich  schon  1859  unter 
(72)  und  (104)  aufmerksam  gemacht  habe.  In  welcher 
Beziehung  diese  beiden  Volume  Am"  =  19,8  (215)  und 
Am ';  mm  22,5  (225)  zu  einander  stehen ,  kann  an  dieser 
Stelle  nicht  untersucht  werden;  es  müssen  dazu  die  Vo- 
lume erst  ermittelt  seyn,  mit  welchen  der  Stickstoff  und 
der  Wasserstoff  in  Verbindungen  eingehen. 

In  seiner  Verbindung  mit  Chlor,  Brom  und  Jod  hat 
das  Kalium  das  Volum  22,6  (209).  Nun  ist  \  X  22,6  ==  18,1 
bis  18,0.  Es  ist  dies  offenbar  gleich  dem  oben  (225)  er- 
haltenen Werthe  17,8.  Das  Volum,  mit  welchem  das 
Kalium  im  Sulfat  enthalten  ist,  erscheint  demnach  sehr 
genau  als  J  seines  Constitutiousvolums  in  den  Halogen- 
salzen, oder  als  g  seines  Metallvolums. 

Ich  werde  nachweisen,  dafs  dies  das  normale  Con- 
stitutionsvolum  des  Kaliums  ist,  mit  welchem  es  am  häu- 
figsten vorkommt. 

Von  dem  wasserfreien  Kaliumcarbonat  ist  die  Krystall- 
form  nicht  bekannt;  aber  es  enthält  die  Kohlensäure  mit 
dem  nämlichen  Volum,  wie  die  rhombischen  Spathe,  und 
das  Kalium  mit  dem  nämlichen  Volum  wie  das  Sulfat. 

Für  K,  C03;  m  =  138,  beobachtete  Karstens  =  2,264 
ungefähr;  Filhol  *  =  2,267.  Durch  Glühen  aus  zwei- 
fach kohlensaurem  Kali  erhalten  gab  es  mir  s  —  2,342 
und  s=  2,336,  im  Mittel  *  =  2,339  Schröder.  Das 
Gesammtmittel  ist  s  ==  2,290  und  v  =  60,0.  Meine  Be- 
stimmung giebt  t?  =  59,0.  Nun  erhält  man  in  der  That, 
wenn  man  (C  03)«  =  22,8  (223)  von  59,0  abzieht,  für  K, 
das  Volum  36,2,  und  K  mm  18,1  mm  f  x  Kaliummetall  (209). 
Die  Annahme,  dafs  (C03)a  =  22,8  im  Kaliumcarbonat 

6* 


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84 


enthalten  ist,  rechtfertigt  sich  vollkommen  dadurch,  dafs, 
wie  ich  später  nachweisen  werde,  die  Kohlensäure  bis 
jetzt  überhaupt  nicht  dimorph  beobachtet  ist,  indem  sich 
die  Volume  aller  bis  jetzt  überhaupt  beobachteten  wasser- 
freien Carbonate  mit  dem  Constitutionsvolum  (C  O.,)"  =  22,8 
(223)  in  Ueberein8timmung  mit  dem  Condensationsgesetz, 
d.  h.  unter  Anwendung  sehr  einfacher  Condensationsfac- 
toren,  erklären  lassen. 

226.  Zunächst  habe  ich  hier  noch  das  metallische 
Thallium  und  das  Thalliumsulfat  anzureihen,  welches  mit 
Aluminiumsulfat  einen  regulären  Alaun  bildet,  wie  das 
Kaliumsulfat,  und  nach  von  Lang  mit  dem  letzteren  iso- 
morph ist.  Dasselbe  wird  daher  nach  Regel  I  die  Com- 
plexion  (S  04)"  —  29,7  (223)  enthalten. 

a.  Für  das  metallische  Thallium  =T1;  ro  =  204,  ist 
beobachtet:  für  das  geschmolzene  und  wiedererstarrte 
#=  11,853  bei  11°  De  La  Rive;  für  das  in  Draht  ge- 
zogene «=  11,808  bei  11°  De  La  Rive.  Werther 
fand  5  =  11,777  bis  11,9.  Im  Mittel  ist  *  =  11,86  und 
©=  17,2  (226). 

6.  Thalliumsulfat  =  Tl ,  S  04 ;  m  =  504.  Für  das  nach 
dem  Schmelzen  erstarrte  Salz  fand  Lamy  *  =  6,77;  also 
t?  =  74,4.    Nun  ergiebt  sich: 

T1,S04  =  74,4  (226) 
(SQ4)"  =  29,7  (223) 

Tla  =  44,7  und  Tl  =  22,3  bis  22,4. 

Es  stimmt  dies  genügend  überein  mit  21,5  =|X  17,2 
=  h4  Volum  Thalliummethall. 

Das  Constitutionsvolum  des  Thalliums  ist  demnach 
|  seines  Metallvolums,  und  ich  will  schon  hier  nachweisen, 
dafs  es  sich  mit  dem  gleichen  Volum  im  Carbonat  wieder- 
findet. 

c.  Das  Thalliumcarbonat  =  Tl2  C08 ;  m  =  468,  kry- 
stallisirt  monoklinometrisch,  ohne  krystallographische  Ana- 
logie mit  dem  Bleisalz  (Descloizeaux).  Für  aus  alko- 
holischer  Lösung  krystallisirtes   fand  Lamy  *  =  7,06; 


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85 


und  Lamy  und  Descloizeaux  *ä  7,164;  im  Mittel 
«=7,112  und  t?=65,8.  Mit  dem  Constitutionsvolum 
(C03>»  =  22,8 (223)  ergiebt  sich: 

Tl,  CO,  =  65,8  (226) 
(CO,)«  =  223  (223) 

Tl,  =43,0  also  Tl  =  21,5  d.  i.  genau  |Vol.  Thallitimmetall. 

Mannheim,  im  October  1872. 

(Fortsetzung  folgt.) 

» 

VI.    lieber  die  Elektricitätsstrahlen  und  die  Ge- 
setze ihrer  Verbreitung  und  Zurückwerf  ung  in 
leitenden  Platten;  von  Theodor  Schwedoff, 

Professor  an  der  Univ.  zu  Odessa. 


]\ach  diesem  Titel  würde  der  Leser  vielleicht  denken, 
dafs  ich  die  Absicht  hätte,  eine  neue  Hypothese  aufzu- 
stellen, nach  welcher  die  Elektricität  als  eine  wellenförmige 
Bewegung  betrachtet  werden  soll.  Ich  bin  aber  fern  von 
dieser  Absicht.  Die  Idee,  Elektricitätserscheinungen  als 
Bewe  gung  der  Körpertheilehen  anzusehen,  ist  so  alt,  und 
die  Entwickelung  derselben  in  den  meisten  Fällen  so  mangel- 
haft und  hypothetisch,  dafs  ich  es  nicht  der  Mühe  werth 
halte,  zu  den  zahlreichen  bis  jetzt  vorgeschlagenen  Hypo- 
thesen noch  neue  hinzuzufügen.  Ich  glaube,  dafs  nicht 
die  Einbildungskraft,  sondern  der  Versuch  uns  helfen  kann 
den  Schleier  niederzureifsen,  welcher  bis  jetzt  noch  über 
dem  Elektricitätswesen  schwebt.  Wollen  wir  wirklich  die 
Theorie  der  Elektricität  auf  dasselbe  Princip  zurückführen, 
auf  welchem  Licht-  und  Schalltheorie  gebaut  sind,  so 
müssen  wir  uns  vor  Allem  bestreben  mit  Hülfe  des  Ver- 
suchs die  Gränzsteine  abzuschaffen,  welche  unsere  Ein- 
bildungskraft  zwischen  diesen  Gebieten  aufgestellt  hatte. 
Gelingt  das  uns  einmal,  so  geschieht  die  Verallgemeinung 
der  verschiedenen  Theorien  von  selbst. 


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86 


Von  dieser  Ansicht  geführt,  habe  ich  unternommen 
auf  experimentellem  Wege  die  Frage  zu  untersuchen,  ob 
es  einen  wesentlichen  Unterschied  gebe  zwischen  der  Ver- 
breitung der  elektrischen  Ströme  in  leitenden  Körpern 
und  der  Verbreitung  der  Lichtstrahlen  in  durchsichtigen 
Medien,  und  falls  dieser  Unterschied  wirklich  vorhanden 
ist,  worin  er  bestehe.  Ich  will  hier  nicht  den  weiten  Weg 
beschreiben,  der  mich  zur  Lösung  dieser  Frage  geführt 
hatte,  und  sage  nur,  dafs  er  wesentlich  darin  bestand,  dafs 
ich  mich  bemühte  alles  Subjective  und  Hypothetische  von 
mir  fern  zu  halten,  was  sich  in  die  Wissenschaft  neben 
den  Thatsachen  eingeschlichen  hat.  In  dieser  Weise  bin 
ich  zum  Schlufs  gekommen,  dafs  es  eine  Anschauungs- 
weise giebt,  welche  uns  erlaubt,  die  elektrischen  und  Licht- 
Erscheinungen  unter  dasselbe  Princip  zu  bringen. 

Um  im  Folgenden  mögliche  Mifsverständnisse  zu  ver- 
meiden,  mufs  ich  zuerst  die  Benennungen  scharf  definiren, 
welche  ich  gebrauche. 

Ein  elektrischer  Pol  ist  der  Punkt,  in  welchem  freie 
elektrische  Massen  vorhanden  sind.  Elektrischer  Strom 
ist  die  Erscheinung,  bei  welcher  zwei  gleiche  und  un- 
gleichnamige Massen  durch  denselben  Querschnitt  des 
Körpers  in  entgegengesetzter  Richtung  mit  gleicher  Ge- 
schwindigkeit fliefsen.  Die  Richtung  der  positiven  Elek- 
tricität  ist  die  Stromrichtung.  Eine  vom  Pole  zu  einem  be- 
liebigen Punkt  des  Körpers  gezogene  Gerade  nenne  ich 
Elektricitäts strahl.  Hierbei  mufs  ich  bemerken,  dafs  ich 
dem  Begriffe  Elektricitätsstrahl  vorläufig  keine  physikalische 
Bedeutung  zuschreibe;  ich  benutze  dieses  Wort  nur  um 
den  langen  Satz :  „die  Richtung,  in  welcher  die  elektrischen 
Massen  zum  Pole  angezogen  oder  von  ihm  abgestofsen 
werden"  mit  einem  Worte  zu  ersetzen. 

Nach  der  heutzutage  herrschenden  Ansicht,  wirken  die 
elektrischen  Massen  auf  einander  nach  dem  Coulomb'- 
schen  Gesetze,  sie  mögen  in-  oder  aufserhalb  der  Körper 
seyn,  es  mag  zwischen  diese  Körper  ein  leitender,  oder 
nicht  leitender,  oder  auch  gar  kein  Körper  eingeschoben 


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werden.  Drücke  ich  mich  in  der  oben  erklärten  Weise 
aus,  so  kann  ich  die  angeführte  Ansicht  in  folgender  Weise 
aussprechen:  Die  Elektricitätsstrahlen  verbreiten  sich  vom 
Pole  nach  allen  möglichen  Richtungen  und  gehen  durch 
alle  Körper  ungestört. 

Das  wäre  der  Unterschied  zwischen  den  elektrischen 
Strahlen  und  den  Lichtstrahlen,  welche  letztere,  wie  be- 
kannt, durch  die  Körper,  auf  welche  sie  fallen,  gewisse 
Ablenkungen  erleiden.  Vielleicht  aber  ist  dieser  Unter- 
schied nur  scheinbar  und  es  ist  zu  untersuchen,  ob  die 
Gesetze,  welche  für  Lichtstrahlen  gelten,  nicht  auch  für 
die  Elektricitätsstrahlen  gültig  bleiben.  Die  Lösung  dieser 
Frage  bildet  den  Inhalt  meiner  Abhandlung. 

I.  Gang  der  Strahlen  in  einer  nnbegränzten  Ebene. 

Denken  wir  uns  eine  sehr  dünne,  durchsichtige,  un- 
begränzte  Glasplatte,  welche  auf  beiden  Flächen  mit  Amal- 
gam bedeckt  ist.  Im  Inneren  dieser  Platte  denken  wir 
uns  einen  Lichtpunkt.  Die  von  ihm  ausgehenden  Strahlen 
können  in  den  äufseren  Raum  nicht  gelangen,  da  sie  vom 
Amalgam  zurückgeworfen  werden;  sie  können  sich  nur 
in  der  Ebene  der  Platte  verbreiten.  In  Abständen  r,  R 
vom  Lichtpunkte  nehmen  wir  zwei  Punkte  a,  A  und  be- 
schreiben um  den  Lichtpunkt  mit  den  Radien  r,  R  zwei 
cylindrische  Flächen,  deren  gemeinsame  Axe  h  der  Dicke 
der  Platte  gleich  ist  und  deren  Basen  mit  den  Flächen  der 
Platte  zusammenfallen.  Bezeichnen  wir  weiter  mit  i,  J 
die  respective  Intensität  der  Strahlen  in  Punkten  a, 
d.  h.  die  Mengen  der  Strahlen,  welche  auf  die  Oberflächen- 
heit  normal  fallen.  Die  Strahlenmengen,  welche  auf  die 
ganzen  cylindrischen  Flächen  fallen  siud  respective  2  n  r  h  t, 
2nRHJ.  Diese  Mengen  müssen  gleich  seyn,  da  alle 
Strahlen,  welche  durch  die  kleinere  cylindrische  Fläche 
gegangen  sind,  nachher  auf  die  gröisere  fallen.  Wir 
haben  also: 

2n  r  h  •  mm  2n  R  H  J  oder  -  =^ 


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d.  h.  die  Intensität  der  Strahlen,  welche  sich  in  der  Rich- 
tung einer  Ebene  verbreiten,  ist  den  Abständen  vom  Licht- 
punkte umgekehrt  proportional. 

Wenden  wir  diesen  Satz  auf  die  Wirkung  eines  elek- 
trischen Pols  an,  der  sich  in  einer  leitenden,  unbegränzten 
und  von  beiden  Seiten  isolirten  Platte  befindet,  so  können 
wir  daraus  sogleich  einen  Schlufs  ziehen,  der  sich  leicht 
mit  Hülfe  des  Versuchs  prüfen  läfst. 

Es  seyen  P  und  Q  (Fig  5  Taf.  I)  zwei  Punkte  der 
Platte,  zu  welchen  respective  positiver  und  negativer  Pol 
einer  galvanischen  Kette  abgeleitet  sind,  und  a  ein  Punkt 
der  Platte.  Auf  -+-  e  dieses  Punktes  wirken  zwei  Kräfte 
p  und  q  in  den  Richtungen  Pa  und  aq,  welche  den  Ab- 
ständen des  Punktes  a  von  den  Polen  umgekehrt  pro- 

portional  sind,  so  dafs  ^-  =  —  . 

Um  die  Richtung  der  resultirenden  Kraft  zu  bestimmen, 
müssen  wir  auf  den  Verlängerungen  der  Strahlen  ein 
Parallelogramm  construiren,  dessen  Seiten  den  Kräften  p,  q 
proportional  seyen.  Die  Diagonale  ab  dieses  Parallelo- 
gramms stellt  die  Richtung  vor,  in  welcher  sich  die  positive 
Elektricität  unter  der  Wirkung  zweier  Pole  bewegt.  Es 
ist  aber  leicht  zu  beweisen,  dafs  diese  Diagonale  mit  der 
Tangente  zusammenfallt,  welche  im  Punkte  a  an  den  Kreis 
gezogen  ist,  der  durch  diesen  Punkt  und  die  zwei  Pole 
geht.  In  der  That  sind  die  Dreiecke  P  Qa  und  apb 
ähnlich,  da  ihre  Seiten  Pa,  bp,  Qa  und  ap  proportional, 
und  die  Winkel  bei  a  und  p  gleich  sind.  Daraus  kommt: 
£_a  PQ  =  ^abp  =  /^qab,  was  nur  dann  möglich  ist, 
wenn  a  b  tangential  zum  Kreise  PQa  im  Punkte  a  ist. 

Da  —  e  des  Punktes  a  sich  unter  der  Wirkung  der- 
selben Pole  befindet,  so  bewegt  sie  sich  in  der  Richtung 
a  b',  welche  auch  tangential  zum  Kreise  ist.  Daraus  können 
wir  den  folgenden  Satz  ableiten:  Sind  zu  zwei  Punkten 
einer  leitenden  unbegränzten  Platte  zwei  Elektroden  abge- 
leitet, so  verzweigt  sich  der  Strom  in  der  Weise,  dafs  an 
einem  beliebigen  Punkte  der  Platte  die  Stromrichtung  mit  der 


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■ 

Tangente  zusammenfällt,  welche  in  diesem  Punkte  an  den 
Kreis  gezogen  ist,  der  durch  diesen  Punkt  und  die  Pole 
geht.  Dies  ist  aber  das  wohlbekannte  Gesetz  der  Strom- 
verzweigung in  einer  unbegränzten  Platte,  das  von  Hrn. 
Kirch  hoff  theoretisch  untersucht  und  experimentell  be- 
wiesen wurde.  Kirchhoff  gründete  aber  seine  Unter- 
suchung auf  ganz  andere  Principien,  welche  mit  den 
Lichterscheinungen  nichts  gemein  haben. 

Ich  will  jetzt  zeigen,  dafs  man  die  Stromrichtung  nach 
meinem  Principe  auch  in  dem  Falle  bestimmen  kann,  wenn 
wir  keine  unbegränzte  Platte  haben.  Man  braucht  nur 
vorauszusetzen,  dafs  auch  in  diesem  Falle  die  elektrischen 
Strahlen  denselben  Gesetzen  folgen,  wie  die  Lichtstrahlen, 
dafs  sie  also  vom  Rande  der  Platte  zurückgeworfen  werden. 
Denken  wir  uns  eine  durchsichtige  Glasplatte,  welche  auf 
ihren  beiden  Flächen,  wie  auch  an  den  Rändern  mit  Amal- 
gam bedeckt  ist. 

Befindet  sich  ein  Lichtpunkt  im  Innern  dieser  Platte, 
so  werden  die  von  ihm  ausgehenden  Lichtstrahlen  nicht  aus 
der  Platte  gehen  können,  da  diese  Strahlen  vom  Amalgam 
zurückgeworfen  werden,  sobald  sie  an  die  Oberfläche  oder 
an  den  Rand  der  Platte  treten. 

II.  Zurückwerfung  der  elektrischen  Strahlen  von  einer  Gränrlinie. 

Statt  der  durchsichtigen  Platte  nehmen  wir  jetzt  eine  lei- 
tende durch  die  Gerade  m  n  (Fig.  6  Taf.  I)  begränzte  und 
mit  Luft  umgebene  Platte.  Im  Inneren  dieser  Platte  denken 
wir  uns  einen  elektrischen  Polp.  Folgen  die  von  ihm  aus- 
gehenden Strahlen  denselben  Gesetzen  wie  die  Lichtstrahlen, 
und  treten  sie  an  die  Gränzlinie  m  rt,  so  werden  sie  dabei 
von  letzterer  reflectirt  und  nehmen  so  eine  Richtung, 
als  ob  sie  aus  einem  Punkte  p  hervorgingen,  der  dem 
katoptrischen  Bilde  des  Punktes  p  entspricht.  Ein  Punkt 
A  der  Platte  befindet  sich  dann  unter  der  Wirkung  zweier 
Strahlen,  deren  Richtungen  p  A,  p,  A  sind  und  deren  In- 
tensitäten wir  respective  mit  J,  J,  bezeichnen.  Diese  In- 
tensitäten sind  den  Längen  p  A,  und  pl  A  umgekehrt  pro- 


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90 


proportional,  so  dafs: 


Daraus  folgt  der  Satz: 


Befindet  sich  ein  elektrischer  Pol  p  in  einer  leitenden,  isolirten 
Platte,  welche  von  einer  Geraden  begrämt  ist,  so  können 
wir  diesen  Fall  auf  den  zurückführen,  dafs  es  keine  Gräm- 
linie giebt,  d.  h.  dafs  die  Platte  unendlich  grofs  ist.  Wir 
brauchen  nur  aufser  dem  Pole  p  noch  einen  Punkt  pl  in  Be- 
tracht zu  ziehen,  der  sich  aufserhalb  der  Platte,  befindet  und 
dem  Bilde  des  Pols  p  entspricht.  Wir  wollen  diesen  Satz 
sogleich  auf  die  Aufgabe  von  der  Stromver/.weigung  in 
einer  leitenden  Platte  anwenden.  Es  sey  eine  solche  Platte 
nur  einerseits  von  einer  geraden  Linie  mn  (Fig.  7  Taf.  I) 
begränzt,  und  zu  zwei  Punkten  dieser  Platte  P  und  Q 
respective  positiver  und  negativer  Elektroden  einer  gal- 
vanischen Batterie  abgeleitet.  Da  der  Punkt  P  am  Rande 
der  Platte  liegt,  so  fällt  das  Reflexionsbild  F  mit  dem 
Punkte  P  selbst  zusammen.  Das  Bild  des  Punktes  Q  be- 
findet sich  in  Q'.  Auf  einen  Punkt  a  der  Platte  wirken 
also  vier  Pole:  P,  F,  Q,  Q'.  Die  Resultirende  der  Wir- 
kung aller  dieser  Pole  auf  -f-  e  eines  beliebigen  Punktes  a 
läfst  sich  leicht  in  folgender  Weise  bestimmen.  Durch 
den  Punkt  a  ziehe  man  die  Strahlen  Pap  aQq,  a  Q'  q\ 
in  den  Richtungen,  in  welchen  -f-  e  des  Punktes  a  unter 
der  Wirkung  der  Pole  P,  P\  0,  Q\  sich  zu  bewegen 
strebt.  Von  diesen  Strahlen  theile  man  die  Längen  af09 
fo  fi  a  f\-)  a  (n  die  den  Abständen  oP,  aF,  a  Q,  a  Q'  um- 
gekehrt proportional  sind.  Diese  Längen  stellen  uns  nach 
Gröfse  und  Richtung  die  Kräfte  vor,  mit  welchen  die 
Pole  P,  P',  0,  0'  auf  die  -H  e  des  Punktes  a  wirken. 
Ziehen  wir  f2$  gleich  und  parallel  mit  afti  und  s  F  gleich 
und  parallel  mit  a  /*,  so  stellt  die  Gerade  a  F  die  Gröfse  und 
Richtung  der  resultirenden  Kraft  vor.  Diese  Richtung  mufs 
auch  die  des  Stromes  seyn,  da  —  e  unter  der  Wirkung 
derselben  Pole  sich  in  entgegengesetzter  Richtung  bewegt. 
Eine  zu  der  Geraden  a  F  lothrecht  gezogene  Gerade  a  N 
mufs  die  Richtung  ohne  Strom  bezeichnen.  In  derselben 
Weise  läfst  sich  die  Stromrichtung  in  einem  beliebigen 


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Punkte  der  Platte  bestimmen.  Um  diese  Folgen  durch 
Versuche  zu  bestätigen,  habe  ich  dieselbe  Methode  an- 
gewandt, welche  Kirch  ho  ff  bei  seinen  Untersuchungen 
über  denselben  Gegenstand  benutzte.  Ich  habe  nämlich 
zu  zwei  Punkten  einer  Staniolplatte  zwei  Elektroden  einer 
galvanischen  Batterie  abgeleitet  und  die  Enden  des  Drahtes 
eines  Multiplicators  in  solchen  Lagen  an  die  Platte  ge- 
drückt, dafs  der  Multiplicator  keinen  Strom  anzeigte. 

Da  die  Drahtenden  im  Abstand  von  5,nin  von  einander 
waren,  so  zeigte  die  Gerade,  welche  durch  die  Berührungs- 
punkte ging,  die  Richtung  ohne  Strom,  und  die  zu  ihr 
lothrechte  Gerade  die  Stromrichtung  in  dem  Punkte  der 
Platte,  welcher  zwischen  den  Berührungspunkten  in  glei- 
chen Abständen  von  denselben  lag. 

Ich  will  die  Anordnung  bei  meinen  Versuchen  näher 
beschreiben. 

Die  Empfindlichkeit  des  Multiplicators  war  so  grofs, 
dafs  ein  aus  Stahl  und  Kupfer  bestehendes  Thermoelement 
bei  der  Berührung  mit  der  Hand  die  Magnetnadel  um  50° 
ablenkte.  Die  Drahtenden  des  Multiplicators  wurden 
federförmig  gebogen,  wie  es  die  Fig.  8  Taf.  I  zeigt,  und 
mit  Siegellack  an  einen  Glasstreifen  gekittet  und  zwar  so, 
dafs  die  Endpunkte  an  den  Rand  des  Streifens  drückten. 
Dadurch  konnte  ich  die  Richtung  ohne  Strom  sehr  genau 
bestimmen.  Die  Staniolplatte  700mm  lang  und  520ma>  breit 
wurde  auf  eine  Marmorplatte  gelegt.  Die  Polenden  der 
Batterie  wurden  an  zwei  dreieckige  Platten  von  Ebonit 
befestigt  und  mit  Hülfe  von  Gewichten  an  die  Staniolplatte 
gedrückt ,  wie  es  die  Fig.  9  Taf.  I  darstellt.  Die  Pole 
und  die  zu  untersuchenden  Punkte  waren  auf  der  Staniol- 
platte so  vertheilt  wie  es  die  Fig.  12  Taf.  I  darstellt.  M  N 
ist  der  mittlere  Theil  des  längeren  Randes  meiner  Staniol- 
platte, P  die  genaue  Lage  des  positiven,  0  die  des  ne- 
gativen Pols  der  Batterie.  I,  II,  III  sind  die  Punkte,  in 
welchen  die  Stromrichtung  zu  bestimmen  war.  Ia,  IIb, 
IIIc  sind  die  Richtungen,  welche  den  resultirenden  Kräften 
entsprechen,  die  in  oben  erklärter  Weise  construirt  worden 


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92 

sind.  IA,  IIB,  IIIC  sind  die  zu  ihnen  lothrecht  gezoge- 
nen Geraden,  welche  also  die  theoretischen  Richtungen 
ohne  Strom  darstellen.  Als  ich  den  Rand  des  Glas- 
streifens Fig.  8  Taf.  I  in  der  Richtung  einer  dieser  Gera- 
den auf  die  Staniolplatte  gelegt  hatte,  so  dafs  der  zu 
untersuchende  Punkt  sich  zwischen  den  Drahtenden  x,  y 
befand,  zeigte  der  Galvanometer  keinen  Strom  an.  Es 
genügte  aber  den  Raud  des  Glasstreifens  nur  um  1°  von 
der  theoretischen  Richtung  zu  entfernen,  um  eine  bedeu- 
tende Ablenkung  der  Magnetnadel  zu  erhalten.  Aus  an- 
deren Versuchen,  welche  ich  hier  nicht  anführe,  da  sie 
auf  demselben  Wege  und  mit  demselben  Erfolge  ausge- 
führt worden  sind,  obgleich  die  Vertheilung  der  Pole  und 
die  relative  Lage  der  zu  untersuchenden  Punkte  verschieden 
war,  fiel  in  allen  Fällen  die  experimentell  gefundene  Strom- 
richtung vollständig  mit  der  Richtung  zusammen,  welche 
sich  nach  dem  obenerwähnten  Princip  der  Zurückwerfung 
der  Strahlen  construiren  läfst.  Der  Unterschied  zwischen 
beiden  Richtungen  überschritt  in  keinem  Falle  den  Winkel 
von  1°,  was  den  unvermeidlichen  Fehlern  zuzuschreiben  ist. 

Daraus  scbliefse  ich,  dafs  die  von  mir  gebrauchte  Me- 
thode, die  Stromrichtung  in  einer  begränzten  Platte  geo- 
metrisch zu  bestimmen,  zu  richtigen  Resultaten  fuhrt» 
Es  bleibt  jetzt  zu  untersuchen,  wie  sich  die  elektrischen 
Strahlen  verhalten,  wenn  sie  zwei  Mal  reflectirt  werden. 
Zuerst  setze  ich  voraus,  dafs  diese  Strahlen  auch  bei  viel- 
facher Reflexion  demselben  Gesetze  folgen,  wie  die  Licht- 
strahlen. 

Aus  dieser  Voraussetzung  läfst  sich  eine  Folge  her- 
leiten, welche  mit  Hülfe  des  Versuchs  leicht  zu  prüfen 
ist.  Nehmen  wir  eine  Staniolplatte  Fig.  10  Taf.  I,  welche 
von  den  Geraden  AB  und  A  C  begränzt  ist,  in  allen  anderen 
Richtungen  aber  sich  unbestimmt  erstreckt.  Wenn  wir 
auf  der  Halbirungslinie  des  Winkels  B  A  C  einen  Pol  P 
setzen,  so  werden  die  von  ihm  ausgehenden  Strahlen  viel- 
fach reflectirt,  erstens  vom  Rande  A  B,  dann  von  A  C,  dann 
wieder  von  A  B  usw.   Dadurch  mufs  eine  Menge  von  Bild- 


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punkten  entstehen,  die  desto  gröfser  wird,  je  kleiner  der 
Winkel  B  A  C.  Fig.  1 1  Taf.  I  stellt  die  Lage  dieser  Bild- 
punkte,  wenn  der  Winkel  B  A  C  gleich  72°  ist.  In  diesem 
Falle  liegen  diese  Punkte  und  der  Pol  selbst  in  den 
Scheiteln  eines  regulären  Fünfecks.  Liegt  der  andere  Pol 
im  Punkte  4,  so  fallen  alle  seine  Bildpunkte  mit  ihm  zu- 
sammen. Berühren  wir  also  die  Staniolplatte  in  den 
Punkten  A  und  B  mit  den  Elektroden  einer  galvanischen 
Kette,  so  müssen  wir  die  Wirkung  aller  zehn  Pole  P,  F, 
P\  P%  F'%  0,  Q\  <?",  <T,  0""  in  Betracht  ziehen,  wenn 
wir  die  Richtung  der  resultirenden  Kraft  in  einem  belie- 
bigen Punkt  a  der  Platte  bestimmen  wollen,  wobei  die 
Construction  dieser  Richtung  in  derselben  Weise  auszu- 
fuhren ist,  wie  ich  es  oben  beschrieben  habe.  Ich  ziehe 
nämlich  durch  den  Punkt  a  die  Strahlen  Pap,  Pap'  usw., 
a  .1 ,  A  A  usw.  und  lege  auf  diese  Richtungen  vom 
Punkte  a  die  Längen  a  6,  welche  den  Abständen  P  a,  P  a 
usw.  umgekehrt  proportional  sind.  Diese  Längen  stellen 
die  Kräfte  dar,  mit  welchen  die  -f-  e  des  Punktes  a  be- 
wegt wird. 

Die  Resultirende  aller  dieser  Kräfte  muls  mit  der  Strom- 
richtung im  Punkte  a  zusammenfallen.  Diese  Folgerung  habe 
ich  auch  nach  der  obenbeschriebenen  Methode  experimen- 
tell geprüft  und  die  Theorie  in  vollständiger  Ueberein- 
stimmung  mit  dem  Versuch  gefunden.  Ich  führe  hier 
nicht  die  detaillirte  Beschreibung  dieser  Versuche  an,  da  sie 
von  einem  Jeden  leicht  zu  verificiren  sind,  der  nur  im  Be- 
sitz einer  Staniolplatte,  eines  galvanischen  Elements  und 
eines  Multiplicators  ist. 

Bei  allen  diesen  Versuchen  muis  man  aber  eine  Vor- 
sicht nicht  aufser  Acht  lassen.  Da  eine  jede  Platte  nicht 
einen  Rand  sondern  mehrere  hat,  und  die  elektrischen 
Pole  sich  an  jedem  Rande  reflectiren,  so  entsteht  eine 
grofse  Anzahl  von  wirkenden  Punkte,  und  die  Aufgabe 
wird  dadurch  sehr  verwickelt  Ist  aber  die  Platte  ziem- 
lich grofs,  so  können  wir  die  Stellung  der  Pole  und  der 
zu  untersuchenden  Punkte  so  nahe  an  einen  oder  an  zwei 


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Ränder,  und  zugleich  so  fern  von  den  übrigen  wählen, 
dafs  die  Wirkung  der  Reflexionspole,  welche  von  den 
letzteren  entsteht,  zu  vernachlässigen  ist.  Darin  kann 
man  sich  in  folgender  Weise  überzeugen.  Man  bestimme 
mit  Hülfe  des  Multiplicators  die  Stromrichtung  in  einem 
Punkte  a  einer  Platte.  Man  schneidet  ein  Stück  der  Platte 
in  der  Nähe  eines  Randes  B  ab  ab;  bleibt  dabei  die  Strom- 
richtung im  Punke  a  dieselbe,  so  ist  das  Reflexionsbild 
des  Randes  B  ohne  Einflufs  auf  den  Punkt  A, 

Ich  will  jetzt  die  Folgerungen  zusammenfassen,  welche 
sich  aus  meinen  Untersuchungen  ziehen  lassen. 

1.  Befindet  sich  ein  elektrischer  Pol  in  einer  sehr 
dünnen  leitenden  isolirten  Platte,  so  ist  die  Intensität  der 
Wirkung  der  von  ihm  ausgehenden  Strahlen  der  Länge  der 
Strahlen  umgekehrt  proportional. 

2.  Fallen  die  Strahlen  auf  einen  geradlinigen  Rand 
der  Platte,  so  werden  sie  zurückgeworfen,  so  dafs  der  Ein- 
fallswinkel dem  Reflexionswinkel  gleich  ist. 

3.  Fallen  die  schon  einmal  reflectirten  Strahlen  auf 
einen  anderen  Rand,  so  werden  sie  nach  demselben  Ge- 
setze zurückgeworfen. 

4.  Die  Intensität  der  Strahlen,  welche  einmal  oder 
mehrmals  reflectirt  wurden,  läfst  sich  in  denselben  Einheiten 
messen,  wie  die  Intensität  der  Strahlen,  welche  keine  Re- 
flexion erlitten.  Bei  der  Reflexion  sind  also  keine  Ver- 
luste der  Intensität  zu  bemerken. 

5.  Das  Reflexionsbild  eines  positiven  Pols  wirkt  wie 
ein  positiver  Pol.  Das  Zeichen  des  Strahles  wird  also 
durch  die  Reflexion  nicht  geändert. 

Obgleich  aus  diesen  Sätzen  eine  Analogie  zwischen 
den  elektrischen-  und  Lichterscheinungen  folgt,  so  will 
ich  mich  doch  jeder  vorzeitigen  Speculation  enthalten 
und  ziehe  vor,  erst  zu  untersuchen,  wie  sich  die  elek- 
trischen Strahlen  verhalten,  wenn  sie  von  einer  krummen 
Linie  zurückgeworfen  werden. 

Die  Resultate  dieser  Untersuchung  werden  den  Inhalt 
meiner  nächsten  Abhandlung  bilden* 


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VII.    Ueber  die  Natur  der  Elektrizität; 
von  Hrn.  E.  Edlund  '). 

(Der  Stockholmer  Akademie  am  10.  Mai  1871  vorgelegt.) 


Erster  Theil. 

Man  nahm  ehedem  an,  die  Wärme  bestehe  aus  einer 
zarten  und  unwägbaren  Materie,  die,  von  der  Wärme- 
quelle fortgeschleudert,  den  sie  aufnehmenden  Körper  er- 
wärme und  je  nach  ihrer  grofseren  oder  geringeren  Menge 
den  Temperaturgrad  desselben  bedinge.  Nach  einer  ähn- 
lichen Theorie  besteht  das  Licht  auch  aus  einer  impon- 
derablen  Materie  derselben  Art.  Um  die  magnetischen 
Erscheinungen  zu  erklären,  nahm  man  eine  neue  Materie, 
das  magnetische  Fluidum,  zu  Hülfe,  und  für  die  elektrischen 
Erscheinungen  mufste  man  abermals  ein  Fluidum  crelren, 
das,  wie  das  magnetische,  aus  zwei  besonderen  Arten  be- 
stehe. In  Betreff  des  Lichtes  und  der  Wärme  ist  es 
später  bewiesen,  dafs  diese  Erscheinungen  Oscillationen 
sind,  sey  es  der  kleinsten  Theilchen  der  Substanz  oder  des 
Aethers,  jener  zarten  und  elastischen  Materie,  die  in  der 
ganzen  Natur  verbreitet  ist  und  selbst  in  den  Theilen  des 
Raumes,  welche  von  keiner  anderen  Substanz  eingenommen 
werden.  Seit  der  Entdeckung  des  Diamagnetismus  können 
die  dahin  gehörigen  Erscheinungen  nicht  mehr  durch 
magnetische  Fluida  erklärt  werden,  während  sich  der 
elektrische  Ursprung  mittelst  der  Ampere'schen  Theorie 
feststellen  läfst.  Die  beiden  elektrischen  Fluida  sind  also 
die  einzigen,  die  bis  jetzt  unter  theoretischem  Gesichts- 
punkt als  nothwendig  betrachtet  werden.  Wir  wollen  ver- 
suchen, in  dieser  Arbeit  zu  zeigen,  dafs  sich  die  elek- 
trischen Erscheinungen,  die  statischen  wie  die  dynamischen, 
mit  Hülfe  eines  einzigen  Fluidums  erklären  lassen,  welches 

1)  Auf  Wunsch  des  Hrn.  Verfassers  aus  dem  Archive  des  sciences  de 
la  BibUothtque  universelle  1872  Mars  et  Avril,  übersetzt. 


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aller  Wahrscheinlichkeit  nach  nichts  anderes  ist  als  der 
Aether  !). 

1)  Wir  nehmen  uns  die  Freiheit,  einem  Vortrage,  mit  welchem  der  Baron 
F.  v.  Wrede  im  Jahre  1847  das  Präsidium  der  Königl.  Akademie 
der  Wissenschaften  niederlegte,  die  folgenden  Zeilen  über  die  Wich- 
tigkeit des  Aethers  zu  entlehnen. 

„Man  kann  eben  so  wenig  annehmen,  dafs  eine  den  unendlichen 
Raum  erfüllende  Materie ,  die  •  so  eigentümliche  und  merkwürdige 
Eigenschaften  besitzt  wie  die,  welche  wir  dem  Aether  beizulegen  ge- 
zwungen sind,  von  der  Vorsehung  alleinig  zur  Fortpflanzung  des 
Lichtes  bestimmt  worden,  als  man  voraussetzen  kann,  dafs  die  Luft 
ausschliefslich  zur  Fortpflanzung  des  Schalles  da  sey.  Die  so  ge- 
ringe Dichtigkeit  des  Aethers  ist  bewiesen  durch  seinen  ganz  unwahr- 
nehmen Widerstand  gegen  die  Planeten,  die  sich  darin  ohne  Hinder- 
nifs  bewegen.  Die  Kometen  dagegen,  die  ihrerseits  eine  ungemein 
geringe  Dichtigkeit  besitzen  und  sich  in  gewissen  Theilen  ihrer  Bahnen 
mit  einer  sehr  grofsen  Geschwindigkeit  bewegen,  scheinen  einen  merk- 
lichen Widerstand  vom  Aether  zu  erleiden.  Wenn  sich  dieses  be- 
stätigt ,  wird  die  Existenz  des  Aethers ,  als  einer  mit  Trägheit  be- 
gabten Materie,  auf  einem  zweiten  Wege  festgestellt.  Die  ungeheure 
Schnelligkeit,  mit  welcher  das  Licht  sich  fortpflanzt,  zeigt  uns  anderer- 
seits, dafs  die  Aethcr-Materie  eine  im  Vergleich  zu  ihrer  Dichtigkeit 
aufserordentliche  Elasticität  besitzen  mufs.  Von  allen  Substanzen 
innerhalb  des  Bereichs  unserer  Erfahrung  ist  das  Eisen  die  meist 
elastische  und  der  W  asserstoff,  der  ungefähr  vierzehn  Male  leichter 
ist  als  die  atmosphärische  Luft,  die  leichteste.  Denke  man  sich  nun 
eine  Materie  von  gleicher  Dichtigkeit  wie  die  des  Wasserstoffs,  ver- 
dünnt mittelst  einer  gewöhnlichen  Luftpumpe  so  weit  es  möglich  ist, 
z.  B.  bis  zum  Druck  von  1  Millimeter,  und  deren  Elasticität  der  des 
Eisens  gleich  wäre;  eine  hypothetische  Materie  von  dieser  Natur 
würde  den  Schall  oder  jede  andere  Vibrationsbewegung  mit  einer 
Geschwindigkeit  von  8000  Myriamctern  in  der  Secunde  fortpflanzen. 
Wie  ungeheuer  diese  Geschwindigkeit  auch  ist,  so  macht  sie  doch 
nur  etwa  eiu  Fünftel  von  der  des  Lichtes  aus,  und  folglich  müfste 
der  Elasticitätsmodulus ,  ausgedrückt  in  Längenmaafs,  beim  Aether 
ungefähr  25  mal  gröfser  seyn  als  bei  der  hier  zum  Vergleich  aufge- 
stellten hypothetischen  Materie.  Betrachtet  man  den  Aether  als  ein 
Gas  und  denkt  man  sich  die  Möglichkeit  eines  Vacuums  in  demselben, 
so  würde  die  Geschwindigkeit,  mit  welcher  der  Aether  sich  in  das- 
selbe stürzen  würde ,  auf  64000  Myriameter  in  der  Secunde  steigen, 
und  wie  niedrig  man  auch  seine  Dichtigkeit  veranschlagen  möge,  so 
würden  doch,  mit  dieser  Geschwindigkeit,  seine  mechanischen  Effecte 
auffallend  und  heftig  seyn.  Es  ist  also  an  sich  sehr  wahrscheinlich 
dafs  der  Aether  eine  der  wichtigsten  Rollen  bei  fast  allen  Natur-Er- 
scheinungen spiele." 


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97 


Wir  nehmen  das  Daseyn  einer  zarten,  im  höchsten 
Grade  elastischen  Materie  an,  die  im  ganzen  Weltall  ver- 
breitet ist,  und  zwar  nicht  blofs  im  Vacnnm,  sondern  auch 
in  den  Theilcn  des  von  der  wägbaren  Substanz  einge- 
nommenen Raumes.  Ebenso  nehmen  wir  an,  dafs  zwei 
tu  distans  befindliehe  Aethermolecüle  einander  längs  der 
Verbindungslinie  abstofsen,  im  umgekehrten  Verhältnifs 
der  Quadrate  der  Abstände.  Der  elektrische  Aether  ähnelt 
also  im  höchsten  Grade  einem  gewöhnlichen  Gase.  In 
Betreff  der  Beziehungen  des  Aethers  zu  der  übrigen  Ma- 
terie haben  wir  nur  eine  einzige  Annahme  zu  machen 
nöthig,  nämlich  die,  dafs  in  den  Körpern,  welche  wir  gute 
Elekiricitätsleiter  nennen,  der  in  ihnen  enthaltene  Aether 
oder  wenigstens  ein  Theil  desselben  sich  leicht  von  einem 
Punkt  zum  anderen  verschiebe.  Wir  setzen  auch  voraus, 
dafs,  wie  bei  einem  gewöhnlichen  Gase,  die  Molecüle  des 

Wir  erlauben  uns  hier  auch  die  folgenden  Worte  ans  dem  Schlüte 
von  Lam^'s  berühmten  Werke:  Lecons  sur  la  thtoric  mathtmntique 
de  Vtlasticite'  des  corps  solides,  Parto  1852,  herzusetzen. 

Das  Daseyn  des  Aeth  erfluid  ums  ist  unwiderleglich  bewiesen  durch 
die  Fortpflanzung  des  Lichts  in  den  planetarischen  Räumen,  durch 
die  so  einfache  und  vollständige  Erklärung  der  Difi'ractionsphänomcne 
in  der  Wellentheorie,  und,  wie  wir  gesehen  haben,  beweisen  die  Ge- 
setze der  Doppelbrechung  mit  nicht  geringerer  Sicherheit,  dafs  der 
Aether  in  allen  durchsichtigen  Mitteln  vorhanden  ist.  Die  wägbare 
Substanz  ist  also  nicht  isolirt  im  Weltall,  vielmehr  schwimmen  ihre 
Theilchcn  inmitten  eines  Fluiduma.  Wenn  dieses  Fluidum  auch  nicht 
die  alleinige  Ursache  aller  beobachtbaren  Thatsachcn  ist,  so  mufs  es 
wenigstens  sie  modificiren ,  sie  fortpflanzen  und  ihre  Gesetze  compli- 
ciren.  Ohne  Annahme  dieses  Agens,  dessen  Gegenwart  unvermeid 
lieh  ist,  ist  es  also  nicht  mehr  möglich  zu  einer  vollständigen  und 
rationellen  Erklärung  der  Erscheinungen  in  der  physischen  Natur  zu 
gelangen.  Man  darf  nicht  bezweifeln,  dafs  diese  Annahme,  verstän- 
dig durchgeführt,  das  Gcheimnifs  oder  die  wahre  Ursache  derjenigen 
Effecte  finden  wird,  welche  man  dem  Wännestoft  ,  der  Elektricität, 
dem  Magnetismus,  der  allgemeinen  Anziehung,  der  Cohäsion  und  den 
chemischen  Anziehungen  zuschreibt;  denn  alle  diese  mysteriösen  und 
unbegreiflichen  Wesen  sind  im  Grunde  nur  coordinirtc  Hypothesen, 
die  bei  unserer  gegenwärtigen  Unwissenheit  ohne  Zweifel  nützlich 
sind,  aber  doch  durch  die  Fortschritte  der  wahren  Wissenschaft  zuletzt 
entfernt  werden. 
PoggcndorlTs  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  7 

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98 


elektrischen  Aethers  sich  leicht  bewegen,  d.  h.  durch  die 
geringste  Kraft  verschoben  werden  können.  Wenn  der 
Aether  sich  in  einem  materiellen  Nichtleiter  der  Elektri- 
cität  befindet,  so  ist  diese  Beweglichkeit  gehemmt  und 
sie  hängt  ab  von  der  der  Molecüle  des  materiellen  Kör- 
pers, welcher  die  Elektricität  enthält.  Ist  der  nicht  leitende 
materielle  Körper  ein  Gas  oder  eine  Flüssigkeit  von  voll- 
kommner  Liquidität,  so  bewahren  die  Aethertheilchen  ihre 
Beweglichkeit  und  sie  bewegen  sich  dann  mit  den  Theil- 
chen  des  Gases  oder  der  Flüssigkeit.  Aus  dieser  Beweg- 
lichkeit der  Aethennolecüle  folgt  nothwendig,  dafs  der 
hydrostatische  Druck  gleich  seyn  mufs  in  allen  Richtungen 
wie  bei  den  Flüssigkeiten  und  gewöhnlichen  Gasen.  Man 
kann  also  auf  den  Aether  den  Archimedischen  Satz  an- 
wenden, dafs  ein  in  eine  Flüssigkeit  gebrachter  Körper 
soviel  an  Gewicht  verliert  als  das  Gewicht  der  verdrängten 
Flüssigkeit  beträgt,  obwohl  hier  natürlich  nicht  von  der 
Schwere  die  Rede  seyn  kann,  sondern  nur  von  der  Ab- 
stofsung  zwischen  den  Aethermolecülen.  Ein  grofses  Licht 
auf  die  Anwendung  dieses  Princips  auf  die  uns  beschäf- 
tigende Aufgabe  werfen  einige  der  wohl  bekannten  dia- 
magnetischen Versuche  Plücker's.  Er  fand,  dafs  ein 
magnetischer  Körper  von  geringerer  Magnetkraft  als  die 
Flüssigkeit,  in  welcher  er  aufgehängt  war,  abgestofsen 
wurde  von  den  Magnetpolen ,  und  dafs  ein  diamagne- 
tischer Körper,  aufgehängt  in  einer  magnetischen  Flüssig- 
keit, stärker  abgestofsen  wurde  von  denselben  Polen  als 
wenn  er  sich  in  einer  weniger  magnetischen  flüssigen  oder 
gasigen  Substanz  befand  1). 

Ein  Aethermolecül  ist  in  Ruhe,  wenn  es  von  allen 
Seiten  gleich  stark  abgestofsen  wird.  Ein  materieller  Kör- 
per kann  sich  durch  den  Effect  einer  elektrischen  Action 
nicht  bewegen,  wenn  der  darin  enthaltene  Aether  von  allen 
Seiten  gleich  stark  abgestofsen  wird.  Ist  die  Abstofsung  an 
der  einen  Seite  geringer  als  an  der  anderen,  so  mufs  der  Kör- 
per, wenn  er  frei  ist,  sich  nach  der  durch  die  Resultante 
1)  Pogg.  Ann.  Bd.  77  S.  578. 


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99 


der  Repulsivkräfte  bestimmten  Seite  bewegen.  Will  man 
die  Bewegung,  die  ein  Körper  B  durch  die  Nahe  eines 
anderen  Körpers  A  erlangt,  bestimmen,  so  kann  man,  ohne 
Einschränkung  der  Lösung  des  Problems,  A  als  fest  und 
anbeweglich  und  blofs  B  als  frei  betrachten. 

Man  mufs  dann  folgende  Umstände  in  Betracht  ziehen. 

1.  Die  directe  Wirkung  zwischen  dem  Aether  von  A 
und  dem  von  B, 

2.  Die  Wirkung,  welche  das  ganze  umgebende  Mittel, 
mit  Ausnahme  des  Aethers  in  A,  auf  den  Aether  in  B 
ausübt. 

3.  Die  Wirkung  des  Aethers  von  A  auf  den  Aether, 
welcher,  wenn  man  B  entfernte,  sich  in  dem  nun  von  B 
eingenommenen  Kaum  befände. 

4.  Die  Wirkung  des  ganzen  umgebenden  Mittels,  mit 
Ausnahme  des  von  A  eingenommenen  Raumes,  auf  den 
Aether,  welcher,  im  Fall  man  B  entfernt  hätte,  sich  in  dem 
Raum  befände,  den  B  zuletzt  einnimmt. 

Auf  solche  Weise  hat  man  offenbar  alle  wirksamen 
Ursachen  in  Betracht  gezogen.  Die  beiden  ersten  Fälle 
beziehen  sich  auf  den  Effect  der  ganzen  umgebenden 
Aethermasse  auf  den  Aether  von  B.  Die  beiden  letzten 
dagegen  drücken  denselben  Effect  auf  denjenigen  Aether 
aus,  welcher  sich  an  dem  jetzt  von  B  eingenommenen  Raum 
befände,  wenn  man  B  entfernt  hätte.  Nimmt  man  nun 
die  algebraische  Summe  der  beiden  ersten  Fälle,  und  sub- 
trahirt  man  davon  die  Summe  der  beiden  letzten,  so  er- 
hält man,  conform  dem  Archimedischen  Princip,  den  Aus- 
druck der  für  B  geschaffenen  Bewegung.  Dies  wird  ein- 
leuchtend durch  die  Anwendungen,  welche  wir  sogleich 
davon  machen  werden. 

2.    Die  elektrostatischen  Anziehungen  und  Äbstofsungen. 

Wir  nehmen  an ,  dafs  ein  z.  B.  mit  positiver  Elektri- 
cität  beladener  Körper  mehr  Aether  als  im  normalen  Zu- 
stand enthalte,  und  dafs  die  Aethermenge  eines  negativ 
elektrischen  Körpers  geringer  sey  als  im  normalen  Zustand. 

V 


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100 


Vielleicht  konnte  man  das  Gegen theil  annehmen,  aber 
mehre  elektrische  Erscheinungen  scheinen  anzuzeigen  dafs 
die  obige  Hypothese  die  richtige  sey. 

Nennen  wir  nun  a  die  Aethermenge,  welche  die  Körper 
A  und  B  im  normalen  Zustand  enthalten,  betrachen  zu- 
vörderst den  Fall,  wo  beide  positiv  sind,  A  den  Ueber- 
schufs  6,  und  B  den  Ueberschufs  6,  besitze.  Wenn  der 
Abstand  r  zwischen  beiden  Körpern  hinreichend  grofs  ist 
gegen  das  Volum  derselben,  kann  die  directe  Abstofsung 
zwischen  beiden  ausgedrückt  werden  durch 

(a+b)  (a-K6,) 

Die  Wirkung  auf  B  von  dem  ganzen  umgebenden 
Mittel,  mit  Ausnahme  des  von  A  eingenommenen  Raums, 
besitzt  offenbar  eine  Resultante  gleich  der  Abstofsung, 
welche  zwischen  B  und  dem  Aether  des  von  A  einge- 
nommenen Raums  stattfindet  und  eine  dieser  Abstofsung 
entgegengesetzte  Richtung  hat.  Dies  ist  einleuchtend :  denn, 
wenn  man  A  entfernte,  würde  die  Resultante  der  von  dem 
ganzen  umgebenden  Mittel  auf  B  ausgeübten  Abstofsung 
Null  seyn.  Die  Wirkung  auf  B  von  dem  ganzen  um- 
gebenden Mittel,  mit  Ausnahme  des  von  A  eingenommenen 
Raums,  ist  folglich  dieselbe,  wie  wenn  B  von  diesem  Räume 
angezogen  würde.  Als  Ausdruck  der  im  obigen  Falle  2 
implicirten  Wirkung  erhält  man  somit 

wo  das  -+■  Zeichen  bedeutet,  dafs  diese  Wirkung  in  einer 
Anziehung  längs  der  Verbindungslinie  besteht. 

Die  im  Falle  3  angezeigte  Wirkung  ist  offenbar 

-  (a  ±£>  "  ,  ™d  die  im  Fall  4  ~  . 

Zieht  man  die  algebraische  Summe  der  beiden  letzten 
Ausdrücke  von  der  algebraischen  Summe  der  beiden  ersten 
ab,  so  erhält  man 

bbx 

■  ' 
i " 


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101 


Die  Abstofsung  zwischen  zwei  elektropositiven  Kör- 
pern ist  also  proportional  dem  Product  aus  beiden  Ueber- 
schüssen,  dividirt  durch  das  Quadrat  des  Abstandes. 

Betrachten  wir  nun  den  Fall,  wo  die  beiden  Korper 
elektronegativ  sind,  d.  h.  wo  sie  weniger  Aether  als  im 
normalen  Zustand  enthalten. 

Die  directe  Wirkung  zwischen  den  beiden  Körpern 

(Fall  1)  wird  also  seyn  — 


die  Wirkung  im  Falle  2 

q  _  («-6) 

n  n  r>        n     °  —  rt 

«  «t  —  V,  *^ 


a 

17 


'  a 

2 


Wenn  man  von  der  Summe  der  beiden  ersten  Ausdrücke 
die  Summe  der  beiden  letzten  abzieht,  erhält  man  als 

Wirkung  in  diesem  Fall  den  Ausdruck  —  ^  • 

Mithin  stofsen  die  beiden  Körper  einander  ab  propor- 
tional dem  Producte  aus  beiden  Unterschüssen  und  um- 
gekehrt wie  das  Quadrat  des  Abstandes. 

Nehmen  wir  endlich  an,  A  sey  elektropositiv  und  B 
elektronegativ,  b  sey  der  Ueberschufs  von  A,  und  b1  der 
Unterschufs  von  B.    Die  vier  Fälle  werden  geben: 


No.  1         =  -  <«•*-»)(—».> 
No.2  =+i<!L=Lii> 
No.3         =  - 

T1 


No.4 


Daraus  erhält  man  durch  dasselbe  Verfahren  wie  vor- 
hin als  Ausdruck  für  die  Anziehung  zwischen  beiden 
Körpern 

66, 


Die  Anziehung  folgt  also  hier  dem  bekannten  Gesetze. 


102 


Gesetzt  nun  ein  Körper  A  mit  Ueberschufs  an  Aether 
wirke  auf  einen  anderen  J?,  der  anfangs  im  normalen  Zu- 
stand und  ein  guter  Leiter  des  Aethers  sey.  Da  A  einen 
Ueberschufs  an  Aether  besitzt,  so  wird  die  Abstofsung 
auf  jedes  Aethermolecül  von  B  stärker  seyn  auf  der  A  zu- 
gewandten Seite  als  auf  alle  übrigen.  Das  Resultat  da- 
von wird  noth wendig  seyn,  dafs  der  Aether  sich  auf  B 
an  der  von  A  abgewandten  Seite  anhäuft  und  somit  auf 
der  A  zugewandten  Seite  ein  Unterschufs  entsteht. 

Wenn  dagegen  A  einen  Unterschufs  an  Aether  besitzt, 
wird  jedes  Molecül  des  Aethers  in  B  nothwendig  von 
dem  umgebenden  Mittel  stärker  abgestofsen  auf  der  A  zu- 
gewandten Seite  als  auf  jeder  anderen.  Es  bildet  sich  also 
hier  ein  Ueberschufs  von  Aether,  begleitet  von  einem 
Unterschufs  au  der  entgegengesetzten  Seite. 

Es  ist  klar,  dafs  in  diesen  beiden  Inductionsfallen  sich 
eine  Anziehung  zwischen  beiden  Körpern  einstellen  mufs, 
denn  der  Abstand  zwischen  dem  Ueberschufs  des  einen 
und  dem  Unterschufs  des  anderen  ist  immer  kleiner  als 
der  Abstand  zwischen  den  beiden  Unterschüssen  und  den 
beiden  Ueberschüssen. 

Es  ist  leicht  zu  erweisen,  dafs  der  Ueberschufs  oder 
Unterschufs  an  Aether  in  einem  Körper  sich  an  die  Ober- 
flache  dieses  Körpers  begeben  mufs. 

Sey  A  ein  Körper,  der  eine  gewisse  Aethermenge  a  -f-  b 
enthalte,  wovon  b  der  Ueberschufs  ist.  Klar  ist,  dafs  der 
Aether  des  umgebenden  Raums  und  die  Aethermenge  a 
in  A  sich  gegenseitig  im  Gleichgewicht  halten  müssen. 
Aller  im  umgebenden  Raum  enthaltene  Aether,  vereint 
mit  der  Aethermenge  a  des  Körpers  A ,  kann  also  kerne 
Wirkung  auf  ein  Molecül  des  Ueberschusses  b  ausüben. 
In  Bezug  auf  die  Vertheilung  des  Ueberschusses  ist  es 
vollkommen  dasselbe,  wie  wenn  die  ganze  umgebende 
Aethermenge  und  die  Menge  a  des  Körpers  A  nicht  vor- 
handen wären.  Der  Ueberschufs  mufs  sich  also  verhalten 
wie  wenn  er  allein  da  wäre,  und  in  diesem  Fall  mufs  er 
sich  an  die  Oberfläche  begeben,  wie  Poisson  bewiesen  hat 


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103 


Dafs  der  Unterschufs  sich  gleichfalls  an  die  Oberfläche 
begeben  müsse,  kann  folgendermafsen  erwiesen  werden. 
Gesetzt  zuvor,  dafs  der  Körper  A  dieselbe  Aethermenge 
wie  im  normalen  Zustande  enthalte.  Da  alle  Abstofsungen 
sich  gegenseitig  vernichten  oder,  anders  gesagt,  Null  zur 
Resultante  haben,  so  mufs  also  jedes  Aethermolecül  sich 
im  Gleichgewicht  befinden.  Es  folgt  daraus  y  dafs  die 
Resultante  der  Abstofsungen  aller  Molecüle  des  umgebenden 
Raums  gleich  seyn  mufs  der  Resultante  der  Abstofsungen 
der  im  Körper  vorhandenen  Aethermolecüle  und  dieser 
in  Richtung  entgegengesetzt  wirkend.  Allein  wir  wissen, 
dafs  die  Aethermolecüle  des  Körpers  sich,  vermöge  ihrer 
gegenseitigen  Abstofsung,  an  die  Oberfläche  desselben  zu 
begeben  suchen.  Die  Resultante  der  Abstofsungen  aller 
Aethermolecüle  des  umgebenden  Mittels  müssen  also  be- 
strebt seyn,  die  Aethermolecüle  des  Körpers  von  der  Ober- 
fläche nach  dem  Innern  abzustofsen.  Gesetzt  nun  einen 
Körper,  der  einen  Unterschufs  an  Aether  darbiete  d.  h. 
eine  geringere  Menge  desselben  als  im  normalen  Zustand 
bseitze,  so  wird  die  Resultante  der  Abstofsung  der  äufsern 
Molecüle  nothwendig  das  Uebergewicht  haben  und  folglich 
die  Aethermolecüle  des  Körpers  von  der  Oberfläche  in  das 
Innere  treiben.  Da  nun  der  Körper  eine  geringere  Aether- 
menge enthält  als  im  neutralen  Zustande,  so  mufs  daraus 
ein  Unterschufs  an  der  Oberfläche  entstehen. 

Auf  ähnliche  Weise  kann  man  die  Condensation  des 
Aethers  bei  der  Ladung  einer  Leidener  Flasche  oder 
Frank  Ii  n 'sehen  Tafel  erklären.  Der  elektrische  Ent- 
ladungsstrom ist  nichts  anderes  als  der  Uebergang  des 
Aethers  aus  dem  einen  Körper  in  den  anderen  1). 

1)  Wie  man  weifs,  hat  schon  Franklin  versucht,  die  zu  seiner  Zeit  be- 
kannten elektrischen  Erscheinungen  durch  Annahme  eines  einzigen 
elektrischen  Fluidums  zu  erklären.  Er  vermochte  indefs  nicht,  die 
Ursache  der  Abstofsung  zwischen  zwei  elektro-negativen  Körpern 
nachzuweisen,  ohne  nicht  der  wagbaren  Substanz  Eigenschaften  bei- 
zulegen, welche  sie  nicht  besitzt.  Die  Meinang  von  Franklin  und 
der  „Unitarier*  über  die  Natur  der  Elektricität  hat  aus  diesem  Grnndc 
der  der  Dualisten,  welche  die  bis  heute  angenommene  Ilypothcso 


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104 


3.  Die  elektro-dynamischen  Erscheinungen. 
Der  galvanische  Strom  besteht  nach  uns  darin,  dafs 
der  elektrische  Aether  sich  in  der  Bahn  des  Stroms  von 
einem  Punkt  zum  anderen  begiebt  und  dafs  die  Intensität 
des  Stroms  aus  dem  Product  der  Dichtigkeit  des  bewegten 
Aether  in  seine  Geschwindigkeit  hervorgeht,  oder,  anders 
gesagt,  dafs  sie  proportional  ist  der  Aethermenge,  die  in 
der  Zeiteinheit  die  Kette  durchläuft.  Die  Aethermasse, 
welche  sich  in  der  geschlossenen  Kette  befindet,  ist  gleich 
grofs,  der  Strom  mag  existiren  oder  nicht.  Die  elektro- 
motorischen  Kräfte,   aus   denen    der   Strom  entspringt, 

von  zwei  Fluidis  aufstellten,  das  Feld  räumen  müssen.  In  den  letzten 
Zeiten  sind  jedoch  wiederum  einige  Versuche  gemacht,  die  elektrischen 
Erscheinungen  als  erzeugt  durch  den  Aether  oder  ein  einziges  Flni- 
dum  zu  erklären.  Ohne  in  das  Einzelne  dieser  mehr  oder  weniger 
glücklichen  Versuche  einzugchen,  wollen  wir  nur  bemerken,  dafs  sie 
sich  in  Betreff  der  Eigenschaften  oder  Bewegungen  des  Aethers  auf 
Prämissen  stützen,  deren  Richtigkeit  mit  Recht  bezweifelt  werden 
kann,  und  dafs  überdies  die  Theorien,  in  welche  sie  auslaufen,  keines- 
wegs das  Siegel  der  Einfachheit  besitzen,  welche  sie  sicher  haben 
würden,  wenn  sie  die  reelle  Auslegung  der  Thatsachen  wären.  Die  Licht- 
theorie setzt  voraus,  dafs  der  in  einem  wägbaren  Körper  befindliche 
Aether  seine  Dichtigkeit  mit  diesem  Körper  ändere,  und  dafs  diese 
Dichtigkeit  dieselbe  bleibe,  so  lange  der  Körper  keine  Modifikation 
erleide.  Man  mufs  demgemäfs  annehmen,  dafs  die  verschiedenen 
Arten  wägbarer  Materie  eine  ungleiche  Anziehungskraft  auf  die  Aether- 
molecüle  ausüben.  Ein  materieller  Körper  verdichtet  in  sich  den 
Aether  der  umgebenden  Aethermasse  bis  die  Resultante  der  Effecte, 
welche  die  eigenen  Molecüle  des  Körpers  und  der  in  dem  Körper 
enthaltene  Ucberschufs  an  Aether  auf  ein  äufseres  Aethermolccül  aus- 
üben, Null  wird.  Bei  einem  so  mit  Aether  gesättigten  Körper  ist 
die  Abstofsung  zwischen  seinem  Acther-Üeberschufs  und  einem  äufseren 
Aetherroolecül  gleich  der  Anziehung  zwischen  demselben  Aethermole- 
cül  und  den  materiellen  Molecülen  des  Körpers.  Wenn  man  also 
gezwungen  ist,  zur  Erklärung  der  Lichtphänomene  anzunehmen,  dafs 
der  Aether  vermöge  der  auf  ihn  von  der  Materie  ausgeübten  An- 
ziehung, einen  mit  den  Körpern  veränderlichen  Grad  von  Dichtigkeit 
besitze,  so  folgt  daraus  nicht,  dafs  die  Körper  aus  dieser  Ursache 
gewisse  elektrische  Eigenschaften  zeigen  müssen.  Wenn  man  da- 
gegen, die  in  dem  Körper  in  seinem  normalen  Zustand  enthaltene 
Aethermenge  auf  eine  oder  die  andere  Weise  vermehrt  oder  vermin- 
dert, so  beginnen  die  elektrischen  Erscheinungen  sich  zu  zeigen.  Es 


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105 


können  keinen  Aether  erschaffen;  ihre  Wirkung  beschränkt 
sich  darauf,  die  oscillatorische  Bewegung,  welche  in  Ge- 
stalt von  Wärme  schon  existirt,  in  translatorische  Bewe- 
gung zu  verwandeln.  Daraus  folgt,  da  ('s  die  Wärme  ver- 
schwinden muffe  an  dem  Punkt  der  Kette,  wo  die  elektro- 
motorische Kraft  sich  in  Thätigkeit  befindet,  was  übrigens 
die  Pol ti ersehen  Phänomene  beweisen.  Die  Entstehung 
des  galvanischen  Stroms  vereinfacht  sich  dadurch  unge- 
mein; die  elektromotorischen  Kräfte  erschaffen  nichts 
Neues,  sondern  sie  verwandeln  blofs  eine  Art  von  Bewe- 
gnng  in  eine  andere.  Man  kann  sie  vergleichen  mit  den 
gewöhnlichen  Maschinen,  welche  eine  Bewegungsart  in 
eine  andere  verwandeln. 

Die  zahlreichen  Versuche,  welche  gemacht  sind,  um 
die  Geschwindigkeit  der  Elektricität  in  Metalldrähten  zu 
bestimmen,  haben  keine  übereinstimmenden  Resultate  er- 
geben, und  das  aus  sehr  leicht  begreiflichen  Gründen. 
Wheatstone  und  Farad ay  haben  gezeigt,  welche  wich- 
tige Rolle  in  dieser  Beziehung  die  Ladung  des  Leitdrahtes 
spielt.  Vermöge  dieses  Umstandes  kann  ein  folgender 
Punkt  des  Leitdrahts  bei  Entstehung  des  Stroms  nicht 
eher  Elektricität  aufnehmen  als  bis  die  vorangehenden 
Theile  desselben  Drahts  gesättigt  sind.  Die  Geschwindig- 
keit der  Elektricität  in  einem  ins  Meer  versenkten  und 
mit  einer  isolirenden  Hülle  umgebenden  Leitdraht  mufs 
sich  also  relativ  als  sehr  gering  erweisen,  denn  dieser 

folgt  jedoch  daraus  nicht,  als  unmittelbare  Folge,  dafs  die  elektrisirten 
Körper  andere  optischen  Eigenschaften  zeigen  müssen  als  im  natür- 
lichen Zustand.  Die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  des  Lichts  und 
folglich  auch  die  Wellenlängen  hangen  nicht  ausschlicfslich  von  der 
Dichtigkeit  ab,  sondern  von  dem  Verhältnifs  zwischen  seiner  Elasti- 
cität  und  seiner  Dichte.  Wenn  also  die  Elasticität  des  Aethers  pro- 
portional seiner  Dichte  zu  oder  abnimmt,  kann  bei  der  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit des  Lichts,  bei  der  Refraction  usw.  keine  Modifikation 
eintreten.  Die  Thatsache,  dafs  gewisse  Versuche  dieselben  optischen 
Eigenschaften  bei  den  Körpern  im  elektrischen  und  im  neutralen 
Zustand  erwiesen  haben  (Pogg.  Ann.  Bd.  CXXIV  S.  507),  schwächt 
also  keineswegs  die  Thesis,  dafs  die  elektrischen  Erscheinungen  von 
dem  Aether  erzeugt  werden. 


106 


Draht  stellt  durch  seine  isolirende  Hülle  und  das  um 
letztere  circulirende  Meerwasser  einen  Condensator- Appa- 
rat dar,  der  eine  grofse  Menge  von  Elcktricität  zu  con- 
densiren  vermag.  Die  Condensationskraft  eines  in  der 
Luft  isolirten  Drahts  ist  geringer  als  die  eines  maritimen 
Kabels,  aber  sie  hängt  in  hohem  Grade  von  äufseren  Um- 
ständen ab,  z.  B.  von  der  Feuchtigkeit  der  Luft,  von  der 
Aufhängungsart  usw.  Auch  zeigen  die  Versuche,  dafs 
die  untergetauchten  Drähte  die  geringste  Geschwindigkeit 
liefern.  Demzufolge  hat  man  für  die  absolute  Fortpflan- 
zungsgeschwindigkeit der  Elektricität  noch  keine  bestimm- 
ten Zahlenwerthe  geben  können,  aber  alle  Versuche  kommen 
darin  überein,  dafs  sie  aufserordentlich  grofs  ist.  Eine 
Thatsache,  in  welcher  ebenfalls  alle  bisherigen  Versuche 
Übereinstimmen,  ist  die:  dafs  diese  Geschwindigkeit  unab- 
hängig ist  von  der  Intensität  des  Stroms.  Versuche, 
welche  in  dieser  Beziehung  mit  einem  einzigen  Draht  und 
unter  identischen  Umständen  gemacht  sind,  müssen  sichere 
Resultate  geben. 

Im  Verlauf  dieser  Arbeit  werden  wir  uns  einer  Thesis 
bedienen,  die  unseres  Wissens  noch  nicht  aufgestellt 
worden  ist  als  Princip  bei  der  Erklärung  von  Natur-Er- 
scheinungen, welche  aber,  wie  uns  scheint,  dabei  eine  axio- 
matische  Wahrheit  besitzt.  Diefs  Princip  ist:  dafs  Alles 
was  in  der  äufseren  Natur  vorgeht  oder  geschieht,  eine  ge- 
wisse Zeit  erfordert.  Diese  Zeit  kann  so  kurz  seyn  wie  man 
will,  aber  niemals  Null.  Zeit  und  Raum  sind  die  unum- 
gänglichen Bedingungen  zur  Existenz  der  Natur-Erschei- 
nungen. Dies  ist  eine  Wahrheit  a  priori,  bestätigt  durch 
die  Erfahrung  in  dem  Maafse  als  die  wissenschaftlichen  Me- 
thoden zur  Messung  der  Zeit  und  des  Raums  sich  vervoll- 
kommt  haben.  Man  glaubte  z.  B.  ehemals,  dafs  das  Licht 
sich  instantan  fortpflanze,  aber  bessere  Methoden  haben  ge- 
zeigt, dafs  diefs  nicht  der  Fall  ist.  Man  kann  also  voll- 
kommen versichert  seyn,  dafs  ein  galvanischer  Strom  nicht 
sogleich  auf  seine  volle  Kraft  gelangt,  und  dafs  er  eben- 
so einige  Zeit  zu  seinem  Verschwinden  gebraucht,  und 


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107 


zwar  unabhängig  von  den  Extraströmen,  welche  diese 
beiden  Vorgänge  verzögern.    Wir  müssen  also  als  unge- 
reimt die  Thesis  verwerfen,  nach  welcher  die  Wirkung 
eines  materiellen  Körpers  auf  einen  andern  in  gewisser 
Entfernung  befindlichen  oder  die  Abstolsung  eines  Aether- 
molecüls  auf  ein  anderes  entferntes,  keine  Zeit  gebrauche, 
um  sich  von  dem  ersten  Gegenstand  zu  dem  zweiten  fort- 
zupflanzen.   Diese  Zeit  kann  beliebig  kurz  seyn,  aber  sie 
ist  vorhanden,  selbst  wenn  sie  sich  den  Beobachtungen 
,  entzieht.    Wenn  eine  Wirkung  zwischen  zwei  materiellen 
Körpern  oder  zwei  Aethermolecülen  anfängt,  so  gelangt 
sie  nicht  in  einem  mathematischen  Moment  auf  ihren  durch 
den  gegenseitigen  Abstand  bedingten  vollen  Werth.  Sie 
muls  wachsen  von  Null  bis  zu  diesem  letzten  Werth,  und 
dazu  gebraucht  sie  eine  gewisse  Zeit.    Ebenso  kann  eine 
Wirkung  nicht  verschwinden  oder  ihren  Werth  ändern, 
ohne  nicht  dazu  eine  gewisse  Zeit  zu  gebrauchen.  Die 
oben  aufgestellte  Thesis:  „Alles,  was  in  der  äufseren  Natur 
vorgeht  oder  geschieht,  erfordert  eine  gewisse  Zeit,  kann, 
in  Bezug  auf  ihre  Wichtigkeit,  verglichen  werden  mit  der, 
welche  man  als  Basis  der  mechanischen  Wärmetheorie  an- 
sehen und  mit  den  Worten  ausdrücken  kann.a  Nichts 
entsteht  aus  Nichts  (ex  nihilo  nihil  fit).    Die  aufgestellte 
Thesis  mufs  vor  allem  ihre  Anwendung  im  Gebiete  der 
Elektricität  finden,  da  die  grofse  Fortpflanzungsgeschwin- 
digkeit dieses  Phänomens  rasche  Modifikationen  in  der 
Wirkung  hervorruft,  welche  die  Aethermolecüle  auf  ein- 
ander ausüben.   Nach  den  Bestimmungen  der  HH.  Fizeau 
und  Gounelle  pflanzt  sich  die  Elektricität  in  einem  Kup- 
ferdraht mit  einer  Geschwindigkeit  von  180  Metern  in  einer 
Milliontelsecunde  fort.    Mithin  können  in  diesem  kurzen 
Zeit-Bruchtheil  zwei  Aethermolecüle  ihren  gegenseitigen 
Abstand  um  360  Meter  vergröfsern  oder  verringern,  und 
ihre  Wirkung   auf  einander  modificirt  sich  demgemäfs. 
Die  Frage  ist  nun:  ob  diese  Modifikation  in  der  gegen- 
seitigen  Wirkung  mit  einer  Geschwindigkeit  geschehen 
könne,  welche  der  raschen  Veränderung  des  Abstandes 


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108 


entspricht.  Die  elektro- dynamischen  Phänomene  geben 
die  Antwort  auf  diese  Frage. 

Seyen  zwei  Aethermolecüle  m  und  tri  um  den  Abstand 
r  von  einander  entfernt.    Sind  beide  in  Ruhe,  so  ist  ihre 

gegenseitige  Abstofsung  "  .  Dagegen  giebt  der  Fall,  dafs 

m  sich  mit  einer  constanten  Geschwindigkeit  nähert  oder 
entfernt,  zu  andern  Verhältnissen  Anlafs.    Wenn  m  sich 

zunächst  im  Punkte  x  befindet, 
m  m»  um  r  -f-  J  r  von  m  entfernt, 

£  J   darauf  sich  in  der  Zeit  d  t 

Ar  dem  tri  um  den  Abstand  Jr 

nähert,  so  nimmt  die  gegenseitige  Abstofsung  zu  von 

,  m  .  „  auf  allein  wenn  die  Annäherung  mit  einer 

(r  -+-  A  r) J  r1  w 

hinreichenden  Geschwindigkeit  geschieht,  so  hat  die  Ab- 
stofsung nicht  Zeit  dieser  Zunahme  zu  folgen.  Die  Ab- 
stofsung im  Punkte  q  ist  also  geringer  als  die,  welche  dem 
Abstände  r  entspricht.  Diese  Abnahme  ist,  unter  gleichen 
Umständen,  eine  Function  der  constanten  Geschwindig- 
keit h.    Man  kann  also  die  Abstofsung  im  Punkte  q  aus- 

drücken   durch  1~  f  (Ä),  wo  f  (Ä)  einen  Werth  kleiner 

als  1  besitzt.«  Wenn  dagegen  m  sich  von  oi'  entfernt  mit 
derselben  constanten  Geschwindigkeit  Ä,  so  durchläuft  es 
während  der  Zeit  //  r  den  Abstand  q  —  s?  =  J  r.   Die  Ab- 
Fij  2  stofsung  im  Moment,  da  m 

m  m,  in  q  anlangt,  mufs  also  grö- 

y'v     ^'  ~3   fser  seyn  als  die,  welche  dem 

r  Abstand  r  entspricht,  weil 

die  Abstofsung  nicht  verringert  werden  kann  mit  der  Ge- 
schwindigkeit, die  der  Zunahme  des  Abstandes  entspricht. 
Man  kann  also  in  diesem  Fall  die  Abstofsung  ausdrücken 

durch  — 5-  F  (A),  wo  F  (A)  gröfser  ist  als  1 .   Im  ersten  Fall, 

wo  der  Abstand  zwischen  den  Molecülen  verringert  wird, 
kann  die  Geschwindigkeit  als  negativ  betrachtet  werden; 
im  zweiten  mufs  sie  positiv  seyn.    Ueber  die  Natur  der 


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109 


Functionen  f  (/*)  und  F  (A)  weifs  man  im  Voraus  nichts 
anderes  als  dafs  die  erste  kleiner  und  die  zweite  gröfser 
als  1  seyn  mufs,  und  dafs  beide  sich  der  1  nähern,  wenn 
A  abnimmt.  Allein  da  die  Ursachen,  welche  die  Ent- 
wicklung der  Abstofsung  bei  der  Annäherung  verzögern 
oder  beschleunigen,  denselben  Effect  auf  das  Verschwinden 
bei  der  Entfernung  ausüben,  so  ist  es  wahrscheinlich,  dafs 
die  Formen  beider  Functionen  gleich  sind  oder  dafs  die 
Entwicklung  der  Abstofsung  gleichem  Gesetze  wie  das 
Verschwinden  derselben  folgt,  und  dafs  beide  durch  die- 
selbe Function  der  Geschwindigkeit  ausgedrückt  werden 
können,  wenn  man  beachtet,  dafs  die  letztere  negativ  ist, 
in  dem  Fall,  wo  die  andere  positiv  ist.  Wir  haben  also 
für  die  Abstofsung  zwischen  zwei  Aethermolecülen,  wenn 
diese  sich  mit  der  constanten  Geschwindigkeit  A  einander 

nähern,  den  Ausdruck  -~  F  ( —  A),  und  wenn  der  Abstand 

zwischen  ihnen  zunimmt,  den  Ausdruck  ~~  F(-f-A),  wo 

die  Function  F  von  der  Art  ist,  dafs  sie  für  A  =  0  gleich 
eins  wird,  dafs  sie  für  einen  negativen  Werth  von  A  kleiner 
und  für  einen  positiven  gröfser  als  1  ist.  Diese  Ausdrücke 
können  zweckmäfsig  so  geschrieben  werden : 

(1+  <(  (-  h)  )  und  ~  (1  +  qp  (+  A)  ) 

wo  die  Function  </>  (A)  eine  solche  ist,  dafs  sie  Null  wird, 
wenn  A  =  0,  dafs  sie  einen  negativen  Werth  hat,  wenn  h 
negativ,  und  einen  positiven,  wenn  A  positiv  ist. 

Das  eben  Gesagte  gilt  nur  für  den  Fall,  wo  die  Ge- 
schwindigkeit des  Näherns  oder  Entfernens  eine  constante 
ist.  Wir  wollen  nun  annehmen,  dafs  m  sich  tri  nähere, 
und  dabei  denselben  Weg  //  r  in  derselben  Zeit  J  t  zu- 
nicklege wie  vorhin,  aber  mit  abnehmender  Geschwindig- 
keit, so  dals  diese  Geschwindigkeit  gröfser  ist,  wenn  m 
sich  näher  an  x  (Fig.  1)  befindet,  als  wenn  es  in  q  an- 
langt.  Obgleich  hier  m  denselben  Weg  in  derselben  Zeit 

zurückgelegt,  und  folglich  -  J  denselben  Werth  hat  wie  im 


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110 


ersten  Fall,  so  kann  doch  die  Abstofsung  im  Punkte  q 
nicht  mehr  dieselbe  seyn.  Das  Molecül  m  wird  rascher 
bewegt  in  der  Nähe  von  x  als  näher  bei  q;  es  verweilte 
also  längere  Zeit  an  den  Punkten,  wo  die  Abstofsungs- 
kraft  stärker  ist,  als  an  denen,  wo  sie  schwächer  ist.  Das 
Resultat  hievon  mufs  offenbar  seyn,  dafs  die  Abstofsung 
im  Punkte  q  stärker  ist  als  wenn  die  Geschwindigkeit 
constant  gewesen  wäre.  Die  Abstofsung  hängt  also  nicht 

blofs  am  ^  ab,  sondern  auch  von  -r\.  Wenn  man  nun 

zur  Gränze  tibergeht,  so  findet  man,  dafs  die  Abstofsung 
nicht  blofs  von  der  Geschwindigkeit  abhängt,  sondern  auch 

von  der  Variation   der  Geschwindigkeit  d.  h.  von 

welche  letztere  Abhängigkeit  die  GrÖfse  der  Abstofsungs- 
kraft  in  dem  besagten  Theil  vermehrt. 

Wenn  das  Molecül  m  sich  von  m  entfernt,  während 
die  Geschwindigkeit  zunimmt*  aber  solchergestalt,  dafs  der 
fixirte  Weg  //  r  in  der  fixirten  Zeit  A  t  zurückgelegt  wird, 
so  ist  die  Abstofsung  in  diesem  Fall  wie  in  dem  vorher- 
gehenden gröfser  als  bei  einer  constanten  Geschwindigkeit. 
Ebenso  verweilt  hier  das  Molecül  eine  gröfsere  Zeit  an 
den  Punkten,  wo  die  Abstofsungskraft  gröfser  ist,  als  an 
denen,  wo  sie  kleiner  ist.  Es  ist  also  noth wendig,  dem 
Ausdruck  für  die  Gröfse  der  Abstofsungskraft  bei  con- 
stanter  Geschwindigkeit  ein  von  der  Variation  der  Ge- 
schwindigkeit abhängiges  Glied  hinzuzufügen. 

Das  elektrische  Molecül  bewegt  sich  auf  seinem  Gange 
mit  constanter  Geschwindigkeit;  und,  wie  oben  gesagt,  üben 
Veränderungen  in  der  Stromstärke  keinen  Einflufs  in  dieser 
Hinsicht  aus.  Wenn  also  ein  Molecül  sich  einem  andern 
nähert  oder  von  ihm  entfernt,  das  auf  der  geraden  Linie 
der  Bewegung  des  ersteren  befindlich  ist,  so  kann  von 
einer  Veränderung  der  relativen  Geschwindigkeit  nicht 
die  Rede  seyn.  Anders  ist  es  dagegen,  wenn  eins  der 
Molecüle  sich  seitwärts  der  Richtung  des  andern  befindet. 
Nehmen  wir  zwei  Molecüle  m  und  m',  von  denen  das  erste 
sich  auf  der  Linie  a  b  bewegt,  und  das  andere  m  in  Ruhe 


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111 

Fip.  3.  ist.    Der  Abstand  zwischen  den 

beiden  Molecülen  ist  dann  gleich 

/{  Vx%  -f-p2,  und  die  relative  Ge- 
r/  \jt               schwindigkeit    (d.  h.    die  Ge- 
 Ä     j                 schwindigkeit  auf  der  Verbin- 

nt-^rJ  *     dungslinie)  -£  Ä  7  ft  •  Di*  rela- 

tive Geschwindigkeit  nimmt  also  ab  in  dem  Maafse  wie  m 
sich  dem  Punkte  o  nähert,  wo  sie  gleich  Null  ist.  Wenn 
dagegen  der  Abstand  zwischen  den  Molecülen  zunimmt, 
nimmt  auch  gleichzeitig  ihre  relative  Geschwindigkeit  zu. 
Die  Variationen  der  relativen  Geschwindigkeit  erhält  man 
durch  Differentiation  des  letzten  Ausdrucks,  was  giebt 

dt9  ~~  rdO       r»  dt* 

oder  wenn  man  den  Cosinus  des  Winkels  statt  —  ,  und  h 

r 

statt  ~  einfuhrt,  erhält  man 

5?  -  ?  0  -  cos4  3). 

Die  Variation  der  relativen  Geschwindigkeit  ist  also 
proportional  dem  Quadrat  der  Geschwindigkeit  des  Mole- 
cüls  in  der  Kette;  sie  hat  ihr  Maximum  im  Punkte  0 
(Fig.  3)  und  nimmt  ab  so  wie  das  Molecül  sich  entfernt. 
Durch  entsprechende  Ersetzungen  erhält  man  als  Ausdruck 

•  d  t 

für  die  relative  Geschwindigkeit  ~  =  cos  &  Ä. 

Wenn  das  Molecül  m  sich  mit  einer  constanten  Ge- 
schwindigkeit auf  der  Linie  a  b  (Fig.  3)  bewegt,  in  welchem 
Falle  seine  relative  Geschwindigkeit  in  Bezug  auf  das  feste 
Molecül  tri  variirt,  so  ist  die  Abstofsung  zwischen  zwei 
Molecülen  für  einen  bestimmten  Abstand  r,  nach  dem 
Vorhergehenden,  gröfser  als  wenn  die  relative  Geschwin- 
digkeit constant  wäre.  Dies  ist  der  Fall,  m  mag  sich  vom 
Punkte  0  entfernen  oder  sich  ihm  nähern.  Dem  Ausdruck 
für  die  Abstofsung  der  beiden  Molecüle  im  Fall  der  Con- 
stanz  ihrer  relativen  Geschwindigkeit  muls  man  also  ein 
Glied  hinzufügen,  welches  eine  Function  der  Variation 


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112 


der  Geschwindigkeit  ist.    Wir  bezeichnen  diese  Function 

durch  \J)  {—  (1  —  cos*  i'f)  J  .   Was  wir  im  Voraus  von  der 

Function  y  wissen,  ist:  dafs  sie  Null  scyn  mufs,  wenn 
cosi>=  1,  da  in  diesem  Fall  das  Molecfil  m  sich  auf  der 
Verbindungslinie  von  m  und  m  bewegt  und  folglich  die 
relative  Geschwindigkeit  der  beiden  Molecüle  constant  ist. 
Ueberdies  wissen  wir,  dafs  der  Werth  von  \l>  immer  po- 
sitiv ist,  es  mag  m  sich  m  nahern  oder  von  ihm  entfernen. 
Uebrigens  ist  zu  bemerken,  dafs  der  Werth  der  Function 

nicht  allein  von  der  Gröfse  der  Variation  ^  (1  —  cos1  &) 

abhängen  kann,  sondern  auch  von  dem  Abstand  r  zwischen 
den  Molecülen,  und  dafs  folglich  r  unter  das  Zeichen  der 
Function  eintreten  kann  zur  selben  Zeit  als  dieselbe  Vari- 
able in  den  Ausdruck  für  die  Gröfse  der  Variation  eintritt. 

Der  vollständige  Ausdruck  für  die  Abstofsung  zweier 
Aethermolecüle  m  und  m,  von  denen  das  letztere  fest  ist, 
und  das  erstere  m  sich  mit  der  constanten  Geschwindig- 
keit  /*  auf  einer  Linie  bewegt,  die  mit  der  Verbindungs- 
linie den  scharfen  Winkel  «>  bildet,  wird  also  scyn 

für  den  Fall,  dafs  m  sich  m'  nähere 

-  [l  +  y-  (  -  *  •  <»8     +  V  (7  (1  -  cos2  *)]  .  .  (1), 
für  den  Fall,  daJ's  m  sich  von  ni  entfernt 

-  m"f  [ 1      (f  (H"  *  •  cos  *)  +  V>("  0  —  cos'  />)]  .  .  (2). 

Wir  wollen  das  Gesagte  zunächst  anwenden  auf  den 
Fall  wo  die  beiden  Molecüle  tn  und  m'  sich  mit  constanter 
und  gleicher  Geschwindigkeit  in  derselben  Richtung  auf 
zwei  einander  parallelen  Linien  bewegen  (Figur  3). 

Nach  den  von  W.  Weber1)  aufgestellten  Principien 
nehmen  wir  an,  dafs  der  Effect  der  gegenseitigen  Wirkung 
zwischen  zwei  Aethermolecülen  sich  gänzlich  den  Ketten 
mittheile,  in  welcher  sie  sich  bewegen.  Blols  die  Be- 
wegungen der  Ketten  können  in  der  gegenseitigen  Wir- 
kung zweier  Ströme  beobachtet  werden,  und  die  auf  Grund- 

1)  Abhandlungen  über  elektrodynamische  Maafsheslironwngen.  S.  30I>. 


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113 


läge  von  Beobachtungen  errichteten  empirischen  Formeln 
beziehen  sich  auf  diese  Bewegungen.  Wenn  man  nun 
die  Veränderung  finden  will,  welche  in  dem  Abstand 
zwischen  zwei  Elementen  der  Kette  durch  die  gegenseitige 
Wirkung  der  Aethermolecüle  erzeugt  wird,  so  kann  man 
eins  der  Elemente  als  fest,  und  das  andere  als  frei  be- 
trachten. Im  vorliegenden  Fall  nehmen  wir  an,  dafs  das- 
jenige Element  der  Kette,  in  welchem  sich  m  bewegt,  frei 
sey,  und  dasjenige,  zu  welchem  m  gehört,  unbeweglich  sey. 
Wenn  das  Molecül  rn  allein  in  Bewegung  wäre  in  der 
ganzen  Aethermasse,  so  kann  man  nicht  auf  gleiche  Weise 
wie  bei  seiner  Ruhe  annehmen,  dafs  die  auf  es  von  der 
ganzen  umgebenden  Aethermasse  ausgeübten  Abstofsungen 
sich  gegenseitig  annulliren.  Diese  Abstofsungen  können 
vielmehr  eine  Resultante  S  haben,  die  nicht  Null  ist.  Die 
Abstofsung,  welche  die  ganze  umgebende  Aethermasse, 
mit  Ausnahme  von  fft,  auf  das  sich  bewegende  Molecül  m 
ausübt,  mufs  also  erhalten  werden,  wenn  man  von  S  die 
Abstofsung  zwischen  m  und  m'  abzieht,  oder,  was  auf 
dasselbe  hinausläuft,  die  letztere  Abstofsung  genommen 
mit  entgegengesetztem  Zeichen  zu  S  addirt.  Es  handelt 
sich  nun  darum,  die  Bewegung  zu  finden,  welche  dem 
Molecüle  m  oder  vielmehr  dem  Element  der  Kette,  worin 
sich  m'  bewegt,  durch  die  Bewegung  des  Molecüls  m 
eingeprägt  wird. 

Wie  bei  den  elektrostatischen  Erscheinungen  haben 
wir  folgende  vier  Umstäude  in  Betracht  zu  ziehen:  1)  die 
directe  gegenseitige  Wirkung  zweier  Aethermolecüle; 
2)  die  Differenz  zwischen  der  Wirkung,  welche  die  Ge- 
sammtheit  der  umgebenden  Aethermasse  auf  m'  ausübt, 
wenn  m  als  ruhend  gedacht  wird,  und  der  Wirkung,  welche 
der  gesammte  umgebende  Aether,  mit  Ausnahme  des  von  iw, 
auf  dasselbe  Molecül  m'  ausübt;  3)  die  Wirkung  von  m 
auf  den  von  m'  eingenommenen  Raum;  und  4)  die  Wir- 
kung der  ganzen  Quantität  des  umgebenden  Aethers  mit 
Ausnahme  von  m  auf  denselben  Raum.  Die  unter  No.  2 
angegebene  Differenz  ist  offenbar  gleich  der  Abstofsung, 
Poggen dorff  s  Ann.    Blgftnsiingsbd.  VI.  8 


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114 

genommen  mit  entgegengesetztem  Zeichen,  zwischen  dem 
als  unbeweglich  gedachten  Molecül  m  und  dem  Molecül  m'; 
und  die  unter  No.  4  aufgeführte  Wirkung  ist  identisch 
mit  der  Abstofsung,  genommen  mit  entgegengesetztem 
Zeichen,  zwischen  dem  als  unbeweglich  gedachten  m  und 
dem  in  Rede  stehenden  Kaum.  Addirt  man  die  in  den 
beiden  ersten  Fällen  vorgesehenen  Wirkungen  auf  m'  und 
subtrahirt  davon  die  entsprechende  Summe  der  beiden 
letzteren,  so  erhält  man,  conform  dem  Archimedischen 
Princip,  die  gesuchte  Wirkung  auf  tri  oder  ein  Element 
der  Kette,  worin  sich  tri  bewegt. 

Um  die  Richtigkeit  des  obigen  Verfahrens  klarer  ein- 
zusehen, stelle  man  die  Aufgabe  folgendermafsen.  Warum 
es  sich  handelt,  ist:  die  Bewegung  zu  finden,  welche  das 
Molecül  tri  oder  vielmehr  das  Element  der  Kette,  worin  sich 
tri  befindet,  annimmt,  wenn  das  Molecül  m  in  Bewegung 
gesetzt  wird.  Nun  hängt  die  gesuchte  Bewegung  des 
Elements  der  Kette  von  tri  offenbar  ab  von  der  Modifikation, 
die  in  der  Abstofsung  zwischen  tri  und  m  herbeigeführt 
wird  durch  den  Umstand,  dals  letzteres  in  Bewegung  ge- 
setzt worden  ist.  Man  erhält  also  den  Ausdruck  für  die 
gesuchte  Bewegung,  wenn  man  von  der  Abstofsung 
zwischen  den  Molecülen  vi  und  m,  falls  letzteres  in  Be- 
wegung gedacht  wird,  die  Abstofsung  zwischen  denselben 
Molecülen  subtrahirt,  falls  das  Molecül  m  als  in  Ruhe  be- 
trachtet wird.  Der  so  erhaltene  Rest  ist  in  Wirklichkeit 
nichts  anderes  als  die  Summe  der  beiden  ersten  oben  an- 
gezeigten Fälle.  Auf  analoge  Weise  erhält  man  die 
Effecte  der  Abstofsung,  auf  welche  sich  die  beiden  letzten 
Fälle  beziehen.  Es  ist  nun  leicht,  den  algebraischen  Aus- 
druck für  die  gegenseitige  Wirkung  zweier  Strom-Elemente 
zu  finden.  Setzen  wir,  dafs  zwei  Molecüle  m  und  tri  sich 
auf  parallelen  Linien  in  derselben  Richtung  z.  B.  gegen 
b  und  b'  bewegen;  ihr  gegenseitiger  Abstand  wird  sich 
nicht  verändern,  sobald  sie  sich  mit  derselben  Geschwin- 
digkeit bewegen.  Ihre  directe  gegenseitige  Wirkung  wird 
demnach  dieselbe  seyn,  wie  wenn  sie  beide  in  Ruhe  wären. 


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115 


Man  hat  also  für  die  Wirkung,  die  sich  auf  den  Fall  No.  1 
hezieht: 


m  m 


Da  m  sieh  von  m  entfernt,  wenn  letzteres  als  in  Ruhe 
gedacht  wird,  so  hat  man  für  den  Fall  No.  2 

+  ^  [l  +  V  (+  A  •  cos  d)  +  V  (£  (1  -  cos'  »)  )}. 

Für  den  Fall  No.  3,  wo  m  sich  dem  von  m'  einge- 
nommenen Räume  nähert,  erhält  man 

-  "  r  ("l-H  V  (-  A  cos     +  v      (1  -  cos'  »))\  . 
Für  No.  4  hat  man  endlich: 


Wl  Vi 


Wenn  man  nun  die  Summe  der  beiden  letzten  Aus- 
drücke von  der  Summe  der  beiden  ersten  abzieht,  erhält 
man  als  definitives  Resultat 

-h  "  [y  (-h  h  cos  &)  -+-9  (—  Ä  cos 

+  2  -  cos'  *))]  (3). 

Dies  ist  der  theoretische  Ausdruck  des  gegenseitigen 
Einflusses  zweier  Strom-Elemente,  die  sich  auf  parallelen 
Linien  in  gleicher  Richtung  bewegen. 

Macht  man  in  der  Formel  (3)  cos  #  gleich  Null,  d.  h. 
nimmt  man  an,  die  Verbindungslinie  zwischen  zwei  Strom- 
Elementen  bilde  einen  rechten  Winkel  mit  der  Richtlinie 
der  Ströme,  so  wird  die  Function  ,  wie  man  gesehen, 
gleich  Null.    Für  diesen  Fall  hat  man  also: 

+  "™'-2v(7)  W- 

Nun  ist  nach  dem  Vorhergehenden  die  Function  tp 
immer  positiv.  Es  folgt  also  aus  diesem  Satze,  dafs  die 
Strom-Elemente  sich  gegenseitig  anziehen,  wie  es  die  Er- 
fahrung beweist. 

Wir  wollen  jetzt  das  theoretische  Resultat  mit  der  Er- 
fahrung vergleichen,  und  zu  dem  Ende  die  Functionen 
(f  und  i(j  bestimmen. 

8* 


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116 


Bekanntlich  hat  Ampere  die  gegenseitige  Einwirkung 
zweier  Strom-Elemente  auf  experimentellem  Wege  bestimmt, 
und  W.  Weber  hat  durch  sehr  genaue  Versuche  die 
Richtigkeit  der  Resultate  des  französischen  Physikers  be- 
stätigt. Wenn  für  den  Fall  des  Parallelismus  der  Strom- 
Elemente,  r  ihren  Abstand  bezeichnet,  und  &  den  Winkel, 
den  eins  von  ihnen  mit  ihrer  Verbindungslinie  bildet,  so  ist 
die  Ampere'sche  Formel: 

-h  ~~  (1  -  i  cos1  &)  ds  ds'  (5) 

worin  t  und  t'  die  Intensitäten  der  beiden  Ströme,  ds  un  ds' 
die  beiden  Strom -Elemente  und  k  eine  Constante.  So 
lange  dieser  Ausdruck  positiv  ist,  findet  zwischen  den 
Strom-Elementen  längs  ihrer  Verbindungslinie  Anziehung 
statt.  Haben  die  beiden  Ströme  gleiche  Richtung  und 
folglich  gleiches  Zeichen,  ziehen  die  Elemente  sich  gegen- 
seitig an,  so  lange  das  Glied  Jcos2#<Cl.  Gehen  sie 
aber  umgekehrt  gegen  einander,  haben  sie  also  entgenge- 
setzte  Zeichen,  so  findet  bis  zu  dieser  Gränze  eine  Ab- 
stofsung  statt.  Bezeichnen  nun  /<  und  /<'  die  Elektricitäts- 
mengen  auf  der  Längeneinheit  beider  Ketten,  so  hat  man 
uh  =  %  und  n'h  =  t',  wo  h  die  Geschwindigkeit  des  Stroms 
bedeutet.  Nun  entsprechen  pds  und  u  ds'  dem,  was  in 
der  theoretischen  Formel  mit  tn  und  m  bezeichnet  ist.  Die 
Ampere'sche  Formel  kann  also  unter  der  Form  geschrie- 
ben werden: 

+  <W  A_!  (i  _  j  cos3  &)  (6) 

Macht  man  cos  &  gleich  Null,  so  erhält  man  durch 
Vergleich  mit  der  Formel  (4) 

woraus,  wenn  man  A*  durch  A*  (1  —  cos1  0)  ersetzt,  her- 
vorgeht 

2  xp      [1  -  cos*  #])  ma  kh2  (\  —  cos'  &)  (7). 

Macht  man  in  der  Formel  (3)  cos  &  »  1,  so  wird  der 
Werth  der  Function  »/'  gleich  Null.     In  diesem  Falle 


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117 


liegen  die  beiden  Strom-Elemente  auf  einer  und  derselben 
Linie,  wodurch  ihre  relative  Geschwindigkeit  constant  und 
gleich  Null  wird.    Die  Formel  (3)  wird  solchergestalt: 

+  (8). 

Setzt  man  ebenso  in  der  empirischen  Formel  (6)  cos 
=  1,  so  erhält  man  durch  den  Vergleich  mit  Formel  (8): 

woraus,  wenn  man  A  durch  A .  cos  &  ersetzt,  man  erhält: 

€p  (-+-  h  cos  #)  -+-  (f  ( —  A  cos      =  —  5  A  A*  cos  #  (9). 

Führt  man  nun  in  die  theoretische  Formel  (3)  die 
gefundenen  Werthe  der  Function  \p  und  der  Summe 
tp  (-f-  A  cos  tf  ( —  Ä  cos  #)  ein,  so  erhält  man: 

4_  (i  _  j  cos'  &) 

eine  Formel  identisch  mit  der,  welche  man  direct  aus  den 
Beobachtungen  zieht 

Die  obige  Formel  (9)  bestimmt  die  Summe  der  beiden 
Functionen  ff.  Diese  Summe  ist  immer  negativ.  Man 
kann  daraus  natürlich  nicht  unmittelbar  die  Function  der 
Formel  selbst  herleiten,  da  ein  Glied  durch  Addition 
verschwunden  seyn  könnte.  Aus  dem  Vorhergehenden 
weifs  man,  dafs  ff  (—  A)  immer  negativ  seyn  mufs,  da- 
gegen aber  rp  (-f-  A)  immer  positiv.  Diefs  ist  nur  durch 
ein  einziges  Mittel  möglich,  nämlich  dafs  die  Function  ff 
aufser  dem  Gliede,  in  welches  das  Quadrat  der  relativen 
Geschwindigkeit  eingeht,  noch  ein  zweites  Glied  enthalte, 
welches  eine  ungerade  Potenz  dieser  Geschwindigkeit  ein- 
schliefst, und  dafs  der  Werth  dieses  letzteren  Gliedes 
gröfser  sey  als  der  des  ersten.  Wir  wollen  nun  annehmen, 
dafs  diese  ungerade  Potenz  die  erste  sey,  welche  Annahme 
allein  correct  ist,  wie  man  sehen  wird,  wenn  es  sich  um 
zwei  parallele  Ströme  von  entgegengesetzter  Richtung 
handelt.    Diefs  giebt  uns: 

ff  (—  A  cos  &)  ■  —  ah  cos  d  —  {  k  hl  cos*  #1 

7>(-r-A  cos  t'/)  =  -r-  ah  cos  «?  —  \h  A*  cos1  •'>  i  ' 


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118 


worin  a  eine  Constante  ist.  Man  erhält  also  dasselbe  Re- 
sultat, wie  wenn  man  sich  die  Function  (f  in  eine  Reihe 
nach  steigenden  Potenzen  der  relativen  Geschwindigkeit 
entwickelt  dächte  und  blols  die  beiden  ersten  Glieder  dieser 
Reihe  beibehalten  hätte. 

Gehen  wir  nun  zu  dem  Falle  über,  wo  die  Molecüle 
m  und  tri  sich  in  parallelen  Ketten  entgegengesetzt  be- 
wegen. Nehmen  wir  an,  das  Molecül  tri  bewege  sich 
gegen  den  Punkt  a',  während  m  gegen  den  Punkt  b 
vorrückt  (Fig.  3).  Klar  ist,  dafs  die  relative  Geschwindig- 
keit zwischen  tn  und  tri  dann  das  Doppelte  von  dem  seyn 
raufs,  wie  im  Falle  eins  der  Molecüle  in  Ruhe  wäre  und 
das  andere  sich  mit  derselben  Geschwindigkeit  wie  zuvor 
bewegte.  Man  mufs  also  2  h  statt  h  schreiben,  was  auch 
von  der  Veränderung  der  Geschwindigkeit  gilt.  Es  ist 
vollkommen  einerlei,  ob  die  Molecüle  sich  nähern  oder 
von  einander  entfernen.  Mit  Anwendung  der  Formeln  (1), 
(7)  und  (10)  erhält  man  solchergestalt  für  die  in  No.  1 
angegebene  Wirkung  d.  h.  für  die  directe  Wirkung 
zwischen  zwei  sich  bewegenden  Molecülen: 

-      [1  —  2öäcos  &  —  j [ .  4t kh1  cos1  & 

-+-J.4/f^(l  —  cos*#)]. 

Für  die  Wirkung,  auf  welche  sich  No.  2  bezieht,  d.  h. 
für  die  Abstolsung,  genommen  mit  entgegengesetztem 
Zeichen,  zwischen  den  Molecülen  tri  und  m,  von  denen 
das  erstere  als  in  Bewegung  und  das  zweite  als  in  Ruhe 
gedacht  wird,  erhält  man: 

-+-  "    [1  —  ah  cos  d  —  JÄ/i*  cos1  V  -f-  {hh1  (1  -  cos**)]. 

Für  die  in  No.  3  bezeichnete  Wirkung  erhält  man 
->'[!  —  «Äcostf  —  J*A*  cos'#-f-!*Ä'  (1  -  cos'  &)] 
und  zuletzt  für  No.  4 


Wenn  man  nun  die  Summe  der  beiden  letzten  Nummern 
von  der  Summe  der  beiden  ersten  abzieht,  erhält  man  als 


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119 


Ausdruck  für  die  Wirkung,  welche  zwei  Strom-Elemente 
auf  einander  ausüben,  wenn  sie  sich  in  parallelen  Ketten 
entgegengesetzt  bewegen : 

_i^[l_!oait*]  (11) 

was  mit  der  empirischen  Formel  Ampere's  völlig  über- 
einstimmt. 

Das  eben  Gesagte  gilt  in  der  Voraussetzung,  dafs  die 
Geschwindigkeit  h  in  beiden  Ketten  dieselbe  sey.  Es  is* 
jedoch  leicht  zu  zeigen,  dafs  die  obige  Beweisführung  auch 
auf  den  Fall  pafst,  wo  die  Geschwindigkeit  in  der  einen 
Kette  gröfser  als  in  der  anderen  ist.  Gesetzt  die  Ge- 
schwindigkeit sey  h'  in  der  Kette  a'  b'  (Fig.  3)  und  h  in 
der  Kette  aö,  sey  ferner  h  <  A,  und  gehe  in  beiden  Ketten 
in  gleicher  Richtung,  nämlich  gegen  b  und  b'.  Klar  ist, 
dafs  die  relative  Geschwindigkeit  nicht  modificirt  wird 
durch  den  Umstand,  dafs  die  absolute  Geschwindigkeit 
beider  Molecüle  um  eine  gleiche  Gröfse  zu-  oder  abnimmt. 
Setzen  wir,  dafs  jedes  der  Molecüle  m  und  tri  eine  Ge- 
schwindigkeit h  iu  einer  der  vorhergehenden  entgegenge- 
setzten Richtung  empfange,  so  wird  das  Molecül  tri  zu 
Ruhe  kommen,  0t  aber  fortfahren  sich  in  der  früheren 
Richtung  zu  bewegen,  jedoch  mit  der  Geschwindigkeit 
h  —  k.  Ihre  relative  Geschwindigkeit  ist  folglich  nach 
dem  Vorhergehenden  h  —  h'  cos  fi.  Folglich  erhält  man 
für  die  in  No.  1  bezeichnete  Wirkung 

-  ~r  [  1  -  «  (Ä  -  *')  cos  #  -  J  h  (h  -  hy  cos» 

-f-i*(A—  A')2  (1  —  cos3 &)]. 

Für  die  Wirkung  No.  2 

+     D  +  ah' co8  *  —  l k  h' cos* * -H* Ä*  0  —  cos2  #)J. 

Für  die  Wirkung  No.  3 

—  m™' [1  -  ah  cos  &-\kh%  cos1  &  -+■  V  (1  -  cos1  d)] 
und  endlich  für  No.  4 

m  m' 

"7r* 


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120 


Die  Subtraction  der  Summe  der  beiden  letzten  Resul- 
tate von  der  Summe  der  beiden  ersten  giebt 

was,  wie  mau  sieht,  mit  der  Erfahrung  übereinstimmt. 

Für  den  Fall  dafs  die  parallelen  Ströme  mit  ungleicher 
Geschwindigkeit  in  entgegengesetzter  Richtung  gehen,  er- 
hält man  auf  ähnliche  Weise  dasselbe  Resultat,  aber  mit 
dem  Zeichen  minus. 

Mit  Hülfe  des  Vorhergehenden  ist  es  leicht,  die  all- 
gemeine Formel  Ampere's  für  die  gegenseitige  Einwir- 
kung zweier  Strom -Elemente  von  unbestimmter  Lage  ab- 
zuleiten. Die  von  Ampere  gegebenen  empirischen  For- 
meln umfassen  die  Gesetze  aller  elektrodynamischen  Er- 
scheinungen. Nun  haben  wir  eben  gezeigt,  dafs  diese 
Erscheinungen  so  gut  wie  die  elektrostatischen  durch  die 
Annahme  eines  einzigen  Fluidums  erklärt  werden  können. 
Unsere  Demonstration  stützt  sich  auf  zwei  fundamentale 
Principien,  nämlich:  1)  auf  das  Archimedische  Princip, 
dessen  Anwendbarkeit  auf  Phänomene  dieser  Art  unbe- 
streitbar erscheint,  und  überdiefs  durch  die  zu  Anfange 
dieser  Arbeit  erwähnten  Versuche  Plücker's  experimen- 
tell bestätigt  worden  ist;  und  2)  auf  die  wichtige  und  in 
unseren  Augen  axiomatische  Thesis,  dafs  Alles,  was  in 
der  äufseren  Natur  vorgeht  oder  geschieht,  eine  gewisse 
Zeit  erfordert.  Ueberdies  haben  wir  nicht  nöthig,  dem 
elektrischen  Fluidum  Eigenschaften  beizulegen,  die  denen 
des  Lichtäthers  entgegen  wären. 

Licht,  Wärme  und  Elektricität  werden  also  Phänomene, 
die  in  derselben  Materie  vor  sich  gehen.  Die  drei  Haupt- 
gruppen von  Natur-Erscheinungen  werden  dadurch  in  die 
innigste  Beziehung  zu  einander  gesetzt. 

Bei  der  Beschreibung  einiger  die  Elektricität  betreffen- 
den Erscheinungen  findet  man  zuweilen  die  Bemerkung 
ausgesprochen,  dafs  diese  Erscheinungen  sich  nicht  mit 
Hülfe  eines  einzigen  Fluidums  erklären  lassen.  So  z.  B. 
hat  man  behauptet,  dafs  die  Gleichzeitigkeit  der  beiden 


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121 


extremen  Funken  bei  den  bekannten  Wheatstone'schen 
Versuchen  über  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der 
Elektricität  ein  Beweis  gegen  die  Richtigkeit  einer  solchen 
Annahme  sey.  Wie  es  scheint,  hat  man  sich  eingebildet, 
dafs  man,  bei  Annahme  der  Existenz  einer  einzigen  elek- 
trischen Materie,  auch  annehmen  müfste,  dafs  dieselbe 
Elektricitätsmenge  die  beiden  elektrischen  Funken  bilde, 
so  dafs  derjenige  von  ihnen,  welcher  dem  negativen  Be- 
lege der  Batterie  am  nächsten  ist,  nicht  eher  entstehen 
könne  als  bis  die  Elektricität  Zeit  gehabt,  die  beiden  Lei- 
tungsdrähte zu  durchlaufen.  Uns  ist  es  unmöglich,  diese 
Ansichtsweise  zu  unterschreiben.  Der  Aether  hat  auf  dem 
negativen  Belege  der  Batterie  eine  geringere  Dichtigkeit 
als  auf  dem  mit  diesem  Belege  verbundenen  Leitungsdraht. 
Auf  dem  positiven  Belege  ist  dagegen  die  Dichtigkeit  des 
Aethers  gröfser  als  auf  dem  von  diesem  Belege  ausgehen- 
den Leitungsdraht.  Bei  der  Entladung  der  Batterie  geht 
eine  Aethermenge  aus  dem  positiven  Belege  zu  dem  mit 
ihm  verbundenen  Leitungsdrahte  Ober;  aber  zugleich  geht 
eine  andere  Aethermenge  auf  den  negativen  Belegen  aus 
dem  mit  diesem  verbundenen  Leitungsdraht  über.  Die 
beiden  extremen  Funken  zeigen  sich  folglich  gleichzeitig. 

Ebenso  hat  man  einen  Beweis  vom  Daseyn  zweier 
elektrischer  Fluida  in  dem  Unterschiede  erblicken  wollen, 
welchen  die  Lichte  übe  rg'schen  Figuren  darbieten,  wenn 
man  zu  ihrer  Hervorbringung  positive  oder  negative  Elek- 
tricität anwendet.  Allein  da  dieser  Unterschied  bekannt- 
lich im  Vacuo  verschwindet,  so  scheint  es  mir  unmöglich, 
daraus  einen  sichern  Schlufs  für  die  eine  oder  andere 
Meinung  zu  ziehen.  Ebenso  verhält  es  sich  ohne  Zweifel 
mit  einigen  anderen  Erscheinungen,  denen  man  in  der 
vorliegenden  Frage  eine  gewisse  Wichtigkeit  beilegen  zu 
müssen  geglaubt  hat. 

Andrerseits  giebt  es  mehre  Erscheinungen,  welche  die 
Meinung,  dafs  die  den  elektrischen  Phänomen  zum  Grunde 
liegende  Materie  eine  einfache  und  untheilbare  sey,  mit 
Sicherheit  unterstützen.    Dahin  zählen  wir  unter  anderen 


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122 

die  von  Wiedemann  und  andern  Physikern  studirte 
Thatsache,  dafs  eine  Flüssigkeit,  durch  welche  ein  elek- 
trischer Strom  geht,  mechanisch  in  Richtung  des  positiven 
Stromes  fortgerissen  wird.  Um  dies  zu  erklären,  ist  man 
genöthigt  anzunehmen,  dafs  der  negative  Strom  diese 
Eigenschaft  entweder  nicht  besitze  oder  wenigstens  in 
einem  geringeren  Grade  als  der  positive,  während  mau 
andrerseits  zur  Erklärung  mehrer  Erscheinungen  die  An- 
nahme machen  mufs,  dafs  der  positive  und  der  negative 
Strom  sich  gegen  die  Materie  identisch  verhalten.  Auf 
den  eben  angezeigten  Umstand  bezieht  sich  die  bekannte 
Thatsache,  dafs  der  positive  Pol  eines  Volta'schen  Bogens 
und  der  positive  Knopf  bei  der  Funkenbildung  hauptsäch- 
lich, wenn  nicht  ausschliefslicb,  angegriffen  und  zerstört 
werden.  In  dem  zweiten  Theile  dieser  Arbeit  werden 
wir  die  Erklärung  geben  sowohl  von  der  Thatsache,  dafs 
der  negative  Pol  nicht  ganz  unangegriffen  bleibt,  als  auch 
von  den  durch  Hr.  Quincke  auf  so  merkwürdige  Weise 
studirten  Erscheinungen1).  Die  Idee,  welche  man  sich 
von  der  Fortpflanzungsweise  des  positiven  Stroms  in  der 
einen  Richtung,  und  von  der  des  negativen  Stroms  in  der 
entgegengesetzten  in  einem  Leiter  gemacht  hat,  ist  keines- 
wegs einfach  und  deshalb  nichts  weniger  als  natürlich. 
Die  Erklärung  dieser  Erscheinungen  ist  unendlich  leichter 
zu  begreifen,  wenn  man  das  Daseyn  von  nur  einem  ein- 
zigen elektrischen  Fluidum  annimmt.  Die  Existenz  des 
Aethers  ist  so  gewifs,  wie  die  der  Atmosphäre,  welche 
unseren  Erdball  umgiebt.  Wenn  es  nun  möglich  ist  zu 
erweisen,  dafs  die  elektrischen  Erscheinungen  ihre  Quelle 
in  diesem  Aether  haben,  so  können  wir  eben  so  vollkommen 
sicher  seyn,  dafs  es  kein  specielles  elektrisches  Fluidum 
giebt;  denn  wenn  die  Natur  sich  zur  Hervorbringung 
gewisser  Erscheinungen  eines  einzigen  Agens  bedienen 
kann,  wird  sie  dazu  nicht  zwei  anwenden. 
1)  Pogg.  Ann.  Bd.  CXIII  (1861)  S.  513. 

(Schluß  im  nächsten  Heft.) 


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123 


VIII.   Studien  über  Affinität  in  Eisenchlor id-Lö- 
sungen,  ohne  Veränderung  des  sJggregatzu- 
s  tan  des:  von  Alexander  Müller  in  Berlin. 


ur  dann,  wenn  die  Intensität  einer  gefärbten  Lösung 
(bei  gleichbleibender  Farbenqualität)  durch  Verdünnung 
proportional  der  Raumvermehrung  abnimmt,  ist  man  zu 
der  Annahme  berechtigt,  dais  die  Molecüle  des  färben- 
den Stoffes  nur  mechanisch  aus  einander  gerückt  aber 
nicht  chemisch  verändert  werden.  Wenn  dagegen  die 
Intensität  (mit  oder  ohne  Qualitätsveränderung)  in  einem 
andern  (gröfseren  oder  kleineren)  Verhältnifs  durch  Ver- 
dünnung der  Lösung  verändert  wird,  ist  man  gezwungen, 
auf  eine  chemische  Veränderung  zu  schließen. 

Es  ist  bislang  schwer  zu  sagen,  welcher  Fall  bei  Ver- 
dünnungen häufiger  eintritt;  wahrscheinlich  thut  es  der 
letztere,  nämlich  die  unregelmäfsige  Intensitätsveränderung, 
und  wahrscheinlich  sind  die  meisten  Verdünnungen  mit 
chemischen  Veränderungen  des  färbenden  Bestandteils 
verknüpft. 

Eine  besonders  hervorragende  Stellung  unter  den  durch 
Verdünnung  chemisch  veränderten  Lösungen  nehmen  die- 
jenigen der  Metallchloride  ein.  Von  diesen  wiederum 
eignen  sich  wegen  verhältnifsmäfsig  hoher  Qualitätscon- 
stanz  vorzüglich  die  Chloride  des  Platins  und  Eisens  zu 
einem  einleitenden  Studium  der  durch  Verdünnung  be- 
wirkten chromatischen  Veränderungen;  den  Gegenstand 
vorliegender  Abhandlung  bildet  der  Chromatismus  des 
Eisenchlorids. 

Aus  den  unten  näher  beschriebenen  Versuchen  hat  sich 
ergeben,  dafs  bei  ziemlich  gleich  bleibender  Qualität  der 
Farbe  die  speeifische  (d.  h.  die  auf  ein  bestimmtes  Ge- 
wicht Eisen  berechnete)  Intensität  wesentlich  abhängt 

1)  von  der  Natur  des  Verdünnungsmittels, 

2)  von  der  Temperatur  der  Lösung  und 

3)  von  dem  Alter  der  Lösungen. 


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124 


1)  Als  Verdünnungsmittel  haben  gedient 

d)  Wasser.  Durch  Verdünnung  mit  Wasser  nimmt 
die  Intensität  einer  schwach  salzsauren  concentrirten  Eisen- 
chloridlösung weit  schneller  als  im  umgekehrten  Verhält- 
nifs  der  Raumvermehrung  ab;  die  specifische  Intensität 
wird  also  kleiner  und  zwar  im  umgekehrten  Verhältnifs 
der  Quadratwurzel  aus  dem  Würfel  des  Verdünnungs- 
grades. Die  specifische  Intensität  wird  durch  Wasser 
auch  beim  Platinchlorid  und  Kupferoxydammoniak  ge- 
schwächt, aber  in  niedrigerem  Grade;  dem  entgegen  nimmt 
sie  zu  beim  Ferrid-sulphat,  -acetat,  -formiat  usw. 

b)  Salzsäure,  zu  einer  wässrigen  Eisenchloridlösung 
gesetzt,  erhöht  die  specifische  Intensität  derselben  und 
wirkt  also  der  durch  Wasser  erfolgenden  Abschwächung 
entgegen.  Bei  Einhaltung  einer  gewissen  Concentration 
wird  Salzsäure  die  specifische  Intensität  einer  damit  ver- 
dünnten Eisenchloridlösung  nicht  verändern. 

c)  Salmiak  wirkt  ebenfalls  der  durch  Wasser  erfolgen- 
den Intensitätsschwächung  entgegen,  unter  den  obwalten- 
den Verhältnissen  hat  aber  1  Atom  Salmiak  nicht  mehr 
gewirkt  als  f  Atom  Salzsäure. 

d)  Gemeinsame  Gegenwart  von  Salzsäure  und  Salmiak 
ist  der  Intensität  des  Eisenchlorids  günstiger  als  der 
Summe  der  Einzel  Wirkungen  entspricht,  unter  den  ein- 
gehaltenen Bedingungen  im  Verhältnifs  von  y  zu  8. 

c)  Chlornatrium  in  Verbindung  mit  Salzsäure  hat  die 
Intensität  der  Eisenchloridlösung  weit  mehr  gesteigert  als 
Salzsäure  allein  und  zwar  im  Verhältnifs  von  5  zu  3  d.  h. 
5  Atome  Salzsäure  wirken  nur  wie  3  Atome  Chlornatrium. 

2)  Bei  erhöhter  Temperatur  nimmt  die  Intensität  einer 
Eisenchloridlösung  sehr  merkbar  zu.  Eine  ungefähr  30° 
betragende  Erwärmung  brachte  eine  Intensitätssteigerung 
von  1,0  auf  1,4  bis  1,5  hervor. 

3)  Die  Intensität  einer  Eisenchloridlösung  verändert 
sich  nicht  im  Tempo  des  Verdünnungsprocesses  oder 
Temperaturwechsels,  sondern  hängt  wesentlich  von  der  seit 
der  räumlichen  oder  calorischen  Veränderung  verflossenen 


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Zeit  d.  h.  von  dem  Alter  der  Lösung  ab.  Eine  durch  Ver- 
dünnung mit  Wasser  dargestellte  oder  eine  erwärmt  ge- 
wesene Eisenchloridlösung  geht  nur  allmählig  auf  das  ihr 
zukommende  mögliche  Intensitätsminimum  herab. 

Die  beobachteten  Erscheinungen  lassen  vermuthen,  dafs 
Eisenchlorid  in  seinen  Lösungen  einer  chemischen  Ver- 
änderung anheimfallt.  Indem  es  durch  Wasser  an  In- 
tensität verliert,  nähert  es  sich  dem  Ferridsulphat  und 
-nitrat,  welche  beide  in  (von  gelbem  oder  braunem  basischen 
Salz)  reiner  Lösung  farblos  sind,  ganz  wie  auch  bei  zu- 
nehmendem Verdünnungsgrad  die  Chloride  des  Kupfers, 
Nickels  und  Cobalts  in  wässriger  Lösung  den  Kitraten 
und  Sulphaten  sich  chromatisch  nähern.  Man  wird  diese 
Veränderung  bis  auf  Weiteres  als  den  Uebergang  aus 
wasserfreiem  Chlorid  in  sahsaures  Oxyd  aufzufassen  haben. 

Zusatz  von  Salzsäure  wirkt  dieser  Zersetzung  entgegen, 
weil  er  die  Berührungspunkte  zwischen  den  Atomen  des 
Eisens  und  Chlors  vermehrt.  Salmiak  und  Chlornatrium 
dürften  die  Widerstandsfähigkeit  des  Eisenchlorids  gegen 
eindringende  Wassermolecüle  erhöhen  durch  Bildung  von 
bestandigeren  Chlorsalzen,  wie  solche  deutlicher  für  Platin- 
chlorid nachgewiesen  sind. 

Durch  Temperaturerhöhung  wird  die  Beweglichkeit 
und  Bewegungsschnelligkeit  der  in  der  Lösung  befindlichen, 
auf  einander  gravitirenden  Eisen-  und  Chloratome  ge- 
steigert und  deren  Aneinanderlageruug  befördert. 

Der  beobachtete  Einflufs  des  Alters  auf  die  Inten- 
sität deutet  darauf  hin,  dafs  die  Wiedereinnahme  einer 
Gleichgewichtslage  nach  erfolgter  Störung  ebenso  wenig 
momentan  geschieht  in  den  unmefsbar  kleinen  Distanzen 
der  chemisch  aufeinander  gravitirenden  Atome  einer  Lö- 
sung als  in  den  nach  Sonnenfernen  zu  berechnenden 
Distanzen  der  Himmelskörper,  er  beweist  das  Daseyn 
einer  chemischen  Trägheit. 

Die  Intensität  des  reuten  Eisenchlorids  ist  noch  nicht  be- 
kannt; man  wird  sie  vielleicht  erschliefsen  können  aus 
vollständigen  Beobaehtungsreihen  über  die  Intensität  von 


126 


wässrigen  Eisenchloridlösungen  mit  verschiedenem  Gehalt 
an  Salzsäure,  Chlornatrium  usw.  Der  kürzeste  und 
sicherste  Weg  aber  dürfte  seyn,  eine  Lösung  von  subli- 
mirtem  Eisenchlorid  in  wasserfreiem  Zinnchlorid  oder  dergl. 
chromometri8ch  zu  prüfen.  Absoluter  Alkohol  verhält 
sich,  nach  gemachten  Beobachtungen  über  den  Chromatis- 
mus einer  alkoholischen  Kupferchloridlösung,  gegen  Eisen- 
chlorid muthmafslich  ähnlich  wie  Wasser. 

Wahrscheinlich  beträgt  die  speeifische  Intensität  des 
unzersetzten  wasserfreien  Eisenchlorids  mehr  als  das  Dop- 
pelte von  derjenigen  des  Ferridacetats.  In  Qualität  steht 
das  Eisenchlorid  etwas  oberhalb  des  Kaliumbichromats 
d.  h.  es  absorbirt  etwas  mehr  Roth  als  letztgenanntes  und 
erscheint  defshalb  etwas  grüner. 

Aufser  mit  oben  erwähnten  Zusätzen  ist  Eisenchlorid 
in  2  Fällen  auch  mit  Essigsäure  versetzt  worden;  sie  hat 
eines  Theils  intensitätssteigernd  gewirkt  wie  Salzsäure, 
andern  Theils  aber  zugleich  die  Entstehung  einer  gewissen 
Menge  Ferridacetat  verursacht. 

In  ersterer  Beziehung  haben  in  concentrirterer  Lösung 
11  Atome,  in  (zweifach)  verdünnter  9  Atome  Essigsäure 
1  Atom  Salzsäure  vertreten. 

In  letzterer  Beziehung  haben  in  der  concentrirten  Lö- 
sung 11  Atom,  in  der  vordünnttTen  10  Atom  Essigsäure 
1  Atom  Salzsäure  aus  der  Verbindung  mit  Eisenoxyd 
verdrängt.  Demnach  hat  die  Essigsäure  in  beiden  Be- 
ziehungen nur  ungefähr  ein  Zehntel  von  der  Energie  der 
Salzsäure  entwickelt.  Da  nach  früheren,  unter  ähnlichen 
Bedingungen  ausgeführten  Versuchen  ungefähr  5  Atome 
Essigsäure  1  Atom  Schwefelsäure  aus  ihrer  Verbindung 
mit  Eisenoxyd  auszutreiben  vermögen,  mufs  man  schliefsen, 
dals  Salzsäure  bei  mittlerer  Temperatur  und  in  Lösungen, 
in  welchen  sie  eine  unbedeutende  Tension  hat,  eine  fast 
doppelt  so  starke  Säure  ist  als  Schwefelsäure. 

Zu  ähnlichen  Schlüssen  fahren  die  Beobachtungen  Über 
die  leichtere  Löslichkeit  der  Metalle  und  Metalloxyde  in 
Salzsäure,  sowie  über  die  geringere  Geneigtheit  der  Chlo- 


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127 

ridlösungen  zum  Zerfallen  in  basische  Verbindungen  (beides 
natürlich  für  solche  Metalle,  deren  Reaction  nicht  durch 
Entstehung  unlöslicher  oder  schwerlöslicher  Verbindungen 
getrübt  ist),  ferner  über  die  kräftigere  Einwirkung  (ver- 
dünnter) Salzsäure  auf  Cellulose,  Stärke  und  Zucker. 
Unter  anderen  Bedingungen,  wenn  nämlich  die  Tension 
der  Salzsäure  derjenigen  der  Atmosphäre  sich  nähert,  ist 
Schwefelsäure  entschieden  stärker  als  Salzsäure;  in  gleicher 
Weise  aber  wird  nach  derselben  Richtung  hin  Schwefel- 
säure von  Phosphorsäure,  und  diese  von  Kieselsäure  über- 
troflen,  während  sie  bei  gewöhnlicher  Temperatur  in  wäss- 
rigeu  Lösungen  einander  in  umgekehrtem  Sinne  unterge- 
ordnet sind. 

In  einer  früheren  Arbeit  ist  mitgetheilt  worden,  dafs 
Ferridacetat  in  stark  essigsaurer  Lösung  durch  Zusatz  von 
Alkali-Chlorür  oder  -Sulphat  nicht  wahrnehmbar  verändert 
wird.  Diese  Beobachtung  mit  der  oben  besprochenen  Ein- 
wirkung der  Essigsäure  auf  Eisenchlorid  und  Ferridsul- 
phat  zusammengestellt  führt  zu  dem  Schlüsse,  dafs  Salz- 
säure und  Schwefelsäure  durch  Essigsäure  (bei  mittlerer 
Temperatur)  aus  ihrer  Verbindung  mit  so  starken  Basen 
als  die  Alkalien  sind,  nicht  ausgetrieben  werden  können, 
auch  nicht  bei  Gegenwart  von  Ferridacetat,  sondern  nur 
aus  Verbindungen  mit  schwachen  Basen  z.  B.  Eisenoxyd. 

Was  hier  obeu  über  die  Reactionen  des  Eisenchlorids 
gesagt  worden  ist,  gründet  sich  auf  die  chromoinetrische 
Untersuchung  verschiedener  Eisenchloridlösungen,  zu  deren 
Darstellung  folgende 

3t  aterialien 

verwendet  worden  sind. 

1)  Eisetwxydhydrat, 
aus  umkrystallisirten  Eisenammonalaun  bereitet,  an  der 
Luft,  getrocknet  und  mehre  Jahre  in  einer  nicht  ganz  luft- 
dichten Glasbüchse  verwahrt,  verlor  bei  vorsichtigem 
Glühen  an  der  Luft  bis  zur  Gewichtsconstanz  12,34  Proc. 
an  Gewicht  und  hinterliefs  87,66  Procent  feuerfesten  Rück- 
stand. 


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128 


Letzterer  als  reines  Eisenoxyd  und  ersterer  als  Wasser 
in  Rechnung  genommen  ergiebt  die  Zusammensetzung  des 
Eisenoxydhydrats  zu  Fe,  03 -f- 1,26  HO. 

Bei  vorsichtigem  Lösen  in  verdünnter  Salzsäure  blieb 
von  diesem  Hydrat  nicht  ganz  J  Procent  Kieselsäure  und 
Bleisulphat  ungelöst.  Letzteres  stammt  wahrscheinlich 
aus  dem  Ammonsulphat,  welches  aus  Gaswasser  gewonnen 
und  zur  Darstellung  des  Ferridammonsulphats  verwendet 
worden  war. 

2)  Salzsäure. 

100 CC. l)  =  l  10,0  Grm.  mit  22,1  Grm.  oder  0,6058  Atom4) 
HCl;  lOOGrin.  mit  20,1  Grm.  oder  0,5507  Atome  HCl. 

3)  Essigsäure. 

100  CC.  =  106,08  Grm.  bei  18°  mit  102,82  Grm.  oder 
1,7136  Atom  C4  H4  04. 

4)  Chlornatriumlösung. 

100CC.=«  115,4  Grm.  bei  15°  mit  91,8  Grm.  Wasser  und 
23,6  Grm.  oder  0,4034  Atom  Na  Cl. 

5)  Salmiaklösung. 

100  CC.  =  107,05  Grm.  mit  80,3  Grm.  Wasser  und 
26,75  Grm.  =  0,5  Atom  H4  N  Cl. 

Chromo  metrisch  e  Objectlösungen. 
Salzsaure  oder  Alkalichlorürhaltige  Eisenchloridlösungen. 
Eisenchloridlüsung  VIII  nnd  deren  Abkömmling. 

22,174  Grm.  obengenannten  Eisenoxydhydrats  (No.  1) 
wurden  mit  188,6  Grm.  der  Salzsäure  (No.  2)  in  gut  ver- 
schlossenem Kolben  und  bei  gelinder  Wärme  aufgelöst 
und  dann  (den  16.  December  1865)  mit  Wasser  auf 
200  CC.  bei  18°  gebracht. 

100  CC.  Lösung  VIII  =  117,74  Grm.  mit  0,1217  Atom 
Fe,Oa  und  0,519  Atom  HCl  oder  0,1217  Atom  Fe,  Cl, 
und  0,1539  Atom  freier  HCl. 

100  Grm.  Lösung  VIII  mit  0,10337  Atom  Fea  CL,. 

Verhältnifs:  1  Fe,  Cl3  -+-  1,27  H  Cl. 

1)  Wegen  Maafa  und  Gewicht  vergl.  die  Anmerkung  zu  meiner  Abhand- 
lung: Studien  über  Affinität  iu  Fciridacetntlüsnn^en.  Erdmann  8 
Journ.  f.  pr.  Chem.   Bd.  CVI  S.  340. 

2)  Wenn  H  =  1,000  Grm. 


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129 


VIII  a)  10  CC.  (genauer         X  1 00)  VIII  mit  Wasser 

auf  100  CC,  mit  0,01217  Atom  Fea  Cl3. 

VIII 6)  10  CC  VIII  mit  50  CC  Salzsäure  (No.  2)  und 
dazu  Chlornatriumlösung  (No.  4)  auf  100  CC.  Eisengehalt 
wie  bei  Villa. 

Eisenchloridlösung  X  und  deren  Abkömmlinge. 

15  CC.  der  Lösung  VIII  mit  Wasser  auf  50  CC,  dem- 
nach in  100  CC  X:  0,0365  Atom  Fe,  Cl8 -+- 0,0463  Atom 
freie  HCl. 

Xa)  10  CC.  von  Lösung  X  mit  25  CC.  Salmiaklösung 
(No.  5)  und  15  CC.  Salzsäure  (No.  2)  auf  50  CC 
X6)  desgleichen. 

Xc)  10  CC.  X  mit  Salmiaklösung  auf  50  CC. 
Xd)  10  CC.  X  mit  Salzsäure  auf  50  CC. 
Xe)  wie  X  a  und  6. 

Für  die  Lösungen  X6  bis  c  wurde  die  Lösung  X  bis 
zum  Siedepunkt  des  Wassers  erhitzt,  ehe  die  weitere  Mi- 
schung und  Verdünnung  erfolgte. 

Die  Darstellung  aller  dieser  Lösungen  fand  den  5.  Oc- 
tober  1866  früh  8  Uhr  statt  und  schlofs  sich  daran  so- 
gleich die  chromometrische  Untersuchung  an. 

No.  X6  bis  d  kamen  abgekühlt  zur  Untersuchung, 
No.  Xc  aber  wurde  warm  gehalten. 

Der  Darstellung  nach  sollten  alle  Lösungen  Xa  bis  c 
eine  gleiche  Menge  Eisenchlorid  (0,0073  Atom  Fe2  Cl3  in 
100  CC)  enthalten.  Bei  der  Schnelligkeit  aber,  mit  wel- 
cher die  Bereitung  betrieben  werden  mufste,  wenn  man 
den  zu  erwartenden  klaren  Sonnenschein  gehörig  ausnutzen 
wollte,  scheint  die  Genauigkeit  der  Vertheilung  (in  Folge 
unvollkommener  Benetzung  der  Pipette  oder  unvollständigen 
Auslaufens)  etwas  beeinträchtigt  worden  zu  seyn.  Es 
stellte  sich  nämlich  bei  später  wiederholten  Messungen 
heraus,  dafs  Lösung  X6  immer  merkbar  intensiver  gefärbt 
war  als  Lösung  Xc,  trotzdem  dafs  beide  Lösungen  gleich 
zusammengesetzt  seyn  sollten,  mit  dem  einzigen  Unter- 

Poggendorft's  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  9 


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130 

schiede  einer  längeren  Erwärmung  für  Ä'e,  welche  wohl 
kaum  auf  Jahre  hinaus  sich  geltend  machen  konnte.  Es 
wurden  delshalb  beide  Lösungen  im  August  des  ver- 
gangenen Jahres  (1868)  einer  Controlanalyse  unterworfen. 
Mein  Assistent,  Hr.  O.  Nylander,  fand  durch  Fällung 
mit  Ammoniak  und  Verdampfen  des  Filtrats  auf  100  CC. 


Lösung  X  b. 

Losung  X  c. 

0,00758  Atom 

0,0071  Atom  Fe»  O, 

0,476  „ 

0,465      „     H|  N  Cl. 

Nach  der  obigen  Angabe  über  die  Volumina  der  In- 
gredienzien hätten  0,0073  Atome  Fe2  O]  und  0,46  Atome 
H4  N  Cl  gefunden  werden  sollen ,  ohne  Rücksicht  auf  die 
bei  der  Mischung  stattfindende  Volumveränderung.  Ver- 
muthlich  ist  für  X6  nach  viermaliger  allzuknapper  Ab- 
pipettirung  von  je  10  CC.  der  Rest  der  Eiseuchloridlösung 
X,  der  nun  mehr  als  10  CC.  betragen  mufste,  verwendet 
worden.  Bei  der  Darstellung  der  Lösungen  Xo  bis  e 
hatte  ich,  so  zu  sagen,  nur  eine  Recoguoscirung  des  Ter- 
rains im  Auge  und  ich  mufs  bekennen,  dafs  ich  bei  der 
grolsen  chromatischen  Veränderlichkeit  wässriger  Eisen- 
chloridlösungen weit  entfernt  war,  die  später  beobachtete 
chromometrische  Genauigkeit  zu  ahnen. 

Essigsaure  Eisenchloridlösungeu. 

1,0865  Grm.  =  0,01358  Atom  Fe,  O,,  durch  Glühen 
aus  1,2395  Grm.  obengenannten  Eisenoxydhydrats  (No.  1) 
erhalten,  wurden  in  wenig  Salzsäure  gelöst  und  die  Lösung 
bei  gelinder  Wärme  (im  Warmluftofen)  sehr  langsam  ver- 
dampft. Der  tief  braune,  nahezu  salzsäurefreie  Syrup  er- 
starrte bei  gewöhnlicher  Temperatur  zu  einer  hellrost- 
gelben  Masse.  Diese,  den  17.  Februar  1866  mit  Wasser 
übergössen,  löste  sich  nicht  ganz  klar,  wohl  aber  nach 
Zusatz  von  8,5  CC.  der  oben  aufgeführten  Essigsäure 
(No.  3)  unter  allmählicher  Rothfärbung;  durch  Verdünnung 
mit  Wasser  auf  33,95  CC.  erhielt  man  die  Lösung: 


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131 


VIII  t)  mit  0,040  Atom  Fe,  03  und  0,429  Atom  C4H404 
in  100  CC. 

Hieraus  entstand  durch  Verdünnung  mit  Wasser  auf 
das  doppelte  Volum  die  Lösung 

VlilA)  mit  0,020  Atom  Fe2Oa  und  0,2145  Atom  C4H404 
in  100  CC. 

Lösung  VIII  entspricht  nach  Gehalt  an  Eisenoxydsalz 
und  Essigsäure  der  früher  (Erdmann's  Journal  f.  pract. 
Cheni.  Bd.  CI,  S.  193  ff.)  erwähnten  essigsauren  Ferrid- 
ammonsulphatlösung  VII  1. 

Lösung  VIII  h  dagegen  der  Lösung  VII  5. 

Chromometrische  Htilfslösungen. 

Die  bisher  aufgezählten  chromometrischen  Object- 
lösungen  sind  nur  zum  geringeren  Theile  mittelst  gläserner 
Complementärplatten  gemessen  worden,  zum  grölseren 
mittelst  farbiger  Lösungen. 

Als  Gegenfarbe  dienten  verschiedene  ammoniakalische 
Kupferlösungen,  die  hier  nicht  näher  beschrieben  zu  werden 
brauchen. 

Vorkommende  grüne  Farbenabstände  wurden  durch 
die  Cobaltsulphatlösung  //fc,  mit  0,16  Atom  Co  O,  SO,  in 
100  CC.  ausgeglichen. 

Zur  Kennzeichnung  der  Färbung  obiger  Eisenchlorid- 
lösungen wurde  das  vielfach  untersuchte  Ferridaeetat  be- 
nutzt und  zwar  in  den  Ferridacetatlösuttgen  ///,  VJf  und 
X/,  deren  Zusammensetzung  mitgetheilt  in  Erdmann  s 
Journal  f.  pract.  Chem.  Bd.  CVI  S.  321  ff.  ist. 

Es  genügt  hier  zu  erwähnen,  dafs 
39,35  Mm.  III  oder  124,5  Mm.  XI  coloräquivalent  sind  mit 
100  Mm.  VI/", 

so  wie  dals  100  CC.  Vif  enthalten  0,004206  Atom  Fe2  Os. 


r 


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132 


Chromatische  Messungen1). 
Nachdem  im  März  1866  gefunden  worden  war,  dafs  die 
Eisenchloridlösungen  VIII  und  VIII  b  qualitativ  ziemlich 
gleich  gefärbt  waren,  zur  Neutralisation  aber  eine  röthere 
Gegenfarbe  verlangten  als  Kaliumbichromat,  sowie  auch, 
dafs  die  essigsauren  Lösungen  VIII  h  und  im  noch  höheren 
Grade  VIII  i  als  eine  Mischung  von  Eisenchlorid  und  Fer- 
ridacetat  aufzufassen  wären,  verschritt  man  den  5.  Oc- 
tober  lo66  zur  ersten  genaueren  quantitativen  Messung. 
Nach  fast  zweijähriger  Pause  wurde  dieselbe  im  Juni  1868 
wieder  aufgenommen  und  allmählich  auf  alle  erwähnten 
Eisenchloridlösungen  ausgedehnt.  Ich  gebe  sie  nach- 
stehends  im  Auszuge  nach  den  hierübergeführten  Ver- 
suchsprotokollen. 

Den  5.  October  1866. 
Ausnehmend  reiner  Sonnenschein  den  ganzen  Tag; 
nur  selten  kleine  Wölkchen  am  Horizont.  Das  Oberlicht 
merkbar  gelblich  zufolge  vergilbten  „Papierschirmes.  Mes- 
sung des  Ferridacetats  (III)  durch  die  „neuere"  Glascom- 
bination;  des  Eisenchlorids  durch  eine  besondere  Com- 
plementärplatte  in  Verbindung  mit  einer  dünnen  Nickel- 
vitriolschicht. 


Beob- 
achtungs- 
zeit 


Lösung 


Nummer 

Schicht 

1U 

7,90  Mm. 

VIII  h 

4,16  „ 

in 

7,90  , 

VIII 6 

4,26  . 

XJ 

7,55  „ 

13,75  , 

».  ! 

(18,9)  . 

UM)  . 

17,85  „ 

11,36  , 

(  9,3)  ■ 
(10,1)  , 
11,  '2  .. 

III 

7,85  „ 

Bemerkungen 


9°  45' 
10  15 
10  20 

10  48 

11  - 
11  15 

11  20 

11  30 

11  35 
37 
41 

12  30 


/  wurde  nährend  der  Beobach- 
|l  tung  intensiver  gelb 

Die  warm  gehaltene  Lösung 
kam  mit  ca.  50"  zur  Messung 
und  kühlte  allmählig  ab. 


1)  Bezüglich  der  Methode  vergl.  meine  Abhandlung:  über  das  Comple- 
mcntar-Oolorimeter  (Chromometer)  nebst  Nachträgen   bei  Gustav 

Ei  nes»  i  in  Chemnitz. 


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133 


Den  2.  Juni  1868. 
Sehr  reiner  Himmel ;  erst  von  Mittag  an  wenige  leichte 
Wölkchen  am  Horizont.  Messung  des  Ferridacetats  (HI) 
wie  am  5.  October  1866;  des  Eisenchlorids  durch  11,84  Mm. 
ammoniak.  Kupfervitriollösung  Vn  5  nebst  9,4*  Mm. ,  re- 
spective  9,5  Mm.  Cobaltvitriollösung  Hb. 


Beob- 
achtungs- 
zeit 

Lösung 
Nummer    |  Schicht 

Bemerkungen 

10°  — ' 
11    -  ) 
11   15  \ 
11  20 
11  30 

11  45 

12  - 
12  12 
12  15 
12  20 

III 

Xc  j 

Xd 
Xa 
Xb 
Xe 
Xd 
Xc 

in 

7,96  Mm. 
19,03'  * 
18.8  „ 

8,18  „ 
13,51  , 
12,60  „ 
13,28  „ 

8,50  . 
19,74  „ 

7,87  „ 

röthlich,  hell 
\          <**        t  n 

f        g  S-    1  - 

f               J5.  p  \ 

(               l&      1  " 
\             5"         /  " 

j           Jg.  [undeutlich 
wenig  röthlich,  hell. 

Den  18.  August  1868. 

Himmel  unbewölkt  aber  starker  Höhenrauch  l)  mit  27° 
warmem  S.  Wind.  Messung  des  Ferridacetats  (XI)  wie 
vorher;  der  Eisenchloridlösungen  durch  10,60  Mm.  ammo- 
niak. Kupfervitriollösung  VH  4  und  ergänzender  Cobalt- 
vitriollösung II  b. 


Beob- 

Lösung 

Cobalt- 
vitriol  II  6 

Bemerkungen 

achtungs- 

zeit 

Nummer 

j  Schicht 

11°  40' 

XI 

24,2SMm. 

röthlich  (?),  lichtschwach 

12  30 

VIII  h 

5,02  , 

5,85  Mm. 

)  gute  Neutralisation  und  Hellig- 

12  40 

Villi 

18,78  , 

4,18  „ 

]  keit 

12  54 

XI 

24,26  „ 

wenig  röthlich,  lichtschwach 

1  - 

Xb 

9,54  , 

|7,37  „ 

)  gute  Neutralisation  und  Hellig- 

1 10 

Xa 

10,60  . 

keit 

1  15 

Xb 

9,54  , 

1  20 
• 

XI 

24,32  „ 

w.  röthlich  (?),  lichtschwach. 

1)  Der  während  des  Augusts  in  Stockholm  wiederholt  auftretende  starke 
Höhenrauch  stammte  nach  dem  Zeugnifs  der  Schiffer  von  den  be- 
deutenden Erdbränden  in  der  Umgegend  von  Petersburg. 


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134 


Den  19.  August  1868. 
Himmel  den  ganzen  Tag  wolkenlos  aber  mit  sehr 
starkem  Höhenrauch  überzogen.  Mäfsiger  28  bis  30" 
warmer  SO.  Wind.  Messung  des  Ferridacetats  theils 
mittelst  der  früheren  Complementärplatte  *),  theils  wie  die 
der  Eisenchloridlösungen  mittelst  ammoniakalischer  Kupfer- 
vitriollösungen,  mit  oder  ohne  ergänzender  Cobaltvitriol- 
lösung  II  6. 


Beob- 
achtungs* 
zeit 


Lösung 


Nummer 


Schicht 


Kupfer- 
vitriol 


Cobalt- 
vitriol  116 


Bemerkungen 


11°  15' 

11  30 

12  - 
12  S 
12  30 
12  45 
12  50 
12  55 

1  - 


1 
1 
1 
1 
1 


5 
15 
20 
30 
40 


XI 

Villi 
XI 


#24,l  Mm. 
18'57  "  [^"oMmJ 


»)  jVII2, 
((9,79  , 


(VI  3,  ) 
U8,01  .  ( 


jVII2,  )' 
I  9,79  „} 


3,74  Mm. 

4,30  „ 

5,70  „ 

j 

(  5,70  „ 

4,10  , 

7,5  „ 


röthlich,  düster 
lichtschwach 
röthlich,  düster 
sehr  röthlich  ) 
rein  5 


lichtschwach 


rein  ] 
wenig  röthlich  (  düster 

röthlich  } 

wenig  grünlich,  ziemlich  hell 

"wenig  röthlich,  lichtschwach 

rein  \ 

wenig  röthlich  !  zieml.  heil 

rein 

wenig  röthlich,  düster. 


Den  9.  September  1868. 
Sehr   reiner  Sonnenschein;   höchst   spärliche  leichte 
Wölkchen  mit  N.  W.  Wind.    Nach  1  Uhr  Mittag  mehr 
und   mehr  bewölkt,   am  Abend  wieder  ziemlich  reiner 
Himmel. 

Messung  durch  ammoniakalische  Kupfervitriollösung 
VI  3,  mit  oder  ohne  ergänzende  Cobaltvitriollösung  116. 

*)  Aus  den  mit  Lösung  XI  angestellten  Beobachtungen*)  ergiebt  sich, 
dafs  während  2\  Stunden  das  Sonnenlicht  merkbar  (ca.  ,*,)  gelber 
geworden  ist. 


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135 


Beob- 
achtungs- 
zeit 

LÖ8 

Nummer 

uug  

Schicht 

Kupfervitriol 
VI  3 

Cobalt- 
vitriol  II  fi 

Bemerkungen 

9°  30* 
9  45 
10  - 
10  15 

10  50 

11  15 
11  30 

III 
VIII 
VIII 6 

vina 

III 

VI/ 

III 

9,69  Mm. 
0,485  , 
3,65  „ 

145.4  n 

9,79  • 
22,31  , 
8,67  „ 

•18,91  Mm) 

|  ( 
j  16,88  . 

8,75  Mm. 
8,72  , 
8,90  . 

röthl.l 

i  rein   i  hell 
rein  u.  lichtschw. 
sehr  röthlich 
rein  (oder  röthl.?), 
blendend. 

In  vorstehenden  Protokollausztigen  sind  einige  Mes- 
sungen, welche  sich  auf  den  chromatischen  Abstand  des 
Eisenchlorids  vom  Platinchlorid  und  Kaliurnbichromat  be- 
ziehen, nicht  mit  ausgeführt  worden,  weil  die  den  Chro- 
matismus der  beiden  letzteren  Körper  betreffenden  Beob- 
achtungen zur  Zeit  noch  nicht  haben  berechnet  werden 
können  und  daher  auch  die  Gröfsen  des  chromatischen 
Abstandds  jetzt  noch  nicht  verwerthbar  sind.  Desgleichen 
sind  auch  die  chromatischen  Abstände  der  verschiedenen 
oben  benutzten  ammoniakalischen  Kupfervitriollösungen 
noch  nicht  berechnet  und  mufs  delshalb  vorläufig  auch 
auf  die  Controlle  verzichtet  werden,  welche  in  ihnen  liegt. 

Wir  beginnen  die  Bearbeitung  des  übrigen  chromo- 
metrischen  Materials  mit  einer  tabellarischen  Aufstellung 
der  für  je  eine  Beobachtung s reihe  coloräquivalenten  Schichten 
der  essigsäurefreien  Eisenchloridlösungen,  deren  Farben- 
qualität hier  als  gleich  angenommen  werden  darf. 


Beob- 

htun 
tag 


VIII 


Villa 


VlUh 


Eisenchloridlüsung 
Xb 


Xa 


Xc 


Xd 


Xc 


1866 
5.  October 

1868 
2.  Juni 

IS.  August 

19.  August 

&  September  0,485» 


4,23»»  13,75»» 


145,4»' 


13,51  „  ;  12,6  „ 


3,65- 


10,6 


9,54  , 
8,63  „ 


19,3  „ 


8,3  „ 


11,36»»,  17,85»»  7,55»»  j  11,2 


13,3  „ 
9,28 


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136 


Wie  früher  erwähnt,  fallt  in  vorliegender  Aufstellung 
zuvörderst  die  1868  constant  beobachtete  Ueberlegenheit 
der  Intensität  von  X6  gegen  diejenige  von  Xa  und  Xc 
auf,  wir  haben  aber  als  Erklärung  hierfür  den  fehlerhaft 
höheren  Eisengehalt  von  X6  gegenüber  von  Xc  gefunden. 
Berechnen  wir  die  ftir  X6  gefundenen  Flüssigkeitsschichten 
auf  den  Eisengehalt  der  Lösung  Xc,  so  erhalten  wir  für 
den  5.  October  1866  12,1  Mm.  statt  11,36  Mm. 
„    2.  Juni  1868       13,4    „       „    12,6  „ 
„  18.  August  1868   10,2    „       „     9,54  „ 
»  19.      „        „       9,23  „       „     8,63  „ 
und  damit  zugleich  eine  nahe  Uebereinstimmung  der  In- 
tensität zwischen  den  Lösungen  Xa,  b  und  c,  deren  pro- 
centische  Zusammensetzung  gleich  seyn  sollte,  nämlich: 


Beob- 
achtungs- 
tag 

Eisenchloridlüsung 

Xa 

Xb 

Xe 

2.  Juni 

13.5«» 

13,4«« 

13,3'"» 

18.  August 

10,6  . 

10,2» 

19.  August 

9,23, 

9,28, 

Unter  der  wohl  statthaften  Annahme,  dafs  nach  1* jäh- 
rigem Alter  die  relative  Intensität  der  Lösungen  Xa  bis  c 
vom  2.  Juni  1868  bis  zum  19.  August  nicht  merkbar  ge- 
wechselt habe,  gelangen  wir  ferner,  durch  Ueberrechnung 
der  zwei  letzten  Beobachtungsreihen  auf  diejenige  vom 
2.  Juni  1868,  zu  folgender  Aufstellung: 


Beob- 
achtungs- 
tag 

Eisenchloridlösung 

Xa     :  Xb 

Xc 

Xd 

X« 

2.  Juni 

18.  August 

19.  August 

13,5»» 
13,7» 

13,4-» 

13,2  „ 
13,3. 

19,3»« 

8,3«« 

13,3»» 
13,4. 

im  Mittel 

18,6. 

13,3, 

19,3. 

8,3, 

13,35  „ 

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137 

Wir  wenden  uns  nun  zur  Betrachtung  der  Farbenab- 
stände zwischen  Ferridacetat ,  den  essigsauren  und  essig- 
säurefreien Eisenchloridlösungen,  indem  wir  aus  den  mit- 
getheilten  Beobachtungen  folgende  chromatische  Glei- 
chungen ausziehen. 

Den  9.  September  1S68. 
I)  1 8,9 1  (Mm.  Cu  S II3  N  VI  3)     9,74  (Mm  .Fe  Ä  3  III) =  R '). 
II)  18,91  (Mm.  CuSH3N  VI  3)  -f-  8,8  (Mm.  CoS  116) 

-f-(Fe2Cl3VIIIa^6)a)  =  0. 

III)  16,88  (Mm.Cu  SH,N  VI 3)  -f-  8,67  (Mm. Fe  Aa  III)=R. 

IV)  1 6,88 (Mm.  Cu S H8 N  VI 3) -f- 22,3 (Mm. Fe  Ä,  VI/,)=R. 
Da  nach  früheren  Beobachtungen 

100  (Mm.  Fe  A,  III)  —  254,2  (Mm.  Fe  A,  VI/*), 
so  erhält  man  aus  den  Gleichungen  I,  III  und  IV  im  Mittel 
V)  18,91  (Mm.Cu  SH3N  VI3)  +  24,8(Mm.FeA3  VI/)  =  R 
aus  No.  II  und  V  aber 

VI)  24,8  (Mm.  Fe  Ä3  Vif)  -  (Fea  Cl8  VIII  a±±) 

4- 8,8  (Mm.  CoS  116) -f-R. 

A  Den  18.  Augast  1868. 

I)  9,8  (Mm.CuSH3N  VII2)+28,65(Mm.FeÄ3XI)«2R. 
II)  9,8  (Mm.  Cu  S  H3  N  VII  2)  +  7,5  (Mm.  Co  S 116) 

-f-  9,25  (Mm.  Fe3Cl8  X  b-^  e)  =0. 

1)  Das  leicht  erklärliche  Bestreben,  die  Gunst  eines  im  Voraus  unbe- 
rechenbaren klaren  Sonnentages  möglichst  hoch  zu  verwerthen,  wird 
es  verzeihlich  finden  lassen,  dafs  man  nicht  immer  bis  zur  vollstän- 
digen  Farbenneutralisation  gegangen  ist,  sondern  sich  öfters  mit  einer 
Neutralisation  bis  auf  einen  geringen  Farbenrest  begnügt  hat.  Um 
diesen  in  Rechnung  nehmen  zu  können,  bezeichne  ich  „Röthlich* 

R 

mit  R,  „Kaum"  oder  „Wenig  Röthlich"  mit  y,  „Sehr  R"  mit  2R 

und  verfahre  dem  entsprechend  mit  »Gelblich"  =»  F  (flavua),  „Grün- 
lich" =  V  (viridis)  und  „Blaulich"  =  C  (coeruleus). 

2)  Da  in  dieser  und  den  folgenden  Gleichungen  stets  die  Eisenchlorid- 
lösung Villa  mit  145,4  Mm.  und  VIII  h  mit  3,65  Mm.  dicker  Schicht 
aufgeführt  wird,  schliefse  ich  diese  Zahlen  der  Kürze  halber  aus,  bi« 
sie  wieder  gebraucht  werden. 


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138 

Da  nach  früheren  Beobachtungen 

124,5  Mm.  FcÄ3  XI)  —  100  (Mm.  Fe  A8  VI  f), 
so  ist  auch  neben  Gleichung  I 

III)  9,8  (Mm.  Cu  S  H8  N  VII 2)  4-  23,0 (Mm.  Fe  Aa  VI  f)  =  2  R. 
Gleichung  II  und  III  combinirt  geben 

IV)  23,0  (Mm.  Fe  A,  VI  f)  =  9,25  (Mm.  Fe,  CÜa  X  ^  5 ) 

4-7,5  (Mm.  Co  S  116)  4- 2  R. 
oder  nach  Multiplication  mit  1,08 
V)  24,8  (Mm.  Fe  Ä3  Vlß  =  9,99  (Mm.  Fe,  Cl8  X  —  "-) 

+  8,1  Mm.  Co  Sil  6)  4-  1,08  X2R. 
Da  Eisenchloridlösung  VIII 6  nach  den  Beobachtungen 
vom  5.  October  1866  und  vom  9.  September  1866  gleich 
oder  wenigstens  sehr  nahe  gleich  den  Lösungen  Xa  bis  e, 
sowie  VIII  und  Villa  nüancirt  ist,  so  folgt  aus  letzt  auf- 
geführter Gleichung  A  V  und  den  durch  Gleichung  VI  vom 
9.  September  dargestellten  Beobachtungen  Ober  die  chro- 
matischen Beziehungen  der  Lösungen  VIII  zu  Ferrid- 
acetat,  da  s 

VI)  9,99  (Mm.  Fe,  Cl,  X  6  +-)  =  0,485Mm.  VIII  =  145,4 

Mm.  Villa  und  =  3,65  Mm.  VIII b. 

Ba. 

I)  9,8  (Mm.  Cu  S  H8  N  VII 2  -f-  28,65  (Mm.  Fe  Ä,  XI)  =  2  R. 

II)  9,8  (Mm.  Cu  S  H8  N  VII  2)  4-  4,2  (Mm.  Co  S  II  b) 

4- 18,0 (Mm.  Fe,  Cl3,  X,  Villi)  =  O; 
woraus  mit  Einfuhrung  von  24,8  Mm.  Fe ~Ä3  VI/"  statt 
1,08  X  28,65  Mm.  Fe  A,  XL 

III)  24,8  (Mm.  Fe  Ä3  Vif)  =  19,4  (Mm.  Fe,  C13,Ä ,  Villi) 

4-  4,54  (Mm.  Co  S  II  b)  4-  1,08  X  2  R. 
Durch  Combination  dieser  Gleichung  Balll  mit  AV 
kommt  man  zu 

IV)  1 9,4  (Mm.  Fe,  C13,Ä,  VIII  i)  —  9,99  (M  m.  Fe,  Cl8  X  ±±±  ) 

4-  3,56  (Mm.  Co  SU  b). 


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139 


Bb. 

I)  19,85  (Mm.  C11SH3  N  VI  3)  -+-  31,1  (Mm.  Fe  A3  XI)  =  |- . 
II)  19,85  (Mm.  Cu  S  H8N  VI  3)  +  5,7  (Mm.  Co  S  116) 

-f- 17,86  (Mm.  Fe,  Cl„  Ä,  VIII  t)  =  0,' 
woraus   mit  Einführung  von  24,8  Mm.  Fe  A3  VI/*  statt 
0,996x31,1  Mm.  FeÄ5XI. 

TU)  24,8(Mm.Fe  Ä,  VI  f)  =  1 7,72 (Mm.  Fea Cl„  Ä,  Villi) 

5,65  (Mm.  Co  S  II  6)  +  0,996  y .  . 
Bc.   

I)  18,0  (Mm.  Cu  S  H3  N  VI  3)  +  29,0  (Mm.  Fe  Äa  XI) 

_     R  ») 
2  ' 

II)  18,0  (Mm.  Cu  S  H,  N  VI  3)  -h  5,7  (Mm.  Co  S  II  b) 

H-  16,16  Mm.  Fea  Cl,  A,  Villi)  —  |, 

woraus  durch  Einführung  von  24,8  Mm.  Fe  A ,  VI  f  statt 
1,064  x  29,0  Mm.  Fe  Ä8  XI. 

IU)  24,8  (Mm.  Fe  Ä3  Vif)  =  17,2  (Fea  Cl3,  Ä,  Villi) 

-f-  6,06  (Mm.  Co  8  Hb)  —  1,064  R. 
Hierzu  die  mit  zwei  multiplicirte  Gleichung  B6  III, 

nämlich  49,6  (Mm.  Fe  Ä,  Vif)  =  35,44  (Fe,  Cl3,  Ä,  Vüli) 

-h  11,3  (Mm.  Co  S  116)  -h  0,996  R 

addirt,  giebt: 

1)  Bei  dor  Geringfügigkeit  der  hier  in  Betracht  kommenden  Farbenreste, 
welche  kaum  ein  Hundertstel  der  wirksamen  Farbstrahlen  ausmachen, 
darf  unbedenklich  „Grünlich"  als  „Negativ  Röthlich*  aufgefafst  werden, 

wonach  y  =  -y. 

Nach  gelegentlichen  Beobachtungen  vom  19.  August  wurde  über 
den  Neutralisationspunkt  hinweg,  der  Farbenabstand  von  „Wenig 
Röthlieh"  bis  „Wenig  Grünlich"  ausgeglichen  durch  0,28  Mm.  bis 

—  0,10  Mm.  oder  im  Mittel  2x0,19  Mm.  Co  S 116,  derjenige  von 
-Rot  hl  ich"  bis  „  Grünlich"  durch  0,42  Mm.  bis  —  0,27  Mm.  oder  im 

Mittel  2  X  0,35  Mm.  Co  S  Hft. 

Bei  dem  Farbenrest  „Röthlich"  ist  die  wirksame  Schicht  von 
Eisenchlorid  oder  Ferridacetat  etwas  niedriger,  bei  „Grünlich"  etwas 
höher  als  bei  vollkommener  Neutralisation. 


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140 

IV)  74,4  (Mm.  Fe  Ä8  VI /*)=  52,64  (Min.  Fe,  Cl3,  Ä,  Villi) 

-f-  1 7,36  (Mm.  Co  8  II  6)  -  0,068  R. 
Da  0,068  R  »  0  gesetzt  werden  darf,  ergiebt  sich 
aus  Gleichung  IV: 

V)  24,8  (Mm.  FeÄ3  Vif)  =  17,55  (Mm.  Fe2Cl3,  A,  Villi) 

-h  5,79  (Mm.  Co  S  il  6). 
Nach  Gleichung  III  und  V,  sowie  nach  dem,  was  in 
der  Anmerkung  Ober  die  Gröfse  der  Farbenreste  gesagt 
ist,  können  wir  ohne  Furcht  vor  einem  Fehler  in  Glei- 
chung VI  vom  9.  September  für  R  den  Werth  0,29  Mm. 

Co  S  116  einfuhren,  wonach  letztgenannte  Gleichung  lautet: 
B  c  VI)  24,8  (Mm.  Fe  Ä3  VI  f)  =  (Fe,  Cla  VIII  l±i) 

-r-9,09  (Mm.  Co  S  116). 
Ziehen  wir  von  dieser  Gleichung  obige  BcV  ab,  so 
erhalten  wir: 

VII)  17,55  (Mm.  Fe,  Cla,  Ä,  VIII  i)  —  (Fe,  Cla  VIII a ±  b) 

-H  3,3  (Mm.  Co  S  II  6). 


C. 

I)  9,80  (Mm.  Cu  S  H3N  VII  2)  -4-  4,1  Mm.  Co  S  U  6 

-f- 17,9  (Mm.  Fe,  Cl3,  Ä,  VIII  i)  =  O,  und 

II)  9,80  (Mm.  Cu  S  H3  N  VII  2)  -f-  7,5  (Mm.  Co  S  II  6) 

-f-  9,25  (Mm.  Fe,  Cl8  X  b^  € )  =  O, 
durch  deren  Combination: 

III)  1 7,9  (Mm.  Fe,  Cl„  Ä,  VIII  i)  =  9,25  (Mm.  Fe,  Cl,  X 

-h  3,4  (Mm.  Co  S  II  6). 


Den  18.  August  1866. 

A. 


•       •  •  • 


I)  10,6  (Mm.  CuS  H3N  VII 4)  -f-  7,37  (Mm.  Co  S 116) 

-f- 10,4  (Mm.  Fe,  Cl3  X  ^)  *)  =  O,  und 

1)  Siehe  folgende  Seite. 


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141 


II)  10,6  (Mm.  Cu  S  H3N  VII  4)  +  4,18  (Mm.  Co  S 116) 

-r-  18,78  (Mm.  Fe,  Cl8,  A,  Villi)  «  0, 
durch  deren  Combination : 

Ul)  18,78  (Mm  Fe2  Cl3,  Ä,  Villi) 

—  10,4  (Mm.  Fea  Cl,  X  a-^)^     3,2.(Mm.  Co  S 116). 

B. 

I)  10,6  (Mm.  Cu  S  H3  N  VII 4)  -f-  7,37  (Mm.  Co  S 116) 

-f- 10,4  (Mm.  Fe,  Cl3  X  a  ■  £      =  0,  und 

11)  10,6  (Mm.  Cu  S  H,  N  VII 4)     5,85  (Mm.  Co  S  II  6) 

-h  5,02  (Mm.  Fe,  Cl„  Ä,  VIII A)  =  O, 
durch  deren  Combination: 

III)  5,02  (Mm.  Fe,  Cla,  Ä,  VIII Ä) 

«  10,4  (Mm.  Fe2  Cl3  X  a~b)^  -+-  1,52  (Mm.  Co  S  116). 

Wird  die  letzte  Gleichung  (B  III)  abgezogen  von 
obiger  A  III,  so  entsteht 

IV)  18,78  (Mm.  Fe,  Cl3,  Ä,  Villi) 

=  5,02  (Mm.  Fe,  Cl3,  Ä,  VIII A)  +  1,68  (Mm.  Co  S  II  6). 

(Schlafs  im  nächsten  Heft.) 


IX.    Beiträge  zur  Kenntnifs  des  Stabmagnetis 
mus;  von  Dr.  Heinrich  Schneebeli. 


Ein  groiser  Fortschritt  in  der  Kenntnifs  der  magnetischen 
Kräfte  und  ihrer  Wirkungen  geschah  durch  das  von  Gaufs 
aufgestellte  Gesetz  über  die  ideale  Vertheilung  des  mag- 
netischen Fluidums,  welches  dahin  lautet,  dafs  die  Wir- 

l)  Nach  den  S.  130  mitgeteilten  Beziehungen  zwischen  den  verschiedenen 
X-LöMingen  sind  10,4  Mm.  X  -  5"  gleich  10,3  Mm.  X  ^  • 


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142 


kung  magnetischer  Körper  auf  andere  Körper  so  beschaffen 
ist,  dals  man  sich  dieselbe  erklären  kann  aus  der  Annahme 
einer  Anhäufung  der  magnetischen  Massentheilchen  auf 
der  Oberfläche  des  magnetischen  Körpers.  Für  die  Wir- 
kungsweise magnetischer  Körper  ist  es  nach  Feststellung 
dieses  Gesetzes  vollkommen  gleichgültig,  wie  man  sich 
die  innere  Ursache  des  Magnetismus  denkt,  ob  man  ent- 
weder zwei  magnetische  Fluida  annimmt,  welche  in  den 
Molecülen  geschieden  sind,  oder  ob  man  sich  jedes  Mole- 
cül  von  einem  elektrischen  Strome  umflossen  denkt 

Die  Gröfse  der  Anziehungs-  oder  Abstofsungskraft, 
welche  zwei  magnetische  Massentheilchen  «,  und  u,  im 
Abstände  r  auf  einander  ausüben,  ist  wie  bekannt: 

?  * 

Wir  können  aus  dieser  Formel  sofort  zu  einer  Maafs- 
einheit  des  magnetischen  Fluidums  gelangen;  es  ergiebt 
dieselbe  nämlich  folgende  Definition  : 

Wir  betrachten  diejenige  Quantität  des  magnetischen 
Fluidums  als  Einheit,  welche  auf  eine  ihr  gleiche  Quan- 
tität, die  sich  in  der  Entfernung  Eins  befindet,  die  Einheit 
der  Kraft  ausübt. 

Auf  diese  Weise  haben  wir  nun  freilich  eine  Maafs- 
einheit  für  magnetische  Fluida  gewonnen,  die  aber  für 
praktische  Zwecke  von  keinem  Nutzen  ist.  Es  gelingt 
nun  auf  andere  Weise,  eine  allgemeine  Maafseinheit  und 
damit  auch  ein  allgemein  anwendbares  Messungsverfahren 
für  magnetische  Kräfte  zu  erhalten.  Einen  magnetischen 
Körper  stellen  wir  uns  nach  dem  Gesetze,  das  wir  im 
Anfange  erwähnt  haben,  so  vor,  dais  wir  uns  eine  Hälfte 
desselben  mit  Nordmagnetismus,  die  andere  Hälfte  mit 
Südmagnetismus  bedeckt  denken.  Wir  wollen  uns  hiebei 
an  einen  bestimmten  Fall  halten,  nämlich  an  unsere  Erde. 
Betrachten  wir  die  Neigung  einer  Inclinatiousnadel  an 
verschiedenen  Punkten  der  Erde,  so  finden  wir  dieselbe 
an  zwei  Punkten  der  Erde  zu  90w.     Man  nennt  diese 

1)  Leber  diese  Hypothesen  und  deren  Berechtigung  vergleiche  W i  1  he I m 
Weber:  Dianmgnctisinus  S.  557  —  574. 


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143 


beiden  ausgezeichneten  Punkte  die  magnetischen  Pole  der 
Erde.  Dieselbe  Definition  kann  man  nun  auch  z.  B.  auf 
Stahl  uiagnete  übertragen  und  also  diejenigen  Punkte  des 
Magnetes  Pole  nennen,  in  welchen  die  Resultirende  aller 
Elementarkriifte  senkrecht  zu  der  Längsrichtung  des  Stabes 
steht. 

Wesentlich  anders  gestalten  sich  die  Verhältnisse,  wenn 
wir  die  Wirkung  eines  Magnetes  auf  einen  sehr  entfernten 
Punkt  oder  umgekehrt  bestimmen.  Wir  dürfen  alsdann 
die  von  den  einzelnen  magnetischen  Massentheilchen  auf 
den  Punkt  ausgeübten  Kräfte  als  parallel  betrachten  und 
die  unendlich  vielen  Elementarkräfte,  die  von  der  einen 
Hälfte  des  Magnets  auf  den  Punkt  ausgeübt  werden, 
analog  den  gravitirenden  Massen,  summirt  und  in  einen 
einzigen  Punkt  des  Magnets  verlegt  denken  und  den  Punkt 
so  wählen,  dafs  die  Wirkung  der  Gesammtkraft  in  diesem 
Punkte  dieselbe  ist,  wie  diejenige  der  Elementarkräfte  in 
den  verschiedenen  Punkten  des  Körpers.  Ganz  analog 
den  gravitirenden  Massen  können  wir  auch  hier  den  Punkt, 
in  den  wir  die  Gesammtkraft  verlegen  müssen,  Schwerpunkt 
nennen;  auch  diesen  Punkt  belegt  man  aber  mit  dem 
Namen  magnetischer  Pol  des  Körpers.  Es  würde  also  bei 
dieser  Auffassung  des  Namens  Pol  die  Definition  für  die- 
selben so  lauten:  Die  Pole  eines  Magnets  sind  diejenigen 
zwei  Punkte,  in  denen  man  sich  die  magnetischen  Massen- 
theilchen concentrirt  denken  kann,  ohne  an  der  Wirkung 
des  Magnets  auf  einen  sehr  entfernten  Punkt  etwas  zu  än- 
dern, oder  ganz  kurz: 

Pole  eines  Magnetes  nennt  man  die  Schwerpunkte  des 
freien  Nord-  oder  Südmagnetismus. 

Je  nachdem  wir  also  die  Wirkung  eines  Magnets  auf 
einen  Punkt  seiner  Oberfläche  oder  aber  auf  einen  sehr 
entfernten  Punkt  betrachten,  erhalten  wir  zwei  verschie- 
dene Punkte,  die  wir  mit  dein  Namen  Pol  belegen. 

Für  den  Erdmagnet  wt3iden  wir  die  erste  Definition 
annehmen,  während  wir  im  Folgenden  für  die  künstlichen 
Magnete  die  zweite  Definition  beibehalten.   Von  den  künst- 


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144 


liehen  Magneten  wollen  wir  im  Folgenden  nur  die  Stab- 
magnete betrachten,  was  hier  schon  ein-  für  allemal  er- 
wähnt werden  soll. 

Bezeichnen  wir  alsdann  die  Menge  des  freien  Nord- 
und  Südmagnetismus,  von  denen  auf  demselben  Körper 
immer  gleiche  Mengen  vorhanden  sind,  mit  /i,  ferner  den 
Abstand  der  Magnetpole  von  einander  mit  2/,  so  nennt 
man  das  Produkt: 

nach  Gauss  das  magnetische  Moment  des  Magnetes. 

Haben  wir  nun  nach  später  zu  erläuternden  Methoden 
das  magnetische  Moment  und  den  Abstand  der  Magnet- 
pole des  zu  untersuchenden  Magnetes  bestimmt,  so  können 
wir  für  denselben  sofort  die  Menge  des  freien  Magnetis- 
mus berechnen.  Es  hat  indessen,  wie  schon  erwähnt,  diese 
Gröfse  für  magnetische  Bestimmungen  keine  Bedeutung, 
während  das  magnetische  Moment  die  Wirkung  des  Mag- 
netes, wenigstens  auf  entfernte  Punkte,  vollkommen  definirt. 
Man  giebt  daher  für  irgend  einen  Magnet  nur  sein  mag- 
netisches Moment  an  und  vergleicht  die  verschiedenen 
Magnete  nach  ihren  Momenten,  eine  Vergleichung,  die 
sehr  genau  und  rasch  ausgeführt  werden  kann.  Das  mag- 
netische Moment  Eins  bezeichnet  man  nach  Gauss  mit 
dem  Namen  absolute  Einheit  des  Stabmagnetismus.  Gauss 
hat  bei  den  Bestimmungen  des  magnetischen  Moments  als 
Längeneinheit  das  Millimeter  festgesetzt;  diese  Annahme 
hat  freilich  den  Nachtheil,  dafs  bei  selbst  noch  kleinen 
Magneten  die  Zahl,  welche  das  magnetische  Moment  an- 
giebt  oder  also  die  Zahl  der  absoluten  Einheiten  unbe- 
quem grofs  wird.  Man  kann  aber  diese  Zahl  der  Ueber- 
sichtlichkeit  und  auch  des  Vergleichs  wegen  auf  Milli- 
gramme reduciren,  d.  h.  das  Moment  des  Magnets  durch 
sein  Gewicht  (in  Milligramm  ausgedrückt)  dividiren  und 
erhält  so  die  Zahl  der  absoluten  Einheiten ,  die  auf  ein 
Milligramm  des  Magnetes  fallen,  eine  Zahl,  welche  dann 
leichte  UeberHicht  gewährt. 


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145 


Hat  dann  z.  B.  der  Maguet  A  n  Einheiten  per  Milligrm., 

der  Maguet  B  nl  Einheiten  per  Milligrm., 
so  kanu  man  sagen:  Der  speeifische  Magnetismus  der 
beiden  Magnete  verhalte  sich  wie  n  :  nl.  Die  Fruchtbarkeit 
dieses  Messungsverfabrens  erhellt  am  besten  aus  folgenden 
Consequenzen ,  die  bezüglich  der  Kraftmessung  aus  dem- 
selben gezogen  worden  sind.  Nämlich: 

Wir  setzen  diejenige  magnetische  Kraft  gleich  Eins, 
welche  auf  einen  um  seinen  Mittelpunkt  (Mitte  zwischen 
den  beiden  Polen)  drehbaren  Magnet  vom  magnetischen 
Moment  Eins  das  Drehungsmoment  Eins  (in  Millimeter 
und  Milligramm)  ausübt. 

Die  so  definirte  Krafteinheit  nennt  mau  die  absolute 
magnetische  Krafteinheit ,  welche  also  in  allgemeinem  me- 
chanischem Grundinaalse  ausgedrückt  ist. 

Es  ist  evident,  dafs  wir  durch  diese  Definition  zu 
gleicher  Zeit  auch  ein  Maafs  für  galvanische  Kräfte  *) 
nach  mechanischem  Grundmaafse  gewonnen  haben,  da  wir 
ja  die  magnetischen  Wirkungen  galvanischer  Ströme  stets 
hervorbringen  können  durch  ideale  Magnete. 

Das  magnetische  Moment  giebt  also  ein  Maafs  für  die 
Intensität,  mit  welcher  ein 'Magnet  auf  entfernte  Punkte 
wirkt.  Wir  werden  uns  in  Folgendem  nicht  nur  auf  die 
Bestimmung  des  Momentes  beschränken,  sondern  auch 
den  einen  seiner  beiden  Factoreu,  der  für  practische  Fälle 
von  grofser  Bedeutung  ist,  nämlich  den  Abstand  der 
Magnetpole,  einer  besonderen  Untersuchung  unterwerfen; 
wir  begränzen  iudefs  unsere  Bestimmungen  auf  die  per- 
manenten  Stabmagnete,  für  welche  wenig  sichere  Angaben 
vorliegen.  Es  ist  also  der  Zweck  der  vorliegenden  Arbeit, 
einen  Beitrag  zur  Kenntnils  dieser  beiden  Gröisen  zu 
liefern,  sowie  eine  Anwendung  davon  zu  practischen 
Zwecken  anzugeben  als  Beispiel  für  die  practische  Wich- 
tigkeit einer  ausgedehnten  Untersuchung  in  dieser  Hinsicht. 

1)  Lieber  Grundmaafse   und  die  daraus  abgeleiteten  absoluten  Maafge 
vergl.  W.  Weber,  Klektrodynanjische  Maafsbestimniungen.  S.  218. 

PoggendorflT«  Annal.    Ergänzungabd.  VI.  10 


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146 


§.  L    Messung  des  freien  Magnetismus  auf  einigen  Stahlinagneten  nach 

absolutem  Maarse. 

Messungen  Über  den  Magnetismus  permanenter  Stab- 
magnete nach  absolutem  Maalse  liegen  sehr  wenige  vor; 
eine  systematische  Durchführung  solcher  Bestimmungen 
ist  überhaupt  nie  versucht  worden. 

W.  Weber1)  giebt  für  sehr  starke  Stahlmagnete  die 
Zahl  der  absoluten  Einheiten  per  Milligramm  zu  400  an, 
eine  Zahl,  welche  bis  jetzt  meistens  als  das  Maximum  des 
erreichten  Magnetismus  angesehen  wird  und  als  solche  in 
allen  Lehrbüchern  zu  treffen  ist.  In  neuester  Zeit  be- 
richtete Waltenhofen1)  über  Versuche  mit  permanenten 
Stabmagneten,  nach  denen  es  ihm  gelungen  ist,  dünnere 
Stahlstäbe  bis  auf  die  Stärke  von  470  Einheiten  pr.  Milligr. 
zu  bringen. 

Diese  Zahlen  für  das  magnetische  Moment  permanenter 
Stahlmagnete  werden  aber  weit  übertroffen  von  denjenigen 
für  das  temporäre  Moment  von  kräftigen  Elektromagneten. 
So  erhielt  z.  B.  Weber')  folgende  Werthe  für  das  tem- 
poräre Moment  weicher  Eisenkerne  unter  dem  Einflüsse 
magnetisirender  Kräfte,  die  in  absolutem  Maafse  ausge- 
drückt sind : 

No.  Magnetisirende  Kraft       M»S™Ü  3jjj£^ 

1  658,9  911,1 

2  1381,5  1424,0 

3  1792,0  1547,9 

4  2151,0  1627,3 

5  2432,8  1680,7 

6  2757,0  1722,7 

7  3090,0  1767,3. 

Es  hat  nun  Neu  mann4)  einen  Ausdruck  aufgestellt 
für  das  entstehende  magnetische  Moment  eines  Kotations- 

1)  W.  Weber,  Resultate  des  magnet.  Vereins  1840,  S.  89. 

2)  A.  v.  Waltenhofen  -i'ogg.   Bd.  142  S.  263.   (In  No.  2  pro  1871.) 

3)  W.Weber,  Elektrodynam.  Maafsbcstimrnungen  S.  573. 

4)  Neumann  Crelle's  Journal  Bd.  2'*.. 


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H7 

ellipsoids  unter  der  Einwirkung  einer  Scheidungskraft  P, 
der  lautet: 

=  kP 

worin  bedeuten: 
u  das  magnetische  Moment  per  Milligramm, 
5  einen  vom  Axenverhältnils  abhängigen  Factor, 

?  ^G  ^jc^te  j  Jer  betreffenden  Eisen-  oder  Stahlsorte. 
k  eine  konstante  ) 

Nach  den  Versuchen  von  Weber1)  ergiebt  sich  aber 

k  abhängig  von  der  Gröfse  der  Scheidungskraft,  und  es 

wird  'nach  seiner  Theorie  der  drehbaren  Molecularmagnete, 

wenn  wir  mit  m  das  Maximalmoment,  d.  h.  das  Moment, 

das  unter  der  Einwirkung  einer  unendlich  grofsen  Kraft 

entstehen  würde,  bezeichnen: 

•  F(P)  ,  ,  F(P) 

k  =  m  y  daher  u  =  m{  ^ 

P 

in  welcher  Formel  für  P  =  oc  ;  F  (P)  =  1  wird. 

Die  vorstehende  Tabelle  wird  nun  am  genauesten  durch 
diese  Formel  wiedergegeben,  wenn  wir 

m  =  2324,68 

setzen,  d.  h.  man  findet  nach  derselben  die  Gränze  der 
Magnetisirbarkeit  des  Eisens  zu  etwa  2325  Einheiten  per 
Milligramm. 

Die  von  Weber  beobachtete  Tabelle  benutzte  später 
I>amont*)  zu  einer  Prüfung  seiner  Formel,  die  er  unter 
der  Voraussetzung  ableitet,  dafs  die  Zunahme  des  magne- 
tischen Momentes  bei  wachsender  Stromintensität  propor- 
tional sey  der  Differenz  M  des  vorhandenen  u  und  dem 
Maximum  m  des  zu  erreichenden  Magnetismus,  und  welche 
lautet: 


u  =  m\l-e-ki\ 


1)  W.  Weber,   Elektrodynam.    Mitbestimmungen    insbesondere  über 
Diaroagnetismns.  S.  573. 

2)  Lanoont,  Magnetismus  (Bd  15  «kr  Knrycl.)  S.  47. 

10* 


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148 

Es  ergiebt  sich  aus  der  vorstehenden  Tabelle  nach 
dieser  Formel: 

m  =  1808,2  Einheiten  per  Milligramm. 

Vermittelst  einer  andern  Formel  erhält  Waltenhofen') 
die  Gränze  der  Magnetisirbarkeit  des  Eisens,  indem  er 
sämmtliche  vorhandene  Beobachtungen  über  den  Zusammen- 
hang zwischen  Stromstärke  und  inducirtem  Magnetismus 
zu  deren  Bestimmung  benutzt: 

m  =  2125  absolute  Einheiten  per  Milligramm. 

Die  beim  Eisen  berechneten  Maximalwerte  des  Ma- 
gnetismus sind  8ämmtlich  beinahe  fünfmal  grölser,  als  die 
beim  Stahl  als  solche  bezeichneten  Werthe. 

Zufällig  wurde  nun  in  unserm  Laboratorium  eine  ge- 
wöhnliche magnetische  Nähnadel  auf  ihren  specifischen 
Magnetismus  geprüft  und  dabei  ein  so  grofser  Werth  ge- 
funden, dafs  es  geboten  war,  die  Sache  weiter  zu  ver- 
folgen. 

Wir  werden  im  folgenden  Paragraphen  eine  Formel 
ableiten,  aus  der  sich  das  magnetische  Moment  von  Mag- 
neten bestimmen  läfst.  Es  lautet  dieselbe,  wenn  wir  von 
Gliedern  höherer  Ordnung  absehen: 

jr*  Ttgf 

M  =  • 

1+2- 
r1 

Hierin  bedeuten: 

T  die  horizontale  Intensität  des  Erdmagnetismus  an 
dem  Orte,  wo  die  Versuche  ausgeführt  werden;  ff  den 
Ablenkungswinkel  einer  Magnetnadel,  der  hervorgebracht 
wird  durch  den  zu  untersuchenden  Magnet,  der  sich  in 
der  Entfernung  r  östlich  oder  westlich  von  derselben  hori- 
zontal von  Osten  nach  Westen  hingelegt  befindet,  und 
endlich 

2A  den  Abstand  der  Magnetpole  des  Magnetes,  den 
wir  zu  0,85  seiner  Länge  annehmen. 

Die  horizontale  Intensität  des  Erdmagnetismus  in  Zü- 

1)  Waltenhofen,  Pogg.  Ann.  Bd.  137  S.  517. 


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149 


rieh  (in  einem  Zimmer  des  ersten  Stockwerkes  des  eidg. 
Polytechnicums)  bestimmte  Hr.  Prof.  Kohlrausch  ver- 
mittelst seines  compensirten  Magnetometers1)  zu  1,9781. 
Durch  Vergleichung  hiermit  mittelst  desselben  Instruments 
fand  ich  für  den  Ort  der  folgenden  Beobachtungen  die 
Intensität  =»  1,9735. 

Eine  grofse  Magnetnadel,  die  wir  später  zu  den  Be- 
stimmungen über  Polabstand  benutzen  werden,  wurde  auch 
auf  ihr  magnetisches  Moment  geprüft.  Wie  aus  den  S.  158 
mitgetheilten  Zahlen  hervorgeht,  ergiebt  sich  aus  den  beiden 
Ablenkungen 

94,7  bei  einer  Entfernung  des  Magnets  von  500  Mm. 
187,9   j)      j>  n  »         »  -    400  „ 

der  Entfernung  der  Scale  vom  Spiegel  2010  Mm.  und  dem 
Gewichte  von  3260  Milligramm  das  magnetische  Moment 
•«  855  Einheiten  per  Milligramm,  also  mehr  als  das  Dop- 
pelte des  gewöhnlich  als  Maximum  des  permanenten  Ma- 
gnetismus bezeichneten. 

Es  wurden  ferner  5  englische  Nähnadeln,  wie  man  sie 
gewöhnlich  kauft,  durch  Streichen  an  einem  Lamellen- 
magnet magnetisirt  und  untersucht.    Die  Resultate  sind: 


Nadel 

Länge 

Gewicht 

Absolute  Einheit 
per  Milligrm. 

1 

25,5  Mm. 

0,060  Grm. 

750 

2 

35,5  , 

0,0585  „ 

710 

3 

66,5  „ 

0,601  „ 

850 

4 

38,7  „ 

0,174  „ 

680 

5 

44,5  , 

0,207  „ 

720. 

Man  glaubte  die  magnetische  Masse  der  Nadel  noch 
erhöhen  zu  können,  wenn  man  sie  glashart  machte,  es 
zeigte  sich  indessen  kein  erheblicher  Unterschied.  Noch 
gröfsere  Zahlen  ergaben  dünne  Stricknadeln.  Die  Ver- 
suche mit  zwei  gewöhnlichen  Stricknadeln  von  folgenden 
Dimensionen : 

1)  Koblrausch,  Nachrichten  der  königl.  Gesellschaft  der  Wissenschaften 
»n  Göttingen  18.  Jan.  1871.  Nu.  1. 


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150 


Länge    -  Durchmesser  Gewicht 

1.  Nadel:     210  Mm.    .       1,75  Mm.  4195  Milligrm. 

2.  „         198   „  0,83   „  1055  „ 
ergaben : 

1.  Nadel:  4082000  Einb.  oder    975  per  Milligrm. 

2.  ,       1121000     „       ,     1060    „  \ 

Mit  der  dünnen  Nadel  hat  man  also  schon  die  Hälfte 
des  oben  angegebenen  Maximums  des  temporären  Magne- 
tismus erreicht.  Es  wurde  nun  noch  folgender  Versuch 
angestellt:  die  Nadel  1  wurde  in  der  Mitte  entzwei  ge- 
brochen und  das  magnetische  Moment  beider  Hälften  be- 
stimmt: 

Die  erste  Hälfte  ergab:    1578000  Einheiten. 
„  zweite     „         „        1565000  „ 
Im  G  anzen:  3143000. 
Es  wurden  nun  beide  Hälften  noch  einmal  neu  ma- 
gnetisirt,  um  sie  wieder  auf  das  Maximum  zu  bringen,  da 
vielleicht  durch  Erschütterungen  beim  Brechen  ihr  Ma- 
gnetismus sehr  geschwächt  worden. 

Die  Summe  blieb  dennoch  kleiner,  als  der  Magnetis- 
mus der  ganzen  Nadel  war,  wie  aus  den  folgenden  Zahlen 
hervorgeht: 

1.  Hälfte  ergab:    1634000  absolute  Einheiten. 

2.  „        „        1625000      „  „ 
Zusammen:  3259000. 

Die  zweite,  dünnere  Nadel  wurde  gauz  denselben 
Manipulationen  unterworfen;  hingegen  ergaben  ihre  beiden 
Hälften,  als  man  sie  wieder  neu  magnetisirt  hatte,  bei- 
nahe genau  wieder  denselben  Werth  wie  die  ganze  Nadel: 

1.  Hälfte    574000  Einheiten 

2.  „        563000  „ 
Zusammen :    1 1 37000. 

Die  erste  Hälfte  wurde  nun  noch  einmal  gebrochen 
und  es  wurde  das  magnetische  Moment  der  beiden  Theile, 
nachdem  man  sie  wieder  neu  magnetisirt  hatte,  ge- 
funden zu: 

473000  Einheiten; 


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151 


also  wieder  bedeutend  weniger,  als  für  die  gesaramte  Hälfte. 
Es  geht  demnach  aus  diesen  Versuchen  hervor,  dafs,  so- 
bald das  Verhältnifs  des  Durchmessers  zur  Länge  unter 
einen  gewissen  Werth  gesunken  ist,  das  magnetische  Mo- 
ment von  Stäben,  den  Massen  derselben  proportional  ge- 
setzt werden  darf,  wie  es  auch  die  Theorie  verlangt. 

Betrachten  wir  nämlich  die  Formel,  die  Neumann ') 
für  das  magnetische  Moment  eines  Ellipso'ides  aufstellt: 

  k  V  P 

worin,  wenn  mit  r  die  Axe  des  gröfsten  Kreisschnittes 
und  mit  Vr2  —  )Jl  die  Länge  der  Rotationsaxe  bezeichnet 

und  ferner:  ]/\  —  (J-^  =  ö  gesetzt  wird, 

so  sehen  wir,  dafs  sobald  r  gegen  Vr%  —  X*  verschwindet» 
a  =  1  und  S  =  0  wird,  was  nichts  anderes  bedeutet,  als 
u  wird  proportional  dem  Volumen  v  oder  der  Masse  des- 
selben. 

In  unserem  Falle  beträgt  für 

die  erste  Nadel  S   =  0,00170 
die  zweite  Nadel  S  =  0,000504 
indem  wir  nämlich  die  Stäbe  in  Ellipsoide  von  gleichem 
Volumen  und  gleicher  Länge  verwandeln. 

Freilich  haben  wir  nun  noch  keinen  Anhaltspunkt  über 
die  Gröfse  des  zweiten  Gliedes  des  Nenners,  indem  ja  die 
Gröfse  k  keine  Constante  ist,  sondern  nach  den  Versuchen 
Weber  s1)  eine  Function  der  Scheidungskraft,  und  nach 
Riecke*)  ferner  noch  abhängig  ist  vom  Axen verhältnifs 
und  zwar  so,  dafs  h  zunimmt,  wenn  S  abnimmt.  Es  geht 
indessen  aus  den  Versuchen  hervor,  dafs  für  die  zweite 
Nadel  der  Fehler,  der  mit  Weglassung  dieses  Gliedes  ent- 
stehen würde,  jedenfalls  in  die  Fehlergränze  der  Beobach- 
tung hineinfallt. 

1)  Neu  mann,  /.  c. 

2)  Weber,  l.  c. 

3)  Riecke,  Diese  Ann.  Bd.  141  8.453. 


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1.52 


§.  2,   Bestimmung  der  Läpp  ricr  Magnetpole  in  Stabmapneten. 

Die  Lage  der  Magnetpole  in  Stäben  hängt  eng  mit  der 
Vertheilung  des  Magnetismus  auf  denselben  zusammen, 
indem  sobald  das  Gesetz  der  magnetischen  Vertheilung 
bekannt  ist,  damit  auch  sofort  die  Lage  dieser  ausgezeich- 
neten Punkte  festgesetzt  ist.  Es  ist  indefs,  trotz  vieler 
Bemühungen,  noch  nicht  gelungen,  dieses  Gesetz  definitiv 
festzustellen,  sondern  die  erlangten  Resultate  geben  uns 
im  Allgemeinen  nur  einen  annähernden  Begriff  über  die 
ideale  Anhäufung  des  Magnetismus.  Die  Versuche  über 
die  Vertheilung  des  Magnetismus  auf  Stabmagneten  ge- 
schahen im  Wesentlichen  nach  folgenden  drei  Methoden, 
nämlich  durch: 

1)  Abreifsen  eines  an  verschiedene  Punkte  des  Ma- 
gnetes angelegten  Eisenstücks.  (Hooke.) 

2)  Schwingungen  einer  kleinen  Magnetnadel  unter  der 
Einwirkung  verschiedener  Punkte  des  zu  untersuchenden 
Magnetes.  (Coulomb.) 

3)  Induction  in  einer  Spirale,  die  auf  den  Magnetstab 
auf  verschiedenen  Punkten  aufgesetzt  wird.  (Lenz  und 
Jacobi;  Rothlauf.) 

Die  ersten  Versuche,  in  dieser  Richtung  einiges  Licht 
zu  verbreiten,  gingen  von  Coulomb  aus,  dessen  Resultate 
Biot  mit  seiner  Theorie  übereinstimmend  fand,  welche 
ergab,  dass  die  Intensität  des  Magnetismus  eines  sehr 
dünnen  Stabes  im  Abstände  x  vom  Ende  gegeben  werde 
durch  die  Formel: 

worin  A  und  u  Contanten  und  /  die  halbe  Länge  des  Stabes 
bedeuten;  d.  h.  die  Intensität  nimmt  von  der  Mitte  hin 
zu  nach  einer  Kettenlinie.  Dieselben  Resultate  findet 
Green  aus  seiner  Theorie  und  auch  Lamont1)  aus 
seinen  experimentellen  Untersuchungen. 

Andere  Physiker  erhielten  ähnliche,  theils  aber  auch 
1)  Lamont,  Magnetismus.  S.  161  usw. 


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153 

abweichende  Resultate,  so  dafs  bis  jetzt  die  Frage  über 
die  Vertheilung  des  Magnetismus  auf  Stäben  noch  als  eine 
offene  bezeichnet  werden  kann. 

Wir  können  nun  aber,  ohne  das  Vertheilungsgesetz 
des  magnetischen  Fluidums  zu  können,  doch  die  Lage  der 
magnetischen  Pole  bestimmen.  Wir  dürfen  nämlich  immer 
die  Annahme  machen,  dals,  wo  sich  auch  der  wirkende 
Punkt  aui'serhalb  des  Magnetes  befinde,  seine  Wirkung 
nur  auf  einen  einzigen  Punkt  des  Magnetes  ausgeübt 
werde.  Freilich  wird  dann  bei  verschiedener  Entfernung 
desselben,  der  Angriffspunkt  der  ausgeübten  Kraft  sich 
verschieben  und  nur  bei  unendlicher  Entfernung  mit  dem 
Pol  des  Magnetes  zusammenfallen.  Wenn  wir  aber  auch 
bei  praktischen  Bestimmungen  die  Kraft  nicht  aus  unend- 
licher Ferne  wirken  lassen,  so  wird  doch  schon  bei  einer 
Entfernung  des  Punktes,  die  gegenüber  der  Länge  des 
Magnets  beträchtlich  ist,  der  Angriffspunkt  der  Kraft 
nicht  erheblich  von  dem  Pole  des  Magnetes  abweichen, 
so  dafs  wir  angenähert  diesen  Angriffspunkt  mit  dem  Pol 
identificiren  können,  was  wir  auch  im  Folgenden  thun 
wollen  1). 

a.  Ablenkungsmethode.  Eine  Methode  zur  Bestimmung 
des  Abstandes  der  Magnetpole  in  Stäben  ergiebt  sich  aus 
folgender  einfachen  Betrachtung: 

1)  Wenn  nun  auch  Lamont  (Magnetismus  S.  291)  nach  ähnlichen  Ucbcr- 
legungen  sagt: 

„Daher  kommt  es.  dafs  die  strenge  Losung  der  Probleme,  welche 
im  Magnetismus  behandelt  werden,  durch  die  Einführung  der  Pole 
weder  vereinfacht  noch  erleichtert  wird  und  mithin  auch  die  Be- 
stimmung der  Lage  der  Pole  von  keiner  Wichtigkeit  ist.* 
so  darf  man  eine  solche  Behauptung  jedenfalls  an^weifeln,  da  wie 
er  selbst  dann  anführt,  Lambert,  Kupffer  und  Coulomb  im 
Allgemeinen  die  Pole  aufserhalb  des  Magnetes  fanden  und  nur  Da  IIa 
Bella  dieselbe  innerhalb  der  Magnete  legte.  Es  ist  nach  solchen 
Facten  jedenfalls  auch  für  die  Theorie  und  nicht  nur  für  practisebe 
Fälle  von  Wichtigkeit,  die  Lage  dieses  Pnnktes,  wenn  auch  nur  an- 
genähert, experimentell  zu  bestimmen,  was,  soviel  mir  bekannt  ist, 
noch  keineswegs  ausgeführt  wurde. 


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154 

Es  sey  in  neben- 
stehender Figur  m 
►   eine  kurze  Magnet- 
nadel. Nun  nähere 
man  derselben  senk- 
recht zum  magnetischen  Meridian  den  zu  untersuchenden 
Magnet. 

Bezeichnen  wir  mit  M  das  magnetische  Moment  des 
Magnetes,  mit  A  den  halben  Abstand  der  Magnetpole, 
mit  r  den  Abstand  der  Mitte  des  Magnets  von  der  be- 
weglichen Magnetnadel  und  endlich  mit  m  das  magnetische 
Moment  der  Nadel  so  wird  für  das  Drehungsmoment  des 
Magnets  auf  die  Nadel  folgender  Ausdruck  erhalten: 

m  M  i  r  — ).       r-M  ) 

Bei  der  Einwirkung  des  Magnets  auf  die  Nadel  wird 
dieselbe  aus  ihrer  Gleichgewichtslage  abgelenkt  ;  wir  wollen 
annehmen  um  den  Winkel  tp»  Es  werden  dadurch  die 
Abstände  rt  und  r2  um  die  GröTse  l  sin  ff  verändert;  da 
wir  aber  Spiegelablesung  benutzen  und  ferner  /  sehr  klein 
ist,  dürfen  wir  dieses  Glied  gegenüber  den  angewandten 
Entfernungen  vernachlässigen.  Wenn  wir  nun  die  obige 
Gleichung  entwickeln  und  Glieder  höherer  Ordnung  ver- 
nachlässigen, so  erhalten  wir  rar  das  Drehungsmoment: 

Die  GröTse  dieses  Drehungsmomentes  lälst  sich  aber 
auch  noch  auf  eine  andere  Weise  ausdrücken.  Es  muis 
nämlich  die  Wirkung  des  Magnets,  welche  bestrebt  ist, 
die  Nadel  senkrecht  zum  magnetischen  Meridian  zu  stellen, 
bei  einer  bestimmten  Ablenkung  ff  compensirt  werden 
durch  die  Wirkung  der  horizontalen  Componente  des  Erd- 
magnetismus. Bei  dieser  Gleichgewichtsstellung  der  Nadel 
mufs  daher  seyn: 

0  cos  ff  =  Tm  sin  ff 
wenn  wir  mit  T  die  horizontale  Componente  des  Erdmagne- 
tismus bezeichnen.    Aus  diesen  beiden  Gleichungen  folgt: 


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155 


Wenn  wir  min  mit  demselben  Magnet  eine  Ablen- 
kung der  Nadel  aus  der  Entfernung  r,  bewirken,  so  wird 
sich  in  Gleichung  (I)  weiter  nichts  ändern  als  der  Aus- 
schlagswinkel r/,  der  die  Gröise  </,,  erreichen  möge.  Wir 
haben  alsdann  fiir  das  magnetische  Moment  des  Magnetes 
eine  zweite  Gleichung: 

M  =  o~n —    ....  Ig. 

Aus  diesen  beiden  Gleichungen  ergiebt  sich  nun  sofort 

Vermittelst  dieser  Methode  wurden  nun  die  folgenden 
Bestimmungen  ausgeführt  und  nach  Formel  II  die  Werthe 
der  Polabstände  berechnet.  Als  Magnetnadel  benutzte 
man  den  ringförmigen  Magnet  des  Wiede  mann 'sehen 
Galvanometers,  der  an  einem  sehr  feinen  Coconfaden  auf- 
gehängt ist,  dessen  Torsion  bei  der  Kleinheit  der  Aus- 
schläge zu  vernachlässigen  war.  Senkrecht  zum  magne- 
tischen Meridian  lag  die  Schiene,  auf  welche  die  zu  unter- 
suchenden Magnete  gelegt  wurden;  sie  besitzt  in  der 
Mitte  einen  kreisförmigen  Ausschnitt,  in  dessen  Centrum 
die  Magnetnadel  sich  befand.  Dieselbe  war  von  der  Mitte 
aus  von  100  zu  100  Millimeter  mit  etwa  2  Millimeter 
.weiten  Löchern  versehen,  deren  Abstände  mit  dem  Kathe- 
tometer  genau  bestimmt  wurden. 

Bei  dem  angewendeten  Verfahren  kommen  indefs  nur 
die  Entfernungen  der  symmetrischen  Punkte  auf  beiden 
Seiten  von  einander  in  Betracht;  es  betrug  deren  Abstand, 
wenn  man  die  Löcher  von  einem  Ende  aus  fortlaufend 
mit  den  Buchstaben  des  Alphabets  bezeichnet: 


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156 


ak 

■m           i  ^  r\      mm  f\.         *    M  *  1  1  * 

1399,73  Millimeter 

bi 

1198,57 

ch 

999,47  „ 

dg 

799,43 

ef 

599,59  „ 

Für  jeden  der  zu  untersuchenden  Magnete  wurde  eine 
kleine  Messinghülse  mit  Klemmschraube  angefertigt,  die 
in  der  Mitte  einen  ungefähr  4  Mm.  langen  Stift  hatte,  der 
genau  in  die  Löcher  der  Schiene  pafste.  Auf  diese  Weise 
glaube  ich  diejenige  Genauigkeit  und  Präcision  für  die 
Versuche  erlangt  zu  haben,  die  man  für  dieselben  fordern 
mufs;  indem  ja  der  Polabstand  nur  aus  einem  Corrections- 
glied  bestimmt  werden  soll.  Vermittelst  dieser  Vorrich- 
tung läfst  sich  auch  das  für  solche  Versuche  von  gröfster 
Bedeutung  werdende  Commutiren  sehr  leicht  ausfuhren. 
Das  Verfahren,  das  man  einschlug,  mufs  ich  etwas  ein- 
gehender behandeln,  da  es  zu  einem  Kriterium  über  die 
Methode  dienen  mufs. 

Es  wurde  der  zu  untersuchende  Magnet  z.  B.  bei  c 
aufgesteckt  und  die  Ablenkung  der  Nadel  B,  beobachtet; 
nun  wird  commutirt,  d.  h.  der  Magnet  um  seinen  Stift 
um  180°  gedreht;  es  wird  die  Magnetnadel  auf  die  andere 
Seite  abgelenkt,  die  auf  der  Scale  abgelesene  Zahl  sey  BtK 
Ebenso  verfährt  man  bei  d  und  endlich  auch  auf  den  sym- 
metrischen Punkten  g  und  h  und  erhält  folgende  Fernrohr- 
ablesungen: Btl;  ßt,  B9l;  B4,  B4l.  Sollte  man  vielleicht 
während  einer  Tageszeit  beobachten,  wo  die  Aenderungen 
des  Erdmagnetismus  bedeutend  sind,  was  man  übrigens 
aus  den  erhaltenen  Zahlen  ersehen  kann,  so  thut  man 
wohl,  die  Beobachtungen  einigemal  in  umgekehrter  Reihen- 
folge zu  wiederholen,  indem  sich  dann  der  Einfluss  der- 
selben compensirt.  Gewöhnlich  wurden  bei  den  vorliegen- 
den Versuchen  drei  Sätze  nacheinander  gemacht  und  die 
Mittel  aus  denselben  genommen.  Subtrahiren  wir  nun 
die  B  von  den  Bl  und  halbiren  diese  Differenz,  so  erhalten 
wir  den  Ausschlag,  den  die  Nadel  auf  die  Distanz  giebt, 
in  welcher  sich  der  Stift  von  derselben  befindet  und  zwar 


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157 

unabhängig  von  einer  etwaigen  unsymmetrischen  Lage  des 
Stiftes  gegen  den  Magnet.  Es  Seyen  die  so  erhaltenen 
Zahlen  bt  bt  63  64.  Befindet  sich  die  Nadel  genau  in  der 
Mitte  zwischen  den  symmetrischen  Punkten,  so  mufs  bt 
=  64  sein  und  ebenso.  b2  =  &3;  gewöhnlich  ist  dies  aber 
nicht  der  Fall;  bilden  wir  nun 

so  erhalten  wir  diejenige  Ablenkung,  die  statthaben  würde, 
wenn  wir  die  Ablenkungen  aus  den  genau  bekannntcn 

Entfernungen  y  und      hervorbringen  würden.    Um  nun 

die  Ablenkungswinkel  zu  erhalten,  haben  wir  diese  Zahlen 
zu  dividiren  durch  den  doppelten  Abstand  der  Scale  vom 
Spiegel.  Es  vereinfacht  sich  aber  in  unserem  Falle  die 
Rechnung;  da  nämlich  in  unserm  Ausdruck  für  X  tg  rp 
und  tg  yx  sowohl  im  Nenner,  als  auch  im  Zähler  in  jedem 
Gliede  als  Factor  vorkommen,  dürfen  wir  für  die  Tan- 
genten die  an  der  Scale  beobachteten  Ausschläge  setzen, 

nachdem  wir  jeden  Ausschlag  6  um  ~  h—  verringert  haben, 

wo  J  den  Abstand  des  Spiegels  von  der  Scale  bedeutet. 

Das  Gesagte  will  ich  an  einem  Beispiel  erläutern.  Die 
schon  früher  erwähnte  Magnetnadel  von  der  Länge  141,0"" 
wurde  auf  die  Punkte  c,  d,  g,  h  gelegt  und  im  Mittel 
folgende  Tabelle  gefunden: 


Bestimmung  der  Polabstände: 


B 

6 

c 

310,3 

502,5 

192,2 

310,7 

503,2 

192,5 

d 

214,6 

597,1 

382,5 

214,8 

598,0 

383,2 

9 

224,2 

594,5 

370,3 

222,2 

592,4 

370,2 

k 

315,4 

502,0 

186,6 

315,6 

502,5 

186,9. 

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158 


Man  ersieht  aus  dieser  Tabelle,  dafs  sich  die  Nadel 
nicht  genau  in  der  Mitte  zwischen  den  symmetrischen 
Punkten  befindet,  sondern  etwas  näher  den  Punkten  c  und  d. 
Bilden  wir  nun  die  Mittel  aus  den  beiden  Versuchsreihen, 
so  ergeben  sich  für  die  Abstände: 

ydie  Ablenkung  zu    94,775  Scalentheilen. 

~2 '  n  »         n   188,275  „ 

Aus  der  für  eine  Anzahl  von  Ausschlägen  ein  für  alle- 
mal berechneten  Tabelle  für  das  Corrections^lied  entnimmt 
man  nun  durch  Interpolation  den  Werth  derselben  für 
die  obigen  Ausschläge  und  es  werden  so  die  corrigirten 
Ausschläge 

by  mm  94,720  und  ßx  =  187,850 
woraus  sich  nun  nach  Formel  III  ergiebt  zu: 

X  =  58,2  Mm. 

Es  beträgt  demnach  der  Abstand  der  beiden  magnetischen 
Pole  der  Nadel: 

2  A=  116,4  Mm. 
Zwei  andere  solche  Beobachtungssätze  ergaben  ziem- 
lich übereinstimmend: 

2A=  126,0 
2  A  — 119,0 
Im  Mittel  also:   120,5  Mm. 

Diese  Methode  verwandte  man  nun,  um  folgende  Frage 
zu  beantworten:  Wie  hängt  die  Lage  der  Magnetpole  in 
parallelepipedischen  Stahlstäben  von  dem  Härtegrad  der- 
selben ab?  Zu  diesem  Zwecke  liefs  ich  mir  von  dem- 
selben quadratischen  Stablstab  zwei  Stücke  abschneiden. 
Die  Dimensionen  derselben  waren: 
Seite  des  Querschnitts  4,8  Mm. 

Stab  No.  1  Gewicht:  18,730  Gram.    Länge  103,0  Mm. 
Stab  No.  2  Gewicht:  19,090  Gram.    Länge  102,55Mm. 

Die  Stäbe  wurden  an  einem  sehr  starken  Elektro- 
magnet gestrichen  und  nachher,  um  die  Magnetisirung 
gleichmälsig  zu  machen,  in  die  Spiralen   des  Apparats 


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159 


hineingelegt.  Es  sey  übrigens  hier  bemerkt,  dafs  ich  die- 
selbe Starke  der  beiden  Magnete  erreichte,  wenn  ich  sie 
nur  an  einem  25  Pfund  schweren  Lamellenmagnete  strich. 

Die  beiden  Stäbe  wurden  immer  derselben  Manipulation 
unterworfen;  man  untersuchte  dieselben  in  folgenden  drei 
Zustanden  : 

1)  gewöhnlich,  wie  sie  aus  der  Fabrik  geliefert  werden; 

2)  glashart,  indem  man  sie  weifsglühend  plötzlich  in 
Wasser  tauchte,  und  endlich 

3)  weich,  indem  man  sie  iu  einem  Kohlenbecken  bis 
zur  Weifsgluth  erhitzte  und  nachher  hermetisch 
verschlossen  erkalten  liefs. 

Die  Bestimmungen  mit  diesen  beiden  Magneten  lieferten 
folgende  Resultate: 

Magnet  No.  I.  Magnet  No.  II. 
X  X 
Gewöhnlich    43,38  41,50 
43,1 4  41,18 
43,26  41,34 

*  =  i  =  0,840  k  =  0,803 

Glashart         43,33  40,68 

46,05  44,41 

44,98  43,10 

44,80  42,73 

k  =  0,870  k  =  0,830 

Weich          42,88  43,81 

43,07  44,67 

42,98  44,24 

k  =  0,834  k  =  0,859. 

Bei  dem  Magnet  No.  I  zeigt  sich  mit  der  Härte 
eine  regelmäfsige  Zunahme  des  Polabstandes,  hingegen  bei 
dem  zweiten  Magneten  sind  die  Verhältnisse  unregel- 
uiäfsiger.  Indessen  fallen  die  Abweichungen,  wie  aus  den 
mitgetheiltcn  Zahlen  hervorgeht,  so  ziemlich  in  die  Fehler- 
gränzen  der  Beobachtung  hinein,  so  dafs  sich  kein  evi- 
denter Unterschied   des  Polabstaudes  bei  verschiedenen 


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160 


Härtegraden  herausstellt.  Im  Mittel  aus  allen  Beobach- 
tungen würde  sich  ergeben: 


Die  Starke  der  Magnete  variirte  bei  den  Versuchen 
zwischen  190  und  230  Einheiten  per  Milligramm,  je  nach 
dem  Härtegrad  derselben,  so  nämlich,  dafs  bei  glashartem 
Zustand  das  Maximum  erreicht  wurde. 

6.  Vermittelst  der  Tangentenbussole.  Wie  bekannt, 
gilt  für  eine  Tangeutenbussole  das  Tangeutengesetz  nur, 
wenn  entweder  die  Nadel  der  Bussole  gegenüber  dem 
Durchmesser  der  Windungen  sehr  klein  ist,  oder  auch 
die  Ausschläge  bei  einer  nicht  sehr  kleinen  Nadel  unter 
einer  bestimmten  Gränze  bleiben.  Die  erste  Bedingung 
ist  practisch  meistens  nicht  genügend  erfüllt,  man  ist  da- 
her gezwungen,  für  genaue  Bestimmungen  mit  gröTsern 
Ausschlägen  eine  Correction  anzubringen.  Schon  vor  ge- 
raumer Zeit l)  ist  defshalb  durch  verschiedene  Physiker 
und  Mathematiker,  Hädenkamp,  Helmholtz,  Bra- 
vais, Kinkelin  und  Andere  das  Wirkungsgesetz  eines 
kreisförmigen  Stromleiters  auf  eine  nicht  unendlich  kurze 
Nadel  aufgestellt  worden.  Es  zeigte  sich  aus  diesen 
mathematischen  Betrachtungen,  dafs  die  Intensität  des 
Stromes,  der  die  Windungen  durchfliegt,  nicht  proportional 
ist  der  Tangente  des  Winkels,  sondern  dafs  für  gröfsere 
Ausschläge  die  Intensität  zu  klein  angezeigt  wird.  Die 
Correction,  die  man  an  die  abgelesenen  Winkel  anzu- 
bringen hat,  Iii  ist  sich  nicht  in  geschlossener  Form  aus- 
drücken, sondern  es  gelingt  deren  Ermittlung  nur  durch 
Reihenentwicklung.  Von  dieser  Reihe  braucht  man  indefs 
bei  nicht  gar  zu  langer  Nadel  pur  das  erste  Glied  als 
Correctionsglied.  Gerade  diese  Nichtübereinstimmung  des 
Tangentengesetzes  mit  der  Intensität  kann  nun  dazu  be- 
nutzt werden,  die  Entfernung  der  Magnetpole  von  einander 
zu  bestimmen.    Es  enthält  nämlich  das  erste  Correetions- 

1)  Das  Gesetz  wurde  zuerst  von  Hartenkamp  m  Ornnerts  Archiv 
Bd.  21  entwickelt. 


Magnet  L 
k  —  0,848 


Magnet  II. 
k  =  0,831. 


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161 


glied  diese  Grölse,  und  können  wir  den  Zusammenhang 
zwischen  Stromiutensität  und  Ausschlag  der  Tangenten- 
bussole feststellen,  so  ist  damit  auch  das  Correctionsglied 
bestimmt. 

Lassen  wir  also  einen  Strom  durch  eine  Tangenten- 
bussole gehen,  so  wird  mit  Weglassung  höherer  Glieder 
die  Intensität  desselben  gegeben  durch 

(1)    .    .    .    .    J  =  4tgy  J  1  -r-ßsin1^  | 

worin : 

A      r  T  ( 1      L  f!      1  b       3  A1 1  l)      H     15  *" 

iB~~2«:»  '  2    r*         3    r»         4    ri  TT5 

wenn  wir  mit  2  x  den  Abstand  der  Magnetpole  der  Nadel, 
mit  r  den  Halbmesser  der  Windungen,  2  a  die  Breite  und 
2  b  die  Höhe  des  rechteckigen  Querschnitts  der  Win- 
dungen bezeichnen. 

Geht  nun  derselbe  Strom  durch  ein  Galvanometer  mit 
Spiegelablesung,  so  dürfen  wir  ohne  weiteres  die  Strom- 
intensitäten den  erhaltenen  Ausschlägen  proportional  setzen; 
indem  ja,  wie  aus  obiger  Formel  hervorgeht,  das  zweite 
Glied  ftir  so  kleine  Ausschläge,  wie  man  sie  bei  Spiegel- 
ablesung benutzt,  vernachlässigt  werden  kann.  Freilich 
hat  man  dann  immer  noch  die  Ausschläge  nach  der 
Formel : 

«„  =  a(l-l£) 

auf  Tangenten  zu  reduciren.  Der  so  berechnete  Aus- 
schlag an  kann  dann  für  die  Stromintensität  J  gesetzt 
werden,  wenn  es  nur  auf.  Vergleichung  ankommt. 

Durchflielst  somit  derselbe  Strom  eine  Tangenten- 
bussole und  ein  Galvanometer,  und  beobachtet  man  am 
ereteren  den  Ausschlag  der  Nadel,  auf  dem  zweiten  durch 
Spiegelvorrichtung  die  Ablenkung  des  Magnetes  in  Scalen- 
theilen,  so  ergiebt  sich  aus  diesen  beiden  Gröfsen  eine 
Gleichung  von  der  Form: 

J,  =  Ä  tg  cpx  |  1  -f-  B  sin*  qp,  ( 

1)  Kühlrausch,  Fogg.  Ann.  Bd.  141,  S.  457. 
r»oggendorff*a  Ann.    Ergäntungsbd.  VI.  1 1 


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162 

Für  eine  zweite  Stromintensität  ergiebt  sich  wieder 
eine  Gleichung  von  obiger  Gestalt: 

J2  =  A  tg  (pt  J  1  -h  B  sin*  (pt  | . 

Wir  können  auf  diese  Weise  eine  ganze  Reihe  solcher 
Gleichungen  aufstellen,  und  es  besteht  nunmehr  unsere 
Aufgabe  darin,  aus  einer  Reihe  solcher  Bestimmungen  den 
wahrscheinlichsten  Werth  für  die  beiden  Constanten  A 
und  B  zu  finden.  Kennen  wir  z.  B.  /?,  so  erhalten  wir 
sofort: 


r  f  15 


Nach  der  Methode  der  kleinsten  Quadrate  erhalten 
wir  den  wahrscheinlichsten  Werth  für  A  und  2?,  wenn 
die  Summe  der  Fehlerquadrate  ein  Minimum  ist,  d.  h. 
wenn: 

B  —  2  J  J  —  A  tg  q,  —  Bx  tg  (f  sin*  (p  !*  =s  Minimum. 
Diefs  findet  statt  für: 

Führen  wir  die  Differentiation  aus,  so  ergiebt  sich  aus 
den  beiden  Gleichungen: 
I     n        l'Jtgy  2"tgJ  t>  »in*  rf  —  ^tg*  if  S  J  tg  <r  sin*  y 

j  j     ^         2*./tg  y  ^tg^9  sin4  v  —  £Jtgj  sin'  «y  .Ptg*  y  sin* 

«2tg9  y>  -£tg'  y  sin*  (y-  —  (^tg*  y  sin'  y)1 

Aus  diesen  beiden  Gleichungen  erhält  man  den  wahr- 
scheinlichsten Werth  von  B  zu: 

III   B  =  — 1   2tg%  y         !  sin'  «p  —  -2 ^ tßjr tg |  y  »in'  y 

.1       S.Jtg  tp  £tg*  f  sin*  <p  —  £J  tg  t>  sin*  9  -Stg'  9  sin'  9» 

woraus  dann: 

Zur  Spiegelbeobachtung  diente  ein  Wiedemann'sches 
Galvanometer,  dessen  beide  Spiralen  gegen  einander  ein- 


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163 


geschaltet  waren,  da  die  angewandte  Tangentenbussole 
für  greisere  Ausschläge  sehr  starke  Ströme  verlangte. 

Durch  geeignete  Veränderung  ihres  Abstandes  konnte 
dann  die  Wirkung  der  Spulen  zu  passender  Gröfse  ge- 
regelt werden. 

Als  elektromagnetische  Kraft  dienten  zwei  grofse 
B uns eu  sehe  Becher,  deren  Strom  durch  einen  Rheostaten 
verändert  werden  konnte.  Gewöhnlich  benutzte  man  für 
eine  Versuchsreihe  vier  verschiedene  Intensitäten,  die  an 
der  Tangentenbussole  ungefähr  den  Ausschlägen  15°,  30°, 
45°,  60°  entsprachen. 

Bei  diesen  Versuchen  wurde  auch  der  Commutator  an- 
gewendet, der  wesentlich  zur  Genauigkeit  der  Beobach- 
tungen beiträgt;  es  befand  sich  derselbe,  sowie  auch  der 
Rheostat,  neben  dem  Fernrohr,  so  dafs  Ein  Beobachter 
die  Versuche  durchfuhren  konnte. 

Die  benutzte  Tangentenbussole  besitzt  16  Umwin- 
dungen  und  hat  einen  mittlem  Durchmesser  von  316,5  Mm. 
Die  Nadel,  deren  Polabstand  zuerst  bestimmt  wurde,  hat 
eine  Länge  von  141,0  Mm.  (es  war  die  schon  früher  be- 
nutzte Nadel)  und  liegt  in  einem  Agathütchen  auf  einer 
Stahlspitze  auf.  Um  das  Verfahren  klar  zu  machen,  will 
ich  eine  Beobachtungsreihe  hier  anführen: 


Tangcnt« 
Ableti 

gewöhnlich 

tnbussole 
kung 

commutirt 

Spiegelgal 
Abgelesener 
gewöhnlich 

vanometer 
Sealentheil 
commutirt 

I.  Spitze  !  IL  Spitze 

14.8  14,9 
28,7  28,6 

43.9  43,8 
58,7    ;  58,9 

L  Spitze 
14,8 
29,1 
44,8 
57,3 

II.  Spitze 
14,7 
29,3 
44,8 
57,3 

460,0 
430,0 
377,9 
290,1 

505,9 
534,2 
585,0 
662,0 

11- 


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164 

Aus  diesen  Beobachtungen  ergiebt  sich  nun: 
Tangeotenbuasole  ^tZo^^ 

ff,  =  14°  48'  cl==  22,95 

</,  =  28  56  c2=  52,08 

<f3=44  19  e3  =  103,47 

(f  i  =  58  03  c4  =  185,55 

Berechneu  wir  nun  nach  der  Formel  II  und  III  die 
Constanten  A  und  so  erhalten  wir  für  dieselben  fol- 
gende Werthe 

A  =  84,286 
B  =s  0,51921 

Es  würde  uns  also  bei  einer  Ablenkung  y  der  Nadel 
der  Tangentenbussole  die  entsprechende  Intensität  in 
Scalentheilen  ausgedrückt  gegeben  durch : 

J=  84,286  tg  7  [  1  +  0,51921  sin1  tf  | 

Wir  können  nun  rückwärts  aus  dieser  Formel  für  die 
obigen  vier  Winkel  die  zugehörigen  Ausschläge  des  Spiegel- 
galvanometers berechnen;  es  liefert  uns  diese  Rechnung 
eine  Controle  fQr  die  Richtigkeit  der  Constanten  und 
ferner  ein  Kriterium  über  die  Zulässigkeit  der  Annahme, 
dafs  wir  von  der  Reihe,  selbst  für  eine  so  lange  Nadel, 
nur  das  erste  Glied  zu  berücksichtigen  brauchen.  Die 
Berechnung  ergab: 

y  =  14°  48'       28"  56'       44°  19'       58°  3' 

.berechnet  23,02        52,24       103,15  185,66 

I  beobachtet  22,95   52,08       103,47  185,55 

Diff. +  0,07     +  0,16      —0,32  4-0,11 

Es  bleibt  uns.  nun  nur  noch  übrig,  aus  den  Constanten 
die  gesuchte  Gröfse  h  zu  berechnen. 
Man  erhält  für  dieselbe: 

/.  =  r       B  =  58,86  Mm. 

Also  ist  der  Abstand  der  Magnetpole  dieser  Nadel 
=  117,7  Min.  Aus  einer  Reihe  anderer  Bestimmungen  mit 
derselben  Nadel  ergaben  sich  ziemlich  übereinstimmende 
Resultate,  nämlich: 


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165 


No.  II.    Abstand  der  Magnetpole  2/.=  123,1 
„  HL         n         »  n  «118,2 

,  IV.         n  »  =  119,S 

Im  Mittel  also  aus  4  Reihen  2  X  =  119,7 
und  das  Verhältnifs  der  Länge  der  Nadel  zu  ihrem  Pol- 
abstand &  =  0,848,  während  wir  nach  der  ersten  Methode 
für  diese  Nadel  fanden  k  =  0,854. 

Hr.  Prof.  Kohlrauseh,  durch  dessen  Anregung  ich 
diese  Versuche  an  die  Hand  nahm,  hat  schon  vor  längerer 
Zeit  eine  solche  Bestimmung  ausgeführt  und  mir  dieselbe 
zur  Benutzung  überlassen. 

Die  Dimensionen  seiner  Apparate  betrugen : 
Mittlerer  Durchmesser  der  Windungen  der  Tangenten- 
bussole 258,4. 


Länge  der  Magnetnadel:  /  =  40  Mm. 
Er  erhielt  folgende  Resultate: 


Tangentenbnsse-le 

Spiegelgalvanometer 

Ausschlag 

T 

in  Scalentheilen          in  Graden  n 

61°  53' 

399,45                b*  44',19 

64  28,5 

218,35                3  10,27 

29  33' 

115,65                 1  40,89 

13  25,5 

48,10                0  42,00 

Während  wir  im  vorigen  Beispiel  die  reducirten  Scalen- 
theile  als  Intensitäten  setzten,  nahmen  wir  hier  die  Tan- 
genten der  Winkel  a.  Es  ergaben  sich  so  die  beiden 
Constanten  zu: 

A  =  0,050853 
B  =  0,067313 
also  wird  für  diese  Tangentenbussole: 

J=  tg  <t  =  0,050853  tg  rf  (1  +  0,067313  sin'  <f) 
Die  Controlrechnung  ergiebt  in  diesem  Falle: 

=  61°  57'     46°28'.5     29"  33'      1 3"  25  ,5 
j  berechnet    0,10044    0,05543     0,02930  0,01223 
*  "  '  beobachtet  0,10046_  0,05540     0,02935  p,01222 
Diff.     —  0,00002  4-0,00003  —0.00005  +0,0000 1 


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166 


also  eine  gute  Uebereinstiramuug  zwischen  beobachteten 
und  berechneten  Werthen. 

Es  ergiebt  sich  aus  dieser  Beobachtung  der  Abstand 
der  Magnetpole  der  benutzten  Nadel  zu: 

21  =  34,62  Mm. 
oder  also     k  =  0,866. 

Fassen  wir  sämmtliche  Resultate  über  den  Abstand 
der  Pole  in  Magneten,  die  wir  nach  beiden  Methoden  er- 
halten haben,  zusammen,  so  mufs  es  überraschen,  bei  den 
verschiedenen  Gestalten  !)  und  Dimensionen  der  Magnete, 
die  wir  untersuchten,  gar  nicht  sehr  verschiedene  Werthe 
für  die  Gröfse  k  erhalten  zu  haben;  es  wird  für  die  meisten 
praktischen  Fälle  genügen,  für  dieselbe  den  Mittelwerth 
0,85  anzunehmen,  wenn  man  eben  nicht  vorzieht,  die  Be- 
stimmung selbst  durchzufahren.  Ich  denke  indefs  eine 
planmäfsige  Bestimmung  der  Polabstände  in  Magneten 
von  verschiedener  Form  und  Gröfse  später  noch  auszu- 
fuhren. 

§.  3.  Anwendang  der  erlangten  Resultate  zur  Correction  der 

Tangentenbussole. 

Die  Beobachtungen  über  den  Abstand  der  Magnetpole 
geben  uns  die  Mittel  an  die  Hand,  mit  einer  nicht  un- 
endlich kleinen  Nadel,  doch  für  jeden  Ausschlag  der  Tan- 
gentenbussole, die  richtige  Intensität  zu  finden,  d.  h.  den 
Ausschlag,  den  eine  sehr  kurze  Nadel  angeben  würde, 
zu  berechnen.  Die  Nadel  zeigt,  wie  schon  erwähnt,  immer 
einen  zu  kleinen  Ausschlag^  an,  wir  erhalten  aber. sofort 
den  richtigen  Ausschlag      nach  der  Formel: 

tg  Vi  -  »g  f  0+  t  £  8inl  V) 

Die  folgende  Tabelle  ist  aus  den  Versuchen  Kohl- 
raus  eh 's,  für  seine  Tangentenbussole  und  die  betreffende 

1)  Die  gröfse  Magnetnadel  war  von  dünnem  Stahlblech;  sie  wurde  nach 
den  Enden  hin  schmaler,  ohne  indefs  in  eine  Spitze  auszulaufen. 

Die  kleinere  Nadel,  die  Prof.  Kohl  rausch  benutzte,  war  ein 
langgestrecktes  Rechteck,  das  an  den  Enden  etwas  abgerundet  war. 


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167 


Nadel  berechnet.  In  der  ersten  Columne  sind  die  wirk- 
lichen Ausschläge  der  Nadel,  in  der  zweiten  die  corri- 
girten  Ausschläge  und  in  der  dritten  die  Abweichung  der- 
selben : 

Correctionstabelle  für  die  Tangentenbussole. 

tg  <pi  —  tg  (f  j  1  -t-  y  sin'  ff  \  ') 


1 

T  j 

</ 1  —  ■/ 

0« 

0« 

'  o',o  ; 

0°,00 

10 

10 

1,2 

0  ,02 

20 

20 

8,6 

0  ,14 

30 

30 

24,7 

0  ,41 

40 

40 

46,1 

0  ,77 

50 

51 

4,8 

1  ,08 

60 

61 

11,7 

1  ,20 

65 

66 

8,9 

1  ,15 

70 

71 

1,8 

1  ,03 

80 

80 

35,7 

0  ,60 

85 

85 

18,6 

0  ,31 

90 

90 

0 

0  ,00 

Fehlcrcurve. 

10 


\ 

\ 

A 

• 

/ 

1 

r 

o'        in*       »o°       .no°       40"       .»0"       co"        -so*  1 

0' 

9t 

1)  f5  abgekürzt  für  0,067313. 


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168 

Man  könnte  auf  diese  Weise  für  jede  Tangenten- 
bussole die  Correetionen  berechnen  und  hätte  so  für  Be- 
stimmungen auch  bei  nicht  sehr  kurzer  Nadel  doch  noch 
ein  brauchbares  Instrument.  Ich  habe  in  vorstehender 
Figur  die  Correetionen  graphisch  aufgetragen,  die  wirk- 
lichen Ausschläge  iu  Graden  als  Abscissen,  die  zugehörigen 
Correetionen  in  Minuten  als  Ordinaten.  Der  Fehler  in 
der  Einstellung  der  Nadel  erreicht  bei  ungefähr  60°  das 
Maximum  und  nimmt  dann  wieder  ab  bis  zu  90",  wo  er 
Null  ist.  Es  ist  natürlich  sowohl  die  Lage  dieses  Maxi- 
mums wie  auch  dessen  Gröfse  abhängig  von  der  Länge 
der  Nadel  resp.  deren  Polabstand.  Wir  können  nun,  und 
dies  wird  för  praktische  Fälle  von  Interesse  seyn,  sofort 
bei  gegebenen  Dimensionen  die  Lage  und  Gröfse  dieses 
Maximums  von  vornherein  bestimmen.  Wir  haben  also 
zu  bestimmen,  für  welche  Werthe  von  ff  ist  die  Differenz 
rf  l  —  (f  oder  auch  tg  (fl  —  tg  (f  ein  Maximum.   Es  ist  aber: 

t_   t_.  B  tg  ip  sin*  q 

6  f  i  ■      S  f       l  Hu  tg'    (1      B  sin3  ./) 

Dieser  Ausdruck  erreicht  sein  Maximum,  wenn  <y  fol- 
gender Gleichung  genügt 

tg2  (p  j  }-h  B  sin*  tf  j  =  3 

Aus  dieser  Formel  ergiebt  sich: 

1)  Bei  Tangentenbussolen  mit  kurzer  Nadel  sind  die 
Fehler  in  den  Ablenkungswinkeln  bei  60°  ein  Maxi- 
mum. 

2)  Für  nicht  sehr  kurze  Nadeln  rückt  die  Lage  dieses 
Fehlermaximums  etwas  hinunter. 

Diesen  ausgezeichneten  Werth  von  tf  erhält  man  aus 
obiger  Gleichung  zu: 

(f  =  arc  sin  V  —  ?  ■+•]/  i_  _i_  .? 

°  R  H 

In  unserm  vorliegenden  Falle  wäre  das  Fehlennaximum 
wenn  wir  B  zu  fg  annehmen: 

tp  =  59"  24' 
und  würde  dasselbe  betragen: 


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169 


_  ff  _  60°  35.'9  —  59°  24'  =  1°  11,  9   (vergl.    die  gra- 

,  pliische  Darstellung). 

Um  nun  für  einen  ganz  abnormen  Fall  einen  Ueber- 
schlag  zu  bekommen,  wollen  wir  ebenso  Lage  und  Gröfsn 
des  Fehlermaximums  für  die  andere  gebrauchte  Nadel 
bestimmen. 

Es  liegt  bei  jener  das  Fehlermaximum  bei  58°  16'  und 
beträgt  65°  45'  —  58°  16'  =  7°  29'. 

Trotz  dieser  sehr  grofsen  Abweichung  vom  Tangenten- 
gesetz erhellt  aus  den  früher  mitgetheilten  Zahlen,  dafs 
auch  bei  dieser  Nadel  das  erste  Corrcctionsglied  noch  ge- 
nügt, um  vermittelst  desselben  den  richtigen  Ausschlag 
in  sehr  kleinen  Fehlergranzen  zu  bekommen.  Die  nach 
Gangain  oder  Helmholtz  benanute  Tangentenbussole 
mit  excentrischer  Aufhängung  ist  allerdings  durch  ihre 
Construction  von  dieser  Nothwendigkeit  der  Correction 
befreit,  so  lange  Stromstärken  nur  verglichen  werden 
sollen.  Dagegen  würden  absolute  Messungen  mit  der- 
selben unmöglich  seyn,  denn  der  Reductionsfactor  der 
Tangente  auf  absolute  Stromstärke  wird  hier  eine  höchst 
complicirte  Function  der  Dimensionen  und  Gestalt  des 
Multiplicators,  was  die  Reduction  auf  absolutes  Maafs 
so  sehr  verwickelt,  dafs  eine  Anwendung  für  praktische 
Zwecke  ausgeschlossen  ist. 

Es  ist  dieser  Punkt  noch  um  so  mehr  zu  betonen,  da 
es  nämlich  sehr  wünschenswerth  ist,  dafs  die  absoluten 
Maafs  verfahren  auch  auf  dem  Gebiete  des  Galvanismus 
mehr  Verbreitung  finden,  was  wohl  nur  durch  einfache 
und  wohlfeile  Mel'sapparate  und  einfache  Berechnungs- 
formeln erreicht  werden  kann.  Durch  leichte  Ueberlegung 
sieht  man  übrigens  auch  ein,  dafs  die  Anordnung,  wie  sie 
den  Gangain'schen  Bussolen  gegeben  wird,  sehr  ver- 
einfacht werden  kann.  Legt  man  nämlich  die  Windungen 
symmetrisch  um  den  theoretisch  berechneten  Kreis  (giebt 
man  ihnen  z.  ß.  einen  kreisförmigen  Querschnitt,  oder 
auch  einen  rechteckigen,  wo  bei  bestimmten  Verhältnissen 
der  Seiten  dieselbe  Genauigkeit  wie  bei  der  obigen  An- 


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170 

Ordnung  erreicht  wird),  so  fällt  auch  auf  diese  Weise  das 
Correctionsglied  erster  Ordnung  weg  und  ist  dann  auch 
die  Wirkung  der  Windungen  auf  die  Nadel  für  absolute 
Messungen  leichter  zu  ermitteln. 

Wenn  man  aber  an  die  gewöhnlich  gebrauchten  Tan- 
gentenbussoleu  die  obige  Correction,  die  sich  ja  für  ein 
Instrument  sehr  leicht  bestimmen  läfst  und  nur  Einmal 
bestimmt  werden  mufs,  anbringt,  so  sind  die  absoluten 
Bestimmungen  mit  derselben  für  praktische  Zwecke  ge- 
nügend genau  und,  was  eben  für  eine  allgemeinere  Ein- 
fuhrung absoluter  Messungen  eine  Hauptsache  ist,  sehr 
einfach.  So  berechnet  sich  z.  B.  für  die  von  Kohlrausch 
benutzte  Tangentenbussole  die  Formel,  welche  die  In- 
tensität von  Strömen,  die  durch  dieselbe  geleitet  werden, 
nach  absolutem  magnetischem  Maafse  giebt,  nach  Formel  (1) 
S.  161  für  Göttingen  zu: 

J  =  1,615  .  tg  <p  (1  -f-  0,067  sin1  tf>) 

Die  beiden  Factoren  A  und  B  können  numerisch  für 
eine  beliebige  Tangentenbussole  sofort  aus  ihren  Dimen- 
sionen der  horizontalen  Intensität  des  Erdmagnetismus 
und  der  Gröfse  A,  die  sich  bei  kürzerer  Nadel  mit  ge- 
nügender Genauigkeit  zu  0,85  der  Länge  der  Nadel  an- 
nehmen läfst,  bestimmt  werden,  und  es  lassen  sich  dann 
damit  Ströme  nach  dem  allgemein  vergleichbaren,  dem  ab- 
soluten magnetischen  Maafse,  messen. 


X.    Ein  Far  ad ay 'scher  Explosionsversuch 

von  G.  Krebs. 

In  Tyndall's  „die  Wärme,  betrachtet  als  eine  Art 
der  Bewegung",  2.  Auflage,  Seite  146,  wird  bemerkt: 
Faraday  schmolz  reines  Eis  unter  Terpentinöl  und  fand, 
dafs  die  so  erlangte  Flüssigkeit  weit  über  den  Siedepunkt 


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171 


erhitzt  werden  konnte,  und  dal's  das  durch  die  Wärme 
bewirkte  Aufwallen  der  Flüssigkeit  mit  der  Heftigkeit 
einer  Explosion  geschah. 

Da  das  Gelingen  dieses  Versuchs  anderwärts ')  in  Zwei- 
fel gezogen  worden  ist,  so  will  ich  mir  erlauben,  einige 
Bemerkungen  über  denselben  zu  machen. 

Wenn  Versuche,  welche  auf  Siedverzügen  beruhen, 
gelingen  sollen,  so  ist  immer  eine  ganze  Anzahl  Vor- 
sichtsmafsregeln  zu  beachten,  welche  zwar  kleinlicher  Na- 
tur, doch  aber  von  entscheidendem  Einfluls  sind. 

Vor  allen  Dingen  kommt  es  darauf  an,  dal's  das  Glas, 
in  welchem  sich  die  Flüssigkeit  betindet,  möglichst  rein 
(knöpf blasen-  und  streifenfrei)  sey;  unreine  Stellen,  wel- 
che sich  namentlich  leicht  am  zugeschmolzenen  Ende  be- 
finden und  durch  mangelhaftes  Zuschmelzen  verursacht 
worden  sind,  leiten  gewönlich  ein  vorzeitiges  Sieden  ein. 
Auch  geben  enge  Röhren  bessere  Resultate  als  weite:  man 
nimmt  deswegen  eine  höchstens  1  Cm.  weite,  20  bis  30  Cm. 
lange,  am  einen  Ende  vorzüglich  zugeschmolzene  Röhre 
aus  ganz  reinem  Glas,  lieber  als  ein  Probirglas,  welches 
meist  Streifen  oder  Knöpfe  besitzt  und  nachlässig  zuge- 
schmolzen ist. 

Dann  aber  ist  es  auch  sehr  wesentlich,  dafs  man  lang- 
sam erhitze,  weswegen  ein  Erhitzen  im  Oelbad  dem  über 
freiem  Feuer  vorzuziehen  ist. 

Damit  nun  bei  einer  Explosion  das  herausgeworfene 
Wasser  nicht  in  das  Oel  falle,  biegt  man  die  Glasröhre, 
in  welcher  das  Wasser  sich  befindet,  oben  etwas  um ;  man 
kann  sie  dann,  in  einem  Retortenhalter  eingespannt,  so  in 
das  Oelbad  hängen  lassen,  dafs  ihr  oberer  Theil  über  den 
Rand  des  Oelgefafses  hinweggeht. 

Nicht  minder  vorthcihaft  ist  es,  wenn  man  in  die  Glas- 
röhre vor  dem  Versuch  Schwefelsäure  giefst,  dieselbe  ei- 
nigermafsen  erhitzt  und  dann  wieder  ausgiefst,  worauf  man 
die  Röhre  mit  destillirtem  Wasser  wiederholt  ausspült2). 

1 )  Polytecb.  Notizblatt  XX VIII,  1872,  S.  382. 

2)  Vgl.  Marc  et  Bibl.  umV.  T.  XXXV III.  p.  388  (1842),  sowie  Krebs, 
d.  Ann.  Bd.  CXXXVI,  S.  144  (1869). 


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172 


Noch  fuge  ich  bei,  dafs  die  Explosion  meist  nicht  ohne 
vorhergängiges  Sieden  eintritt.  Es  bildet  sich  zunächst 
an  unreinen  Stellen  der  Gefäfswand,  an  im  Wasser  schwim- 
menden festen  Körpern,  namentlich  auch  an  der  Trennungs- 
fläche von  Wasser  und  Terpentinöl  eine  Anzahl  Dampf- 
blasen; späterhin  hört  das  Sieden  einige  Zeit  ganz  auf, 
während  die  Temperatur  des  Oelbads  oft  bis  120°  C.  steigt; 
dann  aber  wird  plötzlich  ein  Theii  des  Wassers  nebst  dem 
darüber  befindlichen  Oele  herausgeworfen.  Nicht  selten 
tritt  noch  einmal  oder  wiederholt  eine  Explosion  ein,  nach- 
dem die  Gasflamme  gelöscht  worden  und  die  Temperatur 
schon  einigerinafsen ,  jedoch  natürlich  nicht  unter  100°  C. 
gesunken  ist. 

Ich  habe  verschiedene  Versuche  dieser  Art  angestellt 
und  will  hier  kurz  die  Resultate  angeben. 

Ueber  einer  Gasflamme  steht  auf  einem  Drahtnetz  ein 
Becherglas  mit  Oel  und  in  dieses  wird  ein  Thermometer, 
sowie  die  vorhin  beschriebene  Glasröhre  eingehängt.  Ich 
habe  nun  gefunden,  dafs  wenn  die  Glasröhre  auch  nur 
mit  ausgekochtem  destillirtem  Wasser  (etwa  bis  ?),  über 
welchem  eine  1  Cm.  hohe  Schicht  von  Terpentinöl  stand, 
gefüllt  war,  eine  Explosion  fast  regelmäfsig  eintrat,  nach- 
dem das  Wasser  einige  Zeit  in  gewöhnlicher  Art  gekocht 
hatte. 

Besser  allerdings  gelingt  der  Versuch,  wenn  gewöhn- 
liches zerstofsenes  Eis  eingefüllt  wird. 

Besser  noch  gelingt  es  mit  Eis,  welches  man  aus  destil- 
lirtem, ausgekochtem  WTasser,  sey  es  in  der  W7interkälte 
oder  mittelst  einer  Kältemischung  (Wasser  und  salpetersau- 
res Ammoniak)  erzeugt  hat.  Setzt  man  z.  B.  ausgekoch- 
tes destillirtes  Wasser  in  einem  Becherglase  der  Winter- 
kälte aus,  so  bildet  sich  am  Rande  des  Glases  so  reines 
Eis,  dafs  man  meint,  das  Wasser  sey  noch  gar  nicht  ge- 
froren; in  der  Mitte  dagegen  sieht  man  einen  wahren 
Knäuel  von  Luftblasen  (gewöhnlich  in  Form  eines  Ellip- 
solds)  im  Eise  eingefroren1).  Taucht  man  das  Becherglas 

• 

1)  Djis  Ellipsoid  in  der  Mitte  ist  die  zuletzt  gefrorene  WasHcrmasse,  in 
welche  die  Luft  aus  dem  zuerst  gefrorenen  Wasser  eingetreten  war. 


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173 


kurze  Zeit  in  warmes  Wasser,  so  lälst  sich  der  Eisblok 
herausnehmen  und  nun  kann  man  ein  Stück  von  dem  was- 
serklareu  Eise  abtrennen,  zerstofsen  und  in  die  Röhre  ein- 
fallen. 

Einfacher  noch  ist  es,  ausgekochtes,  destillirtes  Wasser 
in  die  Röhre  zu  gieisen,  mit  einer  Schicht  Terpentinöl  zu 
bedecken  und  das  Wasser  entweder  in  der  Winterkälte, 
oder  in  einer  Kältemischung  frieren  zu  lassen.  Erhitzt  man 
hierauf  im  Oelbad  zum  Sieden,  so  tritt  in  der  vorhin  be- 
schriebenen Weise  die  Explosion  ein. 

Bei  dieser  Gelegenheit  will  ich  noch  einer  eigen- 
tümlichen Erscheinung  Erwähnuug  thun,  welche  ich  vor 
einigen  Jahren  zu  sehen  Gelegenheit  hatte.  Am  Morgen 
nach  einer  sehr  kalten  Nacht  machte  mir  Jemand  die  Mit- 
theilung: „er  habe  eine  sehr  merkwürdige  Naturerschei- 
nung zu  Hause."  Ich  begab  mich  in  das  betreffende  Haus 
uud  sah  dort  mitten  aus  dem  in  einem  blechernen  Was- 
serschöpfer gefrorenen  Wasser  einen  ca.  7  Cm.  hohen  uud 
1  bis  2  Cm.  breiten  Eiszapfen  sich  erhebeu.  Der  Eiszapfen 
schien  aus  einzelnen  Ringeln  zusammengesetzt  zu  seyn. 
(Der  Wasserschöpfer  hatte  während  der  Nacht  vor  dem 
Küchenfenster  gestanden). 

Bei  der  streugen  Kälte  (16°  C.)  der  Nacht  war  das 
Wasser  rasch  am  Rande,  am  Boden  und  an  der  Ober- 
fläche gefroren.  Bei  weiterem  Frieren  wurde  die  jeden- 
falls noch  ziemlich  dünne  Eisschicht  in  der  Mitte  der  Ober- 
fläche durch  die  Ausdehnung  beim  Frieren  des  Wassers 
in  der  Mitte  des  Gefäisea  durchbrochen;  das  sehr  langsam 
austretende  Wasser  fror,  weitere  Wassermasseu  drängten 
allmälig  nach,  trieben  den  Eisring  in  die  Höbe,  froren  un- 
ten an  etc.,  bis  sich  dann  endlich  dieser  merkwürdige 
Zapfen  von  7  Cm.  Höhe  gebildet  hatte. 

In  den  folgenden,  allerdings  nicht  so  kalten  Nächten 
hatte  ich  gehofft,  dieselbe  Erscheinung  noch  einmal  her- 
vorrufen zu  können ;  es  ist  mir  aber  diefs  noch  nicht  einmal 
annähernd  gelungen;  ich  sah  nur  mehr  oder  minder  gro&e 
und  dicke  Erhöhungen  auf  der  Mitte  der  Oberflächen. 


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174 


Es  wird  diese  Erscheinung  jedenfalls  nur  bei  sehr  stren- 
ger Kälte  eintreten. 


XI.    Explosionen,  erzeugt  durch  hohe  Töne. 


Ein  grofser  Theil  der  bekannten  explodireuden  Körper 
enthält  mehr  oder  weniger  Stickstoff.  Der  einfachste  die- 
ser Körper  und  zugleich  einer  der  instabilsten  ist  die  Ver- 
bindung des  Jods  mit  dem  Stickstoff.  Der  Jodstickstoff 
wird  sehr  leicht  bereitet,  wenn  man  fein  gepulvertes  Jod 
mit  Ainmouiakflüssigkeit  übergiefst.  Man  filtrit  hierauf, 
nimmt  das  Filtrum,  während  es  noch  feucht  ist,  aus  dem 
Trichter,  zerschneidet  es  in  kleine  Stücke  und  trocknet 
sie  einzeln.  Obgleich  dieser  Körper  im  feuchten  Zustande 
ganz  unschädlich  ist,  so  detonirt  er  doch  mit  grofser 
Heftigkeit,  sobald  er  trocken  ist,  bei  der  geringsten 
Reibung.  Aber,  was  das  Merkwürdigste  ist,  diese  heftige 
Zersetzung  kann  auch  durch  gewisse  hohe  Töne  hervor- 
gerufen werden. 

Die  HH.  Champion  und  Pellet  haben  hierüber  sehr 
interessante  Versuche  gemacht,  namentlich  folgende.  Zwei 
Glasröhren  von  15  Mm.  Durchmesser  und  2,4  Meter  gc- 
sammter  Länge  werden  mittelst  eines  Papierstreifens  ver- 
bunden und  auf  jedes  Ende  bringt  man  ein  Papierstück- 
chen, welches  0,03  Grm.  Jodstickstoff  enthält.  Wenn  man 
eins  dieser  explodirenden  Papierstücke  verpuffen  läfst,  ver- 
pufft das  andere  gleichfalls. 

Die  Explosion  des  zweiten  Papiers  ist  indels  nicht  durch 
den  Luftdruck  bewirkt.  Man  kann  diefs  beweisen,  wenn 
man  ein  kleines  Pendel  in  die  Röhre  bringt.  Diefs  Pen- 
del wird  durch  die  Explosion  nicht  mehr  verrückt,  als  wenn 
man  mit  dem  Munde  stark  in  die  Röhre  bläst.  Befestigt 
mau   solche   Papiere  an   die  Saiten  eines  Contrabasses, 


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175 


eines  Violoncells  oder  eines  Violons,  so  kann  man  erweisen, 
dafs  die  tiefen  Töne  keine  Wirkung  ausüben ,  die  hohen 
dagegen  eine  Detonation  hervorrufen.  Die  sehr  hohen 
Töne,  welche  man  erhält,  wenn  man  die  Saiten  unterhalb 
des  Steges  zupft,  geben  dasselbe  Resultat. 

Versuche  mit  chinesischen  Temtams  lieferten  ähnliche 
Resultate.  Die  Instrumente  von  tiefen  Tönen  bewirkten 
keine  Detonation,  wohl  aber  beständig  die  von  hohen. 
Zwei  parabolische  Hohlspiegel  von  O"1^  Durchmesser  wur- 
den in  2",5  Entfernung  von  einander  aufgestellt  In  dem 
Brennpunkt  des  einen  Spiegels  wurde  eine  kleine  Menge  Jod- 
stickstoff gebracht,  eben  so  in  die  Mitte  des  Abstandes  beider 
Spiegel,  endlich  liefs  man  in  dem  Brennpunkt  des  zweiten 
etwas  Nitroglycerin  explodiren.  Der  Jodstickstoff  im  Brenn- 
punkt des  ersten  Spiegels  verpuffte,  der  in  der  Mitte  bei- 
der Spiegel  blieb  intact.  Obgleich  andere  explodirende 
Körper,  die  in  den  Brennpunkt  des  zweiten  Spiegels  ver- 
setzt waren,  die  nämliche  Wirkung  hervorbrachten,  so  war 
dieselbe  doch  nicht,  wie  man  wohl  glauben  könnte,  eine 
Folge  der  Wärme,  weil  0,03  Grm.  Nitroglycerin,  welche 
nicht  mehr  Wärme  als  0,9  Grm.  Pulver  entwickeln,  eine 
Explosion  erzeugen ,  die  der  von  8  bis  10  Grm.  Pulver 
ähnlich  ist. 

Man  schwärzte  hierauf  die  Spiegel  durch  Kienrufs. 
Alsdann  brachte  die  Verpuffung  von  10  Grm.  Pulver  keine 
Detonation  des  Jodstickstoffs  hervor,  während  0,03  Grm. 
Nitroglycerin  immer  noch  hiezu  ausreichten.  (Chronique 
de  f  Industrie,  No.  52,  29.  Januar  1873.) 


XII.    Eine  ältere  Beobachtung  der  magnetischen 
Declination  vom  Jahre  1692  zu  Breslau. 


i  der  Spärlichkeit  und  theilweisen  Unsicherheit  des 
Materials,  welches  den  Decliuationkarten  für  das  17.  Jahr- 


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176 

hundert  zu  Grunde  liegt,  verdient  vielleicht  eine  in  Bres- 
lau  am  21.  Dec.  des  eben  genannten  Jahres  angestellte 
Beobachtung  eine  Erwähnung,  die  mit  besonderer  Sorg- 
falt angestellt,  bis  jetzt  aber  unbekannt  geblieben  und  zu 
keiner  Benutzung  gekommen  zu  seyn  scheint.  Wenigstens 
findet  sich  dieselbe  nicht  in  der  so  reichhaltigen  Sammlung 
von  Beobachtungen  des  trefflichen  Werkes  von  Hansteen 
über  den  Magnetismus  der  Erde  vom  Jahre  1819.  Die 
Beobachtung  wurde  angestellt  von  dem  damals  auch  durch 
mehrere  werthvolle  astronomische  Beobachtungen  bekann- 
ten Arzt  und  Naturforscher,  Adjuncten  der  Leopoldinischen 
Akademie,  Dr.  Gottfried  Schultz  iu  Breslau  und  er- 
gab aus  mehrfachen  Wiederholungen  auch  durch  zwei  an- 
dere daran  theilnehmende  Beobachter  die  westliche  Ab- 
weichung der  Magnetnadel  zu  Breslau  für  1692  Dec.  '21. 

==  9"  55'. 

In  Paris,  London,  Calais,  Copcnhagen  wird  dieselbe 
für  jenes  Jahr  zu  6°  angegeben,  in  Rom  7°,  in  Schweden 
7°  und  8",  in  Danzig  9",  in  Constantinopel  10°,  in  Syrien 
14°:  demnach  hinweisend  auf  eine  gänzliche  Verschieden- 
heit der  damaligen  Vertheilung  der  isogonischen  Linien 
von  der  gegenwärtigen,  wie  denn  auch  schon  für  kürzere 
Zeiträume  grol'se  Umgestaltungen  dieser  Liniensysteme  aus 
den  Hansteen'schen  Karten  ersichtlich  sind.  —  Die  obige 
Beobachtung  ist  ein  einzelnes  ausgewähltes  Excerpt  aus 
den  von  Schultz  hinterlassenen  Manuscripteu ,  welches 
in  einen  Nekrolog  desselben  von  Dr.  Samuel  Grafs  auf- 
genommen ist,  enthalten  in  den  Ephemerides  Academiac 
Caesareo-Leopoldinae  naturae  curiosorum,  Centuriae  III  et 
IV,  Noribergae  1715,  Appendix  p.  218,  und  das  in  diesem 
Zusammenhange  daher  wohl  weniger  Beachtung  gefun- 
den hat. 

Breslau,  d.  14.  Febr.  1873.  J.  G.  Galle. 


A.W.  Schadet  Buchdrucker«*  (L.  8cht.de)  in  Berlin.  Stalla.hreibertu.  4  7. 


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ANN ALEN 
DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

Bd.  VI.  ERGÄNZUNG.  St  2 


I.  Krystallographische  Untersuchungen  über 
JVaphtalinderieate ;  vvn  C.  Hintxe. 


Die  Arbeit  Laurent' s:  Sur  la  strie  naphtaliquey  die  im 
Jahre  1850  l)  erschien,  vermehrte  um  ein  Bedeutendes  die 
Zahl  der  bis  dahin  dargestellten  Substitutionsprodukte  des 
Naphtalins,  und  lieferte  zugleich  eine  grolse  Anzahl  kry- 
stallographischer  Bestimmungen  derselben.  Namentlich 
war  es  die  Reihe  der  Chlorsubstitutions-  und  Chloraddi- 
tionsprodukte, die  in  grolser  Vollzähligkeit  in  dieser  Ab- 
handlung in  die  Wissenschaft  eingeführt  wurden. 

Trotzdem  erfreuten  sich  Laurent's  Angaben  keines 
grofsen  Vertrauens,  und  namentlich  erregte  die  grofse 
Zahl  von  Isomeren,  die  Laurent  beobachtet  haben  will, 
Bedenken. 

Im  Jahre  1870  unternahmen  es  nun  Faust  und 
Saame1),  den  chemischen  Theil  der  Laurent'schen  Ar- 
beit einer  Revision  zu  unterwerfen,  deren  Resultat  war, 
dafs  ein  grolser  Theil  von  Laurent's  Angaben  als  einer 
Berichtigung  bedürftig  erwiesen  wurde. 

Die  krystallographischen  Bestimmungen  der  betreffenden 
Körper  liefsen  jedoch  die  genannten  Forscher  ganz  un- 
berücksichtigt, und  doch  sind  diese  in  der  Gestalt,  wie  sie 
inLaurent's  Buch  vorliegen,  für  die  Wissenschaft  gänz- 
lich unbrauchbar. 

Da  ich  nun  durch  gütige  Vermittelung  des  Hrn.  Prof. 
Groth  von  Hrn.  Faust  in  Göttingen  die  Krystalle  er- 
hielt, die  bei  der  oben  erwähnten  Arbeit  dargestellt  worden 

1)  Revue  scient{/ii/ue  et  industrielle. 

2)  Annalen  der  Chemie  und  Pbannacie,  Bd.  CLX,  Heft  1.   „Ucber  Nuph- 
talinderivate  von  A.  Faust  und  E.  Saarn e." 

Poggendorffs  Ann.    Erganzungsbd.  VI.  12 


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178 


waren,  war  es  mir  möglieh,  zu  versuchen,  auch  in  kry- 
stallographischer  Beziehung  Laurents  Untersuchungen 
zu  sichten,  indem  ich  theils  durch  eigene  Messungen,  so 
weit  ich  von  den  betreffenden  Körpern  die  Krystalle  be- 
safs,  Laurent's  Angaben  zu  revidiren,  theils  auf  eine 
später  zu  erörternde  Weise  diese  an  sich  selbst  zu  con- 
troiiren,  und  so  das  als  zuverlässig  Annehmbare  festzu- 
stellen vermochte. 

Die  eigentlichen  Naphtalinsubstitutionsprodukte  kry- 
stallisiren  nun  theils  gar  nicht,  theils  für  genauere  kry- 
stallographische  Bestimmungen  zu  unvollkommen.  Lau- 
rents vereinzelte  Angaben  hierüber  erwiesen  sich  auch, 
namentlich  was  die  Präcisirung  der  chemischen  Constitution 
der  betreffenden  Körper  anlangt,  als  so  unzuverlässig,  dafs 
ich  dieselben  aus  meiner  Untersuchung  ausschliefsen 
mufste.  Dagegen  liegen  in  dieser  Arbeit  die  Resultate 
vor,  die  ich  über  die  krystallographischen  Verhältnisse 
der  Reihe  der  Chloradditionsprodukte  des  Naphtalins  er- 
langt habe.  Daran  schliefsen  sich  noch  einige  theore- 
tische Schlufsfolgerungen ,  betreffend  den  Zusammenhang 
zwischen  der  Krystallform  und  der  chemischen  Constitution. 

L 

Napbtalintetrachlorid,  Cl0  H*  Gl«.    (Fig.  I.) 
Das  Naphtalintetrachlorid,    Laurent 's   „chlorure  de 
Naphtaline",  bildet  farblose,  ziemlich  durchsichtige,  wenig 
Fig.  l.  glänzende  Krystalle,  welche  in 

den  zur  Messung  verwendeten 
Individuen  die  Länge  von  einem 
Millimeter  selten  erreichten,  und 
dem  monoklinischen  Systeme  an- 
gehören, wie   schon  Laurent 
erkannte.    Die  Zeichen  der  von 
mir  beobachteten  Flächen  sind 
die  folgenden: 
c—oV  =  (cc  o  :  oo  6  :  c) 
p  =  ooP  =  (a:6:ooc) 
o  =  4-  P  =  (a  :  b  :  c). 


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179 


Bei  der  folgenden  Tabelle  der  Krystallwinkel ,  sowie 
bei  den  späteren  sind  die  mit  *  bezeichneten  Winkel  der 
Rechnung  zu  Grunde  gelegt,  und  auch  Laurent 's  An- 
gaben zur  Vergleichung  beigefügt  worden. 


Berechnet 

Beobachtet 

Laurent 

p 

:  p  (über  a)  =» 

109"  20' 

109"  10' 

109° 

p 

:  p  (Über  6)  = 

70  40 

70  50 

c 

:p  = 

* 

• 

108  8 

108°  30' 

0 

:o>)  = 

* 

117  36 

118 

c 

:  o  = 

* 

121  41 

121  40 

0 

:p  = 

130  11 

130  4 

129  50 

Das  aus  den  bezeichneten  Fundamentalwinkeln  berech- 
nete Axenverhältnifs  ist: 

«)  a  :  b  :  c  mm  0,76733  :  1  :  0,70035 
;'  =  112°25',8. 
Das    von  Laurent  aufgestellte  Axenverhältnifs  ist 
falsch  berechnet. 

Aufser  obigen  Flächen  giebt  Laurent  noch  folgende 
an,  die  ich  an  keinem  der  mir  vorliegenden  Krystalle  vor- 
fand: 

-  P    =  (a  :  b  :  c) 
2Poo  =  Qa':oo6:c) 
oo  P  qo  =  (a  :  oo  b  :oc  c) 
ooPco  =  (coa:6:ooc) 
|  P  oo  =  (oc  a  :  l  b  :  c) 
Die  von  Laurent  dafür  angeführten  Winkel  sind  die 
folgenden,  welchen  die  von  mir  berechneten  Werthe  bei- 
*  gefugt  sind: 

H.  Berechnet     Laur.  Beobachtet 
oP:ooPoo     r=H2°25',8  113° 
ocPoo:2Poo  mm  147  22,3  147 
oP:-P      =  138  55,7  144 
ooPco:|Pco=13b    2,8  137°  30' 

Da  Laurent  selbst  dem  Winkel  o  P  :  —  P  =  144°  ein 
Tenvironu  zufugt,  ist  es  wohl  geeigneter,  die  durch  eine 
ungenaue  Messung  Lau  reut's  hervorgebrachte  Differenz 

*)  Die  in  der  Symmetrieebene  gelegene  Kante. 
*)  Klinodiagonale,  Orthodiagonale ,  Verticale. 


180 


mit  dem  berechneten  Wertbe  anzunehmen,  als  der  Fläche 
—  P  das  unwahrscheinliche  Zeichen  —  l  P  zu  vindiciren, 
welches  dem  Winkel  144°  entsprechen  würde. 

Ferner  berichtet  Laurent  von  zwei  Krystalleu,  bei 
denen  er  an  der  einen  Seite 

ooPoo:§Pao=  1390  30  und  an  der  anderen 
=  137  30 
gefunden  habe,  sowie 

O  P  :  oo  P  qo  mm  92° 
und  =  88  , 

statt  beide  Winkel    =  90. 

Er  bleibt  defshalb  im  Zweifel,  ob  nicht  die  Krystall- 
form  des  Naphtalintetrachlorides  etwa  triklinisch  sey.  Da 
aber  auiser  meinen  Messungen  auch  das  optische  Ver- 
halten des  Körpers  das  monoklinische  System  beweist,  so 
sind  die  bezeichneten  Abweichungen  auf  eine  ungünstige 
Beschaffenheit  der  betreffenden  Flächen  zurückzufuhren. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  steht  senkrecht  zur 
Symmetrieebene,  und  zwar  nahezu  parallel  der  Basis.  Die 
erste  Mittellinie  liegt  in  der  Symmetrieebene.  Der  schein- 
bare spitze  Axenwinkel  in  Luft  beträgt  84°  für  weifses 
Licht.  Genauere  Bestimmungen  gestattete  die  Beschaffen- 
heit der  Krystalle  nicht. 

Der  Schmelzpunkt  liegt  nach  Faust  und  Saarn  e 
bei  182°. 

II. 

Monochlornaphtalintetracblorid  C,0  H7  01,  Cl4     (Fig.  2.) 
Das  Monochlorsubstitutionsprodukt  des  vorigen  Körpers, 
Lauren t's  „chlontre  de  chlonaphtase«,  bildet  Krystalle, 

2.  welche  an  Gröfse,  Farblosig- 

"Nsv  keit      und  Durchsichtigkeit 

^-^N.  denen  des  Naphtalintetrachlo- 
rides gleichstehen,  und  eben- 
falls inonoklinisch  sind.  Lau- 
rent giebt  falschlich  an,  dafs 
das  Monochlornaphtalintetra- 
chlorid  dimorph  sey,  und  aus 
Aether    rhombisch,  dagegen 


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181 


aus  Alkohol  monoklinisch  krystallisire.  Beide  angeblichen 
Modifikationen  sind  jedoch  identisch  und  mouoklinisch, 
die  eine  nur  flächenreicher,  als  die  andere. 

Die  Zeichen  der  von  mir  beobachteten  Flächen  sind 

fo  gen  e.         p  =  —  co  P  =  (a :    :  oo  c) 

a  =  oc  P  go    =r  (a  :  oo  6  :  oo  c) 
o  =  -f-P      =  (a':i>:c) 
q  mm  —  ijP  oo  =  (a  :  oo  6  :  Je) 
r  =  —  \  P  oo  sä  (a  :  oo  b  :  J  c) 
c  =  oP        =  (oo  a  :  oo  b  :  c) 
m  =  -HP  oo  =  (a  :  oo  6  :  c) 
*  =     2  P  oo  =  (a  :  ao  £  :  2  c). 
Die  Flächen  der  Hemidomen  waren  meistens  so  matt, 
dafs  sie  im  Fernrohr  kein  Bild  des  leuchtenden  Objectes, 
(einer  kleinen  Gasflamme  in  genügender  Entfernung)  mehr 
gaben;  die  Messung  konnte  in  diesem  Falle  nur  durch 
Einstellung  des  Schimmers  ausgeführt  werden ,  wozu  also 
das  Fernrohr  in  ein  Mikroskop  verwandelt  werden  mufste. 
Solche  Messungen  sind  in  der  folgenden  Tabelle  mit  appr. 
bezeichnet,  in  der  auch  Laurent 's  Angaben  wieder  bei- 


gestellt sind: 

Berechnet  Beobachtet  Lanrent 

p  :  p  (über  a)  mm  1 1 0°  20'  1 10°  20'         109°  45' 

p  :  p  (über  6)  mm           *  69  40 

p:a             «  145  10  145  10 
o:ol)           =113  6 

o  .p             8=  129  23  129  13 

o:c               mm          *  117  28  120 

c:p               mm          *  113  9 

a:q              =  141  35,7  141  34  140 
r:?              =  170  30 

a:r              =  132    6  131  35  appr. 

r:c              =  166  31  166  35 

c:q              =  157    1  157  13 

a  :c              =  118  37  118  47 

c:m              =  123  33  124  lappr. 

a:m              =  117  49,5  117  12   „     115  55 


1)  Die  in  der  Symmetrieebene  gelegene  Kante. 


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182 


Berechnet       Beobachtet  Laurent 
mix  =149  49       149  29appr.  148  35 

m  :o  =  146  33       146  22  „ 

a:x  =  148  1,8      147  33  „ 

m:p  =112  31,3     112  15   „     111  25. 

Das  aus  den  Fundamental  winkeln  berechnete  Axen- 
v^rhältnii's  ist: 

a  :  b  :  c  =  0,79275  : 1  : 0,74698 
y  =  118  37',0. 
Das  von  Laurent  aufgestellte  Axenverhältnifs  ist  falsch 
berechnet. 

Bei  Laurent  sind  noch  folgende  Flächen  angegeben: 

—  P      =  (a  :  b  :  c) 

—  *P  oo  =  (o  :  oo  b  :  £c) 

—  ?  p  oo  =  (a  :  oo  6  :  *  c) 
-f-fPoo  =  (a':oo6:?c). 

Folgenden  dazu  gehörigen  Winkeln  sind  wiederum  die 
von  mir  dafür  berechneten  Werthe  zugefügt: 

H.  Berechnet  Laur.  Beobachtet 

—  fPao:ooPoo=102°28'  102°  5' 

—  fPoo:ooPoo=  99  39,8  99  5 
-HPoo:ooPoo=  152  52,7  151 

—  P:  — P       =  137    8  138  35 
oP:- P        =143  58  144  30. 

Die  verhältnifsmäfsig  grofsen  Differenzen  zwischen  den 
Laur ent'schen  Winkeln  und  den  berechneten  Werthen 
in  beiden  Winkeltabellen  sind  dem  Umstände  zuzuschreiben, 
dafs  Laurent  das  System  für  rhombisch  nahm,  und  da- 
her bei  den  Mittelziehungen  seiner  Messungen  die  posi- 
tiven und  negativen  Hemidomen  auf  jeder  Seite  vereinigte, 
und  dabei  die  ähnliche  Winkel  bildenden  Flächen  ver- 
wechselte, wie  namentlich  mehrfach  o  P  mit      P  oo. 

Laurent's  angebliche  zweite,  monoklinische  Modifi- 
cation  des  Monochlornaphtalintetrachlorides  tritt  nur  mit 
den  Flächen 

p  =  oo  P  =  (ö  :  b  :  oc  c) 
c  =  o  P  =  (oo  a  :  oo  6  :  c) 
o=-f-P  =  (a':6:c) 


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I 


183 


auf,  wofi&r  Laurent  folgende  Winkel  angiebt,  mit  der 
Charakteristik  7ienmronu : 

p:p=  110° 
c:o  =  118  ä  119° 
o:p  =  127  ä  128, 
welche  wohl  an  der  Identität  mit  dem  pseudorhombischen 
Körper  keinen  Zweifel  übrig  lassen. 

Von  den  optischen  Eigenschaften  des  Monochlornaph- 
talintetrachlorides  konnte  nur  bestimmt  werden,  dals  die 
Symmetrieaxe  die  erste  Mittellinie  ist,  und  die  optische 
Axenebenc  ungef  ähr  parallel  der  Basis  liegt. 

Der  Schmelzpunkt  ist  nach  Faust  und  Saame 
bei  128°. 

m.  i. 

Dichlornaphtalintetrachlorid  Cl0  H,  Cl„  CI4.    (Fig.  3.) 
Das  Dichlornaphtalintetrachlorid,  Laurents  „cklontrc 
de  chlonaphthtse",  bildet  kleine  farblose  Krystalle,  die  eben- 
Fig.  3.  falls  dem  monoklinischen  Systeme  an- 

gehören,  wie  auch  Laurent  erkannte. 
/&  Y  d  I  \        Die  Zeichen  der  beobachteten  Flächen 

- — r\\  i — \  sind  folgende: 

p  =  oo  P-    =  (a :  6  :  QO  c) 
a=  aoPac  =  (a:cc&:ccc) 
d  =  P        =  (oc  a  :  6  :  r). 
Das  Axenverhältnifs  ist: 
o:  6:  c=  1,1282  :  1  :  0,6175 
y=  115°  40,9. 

Dasselbe  Axenverhältnifs  giebt  auch  Laurent  an,  und 
ist  dieses  der  einzige  Fall,  in  welchem  er  seine  Krystalle 
richtig  berechnet  hat. 

Aus  später  zu  erörternden  Gründen  scheint  es  mir 
jedoch  vorzuziehen,  statt  der  primären  Indices  die  wenig 
complicirteren 

p  =  oo  P |  =  (|fl  :  6  :  qo  c) 
flss=aopoo  =  (a:oo6:ooc) 
d  —  \¥  cc  s=(ooa:6:}c) 


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184 


zu  wählen,  denen  folgendes  Axenverhältnifs  entsprechen 
würde : 

a:6:c  =  0,75214:  1  :  1,2350 
mit  derselben  Axenschiefe 

;'  =  115°  40',9. 

Die  Krystallwinkel  sind: 

Berechnet        Beobachtet      .  Laurent 
p  :  p  (über  a)    =  89°  3' 


P 

P 
d 

d 

d 


134  31,5 


Beobachtet 

89°  3' 
90  57 
134  31,5 
121  48,5 
127  45 
112  14. 


90°  a  91° 


112  a  123 
128  a  129 


p  (über  6)  ■ 
a  ■ 
d  (über  o  P)  mm 

P 

a  =112  15,1 

Die  optische  Axenebene  ist  die  Symmetrieebene. 

Zur  Bestimmung  der  Lage  der  Elasticitatsaxen  im 
Kry stall  wurde  eine  Platte,  parallel  der  Symmetrieebene 
geschliffen,  durch  Messung  der  Neigung  ihrer  Flächen 
gegen  die  noch  vorhandenen  Krystallflächen  als  nur  einige 
Minuten  von  der  erforderten  Lage  als  abweichend  erkannt, 
und  dann  der  Winkel,  welchen  einer  der  beiden,  senk- 
recht dazu  stehenden  optischen  Hauptschnitte  mit  der 
Querfläche  einschliesst ,  mittelst  des  von  Groth1)  ange- 
gebenen Stauroskops  bestimmt.  Dieser  Winkel  ist  identisch 
mit  demjenigen,  welchen  eine  der  beiden,  in  der  Sym- 
metrieebene liegenden  Elasticitatsaxen  mit  der  Verticalc 
bildet.  Wegen  ungünstiger  Beschaffenheit  der  Krystalle 
konnte  dieser  Winkel  nur  für  einfarbiges  gelbes  Licht 

bestimmt  werden  und  wurde  zu  13°  27' 
gefunden,  und  zwar  in  der  Lage,  wie 
Fig.  4  zeigt.  Diese  Elasticitatsaxe  ist 
zugleich  die  erste  Mittellinie.  Der  Winkel 
der  optischen  Axen  ist  sehr  klein,  konnte 
aber  nicht  gemessen  werden,  weil  die  Kry- 
stalle in  der  erforderlichen  Richtung  zu 
dünn  waren,  als  dals  man  hätte  eine  ge- 
eignete Platte  schleifen  können. 
1)  Pogg.  Ann.  Bd.  CXLIV,  S.  40. 


• 


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185 

Der  Schmelzpunkt  liegt  nach  Faust  und  Saame 
bei  172°. 


Leider  sind  von  den  nun  folgenden  Substitutionspro- 
dukten des  Naphtalintetrachlorides  keine  Krystalle  in  meinen 
Besitz  gelangt,  so  dafs  ich  Laurents  Angaben  nicht 
durch  eigene  Messungen  zu  revidiren  vermochte.  Es  blieb 
mir  also  nur  der  eine  Weg  übrig,  Laurents  Angaben 
an  sich  selbst  zu  controliren,  das  heifst  variirend  Lau- 
rents Winkel  der  Reihe  nach,  die  einen  aus  den  anderen 
zu  berechnen.  Durch  diese  Methode  konnte  augenschein- 
lich ein  Urtheil  über  die  Zuverlässigkeit  der  einzelnen 
Werthe  erlangt,  und  besonders  falsche  Messungen  Lau- 
rents ermittelt  werden. 

Die  so  als  die  genauesten  gefundenen  Winkel  wurden 
nun  als  Fundamentalwinkel  benutzt,  und  daraus  die  Axen 
berechnet,  so  dafs  die  schliefslich  auf  diese  Weise  erlangte 
Winkeltabelle  wohl  als  der  Wahrheit  am  nächsten  kommend 
anzunehmen  ist. 

Zunächst  enthält  nun  Laurents  Arbeit  Angaben  über 
eine  Anzahl  Körper,  welche  dem  Dichlornaphtalintetra- 
chlorid  analog  zusammengesetzt  sind,  und  sich  davon  nur 
dadurch  unterscheiden,  dafs  ein  Theil  des  Chlors  durch 
die  entsprechende  Anzahl  Bromatome  vertreten  ist. 

Diese  sollen  deishalb  zunächst  betrachtet  werden: 

III.  2. 

Dibromnaphtalintetrachlorid  C10HflBr3,  Cl4.    (Fig.  5.) 
Fig.  5.  Das  Dibromnaphtalintetrachlorid, 

Laurents  ^chlorure  de  bronaphtese", 
krystallisirt  in  sehr  einfachen,  mono- 
klinischen Formen,  von  ganz  ähnlichem 
Habitus,  wie  die  entsprechende  ge- 
chlorte Verbindung,  und  zwar  mit  den 
Flächen 

p  =  ocP==(a:6:aoc) 
d  =  P  oo  so  (oo  a  :  b  :  c). 


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186 


Laurent  giebt  nur  die  3  Winkel 

p:p=  90° 
d:d=122  ä  123° 
p:d=129 

an,  so  dafs  in  diesem  Falle  natürlich  die  erwähnte  Con- 
trolirungsmcthode  nicht  zur  Anwendung  gelangen  konnte. 
Indei's  kann  bei  diesen  Winkeln  kein  Zweifel  obwalten, 
dals  diese  Substanz  mit  dem  Dichlornaphtalintetrachlorid 
isomorph  ist.  Beziehen  wir  daher  ihre  Flächen  auf  das 
zweite,  definitiv  für  den  Chlorkörper  angenommene  Axen- 
verhältnifs 

a  :  b:  c  =  0,75214: 1:1,2350 
y=115°40',9 
so  erhalten  sie  folgende  Zeichen: 

p  =  x  P :]  =  (]  a  :  b  :  oo  c) 
d=*\  Poo  ==  (oo  a  :  b  :  \  c). 

Schmelzpunkt  nach  Laurent  bei  155°. 

III.  3. 

Dichlornaphtalintetrabromid  Cl0  H6C1„  Br4.    (Fig.  6.) 
Fig.  6.  Das  Dichlornaphtalintetrabro- 

mid, Laurent 's  „bromure  de  chlo- 
naphtese" ,  krystallisirt  ebenfalls 
monoklinisch.  Laurents  An- 
gaben wurden  der  erwähnten  Con- 
trolirungsmethode  unterworfen,  und 
daraus  für  die  auftretenden  Flächen 
folgende  Zeichen  berechnet: 

p  =  oo  P  2  =  (2  a  :  6  :  co  c) 
o=  +  P3  =(3a':6:c) 
a  =  oo  P  oo  =  (a  :  oo  6  :  oo  c). 

In  der  folgenden  Winkeltabelle,  wie  bei  den  späteren, 
sind  die  mit  *  bezeichneten  Winkel  als  die  zuverlässigsten 
gefunden,  und  der  Berechnung  zu  Grunde  gelegt  worden. 


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187 


Laar.  Beobachtet 


* 


H.  Berechnet 
p:p  (über  a)  =  69°  12',6 
p:p  (über 6)  =  110  47,4 
p:a  =  124  36,3 

p  :o  (vorn)  =126  21,6 
o  :  p  (hinten)  — 
a  :  o  (hinten)  = 
o:  ox)  — 
Das  aus  den  Fundainentalwinkeln  berechnete  Axen- 

verhältnifs  ist: 

a:6:c  =  0,79232:  1:1,2334 
;  =  114°  51,3. 
Schmelzpunkt  nach  Laurent  etwas  über  100°. 


122° 

125 

133 
94  30' 
78  30. 


m.  4. 

Chlorbromnaphtalintetrabromid  C,,  Ha  ClBr,  Br4.    (Fig.  7.) 
Fig.  7. 


Dieser  Körper,  Laurents 
„bromure    de  chlorabronaph- 


tese",  gehört,  wie  die  vorher- 
gehenden, dem  monoklinischen 
Systeme    an.     Für   die  auf- 
tretenden Flächen  wurden  fol- 
gende Zeichen  gefunden: 
p  =  oo  P  2     =(2a:  6:  goc) 
a  =  oo  P  oo    =  (a  :  co  b  :  oo  c) 
O  =  +  P3  =(3o':ö:o) 
^  =  -f- lJ  oo  =(a':oo6:c) 
c  =  —  |  P  oo  =  (6  a  :  ao  6  :  c). 

Bei  der  Winkeltabelle  sind 
wieder  die  aus  den  wahr- 
scheinlichsten Winkeln  berechneten  Wrerthe  der  übrigen 
zugefugt . 

1)  Die  in  der  Symmetrieebene  gelegene  Kante. 


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188 


H.  Berechnet        Laur.  Beobachtet 


»  :  p  (über  o)  = 

68° 

23',3 

p  :  p  (über  6)  mm 

111 

36,7 

a:  p  = 

124 

11,7 

o:  ol)  = 

* 

78° 

o  :  p  (hinten)  = 

• 

133 

o  :  p  (vorn)  = 

127 

7,6 

125 

a :  o   (vorn)  = 

# 

86 

O  :  q  mm 

133  42,3 

135 

o :  q  = 

120 

1,3 

120 

e  :  q  (über  o:o)  = 

100 

3,8 

99 

o :  e  = 

117 

36,0 

118. 

Das  Axenverhältnils  wurde  gefunden: 
a  :  6  :  c     0,80737  : 1 :  1,2425 
r=  114°  17,5. 
Der  Schmelzpunkt  liegt  nach  Laurent  bei  110°. 


Ferner  finden  wir  in  der  Laurent'schen  Arbeit  noch 
Angaben  über  zwei  analog  zusammengesetzte  Verbindungen, 
bei  denen  noch  ein  Wasserstoffatom  mehr,  als  in  der 
letzten  Gruppe,  durch  Chlor,  resp.  Brom  substituirt  ist. 

IV.  1. 

Monochlordibromnaphtalintetracblorid  C10HS  ClBr,,  Cl4.    (Fig.  8.) 
Das  Monochlordibromnaphtalintetrachlorid,  Laurent's 
Fig.  8.  „chlorure  de  bromtchlonaphtise", 

krystallisirt  nach  Laurent  tri- 
klinisch.  Jedoch  bemerkt  dieser 
selbst,  dafs  die  Symmetrieverhält- 
nisse denen  des  monoklinischen 
Systeme*  sehr  nahe  kommen.  In 
der  That,  betrachtet  man  die 
Winkel  genauer,  so  zeigt  es  sich, 
dafs  die  Schiefe  der  Basis  ein- 
mal nach  der  rechten  Seite,  und 
ein  anderes  Mal  nach  der  linken 
1)  Die  in  der  Symmetrieebene  gelegene  Kante. 


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189 

Seite  angenommen  werden  müfste,  und  dafs  aufscrdem 
die  Abweichungen  von  dem  inonokliniscben  Systeme  nicht 
gröfser  sind,  als  die  möglichen  Fehler  der  nur  ganz  ap- 
proximativen Beobachtungen  Laurent's. 

Bei  Auffassung  des  Systemes  als  eines  monoklinischen 
erhalten  die  von  Laurent  angegebenen  Flächen  folgende 

Zeichen:  „  ,     ■  \ 

p  =  oo  P      =  (a  :  6  :  oc  c) 

c  =  oP        =  (oo  a  :  oo  b  :  c) 

o  =  -f-P3   =  (3a':6:c) 

c  =  —  2P3  =  (3a:6:2c). 

Winkeltabelle. 

II.  Berechnet  Laur.  Beobachtet 

p  :  p  (über  a)  =  *  111° 

p  :  p  (über  6)  =  69° 

e:el)  =  *  77°  15' 

e:p  =  *  148 

c:o  =  130°49',7  132 

o.o1)  =  90    8  93 

c  :e  =  120  30    '  |  ]ll 

I  122 

c:p  =103  28,7  102 

e:o  (Polk.)  =  138  38,5 
e  :o  (Seitenk)  =  110  40,2  109. 
Die  gröfste  vorkommende  Differenz,  nämlich  die  der 
Werthe  des  Winkels  o :  o,  beruht  wahrscheinlich  auf  der 
technischen  Schwierigkeit  der  Messung,  die  für  Laurent 
darin  bestand,  dafs  die  beiden  Flächen  nach  seiner  Zeich- 
nung keiue  Kante  bilden. 

Das  Axenverhältnifs  ist  folgendes: 

a  :  b:  c  =  0,71654:  1  :  1,0173 
y  =  106°  25',8. 
Schmelzpunkt  nach  Laurent  bei  150". 

IV.  2. 

Tribromnaphtalintetrabromid  C,„  H,  Br,,,  Br4.    (Fig.  9.) 
Von   dem   Krystallsystem  des  Tribromnaphtalintetra- 
broinides,  Laurent's  „bromure  de  bronaphtise",  gilt  das- 

I)  Die  m  der  Sviiimetiice.bune  gelegene  Kunte. 


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190 


Fig.  9. 


selbe,  was  über  das  des  vorigen 
Körpers  soeben  gesagt  wurde.  Die 
Winkel  des  ersteren  sind  denen 
des  letzteren  trotz  Laurent's  un- 
genauen Messungen  ganz  ähnlich, 
so  dafs  auch  die  Flächenzeichen 
für  beide  Körper  dieselben  sind : 
p  =  oo  P       =  (a  :  6  :  co  c) 
c  =  oP        =  (co  a  :  oo  6 :  c 
o  =  +  P3   =  (3a':6:c) 
e  =  —  2P3  =  (3a:6:2c). 

Tabelle  der  Kr  y  stallwinkel. 


H.  Berechnet 
p  :  p  (über  o)  =  * 

p  :  p  (über  b)  =  70° 

c :  p  = 

e:e!)  = 


* 
* 


o  :  o  ') 


c :  e 


c :  o 


=  89° 
=  121 


8',0 
9,0 


130  15,7 


Laur.  Beobachtet. 

110" 


105 
77°  30' 
93  30' 
122  30 
120 
132 
130 
140 

109  30 
148  . 


o:e  (Polk.)  =  139  53,7 
e:  o(Seitenk.)=  HO  16,0 
e:p  =  148  45,7 

Wie  beim  vorigen  Körper  weicht  am  beträchtlichsten 
der  Winkel  o  :  o  von  dem  berechneten  Werthe  ab,  wofür 
wohl  derselbe  Grund,  der  oben  für  den  entsprechenden 
Fall  angegeben  wurde,  geltend  zu  machen  ist. 
Das  Axenverhältnifs  ist 

a  :  b  :  c  =  0,73801  :  1  :  1,0276 
r  =  108"  24',8. 
Den  Schmelzpunkt  hat  Laurent  in  diesem  Falle  nicht 
bestimmt,  jedoch  garantirt  die  angegebene,  gut  stimmende 
Analyse   dafür,  dafs  die  gemessenen  Krystalle  wirklich 
Tribromnaphtalintetrabromid  waren. 

1)  Die  in  der  Symmetrieebene  gelegene  Kante. 


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191 


Was  das  Lösungsmittel  anlangt,  aus  dem  die  Krystalle 
der  vorliegenden  Körper  auskrystallisirt  wurden,  so  ver- 
wandten Faust  und  Saarn e  filr  ihre,  von  mir  gemessenen 
Krystalle  Chloroform,  Laurent  dagegen  für  die  seinigen 
Aether,  und  nur  bei  dem  Monochlornaphtalintetrachlorid 
für  seine  beiden  Modifikationen  einmal  Aether  und  einmal 
Alkohol.  

Dafs  zwischen  den  im  Vorhergehenden  abgehandelten 
Körpern  in  ihren  krystallographischen  Eigenschaften  be- 
sondere, interessante  Beziehungen  stattfinden,  ist  auch 
Laurent  nicht  entgangen.  In  einem  speciellen  Abschnitt 
seiner  Abhandlung  ergeht  er  sich  ausführlich  darüber,  und 
kommt  schliesslich  zu  dem  Endresultat,  dafs  alle  Sub- 
stitutionsprodukte des  Chlornaphtalins,  resp.  Bromnaph- 
talins,  unter  sich  und  mit  diesem  selbst  isomorph  sind. 
Zufällig  unterstützten  ihn  hierbei  seine  falsch  berechneten 
Axenverhältnisse,  und  die  ungenauen,  sich  gegenseitig 
durch  Abrundung  näher  kommenden  Messungen,  aber  es 
kommt  auch  vor,  dafs  den  Krystallen  willkürliche  Stel- 
lungen, die  nicht  durch  die  Symmetrieverhältnisse  des 
Krystallsy8tem8  gestattet  sind,  vindicirt  werden,  um  ähn- 
liche Winkel  aufzufinden.  Tritt  dennoch  der  Fall  ein, 
dafs  zwei  Winkel  102°  und  111°  25'  betragen,  die  eigent- 
lich einander  nahe  stehen  sollten,  so  führt  Laurent  die 
beruhigende  Erklärung  dafür  an,  dafs  ein  dritter  Körper, 
der  jedoch  bei  chemischer  Anordnung  seine  Stellung  nicht 
einmal  zwischen  den  beiden  anderen  erhielte,  einen  ent- 
sprechenden Winkel  von  108"  30'  besitzt.  Uebrigens  gipfelt 
dieses  Princip  in  dem  beiläufig  erwähnten  Bemühen,  den 
Kalkspath  mit  dem  Aragonit  in  Verbindung  zu  bringen, 
da  zwischen  den  Prismenwinkeln  des  ersten  von  120°  und 
des  letzteren  von  116°  die  Zwischenglieder  beim  Wi- 
therit,  Strontianit  und  Weifsbleierz  vorhanden  sind!  Ein 
„aperQu,  qui  mtriterait  d'Hre  pousse  plus  loinu\ 

Trotz  seiner  Annahme  der  Isomorphien  ist  Laurent 
nicht  auf  den  Gedanken  gekommen,  zu  untersuchen,  ob 


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I 

192 


die  betreffenden  Körper  wirklich  theils  rhombisch,  theils 
monokliniseh,  theils  triklinisch  krystalüsiren ,  und  nicht 
alle  vielleicht  demselben  Systeme  augehören,  wie  es  ja  in 
Wirklickeit  der  Fall  ist.  Laurent  spricht  sogar  davon, 
dafs  von  seinen  beiden  Modifikationen  des  Monochlornaph- 
talintetrachiorides  eine  jede  grofse  Aehnlichkeit  mit  dem 
N  aphtalintetrachlorid  habe,  ohne  aber  auf  die  nahe  liegende 
Vermuthung  zu  kommen,  dafs  diese  vielleicht  unter  ein- 
ander isomorph,  resp.  ganz  identisch  sind,  wie  oben  nach- 
gewiesen worden  ist.  Laurent  bemüht  sich,  gestützt 
auf  ein  falsches  Axenverhältnifs ,  die  nicht  vorhandene 
Isomorphie  von  Naphtalintetrachlorid  und  Monochlornaph- 
talintetrachlorid  mit  Dichlornaphtalintetrachlorid  und  Di- 
bromnaphtalintetrachlorid  nachzuweisen,  während  er  eine 
wirklich  vorhandene,  interessante  Isomorphie,  von  der  so- 
gleich die  Rede  seyn  soll,  völlig  übersieht. 

Mit  Laurents  Gedankengang  waren  offenbar  die  Vor- 
stellungen der  Typentheorie  so  eng  verbunden,  dafs  er 
leicht  zu  der  irrigen  Annahme  gelangte,  Chlor,  Brom  und 
jedes  andere  Element  oder  Radical,  das  den  Wasserstoff 
in  einem  Typus  substituirte,  müsse  mit  diesem  isomorph 
sein.  Fand  er  nun  eine  offenbare  Ausnahme  dieser  will- 
kürlichen Regel,  so  glaubte  er  Isomerien  annehmen  zu 
müssen,  wo  von  späteren  Forschern,  die  in  dieser  Hinsicht 
objectiver  waren,  keine  Isomeren  gefunden  wurden.  Seine 
Vorstellungen  übertrug  Laurent  auf  seine  Bezeichnungen, 
indem  er  die  für  isomorph  gehaltenen  Substitutionspro- 
dukte als  entsprechende  Isomere  betrachtete  und  mit  dem- 
selben Buchstaben  bezeichnete.  Als  erläuterndes  Beispiel 
mögen  seine  eigenen  Worte  dienen:  le  chlonaphtese  A  est 
isomorphe  avec  le  Monaphtise  A,  et  isomere  avec  les  chlo- 
tiaphteses  B,  C.  etc. 

Hierin  ist  wohl  auch  die  Veranlassung  zu  suchen  zu 
dem  Irrthum  in  Betreff  der  Dimorphie  des  Monochlor- 
nnphtalintetrachlorides.  Die  im  Habitus  weniger  dem 
Naphtalintetrachlorid  ähnliche  „erste  Modification"  dieses 
Körpers  kam  ihm  so  unerwartet,  dafs  er  lieber  die  un- 


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193 


wahrscheinliche  Annahme  einer  Dimorphie  machte,  als  die 
Ansicht  aufgab,  dafs  das  Monochlornaphtalintetrachlorid 
dem  Naphtalintetrachlorid  isomorph  wäre. 

Laurent  ging  so  weit,  dafs  er  sich,  um  seinen  Vor- 
stellungen gerecht  werden  zu  können,  einen  neuen  Begriff 
von  Isomorphie  bildete,  der  schlechterdings  nicht  mehr 
mit  den  Grundprincipien  der  Kristallographie  vereinbar 
ist.  Obendrein  wählte  er  für  seine  Isomorphie  den  Namen 
„Hemimorphie",  der  ja  längst  in  der  Krystallographie  für 
einen  ganz  anderen  Begriff  Verwendung  gefunden  hat. 

Es  ist  bei  alledem  klar,  dafs  Laurent  auf  einem  rich- 
tigen Wege  mit  seiner  Ansicht  gewesen  ist,  wenn  er  er- 
kannte, dafs  mit  der  Isomorphie,  wie  sie  Mit  sc  herlich 
auffasste,  allein  nicht  mehr  die  krystallographischen  Be- 
ziehungen der  Körper  einer  Substitutionsreihe,  mit  der 
wir  es  ja  hier  zu  thun  haben,  erklärt  werden  können. 
Vielmehr  sind  die  krystallographischen  Relationen  zwischen 
Substitutionsprodukten,  wie  sie  zuerst  bei  den  Benzol- 
derivaten von  Groth  nachgewiesen  und  „morph  ©tropische* 
benannt  worden  sind,  ganz  anderer  Natur,  als  die  Iso- 
morphie. 

Wie  schon  oben  erwähnt,  sind  aber  Laurent  iso- 
morphe Beziehungen  entgangen,  wo  sie  wirklich  vorhanden 
sind,  nämlich  da,  wo  es  sich  um  Körper  handelt,  welche 
sich  nur  dadurch  unterscheiden,  dafs  eine  Anzahl  Chlor- 
atome des  einen  bei  dem  anderen  durch  gleich  viel  Brom- 
atome ersetzt  sind,  so  dafs  also  die  Constitution  analog, 
und  die  Anzahl  der  substituirten  Wasserstoffatome  bei 
beiden  gleich  ist.  Zwar  hatte  Laurent  erkannt,  dafs 
das  Dichlornapbtalintetrachlorid  mit  dem  Dibromnaphtalin- 
tetrachloride ,  und  ferner  das  Dichlornaphtalintetrabromid 
mit  dem  Chlorbromnaphtalintetrabromide  isomorph  ist,  was 
leicht  zu  sehen  war,  da  ja  die  Krystalle  paarweise  den- 
selben Habitus  zeigen,  aber  stellen  wir  zur  Vergleichung 
die  Axenverhältnisse  aller  dieser  vier  Körper  zusammen, 
so  haben  wir  für 
Poggendorffs  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  13 


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194 


o        :  6  :        c  y 

Cl0  H6  Cl„  CI4  =  0,75214  :  1 :  1,2350  115°  40',9 

Cl0  Hs  Br,,  Cl4  =  0,75214  :  1  :  1,2350  115  40,9 

C10  Hfi  Cl2,  Br4  =  0,79232  :  1  :  1,2334  114  51 ,3 

C10H6ClBr,Br4=  0,80737:  1:1,2425  114  17,5. 

Aus  dieser  Tabelle  ersieht  man,  dais  alle  vier  Körper 
isomorph  sind. 

Jetzt  dürfte  es  auch  als  gerechtfertigt  erscheinen, 
warum  schon  bei  der  obigen  krystallographischen  Be- 
schreibung der  beiden  ersten  Körper,  statt  der  primären 
Flächenzeichen  die  complicirteren  Indices  gewählt  wurden, 
denn  wenn  man  Prisma  oder  Pyramide,  resp.  Klinodoma 
primär  genommen  hätte,  so  würden  die  andern  beiden 
Körper  bedeutend  complicirtere  Flächenindices  erhalten 
haben,  als  jetzt,  wo  alle  Coeffioienten  doch  immer  noch 
einfache  genannt  werden  müssen. 

Ebenso  ist  das  Tribromnaphtalintetrabromid  isomorph 
mit  dem  Monochlordibromnaphtalintetrachloride,  denn  die 
Axcnverhältnisse : 

a        :  b  :       c  y 

C10  Hä  Br3,  Br4  =  0,73801  :  1  :  1,0276  108°  24',9 
CI0H,Br2Cl,Cl4  =  0,71654:  1:1,0173         106  25,8 

würden  gewifs  noch  näher  übereinstimmen,  wenn  Lau- 
rents Messungen  genauer  wären. 

Stellt  man,  wie  es  in  der  folgenden  Tabelle  geschehen 
ist,  die  Axenverhältnis9e  sämmtlicher  in  dieser  Arbeit 
beschriebenen  Krystalle  zusammen,  so  sieht  man,  dafs  in 
der  That  nur  die  analog  zusammengesetzten  Körper,  näm- 
lich die  der  Gruppe  ETI,  und  die  der  Gruppe  IV,  einander 
isomorph  sind,  während  sich  die  Körper  verschiedener 
Gruppen  theils  durch  ihr  Axenverhältnifs,  theils  durch 
die  Axenschiefe  erheblich  unterscheiden: 

(t      :  b  :      c  y  P'P%) 

I.  C, .  H,  Cl4      =  0,76733  :  1  : 0,70035       1 12°  25,8       109°  20' 

II.  CI0H,C1,C1,  =0,79275:  1:0,74698       118  37,0       HO  20 

\)pm.p  ist  die  vordere  Prismenkante,   und  eingeklammert,  wenn  die 
Flächen  des  primären  Prismas  nicht  beobachtet  worden  sind. 


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195 

a      :  6  :      c  y  p\  p 

m.  1.  Cl0  H6  Cl„  Ol,    =0,75214  :  1 : 1,2350  115°  40',9  (110°  44\3) 

2.  0IOH6Br„CI4    =0,75214:1:1,2350  115  40,9  (110  44,3) 

3.  C, .11,01,,  Br4    =0,79232:1:1,2334  114  51,3  (108  34,7) 

4.  C,.HflClBr,  Br4  =0,80737  :  1:1,2425  114  17,5  (108  18,3) 
IV.  1.  C10H,  Br„Br4    =0,73801:1:1,0276  108  24,9  110 

2.  CI0 H,Br,Cl,Br«  =  0,71654:  1:  1,0173    106  25,8  111. 

Vergleicht  man  nun  die  Körper  der  Gruppe  LEI  mit 
einander,  so  sieht  man,  dafs  beliebig  viel,  und  beliebig 
welche  (substituirte  oder  addirte)  Chloratome  durch  Brom- 
atome ersetzt  werden,  ohne  dafs  die  entstehenden  Ver- 
bindungen aufhören,  isomorph  zu  sein.  Es  ist  aber  un- 
bedingt anzunehmen,  dafs  diese  Isomorphie  nur  dann 
bestehen  bleibt,  wenn  ftir  ein  Chloratom  ein  substituirtes 
Bromatom  an  derselben  Stelle  des  Molecüls  eintritt.  An- 
derenfalls müfste  ein  Produkt  entstehen,  welches  einem 
isomeren  der  Chlorverbindung  entspricht.  Da  nun  isomere 
organische  Verbindungen  bisher  niemals  isomorph  gefunden 
worden  sind,  so  ist  dies  noch  weniger  zu  erwarten  bei 
zwei  derartig  verschiedenen  Körpern. 

Die  Kry8tallform  des  Dichlornaphtalintetrachlorides  ist 
nach  den  Anschauungen,  die  sich  aus  dem  Studium  der 
Benzolderivate  ergeben  haben,  das  Resultat  einer  morpho- 
tropischen  Wirkung  auf  das  Monochlornaphtalintetrachlorid, 
durch  den  wasserstoffsubstituirenden  Eintritt  eines  Chlor- 
atoms. Wir  sehen  nun  aber,  dafs  eine  isomorphe  Ver- 
bindung entsteht,  wenn  statt  dieses  Chloratoms  ein  Brom- 
atom eintritt,  das  heifst,  es  ist  die  morphotropische  Wir- 
kung dos  Broms  auf  jene  Verbindung  sehr  nahe  gleich 
derjenigen  des  Chlors.  Bezeichnen  wir  also  solche  Ele- 
mente oder  Radicale,  welche  bei  der  Substitution  an  der- 
selben Stelle  im  Molecül  einer  bestimmten  Verbindung 
so  ähnliche  morphotropische  Wirkung  ausüben,  dafs  dabei 
isomorphe  Körper  entstehen,  als  „isomorphotrop  in 
Bezug  auf  jene  Verbindung4*,  so  können  wir  jetzt  sagen, 
Chlor  und  Brom  sind  isomorphotrop  in  Bezug  auf  Mono- 
chlornaphtalintetrachlorid. Sie  sind  es  ferner  aber  auch 
in  Bezug  auf  Monobromnaphtalintetrachlorid ,  denn  wenn 

13* 


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196 


von  den  noch  übrigen  Wasserstoffatomen  eines  durch 
Chlor  oder  Brom  vertreten  wird,  so  entstehen  wieder  zwei 
isomorphe  Körper,  wie  die  obige  Tabelle  zeigt.  Ja,  es 
entstehen  sogar  isomorphe  Körper,  wenn  die  addirten 
Chloratome  durch  gleich  viel  Bromatome  ersetzt  werden. 

Die  Gruppe  IV  zeigt  nun  endlich,  dafs  auch  Chlor 
und  Brom  isomorphotrop  sind  in  Bezug  auf  Dibromnaph- 
talintetrabromid. 

Daraus  ist  als  höchst  wahrscheinlich  der  Schlufs  zu 
ziehen,  dafs  wenn  zwei  Stoffe,  wie  Chlor  und  Brom,  in 
Bezug  auf  eine  Verbindung,  wie  das  Naphtalin,  isomor- 
photrop sind,  sie  es  auch  in  Bezug  auf  alle  weiteren  Deri- 
vate derselben  sind. 

Der  Umstand,  dafs  man  bereits  eine  Anzahl  Isomor- 
phien  zwischen  einem  Brom-  und  dem  entsprechenden 
Chlorsubstitutionsprodukte  organischer  Verbindungen  kennt, 
deutet  darauf  hin,  dafs  ein  solches  Gesetz  auch  bei  an- 
deren Verbindungen,  als  denen  des  Naphtalins,  gelten 
dürfte.  Diese  Frage  könnte  nur  durch  die  krystallo 
graphische  Untersuchung  grofser  Reihen  von  Substitutions- 
produkten gelöst  werden. 

Wegen  der  Isomorphotropie  des  Chlors  und  Broms  in 
Bezug  auf  die  Napbtalinverbindungen  mufs  der  Körper 
Trichlornaphtalintetrachlorid,  über  dessen  Krystallform 
keine  Angaben  vorliegen,  isomorph  sein  mit  Tribromnaph- 
talintetrabromid  und  Monochlordibromnaphtalintetrachlorid. 
Wir  können  also,  wenn  wir  die  morphotropische  Aen- 
derung  des  Chlors  oder  Broms  in  Bezug  auf  das  Naph- 
talintetrachlorid,  die  ja  nahe  gleich  ist,  erforschen  wollen, 
die  Krystallform  dieser  letzten  beiden  als  isomorph  Sub- 
stituten. Dann  besitzen  wir  in  der  obigen  Tabelle  eine 
vollständige  Substitutionsreihe  von  vier  Gliedern,  nämlich 
Naphtalintetrachlorid  selbst,  und  dasselbe  mit  ein,  zwei 
und  drei  substituirendeu  Chloratomen.  Stellen  wir  die 
Kry stallformen  dieser  vier  Körper  noch  einmal  zusammen, 
wobei  für  den  letzten  das  Mittel  aus  den  beiden  isomorphen, 


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197 


als  Approximativwerth  angenommen  ist,  so  erhalten  wir 
folgende  Tabelle: 

a      :  h  :      c  p :  p 

I.  C, ft  H8  Cl,        =  0,76733  :  l :  0,70035  112°  25',8      10i)°  20' 

II.  C,,H,  Cl,  Cl4   =0,79275:1:0,74698  118  37,0      110  20 
DL  C,.H«C1„  Cl4  =0,75214:  1:1,2350  115  40,9  (HO  44,3) 
IV.  Cl#  H,  Cl„  Cl«  =  0,72728 :  1 :  1,0225  107  25,4  110  30. 

Diese  Uebersicht  zeigt,  dafs  bei  der  Substitution  von 
Chlor  fiir  Wasserstoff  im  Naphtalintetraohlorid  die  Winkel 
einer  Krystallzone  ganz  nahe  gleich  bleiben,  gerade  wie 
es  bei  den  Benzolderivaten  von  Groth  nachgewiesen  ist, 
dafs  also  auch  hier  die  morphotropische  Einwirkung  sich 
nur  auf  gewisse  krystallographische  Richtungen  erstreckt; 
hier  entweder  mehr  auf  die  Schiefe  des  Axenwinkels, 
oder  mehr  auf  den  Werth  der  Verticalaxe.  Ein  einfaches 
Gesetz  über  die  Gröfse  der  Aenderung  läfst  sich  indefs 
aus  dieser  Reihe  nicht  ableiten.  Jedenfalls  aber  sieht 
man,  dafs  hier  ganz  ähnliche  gesetzmäfsige  Beziehungen 
zwischen  der  chemischen  Constitution  und  der  Krystall- 
forra  stattfinden,  wie  bei  den  Benzolderivaten.  Nur  in 
einem  unterscheidet  sich  obige  morphotropische  Reihe 
von  denen,  wie  wir  sie  unter  den  Benzolderivaten  durch 
die  Untersuchungen  Groth 's  kennen,  nämlich  dadurch, 
dafs  die  Differenzen  ungleich  geringer  sind.  Dies  bedeutet 
also,  dafs  die  morphotropische  Aenderung  des  Chlors  in 
Bezug  auf  Naphtalinderivate  eine  viel  geringere  ist,  als 
in  Bezug  auf  die  einfacheren  Benzolderivate,  und  «s  ist 
dies  in  vollem  Einklang  mit  der  bereits  von  Groth  aus- 
gesprochenen Ansicht,  dafs  die  morphotropische  Wirkung 
eines  Stoffes  nicht  nur  von  seiner  chemischen  Natur,  son- 
dern auch  von  der  Beschaffenheit  derjenigen  Verbindung 
abhänge,  in  welche  er  substituirend  eintritt.  Es  ist  a  priori 
aus  mechanischen  Gründen  plausibler,  anzunehmen,  dafs 
ein  substituirendes  Atom  in  den  Eigenschaften  eines  com- 
plieirteren  Molecüls  nur  eine  geringere  Aenderung  hervor- 
zubringen vermag,  als  in  denen  eines  aus  weniger  Atomen 
bestehenden  Molecüls,  wie  es  hier  in  der  That  stattfindet. 


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198 


Auf  diese  Annahme  weisen  auch  manche  Erscheinungen 
bei  unorganischen  Verbindungen  hin,  wo  Elemente  sich 
in  complicirteren  Verbindungen  isomorph  vertreten,  die 
es  in  einfacheren  nicht  mehr  thun. 


Vorliegende  Arbeit  wurde  im  mineralogischen  Institut 
der  Universität  zu  Strafsburg  ausgeführt.  Hrn.  Prof. 
Groth,  der  mir  dabei  in  der  freundschaftlichsten  Weise 
mit  seinem  Rathe  zur  Seite  stand,  spreche  ich  dafür  raei- 
nen herzlichsten  Dank  aus. 


II.   Mineralogische  Mittheilungen;  von 
G.  vom  Rath  in  Bonn. 

(Fortsetzung  XII)  »). 
(Hierzu  Tafel  II.) 


65.    Ueber  das  Krystallsystem  des  Leucits. 

y\b  ich  vor  mehreren  Monaten  bei  der  Beschreibung 
einiger  Leucit-Auswürf linge  vom  Vesuv  äufserte,  dafs  der 
Leucit  in  mehrfacher  Hinsicht  ein  ausgezeichneter  Körper 
sey  und  eine  Ausnahmestellung  unter  den  Mineralien  ein- 
nehme, ahnte  ich  nicht,  dafs  diese  zunächst  nur  auf  sein 
Vorkommen  bezüglichen  Worte  sich  sobald  auch  in  Be- 
zug auf  «las  Krystallsystem  dieses  merkwürdigen  Minerals 
bewahrheiten  sollten. 

Im  Frühjahr  1871,  als  ich  zufolge  gütiger  Gewährung 
des  Hrn.  Scacchi  einige  Tage  dem  Studium  der  Mine- 
ralogischen Sammlung  an  der  Universität  Neapel  widmete, 
wurde  meine  Aufmerksamkeit  auf  feine,  die  Flächen  der 
Krystalle  bedeckende  Streifen  gelenkt.  Einmal  auf  diese 
Linien  aufmerksam,  fand  ich  sie  vielfach  wieder  und  er- 
kannte bald  in  ihnen  eine  fast  allgemeine  Erscheinung  der 
1)  Diese  Ann.  Bd.  147,  S.  22-63  und  S.  246  -  282. 


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199 


aufgewachsenen  Leucite.  Doch  erst  nach  Vollendung  jener 
Arbeit  über  gewisse  merkwürdige  Leucit -Auswürflinge 
untersuchte  ich  jene  Streifen,  welche  ich  früher  ftir  eine 
blosse  Oberflächen -Erscheinung  gehalten  hatte,  genauer 
und  erkannte  ihren  Verlauf  wie  derselbe  in  Fig.  1  Tai'.  II  an- 
gedeutet ist.  Die  Streifen  sind  demnach  parallel,  entweder 
den  kürzern  (den  sog.  hexaödrischen)  Kanten  oder  den 
symmetrischen  Diagonalen  der  trapezoidischen  Flächen. 
Einen  Parallelismus  dieser  Linien  mit  den  längern  (den 
sog.  okta&drischen)  Kanten  des  Leucitkörpers  beobachtet 
man  nicht,  oder  nur  als  eine  Ausnahme,  deren  Erklärung 
später  gegeben  werden  wird. 

Auf  ein  und  derselben  Fläche  bemerkt  man  nicht  nur 
eine  einzige  Streifenrichtung,  sondern  häufig  zwei,  zuweilen 
sogar  drei.  Niemals  kommen  indefs  vier  Liniensysteme 
auf  derselben  Fläche  vor,  wie  denn  die  oben  angegebenen 
Richtungen,  nämlich  parallel  den  kürzern  Kanten  und  der 
sog.  symmetrischen  Diagonale  mit  der  gröfsten  Zahl  der 
auf  Einer  Fläche  beobachteten  Linienrichtungen  überein- 
stimmen. Sehr  häufig  treten  die  Streifen  nicht  an  den 
Kanten  beginnend,  sondern  in  der  Fläche  hervor  und 
enden  in  gleicher  Weise.  Wenn  ein  Streifen  indefs  eine 
Kante  erreicht,  so  endet  er  hier  gewöhnlich  nicht,  sondern 
setzt  auf  der  angränzenden  Fläche  fort.  In  einem  beson- 
dern Falle  enden  die  Linien  auch  an  den  Kanten  und 
überschreiten  dieselben  nicht,  für  welches  Verhalten  eine 
Erklärung  sich  später  leicht  ergeben  wird.  Untersucht 
man  nun  einen  Streifen,  welcher  über  zwei,  zu  einer  Kante 
zusammenstofsende  Flächen  hinwegzieht,  etwas  näher,  so 
bemerkt  man,  dafs  derselbe  stets  in  Einer  Ebene  bleibt, 
und  dafs  diese  Ebene  —  die  Form  des  Leucits  als  die- 
jenige des  regulären  Ikositetraeder's  vorausgesetzt  —  parallel 
der  Abstumpfungsfläche  der  sog.  symmetrischen  Ecken 
oder,  mit  andern  Worten,  eine  Fläche  des  Rhombendo- 
dekaeders ist.  So  liegen  z.  B.  die  im  rechten  oberen 
Oktanten  der  Fig.  1.  vorherrschenden  Streifen  in  derjenigen 
Dodekaederfläche,  welche  die  linke  obere  symmetrische 


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200 


Ecke  des  Leucitkörpers  abstumpft.  Die  Ebene  der  Streifen, 
welche  über  V  in  diagonaler  Richtung,  Über  o*  und  t4  pa- 
rallel zur  Combinationskante  dieser  letztern  Fläche  laufen, 
entspricht  der  Abstumpfungsfläche  der  rechten  oberen 
symmetrischen  Ecke.  Die  Streifen,  mit  welchen  die  Flächen 
t*  und  t7  geziert  sind,  und  welche  parallel  sind  den  Kau- 
ten i* :  o3  und  t7 :  o4,  entsprechen  derjenigen  Dodekaeder- 
fläche, welche  die  vordere  obere  symmetrische  Ecke  weg- 
nimmt. Ebenso  verhalten  sich  die  kttrzern  Liniengruppen 
auf  i1  und  ts  (parallel  den  Kanten  ol :  i2  und  o*:t8)  zur 
hintern  oberen  Ecke.  In  gleicher  Weise  läfst  sich  für 
jeden  Streifen,  welcher  eine  Kante  überschreitet,  sogleich 
die  Dodekaöderfläche  angeben,  in  welcher  er  liegt. 

Ueber  die  Natur  dieser  merkwürdigen  Linien  konnte  ich 
nicht  in  Zweifel  bleiben,  als  ich  die  betreffenden  Krystalle 
genauer,  zumal  bei  Lampenlicht,  betrachtete.  Es  ergab 
sich  sogleich,  dafs  wir  es  hier  nicht  mit  irgend  welchen, 
nur  der  Oberfläche  angehörigen  Erscheinungen,  sondern 
mit  eingeschalteten  Zwillingslamellen  zu  thun  haben. 
Die  Streifen  besitzen  zuweilen  eine  sehr  wahrnehmbare 
Breite,  welche  die  Beobachtung  gestattet,  dafs  ihre  Oberfläche 
in  einer  etwas  andern  Lage  erglänzt,  als  die  Fläche  selbst 
in  welcher  die  Streifen  liegen.  Betrachtet  man  z.  B.  die 
Fläche  o1  in  einer  solchen  Stellung,  dafs  sie  erglänzt,  so 
sind  die  Streifen  dunkel.  Dreht  man  nun  den  Krystall  um 
eine  Axe  parallel  jenen  Streifen,  d.  h.  der*  Kante  o1  :  t' 
etwa  um  5°,  so  erglänzen  die  Zwillingslamellen,  während 
die  Fläche  selbst  dunkel  wird.  Macht  man  den  Versuch 
dort  ,  wo  die  Streifung  in  diagonaler  Richtung  Über  die 
Flächen  zieht,  so  bedarf  es  einer  geringeren,  nur  etwa 
betragenden  Drehung.  Diese  Erscheinung  bietet,  mu- 
talis  mutandis,  die  überraschendste  Analogie  mit  den  Zwil- 
lingslamellen der  triklinen  Feldspathe  dar. 
Aus  obigen  Wahrnehmungen  folgt  mit  absoluter  Gewiis- 
heit,  dafs  jene  gestreiften  Leucite  dem  regulären  Systeme 
nicht  angehören  können;  denn  eine  Zwillingsbildung  pa- 
rallel einer  Dodekagderfläche  kann  im  regulären  Systeme 


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201 


nicht  stattfinden.  Um  dies  einzusehen,  stelle  man  sich 
ein  Ikositetraeder  parallel  einer  Dodekaederfläche  durch- 
schnitten und  die  eine  Hälfte  um  180°  gegen  die  andere  ge- 
dreht vor,  so  können  keinerlei  aus-  oder  einspringende  Kan- 
ten entstehen.  Alles  kehrt  vielmehr  in  die  frühere  Ordnung 
und  Lage  zurück.  Um  die  obige  Schlufsfolgerung  durch 
Messung  zu  verificiren,  prüfte  ich  —  nicht  ohne  lebhafte 
Erwartung  —  jene  Krystalle  und  fand,  dafs  solche  Kanten, 
welche  bei  Voraussetzung  des  regulären  Systems  hätten 
identisch  sein  müssen,  Unterschiede  bis  zu  fast  4a  zeigen. 

Das  Krystall System  der  aufgewachsenen  Leucite  ist 
quadratisch.  Die  Leucitform,  welche  man  bisher  für 
ein  reguläres  Ikositetraeder  ansah  und  Leucitogder  nannte 
(eine  Bezeichnung,  welche  nun  wohl  nicht  beibehalten 
werden  kann),  ist  eine  Combination  eines  Oktaeders  mit 
einem  Dioktaeder  (s.  Fig  2  Taf.  II) ') 

Grundform  o  =  (a:a:c),  P 
Dioktaßder  t  —  (Ja  : \a  :  c),  4P2. 
Diese   Formen    stehen    immer    in   einem   fast  voll- 
kommnen  Gleichgewichte;  untergeordnet  erscheinen  zu- 
weilen : 

erstes  spitzes  Oktaeder        u  =  (|a  :  oo  a  :  c),  2  Poo 
erstes  quadratisches  Prisma  m  =  (a  :  a  :  oo  c),  oo  P. 
Andere  Flächen  scheinen  beim  Leucit  niemals  vorzu- 
kommen»   Das  Axenverhältnifs ,  hergeleitet  aus  der  Mes- 
sung  der   Seitenkante   des   Dioktaeders  i:t=133°58', 
wird  durch  folgende  Zahlen  ausgedrückt: 
a  (Seitenaxe) :  c  (Verticalaxe)  —  1,8998  :  1  oder  1  :  0,52637. 

1)  In  dieser  Figur  wurde  dem  Dioktaeder  eine  etwas  gröfsere  Ausdeh- 
nung gegeben,  als  den  Flächen  des  Oktaeders,  um  auch  äufser- 
lich  den  nicht  regulären  Charakter  mehr  zur  Anschauung  zu  bringen. 
Die  Abweichung  der  Leucitform  vom  Ikositetraeder  ist  in  den  Zeich- 
nungen einfacher  Krystalle  kaum  wahrnehmbar.  Nur  in  einem  Punkte 
ist  die  Verschiedenheit  sehr  deutlich:  Bei  dem  Ikositetraeder  in  der 
konventionellen  Stellung  erscheint  eine  kürzere  oder  hexaedrische 
Kunte  der  Vorderseite  fast  vollkommen  parallel  und  theilweisc  sich 
deckend  mit  einer  solchen  der  Hinterseite  (s.  Fig.  1  Taf.  II),  während 
die  wahre  Leucitfigur  (s.  2  Taf.  II)  jene  Kanten  deutlich  divergent 
zeigt. 


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202 


Wäre  das  System  regulär,  so  müfste  unser  Fundamen- 
talwinkel =  131°  49'  und  das  Axenverhältnifs  der  Grund- 
form =  2:1  seyn.  Aus  dem  Axenverhältnifs  berechnen 
sich  für  den  Leucit  folgende  Winkel: 

Bndkante  von    o  mm  130°  2'  58" 

Seitenkante  von  o  =  73  19  39 

Neigung  der  Oktadderfläche  o  zur  Verticalaxe  =  53°  20'  10' 
„        „  Oktaederkante  o   „         »        =  62  14  22 

Endkante  von    u  =  118°  18'  58" 
Seitenkante  von  m  =  92  56  34 

Neigung  der  Oktaederfläche  u  zur  Verticalaxe  =  43°  31'  43" 
„        „  Oktaederkante  u  „  „        =  53  20  10> 

Primäre  Endkante  (X)  von  i,  liegend  unter 

der  Oktaederkante  =  131°  23'  16" 

Sekundäre  Endkante  (F)  vont,  liegend  unter 

der  Oktaederfläche  =  146    9  28 

Neigung  der  Kante  X  zur  Verticalaxe         =  25  24  21 
n       n     T    ,         8  =  24    7  21. 

Die  Basis  des  Dioktaeders  besitzt  folgende  ebene 
Winkel: 

126°  52'  12"  liegend  an  den  Enden  der  Seitenaxen, 
143    7  48  liegend  zwischen  den  Seitenaxen. 

Diese  Basis  bietet  begreiflicher  Weise  dieselben  ebenen 
Winkel  dar  wie  die  drei  durch  die  oktaedrischen  Kanten 
des  Ikositetraeders  (a :  2  a  :  2  a),  2  02  gelegten  Schnitte. 
Es  berechnen  sich  ferner  folgende  Kanten: 

o  i  1=146°  37'  4" 

ii :  o  =  149    9  28 

»:  t=  150    0  51 

ro:i=  150  49  41 

o :  o  =  106  40  21  (gegenüberliegend  in  der  Endecke) 
o:t  =  119  10  19  (über«) 

t:  t=]10  49    6  (gegenüberliegend    in   der  primären 

Seitenecke) 

t :  %  =  121  39  22  (gegenüberliegend  in  der  secundären 

Seitenecke). 


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203 


Der  Leucit,  von  welchem  man  bisher  glaubte,'  dafs  er 
niemals  Zwillinge  bilde,  ist  zur  Zwillingsbildung  in  einem 
so  hohen  Grade  geneigt,  dafs  es  wahrscheinlich  keinen 
einzigen  einfachen  Leucitkry stall  giebt. 

Die  Zwillingsbildung  geschieht  nach  dem  Gesetze: 
„Zwillingsebene  ist  eine  Fläche  des  ersten  spitzen  Okta- 
eders 2Poo  (m)u.  Mit  dieser  Ebene  sind  die  Krystalle  auch 
verbunden.  Die  Zwillingsebene  neigt  sich  gegen  die  Haupt- 
axe  =  43°  31'  43",  gegen  eine  der  beiden  Seitenaxen 
46°  28'  17". 

Eine  Zwillingsbildung  parallel  der  Fläche  des  ersten 
spitzen  Oktaeders  2Poo  ist  im  quadratischen  Systeme  sehr 
ungewöhnlich,  ja  wahrscheinlich  bisher  uicht  beobachtet, 
indem  die  in  diesem  Systeme  gewöhnliche  Zwillingsver- 
wachsung nach  einer  Fläche  des  ersten  stumpfen  Okta- 
eders Pao  erfolgt.  Die  Zwillingsverwachsungen  des  Leu- 
cits  sind  theils  regelmäfsige  und  schöne  Verbindungen 
zweier  Individuen  (s.  Fig.  3  Taf.  II),  oder  mehrerer  In- 
dividuen mit  mehr  unregelmäfsiger  Begränzung  (s.  Fig.  8 
Taf.  II),  theils  poly synthetische  Krystalle,  bei  welchen  in 
einem  Hauptindividuum  zahlreiche  Lamellen  parallel  den 
Flächen  des  ersten  spitzen  Oktaeders  eingeschaltet  sind 
(s.  Fig.  1,  7,  9,  10,  Taf.  11).  Ein  solcher  polysynthe- 
tischer Krystall,  welchem  Zwillingslamellen  in  vier  Rich- 
tungen eingeschaltet  sind,  ist  eigentlich  als  ein  Fünfling 
zu  betrachten. 

Die  Zwillingsbildung  des  Leucits  würde  sich  nicht  so 
lange  der  Wahrnehmung  entzogen  haben,  wenn  sie  nicht 
eine  besondere  Eigenthümlichkeit  besälse,  verschieden  von 
den  Zwillingen  fast  aller  andern  Mineralien.  Während 
nämlich  bei  diesen  das  allgemeine  Ansehen  der  Zwillinge 
sehr  verschieden  ist  von  demjenigen  der  einfachen  Kry- 
stalle, indem  zugleich  eine  unsymmetrische  Ausdehnung, 
Verkürzung  oder  Verlängerung,  parallel  der  Drehungsaxe 
erfolgt,  bleibt  bei  den  Zwillingen  des  Leucits  in  ihrer 
mannichfachen  Ausbildung  das  Gleichgewicht  der  Gestalt, 
das  scheinbare  Ikositetraeder,  stets  gewahrt.   Fig.  3  Taf  II 


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204 


wird  eine  deutliche  Vorstellung  des  einfachsten  Falls  der 
Zwillingsbildung  gewähren.  Die  Gruppe  ist  in  einer  sol- 
chen Stellung  gezeichnet,  dafs  die  Zwillings-  und  Ver- 
wachsungsebene, welche  oben  durch  einspringende,  unten 
durch  ausspringende  Kanten  bezeichnet  ist,  die  Lage  der 
sog.  Längsfläche  besitzt,  während  die  Ebene  der  Vertical- 
axen  beider  Individuen  der  Querfläche  entspricht.  Diese 
Hauptaxen  schliefsen  den  Winkel  87°  3'  26"  ein ,  derselbe 
wird  halbirt  durch  die  Zwillingsebene.  Der  Anblick  der 
Figur  lehrt,  dafs  ein  solcher  Zwilling,  wenn  man  die  sehr 
stumpfen  Winkel  an  der  Gränze  der  Individuen  übersieht, 
leicht  mit  einem  einfachen  Krystall  kann  verwechselt 
werden. 

Je  nach  der  Lage  der  Zwillingsebene  können  sechs 
verschiedene  Kanten  an  der  Gränze  zum  Vorschein  kommen. 
Die  Fig.  4,  5  und  6  Taf.  II  stellen  die  drei  verschiedenen 
möglichen  Lagen  der  Berührungsebene  dar,  aus  denen 
sich  die  sogleich  zu  erwähnenden  sechs  Zwillingskanten 
ergeben.  Jene  drei  Figuren  sind  gerade  Projectionen  auf 
eine  Ebene  parallel  einer  Fläche  des  zweiten  quadratischen 
Prismas.  Die  Zwillingsebene  erscheint  verkürzt  zu  einer 
verticalen  Linie. 

In  Fig.  4  Taf.  II  herrscht  das  eine  Individ  so  sehr  über 
das  andere  vor,  dafs  dies  letztere  nur  eine  aus  zwei 
Flächen  o  und  zwei  t  gebildete  Ecke  konstituirt.  Die 
Zwillingskanten  i:o  oder  o:i  betragen  hier  179°  8'  37"; 

oben  ein-,  unten  ausspringend.  Der  Winkel,  unter  welchem 
die  Kanten  t :  t  und  o  :  o  oder  o  :  o  und  t :  t  zusammen- 

stofsen,  beträgt  179°  24'  43". 

Fig.  5  Taf.  II  zeigt  zwar  das  eine  Individ  noch  über 
das  andere  vorherrschend,  doch  nicht  mehr  in  gleicher 
Weise  wie  im  ersten  Fall.  Das  weniger  entwickelte  In- 
divid besitzt  vier  Flächen  o  und  sechs  Flächen  t.  In  dieser 
Lage  der  Zwillingsebene  begegnen  sich  die  Flächen  t :  o, 

o  :  t  unter  175°  8'  20",  oben  ein-,  unten  ausspringend.  Die 

beiden  Flächen  t  •,  über  welche  die  Gränze  in  der  Ricb- 


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205 


tung  der  unsymmetrischen  Diagonale  verläuft,  fallen  genau 
in  Eine  Ebene.  Es  ist  dies  eine  Folge  der  Thatsache, 
dals  die  Flächen  t1  und  t*  parallele  und  natürlich  gleiche 
Combinationskanten  bilden  würden,  wenn  sie  mit  u,  der 
Zwillingsebene,  zum  Durchschnitt  kämen.  Die  ebenen 
Winkel  zwischen  den  Kanten  t :  t  und  o  :  o  in  der  Projec- 

tionsebene  der  Figur  beträgt  hier  174°  42' 9". 

Fig.  6  Taf.  II  stellt  den  dritten  Fall  dar,  in  welchem 
die  Zwillingsebene  den  Krystall  symmetrisch  theilt.  Es 
begegnen  sich  hier  die  Flächen  o:  o  unter  151°  28' 44",  die 

i:t  am  untern  Ende  unter  141"  45' 48",  während  die  in 

der  Richtung  einer  symmetrischen  Diagonale  laufende 
Zwillingskante  t :  •  den   Winkel  176"  39' 36",  oben  ein-, 

unten  ausspringend  bildet.  Dieser  Winkel  müsste  (gleich 
den  andern  Zwillingskanten),  wenn  die  Leucitform  ein 
Ikositetraeder  wäre,  180°  betragen,  weil  eine  Dodekaeder- 
fläche rechtwinklig  steht  zu  vier  Ikositetraederflächen. 

An  eines  der  Individuen  der  Gruppe  Fig.  3  Taf.  II 
fügt  sich  nicht  selten  ein  drittes  Individ  an,  und  zwar 
meist  in  der  Weise,  dafs  die  Hauptaxe  dieses  letzteren 
nicht  in  der  Ebene  liegt,  welche  durch  die  Hauptaxen 
der  beiden  ersten  Individuen  bestimmt  ist.  Indem  nun 
das  zweite  und  dritte  Individ,  welche  mit  dem  ersten 
zwillingsverwachsen  sind,  auch  mit  einander  zur  Berührung 
kommen,  können  noch  andere  stumpfe  aus-  oder  ein- 
springende Kanten  entstehen  als  die  drei  oben  ange- 
gebenen. Die  Gränzen  der  zu  einer  solchen  Gruppe  ver- 
bundenen Individuen  werden  in  letzterem  Falle  nicht 
immer  durch  wohlgebildete  Zwillingskanten,  sondern  durch 
Knickungen  bezeichnet.  Dadurch  wird  es  zuweilen  fast  un- 
möglich, die  Gruppe  in  ihre  einzelnen  Theile  aufzulösen,  wie 
später  an  einem  Beispiel  gezeigt  wird.  Jetzt  erst,  nachdem 
wir  die  Zwillingsbildung  des  Leucits  kennen  gelernt  haben, 
wird  es  uns  möglich  seyn,  den  polysynthetischen  Krystall 
(Fig.  1  Taf.  II)  vollkommen  zu  verstehen.  Derselbe  ist, 
wie  bereits  oben  angedeutet,  als  ein  Ftinfling  aufzufassen, 


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206 


indem  nämlich  in  den  herrschenden  Krystall  nach  vier 
verschiedenen  Richtungen,  entsprechend  den  Flächen  des 
ersten  spitzen  Oktaeders,  Zwillingslaroellen  eingeschaltet 
sind.  In  Bezug  auf  die  Zahl  der  Streifenrichtungen  leuchtet 
nun  ein,  dafs  auf  den  Oktaederflächen  o  höchstens  drei, 
auf  den  Dioktaederflächen  nur  zwei  erscheinen  können. 
Von  jenen  vier  Ebenen  der  Zwillingslamellen  schneiden 
nämlich  zwei  die  Oktaederfläche  in  parallelen  Linien,  er- 
scheinen demnach  nur  als  Ein  Streifensystem.  Die  Diok- 
taederfläche  wird  von  zwei  Lamellensystemen  gleichfalls 
in  parallelen  Linien  geschnitten,  es  entsteht  eine  Streifung 
parallel  der  fast  symmetrischen  Flächendiagonale.  Das 
dritte  System  erzeugt  eine  Streifung  parallel  der  Com- 
binationskante  o  :  t.  Das  vierte  Streifensystem  kann  nicht 
zur  Erscheinung  kommen,  weil  die  betreffenden  Flächen 
des  Hauptkrystalls  und  der  Lamelle  vollkommen  ins  Ni- 
veau fallen.  Es  erklärt  sich  jetzt,  wefshalb  gewisse  Linien- 
systeme auf  einer  Fläche  •  nicht  fortsetzen  auf  eine  be- 
nachbarte t,  sondern  an  der  Kante  plötzlich  enden.  Die 
Streifen  z.  B.  auf  t%  welche  von  t1  herüberkommen,  ver- 
schwinden an  der  Kante  r  :  t*  und  können  auf  tfl  nicht 
fortsetzen.  Auch  ist  es  klar,  dafs  auf  den  Flächen  t  keine 
Streifen  weder  parallel  den  secundären  noch  den  primären 
Endkanten  auftreten  können.  Es  folgt  Alles  aus  der  Lage 
der  vier  Flächen  u  zu  den  Flächen  der  Grundform  und 
des  Dioktagders. 

Von  der  Ausbildung  der  Leucitkrystallc  legen  folgende 
Messungen  Zeugnifs  ab: 

Krystall  1.    o1  :  ö1  =  130°  6'  (ber.  130°  3  ) 
o'ro5«  129  58 


133  58  Fundamental  winkel 


134  0 
133  55 


:  t 


131  24  (ber.  131°  23') 

131  23 

146  8  (ber.  J46°9J') 

146  12 


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207 


Krystall  1.    t' :    =  146°  10' 

•*  :i7=*110  47  (ber.  110°  49') 
Krystall  2.    i1  :  t4  =  133  59 

t*  :i8  =  131  23| 

t«:t7  =  131  23 
=  146  6 

i«  :  i*  —  146  9 

•5  :i8  =  146  13 

elzil^U6  37  (ber.  146° 37') 
o' :t'=146  37 

o%  :  t3  =  119  13  (ber.  119°  10J') 

i'  :  t»  =  98  46J  (ber.    98"  47*') 
Krystall3.    i':t8  =  131  23 

i' :  i*  =  146  6 

i»  :  i4  =«  146  9{ 

o'  :  •'  =  146  38 

o*:P  =  U6  354. 
Am  Krystall  1  konnte  au&erdem  die  Zwillingekante 
o  :i  zwei  Mal  gemessen  werden  =  175°  8'  und  175°  11' 
(ber.  175°  $1).  Die  vorstehenden  Messungen  beweisen 
wohl  zum  Genüge,  dals  wenigstens  zuweilen  die  Leucite 
mit  höchster  Regelmäfsigkeit  ausgebildet  sind.  Die  drei 
gemessenen  Krystalle,  deren  Flächen  von  vorzüglicher 
Beschaffenheit,  waren  aus  Einer  Druse  eines  Kalkaus- 
würflings gebrochen.  Alle  in  Drusen  aufgewachsenen 
Leucite  gehören  unzweifelhaft  gleich  jenen  drei  gemessenen 
Krystallen  dem  quadratischen  Systeme  an.  Die  stumpfen 
Zwillingskanten  sind  fast  an  jedem  solchen  Krystalle, 
wenn  man  einmal  darauf  aufmerksam  geworden,  mit  Leich- 
tigkeit wahrzunehmen.  Zwillinge  von  der  regelmäfsigen 
Ausbildung  der  Fig.  3  Taf.  II  sind  gar  nicht  selten:  ich 
verdanke  solche  der  gütigen  Mittheilung  der  HH.  Rose 
und  Scacchi.  Nicht  alle  aufgewachsenen  Leucite  scheinen 
genau  dieselben  Winkel  zu  besitzen  noch  auch  eine  gleiche 
Constanz  derselben,  wie  die  oben  angeführten.  Die  Ur- 
sache solcher  Abweichungen  liegt,  zum  Theil  wenigstens, 
in    der    vielfach   sich   wiederholenden  Zwillingsbildung, 


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208 

welche  die  Deutung  und  Unterscheidung  der  Flächen  o 
und  t  oft  sehr  erschwert,  zuweilen  sogar  unmöglich  macht. 
Man  erwäge  nur,  dafs  an  ein  erstes  Individuum  sich  vier 
Nebenindividuen  anschliefsen  können,  dals  jedes  dieser 
letzteren  wieder  drei  neue  Stellungen,  gleichsam  von  In- 
dividuen dritter  Ordnung,  ermöglicht,  dals  endlich  diese 
zahlreichen  Krystalltheile  von  derselben,  in  der  äuisern  Er- 
scheinung einfachen  Leucitform  umschlossen  werden,  an 
deren  Oberfläche  man  nur  durch  Beobachtung  der  aus- 
und  einspringenden  Kanten,  oder  Knickungen  resp.  Run- 
dungen von  Flächen  die  einzelnen  Individuen  erkennen 
kann. 

Was  die  eingewachsenen  Leucite  betrifft,  so  gestatten 
diese  keine  genauen  Messungen,  und  so  war  es  mir  nicht 
möglich,  für  diese  die  Verschiedenheit  der  Winkel,  ent- 
sprechend dem  quadratischen  Charakter  des  Systems,  zu 
konstatiren.  Die  vom  Vesuv  bei  verschiedenen  Eruptionen 
1822,  45,  47  usw.  ausgeschleuderten  Krystalle  zeigen  zwar 
zuweilen  glänzende  Flächen;  ihre  Reflexbilder  sind  indefs 
fast  immer  verwaschen  oder  mehrfach.  Sehr  häufig  be- 
merkt man  stumpfe  aus-  und  einspringende  Kanten,  zum 
Beweise  dals  auch  diese  Krystalle  ähnlich  den  aufgewach- 
senen gebildet  sind.  In  der  That  scheinen  die  ursprüng- 
lich eingewachsenen  Krystalle  in  hohem  Grade  polysyn- 
thetischen Baues  zu  seyn. 

Angesichts  der  unerwarteten  Thatsache,  dafs  ein  Mine- 
ral, welches  bisher  als  eines  der  ausgezeichnetsten  Bei- 
spiele des  regulären  Systems  galt,  jetzt  als  ein  quadratisches 
betrachtet  werden  mufs,  schien  mir  der  Nachweis  der 
chemischen  Zusammensetzung  von  Krystallen  aus  der- 
selben Druse,  welche  auch  das  Material  zu  obigen  Mes- 
sungen geliefert  hatte,  dringend  geboten.  Zu  der  früher 
schon  ausgesprochenen  Vermuthung,  dafs  es  einen  Natron- 
leucit  gäbe,  gesellte  sich  in  Bezug  auf  unsere  Krystalle 
der  Gedanke,  ob  vielleicht  bei  den  aufgewachsenen  Leu- 
citen  ein  Gehalt  an  Natron  die  Abweichung  vom  regu- 
lären Systeme  bedinge,  wie  etwa  der  Albit  bei  ähnlicher 


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209 


Formel  sich  auch  vom  Orthoklas  unterscheidet.  Diese 
Vermuthung  erheischte  eine   bestimmte  Antwort,  bevor 
die  Frage  nach  dem  Krystallsystem  des  Leucits  als  de 
finitiv  entschieden  gelten  konnte. 

Krystalle,  entnommen  derselben  Druse  wie  die  ge- 
messenen, ergaben  mir  folgendes  Resultat  (angewandte 
Menge  =  0,927  Gr.): 

Spec.  Gew.  2,479  (bei  23°  C.) 

Kieselsäure  55,21  Ox.  29,44 
Thonerde  23,70  11,07 
Kalk  0,43  0,12  ) 

Kali  19,83  3,37  3,80 

Natron         1,21  0,31  i 

100,38. 

Sauerstoffproportion  3,80: 11,07: 29,44  =  1,03  :  3  :  7,96, 
also  sehr  nahe  =  1:3:8;  entsprechend  der  bisher  allge- 
mein für  den  Leucit  angenommenen  Formel  K.O,  A1,03, 
4SiOa  oder  K2  Al2  Si4On,  welche  verlangt:  Kieselsäure 
54,92;  Thonerde  23,52;  Kali  21,56. 

Das  feine  Pulver  des  Minerals  war  durch  Chlorwasser- 
stoffsäure vollkommen  zersetzbar.  Obige  Analyse  beweist 
demnach,  dafs  die  aufgewachsenen,  dem  quadratischen 
Systeme  angehörigen  Leucite  keine  andere  als  die  normale 
Mischung  besitzen,  und  es  unterliegt  deshalb  wohl  kaum 
einem  Zweifel,  dafs  auch  die  eingewachseneu,  einer  ge- 
nauen Messung  nicht  fähigen  Krystalle  quadratisch  kry- 
stallisiren. 

Mit  der  neuen  krystallographischen  Bestimmung  des 
Leucits  steht  nun  auch  das  optische  Verhalten  dieses 
Minerals  mehr  im  Einklänge,  als  es  bei  der  bisherigen 
Annahme  einer  regulären  Krystallisation  der  Fall  war. 
Aus  der  Untersuchung,  welche  wir  Hrn.  Des  Cloizeaux 
verdanken  (Nouv.  recherches  8.  /.  proprietes  optiques  des 
cristaux,  1867,  S.  3 —  5)  folgt,  dafs  der  Leucit  im  polari- 
sirten  Lichte  sich  keineswegs  wie  ein  regulärer  Körper 
verhält.  Des  Cloizeaux  sagt:  „Die  Erscheinungen, 
PoggendorfTs  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  14 


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210 


welche  man  bei  polarisirtem  Lichte  wahrnimmt,  sind 
wesentlich  verschieden  und  wechseln  je  nach  der  Platte, 
welche  man  der  Prüfung  unterwirft  und  nach  der  Rich- 
tung, in  welcher  die  Platte  aus  dem  Krystall  geschnitten 
ist".  Des  Cloizeaux  erwähnt  auch  die  zahlreichen 
Streifen,  welche  im  polarisirten  Lichte  erscheinen,  und  es 
entging  seinem  Scharfsinn  nicht,  dafs  diese  Streifen  „ou 
fissures"  in  der  Ebene  einer  Dodekaederfläche  liegen. 
Hätte  ihm  nicht,  gleich  allen  Fachgenossen,  der  reguläre 
Charakter  unseres  Minerals  als  über  jeden  Zweifel  erhaben 
gegolten,  so  würde  er  gewifs  jene  Streifen  als  Zwillings- 
lamellen gedeutet  und  sogleich  den  wahren  Charakter  des 
Systems  erkannt  haben.  Allen,  welche  mit  Hülfe  des 
polarisirenden  Mikroskops  dünne  Platten  von  Leucitge- 
steinen  untersucht  haben,  sind  die  eigenthümlicheu  Streifen 
der  Leucite  wohlbekannt.  Sie  sind  eine  Folge  derselben 
Zwillingsbildung,  welcher  oben  bei  den  aufgewachsenen 
Krystallen  beschrieben  wurde  '). 

Die"  Krystallisation  des  Leucits  kann  nun  als  eine  der 
eigentümlichsten  unter  allen  Mineralien  gelten.  Obgleich 

1)  Ueber  die  Streifen,  welche  der  Leucit  im  polarisirten  Lichte  zeigt, 
hat  Hr.  Prof.  Zirkel  ausführliche  und  genaue  Mittheilungen  ge- 
macht (s.  Zeitach.  d.  deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  XX,  147—151;  1868). 
»Sehr  viele,  zumal  die  gröfseren  Lcucitdurchschnitte,  sagt  Zirkel, 
bieten  deutliche  Polarisationsphänomene  dar.  Dieselben  bestehen 
darin,  dafs  in  dem  dunkel  werdenden  Leucitdurchschnitt  ein  oder 
mehrere  Systeme  von  parallelen  Streifen  zum  Vorschein  kommen, 
dafs  zuweilen  selbst  der  ganze  Leucitdurchschnitt  aus  abwechselnd 
dunklen  und  lichten  Linien  besteht  usw.  Die  Streifen  erreichen  mit- 
unter eine  ungemeine  Dünne  und  Zartheit,  es  giebt  solche  deren 
Dicke  weniger  als  0,002  Mm.  beträgt.  Nicht  alle  Leucite  zeigen  jene 
Erscheinung.  Dicht  neben  gestreiften  Durchschnitten  sieht  man  andere, 
welche  bei  gekreuzten  Nicols  gänzlich  dunkel  werden".  „Den  Streifen 
entspricht  eine  sehr  feine  mikrolamellare  Structur  des  Leucits". 
Zirkel  wirft  dann  am  Schlüsse  seiner  verdienstvollen  Untersuchung 
über  die  mikroskopische  Structur  der  Leucite  —  indem  er  an  eine 
ähnliche  Ansicht  Marbachs  (Diese  Ann.  Bd.  94  S.  42)  erinnert  — 
die  Frage  auf:  „ Wäre  es  nicht  möglich,  dafs  in  den  Leuciten  die 
polarisirenden  Lamellen  einem  mit  regulärem  Kalileucit  verwachsenen 
doppehbrechenden  Natronleucit  angehören?* 


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211 


nämlich  die  Zwillingsbildung  und  die  Winkelverschicden- 
hciten  denselben  unbedingt  vom  regulären  Systeme  aus- 
schliessen,  so  nähert  er  sich  diesem  letztern  dennoch  wieder 
durch  sein  Pseudo-Ikositetraeder ,  der  ausschliefslich  herr- 
schenden Combination  des  Oktaeders  mit  dem  Dioktaßder 
4P 2.  Dieser  dem  Regulären  sich  nähernde  Charakter  des 
Leucits  bestätigt  sich  auch  darin,  dafs  untergeordnet  sowohl 
die  Flächen  des  ersten  spitzen  Oktaeders  als  auch  die- 
jenigen des  ersten  Prisma' s  hinzutreten.  Eine  hiermit  ver- 
gleichbare Hinneigung  eines  Krystallsystems  zu  einem 
andern  mit  mehr  symmetrischem  Charakter  findet  sich 
bekanntlich  mehrfach  bei  rhombischen  Mineralien;  wenn 
nämlich  das  Verhältnifs  der  Horizontalaxen  sich  den  Werthen 
1,732  :  1  (Makroaxe  zur  Brachyaxe)  nähert,  oder,  mit  andern 
Worten,  der  Winkel  der  Basis  nahe  120°  beträgt.  Wie  das 
verticale  rhombische  Prisma  durch  das  Brachypinakoid  zu 
einem  scheinbaren  hexagonalen  Prisma  ergänzt  wird,  so 
bildet  die  Combination  des  Oktadders  P  mit  einem  Brachy- 

doma  2  P  oo  ein  Pseudodihexaeder.  Die  Beispiele  dieser 
rhombischen  Systeme  und  des  Leucits  zeigen  demnach, 
dafs,  wenn  das  Axenverhältnifs  eines  Oktaeders  von  der 
Art  ist,  dafs  durch  Combination  mit  einer  andern  Form 
eine  Gestalt  entstehen  kann,  welche  in  Bezug  auf  ihre 
Winkel  einer  Grundform  eines  mehr  symmetrischen  Systems 
nahe  kommt,  so  nimmt  jene  Combination  in  ihrem  Auf- 
treten den  Charakter  einer  einfachen  Form  an.  Freilich 
können  wir  beim  Leucit  die  Ursache  des  stets  herrschen- 
den Pseudo-Ikositetraeders  nicht  allein  in  der  Annäherung 
des  Polkantenwinkels  der  Grundform  an  den  Werth 
131°  49' (Winkel  des  Ikositetraeders)  erkennen;  denn  dann 
könnten  wir  noch  bei  andern  quadratischen  Mineralien 
das  Vorherrschen  einer  Leucitform  erwarten.  Der  Vesuvian 
z.  B.,  mit  der  Polkante  129"  20',  könnte  gleichfalls  eine 
dem  regulären  lkositetraeder  verwandte  Form  darbieten. 
Unter  den  zahlreichen  Combinationsformen  des  Vesuvians 
findet  sich  auch  das  Dioktaeder  Qa  :  }a  :  c),  4P2,  welches 
im  Allgemeinen  nicht  häufig  beobachtet  wird.  Niemals 

14» 


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212 


hat  man  aber  beim  Vesuvian  diese,  dem  Ikositetraeder  ver- 
wandte Combination  als  herrschende  Form  gesehen.  Es 
muis  demnach  dem  Leucit  eine  besondere  Hinneigung  zum 
regulären  System  innewohnen. 

Es  gesellt  sich  nun  der  Leucit  zu  jener  ausgezeichneten 
Reihe  quadratischer  Mineralien,  welche  für  den  Vesuv  so 
charakteristisch  sind :  Zirkon,  Humboldtilith,  Mejonit,  Miz- 
zonit,  Sarkolith  und  Vesuvian. 

I   

Nachdem  Obiges  geschrieben  (s.  Monatsber.  d.  K.  Ak. 
zu  Berlin,  1.  Aug.  72),  erhielt  ich  durch  die  Güte  der  HH. 
G.  Rose,  Scacchi,  Ewald  und  Hessenberg  mehrere 
ausgezeichnete  Krystalle,  deren  Untersuchung  unsere  Kenut- 
nifs  der  Leueitkrystallisation  zu  fördern  geeignet  schien. 
Hrn.  Scacchi  verdanke  ich  aufserdem  eine  Sammlung 
jeuer  merkwürdigen  vesuvischen  Auswürflinge  (der  Erup- 
tion vom  26.  April  1872),  welche  neugebildete  Leucitc 
zeigen.  Auf  diese,  in  zerstörter  alter  leucitischer  Lava 
durch  Sublimation  neugebildeten  Leucite  gründet  Hr. 
Scacchi  vorzugsweise  seine  Ansicht,  dafs  dies  Mineral 
ein  polysymmetrischer  Körper  sey  (etwa  vergleichbar  dem 
schwefelsauren  Kali)  und  sowohl  im  quadratischen  als 
auch  im  regulären  System  krystallisiren  könne.  An  die 
Untersuchung  der  mir  anvertrauten  Krystalle  werden  sich 
deshalb  Mittheilungen  über  die  neugebildeten  Leucite  so- 
wie eine  Discussion  der  Scacchi'schen  Ansic  ht  knüpfen. 

Fig.  7  Taf.  II  ist  ein  Portrait  des  Ewald'schen  Kry- 
stalls.  Die  meisten  Flächen  erlauben  genauste  Messungen. 
Als  ich  früher  in  den  Fig.  4,  5,  6,  Taf.  II  die  dreifache 
Modifikation  in  der  Ausdehnung  der  Zwillingsindividuen 
darlegte,  kannte  ich  nur  Krystalle  wie  Fig.  3  Taf.  II.  Der 
Krystall  des  Hrn.  Ewald  ist  nun  eine  Bestätigung  der 
Fig.  4  Taf.  II.  Das  herrschende  Individ  ist  in  gerader 
Projection  auf  eine  Ebene  des  (nicht  vorkommenden) 
zweiten  Prismas  gezeichnet.  Diesem  Krystall  ist  ein 
Zwilliugsstück  angefügt,  gleich  einer  aus  den  Flächen  o 


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213 


und  i  gebildeten  vierseitigen  Pyramide,  genau  wie  die 

Fig.  4  Taf.  II  es  verlangt.  Aufserdem  ist  dem  Hauptindivid 
eine  breite  Zwillingslamelle  eingeschaltet,  welche  ihrer  Stel- 
lung nach  demselben  krystallographischen  Individ  angehört 
wie  das  vordere  pyramidale  Stück.  Die  stumpfen  Kanten 
sind  mit  gröfster  Deutlichkeit  wahrzunehmen  —  aus-  und 
einspringend ;  in  den  Figuren  mita  oder«  bezeichnet  —  genau 
wie  die  obigen  Voraussetzungen  es  erheischen.  Die  Zwil- 
lingslamelle trägt  selbst  wieder  feine  Streifen,  welche  dem- 
nach dieselbe  Stellung  besitzen  wie  das  Hauptindivid.  Man 
bemerke ,  dafs  die  Streifen  und  die  Zwillingsgränze  der 
Fläche  t"  nicht  übertreten  auf  was  am  Original  auf  das 
Deutlichste  wahrnehmbar  ist.  Es  liegen  nämlich  die  ent- 
sprechenden Flächen  t  beider  Individuen  auf  der  Fläche  t5 
vollkommen  im  Niveau;  entsprechend  der  unsymmetrischen 
Diagonale  in  Fig.  5  Taf.  II.  Die  Streifen  auf  t3  gehören  einem 
dritten  Individ  an,  dessen  Zwillingsebene  die  obere  (fast 
symmetrische)  Ecke  t*  i*  o  o  abstumpfen  würde.  An  diesem 
Zwiilingskrystall  wurden  folgende  Kanten  gemessen: 

|i  :i*    =133°  58'  (ber.  133"  58') 

i3  :  i*    =  134    1  „ 

i*:t«    =  133  57 

r  :  t8  l)  =  134    3  „ 

V  :?    =131  14  (ber.  131°  23^ 

»*  :»«     =  131  20 

«131  23  „ 

t6:t8     =131  23  „ 

i8:t'     =146    9}  (ber.  146*  9J') 

•*:t*    =146  10  „ 

t>  :  o     =  146  43 

o*:i      =  146  37 

ol:o3    =  130    3   (ber.  130°  3  ) 
t«  :ol    =179  14   (ber.  179°  8J')  einspr. 
t':o3    =  179    7  „ 
o  :  t      =  179    7J  ausspr.  „ 
1)  Diese  Flächen  gehören  der  Hintereeite  an  und  gränzen  an  i*  nnd  i\ 


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214 


Wenn  wir,  wie  es  hei  diesem  ausgezeichneten  Krystall 
der  Fall  ist,  nicht  nur  die  Kanten  des  einfachen  Individs, 
sondern  auch  die  überaus  stumpfen,  dem  blofsen  Auge 
kaum  mehr  sichtbaren  Zwillingskanten,  parallel  der  fast 
symmetrischen  Diagonale,  mit  den  berechneten  Winkeln 
sehr  nahe  oder  vollkommen  übereinstimmend  sehen,  so 
müssen  wir  den  Gedanken  an  zufallige  Knickungen  der 
Flächen  und  dergl.  aufgeben  und  können  nur  die  Stabilität 
der  Flächen  bewundern. 

He ssenberg's  Krystall  ist  ein  Zwilling,  dessen  beide 
Individuen  fast  genau  im  Gleichgewicht  stehen,  entsprechend 
Fig.  6  Taf.  II  (welche  Zeichnung  eine  mir  damals  —  Mo- 
natsber.  d.  Ak.  —  noch  nicht  vorliegende  Modifikation  dar- 
stellen sollte).  Der  Krystall  ist  mit  demjenigen  Ende  frei 
ausgebildet,  an  welchem  die  ii  sich  begegnen;  gerundet 

und  abgebrochen  hingegen  an  demjenigen  —  in  der  Fig.  6 
Taf.  II  dem  obern  —  Ende,  an  welchem  die  o  o  erscheinen 

müssen.  Es  ist  überhaupt  eine  seltsame  Eigenthümlichkeit 
des  Leucits,  dafs  er  seine  Oktaederflächen  zu  verbergen 
und  die  Dioktaederflachen  t  dem  Beschauer  zuzukehren 
strebt.  In  Folge  defs  hat  man  ziemlich  selten  Gelegenheit, 
die  Kanten  der  Grundform  zu  messen,  wie  bereits  obige 
Daten  verrathen.  Es  gilt  dies  sowohl  für  die  Zwillinge 
als  auch  für  die  mehr  einfachen  Krystalle.  In  Folge  dieser 
Thatsache  gelangte  ich  erst  auf  einem  Umwege  zur  rich- 
tigen Erkenntnifs  des  Systems,  welches  ich  zuerst  für 
rhombisch  hielt  Bei  deu  aufgewachsenen  Krystallen  stöfst 
man  nämlich  vorzugsweise  auf  solche,  welche  eine  primäre 
Seitenecke  des  Dioktaeders  als  Scheitel  ausgebildet  zeigen. 
So  nahm  ich  die  Form  für  rhombisch  und  fand  das  Ver- 
hältnils der  supponirten  Brachyaxe  zur  Verticalaxe  genau 
wie  2:1,  welche  Relation  mich  erst  zur  Erkennung  des 
quadratischen  Systems  führte. 

Der  Hessenb  erg'sche  Krystall  erscheint  zwar  dem 
blofsen  Auge  tadellos.  Das  Fernrohrgoniometer  läfst  in- 
defs  die  Reflexe  etwas  verwaschen  erscheinen,  so  dafs  die 
Messuugen  nicht  von  gleichem  Werthe  wie  die  des  Ewald'- 


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215 


sehen  Krystalls  sind.  An  jedem  der  beiden  zum  Zwillinge 
verbundenen  Individuen  wurden  zunächst  zwei  Seitenkanten 
des  DioktaSders  bestimmt: 

t':i*  =  133°  50'  (ber.  133"  58') 

ta :  i4  =  133  53 

t»:ta=  133  47  „ 

t»:i4  =  133  56.  „ 

Die  Messungen  zweier  Dioktaeder-E^dkanten  an  jedem 
Individ  ergaben: 

t1  :t3  =  131°  31'  (ber.  131°  23J) 
t*:t4  =  131  39  „ 
il  i  i8  =  131  38 

i*:i*=131  40  (circa).  „ 

Die  ZwiUingskanten ,  welche  in  der  Richtung  einer 
symmetrischen  Diagonale  verlaufen  (Fig.  6  Taf.  II),  wurden 
bestimmt: 

»:  t—  1770  4'  (ber.  176°  39]')  ausspr. 
t :  ja  177  0  „  einspr. 

Während  demnach  die  Messungen  für  die  Seitenkanten 
von  t  einen  zu  kleinen  Werth  ergaben,  sind  die  primären 
Endkanten  von  i  zu  grofs.  Die  Differenz  zwischen  beiden 
Kanten,  nämlich  den  Seiten-  und  den  Endkanten,  ist 
weniger  bedeutend  als  uuser  Axenverhältnifs  es  verlangt, 
oder  —  mit  andern  Worten  —  die  Combination  o  i  dieses 
Leueitkrystalls  nähert  sich  etwas  mehr  dem  regulären 
Ikositetragder  als  die  typischen  Krystalle. 

Fi<r.  8  Taf.  II  stellt  einen  Drilling  dar,  welchen  mir 
G.  Rose  anvertraute.  Aufser  den  gewöhnlichen  Flächen 
kommen  an  demselben  die  seltenen  Flächen  des  ersten  spitzen 
Oktaeders  Ii  und  des  quadratischen  Prismas  m  vor.  In  Folge 
der  Zwillingsbildung  liegen  m  und  u  neben  einander,  fast 

in  gleichem  Niveau.  Durch  die  römischen  Zahlen  I,  II,  III 
sind  die  drei  Individuen  bezeichnet,  aus  denen  das  schein- 
bare Ikositetraßder  sich  zusammensetzt.  Die  Zwillings- 
ebene der  beiden  Individuen  I  und  II  ist  in  unserer  Gruppe 


216 


auch  als  Krystallfläche  u  vorhanden.  Die  SteDung  dieser 
beiden  Individuen  ist  genau  dieselbe  wie  beim  Zwilling 
(Fig.  7  Taf.  II)  diejenige  des  herrschenden  Individs  zur 
eingeschalteten  Zwillingslamelle,  t5  und  i  fallen  vollkommen 

ins  Niveau,  daher  die  Gränze,  nachdem  sie  die  Flächen 
m  und  u  geschieden,  erlischt.    Die  Individuen  II  und  III 

haben  zur  Zwillingsebene  die,  gleichfalls  als  Krystallfläche 
auftretende,  ti.   Eft  folgt  aus  dem  Gesagten,  dafs  I  und  III 

zwar  in  Zwillingsstellung  sich  befinden  zum  Individuum  II, 
nicht  aber  zu  einander.  Die  Fläche  t7  ist  also  gemein- 
sam den  Individuen  I  und  II,  und  die  einspringende  Kante, 
welche  die  genannte  Fläche  von  o1  scheidet,  ist  eine  wahre 

Zwillingskante;  nicht  so  aber  die  Kante  zwischen  o'  und  i. 

Diese  ist  „unregelmäfsig". 

Krystalle  wie  Fig.  8  Taf.  II  bieten  nun  den  Schlüssel 
zum  Verstälidnifs  der  polysynthetischen  Verwachsungen 
dar,  welche  begreiflicherweise,  wenn  die  Zahl  der  ver- 
bundenen Individuen  gröfser  ist,  bald  unentwirrbar  werden. 
Folgende  Messungen  geben  Auskunft  über  die  Bildung 
unseres  Drillings. 

V:P=  133°  34i'    (ber.  133°  58') 

i3  :  t4  =  133  30 

V  :  r  =  133  25  „ 

t' :  i3  =  131  46     (ber.  131*23^') 
i»:t4  — 131  57  „ 
PsF»  131  40  Ä 

o'ro3«  130    1     (ber.  130°  3*) 

(ein  2.  Bild  =  130  58) 

t»:f*=»H6  14     (ber.  146°  9£') 

7>:t7=  146  30  circa 

=  145  54 
OliV  =  146  17     (ber.  146°  37') 

o«  :t7  =  146  11  n 

o3:is  =  H6  4« 


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217 

al:o'  =150  16     (ber.  151°  18  V) 

=109  14     (ber.  109°  7 V) 
P:ol  =  176  25     (ber.  175°  8J) 
t4ro3=  176  23  || 
t7ro*=175  54 

f.-o1  =  176  2 

Hei  diesem  Krystall  macht  sich  eine  noch  gröl'sere  Ab- 
weichung geltend  wie  bei  demjenigen  Hessenberg  s,  und 
zwar  in  demselben  Sinne,  so  dals  die  Differenz  zwischen  der 
Seitenkante  und  der  primären  Endkante  des  Dioktaeders 
geringer  ist  als  die  Axenverhältnisse  es  erheischen.  Denken 
wir  uns  in  der  Gruppe  Fig.  8  Taf.  II  das  Individ  II  mehr 
ausgedehnt,  sodafs  sämmtliche  vier  Flächen  o  zum  Vorscheiu 

kommen,  so  erhalten  wir  das  Bild  eines  andern  ausge- 
zeichneten Krystalls  der  Berliner  Sammlung,  des  einzigen, 
an  welchem  ich  sämmtliche  vier  Oktaßder-Endkanten  messen 
konnte  =  130°  10',  130"  4',  130"  10',  130"  8',  demnach  in 
naher  Uebereinstimmung  mit  dem  berechneten  Werthe 
130"  8'  und  zum  erneuteu  Beweise  der  quadratischen  Kry- 
stallisation  des  Leucits.  Zwei  Combinationskanten  o :  t 
desselben  Individs  ergaben  die  Werthe  146°  35',  146  *29' 
(ber.  146°  37');  eine  Dioktaeder-Endkante  tri  =  131°  12' 
(ber.  131°  23J).  Die  einspringenden  Zwillingskanten  ort 
messen  —  175°  44'  und  175"  53' (ber.  175°  8J).  Auch  hier 
weichen,  wie  bei  dem  vorigen  Krystall,  die  Zwillingskanten 
besonders  von  dem  Werthe  der  Normalgeatalt  ab.  Sie 
sind  stumpfer.  Höchst  wahrscheinlich  liegt  die  Ursache 
in  dem  polysynthetischen  Bau  der  Gruppe,  vermöge  dessen 
dieselbe  sich  allmälig  scheinbar  der  Idealgestalt,  dem 
IkositetraSder,  nähert. 

Aus  dem  oben  über  die  Zwillingsbildung  unter  Hin- 
weis auf  Fig.  1  Taf.  II  Gesagten  geht  hervor,  dafs  die 
Streifen  auf  den  Dioktaederflächen  weder  den  primären 
noch  den  secundärcn  Endkauten  parallel  gehen  können, 
sondern  entweder  der  Combinationskante  o :  t  oder  der- 


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218 


jenigen  u:i  (der  fast  symmetrischen  Diagonale  ent- 
sprechend) parallel  sein  müssen.  Desgleichen  wurde  nach- 
gewiesen, dafs  auf  den  Oktaßderflächen  die  Zwillings- 
streifen nicht  parallel  der  Kante  o :  u  (oder  der  symme- 
trischen Diagonale)  sondern  stets  nur  parallel  einer  Com- 
binationskante  o  :  t  seyn  können. 

Wenn  sich  nun  nichtsdestoweniger  Krystalle  finden, 
deren  Flächen  o  gestreift  sind  entsprechend  der  symme- 
trischen Diagonale,  oder  deren  Dioktaederflächen  Zwillings- 
kanten parallel  einer  secundären  Endkante  tragen  — ,  wenn 
zugleich  solche  Krystalle  vielfach  abweichende,  dem  regu- 
lären Ikositetraeder  mehr  genäherte  Winkel  besitzen,  so 
könnte  man  leicht  verzweifeln,  den  durch  ein  solches 
Wirrnils  leitenden  Faden  zu  finden  und  zu  dem  Glauben 
verleitet  werden,  es  existirte  neben  dem  quadratischen 
Leucit  noch  eine  zweite  Varietät  von  chemisch  gleicher 
Zusammensetzung,  welcher  sehr  nahe  oder  genau  die 
Gestalt  des  regulären  Ikositetraeders  zukomme.  In  der 
That  waren  mir  Zwillingsgränzen ,  welche  in  der  Ebene 
einer  Fläche  des  quadratischen  Prisma's  m  zu  liegen  schienen 
(s.  Fig.  9  Taf.  II),  anfangs  unerklärlich.  Indefs  schon  der 
früher  besprochene  Drilling  Fig.  8  Taf.  II  zeigte  auf  der 
Fläche  i7  eine  einspringende  Kante  parallel  der  secundären 
Endkante  t1  :  i\  und  ist  wohl  geeignet,  auch  das  Verständ- 
nils komplicirterer  Fälle  anzubahnen. 

Man  erinnere  sich,  dafs  bei  mehrfacher  Zwillingsver- 
wachsung, wenn  dieselbe  aus  ein  und  demselben  Gesetze 
hervorgegangen  ist,  die  verschiedenen  Individuen  zweiter 
oder  dritter  Ordnung  mit  einander  in  Berührung  kommen, 
sich  durchwachsen  und  Kanten  bilden  können;  dafs  dies 
aber  nicht  statt  findet,  wenn  die  polysynthetische  Ver- 
wachsung eine  Folge  verschiedener  Gesetze  ist.  Als  Bei- 
spiel des  ersten  Falls  kann  der  Kalkspath,  des  zweiten 
der  Anorthit  gelten.  Da  nun  den  Verwachsungen  des 
Leucits  nur  Ein  Gesetz  zu  Grunde  liegt,  so  können  sich 
mit  dem  primären  Individ  nicht  nur  die  vier  Zwillings 
individuen  erster  Ordnung  in  Kanten  verbinden,  sondern 


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219 


auch  diese  unter  einander,  sowie  die  Zwillingsindividuen 
zweiter  Ordnung  mit  dem  primären  Individ,  sowie  mit 
allen  erster  Ordnung  u.  s.  f.  So  entstehen  unter  dem 
täuschenden  Schein  einer  einfachen  Form  Krystallaggre- 
gate,  deren  kleinste  Theile  fast  zahllosen  Stellungen  ange- 
hören. Die  schliei'slieh  entstehenden  Kanten  der  kom- 
plexen Form,  welche  aber  nichts  weniger  als  eine  wahre 
Krystallgestalt  ist,  können  naturlich  nicht  mit  den  nor- 
malen Werthen  übereinstimmen ,  sondern  nähern  sich,  in- 
dem die  Reflexe  theils  verwaschen  wegen  Flächenkrümmung 
sich  zeigen,  theils  doppelt  in  Folge  von  Knickung,  den 
Kanten  des  regulären  Ikositetraeders.  Solcher  Art  sind 
wahrscheinlich  die  eingewachsenen,  sowie  die  vom  Vesuv 
bei  verschiedenen  Eruptionen  ausgeworfenen  Kry stalle. 
Fig.  9  Taf.  II  stellt  einen  wenig  über  1  Mm.  grofsen, 
gleichfalls  ursprünglich  aufgewachsenen  Krystall 1)  dar,  wel- 
cher zwei  ausspringende,  sich  durchschneidende  Zwillings- 
kanten trägt.  Die  untere  Hälfte  des  Krystalls  ist  ver- 
brochen. Ueber  die  Orientirung  des  herrschenden  Indi- 
vids  I  belehren  folgende  Messungen  : 
t' :  =  133°  40'  (ber.  133°  58  )  .  :  o1  =  146°  37'  (146°  37  ) 
o»:o4=sl30    5i(ber.l30    3)  .  i  :  o1  =»  146  38. 

Die  Stellung  des  Individs  I  ist  demnach  genau  gleich 
derjenigen  des  Individs  I  in  der  Gruppe  Fig.  8  Taf.  II. 
Auch  über  die  Stellung  des  Krystallstücks  II  kann  kein 
Zweifel  seyn,  da  gemessen  wurde 

t1  :i3=  131°  204'  (bor.  131°  23|> 

Das  Individ  II  der  Fig.  9  Taf.  II  steht  demnach  genau 
wie  das  entsprechende  der  Gruppe  8,  mit  dem  einzigeu 
Unterschied,  dals  es  in  9  mehr  zurückgedrängt  ist.  Die 
Aehnlichkeit  des  Baues  tritt  auch  darin  hervor,  dals  wir 
die  ausspringende  Zwillingskante  wiederum  erheblich  zu 
stumpf  finden  : 

o*  :  i'  =  176°  37'  (ber.  175°  8|*> 

Wie  aber  erklärt  sich  die  zweite  sehr  stumpfe  aus- 
springende Zwillingskante,  in  der  Figur  durch  eine  feinere 
gestrichelt -punktirte  Gränze  bezeichnet?  Fassen  wir  zu- 
1)  Aus  der  neapolitanischen  Sammlung. 


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220 


nächst  diejenigen  Theile  der  Linie  ins  Auge,  welche  (in 
Einer  Ebene  liegend)  scheiden  t3  und  o*  sowie  t1 :  o\  so 

haben  wir  hier  genau  den  Fall  der  Fig.  4  Taf.  II  und 
des  Ewald'schen  Krystalls  Fig.  7  Taf.  II.  Es  wurde 
nämlich  gemessen  t' :  o' ■=  179°  1'  ausspr.  (ber.  179"  8|). 

Einen  unmittelbaren  Zusammenhang  der  beiden  in  Rede 
stehenden  Theile  der  Zwillingsgränze  kann  man  nicht 
wahrnehmen,  weil  die  Unterseite  des  Krystalls  fehlt.  Zu 
dem  Individuum  II  stehen  also  die  beiden  Individuen  I 
und  III  in  Zwillingsstellung.  Machen  wir  uns  nun  die 
gegenseitige  Stellung  der  letzteren  beiden  Individuen  klar, 
so  ergibt  sich ,  dafs  sie  eine  nur  vrenig  verschiedene  ist. 
Es  wird  dies  deutlich,  wenn  wir  uns  an  den  Zwilling 
Fig.  3  Taf.  II  noch  ein  drittes  Individ  angefugt  denken, 
dessen  Hauptaxe  in  der  Ebene  der  Hauptaxen  der  beiden 
erstem  liegt.  Diese  drei  Individuen  haben  nun  eine 
Ncbenaxe  gemeinschaftlich,  während  die  Hauptaxen  Winkel 
von  87"  3' 26"  einschliefsen,  sodafs  der  Winkel,  welchen 
die  Hauptaxen  der  beiden  äufsern  Individuen  einschliefsen, 
5°  53'  8"  beträgt.  Diese  sich  wiederholenden  Zwillings- 
verwachsungen, bei  welchen  die  Hauptaxen  entweder  in 
Einer  Ebene  bleiben  —  kreisförmige  Verwachsungen  — , 
oder  ihre  Lage  im  Räume  wechseln,  sind  ja  beim  Zinn- 
stein und  Rutil  allbekannt.  Kehren  wir  wieder  zurück 
zu  den  Individuen  I  und  UI  der  Gruppe  Fig.  9  Taf.  II, 
so  haben  dieselben  genau  die  eben  angedeutete  Stellung 
zweier  äufsern  Individuen.  Eine  Nebenaxe,  die  in  der 
Ebene  des  Papiers  liegende  Linie  xy,  ist  ihnen  gemeinsam, 
die  Hauptaxen  bilden  den  angegebenen  Winkel,  und  zwar 
liegt  die  Axe  von  I  in  der  Zeichnungsebene,  während 
diejenige  von  II  im  Sinne  der  Kante  ta :  t4  gesenkt  ist. 
Am  Krystall  Fig.  9  Taf.  U  konnten  folgende  Kanten  ge- 
messen werden: 


146°  23'  (ber.  146°  37') 
146  16 

133'  5  (ber.  133°  58') 


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221 


t'  :t*=133°15'   (ber.  133°  58') 

P  et1«  145  22 

i*i  ta=145  5 

i*:i8  =  146  27{ 
o':i'  =  147  10 

§• :  i*  =  178  44  ausspr. 

t7      =  178  42.  « 

Der  nach  unten  gewandte  Theil  des  Krystalls  mit  den 
Flächen  t',  t8,  o1,  o  verräth  in  deutlichster  Weise  seine 
unregelmäßige  Zusammensetzung,  indem  die  Flächen  aus 
einzelnen,  durch  unregelmäßige  Furchen  getrennten,  nicht 
genau  einspiegelnden  Facetten  bestehen.  Auch  die  Strei- 
fung  (vergl.  die  Figur)  beweist  die  Polysynthcsie  des  Kry- 
stalls, indem  sie  an  den  stumpfen  ausspringenden  Kanten 
beginnend  oder  endend  beweist,  dafs  hier  Gränzen  ver- 
schiedener Individuen  vorliegen.  Wenngleich  die  Deutung 
der  einzelnen  Flächentheile,  ob  o,  ob  i,  sowie  die  Unter- 
scheidung der  Individuen  in  dem  komplexen  Krystallbau 
bald  unmöglich  wird,  um  so  mehr,  da  zugleich  die  Winkel 
ihren  Constanten  Charakter  verlieren  und  sich  den  Werthen 
des  Ikositetraeders  mehr  nähern:  so  ist  doch  gewils  ein- 
leuchtend, dafs  solche  polysynthetischen  Gebilde,  welche 
aus  zahllosen,  zu  einem  scheinbar  einfachen  Krystall  ver- 
bundenen Stücke  bestehen,  nimmermehr  einen  Beweis 
gegen  die  quadratische  Natur  des  Leucits  begründen 
können. 

Noch  complicirter  als  Fig.  9  Taf.  II  ist  ein  anderer 
Krystall  aus  der  neapolitanischen  Sammlung,  welchen  Fig.  10 
Taf.  II  darstellt.  Es  erscheinen  hier  sehr  stumpfe  aus- 
springende Kanten,  welche  die  Flächen  o  in  der  Richtung 
einer  symmetrischen  Diagonale  durchziehen,  während  der 
Krystall  wesentlich  aus  den  beiden  Individuen  I  und  II 
(mit  einspringenden  Kanten  sich  begegnend)  besteht, 
ganz  so  wie  Fig.  3  Taf.  II.     Die  Zwillingsgränze  (ge- 


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222 


strichelt  punktirt)  ist  rings  um  den  Krystall  in  deutlichster 
Weise  zu  verfolgen,  oben  ein-,  unten  ausspringend,  auf  ih 
und  r  unsichtbar,  weil  hier  die  Flächenhälften  in  Einem 
Niveau  liegen.  Die  beiden  in  einer  sehr  stumpfen  Kante 
parallel  der  symmetrischen  Diagonale  sich  begegnenden 
Hälften  der  Fläche  ol  bilden  den  Winkel  179°  34'.  Die 
folgende  Uebersicht  verräth  eine  grofse  Unregelmäfsigkeit 
der  Kanten: 

o3 :  o}  =  130*  30' 
o8:ol  =  130  10 
O4:oa=l30  6. 

Während  diese  Winkel  in  befriedigender  Weise  mit 
deu  Normal werthen  übereinstimmen,  ist  es  bei  den  fol- 
genden  nicht  ebenso  der  Fall: 


o3  :  O4 

131°  54' 

1*  !  ••  = 

146" 

19' 

o1  :  o1 

132  30 

•7  :  t8  = 

145 

58 

132  30 

er :  V  =s 

146 

20 

ift : 

132  49 

t7:t6  = 

132 

20 

t7 :  tlü 

130  56 

Oa:i4  = 

177 

20  circa 

•*:•« 

132  40 

o«:t«  = 

177 

13. 

Wir  sehen  den  Unterschied  der  beim  Normal  krystall 
difierenten  Winkel  verwischt.  Im  Allgemeinen  ist  die 
Aehnlichkeit  der  Krystalle  9  und  10  unverkennbar,  nur 
ist  letzterer  in  noch  höherem  Grade  polysynthetisch,  wie 
auch  die  Streifung  beweist,  welche  au  der  Individuengränze 
plötzlich  abbricht.  Bemerkenswerth  ist  es,  dafs  einzelne 
Streifen  (z.  B.  im  linken  oberen  Oktanten)  die  Zwillings- 
gränze  durchbrechend,  aus  einem  Individ  in  das  andere 
übergehen.  Von  welcher  Art  diese  Linien  sind,  ob  viel- 
leicht nur  der  Oberfläche  angehörend,  habe  ich  nicht  er- 
mitteln können ;  wie  überhaupt  der  Krytall  Fig.  10  Paf.  II 
mit  seiner  vielfachen  Streifung,  der  Knickung  seiner 
Flächen,  den  gestörten  Winkeln  nicht  vollkommen  zu  ent- 
räthseln  war. 

Untersucht  man  nun  in  ähnlicher  Weise,  wie  es  oben 
in  Bezug  auf  die  aufgewachsenen  Leucite  geschehen,  die 


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223 

i 

ringsum  frei  ausgebildeten  Krystalle,  um  au  ihnen  den 
quadratischen  Charakter  des  Systems  nachzuweisen,  so 
stöfst  mau  auf  die  gröfsten,  ja  auf  unüberwindliche 
Schwierigkeiten.  Mit  dem  Reflexionsgoniometer  mefsbar 
siud  von  den  frei  ausgebildeten  Krystallen  nur  die  bei 
einigen  Eruptionen  z.  B.  1845  lose  ausgeschleuderten. 
Doch  auch  diese  letztern,  wenngleich  von  glänzenden 
Elächen  umschlossen,  geben  keine  scharfen,  dazu  meist 
doppelte  Bilder.  Für  ihren  polysynthetischen  Bau  sprechen 
die  stumpfen  aus-  oder  einspringenden  Zwillingskanten, 
welche  man  auf  vielen  Flächen  beobachtet.  Die  Mes- 
sungen der  läugern  Kanten  dieser  scheinbaren  Ikositetra- 
eder  schwanken  zwischen  130"  und  134",  entsprechend 
den  dreierlei  Kanten  130°  3',  131*  23',  133°  58'.  Versucht 
man  nun  aber  die  Flächen  o  und  t  zu  unterscheiden  und 
den  Krystall  in  seine  Individuen  zu  zerlegen,  so  gelingt 
dies  nicht.  Man  findet  z.  B.  keine  Ecke  zu  welcher  nur 
Kanten  gleicher  Art  130°  3'  zusammenstofsen  und  ebenso 
keine  symmetrische  Ecke,  zu  welcher  abwechselnd  zwei 
Kanten  von  131°  23'  und  133°  58'  sich  begegnen.  Es  ist 
dies  eine  Folge  der  vielfachen  Zwillingsbildung.  Diese 
losen  Krystalle  der  Leucitregen  scheinen  aus  sehr  vielen 
stückweise  vertheilten  Individuen  zu  bestehen,  deren  Auf- 
lösung eiu  „Problem  der  drei  Körper44  seyn  würde. 

Auch  nachdem  wir  für  scheinbar  einfache  Leucitformen 
eine  polysynthetische  Zusammensetzung  nachgewiesen,  ist 
die  Frage,  ob  es  neben  den  quadratischen  Leuciten  nicht 
auch  reguläre  Krystalle  gäbe?  eine  naheliegende  und  durch- 
aus berechtigte.  Es  lösen  sich  in  der  That  aus  den  alten 
Sommalaven  die  Leucitkrystalle  mit  einer  scheinbar  so 
vollkommnen  Ikositetraeder-Gestalt  heraus,  dafs  man  bei 
ihrem  Anblick  nur  schwer  den  Glauben  an  ihre  reguläre 
Natur  wird  aufgeben  können.  Einen  solchen  20  Mm. 
grolsen  Krystall  sandte  mir  mein  Freund  Hesse nberg 
mit  den  Worten:  „Er  ist  zwar  nicht  glänzend,  aber  so 
schön  gebildet,  dafs  man  sich  mit  dem  Anlegegoniometer 
vollkommen   überzeugen   kann,  dafs  er  isometrisch  kry- 


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224 

stallisirt  ist,  und  nirgends  Kanten  von  133°  58'  zugleich 
mit  andern  von  130°  3',  also  um  beinahe  4°  diflerirend, 
besitzt.  Auch  von  Zwillingstheilung  ist  Nichts  zu  ent- 
decken." An  dem  fraglichen  Krystall,  von  vollkommen 
symmetrischer  Ausbildung  scheinen  in  der  That  die  längern 
Kanten,  so  weit  das  Anlegegoniometer  zu  ermitteln  ge- 
stattet, gleich  zu  seyn.  Eine  Kante  von  133°  58'  suchte 
auch  ich  vergeblich.  Alle  jene  Kanten  scheinen  sehr 
nahe  =131°  49',  dem  Werthe  der  langem  Kanten  des 
Ikositetraeders  202,  zu  seyn.  In  einer  spätem  Zuschrift 
scheint  Hessenberg,  nachdem  er  Kenntnifs  genommen 
von  der  chemischen  Identität  der  auf-  und  eingewachsenen 
Krystalle,  die  früher  geäuiserte  Ansicht  von  zwei  Leucit- 
spezien,  welche  sich  etwa  unterschieden  wie  ortho-  und 
klinoklastische  Feldspathe,  aufzugeben,  von  Neuem  indefs 
darauf  hinweisend,  dafs  jene  scheinbar  vollkommen  iso- 
metrischen Gestalten  eine  kaum  begreifliche  Thatsache 
seyen. 

Eine  höchst  beinerkenswerthe  Ansicht  über  die  Natur 
des  Leucits  hat  vor  Kurzem  in  Zusammenhang  mit  meiner 
ersten  Mittheilung  Scacchi  geäufsert  (Contribuzioni  mine- 
ralogiche,  Atti  R.  Accad.  scienze  Napoli  1872).  Nach  ihm 
ist  der  Leucit  ein  polysymmetrisches  Mineral.  Es 
wird  nöthig  seyn,  an  die  von  Scacchi  entdeckte  und  in 
die  Wissenschaft  eingeführte  Thatsache  der  Polysym- 
metrie  l)  zu  erinnern.  Es  ist  dies  eine  besondere  Art  der 
Polymorphie:  wenn  nämlich  zwei  Formen  einer  chemisch 
identen  Substanz  zwar  verschiedenen  Krystallsystemen  an- 
gehören und  verschiedene  physikalische  Eigenschaften  be- 
sitzen, trotzdem  aber  eine  vollkommene  Analogie  und  fast 
genau  übereinstimmende  Neigung  aller  Flächen  besitzen 

1)  Scacchi,  JUisimmttria  d*i  cristalli ,  Atti  R.  Accad.  Scienze  Napoli 
1863,  1865  (im  Auszug  übertragen  von  RammcUberg,  Zeitschr.  d. 
deutschen  geol.  Ges.  Bd.  XVII,  S.  35.  1865).  Delle  combinazioni  della 
Litina  ron  Vacido  solforico,  Atti  etc.  1868.  Zutreffend  bemerkt  der 
ausgezeichnete  Verfasser  von  den  in  letzterer  Arbeit  mitgetheilten 
»Fatti  ammirevoli'1  in  einer  gütigen  Zuschrift  »sono  ignorati  general- 
mente*. 


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225 


(z.  B.  beim  Weinstein  sauren  Strontian,  Sr0.2C4H,06 
H-5H20).  Als  ein  besonderes  Kennzeichen  polysym- 
metri8clier  Ery  stalle  bezeichnet  Scacchi  die  Thatsache, 
dafs  die  beiden  Krystallmodificationcn,  wenn  sie  sich  zu- 
sammen verbinden,  in  genau  paralleler  Stellung  verwachsen, 
sey  es,  dafs  die  eine  Form  die  Flachen  der  andern  bedeckt, 
oder  im  Innern  der  einen  Form  und  aus  ihrer  Substanz 
Erystalle  der  andern  Form  sich  bilden.  Scacchi  leitet 
seine  Bemerkungen  in  Bezug  auf  die  Polysymmetrie  des  Leu- 
cits  mit  folgenden  Worten  ein:  „Mit  einem  gewissen  Wider- 
streben theile  ich  die  Erwägungen  mit,  welche  mich  zu 
der  Ansicht  zweier  durch  Polysymmetrie  verschiedener 
Leucitspezies  gefiihrt  haben,  da  jene  Erwägungen  sich 
nicht  auf  beweisende  Thatsachen  stützen." 

Unter  Voraussetzung  zweier  Leucitspezies  würde  nach 
der  Meinung  Scacchi's  die  von  ihm  entdeckte,  in  jeder 
Hinsicht  überaus  wichtige  Thatsache,  dafs  durch  vul- 
kanische Dämpfe  die  eingewachsenen  Leucite 
der  Fragmente  alter  Sommalaven  zerstört  und 
in  kleinen  Hohlräumen  derselben  Stücke  durch 
Sublimation  zierliche  Leucite  neu  gebildet  wer- 
den, sich  zwar  nicht  erklären,  aber  doch  weniger  unbegreif- 
lich seyn.  Unter  den  Bedingungen  der  erneuten  vulkanischen 
Einwirkung  würden  sich  die  ursprünglichen  regulären 
Krystalle  in  quadratische  umwandeln,  wie  etwa  unter  ge- 
wissen Bedingungen  aus  den  triklinen  Krystallen  des  zwei- 
fach weinsteinsauren  Strontians  die  polysymmetrisch  ver- 
schiedenen monoklinen  Krystalle  entstehen.  Scacchi  ver- 
sucht nun  den  Nachweis  zu  führen,  dafs  die  eingewachsenen 
Leucite  wirklich  reguläre  Formen  besitzen  „la  qual  cosa 
fügt  er  hinzu,  non  e  facile  a  dimosfrare."  Er  wählte 
zur  Messung  einen  1845  vom  Vesuv  ausgeschleuderten 
Krystall,  von  modellähnlicher  Ausbildung  mit  ziemlich 
glänzenden  Flächen,  „ohne  Andeutung  jener  Zwillings- 
bildung der  in  Kalkblöcken  aufgewachsenen  Leucite". 
Dafs  indefs  der  fragliche  Krystall  nicht  einfach,  sondern 
von  polysynthetischer  Bildung  war,  scheint  nach  allem 

PoggeüdorftJs  Ann.    Erganzungsbd.  VI.  15 


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226 


Obigen  aus  folgenden  Worten  Scacchi's  mit  Bestimmtheit 
hervorzugehen:  „Ein  Hindernifs  für  genaue  Messungen 
beruht  in  der  Unebenheit  seiner  Flächen.  Gewöhnlich 
bieten  dieselben  eine  sehr  stumpfe,  zuweilen  ein-,  häufiger 
noch  ausspringende  Kante  dar,  welche  in  der  Richtung 
der  symmetrischen  Diagonale  verläuft  und  doppelte,  zu- 
weilen mehr  als  1°  differirende  Bilder  verursacht*.  Es 
stimmt  dies  also  vollkommen  überein  mit  dem,  was  ich 
oben  als  Ergebnifs  der  Messungen  eines  solchen  Krystalls 
aussprach.  Obgleich  der  unregelmäfsig  synthetische  Bau 
des  Scac Chilenen  Krystalls  sich  aus  seinen  Worten  er- 
giebt,  so  gestatte  ich  mir  dennoch  die  Resultate  seiner 
Messungen  (Mittel  aus  zuweilen  Über  1°  differirenden 
Werthen)  mitzutheilen.  Es  wurden  durch  Scacchi 
sämmtliche  24  kürzere,  pseudooktaedrische  Kanten  des 
Krystalls  gemessen.  Nennen  wir  die  an  den  Enden  der 
Axen  liegenden  Ecken  a  a',  b  b',  c  c',  so  betragen  die  4 
zu  jeder  dieser  Ecken  zusammenstofsenden  Kanten: 


a  = 

134° 

11' 

131°  57' 

133° 

11' 

134°  8' 

a'= 

133 

3 

133  32 

133 

16 

133  31 

6  = 

132 

10 

132  49 

133 

3 

133  2 

6'= 

132 

5 

131  44 

133 

43 

133  29 

134 

9 

134  15 

131 

46 

130  57 

c  = 

132 

11 

131  44 

131 

20 

131  21. 

Diese  Uebersicht  lehrt  wohl  zur  Genüge  die  vielfache 
Unregelmäßigkeit  im  Bau  dieser  Krystalle,  deren  Zerlegung 
in  einzelne  Individuen  sich  als  unmöglich  erweist.  Be- 
merkenswerth ist  wohl,  dafs  unter  all  jenen  Winkel  werthen 
nicht  ein  eiuziger  der  Endkante  des  Leucitoktaeders  130°  3' 
nahe  kommt.  Wir  finden  hier  dieselbe  Thatsache  bestätigt, 
welche  bereits  früher  angedeutet  wurde.  Der  Leucit 
strebt,  sey  es  durch  die  Weise  des  Aufgewachsenseins, 
soy  es  durch  Zwillingsbildung  seinen  oktaedrischen  Scheitel 
zu  verbergen.  Jener  ringsum  freie,  von  Scacchi  gemessene 
Krystall  wendet  nach  aufsen  nur  dioktaedrische  Kanten. 

Der  Annahme  einer  zweiten,  im  regulären  System  kry- 
stallisirenden  Leucitspezies  würden  sich  sofort  wieder  die 


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227 

gröfsten  Schwierigkeiten  entgegenstellen.  Man  erinnere 
sich  der  oben  erwähnten  Erscheinungen  eingewachsener 
Leucite  im  polarisirten  Licht,  welche  von  Z irkel  trefflich 
beschrieben  wurden.  Die  eingewachsenen  gestreiften  Kry- 
stalle  sind  unzweifelhaft  quadratisch;  da  jene  Streifen 
genau  den  früher  geschilderten  ZwillingslamelJen  ent- 
sprechen. Wir  würden  also  zu  der  Annahme  genöthigt 
seyn,  dafs  unter  den  eingewachsenen  Krystallen  theils  die 
quadratische,  theils  jene  vermeintliche  reguläre  Spezies 
vertreten  sey,  eine  Annahme,  welche  in  höchstem  Grade 
unwahrscheinlich  ist. 

Was  nun  die  oben  angedeutete  Thatsache  der  Neu- 
bildung von  Leuciten  aus  vulkanischen  Dämpfen  unter 
gleichzeitiger  Zerstörung  der  ursprünglichen  Leucite  be- 
trifft, so  ist  sie  gewils  in  hohem  Grade  unerwartet,  mag 
auch  immerhin  manchem  Facbgenossen  zunächst  unglaub- 
lich erscheinen,  —  sie  ist  indels  doch  vollkommen  analog 
dem  was  früher  über  die  Neubildung  des  Augits  in  Aus- 
würflingen der  letzten  Eruption  mitgetheilt  wurde  (s.  diese 
Ann.  Bd.  144  S.  562). 

In  den  Auswürflingen  der  genannten  Eruption  ist  die 
Neubildung  des  Leucits  nicht  selten;  unter  33  von  Scacchi 
beschriebenen  „Projetti"  weisen  10  diese  Neubildung  auf. 
Die  betreffenden  Gesteine  sind  theils  derbe  Lavamassen 

—  proj.  monolitici  — ,  theils  conglomeratähnliche  Massen 

—  proj.  conglomerati  — ,  deren  gerundete  Lavastückc 
durch  krystallinischc  Neubildungen  cementirt  werden.  Da 
Hr.  Scacchi  die  Güte  hatte,  mir  eine  Sammlung  dieser 
neuesten  Auswürflinge  zu  senden,  so  hatte  ich  Gelegen- 
heit, seine  Angaben  vollkommen  zu  bestätigen.  Besonders 
zierlich  sind  die  Leucite  in  gewissen  Conglomeraten ,  in- 
dem sie  theils  auf  der  Oberfläche  der  Lavabruchstücke 
aufgewachsen,  theils  mit  kleinen  braunen,  gleichfalls  neu- 
gebildeten Augiten  zu  einem  Aggregat  verbunden  sind,  das 
Cement  und  die  Zwischenmasse  des  Conglornerats  bildend. 
Die  Leucite  sind  l  bis  *  Min.  grofs  und  zeigen  trotz  ihrer 
Kleinheit  die  einspringenden  Zwillingskanten   auf  vielen 

l.V 


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228 


* 


Flächen  sehr  deutlich.  Die  Winkel  stimmen,  soweit  Mes- 
sungen bei  der  äufsersten  Kleinheit  der  Kry stalle  möglich 
waren,  mit  den  Werthen  der  in  Kalkblöcken  aufgewachsenen 
Leucite  tiberein. 

Ein  Mineral  durch  Sublimation  gebildet  zu  sehen,  wel- 
ches vor  dem  Löthrohr  unschmelzbar,  ist  gewifs  in  höchstem 
Grade  überraschend.  Indefs  bedarf  es  wohl  kaum  der 
Erinnerung,  dafs  die  Leucitmischung  nicht  als  solche  gas- 
förmig gedacht  wird,  sowenig  wie  Hornblende,  Augit, 
Glimmer,  Granat,  Sodalith,  Nephelin,  Sanidin,  sondern 
dafs  alle  diese  Mineralien  sich  erst  aus  gasförmigen  Ver- 
bindungen gebildet  haben.  Schon  Scacchi  führt  an,  dafs 
die  neugebildeten  Leucite  v.  d.  L.  unschmelzbar  sind  — 
eine  Angabe,  welche  ich  bestätigte  —  so  dafs  eine  Ver- 
wechselung mit  Analcim  nicht  möglich  ist. 

Die  Ermittelung  der  chemischen  Zusammensetzung 
dieser  neutfebildeten  Leucite  schien  mir  sehr  wüuschens- 
werth  zum  Zwecke  ihres  Vergleichs  mit  den  eingewach-  j 
senen  und  den  in  Kalkblöcken  aufgewachsenen,  chemisch 
identischen  Krystallen.  Leider  erwies  es  sich  unausführbar, 
von  den  nur  mittelst  der  Lupe  erkennbaren,  mit  Horn- 
blende und  Eisenglanz  verwachsenen  Leucitkrystallchen 
die  zu  einer  genauen  Analyse  erforderliche  Menge  aus- 
zusuchen. Schon  das  Aussuchen  von  0,207  Gr.,  immer 
noch  durch  die  genannten  Mineralien  verunreinigter  Sub- 
stanz erheischte  mehrere  Tage.  Da  die  beigemengte  Horn- 
blende in  Chlor wasserstoffsäure  unlöslich,  das  aus  dem 
gelösten  Eisenglanz  derivirende  Eisenoxyd  in  Abzug  ge- 
bracht werden  konnte,  so  schien  auch  jene  geringe  Menge 
genügend,  um  namentlich  in  Bezug  auf  den  Kaligehalt  die 
chemische  Identität  der  neugebildeten  mit  den  ältern  Leu- 
citen  nachzuweisen.  Von  jenen  207  Mgr.  blieben  nach 
Behandlung  mit  Chlorwasserstoffsäure  ungelöst  zurück  und 
erwiesen  sich  als  Hornblende :  65  Mgr.,  ferner  wurden  ge- 
funden 4  Mgr.  Eisenoxyd,  herrührend  von  Eisenglauz.  Die 
übrigbleibenden  138  Mgr.  bestanden  aus  78  Mgr.  Kiesel- 
säure; 35  Mgr.  Thonerde;  22,4  Kali;  3,8  Natron.  Berechnet 


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I 


229 


man  diese  Bestandteile  allein  auf  die  Mischung  des  ge- 
lösten Silicats,  so  erhält  man: 

Kieselsäure  56,5  pCt.,  Thonerde  25,3,  Kali  16,2,  Natron  2,8, 
Zahlen,  welche  in  Anbetracht  des  geringen  zur  Analyse 
verwendeten  unreinen  Materials,  in  durchaus  befriedigender 
Weise  mit  der  Leucitmischung  übereinstimmen.  Es  scheint 
der  Leucit  demnach  stets  von  gleicher  Mischung  zu  seyn, 
ob  er  in  eingewachsenen  Krystallen  in  der  Lava  oder 
aufgewachsen  in  Drusen  der  Kalk-  oder  Sanidin-Auswürf- 
linge,  oder  endlich  als  Sublimationsprodukt  der  neueren 
vulkanischen  Thatigkeit  auftritt.  Wie  die  Zusammensetzung, 
so  scheint  auch  das  Krystall System  unseres  Minerals  stets 
dasselbe  zu  seyn  —  eine  bisher  einzig  dastehende  Modifi- 
cation  des  quadratischen  Systems. 

66.  Ueber  die  chemische  Zusammensetzung  der  durch  Sublimation  in 
Vesuvischen  Auswürflingen  gebildeten  Krystalle  ton  Augit  und 

Hornblende. 

Nachdem  ich  in  früheren  Mittheilungen  (s.  diese  Ann. 
Bd.  125  S.  420  und  Bd.  144  S.  562)  gezeigt  zu  haben 
glaube,  dafs  die  genannten  Mineralien  in  gewissen  Fällen 
durch  vulcanische  Dämpfe  gebildet  wurden,  schien  es  mir 
von  Interesse,  die  Zusammensetzung  solcher  Vorkommnisse 
zu  erforschen,  um  wenigstens  die  nothwendige  Vorbedingung 
für  eine  Erklärung  dieser  räthselhaften  Bildungsweise  zu 
gewinnen. 

Es  ist  im  Allgemeinen  nicht  schwer,  die  durch  Subli- 
mation bei  einer  wiederholten  vulcanischen  Thatigkeit  in 
Blocken  der  Sommalaven  nachträglich  erzeugten  Mineralien 
zu  erkennen.  Während  nämlich  die  „alte  Lava",  welche 
den  Auswürfling  bildet,  verändert  und  zersetzt,  mürbe 
oder  gefrittet,  an  der  Oberfläche  sogar  geschmolzen  ist, 
sind  alle  Hohlräume  —  oder  wenn  der  Auswürfling  von 
conglomeratischer  Beschaffenheit  ist  —  die  zwischen  den 
einzelnen  gerundeten  Stücken  vorhandenen  Zwischenräume 
mit  den  feinsten,  frischesten,  glänzendsten  Kryställchen 
bekleidet  und  erfüllt.  Wo  die  Grundmasse  nur  den  ge- 
ringsten Raum  gewährt,  zeigen  sich  die  Neubildungen, 


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230 


Betrachtet  man  mit  der  Lupe  das  glänzende  Krystall- 
gewimmel  eines  solchen  „Projeltof  und  vergleicht  es  mit 
dem  todten,  erstarrten  Magma  der  „Lava  antica,"  des 
Substrats  der  Neubildungen,  so  kann  man  die  Ueberzeugung 
nicht  zurückweisen,  dafs  diese  Blöcke  gleichsam  von  einer 
mineralerzeugenden  Aura  vollkommen  durchdrungen  wur- 
den. —  Die  durch  Sublimation  gebildeten  Krystalle  sind 
zuweilen  innen  hohl,  oder  bestehen  aus  zahlreichen  parallel 
gestellten  kleinsten  Krystalltheilen.  Eine  besondere  Schwie- 
rigkeit für  die  chemische  Analyse  dieser  Vorkommnisse 
liegt  auch  hier  in  der  geringen  Menge  des  zu  beschaffenden 
Materials.  Von  den  kleinen,  meist  nur  haarfeinen  Krystall- 
nadeln  der  Hornblende  z.  B.,  welche  die  Hohlräume  eines 
15Ctm.  grofsen  Auswürflings  bekleiden,  gehen  wohl  tau- 
send oder  selbst  mehr  auf  1  Gr.  Zudem  sind  Augit  und 
Hornblende  zuweilen  mit  weifsen  Silicatkrystallcn,  Anorthit, 
Nephelin,  Sodalith,  durchwachsen,  welche  ein  sorgsames 
Aussuchen  erheischen.  Bei  den  folgenden  Analysen  (mit 
Mengen  von  circa  \  Gr.  ausgeführt)  war  demnach  zunächst 
das  Ziel  meiner  Untersuchung  der  Nachweis,  ob  diese 
sublimirten  Varietäten  von  Augit  und  Hornblende  eine  im 
Allgemeinen  ähnliche  Mischung  besitzen  wie  diejenigen 
anderer  älterer  Lagerstätten.  Gegenstand  meiner  Analysen 
waren:  zunächst  Augit  und  Hornblende,  welche  auf  ein- 
und  demselben  Auswürfling  (a),  offenbar  gleichzeitig  und  in 
gleichartiger  Weise  durch  Sublimation  gebildet  wurden, 
sodann  eine  Hornblende,  welche  in  feinen,  schwarzen  Kry- 
stalluadeln  die  Hohlräume  eines  Leucitophyrblocks  (6)  be- 
kleidet. 

a)  Der  ersterwähnte  Gesteinsblock,  ein  Auswürfling  von 
1822,  welcher  beide  so  nahe  verwandte  Mineralspezies  als 
gleichartige  Sublimationsproduktc  erkennen  läfst,  ist  fürwahr 
eine  Bestätigung  der  Worte  von  H  u  m  b  o  1  d  t  's :  Bei  den  Aus- 
brüchen des  Vesuvs  in  den  Jahren  1822  und  1850  haben  sich 
Augite  und  Hornblend-Krystalle  durch  Dampfexhalationen 
auf  Spalten  gleichzeitig  gebildet"  (s.  Kosmos  IV,  S.  478). 
Obgleich  seit  der  Veröffentlichung  dieser  Worte  eines  der 


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231 


berühmtesten  Naturforschers  in  einem  der  verbreitetsten 
Werke  so  ausserordentlich  viel  über  Bildung  der  Silicate  ge- 
schrieben wurde,  so  scheint  unter  jenen  Autoren  Niemand 
sich  der  Aeufserung  Humboldt's  erinnert  oder  dieselbe 
auch  nur  gekannt  zu  haben. 

Der  in  Rede  stehende  Auswürfling  ist  conglomeratiseher 
Art,  gerundete  Fragmente  der  ursprünglichen  Leucitophyr- 
lava  sind  durch  Neubildungen  verbunden.  Unter  leichtem 
Drucke  zerbröckelte  die  Bombe  in  jene  Stücke  alter  por- 
phyrartiger  Lava,  welche  an  ihrer  Oberfläche  mit  Kry- 
stallinischeu  Neubildungen  —  einem  Aggregat  der  zierlich- 
sten Krystalle  —  bedeckt  sind.  Diese  Neubildungen  ver- 
binden auch,  gleich  eiuem  Cement,  die  Bruchstücke  der  pri- 
mitiven Lava.  Die  Beschaffenheit  dieser  letztern  erkennt 
man  erst,  wenn  mau  die  Stücke  durchbricht ;  es  zeigt  sich 
dann  eine  fast  dichte,  durch  zahlreiche,  1  Mm.  grofse,  aus- 
geschiedene Leucite  und  gröfsere,  doch  spärliche,  grüne 
Augite  porphyrartige  Lava.  In  dem  lockern,  zuweilen 
zelligen,  höchst  krystallinischen  Aggregat  der  Neubildungen 
erkennt  man:  Augit,  Hornblende  und  Magneteisen  unter- 
mischt und  eingelagert  in  ein  weifses  krystallisches  Mineral- 
gcmenge.  Der  ncugebildete  Augit  ist,  wie  der  eingewachsene, 
von  grüner  Farbe,  in  1  bis  2  Mm.  grofsen  Krystallen, 
umgränzt  vom  verticalen  achtseitigen  Prisma  und  dem  ge- 
wöhnlichen Hemioktaeder,  dessen  Kante  —  von  120"  48'  — 
zuweilen  abgestumpft  ist.  Als  eine  Eigenthümlichkeit  dieses 
Augits,  welcher  auch  in  einzelnen  Zwillingeu  beobachtet 
wurde,  ist  hervorzuheben,  dafs  die  Krystalle  aus  zahllosen 
kleinsten  Theilchen  aufgebaut  sind.  Die  Flächen  erhalten 
dadurch  einen  seidenähnlichen  Glanz  uud  sind  nicht  genau 
mefsbar.  Die  Hornblende  ist  von  brauner  Farbe,  mit  glänzen- 
den Flächen,  welche  genaue  Messungen  gestatten.  Die  Kry- 
stalle, deren  Länge  2  bis  3  Mm.,  bei  einer  Dicke  von  \  bis 
J  Mm. ,  zeigen  eine  Combination  folgender  Flächen :  verti- 
cales  rhombisches  Prisma  mm  nebst  Ortho-  und  Klino- 
pinakoid,  in  der  Endigung  die  Basis  p  (vgl.  Naumann, 
El.  d.  Min.  8  Aufl.)  nebst  dem  negativen  Hemioktaeder 


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232 


z  z  und  den  beiden  positiven  Hemioktaedern  r  r  und  c  c 
(r  bei  Miller  es  t).  Es  wurden  an  diesen  Krystallen  fol- 
gende Kanten  gemessen ;  zur  Vergleichung  mögen  die  von 
Phillips-Miller  angegebenen  Winkel  dienen: 


Phillipa-Miller 

m :  m 

=  124° 

26' 

124°  30' 

24 

r:m 

=  110 

52 

111  13 

r:p 

=  145 

35 

145  35 

r :  r' 

=  148 

28 

148  28. 

Die  Association  von  Augit  und  Hornblende  und  ihre 
augenscheinlich  gleichartige  Bildungsweise  läfst  —  bei  den 
bekannten  nahen  Beziehungen  beider  Mineralien  —  als 
besonders  interessant  die  Frage  erscheinen,  ob  beide  hier 
wohl  in  regelmäfsiger  Verwachsung  sich  befinden.  Die 
genauere  Untersuchimg  lehrt,  dafs  Augit  und  Hornblende 
sich  hier  im  Allgemeinen  unabhängig  von  einander  gebil- 
det haben;  dafs  aber,  wo  beide  in  Berührung  mit  einander 
sind,  ihre  Krystalle  gewöhnlich,  wenn  auch  nicht  aus- 
nahmslos, eine  parallele  Stellung  besitzen,  sodafs  die  Ver- 
ticalaxen  identisch  sind  und  die  Basis  p  der  Hornblende 
nach  derselben  Seite  geneigt  ist,  wie  die  Kante  des  ge- 
wöhnlichen Hemioktaeders  des  Augits.  Es  folgt  hieraus, 
dafs  in  diesen  Verwachsungen  die  Klinoaxen  beider  Mine- 
ralien nach  derselben  Seite  gesenkt  sind,  sowie  dafs  bei 
dor  krystallograpbischen  Aufstellung  derselben  eine  gleiche 
Rücksicht  beobachtet  werden  mufs. 

Die  geringe  Menge  des  zur  Verfügung  stehenden  Ma- 
terials (vom  Augit  0,637 Gr.,  von  der  Hornblende  nur 
0,409  Gr.)  gestattete  nur  je  Eine  Analyse  auszuführen. 
Da  mit  kohlensaurem  Natrium  aufgeschlossen  wurde,  so 
mufste  leider  auf  eine  Bestimmung  der  Alkalien  und  ebenso 
mufste  auf  eine  Ermittlung  der  Oxydationsstufe  des  Eisens 
verzichtet  werden. 

Grüner,  durch  Sublimation  gebildeter  Augit  vom  Vesuv 
(Eruption  von  1822). 


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233 


Spec.  Gew.  3,252.    Glühverlust  0,26. 


Kieselsäure    48,4  Ox.  25,83 

Thonerde        5,6  2,60 

Eisenoxydul    9,5  2,10 

Kalk            22,9  6,55 

Magnesia      13,7  5,49 
~TÖ0,T7 


Dieser  Augit  hat  demnach  die  normale  Mischung  eines 
Kalk-Magnesia-Eisen-Augits  und  stimmt  sehr  nahe  über- 
ein mit  den  in  den  Vesuvlaven  eingewachsenen  Krystallen. 
Raminelsberg  fand  nämlich  für  die  Augitkrystalle  aus 
dem  Lavastrome  von  1858  folgende  Zusammensetzung: 
Kieselsäure  49,61;  Thonerde  4,42;  Eisenoxydul  9,08;  Kalk 
22,83;  Magnesia  14,22  .  Sa  =  100,16  („die  kleine  Menge 
von  Eisenoxyd  wurde  nicht  bestimmt")  (Zeitschr.  d.  deutsch, 
geol.  Ges.  Bd.  XI,  S.  497,  1859).  Damit  unser  Augit 
mit  der  von  Rammelsbere:  für  die  Thonerde  und  Eisen- 
oxydhaltigen  Augite  und  Hornblenden  aufgestellten  Formel 
(n  R  SiO,  -f-  R203)  übereinstimme,  müssen  wir  annehmen, 
dafs  nur  die  kleinere  Hälfte  des  Eisens  als  Oxydul,  die 
gröfsere  als  Oxyd  vorhanden  ist:  Kieselsäure  48,4;  Thon- 
erdc  5,6;  Eisenoxyd  5,71;  Eisenoxydul  3,94;  Kalk  22,9; 
Magnesia  13,7  .  Sa  =  100,25.  Diese  Mischung  würde  nun 
genau  der  Formel  (9  R  Si  Oa  -f  R2  Oa)  entsprechen. 

Braune,  durch  Sublimation  gebildete  Hornblende  vom 
Vesuv  (Eruption  von  1822). 

Spec.  Gew.  3,112.    Glühverlust  0,24. 


Kieselsäure 

41,7 

Ox.  22,24 

Thonerde 

8,3 

3,88  | 

8,29 

Eisenoxyd* 

14,7 

4,41  S 

Kalk 

14,5 

4,14  ) 

Magnesia 

16,5 

5,80 

11,07 

Natron  (Verlust) 

4,4 

1,13  S 

• 

100,0 . 

Wie  bereits  bemerkt,  konnte  eine  Bestimmung  der 
Alkalien  hier  nicht  stattfinden.    Dafs  der  Verlust  den  Al- 


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234 


kalien  zugelegt  wurde,  findet  seine  Begründung  in  dem, 
besonders  durch  Rauimelsberg  für  die  thonerdehaltigen 
Hornblenden  allgemein  nachgewiesenen  Gehalte  an  Alkalien. 
Neben  dem  Natron  fand  Rammeisberg  freilich  zuweilen 
eine  überwiegende  Menge  von  Kali,  während  wir  oben 
nur  Natron  angenommen  haben.  Rammeisberg  be- 
stimmte in  den  Hornblenden  von  Bogoslowsk  2,08  pCt. 
Natron;  0,24  Kali,  von  Cernosin  1,64  Natron;  1,54  Kali, 
von  Härtlingen  1,71  Natron;  1,92  Kali,  vom  Vesuv  0,55 
Natron;  3,37  Kali. 

Wenn  die  Mischung  der  durch  Sublimation  gebildeten 
Hornblende  der  Formel  entsprechen  soll,  so  müssen  wir 
sämmtliehes  Eisen  als  Oxyd  in  gleicher  Weise  wie  die 
Thonerdc  aulserhalb  des  Silikats  stellen.  —  Die  beiden 
durch  Sublimation  gebildeten  Mineralien,  deren  Analyse 
oben  mitgetheilt  wurde,  unterscheiden  sich  demnach  nicht 
von  andern,  bisher  untersuchten  Vorkommnissen.  Noch 
möchte  darauf  hinzuweisen  seyn,  dafs  Augit  und  Horn- 
blende -  so  verwandt  dieselben  in  Mischung  und  Form 
auch  seyn  mögen  —  selbst  dann  verschieden  zusammen- 
gesetzt sind,  wenn  sie  sich  gleichzeitig  und  augenschein- 
lich unter  gleichen  Bedingungen  gebildet  haben.  Als  di- 
morphe Körper  im  engem  Sinne  können  dieselben  dem- 
nach wohl  nicht  aufgefafst  werden. 

Die  oben  erwähnten,  weifsen  krystallinischen  Tbeile, 
welche  gleichfalls  als  Produkte  der  Sublimation  sich  dar- 
stellen, sind  wegen  ihrer  aufscrordentlich  geringen  Gröfse 
schwierig  zu  bestimmen.  Doch  gelang  es,  annähernd  sechs- 
seitige Tafeln  als  Anorthit  oder  als  einen  andern  Plagio- 
klas  zu  erkennen.  Die  Umgränzung  der  Tafeln,  welche 
stets  Zwillinge  zu  seyn  scheinen ,  geschieht  durch  die 
Flächen  PP,  xx,  /eft,  zu  welchen  T,  /  hinzutreten.  An- 
dere sehr  kleine  Krystalle  des  weifsen  Mineralaggregats 
scheinen  dem  Nephclin  anzugehören,  welcher  in  andern 
Auswürflingen  von  gleicher  Art  und  Bildung  in  deutlichen, 
flächenreichen  Krystallen  erscheint.  Auch  Sodalith  fehlt 
nicht,  dies  häufigste  Drusen inineral  der  vesuvischen  Lava. 


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235 


b)  Die  Grundmasse  des  15  Cm.  grofsen  Leucitophyr- 
bloeks1),  aus  dessen  Drusen  die  nadeiförmigen  Krystalle  der 
schwarzen  sublimirten  Hornblende  entnommen  wurden, 
ist,  wie  ein  mikroskopischer  Schliff  lehrte,  fast  gänzlich  aus 
einem  Aggregat  von  Leuciten  gebildet.  Feine  Kränze 
von  Augitkryställchen  deuten  in  dem  körnigen  Gemenge 
die  Umgränzung  der  Leucitkrystalle  an.  In  dieser  Grund- 
masse liegen  gröfsere  Krystalle  von  Leucit  und  grünem 
Augit.  Die  Hohlräume  sind  zahlreich,  zum  Theil  mehrere 
Cm.  grofs  und  zuweilen  von  auffallend  röhrenförmiger 
Gestalt,  welche  für  manche  Laacher  Auswürflinge  so 
charakteristisch  sind  und  unwillkührlich  an  Dämpfe  er- 
innern, welche  durch  eine  zähe  Masse  aufstiegen.  Eine 
spätere  Umbildung  des  in  Rede  stehenden  Blocks  durch 
vulkanische  Dämpfe  ist  ebenso  unzweifelhaft  und  augen- 
scheinlich, wie  in  Bezug  auf  den  früher  beschriebenen. 
Auswürfling  der  Eruption  vom  April  1872  (diese  Ann 
Bd.  144  S.  562).  Die  Neubildung  von  Mineralien  hat  so- 
gar innerhalb  der  Leucite  stattgefunden ;  da  dieselben  sich 
unter  der  Lupe  zum  Theil  als  ein  Aggregat  von  Sodalith, 
Hornblende,  Magneteisen  darstellen.  Die  Drusen  und 
Poren  unseres  Stücks  sind  nun  mit  den  glänzendsten 
schwarzen  Hornblendenadeln  bekleidet,  von  denen  die 
gröfsten  6  bis  8  Mm.  erreichen.  Zuweilen  erstrecken  sich 
die  schwarzen  etwas  gebogenen  Prismen  von  einer  Seite 
der  Drusenwandung  zur  andern  hinüber.  Am  Scheitel 
tragen  dieselben  zuweilen  eine  Oeffnung,  welche  sich  als 
hohle  Röhre  in  den  Krystall  hineinzieht.  Die  Krystalle 
bieten  das  bekannte  verticale  Prisma  dar,  dessen  stumpfe 
Kante  an  drei  Exemplaren,  wie  folgt,  gemessen  wurde: 
124°  15J';  124°  16';  124°  14'. 

Dieser  Winkel  ist  demnach  um  etwa  10'  weniger  stumpf 
als  derjenige  der  oben  erwähnten  grünen  Hornblende.  In 
der  Endigung  der  Krystalle  erscheint  das  Heinioktaeder  r  r', 
dessen  Flächen  indefs  wegen  allzugeringer  Ausdehnung  nicht 
genau  gemessen  werden  konnten.  Neben  der  Hornblende 
1)  Wahrscheinlich  einer  vorhistorischen  Eruption  angehurig. 


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236 


beherbergen  die  Drusen  einzelne  durch  fast  metallischen 
Glanz  und  bunte  Anlauffarben  ausgezeichnete  schwarze 
Augitkrystalle,  sowie  Oktaeder  von  Magneteisen  und  weifse 
zusammengehäufte  Kryställchen ,  welche  wahrscheinlich 
Sodalith  sind.  —  Zur  Analyse  konnten  trotz  mehrtägigen 
Aussuchens  nur  0,5  Gr.  genommen  werden,  weshalb  auch 
hier  von  einer  Bestimmung  der  Alkalien  und  der  Oxy- 
dationsstufen des  Eisens  abgesehen  wurde. 

Schwarze,  durch  Sublimation  gebildete  Hornblende  vom 
Vesuv. 

Spec.  Gew.  3,235  (bei  20i°C).    Glühverlust  0,30. 
Kieselsäure  41,7       Ox.  22,24 

Thonerde  9,5  4,43  j 

Eisenoxyd  17,7  5,31  i  y'74 

Kalk  13,4  3,83  \ 

Magnesia  13,4  5,36  10,30 

Natron  (Verlust)     4,3  1,11  ) 

100,0. 

Es  bedarf  kaum  der  Bemerkung,  dafs  die  vorstehende 
Analyse  zu  einer  genauen  Kenntnifs  dieser  Hornblende  nicht 
genügt,  vielmehr  nur  die  allgemeine  Stellung  bezeichnen 
soll,  welche  dieser  durch  Sublimation  gebildeten  Hornblende 
in  der  grofsen  Familie  ähnlich  zusammengesetzter  Mine- 
ralien zukommt.  Da  zwei  Bestimmungen  fehlen,  in  Bezug 
auf  das  Eisen  und  die  Alkalien,  so  ist  auch  eine  Berech- 
nung nicht  möglich.  Doch  erkennen  wir,  dals  —  voraus- 
gesetzt, dafs  diese  Hornblende  der  allgemeinen  Formel 
entsprechen  soll  —  der  gröfsere  Theil  des  Eisens  als  Oxyd 
zur  Thonerde  gestellt  werden  mufs  und  nur  der  kleinere 
Theil  in  die  Silicatmischung  eintreten  kann. 

Die  durch  Sublimation  gebildeten  Silicate  scheinen 
demnach  in  chemischer  Hinsicht  sich  von  andern  Vorkomm- 
nissen durchaus  nicht  zu  unterscheiden.  Wir  finden  keinen 
Bestandtheil  in  der  Mischung,  welcher  uns  einen  Finger- 
zeig geben  könnte  in  Bezug  auf  die  Verbindungen,  in 
welchen  die  Elemente  der  Silicate  Dampfgestalt  annahmen. 
Iudeis,  wer  würde  im  vulkanischen  Eisenglanz  die  An- 


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237 


Wesenheit  von  Chlor  voraussetzen,  als  einen  Beweis  der 
Bildung  desselben  aus  flüchtigem  Eisenehlorid? 

Die  oben  erwähnte  schwarze  Hornblende  zeigt  in 
Bezug  auf  ihr  Vorkommen  in  dem  Auswürflinge  grofse 
Aehnlichkeit  mit  den  haarförmigen  röthlichgelben  Horn- 
blende-Krystallen,  welche  Scacchi  in  seinem  Aufsatze 
„Über  die  durch  Sublimation  entstandenen  Silicate"  (Retidic. 
R.  Acc.  Nap.  1852,  s.  Roth,  Vesuv  S.  382)  beschrieb. 
Derselbe  fand  diesen  Block,  von  welchem  er  mir  einen 
Theil  verehrte,  nach  dem  Ausbruche  von  1850  in  einem 
der  neugebildeten  Krater.  „Der  Block  war  aufsen  zer- 
setzt und  mit  den  gewöhnlichen  Fumarolensalzen  bedeckt, 
ausserordentlich  zerbrechlich,  an  manchen  Stellen  be- 
ginnende Verglasung  zeigend."  Das  mir  vorliegende 
Stück  zeigt  einen  Theil  der  dichten  verschlackten  Peri- 
pherie. Das  Innere  ist  aufgelockert  durch  unzählige, 
kleinere  und  gröfsere  unregelmäfsige  Hohlräume  und  Spal- 
ten, welche  mit  feinsten  gelblichbraunen,  zuweilen  fast 
goldglänzenden  Hornblendenadeln  bekleidet  sind.  Die 
Grundmasse  des  Gesteins  ist  fast  dicht  und  besteht  vor- 
herrschend aus  Leucit,  untergeordnet  aus  Augit.  Von 
diesem  merkwürdigen  Lavablocke  besitzt  auch  das  mine- 
ralogische Museum  zu  Berlin  ein  Stück,  welches  von 
G.  Rose  dem  verewigten  G.  Bischof  bei  dessen  Besuche 
in  Berlin  gezeigt  wurde.  Es  wird  nicht  ohne  Interesse 
seyn,  Bischofs  Worte  über  diese  Hornblende  wieder- 
zugeben. „Ich  sah  im  Berl.  Min.  Cabinet  Lava  vom  Vesuv 
mit  Hornblendekry8tallen ,  welche  sich  wie  Fäden  von 
einem  Ende  des  Blasenraums  zum  andern  ziehen.  Meine 
Gründe  gegen  die  plutonische  Bildung  dieser  Krystalle 
haben  sich  dadurch  nur  befestigt.  Wie  ist  es  denkbar, 
dafs  sich  nach  der  Bildung  des  Drusenraums  ein  solcher 
Hornblendefaden  quer  durch  denselben  als  geschmolzene 
Masse  hätte  ziehen  können?"  (Chem.  und  phys.  Geol. 
1.  Aufl.  Bd.  II,  S.  863).  Gewils  dies  ist  undenkbar.  Gleich 
undenkbar  ist  freilich  hier  jede  andere  Bildung  als  die- 
jenige durch  Sublimation. 


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238 

Späterer  Znsatz. 
Nachdem  obige  Untersuchung  vollendet,  erhielt  ich 
durch  Hrn.  Scacchi's  Gute  seine  bereits  früher  er- 
wähnte Arbeit  „ Mineralogische  Beiträge  zur  Geschichte 
des  Vesuv-Ausbruchs  vom  April  1872"  nebst  zahlreichen 
Belegstücken  zu  dieser  wichtigen  Arbeit,  welche  viele 
ähnliche  Beobachtungen  über  Neubildungen  von  Augit 
und  Hornblende  auf  Grund  der  bei  der  letzten  Eruption 
ausgeschleuderten,  auf  den  Lavafluthen  fortgetragenen 
Blöcke  enthält,  wie  sie  im  Vorhergehenden  an  Auswürf- 
lingen früherer  Eruptionen  gemacht  wurden.  Obgleich  ich 
mir  bei  der  Wichtigkeit  und  Mannichfaltigkeit  der  in  den 
Bomben  vom  April  72  vorliegenden  Neubildungen  ge- 
statten werde,  an  anderm  Orte  ')  nochmals  auf  dieselben 
zurückzukommen ,  möchte  ich  doch  schon  hier  erwähnen, 
dafs  unter  den  durch  Sublimation  entstandenen  Silicaten 
dieser  Blöcke  Augit  und  Hornblende  die  gewöhnlichsten 
sindr  hautig  beide  zusammen  in  denselben  Stücken.  Beide 
zeigen  meist  eine  röthlichgelbe  Farbe,  während  die  ur- 
sprünglichen Augite  schwärzlichgrün  sind.  Wenn  ein  Au- 
git der  Grundinasse  in  einen  Hohlraum  hineinragt,  sodafs 
ein  Theil  seiner  Flächen  frei  liegt,  so  gruppiren  sich  die 
neugebildeten,  röthlichgelben  Augitkryställchen  in  paralleler 
Stellung  auf  dem  ursprünglichen  Krystall,  und  bilden  eine 
röthlichgelbe  Hülle  um  den  schwärzlichen  Kern.  Von 
besonderem  Interesse  für  das  Studium  der  Gruppirung  von 
Augit  und  Hornblende  sind  die  conglomeratischen  Aus- 
würflinge, indem  dieselben  zuweilen  wesentlich  ein  Aggre- 
gat von  Augitkrystallen  sind,  welche  mit  Neubildungen 
kleinster  röthlichgelber  Augit-  und  Homblcndckryställehen 
bedeckt  und  überrindet  sind.  Die  Neubildung  von  Augit 
überwiegt  in  diesen  Stücken  diejenige  der  Hornblende, 
welche  mehr  vereinzelte  nadeiförmige  Kryställchen  bildet. 
Die  neuen  Augite  zeichnen  sich  vor  den  ursprünglichen 
grölsern  Krystallen,  welche  lediglich  eine  Combination  des 
achtseitigen  verticalen  Prismas  mit  dem  gewöhnlichen 
Hemioktaedcr  —  von  120}°  —  sind,  durch  zahlreichere 
1)  In  der  Zcitschr.  d.  deutsch,  geulog.  Gesellschaft.  Bd.  XXV,  Heft  2. 


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239 

Flachen  aus.  Die  Stellung  der  Hornblenden  zu  dem 
überrindeten  Augitkrystall  konnte  ich  an  einem  conglome- 
ratischen  Auswürflinge  (von  Scacchi  mit  No.  22  bezeich- 
net) in  gleicher  Weise  bestimmen  wie  in  dem  oben  er- 
wähnten conglomeratischen  Auswürfling  von  1822:  die 
verticalen  Axen  parallel  und  die  Basis  der  Hornblende 
nach  derselben  Seite  geneigt,  wie  die  schiefe  Kante  von 
120}  des  gewöhnlichen  Hemioktaeders  des  Augits1). 

Die  Neubildung  kleiner  Augite  in  Parallelstell ung  auf 
einem  grösseren  ursprünglichen  Krystalle  erinnert  in  über- 
raschender Weise  an  ähnliche  und  gleiche  Erscheinungen, 
welche  früher  „von  der  schwach  zusammengebackenen 
Asche  der  Fumarolenspalte"  von  Plaidt  bei  Andernach 
beschrieben  wurden.  Es  wurde  damals  berichtet,  dafs 
„aus  der  zerbröckelten  Lava  viele  Augite  herausfallen  mit 
eigenthümlich  rauher  schimmernder  Oberfläche.  Das  Mi- 
kroskop lehrt,  dafs  diese  letztere  herrührt  von  kleinsten 
gelben,  flächenreichen  Augiten  in  regelmäfsiger  Verwach- 
sung. Auch  die  Hornblendekrystalle  jener  aschenähnlichen 
Schlacken  von  Plaidt  zeigen  eine  ähnliche  Erscheinung: 
parallel  verwachsene,  gelbe  Prismen  von  Hornblende  auf 
dem  ursprünglichen  Krystall.  Zerbricht  man  solche  Kry- 
stalle, so  zeigt  sich  auf  der  Bruchfläche  das  Innere  schwarz 
und  von  einem  goldglänzenden  Rande  umsäumt. u  (Diese 

1)  Das  gleiche  Gesetz  der  Grnppirung  wird  auch  von  Scacchi  hervor- 
gehoben, mit  dem  Hemerken  dafs  er  eine  andere  Stellung  von  Augit 
und  Hornblende  bei  ihrer  regelmäfsigen  Verwachsung  in  diesen  Aus- 
würflingen nicht  gesehen.  Scacchi  beobachtete  in  den  genannten 
Gruppirungen  auch  die  Flächen  z  (Miller)  der  Hornblende  —  von 
ihm  mit  t  bezeichnet  — ,  welche  fast  genau  parallel  sind  mit  den  s 
(von  ihm  i  genannt)  des  Augits.  Scacchi  begeht  indefs  eine  Ver- 
wechselung, wenn  er  hinzufügt,  dafs  in  diesen  so  bestimmten  Ver- 
wachsungen die  geringen  Abweichungen  der  zu  den  Verticalaxen  fast 
rechtwinkligen  Klinoaxen  nach  entgegengesetzten  Hichtangen 
lägen,  „come  se  queste  due  deviazioni  volessero  nnutralizziirsi."  In 
Wahrheit  liegen  sie  nach  derselben  Seite.  Wählt  man  demuaeh,  wie 
es  von  den  meisten  Autoren  geschieht,  für  den  Angit  die  Aufstellung, 
In  welcher  das  gewöhnliche  Heroioktaedcr  nach  hinten  sich  neigt,  so 
mufs  man  bei  der  Hornblende  das  Hemioktaeder  von  148°  28'  nach 
vorne  wenden. 


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240 


Mitth.  IV.  Forts.  No.  16.  Ann.  Bd.  125  S.  425  —  428.) 
Man  vergleiche  mit  diesen  vor  acht  Jahren  geschriebenen 
Worten  die  Schilderung  von  Krystallen  der  letzten 
vesuvischen  Auswürflinge  durch  Scacchi,  welchem  be- 
greiflicher Weise  die  Erscheinungen  der  seit  Jahrtausenden 
erloschenen  Plaidter  Fumarole  vollkommen  unbekannt  ge- 
blieben waren:  „Die  fast  ringsum  freien  Augitkrystalle 
des  Auswürflings  No.  3,  haben  sich  unter  Einwirkung  der 
vulkanischen  Exhalationen,  welche  Eisenglanz,  Hornblende 
und  Augit  erzeugten,  vergröfsert.  Die  krystalliniscbe 
Neubildung,  welche  jene  Augite  gleich  einer  Rinde  bedeckt, 
unterscheidet  sich  von  der  ursprünglichen  Krystallinasse 
durch  die  röthliche  Farbe,  durch  die  schimmernde  Ober- 
fläche und  gröfseren  Flächenreichthum."  (/.  c.  S.  9).  Man 
erkennt  leicht,  dafs  es  sich  hier  nicht  sowohl  um  ähnliche, 
sondern  um  vollkommen  identische  geologische  Thatsachen 
handelt. 

Augite  oder  Hornblenden  mit  einem  Anfluge  kleinster 
paralleler  Krystalle  gleicher  Art  mögen  sich  nicht  ganz 
selten  in  Gebieten  erloschenen  Vulkanismus'  finden.  So 

erinnere  ich  mich  vor  Jahren  in  dem 
K.  Miner.  Cab.  zu  Berlin  mehrere  über 
1  Zoll  grofse,  braune  Hornblendekrystalle 
aus  Böhmen  gesehen  zu  haben,  welche 
mit  lauter  kleinen  parallelen  Hornblende- 
kryställchen  bedeckt  waren.  Gewil's  sind 
auch  bei  deren  Bildung  vulkanische 
Dämpfe  im  Spiele  gewesen.  Einige  jener 
Krystalle  sind  Zwillinge  von  der  durch 
nebenstehende  Figur  dargestellten 
Form,  eine  Combination  des  verticalen 
Prisma's  m  =  oo  P,  des  Klinopinakoids  6 
und  der  beiden  Heinioktaeder  r  =  P  und  q  =  —  P.  (q  ent- 
spricht Miller'sÄ).  Zwillingsebene  ist,  wie  gewöhnlich, 
das  Orthopinakoid.  In  der  Zeichnung  wurde  der  Zwillings- 
ebene die  Lage  der  Querfläche  gegeben. 

(Fortsetzung  im  nächsten  Heft.) 


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241 


III.    Ueber  die  JTatur  der  Elektricität ; 
von  E.  Etil  und. 


Zweiter  Theil. 

Im  ersten  Theile  dieser  Arbeit1)  Laben  wir  versucht  zu 
zeigen,  dafs  die  Erscheinungen  sowohl  die  elektrostatischen 
als  die  elektrodynamischen  mit  Hülfe  des  Lichtäthers  er- 
klärt werden  können.  Dieselbe  Beweisführung  wird  uns 
dazu  dienen,  einige  andere  Haupteigenschaften  des  gal- 
vanischen Stroms  zu  erklären. 

4)  Die  galvanischen  Iuductionsphänomene. — 
Ein  Molekül  m  befindet  sich  in  Ruhe  wenn  es  auf  allen 
Seiten  von  dem  umgebenden  Aether  gleich  stark  abge- 
stofsen  wird.  Gesetzt  nun,  der  Aether  werde  durch  irgend 
eine  Ursache  im  Punkte  o  nahe  bei  m'  comprimirt,  so 
wird  die  auf  m  ausgeübte  Repulsion  nothwendig  an  dieser 
Seite  gröfser  seyn  als  an  den  übrigen.  In  Folge  dels 
kann  das  Molekül  m  seinen  Gleichgewichtszustand  nicht 
mehr  aufrecht  halten,  sondern  wird  sieb  vom  Punkte  a 
zu  entfernen  suchen.  Dasselbe  gilt  von  allfn  Molekülen, 
die  sich  im  Wirkungskreise  des  comprimirten  Aethcrs 
befinden.  Die  Folge  davon  wird  seyn,  dafs  der  Aether 
sich  in  der  Nähe  von  a  verdünnt.  Die  Aethermasse,  die 
sich  in  gröfserer  Entfernung  von  a  befindet  und  deren 
Dichtigkeit  deshalb  keine  merkliche  Abänderung  erfahren 
hat,  sucht  sich  nun  gegen  denjenigen  Punkt  des  Aethers 
zu  begeben,  der  in  der  Nachbarschaft  von  a  befindlich 
ist.  Sowie  die  Verdünnung  ringsum  den  Punkt  a  bis  zu 
einer  gewissen  Gränze  gelangt  ist,  treten  die  Moleküle 
aus  diesem  Grunde  in  einen  neuen  Gleichgewichtszustand, 
in  welchem  sie  so  lange  verbleiben  als  die  Dichtigkeit  in  a 
zunimmt.  Wenn  nun  diese  Zunahme  plötzlich  aufhört, 
so  nehmen  die  Moleküle  ringsum  ihr  ursprüngliches  Gleich- 
1)  Siehe  das  vorige  Heft,  S.  95. 
Poggendorff's  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  IG 


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242 


gewicht  wieder  an,  und  durchlaufen  in  diesem  Fall,  ob- 
gleich in  umgekehrter  Richtung,  denselben  Weg  wie  bei 
der  Dichtigkeitszunahme. 

Eine  entsprechende  Veränderung  mufs  im  Gleichge- 
wichtszustand der  umgebenden  Moleküle  erfolgen,  wenn 
der  Aether  in  a  statt  der  Verdichtung  eine  Verdünnung 
erlitten  hat.  Allein  die  Bewegungsrichtung  der  Moleküle 
ist  in  diesem  Fall  die  umgekehrte  von  der,  welche  sie  im 
vorhergehenden  Falle  war.  Sie  nähern  sich  a  zu  Anfange 
der  Verdünnung  und  entfernen  sich  von  ihm,  wenn  sie 
aufhört.  Die  Gröfse  der  Verschiebung  ist  gleich  beim 
Nähern  und  beim  Entfernen.  Es  ist  übrigens  klar,  dafs  die 
Veränderung  im  Gleichgewichtszustand  eines  Moleküls  oder 
in  der  Gröfse  seiner  Verschiebung  nicht  alleinig  abhängt 
von  der  Veränderung,  welche  die  Abstofsung  der  es  bis 
zu  einem  gewissen  Abstände  umgebenden  Aethermasse 
erleidet,  sondern  auch  von  der  Leichtigkeit,  mit  welcher 
sich  das  Molekül  bewegt,  oder,  anders  gesagt,  von  dem 
Leitungswiderstande,  so  gut  wie  von  der  Wirkung  der 
nächsten  Moleküle.  Im  ersten  Theile  dieser  Arbeit  haben 
wir  angenommen,  dafs  die  Wirkung  eines  Moleküls  auf 
ein  anderes  im  umgekehrten  Verhältnifs  des  Quadrates 
der  Entfernung  stehe.  Wie  wir  auch  andeuteten,  ist  diese 
Regel  nur  gültig  für  den  Fall,  wo  die  Moleküle  sich  in 
einem  hinreichenden  Abstände  von  einander  befinden. 
Wenn  die  Moleküle  im  Contacte  stehen  oder  sich  in  einem 
molekularen  Abstand  von  einander  befinden,  ist  das  Ab- 
stofsuugsgesetz  vielleicht  ein  anderes,  aber  diefs  ist  auf 
die  gegenwärtige  Betrachtung  ohne  allen  Einfluls. 

Klar  ist,  dafs  die  a  umgebenden  Aethermoleküle  ihre 
Gleichgewichtslagen  verändern  müssen,  wenn  durch  irgend 
eine  Ursache  die  auf  sie  durch  den  Aether  von  a  ausge- 
übte Abstol'ung  eine  Modifikation  erleidet,  ohne  dafs  dieser 
Aether  dichter  oder  lockerer  wird.  Nun  aber  bewirkt  die 
In  Bewegung-Setzung  des  Aethers  von  a  eine  Modifikation 
dieser  Art.  Wenn  man  also  den  besagten  Aether  in  Be- 
wegung setzt,  müssen  die  Moleküle  der  umgebenden  Aether- 


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243 


masse  verschoben  werden  und  so  lange  in  ihren  Lagen 
bleiben  als  der  Aether  von  a  seine  Bewegung  ohne  Modi- 
fication  fortsetzt.  Im  Augenblick,  da  diese  Bewegung  auf- 
hört, werden  die  Moleküle  in  ihre  ursprüngliche  Gleich- 
gewichtslagen zurückkehren. 

Diefs  ist  nach  uns  die  Ursache  der  galvanischen  In- 
duction.  Wenn  ein  galvanischer  Strom  in  der  Nachbar- 
schaft einer  geschlossenen  Kette  anfangt,  werden  die  Gleich- 
gewichtslagen der  Aethermoleküle  nicht  blols  in  der  ge- 
schlossenen Kette  verändert,  sondern  auch  in  dem  um- 
gebenden isolireuden  Mittel,  und  der  Inductionsstrom  ist 
nichts  anderes  als  der  Uebergang  der  Moleküle  aus  der 
ersten  Gleichgewichtslage  in  die  zweite.  Der  neue  Gleich- 
gewichtszustand des  Aethers  in  der  geschlossenen  Kette 
wird  nicht  alleinig  bestimmt  durch  die  directe  Wirkung, 
welche  der  inducirende  Strom  auf  ihn  ausübt,  sondern 
auch  durch  die  Veränderung  des  Gleichgewichtszustandes 
im  Aether  des  umgebenden  und  isolireuden  Mittels.  So- 
bald der  inducirende  Strom  aufhört,  kehren  die  Aether- 
moleküle in  ihre  ursprüngliche  Gleichgewichtslage  zurück, 
und  man  hat  demzufolge  in  der  geschlossenen  Kette  einen 
Inductionsstrom  von  gleicher  Intensität,  aber  von  entgegen- 
gesetzter Richtung  wie  im  ersten  Fall.  Nähert  man  einen 
inducirenden  Strom  einer  geschlossenen  Kette  oder  entfernt 
ihn  von  ihr,  so  ist  der  Effect  offenbar  derselbe,  wie  wenn 
ein  Strom  in  einer  ruhenden  Kette  anfangt  oder  aufhört. 
Obgleich  mau  in  dem  isolirenden  Mittel  keinen  eigentlichen 
Inductionsstrom  wahrnimmt,  weil  der  grofse  Leitungswider- 
stand die  Entstehung  eines  solchen  Stroms  verhindert,  so  hat 
man  doch  kein  Recht  zu  der  Annahme,  dals  darin  die  Aether- 
moleküle vollkommen  in  Ruhe  blieben.  Ihre  Gleichge- 
wichtslagen verändern  sich  darin  auch,  weil  die  Erfahrung 
bewiesen  hat,  dals  kein  Körper  als  absoluter  Nichtleiter 
betrachtet  werden  kann. 

Wenn  zwei  Aethermoleküle  m  und  in  in  Ruhe  sind 
und  sich  in  dem  Abstand  r  von  einander  befinden,  so  ist, 

16* 


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'244 


nach  dem  Gesagten  ihre  gegenseitige  Abstofsung  =  —  . 

Für  die  Maafseinheit  der  Aethermassen  haben  wir  hier 
offenbar  diejenige  Aethermasse  genommen,  welche  fähig 
ist,  einer  anderen  gleich  grofsen  Aethermasse  die  Beschleu- 
nigung 1  in  der  Zeit  1  zu  ertheilen,  wenn  der  Abstand 
zwischen  diesen  Massen  1  ist.  Wenn  dagegen  m  allein 
in  Ruhe  ist,  während  m  sich  mit  der  constanten  Geschwin- 
digkeit h  bewegt  in  einer  Richtung,  die  mit  der  Verbin- 
dungslinie dieser  beiden  Moleküle  den  Winkel  &  bildet, 
so  hat  man  im  Fall  sich  m  dem  m  nähert,  in  welchem 
Fall  der  scharfe  Winkel  mit  &  bezeichnet  ist,  als  Ausdruck 
für  die  Abstofsung,  zufolge  der  Gleichung  (1)  des  ersten 
Theiles  dieser  Arbeit: 

~     \}  +  *  ( ~  h  008  '0  +  H>  (7  0  -  cos*  #))] . 

Für  den  Fall,  dafs  sich  m  von  m'  entfernt,  und  man 
den  stumpfen  Winkel  mit  &  bezeichnet,  erhält  man  die- 
selbe Formel,  bis  auf  den  einzigen  Unterschied  dafs  A  cos  3- 
(welches  gleich  ist  der  Projection  der  Geschwindigkeit 
auf  die  Verbindungslinie)  alsdann  ein  entgegengesetztes 
Zeichen  bekommt. 

Zufolge  der  Gleichungen  (7)  und  (10)  hat  man; 

xp      f  1  —  cos1  3])  =  |  A1  (1  -  cos1  0) 

und 

tp  ( —  A  cos  «>)  =  —  ah  cos  0  —  —  A2  cos1  fr, 

Substituirt  man  diese  Werthe  der  Functionen  t//  und  y 
in  dem  obigen  Ausdruck  für  die  Abstofsung  zwischen 
zwei  Molekülen,  von  denen  nur  das  eine  in  Bewegung  ist, 
so  bekommt  man: 

-"^-[l-aAcos^-+-|AJ(l -J-cos',?)]  .    .  (12). 

Wenn  m  sich  von  m!  entfernt,  ist  der  Winkel  stumpf 
und  das  zweite  Glied  wird  positiv. 

Die  Formel  (12)  drückt  die  directe  Abstofsuug  zwischen 
m  und  m  aus,  wenn  ersteres  in  Bewegung  und  letzteres 


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245 

in  Ruhe  ist.  Nun  wird  das  Molekül  m  auch  von  dem 
ganzen  Rest  der  umgebenden  Aethermasse  abgestofsen. 
Im  ersten  Augenblick,  bevor  die  Moleküle  ihre  Gleich- 
gewichtslage verändern  konnten,  ist  die  Resultante  der 
Abstofsung,  die  von  dem  ganzen  Rest  der  umgebenden 
Aethermasse  auf  m'  ausgeübt  wird,  gleich  der  Abstofsung 
zwischen  dem  in  Ruhe  gedachten  m  und  m',  hat  aber  eine 
dieser  Abstofsung  entgegengesetzte  Richtung.  Diefs  geht 
mit  Evidenz  aus  der  Thatsache  hervor,  dafs  die  Resultante 
der  auf  m  von  der  ganzen  umgebenden  Aethermasse 
ausgeübten  Abstofsungen ,  gleich  Null  war,  sobald  das 
Molekül  m  sich  noch  in  Ruhe  befand.  Man  erhält  also 
die  Summe  der  Kräfte,  die  im  ersten  Augenblick,  dar» 
sich  in  Bewegung  setzt,  auf  m'  wirken,  wenn  man  von 
der  Abstofsung,  die  durch  Formel  (12)  ausgedrückt  ist, 
die  Abstofsung  abzieht,  welche  m,  als  ruhend  gpdacht, 
auf  m  ausübt.  Daraus  folgt,  dafs  das  Molekül  m  im 
ersten  Augenblick  längs  der  Verbindungslinie  zwischen 
m  und  m  mit  einer  Kraft  abgestofsen  wird,  die  ausge- 
drückt ist  durch: 

+  '^[ahco8&-jh*(l-^coB'l&)\  .    .    .  (13). 

Wenn  dieser  Ausdruck  negativ  wird,  sucht  das  Mole- 
kül m  sieh  in  Richtung  der  Verbindungslinie  von  m  zu 
entfernen.  Ist  er  dagegen  positiv,  so  findet  eine  Annähe- 
rung in  derselben  Linie  statt.  Wenn  m  sich  von  m  ent- 
fernt, ist  der  Winkel  gröfser  als  ein  rechter  und  dem- 
zufolge das  erste  Glied  negativ;  findet  dagegen  eine  An- 
näherung statt,  so  ist  dasselbe  Glied  positiv. 

Bezeichnet  nun  u  die  bewegte  Aethermenge  in  der 
Längeneinheit  des  Leiters,  in  welchem  sich  m  bewegt, 
und  ist  ds  das  Element  dieses  Leiters,  so  wird  m  gleich 
u  ds  seyn.  Nun  ist  u  h  gleich  der  Intensität  i  des  Stroms. 
Auf  analoge  Weise  kann  man  m  durch  u  ds'  ersetzen. 
Solchergestalt  erhält  man  statt  der  Formel  (13)  die: 

+  $[Äcos*  — |^s*  .   .  (14). 


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246 


Die  Formel  (14)  ist  der  "Ausdruck  för  die  Kraft,  mit 
welcher  ein  Element  des  inducirenden  Stroms,  dessen  In- 
tensität »  ist,  die  Aethermenge  ti  ds  im  ersten  Augen- 
blick in  der  inducirten  Kette  längs  der  Verbindungslinie 
zwischen  beiden  Elementen  zu  bewegen  sucht.  Diefs  ist 
der  Maximalwerth  dieser  Kraft.  Vom  ersten  Momente 
an  nimmt  sie  immer  mehr  und  mehr  ab  bis  sie  endlich 
gleich  Null  wird,  wenn  die  Moleküle  ihre  neuen  Gleich- 
gewichtslagen erreicht  haben 

Die  Formel  (14)  kann  in  zwei  Theile  zerfallt  werden 

-f-       cos  fr  ds  ds  und  A  t  u'  h  (1  —  |  cos-  fr)  d$  ds'. 

Bezeichnet  man  im  zweiten  Theile  mit  t  die  Intensität 
des  durch  n'  h  angegebenen  Stroms,  so  wird  dieser  Theil: 

Dieser  Ausdruck  bezeichnet  die  Hälfte  der  elektrody- 
namischen Abstofsung  zwischen  zwei  Ketten- Elementen 
ds  und  ds\  wenn  sie  parallel  sind  und  respective  von  den 
Strömen  t  und  i'  durchlaufen  werden. 

Bei  der  theoretischen  Deduction  der  elektrodynamischen 
Formeln  haben  wir  angenommen,  dafs  die  Abstofsung 
zwischen  den  Aethermolekülen  sich  den  Elementen  der 
Kette,  in  welchen  sie  sich  bewegen,  ohne  Schwächung 
mittheile.  Diese  Hypothese  gilt  natürlich  nur  von  dem 
Theil  der  Abstofsungskraft  zwischen  den  Molekülen,  der 
in  den  elektrodynamischen  Formeln  verbleibt,  und  nicht  von 
demjenigen  Theil,  der  in  der  Bildung  dieser  Formeln 
(von  selbst)  verschwindet.  Die  eben  erwähnte  Hypothese 
bezieht  sich  folglich  auf  diejenigen  Glieder  des  Ausdrucks 
für  die  Abstofsung,  welche  mit  h  inultiplicirt  sind,  und 
nicht  auf  das,  welches  die  Constante  a  enthält.  In  Betreff 
der  durch  dieses  Glied  ausgedrückten  Abstofsungskraft, 
hat  man  weder  das  Recht,  noch  das  Bedürfuifs  eine  solche 
Hypothese  zu  machen,  da  das  besagte  Glied  nicht  in  den 
elektrodynamischen  Formeln  erscheint.  Wenn  man  da- 
gegen diese  Hypothese  beibehält  für  die  mit  h  multipli- 


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247 


cirten  Glieder  in  dem  Ausdruck  für  die  Abstofsung  zwischen 
zwei  Aethermolekülen,  so  giebt  die  theoretische  Deduction 
ein  Resultat,  welches  mit  der  empirischen  Formel  in 
voilein  Einklang  ist. 

Allein,  damit  der  in  Rede  stehende  Theil  der  Ab- 
stofsungskraft  sich  den  Elementen  der  Kette,  in  welchen  sich 
die  Moleküle  bewegen,  gänzlich  mittheile,  ist  nothwendig 
vorausgesetzt,  dafs  dieser  Theil  der  Abstofsung  den  Mole- 
külen selbst  in  ihren  respectiven  Ketten  keine  eigne  Be- 
wegung mittheilen  könne,  denn  wenn  diefs  der  Fall  wäre, 
würde  ein  Theil  der  Abstofsung  verbraucht  werden,  um 
diese  Bewegung  hervorzubringen  und  Wärme  zu  erzeugen, 
entspringend  aus  dem  Widerstand,  den  die  Kette  dieser 
selben  Bewegung  entgegensetzt.  Die  Gesammtheit  der 
Abstofsung  kann  also  in  diesem  Fall  nicht  zu  den  Elementen 
der  Kette  übergehen.  Es  wäre  jedoch  möglich,  dafs  die 
Aethermoleküle  in  Folge  der  erwähnten  Abstofsung  eine 
minimale  Bewegung  erführen ,  diese  Bewegung  aber  zu 
gering  wäre,  um  bei  den  elektrodynamischen  Phänomen 
eine  Differenz  zwischen  Theorie  und  Erfahrung  beobachten 
zu  lassen.  Wie  dem  aber  auch  seyn  mag,  so  erhalten 
wir  doch  als  nothwendige  Folge  der  von  uns  bei  der 
Deduction  der  elektrodynamischen  Erscheinungen  gemach- 
ten Hypothese,  dafs  in  der  Formel  (14)  die  mit  der  Con- 
stanten k  multiplicirten  Glieder  nur  einen  ganz  unbedeuten- 
den Einflufs  auf  die  Verschiebungen  der  Aethertheilehen 
in  der  inducirten  Kette  ausüben,  und  dafs  demgemäfs  ihre 
Wichtigkeit  für  die  lnduction  höchst  geringfügig  ist. 

Allein  damit  diefs  der  Fall  sey,  mufs  offenbar  k  h  oder 
die  Geschwindigkeit  des  Aethers  in  der  inducirenden  Kette, 
multiplicirt  mit  der  Constante  Ä,  einen  6ehr  kleinen  nume- 
rischen Werth  haben.  Was  die  Geschwindigkeit  h  betrifft, 
so  haben  die  über  sie  angestellten  Versuche,  wie  schon 
gesagt,  zu  keinem  übereinstimmenden  Resultat  geführt. 
Fizeau  und  Gounelle  fanden,  dafs  diese  Geschwindig- 
keit in  einem  Kupferdraht  auf  180,  und  in  einem  Eisen- 
draht auf  100  Millionen  Meter  in  der  Sekunde  steige. 


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248 

Die  Geschwindigkeit  in  einem  Eisendraht  schätzte  Walker 
nur  auf  30  Millionen,  und  Gould  sogar  auf  weniger  als 
26  Millionen.  Die  an  einem  kupfernen  Telegraphendraht 
zwischen  Greenwich  und  Edinburgh  gemachten  Versuche 
gaben  eine  Geschwindigkeit  von  etwas  mehr  als  12  Millionen 
Meter  in  der  Sekunde,  und  auf  der  Telegraphenlinie  von 
Greenwich  nach  Brüssel  erhielt  man  nur  4$  Millionen. 
Die  geringe  Geschwindigkeit  in  dieser  letzten  Leitung, 
die  ebenfalls  von  Kupfer  war,  erklärt  sich  zum  Theil  da- 
durch, dafs  eine  grofse  Länge  des  Drahts  unter  Wasser 
lag.  Ueberdies  ist  zu  bemerken,  dafs  in  Folge  der  Art, 
wie  diese  Versuche  angestellt  wurden,  die  citirten  Ziffern 
die  Geschwindigkeit  ausdrücken ,  mit  welcher  die  erste 
Aethermeuge  sich  beim  Beginn  des  Stroms  von  einem  Pol 
der  Säule  zum  andern  fortpflanzt.  Das  Verhältnifs  dieser 
Geschwindigkeit  zu  derjenigen,  welche  bei  Andauer  des 
Stroms  mit  constanter  Intensität  stattfindet,  ist  noch  nicht 
durch  Versuche  ermittelt  worden.  Ueber  die  Geschwindig- 
keit des  Aethers  in  einem  Metalldraht  unter  Herrschaft  der 
Umstände,  welche  einen  gewöhnlichen  Inductions-Versuch 
begleiten,  wissen  wir  sogut  wie  nichts,  höchstens,  dal's  sie 
sehr  grofs  ist. 

Anlangend  die  Constante  /?,  welche  nichts  anderes  ist  als 
die  Constante,  welche  in  der  Amper e 'sehen  Formel  für 
die  elektrodynamischen  Phänomene  als  Factor  auftritt,  so 
ist  der  Werth  dieser  Constante  durch  W.  Weber  und 
Kohlrausch  experimentell  bestimmt  worden  ').  Wird 
die  oben  für  die  Messung  des  Aethers  gegebene  Maafs- 
einheit  beibehalten,  so  hat  man  nach  den  Versuchen  dieser 
beiden  Physiker  in  runden  Zahlen 

rr-r  =  440  Millionen  Meter  in  der  Sekunde. 

Nimmt  man  nun  für  die  Geschwindigkeit  h  einen  Werth, 
der  innerhalb  der  Gränzon  der  erwähnten  Versuchsresultate 
liegt,  so  erhält  man  einen  sehr  kleinen  Werth  für  das 
Produkt  k  h.    Nun  mufs  auch  die  Constante  a  des  ersten 
1)  Diese  Ann.  B,i.  99  S.  10. 


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249 

Gliedes  der  Formel  (14)  einen  äufserst  kleinen  Zahlen- 
werth haben.  Aus  den  in  dieser  Arbeit  auseinanderge- 
setzten theoretischen  Betrachtungen  geht  offenbar  hervor, 
dafs  das  Produkt  ah  kleiner  als  1  seyn  mufs.  Nehmen 
wir  nun  z.  B.  den  von  Walker  gefundenen  Werth  von 
Ä,  nämlich  30  Millionen  Meter  pro  Sekunde,  so  wird  der 

1  k  h 

Werth  von  a  <  oti--   .    Das  Produkt  —  wird  also  in 

30  Millionen  2 

dieser  Voraussetzung  =  1290Q  ,  und  folglich  wird  * 

400  Mal  gröfser  als  ~  seyn  können.  Man  sieht  daraus, 
dafs  das  Resultat,  zu  welchem  wir  durch  theoretische  An- 

k  h  • 

sichten  gelangten,  nämlich,  dafs  die  mit  9  multiplicirten 

Glieder  der  Formel  (14)  gegen  das  erste  vernachlässigt 
werden  können ,  keineswegs  von  der  Erfahrung  widerlegt, 
sondern  eher  bestätigt  wird.  Versuche  allein  können  ent- 
scheiden, ob  diefs  in  Wirklichkeit  der  Fall  sey. 

Die  durch  die  Formel  (14)  ausgedrückte  Wirkung  des 
Aethers  auf  das  Element  d  s  der  Kette  erstreckt  sich  längs 
der  Verbindungslinie  zwischen  d  s  und  d  s'.  Allein  da  der 
Aether  des  Elements  d  s'  sich  nur  längs  diesem  Elemente 
bewegen  kann,  so  mufs  man,  um  das  Maafs  der  auf  den 
Aether  von  ds'  ausgeübten  Bewegung  zu  erhalten,  diesen  Aus- 
druck multipliciren  mit  dem  Cosinus  des  Winkels,  welchen 
das  Element  der  Kette  mit  der  Richtung  der  wirkenden 
Kraft  bildet.  Nennt  man  diesen  Winkel,  so  mufs  man  ihn 
also  mit  cos  multipliciren.  Unter  elektromotorischer 
Inductionskraft  wird  die  beschleunigende  Kraft  ver- 
standen, die  der  inducirende  Draht  auf  den  in  der  Längen- 
einheit des  inducirten  Drahts  enthaltenen  Aether  ausübt. 
Diese  beschleunigende  Kraft  erhält  man,  wenn  man  den 
Ausdrusk  (14)  durch  p  dividirt.  Man  erhält  dadurch  als 
Ausdruck  der  Induction  eines  Elements  des  Stroms  auf 
ein  Element  des  inducirten  Stroms  während  des  ersten 
Augenblicks: 

+  ^[acos#~^(l  -fcos'  #) ]  cos     d*  d*'    .  (15). 


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250 


Die  inducirte  Kette  mufs  also  immer  geschlossen  seyn, 
damit  ein  Inductionsstrom  möglich  werde.  Bei  der  Inte- 
gration der  Formel  (15)  in  Bezug  auf  d  $'  verschwindet 
daher  immer  das  von  cos  #  unabhängige  Glied,  nämlich 

-ak-\-  cos  //'  ds  ds',  was  für  eine  Form  die  inducirte  Kette 

auch  haben  mag,  vorausgesetzt  dals  diese  Kette  geschlos- 
sen sey.  Dies  ist  leicht  durch  folgende  Betrachtung  er- 
wiesen. Denken  wir  uns,  um  das  Element  d  s  als  Centrum 
zwei  Kugelflächen  beschrieben,  die  eine  mit  dem  Radius 
r,  die  andere  mit  dem  Radius  r-f-dr.  Wenn  nun  ein 
Theil  der  inducirten  Kette  sich  auf  einer  oder  der  anderen 
dieser  concentrischen  Flächen  befindet,  so  wird  das  vor- 
benannte Glied  offenbar  für  diesen  Theil  der  Kette  ver- 
schwinden. Ueberall  wird  in  diesem  Fall  cos  &'  gleich 
Null  seyn,  weil  der  Radius  einer  Kugel  immer  einen 
rechten  Winkel  bildet  mit  den  Linien,  gezogen  vom  End- 
punkte des  Radius  auf  der  Oberfläche  der  Kugel.  Die 
Elemente  der  inducirten  Kette,  welche  zwischen  die  beiden 
concentrischen  Flächen  fallen,  müssen  immer  in  gerader 
Anzahl  da  seyn ,  weil  die  Kette  geschlossen  ist.  Wenn 
man  sich  also  in  der  inducirten  Kette  einen  Strom  denkt, 
so  mufs  derselbe  eben  so  oft  von  der  äufseren  Fläche  zur 
inneren  gehen,  als  von  der  letzteren  zur  ersteren.  Der  Co- 
sinus des  Winkels  welchen  ein  jedes  zwischen  die 
Flächen  eingeschlossenes  Element  mit  dem  entsprechenden 

d  r 

Radius  bildet,  ist  gleich  — , ,  und  die  Anzahl  dieser  Cosinus, 

welche  ein  positives  Zeichen  haben,  ist  der  mit  negativem  Zei- 
chen gleich.  Daraus  folgt,  dals  für  alle  die  Elemente,  welche 

zwischen  die  beiden  Flächen  fallen,  die  Summe  *  V  ds  ~,d$ 

2rä  ds 

Null  seyn  mufs.  Da  nun  dieses  wahr  ist  für  jeglichen 
Werth  von  r,  so  mufs  es  auch  wahr  seyn  für  die  ganze 
Kette.  Man  kann  also  bei  der  Integration  statt  der  For- 
mel (15)  die  Formel: 

-f-  rj  (a  cos  0  -\-\kh  cos2  &)  cos  &  ds  ds'  .    .    .  (16) 

anwenden. 


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251 


Diese  Formel  drückt  aber  nur  die  Induction  des  ersten 
Augenblicks  aus  ehe  die  Moleküle  des  Drahts  und  des 
umgebenden  Mittel  ihre  ursprüngliche  Gleichgewichtslage 
verlassen  konnten.  Allein  die  Induction  fuhrt  fbrt  bis  die 
neuen  Gleichgewichtslagen  erreicht  sind ,  worauf  die  In- 
ductionskraft  Null  wird.  Die  Inductionskraft  erleidet  eine 
fortdauernde  Verringerung  vom  Anfang  bis  zu  Ende  der 
Inductionszeit  und  die  Formel  (15)  giebt  nur  den  Maxi- 
mumwerth für  den  ersten  Augenblick.  Das  Resultat  davon 
mufs  seyn,  dafs  die  Inductionsströme  zu  Anfange  ihrer 
Existenz  sich  sehr  stark  erweisen  und  darauf  an  Kraft 
abnehmen,  wie  es  auch  die  Erfahrung  bestätigt  ').  Wenn 
man  nun  die  Gröfse  eines  Inductionsstroras  für  gegebene 
Umstände  berechnen  will,  so  mufs  man  in  Betracht  ziehen 
nicht  nur  den  Maximumwerth  der  Induction  im  ersten 
Augenblick  A  f,  sondern  auch  die  Summe  aller  Inductionen 
während  der  ganzen  Inductionszeit.  Bezeichnen  wir,  Kürze 
halber,  den  Maximumwerth  der  Induction,  die  ein  Strom- 
Element  auf  ein  Element  der  inducirten  Kette  ausübt, 
mit  JtAr,  wenn  die  Entfernung  zwischen  den  Elementen 
r  ist,  so  können  wir  die  Induction,  die  während  eines 
unmittelbar  darauf  folgenden  Augenblicks  stattfindet,  durch 
tltpAr  ausdrücken,  wo  p  kleiner  als  eins  ist.  Die  Summe 
aller  dieser  Inductionen  wird  solchergestalt  seyn: 

ä  t  (1  p  -f-  p,  pu  H-  . .  +  0)  A  r 
wo  jedes  folgende  Glied  der  Reihe  kleiner  ist  als  das  vor- 
hergehende. Kürzer  noch  läfst  sich  diefs  durch  JtFAr 
geben,  wo  F  die  Summe  der  Reihe  bezeichnet.  Für  ein 
anderes  Element  des  inducirten  Stroms,  dessen  Entfernung 
vom  inducirenden  Element  rt  ist,  erhält  man  auf  dieselbe 
Weise  Jt  F,  A  r,.  Wenn  nun  F  immer  gleich  Fl  wäre, 
d.  h.  wenn  die  Summe  der  Reihe  constant  wäre,  so  würde, 
welche  Veränderung  man  auch  die  Stromstärke  t  und  den 
Abstand  r  zwischen  den  Elementen  erleiden  liefse,  doch 

1)  Siehe  Lemstrüni,  K.  Vetensk.  Arad.  Handl.  Ny  Följd.  T.  VIII, 
18G9,  (die^e  Ann.  Bd.  147  8.  354).  Blasernn,  Giornale  di  scienze  na- 
tural! ed  economiche  Vol.  Vl}  Palermo  1870. 


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252 

die  Summp  der  lnductionen  dem  Maximumwerth  propor- 
tional werden,  und  man  könnte  demnach  mit  Beibehaltung 
der  Formel  (16)  die  relative  Gröfse  des  Inductionsstroms  be- 
rechnen. Dafs  F  unabhängig  ist  von  i  unterliegt  keinem 
Zweifel;  aber  man  kann  nicht  dasselbe  von  r  sagen.  In 
einem  gegebenen  Moment  ist  die  Inductionskraft  auf  die 
Aethermasse  //  ds'  der  inducirten  Kette  proportional  dem 
Unterschiede  zwischen  der  Abstofsung,  die  das  Element  des 
inducirenden  Stroms  (in  welchem  die  Aethermasse  u  ds  sich 
mit  der  Geschwindigkeit  h  bewegt)  auf  /<'  ds'  ausübt,  und 
der  Abstofsung  derselben  Masse  durch  die  ganze  übrige 
Aethermasse.  Die  erste  dieser  Abstofsungen  nimmt  ab 
im  umgekehrten  Verhältnils  des  Quadrats  der  Entfernung 
zwischen  den  Elementen  ds  und  ds\  wie  diel's  aus  dem 
Vorhergehenden  klar  hervorgeht.  Wenn  diel's  nun  auch 
mit  der  letzteren  der  Fall  wäre  d.  h.  mit  der  von  der 
ganzen  übrigen  Aethermasse  auf  das  Element  u  ds'  aus- 
geübten Abstofsung,  so  würde  offenbar  F  unabhängig  seyn 
von  r;  denn  man  könnte  in  diesem  Fall  für  einen  ge- 
gebenen Moment  die  von  dem  Element  ds  des  inducirenden 

Stroms  herrührende  Abstofsung  durch  ^  ,  und  die  von  der 

ganzen  übrigen  Aethermasse  bewirkte  durch  ~  ausdrücken, 

in  welchen  Ausdrücken  a  und  b  constant  seyn  würden. 

Die  Inductionskraft  würde  dann  für  diesen  Moment  ~  (a—  6), 

wofür  sich  p  Ar  schreiben  liefse  ,  worin  p  eine  Constante 
wäre.  So  lange  auch  die  Aethermoleküle  sich  in  ihren 
ursprünglichen  normalen  Gleichgewichtslagen  befinden,  ist 
die  Abstofsung,  welche  die  ganze  übrige  Aethermasse  mit 

Ausnahme  der  in  i<  ds  auf  u  ds'  ausübt,  gleich  -f-^-™-^, 

und  nimmt  also  wirklich  ab  im  umgekehrten  Verhältnifs 
des  Quadrats  der  Entfernung.  Allein  diel's  kann  nicht 
mehr  der  Fall  seyn,  nachdem  die  Moleküle  verschoben 
worden  sind  und  der  Aether  ringsum  n'  ds  demgemäfs 
eine  andere  Vertheilung  als  im  normalen  Zustand  erhalten 


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253 


i 


hat;  denn  die  von  dem  umgebenden  Aether  auf  u  ds'  aus- 
geübte Abstofsung  ist  natürlich  nicht  unabhängig  von  der 
Vertheilung  des  Aethers.  F  mufs  also  nothwendig  ab- 
hängen von  r,  und  wir  schreiben  also  nun  F  (r)  statt  F. 

Wir  haben  demnach  als  Ausdruck  für  die  Gröfse  des 
Inductionsstrom8  die  folgende  Formel  erhalten: 

H-^t-C«  008.^  +  1**008»  &)QOS<rdsd$'    .    .  (17) 

oder,  wenn  man  das  letzte  Glied  vernachlässigt: 

-hai^(r)  co8,'t  cos  &'dsds'    .    .    .  (18). 

Wir  nehmen  nun  an,  dafs  der  inducirende  Strom  ge- 
schlossen sey  und  solche  Gestalt  habe,  dafs  er  durch  eine 
Ebene  in  zwei  symmetrische  Hälften  getheilt  werden  könne. 
Jedes  Element  a  auf  der  einen  Seite  dieser  Ebene  hat 
alsdann  symmetrisch  ein  entsprechendes  Element  d  auf  der 
anderen  Seite.  Ueberdiefs  nehmen  wir  an,  dafs  die  indu- 
cirte  Kette  geschlossen  sey  und  symmetriech  um  die- 
selbe Ebene  liege.  Jedem  Element  b  auf  der  ersten 
Seite  der  Ebene  entspricht  sonach  ein  symmetrisches  Ele- 
ment b'  auf  der  anderen  Seite.  Daraus  folgt,  dafs  der 
Abstand  zwischen  a  und  b'  ebenso  grofs  seyn  mufs  als  der 
zwischen  d  und  6,  dafs  der  Cosinus  des  Winkels  zwischen 
dem  Element  a  und  der  Verbindungslinie  a  b'  ebenso  grofs 
seyn  mufs  als  der  Cosinus  zwischen  a  und  a'6,  aber 
dafs  diese  Cosinusse  entgegengesetzte  Zeichen  haben 
müssen,  weil  die  Richtung  der  Elemente  auf  beiden  Seiten 
der  Ebene  bestimmt  ist  durch  die  Richtung  eines  Stroms, 
den  man  die  Kette  durchlaufen  läfst.  Auf  dieselbe  Weise 
sind  die  Cosinusse  der  Winkel,  welche  die  erwähnten  Ver- 
bindungslinien mit  den  Elementen  6  und  6'  der  inducirten 
Kette  bilden,  von  gleicher  Gröfse,  aber  entgegengesetztem 
Zeichen.  Bei  der  Induction  des  Elements  a  auf  6',  und 
d  auf  b  werden  demnach  die  beiden  Cosinusse  i>  von 
gleicher  Gröfse,  aber  von  entgegengesetztem  Zeichen  seyn, 


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254 

i 

was  auch  von  den  beiden  Cosinus  &'  gilt.  Daraus  folgt, 
dafs  der  dem  Gliede  der  Formel  (17),  worin  cos2  #  ein- 
geht, entsprechende  Theil  der  Induction  Null  seyn  wird 
für  diese  beiden  symmetrisch  vereinigten  Elemente.  Das- 
selbe gilt  von  allen  übrigen  symmetrischen  Elementen. 
Wenn  von  den  zwei  Ketten,  inducirenden  oder  inducirten, 
jede  von  einer  und  derselben  Ebene  symmetrisch  geschnitten 
wird,  so  wird  das  Integral  des  Gliedes,  in  welches  cos*  # 
eingeht,  folglich  Null  seyn.  In  diesem  Fall  sind  die  Inte- 
grale der  Formeln  (17)  und  (18)  vollkommen  gleich. 

Wir  wollen  nun  das  theoretische  Resultat  mit  den  Re- 
sultaten der  Erfahrung  vergleichen. 

Gesetzt,  die  Kette  sowohl  des  inducirenden  wie  des 
inducirten  Stroms  sey  kreisrund,  die  erste  vom  Radius  Ä, 
die  letzte  vom  Radius  Ä,,  die  Ebenen  der  beiden  Kreise 
seyen  parallel  und  die  Verbindungslinie  beider  Centra 
sey  winkelrecht  gegen  djese  Ebenen.  In  diesem  Falle 
liegen  die  beiden  Ketten  symmetrisch  um  dieselbe  Ebene, 
und  dielnductionsformel  (1 8)  ist  alsdann  anwendbar.  Denken 
wir  uns  nun,  der  inducirende  Kreis  liege  in  der  x y-Ebene 
eines  rechtwinklichen  Coordinatensystems,  das  seinen  An- 
fang im  Centrura  des  Kreises  habe,  so  befindet  sich  die 
inducirte  Kette  in  einem  gewissen  Abstand  z  von  dieser 
Ebene.  Der  Abstand  r  eines  in  dem  inducirenden  Kreise  lie- 
genden Elementes  ds,  dessen  Coordinatena;  =  oundy=—  B 
sind,  von  einem  in  der  inducirten  Kette  liegenden  Ele- 
mente ds  mit  den  Coordinaten  051?  yn       ist  dann  gleich 

-h  V  x*  -j-  (#j      Ä)*  -h  Sj*  oder,  was  dasselbe  ist,  gleich 

V  R*  -f-Ä*H-  2Ryx  -+■  Die  Tangente  des  Elements 
ds  ist  parallel  der  rr-Axe,  und  wenn  man  annimmt,  dafs 
der  inducirende  Strom  in  der  positiven  Richtung  der  x-Axe 

geht,  ist  cos  &  =  — ;  er  ändert  also  sein  Zeichen  mit  xv 

Zählt  man  das  Element  d  s  des  inducirten  Stroms  von  der 
der  Richtung  des  inducirenden  Stroms  entgegengesetzten 

Seite,  so  wird  cos  &'  gleich  welcher  folglich  auch  sein 

Zeichen  mit  x,  wechselt.    Führt  man  in  die  Inductions- 


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i 


255 


formel  (18)  diese  Werthe  von  r,  von  cos  &  und  cos  &' 
ein,  so  erhält  man: 

Daraus  folgt,  dal's  die  Induction  des  Elementes  ds 
gleich  ist  in  den  beiden  Hälften,  in  welche  der  inducirte 
Strom  durch  die  Ebene  der  y  s  gethcilt  wird ,  dafs  die 
inducirten  Ströme  auf  derselben  Seite  und  in  umgekehrter 
Richtung  des  inducirenden  Stromes  gehen. 

Allein  es  ist  klar,  dafs  jedes  Element  des  inducirenden 
Kreises  dieselbe  inducirende  Wirkung  ausübt  wie  das  eben 
betrachtete  Element  d  s.  Die  gesammte  Induction  des 
inducirenden  Kreises  auf  ein  Element  des  inducirten  Kreises 
ist  also: 

aber  ds  =  y==J!~^t  und  x,2  =  Ä,?  —  y,\  Wenn  mau  so- 
wohl diese  Werthe  als  den  von  r  einfuhrt,  und,  nachdem 
das  Integral  zwischen  den  Gränzen  yx  =  -+-  R  und  y,  =  —  Ä, 
genommen  worden,  diefs  letztere  mit  2  multiplicirt,  dann 
y,  durch  Rx  u  und  folglich  d  yt  durch  RA  du  ersetzt,  so 
erhält  man  als  Ausdruck  für  die  gesammte  Induction : 


■  —  — 


Felici  hat  folgenden  Satz  experimentell  erwiesen:  Es 
seyen  zwei  kreisrunde  Stromketten  A  und  B  von  gleichem 
Radius  Ä,  in  einem  Abstände  z  parallel  nebeneinander, 
so  dafs  die  ihre  Centra  verbindende  Linie  einen  rechten 
Winkel  mit  diesen  Ebenen  bilde,  zwei  andere  kreisrunde 
Stromketten  C  und  D,  beide  vom  Radius  Ä„  seyen  eben 
so  gelagert,  aber  in  dem  Abstände  a,  von  einander,  so 

dafs4r="'.     Wenn  man  nun  durch  jeden  der  Kreise 

A  und  C  einen  inducirenden  Strom  von  gleicher  Intensi- 
tät leitet,  so  verhalten  sich  die  in  B  und  D  inducirten 
Ströme  zu  einander  wie  der  Radius  R  zum  Radius  Rv 


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256 


Mittelst  dieses  Princips  kann  man  die  Function  F  (r) 
bestimmen.     Macht   man  in  der   obigen  Integralformel 

R  =  RX  und  F  (r)  =  br  =  6  V  2Ä5  -+-  2R'u  -f-  »\  wo  6 
eine  Constante  ist,  so  erhält  man: 

•  =  + 1  

»=_i 

Da  das,  was  unter  dem  Integralzeichen  steht,  von  R 

unabhängig  ist,  wenn  ■=  constant  bleibt,  so  wird  der  In- 

ductionsstrom  proportional  zu  R  seyn,  conform  mit  den 
Versuchen  von  Felici. 

Statt  der  Formel  (18)  erhält  man  solchergestalt  als 
Ausdruck  für  die  Induction  zweier  Elemente: 

-h  a    cos  fr  cos  0*  ds  ds     .    .    .  (20). 

Um  zu  sehen,  ob  die  durch  die  Formel  (19)  erhaltenen 
theoretischen  Resultate,  nachdem  die  Function  F  (r) 
auf  oben  angegebene  Weise  bestimmt  worden,  mit  der 
Erfahrung  übereinstimmen  würden,  hat  Hr.  Dr.  Sund  eil, 
Prof.  extr.  an  der  Universität  zu  Helsingfors,  eine  grofse 
Anzahl  von  Versucheu  im  physikalischen  Laboratorium 
der  Akademie  der  Wissenschaften  in  Stockholm  angestellt. 
Eine  Prüfung  dieser  Art  war  nothwendig,  um  die  erlangten 
theoretischen  Resultate  strenge  zu  controliren,  denn  man 
hatte  bisher  nur  eine  sehr  beschränkte  Zahl  von  Ver- 
suchen, die  zu  unserem  Zweok  geeignet  waren.  Wir 
nehmen  uns  die  Freiheit  eine  Reihe  dieser  Versuche  mitzu- 
theilen,  indem  wir  für  ein  grölseres  Detail  den  Leser  auf 
die  Arbeit  des  Hrn.  Sundell  verweisen'). 

Der  Radius  R  der  Inductionsrolle  war  21,7  Centm., 
der  Radius  der  inducirten  Kette  7,1  Centm.  Der  Abstand 
zwischen  beiden  Kreisebenen  ist  in  Centimetern  unter  * 
angegeben. 

U  Oefversipt  af  Vttcnsk,  Acad.  FörhandL  1872,  Febr. 


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257 


Ablenkung  des  Mangnetometers. 


* 

Beobachtet 

Berechnet 

Unterschied 

1,5 

176,0 

176,7 

+  0,7 

10 

127,4 

128,3 

-+-0,9 

15 

93,3 

93,4 

+  0,1 

20 

66,1 

66^0 

-0,1 

25 

46,8 

46,6 

—  0,2 

30 

33,8 

33,3 

—  0,5 

40 

17,9 

18,1 

+  0,2 

Die  Uebereinstimmung  zwischen  den  berechneten  und  « 
den  von  Hrn.  Sundell  beobachteten  Resultaten  ist  in 
jeder  Hinsicht  eine  vollkommen  befriedigende. 

Befindet  sich  der  inducirende  Kreis  in  der  xy- Ebene 
mit  dem  Centrum  im  Anfang,  und  der  inducirte  Kreis  in 
der  ys-Ebene,  aber  solchergestalt,  dafs  er  sein  Centrum 
weder  auf  der  Axe  der  a,  noch  auf  der  Axe  des  y  habe, 
so  macht  die  Integration  dasjenige  Glied  der  Induetions- 
formel  (17),  in  welches  cos  #  eingeht,  verschwinden,  wäh- 
rend das  andere  Glied,  welches  cos2  &  enthält,  alleinig 
übrig  bleibt.  Eine  solche  Anordnung  der  Inductionsketten 
ist  folglich  zu  der  Untersuchung  geeignet,  ob  dieses  Glied 
ein  wahrnehmbares  Inductionsvermögen  habe  oder  nicht. 
Hr.  Sundell  hat  mittelst  dieses  Verfahrens  Versuche 
gemacht,  welche  indefs  keine  sicher  wahrnehmbaren  Re- 
sultate gaben,  was  eben  so  die  oben  entwickelte  theoretische 
Deduction  verstärkt. 

Das  wahre  Gesetz  der  Induction  zwischen  zwei  Ele- 
menten ist  also  durch  die  vorhin  gegebene  Formel  (20) 
ausgedrückt. 

Vermöge  der  Grundlage  unserer  theoretischen  Unter- 
suchungen ist  einleuchtend,  dafs  die  besagte  Formel  auch 
für  den  Fall  gilt,  wo  die  Induction  bei  einer  con6tanten 
Intensität  des  Stromes  stattfindet  und  daraus  entspringt, 
dafs  die  Entfernung  zwischen  dem  inducirenden  Element 
ds  und  dem  inducirten  ds'  abnimmt  von  unendlich  bis  r. 

5.  Vertheil ung  des  freien  Aethers  in  Ruhe  auf 
dem  Leitdraht  zwischen  den  beiden  Polen  einer 
PoggendorflTs  Annal.    Ergänrungsbd.  VI.  17 

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258 


Säule.  —  Wenn  ein  Leitdraht  von  beträchtlichem  Wider- 
stand die  Pole  einer  galvanischen  Batterie  verknüpft,  so 
entsteht,  wie  man  weifs,  freie  Elektricität  auf  der  Ober- 
fläche des  Drahts.  Die  positive  Elektricität  des  Drahts 
zeigt  ihr  Spannungsmaximum  in  der  Nähe  des  positiven 
Pols.  So  wie  man  sich  von  diesem  entfernt,  nimmt  die 
positive  Elektricität  ab,  und  wenn  der  Draht  in  seiner 
ganzen  Länge  denselben  Leitungswiderstand  darbietet,  so 
giebt  es  in  der  Mitte  dieser  Länge  einen  indifferenten 
Punkt,  jenseits  dessen  die  andere  Hälfte  des  Drahts  sich 
negativ  elektrisch  erweist,  mit  wachsender  Spannung  gegen 
den  negativen  Pol  hin.  Ist  der  Widerstand  des  Drahts 
gegen  das  eine  Ende  hin  gröfser  als  gegen  das  andere, 
so  liegt  der  indifferente  Punkt  auf  Seite  des  grösseren  Wider- 
standes. Der  Unterschied  zwischen  den  elektrischen  Span- 
nungen an  zwei  Punkten  des  Drahts,  dividirt  durch  ihren 
reducirten  Leitungs widerstand,  ist  überall  constant.  Diese 
Gleichgewichtslage  der  freien  Elektricität  scheint  schwer 
erklärbar  zu  seyn,  denn  es  scheint,  die  positive  und  die 
negative  Elektricität  müfsten  den  indifferenten  Punkt  über- 
schreiten, um  sich  zu  vereinigen.  Man  hat  hierüber  bisher 
noch  keine  befriedigende,  von  jeder  Hypothese  freie  Er- 
klärung gegeben.  Die  von  uns  aufgestellte  Theorie  giebt  diese 
Erklärung  von  selbst.  Wenn  ein  galvanischer  Strom  anfangt, 
so  verlassen  die  Moleküle  der  umgebenden  Aethermasse 
die  bis  dahin  von  ihnen  eingenommenen  Gleichgewichts- 
lagen und  gehen  in  neue  über.  Dadurch  entsteht  in  einem 
benachbarten  geschlossenen  Leiter  ein  inducirter  Strom. 
Die  Moleküle,  welche  sich  in  einem  benachbarten  nicht  leiten- 
den Körper  befinden,  werden  gleichfalls  aus  ihren  Gleichge- 
wichtslagen getrieben  uud  nehmen  neue  an,  obgleich  der 
Mangel  an  Leitungsföhigkeit  nicht  die  Entstehung  eines 
eigentlichen  Inductionsstroms  erlaubt  Die  Moleküle  bleiben 
so  lange  in  ihren  neuen  Gleichgewichtslagen  als  die  wir- 
kende Ursache  (der  galvanische  Strom)  mit  constanter 
Kraft  andauert.  Das  Gesetz  der  Wirkung  eines  Elements 
des  inducirenden  Stroms  auf  ein  Element  des  inducirten 


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259 


Stroms  ist  durch  die  obigen  Formeln  ausgedrückt.  Allein 
es  ist  klar,  dafs  ganz  dasselbe  gilt  von  zwei  Elementen 
ds  und  ds'  in  einer  und  derselben  geschlossenen  Kette.  Der 
galvanische  Strom  sucht  also  von  seinem  Beginne  an  einen 
ihm  in  Richtung  entgegengesetzten  Strom  zu  erzeugen.  Die 
elektromotorische  Kraft  der  Säule  setzt  dieser  Bewegung 
ein  Hindernifs  entgegen. 

Der  Aether  des  Leitdrahts,  welcher  die  beiden  Pole 
vereinigt,  wird  durch  die  Inductionskraft  gegen  den  posi- 
tiven Pol  geführt,  und  häuft  sich  dort  an  bis  seine  Span- 
nung hinreicht,  den  durch  die  elektromotorische  Kraft 
herbeigeschafften  Widerstand  zu  überwinden  und  die  in- 
ducirende  Kraft  zu  überwältigen.  Es  ist  vollkommen  klar, 
dafs  die  Dichtigkeit  des  Aethers  mit  der  Entfernung  vom 
positiven  Pol  abnehmen  mufs.  Da  die  im  Draht  enthaltene 
Aethermasse  constant  ist,  so  mufs,  wenn  dieser  Aether 
gegen  den  positiven  Pol  geführt  wird,  am  negativen  Pol 
ein  Mangel  an  Aether  entstehen,  und  dieser  Mangel  wird 
ebenso  grofs  seyn  als  der  Ueberschufs  am  positiven  Pol. 
Eine  directe  Folge  aus  dem  Vorhergehenden  ist:  dafs  die 
algebraische  Differenz  zwischen  diesem  Ueberschufs  und 
diesem  Mangel  proportional  seyn  mufs  der  Intensität  des 
Stroms. 

6.  Die  chemischen  Erscheinungen  und  andere 
mit  ihnen  verwandte.  —  Die  Gränzen  dieser  Arbeit 
verhindern  uus,  hier  eine  vollständige  und  detaillirte  Aus- 
einandersetzung von  der  Anwendung  der  erwähnten  Theorie 
auf  die  Wirkung  des  galvanischen  Stroms  zu  geben.  Wir 
können  nur  die  Ausgangspunkte  der  Erklärung  der  chemi- 
schen Erscheinungen  andeuten.  Zunächst  lenken  wir  die 
Aufmerksamkeit  auf  die  Thatsache,  dafs  die  auf  den  vor- 
hergehenden Blättern  gegebene  Inductionstheorie  uns  eine 
neue  Kraft  zur  Verfügung  stellt,  die  so  lange  in  perma- 
nenter Thätigkeit  ist  als  der  Strom  andauert.  Diese  Kraft, 
bestimmt  ihrer  Gröfse  nach  durch  die  Formel  (16),  sucht 
ein  in  Ruhe  befindliches  Aethermolekül  in  einer  Richtung 
entgegengesetzt   der  des  Stroms  fortzuführen.  Denken 

17* 

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260 


wir  uns  nun ,  der  Strom  durchlaufe  eine  elektrolytische 
Flüssigkeit,  bestehend  aus  einer  chemischen  Verbindung 
von  zwei  Elementen  p  und  q  von  denen,  nach  der  von 
Berzelius  und  anderen  Chemikern  angenommenen  Idee, 
p  elektropositiv  und  q  elektronegativ  6ey,  d.  h.  nach  un- 
serer Betrachtungsweise  p  einen  Ueberschuls  und  q  einen 
Mangel  an  Aether  vorstelle.  Aus  dem  Vorhergehenden 
folgt ,  dafs  der  Strom  das  Molekül  p  mit  gröfserer  Kraft 
gegen  den  positiven  Pol  führt  als  das  Molekül  q.  Da  dieser 
Act  in  allen  Theilen  der  Flüssigkeit  vorgeht,  so  mufs  das 
letztere  Molekül,  vermöge  des  Archimedischen  Princips, 
suchen,  den  negativen  Pol  zu  erreichen.  Wenn  nun  die  Kraft, 
mit  welcher  die  Moleküle  sich  solchergestalt  in  einer  ent- 
gegengesetzten Richtung  zu  bewegen  suchen,  gröfser  ist 
als  die  Affinität  zwischen  den  Molekülen,  so  wird  eine 
Zersetzung  erfolgen,  und  man  wird  die  Moleküle  p 
am  positiven  und  die  Moleküle  q  am  negativen  Pol  im 
Ueberschuls  erhalten. 

Im  ersten  Theil  der  Arbeit  äufserten  wir  die  Meinung, 
dafs  die  materiellen  Theilchen  einer  Flüssigkeit  könnten 
von  dem  Strom  mechanisch  in  seiner  Richung  mit  fort- 
gerissen werden,  und  dafs  man  darin  die  Hauptursache 
der  von  Wiedemann  studirten  Thatsachen  erblicken 
könne.  Allein  man  mufs  auch  die  durch  die  Formel  (16) 
ausgedrückte  Kraft  des  Stroms  in  Betracht  ziehen,  ver- 
möge welcher  der  Strom  die  ruhenden  Aethermoleküle 
in  einer  der  seinigen  entgegengesetzten  Richtung  fortzu- 
fuhren sucht.  Wenn  nun  diese  Aethermoleküle  innig  vereint 
sind  mit  materiellen  Theilchen,  so  müssen  diese  letzteren 
in  gleichem  Sinn  mit  fortgerissen  werden.  Es  ist  also  mög- 
lich fiir  die  Theilchen,  die  sich  in  einer  von  einem  gal- 
vanischen Strom  durchlaufenen  Flüssigkeit  befinden,  eine 
Bewegung  sowohl  in  dem  einen  als  in  dem  anderen  Sinne 
zu  erhalten,  weil  dieser  Sinn  abhängt  von  der  Kraft,  welche 
die  grolsere  Intensität  darbietet.  Wir  glauben,  dafs  die  von 
Quincke1)  studirten  Phänomene  dieser  Kategorie  auf 

1)  Pogg.  Ann.  Bd.  CX1II  8.  513. 


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261 


diese  Weise  erklärt  werden  können,  ohne  dafs  man  nöthig 
hat,  die  Wirkung  der  freien  Elektricität,  die  sich  an  der 
Oberfläche  der  Flüssigkeit  befindet,  zu  Hülfe  zu  nehmen. 

Der  Umstand,  dais  die  Theilchen  eines  Volta'schen 
Bogens  vom  negativen  Pol  zum  positiven  Pol  geführt  wer- 
den, obgleich  ihre  Menge  bedeutend  geringer  ist  als  die  der 
Theilchen,  welche  durch  den  Strom  abgerissen  und  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  fortgeschleppt  werden,  mufs  auch, 
nach  unserer  Theorie,  der  Inductionskraft  des  Stromes  zu- 
geschrieben werden  können. 

7.  Drehung  der  Polarisationsebene  des  Lichts 
unter  Wirkung  des  Stroms.  —  Um  diese  Erschei- 
nung zu  erklären,  hat  man  allgemein  augenommen,  dafs 
die  materielleu  Moleküle  des  durchsichtigen  Körpers,  in 
welchen  die  Drehung  geschieht,  eine  directe  Einwirkung 
seitens  des  galvanischen  Stroms  erleiden  und  dafs  diese 
Einwirkung  ihrerseits  die  Drehung  der  Polarisationsebene 
erzeuge.  Dagegen  nimmt  C.  Neumann  an,  die  Drehung 
entspringe  aus  der  Wirkung,  welche  die  von  der  Wirkung 
des  galvanischen  Stroms  herrührenden  molekularen  Ströme 
Ampere's  auf  die  Aethermoleküle  ausüben.  Er  hat  ver- 
sucht zu  beweisen,  dafs  die  besagten  Phänomene  sich 
erklären  lassen  durch  die  Hypothese,  dafs  diese  Mole- 
kularströme auf  die  Aethermoleküle  wirken,  wie  wenn 
die  letzteren  elektrisch  wären.  Die  vorstehende  Darlegung 
über  die  Natur  der  Elektricität  zeigt,  dafs  von  den  beiden 
Meinungen  die  von  Neu  mann  der  Wahrheit  am  nächsten 
kommt  Der  Aether  des  durchsichtigen  Körpers,  welchen 
der  galvanische  Strom  umringt,  kann  unter  der  Wirkung 
dieses  Stroms  sich  nicht  im  normalen  Zustand  befinden.  Die 
Aethermoleküle  verändern  ihre  Gleichgewichtslagen  und 
Überdiefs  stellen  sich  molekulare  Aetherströme  ein,  oder, 
wenn  sie  schon  existirten,  nehmen  sie  unter  Einflufs  des 
galvanischen  Stroms  eine  bestimmte  Richtung  an.  Neu- 
en an n's  Meinung  in  Betreff  der  directen  Wirkung  der 
Molekularströme  auf  die  Aethermoleküle  ist  nicht  mehr 
eine  der   Bestätigung  bedürfende  Hypothese,  sondern 


262 

eine  Wahrheit,  wenn  man  annimmt,  dafs  die  elektrischen 
Erscheinungen  im  Aether  stattfinden.  Aber  sicher  mui's 
bei  dieser  Erklärung  auch  Rücksicht  genommen  werden 
auf  die  Abänderung  in  den  Gleichgewichtslagen  der  Aether- 
theilchen. 


IV.   Studien  über  Affinität  in  Eisenchlorid- 
Lösungen,  ohne  Veränderung  des  •flggregatzu- 
standes;  von  Alexander  Müller  in  Berlin. 

(Schiufa  von  S.  141.) 


Mittelwerthsberechnungen  und  Abrundnogen. 

]Nach  Ba  IV  vom  19.  August  1868  ist 

19,4  (VinO  =  9,99  (X*±i)  4-3,56  (116); 

nach  AUI  vom  18.  August,  mit  Vertauschung  von  X"-y  Ä 

Xa  +  € 

1 8,78  (VIII 0  —  10,3  (X         +  3,2  (II  6) ; 
nach  C  III  vom  19.  August 

17,9  (Villi)  —  9,25  (X 6-^)  -h  3,4  (II  *); 
und  nach  Bc  VII  vom  19.  August,  mit  Vertauschung  von 
VIII  ^  gegen  X  h-±± 

1 7,55  (VIII  •)  -  9,99  (X  b-±l)     3,3  (II  6). 
Hieraus  im  Mittel: 
a)  18,41  (VIIIt)=10,14(X6^)-f.3,36  (116). 

Nach  Bc  VI  vom  19.  August  haben  wir  mit  Vertau- 
8chuog  von  VIII        gegen  X  6 

6)  24,8  (Vif)  =  9,99  (x~)-f-  9,99  (116); 


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263 


ferner  nach  B  IV  vom  18.  August 

c)  18,78  (VIII  i)  =«  5,02  (VIIIA)-r-l,68(II6). 

Wir  runden  die  in  diesen  Gleichungen  enthaltenen 
Gröfsen  ab  und  gelangen  zu  folgenden  Gleichungen: 
auB  b  wird 

I)  25  (VIO=  10(X6±Ä)-r-9,l  (116); 

aus  a  wird: 

II)  18,5  (VIII  i)=  10(X6^C  4-  3,3  (116); 

aus  c  wird: 

III)  18,5  (Villi  =  5  (VIII A)-f-  1,7(116). 

Aus  I  und  II  erhält  man: 

IV)  25  (VI/")  =  18,5  (Villi)  -f-  5,8  (U 6); 
aus  II  und  III: 

V)  5(VIIU=10(X6"£Ä)-M,6flI&) 

und  aus  I  und  V: 

VI)  25  (Vif)  =  5  (VIII  h)  -f-  7,5  (II  6), 
in  welchen  6  Gleichungen  die  ausserhalb  der  Parenthese 
stehenden  Zahlen  Millimeter,  die  Parentheseninhalte  aber 
die  vorher  charakterisirten  verschiedenen  Lösungen  von 
Ferridacetat:  VI/", 

essigsaurem  Eisenchlorid:  VIII h  und  i, 
und  essigsäurefreiem  Eisenchlorid:  X6  und  c 
bedeuten,  so  dafs  die  einzelnen  Glieder  der  Gleichungen, 
subjectiv  gesprochen,  die  Farben  mengen  ausdrücken,  welche 
nach  dem  Durchgange  farblosen  Lichtes  (von  hinreichen- 
der Stärke)  durch  die  bezeichneten  Flüssigkeitsschichten 
der  betreffenden  Lösungen  zur  Empfindung  gelangen  kön- 
nen, oder,  objectiv  gesprochen,  den  Theil  des  in  der 
Lösung  zerlegten  Sonnenlichtes,  welcher  der  Absorption 
entgeht. 

Berechnung  der  Menge  Ferridacetat,  welche  dnrch  Essigsäure  in  Risen- 

chloridlösungen  gebildet  wird. 

Da  die  Lösung  VIII h  fast  26  Procent  und  Lösung  Villi 
fast  13  Procent  freie  Essigsäure  (C4  H4  04)  oder  die  äqui- 


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264 


valente  Salzsäure  enthält  und  das  Eisenehlorid  wenig  Nei- 
gung zur  Bildung  basiseben  Salzes  hat,  darf  man  nach 
vorstehenden  Gleichungen  I,  II  und  V  schliefsen  l),  dafs 
enthalten  ist  in 

5,0  Mm.  Lösung  VIII  h :      =  17,6  Procent  und  in 

18,$  Mm.  Lösung  Villi:  |^  =  36,3  Procent 

von  der  in  25,0  Mm.  Lösung  W\f  enthaltenen  Menge 
Ferridacctat,  welche  coloräquivalent  ist  mit  10,0  Mm.  der 

Lösung  X        -+-  9,1  Mm.  der  Lösung  II  b. 

25,0  Mm.  Vif  aber  mit  0,0042  Atom  Fe,  O,  in  100  CC. 
geben  die  Atomeonstante  0,105, 
danach  die  Ferridacetatmenge 

in  18,5  Mm.  VIII  t  «=  0,105  X  ~|  =  0,0371  Atomeonstante 

u.  in  5,0  Mm.  VII  A  =  0,105  X  JJJ  =  0,0184  Atomeonstante. 

Vergleicht  man  diese  Grölsen  mit  den  Ferridconstanten 
der  Lösungen  Villi  und  A,  z.  B.  ergeben  sich  folgende 
Verhältnisse : 

In  100  CC.  Lösung  sind  enthalten 

bei  VIII  i  0,020  Atom  Fe,  03 
„    VIII  A  0,040    „  „; 
Bei  vollständiger  Verwandlung  des  Eisens  in  Acetat 
wurde  die  Atomeonstante  von 

18,5  Mm.  Villi  sein:  0,370 
5,0   „     VIII  A    ,  0,200; 
durch  den  Essigsäurezusatz  ist  also  von  dem  vorhandenen 
Eisenoxyd  in  Ferridacetat  übergeführt  worden: 

bei  VmiSJJJ-  X  100  =  10,03  Procent 

bei  VIII X  100  =*  9,04  Procent. 

Demnach  wirkt  Essigsäure  1  Zehntel  stärker  zersetzend 
auf  die  verdünntere  Eisenchloridlösung  Villi  als  auf  die 
doppelt  so  concentrirte  VIII  A. 

1)  Wenu  das  vorhandene  Ferridacetat  sich  normal  verhält. 


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266 


Vergleich  der  Salzsäure  mit  der  Schwefelsäure  rücksichtlich  ihrer 

Affinitätsener^ie. 

Nach  Versuchen  über  die  Einwirkung  von  Essigsäure 
auf  Eisenarnmonalaun  und  Ferridsulphat,  welche  zum  Theil 
schon  veröffentlicht  sind  (Erdmann's  Journal  f.  pract. 
Chem.  Bd.  CI,  S.  193  ff.)  berechnet  sich,  dai's  in  einer 
Ferridsulphatlösung  von  ähnlicher  Zusammensetzung  als 
Villi  ungefähr  18  Procent  des  Eisengehaltes  in  Ferrid- 
acetat  verwandelt  werden,  also  beinahe  noch  einmal  soviel 
als  in  der  Chloridlösung,  woraus  geschlossen  werden  mufs, 
dals  bei  mittlerer  Temperatur  in  wässriger  Lösung  die 
Affinitätsenergie  der  Salzsäure  fast  das  Doppelte 
von  derjenigen  der  Schwefelsäure  beträgt! 

Man  ist  allerdings  gewöhnt,  die  Schwefelsäure  als  die 
stärkste  .Mineralsäure  anzusehen ,  aber  wohl  hauptsächlich 
nur  defshalb,  weil  sie,  wie  man  sich  auszudrücken  pflegt, 
die  Salzsäure  leicht  aus  deren  Salzen  austreibt!  Allein 
das  „Austreiben"  ist  ein  sehr  trügerisches  Kennzeichen, 
da  man  mit  dem  „ Austreiben"  die  Entwicklung  gasförmiger 
Salzsäure  meint,  also  auf  eine  mit  Veränderimg  des  Aggre- 
gatzustandes verknüpfte  Reaction  sich  stützt.  Dann  mufs 
man  aber  auch  die  Energie  der  Phosphorsäure  über  die- 
jenige der  Schwefelsäure  und  die  Energie  der  Kieseläure 
über  diejenige  der  Phosphorsäure  stellen,  weil  jede  fol- 
gende Säure  die  vorhergehende  austreibt,  wenn  die  Tension 
der  vorhergehenden  durch  Temperaturerhöhung  hinreichend 
gesteigert  worden  ist. 

Wie  sich  bei  geringer  Tension  d.  h.  in  wässrigen  Lö- 
sungen bei  niederer  Temperatur  die  Energie  der  Schwefel- 
säure zu  derjenigen  der  Salzsäure  verhält,  weils  man  bis- 
lang kaum;  es  ist  mir  wenigstens  kein  Experiment  bekannt, 
welches  sichern  Aufschlufs  gäbe  über  die  nähere  Zusam- 
mensetzung einer  wässrigen  Lösung  aus  je  einem  Aequi- 
valent  Chlorkalium  und  Schwefelsäure. 

Die  Ansicht,  dafs  bei  mittlerer  Temperatur  Salzsäure 
stärker  sey  als  Schwefelsäure,  harmonirt  mit  der  Erfahrung, 
dai's  die  Auflösung  fester  Körper  (ausgenommen  in  den 


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266 


Fällen,  wo  schwerlösliche  Verbindungen  entstehen)  in  der 
Regel  schneller  durch  Salzsäure  als  durch  Schwefelsäure 
erfolgt;  wie  auch  nach  jüngst  ausgeführten  Versuchen 
Salzsäure  die  Umwandlung  der  Cellulose  in  Zucker,  aber 
auch  die  Wiederzerstörung  des  Zuckers  in  Humussubstan- 
zen mehr  befördert  als  Schwefelsäure.  Selbst  der  Unter- 
schied, dafs  Salzsäure  weniger  geneigt  ist  zur  Bildung  ba- 
sischer Salze  als  Schwefelsäure,  läfst  erstere  als  eine 
stärkere  Säure  erkennen. 

Berechnung  des  Einflusses,  welchen  die  Beschaffenheit  einer  Eisenchlorid- 
lösung auf  den  Chromatismus  des  Eisengehaltes  ausübt. 

Als  Vorarbeit  zur  Lösung  dieser  Frage  liegt  uns  zu- 
vörderst ob,  die  Menge  Eisenchlorid  zu  berech- 
nen, welche  in  den  essigsauren  Lösungen  VIIIä 
und  •  enthalten  sind.  Die  oben  aufgeführten  abge- 
rundeten Gleichungen  I,  IV  und  VI  lassen  sich  auch  in 
folgender  Gestalt  aufstellen: 

I)  10  (X  *  ±±  )  —  25  (VI  f)  -  9,1  (II  6) 

IV)  18,5  (Villi)  —  25  (VI/")  -  5,8  (Ü6),  und 
VI)      5  (VIII A)  -  25  (VI/*)  -  7,5  (II  6). 

Hieraus  folgt,  dafs  enthalten  ist  in 
5,0  Mm.  Lösung  VIII A  :  ~  -  82,4  Procent  und  in 

18,5  „        „      Villi sg- 63,7  „ 

von  der  in  10  Mm.  der  Lösung  X        enthaltenen  Menge 

(färbenden)  Eisenchlorids,  welche  durch  25  Mm.  der  Lo- 
sung Vif  —  9,1  Mm.  der  Lösung  116  ausgedrückt  wird. 

Um  den  letztgenannten  Gehalt  an  Eisenchloridfarbe 
zu  erreichen,  mufs  man  die  Menge  der  Lösung 

VIIIÄ  auf      5        «=  1,214)  =  6,07  Mm.  und 

.  Villi  auf  18,5  (g  =  1,570)  =  29,05  „ 
Flüssigkeitssäule  erhöhen. 


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267 


Denkt  man  sich  stimmt  liehen  Eisengehalt  der  Lö- 
sungen VIII  h  und  t,  also  auch  die  erwähnte  Menge  Ferrid- 
acetat,  in  Verbindung  mit  Salzsäure,  so  sind  bezüglich 
der  Eisenchloridfarbe  äquivalent: 

6,07  =   5,52  Mm.  Lösung  VIII Ä, 

29,05  (i°^°)  =  26,14   „         n      Villi  und 

10,00   ,        9  X6^. 

Hieran  reihen  eich  als  gleichfalls  coloräquivalent  nach 
dem  19.  August  1868,  A  VI: 

0,485  Mm.  Eisenchloridlösung  VIII, 
145,4   „  .     „  Villa  und 

3,65   9  -„  VIII  b. 

Um  alle  diese  Lösungen  mit  den  oben  S.  136  mitge- 
teilten Mittel werthen  der  Lösungen  Xo  bis  e  vergleich- 

13  33 

bar  zu  machen,  haben  wir  sie  mit         zu  multipliciren, 

1U,0U 

was  für  sämmtliche  Eisenchloridlösungen  als 
coloräquivalente  Schichten  giebt: 

0,647  Mm.  Lösung  VIII     \  ü      /  0,1217  Atom.  Fe,  O, 


193,9 
4,87 


8 


0,01217  „ 


7,36  „  „  »  h  I*  o]  0,04 

34,86  „  „  „  •  ^  9  0,02 

13,6  „  „ 

13,3  „  „  »  6  i  a  3  i)  0>0073 

19,3  „  „  „  c  \  2      /(    (beabsichtigt,  in 

8,3       8         „         „   d  VI       (  Wirklichkeit  aber 

13,35     „        „        „   e  i  JS      \  l    etwas  weniger.) 

Der  flüchtigste  Blick  auf  die  Columne  der  coloräquivalen- 
ten  Schiebten  und  der  Eisengehalte  lehrt,  dafs  die  Fär- 
bung der  Lösungen  weit  entfernt  umgekehrt  proportional 
der  Verdünnung  ist,  dafs  sie  also  wesentlich  von  andern 
Umständen  beeinflulst  wird. 


268 


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269 


Unter  den  Eisenchloridlösungen  der  Tabelle  finden  sich 
nur  2  Lösungen,  die  aus  zwei  anderen  durch  einfache 
Verdünnung  mit  Wasser  entstanden  sind,  nämlich 
Villa  durch  Verdünnung  von  VIII  auf  das  10 fache  Vol., 

u.  Villi     „  »      .     »   VIIU»    -     2    »  »• 

Die  specifische  Intensität  ist  gefallen 

durch  lOfache  Verdünnung  von  12,7  auf  0,426  -1:£> 

•       2    n  »  n    MO  ,    1,43  - 1 

Die  Abnahme  der  wirklichen  Intensität  ist  10,  resp. 

2  mal  gröfser,  also  wie  1  :      und  1  :  . 

Diese  Beobachtungen  sind  weder  zahlreich  noch  genau 
genug,  um  die  Ableitung  eines  Gesetzes  für  die  Abhängig- 
keit der  Intensität  von  der  Verdünnung  zu  gestatten;  die 
Noth wendigkeit  späterer  Interpolationen  verlangt  aber  einen 
Ausdruck  für  die  Intensitätsabnahme  und  wir  wählen  als 
solchen  die  Formel 

worin  J  bedeutet  die  specifische  Intensität 
und  V  bedeutet  den  Verdfinnungsgrad. 

In  Worte  übersetzt  lautet  die  Formel:  die  specifischen 
Intensitäten  der  Eisenchloridlösungen  verhalten  sich  um- 
gekehrt wie  die  Quadratwurzeln  aus  den  Würfeln  der 
Verdünnungsgrade 

Nach  dieser  Formel  findet  man  die  specifische  In- 
tensität 

für  10  fache  Verdünnung  =  — ^ ,  statt 

»    2  ■         ■      ""ä^1  8tatt£s8' 

also  etwas  kleiner  als  nach  der  directen  Beobachtung, 
doch  immerhin  sehr  annähernd,  wenn  man  das  später  zu 
behandelnde '  Verhalten  der  Essigsäure  in  Villi  berück- 
sichtigt. 

Die  chemischen  Unterschiede  gegen  die  übrigen  Lö- 
sungen und  diese  unter  einander  bestehen  in  verschie- 


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270 


denen  Zusätzen  von  Alkalichlorüren,  Salz-  und  Essigsäure. 
Wir  betrachten  zunächst  den  Einflufs  des  Chloram- 
monium auf  die  specifische  Intensität  des  Eisen- 
chlorids. 

Lösung  Xc  unterscheidet  sich  von  Villa  durch  gröfsere 
Verdünnung  im  Verhältnifs  von  1  :  1,667  und  durch  Zu- 
satz von  0,40  Atomen  Salmiak  auf  100  CC.  Lösung.  Mit 
Benutzung  obiger  Formel  würde  ihre  specifische  Intensität 

ohne  Salmiak  seyn        mal  derjenigen  von  Villa  oder 

8,17 

0,46  X  0,426  =  0,20.  Diese  von  der  beobachteten  7,09  ab- 
gezogen giebt  7,09  —  0,20  =  6,89  für  0,40  Atome  Salmiak 

oder  17,2     „  1,00     „  „  . 

DerEinflufs  der  Salzsäure  auf  die  specifische 
Intensität  läfst  sich  in  ähnlicher  Weise  nach  Villa  und 
Xd  ableiten  als  25,6  für  1,00  Atome  Salzsäure;  demnach 
wirkt  Salzsäure  beinahe  1|  mal  stärker  als  Salmiak. 

Der  Einflufs  des  gleichzeitigen  Zusatzes  von 
Salmiak  und  Salzsäure  nach  den  Lösungen  Xa,  b  und  e 
stellt  sich  merkwürdiger  Weise  bedeutend  höher  heraus 
als  die  Summe  der  Einzelwirkungen  und  zwar  im  Ver- 
hältnifs von  1,133  :  1,000. 

Der  Einflufs  des  gleichzeitigen  Zusatzes  von 
Salzsäure  und  Chlornatrium  läfst  sich  nach  Villa 
aus  VIII 6  berechnen.  Ohne  Zusatz  müfsten  beide  Lö- 
sungen gleich  intensiv  seyn ;  also  ist  die  Intensitätsdifferenz 
durch  den  Zusatz  bedingt.  Selbst  wenn  man  die  Wirkung 
der  Salzsäure  in  Verbindung  mit  Chlornatrium  so  hoch 
wie  in  Verbindung  mit  Salmiak  annimmt,  nämlich  1,133 
mal  der  Einzelwirkung  =  29,0,  so  stellt  sich  dennoch  die 
Wirkung  des  Chlornatrium  neben  Salzsäure  auf  48,4,  dem- 
nach \\  mal  so  hoch  heraus  als  die  der  Salzsäure  neben 
Salmiak. 

Um  den  Einflufs  der  Essigsäure  auf  die  Inten- 
sität des  Eisenchlorids  in  VIII h  und  t  zu  berechnen, 
können  wir  von  VIII  und  von  Villa  ausgehen.  Wir 
ziehen  letztere  vor,  weil  wegen  instrumenteller  Fehler- 


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271 

quellen  die  Intensität  der  Losung  VIII  (mit  nur  0,485  Mm. 
beobachteter  Flüssigkeitssäule)  weniger  sicher  bestimmt  ist. 
Nach  VIII  a  sollte  die  specifische  Intensität  seyn 

von  VIIU  mit  3,287  i  facher  ,  =  0  426  J^Y*  ==  2,538, 

Loncen-'  .  

Villi    „   1,643  Nation  /  =  0,426  10^43»  =  0,897. 

Nach  Abzug  dieser  berechneten  Intensitäten  von  den 
gefundenen  verbleibt 

bei  VIII  h  :  3,40  —  2,538  =  0,862 
„    VIII  i  :  1,43  —  0,897  =  0,533 

für  die  durch  Essigsäure  bewirkte  specifische  Intensität. 
An  dieser  Wirkung  betheiligt  sich  jedoch  nicht  der  ge- 
sammte  Essigsäuregehalt  der  Lösungen.  Die  oben  nach 
Villa  berechneten  Intensitäten  gelten  nämlich  nur  für 
Eisenchloridlösungen  mit  1,27  Atome  HCl  auf  je  1  Fe2  Cls. 
Um  dieses  Verhältnifs  herzustellen,  müssen 
in  VIII  h  mit  0,040  Atome  Fe,  Os :  0,051  Atome  Säure, 
in  Villi   »    0,020     „  „     :  0,026     „  „ 

von  der  Gesammtsäure,  mit  Verwendung  der  (unzureichen- 
den) Salzsäure  in  erster  Linie,  abgezogen   werden;  als 
überschüssige  freie  Essigsäure  verbleiben  demnach 
in  VIII  h  :  0,4289  -  0,051  =  0,378  Atome, 
in  Villi  :  0,2145  —  0,026  —  0,189     „  , 
woraus  die  Intensitätssteigerung  durch  1  Atom  Essig- 
säure sich  berechnet: 

für  VniA  zuS=2,28 

-   VIII i  „^=2,81 

oder  im  Mittel  beider  Lösungen  zu  2,55  d.  i.  fast  genau 
1  Zehntel  der  Wirkung  der  Salzsäure. 

Dieses  Resultat  wird  dadurch  höchst  bemerkenswerth, 
dafs,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  10  bis  11  Atome  Essig- 
säure, 1  Atom  Salzsäure  aus  Eisenchlorid  auszutreiben 
vermögen  und  dafs  auch  hier  die  Wirkung  der  Essigsäure 
mit  der  Concentration  der  Lösungen  zusammenhängend, 
kräftiger  sich  äufsert  in  der  verdünnteren  Lösung  Villi 


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272 


als  in  der  doppelt  so  concentrirten  VIII h.  Wenn  das 
ein  Zufall  wäre,  so  wäre  es  in  der  That  ein  wunderbarer! 


Wir  haben  bis  jetzt  den  Chromatismus  der  Eisen- 
chloridlösungen  nur  nach  den  Beobachtungen  von  und 
nach  dem  2.  Juni  1868  betrachtet;  es  liegt  aber  auch  eine 
Versuchsreihe  vom  5.  October  1866  vor,  mit  sehr  bedeu- 
tenden Abweichungen  in  den  Resultaten.  Der  Grund  hier- 
von kann  nur  in  zwei  Umständen  gesucht  werden  nämlich 
in  Temperatur-  und  Alterunterschied  der  betreffenden  Lö- 
sungen. 

Eiuflufs  der  Temperatur  auf  deu  Chronsatistnus  des  Eiseochlorida. 

Mit  Ueberrechuung  nicht  nur  der  Lösungssäule  X6 

auf  den  ^  kleineren  Eisengehalt  der  Lösung  Xe  (vergl. 

S.  136)  sondern  sämmtlicher  Beobachtungen  auf  diejenigen 
vom  2.  Juni  nach  Lösung  Xa  sind  am  5.  October  1866 
folgende  Flüssigkeitssäulen  coloräquivalent  gewesen: 

Xa  Xb  Xc  Xd  Xe 

13,5  Mm.  11,9  Mm.  17,54  Mm.  7,42  Mm.  11,0  Mm. 

Unter  diesen  sind  zunächst  vergleichbar  X6  und  Xe. 
Ganz  gleich  dargestellt  unterscheiden  sie  sich  nur  dadurch, 
dafs  X6  (wie  auch  Xc  und  d)  unmittelbar  nach  der  Dar- 
stellung auf  die  Zimmertemperatur  abgekühlt  worden  war, 
Xc  aber  bis  zur  Beobachtung  warm  gehalten  wurde.  Leider 
hat  die  Temperatur  während  der  Beobachtung  weder  hoch 
noch  constant  gehalten  werden  können;  wir  müssen  uns 
darum  begnügen  zu  sagen,  dafs  die  ungefähr  40u 
warme  Lösung  Xc  1,08  mal  intensiver  gewesen 
ist  als  die  auf  ungefähr  17°  abgekühlte  X6,  sowie 
dafs  der  Intensitätsunterschied  bei  ungefähr  50"  noch  gröfser 
gewesen  ist.  Da  die  Intensität  Anfangs  1,20  mal  höher 
als  am  Ende,  demnach  1,20x  1,08=  1,30  mal  höher  als 
von  Xb  war. 


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273 


Einflute  des  Alters  auf  den  Chromatismus  der  Eisenchloridlösungen. 

Ein  Vergleich  der  Intensitäten  der  Lösungen  X6,  c 
und  d  mit  derjenigen  der  Xa  lehrt  ferner,  dals  der  In- 
tensitätssteigernde  Einflul's  der  Erwärmung  die 
nachfolgende  Abkühlung  überdauert. 

Beim  Erhitzen  der  Lösung  X  wurde,  entsprechend  der 
Lösung  Xe,  die  Intensität  unverkennbar  gesteigert;  bei 
der  darauf  folgenden  Abkühlung,  welche  theils  durch 
Verdünnung  mit  Reagentien  von  gewöhnlicher  Temperatur, 
theils  durch  Einstellen  der  Lösungen  X/>,  c  und  d  in 
kaltes  Wasser  erzielt  wurde,  auf  die  ursprüngliche  Tem- 
peratur ging  indeis  die  Intensität  nicht  sogleich,  sondern 
ziemlich  laugsam  auf  den  früheren  Grad  zurück.  Ich 
wüfste  sonst  nicht  zu  erklären,  warum  am  Tage  der  Be- 
reitung Lösung  X6  hätte  intensiver  seyn  sollen  als  Xa 
und  warum  beide  Lösungen,  nebst  No.  Xe  1.J  Jahr  später 
wieder  gleiche  Intensität  zeigen  konnten. 

Da  die,  ohne  jedwede  Erwärmung  dargestellte  Lösung 
Xa  eine  speeifische  Intensität  besitzt,  welche  nur  wenig 
hinter  derjenigen  der  Mutterlösung  VIII,  nämlich  im  Ver- 
hältnifs  von  12,7 :  10,2  zurücksteht,  so  hat  sich  deren 
Färbung  wahrscheinlich  während  der  Aufbewahrung  kaum 
merkbar  verändert,  wir  haben  darum  die  Lösung  Xa  als 
Maafsstab  benutzt,  nach  welchem  die  Intensitäten  der  übrigen 
Lösungen  vom  5.  October  1866  auf  den  2.  Juni  1868  über- 
rechnet werden  konnten.  Stellen  wir  die  so  reducirten 
Intensitäten  vom  6.  October  neben  diejenigen  vom  2.  Juni, 
nämlich : 


Xa 

Xb 

Xe 

Xd 

Xe 

Zeit 

13,5  Mm. 

11,9  Mm. 

17,54  Mm. 

7,42  Mm. ! 

11,0  Mm. 

den  6.  October  1866 

13,5  „ 

13,4  „ 

19,3  . 

8,3    „    j  13,3  „ 

den  2.  Juni  1868 

so  finden  wir,  dafs  die  Lösungen  X6,  c  und  d  noch 
2  bis  3  Stunden  nach  der  Darstellung  aus  erhitztem  Eisen- 
chlorid 1,1 12 mal  intensiver  waren,  als  1^  Jahr  später,  und 
zwar  nach  gleichem  gegenseitigen  Verhältnifs,  denn  die 
PoggendorfFa  Ann.    Ergänzungabd.  VI.  18 


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I 


274 


Flüssigkeitssäulen  vom  6.  October  geben  multiplicirt  mit 
1,112: 


für  X6 

Xc 

und  Xd 

13,24  Mm. 

19,51  Mm. 

und  8,25  Mm. 

Wir  können  nach  den  vorliegenden  Untersuchungen 
uns  nicht  weiter  in  den  Einflufs  der  Zeit  auf  die  Inten- 
sität vertiefen;  wir  werden  auf  diesen  Punkt  bei  der 
Chromometrie  des  Platinchlorids  zurückkommen.  Hier  nur 
noch  die  Bemerkung,  dafs  bei  hierauf  bezüglichen  Special- 
untersuchungen auf  Einhaltung  einer  bestimmten  Tempe- 
ratur wohl  zu  achten  ist,  dafs  aber  in  uusern  vorliegenden 
Versuchen  Temperaturschwankungen  von  wenigstens  10° 
stattgefunden  haben,  wegen  der  grofsen  Hitze  des  ver- 
gangenen Sommers. 

Die  chemische  Ursache  der  chromatischen  Veränderlichkeit  der  Eisen- 
chloridlösungen uud  die  Intensität  des  reinen  Eisenchlorids. 

Wir  haben  erfahren,  dafs  die  specifische  Intensität 
einer  Eisenchloridlösung  um  so  geringer  wird,  je  mehr 
letztere  mit  Wasser  verdünnt  wird,  ohne  dafs  die  Farben- 
qualität sich  wesentlich  ändert.  Bei  anderen  gefärbten 
Chloriden  z.  B.  des  Kupfers,  Kobalts  und  Nickels  wirkt 
Verdünnung  mit  Wasser  so,  dafs  die  Chloridfarbe  in  die 
Farbe  des  Sulphats  oder  Nitrats  übergeht.  Da  die  von 
basischen  Verbindungen  freien  Lösungen  des  Ferrid-Sul- 
phats  und  Nitrats  farblos  sind,  so  läfst  sich  das  chro- 
matische Verhalten  der  Eisenchloridlösungen  auch  nach 
Art  desjenigen  der  genannten  andern  Metalle  ausdrücken 
und  man  könnte  die  Abnahme  der  specifischen  Intensität 
bei  zuuchmender  Verdünnung  so  auffassen,  dafs  das  in- 
tensiv  gelbe  wasserfreie  Eisenchlorid  allmählig 
in  farbloses  salzsaures  Eisenoxyd  übergeht. 

Hinsichtlich  der  Intensitätssteigerung  durch  Zusätze 
müfste  man  sich  denken,  dafs  Salzsäure  die  Berührungs- 
punkte zwischen  Eisen  und  Chlor  vermehrt,  dafs  Salmiak 
und  Chlornatrium  aber  mit  Eisenchlorid  zu  intensiv  ge- 


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275 


färbten  und  zugleich  beständigen  Chlorsalzen  sich  ver- 
einigen, nach  Art  des  Platinchlorids. 

Die  Wirkung  der  Essigsäure  wird  so  zu  erklären  seyn, 
dafs  mit  diesem  Zusatz  nicht  nur  die  Menge  der  mit 
stärkerer  Anziehungskraft  für  Eisenoxyd  begabten  Säuren 
vermehrt,  sondern  zugleich  die  Menge  des  amphoteren 
Wassers  vermindert  wird. 

Die  Intensität  des  unzersetzten  Eisenchlorids  ist  zur 
Zeit  noch  unbekannt.  Ich  habe  versucht,  sie  in  einer 
Lösung  von  trocknen  (nur  Krystallwasser  enthaltenden) 
Eisenchlorid  in  absolutem  Alkohol  zu  bestimmen,  allein, 
nach  dem  Verhalten  des  krystallisirten  Kupferchlorids  in 
absolutem  Alkohol  zu  schliefsen,  wirkt  Alkohol  ähnlich 
verändernd  auf  die  Chloride  als  Wasser.  Der  sicherste  Weg 
zum  Ziele  wird  seyn ,  den  Chromatismus  des  sublimirten 
Eisenchlorids  in  einer  von  den  Elementen  des  Wassers 
freien  Lösung  zu  studiren,  z.  B.  in  Zinnchlorid  usw.  Viel- 
leicht läfst  sich  auch  algebraisch  die  Intensität  des  reinen 
Eisenchlorids  ableiten  aus  zahlreichen  Beobachtungen  über 
die  Intensitätssteigerung  der  Eisenchloridlösungen  durch 
Salzsäure,  Chlornatrium  usw.,  jedes  für  sich  in  verschie- 
denen Proportionen  angewendet. 


V.    lieber  Temperatur  und  Temper aturmaafs; 

von  G.  Recknagel. 


1.  Die  Schwierigkeiten,  welche  sich  der  Erklärung 
des  Begriffes  Temperatur  oder  des  ihm  substituirten 
„Intensität  der  Wärme"  entgegenstellen,  können  durch 
die  Erfolge,  welche  man  mit  der  Auffassung  der  Wärme 
als  lebendiger  Kraft  einer  stationären  Bewegung  erzielt,  für 
soweit  beseitigt  gelten,  dafs  für  denselben  Stoff  die 
Temperatur  als  etwas  der  lebendigen  Kraft  der  in  der 
Masseneinheit  des  Stoffes   vor  sich   gehenden  Wärme- 

18* 


276 


bewegung  Proportionales  erklärt  werden  darf.  Gehen  wir 
von  einem  Stoffe  zum  andern  über,  so  bleibt  uns  aller- 
dings ein  Kriterium,  nach  welchem  wir  die  Frage  ent- 
scheiden, ob  zwei  Körper  gleiche  Temperatur  haben  oder 
nicht:  Wir  sagen  nämlich  von  zwei  Körpern,  sie  habeu 
gleiche  Temperatur,  wenn  sie  in  unmittelbarer  gegen- 
seitiger Nähe  keine  Wärmewirkung  auf  einander  ausüben. 
Indem  wir  aber  dieses  Kriterium  anwenden,  erkennen  wir, 
dafs  wir  nicht  berechtigt  sind  allgemein  anzunehmen,  dai's 
Körper  von  gleicher  Temperatur  gleiche  lebendige  Kraft 
der  Wärmebewegung  in  der  Alasseneinheit  besitzen,  denn 
wir  erfahren,  dafs  von  verschiedenen  Stoffen  gleiche  Massen, 
welche  vorher  gleiche  Temperatur  hatten,  durch  Mittheilung 
gleicher  Wärmemengen  in  Zustände  übergeführt  werden, 
in  welchen  sie  sich  nicht  mehr  gegenseitig  neutral  ver- 
halten, kurz  dafs  durch  Zufuhr  gleicher  Wärmemengen 
in  gleichen  Massen  verschiedener  Stoffe  ungleiche  Tem- 
peratur-Erhöhungen hervorgebracht  werden. 

Diese  Erfahrung  hat  zur  Einführung  des  Begriffes  der 
specifischen  Wärme  oder  der  Wärmecapacität  geführt. 

Es  ist  damit  die  Eigenschaft  verschiedener  Stoffe  be- 
zeichnet zur  Ueberfiihrung  von  einer  ihnen  gemeinschaft- 
lichen Anfangstemperatur  in  eine  andere  ihnen  gemein- 
schädliche  Endtemperatur  für  gleiche  Massen  verschiedene 
Wärmemengen  zu  bedürfen1).  Wenn  man  nach  der  Ur- 
sache der  verschiedenen  Wärmecapacität  der  Stoffe  fragt,  so 
wird  man  zuerst  den  gesammten  Wärmeaufwand,  der  bei 

1)  Bcieichnet  man  mit  A  die  Weifse  (Albedo)  einer  matten  Fläche,  so 
bildet  A  den  Cueftieienteu  der  Beleuchtung,  durch  welchen  man  von 
dieser  auf  die  durch  die  Beleuchtung  erzeugte  Helligkeit  der  Flache 
überseht.  Mit  dieser  Grofse  steht  du  rcciproke  Werth  der 
Wärmecapacität  in  vollständiger  Analogie.  Dieser  rcciproke 
Werth  der  W.,  die  „ttpccirischc  Erwiirmungsfähigkeir  gibt  die  durch 
Zuführung  der  Wanneeinheit  in  der  Mas>eneinheit  bewirkte  Tem- 
peraturerhöhung, und  dein  Dulong'schen  Gesetze  die  merkwürdige 
Fassung:  Die  spccitUche  Ki wäunungsfkhigkeit  eines  Stoffe*  ist  seinem 
Atomgewicht  proportional.  Dieser  Begrift'  scheint  mir  vor  dem  der 
Wärmecapacität  den  Vorzug  unmittelbarer  Verständlichkeit  zu  haben. 


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277 

verschiedenen  Stoffen  zum  Zwecke  einer  bestimmten 
Temperaturerhöhung  zu  machen  ist,  für  jeden  Stoff  in  zwei 
Summanden  zerlegen  müssen,  von  welchen  der  eine  zu 
(äufserer  und  innerer)  Arbeit  verbraucht  wird,  während 
der  andere  als  lebendige  Kraft  in  den  Körper  übergeht 
und  schliefslich  als  solche  darin  vorhanden  ist. 

Den  letzteren  Summanden,  bezogen  auf  eine  fftr  alle 
Körper  gemeinschaftliche  Einheit,  hat  man  die  wahre 
Wärmecapacität  genannt,  und  diese  ist  es,  welche  allein 
unmittelbar  für  den  Begriff  der  Temperatur  und  Tempe- 
raturerhöhung in  Betracht  kommt.  Den  Schwierigkeiten» 
welche  die  Ausscheidung  im  Allgemeinen  darbietet,  ist  es 
wohl  hauptsächlich  zuzuschreiben,  dafs  die  Versuche  für 
die  Eigenschaft  der  wahren  Wärmecapacität  eine  Erklärung 
zu  geben  bisher  noch  zu  keinem  befriedigenden  Resultate 
geführt  haben. 

Es  läist  sich  indessen  trotz  dieser  Lücke  die  Frage 
nach  dem  rationellen  Temperaturmafse  soweit  führen,  dafs 
ein  Einblick  in  die  Voraussetzungen  gewonnen  wird, 
welche  bei  Anwendung  der  gebräuchlichen  Thermometer- 
scalen  gemacht  werden. 

2.  Die  Erklärung  der  Temperatur  T,  welche  ein  Kör- 
per in  einem  bestimmten  Momente  besitzt,  ist  gegeben 
durch  die  Gleichung 

wobei  c  die  wahre  Wärmecapacität  des  Stoffes,  J/iti*  die 
lebendige  Kraft  eines  Massentheilchens  bezeichnet,  welches 
an  der  Wärmebewegung  theilnimmt,  und  die  Summation 
über  alle  in  der  Masseneinheit  vorhandenen  Theilchen 
auszudehnen  ist,  so  also,  dafs  -i' (/<)  =  1  ist,  wenn  die 
Wärmebewegung  nur  von  ponderablen  Massen  ausgeführt 
wird  l). 

1)  Clausius  sagt  in  seiner  Abhandlung  „Ueber  Zurückführung  des 
zweiten  Hauptsatzes  .  .  .*  Po  gg.  Ann.  Bd.  142,  S.  458:  Wir  wollen 
nun  für  die  Bewegung,  welche  wir  Wärme  nennen,  die  Voraussetzung 
machen,  das  Gleichgewicht  bilde  sich  immer  in  der  Weise,  dafs 
zwischen  den  lebendigen  Kräften  der  verschiedenen  Punkte  ein  festes 
Verhältnifs  bestehe,  welches  sich  bei  jeder  vorkommenden  Acnde- 


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278 


Unter  den  Thermometern  geniefst  in  Bezug  auf  Ver- 
lässigkeit  der  Resultate,  das  Luftthermometer  das 
höchste  Ansehen,  und  insbesondere  bietet  die  von  Mag- 
nus, Rcgnault  und  Anderen  angewandte  auf  dem  Prin- 
zip des  constanten  Volumens  beruhende  Construction  nicht 
nur  die  grölstc  Sicherheit  und  Bequemlichkeit  der  Messung, 
sondern  auch  von  vornherein  die  günstigsten  Aussichten 
für  die  Theorie.  Es  soll  defshalb  dieses  Thermometer 
zum  Gegenstande  der  Untersuchung  gemacht  und  die 
Frage  behandelt  werden: 

Unter  welchen  Bedingungen  ist  die  Tempe- 
raturerhöhung der  Luft,  welche  bei  constantem 
Volumen  erwärmt  wird,  der  Zunahme  ihrer  Ex- 
pansivkraft proportional? 

Es  soll  sich  demnach  die  Untersuchung  auf  die  Be- 
rechtigung der  Gleichung 

c(T-  r0)=»  PT--po  w  I 

worin  p0  die  Expansivkraft  der  Luft  bezeichnet,  welche 
sie  bei  einer  beliebigen  zum  Ausgangspunkte  der  Tempe- 
raturerhöhung gewählten  Temperatur  T0  besitzt,  z.  B.  bei 
der  Temperatur  des  schmelzenden  Schnees;  p7  — p„  ist  die 
mit  der  Temperaturerhöhung  T  —  T(t  verbundene  Zunahme 
der  Expansivkraft  eines  constanten  Luftvolumens,  a  eine 
von  der  Wahl  des  Ausgangspunktes  und  der  Gröfse  der 
Scalentheile   abhängige  Constante,   welche   passend  der 

rung  der  gesammten  lebendigen  Kraft  wiederherstelle.  Dann 
läfst  sich  die  mittlere  lebendige  Kraft  jedes  Punktes  durch  ein  Pro- 
dukt von  der  Form  m  c  T  darstellen,  worin  m  die  Masse  des  Punktes 
und  c  eine  andere  für  jeden  Punkt  bestimmte  Constante  ist,  während 
T  eine  veränderliche  Gröfse  bedeutet,  welche  für  alle  Punkte  gleich 
ist.4  Unter  diesem  T,  welches  an  dieser  Stelle  noch  die  mittlere 
lebendige  Kruft  der  gesammten  in  der  Masseneinheit  vor  sich  gehen- 
den Wärmebewegung  bedeutet,  wird  im  folgenden  Absätze  die  ,ab- 
solute  Temperatur"  verstanden.  An  anderen  Orten  ist  diese  „abso- 
lute Temperatur*  die  um  273  vermehrte  Anzahl  der  Grade  der  Cel- 
sius'schen  Scala.  Welches  von  beiden  ist  Definition,  welches  Hypo- 
these? Wir  werden  im  Verlaufe  die  Bedingungen  kennen  lernen, 
unter  welchen  dieser  Uebergang  zulässig  ist. 


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279 


Spannungscoeflßcient  des  Gases  genannt  wird  und  in  der 
Celsius'schen  Scala,  mit  der  Temperatur  des  schmel- 
zenden Schnees  als  Ausgangspunkt,  den  Werth  0,003668 
hat '),  w  endlich  ist  eine  constante  Wärmemenge,  als  deren 
Vielfaches  das  jeweilige  c  (T —  T0)  aufzufassen  ist. 

Um  keinen  Zweifel  über  die  Bedeutung  der  im  Fol- 
genden gebrauchten  Ausdrucksweise  Raum  zu  lassen,  mag 
noch  Folgendes  vorausgeschickt  werden.  Wird  von  einem 
Körper  gesagt,  er  habe  eine  Temperatur  von  0°  C,  so  ist 
damit  gemeint,  dafs  er  sich  dem  schmelzenden  Schnee 
gegenüber  neutral  verhält,  d.  h.  weder  Wärme  von  ihm 
aufnimmt  noch  solche  an  ihn  abgibt.  Ferner  wird  von  Luft, 
welche  bei  0°  C.  die  Expansivkraft  p0  =  760  Mm.,  zur  Zeit 
aber  die  Expansivkraft  p,  besitzt,  gesagt,  sie  habe  eine 
Temperatur  von  t°  C,  wenn 

P*  —  P*    _  t 
0,003668  p0 

ist;  und  endlich  von  einem  anderen  Körper,  er  habe  die 
Temperatur  von  t°  C. ,  wenn  er  sich  der  eben  beschrie- 
benen Luft  gegenüber  neutral  verhält. 

3.  Da  die  in  der  Luft  enthaltene  Wärme  lebendige 
Kraft  ist,  die  Expansivkraft  aber  eine  statische  Wirkung, 
deren  Zunahme  als  Mafs  ftlr  die  lebendige  Kraft  in  Be- 
tracht kommen  soll,  so  ist  vor  allem  eine  Gleichung  nötbig, 
welche  die  lebendige  Kraft  eines  System  stationärer  Be- 
wegungen mit  der  durch  sie  hervorgebrachten  statischen 
Wirkung  in  Beziehung  bringt. 

Eine  solche  Gleichung  verdanken  wir  Clausius*): 
„Die  mittlere  lebendige  Kraft  eines  Systems  von  stationären 
Bewegungen  beliebiger  Art  ist  gleich  seinem  Virial." 

1)  Es  ist  dieses  der  Werth,  den  Magnus  Po  gg.  Ann.  Bd.  55  S.  25  als 
Mittel  aus  seinen  sämmtlichen  Versuchen  gibt  und  welchen  auch 
Regnanlt  als  Mittel  aas  den  12  Versuchen  seiner  3.  Versuchsreihe 
(Mem.  de  VAc.  Bd.  21  S.  51)  findet.  Dieselbe  Zahl  ergab  sich  mir 
als  Mittelwerth  aus  vier  im  Jahre  1863  angestellten  und  Pogg.  Ann. 
Bd.  123  S.  115  mitgeteilten  Versuchen.  Die  Annahme  0,003665 
beruht  auf  mehrfachen  Mifsverstandnissen. 

2)  Clausius,  Pogg.  Ann.  Bd.  141  S.  124. 


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280 

Das  Virial  ist  durch  den  Ausdruck 

definirt,  wobei  X,  F,  Z  die  rechtwinkeligen  Componenten  der 
auf  den  materiellen  Punkt  (a?,  y,  a)  wirkenden  resultirenden 
Kraft  sind,  und  die  Summation  über  alle  materiellen  Punkte 
auszudehnen  ist. 

Claus ius  zerlegt  das  Virial  in  zwei  Summanden:  das 
äufsere  Virial,  welches  aus  Kräften  gebildet  ist,  die  von 
aufsen  auf  den  Körper  einwirken,  und  das  innere  Virial, 
dessen  Kräfte  von  den  elementaren  Körperbestandtheilen 
selbst  ausgehen,  und  gibt  für  den  Fall,  dafs  von  allen 
Seiten  ein  auf  der  Oberfläche  normaler  Druck  von  der 
Gröfse  p  die  Flächeneinheit  drückt,  für  das  äufsere  Virial 
den  Ausdruck  §pt>. 

Dieses  Resultat,  welches  im  Folgenden  eine  wichtige 
Verwendung  findet,  will  ich  der  Vollständigkeit  wegen 
hier  beweisen,  was  Clausius  wohl  mit  Rücksicht  auf  die 
Einfachheit  des  Beweises  a.  a.  O.  unterlassen  hat. 

Ist  die  normal  auf  das  Flächenelement  df  mit  den 
rechtwinkeligen  Cordinaten  x,  y,  z  drückende  resultirende 
äufsere  Kraft  pdf^  so  sind,  wenn  die  Normale  mit  den 
Axen  der  ar,  y,  z  beziehungsweise  die  Winkel  er,  y 
bildet,  die  Componenten 

X  =  pdf  cos  er,  Y  =  pd  f  cos     Z  =  pdfco8y. 

Man  kann  sich  nun  die  Zerlegung  der  Oberfläche  in 
Elemente  dadurch  gemacht  denken,  dafs  man  den  Körper 
auf  die  xy-Ebene  projicirt,  seine  Projection  in  Elemente 
zerlegt,  und  Über  jedem  derselben  ein  senkrechtes  Prisma 
errichtet,  welches,  da  es  sich  um  eine  geschlossene  Fläche 
handelt,  die  Oberfläche  des  Körpers  zweimal  (im  Allge- 
meinen eine  gerade  Anzahl  mal)  durchdringt  und  dabei 
die  Flächenelemente  df  und  df  mit  den  Neigungswinkeln 
y  und  y  ausschneidet,  so  dafs  der  absoluten  Gröfse  nach 

df  cos  y  =  df  cos  /  =  dx  dy 

und  auch 

pdf  C08y  =  pdf'  cos  y 

oder 

Z=  Z\ 


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281 

Bildet  man  nun  die  auf  die  z  =  Componenten  hezüg- 
lichen  beiden  Elemente  —  Zz  und  —  ZV  des  Virials, 
so  sind  die  Kräfte  Z  und  Z'  der  Gröfse  nach  gleich,  dem 
Vorzeichen  nach  verschieden,  und  die  Summe  dieser  beiden 
Elemente  wird 

Z  (z  —  z)  mm  p  (z  —  z*)  dx  dy. 

Somit  ist  das  Virial  bezüglich  der  s-Componenten 
-J  v(Z*)  =  ip Z[{*-z<)dxdyl 
und  da  2l  [(s  —  z')  dx  dy]  dem  Volumen  (c)  des  Körpers 
gleich  ist,  so  wird 

-\2(Zz)  =  lpt. 

Wiederholt  man  die  Betrachtung  bezüglich  der  x  und 
y-Componenten,  so  erhält  man 

Yy-hZz)  =  $pv. 

Demgemäfs  kann  man  für  die  Masseneinheit  Luft  von 
der  Temperatur  T  die  Gleichung  des  Gleichgewichts  an- 
schreiben in  der  Form 

cT  =  !p0-4-J  2 

wobei  J  das  innere  Virial  bezeichnen  soll 

1)  Clausius  hat  schon  früher  (Po gg.  Ann.  Bd.  100)  nachgewiesen, 
dafs  die  lebendige  Kraft  einer  im  Innern  eines  begränzten  lianmes 
mit  constanter  Geschwindigkeit  vor  sich  gehenden  Bewegung  unzähliger 
vollkommen  elastischer  Kugeln  dem  Ausdrucke  ]  p  v  gleich  ist,  wobei 
unter  p  die  Intensität  des  durch  das  Anprallen  an  die  Wände  her- 
vorgebrachten Druckes  nach  auf»en  verstanden  ist.  Eine  Bewegung, 
welche  abgesehen  von  der  Zeit,  in  welcher  sie  auf  die  Wände  ein- 
wirkt, gleichförmig  und  geradlinig  ist,  kann  oftenbar  nur  ein  äufseres 
Virial  haben,  und  deshalb  ist  es  möglich,  jede  Wirkung  nach  aufsen, 
welche  sich  durch  einen  Druck  auf  die  Oberfläche  kund  gibt,  durch 
eine  im  Innern  vor  sich  gehende  gleichförmige  und  geradlinige  Be- 
wegung zu  erklären,  wenn  man  dieser  Bewegung  nur  die  entsprechende 
Geschwindigkeit  zuschreibt.  Im  Gegensatz  hiezu  hat  eine  Rotation 
nur  ein  inneres  Virial,  während  einer  oscillirenden  Bewegung,  deren 
Amplitude  gröfser  ist  als  der  Abstand  der  Hemmungen,  äufseres  und 
inneres  Virial  zukommt.  Der  allgemeine  Satz  vom  Virial  setzt  uns  in 
den  Stand  zo  rechnen,  ohne  dafs  eine  besondere  Voraussetzung  über 
die  Art  der  Wärmebewegung  gemacht  wird,  und  kann  defshalb  zu 
Aufschlüssen  über  diese  Bewegung  selbst  führen. 


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282 


Für  Temperaturerhöhung  bei  constantem  Volumen  folgt 
daraus  sofort 

Da  sich  nun  (pr  —  Po)?  der  Zuwachs  des  äufseren 
Virials,  in  der  Form 

schreiben  läfst,  so  hängt  die  Richtigkeit  der  Gleichung  I 
davon  ab,  dafs  JT  —  «J0,  die  Zunahme  des  inneren  Virials, 
der  Zunahme  des  äufseren  proportional  ist. 

Man  hat  somit  eine  Bedingung  für  die  Berechtigung 
des  Temperaturmafses ,  kann  aber  bei  derselben  defshalb 
nicht  stehen  bleiben,  weil  man  sich  über  die  Wahrschein- 
lichkeit ihrer  Erfüllung  ohne  Weiteres  keine  Rechenschaft 
geben  kann.  Denn  die  innern  Kräfte,  von  welchen  J  ab- 
hängt, sind  uns  unbekannt,  und  allgemein  ist  die  Bedin- 
gung, dafs  das  innere  Virial  einer  stationären  Bewegung 
dem  äufseren  proportional  seyn  müsse,  sicher  nicht  erfüllt, 
wie  man  sich  leicht  überzeugt,  wenn  man  z.  B.  das  äufsere 
und  innere  Virial  einer  zwischen  zwei  parallelen  Wänden 
vor  sich  gehenden  oscillirenden  Bewegung  herstellt.  Wenn 
man  also  die  Frage  weiter  fördern  will,  so  ist  man  darauf 
angewiesen,  etwas  hierher  Verwendbares  über  die  Natur 
der  inneren  Kräfte,  von  denen  J  abhängt,  zu  ermittein,  und 
dieses  gelingt  einigermaisen ,  wenn  "man  die  bei  Tempe- 
raturerhöhungen zuzuführende  Wärme  mit  den  von  ihr 
hervorgebrachten  Wirkungen  vergleicht. 

4.  Die  linke  Seite  der  Gleichung  3  stellt  denjenigen 
Theil  der  (bei  constantem  Volumen)  zugefuhrten  Wärme 
dar,  welcher  schliefslich  bei  der  Temperatur  T  noch  im 
Gase  enthalten  ist.  Da  sich  dieser  Theil  dem  Experimente 
entzieht,  so  ist  man,  um  ihn  von  dem  anderen  Theile,  der 
inneren  Arbeit,  zu  trennen,  lediglich  auf  die  Speculation 
angewiesen,  und  diese  begnügt  sich  bisher  mit  der  An- 
nahme, dafs  in  einem  „vollkommen"  oder  „ideellen**  Gase 
innere  Arbeit  überhaupt  nicht  geleistet  werde,  und  dafs 
wenigstens  die  permanenten  Gase  dem  „vollkommnen"  so 


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283 

nahe  stehen,  dafs  man  auch  bei  ihnen  von  der  inneren 
Arbeit  absehen  dürfe.  Man  stutzt  diese  Annahme  auf  die 
Vorstellung,  dafs  im  gasförmigen  Zustande  die  Massen- 
theilchen  schon  so  weit  von  einander  abstehen,  dafs  die 
Kräfte,  durch  welche  in  festen  und  flüssigen  Körpern 
innere  Arbeit  veranlafst  wird,  im  Gase  nur  noch  eine  sehr 
untergeordnete  Wirkung  äufsern,  und  dafs  auch  diese 
durch  Verdünnung  des  Gases  noch  beliebig  vermindert 
werden  könne.  Darin  liegt  offenbar  die  Voraussetzung, 
dafs  die  inneren  Kräfte,  um  deren  Ueberwindung  es  sich 
handeln  könnte,  von  Molekül  zu  Molekül,  d.  h.  zwischen 
denjenigen  abgegränzten  Massencomplexen  thätig  sind, 
welche  bei  Ausdehnung  des  Gases  ihre  mittlere  Entfer- 
nung vergröfsern,  und  dafs  diese  inneren  Kräfte  Functionen 
der  mittleren  Moleculardistanz  seyen,  welche  bei  Ver- 
gröfserung  dieser  Distanz  abnehmen.  Eine  nahe  liegende 
Conseqiienz  dieser  Voraussetzung  ist  die,  dafs  für  Erwär- 
mung bei  constantem  Volumen  innere  Arbeit  unabhän- 
gig von  der  gröfseren  oder  geringeren  Vollkommenheit 
des  Gases  überhaupt  nicht  in  Betracht  zu  ziehen  wäre. 

Es  ist  unzweifelhaft,  dafs  man  mit  dieser  Annahme 
über  die  Schwierigkeiten,  welche  in  Herstellung  der  Grund- 
lagen der  Thermometrie  liegen,  glücklich  hinweg  kommt. 
Denn  nimmt  man  an,  die  dem  Gase  bei  constantem  Vo- 
lumen zugeführte  Wärme  sey  schliefslich  ganz  als  leben- 
dige Kraft  in  demselben  enthalten,  so  wird  dadurch  die 
Frage,  ob  man  mit  den  Spannungszunahmen  der  Luft  Zu- 
wächse an  lebendiger  Kraft  mifst,  auf  eine  experimentell 
zugängliche  zurückgeführt,  nämlich  auf  diese :  Verhalten  sich 
die  Wärmemengen  Jw  und  /tw\  welche  man  einer  be- 
stimmten Luftmasse  bei  constantem  Volumen  zuführen 
mufs,  damit  dadurch  die  Expansivkraft  die  Zunahmen  zip 
und  dp  erfährt,  wie  diese  Spanuungszunahmen  oder  nicht? 

Diese  Frage  ist  durch  die  Versuche  von  Regnault  und 
Kundt  einer  günstigen  Entscheidung  schon  ziemlich  nahe 
gebracht. 

Aber  die  Annahme,  welche  diesen  guten  Dienst  leistet, 


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284 

ist,  fiir  sich  betrachtet,  nicht  so  frei  von  Einwürfen,  dafs 
man  unbesorgt  eine  Disciplin  von  der  Bedeutung  der  Ther- 
mometrie  auf  solcher  Grundlage  aufbauen  dürfte.  Sie 
scheint  mir  vielmehr  schon  damals  eine  heftige  Erschütte- 
rung erlitten  zu  haben,  als  Clausius  durch  seine  auf  Grund- 
lage der  Krönig'schen  Gastheorie  durchgeführte  Rech- 
nung gefunden  hat,  dafs  nicht  die  ganze  dem  Gase  zu- 
gefUhrte  Wärrae  sich  als  Wirkung  nach  aul'sen  manifestirt, 
und  defshalb  zur  Erklärung  des  Restes  innere  stationäre 
Bewegungen  in  Anspruch  nehmen  mufste.  Nimmt  man 
nun  mit  Clausius  an,  das  Molekül  sey  in  einer  Rotation 
begriffen  (wobei  die  Bestandteile  Kreise  beschreiben),  so 
mufs  bei  Temperaturerhöhung  mit  der  Rotationsgeschwin- 
digkeit auch  die  Centripetalkraft  wachsen,  und  ist  diese 
durch  eine  Kraft  repräsentirt,  deren  Gröfse  durch  die  Ent- 
fernung des  Bestandteils  von  irgend  einer  Gleichgewichts- 
lage bestimmt  wird,  so  mufs  sich  während  der  Tem- 
peraturerhöhung diese  Entfernung  ändern,  und  es  wird 
das  Theilchen  nach  Herstellung  des  neuen  dynamischen 
Gleichgewichts  seinen  Kreis  mit  anderem  Durchmesser 
beschreiben  wie  zuvor.  Die  Ueberfuhrung  aus  der  alten 
in  die  neue  Entfernung  wird  aber  im  Allgemeinen  nicht 
ohne  Arbeitsleistung  geschehen ,).  Auch  der  Umstsnd, 
dafs  chemisch  zusammengesetzte  Gase  durch  Temperatur- 
erhöhung allein  zerlegt  werden  können,  spricht  für  eine 
unter  allen  Umständen  vor  sich  gehende  Ansammlung 
innerer  Spannkraft  (potenzieller  Energie). 

Aus  solchen  Erwägungen  scheint  es  passend,  bei  den 
folgenden  Rechnungen,  welche  ohne  eine  besondere  Vor- 
aussetzung über  die  Art  der  Wärmebewegnng  durchge- 
führt werden,  die  Conventionelle  Annahme,  dafs  bei  Er- 
wärmung von  permanenten  Gasen  innere  Arbeit  nicht  ge- 
leistet werJe,  aufzugeben,  und  demnach  bei  Austheilung 

1)  Man  überzeugt  sich,  dafs  die  (innere)  Arbeit  nur  in  dem  Falle  verschwindet, 
dafs  die  Bahnlänge  der  Atome  bei  Beschleunigung  der  Rotation  con- 
stant  bleibt,  dafs  man  es  also  mit  einem  absolut  starren  Massencom- 
plexe  zu  thun  hat. 


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285 


der  zugefuhrten  Wärme  auch  für  diese  Art  von  Arbeit 
einen  Posten  offen  zu  halten. 

5.  Denken  wir  uns  nun  zunächst,  es  werde  ein  Kilo- 
gramm Luft  von  der  Temperatur  des  schmelzenden  Schnees 
(0°  C.)  unter  dem  coustanten  Drucke  einer  Atmosphäre 
(760  Mm.  Quecksilber)  bis  zur  Temperatur  des  gesättigten 
Wasserdampfes  von  eben  dieser  Expansivkraft  (100°  C.) 
erwärmt,  so  kann  die  zugeführte  Wärme  sich  nur  auf 
änfsere  Arbeit,  innere  Arbeit,  äufseres  Virial  und  inneres 
Virial  vertheilen. 

Nimmt  man  als  Mafs  für  Wärmemengen,  wie  üblich, 
diejenige  Wärme,  welche  einem  Kilogramm  Wasser  von 
0"  C.  (bei  dem  Drucke  einer  Atmosphäre)  zugeführt  werden 
mufs,  damit  dasselbe  die  Temperatur  von  1°  C.  erhält,  so 
ist  nach  Kegnault  s1)  Versuchen  die  für  Durchführung 
des  ganzen  Prozesses  nöthige  Wärmemenge  23,77 
oder  in  mechanischem  Malse,  wenn  das  Arbeitsäquivalent 
der  Wärmeeiuheit  zu  424  mk  angenommen  wird: 

424.23,77  — 10079  mk. 
'  Die  Ausdehnung  is  tr100—  r0=0,36706c„  -)?  »«=0,7734 
Cubikmeter,  p0  =  p,ü0  =  10333  Kilogramm  auf  das  Qua- 
dratmeter, daher  die  äufsere  Arbeit 

Po  (Pion  —  »•)  =  2932  mk- 
Zieht  man  diese  von  der  zugeführten  Wärme  ab,  so 

bleiben  7147  mür,  von  welchen  auf  den  Zuwachs  des 

äufseren  Virials  verwendet  werden 

l  Po  (e.oo  -  <?«)  —  i  Po  *> o  •  0,36706  =  4400  mk. 
Somit  bleiben  noch 

2747  mk 

als  Kest,  von  welchem  derjenige  Theil,  der  nicht  zu 
innerer  Arbeit  verbraucht  worden  ist,  als  Zuwachs  des 
inneren  Virials  aufzufassen  ist.  Dieses  Rechnungs- 
resultat  beweist   unmittelbar,  dai's  im  Innern  des  Gases 

1)  Regnault,  Mim.  de  l'Ac  T.  26  />.  96  —  110.  Der  von  Regnault 
gegebene  Mittelwerth  23,74  ist  durch  den  im  Text  gebrauchten  zu 
ersetzen,  weil  Regnault  die  Temperaturen  mit  0  =  0,003665  rechnet. 

2)  Kegnault,  Mim.  de  l'Ac  T.  21  p.  66. 


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286 

Kräfte  thätig  sind,  durch  welche  ein  namhafter  ^heil 
der  zugefuhrten  Wärme  in  der  einen  oder  andern  Weise 
beansprucht  wird,  und  wir  sind  dem  Vorausgehenden  ge- 
mäls  angewiesen,  zu  untersuchen,  ob  diese  Kräfte  Func- 
tionen der  Molekulardistanz  sind  oder  nicht. 

6.  Für  innere  Kräfte,  welche  von  Massentheilchen  zu 
Massentheilchen  wirken  und  Functionen  (y)  der  Entfer- 
nung (r)  dieser  Theilchen  sind,  hat  schon  Clausius1) 
nachgewiesen,  dals  das  Virial  die  Form 

hat,  wobei  die  Summation  auf  alle  Combinationen  der  Theil- 
chen zu  je  zweien  auszudehnen  ist.  Zugleich  ist  zu  be- 
merken, dafs  hierbei  von  dem  während  einer  Periode  der 
stationären  Bewegung  mittleren  Werthe  dieser  Summe 
die  Rede  ist,  welcher  Mittelwerth  übrigens  bei  unendlich 
vielen  die  gleiche  Art  der  Bewegung  ausführenden  Theil- 
chen dem  in  einem  bestimmten  Momente  stattfindenden 
Werthe  delshalb  gleich  gesetzt  werden  darf,  weil  die  un- 
endliche Verschiedenheit  der  Phase  bewirkt,  dals  gleich- 
zeitig stattfindet,  was  bei  dem  einzelnen  Theilchen  suc- 
cessive  während  der  Periode  auftritt. 

Sind  also  die  inneren  Kräfte  Functionen  der  Molekular- 
distanz, so  ist  auch  ihr  Virial  eine  solche  Function,  und 
es  niui's  durch  eine  Aenderung  jener  Distanz,  wie  sie 
durch  Ausdehnung  bei  constanter  Temperatur  hervor- 
gebracht wird,  der  Werth  des  Virials  im  Allgemeinen1) 
eine  Aenderung  erfahren.  Zugleich  in  Oiste  eine  Ausdeh- 
nung, gleichviel  ob  sie  mit  oder  ohne  Veränderung  der 
Temperatur  vorgenommen  wird,  im  Allgemeinen  mit  innerer 
Arbeit  verbunden  seyn. 

Es  wird  delshalb  zunächst  der  Einfluls  ermittelt,  den 
Ausdehnung  der  Luft  bei  constanter  Temperatur  auf  den 
Werth  des  inneren  Virials  hat,  und  dann  derjenige  Theil 
der  inneren  Arbeit  berechnet,  welcher  von  Kräften  ab- 

1)  Clausius,  Po  gg.  Ann.  Bd.  141  S.  124. 

2)  Diese  Aenderung  würde  nur  dann  nicht  eintreten,  wenn  die  Kräfte 
der  negativ  ersten  Potenz  der  Entfernung  proportionul  wären. 


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287 


hängt,  die  sich  mit  der  mittleren  Entfernung  der  Moleküle 
ändern. 

7.    Aenderung  des  inneren  Virials. 
Verbindet  man  mit  der  Gleichung 

welche  sich  auf  irgend  eine  Temperatur  T  und  Expansiv- 
kraft p,  eines  Kilogramms  Gas  beziehen  soll,  eine  zweite 

welche  für  dieselbe  Temperatur  und  eine  andere  Expan- 
sivkraft p2  derselben  Masse  gilt,  so  folgt  allgemein: 

Durch  diese  Gleichung  ist  die  Aenderung  dargestellt, 
welche  das  innere  Virial  J  in  Folge  einer  Dichtigkeits- 
änderung bei  constanter  Temperatur  erfährt. 

Nun  ist  nach  Regnault's1)  Versuchen  über  die  Com- 
pressibilität  der  Gase  für  alle  Gase  mit  Ausnahme  des 
Wasserstoffs,  wenn 

P*>Px 

umgekehrt : 

Pl  p*  <Pi 

somit  J2  >»  Jx ,  wenn  J2  bei  gleicher  Temperatur  zu  einer 
gröfseren  Dichtigkeit  gehört,  als  Jv    Das  heilst: 

In  atmosphärischer  Luft  nimmt  das  innere 
Virial  zu  Gunsten  des  äufseren  ab,  wenn  man 
das  Gas  bei  constanter  Temperatur  ausdehnt. 
Die  Ausdehnung  bewirkt  demnach,  dafs  eiu  Theil  der  im 
Gase  enthaltenen  lebendigen  Kraft,  welcher  vorher  durch 
innere  Kräfte  gleichsam  gefesselt  war,  nun  frei  wird  und 
nach  aufsen  hin  wirksam. 

Um  durch  Zahlen  eine  Vorstellung  von  dem  ungefähren 
Betrage  dieser  Abnahme  des  inneren  Virials  zu  erhalten, 
kann  man  den  Werth  1,0014  benutzen,  welchen  Regnault 

fär^-  ~  erhielt,  als  p.  nahe  760  Mm.,  -  =  2  und  die  Tera- 

peratur  nicht  weit  von  0°  C.  war. 
1)  Regnault,  Mim.  </«  VAc  T.  21  p.  329  —  428. 


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288 

Mau  erhält  dann 

J%  —  Jx  =  16,5  m  k. 

Um  ferner  die  Aenderung  des  inneren  Virials  zu  be- 
rechnen, welche  durch  Ausdehnung  einer  Luft  von  100°  C. 
um  0,36706  ihres  Volumens  (bei  constanter  Temperatur) 
veranlagst  wird,  kanu  man  die  Versuche  über  die  soge- 
nannten Ausdehnungscoefficienten  der  Luft  in  folgender 
Weise  benutzen. 

Wird  ein  Kilogramm  Luft  von  0°  C.  und  760  Mm.  Ex- 
pansivkraft bei  coustantem  Volumen  bis  100°  C.  erwärmt, 

so  wächst  die  Expansivkraft  so,  dais/,±otf  =  1,3668  wird. 

Durch  Erwärmung  derselben  Luft  bei  constantem  Druck 

wächst  das  Volumen  von  c„  auf  r100,  und  wird    00  =  1,36706. 

Denkt  man  sich  diese  Luft  nun  von  dem  ersten  Endzu- 
stande in  den  zweiten,  minder  dichten,  bei  constanter  Tem- 
peratur übergeführt,  so  geht  das  Produkt  p2  =  plQ„  t>0 
in  p,  f?x  —p0  ©100  über,  und  es  wird  für  diesen  Fall 

-  J,  =  l  (P. «...  -  P,»„  t ,)  =  |p,  t>„  fr*  -  EU») = 8,1  m k. 

Es  ergiebt  sich  demnach  durchaus  Abnahme 
des  inneren  Virials  als  Wirkung  der  Ausdehnung. 

Daraus  folgt  zunächst  und  unmittelbar,  dafs  von  der 
durch  den  obigen  Rest  von  2747  mk  angedeuteten  Zu- 
nahme des  inneren  Virials  nichts  auf  Rechnung  der  dort 
mit  der  Temperaturerhöhung  verbundenen  Ausdehnung 
zu  setzen  ist. 

Ferner  ist  durch  diese  Betrachtung  erwiesen,  dafs  in 
der  Luft  innere  Kräfte  thätig  sind,  welche  von  Molekül 
zu  Molekül  wirken  und  von  der  Molekulardistanz  ab- 
hängen. 

Endlich  läfst  sich  auch  über  die  Natur  dieser  Kräfte 
etwas  aussagen,  dieses  nämlich:  dafs  ihre  Wirkungen  bei 
Vergröfserung  der  mittleren  Entfernung  rascher  abnehmen, 
als  solche,  welche  der  negativ  ersten  Potenz  der  Entfer- 
nung proportional  sind.  Bezeichnet  man  nämlich,  weil  es 
vorerst  zweifelhaft  ist,  ob  das  ganze  innere  Virial  J  aus 


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289 


diesen  Kräften  gebildet  ist  oder  nicht,  das  Virial  der 
Kräfte ,  welche  von  der  Molekulardistanz  abhängen  mit  t, 
so  ist 

t  =  i  2rrf  (r) 
und  da  eben  nachgewiesen  wurde,  dal's 

-  <  o, 

zunächst  £  \rdif  (r)  -+-  ff  (r)rfr]  <!0. 

Denkt  man  sich  nun,  dais  die  Ausdehnung  in  der 
Weise  erfolgt,  dafs  alle  mittleren  Entfernungen  der  Mole- 
küle wachsen,  so  ist,  da  (f  (r)  als  Ausdruck  für  eine 
anziehende  Kraft  sein  positives  Vorzeichen  für  jedes  r 
beibehält  2?  (f.  (r)  dr  noth wendig  positiv,  folglich  ~  r  d  if  (r) 
negativ  und  dem  absoluten  Werthe  nach  grölser  als  jene 

Summe.    Setzt  man  nun  qp(r)==Är",  so  folgt  leicht 

*0»-i)^(£)>° 

und  daraus  ro]>  1. 

Weitere  sehr  bemerkenswerthe  Schlüsse,  welche  durch 
Vergleichung  dieser  Resultate  mit  den  in  No.  5  erhaltenen 
gezogen  werden  können,  gewinnen  die  nöthige  Präcision 
und  Sicherheit  erst  durch  das  Ergebnifs  einer  hier  anzu- 
reihenden Untersuchung  über  die  (innere)  Arbeit,  welche 
bei  Gelegenheit  des  in  No.  5  durchgeführten  Prozesses 
von  denjenigen  inneren  Kräften  geleistet  wird,  deren  Ex- 
istenz und  Art  so  eben  aus  den  Abweichungen  der  Luft 
vom  Mariotte'sehen  Gesetze  erkannt  wurde. 

8.    Die  Molekulararbeit. 

Zunächst  ist  die  gesammte  innere  Arbeit  in  zwei  Sum- 
manden auszuscheiden,  von  welchen  der  eine  (rnT — m0), 
welcher  sich  auf  die  von  Molekül  zu  Molekül  wirkenden 
Kräfte  bezieht,  nur  dann  in  Betracht  kommt,  wenn  sich 
die  mittlere  Entfernung  der  Moleküle  bleibend  ändert. 
Dieser  Summand  soll  im  folgenden  kurz  die  Molekular- 
arbeit heifsen.  Der  zweite  Summand  soll  mit  dem  Zei- 
chen (/>  —  /„)  eingeführt  werden  und  die  Arbeit  darstellen, 
Poggendorflf  s  Ann.    Ergfinzungsbd.  VI.  19 


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290 

welche  etwa  auf  Ausdehnung  des  Molekularvolumens  selbst 
verwendet  wird.  Diese  Wirkung  kann  man  sich  als  Folge 
einer  Geschwindigkeitszunahme  der  Bestandtheile  des  Mole- 
küls, somit  als  Function  der  Temperaturerhöhung  denken, 
und  es  ist  offenbar,  dafs  sie  ebensowohl  bei  constantem  , 
Volumen  als  bei  Veränderung  desselben  stattfinden  kann. 

Ferner  soll  die  Wärmemenge,  welche  Behufs  einer 
Temperaturerhöhung  bei  constantem  Drucke  zugeführt 
wird,  mit  «?„,  die  Wärmezufuhr,  durch  welche  bei  con- 
stantem Volumen  die  gleiche  Temperaturerhöhung  be- 
wirkt wird,  mit  wr  bezeichnet  werden. 

Man  erhält  dann,  wenn  die  Erwärmung  in  beiden 
Fällen  an  der  Gewichtseinheit  Gas  von  der  gleichen  An- 
fangstemperatur (0°  C.)  und  Dichtigkeit  aus  vorgenommen 
wird,  die  beiden  Gleichungen: 

7»,=^  (Pr  -  ».)  +  |  Po  (»r  —  »»)  ■+"  Cr  — 

-h  (wir  —  ro0)  -f-  (/r  —  /0) 

TlW<=*  °o  (Pr-  Po)       C^r  ~  /*)  +  Qt  -  l0) 
und  durch  Subtraction: 

\  (»„  -  «0  =  Po  («r  —     )  H-  (mT  —  Bio)  -f-  (/f  —  /r) 

-T-|(Po  ©r  — Pr«?0)- 

Nun  ist  aber  den  Ausführungen  in  No.  7  gemäfs  all- 
gemein 

J'r  —  Jt  -+-  5(Po  <>r  —  Pr  t>0)  =  0 
und  man  erhält  für  die  Molekulararbeit 

mr  -  m0  =  -1  (tp,  —  «0  —  p0  (t?r  -  t>0). 

Subtrahirt  man  also  die  bei  der  Ausdehnung  unter 
constantem  Drucke  geleistete  äufsere  Arbeit  von  dem  da- 
bei erforderlichen  Mehraufwande  an  Wärme,  so  erhält 
man  nicht  die  gesammte  innere  Arbeit,  sondern  nur  den- 
jenigen Theil  derselben,  welcher  von  den  von  Molekül  zu 
Molekül  wirkenden  Kräften  abhängt. 

Um  die  Molekulararbeit  (mr  —  ro0)  für  einzelne  Gase  uud 
Temperaturerhöhungen  berechnen  zu  können,  ist  die  Kennt- 
nifs  der  Differenz  w,  —  ivt  erforderlich. 


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291 


Ueber  er,  ist  für  viele  Gase  durch  direkte,  hinreichend 
sichere  Versuche  entschieden.  Insbesondere  darf  man  für 
ein  Kilogramm  Luft  den  über  ein  grofses  Temperatur- 
und  Dichtigkeits-Intervall  ausgedehnten  Versuchen  Reg- 
n  .'tults  gemäfs  setzen 

w  =0/2377  s 

"        '         0,003668  /»„  ' 
wenn  pM  der  bei  0°  C.  stattfindende  Druck  von  760  Mm. 
auf  Luft  ist,  welche,  im  Luftthermometer  auf  constantem 
Volumen  erhalten,  die  Temperaturerhöhung  des  Kilogramms 
Luft  mitmacht. 

Was  hingegen  ic,  betrifft,  so  können  mit  einiger  Sicher- 
heit zur  Berechnung  desselben  nur  diejenigen  Versuche 
benützt  werden,  welche  zur  Ermittelung  der  Fortpflanzungs- 
geschwindigkeit des  Schalls  angestellt  worden  sind,  und 

zu  dem  bekannten  to0  noch  das  Verhältnifs  —  liefern.  Ob- 

wohl  dieses  Verhältnifs  in  die  Formel  für  die  Schallge- 
schwindigkeit mittelst  einer  Differenzialgleichung  einge- 
führt wird,  welche  aus  der  Gleichung  pv  =  T  Const.  ab- 
geleitet zu  werden  pflegt  und  diese  Gleichung  unsere 
Gleichung  I  als  speciellen  Fall  enthält,  so  läfst  sich  doch 
leicht  nachweisen,  dafs  dem  Coefficienten  der  Schallge- 
schwindigkeitsformel die  Bedeutung  —  unabhängig  von  der 

IC* 

genannten  Gleichung  zukommt.  Mit  Rücksicht  hierauf 
ist  es  erlaubt,  zu  setzen: 


w  u'1  s 

wr  "      pg  ' 


worin  u  die  Schallgeschwindigkeit,  s  das  specifische  Ge- 
wicht, p  die  Expansivkraft  der  Luft,  g  die  Beschleunigung 
der  Schwere  bezeichnet. 

Legt  man  den  schon  für  trockene  Luft  von  0°  C.  und 
760  Mm.  Druck,  sowie  für  mittlere  Beschleunigung  corri- 
girten  Werth 

u  =  332,25 

nach  Moll  und  van  Beck  zu  Grunde  und  setzt  dem- 
gemäfs  i  =  1,293,  g  =  9,806,  p  =  10333,  so  findet  man 

19- 


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292 


£  =  1,408. 

Würde  man  aber  der  Rechnung  eine  Schallgeschwin- 
digkeit zu  Grunde  legen,  welche  um  1,21  Meter  von  der 
angenommenen  differirt,  so  würde  dadurch  die  zweite 
Decimale  um  eine  Einheit  verändert  werden.  Auf  1  Meter 
darf  aber  wohl  die  Unsicherheit  angeschlagen  werden, 
welche  zur  Zeit  noch  über  u  besteht. 

Sehr  bemerkenswert!!  für  die  vorliegende  Frage  sind 
die  Differenzialversuche  von  Kundt1),  denen  gemäfs  Aen- 
derungen  der  Temperatur  von  0°  C.  bis  100°  C.  und  Aen- 
derungen  der  Dichtigkeit,  welche  durch  Werthe  von  p 
zwischen  380  Mm.  und  1780  Mm.  hervorgebracht  wurden, 
keinen  Einflufs  auf  die  zweite  Decimale  des  Verhältnisses 

—  üben. 

«v 

Dürfte  man  den  Resultaten  Hundts  die  Verallge- 
meinerte Bedeutung  beilegen,  dals  dieses  Verhältnifs  von 
Dichtigkeit  und  Temperatur  unabhängig  sei,  so  würde 
folgen : 

•r       °>2377      Pr  —  Po    .Ai  oon    Pt  —  Pq 

1,41   •O.üOSGGSpo        '         0,003668 />0' 

und  man  erhielte  für  atmosphärische  Luft  allgemein: 

mr- m,  -±0,0691  J^gL.  _P'„ („',-  O. 

Als  direkt  bewiesen  kann  man  diesen  Ausdruck  für 
den  in  No.  5  numerisch  durchgerechneten  Fall  ansehen, 
nämlich  für  die  Arbeit  m100  —  wi0,  welche  verrichtet  wird, 
wenn  1  Kilogramm  Luft  unter  dem  constanten  Drucke 
von  760  Mm.  von  0Ü  C.  bis  100°  C.  erwärmt  wird.   Es  ist 

dann  pr~p*  _  0,3668  und  p'0  (u'r  —  v0)  —  2934  zu  setzen, 

Po 

und  es  bleibt 

mioo  —  mQ  =  —  2  Meterkilogramm. 

Das  für  diese  Art  innerer  Arbeit  erhaltene  Vorzeichen 
kann  hier  offenbar  nur  als  zufallig  angesehen  werden,  da 

eine  Einheit  der  dritten  Decimale  des  Verhältnisses  —  den 

1)  Kundt,  Pogg.  Ann.  Bd.  135,  S.  527. 


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293 


Minuenden  um  4  bis  5  mk  ändert,  so  dafs  z.  B.  die  An- 
nahme 1,411  schon  einen  positiven  Werth  für  mlon  —  m0 
ergeben  würde. 

Somit  ist  das  Rechnungsresultat  dahin  zu  verstehen, 
dafs  sich  für  eine  bei  Ausdehnung  der  Luft  um 
0,36706  ihres  Volumens  geleistete  Molekularar- 
beit ein  nachweisbarer  Werth  überhaupt  nicht 
ergiebt !). 

9.  Fassen  wir  nun  die  bisherigen  Resultate  zusammen, 
so  ergab  sich,  dafs  bei  der  mit  Ausdehnung  unter  con- 
stantem  Druck  verbundenen  Temperaturerhöhung  eines 
Kilogramms  Luft  um  100*  C.  für  die  Summe  aus  ge- 
leisteter innerer  Arbeit  und  Zuwachs  des  inneren  Virials 
ein  Aufwand  von  2746  mk  gemacht  wird,  welcher  mehr 
als  den  vierten  Theil  der  gesammten  zugeführten  Wärme 
ausmacht. 

Ferner  haben  die  Rechnungen  über  das  innere  Virial 
auf  Kräfte  geführt,  welche  von  Molekül  zu  Molekül  wirken 
und  solche  Functionen  der  Entfernung  sind,  welche  mit 
wachsender  Entfernung  abnehmen. 

Endlich  konnte  nachgewiesen  werden,  dafs  zur  Ueber- 
windung  dieser  Kräfte  bei  Ausdehnung  um  0,36706  des 
Volumens  ein  merklicher  Aufwand  an  Arbeit  nicht  ge- 
macht wird. 

Daraus  folgt,  dafs  die  von  Molekül  zu  Molekül 
wirkenden  Kräfte,  auf  deren  Existenz  aus  den  Ab- 

1)  Zu  dem  gleichen  Resultate  einer  nicht  mit  Sicherheit  nachweisbaren 
Molekulararbeit  kommt  man  bei  den  Gasen:  Sauerstoff,  Stickstoff, 
Waaserstoff,  Kohlenoxyd,  Stickoxyd,  Stickoxydul,  Kohlensäure,  Am- 
moniak, Salzsäure,  Salzäther,  Schwefelkohlenstoff,  wenn  man  die  von 
Regnault  ermittelten  Cp  mit  den  von  Masson  Comptts  rend.  T.  41 
p  464  gegebenen  Werthe  der  Schallgeschwindigkeit  combinirt  und 
letzteren  denselben  Grad  der  Sicherheit  beilegt  wie  dem  für  Luft  an- 
gewendeten. Für  Schwefclige  Säure,  Wasserdampf,  Aether,  Schwefel- 
wasserstoff erhalt  man  negative,  für  Sumpfgas  und  Ölbildendes  Gas 
positive  Arbeit.  Dieses  läfst  den  Schlufs  zu,  dafs  Geringfügigkeit 
der  Molekulararbeit  charakteristische  Eigenschaft  aller  Gase  und  Dämpfe 
ist-,  dafs  innere  Arbeit  überhaupt  nicht  geleistet  werde,  ist  jedoch  da- 
mit nicht  bewiesen,  und  auch  nicht  wahrscheinlich  gemacht. 


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294 


weichungen  der  Luft  vom  Mari otte 'sehen  Gesetze  ge- 
schlossen wird,  nicht  die  einzigen  in  der  Luft  thä- 
tigen  und  für  die  Erwärmung  in  Betracht  zu 
ziehenden  inneren  Kräfte  sind. 

Denn  wollte  man  dieses  annehmen,  so  müfste  der 
ganze  Rest  von  2746  mk  als  Zuwachs  ihres  (inneren) 
Virials  angesehen  werden.  Nun  kann  aber  das  Virial 
dieser  Kräfte  nur  dadurch  wachsen,  dafs  die  mittlere  Ent- 
fernung der  Moleküle  abnimmt;  folglich  müfste  die  mit 
der  Ausdehnung  zugleich  erfolgte  Temperaturerhöhung, 
d.  h.  die  Geschwindigkeitszunahme  der  Moleküle  eine  Ab- 
nahme der  mittleren  Entfernung  verursacht  haben.  Dieses 
ist  aber  unmöglich,  da  die  Zunahme  der  Geschwindigkeit 
einer  stationären  Bewegung,  welche  nach  wie  vor  einen 
bestimmten  Raum  ausfüllen  soll,  in  den  Fällen,  wo  sie 
überhaupt  eine  Aenderung  der  mittleren  Entfernung  zur 
Folge  hat,  in  demselben  Sinne  wirken  mufs  wie  die  Aus- 
dehnung, nämlich  zur  Vergröfserung  des  mittleren  Ab- 
standes. 

Von  denjenigen  inneren  Kräften,  zu  deren  Annahme 
der  Rest  von  2746  mk  zwingt,  mufs  gesagt  werden,  dafs 
sie  zwischen  den  Bestandtheilen  des  Moleküls 
thätig  sind,  und  dafs  sich  ihre  Wirksamkeit  auf 
diese  Bestaudt heile  beschränkt.  Mann  kann  sie 
kurz  Atomkräfte  nennen.  Dabei  ist  der  Begriff  des  Mole- 
kularbestandtheils  (Atoms)  im  weitesten  Sinne  gefafst,  und 
auch  der  um  das  Molekül  verdichtete  Lichtäther  mit  ein- 
gerechnet. 

Nehmen  wir  nun  wieder  die  Gleichung  vor,  welche 
sich  auf  Erwärmung  eines  Kilogramms  Luft  bei  con- 
stantem  Volumen  bezieht: 

7^  =  1^  (Pr  —  Po)  +  (Jt  —  J0)  ~h  (/r  -  /,,), 

ersetzen  darin  wv  durch  0,1686  PSZÜS.  ,  und  bringen  die 

«  Po 

Zunahme  des  äulseren  Virials  in  die  Form 

3  r.  «  «  f>T  ~  P« 


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295 


so  folgt 

V*  -  40  •+-  (/r  -  ü  =  (}  0,1686  -  1  er  pQ  t.) 

und  für  Erwärmung  Luft  von  normaler  Dichtigkeit 

(1  —  424  mk,  «  =  0,003668,  u0  =0,7734 Cm., p,,«*  10333*) 

(Jr- J0)  +  /r-/0  =  27,51  ^^m*... 

a  p0 

während  die  ganze  zugeftihrte  Wärme 

71  ^PZJZJ^mk 

«Po 

beträgt. 

Hier  ist  nun  JT  —  J9  der  Hauptsache  nach  ')  als  Zu- 
nahme des  Virials  von  Atomkräften,  d.  i.  als  Zuwachs  an 
lebendiger  Kraft  einer  selbstständigen  Atombewe- 
gung anzusehen,  und  /, —  f0  ist  die  durch  Ueberwindung 
von  Atomkräften  geleistete  Arbeit. 

Wir  kommen  also  zu  dem  Schlüsse,  dafs  die  Summe 
aus  diesen  beiden  Gröfsen  den  Graden  der  Celsius'schen 
Scala  des  Luftthermometers  proportional  ist. 

Andererseits  ist  gemäfs  der  Gleichung  (3) 

c  ( T  -  T„)  =  |  «  «0  p0  +  (JT  -  7„) 

zur  Rechtfertigung  des  Temperaturmafses  erforderlich,  dafs 
(Jr  —  JQ)  d.  h.  die  Zunahme  der  lebendigen  Kraft  der 
Atombewegung  für  sich  allein  den  Graden  der  Scala  pro- 
portional sey. 

Zur  Erfüllung  dieser  Bedingung  ist  aber  hinreichend, 

dafs  die  Arbeit  (l,  —  l0)  entweder  Null  oder  dem  andern 

Summanden  (JT  —  /0)  proportional  ist 

1)  Es  ist  nämlich  die  Abnahme»  welche  das  Virial  der  Molckular- 
kräfte  durch  die  Zunahme  der  mittleren  Geschwindigkeit  der  Mole- 
kularbewegung erfahren  hat,  in  die  Berechnung  der  Summe  {Jt  —  ./„) 
+  (lr  —  /0)  mit  eingegangen ,  so  dafs  die  Summe  aus  dem  Zuwachs 
an  lebendiger  Kraft  der  Atombewegung  und  aus  der  inneren  Arbeit 
etwas  gröfser  ist  als  die  gegebene  Zahl.  Der  Einßnls  ist  von  der 
Ordnung  der  Abweichungen  der  Luft  vom  Mariotte'schen  Gesetze, 
betrifft  somit  die  zweite  Decimale  des  Coefficienten  27,51  und  kann 
bei  der  folgenden  Discnssion  der  Hauptfrage  vernachlässigt  werden. 


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296 

Da  zudem  der  Fall  (lT  —  Q  =  0  als  ein  besonderer 
Fall  der  Proportionalitat  angesehen  werden  kann,  so  läfst 
sich  das  Resultat  der  Untersuchung  in  folgender  Weise 
formuliren : 

Indem  wir  die  Temperaturerhöhung  durch  die  Span- 
nungszunahme der  Luft  bei  constantem  Volumen  messen, 
machen  wir  die  Voraussetzung,  dafs  die  bei  der  Erwär- 
mung für  die  Vergröfserung  der  mittleren  lebendigen  Kraft 
der  Atombewegung  verlorenen,  also  in  Spannkraft  umge- 
setzte Arbeit  der  gleichzeitigen  Zunahme  dieser  lebendigen 
Kraft  proportional  ist. 

Verlangen  wir  also  von  einem  „idealen"  Gase,  dafs  es 
uns  durch  seine  Spannuugszunahme  ein  Mafs  für  die  Zu- 
nahme der  lebendigen  Kraft  der  Wärmebewegung  liefere 
(oder  wie  man  sich  kurz  auszudrücken  pflegt,  dafs  es  dem 
Gay-Lussac  'sehen  Gesetze  folge),  so  tritt  zu  den  For- 
derungen des  M  ari  otte'sehen  Gesetzes  und  der  con- 
stanten  Wärmecapacität  noch  diese:  dafs  die  während  der 
Erwärmung  in  Spannkraft  umgesetzte  Atomarbeit  der  Zu- 
nahme der  lebendigen  Kraft  der  Atombewegung  propor- 
tional sey. 

10.  Die  Frage,  in  wie  weit  diese  Voraussetzung  er- 
füllt ist,  läfst  sich  ohne  Annahme  über  die  Natur  der 
Atomkräfte  nicht  weiter  verfolgen. 

Indessen  kann  man  mit  Hilfe  der  ziemlich  allgemeinen 
Annahme,  dafs  auch  diese  Kraft,  welche  zwischen  den 
Bestandteilen  des  Moleküls  thätig  ist,  Function  der  Ent- 
fernung ist,  die  Sache  noch  etwas  weiter  führen. 

Bezeichnet  man  nämlich  mit  (p  (r)  die  Kraft,  welche 
zwischen  zwei  um  die  Länge  r  von  einander  entfernten 
Atomen  wirkt,  und  bildet  die  Function 

</>(r)  =  J?(r)</r, 

ferner  die  auf  alle  Combinationen  der  Atome  des  Mole- 
küls zu  je  zweien  ausgedehnte  Summe 

J5"  0  (r) 

so  stellt  diese  Summe  (mit  entgegengesetztem  Vorzeichen) 


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den  Werth  des  Potentials  l)  des  Moleküls  auf  sich  selbst 
für  den  Augenblick  dar,  in  welchem  die  Entfernungen  (r) 
stattfinden.  Sind  unzählige  in  verschiedenen  Bewegungs- 
phasen begriffene  Atome  zum  Molekül  vereinigt,  so  ist 
dieses  zugleich  der  Mittelwerth  für  das  Potential  der  statio- 
nären Atorabewegung.  Ist  hingegen  die  Anzahl  der  Atome 
eine  beschränkte,  oder  die  Phasen  gleich,  so  ist  der  Mittel- 
werth der  Summe  erst  herzustellen,  indem  man  die  durch 
die  Umlaufszeit  des  Atoms  dividirten  Zeitintegrale  addirt 
und  also 

i 

0 

bildet.    Der  Mittelwerth  soll  im  Anschlüsse  an  Clausius 

durch      <J)  (r)  bezeichnet  werden. 

Wird  die  Bewegung  der  Bestandtheile  in  Folge  der 
Wärmezufuhr  beschleunigt,  bis  sich  ein  zweiter  stationärer 
Zustand  hergestellt  hat,  und  ist  nun  der  Mittelwerth 
des  Potentials 

geworden,  so  ist  die  gesammte  dabei  von  der  Wärme  ge- 
leistete Arbeit,  oder  die  Zunahme  der  potenziellen  Ener- 
gie durch  die  Differenz 

dargestellt.  Andererseits  ist  die  durch  dieselbe  Ursache 
veranlafste  Zunahme  der  mittleren  lebendigen  Kraft  (der 
actuellen  Energie)  dieser  stationären  Atombewegung  durch 
die  Differenz  der  den  beiden  Zuständen  entsprechende 
Werthe  des  Virials  gegeben: 

1)  Clausius  (Pogg.  Ann.  Bd.  141  S.  124)  hat  dafür  den  neuen  Namen 
„Ergal"  vorgeschlagen,  indem  er  den  Namen  Potential  für  den  be- 

k 

sonderen  Fall  aufgespart  wissen  will ,  wo  q>  (r)  =  —  ist.    So  sehr 

ein  nener  passender  Name  für  einen  neuen  Begriff  (z.  B.  Virial)  er- 
wünscht  ist,  so  scheint  es  hier  doch  näher  zn  liegen  den  geläufigen 
Namen  des  Potentials  zu  verallgemeinern.  Das  Vorzeichen  wird  hier 
defshalb  geändert,  damit  die  von  der  Wärme  (durch  Ueberwindnng 
der  Molekularkräfte)  geleistete  Arbeit  das  positive  Vorzeichen  erhält. 


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298 

Somit  läfst  sich  die  Bedingung,  unter  welcher  unser 
Temperaturmafs  der  Definition  entspricht,  durch  die  Glei- 
chung 

2~Ö>  (rO  -  2  0  (r)  -  £  [-2  rT^CÖ  ~  ^Tto] 
formuliren. 

Diese  Gleichung  ist  im  Allgemeinen  nicht  erfüllt,  und 
wir  kommen  daher  zu  dem  Schlüsse,  dafs  man  bei  An- 
wendung des  Luftthermometers  eine  specielle  Voraussetzung 
über  die  Natur  der  Atomkräfte  macht,  welche  Voraus- 
setzung durch  die  Differentialgleichuug 

2  ~~-  2  (p(r)dr=  2rd  cf>  (r) 

ausgedrückt  ist. 

Es  hat  schon  Clausius  l)  darauf  aufmerksam  gemacht, 
dafs  wenn  die  Kraft  (p  (r)  irgend  einer  von  (—  1)  ver- 
schiedenen Potenz  der  Entfernung  proportional  ist,  zwischen 
dem  Virial  und  dem  Mittelwerthe  des  „Ergais"  Propor- 
tionalität besteht,  indem  für  <f(r)  =  krm 

1       f  %      n-h  1  f  j 

y^W^x J  rf  rdr 

ist.  Macht  man  diese  Annahme  über  die  Atomkraft  (p  (r), 
so  ergiebt  sich  för  das  Verhältnifs  (ß)  der  Arbeit  zur  Zu- 
nahme an  lebendiger  Kraft 


und  man  bemerkt  leicht,  dafs  sich  auch  nicht  alle  Werthe 
von  n  mit  der  Erfahrung  vertragen.  Denn,  wie  oben 
nachgewiesen,  ist  mit  der  Temperaturerhöhung  der  Luft 
ein  namhafter  der  Atombewegung  zu  Gute  kommender 
Wärmeaufwand  verbunden.  Setzt  man  aber  n  =  —  2, 
oder  n  ==  —  3,  so  fallt  die  Arbeit  nicht  nur  negativ  aus, 
sondern  zugleich  so  grofs,  dafs  die  Summe  aus  dem  Zu- 
wachs des  Potentials  und  des  Virials,  also  die  ganze  der 
1)  Po  gg.  Ann.  Bd.  142  S.  450. 


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299 


Atombewegung  zugefubrte  Wärme  im  ersteren  Falle  ne- 
gativ, im  zweiten  Null  würde.  Es  sind  also  die  Annahmen 
n  =  —  2,  und  n  =  —  3  von  den  möglichen  auszuschliefsen. 
Was  die  gröfseren  negativen  Werthe  von  n  betrifft,  so 
erscheinen  sie  zwar  nicht  in  offenem  Widerspruch  mit  der 
cit.  Erfahrung;  allein  da  dabei  die  Arbeit  immer  negativ 
ausfallt,  also  von  den  Atomkräften  geleistet  würde,  so 
haben  sie  offenbar  eine  äufserst  geringe  Wahrscheinlich- 
keit, weil  der  Gedanke,  dal's  bei  Temperaturerhöhung  die 
Cohäsionskräfte  Arbeit  leisten,  statt  überwunden  zu  wer- 
den, unserer  ganzen  auf  vielfaltige  Erfahrung  gestützten 
Auffassung  einer  Wärmewirkung  widerspricht. 

Es  bleiben  also  die  positiven  Werthe  von  n  mit  Ein- 
schluf8  von  0  zulässig,  da  diesen  durchaus  positive,  d.  h. 
durch  Ueberwindung  der  Atomkräfte  geleistete  Arbeit  ent- 
spricht. Die  wahre  Wärmecapacität  der  Luft  ist  dann 
mittelst  des  Werthes  von  n  aus  der  Formel 

43,98  +  ""Ti  27,51 

0,1686  ?"1(t93  - 

zu  berechnen,  und  nähert  sich  dem  0,1686,  d.  h.  der  spe- 
cifischen  Wärme  bei  constantem  Volumen  um  so  mehr, 
je  gröfser  n  ist,  d.  h.  je  mehr  das  Molekül  sich  einem 
starren  Systeme  nähert. 

iL  Es  liegen  Arbeiten  vor,  welche  den  im  Voraus- 
gehenden behandelten  Gegenstand  von  einer  andern  Seite 
beleuchten. 

Die  Carno tische  Function  ist  eine  für  alle  Körper 
gleiche  Temperaturfunction.  Es  hindert  defshalb  nichts, 
den  reciproken  Werth  dieser  Function  als  die  (absolute) 
Temperatur  zu  definiren  und  verschiedene  Werthe  des- 
selben mit  den  Angaben  des  Luftthermometers  zu  ver- 
gleichen. Gelingt  dabei  der  Nachweis  der  Proportionali- 
tät, so  ist  die  direkte  Mefsbarkeit  der  Carnot'schen  Func- 
tion nachgewiesen  und  damit  für  die  Wärmelehre  ein 
grofser  Gewinn  erzielt.  In  dieser  Richtung  ist  die  Tem- 
peraturfrage von  Thomson  und  Joule  behandelt  worden 


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300 


und  es  scheint,  dafs  ihre  Bemühungen  soweit  von  Erfolg 
waren,  als  dieses  die  Sicherheit  der  experimentellen  Be- 
stimmungen zuliefs.  Indessen  dürfte  man,  selbst  wenn  der 
Nachweis  der  Proportionalität  evident  wäre,  die  Frage 
damit  nicht  für  abgeschlossen  erklären.  Denn  wir  ver- 
langen, nachdem  die  gegenseitige  Umsetzbarkeit  von  Ar- 
beit und  Wärme  constatirt  ist,  eine  durch  die  Mechanik 
unzweideutig  bestimmte  Gröfse,  worauf  wir  den  Begriff 
der  Temperatur  gründen. 

Hier  treten  nun  die  Arbeiten  von  Boltzmann1)  und 
Clausius1)  ein,  welche  zeigen,  wie  man  in  den  Glei- 
chungen der  Wärmetheorie  etwas  der  lebendigen  Kraft 
einer  stationären  (unter  dem  Einflufs  conservativer  Kräfte 
vor  sich  gehenden)  Bewegung  der  elementaren  Bestandteile 
Proportionales  3)  an  die  Stelle  des  reciproken  Werthes  der 
Carnot'schen  Function  setzen  kann. 

Man  bemerkt,  dafs  durch  Zusammenfassung  dieser  Re- 
sultate unser  Temperaturmafs  ebenfalls  gerechtfertigt,  d.  h. 
die  Proportionalität  der  Grade  des  Luftthermometers  mit 
der  eingangs  als  Temperaturerhöhung  definirten  Gröfse 
nachgewiesen  wird. 

Läfst  man  diesen  Nachweis  gelten,  dann  werden  die 
letzten  Hypothesen,  von  deren  Erfüllung  hier  die  Zulässig- 
keit  des  Luftthermometers  abhängig  erscheint,  zu  Folge- 
rungen, die  vielleicht  einige  Beachtung  verdienen. 

12.  Um  den  Gegenstand  abzuschliefsen ,  ist  es  nicht 
unpassend,  hier  noch  zu  zeigen,  wie  man  von  der  Glei- 
chung (I)  mittelst  einer  neuen  Hypothese  auf  die  „abso- 
lute Temperatur"  übergeht. 

Der  Ausdruck  — — Hl  bezeichnet   eine  Zahl,  welche 

«Po 

unter  Voraussetzung  der  Gleichung  (I)  angiebt,  wie  viele 

1)  Boltzmann,  Sitzungsberichte  der  Wiener  Akademie  d.  W.  Bd.  53 
und  Pogg.  Ann.  Bd.  143  S.  211. 

2)  Clausius,  Pogg.  Ann.  Bd  142  S.  433. 

3)  Bei  Clausius  genau  dasselbe,  was  hier  unter  der  Temperatur  ver- 
standen ist. 


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301 


Wärmemengen  tc  die  Masseneinheit  Luft  bei  der  Tem- 
peratur T  mehr  enthält,  als  bei  der  Temperatur  T0. 

Versteht  man  unter  letzterer  (T0)  die  Temperatur  des 
schmelzenden  Schnees ,  nimmt  a  =  0,003668  und  setzt 
pr  =s  0,  so  erhält  man  nahezu 

Pr~/,°  =  -  273. 

a/>0 

Nennt  man  7\  die  Temperatur  derjenigen  Luft,  welche 
keine  Expansivkraft  besitzt,  so  ist 

c  7\  =  c  T()  —  273  ir 

d.  h.  die  Masseneinheit  Luft  verliert  von  ihrem  Vorrath 
an  leb.  Kraft  mit  ihrer  Expansivkraft  (p0)  zugleich  273 
solche  Wärmemengen  wie  sie  deren  eine  bei  der  Tem- 
peraturerhöhung von  0°  C.  bis  1°  C.  gewinnt. 

Fügt  man  die  Annahme  bei,  dafs  eine  Luft  ohne 
alle  Expansivkraft  auch  keinen  Wärmeinhalt  mehr  habe, 
so  ist  c  7\  =  0  und  c  T„  =  273  w;  d.h.  die  Luft  besitzt 
bei  der  Temperatur  0"  C.  273  mal  so  viel  Wärme  als  bei 
der  Temperaturerhöhung  um  1"  C.  in  Form  von  leb.  Kraft 
in  sie  übergeht. 

Verlegt  man  den  Nullpunkt  der  Celsius'schen  Scala 
nach  dem  Punkte  —  273  der  gewöhulichen  Scala  indem 
man  setzt 

\  "Po  J 

so  hat  man  rechts  den  gesammten  Wärmeinhalt  der  Luft- 
massen-Einheit; und  in  der  Zahl   (273  ^— —)  eine 

\  «Po  J 

Mafszahl  dafür. 

Während   also  t  =  — — —  nur  der  Veränderung  des 

Warmeinhaltes  proportional  und  demgemäfs  ein  relatives 

Mals  ist,  wird  273  -\-Pr    Pn  =  T  zu  einem  Mafs  des  ab- 

soluten  Wärmeinhaltes  oder  der  absoluten  Temperatur 
der  Luft. 

Man  beweist  dann  leicht,  dafs  sich  auch  in  jedem  an- 


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302 


deren  Körper  die  lebendige  Kraft  der  Wärmebewegung 
bei  verschiedenen  Temperaturen  wie  die  diesen  Tempe- 
raturen entsprechenden  um  273  vermehrten  Zahlen  der 
Celsius 'sehen  Scala  des  Luftthermometers  verhält 

Will  man  zwar  die  Gleichung  I  annehmen,  aber  auf 
Einführung  des  Begriffes  der  absoluten  Temperatur  mit 
der  ihm  hier  gegebenen  Deutung  verzichten,  weil  er  die 
Gleichung  I  bis  zu  einem  Grade  beansprucht,  bis  zu  wel- 
chem der  Versuch  auch  nicht  annähernd  vorzudringen  ver- 
mag, oder  weil  man  Anstand  nimmt,  den  Wärraeinhalt 
mit  der  Expansivkraft  zugleich  verschwinden  zu  lassen, 
so  haben  die  Zahlen  der  Celsius'schcn  Scala  des  Luft- 
thermometers die  Bedeutung,  dafs  sie  sich  verhalten,  wie 
die  Differenzen,  um  welche  sich  der  Wärmeinhalt  eines 
beliebigen  Körpers  von  seinem  Wärmeinhalt  bei  der  Tem- 
peratur des  schmelzenden  Schnees  unterscheidet. 

Kaiserslautern  im  Oktober  1872. 


VI.    lieber  den  J\*ebensfrom ;  toi» 
K.  W.  Knochenhauer. 


Zweite  Abtheilung. 
(Fortaetiung  voo  Erg.  Bd.  V.  S.  470.) 

II.  Zum  Beweise,  dafs  der  Nebenstrom  dem  Haupt- 
strom gleichartig  ist,  zu  ihm  in  entgegengesetzter  Richtung 
durch  den  parallelen  Draht  verläuft  und  nicht  den  gal- 
vanischen Gesetzen  der  Induction  folgt,  stelle  ich  in  die- 
sem zweiten  Abschnitt  die  Thatsachen  zusammen,  welche 
unter  Einwirkung  eines  Eisendrahtbündels  beobachtet 
werden. 

In  die  innere  Röhre  der  beiden  Spiralen  I  und  II 
(Erg.  Bd.  V  S.  481)  wurde  ein  ihren   Querschnitt  aus- 


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303 


fällendes  Bündel  feiner  gefirnifster  Eisendrähte  einge- 
schoben und  durch  die  ganze  Reihe  der  Versuche  in  un- 
veränderter Stellung  darin  gelassen;  es  war  33,7  Centi- 
meter  lang  und  wurde  von  58  Windungen  der  Sp.  I  um- 
schlossen, während  von  sämiutlichen  80  Windungen 
1 1  auf  jeder  Seite  darüber  hinausgingen.  Zuerst  wur- 
den die  Nebenströme  untersucht.  Die  Batterie  enthielt 
in  der  Regel  2  Flaschen  und  wurde  auf  U=  'A2,  40, 
48  (Schlagweite  3mB,,3,  4,2,  5,1)  geladen;  der  Schlieisungs- 
bogen  bestand  aus  dem  bisher  angewandten  Kupferdraht, 
enthielt  den  Funkenmesser  und  das  Thermometer  II  und 
hatte  drei  verschiedene  Längen  (1)  3m,8,  (2)  lH^S,  durch 
Einsetzung  der  licht  gewundenen  Spiralen  (itf-f-JV),  (3) 
255,n,0,  durch  Zusatz  der  beiden  vom  Galvanometer 
entnommenen  Rollen  hinter  einander.  In  einen  dieser 
Schliefsungsbogen  kam  eine  der  beiden  Spiralen,  die  andere 
wurde  mit  einem  Bügel  bestehend  aus  Thermometer  V  und 
Kupferdraht  von  verschiedener  äquivalenter  Länge  geschlos- 
sen; das  Thermometer  =  0"',55  eingerechnet,  war  Bügel  1  = 
l-,85  2  =  5,10  3  =  9,10  4  =  12,54  5  =  17,64  6  ==  27,68 
7  =  55,35.  Alle  einzelnen  Reihen  wurden  dreimal  repe- 
tirt,  und  die  Angaben  in  Therm.  V  auf  Therm.  II  re- 
ducirt,  damit  sie  mit  den  Zahlen  #  im  Hauptstrora  un- 
mittelbar verglichen  werden  können;  der  jedesmal  be- 
stimmte Reductionscoeflficicnt  war  ungefähr  2. 

Ich  gebe  zuerst  zwei  Reihen  vollständig  an,  um  da- 
ran zu  zeigen,  wie  weit  die  dreimal  beobachteten  Neben- 
ströme n  mm  j/^-  von  einander  abweichen.     Die  Zahlen  & 

und  &'  sind  wie  bisher  Mittel werthe  aus  drei  Beobach- 
tungen. 


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304 


Bügel 
1 


2 


Batterie  2  Flaschen. 

Hauptdr.  3»  8  -4-  1     Nbdr.  II 

&  *' 
11,63  12,35 
11,70  12,30 
11,57  12,39 


10,43 
10,67 
10,47 


8,90 
8,90 
8,80 


7,70 
7,83 
7,77 


6,47 
6,50 
6,47 


4,97 
5,07 
5,00 


3,37 
3,35 
3,47 


10,50 
10,43 
10,44 


7,99 
7,91 
7,80 


6,52 
6,47 
6,30 


4,63 
4,t>9 
4,61 


2,74 
2,75 
2,64 


1,08 
1,06 
1,06 


n 

1,031 
1,026 
1,035 

1,031 


1,003 
0,989 
0,998 

0,997 

0,948 
0,943 
0,942 

0,944 

0,920 
0,909 
0,901 

0,910 

0,846 
0,850 
0,844 

0,847 

0,742 
0,737 
0,726 

(V735 

0,566 
0,562 
0,554 

0,561 


I)  =  40. 

Ilauptdr. 
& 

10,20 
10,20 

10,37 


8,97 
9,07 
9,07 


7,60 
7,77 
7,67 


6,83 
7,03 
7,00 


6,00 
6,13 
6,00 


4,97 
5,00 
4,80 


3,57 
3,50 
3,37 


3,M,8  -h  II 
&' 
6,55 
6,58 
6,70 


5,41 
5,47 
5,29 


4,12 
4,11 
4,07 


3,40 
3,48 
3,35 


2,60 
2,64 
2,57 


1,71 
1,73 
1,62 


0,78 
0,76 
0,72 


Nbdr.  I 
n 

0,801 
0,803 
0^804 

0,803 

0,776 
0,767 
0,764 

0,772 

0,736 
0,728 
0,728 

0,731 

0.705 
0,704 
0,692 

0,700 

0,659 
0,655 
0,655 

0,656 

0,586 
0,588 
(V>81 

0,585 

0,468 
0,466 
0,461 
0,465 


Diese  Reihen  bieten  viel  Auffalliges  dar.  Die  beiden 
Zahlen  #  und  sinken  mit  verlängertem  Bügel,  während 
ohne  Eisendrahtbündel  die  Werthe  von  #  wachsen,  von 
&'  abnehmen;  es  hat  dies  seinen  Grund  in  dem  immer 
mehr  gesteigerten  Widerstand,  der  auch  einen  noch  län- 


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305 


gern  Bügel  nicht  zuliefs.  Die  gleichzeitige  Abnahme  beider 
Zahlen  erschwert  es  sehr,  recht  genaue  Werthe  von  n  zu 
erhalten,  daher  wurden  die  Reihen  dreimal  repetirt.  Ferner 
ist  die  Stärke  n  des  Nebenstroms  viel  gröiser  und  nimmt 
viel  langsamer  ab  als  früher;  denn  berechnet  man  mit 
Ä  =  10,04  den  Nebenstrom,  wenn  das  Eisendrahtbündel 
entfernt  ist,  so  findet  man  für  Spirale  I  im  Hauptdraht 
in  den  7  Fällen 

«  =  0,819  0,646  0,514  0,437  0,357  0,263  0,152 

und  für  Spirale  II  im  Hauptdraht 

0,472  0,410  0,352  0,314  0,271  0,212  0,134 

Um  über  den  Gang  der  Erwärmungen  noch  vollstän- 
digere Auskunft  zu  geben,  theile  ich  &  und  bei  Bügel  1 
und  7  aus  allen  Versuchsreihen  in  ihren  Mittelwerthen 
mit,  die  zur  allgemeinen  Uebersicht  genügen,  doch  bemerke 
ich,  dafs  die  einzelnen  Zahlen  oft  mehr  als  in  den  eben 
mitgetheilten  Reihen  von  einander  aOwichen,  weil  die  Ther- 
mometeraugaben  sogleich  gröfser  werden,  wenn  man  den 
Spiritus  erneuert  und  die  Luft  in  dem  Behälter  durch 
Einziehen  neuer  Luft  von  den  Spiritusdämpfen  befreit;  die 
mitgetheilten  Zahlen  gestatten  daher  keine  zu  strenge  Ver- 
gleichung  unter  einander. 


2  Fl. 

Schlb.  (1) 

(2) 

(3) 

I-II1) 

II  — I 

I— II 

II— I 

I— II 

II  — I 

Bügel 

Z>  =  32 

1 

&=  7,73 

6,86 

6,08 

6,42 

4,80 

5,08 

8,56 

4,56 

6,74 

4,54 

5,13 

3,53 

7 

.V  =  2,21 

2,30 

3,02 

3,45 

3,19 

3,60 

#  =  0,77 

0,54 

1,57 
£  =  40 

1,31 

1,81 

1,50 

1 

#  =  11,63 

10,26 

9,38 

10,06 

7,25 

7,80 

&'=  12,35 

6,61 

10,11 

7,00 

7,79 

5,40 

7 

&  =  3,40 

3,48 

4,86 

5,48 

4,92 

5,55 

#  =  1,07 

0,75 

2,31 

1,97 

2,74 

2,24 

1)  I 

—  II  bedeutet,  dafs  Sp.  I  im  Hptdr., 

II  im  Nebendr.  war;  \ 

>ei  II  — I 

war  II  im  Hptdr.,  I  im  Nbdr. 
Poggendorlfs  Ann.    Erganiungsbd.  VI.  20 


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SOG 


2  Fl.   Schlb.  (1)  (2)  (3) 

i-ii    n-i       i— ii    ii  —  i       i  —  ii  n-i 

Bügel  Z)  =  48 

1   #  =  16,82  14,67  12,87  13,98  9,93  10,66 

#'=17,75  9,15  13,64  9.46  10,60  7,30 

7   &=  5,31  5,24  6,91  7,79  6,80  7,60 

&'tx*  1,48  1,01  3,13  2,59  3,66  3,00. 

Die  einander  entsprechenden  Zahlen  unter  D  =  32  40 
48  wachsen  ordnungsgeuiäls  in  dem  Verhältnifs  von  D% 
also  von  16:25:36,  am  genausten  unter  I  —  II  Büg.  1; 
ebenso  nehmen  vornehmlich  diese  Zahlen  von  Schlb.  (1) 
zu  (2)  zu  (3)  bedeutend  ab,  da  die  Spiralen  und  Rollen 
im  Sohliessungsbogen  einen  nicht  geringen  Widerstand 
darbieten  '). 

Wohl  zu  beachten  ist  dagegen,  dafs  bei  Bügel  7  die 
Zahlen  mit  dem  längern  Scbliefsungsbogen  wachsen,  was 
auf  einen  abuehmendeq  Widerstand  schliefsen  läfst,  und 
ebenso,  dafs  das  Verhältnifs  von  zu  &  sich  steigert,  so 
dafs  der  Nebenstrom  bei  längerm  Scbliefsungsbogen  lang- 
samer abnimmt  als  bei  kürzerm.  Enthalten  also  die  Spi- 
ralen I  und  II  ein  Eisendrahtbündel,  so  läfst  sich  der 
Nebenstrom  nicht  so  einfach  wie  unter  Abschnitt  I  be- 
handeln; daher  die  vielen  Reihen,  die  sonst  unuöthig  er- 
scheinen würden. 

Zunächst  kam  es  darauf  an  zu  ermitteln,  ob  die  Reihen 

wie  früher  berechnet  werden  sollen,  ob  also  auch  unter 

K 

dem  Einflufs  des  Eisendrahtbündels  der  Nebenstrom  •'  =  —  t 
i  K 

oder  — =  w  =  — zu  setzen  ist,  wo  K  eine  Constante  (den 

iL 

Inductionscoefficienten)  und  L  die  äquivalente  Länge  des 
Nebendrahts  bezeichnet.  Um  dies  zu  entscheiden,  wurde 
ein  Platindraht  von  0Irt,507  Lauge  und  OmB,,175  Durch- 
messer, dessen  Widerstand  w  =  50  ungefähr  dem  Wider- 

1)  Der  galvanische  Widerstand  ist  von  ( 1)  =  43,7,  von  (2)  =  52,1,  von 
(3)  =  55,3  nach  der  schon  öfter  angegebenen  Neusilber- Einheit,  ist 
also  in  (2)  und  (3)  ziemlich  gleich  und  nicht  viel  von  (1)  unterschieden; 
er  kommt  nicht  in  Betracht. 


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307 


stand  von  (M  -f  JV)  in  Schliefsungsbogen  (2)  gleich  kam, 
erst  in  den  Hauptdraht  (1)  zugesetzt,  dann  von  hier  in 
den  um  0m,65  verkürzten  Bügel  des  Nebendrahts  herüber- 
genommeu,  der  dadurch  seine  bisherige  Länge  ungefähr 
beibehielt.    Dies  gab 

2  Fl.    D  mm  40.    Hptdr.  3m,8  +  Platindr.  -f-  L    Nbdr.  TL 
Bogel  =     1  2  3  4  5  6  7 

#  =  9,00  8,37  7,40  6,60  5,80  4,53  3,30 
#'=9,75  8,46  6,67  5,51  4,15  2,56  1,06 
fi  =  l,041    1,005    0,950    0,914    0,846  0,754  0,568 

2  Fl.    Z>=»40.  Hptdr.  3»  8  4-1.    Nbdr.  II.    (Platindr.  statt  0m,65.) 
Bügel  =     1  2  3  4         5  6  7 

&  =  8,57  8,30     7,37     6,73    5,97    4,85  3,43 

#'=  9,26  8,31     6,60    5,50    4,21    2,65  1,10 

n  =  1,041  1,001    0,946  0,904  0,846  0,739  0,566. 

Die  Werthe  von  n  stimmen  in  beiden  Reihen  überein, 
ebenso  mit  der  oben  vollständig  mitgetheilten ,  während 
sie  von  der  entsprechenden  Reihe  mit  Schliefsungsbogen 
(2)  sehr  abweichen,  denn  dort  ist  Bügel  ln  =  0,690.  Es 
geben  also  auch  in  diesen  Reihen  die  Längenverhältnisse 
der  Drähte  den  Ausschlag,  nicht  ihre  Widerstände;  dem- 
nach sind  sie  nach  den  in  Abschnitt  I.  angegebenen,  fi\r 
den  Flaschenstrom  gültigen  Gesetzen  zu  behandeln ,  und 
nicht  nach  den  Regeln  der  galvanischen  oder  Mag- 
neto-Induction.  Ich  mache  noch  nebenbei  auf  die  gleichen 
Zahlen  9  und  &'  unter  Bügel  2  in  beiden  Reihen  auf- 
merksam ,  wo  n  =  1  ist  oder  Haupt-  und  Nebenstrom 
von  gleicher  Stärke;  es  ist  ein  instructiver  Fall  für  die 
gesammte  in  den  Drähten  entwickelte  Wärme. 

Da  in  den  Reihen  durch  das  Eisendrahtbündel  ein  zum 
Theil  nicht  unbedeutender  Widerstand  auftritt,  der  auch 
den  Nebenstrom  hemmt,  so  untersuchte  ich  noch,  ob  da- 
durch ein  neuer  Strom  im  Ringe  des  Nebendrahtes  ent- 

steht,  der  die  Werthe  von  fl,  berechnet  aus  1/ -  ,  etwas 

ungenau  machen  würde.  Hierzu  wurden  vom  Hauptdraht 
hinter  der  Spirale  II,  denn  diese  allein  gab  einen  kleinern 

20' 


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308 


Nebenstrom,  noch  2B,,52  Kupferdraht  so  geführt,  dafs  der 
Hauptstrom  zugleich  durch  Thermometer  V  erst  in  glei- 
cher, dann  in  entgegengesetzter  Richtung  mit  dem  Neben- 
strom ging,  und  aus  den  Beobachtungen  h  und  n  in  der 
Abschnitt  I  S.  473  angegebenen  Weise  berechnet. 

2  Fl.    D  =  32.    Hptdr.  3»  8  +  2,52  -I-  II.    Nbdr.  I 
Bügel«  1  2  3 

gl.  entg.        gl.       entg.        gl.  entg. 

#  =  4,27  8,80  4,00    7,53  3,67  6,13 

#'  =  13,81  0,26  12,56    0,35  11,11  0,45 

h-j-n  =  1,799  A  —  n«0,173  1,771  0,205  1,740  0,270 

A  =  0,986       n  =  0,813  0,988  0,783  1,005  0,735 

4  5  6  7 

gl.        entg.         gl.       entg.        gl.       entg.         gl.  entg. 

3,43  5,47  3,20  4,60  2,80  3,65  2,20  2,50 

10,26  0,50  9,00  0,58  7,22  0,66  4,82  0,77 

1,730  0,302  1,667  0,356  1,606  0,426  1,480  0,556 

1,016  0,714  1,016  0,661  1,016  0,590  1,018  0,462 

h  und  n  bei  Bügel  7. 

0  =  32  A=  1,016  »  =  0,486;  1,019  0,470;  1,021  0,469 

40         1,019         0,435;  1,020  0,444;  1,026  0,442 

48         1,024        0,410;  1,023  0,412;  1,022  0,412. 

Diese  Beobachtungen  zeigen,  dafs  von  Bügel  4  an,  d.  h. 
wenn  der  Widerstand  gröfser  wird  als  bei  Bügel  3,  sich 
der  neue  Strom  bemerklich  macht,  und  dafs  demzufolge 
die  Werthe  von  n  nicht  mehr  ganz  genau  ausfallen;  die 
Störung  ist  indefs  noch  nicht  der  Art,  dafs  die  Resultate 
nicht  zu  einer  annähernd  richtigen  Einsicht  in  die  Ver- 
hrdtnisse  genügten. 

Die  Berechnung  der  Reihen  habe  ich  in  folgender 

Weise  durchgeführt.    Ich  setze  n  =  — ,  trenne  in  L  die 

unbekannte  äquivalente  Länge  der  Spirale  (I  oder  II)  =  x 
von  der  bekannten  Länge  des  Bügels  =  /  (denn  diese 
wird  durch  das  Eisendrahtbündel  nicht  gestört)  und  bilde 
aus  den  7  Beobachtungen  die  7  Gleichungen  K  =  n x  n /, 
also  aus  der  ersten  der  beiden  oben  vollständig  mitge- 


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309 

theilten  Reihen  die  7  Gleichungen 

K=  1,031  x-f-  1,907 
#=0,997*+  5,085 
ff=  0,944  x  -f-  8,590 
0,910  11,411 
*  =  0,847* +  14,941 
K=*  0,735* +-20,345 
K  =  0,561  x  -f-  31,052. 

Aus  ihnen  berechne  ich  nach  der  Methode  der  kleinsten 
Quadrate  K  und  x.  Diese  Berechnung  bietet  schon  von 
Schliefsungsbogen  (2)  an  Schwierigkeiten  dar,  weil  kleine 
Beobachtungsfehler  besonders  bei  Bügel  7  einen  nicht  un- 
bedeutenden Einflufs  auf  die  Werthe  von  K  und  x  ausüben. 

Die  folgenden  Tabellen  enthalten  sämmtliche  Reihen, 
doch  der  Kürze  halber  nur  die  aus  &  und  //'  gezogenen 
Mittelwerthe  von  n  als  beobachtet  und  daneben  n  nach 
der  Formel  berechnet;  darunter  K  und  die  äquivalenten 
Längen  der  Spiralen  I  und  II. 

2  Fl.    Hptdr.  3«",8  4-  L    Nbdr.  II. 


Bög. 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 


D. 

n  beob. 
1,043 
1,016 
0,957 
0,920 
0,862 
0,774 
0,591 
11  =  67,1 


32 

n  bcr. 
1,057 
1,009 
0,956 
0,915 
0,860 
0.769 
0,595 
ST=72,9 


D  =  40 


D  =  4S 


I 


! 


«  beob. 
1,031 
0,997 
0,944 
0,910 
0,847 
0,735 
0,561 

11  =  60,2 


n  ber. 
1,050 
0,998 
0,940 
0,896 
0,837 
0,741 
0,564 
A'=65,l 


;i  beob. 
1,027 
0,985 
0,932 
0,889 
0,821 
0,715 
0,529 
54,0 


II 


n  ber. 
1,047 
0,992 
0,927 
0,880 
0,817 
0,716 
0,535 
K=  58,5 


1  Fl.  Z>  =  48  «=1,044  1,006  0,951  0,908  0,829  0,72011  =  54,1  tf  =  59,5 


2  Fl.    Hptdr.  3-,8  -f»  II.    Nbrd.  I. 


Büg. 
1 

2 
3 
4 
5 
6 
7 


D 

n  beob. 
0.816 
0,785 
0,752 
0,716 
0,679 
0,604 
0,485 
1  =  75,1 


=  32 

n  ber. 
0,817 
0,7S4 
0,747 
0,717 
0,678 
0,612 
0,482 
#=62,9 


n  beob. 
0,803 
0,772 
0,731 
0,700 
0,656 
0,585 
0,465 

1=70,7 


40 

n  ber. 
0,802 
0,768 
0,729 
0,699 
0,659 
0,591 
0,462 
Ä'=58,2 


n  beob. 
0,790 
0,757 
0,706 
0,679 
0,635 
0,562 
0,439 

1  =  64,7 


AS 

n  ber. 
0,786 
0,751 
0,710 
0,679 
0,637 
0,568 
0,436 
A'=52,4 


1  Fl.  £  =  48  n=0,793  0,767  0,720  0,691  0,647  0,569  1  =  63,8  A'  =  52,5 


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310 


Büg. 
1 
2 
3 
4 
5 
6 
7 


2  Fl.  Hptdr.  114",8 
32  D  = 


1.    Nbdr.  II. 


n  beob. 
1,050 
1,024 
0,999 
0,979 
0,940 
0,879 
0,721 
11=  115,3 


1  Fl.  D 


n  ber. 
1,059 
1,030 
0,998 
0,971 
0,934 
0,868 
0,727 
AT=  124,1 


n  beob. 
1,038 
1,012 
0,989 
0,970 
0,935 
0,851 
0,690 
H  =  102,0 


40 

n  ber. 
1,056 
1,020 
0,987 
0,958 
0,917 
0,846 
0,697 
109,7 


Z)  =  48 


n  beob. 
1,030 
1,007 
0,981 
0,956 
0,920 
0,843 
0,673 
11=97,2 


48   n=  1,041  1,019 
0,683   11  =  99,2 


0,985  0,966  0,929 
K=  106,9 


n  ber. 
1,047 
1,014 
0,976 
0,946 
0,904 
0,831 
0,680 
K=  103,7 

0,852 


Büg. 
1 
2 
3 
4 
5 
fr 
7 


2  Fl.    Hptdr.  114-,8-r-II. 
D  =  32  D  =  40 


Nbdr.  I. 


£  =  48 


n  beob. 
0,S41 
0,830 
0,806 
0,790 
0,774 
0,723 
0,616 
1  =  142,5 


n  ber. 
0,848 
0,830 
0,808 
0,790 
0,765 
0,720 
0,619 
:=  122,5 


n  beob.  n  ber.     |    n  beob.  n  ber. 

0,832  0,844  0,823  0,835 

0,819  0,824  0,810  0,813 

0,804  0,801  0,787  0,788 

0,790  0,782  0,775  0,766 

0,764  0,756  0,747  0,740 

0,708  0,708  0,697  0,690 

0,602  0,604  0,577  0,582, 

1=133,3  tf=U4,0    1=121,2  £  =  1027 


1  Fl.   D  =  48 


„=  0,838  0,824  0,799  0,776  0,749  0,698 
0,577   1=  111,3  K=96,l 


2  Fl.    Hptdr.  255,n,0  ■+  I.    Nbdr.  II. 


D  =  32 


n  = 


40 
48 

4  Fl.  32 


1 
7 
1 
7 
1 
7 


1.035 
0,755 
1,036 
0,747 
1,033 
0,734 
1,028 
0,762 


11  = 


142,0 
135,8 
129,4 
151,4 


148,8 
142,6 
135,5 
157,5 


2  Fl.    Hptdr.  255",0  -h  II    Nbdr.  I. 


£»  =  32 


Bügel  1    «  =  0,834 

7  0.647 

40           7  0,636 

ar           1  °,8?8 

40           7  0,629 

4  Fl                  1  °'826 

kVL  32           7  0,651 


183,1 
171,2 
167,7 
197,6 


K  = 


153,2 
144,0 
140,2 
164,7. 


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311 

Da,  wie  ich  oben  bemerkt  habe,  die  Rechnung  bei 
Schliefsungsbogen  (2)  Schwierigkeiten  darbot,  und  die 
Resultate  doch  hauptsächlich  nur  durch  die  beiden  Beob- 
achtungen Bfigel  1  und  Bügel  7  bestimmt  wurden,  so  habe 
ich  bei  Schlb.  (3)  nur  diese  beiden  Beobachtungen  ange- 
stellt. Aus  beiden  erhalt  man  mit  2  Flaschen  in  Schlb.  (2). 

Hptdr.  I.  Hptdr.  II. 

0  =  32       40         48         0=  32       40  48 
11=  115,4    104,2     99,0         1  =  144,6    138,1  123,6 
/f  =  123,1    110,1    103,9         Ä=  123,2    116,5  103,2. 


Wie  man  sieht,  fallt  die  Differenz  gegen  die  vorher 
mitgetheilten  Werthe  noch  in  die  Gränzen  der  Beobach- 
tungsfehler. 

Nach  den  so  eben  mitgetheilten  Tabellen  stimmt  die 
Berechnung  von  n  mit  der  Beobachtung  ziemlich  genau 
überein,  nur  der  Werth  bei  Bügel  1,  auch  bei  2  ist  in  der 
Regel  etwas  zu  grofs;  die  Berechnung  würde  genügen, 
wenn  wir  nicht  nachweisen  könnten,  dafs  sie  Fehlern  un- 
terliegt, die  bei  den  bedeutenden  Werthen  von  K  und  x 
nur  nicht  merklich  hervortreten.  Das  merkwürdigste  Re- 
sultat aus  diesen  Reihen  ist  nämlich,  dafs  durch  das  Ei- 
sendrahtbündel die  inducirende  Kraft  K  der  Spiralen 
so  sehr  gegen  den  constanten  Werth  10,04  in  Abschnitt  1 
gesteigert  wird,  mit  der  Ladung  D  etwas  abnimmt,  da- 
gegen mit  der  Verlängerung  des  Schliefsungsbogens  nicht 
unbeträchtlich  wächst,  während  die  Capacität  der  Batterie 
keinen  oder  nur  einen  geringen  Einflufs  ausüben  dürfte. 
Da  nun  zum  Hauptdraht  noch  die  aequivalente  Länge  der 
in  ihm  befindlichen  Spirale  hinzukommt,  und  diese  je  nach 
der  Länge  des  die  andere  Spirale  schliefsenden  Bügels 
verschieden  ist,  indem  sie  bei  einem  kleinern  Werthe  von 
n  gröfser  ausfallt  '),  so  stellen  die  Reihen  einen  Complex 

1)  Nach  Abschn.  I  S.  481  ist  die  äquivalente  Länge  von  I  (II)  d.  h. 

__  ,       Kt  Kn  _       K\  fC* 

wenn  II  geschlossen  ist  =  Lx  -  - — —  und  von  II  (I)  =  Z/,  —     -  , 

Lt  •+■  l  Lx  -f-  l 

worin  L%  und  L%  die  aus  den  Reihen  bestimmten  äquivalenten  Längen 

von  I  und  II  bezeichnen,  Kx  Ä"?  die  Inductionscoeffirienten,  je  nach- 


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312 


von  Beobachtungen  dar,  in  denen  der  Schliefsungsbogen 
nach  und  nach  gröfser  wird,  in  denen  daher  auch  K  und 
x  zunehmen;  denn  x  die  aequivalente  Länge  von  I  oder 
II  ist  gleich  der  Summe  ihrer  natürlichen  Länge  und  der 
als  Länge  ausgedrückten  Induction  von  Windung  auf  Win- 
dung, die  offenbar  gröfser  wird,  wenn  die  inducirende 
Kraft  K  zunimmt.  Vorher  ist  bemerkt  worden,  dafs  K 
und  x  hauptsächlich  von  den  beiden  Beobachtungen  Bügel 

I  und  Bügel  7  abhängen;  im  ersten  Fall  ändert  sich  n 
nur  wenig,  somit  wird  Bügel  7  den  Ausschlag  geben. 
Man  wird  wenig  fehl  gehen,  wenn  man  die  berechneten 
Werthe  von  K  und  x  zu  einem  Schliefsungsbogen  gehörig 
ansieht,  in  welchem  die  äquivalenten  Längen  I  (II)  und 

II  (I)  sich  auf  den  Fall  mit  Bügel  7  beziehen;  es  wären 
dies  die  gröfsten  Längen,  welche  sie  in  den  7  zu  einer 
Reihe  vereinigten  Beobachtungen  annehmen. 

Noch  ist  zu  beachten,  dafs  vornehmlich  bei  dem 
Schliefsungsbogen  (1)  die  beiden  Werthe  von  K  für  die 
Induction  von  I  auf  II  und  von  II  auf  I  nicht  ganz  über- 
einstimmen. Der  Grund  zu  dieser  Abweichnng  von  Ab- 
schnitt I  liegt  hauptsächlich  in  der  ungleichen  Länge  des 
Schliefsungsbogens  in  beiden  Fällen,  da  I  (II)  eine  gröfsere 
äquivalente  Länge  als  II  (I)  hat,  ein  anderer  Grund  liegt 
wohl  darin,  dafs  bei  der  Induction  von  II  auf  I  der  Wider- 
stand von  dem  kürzesten  Bügel  an  gröfser  ist,  und  dafs 
dieser  Widerstand  den  Werth  von  K  und  in  Folge  davon 
auch  den  von  x  verkleinert.  Die  Sache  läfst  sich  erst 
gründlicher  erwägen,  wenn  der  Widerstand  bekannt  ist, 
deshalb  werde  ich  hierauf  später  mit  einigen  Worten  ein- 
gehen. 

Eine  besondere  Schwierigkeit  bietet  noch  die  Frage, 
ob  zur  Vergleichung  der  K  bei  den  3  ungleich  langen 

K  K 
dem  I  auf  II  oder  U  anf  I  inducirt;  da 7— ~ .=  »»1  und  ■     *  =»n, 

ist,  auch  hier  «,  and  n,  für  die  Induction  von  I  auf  II  und  II  auf  I 
geschieden,  so  ist  in  einfacherer  Formel  I  (1I)  =  L, — Ä,  nt  und 
II  (I)  =  L3  —  A',  nt. 


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313 


Schlief8iing8bogen  der  frohere  constante  Werth  10,04  in 
Abzug  zu  bringen  ist  oder  nicht.  Für  die  letztere  Ansicht 
spricht,  dafs  hier  der  Strom  jedenfalls  anders  beschaffen 
sein  mul's  als  früher,  sonst  könnte  er  keine  gröfsere  In- 
ductionskraft  besitzen,  für  die  andere,  dafs  mit  Verklei- 
nerung des  Eisendrahtbündels  K  abnimmt,  aber  10,04  als 
äufsersten  Gr&nzwerth  nicht  überschreiten  kann.  Eine 
sichere  Entscheidung  weifs  ich  bis  jetzt  nicht  zu  treffen, 
nur  so  viel  steht  fest,  dafs  irgend  eine  Verkleinerung  von 
K  nöthig  ist,  da  22  Windungen  das  Eisendrahtbündel  nicht 
decken.  Unter  den  vorliegenden  Verhältnissen  sollen  für 
die  3  Schliefsungsbogen  die  Werthe  von  K  einmal  unver- 
ändert bleiben  und  zweitens  um  10,0  verkleinert  werden; 
ebenso  mögen  für  die  Schliefsungsbogen  (1)  (2)  (3)  die 
Mittelwerthe  von  Kx  und  K2  genommen  werden;  es  kommt 
doch  zunächst  nur  auf  eine  feste  vorläufige  Orientirung  an, 
denn  zu  genauem  Resultaten  sind  die  Reiben  unter  bessern 
Vorkehrungen  noch  einmal  zu  repetiren,  wozu  die  vorliegen- 
den die  nöthigen  Fingerzeige  geben. 

Die  oben  mitgetheilten  Reihen  liefern  folgende  Mittel- 
werthe von  JT. 

D  mm  32  40  48 

Schlb.  (1)     KOJ  =  67,9        61,7  55,5 

(2)  ^  =  123,3       111,9  103,2 

(3)  Kftj  =  15J,0      143,3  137,8. 

Die  äquivalenten  Längen  der  beiden  Spiralen  berechnen 
sich,  wenn  die  eine  mit  Bügel  7  geschlossen  ist  und  der 
Mittelwerth  von  K  benutzt  wird,  zu 

0  =  32       40  48 
Schlb.  (1)  I  (II)  =  34,9    36,1    35,3    Mittel  35,4  j 

II  (I)  —  34,2    31,5    29,6      „     31,8  1     '  ; 

(2)  I  (II)  =>  53,6    56,1    51,8       „     53,8  j 

II  (I)  =  39,4    34,8    36,7       n     37,0  !  ' 

(3)  I  (II)  =  69,2    64,3    66,7       „  66,7) 

II  (1)  =  44,5    44,8    42,7       »     44,0  i  0°A 

1)  Dafs  beide  Lungen  fast  übereinstimmen,  bewirkt  der  Mittelwerth  A, 
durch  welchen  II  (I)  zu  grofs,  I  (II)  zu  klein  ausfällt. 


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314 


Hiernach  sind  die  mittlem  Längen  von  Schi.  (1)  »  3",8 
+-  33,6  =  37,4,  von  Schlb.  (2)  =  114»,8  -f-  45,4  =  160,2, 
von  Schlb.  (3)  =  255»,0  -+-  55,3  =-  310,3. 

Folgen  die  Reihen  einem  einfachen  Gesetz,  so  ver- 
halten sich 


Km  :  Kw  :  ÜT(8)  =  ^Schlb.  (1)  :  VSehlb.  (2)  :  ^Schlb.  (3) 
Man  hat 


D 

=  32 

40 

48 

K{t)  :  Kfa 

1  : 3,30 

3,29 

3,46 

Mittel  3,35 

oder  10,0  ab 

1  :  3,83 

3,88 

4.19 

.  3,97 

1  :4,94 

5,39 

6,16 

n  5,50 

oder  10,0  ab 

1 : 5,93 

6,65 

7,89 

.  6,82. 

(Schlufs  im  nächsten  Heft.) 

* 


VII.  Heber  die  thermische  und  mechanische 
Ausdehnung  fester  Körper;  von  A.  Kurz. 


Als  Kupffer1)  aus  dem  Vergleiche  jener  zwei  Aus- 
dehnungen das  mechanische  Wärmeäquivalent  ableiten 
wollte,  hat  ihm  wohl  auch  die  ungefähre  Uebereinstimmung 
seiner  vier  Resultate  mit  der  von  anderwärts  her  bekannten 
Zahl  die  Verwechslung  von  Arbeit  und  Kraft  verhüllt, 
welche  in  dem  blofsgelegten  Trugschlüsse  liegt: 

Eine  Wärmeeinheit  bewirkt  die  Ausdehnung  ~  ,  wo  a 

der  lineare  Ausdehnungscoefficient ,  c  die  speeifische 
Wärme,  *  das  speeifische  Gewicht  bedeutet; 

Ein  Kilogramm  Belastung  bewirkt  die  Ausdehnung  \  ß, 
wo  ß  der  Elasticitätscoefficient; 

Also  ist  das  mechanische  Aequivalent 

a 

1)  Diese  Ann.  Bd.  86,  S.  310,  (1852). 


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315 

Für  Eisen,  Messing,  Platin,  Silber  findet  man  hieraus  mit 
den  von  Kupffer  benutzten  Zahlen  beziehungsweise  500, 
446,  414,  452. 

Wegen  des  \  ß  habe  ich  in  meiner  Umrechnung  und 
Kritik  dieser  Arbeit1)  erwähnt,  wie  man  mit  der  Wert- 
heim'schen  statt  der  Poisson'schen  Annahme  (bezüg- 
lich der  mit  der  Längenzunahme  zugleich  stattfindenden 
Querschnitts -Abnahme)  \ß  setzen  müfste;  dafs  aber  noch 
wahrscheinlicher  dafür  verschiedene  Körper  verschiedene 
Coefficienten  sich  ergeben  dürften.  Siehe  Kirch  hoff*), 
dessen  experimentelle  Resultate  für  den  Stahl  (1  —  2. 0,294)^ 
und  für  Messing  (1  —  2  .  9,387)  ß  mir  damals  unbekannt 
waren  8). 

Meine  Aufmerksamkeit  war  wieder  auf  die  Sache  ge- 
lenkt worden  durch  die  Leetüre  von  Buffs  Notiz  „Ueber 
die  Ausdehnungswärme  fester  Körper"  *).  Da  wird  die 
Wärmemenge,  welche  nöthig  ist  um  die  Cubikeinheit  ge- 
rade so  stark  auszudehnen,  als  es  1  Kilogramm  per  Qdrtmm., 
aber  je  an  den  drei  Würfelseiten  angebracht,  vermag,  mit 
Beibehaltung  obiger  Bezeichnung 

a  ~  9 

Buff  multiplicirt  selbe  dann  mit  dem  mechanischen  Wärme- 
äquivalente, und  dividirt  diese  Arbeitsmenge  in  die  äufsere 
Arbeit,  welche  in  der  Fortrückung  jener  drei  Kilogramme 
besteht.  Dieses  Verhältnifs  ist  augenscheinlich  von  ß  un- 
abhängig; Buff  berechnet  es  für  sechs  Metalle  und  fiör 
Glas  und  Wasser;  dasselbe  hat  aber  mit  der  mechanischen 
Wärmetheorie  nicht  viel  zu  schaffen,  da  im  einen  Falle 

der  Würfel  um— -wärmer  wird,  im  andern  Falle  etwas 

a 

kälter,  nach  der  weiter  unten  noch  anzuführenden  Thom- 
so naschen  Formel,  welche  nebst  ihren  Verificationsver- 

1)  Zeitschr.  d.  Math.  u.  Phys.  von  Schlümilch,  Jahrg.  1865,  S.  428. 

2)  Diese  Ann.  Bd.  108,  S.  369.  1859. 

3)  Man  müfste  sogar  $  ß  mit  a  vergleichen ,  oder  die  beiden  kubischen 
Aasdehnungen  ]  ß  mit  3  a. 

4)  Diese  Ann.  Bd.  144,  S.  629.  1872. 


316 


suchen  dem  Autor  entgangen  zu  seyn  scheint,  da  er  sagt: 
„Hieraus  erklärt  es  sich,  warum  es  bisher  nicht  gelingen 
konnte,  die  Temperatur  eines  festen  Körpers  durch  Ver- 
dichtung zu  erhöhen." 

Am  Ende  des  Jahres  1865  erschien  Edlund's  Bericht 
über  seine  Versuche  und  Rechnungen  hinsichtlich  „der 
bei  Volumänderung  der  Metalle  entstehenden  Wärme- 
phänomene und  des  mechanischen  Wärmeäquivalents,  un- 
abhängig von  der  innern  Arbeit  des  Metalls u  l).  E  dl  und 
bestimmt  darin  (§  6)  das  Wärmeäquivalent  der  Arbeits- 
einheit A  mittelst  der  Thomson'schen  Formel 

dT=-Afldp, 

indem  er  als  Belastung  eines  Stahldrahtes  dp  =  22,56  Kilo- 
gramm anwendet  und  die  Temperaturerniedrigung  d  T  auf 
thermo-elektrischem  Wege  gleich  0,3282° C.  findet;  T=2940 
(21"  C);  «  =  0,00001079;  c  =  0,1138;  und  das  Gewicht 
eines  Meter  Drahtes  n>  =  0,007189.  Dieser  einzige  Fall 
lieferte  .4  =  gj3  statt  jjj,  welche  Abweichung  der  innern 
Arbeit  zugeschrieben  wird,  die  „beim  Volumzuwachs  der 
Metalle  eine  Erhöhung  der  Temperatur  verursacht,  zum 
Betrage  von  mehr  als  \  der  Temperaturvariationen,  die 
entstanden  seyn  würden,  wenn  keine  innere  Arbeit  statt- 
gefunden hätte. u 

Paul  deSaint-Robert  bestreitet  diese  Auslegung*) 
und  möchte  die  ganze  Abweichung  eher  einem  veränderten 
a  zuschreiben;  er  führt  an,  dafs  Joule's  Versuche  vom 
Jahre  1858  die  T ho m so n'sche  Formel  bestätigt  hätten8). 

Im  §  8  wird  für  einen  Silberdraht  dT  aus  der  Thom- 
son'schen  Formel  berechnet,  mit  Beibehaltung  des  A 

1)  Diese  Aon.  Bd.  126,  S.  539.  1865.  Die  im  Texte  weiter  vorkommen- 
den §§  beuchen  sich  auf  dieso  Abhandlang. 

2)  Annale*  de  phys.  et  de  chim.    Tome  14.  1868. 

3)  Joule,  da«  mechanische  Wärmeäquivalent,  gesammelte  Abhandlungen, 
deutsch  von  Sprengel  1872,  mit  Vorrede  von  Joule  1871.  In 
diesem  Buche  sind  keine  derartigen  Versuche  besprochen ;  das  jüngst 
vorkommende  Datum  der  Abhandlung  ist  1851. 


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317 


=  gi$;  dieselbe  thermo-elektrische  Anzeige  m  fand  Edlund, 
wenn  der  Draht  sich  unter  Verrichtung  der  gleich  grofsen 
äufseren  Arbeit  zusammenzieht;  eine  gröfsere  n  aber,  wenn 
der  Draht  sich  ohne  solche  Arbeit  zusammenzog;  so  dafs 

die  letztere  der  Temperaturzunahme  entspricht  d  T  =  —  d  T, 

und  der  genannten  äufseren  Arbeit  die  Temperaturzunahme 

dT  —  dT  =        d  T.    Der  Hebelzug  betrug  k  —  22,56 

Kilogramm  am  Anfange,  0  am  Ende  der  Verkürzung  um 
/  =  0,001497  Meter,  so  dafs  Edlund  aus  der  Gleichung 

A  .  ^  =  ^=p dT.  c.w.L      (L  die  totale  Länge) 
berechnete  A'  «=  — ~. . 

44o,b 

Setzt  man  aber  nun  für  dTden  Thomson'schen  Aus- 
druck, worin  er,  c,  w  jetzt  für  den  Silberdraht  gelten,  und 
dp  —  k  ist,  so  erhält  man 

A\  -T- .  /    A  .  T .  cc .  L. 

2  tn 

und  ersieht  daraus,  dafs  die  theoretische  Forderung  A  »  A' 
das  Wärmeäquivalent  ganz  aus  dieser  Gleichung  ver- 
schwinden macht.  Hiemit  stimmt  also  dieser  Versuch  des 
Silberdrahtes  in  nicht  höherem  Grade  überein  als  der  obige 
Versuch  des  Stahldrahtes  mit  der  Thomson 'scheu  For- 
mel. (Auf  dieselbe  Weise  wie  beim  Silberdraht  fand 
Edlund  noch  für  Kupferdraht  A' =  und  für  Messing- 
draht ao 

Noch  erwähne  ich  des  §  7,  in  welchem  Edlund  das 
Verhältnifs  der  beiden  speeifischen  Wärmen  für  die  ge- 
nannten vier  Metalle  und  noch  für  Platin  und  Gold  zu 
bestimmen  sucht  auf  folgende  Weise: 

Das  Gewicht  —  vermag  das  Metall  um  ebensoviel  zu 

p 

verlängern  als  der  Temperaturzuscbuls  1°  (s.  Anmerk.  4); 
dieses  Gewicht  statt  dp  in  die  Thomson'sche  Formel 
gesetzt  nebst  A  —  ^  lieferte  rfT,  welches  Edlund  ver- 
wertete in 


318 

c  1 

c,  ^  1-dT' 

Hiegegen  ist  Aehnliches  einzuwenden  wie  oben  zu  der 
in  Anmerkung  5  citirten  Abhandlung;  ferner  wieder  der 
Gebrauch  von  8g{ ;  überhaupt  lautet  die  Formel  der  me- 
chanischen Wärmetheorie  da 

A  Ta* 

C  —  £?!  =  A  —  , 

während  durch  Substitution  von  dT  aus  der  Thomson '- 
sehen  Formel  in  die  vorhergehende  von  Edlund  benutzte 
sich  ergiebt: 


Schlufs folger ung.  Wenn  man  Resultate,  welche 
um  mehr  als  die  Hälfte  gröfser  sind  als  die  Theorie  aus- 
sagt, ausschliefst,  so  stehen  die  festen  Körper  im  Obigen 
noch  aufserhalb  der  Theorie. 

Augsburg  am  9.  Februar  1873. 


VIII.  Sur  Frage  über  die  Ein/iihrung  der  mo- 
dernen chemischen  Formeln  in  die  Mineralogie; 

von  F.  ©.  KolelL 

(Mitgetheilt  \om  Hrn.  Verf.  aus  d.  Sitzungsber.  d.  Bayersch.  Akad.  1872.) 

W  enn  man  in  den  chemischen  Formeln  nur  die  verbun- 
denen Elemente  angiebt  und  die  Anzahl  ihrer  Atome,  so 
läfst  man  die  Frage,  wie  sie  zu  näheren  Verbindungen 
geeinigt  seyen,  offen;  wenn  man  die  nächst  näheren  Ver- 
bindungen berücksichtigt,  so  liefert  man  das  Material  zu 
einer  rationellen  Formel,  welche  verschieden  construirt 
werden  kann,  je  nach  den  Gesichtspunkten,  von  denen 
man  ausgeht,  und  je  nach  den  Zwecken,  welchen  eine 
solche  Formel  dienen  soll.    Dafs  daher,  besonders  für 


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319 


complicirte  Mischungen  die  verschiedensten  Formeln  auf- 
gestellt werden  können,  ist  selbstverständlich  und  ebenso, 
dafs  die  des  Theoretikers  und  die  des  Praktikers  in  der 
Chemie  sehr  verschieden  seyn  können.  Natürlich  müssen 
sie  sich  alle  durch  Rechnung  in  einander  verwandeln  und 
auf  die  Resultate  der  Analyse,  welche  sie  beleuchten  sollen, 
zurückführen  lassen.  Die  Anhänger  der  sog.  modernen 
Chemie  wollen  die  bisherigen  Formeln  des  Systems  von 
Berzelius  nicht  mehr  gelten  lassen  und  die  Mineralogie 
soll  ihre  atomistisch- empirischen  oder  weiter  gehend  ihre 
zu  theoretischen  Betrachtungen  und  Speculationen  entwor- 
fenen rationellen  Formeln  gebrauchen.  Ich  habe  mich 
Über  die  Einführung  solcher  modernen  Formeln  in  die 
Mineralogie  bereits  früher  bei  Besprechung  der  Typen- 
theorie1) geäufsert,  es  sey  hier  ein  weiterer  Beitrag  zur 
Beurtheilung  der  Frage  gegeben. 

Die  bisherige  Formel  des  Schwerspates  (Baryt  der 

_  ■      ■  •  • 

Mineralogen)  war  BaS  und  berechnete  sich  daraus  einfach 
und  mit  einer  betreffenden  Analyse  vergleichbar: 

Schwefelsäure  34,2 

Baryterde     .  j65,8 

Die  moderne  Formel  ist  j^ryj  0%  womit  man  sagen 

will,  bemerkt  Ramm elsberg,  „dafs  ein  Molekül  (2  Atome) 

1)  H.  Kolbe  sugt  in  seiner  Abhandlung  »Moden  der  modernen  Chemie" 
(1871)  über  die  in  Mode  gekommene  Gerhardt'sche  Typentheorie: 
„Wer  damals  die  Mode  nicht  mitmachte,  gar  ihr  opponirtc,  galt  als 
chemischer  Sonderling,  und  ich  erinnere  mich  noch  sehr  wohl,  dafs 
manche  mitleidig  auf  mich  herabsahen,  weil  ich  jene  Typentheorie 
nicht  annehmen  wollte,  und  ihr  als  blossem  Classificationsschema  gar 
den  wissenschaftlichen  Werth  absprach.  Jetzt  wird  nicht  mehr  davon 
geredet,  sie  ist  aus  der  Mode  gekommen ;  es  gehört  aber  keine  pro- 
phetische Gabe  dazu,  vorauszusagen,  dafs  die  Moden  der  modernen 
Chemie  in  kurzer  Zeit  dasselbe  Schicksal  haben  werden.  Die  jetzt 
ihre  Liebhaber  und  Verehrer  sind,  werden  sie  nächstens  wieder  ver- 
lassen." Vergl.  meine  Abhandlung  „Uebcr  die  typischen  und  empi- 
rischen Formeln  in  der  Mineralogie."  8itz.  Ber.  d.  k.  bay.  Akad.  d. 
Wiss.  lSb'7. 


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320 

Sauerstoff  einerseits  ein  Atom  Baryum,  andrerseits  die 
Atomgruppe  SO*  (das  Radikal  der  Schwefelsäure  bindet  1).a 
Die  alte  Formel  zeigt  bereits  im  Zeichen  die  Verbindungen, 
welche  hier  gemeint,  aber  nicht  vollzogen  dargestelllt 
werden.  Ebenso  ist  es  bei  den  kohlensauren  Verbin- 
dungen.   Die  alte  Formel  des  Witherit  BaC  wird  modern 

CO !  ^*  geschrieben.     Die  Formel  Ba C  bedarf  keiner 

weiteren  Erläuterung,  die  moderne  mufs  analog  der  für 
den  Baryt  gedeutet  werden.  Es  handelt  sich  wesentlich 
darum,  ob  die  näheren  Verbindungen,  wie  sie 
die  alten  Formeln  angeben,  in  einem  fraglichen 
Gemisch  existiren,  oder  ob  sie  nur  ihren  Ele- 
menten nach  darin  enthalten  sind  oder  so  ent- 
halten angenommen  werden  sollen.  Die  Entschei- 
dung kann  in  manchen  Fällen  experimentell  erholt  werden. 
Das  starke  Festhalten  des  Wassers  bei  gewissen  Silicaten, 
wenn  sie  zum  Glühen  erhitzt  werden,  führte  zu  dem  Ge- 
danken, dafs  solches  Wasser  nur  seinen  Elementen  nach 
im  Silicat  enthalten  sey  und  erst  beim  Glühen  die  Ver- 
bindung von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  stattfinde  *).  R  a  m  - 
m  elsberg,  welcher  diese  Hypothese  aufstellte,  hat  daher, 
um  ein  Beispiel  anzuführen,  für  den  Prehnit  die  Formel 
geschrieben : 

Cft*  O" 
AI  (  * 

Si9  ] 

Es  ist  kein  Zweifel,  dafs,  wenn  solcher  Wasserstoff  ein 
Mischungstheil  des  Prehnit's  wäre,  sich  beim  Glühen  mit 
dem  zugehörigen,  in  nächster  Nähe  befindlichen  Sauerstoff, 
Wasser  bilden  mufs;  es  mufs  aber  analog  und  bekanntem 
Verhalten  gemäfs  dann  auch  die  Oxydation  des  Silicium's 
zu  Kieselerde,  die  des  Aluminiums  zu  Thonerde  und  die 

1)  Ceber  die  Beziehungen  der  Chemie  zur  Mineralogie.    Ber.  d.  deut- 
schen ehem.  Gesellschaft  zu  Berlin.  1870.  H.  15.  p.  830. 

2)  Vergl.  meine  Abhandlung  „Ueber  das  Wasser  der  Hydrosilicate." 
Sitzungsber.  d.  Akad.  1869. 


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321 

des  Calcium's  zu  Kalkerde  stattfinden.  Ein  geglühter 
Prehnit  konnte  also  nicht  Si,  AI,  Ca,  als  solche  neben  dem 
Sauerstoff1,  sondern  nur  in  Verbindung  mit  ihm  ent- 
halten. Da  der  Vorgang  solcher  Oxydation  auch  bei  den 
wasserfreien  Silicaten  beim  Glühen  der  nämliche  wäre,  so 
hätte  ein  geglühter  Orthoklas  nicht  die  Formel  Ka?  AI  Si80'6, 
sondern  wäre  Ka*  O  .  AI  O3  .  6  Si  O2;  manche  Species 
der  Silicate  der  Laven  müisten  ohnehin  als  geglühte 
angesehen  werden.    Ebenso  muls  man  annehmen,  dafs  ein 

geglühter  Witherit  nicht   *  10*  seyn  werde,  sondern  die 

Verbindungen  BaO  und  CO*  in  ihm  vollzogen  6eyen. 
Es  wird  aber  kaum  einen  Chemiker  geben,  welcher  be- 
haupten oder  beweisen  wollte,  dafs  ein  ungeglühter  Or- 
thoklas- oder  Witheritkrystall  eine  andere  chemische  Con- 
stitution habe,  als  ein  geglühter1).  Diese  Verhältnisse 
sprechen  doch  wohl  zu  Gunsten  der  alten  Formeln  und 
berechtigen  die  Mineralogen  sie  den  modernen  vorzuziehen. 

Für  die  wasserhaltigen  Verbindungen  erweitert  sieh 
das^eld  der  Formeln  und  besonders  durch  die  Annahme  des 
sog.  Krystall  wassers,  da  von  dem  vorhandenen  Wasser  je  nach 
den  Ansichten  und  Formelconstructionen  bald  ein  grösserer, 
bald  ein  kleinerer  Theil  als  solches  erklärt  und  von  der  eigent- 
lichen Verbindung  ausgeschlossen  wird.  Man  will  nämlich 
solches  Krystall wasser  nur  als  ein  indifferentes  Anhängsel 
zum  eigentlichen  Hydrat  betrachten.  Ich  habe  in  einer 
früheren  Abhandlung*)  darzuthuu  gesucht,  dafs  alles  Wasser, 
welches  eine  wasserhaltige  Species  enthält  (das  hygrosko- 
pische natürlich  ausgenommen)  zu  ihrer  chemischen  Con- 
stitution gehöre,  und  dafs  das  sog.  Krystallwasser  weiter 
nichts  ist  als  Wasser,  welches  fortgeht,  wenn  ein  Hydrat 
durch  erhöhte  Temperatur  oder  auf  sonstige  Weise  in  ein 

1)  Der  Grossular  und  ähnliche  Silicate  zeigen  wohl  nach  dem  Glühen 
oder  Schmelzen  ein  anderes  Verhältnifs  der  Löslichkeit  in  Säuren, 
als  vorher,  das  ist  aber  Folge  des  Ueberganges  zum  amorphen  Zu- 
stand, nicht  einer  Veränderung  der  Mischung. 

2)  „Ueber  Krystallwasser. "  Sitzungsber.  d.  Akad.  1869.  (Ann.  Bd.  141 
S.  446.) 

PoggendorfFs  Annal.    Ergänzungsbd.  VI.  21 


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322 

» 

anderes  oder  drittes,  vielleicht  auch  viertes  Hydrat  etc. 
überergeht  oder  schliefslich  eine  wasserfreie  Verbindung 
liefert.  Es  mag  den  dort  angeführten  Beispielen  hier  noch 
eins  beigefügt  werden.  Ich  fand  unter  sog.  Zeolithen 
der  hiesigen  Staatssammlung  ein  Mineral  von  der  Disko- 
Insel  bei  Grönland,  welches  durch  die  Analyse  als  ein 

wasserhaltiges  Kalksilicat  von  der  Formel  CaaSi4-f-6H  = 

•  •  • 

Ca3  SiÄ  H-  6  H  erkannt  wurde  und  von  mir  den  Namen 
Okenit  erhielt.  Dieses  Mineral  ist  später  auch  auf  den 
Faroer-Inseln  entdeckt  und  mehrfach  von  Connel,  Würth, 
Hauer  u.  a.,  mit  gleichen  Resultaten  analysirt  worden. 
E.  Schmid1),  welcher  es  im  Jahre  1865  analysirte,  be- 
stimmte den  Fortgang  des  Wassers  im  luftverdünnten  Raum 
über  Schwefelsäure  und  in  erhöhter  Temperatur  und  zeigte, 

•  •  • 

dafs  die  angeführte  Verbindung  dabei  die  Hydrate  Ca'Si6-»- 

5H  und  Ca*SiÄH-4H  liefere.  Es  ist  nun  ziemlich  der 
Willkühr  überlassen,  was  man  von  diesem  Wasser  als 
Krystallwasser  bezeichnen,  oder  auch  ob  man  gar  kein 
Krystallwasser  annehmen  will,  ich  sage,  es  sey  der  Willkür 
überlassen,  weil  man  die  Gränzen  der  Temperatur  die  das 
Ausscheiden  von  Krystallwasser  veranlassen  kann,  von  0° 
bis  über  200°  angegeben  findet.  Die  Mineralogen  haben 
im  Allgemeinen  eine  Scheidung  von  Constitutione-  und 
Krystallwasser  in  den  gebrauchten  Formeln  nicht  bezeich- 
net und  so  sind  diese,  wenn  sie  sonst  annehmbar,  für  die 
Hydratspecies  zu  grolsem  Vortheil  der  Uebersicht  und  des 
Verständnisses  bei  den  Autoren  meistens  dieselben  und  ihre 
Berechnung  läfst  sich  unmittelbar  mit  den  Resultaten  einer 
Analyse  vergleichen.  Bei  den  modernen  chemischen  For- 
meln ist  das  nicht  der  Fall  und  ändert  sich  natürlich  die 
Formel,  wenn  nur  ein  Theil  des  Wassers  als  Constitutions- 
wasser  bestimmt  wird  oder  wenn  alles  als  solches  erklärt 
oder  auch  für  Krystallwasser  in  Anspruch  genommen  wird. 
Wenn  in  Okenit  alles  Wasser  Krystallwasser  ist,  so  ist  die 

moderne  Formel  (mit  Si) 

1)  Diese  Annalen  Bd.  CXXVI,  S.  143. 


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323 


wenn  aber  das  Wasser  Constitutionswasser  seyn  soll,  so 
ist  die  Formel 

Si* 
Ca 
H* 

Natürlich  ändern  sich  die  Formeln  weiter,  wenn  beide 
Wasserarten  angenommen  werden.  So  giebt  Rammels- 
berg  die  Formel 

SP) 

Ca  [  O"  +  sq. 

Man  erhält  daraus 


Silicium    .  . 

26,76 

Calcium    .  . 

18,79 

Wasserstoff  . 

0,93 

Sauerstoff 

45,07 

Wasser     .  . 

8,45 

100,00. 

Will  man  diese  Angaben  der  Formel  mit  den  Resul- 
taten einer  betreffenden  Analyse  vergleichen,  so  mufs  man 
sie  wieder  auf  Kieselerde,  Kalkerde  und  Wasser  umrechnen, 
es  wäre  denn  dafs  die  Analytiker  die  Originalanalyse  auch 
in  ähnlicher  Weise  bekannt  machten  *),  wo  sie  dann  ihrer- 
seits die  umgekehrte  Rechnung  zu  tühren  hätten,  denn 
keiner  stellt  hei  der  Analyse  Silicium  dar  oder  Calcium  oder 
den  zugehörigen  Sauerstoff  etc. 

Man  erkennt  aus  dem  Gesagten ,  dafs  für  die  Minera- 
logie die  empirischen  Formeln  in  der  Art  zu  schreiben 
seyen,  dafs  bei  den  Oxydverbindungen  die  Oxyde  bestimmt 

1)  Es  liegen  auch  darin  Proben  vor  nnd  Arzruni  macht  die  Analyse 
eines  Cöiestin's  mit  den  Angaben  bekannt: 

SO«  =52,685 
Sr  =46,715 
Ca    =  0,239 

(Zeitschrift  der  deutschen  geologischen  Gesellschaft    Jahrg.  1872.) 

ir 


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324 


bezeichnet  werden  uud  manche  Mineralogen  haben  sie  auch 
schon  so  geschrieben ;  will  man  dann  damit  eine  rationelle 
Formel  bilden,  so  liegt  nahe,  dafs  man  vielfach  auf  die  alten 
Formeln  zurückkommen  wird,  die  man  zu  eilig  über  Bord 
geworfen  hat,  und  welche  bisher  für  die  Theorie  und  Praxis 
sehr  gute  Dienste  geleistet  haben l).  Mau  vergleiche  in  dieser 

Beziehung  die  bisher  übliche  Form  für  den  Alunit  =  KaS 

H-3  AS  -f-  6H  a)  mit  der  modernen,  wie  sie  D'Achiardi 
in  seiner  Mineralogia  di  Toscana  aufstellt: 

VI  V  VI 

2  (  i K«  h-  J  [  AP]  )  [S  O2]  3  O*  +  3  [Ar]  Hfl  Oß. 

Beide  Formeln  geben  (die  moderne  wie  man  sieht  mit 
allerlei  Umwegen)  die  einer  Analyse  vergleichbare  Mi- 
schung mit 

Schwefelsäure  38,52 
Thonerde  .  .  37,12 
Kali  .  .  .  11,36 
Wasser     .    .  13,00 

"100,00. 

Ich  stimme  Blom Strand  vollkommen  bei,  wenn  er  in 
seinem  Buche  „Die  Chemie  der  Jetztzeit"  (S.  64)  sagt: 
„dafs  die  Mineralogeu  ex  professo  die  künstlich  aussehen- 
den und  aufserdem  auf  so  unsicheru  Gründen  fulsenden, 
streng  atomistischen  Formeln  der  complicirteren  Silicate 
den  älteren  vorziehen  werden,  halte  ich  für  sehr  zweifel- 
haft. Formeln  dieser  Art  können  sehr  wohl  zu  immer- 
währendem Verbessern  dem  theoretisirenden  Chemiker  über- 
lassen bleiben.  Man  könnte  dann  der  Consequenz  wegen 
auch  bei  den  einfacher  zusammengesetzten  Verbindungen 

1)  Glücklicherweise  hat  sich  die  mineralogische  Nomeuclatur  unabhängig 
von  der  speciell- chemischen  gestellt  und  wird  also  nicht  berührt,  ob 
die  Chemie  den  Anglesit  schwefelsaures  Bleioxyd  oder  schwefelsaures 
Blei  nennt. 

2)  Dafs  manche  die  abgekürzte  Schreibart  Ka  statt  KaO,  Äl  statt  AI1  Os, 

m 

Sli  statt  Sb*  S*  anfgeben,  ist  eine  Mode,  welche  für  die  unorganischen 
Verbindungen  die  Formeln  ganz  unnöthig  nur  länger  und  weniger 
übersichtlich  macht. 


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325 


oder  überhaupt  bei  sämmtlichen  Mineralien  die  alten  For- 
meln behalten  und  zwar  um  so  mehr,  weil  ein  Jeder,  dem 
es  beliebt,  durch  die  einfachste  Umschreibung  die  empi- 
rischen Formeln  in  atomistische  überfuhren  kann1)." 

Die  Umwandlung  einer  Formel,  welche  die  näheren 
Oxydverbindungen  einer  sauerstoffhaltigen  Mischung  an- 
giebt,  in  eine  atomistische,  welche  solche  nähere  Verbin- 
dungen zunächst  nicht  berücksichtigt,  kann  zur  Erklärung 
von  Zersetzungen  und  Neubildungen,  wie  bekannt,  mit 
Vortheil  gebraucht  werden ;  an  sich  giebt  jedoch  für  eine 
normale  Species  solche  Zergliederung  in  die  Elemente,  ich 
möchte  sagen  nur  die  Farben,  aber  nicht  das  verlangte 
Bild  ihres  chemischen  Wesens. 


IX.    lieber  einen  neuen  Amylalkohol; 
von  Dr.  G.  H.  B  eignes  Bäk  hören  zu  Kampen 

in  Holland. 


Der  Zweck  der  folgenden  Untersuchungen  war: 

1.  Die  Veränderungen  in  dem  specifischen  Drehungs- 
vermögen und  der  Auflösbarkeit  des  Baryumamylsulfats 
kennen  zu  lernen,  wenn  man  zur  Bereitung  der  Amyl- 
schwefelsäure  ungleiche  Gewichtstheile  Schwefelsäure  und 
Amylalkohol  bei  verschiedeneu  Temperaturen  mit  einander 
mischt. 

2.  Den  von  Chapman2)  eingeschlagenen  Weg  zu 
verfolgen,  um  den  Amylalkohol,  der  keine  optische  Wir- 
kung ausübt,  zu  erlangen. 

1)  Vergl.  auch  H.  Kolbe  „Moden  der  modernen  Chemie"  und  Fr.  Mohr 
„Mechanische  Theorie  der  chemischen  Affinität  und  die  neuere 
Chemie."    p.  272. 

2)  Proceed  of  ihr  Royal  mcwty  XVJJ%  »••>/.  AV  109. 


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326 


I.  Barynmaniylsulfat 

Zuerst  wurde  der  im  Handel  vorkommende  Amylalko- 
hol durch  fractionirte  Destillation  von  Wasser  usw.  ge- 
reinigt und  für  die  Untersuchungen  nur  der  zwischen  125* 
und  135°  C.  übergehende  Theil  angewandt. 

Zwei  Amylalkohole  von  verschiedenem  Ursprünge  (aus 
Gerste  und  Kartoffeln)  wurden  gebraucht.  Der  aus  Gerste 
bereitete  lenkte  die  Polarisationsebene  in  einer  Röhre  von 
500  Mm.  um  — 7°,68  ab.  Wenn  man  nun  annimmt,  dafs 
der  optisch  wirksame  Gehalt  eines  Alkohols,  der  in  einer 
gleich  laugen  Röhre  eine  Ablenkung  von  20°  (Pasteur ') 
giebt,  100  Proc.  ist,  so  war  der  Gehalt  an  optisch  activem 
Amylalkohol  des  erstgenannten  38,4  Proc;  es  waren  also 
61,6  Proc.  optisch  inactiven  Amylalkohols  vorhanden.  Bei 
dem  zweiten  Alkohol  (aus  Kartoffeln)  wurden  23,6  Proc. 
optisch  activen  und  76,4  Proc.  inactiven  Amylalkohols  ge- 
funden. Aus  dem  ersten  Alkohol  bereitete  ich  zwei 
Amylschwefelsäuren,  wozu  bei  der  ersten  38,4  Proc.  und 
61,6  Proc.  H,  S04,  und  bei  der  zweiten  23,6  und  76,4  Proc.  \ 
H,  S04  angewandt  wurden.  Also  hatte  ich  vier  Mischungen. 
Ein  Theil  .einer  solchen  Mischung  von  Alkohol  und 
Schwefelsäure  wurde  bei  niedriger  Temperatur,  der  übrige 
Theil  ohne  Abkühlung  bereitet.  Nach  2  bis  3  Tagen 
wurde  jede  dieser  acht  Mischungen  in  Wasser  geschüttet 
Wie  lange  sie  auch  stehen  geblieben  waren;  jedesmal 
schied  sich  eine  dunkelgefärbte  ölichte  Flüssigkeit  ab,  die, 
leichter  als  die  Auflösung  der  übrigen  Amylschwefelsäure, 
mit  einer  Pipette  leicht  zu  entfernen  war.  Wenn  man  diese 
so  abgesonderte  ölichte  Flüssigkeit  in  Wasser  schüttet, 
und  damit  schüttelt,  erlangt  man  eine  saure  Flüssigkeit, 
aus  welcher  durch  fractionirte  Destillation  ein  Amylalkohol 
bereitet  werden  kann,  auch  entsteht  mittelst  Baryumcar- 
bonat,  nach  erzielter  Neutralisation,  aus  dieser  ölichten 
Flüssigkeit  Baryumamylsulfat  (Salz  des  Oels). 

Ebenso  wurde  die  Auflösung  der  Amylschwefelsäure 
in  Wasser,  welche  von  der  ölichten  Flüssigkeit  befreit 

1)  Compt.  rend.  41,  296. 


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327 


worden,  mit  Barynmcarbonat  neutralisirt  und  dadurch  ein 
Baryumamylsulfat  erlangt  (Salz  ohne  Oel). 

Endlich  bildete  sich  nach  Hinzufugung  von  Baryum- 
carbonat  zu  der  Auflösung  die  Amylschwefelsäure  in 
Wasser,  ohne  Entfernung  der  ölichten  Substanz,  ein  Baryum- 
amylsulfat (Salz  mit  Oel). 

Aus  jeder  der  acht  Mischungen  wurden  also  drei  Salze 
erhalten: 

1°  Salz  der  ölichten  Flüssigkeit 
2°  Salz  ohne  die  ölichte  Flüssigkeit 
3°  Salz  mit  der  ölichten  Flüssigkeit. 

Diese  Salze  haben  dieselbe  Zusammensetzung.  Sie 
enthalten  6,2  bis  7  Proc.  H2  O  und  44,7  bis  45,67  Proc. 
BaS04.  Bei  der  Bereitung  der  Salze  wurde  nach  Neu- 
tralisirung  der  Amylschwefelsäure  durch  Baryumcarbonat, 
das  gefällte  Barytimsulfat  abfiltrirt,  und  das  Filtrat  bei 
gelinder  Wärme  abgedampft.  Nach  Abkühlung  schied 
das  Baryumamylsulfat  sich  aus  und  wurde  zwischen  Fil- 
trirpapier  getrocknet.  Aus  einigen  dieser  Salze  ist  später 
auch  der  Alkohol  bereitet  und  von  diesem  letzteren,  wie 
von  den  Salzen,  das  specifische  Drehungsvermögen  be- 
stimmt. Aus  den  Bestimmungen  der  Auflöslichkeit  der 
Salze  stellte  sich  heraus,  dafs  diejenigen  am  meisten  auf- 
löslich waren,  die  durch  Neutralisirung  der  abgesonderten 
ölichten  Flüssigkeit  gebildet  worden,  wenn  die  Mischung 
bei  niedriger  Temperatur  stattgefunden  hatte.  Was  die 
Bestimmungen  des  specifischen  Drehungsvermögens  dieser 
Salze  betrifft,  so  lenkten  einige  den  polarisirten  Lichtstrahl 
nach  links,  andere  nach  rechts.  Das  specifische  Drehungs- 
vermögen der  Salze  war  rfc  3,7  mal  gröfser,  als  dasjenige 
des  aus  diesen  Salzen  bereiteten  Alkohols.  Das  specifische 
Drehungsvermögen  der  Salze  war  ein  Maximum,  wenn 
bei  der  Bereitung  23,6  Proc.  oder  38,4  Proc.  H,  S04  unter 
Abkühlung  angewendet  waren.  Das  Maximum  der  linken 
Drehung  fand  sich  bei  den  so  bereiteten  Salzen  des 
Ods.  Das  Maximum  der  rechten  dagegen  bei  den  Salzen 
ohne  Oel.    Ein  Minimum  der  Ablenkung  wurde  bei  den 


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328 


Salzen  gefunden,  bei  denen  die  dazu  angewendete  Amyl- 
schwefelsäure  mit  76,4  Proc.  und  61,6  Proc.  H2S04  be- 
reitet war.  Aus  der  mit  Wasser  geschüttelten  ölichten 
Flüssigkeit  läfst  sich  durch  Destillation  ein  Amylalkohol 
bereiten. 

So  war  das  spec.  Drehungsvermögen  der  Salze,  welche 
bereitet  worden: 

unter  Abkühlung  ohne  Abkühlung 

1.  mit  38,4  Proc.  HtSO<       1.  mit  61,6  Proc.  HaS04 
Salz  des  Oels  —  18,57         Salz  des  Oels  -»-0,117 
Salz  ohne  Oel        9,33         Salz  ohne  Oel  —  0,149 

Alkohol  aus  dem  Oel  —  4,85. 

2.  mit  23,6  Proc.  H,  S04       2.  mit  76,4  Proc.  H,S04 
Salz  des  Oels  —  18,36         Salz  des  Oels  -f-  0,07 
Salz  ohne  Oel  -f-   9,33         Salz  ohne  Oel  —  0,04. 

Alkohol  aus  dem  Salz  ohne  Oel  -+-  2,47. 

Aus  diesen  Angaben  geht  hervor,  dafs  das  specifische 
Drehungsvermögen  der  links  wirksamen  Salze  zweimal 
gröfser  als  das  der  rechts  wirksamen  ist. 

Dieses  Resultat  stimmt  mit  dem  Gesetze  der  einfachen 
Multiplen1)  überein,  wie  dieses  von  Prof.  E.  Mul der 
angegeben  wurde.  Wenn  man  in  der  Formel  C6  Hn  OH, 
das  Radical  O  H,  als  ein  Verdünnungsmittel  ansieht,  würde 
das  spec.  Drehungsvermögen  von  C5  H,,  und  Ct  Hn  OH 
sich  umgekehrt  verhalten,  wie  die  Moleculargewichte. 
Wenn  also  für  Cb  H„  OH  (m.  g.  =  88),  das  specifische 
Drehungsvermögen  =  —  4,85  ist,  so  ist  für  C5  Hn  (m.  g. 
=  71)  das  specifische  Drehungsvermögen  =  6,01. 

So  wird  das  specifische  Drehungsvermögen  für  C5  Hn 
in  dem  rechts  wirksamen  Alkohol  =  3,06  seyn,  wenn  für 
C,,  H1(  OH  das  spec.  Drehungsvermögen  =  -+-  2,47  ist. 
Die  Drehungsvermögen  der  rechts  und  links  wirksamen 
Alkohole  verhalten  sich  also  wie  3,0o  :  6,01  =  1  :  1,96. 

Dieses  Verhältnifs  darf  wohl  als  1  :  2  angesehen  werden. 


1)  Prof.  E.  Mulder.    Scheiknndige  Aantekcningen.    Deel  I,  afl.  2.  7. 


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329 


Für  Ba  (Cb  Hn)3  (S04), -h  2H20  ist  das  Molecular- 
gewicht  =  507. 

.  Für  Ba(CsHll)i(SO,)a-l-2H,0  ist  das  specifische 
Drehungsvermögen  =  —  18°,57.  (Siehe  früher.) 

Für  (C»Hn),  ist  das  Moleculargewicht  =  142.  Also 
wird  das  specifische  Drehungsvermögen  für  (CjHjjX  im 
Baryumsalze: 

507  :  142  =  x  :  18,57  x  mm  66,30. 

Bei  dem  Alkohol,  wenn  das  specifische  Drehungsvermögen 
für  (C6  Hn)  mm  6,01  ist,  wird  dasselbe  mm  12,02 

66,30:  12,02  =  5,51:1. 

Wo  also  das  Verhältnifs  in  dem  specifischen  Drehungs- 
vermögen  von  Alkohol  und  Salz  das  nämliche  3,7  ist,  ist 
das  specifische  Drehungsvermögen  des  Salzes  fünfmal 
gröfser.  Auch  dieses  Resultat  wurde  durch  den  Versuch 
bestätigt.  (Siehe  früher.) 

Destillation  mit  Na  0  H. 

Dafs  es  einen  optisch  rechts  wirksamen  Amylalkohol 
giebt,  kann  auch  durch  folgende  Untersuchungen  bewiesen 
werden.  Der  Theil  des  Amylalkohols,  der  zwischen  125° 
und  135°  übergeht,  wurde  mit  überschüssigem,  festem  und 
trocknem  Natronhydrat  (Na OH)  im  Oelbade  destillirt,  bis 
eine  trockne  Masse  in  der  Retorte  übrig  blieb,  aus  welcher 
nach  Auflösung  im  Wasser  nur  sehr  geringe  Quantitäten 
Amylalkohol  erlangt  werden  konnten.  Das  erste  Destillat 
ohne  Wasser  wurde  aufs  Neue  mit  Ueberschufs  von  NaOH 
destillirt,  und  nach  jeder  Destillation  bestimmte  ich  das  spec. 
Drehungsvermögen,  und  jedesmal  war  es  geringer  bis  endlich 
nach  5  bis  6  maliger  Destillation  die  Drehung  rechts  wurde 
und  nach  dieser  Seite  zunahm,  bis  nach  10  bis  12  maliger 
Destillation  die  Drehung  eine  constante  Gröfse  von -+-10°  in 
einer  Röhre  von  500  Mm.  erreicht  war.  Der  Siedepunkt 
dieses  Alkohols  war  133°  bis  134  *  C.  Wenn  man  den  Al- 
kohol, welcher  ein  Maximum  der  Ablenkung  links  verur- 
sacht, eine  Zeit  lang  bei  1 24°  erhitzt,  so  wird  die  Drehung 
geringer. 


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330 


Der  rechts  wirksame  Alkohol  dagegen  widersteht  dieser 
Einwirkung  länger.  Wie  viele  Male  die  Destillation  mit 
Natronlauge,  zur  Bereitung  des  rechts  wirksamen  Amyl- 
alkohols, fortgesetzt  werden  mufs,  hängt  von  dem  Drehungs- 
vermögen des  primitiv  angewendeten  Amylalkohols  ab. 

Bestimmung  des  spec.  Drehungsverraögens. 

Zur  Herstellung  dieses  Vermögens  wurden  zwei  Nicols 
gebraucht;  während  die  Bestimmungen  auf  der  Natrium- 
linie stattfanden.  Zu  vielen  Beobachtungen  dienten  im 
Kupfer  eingefafste  Glasröhren,  ftir  welche  jedoch  eine 
grofse  Quantität  der  zu  untersuchenden  Flüssigkeit  erfor- 
derlich war.  Da  es  oft  ziemlich  schwierig  ist,  grofse 
Quantitäten  chemisch  rein  zu  erhalten,  wurden  Kautschuk- 
röhren gebraucht,  wobei  keine  innere  Reflexion  statt  findet. 
Eine  Kautschukröhre  wurde  dazu  mit  den  Enden  an  eine 
nicht  verschlossene  Glasröhre  befestigt.  Das  freie  Ende 
dieser  letzteren  schlofs  an  eine  Oeflfnung  eines  hölzernen 
Brettchens,  gegen  das  mittels  Kautschukring  eine  polirte 
Glasplatte  gedrückt  war,  so  dafs  die  Röhre  durch  zwei 
parallele  Glasplatten  geschlossen  wurde.  Mittelst  zweier 
Glasröhren,  welche  senkrecht  auf  den  beiden  ersteren 
standen,  ward  die  Röhre  durch  Aufsaugen  gefüllt.  Diese 
senkrechten  verschlofs  man  durch  Kautschukhülsen.  Die 
so  eingerichtete  Kautschukröhre  wurde  auf  hölzerne  Brett- 
chen gestellt,  an  deren  Enden  gabelförmige  Brettchen 
befestigt  waren.  Dadurch,  dafs  man  Brettchen  von  ver- 
schiedener Länge  und  Kautschukröhren  von  verschiedenem 
Durchmesser  anwendete,  konnte  man  die  Länge  und  den 
Inhalt  der  Röhren  beliebig  ändern. 

Mit  diesen  Röhren  wurde  auch  das  spec.  Drehungs- 
vermögen des  Rohrzuckers  bestimmt  und  gleich  67°,42 
gefunden,  eine  Zahl  die  mit  denen  von  Clerget '),  Wild  *) 
und  Andern  übereinstimmt.    Ob  der  Kautschuk  durch 

1)  Clerget    Annale»  de  Chimie  et  de  Phys.  IHieme  Serie  26,  146. 

2)  Wild,  Polaristrobometer  S.  52. 


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331 

Amylalkohol  geändert  wird,  wurde  untersucht,  nachdem 
Kautschuk  einige  Tage  in  dem  Amylalkohol  geblieben  war. 

Das  specifische  Drehungsvermögen  dieses  Alkohols  war 
dasselbe  geblieben. 

Resultate  des  Vorhergehenden. 

1.  Wenn  man  aus  dem  Amylalkohol,  wie  man  ihn  im 
Handel  findet,  mittetet  Schwefelsäure  Amylschwefelsäure 
bereitet  und  aus  der  letztern  Säure  Baryumamylsulfat  bil- 
det, wird  die  Art  des  Salzes  bestimmt  durch: 

1.  Die  Quantität  der  Schwefelsäure, 

2.  Die  Temperatur  bei  der  Mischung. 

2.  Bei  ungleichen  Quantitäten  des  Alkohols  und  der 
Schwefelsäure  scheidet  sich  ein  Theil  der  Amylschwefel- 
säure mit  Zersetzungsproducten ,  als  eine  Elüssigkeit  von 
ölichter  Consistenz  ab.  Diese  letztere,  abgesondert  in 
Wasser  geschüttet  und  neutralisirt,  giebt  Salze,  welche 
an  Drehungsrichtung  verschieden  sind  von  den  Salzen, 
die  durch  Neutralisation  der  sofort  in  Wasser  aufgelösten 
Amylschwefelsäure  entstanden  sind.  So  wird  nicht  blofs 
ein  links  wirksames,  sondern  auch  ein  rechts  wirksames 
Salz  (und  aus  diesem  ein  rechts  und  links  drehender  Amyl- 
alkohol) erlangt. 

Die  Zusammensetzung  dieser  Salze  ist  die  nämliche. 

3.  Destillation  des  Amylalkohols  mit  Ueberschufs  von 
Natronlauge  giebt  einen  optisch  rechts  wirksamen  Amyl- 
alkohol. 

4.  Das  Drehungsvermögen  des  Radicals  C5  Hn  ist 
im  Baryumamylsulfat  fünfmal  gröfser,  als  unter  übrigens 
gleichen  Umständen  in  dem  aus  diesen  Salzen  bereiteten 
Alkohol. 

Kampen  (Holland),  März  1873. 


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332 


X.   Bemerkung  über  das  Füllen  von  Gefäfsen 
mit  sehr  enger  Röhre,  insbesondere  des  Carte- 
sianischen  Tauchers;  von  K.  L.  Bauer 

in  Karlsruhe. 


Fr  ick  (physikalische  Technik)  und  Wein  hold  (Vor- 
schule der  Experimentalphysik)  empfehlen,  um  in  einen 
Cartesianischen  Taucher  (am  besten  aus  einer  hohlen  Glas- 
kugel mit  enger  Röhre  bestehend)  die  genügende  Wasser- 
menge einzubringen,  durch  Erwärmen  die  Luft  des  Ge- 
fäfses  tbeilweise  auszutreiben  und  die  offene  Röhre  des- 
selben hierauf  in  Wasser  zu  tauchen.  Dieses  Verfahren, 
oder  auch  der  Gebrauch  einer  Luftpumpe  zum  gleichen 
Zwecke,  kann  indessen  durch  eine  sehr  einfache  andere 
Methode  ersetzt  werden,  die  in  Folgendem  besteht. 

1.  Fülle  den  zu  den  Taucherversuchen  bestimmten 
Cylinder  mit  Wasser,  setze  den  leeren  Schwimmer  in  der 
gewöhnlichen  Lage  ein,  wobei  die  Röhre  nach  unten  ge- 
richtet ist,  und  verschliefse  den  Cylinder  durch  eine  Kaut- 
schukkappe und  Bindfaden. 

2.  Uebe  auf  den  elastischen  Verschlufs  einen  kräftigen 
Druck  aus. und  neige,  bei  anhaltendem  Drucke,  den 
Cylinder  derart  gegen  den  Horizont,  dais  die  Kautschuk- 
kappe merklich  tiefer  als  der  Fufs  des  Cylinders  zu 
liegen  kommt,  und  der  Taucher,  die  Röhre  schräg  nach 
oben  gerichtet,  zu  steigen  beginnt.  Läfst  in  diesem 
Augenblicke,  oder  auch  erst,  wenn  der  Schwimmer  oben 
angekommen,  der  Druck  nach,  so  entweichen  Luftblasen 
aus  dem  jetzt  bereits  theil weise  mit  Wasser  gefüllten 
Gefäfse.  Hätte  man  den  Cylinder  völlig  umgekehrt  derart, 
dafs  bei  der  neuen  verticalen  Stellung  der  Verschlufs  sich 
möglichst  tief  unter  dem  Cylinderboden  befunden  hätte, 
so  würde,  zumal  wenn  der  Druck  sofort  nach  dem  Um- 
kehren unterbrochen  worden  wäre,,  der  Taucher  mit 
grofser  Geschwindigkeit  gestiegen  seyn. 


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333 


3.  Bringt  man  jetzt  den  Cylinder  wieder  in  die  ur- 
sprüngliche aufrechte  Lage,  wobei  auch  der  Schwimmer 
wieder  in  seine  Anfangsstellung  zurückkehrt,  und  wieder- 
holt das  beschriebene  Verfahren,  so  gelingt  es  ganz  bald, 
den  Taucher  mit  soviel  Flüssigkeit  zu  füllen,  dafs  er, 
selbst  nach  völligen  Umkehren  des  Cylinders,  bei  anhal- 
tendem kräftigen  Drucke  gar  nicht  mehr,  und  nach  Unter- 
brechung des  Druckes  nur  noch  äufserst  langsam  steigt. 
Jetzt  ist  der  Cartesianische  Taucher  zu  seiner  gewöhn- 
lichen Benutzung  geeignet. 

4.  Nach  nochmaliger  Wiederholung  des  angegebenen 
Verfahrens  nützt  auch  der  Nachlafs  des  Druckes  nichts 
mehr;  der  Taucher  ist  in  dem  Maafse  gefüllt,  dafs  er  bei 
verkehrter  Stellung  des  Cylinders  unten  liegen  bleibt,  wo- 
bei die  Kugel  auf  dem  Verschlusse  ruht  und  die  Röhre 
nach  oben  gerichtet  ist. 

5.  Behält  der  Cylinder  die  verkehrte  Stellung  bei, 
und  drückt  man  mehrmals  rasch  nach  einander  auf  den 
Verschlufs,  so  entweichen  anfangs  und  zwar  jedesmal  im 
Moment  der  Druckunterbrechung  noch  Luftblasen,  wodurch 
eine  noch  vollständigere  Füllung  des  Tauchers  erreicht 
wird.  Schliefslich  aber  wirkt  dieses  Mittel  nicht  mehr, 
eine  kleine  Luftblase  bleibt  in  dem  Gefäfse  zurück,  was 
indessen  für  des  letztern  Benutzung  als  Taucher  ohne 
Belaug  ist,  da  der  erforderliche  Grad  der  Füllung  ja  be- 
reits überschritten  wurde. 

Nachdem  der  Taucher  aus  dem  Cylinder  herausge- 
nommen, kann  das  eingedrungene  Wasser  durch  kräftiges 
Schütteln  wieder  entfernt  werden,  wobei  selbstverständlich 
die  Röhre  nach  unten  zu  richten  ist. 


i 

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334 


XL   Salpetersaure  Nickellösung  als  JZbsorpHons- 
präparat;  von  Dr.  II.  Emsmann. 


nter  den  Farbenspectren,  welche  gefärbte  tropfbare 
Flüssigkeiten  zeigen,  erscheint  mir  das  der  schönen  apfel- 
grünen Lösung  des  Nickels  in  Salpetersäure  besonders  der 
Beachtung  werth.  Ich  füllte  ein  Hohlprisma  mit  dieser 
Lösung  und  fand,  dafs  die  Endfarben  Roth  und  Violett 
im  Spectrum  absorbirt  waren.  Mir  war  dies  neu,  aber 
in  Mousson's  „Physik  auf  Grundlage  der  Erfahrung"  ist 
diese  Eigenthümlichkeit  der  salpetersauren  Nickellösung 
bereits  als  etwas  Bekanntes  angefahrt. 

Während  nun  bei  den  meisten  gefärbten  Flüssigkeiten 
die  Farbe  sich  als  eine  Mischung  aus  allen  Spectralfarben 
unter  Vorwalten  der  betreffenden  Körperfarbe  ergiebt, 
haben  wir  hier  das  schöne  Grün  als  Mischung  der  Spec- 
tralfarben mit  Ausschlufs  des  Roth  und  Violett.  Deshalb 
eignet  sich  diese  Flüssigkeit  besonders  gut,  um  auf  be- 
queme Weise  nicht  nur  die  Absorptionserscheinungen  der 
Farben  beim  Unterrichte  zu  zeigen,  sondern  auch  in  vielen 
Fällen  die  Mischung  von  Körperfarben  zu  erkennen. 

Ich  halte  für  den  Unterricht  ein  mit  dieser  Lösung 
gefülltes  Glasfläschen  bereit,  welches  möglichst  parallele 
Wände  besitzt  (ich  habe  ein  solches  aus  einer  Parfü- 
meriehandlung  entnommen)  und  benutze  dieses  Fläschchen, 
um  die  Absorption  nachzuweisen.  Auf  mit  schwarzem 
Papier  überzogener  Pappe  sind  schmale  Streifen  gefärbter 
Papiere  aufgeklebt,  unter  denen  sich  verschiedenes  Roth 
befindet.  Die  eine  Sorte  Roth  ist  durch  die  Flüssigkeit 
nicht  zu  erkennen,  die  andere  erscheint  dunkelblau,  noch 
eine  andere  gelb;  ein  violetter  Streifen  ist  ebenfalls  nicht 
zu  erkennen;  ein  weifser  Streifen  erscheint  grün.  Rothe 
Büchertitel  durch  die  Flüssigkeit  betrachtet,  erscheinen 
dunkel;  ebenso  rothe  und  violette  Stellen  auf  wollenen 
Stickereien. 


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335 


In  den  meisten  Lehrbüchern  der  Physik  werden  die 
Absorptionserscheinungen  bis  jetzt  meist  nur  kurz  berührt. 
Wüllner's  Lehrbuch  der  Experimentalphysik  macht  eine 
rühmliche  Ausnahme,  indem  daselbst  nicht  nur  die 
verschiedenen  Untersuchungsmethoden,  sondern  auch  meh- 
rere Beispiele  von  Körperfarben  mit  Angabe  derjenigen 
Farben,  aus  deren  Mischung  dieselben  hervorgehen,  an- 
geführt werden.  Farbige  Flüssigkeiten  scheinen  überhaupt 
noch  wenig  untersucht  zu  seyn.  Mousson  fuhrt  Didym, 
Chlorophyll  und  Blut  auf.  Eine  Zusammenstellung  der 
Spectra  der  gefärbten  Flüssigkeiten  wäre  wohl  wünschens- 
werth.  Kupfervitriollösung  zeigt  im  Spectrum  nament- 
lich Violett,  Gelb,  Blau  etwa  im  Verbältnifs  7:5:2  und 
noch  etwas  Roth;  Eisenvitriollösung  herrscht  Grün 
vor;  Blut Uu gen 8 alz  ergiebt  Roth,  Grün,  Violett  und 
Dunkelblau. 

Die  Absicht  dieser  Zeilen  ist  namentlich,  meine  Collegen 
auf  die  salpetersaure  Nickellösung  aufmerksam  zu  machen 
und  ihnen  dieselbe  zur  Einverleibung  in  die  physikalischen 
Cabinette  zu  empfehlen. 


XII.    Auffallende  Regelmäfsigkeit  bei  einem 
Sternschnuppenfall;  von  C.  Böhm. 


^\m  13.  Juli  dieses  Jahres,  kurz  nach  11  Uhr  (Mün- 
chener Zeit)  nahm  ich  drei  Sternschnuppen  wahr,  welche 
scheinbar  identische  Wege  am  Himmel  machten  in  der 
Richtung  von  £  des  grofsen  Bären  nach  der  Mitte  zwischen 
Arctur  und  £  Bootes,  etwa  |  dieser  Strecke  durchlau- 
fend. Die  Zeit  zwischen  den  drei  Erscheinungen  war,  wie 
ich  zufallig  bemerken  konnte,  genau  dieselbe,  denn  die 
erste  Sternschnuppe  wurde  wahrgenommen,  als  im  Neben- 


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336 


zimmer  gerade  das  Spiel  einer  Sonate  begann,  die  zweite 
am  Ende  des  ersten  Theils  dieses  Musikstückes  und  die 
dritte,  als  die  Wiederholung  des  Theils  abschlofs.  Ich 
liefs  später  die  Spielenden  die  Sonate  nochmals  vortragen, 
ohne  diesen  die  Unbefangenheit  durch  Mitheilung  des  Grun- 
des meines  Verlangens  zu  benehmen,  und  fand,  mit  der  Uhr 
in  der  Hand,  dafs  die  erstmalige  Ausführung,  wie  die  Wieder- 
holung des  Theils  gerade  93  Sekunden  währte,  dafs  die  Re- 
petition  also  nicht,  wie  sonst  üblich,  in  schnellerm  Tempo 
geschah.  Eine  erste  Sternschnuppe,  ungefähr  in  derselben 
Himmelsgegend,  nahm  ich  nur  unvollkommen  wahr,  und 
wurde  dadurch  veranlaist,  durch  die  Brille  das  Auge  für 
unendliche  Entfernung  zu  accommodiren,  wefshalb  ich  die 
erwähnten  drei  nachfolgenden  Erscheinungen  sehr  deutlich 
sah.  Vielleicht  verfolgten  alle  vier  beobachteten,  oder  gar 
noch  mehre,  dieselbe  Richtung  und  hielten  den  gleichen 
Zeitabstand  inne.  In  der  nächsten  halben  Stunde  habe 
ich,  trotz  der  gemachten  Aufmerksamkeit,  an  der  ganzen 
westlichen  Himmelshälfte,  die  ich  überblickte,  keine  Stern- 
schnuppen wahrnehmen  können. 

Aschaffenburg  den  H.Juli  1873. 


A.  W.  Schade  »  Bncudruckerei  (  L.  Seht  de)  in  Berlin,  8UlUchr*ib«r*tf.  4? 


uig 


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ANN ALEN 
DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

Bd.  VI.  ERGÄNZUNG.  St.  3. 

I.    Mineralogische  Mittheilungen;  von 
G.  vom  Rath. 

(Fortsetzung  XU,  Abtheilung  II.) 


67.    lieber  die  verschiedenen  Formen  der  vesuvischen  Augite. 

Unter  allen  Mineralfundstätten  der  Erde  ist  der  Vesuv 
unstreitig  eine  der  reichsten  und  ausgezeichnetsten.  Bis- 
her hat  dieser  Berg  vorzugsweise  als  Vulkan  die  Auf- 
merksamkeit auf  sich  gezogen ;  doch  kommt  demselben  ein 
gleich  hohes  Interesse  wegen  des  Mineralreichthums  zu, 
weichen  seine  Auswürflinge  beherbergen.  Die  Untersuchung 
über  die  Association  und  Bildungsweise  dieser  Mineralien 
wird  —  dess  sind  wir  überzeugt  —  einst  wichtige  Aufschlüsse 
über  eines  der  dunkelsten  Gebiete  der  Geologie,  die  Ent- 
stehung der  Mineralien  in  den  älteren  Eruptivgesteinen  geben. 
Eine  nothwendige  Vorbedingung  jener  Untersuchung  ist 
die  genaue  Kenntnifs  der  vesuvischen  Mineralien  nach 
Form  und  Mischung.  Möchte  als  geringer  Beitrag  zu  dem 
genannten  Ziele  gegenwärtige  Mittheilung  nicht  unwill- 
kommen sein! 

Wie  verschiedenartig  im  Ansehen  die  vesuvischen  Au- 
gite sind,  geht  schon  daraus  hervor,  dals  die  drei  durch 
Monticelli  und  Covelli  in  ihrem  bekannten  Werke 
„Prodromo  de  IIa  Mineralogia  Vesuvianau  neben  dem  Augit 
unterschiedenen  Mineralgattungen  Topas  (S.  116),  Prehnit 
(S.  217)  und  Turmalin  (S.  268),  nichts  anderes  sind  als 
Varietäten  des  Atigits.  Die  genannten  Mineralien  haben  sich 
bisher  niemals  weder  am  Vesuv  noch  überhaupt  in  einem 
neueren  vulkanischen  Gesteine  gefunden.  Dank  der 
Freundschalt   des  Hrn.  Scacchi   konnte  ich   zu  vor- 

Poggendorff's  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  22 


338 


liegender  Mittheilung  sämmtliche  detachirte  Krystalle  der 
Sammlung  zu  Neapel  benutzen. 

Der  Augit  findet  sich  am  Vesuv  von  gelber,  lichtgrün- 
licher, weifser,  bräunlich-  bis  schwärzlichgrüner,  lauch- 
grüner und  schwarzer  Farbe. 

a)  Die  gelbe  Varietät,  deren  spec.  Gewicht  ich  zu 
3,277  bestimmte,  ist  die  ausgezeichnetste  unter  allen. 
Diese  ist  es,  welche  von  Monticelli  für  Topas  gehalten 
wurde.  Derselbe  entlehnte  diese  Bestimmung  dem  Werke 
des  Grafen  Bournon  (London  1808),  welcher  wohl  irr- 
thümlich  bemerkt:  „cette  topaze  a  ttt  deter minie  d/une 
maniere  aussi  habile  qu  ingenieuse  par  le  Dr.  Wollaston". 
Die  den  Topas  darstellenden  Figuren  des  Prodromo  schei- 
nen dem  Werke  von  Haüy  entlehnt. 

Der  gelbe  Augit  findet  sich  meist  in  Begleitung  von 
gelbem  bis  röthlichgelbem  Glimmer,  röthlichgelbem  Humit, 
gelbem  Granat  usw.  Die  erstgenannten  vier  Mineralien 
sind  zuweilen  im  äufsern  Ansehen  recht  ähnlich.  Fig.  11, 
IIa  zeigt  die  Ausbildung  der  gelben  Augite.  Dieselben 
sind  in  der  Richtung  der  Verticalaxe  oft  mehr  verkürzt 
als  es  die  Figur  darstellt.  Es  wurden  an  dieser  Varietät 
folgende  Flächen  beobachtet.  Die  Formeln  I  beziehen 
sich  auf  die  aus  den  beiden  Hemioktaedern  u  und  s  ge- 
bildete Grundform,  die  unter  II  auf  die  fast  rechtwink- 
ligen Axen,  welche  sich  ergeben,  wenn  man  das  verticale 
Prisma  m  mit  den  Flächen  c  und  p  ins  Gleichgewicht 
bringt. 


I. 


II. 


u  =  (a  :  b  :  c)y  —  P 
s  =  (a  :  b  :  c),  P 
0  =  ({a':i6:c),  2P 
r  =  (a:b:lc),  jP 
a  =  (ooa:       r),  (2  P  oo  ) 
p  =  (a' :  oo  b  :  c),       P  oo 
m  s=s  (a  :  b  :  oo  c),  oo  P 

fs« (ja: &:»<?),  »P3 

n  =  (a:56:ooc),  (oo  P3) 


(}a:£6:c),  3  Pf 
(a':ifc:c),  -(2P2) 
Qa  :\b  :c,  -  (4 Pf) 
(oo  a  :  b  :  c),  (Pao  ) 
(o:  J6:c),  —  (4P4) 
(a' :  oo  6  :  c),  —  P  oo 
(a  :  6  :  oo  c),  oo  P 
(ja:  b:  oo  c),  aoP3 
(a  :  J  6  :  oo  c),  oo  P  oo 


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339 


L  II. 

O  =  (fl:oo6:ooc),  »Poo  (a  :  oo  6  :  oo  c),  oo  P  oo 

b  =  (oo  a  :  6  :  oo  c),  (oo  P  oo  )  (oo  a  :  6  :  oo  c),  (oo  P  oo  ) 

c  =  (oo  a  :  oo  6  :  c,  Ü  P  (a  :  oo  6  :  c),  P  oo  . 

Die  obigen  Flächeubuchstaben  sind  dieselben,  welche' 
von  Kokscharow  (Materialien  Bd  IV,  S.  263),  vorzugs- 
weise nach  Miller's  Vorgang,  angenommen  hat.  In  der 
Aufstellung  des  Augits  bin  ich  G.  Rose,  Quenstedt 
und  De 8  Cloizeaux  gefolgt,  so  dals  das  gewöhnliche 
HemioktaSder  s  nach  hinten  gewandt  ist,  während  Nau- 
mann und  von  Kokscharow  s  nach  vorne  richten. 
Di$  regelmässigen  Verwachsungen  von  Augit  und  Horn- 
blende in  vesuvischen  Blöcken  nöthigen  nuu  wohl  bei  der 
Wahl  der  Stellung  auf  beide  Mineralien  Rücksicht  zu 
nehmen,  d.  h.  wenn  man  die  Flächen  *  des  Augits  nach 
hinten  wendet,  so  mufs  ein  Gleiches  in  Bezug  auf  die 
Basis  c  der  Hornblende  (p  bei  Des  Cloizeaux),  geneigt 
zur  Verticalaxe  =  75°  2',  geschehen.  Von  den  eben  an- 
geführten Flächen  ist  r  am  seltensten  und  nur  an  vesu- 
vischen Kry stallen  bekannt.  Des  Cloizeaux  erwähnt  der 
Fläche  r  als  einer  durch  Scacchi  zuerst  beobachteten 
und  nennt  sie  dK  Auch  von  Kokscharow  hat  sie 
wieder  beobachtet  (Mat.  IV.  S.  363).  Die  Flächen  r  sind  von 
besonderem  Interesse  bei  der  Wahl  der  fast  rechtwinkligen 
Axen,  indem  sie  auf  diese  bezogen,  ein  Klinodoma  (Poo) 
bilden.  Die  Kante  r  :  r'  von  147"  10'  würde  abgestumpft 
werden  durch  die  fast  gerade  angesetzte  Endfläche,  die 
Basis  bei  der  fast  rechtwinkligen  Axenwahl,  welche,  wenn 
auch  wegen  Wölbung  nicht  genau  mefsbar,  zuweilen  vor- 
kommt. Die  Krystalle  des  gelben  Augits  besitzen  eine 
ausgezeichnete  Flächenbeschaffenheit,  so  dals  sie  zur  Be- 
stimmung der  Axenelemente  sich  am  meisten  eignen.  Als 
Fundamentalwinkel  wurden  gemessen  an  dem  Krystall 
Fig.  1 1 : 

a:p=105'  30';  ro  :  p  =  100°  37';  p  :  *  —  150°  24.}'. 
Hieraus  das  Axenverhältnifs  der  Grundform  «i  =  a 
(Klinoaxe)  :  b  (Orthoaxe)  :  c  (Verticalaxe) 

22* 


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340 


=  1,09213  : 1  :  0,589311. 
Neigung  der  Axen  a  und  c  (y\  vorne  oben  ==  *05°  49'  51". 
Diefs  Axenverhältnifs  stimmt  aufserordentlicn  nahe  über- 
ein mit  demjenigen,  welches  von  Kokscharow  aus  seinen 
vorzugsweise  an  den  russischen  Augiten  angestellten  Mes- 
sungen ableitete 

=  1,093120  :  1  :  0,589456  .  y  =  105°  48'  30". 
In  folgender  Tabelle  sind  die  Neigungen  aller  oben 
aufgeführten  Flächen  zu  den  Axenebenen  a ,  6  und  c  an- 
gegeben.   Unter  a  ist  bald  das  vordere,  bald  das  hintere 
Orthopiuakoid  zu  verstehen. 


a 

6 

c 

u 

126°  2' 

114°  14»' 

146°  10{' 

s 

103  26» 

119  35{ 

137  58 

0 

118  30{ 

132  7 

114  35 

T 

90  10J1) 

106  25 

157  28 

100  23 

138  39 

131  21 

P 

105  30 

90  0 

148  40 

m 

133  35 

136  25 

100  50] 

f 

160  42 

109  8 

104  55 

H 

107  36 

162  24 

94  44. 

Die  Ueberein8timmung  der  gemessenen  mit  den  aus 
obigen  Fundamental  winkeln  berechneten  Neigungen  lehrt 
folgende  Zusammenstellung.  Die  Messungen  wurden  an 
ein-  und  demselben  Krystall  angestellt. 


Gemessen. 

Berechnet- 

a  :  c  —  105°  47' 

105°  49' 51" 

a:f  *m  160  42 

160  41  52 

a:ro  =  133  35 

133  35  1 

a:o=t  118  28 

118  30  30 

a:t<  =  126  0 

126    2  7 

fr:  w=  136  27 

136  24  59 

6:o=132  6 

132    7  5 

6  :  p  =  90  0,5 

90    0  0 

b:u  =  114  15 

114  14  24 

1)  Obiger  Winkel  bezieht  sich  auf  die  Neigung  von  t  tum  vorderen 
Orthopinakoid. 


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341 


Gemessen. 

Berechnet. 

6:s=  138° 

35' 

1  nnn 

138° 

Oii'  /II 

39  6 

C  :  0   =  114 

41 

1 14 

35  12 

c:p  =  148 

48 

148 

40  9 

c  :  u  =  146 

12 

146 

10  30 

c:z  =  131 

29 

I3l 

20  54 

f.u  =  133  42 

133 

42  12 

»I :  o  =  1 4  4 

32 

Iii 

144 

34  24 

m:ti=  134 

41 

134 

39  54 

m:3  =  l3l 

56 

131 

54  10 

o:s  =  141 

8 

141 

6  33 

p:  Ii  =121 

2 

120 

56  21 

»:*  =  124 

25 

124 

21  13 

u  :  z  =  149 

4 

148 

59  2. 

Die  Flächen  dieses  Krystalls  waren  von  vorzüglicher 
Beschaffenheit;  nur  die  Basis  c  etwas  verschleiert;  indefs 
überstieg  die  daraus  hervorgehende  Unsicherheit  der  Mes- 
sung nicht  2  Min.  Alle  andern  Bilder,  auch  dasjenige 
der  Fläche  p,  sind  von  grofser  Vollkommenheit.  Wohl 
niemals  besitzt  c  eine  gleich  vortreffliche  Bildung  wie  die 
andern  Flächen.  Von  besonderem  Interesse  sind  im  Augit- 
8jstem  die  Neigungen  von  c  und  p  zur  Verticalaxe,  weil 
von  diesen  Winkeln  die  Möglichkeit  abhängt,  die  Krystalle 
auf  rechtwinklige  Axen  zurückzufahren.  Aus  unseren 
drei  Fundamentalmessungen  berechnet  sich  das  y  der  nahe 
rechtwinkligen  Axen  wm  90°  10'  42"  und  das  Axenverhält- 
nifs  selbst,  wenn  m=a(a:  b:  coc)  und  c  =  (a  :  <x>  b  :  c): 
a :  b  :  c  =  1,05071  : 1  :  0,29466. 

Die  angegebene  Axenschiefe  ergibt  sich  aus  den  beiden 
Neigungen  a :  p  =  105°  30';  a :  c  =  105°  49'  51".  Obgleich 
die  Abweichung  von  der  Rechtwinkligkeit  nicht  sehr  be- 
deutend, so  ist  sie  doch  mit  vollkommener  Sicherheit  zu 
constatiren.  Zu  einem  gleichen  Resultate  gelangte  auch 
von  Kokscharow,  welcher  zur  Ergänzung  seiner  Mes- 
sungen der  russischen  Augite  einen  gelben  Augit  vom 
Vesuv  m als  und  folgende  Werthe  fand : 

a  :  p  =  105°  27';  a  :  c  —  105°  46^'. 


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342 


Die  Differenz  beider  Winkel  ist  demnach  fast  genau 
wie  oben.  Eine  gröfsere  Abweichung  beider  Neigungen 
fand  Des  Cloizeaux,  nämlich  a:c=105°22';  a:p 
=  106°  1'.  Eine  Zurückfuhrung  des  gelben  Augits  auf 
genau  rechtwinklige  Axen  ist  also  unmöglich.  Zu  dem- 
selben Ergebnifs  wird  uns  die  Untersuchung  der  andern 
Varietäten  fuhren. 

6.  Fassaitähnliche  Varietät ,  s.  Fig.  12,  12a.  Spec. 
*  Gew.  =  3,244.  Wie  beim  Fassait  herrschen  an  den  Kry- 
stallen  dieser  Varietät  in  der  Endigung  die  Heraioktaeder 
u  und  o. 

Beobachtete  Formen:  ti,  5,  o,  s,  p,  m,  a,  6,  c.  Von 
den  sogleich  zu  erwähnenden  diopsidähnlichen  Krystallen 
unterscheidet  sich  die  vorliegende  Varietät  vorzugsweise 
durch  die  mehr  verkürzte  Verticalaxe,  sowie  durch  das 
Vorherrschen  des  rhombischen  Prisma's  über  das  verticale. 
Neben  den  ausgedehnten  u  und  o  treten  die  Basis  und 
die  übrigen  Flächen  der  Endigung  mehr  zurück.  Die 
Farbe  der  beiden  mir  vorliegenden  Krystalle  dieser  Aus- 
bildung ist  zwischen  pistaz-  und  olivengrün.  Die  Ober- 
fläche derselben  ist  fleckweise  schwärzlichgrün.  An  einem 
dieser  Krystalle  wurden  folgende  Neigungen  bestimmt;  die 
eingeklammerten  Winkel  sind  die  aus  den  Axenelementen 
der  gelben  Krystalle  berechneten. 

a:m  =  133°  35'    (133°  35') 

a:p  =105  23    (105  30) 

c:p  =148  47    (148  40) 

c':p'  =  148  36  „ 

c:*  =138    8    (137  58) 

o:m  =  144  32    (144  34) 

o:s  =  156  46    (156  37) 

p  :s  =  150  27  (150  24J). 
Vorstehende  Messungen  beweisen,  dafs  an  diesem 
Krystall  das  verticale  Prisma  denselben  Winkel  besitzt 
wie  beim  gelben  Augit,  während  die  Neigungen  der  Zu- 
spitzungsflächen weniger  konstante  Werthe  zu  besitzen 
scheinen. 


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343 


c.  Diopsidähnliche  Varietät,  s.  Fig.  13,  13a.  Spec. 
Gewicht  a  3,115.    Beobachtete  Formen:  m,  i,  *,  ro, 

a,  6.  In  der  horizontalen  Zone  herrscht  das  rektangnläre 
Prisma,  in  der  Endigung  das  Hemioktaeder  ti.  Die  Kry- 
stalle  dieser  Varietät  pflegen  mit  einem  Ende  der  Axe  c 
aufgewachsen  und  in  dieser  Richtung  noch  mehr  ver- 
längert zu  seyn,  als  unsere  Zeichnung  es  darstellen  konnte. 
Die  Farbe  ist  lauebgrün,  lichter  oder  dunkler,  Glanz  und 
Glätte  der  Flächen  meist  vollkommen,  so  dafs  die  Genauig- 
keit der  Messungen  hier  derjenigen  an  der  gelben  Varietät 
nicht  nachsteht.  Auch  hier  bezeichnen  die  in  Klammern 
stehenden  Werthe  die  aus  den  Axenverhältnissen  des 
gelben  Augits  berechneten  Winkel: 

a  :  ti  =  114°  16'    (114°  14J') 

v:  »'s  131  31J   (131  31J) 

p  :  s  —  150  24$    (150  24J) 

p  :  u  mm  120  58     (120  56  J) 

S  :  U  mm  130  33      (130  31^) 

s  :  •  mm  149  28     (149  21) 

Die  Vergleichung  dieser  Messungen  mit  den  für  den 
gelben  Augit  berechneten  Werthen  lehrt,  dafs  beide 
Varietäten  identische  Winkel  besitzen,  und  ebenso  sind 
diese  vesuvischen  Augite  als  genau  gleichkantig  zu  be- 
trachten mit  den  Diopsiden  von  Ala  und  von  Achma- 
towsk  zufolge  der  Messungen  von  K okscharow's. 

Für  die  Kante  a  :  u  fand  dieser  ausgezeichnete  Kry- 
stallograph  als  Mittelwerth  von  7  Krystallen  von  Ala 
=8  114°  14|';  H  :  u'mm  131°  3iy  (11  Kr.)  usw.  In  der 
Endigung  der  vesuvischen  Diopside  herrschen  die  Flächen 
ti  u'  zuweilen  bis  zum  Verdrängen  der  Flächen  p  $  z. 

d.  Weifse  Varietät,  s.  Fig.  14,  14  a  und  15,  15  a.  Der 
weilse  Augit  ist  der  seltenste.  Monticelii  und  Covelli 
bestimmten  ihn,  doch  wie  es  scheint  mit  einigem  Zweifel, 
als  Prehnit.  Unter  den  mir  vorliegenden  Krystallen  be- 
finden sich  zweierlei  Ausbildungen,  deren  eine  durch  das 
herrschende  rektanguläre  Prisma  a  b  und  durch  p  als 
herrschende  Fläche  der  Endigung  charakterisirt  ist,  wäh- 


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344 


rend  die  andere  vorzugsweise  vom  rhombischen  Prisma  m 
und  der  Basis  c  umschlossen  wird.  Beobachtete  Formen: 
u,  5,  o,  *,  p,  ro,  f,  a,  6,  c.  An  dem  nur  1  Mm.  grofsen 
Krystall  Fig.  15  wurde  gemessen  c  :  m  =  100°  50'  (ber. 
gelber  Augit  100°  50J';  a  :  c  mm  105°  51'  (105°  50');  c  :  o 
=  114°  36'  (114°  35j')5  »» :  m'=  93°  0'  (ber.  93°  10').  Bei 
denjenigen  Krystallen,  welche  Fig.  14  darstellt,  sind  die 
verticalen  Flächen  stark  gestreift,  während  die  Krystalle 
Fig.  15  dieselben  Flächen  gut  gebildet  zeigen.  Sowohl  c 
wie  p  sind  beim  weifsen  Augit  glatt  und  glänzend.  Das 
Muttergestein  dieser  seltensten  Varietät  sind  Kalkblöcke, 
tbeils  von  grob-,  theils  von  feinkörniger  Beschaffenheit. 
Der  Augit  findet  sich  sowohl  in  den  Drusen  dieser  Aus- 
würflinge in  Begleitung  von  Glimmer,  als  auch  einge- 
wachsen im  Kalksteine.  Ferner  findet  sich  der  weifse 
Augit  in  körnigem  Gemenge  mit  Glimmer,  Granat  und 
Vesuvian.  Die  Farbe  dieser  Varietät  ist  zuweilen  ganz 
licht  grünlichweifs. 

d.  Die  .dunkelgrüne  Varietät.  Wenn  auch  im  Allge- 
meinen zu  scharfen  Messungen  weniger  geeignet  wie  die 
vorigen  Varietäten,  sind  doch  einzelne  Krystalle  auch  des 
dunkelgrünen  Augits  zuweilen  sehr  genau  mefsbar. 

Die  durch  Fig.  16,  16  a  dargestellten  Krystalle  sind 
durch  das  Vorherrschen  von  p  ausgezeichnet,  indem  c  zu- 
weilen bis  zum  völligen  Verschwinden  zurücktritt.  Beob- 
achtete Formen:  u,  *,  o,  z,  p,  m,  <z,  6,  c.  Der  Flächen- 
glanz ist  zwar  geringer  als  beim  gelben  Augit  uud  Diop- 
sid,  aber  die  Reflexe  dennoch  zuweilen  tadellos.  Ein  aus- 
gezeichneter dunkelgrüner  Krystall  von  der  Ausbildung 
der  Fig.  6  wurde  zur  Untersuchung  der  Frage  benutzt, 
ob  die  Winkel  resp.  die  Axenverhältnisse  dieser  Varietät 
mit  denjenigen  des  gelben  Augits  und  des  Diopsids  iden- 
tisch sind.  Zunächst  wurde  konstatirt,  dafs  der  Krystall 
in  seiner  Endkrystallisation  von  zufalligen  Störungen  frei 
ist,  und  die  homologen  Kanten  rechts  und  links  fast  genau 
gleich  sind.    Es  wurde  nämlich  gemessen: 


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345 

p:*=124°20'  ti:a  =  149°  4j' 

p  :  *'=  124  20  u' :  *  =  149  4. 

Als  am  genausten  mefsbare  Winkel  wurden  der  Rech- 
nung zu  Grunde  gelegt: 

s  :  p  mm  150°  22';  *  :  u  =  130°  36';  u  :  u  =  131°  24'. 
Hieraus  das  Axenverhältnifs : 

0  :  6  :  c  =  1,09547  :  1  :  0,59035 
y  eso  105°  46'  9". 
Eine  Vergleichung  der  vorstehenden  Axenelemente  mit 
denjenigen  des  gelben  Augits  lehrt,  dafs  beide  sehr  nahe 
identisch  sind.  Zu  bemerken  ist,  dafs  die  Neigung  von  p 
zur  Verticalaxe  als  genau  übereinstimmend  betrachtet 
werden  kann,  während  die  Basis  c  einen  um  etwa  3)' 
grösseren  Winkel  mit  der  Verticalaxe  bildet.  Es  erinnert 
diese  Verschiedenheit  der  Stabilität  zweier  fast  gleich- 
geneigter Endflächen  an  die  gleiche  Erscheinung  beim 
Feldspath,  dessen  P  stabil  ist,  während  x  eine  wechselnde 
und  schwankende  Neigung  besitzt.  Die  fast  rechtwinkligen 
Axen  würden  demnach  beim  schwarzen  Augit  eine  noch 
etwas  geringere  Differenz  von  90°  ergeben,  als  wir  sie 
beim  gelben  gefunden  haben;  es  würde  nämlich  90° 8'  15" 
seyn. 

Die  Verschiedenheit  der  Kantenwinkel  beider  Augit- 
varietäten  wird  am  besten  aus  folgender  Zusammenstellung 
der  berechneten  Winkel  erhellen: 


Gelber  Augit  und 

Dunkelgrüner 

Diopsid. 

bis  schwarzer  Augit. 

a  :  c  =  105°  50' 

105°  46' 

a  :p  =  105  30 

105  31 

c  :  m  so  100  50$ 

100  47 

«:*»'  mm   87  10 

86  58J 

1  :s'    mm  120  49 

120  44 

m  :  p  =  148  37 

148  43. 

Die  gröfste  Differenz  der  Winkel  beider  Varietäten 
tritt  demnach  in  der  Zone  der  verticalen  Flächen  hervor. 
e.  Die  schwarze  Varietät  ist  am  meisten  verbreitet  und 
von  mannichfacher  Combination.  Die  Krystalle  Fig.  17,  17a 


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346 

zeigen  eine  eigenthümliche  Ausbildung  derselben.  Beobach- 
tete Formen :  u,  o,  z,  p,  m,  a,  6.  Die  Basis  c  fehlt  bei 
diesen  Krystallen,  während  p  ganz  matt  und  rauh  ist.  Zu  den 
ungefähr  im  Gleichgewichte  stehenden  Flächenpaaren  u,  o 
und  3  tritt  zuweilen  wenig  ausgedehnt  auch  s  hinzu.  In 
der  Prismenzone  herrscht  m,  während  die  Flächen  a  und  b 
weniger  entwickelt  sind.  Auch  diese  Kry stalle  gestatten 
zuweilen  genaue  Messungen,  namentlich  sind  die  Flächen 
ti,  o,  z  wohlgebildet.  So  konnte  konstatirt  werden,  dafs 
diese  Varietät  sehr  nahe  gleiche  Kanten  besitzt  wie  die 
vorige.    An  dem  Krystall  Fig.  7  wurden  nämlich  ge- 


»:«'  — 131*  20' 
o:*=141  8 
o':*'=141  8{ 
u  :  *  =  149  4 
«':*'  =  148  58. 
Spec.  Gewicht  dieser  Krystalle  =  3,259. 
Fig.  18,  18  a  stellt  schwarze  bis  schwärzlich  grüne 
Augite  dar,  charakterisirt  dadurch,  dafs,  während  in  der 
horizontalen  Zone  wie  bei  der  vorigen  Varietät  m  herrscht, 
in  der  Endigung  die  Flächen  s  das  Uebergewicht  besitzen. 
Beobachtete  Formen:  s ,  o ,  s,  />,  m,  [,  a,  6,  c.    An  dem 
Krystall  Fig.  18  (s.  Fig.  18a)  gemessene  Winkel: 

Berechnet  nach  den  Elementen 
des  gelben  Augit«. 

b:m'  =  136°  29'  136°  25' 

ro:ro'  =  93    3  92  50 
(über  6) 

m:*'  =  101  48  101  23} 
m:s  =  101  37J  „ 
(Unterseite) 

m':s'  =121  30  121  11? 

m:s  =121  314 

(Unterseite) 

m  :o  =  144  51  144  34J 

m  :z  =  132  26  131  54 

*:»    =  149  32  149  21. 


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347 


Alle  aufgeführten  Varietäten  finden  sich  in  aufgewach- 
senen Krystallen.  Die  den  alten  und  neuern  Laven  ein- 
gewachsenen, sowie  die  als  lose  Krystalle  ausgeschleuderten 
Augite  stellen,  wie  allbekannt,  die  Combination  des  acht- 
seitigen Prismas  mm  ab  mit  den  Flächen  ss'  dar.  Zu- 
weilen sind  die  losen,  den  Tuffen  inneliegenden  Krystalle 
auch  flächenreicher.  Bouteillengrüne,  durchscheinende  Au- 
gite aus  den  Tuffen  der  Höhen  von  Sorrento  (bei  Acquara) 
z.  B.  weisen  aufser  den  genannten  Flächen  noch  o  und  u 
auf.    Zwillinge  sehr  gewöhnlich. 

Der  Augit  ist  unter  allen  vesuvischen  Mineralien  das 
häufigste;  in  allen  Weisen  des  Vorkommens:  in  sämmt- 
lichen  Laven,  sowohl  des  Somma's  als  des  Vesuv's,  in 
ältern  Auswürflingen  jeglicher  Art,  endlich  als  ein  Pro- 
dukt der  neusten  vulkanischen  Thätigkeit  in  den  Poren 
und  Hohlräumen  der  Auswürflinge  neuerer  Eruptionen 
z.  B.  von  1822  und  1872  als  Erzeugnifs  vulkanischer 
Dämpfe.  Nicht  selten  kommen  in  den  ältern,  den  sog. 
Sorama-  Auswürflingen  mehrere  Varietäten  des  Augits 
z.  B.  die  schwarze  und  die  grüne  auf  demselben  Stücke 
vor.  Ein  Gleiches  beobachtet  man  zuweilen  auch  beim 
Glimmer;  von  zwei  unmittelbar  angränzenden  Drusen  ist 
z.  B.  die  eine  mit  grünem,  die  andere  mit  röthlich gelbem 
Glimmer  bekleidet.  Ungemein  häufig  associirt  sich  Augit 
mit  Glimmer  in  körnigem  Gemenge.  Es  sind  dies  Aus- 
würflinge, welche  mehr  oder  weniger  kalkiger  Natur  sind 
und  sich  gleichsam  aus  körnigem  Kalk  entwickeln.  Augit 
und  Glimmer  sind  dann  von  gleicher,  fast  stets  grüner 
Farbe.  Sehr  selten  sind  Gemenge  von  röthlichgelbem 
Augit  und  röthlichem  Glimmer.  Im  folgenden  mögen 
einige  Associationen  aufgeführt  werden,  welche  der  Augit, 
in  Drusen  vesuvischer  Blöcke  auskrystallisirt,  mit  anderen 
Mineralien  bildet.  Sanidin  mit  A.;  Anorthit  mit  A. ; 
Leucit,  Nephelin,  Sodalith,  Mejonit  mit  A.  Es  associirt 
sich  demnach  der  A.  mit  allen  wesentlich  alkalihaltigen 
vesuvischen  Mineralien.  Seine  Gegenwart  wird  durch  kein 
anderes  Mineral  ausgeschlossen.    Auch  mehrere  der  ge- 


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348 


nannten  Körper  verbinden  sich  mit  dem  Augit  in  den- 
selben Drusen,  z.  B.  Anorthit  und  Sodalith  mit  A.;  Me- 
jonit  und  Leucit  mit  A. ;  Sanidin  und  Nephelin  mit  A. 
Ferner  associiren  sich  sehr  häufig:  Augit  mit  Apatit, 
Magneteisen,  schwarzem  Glimmer;  Augit  mit  Vesuvian, 
grünem  und  röthlichem  Glimmer;  A.  mit  Wollastonit  und 
Leucit;  A.  mit  schwarzem  oder  grünem  Spinell;  A.  mit 
braunem  Granat;  A.  mit  Hauyn;  A.  mit  Humboldtilit,  mit 
Monticellit.  Nicht  selten  finden  sich  auch  Hornblende 
und  Augit  zusammen.  Zuweilen  beobachtet  man  auf 
gröfseren  Augiten  kleinere,  in  unregelmäfsiger  oder  auch 
in  gesetzmäfsiger  Stellung  aufgewachsen.  Solche  Er- 
scheinungen deuten  auf  wiederholte  Bildungen  hin,  welche 
in  den  mehrerwähnten  Auswürflingen  der  Eruption  vom 
26.  April  1872  deutlich  und  zweifellos  sich  darstellen.  Die 
neugebildeten  Augite  sind  gewöhnlich  von  rothlich-  oder 
gelblichbrauner  Farbe  und  zeigen  die  Combination  des 
verticalen  Prismas  m  nebst  a  und  6,  in  der  Endigung  vor- 
zugsweise die  Flächen  s  und  u.  Diese  neugebildeten  Au- 
gite,  deren  Gröfse  kaum  1  Mm.  erreicht,  bekleiden  ent- 
weder die  Hohlräume  der  ältern  Lava  oder  bedecken  in 
regelmäfsiger  Stellung  gröfsere  Augite  einer  älteren  Bil- 
dung. Dies  zeigt  sich  am  schönsten  in  den  conglomera- 
tischen  Massen,  welche  zuweilen  wesentlich  aus  einem 
Aggregat  von  Augitkrystallen  bestehen.  Dieselben  sind 
alsdann  mit  einer  dünnen  neugebildeten  Schicht  parallel 
verwachsener  kleiner  Augite  bedeckt.  Auch  die  lose  aus- 
geworfenen Augite  verrathen,  wenngleich  am  Vesuv  nicht 
häufig,  durch  Schmelzspuren  eine  erneute  Einwirkung  des 
vulkanischen  Feuers.  Die  Sammlung  zu  Neapel  bewahrt 
eigentbümliche ,  cylindrisch  gerundete  Stücke  einer  bou- 
teillengrünen,  obsidianähnlichen  Substanz,  welche  mit 
Wahrscheinlickeit  für  halb  geschmolzene  Augite  zu  halten 
sind. 

An  den  Montirossi  bei  Niccolosi  (Eruptionskegel  von 
1669)  auf  dem  Aetnagebirge  sammelt  man  in  gröister  Zahl 
neben  Labrador  und  Olivin  Augitkrystalle ,  welche  theilß 


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349 

glattflächig  und  von  der  gewöhnlichen  Beschaffenheit  sol- 
cher ausgeworfenen  Krystalle,  theüs  auf  ihrer  Oberfläche 
zu  einer  mehr  oder  weniger  blasigen  Masse  geschmolzen 
sind.    Ich  bestimmte  das  spec.  Gewicht 

der  glattflächigen  unveränderten  Augite  =  3,358 
der  blasigen  halbgeschmolzenen      „  =3,211 
Die  glattflächigen  Augite  der  Montirossi  zeigen  meist 
aufgewachsene  kleine  Olivinkrystalle. 

68.    Ein  Beitrag  zur  Kenntnifs  der  Krystallisation  des  rhombischen 

Schwefels. 

In  fast  allen  Lehrbüchern  der  Mineralogie  (Miller, 
Quenstedt,  Kenngott,  Dana  usw.)  wird  Ein  Zwillings- 
gesetz der  Krystalle  des  rhombischen  Schwefels  angeführt, 
nämlich  „Zwillings ebene  eine  Fläche  des  vertikalen  rhom- 
bischen Prisina's".  Der  Entdecker  dieser  demnach  schein- 
bar allbekannten  Zwillingsverwachsung  ist  Scaccbi  (Me- 
morie  geologiche  sulla  Campania,  S.  103;  Napoli  1849,  aus 
d.  Rendiconto  der.  Acc.  di  Nap.).  An  die  Beschreibung  der 
zierlichen  Schwefelkrystallisationen  der  Solfatara  schliefst 
Scacchi  die  Mittheilung,  dals  die  Krystalle  einiger  von 
Prof.  Giordano  zu  Cattolica  (Sicilien)  gesammelter 
Schwefelstufen  sämmtlich  Zwillinge  seyen,  verbunden  nach 
obigem  Gesetze.  Diese  merkwürdigen  Zwillinge  wurden 
von  Scacchi  gemessen  und  gezeichnet.  Noch  vor  Kur- 
zem hatte  der  verehrte  Forscher  die  Gefälligkeit,  jene 
Krystalle  nochmals  zu  untersuchen  und  die  früheren  Beob- 
achtungen zu  bestätigen.  Indefs  scheinen  Zwillinge  jener 
Art  aufserordentlich  selten  zu  seyn,  wie  ich  aus  einer 
Mittheilung  von  G.  Rose  schliefse,  welcher  versichert, 
dieselben  niemals  beobachtet  zu  haben. 

Die  Schwefelzwillinge,  welche  zunächst  den  Gegen- 
stand dieser  Arbeit  bilden,  sind  nach  einem  anderen  Ge- 
setze gebildet,  nämlich:  „Zwillingsebene  eine  Fläche  des 

Makrodomas  (a  :  oo  b  :  c),  Pccu.  Dieselben  stammen  aus 
den  Gruben  von  Roccalmuto  (Provinz  Girgenti),  und 
wurden  mir  durch  Hrn.  Direktor  Stöhr  gütigst  mitge- 


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350 

theilt.  Nachdem  ich  die  etwas  verwickelte  Verwachsungs- 
weise dieser  merkwürdigen  Krystalle  erkannt  hatte  und 
ihr  Gesetz  für  bisher  in  der  Litteratur  nicht  erwähnt  hielt, 
überzeugte  ich  mich,  dafs  vou  allen  andern  Lehrbüchern 
der  Mineralogie  abweichend,  in  Naumann'»  vortrefflichen 
„Elementen  der  Mineralogie44  das  von  Scacchi  aufge- 
fundene Gesetz  nicht  erwähnt  ist,  dagegen  ein  anderes: 

„Zwillingsebene  eine  Fläche  von  P  oo 44  angeführt  wird. 
Es  würde  diefs  also  dasselbe  Gesetz  seyn,  nach  welchem 
die  Krystalle  von  Roccalmuto  verwachsen  sind.  Mit  Rück- 
sicht darauf,  dafs  in  den  „Elementen44  jenes  allgemein  an- 
geführte Zwillingsgesetz  „parallel  oo  P44  nicht  genannt,  und 

für  das  neue  Gesetz  „parallel  P  oo  44  kein  Autor  bezeichnet 
wird,  glaubte  ich,  dafs  jene  Angabe  bei  Naumann  auf 
einem  Druckfehler  beruhe.    Es  verhält  sich  indefs  mit  der 

Auffindung  des  Zwillingsgesetzes  P  oo  folgendermaafsen. 
G.  Rose  beobachtete  dasselbe  bereits  vor  etwa  einein 
halben  Jahrhundert  und  theilte  diese  Beobachtung  Hai- 
dinger  mit,  welcher  sie  in  seine  englische  Uebersetzung 
von  Mohs'  Mineralogie  (1825)  aufnahm:  Twincrystals : 
axis  of  revolution  perpetidicular ,  face  of  composition  pö- 

rallel  to  a  face  of  Pr44.  In  einer  Note  fügt  Haidinger 
hinzu:  „TAwr  kind  of  regulär  composition  has  beert  ob- 
serve.d  by  Dr.  G.  Rose.44  In  der  2.  Aufl.  von  Mohs 
Mineralogie  (1839),  welche  Zippe  bearbeitet  hat,  findet 
sich  jene  Angabe  nicht  mehr.  Sie  verschwindet  nun  in 
der  Litteratur,  während  das  von  Scacchi  aufgefundene 
Gesetz  allgemeine  Aufnahme  findet,  wenngleich  gewifs 
keiner  der  Autoren  die  angeführten  Zwillinge  gesehen.  In 
Naumann's  „Elementen  der  Min.44  ist  das  Zwillingsge- 
setz Pcc  auf  Grund  einer  erneuten  Mittheilung  vou 
G.  Rose  aufgenommen  worden. 

Die  Zwillinge  von  Roccalmuto  Fig.  20a,  b  und  c  sind 
durch  ihre  meist  prismatische  Ausbildung  vor  den  neben 
ihnen  aufgewachsenen  einfachen  Krystallen  ausgezeichnet. 
Die   Schwierigkeit    ihrer   Deutung   beruht  vorzugsweise 


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351 

cfarin,  dafs  sie  weder  mit  der  Zwillingsebene  noch  auch 
mit  einer  zu  dieser  normalen  Ebene  verbunden  sind.  Die 
Fig.  20a  und  6  stellen  ein  und  denselben  Krystall  in  ver- 
schiedenen Stellungen  dar.  In  die  Fig.  20  a  ist  die  stumpfe 
Kante  des  verticalen  rhombischen  Prisma's  nach  vorne  ge- 
richtet, entsprechend  wie  in  20c,  während  in  Fig.  206 
die  scharfe,  durch  6  schmal  abgestumpfte  Kante  annähernd 
gegen  den  Beschauer  gewendet  ist,  oder  —  genauer  be- 
zeichnet —  die  rechte  Prismenfläche  p  die  Stellung  einer 
sogenannten  Längsfläche  besitzt. 

Die  stumpfe  Kante  des  verticalen  Prismas  p  ipp  wurde 

zu  106°  27 bestimmt.  Es  ist  dies  der  Winkel,  unter 
welchem  die  Flächen  der  Grundform  des  Schwefels  in  der 
brachy diagonalen  Polkante  sich  schneiden.  Denselben 
Winkel  gibt  Scacchi  zu  106°  25'  an,  während  er  von 
Kupffer  zu  106°  16J',  von  Mitscherlich  zu  106°  38' 
bestimmt  wurde.  Das  verticale  Prisma  unserer  Krystalle, 
welches,  wie  namentlich  Fig.  20  c  zeigt,  beiden  Individuen 
gemeinsam  ist,  entsteht  demnach  durch  Ausdehnung  einer 
in  derselben  Zone  liegenden  Flächenhälfte  der  Grundform. 
Die  scharfe,  durch  die  Fläche  6  schmal  abgestumpfte 
Kante  entspricht  einer  sog.  verborgenen  Kante  zweier 
in  der  makrodiagoualen  Lateralecke  gegenüberliegenden 
Flächen. 

Um  das  Verständnifs  unserer  Zwillinge  zu  erleichtern, 
habe  ich  in  der  Fig.  21a  und  6  die  Grundformen  zweier 
Schwefelkrystalle  genau  in  derjenigen  Lage  gezeichnet,  in 
welcher  sie  zum  Zwilling,  und  zwar  gemäfs  der  Stellung 
206,  verbunden  sind.  Die  dem  Beschauer  zugewandten 
Ecken  beider  Oktaeder  sind  makrodiagonale  Lateralecken. 
Man  erkennt,  dais  die  mit  feinen  Linien  bezeichneten 
makrodiagonalen  Axen  parallel,  und  je  zwei  brachydia- 
gonale  Polkanten  vertical  gerichtet  sind.  Die  beiden  Ok- 
taeder stehen  demnach  symmetrisch  zu  der  gemeinsamen 
Abstumpfungsfläche  dieser  Polkante,  d.  h.  Zwillingsebene 

ist  eine  Fläche  des  Makrodoma's  P  oc  .  Diese  Ebene  ist 
durch  fein  ausgezogene  Linien  in  jedem  Oktaeder  bezeichnet; 


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352 

man  Überzeugt  sich  leicht  von  ihrer  Parallelität.  In  jede« 
Oktaeder  ist  eine  zweite  Ebene  durch  gestrichelt  punktirte 
Umrisse  eingetragen.  Auch  diese  Ebenen  sind  in  beiden 
Figuren  parallel  und  entsprechen  einer  der  Flächen  des 
Oktaeders.  Die  in  Rede  stehenden,  den  Umrissen  pa- 
rallelen Oktaederflächen  sind  durch  einen  Asterisk  be- 
zeichnet. Die  Ebene  mit  gestrichelt  -  punktirter  Begrän- 
zung  ist  bei  unsern  Zwillingskrystallen  die  Verwachsungs- 
ebene, und  bildet  mit  der  Zwillingsebene  den  Winkel 
36°  46} ;  es  ist  der  Winkel ,  unter  welchem  das  Makro- 

doma  Poo  und  eine  anliegende  OktaSderfläche  sich 
schneiden. 

Es  wird  jetzt  leicht  seyn,  die  prismatischen  Zwillinge 
zu  verstehen.  Man  vergleiche  zunächst  mit  Fig.  206  die 
beiden  in  Zwillingsstellung  befindlichen  Oktaeder,  und 
man  wird  die  entsprechenden  Flächen  p  sogleich  wieder- 
erkennen. Das  rechte  Individ  von  206  zeigt  dem  Be- 
schauer zugekehrt  drei  Flächen  p;  es  sind  dieselben,  welche 
in  dem  Oktaeder  21  a  durch  Buchstaben  bezeichnet  sind. 
Das  linke  Individ  weist,  aufser  der  Verwachsungsebene. 
auf  der  Vorderseite  sichtbar,  nur  Ein  p  auf;  es  ist  die 
einzige  im  linken  Oktaöder  mit  einem  Buchstaben  bezeich- 
nete Fläche.  Die  Verwachsungsebene  des  Zwillings  ent- 
spricht, wie  man  in  206  deutlich  erkennt,  einer  der  zum 
rhombischen  Prisma  ausgedehnten  Oktaederflächen,  und 
zwar  den  durch  gestrichelt-punktirten  Umrifs  bezeichneten 
Durchschnitten  der  Oktaeder.  Diese  letzteren  EbeneD 
sind,  wie  eine  Betrachtung  der  OktaSder  lehrt,  in  dieser 
Stellung  nicht  überdeckbar;  dem  entsprechend  erblickeß 
wir  auch  die  Individuen  der  Fig.  20  in  der  Berührungs- 
ebene unsymmetrisch,  d.  h.  mit  nicht  überdeckbaren  Kanten 
sich  begränzen.  Diese  letztere  Thatsache,  d.  h.  die  In- 
congruenz  an  der  Berührungsebene  liefert  auch  sofort  den 
Beweis,  dafs  diese  letztere  nicht  Zwillingsebene  seyn  kann: 
denn  die  mit  ihrer  Zwillings-Ebene  verbundenen  Krystali- 
individuen  müssen  sich  ausnahmslos  genau  symmetrisch 
und  überdeckbar  berühren. 


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353 

Unsere  Zwillinge  sind  eine  Combination  folgender 
Flächen 

p  =  (a  :  b  :  c),  P 

s  =  (a  :  b  :  Je),  }P 

n  =  (oo  a  :  6  :  c),  P  oo 

6  sb  (co  a  :  6  :  oo  c),  oo  P  oo . 

Eine  merkwürdige,  konstante  Unsymmetrie  zeigt  sich 
in  der  Ausbildung  dieser  Krystalle,  indem  jedes  der  beiden 
Individuen  vier  Flächen  p  (davon  zwei  parallele),  zwei  f, 
Ein  n  und  Ein  b  besitzt,  s.  Fig.  20c.  In  der  sehr  ver- 
schiedenen Ausdehnung  der  Flächen  s  zeigt  sich  eine  Hin- 
neigung zur  Hemiedrie  dieses  Oktaeders.  Um  die  Fig.  20  a 
in  die  Stellung  von  206  zu  bringen,  mufs  man  sie  um 
eine  Axe  parallel  der  Kante  p  :  p  um  53°  13J'  (=  der  Hälfte 

der  stumpfen  Prismenkante  p  :  p)  drehen,  sodafs  der  vor- 
dere Theil  der  Figur  zur  Linken  sich  bewegt  Nach 
dieser  Bewegung  würde  20  a  genau  das  Ansehen  von  20  b 
darbieten. 

An  dem  beschriebenen  Zwillinge  wurden  ferner  fol- 
gende Kanten  gemessen  (s.  20  c).  Die  eingeklammerten 
Winkel  sind  berechnet  aus  Scacchi's  Fundamental- 
messungen: Seitenkante  der  Grundform  a=  143°  22' 40" ; 
bracbydiagonale  Endkante  ==  106°  25'. 

p  :  *  =  153°  29'         (153°  31}') 

p':*'=rl53  30  ^ 

«  =  136  44  (136  21}) 

p':n  =  112  50  (112  36}). 

Die  Schwefelzwillinge  von  Roccalmuto  sind  sehr  ge- 
eignet, um  den  Unterschied  von  Zwillings-  und  Verwach- 
sungsebene in  das  rechte  Licht  zu  stellen.  Sie  sind  in 
Begleitung  normal  gebildeter  Krystalle  auf  einem  thonigen 
Kalksteine  aufgewachsen  (Grube  Cimicia). 

In  der  an  Schwefelkrystallen  reichen  Sammlung  des  Hrn. 
Direktors  Stöhr  zu  Comitini,  welchem  ich  vielfache  Beleh- 
rung über  jene  Gegend  verdanke,  zog  eine  andere,  bisher 

Poggendorft's  Annal.    Ergänrungsbd.  VI.  23 


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354 


wohl  kaum  bekannte  Schwefelkrystallisation  meine  Auf- 
merksamkeit auf  ßich.  Tetraeder  von  Schwefel,  theils 
ohne  alle  untergeordnete  Flächen,  theils  in  Combination 
mit  dem  Gegentetraeder,  der  Basis  und  der  Grundform. 
Diese  Schwefelkrystalle  aus  den  Gruben  von  Roccalmuto 
sind  wahrscheinlich  das  einzige  bisher  bekannte  Beispiel 
eines  natürlich  vorkommenden  herrschenden  Tetraeders. 
Das  Schwefeltetraeder  ist  die  hemiedrische  Form  des  ge- 
wöhnlich nur  untergeordnet  auftretenden  Oktaeders 

*=*(a:6:Jc),  \P. 
Seine  dreierlei  Kanten  wurden  wie  folgt  gemessen;  die 
berechneten  Winkel  folgen  aus  den  obigen  beiden  Funda- 
mental werthen  Scacchi's: 

Gemessen.  Berechnet 

89°  35',  anliegend  der  Verticalaxe  89°  35' 
53  10,  „  „  Makrodiagonale  53  12 
66  48,       „         „    Brachy  diagonale  66  48. 

Dies  Tetraeder  ist  demnach  dadurch  ausgezeichnet, 
dafs  eine  seiner  Kanten  sich  einem  rechten  Winkel  nähert, 
wodurch  die  richtige  Stellung  der  Form  sehr  erleichtert 
wird.  Wenn  zu  diesem  Tetraeder  das  Gegentetraeder 
hinzutritt,  so  zeichnen  sich  die  Flächen  des  letztern  durch 
geringere  Ausdehnung  und  matte  Beschaffenheit  aus.  Die 
geschilderten  Krystalle  (s.  Fig.  22;  p  ist  die  Grundform) 
finden  sich  in  Begleitung  kleiner  skalenoedrischer  Kalk- 
spathkrystalle  auf  einem  grauen  Mergel  aufgewachsen. 
Auch  bei  den  gewöhnlichen  Schwefelkrystallen,  an  welchen 
die  Grundform  herrscht,  zeigt  h  P,  sehr  häufig,  im  Gegen- 
satze zu  p,  eine  unregelmäfsige  Ausdehnung  der  Flächen  *). 

1)  Giov.  Gius.  Bianconi  (Descrizione  delle  forme  cristallint  di  zolfo  delle 
miniere  del  Cesenate.  Memoria  Istit.  di  Bologna,  Vol.  XI,  1861)  be- 
schreibt schon  einige  Schwefelkrystalle  von  Perticara,  welche  er 
hemicdrisch  nennt  (S.  13,  Fig.  23).  Diese  sind  indefs  nicht  tetrae- 
drisch,  wie  die  oben  beschriebenen  Krystalle  von  Roccalmuto, 
sondern  lediglich  verzerrt,  indem  vier  in  Einer  Zone  liegende  Flächen 
der  Grundform  parallel  einer  makrodiagonalen  Endkante  zu  einem 
Prisma  ausgedehnt  sind. 


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355 

> 

Von  den  Gruben  um  Roccalmuto  (namentlich  Cimicia) 
sind  ferner  eigenthüraliche  Fortwachsungen  von  Schwefel- 
krystallen  bemerkenswerth :  grofse  Krystalle  (3  bis  10  Cm.), 
Combinationen  der  herrschenden  Grundform  mit  der  Basis, 
dem  Bracbydoma  und  dem  Oktaeder  \  P,  sind  mit  zahl- 
reichen kleinen,  ähnlich  gestalteten  Krystallen  bedeckt, 
welche  letztere  sämmtlich  sowohl  unter  einander  als  mit 
dem  Hauptkrystall,  dessen  Flächen  sie  schmücken,  in 
paralleler  Stellung  sich  befinden.  Von  besonderer  Schön- 
heit sind  solche  Stufen,  welche  dunkelgelbe  grofse  Kry- 
stalle als  ältere  Bildung  und  lichtgelbe  kleine  jüngere,  an- 
gesiedelte Krystalle  zeigen.  Die  Schwefelkrystalle  von 
Roccalmuto  sind  zuweilen  mit  einer  sehr  dünnen  (j>ö  bis 
J  Mm.)  Quarzrinde  bekleidet.  Diese  Hülle  läfst  sich  leicht 
abheben,  man  erhält  eine  zierliche  Abgufsform  von  Quarz 
nach  Schwefel,  dessen  Flächen  unter  der  abgesprengten 
Quarzrinde  glänzend  sich  enthüllen.  Diese  so  überrin- 
deten Schwefelkrystalle  tragen  gleichfalls  parallele  Fort- 
wachsungen. Mehrere  mir  von  Hrn.  Stöhr  verehrte 
Stufen  zeigen  ältere  quarzüberrindete  Krystalle,  P,  0P, 
welche  auf  den  Combinationskanten  zwischen  Grundform 
und  Basis,  gleichsam  zu  einem  Kragen  geordnete,  neu- 
gebildete Krystalle  in  der  Combination  J  P,  0P  tragen. 
Diese  parallelen  Fortwachsungen,  welche  an  ähnliche  Er- 
scheinungen beim  Schwerspath,  Kalkspath,  Quarz  usw. 
erinnern,  sind  ein  Beweis,  dafs  die  Bildung  dieser  Schwefel- 
krystalle ein  sehr  allmäliger,  durch  wässrige  Lösungen 
vermittelter  Prozefs  war,  welcher  Unterbrechungen  erlitt 
und  von  Neuem  begann.  Für  eine  solche,  jede  vulkanische 
Thätigkeit  ausschliefsende  Bildungsweise  sprechen  noch 
überzeugender  die  Fischversteinerungen  und  fossilen  Hölzer, 
welche  in  den  schwefelführenden  Schichten  vorkommen. 
Die  Fische,  vorzugsweise  Lebias  crassicaudus,  finden  sich 
auf  den  Schichtflächen  solcher  Stücke,  welche  aus  feinen 
alternirenden  Straten  von  Thonmergel  und  Schwefel  be- 
stehen. 

Die  Schwefelkrystalle  aus  den  Gruben  um  Grotte  und 

23' 


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356 


Roccalmuto  zeigen  zuweilen  seltsame  Verzerrungen,  in 
denen  man  nur  schwierig  die  bekannten  Flächen  wieder- 
erkennt. Eine  solche  häufig  wiederkehrende  Verzerrungs- 
form zeigt  Fig.  23,  gezeichnet  in  der  normalen  Stellung 
eines  Schwefelkrystalls.  Die  rhomboidische  Tafelform 
wird  demnach  hervorgebracht  durch  Ausdehnung  zweier 
paralleler  Flächen  der  Grundform.  Als  Zuscbärfungs- 
flächen  der  Tafel  erscheinen:  einerseits  p,  f,  c,  s\  anderer- 
seits n  und  *.  Eine  Vergleichung  der  rhomboidischen 
Tafel  mit  dem  tetraedrischen  Kr.  Fig.  22  wird  Ober 
die  richtige  Deutung  der  verzerrten  Form  keinen  Zweifei 
übrig  lassen. 

Es  galt  bisher  als  eine  ausnahmslose  Erfahrung,  dafs 
der  aus  feurigem  Flusse  krystallisirende  Schwefel  mono- 
kline  Krystalle  bilde.  Dafs  indels  unter  gewissen  Be- 
dingungen der  aus  dem  Schmelzflusse  erstarrende  Schwefel 
auch  in  der  rhombischen  Form,  welche  dem  natürlich  vor- 
kommenden, sowie  dem  aus  Schwefelkohlenstoff  krystalli- 
sirenden  Schwefel  usw.  angehört,  erscheinen  könne,  zeigt 
folgende  Thatsache,  deren  Kenntnifs  ich  Hrn.  Prof.  Sil- 
v  es  tri  zu  Catania  verdanke.  Es  ereignet  sich  nämlich 
zuweilen,  dals  eine  Schwefelgrube,  sey  es  durch  Unvor- 
sichtigkeit der  Arbeiter,  sey  es  durch  Selbstentzündung, 
in  Brand  geräth.  Es  werden  alsdann  die  Grubenöffnungen 
zugeworfen'  und  der  unterirdische  Brand  nach  längerer 
oder  kürzerer  Zeit  erstickt.  Ist  dies  geschehen  und  die 
Grube  wieder  geöffnet,  so  finden  sich  zuweilen  ansehnliche 
Theile  der  Strecke  und  Exkavationen  mit  geschmolzenem 
und  wieder  erstarrtem  Schwefel  erfüllt  Dieser  natürlich 
aus  dem  Gesteine  ausgeschmolzene  Schwefel  ist  oft  von 
derselben  Reinheit,  wie  der  in  den  Calcaroni  (den 
offenen  durch  theilweise  Verbrennung  des  Produkts  unter- 
haltenen Oefen)  dargestellte,  und  bildet  sich  zuweilen  in 
ungeheuren  Massen.  So  konnte  die  Grube  Savarino  bei 
Castrogiovanni  zehn  Tausend  Cantaren  (1  Cant.  =  80  Kilo- 
gramm) natürlich  ausgeschmolzenen  Schwefels  fördern, 
ohne  die  Produkte  ihres  Grubenbrandes  zu  erschöpfen. 


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357 

Zu  diesen  entzündeten  Gruben,  deren  Brand  wieder 
erstickt  wurde,  gehört  Floristella  zwischen  Caltanissetta 
und  Castrogiovanni.  Bei  einem  Besuche  dieser  Grube 
und  Betrachtung  des  durch  den  Grubenbrand  geschmol- 
zenen Schwefels  fiel  Hrn.  Silvestri  die  eigen thümli che 
Beschaffenheit  desselben  auf :  aus  einer  dichten,  homogenen 
Schwefelmasse  lösten  sich  zollgrofse  rhombische  Krystalle 
heraus,  welche  übrigens  von  genau  gleicher  Beschaffenheit 
wie  die  umhüllende  Masse  sind.  In  Drusen  aufgewachsene 
Krystalle  finden  sich  nicht,  doch  gestattet  die  Flächenbe- 
schaffenheit jener,  aus  der  Grundmasse  sich  ausschälenden 
Formen  ziemlich  genaue  Messungen.  Ich  beobachtete  an 
diesen  interessanten  Gebilden  die  Grundform  p,  das  Brachy- 
doman  und  die  Basis c,  und  bestimmte  die  Combinationskante 
zwischen  p  und  n  =  132°  30'  (d.  h.  genau  gleich  dem 
von  Scacchi  für  den  natürlichen  Schwefel  angegebenen 
Winkel),  ferner  die  stumpfe  Kante  n  :  ri  =  124°  35'  (nach 
Scacchi  124°  380-  Die  Form  der  Krystalle  von  Flori- 
stella kann  demnach  als  vollkommen  identisch  mit  der- 
jenigen des  gewöhnlichen  rhombischen  Schwefels  gelten; 
doch  ist  das  Ansehen  sehr  verschieden.  Die  durch  den 
Grubenbrand  erzeugten  Krystalle  sind  nur  an  den  Kanten 
durchscheinend,  die  Flächen  etwas  drusig,  regelmäfsige 
Vertiefungen  tragend.  Bei  dem  Herauslösen  dieser  Kry- 
stalle bleiben  glatte  Eindrücke  zurück. 

Ich  bestimmte  das  spec.  Gewicht  des  geschmolzenen 
Schwefels  von  Floristella  =■•  1,97,  vielleicht  etwas  zu  gering 
wegen  kleiner  Hohlräume,  welche  in  der  Masse  vorhanden 
sind.  Silvestri  fand  das  Gewicht  in  zwei  Versuchen 
=  2,001  und  2,009. 

Der  Schwefel  kann  demnach  unter  gewissen,  noch  nicht 
genau  bekannten  Umstanden  auch  die  rhombische  Form 
annehmen,  wenn  er  aus  dem  Schmelzflusse  erstarrt.  Die 
Ursache  liegt  wahrscheinlich  darin,  dafs  bei  der  sehr 
langsamen  Erkaltung  einer  so  erstaunlich  grofsen  Masse 
von  Schwefel  innerhalb  der  Grube  die  Krystallisation  bei 
einer  unterhalb  des  gewöhnlichen  Erstarrungspunktes  liegen- 


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358 

den  Temperatur  stattfand.  Auch  aus  andern  Erfahrungen 
ist  es  bekannt,  dafs  der  Schwefel  unter  gewissen  Bedin- 
gungen sehr  lange  und  bei  niedriger  Temperatur  flüssig 
oder  wenigstens  plastisch  bleiben  kann. 

Die  oben  berichtete  Thatsache,  deren  Kenntnifs  wir 
Hrn.  Silvestri  verdanken,  scheint  insofern  auch  einiges 
geologisches  Interesse  darzubieten,  als  sie  uns  lehrt,  dafs 
unter  gewissen  Bedingungen  ein  Mineral  aus  feurigem 
Flusse  in  einer  Form  sich  bilden  könne,  in  welcher  wir 
dasselbe  künstlich  nur  auf  anderem  Wege  und  bei  einer 
niedrigeren  Temperatur  bisher  darstellen  können.  Viel- 
leicht dürfen  wir  z.  B.  von  dem  aus  feurigem  Flusse 
rhombisch  erstarrten  Schwefel  einen  Schlufs  auf  den  Quarz 
der  vulkanischen  Gesteine  (z.  B.  gewisser  Trachyte)  ziehen 
und  auch  für  dies  Vorkommen  eine  Bildung  aus  feurigem 
Flusse  annehmen. 

Es  sey  noch  gestattet,  der  interessanten  Schwefelbil- 
dungen im  Krater  der  Insel  Vtilcano  Erwähnung  zu  thun: 
jener  in  vielen  Sammlungen  verbreiteten,  durch  nieder- 
träufelnde Schwefeltropfen  gebildeten  cylindrischen  Zapfen, 
deren  Länge  bis  15  Ctm.  bei  einer  Dicke  bis  zu  2  Ctm. 
beträgt.  Bei  einem  Besuche  jenes  prachtvollen  Kraters 
(ausgezeichnet  durch  das  Vorkommnn  der  Borsäure  in 
1  bis  2  Ctm.  dicken  Rinden  auf  den  Wänden  der  Spalten, 
des  Salmiaks,  des  Alauns,  des  Gypses)  überzeugte  ich 
mich,  dafs  diese  Schwefelzapfen  nicht  wie  man  gewöhnlich 
glaubte,  Stalaktiten  sind,  sondern  vielmehr  Stalagmiten, 
welche  in  den  Kraterspalten  senkrecht  emporsteigen.  Die- 
selben sind  sehr  zerbrechlich,  da  sie,  gleich  dem  künstlich 
geschmolzenen  und  erstarrten  Schwefel,  eine  molekulare 
Umänderung  aus  dem  monoklinen  in  den  rhombischen 
Schwefel  erleiden. 

Natürlich  gebildete  Krystalle  des  monoklinen  Schwefel* 
scheinen  bisher  nicht  beobachtet  zu  seyn.  Mit  Bezug 
hierauf  wird  folgende  von  Prof.  G.  Rose  mir  gütigst  mÜ- 
getheilte  Thatsache  von  grofsem  Interesse  seyn,  dzis 
nämlich   dem  Königl.   mineral.   Museum  zu  Berlin  vor 


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359 


Kurzem  „ durch  Hrn.  Dr.  Schneider,  welcher  als  Arzt 
27  Jahre  auf  Java  und  den  Molukken  sich  aufgehalten 
hat,  aufser  einem  fufslangen  Zapfen  von  geschmolzenem 
Schwefel,  auch  ein  Stück  mit  ziemlich  grofsen  Krystallen 
des  monoklinen  Schwefels  verehrt  worden  ist." 

69.    Arcanit ')  (Glaserit,  schwefelsaures  Kali)  von  Roccalinuto. 

Durch  Prof.  Seguenza  in  Messina  erhielt  ich  im 
April  72  zur  Untersuchung  ein  Salzvorkommen  von  Roccal- 
muto in  der  Provinz  Girgenti.  Das  Stück  zeigte,  ver- 
wachsen mit  Steinsalzwürfeln,  Krystalle  von  2  bis  20  Mm. 
Gröfse  eines  farblosen,  an  der  Oberfläche  trüben  und 
glanzlosen  Salzes,  dessen  Formen  auf  den  ersten  Blick  an 
die  Drill ingskrystalle  des  Aragonits  erinnern.  Die  ge- 
wöhnliche Gestalt  ist  diejenige  eines  scheinbar  hexagonalen 
Prismas  nebst  der  Basis.  Mehrere  Krystalle  zeigen  iudefs 
ganz  deutlich  Einkerbungen  der  Combinationskanten,  voll- 
kommen so  wie  man  dieselben  zuweilen  bei  den  Aragonit- 
drillingen  beobachtet.  Fig.  25  stellt  einen  einfachen, 
Fig.  26  a  und  b  einen  Drillingskrystall  von  Arcanit  dar.  Die 
Messung  der  Flächen  geschah  mit  Hülfe  von  aufgelegten 
Glasplättchen.  Aus  mehreren  etwas  abweichenden  Winkeln 
hebe  ich  diejenigen  heraus,  welche  mit  den  vdn  Mi tsc her- 
lich am  künstlichen  schwefelsauren  Kali  (K2  S  04)  er- 
haltenen Werthen  am  besten  übereinstimmen  (vergleiche 
Rammeisberg,  Krystallogr.  Chemie,  S.  77). 

Mitscherlich. 
p:p'=120°30'  120"  24' 

c:g  =  143  10  143  16 

p:g  =  107    0  107  18. 

1)  Nachdem  Scacchi  nachgewiesen,  dafs  das  Kalinatronsulphat  vom 
Vesuv  im  rbomboedrischen  System  krystallisirt  (Rendiconto  Acc.  Nap. 
Marzo  1870),  folge  ich  seinem  Vorschlage,  auf  dies  den  von  Beudant 
(1832)  gegebenen  Namen  Aphthalos  zu  beziehen,  für  das  rhombische 
Salz  von  Roccalmuto  einen  der  andern  Namen  zu  wählen.  Da  die 
von  Haidinger  gewählte  Bezeichnung  Arcanit  (1845)  die  Priorität 
vor  dem  Glaserit  Hausmann 's  (1847)  besitzt,  so  wähle  ich  den 
ersteren  Namen  für  die  Krystalle  von  Ruccalmuto. 


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360 


Die  Krystallform  ist  demnach,  soweit  die  Unvoll- 
kommenheit  der  Messung  es  gestattet,  als  identisch  mit 
derjenigen  des  von  Mit  scher  lieh  gemessenen  Salzes  zu 
betrachten. 

Zur  Analyse  verwandte  ich  einen  15  Mm.  grofsen  deut- 
lichen Drillingskrystall.  Das  Salz  löste  sich  leicht  und 
ohne  Rückstand  in  Wasser  auf.  Salpetersaures  Silber 
gab  nur  einen  unwägbaren  Niederschlag,  Magnesia  war 
nicht  nachweisbar.  Die  Bestandteile  des  Salzes  sind  aus- 
schliefslich  Schwefelsäure,  Kali  und  Natron.  Davon  wur- 
den die  beiden  ersten  direkt,  das  Natron  aus  dem  Ver- 
luste bestimmt: 

Schwefelsäure    49,50     (zweite  Bestimmung  49,25) 

Kali  33,24 

(Natron  17,26) 

100,00. 

Es  besteht  demnach  dies  Salz  aus: 

schwefelsaurem  Kali  61,47 
schwefelsaurem  Natron  38,53 

100,00. 

Die  Mischung  entspricht  nahe  der  durch  die  Formel 
4K1S04-+-3Na1S04  verlangten: 

schwefelsaures  Kali  62,05 
schwefelsaures  Natron  37,94 

100,00. 

In  der  vorliegenden  Verbindung  von  Schwefelsäure, 
Kali  und  Natron  genügt  begreiflicher  Weise  die  Be- 
stimmung eines  einzigen  Bestandteils,  um  die  Menge  der 
beiden  andern  zu  berechnen.  Legen  wir  die  Bestimmung 
des  Kalis  =  33,24  pCt.  zu  Grunde,  so  ergibt  sich  Schwefel- 
säure «m  49,94,  Natron  «  16,82. 

Unter  den  Krystallen  jenes  einzigen  mir  zur  Verfugung 
stehenden  Handstücks  bemerkte  ich  einige  vou  scheinbar 
rhomboedrischem  Habitus,  s.  Fig.  27.  Da  dieselben  auf- 
gewachsen waren,  so  war  es  nicht  möglich,  über  die  Aus- 
bildung des  untern  Endes  Gewifsheit  zu  erlangen.  Um 


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zu  ermitteln,  ob  diese  scheinbar  rhomboedrischen  Krystalle 
dieselbe  Zusammensetzung  besitzen,  wie  die  oben  ange- 
gebene, wurden  kleine  Mengen  jener  Krystalle  (0,203  Gr.) 
zur  Bestimmung  des  Kalis  und  (0,106  Gr.)  zur  Bestimmung 
der  Schwefelsäure  verwandt.    Es  ergab  sich 

Schwefelsäure  50,08 

Kali  31,40. 
Es  möchte  demnach  nicht  zu  bezweifeln  seyn,  dafs  beide 
Ausbildungsweisen  eine  wesentlich  identische  Mischung 
besitzen.  Die  Winkel  der  scheinbar  rhomboedrischen 
Krystalle  wurden  bei  Messungen  mit  aufgelegten  Glas- 
plättchen  als  annähernd  gleich  jenen  aragonitähnlichen 
Krystallen  gefunden.  Ich  halte  demnach  die  scheinbar 
rhomboedrischen  Krystalle  gleichfalls  fOr  Drillinge  gebildet 
aus  an  einander  gefügten  Individuen,  während  jene  erstere 
Art  mittelst  Durchwachsung  gebildet  ist.  Die  trübe  Be- 
schaffenheit der  Krystalle  gestattete  leider  weder  genaue 
Messung,  noch  optische  Untersuchung.  Wären  die  Drillinge 
der  zweiten  Art  demnach  am  untern  Ende  ausgebildet, 
so  würden  sie,  unserer  Voraussetzung  gemäfs,  kein  Rhom- 
boSder,  sondern  ein  Trigonoeder  bilden. 

Das  Kalisulphat  wurde  bisher  nur  am  Vesuv  angegeben. 
Schon  Haüy  kannte  das  schwefelsaure  Kali  des  Vesuvs. 
Sehr  schön  kam  dies  Salz  im  Nov.  und  Dec.  1848  im 
Vesuvkrater  vor,  und  wurde  durch  Guiscardi  beschrieben. 
Es  waren  weifse  oder  gefärbte,  kleine  sechsseitige,  faden- 
artig zusammengereihte  Tafeln  und  Effloreseenzen  mit 
etwas  Kochsalz  und  Glaubersalz  (s.  Roth,  der  Vesuv, 
S.  431).  Auch  bei  der  Eruption  von  55  wurde  es  und 
zwar  als  Bestandteil  der  Salzkrusten  beobachtet,  ebenso 
in  den  Jahren  68  und  69.  Dies  vesuvische  Salz  sollte 
nach  den  bisherigen  Annahmen  rhombisch  krystallisiren ; 
Scacchi  wies  indefs  vor  Kurzem  nach,  dafs  seine  Form, 
die  rhomboedrische  sey.  Das  Kalisulphat  vom  Vesuv  ist 
demnach  von  dem  Mineral  von  Roccalmuto  zu  trennen. 
Roccalmuto  ist  bisher  das  einzige  Vorkommen  dieses 
seltenen  Minerals. 


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362 


Die  Krystallisation  des  schwefelsauren  Kalis  und  Kali- 
Natrons  wurde  bekanntlich  zuerst  von  Mitscherlich, 
später  namentlich  in  sehr  eingehender  Weise  von  Scacchi 
untersucht  (Polisimmetria  dei  cristalli,  Aiti  R.  Acc.  d.  sc, 
Napoli  1863,  S.  10  —  69).  Das  reine  schwefelsaure  Kali 
krystallisirt  zufolge  diesen  Untersuchungen  im  rhombischen 
Systeme  (wie  das  natürliche  Salz  von  Roccalmuto).  Ein 
Gehalt  der  Krystalle  an  schwefelsaurem  Natron,  wenn 
dessen  Mengen verhältnifs  mindestens  §  von  demjenigen  des 
Kalisulphats  beträgt,  bewirkt,  dafs  die  Krystalle  in  einer 
andern  polysymmetrischen,  dem  rhomboedrischen  Systeme 
angehörigen  Form  sich  ausbilden.  Das  angegebene  Ver- 
hältnifs gilt  indefs  nur  bei  Temperaturen  zwischen  15# 
und  28°.  Bei  höherer  Wärme  bilden  sich  auch  noch 
rhombische  Krystalle,  selbst  wenn  der  Gehalt  an  schwefel- 
saurem Kali  unter  50  Proc.  herabgeht.  Man  darf  dem- 
nach wohl  schlielsen,  dafs  die  Krystalle  von  Roccalmuto 
sich  bei  einer  höhern  Temperatur  als  28°  gebildet  haben. 
Die  Salzlagerstätte  von  Roccalmuto  gehört  dem  untern 
Miocän  an.  Als  älteste  Bildung  jener  Gegend  treten  nach 
gefälliger  Mittheilung  des  Hrn.  Direktor  Stöhr  zu  Grotte  *) 
Kalke  mit  Orbituliten,  Nummuliten  und  Hippuriten  her- 
vor; diese  Kalkmassen  ragen  zuweilen  isolirt  als  gewaltige 
Felsklötze  empor.  Das  Salz  ruht  in  Thonmassen  und  ist 
mit  Gyps  verbunden.  Es  wird  durch  Tagebau  gewonnen, 
doch  ist  die  Ausbeute  nur  eine  sehr  geringe,  da  sich  der 
Preis  des  englischen  Salzes  in  Girgenti  billiger  stellt,  als 
derjenige  des  Salzes  aus  der  nur  15  Mgl.  fernen  Lager- 
stätte von  Roccalmuto.  Ueber  der  Salzformation  ruhen 
schwefelfuhrende  Mergel,  darüber  mächtige  Gypse  und 
als  Decke  des  Höhenzugs  weifse  thonige  Mergel  mit 
Foraminiferen ,  sowie  mit  Fischschuppen  und  -zähnen. 
♦Dies  sind  die  sogenannten  Trubi.  Der  Plataniflufs,  wel- 
cher einige  Mgl.  südöstlich"  von  Roccalmuto  entspringt, 
seinen  Lauf  zuerst  gegen  N.,  dann  nach  W.  und  SW. 
nimmt,  durchbricht,  kaum  1  Mgl.  nördlich  Roccalmuto, 
jenen  Höhenzug  und  legt  das  angedeutete  Profil  blofs. 

1)  Jetzt  zu  Comitini. 


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363 


Es  ist  wohl  b cm erkens werth,  dafs  bisher  noch  auf 
keiner  andern  Steinsalzlagerstätte  Arcanit  sich  gefunden 
hat.  Zu  Stafsfurth,  welches  eine  so  grofse  Menge  interes- 
santer Salze  geliefert  hat,  fehlt  es  zwar  nicht  an  Kali- 
sulp  hat ;  dasselbe  ist  indefs  mit  den  Sulphaten  des  Kalks  und 
der  Magnesia  zu  Polyhalit  verbunden  *). 

70.  Ueber  einen  ausgezeichneten  Jordanitkrystall. 
In  No.  11  dieser  Mitth.  (s.  d.  Ann.  Bd.  122,  S.  387) 
wies  ich  auf  ein  neues  Mineral  aus  dem  Binnenthale  hin, 
welches  sich  durch  eine  derjenigen  des  Kupferglanzes, 
Aragonits  usw.  analoge  Zwillingsbildung  von  zwei  andern 
ähnlichen,  gleichfalls  im  rhombischen  System  krystallisiren- 
den  Schwefelverbindungen  derselben  Fundstätte,  dem 
Dufresnoysit  und  dem  Skleroklas  (Sartorit,  Dana)  unter- 
scheidet. Derselbe  geehrte  Freund,  welcher  mir  die,  der 
früheren  Bestimmung  zu  Grunde  liegenden  Krystalle  an- 
vertraute und  gestattete,  das  neue  Mineral  nach  ihm  zu 
benennen,  übergab  mir  zur  Untersuchung  einen  neuen, 
herrlichen  Jordanitkrystall,  der  im  Jahre  1871  in  der 
Schweiz  erworben  war.  Dieser  Krystall,  dessen  Länge 
5  Mm.,  Breite  3,  Dicke  1|,  ist  fast  naturgetreu  in  Fig.  19, 
einer  geraden  Projection  auf  die  basische  Fläche,  darge- 
stellt. In  jener  früheren  Mittheilung  wurde  dargethan, 
dafs  beim  Jordanit  aufser  der  Basis  und  dem  verticalen 
Prisma  zwei  Reihen  von  Formen  entwickelt  sind,  welche 
in   ihren  Combinationen   sich  zu   Pseudodihexaedern  in 

bekannter  Weise  ergänzen  (z.  B.  P  mit  2Poo),  nämlich 
Protopyramiden  oder  Oktaeder  der  Hauptreihe  o  und 
Brachydomen  f.  Der  neue  Krystall  bietet  nun  zwei  früher 
nicht  beobachtete  Reihen  von  Flächen  dar:  Oktaeder  der 
Reihe  u=(a:j&^c)  und  Makrodomen,  von  denen  wieder 
mehrere  sich  zu  einer  dihexaöderähnlichen  Forin  ergänzen 
können.    Unser  Krystall,  wohl  einer  der  flächenreichsten, 

1)  Nach  einer  Mittheilung  von  Silvestri  wurde  der  9Aphthalosu  von 
Roccalrnuto  bereits  1857  erwähnt  von  Gianbutt  Barresi,  Dimos- 
tratore  alla  cattedra  di  Storia  naturale  z\x  Palermo. 


uigit 


364 

welche  bisher  im  rhombischen  System  beobachtet  wurden, 
ist  eine  Combination  folgender  Flächen;  die  neubeobach- 
teten sind  durch  einen  Asterisk  bezeichnet: 

c  wm  (oo  a  :  oo  6  :  c),  0  P 

in  =  (a  :  6  :  oo  c),  oo  P 

o  =  (a  :  6  :  c),  P 

io  =  (2a:26:c),  |P 

\o  =  (3a  :  36  :  o),  \P 

\o  =  (4a:46:c),  \P 

\o  «x  (5a  :  56  :  c),  \P 

\o  =  (6a:  66  :  c),  JP 

'o  t=(7a:76:c),  |P 

\o  tm  (8a  :  86  :  c),  |P 

Jo*  — «(9a:96:c),  JP 

t,*    =(a:i6;c),  3P3 
Jti*  =  (a:}6:  Je),  P3 
l«*-(a:i»:}c),  |P3 
|m*  =  (a:  J6:  Je),  }P3 
*u*  =  (a:|6:}e),  JP3 
2/   —  (ooa:6:2c),  2Poo 
/•      ss  (oo  a  :  6  :  c),  P  oo 
|f    ==  (ooa  :  6  :  §c),  JPoo 

=  (ooa:6:Jc),  JPoo 
I/1  «(ooarft^c),  |Poo 
\f    =  (ooa  :  6  :  »c),  JPoo 

«=(ooa:6:?c),  JPoo 

\f    =  (ooa  :  6  :  Je),  JPoo 

\r  =(ooa:6:fc),  |Ao 

d*    =  (a  :  oo  6  :  e),  Poo 

Jd*  =(a:  oo6:ic),  JPoo 
•d*  =(a  :  oo  6:  Je),  JPoo. 


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365 


Aus  den  vorstehenden  Formeln  folgt,  dafs  jedes  Okta- 
eder der  Reihe  o  durch  ein  entsprechendes  Brachydoma 
zu  einer  dihexaöderähnlichen  Gestalt  ergänzt  wird.  In 
derselben  Relation  stehen  \n  zu  d  und  \u  zu  Jd,  indem 
sie  ein  Pseudodihexaeder  anderer  Ordnung  darstellen,  wie 
jene  durch  Glieder  der  Reihe  o  und  f  gebildete.  Der 
Krystall  ist,  wie  Fig.  19  zeigt,  ein  Zwilling,  in  welchem 
das  eine  Individ  über  das  andere  vorherrscht.  Auf  den 
Randflächen  der  scheinbar  hexagonalen  Tafel  ist  die  Gränze 
der  Individuen  durch  stumpfe  aus-  und  einspringende 
Kanten  bezeichnet,  welche  durch  Formen  der  Reihen  o 

und      o  und  /  gebildet  werden.   Dünne  Zwillingslamellen 

sind  aufserdem  einer  jeden  der  beiden  Krystallhälften  ein- 
geschaltet und  erscheinen  als  feine  Linien.  Bei  der  ersten 
Bestimmung  des  Jordanits  (1862)  bediente  ich  mich  eines 
Goniometers,  welches  zwar  mit  einem  genauen  Ccntrir- 
Apparat,  doch  nicht  mit  einem  Fernrohr  versehen  war. 
Ich  habe  deshalb  den  damals  beschriebenen  Krystall 
nochmals  mit  dem  gröfseren  Goniometer  gemessen  und 
stelle  die  älteren  (I)  und  die  neueren  (II)  Resultate  neben 
einander: 

L  II. 
Jo:c=133°  0'  133°  1' 

\oie*m  139  22}  139  21 

}o  :  c  =»  148  30  148  30. 

Es  liegt  demnach  kaum  ein  Grund  vor,  die  früher  be- 
rechneten Axenverhältnisse  zu  ändern.  Auch  die  Winkel 
des  neuen  Krystalls  stimmen  sehr  nahe  mit  den  früher 
angegebenen  überein.    Ich  fand  nämlich 

\o  :  c  =  115°  0'       (ber.  aus  den  Axen  des  älteren 

Krystalls  =  115°  0') 
}o:c=  148  28        (ber.  148°  30'). 
Als  Ergänzung  der  früher  gegebenen  Winkeltabelle 
mögen  hier  die  Neigungen  der  neuen  Flächen  gegen  die 
Basis  eine  Stelle  finden: 


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366 

\o  :  c  =  154°  31'  Jw  :  c  =  129°  54' 

U'.  c  =  155  42}  \u  :  c=  134  17{ 

u:c   =   97  56  d:  c  =  110  42 

}ti:  C— 112  41J  \d  :  c  =  127  5 

J«:  c=  119    8  Je/:  c=  138  35. 

Der  geschilderte  Jordanitkrystall ,  von  bewunderns- 
werthem  Flächenglanz,  ruht,  an  beiden  Enden  frei  aus- 
gebildet, in  einer  mit  zierlichen  Quarzkrystallen  bekleideten 
Druse  des  bekannten  weifsen  Dolomits.  Auf  derselben 
Stufe  bemerkt  man  ferner  gelbe  Blende,  Eisenkies,  Adular, 
Schwerspath  (wohl  die  wegen  ihres  Strontiangehalts  von 
Prof.  Sartorius  Barytocölestin  genannte  Varietät1). 

71.    Glimmerkrystalle  rom  Vesuv. 

Wir  verdanken  Hrn.  Hessenberg,  wie  bekannt,  eine 
ausgezeichnete  Arbeit  über  den  vesuvischen  Glimmer,  durch 
welche  die  so  lange  bestehenden  Zweifel  hinsichtlich  des 
Krystallsystems  dieses  Minerals  endlich  gehoben,  und  das 
Axenverhältnifs  mit  einer  solchen  Genauigkeit  bestimmt 
wurde,  dafs  fernere  Untersuchungen  schwerlich  eine  Cor- 
rection  desselben  veranlassen  werden  (s.  Miner.  Notizen 
No.  7,  S.  15  —  28,  1866).  Wenn  ich  mir  gestatte,  nach 
jener  hervorragenden  Arbeit  meines  Freundes  nochmals 
auf  diesen  Gegenstand  zurückzukommen,  indem  ich  die 
naturgetreue  Zeichnung  eines  Glimmerkrystalls  (Fig.  24, 
24a)  nebst  einigen  Messungen  mittheile,  so  geschieht  es, 
einerseits  um  zu  zeigen,  wie  genau  mit  Hessenberg 's  Mes- 
sungen die  meinigen  übereinstimmen,  andererseits  weil 
ich  wohl  vermuthen  darf,  dafs  nur  wenige  Fachgenossen 
gleich  ausgezeichnete  Glimmerkrystalle  wie  Fig.  24  gesehen 
haben.  Unser  Krystall  von  röthlich  gelber  Farbe  zeigt 
ein  durchaus  monoklines  Ansehen,  und  ist  eine  Combi- 
nation  folgender  Formen: 

Hauptrhombo&der  r  =  (a  :  a  :  oo  a  :  c),  R 
Dihexaeder  o  =  (3a  :  %a  :  3a  :  c),  JP2 

M  =  (la:|a:Ja:c),  JP2 
zweites  Prisma      h  =  (a  :  £a  :  a  :  oo  c),  oo  P2 
Basis  c  sä*  (oo  a  :  oo  a  :  oo  a  :  c),  OP 

1)  Die  chemische  Zusammensetzung  des  Jordanit's  wurde  vor  Kurzem 
durch  Hrn.  Sipöcz  im  Laboratorium  des  Hrn.  Prof.  Ludwig  zu  Wien 
erforscht,  s.  Mineral.  Mitth.  von  Tschermak  1873  1.  und  2.  Heft. 


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367 


Wie  unsere  Zeichnung  erkennen  läfst ,  tritt  von  den 
genannten  Formen  nur  das  Hauptrhomboeder  vollflächig 
auf;  freilich  zeigen  seine  Flächen  zufolge  der  unvoll- 
zähligen Entwicklung  von  o,  M  und  h  eine  sehr  verschie- 
dene Gestalt.  Die  beiden  Dihexaeder  o  und  M  treten 
nur  mit  einem  Drittel  ihrer  Flächen  auf,  und  zwar  o  auf 
der  vordem,  M  auf  der  hintern  Seite.  In  gleicher  Weise 
zeigt  auch  das  zweite  hexagonale  Prisma  nur  ein  Drittel 
seiner  Flächen.  So  entsteht  eine  scheinbar  monokline, 
parallelflächige  Form,  deren  Flächen  unter  Voraussetzung 
eines  monoklinen  Systems  auch  in  folgender  Weise  be- 
zeichnet werden  könnten. 

r  =  (a  :  \b  :  c) 
r"=Go':  006  :  c) 
o  =  (a  :  6  :  c) 
Jtf=(Ja':  J6:  c) 
h  am  (00  a  :  b  :  00  c) 
c  mu  (00  a  t  00  b  :  c). 

Die  Axen  worauf  sich  diese  Formeln  beziehen,  würden 
8ämmtlich  rechtwinklig  zu  einander  stehen  und  sich  ver- 
halten a  :  b  :  c  =  0,57735  :  1  :  1,64400.  Es  leuchtet  ein, 
dafs  wir  den  dargestellten  Krystall  auch  als  rhombisch 
würden  betrachten  können,  unter  Voraussetzung  derselben 
Hemiedrie,  welche  den  Humit  auszeichnet.  Das  eben 
angegebene  Verhältnifs  der  Axen  a  und  b  ist  indefs  ge- 
nau gleich  demjenigen  der  Tangenten  von  30°  und  60°, 
woraus  folgt,  dafs  die  ebenen  Winkel  der  Basis  =  120° 
und  60°.  Diese  Winkel  schliefsen  den  Glimmer  aus  dem 
monoklinen  und  rhombischen  Systeme  aus.  Nach  den 
Arbeiten  Hessenberg's  und  von  Kokscharow's  waltet 
nicht  der  mindeste  Zweifel  ob,  dafs  unser  vesuvischer 
Glimmer  dem  hexagonalen  Systeme  angehört. 

Der  Reflex  der  Flächen  des  dargestellten  Krystalls 
und  zwar  besonders  der  Flächen  r  und  h  ist  so  voll- 
kommen, wie  man  ihn  nur  bei  wenigen  Mineralien  findet. 
Um  den  rhomboOdrischen  Charakter  zu  prüfen  mafs  ich 


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368 


r  :  c  =  99°  59' 
r' :  c  =  100  0 
r":  c  =  100  0. 

Die  fast  vollkommene  Uebereinstimmung  dieser  Winkel 
liefert  den  Beweis  für  den  rhomboedrischen  Charakter 
der  Flächen  rVr".  Legen  wir,  wie  es  auch  von  Hessen- 
berg geschehen,  den  Winkel  100°  0'  zu  Grunde,  so  be- 
rechnet sich  die  Polkante  von  r  =  62°  57'  und  das  Axen- 
verhältnifs  a  :  c  =  1  :  4,91138. 

Eine  Vergleichung  der  folgenden  Winkel  wird  den 
Beweis  für  die  treffliche  Ausbildung  des  gemessenen  Kry- 
stalls  liefern. 


Gemessen. 

Berechnet. 

r  :  h  mm  148°  31' 

148°  31'  30" 

r' :  h'  =  148  34 

o  :  o'=  122  50 

122  51  52 

o  :  r  =  150  2| 

150    2  34 

o':r'  =  150  3 

o:c=  106  57} 

106  58  59 

& :  c  =  106  58 

JH:  c'=  98  37 

98  40  56 

Jtf':c'=  98  41 

Ä':A'=119  41 

119  37  18 

Jtf:r"=o 

150  22  42 

Jf:tf'=:120  45 

120  45  24 

OlMmm 

154  20  4. 

72.    Ueber  den  angeblichen  Epidot  vom  Vesut. 

Hr.  Marignac  las  im  Jahre  1848  in  der  Soc.  de 
Phys.  et  d  II ist.  nat,  zu  Genf  eine  Arbeit  über  den  Epidot, 
in  welcher  er  Zwillingskrystalle  einer  Epidotdruse  beschrieb, 
die  von  L.  Neck  er  dem  Genfer  Museum  geschenkt  waren 
(Arch.  d.  sc.  phys.  et  nat.  Suppl.  ä  l.  BibL  unit).  No.  14). 
Jener  Aufsatz  von  nur  wenigen  Seiten  war  für  die  Kennt- 
nifs  des  Epidotsystems  von  grofser  Wichtigkeit,  indem 
Marignac  für  die  Kry stalle  des  Epidots  eine  neue,  von 
der  früheren  Mohs'schen  abweichende  Aufstellung  vor- 


■ 


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369 


schlug,  welche  jetzt  eine  fast  allgemeine  Annahme  ge- 
funden hat.  Auch  abgesehen  von  dem  krystaliographischen 
Interesse  jener  Arbeit,  war  die  Mitheilung  vom  Vor- 
kommen des  Epidots  am  Vesuv  geeignet,  die  Aufmerk- 
samkeit in  hohem  Grade  auf  sich  zu  ziehen.  Der  Epidot 
war  und  ist  bis  jetzt  niemals  auf  vulkanischer  Lagerstätte 
beobachtet  worden  und  gehört  demnach  zu  der,  durch 
die  neuere  Forschung  stets  sich  vermindernden  Zahl  von 
Mineralien,  deren  Lagerstätten  ausschliefslich  gewissen 
geologischen  Formationen  angehören.  Freilich  wohnt 
jenen  sog.  Gesetzen,  welche  der  Ausdruck  sind  ftir  die  Beob- 
achtung der  Mineralien  in  den  verschiedenen  Gesteinen, 
nur  ein  bedingter  Werth  bei.  Lang  bewährte  Er- 
fahrungen erweisen  sich  in  Folge  einzelner  Funde  als 
Täuschungen.  Geraume  Zeit  hielt  man  z.  B.  daftir,  dal's 
die  cerhaltigen  Mineralien,  Ortbit  und  Monazit,  nicht  in 
vulkanischen  Gesteinen  vorkämen,  bis  sie  sich  theils  am 
Vesuv,  theils  am  Laacher  See  in  den  Auswürflingen 
fanden. 

Der  Fundort  der  von  Mar  ig  na  c  so  trefflich  beschrie- 
benen Kry8talle  ist  nicht  ohne  Anzweiflung  geblieben. 
So  findet  sich  in  einem  verdienstvollen  Werke  über  den 
Vesuv  die  vielleicht  überkritische  Bemerkung  „die  von 
Marignac,  als  vom  Vesuv  abstammend,  beschriebenen 
Epidote,  deren  Herkunft  von  dieser  Oertlichkeit  zweifel- 
haft ist,  gehören  dem  Augite  anu.  Konnte  ein  For- 
scher wie  Marignac  nach  einer  „Hude  approfondie"  der 
in  Rede  stehenden  Krystalle,  welche  er  in  sorgsamer, 
auch  inDesCloizeauxs  Atlas  (Fig.  llö)  übergegangener 
Zeichnung  darstellte,  in  Bezug  auf  die  Bestimmung,  ob 
Epidot  oder  Augit,  irren4? 

Bei  dem  doppelten,  sowohl  krystaliographischen  als 
geologischen  Interesse  der  erwähnten  Krystalle,  war  es 
schon  seit  lange  mein  Wunsch,  dieselben  durch  Autopsie 
kennen  zu  lernen.  Hr.  Marignac  kam  meiner  Bitte  in 
dankenswerthester  Weise  entgegen,  indem  er  im  März  72 
mir  sowohl  das  betreffende  Stück  zeigte,  als  auch  dasselbe 
PoggendorfFB  Ann.    Ergäuzungsbd.  VI.  24 


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370 

später  zur  genaueren  Untersuchung  sandte,  die  briefliche 
Bemerkung  hinzufügend,  dais  durch  Verwechlung  der 
Etiquetten  der  Necker 'scheu  Sammlung  wahrscheinlich 
ein  Irrthuin  in  der  Angabe  des  Fundorts  entstanden  sey. 
Die  Betrachtung  des  Handstücks  hat  mir  die  Gewifsheit 
gegeben,  dafs  dasselbe  nicht  vom  Vesuv  stammen  könne. 
Es  ähnelt  vielmehr  fast  vollkommen  den  Vorkommnissen 
von  Ala  oder  auch  von  Zermatt  und  rührt  wohl  unzweifel- 
haft von  einem  dieser  beiden  Punkte  her.  Die  Krystalle, 
bis  8  Mm.  grofs,  erfüllen  eine  30  Mm.  grofse  Druse,  deren 
Muttergestein  aus  derbem  Epidot  nebst  sehr  wenig  Klino- 
chlor  besteht.  Keine  Spur  der  bekannten  Vesuvmineralien 
findet  sich  im  Gemenge  dieses  Handstücks,  welches  seine 
gerundete  Form  wohl  als  ein  Gerolle  erhalten  hat. 

Selbst  nachdem  in  Folge  des  nicht  vulkanischen  Vor- 
kommens die  Stufe  einen  Theil  ihres  Interesses  verloren, 
behält  sie  einen  nicht  geringen  krystallographischen  Werth 
durch  Auftreten  einiger  seltenen,  sowie  einer  wohl  nicht 
sicher  bisher  bestimmten  Fläche.  Die  Krystalle  scheinen 
sämmtlich  Zwillinge  zu  seyn,  gebildet  nach  dem  beim 
Epidot  gewöhnlichen  Gesetze:  „Zwillingsebene  Tu.  Fig.  28 
stellt  einen  kleinen  Krystall  dar,  welchen  ich  genauer 
untersuchen  konnte.  Unter  Voraussetzung  der  Grundform 
von  Marignac,  welche  von  Des  Cloizeaux,  von 
Kokscharow  und  in  der  8.  Aufl.  seiner  vortrefflichen 
Elemente  der  Min.  auch  von  Naumann  ist  adoptirt 
worden,  haben  wir  eine  Combination  folgender  Formen: 

n  =  (a!  :  6  :  c),  P 

£=  (a':  *b  :  c),  (5P5) 
Ga':}»:*),  JPJ 

«  =  (3a  :  36  :  c),  —  JP 

r  =  (a' :  oo  b  :  c),  Poo 

l  =  (Ja':  oo6  :  c),  2  Poo 

z  =  (a  :  6  :  oo  c),  oo  P 

u  mm  (a  :  2  b  :  oo  c),  oo  P2 

M=  (ooa  :  oo  6  :  c),  0P 

T  mm  (a  :  oo  6  :  oo  c),  oo  Pco 

P  mm  (oo  a  :  6  :  oo  c),  (oo  Poo  ). 


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371 


Der  von  Hrn.  Marignac  untersuchte,  von  Des  Cloi- 
zcaux  neu  gezeichnete  Krystall  enthält  aufser  w,  «,  r,  /, 
z,  M,  J»f,  T,  P  noch  folgende  Flächen:  (GP6),  —  (JP2), 
-(P4),  -Poo,  -JPoo,  -2P*>,  (Poo),  yPJ.  Diese 
letztere  Fläche  ist  es,  von  welcher  ich  oben  sagte,  dafs 
ihre  Bestimmung  vielleicht  nicht  sicher  sey.  Es  ist  die 
oben  mit  bezeichnete  Fläche.  Wenn  die  von  Marignac 
gegebene  Formel  =  (iöa  •'  &^  •*  c)  richtig  wäre,  so  kann 
die  bezeichnete  Fläche  nicht  in  die  Zone  »' :  *  :  I  fallen. 
Dies  ist  aber,  wie  ich  mich  überzeugen  konnte,  in  der 
That  der  Fall,  wie  es  auch  die  Formel  JPJ  erheischt. 

Für  diese  letztere  Flächenlage  berechnen  sich  folgende 
Winkel : 

Gemessen. 

rj:  M  =  99°  IT 
tl :  P  —  123  49 

»;  :  T  =  143  37  143  35 

V:n  =146  38|  146  30 

ti  iz  =  157  25J 
n  :  l  m,  143  37} 
t]  :  r\   =112  22 

Man  bemerke,  dafs  die  Neigung  von  ?;  zu  T  und  / 
fast  genau  dieselbe  ist. 

Für  das  Hemioktaöder  \°  PI  gibt  von  Kokscharow 
(8.  Mat.  III,  S.  338)  folgende  Neigungen  an: 

Gemessen  von  Marignac. 

¥PJ:  M  =  98°  40'  98°  40' 

„   :  P  =  123  404  123  37 

„   :  T  =  143  30?  143  48. 

Zwei  der  ebeu  angeführten  Messungen  stimmen  dem- 
nach näher  überein  mit  denjenigen  Werthen,  welche  sich 
aus  der  Formel  l£  PI  berechnen,  als  mit  denen  der  Formel 
JPJ.  Nichtsdestoweniger  halte  ich  diese  letztere  Be- 
stimmung für  die  richtige,  weil  nur  sie  der  beobachteten 
Zone  entspricht.  Bereits  Des  Cloizeaux  hat  der  frag- 
lichen Fläche  sowohl  in  der  Fig.  115  des  Atlas  zu  seiuem 
Manuel  als  auch  in  der  Kugelprojection  die  durch  jene 

24* 


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I 


372 

Zone  bedingte  Lage  gegeben.  Ebenso  haben  von  Ze- 
pharovich  (Sitzungsber.  d.  Kais.  Ak.  Bd.  XLV,  Jahr- 
gang 1862)  und  Schrauf  (Sitzungsber.  d.  Kais.  Ak. 
Bd.  LAIV,  Jahrg.  1871)  in  ihren  treff'lichen  Arbeiten  über 
den  Epidot  jene  Mariguac'sche  Fläche  als  \P\  ver- 
mutungsweise gedeutet.  Ich  darf  vielleicht  die  Bemer- 
kung hinzufugen,  dafs  ich  die  Fläche  tj  als  IP\  bestimmte, 
bevor  ich  Kenutnifs  von  der  Erwähnung  derselben  bei 
Des  Cloizeaux,  Zepharovich  und  Schrauf  besafs. 

An  dem  beschriebenen  Kry stall  wurde  ferner  gemessen 
die  Zwillingskante  n  :  n  —  138"  9'  (ber.   138°  7j')-  Die 

Bestimmung  von  E  als  (5P5)  geschah  durch  die  Messung 
E  :  n  =  152°  43'  (ber.  152°  49J'). 

73.    lieber  deu  Mikrosommit 

Mit  dem  Namen  Mikrosommit  bezeichnete  Scacchi 
ein  von  ihm  zuerst  in  den  Auswürflingen  der  Vesuv- 
Eruption  von  1872  beobachtete«  Mineral  (Contrib.  mineraL 
Incendio  Ves.  Atti  R.  Acc.  Nap.  Ottobre  72).  Scacchi 
theilt  Über  diese  neue  Species  folgendes  mit:  „Krystall- 
form  hexagonal,  Prismen  begränzt  durch  die  Basis.  Sehr 
klein,  sodals  20  Kryställchen  etwa  1  Mgr.  wogen.  Mit 
Rücksicht  auf  ihre  Form  könnte  man  sie  dem  Nephelin 
zuzählen,  doch  scheint  es  mir  nicht,  dal's  sie  mit  diesem 
Mineral  zu  vereinigen  sind.  Sie  unterscheiden  sich  näm- 
lich durch  ihre  zuweilen  vorhandene  Gruppirung  in  Büscheln 
und  mehr  noch  in  chemischer  Hinsicht  durch  ihren  Chlor- 
gehalt. Eine  qualitative  Prüfung  des  in  Chlorwasserstoff- 
sätire  löslichen  Minerals  ergab  Kieselsäure,  Thonerde, 
Kalk,  Kali,  Natron,  Chlor  und  Schwefelsäure.  Ob  die 
beiden  letzteren  deren  Menge  etwa  6  Proc.  —  für  jeden 
dieser  Stoffe  —  gefunden  wurde,  zur  Constitution  des 
Minerals  gehören,  dürfte  einem  Zweifel  uuterliegen,  da  es 
sehr  schwierig  ist,  die  Kryställchen  rein  auszusuchen." 

Unter  den  von  Hrn.  Scacchi  mir  verehrten  Auswürf- 
lingen waren  auch  solche,  welche  in  den  Drusen  Mikro- 
sommit als  neugebildetes  Mineral  enthielten.    Es  findet 

1)  Bereit«  vorgelegt  d.  K.  Akad.  d.  Wissensch,  zu  Berlin  durch  G.  Rose, 
'21.  März  1873. 


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373 


sich  in  den  beiden  Arten  der  bei  der  letzten  Eruption 
aus  dem  grofsen  Schlünde  im  Atrio  ausgeschleuderten 
Blöcken,  den  monolithischen  —  welche  aus  einem  einzigen 
Fragmeute  alter  poröser  Sommalaven  bestehen  —  und  den 
conglomeratischen  —  dies  sind  locker  verbundene  Lava- 
bruchstücke nebst  losen  Augitkrystallen  — ;  beide  Arten 
pflegen  von  einer  dünnen  Schale  neuer  Lava  umschlossen 
und  zusammengehalten  zu  seyn.  Bei  den  monolithischen 
Blöcken  erfüllen  die  durch  Sublimation  entstandenen  Neu- 
bildungen (Leucit,  Sodalith,  Mikrosommit,  Augit,  Horn- 
blende, Eisenglanz)  die  Poren,  bei  den  Conglomeraten  die 
Zwischenräume  der  einzelnen  Stücke. 

Der  Auswürfling,  aus  welchem  die  zur  Untersuchung 
verwandten  Kryställchen  stammten,  war  monolithisch,  eine 
röthlichbraune  Leucitlava;  die  bis  erbsengrofsen  Leucite 
in  der  ftir  diese  Blöcke  der  Eruption  von  1872  charak- 
teristischen Weise  zersetzt;  die  Augite  scheinbar  unver- 
ändert. Die  Poren  beherbergen  aufser  Mikrosommit  nur 
noch  Eisenglanz.  Die  Prismen  des  neuen  Minerals  sind 
ausserordentlich  klein.  Nur  das  Interesse,  welches  die- 
selben wegen  ihrer  Bildung  durch  Sublimation  erweckten, 
konnte  den  Aufwand  von  Zeit  rechtfertigen,  welchen  das 
Aussuchen  von  etwa  1500  Kryställchen  im  Gewichte  von 
Gr.  aus  dem  grob  gepulverten  Gesteine  erheischte. 

Krystallsystem  hexagonal.  Die  Formen  prismatisch, 
durch  die  matte  Endfläche  begränzt.  Die  Kanten  zwischen 
Prisma  und  Basis  sind  zuweilen  abgestumpft  durch  ein 
Dihexaeder.  Gemessen  die  Neigung  des  Dihexaüders  zum 
Prisma  =  circa  111°  50'.  Daraus  das  Axenverhäitnifs 
a  :  c  mm  2,88  :  1. 

Dihexaeder-Endkante  =  158°  34'  ber. 
„         Seitenk.    *=   43  40  „ 

Die  angegebenen  Axenwerthe  und  Winkel  sind  nur 
als  Annäherungen  zu  betrachten.  Die  Flächen  des  Pris- 
mas sind  vertical  gestreift,  zuweilen  fast  gerundet.  Farb- 
los, wasserhell.  Härte  etwa  gleich  Feldspath.  Spec.  Gew. 
2,60  (bei  15°  C).    Nur  schwierig  v.  d.  L.  schmelzbar. 


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374  * 

Selbst  bei  heftigstem  Glühen  zeigt  sich  kein  Glühverlust. 
In  Chlorwasserstoff-,  wie  in  Salpetersäure  zersetzbar  unter 
Abscheidung  von  gallertartiger  Kieselsäure.  Die  salpeter- 
saure Lösung  gibt  mit  salpetersaurem  Silber  eine  starke 
Fällung  von  Chlorsilber.  Zunächst  wurden  durch  eine 
qualitative  Prüfung  säramtliche  von  Scacchi  angegebenen 
Bestandteile  bestätigt.  Die  Analyse,  zu  welcher  nur 
,'ö  Gr.  reinster  Substanz  zur  Verfügung  stand,  ergab : 


Kieselsäure 

33,0 

Thonerde 

29,0 

Kalk 

11,2 

Kali 

11,5 

Natron 

8,7 

Chlor 

9,1 

Schwefelsäure 

1,7 

104,2. 

Denken  wir  uns  das  Chlor  mit  Natrium  verbanden 
(9,1  Cl -h  5,9  Na;  diese  letzteren  entsprechend  8,0  Proc. 
Natron),  so  vermindert  sich  der  Ueberschufs  der  Analyse 
auf  2,1  Proc,  und  wir  erhalten  neben  5,9  Na  noch  0,7  Proc. 
Natron.  Die  in  der  Analyse  angegebene  Natronmenge 
wurde  in  Gemeinschaft  mit  dem  Kali  als  Sulfat  gewogen 
und  durch  Subtraction  des  aus  dem  Kaliumplatinchlorid 
berechneten  Kali  bestimmt.  Es  ist  mir  deshalb  wahr- 
scheinlich, dafs  der  Gehalt  an  Natron  etwas  zu  hoch  aus- 
gefallen und  dafs  diefs  Alkali  ausschlieislich  mit  Chlor  zu 
Chlornatrium  verbunden  ist.  Die  Sauerstoffmengen  der 
Kieselsäure  (==  1^,0)  und  der  Thonerde  (=  13,5)  verhalten 
sich  nahe  wie  4:3,  so  dafs  dieser  Theil  der  Mischung 
=  A\2  Os  -f-  2SiOa,  wie  bei  Sodalith,  Nosean  und  Haüyn. 
Der  Mikrosommit  enthält  in  isomorpher  Mischung  Kalk 
und  Kali  und  stellt  demnach  ein  Halbsilicat  von  Thon- 
erde, Kalk,  Kali  dar,  verbunden  mit  Chlornatrium  und 
einer  kleinen  Menge  von  schwefelsaurem  Kalk.  Die  Formel 

j  jv^Q  | ,  AI,  03,  2SiOa  -f-  NaCl  würde  folgende  Mischung 

ergeben:  Kieselsäure  34,03;  Thonerde  29,15;  Kalk  9,53; 


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t 


375 


Kali  10,69;  Natrium  6,52;  Chlor  10,08.  Nehmen  wir 
die  kleine  Menge  des  Kalksulfats  in  die  Formel  auf,  so 
würde  die  gefundene  Mischung  sich  annähernd  durch  fol- 
gendes Bild  darstellen  lassen: 

icao!'  Ala°3'  2Si04  +  NaCl-f-;äCaO.S03. 

Diese  Formel  würde  folgende  Mischung  erheischen: 
Kieselsäure  33,0 
Thonerde  28,3 


Erwägen  wir,  dafs  zur  Analyse  kaum  ^  Gr.  zur  Ver- 
fügung stand,  so  kann  die  Uebereinstimmung  der  gefun- 
denen und  der  aus  jener  Formel  berechneten  Mischung 
wohl  als  befriedigend  gelten. 

Der  Mikrosommit  enthält  demnach  wie  der  Sodalith 
Chlornatrium.  Die  Silicatmischung  beider  Mineralien  ist 
nach  demselben  Typus  gebildet;  während  aber  der  Soda- 
lith neben  der  Thonerde  nur  Natron  enthält,  ist  im  Mikro- 
sommit statt  des  letztern  Kali  und  Kalk  vorhanden.  Durch 
seinen  Kalkgehalt  ist  der  Mikrosommit  auch  dem  Haüyn 
vergleichbar,  welcher  indefs  eine  tiberwiegende  Menge  von 
Schwefelsäure  und  nur  wenig  Kali  und  Chlor  enthält. 
Der  Mikrosommit  verbindet  die  Sodalithgruppe  mit  dem 
Nephelin,  welchem  das  neue  Mineral  in  der  Form  nahe 
steht.  In  der  Thaf  stimmt  das  stumpfste  der  von  Dos 
Cloizeaux  am  Nephelin  angegebenen  Dihexaeder  [ob 
wirklich  vorkommend?]  nahe  überein  mit  dein  Dihexaeder 
der  neugebildeten  vesuvischen  Prismen,  deren  Entstehung 
durch  eine  Einwirkung  der  mit  Chlornatrium  beladenen 
vulkanischen  Dämpfe  auf  die  Leucite  (Kali,  Thonerde) 
und  Augite  (Kalk)  zu  erklären  ist.  Wir  begegnen  dem- 
nach hier  einem  neuen  Beispiel  der  Mitwirkung  des  Meer- 


Kalk  10,5 

Kali  10,4 

Natrium  6,3 

Chlor  9,8 

Schwefelsäure  1,7 


Natron  8,5 


100,0 


102,2. 


376 


salzes  bei  der  Mineralfoildung  vulkanischer  Processe.  — 
Wie  der  Davyn  und  Cancrinit  Nepheline  sind  mit  einem 
Molekül  von  kohlensaurem  Kalk,  so  ist  der  Mikrosommit 
ein  Nephclin  mit  einem  Mol.  Chlornatrium.  Es  können 
demnach  der  Nephelin  nebst  Davyn,  Cancrinit  und  Mikro- 
sommit einerseits,  Sodalith,  Nosean,  Haüyn,  Lasurstein 
andrerseits  als  isodimorphe  Verbindungen  betrachtet  wer- 
den; —  vorausgesetzt,  dafs  in  der  That  dem  Nephelin 
die  Formel  (Na,  K)aO,  Ala03,  2SiOt  zukommt,  welche 
Rammeisberg  (Zeitschr.  d.  geol.  Ges.  Bd.  XXI,  S.  123) 
aufstellt. 

74.    Ueber  ein  neues  Mineral  (Chalkomorphitf  auf  einem  Einschlüsse  in 

der  Lava  von  Niedermendig. 

Hr.  Dressel,  vormals  zu  Laach,  jetzt  Professor  in* 
Quito,  beabsichtigte  als  Ergänzung  der  werthvollen  Ar- 
beit des  Prof.  Wolf  Ober  die  „Auswürflinge  des  Laacher 
Sees"  (siehe  Zeitschr.  der  deutsch,  geol.  Ges.  Bd.  XIX, 
S.  451  —492,  Bd.  XX,  S.  1  —  78)  eine  Untersuchung  und 
Beschreibung  der  in  den  Lavaströmen  von  Niedermendig 
und  Mayen  vorkommenden  Mineralien.  Leider  vereitelte 
die  Uebersiedlung  DresseTs  nach  Quito  die  Ausfuhrung 
jener  Arbeit.  Als  vor  einer  Reihe  von  Jahren  Hr. 
Dressel  die  von  ihm  gesammelten  Vorkommnisse  aus 
jenen  Strömen  mir  zeigte,  wurde  meine  Aufmerksamkeit 
auf  ein  Stück  dichten  Kalks  gelenkt,  einen  Einschlufs  aus 
jeuer  Lava,  auf  dessen  Oberfläche  und  in  dessen  Klüften 
feine  wasserhelle  Nadeln  eines  dem  äufsern  Ansehen  zu- 
folge Mcsotyp  -  ähnlichen  Minerals  aufgewachsen  waren. 
Da  diese  Krystalle  bei  ihrem  Flächenglanz  trotz  ihrer  Klein- 
heit genaue  Messungen  zu  gestatten  scliienen,  so  erbat  ich 
von  Hrn.  Dressel  ein  Stückchen  jenes  Kalkeinschlusses, 
um  durch  genauere  Bestimmung  der  Prismen  einen  kleinen 
Beitrag  zu  der  von  Dressel  beabsichtigten  Arbeit  zu 
liefern.  Als  ich  nach  Verlauf  längerer  Zeit  die  kleinen 
Nadeln  (Länge  1—4  Mm.;  Dicke  ^-jMm.)  genauer 
betrachtete,  nahm  ich  wahr,  dafs  sie  dem  Anscheine  nach 
eine  Combination  des  hexagonaleu  Prisma's  mit  der  Basis 
bilden.    Da  die  Vermuthung,  dafs  hier  Nephelin,  Apatit 


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oder  Aragonit  vorliege,  sich  nicht  bewahrheitete,  so  mussten 
die  Krystalle,  weil  wahrscheinlich  einem  neuen  Mineral 
angehörig,  ein  erhöhtes  Interesse  erwecken.  Es  gelang, 
dieselben  am  Fernrohrgoniometer  genau  zu  messen. 

Krystallsystem  hexagon.il  Axenverhältnifs  a  (Seitenaxe) 
:  c  (Verticalaxe)  =  1  :  1,8993.    Beobachtete  Formen: 

(o  :  a  :  oo  a  :  c),  P 
(a  :  a  :  oo  a  :  oo  c),  oo  P 
(oo  a :  oo  a  :  oo  a  :  c),  0  P. 
Der  Berechnung  wurde   zu  Grunde  gelegt  die  ge- 
messene Neigung  der  Basis   zu   einer  Dihexaederfläche 
=  114°  24'. 

Daraus  berechnet  sich  die  Endkante  von  P=  124°  56 j' 

„      „  Seitenk.      „    P=131  12 
Neigung  der  Flächen  P  zur  Verticalen  24  24 

„        „    Endkanten  P  zur  Verticalen      =  27  46. 

Die  Kanten  des  Prismas  wurden  genau  =  120°,  die 
Combinationskante  von  oo  P  :  0  P  genau  =  90°  gemessen. 
Spaltbar  parallel  der  Basis,  deutlich.  Spec.  Gewicht  nach 
zwei  Versuchen  2,51  und  2,57.  Glasglänzend.  Härte 
etwa  gleich  Apatit.  Die  wasserhellen  Prismen  brausen 
nicht  im  Geringsten  mit  Säuren.  Im  Kolben  erhitzt,  geben 
sie  reichlich  Wasser,  werden  dabei  weifs  und  glanzlos. 
V.  d.  L.  krümmen  sich  die  feinen  Nadeln  wurmähnlich 
(gleich  dem  Skolezith),  schmelzen  aber  nur  schwer  an  den 
Spitzen.  Auflöslich  in  Chlorwasserstoffsäure  6owohl  im 
ungeglühten  als  im  geglühten  Zustande  unter  Abschei- 
dung  der  Kieselsäure  im  gallertartigen  Zustande.  Die 
qualitative  Prüfung  ergab  Kieselsäure,  wenig  Thonerde, 
Kalk,  Natron  und  Wasser.  Zur  quantitativen  Analyse 
stand  nur  eine  kleine  Menge  (0,26  Gr.)  zur  Verfi&gung. 
Dieselbe  bestand  zum  allergröfsten  Theile  aus  wasserhellen 
Krystallnadeln,  dazu  aus  einer  kleinen  Menge  der  wasser- 
hellen strahligen  Rinde,  welche  —  wesentlich  aus  den- 
selben Nadeln  gebildet  —  den  frei  ausgebildeten  Prismen 
zur  Unterlage  diente.  Wie  ich  später  fand,  war  diese 
strahlige  Rinde  nicht  vollkommen  frei  von  eingemengtem 


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kohlensaurem  Kalk,  sodafs  im  Glühverluste  sich  etwas 
Kohlensäure  verbirgt.  Es  wurden  folgende  Bestaudtheile 
quantitativ  bestimmt:  Wasser  mit  etwas  Kohlensäure  (aus 
dem  Glühverlust)  =  16,4  Proc,  Kieselsäure  25,4,  Thon- 
erde  4,0,  Kalkerde  44.7.  Der  Verlust  wird  zum  Theil 
durch  einen  Gehalt  an  Natron  bedingt.  Die  Kieselsaure 
wurde  auf  ihre  Reinheit  durch  Verflüchtigung  mit  Flufs- 
säure  geprüft.  Das  durch  seine  Form  und  Mischung  sich 
als  neu  erweisende  Mineral,  dessen  Analyse  wegen  fehlen- 
den Materials  filr  jetzt  leider  nicht  wiederholt  werden 
konnte,  ist  vielleicht  als  eine  Verbindung  eines  Kalksili- 
kats mit  einem  Kalkhydrat  aufzufassen. 

Für  dies  Mineral,  dessen  genauere  chemische  Analyse 
vorbehalten  bleiben  mufs,  erlaube  ich  mir  den  Namen 
Chalkomorphit  vorzuschlagen,  welcher  die  Bildung  des- 
selben aus  dem  Kalkei nschlufs  der  Lava  andeuten  soll. 
Da  Kalkeinschlüsse  in  der  Lava  von  Mayen  und  Nieder- 
mendig nicht  ganz  selten  sind,  so  gelingt  es  vielleicht 
bald,  das  Mineral  wieder  aufzufinden  und  seine  Zusammen- 
setzung genauer  zu  ermitteln.  Noch  ist  zu  bemerken, 
dafs  in  andern  Kalkeinscblüssen  der  Niedermendiger  Lava 
kleine  haarfeine  seidenglänzende  Prismen  vorkommen,  welche 
(kieselsäurefrei)  dem  Chalkomorphit  nicht  angehören1). 

1)  Das  neue  Mineral  wurde  bereits  wieder  gefunden  durch  Hrn.  Srud. 
Joh.  Lehmann  aus  Königsberg,  in  einem  Kalkcinschlusse  der  Nieder- 
mendiger  Lava,  leider  in  nur  geringer  Menge. 

Anmerkung  1.  Untersuchung  eines  Kalknatron/eldspatha  ans  einer 
Lava  des  Hochlandes  von  Quito  (Ergänzung  zu  No.  50  und  65  dieser  Mitth.). 
Noch  vielfach  ist  bekanntlich  die  Ansicht  verbreitet,  dafs  die  Vulkane  des 
äquatorialen  Amerika  keine  Lavaströme  ergossen  hätten,  ein  Irrthum, 
welcher  vorzugsweise  aus  einem  Ausspruche  J.  B.  BousBingault's  ent- 
sprungen ist.  „ Nirgend  beobachtet  man,  schreibt  B.  an  Humboldt  in 
diesem  Lande  (Ecuador)  Etwas,  was  anf  einen  Lavastrom  schliefsen  lassen 
könnte.  Niemals  ist  aus  diesen  Kratern  etwas  Anderes  ausgeworfen  worden, 
als  Schlammraassen ,  elastische  Flüssigkeiten  und  glühende  mehr  oder 
weniger  verschlackte  Trachytblöckc ,  welche  oft  in  beträchtliche  Ent- 
fernungen geschleudert  wurden"  (v.  Humboldt,  Kleinere  Schriften  I, 
S.  200).  Die  Mittheilungen,  welche  bereits  durch  die  HH.  Dr.  Reifs 
und  Stübel,  sowie  durch  Hrn.  Prof.  Wolf  in  Quito  über  ihre  wichtigen 
geologischen  Untersuchungen  des  Hochlandes  von  Quito  nach  Europa 


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gelangt  sind,  haben  jenen  Aussprach  des  französischen  Reisenden  nicht 
bestätigt.  Wolf,  durch  seine  Arbeiten  im  Laachor  Gebiete  trefflich  vor- 
bereitet n  Untersuchungen  auf  jenem  gröfseren  Schauplatz,  schreibt  (d.  d. 
Quito  1.  Febr.  73).  „Alle  ecuadorischen  Vulkane,  seyen  sie  thätig  oder 
erloschen,  —  der  Chimborazo  nicht  ausgenommen  —  weisen  die  schönsten 
und  deutlichsten  Lavaströme  auf;  ja  ich  behaupte  noch  mehr:  die  meisten, 
wenn  nicht  alle  jene  Vulkane  sind  der  Hauptsache  nach  aus  Lavaströmen 
aufgebaut.  Es  dürfte  schwer  seyn,  in  der  Welt  schönere  und  grofsartigere 
Lavaströme  zu  finden  als  am  Antisana,  die  zudem  noch  ganz  frisch  und 
wahrscheinlich  im  vorigen  Jahrhundert  geflossen  sind,  —  gar  nicht  zu 
reden  von  den  wundervollen  aber  altern  Perlit-  und  Obsidianströmen 
desselben  Vulkans.  —  Der  ganze  Fufs  des  Chimborazo  ist  von  radial- 
laufenden Lavaströmen,  meist  mit  schöner  Säulenabsondcrung,  umgeben.4* 
In  einer  reichen  Sammlung  ecuadorischer  Gesteine,  welche  Wolf  dem 
Kloster  Laach  verehrt  hatte,  sah  ich  Proben  der  Lavaströme  des  Tungu- 
ragua,  welche  über  Gneifs  geflossen  sind.  Die  Cordillerengesteine  jener 
Sammlung  bestehen  vorzugsweise  aus  dunklen,  fast  dichten  Trachyten. 
Eine  grofse  Monotonie  der  vulkanischen  Erzeugnisse  scheint  dort  zu 
herrschen.  Was  Hrn.  Wolf  am  Meisten  überraschte,  und  was  seine 
Sammlung  bewahrheitet,  ist  das  fast  vollständige  Fehlen  von  Drnsenmine- 
ralien  oder  mineralreicher  Auswürflinge.  Als  ein  Unicum  erwähnt  Wolf 
einen  im  Bimmsteintuff  gefundenen  Block  mit  kleinen  aufgewachsenen 
Plagioklaskrystallen.  —  Unter  den  erwähnten  Andesgesteinen  zog  ein 
schwarzer  Trachyt  meine  Aufmerksamkeit  auf  sich  wegen  der  darin  aus- 
geschiedenen, bis  4  Mm.  langen,  I  Mm.  dicken  Plagioklase.  Wolfs 
Etiquette  lautet:  „Andesitlava  von  einem  grofsen  Lavastrome  zwischen 
Riobaraba  und  dem  Tunguragua,  linke  Seite  des  Rio  Chamba,  von  Lang- 
langchi.  Strom  säulenförmig  zerklüftet,  die  Säulen  in  dünne  Platten  ab- 
gesondert; vom  mittleren  Theile  der  Höhe  ')."    Das  Gestein  enthält  in 

1)  „Wo  der  Weg  von  Riobamba  nach  dem  Tnnguragua  sich  in  dem  vul- 
kanischen Tuffe  stark  abwärts  nach  dem  Rio  Chambo  neigt,  steht 
plötzlich  links  eine  hohe  senkrechte  Lavawand  an,  das  Ende  eines 
Stroms,  der  sich  als  langgezogener,  mit  Tuff  bedeckter  Rücken  weit 
gegen  Westen  auf  das  Plateau  von  Riobamba  hinauf  verfolgen  läfst 
Die  Ausbruchsstelle  ist  mit  Tuff  bedeckt,  aber  der  Strom  scheint  von 
keinem  der  hohen  Berge  der  Gegend  herzukommen,  sondern  in  der 
Ebene  ausgebrochen  zu  seyn.  Der  gewaltige  Strom  hat  in  der  Mitte 
die  Höhe  von  wenigstens  30  Meter  und  eine  sehr  bedeutende  Breite 
(fast  |  St.) ;  er  ist  unten  in  2  bis  3  Meter  dicke  Pfeiler  abgesondert, 
die  sich  nach  oben  in  dünnere  Pfeiler  spalten.  Die  Oberfläche  des 
Stroms  ist  ganz  unregelmäfsig  in  kleine  Stücke  zerklüftet.  Er  zeigt 
mit  einem  Worte  die  Absonderung  der  Niedermcndiger  Mühlsteinlava. 
Unten  und  noch  in  der  Mitte  hat  der  Andesit  porphyrartigo  Textur, 
uach  oben  wird  er  immer  dichter  und  damit  dunkler  (mit  sehr  kleinen 
Feldspathen) ,  bis  er  zuletzt  an  der  Oberfläche  in  poröse  schlackige 
Lava  übergeht.    Der  ganze  Höhenzug  auf  der  linken  Seite  des  Rio 


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einer  schwärzlichgrauen  Grandmasse  sehr  zahlreiche  wasserhelle,  tafelförmige 
Plagioklase,  welche  mit  ihrer  Tafelfläche  M  annähernd  parallel  liegen. 
Aufserdem  ist  bräunlichschwarze  Hornblende  und  fein  zertheiltes  Magnet- 
eisen vorhanden ;  weder  Augit  noch  Olivin.  Unter  dem  Mikroskop  löst 
sich  die  Grundmassc  in  ein  äufserst  feinkörniges  Gemenge  auf.  Die 
Plagioklase  zeigen  auf  das  Deutlichste  die  charakteristische  Streifung.  Da 
wir  bisher  nur  von  sehr  wenigen  vulkanischen  Gesteinen  der  Andeskette 
die  Mischung  der  sie  konstituirenden  Plagioklase  kennen ,  so  schien  es 
mir  von  Interesse,  die  Kry  stalle  der  Andesitlava  von  Langlangchi  zu 
analysiren.  Die  bisherige  Annahme,  dafs  in  den  Andesiten  stets  Oligo- 
klas  oder  ein  demselben  nahestehender  Plagioklus  vorhanden  sey  —  ver- 
bunden entweder  mit  Hornblende  (Amphibolandesit)  oder  mit  Augit  (Py- 
roxenandesit)  —  schien  mir  eine  genauere  Prüfung  zu  erheischen.  Mit 
Sorgfalt  wurden  2  Gr.  jener  Plagioklase  ausgesucht  und  einer  zweifachen 
Analyse  unterworfen. 


Plagioklas 

aus  der  Andesitlava  v 

on  Langlanchi. 

Spec. 

Gew.  2,604. 

Kein  Glühverlust. 

1 

H. 

Mittel 

Kieielsaure 

55,64 

55,64 

Ox.  29,67 

• 

Thonerde 

28,23 

28,15 

28,19 

13,16 

Eisenoxyd 

0,91 

1,13 

1,02 

0,30 

Kalk 

10,07 

9,52 

9,79 

2,80 

Magnesia 

0,19 

nicht  best.  0,19 

0,07 

Kali 

0,63 

0,63 

0,11 

Natron 

5,48 

5,48 

1,41 

100,94. 

Sehen  wir  von  dem  Eisen  ab,  welches  gewifs  nicht  zur  Constitution 
gehört,  sondern  fein  beigemengten  Eisenoxyden  angehört,  so  erhalten  wir 
folgende  Sauerstoffproportion 

(CaO  +  K.O,  Na.O):  A1,0,  :  SiOa  =  1,00 :  3  :  6,76. 

Diese  Mischung  entspricht  demnach  weder  einem  Oligoklas,  noch 
Andesin,  sondern  einem  labradorähnlichen  Plagioklas,  welchen  wir  au« 
1  Mol.  Albit  -+-  2  Mol.  Anorthit  uns  gebildet  denken  können,  eine  Ver- 
bindung, der  folgende  Mischung  entsprechen  würde: 

Kieselsäure  55,43;  Thonerde  28,49;  Kalk  10,35;  Natron  5,73  mit  der 
Sauerstoffproportion  1:3:  6f. 

Berechnen  wir  in  der  von  Rammeisberg  vorgeschlagenen  Weise 
die  beiden  Atomverhältnisse  Al2:Si  und  Na:  Ca,  nm  zu  sehen,  bis  m 
welchem  Grade  die  Analyse  mit  der  Theorie  Tschermak's  über  die 
Kalknatronfeldspathc  stimmt  (s.  d.  Mitth.  No.  65,  Ann.  Bd.  147,  S.  277), 
so  ergiebt  sich  das  durch  die  Analyse  gefundene  Verhältnifs  AI, :  Si 

Chambo ,  von  dem  grofsen  Lavastrome  au  bis  eine  Stunde  weiter 
unten,  heifst  Langlangchi,  die  Felswand  selbst  nannten  die  Indianer 
Pungaltuz.*    (Briefliche  Mitth.  Wolfs.) 


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381 


=  1  :  3,456.  Bei  einer  Mischling  von  1  Mol.  Alb.  -f-  2  Mol.  An.  würde 
dies  Verhültnifs  —  1  :  3,33  seyn.  Suppunircn  wir  (da  die  Abweichung 
kaum  die  Fehlergränzen  erreicht)  für  das  gefundene  dies  letztere  Verhült- 
nifs, so  resultirt,  nachdem  das  Magnesium  in  die  äquivalente  Menge  Cal- 
cium das  Kalium  in  Natrium  umgerechnet  ist,  dafs  durch  die  Analyse 
gefundene  Atomverhältnifs  Ca:  Na  =  1  :  1,06  ');  während  aus  der  ange- 
gebenen Mischung  1  Mol.  Alb.  -4-  2  Mol.  An.  folgen  würde  1:1.  Es  stimmt 
demnach  das  Verhältnifs  Al9  :  Si  sehr  nahe  zu  demjenigen  Ca  :  Na.  Die 
Lava  von  Langlangchi  stellt  sich  der  obigen  Analyse  zufolge  als  ein  La- 
brador-Andesit  dar  und  bestätigt  die  von  Roth  (Beitr.  z.  Petrogr.  d.  pluton. 
Gest.  Sep.  Abdr.  S.  192)  geäufserte  Ansicht:  „Weitere  Untersuchungen 
werden  wahrscheinlich  lehren,  dafs  eine  stetig  fortlaufende  Reihe  [zwischen 
Andesit  und  Dolerit]  vorhanden  ist.  Die  alte  Ansicht  nach  welcher  dio 
Amphibolandesite  Oligoklas,  die  Dolerite  Labrador  enthalten  sollen,  ist 
von  Neuem  zu  prüfen." 

Die  Frage  liegt  nahe,  weshalb  wir  die  ecuadorische  Lava  nicht  gleich 
den  Aetnalaven  zu  den  dolcri  tischen  Gesteinen  rechnen?  Indefs  jene  ent- 
hält keine  Augite  und  Olivine  (wie  Aetna),  sondern  zahlreiche  Hornblende- 
krystalle.  Dor  Labradorandesit  von  Langlangchi  bildet  offenbar  ein  Ver- 
bindungsglied zwischen  den  Doleriten  und  den  eigentlichen  Andesiten  oder 
Oligoklastrachyten. 

Anmerkung  2.  In  No.  63  dieser  Mittheilung  beschrieb  ich  Sanidin 
umrindete  Leucite  in  einem  vesuvischen  Auswürflinge  (8.  269);  eine  Er- 
scheinung, der  ich  damals  nichts  Analoges  zu  vergleichen  wufste.  Hrn. 
Hessenberg  verdanke  ich  die  Ansicht  eines  überaus  merkwürdigen 
vesuvischen  Auswürflings  seiner  Sammlung,  welcher  eine  ähnliche  Sanidin- 
Umhüllung  —  zwar  nicht  um  Leucit,  wohl  aber  um  Mejonit  —  darbietet. 

Mit  Krlaubnifs  meines  Freundes  darf  die  Beschreibung  dieser  Stufe 
hier  eine  Stelle  finden.  Die  Masse  des  Auswürflings  ist  ein  kleinkörniges 
Gemenge  von  braunem  Granat  und  wenig  Augit.  In  dasselbe  einge- 
bettet liegt  ein  circa  5  Ctm.  grofser,  2  Ctm.  dicker  quadratischer  Kry- 
stall.  Dieser  gigantische  Krystall,  welcher  sich  in  Bezug  auf  Spaltbarkeit 
und  Verhalten  v.  d.  L.  wie  Mejonit  verhält,  erscheint  im  Bruche  durch 
Einmengungen  von  Granat-  und  Augitkörnchen  auffallend  verunreinigt 
Die  Oberfläche  des  Krystalls  ist  durchaus  rauh  und  gerundet  in  Folge 
einer  Umrindung  mit  Sanidin,  welchem  sich  Sodalith  beigesellt.  Dieselbe 
Bildung  bekleidet  auch  die  Innenwand ungen  der  Höhlung,  welche  der  Me- 
jonit erfüllt,  —  in  genau  gleicher  Weise  wie  es  früher  beim  Leucit  ge- 
schildert wurde.  Die  feine  Kluft  zwischen  dem  eingeschlossenen  Krystall 
und  dem  Muttergesteine  verhält  sich  wie  ein  Drusenraum,  in  welchen  so- 

1)  Die  gefundene  Menge  des  Na  (+  der  äquivalenten  Menge  des  Ka) 
=  4,37  Proc,  diejenige  des  Ca  (-+-Mg)  =  7,16.  Dividirt  man  diese 
Zahlen  durch  die  betreffenden  Atomgewichte,  so  ergibt  sich  0,179  :  0,19, 
entsprechend  dem  obigen  Verhültnifs.  ( 


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382 


wohl  von  der  Krystalloberfläche  als  vom  umhüllenden  Gesteine  zierliche 
Gebilde  hineinragen. 

Unter  denselben  bemerkt  man  eine  zweifache  Formation  von  Sanidin, 
deren  erste  otwas  gröfsere  Krystalle  aufweist,  fast  sämintlich  Zwillinge 
und  Drillinge,  deren  Zwillings-Ebene  die  Flache  n  ist  (Bavenöer  Gesetz); 
während  die  zweite  aas  sehr  kleinen  tafelförmigen  Krystallcn  besteht, 
Zwillingen,  deren  Drehungsaxe  die  Verticale  (Carlsbader  Gesetz).  Häufig 
sieht  man  an  diesen  letzteren  P  und  x  neben  einander,  fast  —  doch  nicht 

vollkommen  —  in  Einer  Ebene.  Durch  ungewöhnliche  Gröfsc,  durch  die 
Sanidin-Umhüllung  und  sein  Eingewachsenseyn  unterscheidet  sich  der  ge- 
schilderte Mejonit  von  den  bisher  beobachteten  vesuvischen  Vorkommnissen 
dieses  Minerals. 

Anmerkung  3.  Prof.  N.  Story-Maskolync  las  im  Januar  1871 
in  der  Royal  Society  eine  ausgezeichnete  Arbeit  über  den  Meteoriten  von 
Breitenbach,  in  welcher  er  über  seine  Entdeckung  einer  neuen,  im 
rhombischen  System  krystallisirenden  Kieselsäure  berichtete.  Er  gab  dieser 
Substanz,  welche  einen  wesentlichen  Gemengtheil  des  genannten  Meteoriten 
bildet,  den  Namen  Asmanit  (nach  dem  Sanskrit -Wort  für  Donnerkeil). 
Obgleich  bereits  mehr  als  zwei  Jahre  seit  der  Entdeckung  Maskelyne's 
verstrichen  sind,  so  scheint  dieselbe  doch  nicht  allgemein  bekannt  und 
anerkannt  zu  seyn.  Es  dürften  demnach  einige,  die  Angaben  Maskelyne's 
bestätigende  Mittheilungen  nicht  unwillkommen  seyn.  Ich  glaube  mich 
zu  denselben  um  so  mehr  verpflichtet,  da  Hr.  Maskelyne  nicht  nur  die 
Güte  hatte,  mir  an  einem  von  ihm  geschliffenen  Plättchen  die  optische 
Zweiaxigkcit  des  Asmanits  zu  zeigen,  sondern  mir  auch  etwa  zwei  Gr's. 
der  sorgsam  ausgesuchten  seltenen  Substanz  zu  verehren.  Der  Meteorit 
von  Breitenbach  (gefunden  1861  in  Böhmen  nahe  der  sächsischen 
Gränze,  unfern  Rittersgrün)  besitzt  eine  Grundmasse  von  Nickeleisen  (zu- 
folge der  Analyse  Maskelyne's  bestehend  aus:  Eisen  19,43.  Nickel  9,28. 
Cobalt  0,29),  in  welcher  Broncit,  Asmanit,  Chromeisen  uud  Troilit  ausge- 
schieden sind.  Der  Broncit  bildete  den  Gegenstand  einer  bewunderns- 
werthen  Arbeit  von  V.  von  Lang  (Sitzungsber.  d.  k.  Ak.  d.  Wissensch. 
11.  Abth.  1869,  April-Heft).  Es  ist  derselbe  Broncit,  welcher  in  seinen 
Winkeln  eine  fast  vollkommene  Uebereinstimmung  mit  dem  Hypersthen 
von  Laach  zeigt  Der  Asmanit  bildet  gerundete  Krystallkörner,  dereu 
Gröfse  1  bis  3  Mm.  beträgt.  Diesen  Körnern  sind,  wenngleich  nur  selten, 
glatte  Facetten  gleichsam  eingedrückt  Die  krystallinische  Ausbildung  des 
Asmanits  ist  demnach  ähnlich  derjenigen  des  Bronzits  aus  demselben 
Meteoriten,  oder  des  Olivins  ans  dem  Pallaseisen.  In  gerundeten  Formen 
mit  einzelnen  eingedrückten  Flächcntheilen  zu  krystallisiren ,  scheint  den 
aus  gediegenem  Eisen  sich  ausscheidenden  Silicaten  gemeinsam  zu  seyn. 
Im  Vergleiche  mit  den  Körnern  des  Bronzits  und  Olivins  tragen  indefs 
die  Kugeln  des  Asmanits  nur  selten  ebene  Facetten,  und  diese  nur  von 
geringer  Ausdehnung.    Die  Asmanitkörner  sind,  besonders  an  ihrer  Ober- 


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383 


fläche,  überaus  spröde.  Wie  bereits  Maskelyne  bemerkt,  lost  sich  zu- 
weilen von  einem  inneren  weniger  spröden,  deutlich  spaltbaren  Kern  eine 
äufsere  sehr  zerbrechliche  Schale  ab.  Maskelyne  glaubt  diese  Ver- 
schiedenheit der  plötzlichen  Einwirkung  einer  hohen  Hitze  zuschreiben  zu 
müssen,  welche  durch  die  schwammige  Masse  des  Eisens  geleitet  auch 
die  Oberßäche  der  im  Innern  des  Meteoriten  liegenden  Asmanitkörner 
erreichen  konnte.  Indem  ich  auf  die  sorgsame  und  mühevolle  krystallo- 
graphische  Untersuchung  Maskelyne 's  verweise,  welcher  aus  den  iso- 
lirten  Facetten  eine  Krystallform  ableitete  in  ähnlicher  Weise  wie  es  durch 
von  Lang  für  den  Broncit  geschehen,  —  füge  ich  nur  die  Bemerkung 
hinzu,  Ja  Ts  die  von  mir  wahrgenommenen  Facetten  nicht  im  Entferntesten 
weder  an  Formen  des  Quarzes  noch  an  solche  des  Tridymits  erinnern. 
Das  mir  vorliegende  Material  besteht  vorzugsweise  aus  Fragmenten  von 
kleinen  Kugeln  und  läfst  die  von  M aske lyn e  angegebenen  Spaltbarkeiten 
—  eine  sehr  deutliche  und  eine  zweite  weniger  vollkommene,  beide  normal 
zu  einander  —  erkennen. 

Das  spec.  Gewicht  des  Asmanits  bestimmte  ich  =  2,247,  genau  über- 
einstimmend mit  der  Wägung  Maskelyne 's  2,245.  Die  meteorische 
Kieselsäure  ist  demnach  noch  etwas  leichter  als  der  Tridymit  (2,30). 

Obgleich  Maskelyne  bereits  die  chemische  Mischung  des  Asmanits 
in  zwei  Analysen  (bei  der  einen  wurden  0,31 1  Gr.  mit  reiner  Fluorwasser- 
stoffsäure destillirt  und  die  Kieselsäure  berechnet  aus  Fluorkieselkalium; 
bei  der  andern  geschah  die  Aufschliefsung  von  0,265  Gr.  durch  Fluor- 
ammonium und  die  Kieselsäure  wurde  aus  dem  Verlust  bestimmt)  ermittelt 
hatte,  so  schien  mir  bei  dem  hohen  Interesse  des  Gegenstandes  eine 
wiederholte  Bestimmnng  durch  Aufschliefsen  mittelst  kohlensaurem  Natron 
nicht  ganz  überflüssig.  Der  Asmanit  erleidet  selbst  bei  heftigstem  Glühen 
nicht  den  mindesten  Gewichtsverlust.    Die  Analyse  von  0,271  Gr.  ergab: 

Kieselsäure    96,3  Proc. 

Eisenoxydul    1 ,6 

Magnesia  1,1 
99,0. 

Die  kleinen  Mengen  von  Eisen  und  Magnesia  röhren  ohne  Zweifel 
von  etwas  beigemengtem  Bronzit  her,  welcher  bei  seiner  zuweilen  äufserst 
lichtgrünlichen  Farbe  nicht  immer  leicht  vom  farblosen  Asmanit  zu  scheiden 
ist.  Kalk  konnte  ich  nicht  in  wägbarer  Menge  nachweisen.  Die  Analyse 
Maskelyne's  hatte  ergeben:  Kieselsäure  97,43.  Eisenoxyd  1,12.  Kalk 
0,5S.    Magnesia  1,51.    Summa  100,64. 

Nach  Maskelyne  ist  die  meteorische  Kieselsäure  in  einer  Auflösung 
von  kohlensaurem  Natron  fast  ebenso  unlöslich  wie  Quarz. 

Ks  möchte  demnach  nicht  dem  geringsten  Zweifel  unterliegen,  dafs 
der  Asmanit  ein  dritter  eigenthümlicher,  krystallinischer  Zustand  der  Kiesel- 
säure ist,  ebenso  bestimmt  verschieden  vom  Quarz  als  vom  Tridymit. 
Wenn  die  Krystalle  des  Quarzes  in  den  meisten  Vorkommnissen  unzweifel- 


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384 


huft  aus  wässerigen  Losungen  abgeschieden  sind ,  wenn  der  Tridymit  als 
ein  charakteristisches  Drusenniineral  vulkanischer  Gesteine  zu  seiner  Ent- 
stehung die  Mitwirkung  von  Dämpfen  zu  erheischen  scheint:  so  liegt  im 
Asmanit  vielleicht  die  aus  feurigem  Flusse  erstarrte  krystallinische  Riesel- 
säure vor.  Es  ist  bisher  bekanntlich  noch  nicht  gelungen,  geschmolzene 
Kieselsäure  krystaltinisch  erstarren  zu  lassen.  Wenn  es  gelänge,  so  würde 
sich  vielleicht  Asmanit  bilden. 

Die  Körner  des  Asmanit's  sind  in  dem  Meteoriten  von  Breitenbach 
nur  schwierig  wahrzunehmen,  da  sie  von  einem  durch  Verwitterung  des 
Meteoreisens  gebildeten  Anfluge  bedeckt,  und  rostbraun  bis  schwarz  gefärbt, 
sich  von  den  Körnern  des  Bronzits  nicht  leicht  unterscheiden  lassen.  Ein 
Gleiches  gilt  von  den  mit  Breitenbach  wohl  identischen  Meteoriten  von 
Rittersgrün  und  Steinbach.  Behandelt  man  aber  die  Silikate  dieser 
Meteoriten  mit  verdünnter  Chlorwasserstoffsäure,  so  tritt  die  Verschieden- 
heit der  lichtgrünen  Körner  des  Bronzits  und  der  farblosen  des  Asmanits 
deutlich  hervor.  —  Maskelyne  erwähnt  in  seiner  Arbeit,  dafs  bereits 
Part  sc  h  in  seiner  Beschreibung  der  Meteoriten  des  k.  k.  Hofmin.  Cab. 
1843,  S.  95  mit  dem  Steinbach -Meteoriten  ein  Fragment  identificirt, 
dessen  Bestandteile  in  einer  alten  Etiquette  angegeben  waren  „gediegenes, 
zahnicht  und  zackicht  gewachsenes  Eisen  mit  körnichtem  Quarz  und  gelb- 
lichtem  Flufsspath." 

Es  darf  hier  daran  erinnert  werden,  dafs  aufser  in  den  genannten 
wahrscheinlich  Einem  Falle  zugehörigen  Meteoriten  Breitenbach  — 
Steinbach  —  Rittersgrün  Asmanit  bis  jetzt  in  keinem  andern  Aero- 
lithen  beobachtet  worden  ist,  dafs  aber  Quarz  durch  G.  Roso  in  der 
oxydirten  Rinde  einer  Eisenmasse  von  Toluca  (doch  wie  G.  Rose  aus- 
drücklich bemerkt  als  ursprüngliches  Gebilde  des  Meteoriten)  aufgefunden 
wurde. 

Anmerkung  4.  Hr.  Maskelyne,  dessen  zuvorkommende  Führung 
in  den  so  reichen  Schätzen  der  Min.  Sammlung  des  British  Museum  ich 
mit  grofsem  Danke  anerkenne,  hatte  die  Güte,  mir  eine  Quarzstufe  aus 
Indien  zu  zeigen,  welche  —  weil  sie  eine  vielleicht  einzigartige  Erscheinung 
darbietet  —  wohl  eine  Erwähnung  verdient.  Die  betreffende  Stufe  schien 
das  gerundete  Ende  einer  stalaktitischen  Quarzmasse  darzubieten;  sie  ist 
einerseits  durch  eine  angeschliffene  Fläche  begränzt  und  besteht  an  ihrem 
zapfenförmigen  Ende  aus  einer  bedeutenden  Zahl  etwa  1  Ctm.  grofsen 
Quarzkrystnllen,  welche  unrcgelmäfsig  neben  einander  gruppirt  sind.  Blickt 
man  auf  die  Krystallgruppe ,  so  wird  man  durch  ein  herrliches  Farben- 
spiel überrascht,  welches  von  vielen  Thcilen  der  Krystalle  ausgeht  und 
dieselben  in  den  verschiedenen  Regcnbogeufarben  erscheinen  läfst  —  in 
einer  Weise,  welche  ich  niemals  bei  Quarzen  beobachtet.  Bei  näherer 
Untersuchung  ergibt  sich  alsbald,  dafs  der  schöne  Farbcnschiller  in  Ebenen 
liegt,  parallel  zu  den  Flächen  des  Gegenrhomboeders.  Der  Schiller  geht 
nicht  von  der  Oberfläche  aus,  erscheint  demnach  auch  an  denjenigen  Kry- 
stallen,  welche  die  Flächen  des  Gegenrhomboeders  nur  sehr  untergeordnet 


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385 


zeigen.  Blickt  man  auf  einen  dieser  Quarzkrystalle  in  einer  solchen  Rich- 
tung, da  f.-  eine  Fläche  von  —  R  glänzen  würde,  so  leuchtet  der  bunte 
Farbenschein.  Die  Krystalle  sind  nun  nicht  einfach,  sondern  zum  Theil 
aus  vielen  Krystallstücken  zusammengesetzt,  etwa  nach  Art  der  bekannten 
gefleckten  Bergkrystalle  aus  den  Alpen.  Während  man  bei  diesen  letztern 
durch  sorgsames  Unterscheiden  von  Matt  und  Glänzend  die  polysynthetische 
Zusammensetzung  wahrnehmen  kann,  welche  Ley  d olt  gelehrt  hat,  durch 
Behandlung  der  Quarze  mit  Fluorwasserstoffsäure  auch  dann  dem  Auge 
wahrnehmbar  tn  machen,  wenn  die  natürliche  Beschaffenheit  der  Krystalle 
dies  nicht  gestattet:  —  so  zeigen  die  Quarze  des  indischen  Stalaktiten 
die  bekannte  Zwillingsverwachsung  (durch  Verbindung  gleichartiger  Indi- 
viduen in  verschiedener  Stellung)  in  einer  wahrhaft  leuchtenden  Weise. 

Berichtigung.  In  der  No.  44  dieser  Mitth.  über  das  Krystallsystem 
des  Humits  (s.  d.  Ann.  Ergbd.  V)  ist  statt  des  Winkels  21°  ^6' 56"  zu 
setzen  27"  34  50",  und  statt  20°  2' 34'  25°  36' 4".  Den  damals  irrtüm- 
lich angegebenen  Winkeln  liegt  nämlich  -  wie  Hr.  Geheimrath  Prof. 
C.  Naumann  die  Güte  hatte  mir  mitzutbeilen  —  eine  Verwechslung 
mit  den  Winkeln  des  dritten  Typus  zu  Grunde. 


Erklärung  der  Tafel. 

Fig.  1  —  10.  Leucite.  —  Fig.  1.  Krystalle  mit  eingeschalteten  Zwillings- 
lamellen. 

Fig.  2.  Einfacher  Krystall,  o  =  P,  t  =  4  P2,  u  =  2  Poo,  m  =  co  P. 
Fig.  3.  Zwilling,  Zw.-Ebene  eine  Fläche  2Pc«. 

Fig.  4,  5,  6  Zwillinge,  die  verschiedene  Lage  der  Begränzungsfläche 
zeigend. 

Fig.  7.  Krystall  des  Hrn.  Dr.  Ewald. 

Fig.  8.  Drilling  aus  der  Berliner  Sammlung. 

Fig.  9  und  10.  Krystalle  aus  der  neapolitanischen  Sammlung;  poly- 
synthetisch, zum  Theil  mit  sich  durchsetzenden  Zwillitigsgränzcn. 

Fig.  11  —  18.  Augitkry stalle  vom  Vesuv.  —  Fig.  1 1  die  gelbe  Varietät, 
12  die  fassaitähnliche  Varietät,  13  die  diopsidähulichc  Varietät,  14  u.  15 
die  weifse  Vurietät,  16  die  dunkelgrüne  Varietät,  17  und  18  die  schwarze 
und  grünlichschwarze  Varietät. 

Fig.  19.  Jordanitkrystall  aus  dem  Binnenthale  im  Besitze  des  Hrn. 
Dr.  Jordan  in  Saarbrück. 

Fig.  20a  und  6.  Schwefelzwillinge  von  Roccalmuto  in  Sizilien,  Zw.- 
Ebene  eine  Fläche  des  Makrodomas  Poo. 

Fig.  21.  Zwei  Schwefelgrundformcn  in  der  Zwillingsstellung  mit  ein- 
gezeichneter Zwillingsebene  (und  Verwachsungsfläche). 

Fig.  22.  Tetraedrischc  Schwcfelkrystalle  von  Roccalmuto. 

Fig.  23.  Eigenthümlich  verzerrte  Schwcfelkrystalle  von  Roccalmuto. 

Poggendorff g  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  25 


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386 


Fig.  24,  24«.  Glimmer  vom  Vesov  mit  monoklinem  Habitus. 
Fig.  25.  Arcanit  (Kalisulfat)  von  Koccalmuto. 

Fig.  26a  und  b.  Penetrations  -  Drilling  von  Arcanit,  von  Arragooit- 
ähnlichem  Ansehen. 

Fig.  27.  Juxtappositionsdrilling  von  Arcanit 

Fig.  28.  EpidoUwilUng,  mit  der  Fläche  ij  =  \P\. 


II.    Photometrische  Untersuchungen; 
von  C.  Hohn. 

m 

Die  Zusammensetzung  des  Lichts  verschiedener  Her- 
kunft ist  mittelst  des  Spectralapparats  vielfach  qualitativ 
untersucht  worden;  es  ist  aber  äufserst  wenig  über  das 
Verhältnifs  bekannt,  in  welchem  ein  und  dieselbe  Licht- 
art in  verschiedenen  Mischlichtern  vorkommt  und  über 
das  Verhältnifs  der  Stärke  der  Empfindung,  welche  die 
einzelnen  Bestandteile  eines  Mischlichtes  hervorbringen. 
Ich  habe  mich  um  eine  quantitative  Analyse  des  Lichtes 
und  um  eine  Vergleichung  der  Empfindungsstärke  ungleich- 
artiger Heiligheiten  bemüht.  Leider  war  es  mir  nicht 
möglich,  die  Arbeit  zum  Abschliefsen  zu  bringen  und  ich 
kann  sie  vor  Jahresfrist  nicht  fortsetzen.  Daher  entschliefst' 
ich  mich  in  einer  vorläufigen  Mittheiluug  den  Grundge- 
danken zu  der  letctgenannten  Untersuchung,  dann  die 
Methode  und  einige  Ergebnisse  der  erstgenannten  zu  ver- 
öffentlichen. 

Der  Vergleichung  der  Stärke  ungleichartiger  Empfin- 
dungen lege  ich  die  Annahme  zu  Grunde:  gleichzeitige 
Reize  verursachten  Empfindungen,  welche  einander  nicht 
beeinflussen,  die  also  einzeln  genommen,  gerade  so  stark 
seyen,  als  wenn  die  Reize  zeitlich  getrennt  erfolgten. 
Diese  Annahme  ist  der  bekannten  Wahrheit  nachgebildet, 
dafs  die  Wirkungen  gleichzeitig  an  demselben  Körper 
thätiger  Kräfte  unabhängig  von  einander  sind,  dafs  Bewe- 


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387 


guugen  gleichzeitig  neben  einander  besteben  und  sieb  über 
einander  lagern  können. 

Zwei  Lichtarten  sollen  aus  denselben  zwei  einfachen 
Bestandteilen  zusammengesetzt  seyn,  diese  aber  in  ver- 
schiedenem Verhältnifs  enthalten.  Dann  haben  diese  Lichter 
nicht  identische  Farbe,  doch  mag  der  Farbenunterschied 
klein  genug  seyn,  dal's  mittelst  des  Schattenphotometers 
oder  einer  ähnlichen  lichtmessenden  Vorrichtung  das  Hellig- 
keitsverhältnils ermittelt  werden  kann.  Die  Strahlen,  deren 
gleichzeitiges  Einwirken  die  Empfiudung  der  ersten  Misch- 
farbe in  der  Stärke  J  hervorrufen,  sollen  einzeln  für  sich 
die  Empfindungen  A  und  B  erzeugen,  während  die  Coin- 
ponenten  der  zweiten  Mischfarbe,  deren  Intensität  J,  sey, 
einzeln  die  Empfindungen  aA  und  62?,  von  derselben  Art, 
wie  A  und  ß,  aber  von  anderer  Stärke,  veranlassen.  Nach 
unserer  Annahme  ist  dann 

J  =  4+  B 

J,  =saA  +  bB. 
Gab  die  unmittelbare  photometrische  Vergleichung  des 
Mischlichtes  ähnlicher  Farbe 

J^mJ 
so  ergibt  sich  das  Verhältnifs 

A       b  —  m 

B        m  —  a 

Vergleicht  man  Lichtarten  aus  drei  homogenen  Strahlen 
und  hat  man  deren  drei  von  qualitativ  gleicher,  quantitativ 
verschiedener  Zusammensetzung,  so,  dafs  die  entstehenden 
Mischfarben  noch  ähnlich  genug  sind,  um  ihr  Stärkever- 
hältnifs  mit  den  gewöhnlichen  Photometern  finden  zu 
können,  so  sey  gefunden: 

t/j^tfij«/;  J,  =  /;/.J. 
Nach  Annahme  ist: 

J  =     A-h     B-+-  C 
J,  =  a,  A  +  bxB  -H  c,  C 
J%  =  a  ,  A  -h  62  B  -4-  c.t  C. 
Aus  diesen  fünf  Gleichuugen  lassen  sich  die  Verhält- 
nisse 4  und  4  berechnen.  ae . 


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368 


Aebnlich  wird  man  aus  vier  homogenen  Strahlen  vier 
verschiedene,  aber  zur  photometrischen  Vergleichung  noch 
hinlänglich  ähnliche  Mischfarben  zusammensetzen  und  durch 
deren  Analyse  und  Vergleichung  unter  einander  die  Stärke 
von  vier  verschiedeuartigen  Farbenempfindungen  nach  einer- 
lei Maals  ausdrücken  können.  Und  so  weiter  mit  fünf, 
sechs  .  .  .  Lichtarten. 

Bunte  Gläser  oder  Flüssigkeiten  ähnlicher  Färbung, 
ja  schon  die  Anwendung  einer  und  derselben  farbigen 
Substanz  in  verschiedener  Dicke,  werden  gestatten  ziem- 
lich einfach  und  qualitativ  gleich  zusammengesetzte  Licht- 
arten zu  erhalten,  die  ihrer  Stärke  nach  unmittelbar  ver- 
glichen und  einzeln  analysirt  werden  können.  So  sind 
mit  einer  Reihe  von  blauen,  violetten,  purpurnen,  rothen 
Gläsern  passende  Lichtarten  herstellbar. 

Ist  die  an  die  Spitze  gestellte  Annahme  der  Unab- 
hängigkeit gleichzeitiger  Empfindungen  zulässig,  so  wäre 
es  möglich  die  Farbenempfindungen  verschiedener  Art 
quantitativ  zu  vergleichen,  wie  sie  den  objektiven  Inten- 
sitätsverhältnissen der  erzeugenden  Strahlenarten  in  einem 
Normallichte  entsprechen.  Als  Vorarbeit  ist  die  Bestim- 
mung der  Verhältnifszahlen  a,  6,  c  .  .  .  erforderlich,  welche 
die  relative  Stärke  gleichartiger,  durch  homogene  Strahlen 
hervorgerufener  Empfindungen  messen. 

Die  hiermit  gestellte  Aufgabe  oder  Vorarbeit  löste  ich 
in  folgender  Weise: 

Das  spectral-photometrische  Verfahren.  Vor  die  Spalte 
eines  Spectralapparats  ist  eine  Spiegelvorrichtung  gestellt, 
dadurch  erhalten,  dafs  ein  Reflexionsprisma  von  gleich- 
schenklig, rechtwinklig  dreiseitiger  Grundfläche  parallel 
dieser  durchschnitteu  und  die  Hälften  so  gegen  einander 
verdreht  wurden,  dals  eine  Kathetenfläche  der  einen  und 
eine  der  andern  Hälfte  in  dieselbe  Ebene  zu  liegen  kommen, 
nicht  aber  die  zwei  anderen  Kathetenflächen,  sondern  diese 
stehen  parallel,  —  die  Hypotenusenflächen  beider  Hälften 
also  rechtwinklig  gegen  einander.  Die  in  dieselbe  Ebene 
fallenden  Kathetenflächen  sind  der  Spaltöffnung  zugekehrt. 


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389 


Die  Figur  gibt  einen  Durchschnitt  des  Reflexionskörpers 
in  der  halben  Höhe,  die  punktirten  Striche  deuten  den 
Gang  der  Lichtstrahlen  an,  welche  von  den  zu  vergleichen- 


den  Lichtquellen  I  und  II  herkommen.  Diese  stehen  auf 
einer  Geraden,  welche  parallel  zur  gemeinsamen  und  recht- 
winklig zu  der  nicht  gemeinsamen  Kathetenfläche  geht. 
Die  Strahlen  der  Lichtquelle  I  (links),  welche  auf  die 
untere  Hälfte  des  Reflex ionskörpers  fallen,  treffen  recht- 
winklig auf  eine  Kathetenfläche,  gehen  ungebrochen  bis 
zur  Hypotenusenfläche,  können,  weil  der  Einfallswinkel 
von  45°  bei  Flintglas  den  Gränzwinkel  übersteigt,  nicht 
austreten,  sondern  werden  total  reflektirt,  gelangen  normal 
zur  zweiten  Kathetenfläche  und  gehen  durch  diese  in  die 
untere  Hälfte  des  Spalts.  Hingegen  treffen  die  von  der- 
selben Lichtquelle  ausgehenden  Strahlen,  welche  etwa 
nach  der  oberen  Hälfte  der  Spiegelungsvorrichtung  gelangen, 
dort  auf  eine  Hypotenusenfläche  unter  einem  Winkel  von 
45°,  werden  daselbst  gebrochen  und  kommen  nach  der 
dem  Spalt  zugekehrten  Kathetenfläche  unter  einen  Ein- 
fallswinkel von  beiläufig  73°,  können  also  nicht  austreten, 
sondern  werden  total  nach  der  zweiten  Kathetenfläche 
zurückgeworfen,  an  welcher  sie  unter  17°  einfallen,  dem- 
nach grofsentheils  gebrochen  werden  und  die  Spalte  nicht 
treffen.  Ein  Theil  des  Lichts  wird  jedoch  auch  an  dieser 
zweiten  Kathetenfiäche  reflektirt,  trifft  die  Hypotenusen- 
fläche mit  einem  Einfallswinkel  von  28n,  wird  zum  grolsen 
Theile  gebrochen,  verläfst  die  brechende  Ilypotenusen- 
fläche  unter  einem  Winkel  von  45°  und  hat  somit  gegen 
die  ursprüngliche  Richtung  eine  Drehung  von  180°  er- 
litten.  Ein  kleinerer  Theil  wird  an  der  Hypotenusenfläche 


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gespiegelt  und  trifft  unter  einem  Einfallswinkel  von  17* 
die  dorn  Spalte  zugekehrte  Kathetenfläche,  kann  aus  dieser 
austreten,  einen  Winkel  von  28°  mit  ihrer  Normale 
machend.  Dieses  Licht  hat  also  eine  Brechung  unter 
normaler  Incidenz,  eine  totale  Rcflexidh  und  zwei  Spiege- 
lungen unter  kleinem  Einfallswinkel  (17°  und  28°),  schlief»- 
lieh  eine  Brechung  erfahren,  ist  folglich  seiner  Helligkeit 
nach  sehr  geschwächt.  Der  gröfste  Theil  desselben  wird 
neben  die  Spaltöffnung  treffen,  da  sie  nicht  ganz  dicht 
hinter  der  Katheten  fläche  steht  und  die  austretenden 
Strahlen  diese  nicht  rechtwinklig  verlassen.  Was  von 
diesem  Lichte  allenfalls  in  die  Spalte  gelangt,  kommt  aber, 
weil  nicht  in  der  Axe  des  Spaltrohrs  gehend,  schliefslich 
doch  nicht  zum  brechenden  Prisma  des  Spectralapparats. 
Blenden  und  der  später  zu  erwähnende  Polarisations- 
apparat zwischen  der  Lichtquelle  und  dem  Reflexions- 
körper hindern  übrigens  fast  vollständig,  dafs  Licht  anders 
als  rechtwinklig  auf  die  Spiegelvorrichtung  falle.  Was 
von  dem  Lichte  der  Quelle  I  links  gesagt  wurde,  wäre 
von  dem  der  Quelle  II  rechts  unter  Vertauschung  der 
Worte  „unten"  und  „oben"  zu  wiederholen.  Man  kann 
daher  sagen,  die  untere  Spalthälfte  werde  aus  schliefslich 
vom  Licht  der  Quelle  I,  die  obere  nur  vom  Licht  der 
Quelle  II  beleuchtet.  Das  brechende  Prisma  entwirft  zwei 
Spectren  übereinander,  so  dafs  eine  Fraunhofer'sche 
Linie  des  einen,  die  genaue  Verlängerung  ist  der  gleich 
brechbaren  Linie  des  andern  Spectrums.  Die  obere  Spec- 
trumhälfte  ist  somit  die  Auseinanderlegung  des  Lichts  der 
einen,  die  untere  Hälfte  die  des  Lichts  der  anderen  Licht- 
quelle. 

Für  die  photometrische  Vergleichung  ist  es  wichtig, 
dafs  die  zu  vergleichenden  hellen  Stellen  einander  genau 
berühren,  weder  ein  hellerer,  durch  Uebereinanderfallen 
der  zwei  Stellen  entstehender,  noch  ein  nicht  beleuchteter 
Streifen  sie  trennt.  Um  das  genaue  Berühren  der  zwei 
Spectren  zu  erzielen,  hatte  ich  gewünscht  den  Reflexions- 
körper aus  einem  Stücke  Glas  zu  haben,  allein  dann  wäre 


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das  genaue  Schleifen  der  Flächen  nicht  ausfuhrbar  ge- 
wesen. Ich  liefs  die  Grundflächen  der  zwei  Prismen  gut 
poliren,  so  dafs  eine  äufserst  dünne  Kittschicht  für  die 
dauerhafte,  Verbindung  genügte.  Durch  einiges  Probiren 
findet  man  die  richtige  Neigung  des  Reflexionskörpers 
und  die  Stellung  der  Linsen  im  Spectralapparat,  für  welche 
kein  Querstreifen  zwischen  den  Spectrumhälften  auftritt, 
sondern  diese  sich  scharf  von  einander  abgränzen. 

In  dem  Beobachtungsfernrohr  des  Spectralapparats  ist 
an  Stelle  des  Fadenkreuzes  eine  Blende  eingelegt,  mit 
einer  feinen  Spalte  parallel  zu  den  Fraunhofer 'sehen 
Linien,  durch  welche  jeweils  nur  ein  sehr  schmaler  Be- 
zirk des  Spectrums  zu  übersehen  ist.  Diels  defshalb, 
weil  die  Vergleichung  der  Helligkeit  der  zwei  Hälften 
eines  Spectralstreifens  nicht  möglich  ist,  wenn  im  Gesichts- 
felde noch  andere,  andersfarbige,  häufig  viel  hellere  Streifen 
stehen.  Je  enger  die  das  Gesichtsfeld  abgränzende  Spalte 
ist,  desto  besser,  —  nur  die  noth wendige  Vermeidung 
störender  Beugungserscheinungen  setzt  der  Verengerung 
der  Blendenspalte  Schranken. 

Das  Licht  jeder  der  zwei  zu  vergleichenden  Lichtquellen 
durchsetzt  erst  zwei  hinter  einander  stehende  NicoTsche 
Prismen,  ehe  es  zum  Reflexionskörper  gelangt,  der  es  in 
die  Spalte  des  Spectralapparats  leitet.  An  jedem  der  vier 
Nicol  ist  ein  getheilter  Kreis  befestigt,  so  dafs  die  ver- 
änderliche Neigung  der  Polarisationsebene  je  eines  Nicol- 
paares  bis  auf  5  Minuten  genau  abgelesen  werden  kann. 
Der  eingeschaltete  Polarisationsapparat  ermöglicht  die 
Helligkeit  jeder  Spectrumhälfte  beliebig  zu  mindern  und 
damit  auch  beide  Spectrumhälften  jeweils  ftir  eine  be- 
stimmte Lichtart  genau  gleich  hell  zu  machen.  Dieses  ist 
ausführbar,  wie  ungleich  stark  leuchtend  die  Lichtquellen 
auch  seyn  mögen,  da  ja  bei  rechtwinkliger  Kreuzung  der 
Polarisationsebenen  das  intensivste  Licht  gänzlich  verlöschen 
mufs.  Aus  dem  Winkel  der  Polarisationsebenen  der  zu- 
sammengehörigen Nicolprismen  wird  nach  dem  bekannten 
Malus- Arago'schen  Gesetze  erschlossen,  welche  Bruch- 


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392 


theile  der  Strahlung  jeder  Lichtquelle  zur  Erzeugung  des 
Spectralbildes  verwendet,  gleiche  Helligkeit  lieferten,  — 
damit  also  das  Intensitätsverhältnifs  der  zwei  Quellen  fiir 
je  die  betreffende  homogene  Lichtart. 

Bezeichnen  Jx  und  «/,  die  Helligkeiten  gleichartiger 
Bestandtheile  der  beiden  Lichtquellen  I  und  II,  al  und  a2 
die  Neigungen  der  Polarisationsebenen  der  Nicolprismen, 
wenn  gleich  helle  Streifen  in  den  durch  dasselbe  Prisma 
entworfenen  Spectrumhälften  entstehen,  ferner  ^u,  und  /*, 
die  Bruchtheile  des  Lichts  von  I  und  II,  welche  nach 
Abzug  der  Verluste  durch  Spiegelung  an  den  verschiedenen 
Flächen  und  durch  Absorption  im  Innern  der  Glas-  und 
Kalkspathmassen  des  Reflexionskörpers,  der  Linsen  und 
des  Prismas  des  Spectralapparats  übrig  bleiben,  endlich 
dl  und  c/,  von  der  Entfernung  der  Lichtquellen  vom  Spalte 
abhängige  Coefficienten,  so  ist: 

J,  dx  «j  cos*  a1  =  /,  d2  ut  cos2  ar 

Nun  werde  der  Kopf  des  Apparats  um  180°  gedreht, 
so  dafs  das  Nicolpaar  und  die  Hälfte  des  Reflexionskörpers, 
welche  eben  nach  der  Lichtquelle  I  gewendet  war,  nach 
der  Lichtquelle  H  zu  stehen  kommen  und  umgekehrt. 
Dann  werden  die  Nicol  wieder  bis  zur  Hervorbringung 
genau  gleicher  Helligkeit  der  Hälften  desselben  Spectral- 
streifens  gedreht  und  die  Winkel  der  Polarisationsebene, 
ß%  für  das  Licht  I,  ß%  für  das  Licht  II  abgelesen.  Dann  ist : 
Jt  dt     cos1  ßt  =tJldl/n2  cos*  ftv 

Durch  Division  der  zwei  Gleichungen  werden  die  un- 
bekannten Schwächungscoefficienten  u  eliminirt  und  man 
erhält: 

Jx  dt  cos  a7  .  cos/?, 
»/,  rf3        cos  a  |  .  cos  ßi 

Oder  man  kann  auch  die  Produkte  J  d  eliininin-n  und  das 
Verhältnifs  der  Schwächungen  ermitteln: 

ftg       _  COS  t*t  .  COS 
jw,         COS  rt,  .  COS  (?j 

Läfst  man  den  Kopf  des  Spectralapparates  unberührt, 
vertauscht  aber  (wenn  dies  möglich  ist)  die  Stellungen 


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393 


der  zwei  Lichtquellen  genau  mit  einander,  so  läfst  sich 
auch  der  Einflufs  der  Entfernung  der  Lichtquelle  eliniiniren. 
Man  erhält  dann  nämlich: 

Jx  dx  f*l  cos1 «,  =  J2  dt  u2  cos1  ct2 

J%  dx  Ut  COS2  ß%  wm  Jt  d2  U2  COS1  ßx , 

woraus  folgt: 

'Li  t_  _,  Coa  n  '  •  cos        un(J  /'i  d\  .      cos  «a  .  cos  ßx 
Ji  COSot,.C08/?,  /I,  (/,  '    "  COS  «,  .  COS  ' 

Ich  habe  eine  gröfsere  Zahl  von  Messungen  des  Ver- 
hältnisses jm,  :  ft2  für  Lichtstrahlen  verschiedener  Brech- 
barkeit ausgeführt  und  Werthe  gefunden,  die  von  der  Ein- 
heit nicht  mehr  abweichen,  als  durch  die  unvermeidlichen 
Fehler  erklärlich  ist.  Die  äulsersten  Werthe  waren  0,975 
und  1,015.  Darauf  hin  nahm  ich  an,  die  zwei  Apparat- 
hälften verhielten  sich  vollkommen  gleich.  Dann  genügt 
immer  die  Einstellung  in  einer  Lage  und  es  ergibt  sich 

Jx  dx  _  CQ8a  a, 

J7  t/a       cos'  a, 

Um  die  Neigung  der  Polarisationsebenen  zweier  zu- 
sammengehöriger Nicolprismen  finden  zu  können,  inufs 
zuerst  bekannt  seyn,  bei  welcher  Ablesung  der  Nonius 
an  den  getheilten  Kreisen,  diese  Ebenen  parallel  oder 
rechtwinklig  gekreuzt  stehen.  Die  Auffindung  der  letz- 
teren Lage  durch  den  Versuch  ist  durchaus  nicht  schwierig 
und  einer  grofsen  Genauigkeit  fähig.  Ich  lieis  entweder 
reflektirtes,  oder  direktes  Sonnenlicht,  oder  das  Licht  einer 
sehr  hellen  Lampe  durch  die  Nicol  gehen  und  beobachtete 
den  Spalt  entweder  unmittelbar  oder  durch  das  Prisma 
des  Spectralapparats  hindurch  und  drehte  die  Nicol  so 
lange,  bis  jede  Spur  von  Helligkeit  verschwand.  Zahl- 
reiche, sehr  gut  mit  einander  stimmende  Versuche  ergaben, 
dafs  die  Polarisationsebenen  rechtwinklig  stehen, 

am  Paare  I ,   wenn  an  dem  der  Lichtquelle  zu- 
gekehrten Nicol  die  Ablesung  0°  und  am  Nonius 
des  zweiten  Nicols  22°  30'  war; 
am  Paare  II,  wenn  der  vordere  Nicol  auf  180° 
stand,  der  hintere  auf  235°  15'. 


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394 


Die  vorderen  dem  Lichte  zunächststehenden  Nicolprismen 
liefs  ich  im  Verlaufe  der  Messungen  ungeändert  in  ihrer  Lage, 
da  ich  kein  ursprünglich  polarisirtes  Licht  in  Anwendung 
brachte,  die  zufallige  Neigung  der  Polarisationsebene  des 
ersten  Nicols  also  gleichgültig  ist,  und  überzeugte  mich 
nur  von  Zeit  zu  Zeit,  dals  die  Nonien  noch  auf  0",  be- 
ziehungsweise 180"  standen,  also  keine  unabsichtliche  Ver- 
rückung stattgefunden  hatte.  War  bei  den  Messungen 
die  gleiche  Helligkeit  der  zwei  Hälften  eines  Spectral- 
streifens  hergestellt,  so  waren  nur  die  Differenzen  der  Ab- 
lesungen gegen  22°  30',  beziehungsweise  235°  15'  zu 
nehmen,  um  die  Complemente  der  Winkel  «  zu  erhalten. 
Es  sind  also  die  Sinus  dieser  Differenzen  an  Stelle  der 
Cosinus  in  den  oben  aufgestellten  Formeln  einzusetzen. 

Es  ist  leicht  anzugeben,  bei  welcher  Neigung  der 
Polarisationsebenen  durch  eine  kleine  Drehung  des  einen 
Nicols  die  objective  Helligkeit  am  stärksten  geändert  wird. 
Da  die  Helligkeit  dem  Quadrate  des  Cosinus  jenes  Nei- 
gungswinkels proportional  ist,  so  handelt  es  sich  darum 
das  Differential  dieser^Funetion,  d.  i.  den  Sinus  des  dop- 
pelten Winkels  zum  Maximum  zu  machen,  was  durch 
Wahl  des  Winkels  von  45°  zwischen  den  Polarisations- 
ebenen erreicht  wird.  Mit  dieser  Erkenntnifs  der  stärksten 
Aenderung  der  objektiven  Beleuchtungsstärke  ist  aber 
wenig  geholfen,  denn  die  praktisch  wichtigere  Aufgabe 
ist  die  subjective  Empfindlichkeit  möglichst  zu  steigern. 
Das  Erkennungsvermögen  des  Auges  fiir  Beleuchtungs- 
unterschiede ist  aber  eine  nicht  genau  gekannte  Function 
der  absoluten  Helligkeit  der  «zu  vergleichenden  Beleuch- 
tungen und  hängt  noch  von  andern  Umständen  ab,  so 
dafs  nur  die  Erfahrung  die  günstigsten^Bedingungen  für 
genaue  Beobachtungen  angeben  kann.  Ich  theile  die  haupt- 
sächlichsten meiner  in  dieser  Hinsicht  gemachten  Er- 
fahrungen mit: 

Das  Auge  vermag  unter  den  günstigsten  Verhältnissen 
sehr  kleine  Helligkeitsunterschiede  nur  dann  zu  erkennen, 
wenn  die  zu  vergleichenden  Stellen  sehr  schwach  beleuchtet 


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395 


sind.  Denn  bei  stärkerer  Helligkeit  wird  das  Auge  form- 
lieh  geblendet  und  verliert  bedeutend  au  Empfindlichkeit 
und  photometrischer  Leistungsfähigkeit.  Eine  solche  ab- 
stumpfende Ueberreizung  konnte  ich  wahrnehmen  bei 
Helligkeiten,  die  ich  für  sehr  mäfsig  hielt  und  die  be- 
trächtlich geringer  waren,  als  sie  uns  zum  Schreiben  und 
Lesen  bequem  sind.  Bei  stärkerer  Beleuchtung  verliert 
das  Auge  nicht  nur  die  Fähigkeit  kleine  absolute  Unter- 
schiede zu  erkennen,  sondern  es  ist  auch  der  Bruchtheil, 
um  welchen  die  Helligkeit  einer  Nachbarstelle  zu-  oder 
abnehmen  mufs,  bis  das  Auge  die  Aenderung  sicher  wahr- 
nimmt, weit  gröfser.  Während  ich  bei  günstigster,  sehr 
geringer  Helligkeit  wiederholte  Einstellungen  des  Nicols 
in  grofser  Zahl  machen  konnte,  die  um  weniger  als  J° 
verschieden  waren,  zeigten  sich,  wenn  ich  zwei  stärker  be- 
leuchtete Stellen  gleich  hell  zu  machen  suchte,  Unter- 
schiede bei  wiederholten  Einstellungen  bis  zu  10°;  ebenso 
ist  bei  geringer  Helligkeit  eine  Drehung  des  einen  Nicols 
um  einen  sehr  kleinen  Winkel  durch  die  Helligkeitsände- 
rung schon  sicher  wahrnehmbar,  während  bei  grofser 
Helligkeit  eine  Drehung  um  mehrere  Grade  scheinbar 
keine  Aenderung,  keine  Störung  der  Gleichheit  in  der 
Beleuchtungsstärke  hervorbringt.  Andererseits  sind  bei 
den  allergeringsten  Helligkeiten  die  Vergleichungen  auch 
wieder  unsicher. 

Die  Helligkeit  der  gröfsten  Empfindlichkeit  ist  nicht 
für  alle  Lichtarten  dieselbe;  am  geringsten  scheine  ich 
sie  für  die  brechbarsten  Strahlen  wählen  zu  müssen,  so 
dafs  also  mein  Auge  durch  Violett  und  Blau  am  leichtesten 
und  schnellsten  abgestumpft  und  geblendet  wird.  Aber 
ein  und  dasselbe  Auge  hat  nicht  zu  allen  Zeiten  dieselbe 
Leistungsfähigkeit  und  die  günstigste  Helligkeit  für  eine 
bestimmte  Farbe  scheint  mit  der  Zeit  zu  wechseln.  Weiter: 
die  Farbe  in  welcher  heute  die  Einstellungen  entschieden 
am  sichersten  gelingen,  war  gestern  nicht  die  günstigste 
und  morgen  wird  vielleicht  wieder  eine  andere  die  be- 
vorzugte seyn.    Ich  habe  versucht  die  Farben  nach  der 


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I 


396 

Grölse  des  geringsten,  als  Unterschied  noch  wahrnehm- 
baren Bruchtheil  ihrer  Helligkeit  zu  ordnen,  erhielt  aber, 
wegen  der  Veränderlichkeit  des  Auges  wechselnde  Ergeb- 
nisse. Doch  gelang  mir  die  photometrische  Vergleichung 
immer  am  leichtesten,  sichersten  und  genauesten  für  Grün. 
Als  zweitgünstige  Farbe  fand  ich  zuweilen  Roth,  an  andern 
Tagen  aber  Blau  und  Violett.  Orange  käme  in  dritter 
Linie  zu  stehen.  Am  wenigsten  gut  glückten  mir  die 
Helligkeitsvergleichungen  für  Gelb.  Ich  schliefse  daraus 
nicht,  dafs  mein  Auge  für  Gelb  die  geringste,  ftlr  Grün 
die  höchste  Empfindlichkeit  zeige,  denn  in  diesen  Ver- 
suchen gewinnen  Nebenumstände  einen  für  die  verschie- 
denen Spectralbezirke  verschiedenen  Eiuflufs.  Die  Nach- 
barschaft andersfarbiger  Streifen  war,  trotz  der  Begrenzung 
des  Gesichtsfeldes,  nicht  ganz  auszuschliefsen.  Im  gelben 
Bezirke  eines  durch  ein  Glasprisma  entworfenen  Spectrums 
wechseln  die  Farben  am  raschesten  und,  wie  meine  Beob- 
achtungen zeigten,  ändert  sich  bei  verschiedenen  Licht- 
quellen das  Verhältnifs  der  dem  Gelb  benachbarten  Strahlen 
viel  stärker  als  das  der  Nachbarstrahlen  in  andern  Be- 
zirken des  Spectrums.  Lamansky,  der  die  Empfindlich- 
keit des  Auges  für  verschiedene  Spcctralfarben  unter- 
suchte fand  sie  am  gröfsten  für  Grün  und  Gelb  (kleinster 
wahrnehmbarer  Unterschied  je  dann  lälst  er  Blau 

folgen  (,},),  Violett  (TJ§),  Orange  Roth  (='ö).  Daß 

diese  Ordnung  nicht  übereinstimmt  mit  der  von  mir  ge- 
fundenen, befremdet  mich  aus  den  angegebenen  Gründen 
nicht,  wohl  aber  fällt  es  mir  auf,  dafs  die  Empfindlich- 
keit für  Roth  so  sehr  viel  geringer  angegeben  wird,  als 
für  die  andern  Farben.  Im  Zusammenhange  mit  der 
später  zu  erwähnenden  Thatsache,  dafs  ich  bei  der  aller- 
schwächsten  Beleuchtung  am  ehesten  die  Farbe  des  rothen 
Lichtes  von  dem  fahlen  Grau  und  allgemeinen  Licht- 
schimmer unterscheide,  neige  ich  zur  Ansicht,  dafs  mein 
Auge  viel  rothempfindlicher  ist,  als  das  von  Hrn.  La 
mansky. 

1)  Graefe,  Archiv  für  Ophthalmologie  XVII,  Naturforscher  1871,  S.  276. 


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397 


Für  ein  bestimmtes  Auge  und  eine  bestimmte  Zeit 
gibt  es  für  jede  Farbe  eine  Helligkeit,  bei  welcher  die 
relativ  und  eine,  für  welche  die  absolut  kleinsten  Unter- 
schiede der  Beleuchtungsstärke  benachbarter  Stellen  wahr- 
nehmbar sind.  In  meiuen  Versuchen  handelt  es  sich  um 
das  Erkennen  der  kleinsten  relativen  Intensitatsdifferenz; 
ich  habe  immer  den  Beleuchtungsgrad,  welcher  zu  diesem 
Erkennen  der  geeignetste  ist  (oft  mit  grofsem  Geduldauf- 
wand) gesucht,  mich  aber  nie  begnügt  bei  einer  absoluten 
Helligkeit  zu  vergleichen,  sondern  habe  die  Messung 
immer  bei  noch  wenigstens  einer  andern  wiederholt  und 
mich  nur  beruhigt,  wenn  ich  bei  verschiedenen  absoluten 
Helligkeiten  befriedigend  übereinstimmende  Ergebnisse  er- 
zielte. War  die  Helligkeit  der  gröfsten  Empfindlichkeit 
einmal  aufgefunden,  so  berührte  ich  zunächst  die  Nicol- 
prismen,  von  deren  Stellung  die  Erleuchtung  der  einen 
Hälfte  des  Streifens  abhing,  gar  nicht  mehr,  sondern  drehte 
nur  den  Nicol,  welcher  die  Helligkeit  der  zweiten  Streifen- 
hälfte veränderte,  so  weit,  dafs  keine  Ungleichheit  mehr 
wahrnehmbar  blieb.  Dann  wurde  die  Stellung  abgelesen 
und  nun  eine  willkürliche  Verrückung  des  Nicols  vorge- 
nommen und  abermals  eingestellt.  Dabei  ist  es  nützlich 
bei  Wiederholung  der  Einstellung  auf  gleiche  Helligkeit 
nicht  zu  der  Stellung  zurückzukehren,  aus  welcher  man 
willkührlich  verschoben  hatte,  sondern  vielmehr  auf  die 
entgegengesetzte  Seite  der  Auslöschestellung  zu  rücken, 
weil  die  Gröfse  der  Verrückung  in  der  Erinnerung  ge- 
blieben sein  kann,  und  dann  die  neue  Einstellung  hiervon 
und  nicht  mehr  ausschliefslich  durch  das  Urtheil  des  Auges 
über  die  gleiche  Helligkeit  beeinflufst  wird  ,).    Unter  der 

1)  Wie  sehr  genau  in  solchen  Fällen  die  Erinnerung  leiten  kann,  sah 
ich,  als  ein  sehr  geübter  Mikroskopiker  sein  auf  ein  feines  Object 
eingestelltes  Mikroskop  starker  Vcrgröfserung  mit  einem  Ruck  etwa 
einen  Zoll  weit  vom  Object  wegzog  und  nun  —  nach  Verflufs  selbst 
von  1-2  Minuten  —  rein  aus  der  Eriuneruug  wieder  beischob,  ohne 
in  das  Ocular  zu  sehen.  Zuweilen  war  an  der  so  bewirkten  Ein- 
stellung absolut  nichts  zu  verbessern,  stets  aber  konnte  durch  einen 
sehr  mäfsigen  Gebrauch  der  Mikrometcrschrnube  die  Einstellung  voll- 
kommen gut  gemacht  werden. 


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398 


Voraussetzung,  dafs  sich  die  Lichtquellen,  oder  ihr  Inten- 
sitätsverhältuils  nicht  ändern,  kann  man,  ohne  andere  Rech- 
nung als  eine  Subtraction,  schnell  erfahren,  ob  die  ein- 
zelnen Versuchsergebnisse  nahe  mit  einander  überein- 
stimmen oder  nicht  und  wie  lange  Wiederholung  nützlich 
scheint. 

Sollte  eine  Vergleichung  sicher  und  genau  ausfallen, 
so  war,  wie  mich  die  Erfahrung  belehrte,  nöthig,  dafs  die 
Helligkeit  der  Streifenhälfte,  welche  durch  Drehen  des 
Nicob  verändert  werden  sollte,  auch  wirklich  merklich 
viel  heller  und  merklich  dunkler  als  die  Vergleichsstelle 
gemacht  werden  konnte;  die  Gränze  der  zwei  aneinander 
stofsenden  Streifenhälften  muiste  erst  deutlich  wahrge- 
nommen werden  um  dann  ihr  Verschwinden,  durch  Drehen 
des  Nicols  bewirkt,  sicher  wahrnehmen  zu  können.  Es 
durfte  also  von  dem  Lichte,  welches  die  der  Veränderung 
unterworfene  Hälfte  beleuchtete,  weder  ein  zu  geringer 
noch  ein  zu  grofser  Theil  im  Falle  der  Gleichheit  der 
Helligkeit  in  Anwendung  kommen.  War  die  Helligkeit 
der  zwei  zu  vergleichenden  Lichter  sehr  verschieden  und 
die  eine  der  Lichtquellen  absolut  genommen  schon  sehr 
schwach,  so  war  es  nicht  möglich  zwischen  den  zwei 
Streifenhälften  einen  merklichen  Helligkeitsunterschied 
nach  beiden  Richtungen  zu  erzeugen,  da,  um  gleiche 
Helligkeit  (in  der  fiör  das  Maximum  der  Empfindlichkeit 
erforderlichen  absoluten  Gröfse)  herzustellen,  das  eine 
Licht  fast  ungeschwächt  gelassen  und  das  andere  auf 
einen  sehr  kleinen  Bruchtheil  herabgemindert  werden 
mufste.  Unter  diesen  ungünstigen  Bedingungen  waren 
die  Ergebnisse  weniger  gut.  So  stellte  es  sich  z.  B.  bei 
Vergleichung  der  violetten  Antheile  des  Lampenlichts  und 
des  Sonnenlichts,  da  ersterer  sehr  gering  und  letzterer 
sehr  grofs  ist.  Aebnlich  für  das  sehr  wenig  brechbare 
Roth  derselben  Lichtquellen.  Das  Spectrum  des  Lampen- 
lichts enthält  von  den  wenigst  brechbaren  rothen  Strahlen 
sehr  viel  mehr  als  das  des  Tageslichts. 

Nachdem  ich  mir  eine  grolse  Uebuug  in  den  betreffen- 


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399 


den  Beobachtungen  erworben  hatte,  machte  es  keinen 
Unterschied,  ob  ich  die  Einstellung  gleicher  Helligkeit 
aufsuchte  von  einer  Beleuchtung  ausgehend,  die  stärker 
oder  von  einer  die  schwächer  ist,  als  die  der  Vergleichs- 
stelle. Anfangs  aber  kam  ich  allerdings  auf  etwas  andere 
Einstellungen,  je  nachdem  ich  aufklärend  oder  verdunkelnd 
die  Gleichheit  zu  erreichen  strebte. 

Die  zwei  Spectrumhälften  standen  genau  so  überein- 
ander, dafs  Strahlen  von  exakt  derselben  Brechbarkeit 
einen  Streifen  bildeten,  wie  das  leicht  mit  der  Natrium- 
linie zu  constatiren  war,  die  als  eine  ungebrochene  Linie 
die  beiden  Hälften  durchsetzte.  Trotzdem  erschienen  die 
beiden  Hälften  eines  Streifens  nicht  von  gleicher  Färbung, 
wenn  ihre  Helligkeit  verschieden  war.  Ja  gerade  dieser 
scheinbare  Farbenunterschied  der  von  Licht  derselben  Brech- 
barkeit beschienenen  Stellen  gab  das  bequemste  Mittel  ab 
einen  noch  vorhandenen  Helligkeitsunterschied  zu  erkennen. 
Lichtschwächeres  Gelb  sieht  neben  dem  helleren  grünlich 
aus,  lichtschwaches  Blau  nimmt  eiuen  Stich  ins  Violett 
an,  schwaches  Roth  nähert  sich  im  Aussehen  mehr  dem 
der  allergeringst  brechbaren  Strahlen.  Hingegen  fand  ich 
das  schwächere  Grün  zuweilen  gelblich,  zuweilen  aber 
auch  bläulich  im  Vergleich  zu  dem  hellen  Grün  derselben 
Brechbarkeit.  Bei  gleicher  Helligkeit  war  in  allen  Farben 
meistens  kein  Unterschied  in  der  Färbung,  selbst  mit 
gröfster  Aufmerksamkeit  zu  entdecken.  Die  Erscheinung 
ist  keine  ganz  einfache.  Offenbar  wirkt  die  Nachbarschaft 
andersfarbiger  Strahlen  von  anderem  Intensitätsverhältnifs 
mit,  namentlich  bei  nicht  ganz  vollkommner  Accommodation 
des  Auges.  Am  einflufsreichsten  ist  diese  Nachbarschaft 
wieder  bei  Gelb.  In  der  That  blieb  das  Spectralgelb  des 
Lampenlichtes  im  Vergleich  zu  jenem  des  Sonnenlichtes 
stets  etwas  röthlich,  selbst  wenn  auf  möglichste  Gleich- 
heit der  Helligkeit  eingestellt  war.  Im  Lampenlichte 
haben  die  Nachbarn  der  rothen  Seite,  im  Sonnenlicht  die 
der  grünen  Seite  die  grölsere  relative  Starke.  Trieb  ich 
die  Beschränkung  des  Gesichtsfeldes  (durch  Verengerung 


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400 


des  Spalts  in  der  Blendung  an  der  Fadenkreuzstelle)  auf 
das  Aeufserste,  so  schwand  mit  dem  Erreichen  gleicher 
Helligkeit  auch  der  scheinbare  Farbenunterschied. 

Hinsichtlich  der  Unterscheidung  und  Erkennung  der 
Farben  bemerke  ich,  dai's  Licht  jeder  Brechbarkeit  bei 
der  allergeringsten  Helligkeit  fahlgrau  erscheint  und  nur 
das  rothe  von  mir,  selbst  bei  ungemein  geringer  Hellig- 
keit noch  seiner  Art  nach  erkannt  wurde.  Das  fahle  Grau 
der  andern  ganz  schwachen  Lichtarten  erinnert  an  den 
Eindruck,  welchen  der  ultraviolette  Theil  des  Spectrum  auf 
mich  macht.  Das  gleichzeitige  Erblicken  von  Licht  der- 
selben Art,  aber  gröfserer  Helligkeit,  beeinträchtigt  die 
Fähigkeit  des  Auges  die  Farbe  des  schwächeren  Lichts 
zu  unterscheiden.  So  erscheint  z.  B.  unter  einem  ziem- 
lich hellen  grünen  Streifen  ein  anderer  von  schwächerem 
Licht  derselben  Brechbarkeit  beleuchtet,  fahl  grau,  und 
kein  Unbefangener  konnte  dessen  Farbe  angeben.  Wurde 
aber  das  hellere  Licht  ganz  beseitigt  oder  auch  nur  seine 
Intensität  stark  gemindert,  so  konnte  der  vorher  nur  grau 
erschienene  Streifen  deutlich  als  grün  erkannt  werden  l). 

Auf  ganz  gute  Messungen  kann  man  nur  hoffen,  wenn 
das  beobachtete  Auge  wohl  ausgeruht  ist,  namentlich  keine 
lebhafteren  Nachbilder  mehr  in  demselben  stehen.  Alles 
fremde  Licht  mufs  durch  Schirm,  Bedecken  mit  der  Hand 
und  mit  einem  Tuche  vollständig  ausgeschlossen  werden, 
der  ganze  Körper  soll  in  bequemer  und  ruhiger  Lage  6icb 
befinden,  ja  selbst  das  Athmen  darf  nur  ganz  regelmäfsig, 
nicht  zu  tief  und  zu  rasch  stattfinden.  Ich  habe  insofern 
nicht  unter  den  günstigsten  Verhältnissen  gearbeitet,  als 
ich  keinen  Gehülfen  benutzen  konnte,  die  Drehung  des 
Nicols  mit  unbequem  weit  ausgestrecktem  Arm  selbst  zu 
vollführen  hatte  und  jedesmal  dasselbe  Auge,  das  die 
Helligkeitsvergleichung  anstellte,  auch  zur  Ablesung  des 

1)  Ich  habe  einige  Versuche  gemacht  zu  ermitteln  bei  welcher  geringsten 
Helligkeit  die  Farbe  der  einzelnen  Lichtarten  noch  erkennbar  sev, 
erhielt  aber  widersprechende  Angaben.  Da  zu  jener  Zeit  mein  Auge 
schon  stark  angegriffen  war,  mag  es  mir  bei  Wiederaufnahme  der 
Versuche  vielleicht  doch  gelingen,  brauchbare  Ergebnisse  zu  erzielen. 


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401 


Nonius  an  den  getheilten  Kreisen  der  NicoTschen  Pris- 
men bei  ziemlich  heller  Beleuchtung  benutzen  mufste,  da 
mein  rechtes  Auge  wegen  starken  Astigmatismus  und 
daraus  folgender  Ungeübtheit  zu  genauen,  scharfen  Beob- 
achtungen jeglicher  Art  kaum  anwendbar  ist.  Das  Beob- 
achtungsauge hielt  ich  so  oft  und  so  lange  geschlossen, 
als  nur  immer  möglich,  um  ihm  Ruhe  zu  lassen  und  seine 
Empfindlichkeit  thunlichst  lange  zu  wahren. 

Eine  schon  früher  von  mir  gemachte  Bemerkung1) 
habe  ich  bestätigt  gefunden.  Dafs  nämlich  bei  Verglei- 
chungen  der  erste  Eindruck  der  richtigste  zu  seyn  pflegt 
und  durch  längeres  Probiren  nur  Unsicherheit  in  Folge 
von  Ermüdung  hervorgerufen  wird.  Ich  suchte  daher  die 
einzelnen  Einstellungen  so  rasch  als  möglich  zu  vollenden 
und  wiederholte  sie  häufig.  Von  grofser  Wichtigkeit  ist 
die  Stellung  des  Auges.  Das  Ocular  des  benutzten  Spec- 
tralapparats  hat  eine  sehr  grofse  Oeffnung.  Brachte  ich 
das  Auge  nicht  genau  vor  die  Mitte  der  OefFnung,  so 
gelangten  ungleich  viel  Strahlen  aus  beiden  Spalthälflen 
zur  empfindenden  Netzhaut.  Erschienen  die  zwei  Streifen- 
bälften  bei  einer  excentrischen  Stellung  des  Auges  gleich 
hell,  so  war  diefs  nicht  mehr  der  Fall,  wenn  das  Auge 
dann  genau  in  die  Achse  des  Instruments  oder  auch  an 
eine  andere  excentrische  Stelle  gerückt  wurde.  Die  nächste 
Abhülfe  dieses  für  sichere  Vergleichungen  sehr  störenden 
Mifsstandes  war  durch  eine  Verengerung  der  Ocularröhre 
durch  vorgesetzte  Blende  zu  erreichen,  wodurch,  da  es 
in  meinen  Versuchen  nicht  auf  grofses  Gesichtsfeld  ankam, 
sondern  im  Gegentheile  dieses  sehr  beschränkt  wurde, 
kein  Nachtheil  und  keine  Unbequemlichkeit  hervorgerufen 
wurden.  Dann  suchte  ich  auf  verschiedene  Weisen  den 
Ort  des  Auges  noch  bestimmter  festzusetzen,  als  bereits 
durch  die  Verengerung  des  Sehelochs  geschehen  war. 
Schliefslich  fand  ich  es  am  zweckmäßigsten  die  Hand  an 
das  Ocularrohr  zu  stützen  und  an  sie  den  Kopf  immer 
in  gleicher  Weise  zu  lehnen.  Man  hat  ein  gutes  Ge- 
1)  Diese  Ann.  Bd.  117,  S.  131. 

PoggendorfTa  Ann.    Ergänzungsbd.  VI.  26 


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402 


dächtnifs  für  die  gegenseitige  Stellung  der  zwei  Körper- 
theile  und  findet  sie  leicht  und  sicher  wieder.  Der  Blick 
ist  dann  fest  auf  die  Mitte  des  Gesichtsfeldes,  nämlich 
auf  die  Gränze  der  zwei  Streifen  hälften  zu  richten.  Diente 
zur  Erzeugung  des  Spectrums  das  unmittelbar  von  einer 
Flamme  kommende  Licht,  so  erschien  der  Spectralstreifen 
nicht  seiner  ganzen  Höbe  nach  von  gleicher  Helligkeit, 
da  der  ungleiche  Glanz  der  einzelnen  Flammentheile, 
trotzdem  dafs  die  Linse  im  Spaltrohr  den  Spalt  auf  un- 
endliche Entfernung  rückte,  auch  im  Spectralbilde  noch 
seinen  Einflufs  äufserte.  In  diesem  Falle  war  ein  be- 
sonders scharfes  Anblicken  der  Gränzen  der  Streifenhälfte 
in  Mitte  des  Gesichtsfeldes  nöthig. 

Zur  Berechnung  des  Intensitätsverhältnisses  wurde 
immer  eine  gröfsere  Anzahl  von  Vergleich ungen  benutzt. 
Die  ersten,  je  für  eine  Farbe  gemachten  Beobachtungen 
waren  gewöhnlich  nicht  bei  der  Helligkeit  der  gröfsten 
Empfindlichkeit  angestellt,  da  diese  jeweils  erst  durch  den 
Versuch  gefunden  werden  mufste,  und  wurden  daher  als 
wenig  sicher  meist  nicht  zur  Berechnung  beigezogen. 
Nach  dem  unmittelbaren  Eindruck,  den  ich  von  der  Sicher- 
heit und  Genauigkeit  einer  Vergleichung  empfing,  schrieb 
ich,  noch  ehe  die  Ablesung  an  den  getheilten  Kreisen 
vorgenommen  wurde,  eine  Bemerkung  zu  jedem  Versuche, 
ob  ich  ihn  für  gut,  weniger  gut,  mäfsig,  sehr  gut  und 
dergl.  ansehe.  Nur  die  für  „gut"  erklärten  Messungen 
fanden  schliefslich  Berücksichtigung.  Es  finden  sich  aber 
unter  diesen  welche,  die  offenbar  unrichtig  sind.  Nun 
kommen  ja  wohl  bei  jeder  grölseren  Beobachtungsreihe 
Versehen  vor,  Ablesungsfehler  und  dergleichen,  allein  die 
Zahl  der  anomal  vom  mittleren  Ergebnifs  abweichenden 
Messungen  ist  doch  gröfser  als  der  Wahrscheinlichkeit 
nach  die  jener  grobem  Versehen.  Daher  glaube  ich,  dafs 
das  Auge  vorübergehend  eine  bedeutend  geringere  Lei- 
stungsfähigkeit im  Erkennen  von  Helligkeitsunterschieden 
hatte,  gewissermaafsen  geblendet  war,  ähnlich  wie  ja  zu- 
weilen Aecommodationskrämpfe  vorübergehend  auftreten. 


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403 


Dafs  die  vereinzelt  schlechten  Versuche  häufiger  am  Ende 
der  Beobachtungszeit  auftreten,  wenn  das  Auge  schon 
durch  viele  Anstrengungen  ermüdet  ist,  bestärkt  mich  in 
der  ausgesprochenen  Vermuthung.  Die  erwähnten  stark 
vom  Mittelwerth  abweichenden  Messungsergebnisse  wurden 
verworfen.  Bei  dieser  Ausscheidung  konnte  natürlich  eine 
gewisse  Willkür  nicht  vermieden  werden. 

Nach  der  Darstellung  der  Schwierigkeiten  der  Mes- 
sungen, die  gröfstentheils  in  der  Mangelhaftigkeit  des 
Sinnesorgans  begründet  sind,  kann  es  nicht  überraschen, 
dafs  die  erreichbare  Genauigkeit  der  Messungen  hinter 
der  rein  theoretischen  Erwartung  zurückblieb.  Durch- 
schnittlich dürfte  die  Unsicherheit  etwa  ^  betragen,  doch 
bin  ich  in  günstigen  Fällen  zu  beträchtlich  gröfserer  Ge- 
nauigkeit gekommen,  hingegen  sind  bei  Untersuchung 
schwacher  Lichtquellen  die  Messungen  in  den  Gränzbe- 
zirken  des  Spectrums  auch  noch  viel  weniger  genau. 

Bisher  fand  ich  es  noch  nicht  nothwendig  die  Spec- 
tralbezirke  genauer  als  durch  die  Bezeichnungen  Grün, 
Gelblich  oder  Bläulich-Grün,  —  Aeufserstes,  mittleres  Roth 
usw.  zu  unterscheiden.  Das  benutzte  Spectrum  war  we- 
niger als  26  ausgedehnt,  die  genauere  Bestimmung  des 
Bezirks  hätte  nur  durch  Messung  der  Ablenkung  des  ge- 
brochenen Lichts  und  deren  Vergleichung  mit  der  vorher 
ermittelten  Ablenkung  für  die  einzelnen  Fraunhofer'- 
schen  Linien  erfolgen  können,  was  genöthigt  hätte  aufser 
der  Ablesung  am  Nonius  des  Nicols  auch  noch  die  am 
Nonius  des  Spectralapparats  vorzunehmen,  die  nur  bei 
stärkerer  Beleuchung  und  mit  gröfserem  Zeitaufwand  aus- 
fuhrbar ist,  die  Empfindlichkeit  des  Auges  für  die  Hellig- 
keitsvergleichung also  noch  mehr  beeinträchtigt  haben 
würde. 


Messungen.  Bei  der  Vergleichung  des  direkten  Lichtes 
zweier  Petroleumlampen  wurden  möglichst  identische  Lampen 
angewendet.    Die  Stellung  der  Dochte  und  der  Cy  lind  er 

wurde   dann  entweder  so  gewählt,   dafs  die  Helligkeit 

26* 


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404 


beider  Lampen  möglichst  gleich  war,  oder  auch  so,  dafs 
eine  gröfsere  oder  geringere  Ungleichheit  bestand.  Einen 
nennenswert  heu  Unterschied  in  der  Farbe  des  Lichts  konnte 
das  Auge  nicht  erkennen,  selbst  wenn  die  Totalhelligkeit 
—  die  durch  gewöhnliche  Photometer  bequem  meisbar  — 
ziemlich  verschieden  war.   Nur  wenn  die  eine  Lampe  ver- 
hältnifsmäfsig  sehr  schwach  leuchtete,  erschien  ihr  Licht 
relativ  roth  oder  besser  gesprochen  orange  gefärbt.  Ich 
habe  zuweilen  auch  eine  schärfere  Prüfung  der  Färbung 
der   zwei  Lichter  vorgenommen.     Erschienen  die  zwei 
dicht  neben  einander  stehenden  Schatten  eines  von  den 
zwei  Lampen  erleuchteten  Stabes  (Rumford's  Photo- 
meter) nicht  merklich  ungleich  geförbt,  der  Stearinfleck 
und  das   reine  Papier   an   dem  von  mir  abgeänderten 
ßunse n 'sehen  Photometer1)  ganz  genau  gleichfarbig,  so 
dafs  ein  vollständiges  Verschwinden  möglich  war,  so  zeigte 
die  Analyse  doch  ein  beträchtlich  verschiedenes  Intensitäts- 
verhältnifs  für  die  einzelnen  zusammensetzenden  Lichtarten. 
Es  waren  demnach  auch  die  Mischfarben  sicher  ungleich, 
nur  reichte  die  Empfindlichkeit  des  Auges  für  Farben- 
unterschiede nicht  aus  dieses  zu  erkennen.    Dafs  das 
Helligkeitsverhältnifs  in  den  verschiedenen  Spectralbezirken 
scheinbar  ganz  gleich  gefärbter  (ja  sogar  nahezu  gleich 
heller)  Lampenflammen  verschieden  war,  konnte  in  folgender 
Art  sehr  deutlich  und  rasch  erkannt  werden.    Ich  ent- 
warf die  zwei  Spectren  übereinander  und  brachte  es  durch 
Drehen  der  Nicolprismen  dahin,  dafs  im  Grün  (als  der 
empfindlichsten  Farbe)  die  zwei  Streifenhälften  ganz  gleich 
hell  erschienen.    Wurde  dann  das  Beobachtungsrohr  ge- 
dreht, so  dafs  andere  Bezirke  des  Spectrums  in  das  Ge- 
sichtsfeld kamen,  die  Stellung  der  Polarisationsapparate 
und  der  Lampen  aber  sorgfältig  vor  jeglicher  Aenderung 
bewahrt,  so  war  leicht  und  sicher  zu  sehen,  dafe  in  den 
andern  Spectralbezirken  die  zwei  Streifenhälften  ungleich 
hell  waren. 

1)  Liebig'i  Ann.  d.  Chemie  n.  Ph.  111,  335.    Dingler's  polvt.  Jour- 
nal 154,  15. 


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405 


Bei  den  Lampen  darf  man  nicht  aufser  Acht  lassen, 
dafs  ihre  Totalhelligkeit,  so  wie  die  relative  der  einzelnen 
Lichtbestandtheile ,  kurz  nach  dem  Anzünden  nicht  unbe- 
trächtlichen Aenderungen  und  Schwankungen  unterworfen 
sind.  Nachdem  die  Lampen  jedoch  10 — 15  Minuten 
brennen,  bleibt  ihr  Helligkeitsverhältnifs  im  Ganzen,  wie 
für  die  einzelnen  Farben  längere  Zeit,  —  bei  meinen 
Lampen  etwa  2  Stunden  —  ungeändert,  um  dann  anfangs 
langsam,  später  aber  rascher  zu  wechseln.  Obgleich  ich 
diesen  Umstand  wohl  beachtete  und  es  auch  an  weiterer 
Vorsicht  nicht  fehlen  liefs,  fand  ich  auffallend  verschiedene 
Zusammensetzung  des  Lichts.  Wird  die  Gesammthelligkeit 
gröfser,  so  wird  das  Licht  verhältnifsmäfsig  reicher  an 
stärker  brechbaren  Strahlen.  Das  ist  aber  auch  das  einzige 
allgemeine  Ergebnifs  meiner  Vergleichungen,  denn  es  ge- 
lang mir  nicht  in  Zahlen  eine  für  alle  Fälle  passende  Be- 
ziehung zwischen  dem  Helligkeitsverhältnifs  der  Einzel- 
farben und  des  Gesammtlichtes  aufzufinden.  Einige  der 
besten  Messungen,  bei  denen  namentlich  durch  Wieder- 
holung am  Ende  der  Versuchszeit  nachgewiesen  wurde, 
dafs  die  Lampen  ihren  Zustand  nicht  merklich  oder  in 
gleichem  Verhältnifs  geändert  hatten,  theile  ich  nachstehend 
mit  und  bemerke,  dafs  die  Entfernungen  der  Lampen  von 
der  Spalte  (oder  von  dem  vorderen  Nicol)  in  der  Ver- 
suchsreihe I  gleich  grofs,  in  den  übrigen  aber  ungleich  grofs 
waren.  Die  Zahlen  geben  das  Helligkeitsverhältnifs  des 
von  rechts  gekommenen  zu  dem  von  links  eingetretenen 
Licht  an. 


Direktes  Licht  zweier  Petroleumlampen. 


1. 

S. 

*• 

Aeufseres  Roth 

0,78 

1,10 

0,26 

0,84 

Mittleres  Roth 

0,71 

1,43 

0,14 

0,86 

Orange 

0,69 

1,68 

0,13 

0,80 

Gelb 

0,71 

1,87 

0,19 

0,81 

Orün 

0,62 

1,88 

0,15 

0,78 

Cjan 

0,59 

1,55 

0,22 

0,72 

Indigo 

0,41 

2,03 

0,27 

0,73 

Violett 

0,34 

3,14 

0,17 

0,95 

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406 

Die  Ergebnisse  werden  übersichtlicher,  wenn  die  Hellig- 
keit einer  Farbe,  als  welche  ich  die  mittlere,  Grün,  wähle, 
in  allen  Fällen  durch  dieselbe  Zahl  ausgedrückt  wird. 
Es  berechnet  sich  demgemäfs: 


!. 


2. 


3. 


4. 


Aeufseres  Koth 

Mittleres  Roth 

Orange 

Gelb 

Grün 

Cyan 

Indigo 

Violett 


126 
115 
111 
115 
100 
95 
66 
55 


59  173 

76  93 

89  87 

99  103 

100  100 

104  147 

108  180 

157  113 


108 
110 
103 
104 
100 
92 
94 
122 


178 
132 
112 
101 
100 
96 
92 
GO 


In  der  Reihe  2  der  ersten  Uebersicht  steht  das  Ver- 
hältnifs  der  Partialintensitäten  eines  helleren  zu  einem 
schwächeren  Lichte,  in  2a  der  letzten  Uebersicht  habe 
ich  die  umgekehrten  Werthe,  dasVerhältnifs  der  Partialinten- 
sitäten des  schwächern  zum  helleren  Licht,  wie  in  den 
übrigen  Reihen  berechnet. 

Die  relative  Zusammensetzung  der  einzelnen  Lichtquellen 
ist  sehr  verschieden,  das  Verhältnils  der  Partialintensitäten 
in  demselben  Paar  Lichtquellen  auch  sehr  ungleich,  am 
wenigsten  noch  in  dem  Falle  4,  doch  ist  dort  das  be- 
deutende Abweichen  in  der  relativen  Helligkeit  des  Violett 
und  der  grofse  Reichthum  der  schwächern  Flamme  in  den 
Fällen  3  und  4  an  den  brechbarsten  Strahlen  sehr  auf- 
fallend. 

Es  liegt  nahe  zu  denken,  dafs  in  den  verschiedenen 
Versuchsreihen  verschiedene  Theile  der  Flammen,  die  ja 
verschieden  gefärbt  sind,  zur  Vergleichung  gekommen 
seyen.  Allein  die  Wahrscheinlichkeit  hierfür  ist  sehr  gering. 
Die  Lampen  selbst  sind  in  ihren  Dimensionen  ganz  gleich 
und  standen  auf  Stühlchen,  deren  Höhenunterschied  genau 
gleich  dem  Höhenunterschiede  der  Achsen  der  NicoT- 
schen  Prismen  vor  der  obern  und  der  untern  Hälfte  des 
Spalts  waren.  Bei  der  Petroleumlampe  mit  Kreisdocht, 
wie  ich  sie  verwendete,  haben  aber  die  einzelnen  Theile 


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407 


der  Flamme  eine  kaum  merklich  veränderliche  Stellung 
gegen  den  Körper  der  Lampe.  Bei  Erwähnung  dieses 
bemerke  ich  zugleich,  dafs  wenn  ich  die  Lichtquellen  ver- 
tauschte, jedesmal  Bedacht  darauf  genommen  wurde,  die 
Flamme,  welche  zuvor  die  obere  und  nun  die  untere 
Spaltenhälfte  beleuchten  sollte,  entsprechend  tiefer  zu  stellen 
und  umgekehrt,  endlich,  dais  wenn  ich  den  Kopf  des 
Apparats  um  180°  drehte,  ich  durch  Anschlagestifte  usw. 
mich  vor  Fehlerquellen  zu  schützen  bestrebte. 

Die  schon  oben  erwähnte  Schwierigkeit,  dafs  die  un- 
gleiche Helligkeit  verschiedener  Stellen  der  Lichtflamme 
sich  noch  im  Spectral bilde  so  bemerklich  macht,  dais  eine 
Spectralstreifhälfte  nicht  ihrer  ganzen  Höhe  nach  gleich 
hell  ist,  ein  sehr  scharfes  Anspannen  der  Aufmerksamkeit 
auf  die  Gränze  der  zwei  Streifenhälften  also  nothwendig 
ist,  wird  vermieden,  wenn  man  das  Licht  der  Lampen  nicht 
unmittelbar  zur  Vergleichung  bringt,  sondern  durch- 
scheinende Schirme,  die  sich  in  genügender  Ausdehnung 
gleichförmig  erhellen,  dazwischen  stellt.  Ich  benutzte 
Schirme  aus  mit  Stearin  getränktem  Papier,  die  recht 
nahe  an  die  Lampen  gerückt  wurden.  Bei  annähernd 
gleicher  Helligkeit  schienen  sie  genau  dieselbe  Farbe  zu 
haben,  bei  ungleich  starker  Beleuchtung  war  ein  Farben- 
unterschied merklich,  wenn  auch  nicht  6ehr  auffallend ;  der 
weniger  helle  Schirm  sah  vergleichsweise  röthlich  aus. 
Nachstehend  gebe  ich  in  ein  und  derselben  Tafel  sowohl 
die  beobachteten  Intensitätsverbältnisse  der  Bestandteile 
des  durch  Papierschirme  gegangenen  Petroleumlicht i,  als  auch 
die  Umrechnung,  wonach  in  allen  drei  Versuchen  das 
Intensitätsverhältnifs  aller  Farben  durch  das  Helligkeits- 
verhältnifs  des  Grün  gemessen  wird.  Die  Ergebnisse  im 
Violett  sind  ziemlich  unsicher,  Violett  war  gar  zu  schwach 
für  genaue  Einstellungen. 


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408 


Durch  Stearinpapier  gelassenes  Licht  zweier  Petroleumlampen. 


i 

2.  3. 

i 

i. 

11. 

in 

Hl. 

Aeufseres  Roth 

1,12 

0,68 

!22 

1  in 

1 19 

Mittleres  Roth 

0,969 

1,04 

0,68 

79 

113 

119 

Orange 

1,15 

0,71 

125 

124 

Gelb 

0,831 

0,08 

0,59 

68 

107 

104 

Grün 

1,220 

0,92 

0,57 

100 

100 

100 

Cyan 

0,87 

0,50 

95 

88 

Indigo 

0,94 

0,55 

102 

96 

Violett 

0,75  (?) 

0,43  (?) 

81  (?) 

80(?) 

Ich  habe  das  unmittelbar  von  der  Petroleumlampe 
kommende  Licht  verglichen  mit  dem  durch  Stearinpapier 
durchgelassenen.  "Ich  versäumte  aber  nicht  für  genau  die- 
selben Spectralbezirke  auch  die  Vergleichung  des  direkten 
Lichts  beider  Lampen  vorzunehmen.  Dadurch  war  es 
möglich  Zahlen  zu  berechnen,  welche  den  Absorptions- 
coefticienten  der  einzelnen  homogenen  Lichtarten  für 
Stearinpapier  proportional  sind. 


Licht  zweier  Petroleumlampen. 


Durch  Papier 

Direktes 

Proportionalia 

gegangenes 

Licht  mit  di- 

der Absorp- 

mit  direktem. 

> 

rektem. 

tionscoeffic. 

Aeufseres  Roth 

i. 

0,255 

Mittleres  Roth 

0,066 

0,135 

0,489 

Orange 

0,0456 

0,133 

0,343 

Gelb 

0,0547 

0,195 

0,280 

Grün 

0,0500 

0,145 

0,344 

Cyan 

0,0505 

0,218 

0,233 

Indigo 

0,0698 

0,271 

0,258 

Violett 

0,165 

Zwei  andere  Versuchsreihen  ergaben: 

Durch  Stearinpapier  gegangenes,   verglichen  mit  direktem  Licht  einer 


Petroleumlampe. 


2. 

3. 

Aeufserstes  Roth 

0,0712 

0,113 

Aeufseres  Roth 

0,0694 

0,121 

Mittleres  Roth 

0,0698 

0,120 

Orange 

0,0472 

0,087 

Gelb 

0,0583 

0,098 

Grün 

0,0526 

0,100 

Cyan 

0,0600 

0,114 

Indigo 

0,0721 

0,138 

Violett 

0,1000(?) 

0,182 

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409 

In  einer  Versuchsreihe  verglich  ich  das  direkte  Licht 
einer  Petroleumlampe  und  das  von  derselben  Lampe  aus- 
gestrahlte aber  erst  durch  einen  Stearinpapierschirm  ge- 
gangene mit  derselben  dritten  Lichtquelle  (Tageslicht). 
Der  Quotient  der  zwei  Verhältnisse  gibt  dann  das  Ver- 
hältnis der  Helligkeit  der  einzelnen  Bestandteile  des 
durchgelassenen  und  des  direkten  Lichts. 

Durch  Stearinpapier  gegangenes  Licht  einer  Petroleumlampe  verglichen 
mit  dem  direkten  Licht  derselben  Lampe. 

(Mittelbar  erschlossen.) 


4. 

Aeufserstes  Roth 

0,176 

Aeufsercs  Roth 

0,086 

Mittleres  Roth 

0,081 

Rüthlich  Orange 

0,076 

Orange 

0,096 

Gelb 

0,081 

Grünlich  Gelb  ') 

0,115 

Grün 

0,092 

Blaugrün 

Cyan  ') 

0,091 

0,120 

Brechbareres  Blau 

0,072 

Indigo 

0,102 

Violett 

(?) 

Setzt  man  in  den  vier  Versuchsreihen  je  das  Licht- 
stärken verhältnifs  für  Grün  gleich  100,  so  erhält  man: 

Durch  Stearinpapier  gegangenes  mit  direktem  Licht  einer  Petroleumlampe. 


I  1 

2. 

3. 

4. 

Aeufserstes  Roth 

135 

113 

190 

Aeufseres  Roth 

132 

121 

93 

Mittleres  Roth 

132 

133 

120 

88 

Röthlich  Orange 

83 

Orange 

91 

90 

87 

104 

Gelb 

109 

111 

98 

88 

Grünlich  Gelb 

125') 

Grün 

100 

100 

100 

100 

Blau  Grün 

99 

Cyan 

110 

114 

114 

130 ') 

Brechbareres  Blau 

78 

Indigo 

140 

137 

138 

111 

Violett 

190  (?) 

182 

')  Diese  auffallenden  Ergebnisse  wurden  durch  wiederholte,  gute  Ver- 
suche ersielt 


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410  • 


Diese  Zusammenstellung  läfst  ersehen,  dafs  die  drei 
ersten  Versuchsreihen  kein  sehr  verschiedenes  Ergebnils 
lieferten,  dafs  aber  die  mittelbar  erschlossenen  Zahlen  der 
vierten  Reihe  sehr  abweichen.  Und  doch  mufs  ich  die 
vier  Versuchsreihen  für  ungefähr  gleich  genau  halten.  Den 
Mangel  an  Uebereinstimmung  schreibe  ich  daher  der  un- 
gleichen Mischung  des  Petroleumlampenlichts  zu,  wie  ich 
ja  unzweifelhaft  auch  bei  der  direkten  Vergleichung  Ver- 
schiedenheit der  Färbung  des  Lichts  der  Petroleumlampen 
erkannt  habe. 

Das  direkte  Licht  einer  Petroleumlampe  wurde  ver- 
glichen mit  dem  von  einer  gelblich  angestrichenen  Mauer 
reßektirten  Sonnenlicht.  Der  Apparat  war  unverrück- 
bar so  aufgestellt,  dafs  die  Achse  des  einen  Nicol- 
paares  nach  einer  bestimmten  Stelle  der  Mauer  gerichtet 
war  und  das  Licht  von  dort  durch  eine  Oeflhung 
im  Laden  des  verdunkelten  Zimmers  eindringen  konnte. 
Durch  Schirme  war  Sorge  getragen,  dafs  in  das  zweite 
Nicolpaar  ausschliefslich  das  Licht  der  Petroleumlampe 
drang,  nicht  auch  noch  von  den  Zimmerwänden  reflek- 
tirtes  Tageslicht.  Während  der  Zeit,  welche  eine  Ver- 
suchsreihe in  Anspruch  nahm,  änderte  sich  der  Sonnen- 
stand und  damit  die  Beleuchtung  der  Mauer.  Meist 
konnte  ich  es  so  einrichten,  dafs  diese  Aenderung  den  ge- 
ringsten Einflufs  hatte,  indem  ich  die  Hälfte  der  Ver- 
suchsdauer vor  Mittag  und  die  andere  Hälfte  nach  Mittag 
legte,  die  Heiterkeit  des  Himmels  änderte  sich  scheinbar 
nicht.  Ich  arbeitete  an  prachtvollen  Herbsttagen  in  Mün- 
chen, das  seines  heiteren  Himmels  wegen  berühmt  ist. 
War  das  Spectrum  durchmustert,  so  wiederholte  ich  die 
Vergleichung.  Das  Ergebnifs  einer  solchen  Wiederholung 
ist  in  den  mit  A  und  B  überschriebenen  Colonnen  der 
Versuchsreihe  1  mitgetheilt.  Die  Messungen  A  wurden 
zuerst  und  zwar  in  der  Reihenfolge,  in  der  sie  aufge- 
schrieben sind,  angestellt,  dann  sofort  die  Messungen  B 
begonnen,  dabei  aber  abwechselnd  in  einer  stark  brech- 
baren und  einer  wenig  brechbaren  Farbe  beobachtet.  Die 


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411 


nicht  unbedeutende  Verschiedenheit  der  Ergebnisse  A 
und  B  ist  durch  einen  eingetretenen  Wechsel  in  den  ver- 
glichenen Lichtquellen  zu  erklären.  Die  Wiederholung 
der  Messungen  der  andern  nachstehend  mitgetheilten  Ver- 
suchsreihen ergab  nahezu  dieselben  Verhältnifszahlen,  wo- 
mit nachgewiesen  war,  dafs  in  der  Beleuchtung  kein  merk- 
licher Wechsel  eingetreten.  Das  war  jedoch  der  seltnere 
Fall,  —  ich  habe  noch  eine  Anzahl  Messungen  ausgeführt, 
bei  welchen  aber,  als  ich  nach  Beendigung  der  Versuche 
im  brechbarsten  Theile  des  Spectrums  die  Wiederholung 
am  rothen  Spectrumende  vornahm,  Werthe  gefunden 
wurden,  die  von  dem  1J  bis  2  Stunden  früher  erhaltenen 
sehr  abweichen,  woraus  zu  schliefsen,  dafs  die  der  Zeit 
nach  späteren  Vergleichungen  der  stärker  brechbaren  Farben 
unter  anderen  Beleuchtungsverhältnissen  stattfanden,  als 
die  vorher  angestellten  {Messungen  im  weniger  brechbaren 
Spectrumbezirk.  Diese  Versuchsreihe  theile  ich  nicht  mit. 
Es  sey  noch  erinnert,  dafs  ich  die  Spectralstreifen  nicht 
nach  ihrer  genauen  Brechbarkeit  bestimmte  oder  ihre  Lage 
auf  F r aun ho f er'sche  Linien  bezog,  sondern  nur  dem 
Farbeneindrucke  nach  bezeichnete,  dafs  also  bei  der 
Wiederholung  der  Messungen  wohl  nicht  ganz  genan  die- 
selben Lichtarten  in  Anwendung  gekommen  seyn  können. 


Reflektirtes  Sonnenlicht  verglichen  mit  direktem  Petrolenmlicht 


• 

L 

A      !  B 

2. 

3. 

4. 

Aeufserstes  Roth 

0,665 

1,02 

0,375 

0,494 

0,72 

Mittleres  Roth 

1,52 

1,72 

0,436 

0.492 

1,73 

Roth-Orange 

2,00 

0,738 

1,73 

Orange 

2,84 

2,50 

0,618 

0,826 

3,15 

Gelb 

4,42 

2,86  (?) 

0,686 

0,837 

5,10 

Gelbgrün 

4,11 

4,21 

0,780 

1,377 

Grün 

5,02 

4,64 

1,151 

3,511 

7,28 

Blaugrün 

6,23 

5,48 

3,974 

8,24 

Grünblau 

1,875 

5,120 

Cyan 

5,10 

2,507 

6,816 

7^37 

Cyan-Indigo 

5^93 

7,234 

8,01 

Indigo 

7,03 

4,025 

10,360 

9,25 

Indigo- Violett 

8,52 

10,184 

13,28 

Violett 

13,54 

6,128 

18,87 

18,71 

Aeufcerei  Violett 

15,87 

16\50 

24,00 (?) 

25,62 

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412 


Setze  ich,  besserer  Uebersichtlichkeit  wegen,  in  jeder 
Versuchsreihe  das  Helligkeitsverhältnifs  der  grünen  Strahlen 
gleich  100,  so  berechnen  sich  die  übrigen  Verhältnisse 
wie  folgt: 


Reflektirtcs  Sonnenlicht  verglichen  mit  direktem  PetroieumlichL 


1. 

A  B 

2. 

3. 

4. 

Aeufseres  Roth 

13 

22 

33 

14 

10 

Mittleres  Roth 

30 

37 

38 

14 

24 

Roth-Orange 

43 

21 

24 

Orange 

57 

54 

54 

23 

43 

Gelb 

88 

62(?) 

60 

24 

70 

Gelbgrün 

82 

91 

68 

39 

Grün 

100 

100 

100 

100 

100 

Blaugrün 

122 

118 

113 

113 

Grünblau 

163 

146 

Cyan 

102 

218 

194 

101 

Cyan-Indigo 

188 

206 

110 

Indigo 

üb 

351 

295 

127 

Indigo-Violett 

184 

290 

182 

Violett 

271 

532 

537 

257 

Aeufaerc*  Violett 

316 

356 

700  (?) 

352 

Die  mit  (?)  versehenen  Zahlen  sind  verdächtig.  Bei 
der  in  dem  äufsersten  Spcctralbezirke  ist  aus  früher  an- 
gegebenen Gründen  wahrscheinlich  die  Unsicherheit  der 
Messung  die  Ursache.  Die  auffallend  geringe  Helligkeit 
des  Gelb  in  Versuchsreihe  B  war  von  mir  schon  im  Be- 
obachtungsheft angezeichnet  worden;  — ich  vermuthe  eine 
vorübergehende  Trübung,  deren  Dasein  mir  entging,  ein- 
mal weil  ich  vom  Beobachtungszimmer  aus  überhaupt  nur 
durch  eine  kleine  Oeffnung  nach  der  von  der  Sonne  be- 
schienenen Wand  sehen  konnte,  dann  aber,  weil  ich  diefe 
zur  Schonung  des  Auges  auch  sorgfaltig  vermied.  Bis 
auf  die  Zahl  für  Gelb  stimmen  die  am  selben  Tage  im 
Verlauf  von  etwa  3  Stunden  gemachten  Beobachtungen 
A  und  B  so  gut  überein,  als  man  erwarten  kann.  Die 
Wiederholung  der  andern  mitgetheilten  Versuchsreihen, 
war  nicht  so  ausfuhrlich,  beanspruchte  kürzere  Zeit  und 
lieferte  Zahlen,  die  so  gut  stimmten,  dafs  ich  ihre  Mit- 
theilung für  unnöthig  erachte.  Die  Zahlen  lehren  wie  ver- 


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413 


schieden  an  den  einzelnen  Beobachtungstagen  die  relative 
Zusammensetzung  der  verglichenen  Lichter  war.  Am 
2.  September  (Versuchsreihe  3)  war  das  Uebergewicht  der 
brechbareren  und  brechbarsten  Strahlen  im  Sonnenlicht,  ver- 
glichen mit  deren  Starke  im  Lampenlicht,  am  gröfsten; 
ganz  verschieden  ist  die  Vergleichung  der  Lichter  am 
6.  September  (Versuchsreihe  4),  an  einem  gleich  hellen 
und  schönen  Tage,  bei  scheinbar  gleich  gut  und  hell 
brennender  Lampe,  ausgefallen.  Alle  Versuchsreihen  stim- 
men darin  überein,  dem  reflektirten  Sonnenlichte  einen  gegen 
das  Lampenlicht  vergleichsweise  sehr  geringen  Antheil 
der  wenig  brechbaren  und  einen  sehr  grofsen  Antheil  der 
brechbareren  und  brechbarsten  Strahlen  zuzuschreiben. 

Das  an  derselben  Wand  reflektirte  Sonnenlicht  verglich 
ich  an  anderen  Tagen  mit  dem  durch  einen  Stearinpapier- 
schirm gegangenen  Petroleumlicht.  Lieferte  die  Wieder- 
holung der  Vergleichung  für  eine  Farbe  zu  verschiedenen 
Zeiten  beträchtlich  verschiedene  Werthe,  so  wurde  diese 
Versuchsreihe  verworfen,  weil  angenommen  werden  mufste, 
dafs  während  der  zu  ihrer  Vollendung  erforderlichen  Zeit 
das  Helligkeitsverhältnifs  der  verglichenen  Lichter  sich 
geändert  habe.  Die  Abweichungen,  wie  sie  in  A  und  B 
sich  zeigen,  sind  die  gröfsten  noch  als  zulässig  erachteten; 
in  den  übrigen  hier  mitgetheilten  Versuchsreihen  waren 
sie  geringer.  Zwischen  der  Messung  für  eine  Farbe 
unter  A  und  unter  B  liegt  ein  Zeitraum  von  mindestens 
2  Stunden. 


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414 


Reflektirtes  Sonnenlicht  verglichen  mit  durch  Stearinpapier  gegangenem 

Petroleumlicht. 


1. 

A     |  B 

2. 

3. 

4. 

5. 

Aeufseres  Roth 

4,51 

_ 

2,73 

Mittleres  Roth 

1,38 

1,45 

1,56 

2,60 

5,40 

Roth- Orange 

2,03 

1,67 

3,81 

\J  I  eilige 

2,91 

2,55 

0  G9 

3  30 

4  99 

6  46 

Gelb 

5,10 

5,21 

1,36 

3,12 

10,74 

8,47 

Gelbgrtin 

8,45 

Grün 

8,48 

8,17 

3,63 

4,65 

18,00 

12,76 

Blaugriin 

17,01 

15,63 

Grünblau 

17,34 

24,18 

Cyan 

21,99 

20,74 

8,60 

18,24 

18,62 

35,09 

Cyan-Indigo 

27,83 

39,46 

Indigo 

45^30 

2433 

41,08 

58,74 

Violett 

75,74(?) 

100  (?) 

160  (?) 

Umgerechnet,  80  dafs  das  Verhältnifs  für  Grün  jeder- 
zeit 100  ist,  lautet  die  Tafel: 

Reflektirtes  Sonnenlicht  verglichen  mit  durch  Stearinpapier  gegangenem 

Petroleumlicht. 


1 
1 

1. 

A  B 

2. 

3. 

4. 

5. 

Aeufseres  Roth 

53 

- 

15 

Mittleres  Roth 

17 

40 

34 

14 

42 

Roth-Orange 

24 

20 

21 

Orange 

34 

31 

19 

71 

24 

51 

Gelb 

60 

64 

38 

67 

60 

66 

Gelbgrün 

66 

Grün 

100 

100 

100 

100 

100 

100 

Blaugrün 

95 

122 

Grünblau 

96 

190 

Cyan 

259 

254 

237 

392 

103 

275 

Cyan-Indigo 

155 

309 

Indigo 

535 

670 

228 

460 

Violett 

2090(?) 

555  (?) 

250(?) 

Die  Messungen  im  Violett  sind  sehr  unsicher,  da  das 
Lampenlicht  schon  sehr  arm  an  stark  brechbaren  Strahlen 
ist  und  diese  noch  durch  das  Stearinpapier  beträchtlich 
absorbirt  werden. 

Die  einzelnen  Versuchsreihen  gaben  sehr  verschiedenes 
Zu8anunensetzung8verhaltnif8;  es  läfst  sich  nur  deutlich 


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415 


der  grofse  relative  Reichthum  des  Sonnenlichtes  an  starker 
brechbaren  Strahlen  erkennen. 

Auch  das  vom  blauen  Himmel  nahe  am  Zenith  aus- 
gehende, an  einem  Quecksilberspiegel  reflektirte  Licht 
habe  ich  mit  dem  direkten  Licht  der  Petroleumlampe  ver- 
glichen, aber  nur  zwei  Versuchsreihen  waren  brauchbar, 
und  wenn  ich  eben  so  kritisch  wie  bei  den  andern  Ver- 
gleichungen  verfahren  wollte,  so  müfste  ich  selbst  die 
zweite  der  mitgetheilten  verwerfen.  Die  Helligkeit  des 
blauen  Himmels  ist  schnellen  Aeuderungen  unter- 
worfen, es  wird  selten  vorkommen,  dafs  Messungen  die 
zwei  Stunden  später  wiederholt  werden,  noch  annähernd 
gleiches  Helligkeits-  und  Farbenverhältnifs  liefern.  Ich 
stelle  in  der  Tafel  sogleich  die  auf  Grün  =100  umge- 
rechneten Zahlen  hinzu.  Bei  der  zweiten  Versuchsreihe 
(am  10.  September)  war,  als  gerade  die  Messung  im  Grün 
beendet  war,  und  ich  die  in  Blau  begann,  die  Helligkeit 
sehr  rasch  gestiegen.  Ich  machte  eine  Pause  von  einer 
halben  Stunde,  und  fand  dann  nahezu  wieder  dieselben 
Zahlen  für  das  Helligkeitsverhältnüs  in  Gelb  und  Grün, 
wefshalb  ich  die  Arbeit  fortsetzte  unter  der  Annahme, 
das  ursprüngliche  Helligkeits-  und  Farbenverhältnifs  habe 
sich  wieder  eingestellt. 

Blaues  Himmelslicht  verglichen  mit  direktem  Licht  der  Petroleumlampe. 


1. 

2. 

1. 

2. 

Aeufseres  Roth 

0,118 

0,391 

24 

11 

Mittleres  Roth 

0,129 

27 

Roth -Orange 

0,612 

17 

Orange 

0,124 

0,728 

26 

20 

Gelb 

0,088 

2,075 

18 

58 

Orün 

0,482 

3,582 

100 

100 

Cyan 

0,670 

5,528 

139 

154 

Indigo 

0,618 

10,820 

128 

302 

Violett 

2,468 

14,100 

512 

393 

Relativ  gegen  Lampenlicht  sind  die  rothen  bis  gelben 
Bestandtheile  des  blauen  Himmelslichts  bedeutender  als 
die    des    an  der  Mauer  reflektirten  Sonnenlichts,  hin- 


416 


gegen  die  brechbarsten  Bestandteile  weniger  bedeutend, 
immer  auf  gleiche  Helligkeit  des  Grün  in  beiden  bezogen. 

Eine  Anzahl  Versuchsreihen  widmete  ich  der  Messung 
der  Absorptionscoefficienten  für  die  einzelnen  Lichtarten 
in  Bezug  auf  den  Durchgang  durch  farbige  Gelatine- 
oblaten. Die  absorbirende  Platte  wurde  einmal  in  den 
Weg  der  von  der  links  stehenden  Lampe  kommenden 
Strahlen  eingeschaltet,  und  das  Helligkeitsverhältnifs  in 
einem  Spectralbezirke  gemessen.  Alsdann  wurde  die  Oblate 
vor  die  rechts  stehende  Lampe  gehalten  und  abermals  im 
selben  Spectralbezirk  gemessen.  Ist  u  der  Absorptions- 
coefficient  und  sind  /  und  r  die  gefundenen  Verhältnisse, 
so  folgt  aus 


Die  Bestimmung  von  j-y  a^80  die  Vergleiche  zweier 


Petroleumlampen,  fügte  nichts  neues  zu  dem  schon  Mit- 
geteilten. Die  Absorptionscoefficienten  u  sind  sehr  ver- 
schieden, einstweilen  aber  scheint  mir  die  Mittheilung  der 
gefundenen  Zahlen  von  nicht  genügendem  Interesse. 
Dieses  wird  erst  rege  werden,  wenn  ich  an  die  Ausfuh- 
rung der  Versuche  über  die  Vergleichuug  der  Empfin- 
dungsstärke ungleichartiger  Helligkeiten  komme,  zu  welcher 
Untersuchung  das  Vorstehende  wesentlich  Vorbereitung 


war. 


Aschaffenburg,  Herbst  1872. 


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417 


III.    lieber  Jen  Einßufs  der  Einziehung  auf  die 
Temperatur  der  Weltkörper; 
von  G.  Hansemann. 


Bekanntlich  nimmt  im  Allgemeinen,  soweit  die  Erfahrung 
reicht,  die  Temperatur  unserer  Atmosphäre  mit  der  Höhe 
ab  und  die  Temperatur  des  Erdkernes  mit  der  Tiefe  zu. 
Obgleich  nun  die  Entfernung  zwischen  den  äufsersten 
Grenzpunkten,  welche  bisher  der  Forschung  zugänglich 
gewesen  sind,  im  Verhältnils  zu  den  Dimensionen  unseres 
Planeten  nur  sehr  gering  ist,  —  sie  beträgt  noch  keine 
zwei  Meilen  —  so  hat  man  sich  doch,  unterstützt  durch 
andere  Thatsachen  und  durch  theoretische  Betrachtungen, 
berechtigt  geglaubt,  aus  den  gemachten  Beobachtungen 
zu  folgern,  dafs  die  Abnahme  der  Temperatur  in  der  At- 
mosphäre und  die  Zunahme  im  Innern  der  Erde  auch 
noch  über  die  Beobachtungs punkte  hinaus  stattfinde. 
Beide  Erscheinungen  können  daher,  wenn  diese  Folgerung 
als  richtig  vorausgesetzt  und  von  relativ  unbedeutenden 
Unregelmäfsigkeiten  in  der  Temperaturvertheilung  abstrahirt 
wird,  zusammengefafst  werden  in  dem  Satze: 

Die  Temperaturen,  welche  unser  Planet  an  verschiedenen 
Punkten  besitzt,  stehen  in  einem  umgekehrten  Verhältnisse 
tu  den  Entfernungen  dieser  Punkte  von  seinem  Gramtations- 
centrum. 

So  viel  ich  weifs,  wurde  bisher  bei  allen  Erklärungs- 
versuchen die  angeführte  Wärmevertheilung  innerhalb  der 
Atmosphäre  stets  getrennt  betrachtet  von  derjenigen  inner- 
halb des  Erdkernes.  Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern, 
dafs  die  beiden  Wärmevertheilungen ,  trotzdem  sie  die 
augenfällige  Analogie  des  Gleichgerichtetseins  zeigen,  auf 
grundverschiedene  Ursachen  zurückgeführt  worden  sind. 

Die  Temperaturabnahme  in  der  Atmosphäre  wird  ge- 
wöhnlich als  eine  Folge  der  combinirten  Einwirkung  der 
Wärmestrahlung,  Wärmeleitung  und  Wärmebindung  dar- 
Poggendorffi  Ann.    Ergänxungsbd.  VI.  27 

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t 


418 

gestellt;  während  man  die  in  Rede  stehende  Wärmever- 
theilung  im  Innern  des  Erdkernes  sehr  allgemein  als  ein 
Ueberbleibsel  aus  einer  Zeit,  in  welcher  die  Erde  eine 
weifsglühende  Kugel  gewesen  seyn  soll,  mithin  als  einen 
Zustand  noch  nicht  vollendeter  Abkühlung  betrachtet. 

Vereinzelt  sind  freilich  auch  andere  Ansichten  aufge- 
taucht. So  hat  Volger  die  innere  Erdwärme  durch  che- 
mische Processe  zu  erklären  versucht,  und  Waterston 
hat  in  „O/i  dynamical  sequences  in  Kosmos"  aus  der  me- 
chanischen Wärmetheorie  schon  im  Jahre  1853  die  Fol- 
gerung gezogen,  dafs  die  Temperaturabnahme  in  der  At- 
mosphäre ein  durch  den  Einflufs  der  Anziehung  der  Erd- 
masse modificirter  Gleichgewichtszustand  sey  1).  Ich  selbst 
habe  vor  einigen  Jahren2)  den  vorhin  ausgesprochenen 
Satz  über  das  Verhältnifs  der  Temperatur  als  ein  allgemein, 
für  jeden  Weltkörper  geltendes  Gesetz  aus  den  einfachen 
Gesetzen  der  Gravitation  und  des  Zusammenstofses  absolut 
elastischer  Körper  abgeleitet,  und  zu  beweisen  versucht, 
dafs  dieses  Verhältnifs  der  Temperatur  in  der  That,  wie 
es  für  die  Atmosphäre  schon  von  Waterston  ausge- 
sprochen worden  ist,  dem  durch  die  unmittelbare  Mit- 
wirkung der  Anziehung  modificirten  Gleichgewichtszustande 
entspreche. 

Wenn  ich  nun  trotz  der  entgegenstehenden  herrschen- 
den Meinung  noch  einmal  versuche,  diese  Ansicht  als 
eine  nothwendige  Folgerung  der  mechanischen  Anschau- 
ungsweise über  das  Wesen  der  Wärme  und  über  die 
innere  Besch affenheit  der  Körper  darzustellen,  so  geschieht 
dies,  weil  ich  daran  die  Mittheilung  einiger  experimenteller 
Beobachtungen  knüpfen  möchte,  welche  jene  Ansicht  zu 
bestätigen  scheinen. 

1)  Nachdem  die  vorliegende  Arbeit  schon  längere  Zeit  an  Prof.  Poggen- 
dorff  abgegeben  war,  fand  ich  in  der  „Nature*  vom  22.  Mai  1873 
dieselben  Ansichten  ausgesprochen  von  J.  Guthrie. 

2)  In  »die  Atome  und  ihre  Bewegungen". 


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419 


Was  von  anderer  Seite  als  Ursache  für  eine  ungleiche 
Warmevertheilung  Überhaupt,  sowohl  innerhalb  der  Atmo- 
sphäre, wie  an  der  Oberfläche  und  im  Innern  des  Erd- 
kernes aufgestellt  oder  angenommen  worden  ist,  läfst  sich 
zurückfuhren:  entweder  auf  die  Wärmeausstrahlung  der 
Sonne,  der  Erde  selbst  und  in  geringem  Maafse  der  übrigen 
Weltkörper,  auf  irgend  eine  Bewegung  der  Erde,  oder 
auf  chemische  und  physikalische  Differenzen  ihrer  Bestand- 
teile, oder  endlich  auf  einen  noch  nicht  vollendeten  Ab- 
kühlungsprocefs.  Da  es  nun  die  Hauptaufgabe  der  fol- 
genden Untersuchung  seyn  wird,  zu  zeigen,  dafs  das  vor- 
hin ausgesprochene  Gesetz  allgemein  und  ganz  unabhängig 
ton  diesen  Ursachen  gültig  ist,  so  erscheint  es  vor  allen 
Dingen  nothwendig,  einen  ideellen  Weltkörper  anzunehmen, 
bei  dem  die  Mitwirkung  solcher  Einflüsse  und  Umstände 
nicht  möglich  ist. 

Um  dieser  Bedingung  zu  genügen,  müssen  wir  einen 
vollkommen  isolirten,  in  absoluter  Ruhe  befindlichen,  kugei- 
förmigen und  aus  chemisch  und  physikalisch  gleichen 
Elementen  bestehenden  Weltkörper  in  dem  Zustande  des 
vollkommenen  Gleichgewichtes  als  Objekt  unserer  Be- 
trachtung voraussetzen.  Alsdann  handelt  es  sich  nur  um 
die  Entscheidung  der  Frage:  Wie  mufs  dieser  Znstand 
des  vollkommenen  Gleichgewichtes,  unter  dem  Einflüsse 
der  Anziehung,  beschaffen  seyn? 

Die  mechanische  Anschauungsweise  über  das  Wesen 
der  Wärme  und  über  die  innere  Beschaffenheit  der  Körper 
ist  am  vollständigsten  entwickelt  bei  den  Gasen,  und  es 
ist  defshalb  zweckmäfsig  den  ideellen  Weltkörper  zunächst 
gasförmig  anzunehmen. 

Nach  jener  Anschauungsweise  sind  die  in  einer  ma- 
teriellen Schicht  enthaltenen  Moleküle  in  einer  fortwähren- 
den Bewegung  begriffen,  bei  welcher  jedes  einzelne  bald 
nach  dieser,  bald  nach  jener  Richtung  hinfliegt,  je  nach 
der  Art  der  Zusammenstöfse,  die  dasselbe  mit  anderen 

Molekülen  erleidet;  und  die  Temperatur  der  materiellen 

27. 


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420 

Schicht  ist  eine  Function  der  Molekülmasse  und  der  Ge- 
schwindigkeiten, mit  welchen  sich  die  Moleküle  bewegen. 

Clausius  drückt  diese  Function  für  die  Gase  durch 
die  Gleichung: 

n  m  u9        rp  q 

aus  ').    In  derselben  bedeutet  n  die  Anzahl  der  in  irgend 

einem  Gasquantum  enthaltenen  Moleküle;  ^y-die  auf  jedes 

einzelne  der  n  Moleküle  fallende  mittlere  lebendige  Kraft, 
also  m  die  Masse  und  u  die  der  mittleren  lebendigen 
Kruft  entsprechende  Geschwindigkeit  Eines  Moleküls;  so- 
dann T  die  absolute  Temperatur  des  Gases  und  C  eine 
Constante,  auf  welche  hier  nicht  weiter  eingegangen  zu 
werden  braucht. 

Die  obige  Gleichung  behält  uneingeschränkte  Gültig- 
keit, so  lange  das  Lufttheilchen,  auf  welches  sich  dieselbe 
bezieht,  als  solches  in  keiner  Veränderung  begriffen  ist; 
so  lange  sich  dasselbe  mitbin  weder  ausdehnt,  noch  zu- 
sammenzieht, noch  in  irgend  einer  Weise  bewegt.  Wird 
daher  ein  Lufttheilchen  betrachtet,  bei  welchem  diese  Be- 
dingungen erfüllt  sind,  so  ist  es,  in  Folge  der  Gleichung: 

gestattet,  Alles,  was  sich  für  die  mittlere  lebendige  Kraft 
der  Moleküle  des  Lufttheilchens  ergiebt,  ebenfalls  auf  die 
Wärme  desselben  anzuwenden-,  und  umgekehrt  Alles,  was 
die  Erfahrung  von  der  Wärme  aussagt,  ebenfalls  auf  die 
mittlere  lebendige  Kraft  der  Moleküle  zu  beziehen;  natürlich 
immer  nur  in  Gemäfsheit  der  aufgestellten  Gleichung. 

Ich  kann  jetzt  zur  Beantwortung  der  Frage  zurück- 
kehren: Wie  mufs  der  Zustand  des  vollkommenen  Gleich- 
gewichts bei  dem  angenommenen  ideellen  Weltkörper,  unter 
dem  Einflüsse  seiner  Anziehung  beschaffen  seyn? 

Hierauf  läfst  sich  sofort  erwiedern,  dais  in  diesem  Zu- 
stande die  Masse  und  die  Wärme  des  Weltkörpers  so 

1)  Abhandlungen  über  die  mechanische  Wärmetheorie-    Zweite  Abthei- 
lung, S.  254. 


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421 


vertheilt  seyn  müssen,  dafs  durch  den  Einflufs  der  An- 
ziehung keine  Veränderungen  in  der  Vertheilung  ent- 
stehen. Es  mufs  defshalb,  wenn  wir  uns  zwei  benach- 
barte Theilchen  des  Weltkörpers  durch  eine  Ebene  ab- 
gegrenzt denken,  während  jeder  Zeiteinheit  gleich  viel 
Masse  und  gleich  viel  Wärme,  also  auch  gleich  viel 
lebendige  Kraft,  von  der  einen  Seite  her  durch  diese 
Ebene  gehen,  wie  von  der  anderen  Seite,  welches  auch 
die  Lage  der  Ebene  seyn  möge.  Denn,  sobald  dies  über- 
all geschieht,  findet  an  keiner  Stelle  eine  Abnahme  oder 
Zunahme  der  vorhandenen  Masse  und  der  vorhandenen 
lebendigen  Kraft  der  Moleküle,  oder,  was  auf  dasselbe 
hinauskommt,  der  vorhandenen  Wärme,  also  auch  keine 
Veränderung  in  der  Vertheilung  von  Masse  und  Wärme 
mehr  statt. 

Es  genügt  hier,  eine  Ebene1)  zu  betrachten,  welche 
senkrecht  zu  der  Richtung  der  Anziehung  steht. 

Setzen  wir  also  diesen  Fall  voraus.  Die  Punkte  a 
und  fi9  Fig.  1,  mögen  zwei  Moleküle  und  die  Linie  cd  den 

Querschnitt  der  Ebene  darstellen. 
Fi6-  l-  Die  Anziehung   des  Weltkörpers 

wirke  überall  in  der  Richtung  der 
 d  gezeichneten  Pfeile.  Das  Mole- 
kül a.  bewege  sich  in  dem  Augen- 
blicke unserer  Betrachtung  mit  der 
Geschwindigkeit  v,  und  ß  mit  der 

I.      u      u        Geschwindigkeit  «a.  Die  Anziehung 
J     J      J        bewirkt  nun,  dafs  die  Geschwindig- 
keit, womit  sich  a  von  oben  her  der 
Ebene  nähert,  vergröfsert,  und  dagegen  die  Geschwindigkeit, 
womit  sich  ß  von  unten  her  der  Ebene  nähert,  verkleinert 
wird.    Wir  sehen  also,  dafs  die  Anziehung  auf  den  beiden 

1)  Hier  und  in  der  Folge,  wo  von  Ebenen  die  Rede  ist,  welche  senk- 
recht zur  Anziehungsrichtung  stehen,  mufs  man  sich  die  Ebene  im 
Verbältnifs  zu  den  Dimensionen  des  Weltkörpers  und  namentlich 
im  Verhaltnifs  zu  ihrer  Entfernung  von  seinem  Massencentrum  ver- 
gehwindend klein  denken,  weil  nur  so  von  senkrecht  zur  Anziehungs- 
richtung stehenden  Ebenen  die  Rede  seyn  kann. 


422 


Seiten  der  Ebene  in  ganz  verschiedener  Weise  die  Bewe- 
gungen der  Atome  in  Bezug  auf  die  Ebene  beeinflnfst. 

Bei  ß  und  ebenso  bei  allen  anderen  Molekülen,  welche 
sich  von  der  dem  Massencentrum  des  Weltkörpers  zu- 
nächst gelegenen  Seite  B  her  in  irgend  einem  Momente 
der  Ebene  nähern,  wird  die  Annäherung  erschwert,  weil 
die  Annäherungsgeschwindigkeiten ,  d.  h.  die  senkrecht 
zur  Ebene  gerichteten  Bewegungscomponenten  verkleinert 
werden.  Es  bedarf  daher  nur  gewisser,  allerdings  sehr 
kleiner  Annäherungsgeschwindigkeiten  der  Moleküle,  damit 
bei  denselben  das  Erreichen  der  Ebene  durch  den  Einfluls 
der  Anziehung  ganz  verhindert  wird,  ohne  dafs  hierbei 
Veränderungen  der  Bewegungsrichtungen  durch  Zusammen- 
stöße mitzuwirken  brauchen.  Bei  a  und  allen  anderen 
Molekülen,  die  sich  dagegen  von  der,  weiter  vom  Massen- 
centrum des  Weltkörpers  entfernt  gelegenen  Seite  A  her 
gegen  die  Ebene  bewegen,  werden  die  Annäherungsge- 
schwindigkeiten durch  die  Anziehung  tergröfsert.  Es 
können  defshalb  auch  noch  Moleküle  die  Ebene  erreiehen, 
welche  sich  zuerst  von  derselben  entfernten,  ohne  dafs  es 
auch  hier  der  Mitwirkung  von  Zusammenstölsen  bedürfte. 
Die  Wahrscheinlichkeit,  dafs  irgend  eines  der  Moleküle 
der  unmittelbar  über  der  Ebene,  also  auf  der  Seite  A  ge- 
legenen materiellen  Schicht,  während  der  Zeiteinheit  die 
Ebene  überschreite,  ist  mithin  in  Folge  der  Anziehung 
gröfser,  als  die  entsprechende  Wahrscheinlichkeit  für  die 
Moleküle  der  unterhalb ,  also  auf  der  Seite  B  befindlichen 
Schicht.  Wenn  daher,  wie  es  der  Gleichgewichtszustand 
verlangt,  während  jeder  Zeiteinheit,  bei  gleich  viel  leben- 
diger Kraft,  auch  gleich  viel  Masse  von  beiden  Seiten  her 
durch  die  Ebene  gehen  soll,  so  mufs  die  Differenz  in  der 
Wahrscheinlichkeit,  welche  das  Durchgehen  der  Masse 
jedes  einzelnen  Moleküls  in  der  Richtung  von  A  nach  B  hin 
begünstigt,  in  irgend  einer  Weise  ausgeglichen  seyn,  und  dies 
kann  offenbar  dadurch  geschehen,  dafs  sich  in  gleich  grofsen 
Räumen  auf  der  Seite  B  mehr  Moleküle  bewegen,  als  auf 


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423 


der  Seite  j4,  dafs  also  die  Dichtigkeit  unterhalb  der  Ebene 
gröfser  ist,  als  oberhalb  derselben. 

Untersuchen  wir  jetzt,  wie  das  Verhältnifs  der  mitt- 
leren lebendigen  Kräfte  der  Moleküle  auf  den  beiden 
Seiten  der  Ebene  seyn  mufs,  damit  trotz  der  Einwirkung 
der  Anziehung,  während  jeder  Zeiteinheit,  bei  gleich  viel 
Masse,  auch  gleich  viel  lebendige  Kraft  von  beiden  Seiten 
her  durch  die  Ebene  strömt. 

Betrachten  wir  wieder  das  Molekül  «,  Fig.  1.  Irgend 
eine  Bewegung,  welche  dasselbe  in  der  kleinen  Entfer- 
nung ex  von  der  Ebene  cd  besafs,  sey  durch  den  Zusamen- 
stofs  mit  einem  anderen  Moleküle  in  die  der  Gröfse  und 
Richtung  nach  durch  die  Linie  tij  dargestellte  Geschwin- 
digkeit verwandelt  worden,  und  es  bewege  sich  jetzt  bis 
zu  der  sehr  nahe  befindlichen  Ebene,  ohne  aufs  Neue  mit 
einem  anderen  Moleküle  zusammen  zu  prallen.   Die  leben- 

dige  Kraft  ,  die  dasselbe  unmittelbar  nach  dem  statt- 
gefundenen Stofse,  also  in  der  Entfernung  el  von  der 
Ebene  besafs,  mufs  dann  bis  zur  Ebene,  weil  es  sich  bis 
dahin  um  die  Strecke  e,  dem  Schwerpunkte  des  Welt- 
körpers nähert,  um  die  kleine  Gröfse  mge1  zunehmen, 
wenn  g  das  Maafs  der  Beschleunigung  für  den  Ort  be- 
deutet, wo  sich  die  Ebene  befindet.  Gerade  entgegen- 
gesetzt verhält  sich  die  Bewegung  des  Moleküles  ß;  denn 
während  sich  dieses  untep  sonst  analogen  Verhältnissen 
bis  zur  Ebene  hin  bewegt,  entfernt  sich  dasselbe  von  dem 
Schwerpunkte  des  Weltkörpers  um  die  Strecke  c4;  es 
mufs  mithin  einen  Verlust  an  lebendiger  Kraft  erleiden, 
welcher  m  g  e2  beträgt. 

Aus  der  unmittelbar  über  der  Ebene,  also  auf  der 
Seite  A  gelegenen  Luftschicht,  werden  in  jedem  Augen- 
blicke viele  Moleküle  in  ähnlicher  Weise  wie  «  nach  der 
Ebene  hin  ausgestofsen;  verschieden  sind  nur  die  Ge- 
schwindigkeiten und  die  Richtungen,  welche  sie  dabei  er- 
halten, sowie  die  Entfernungen  der  Moleküle  von  der 
Ebene  in  dem  Momente,  wo  die  Ausstofsung  stattfindet. 


Di 


424 


Nehmen  wir  daher  an,  während  der  Zeiteinheit  wurden 
von  A  her,  aus  den  sehr  kleinen  Entfernungen  von  der 
Ebene: 

it  Moleküle  mit  den  lebendigen  Kräften: 

-y  >  •  •  •  2  ' 

gegen  die  Ebene  gestofsen,  so  werden  diese  Moleküle, 
unter  den  vorhin  bei  a  angenommenen  Verhältnissen,  die 
Ebene  überschreiten  mit  den  durch  die  Anziehung  ver- 
größerten lebendigen  Kräften: 

~~2  ^~mg  ß"  ~~2  *-m9  e2->  •  •  •  •   r»ff  «.; 

und  wir  können  daher  sagen,  dafs  zusammen  die  leben- 
dige Kraft: 

—     m  #  €  J 

während  der  Zeiteinheit  in  der  Richtung  von  A  nach  ß 

durch  die  Ebene  geht,   wenn        die  mittlere  lebendige 

Kraft  der  n  Moleküle  und  e  ebenfalls  einen  Mittel werth  der 
verschiedenen  kleinen  Entfernungen  el ,  e, ,  .  .  eu  bedeutet. 

Ist  Gleichgewicht  vorhanden,  so  überschreiten  eben- 
falls n  Moleküle  in  der  entgegengesetzten  Richtung  während 
der  Zeiteinheit  die  Ebene.  Da  aber  die  lebendigen  Kräfte 
der  Moleküle,  welche  dies  thun,  unmittelbar  vorher,  wie 
ich  soeben  bei  dem  Moleküle  ß  gezeigt  habe,  durch  den 
Einfiufs  der  Anziehung  verkleinert  werden,  so  müssen  wir 
ihre  Summe  durch 

/«IM*,  \ 

»(--," -mg*t) 

darstellen,  wenn  — ~  und  e,  mittlere  Werthe  derselben 

Art,  wie  vorhin  bezeichnen. 

Nun  darf  bei  vorhandenem  Gleichgewichte  keine  Wärme- 
strömung stattfinden,  es  darf  deshalb  während  der  Zeit- 
einheit von  der  einen  Seite  nicht  mehr  lebendige  Kraft 


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425 

durch  die  Ebene  gehen,  wie  von  der  andern  Seite,  folg- 
lich Ii  Ulis; 

»(m-f  +  m9e)  =  np£—mgtl), 

also  auch: 

m  «'        m  u'  , 

~2~  ^  2 


seyn.  ist  aber  die  mittlere  lebendige  Kraft,  mit  wel- 
cher die  Moleküle  aus  der  unmittelbar  über  der  Ebene 
gelegenen  Luftschicht  ausgestofsen  werden;  es  ist  also 
auch  die  mittlere  lebendige  Kraft,  welche  die  Moleküle 
dieser  Luftschicht  überhaupt  besitzen;  und  ebenso  stellt 

die  mittlere  lebendige  Kraft  der  Moleküle  der  un- 
mittelbar unter  der  Ebene  befindlichen  Luftschicht  dar. 
Aus  der  obigen  Gleichung  folgt  daher,  dafs  im  Zustande 
des  vollkommenen  Gleichgewichtes  die  mittlere  lebendige 
Kraft  der  Moleküle,  folglich  auch  die  Temperatur  des 
Gases,  oberhalb  der  Ebene  kleiner  seyn  mufs,  als  unterhalb. 

Denken  wir  uns  jetzt,  senkrecht  zu  der  durch  die 
Pfeile  Fig.  2  angedeuteten  Anziehungsrichtung,  die  sehr 
2  nahe  zusammenliegenden  Ebenen  a, 

 öj  u.  8.  f.,  von  denen  jede  fol- 

  gende  sich  etwas  weiter  entfernt 

 £   r    von  dem  Gravitationscentrum  des 

—  j — ß    ideellen  Weltkörpers  befinde,  wie 

"*  "   ä    a     die  vorhergehende,  so  ergiebt  sich 

j  u  u  w  leicht  aus  dem  Gesagten,  dafs  die 
|     \      \     \         Temperatur  bei  66  kleiner  ist  als 

bei  aa,  bei  cc  kleiner  als  bei  66, 
bei  dd  kleiner  als  bei  cc,  u.  8.  f.;  dafs  sie  also  bei  dem 
ideellen  Weltkörper,  im  Zustande  des  vollkommenen  Gleich- 
gewichtes, in  einem  umgekehrten  Verhältnisse  zu  der  Ent- 
fernung ton  seinem  Gravitationscentrum  steht. 

Die  bisherigen  Betrachtungen  bezogen  sich  nur  auf 
den  gasförmigen  Aggregatzustand.  Wenn  aber  die  me- 
chanische Anschauungsweise,  deren  Richtigkeit  durch  das 


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426 

gesammte  Verhalten  der  Gase  so  sehr  bestätigt,  wird, 
gleichfalls  bei  der  Betrachtung  der  flüssigen  und  festen 
Körper  zu  Grunde  gelegt  wird,  wie  es  schon  ziemlich  all- 
gemein geschieht  und  wie  es  auch  namentlich  Clausius 
thut,  so  darf  der  soeben  ausgesprochene  Satz  auch  auf 
diese  ausgedehnt  werden;  denn  seine  Gültigkeit  hängt  nur 
von  der  Voraussetzung  fortwährender  Orts -Bewegungen 
der  materiellen  Theilchen  der  Korper  ab. 

Es  könnte  nun  die  Frage  aufgeworfen  werden,  ob  die 
Anziehung  auch  genüge,  um  die  relativ  grofsen  Temperatur- 
differenzen  zu  erklären,  welche  die  Erfahrung  auf  dem 
von  uns  bewohnten  Planeten,  in  verschiedenen  Entfer- 
nungen von  seinem  Schwerpunkte,  nachweist.  Diese  Frage 
kann  nur  durch  eine  Berechnung  entschieden  werden,  bei 
welcher  die  aufgestellte  Theorie  zu  Grunde  gelegt  wird. 

Bei  den  festen  und  flüssigen  Theilen  der  Erde  fehlen 
für  eine  derartige  Berechnung  die  nothwendigsten  Anhalts- 
punkte; vor  Allem  fehlt  dafür  die  Kenntnifs  des  Verhält- 
nisses, welches  zwischen  dem  materiell  ausgefüllten  Räume 
und  dem  freien  Bewegungsraume  besteht.  Bei  der  At- 
mosphäre kann  man  dagegen  die  einfache  Voraussetzung 
machen,  dafs  der  Raum,  welchen  ihre  materiellen  Theil- 
chen ausfüllen,  im  Vergleich  zu  dem  freien  Bewegungs- 
raume verschwindend  klein  sey  und  alsdann  gelangt  man 
zu  dem  Resultate,  dafs  die  Temperaturdifferenz  der  Luft 
in  zwei  Höhen,  hx  und  Äz,  der  lebendigen  Kraft  ent- 
sprechen mufs,  welche  bei  dem  freien  Falle  der  Luft  von 
der  Höhe  h2  bis  zur  Höhe  A,  entstehen  würde.  Diese 
lebendige  Kraft  beträgt,  in  Arbeitseinheiten  ausgedrückt, 
(Ä, —  Ä,)  Meterkilogramme   für  jedes  Kilogramm  Luft, 

was  einer  Temperaturdifferenz  von  (h2  —  hx)  —  Graden  des 

Celsius'schen  Thermometers  entspricht,  wenn  A  das 
Wärmeäquivalent  der  Arbeitseinheit  und  c  die  speeifische 
Wärme  des  Gases  bei  constantem  Volumen  bezeichnen. 

Sind  daher  die  den  Höhen  h%  und  hx  entsprechenden 
absoluten  Temperaturen  T2  und  7\,  so  ist: 


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427 


Für  A2  —  Ä,  *=  100 Meter;  A=  J-  °Cels.  und  c=0,16847, 

der  speeifischen  Wärme  unserer  Atmosphäre  bei  constantem 
Volumen,  folgt: 

Tx  -  r2==i,4°c. 

als  Abnahme  der  Temperatur  der  Atmosphäre  bei  einer 
Erhebung  von  100  Metern. 

Wir  dürfen  natürlich  nicht  erwarten,  dafs  dieses  Re- 
sultat mit  der  Erfahrung  Übereinstimme,  da  bei  der  Be- 
rechnung desselben  alle  neben  der  Anziehung  noch  mit- 
wirkenden Ursachen  aufser  Acht  geblieben  sind. 

Da  aber  die  erhaltene  Temperaturabnahme  von  1,4°  C. 
auf  100  Meter  gröfser  ist,  und  zwar  wesentlich  gröfser 
als  diejenige,  welche  die  Erfahrung  nachweist,  so  würde 
—  wenn  die  hier  entwickelten  Ansichten  sich  als  richtig 
erweisen  —  die  neue  Frage  entstehen:  Welches  sind  die 
Ursachen,  dafs  diese  Temperaturabnahme  in  der  Wirklich- 
keit nicht  so  grofs  ist,  als  sie  im  vollständigen  Gleich- 
gewichtszustande, unter  dem  alleinigen  Einflüsse  der  Gra- 
vitation, seyn  mülste? 

Ich  werde  bei  einer  anderen  Gelegenheit  auf  diese 
Frage  zurückkommen;  jetzt  will  ich  nur  noch  eine  aus 
der  Gleichung  (I)  sich  ergebende  Folgerung  hervorheben 
und  daran  die  Mittheilung  einiger  Versuche  knüpfen,  welche 
ich  zur  Prüfung  dieser  Folgerung  angestellt  habe. 

Bei  einer  geschlossenen  Luftsäule,  deren  Höhe  h  seyn 
möge,  wird  im  Allgemeinen  eine  Temperaturdifferenz  f, 
zwischen  dem  tiefsten  und  höchsten  Punkte  derselben  be- 
stehen. Eine  Ursache  dieser  Differenz  ist,  den  voran- 
gegangenen Betrachtungen  gemäfs,  in  der  Mitwirkung  der 
Anziehung  enthalten.  Angenommen,  der  aus  schlief slich 
auf  dieser  Ursache  beruhende  Antheil  an  der  Temperatur- 
differenz f,  wäre  gleich  tm  und  der  Antheil  aller  übrigen 
Ursachen  gleich  f.,  so  dafs 


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428 


seyn  müfste.  Anstatt  t.  kann  alsdann,  der  Gleichung  (1) 
zu  Folge,  gesetzt  werden  —  A,  so  dafs 


wird.  Nehmen  wir  nun  eine  zweite,  ebenfalls  geschlossene 
Luftsäule  von  anderer  Beschaffenheit,  aber  derselben  Höhe 
Ii  an,  so  gilt  für  diese,  der  letzten  Gleichung  entsprechend, 
die  Beziehung: 

wenn  wir  voraussetzen,  dafs  die  Ursachen,  welche  bei  der 
ersten  Luftsäule  die  Temperaturdifferenz  bewirken,  bei 
der  zweiten  ganz  denselben  Einflufs  ausüben.  Unter  dieser 
Voraussetzung  wird,  wenn  die  beiden  Luftsäulen  oben 
gleiche  Temperaturen  besitzen,  unten  die  aus schlief s lieh 
durch  die  Mitwirkung  der  Anziehung  verursachte  Temperatur- 
differenz : 

vorhanden  seyn  müssen. 

Wenn  man  bedenkt,  wie  schwierig  es  ist  bei  zwei 
einigermaafsen  hohen  Luftsäulen  die  äufseren  Einflüsse 
ganz  gleich  zu  erhalten;  wenn  man  ferner  bedenkt,  dafs 
selbst  ganz  gleiche  äufsere  Umstände  auf  Luftsäulen  von 
verschiedener  Beschaffenheit  doch  ungleich  einwirken,  dafs 
also  hierbei  die  oben  gemachte,  der  Gleichung  (II)  zu 
Grunde  liegende  Voraussetzung  überhaupt  kaum  erftlllt 
seyn  kann,  so  wird  man  zugeben,  dafs  es  unmöglich  ist, 
durch  Beobachtung  die  Richtigkeit  der  obigen  Gleichung 
bis  auf  die  Gröfse  der  Temperaturdifferenz  bestätigt  zu 
finden.  Eher  möglich  dagegen  erschien  es  mir,  experi- 
mentell nur  nachzuweisen,  dafs  überhaupt  eine  der  obigen 
Gleichung  entsprechende  Temperaturdifferenz  bei  zwei  ver- 
schiedenartigen Luftsäulen  besteht.  Ich  stellte  daher  zu 
diesem  Zwecke  die  folgenden  Versuche  an. 


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429 


Der  Apparat,  dessen  ich  mich 
bediente,  ist  in  seinen  Haupttheilen 
in  Fig.  3  dargestellt. 

In  einem  hölzernen,  an  seinen 
Aufsenwänden  mit  verzinntem 
Eisenblech  beschlagenen  Kasten 
A  Al  befinden  sich  2 Messingrohre, 
B  und  Bl  von  1,90  Meter  Länge 
und  0,030  Meter  Durchmesser, 
welche  unten  mit  Hähnen  ver- 
sehen sind.  0,10  Meter  über  dem 
Hahne  hat  jede  der  beiden  Röhren 
eine  Oeffnung,  welche  durch  eine 
luftdichte  Thermosäule  C  geschlos- 
sen ist,  so  dafs  die  in  den  Röhren 
befindlichen  Gase  die  Löth  flächen 
der  Thermosäule  berühren,  ohne 
von  einem  Rohre  in  das  andere 
überströmen  zu  können.  Mit  den 
Messingröhren  B  und  BA  stehen 
oben,  bei  o  und  o,,  Gummi- 
schläuche D  und  Dx  in  Verbin- 
dung ,  welche  ausserhalb  des 
Kastens  spiralförmig  umeinander 
gewunden  sind.  Diese  oben  mit 
Stopfen  verschliefsbaren  Gummi- 
schläuche können  mit  Hülfe  eines 
Über  eine  Rolle  R  geführten  Seiles 
in  die  Höhe  gezogen  und  nieder- 
gelassen werden.  Die  Höhe  des 
höchsten  Punktes,  Ä,  der  Gummi- 

I  Schläuche  über  der  Stelle,  wo  sie 

aus  dem  Kasten  AAX  kommen, 
beträgt  8,20  Meter. 

Bei  den  Versuchen  I  bis  V 
J  stand  der  mit  Watte  ausgefüllte 
und  geschlossene  Kasten  A  Ay  an 


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430 

der  Wand  eines  Zimmers  unter  einem  Fenster,  durch 
welches  die  Schläuche  ins  Freie  geleitet  waren,  so  dais 
diese  sich  ganz  im  Freien  befanden.  Die  Rolle  R  war 
oberhalb  des  Fensters  am  .Dache  des  Hauses  befestigt 
Die  Drähte  der  Thermosäule  standen  mit  einem  im  Neben- 
zimmer aufgestellten  Spiegel-Galvanometer  in  Verbindung 
dessen  in  einer  Entfernung  von  0,90  Meter  von  dem  Dreh- 
punkte der  Gaivanometernadel  befindliche  Skala,  bei 
0,46  Meter  Länge,  in  720  Theile  eingetheilt  ist.  Die 
Zählung  der  Theilstriche  geschieht  von  dem  in  der  Mitte 
der  Skala  befindlichen  Nullpunkte  aus  nach  beiden  Seiten 
hin,  und  bei  den  Messungen  ist  diejenige  Seite,  nach 
welcher  die  Ablenkung  stattfand,  wenn  die  mit  dem  Rohre 
Bl  in  Verbindung  stehende  Löthfläche  der  Thermosäule 
die  kältere  war,  als  die  negative  Seite  betrachtet  worden. 

Versuch  I.  Beide  Röhren  und  die  zugehörigen 
Schläuche  waren  mit  atmosphärischer  Luft  gefällt.  Die 
Schläuche  waren  abwechselnd  während  10  Minuten  herab- 
gelassen und  während  10  Minuten  ganz  heraufgezogen, 
so  dafs  die  Höhe  der  geschlossenen  Luftsäulen  über  der 
Thermosäule  während  des  einen  Zeitraumes  1,90  Meter 
und  während  des  andern  10,10  Meter  betrug. 

Alle  5  Minuten  wurde  die  Ablenkung  der  Galvano- 
meternadel gemessen  und  zwar  immer  unmittelbar  cor 
einer  Veränderung  in  der  Lage  der  Schläuche  und  5  Min. 
nach  der  Veränderung.  Die  Veränderung  selbst  nahm 
höchstens  \  Minute  Zeit  in  Anspruch. 


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431 


Der  Versuch,  dessen  Resultate  in  der  folgenden  Ta- 
belle verzeichnet  sind,  wurde  während  eines  sehr  stür- 
mischen Wetters  angestellt.  Regen  und  Sonnenschein 
wechselten  oft  innerhalb  weniger  Minuten,  so  dafs  dif 
aufsen  befindlichen  Schläuche  grofsen  Temperaturverän- 
derungen unterworfen  waren. 


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+  35,0 

0,00 

1,90  . 

+  46,5 

0,00 

10,10 

n 

+  40,0 

+  5,50 

10,10  . 

+  39,5 

-  1,75 

1,90 

-1-34,0 

0,00 

1,90  . 
10,10  , 

+  36,0 

0,00 

10,10 

1 

n 

+  34,5 

-3,25 

+  37,0 

-  0,25 

1,90 

i 

+  41,5 

0,00 

1,90  , 

+  38,5 

0,00 

10.10 

n 

4-41,0 

+  1,75 

10,10  „ 

+  39,5 

+  3,50 

1,90 

+  37,0 

0,00 

1,90  m 

+  33.5 

0,00 

10,10 

* 

+  36,0 

-  8,50 

10,10  „ 
1,90  « 

+  30,5 

-3,50 

1,90 

w 

+  52,0 

0,00 

+  34,5 

0,00 

10,10 

r 

+  58,0 

+  3,50 

Mittlere  Ab 

enkung  für 

1,90 

w 

+  57,0 

0,00 

die  gröfste 

Höhe  der 

10,10 
1,90 
10,10 

n 

+  56,0 
+  48,0 

-f  3,50 

Luftsäulen  ,  diejenige 
für    die    kleinste  auf 

i 

■ 

0,00 

■ 

1 

+  47,5 

+  0,25 

Null  reducirt     .    .  . 

+  0,07 

1)  Bei  der  Reduction  ist  die  Ablenkung  für  die  Höhe  10,10  Meter  der 
Luftsäulen  jedesmal  vermindert  um  den  mittleren  Betrag  der  vor- 
und  nachher  gefundenen  Ablenkungen  für  die  Höhe  1,90  Meter. 


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432 


Versuch  II.  Derselbe  bestand  in  einer  Wiederholung 
des  vorherigen  an  einem  Tage,  an  welchem  der  Himmel 
fortwährend  gleichmäfsig  bedeckt  blieb,  der  Wind  schwach 
war  und  kein  Regen  fiel,  so  dais  die  Schläuche  keinen 
bedeutenden  Temperaturschwankungen  ausgesetzt  wurden. 
Die  Messungen  ergaben  folgende  Resultate: 


5 

■  *  •§  1 

'  1 

3 

?■ 

9 

Qi    X  ** 

Höhe  der  Luftsau] 
über  der 
Thenuosäule 

•BS  C- 
'  -Ts  v 

Mittlere  Äblenl 
aus  den  beid 
Messungen 

Ablenkung  füi 
gröfste  Hohe, 
jenige  für  d.  kh 
auf  Null  redu 

Höhe  der  Lufts 
Über  der 
Thermosäul 

Mittlere  Äblenl 
aus  den  beid 
Messungen 

Ablenkung  für 
gröfste  Höhe, 
jenige  für  d.  kl< 
auf  Null  redu 

1.90M. 

4-  26,0 

0,00 

1,90  M. 

4-28,0 

0,00 

10,10  „ 

4-27,0 

4-0,50 

10,10  . 

4-30,0 

4-1,00 

1,90  „ 

4-27,0 

0,00 

1,90  , 

4-30,0 

0,00 

10,10  „ 

4-27.0 

4-1,00 

10,10  „ 

4-  30,5 

4-2,00 

1,90  „ 

4-  25,0 

0,00 

1,90  „ 

4-27,0 

0,00 

10,10  „ 

4-25,0 

-1,00 

10,10  „ 
1,90  . 

4-27,5 

-0,75 

1,90  „ 

4-27,0 

0,00 

4-29,5 

0,00 

10,10  . 

4-  27,5 

-  1,25 

1,90  . 
10,10  B 

4-30,5 

0,00  1 
-0,75 

4-  29,0 

Mittlere  Ablenkung  Tür 

1,90  „ 

4-29,0 

0,00 

die  gröfste 

Höhe  der 

10,10  . 

4-31,0 
4-30,5 

4-  1,25 

Luftsäulen  , 

diejenige 

1,90  „ 

0,00 
-0,25 

für    die    kleinste  auf 

10,10  . 

4-29,0 

■ 

Null  redncirt  . 

4-0,175 

Digitized  by  Google 


433 


Versuch  III-  Himmel  fortwährend  bewölkt;  starker 
Wind,  aber  k^in  Regen.  Das  Rohr  B,  und  der  dazu  ge- 
hörige Schlauch  waren  jetzt  mit  Wasserstoflgas  gefüllt^ 
das  andere  Rohr  und  der  daran  befestigte  Schlauch  da- 
gegen mit  atmosphärischer  Luft.  Die  beiden  Schläuche 
wurden  in  einer  Höhe  von  5  Metern  über  der  Thermo- 
säule  so  befestigt,  dafs  nur  der  darüber  befindliche  Theil 
von  5,10  Metern  herabgelassen  werden  konnte. 


a 

© 

w 

_  © 
©  ■  «* 

—  ©  08  ti 

a 

© 

\    9  JlS 

.3  „ 

§  c 

1  - 

^  "z  .5  ■» 

Höhe  der  LdfUi 
über  der 
Thermosäul« 

Mittlere  Ablenk 
au*  den  beid< 
Messungen 

Ablenkung  für 
gröfste  Höhe,  i 
jenige  für  d.  kle 
auf  Null  reduc 

Höhe  der  Luftsc 
Uber  der 
Thermosäuli 

Mittlere  Ablenk 
aus  den  beid< 
Messungen 

Ablenkung  für 
gröfste  Höhe, 
jenige  für  d.  kle 
auf  Null  redu( 

5,00  M- 

4-18,0 

0,00 

5,00  M. 

4-34,0 

0,00 

10,10  . 

4-  14,5 

-5,00 

10,10  » 

4-29,5 

-5,75 

5,00  m 

4-21,0 

0,00 

5,00  » 

4-36,5 

0,00 

10,00  „ 

4-  16,5 

-  5,75 

10,10  „ 

4-36,0 

-2,50 

5,00  „ 

+  23,5 

0,00 

5,00  ■ 

4-40,5 

0,00 

10,10  . 

4-  22,5 

-4,75 

10,10  . 

4-33,0 

-6,75 

5,00  * 

4-31,0 

0,00 

5  00  „ 

4-  39,0  0,00 

10,10  „ 

4-27,0 

—  4,75 

5,00  „ 

4-32,5 

0,00 

i 

10,10  . 
5,00  „ 

4-25,0 

-  7,50 

Mittlere  Ablenkung  für 
die  gröfste  Höhe  der 

4-32,5 

0,00 

10,10  „ 

4-29,5 

—  4,50 

Luftsäulen , 

diejenige 

5,00  . 

4-35.5 

0,00 

für    die   kleinste  auf 

10,10  , 

4-28,0 

-6,75 

Null   reducirt    .    .  . 

-5,40 

Poggvudorff*  Aua.    Ergänsuagsbd.  VI.  38 


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434 


Versuch  IV.  Fortsetzung  des  vorigen,  nur  wurden 
jetzt  die  Schläuche  jedesmal  ganz  herabgelassen. 


3   ®  1 

llj 

CO 


§  s 

vj  4) 

p  *o  c 
«'SR 

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»  ■  S 

M  3 


S 


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—  3 

**  ja 

ttJ  -O  T3  »" 

cD3  i-- 

3        tS  - 

£5  «  « 


1,90  M. 

10,10  „ 

1,90  „ 

10,10  . 

1,90  „ 

10,10  „ 

1,90  „ 

10,10  „ 

1,90  „ 

10,10  »» 

1,90  h 

10,10  „ 

1,90  . 

10,10  . 


4-56,5 
-1-33,0 
-1-53,5 
-+-30,0 
-1-50,5 
+  2G,0 
48,0 
26,5 
44,5 
30,5 
50,5 
28,0 
44,0 
26,5 


0,00 

—  22,00 

0,00 

—  22,00 

0,00 

—  23,25 

0,00 
— 19,75 
0,00 

—  17,00 

0,00 

—  19,25 

0,00 

—  20,50 


c 

6 

1  JE 

.«3   i—  *3 

***   <D  :cS 

%  i  g 

<u  n 
•°  %  J= 

ES 


1,90  M. 

10,10  w 

1,90  „ 

10,10  „ 

1,90  . 

10,10  . 

1,90  „ 


c 

3  S 

Iis. 

X5  -°  C 


i  ss 

.tl  cd 

9 


.2 


''S; 


Ö    ö~  Jtf  «3 

Mm  S 
a  SS  i-  = 

3        Ä  3 

c  'S  o 
a»  «— .  ar«— 

'S  :0  •=  S 


50,0 
27,0 
46,5 
27,5 
52,0 
28,5 
44,5 


! 


0,00 

—  21,25 

0,00 

—  21,75 

0,00 

—  19,75 

0.00 


I 


Mittlere  Ablenkung  für 
die  grüfste  Höhe  der 
Luftsäulen ,  diejenige 
für  die  kleinste  auf 
Null   reducirt    .    .  . 


—  20,65 


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435 


Versuch  V.  Fortsetzung  des  vorigen.  Das  Seil,  mit 
welchem  die  Schläuche  heraufgezogen  und  herabgelassen 
wurden,  war  aber  hierbei  in  einer  Höhe  von  6,30  Metern 
über  der  Thermosäule  an  die  Schläuche  befestigt,  so  dafs 
bei  aufgezogenen  Schläuchen  die  Höhe  der  Luftsäulen 
Ober  der  Thermosäule  6,30  Meter  und  bei  herabgelassenen 
1,90  Meter  betrug. 


g 


0 

5  -  2 


g  ^  5 

—  1 

c 


3  -° 


«  e  2 

Kl 


1,90  M. 
6,30  . 
1,90  „ 
6,30  . 
1,90  „ 
6,30  . 
1,90  „ 
6,30  „ 
1,90  . 
6,30  „ 


44,0 
30,5 
47,5 
31,5 
46,5 
35,5 
45,5 
32,0 
46,5 
32,5 


o 

9    i  — 

J3  :g  'S  Ö 


0,00 

—  15,25 

0,00 

—  15,50 

0,00 

—  10,50 

0,00 

—  14,00 

0,00 

—  15,50 


a 

8 

<2  *-  *2 
M  2 

41    n  u 

•»SS 

:0 


1,90  M. 
6,30  . 
1,90  . 


tu 

|j 

5«  & 

<  i  2 


a  i  sc 


■1 


+  49,5  0,00 
H-  39,6  -  10,25 
+  50,0  I  0,00 


Mittlere  Ablenkung  für 
die  gröfste  Höhe  der 
Luftsäulen,  diejenige 
für  die  kleinste  auf 
Null  reducirt    .    .    .  I 


-  13,50 


*8» 


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436 


Versuch  VI.  Bei  diesem  Versuche  war  das  Rohr  B, 
uud  der  dazu  gehörige  Schlauch,  wie  bei  dem  vorigen, 
mit  Wasserstoff,  das  Kohr  B  und  der  damit  zusammen- 
hängende Schlauch  mit  atmosphärischer  Luft  gefüllt.  Der 
Holzkasten  AA,  lag  auf  dem  Fufsboden,  und  die  über- 
einander gewundenen  Schläuche  wurden  innerhalb  des  ge- 
schlossenen Zimmers  abwechselnd  bis  au  die  Decke  des- 
selben heraufgezogen  und  wieder  herabgelassen,  so  dafs 
die  Luftsäulen  über  der  Thermosäule  abwechselnd  3,80  Meter 
und  0,00  Meter  hoch  waren.  Zehn  Minuten  nach  jeder  Ver- 
änderung in  der  Lage  der  Schläuche  wurde  die  Ablenkung  am 
Galvanometer  und  die  Temperatur  des  Zimmers  gemessen ; 
letzteres  an  einem  Thermometer,  welches  an  dem  oberen 
Theile  der  Schläuche  befestigt  war,  so  dafs  dasselbe  die 
Zimmertemperatur  in  einer  Höhe  von  3  Metern  ergab, 
wenn  die  Schläuche  aufgezogen,  und  diejenige  am  Fufs- 
boden, wenn  die  Schläuche  herabgelassen  waren.  Das 
Resultat  der  Messungen  ist  in  der  folgenden  Zusammen- 
stellung enthalten: 


Höhe  d.  Luft- 

Ablenkung für  die 

i 

Zimmer- 

säulen 
über  der 

Ablenkung 

grüfste  Höhe,  die- 
jenige für  d.  kleinste 

Temperatur 

Thermosäule 

auf  Null  reducirt 

unten 

oben 

0,00  M. 

4-43 

0,0 

17,3 

1     1 7,9 

3,80  . 

4-38 

-3,0 

0,00  h 

4-39 

0,0 

17,2 

3,80  „ 

4-36 

-4,0 

18,0 

0,00  „ 

4-41 

0,0 

17,4 

3,80  „ 

4-37 

-5,5 

ISO 

0,00  w 

4-44 

0,0 

17,0 

3,80  „ 

-4-38 

-7,5 
0,0 
-6,5 

18,1 

0,00  » 

4-47 

16,9 

3.80  , 

4-40 

18,3 

0,00  , 

4-46 

1  0,0 

17,0 

3,80  « 

4-41 

-5,0 

18,8 

0,00  « 
3,80  w 

4-46 

0,0 

17,1 

4-37 

-8,0 

18,7 

0,00  . 

4-44 

0,0 

17,8 

3,80  ff 

4-41 

—  3,5 

18,4 

0,00  ff 
3,80  , 

4-45 

0,0 

17,0 

4-45 
4-51 

-3.0 

18,3 

0,00  , 

0,0 

17,0 

3,80  „ 

4-41 

-8,5 

18,4 

0,00  , 

4-48 

0,0 

17,0  j 

Im  Mittel: 

—  5,45 

17,1°  ; 

18,3" 

für  die  Höhe 

Celsius 

3,80Meterder  Luft- 

• 

säulen 

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437 


Versuch  VII.  Füllung  der  Röhren  und  Schläuche, 
sowie  Lage  des  Kastens  AAX  wie  bei  VI.  Die  Schläuche 
wurden  aber  nicht  aufgezogen  und  niedergelassen,  sondern 
sie  blieben  schneckenförmig  zusammengerollt  auf  dem 
Boden  liegen,  von  einem  Brette  bedeckt,  welches  abwech- 
selnd während  fünf  Minuten  mit  einem  Gewichte  von 
100  Kilogramm  belastet  und  während  fünf  Minuten  nicht 
heiastet  war,  so  da  ['s  die  in  den  Schläuchen  enthaltenen 
Gase  abwechselnd  fünf  Minuten  lang  unter  einem  stärkeren 
und  fünf  Minuten  lang  unter  einem  schwächeren  Drucke 
standen.  Unmittelbar  vor  einer  jeden  Veränderung  des 
Druckes  wurde  die  Ablenkung  am  Galvanometer  beob- 
achtet. 


Die  Schläuche 
waren : 


Ablenkung 


Ablenkung  für  den 
grösseren  Druck, 
diejenige  für  den 
kleineren  auf  Null 
reducirt 


nicht  belastet  -+-51 

belastet  -f  51 

nicht  belastet  -f-  53 

belastet  +  53 

nicht  belastet  +53 

belastet  -+-  54 

nicht  belastet  -1-53 

belastet  +  56 

nicht  belastet  +  56 

belastet  +  54 

nicht  belastet  -+-53 

belastet  -+-  54 

nicht  belastet  -+-55 

belastet  -+-  53 

nicht  belastet  -+-54 

belastet  -+-  54 

nicht  belastet  -f-52 

belastet  -+-  53 

nicht  belastet  +  54 

belastet  +  52 

nicht  belastet  +51 


0,0 
-1,0 


+  1,0 
0,0 

+  1,5 
0,0 

-0,5 


-1,5 
0,0 
+  1,0 


-0,5 
0,0 


0,0 
0,0 
0,0 


0,0 
0,0 
0,0 


0,0 
0,0 
0,0 


Mittlere  Ablenkung  für  d.  grosseren 
Druck,  diejenige  für  den  kleineren 
auf  Null  reducirt  


0,0 


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438 


Betrachten  wir  nun  zunächst  die  Versuche  III,  IV 
und  V,  bei  welchen  der  eine  Schlauch  mit  Wasserstoff 
und  der  andere  mit  atmosphärischer  Luft  gefüllt  war. 

Bei  allen  drei  Versuchen  ergaben  sich  Temperatur- 
differenzen für  die  gröfste  Höhe  der  Luftsäulen,  welche 
der  Gleichung  (II)  zu  entsprechen,  also  von  dem  Ein- 
flüsse der  Anziehung  herzurühren  scheinen.  Die  Diffe- 
renzen sind  aber  so  gering,  dafs  es  wohl  einer  sorgfältigen 
Erwägung  aller  übrigen  Umstände  bedarf,  welche  mög- 
licherweise bei  der  Entstehung  derselben  haben  mitwirken 
können. 

Durch  welche  andere  Ursachen  konnten  nun  denk- 
barerweise die  Differenzen  entstehen? 

Erstens  dadurch,  dafs  bei  dem  Heraufziehen  der 
Schläuche  das  Verhältnifs  der  ungleichen  äufseren  Um- 
stände, welche  bewirkt  haben,  dafs  bei  jeder  einzelnen 
Messung  ein  positiver  Ausschlag  der  Galvanometernadel 
stattfand,  verändert  wurde.  Eine  derartige  Veränderung 
hätte  aber  ebensowohl  hervortreten  müssen,  als  beide 
Schläuche  nur  mit  atmosphärischer  Luft  gefüllt  waren; 
die  Versuche  I  und  II,  bei  welchen  dies  der  Fall  war, 
hätten  demnach  eine  mittlere  negative  Ablenkung  von 
einiger  Bedeutung  für  die  gröfste  Höhe  der  Luftsäulen 
ergeben  müssen.  In  der  That  zeigten  sie  aber  nur  eine 
äufserst  geringe  mittlere  Ablenkung  und  zwar  eine  positive. 
Die  negativen  Ablenkungen,  welche  sich  bei  den  Versuchen 
III,  IV  und  V  ergaben,  können  daher  nicht  auf  solche 
Veränderungen  der  äufseren  Umstände  zurückgeführt 
werden. 

Zweitens  konnten  die  negativen  Ablenkungen  ent- 
standen seyn  durch  Druckveränderungen,  welche  ohne 
Zweifel  bei  dem  Heraufziehen  und  Herablassen  der 
Schläuche  stattfanden;  Druckveränderungen,  die  bei  gleichen 
Gasen  zwar  gleiche,  bei  ungleichen  dagegen  ungleiche 
Temperaturveränderungen  an  den  Löthflächen  der  Therrao- 
säule  hervorrufen  mufsten.  Es  darf  aber  wohl  angenommen 
werden,  dafs  die  Differenzen,  welche  in  dieser  Weise  ent- 


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439 


standen,  nur  wenige  Augenblicke  bestehen  blieben.  Der 
Versuch  VII  beweist  die  Richtigkeit  dieser  Annahme,  denn 
die  Druckänderungen,  welche  dabei  stattfanden,  waren 
jedenfalls  viel  gröfser,  als  die  durch  das  Heraufziehen 
und  Herablassen  der  Schläuche  bewirkten,  und  trotzdem 
ergab  sich  für  die  fünf  Minuten  nach  jeder  Veränderung 
vorgenommenen  Messungen  im  Durchschnitte  keine  Ab- 
lenkung der  Galvanometernadel. 

Drittens  endlich  konnten  die  Temperaturdifferenzen, 
welche  sich  bei  den  Versuchen  III,  IV  und  V  für  die 
gröfste  Höhe  der  beiden  Luftsäulen  ergaben,  dadurch  ent- 
standen seyn,  dafs  die  Schläuche  bei  dem  Heraufziehen 
in  kältere  Luftschichten  kamen,  und  dafs  alsdann  die  da- 
durch entstehenden  Veränderungen,  in  Folge  der  gröfseren 
Wärmeleitungsfahigkeit  oder  in  Folge  der  gröfseren  Beweg- 
lichkeit des  Wasserstoffgases ,  auf  die  Seite  der  Thermo- 
säule,  welche  mit  diesem  Gase  in  Berührung  stand,  am 
stärksten  einwirkten.  Es  ist  gar  keine  Frage,  dafs  dieser 
Umstand  nicht  ohne  Einfluls  blieb.  Dafs  aber  der  Ein- 
flufs  nur  ein  untergeordneter  gewesen  seyn  konnte,  be- 
weist der  Versuch  VI,  bei  welchem  die  Schläuche  durch 
das  Heraufziehen  in  wesentlich  wärmere  Luftschichten 
kamen,  und  wo  trotzdem  eine  negative  mittlere  Ablenkung 
der  Galvanometernadel  für  die  gröfste  Höhe  der  Luft- 
Säulen  sich  ergeben  hat. 

Mir  scheint  hiernach  das  Vorhandenseyn  einer  der 
Gleichung  II  entsprechenden,  also  nur  durch  die  Mit- 
wirkung der  Anziehung  der  Erde  verursachten  Temperatur- 
differenz nachgewiesen  zu  seyn. 

Auch  der  Umstand  spricht  hierfür,  dafs  die  Tem- 
peraturdifferenz sich  in  den  Versuchen  III  und  V,  wo 
nur  Theile  der  beiden  Schläuche  in  die  Höhe  gezogen 
wurden,  kleiner  zeigte,  als  in  dem  Versuche  IV,  wo  die- 
selben ganz  aufgezogen  waren;  denn  nach  der  Glei- 
chung (II)  mufs  die  Temperaturdifferenz  um  so  gröfser 
seyn,  je  gröfser  der  Unterschied  in  der  Höhe  der  Luft- 
säulen ist. 


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440 


Der  Grund,  wefshalb  sich  dieses  Verhältnifs  nicht 
ebenfalls  bei  den  Versuchen  III  und  V  zeigte,  bei  welchen 
sich,  in  dem  ersten  für  eine  Höhendifferenz  von  5,10  Metern 
nur  eine  mittlere  Ablenkung  von  —  5,40,  in  dem  andern 
dagegen  für  die  kleinere  Höhendifferenz  von  4,40  Metern 
die  gröfsere  Ablenkung  von  —  13,50  ergab,  ist  leicht  zu 
erkennen.  In  dem  Versuche  III  betrug  die  kleinste  Höhe 
der  Luftsäulen  über  der  Thermosäule  noch  5  Meter,  in 
dem  andern  Versuche  (V)  dagegen  nur  1,90  Meter;  die 
Ursache  der  Temperaturdifferenz  wurde  also  in  dem  ersten 
Falle  in  einer  gröfseren  Entfernung  von  der  Thermosäule 
hervorgerufen ,  als  in  dem  zweiten;  ihre  Wirkung  mufste 
daher  durch  den  ausgleichenden  Einflufs  der  umgebenden 
Luft  auch  in  stärkerem  Grade  abgeschwächt  werden. 

Was  nun  schliefslich  die  Gröfse  der  erhaltenen  Tem- 
peraturdifferenzen betrifft,  so  ergeben  sich  dieselben  auch 
nicht  annähernd  so  grofs,  als  sie  unter  den  ideellen  Ver- 
hältnissen, welche  der  Gleichung  (H)  zu  Grunde  liegen, 
seyn  müfsten.  So  würde  beispielsweise  nach  dieser  Glei- 
chung bei  dem  Versuche  IV  eine  Temperaturdifferenz  von 
nahezu  0,1°  C.  haben  entstehen  müssen,  während  die  ge- 
fundene mittlere  Ablenkung  von  20,65  Theilstrichen  der 
Galvanometerskala  nur  einer  Temperaturdifferenz  von  un- 
gefähr 0,002°  C.  entspricht. 


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441 


IV.    Heber  Tropfen  an  festen  Körpern  tfis- 
besondere  an  Cylindern; 
von  Dr.  Kurd  Lafswitx  in  Breslau. 


I. 

Differentialgleichung  nnd  Volnmen  Ton  Tropfen. 

Die  von  Laplace1),  Gaufs1)  und  Poisson')  auf- 
gebaute mathematische  Theorie  der  Capillaritiit  ist,  zu- 
meist von  Poisson  selbst,  zur  Auflösung  einer  grolsen 
Anzahl  von  Aufgaben  über  das  Gleichgewicht  von  Flüssig- 
keiten und  festen  Körpern  benutzt  worden  und  hat  im 
Allgemeinen  eine  aufserordentliche  Uebereinstimmung  der 
Rechnung  mit  der  Erfahrung  ergeben  4).  Aus  diesem 
Grunde  soll,  obwohl  die  physikalischen  Hypothesen  Pois- 
sons  der  modernen  Anschauung  kaum  genügen  können, 
die  Anwendung  jener  Theorie  im  Nachstehenden  auf  einen 
weiteren  Specialfall  ausgedehnt  werden,  wobei  es  vorläufig 
dahingestellt  bleiben  mufs,  ob  das  Experiment  auch  hier 
die  Theorie  bestätigt.  Das  unbekannte  Gesetz  der  Mole- 
kular-Wirkung  tritt  nur  in  Form  von  Constanten  in  die 
resultirenden  Gleichungen,  welche  doch  erst  a  posteriori 
bestimmt  werden  können.  Die  Berechtigung  der  Unter- 
suchung beruht  auf  dem  wohl  zweifellosen  Satze,  dafs  die 
Wirkung  des  Capillardrucks  senkrecht  ist  zur  Oberfläche 
und  proportional  der  Summe  der  reciproken  Krümmungs- 
radien der  Hauptschnitte,  J-  -h^-*  em  Ausdruck,  wel- 

li,  «, 

* 

1)  Sur  Portion  capillaire,  SuppUment  au  X  livre  du  traiti  de  micanique 
c€Uste\  und  Supplement  a  la  thiorie  de  taction  capillaire.  Beide  Ab- 
handlungen in  traiti  de  mtcanique  cilesle,  T.  IV. 

2)  Principia  generalia  theoriae  ßuidorum  in  statu  aequilibrii. 

3)  Nouvelle  the'orie  de  taction  capillaire.  Paris  1831.  Vergleiche  ferner: 
Paul  du  Bois-Reymond  „De  aequilibrio  ßuidorum" ,  Dissertatio  in  au  lt. 
Berol.  1859. 

4)  Ausgedehnte  Beobachtungen  rühren  her  von  Gay-Lussac,  Desains, 

Bede,  Brnnner,  Hagen,  Frankenheim,  Quincke  u.  A. 

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442 


eher  in  der  Kürze  mit  Krümmung  der  Oberfläche  bezeich- 
net werden  soll l). 

Es  soll  in  der  Folge  der  Gleichgewichtszustand  solcher 
Flüssigkeitsmengen  untersucht  werden,  welche  sich  auf 
der  unteren  (dem  Erd-  Mittelpunkte  zugekehrten)  Seite 
fester  Körper  hängend  befinden  und  deren  Oberfläche  eine 
Rotationsfläche  darstellt.  Jede  derartige  Flüssigkeitsmasse 
soll  im  Allgemeinen  den  Namen  Tropfen  führen. 

Unter  der  Voraussetzung,  dafs  der  feste  Körper,  an 
welchem  der  Tropfen  hängt,  in  seiner  Oberfläche  als  voll- 
ständig glatt  und  homogen  und  in  seinem  Verhalten  gegen 
die,  natürlich  adhärirende,  Flüssigkeit  als  gleichartig  an- 
gesehen werden  kann,  wird  die  Oberfläche  des  Tropfens 
dann  eine  Rotationsoberfläche  darstellen,  wenn  die  Ober- 
fläche des  festen  Körpers  selbst  eine  solche  ist  und  ihre 
Rotationsaxe  mit  der  Richtung  der  Schwere  zusammenfallt. 

Nehmen  wir  rechtwinklige  Raumcoordinaten  und  die 
positive  Richtung  der  Z-Axe  der  der  Schwere  entgegen- 
gesetzt. Der  Normaldruck  (JV)  auf  die  Einheit  der  Ober- 
fläche ist  in  jedem  Punkte  gleich  der  algebraischen  Summe 
aus  dem  Capillardrucke  und  dem  hydrostatischen  Drucke, 
d.  h.  dem  Gewicht  der  über  jenem  Punkte  ruhenden 
Flüssigkeitssäule.  Der  Luftdruck  kann  als  constant  ver- 
nachlässigt werden.  Bezeichnet  a2  die  Capillaritätscon- 
stante  l),  *  das  speeifische  Gewicht  der  Flüssigkeit,  Ö  die 

1)  Das  von  Poisson  zu  Grunde  gelegte  Gesetz  leistet  daher  die  er- 
forderliche Uebereinstiramung  nur  innerhalb  gewisser  Gränzen;  die- 
selben übersehreitet  Poisson  z.  B.,  wo  er  aus  seinen  Annahmen 
den  Kinflnfr  der  Temperatur  auf  die  capillare  Steighöhe  ableiten  will 
(Nouvelle  theorie  p.  106).  Vergl.  hierüber  C.  Brunn  er  (Sohn),  Unter- 
suchungen über  die  Cohäsion  der  Flüssigkeiten,  Po  gg.  Ann.  Bd.  LXX. 
Aus  diesem  Grunde  ist  der  Einflufs  der  Temperatur  auf  die  capillaren 
Erscheinungen  hier  nirgends  in  Betracht  gezogen  worden. 

2)  Poisson  führt  in  der  Nouvelle  thtorie  eine  Capillaritätsconstante  a* 
ein,  welche  den  doppelten  Werth  hat  als  hier,  wo  die  Bezeichnung^- 
weise  von  Reer  (Einleitung  in  die  math.  Theorie  der  Elasücität  und 
Capillarität.  Herausg.  von  Giesen.  Leipzig  1869,  S.  \\b)  gebraucht 
ist  Die  ebenfalls  häufig  übliche  Capillaritätsconstante  a  ist  gleich- 
bedeutend mit  a*  *  hier  und  mit  £as*  bei  Poisson.  Vergleiche 
Wuellner,  Lehrb.  d.  Experimentalphysik,  Leipzigl870,  l.Bd.,  S.  264 


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443 


Entfernung  des  Punktes  der  Oberfläche  von  dem  festen 
Körper  in  der  Richtung  der  Verticalen,  also  die  Länge 
der  zu  tragenden  Flüssigkeitssäule,  so  ist  der  Normaldruck 

So  lange  dieser  Normaldruck  nach  dem  festen  Körper 
zu  wirkt,  also  JV  positiv,  haftet  die  Flüssigkeit  am  Körper. 
Wenn  N  gleich  Null  wird,  so  tritt  labiles  Gleichgewicht 
ein,  Capillar-  und  Schwerkraft  heben  sich  auf  und  der 
Tropfen  befindet  sich  im  Moment  des  Zerreifsens.  Dies 
ist  der  von  uns  besonders  zu  behandelnde  Fall.  Der 
Tropfen  zerreifst,  wenn  die  Schwere  überwiegt  und  N 
negativ  wird. 

Wir  führen  nun  cylindrische  Coordinaten  z  und  t 
=  Vx'  -h^9  ein  und  verlegen  den  Coordinaten-Anfangs- 
punkt  in  den  tiefsten  Punkt  des  Tropfens,  der  in  der 
Rotationsaxe  liegen  wird.  Wir  brauchen  alsdann  nur  die 
Meridiancurve  des  Tropfens  und  des  festen  Körpers  zu 
betrachten.  Die  Gleichung  der  Meridiancurve  des  Ro- 
tationskörpers sey  zi  =  cp(t),  so  ist  für  einen  Punkt  der 
Tropfenoberfläche  (*,  t) 

d  =  Zy  —  Z  =  (f  (t)  —  3, 

demnach  die  Bedingung  des  Gleichgewichtes  nach  Vorigem : 

wenn  c  eine  stets  positive  Gröfse  bezeichnet,  die  im  Falle 
des  labilen  Gleichgewichtes  zu  Null  wird. 

Bedeutet  y  die  Krümmung  der  Meridiancurve  im  tiefsten 
Punkte,  so  erhält  man  für  z  =  o,  r  =  o: 

2  a  V  =»  <f  (o) -r- 
wobei  (p  (o)  =  h0  =  2  a1  y  —  c  die  Entfernung  des  tiefsten 
Tropfenpunktes  von  dem  vertical  über  ihm  liegenden 
Punkte  des  festen  Körpers  angiebt.  Wird  das  Gleichge- 
wicht labil,  so  verschwindet  c  und  es  wird  die  verticale 
Entfernung  des  tiefsten  Tropfenpunktes  vom  Körper,  welche 


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444 

wir  die  Länge  des  Tropfens  nennen  wollen,  bei  einem  *<rr- 
reifsenden  Tropfen 

Ä0  =  2aV  =  y  (o). 
Diese  Länge  ist  vorläufig  nicht  bekannt. 

Die  Differentialgleichung  eines  an  einem  Rotations- 
körper hängenden  Tropfens  lautet  nunmehr,  wenn  man 
die  Krümmung  durch  ihre  Ausdrücke  in  Differential- 
quotienten ersetzt: 

 d~—~  H  p-i-^i-     «  2a1;  -  v(o)-|-  ff  (0  -  * 

Für  den  Rand,  mit  welchem  die  freie  Oberfläche  der 
Flüssigkeit  an  den  festen  Körper  gränzt,  gilt  ferner  die 
Gleichung  l) 

cos  *  =  Const., 

wobei  t  den  Winkel  zwischen  den  Normalen,  auf  der 
Oberfläche  der  Flüssigkeit  und  des  festen  Körpers  nach 
Aufsen  errichtet,  bezeichnet  (den  Contingenz-Winkel). 

Das  Vorzeichen  der  Wurzel  bestimmt  sich  aus  der 
Beziehung 

dz 
dt 


sin  #  = 


wenn  man  unter  &  den  Winkel  versteht,  welchen  die  auf 
der  Meridiancurve  nach  aufsen  errichtete  Normale  mit  der 
negativen  Richtung  der  z  bildet.  Beschränken  wir  uns 
wegen  der  Symmetrie  der  Curve  zur  *-Axe  auf  den  rechts 
von  derselben  liegenden  Theil,  so  bleibt  hier  unseren  An- 
nahmen nach  stets  o  <.  &  <.  n ,  also  sin  If  stets  positiv. 
Demnach  ist  der  Wurzel  hier  stets  dasselbe  Zeichen  zu 

geben,  wie  j .   Wir  behandeln  übrigens  hier  nur  Tropfen, 

bei  denen  jedes  z  für  jedes  t  nur  einen  Werth  besitzt. 
Der  Winkel,  welchen  die  Oberfläche  des  festen  Körpers 
1)  Gaufs  und  Poisson  a.  a.  O.  —  Beer,  a.  a.  0.  S.  118. 


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440 


an  der  Gränze  der  Oberfläche  der  Flüssigkeit  mit  der 
liorizontalebene  bildet,  heifse  der  Randwinkel  (a>);  die 
Summe  aus  Contingenzwinkel  und  Randwinkel  tu  -f  *  ist 
demnach  derjenige  Winkel,  welchen  die  Oberfläche  der 
Flüssigkeit  mit  der  Horizontalebene  bildet.  Für  diesen 
Rand,  d.  h.  den  Parallelkreis,  in  welchem  Flüssigkeits- 
und Körperoberfläehe  sich  schneiden,  wird  demnach 
L  •'<'  =w  +  i;  ferner  seyen  z  =  h  und  t  =  R  die  ent- 
sprechenden Coordinaten  des  Randes.  Ist  *  =  f  (ff,  y,  /) 
die  (vorläufig  noch  unbekannte)  Integralgleichung  der 
Tropfenoberfläche,  wobei  o  und  constante  Parameter 
sind,  so  gilt  also  für  den  Rand 

h  =  /•(«,  y,  R)  (2). 
und  durch  Differentiation  der  Integralgleichung 

tang  (ai -Hi)  —  f  (*,  r,  Ä);  (3) 
ferner  aus  der  gegebenen  Gleichung  des  festen  Körpers 
h  —  7  (Ä)  und  tang  w  =  7 '  (R).      (4 — 5) 
Diese  vier  Gleichungen,  deren  Herstellung  unsere  Auf- 
gabe iat,  genügen  zur  Lösung  des  Problems,  in  welchem 
nur  die  vier  Unbekannten 

Y%  h,  Ä>  » 

vorkommen,  sobald  labiles  Gleichgewicht  besteht.  Die 
Gleichung  des  festen  Körpers  enthält  nämlich  noch  eine 
unbestimmte  Constante  h0  =  2äiy —  c  =  <f(o);  beim  zer- 
reiJiseudeu  Tropfen  wird  c  =  o,  A0  =  2 a? 7  =  (/  (o)  und 
dadurch  diese  Unbekanute  bestimmt.  Ein  solcher  maxi- 
maler Tropfen  besitzt  natürlich  auch  ein  bestimmtes  Vo- 
lumen (Tm),  das  wir  sogleich  berechnen  werden. 

Ist  dagegen  nicht  labiles  Gleichgewicht  vorhanden, 
so  bedarf  es  noch  der  Bestimmung  von  c.  Diese  kann 
nur  durch  eine  neue  Angabe  ermöglicht  werden,  es 
mufs  also  noch  eine  der  vier  Grölsen  ys  Ä,  R,  w,  oder, 
was  das  Natürlichere  ist,  das  Gewicht  (resp.  Volumen  T) 
der  am  festen  Körper  hängenden  Flüssigkeitsmenge  ge- 
geben seyn.  Wir  stellen  nunmehr  den  Zusammenhang 
zwischen  dem  Tropfen-Volumen  (T)  und  den  übrigen 
Bestimmungsstücken  her. 


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446 

Das  Volumen  eines  Rotationskörpers  zwischen  zwei  in 
der  Höhe  30  und  *  gelegten  Horizontalebene  ist  gegeben 
durch  das  Integral 

s  c  t 

7i  j Pds  oder  *[»**]  —  2tt  f  ztdt. 

Demnach  ist  das  Volumen  des  Tropfens  vom  tiefsten 
Punkte  bis  zum  Rande: 

I 

wenn  S  das  mit  eingeschlossene  Segment  des  festen  Kör- 
pers bezeichnet,  welches  seinerseits  ist 

A  II 

S  mm  n  J>  dz  =  R%nh-2nj<f(t)t  dt. 

Multiplicirt  man  nun  beide  Seiten  der  Gleichung  (1)  mit 
tdt  und  integrirt  rechts  und  links,  so  wird  mit  Hülfe 
einer  partiellen  Integration 

af  I  - ! 

j  ^  ^y-  -  <* *r  -  9  00)  t  +J*  CO  f  *  -  *« f 

dz.  (6) 


Die  Inte^rationsconstante  verschwindet,  wenn  man  von 
i  mm     tmmo  bis      t  integrirt.    Mit  Berücksichtigung  der 
früheren  Gleichungen  ergiebt  dies  nunmehr  rar 
«  »  K  ilvS  \\\lumen  de«  Tropfens: 


-*■/ 


f(t)ftff-4 


l^w  **i         tu  vi  l*  6V  u^ie      Gkichung.  womit 


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447 


nun  alle  fraglichen  Gröfsen  bestimmt  sind.  Im  labilen 
Gleichgewicht  wird  Ä0=»2aay,  d.  h. 

Das  Volumen  eines  an  einem  beliebigen  Rotationskörper 
hängenden  im  Zerreifsen  begriffenen  Tropfens  ist  gegeben 
durch 

Tm  =  2diR7i%m(iü-t-%). 
IL 

Tropfen  an  verticalcn  geraden  Kreiscylindern. 

Wir  beschränken  uns  nunmehr  auf  zwei  Fülle: 
1)  Der  Tropfen  hänge  am  untern  Ende  eines  massiven 
verticalen  geraden  Kreiscy linders.   Ein  specieller  Fall  hier- 
von ist  ein  Tropfen  an  einer  horizontalen  Ebene. 

Derartige  Tropfen  sollen  kreisförmige  heifsen. 

An  Stelle  der  Gleichung  des  festen  Körpers  tritt  hier 
die  Beziehung  f ,  =  R  =  Const.,  wobei  Const.  der  gegebene 
Cylinderradhi8  ist.  Ferner  ist  zt  =  rf  (<)  =  (f  (o),  daher 
die  Gleichung  des  Tropfens  (aus  I,  1): 


dU  J_dz 
dt*  t  dt 


(»+<3D7  "+©' 


2)  Der  Tropfen  sey  in  einer  Richtung  unendlich  aus- 
gedehnt;  er  hänge  z.  B.  an  einer  unendlich  langen  hori- 
zontalen Platte  von  gegebener  Breite.  Die  Oberfläche 
ist  dann  als  Rotationsoberfläche  anzusehen,  deren  Axe  in 
unendlicher  Entfernung  liegt.  Mit  hinreichender  Genauig- 
keit werden  unter  diesem  Gesichtspunkte  auch  diejenigen 
Tropfen  zu  behandeln  seyn,  welche  an  der  Wand  cylin- 
drischer  Röhren  hängen,  deren  Durchmesser  im  Lichten 
von  bedeutender  Gröl'se  ist.  Aus  diesem  Grunde  sollen 
derartige  Tropfen  kurz  als  ringförmige  bezeichnet  werden. 

Ist  ß  die  Krümmung  der  Meridiancurve  im  tiefsten 
Punkte  des  Tropfens,  so  erhält  man  ganz  analog  wie  oben, 
jenen  Punkt  als  Ursprung  der  Coordinaten  gewählt,  die 
Differentialgleichung  der  Meridiancurve  wegen  R2  mm  oc  : 


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448 


In  beiden  Fällen  werden  der  Mantel  des  Cylinders 
und  seine  ebene  horizontale  Basis  in  Wirklichkeit  niemals 
eine  mathematische  Ecke  bilden,  sondern  durch  ein  krum- 
mes Rotationsflächenstück  verbunden  seyn,  dessen  Meri- 
diancurve  einen  sehr  kleinen  Krümmungsradius  besitzt. 
Da  jedoch  dieser  Krümmungsradius,  so  klein  er  auch  sey, 
schon  der  Constitution  der  natürlichen  Körper  nach, 
immer  noch  als  unendlich  grols  angenommen  werden  darf 
gegen  den  Radius  der  Wirkungssphäre  der  Molekular- 
kräfte, auf  deren  Annahme  die  Entwickelung  der  gebrauch- 
ten Gleichungen  beruht,  so  gelten  letztere  auch  für  die 
Kante.  Es  mag  der  Ausdruck  Kante  nunmehr  kurzweg  für 
das  verbindende  Rotationsflächensttick  gebraucht  werden. 

Nach  den  oben  angegebenen  Bedeutungen  des  Con- 
tingenzwinkels  i  und  des  Randwinkels  w  gelten  nunmehr 
für  den  Rand  die  Gleichungen: 

dz 

sin  (a>H-i)=  -===^und  cos  (o>  -f- 1)  =  J~^~— ,  t  =  R. 

Im  Speciellen  gehen  dieselben  über,  wenn  der  Tropfen 

den  Mantel  des  Cylinders  berührt,  ftir  (o  =  ^  in 

sin  (o>  -f- 1)  =  cos  t  und  cos  (w  -h  t)  ==  —  sin  t ; 

und  wenn  der  Tropfen  nur  an  der  Basis  hängt,  für  a>  =  o  in : 

sin  (ö;  -h  t)  =  sin  t,  cos  (co     t)  =  cos  t. 

Der  Contingenzwinkel  t  ist,  wie  gesagt,  constant  ftir 
dieselbe  Flüssigkeit  und  denselben  festen  Körper;  der 
Winkel  co  dagegen  sehr  schnell  veränderlich  auf  dem 
schmalen  Flächenstück,  welches  den  Uebergang  zwischen 
Basis  und  Mantel  des  Cylinders  bildet  (Kante).  Zugleich 
ist  dieser  Winkel  unbekannt;  denn  wenn  nur  die  Krüm- 
mung der  Kante  scharf  genug  gewählt  wird,  darf  man 


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449 


ohne  Fehler  den  Radius  der  Basis  und  jedes  Punktes  der 
Kante  gleich  dem  Radius  des  Cylinders  R  annehmen,  so 
dafs  zu  demselben  R  jeder  Werth  von  u  zwischen  0  und 

j  gehören  kann.    Da  über  den  Verlauf  der  Krömmung 

der  Kante  nichts  bekannt  ist,  wird  daher  der  Randwinkel 
o)  erst  aus  der  Gleichung  für  die  Oberfläche  des  Tropfens 
gefunden  werden  können,  indem  man  t  =  R  setzt.  An 
Stelle  der  Gleichungen  4  und  5  in  (I)  traten  nämlich  hier 
die  Gleichungen  R  =  const.  (der  gegebene  Cylinderradius) 
und,  im  Falle  der  Tropfen  am  Mantel  des  Cylinders  hängt. 

L  w  =  falls  aber  die  Flüssigkeit  an  der  Kante  ab- 
schneidet: 

h=  h.  =  2  a?  y  —  c, 
oder,  im  2.  Falle,    h  =  h.  =  a1  ß  —  c. 

Wenn  der  Tropfen  zerreifst,  wird  c  =  o,  h  =  h.  =  2  a2; 
oder  a1  ß.  Hierdurch  ist  die  Länge  eines  Tropfens  gegeben, 
welche  derselbe  höchstens  erreichen  kann,  oder  in  anderen 
Worten:  Das  Product  aus  der  Länge  eines  im  Zerreifsen 
begriffenen  Tropfens  und  seinem  Krümmungsradius  im  tiefsten 
Punkte  hat  für  jede  Flüssigkeit  einen  constanten  Werth. 
Dieser  Werth  ist  bei  einem  kreisförmigen  Tropfen  2  af, 
bei  einem  ringförmigen  o2,  was  sich  auch  dahin  ausspre- 
chen läfst:  Wenn  ein  kreisförmiger  Tropfen  und  ein  ring- 
förmiger dieselbe  Krümmung  der  Meridiancurce  im  tiefsten 
Punkte  besitzen,  so  hat  ersterer  im  Falle  des  Zerreifsens 
die  doppelte  Länge  als  letzterer. 

Dieser  Satz  hat  sein  Analogon  in  dem  Verhältnifs  der 
Steighöhe  von  Flüssigkeiten  in  Capillarröhren  zu  der  zwi- 
schen parallelen  Platten.  Ist  der  Durchmesser  der  Capillar- 
röhren gleich  der  Distanz  der  Platten  und  beide  so  klein, 
dafs  die  Meridiancurve  als  Halbkreis  aufzufassen  ist,  so 
tritt  der  erwähnte  Satz  in  Anwendung. 

Da  die  rechte  Seite  der  Gleichung  (1)  oder  (2)  stets 
positiv  bleiben  mufs  (denn  z  =  h  =  2  ä1  y  ist  der  äufserste 
Fall),  so  kann  man  die  Bedingung  der  Existenz  eines  Trop- 

PoggtmdorflTa  Annal.    Ergänzungsbd.  VI.  29 


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450 


t'eus  auch  dahin  aussprechen,  dals  man  sagt,  die  Krümmung 
desselben  dürfe  nie  gleich  Null  werden.  Demnach  ergiebt  sich 
zunächst,  dals,  wenn  die  Krüminuug  der  Oberfläche  in 
einem  Punkte  positiv  ist,  sie  überall  positiv  sein  mufs.  Denn 
da  nach  der  Natur  der  Aufgabe  die  Krümmung  der  Ober- 
fläche eine  stetige  sein  mufs,  so  könnte  sie  nur  durch  den 
Uebergang  durch  Null  an  irgend  einem  Punkte  negativ 
werden.  In  jedem  solchen  Paukte  ohne  Krümmung  tritt 
aber  der  Grenzfall  des  Gleichgewichts  ein,  d.  h.  der  Fall, 
in  welchem  der  Tropfen  physikalisch  zerreifst. 

Für  ringförmige  Tropfen  und  Wulste  fällt  die  Krümmung 
der  Oberfläche  mit  der  der  Meridiancurve  zusammen;  es 
ergiebt  sich  somit,  dafs  ihre  Oberfläche  dem  festen  Körper 
entweder  stets  die  coneave  oder  stets  die  cotwexe  Seile  zu- 
kehren mufs. 

Das  Volumen  eines  kreisförmigen  Tropfens  ist  nach  I,  7, 
indem  mau  jetzt  h.  =  h  setzt, 

T  =  2a*  R  n  sin  (w  -f-  0  —  (2 a V  —  h)  R1  ;r.  (3.) 

Denn  die  Dimensionen  der  Kante  sind  offenbar  gegen  h 
und  R  zu  vernachlässigen ;  die  nahezu  unendlich  grofse 
Krümmung  der  Meridiancurve  des  festen  Körpers  an  der 
Kante  tritt  nur  in  der  Veränderlichkeit  von  a  auf.  Das 
Volumen  des  maximalen  Tropfens  ist 

Tm  =■  2a'2  R  n  sin  (w  -+-  i). 

Verlangt  man,  dals  ein  solcher  Tropfen  zugleich  einen 
bestimmten  Randwinkel  «  besitze,  so  ist  dies  im  Allge- 
meinen nicht  möglich,  giebt  man  jedoch  für  oj  den  speciellen 
Werth  Null,  d.  h.  hängt  der  Tropfen  nur  an  der  horizon- 
talen Basis,  so  wird  dadurch  der  Radius  des  Tropfens, 
welcher  jetzt  nicht  mehr  gleich  dem  des  Cylinders  R  zu 
sein  braucht,  unbestimmt  —  er  sei  gleich  r;  man  hat  dann 
zur  Bestimmung  von  A,  p,  r  und  t  die  vier  Gleichungen: 

h  «  2  d2  y  ==  /"(«,  ;-,  r),  tg  i  =  f'(as  r,  r) 
und  T  =  2  a*  r  tt  sin  i. 

Hieraus  folgt:  Bei  jedem  Tropfen,  welcher  auf  der  un- 
tern Seite  einer  horizontalen  Ebene  hängt,  haben  Länge, 


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451 


Radius ,  Volumen  und  Krümmung  im  tiefsten  Punkte  für  jede 
Flüssigkeit  constante  Werthe,  im  Augenblicke,  wo  der  Tropfen 
zerreifst. 

Setzt  man  den  Contingenzwinkel  t  gleich  Null ,  indem 
man  sieh  der  Einfachheit  wegen  den  ganzen  Cylinder  mit 
einer  unendlich  dünnen  Flüssigkeitsschicht  benetzt  denkt,  so 
erhält  man  für  einen  Tropfen  von  maximaler  Länge: 

Tm  =  2a*  Rn  s  in  w 

und   für  einen   den  Mantel  des  Cylinders  berührenden 

Tropfens  (w  = 

7;0=  2a*  Rn  —  (2a* y  —  h)  R2  n. 

Es  erhellt  aus  diesen  Gleichungen,  dafs  für  das  Vo- 
lumen hängender  Tropfen  in  Bezug  auf  ihr  Verhältnifs  zum 
Radius  so  einfache  Beziehungen  nicht  bestehen,  wie  die 
Proportionalität  zwischen  dem  Radius  der  Capillarrohren 
und  der  gehobenen  Flüssigkeitsmenge.  Vielmehr  tritt  hier 
der  Randwinkel  w  auf,  und  man  hat  den  Satz:  Das  Vo- 
lumen hängender  Tropfen  con  maximaler  Länge  ist  propor- 
tional dem  Producte  aus  ihrem  Radius  und  dem  Sinus  des 
Randwinkels. 

Man  sieht  zugleich,  dafs  immer  das  Volumen  eines 
hängenden  Tropfens  kleiner  ist,  als  das  von  einer  Capillar- 
röhre  von  gleichem  Radius  gehobene  Flüssigkeits-Volumen. 

Wenn  jedoch  der  Radius  des  Cylinders  sehr  klein  ist, 
so  kann  trotzdem  ein  verhältnifsmäfsig  bedeutendes  Volumen 
getragen  werden,  indem  sich  die  Flüssigkeit  am  Cylinder 
hinaufzieht.  Alsdann  wird  in  Formel  (4)  das  zweite  Glied, 
welches  R}  enthält,  im  Verhältnifs  zu  dem  ersten  R  linear 
enthaltenden  Gliede  sehr  klein  werden  und  ohne  erheb- 
lichen Fehler  vernachlässigt  werden  können.  Ebenso  wird 
das  von  dem  Volumen  T90  noch  abzuziehende  Volumen 
des  benetzten  Cylinders,  welches  stets  kleiner  als  2aiyR2n 
scyn  inuls,  zu  vernachlässigen  seyn.  Nunmehr  erhält  man 

d.  h.  das  Volumen  von  Tropfen,  welche  an  dem  Mantel  sehr 

29* 


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452 


dünner  (fadenförmiger)  Cylinder  hängen,  ist 
dem  Radius  (resp.  Umfang)  des  Cylinders. 


III. 

Ringförmige  Tropfen. 

Zunächst  stellen  wir  eine  Formel  für  das  Volumen 
ringförmiger  Tropfen  her.  Wir  multipliciren  Gleichung 
II,  2  mit  dt  und  integriren  von  t  =  o  bis  t  —  B,  worin  B 
die  halbe  Breite  der  Basis  des  ringförmigen  Cylinders  vou 
sehr  grofsem  Radius  sein  soll,  an  welchem  der  Tropfen 
hangt.    Es  wird 

sin  (ftH-t)  —  ßB  -±;jzdt. 

Das  Integral  rechts  stellt  den  Flächeninhalt  dar,  wel- 
cher von  der  Abscisse  B,  der  Ordinate  h  und  der  zuge- 
hörigen Mcridiancurve  eingeschlossen  wird.  Der  Flächen- 
inhalt F  des  Meridiandurchschnittes  ergiebt  sich: 

B 

F=*2Bh  —  2f  %dt,  d.  i. 

» 

F  =  2a1  sin  (oj  +  i)  —  2(a*  ß—h)  B. 

Nach  den  gewählten  Einheiten  in  Millimetern  giebt 
diese  Formel  gleichzeitig  das  Volumen  eines  Tropfenstucks, 
welches  zwischen  zwei  in  der  Entfernung  von  einem  Milli- 
meter zur  Längsrichtung  des  Tropfens  senkrecht  gelegten 
Ebenen  enthalten  ist.  Das  Volumen  eines  Theiles  von  der 
beliebigen  Dicke  L  wird  demnach  durch  Multiplication 
mit  L  erhalten.  Es  sollen  im  speciellen  solche  Tropfen 
in  Betracht  gezogen  werden,  welche  am  untern  Ende  ge- 
rader verticaler  cylindrischer  Röhren  von  hinreichend  grofsem 
Radius  und  der  Wandstärke  2B  hängen,  und  zwar  soll 
unter  r  das  arithmetische  Mittel  zwischen  dem  Radius  der 
äufsern  und  inuern  Röhren  wand  verstanden  werden,  also 
die  Entfernung  des  tiefsten  Punktes  des  Tropfens  von  der 
Axe  des  Cylinders.  Der  Schwerpunkt  des  Querschnitts, 
durch  dessen  Rotation  um  die  Cylinderaxe  der  Tropfeo 


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453 

erzeugt  gedacht  werden  kann,  liegt  wegen  der  Symmetrie 
desselben  zu  der  durch  den  tiefsten  Punkt  gehenden  Ver- 
ticalen  in  dieser  selbst.  Nach  einem  bekannten  Satze  von 
Guldin  ist  demnach  das  Volumen  des  gesammten  ringför- 
migen Tropfens,  wenn  U=2m  den  Umfang  des  vom 
Schwerpunkt  (oder  dem  tiefsten  Punkte)  beschriebenen 
Kreises  bedeutet: 

F=2(/  |  a-  sin  («  +  t)  -  (a*fi-h)B\.  (1.) 

Man  bemerkt  sofort,  dafs  die  Volumina  ringförmiger 
Tropfen  unter  sonst  gleichen  Umständen  dem  Umfange  U 
proportional  sind. 

Im  Folgenden  wird  U  als  ein  für  alle  Mal  gegeben 
angesehen  werden.  Es  sei  noch  bemerkt,  dafs  die  im 
Problem  auftretenden  Gröfsen  oj,  ß,  h,  B  von  U  insofern 
vollständig  unabhängig  sind,  als  U  nur  in  der  Formel  für 
das  Volumen  vorkommt. 

Multiplicirt  man  Gleichung  II,  2  mit  dz  und  integrirt, 
so  wird 

—    ,— L— ,  =  ßz  —  ~  -h  Const. 8) 

dz 

Für  3  =  o  soll  werden  —  mm  o,  also  —  1  =  Const., 
so  dafs: 

"  WZSf "  " " £" 1  w 

Für  z  =  k  erhält  man  hieraus 

1  —  cos  (w  -h  i)  =  ßh  —  2^T>  woraus 

h  mm  a%ß  =fc  Va*  ß*  —  2  a'  (1  —  cos  (» -+-  i)  ); 

da  stets  Ä<oa/J,  so  gilt  nur  das  untere  Zeichen,  also 
scblicisl ich : 

h  =  a*  ß  —  Va*ß*—2a%(\  —  c~o7(w  +  0)7  (3) 

ig 

8)  Die  Wurzel  hat  das  positive  Zeichen,  so  lange  &  zwischen  o  und 
liegt,  was  hier  immer  der  Fall  ist. 


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454 


Demnach  wird  der  Grenzfall  des  Gleichgewichts  oder 
das  Maximum  von  h  erreicht,  wenn 

a%  ßl  =  2  (1  —  cos  (ü)  -h  i)  )  mm  4  sin1  J  (w  +  t) 

oder 

sin  J  (w  -+-  t)  =  £a/l 

Ferner  ist 

cos  (a> -+-•)=  1  —  ia\#*und  sin  (a +  aßVl—\a*ß*. 
Statt  dessen  kann  man  auch  schreiben,  weil  £=-^: 
cos  (w  -h  i)  =  1  -  ~  und  sin  (o>  -+-  t)  =  i  j/T—  . 

Zu  den  Relationen  (1)  und  (3),  wobei  wir  uns  zur 
Vereinfachung  wieder  L  *  =  o  gesetzt  denken,  wird  aus 
der  noch  unbekannten  Integralgleichung  noch  eine  Bezie- 
hung treten  von  der  Form  B  =  ff  (a,  /?,  w). 

Man  hat  dann  zwischen  den  fünf  Gröfsen  K,  #,  Ä,  ß,  m 
drei  Gleichungen,  so  dafs  also  noch  zwei  derselben  will- 
kürlich sind.  Fügt  man  noch  die  Bedingung  des  Grenz- 
falles des  Gleichgewichts  als  vierte  hinzu,  nämlich  h  =  /?aa, 
so  wird  das  Volumen 

V  mm  2  Ua*  sin  a>, 

d.  h.  das  Volumen  ringförmiger  Tropfen  im  Augenblicke 
des  Zerret fsens  ist  proportional  dem  Sinus  des  Bandwinkels. 
Nach  eben  entwickelten  Formeln  wird 

V=m  Ua'ß  Vl-Ja'/F  =  2  Uah  j/l  -  A  ■  (4.) 

Eine  der  Gröfsen,  z.  B.  Ä,  kann  noch  als  willkürlich 
angesehen  werden.  Man  erhält  dadurch  in  (4)  eine  Be- 
ziehung zwischen  dem  Volumen  ringförmiger  Tropfen  und 
ihrer  Länge.  Die  Länge  h  ist,  wie  die  Erfahrung  lehrt, 
überhaupt  eine  kleine  Gröfse.  Beschränkt  man  sich  also 
auf  Tropfen,  welche  nur  eine  geriuge  Länge  (d.  h.  auch 

ß  uud  w  klein)  erreichen,  so  kann  man  das  Glied  A- 

gegen  1  vernachlässigen,  und  mau  erhält  innerhalb  gewisser 
Grenzen : 

V  mm  2  Uah. 


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455 


Demnach  gelten  für  zerreifsende  ringförmige  Tropfen 
in  den  erwähnten  Grenzen  die  Sätze: 

Die  Volumina  ringförmiger  Tropfen  von  geringer  Länge 
verhalten  sich  wie  diese  Längen. 

Die  Längen  der  Tropfen  sind  direct  proportional  dem 
Umfange  U. 

Die  Längen  der  Tropfen  von  bestimmtem  Gewicht  sind 
für  jede  Flüssigkeit  constant. 

Das  Gewicht  eines  Tropfens  ist  direct  proportional  der 
Länge  des  Tropfens. 

Giebt  man  anstatt  des  Grenzfalles  des  Gleichgewichts 
als  vierte  Bedingung,  dais  der  Tropfen  den  Mantel  des 

Cylinders  berühre,  also      to  mm  ^ ,  sin  ut  =  1,  so  wird 

h  mm  a2  ß  -  Va*  ]t*  - Ta%  und  K=2  U(a*—a  Va?J^2  .  B). 

Die  Bedingung,  dafs  solche  Tropfen  möglich  seyen,  ist 
Reellität  des  zweiten  Gliedes  in  der  Klammer,  d.  h.  es 
mufs  seyn 

Der  Grenzfall  aß  =  VT  fallt  mit  dem  Grenzfall  des 
Gleichgewichts  zusammen,  indem,  wie  natürlich,  h  =  a7  ß 
wird,  d.  i.  hier 

h  mm  a  \2  . 

Indem  man  aber  auf  diese  Weise  die  Bedingungen 
sin  o>  =  1  ,  A  =  a*  ß  gleichzeitig  gelten  läfst,  sind  nun- 
mehr alle  fünf  Gröfsen  vollständig  bestimmt,  nämlich,  resp. 

B  =  B  '%  V=2Ua\  ß  =  l-2  ,  h  mm  aH  ,  u>  =  £.  Dem- 

nach  kann  man  auch  schreiben 

V  =  Uh\ 

d.  h.  Es  giebt  für  jede  Flüssigkeit  eine  bestimmte  Breite 
Bt  ringförmiger  Tropfen,  für  welche  das  Volumen  gleich 
dem  Producte  aus  dem  Quadrate  der  Länge  in  den  Um- 
fang U  wird. 

9)  Vergl.  Abscho.  VI. 


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456 


Ein  solcher  Tropfen  stellt  zugleich,  wie  aus  der  Form 
der  Gleichung  für  V  hervorgeht ,  den  gröfsten  Werth  des 
Volumens  dar,  welchen  ein  ringförmiger  Tropfen  unter  den 
günstigsten  Umständen  erlangen  kann. 

Die  zugehörige  Länge  des  Tropfens  h  =  a  \'2  ist  die 
gröfste  aller  Längen,  welche  ein  den  Mantel  des  Cylinders 
berührender  ringförmiger  Tropfen  erreichen  kann. 

Unter  Zugrundelegung  des  von  Brunner10)  für  Wasser 
von  0"C.  gefundenen  Werthes  2  a2  =  15,332  Quadr.-Millim., 
welches  zugleich  einer  der  gröfsten  der  von  den  verschie- 
denen Beobachtern  angegebenen  Werthe  von  2al  ist,  er- 
giebt  sich  diese  maximale  Länge 

h  =  3,916"" 

und  fiir  Aether  bei  0°  C,  ebenfalls  nach  Brunner,  h  = 
2.31  "".  Für  Tropfen,  welche  nur  an  der  Basis  hängen, 
folgt  endlich 

V  =  2  U  (d1  sin  i  —  (a*  ß  —  h)  B) 

und  h  =  a*  ß  —  Va*  ß*  —  2är(i  -  cos  •> 

Aus  beiden  Formeln  zeigt  sich,  dafs  alsdann  für  t  =  o 
keine  Tropfen  mehr  möglich  sind.  Die  praktische  Mög- 
lichkeit ringförmiger  Tropfen  überhaupt  scheint  sehr  pro- 
blematisch. 

IV. 

Integralgleichung  kleiner  Tropfen. 
Nach  den  vorangegangenen  Bemerkungen  über  Volumen 
und  Länge  der  Tropfen  soll  nunmehr  die  Gestalt  der 
Oberfläche  untersucht  werden.  Für  einen  kreisförmigen 
Tropfen  tritt  somit  die  Forderung  auf,  das  Integral  der 
Differentialgleichung  II,  1: 

10)  Die  in  der  Theorie  der  Capillarität  so  vielfach  auftretende  Constante 
2a*  liegt  nach  den  Beobachtungen  von  Gay-Lussac,  Franken- 
heim.  Sondhaufs,  Artur,  Hagen,  Branner,  Bede  bei  Tcm- 
paraturen  von  0°  bis  16"  C.  für  Wasser  in  den  Grenzen  von  15,523 
bis  14,84  Quadratmillimctcrn.  Für  Aether  beträgt  2  a*  bei  0-  C. 
5,35  Quadmtmilliracter,  für  Olivenöl  bei  0°  C.  7,46  Quadratmilli- 
meter.  Vergl.  Brunner,  Untersuchungen  über  die  Cohäsion  der 
Flüssigkeiten,  PoggendorfTs  Annalen  Bd.  LXX.,  S.  522  und  Beer 
a.  a.  O.  S.  133. 


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457 


d*a  J_  dz 

dt'  t  dt 


+  -r-^W==2r-„4  (H,i.) 


zu  ermitteln. 

Die  Integration  in  geschlossenen  Ausdrücken  ist  nicht 
möglich.  Obgleich  später  eine  allgemeine  Integration 
durch  Reihenentwickelung  bewerkstelligt  werden  soll,  so 
wird  doch  im  Nachstehenden  zunächst  der  zu  anschau- 
licheren Resultaten  führende  Weg  allmählicher  Annäherung 
eingeschlagen  werden. 

Bezeichnet  man  den  reciproken  Werth  der  Capillaritäts- 

constante  mit  £,  also  £  =  — ,  so  kann  man  sich  die  Ordinate 

a* 

s  dargestellt  denken  durch  eine  Reihe,  welche  nach  Po- 
tenzen von  s  fortschreitet,  nämlich 

*  =     -h  es,  -f-  e2  s2  -f-  .  .  .  (1.) 

Hierin  sind  *„,  z  usw.  unbekannte  Funktionen  von  <, 
welche  aufserdem  noch  den  Parameter  y  enthalten  werden. 

Für  eine  erste  Annäherung  sollen  nun  die  Dimensionen 
des  Tropfens  so  klein  gedacht  werden,  dafs  die  mit  a%  di- 
vidirten  Glieder  vernachlässigt  werden  können;11)  d.  h.  es 
soll  «  im  Verhältnils  zu  a  so  klein  seyn,  dafs  man  in 
der  Gleichung  (1)  nur  das  erste  Glied  z  =  s.  in  Betracht 
zu  ziehen  braucht.  Man  erhält  alsdann,  am  besten  von 
der  halbintegrirten  Form  der  Differentialgleichung  (vergl. 
I,  6): 

'T 

,  —  «=r<»-  i  (stdt  (2.) 

ausgehend,  indem  man  das  mit  c  multiplicirte  Glied  fort- 
läßt: 

dz.   Yl  


dt  Vi- 


11)  üeber  die  Grenzen  der  Vernachlässigung  vergl.  den  Werth  von  a' 
in  Anm.  9. 


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458 

Das  Integral  ist  demnach,  da  fiir  5  =  0  auch  t  =  o: 

Y*.  =  1  —  Kl  —  /*  i*  oder  —  »       —  ~'r , 

wenn  o  den  Krümmungsradius  des  Tropfens  im  tiefsten 
Punkte  bedeutet.    In  der  Form 

?  •+•  ((>  -  •.)*  =  (>* 
erkennt  man,  (/a/s  die  Oberfläche  des  Tropfens  eine  Kugel 
darstellt,  deren  Radius  der  Krümmungsradius  des  Tropfens 
im  tiefsten  Punkte  ist,  und  deren  Mittelpunkt  die  Coordi- 
naten  z.  =  0  und  t  =  0  hat. 

Die  Beziehungen  zwischen  den  Bestimmungsstücken  des 
Tropfens  ergeben  sich  nun  von  selbst  aus  den  bekannten 
Eigenschaften  der  Kugel.    Man  erhält  für  den  Rand 

Yh  =  1  —  ]/\  -  y*  ßi  oder  h  =  g  —       _  ä», 
sin  (w  +  t)  =  yÄ, 

und  das  Volumen 

T  =  oh*  n  —  J  hs  71  =  i  R2  n h  -f-  \  A3  n. 

Im  Maximalfalle  wird 

Die  allgemeine  Formel  für  das  Volumen  II,  3  und  die 
Beziehung  h  =  2a7  y  werden  in  unserem  Falle  illusorisch, 
weil  wir  nur  mit  Gröfsen  rechnen,  welche  als  unendlich 
klein  anzusehen  sind  gegenüber  den  Gröfsen  von  der  Ord- 
nung a\  Die  für  sehr  kleine  Tropfen  aufgestellten  Formeln 
sind  unabhängig  von  der  Capillaritätsconstante  und  unter- 
scheiden sich  für  verschiedene  Flüssigkeiten  nur  durch  die 
Grenzen,  bis  zu  welchen  die  gemachten  Vernachlässigungen 
gestattet  sind. 

Die  Annäherung  soll  nun  dadurch  weiter  getrieben 
werden,  dafs  man  aus  der  Reihe  (1)  ein  weiteres  Glied  in 
Betracht  zieht  und  setzt  z  =  z„  -f-  zt  e,  wobei  fiir  z,  nach 

obigem  Resultat  geschrieben  wird  z.  =  0  —  o  ]/ 1 —  il. 

Jener  Ausdruck  wird  in  die  Differentialgleichung  einge- 
führt, und  indem  man  alle  Glieder  vernachlässigt,  welche 
£  in  höheren  Potenzen  als  in  der  ersten  enthalten,  der 


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459 

Werth  von  zt  berechnet.  Hierbei  soll  festgehalten  werden, 
dafs  y  die  Krümmung  der  durch  die  zweite  Annäherung 
zu  erhaltenden  Oberfläche  bezeichnet,  welche  von  der  Krüm- 
mung i  *=  yt  der  bei  der  ersten  Annäherung  erhalten  Kugel- 
fläche um  eine  kleine  GrÖfse  abweichen  wird. 
Wir  setzen  zur  bequemeren  Rechnung 

es  j/l  _  —7 ,  also  t  ss  o  V\~^  und  z.  =  o  (1  —  ©). 
Gleichung  (2)  geht  dadurch  über  in 

(1  -  O  r  r 

Y9  +  \dv) 

Für  t  tsss  o  wird  r  =  1 ,  für  f  =  o  wir  ©  =  o.  Setzt 
man  jetzt  z  =  o  (\  —  r)  -f-  «z,,  so  wird 

rfz  ,  dz 

und  weil  die  mit  e2  multiplicirten  Glieder  vernachlässigt 
werden 

Vf/u/        "  *  dv  ' 

ferner 

1  1 


Demnach  wird 


...   .  =  £  C2    pa 


Für  das  Integral  erhält  man 


r  » 

eg*jzvdt)  =  «o2  J((>  —  pt?)  orfc  =  —  ^  (2d3-3üM-1).  (4.) 


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460 

Durch  Eintragen  der  Werthe  kommt  schliefslich  zur 
Bestimmung  von  a,  die  Differentialgleichung: 

ds,  =  e  ~~rQi  dv  -  e—  )—  —  -4-  2dv  i 
und  durch  Integration: 

•«  -  -  ^tP'  -  e  (2 1*  0  + r) + ! ;■) +  Con8t- 

Für  <  =  o,  o  =  1  wird  s  =  o,  s.  =  o,  also  auch 
*4  =  o,  d.  h. 

».  fr-rrtg-l)—  t^T+lÜ-1)!- 

Demnach  erhält  man  fiir  *: 

Für  t  =t  q  wird  0  =  0;  damit  nun  für  diesen  Werth 
2  nicht  unendlich  werde,  ist  hinreichende  und  nothwendige 
Bedingung,  dafs  man  habe: 

oder 

Diese  Gleichung  dient  zur  Bestimmung  von  q  aus  der 
Constante  so  dafs  nachher  die  Gleichung  für  z  nur 
noch  y  als  die  der  zweiten  Annäherung  entsprechende 
Krümmung  im  tiefsten  Punkte  enthält.  Schreibt  man  diese 
Gleichung : 

so  wird:   

wobei  das  obere  Vorzeichen  zu  nehmen  ist,  da  y,  von  7 
nur  um  eine  kleine  Gröfse  verschieden  sein  soll.  Durch 
Entwicklung  nach  «  erhält  man: 

y*    y    Qy—y  6aV' 


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461 

und  für  g: 

oder  wenn  P  den  Krümmungsradius  des  Tropfens  im  tiefsten 
Punkte  bedeutet: 

Demnach  erhält  man  endlich  als  zweite  Annäherung 
für  die  Oberfläche  des  Tropfens,  welche  nunmehr  bis  auf 
Gröfsen  von  der  Ordnung  i7  —       genau  ist: 

Ist  R  wieder  der  Radius  des  Cylinders,  so  erhält  man 
für  den  Rand,  wenn  |/l  —  ~  =  üä, 

»-^-•O+Ä'frfc.  (so 

Mit  Hilfe  von  (2),  (3)  und  (4)  erhält  man 

o.         ,/  =       e7  2t'1  —  3o» -hl 

demnach  für.  tr  =  w      •,  f  =  J?,  C  =  cÄ: 

sm  f>  4-  0  -  y  Q  KT^7,  -  X-,  •  (9.) 

Einfacher  wird  der  Ausdruck,  wenn  man  t)Ä  durch 
seinen  Werth  j/l  —  ^  ersetzt.     Man   erhält  ihu  direct 

aus  (2.),  indem  man  den  Werth  von  a  einsetzt  und  über 
t  von  o  bis  R  integrirt. 

sin  (<UH-<)  =  /ß_i4eß+^*-lI(p'  _ 
und  blofs  durch  o  ausgedrückt: 

und  allein  durch  7  ausgedrückt: 

sin  («  +  0  =  r  R  -  ~  +  3^  -  ^  (l  -  r*  O  ?- 


462 


Fügt  man  noch  die  Gleichung  für  das  Volumen  hinzu: 

T  =  2a1  R  7i  sin  (m  -+-•)  —  (2a2  y  —  h)  R1  7t,    (1 1.) 

so  ist  durch  die  Gleichungen  6,  7,  8,  10,  11  das  Problem 
gelöst,  für  jedes  t  das  zugehörige  s  zu  finden,  wenn  von 
den  fünf  Gröfsen  T,  w,  A,  ; ,  R  zwei  willkürlich  gegeben 
sind.  Fügen  wir  noch  eine  Bedingung  hinzu,  so  sind  da- 
durch alle  jene  Gröfsen  bis  auf  eine  bestimmt;  als  letztere 
soll  der  Radius  R  aufgefafst  werden,  und  die  vierte  Be- 
dingung soll  sein,  dafs  die  Hilfsgröfse  q  =  R  sei.  Es  wird 
alsdann  cR  =  o,  wodurch  nach  (9) : 

sin  (w+i)  =  ^-  67i, 
was  nach  (5)  gleich  1  ist;  desgleichen  folgt  aus  (10)  für 
(i  =  R:  sin  (w  -+-  i)  =  1,  demnach  /_  w  -f-  t  =  ^. 
Ferner  wird  in  diesem  Falle: 

Wie  man  aus  (7)  sieht,  ist  dies  zugleich  der  Fall,  in 
welchem  h  sein  Maximum  für  den  Cylinder,  dessen  Ra- 
dius R  ist,  erreicht.  Denn  da  v  nicht  negativ  wer- 
den kann,  z>  aber  stetig  wächst,  wenn  v  abnimmt,  so 
ist  r  =  rÄ  =  o  der  kleinste  Werth,  welchen  c,  und 

z  =  h  =  R  -+-  --  lg  2  der  gröfste  Werth,  welchen  z  (resp. 

h)  annehmen  kann. 

Die  Krümmung  im  tiefsten  Punkte  erhält  den  Werth: 

1  R 

und  man  findet  endlich: 

T  =  \R*n+^nlg2. 

Dies  ist  also  dasjenige  Volumen,  welches  ein  Tropfen 
vom  Radius  R  besitzt,  wenn  seine  Länge  ihr  Maximum 
erreicht;  ferner  haben  wir  gesehen,  dafs  alsdann  auch  der 
Winkel  a>  sein  Maximum  erreicht.  Es  folgt  somit,  dafs 
dieses  Volumen  das  gröfste  ist,  welches  ein  Tropfen  vom 
Radius  R  erreichen  kann.  Aus  der  Vergleichung  dieser 
Formeln  mit  den  bei  der  ersten  Annäherung  erhaltenen 


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463 


sieht  man  die  Gröfse  der  anzubringenden  Correetion.  Aus 
den  Formeln  für  die  Maxiinalwerthe  des  Tropfens  ergiebt 
sich  im  Speciellen  unter  Vernachlässigung  der  Glieder  von 

der  Ordnung  : 

Beschreibt  man  mit  dem  Radius  des  Cylinders  eine  Halb- 
kugel unterhalb  der  Basis,  so  übertrifft  ein  an  der  Basis 
des  Cylinders  hängender  Tropfen  im  Maximum  an  seiner 

R* 

Länge  den  Radius  der  Halbkugel  um  r~-9  l  g  2  ,    in  seiner 

R 

Krümmung  die  Krümmung  der  Halbkugel  um--,  an  Volu- 

Ri 

men  das  Volumen  der  Halbkugel  um  ^^nlg2. 

Wollte  man  die  Annäherung  weitertreiben,  zunächst 
durch  Einführung  des  Gliedes  f2  z2,  so  kommt  man  schon 
dadurch  auf  einen  sehr  complicirten  logarithmisch -alge- 
braischen Ausdruck,  so  dafs  wir  auf  die  weitere  Ausfuh- 
rung verzichten. 


V. 

Integralgleichung  flacher  Tropfen. 

Es  soll  nunmehr  eine  Annäherung  für  eine  andere 
Art  specieller  Tropfen,  nämlich  für  sehr  flache  kreisförmige 
Tropfen  gesucht  werden.  Wir  führen  in  der  Differential- 
gleichung I,  5  die  Substitution  ein:  a 

z  =  y  -+-  2  a*  ;•,  t  =  ax,  demnach  y  =  z  —  2  a *  y,  x  =  *- . 

Die  Gleichung  nimmt  dann  nach  Beseitigung  des  Nen- 
ners folgende  Form  an: 

Man  kann  sich  nun,  wie-  vorhin  z  nach  Potenzen  von 
f,  so  hier  ;/  nach  Potenzen  des  Parameters  y  entwickelt 
denken.  Da,  wie  aus  Früherem  folgt,  in  unserem  Falle 
für  y  =  o  keine  Werthe  von  y  und  z  existiren  können, 
so  darf  als  erstes  Glied  der  Entwickelung  geschrieben 
werden  y  =  y,  y.  Wird  nun  die  Krümmung  als  sehr  klein 


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464 


angesehen ,  so  erhält  man  für  die  Tropfenoberfläehe  einen 
angenäherten  Werth,  wenn  man  mit  Vernachlässigung  der 
höheren  Potenzen  von  y  nur  dieses  Glied  in  Rechnung 
zieht.  Setzt  man  in  ( 1 )  y  =  y,  y  und  läfst  die  Glieder 
von  höherer  Ordnung  fort  (gerade  Potenzen  treten  nicht 
auf),  so  erhält  man: 

Diese  Annahme  sehr  geringer  Krümmung  fallt  zusammen 
mit  derjenigen,  dais  Winkel  «7  stets  sehr  klein  ist,  d.  h. 

dals  man  die  höheren  Potenzen  von  -~  vernachlässigen  kann, 

wie  man  sich  leicht  ünerzeugt. 

Das  allgemeine  Integral ' 3)  der  Gleichuug  (2)  wird  aus- 
gedrückt durch 

y=AJ'^  +  Ff.„ 

wobei  A  und  B  willkürliche  Constanten  sind  und  J[f)  die 
BesseT sehe  Function  bedeutet,  welche  dargestellt  wird 
durch  die  stets  convergente  Reihe 

oder  durch  das  bestimmte  Integral: 


•     •  ■ 


A 

J'{t)  =  ^jcoa(x  cos  (f  )  dtp. 


Ueber  die  Function  F't),  welche  im  Folgenden  nicht 
gebraucht  wird,  bemerken  wir  nur,  dals  sie  iur  x  —  o  Un- 
endlich wird,  woraus  folgt,  dafs  in  unserm  Falle  zu  setzen 
ist  B  =  o.  Da  für  /  =  o  auch  x  =  o  und  z  =  o,  also 
y  =  —  2  a*  j',  so  folgt  wegen 

•>,.,=  i, 

dafs  A  =  —  2  a1  y,  und  demnach  y  =  =  2a?yJf,,  oder 


-  =  2«V|l-/'(|)j. 


12)  S.  u.  A.:  Carl  Neumann,  Theorie  der  Bessel'schen  Functionen, 
S.  41,  45,  46. 


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.  465 

Ersetzt  man  J*  durch  seine  Reihe,  so  erhält  man 

als  Gleichung  der  Meridiancurve  eines  flachen  Tropfens. 
Hieraus  wird  für  den  Rand  des  Tropfens: 

(*■) 

Der  Contingenzwinkel  t  sei  gleich  Null.  Wegen  der 
Kleinheit  des  Randwinkels  w  kann  man  dann  setzen 

tg  ü)  =  üj  —  sin  fti. 

Demnach  erhält  man  zunächst  für  it 

Nach  einer  Relation  zwischen  den  BesseTschen  Func- 
tionen mit  dem  Index  o  und  dem  Index  1  ist 


demnach  #  =  2ayJ}m)  und  w  =  2ayJl  (5a.) 

Hierbei  ist  Jft)  definirt  durch  eine  Reihe  oder  ein  be- 
stimmtes Integral: 


Der  Werth  von  w  läfst  sich  daher  auch  schreiben: 

Die   Differentialgleichung,    welche   die   Bess ersehe» 
Function  Jft)  definirt,  nämlich 

läfst  sich  für  #  direct  aus  der  Differentialgleichung  II,  1 

Pogg«ndorflf »  Ann.    Ergänzungtfbd.  VI.  30 

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466 

herleiten.  Man  multiplicire  dieselbe  mit  ~  und  setze  = 
tg&,  so  geht  sie  über  in 

 m  a  d&  ,   sin  &       0  z 

und  nach  abermaliger  Differentiation  nach  /: 

d  r         f,  d&  ,  sin  #~|  1  . 

;/7Lcos ,7,  +  —  J  =  -  ,r» 

Setzen  wir  sin  #  =  //,  so  erhält  man: 

d  I  d„      - 1  _ 


oder 


Diese  neue  Form  der  Differentialgleichung  der  Capillar- 
Übertlächen  ist  in  unserin  Falle  dahin  zu  specialisiren,  daß 
man  setzt 

#  =  sin  0  =  /<, 
und  die  höheren  Potenzen  von  //  vernachlässigt.    Es  wird 
</'  &     1  d&     /  1      1  \ 

was  nach  der  Substitution  t  —  ax  übergeht  in  die  ver- 
langte Gleichung 

f/9  &     1  df>     /.      1  \ 

Zu  den  Gleichungen  4  und  5  a,  resp.  5b  tritt  behufs 
vollständiger  Lösung  des  Problems  noch  die  Beziehung 
für  das  Volumen 

T  =  2a1  Ii  n  .  o>  —  (2a*  y  —  h)  B*  7t, 

welche  auch  die  Form  annimmt: 

2aVÄ^|2^(|)-Ä^(f)j. 


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467 


Mit  Einfährung  der  Reihen  für  Jl  und  J'  wird: 

*  (2.4W  2'.4.6\a/ 


•+-•••(       *)      2*:V.~V  (2n-2)32«(2n-4-2)    (a)    +  *  '  \ 

Es  bleibt  noch  der  Greuzfall  des  Gleichgewichts  zu 
untersuchen. 

Aus  den  Formeln  h  =  2a2y  (1  —  Jj^),  x  =  —  geht 


hervor,  dafs  dieser  Grenzfall  erreicht  wird,  sobald  J{t)  =  o 
wird.  Die  Function  J[x)  —  o  wird  aber  für  unendlich  viele 
Werthe  von  x  gleich  Null.  Der  kleinste  positive  Werth 
von  x,  für  welchen  J[x)  verschwindet,  sei  x0;  dann  wird 
II.  =  ax,  der  kleinste  Werth  von  R  sein,  für  welchen  h 
sein  Maximum  2  a*  y  erreicht.  Dieser  Radius  II .  aber  ist 
der  gröfste  Werth,  welchen  der  Radius  eines  Cy linders 
haben  darf,  wenn  an  demselben  überhaupt  ein  Tropfen  der 
gedachten  Art  möglich  seyn  soll. 

Denn  gäbe  es  einen  derartigen  Tropfen  mit  einem 
gröfseren  Radius  so  würde  im  Verlaufe  der  Meridian- 
curve  immer  ein  Werth  von  t  existiren  müssen,  für  wel- 
chen x  =  x„  und  J'{x)  wird,  dann  aber  erhielte  das  zu- 
gehörige z  den  Werth  2  d1  y  und  das  Gleichgewicht 
wäre  gestört. 

Um  eine  untere  Grenze  für  den  Werth  x  =  x„,  welcher 
J\x)  =  o  macht,  zu  finden,  berücksichtige  man,  dais  x„  die 
Bedingung  erfüllen  soll 


und  dafs  man  immer  hat 


X,  8 


Denkt  man  sich  nun  x  von  o  an  stetig  wachsen,  so 
wächst  auch  der  Werth  von  S,  fitr  x  —  x„  wird  S  =  1, 

demnach  -j-  >  1.  Es  mufs  also  der  Werth  von  x,  welcher 


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468 


X 

—  =  1  macht,  d.  h.  der  Werth  x  =  2  schon  vorgekommen 

X  * 

sein,  woraus  folgt,  x.  >•  2.    Andererseits  ist  immer  -j  

t-^=  <  1  oder  4>£c.a  —  l"T")i  a*80  a  fortiori  4  ;>  x.%  —  1, 
d.  h.  x.      ^5".    Demnach  ergeben  sich  als  Grenzen  für 

den  gröfsten  Cylinderradius  an  welchem  flache  Tropfen 
möglich  sind: 

2a  <  R  <  a  y*>> 

das  ist  für  Wasser  bei  0°  Celsius  (s.  Abschn.  III.). 
5,538  <  R.  <  6,191  Millimeter. 
Bei  der  Kleinheit  der  Grenze,  unter  welcher  t  stets 
liegt,  braucht  man  somit  stets  nur  sehr  wenige  Glieder 
der  Reihe  in  Rechnung  zu  ziehen.    In  dem  Ausdrucke 

für  z  in  (3)  wird  z.  B.  schon  das  dritte  Glied      —  — r 

4  .b*  a* 

selbst  für  den  nahezu  maximalen  Werth  t  =  2  a  so  klein, 
dals  der  Fehler  nur  ^  beträgt.  Wir  können  daher  statt 
der  früheren  Formeln  folgende  schreiben: 

Will  man  z.  B.  den  Wendepunkt  der  Meridiancurve 
berechnen,  so  ist  die  Bedingung  für  denselben  -  9s=o,d.h. 


woraus  t  =  a  y*~  z  =  lf  a^y,  &  =  *a/j/j  =  ,4,  ^6,  und 
das  Volumen  bis  zum  Wendepunkte  7'=  \*  a*  ^7r.  Andrer- 
seits ergiebt  sich  fiir  einen  Tropfen  an  einem  Cylinder  von 
1  Ceutimeter  Durchmesser,  also  R  =  S""",  die  Krümmung 
im  tiefsten  Punkte 

±T 
;  _  625 

Eine  weitere  Annäherung  auf  dem  eingeschlagenen 
Wege  zu  suchen ,  indem  man  setzt  y  =  y.  j -  -+-  y,  ;  er- 
scheint nicht  vortheilbaft,  weshalb  dieselbe  hier  übergangen 
werden  soll. 


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I 


469 
VI. 

Integralgleichung  ringförmiger  Tropfen. 

Die  Differentialgleichung  eines  ringförmigen  Tropfens 
war  in  III,  2  auf  die  Form  gebracht  worden : 

fi+(frf  =  5?  -  cm,  2.) 

woraus  sich  ergiebt: 

»  =  a*  ß  —  Va*  ß*-2a*  (l-cos  *) 

und 

/"  (z*  —  2aV;  -h  2 aa)rfr  
^—  (7>               (*»  —  2a  »/fr*  +  4a1 )  * 

Wir  setzen 

*sssiPß—a*fi  cos  qp,  x  =  |aft  =  V\—  x»  sin*  (1.) 
wodurch  kommt 

t  =  2ajj<fd(p  —  aj**,co8(p=a-^.  (2.) 

O  0 

Die  Gleichungen  (1)  und  (2)  bestimmen  jeden  Punkt 
der  Meridiancurve   durch  die  unabhängige  Variable  </>; 

wenn  <p  alle  Werthe  von  o  bis  durchläuft,  so  durch- 
läuft z  alle  Werthe  von  o  bis  a*  ß  \  fugt  man  die  Glei- 
chungen hinzu 

\B  -  2«  j'j9*p—        ,  cos  - 

0  0 

h  ==  a*  ft  mm  ya*  ß*  —  2a'Tl  —  cos  (a»  Hh  ö], 

K=  2 1/  [a*  sin  (a>  -4-  t)  —  (a*  ^  —  A) ß], 

so  ist  das  Problem  vollständig  gelöst.    Vergl.  S.  12. 
Für  den  Grenzfall  des  Gleichgewichts  erhält  man  wegen 

7t       3  TT 

h  =  a*  ß:  cos  </>,  =  o,  demnach  y4  =  y  ,  ....  etc., 
woraus 


2  '2 


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470 


oder,  wenn  E  und  K  resp.  das  vollständige  elliptische  In- 
tegral zweiter  und  erster  Gattung  bezeichnen, 

B  =  2a(2E  -  K)  (2n-f-l). 

Hierbei  mufs  jedoch  n  den  Werth  Null  haben;  denn 
hätte  es  irgend  einen  gröfseren  Werth,  so  müfste  unter 
den  Radienvectoren  t  des  Tropfens  immer  irgend  ein  t 

existiren,  ftlr  welches  n  =  o,  also  tpt  =  y   und  demnach 

a  =  a2  /?,  also  der  Grenzfall  des  Gleichgewichts  eintreten 
müfste.  Die  gröfste  Breite,  welche  ein  ringförmiger  Tropfen 
erlangen  kann,  ist  also 

B  =  2a(2£  —  K). 

Alsdann  wird  ferner  (s.Abschn.  III.):  sin  |(co-f-t)=|a^=  x, 
und  r=2(/a*8in(a>4-t)  =  4t/a*x  VT^^  =  4t/a?xx,, 
wenn  x,  den  complementären  Modul  bezeichnet. 

Fügt  man  noch  die  Bedingung  a>  =  \  n  hinzu,  so  sind 
dadurch  alle  Dimensionen  des  Tropfens  bestimmt  (s.  Ab- 
schnitt III.)  Wegen  aß=y%  erhält  dann  der  Modul  denWerth 
x  =s  yTt  und  dies  gestattet  eine  bequeme  numerische  Berech- 
.  nung  von  B.  Es  ist  nämlich  dann,  wenn  Kt  das  vollstän- 
dige elliptische  Integral  erster  Gattung  mit  complementärem 
Modul  bezeichnet, 

K=*K,=*  1,8540747  ") 

und  demnach  q  mm  e     h  =  c     =  0,0432138, 

E  =  1,3511453. ia) 

Es  wird  somit 

£  =  2a .  0,8482159, 

wodurch  sich  aus  dem  früher  gebrauchten  Werthe  von 
2  a*  =  15,332  für  Wasser  von  0°  C.  ergiebt 

B  =  4.697-. 

12)  Durcge,  Theorie  der  ellipt.  Functionen,  §  47,  §  52. 

2*1  (     q  2q'J  3g'         '  ) 

13)  Aua  der  Reihe  E  =  K  —  ~jr  { J^_~»  +  1  —  74  ~*~  1  —  q* 

Man  erhält  bereits  für  q*  =  0,0000035.  iVcrgl.  Jacobi,  Funda- 
menta  nova  theoriae  funetionum  ellipticarum,  §  47.    Durcge  a.  a.0. 


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471 

Es  ist  dies  die  Breite  eines  Tropfens  von  der  Länge 
(vergl.  Abschn.  III.): 

h  =  3,916™ 

Setzt  man 

m,  demnach  (p  =  am«, 

0 

so  erhält  man  Ausdrücke  für  z  und  /  in  elliptischen  Func- 
tionen. 

(1)  geht  über  in 

z  =  a*  ß  —a1  ß  cos  amu, 
und  wegen  der  Relation13) 

EO)=|M-+-Z(M) 

wird  aus  der  Formel  (2): 

t  =  a  [2  E (u)  -  ii]  =  nj  u  (2A5  -  l)  —  2  Z  («) J 

Wegen  {  B  =  a  (2  E  —  K)  kann  man  auch  schreiben 

|| -2a  Z(ii). 

Der  Grenzfall  des  Gleichgewichts,  nämlich  s  =  h  =  a?ß, 
t=\B  =  a(2E  —  K)  wird  erreicht,  wenn  y=*amu  =  \7i, 
also  wenn  u  =  K.  Hat  der  Modul  x  —  {aß  kleine  Werthe, 
so  eignen  sich  die  zuletzt  angegebenen  Formeln  zu  annä- 

hernden  Berechnungen.   Man  erhält  dann  für  q  =  e  K 
einen  kleinen  Werth  und  kann  nun  mit  Vortheil  die  Aus- 
drücke für  cos  amu  und  Z  (u)  anwenden,  welche  sich  für 
dieselben  durch   die  Jacobi'sche  ©-Function  ergeben. 
Es  ißt  nämlich14) 


V<1  cos  ^+  V<l%  cos       +  •  • 

cos  amu  =2  y~ 


I  —  27  cos  j£  -P  2<7*  cos  -j^-  — 


14)  J  a  c  o  b  i ,  fundamentn  §  61. 


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472 

und  Z  («)  =  ~ 


1  —  2^  cos    -     27*  cos 


Vernachlässigt  man  die  Potenzen  von  g  von  g*  an,  und 
berücksichtigt,  dais 

+    +  .  .  .  » 

so  erhält  man  hieraus: 

y|  1/7  =  1— 2^, 

und  demnach  für  cos  am»  undZ(t*)die  einfachen  Ausdrücke: 

0-  27)cos^  7-^ 

cosamw=  1*  und  Z(ti)=  V  — . 

1—  2qcos—  1  —  27  cos— 

Ferner  erhält  man  für  ff  aus  der  Reihe16) 
2A~«l+4<   ?  ?!  ,  ) 

■  0+4?  +  4?')Ä|(Hh2tf, 
und  daraus  (s.  Anm.  13) 

£=f  0  -4?-f-209'), 

demnach 

»£  -  A'  -  i  (1  -  12«  +  36V)«  f  (1  -  6g)'. 
Für  q  selbst  erhalt  man  wegen 

mit  der  angegebenen  Vernachlässigung: 


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473 


Auf  folgende  Weise  erhält  man  einfache  Ausdrücke  für 
E  und  K  durch  den  Modul  und  demnach  durch  ß  oder  o>. 
Entwickelt  man  nach  Potenzen  von  q  und  bricht  vor 
der  dritten  ab,  so  folgt 

demnach 

x  =  1  —  Sq  +  32g-  und  x*  =  1  —  x,a  =  16tf  —  128^. 

Man  kann  nun  mit  Hilfe  der  Gleichung  für  ff  oder  E  in 
bequemer  Weise  q  und  q*  eliminiren  und  erhält  demnach 

/r=*(34-18*,-5*'), 

E  -  s  (1°  +  6  * '  " ^ 

endlich  2  £  —  ff  =  ^  (3  xa  -f-  30  x,  —  14). 

Für  den  Grenzfall  des  Gleichgewichts  (s.  Abschn.III.)  ist 
jtB«Ja^=sin  — demnach  z  =  _x>  =  cos  ^y^,  und 
ß  =  2a  (2£  —  Ä> 

Man  erhält  nun  die  Breite  B  durch  die  Krümmung  im 
tiefsten  Punkte  ß  oder  den  Handwinkel  a  ausgedrückt, 
nämlich : 

B  —  *jf  (W  P  +  30  Kl  - i«V*  -  14)  . 

oder         Ä=j(8  sin»  30  cos  Sfi  -  14). 

Durch  diese  Formeln  ist  man  nunmehr  in  den  Stand 
gesetzt,  für  Hohlcylinder  von  gegebener  Wandstärke  B  die 
Constante  ß  und  den  Winkel  m  zu  berechnen,  welche  dem 
Tropfen  im  Augenblicke  des  Zerreilsens  zugehören.  Es 
ist  damit  die  Aufgabe  gelöst,  mittelst  der  Formeln  h  =  a%  ß 
und  V  =  2  l/a*  sin  (w  -f-  t)  die  maximale  Länge  und  das 
zugehörige  Volumen  eines  Tropfens  zu  bestimmen,  welcher 
an  einem  gegebenen  verticalen  Hohlcylinder  hängen  kann. 

Einen  Zusammenhang  zwischen  dem  Substitutionswinkel 
(f  und  dem  Winkel  &  findet  man  durch  Vergleichung  der 


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474 

beiden  Ausdrücke  für  s,  nämlich 

*  =  a'  ß  —  ^a«7»^4^S»f^und  *  =  a %ß  —  a1  0  cos  (f. 
woraus  a  /?  sin  <f  =  2  sin     oder  sin  .{ ,>  =  x  sin  y. 

VII. 

Allgemeine  Integralgleichung. 

Zum  Schlufs  soll  die  allgemeine  Integration  der  Diffe- 
rentialgleichung II,  1  durch  eine  Reihenentwickeluug  an- 
gedeutet werden.  Sobald  Winkel  &sm  90°,  ~  =  oo  wird, 

ist  eine  Entwickelung  von  s  nach  Potenzen  von  t  offenbar 
im  Allgemeinen  nicht  möglich.  Stellt  man  aber  die  Bedingung 

voran ,  dafs  #  <  y,  worin  die  Bedingung  to  <  j  einge- 
schlossen ist,  so  wird  man  bei  der  Einschränkung  auf 
Tropfen  der  genannten  Art  mindestens  innerhalb  gewisser 
Grenzen  immer  berechtigt  seyn,  die  Entwickelung 

■  —  • 

als  gestattet  anzusehen. 

Zur  Bestimmung  der  Coefficienten  am  formen  wir  II,  1 
um,  indem  wir  dieselbe  mit  dz  multipliciren,  integriren 

und  zur  Abkürzung  L  #  einführen ,  dabei  t  =  ~  schrei- 

a 

ben;  es  wird 

cos  9  =  i  -f(2r -  tg  » 

# 

Durch  nochmalige  Multiplication  mit  tg  resp.  ^ 
wird 

Berücksichtigt  man,  dafs  nach  IV,  2: 

i 

sin  #  =    <  —  ~\  ztdt, 


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475 


so  lassen  sich  nun  alle  in  Gleichung  (1)  vorkommenden 
Gröfsen  leicht  durch  Reihenausdrücke  ersetzen,  welche  aus 

CD 

• 

erhalten  werden.  Die  Ausführung  der  Rechnung,  worüber 
die  Inaugural-Dissertation1*)  des  Verfassers  Näheres  giebt, 
liefert  nach  angemessener  Constantenbestimmung  die  Coeffi- 
cienten  der  Reihe  folgendermafsen : 
o1  =  as  =  ab  .  .  .  at  „  + ,  .  .  .  =  o, 

2  «2  =  y, 

4a4  =  2raa*  —  ja„ 

6a6  =  4/>aaa4  -t-  2;a4  a2  —  2a,  ~-.Jaa .  2aa  —  |-a4, 
8a8  =  Byata9  -f-  4ya4  a4  4-  2/a6a„ 

-  4«4  j  (?«,.  2  a,), 

—  2a,  j  (Ja..  4a4  -+-  £a4.  2a2) 


(2»  +  2) =  2»>a,aiij,-+-  (2n  -  S) 

-4-  .  .  .  .  2ydim  a„ 

-(2»-2)a,..,|Qii1.2«t), 

-  (2fi  -  4)  aa„_  «  |(43a,.4a4  -f-  |a42a,), 

-  2  a,  ^[Ja,(2fi-2)aa._a  -f- 
toPfl-^K-i-H.  •  H-^a*..  ,2a,), 

Rechnet  man  die  Coefificienten  der  ersten  Glieder  aus, 
so  erhält  man  als  die  ersten  Glieder  des  Integrals  der 
Gleichung  II,  1 : 

16)  üeber  Tropfen,  welche  an  festen  Körpern  hängen  and  der  Schwer- 
kraft unterworfen  sind.   Breslau,  1873. 


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476 


*  =  ir'  +  (i  t 0  * +  ö •  *  £  ~ * 

oder  •  — 4r<*  1 1  -h i  (? *  —  iT^)*' 

+  l(!r'-Ä£  +  9lb)<,  +  -j- 

Dafs  hieraus  die  früher  durch  Annäherung  gefundenen 
Fälle  als  speciclle  Fälle  hervorgehen,  wenn  man  nur  die 
0  ten  resp.  1  sten  Potenzen  von  €  resp.  y  in  Betracht  zieht, 
ist  unschwer  nachzuweisen. 

Da  man  zur  Bestimmung  der  Coefficienten  alm  genöthigt 
war,  eine  dreifache  Multiplication  von  unendlichen  Reihen 
vorzunehmen,  so  ist  noch  nachzuweisen,  dafs  die  Summe 
der  resultirenden  Reihe  gleich  dem  Product  der  Summen 
der  ursprünglichen  Reihe  sey,  dafs  man  also  ihre  Coeffi- 
cienten einander  gleichsetzen  dürfe.  Die  bisher  stillschwei- 
gend gemachte  Annahme  ist  nur  dann  gestattet,  wenn  die 
zu  multiplicirenden  Reihen,  welche  möglicher  Weise  ne- 
gative Glieder  enthalten,  auch  dann  noch  convergiren,  wenn 
man  sämmtlichen  Coefficienten  das  positive  Vorzeichen 
giebt.  Um  die  unbedingte  Convergenz  zu  zeigen,  führe 
man  t  =  Rx  in  die  Differentialgleichung  ein,  wodurch 
man  eine  Entwickelung  von  *  nach  geraden  Potenzen  von 

—  enthält,  während  die  Coefficienten  bis  auf  einen  Factor 
ii 

R2  in  ihrem  letzten  Gliede  von  derselben  Form  bleiben. 
Man  zeigt  dann,  dafs  auch  für  unendliche  n  keiner  der 
Coefficienten  unendlich  grofs  werden  kann,  indem  jedes  der 
Aggregate  von  unendlicher  Gliederzahl,  aus  welchen  er 
zusammengesetzt  ist,  sich  einer  endlichen  bestimmten  Grenze 
nähert.  Damit  ist  schliefslich  bewiesen,  dafs  die  für  & 
gefundene  Reihe  unbedingt  convergirt  für  jeden  Werth 
von  *,   welcher  kleiner  ist  als  die   beliebig  gewählte 

Gröfse  R.    Dasselbe  gilt  dann  für  die  Reihe  für  -~. 


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477 


Nachdem  so  die  Coefficienten  aim  bekannt  geworden, 
ergeben  sich  leicht  die  Formeln  für  Länge,  Randwinkel 
und  Volumen  des  Tropfens,  nämlich: 

T -  ff  A*  -  2  *  2       2  *±        ,  a<.  R"  < 

1  1 


V.   lieber  die  Einwirkung  des  LicÜes  auf  freies 

Chlor  von  E.  Budde. 

Vorgetragen  in  der  Sitzung  der  niederrliein.  Gesellschaft  für  Natur-  und 

Heilkunde  am  7.  Juli  1873. 


In  einer  früheren  Abhandlung  (diese  Annalen  Bd.  140, 
S.  213)  habe  ich  die  Thatsache  veröffentlicht,  dais  freies 
Chlor  und  Brom  unter  dem  Einflufs  der  Lichtstrahlen  von 
hoher  Brechbarkeit  sich  ausdehnen.  Ich  habe  zugleich  die 
theoretischen  Erwägungen  mitgetheilt,  welche  mich  zur 
Entdeckung  dieser  Erscheinung  führten,  und  die  Hypothe- 
sen aufgezählt,  welche  behufs  Erklärung  derselben  in  Be- 
tracht kommen.    Sie  lauten: 

1)  Das  Licht  lockert  und  zersetzt  die  Chlormolecüle 
Cl2  in  frein  Atome  Cl. 

2)  Das  Licht  leistet  im  Chlor  irgend  eine  andere 
Arbeit,  die  sich  in  Wärme  umsetzt  und  dadurch 
die  Ausdehnung  hervorruft. 

3)  Es  erwärmt  das  Chlor  direct,  so  wie  es  z.  B.  den 
Rufs  erwärmt. 

Von  diesen  drei  Hypothesen  ist  die  zweite  nur  ein 
Nothbehelf ;  die  dritte  war  wenig  wahrscheinlich,  weil  wir, 
seit  den  feinen  Versuchen  Tyudall  s  noch  mehr  als  frü- 


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478 

her,  gewohnt  sind,  die  absolute  Intensität  der  Strahlen 
jenseit  des  Grün  für  verschwindend  gering  zu  halten;  die 
erste  war  diejenige,  von  der  ich  ausging,  als  ich  die  Ver- 
suche anstellte,  so  dals  das  Resultat  als  eine  Bestätigung 
fiir  sie  erschien;  sie  lieferte  zugleich  eine  bequeme  Erklä- 
rung der  chemischen  Activität  des  isolirten  Chlors,  sie 
drängte  sich  daher  in  den  Vordergrund,  ohne  indessen  die 
beiden  andern  kategorisch  auszuschließen. 

Ich  habe  nun  die  mit  dem  Chlor  angestellten  Experi- 
mente weiter  verfolgt  und  theile  im  Folgenden  ein  erstes 
Hauptresultat  der  ferneren  Untersuchung  mit.  Zunächst 
war  es  mir  darum  zu  thun,  die  fragliche  Erscheinung  be- 
quem und  in  gröfserem  Mafsstabe  sichtbar  zu  machen; 
dazu  diente  —  nach  anderen  wieder  verlassenen  Apparaten 
—  ein  Differentialthermometer,  dessen  eine  Kugel  mit 
Chlor,  die  andere  mit  Luft  gefüllt  war,  mit  Schwefelsäure 
als  trennender  Flüssigkeit.  Im  Einzeluen  erhielt  dasselbe 
folgende  Einrichtung: 

Eig.  1. 


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479 


Ein  mit  drei  Stellschrauben  versebenes  Stativ  von  der 
Form,  welche  für  das  Leslie'sche  Differentialthermometer 
gebräuchlich  ist,  trägt  den  symmetrischen  Glasapparat 
AxmnopyB,  von  dem  in  der  Zeichnung  rechts  die 
Kugel  y  und  der  Ansatzpunkt  p  durch  den  Schirm  C  ver- 
deckt sind,  übrigens  der  Kugel  x  und  dem  Punkte  m  ge- 
nau entsprechen.  A  und  B  sind  zwei  gröTsere  ,  x  und  y 
zwei  kleinere  Kugeln,  Ä  communicirt  mit  x,  B  mit  y  durch 
ein  kurzes  Rohr  von  willkührlicher  Dicke;  beim  Blasen 
von  A  und  B  ist  darauf  zu  achten,  dafs  sich  in  ihrem 
Inneren  kein  grauer  Anflug  einbrenne.  x  und  y  sind 
durch  das  weite  Capillarrohr  mnop  verbunden;  dies  ist 
mit  reiner  aerirter  Schwefelsäure  von  hoher  Concentration 
gefüllt,  so  dafs  die  Säure  in  x  und  y  bis  zu  6  oder  8 
Millimeter  Höhe  hineinragt.  Die  Weite  von  mnop  beträgt 
wenigstens  J  Millimeter,  besser  1  Millimeter,  weil  die  Schwe- 
felsäure sich  sonst  zu  steif  bewegt.  Die  Kugeln  x  und  y 
sind  vor  der  direkten  Einwirkung  des  Lichtes  irgendwie, 
aber  gleichmäfsig,  geschützt,  z.  B.  durch  zwei  runde  Schirme 
von  blankem  Messing  C  und  C  (der  linke,  C,  ist  in  der 
Figur  nur  punktirte  Conturen  angedeutet).  Von  den  bei- 
den grofsen  Kugeln  enthält  die  eine,  etwa  Chlor,  wel- 
ches natürlich  bis  an  die  Schwefelsäure  in  x  hinabreicht; 
die  andere ,  B  nebst  dem  oberen  Theile  von  y,  ist  mit  Luft 
gefüllt.  Dies  Chlor  leitet  man  beim  Füllen  am  besten 
durch  ein  feines  Rohr  von  oben  herab  in  die  Säure  von 
x,  so  dais  diese  damit  gesättigt  wird;  sie  färbt  sich  dabei 
gelb,  und  es  mag  gleich  hier  bemerkt  werden,  dafs  eben 
dels wegen  die  Schirme  C  C  angebracht  sind;  dieselben 
sollen  eine  asymmetrische  Absorption  des  auffallenden 
Lichtes  in  x  verhüten.  Reinheit  des  Chlors  ist  natürlich 
wünschenswerth,  für  blofs  qualitative  Versuche  aber  nicht 
erforderlich.  Das  Stativ  trägt  ein  Senkel  *,  mit  dessen 
Hülfe  eine  Normalstellung  tixirt  werden  kann;  zwischen  o 
und  n  eine  willkürliche  Skale. 

Um  den  Apparat  zu  gebrauchen,  mufs  man  einen  Index 
anbringen;  als  solcher  dient  eine  in  der  Nähe  von  n  in  die 


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480 


Schwefelsäure  gebrachte  Luftblase.  Für  kurze  Versuche 
kann  auch  eine  Chlorblase  verwandt  werden,  nach  einigen 
Stunden  wird  sie  aber  absorbirt;  nicht  aerirte  Säure  ver- 
schluckt übrigens  auch  kleine  Luftblasen.  Die  zum  Ein- 
bringen des  Index  erforderlichen  Manipulationen  sind  etwas 
umständlich;  man  verfahrt  dabei  am  besten  nach  folgendem 
Schema: 

1)  Kräftige  Neigung  von  B  nach  unten,  die  Säure 
aus  x  fliefst  zur  Seite,  der  Säurefaden  im  Capillar- 
rohr  fliefst  nach  y  und  ihm  folgt  ein  Chlorfaden 
bei  m. 

2)  Rückkehr  zur  angenährten  Normalstellung;  die  in 
x  gebliebene  Säure  schliefst  den  Chlorfaden  zur 
Blase  ab. 

3)  Mäfsige  Neigung  von  B;  die  Blase  fliefst  einge- 
schlossen bis  in  die  Nähe  von  o. 

4)  Kräftige  Neigung  von  A  nach  unten;  Säure  in  \j 
fliefst  zur  Seite,  bei  p  tritt  ein  Luftfaden  ein. 

5)  Horizontalstellung;  die  Säure  in  y  schliefst  den 
Luftfaden  zur  Blase  ab,  welche  sich  nahe  sym- 
metrisch zu  dem  ad  3)  für  die  Chlorblase  ge- 
wählten Punkte  einstellt. 

Ein  solcher  Index  bewegt  sich  mit  der  ihn  einschliefsen- 
den Säure  ganz  regelmäfsig,  während  ein  einseitig  begränzter 
Säurefaden  im  Capillarrohr  die  größten  Unregelmäfsigkeiteu 
zeigt  Um  grobe  Störungen  des  statischen  und  capillaren 
Gleichgewichts  durch  die  Bewegungen,  die  das  Licht  her- 
vorruft, zu  vermeiden,  sind  eben  die  Erweiterungen  x  und 
y  angebracht. 

Bequeme  Dimensionen  des  Apparates :  Durchmesser  von 
A  und  B  b  bis  6  Centimeter,  Durchmesser  von  x  und  y 
2  bis 2]  Centimeter,  Höhemn  =  op  =15  Centimeter,  Länge 
no  =  30  Centimeter,  Länge  der  Blase  5  bis  15  Millimeter. 

Für  das  im  Vorstehenden  beschriebene  Instrument 
schlage  ich  den  Namen  „Chlorthermoskop"  vor,  der  durch 
das  Folgende  seine  Begründung  finden  wird.  Einmal  ein- 
gerichtet, hält  es  sich  Monate,  wahrscheinlich  Jahre  lang 


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481 


brauchbar.  Gegen  ungleichmäfsige  Erwärmungen  ist  es 
natürlich  sehr  empfindlich;  doch  afficiren  dieselben,  so 
lange  Strahlen  von  hoher  Brechbarkeit  ausgeschlossen  sind, 
mehr  das  Glas  der  Hülle,  als  den  Inhalt  der  Kugeln  und 
sind  daher,  wenn  man  ganz  rohe  Störungen  ausschlierst, 
an  ihrer  characteristischen  Langsamkeit  leicht  zu  erkennen. 
Seine  eigentümlichen  Eigenschaften  zeigt  das  Chlorther- 
moskop,  wenn  es  einer  Strahlung  ausgesetzt  wird,  die  seine 
beiden  Seiten  gleichmäßig  trifft.  Eine  solche  Strahluug 
afficirt  das  Instrument  symmetrisch  mit  Ausnahme  eines 
einzigen  Theils,  des  Inhaltes  der  Kugeln  A  und  B.  Wäh- 
rend die  Luft  in  B  die  Wellen,  welche  sie  treffen,  unge- 
hindert durchgehen  läl'st,  hält  das  Chlor  in  A  gewisse  Licht- 
arten zurück  und  zeigt  die  durch  diese  hervorgerufene 
Ausdehnung;  der  Index  verschiebt  sich  in  der  Richtung 
von  A  nach  B. 

Und  zwar  bringen  zunächst  die  ultrarothen  (Wärme-) 
Strahlen,  da  sie  von  Chlor  merklich,  wenn  auch  in  geringem 
Grade  absorbirt  werden,  eine  Erwärmung,  und  dadurch 
eine  kleine  Verschiebung  zu  Stande.  Die  Empfindlichkeit 
gegen  dieselbe  ist  aber  nicht  grois;  ein  Apparat  von  den 
Dimensionen  des  oben  angeführten  zeigt  deutliche  und 
schnelle  Ausschläge  erst  wenn  man  Strahlungen  verwendet, 
die  mit  der  blofsen  Hand  zu  fühlen  sind.  Eine  dunkel- 
glühende eiserne  Birne,  von  nahe  1  Kilo  Gewicht,  welche 
während  der  Beobachtung  an  einem  rotirenden  Faden  auf- 
gehängt erkaltet,  verschiebt  aus  einer  Entfernung  von  \ 
Meter  den  Index  um  3  bis  5  Millimeter. 

Anders  ein  Lichtbündel,  welches  stark  brechbares  Licht 
enthält.  Ich  glaubte  anfangs,  meinen  Apparaten  grofse 
Dimensionen  geben  zu  müssen,  und  wählte  für  das  erste 
Instrument  Kugeln  von  10 ,  Centimeter  Durchmesser  bei 
einer  Capillaren  von  l  Millimeter  Weite.  In  die  Februar- 
sonne gebracht,  zeigte  dasselbe  eine  sofortige  Verschiebung 
des  Index,  die  mehr  als  die  ganze  Länge  der  Capillaren, 
d.  h.  mehr  als  \  Meter  betrug,  was  mich  veranlafste,  zu 
kleineren  Maalsen  überzugehen.  Ein  solches  kleines  In- 
PoggendorfFs  Annal.    ErgänzuDgsbd.  VI.  31 


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482 

strument  zeigte  nun  im  Sonnenlicht  folgendes  Verhalten: 
(die  Zahlen  wachsen  in  der  Richtung  vom  Chlor  zur  Luft, 
sie  bedeuten  nahezu  Millimeter). 

Stellung  des  Index.  Verschiebung. 


im  Schatten 

29 

im  Sonnenschein 

68 

39 

hinter  einem  rothen  Glase 

32 

3 

hinter  einem  blauen  Glase 

56 

27 

hinter  einem  dunkelblauen  Gl. 

52-55 

23—26 

im  Sonnenschein 

73 

44 

im  Schatten 

30 

1 

Wie  mau  sieht,  löscht  das  rothe  Glas  die  Wirkung  der 
Sonne  fast  völlig  aus,  das  blaue  läfst  *  davon  bestehen ;  ob  es 
mehr  oder  weniger  dunkel  ist,  macht  dabei  wenig  Unter- 
schied. Es  zeigt  sich  deutlich,  dafs  gerade  die  sehr  brech- 
baren Strahlen  von  besonderem  Einflufs  auf  den  Apparat 
sind.  Bei  Anstellung  der  Versuche  war  windiges  Wetter, 
welches  kleine  Wölkchen  an  der  Sonne  vorüberführte,  im 
5.  Experiment  und  in  dem  Unterschiede  zwischen  dem  2. 
und  6.  tritt  die  Einwirkung  solcher  Wölkchen  hervor;  in 
der  That  zeigt  das  Chlorthermoskop  jeden  die  Sonne  passi- 
renden  Cirrus  durch  eine  kleine  Schwankung  an.  Die 
Geschwindigkeit,  womit  die  Bewegungen  des  Index  den 
Variationen  des  Lichtes  folgen,  hängt  von  der  Grölse  der 
Kugeln  und  der  Weite  des  Capillarrohrs  ab;  sind  die 
Kugeln  nicht  zu  grofs  und  beträgt  die  letztere  mehr  als 
1  Millimeter,  so  beansprucht  der  Hauptstofs  nur  wenige 
Secnnden;  die  genaue  Einstellung  bedarf  natürlich  etwas 
längerer  Zeit.  Die  Schwefelsäure  behufs  leichterer  Beweg- 
lichkeit durch  den  Chlorkohlenstoff  CC14  zu  ersetzen,  habe 
ich  ganz  unthunlich  gefunden;  derselbe  liefert  so  unregel- 
mäfsige  Nebenwirkungen,  dafs  ich  auch  das  eine,  in  meiner 
früheren  Abhandlung  citirte  Experiment,  wobei  er  gedient 
hat,  hiermit  zurückzuziehen  zu  müssen  glaube,  obgleich  es 
bis  jetzt  nicht  wesentlich  aufserhalb  der  Reihe  der  übrigen 
Versuche  steht. 


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483 


Auch  gegen  kräftiges  diffuses  Licht  ist  das  Instrument 
empfindlich;  die  Ausschläge,  welche  etwa  ein  Viertel  des 
Himmels  (blau  mit  leichten  Wolken)  hervorbrachte,  be- 
trugen bei  drei  Versuchen  2  bis  7  Millimeter. 

Das  Chlorthermoskop  fungirt  so  regelmäfsig,  dafs  ich 
glaube,  es  wird  sich  aus  ihm  ein  bequemes  Mefsinstrument 
filr  intensiv  chemische  Strahlungen,  namentlich  für  die 
directe  Strahlung  der  Sonne,  machen  lassen;  das  Nähere 
über  seine  Anwendung  festzustellen,  mufs  aber  weiteren 
Untersuchungen  vorbehalten  werden.  Interessante  Andeu- 
tungen giebt  es  gelegentlich  schon  so;  dafs  z.  B.  das  Jahr 
1871  ein  so  erbärmliches  Weinjahr  gewesen,  dürfte  gewifs 
nicht  aufser  Zusammenhang  damit  stehen,  dafs  ich  in  Bonn 
während  des  ganzen  Augustes  1871  trotz  täglichen  Sonnen- 
scheins nicht  einen  Ausschlag  beobachtet  habe,  der  nur 
die  Hälfte  derjenigen  vom  Februar  1872  erreicht  hätte. 
Gewisse  von  Anderen  festgestellte  Thatsachen  liefert  es 
gleichfalls  ohne  Weiteres,  so  z.  B.  die  sehr  geringe  che- 
mische Wirkung  der  untergehenden  Sonne. 

Das  Vorstehende  im  Verein  mit  meinen  früheren  Ver- 
suchen, bei  denen  das  Prisma  zur  Anwendung  kam,  setzt 
die  Thatsache  aufser  Zweifel,  dafs  das  Chlor  durch  die 
hoch  brechbaren  Strahlen  eine  sehr  merkliche  Ausdehnung 
erleidet.  Es  handelt  sich  nun  darum,  die  Natur  dieser 
Ausdehnung  kennen  zu  lernen.  Die  Gröfse  derselben,  wie 
sie  im  Chlorthermoskop  hervortrat,  liefs  mich  erwarten, 
dafs  sie,  wenn  sie  auf  Erwärmung  beruhte,  dies  bei  der 
Untersuchung  mit  dem  Thermometer  direct  zu  erkennen 
geben  würde.  Ich  setzte  daher  zwei  Thermometer,  von 
denen  das  Eine  in  Luft,  das  Andere  in  Chlor  getaucht 
war,  den  Sonnenstrahlen  aus,  und  zwar  unter  folgenden 
Umständen:  das  angewandte  Lichtbündel  ging  zuerst  durch 
ein  Wasserbad  von  15  Centimeter  Dicke  und  trat  dann 
in  ein  zweites  Wasserbad.  In  diesem  befanden  sich  zwei 
Geifs ler' sehe  Piknometer  von  40  Gramm  Wassergehalt, 
die  in  der  Mitte  ein  kleines  Thermometer  trugen;  ihre 

3f 

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484 


Form  zeigt  nebenstehende  Figur.    Eins,  es  soll  ein  für 
allemal  P  heifsen,  wurde  mit  Chlor,  das  Andere,  (),  mit 
Luft  gefüllt;  den  dichten  Verschlufs  stellte  eine  äufserst 
Kg.  1.        dünne  Schicht  eines  Gemisches  von  Wachs 
mit  Terpentin  her.   P  wurde  drei  Wochen 
lang  ins  Licht  gestellt,  ehe  ich  damit  ex- 
perimentirte,  damit  die  Insolution  beim  Ver- 
suche keine  chemische  Einwirkung  mehr 
hervorriefe.   Die  Piknometer  wurden  ohne 
Rücksicht  auf  die  Temperatur,  welche  ihre 
Thermometer  gerade  zeigten,  in  das  zweite 

Wasserbad  getaucht  und  bestrahlt;  beim 
Vergleichen  der  Resultate  wurde  ange- 
nommen, dafs  die  Stellungen,  welche  sie 
nach  längerem  Stehen  in  nicht  beleuchtetem 
Wasser  annehmen,  gleichen  Temperaturen 
entsprechen.  Selbstverständlich  wurde  das 
Wasser,  in  dem  sie  sich  befanden,  während 
der  ganzen  Beobachtung  umgerührt.  Der 
Sonnenschein  eines  nicht  kalten  Winternachmittags  diente 
zu  den  Versuchen  und  ergab  Folgendes: 


P  (Chlor) 

Q  (Luft) 

Temp.  d.  Wasserbades. 

Anfangsstellung 

der  Thermometer: 

10,6 

11,2 

11,3 

Das  Sonnenlicht  wird  zugelassen ;  die  Thermometer  zeigen : 

2M0 

14,9 

13,25 

11,3 

2h15 

16,0 

14,2 

11,3 

2b25 

16,55 

14,6 

11,3 

2h30 

16,6 

14,65 

11,32 

2M0 

16,55 

14,7 

11,35 

P  und  0  sind  stationär  geworden. 


Verdunkelung : 
2h50  13,6  12,55  11,2 

3b  11,6  11,2  11,1 

3h10  10,8  10,9  11,05 

Ruhe,  der  ein  sehr  langsames  allgemeines  Sinken  folgt 


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485 


Um  den  Antheil  zu  eliminiren,  welchen  die  Individua- 
lität der  Piknometer  an  diesem  Ergebnifs  haben  könnte, 
wurde  jetzt  P  mit  Luft  und  Q  mit  Chlor  gefüllt,  und  der 
Versuch  ganz  in  derselben  Weise  wieder  aufgenommen. 
Es  ergab  sich: 

P  (Chlor)  Q  (Luft)     Temp.  d.  Waaserbades. 

Anfangsstellung     5,9  6,5  6,0 


Das  Sonnenlicht  zugelassen;  die  Thermometer  zeigen: 


2h30 

6,4 

7,0 

6,1 

2h35 

7,1 

7,9 

6,2 

2h40 

7,45 

8,4 

2h45 

7,65 

8,7 

6,4 

2h50 

7,8 

8,95 

2*55 

7,97 

9,07 

6,5 

3b0 

8,0 

9,15 

6,6 

P  und  0  sind  stationär  geworden. 


Verdunkelung. 


3h5 

7,6 

8,6 

6,65 

3h10 

6,9 

7,6 

6,6 

3h20 

6,7 

7,3 

3h25 

.6,7 

7,2 

6,5 

Ruhe,  wie  oben. 
Die  Grade  sind  Centesimalgrade,  die  Hundertel  geschätzt. 

Es  ergiebt  sich  aus  dem  Vorstehenden  für  die  stationäre 
Temperaturerhöhung,  welche  durch  die  Insolation  hervor- 
gebracht wurde: 

für  P  mit  Chlor  16,55  —  10,8  =  5°,75 
für  Q  mit  Luft  14,7  -  10,9  =  3  ,8 

Differenz  1,95,  Quotient  ~~~  =  1,5, 

für  P  mit  Luft      8,0  —  6,7  «  1°,3 
für  Q  mit  Chlor    9,15—7,2  =  1  ,95 

Differenz  0,66,  Quotient  ^  =  1,5. 


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486 


Die  Vertauschung  der  Piknometer  schliefst  jeden  Ein- 
wand, der  sich  auf  die  mangelhafte  Vergleichbarkeit  der 
Thermometer  stützt,  aus,  und  das  Resultat  lautet  daher 
eben  so  deutlich,  wie  unerwartet: 

Die  stationäre  Temperaturerhöhung,  welche  ein  mit 
Chlor  umgebenes  Thermometer  im  Wasserbade  durch  die 
Wirkung  eines  zufallig  gegebenen,  schwachen,  seiner  ultra- 
rothen  Strahlen  gröfstentheils  beraubten  Sonnenscheins  er- 
fährt, ist  Ii  mal  so  grofs,  wie  die  eines  unter  ganz  gleichen 
Verhältnissen  mit  Luft  umgebenen  Thermometers;  die 
Differenz  ist  von  der  Ordnung  eines  ganzen  Grades. 

Hieraus  wäre  dann  weiter  zu  schliefsen,  dafs  die  soge- 
nannten chemischen  Strahlen  der  Sonne  im  Stande  sind, 
einem  Chlorquantum  von  etwa  40  Cubikcentimetern  im 
Wasserbad  eine  stationäre  Temperaturerhöhung  von  der 
Ordnung  eines  ganzen  Grades  zu  ertheilen. 

Den  üblichen  Vorstellungen  über  die  absolute  Intensität 
der  liochbrechbaren  Strahlen  widerstreitet  dieser  Satz  so 
sehr,  dafs  ich  glaubte,  ihn  durch  besondere  Controlexperi- 
mente  erhärten  zu  müssen.  Zu  diesen  standen  mir  die 
Apparate,  mit  denen  ich  früher  gearbeitet,  nicht  mehr  zur 
Verfügung;  auch  hat  seit  dem  November  1872,  wo  ich 
mich  mit  neuen  Instrumenten  versehen,  die  Sonne  so  sehr 
mit  ihrer  Gunst  gekargt,  dafs  ich  die  Versuchsreihen  in 
ursprünglich  projectirter  Form  noch  nicht  habe  machen 
können;  ich  mufste  mich  mit  abgekürzten  Versuchen  be- 
gnügen; diese  aber  reichen,  wie  ich  glaube,  vollkommen 
aus,  um  durch  gegenseitige  Controle  mit  den  früheren  die 
beobachtete  Thatsache  sicherzustellen. 

Zwei  Thermometer,  von  denen  das  Eine  ein  für  alle 
Mal  ii,  das  Andere  B  heifsen  soll,  wurden  mittelst  paraf- 
finüberzogener Kautschukpfropfen  in  zwei  Kochfläschchen 
von  55  bis  56  Cubikcentimeter  Inhalt  befestigt ;  ihre  Gefafse 
reichten  in  die  Mitte  des  bauchigen  Theils  und  waren 
von  den  Propfen  etwa  8  Centimeter  entfernt.  Zunächst 
wurde  A  mit  Chlor,  B  mit  Luft  gefüllt  und  dann  beide 
auf  dem  Boden  einer  Wanne  mit  Glaswänden  befestigt; 


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487 


die  Scheiben  der  Wanne  standen  10  Centimeter  von  ein- 
ander ab.  Hierauf  wurde  soviel  von  einer  tiefblauen 
Kupferoxydammoniaklösung  eingegossen ,  dafs  die  Koch- 
fläschchen  ganz  bedeckt  waren,  das  Temperaturgleichge- 
wicht annähernd  abgewartet  und  das  Ganze  der  Sonne 
ausgesetzt.  Die  correspondirende  Stände  der  Thermometer, 
sowie  die  Anfangs-  und  Endtemperatur  der  Flüssigkeit 
wurden  abgelesen.  Folgende  Tabelle  giebt  die  Resultate; 
die  erste  Colonne  enthält  die  Ablesung,  wie  sie  in  A  ge- 
macht wurden,  die  zweite,  dieselben  Ablesungen,  ausge- 
drückt in  Graden  des  Thermometers  B\  der  Vergleich 
zeigte  nämlich,  dafs  zwischen  17°  und  25°  die  Grade  von 
A  auf  die  von  B  zu  beziehen  waren  durch  die  Formel 

x  =  —  0,31  -h  1,012  t. 
worin  tm  die  an  A  abgelesene  Temperatur,  x  diejenige 
Temperatur  bezeichnet,  welche unter  denselben  Umständen 
gezeigt  haben  würde.  Die  dritte  Colonne  giebt  die  Ab- 
lesungen an  B  selbst,  ist  also  mit  der  zweiten  unmittelbar 
vergleichbar:  die  Temperaturen  der  Flüssigkeit  sind  gleich- 
falls auf  B  reducirt.  Vor  jeder  Ablesung  wurde  umge- 
rührt; die  Zehntelgrade  sind  gelesen,  die  Hundertel  ge- 
schätzt. 


A  (Chlor) 

A  reducirt 

B  (Luft) 

19,42 

19,34 

19,4 

19,55 

19,47 

19,44 

19,8 

19,73 

19,6 

20,0 

19,93 

19,7 

20,2 

20,13 

19,82 

20,6 

20,53 

20,2 

Anfangstemperatur  der  Flüssigkeit  19,4 
Endtemperatur  der  Flüssigkeit  20,25 
Man  sieht,  dafs  das  in  Luft  eingeschlossene  Thermo- 
meter der  Temperaturzunahme  der  Flüssigkeit  folgt,  wäh- 
rend das  andere  ihr  merklich  voranschreitet;  die  Differenz 
zwischen  beiden  steigt  auf  0,33°. 

Die  Füllung  wurde  hierauf  umgekehrt  und  das  Expe- 
riment wiederholt. 


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488 


Es  ergab  sich: 


A  (Chlor) 

A  reducirt 

B  (Luft) 

20,3 

20,23 

20,35 

20,1 

20,03 

20,26 

20,2 

20,13 

20,45 

20,3 

20,22 

20,56 

20,65 

20,59 

20,95 

21,0 

20,94 

21,33 

21,4 

21,35 

21,8 

21,85 

21,8 

22,2 

23,20 

22,97 

23,3 

Anfangstemperatur  der  Flüssigkeit  20,08 
Endteinperatur  der  Flüssigkeit  23,1. 

Das  Ergebnils  lautet  demnach  wie  oben;  der  Unter- 
schied zwischen  A  und  B  markirt  sich  schon,  während  die 
Flüssigkeit  noch  abkühlend  wirkt,  erhebt  sich  bald  auf 
0,3°  und  bleibt  fortwährend  über  dieser  Gröfse.  Ich  hätte 
natürlich  gewünscht,  bis  zum  Stationairwerden  beobachten 
zu  können,  aber  es  ist  kein  Tag  gekommen,  an  dem  die 
Sonne  dies  gestattet  hätte.  Das  Paraffin  der  Stöpsel  wurde 
während  der  Versuche  vom  Chlor  leicht  braun  gefärbt, 
doch  glaube  ich  nicht,  dafs  die  dadurch  producirte  Wärme 
auf  die  Thermometer  habe  wirken  können. 

Hierauf  wurden  die  Versuchsreihen  wiederholt,  nachdem 
die  blaue  Flüssigkeit  durch  eine  hochgelbe  Lösung  von 
Kaliumbichromat  ersetzt  war:  in  den  Differenzen  der  Ther- 
mometerstände, welche  sich  dabei  ergaben,  war  keine  Regel- 
mäßigkeit zu  Gunsten  des  Chlors  mehr  zu  beobachten, 
auch  überschritten  sie  nicht  0,7°. 

Sonach  darf  man  als  experimentell  bewiesen  betrachten, 
rdafs  die  blauen,  violetten  und  übervioletten  Strahlen 
des  Sonnenlichtes  im  Stande  sind,  einem  Chlorquantum 
eine  stationäre  Temperaturerhöhung  von  der  Ordnung 
eines  ganzen  Grades  *u  ertheilen." 
Es  braucht  nun  nicht  erst  hervorgehoben  zu  werden, 
wie  fremdartig  dies  Resultat  ist.   Vergleicht  man  die  hier 
beschriebene  ealorische  Leistung  der  chemischen  Strahlen 


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489 


mit  alle  dem,  was  frühere  Beobachtungen  an  der  Thenno- 
säule  über  deren  absolute  Intensität  festgestellt  haben,  so 
sollte  man  an  ihrer  Möglichkeit  zweifeln.  Dennoch  läßt 
sie  sich  durch  nähere  Betrachtung  der  begleitenden  Um- 
stände dem  System  der  bekannten  Erscheinungen  vollstän- 
dig einreihen. 

Wird  irgend  ein  Körper,  dessen  Absorptionscoefficient 
«  ist,  von  einer  Strahlung  mit  der  Intensität  J  getroffen, 
so  läfst  sich  das  Wärmequantum,  welches  er  in  jedem 
Zeittheilchen  dt  aus  ihr  entnimmt,  ausdrücken  durch  ein 
Product 

Ja  M  dt, 

wo  M  eine  von  der  Gestalt  und  Lage  des  Körpers  abhän- 
gige Constante  ist.  In  demselben  Zeittheilchen  erleidet 
er  Wärmeverluste,  theils  durch  Strahlung,  theils  durch 
Leitung  und  Arbeitsleistung.  Ist  seine  Temperaratur  um 
die  Gröfse  J  T  über  das  Mittel  der  Umgebung  erhöht,  ist 
sein  EmissionscoSffieient  «  und  Nt  eine  von  seiner  Gestalt 
und  Lage  abhängige  Constante,  so  beträgt  der  Ausstrah- 
lungsverlust 

JT.s.N{  dt. 

Der  Leitungs-  und  Arbeitsverlust  richtet  sich  gleich- 
falls nach  dem  Werth  von  /J  T ;  beide  zusammen  sollen 
unter  ein  Produkt  von  der  Form 

(p(/JT).N2.  dt 

wo  (p  ein  Functionszeichen,  N2  eine  weitere  Constante  be- 
deutet. Das  Gleichgewicht  tritt  ein,  wenn  Einnahme  und 
Verluste  einander  gleich  sind 

Ja  M  =  JTeN,  -f-  <p  (JT)  Nt.  (1) 

Bei  der  Thermosänle  ist  (p  (/JT)  JV,  beträchtlich;  die 
Ableitung  geschieht  durch  compacte  Metallmassen,  und 
der  Strom  stellt  eine  Arbeitsleistung  der  Wärme  dar, 
welche  eben  dazu  dient,  deren  Anwesenheit  sichtbar  zu 
machen.  In  unserem  Falle  aber,  beim  Chlor,  ist  die  Lei- 
tung sehr  gering  und  die  äufsere  Arbeit» fehlt  vollständig, 
(f  (JT)N2  ist  daher  eine  sehr  kleine  Gröfse.    Wäre  die- 


490 


selbe  ganz  zu  vernachlässigen,  so  würde  Gleichung  (t) 
sich  vereinfachen  in 

Ja  M  =  JT  e  N,  (2) 

woraus 

JT  =  J  -  .  Const.  (3) 


e 


So  wie  sie  ist,  wird  man  sie  hinreichend  berücksichtigt 
haben,  wenn  man  schreibt 

JT  =  J~.  Const.  —  v 
i 

wo  unter  o  eine  kleine,  die  Ordnung  von  J  -| Const. nicht 
wesentlich  ändernde  Gröfse  verstanden  wird.  Dieser  Werth 

Jet 

also,  -  .  Const.,  zieht  die  Betrachtung  vornehmlich  auf  sich. 

Sein  veränderlicher  Factor  J  ~  hat  nun  Eigenschaften, 

welche  für  gewöhnlich  wenig,  beim  Chlor  aber  mit  Ge- 
wicht in  Betracht  kommen.  Um  dieselben  zu  erkennen, 
theilen  wir  «/,  a  und  £  in  Summanden,  die  sich  auf  die 
verschiedenen  Farben  beziehen;  für  unsern  Fall  genügt 
die  Theilung  in  zwei,  von  denen  der  eine  die  wenig  brech- 
baren, vulgo  Wärmestrahlen,  der  andere  die  sehr  brech- 
baren, jenseit  des  Grün  liegenden  Wellen  umfafst.  Wir 
verstehen  unter  J„  er,  und  er  Intensität,  Absorptions-  und 
Emissionscoefificient  für  lange,  unter  Jr,  a.  und  «,  dieselben 

Gröfsen  für  kurze  Wellen;  an  die  Stelle  von  Jy  tritt 
demnach 

Jr  «r  -f-  J*  «» 

«r  -h  £, 

Beschränken  wir  uns  auf  den  Fall,  wo  der  betrachtete 

Körper  von  gewöhnlicher  Temperatur  ist,  so  ist  —  und  cr 

selbst  eine  verschwindend  kleine  Gröfse:  es  werden  nur 
dunkle  Strahlen  ausgesandt;  demnach  reducirt  sich  der 
Ausdruck  auf 

Jr  (tr  -f"  Jr  ff* 


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491 

Die  Strahlungen,  mit  denen  man  gewöhnlich  arbeitet, 
sind  nun  solehe,  in  denen  Jr  gegen  J,  sehr  stark  ent- 
wickelt ist;  wir  setzen  eine  derartige  voraus.  Dann  sind 
folgende  Fälle  zu  unterscheiden: 

1)  ar  =ä  a,  =  1,  Fall  des  vollkommen  schwarzen  Kör- 
pers, den  man  früher  in  der  berufsten  Vorderfläche  einer 
Thermosäule  nahe  erreicht  zu  haben  glaubte.  Aus 

Jr  a,  -4-  Jr  ««. 
«r 

wird  einfach —:  die  Erwärmung  ist  der  Intensität  propor- 
tional, ohne  Rücksicht  auf  die  Farbe  der  Strahlung. 

2)  «r  =  wo  k  irgend  einen  ächten  Bruch  be- 
zeichnet; ist  dem  Vorigen  darin  ähnlich,  dafs  die  Farbe 
keinen  Einflufs  übt. 

3)  «,  $  a. 

In  diesem  Falle  ist  Jr  a,  -+-  Jt  ar  nicht  mehr  einfach  der 
Gesammtiuten8ität  (Jr-{-Jr)  proportional,  sondern  diejenige 
Farbe  wirkt  verhältnifsmäfsig  stärker,  für  welche  « 
gröfser  ist. 

a)  «„<■«„;  dann  wird ,  da  ohnehin  J,  viel  gröfser  als 
Jw  ist,  Jt  a,  gegen  Jr  a,  unbemerkt  bleiben,  noch  mehr  als 
dies  schon  in  1)  und  2)  der  Fall  ist;  das  Resultat  hängt 
also  wesentlich  von  Jr  ab. 

b)  ar  <  Dieser  Fall  interessirt  uns  besonders.  Es 
sey  zunächst  der  Unterschied  zwischen  ar  und  a,  nicht 
sehr  grofs;  das  ist  der  Fall  vieler  dunkel  gefärbten  Sub- 
stanzen, u.  A.  (nach  Tyndall)  des  Rufses,  also  der  ge- 
wöhnlichen Thermosäule.  Die  resultirende  Erwärmung  ist 
nicht  genau  der  Intensität  proportional,  sondern  die  sehr 
brechbaren  Strahlen  wirken  etwas  stärker,  als  ihnen  zu- 

J  ar  J 

käme,  ~— >-rf.    Indessen,  bei  der  übermächtigen  Gröfse 

von  Jr  bleibt  J,  at  dennoch  sehr  klein  gegen  J,  orr,  und 
für  gröbere  Instrumente  hängt  das  Ergebnifs  nach  wie 
vor  von  Jr  allein  ab. 


i 

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492 


Anders,  wenn,  wie  wir  jetzt  annehmen  wollen,  er,  ausser- 
ordentlich klein  gegen  ar  ist.  Dann  kann  Jr  er,  auch  gegen 
J,a,  klein  werden,  die  Proportionalität  mit  der  Intensität 
hört  ganz  auf,  und  die  resultirende  Erwärmung  hängt  zum 
grofsen  Theil  oder  fast  ganz  von  Jt  ab.  Zugleich  aber 
wird  wegen  der  Kleinheit  von  ar  nach  dem  Kirch  ho  ff  sehen 

Gesetz  auch  «,  eine  sehr  kleine  Gröfse  und  J,  —  kann  da- 

«r 

her  einen  Werth  erlangen,  der  zu  dem  Betrage  von  J.  in 
gar  keinem  Verhältuifs  steht. 

Das  ist  der  Fall  beim  Chlor;  es  absorbirt  die  hoch- 
brechbaren Strahlen  sehr  vollständig;  indem  es  sie  aber 
in  Wärme  verwandelt,  bildet  es  aus  ihnen  Wärme  von 
niedriger  Temperatur,  welche  nur  in  Form  von  langen, 
dunklen  Wellen  ausgestrahlt  werden  kann;  für  diese  ist 
sein  Emissionscoefficient  sehr  gering  (Tyndall),  die  ver- 
schluckte Wärme  kann  also  nur  äufserst  langsam  wieder 
ausgestrahlt  werden,  sie  sammelt  sich  an  und  bringt  eine 
merkliche  Temperaturerhöhung  hervor. 

Somit  ist  die  auf  den  ersten  Blick  höchst  überraschende 
Beobachtung,  dafs  das  Chlor  durch  die  hochbrechbaren 
Strahlen  der  Sonne  um  sehr  merkliche  Beträge  erwärmt 
werden  kann,  erklärt.  Aehnliche  Erscheinungen  lassen 
sich  für  andere  Körper  voraussagen.  Die  Lösung  von  Jod 
in  Schwefelkohlenstoff  z.  B.  verhält  sich  nach  Tyndall 
gegen  das  gesammte  sichtbare  Spectrum  ebenso,  wie  Chlor 
gegen  den  Theil  jenseits  des  Grün;  bezieht  man  at  auf 
die  sichtbaren,  ar  auf  die  ultrarothen  Strahlen,  so  ist  die 
ganze  obige  Betrachtung  auf  dieselbe  anwendbar:  die  sicht- 
baren Strahlen  müssen  in  ihr  eine  unverhältnifsmäfsige 
Temperaturerhöhung  hervorbringen,  und  es  wird  leicht  seyn, 
Versuche  zusammenzustellen,  die  zugleich  zur  Evidenz 
bringen  1)  dafs  die  genannte  Flüssigkeit  von  der  Strahlung 
z.  B.  einer  elektrischen  Lampe  nur  1  pCt.  absorbirt,  und 
2)  dafs  sie  sich  durch  dieses  eine  Procent,  wenn  die  Ab- 
leitung möglichst  ausgeschlossen  ist,  eben  so  stark  erwärmt, 
wie  andere  Substanzen  durch  einen  grofsen  Theil  des  durch- 


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493 


gehenden  Restes.  Mir  fehlen  die  Aparate,  um  diesen  Nach 
weis  zu  fuhren. 

Auch  der  Rufs  unterliegt  derselben  Betrachtung;  nach 
Tyndall  läfst  er  die  längsten  ultrarothen  Wellen  durch: 
bei  einer  Temperatur  also,  wo  ein  vollkommen  schwarzer 
Körper  nur  solche  ausstrahlt,  würde  er  sich  gegen  Roth 
und  nächstliegendes  Ultraroth  ähnlich  verhalten,  wie  Chlor 
gegen  Blau.  Hieraus  und  aus  den  oben  unter  3  b  gemachten 
Bemerkungen  ergiebt  sich  im  Vorbeigehen,  dafs  die  übliche 
Annahme,  die  Angaben  der  Thermosäule  seyen  nur  von 
der  absoluten  Intensität,  nicht  von  der  Farbe  der  auffallen- 
den Strahlen  abhängig,  nicht  stricte  zulässig  ist;  ob  die 
Fehler,  welche  sie  herbeifuhrt,  merklich  werden  können, 
bedarf  einer  besonderen  Prüfung,  wie  denn  überhaupt  din 
obigen  Bemerkungen  allgemeinere  Bedeutung  haben  und 
weiterer  Ausführung  fähig  sind. 

Wir  kehren  zum  Chlor  zurück.  Es  ist  klar,  dafs  die 
Thermometer  in  den  beschriebeneu  Versuchen  nicht  genau 
die  Temperatur  ihrer  nächsten  Umgebung  anzeigen;  vielmehr 
ist  ihre  eigene  Strahlung  für  sie  ein  Grund  zur  Abkühlung. 
Daraus  folgt  erstens  für  die  Praxis,  dafs  man  möglichst 
kleine  Thermometer  anzuwenden  habe,  und  zweitens  für  die 
Versuchsergebnisse,  dafs  die  betrachteten  Differenzen  klei- 
ner sind,  als  die  wahren  Differenzen  zwischen  dem  Chlor 
und  der  umspülenden  Flüssigkeit.  Die  Zahlenwerthe  1,95"; 
0,66°;  0,3..°;  welche  ich  für  die  Temperaturüberschüsse 
des  Chlors  in  den  verschiedenen  Versuchsreihen  erhielt, 
sind  nur  als  rohe,  und  zwar  zu  kleine,  Annäherungen  zn 
betrachten. 

Wir  erörtern  zunächst  die  Frage,  ob  sie  mit  den  am 
Chlorthermoskop  beobachteten  Ausdehnungen  der  Gröfse 
nach  sich  vergleichen  lassen.  Ein  willkührlich  ausgewählter 
Versuch  mit  dem  letzteren  aus  dem  Februar  1871  zeigte 
eine  Verschiebung  des  Index  von  48,2  Millimetern.  Die 
Chlorkugel  des  Instruments  war  vor  der  Füllung  ausge- 
messen; sie  fafste  91,7  Cubikcentimeter,  der  Durchmesser 
des  Capillarrohres  betrug  0,8  Millimeter,  sein  Querschnitt 


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494 

demnach  0,50  □Millimeter  und  obige  48,2  Millimeter  re- 
präsentiren  daher  eine  Ausdehnung  von  0,241  Cubikcenti- 
meter  gleich  0,0026  des  Kugelinhalts.  Darf  man  annehmen, 
die  beiden  mit  Gas  erfüllten  Räume  A  -h  a  und  B  b 
(siehe  oben,  Beschreibung)  seyen  einander  gleich  und  der 
Betrag  der  Ausdehnung  sey  so  gering,  dafs  sein  Quadrat 
verschwindet  —  und  diese  Bedingungen  sind  ftlr  unsere 
Zwecke  hinreichend  erfüllt  —  so  zeigt  eine  einfache  Rech- 
nung1), dafs  die  Verschiebung  des  Index  gerade  doppelt 
so  grofs  seyn  würde,  wenn  die  Kugel  B  durch  die  freie 
Luft  ersetzt  wäre;  sie  würde  demnach  0,0052  des  Inhaltes 
von  A  ausmachen,  d.  h.  sie  entspricht  einem  Temperatnr- 
überschufs  von  etwa  1,4°  C.  Dieser  Werth  ist  von  der- 
selben Ordnung,  wie  die  mit  den  Piknomctern  erhaltenen. 

Ich  habe  mich  vergeblich  bemüht,  Methoden  zu  er- 
sinnen, welche  zu  einer  präcisen  Beantwortung  der  Frage 

1)  Man  denke  sich  zwei  Volumina  Gas,  jedes  gleich  v,  mit  einander  in 
Verbindung  gesetzt  und  durch  einen  Index  von  einander  geschieden ; 
der  Druck  in  beiden  sey  />.  Tritt  auf  der  einen  Seite  eine  Venneh- 
rung desselben  um  eine  kleine  Gröfse  dp  ein,  so  erfolgt  unter  Ver- 
schiebung des  Index  eine  entsprechende  Vermehrung  des  Volumens 
um  eine  kleine  Gröfse  dv>  während  das  zweite  Volumen  um  dieselbe 
Gröfse  dv  vermindert  wird.   Der  Druck  in  dem  ersten  stellt  sich  da- 

v  v 

durch  auf  (p  -+-  dp)  .  — — -  ,  der  im  zweiten  auf  —  und 

v  -f-  dv  v  —  dv 

wird  die  Bedingung  des  Gleichgewichts.    Hieraus  ergiebt  sich 

vdp  —  pdv  —  dp  dv  =  pdv. 
Das  Glied  dpdv  ist  von  derselben  Ordnung  wie  dv%  also  zu  vernach- 
lässigen, somit  bleibt 

vdp  =  2pdv 

d"=r/p 

Dagegen  würde,  wenn  das  zweite  Volumen  unendlich  grofs,  die  Aus- 
dehnung des  ersten  also  ungehindert  wäre,  die  Gleichgewichtsbedin- 
gung lauten 

v  dp  =  p  dv 

rft»=  —  dp 
P 

also  für  dv  den  doppelten  Werth  ergeben. 


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495 


führen  könnten:  „Reicht  die  Erwärmuug,  welche  das  Chlor 
im  sehr  brechbaren  Lichte  erfahrt,  hin,  um  die  an  ihm 
beobachtete  Ausdehnung  zu  erklären,  [oder  nicht?"  So- 
wohl die  genaue  Deutung  von  Thermometerversuchen,  wie 
die  beschriebenen,  als  auch  die  Untersuchung  durch  alle 
anderen  Arten  der  Messung,  welche  sich  mir  darbieten 
wollten,  setzt  die  Erfüllung  von  Bedingungen  voraus,  die 
ich  nicht  realisiren  konnte.  Namentlich  zeigte  sich  stets, 
dafs  es  zum  Gelingen  der  Bestimmung  erforderlich  seyn 
würde,  den  Betrag  der  Abkühlung,  welchen  eine  über  das 
Mittel  ihrer  Umgebung  erwärmte  Chlormenge  durch 
Leitung  erfährt,  auszusondern  und  mit  einer  Genauigkeit 
zu  erkennen,  die  mir  bis  heute  unerreichbar  scheint.  Ich 
mufste  mich  also  damit  begnügen,  die  rohen  Ergebnisse, 
welche  ich  bisher  aufgezählt,  für  die  Lösung  des  Problems 
zu  verwenden;  nach  ihnen  lautet  das  Resultat: 

Das  Chlor  erfährt  durch  die  sehr  brechbaren  Strahlen 
eine  Ausdehnung  und  eine  Erwärmung ;  nach  den  mit  dem 
Thermometer  angestellten  Versuchen  ist  kein  Grund  vorhan- 
den, der  ersteren  eine  andere  Ursache  als  der  letzteren  zu- 
zuschreiben. 

Der  Name  „  Chlorthermoskop u  für  die  beschriebene 
Modifikation  des  Differential -Thermometers  ist  damit  ge- 
rechtfertigt. Dafs  ich  die  Ausdehnung  des  Chlors  auf 
Grund  einer  a  priori  gemachten  Hypothese  über  ihre  Na- 
tur gefunden,  berechtigt  nicht  dazu,  die  Vermuthung,  es 
sey  neben  der  Erwärmung  noch  Platz  für  die  in  jener  Hy- 
pothese angenommene  Ursache,  die  Zersetzung  der  Mole- 
küle, übrig,  als  durch  die  weiteren  Versuche  unterstützt 
zu  betrachten. 

Zu  bemerken  ist  hier  übrigens  noch  Folgendes:  die 
theoretischen  Erwägungen,  durch  welche  die  verhältnüs- 
mälsig  sehr  bedeutende  Temperaturerhöhung  des  Chlors 
erklärt  wurde,  bleiben  auch  dann  noch  gültig,  wenn  die 
Erwärmung  desselben  nicht  direct,  sondern  indirect,  durch 
Vermittelung  einer  vorübergehenden  Arbeit  des  Lichtes 
geleistet  wird.   Man  denke  sich  z.  B.,  dafs  das  Licht  eine 


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496 


Anzahl  der  Moleküle  CP  auflokere,  dafs  diese  Moleküle 
sich  gelegentlich  wieder  vereinigen,  und  dafs,  nachdem  die 
Einwirkung  der  Strahlen  einige  Zeit  gedauert,  ein  statio- 
närer Zustand  erreicht  werde,  in  dem  während  jedes  Zeit- 
theichens  eben  so  viel  Moleküle  an  einigen  Stellen  aufge- 
lockert werden,  wie  sich  an  anderen  wieder  fest  vereinigen. 
Von  der  lebendigen  Kraft  der  ankommenden  Lichtwelle 
wird  dann  irgend  ein  Theil  ?.  zur  Arbeit  des  Auflockerns 
verwendet;  in  derselben  Zeit  wird  aber  an  den  Orten,  wo 
die  Wiederbefestigung  der  Atome  geschieht,  genau  dieselbe 
Arbeit  A  in  Form  von  Verbindungswärme  frei,  so  dafs  in 
Summa  jedes  Zeittheilchen  eben  so  viel  Wärme  liefert,  als 
ob  die  Lichtstrahlen  sich  direct  in  Wärme  umgesetzt 
hätten.  Aehnliches  gilt  für  jede  Arbeit,  deren  Resultate 
sich  nicht  in's  Unbegränzte  in  dem  bestrahlten  Körper 
anhäufen. 

Ich  glaube  allerdings,  dafs  die  Annahme,  das  Licht 
lockere  die  Chlormoleküle,  immer  noch  viel  für  sich  hat 
Der  Glaube,  dafs  man  in  der  Ausdehnung  des  Gases  die 
wirkliche  Zersetzung  einer  grofsen  Zahl  von  Molekülen  direct 
beobachte,  ist  nach  dem  Inhalt  des  Vorangehenden  fallen 
zu  lassen;  die  Möglichkeit,  dafs  eine  blofse  Lockerung,  viel- 
leicht auch  hie  und  da  eine  Zersetzung  eintrete,  wird  je- 
doch dadurch  nicht  berührt.  Und  es  giebt  rein  chemische 
Erwägungen,  welche  meines  Erachtens  hinreichen,  dieser 
Möglichkeit  den  Rang  einer  annehmbaren  Hypothese  zu 
geben.  In  meiner  früheren  Abhandlung  habe  ich  bereits 
erörtert,  wie  einfach  sich  die  Wirkung  des  Lichtes  auf 
die  chemische  Activität  des  Chlors  erklärt,  wenn  man  die 
genannte  Annahme  macht;  die  dort  angeführten  Gründe 
haben  allgemeinere  Gültigkeit,  und  die  für  das  Chlor  aut- 
gestellte Vermuthung  ist  ein  Theil  eines  Gedankens  von 
weiterem  Umfange,  den  ich  zum  Schlüsse  hinstelle,  um 
ihn  für  sich  und  für  seinen  speciellen  Theil,  die  Lockerung 
der  Chlormoleküle,  reden  zu  lassen. 

Nach  Clausius  und  Anderen  nimmt  man  allgemein 
an,  dals  die  Moleküle  der  meisten  einfachen  Körper  aus 


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497 

zwei  oder  mehr  Atomen  bestehen.  Daraus  ergeben  sich 
sofort  zwei  wichtige  Folgerungen: 

1)  Dafs  die  beobachteten  sogenannten  Verbindungswär- 
men nur  Differenzen  der  wahren  Verbindungswärmen  sind. 

2)  Dafs  zur  Bildung  einer  Verbindung  aus  den  Ele- 
menten im  Allgemeinen  eine  vorgängige  Zersetzung  dieser 
Elemente  nöthig  ist,  und  dafs  dieser  Umstand  es  erklärt, 
wie  zwei  Elemente,  z.  B.  O  und  S,  trotz  lebhafter  Ver- 
wandtschaft ungestört  nebeneinander  bestehen  können,  wenn 
nicht  ein  Anstofs,  und  zwar  ein  Anstofs  von  trennendem 
Character  gegeben  wird.  Wenn  zwei  Verbindungen,  wie 
Söj  und  C  /f4,  ohne  sich  anzugreifen,  neben  einander  be- 
stehen, obgleich  C  und  H  zu  S  und  0  lebhafte  Verwandt- 
schaft besitzen,  so  zweifelt  Niemand  daran,  dafs  eben  die 
zwischen  S  und  03  einerseits,  zwischen  C  und  //4  andererseits 
tbätigen  Kräfte  die  Stabililät  der  einmal  vorhandenen 
Verbindungen  aufrecht  halten,  dafs  S  den  Kohlenstoff  oder 
Wasserstoff  nicht  ergreift,  weil  es  vom  Sauerstoff  festge- 
halten wird,  und  umgekehrt.  Sind  aber  zwei  einfache 
Körper  gegeben ,  so  ist  offenbar  dasselbe  der  Fall :  S3  und 
04,  H2  und  Cl.t  bestehen  neben  einander,  weil  die  Anzie- 
hungen S  — S,  0  —  0,  £T— H  und  Cl—Cl  die  Einwirkun- 
gen S — 0  und  H  —  Cl  nicht  zu  Stande  kommen  lassen; 
soll  die  Verbindung  erfolgen,  so  muls  eine  Lockerung  in 
wenigstens  Einem  der  vorhandenen  Moleküle  eintreten. 
Bei  den  meisten  Substanzen  ist  die  Entzündungswärme  des 
Agens,  welches  diese  Lockerung  leistet,  wie  beim  Chlor- 
knallgas, auch  das  Licht.  Ob  eine  wirkliche  Spaltung  oder 
nur  eine  Schwächung  des  Zusammenhanges  erforderlich 
ist,  kann  a  priori  nicht  entschieden  werden;  die  letztere 
ist  im  Allgemeinen  wahrscheinlicher.  Träte  beim  Chlor  eine 
wirkliche  Spaltung  ein,  so  ist  zu  vermuthen,  dafs  eine 
Nachwirkung  im  Dunkeln  existiren  müfste.  Die  Experi- 
mentatorn  haben  bekanntlich  über  diesen  Punkt  verschie- 
dene Ansichten  geäufsert;  mir  scheint,  dals  Bunsen's 
Versuche  den  Ausschlag  geben;  sie  sprechen  gegen  die 
Nachwirkung,  also  gegen  die  völlige  Zersetzung.  Die 

Poggendorff's  Annal.    Krgänzungbd.  VI.  32 


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498 


im  Vorstehenden  gegebenen  Erwägungen  erweisen  sieb 
sofort  als  fruchtbar.  Schreibt  man  z.  B.  dem  Stickstoff 
die  Eigenschaft  zu,  dafs  seine  Moleküle  N%  durch  bedeu- 
tende Kräfte  in  ihrem  Bestände  erhalten  werden,  so  bat 
man  eine  möglichst  einfache  Erklärung  ffcr  eine  ganze  Reibe 
von  Thatsachen,  z.  B.  dafs  der  freie  Stickstoff  .Y,  sehr  trage 
ist,  während  der  einmal  in  Verbindung  befindliche  eine 
Menge  von  Verwandtschaften  zeigt,  zweitens,  dafs  die  stick- 
stoffhaltigen Verbindungen  sich  oft  explosiv  zersetzen  (be- 
ruht auf  der  Wärmemenge,  welche  die  Verbindung  N—S 
liefert);  ferner,  dafs  ein  Doppel -Stickstoff  so  vielfach  als 
Bindeglied  in  den  „ Diazokörpern u  vorkommt,  usw.  Im 
Gegensatze  zu  ihm  scheint  der  Wasserstoff  eine  geringe 
Verbindungswärme  H—  H  zu  besitzen  und  daher  läfst  er  sich 
ohne  Widerstand  in  Verbindungen  einführen ,  wenn  nur 
der  ihm  dargebotene  Körper  freie  Activität  besitzt,  deshalb 
genfigt  auch  die  Lockerung  der  Chloratome,  um  in  dem 
Gemenge  C/3      H%  die  Verbrennung  einzuleiten. 

Paris,  20.  Juni  1873. 


A.  W.  8  ch  •<!••»  Buchdruckerei  (L.  Schade. n  Barlin.  StalUchre-ibvritr.  4? 

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ANN ALEN 
DER  PHYSIK  UND  CHEMIE. 

Bd.  VI.  ERGÄNZUNG. 


1.  Optische  Untersuchungen  einiger  Reihen  iso- 
morpher Substanzen ;  von  iJaldor  Topsoe  und 

C.  Christiansen. 

(Von  den  HH.  Verf.  gemachter  und  in  den  Ann.  de  chim.  et  de  phys.  1874 
T.  1  veröffentlichter  Auszug  aus  der  Original-Abhandlung  in  den  Schriften 
der  königl.  dänischen  Gesellschalt  der  Wissenschaften,  die  wegen  ihres 
grofsen  ümfangs  (155  Seiten  4°)  nicht  für  die  Annalen  geeignet  ist.) 


kanntlich  hat  De  Senarmont  eine  Reihe  optischer 
Untersuchungen  unternommen,  um  zu  entscheiden,  ob  eine 
krystallographische  Isomorphie  eine  optische  Analogie  be- 
dinge. Als  Resultat  seiner  Arbeit  ergab  sich,  dafs  eine 
solche  Analogie  nicht  stattfindet.  Er  selbst  sagt:  „Die  be- 
dingenden Ursachen  der  geometrischen  Form  sind  von 
anderer  Ordnung  als  die  Ursachen,  welche  die  optisch 
doppelt -brechenden  Eigenschaften  bedingen,  weil  diese 
Form  in  ganzen  Gruppen  von  isomorphen  Substanzen 
dieselbe  bleibt,  während  die  optischen  Eigenschaften  in 
ihren  wesentlichen  Elementen  nicht  blofs  quantitative^ Modi- 
fikationen erleiden,  sondern  eine  vollständige  Umkehrung 
ihrer  relativen  Grofse." 

lndefs  begnügte  sich  De  Senarmont  mit  der  Be- 
stimmung des  Winkels  der  optischen  Axen,  des  Charakters 
der  Doppelbrechung,  und  der  Lage  der  Elasticitätsaxen 
in  Bezug  auf  die  der  krystallograpbischen  Axen.  Im 
Allgemeinen  hat  er  nicht  die  Refractionsindexe  berück- 
sichtigt, jedoch  mit  Ausnahme  einiger  mittleren  Indexe. 
Die  Unzulänglichkeit  der  durch  partielle  Untersuchungen 
erhaltenen  Resultate  mufste  neue  Forschungen  hervor- 
rufen, welche  besonders  die  Bestimmung  der  optischen 
Constanten  ins  Auge  fafsten,  um  so  die  Frage  in  ihrem 

Poggendorffs  Annal.    Ergäuzungsbd.  VI.  33 


St.  4. 


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500 


wahren  Lichte  zu  erblicken,  und  das  Wesentliche  von 
dem  Zufalligen  zu  unterscheiden;  allein  obgleich  seitdem 
eine  grofse  Anzahl  Untersuchungen  von  verschiedenen 
Seiten  unternommen  worden  ist,  von  Descloizeaux, 
Grailich,  v.  Lang,  Schrauf,  usw.,  ist  man  doch  noch 
nicht  zu  einer  endgültigen  Lösung  der  Aufgabe  gelangt. 
Zwar  zählen  die  auf  optischem  Wege  untersuchten  Sub- 
stanzen nach  Hunderten;  allein  nur  eine  sehr  beschränkt** 
Anzahl  ist  vollständig  untersucht  worden  und  nur  ein 
äulserst  geringer  Theil  von  diesen  gehört  zu  den  isomor- 
phen Substanzen.  Mithin  ist  die  Aufgabe  da  geblieben, 
wo  DeSenarmont  sie  gelassen  hat.  Die  seitdem  erlangten 
Resultate  haben  nur  seine  Folgerungen  bestätigt,  nämlich: 
dafs  die  Orientirung  und  der  Winkel  der  optischen  Axen 
nicht  analog  sind  in  den  isomorphen  Substanzen,  und  dafs 
folglich  eine  Relation  zwischen  ihrer  Zusammensetzung, 
ihrer  Krystallform  und  ihren  optischen  Eigenschaften  keines- 
wegs erwiesen  ist. 

Die  nachfolgenden  Untersuchungen  haben  sämmtlicb 
isomorphe  Substanzen  zum  Gegenstand,  sorgfaltig  aus  ver- 
schiedenen Reihen  zwischen  denselben  Elementen  genom- 
men, und,  so  weit  es  uns  gestattet  war,  aus  verschiedenen 
parallelen  Reihen.  Der  Zweck  unserer  Arbeit  war,  ein 
Studium  der  optischen  Phänomene  zu  geben,  so  genau 
und  so^  vollständig  wie  es  die  Umstände  gestatteten. 

In  Betreff  der  von  uns  angewandten  Methoden  zur 
Schleifung  der  Platten  und  Prismen  und  zur  Bestimmung 
der  Refractionsindices  begnügen  wir  uns  mit  folgenden 
Angaben: 

Zubereitung  der  Platten.  —  Anlangend  die  zur  Be- 
stimmung des  Winkels  der  optischen  Axen  und  der  Orien- 
tirung ihrer  Ebene  bemerken  wir,  dafs  sie  auf  solche  Weise 
aus  den  Krystallen  geschnitten  wurden,  um  in  Bezug  auf 
die  Zonen  und  auf  die  natürlichen  Flächen  bestimmt  zu 
seyn,  und  dafs  der  Parallelismus  ihrer  Flächen  durch  ein 
Sphärometer  geprüft  wurde.  Offenbar  ist  es  nicht  mög- 
lich, bei  kleinen  Krystallen  von  schlechter  Coutiguration 


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501 

durch  Schneiden  aus  freier  Hand  zu  einem  hohen  Grad 
von  Genauigkeit  zu  gelangen;  auch  hat  in  Wirklichkeit 
eine  solche  Genauigkeit  nur  in  dem  Falle  Werth,  dafs  die 
Platten  zur  Beobachtung  der  Ringe  angewandt  werden, 
weil  bei  der  Bestimmung  des  Winkels  der  optischen  Axen 
leichte  Fehler  kaum  merklich  sind. 

Zubereitung  der  Prismen.  —  Anderseits  hatte  es  auch 
bedeutende  Schwierigkeit,  die  zur  Bestimmung  der  Indexe 
erforderlichen  Prismen  zu  bilden.  Am  vortheilhaftesten 
würde  es  seyn,  die  natürlichen  Flächen  des  Krystalles  an- 
zuwenden; allein  diese  in  neuerer  Zeit  am  meisten  ge- 
bräuchliche Methode  ist  nur  in  dem  Falle  anwendbar,  wo 
man  die  Substanzen  nach  der  Leichtigkeit  auswählt,  mit 
welcher  sie  sich  zu  optischen  Untersuchungen  eignen,  ohne 
Rücksicht  auf  die  Zusammensetzung.  Wenn  sich  dagegen 
die  Untersuchungen,  wie  in  dem  uns  beschäftigenden  Fall, 
auf  Substanzen  von  einer  bestimmten  Zusammensetzung 
beziehen,  abgesehen  von  ihrem  mehr  oder  weniger  an- 
ziehenden Aeufsern,  so  ist  es  der  Zufall  allein,  welcher 
entscheidet,  ob  man  Prismen  gebildet  aus  der  Combination 
natürlicher  Flächen  anwenden  könne.  In  der  That  sind 
diese  sehr  häufig  entstellt  durch  Streifen  und  solche 
Krümmungen,  dafs  die  aus  ihnen  gebildeten  Prismen  ent- 
weder kein  Spectrum  geben,  oder  eine  Anzahl  derselben, 
während  anderseits  Flächen  von  hinreichendem  Glanz  durch 
ihre  Vereinigung  oft  einen  so  grofsen  Winkel  geben,  dafs 
die  Strahlen  darin  eine  totale  Reflexion  erleiden. 

Mithin  mufste  man  im  Allgemeinen  die  Prismen  auf 
künstlichem  Wege  bilden,  der  kürzlich  folgender  war. 
Durch  sanftes  Abschaben  bildete  man  ein  Prisma  von 
zweckmäfsiger  Lage  und  zweckmäfsigem  Winkel,  dann 
ebnete  man  die  unregelmäfsigen  und  gekrümmten  Flächen, 
indem  man  sie  mit  oder  ohne  Smirgel  auf  einem  mit  Oel 
befeuchteten  Planglase  schliff".  Durch  Messungen  mit 
einem  Wo  1  las  ton' sehen  Goniometer  gab  man  dem  Prisma 
seine  Lage  gegen  die  krystallographisehen  Axen,  wobei 
man  sich  der  natürlichen  Flächen  bediente,  die  man  in 

33* 


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502 

hinreichender  Zahl  unangetastet  gelassen  hatte,  um  dar- 
nach die  künstlichen  Flächen  zu  bestimmen.  In  den 
ziemlich  seltenen  Fällen,  wo  das  Prisma  eine  Richtung 
haben  mußte,  deren  genaue  Bestimmung  mittelst  natür- 
licher Flächen  unmöglich  war,  oder  vielmehr  diese  gänz- 
lich fortgeuommen  werden  mufsten,  um  ein  brauchbare* 
Prisma  herzustellen,  schliß'  mau  zuvörderst  eine  künst- 
liche Fläche,  die  zur  Orientirung  der  Flächen  des  Prismas 
diente. 

Nachdem  die  Prismen  in  der  verlangten  Richtung 
geschnitten  worden,  polirte  man  ihre  Flächen  oder  be- 
kleidete sie  mit  Glasplatten.  Die  erstere  Methode,  die 
nur  bei  Prismen  von  gewisser  Gröise  anwendbar  ist, 
scheint  natürlich  der  zweiten  vorzuziehen  zu  seyn;  allein  eine 
genauere  Prüfung  ergiebt,  dafs  die  Befolgung  der  ersteren 
Methode  eine  Unmöglichkeit  ist.  Durch  das  Poliren  näm- 
lich runden  sich  die  Flächen  etwas  ab,  so  dafs  sie  keine 
scharfen  Bilder  mehr  geben;  überdiels  kann  die  Politur 
bei  allen  künstlichen  Krystallen  nur  einen  so  geringen 
Grad  von  Vollkommenheit  erreichen,  dafs  die  Spectra  sieb 
vollständig  verwischen  und  daher  nichts  festes  zur  Regu- 
lirung  der  Orientirung  darbieten.  Demzufolge  haben  wir 
stets  eine  andere  Methode  befolgt,  die  darin  bestand,  dats 
wir  die  künstlich  geschnittenen  Flächen  mit  ebenen  Platten 
von  dünnem  Glas*1  bekleideten,  welche  mittelst  einer  äthe- 
rischen Lösung  von  Canadabalsam,  mit  oder  ohne  Zusatz 
von  etwas  Mastix,  und  in  einzelnen  Fällen  mittelst  etwas 
Zimmtöl,  vollständig  an  den  geschnittenen  Flächen  fest- 
safsen.  Alsdann  gaben  die  Prismen  im  Allgemeinen  sehr 
gute  Spectra;  indefs  konnte  man  doch  noch  die  Frage 
aufwerfen,  ob  sie  in  diesem  Zustande  die  wahren  Bre- 
chungsindexe der  Substanz  gäben.  Hier  ist  es  offenbar 
absolut  nothwendig,  dafs  die  künstlichen  Flächen  und  die 
Deckgläser  vollkommen  eben  seyen,  und  überdiefs,  dals 
man  von  dem  Klebmittel  nur  ein  Minimum  anwende. 
Wenn  man  in  dieser  Hinsicht  nicht  die  gröfste  Vorsicht 
und  die  gröfste  Genauigkeit  anwendet,  ist  es  sicher  un- 


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503 

möglich  diese  Methode  zu  befolgen ;  wenn  man  aber  diese 
Bedingung  stets  im  Auge  behält,  ist  sie  gewifs  den  an- 
deren Methoden  vorzuziehen,  die  gleichfalls  die  Anwen- 
dung künstlicher  Flächen  erfordern.  Um  darzulegen, 
welchen  Grad  von  Genauigkeit  wir  erreicht  haben,  brauch- 
ten wir  uns  nur  auf  die  vortreffliche  Uebereinstimmung 
der  bei  einer  grofsen  Anzahl  von  Prismen  aus  derselben 
Substanz  gefundenen  Brechungsindexe  zu  berufen;  allein 
um  auf  eine  positivere  Weise  die  Genauigkeit  zu  erweisen, 
welche  man  bei  sorgfältiger  Befolgung  dieser  Methode 
erlangen  kann,  wollen  wir  die  Aufmerksamkeit  auf  einige 
Versuche  lenken. 

Beim  schwefelsauren  Kali  und  salpetersauren  Baryt 
wurden  die  Brechungsindexe  sowohl  mit  künstlichen,  als 
natürlichen,  auf  den  Flächen  vollkommen  polirten  Prismen 
bestimmt.    Die  Resultate  waren: 


K'SO4  \  D 


i 


C 
D 
F 


Flächen 

natürliche 

natürliche 

künstliche 

.  1,4960 

1,4965 

1,4960 

.  1,4984 

1,4981 

.  1,5032 

1,5029 

1,5032 

Flächen 

* 

natürliche 

künstliche 

künstliche 

.  1,5657 

1,5666 

1,5665 

.  1,5821 

1,5831 

1,5820 

Ba  N'O"  j  ^   ;  ; 

Wir  können  also  behaupten,  dafs  unsere  Methode, 
mit  Vorsicht  ausgeführt,  viel  sicherer  ist  als  die  gewöhn- 
liche, und  dafs  unsere  Brechungsindexe  bis  auf  die  dritte 
Decimale  richtig  sind.  Um  unsere  Werthe  fernerweitig 
zu  prüfen,  haben  wir  unsere  Versuche  in  einem  bisher 
unbekannten  Maafse  vervielfältigt;  für  die  meisten  Indexe 
haben  wir  drei  Bestimmungen  gemacht,  für  einige  eine 
noch  gröfsere  Anzahl.  Ungeachtet  der  im  Allgemeinen 
vortrefflichen  Uebereinstimmung  unserer  Werthe,  haben 
dennoch  einige  Substanzen  Resultate  gegeben,  welche  über 
die  Gränzen,  welche  diese  Methode  mit  sich  führt,  unter 
sich  schwankten,  z.  B.  das  schwefelsaure  Kali,  das  doppelt- 


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504 


weinsaure  Ammoniak  und  einige  andere.  Der  Grund 
hiervon  liegt  ohne  Zweifel  in  den  Substanzen  seihst,  deren 
verschiedene  Individuen  verschiedene  Brechungsindexe  be- 
sitzen. In  einigen  einzelnen  Fällen,  z.  B.  beim  doppelt- 
weinsauren  Ammoniak,  rührt  dies  davon  her,  dafs  die 
Krystalle  beständig  aus  der  Juxtaposition  von  Individuen 
gebildet  sind,  die  keine  vollständig  analoge  optische  Orien- 
tirung  haben.  Dies  haben  wir  für  das  selensaure  Kali 
erwiesen,  indem  wir  daraus  Platten  winkelrecht  gegen  die 
brechenden  Kanten  schnitten,  nachdem  wir  die  Brechungs- 
indexe bestimmt  hatten.  Diese  Platten  zeigten  dann  deut- 
lich, dafs  die  besagten  Prismen  aus  mehreren  verschieden- 
artig gelagerten  Prismen  bestanden.  In  solchen  Fällen 
können  offenbar  die  Bestimmungen  niemals  genau  seyn. 
Allein  auch  in  anderen  Fällen ,  wo  nicht  vom  Daseyn 
solcher  krystallographischcn  Unregelmäl'sigkeiten  die  Redr 
seyn  kann,  finden  sich  ziemlich  beträchtliche  Unterschiede 
/wischen  den  Brechungsindexen  verschiedener  Individuen: 
somit  scheint  es  einleuchtend,  dafs  mehrere  Substanzen 
Brechungsindexe  haben,  die  innerhalb  gewisser  Gränzen 
schwanken,  wahrscheinlich  in  Folge  von  Veränderungen 
in  den  Zuständen,  welche  bei  der  Krystallisation  eines 
jeden  Individuums  obgewaltet  haben.  Daraus  entspringt 
die  unvermeidliche  Nothwendigkeit,  die  Brechungsindexe 
bei  einer  möglichst  grofsen  Anzahl  von  Individuen  zu  be- 
stimmen. 

Lichtquellen.  —  Um  die  auf  diese  Weise  geformten 
Prismen  zu  studiren,  haben  wir  als  Lichtquelle  die  mit 
Wasserstoff  gefüllten  G ei fs ler  sehen  Röhren  angewandt. 
Eine  Rüh  m  kor  ff  sehe  Maschine,  erregt  durch  drei  oder 
vier  B unsen' sehe  Elemente,  machte  diese  Röhre  stark 
leuchtend.  Das  Spectrura  war  sehr  rein,  bestand  aus  drei 
hellen  Linien,  einer  im  Roth,  einer  im  Grün  und  einer  im 
Blau.  Die  beiden  ersteren  coineidirten  mit  den  Fraun- 
hofer'schen  Linien  C  und  F;  die  dritte  lag  in  der  Nähe 
von  G,  wir  haben  sie  mit  G'  bezeichnet,  die  beiden  an- 
deren dagegen  mit  C  und  F.    Die  beiden  ersten  C  und  F 


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505 


waren  stark  leuchtend,  die  dritte  G'  war  es  aber  nicht; 
daher  war  sie  auch  nur  in  einer  relativ  kleinen  Zahl  von 
Fällen  sichtbar.  Ueberdies  bedienten  wir  uns  des  Lichtes 
einer  gesalzenen  Alkoholflamme;  dieses  Licht  war  zwar 
nicht  so  intensiv  wie  das  der  Wasserstofflinie  C,  konnte 
aber  doch  noch  in  den  meisten  Fällen  beobachtet  werden. 

Die  Wellenlängen  der  beobachteten  Farben  sind  fol- 
gende : 

C  .  .  .  0mm,000656 
D  .  .  .  0  ,000589 
F  .  .  .  0  ,000486 
G'  .    .    .    0  ,000439. 

Diese  Lichtquellen  sind  den  gewöhnlich  angewandten 
weit  vorzuziehen,  wenigstens  wenn  man  die  Dispersion 
beobachten  will.  Sonnenlicht  wandten  wir  nicht  an ;  einer- 
seits verhindert  es  die  Beobachtungen  zu  jeglicher  Stunde 
und  an  jeglichem  Ort  zu  machen,  und  andrerseits  hat 
man  selten  so  günstige  Prismen  zur  Verfügung,  dafs  man 
durch  sie  die  Fraunhofe r' sehen  Linien  sehen  kann; 
mufs  man  seine  Beobachtungen  blols  auf  Farben  be- 
schränken, ist  man  aufser  Stande,  irgend  eine  Genauigkeit 
zu  erreichen.  Dasselbe  gilt  von  anderen  Proceduren,  wo 
man  Lichtquellen  anwendet,  deren  Spectren  schwarze 
Linien  enthalten.  Eine  Lichtquelle  dagegen,  deren  Spec- 
trum aus  einer  kleinen  Anzahl  ausgewählter  und  heller 
Linien  besteht,  kann  selbst  bei  mittel mäfsigen  Prismen  zur 
Beobachtung  dienen.  In  diesem  Falle  sind  die  Linien 
noch  sichtbar,  sie  können  der  Schärfe  ermangeln,  aber 
getrennt  durch  einen  ziemlich  breiten  dunklen  Raum,  wer- 
den sie  immer  wahrnehmbar  seyn. 

Mefsinstrumenle.  —  Das  Ba  bin  et 'sehe  Goniometer 
diente  zur  Messung  der  brechenden  Kante  und  des  Ab- 
lenkungs- Minimum;  sein  Collimator  war  versehen  mit 
einem  engen  Schlitz,  vor  welchem  die  Lichtquelle,  d.  h. 
die  Geifsler'sche  Röhre  oder  die  gesalzene  Alkohol- 
flamme, aufgestellt  war. 


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506 


Zu  Beobachtungen  an  ein-  oder  zweiaxigen  Krystall- 
platten  benutzten  wir  das  von  Hrn.  Descloizeaux  modi- 
ficirte  Polarisationsmikroskop,  horizontal  oder  vertical  auf- 
gestellt. Das  Licht  polarisirten  wir  entweder  mittelst 
eines  Nicols  oder  mittelst  einer  Glassäule,  die  das  Licht 
unter  dem  Polarisationswinkel  reflectirte,  liefsen  es  dann 
auf  ein  Linsensystem  von  kleiner  Brennweite  fallen,  in 
dessen  Brennpunkt  die  Krystallplatte  angebracht  war.  Das 
Mikroskop,  welches  das  aus  dem  Krystall  tretende  Licht 
auffing  und  am  Ocular  mit  einem  Nicol  versehen  war. 
hatte  ein  Gesichtsfeld  von  ungefähr  130  Grad,  und  da- 
durch wurde  es  möglich,  in  den  meisten  Fällen  beide 
optischen  Axen  zugleich  zu  sehen. 

Endlich  bedienten  wir  uns  des  K ob elT sehen  Stau- 
roskops, um  in  Platten  des  monoklinischen  Systems  die 
Hauptschnitte  zu  bestimmen.  Der  Haupttheil  desselben 
besteht  aus  zwei  Nicols,  zwischen  denen  sich  eine  win- 
kelrecht gegen  die  Axe  geschnittene  Kalkspathplatte  be- 
findet. Das  schwarze  Kreuz  entwickelt  sich  gut,  wenn 
die  beiden  Nicols  auf  Auslöschung  gestellt  sind.  Wenn 
man  aber  zwischen  den  ersten  Nicol  und  die  Kalkspath- 
platte eine  doppeltbrechende  Krystallplatte  einschiebt,  ver- 
schwindet im  Allgemeinen  das  schwarze  Kreuz,  und  nur 
im  Fall,  dafs  die  Hauptschnitte  der  Platte  zusammen- 
fallen mit  denen  der  Prismen,  erscheint  es  wieder  in  voll- 
kommener Schärfe.  Man  sieht  leicht,  dafs  auf  diese  Weise 
die  Lage  der  Hauptschnitte  gefunden  werden  kann. 

Bestimmung  der  Brechungsindexe.  —  Im  regulären 
System  hat  es  keine  Schwierigkeit  die  Brechungsindexe 
zu  bestimmen.  Nachdem  man  den  Winkel  des  Prisma  /> 
und  die  Minimal  -  Ablenkung  a  gemessen  hat,  berechnet 
sich  der  Brechuugsindex  n  Lach  der  bekannten  Formel: 

„  =         ....  (i). 

sin  \  p  v  J 

Um  bei  einaxigen  Krystallen  die  beiden  Indexe  zu 
bestimmen,  reicht  es  hin,  die  beiden  Minimal-Ablenkungen 
a  und  ax  eines  Prisma  zu  messen,  dessen  Kante  parallel 


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507 


ist  der  optischen  Axe.  Um  hieraus  die  beiden  Indexe 
o)  und  6  zu  finden,  von  denen  der  erste  dem  ordentlichen 
Strahl  und  der  zweite  dem  aufserordentlichen  angehört, 
hat  man  nur  zwei  Formeln  von  ähnlicher  Form  wie  die 
Formel  (1)  zu  gebrauchen. 

Wenn  die  Kante  des  Prisma  nicht  der  optischen  Axe 
parallel  ist,  kann  man  auch  noch  den  ordentlichen  Index 
auf  dieselbe  Weise  bestimmen;  allein  dann  folgt  der  aufser- 
ordentlichc  Strahl  dem  Sne W sehen  Gesetze  nicht.  Allein 
durch  eine  approximative  Methode  kann  dieser  auch  da7Ai 
dienen,  den  aufserordentlichen  Index  auf  eine  ziemlich  genaue 
Weise  zu  bestimmen.  Die  Betrachtungen,  welche  diese 
Bestimmungsweise  rechtfertigen,  sollen  weiterhin  gegeben 
werden;  begnügen  wir  uns  hier,  die  zu  dem  Calcül  erfor- 
derlichen Formeln  anzugeben.  Sey  /  der  Winkel  zwischen 
der  optischen  Axe  und  der  Normale  der  Ebene  /?,  welche 
den  Winkel  p  des  Prismas  halbirt.  Berechnet  man  dann 
den  anomalen  Index  v  durch  die  Minimal- Ablenkung  a„ 
und  den  Winkel  p  des  Prismas  nach  der  Formel : 

sin  £  (o,  -+-/Q 
sin  7  p 

so  findet  sich  der  aufserordentliche  Index  €  durch  Auf- 
lösung der  Gleichung: 

1  _  coaU  sin*1 
was  leicht  geschieht,  wenn  man  setzt: 

r  COS  / 

sin  \p  =  — r  , 

denn  dann  hat  man: 

£="8in/  (2). 

C08  \f>  V  ' 

Bei  zweiaxigen  Krystallen  lassen  sich  die  drei  Indexe 
r»i  ßy  7-,  wo  a<Zß<.y,  immer  durch  Anwendung  dreier 
Prismen  bestimmen,  die  den  Axen  der  optischen  Elastici- 
tät  a,  b,  c  parallel  sind,  wo  a  >  b  >  c  ist,  und 

Ein  z.  B.  der  Elasticitätsaxe  c  paralleles  Prisma  giebt 
zwei  gebrochene  Strahlen,  von  denen  derjenige,  dessen 


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508 


Schwingungen  der  Kante  parallel  sind,  dem  Sne  11' sehen 
Gesetze  folgt;  der  Index  y  bestimmt  sich  also  durch  die 
Formel  (1).  Die  beiden  anderen  Prismen,  deren  Kanten 
respective  parallel  sind  den  Axen  a  und  b,  geben  auf 
dieselbe  Weise  die  beiden  andern  Indexe  a  und  ß,  aber 
diefs  nur  in  dem  äufserst  seltenen  Fall,  dafs  man  auf  diese 
Weise  verfahren  kann.  In  den  meisten  Fällen  hat  man 
nur  Prismen,  die  einer  oder  zwei  der  Elasticitätsaxen 
parallel  sind.  Alsdann  mufs  man  entweder  auf  die  Be- 
stimmung aller  Indices  verzichten  oder  Gebrauch  machen 
von  der  Ablenkung  desjenigen  Strahls,  dessen  Schwin- 
gungen winkelrecht  sind  gegen  die  Kante  des  Prismas: 

Sey  K  die  der  Elasticitäts- 
axe  c  parallele  Kante  des  Pris- 
mas, KE  und  KF  die  Flächen 
des  Prismas  und  EKF  =  p. 
Die  beiden  anderen  Elasticitäts- 
axen befinden  sich  in  der  Ebene 
EF,  winkelrecht  auf  K.  Die 
Geschwindigkeit  v  der  Welle,  die 
sich  in  dem  Prisma  nach  KN 
fortpflanzt,  ist  gegeben  durch  die 
Gleichuug: 


cos»  / 
v«  — o> 


cos*  m 


cos'  n 


0. 


/,  m  und  n  sind  die  Winkel  zwischen  der  Richtung 
der  Fortpflanzung  und  den  drei  Elasticitätsaxen  a,  b,  c. 
Ist  der  Winkel  90  Grad,  so  reducirt  sich  d\e  Gleichung  auf 
(i'2  -  c')  (v*  —  a*  cos7  m  —  b*  cos1  /)  =  0. 

In  allen  hier  vorkommenden  Fällen  haben  wir: 

p1  =  a?  cos5  m  -f-  b1  cos!  /  / 

=  |(a'-hb')-H(al-b2)cos2m*  '  '  W 
und  die  Minimal- Ablenkung  findet  sich  folgendermaafsen. 
Ist  x  der  Winkel  NKH  zwischen  der  Fortpflanzungsrichtung 
der  Welle  in  dem  Prisma  und  der  Normale  der  Ebene, 
welche  den  Winkel  EKF  halbirt,  und  sind  t  und  •'  die 
Winkel,  welche  der  Strahl  beim  Ein-  und  Austritt  mit 


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man: 


509 

den  Normalen  der  Flächen  des  Prismas  bildet,  so  hat 

v  sin  *  =  sin  (~  —  x) 

v  sini'»  sin  4-x) 

i  -I-  i  =o  +  p. 

Durch  Eliminirung  von  t  und  t  findet  man: 


sin3  \p      MM%  M  cos*  ±p 

i 

Setzt  man: 

■ai-  cos'  \P 


n  Olli     7  f  «  Wb      TP  •  •» 

sin3  y  (a  H-/>)  cos' |  (a +/>) 


p  sin'ip  cos'  jp 

sin»  i(aH-p)'        V      cossH°  +  />)       '  W 
so  hat  man: 

=  02)-r-i(|W—  0a)cos2o;    .  (5) 

Ist  #  der  Winkel  zwischen  der  Haibirungslinie  R  des 
Winkels  EKF  und  der  Elasticitätsaxe  n,  so  hat  man 

m  =  x  —  & 

und  folglich  nach  der  Formel  (3): 

=  i  &*)  +  5  («'  —  b»)  cos  2  (x  —  fr)  (6) 

Somit  haben  wir: 
P2  4-  (?'  4-  (P*  -  <?')  cos  2  x  =  a*  -h  b'  «+■ 

(a*  —  bl)  cos  2  (x  -  &)  (7) 

Um  den  Minimalwerth  von  a  zu  finden,  braucht  man 
nur  die  Gleichung  (7)  in  Bezug  auf  x  zu  differentiiren, 
was  zu  der  Bedingungsgleichung  fährt: 

(P!  —       sin  2x  =  (a*  -  b1)  sin  2  (x  -  »?).  (8) 
Elirainirt  man  P1  —  Q1  zwischen  den  Gleichungen  (7) 
und  (8),  so  kommt: 

(P2  -f-  y*)  sin  2x  «  (a*  -h  b4)  sin  2x  +  (a*  -  b»)  sin  2#  (9) 
Endlich  finden  wir: 

P*  =  K«'  +  6')  +  { («'  -  b1)  e°'^7')  | 
0'  -  i  (a«  +  b«)  +  |  (a'  -  6')  SiiL^i-)  I 


(10) 


oder: 


/»  =  F2  +  j  (a1  -  b*)  sin  2  ,9»  tang  x  j  . 
0'  =  F/H-  J  (a*  -  b1)  sin  2  fr  tang  x  j  *    '  C  ; 

V?  =  i(a'-l-b')  4-}(o'—  b»)  cos  2^  j 
K'=|(aJ-f-b-)-Ua2~^)cos2^  (*  * 


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510 


Eliminirt  man  nun  x  zwischen  den  beiden  Gleichungen 
(12),  so  kommt: 

(fw  _  ra)  «?*  —  V*)  =  J  (a!  -  b2)2  sin3  2#  .  (13) 

Dies  ist  die  von  Senarmont  gegebene  Bedingungs- 
gleichung für  das  Minimum  von  a. 

Nachdem  die  Minimal- Ablenkung  gemessen  worden, 
eiithält  die  Gleichung  (13)  nur  noch  die  beiden  Un- 
bekannten a  und  b;  zwei  Beobachtungen,  gemacht  an 
zwei  Prismen  bei  verschiedenen  Werthen  von  werden 
uns  also  durch  den  Calcül  die  Werthe  von  a  und  b  oder  die 
entsprechenden  Brechungsindexe  «  u.  ß  geben.  In  Erwägung 
jedoch,  dafs  für  die  meisten  der  von  uns  untersuchten 
Substanzen  die  Werthe  von  a  und  b  nur  sehr  wenig  von 
einander  abweichen,  sieht  man,  dafs  das  zweite  Glied  der 
Gleichung  (13),  welches  immer  kleiner  als  \  (a1  —  b2)2  ist, 
im  Allgemeinen  so  klein  seyn  wird,  dafs  man  es  als  Null 
betrachten  kann,  woraus  dann  folgt: 

P*  =  V*  (14) 

Um  zu  beweisen,  dafs  es  im  gegenwärtigen  Fall  erlaubt 
sey,  diese  Voraussetzung  zu  machen,  haben  wir  auch  die 
Werthe  von  \  (a2 —  b1)2  für  alle  die  zweiaxigen  Krystalle  des 
rhombischen  Systems  berechnet,  für  welche  wir  die  drei 
Brechungsindexe  bestimmt  haben. 


Y  ji(b2-c')*|i(a'-c») 


LiaS«  06+2H»  O. 
AglSa06-h2H»0 
Ka  Sa  O4  .  .  .  . 
KaSe04  ,  .  .  . 
BeSeO4  -f-4Ha  O  . 
NiSO4 -h7Ha  0.  . 
ZnS04-+-7HaO  . 
MgS04-h7H'0  • 
MgCrO4  +  7H'0  . 
KSbOC4H406-hlH'0 
AmHC4H'Oft    .  . 


1,5487 

1,6272 
1,4932 
1,5353 
1,4667 
1,4669 
1,4568 
1,4325 
1,5211 
1,6199 
1,5188 


1,5602 
1,6573 
1.4946 
1,5402 
1,5007 
1,4888 
1,4801 
1,4554 
1,5500 
1,6360 
1,5614 


1,5788 

1,6601 

1,4980' 

1,5450 

1,5027 

1,4921 

1,483G 

1,460S 

1.5680 

1.6375 

1,5010. 


0,00002 
0,00000 
0,00000 
0,00000 
0,00000 
0,00000 
0,00000 
0,00000 
0,00002 
0,00000 
0,00005 


I  0,00006 
0,00005 

'  0,00000 
0,00001 
0,00012 
0,00006 
0,00007 
0,00009 
0,00016 
0,00002 
0,00036 


!  0.00001 

i  0,00005 
0,00000 

|  0,00000 
0,00011 

|  0,00004 
0,00005 
0,00006 
0,00006 
0,00001 
0,00013 


Dies  gesetzt,  wird  das  Problem,  die  drei  Brechungs- 
indexe eines  zweiaxigen  Körpers  sehr  vereinfacht.  Der 
Strahl,  dessen  Schwingungen  winkelrecht  sind  gegen  die 


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511 


Kante  des  Prismas,  hat  eine  Minimal -Ablenkung  a;  man 

berechnet  das  Verhältnifs: 

und  dann  hat  man  nach  (14): 

±  =  l£+?)  +  '>(h-?)™™-  05a) 
Zwei  Gleichungen  von  derselben  Form,  erhalten  durch 
zwei  Prismen,  deren  Kanten  parallel  sind  derselben  Elasti- 
citätsaxe,  deren  Flächen  aber  ungleich  gelagert  sind  in 
Bezug  auf  die  beiden  anderen  Elasticitätsaxen,  erlauben 
uns,  die  beiden  Indexe  zu  bestimmen. 

Wenn  die  Kante  des  Prismas  parallel  ist  der  Elastici- 
tätsaxe  a  oder  b,  so  hat  man  respective 

;,=;(;+^+^-i)cos2» .  (150 

Blols  in  einem  Falle  haben  wir  Prismen  gebraucht,  die 
keiner  der  Elasticitätsaxen  parallel  waren;  allein  da  die 
Lage  der  optischen  Axen  bekannt  war,  so  haben  wir, 
dasselbe  approximative  Verfahren  verwendend,  die  beiden 
auomalen  Indexe  v(  und  vlt  berechnet,  und  die  beiden 
Brechungsindexe  cc  und  y  gefunden  durch  die  wohl  be- 
kannte Formel: 

»7-  \  ö  +     +         p) 008  &  -  O  i ' 

wo  tl  und  t.x  die  Winkel  sind  zwischen  den  optischen 
Axen  und  der  Normale  der  Ebene,  welche  den  Winkel 
des  Prismas  halbirt.   Hier  kann  man  approximativ  setzen : 

K,      ;        i—F   .    .    .    .  (17; 


V  " 


wonach  die  beiden  Brechungsindexe  sich  leicht  berechnen. 

Platten.  —  Mittelst  Platten,  die  bei  einaxigen  Kry- 
stallen  winkelrecht  gegen  die  optische  Axe,  und  bei  zwei- 
axigen  Krystallen  winkelrecht  gegen  die  Axe  der  gröfsten 


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512 


oder  kleinsten  Elasticität  geschnitten  waren,  haben  wir 
den  Charakter  der  Doppelbrechung  nach  wohl  bekannten 
Methoden  bestimmt.  Dieselben  Platten  dienten  auch  dazu, 
bei  zweiaxigen  Krystallen  den  Winkel  AB  der  beiden 
optischen  Axen  zu  bestimmen.    Setzt  man: 

tang  *  =  y>;f|;  (18) 

so  hat  man  für  negative  Kr) stalle: 

AB  =  2&  (19) 

dagegen  für  positive  Krystalle: 

i4B=180°  —  2#  (20) 

Nennen  wir  (A  B)  den  in  der  Luft  gemessenen  Winkel 
der  optischen  Axen,  so  ist  er  mit  AB  verknüpft  durch 
die  Relation: 

sin\(AB)=*  ßam^AB  ....  (21) 

Oft  kann  man  die  optischen  Axen  nur  sehen,  wenn 
man  die  Platten  in  Oel  taucht  Sey  der  Brechungsindex 
des  Oels  w,  so  hat  man  dann: 

n  sin  J  [(,4  B)]  =  ß  sin \(A  B)    .    .    .  (22) 

[{AB)]  ist  der  in  dem  Oel  beobachtete  Winkel  der 
optischen  Axen.  Der  in  Luft  beobachtete  Winkel  dieser 
Axen  variirt  mit  der  Farbe  des  Lichts;  wir  bezeichnen 
mit  q*CV)  dafs  er  wächst,  wenn  die  Wellenlänge  des 
Lichtes  abnimmt,  und  mit  v  <Z  p  das  Umgekehrte. 

Da  unser  Zweck  vor  Allem  die  Bestimmung  der  Bre- 
chungsindexe war,  so  haben  wir  dazu  auch  den  Winkel  der 
optischen  Axen  benutzt.  Die  Formel  (18)  gebracht  unter 
die  Form: 

b*  =  i  (aa  -f-  cl)  -r- 1  (a*  —  c*)  cos  2  0-  | 

oder       J-|(Jr+rA)  +  ,('-i)eo.2*)-  (23) 

kann  mit  der  Formel  (15)  dazu  dienen,  «  und  y  zu  finden, 
wenn  ß  bekannt  ist. 

Wenn  man  die  Platten  im  Lichte  der  Flamme  des 
gesalzenen  Alkohols  beobachtet,  sieht  man  die  optischen 
Axen  umgeben  von  gelben  und  schwarzen  Ringen.  Ihre 
mehr  oder  weniger  grofse  Zahl  hat  uns  dazu  gedient,  den 


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513 

Unterschied  der  Brechuugsindexe  zu  finden.  Der  Verzug, 
der  zwischen  den  beiden  Strahlen  beim  Durchgang  durch 
eine  doppeltbrechende  Platte  erfolgt,  ist  für  die  optischen 
Axen  selbst  gleich  Null.  Wenn  man  sich  aber  aus  ihrer 
Richtung  entfernt,  wird  er  immer  gröfser.  Für  den  ersten 
schwarzen  Ring  ist  er  gleich  der  Wellenlänge  X,  für  den 
zweiten  ist  er  2A,  und  so  fort.  Wenn  die  Anzahl  der 
Ringe  gleich  N  ist,  so  ist  der  Verzug  zwischen  den  beiden 
Strahlen,  die  sich  längs  der  Halbirungslinie  des  Winkels 
der  optischen  Axen  fortpflanzen,  JVA,  und  man  hat  folglich 
für  einen  negativen  Krystall: 

wo  e  die  Dicke  der  Platte  ist.  Setzt  man  y  und  ß,  statt 
c  und  b,  so  hat  man  folglich: 

Auf  gleiche  «Weise  hat  man  für  einen  positiven  Kry- 
stall: 

ß~«  =  T <25> 
Die  Brechungsindexe  des  von  uns  gebrauchten  Oels 
waren  folgende: 

C  .  .  .  1,4666 
D  .  .  .  1,4690 
F   .    .    .  1,4753. 

I.    Einfach  brechende  Krystalle. 

1.    Jodhydrat  von  Ammoniak:  NH'J. 

Die  Krystalle  waren  giofse  Würfel,  dessen  Ecken  ab- 
gestumpft waren  durch  die  Flächen  des  Octaeders.  Die 
Spaltbarkeit  vollkommen  parallel  den  Würfelflächen. 

Die  Prismen  wurden  auf  gewöhnliche  Weise  geschnit- 
ten, und  ihre  Flächen  bekleidet  mit  Platten  von  dünnem 
Glase,  aufgeklebt  mittelst  dicklichen  Zimmtöls.  Auf  diese 
Weise  geben  die  Prismen,  selbst  bei  bedeutendem  bre- 
chendem Winkel,  recht  scharfe  Spectra. 


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514 


p         44°  28'  52»,6  45°,25  Mittel. 

C   .    .    1,6940       1,6941       1,6932  1,6938 

nS  D   .    .    1,7035       1,7035       1,7023  1,7031 

(  F    .    .    1,7273       1,7270       1,7263  1,7269 

2.    Jodkalium:  KJ. 

Grofse  klare  Würfel,  ohne  Abstumpfungen,  und  leicht 
nach  den  Flächen  spaltbar. 

Die  geschnittenen  Flächen  wurden  bekleidet  mit  Glas- 
platten, aufgeklebt  entweder  mit  Canadabalsum  oder  dickr 
lichem  Zimmtöl. 

p         41»  12'         43*  12'  35 '  5'  Mittel. 

C    .    .    1,6583       1,6578       1,6592  1,6584 

D    .    .    1,6666       1,6659       1,6673  1,6666 

F    .    .    1,6869       1,6866       1,6877  1,6871 


3.    Bromkalium:  KBr.  • 

Krystalle  vollkommen  denen  des  Jodkai  in  ms  ähnlich. 
Wegen  der  Durchsichtigkeit  und  Grofse  der  Prismen  war 
es  uns  möglich,  auch  den  Brechungsindex  Cr  des  violetten 
Strahls  zu  bestimmen,  der  gewöhnlich  nicht  sichtbar  ist 
in  den  Spectren  der  Prismen  künstlicher  Krystalle. 

P  45°  33'  43°  45'  40°  36'  Mittel. 

(  C    .    .  1,5549  1,5539  1,5551  1,5546 

D    .    .  1,5595  1,5592  1,5593  l,f)593 

.  1,5716  1,5713  1,5716  1,5715 

G'  .    .  1,5816  1,5813         —  1,5814 

4.    Chlorzinnsaures  Kali:  SnCl42KCl. 

Regelmäfsige,  ziemlich  voluminöse  und  gewöhnlich  voll- 
kommen klare  Octaeder,  dereu  Ecken  abgestumpft  waren 
durch  wenig  entwickelte  Würfelflächen.  Die  Spaltbarkeit, 
äufserst  leicht  nach  den  Octaederflächen,  machte  die  Zu- 
bereitung gehöriger  Prismen  sehr  schwierig.  Es  ist  uns 
indefs  gelungen  zwei  Prismen  darzustellen,  die  jedoch 
wenig  scharfe  Spectra  gaben.    Die  von  diesen  gelieferten 


P  u 


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515 

Werthe  wichen  auch  mehr  von  einander  ab,  als  es  sonst 
bei  anderen  Substanzen  der  Fall  ist. 

P       50°  35'         42°  36'  Mittel. 

t  C    .    .    1  6524       1,6511  1,6517 

n    D    .    .    1,6581       1,6527  1,6574 

(  F   .    .    1,6726       1,6708  1,6717 


5.    Fluosilicat  von  Ammonium:   Si  Fl4  2  Am  FI. 

Klare  Cubo-Octa6der,  die  nach  den  OctaSderflächen 
leicht  spalten.  Die  Prismen  waren  gebildet  aus  zwei 
natürlichen  Octaederflächen ,  die  dem  Scheitel  gegenüber 
standen. 

Die  Minimal -Ablenkungen,  erhalten  mit  den  beiden 
Prismen,  deren  Winkel  genau  den  theoretischen  Werth 
hatten,  stimmten  für  die  Strahlen  C  und  D  vollkommen 
überein,  während  sie  für  den  Strahl  F  etwas  (2',5)  von 
einander  abwichen.  Die  nach  dem  Mittel  dieser  beiden 
Prismen  berechneten  Brechungsindexe  (für  den  brechenden 
Winkel  von  70°  32')  sind: 

P  Mittel. 

[  C   .    .  1,3682 
n  ]  D   .    .  1,3696 
f  F   .    .  1,3723 


6.    Salpetersaures  Blei:  Pb  N*  O*. 

Die  Krystalle,  obwohl  grofs  genug  für  die  Zubereitung 
von  brechenden  Prismen,  waren  doch  alle  mehr  oder 
weniger  opak;  eine  gewisse  Anzahl  von  ihnen  enthielt 
jedoch  blofs  einen  opaken  Kern,  rings  um  welchen  die 
Substanz  klar  genug  war,  um  den  Durchgang  des  Lichts 
zu  verstatten.  Die  Prismen  wurden  so  geschnitten,  dafs 
der  brechende  Theil  sich  in  der  äufseren  Schicht  der 
Krystalle  befand,  deren  wenig  beträchtliche  Dicke  uns 
zwang,  die  brechenden  Winkel  etwas  spitz  zu  machen. 
Die  Spectrcn,  besonders  das  des  dritten  Prismas,  waren 
verworren  und  wenig  hell. 
PoggendorfTs  Ann.    Ergäntungsbd.  VI.  34 


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* 


516 

P 

23°  48' 

4m  Ks          m  \J 

29°  20*5 

30*  12' 

\*\J          1  mm) 

Mittel 

III  I  1»  *  v*  ■  • 

c  .  . 

1,7731 

1,7741 

1,7717 

1,7730 

D    .  . 

1,7813 

1,7827 

1,7819 

1,7820 

F    .  . 

1,8055 

1,8076 

1,8065 

Da  die  mit  diesen  künstlichen  Prismen  erhaltenen 
Resultate  nicht  sonderlich  übereinstimmten,  so  haben  wir 
mehrmals  versucht,  Prismen  aus  natürlichen  Flächen  zu 
bilden,  nämlich  aus  einer  Würfel-  und  einer  Octaederfläche, 
die  einen  Winkel  von  54°  44'  unter  sich  machen.  Allein 
die  Spectren  waren  entweder  vollständig  verworren,  oder 
doppelt,  so  dafs  die  mit  diesen  Prismen  erhaltenen  Werthe 
zwischen  noch  weiteren  Gränzen  schwankten  als  die  der 
künstlichen  Prismen. 

7.    Salpetersanrer  Baryt:  BaN'O*. 

Klare  Cubo-OctaSder,  ohne  deutliche  Spaltbarkeit. 

P        37 n  23'         23°  6'         70°  32*  Mittel, 
f  C   .    .    1,5665       1,5665       1,5657  1,5665 
n)  D   .    .    1,5712       1,5710         —  1,5712 
(  F   .    .    1,5831       1,5820       1,5821  1,5825 
Die  beiden  ersten  Prismen  waren  geschnitten  und  mit 
Glasplatten  belegt,  während   das  dritte  aus  natürlichen 
Octaederflächen  gebildet  war.    Die  Werthe  stimmen  voll- 
kommen gut  überein. 

8.    Selen -Alaun:  AI»  3Se  O« .  K»  Se  O«  +  24  H  *  O. 

Ein  Prisma,  gebildet  aus  zwei  natürlichen  Flächen  eines 
kleinen  vollkommen  gut  entwickelten  Octaeders  gab  uns 
folgende  Werthe: 

P  70°  32' 
C  .  .  1,4773 
D  .  .  1,4801 
F    .    .  1,4868 

9.    Kali- Eisen- Alaun:  Fe*  3SO* .  Ka  SO*     24H'  O. 

Die  Kry8talle  waren  Cubo-Octaeder,  voluminöse,  durch- 
sichtig, schwach  violett  und  ohne  deutliche  Spaltbarkeit. 
Die  Bestimmungen  wurden  bei  einer  niederen  Temperatur 


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517 


(5°  bis  6°)  gemacht,  weil  dieses  Salz  selbst  bei  gewöhn- 
licher Temperatur  Wasser  verliert  und  opak  wird. 


p 

50»  20' 

48°  40' 

Mittel. 

c  . 

.  1,4779 

1,4787 

1,4783 

D  . 

.  1,4812 

1,4822 

1,4817 

F  . 

1,4890 

1,4897 

1,4893 

Cr  '   .  . 

1,5039 

1,5039 

10.    Alaun  |  «*■?"  U 


Kali 

Ammoniak. 


Dies  isomorphe  Gemisch,  worin  die  Thonerde  vorwaltet, 
erhielten  wir  zufallig;  es  krystallisirt  in  sehr  regelmäfsigen, 
vollständig  klaren  und  etwas  gelbgefarbten  Octagdern. 

p  36°  58!  40"  18'  30°  21 ',5  Mittel. 

C    .  .  1,4677  1,4676  1,4674  1,4676 

D    .  .  1,4703  1,4712  1,4708  1,4708 

F    .  .  1,4774  1,4773  1,4769  1,4772 

11.    Eisen- Ammoniak -Alaun:  Fe'  3SO* .  Am"  SO4  -f-  24  H*  O. 

Die  Krystalle  waren  denen  des  Eisen-Kali-Alauns  voll- 
kommen ähnlich,  nur  erlitten  sie  keine  Veränderung  an 
der  Luft  und  daher  konnten  die  Bestimmungen  bei  ge- 
wöhnlicher Temperatur  vorgenommen  werden. 

p  64«  201  64°  0'  Mittel. 

;  C   .  .  1,4820  1,4822  1,4821 

n  \D    .  .  1,4852  1,4856  1,4854 

(  F   .  .  1,4931  1,4936  1,4934 

II.    Einaxige  Krystalle. 

12.    Fluoailicat  ron  Magnesium:  Si  Fl*  Mg  Fl'      6  H*  O. 

System  rhomboedrisch :  a  :  c  =  1  :  0,5 174  (Topsoe). 
Optischer  Charakter:  positiv. 
Hexagonale  Prismen  endigend  in  einem  Rhomboßder 
von  127°  15'.    Spaltbarkeiten  vollkommen  nach  drei  alter- 
nirenden  Flächen  des  Prismas,  weniger  deutlich  nach  den 

34' 


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518 

drei  anderen.  Zu  bemerken  ist,  dafs  weder  die  Kanten  des 
natürlichen  Prismas,  noch  die  durch  Abspaltung  erhal- 
tenen, auf  keinem  der  untersuchten  Krystalle  den  theo- 
retischen Werth  von  60°  und  120°  gaben.  Diese  Ver- 
schiedenheit zwischen  den  Winkeln  des  Prismas  zeigt  sich 
in  sehr  auffallender  Weise  bei  der  Bestimmung  der  Mini- 
mal-Ablenkungen  in  den  dreiseitigen  Spaltungs-  Prismen, 
von  deren  drei  Kanten  die  eine  immer  von  60",  die  andere 
von  60°  5'  bis  60°  20',  und  die  dritte  von  59°  45'  bis 
57°  40'  zu  scyn  scheint.  Die  Ablenkungen,  welche  hätten 
strenge  dieselben  seyn  müssen,  wenn  die  brechenden 
Winkel  den  theoretischen  Werth  von  60°  gehabt  hätten, 
zeigten  eine  beträchtliche  Verschiedenheit,  wie  man  aus 
folgender  Tafel  der  mit  den  drei  Kanten  eines  Spaltungs- 
prismas erhaltenen  Ablenkungen,  ersieht: 

59°  40'         60°  0'        60°  20°  Mildere 
p  2  a,  2  a,  2  a,  Brechindexe. 

j  C   .    .    48'  27'     48°  20'     49°  20'  1,3430 
W  '  F    .    .    48     7,5    49   10      50     4,5  1,3473 

|  C    .    .    50°  54'     50°  50'     51»  49'  1,3589 
€  !  F   .    .    51   38      51   34      52  37  1,3636 

Die  Brechungsindexe  sind  mittelst  dieser  combinirten 
Beobachtungen  berechnet. 

Zwei  andere  Krystalle  gaben  uns  folgende  Indexe: 


p 

60°  19' 

50°  46' 

Mittel. 

c  .  . 

1,3426 

1,3426 

1,3427 

D   .  . 

1,3441 

1,3437 

1,3439 

F    .  . 

1,3471 

1,3474 

1,3473 

C    .  . 

1,3586 

1,3586 

1,3587 

D    .  . 

1,3600 

1,3604 

1,3602 

F    .  . 

1,3634 

1 ,3633 

1,3634 

13.    Fluosilicat  von  Mangan:   Si  Fl4  Mn  Fl5  4-  6H'  O. 

System  rhomboedrisch:  a  :  c=  1  :  0,5043  (Marignac). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

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519 


Die  blafs  rosenfarbenen  Prismen  endigen  in  einem 
RhomboSder  von  128°  20',  und  sind  so  verlängert,  dafs 
sie  zuweilen  nadelfbrmig  werden.  Spaltbarkeiten  voll- 
kommen, parallel  den  Prismenfläehen. 

Die  Bestimmungen  sind  an  einem  kleinen,  abgespal- 
tenen, dreiseitigen  Prisma  gemacht,  dessen  drei  Winkel 
strenge  60°  betrugen.  Die  Minimal-Ablenkungen,  welche 
diese  drei  Kanten  gaben,  waren  auch  genau  dieselben. 

P  60°  0' 

i  C   .  .  1,3552 

o)  }  D   .  .  1,3570 

(  F   .  .  1,3605 

i  C   .    .  1,3721 
s  ]  D   .    .  1,3742 
(  F    .    .  1,3774 


14.    Flnosilicat  von  Nickel :  Si  Fl 1 .  Ni  Fl'  +  6  H'  O. 

System  rhomboedrisch:  a  :  c  =  1  :  0,5136  (Mar ignac). 
Optischer  Charakter:  positiv.  . 

Die  Form  ähndelte  denen  der  zwei  vorhergehenden 
Salze;  der  Winkel  des  Rhomboeders  ist  127°  34'.  Spalt- 
barkeiten vollkommen  nach  den  Prismen.  Die  Krystalle 
waren  alle  geriffelt  von  zahlreichen,  mit  Mutterlauge  er- 
füllten Kanälen;  deshalb  waren  die  Linien  des  Spectrums 
verworren  und  wenig  hell.  Die  brechenden  Prismen  waren 
parallel  der  Axe  geschnitten  und  mit  Glasplatten  belegt. 


P 

ü>  l  D  . 
f  F  . 


50°  50' 
1,3862 
1,3903 
1,3949 

1,4038 
1,4060 
1,4106 


56°  37' 
1,3881 
1,3916 
1,3958 

1,4031 
1,4072 
1,4112 


42°  6',5 
1,3884 

1,3942 
1,4038 

1,4098 


Mittel. 

1,3876 
1,3910 
1,3950 

1,4036 
1,4066 
1,4105 


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520 


15.  Fluosilicat  von  Kobalt:  Si  Fl* .  Co  Fl*  -+-  6H*  0. 
System  rhomboedrisch:  a.c—\:  0,5219  (Grailich). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Die  ziemlich  voluminösen  Kry stalle  waren  regelmäfsig 
ausgebildet;  das  Prisma  und  das  Rhomboeder  (von  126y  59') 
waren  so  combinirt,  dafs  sie  zusammen  eine  einem  rhom- 
boidalen Dodecaeder  ähnliche  Form  bildeten.  Die  Spalt- 
barkeiten nach  dem  Prisma  waren  sehr  nett. 

Die  brechenden  Prismen  waren  parallel  der  Axe  ge- 
schnitten, sie  gaben  wenig  leuchtende  Spectren,  deren 
rothe  Strahlen  Messungen  gestatteten. 

p         60*  25'        54°  22'  Mittel, 
cü    C    .    .    1,3825       1,3810  1,3817 

e     C   .    .    1,3976       1,3968  1,3972 

16.  Fluosilicat  von  Zink:  Si  Fl*  .  Zn  Fl'  H-  6  H*  O. 
System  rhomboedrisch:  a  :  c=  1 :  0,5173  (Marignac). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Die  regelmäfsig  entwickelten  Combinationen  des  hexa- 
gonalen  Prismas  und  eines  Rhomboeders  von  127'  16' 
spalteten  vollkommen  gut  parallel  dem  Prisma. 

Die  Prismen  waren  parallel  der  vertikalen  Axe  ge- 
schnitten. 


U) 


c 

D 
F 

C 
D 
F 


57*  3' 

58°  3' 

Mittel. 

1,3805 

1,3811 

1,3808 

1,3823 

1,3826 

1,3824 

1,3859 

1,3862 

1,3860 

1,3937 

1,3940 

1,3938 

1,3955 

1,3958 

1,3956 

1,3991 

1,3993 

1,3992 

17.    Fluosilicat  ron  Kupfer:  Si  Fl*  .  Cn  Fl*  -H  6  H*  O. 
System  rhomboedrisch:  a  :  c=  1  :  0,5395  (Marignac). 
Optischer  Charakter:   negativ.  Brechungsvermögen 
sehr  schwach. 

Diese  schön  dunkelblauen  Krystalle  sind  oft  ziemlich 
unregelraäfsig  in  Folge  der  anomalen  Entwicklung  zweier 


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521 


parallelen  Flächen  des  Rhombogders,  welches  gewöhnlich 
vorwaltet.  Die  Spaltbarkeiten,  welche  bei  allen  übrigen 
isomorphen  Salzen  sehr  ausgesprochen  sind,  scheinen  bei 
dem  Kupfersalz  nur  als  kaum  wahrnehmbare  Spuren  zu 
ezistiren. 

Die  Prismen  waren  parallel  der  Axe  geschnitten. 

p  59°  8'  61°  16'  Mittel. 

C   .  .  1,4060  1,4064  1,4062 

D  .  .  1,4077  1,4083  1,4080 

F   .  .  1,4123  1,4126  1,4124 

.    .    1,4073       1,4074  1,4074 
w  {  D  .    .    1,4093       1,4092  1,4092 


.    .    1,4139       1,4137  1,4138 

18.    Chlorostannat  von  Magnesium  i  Cn  Cl' .  Mg  CP  +  6H*  O. 

System  rhomboedrisch :  a:c  =  1:0,5083  (Jörgensen). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Dies  Salz  krystallisirt  in  schönen  grofsen  RhomboS- 
dern  von  128°  0',  deren  Seitenkanten  abgestumpft  sind 
durch  die  Flächen  eines  hexagonalen  Prismas,  parallel 
welchen  vollkommene  Spaltbarkeit  herrscht. 

Wegen  der  Zerfliefsbarkeit  der  Krystalle  sind  die  Be- 
stimmungen nur  approximativ;  jedoch  können  sie  dazu 
dienen,  eine  Kenntnifs  vom  Brechvermögen  des  Salzes  zu 
geben. 


O) 


37"  55' 

35«  53' 

Mittel. 

1,573 

1,570 

1,5715 

1,591 

1,586 

1,5885 

1,585 

1,581 

1,583 

1,597 

1,597 

c 

D 

C 
D 


19.    Arsensaures  Ammoniak:  AmH'AsO*. 


Tetragonal:  a:c=  1:0,7096  (Topsoe). 
Optischer  Charakter:  negativ. 
Das  Salz  krystallisirt  in  klaren,  ziemlich  grofsen  Pris- 
men, am  Ende  mit  einer  Pyramide  von  119°  45'.  Parallel 


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522 


zweien  Seiten  des  Prismas  sind  die  Krystalle  oft  röhren- 
förmig.   Von  deutlicher  Spaltbarkeit  ist  nichts  zu  sehen. 

Prismen,  geschnitten  parallel  der  Axe,  gaben  uns  fol- 
gende Werthe: 


t  )  D  . 
1  F  . 

C  . 
w  )  D  . 
{F  . 

Da  die  angegebenen  Werthe  nicht  vollkommen  mit 
einander  übereinstimmen,  so  haben  wir  ein  viertes  Prisma 
geschnitten,  dessen  brechende  Kante  winkelrecht  gegen 
die  krystallographische  Axe  war,  und  dessen  eine  Fläche 
parallel  war  einer  Fläche  des  natürlichen  Prisma.  Dies 
Prisma  gab  somit  unmittelbar  die  ordentlichen  Indexe, 
während  die  ausserordentlichen  Indexe  berechnet  werden 
konnten  mittelst  der  anomalen  Indexe  durch  die  Formel  (2; 
der  Einleitung. 

Mit  diesem  Prisma  ergaben  sich  folgende  Resultate: 


40°  22' 

35#  49' 

65  •  49' 

Mittel. 

1,5187 

1,5190 

1,5181 

1,5186 

1,5219 

1,5217 

1,5214 

1,5217 

1,5298 

1,5299 

1,5294 

1,5296 

1,5719 

1,5711 

1,5734 

1,5721 

1,5768 

1,5754 

1,5777 

1,5766 

1,5856 

1,5849 

1,5872 

1,5859 

M 


c 

D 
F 

C 
D 
F 


43°  44' 
1,5256 
1,5290 
1,5337 

1,5720 
1,5766 
1,5857 


woraus  6  ;  D 
i  F 


Mittel. 

1,5185 
1,5217 
1,5315 


Diese  Resultate  stimmen  mit  den  aus  den  vorher- 
gehenden Beobachtungen  gezogenen  Mittelwerthen  genü- 
gend, um  deren  Genauigkeit  zu  bestätigen. 

Senarmont  hat  früher  dieses  Salz  untersucht  und  für 
dasselbe  gefunden:  £=  1,525  bis  1,523  und  m  s  1,576 
bis  1,579'). 

1)  Ann.  de  chim.  et  de  phys.    £Yr.  ///.    T.  XXXIII. 


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523 


20.    Arsensanres  Kali:  KH'.AsO4. 

Tetragonal:  a  :  c  =  1  :  0,6633  (Topsoe). 
Optischer  Charakter:  negativ. 

Dieses  Salz  krystallisirt  in  kleinen,  länglichen  Prismen, 
zuweilen  abgeplattet  durch  vorwaltende  Entwicklung  zweier 
parallelen  Flächen;  sie  endigen  in  den  Flächen  einer  tetra- 
gonaleu  Pyramide  von  122°  8'.  Deutliche  Spaltbarkeit  ist 
nicht  da.  Die  Brechungsindexe  wurden  bestimmt  mittelst 
Prismen,  die  aus  natürlichen  Flächen  gebildet  waren, 
nämlich  einer  Fläche  des  Prismas  (110)  =  m,  und  einer 
der  Pyramide  (1  1  1)  =  6£,  so  dafs  die  brechende  Kante 
winkelrecht  war  gegen  die  Krystallaxe.  Da  die  Indexe 
sich  auf  das  gebrochene  Bild  beziehen,  dessen  Schwin- 
gungsebene winkelrecht  ist  gegen  die  Kante,  so  sind 
die  anomalen  Indexe  f,  mittelst  denen  die  aufserordent- 
lichen  Indexe  e  mit  Hülfe  der  Formel  (2)  der  Einlei- 
tung berechnet  wurden,  Hc  gleich  23°  24',5  und  folglich 
/  =  66ü  35',5. 

P     46 J  56'      46»  45'       46"  47'  Mittel. 

C  .  1,5218     1,5218     1,5223  C  .  1,5146 

¥  )  D  .  1,5247      1,5258      1,5255    woraus*  )  D  .  1,5179 
(  F  .  1,5322      1,5332     1,5332  V  (  F  .  1,5252 

C  .  1,5625     1,5636     1,5634  1,5632 
iu  \  D  .  1,5666      1,5679      1,5675  1,5674 
(  F  .  1,5755      1,5765      1,5766  1,5762 

Senarmont  hat  früher  gefunden:1) 

in  .  .  .  1,596  bis  1,587  «...  1,538  bis  1,534 

ein  etwas  merkwürdiges  Resultat,  weil  diese  Indexe  groiser 
sind  als  die  von  ihm  für  das  Ammoniaksalz  gefundenen, 
während  bei  allen  bisher  untersuchten  Kali-  und  Ammo- 
niaksalzen das  Gegentheil  stattfindet. 

Hr.  Descloizeaux  hat  später  die  Indexe  für  die 
rothen  Strahlen  w=  1,564,  «  =  1,515  gefunden,  was  mit 
den  unserigen  übereinstimmt. 

1)  Ann.  d*  chim.  et  de  phys.    Ser.  1U.    T.  XXXIII. 


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524 


21.    Phosphorsaures  Ammoniak:  AmH1  PO*. 

Tetragonal:  a:c=  1:0,7124  (Mitscherlich). 
Optischer  Charakter:  negativ. 
Die  Krystalle  waren  vollkommen  denen  des  entspre- 
chenden arsensauren  Salzes   ähnlich.     Der  Winkel  der 
Endflächen  der  Pyramide  ist  119°  46'. 

Die  Prismen  sind  parallel  der  Krystallaxe  geschnitten. 


O) 


p 

41«  12',5 

59°  8' 

37°  24' 

39°  20' 

Mittel. 

c. 

.  1,4768 

1,4767 

1,4774 

1,4764 

1,4768 

D. 

.  1,4793 
.  1,4846 

1,4788 

1,4800 

1,4788 

1,4792 

F. 

1,4845 

1,4852 

1,4844 

1,4847 

G' 

1,4906 

1,4881 

1,4894 

C. 

.  1,5214 

1,5207 

1,5216 

1,5213 

1,5112 

D. 

.  1,5249 

1,5239 

1,5253 

1,5243 

1,5246 

F. 

.  1,5312 

1,5309 

1,5319 

1,5317 

1,5314 

G' 

1,5380 

1,5365 

1,5372 

Senarmont  hat 

dieses 

Salz  untersucht l) 

und  die 

?rthe 

«=1,512 

bis  1,519 

und  s  = 

1,477 

bis  1,476 

gegeben,  welche,  was  die  ordentlichen  Indexe  betrifft, 
nicht  mit  den  unserigen  übereinstimmen. 

22.    Phosphorsaures  Kali:  KH'PO«. 
Tetragonal:  a:c=  1:0,6640  (Mitscherlich). 
Optischer  Charakter:  negativ. 
Kleine,  gewöhnlich  opake  Krystalle,  mit  einer  End- 
pyramide von  122°  6'.   Sie  waren  immer  verlängert,  manch- 
mal nadeiförmig;  die  Flächen  wenig  glänzend,  oft  leicht 
gestreift  parallel  den  horizontalen  Kanten. 

Die  Prismen  waren  parallel  der  Axe  geschnitten. 


p 

39«  15' 

29°  30'        33°  43'  Mittel. 

f  c  . 

.  1,4658 

1,4666 

1 ,4668 

1,4664 

t  )  D  . 

.  1,4677 

1,4687 

1,4688 

1,4684 

.  1,4729 

1,4743 

1,4731 

1,4734 

.  1,5070 

1,5057 

1,5066 

1,5064 

.  1,5101 

1,5089 

1,5096 

1,5095 

.  1,5162 

1,5147 

1,5152 

1,5154 

1)  Ann.  dt  chin 

i.  et  de  phyt. 

Sir.  III.  T. 

XXXIII. 

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525 


Die  von  De  Senarmont  gefundenen  Werthe l),  näm- 
lich w=  1,510  bis  1,505,  «=  1,472  bis  1,465,  stimmen 
ziemlich  mit  den  unserigen. 

23.    Unterschwefelsaures  Kali :  K*  S"  0°. 

Hexagonal:  a  :  c  =  1  :  0,6466  (Weifs ). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Dieses  Salz,  welches  von  Heeren  als  in  rhombischen 
Formen  krystallisirend  beschrieben  wurde,  ist  nach  den 
Untersuchungen  des  Hrn.  Weifs,  die  von  den  unseren 
bestätigt  werden,  wirklich  einaxig  und  seine  Formen  ge- 
hören dem  hexagonalen  Systeme  an.  Die  Krystalle  sind 
hauptsächlich  Combinationen  von  zwei  regulären  hexa- 
gonalen Prismen,  am  Ende  mit  einer  hexagonalen  Pyra- 
mide von  145°  16'.  Die  etwas  voluminösen  Krystalle  sind 
gefurcht  oder  gestreift,  während  die  kleinen  vollkommen 
klar  sind  und  sehr  glänzende  Flächen  haben,  so  dafs  selbst 
die  kleinsten  Prismen  sehr  scharfe  gebrochene  Bilder 
geben. 

Mittelst  dieser  kleinen  natürlichen  Prismen  haben  wir 
die  Brechungsindexe  bestimmt. 

P 

\  c  ■ 
o, ;  d  . 

(  F  . 


e 


\  0  ■ 

D  . 

i  r  . 


60°  ff 

60°  0' 

Mittel. 

1,4532 

1,4532 

1,4532 

1,4550 

1,4550 

1,4550 

1,4595 

1,4595 

1,4595 

1,5120 

1,5119 

1,5119 

1,5153 

1,5153 

1,5153 

1,5240 

1,5238 

1,5239 

24.    Unterschwefelsaures  Rubidium:  Rb' S*  0*. 

Hexagonal:  a  :  c  =  1  :  0,6307  (Piccard). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Das  Ansehen  der  Krystalle  war  vollkommen  denen 
des  Kalisalzes  ähnlich.  Der  Winkel  der  Pyramide  ist 
145«  47'. 

1)  Atrn,  de  chim.  et  de  phys.    Ser.  Hl.    T.  XXXIII. 


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526 


Zu  den  Bestimmungen  waren  die  Prismen  aus  natür- 
lichen Flächen  gebildet. 


P 

DU  U 

Mittal 

Mittel. 

c  .  . 

1,4554 

1,4558 

1,4556 

D   .  . 

1,4570 

1,4578 

1,4574 

F   .  . 

1,4622 

1,4624 

1,4623 

C   .  . 

1,5036 

1,5046 

1,5041 

D  .  . 

1,5075 

1,5080 

1,5078 

F   .  . 

1,5169 

1,5165 

1,5167 

25.    Unterschwefclsaurer  Kalk:  Ca  S*  O6     4  H'  O. 

Hexagonal  rhomboedrisch :  a  :  c=  1  :  1,500. 
Optischer  Charakter:  negativ. 

Brechungsvermögen  sehr  schwach.  Die  Krystalle  sind 
in  der  Regel  sehr  dünne  hexagonale  Blättchen,  deren 
Seitenflächen  zweien  correspondirenden  Rhombogdern  an- 
gehören, entwickelt  als  eine  hexagonale  Pyramide.  Die 
Tafeln,  welche  dick  genug  waren,  um  brechende  Prismen 
daraus  zu  bereiten,  waren  durch  Superposition  vou  zwei 
oder  mehren  Individuen  gebildet,  so  dafs  die  für  die  Bre- 
chungsindexe erhaltenen  Werthe  nicht  sehr  genau  sind. 
Wegen  der  Form  der  Krystalle  wurden  die  Prismen  win- 
kelrecht gegen  die  Krystallaxe  geschnitten,  und  die  Basis 
war  eine  der  Flächen  des  Prismas.  Die  beiden  gebro- 
cheneu Bilder  in  diesen  Prismen  coincidirten  indefs  wegen 
des  sehr  schwachen  Brechungsvermögens,  so  dafs  die 
Bestimmungen  nur  die  ordentlichen  Indexe  gaben. 

P        28»  20' 
C   .    .  1,5472 

tu    D   .    .  1,5499 
(  F    .    .  1,5576 

Aufser  diesem  Prisma  haben  wir  noch  eins  geschnitten, 
welches  zwar  zwei  wohl  getrennte  gebrochene  Bilder  gab, 
die  sich  aber  beide,  bei  Untersuchung  mit  einem  Nicol, 
als  ordentliche  erwiesen.    Wahrscheinlich  ist  dieses  Phä- 


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527 

nomen  davon  abzuleiten,  dafs  die  dicke  Tafel,  aus  welcher 
das  Prisma  geschnitten  worden,  aus  zwei  schief  auf  ein- 
ander liegenden  Lamellen  bestand.  Die  mit  diesem  Prisma 
erhaltenen  Werthe  sind: 

P  42"  51' 

i  C   .  .  1,5463  1,5493 

io  ]  D   .  .  1,5493  1,5526 

!  F   .  .  1,5570  1,5600 

Das  Bild,  auf  welche  sich  die  letzte  Columne  von 
Indexen  bezieht,  war  sehr  undeutlich,  wahrscheinlich  sind 
die  ersteren  Werthe  vorzuziehen,  um  so  mehr,  als  sie  mit 
denen  des  ersten  Prismas  ziemlich  übereinstimmen. 


26.    Untersdmetelsaurer  Strontian:  SrS9  O"  -h  4H*  O. 

Hexagonal:  a  :  e mm  1 :  1,5024  (Heeren). 
Optischer   Charakter:    negativ.     Brechungs  vermögen 
sehr  schwach. 

Die  Krystalle  waren  vollkommen  denen  des  Kalisalzes 
ähnlich;  nur  waren  die  Tafeln  etwas  dicker.  Spaltbarkeit 
wenig  ausgesprochen  parallel  der  Basis. 

Die  Prismen  wurden  winkelrecht  gegen  die  Krystall- 
axe  geschnitten;  nur  bei  dem  dritten  waren  die  Bilder 
getrennt. 

P     58°  28'     29°  22'     56°  56'  Mittel. 
C  .    1,5262    1,5273    1,5263  1,5266 
D  .    1,5294    1,5302    1,5295  1,5296 
F  .    1,5366    1,5378    1,5369  1,5371 


C  .      —         —       1,5256  )  v  C  .  1,5232 


v     D  .      —         —       1,5285     woraus«  )  D  .  1,5252 
\  F  .      —         —       1,5356  1  \F  .  1,5312 

Aus  den  anomalen  Indexen  des  ersten  Prismas  leitete 
man  auf  gewöhnliche  Weise  die  aufserordentlichen  Indexe 
ab,  indem  man  in  der  Formel  (2)  der  Einleitung  /  a=  28°  28' 
nahm.  Wegen  des  schwachen  Brechungsvermögens  kön- 
nen die  berechneten  Indexe  nicht  sehr  genau  seyn. 


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528 


27.    Untcrichwefelsaure«  Blei:  Pb  S»  O6  -+-  4H»  O. 

Hexagonai:  a  :  c  =  1  :  1,4696  (Heeren). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Die  klaren  Krystalle  bestanden  aus  einem  oder  mehren 
an  der  Basis  abgestumpften  Rhomboedern.  Der  Winkel 
des  Hauptrhomboeders  ist  111°  48'.  Die  Flächen  haben 
vollkommen  Glanz,  sind  aber  fast  alle  mehr  oder  weniger 
gestreift.    Deutliche  Spaltbarkeiten  nicht  vorhanden. 

Die  drei  Prismen  zu  den  Bestimmungen  waren  ge- 
bildet, das  eine  aus  zwei  gegenüber  liegenden  Flächen  der 
correspondirenden  Rhomboeder,  und  die  beiden  anderen 
aus  einer  natürlichen  Rhomboederfläche  und  einer  anderen 
nahezu  der  Basis  parallel  geschnittenen.  Mithin  waren 
die  brechenden  Kanten  der  drei  Prismen  winkelrecht  zur 
Krystallaxe.  Das  erste  derselben  gab  indefs  unmittelbar 
die  beiden  hauptsächlichen  Brechungsindexe,  weil  es  sym- 
metrisch ist  gegen  die  Krystallaxe.  Aus  den  anomalen 
Indexen,  die  mit  den  beiden  anderen  Prismen  erhalten 
wurden,  deren  Lage  fast  dieselbe  war,  leitete  man  die 
aufserordentlichen  Indexe  ab,  mittelst  der  gewöhnlichen 
Formel,  worin  /  =  30"  13'  für  das  Mittel  aus  beiden 
Prismen. 


p, 

58°  54' 

60°  37'         60°  14' 

Mittel. 

c  .  . 

1,6290 

1,6300  1,6301 

1,6295 

D    .  . 

1,6346 

1,6352  1,6355 

1,6351 

F    .  . 

1,6476 

1,6483  _M>486 

1,6481 

C   .  . 

1,6484 

1,€500 

1,6492 

D    .  . 

1,6529 

1,6533 

1,6531 

F    .  . 

1,6661 

1,6670 

1,6666 

Die  anomalen  Indexe,  mittelst  deren  die  aufserordent- 
lichen für  die  beiden  letzten  Prismen  berechnet  wurden, 
sind: 

t  C   .    .    1,6346  1,6349 
v  \  D   .    .    1,6400  1,6403 
(  F   .    .    1,6527  1,6530 


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529 


28-    Selensanres  Zink:  Zn Se  0*  4- 6H*  O. 

Tetragonal:  o:c=  1:1,8949  (Topsoe). 
Optischer  Charakter:  negativ. 
Die  klaren  Krystalle  waren  Combinationen  der  Basis 
mit  mehren  Octaedern  und  dem  tetragonalen  Prisma.  Der 
Winkel  des  Hauptoctaeders  war  97°  1'.    Spaltbarkeit  voll- 
kommen parallel  der  Basis. 

Die  Prismen  waren  parallel  der  Krystallaxe  geschnitten. 


p 

45°  32' 

59°  40' 

Mittel. 

c   .  . 

1,5000 

1,5009 

1,5004 

D    .  . 

1,5037 

1,5041 

1,5039 

F    .  . 

1,5107 

1,5109 

1,5108 

G'   .  . 

1,5161 

1,5169 

1,5165 

C    .  . 

1,5252 

1,5259 

1,5255 

D    .  . 

1,5292 

1,5291 

1,5291 

F    .  . 

1,5365 

1,5369 

1,5367 

G'   .  . 

1,5425 

1,5429 

1,5427 

29.    Selensaures  Nickel:  Ni  Se  O*  -h  6  H«  O. 

Tetragonal:  a:c=  1:1,8364  (Topsoe). 
Optischer  Charakter:  negativ. 
Die  Krystallform  war  der  des  Zinksalzes  vollkommen 
ähnlich.    Die  Krystalle,  in  Richtung  der  Axe  etwas  ab- 
geplattet, spalteten  vollkommen  gut  nach  der  Basis. 

Die  Prismen  waren  parallel  der  Krystallaxe  geschnitten, 
so  dafs  sie  unmittelbar  die  beiden  Hauptbrechungsindexe 
gaben. 


p 

52°  12' 

67°  0' 

Mittel. 

c   .  . 

1,5091 

1,5088 

1,5089 

D    .  . 

1,5123 

1,5127 

1,5125 

F    .  . 

1,5200 

1,5193 

1,5196 

G'  .  . 

1,5261 

1,5255 

1,5258 

C    .  . 

1,5356 

1,5358 

1,5357 

D    .  . 

1,5395 

1,5391 

1,5393 

F    .  . 

1,5476 

1,5471 

1,5473 

G'  .  . 

1,5541 

1,5537 

1,5539 

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530 


30.    Schwefelsaures  Nickel:  Ni  SO«  -+-  6H»  O. 

Tetragonal:  a:c=  1:1,9062  (Mitscherlich). 

Optischer  Charakter:  negativ. 

Voluminöse  Krystalle,  Formen  und  Spaltbarkeiten  voll- 
kommen denen  des  entsprechenden  selensauren  Salzes 
ähnlich.  Der  Winkel  des  Hauptoctaeders  war  96"  57'. 
Die  Krystalle,  gewöhnlich  tafelförmig  nach  der  Basis,  wur- 
den dadurch  dargestellt,  dafs  man  eine,  einen  grofsen 
Ueber8chufs  von  Schwefelsäure  enthaltende  Lösung  bei 
gewöhnlicher  Temperatur  langsam  abdampfen  liefs. 


p 

50°  53',5 

39°  23*,5 

42 8  19\5 

48°  14,5 

Mittel 

c.  . 

1,4844 

1,4844 

D .  . 

1,4873 

1,4873 

F.  . 

1,4930 

1,4929 

1,4930 

C.  . 

1,5080 

1,5074 

1,5081 

1,5078 

D .  . 

1,5110 

1,5108 

1,5108 

1,5109 

F.  . 

1,5175 

1,5168 

1,5173 

1,5173 

1,5173 

G  . 

1,5230 

1,5230 

1,5223 

1,5228 

I 

Die  beiden  ersten  Prismen  waren  parallel  der  Krystall- 
axe  und  gaben  somit  die  beiden  Hauptindexe;  die  beiden 
letzten  dagegen  waren  winkelrecht  gegen  die  Axe;  sie 
hatten  jedoch  eine  solche  Lage,  dafs  man  daraus  nicht 
die  anomalen  Indexe  zur  Berechnung  der  aufserordent- 
lichen  Indexe  herleiten  konnte. 

31.    Schwefelsaures  Beryllium:  Be  SO4  -f-  4  H'  O. 

Tetragonal:  a:c=  1:0,9461  (Topsoe). 

Optischer  Charakter:  negativ. 

Farblose  Octaeder  von  93°  10',5,  deren  Seitenkanten 
abgestumpft  waren  durch  die  Flächen  eines  quadratischen 
Prismas.  Die  Flächen  aller  etwas  voluminösen  Individuen 
waren  gekrümmt  und  wenig  nett,  so  dafs  die  Orientirung 
der  brechenden  Prismen  gegen  die  Krystallaxe  nicht  sehr 
genau  war. 


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531 


Diesem  Umstände,  welcher  blofs  auf  die  Bestimmung 
der  aufserordentlichen  Indexe  Einflufs  hatte,  fugte  sich 
ein  anderer  hinzu,  welcher  auch  für  die  ordentlichen  In- 
dexe ziemlich  beträchtliche  Schwankungen  hervorrief.  Alle 
Krystalle  nämlich,  welche  sich  wegen  ihrer  Gröfse  zum 
Schneiden  von  Prismen  eigneten,  waren  Zwillinge,  oder 
bestanden  aus  einem  Aggregat  von  mehren  Individuen. 


p 

38°  22' 

42°  20' 

65°  49' 

c  .  . 

1,4617 

1,4638 

1,4595 

D   .  . 

.  1,4646 

1,4666 

1,4621 

F  . 

.  1,4704 

1,4724 

1,4676 

C  . 

.  1,4684 

1,4689 

1,4700 

D  . 

.  1,4723 

1,4713 

1,4725 

F  . 

.  1,4773 

1,4778 

1,4785 

Die  beiden  ersten  Prismen  waren  gebildet  aus  einer 
polirten  und  mit  Glasplatte  belegten  Octaöderfläche  und 
einer  anderen,  in  der  Zone  (0  0  1)  (1  1  1)  geschnittenen. 
Die  aufserordentlichen  Brechungsindexe,  berechnet  mit 
Hülfe  der  Mittelangaben  dieser  beiden  Prismen  (für  /  der 
Formel  (2)  gleich  26°  22',5)  sind: 

«r«=  1,4367    ;    tD=  1,4391    ;    *,=  1,4450. 

Für  das  letzte  Prisma,  gebildet  aus  zwei  gegenüber 
liegenden,  indefs  polirten  und  mit  Glasplatten  belegten, 
Octadderflächen  am  Ende  einer  der  horizontalen  Axen,  ist 
1  =  33°  49*  und  folglich: 

«c=  1,4381    ;    e,— 1,4399    ;    e,=  1,4450. 

Mittlere  Werthe: 

.    .    1,4374  t  C   .    .  1,4691 

.    .    1,4395  o>  J  D    .    .  *  1,4720 

.    .    1,4450  (  F    .    .  1,4779 

PoggendorfTa  Annal.    Ergäiuungsbd.  VI.  35 


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532 

Anhang  zu  den  einaxigcn  Krystallen. 

Die  folgenden  Salze,  deren  Zerfliefsbarkeit,  Mangel  an 
Durchsichtigkeit  und  wenig  vortheilhafte  Entwicklung  dem 
vollständigen  optischen  Studium  hinderlich  sind 
blofs  unter  dem  Polarisationsmikroskop  untersucht  worden. 

32  —  34.    Gruppe  von  Chlorostannaten : 
Sn.C^.RCl'  +  GH'O;    R  =  Mn,  Ni,  Co. 

Rhomboeder:  127°  — 128°  17'  (Jörgensen). 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Spaltbarkeiten  vollkommen  nach  dem  horizontalen 
Prisma. 

35  —  39.    Gruppe  tod  Chloroplatinaten: 
Pt  Cl4  .  R  Cl*  -h  6  H"  O  ;    R  =  Mn,  Co,  Ni,  Zn,  Cd. 

Rhomboeder:  126°  10'—  127°  32'. 
Optischer  Charakter:  positiv. 

Spaltbarkeiten  vollkommen  parallel  dem  Prisma. 

40.    Bromoplatinat  von  Nickel:  Pt  Br4,  Ni  Br*  H-  6H1  O. 
Rhomboeder:  127°  34'. 

Optischer  Charakter:  positiv.  Brechungsvermögen 
sehr  schwach. 

41 — 42.    Gruppe  von  Chloroplatinaten: 
PtCl*.RCP  +  12  HO;     R  =  Mg,  Mn. 

Rhomboeder:  113"  40'  -  113°  34'. 
Optischer  Charakter:  positiv. 

*43  —  45.    Gruppe  von  Bromoplatinaten : 
Pt  Br4  R  Br1  -h  12  H«  O  ;    R  «=  Mg,  Zn,  Co. 

Rhomboeder:  114°  0'-  114°  12'. 
Charakter:  positiv. 


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533 


III.    Rhombische  zweiaxige  Krystalle.1) 

46.    L'nterschwefelsaures  Lithion:  LiJ  S*  O8  -+-  2  H1  O. 
a  :  b  :  c  =  1  :  0,9657  :  0,5779  (  Rammelsbe  rg). 

Dieses  Salz,  welches  Hr.  Rammelsbe  rg  neuerdings 
beschrieben  hat1),  krystallisirt  in  länglichen,  durchsich- 
tigen, ziemlich  voluminösen  Prismen  (0  1  1),  deren  stumpfe 
Kanten  abgestumpft  sind  durch  die  Flächen  (01  0),  und 
die  mit  den  Flächen  des  Prismas  (1  1  0)  endigen: 

0  11:011  =  61°  48  ,     1  1  0  :  1  1  0  =  86°  0'. 

Spaltbarkeit  vollkommen  parallel  der  Ebene  (0  1  0). 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  dem  Län- 
gensinn des  Prismas  (0  11),  und  winkelrecht  auf  der 
Ebene  (0  1  0),  deren  Normale  zusammenfallt  mit  der  Hal- 
birungslinie  des  scharfen  Winkels.  Der  Charakter  ist 
positiv. 

Die  optische  Orientirung  ist  also :  a,  c,  b. 

■+- 

Die  Prismen  waren  parallel  den  Krystallaxen  a  und  b 
geschnitten.  Die  Bestimmungen  sind  indefs  wegen  der 
Zerfliefslichkeit  der  Krystalle  wenig  genau. 

Prismen  parallel  der  Axe  a: 

R  :  a  =  0. 

p       40°  43\5       58°  20' 
1,5459  1,5465 


i 


C 
D 
F 

C 
D 
F 


R:c 


1,5484 
1,5545 

1,5591 

1,5624 

1,5708 
20°  22' 


1,5491 
1,5552 

1,5622 
1,5653 
1,5734 
29*  10' 


Mittel. 
1,5462 
1,5487 
1,5548 


1)  Mit  R\a,  R:b,  R  :  c  bezeichnen  wir  bei  den  rhombischen  Krystallen 
die  Winkel,  welche  die  Krystallaxen  mit  den  Ebenen  bilden,  die 
brechenden  Prismen  halbiren. 

2)  Pogg.  Ann.  Bd.  128,  S.  320. 

35* 


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534 

Prisma  parallel  der  Axe  c: 

Ä:c  =  0°. 


p 

35°  39 

c  .  . 

1,5509 

D  .  . 

1,5534 

F   .  . 

1,5602 

C   .  . 

1,5565 

D   .  . 

1,5600 

F   .  . 

1,5680 

26*  11' 

Winkel  der  optischen  Axen.  —  Mittelst  zwei  der  Ebene 
(0  1  0)  parallel  geschnittenen  Platten,  fand  sich  der  Winkel 
zwischen  den  optischen  Axen  in  Oel: 

1.  [(i4#)]u  =  84°  13'      e  =  lmm,200  JV=24 

2.  [(,4F)]d  =  84ü  6'      e  =  0mm,800      iV=r  16. 

Aus  der  Zahl  der  schwarzen  Ringe  ergab  sich  mittelst 
der  Formel  (25)  der  Einleitung: 

(p, -/*.)«>  =  0,01 18, 
woraus  durch  Substitution  des  für  ju-  gefundenen  Mittel- 
werthes  folgt: 

fi.    .    .    .    1,5605  für  die  Linie  Z>, 
was  ziemlich  mit  dem  direct  gefundenen  Werth  überein- 
stimmt. 

Alle  durch  die  drei  Prismen  direct  gefundenen  Werthe 
erlaubten  mittelst  der  Formel  (15)  der  Einleitung  die  un- 
bekannten Indexe  fib  zu  berechnen: 

pb    .    .    .    1,5763,      1,5788,  1,5887. 

Man  darf  jedoch  diesen  Zahlen  keinen  zu  grofsen 
Werth  beilegen,  weil  die  Zerfliefslichkeit  der  Krystalle  die 
in  den  Rechnungen  eine  wichtige  Rolle  spielende  Orien- 
tirung  der  Prismen  etwas  unsicher  machte. 

Aus  dem  Winkel  zwischen  den  Axen  in  Oel  [(42?)]D  = 
84°  10',  ergaben  sich  folgende  Werthe  für  den  schein- 
baren und  den  wahren  Winkel  der  Axen: 

(AB)D  =  159°  49',       A  Bu  =  78°  16'. 


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535 


/'*  //h  "r 

C   .    .    .    1,5462       1,5763  1,5565 

D  .  .  .  1,5487  1,5788  1,5602 
¥   .    .    .    1,5548       1,5887  1,5680. 

47.    ünterechwefelsaures  Silber:  Ag9  S'  O*  -\-  2  H*  O. 

o  :  6  :  c  =  1  :  0,9850  :  0,5802  (Heeren). 
Farblose  Prismen,  deren  Kanten  durch  die  Flächen 
(10  0)  und  (0  1  0)  abgestumpft  sind,  und  am  Ende  Octaeder- 
flächen   (111)   tragen.     Die  stumpfen  Endkanten  des 
Octaeders  sind  abgestumpft  durch  die  Flächen  (01  1): 

110:  110  =  90°  52'    ;    0  1  1  :  0  11  =  61°  6' 
SpaJtbarkeiten  vollkommen  parallel  den  Flächen  des 
Prismas  (1  1  0). 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  fällt  zusammen  mit  der 
Ebene  der  Kry  st  all  axen  a  b  ;  die  Halbirungslinie  des  schar- 
fen Winkels  ist  parallel  der  Axe  a.  Der  Charakter  ist 
negativ. 

Die  optische  Orientirung  ist  folglich : 

a,  c,  b. 

Die  brechenden  Prismen,  aus  glänzenden,  natürlichen 
Flächen  gebildet,  waren  parallel  den  Krystallaxen  a  und  6, 
so  dafs  sie  unmittelbar  die  beiden  Indexe  pm  und  fit  gaben. 
Diejenigen,  welche  der  Axe  a  parallel  waren,  waren  zu 
gleicher  Zeit  symmetrisch  in  Bezug  auf  die  Axe  6,  woraus 
hervorgeht,  dafs  das  gebrochene  Bild,  dessen  Schwin- 
gungsebene winkelrecht  ist  gegen  die  brechende  Kante, 
die  Indexe  fih  giebt. 

Prismen  parallel  der  Axe  c: 


p 

45*  26'  ') 

44°  34' 

Mittel. 

|  c  .  . 

1,6552 

1,6321 

V'  \  F   .  . 

1,6709 

1,6453 

l  C  .  . 

1,6571 

1,6576 

1,6578 

1  F  .  . 

1,6743 

1,6753 

1,6748 

R.b 

22°  43' 

67°  43' 

1)  Die  angeführten  Werthe  bind  Mittel,  erhalten  mit  zwei  Prismen,  deren 
Angaben  vollkommen  übereinstimmten. 


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536 


Beide  Prismen  waren  aus  einer  Fläche  des  Prismas 
(110)  gebildet,  während  die  andere  Fläche  bei  dem 
ersten  Prisma  eine  Fläche  (1  0  0),  bei  dem  zweiten  aber 
eine  (0  1  0)  war. 

Prismen  parallel  der  Axe  a,  symmetrisch  gegen  6: 

p         60°  51'        60°  54'  Mittel. 
\  C   .    .    1,6271       1,6271  1,6271 
I  F    .    .    1,6409       1,6399  1,6404 

I  C    .    .    1,6601       1,6601  1,6601 
"*  I  F    .    .    1,6775       1,6771  1,6773 

Die  Prismen  waren  gebildet  aus  den  Flächen  0  1  1 

und  011,  die  am  Ende  der  Axe  6  liegen. 

Aus  den  anomalen  Indexen  r„  leitete  man  mittelst  der 
Formel  (15)  der  Einleitung  die  beiden  Hauptindexe  ab, 
nämlich  w»  und  p0: 

Ii,    .    .    1,6601     1,6764  /  -  T .        „  , 

l    .    .    1,6216    1,6403  I  ftr  d,e  L,men  C  Und 

welche  vollkommen  mit  den  direct  gefundenen  überein- 
stimmen. 

Der  Winkel  der  optischen  Axen  wurde  nicht  direct 
bestimmt.  Wir  mafsen  nur  den  Winkel,  welche  die  Axen 
in  Oel  beim  Austritt  aus  dem  Prisma  (1  1  0)  machten. 


1.  Prisma 

2.  Prisma 


[(AlBx))  =  2V  15'  I  för  WC,f8e8  Llcht 


Der  Winkel  der  Axen,  der  scheinbare  wie  der  wahre, 
berechnet  mittelst  der  Brechungsindexe,  ist: 

(A  B)c  =  56°  48'       (A  B)r  =47°  59' 
ABe  =  33°  21'         AB,=  28°  6' 

Die  mittleren  Werthe  der  Brechungsindexe  sind: 

i«- 

C  .  .  1,6272  1,6601  1,6573 
F    .    .    1,6404       1,6770  1,6748. 


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537 


48.    Schwefelsaures  Kali:   K*  S  0*. 

a:6:c  =  1  .-0,7464:0,5727  (Mitscherlich). 
Die  sowohl  parallel  der  Axe  b  als  nach  der  Axe  c 
verlängerten  Krystalle  hatten  die  bekannten  Formen.  Sie 
waren  oft  abgeplattet  nach  (10  0): 

110:110=  106°  32'         101:101=  120°  24' 
Die  Spaltbarkeiten  parallel  den  Flächen  (10  0)  und 

(0  10)  nicht  sehr  ausgesprochen. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  der  Ebene 

(0  0  1).     Die  Halbirungslinie  des  scharfen  Winkels  coin- 

cidirt  mit  der  Krystallaxe  b.    Der  Charakter  ist  positiv. 
Die   optische   Orientirung   wird  folglich  repräsentirt 

durch:  a,  c,  b. 

Die  Prismen  sind  geschnitten  und  mit  Glasplatten  be- 
legt, ausgenommen  die  beiden  ersten. 
Prismen  parallel  der  Axe  6: 

p  60°  22'  60»  IV         64°  7' 

i  C    .  .  1,4960  1,4965  1,4960 

J  D   .  .  1,4984  —  1,4981 

(  F    .  .  1,5032  1,5029  1,5030 

Die  beiden  ersten  Prismen  waren  gebildet  aus  natür- 
lichen Flächen  von  der  Zone  (10  0),  (TOI). 
Prismen  parallel  der  Axe  c: 


p 

61°  34' 

34°  25' 

c  .  . 

1,4926 

1,4933 

D   .  . 

1,4946 

1,4948 

F   .  . 

1,4991 

1,4997 

G'  .  . 

1,5038 

Prisma  parallel  der  Axe  c  und  symetrisch  gegen  die  Axe  6: 


p 

63B  50' 

c  . 

.  1,4924 

D  . 

.  1,4944 

F  . 

.  1,4989 

C  . 

1,4951 

D  . 

.  1,4974 

F  . 

,  1,5020 

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538 


Winkel  der  optischen  Äxen.  —  Die  Platten  waren  ge- 
schnitten, sowohl  parallel  den  Flächen  (1  0  0),  und  winkel- 
recht gegen  die  Halbirungslinie  des  stumpfen  Winkels, 
als  auch  gegen  die  Fläche  (0  1  0). 

1.  Platte  [(4' B)]  mm  115°  40',    e  =  0,750,    JV'  =  3,5 

2.  Platte  [(A'B)]  =  115°  35',    c'  =  1,025,    N'  =  4,75 

3.  Platte  \(AB)]Ü=  68°  10',    c  =  1,295,    N  =  2,75. 

Der  Mittelwerth  für  den  stumpfen  Winkel  zwischen 
den  Axen  in  Oel  [(A'  B)]  =  115°  37',  giebt  für  den  wahren 
Winkel  : 

A  B  =  67°  28', 

während  [(i4£)]D  =  68°  10'  giebt: 

A  ß„  =  b6°  40'. 

Da  kein  Grund  vorhanden  ist,  eine  der  Beobachtungen 
den  andern  vorzuziehen,  so  nehmen  wir  zu  den  Berech- 
nungen den  mittleren  Werth: 

AB=G7°  4'. 

Aus  der  Anzahl  der  rings  um  die  Halbirungslinien 
beobachteten  schwarzen  Ringe,  folgerte  man  für  die  Platten 
1  und  2: 

(ja*  —  /Ou  =  0,00274, 
woraus,  wenn  man  für  pt  den  durch  die  Prismen  gefun- 
denen Werth  substituirt: 

pe  =  1,4953  für  die  Linie  D. 
Die  dritte  Platte  dagegen  giebt: 

(«,-^)d  =  0,001 25, 

woraus 

fim  =  1,4933  für  die  Linie  D. 

Aus  dem  Winkel  der  optischen  Axen,  combinirt  mit 
den  direct  gefundenen  Indexen  fit  und  /<,  ergiebt  sich: 

C  D  F 

u.    .    .    1,4911       1,4932  1,4976, 

dessen  Werth  für  die  Linie  D  mit  der  oben  gefundenen 
Zahl  zusammenfallt. 


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539 


Mittlere  Werthe: 

AB  =  SV  4'  und  (AB)=1U°  19'. 


Mg 

c  . 

.  1,4911 

1,4959 

1,4928 

D  . 

.  1,4932 

1,4980 

1,4946 

F  . 

.  1,4976 

1,5029 

1,4992 

De  Senarmont  hat  früher  gefunden: 

/?=  1,494         AB=s6G°  54' 
Descloizeaux  fand  fnr  die  gelben  Strahlen: 
a  =  1,4970,       ß=*  1,4935,       y  =  1,4920 
woraus  sich  berechnet: 

AB  —  6ß°  30'      (A  B)  =  109°  57, 
während  er  fand  (A  B)  =  107°  bis  108°  und  zuweilen  109° l). 
Später  fand  derselbe  (AB)  =  110°  15'  bis  110°  26'  für 
die  rothen  und  blauen  Thcile  des  Spectrums a). 

49.    Selensaures  Kali:  K'SeO*. 
a:b:c  =  1  :  0,7296  :  0,5724  (Mitsch  erlich). 

Die  Krystalle  sind  denen  des  schwefelsauren  Salzes 
vollkommen  ähnlich  und  spaltbar  parallel  den  Flächen 
(0  1  0)  und  (1  0  0). 

1  0  1  :  T  0  1  =  59°  35',       2  10  :  2  1  0  mm  68°  12'. 


Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  der  Kry- 
stallfläche  (001),  die  Halbirungslinie  parallel  der  Axe  b. 
Der  Charakter  positiv.    Die  Orientirung  ist  also: 


f 

a,  c,  fc. 

Die  Prismen  waren 

+ 

parallel  der 

Axe  b  geschnitten. 
69*  29'         65»  0' 

p 

67°  45' 

42»  45' 

v*  D 

:  f  . 

.  1,5365 

1,5323 

1,5354 

.  1,5393 

1,5353 

1,5379 

1,5384 

.  1,5466 

1,5419 

1,5455 

)c  ' 

.  1,5431 

1,5412 

1,5423 

pA  *>  ■ 

.  1,5460 

1,5442 

1,5449 

1,5451 

!  F  . 

.  1,5534 

1,5511 

1,5523 

R  : 

e      26°  20* 

81°  35' 

42*  17',5 

32»  30' 

1)  Ann,  des 

Minest  Sir.  V, 

T.  XIV,  p.  359. 

2)  Mim.  des  savants  itrangers,  T.  XVIII,  p.  608. 


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540 


Mittelst  der  Formel  (15)  der  Einleitung  ergaben  sich 
aus  den  für  1».  und  ttk  gefundenen  Werthen  die  unbekann- 
ten Hauptindexe      und  u,t.  Auf  diese  Weise  erhält  man: 
ur    .    .    1,5373       1,5402  1,5475 
fim    .    .    1,5323       1,5353  1,5419. 
Winkel  der  optischen  Axen.  —  Die  parallel  der  Ebene 
(10  0)  geschnittenen  Platten  waren  winkelrecht  zur  Hal- 
birungslinie  des  stumpfen  Winkels. 

Der  Winkel  zwischen  den  Axen  in  Oel  fand  sich: 

1.  Platte  [(A'B)]D  =110°  47',    6  =  1,095,    N'  =  10,5 

2.  Platte  f (A  B)]lt  =  1 1 1°  5',     e  =  0,485,    JV'  =  4,5. 

Die  zweite  Platte  war  etwas  schief  gegen  die  Hal- 
birungslinie. 

Der  Winkel,  welchen  die  Axen  in  Oel  machten,  ge- 
sehen durch  die  Flächen  des  Prismas  (1  1  0),  wurde  gleich 
77°  1'  gefunden.  Durch  die  Formel: 
n  sin  [\  [(Ax  BJ]  —  (6  :  110)]  —  f*t  sin  [\  AB  —  (b  :  110)], 
worin  n  den  Brechungsindex  des  Oels,  [(i4,£,)]  den  beob- 
achteten Winkel  =77°  1',  AB  den  wahren  Winkel  und 
6:110=36°  44'  bezeichnet,  findet  man: 

ABD  =  76»  50'. 
Aus  der  Anzahl  der  Ringe  rings  um  die  Halbirungs- 
linie  erhält  man  durch  die  Formel  (25)  der  Einleitung: 

0*.  -  /Od  =  0,0056, 
woraus  durch  Substituten  des  für  ut  gefundenen  Werthes : 
f,t  wm  1,5394  ftir  die  Linie  D. 
Aus  dem  beobachteten  Werth  der  Axen  ergiebt  sich 
mittelst  des  vorhergehenden  Werthes       und  des  direct 
beobachteten  /iA: 

fim  =  1,5360  für  die  Linie  D. 
Die-  auf  diese  Weise  berechneten  pm  und  stimmen 
ziemlich  mit  den  aus  den  anomalen  Indexen  hergeleiteten 
Werthen: 


c  . 

.  1,5323 

1,5422 

1,5373 

D  . 

.  1,5353 

1,5450 

1,5402 

F  . 

.  1,5417 

1,5523 

1,5475. 

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541 


Aus  der  Platte  1  und  dem  Prisma  erhält  man  folgende 
Mittel  werthe: 

(A  B)u  =  145"  52'  A  B  =  76°  40'. 

50.    Chromsaures  Kali:  K' CrO*. 
a:6:c=  1:0,7297:0,5695  (Mitscherlich). 
Die  Krystalle  ähnelten  vollkommen  denen  des  schwefel- 
sauren Salzes: 

110:110  =  72°  14',       101  :T01  —  59°  19*. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  winkelrecht  zum 
Prisma  110,  die  Halbirungslinie  parallel  der  Axe  a  und 
der  Charakter  negativ. 

Die  optische  Orientirung  ist  also: 

a  c  b. 

Nur  die  wenig  voluminösen  Krystalle  waren  durch- 
sichtig, so  dafs  die  brechenden  Prismen,  die  aus  kleinen, 
in  Richtung  der  verticalen  Axe  verlängerten  Krystallen 
geschnitten  waren,  weder  scharfe  Spectren  gaben,  noch 
genau  orientirt  waren. 

Aus  diesem  Grunde  war  es  unmöglich,  die  anomalen 
Indexe  zur  Bestimmung  der  beiden  Indexe  zu  benutzen, 
die  nicht  unmittelbar  durch  Prismen  gegeben  waren. 

Die  Mittelwerthe  aus  den  wenig  übereinstimmenden, 

mit  fünf  parallelen  Prismen  erhaltenen  Bestimmungen  sind : 

C  D  F 

ß  =  H,    .    .    1,7131       1,7254  1,7703. 

Diese  Zahlen  dürfen  jedoch  nur  als  angenäherte  Werthe 
betrachtet  werden. 

Der  Winkel  der  optischen  Axen  wurde  bestimmt  durch 
Messung  am  Prisma  (10  0)  in  Oel : 

1.  Prisma    .    .    [(Ax  B})]  =  40°  51' 

2.  Prisma    .    .    [(Ax  BJ]  =  40°  45'. 
Durch  die  Formel: 

«  sin  t  =  fir  sin  [(1  1  0  :  a)  —  |  A £], 
worin  t  den  Winkel  zwischen  der  Austrittsfläche  und  der 
optischen  Axe,  nämlich  1  1  0  :  Ax  =  33°  16'  bezeichnet, 
n  der  Brechungsindex  des  Oels  ist,  und  1  1  0  :  a  =  53v  40' 
erhält  man  als  wahren  und  als  scheinbaren  Winkel: 


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542 


AB=*5\°  40'       (45)  =  97°  30', 
De  Senarmont  erhielt  früher1): 

ß  —  1,722,     A  B  =  49°  32'  und      B)  =  92°  20', 
Grailich  und  v.  Lang  fanden:  *) 

(A  B)  =  92°  0',       q  >  v, 
und  Descloizeaux  bekam:3) 

(A  B)r  =  105°  0r     (A  B)r  =  94°  40'. 

51.    Selenwurc  Beryllerdc:  Be  Sc  O*  -4-  4  Hl  0. 

a  :  6  :  c  =  1  :  0,9602  :  0,9027  (Topsoe). 
Die  Krystalle  waren  Combinationen  zweier  Prismen 
(0  11)  und  (101),  verlängert  im  Sinne  der  Länge  des 
Prismas  (0  1  1).  Die  Flächen,  obwohl  vollkommen  glän- 
zend, waren  jedoch  gekrümmt,  besonders  die  des  Prismas 
(1  0  1).  Die  etwas  voluminösen  Krystalle  bestanden  aus 
der  Vereinigung  mehrerer  Individuen,  so  dafs  eine  genaue 
Bestimmung  der  Brechungsindexe  schwierig  war. 

011:011=93°  32',     101  :10T=95°  51'. 

Die  Ebene  der  optischen  Axe  ist  parallel  dem  Prisma 
(01  1),  die  Halbirungslioie  fallt  zusammen  mit  der  Axe  c. 
Der  Charakter  ist  negativ. 

Die  optische  Orientirung  ist  daher: 

c  b  a. 


Die  Prismen  waren  geschnitten  und  mit  Glasplatten 
belegt. 


;n  parallel  der  Krystallaxe  a. 

P 

44°  19' 

42°  35' 

42°  0' 

61°  30' 

38°  25' 

c  . 

1,4919 

1,4932 

1,4928 

1,4651 

1,4716 

D  . 

1,4949 

1,4962 

1,4959 

1,4678 

1,4748 

F  . 

1,5029 

1,5036 

1,5034 

1,4743 

1,4809 

C  . 

1,4986 

1,4996 

1,4997 

1,4981 

1,5002 

D  . 
F  . 

1,5024 

1,5032 

1,5031 

1,5013 

1,5036 

1,5097 

1,5106 

1,5104 

1,5087 

1,5113 

R :  b 

21*  3\5 

21°  55 ',5 

22°  13' 

73"  58' 

62°  25',5 

1)  Ann.  de  chim.  et  phys.    Ser.  III,  T.  XXXIII. 

2)  Sitzungsberichte  d«r  K.  K.  Akademie.    Bd.  XXVII,  S.  22. 

3)  Ann.  des  Mines.    Sir.  V,  T.  XIV,  p.  380, 


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543 

Die  drei  ersten  Prismen  waren  auf  dieselbe  Weise  ge- 
schnitten, so  dafs  ihre  Orientirungen  fast  identisch  waren. 
Sie  waren  gebildet  aus  einer  Fläche  parallel  der  Fläche 
(0 1  1)   und   einer  anderen,  geschnitten  auf  der  Kante 

0  1  1  —  0  11,  am  Ende  der  Axe  b. 

Die  beiden  letzten  Prismen  waren  geschnitten  aus  einer 
Fläche  011  und  einer  anderen,  geschnitten  auf  die  Kante 

011  —  0  1  1,  am  Ende  der  Axe  c, 
Prismen  parallel  der  Axe  b. 

p        42°  29\5         41'  5'  Mittel. 

t  C  .  .  1,4978  1,4965  1,4971 
fit  )  D  .  .  1,5011  1,5000  1,5005 
,(#*..    1,5089       1,5079  1,5084 

Die  Orientirung  dieser  Prismen  in  Bezug  auf  die  Kry- 
stallaxen  war  nicht  so  genau  hergestellt,  um  von  den 
anomalen  Indexen  Gebrauch  machen  zu  können. 

Winkel  der  optischen  Axen.  —  Zwei  Platten,  geschnit- 
ten parallel  der  krystallographischen  Ebene  (0  0  1)  gaben 
für  den  scheinbaren  Winkel: 

1.  Platte    MB)  =  40°  "44' 

2.  Platte    (AB)  =  40°  41,5,    e  =  0mm,820,  iV=2,75. 
Aus  der  Anzahl  der  Ringe  rings  um  die  Halbirungs- 

linie  ergab  sich: 

(f.  —  /<»)d  =  0,0020, 
woraus  durch  Substitution  von  p.,  der  mittlere  Werth  der 

■ 

Bestimmungen : 

p4  =  1,5007  für  die  Linie  0, 
was  mit  dem  direct  erhaltenen  Werth  vollkommen  über- 
einstimmt. 

Aus  den  anomalen  Indexen  v.  berechnen  sich,  durch 
die  bekannte  Formel,  die  Werthe  für  uh  und  ii0  nämlich: 

(*>    .    .    1,4977       1,5009  1,5085 

fim    .    .    1,4634       1,4663  1,4725. 

von  denen  die  für  uh  vollkommen  übereinstimmen  mit  den 
Zahlen,  welche  direct  durch  die  der  Axe  6  parallelen 
Prismen  bestimmt  wurden. 


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544 

Anderseits  kann  man  mit  Hülfe  derselben  Formel  die 
Brechungsindexe  ur  aus  v,   ableiten,  in  Combination  mit 
den  direct  bestimmten  fi§.    Man  erhält  alsdann: 
u.    .   .    1,4643       1,4665  1,4726, 
welche  genügend  übereinstimmen  mit  den  oben  blofs  aus 
den  anomalen  Indexen  vm  hergeleiteten  Werthen. 

Die  Mittel  aus  allen  Untersuchungen  sind: 


c  .  . 

,  1,4992 

1,4973 

1,4639 

D  . 

.  1,5027 

1,5007 

1,4664 

F   .  . 

,  1,5101 

1,5084 

1,4725 

(AB) 

=  40°  43' 

AB  = 

26"  48'. 

52.    Chromsaure  Magnesia:  Mg  Cr  O4  +  4  Ha  Ü. 

a:b.c  =  l:  0,9901  :  0,5735  (Murmann). 

Die  Krystalle  sind  vollkommen  denen  des  schwefel- 
sauren Salzes  ähnlich,  nämlich  längliche,  fast  rectanguläre 
Prismen,  deren  scharfe  Kanten  abgestumpft  sind  durch 
die  Flächen  (1  0  0);  der  Scheitel  der  Prismen  ist  gebildet 
durch  die  Flächen  des  Octaeders  (1  1  1 ) ,  das  sich  ge- 
wöhnlich als  Tetraeder  entwickelt.  Spaltbarkeiten  voll- 
kommen parallel  der  Fläche  (1  0  0). 

Die  Ebene  der  optischen  Axe  ist  parallel  der  Ebene 
(0  0 1).  Die  Halbirungslinie  coincidirt  mit  der  Axe  a. 
Der  Charakter  ist  negativ. 

Die  optische  Orientirung  ist  also: 

ach. 

Die  Prismen  wurden  geschnitten  und  mit  Glasplatten 
belegt;  sie  waren  parallel  dem  natürlichen  Prisma  (1  1  0). 
Die  Resultate  der  Bestimmungen  dürfen  nur  als  approxi- 
mativ betrachtet  werden,  wegen  der  Kleinheit  und  sehr 
unvollkommenen  Durchsichtigkeit  der  Krystalle: 

p     40°  50'JJ9M1'    36ü  22' 

(  C   .    .    1,5215  1,5525 

*'  \  D   .    .    1,5289  — 

j  C  .   .    1,5415  1,5415 

*  I  D    .    .    1,5500  — 

R.a      24°  35'        62°  54' 


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545 

Die  Prismen  waren  gebildet  aus  einer  Fläche  parallel 
zu  1  1  0  und  einer  anderen ,  geschnitten  bei  den  beiden 
ersten  Prismen  fast  winkelrecht  zur  Spaltungsrichtung  und 
bei  dem  letzteren  parallel  derselben. 

Die  anomalen  Indexe,  substituirt  in  der  bekannten 
Formel,  gaben  die  Brechungsindexe  ua  und  p»: 

Anderseits  kann  man  aus  dem  Winkel  der  optischen 
Axen,  combinirt  mit  dem       und  vt  der  beiden  ersten 
Prismen,  die  Werthe  ableiten: 
^.=  1,5211  j 
ix%  mm  1,5680  i 
Winkel  zwischen  den  optischen  Axen  in  Oel: 

1.  Platte    .    .    [(AB)]  =  80°  24' 

2.  Platte    .    .    [( A  D)]  =  80°  30'. 

Die  Dispersion  der  Axen  ist  sehr  energisch :  y  <  v 

* 

Mittel 

ftm  f*b  (*e 

C  .  .  1,5131  1,5633  1,5415 
D  .  .  1,5211  1,5680  1,5500 
04B)=  143°  6'  AB  =  75°  28'. 

Grailich  und  v.  Lang  fanden  (AB)  =  c  70°  uud 

* 

53.    Schwefelsaare  Magnesia:  Mg  SO4  -f  7H*  O. 

a:6:c=  1  :  0,9901  :  0,5709  (Brooke). 

Die  Krystalle  waren  bekanute  Gombinationen  (110) 
(1  0  0)  (1  1  1)  (0  1  1).  Das  Octaeder  war  gewöhnlich  der 
tetraödrischen  Hemiedrie  unterworfen.  Spaltbarkeiten  voll- 
kommen parallel  der  Fläche  (100): 

1  1  0  :  11  0  =*  89°  26',       0  1  1  :  0  1  1  =  56°  56'. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  den  Kry- 
stallaxen  a  und  5,  von  denen  die  erstere  zusammenfallt 

1)  Sitzungsberichte  der  K.  K.  Akademie.    Bd.  XXVII,  8.  25. 


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546 

mit  der  Halbirungslinie  des  scharfen  Winkels.  Der  Cha- 
rakter ist  negativ.    Die  optische  Orientirung  ist: 

ach. 

Die  brechenden  Prismen  waren  alle  parallel  der  Axe  c 
geschnitten;  ihre  Orientirung  in  Bezug  auf  die  Krystall- 
axen  a  und  6  wurde  bestimmt  durch  Messung  der  Winkel, 
welche  die  geschnittenen  Flächen  mit  den  Flächen  des 
natürlichen  Prismas  (110)  machten. 

P  47°  53'   70°  59'   56°  36'  59M7',5  42§  31'   49°  12'  60°  33\5 

iC  1,4313  1,4309  1,4320  1,4499  1,4524  1,4541  1,4566 

v.  \D  1,4331  1,4331  1,4340  1,4523  1,4551  1,4565  1,4591 

lF  1,4383  1,4380  1,4388  1,4574  1,4602  1,4615  1,4644 

iC  1,4533  1,4532  1,4536  1,4538  1,4524  1,4523  1,4530 
pAD  1,4562  1,4556  1,4551  1,4560  1,4551  1,4546  1,4554 
(F  1,4612  1,4611  1,4604  1,4614  1,4602  1,4602  1,4609 
R  :a   0M7'    9M3',5    16°  25'   56*  11'   65°  58',5  69°  19'    75°  (V 

Die  anomalen  Indexe  des  ersten  der  Prismen,  dessen 
Halbirungslinie  fast  mit  der  Axe  a  zusammenfallt,  müssen 
fast  gleich  seyn  den  Indexen  die  entweder  durch  Rech- 
nung oder  direct  durch  das  folgende  Prisma  gegeben  sind. 

Prisma  parallel  der  Axe  c  und  symmetrisch  gegen  die 
Axe  a. 

P        73°  3' 
(  C   .    .  1,4303 
vt  =  piA  D   .    .  1,4324 
(  F   .    .  1,4373 

(  C   .   .  1,4527 
f*.  ]  D   .    .  1,4552 
(  F   .    .  1,4607 

Prisma  parallel  mit  c  und  symmetrisch  gegen  die  Axe  b. 

P        49°  13' 
|  C   .    .  1,4533 
*  I  D   .    .  1,4553 

_     j  C   .    .  1,4589 


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547 


Winkel  der  optischen  Axen.  —  Sieben  Platten,  ge- 
schnitten parallel  der  Richtung  der  Spaltbarkeit  gaben  für 
den  scheinbaren  Winkel  (AB): 

78°30',  78ü26',  78°23',  78*15',  78*15',  78°11',  78°9'. 
Der  Mittelwerth  ist: 

(AB)  =  78°  18'. 
Eine  der  Platten,  deren  Dicke  e  =  0m",865,  zeigte  acht 
schwarze  Ringe;  da  diese  Platte  den  Axen  b  und  c  pa- 
rallel war,  so  erhält  man  mit  diesen  Angaben  (m*  —  |W,)d  = 
0,0055,  woraus  sich  mit  Hülfe  des  mittleren  Werthes  der 
Bestimmungen  von  pt  ergiebt: 

fi„  =  1,4609, 

was  vollkommen  mit  der  durch  das  erste  Prisma  direct 
gefundenen  Zahl  übereinstimmt. 

Aus  den  anomalen  Indexen  v,  ergeben  sich  mittelst  der 
gewöhnlichen  Formel  die  beiden  Indexe  und 

fAa  .  .  1,4307  1,^325  1,4374 
fit    .    .    1,4577       1,4605  1,4657 

Diese  Werthe  stimmen  ziemlich  mit  denen ,  welche 
direct  mit  den  beiden  letzten  Prismen  gegeben  werden. 
Die  Mittelwerthe  aus  allen  Beobachtungen  sind: 

f'm  ftk  fit 

C   .    .    1,4305       1,4583  1,4530 
D   .    .    1,4325       1,4608  1,4554 
F   .    .    1,4374       1,4657  1,4607 
(A  B)  =  78°  18', 

woraus : 

AB  =  51°  25'. 
De  Senarmont  fand  früher:1) 
(A  B)  =  56°  56*,  AB  mm  38°  14',  ß  —  1,454  bis  1,459. 
Hr.  Miller  fand: 

ß  =  1,4817,  (A  B)  =  79°  2',  A  B  =  50°  52'. 
Hr.  Des  Cloizeaux  erhielt:*) 
(ABl  =  77"  59'  bis  78"  11'  und  (AB),.  «  77° 43'  bis  78° 3', 

1)  Ann.  de  chim.  et  de  phys.    Sir.  III.     T.  XXXIII. 

2)  Ann.  de  Mines.    Sir.  V.    T.  XIV.    p.  375. 

PoggendorfFs  AnnaU    Krgänzungsbd.  VI.  36 


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548 


während  die  HH.  G  railich  und  v.  Laug  gabeu:1) 

(AB)  =  b6()W  und  i>  >  q. 

54.    Schwefelsaure«  Zink:  ZnSO*  H-  7H'  O. 
a  :  b  :  c  =  1  :  0,9804  :  0,5631  (Brooke). 

Dieselben  Krystalle,  wie  beim  Magnesiasalz;  nur  sind 
am  Octaeder  oft  alle  seine  Flächen  entwickelt. 

1  1  0  :  1  10  =  91°  7';  01  1  :  011  =  59°  44'. 

Spaltbarkeit  vollkommen  nach  (10  0). 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  vinkelrecht  zum 
Prisma  (1  1  0).  Die  Krystallaxe  fällt  zusammen  mit  der 
Halbirungslinie.  Der  optische  Charakter  ist  negativ.  Die 
optische  Orientirung  ist  folglich: 

ach. 

Alle  Prismen  waren  parallel  der  Axe  c  geschnitten: 


p 

78*  ir 

49»  56' 

40°  16' 

68°  27\5 

:c  .  . 

1,4770 

1,4783 

1,4775 

1,4776 

Ii : : 

1,4797 

1,4807 

1,4800 

1,4802 

1,4855 

1,4867 

1,4858 

1,4860 

1,4807 

1,4783 

1,4756 

1,4552 

1; : : 

1,4833 

1,4807 

1,4778 

1,4576 

1,4893 

1,4867 

1,4846 

1,4630 

R.a 

83°  32' 

69°  25' 

64»  35' 

10'  12' 

Bei  dem  zweiten  Prisma  coiucidirten  die  beiden  ge- 
brochenen Bilder  in  der  Lage  der  Minimal-Absenkung. 

Die  Orientirung  der  Prisma  gegen  die  Axen  a  und  b 
wurde  bestimmt  mittelst  der  Flächen  des  vertikalen  Prismas. 

Der  scheinbare  Winkel  der  optischen  Axen,  bestimmt 
mittelst  zweier,  zu  (1  0  0)  parallel  geschnittener  Platten,  war: 

lte  Platte  .  .  {AB)  =  70°  58' 
2te  Platte    .    .    (AB)  m*  71°  08'. 

Aus  den  anomalen  Indexen  vt  berechnete  man  mittelst 
der  Formel  (15)  die  Werthe  der  beiden  Hauptbrechungs- 
indexe fim  und  (a>,  während  die  ut  direct  gefunden  wurden. 

1)  Sitzungsberichte  der  K.  K.  Akad.    Bd.  XXVII,  S.  23. 


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549 

Die  Resultate  der  Bestimmungen  sind: 


c  . 

f 

.  1,4544 

1,4812 

1,4776 

D  . 

.  1,4568 

1,4836 

1,4801 

¥  . 

.  1,4620 

1,4897 

1,4860 

Aus  dem  scheinbaren  Winkel  (AB)  =  71° 3'  erhält  man: 

4£  =  46°14'. 
Die  Dispersion  der  optischen  Axen  ist  sehr  schwach. 
De  Senarmont  gab:1) 
ß  =  1,483  bis  1,486,  (AB)  =  64°  18',  AB  =  44°  2>. 
Des  Cloizeaux  beobachtete:*) 

(A  B)D  =  70°  23',  (A  B)r  =  70°  6'  und  p  >  v, 
während  Grailich  und  v.  Lang  fanden:») 

Q>  v. 

55.    Schwefelsaures  Nickelt  Ni  SO*  +  7H«  O. 

a.  b  '.c  =  1  :  0,9815:  0,5656  (Marignac). 

Die  Krystalle  sind  in  ihren  Hauptformen  vollkommen 
denen  der  beiden  vorhergehenden  Salze  ähnlich.  Spalt- 
barkeiten vollkommen  nach  (10  0): 

110:  ll0  =  91ff04',  011  :  Oll  =59°  54'. 

Die  optische  Orientirung  ist  analog  der  des  Magnesia- 
und  der  des  Zinksalzes,  nämlich 

a  c  6. 

Die  Prismen  waren  parallel  der  vertikalen  Axe  c  ge- 
schnitten : 


p 

68°  58' 

71°  22' 

73°  18' 

71°  22' 

\D    .  . 

1,4887 

1,4886 

1,4893 

1,4887 

fF    .  . 

1,4952 

1,4948 

1,4949 

1,4949 

\D    .  . 

1,4910 

1,4911 

1,4801 

1,4672 

\F    .  . 

1,4972 

1,4972 

1,4853 

1,4737 

R:a 

78"  57' 

80"  9' 

45*  31' 

8°  47' 

1)  Ann.  de  chim.  et  de  phys.    Ser.  III.    T.  XXXIII. 

2)  Ann.  de  Mine*.    Str.  V.    T.  XIV,  p.  376. 

3)  Sitzungsberichte  der  K.  K.  Akad.    Bd.  XXV11.    S.  24. 

36* 


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550 

Die  anomalen  Indexe  vr  geben  mittelst  der  bekannten 
Formel  die  beiden  Hauptindexe  pm  und 

Der  scheinbare  Winkel  der  optischen  Axen  ist: 

lte  Platte  .  .  (AB)  =  64°  16' 
2te  Platte  .  .  (AB)  =  te°29' 
3te  Platte    .    .    ( A  B)  =  64°  20' 

Die  mittleren  Werthe  der  Bestimmungen  sind: 

D    .    .    1,4669       1,4921  1,4888 
F   .    .    1,4729       1,4981  1,4949 
(AB)  =  64°  22' 

woraus : 

4#  =  41°56\ 

Brewster  hat  früher  gefunden: 

AB  =  42»  4' 
V.  v.  Lang  giebt:1) 

(^jB)  =  64°  12',  q>v 

und  den  mittleren  Index: 

/?=  1,4660,  1,4672,  1,4700 

(für  die  rothen,  gelben  und  grünen  Strahlen).  Diese 
Werthe  sind  viel  geringer  als  die,  welche  wir  mit  einer 
ziemlich  grossen  Anzahl  von  Prismen  gefunden  haben. 
Des  Cloizeaux  erhielt:*) 

(A  B),  =  64°  24'  und  (.4  B),  =  63°  45'. 

56.    Selensaurca  Kadmium:  *)  Cd  Se  O4  •+-  2  H'  O. 
a  :  6  :  c  ==  1  :  0,9753  :  0,8764. 
Kleine  Tafeln  (10  0),   seitlich   begränzt  durch  die 
Flächen  des  Octaßders  (111)  und  des  horizontalen  Pris- 
mas (0  2  1).   Spaltbarkeit  sehr  ausgesprochen  nach  (1  0  0). 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  winkelrecht  zu  den 
Flächen  (10  0)  und  parallel  zu  der  horizontalen  Kante 

1)  Sitzungsberichte  der  K.  K.  Akad.    Bd.  XXXI.    S.  99. 

2)  Ann.  des  Mines.    Sfr.  V.     T.  XIV,  p.  476. 

3)  Die  krystallographische  Beschreibung  dieses  Salzes  findet  sich  in: 
„Krystallodrafisk  Kemiske  ( "ndertögelser  wer  de  selensure  Saite,  af 
Toptoe,  Kjöbenhavn  1870." 


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551 


0  2  1:02  1,  die  Halbirungslinie  des  stumpfen  Winkels 
fällt  zusammen  mit  der  Axe  a.  Die  optische  Orientirung 
ist  folglich:  tab. 

Wegen  der  Kleinheit  und  tafelförmigen  Entwickelung 
der  Krystalle  haben  wir  uns  darauf  beschränken  müssen, 
den  stumpfen  Winkel  der  Axen  um  die  Halbirungslinie 
in  Oel  zu  messen. 

lte  Platte.  [(AB)]  =  133°  06'    e'  =  0»",525    JV  =  8,0 
2te  Platte  .  [(AB)]  =  el33  12    e'  =  0-ffl,765    JV'  =  11,5 
3te  Platte  .  [(AB)]  =  130  58 
4  te  Platte  .  [(AB)]  =  cl31  08 

Die  Platten  2  und  4  gaben  nur  approximative  Werthe. 
Als  wahrscheinlichsten  Werth  des  stumpfen  Winkels  der 
Axen  in  Oel  nehmen  wir  das  Mittel  der  beiden  anderen 
Platten : 

[(AB)]  =  131°  2'. 

Die  Axen  können  nicht  durch  die  Flächen  (10  0)  in 
die  Luft  austreten.  Die  Beobachtungen  der  schwarzen 
Ringe  geben  mittelst  der  gewöhnlichen  Formel : 

Ju,  —  p,  =  0,0089  für  den  Strahl  D. 
57.    Selenaaures  Mangan:  Mn  Se  O4  H-  2H"  O. 

a  :  b  :  c  =  1 :  0,9959  : 0,8849. 

Die  Krystalle  sind  denen  des  vorhergebenden  Salzes 
vollkommen  ähnlich,  abgerechnet,  dafs  die  Flächen  (0  2  1) 
sich  hier  nicht  finden. 

Spaltbarkeit  kaum  wahrnehmbar  parallel  der  Fläche 
(10  0). 

Die  Orientirung  ist  wie  bei  dem  Kadmiumsalze: 

c  ab. 

Der  stumpfe  Winkel  der  Axen  in  Zimmtöl  wurde  be- 
stimmt mittelst  Platten,  die  den  Flächen  (10  0)  parallel 
waren. 

lte  Platte  .  [(AB)]  =  11 8° 42'  e'  =  0-m,545  JV'=  11,5 
2te  Platte  .  [(AB)]  =  118°25'    e'  =  0»»,530    jy  =  11. 


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552 


Aus  dem  Winkel  in  Zimmtöl  wurde  der  in  gewöhn- 
lichem Oel  abgeleitet: 

l(ÄB)]  =  139°  30'. 

Der  Austritt  der  Axen  um  die  Halbirungslinie  des 
stumpfen  Winkels  herum  in  die  Luft  ist  also  unmöglich. 

Aus  der  Anzahl  der  die  Halbiruugslinie  des  stumpfen 
Winkels  umgebenden  schwarzen  Ringe  erhält  man: 

^  —  ,u,  =  0,0123  für  den  Strahl  D. 

58.    Doppeltweinsaures  Ammoniak:  NH4 .  H .  C*  H*  O6. 

a:b:c=l  :  0,7086  :  0,6933  (De  la  Provostaye). 

Längliche,  gefurchte  oder  gestreifte  Prismen  (1  1  0), 
deren  stumpfe  Kanten  abgestumpft  sind  durch  eine  Reihe 
von  Flächen,  nämlich  der  Prismen  (2  10)  und  (3  10) 
und  der  Form  (10  0).  Sie  endigen  in  den  Flächen  des 
horizontalen  Prisma  (10  1)  und  des  primitiven  Octaeders 
(1  1  1).  Die  Krystalle  sind  klar  und  vollkommen  glän- 
zend; wegen  der  vertikalen  Furchen  geben  indefs  blofs 
die  Endflächen  deutlich  reflectirte  Bilder.  Spaltbarkeit 
vollkommen  nach  der  Ebene  (010): 

1  1  0  :  1  1  0  =  70°  38'    .10  1:10  1  =  69«  28'. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  den  Flächen 
des  Prisma  (110)  und  winkelrecht  zur  Ebene  (10  0), 
deren  Normale  zusammenfallt  mit  der  Halbirungslinie  des 
scharfen  Winkels.  Der  Charakter  ist  negativ.  Die 
Orientirung  ist: 

a  b  c. 

Die  brechenden  Prismen  waren  sowohl  der  Axe  c  als 
der  Axe  b  parallel  geschnitten. 
Prismen  parallel  der  Axe  c: 

p  70°  12\5  32»  29',5  34°  39\5  53°  35"  56»  75' 

f  C.    .  1,5582  1,5526  1,5545  1,5280  1,5244 

v,  ]  D.    .  1,5616  1,5554  1,5575  1,5309  1,5271 

(F.    .  1,5698  1,5638  1,5658  1,5378  1,5338 


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553 

C  .    .    1,5851      1,5852     1,5873  1,5880  1,5868 

D  .    .    1,5921      1,5897     1,5914  1,5921  1,5907 

F  .    .    1,6011      1,5978     1,6002  1,6012  1,5998 

R  :a     SS"  Ab'      73°  45'       72"  40'  26*  48'  28°  4* 

Die  Orientirung  der  Prismen  wurde  mittelst  der  natür- 
lichen Flächen  der  Priemen  (110)  bestimmt. 

Prismen  parallel  der  Krystallaxe  b: 

P        70»  21'         54°  59' 
iC   ,    .    1,5579  1,5576 

i  F   .    .    1,5696  1,5690 


C    .    .    1,5785  1,5710 
F    .    .    1,5907  1,5830 
R:a      69u54'  62"  30' 

Der  Winkel  zwischen   den   optischen  Axen   in  Oel 

wurde  bestimmt  mittelst  Platten,  die  parallel  (10  0)  ge- 
schnitten waren. 

1  te  Platte    .    .  [(^4  B)]  =  86°  4'    e  =  0-",655    JV  =  32 

2 te  Platte   .    .  [(^B)]  =  86°0'    e  =  0»"\500    JV  =  25 

3te  Platte   .    .  [(^B)]  =  86°3' 

Die  direct  durch  die  Prismen  erhaltenen  Indexe,  so- 
wohl die  hauptsächlichen,  wie  die  anomalen,  dienten  auf 
folgende  Weise  zur  Bestimmung  der  definitiven  Werthe 
des  Hauptindex. 

Die  pk  der  beiden  letzten  Prismen,  und  die  v,  der  ersten 
Reihe  von  Prismen  gaben  durch  die  Formel  (15): 

C  D  F 

!*>  .  .  1,5577  (1,5608)  1,5689 
u.    .    .    1,5153       (1,5188)  1,5277 

wo  die  Werthe  für  den  Strahl  D  durch  Interpolation  be- 
rechnet wurden. 

Die  Anzahl  der  in  den  Platten  beobachteten  Ringe 
gab  den  Unterschied  (/*, —  «t)D  =0,0290,  woraus  durch 
Substitution  des  für  «,  gefundenen  Werthes: 

fAk  =  1,5620  für  die  Linie  D. 


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554 

Dieser  Werth  stimmt  ziemlich  zu  den  oben  durch  Inter- 
polation gefundenen. 

Die       combinirt  mit  den  vhi  geben  hierauf: 

C  F 
fim    .    .    1,5184  1,5280 
.    .    1,5868  1,5995 

Die  fi.  stimmen  ziemlich  mit  den  aus  /ut  und  v.  abge- 
«    leiteten  Werthen,  während  die  n,  mit  den  Mitteln  aus  den 
direct  für  ur  gefundenen  Werthen  übereinstimmen. 
Die  Mittel  aus  allen  Bestimmungen  sind: 


c  . 

.  1,5168 

/<» 
1,5577 

1,5861 

D  . 

.  1,5188 

1,5614 

1,5910 

F  . 

.  1,5279 

1,5689 

1,6000. 

[(A  B))  =  86°  2' 
giebt  den  wahren  Winkel 

AB-,,  =  79°  54'. 

Die  optischen  Axen  können  nicht  in  die  Luft  austreten. 
Hr.  v.  Lang  hat  früher  gefunden:1) 

[U  B)]  =  85«  20'  und  g  >  v. 

59.    Weinsaures  Antimon -Ammoniak  (Ammoniak  -  Brech  Weinstein) : 
2(NH4.SbO.C4H406)  +  H«  O. 

a:b:c=  1  .0,9259:0,8261  (De  la  Provostaye). 

Octaeder,  deren  scharfe  Kante  63°  18'  durch  die 
Flächen  (100)  abgestumpft  ist,  und  deren  Ecken  abge- 
stumpft sind  durch  die  wenig  entwickelten  Flächen  des 
Gegen-OctaSder8  und  des  horizontalen  Prisma  (0  1  1). 

Spaltbarkeit  vollkommen  parallel  der  Ebene  (1  0  0). 

Die  Ebene  der  optischen  Axe  ist  parallel  den  Krystall- 
axen  6  und  c;  die  Axe  c  co'incidirt  mit  der  Halbirungs- 
linie  des  scharfen  Winkels.    Der  Charakter  ist  negativ. 

Die  Orientirung  ist: 

b  a  c. 

1)  Sitzungsberichte  der  K.  K.  Akad.    Bd.  LV. 


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555 


Wegen  der  Bröcklichkeit  der  Krystalle  haben  wir  aus 
ihnen  keine  zur  Bestimmung  der  drei  Brechungsindexe 
dienlichen  Prismen  zu  schleifen  vermocht.  Mittelst  zweier 
tetra§drischen  Krystalle,  deren  Kante  am  Ende  der  Axe  a 
als  brechendes  Prisma  angewandt  wurde,  haben  wir  die 
Indexe  um  bestimmen  können,  weil  die  Halbirungslinie  dieser 
Prismen  zusammenfallt  mit  der  Axe  a. 

p        63°  13',5       62°  35\5  Mittel. 

u.  C   .   .    1,6233       1,6225  1,6229. 

Winkel  zwischen  den  optischen  Axen  in  Oel.  —  Wegen 
der  ausserordentlichen  Leichtigkeit,  mit  welcher  die  Kry- 
stalle nach  (1  0  0)  spalten,  ist  es  ungemein  schwierig,  brauch- 
bare Prismen  zu  den  Bestimmungen  zu  schneiden.  Indefs 
ist  es  uns  doch  geglückt,  eine  ziemlich  normal  gegen  die 
Halbirungslinie  d.  h.  gegen  die  Krystallaxe  6  liegende 
Platte  zu  erhalten.  Die  Dispersion  der  Axen  ist  sehr 
stark,  o  >  v.  Der  in  Oel  beobachtete  Winkel  [(AB)]  = 
76°  28'  giebt: 

(AB)  =  130° 46'  und  AB  =  68°  8'. 

Es  ist  jedoch  zu  bemerken,  dafs  weder  der  Winkel 
der  Axen,  noch  der  mittlere  Index  eine  grosse  Ge- 
nauigkeit besitzt. 

60.    Weinsaares  Antimon-Kali:  8(SbO.K.C*  H*  Oe)  -+•  H'O. 

a:6:c=  1  :  0,9049  :  0,8645  (Brooke). 

Die  octaedrischen  Krystalle  waren  denen  des  Ammo- 
niaksalzes vollkommen  ähnlich.  Auiser  der  Spaltbarkeit 
nach  (10  0),  beobachtet  man  solche  ziemlich  gute  parallel 
den  Flächen  (0  1  0)  und  (0  0  1). 

Die  optische  Orientirung  ist  der  des  vorhergehenden 
Salzes  analog: 

Die  Flächen  der  Prismen  waren  möglichst  parallel  den 
Octagderflächen  geschnitten,  so  dafs  die  Halbirungslinie 
der  brechenden  Prismen  zusammenfiel  mit  der  Axe  a. 


556 


A 


c  . 

D  . 
F  . 

C  . 
D  . 
F  . 

R:b 


OO  Ol 

DO  IU 

1  6238 

1.6237 

1,6288 

1,6288 

1,6421 

1,6420 

1,6308 

1,6303 

1,6362 

1,6358 

1,6498 

1,6496 

43°  42'. 


Das  gebrochene  Bild,  dessen  Schwingungen  parallel  der 
Mittellinie  waren,  giebt  in  diesem  Fall  direct  die  Indexe  um. 

Die  folgenden  Prismen,  geschnitten  nach  Flächen,  die 
den  natürlichen  (111)  und  (0  01)  möglichst  parallel 
waren,  gaben  die  beiden  anomalen  Indexe  vt  und  vtt. 


p 

53°  5' 

62°  56' 

58°  4' 

i  c  .  . 

1,6169 

1,6166 

1,6165 

\  D  .  . 

1,6222 

1,6217 

1,6214 

f  F  .  . 

1,6351 

1,6345 

1,6344 

C  .  . 

1,6318 

1,6323 

1,6313 

1,6372 

1,6378 

1,6367 

(  F   .  . 

1,6511 

1,6514 

1,6500 

V,I 


Winkel  zwischen  den  optischen  Axen  in  Oel.  —  Zwei 
Platten  winkelrecht  geschnitten  gegen  die  Axe  6  oder  die 
Halbirungsiinie  des  scharfen  Winkels  gaben: 

1  te  Platte  .  .  [{AB)]  =  47° 50'  e  =  l—,620  JV  —  6,5 
2te  Platte  .    .    [(AB)]  =  46°31'    e  =  0    ,695    N  =  2. 

Die  Dispersion  der  Axen  war  sehr  kräftig  g  >  v. 

Aus  der  Anzahl  der  Ringe  ergab  sich  —  ^#)D  = 
0,00217,  was  mit  Hülfe  des  für  fia  gefundenen  mittleren 
Werthes  giebt: 

ji,  =  1,6387  für  die  Linie  D. 

Der  Winkel  der  Axen,  combinirt  mit  den  oben  berech- 
neten  u,  giebt  mittelst  der  gewöhnlichen  Formel: 

u,  =  1,6196, 


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557 


was  vollkommen  übereinstimmt  mit  dem  Werthe  1,6203, 
der  aus  den  anomalen  Indexen  v  der  beiden  ersten  Pris- 
men und  dem  oben  berechneten  /i,  hergeleitet  ist. 

Die  anomalen  Indexe  v,  und  vu  und  der  Winkel  der 
Axen  geben  endlich  durch  Rechnung  die  vollständigen 
Werthe  der  Hauptbrechungsindexe  ju*  und  |M0  nämlich: 

pA   .    .    1,6148       1,6199  1,6325 
.    .    1,6322       1,6375  1,6511 

Die  durch  diese  verschiedenen  Methoden  erhaltenen 
Mittelwerthe  sind: 


c 

.    .  1,6306 

1,6148 

1,6322 

D 

.    .  1,6360 

1,6199 

1,6375 

F 

.    .  1,6497 

1,6325 

1,6511 

(A  B)  =  72° 

50'    AB  42° 

34'. 

Die  optischen  Eigenschaften  dieses  Salzes  sind  früher 
von  Hrn.  v.  Lang  beschrieben  worden.  Er  fixirte  die 
optische  Orientirung  und  fand :  l) 

(AB)  =  75«  30';  p  >  v, 

während  Des  Cloizeaux  bekam:1) 

01  B)r  =  85°  20'       (A  B)„  =  83"  10'. 

Der  von  ihm  gefundene  scheinbare  Winkel  der  opti- 
schen Axen  stimmt  nicht  mit  dem  von  uns  erhaltenen,  der 
auch  wenig  von  dem  des  Hrn.  v.  Lang  abweicht.  Es 
scheint  uns  wahrscheinlich,  dafs  die  Krystalle,  welche  Hr. 
Des  Cloizeaux  zu  seinen  Bestimmungen  anwandte,  iso- 
morphe Gemenge  von  beiden  Brechweinsteinen  waren; 
der  Ammoniak  -  Brechweinstein  besitzt  einen  beträchtlich 
grösseren  Winkel  zwischen  den  optischen  Axen  als  der 
gewöhnliche  Brechweinstein. 

1)  Sitzungsberichte  der  K.  K  Akad.    Bd.  XXXI.    S.  110. 

2)  M€m.  des  Sav.  etr.    T.  XVIII,  p.  566. 


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558 


IV.    MonoklinoSdrische,  zweiaxige  Krystalle. 

61.    Selensaure  Magnesia:  ')  Mg  SeO*  -h  6H'  O. 

a:b:c  mm  1,3853:1:1,6850,  ac=  81° 28'. 

Dies  Salz  ist  vollkommen  isomorph  mit  dem  ent- 
sprechenden schwefelsauren,  welches  Hr.  Marignac  frü- 
her beschrieben  hat. 

110:  lTO  =  107°  45';  001:101  mm  55°  44. 

Spaltbarkeit  vollkommen  parallel  den  Flächen  10  1. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  der  Sym- 
metrie-Ebene, der  Charakter  negativ.  Der  Winkel,  welchen 
die  Halbirungslinie  mit  derNormale  der  Fläche  (1  0  1)  macht, 
wurde  an  drei  Platten  bestimmt: 

lte  Platte  .  .  a:(0 0  1)  =  35° 4' 
2 te  Platte  .  .  a:(001)=»35  15 
3 te  Platte    .    .    et: (0  0  1)  =  36  28 

Mittel:  . 

,      0_:(001)  =  35°36',  woraus  c:(1  00)  —  27°  4'. 
Die  optische  Orientirung  ist  also: 

ab  (0  01)  =  35° 36'. 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel.  —  Die  Platten  waren 
so  geschnitten,  dafs  sie  die  scharfe  Kante  (100)  (10  0) 
abstumpften;  sie  machten  einen  Winkel  von  145°  mit 
der  Basis: 

1  te  Platte  .  .  [(4  B)]  =  28°  42'  e  =  1,310  JV  =  4,5 
2te  Platte    .    .    [(AB)]  mm  28  33    e  =  1,310    JV  mm  4,5 

Prismen  parallel  der  Symmetrie- Axe  geschnitten: 

p  35°  56'  35°  48'  55»  22'  47*  12' 

r  C  .  .  1,4869  1,4863  1,4867  1,4858 

fl )  D   .  .  1,4894  1,4889         —  — 

(  F   .  .  1,4970  1,4966  1,4970  1,4955 

1)  Siehe  die  rorhin  citirte  Schrift  von  H.  Topsoe. 


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559 


Aus  diesen  Bestimmungen  gehen  folgende  Werthe  für 
den  mittleren  Brechungsindex  hervor: 

(  C    .    .  1,4864 
ß  )  D    .    .  1,4892 
(  F    .    .  1,4965 

Die  Beobachtungen  der  Anzahl  der  durch  die  Platten 
gesehenen  Ringe  ergaben:  , 

(y—ß)D  mm  0,0021,  woraus  ;-D  =1,4911. 

Dieser  Werth,  combinirt  mit  ßD  und  AB,  giebt: 

ttjy  =  1,4856. 

Aus  dem  Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel  [(AB)']  = 
28°  37'  ergiebt  sich : 

(AB)  =  42° 33'  und  AB  =  28°  12'. 

62-    Selensaures  Kobalt:  Co  Se  0«     6Ha  O. 
a  :  b  :  c  =  1,3709  :  1 : 1,6815:  ac  =  81°  46'. 

Die  Krystalle  sind  denen  des  vorhergehenden  Salzes 
ähnlich ;  ihre  Flächen  sind  oft  zerfressen  und  glänzen 
wenig.    Spaltbarkeit  vollkommen  parallel  101: 

110:  110  =  107"  13',  00  1  : TO  1  =  55°  48'. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  der  Sym- 
metrie-Ebene, der  Charakter  negativ.  Eine  einzige  Platte, 
geschnitten  parallel  der  Symmetrie-Ebene,  gab  als  Winkel 
zwischen  der  Normale  (0  0  1)  und  der  Halbirungslinie : 

a:  (00  1)  =  42° 56'  woraus  c  =  (1  0 0)  =  34°  42'. 

Die  optische  Orientirung  ist  demnach: 

a,h  (00  1)  =  42°  56'. 

Wegen  der  Bröcklichkeit  der  Krystalle  war  es  schwierig, 
Platten  normal  zur  Halbirungslinie  zu  schneiden.  Der 
Winkel  der  optischen  Axen  wurde  daher  bestimmt  mittel  *t 
Platten,  die  entweder  der  Basis  oder  der  Spaltungsebene 
(101)  parallel  waren. 

lte  Platte  parallel  mit  (0  0  1);  Charakter  negativ.  Der 
Winkel  der  Axen  in  Oel: 


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560 


KAtBt)]  =»  8°  34',   e,  =  1,410,    Nt  —  0,5. 

Da  die  Orientirung  der  Platte  (0  01)  war  a :  42°  56', 
so  wird  der  wahre  Winkel,  hergeleitet  aus  dem  beobach- 
teten, AB  =  7°  8'. 

2te  Platte  parallel  mit  (TOI),  Charakter  negativ. 

[(4m*J>]  -  7«  27'. 

Aus  der  Orientirung  der  Platte  a:(T0  1)  =  12°  52'  er- 
giebt  sich  für  den  wahren  Winkel  AB  =  7°  18'. 

Prismen  parallel  der  Symmetrie- Axe  geschnitten: 

/>        50"  27'         58«  15'        54°  56',5 
{  C   .    .    1,5187         1,5194  1,5169 
P  (  D   .    .    1,5225         1,5225  — 

Die  mittleren  Werthe  sind: 

A,—  1,5183      /?D  =  5225. 

Aus  der  Anzahl  der  in  der  ersten  Platte  beobachteten 
Ringe  folgt: 

(r  —  ß)»=  0,0002,  woraus  yD  =  1,5227. 

Die  beiden  Hauptbrechungsindexe  y  und  ß  sind  dem- 
nach fast  gleich.  Unter  diesen  Umständen  ist  es  unmög- 
lich, den  Index  et  mittelst  ß  und  AB  mit  Genauigkeit 
zu  bestimmen. 

63.    Selensaure»  Magnesia-Ammoniak:  MgSe O* .  Am*  SeO4  ■+•  6H 'O. 

a  :  c :  c  mm  0,7414  :  1 : 0,4968,  ac  =  73°  23'. 

Die  Krystalle  waren  verkürzte  Prismen  (1  1  0),  abge- 
stumpft auf  der  scharfen  Kante  durch  (0  10)  und  begränzt 
durch  die  Basis  (0  01)  und  das  horizontale  Prisma  (0  1  1). 
Aufser  diesen  Flächen  finden  sich  noch  sehr  wenig  ent- 
wickelte Flächen  des  Octaöders  (111)  und  des  Prisma 
(20  1).    Spaltbarkeit  ziemlich  deutlich  parallel  (2  01). 

1  1  0  :  1  TO  =  70°  47';  0  1  1  :  Ol  1  =  50°  54',5. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  der  Sym- 
metrie-Ebene, der  Charakter  ist  positiv.     Der  Winkel, 


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561 

welchen  die  Halbirungslinie  des  stumpfen  Winkels  mit  der 
Normale  der  Basis  macht,  ist: 

lte  Platte  .  .  a  :(0  0  1)  —  16°  24' 
2te  Platte    .    .    a  :(0  0  1)  =  17°  50' 

wo  raus : 

o:(0  01)  =  17°  T  und  c:(l  0  0)  =  0°  30'. 

Die  optische  Orientirung  ist: 

(0  01)bc  =  72°  53'. 
+ 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel: 

lte  Platte  .  [(AB)]  =  55°27',  e  =  1—,  130  iV=  3,5— 3,75 
2te  Platte  .  [(AB)]  =  55"  8',    e  mm  2    ,265    N  mm  7,5 

Dispersion  der  Axen  sehr  schwach. 
Prismen  parallel  der  Symmetrie-Axe. 

p  46°  23'  47°  45'  49°  41'  Mittel. 

•  C   .  .  1,5041  1,5046  1,5050  1,5046 

ß  )  D    .  .  1,5069  1,5078  1,5079  1,5075 

(  F    .  .  1,5136  1,5152  1,5147  1,5146 

Die  Beobachtungen  der  Anzahl  der  Ringe  in  den 
Platten  gaben: 

0*— *)d  =  0,0019,  woraus  aD  =  1,5056. 
Aus  den  Werthen  \on  AB,  aD  und  t%  ergiebt  sich: 

yD  =  1,5150. 

Der  Winkel  der  Axen  in  Oel  [(AB)]  =r  55°  17'  giebt 
für  den  scheinbaren  und  den  wahren  Winkel: 

04 mm  85°  56',  AB»  mm  53°  44'. 

64.    Selensanres  Magnesia  -  Kali :  MgSeO4  K*  Se04-h  6H»  O. 

a  :  b  :  c  =  0,7447  :  1 :0,5014,  ac  mm  75°42',5. 

Beobachtete  Formen:  (1  10),  (0  0  1),  (2  0  1),  (0  1  1). 
Spaltbarkeit  ziemlich  leicht  nach  den  Flächen  (2  0  1): 

110:  110  =  71°  38';  0  1  1  :0ll  =  51°  10'. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie- 
Ebene,  der  Charakter  positiv.     Die  beiden  Halbirungs- 


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562 

Ihnen  machen  mit  den  Normalen  der  Flächen  (0  0  1)  und 
(10  0)  die  folgenden  Winkel: 

Ite  Platte  .  .  (10  0):  c  =  12°  55' 
2  te  Platte    .    .    a:(001)=  2°  39' 

Mittelwerthe  beider  Beobachtungen: 

a  :  (0  0  1  =  2"  0';  c :  (1  0  0)  =  12°  16'. 

Die  optische  Orientirung  wird  folglich  ausgedrückt 
durch  die  Formel: 

(001)bc  =  88°  0'. 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel: 

lte  Platte.  .  [(AB)]  =41°  20'  e  =  0mB,,750  JV  =  2,5 
2te  Platte  .    .    [(AB)]D  =  41°  10'    e  =  0   ,714    JV  =  2,5 

Prismen  parallel  der  Symmetrie- Axe: 

P  42°  31'  52°  48'  Mittel. 

i  C    .    .  1,4941  1,4944  1,4942 

ß\ü..  1,4968  1,4973  1,4970 

(  F   .    .  1,5039  1,5040  1,5039 

Durch  die  oben  angewandten  Methoden  erhält  man: 
(ß—a}D  =  0,0020,  woraus  aD  =  1,4950 
und  aus  den  Werthen  von  AB,  orD,  ßD  ergiebt  sich: 

yD=  1,5120. 
Der  Winkel  [(AB)]D  mm  41°  10'  giebt: 

(AB)d  =  62°  12'  und  ABD  mm  40° 


65.    Selensaures  Zink- Ammoniak:  ZnSeO4 .  Am*  Se  O  1  -h  G  H*  O. 
a  :  b  .  cn=  0,7416:  1:0,5062;  ac  =  73°49'. 

Krystallform  und  Spaltbarkeit  wie  bei  den  vorherge- 
henden Salzen: 

110:  lTO  =  70°  55',  011:011=  51°  52'. 
Ebene  der  optischen  Axen  orientirt  wie  bei  allen  ana- 
logen Salzen  parallel  der  Symmetrie -Ebene.  Charakter 
positiv.    Die  Halbirungslinie  des  stumpfen  Winkels  macht 
mit  der  Normale  der  Basis  einen  Winkel  von  13°  4'. 


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563 

lte  Platte  .  .  o:(00  1)=  13°7' 
2te  Platte    .    .    a  :  (0  0  1)  =  13°  2' 

woraus: 

a:(001)=  13° 4',  c:(100)  =  3°7'. 

Optische  Orientirung  (1  0  0)  b  c  —  76°  56'. 
Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel: 

lte  Platte  .  .  [(AB)]  =  85H18';  e  =  1™,0M;  Nmm  10,25 
2te  Platte  .    .    [(AB)]  —  85°42';  e  =  0  ,820;  JV=  8,25 

Die  Dispersion  der  Axen  ist  sehr  schwach. 

Brechende  Prismen  parallel  der  Symmetrie  -Axe  ge- 
schnitten: 

p  40°  30'  47°  28'        44°  55',5  Mittel. 

C    .    .  1,5256  1,5260       1,5261  1,5259 

ß  ]  D  .    .  1,5289  1,5288       1,5298  1,5292 

(  F    .    .  1,5367  1,5362       1,5369  1,5366 

Aus  den  Beobachtungen  der  Anzahl  der  Ringe  und 
dem  Winkel  der  Axen  erhält  man: 

aD  mm  1,5233;  yD  =  1,5372. 

Die  Werthe  des  scheinbaren  und  des  wahren  Winkels 
sind: 

(AB)D  =  141°  20'  und  ABD  =  81°  22'. 

66.    Selensaures  Ziok-Kali:  ZnSeO«.K'  SeO*  -h  6H»0. 
a:b:c  =  0,7441 :  1 : 0,5075,  a  c  =  75°  46'. 

Krystallform  und  Spaltbarkeit  wie  bei  den  vorherge- 
henden Salzen: 

110:  lTO  mm  71°  36';  0  1  1  :  OTl  mm  52°  23'. 

Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie-Ebene ; 
Charakter  positiv. 

1  te  Platte    .    .    a  :  (0  0  1)  =  0°  46' 

2  te  Platte    .    .    a  ;  (0  0  1)  =  2°  36'. 

Aus  den  Mittel werthen: 

a:(001)  =  1°41'  und  (100):  c  =  12°  83' 

PoggentlorfTs  Annal.    Ergäuzungsbd.  VI.  37 


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564 

ergiebt  sich  für  die  Orientirung: 

(0  0  1)  b  c  =  88°  19'. 
+ 

Winkel  der  optischen  Axen.  —  Dispersion  sehr  schwach. 

lte  Platte  .  [(AB)]  —  68ü53',  e  —  0"ro,700,  iV  =  6,75 
2te  Platte  .  [(40)] —  68°  56',  [(4£)]D  =  68rt38',  e==  1--225, 

N=  13. 

Prismen  parallel  der  Symmetrie- Axe: 


ß 


p 

44°  25' 

50°  3' 

39°  45' 

Mittel. 

c.  . 

1,5146 

1,5151 

1,5146 

1,5148 

D.  . 

1,5175 

1,5182 

1,5175 

1,5177 

F .  . 

1,5244 

1,5251 

1,5260 

1,5252 

G'.  . 

1,5303 

1,5314 

v  1,5308 

Auf  die  gewöhnliche  Weise  ergiebt  sich  endlich: 

aD  =  1,5115;  y»  =  1,5327 
(AD)D  =  111°  50;  ABD  =  66D8'') 

67.    Selensaures  Kobalt-Ammoniak :   Co Se O4 .  Am9 SeO4  .6 H'  O: 
a:  b:c  =  0,7414  :  1  :  0,537;  ac  =  73°  37'. 

Die  Krystalle  sind  oft  opak  und  ihre  Flächen  gewöhn- 
lich gestreift.  Formen  und  Spaltbarkeit  wie  bei  den  vor- 
hergehenden Salzen. 

110:  lT0—  70°  51';  0  1  1  : Ol 1  =  51°  35'. 

Ebene  der  Axen  parallel  der  Symmetrie -Ebene;  Cha- 
rakter positiv. 

lte  Platte  .  .  a  :  (0  0  1)  =  13**36' 
2te  Platte    .    .    c  :(10  0)  =   2°  35'. 

Die  Mittelwertbe  für  den  Winkel  zwischen  den  beiden 
Halbirungslinien  und  den  Normalen  der  Flächen  (10  1) 
und  (10  0)  sind: 

a:(001)  =  13°  42'  und  (100):  c  =  2°  41'. 

1)  Diese  Werthe  sind  berechnet  aus  dem  Winkel  in  Ocl  [(AB)]d  — 
68°  38',  der  mit  der  zweiten  Platte  für  die  gelben  Strahlen  erhalten 
war. 


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565 


Orientirung:  (0  0  1)  6  c  =  76°  18'. 

+ 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel: 
lte  Platte,  normal  zur  Halbirungslinie  des  scharfen  Winkels: 

[(AB)]  =  86n  34',  e  =  0-n',970,  JV=  11. 
2te  Platte,  normal  zur  Halbirungslinie  des  stumpfen  Winkels: 
[(ÄB)]D  =  104°  0';  e'  =  0°"",765,  N'  —  1 1. 
Prismen  parallel  der  Symmetrie-Axe: 


p 

50°  8' 

38"  8' 

39°  1'9 

Mittel. 

c   .  . 

,  1,5282 

1,5275 

1,5284 

1,5280 

D    .  . 

1,5313 

1,5306 

1,5313 

1,5311 

F    .  . 

,  1,5289 

1,5391 

1,5395 

1,5392 

G'  . 

• 

1,5452 

1,5458 

1,5455 

Die  Zahl  der  Ringe  um  die  Halbirungslinie  des  schar- 
fen Winkels  giebt  durch  die  bekannte  Formel: 

(/*  _  «)D  =  0,0067,  woraus  erD  =  1,5244, 

während  die  Beobachtungen  an  der  gegen  die  andere  Hal- 
birungsplatte  winkelrechten  Platte  geben: 

(j—ß)v  =  0,0085,  woraus  yD  =  1,5396. ') 

Der  Winkel  der  Axen,  combinirt  mit  ßD  und  ;  D  giebt 
noch  einen  Werth  für  «D,  nämlich  «D  =  1,5248,  welcher 
sehr  gut  mit  dem  obigen  übereinstimmt. 

Der  Winkel  der  optischen  Axen  um  die  Halbirungs- 
linie des  stumpfen  Winkels  [(AB)]  =  104°  0'  giebt  den 
wahren  Winkel  AB  =  81°  46,  während  die  Beobachtung 
an  der  gegen  die  scharfe  Halbirungslinie  winkelrechten  Platte 
giebt  AB  =  82°  16'. 

Der  mittlere  Werth  wird  also: 

i4ß  =  82"  1'. 
Die  Axen  können  nicht  in  die  Luft  austreten. 

1)  Genau  dieselbe  Zahl  fanden  wir  mittelst  der  anomalen  Indexe,  die 
am  ersten  Prisma  beobachtet  wurden,  dessen  Orientirung  gegen  die 
Halbirungslinien  a  und  c  bekannt  war. 

37* 


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566 


68.    Selensaures  Kobalt-Kali:  CoSeO*  .  K1  SeO*  -f-  6H1  0. 
a  :  b  :  c  =  0,7379  :  1 : 0,5056,  ac  «  75°  50'. 
Kleine  gestreifte,  gewöhnlich  opake  Krystalle: 

110:  ll0  =  71°10V  011  :  Oll  —  52°  14'. 

Die  Ebene  der  Axen  ist  parallel  der  Symmetrie-Ebene. 
Mit  Hülfe  zweier  Platten  bestimmten  wir  die  Winkel, 
welche  die  Halbirungslinien  mit  den  Normalen  der  Flächen 
(10  0)  und  (0  0  1)  machen: 

lte  Platte    .    .    (1  0  0)  :  c  =  10°  2' 
2te  Platte    .    .    a(0  01)  —  2°  42'. 
woraus :  * 

a  :  (0  0  1)  —  3°  25'  und  c :  (1  0  0)  =  10°  45', 
so  dafs  die  Orientirung  wird: 

(0  0  1)Bc  =  86°  35. 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel: 

lte  Platte  .  .  [(AB)]  =  66°  11',  e  =  lu>«",425,  JV  =  14,5 
2te  Platte    .    .    [(AB)]  =  66° 30',  e  =  0    ,740,  iV  =  7,5 

Eine  dritte  Platte,  fast  winkelrecht  gegen  die  Halbi- 
rungslinie  des  stumpfen  Winkels,  gab: 

[(AB)]  =  124°  29',  e'  =  0'n",670,  N  =  18,5. 

Prismen  parallel  der  Symmetrie-Axe: 

P  57°  24'  55"  24'  44°  14'  Mittel. 

C    .  .  1,5163  1,5167  1,5155  1,5162 

ß  )  D    .  .  1,5192  1,5200  1,5193  1,5195 

{  F    .  .  1,5265  1,5270  1,5276  1,5270 

Die  Beobachtungen  der  Anzahl  der  die  beiden  Halbi- 
rungslinien umgebenden  Ringe  gaben  auf  bekannte  Weise 
die  folgenden  Werthe: 

(t1-a)D  =  0,0060       aD  =  1,5135 
(y  —  ß)D  =  0,0163        yQ  =  1,5358. 

Der  Winkel  der  Axen,  combinirt  mit  ßD  und  orD,  gab 
hierauf  für  ;  D  den  Werth  1,5354,  welcher  vollkommen  mit 
dem  anderen  übereinstimmt. 


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567 

Das  Mittel  aus  den  Messungen  des  scharfen  Winkels 
in  Oel  [04£)]  =  660  20'  gab: 

(A  B)  =  106°  58',  A  B  m*  63°  52'. 

69.    Selcnsaures  Nickel- Ammoniak :  Ni  Se  O4  .  Am"  Se  O4  H-  6  Ha  0. 
a:  b:  c  =  0,7378:  1:0,5042,  ac=  73°  41'. 

Krystallform  und  Spaltbarkeit  wie  bei  allen  analogen 
Salzen: 

1  1  0  :  1  TO  =  70°  36',  0  1  1  :  0T  1  —  57°  38',5. 

Ebene  der  optischen  Axeu  parallel  der  Symmetrie-Ebene; 
Charakter  positiv.  Für  den  Winkel  zwischen  der  Halbi- 
rungslinie  des  stumpfen  Winkels  und  einer  Normale  der 
Basis  fanden  wir: 

lte  Platte    .    .    a  :  (0  0  1)  =  16°  36' 
2te  Platte    .    .    a  :  (0  0  1)  —  17"  12', 

woraus : 

a  :  (0  0  1)  =  16°  54  und  c :  (1  0  0)  —  0°  36. 
Die  Orientirung  wird  also  ausgedrückt  durch: 

(0  0  1)  b  c  =  73°  6'. 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel: 

lte  Platte  .    .    [(AB))D  sfs  91° 20',  e  —  0— ,615,  N=  8,5 
2te  Platte.    .    [(AB)]  =91°  19',  e  =  0   ,616,  JV=  8,5— 9 

Die  Dispersion  der  Axen  sehr  schwach. 
Prismen,    parallel   der  Symmetrie  -  Axe  geschnitten, 
gaben  uns: 

p         34"  24'        24*  5'         33*  38'  Mittel. 

f  C   .    .    1,5335       1,5335       1,5333  1,5334 
ß  '  D   .    .    1,5379       1,5368       l,.r>369  1,5372 
(  F    .    .    1,5449       1,5440       1,5436  1,5441 

Die  beiden  anderen  Hauptindexe  und  a  für  die  Linie 
D  erhält  man  auf  die  bekannte  Weise: 

aD  =  1,5291,  yt>  =  1,5466. 
Der  Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel  [(//B)]D  =  91°  19 
giebt  für  den  wahren  Winkel: 


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$ 


568 

AB»  =  86"  14', 
während  der  scheinbare  Winkel  imaginär  wird. 

70.    Selensaures  Nickel-Kali:  Ni  Se  0« .  K3  Se  0*  +  6  H«  0. 
a:b:  c  =  0,7454:  1:0,5060;  ac  =  75°7  (G.  vom  Rath). 
110:  lT0  =  71°32';  Ol  1  :OTl  =  52°  7'. 

Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie-Ebene; 
Charakter  positiv.  Brechungsvermögen  schwach.  Eine 
einzige  Platte  gab  uns: 

a  :  (0  0  1)  =  6°  57',  woraus  (1  0  0)  :  c  =  7°  56. 

Die  Orientirung  ist  also: 

(0  0  1)  b  c  =  83°  3'. 

+ 

Winkel  der  optischen  Axen: 
lte  Platte  (nicht  strenge  normal  zur  Halbirungslinie)  gab: 

[(.*£)]  ==77M  5', 
2te  Platte:  [(  YB)]  =  76°  10',  e  =  0-»,480,  iV=  4. 

Wir  glauben  den  Werth  der  ersten  Platte  von  der 
Berechnung  ausschliefsen  zu  müssen,  haben  demnach  die 
Werthe  des  wahren  und  des  scheinbaren  Winkels,  so  wie 
den  von  yD  aus  dem  Winkel  =  76°  10'  abgeleitet. 

Prismen  parallel  der  Symmetrie-Axe: 

P  34°  18'  30°  57'  39°  54'  Mittel. 

i  C   .  .  1,5211  1,5194  1,5215  1,5207 

ß  ]  D    .  .  1,5246           —  1,5251  1,5248 

(  F  .  .  1,5317  1,5308  1,5321  1,5315 

Durch  die  bekannten  Rechnungen  erhält  man: 

«D=  1,5199;  y»=  1,5339  * 
(y/B)=  129"  56';  AB  =  72n  56. 

71.    Selensaares  Eisen- Ammoniak :  FeSeO*  .  Am*  SeO*  -+-  6H*  O. 

a  :  b:  c  =  0,7405  :  1 : 0,501 2;  ac=  73°  47'. 

Die  voluminösen  und  vollkommen  klaren  Krystalle 
waren  vollkommen  regelmäfsig  entwickelt.    Die  Flächen 


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569 


(2  01),  nach  welchen  das  Salz  ziemlich  leicht  spaltbar 
war,  waren  sehr  grofs. 

1  1  0  :  1  TO  =  70°  50';  0  1  1 1  Ol  1  =  51°  24". 

Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie- 
Ebene.    Charakter  positiv. 

lte  Platte  .  .  a  :  (0  0  1)  —  10°  14' 
2te  Platte    .    .    a  :  (0  0  1)  =   8°  32'. 

Die  mittleren  Werthe  der  Winkel,  welche  die  beiden 
Halbirungslinien  mit  den  Kormalen  der  Flächen  (0  0  1) 
und  (1  0  0)  machen,  sind: 

a:  (0  0  1)  =  9°  23'  und  (1  0  0)  :  c  =  6°  50'. 

Optische  Orientirung:  (0  0  1)  b  c  =  80°  37. 

+ 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel.  Dispersion  schwach. 

lte  Platte  .  .  [{AB)]  =  80" 22';  e  mm  2,325;  JV  =  23 
2 te  Platte    .    .    [(AB)]  =  80° 23';   e  =  0,810;   N  =  8. 

Die  parallel  der  Symmetrie-Axe  geschnittenen  Prismen 
waren  grofs  genug,  um  ihre  Orientirung  gegen  die  Halbi- 
rungslinien a  und  c  feststellen  zu  können: 

P 

i  C  . 
fl \D  . 
(  F  . 

\  °  ' 
v     D  . 

(  F  . 

R:c  . 

Mittelst  der  Formel  (15)  findet  man  hieraus  für  die 
beiden  unbekannten  Brechungsindexe: 

C  D  E 

a  =  1,5177  1,5199  1,5263 
y  =  1,5339       1,5358  1,5436 

Andererseits  geben  die  an  den  Platten  beobachtete 
Anzahl  der  Ringe  und  der  Winkel  der  Axen: 


49«  37' 

53°  30' 

1,5226 

1,5226 

1,5259 

1,5261 

1,5333 

1,5336 

1,5309 

1,5284 

1,5346 

1,5324 

1,5423 

1,5396 

15°  25' 

28- 17' 

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570 

«D  mm  2,5202  und  yD  =  1,5353, 
was  vollkommen  mit  den  anderen  übereinstimmt,  deren 
Richtigkeit  sie  also  bestätigen. 


ß 

r 

c 

.    .  1,5177 

1,5226 

1,5339 

D 

.    .  1,5201 

1,5260 

1,5356 

F 

.    .  1,5263 

1,5334 

1,5436 

(AB)=  142°  50', 

4B  = 

76°  48'. 

72     Seleneaure«  Knpfer-Ammoniak:  Cu  Se  O'  .  Am*  Se  O4  -f-  6H'  O. 

a:b  .c  =  0,7488  : 1 : 0,5 126;  ac  =  74°  27',5. 

Die  Krystalle  sind  gewöhnlich  nicht  gut  entwickelt, 
fast  alle  trübe  und  gestreift. 

1  1  0  :  llO  =  71°  37';  011:011=  52°  34'. 

Die  Ebene  der  optischen  Axen  ist  parallel  der  Sym- 
metrie-Ebene.   Der  Charakter  negativ. 

lte  Platte  .  .  (10  0):c  =  12°  16' 
2te  Platte    .    .    (10  0):c  =  12°  24', 

woraus: 

a:(00  1)  =  3M2';  (1  00):  c  =  12°  20'. 
Optische  Orientirung:  a^b  (0  0  1)  =  3°  12'. 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel.  —  Drei  Platten, 
geschnitten  normal  auf  die  Halbirungslinie  des  stumpfen 
Winkels,  gaben  nur  confuse  Bilder;  die  mit  diesen  Platten 
erhaltenen  Werthe  des  Winkels  der  Axen  verdienen  daher 
kein  Vertrauen.  Die  vierte  Platte,  normal  auf  die  Halbi- 
rungslinie des  scharfen  Winkels  geschnitten,  gab  dagegen 
ein  einziges  Bild,  in  welchem  die  Scheitel  der  Axen  sehr 
deutlich  waren. 

lte  Platte.    .    e'  =  0»»  530;  JV  =  13 
2te  Platte.    .    c' =  0    ,620;  JV'  =  15;  [(./£)]  —  c  127"  10' 
8te  Platte  .    .    e'  =  0    ,505;  JV'  =  12;  [(.*'£)]  =  c  130° 
4te  Platte  .    .    [(.*2?)]D  =  58"  9;  e  =  0,495;  N  -  4,75. 


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571 


p  59°  8'  32*  41' 

i  C  .    .  1,5318  1,5315 

ß  )  D  .    .  1,5353  1,5357 

(  F   .    .  1,5437  1,5436 


1,5317 
1,5355 
1,5437 


Mittel. 


Die  drei  ersten  Platten  geben: 

0?-«)d  =  0,0142, 


woraus : 

«D=  1,5213. 
Die  vierte  Platte  dagegen  giebt: 

<j  -  ß)D  —  0,0040, 

woraus: 

yDaas  1,5395») 
Der  Winkel  der  Axen  in  Oel  [(,*£)]  =  58°  9'  giebt: 
(^B)D  —  91°  6';  ^JB=-55°24'. 

73.    Selensanres  Knpfer-Kali :  Cu  Se  0*  .  K'  Se  0?  -f-  6  H1  0. 
a:ö:c  =  0,7489:  1:0,5230;  oc=  76°  41'. 
Kry8talle  fast  wie  die  des  Ammoniaksalzes: 

1  1  0  :  lT  0  =  72°  10';  0  1  1  :  Ol  1  =  53°  56' 

Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie- 
Ebene.    Charakter  negativ.    Eine  einzige  Platte  gab  die 

a  :  (0  0  1)  =  2°  26';  (1  0  0) :  c  =  10ö  53' 

Daraus  optische  Orientirung:  ab  (0  0  1)  =  2°  26'. 

Winkel  der  Axen  in  Oel: 

Ite  Platte,  normal  zur  Halbirungslinie  des  stumpfen 
Winkels,  gab: 

[(AB)]D  =  96°  16';  e'  =  0,830,  JV*  =  19,5 

2te  Platte,  normal  zur  Halbirungslinie  des  scharfen 
Winkels,  gab  ein  confuses  Bild  und  die  Scheitel  der  Axeu 
waren  nicht  deutlich: 


1)  Der  Index  yw,  hergeleitet  aus  dem  Winkel  der  Axen,  combinirt  mit 
ßD  and  ai>,  ist  genau  1,5395. 


[(^)]d  =  92"  53';  e  =  0,700;  N  =  c  16. 


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572 


Mit  dem  von  der  ersten  Platte  gegebenen  Winkel  er- 
hält man  den  wahren  Winkel  AB  =  88°  12',  welchen  wir 
dem  von  der  zweiten  Platte  gelieferten  Werth  4B  =  88°  40' 
vorziehen. 

Prismen  parallel  der  Symmetrie-Axe : 

P  38°  35'  48°  47'  Mittel. 

(  C  .  .  1,5199  1,5206  1,5203 

ß  {  D  .  .  1,5233  1,5236  1,5235 

(  F  .  .  1,5317  1,5324  1,5320 

Die  erste  Platte  liefert: 

(ß—  «)d  =  0,0158, 

woraus : 

«D  =  1,5096. 

Dieser  Werth  combinirt  mit  dem  Axenwinkel  und  dem 
mittleren  Index,  giebt: 

rD  =  1,5385  und  ^ßD  82°  12'. 

Die  Axen  können  nicht  in  die  Luft  austreten. 

74.    Schwefelsaures  Magnesia- Ammoniak :  Mg  S  O *  .  Am 7  S  O 4  4-  6  H  *  O. 

a:b:c  =  0,7376: 1:0,4891;  ac  =  72°  54'  (Murmann 

und  Rotter). 

1  1  0  :  1  TO  =  70°  22';  0  1  1  :  Ol  1  =  50°  6'. 

Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie- 
Ebene.  Charakter  positiv.  Wir  haben  nur  eine  einzige 
Platte  beobachtet. 

(10  0):c  =  5°  55';  a:(001)==  11°  11'. 

Orientirung  folglich:  (0  0  1)  Bc  =  78°  49'. 

+ 

Die  HH.  Murmann  und  Rott  er  haben  früher  ge- 
funden: (0  0  l)bc  =  77°50',  während  Senarmont  fQr 

diesen  Winkel  erhielt  81°  19'  bis  80°  59*. 

Winkel  der  optischen  Axen  in  Oel;  Dispersion  merklich. 

He  Platte    .    .    [(.*£)]  =  50°  38',  e  =  1,445,  N  =  3 
2 tc  Platte    .    .    [(.«)]=  51°  0',     e  —  1,527,  N  =  3,5. 


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573 

Die  der  Symmetrie- Axe  parallelen  Prismen  waren  grofs 
genug,  um  gegen  die  Halbirungslinien  a  c  orientirt  werden 
zu  können. 


p 

52°  44' 

44°  53' 

i  c   .  . 

1,4696 

1,4734 

v  ]  D    .  . 

1,4721 

1,4759 

(  F    .  . 

1,4775 

1,4817 

Mittel. 

/  C   .  . 

1,4710 

1,4704 

1,4707 

ß  \  D  .  . 

1,4733 

1,4724 

1,4728 

(  F   .  . 

1,4790 

1,4784 

1,4787 

82°  26' 

33°  38' 

Die  beiden  Hauptindexe  a  und  y  erhält  man  mittelst 
der  anomalen  Indexe  v  auf  die  beim  selensauren  Eisen- 
Ammoniak  angegebene  Weise. 

C  Ü  F 

a  =  1,4698  1,4719  1,4774 
y  =  1,4751       1,4786  1,4837 

Andererseits  erhält  man  die  Indexe  nD  und  yD  durch 
Beobachtung  an  den  Platten;  diese  Werthe  sind: 

aD  =  1,4715       yD  =  1,4796. 

Aus  dem  Winkel  der  Axen  in  Oel  ergaben  sich  die 
Werthe: 

=  78°  45'       //£  =  50°40'. 

Die  optischen  Eigenschaften  dieses  Salzes  sind  vor- 
dem von  verschiedenen  Physikern  bestimmt. 

Brewster  AB  =  51°22';       ß  =  1,483 

De  Senarmont  AB  =  51  4  ;       ß  =  1,476  bis  1,483 

Heusser  AB,=  50  27;       AB,  =  8°  54 

und  die  Werthe: 

ß  =  1,4677       1,4737       1,4787  1,4876 

für  die  rothen,  gelben,  grünen  und  violetten  Strahlen  des 
Spectrüm8. 

Die  HH.  Murmann  und  Rotter  fanden  AB  = 
50°  22'  und 


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574 


ß  mm  1,469       1,471       1,473  1,475 
für  die  verschiedenen  Theile  des  Spectrums. 

53.    Schwefelsaures  Magnesia-Kali:  Mg  C  O4  .  K2  SO4  +  6  H»  O. 

a  :  b  :  c  =  0,7420  :  1  :  0,5005;  ac  =  75°  5'  (Murniann- 

und  Rotter). 

110:110  =  71°  17  ,     011:011  =  51°  36'. 

Spaltbarkeit  ziemlich  ausgesprochen  nach  (2  01). 

Ebene  der  optischen  Axe  parallel  der  Symmetrie- 
Ebene.  Charakter  positiv.  An  einer  einzigen  Platte  be- 
obachteten wir: 

a  :  (0  0  1)  =  0°  30',  woraus  (1  0  0) :  c  =  14°  25'. 

Optische  Orientirung:  (0  0  1) bc  =  89°  30'. 

M  urmann  und  Rotter  fanden  den  Winkel  =  89"0" 
Der  Winkel  zwischen  den  optischen  Axen  in  Oel  wurde 

mittelst  Platten  bestimmt,  die  entweder  zu  der  einen,  oder 

anderen  Halbirungslinie  normal  waren. 

lte  Platte  [(Ä  B)]D  =  47°  56',  e  =  1»",030,  JV  =  4,5 
2te  Platte  [(A'B)]D  =  131°  21',  c'  =  l  ,857,  N'  =  4,0 
3te  Platte  [(4'B)]D  =  130°  48',    e  =  0    ,775,    JV  =  1,6 

Die  erste  Platte  gab  für  den  wahren  Winkel  .4Bv  = 
48°  8',  wogegen  die  beiden  andern  gaben  AB^  =  47°  54'. 

Die  der  Symmetrie- Axe  parallelen  Prismen  waren  grofs 
genug,  um  gegen  die  Flächen  der  Zone  (1  0  0),  (0  01) 
mit  Genauigkeit  orientirt  werden  zu  können,  so  dafs  die 
Lage  ihrer  Halbirungslinien  gegen  die  Elasticitätsaxen  a 
und  c  festgestellt  war. 


p 

70°  59' 

72«  44' 

46°  8\5 

36°  18' 

c  .  . 

1,4608 

1,4613 

1,4617 

1,4603 

D   .  . 

1,4632 

1,4634 

1,4640 

1,4626 

F   .  . 

1,4682 

1,4687 

1,4690 

1,4669 

C   .  . 

1,4687 

1,4682 

1,4646 

1,4578 

D   .  . 

1,4712 

1,4704 

1,4669 

1,4599 

F   .  . 

1,4765 

1,4758 

1,4723 

1,4644 

35°  30' 

36°  52' 

52e  31' 

88"  38' 

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575 


Die  Beobachtungen  der  Anzahl  der  Ringe  um  die 
beiden  Halbirungslinien  gaben: 

a)D  ss  0,0026,  woraus  aD  =  1,4607 
(r  —  ß)D  =  0,0125,  woraus  /D  =  1,4758. 

Diese  Werthe  stimmen  mit  denen,  die  sich  mit  Hülfe 
der  bekannten  Formeln  aus  allen  anomalen  Indexen  v  er- 
geben, und  in  der  folgenden  Tafel  enthalten  sind: 


a 

ß 

c 

.    .    .  1,4582 

1,4610 

1,4743 

D 

.    .    .  1,4602 

1,4633 

1,4768 

F 

.    .    .  1,4649 

1,4682 

1,4827. 

A£D  =  48°  r 

73°  '5. 

Die  HH.  Murmann  und  Rotter  fanden  früher: 

AB=74<>  2'  und  ff  =  1,468;  1,470;  1,474;  1,476 

fittr  die  rothen,  gelben,  grünen  und  violetten  Strahlen  des 
Spectrums.  Diese  Werthe  sind  viel  gröfser  als  diejenigen, 
welche  wir  mittelst  der  Prismen  fanden,  und  sie  nähern 
sich  merkwürdigerweise  den  Werthen  des  mittleren  In- 
dexes, die  sowohl  von  uns,  als  von  den  genannten  Physi- 
kern für  das  schwefelsaure  Magnesia-Ammoniak  gehalten 
wurden.  Da  die  Ammoniaksalze  im  Allgemeinen  beträcht- 
lich gröfsere  Brechungsindexe  besitzen,  als  die  entspre- 
chenden Kalisalze,  so  ist  zu  vermuthen,  dafs  das  von  den 
Wiener  Physikern  zu  ihren  Bestimmungen  angewandte 
Salz  merkliche  Mengen  von  dem  isomorphen  Ammoniak- 
salze enthielt.  Diese  Verrauthung  scheint  bestätigt  zu 
werden  durch  den  Werth  des  scheinbaren  Winkels  74"  2', 
der  zwischen  den  Winkeln  liegt,  welche  wir  an  dem  Kali- 
und  Amraoniaksalz  beobachtet  haben. 

76.    Schwefelsaures  Eisen-Kaii:  Fe  S  O*  .  K>  O4  +  6  H«  O. 

a  :  b  :  c  =  0,7512:1  :  0,5111;  ac  =  75°  44'  (Mur  mann 

und  Rotter). 

1  1  0  :  1 10  —  27°  7';    011:011=  52°  42'. 
Spaltbarkeit  leicht  nach  (2  01). 


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576 

Ebene  der  optischen  Axen  parallel  der  Symmetrie- 
Ebene.    Charakter  positiv.    Zwei  Platten  gaben  uns: 

lte  Platte  .  .  a  :  (0  0  1)  =  4°  14' 
2te  Platte    .    .    a  :  (0  0  1)  =  3°  14'. 

Aus  den  Mittel  wertheu: 

a:(001)  =  3  »  44'  und  c:(100)=  10°  32' 

folgt  die  optische  Orieutirung: 

(0  0  1)bc  =  86°16\ 
+ 

Miller  fand  81°9',  Murmann  und  Rotter  erhielten 
87°  14'. 

Winkel  zwischen  den  optischen  Winkeln  iu  Oel: 

1  te  Platte  l(A  £)]  =  67°  48';  e  =  2m»,700;  iV=  29,5 

2te  Platte,  normal  zur  Halbirungslinie  des  stumpfen  Winkels, 
gab  [(,4'ß)]  =  114"7';  c'=l°"n,315;  JV  =  31,5. 

Aus  dem  Winkel  [(A  B)]  =  67"  48  folgt  für  den  wahren 
Winkel  AB  =  67"  5,  während  der  Wiukel  [(Ä'ß)]  =  114*7' 
giebt  (A  B)  =  67°  32'. 

Prismen,  parallel  der  Symmetrie -Axe  und  orientirt  in 
Bezug  auf  die  Halbirungslinien  a  und  c: 


p 

35*  5' 

39°  23' 

c 

1,4800 

1,4809 

\i . : 

1,4829 

1,4835 

\  F    .  . 

1,4891 

1,4891 

C    .  . 
)  D    .  . 

1,4921 

1,4921 

1,4951 

1,4951, 

\  F  .  . 

1,5016 

1,5014 

Prismen  symmetrisch  gegen  die  Symmetrie- Axe  (die 
Halbirungslinie  der  Prismen  zusammenfallend  mit  der  Axe  6.) 

p  50°  35'  70°  301 

f  C   .  .  1,4805  1,4810 

ft  \  D    .  .  1,4828  1,4835 

(  F    .  .  1,4884  1,4893 


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577 

p        50#  35'  70°  30' 

C    .    .    1,4944  1,4756 

n  )  D    .    .    1,4973  1,4781 

'  F   .    .    1,5034  1,4839 

Ä:c       3°  44'  79°  28' 

Die  Anzahl  der  Ringe  um  die  beiden  Halbirungslinien 
führte  zu  den  Werthen: 

(ß  -  a%  =  0,0064,  woraus  «D  =  1,4768 

und 

(.tf-;')D  =  0,0141,  woraus  yD  =  1,4973. 
Der  Winkel  der  Axen  AB  =  67"  18'  giebt  mittelst  der 
oben  gefundenen  fiu  und  aD: 

;  D  =  1,4976, 

was  sehr  gut  übereinstimmt  mit  der  aus  der  Anzahl  der 
Ringe  gefundenen  Zahl. 

Die  anomalen  Indexe,  substituirt  in  der  bekannten 
Formel,  geben  die  beiden  Ilauptindexe,  die  sich  in  fol- 
gender Tafel  beßnden. l)  Die  Werthe  für  den  Strahl  D 
stimmen  ziemlich  mit  den  oben  gefundenen  aD  und  ;D. 


a 

ß 

c   .  . 

1,4751 

1,4806 

1,4947 

D    .  . 

1,4775 

1,4832 

1,4974 

F    .  . 

1,4833 

1,4890 

1,5041. 

AB  = 

67°  18' 

110*  82'. 

Die  HH.  Mur mann*  und  Rotte r  fandeji  früher:1) 

(AB)  =  ur  56'  AB  =  esa  r 

und  die  mittleren  Indexe  für  die  verschiedenen  Liuien  des 
Spectrums: 

1,478,    1,480,    1,484,  1,489. 

1)  Die  in  der  Tafel  citirten  mittleren  Indexe  sind  die  Mittelwcrthe  der 
Bestimmungen  von  ß  mit  Hülfe  aller  Prismen. 

2)  Sittongsberichte  der  K.  K.  Akademie.    Bd.  XXXIV,  S.  153. 


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586 


II.  Jlnicendung  des  mechanischen  Wärmeaequi- 
valents  auf  Molecularkräfte,  Moleculargrbfse  und 

JMoleculardistanz  ; 
von  G.  Weinberg, 

Staatsruth,  Inspector  des  Moskauer  Lehrbezirks. 


1.  J  eden  chemisch  -  einfachen ,  festen  oder  flüssigen 
Körper  können  wir  uns  als  ein  Conglomerat  von  unend- 
lich vielen  Molecülen  denken,  von  einander  entfernt  auf 
Distanzen,  welche  die  Dimensionen  der  Molecüle  selbst  weit 
übertreffen.  Jedes  Molecül  denken  wir  uns  als  aus  un- 
endlich vielen  Theilchen,  Atomen,  zusammengesetzt,  durch 
unendlich  kleine  Entfernungen  von  einander  getrennt. 

2.  Die  gegenseitige  Attraction  je  zweier  Molecüle  ist 
eine  gewisse  Function  ihrer  Masse  und  der  Distanz  ihrer 
Attractions-Centra,  d.  i.  der  Punkte,  durch  welche  die 
Resultante  aller  Attractionskräfte  sämmtlicher,  jedes  Mo- 
lecül constituirender  Atome  geht. 

3.  Alle  Molecüle  jedes  chemisch-einfachen,  festen  oder 
flüssigen  Körpers  können  wir  uns  in  Reihen  geordnet  vor- 
stellen.1)   Ist  einmal  die  Dichtigkeit  des  Körpers  überall 

1)  La  moUcuU  est  cette  portion  infinement  petitc  que  Ton  ne  pcut  plus 
diviser  sans  ddtruire  la  substance  memo  du  corps.  La  moldcule  est 
cssentiellement  solide,  si  eile  est  simple,  eile  sc  divise  cn  atornes,  qui 
sont  les  derniers  Clements  des  corps  ....  On  supposc  les  mold- 
cnles  infinement  petites,  mais  tri-s  denses,  rangees  cn  files,  quoique 
separdes  par  des  espaces  %'idcs  beaueoup  plus  etendus  que  les  espaces 
pleins  qu'elles  occupent  ...  En  realitd,  quelques  denses  que  soient 
les  corps,  leurs  molccules  sont,  rclativemcnt  a  leur  volume,  aussi 
floignees  les  unes  des  autres  que  le  sont  les  corps  Celestes  dans 
l'cspace.  Le  gronpement  des  mole*culcs  par  files  est  d'ailleurs  con- 
firme'  par  les  faits,  puisque  nous  le  voyons  nettement  dessine  par 
les  expenenoes  de  projection  des  phdnomenes  de  la  cristallisation, 
commc  aussi  dans  la  congclation  de  l'humidite'  de  l'air  a  la  surface 
des  vitres".  .  .  .  (Moigno,  physique  moldculaire,  ses  conqucles,  ses 
phenomence  et  ses  applications.  Kc^uml  des  travaux  aecomplis  dans 
les  vingt  dernicres  annecs.    Paris  1868,  p.  2  et,4). 


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587 


gleichförmig,  so  ist  auch  die  gegenseitige  Distanz  je  zweier 
nächsten  Molecüle  überall  dieselbe.  Die  Erscheinungen, 
die  sich  uns  bei  der  Kristallisation  darbieten,  rechtfertigen 
in  gewissem  Maasse  unsere  Vorstellung  solcher  reiheför- 
migen  Anordnung  der  Molecüle  an  einander. 

4.  Die  Molecüle  selbst  werden  wir  uns  in  folgender 
Auseinandersetzung  als  Körper  von  drei  gleichen  Dimen- 
sionen denken,  als  Würfel,  Sphären,  regelmässige  Octaeder 
u.  dgl.  —  Haben  wir  einen,  ein  Kilogramm  wiegenden 
Würfel  einer  gleichförmigen,  chemisch-einfachen  und  Über- 
all gleich-dichten  festen  oder  flüssigen  Substanz,  dessen 
jede  Kante  n  Molecüle  enthält,  und  sind  letztere  auch 
von  kubischer  Form,  so  sind  im  ganzen  Körper  n3  Mo- 
lecüle enthalten. 

5.  Nennen  wir  die  Distanz  D' D"  je  zweier  Molecüle 
einer  solchen  Substanz,  bei  der  Temperatur  der  grössten 


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.  er. 

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•  ••••••  *s  • 

Dichte  des  Wassers  (-f-  4,1°  C.)  genommen  •,  die  Dimension 
des  Molecüls  =  d,  so  ist  die  Distanz  ihrer  Attractions- 
Centra  =  C  C,  oder 

CC  =  C'C"  =  .  .  .  =  CD'  -h  CD"  -f-  DD*  —  d  -f- 1. 

Die  Grösse  d  -f-  t  drückt  auch  die  Entfernung  zweier 
Anfangs-  oder  Endpunkte  beider  Molecüle  aus.  Wird 
nun  der  Körper  auf  1°  C.  erwärmt,  so  wächst  diese  Gröfsc 
auf  k  (d  -f-  i),  wo  k  den  linearen  Ausdehnungscoefficienten 
der  Substanz  vorstellt. 

6.  Die  von  einem  Körper  aufgenommene  Wärme  wird, 
wie  bekannt,  nicht  vollständig  zur  Vergrösserung  seiner 
Temperatur  verbraucht.  Während  nur  ein  Theil  derselben 
zur  letzteren  dient  (die  sogenannte  absolute  Wärmecapa- 
cität  der  Substanz),  so  dient  ein  anderer  Theil  zur  Ver- 
grösserung seines  Volums  (zur  Erzeugung  einer  äussern 
Arbeit),  ein  dritter  endlich  —  zur  Vollführung  der  nicht 
unmittelbar  zu  ermessenden  inneren  Arbeit   In  folgender 


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Auseinandersetzung  werden  wir  immer  nur  auf  den,  die 
Dilatation  des  Körpers  hervorbringenden  Theil  der  Wärme 
unser  Augenmerk  richten. 

7.  Zufolge  der  mechanischen  Wärmetheorie  kann  be- 
kanntlich dieselbe  Wärmequantität,  die  genügend  ist,  ein 
Kilogramm  reinen  Wassers  auf  1°  C.  zu  erwärmen,  das- 
selbe Gewicht  auf  die  Höhe  von  425  Meter  erheben  (diese 
Zahl  ist  das  Mittel  aus  Joulc's  zahlreichen  Versuchen). 
Denken  wir  uns  z.  B.  nun  ein  Kilogramm  Wasser,  welches 
wir  einstweilen  als  eine  chemisch- einfache  Substanz  be- 
trachten, in  Form  eines  Würfels  (bei  -f-  C),  »s  Mo- 
lecüle  enthaltend.  Wenn  wir  annehmen,  dass  alle  diese  »J 
Molecüle  zu  einer  Reihe  geordnet  sind,  so  wird  die  Er- 
wärmung auf  1ÜC.  die  allgemeine  lineare  Dilatation n3(</-H) * 
hervorbringen.  Nehmen  wir  an,  dals  dieselbe,  nur  lineare 
Dilatation  herhor  bring  ende  Quantität  Wärme  im  Stande 
sey,  dieselben  n9  Molecüle  Wasser  auf  die  Höhe  h  zu  heben, 
so  folgt  demnach  der  Schlufs,  dafs  dieselbe  Kraft,  die  das 
Gewicht  eines  Wassermolecüls  p  auf  h  Meter  hebt,  im 
Stande  ist,  die  gegenseitige  Attraction  zweier  benachbarten 
Molecüle  f  bekämpfend,  diese  Molecüle  in  eine  Distanz 
k(d-r~i)  zu  schieben.  Da  nun  die  Arbeit  beider  Kräfte 
offenbar  gleich  ist,  so  ergiebt  sich  die  Gleichung: 

/•(«  +  0*-pA;;  =  (-5-+V*  •  •  0) 

8.  Betrachten  wir  nun  ein  Kilogramm  einer  andern, 
gleichfalls  chemisch -einfachen  und  überall  gleich  dichten, 
festen  oder  flüssigen  Substanz,  in  Form  eines  Würfels, 
n'3  Molecüle  enthaltend;  es  sey  resp.  d  —  die  Länge  jeden 
Molecüls,  i'  —  die  Distanz  zweier  Molecüle  (bei  4°^1  C), 
so  wird  dieselbe  Wärmequantität,  die  die  Temperatur  eines 
KU.  Wassers  auf  1°  erhöht,  ein  gleiches  Gewicht  der 
andern  Substanz,  deren  speeifisebe  Wärmecapacität  c'  (die- 
jenige des  reinen  Wassers  als  1  genommen)  blos  auf  l, 
erhöhen  und,  wenn  wir  uns  wie  zuvor  alle  Molecüle  s» 


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589 

einer  Reihe  geordnet  denken,  eine  lineare  Dilatation: 

„'s  + 

verursachen.  Sollte  nun  aber  dieses  Wärmequantum  diese 
Masse  von  n'3  Molecüle  auf  h'  Meter  heben  können,  so 
bekommen  wir,  nachdem  wir  die  vorigen  Betrachtungen 
anstellen,  die  ähnliche  Gleichung: 


h  n  c 

Ebenso  für  eine  andere  Substanz:  f"  =  r>— 

9.  Ein  Kilo  reinen  Wassers  (bei  -+-  4°,1  C.)  bildet 
einen  Würfel,  dessen  Kante  =10  Centim.  —  Es  sey  das 
speeifische  Gewicht  eines  andern,  auch  1  Kil.  wiegenden 
Wurfeis  einer  andern  Substanz  =  //,  so  erhalten  wir  die 
Länge  x  der  Kante  dieses  Würfels  aus  der  Proportion: 

10a       J'      ,  10«»* 
x^^T5  X  =  •  » 

und  da  auch:  x'  =  n' (d  Oi  n>'  P'  =  1000*',  so  ergiebt 
sich : 


'  (20 
und  demnach  folgt  aus  (2): 

f=i£fav5  r=hy'v^     •  (3) 

10.  Bezeichnen  wir  das  der  betrachteten  Dilatation  der 
ganzen  Reihe  Molecüle  correspondirende  Wärmeaequivalent 
mit  T(,  so  ergiebt  sich: 


oder,  wenn  wir  anstatt  n'3  seine  Grösse  aus  vorigem  § 
entnehmen : 


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590 


T      joootf/_.  r  —  V  +  '">' T>  m 

Bezeichnen   wir  nun  rrrK7,  welches  ja  die  Gröfse 

der  Molecular  -  Attraction  auf  einer  Einheit« -Oberfläche 
(1  Dc'Bt)  ausdrückt,  mit  F,  so  wird: 

J<       c^T  '     —  1000  Jb' w 

da  aber  T  =  1  Krfl.  h';  Ta  =  1  KL  A",  demnach: 
*  ~     1000/:'    '       "~     1000*"  ' 


woraus  die  Proportion: 

P  c'/i'  h'  k" 
F"  ~~"  c"J"  h"  k 


r     ....  (6) 


Wir  ersehen  also,  dafs  die  Molecular  attraction  einer 
Oberflächen-Einheit  direct  proportional  ist  der  specißschen 
Wärmecapacität  und  der  specißschen  Schwere  der  Substanz 
und  im  umgekehrten  Verhältnisse  zu  ihrem  Äusdehnungs- 
coefficienten  steht  —  was  auch  vorauszusehen  war.  —  Ist 
die  zur  Dilatation  verbrauchte  Arbeit  bekannt,  so  berechnet 
man  aus  (5)  die  Molecularattraction  F  und  auch  umgekehrt. 

11.  Wenn  wir  die  Formel  (5)  zur  Molecularattraction 
einer  Substanz  anwenden ,  deren  J'  =  1 ,  c  ==  1  (W asser 
als  chemisch-einfache  Substanz  einstweilen  betrachtet),  so 
ist  resp.  f  =  f;  k'  mm  k;  T  mm  T,  und  es  ist: 

F=xmi  0) 

Diese  Formel  wollen  wir  durch  anderwärtige  Betrach- 
tungen rechtfertigen.  Denken  wir  uns  ein  Kilogr.  Wasser 
(bei  -f-  4°,1  C.)  als  einen  Würfel,  dessen  Kante  =  10cl-  und 
der  (laut  voriger  Annahme)  n3  Molecüle  enthält,  so  sind 
in  der  Kante  n  Molecüle  enthalten.  Bezeichnet  nun  F 
die  Molecularattraction  auf  1  □rt*  wirkend,  so  wirken  auf 


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100  □rtn  (d.  i.  auf  den  vertikalen  Durchschnitt  des  Wür- 
fels) 100  F.  Enthält  ferner  die  Kante  n  Molecüle,  so  ist 
die   Molecularattraction    der  ganzen   verticalen  Section 


=  100  Fn.  Wird  nun  die  Temperatur  der  Substanz  auf 
1°  C.  erhöht,  so  wird  ihrerseits  eine  jede  solche  Section 
auf  [d  -h  i)k  dilatirt  und  ist  folglich  die  totale  Arbeit  der 
Dilatation  =  100  Fn  (d  -f-  t)  k.  —  Wird  anstatt  F  seine 
Gröfse  aus  (7)  entnommen,  so  bekommen  wir  die  iden- 
tische Gleichung:  n3  (d  -h  t)s  =  1 000 ,  welche  die  Formel 
(7)  vollkommen  bestätigt.  — 


Wir  wollen  jetzt  unsere  Formeln  zur  Erforschung  der 
Gröfse  der  Molecularattraction  anwenden. 

Wie  schon  gesagt,  ist  die  Attraction  zweier  Molecüle 
eine  Funktion  ihrer  Masse  und  der  Distanz  zwischen  ihren 
Attractions-Centra :  sie  ist  nämlich  proportional  der  Masse 
und  verhält  sich  umgekehrt  zu  einer  bis  jetzt  unbekannten 
Potenz  x  der  Distanz  zwischen  je  zwei  Molecülen.  —  Be- 
zeichnen wir,  wie  zuvor,  die  Molecularattraction  mit  f;  es 
sey  m'  die  Masse  jedes  Molecüls,  die  Distanz  zwischen  den 


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592 

Centra  der  beiden  Molecüle  (bei  -h  4°,1  C.)  =  d'  -+-  t',  und 
die  Attraction  der  Masseneinheit  bei  einer  Distanzeiuheit 
=  er,  so  ist  für  irgend  eine  Substanz: 


•    •  (8) 


da  aber  laut  (2):  f  =  ^r^p,  folglich: 

Nennen  wir  das  Volumen  des  Molecüls       die  Zahl 
.  der  Atome  in  der  Volumeneinheit  <V;  die  Schwerkraft 
so  ist  m'  =  ©'<>';  p'  =  tri  g  =  v  <V  g  und  die  vorige  For- 
mel wird: 

Letztere  Gleichung  wird  hinsichtlich  Wasser: 


fc        (t/  +  0*  1 
und  aus  beiden  letzteren  Gleichungen  ergiebt  sich: 


vd(tt+i'y  «  k'h 


(9) 


Wenn  wir  zugeben,  dass  die  Molecüle  beider  zu  ver- 
gleichenden Substanzen  drei  gleiche  Dimensionen  haben 
und  aufserdem  einander  ähnliche  Korper  sind,  d.  i.  beide 
Würfel,  oder  Sphären,  oder  regelmäßige  Octaeder  usw., 
dafs  ulso  folglich  ihre  Volumina  sich  wie  die  Kubi  der 
homologen  Dimensionen  beziehen,  so  wird: 

v  —  d>  '     i  ~  a- 

Hier  bedeutet  0  das  speeifische  Gewicht  des  Molecüls 
oder  das  wahre  speeifische  Gewicht  der  Substanz  hinsicht- 
lich Wasser,  wenn  zwischen  den  Molecülen  beider  Sub- 
stanzen keine  Intervalle  da  wären.  Nehmen  wir  dabei 
gleiche  Massen  von  beiden  (1  Kilogr.)  ==  P,  so  ist: 


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593 

P=n'a(d'+iyj'.g;  P  tm  ri9  et9  Q  .  g 

P=n>  (d  +%Y. l.g-,  P.=  n*d9A.g 

woraus  folgt: 


bringen  wir  diese  Gröfsen  in  (9)  anstatt:  -  und  -  =  0y 
so  bekommen  wir  folgende  Relation: 

ij-^;  -  u  j  h  -  -  •  (10) 

woraus  sodann: 

*  L  w+oJ 

13.  Der  soeben  gefundene  Ausdruck  der  Potenz,  der 
die  Molecularattraetion  folgt,  ist  aber,  wie  die  Beobachtung 
zeigt,  bei  festen  flüssigen  Substanzen  gröfser  als  1  und 
positiv.   Betrachten  wir  diese  zwei  Bestimmungen  genauer: 

1)  Ist  x  ;>  1,  so  ist  immer: 
U+VkTk>>  ,y-f-l'oderauch:  T^0'^w/  >l  <12) 

Daraus  schliefsen  wir: 

a)  Ist  —     <:  1,  so  ist  immer   ,  ,  .  >-  1. 

'  k  c  h  =s  d  -h  i 

Wir  sind  also  im  Stande,  die  Gröfse  der  Molecüle  und 
die  zwischen  denselben  existirenden  Intervallen  (bei  -f-  5°,1 
C.)  zweier  Substanzen  zu  vergleichen,  von  denen  die  eine 
Wasser  oder  irgend  eine  andere  Substanz  ist,  deren  spe- 
eifisi-hes  Gewicht  und  Wärmecapacitat  als  Einheit  ge- 
nommen ist. 

b>  Ist  *7?  >  *'  80  ,8t  auch  (d+ly  >  *7Ä' 


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594 

2)  Die  Potenz  x  ist  bei  festen  und  flüssigen  Potenzen 
immer  positiv;  folglieh: 


(13) 


wenn  (<f  4-  %J  k'zf  h  >  (d  +  i)4  k  *  *' 
so  ist  auch  (<f  4-  i)  ^  (d  4-  i) 

2)  Betrachten  wir  die  erste  Bedingung: 

wenn  (df  +  i')4    J'  A  <  (d  4-  t)4  *  c'  h\ 
so  ist  auch  (d'  -+- 1 )  >  (d  +  i). 

Wenn  d'  4-  •'  >  d  -f-  i,  so  ist,  da  laut  (12): 

A'^A       _y  +  0s 

die  erste  dieser  Bedingungen  ä  fortiori  richtig,  also: 

Wird  aber  in  der  Gleichung  (10)  anstatt  des  zweiten  Theils 
seine  GröTse  aus  (12)  entnommen,  so  erhalten  wir: 


da  aber  laut  Bedingung  ;>  1,  so  mufs  auch  4  —  x  <T  3, 
also  1,  wie  vorauszusehen  war. 

6)  Wir  schreiten  nuu  zur  zweiten  Bedingung: 
ist  {d  4-  i')4  W  Ä  <  (d      i)4  k  c'  h\ 
so  ist  auch  (d  4-  •')  <  rf  + 
Vergleichen  wir  die  zweite  Ungleichheit  mit  (12),  so 
folgt  ^>  1  und  daher  aus  (10)  (j^)*"*<  15  da  aber 

«<  1,  so  schliessen  wir,  dafs  4— a:  ei««  positive 

Gröfse  seyn  müsse  und  folglich  x  <?  4.  Wir  ersehen 
demnach,  daß  die  Potenz  der  Molecular-Attraction  x  ;>  1 
und  a;  <  4. 

Nach  (11)  kann  *  =  Jj  im  Falle  (d'  4-  •')**'  A  = 
(d4-i)4*c'A'  und  auch  d'4-i'=d4-i,  also  im  Falle', 


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595 

wenn  k'/f  h  =  kch'.  —  Wir  ersehen  daraus,  dafs,  wenn 
k'J'h  =  kch\  so  mufs  auch  d  -f-  =  d  -f- 1;  letzteres 
kann  aber  bei  festen  und  flüssigen  Substanzen  an  und  ßr 
sich  nicht  existiren,  sonst  müsse  x  =  oo,  und  aus  (12)  wäre 
dann  k'J'  h  ;>  k  c  h\  was  der  Bedingung  widerspricht. 

14.  Bei  der  Ausführung  der  Gleichung  (10)  stützten 
wir  uns  auf  die  Hypothese,  dafs  die  Molecüle  beider  zu 
vergleichenden  Substanzen  drei  gleiche  Dimensionen  hätten 
und  einander  ähnlich  seyen.  Es  ist  aber  leicht  beweisbar, 
dafs  die  Gleichung  (10),  so  wie  auch  alle  aus  derselben 
entnommenen  Schlüsse  dieselben  bleiben,  wenn  die  Mole- 
cüle beider  Substanzen  einander  auch  nicht  ähnlich  sind, 
sobald  nur  die  drei  Dimensionen  jedes  Molecüls  gleich  sind. 
Nehmen  wir  beispielsweise  an,  die  Molecüle  einer  Substanz 
wären  würfelförmig,  der  anderen  aber  sphärisch,  so  hätten 

anstatt  -  =  ^j,  im  letzten  Falle  -  —\n  ^- ,  kurzweg 
—  =s/4.  rfJ  ;  da  aber  zu  gleicher  Zeit  die  Gleichung: 

sich  verwandelt,  die  andern  Proportionen  aber  nicht  ge- 
ändert werden,  so  verschwindet  bei  Einfuhrung  dieser 
Gröfsen  in  (9)  der  Coefficient  p  ganz,  und  wir  bekommen 
abermals  die  Gleichung  (10). 

15.  Bis  jetzt  hatten  wir  die  Molecüle  einer  gewissen 
Substanz  mit  denen  des  Wassers  verglichen.  Wir  schreiten 
jetzt  zur  Untersuchung  zweier  beliebigen  Substanzen. 

Für  solche  erhalten  wir  resp.  aus  (10): 


Pj,  (d"+  <")'  ■'=  |  o»  -+-  <r*=  ß  \ ' 

und  sofort: 

•'/-=      (<f-f-  <")'-*• 

Poggendorffs  Annal.    Ergantungsbd.  VI.  39 


(14) 


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596 

Führt  man  in  die  Formeln: 


statt  m'  und  m"  ihre  Größen  —  und  —  ein,  so  erhält  man : 

y  9 

i     .  /v .  !  .  .  ry  . 

(<t  +  ty  ~  ap"  9  (/+.•")•  ""  «/?',~' 
in  Folge  dessen  erhält  vorige  Gleichung  folgende  Form: 

Stellt  man  nun  anstatt  p'*  und  p"a  ihre  Gröfsen: 

P"  =  (rf    »7 i*;  p"1  =  (<r  +  ov*  i*% 

und  statt:  -r£^r  wie  zuvor  F'  (Molecular-Attraction  auf 

einer  Oberflächeneinheit),  so  ist: 

k'  F        k"  F" 

~T3  7i  =  vO7!»  =  •  •  =  COU8t-  •  •  •  (15) 


*'  c'  /       h"c'  J 
Aus  Gleichung  (14)  folgt  sodann: 

und  demnach  bekommen  die  Gleichungen  (5)  folgende 
Form : 

w+  0'-.  =  JLt!£+  n>-  =  ,  =  con8t.  ,  1G) 

und  uns  (14),  die  man  folgenderniaafsen  schreibt: 

ziehen  wir  den  Schlufs:  tu  jeder  Substanz  ist  die  Summe 
(rf'-f-t')  desto  gröfser,  je  gröfser  c  und  je  weitiger  das 
Product  k'  4  ist. 

Uebrigens  kann  man  (15)  folgendermaafsen  schreiben: 

F_  k"  c'J'h' 
F,m*  k'c'j"h» 

und  erhält  genau  wieder  die  Gleichung  (6),  welche  ganz 
unabhängig  von  der  Molecular- Attractions -Potenz  herge- 


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597 


leitet  ward.  —  Wird  aber  letztere  Gleichung  mit  Glei- 
chung (14)  verbunden,  so  ergiebt  sich: 

/'-rU+vJ      •  •  • 

Letztere  Gleichung  nimmt  leicht  folgende  Form  an: 

F'     /T72        f)    •   •       •  (18) 

IG.  Aus  §  13  ist  zu  ersehen,  dafs  die  Potenz  der 
Molecular-Attraction  zwischen  den  Grenz werthen  1  und  4 
enthalten  ist.  Da  aber,  allen  Beobachtungen  zufolge,  die 
Molecular-Attraction  mit  der  Entfernung  schneller  als  die 
Gravitation  abnimmt  (d.  i.  mehr  als  die  Quadrate  der  Di- 
stanzen;, so  sind  wir  berechtigt  anzunehmen,  dafs  die 
Molecular  -  Attraction  im  umgekehrten  Verhältnisse  der 
dritten  Potenz  der  Distanz  abnehme,  und  zur  Berechtigung 
dieser  Annahme  können  folgende  Beweise  dienen: 

a)  Nehmen  wir  in  Formel  (17)  an,  dafs  x  =  3,  so 
wird  demnach: 

_  £  /<j"H-i% 

Fr'\<r  +  ?)> 

da  aber:  F  =  ;  F"=  und  auch 

p'=  (d'-hi'yj'.g;  p"=(tf'+i7/.j,  so  folgt 
f  f*' 

sofort:     i  ,  =   J,  „  .    Ist  also  x  =*  3,  so  ist 
a  p  dp 

die  Molecular-Attraction  der  Masseneinheit  jeder 
Substanz  und  jeden  Molecüls  dieselbe  —  wie  zu 
erwarten  stand. 

b)  Aehnliches  ergiebt  sich  auch  aus  Formel  (16). 
Ist  x  =  3,  so  folgt:   jf-r=  jirpr- 

c)  Wird  in  den  Gleichungen  (17)  und  (18)  x  =  3 
gesetzt,  so  ergiebt  sich  die  ganz  richtige  Folge: 

P" 8855  tf+wr' 

39* 


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598 

Aus  dem  Vorigen  erhellt,  dafs  unsere  Annahme  x  =  3 
ganz  naturgemäß*  ist  und  die  Potenz  der  Molccular-Attrac- 
tion  vorstellt. 

17.  Wenden  wir  uns  zur  Gleichung  (17).  Aus  der- 
selben ergiebt  sich: 

 MÄ?)    '  '  '  m 

Hier  unterliegt  x  abermals  zwei  Bedingungen:  1)  Diese 
GröTse  x  >-  1 ;  2)  x  ist  eine  positive  GröTse: 

1)  Ist  x  >►  1,  so  findet  die  Bedingung  statt: 

oder  auch: 


stellt  man  statt  =  aus  (6),  so  ergiebt  sich: 

T^FVJ+vJ  >  *■ oder  >  1  •  (21) 

entnimmt  man  statt  -^rjyyi  seine  Gröfse  aus  Gleichung 
(14),  die  man  folgendermalsen  schreiben  kann: 


so  bekommt  (21)  die  Form: 

W'H-i"/     ^  A' 

und  da  doch  x  >  1,  so  ist  unumgänglich  d"  -+-  t"  >  rf  -f-  i 
2)  Damit  a?  immer  positiv  bleibe,  mufs  folgende  Be- 
dingung stattfinden:  ist 

so  mufs  auch: 


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599 

da  aber,  wie  gesagt,  d"-\-i"  >  d'  -+-  *',  so  existirt  mir  fol- 
gende Bedingung: 

£(t^)4($)>i  •  •  •  <22> 

welche  mit  Bedingung  (20)  identisch  ist  und  dieselbe 
rechtfertigt. 

Stellt  man  in  die  letztere  Bedingung  statt  F  und  F" 
ihre  Gröfsen  W+W*  80  wird: 

Ist  also  p'  >  p",  so  ist  a  fortiori  f  >  f  •  ~  Wir  schliefsen 
also  daraus  Folgendes:  ist  in  einer  von  zwei  Substanzen 
d'-hi'<  d"  -f-  F  und  dabei  p  >  p",  so  ist  f  >  f ,  und 
da  p'  =  (d  -f-  iJJ.  g;  p"  =  (d'-h  i"W-9,  *<>  mufs  auch 

18.    Untersuchen  wir  näher  die  Gleichung  (14): 

Da,  wie  oben  erwiesen,  x  <  4,  so  sey  4  —  x  =  m,  und 
wir  erhalten  sofort: 

J"       k'c'h"  f<t+t\m 
-J—  k"c'h'  '  Vd"  H-»'7 

a)  Ist  ef'-H  r  >  <*'  ■+•  »i  so  mufs  auch ; 


oder  auch: 


€  ^*    c"  *" 


(23) 


und  auch  umgekehrt. 

b)  Ist  rf"  -+-  •"  <  d      » ,  so  mufs  auch : 


^"il"  ^  c'h" 


und  auch  umgekehrt 


rsr   •   •  •  • 


(24) 


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600 


c)  Gesetzt  nun  es  wäre  d'  i"  =  d  -h  t',  so  folgt 
aus  Gleichung  (19)  x  =  oo,  dann  folgt  aber  auch  aus  (8) 
/"'==  0;  mit  anderen  Worten,  die  gegenseitige  Molecular- 
Attraction  ist  null,  d.  i.  wir  haben  es  mit  einem  Gase  zu 
thun  —  Nimmt  man  in  (17)  und  (18)  an,  es  wäre  d'-h  l 
=  d *  ~f-  t',  so  folgt : 

es  ergiebt  sich  also: 

y»_  =  ^»  (25) 

Es  ist  also  in  Gasen  das  Gewicht  des  Molecüls  dem 
speeifischen  Gewichte  des  Gases  proportional,  und  wirklich 
ist,  wie  bekannt,  bei  Gasen  das  chemisch-sogenannte  Atomen- 
gewicht  mit  dem  speeifischen  Gewicht  identisch.  Umge- 
kehrt: da  das  Resultat  (25)  genau  den  Beobachtungen 
entspricht,  so  findet  auch  bei  Gasen  die  Bedingung  statt: 
d'  -f-  i"  =  d  -+-  %  und  auch  f  =  o.  — 

19.  Nehmen  wir  zwei  Volumina  Gase  V  und  V"  bei 
gleicher  Temperatur  und  unter  gleichem  Drucke,  so  ist, 
wenn  man  vorige  Benennungen  beibehält:  V  =  n'J(d-r-i')'; 

(iT-H  f)P.  —  Sind  nun  F'  =  Kw,  so  ist,  da  nach 
vorigem  d'-f-  •'  =  d"-hf",  auch: 

n"  =  n"3  =        ....  (26) 

Es  ist  dieses  das  bekannte  Gesetz  G ay -Lussac's 
(richtiger  —  Avogadro's),  nach  welchem:  gleiche  Vo- 
lumina zweier  chemisch-einfachen  Gase  bei  gleicher  Tempe- 
ratur und  gleichem  Drucke  dieselbe  Quantität  Mokcule  ent- 
halten. 

Denken  wir  uns  Gase  bei  der  Temperatur  des  absoluten 
Nullpunktes,  bei  welcher  also  keine  Intervalle  zwischen 
den  Molecülen  da  sind,  so  ist  dann  t'=o;  i"  =  o,  und 
aus  der  vorigen  Gleichung  d '  -f-  t'  =  d"  f  folgt  sofort 
d  =  d"  =  d".  Folglich  sind  die  Molecüle  aller  Gase  von 
gleicher  Gröfse  :  da  aber  bei  jeder  Gleichung  d'  -f-  i '  =  d"-h  t'' 
besteht,  so  ersehen  wir  daraus,  dafs  bei  gleicher  Tempr- 


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601 


raiur  und  gleichem  Drucke  alle  Gase  gleiche  Dilatation  s- 
Coefficienten  haben,  was,  wie  bekannt,  die  Beobachtung  in 
hohem  Maafse  rechtfertigt. 

20.  Wenden  wir  uns  nun  zur  Betrachtung  der  che- 
misch-zusammengesetzten Substanzen.  Bezeichnen  wir  das 
Gewicht  des  chemischen  Atoms  dieser  Substanz  mit  P,  ihre 
Warmecapacität  mit  c;  Seyen  resp.  F,  F\  F" .  .  .  die  Ge- 
wichte der  chemischen  Atome,  c,  c",  c!" ...  die  Wärmc- 
capacitäten  der  constituirenden  Substanzen,  wie  auch  ft\ 

u " ...  die  Zahl  der  Atome ,  so  haben  wir  nach  dem 
bekannten  Dulong-Petit'schen,  von  Woestyn  erwei- 
terten Gesetze: 

c  P  =  «'  c'F-h  u"  c"  P  -f-  u"  cT  F"  -+-  .  .  .  (27) 

Bezeichnen  wir  mit  p,  p,  p",  p" .  .  .  das  Gewicht  eines 
Molecöls  der  zusammengesetzten  und  der  sie  constituiren- 
den Substanzen,  und  sey  »,  ri\  n"" .  ..  die  Zahl  der 
Molecttle,  die  im  chemischen  Atome  der  Substanz  ent- 
halten ist,  so  ist,  wenn  man  die  vorigen  Bedeutungen  bei- 
behält: 

n  fk(d+  0.      >  ^'(^-+-0 

P  —  ~    hc~  '   P  *  *  * 

und  (27)  wird  also,  wenn  man  ~  =  « ;  ^  =  a  ...  an- 
nimmt, 

tt  n  fk  (rf  4.  i)  =  ii'  „'  „>  f  k'  (d'  H-  •')  -4-  a"«"«T*'K-r-  »") 

-f-  umamnmfmir  (cT-h  i"r)  -f-  .  .  .  (28) 

betrachten  wir  eine  binäre  chemische  Verbindung,  so  ist: 

,  _    «  nflc  (d  +  Q-ft"a"n"rk"  (<f'+  ,")  f9Q. 

Es  unterliegt  aber  u'  dreien  Bedingungen:  1) diese  Grölse 

mufs  positiv;  2)  /i  <  1,  und  3)  u!  ist  eine  ganze  Zahl 

und  folglich  ist  Function  (29)  auch  eine  ganze  Zahl. 
1)  Ist  tt'  positiv,  so  ist  auch: 

a  nfk(d «"  «"  n"  f  *"  (<*"  +  f> 


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602 


oder: 

Je  gröfser  desto  kleiner  ist  also  dasselbe  ergiebt 
sich  offenbar  auch  hinsichtlich  //  und  ri.  —  Daraus 
schliessen  wir,  dafs:  je  gröfser  die  Zahl  der  chemischen 
Atome,  mit  welchen  eine  Substanz  ton  einer  binären  Fer- 
bindung  zur  andern  tritt,  desto  kleiner  ist  die  Zahl  der 
Molecüle  der  chemischen  Atome  dieser  Substanz.  Die  Zahl 
der  Molecüle  des  Atoms  Oxygen  mufs  also  kleiner  als  die 
der  anderen  Stoffe  seyn. 

2)  Ist     =  1,  so  ist  auch: 

anfk(d+i)  =  a'rif'k>  (rf'  +  f)  -h  ,u"«"«7"Ä"  (d"-h  i") ; 

da  aber,  wie  schon  gesagt,  anfk(d-hi)^it"ft"n"f"k"(^-r-i"\ 
so  mufs  a  n'  f  k'  (d'  -f- t")  o,  oder  f  >  o  seyn.  Es  folgt 
daraus:  Befindet  sich  in  einer  binären  Verbindung  eine 
einatomige  Substanz,  so  könnte  diese  Substanz  auch  im 
selbstständigen  Zustande  kein  vollkommen  gasförmiger  Kör-  • 
per  seyn. 

3)  Ist  fi'  >  1,  so  ist  auch: 

anfk(d-hi)>a'n'  f'  k'  (d'  +  t")  +  u"  a"  n  f  k"  (<f  -+-  •'), 

gesetzt  also,  es  wäre  f  =  o ;  /"'  =  o,  so  ist  immer  /*  .>  o, 
und  dieses  berechtigt  uns  zu  folgendem  Schlüsse:  Ent- 
halten in  einer  binären  chemischen  Verbindung  beide  Sub- 
stanzen ein  oder  mehrere  Atome,  so  kann,  im  Falle  beide 
Stoffe  im  selbstständigen  Zustande  auch  vollkommene  Gase 
zu  seyn  pflegen,  der  am  ihrer  Verbindung  entstandene 
Körper  kein  vollkommenes  Gas  darstellen. 


21.  Wenden  wir  unsere  Gleichung  (4)  zur  Erforschung 
der  Disgregation  des  Körpers  in  Folge  der  Wärme  an. 
Unter  Disgregation  versteht  Claus ius1)  den  Grad  der 
Zertheilung  des  Körpers  in  Folge  der  Wirkung  der  Wärme, 

1)  Claus  in  s,  Mechanische  Wärmelohre,  Bd.  I,  S.  248,  sqq. 


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603 

die  immer  dahin  geht,  den  unter  den  Molecülen  stattfin- 
denden Zusammenhang  zu  vermindern,  und  wenn  dieser 
gelöst  ist,  die  mittleren  Entfernungen  der  Molecüle  zu 
vergrößern.  —  Bei  der  Disgregation  finden  zwei  Wirkun- 
gen gleichzeitig  statt:  die  innere  Arbeit  und  die  äufsere. 
Unter  letzterer  verstehen  wir  Bekämpfung  der  von  Anisen 
auf  den  Körper  wirkenden  Kraft.  Denken  wir  uns  die 
äufsere  Arbeit  als  einen  von  auswärts  auf  den  Körper  wir- 
kenden Druck,  so  ist  diese  Arbeit  unserem  Wahrnehmen 
zugänglich  und  meisbar, 

22.  Nennt  man  Z  den  Grad  der  Disgregation  eines 
Körpers,  dZ  eine  unendlich  kleine  Variation  derselben; 

nennt  man  ~  das  mechanische   Aequivalent   und   T  die 

absolute  Temperatur  des  Körpers  (vom  absoluten  Null- 
punkte gerechnet);  neunt  man  ferner  dL  die  unendlich 
kleine,  durch  die  Variation  der  Disgregation  d  Z  hervorge- 
brachte Arbeit,  so  ergiebt  sich  nach  Clausius  folgende 
Gleichung: 

Wir  können  aber  die  ganze  Arbeit  dL  in  zwei  Theile 
zerlegen,  in  die  innere  Arbeit  dJ  und  die  äufsere  Arbeit. 
Denken  wir  uns  letztere  als  einen  Druck  p,  der  darauf 
ausgeht,  das  Volumen  des  Körpers  v  zu  vermindern,  so 
ist  die  unendlich  kleine  äufsere  Arbeit  pdc  und:  d  L  = 
dJ-\-pdv;  die  vorige  Gleichung  wird  demnach: 

dZ=^(dJ-^rpde)    .    .    .  (30) 

In  der  Gleichung  (4)  stellt  T  einen  Bruchtheil  von 
dem  Aequivalent  —  vor,  da  zur  Dilatation  blos  ein  Theil 

der  Wärme  verbraucht  wird ;  wir  können  also  T,  =»  ~- 
setzen  und  die  Gleichung  (4)  wird  demnach: 


1  —      1000/*    '  a-i-%—  V  cJ 


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cm 

Differentiirt  man  diese  Gleichung  hinsichtlich  i,  f,  //, 
6o  ergiebt  sieh: 

u^jmwAkj  ("/-/«)  . .  (3i) 

Bezeichnen  wir  mit  t)  die  wahre  Densität  der  Substanz 
(d.  i.  wenn  zwischen  den  Molecülen  keine  Intervalle  exi- 
stirten),  mit  n  «P  das  Volumen  des  Molecüls  (u  ist  ein  Co- 
efficient,  von  der  Form  des  Molecüls  bedingt,  das,  nach 
unserer  Annahme,  drei  gleiche  Dimensionen  hat),  so  ist: 

J  ft  d*         .         d  ft  tl*    a 

(wenn  man  «.)d5=«  setzt).    Also  dA  —  rrf  .  ^  und 


aus  (31)  erhalten  wir,  wenn  =  ti: 

Wir  wollen  aber  die  Disgregation  des  ganzen  Körpers 
betrachten  und  müssen  demnach  diejenige  aller  Molecüle 
nehmen,  d.  i.  wir  müssen  beide  Theile  der  vorigen  Glei- 
chung mit  der  Zahl  der  Molecüle  einer  Gewichtseinheit 
n3  multipliciren.    Es  war  aber  (2'): 

1000    .     ,  «_ 

1000 

folglich  «*  =  — -  ;  die  vorige  Gleichung  wird  also: 
1000  |2  y  aß    y~r  -  _    %Jf   |  1000  3 

Vergleicht  man  die  Bedeutung  der  in  letzterer  Glei- 
chung enthaltenen  Grölsen  t  und  f  mit  den  in  Gleichung 
(30)  enthaltenen  Grölsen,  so  ergiebt  sich: 

dZ*mn*di=  1000  dt;  dJ  =  n*df  =  1000  df 
und  wir  haben  demnach: 


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605 


1000 

r% 


d  Z  =  .  ./^—  df 

h  \'  V     f  3/  ] 

L      1000      (rf-W)a        rf-h » J 

und  da: 

rf  z  =  4  (d  j  +  p  1»)  -  4  ( 1  v L  d  f+ p d  v) 

so  folgt: 

1000 

L    r    1000    f  (rf  +  0»  rf-hij 
da  aber: 

(rf  +  0»  =   7- _ ;   ,/  =  .}J  ;  d-H,  =  löööl^iTi 

folglich  nimmt  vorige  Gleichung  folgende  Form  an: 

r 

df=  j-  —,ooo^ rf *  •  •  •  (34) 

~f  **~  uT 
Aus  dieser  Gleichung  ist  zu  ersehen: 

1)  Die  Gröisen  df  und  dt?  haben  verschiedene  Zeichen, 
wie  vorauszusehen  war. 

2)  Bei  gleichem  dv  wächst  dfy  je  nach  der  Grölse  von 
kf  p  und  «  (=  a  d"  d3). 

3)  Bei  gleichem  dv  verkleinert  sich  df,  je  nachdem  c 
wächst. 

Bezeichnen  wir  1000 mit  y,  so  ist: 

n 

(;  -f-  ß/)  df+Apdv  =  o 
und  als  Integral  dieser  Gleichung  ergiebt  sich: 

yf—^J-+-Afpdv  =  o.    .    .  (35) 

Diese  Gleichung  gilt  für  feste  und  flüssige  Substanzen; 
T  =  a  -4-  t  sb  «  -h  5,1  C.    —  Die  Integration  kann  nur 


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606 

dann  ausgeführt  werden,  wenn  uns  die  Relation  zwischen  p 
und  v  bekannt  ist. 

23.  Wollen  wir  Gleichung  (35)  für  Gase  anwenden, 
so  drückt  alsdann  f  den  Zusammenhang,  durch  den  äufseren 
Druck  bedingt,  aus.  Hinsichtlich  der  Gase  haben  wir  be- 
kanntlich die  Relation  (laut  dem  Mariotte'schen  und  Gay- 
Lussac'schen  Gesetze) 

pv  =  RT 

wo  R  eine  constante  Gröfse  ist.  Wir  haben  also,  die 
Integration  vollziehend; 

rf—ly+AFLT.lgt>  =  const. 

oder  wenn   bei  /"  =  /",  v  =  t>  ist,   so  folgt,  wenn  wir 

1   ---  b  «>:  =5  bezeichnen: 

aRT       r'   A*Rk  s 

/  1000  c         \  \  ff     -,>.  . 

{Trt  +  ZORh '  ff)  (/W)  =  lg  V 
— —  —  ß 

V 

Die  Gleichung  (36)  beweist  uns:  dafs,  wenn  f  in  arith- 
metischer Progression  wächst,  sich  das  Volumen  des 
Gases  ein  wenig  mehr  vermindert,  als  in  geometrischer 

Progression;  übrigens  vermindert  sich  das  Glied  ~n  je 

nach  der  Grölse  von  f  und  f\ 

24.  Bezeichnen  Q'  und  Q  zwei  Wärmequantitäten, 
corre8pondirend  zweien  Volumen  Gases  v  und  f>,  so  haben 
wir,  bei  gleicher  Temperatur ,  die  bekannte  Gleichung: 

Q-  Q  =  ARTlg  ±. 

Vergleichen  wir  diese  Gleichung  mit  Gleichung  (36), 
die  man  in  folgeuder  Form  darstellen  kann: 

~Av-n+£(7-7)=AIlT'^ 


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607 


so  erhalten  wir: 

P—^aOfr-n-or-Q  .  (37) 

Diese  Gleichung  beweist: 

1)  Wenn  Q'  >•  Q,  so  raufs  f  <T  also:  frei  Vermeh- 
rung der  Disgregation  oder  der  Iiepulsivkraft  eines  Gases 
mtffs  eine  gewisse  Quantität  Wärme  latent  werden,  und  um- 
gekehrt —  bei  Verminderung  jener  Kraft  mufs  diese  Wärme 
wieder  frei  werden. 

2)  Das  Latent-  oder  Freiwerden  der  Wärme  vergröfsert 
sich  bei  Verminderung  von  a  (oder  beim  Vermindern  der 
Dimensionen  des  Molecüls )  und  bei  Vergröfserung  der 
Grüfsen  c  und  f  (oder  der  ursprünglichen  Gröfse  des  äufse- 
ren  Druckes  auf  das  Molecül). 


III.    Veber  den  *Yehemtrom;  von 
K.  ff*.  Kno  rhenhauer. 


(Schlüte  von  Erg.-Bd.  VI.  S.  314.) 

Oie  Verhältnifszahlen  sind  in  den  ersten  beiden  Reihen 
ziemlich  unabhängig  von  in  den  beiden  andern  scheint 
besonders  zu  stören,  dafs  K  ft\r  D  =  32  zu  klein  ist; 
nimmt  man  aus  dem  Versuche  mit  4  Flaschen  #  =  161,1, 
so  erhält  mau  statt  4,94  und  5,93  die  Zahlen  5,63  und 
6,81 ,  die  mehr  zu  den  andern  stimmen.  Führt  man  die 
Rechnung  jetzt  so,  dafs  man  die  Länge  z  des  Schliefsungs- 
bogens  (1)  unbekannt  läfst,  die  andern  aber  nach  ihren 
mittlem  Werthen  ansetzt,  so  folgt  aus  &ft):&f$)  =  z:  160,2, 
z  =  47,8  oder  10,0  in  &  abgezogen  z  =  40,3,  und  aus 
#?,):#?3)  =  s  :  310,3,  «  =  56,4  oder  45,5  und  nach  der 
Aenderung  unter  #  =  32,  z  =  54,1  oder  43,6.   Die  Be- 


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GOS 

rechnung  scheint  dafür  zu  sprechen,  daß  man  in  den 
Werthen  von  K  den  constanteu  Werth  10,0  d.  h.  den  Re- 
duetionscoeffieienten  bei  fehlendem  Eisendrahtbündel  fort- 
zulassen habe,  um  den  Ueberschufs  proportional  zur  Qua- 
dratwurzel aus  der  Länge  des  Schliefsungsbogens  ansetzen 
zu  dürfen. 

Zweitens  wurden  die  Widerstände  bestimmt,  welche 
das  Eisendrahtbündel  in  den  Spiralen  veranlafst,  wenn  die 
eiue  im  Hauptdraht,  die  andere  zum  Nebenstrom  geschlossen 
ist.  Um  hierbei  keinen  fremdartigen  Widerstand  hinein- 
zuziehen, wurde  Thermometer  V  im  Bügel  durch  0m,G5 
Kupferdraht  ersetzt,  und  somit  die  Längen  unverändert  er- 
halten. Das  Verfahren  war  folgendes:  Zuerst  wurde  die 
eine  Spirale  in  den  Schliefsuugsbogen  eingeschaltet,  die 
andere  durch  einen  Bügel  geschlossen,  und  an  Therm.  F, 
das  Therm.  //  im  Hauptdraht  ersetzte,  &  beobachtet;  dann 
wurden  die  Spiralen  aus  dem  Schliefsuugsbogen  entfernt, 
dafür  ein  stark  hemmender  Draht  von  bekanntem,  auf  die 
Neusilber-Einheit  bezogenem,  etwas  kleinerem  Widerstand 
w  eingesetzt  und  //  beobachtet,  endlich  ein  zweiter  Draht 
von  etwas  gröfserem  Widerstand  w"  eingesetzt  und  wieder 
W  beobachtet.  Bezeichnet  w  den  Widerstand  in  den  Spi- 
ralen, W  den  Widerstand  des  unveränderten  Stamms  und 
C  eine  von  der  Batterie  und  der  Stärke  ihrer  Ladung  zu- 
nächst abhängige  Constante,  so  hat  man  die  3  Gleichungen: 

<i    _      C  t    C  (i  Ii          _  C 

und  leitet  aus  ihnen: 

ab,  womit  man  w  berechnet.  Neusilberdraht,  Durchm. 
=  0,177,  wovon  ein  Zoll  die  Widerstands-Einheit  bildet, 
in  den  Stamm  einzusetzen,  würde  bei  den  zum  Theil  sehr 
grofseu  Längen  zu  unbequem  gewesen  seyn,  daher  be- 
nutzte ich  einen  neu  hergerichteten  Rheostaten  aus  Platin- 
draht von  0um,175  Durchmesser,  von  dem  0,507  Meter 


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I 


609 

Lange  einen  Widerstand  =  50  gaben;  es  waren  Draht- 
stücke erst  von  tc  =  50,  dann  von  tr=je  100  durch 
Quecksilbernäpfe  abgeschieden,  so  dafs  sich  Widerstände 
von  50,  100,  150  ...  bis  950  bequem  in  den  Schliefsungs- 
bogen  einschalten  liefsen. 

Ich  theile  zunächst  zwei  Reihen  mit,  in  denen  Spirale 
1  auf  II  und  Spirale  II  aufl  inducirte  in  Schlb.  (1)  =  4m,P) 
und  worin  alle  7  Bügel  der  Reihe  nach  augewandt  wurden; 
zwischen  ihnen  stehen  die  Beobachtungen,  wenn  Platin- 
draht eingeschaltet  war;  unter  w  steht  der  berechnete  Wider- 
stand der  unter  den  Einflufs  des  Eisendrahtbündels  ge- 
stellten Spiralen. 

2  Fl.    .9  =  32.   Schlb.  (1). 


I.  - 

II. 

I. -II. 

Büg. 

w 

Wid. 

#  beob. 

&  bcr. 

Büg. 

w 

1 

24,00 

33,7 

0 

37,87 

37,44 

1 

17,70 

67,9 

2 

20,10 

51,7 

50 

20,40 

20,64 

2 

15,00 

92,2 

3 

15,70 

85,1 

100 

14,30 

14,25 

3 

12,33 

124,7 

4 

13,20 

112,9 

150 

10,80 

10,88 

4 

10,97 

146,8 

5 

10,47 

156,9 

200 

8,80 

8,80 

5 

9,37 

183,6 

6 

7,53 

245,7 

250 

7,43 

7,39 

6 

7,40 

251,0 

7 

4.97 

402,7 

300 

6,23 

6,36 

m 

5,10 

389,8 

350 

5,53 

5,59 

400 

5,00 

4,98 

450 

4,50 

4,50 

Man  ersieht  aus  diesen  Reihen,  dafs  der  Widerstand 
der  Spiralen  immer  gröiser  wird,  je  länger  der  Bügel  ist, 
und  dafs  er  bei  I— II  Büg.  1  wenig  mehr  beträgt  als  bei 
entferntem  Eisendrahtbundel ,  wo  er  nach  einer  spätem 
Beobachtung  =  22,3  ist. 

Wie  genau  Therm.  V  (alle  Thermometer  thun  dies 

nicht  ebenso)  die  Formel  #  =   ausdrückt,  kann 

w  -h  w 

man  am  besten  an  den  mitten  inne  gestellten  Beobach- 

m 

1)  Vorher  8" ,8;  mn  gleich  viel  ändern  sich  auch  Schlb.  (2)  und  (3). 


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ülO 


tungen  sehen,  wo  w  von  0  bis  450  aufsteigt.  Denn  ent- 
lehnt man  aus  allen  10  Beobachtungen  C  =  2300  und 
W  =  61, 44,  so  erhalt  man  die  nach  der  Formel  berech- 
neten Werthe  von  tf,  die  den  beobachteten  so  genau  als 
möglich  entsprechen.  Dies  bestätigt  meine  frühere  Be- 
hauptung, dafs  sich  aus  Therinometerbeobachtungen  ebenso 
exaete  Resultate  ziehen  lassen,  wie  man  sie  sonst  erreicht, 
nur  darf  man  nicht  vergessen,  dafs  die  Entladung  einer 
Batterie  wegen  des  Funkens  leicht  etwas  schwankt,  und 
man  darf  daher  die  Mühe  nicht  scheuen,  mehrfach  zu  be- 
obachten und  Mittelwerthe  zu  benutzen. 

In  den  folgenden  Reihen  blieb  der  Bügel  unverändert, 
dagegen  wurde  »7  und  die  Lange  des  Schliefsungsbogens 
gewechselt;  nach  jedem  solchen  Wechsel  wurde  die  Bat- 
terie erst  dreimal  entladen,  ohne  zu  beobachten,  wozu  der 
Grund  sich  später  ergeben  wird. 

2  El   Hptdr.  II.   Nbdr.  I.   Bügel  7. 

&    =    32  40       48  Mittel. 

Schlb.(l)=  4,u,l  -hll(I)  «>  =  389,8  393,3  387,6  384,8  388,9 

(2)  =115,l-f-  „  173,8     174,8  177,1  175,1 

(3)  =255,3-h  „  118,2     116,8  116,5  117,2 

Von  den  beobachteten  Widerständen  mufs,  wie  ich 
vermuthe,  der  galvanische  Widerstand  =  2,4  abgezogen 
werden;  er  ist  indefs  so  gering,  dafs  die  Correction  übergan- 
gen wurde.  —  Der  Widerstand  ist  unabhängig  von  #  und 
nimmt  entschieden  nach  der  Quadratwurzel  aus  der  Länge 
des  Sehliefsungsbogens  ab;  er  ist  also  umgekehrt  propor- 
tional zur  Oscillationsdauer.  Setzt  man  nach  dem  Frü- 
heren die  äquivalente  Länge  von  II  (I)  Schlb.  (2)  =  37*,0 
und  Schlb.  (3)  =  44m,0,  so  erhält  man  die  Länge  von 
Schlb.  (1)  oder  z  aus  (1)  und  (2)  =  31,  aus  (1)  und  (3) 
=  27,  was  vollkommen  genügt,  da  nach  dem  Spätem 
wohl  noch  eine  Correction  anzubringen  ist. 

Die  Abhängigkeit  des  Widerstands  von  der  Oscillations- 
dauer wird  dadurch  bestätigt,  dafs  bei  Aenderung  der 
Batterie  die  beobachteten  Werthe  sich  auch  zur  Quadrat- 


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611 


wurzel  aus  der  Capacität  derselben  umgekehrt  proportional 
verhalten.  Die  angewandten  Flaschen  waren  die  mit  F 
bezeichneten ,  und  die  Capacitaten  von  4:2:1  Flaschen 
wurden  nach  besonders  angestellten  Beobachtungen  wie 
4:  1,916  : 1,035  bestimmt;  daher  hat  man  die  mit  1  Flasche 
beobachteten  Widerstände  mit  0,735  und  die  mit  4  Flaschen 
beobachteten  mit  1,445  zu  multipliciren,  um  sie  auf  2  Fl. 
zu  reduciren.  Ich  erhielt  1  Fl.  D  =  48,  Schlb.  (1) 
to  =  555,9,  red.  =  408,5,  Schlb.  (2)  to  =  250,0, 
red.  =  183,7;  4  Fl.  D  =  32,  Schlb.  (3)  to  =  78,4, 
red.  =  113,3.  Dafs  1  Fl.  etwas  gröfsere,  4  FL  etwas 
kleinere  Werthe  geben,  hat  sicher  seinen  Grund  in  dem 
ungleichen,  erst  mehr,  dann  weniger  starken  Magnetismus, 
welchen  das  Eisendrahtbündel  annimmt,  wodurch  auch  die 
vorher  erwähnte  Correction  bedingt  wird. 

2  Fl.    Hptdr.  I.    Nbdr.  II.    Bügel  7. 
•  Schlb.    D  =  32  40         48  Mittel. 

(1)  tc=    402,7  402,6    400,0    400,0  401,3 

(2)  220,8        221,4    217,3  219,8 

(3)  150,0        150,9    153,0  151,3 

1  Fl.  D  mm  48,  Schlb.  (1)  w  =  563,7,  red.  414,3,  Schlb. 
(2)  w  =  307,1,  red.  225,7;  4  Fl.  D  =  32,  Schlb.  (3)  w  = 
100,5,  red.  145,2.  1  Fl.  giebt  wieder  einen  etwas  gröfsern, 
4  Fl.  einen  etwas  kleinern  Widerstand.  Setzt  man  die  äqui- 
valente Länge  von  I  (II)  in  (2)  =  53,8,  in  (3)  =  66,7, 
so  ist  •  =  51  und  =  46,  welche  Werthe  annähernd  ge- 
nügen. Der  galvanische  Widerstand  von  I  ist  =  3,3. 

Um  das  Gesetz  bei  anderen  Bügeln  zu  controliren, 
machte  ich  noch  folgende  Versuche: 

2  Fl.    Hptdr.  II.    Nbdr.  I.    Bügel  103»,4. 
Schlb.     D  mm      40  48  Mittel. 

(1)  w  =    497,7    495,4  496,5 

(2)  303,7    302,4  303,1 

(3)  226,7    223,5  225,1 

Setzt  man  die  nach  den  Reihen  berechnete  äquivalente 
Länge  von  II(I)  in  (2)  =  50,5,  in  (3)  =  61,0,  so  ist  z 

PoggendorfTs  Annal.    Ergänzungsbd.  VI.  40 


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612 

=  £2  und  sm  65^  hier  augenscheinlich  zu  grofs.  Sollte 
die  noch  vorbehaltene  Correction  den  Werth  von  *  nicht 
viel  niedriger  stellen,  so  würde  man  annehmen  müssen, 
dafs  bei  sehr  langen  Bügeln  die  für  diese  Fälle  gültigen 
Schwingungen  sich  der  andern  Art  nähern,  welche  beim 
Durchgang  des  Stroms  durch  eiue  Spirale  stattfindet,  wenn 
die  andere  offen  bleibt. 

2  Fl.    Hptdr.  II.    Nbdr.  L    Bügel  & 

Schlb.    D  =      32  40  Mittel. 

(1)  u>  =   242,7    246,1  244,4 

(2)  93,9     94,7  94,3 

(3)  62,4     61,5  62,0 

Die  Berechnung  giebt  z  =  19,4  und  =  17,3. 

2  Fl.  Hptdr.  II.  Nbdr.  L  «Bügel  wen  0«,65. 
Schlb.    D  mm     32       40       43  Mittel. 

(1)  tp  =   61,8    61,2    62,7  61,9 

(2)  19,2    19,4    —  19,3 

(3)  14,8    12,8    13,3  13,6 

1  FL  87^9    88j9    86^    87,7  red.  =  64,4 

4  Fl.  Q)  43J  red.  =  62,3 

Die  Werthe  von  s  sind  13  und  liL 

2  Fl.  Hptdr.  L  Nbdr.  IL  Bügel  =  O^^o. 
Schlb.    D  =     32        40        4£  Mittel. 

(1)  ic  =    30,5    29,7    30,0  30,1 

(2}  15,4    15,2     —  15,3 

(3}  12,3     9,8    11,7  11,2 

1  Fl.  (1)  39j2    41^    4^0  40,5  red.  =  29,8 

4  Fl.  (1}  23j?  red.  =  34,5 

In  dieser  Reihe  lässt  sich  z  nicht  mehr  berechnen, 
weil  der  Widerstand  schon  so  gering  wird,  dafs  er  seinen 
Gränz werth  bei  entferntem  Eisendrahtbündel  erreicht;  dies 
scheint  auch  auf  die  Beobachtung  mit  4  Fl.  eingewirkt 
zu  haben. 


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613 


Zu  diesen  Reihen  gehört  noch  der  Fall,  wenn  der 
Flaschenstrom  durch  heide  Spiralen  hinter  einander  in  ent- 
gegengesetzter Richtung  geht. 

2  FI.    Hptdr.  L  II.  entg.  (beide  Spiralen  durch  0M165  verbanden). 
Schlb.    D  =     32        4Q        48  Mittel. 

(T)    w  =«    47,4    4^6    4^5  48,2 
22,5    24,4    —  23,4 


£3}  18,2    17,1    16,9  17,4 

1  Fl.  (1}  65,168^6^3    67,5  red.  =  49,6 

4  Fl.  Q}  3^2  red.  —  51,0. 

Der  Widerstand  erreicht  wiederum  seinen  Grenzwerth, 
weshalb  z  nicht  berechnet  werden  kann. 

Um  diese  Grenz werthe  zu  übersehen,  fuge  ich  einige 
Versuche  bei,  in  denen  das  Eisendrahtbündel  aus  den  Spi- 
ralen entfernt  war;  es  zeigte  sich  dabei,  dafs  der  Wider- 
stand von  Spirale  I  und  von  Spirale  II  innerhalb  der  Be- 
obachtungsfehler unverändert  bleibt,  mochte  die  andere 
Spirale  offen  oder  durch  einen  beliebigen  Bügel  aus  Kupfer- 
draht geschlossen  seyn. 

Widerstand  der  Spiralen  ohne  Eisendrahtbündel  im 

Schlb.  Q}: 

2  Fl.   Z)  =  32       4Q   1  Fl.  £  32       4Q  48 

Spir.  II.   io  =  13J    1^3  16,2  16,4  19,0 

Spir.  L           22,3   24J  28,7  31,5  33,9 

I  II  entg.           24j0   25£  32,3  38,5  43,6 

I  II  gl.              39j7    41,0  54,2  60,7  75,2 

Es  tritt  hier  ein  mit  D  steigender  Widerstand  ein,  worauf 
ich  früher,  Pogg.  Ann.  Bd.  121  S.  443,  noch  nicht  ge- 
achtet hatte. 

Ich  schliefse  hieran  noch  die  Beobachtungen  über  den 
Widerstand  von  (A/  -f-  JV)  und  den  beiden  hinter  einander 
folgenden  Rollen,  welche  zu  Schlb.  (3)  gedient  hatten. 

40" 


614 

Widerstand  von  Schlb.  (3): 

1  Fl.  D  =  32       40        48    2  Fl.  D  =  24        32        40  4S 
io=  129,2  141,7  159,2    w  =  101,6  101,5  106,2  119,0 

4  FI.  D  n   24       28  32 
io=  73,6  *72,7  *71,3 

Die  Zahlen  geben  die  Mittelwerthe  aus  zwei  Reihen, 
nur  die  mit  *  versehenen  sind  nicht  repetirt  worden.  Es 
war  mir  auffallend,  dafs  diese  Reihen  nicht  dieselbe  Ueber- 
einstimmung  wie  sonst  zeigten,  was  wohl  seinen  Grund 
darin  haben  mochte,  dafs  der  Funke  meist  einen  dumpfen 
Ton  gab,  der  auf  besondere  Störungen  schliefsen  läfst. 
Sollten  die  Reihen  über  den  Nebenstrom  noch  einmal  an- 
gestellt werden,  so  dürfte  es  rathsam  seyn,  Rollen  von  dem 
Schliefsungsbogen  auszuschlieisen  und  nur  frei  gewickelte 
Spiralen,  wie  (M-)-N),  anzuwenden.  Die  Abhängigkeit 
des  Widerstands  von  D  würde  sich  dann  auch  noch  sicherer 
feststellen  lassen. 

Endlich  habe  ich  drittens  die  Widerstände  bestimmt, 
die  der  Strom  unter  Einflufs  des  Eisendrahtbündels  beim 
Durchgang  durch  eine  Spirale  oder  durch  beide  hinter 
einander  in  gleicher  Richtung  erleidet.  Hierbei  wurde  ich 
auf  Einwirkungen  aufmerksam,  die  in  ziemlich  bedeutendem 
Mafse  die  Resultate  ändern,  je  nachdem  der  Strom  nach 
mehrmaligen,  schou  vorangegangenen  Entladungen  in  der- 
selben oder  in  der  entgegengesetzten  Richtung  durch  die 
Spirale  verläuft.  Um  übereinstimmende  Zahlen  zu  erhalten, 
wurde  daher  nach  jeder  Aenderung  der  Batterie  oder  ihrer 
Ladung  erst  die  zweite  Spirale  mit  0*,65  Kupferdraht  ge- 
schlossen, und  die  Batterie  zur  Zerstörung  des  im  Eisen* 
drahtbündel  bleibenden  Magnetismus  3  mal  entladen,  dann 
der  Bügel  entfernt  und  wieder  wenigstens  3  mal  entladen, 
ehe  die  Beobachtungen  begonnen  wurden,  die  den  Wider- 
stand bei  einem  solchen  magnetischen  Zustand  des  Eisen- 
drahtbündels angeben  sollten,  wie  er  sich  in  jedem  Fall 
durch  die  Entladungen  gestaltet.    Derselbe  Zustand  war 


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615 

auch  in  den  Versuchen  über  die  Nebenströme  und  über 
die  bereits  angegebenen  Widerstande  jedesmal  hergestellt 
worden. 

Die  beiden  zunächst  folgenden  Reihen  sollen  zuvörderst 
die  Einwirkungen  zeigen,  die  bei  einem  andern  magne- 
tischen Zustand  des  Eisendrahtbündels  auftreten.  Es  wurde, 
als  Spirale  II  bei  offener  Spirale  I  in  dem  Schlb.  (1)  war 
und  die  Batterie  aus  2  Fl.  bestand,  erst  dreimal  entladen, 
dann  der  Strom  in  entgegengesetzter  Richtung  einmal  durch 
die  Spirale  geleitet,  dann  einmal  wieder  in  der  ursprüng- 
lichen Richtung  und  dabei  &  gl.  beobachtet,  dann  wieder 
einmal  in  entgegengesetzter  Richtung  und  &  entg.  notirt ;  so 
wurde  abgewechselt,  bis  von  jeder  Richtung  vier  Werthe 
vorlagen,  aus  denen  die  folgenden  Mittelwerthe  entnommen 
wurden. 

D  =  32  40  48 

&  =  entg.  3,22  gl.  2,95  entg.  5,42  gl.  5,10  entg.  8,24  gl.  7,82 

u>  =        655      730         598      635  549  587 

^692~  ^616^  568 

Die  ersten  dreimaligen  Entladungen  blieben  nicht  ohne 
Nachwirkung,  weshalb  der  Widerstand  bei  gleicher  Rich- 
tung etwas  gröfser  ausfiel,  als  bei  entgegengesetzter.  In 
den  Mittelwerthen  aus  beiden  erkennt  man  eine  entschie- 
dene Abnahme  bei  wachsendem  D,  also  einen  Widerstand, 
der  andern  Gesetzen  folgt,  als  der  vorher  untersuchte ;  man 
reducirt  die  Zahlen  unter  D  wm  40  und  =  48  auf  die  unter 

D  =  32,  wenn  man  sie  mit  der  Quadratwurzel  aus  ~  und 

|,  also  mit  Vl&  =  1,118  und  yT,5Ö  =  1,225  multipli- 

cirt.    Man  erhält: 

D  —    32  40  48  Mittel, 

to  =  692    616  red.  689    568  red.  696  692 

In  der  folgenden  Reihe  wurde  dieselbe  Batterie  erst 
dreimal,  dann  ohne  Unterbrechung  bei  verändertem  D 
weiter  entladen  und  &  beobachtet. 


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616 


D  =  32 
&  —  2,70 

W  mm  800 


40  48 
4,50  6,70 
725  683 


40  32 
4,32  2,50 
764  864 


Die  fortwährende  Entladung  der  Batterie,  während  D 
von  32  auf  48  stieg  und  wieder  auf  32  zurückging,  stei- 
gerte nach  Pogg.  Ann.  Bd.  126,  S.  249  und  250  den 
bleibenden  Magnetismus  im  Eisendrahtbündel  und  mächte 
den  Widerstand  gröfser.  Bleibender  Magnetismus  nach 
der  Richtung,  wie  ihn  der  Strom  erregt,  vermehrt  den 
Widerstand,  entgegengesetzter  vermindert  ihn. 

Es  wäre  wohl  wünschenswerth,  die  Widerstande  so  zu 
bestimmen,  dafs  das  Eisendrahtbündel  ganz  frei  von  blei- 
bendem Magnetismus  wäre;  man  müsste  ihn  also  vor  jeder 
Beobachtung  dadurch  zerstören,  dafs  man  bei  Sp.  I  im 
Hauptdraht  Sp.  II  durch  0'",65  schlösse,  bei  Sp.  II  den 
Strom  auch  durch  Sp.  I  in  entgegengesetzter  Richtung 
führte,  und  die  Batterie  etwa  dreimal  entlüde.  Ich  würde 
diesen  umständlichen  Weg  eingeschlagen  haben,  wenn  nicht 
die  Beobachtungen  in  zu  ungleichen  Intervallen  auf  ein- 
ander gefolgt  und  dadurch  die  Werthe  fr  ungenau  ge- 
worden wären,  denn  ein  gröfseres  Intervall  macht  &  leicht 
gröfser,  wahrscheinlich  weil  die  Kugeln  am  Funkenmesser 
sich  mehr  abkühlen  und  die  Elektricität  etwas  schwieriger 
überspringen  lassen.  Es  ist  ja  bekannt,  dafs,  wenn  eine 
Batterie  sich  über  zwei  Funkenmesser  mit  Kugeln  in  glei- 
cher Entfernung  entladen  kann,  die  Funken  hinter  ein- 
ander nur  über  einen  gehen,  bisweilen  abwechseln,  dann 
aber  längere  Zeit  wieder  über  den  anderen  schlagen.  Ich 
bestimmte  daher,  wie  schon  vorher  angegeben  ist,  den 
Widerstand  in  einem  solchen  magnetischen  Zustand  des 
Eisens,  wie  er  durch  die  Entladungen  selbst  hergestellt 
wird;  nach  jeder  Aenderung  im  Schliefsungsbogcn  oder 
in  der  Ladung  der  Batterie  zerstörte  ich  erst  den  vorhan- 
denen Magnetismus  und  stellte  den  neuen  Zustand  durch 
etwa  drei  Entladungen  her.  Die  so  ausgeführten  Beobach- 
tungen an  Therm.  V  waren: 


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617 

Hptdr.  3»,8  +  ü.    Schlb.  (1). 
2  Fl.    D  —    32  "  40  48  Mittel. 

«p  =  811     734  red.  821     672  red.  822  818 
4  Fl.         517,5  459,5  „  514,9  408,9  w  500,8  511 

Mit  Schlb.  (3)  gaben  4  FL  D  =  40,  u>  =  377,8  red. 
422,4,  einen  1,22  mal  kleineren  Werth,  dagegen  mit  Schlb. 
(1)  und  einem  Zusatz  an  Platindraht  von  einem  Wider- 
stand 100  w  =  465,3  und  von  einem  Widerstand  200 
to  =  468,2,  denselben  Werth  wie  vorher,  da  nach  Pogg. 
Annal.  Bd.  126,  S.  250  Widerstand  im  Schliefsungsbogen 
den  bleibenden  Magnetismus  etwas  vergröfsert.  Reducirt 
man  tr  =  511  durch  Multiplication  mit  der  Quadratwurzel 
aus  der  Capacität  oder  mit  1,445  auf  2  Fl.,  so  erhält  man 
IT  =  738,  einen  zu  kleinen  Werth,  der  wohl  kaum  aus 
dem  schwächern  bleibenden  Magnetismus  erklärt  werden 
darf.  —  Von  dem  beobachteten  Widerstande  mufs  nach 
Pogg.  Ann.  Bd.  127,  S.  450  der  galvanische  Widerstand 
der  Spirale  abgezogen  werden,  doch  ist  die  Correction  bei 
den  grofsen  Zahlen  zu  geringfügig. 

Die  soeben  mitgetheilten  Resultate  haben  in  doppelter 
Beziehung  eine  grofse  Bedeutung.  Sie  lehren  erstens,  dafs 
der  hier  untersuchte  Widerstand  von  dem  vorher  be- 
stimmten, wo  die  zweite  Spirale  geschlossen  ist,  oder  der 
Strom  durch  beide  Spiralen  hinter  einander  in  entgegen- 
gesetzter Richtung  geht,  in  seinen  Gesetzen  durchaus  ver- 
schieden ist.  Während  der  letztere  zur  Oscillationsdauer 
der  Batterie,  also  zur  Quadratwurzel  aus  der  Capacität  der 
Batterie  und  aus  der  Länge  ihres  Schliefsungsbogens  um- 
gekehrt proportional  und  unabhängig  von  der  Stärke  der 
Ladung  oder  von  D  ist,  nimmt  der  jetzt  untersuchte 
Widerstand  mit  der  Quadratwurzel  aus  D  ab,  ist  nicht 
genau  der  Quadratwurzel  aus  der  Capacität  umgekehrt 
proportional,  und  wird  durch  die  Länge  des  Schliefsungs- 
bogens nur  wenig  gemindert  Die  Resultate  beweisen  zwei- 
tens für  die  Theorie,  dafs  man  die  Gesetze  des  galvanischen 
Stroms,  namentlich  die  Magneto -Induction  nicht  in  An- 


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618 

wendung  bringen  kann.  Mit  der  durch  das  Eisendraht- 
bündel gesteigerten  Induction  wurde  man  den  Widerstand 
in  Verbindung  bringen  müssen,  und  hätte  dann  gegen  die 
Beobachtung  stärkern  Widerstand  zu  erwarten,  wenn  das 
Eisen  vorher  in  entgegengesetzter  Richtung  magnetisirt  ist. 

Wegen  der  Wichtigkeit  der  Resultate  stellte  ich  noch 
einige  Repetitionen  an.  4  Fl.  D  =  40  Schlb.  (1)  gaben 
bei  je  nach  einer  Beobachtung  gewechselter  Stromrichtung 
in  Sp.  II  entg.  405,5  gl.  414,0  im  Mittel  w  =  409,7  und 
2  Fl.  D  —  48  nach  der  gewöhnlichen  Beobachtungsweise 
in  Schlb.  (1)  w  =  675,0,  in  (2)  u>  =  609,5  (1,11  mal 
kleiner),  in  (3)  to  =  553,5  (1,22  mal  kleiner).  Die  obigen 
Resultate  werden  vollkommen  bestätigt. 

Hptdr.  3«",8  4-  I. 

2  Fl.    D  =    32  40  48  Mittel. 

w  =  890    786  red.  879    736  red.  901  890 

4  Fl.  to  =  562    500    „    559    455    „  558  560 

Auch  hier  ist  560  X  1,445  =  809  gegen  890  zu  klein. 

Hptdr.  3-8  -f- 1  II  gl. 
4  Fl.  D  =     32  40  48  Mittel. 

w  =  1068    982  red.  1098    885  red.  1084  1083 
2  FL  D  —  48   to  =  1641 

Zur  ersten  Reihe  erhält  man  aus  den  mit  Sp.  II  und 
mit  Sp.  I  beobachteten  Werthen  511  -4-  600  =»  1071, 
zur  zweiten  672  -h  736  »  1408.  Eine  Steigerung  des 
Widerstands  wegen  des  vermehrten  bleibenden  Magnetis- 
mus war  zu  erwarten,  doch  ist  die  Differenz  in  der  zweiten 
Reihe  sehr  bedeutend;  vielleicht  liegt  der  Grund  darin, 
dafs  die  zur  Bestimmung  angewandten  Platindrähte  nur 
einen  Widerstand  =  600  700  800  900  hatten,  woraus 
freilich  übereinstimmend  to  —  1640  1632  1650  folgte, 
doch  könnte  auch  das  Thermometer  den  beobachteten 
Werth  #  =  2,85  etwas  zu  klein  angegeben  haben. 

Der  Einflufs  des  bleibenden  Magnetismus  oder  über- 
haupt des  magnetischen  Zustandes  des  Eisendrahtbündels 
auf  den  Widerstand  regt  die  Frage  an,  ob  auch  in  den 


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619 


früheren  Beobachtungen  bei  geschlossener  zweiter  Spirale 
ein  ähnlicher  Einflufs  stattfindet.  Wäre  dies  der  Fall,  so 
müfste  in  den  Zahlen,  aus  denen  die  Gesetze  abgeleitet 
wurden,  noch  vorher  eine  Correction  angebracht  werden, 
auf  die  ich  oben  verwiesen  habe.  Schwierig  wird  es  nur 
seyn,  endgültig  festzustellen,  welchen  magnetischen  Zustand 
man  als  den  normalen  anzusehen  habe. 

Bei  den  Nebenströmen,  deren  Gesetze  sich  noch  nicht 
klar  genug  aus  den  Beobachtungen  ableiten  liefsen,  wird 
eine  erneuerte  Untersuchung  diesen  Umstand  beachtend 
näher  zu  bestimmen  haben,  wie  weit  dadurch  die  Werthe 
von  K  afficirt  werden.  Auch  dürfte  noch  ein  anderer 
Punkt  zu  erörtern  seyn,  ob  nicht  durch  den  Widerstand, 
den  der  Strom  durch  das  Eisendrahtbündel  erleidet,  die 
inducirende  Kraft  der  Spiralen  überhaupt  geschwächt  wird, 
so  dal's  man  gröfsere  Werthe  von  K  erhalten  würde,  wenn 
dieser  Widerstand  gar  nicht  hervorträte.  Ich  stiefs  auf 
dieses  Bedenken,  als  ich  in  den  Reihen  Schlb.  (1)  und  (2), 
wo  Sp.  I  auf  II  inducirt,  aus  den  drei  ersten  Beobach- 
tungen und  aus  den  vier  letzten,  dann  aus  den  vier  ersten 
und  den  drei  letzten  K  und  die  äquivalente  Länge  von  II 
berechnete,  also  die  Beobachtungen  bei  geringerem  und 
bei  gröfserem  Widerstand  von  einander  trennte.  Die 
Rechnung  gab  aus  den  ersten  Beobachtungen  merklich 
gröfsere  Werthe  von  K  und  II  als  aus  den  andern. 


Aus  d.  3  ersten, 

d.  4  letzten,  | 

d.  4  ersten, 

d.  3  letzten. 

Schlb.  (1): 

D       TL  K 

n  k 

II 

K 

II 

K 

32    78,8  84,0 

64,0  70,8 

78,1 

83,3 

64,6 

70,9 

40    76,8  80,0 

56,3  62,6 

78,5 

82,8 

56,3 

62,6 

48    69,3  73,1 

50,4  55,0 

67,0 

70,7 

50,6 

56,0 

6chlb.  (2): 

32  140,1  149,0 

107,1  117,1 

145,6 

154,8 

106,5 

116,7 

40  144,5  151,8 

92,9  104,3 

150,6 

158,2 

88,7 

•  99,3 

48  143,1  149,3 

89,3  97,4 

136,2 

142,2 

85,1 

94,5 

620 


Für  ein  gröfseres  K  bei  kleinerem  Widerstand  in  den 
Spiralen  spricht  noch  die  Sitzungsber.  d.  W.  Acad.  Bd.  48 
beobachtete  aequivalente  Länge  von  I  (II  Bügel  16",5)  =^ 
25ro  etwa,  denn  die  fort  aus  allen  7  Beobachtungen  be- 
rechneten Zahlen  geben  nur  21  bis  22";  ebenso  för  ein 
kleineres  K  bei  grofsem  Widerstand  die  Pogg.  Ann.  Bd. 
133  S.  657  beobachtete  aequivalente  Länge  von  II,  I  offen, 
etwa  =  ölm. 

Ich  gehe  zum  Schlufs  zu  der  eigentlichen  Aufgabe  dieser 
Abhandlung  über,  zu  dem  Nachweise,  dafs  der  Neben- 
strom dem  Hauptstrom  gleichartig  ist  und  in  entgegenge- 
setzter Richtung  durch  den  parallelen  Draht  fliefst.  Man 
hat  nur  die  drei  Reihen  S.  612  mit  einander  zu  vergleichen, 
um  sich  von  der  Richtigkeit  dieser  Behauptung  sogleich 
zu  überzeugen.  In  Sp.  I  II  entg.  geht  der  Hauptstrom 
erst  durch  Sp.  I,  dann  in  entgegengesetzter  Richtung  durch 
Sp.  II,  und  findet  einen  im  Ganzen  geringen,  schon  an 
den  Gränzwerth  streifenden  Widerstand;  dieser  Wider- 
stand ist  dadurch  scharf  ausgeprägt,  dafs  er  von  D  unab- 
hängig ist  und  mit  längerem  Schliefsungsbogen  schnell  ab- 
nimmt. Geht  der  Hauptstrom  durch  Sp.  I  und  ist  Sp. 
II  durch  den  Bügel  0m,65  geschlossen,  so  erreicht  der 
Nebenstrom  eine  Stärke  n  gröfser  als  1,  d.  h.  gröfser  als 
der  Hauptstrom;  der  Widerstand  ist  noch  geringer  als  vor- 
her, aber  ebenso  bestimmt  dadurch  charakterisirt,  dafs  er 
von  D  unabhängig  mit  längerem  Schliefungsbogen  bedeu- 
tend abnimmt.  Geht  endlich  der  Hauptsttrom  durch  Sp. 
II,  während  Sp.  I  durch  0m,65  geschlossen  ist,  so  hat  der 
Nebenstrom  im  Schlb.  (1)  eine  Stärke  etwa  =  0,83  bis  0,81; 
der  Widerstand  wird  etwas  gröfser,  hat  aber  dieselbe  vor- 
her genannte  Eigentümlichkeit.  Diese  Widerstande  können 
in  der  bezeichneten  Weise  nicht  anders  hervortreten,  als 
wenn  man  dem  Nebenstrom  die  Gleichartigkeit  mit  dem 
Hauptstrom  und  die  entgegengesetzte  Richtung  beilegt; 
jede  andere  Annahme  würde  auf  einen  Widerstand  fuhren, 
der  mehr  oder  weniger  auf  jenen  zurückkommt,  der  beim 


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621 


Durchgang  des  Stroms  durch  eine  Spirale  (die  andere 
offen)  beobachtet  wurde  und  anderen  Gesetzen  folgt. 

Meiningen,  im  December  1873. 


IVr.    Geometrische  Lösung  einiger  elektrischen 

Probleme; 
von  Prof.  E.  Pickering. 

I  )ie  Methode  besteht  darin,  durch  horizontale  Abscissen  die 
elektrischen  Widerstände  und  durch  Ordiaaten  die  Potentiale 
der  verschiedenen  Theile  einer  elektrischen  Kette  vorzu- 
stellen. So  in  Fig.  1,  wenn  man  die  Linien  links  von  A  Ä 
vernachlässigt,  bezeichnet  A  C  den  Gesain mtwiderstand  der 
Kette,  und  AA'  das  Potential  der  Batterie.  Wenn  dann 
der  eine  Pol  mit  A  verbunden  wird  und  der  andere  mit 
dem  Grund  bei  C,  wird  das  Potential  irgend  eines  Punktes 
B  gefunden ,  indem  man  die  gerade  Linie  Ä  C  zieht  und 
das  Perpendikel  BB'  errichtet. 

WheaUtone's  Brücke.  —  Vier  Widerstände  M,  N,  0, 
P  sind,  End  an  End,  mit  einander  verbunden,  und  zwei 
gegenüberstehende  Verbindungen  sind  verknüpft  mit  der 
Batterie,  die  beiden  anderen  mit  einem  Galvanometer.  Die 
Nadel  des  letzteren  wird  nicht  abgelenkt,  wenn  M :  JV  = 
Fig.  1.  P:0.  Um  diefs  zu  beweisen,  sey 

in  Fig.  1  AB  «  M9  BC  =  N, 
ED  =  0  und  DA  =  P.  Die 
Batterie  sey  in  A  verknüpft;  man 
errichte  das  Perpendikel  A  A' 
gleich  ihrem  Potential  und  ziehe 
die  Linien  AC  nnd  AK.  Ziehe  auch  die  Linien  BB'  und 
DD'.  Sie  werden  die  Potentiale  an  den  Enden  des  Gal- 
vanometers repräsentiren,  und  werden  gleich  seyn,  wenn 
kein  Strom  durchgeht   Allein  AA '  :]BB'=  M-t-N:N  und 


622 


AAiDD'  mm  P-f-  0;0,  und  wenn  BB'=DD\  1  + 
iV:JV=  P-h  0:0,  folglich  Jtf  :  iV  =  P:  0. 

Poggendorffs  Methode,  Potentiale  zu  messen.  —  Sey  E 
das  Potential  der  zu  untersuchenden  Batterie,  und  E  das 
derjenigen,  welche  zum  Vergleich  dient  und  als  Normal- 
maafs  angesehen  wird.  Das  Galvanometer  wird  mit  der 
letzteren  Batterie  verbunden,  und,  zur  Schwächung  des 
Stroms,  ein  Widerstand  eingeschaltet.  Nun  verbindet  man 
die  beiden  Enden  der  anderen  Batterie  mit  dem  Galvano- 
meter, so  dafs  ein  Strom  in  umgekehrter  Richtung  hindurch 
Fig.  2.  geht  und  verändert  den  eingeschalteten 
a'  Widerstand  bis  die  Nadel  auf  Null  zu- 

rückkommt.  Man  nenne  G  den  Wider- 
stand  des  Galvanometers  und  R  den  der 
Jj — ^  — ^  Normalbatterie.  Dann  wird  Gleichge- 
wicht da  seyn ,  wenn  E :  E  =  G  -f-  R:G.  Um  diefs  zu 
beweisen  sey  A  A  =  £,  AB  =  R  und  BC=G.  Sey  DD' 
auch  =  E.  Zum  Gleichgewicht  mu&  DD1  und  entgegen- 
gesetzt BB  seyn.  Allein  AA:  BF  =  AC:  BC  oder  E  :  E 
=  G  +  R:G. 

(Au«  d.  Journ.  of  the  Franklin  Institute  vom  Hrn.  Verf.  übersandt) 


V.    Untersuchungen  über  die  Volumconstitution 

der  festen  horper 
von  U.  Schröder. 


Allgemeine  Resultate. 

237.  Die  Untersuchungsmethode,  welche  ich  im  Vor- 
ausgehenden (-namentlich  208  bis  213)  begründet  habe,  hat 
mich  in  ihrer  Anwendung  auf  alle  gut  bestimmten  Körper- 
gruppen und  insbesondere  auf  die  wichtigsten  Mineralien 
(Jahrb.  d.  Mineral.  1873  und  1874)  nunmehr  zu  dem  sehr 
bemerkenswerthen  allgemeinen  Resultate  gefuhrt,  dafs  die 
Volume  der  Componenten  und  resp.  der  Elemente  einer  Ver- 
bindung stets  in  einfachen  Verhältnissen  stehen. 


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623 


Die  Volume  der  Körper,  in  vergleichbaren  Zuständen 
gemessen,  lassen  sich  alle  auf  ein  gemeinsames  Maass  zu- 
rückführen, von  welchem  sie  sich  als  vielfache  Werthe  mit 
ganzen  Zahlen  erweisen. 

238.  Es  war  natürlich  angezeigt,  eine  Hypothese  zu 
entwerfen,  welche  diese  merkwürdige  Thatsache  als  die 
Folge  einer  allgemeineren  natürlichen  Ursache  zu  erkennen 
erlaubt.  Läfst  sie  sich  durchfuhren,  und  in  Folge  dessen 
als  Theorie  aufstellen,  und  ich  denke,  dafs  mir  diefs  ge- 
lingen soll,  so  wird  dieselbe  für  unsere  Auffassung  der 
chemischen  Verbindungen  von  grofser  Tragweite  seyn. 

Ich  will  den  Fundamentalsatz  derselben  hier  vorläufig 
aussprechen,  eine  nähere  Begründung  vorbehaltend.  Er 
lautet:  Die  Körper  verbinden  sich  nur  nach  vielfachen 
Werthen  mit  ganzen  Zahlen  von  gleichen  Volumen. 

Er  steht  in  unmittelbarem  Zusammenhange  mit  dem 
Summationsgesetz  und  dem  Condensationsgesetz  (204). 

Nur  nach  und  nach  und  mit  Zuhülfenahme  einer  großen 
Fülle  von  Thatsachen  wird  sich  diese  Theorie,  oder  wenn 
man  es  lieber  so  nennen  will,  diese  Hypothese,  begründen 
lassen.  Ich  wiederhole,  was  ich  schon  (204)  gesagt  habe: 
Es  handelt  sich  bei  diesen  Untersuchungen  stets  darum, 
solche  Festsetzungen  zu  treffen,  welche  den  erfahrungs- 
mäfsig  zwischen  den  Volumen  zu  Tage  tretenden  Bezie- 
hungen und  Gesetzraäfsigkeiten  den  einfachsten,  und  auf 
alle  analogen  Fälle  anwendbaren  Ausdruck  verleihen.  Der 
Natur  der  Sache  nach  müssen  einzelne  Annahmen  von 
vorn  herein  innerhalb  gewisser  Grenzen  noch  als  willkühr- 
lich  erscheinen.  Sie  verlieren  diesen  Charakter  der  Will- 
kühr und  nehmen  den  der  Notwendigkeit  an,  wenn  sie  der 
Forderung  der  Durchführbarkeit  im  Einklang  mit  der  Er- 
fahrung Genüge  leisten. 

Eben  aus  dieser  Ursache  kann  ich  an  dieser  Stelle  auf 
die  Begründung  meiner  Theorie  noch  nicht  näher  eingehen, 
weil  ich  vorerst  die  lange  Reihe  von  Thatsachen  feststellen 
mufs,  aus  welchen  die  Durchführbarkeit  derselben  ersicht- 
lich werden  kann. 


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624 

239.  Nur  eine  vorläufige  Bemerkung  glaube  ich  mir 
schon  hier  nicht  versagen  zu  dürfen: 

Ist  eine  Verbindungsgruppe  hinreichend  untersucht,  so 
dafs  die  Volume  ihrer  Coraponenten  und  respective  ihrer 
Elemente  mit  Sicherheit  ermittelt  sind,  so  führt  die  er- 
wähnte Theorie  zur  Bestimmung  des  Molecüls  der  Körper, 
d.  h.  der  Anzahl  von  Atomen,  welche  in  einem  Molecül 
enthalten  sind. 

So  ergiebt  sich  mir  z.  B.  Sia  04  als  Molecül  des  Quar- 
zes und  der  Kieselsäure,  wie  sie  im  Augit,  in  der  Horn- 
blende, im  Chrysolith,  im  Granat,  im  Feldspath,  im  Di- 
sthen  und  einigen  anderen  Verbindungen  enthalten  ist.  Es 
e rgiebt  sich  das  Molecül  des  Periklases  als  Mgt  04 ;  das 
Molecül  des  Magneteisens  als  Fe6  08;  des  Thonerdespi- 
nells als  Mg4  04,  AI,,  012.  Es  ergiebt  sich,  dafs  vier 
Atome  S03  zu  einem  Molecül  fester  Schwefelsäure  in  den 
Sulfaten  verbunden  sind  usw. 

Nur  nach  und  nach  kann  ich  mich  jedoch  dem  Ziele 
nähern,  dieis  und  Analoges  unzweifelhaft  festzustellen.  Zu- 
nächst mufs  es  namentlich  meine  Aufgabe  seyn,  durch  eine 
reichliche  Fülle  von  Thatsachen  den  Satz  aufser  Zweifel 
zu  stellen,  dafs  die  Volume  der  Componenten  jeder  Verbin- 
dung in  einfachen  Verhältnissen  stehen. 

Es  wird  sich  dabei  an  jeder  Stelle  Gelegenheit  bieten, 
auf  andere  damit  in  Zusammenhang  stehende  Beziehungen, 
so  wie  auf  manche  noch  der  Zukunft  zur  Losung  vorbe- 
haltene Schwierigkeiten  hinzuweisen. 

Ableitung  der  ComponentenYolume. 
I.    Periklas  und  Nickel  monoxyd. 

240.  In  dem  Jubelbande  dieser  Annalen  p.  454  habe 
ich  schon  darauf  aufmerksam  gemacht,  dafs  zweierlei  Auf- 
fassungen für  die  Volum  Constitution  des  Periklases  =  Mg  O 
und  des  Nickelmonoxyds  =  NiO  vom  Volum  10,9  biß  11,2 
(229)  nahe  liegen.  Weil  Metallvolum  Nickel  —  \  Metall- 
volum  Magnesium,  so  ist  nach  Regel  IV  (208)  das  Nickel 
mit  seinem  metallischen,  das  Magnesium  mit  seinem  halben 
metallischen  Volum  in  diesen  Oxyden  zu  erwarten.  Dieis 


■ 


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625 

ist  die  erste  Auffassung.  Wendet  man  sie,  wie  ich  es 
lange  glaubte  thun  zu  müssen,  stricte  an,  so  ergiebt  sich, 
weil  \  Volum  Magnesium  =  6,9  ist  (117),  für  O  das  Volum 
4,0  bis  4,3,  und  diese  Auffassung  erweist  sich,  obwohl 
ihre  Anwendung  auf  andere  Gruppen  mir  manche  nütz- 
liche Winke  gegeben  hat,  doch  nicht  als  durchfuhrbar. 
Man  kann  auch,  wie  ich  L  c.  gezeigt  habe,  für  den  Sauer- 
stoff das  Volum  annehmen,  welches  sich  für  denselben  z. 
B.  aus  dem  Bleioxyd  und  einer  Reihe  anderer  Oxyde  er 
giebt,  also  O  =  5,3  bis  5,6;  dann  hätten  im  Periklas  und 
Nickelmonoxyd  die  Metalle  Nickel  und  Magnesium  und 
der  Sauerstoff  gleiche  Volume.  Aber  auch  diese  zweite 
Auffassung  ist,  wie  ich  mich  durch  eine  grofse  Reihe  von 
Untersuchungen  überzeugt  habe,  ebensowenig  durchfuhr- 
bar, als  die  analoge  dort  für  den  Quarz  angegebene.  Da- 
gegen erweist  sich  die  erste  Auffassung  als  anwendbar  auf 
eine  sehr  grofse  Reihe  der  bestbestimmten  Körpergruppen, 
wenn  sie  auf  Grund  des  Satzes,  dafs  die  Volume  der  Com- 
ponenten  in  einfachen  Verhältnissen  stehen,  nur  unbedeu- 
tend modificirt  wird. 

Wird  in  RO  =  11,2  für  R  das  Volum  6,7  statt  6,9 
angenommen,  und  folglich  für  O  das  Volum  4,5,  so  stehen 
die  Volume  von  R  und  O  in  diesen  Oxyden  in  einfachen  Ver- 
hältnissen, und  zwar  im  Verhältnifs  der  Zahlen  3:2;  und 
diese  Auffassung  läfst  nun  in  einer  grofsen  Reihe  von  That- 
sachen  einen  gesetzmäfsigen  Zusammenhang  erkennen,  für 
welche  ein  solcher  bisher  nicht  wahrgenommen  wurde. 

IL  MaRtieteisen. 
241.  In  dem  Jubelbande  dieser  Annalen  habe  ich  nach- 
gewiesen, dafs  das  Magnet  eisen  =  Fea  O,  vom  Volum  44,8 
zu  betrachten  ist  als  enthaltend  2  Atome  FeO  vom  Volum 
11,2  des  Periklases,  und  FeO,,  das  Eisendioxyd,  vom  Vo- 
lum 22,4,  d.  i.  nahe  vom  Volum  des  Quarzes.  Nun  ist 
sofort  nach  dem  Vorausgehenden  ersichtlich,  dafs  das  Mag- 
neteisen analog  dem  Periklas  im  Eisenmonoxyd  das  Eisen 
mit  dem  Volum  6,7  enthält;  das  Eisendioxyd  aber  enthält 


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626 


das  Eisen  mit  dem  doppelten  Volum  =  13,4.   Der  Sauer- 
stoff 0  hat  im  Magneteisen  das  Volum  4,5,  wie  im  Periklas. 
Es  ist  daher  in  Fe2  02  =  22,4 

0,  =  9,0  =  2  X  4,5 
2  Fe  =  13,4  also  Fe  =  J  Vol.  Mag- 
nesiummetall 

und  ebenso  im  Eisendioxyd  =  Fe  0,  =  22,4 

ist  O,  =  9,0_=  2  X  4,5 
und  Fe  =  13,4  also  =  Vol. 

Magnesiummetall. 

Im  regulären  Monoxyd,  im  Dioxyd  und  Sesquioxyd  des 
Eisens  ist  stets  das  Sauerstoffvolum  4,5  mit  einem  5  mal 
so  grofsen  Metall volum  =  6,7  verbunden,  wie  im  Periklas 
(Jubelband  p.  458). 

III.    Der  Quarz. 

242.  Im  Jahrb.  f.  Mineralogie  1874  p.  4.  habe  ich 
nachgewiesen,  dafs  das  Eisendioxyd  =  Fe  O,  vielfach ,  z. 
B.  im  Granat,  die  nämliche  Rolle  spielt,  wie  die  Kiesel- 
säure Si  02,  nnd  mit  ihr  nahe  von  gleichem  Volum  ist. 

In  der  That  mufs  auch  der  Quarz  =  Si  04  vom  Vo- 
lum 22,6  (236)  aufgefasst  werden  als  enthaltend  den  Sauer- 
stoff nahe  mit  dem  gleichen  Volum,  mit  welchem  er  sich 
in  den  genannten  regulären  Oxyden  findet.    Ist  in 

SiOa  =  22,6 
Oa  =   9,0  =  2  X  4,5, 
so  ist  Si  —  13,6. 

Das  Volum  des  metallischen  Siliciums  ist  11,2  bis  11,3 
(236).  Das  Volum  13,6  des  Siliciums  im  Quarz  verhält 
sich  hiernach  zu  dem  Volum  des  metallischen  Siliciums 
wie  6:5.; 

Diese  Auffassung  für  die  Volumconstitution  der  Kiesel- 
säure ist  einerseits  durch  ihren  Isosterismus  mit  Fe  02  im 
Granat,  andererseits  dadurch  nahe  gelegt,  dafs  in  einer 
Reihe  von  Silicaten  z.  B.  dem  Olivin,  die  Kieselsäure  nahe 
vom  Volum  des  Quarzes  mit  der  Magnesia  nahe  vom 
Volum  des  Periklases  isomorph  zusammenkrystailisirt. 


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62f 


Aus  den  von  mir  im  Jahrbuch  der  Mineralogie  für 
1873  und  1874  bereits  mitgetheilten  Thatsachen  geht  her- 
vor, dafs  die  Kieselsäure  im  Augit,  in  der  Hornblende,  im 
Chrysolith,  im  Granat,  im  Feldspath  und  im  Disthen  mit 
der  nämlichen  Volumconstitution ,  wie  im  Quarz,  ent- 
halten ist. 

Auf  Grund  dieser  Auffassung  erklärt  sich  die  Volum- 
constitution der  regulären  Oxyde  von  der  Formel  R  O  und 
Ra03,  der  Spinellgruppe,  des  Quarzes  und  der  ganzen 
Reihe  der  genannten  Silicate  mit  dem  nämlichen  Volum 
des  Sauerstoffs  0  =  4,4  bis  4,5. 

Volumconstitntioa  und  Volummaafs. 

243.  Nach  vorstehender  Auffassung  geht  die  Kiesel- 
säure mit  der  nämlichen  Volumconstitution,  d.  h.  mit  der 
nämlichen  relativen  Condensation  ihrer  Elemente,  also  mit 
dem  nämlichen  Verhältnifs  ihrer  Componentenvolume  in  sehr 
verschiedene  Kry  stall  formen  ein:  in  die  rhombische  des 
Enstatits  und  des  Chrysoliths,  in  die  monokline  des  Wolla- 
stonits,  des  Augits  und  der  Hornblende,  in  die  reguläre 
tles  Granats,  in  die  monokline  und  trikline  des  Feldspaths, 
und  sie  ist  hexagonal  als  Quarz. 

Ihre  Volume  in  diesen  verschiedenen  Krystallisations- 
zuständen  sind  nicht  in  voller  Strenge  gleich.  Während 
sie  als  Quarz  das  Volum  22,6  hat,  scheint  ihr  im  Wolla- 
stonit  das  Volum  22,5,  im  Granat  das  Volum  22,3,  im 
Chrysolith  das  Volum  22,0  zuzukommen;  doch  sind  die  Be- 
obachtungen noch  nicht  exact  genug,  um  diese  Unter- 
schiede scharf  festzustellen.  Ganz  analog  hat  die  Magnesia 
als  Periclas  für  sich  das  Volum  11,0;  im  Chrysolith  scheint 
sie  mit  dem  gleichen  Volum  enthalten;  im  Spinell  kommt 
ihr  das  Volum  11,2  bis  11,3  zu. 

244.  Dals  die  Körper  mit  der  nämlichen  Volumcon- 
stitution, d.  h.  mit  der  nämlichen  relativen  Condensation 
ihrer  Elemente  in  verschiedenen  Formen  kry  stall  isiren 
können,  dafür  spricht  eine  Reihe  directer  Thatsachen. 

Poggendorff's  Anna).    Erganzungsbd.  VI.  41 


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«28 


Ich  führe  beispielsweise  an: 

(  der  reguläre  Eisenkies  =  Fe  S,  hat  das  Volum   23,9 

(  der  rhombische  Marbislt  =  Fe  S9  hat  das  Volum     ....  24,7 

i  der  reguläre  Silberglanz  =  Ag9  S  hat  das  Volum     ....  34,0 

/  der  rhombische  Acanthit  =  Aga  S  hat  das  Volum   34,4 

t  die  reguläre  Zinkblende        Zn  S  hat  das  Volum   23,9 

'  (  der  hexagonale  Würtzit  =  Zn  S  hat  das  Volum  .....  24,4 

(das  quadratische  Quecksilberjodid  =•  Hg  J,  hat  das  Volum  72,5 

das  rhombische  Quecksilberjodid  —  HgJ,  hat  das  Volum  .    .  73,9 


Die  Volumconstitution  ist  offenbar  für  jedes  der  ge- 
nannten Paare  in  beiderlei  Krystallformen  die  nämliche; 
das  Verhältnifs  der  Volume  der  Componenten  ist  in  beiden 
Krystallformeu  das  gleiche;  nur  das  Volummaafs  ist  mit 
der  Krystallform  und  der  damit  zusammenhängenden  Co- 
häsion  in  engen  Grenzen  veränderlich.  In  den  vorliegen- 
den Beispielen  ist  in  der  regulären  und  quadratischen  Form 
das  Volummaafs  ein  kleineres,  als  in  der  rhombischen  und 
hexagonalen,  worauf  schon  Tschermak  aufmerksam  ge- 
macht hat. 

245.  Für  die  relative  Gröfse  des  Volummaafses  werden 
sich  nach  und  nach  Gesetzmäfsigkeiten  herausstellen;  so 
scheint  dasselbe  z.  B.  bei  den  unschmelzbarsten  Oxyden 
in  der  Regel  ein  kleines  zu  seyn;  doch  sind  meistens  die 
Beobachtungen  noch  nicht  g«nau  genug,  um  diese  Gröfse 
Überall  mit  voller  Sicherheit  zu  ermitteln. 

Eine  Thatsache  jedoch  tritt  völlig  unzweifelhaft  schon 
jetzt  überall  zu  Tage:  Für  die  Reihe  der  isomorphen  Glie- 
der einer  Gruppe  ist  das  Volummaafs  stets  ein  constantes 
oder  doch  nur  in  den  engsten  Grenzen  veränderliches. 
Das  Volummaafs  zeigt  sich  also  mehr  von  der  Krystallform 
und  der  mit  ihr  zusammen  bestehenden  Cohäsion,  als  von 
der  besonderen  Substanz  abhängig.  Diese  letzterwähnte 
Thatsache,  welche  sich  ausnahmslos  bestätigt,  und  den 
schon  1859  von  mir  in  diesen  Annalen  nachgewiesenen 
Parßllelosterismus  isomorpher  Paare  zur  Folge  hat,  diese 
letztere  Thatsache  ist  es  vorzugsweise,  welche  einerseits 
möglich  macht,  die  Componentenvolume  zu  erkennen,  an- 


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629 


dererseits  aber  durch  ihre  Allgemeinheit  aufs  er  Zweifel 
stellt,  dafs  die  erwähnte  Auffassung  der  Volume  einer 
naturgesetzmäfsigen  Beziehung  derselben  den  angemessenen 
Ausdruck  verleiht. 

Isosterismus  der  Blei-  and  Strontium- Verbindungen. 
246.  Ehe  ich  mich  zur  Aufsuchung  der  Componenten- 
volume  der  rhombischen  Spathe  wende,  mufs  ich  zunächst 
den  Isosterismus  einiger  Blei-  und  Strontiumverbindungen 
näher  besprechen.  Um  die  Frage  dieses  Isosterismus, 
welcher  aus  den  bisher  vorliegenden  Beobachtungen  nicht 
mit  genügender  Sicherheit  hervorging  zu  entscheiden,  habe 
ich  einige  sorgfaltige  Beobachtungen  ausgeführt.  Ich  füge 
zugleich  die  älteren  Beobachtungen  bei. 
Strontianit  =  SrC03;  m  =  147,6.  rhombisch. 

S  mm  3,605  Mohs;  e  mm  40,9.  nat. 

S  =  3,613  von  der  Mark;  0  =  40,8.  nat. 

S  mm  3,625  Karsten;  0  =  40,7.  gefallt. 

S  mm  3,620  Schröder,  0  =  40,8.  „ 
Weifsbleierz  =  PbC03;  m  =  267.  rhombisch. 

S  mm  6,465  Mohs,  0  =  41,3.  nat. 

S  =  6,60  Smith;  0  =  40,5  rein  durchs.  Krystall  von 

der  Wheatleygrube. 

S  =  6,510  Schröder;  0  mm  41,0  rein  durchs.  Krystall 

von  Ems. 

S  =  6,517  Schröder;  v  =  41,0  nahe  reine  Krystalle 

von  Braubach. 
S  =  6,428  Karsten;  0  =  41,5.  gefallt. 
An  reinen  durchsichtigen  Krystallen  von  der  Wheatley- 
grube erhielt  Smith,  und  an  solchen  von  Ems  und  von 
Braubach  erhielt  ich  ein  Volum,  welches  mit  demjenigen  des 
Strontianits  =»  40,8  als  gleich  erachtet  werden  kann. 
Coelestin  =  SrSO«;  m  =  183,6.  rhombisch. 
S  mm  3,86  Mohs;  v  mm  47,6.  nat. 
S  mm  3,953  Breithaupt;  t>=*=  46,4.  nat.  v.  Tharand. 
S  =  3,962  Kopp;  ©  =  46,3.  nat.  v.  Dornburg  b.  Jena. 
S=  3,927  Manrofs;  0  =  46,7.  an  künstlich  darge- 
stellten Krystallen. 
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630 


S=  3,949  Schröder;  ©  =  46,5.  ein  Krystall  von 

Rocalmuto,  Sicilien. 

S  =  3,959  Beudant;  0  =  46,4. 

S  =  3,96  H  u nt;  ©  =  46,3  von  Kingston. 

Anglesit  =  PbS04;  m  =  303.  rhombisch. 
5  =  6,298  Mobs;  ©  =  48,1. 

S  =  6,35  Smith;  ©  =  47,7  an  reinen  durchsichtigen 

Krystallen.  Phenixville. 
8  =  6,386  Breithaupt,  ©  =  47,4  monoklin,  von 
Monteponi,  Sardinien  (Breithaupt's  Sardinian). 
S  =  6,329  Schröder;  ©  =  47,9  von  Müsen. 

Für  gefällten  schwefelsauren  Strontian  erhielten: 
S  =  3,588  Karsten;  ©  =  51,2. 
S  =  3,770  Filhol;  ©  =  48,7. 

Für  gefälltes  schwefelsaures  Bleioxyd: 
S  =  3,707  Schröder;  ©  =  49,5. 
S  =  6,169  Karsten;*  v  =  49,1. 
S  =  6,300  Filhol;  ©  =  48,1. 
S  =  6,212  Schröder;  ©  =  48,8. 

Aus  welchem  Grunde  für  den  Coelestin  häufig  ein 
etwas  kleineres  Volum  als  für  den  Anglesit,  für  die  ge- 
fällten Sulfate  des  Strontiums  und  Bleis  etwas  gröfsere 
Volume  erhalten  werden,  als  für  die  krystall isirten,  bleibt 
noch  unaufgeklärt;  aber  die  nahe  Gleichheit  dieser  Volume 
kann  nach  den  nunmehr  vorliegenden  Beobachtungen  wohl 
nicht  mehr  bezweifelt  werden.  Das  Mittel  für  die  kry- 
stallisirten  Verbindungen  ist  47,0,  das  für  die  gefällten 
48,0.    Das  Mittel  beider  ist  47,5. 

Für  Fluorstrontium  =  SrFl,;  m  =  125,6  fand  ich: 
S  =  4,210  Schröder;  ©  =  29,7  bis  29,8. 

Für  Fluorblei  =  Pb  Fl,;  m  =  24,5  erhielt  ich: 

S  =  8,241  Schröder;  ©  =  29,7  bis  29,8. 

Besonders  die  völlige  Gleichheit  der  Volume  der 
Fluoride,  von  welcher  ich  mich  durch  wiederholte  Wä- 
gungen überzeugte,  veranlafste  mich,  auch  die  Volume  der 
Carbonate  und  Sulfate  der  Metalle  noch  einmal  zu  prüfen. 


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631 


Ableitung  der  Componentenvolume. 
IV.  Die  rhombischen  Carbonspathe. 
247.  Die  Volumconstitution  der  rhombischen  Carbo- 
nate  habe  ich  (diese  Ann.  Suppl.-Bd.  6,  S.  79)  abzuleiten 
versucht  nach  Regel  IV.  (208)  auf  Grund  der  Annahme, 
dafs  das  Blei  mit  seinem  Metallvolum  18,2,  das  Strontium 
mit  seinem  halben  Metallvolum  17,2  darin  enthalten  seyen. 
Es  ergab  sich  das  Volum  C  03  =  22,8 ,  das  Volum  des 
Calciums  im  Arragonit  =  H,l?  das  de8  Bariums  im  Wi- 
therit  —  22,9  (227).  Dafs  hier  einfache  Verhältnisse  zu 
Grunde  liegen  dürften,  dafür  geben  schon  diese  Zahlen  einen 
deutlichen  Wink.  Die  Einfachheit  dieser  Verhältnisse  tritt 
jedoch  in  aller  Schärfe  hervor,  wenn,  wie  ich  oben  (246) 
motivirt  habe,  anerkannt  wird,  dafs  die  Blei-  und  Stron- 
tiumverbindungen isoster  sind,  und  wenn  für  beide  Me- 
talle das  Volum  des  metallischen  Bleis  =  18,1  zu  Grunde 
gelegt  wird.  Als  die  mit  den  besten  Beobachtungen  in 
Uebereinstimmung  stehenden  Volume  nehme  ich  an.  Für 
den  Arragonit  33,99  (34),  fiir  Strontianit  und  Weifsblei- 
erz 40,8  (246),  für  Witherit  45,2  (32),  für  Kaliumcarbonat 
59,0  (225).    Ist  nun  im 

SrC03  =  PbC03  =  40,8 
.  Vol.  Sr  =  Pb        =  18,1 
so  ist  Vol.  CO,  =  22,7 

und  hiermit  ergiebt  sich: 

aus  dem  Aragonit:        aas  dem  Witherit:    aus  dem  Caliumcarbonat : 

CaC03  =  33,99    BaC08  =  45,2     K2  C03  =  59,0 
CO,  =  22,66       C03  =  22,6         C03  =  Mfi 
Vol.  Ca  =  11,33  Vol.  Ba  =  22,6   Vol.  2  K  =  36,4 

Vol.  K  =  18,2 
Es  ist  offenbar  Vol.  Calcium  =  |  Vol.  Barium ;  Vol. 
Sr  =  Pb  =  K,  und  für  die  Complexion  C03  stellt  sich 
das  gleiche  Volum  wie  für  Barium  heraus.  Diese  Volume 
verhalten  sich  wie  5:8:  10.  Es  sind  ganz  die  nämlichen 
absoluten  Volume,  welche  sich  für  die  schon  erwähnten 
Körpergruppen,  die  Spinelle,  und  eine  Reihe  von  Silicaten 


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ergeben  haben;  denn  es  war  das  Volum  RO  im  Spinell 
und  Granat  =  11,3;  das  Volum  Fe02  =  SiO,  =  22,6  im 
Granat  und  im  Quarz;  das  Volum  CaO  =  18,0  im  Tre- 
molith, im  Kalk  usw. 

Es  ist  hiermit  angedeutet,  dafs  alle  diese  Volume  auf 
ein  gemeinschaftliches  Maafs  zurückzuführen  sind. 

Ehe'  ich  darauf  näher  eingehe,  mufs  ich  jedoch  erst 
nachweisen,  dafs  sich  auch  für  die  rhomboedrischen  Carbo- 
nate,  und  einige  andere  Gruppen  ganz  entsprechende  ein- 
fache Volumverhältnisse  der  Componenten  ergeben. 

V.    Die  rhomboedrischen  Carbonate. 

248.  Es  haben  sich  aus  den  unter  den  beigeschriebe- 
nen Nummern  in  Band  106  d.  Annal.  mitgetheilten  Be- 
obachtungen die  nachfolgenden  Volume  ergeben: 

Magnesitspath  =  MgCO,  =  27,6  (36);  Eisenspath  = 
Fe  CO,  mm  29,9  bis  30,0  (40);  Kalkspath  =  CuCOs  =  36,8 
(57).  Diese  Volume  sind  scharf  bestimmt.  Für  Mangan- 
spath  und  Zinkspath,  welche  nicht  rein  vorkommen,  sind 
die  Volume  noch  nicht  ebenso  sicher  festgestellt.  Ich 
lasse  sie  daher  vorerst  unberücksichtigt.  Es  ergiebt  sich, 
dafs  für  die  Complexion  CO,  hier  t>  =  23,0  anzuerkennen 
ist,  woraus  folgt: 

MgC03  =  27,6      FeC08  =  29,9  CaCO,=»36,8 
C  Oa  =  23,0         C  03  =  23,0  C  Os  =  23,0 

Vol.  Mg  =  4,6     Vol.  Fe       6,9      Vol.  Ca  =  13,8 

Es  hat  hiernach  in  diesen  Spathen  das  Eisen  genau 
das  Volum  halb  Magnesiummetall,  das  Calcium  genau  das 
Volum  des  Magnesiummetalls;  das  Magnesium  hat  den 
dritten  Theil  dieses  Volums,  oder  \  Volum  Zinkmetail,  und 
es  verhalten  sich  die  Volume  von  Mg  :  Fe  :  Ca  :  C  03  = 
2  :  3  :  6  :  10. 

Für  die  Complexion  C03  die  nämliche  Volumconsti- 
tution  anzunehmen,  wie  in  den  rhombischen  Spathen,  dazu 
giebt  zunächst  die  allgemeine  Erfahrung  Veranlassung, 
dafs  sich  die  Volumconstitution  der  Säuren  in  allen  Salz- 


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633 


Verbindungen  ab  eine  sehr  constante  erweist,  wie  denn 
schon  Berzelius  sich  überzeugt  hat,  dafs  der  Charakter 
der  Salze  nicht  von  den  Basen,  sondern  von  den  Säuren 
bestimmt  wird.  So  haben  z.  B.  die  entsprechenden  Sulfate 
und  Seleniate,  sowohl  die  wasserfreien  als  die  Hydrate, 
in  den  mannigfaltigsten  Krystallformen  paarweise  isomorph, 
doch  stets  nahe  die  nämliche  Volumdifferenz^  wodurch  die 
unveränderliche  Volumconstitution  beider  Säuren  angedeutet 
ist.  Aufserdem  führt  zu  der  Annahme  CO3  =  23,0  aber 
auch  die  Wahrnehmung,  dafs  nahe  dieser  Rest  bleibt,  wenn 
vom  Volum  des  Eiseuspaths  das  Volum  des  Eisens  abge- 
zogen wird ,  und  dafs  nahe  das  um  ein  Volum  O  m  4,6 
verminderte  Volum  18,4  sich  für  CO,  ergiebt,  wenn  vom 
Volum  des  Kalkspaths  das  Volum  des  Kalks  =  18,0  ab- 
gezogen wird.  Diese  Reste  ergeben  sich  nur  nicht  ganz 
genau,  weil  das  Volummaafs  in  den  rhomboedrischen  Spa- 
tben ein  anderes  ist,  als  das  des  metallischen  Eisens  und 
des  Kalks.  Das  Volummaafs  in  den  rhombofdrischen 
Spathen  ist  ein  etwas  gröfseres,  als  in  den  rhombischen 
Spathen.  Die  Complexion  C  Os  hat  in  den  rhomboedri- 
schen Spathen  das  Volum  23,0,  in  den  rhombischen  22,6 ; 
das  Volum  halb  Magnesiummetall  hat  in  den  rhomboe- 
drischen Spathen  den  Werth  6,9,  in  den  rhombischen  den 
Werth  6,7  usw. 


VI.  Volume  der  Glieder  der  Magneaiumgruppe. 

249.  Auch  in  anderen  Gruppen  gehören  die  Volume 
der  Metalle  der  Magnesiumreihe  den  Anfangsgliedern  der 
Reihe:  4,6;  9,2;  11,5;  13,8;  18,4  u.  s.  f.  an,  wie  sich  diefs 
aus  den  für  zahlreiche  Silicate  im  Jahrb.  f.  Mineralogie  von 
mir  nachgewiesenen  Beziehungen ,  bei  Zugrundelegung  des 
Sauerstoffvolums  O  =  4,5  bis  4,6  unmittelbar  ergiebt. 
Wenn  nur  die  kleinen  wegen  verschiedener  Krystallisations- 
und  Cohäsionszustände  nothwendig  eintretenden  Modifi- 
cationen  des  Volummaafses  nicht  unberücksichtigt  bleiben, 
so  folgt  aus  den  dargelegten  Verhältnissen :  Das  Magnesium 


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hat  im  Enstatit  das  Volum  4,6  wie  im  Magnesitspath das 
Magnesium  hat  im  Augit,  im  Tremolith,  im  Chrysolith, 
im  Spinell  und  Granat  das  Volum  6,9;  das  Calcium  hat 
im  Augit  und  Granat  das  Volum  6,9,  im  Tremolith  das 
Volum  13,8;  das  Eisen  hat  im  Eiseninonoxyd  des  Spinells 
und  Granats  das  Volum  6,9,  im  Eisendioxyd  das  Volum 
13,8;  Ferrum  und  Mangan  haben  im  Fayalith  und  T-- 
phroit  das  Volum  9,2,  und  diefs  Volum  hat  das  Mangan 
auch  im  regulären  Manganoxydul. 

In  Betreff  der  Ableitung  dieser  Beziehungen  mufs  ich 
auf  das  Jahrbuch  der  Mineralogie  verweisen. 

Mannheim,  im  April  1874. 

(Fortsetzung  folgt) 


A.  W.  8c bade  n  Bachdruckerei  (L.  8eh*de)  In  Berlin,  8Ullicbreiberetr.  47. 


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Ann.  d.  Plujs.  u.  (7itm,  Erqibd.  17.  St.  1. 

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