0. Olt»’* Hof-BacMnukanl ia Dinalidl
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HERRN
PROFESSOR DR GEORG FRIEDRICH KNAPP
GEWIDMET.
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Meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr.
6. F. Knapp verdanke ich die Anregung zu dieser Arbeit,
manchen guten Rat bei ihrer Durchführung und die teilweise
neuen in ihr entwickelten Grundanschauungen. In Dank-
barkeit lege ich ihm diese erste Frucht meiner Studien zu
Füssen.
Herr Professor Dr. Varrentrapp in Strassburg i. E.
hat mich in der liebenswürdigsten Weise mit Material zur
Vorgeschichte des deutschen Münzvereins unterstützt. Ich
will nicht versäumen, auch ihm an dieser Stelle nochmals
meinen wärmsten Dank auszusprechen.
* *
*
Der erste Abschnitt der vorliegenden Abhandlung ist
unter dem Titel .Der deutsche Münz verein von 1857 bis
1871 * als Inaugural-Dissertation zur Erlangung der staats-
wissenschaftlichen Doktorwürde gedruckt.
Neustadt a. d. Haardt, Ende August 1894.
Karl HeliFerich.
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I
INHALT.
Einleitung 1
I. AnacHitirr: DER DEÜT8CHE MÜNZVERRIN 1857-1867.
I. Vorgeschichte 2
IT. Der Wiener Mdnzrertrag vom 24. Januar 1857 . . 10
III. Thntsllohlieho Entwiokelung der deutsehen MQni-
verhRltnisse bis tum Ausscheiden Österreichs aus dem
Mdnzverein 21
IV. Dns Ausscheiden Österreichs aus dem deutschen Mflnt-
verein ■ 27
II. Abschnitt: DIE ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DER
DEUTSCHEN MÜNZREFORM.
I. Das Gesetz, betreffend die Ausprägung ron Reloha -
goidmdnzen, vom 4, Dezember 1871 41
II. Neugestaltung des Verhältnisses der Österreichischen
Tlinier in Deutschland . , , , . i_i . . . • . 45
III. Das Mflnzgesutz vom 9. Juli 1878 und seine Folgen
für, die, MctreickUpjien Ihakt . . . • . « , , 53
HI. Abschnitt : DIE ÖSTERREICHISCHEN S1LB ERDULDEN
IN DEUTSCHLAND.
I. Die Sepftrat-Artlkel ron 1807 ......... 61
II. Die üstorreiciiisolion Ouldon in der deutsohen Mflnt -
reform . , . ■ . . . ... 64
III. Die Austreibung der Österreichischen Silbergulden 74
IV. Abbcmhitt: VERBESSERUNG DER STELLUNG DER
ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DEUTSCHLAND NACH
DER MÜNZREFORM.
I. Die Österreichische Thalorkrisis und die Interpellation
des Fürsten Hohenlohe , , , . . , . , , . t 77
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X
INHALT.
II. Du Geuts, betreffend die Ablederung des Artikels 15
du Mflnmgeutses, voni 80. April 1874 ...... II
IH Pu Oesets vom 8. Jsnusr 1876 . ■ . . , , , . »1
IV. Die Beseitigung der Österreichischen Doppelthsler 93
V. Amchktts ÄNDERUNG DER STELLUNG DES ÖSTER-
REICHISCHEN THALER8 IN ÖSTERREICH.
I. Die sogenennte 8elbstreguliernng der Österreichischen
Veiute 97
II. Der Thsler wird euch In Österreich nnterwertlges
Geld, Konsequenien dsrnus für die Thalerfrage . . 100
VL Abschnitt: DIE LIQUIDATION.
I. Die deutsche Gesetzvorlage betreffend die Vereins-
thnler Österreichischen Goprilges vom 4. November
1891 109
II. Des Abkommen swischen dem Deutsohun Reiche und
Österreich , . . . . . , , . . . . . , . . IÜ
SCHLUSS; Vergleichung mit der Liquidntionsfrnge des lntel-
nisclicn Mflnxbundes . . . . . . . . . . . , 120
I
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DIR FOLGEN DES DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHEN
MÜNZVEREINS VON 1857.
EINLEITUNG.
Die in Österreich bis zum Schlüsse des Jahres 1867
geprägten Vereinsthaler sind bekanntlich noch heute (1894)
im Deutschen Reich den Thalem deutschen Gepräges voll-
kommen gleichgestellt. Sie sind, der Thaler zu drei Mark
gerechnet, gesetzliches Zahlungsmittel für jeden Betrag, also
Kurantgeld wie die Reichsgoldmünzen. In Österreich selbst
dagegen ist diesen MünzstUcken seit dem 1. Juni 1893 die
Geldeigenschaft genommen. 1 Wir haben hier also den merk-
würdigen Fall, dass eine Münze, welche in ihrem Heimat-
land selbst keine Giltigkeit mehr hat, in dem Münzwesen
eines fremden Staates Geldcharakter — im strengsten Sinne
des Wortes — geniesst. Diese Merkwürdigkeit deutet auf inte-
ressante Vorgänge, denen sie ihr Entstehen verdankt. Bei
der Untersuchung derselben werden wir auf Fragen stossen,
welche für die Theorie unseres modernen Geldwesens an Be-
lehrungen und Erkenntnissen ungemein reich sind. Nur aus
diesem theoretischen Interesse, nicht weil ich den in Frage
stehenden Verhältnissen irgend eine hervorragende praktische
Bedeutung beilege, bin ich an die nachfolgende Untersuchung
herangetreten, welche sich nicht nur mit den österreichischen
Thalorn, dem letzten sichtbaren Überrest des deutsch-öster-
reichischen Münzvereins, sondern mit dessen münzpolitischen
Folgen überhaupt, auch mit den heute bereits überwundenen
und vergessenen, beschäftigt.
1 Durch eine Verordnung des Finanzministers vom 12. April 1893,
(gpmilft Ermächtigung durch § 2 des Gesetzes vom 24. MSr* 1893).
Helfferloh, Der deutarhe Müuaverein von 1837 bla 1871.
1
L ABSCHNITT.
DER DEUTSCHE MÜNZVEREIN 1857-1867.
L VORGESCHICHTE.
Da ich lediglich die Absicht habe, Ober die Folgen
dea deutsch-österreichischen MUnzvereins zu sprechen, glaube
ich dessen Vorgeschichte mit wenigen Worten erledigen
zu können. Einige Hindeutungen auf den grossen politischen
Zusammenhang werdon genügen.
Bekannt sind Österreichs politische Bestrebungen in der
Mitte unseres Jahrhunderts: .Grossdeutschland unter der
Leitung Gesamtösterreichs“, * die grosse Idee des Fürsten
Schwarzenberg. Nur als Mittel zu diesem Zweck sollte die
hauptsächlich von dem genialen Minister Froiherrn von Bruck
betriebene Zolleinigung sämtlicher deutscher Bundesstaaten,
und später auch der deutsche Münzverein dienen. Bruck
bekennt sich ausdrücklich zu diesem Gedanken in einer Denk-
schrift an die provisorische Bundeskommission zu Frankfurt,
vom :t0. Mai 1850, in welcher es heisst:
.Als den wichtigsten Schritt zu der politischen Einigung
Österreichs und Deutschlands, gebaut nicht auf der Ober-
herrlichkeit dieses oder jenes Staates, sondern auf der or-
ganischen Einheit der Interessen, als Bürgschaft für oine
glückliche Lösung der Wirrnisse, sowie für eine geordnete
Entwickelung der inneren Zustände, betrachtet jeder durch
Sonderbelange nicht befangene Deutsche, wie jeder unbe-
fangene Österreicher, die österreichisch-deutsche Zolloinigung.
' H. v. Sy bei, dio Begründung de* Deutschen Reiohea durah
Wilhelm I., 2. Ud. S. 0».
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DER DEUTSCHE MÜNZVEREIS 1857 — 18B7.
8
Denn ein deutscher politischer Verein muss in unsrer Zeit
auch zum Zollverein werden, und umgekehrt, oder das eine
wie das andere bleibt eine Unwahrheit, eine Täuschung *. 1
Hier ist die politische Tendenz der Österreichischen
Zoll Vereinigungsbestrebung mit klaren Worten ausgesprochen.
In der That hatte Österreich für die nächste Zeit wirt-
schaftliche Vorteile von einer solchen nicht zu erwarten;
im Gegenteil! Die deutsche Industrie war damals in den
meisten Zweigen der österreichischen sehr Überlegen. Des-
halb nahmen auch die österreichischen Industriellen, beson-
ders die böhmischen, sehr entschieden Stellung gegen Brucks
Pläne, welche das bisher bestehende Prohibitivsystem be-
drohten . 2
Einer zollpolitischen Vereinigung Gesamtdeutschlands
stand der bestehende Zollverein sehr im Wege. Dort hatte
Preussen die Führung. Wollte es keinen politischen Selbst-
mord begehen, so musste es diese ausschliesslich behalten,
durfte sie nicht mit Österreich teilen; mit andern Worten:
es musste Österreich überhaupt vom Zollverein fernhalten.
Dementsprechend verhielt es sich völlig ablehnend gegen
alle diesbezüglichen österreichischen Vorschläge: zu einem
Handelsvertrag war es bereit, zu einem Zollverein nie
und nimmer.
Da auf diesem Wege nichts zu erreichen war, blieb
Österreich das einzige Mittel, den Zollverein zu zerschmet-
tern, und aus den Trümraerstücken ein neues Gebilde zu
formen, mit odor ohne Preussen. Das war die Politik des
Fürsten Schwarzenberg . 3
Der Zeitpunkt war gut gewählt. .Damals nämlich
hatten sich im Zollverein bedenkliche Spaltungen gezeigt.
Preussen neigte, nicht gorado zum Freihandel, aber doch
zu Zollermässigungen und Verkehrserleichtorungen, während
die süddeutschen Staaten im Interesse ihrer Fabrikanten auf
1 Dr. Karl Mamroth, die Entwiokelung der Bsterreichisoh-
deutselien Handelsbeziehungen eto., 1887. S. 19.
* Mamroth, a. a. O., 8. 17 ff.
' Siehe Uber die Vorgänge auf der Dreidendr Konferenz und
den barrieoh • mloh*i>tohen Antrag anf Zolleinigung oller Bundezetaaten.
S) b e I, n. ». ()., S. 81.
1 *
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4
I. AIWCIIMTT.
ein möglichst vollständiges Schutzzollsystem ausgingen, und
sich damit dem handelspolitischen Standpunkt des befreun-
deten Österreich annäherten*. 1 Dazu kam, dass die süd-
deutschen Staaten sich für Preussen unentbehrlich glaubten.
Sie bildeten den Zusammenhang zwischen der östlichen und
westlichen Hälfte der Monarchie. Ihr aus dem Bewusstsein
dieser Unentbehrlichkeit hervorgegangener Übermut hatte
die gegenseitige Gereiztheit innerhalb des Zollvereins aufs
höchste gesteigert.
Unter diesen Verhältnissen seines Sieges gewiss, setzte
Schwarzenberg am 10. Juli 1851 beim Bundestag die Bil-
dung eines handelspolitischen Ausschusses durch — zur Vor-
bereitung der Zoll Vereinigung. 2 Damit schien das Schicksal
des preussischen Zollvereins besiegelt.
Preussen jedoch antwortete mit einem vorzüglichen
und völlig unerwarteten, nicht in den Kreis der süddeutschen
und österreichischen Berechnungen gezogenen diplomatischen
Streiche: cs Iwwog Hannover» und Oldenburg durch glän-
zende Bedingungen 1 zum Eintritt in den Zollverein, nach
sehr kurzen und völlig geheimen Unterhandlungen. 5 Damit
war die Unentbehrlichkeit der süddeutschen Staaten ver-
schwunden. Hannover, Oldenburg und beide preussischen
Landeshälften bildeten eine grosse kompakte Masse.
1 8ybel, a. «. O., 8. 155.
« Sybel, n. «. O., 8. 141.
* Hannover war damals zum Abschluss eines Zollvoreinsver-
traget mit Preussen besonders willig, weil et in finanziellen Schwierig-
keiten war. 8iehe 11 out li -Weber, der Zollverein seit seiner Er-
weiterung durch den Stouerverein. 18eo. 8. XII.
4 Preussen liest sich zu einer eturkon Herabsetzung der Zolle auf
Thee, Kaffee, Wein, Ernnzbrnnntwcin herbei, gestand Hannover zoll-
freie Einfuhr von Schienen für seine Eisenbahnen und ein Kevonden-
prlcipuutn zu. — Siehe Sybel, a. a 0., S. 156.
* Der Vertrag mit Hannover wurde nm 7. September untorzeich-
net. Schnumburg-I.ippo trat mn 25. September bei, der Vortrag mit
Oldenburg kam nni 1. Mürz 1852 zustande. — Siehe 11 o u t h- W obor,
a. a. O., S. XIII. - Der Eintritt sAmtiioher Staaten in den Zollverein
ward auf I. Januar 1854 festgesetzt. Preusson teilte den Abschluss
des Vertrages mit Hannover um II. September 1851 den übrigen Re-
gierungen des Zollvereins mit.
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DER DEUTSCHE MÜNZVRItEIM 1857—1867. 5
Im Bewusstsein seiner nunmehr gesicherten Stellung
kündigte Preussen für den 1. Januar 1854 die Zollvereins-
verträge 1 , mit dem Beifügen, dass es auf Grund des han-
noverschen Vertrages zu einer Erneuerung derselben bereit
sei. Es lud die Zollvereinsstaaten für den 1. April 1852
zu Unterhandlungen nach Berlin ein. 2 *
Obwohl Schwarzenberg, um Preussen zuvorzukommen,
schon für den Januar eine Konferenz nach Wien berief,
scheiterten seine Bemühungen.® Am 4. April beschlossen die
süddeutschen Staaten zu Darmstadt, falls zwischen Preussen
und Österreich keine Einigung erfolgte, einen eigenen Zoll-
verein zu gründen, mit engem Anschluss an Österreich.
Einen Zollverein mit Österreich wollten sie nicht mehr, da
Österreich ihnen die bisherigen Zollrevenüen nicht garantieren
wollte. 4 * * Dio thüringischen Staaten traten am 26. November
1852 direkt dem preussischen Zollverein für 12 Jahre bei.®
In Österreich war unterdessen Fürst Schwarzenberg
gestorben. Bruck, welcher jetzt die Handelspolitik allein
in seiner Hand hatte, erkannte die Unmöglichkeit, für die
nächsten Jahre einen allgemeinen deutschen Zollverein durch-
zusetzen. B Während die im April begonnenen preussisch-süd-
deutschen Verhandlungen sich ergebnislos hinzogen 7 , erschien
Bruck im Dezember selbst in Berlin. Auf seinen direkten
Eingriff ist der Handelsvertrag zwischen Preussen und Öster-
reich vom 19. Februar 1852 zurückzuführen.
1 Duroh Cirkular-Depenche vom 11. November 1851.
* S y bo I , a. n. O.. 8. ISO.
* Preuaacn lehnto die Teilnnhmo au der Wiener Konfereni ub.
— Siehe Mamroth. n. a. O., 8. 30. — Ober dio Wiener Verhand-
lungen. Sybel, n. n. 0., S. 160
* Mamroth, a. n. 0., 8. 81. — Sybel, 8. 161.
' Houth-Webor, u. a. O., 8. 66.
' Mamroth, n. a. O., 8. 41.
7 Sieho Sybel, 8. 161 IT. — Der Hauptgrund der Ergebnislosig-
keit der llorliuer Unterhandlungen war eine formale Differenz. „Preussen
hohorrte auf »einem lugtaohen Satze : erat die Erneuerung de* Zollverein*
und dann ein Vortrag dea Zollverein» mit einem Dritten — und die
Süddeutschen atanden ebenso fest auf ihrer Forderung der gleichzeitigen
Unterhandlung beider Gegenstände“.
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6
I. AB8CHXITT.
Derselbe brachte bedeutende gegenseitige Zollermässig-
ungen und die gegenseitige Meistbegünstigung. 1 * Art. 25 nahm
für das Jahr 1860 weitere Verhandlungen über eine defini-
tive Zolleinigung in Aussicht. 3
Nun waren die süddeutschen Staaten völlig isoliert.
Sie fügten sich schweren Horzens in das Unvenneidliche
und traten durch den Vertrag vom 8. April 1853 dem neu-
gestalteten Zollverein bei.
Bruck hatte, wie wir aus dem oben erwähnten Art. 25
sehen, die Hoffnung auf eine definitive vollständige Zolleinig-
ung durchaus nicht aufgegeben. Es musste ihm also daran
liegen, den deutschen Staaten bis zum Jahre 1860 die Vorteile
einer Zolleinigung mit Österreich möglichst günstig erscheinen
zu lassen. Nun bestand aber damals in Österreich die Papier-
währung mit sehr beträchtlichen Schwankungen des Silber-
agios. Das musste den gegenseitigen Verkehr stark beein-
trächtigen und die gewährten Zollerleichterungen in ihrer
Wirkung wenigstens teilweise auflieben. Hau schrieb schon
1852, also vor Abschluss des Vertrages: .Ein unverkenn-
bares Hindernis des lebhaften Verkehrs mit Österreich liegt
in dem Silber und dem gesunkenen Papiergeld dieses Reiches“. 1
— In dem Vertrag selbst waren baldige Verhandlungen über
die einheitliche Gestaltung des deutschen und österreichischen
Münzwesens aufgenommen. 4
1 Sy bei, n. a. O., 8. 186. — Eingchcndo Besprechung den Ver-
tragen bei M a m r o t h , a. a. O., 8. 53 (f.
* Der Wortlaut des Art. 25 ist; .Es werde» im Jahre 1860 Koni-
missarien der kontrahierenden Stauten susammentreten , um über dio
Zolleinigung swisclion den beiden kontrahierenden Teilen und den ihrem
Zollvorband alsdann angehörenden 8taaten oder, falls eino solche Einigung
nooh nioht su»tando gebracht werden könnte, über weitergehende, als
die am I. Januar 1854 eintretenden und durch die im Art. 3 erwähnten
kommissarischen Verhandlungen nachtrBgtioh fostzustellenden Verkehrs-
erleichtcrungcn und über möglichste Annäherung und Gleichstellung der
beiderseitigen Zolltarife tu unterhandeln“.
* Rau, Ober die Krisis des Zollvereins im 8ommer 1852, Rau
und Hanssens Archiv, N F., 2. Bd., 2. Heft, 1852. 8. 16.
* Art. 19. .Die kontrahierenden Staaten worden nooh im Laufe
des Jahres 1853 über uino allgomoino Münskonvention in Unterhand-
lung troten*.
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DER DEUTSCHE MÜSZVEREIN 1857 — 1867 .
7
Wie notwendig eine Regulierung der österreichischen
Valuta war, um die gewährten Verkehrserleichterungen in
Wirksamkeit treten zu lassen, zeigen zahlreiche deutsche
Handelskammerberichte für 1858 und die nächsten Jahre.
So schreibt die Handelskammer zu Kottbus in ihrem Bericht
für 1853:
»Der Stand der österreichischen Valuta verbietet den
dortigen Konsumenten zur Zeit fast jeden bedeutenden An-
kauf im Zollvereine, weil die Waren, die durch den Unter-
schied von mehr als 25°/o herbeigeführte Preissteigerung
in der Regel nicht tragen können". Ähnlich äussem sich
die Handelskammern zu Breslau, Landeshut i. Schl., Reichen-
bach, Essen, Iserlohn, Mühlheim a. d. Ruhr, Solingen, Magde-
burg, Altena, Krefeld, Elberfeld otc. Ich verweise auf die
umfangreiche Sammlung solcher Klagen bei Mamroth, die
Entwickelung der österreichisch -deutschen Handelsbezieh-
ungen, Berlin 1887. 1
Bruck sah sich durch diese misslichen Valuta Verhält-
nisse um die Frucht seiner handelspolitischen Bemühungen
gebracht. Konsequenter Weise musste er suchen, diese
Störungen zu beseitigen, womöglich das österreichische Geld-
wesen auf eine Grundlage mit dem deutschen zu stellen.
Leider ist die Entstehungsgeschichte des Wiener Münz-
vertrages von 1857 so gut wie unbekannt. In den grösseren
geschichtlichen Werken findet der Münzvertrag überhaupt
keino Beachtung, und auch in handelspolitischen Spezial-
schriften, wie in dem erwähnten Werke von Mamroth, wird
er kurz abgethan. Mamroth spricht nur von einer »wahr-
scheinlichen* Einwirkung Brucks auf dessen Zustande-
kommen. 1
1 Mamroth, a. a. O., 8. 69; »Es wird durchweg von den Han-
delskammern Preussens, abor auch von österreichischer Seite bestätigt,
dass es die V e r s ohl e oh teru n g der österreichischen Valuta
war, welohe die doutsohen Industriellen lun&ehst abhielt, den Absati
in dae jenseitige Zollgebiet xu steigern*. — Folgt eine Reihe von Aus-
zügen aus Handelskammerberiahten. S. 69—73.
* 8. 08 n. n. 0.
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8
i. Aiwciixirr.
Psychologisch erscheint mir nicht nur eine Einwirkung
Brucks gewiss, sondern ich bin sicher, dass kein anderer
als Bruck zur deutschen MUnzeinigung die Initiative er-
griffen hat. Dass Österreich es war, welches auf den
baldigen Beginn der in Artikel 19 des Zoll- und Handels-
vertrages in Aussicht genommenen Unterhandlungen über
die deutsche Münzeinigung drängte, während sich Prousscn
auch hier sehr zurückhaltend zeigte, ist bekannt. Im
Jahre 1854 trat die Münzkonferonz in Wien endlich zu-
sammen.
Inzwischen hatte Österreich mit aller Energie auf die
Abschaffung des Zwangskurses hingearbeitet. Das grosse
National- Anlehen von 1854 sollte zur Rückzahlung der
Staatsschulden an die Nationalbank dienen und dieser die
Wiederaufnahme der Barzahlungen ermöglichen. 1 — Dieser
Zweck wurde durch den Ausbruch des Kritnkrieges ver-
eitelt. Österreich war zur Mobilmachung gezwungen, dio
Kosten derselben mussten teilweise durch neue Vorschüsse
der Nationalbauk gedeckt weiden. 8
Gleich bei Beginn der Verhandlungen der Münz-
konferenz stellte Österreich den Antrag aut allgemeine Ein-
führung der Goldwährung. Bisher hatte in den Zollvereins-
staaten die reine .Silberwährung geherrscht. Um mit wenigen
Worten die damalige deutsche Münzverfassung zu charakteri-
sieren: 8 im Zollverein bestanden seit 1838 nurmehr zwei
Münzsysteme, im Norden der 14 Thaler-Fuss, im Süden der
24'/* fl.-Fuss. Münzgewicht war, wie auch im ganzen übrigen
Deutschland, die Kölnische Mark gleich 233,855 Gramm.
In den Staaten ausserhalb des Zollvereins bestanden oigono
Münzsysteme von geringelter Bedeutung, bei allen war Silber
die WährungsgrnndlHge, nur Bremen hatte eine Goldwährung.
1 Denkschrift Uber das Piipiergeldwenon der ÖHtorreiohinoh-ungari-
tchen Monurohio, verfasst im k. k. Finanzministerium, 1892. S. 6.
* Kbendort 8. 8,
* Ein sehr klares und Qbersinhtliohes liild der deutaohen Münz-
zustlnde um das Jahr 1850 gibt Helforioh, Die Einheit im deutsohon
MUnzwesen, Tübinger Zeitschrift, 1850.
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DER DEUTSCHE MÜSZVEKKIR 1857 — 1867 . 0
In Österreich bestand gesetzlich der Konventionsfuss oder
20 Gulden-Fuss, gleichfalls eine Silberwährung.
Wenn nun Österreich den Übergang zur Goldwährung
vorschlug, so geschah das wohl hauptsächlich deshalb, weil
seit der Entdeckung der kalifornischen Goldfelder im Jahre
1848 das Gold gegenüber dem Silber bedeutend im Wert
sank und man allgemein ein noch weiteres Sinken erwartete,
für Österreich die Wiederaufnahme der Barzahlungen also
bei Annahme der Goldwährung leichter gewesen wäre als
bei einer Itückkohr zur Silborwährung.
Es mag aber auch ein politisches Motiv mitgespielt ’
haben. Zwischen den Zollvereinsstaaten bestand schon seit
1838 eine Art von Münzverein. Zwar hatte der Norden
und der Süden jeder sein eigenes Münzsystem, aber als
gemeinschaftliches Umlaufsmittel bestand das Doppelthaler-
odor Dreioinhalb-Gulden-Stück. Nun mag Österreich be-
fürchtet haben, dass dieses ursprünglich preussische und
immer noch als proussisch geltende Münzstück oder ein
anderes dieser Art als Vereinsmünze angenommen würde,
für den Fall, dass man bei der Silberwährung beharrte, wie
es später auch wirklich geschah ; dass aber Österreichs Stolz
sich gegen dio Annahme des preussichen Münzfusses als
Vereinsmünzfuss sträubte, vielleicht sogar darauf ausging,
dem Verein ein unter der Ägide Österreichs geschaffenes
neues Münzsystem zü geben. Das Hess sich allerdings am
besten durch Annahme der Goldwährung erreichen. — Wie
weit dieses Motiv mitspielte, ist mir jetzt noch unmöglich
zu ergründen ; ich behalte es mir für später vorzunehmende
Untersuchungen vor.
Von seiten Preussens wurde der vorgeschlagenen Gold-
währung der heftigste Widerstand entgegengesetzt. Eine
Einigung Hess sich nicht erreichen, 1855 wurden daher die
Verhandlungen abgebrochen.
Erst 1856 konnten sie wieder aufgenommen werden,
denn Österreich hatte sich zur Nachgiebigkeit entschlossen. 1
1 Zur Aufklärung du» Gange« der Verhandlungen mag dienen:
Bruok war rom Juni 1853 an Gesandter in Konstantinopel. Finans-
minister in Österreich war damals von Baumgartner. Dieser führt von
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10
I. AB8CHK1TT.
Auf Grundlage der auwhliesalichen Silberwahrung kam
man nach Ende des Jahres 1856 über alle Punkte über-
ein. Am 24. Januar 1857 wurde der Mttnzvertrag unter-
zeichnet Er ist in allen Punkten ein Sieg der preussischen
Politik.
II. DER WIENER MÜNZVERTRAG VOM
24. JANUAR 1857.
Mit etwas überschwänglichem Enthusiasmus wurde die
nach heissen Bemühungen erzielte Münzeinigung in Deutsch-
land begrünst. Es fehlte jedoch schon damals nicht an
Leuten, welche das erreichte Resultat etwas kritischer
betrachteten;* und heute, nachdem lange Jahre Uber die
Begründung des deutschen Münzvereins hingegangen sind,
und man den Münzbündnissen infolge mancher Erfahrungen
etwas skeptischer gegenüber steht als noch vor zwei bis
drei Jahrzehnten, liegt kein Grund und keine Versuchung
mehr vor, den Münzvertrag vom 24. Januar 1857 anders
als ruhig und sachlich zu betrachten.
Wie schon erwähnt gründete sich die neuguschaffene
Münzverfassung vollstilndig auf die reine Silber Währung. s
■oiten Österreich* die Verhandlungen Ober den Münzbund. Am 10. Mürz
1855 wurde Bruck wieder Finanzministor. Die Wiederaufnahme der
Verhandlungen und ihr Kciultat ist alle «ein Werk. Das Jahrbuch
zum Konversationslexikon, Leipzig, F. A. Brookhaus, 1857, 1. Bd. 8.080
bemerkt hierOber:
»8chon unter Minister v. Baumgartner hatte man an cino Reform
des MOnzwesons gedacht: man wOnsohtu damals der Goldwährung mög-
lichst Vorschub zu leisten. Allein der Grundsatz des Herrn v. Bruok, in
allen Dingen, dio auch Deutschland direkt berühren, mit diesem in ersprioas-
lieber Übereinstimmung zu handeln, brnohte es mit sich, dass fortan
nicht mehr von der Gold- oder Gold- und Silborwahrung die Rodo war.
In Ausführung des § 19 des Fobruarvertrngs traten die Abgoordneton
der meisten Staaten des Zollverein» und dio Österreichs zum zwoiton
Mal im Jahre 1856 in Wien zusammen*.
’ Z. B. SchSffle, Die Wiener Münzkonvention eto., Tübinger
Zeitschrift, 1857.
* Art. 2. .Mit Festhaltung der reinen SilberwShrung
soll die Münzverfassung der Vortragenden ätaaten in der Art goordnot
werden, dass etc.“
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DER DEUTSCHE MÜNZ VEREIN 1857-1887. 11
Das Silber war als alleiniger Wertmesser und als aus-
schliessliches Währungsmetall anerkannt. Jeder Gedanke
an eine Doppelwährung oder gar Goldwährung war mit
peinlicher Ängstlichkeit vermieden ; an manchen Stellen war
förmlich demonstrativ das Festhalten an der .reinen Silber-
währung“ betont, sodass der Leser sich unwillkQrlich an
den abgelehnten österreichischen Goldwährungsantrag er-
innert fühlt.
Da Goldmünzen indes in Rücksicht auf den aus-
wärtigen Handel überhaupt nicht zu entbehren waren, suchte
der Vertrag deren Wirksamkeit wenigstens im inländischen
Verkehr möglichst zu beschränken.
Zunächst wurde die Prägung aller bisherigen Landes-
goldmttnzen, der Friedrichsd’or, Pistolen, Dukaten u. s. w.
eingestellt. 1 Die einzigen Goldmünzen, welche die ver-
tragenden Staaten von nun an schlagen durften, waren die
zwei Vereinsgoldmünzen: DinKrone und die halbe Krone,
zu lü bezw. 5 gr. feinen Goldes. Diese Goldmünzen waren
indes kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern nur
.Vereinshandelsmünzen“, zur Erleichterung des Ver-
kehrs mit dem Auslande. Ihr Wert in den gesetzlichen
Silberwährungen wurde mit Absicht nicht fixiert, er sollte
lediglich durch .Angebot und Nachfrage“ bestimmt
werden. 2 * * Es blieb zwar den einzelnen Staaten unbenommen,
dio Veroinsgoldmünzen an ihren Kassen zu einem bestimmten,
öffentlich bekannt gemachtem Kurse anzunehmen. Aber die
Dauer einor solchen Tarifierung war auf 6 Monate beschränkt,
dann hatte sio von neuem zu erfolgen, und zwar war dieser
amtliche Kurs nach dom Durchschnitt der amtlichen Börsen-
kurse der vorausgegangenen 6 Monate zu bestimmen, welchen
Durchschnittskurs er keinesfalls übersteigen durfte; auch
innerhalb der 6 Monate konnte die amtliche Tarifierung
jederzeit zurückgezogen oder geändert werden. 8 Von diesem
1 Art. 18. — Nur Österreich behielt eloh Tor, „Dukaten in bis-
heriger Weise bi« «um Schlüsse des Jahres 1885 auszuprägen*.
* Art. 18.
* Art. 2t u.
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12
I. AB8CHX1TT.
lästigen Tarifloningsreclt machten in der Folge nur wenige
Staaten Gebrauch . 1 Bei diesen hatte also die Goldkrone im
Verhältnis zu dem eigentlichen Währungsgelde den Charakter
eines Kassenscheins* von schwankender Geltung.
Beim Publikum waren die neuen Goldmünzen sehr unbeliebt.
Die meisten gingen ins Ausland oder wurden eingeschmolzen . 9
Die vorhandenen Landesgoldmünzen, deren Prägung
von nun an gesperrt war, wurden fast noch schlimmer be-
1 Nach einer Angabe Delbrück« im Reichstag am 18. November
1871 nur Hanncror, Oldenburg und Bremen. Für Bremen fand indes«
eine Tarifierung in Bilbermünzen, wie sie im Vertrago vorgesehen isti
nicht statt. Denn erstens stand Bremen ausserhalb dos Zollvereins,
also auch ausserhalb des Münsvertrages, dann hatte Brcmon keino
8ilber-, sondern eine Ooldwihrung. Orundgeid derselben war der
Louisd’or, Münzeinheit der fünfte Teil dosseiben unter dem Nomon
.Thaler in Gold*. Die neue Zollvereins-Krone wurde nun in Bremen
offiziell auf 8* 4 Thaler Gold tarifiert, natürlich nicht von 6 zu 6 Monaten,
sondern dauernd. 8ic bildete vou nun an dio eigentliche Grundlage der
Bremer Ooldwihrung, und in der Bremer Bank sommolto idoh ein ziem-
lich bedeutender Bestand von Goldkronen an. Daher kommt cs, dass
dio Zollvereinskrone sohr oft auch .Bremer Krona* genannt wurde.
* Das Wesen eines Kassenscheines ist' der Stunt verpflichtet
sich zu dessen Annahme in Zahlung, nlolit aber zu seiner Kin-
lösung auf Prisentation; das Publikum ist zu einer Annalimo in Zah-
lung nicht gezwungen, Unsere deutsehon Roichskassenschclno führen
eigentlich Ihren Namen zu unrecht, du dio Uclohslinupiknsse verpflichtet
Ist, sic dem Überbringer in Kurantmünson etnsulOsen; slo sind nUo
mehr als blosso Kassenscheine.
* Bamberger in der Keichstagssitzung vom 11. Novomber 1871:
.Meine Herrn, es ist vielleicht niemand unter Ihnen, der so viele Bremer
Kronen goschon hat, wio loh. Abor ich habo sio nicht in Deutschland
gesehen, sondern im Ausland, und nur in dem Moment, wo sie noch in
ihrer jungfräulichen Reinheit glänzend in den 8chme!xtiegel wunderten“.
Nach der IV. Denkschrift des Reichskanzlers zur Ausführung der
Münzgesetzgebung, vom 30. Novomber 1875 Anlage 8 wurden an Gold-
kronen in slmtliohen deutschen 8taaten überhaupt ausgepr>:
I 086 757 8tück.
Vor der Münzreform wurden von den einzelnen Landesregierungen
davon Oberhaupt keine eingezogen. Nach ihrer Ausserkursaetzung durch
das Reich wurden nur 3S209I Stück zur Einlösung prlsentiert. Mit-
hin fehlt der Nachweis über 754666 Stüok, das ist über mehr als
zwei Drittel der gesamten AuaiiiUnxuiig.
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UKH DEUTSCI1K MO.NZVKItEIN 1857 — 1867.
13
handelt. Wenigstens nimmt es sich so aus, wenn man nur
den Hauptvertrag ansieht. Die Separatartikel enthalten
jedoch manche Konzession und Abschwächung.
Den Charakter eines gesetzlichen Zahlungsmittels
sollten die LandesgoldmUnzen so wenig besitzen, wie die
Vereinsgoldmünzen. Auch enthält der Hauptvertrag die
Bestimmung, dass fernerhin nur für Vereinsgoldmünzenein
Kassenkurs festgesetzt werden dürfe. 1 Aber dieses Kassen-
kursverbot wurde durch den Separatartikel XII. wesentlich
eingeschränkt. Diejenigen Regierungen, welche ihren Landes-
goldmUnzen bisher einen losten, unveränderlichen Kassenkurs
beigelegt hatten , sollten nicht verpflichtet sein, diesen
Kassenkurs sofort aufzuheben. Die betreffenden Regierungen
sollten vielmehr darauf gedacht nehmen, das bestehende
Verhältnis durch allmähliches Einziehen der Landesgold-
mUnzen zu beseitigen. 2 — Diejenigen Regierungen, welche
ihren LandesgoldmUnzen bisher einen veränderlichen Kassen-
kurs boigelegt hatton, durften denselben bis 31. März 1862
in dor bisherigen Weise regulieren. — Das waren also
kleine Konzessionen au das Gold, wolcho indes nicht viel
bedeuten.
Ganz besonders charakteristisch tritt die Betonung des
Silbergeldes als Geld xmt’ im Gegensatz zu den
goldenen VereinshamlelsmUnzen darin zu Tage, dass die
Vortragenden Htuuton die Kosten dor Abnutzung der Silber-
münzen, also die Sorge für die Aufrechterhaltung des ge-
setzlichen Münzfusses, auf sich übernahmen.® Abgenutzte
KilbormUnzen, auch wenn das Gepräge undeutlich geworden
war, nahmen sie stets zum vollen Wert bei ihren Kassen
in Zahlung. 4 Unter das Passiergewicht abgenutzte Kronen
dagegen nahmen sio nur mit einem der Abnutzung
* Art. 21 b.
* Unter diene Kntegorio flöten die preußischen Friedrtohsd’or.
Mnn wird knum fehl gehen, wenn mnn annimmt, dann die in 8ep.-Art. XII
entlinUene Konzession nn das Oold auf Wunsch Preußens zustande ge-
kommen ist.
* Art. 1».
4 Art. 13.
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14
I. ABSCHNITT.
zuzüglich der Kosten für die Neuprägung ent-
sprechenden Wertabzuge, wobei erschwerend hinzu-
kommt, dass das Passiergewicht und die untero Fehlergrenze
im Schrot bei den Vereinsgoldmünzen zusammenfielen. 1
So viel über die strikte Betonung der ausschliesslichen
Silberwährung.
Im übrigen schuf der Wiener Münzvertrag nicht et wa
eine Münzeinheit im Sinne des lateinischen Münz-
bundes, dass in sämtlichen vertragenden Staaten die
gleichen Münzstücke geprägt worden wären, und diese,
gleichgiltig welcher Staat sie geprägt, im ganzen
Vertragsgebiet Geltung genossen hätten. Im Gegenteil!
Der Wiener Münzvertrag schuf drei völlig verschiedene
Münzsysteme und Währungsgebiete, jedoch alle drei
auf Grundlage desselben Währungsmetalles; und als Binde-
glied zwischen diesen verschiedenen Münzsystemon schuf
er die Vereinsthaler.
Im grossen Norden Deutschlands trat an Stelle
des bisherigen 14 Thalerfusses (auf die kölnische Mark
bezogen) der 80 Thalerfuss (auf das Pfund zu 500
Gramm bezogen). In Süddeutsch 1 und ersetzte den bis-
herigen 24' s Guldenfuss der 52 1 /-.’ Guldenfuss. 2 Öster-
1 Art. 19 und 20.
* Dor Dreissigthnlorfus* wurde eingeführt in:
dem Königreich Proussen, mit Ausschluss von Hohenzoltem, in
den Königreichen Snohscn und Hannover, im Kurfürstentum Hessen, im
Grossherzogtum Sachsen , in den Herzogtümern Sachsen - Aitenburg,
Sachsen-Gotha, Uraunsohwcig, Oldenburg mit Birkonfold, Anhalt- Dessau-
KOthen und Anlinlt-Bornburg, in dem Fürstentums Sohwarzburg-Sonders-
hauson und in dor Unterhorrsohaft des Fürstentums Schwarzburg-Kudol-
stadt, in den Fürstentümern Wnldeok und Pyrmont, Iieuss filtere und
jüngere Linie, Schaumburg- Lippe und Lippe;
der Zweiundfünfzig- und-einhalb-Guldcnfuss in:
den Königreichen Bayern und ‘Württemberg, den Grosshorzog-
tümern Badon und Hessen, im Herzogtum Sachsen-Meiningen, im Fürsten,
turne Snchsen-Koburg, in den Hohenzollernschen Landen, im Herzog-
tums Nassau, in der Oberherrschaft des Fürstentums Sohwarzburg-Rudol-
stadt, in der Landgrnfschaft Hessen-Homburg und in der freien Stadt
Frankfurt. (Art. 8).
Oie neuen Münzfüsse, der ÜOThnler- und 52'/t Guldenfuss, waren
um 0,22 */„ leichter als die alten, der 14 Tlmler- und 24'/i Guldenfuss.
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DKK DEUTSCHE MÜMZVKRKIN 1857 — 18ö7.
15
reich 1 führte statt seines bisher nominell fest gehaltenen, that*
sächlich aber durch eine völlige Papierwährung verdrängten
20 Gulden- oder Konventionsfusses den 45 GuldenfuBS
ein.* Das Verhältnis der drei neuen Münzeinheiten zu
einander war demnach:
1 Thaler — l»/, Gulden südd. = 1’/* Gulden östr.
Mit der inneren Ordnung der einzelnen Landes-
währungen befasste sich der Vertrag nicht sehr eingehend.
Nur bezüglich der Scheidemünzen stellte er eingreifende
Bestimmungen auf. s Ausserdem schrieb er die Stückelung
der Kurantmünzen vor. 4 Über die genaue vollhaltige Aus-
münzung dagegen und ebenso über die Verpflichtung der
1 Und Lichtenstein:
* Gegen den Konventionsfuss wer das eine Münzversohleohterung
um 5,22 •/»■
* Kontingentierung des Scheidomünzumlaufes auf * , Thlr., bezw,
l*/ 4 fl. pro Kopf der Bevölkerung für die Staaten der ThalerwSh-
rung und österreichischen Währung. (Sep.-Art. VIII.) — Die 8taaton
dor süddeutschen Wahrung, welohe seit fast einem Jahrhundert an hoch-
gradig übertriebenem Soheidemflnxumlauf krankten, behielten sich eine
Vereinbarung über ein derartiges Maximum vor. .Schon jetzt aber, und
bis sie eine andere Vereinbarung treffen werden, wollen die gedachten
Staaten bei der Bestimmung des Gesamtbetrages, auf welohen ihre
Scheidemünzen allm&hlioh zurüokzuführen sind, die für die beiden andern
Münzsystcme festgostellte Maximalgrenze ebenfalls zu Grunde legen*.
(Sop.-Art. VIII Absatz 2).
1858 trufon dio süddoutsohen Stanton unter sioh eine Verein-
barung Uber Einziehung hauptsächlich der schlechten Scheidemünzen
aus dem Anfänge dieses Jahrhunderts. Es ging aber damit sehr lang-
sam vorwärts.
Ausserdem Fostsotzung oinor untern Minderwertigkeitsgrenze für
die Scheidemünzen der drei Landeswährungen, und Beschränkung der
Zahlkraft derselben bis zum Betrag des kleinsten Kurnntstüokes. (Art. 14.)
4 Sep.-Art. III Ziffer 4 :
a. für den 80 Thlr.-Fuss:
ausser den Vereinsthalern das '/, Thlr.-Stüok und für
Saohsen — auf dessen ausdrüokliohen Vorbehalt — auoh
das '/» Thlr.-Stüok;
b. für den 45 ft.-Fuss:
das 2 fl.-, 1 fl.- und '/s fl.-Stüok ;
o. für don 52‘/t fl.-Fuss :
das 2 fl.-, 1 fl.-, •/, fl.- und •/« «.-Stüok.
Das südd. '/« fl.-Stück gelangte so gut wie nicht zur Ausraünzung.
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16
L ABSCHNITT.
einzelnen Staaten zur Einziehung ihrer stark abgenutzten
Manzen erging sich der Vertrag nur in sehr allgemeinen
und vagen Wendungen . 1 Weder Fehlergrenze noch Passier-
gewicht setzte er ziffermassig fest
Solche Bestimmungen waren im Grunde genommen
auch überflüssig. Die Landesmünzen der einzelnen Staaten
wurden ja nicht allgemein im ganzen Vertragsgebiet als
Zahlungsmittel zugelassen. Ein Antrag auf allgemeine
gegenseitige Zulassung der Landeskurantmünzen wenig-
stens als gesetzliches Zahlungsmittel war bei den Verhand-
lungen nicht durchgedrungen. Die einzelnen Staaten
hatten sogar ausdrücklich abgelehnt, sich zu ver-
pflichten, die Münzen der mitvertragenden Staaten
in ihrem Gebiet zum mindesten nicht zu verbieten.*
Die österreichischen Landesmünzen, der Gulden und
seine Teilstüeke, waren also im heutigen deutschen Reich
nirgends als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt.
Niemand war bei uns verpflichtet, österreichische Gulden
in Zahlung zu nehmen ; wer es dennoch that, nahm sie aus
eigenem Entschluss und unter eigner Verantwortung. Diese
1 Zur ToHhaltigen Ausmünzung Art. 6 und Sep.-Art. IV.; zur
Rinziehungsrcrpflichtung. Art 13.
' Siehe Begleittortrag der wflrttembcrgisohen Regierung zum
Münsgesetz 1857. Dort heisst ea:
„Über die allgemeine gegenaeitige Zulaaaung auch der übrigen
Kurantmünzen der »ertragenden Staaten («unser den Vereiuathalern)
iat eine Vereinigung nicht erfolgt Dem von einigen Seiten gcatellten
Anträge, daaa wenigatena die Verpflichtung eingegangon worden mOge,
die Kuruntmünzon der andern Staaten weder im gemeinen Verkehr zu
verbieten, noch für die etwa atattfindende Annahme bei den Otfeutliahon
Kauen oder für den allgemeinen Umlauf auf einen geringeren Wort zu
setzen, ala ihnen nach der im Münzvertrage ausgesprochenem Gleich-
stellung der gegenseitigen Münzfüsse gebührt, wurde entgogegongohalten,
daaa das letzteres Verlangen bei den süddeutschen Münzstüoken sioh ala
unausführbar daratelle, da sich deren Tariflerungswert in Bruohteilen
ausdrücke, wolche dureh dio vorhandenen kleinsten Münzstücko nioht
vollständig ausgeglichen werden können (1 fl südd. *= ‘/, Thlr.). Andrer-
seits wurde aber auch dem beschränkteren Antrag, dass wenigstens don
Münzen gleichen Nennwertes, sowie denjenigen Münzen ungleicher Be-
nennung, welche ohne Bruchteile aus dem einen in das nndoro Münz*
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DER DEUTSCHE MÜHZVERRI!» 185V— 1867. 17
Stellung des Österreichischen Guldens auf dem Gebiet des
heutigen deutschen Keiches ist im Gegensatz zu der völlig
verschiedenen des Österreichischen Thalers für den weiteren
Verlauf der Dinge streng festzuhalten.
Neben den auf ihr eigenes Münzgebiet völlig be-
schränkten LandesmUnzen wurden als gemeinschaftliches
Umlaufsmittel für das gesamte Vertragsterritorium zwei
Vereinsmünzen geschaffen. Für dieselben hatte man
ein allerdings halb missglücktes Vorbild an den seit
der Dresdener Münzkonvention im Jahre 1888 geprägten
Zwei-Vereinsthaler- oder Drei-einhalb-Guldenstücken , die
wegen ihrer Grösse und Unhandlichkeit nicht sehr beliebt
waren.
Art. 8. Des Wiener Münzvertrages bestimmt:
»Zur Vermittelung und Erleichterung des gegenseitigen
Verkehrs unter den vertragenden Staaten sollen zwei, den
in - Art. 2 gedachten Münzfüssen entsprechende Haupt-
silbermünzen unter der Benennung Vereinsthaler ausgeprägt
werden, nämlich:
1) Das Ein-Vereinsthalorstück zu Vv> des Pfundes
feinen Silbers mit dem Werte von bezw. 1 Thaler in Thaler-
währung, V/i fl. österreichischer Währung und l 9 /< fl. Süd-
deutscher Währung.
2) Das Zwei-Vereinsthalerstück zu ’/i» des Pfundes
feinen Silbers, mit dem Werte von bezw. 2 Thaler in Thaler-
währung, 3 fl. österreichischer Währung und 8*/* fl. Süd-
deutscher Währung.
eyatem reduziert werden kOnnen, gegenseitig dieaelbe Geltung, wie den
eigenen LandesmUnzen beigelegt werde, entgegnet, d&sa ea mit dem
Prinzip voller Reoiprooität nicht Qbereinatimmen wilrde, die Gleichbe-
rechtigung für die Münzen des 90-Thlr.- und des 45 fl.-Fusaea zu be-
anapruohen, ohne sie ebenmfiaaig den Münzen dea 52‘/s fl.-Fuaaea zuge-
stehen zu kOnnen*.
Sch üffle , Die Wiener Münzkonrention eto., Tübinger Zeitaohrift
1857, 8. 285, welcher die wiedergegebene Stelle zitiert, bemerkt zu dieaer
Motivierung: dieae ErklArungsgründe haben nur eine Buasere Bedeutung.
Der wahre Grund, warum eine allgemeine gegenaeitige Annahme der
Kurantmünzen nloht beliebt werden konnte, iat der Umstand, daaa die
gloiohmüaaige Reinerhaltung dea MOnzfuasea nioht zuvor geaiohert war.
DU i'olftn de« dautachan MUnayaralna ton 1Ä57. 2
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18
I. ABSCHNITT.
Diesen Vereinsmünzen wird zu dem angegebenen Werte
im ganzen Umfange der vertragenden Staaten bei allen
Staats-, Gemeinde-, Stiftung»- und andern Öffentlichen Kausen,
sowie im Privatverkehr, namentlich auch bei Wechsol-
zahlungen , unbeschränkte Gültigkeit gleich den eigenen
Landesmünzen beigelegt. Ausserdem soll auch in dem Falle
niemand deren Annahme zu dom vollen Worte in Zahlung
verweigern können, wenn die Zusage der Zahlungsleistung
auf eine bestimmte Münzsorte der eigenen Landeswährung
lautet. Nicht minder soll es in den vertragenden Staaten
jedermann gestattet sein, VcreinsmUnzen ausdrücklich und
mit der Wirkung in Zahlung zu versprechen oder sich zu
bedingen, dass in diesem Falle letztere lediglich in Vereins-
thalern zu leisten ist*.
ln diesem Artikel wurzelt die ganze Frage der öster-
reichischen Vereinsthalcr. Ich habe ihn deshalb wörtlich
und unverkürzt wiedergegeben. Die Vereinsthalcr
waren also i in ganzen Vertragsgebiet, ganz ohno
Ansehen des Staates, welcher sie geprägt,
rechtlich den verschiedenen Landesmünzen
nicht nur gleichgestellt, sondern ihr Charakter
als gesetzliches Zahlungsmittel war sogar ein
qualitativ höherer als derjenige der Landes-
kurantmünzen. Der Unterschied zwischen Landes-
münzen und Vereinsthalera wareinseitig zu Gunsten
der letzteren aufgehoben. Verträge, auf bestimmte
Landesmünzsorten lautend, konnten in Vereinstlialern er-
füllt werden, nicht über auf Vereinsthaler luutendc Ver-
träge in Landesmünzen.
Während bezüglich der Ordnung ihrer Landesmünz-
systemc den einzelnen Staaten ein ziemlich woiter Spielraum
gelassen war, setzto der Vertrag bezüglich der Vereins-
münzen alle Vorschriften bis ins kleinsto Detail fest:
Legierung, Durchmesser der Stücke, Gepräge ; 1 bei den Ein-
Vereinsthalcrn auch ein Minimum, zu dessen Ausprägung
1 Art 10.
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DER DEUTSCHE MÜHZVKRIIH 1857-1867. 19
die einzelnen Staaten verpflichtet waren, während ein Präge-
zwang für die Zwei-Vereinsthalerstücke nicht bestand. 1 * *
Ebenso war die Fehlergrenze in Schrot und Kom vertrags-
mässig festgelegt* und — ein erheblicher Fortschritt im
deutschen Münzwesen — auch ein Passiergewicht. 8
Die Ausmünzung an Vereinsthalern eines jeden der
vertragenden Staaten stand unter der Kontrolle d e r Ge-
s amt heit der kontrahierenden Regierungen. Ergab sich
eine fehlerhafte Ausmünzung, so war die betreffende Re-
gierung verpflichtet, den ganzen Jahrgang, welchem die
fehlerhafte Ausmünzung angehörte, wieder einzuziehen. Für
streitige Fälle war ein Schiedsgericht vorgesehen. 4
Bezüglich des Passiergewichtes waren die vertragenden
Staaten gehalten, bei ihren Kassen eingehende Stücke ihres
Gepräges zu prüfen. Betrug die Abnutzung beim Ein-
Vereinsthaler 2°/o, beim Doppelthaler 1 J /a °/o des Normal-
gewichtes, so durften die Stücke nicht mehr ausgegeben
worden. Ausserdem war jeder Staat verpflichtet, auf An-
trag eines der mitvertragenden Staaten Vereinsmünzen
seines Gepräges, welche die erwähnte Abnutzungsgrenze
überschritten hatten , in Summen von nicht unter 1000
Thalern in vollhaltige umzuwechseln, welches übrigens die
einzige U m t au sch ver p f lic h tun g der Staaten be-
züglich ihrer Vereinsmünzen war.
• Nach diesen Bestimmungen bildeten also die V e r e i n s-
thaler eine durchaus gemeinschaftliche Masse,
bei welcher es auf das Gepräge der einzelnen Stücke nicht
ankam. Nur die Ausmünzung und Aufrechterhaltung der
Voll Wichtigkeit war Sache der einzelnen Staaten. Im üb-
rigen war es für den G e 1 d Charakter eines Vereinsthaler-
stückes ganz gleichgiltig, ob es in Berlin oder in Wien aus-
gemünzt war.
1 Art. 11.
* Art. 10: Im Korn 3 Tausendtelle; im 8ohrot beim Einthaler-
Htllok 4 Tausendteile; im Sohrot beim Zweithaleratflck 8 Tausendteile.
• Sep.-Art. VIL
4 Art. 12. — Sep.-Art. VI und VII.
2 *
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20
I. ABSCHNITT.
Der Wiener Münzvertrag begründete — um das Ganze
zu überblicken — eine überaus merkwürdige Münzverfassung:
Drei scharf abgegrenzte Münzgebiete mit ver-
schiedenen Münzsystemen, welche nicht einmal ihre
Kurantmünzen gegenseitig zulassen; also nichts weniger
als eine Münzeinheit. Daneben ein allen gemein- •
schaftlicher Umlauf einer bestimmten stark
privilegierten Münzsorte. Der deutsche Münz-
verein ist also ebenso einzig in seiner Art, und ebenso
charakteristisch, wie die deutsche Bundesverfassung
und der deutsche Zollverein.
Vorbedingung für die Lebensfilhigkcit der neuen Münz-
einigung war natürlich, dass Österreich seinen »mit den
Prozenten des Silberagios wechselnden Banknotenfuss“
(Helferich) 1 verlicss und die Barzahlungen wieder auf-
nahm. Das war denn auch im Vertrage vorgesehen. Art.
22 bestimmte:
»Keiner der vertragenden Staaten ist berechtigt, Pa-
piergeld mit Zwangskurs nuszugeben oder nusgeben
zu lassen, falls nicht Einrichtung getroffen ist, dass solches
jederzeit gegen vollwertige Silbermünzen auf Verlangen der
Inhaber umgewechselt werden könne.* Die in dieser Be-
ziehung zur Zeit etwa bestehenden Ausnahmen sind läng-
stens bis zum 1. Januar 1859 zur Abstellung zu bringen“.
Das »Etwa* bezog sich auf Österreich. Wir werden
sehen, wie es sich damit abfand.
Zum Schlüsse noch die Bestimmungen über die Auf-
lösung des Vertrages. Seine Dauer wurde zunächst bis zum
Schlüsse des Jahres 1878 festgesetzt. Dann sollte er still-
schweigend von fünf zu fünf Jahren weiterlaufen. Eine
Kündigung musste mindestens zwei Jahre vor Ablauf der
vorläufig festgesetzten oder stillschweigend verlängerten
1 »Die Einheit im deutaohen Münzwcsen“, Tabingor Zeitschrift
1850, 8. 4Ca
* Danach wiro «lau der »corno lognle“, wie er houte in England
fQr die Noten der linnk von England, in Frankreich für die Noton der
Bank von Frankreich besieht, gestattet; nicht abor der „corno aforzono*.
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DER DEUTSCHE MÜHZVERRIN 1857 — 1867.
21
Vertragsdauer stattfinden. 1 Bezüglich der allenfallsigen
Auflösungsbedingungen enthielt der Vertrag keinerlei Normen.
Über Auswechselung, Einlösung und Ausserkurssetzung der
Vereinsthaler bestimmte er nichts. Nach erfolgter Kündigung
seitens eines der vertragenden Staaten sollten sofort Ver-
handlungen stattfinden „um die Veranlassung der erfolgten
ltüektrittserklilrung und somit diese Erklärung selbst im
Wege gemeinsamer Verständigung zur Erledigung bringen
zu können“.
III. TATSÄCHLICHE ENTWICKELUNG DER DEUT-
SCHEN MÜNZVERIIÄLTNISSE BIS ZUM AUSSCHEIDEN
Österreichs aus dem münzverein.
Die erzielte Münzeinigung stand, was Österreich be-
trifft, zunächst nur auf dem Papier, so lango Österreich den
Zwangskurs für die Noten der Nationalbank nicht ab-
geschafft hatte. Österreich traf alle Vorbereitungen zu
dessen Aufhebung. Am 6. September 1858, also noch vor
dem Termin, an welchem vertragsgemäss der Zwangskurs
fallen musste, wurden in Wien die Barzahlungen auf-
genommen. Österreich hatte wieder eine Metallwährung.
Aber nicht für lange. Am 1. Januar 1859 hielt der Kaiser
Napoleon III. seine bekannte Neujahrsredo. Für Österreich
begann der italienische Krieg: Magenta und Solferino. Am
21. April 1859 wurden die Barzahlungen von neuem ein-
gestellt und trotz des Wiener Münzvertrages der Zwangs-
kurs wieder oingeführt. Von den mitvertragenden
Staaten erhob in richtiger Würdigung der schwierigen Lage
Österreichs und in Anerkennung der vis major keiner Ein-
spruch gegen diesen notgedrungenon Bruch dos Vertrages.
In den sechziger Jahren wurde unter der geschickten
Leitung P lener s ein zweiter Versuch in der erwähnten
Richtung unternommen. Mit grosser Umsicht wurde die
Wiederaufnahme der Barzahlungen vorbereitet. Alles stand
aufs beste. Österreich war nahe am Ziel. Da setzte der
* Art. *7.
Digitlzed by Google
22
L ABSCHNITT.
deutsche Krieg ein, verhängnisvoller noch wie vorher
der italienische. Zu den Banknoten mit Zwangskurs kamen
jetzt noch Staatsnoten hinzu, und bis auf den heutigen
Tag ist Österreich die Rückkehr zu einer metallischen Va-
luta nicht gelungen. 1
Der deutsche Krieg hatte den Austritt Österreichs
aus dem Münzvoroin zur Folge. Während der ganzen
Vertragsdauer blieb also Österreich — ausgenommen die
Zeit vom 6. September 1858 bis zum 21. April 1859 — in
der Papierwährung stecken. Der Vertrag wurde also
in Bezug auf Österreich niemals recht praktisch. Sein
handelspolitischer Zweck, die Schwankungen im Ver-
hältnis der beiderseitigen Zahlungsmittel zu beseitigen, war
damit verfehlt.
Nichtsdestoweniger prägte Österreich während der
Dauer des Vertrages eine bedeutende Summe Metallgeld!
nach den Tabellen zur Währungsstatistik, verfasst im k. k.
Finanzministerium, von 1858—1867 (inkl.)an Landeskurant-
geld 153958267,75 fl., an Vereinsmünzen — und diese inte-
ressieren uns hier mehr —
31060321 Thaler in Ein-Vereinsthalern
55528 , „ Doppelthalern.
Sa. 31 115 849 , = 46673233,5 11.*
1 Siehe .Denkschrift über da* Papiergeldweson der Bstorreiohisoh-
ungarisohcn Monarchie“ vorfasst im k. k. Finaniministerum. 1893.
* Haupt gibt an (histoire raondtairo 8. 135) 48 842 935 fl.
Die detaillierten Zahlen sind naoh den .Tabellen zur Währungs-
statistik“ 1893, verfasst im k. k. Finanzministerium:
Doppelthlr.
Einfaohe Thlr.
Hummo in Thlrn.
1858
1 644
9 154 241
9 157 529
1859
—
4 948 703
4 9 19 703
1860
—
1 619 957
1619 957
1861
—
3 139 883
3 139 883
1862
—
998 292
998 292
1863
—
2 208 830
2 208 830
1884
—
2 635 798
2 635 798
1865
7 425
2 084 630
2 099 480
1868
10 395
2 589 405
2 610195
1867
8 300
1 680 582
1 697 182
imma:
27 764
31 060 321
81 115 849.
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DER DEUTSCHE MÜNZVERKIN 1867—1867.
28
In den Staaten des heutigen deutschen Reiches wurden
von 1857—1871 geprägt: ca. 228,7 Millionen Thaler an
Vereinsthalern und Doppelthalern, und nur gegen 6,3 Mil-
lionen Thaler an anderem Kurantgeld und zwar in Landes-
kurantgeld der Thalerwährung (’/s und V« Thalerstllcke)
und in Kurantgeld der süddeutschen Währung zusammen-
genommen.'
Die naturgemässe Folge des Zwangskurses mit Agio
in Österreich war — wie überall — dass das Papier-
geld das Metallgeld ausser Landes trieb; zunächst
natürlich die Vereinsthal er, welche ja in den benachbarten
deutschen Staaten überall gleich den dortigen Vereinsthalern
und den dortigen Landesmünzen in Zahlung genommen
werden mussten. So kam es, dass bei der Aufhebung
dos Münzvertrages im Jahre 1867 der grösste Teil der
österreichischen Voreinsthaler sich im deutschen Umlaufe
befand, während umgekehrt kaum irgend welche Thaler
deutschen Gepräges in Österreich kursierten. 3 Man sah
damals in diesem Zustand von deutscher Seite keinen Nach-
teil ; und wenn man genau überlegt, so findet man vielleicht
eher, dass auf die Dauer Österreich der benachteiligte Teil
go wesen wäre. Bei der Ausmünzung von Vereinsthalern
konnte die österreichische Regierung kaum einen nennens-
werten Münzgowinn machen, weil sich überhaupt bei der
1 Dio genauen Ziffern lind naoh der Statistik in Kummer 15 der
Drucksachen des Heiohstag» von 1878:
Ausmdnzung von 1857— 1871 :
ln Zweithalerstdoken 18 077 994 Thlr.
, EinthalcrstUekon 214 720 591 ,
Summa: 228 608 525 „
in VoreinzmUnzon.
in '/i Thalurstdokon 429 434 Thlr. 20 Sgr.
. Vs , 1 503 691 . 5 ,
, */i Guldenstdoken 214 072 „
, '/i - 2 225 408 , 17 , 1 Pf.
. 7» . 1 914 286 „ 17 , 2 ,
Summa: 6 288 772 Thlr. 29 Sgr. 3 Pf.
ln Lnndeskurantmdnzon.
* Soetber, Denkschrift betreffend die deutsohe Mdnseinigung,
1860; abgodruokt in Hirths „Annulon“ 1869. Siohe dort S. 785 ff.
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24
I. ABSCHHtTT.
Ausmünzung von vollwertigem Kurnntgeld, besonders wenn
die Prägung auf Privatrechnung gegen eino geringe Münz*
gebühr gestattet ist, kein in Betracht kommender Münz-
gewinn machen lässt. Wie es in Wien mit der freien Aus-
prägung von Vereinsthalem stand, habe ich allerdings nicht
in Erfahrung bringen können. Nach dem Finanzministerial-
Erlass vom 8. Oktober 1858 waren Ein- und Zweigulden-
stücke gegen 1 Prozent l’rägegobühr, Lovantinor-Thalor
gegen l*/t Prozent Prägegebühr für Private frei auspräg-
bar. 1 Von den Vereinsthalem spricht der Erlass nicht.
Dagegen bestand in den deutschen Staaten, wenn auch nicht
gesetzlich, so doch thatsilchlich, freies Prägerecht. In Berlin
kaufte die Münze Silber zu regelmässig veröffentlichten
wechselnden Preisen, je nach dem stärkeren oder schwächeren
Angebote. 29 Thaler 23 Silbergroschen dürfte der durch-
schnittliche Preis für das Pfund Feinsilber gewesen sein.'*’
Das entspricht einer Münzgebühr von 7 Silbergroschon auf
30 Thaler oder V» Prozent. Diese beiden Umstände: die
freie Ausprägung von Landeskurant in Österreich und die
freie Ausprägung der Vereinsthaler in Deutschland, mussten
natürlich, jeder an sich allein schon, verhindern, dass Öster-
reich an den Vereinsthalem, auch wenn os sie nicht für
Privatrechnung prägte, einen erwähnenswerten Gewinn er-
zielen konnte.
Andrerseits nützten sich die Thaler im Umlauf ab,
und zwar die östei reichischen grösstenteils im deutschen
Umlauf. Österreich trug also gemäss der Vertrags-
bestimmungen über das Passiergewicht die Kosten der
Aufrechterhaltung eines Umlaufsmittels, von welchem nicht
ihm selbst, sondern den übrigen Staaten ein Vorteil erwuchs.
Auf die Dauer wäre Österreich sicherlich durch dieses Ver-
hältnis geschädigt worden. Der Vertrag währte indes nur
1 Die Saterreichisohe Gesetzgebung aber Manien oto., von Ignaz
G ruber; Manz'ache Geaetzauagabe, Wien 188«.
* Siehe daa llremor Handelablatt vom 6. Januar 187K.
„Mflnzpolitiaehe Aufeltze. L AuamQnzung für Privatreohnung* von
•r (Soetbeer?)
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DER DEUTSCHE MÜNZVERBIN 1857—1867. 25
10 Jahre, und in dieser kurzen Zeit kann sich ein Thaler-
stllck im gewöhnlichen Umlauf unmöglich um 2 Prozent
abnutzen. Die Schädigung Österreichs trat also nicht ein.
Den deutschen Staaten ging höchstens ein ganz kleiner
fiskalischer Gewinn aus den PrägegebQhren verloren, weil
auch Österreich einen Teil des deutschen Umlaufes versorgte.
Daran ist festzuhalten, dass Österreich nicht ansehnlich
mehr Thaler in unsern Umlauf einfllhren konnte, als dieser
auch sonst an sich gezogen hätte. Das Bedürfnis nach
Zahlungsmitteln, welches sonst durch Neuprägung an deut-
schen Münzstätten Befriedigung gesucht hätte, konnte nun
teilweise durch die einströmenden österreichischen Thaler
befriedigt werden.
Aber nicht bloss die österreichischen Thaler kamen
zu uns herüber, sondern auch die österreichischen Gulden,
Doppelgulden und Viertelgulden, obwohl diese gesetzlich
bei uns nicht zugelassen waren. Sie wurden aber nichts
desto weniger bereitwillig genommen, besonders in Süd-
deutschland, wo dieselben nicht einmal von den öffentlichen
Kassen zurückgewiesen wurden. Dort hatte mun eben da-
mals noch keinen Sinn für ein geordnetes, reines Münzwesen.
Man steckte noch tief in dem althergebrachten Münzwirr-
wnr, so dass durch Zulassung auch der österreichischen
Gulden nicht viel verschlimmert wurde. Im Gegenteil, diese
Zulassung war nur eine Konsequenz des bestehenden süd-
deutschen Münzzustandes. Dort waren in Umlauf, in gesetz-
lichem sogar: Kronenthaler, 1 süddeutschen, österreichischen
und brabanter Gepräges, süddeutsches und österreichisches
Konventionsgeld, Münzen des 24'/*-Guldenfusses, jetzt auch
die neuen des 52 1 /*-Guldenfusses; Thaler des 14 Thaler-
fusses, jetzt auch des 30 Thalerfussos ; ferner wurden all-
gemein genommen, auch bei den Staatskassen und in Frank-
1 Die Prägung der Kronenthaler war seit 1837 gesperrt. 1843
war ihre »allmähliche“ Einziehung auf der Mdnohener Münzkonfe-
rens beschlossen worden. Trotsdem wurde nach ihrer Ausserkurssetzung
am 1. April 1874 duroh das Reioh ron ihnen nooh ein Betrag im Wert
von 7978749 Mark eingelOst.
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26
I. AB8CHKITT.
furt auch bei Wechselzahlungen französisches Frankengeld,
hauptsächlich dio Fünffrankenthaler ; auch niederländisches
Quldengeld lief in nicht unerheblichen Mengen um. Wie
hätte man da allein die neuen österreichischen Gulden des
45 üuldenfusses ausschliessen können ? Warum die Öster-
reicher, die doch einmal im deutschen Münzvorein waren,
schlechter behandeln als die Holländer und Franzosen!
In Norddeutschland allerdings hatte man mit preussi-
schem Geiste stets etwas mehr auf Ordnung in eigenem
Hause gehulten. 1 Die im Norden für den Geldverkehr mass-
gobcndo l'reussische Bank weigerte sich auch jetzt, nach
dem Wiener Münzvertrag, österreichische Landesmünzen in
Zahlung zu nehmen. Den öffentlichen Kassen war zwar
nicht deren Annahme, wohl aber deren Ablieferung an Vor-
gesetzte Kassen verboten, was zur Folge hatte, dass auch
jene grösstenteils die Annahme verweigerten. Das wirkte
natürlich auch auf das Publikum zurück. Nichtsdestoweniger
liefen auch im Norden österreichische Viertelguldenstücke,
welche in ihrem Gehalt völlig mit den Seclisteltlinler- oder
Fünfgroschenstücken Ubereinstinunten, in ziemlicher Menge
um. Der Umlauf von Gulden und Doppelgulden beschränkte
sich indess fast gänzlich auf den Grenzverkehr zwischen
preussisch und österreichisch Schlesien.
Obwohl dieser besonders in Süddeutschland sehr stark
angeschwollene Umlauf von österreichischen Landesmünzen
gar keine gesetzliche Grundlage hatte, empfand man ihn
damals durchaus nicht als etwas Nachteiliges. Im Gegen-
teil ! Noch bei den Reichstagsverhundlungen über das Gesetz
betreffend die Ausprägung von HeichsgoldmUnzen sprach der
Abgeordnete l)r. Buhl am 17. November 1871 für die Wahl
des österreichischen Guldens als deutscher Münzeinheit an
Stelle der Mark und begründete seinen Standpunkt mit der
Sympathie des süddeutschen Volkes für das österreichische
Guldengeld. „Durch die eigentümlichen Verhältnisse Öster-
1 Mur polnische Drittelthaler oder Aohtgrosohenstüoke liefen auch
hier in nioht unerheblichen Mengen um; da Polen nioht mehr bestand,
völlig heimatlose Münzen!
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DBB DEUTSCHE MÖNZVEREIN 1857 — 1867 .
27 .
reiche“, sagte er, .sind solche Ströme österreichischen Silbers
zu uns gekommen, dass wir in den Jahren mit dem öster-
reichischen Gulden so vertraut geworden sind, wie wir es
mit dem süddeutschen Gulden waren; wir haben ihn ganz
genau kennen gelernt, während die Teilstücke des Thalers
weniger bei uns aufgetreten sind, und wo sie aufgetreten,
mit entschiedenem Widerwillen zurückgewiesen worden sind“.
— Man mag daraus ersehen, wie wenig noch am Ausgang
dos Jahres 1871 die österreichischen Gulden in Deutschland
als staatsgefährlich betrachtet wurden, dass sio sich im
Gegenteil in weiten Kreisen einer deutlichen Zuneigung er-
freuten. Die Gulden, welche nicht einmal gesetzlich zu-
gelassen waren! Und noch am Ende des Jahres 1871! —
Wie viel weniger Bedenken konnte man also in Deutschland
gegen die gesetzlich anerkannten österreichischen Thal er
haben! Dazu noch während der Dauer des Vertragsver-
hältnisses !
Diese Auffassung von der Unschädlichkeit, vielleicht
sogar Erspriesslichkeit des österreichischen Silbers im deut-
schen Umlauf, zeigte sich denn auch deutlich in dem Über-
einkommen über das Ausscheiden Österreichs aus dem Ver-
tragsverhältnis.
IV. DAS AUSSCHEIDEN ÖSTERREICHS AUS DEM
DEUTSCHEN MÜNZVEREIN.
Ich habe bereits erwähnt, dass der Münzbund ein vor-
zeitiges Ende fand durch den Krieg von 1866. Im Art. XIII
des Prager Friedens wurde die Lösung des Wiener Münz-
vertragesbesonderen Verhandlungen Vorbehalten. Am 13. Juni
1867 kam in Berlin der Auflösungsvertrag zustande.
Nach demselben treten mit dem Ende des Jahres 1867
die durch den Münzvertrag vom 24. Januar 1857 begrün-
deten Rechte und Pflichten zwischen dem Kaisertum Öster-
reich und dem Fürstentum Lichtenstein einerseits und den
deutschon Zollvereinsstaaten andrerseits ausser Wirksamkeit
bis auf folgende Ausnahmen. (Art. I.)
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I. ABSCHNITT.
.Di« vertragenden Regierungen worden den bis «um
Schlüsse des Jahres 1867 nach den Bestimmungen des Münz-
Vertrages vom 24. Januar 1857 geprägten Vereinsthalern
und Duppelthalern die ilinen in Art. 8 des eben genannten
Vertrages beigelegte Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungs-
mittels vor dem Ablauf des Jahres 1870 nicht entziehen,
sofern sie nicht in der Zwischenzeit zu einem andern als
dem jetzt bestehenden Milnzsystem übergehen.* (Art. II.)
,Im Falle der Einführung eines andern Münzsystemes
werden die betreffenden Regierungen den übrigen Teilneh-
mern an dem gegenwärtigen Vertrage von dem Zeitpunkt
der beabsichtigten Änderung drei Monate zuvor Kenntnis
geben. Mit diesem Zeitpunkt erlischt die im Art. 2 über-
nommene Verbindlichkeit in Bezug auf die ihr Münzsystem
ändernden Regierungen. Dagegen werden die ebengedachten
Regierungen alsdann die Einlösung der Vereinsthaler und
Doppelthaler ihres Gepräges wenigstens noch bis zum 1. April
1871 bewirken, ln Bezug auf die Einlösung sollen für diu
Angehörigen der übrigen jetzt zum Münzverein gehörigen
Staaten nicht ungünstigere Bedingungen gestellt werden,
als für die Angehörigen desjenigen Staates, in welchem die
Änderung des Münzsystemes erfolgt. Auch sollen, um den
Angehörigen jener Staaten diu Einlösung zu erleichtern, in
den bezüglichen Grenzdistrikten an geeigneten Orten Ein-
lösungsstellen errichtet werden“. (Art. III.)
Folgt noch ein vierter Artikel betreffend die unbe-
schudcte Fortdauer des Münzkurtclls von 1853 über die
gegenseitige Auslieferung u. s. w. von Münzverbrechern.
Man sieht, der Hauptvertrug vom 13. Juni 1867 be-
schränkt seine Bestimmungen nur auf die Vereinsthaler, das
gemeinschaftliche Umlaufsmittel. Ganz mit Recht! Denn
nur bezüglich dieser waron nach dem Wiener Münzvertrag
Bestimmungen notwendig. Bezüglich des Landesmünz-
wesens gewann Österreich mit dem Schlüsse des Jahres 1867
naturgemäss die volle Freiheit des Handelns zurück. Alle
auf Landeskurant- und Scheidemünzen, ebenso auf Papier-
geld bezüglichen Vorschriften des Wiener Münzvertrages
fielen für Österreich fort.
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DER DEUTSCHE MÜNZ VEREIN 1857—1867. 29
Bezüglich der Vereinsthaler brachte der Vertrag nun
aber keine definitive Lösung. Sie waren nach wie vor
in Deutschland und in Österreich gemeinschaftliches Um-
laufsmittel.
Mit dem Aufliören des Münzvertrages musste natürlich
die Gemeinsamkeit dieses Umlaufsmittels irgend wann ein
Ende nehmen. — Aber wann und wie? — Darüber ging
man mit sehr grosser Sorglosigkeit hinweg. Nur für einen
Fall, wenn nämlich einer der vertragenden Teile vor dem •
Ablaufe des Jahres 1870 sein Münzsystem änderte, brachte
der Vertrag von 1867 eine definitive Lösung. Dieser eine
Fall trat aber nicht ein.
Zunächst sollte man nun annehmen, dass die öster-
reichisch-ungarische Monarchie nach ihrem Ausscheiden aus
dem Münzverein keine Vereinsmünzen mehr geschlagen hätte.
Wunderbarer Weise wurden aber noch im Jahre 1868
168804 Einthalerstüeke auf der ungarischen Münze zu Karls-
burg in Siebenbürgen geprägt. 1 Mit welchem Recht und
zu welchem Zweck, darüber habe ich bis jetzt nichts näheres
erfahren können.
Diesen im Jahre 1868 in Kurlsburg geprägten Vereins-
tlmlern stand die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungs-
mittels ausserhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie
nach dem Vertrage vom 18. Juni 1867 zweifellos nicht zu,
ebensowenig wie den nach 1867 geprägten deutschen Ver-
einsthalern in Österreich. Im Vertrage von 1867 heisst es
ausdrücklich: die vertragenden Staaten werden den bis zum
Schlüsse des Jahres 1867 geprägten Vereinsthalern die
Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel nicht entziehen
— ein Beweis dafür, dass niemand daran dachte, den später
zur Ausprägung gelangenden diese Eigenschaft beizulegen.
Mit der eben gedachten Ausnahme erloschen alle durch den
Vertrag von 1857 begründeten gegenseitigen Rechte und
Pflichten, also auch das Recht Österreichs, Münzen zu prägen,
welche ausserhalb der Monarchie gesetzliche Zahlungskraft
1 «Tabellen tur Währungistatietik* den k. k. Kinatiimiinnteriumi
8. 44 und 58.
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so
I. ABSCHNITT.
hatten, und die Pflicht der deutschen Staaten, solche Münzen
als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen.
Andrerseits darf die Stellung dieser nachgeborenen
österreichischen Voreinsthaler im deutschen Münzwosen nicht
nur nach den Hechten Österreichs gegen Deutschland und
Deutschlands Pflichten gegen Österreich beurteilt werden.
Für den deutschen Staatsbürger sind ja nicht völkerrecht-
liche Vertrüge massgebend, sondern nur die in Gemässheit
derselben erlassenen Landesgesetze. Und wie stand es be-
züglich der österreichischen Thaler mit diesen?
Nehmen wir z. B. Preussen. Nach Abschluss des
Münzvertrages vom 24. Januar lH. r »7 erliess es das Münz-
gesetz vom 4. Mai 18. r i7. In diesem letzteren heisst es
betreffend die Vereinsthaler:
.Art. 10. — Gleich den Landesmünzen sollen sowohl
bei allen öffentlichen Kassen als auch im allgemeinen und
Handelsverkehr nach ihrem vollen Wert angenommen und
gegeben werden
3) .Die in Geniässheit des Münzvertrages vom 24. Januar
des Jahres und in der Eigenschaft als Vereinsmünzen aus-
geprägten Thaler und Doppelthaler derjenigen Staaten, welche
an diesem V ertrag teilgenonunen haben, oder demselben in
Zukunft beitreten werden“.
ln Geniässheit dieses Gesetzes nahm jeder Preusse an-
standslos jeden österreichischen Thaler so gut wie einen
preussisclien.
Nun kommt das Ausscheiden Österreichs aus dem Münz-
verein durch den Vertrag vom 13. Juni 18ü7. Der Vertrag
steht wohl in der Gesetzsammlung, aber ein auf ihn erfolgtes
Landesgesetz nicht. Im ganzen Zollverein existiert keine
landesgesetzliche Bestimmung, welche ausdrücklich die Eigen-
schaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels auf die bis 1867
geprägten österreichischen Thaler beschränkte. Jedermann,
der bisher österreichische Thaler genommen hatte, nahm sie
auch weiterhin, ohne sich viel um die Jahreszahl zu küm-
mern. Übrigens musste jedermann, der auch die 1868
geprägten Stücke als .in Gemässheit des Münzvertrages
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DBB DKÜT8CHK mümzverbih 1857 — 1867. 81
vom 24. Januar 1857 und in der Eigenschaft als Vereins*
münzen“ ausgeprägt ansah, ihnen gesetzliche Zahlungskraft
zuerkennen. »In der Eigenschaft als Vereinsmünzen* mussten
sie jedermann geprägt erscheinen ; trugen sie doch deutlich
dio Inschrift »Ein Veroinsthalor*. Die Frage ist nur, ob
Österreich das liecht hatte, Thnler in dieser Eigonschaft
auch nach seinem Austritt aus dom Verein zu schlagen.
Diese Frage ging indess nur dio deutschen llegierungeu an.
Dem deutschen Staatsbürger konnte sie gleichgiltig sein. —
»Als in Gemässheit des Münzvertrages vom 24. Januar 1857*
ausgeprägt kann man die 1868 geprägten österreichischen
Thnler wohl kaum gelten lassen. Denn wie kann Österreich
in Gemässheit eines für Österreich nicht mehr geltenden
Münzvertrages ausmünzen ? — Aber durften andrerseits die
deutschen Regierungen dein schlichten Unterthanen verstände
derartige staatsrechtliche Untersuchungen zumuten ? — Eine
Versäumnis liegt hier zweifellos vor 1 — eine von den vielen,
welche in der Frage der österreichischen Thaler begangen
wurde».
Thatsächlich kamen wohl diese Karlsburger Thaler so
gut wie die andern rechtmässigen österreichischen auch in
Deutschland in Umlauf. Verlautet ist bisher Uber dieselben
nichts. — Von deutscher Seite wurden sie auch später ge-
setzlich nicht anerkannt. Alle späteren die österreichischen
Thaler betreffenden Reichsgesetze sprechen nur von den
1 In einer Petition der KSlner Handelskammer an das Reichs-
kanzlcramt gelegentlich der österreichischen Tlmlorkrisl* im März 1874
heisst es bezüglich dieser Krage:
»Ja solbst angenommen, es seien von Österreich nuch nooh nach
dem Jahre 1807 Vereinsmünzen ausgeprägt und vermöge des gewöhn-
liche» Handelsverkehrs in das Gebiet des deutschen Kelches ühergefQhrt
worden“ — dass dieses thatsächlioh der Kali war, konnte die Kölner
Handelskammer nioht wissen — »so würden unseres Erachtens nicht
oinmal diese von der Einlösung gegen Gold ausgeschlossen werden
können, weil die deutschen Regierungen os versäumt haben, die in den
doutschen Münxgosetzen von 1867 bezüglich der österreichischen Vor-
einsmünzon ihren Landesangehörigen auferlegten Verpflichtungen aus-
drücklich zu widerrufen, odor letztere nur auf die bis zum Jahre 1867
geprägten Stücke zu beschränken“.
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82 L ABSCHNITT.
.bi« su Sohluase de« Jahre« 1867 in Österreich geprägten
V ereinsthalem ‘ , und diese sich stetig wiederholende Deut-
lichkeit der Diktion ist für mich der einzige Umstand, aus
welchem sich schliessen lässt, dass man in deutschen Kreisen
Oberhaupt von der nachträglichen AusmQnzung etwas weiss,
obwohl manches andere einen daran irre machen könnte. 1
Gesetzlich sind die 1868er österreichischen Thaler
nicht deutsches Geld. Wo sich dieselben aber thatsächlich
befinden, und welches ihr thatsächliches Schicksal sein wird,
darüber lässt sich jetzt noch nichts sagen.
Doch kommen wir nach dieser Abschweifung zu den
rechtmässigen Vereinsthalem zurück!
Der Vertrag von 1867 verpflichtete die deutschen
Staaten nur, dieselben vor Ablauf des Jahres 1870 nicht
ausser Kurs zu setzen — vorausgesetzt, dass bei keinem
der beiden Teile eine Änderung des Münzsystemes erfolgen
würde, welcher Fall, weil er nicht eintrat, für uns bedeu-
tungslos ist. — Und dann? — nach Ablauf des Jahres 1870?
Dann hat jeder Teil dem andern gegenüber auch bezüglich
der Vereinsthaler völlig freie Hand. Er kann alle Vereins-
' Einen Bewein, das* die noch 1868 orfolgte AusmQnzung von Ver-
einsthalern in Österreich noeh heute so gut wie unbekannt, vielleicht
sogar noch gern unbekannt iet, gibt 8aling* Börsen - Jahrbuoh für
1893/94, Berlin 1893. Dort heisst es Seite 1 und 2:
„Die bis 1867 in Österreich gemünzten Thaler und Doppelthaler
(später hat Österreich keine mehr geprägt) wurden eto.“
Ks scheint also, dass trotz der bereits 1892 vorliegenden Aus-
weise in den „8tat. Tabellen zur Währungsfrage* des k. k. Finanz-
ministeriums vou der naohtrlglioheii Ausinünzung keine Notiz ge-
nommen wurde.
Dazu kommt: Nummer 15 der Akten derSilberkommission,
handelnd vom deutschen Th ale ruml a u f, gibt eine detaillierte Auf-
stellung der Ausprägungen und Einziehungen von üstorreiohieohen Thalern,
zowie der in Gemässheit des Abkoinmons von 1892 an Österreich er-
folgten Abschiebungen, um den in Deutschlund nooh befindlichen Reet
dieser MQnzsorte zu ermitteln. Auoh diese Aufstellung enthält nur die
bis zum Sohlusse des Jahres 1867 geprägten 8ummen und sohweigt
vOllig Ober die im Jahre 1868 geprägten 8tUcke.
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DIR DEUTSCHE MÜRZ VEREIN 1857 — 1867 . 88
thaler oder eine bestimmmte Sorte, Deutschland z. B. die
Österreichischen oder Österreich die deutschen, ausser Kurs
setzen, mit oder ohne Einlösung, ganz nach Belieben; er
kann sie verrufen, kurz so schlecht behandeln wie er will,
ohne dass der andere Teil irgend einen Einspruch dagegen
orheben kann. — Wie hat man es so weit kommen lassen
können, wird man heute sagen, wie haben insbesondere die
deutschen Zollvereinsstaaten es damals so weit kommen lassen
können? — In ihrem Umlauf befand sich der grösste Teil
aller Österreichischen Vereinsthaler. Wie konnten sie sorglos
alle und jede Sicherstellung für deren Zukunft vernach-
lässigen? — Warum hat man damals, bei Auflösung des
Wiener Münzvertrags , die Österreichischen Thaler nicht
beseitigt? Warum hat man damals keine «Liquidation*
vorgenommen ? — Liquidationen sind uns ja heute durch
die lateinische Münzunion längst geläufig geworden. — Jetzt
sind ungefähr 50 Millionen Mark in Österreichischen Thalem
an uns hängen geblieben, von denen das Stück als Material
nach don jetzigen Silberkursen nicht einmal 1,50 Mark wert
ist. Wir erleiden also, wenn wir sie durch Goldmünzen er-
setzen, an diesen österreichischen Thalem einen Verlust von
mehr als 25 Millionen Mark. Dabei denkt man mit einem
gewissen Neid an die berühmte lateinische Liquidations-
klausel vom Jahre 1885, durch wolcho das kluge Frankreich
für don Fall einor Auflösung des lateinischen Münzbundes
einen Verlust von hunderten Millionen Franken von sich
abgowendet. — Wollen wir die Sache untersuchen!
Zu dem Behufe ist zwischen zwei Geldarten zu unter-
scheiden: zwischen vollwertigem Geld, d. h. solchem,
dessen Stoffwert mit seinem Geldwert zusammenfällt,
und unterwertigem Geld, dessen Stoffwert geringer
ist, als der ihm vom Staate durch Tarifierung oder andere
Mässregeln verliehene Geldwert. Ich gebrauche hier den
Ausdruck «unterwertiges Geld* mit Absicht an Stelle des
üblicheren Ausdrucks «Kreditgeld*. Wenn man mit den
Worten einen präzisen Sinn verbinden will, kann man
Kroditgeld nur als eine Unterart des unterwertigen
Geldes betrachten, nämlich als diejenige Unterart, deren
llolfferloh, Die Folgen de* deutschen Mflnsverelns von 1&&7. 3
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34
L ABSCHNITT.
Geldwert durch den Kredit des Staates Ober ihrem Stoff-
wert gehalten wird. Hierher gehören z. B. unsere deutschen
Kassenscheine, unsere Scheidemünzen etc., weil der Staat
sich verpflichtet hat, sie an bestimmten Kassen jederzeit
gegen vollwertiges Geld einzulOsen. Der Staat hat aber noch
andere Mittel als seinen Kredit, um den Geldwert gewisser
Geldsorten über ihrem Stoffwert zu erhalten: bloses Sperren
der Prftgung; siehe die österreichischen Gulden, die indischen
Rupien. Hier liegt nicht einmal eine Tarifierung in voll-
wertigem Gelde und eino Verleihung des Zwangskurses
gleich vollwertigem Gelde vor, weil überhaupt kein voll-
wertiges Geld vorhanden ist.
Damals waren die Thaler unbedingt vollwertiges
Geld, wie es jedes Geld sein muss, das gesetzlich oder that-
siichlich frei auspriigbar ist. Ein Thaler enthielt ’/m Pfund
feines Silber, konnte also nie unter den Wert von '/so Pfund
feinen Silbers herabsinken, höchstens uni den Betrag der
Abnutzung. Jedermann konnte andrerseits gegen eine ge-
ringe Gebühr für 1 Pfund feines Silber an der Münze JO
Thaler erhalten. Also konnte der Geldwert eines Thalers
niemals merklich über den Wert von '/so Pfund feinen
Silbers steigen. Ich behaupte damit nicht, dass der Thaler
damals absolut wertbeständig gewoseu sei im Ver-
hältnis zu den andern Gütern; er war es nur im Verhältnis
zum Silber, dem damaligen deutschen Währungsmetall. Ein
absolut wertbeständiges Geld gibt es überhaupt nicht, weil
es kein absolut wertbeständiges Gut gibt. Jedes frei
ausprägbure Geld folgt, den Wertschwankungen seines Me-
tallen. Die Staaten haben ihr Geld trotz seiner absoluten
Wertschwankungen als Wertmesser angenommon, sie legen
ihm und dem Währuugsmetallu eine fingierte Wertbestündig-
keit bei, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Das Geld
mit seinen absoluten Wertsehwankungen, nicht irgend bin
unveränderlicher Wert ist für die Staaten Gegenstand aller
Kontrakte. Die Staaten haben auch nicht die Pflicht, allen-
falls eintretende absolute Wertschwankungen ihres Geldes
zu k orrigieren , 1 schon deshalb nicht, weil solche absolute
' E» «oll damit nicht genügt «ein, das« den Stauton der Wortgang
ihres Oeldes duroluus gleiohglltlg sein darf. Ein in soinem Werte
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DER DEUTSCHE MÜNZ VEREIN 1857—1887. 85
Wertschwankungen mangels eines absolut wertbeständigen
Wertmessers nicht mit irgend einer Genauigkeit zu ermitteln
sind; ebensowenig wie wir die absoluten Bewegungen der
Himmelskörper im Weltraum mangels eines absolut be-
wegungslosen Beobachtungsstandpunktes zu erkennen ver-
mögen. Wir sehen wohl, wie sich die Sterne im Verhältnis
zur Erde bewegen, wie die Planeten im Verhältnis zur
Sonne, aber welchen Weg Erde und Sonne selbst im Welt-
raum durchwandern, das wissen wir nicht; ebenso sieht ein
Land mit Silberwährung sehr wohl, wie sich der Wert aller
anderen Güter zum Silber verändert, die Veränderungen
dos Silberwertes selbst ist aber nicht festzustellen. — Eine
Korrekturpflicht des Staates in dieser llichtung liegt also
nicht vor, und wenn M. v. Schraut in seiner »Währungs-
frage* meint, durch eine Wertverringerung seines Währungs-
metalles und folglich seines frei ausprägbaren Hauptgeldes
nehme der Staat eine schwebende Schuld auf sich, so halte
ich das für eine sehr grosse Unklarheit. 1 Wenn mir heute
jemand 100 Mark leiht für die Dauer von 20 Jahren, dann
habe ich ihm nach 20 Jahren nicht den Wert zurück zu
kontinuierlich steigende» oder fallende» Qeld hat für die ganze Volks-
wirtschaft die grössten Unzuträgliohkeiten im Gefolge. Jeder Staat
wird also im eigenen Interesse bestrebt sein, ein möglichst wert-
beständiges Geld su besitzen. Dass der Stant, wenn er sich von der
Unzuverlässigkeit der Basis seines Geldwesens überzeugt hat — wie
jetzt t. B. Indien — das Heoht und die Pflicht habe, sein Geld-
wesen auf eine andere Grundlage zu stellen, also zum Einstelien der
Prägung oder zum Währungsweolisel , will ich natürlich nicht be-
streiten.
'S fl, a. a. 0. »Die Gesellschaft (der Staat) wird auf diese
Weise Schuldnerin ihrer Glieder, sobald eine Wertminderung ihres
Prilgemetnlles eintritt, und Gläubigerin derselben im Falle einer Wert-
Steigerung, — ein Vorgang, weloher bei einer Veräusserung des
gosumten MQnzTorrates deutlich zum Ausdruok gelangen müsste*. —
Win sinh Schraut diesen Vorgang denkt, und wie er sich »eine Ver-
ätisserung des gesamten Münzvorrates* vorstellt, ist mir nioht klar ge-
worden. loh glaube, dass Schraut dabei das Spiegelbild vorsohwebt,
welches eine Silberwährung bei sinkenden Silbeipreisen auf einer aus-
wärtigen Goldwährung erzeugt.
8 *
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36
l. ABSCHNITT.
erstatten, welche die 100 Mark heute haben, sondern 100
Mark, ob nun der Wert von 100 Mark, oder des in ihnen
enthaltenen Ooldes, doppelt oder nur halb so gross ist wie
heute. Im ersteren Fall wäre ich geschädigt, im letzteren
mein Gläubiger, aber niemals hätte der Staat im letzteren
Falle durch die Wertverringerung seines Geldes eino
schwebende Schuld übernommen, so wenig wio im ersteren
Falle ein Anlehen. — Die Vollwer tigkoit eines Geldes
hängt übrigens mit dessen Wortschwankungen nicht zu-
sammen. Vollwertig bleibt ein Geld, so lange sein Geld-
wert und sein Stoffwert zusammenfnllen, d. h. so lange es
seinen Wert, ganz einerlei, wie dieser sich ändert, in sich
selbst trügt.
Wenden wir das cbon gesagto auf eine Liquidation
an! Bei den Thalorn fiel Geld- und Stoffwort zusammen.
Ein österreichischer Thaler war ganz abgesehen von seinem
gesetzlichen Geldcharakter so viel wert, wie ein deutscher
Thaler. — Dadurch war eine .Liquidation“ von vornherein
unnötig. Unter normalen Verhältnissen wird es sich bei
der Auflösung von M ünz vereinen mit einem gemeinsamen
vollwertigen, aber partikulares Gepräge tragenden Umlaufs-
mittel gewiss empfehlen, wenn ein Staat die in seinem Um-
laufe befindlichen Stücke fremden Gepräges bei den anderen
Staaten gegen in deren Umlauf befindlichen Stücke seines
eigenen Gepräges umtauscht, gewissermassen aus Ordnungs-
sinn. Eine solche Operation verbot sich aber in unsonn
speziellen Falle von selbst. Wohl waren nämlich die meisten
österreichischen Thaler im deutschen Umlauf, aber kaum
irgendwelche deutsche im österreichischen. Die öster-
reichische Regierung hätte die ihr präsentierten öster-
reichischen Thaler einfach deshalb nicht in deutsche um-
wechseln können, weil sie von diesen keine hatte. Und in
was sonst hätte sie ihre Thaler überhaupt Umtauschen
| sollen? — Das höchste, was sich bei dem scharfsinnigst
angelegten Vertrag hätte erreichen lassen, wäre gewesen:
dass ein nach dem Austausch verbleibender Rest von
vollwertigen Münzen von dem Staate, welcher sie ge-
prägt, gegen dasjenige Quantum Währungsmetall umgewech-
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DER DEUTSCHE MÜNZVEREIN 1857—1807. 87
seit werden muss, welches dieser Rest enthalten sollte.
Damit wäre der Verlust, welcher sich durch die Abnutzung
der betreffenden fremden Stücke ergeben könnte, paralysiert.
Eine Ausgleichung in einem anderen Metall als dem bis-
herigen gemeinsamen Währungsmetall zu verlangen, in
unserm besonderen Falle etwa in Gold, wäre ohne jeden
Rechtsbodon und geradezu widersinnig. Ein Vertrag kann
nur auf der Grundlage seiner selbst gelöst werden. Hat
der Vertrag die Silberwährung als Basis, hat er damit das
Silber als alleinigen Wertmesser angenommen, so müssen
die vertragenden Teile auch bei seiner Auflösung die sich
ergebenden Schulden und Forderungen mit Silber messen
und ausgleichen. Das ist so sehr a priori einleuchtend, dass
cs gar keiner näheren Erklärung bedarf. — Ist aber die
oben besprochene Ausgleichung in ungemünztom Metall nicht
vorgesehen, dann kann der Staat, welchem ein Rest fremder
Münzen nach dem Austausch verbleibt, dieselben ganz nach
Belieben in Umlauf lassen oder einziehen, als Material ver-
kaufen oder umprägen.
Anders steht diu Saclio natürlich bei Kreditgeld und
unterwertigem in vollwertigem Golde tarifierten Gelde irgend
welcher Art. Der ausgebende Staat hat ihm durch Tari-
fierung einen seinen Stoffwurt überschreitenden Wert bei-
gulegt. Der Inhaber einer Kreditmünzu hat also ausser
deren Stoffwert gowissermassen noch ein Obligationsrecht
gegen den Staat . 1 Falls nun in einem Münzbunde das Kredit-
geld verschiedener Staaten in einander übergeht, ist natur-
gemäss bei der Auflösung jeder Staat zur Einlösung seines I
Kreditgoldes gegen vollwertiges Geld verpflichtet. Am '
1 .Die Hauptm(!nzen sind rein itofflioho Gegenstände, welche
ihren Wertgang in sioh selbst tragen; der Inhaber hat an diesen
schlechthin nur ein Eigentumsrecht, ein Aussohliessliohes sachliches
Recht, wolohes die Juristen „iua in re“ nennen. Die SoheidemOnzen
dagegen haben einen Kreditoharakter. 8ie geben dem Inhaber etwas
mehr als das Metall, aus dem sie gemacht sind ; er hat ein Obligationen-
rocht gegen den Staat, der sie ausgegeben hat: ius in personam“. —
Pirmez in der Sitzung des belgisohen Abgeordnetenhauses vom lt. August
1SS5, zitiert boi Bnmborger, Schicksale des lateinischen MQnzbundes, 1886.
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88
I. ABSCHNITT.
schwierigsten wäre die Frage einer Liquidation bei einem
MOnzbund mit durch blosse gesperrte Prägung unterwertigem
Oelde, weil hier jeder durch Tarifierung in vollwertigem
Oelde gegebene gesetzliche Massstab des Ausgleiches fehlt.
FOr den deutschen MQnzverein kommt indes ein unter-
wertiges Geld irgend welcher Art nicht in Frage.
Es zeigt sich also, dass bei dem Austritt Österreichs
r aus dem deutschen Münzverein eine Liquidation, da es sich
\ nur um vollwertiges Geld handelte, einmal unnötig, dann
auch unmöglich war, weil die Österreicher kein deutsches
Geld hatten, das sie gegen die österreichischen Thaler hätten
geben können.
Ganz anders jedoch verhielt es sich mit der Frage:
Sollen die österreichischen Thaler im deutschen Umlauf
bleiben und wie lange? — Nach Ablauf des Jahres 1870
musste in Deutschland bezüglich der österreichischen Thaler
ein völlig vertragsloser, anarchischer Zustand eintreten.
Wie kann eine Regierung die Verantwortung auf sich
nehmen, ein mit andern Staaten gemeinschaftliches Umlaufs-
mittel fortbestehen, die vertragsmässigen Abmachungen Uber
dasselbe aber ablaufen zu lassen? — Gerade das that man.
Statt auf irgend eine Weise Ordnung zu schaffen, Hessen
die deutschen Regierungen ruhig und ohne Böses zu ahnen,
den Zeitpunkt der Vertragslosigkeit über ihre Thaler herein-
kommen, und als sich diu naturgumässen schlimmen Folgen
dieser Unordentlichkeit späterhin zeigten, war man all-
gemein sehr erstaunt.
Im übrigen ist der Vertrag vom 13. Juni 1867 sicht-
lich auf die damalige Lage zugeschnitten. Man sieht, es
war darauf gerechnet, Österreich werde vor dem Ablauf
des Jahres 1870 zu einem andern Mttnzsystem übergehen.
Da Österreich keine Thaler deutschen Gepräges im Umlauf
hatte, kam also die Frage nicht in Betracht : Was soll einer
der beiden Teile bei einem Wechsel seines Münzsystemes
mit den in seinem Umlaufe befindlichen fremdon Thalern
anfangen? sondern nur: wie löst er seine draussen um-
laufenden Thaler ein?
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DKH DEUTSCHE MÜNZVEREIN 1857— 1867. 39
Thatsächlich schloss Österreich am 31. Juli 1867 eine
Präliminarkonvention mit Frankreich. Nach derselben er-
hält Österreich den Gulden im genauen Wert von 2 1 /*
Franken Gold als Münzeinheit und lässt künftig — vom
1. Januar 1870 ab — Goldstücke nur in Gemässheit dieser
Konvention, und zwar zu 4 Gulden = 10 Franken, zu 8
Gulden = 20 Franken und zu 10 Gulden = 25 Franken
prägen. Die Einziehung seiner bisherigen Silberkurant-
münzcn will es nicht über den 1. Januar 1873 hinaus ver-
schieben. Das endliche Ziel war nämlich nicht die Doppel-
währung des lateinischen Münzbundes, welche Österreich
nur als Übergangsstufe benutzen wollte, sondern die Gold-
währung. Am 1. Januar 1870 hätte die Konvention in
Wirksamkeit treten sollen.
Das am 24. Dezember 1867 zwischen östeireich und
Ungarn abgeschlossene Zoll- und Handelsbündnis nahm in
Art. XII. in Aussicht, dass »den beiderseitigen Vertretungen
baldigst gleichartige Vorlagen zur Einführung der Gold-
währung gemacht werden“. Aber das Gesetz vom 9. März
1870 ordnete nur die Ausprägung von 4- und 8 fl-Stücken
in Gold an, deren Annahmo jedoch bis zur Einführung der
in Aussicht genommenen Goldwährung dem freien Über-
einkommen überlassen bleiben sollte. 1 — Aber dio »in Aus-
sicht genommene Goldwährung“ kam nicht. Wäre sie ge-
kommen, auf der geplanten Grundlage und vor dem Ablauf
des Jahres 1870, dann wäre das für alle Besitzer öster-
reichischer Thaler ein grosser Vorteil gewesen. Österreich
hätte den Thaler zu 1 '/* Gulden Gold, d. h. zu 3 :1 /< Franken
Gold einlösen müssen, während drei deutsche Reichsmark,
der spätere deutsche Tari Her ungs wei t des Thalers nur 3 ,9 /27
Franken sind, das ist etwa 4'/* Centimos weniger. Die dem
geplanten österreichischen Währungswechsel zu Grunde ge-
legte Relation 1 : 15,308 war für das Silber so günstig,
dass binnen kurzer Zeit alle österreichischen Thaler nach
Österreich zurückgekohrt wären und sich in Goldgeld ver-
1 Denkschrift über den Gang der Wahrungsfrage, 1892; verfasst
im k. k. Finanzministerium.
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i. ABftcmnrr.
wandelt hätten. Österreich hätte sogar wahrscheinlich Mühe
gehabt, sich die deutschen Thaler fern zu halten. Die ganze
Thalerfrage hätte in ihr genaues Gegenteil Umschlagen
können.
Aber der Währungswechsel kam eben nicht. Das
| Jahr 1870 lief ab, und nun herrschte zwischen den deut-
schen Staaten und Österreich die geschilderte Anarchie.
Da fUr Münzangelegenheiten auch jede völkerrechtliche
Grundlage fehlt, hingen die österreichischen Thaler in Deutsch-
land rechtlich vollkommen in der Luft.
Das war für Deutschland immer noch kein Unglück,
so lange die Thaler vollwertiges Geld waren, solange der
Geldwert eines Thalers sich mit dem Stoffwert von '/so
Pfund Silber deckte, d. h. so lange Silber das deutsche
Währungsmetall blieb und das deutsche Geld an den
Wertgang des Metalles Silber geknüpft war. Aber das
sollte sich in Bälde ändern.
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II. AB8HNITT.
DIE- ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DER
DEUTSCHEN MÜNZREFORM.
I. DAS GESETZ, BETREFFEND DIE AUSPRÄGUNG VON
REICHSGOLDMÜNZEN, VOM 4. XII. 1871.
Die grossen Ereignisse des Jahres 1870 und 1871
brachten die politische Einigung Deutschlands durch die
Begründung des deutschen Reiches. Die von allen Seiten
verlangte einheitliche deutsche MUnzreform Hess sich nun
nicht länger hinausschieben, und andererseits war gerade
durch die politische Einigung, da sie die Münzgesetzgebung
der Kompetenz des Reiches unterstellte, die Möglichkeit
einer einheitlichen MUnzreform gegeben.
Die MUnzreform brachte dem neuon Reiche an Stelle
seiner mannigfaltigen MünzsyBteme eine vollendet einheit-
liche Münzverfassung, und dann — das ist für uns noch
mehr von Bedeutung: ein anderes Währungsmetall.
In ganz Deutschland, mit Ausnahme der freien Stadt
Bremen, hatte bisher die reine Silberwährung ge-
herrscht. Der neue Bundesstaat schickte sich nun an, zur
Goldwährung Uberzugehen, d. h. die Geschicke seines
Geldes von dem Wertgange des Metalles Silber abzulösen
und sie mit dem Wertgange des Metalles Gold zu ver-
knüpfen. Wollen wir sehen, wie die deutsche Gesetzgebung
dies bewerkstelligte !
Der Währungs Wechsel in Deutschland vollzog sich in
zwei grossen Schritten. Der erste Schritt war das Gesetz,
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42
II. ABSCHNITT.
betreffend die Ausprägung von Reichsgold-
münzen, vom 4. Dezember 1871.
Dieses Gesetz griff in drei Punkten in die bisherigen
MQnzverhältnisse ein.
Einmal verordnet« es die Ausprägung zweier Sorten
von Iteichsgoldmünzen, von Kronen und Doppel-
kronen (von Zehnmarkstücken und Zwanzigmarkstücken),
zu jo V las,* und V«V 5 Pfund feinen Goldes. Als neue
Münzeinheit hatte man den Drittelsthaler unter dem Namen
.Mark* angenommen. Vom Standpunkt der noch vor-
handenen Silberwährung aus betrachtet stellt sich also diese
Mark als rr— — - — ' w Pfund Silber dar. Nun handelte
80 x 8
es sich bei Schaffung der neuen Reichagoldmünzon darum,
welches Quantum Gold an Wert diesem */»" Pfund Silber gleich
kam, um die Relation. Bei Doppelwährungen ist diu
Relation das immer bestehende Band, welches die
beiden verschiedenmetallischen Münzsorten zu einem einheit-
lichen System zusammenhält; bei einem Währungswechsel
ist sie eine nur augenblicklich b o n ii t z t e Brück e,
welcho den Wertgang des Geldes von dem einen Metall
zum anderen hinüberleitet; einmal überschritten, kommt sie
hier nicht mehr in Betracht. * — Nun fand es sich, dass
seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Weltmark 1 Pfund
Gold mit gcringun Abweichungen und Schwankungen stelB
15*/* Pfund Silber gegolten hatte, dass die dauernde Relation
in der Doppelwährung des lateinischen Münzbundes 1 ; 15'/*
war, und schliesslich, dass in den Novembertagen des Jahres
1871, an welchen der deutsche» Reichstag Uber das erste
Münzgesetz beriet, auf dem Londoner Markte genau das
Verhältnis von 1 : lb'/i herrschte. Ohne Zaudern legte auch
1 Dio Relation int natürlich mich Thuniiohkuit «o au wählen, dun«
di« Kaufkraft de« neuon Geldes mügliohnt diu gleioho bleibt, wlu diu
Kaufkraft de* alten Geide« bi« tum Wältrungawcohacl. — Gelegentlich
der üalerrcichUchen Valutaregulierung wurde die Frage der Uelatiou
uuaacrurdcntlich gründlich erörtert. Kino «ehr guto Übersicht aller
Relationatheoricti und- Vorachläge, weloho bei dieser Gelegenheit nuf-
tauohten, bei ü»ter«etier, Wfthrungtweohtel und Aufnahmo der
Barzahlungen. Wien 1092.
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DIS ÖBTER. THALER IN DER DEUTSCHEN MÜNZRKFORM. 43
das deutsche Reich diese Relation der Schaffung seiner
neuen Goldmünzen zu Grunde. Das 10 Markstück erhielt
also einen Feingehalt von ^ . . = */is9,s Pfund Gold.
yu x io,ü
Ferner bestimmte das Gesetz, dass alle Zahlungen,
welche bisher gesetzlich in Silbermünzen der verschiedenen
Landeswährungen zu leisten waren oder geleistet werden
durften, von nun an in Reichsgoldmünzen geleistet werden
könnten, und zwar dergestalt, dass gerechnet wird:
Das 10-Markstück zum Wert von 3 l /a Thaler, das 20-
Markstück zum Wert von 6 2 /s Thaler — natürlich waren
dio neuen Goldmünzen auch in den Münzen der übrigen
deutschen Landeswährungen tarifiert; diese Tarifierungen
sind indes hier nicht von Bedeutung. — Man bemerke, dass
in diesem Gesetze noch die Reichsgoldmünzen in den alten
Landesmünzen tarifiert waren, nicht die Landesmünzen in
Reichsgoldmünzen, dass also bis auf weiteres die alten
Landessilbermünzen noch in Kurs blieben, und nur die
neuen Reichsgoldmünzen nach einem festen Tarifierungs-
verhältnis an Stelle der nlten Landesmünzen in Zahlung
gegeben werden konnten.
Diese Bestimmung konnte für die nächste Zeit nicht
tief einschnoiden. Die wichtigste Vorbedingung für das
Zahlen in Goldmünzen ist, dass man Goldmünzen hat. Und
diese wurden ja erst noch geprägt, und zunächst ausschliess-
lich für Rechnung des Staates.
Die dritto wichtige Bestimmung des Gesetzes — eine
Bestimmung, durch welche die Frage ob Gold-, ob Doppel-
währung bereits entschieden wurde — war die Einstel-
lung der Prägung von groben Silbermünzen,
nicht bloss für Private, sondern auch für die Regierungen.
Damit war die Verbindung zwischen dem Silber ge ld und
dem Metall Silber zerschnitten. Der Wert des Silbers
als Metall war jetzt nur noch die untere Wertgronzo für
das Silber als Geld, nicht mohr zugleich dio obere. Während
der Wert eines Pfundes Silber immer nur unmerklich über
30 Thaler steigen konnte, da man ja im Stande war, sich
durch Einschmelzen von 30 Thalerstücken jederzeit mit
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44
II. ABSCHNITT.
geringen Kosten 1 Pfund Silber zu verschaffen, konnte
andererseits der Wert von SO Thalern sich bedeutend Uber
den Wert von 1 Pfund Silber erheben, da nicht mehr die
direkte Möglichkeit vorhanden war, ein Pfund Silber gegen
geringe Prilgekosten in 30 Thaler zu verwandeln. Es konnte
nun der Fall eintreten, dass zwar das Angebot von Itoh-
silber die Nachfrage weit überstieg, andrerseits die Nach-
frage nach gesetzlichem Zahlungsmittel, nach gemünztem
Silber, sehr stark war, ein Fall der bei freier Prägung nie
Vorkommen kann , und welcher den Wert des Geldes über
seinen Stoffwert heben muss. 1 Dieser Fall trat in die
Augen springend in den Jahren 1873 bis 1875 im nieder-
ländischen Geldwesen ein;* auch bei der Betrachtung der
österreichischen Valuta Verhältnisse vom Jahre 1879 an
werden wir uns an diese Thatsache erinnert fühlen. — In
unserm gegenwärtigen Falle war also die Möglichkeit ge-
geben, dass einer, der Silber besass und Thaler dafür er-
werben wollte, im dringenden Bedarfsfälle mehr als 1 Pfund
Silber für 30 Thaler gab, und dass der andere umgekehrt
für 1 Thaler inehr als '/so Pfund Silber erhielt, also mehr
als den Stoffwert eines Thalers.
Hier ist jedoch zu bemerken: Ein freies, unein-
geschränktes Erheben des Geldwertes einer bestimmten
Münzsorte mit gesperrter Prägung über ihren Stoffwert
kann nur dort statttinden, wo nicht eine andere Münzsorte,
welche mit der ersteren durch gesetzliche Tarifierung ver-
bunden ist oder sie wenigstens in ihrem Geldcharakter
irgendwie vertreten kann, frei vermehrbar ist. Eine solche
Münzsorte hatten wir nun an den neuen iteichsgoldmünzen.
Deren freie Ausprägbarkeit vorausgesetzt, konnto der Geld-
wert einer Krone niemals nennenswert Uber den Wert von
1 Nasse: Diu Mdnzreform und die Weohsolkurse, Hirthe Annalen
1875 8. 604 :„.... und er bekommt für I Pfund rohen Silbers nooh lango
kein Pfund Silber in Silberthalern, weil die eingesohrftnkte Ausprägung
der Thaler denselben eine Art von Monopolpreis vorsolinfTt, dor mit
dom Preise de* rohen Silber« gar nicht« mehr au thun hat“.
* Naue, a. a. 0., 8 . 604 und 605. — II ambergor, Rciohs-
gold, 8. 145 IT.
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DIB Ö8TER. THALER IM DER DEUTSCHEM MÜHZREFORM. 45
*/t*M Pfund feinen Goldes steigen, also auch der Wert des
Tlialers nicht über a l\m Pfund Gold, da ja jederman eine
Krone an Stelle von 8 1 /» Thaler in Zahlung geben konnte.
Die thatsächliche Entwickelung der Dinge hing nun davon
ab, wie sich das Wertverhältnis von V 8 » Pfund Silber und
*/i*5 Pfund Gold, welche Metallquanta das Gesetz vom 4.
Dezember 1871 als gleichwertig angenommen hatte, in der
folgenden Zeit auf dem Edelmetallmarkte gestaltete; ob es
sich gleich blieb, ob es sich zu gunsten oder zu ungunsten
dos Silbers veränderte.
II. NEUGESTALTUNG DES VERHÄLTNISSES DER
ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DEUTSCHLAND.
Schon im Dezember 1871 begann der Wert des Silbers
im Verhältnis zum Golde zu fallen. Der Stoffwert eines
Tlialers = 1 /ao Pfund Silber war nun nicht mehr gleich dem
Stoffwert von 8 Mark — a /mr l Pfund Gold, sondern etwas
geringer. Damit war die MUglichkeit gegeben , dass
sich der Wert eines Tlialers über den Wert von '/w Pfund
Silber erhoben konnte. Er musste das thun in dem Falle,
dass ein gesteigertes Bedürfnis nach Zahlungsmitteln ein-
trat, welchem der vorhandene Bestand an nicht vermehr-
baren Silbermünzen und an den wenig vermehrbaren Papier-
scheinen nicht mehr genügen konnte, zu dessen Befrie-
digung man Goldgold brauchte. Naturgemäss konnte
der Geldwert eines Thalers nur bis zu dem Werte von 8 /i 89 r.
Pfund Gold steigen, sobald die Goldprägung für Private
freigegeben war. Das war nun allerdings zunächst noch
nicht der Fall, indes kam das von der Regierung befolgte
System des Barrenankaufes in der Wirkung dem freien
Prägerecht sehr nahe.
Der thatsächliche Verlauf war, dass sich der Wert
des Thalers bei dem Sinken des Silberwertes auf seinem
ihm durch die gesetzliche Tarifierung der Reichsgoldmünzen
boigologton Goldwerte erhielt. Seine Verwandelung in
Goldgold war also gelungen, dor Übergang zur Goldwährung
war geglückt. Auch eine nachträgliche, allerdings sehr
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n. ABSCHNITT.
heftige Krisis in den Jahren 1874 und 1875, deren Ge-
schichte uns hier nicht näher angeht, konnte den normalen
Verlauf nur zeitweilig unterbrechen.
Was bedeuteten nun diese Verhältnisse für unsere
Österreichischen Thaler? Nach den Landesgesetzen,
welche die einzelnen Zollvereinstaaten in Gemässheit des
Vertrages vom 24. Januar 1857 erlassen hatten, waren die
österreichischen Thaler den deutschen vollkommen gleich-
gestellt. Durch Sperrung der Silberprägung erhielt also
nicht nur der deutsche Thaler, sondern mit ihm auch der
österreichische die Fälligkeit, sich über seinen Silberwert
zu erheben. Dadurch, dass sich in Deutschland der Bedarf
nach Zahlungsmitteln — wenn auch mit einer heftigen
Unterbrechung — steigerte und nur durch die Ausprägung
von neuen Goldmünzen befriedigt werden konnte, dadurch,
dass die neuen Goldmünzen in Thalern eine unveränderliche
Tarifierung erhalten hatten, und dass der Wert des Goldes
über das bei dieser Tarifierung angenommene Wertverhältnis
zum Silber stieg, wurde der Geldwert der Thalerschlecht-
hin — auch der österreichischen — über ihren
Stoffwert erhoben und an den Wertgang des Goldes ge-
knüpft.
Das mag zwar zunächst für die Besitzer von österreichi-
schen Thalern sehr erfreulich gewesen sein. Aber wie sollte
das später werden? — Jedermann nahm damals die öster-
reichischen Thaler gutwillig in Zahlung zu einem Geldwert,
der zunächst 3°/o höher war, als ihr Stoffwert ; später auch
4,5 und 6 u /o höher, heute sogar mehr als 100 u /o höher ist. —
Da konnte nun plötzlich die Regierung kommen und die
österreichischen Thaler ausser Kurs setzen, ohne Einlösung.
Was dann? — Damit wäre dem Besitzer nur der Stoff-
wert des Thalers geblieben, der überschüssige Geldwert
wäre einfach verschwunden.
Ob die deutsche Regierung zu einer solchen Massregel
berechtigt ist? — Völkerrechtlich gewiss ! Wodurch in
aller Welt sollte sio verpflichtet soin, ein „fremdesGeld“
einzulösen? noch dazu zu einem Wert, der den Material-
wert dieses Geldes weit übersteigt?
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DIE Ö8TER. THALER IR DER DEUTSCHEN MÜNZRRFORM. 47
Aber die Österreichische Regierung bleibt ja
immer noch ! Diese kann ihr eigenes Geld doch unmöglich
ohne Einlösung ausser Kurs setzen. Vertragsmässig
ist sie Deutschland gegenüber allerdings nicht mehr gebunden,
aber das versteht sich doch von selbst, dass ein Staat, der
seine Münzen ausser Kurs setzt, sie auch einlöst. — Gewiss !
Aber wie steht es mit den österreichischen Thalern in Öster-
reich selbst? — Dort ist der Tlialer gesetzlich gleich 1 '/*
Silbergulden. Der Gulden enthält */»a Pfund Silber, ist nach
wie vor frei ousprägbar, ruht also noch völlig auf seiner
Silberbasis. Geldwert und Stoffwert fallen bei ihm zu-
sammen; also auch beim Thaler. — Das ist eben der
Unterschied ! Im deutschen Reich hatte man den
Geldwert des Thalers an den Wertgang des
Goldes geknüpft, in Österreich ist er auf der Basis \
des Silbers geblieben. Da sich der Wertgang des
Goldes über den Wertgang des Silbers erhoben hatte, hatte
der Thaler einen zusätzlichen Geldwert erhalten — nur in
Deutschland, in Österreich aber n i c h t.
Also in Deutschland war der Thaler unterwertiges ,
Geld , in Österreich aber vollwertiges; in Österreich
fiel sein Geldwert mit seinem Stoffwort zusammen, in Deutsch-
land war sein Geldwert höher als sein Stoffwert.
Wenn nun die deutsche Ueichsregierung die öster-
reichischen Thaler ohne Einlösung ausser Kura setzte, dann
hatte es für die Besitzer solcher Thaler gar keine Bedeutung,
dass Österreich das nicht tliat. In Österreich galt der
Thaler nur nach dem in ihm enthaltenen Silber und um den
zusätzlichen Wort weniger, den er in Deutschland deshalb
genoss, weil er, bei gesperrter Prägung für Silberkurant, mit
den Ueichsgoldmünzen durch eine feste Tarifierung ver-
bunden war.
Dieser Unterschied zwischen dem Thalerwert in Deutsch- .
land und dem Thalerwert in Österreich hatte ausser der
Gefahr, welche die Besitzer österreichischer Thaler in Deutsch-
land für dio Zukunft bedrohte, eine sehr begreifliche Wirkung.
Hatte schon vorlior das Papiergeld in Österreich den grössten
Teil der Thaler und Silborgulden aus Österreich ausge-
trieben, und zwar natürlich nach Deutschland, so wurde jetzt
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48
n. abschsitt.
der noch draussen befindliche Rest wie durch einen Magnet
nach Deutschland hineingezogen. Wer gibt in Österreich
einen Thaler anstatt IV* Silbergulden oder 1*/* Papiergulden
mit entsprechendem Agio aus, wenn er ihn in Deutschland
eu 3 Mark ausgeben kann, und 3 Mark mehr sind als
!*/• Silbergulden? — So strömten die Österreichischen Thaler
alle bis auf verschwindende Ausnahmen zu uns herüber.
Diese zweite Einwanderung ist wohl zu unterscheiden von
der ersten, welche vor der Münzreform stattgefunden hatte.
Diese letztere war veranlasst durch den Zwangskurs des
österreichischen Papiergeldes, sie füllte unsere Zirkulation
in ganz normaler Weiso mit vollwertigem Geld, das
entweder auf der andern Seite vollwertiges deutsches Geld
in den Schmelztiegel trieb, oder, wenn sie nur einem ge-
steigerten Bedürfnis nach Zahlungsmitteln genügte, der
deutschen Volkswirtschaft Präge und wenigstens während
der Dauer des Vertrages — Unterhaltungskosten ersparte.
Die zweite Einwanderung erfolgte durch die Übertarifierung
jder Thaler, in gewissermassen künstlicher Weise. Sie füllte
unsere Zirkulation mit einem bereits unter wertig ge-
wordenen Oelde, und — wenn sie auch einem allonfallsigen
Bedürfnis nach Zahlungsmitteln genügte — verhinderte sie
doch die Ausprägung von vollwertigen Boichsgold-
münzen. — Wie gross die Summe von Thalorn war, die
auf solche Weise zu unsorm offenbaren Schaden künstlich
hereingelockt wurden, wie gross die Summe, die vor der
Münzreform auf völlig normale Weise und mit für uns in-
differenter Wirkung hereingekommen waren, ist damals,
weil niemand auf den Vorgang achtete, begreiflicherweise
nicht ermittelt worden, und ist heute natürlich überhaupt
nicht mehr auch nur ganz annäherungsweise zu schätzen.
Indessen dürfte der grösste Teil der österreichischen Ver-
einsthaler schon vor der Reform zu uns gelangt sein.
Ferner ist zu konstatieren: dieses nachträgliche, zu
unserm Schaden erfolgte Einströmen der österreichischen
Thaler ist nicht durch die Schuld Österreichs er-
folgt. Hier war es nicht der Zwangskurs für Papiergeld
in Österreich, welcher austrieb, sondern der Zwangskur» für
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DIB ÖBTKB. THAL.BR IN DER DEUTSCHEN MÜNZRKFORM. 49
Pa pi e r g e ld 4 a Öst erreic h , welch e r au st riob , sondern der
Zwangskurs für Silbergeld in Deutschland, welcher anzog. |
Diese zweite Einwanderung ist durch die Massregeln der
deutschen Regierung direkt veranlasst, soweit sie die
T h a 1 e r betrifft ; denn die Landesgesetze, welche den öster-
reichischen Thalem gesetzlichen Kurs gleich den eigenen
Landesmünzen verliehen, also jedermann verpflichteten, einen
österreichischen Thaler zu demselben Wert wie einen deut-
schen anzunehmen, waren nirgends aufgehoben worden, auch
nicht nach Ablauf des Jahres 1870.
Es fragt sich nun : Hätte die Regierung in dem Gesetz
vom 4. Dezember 1871, welches die Silberprägung aufhob
und die Goldmünzen in Silber tarifierte, irgend etwas thun
können, um die noch draussen befindlichen Thaler öster-
reichischen Gepräges von der künstlichen Erhebung der
Thaler über ihren Stoffwert auszuschliessen — vielleicht
auch, wenn sie der Ansicht war, alle österreichischen Thaler
seien fremdes Geld, alle österreichischen Thaler von der Wert-
erhöhung auszuschliessen ; d. h. : hätte die Regierung Mass-
regeln ergreifen können, durch welche die Thaler deutschen
Gepräges an den Wertgang des Goldes angeknüpft worden,
andrerseits die Thaler österreichischen Gepräges nach wie
vor an dem Wertgang des Silbers festgehalten worden wären?
An solche Erwägungen dachte damals niemand. Man
hatte keine Ahnung davon, dass sich aus den österreichischen
Thalern eine Frage entwickeln könne. Und so lange der
Silberwert zum Goldwert wenigstens annähernd wie 1 : 15,5
stand, zeigten sich auch thatsächlich keine Unzuträglichkeiten,
welche geeignet gewesen wären, darauf aufmerksam zu
machen. Bis zum 25. April 1873 habe ich weder in den
dio Münzgesetzgebung betreffenden Reichstagsverhandlungen,
noch in Zeitungen und Handelsblättern irgendwo einen Hin-
weis auf die schiefe Stellung der österreichischen Thaler im
neuen deutschen Münzwesen gefunden. 1
1 Zu erwähnen ist nur, data Bremen und Hamburg, welche
auf eigene Fauat aohon am 80. April, betw. 11. Norember 1872 mir
Mnrkroohnung übergingen, nur dio Thalor d e u t a oh en Geprlgea, alao
H «Iff« rieh, Die Koljfeu dea deutaoh-Oaterr. MUuivaralna tob 1857. 4
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U. ABSCHNITT.
Und doch wRre damals vielleicht noch wenigstens die
Aussperrung der noch draussen befindlichen Österreichischen
Thaler möglich gewesen, ich meino gleichzeitig mit dem
Gesetz vom 4. Dezember 1871. Man hiltte damals die Öster-
reichischen Thaler mit kurz bemessener Eiiilösungsfrist, von
vielleicht 14 Tagen, ausser Kurs setzen können unter Um-
tausch gegen deutsche LandessilbermQnzen. Nach erfolgter
Einlösung sofort Verbot ihres weiteren Umlaufes im deutschen
lteicli. Die draussen befindlichen Thaler nach Deutschland
zu bringen und gegen deutsches Silber umzutauschen, daran
hätte niemand ein Interesse gehabt, da sie mit dem letzteren
auf Grund ihres Silber wertes damals noch auf Pari standen. —
So wäre es vielleicht gelungen, wenigstens diesen kleineren
Teil österreichischer Thaler von Deutschland fern zu lullten.
Dagegen wäre es wohl unmöglich gewesen, die in
Deutschland selbst befindlichen Stücke ohne Verlust für
deren Inhaber auszutreibon. Man hätte sie allerdings jeder-
zeit ohne Einlösung ausser Kurs setzen können. Verpflich-
tungen gegen Österreich standen dem nicht im Wego. —
Aber was sollten die deutschen Inhaber dann mit ihnen
anfangen ? Es ist ja bekannt, wie schwer es ist, Metall-
geld in ein Land mit Papierwährung zurückzuleiteu. Das
hat sich gerade in Bezug auf Österreich später drastisch
an den aus Deutschland ausgetriebenen österreichischen
Silbergulden gezeigt. Die einzige Möglichkeit wäre für die
Besitzer von österreichischen Thalern in Deutschlund wohl
deren Verwendung als Material gewesen. Sie hätten in-
folge ihrer Ausserkurssetzung ein solches Disagio gegen die
deutschen Thaler erhalten müssen, dass es sich für Edcl-
metallhftndler gelohnt hätte, sie aufzukaufen, einzuschmelzen
und eventuell in London bei, wie vorauszusehen, etwas ge-
wichenen Silberpreisen auf den Markt zu bringen. Es handelte
nicht auoh die österreiohisohen, fürderhin als Zahlungsmittel zu*
Hessen. Oie deutschen Hansestädte konnten ohne weiteres so vorgehen.
Der Wiener Münzrcrtrag hatte ja nur die deutschen Zollvereins-
Staaten in sich begriffen, zu denen die Hansestädte nioht gehörten.
Der Österreichische Thaler hatte also in Hamburg und Bromon über-
haupt niemals gesetzliche Zahlungskraft besessen.
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DIR ÖSTRR. THALRR IR DRR DRUTSOHRH XONZRRRORM. 51
sieb dabei um eine Masse von ungefähr 800000 Pfund
Silber. — Ich nehme an, dass sich von der Gesamtsumme
der österr. Thaler 1871 mindestens zwei Drittel in Deutsch-
land befanden, also etwa 24000000 Stück. — Damit, dass
dieses grosse Angebot den Silberpreis drücken würde, hätten
die Aufkäufer natürlich rechnen müssen. Das Disagio der
österreichischen Thaler hätte also ein ziemlich bedeutendes
werden können.
Und die Wirkung dieser ganzen Massregel für den
Fiskus? — Die 800000 Pfund Feinsilber hat er nun nicht
mit Verlust von den deutschen Reichsangehörigen einzulösen.
Den Verlust tragen diese selbst. Aber: dadurch dass diese
800000 Pfund Silber von anderer Seite auf den Markt ge-
bracht worden, iindot der deutsche Reichs-Fiskus, wenn er
mit seinem Silberangebot auf den Markt kommt, bereits
gedrückte Silberpreise vor. Er ist genötigt, seine Silber-
bestftnde zu unvorteilhafteren Preisen zu verkaufen, als er
sie sonst hätte veräussern können. Der Vorteil, richtiger
der vermiedene Nachteil für den Fiskus wäre also nicht
ganz so ungeschmälert, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Aber davon ganz abgesehen: Der Staat darf die zu-
fälligen Inhaber der österreichischen Thaler zur Vermeidung
fiskalischer Verluste den aus einer Ausserkurssetzung der
österreichischen Thaler entstehenden Schaden nicht auf-
bürden. Durch seine Gesetze hat er sie zu deren Annahme
zum vollen Wert eines deutschen Thalers gezwungen, und
wenn er ihnen nun die Geldeigenschaft entzieht, so muss '
er die daraus entstehenden Verluste auf die Gesamtheit
übernehmen.
Diese Unvermeidlichkeit könnte man als etwas wider-
sinniges ansehen. Thatsächlich verschloss sich ihr gegen-
über die deutsche Reichsregierung späterhin, so lange es
irgend anging. — Wie kann das deutsche Reich verpflichtet
sein, ein unterwertiges, fremdes Geld einzulösen und
sich dadurch Verluste zuzuziehen?
Der Widerspruch erscheint sofort als gelöst, wenn man
die zur Zeit des Währungs Wechsels in Deutschland um-
4 '
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□. ABSCHNITT.
laufenden Österreichischen Thaler auf ihren Charakter als
fremdes Geld näher prüft. — Fremde Münzen waren
sie unbestreitbar. Indess vergegenwärtige man sich nur
einen Augenblick die Wechselwirkung, welche bei freier
Prägung zwischen Münze und Metall stattfindet, wie sich
fast automatisch bei eintretendem Bedarf nach gemünztem
Geld die Barren in Münzen, bei Überfluss von Umlaufs-
mitteln die Münzen in Barren verwandeln. Die Zirkulation
füllt sich hier in vollständig dem Bedürfnis entsprechender
Weise. Sobald das Bedürfnis nach Umlaufsmitteln den
Wert des Geldes um mehr als die Prilgegebühr über den
Metallwert erhöht, wird es vorteilhaft, Barren zur Münzo
zu tragen. Sobald Zahlungsmittel im Übermass vorhanden
sind, wird sich der Wert der Hauptmünzen immer mehr
ihrem blossen Materialwert nähern. Es wird dann nicht
nur niemand Barren ausprägen lassen, da er ja dieselben
vorteilhafter auf dem Markt verkaufen kann, sondern es
wird für Goldschmiede und für Exportzwecke gelegentlich
vorteilhaft sein, Münzen als Material zu benutzen. Die
Zirkulation zieht also bei freier Prägung genau so viel Um-
laufsmittel an sich, wie sie braucht, nimmt andererseits
höchstens vorübergehend solche Uber ihren Bedarf hinaus
auf. Natürlich sind die Grenzen nicht scharf gezogen,
sondern bis zu einem gewissen Grad elastisch. — Die zu
uns vor der Münzreform eingewandorten österreichischen
Thaler konnten also unseren Münzumlauf nicht in anor-
maler Weise überfüllen. Die Sache stellt sich einfach
so dar, dass die Münzstätten in Wien und Kremnitz —
wie schon erwähnt — einen Teil der deutschen Zirku-
lation versorgten. Hätten sie es nicht gethnn, dann
wäre voraussichtlich an deutschen Münzstätten mehr ge-
prägt worden; es wären dann beim Währungs Wechsel zwar
weniger österreichische, dafür aber mehr deutsche
Thaler, im Grunde wohl eine nicht viel geringere Gesamt-
zahl von Thalcrn im deutschen Umlaufe gewesen. Die
bei uns heimisch gewordenen österreichischen Thaler er-
füllten also vollständig die Funktion deutschen Geldes,
trotz des Doppeladlers auf ihrem Gepräge; deshalb durfte
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DIE ÖBTER. THALER IN DER DEUTSCHEN MÜNZREFORM. 58
und musste das deutsche Reich an ihnen dieselben Ver-
luste erleiden, wie an seinen deutschen LandessilbermUnzen.
Indess, wie bereits oben gesagt, es machte sich damals
niemand Gedanken Ober die österreichischen Thaler. Der
biedere Deutsche gab und nahm sie gleich seinen eigenen
deutschen Thalern und machte sich keine Sorgen Uber ihre
Zukunft.
III. DAS MÜNZGESETZ VOM 9. JULI 1878 UND SEINE
FOLGEN FÜR DIE ÖSTERREICHISCHEN THALER.
Mit Beginn des Jahres 1878 wurde dem deutschen
Reichstage das definitive MUnzgesetz vorgelegt, welches
die deutsche Münzverfassungendgiltig ausgestaltete. Während
des Frühjahres ward es im Reichstag beraten.
Während man sich bisher immer noch halbwegs den
Übergang zur Doppelwährung offen gehalten hatte, 1 erklärte
der Artikel 1 dos neuen Gesetzes:
„An Stelle der in Deutschland geltenden Landes-
währungen tritt die Reichsgoldwährung*.
Das Gesetz enthält dann alle nötigen Bestimmungen
über den näheren Ausbau dos Systemes, gibt prinzipiell die
Goldprägung, allerdings gegen die zu hohe Maximalgebühr
von 7 Mark pro Pfund Foingold 2 und für die Zeit, wo die
Münzstätten nicht mehr vollauf für die Regiorung beschäftigt
sein würden, frei, regelt das Scheidemünzwesen u. s. w.
Dann bestimmt es die Vorbereitungen, welche bis zum
Eintritt der Reichsgoldwährung zu treffen sind. Der Zeit-
1 Die Kntsohoidung über dio Frage ob Gold* ob DoppelwShrung
war in oinor von dor Kogiorung nicht beabsichtigton Woiso schon ge-
legentlich der Beratung Ober das Gesotz vom 4. Dezember 1871 ge-
fallen. Aus dor Initlativo dos ltoiohstags heraus wurde dio Sperrung
dor 8i 1 be r p r fl g u n g beschlossen. (Art. 11.) Mit diesem Beschluss
war die Frage zu gunsten der Goldwährung entschieden.
* Duroh Verordnung vom 8. Juni 1875 wurde die Prägung auf
Privatrechnung gegen eine Prägegobllhr von 8 Mark pro Pfund Fein-
gold freigegebon. Das Bankgesets verpflichtete die Roiclisbank, jeder-
zeit Gold zu 1392 Mark das Pfund fein, anzukaufen.
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54
II. ABBCHKITT.
punkt des Eintritt«8 der letzteren bleibt der Bestimmung
durch kaiserliche Verordnung Vorbehalten.
Die bis dorthin zu treffenden Vorbereitungen waren
die Ausprägung einer hinreichenden Menge neuer Reichs-
mQnzen und die Beseitigung der alten Landesmünzen. Dazu
kamen einige Schutzmassregoln für die werdende Reichs-
währung. Der Bundesrat erhielt das Recht, ausländische
Münzen zu tarifieren oder ihren Umlauf gänzlich zu unter-
sagen. — Ebenso wurden die Anordnungen betreff Ausser-
kurssetzung und Einlösung der LandesmUnzen dem Bundes-
rat übertragen. — Gehörten die österreichischen Thalei - zu
diesen deutschen .Landesmünzen * ? Nein. Über ihre
Ausserkurssetzung und Einlösung bestimmte das Gesetz
nichts, wenigstens nicht direkt.
Nach Eintritt der Reichswährung sind alle Zahlungen,
welche bisher in Münzen einer inländischen Währung oder
in landesgesetzlich den inländischen Münzen gleich-
gestellten ausländischen Münzen zu leisten wuren, in
Reichsmünzen zu leisten. Thalor, Gulden u. s. w. werden
jetzt in Reichsmünzen tarifiert, während das Gesetz vom 4.
Dezember 1H71 die Reichsmünzen in den Lundossilbermünzen
tarifiert hatte. — Dann kommt der wichtige Artikol 15,
welcher eine kleine Ausnahme von dem oben gesagten fest-
setzt. Dieser Artikel 15 spielt in der Geschichte der öster-
reichischen Thalcr eine grosse Rolle. Er lautut:
.An Stelle der Reichsmünzen sind bei allen Zahlungen
bis zur Ausserkurssetzung anzunehmen
1) ini gesamten Bundesgebiet an Stelle aller Reichs-
münzen die Ein- und Zweithalerstücke deutschen Gepräges
unter Berechnung des Thalors zu 3 Mark“
.Diu Ein- und Zweithalerstücke deutschen Ge-
präges!* — Dazu gehören die Ein- und Zweithalerstücke
österreichischen Gepräges nicht. Wer daran zweifelt,
mag sich nur etwas näher mit der Entstehungsgeschichte
dieses Paragraphen beschäftigen, ln dem Regierungs-
entwurf waren nämlich die Worte .deutschen Gepräges“
nicht enthalten. Auf Antrag des Reichstagsabgeordneten
für Hamburg Dr. Wolffson brachte sie erst der Reichstag mit
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die Oster, thaler in der deutschen mOnzreform. 55
ausdrücklicher Spitze gegen die österreichischen
Thalor in das Gesetz hinein, ln der betreffenden Sitzung
entspann sich Uber diosu Angelegenheit folgendes Zwie-
gespräch, welches die geringe Sachkenntnis, mit welcher
man seitens der Regierung und seitens des Reichstages
der österreichischen Thalerfrage gegonüberstand, ungemein
treffend illustriert. Es war die schon erwähnte Reichtstags-
sitzung vom 25. April 1873, in welcher die österreichische
Thalerfrage zum ersten Mal offiziell auftauchte. Dem steno-
graphischen Bericht entnehme ich das folgende:
Präsident: Wir kommen zu Artikel 14‘. ZuNummer
1 desselben hat der Abgeordnete Dr. Wolffson das Wort.
Dr. Wolffson : Ich möchte mir an den Herrn Vertreter
der Reichsregierung die Anfrage erlauben, ob durch die
Fassung der Nummer 1 die österreichischen
Thaler für die hier in Rede stehenden Verhältnisse
den Thalern deutschen Gepräges gleichgestellt werden sollen,
was ich kaum voraussetzen kann ; oder ob man es als selbst-
verständlich erachtet hat, dass diese Bestimmungen sich
nur auf die Thaler deutschen Gepräges beziehen. Ist das
lotztore der Fall, dann würde mir die Einschaltung der
Worte „Thaler deutschen Gepräges“ zweckmässig erscheinen.
Es ist ja ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den
Thalern deutschen und den Thalern nicht deutschen Ge-
präges. Der Thaler deutschen Gepräges hat den Charakter,
dass er eine Anweisung auf Goldmünze ist, und er hat einen
gesetzlich festgestellten den augenblicklichen Wert über-
schreitenden Wert im Verhältnis zur Goldmünze. Dasselbe
trifft bei den Thalern nicht deutschen Gepräges, die das
deutsche Reich einzulösen keine Veranlassung hat, nicht zu.
Ich glaube also, dass, wenn es sich um die Tarifierung zu
den Reichsgoldmünzen handelt, es zweckmässig sein würde,
die Worte .deutschen Gepräges“ einzuschalten, und würde
mir erlauben, einen solchen Antrag zu stellen, wenn ich
1 Art. 14 der Vorlage. — Im Gesetz selbst ist er wegen
Kilisoliiebung eines Artikels während dor Reiohstagsverhandlungen (des
Artikels über du» goldouu PQufmorkstilck ) Art. 15 geworden.
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5«
II. AB8CHHITT.
nicht erfahren würde, dass dem wesentliche QrUnde ent-
gegenstehen.
Staatsminister Delbrück antwortete sofort: Ich halte
die ausdrückliche Hinzufügung der Worte .deutschen Ge-
präges* nicht für nötig. Wenn durch eine Bestimmung,
wie die hier vorliegende, bestimmten Münzen für bestimmte
Zeit ein gesetzlicher Kurs gegeben wird, so glaube ich würde
es der umgekehrten Bestimmung bedürfen, um die Vorschrift
so zu verstehen, dass dieser gesetzliche Kurs sich uuch er-
strecken soll auf Münzen, welche koinem der deutschen
Staaten angehören. 1 — .Aber so gut wie ausschliesslich
deutschen Staatsangehörigen* hätte man sofort ergänzen
können.
Dr. Wolffson stellte gleichwohl seinen Antrag auf
Einfügung der Worte .deutschen Gepräges“ und der Antrag
wurde ohne weitere Diskussion angenommen.
Wie war jetzt die Stellung der österreichischen Thaler?
Zunächst waren sie, kraft der verschiedenen in Ge-
mäsheit des Wiener Münzvertrages erlassenen Landesgesetze,
in allen ehemaligen deutschen Zollvereinsstaaten den Thalern
deutschen Gepräges noch immer vollkommen gleichgestellt.
Es handelte sich also gar nicht darum, dass, wie Delbrück
sagte, .bestimmten Münzen für bestimmte Zeit ein gesetzlicher
Kurs gegeben wird“; denn gesetzlichen Kure hatten ja
die österreichischen Thaler im grössten Teile dos deutschen
Reiches schon seit mehr als 15 Jahren. Es handelte sich
vielmehr darum, wann und wie dieser gesetzliche Kursein
Ende finden sollte. Aber gerade darüber setzte man sich
leicht hinweg, indem man gerade davon überhaupt nicht
sprach.
Nach dem ergänzten Artikel 15 des Münzgesetzes, waren
also die österreichischen Thaler im deutschen Reich immer
noch gesetzliches Zahlungsmittel. Jedermann war ge-
1 Die ganze Antwort Delbrücks ist ungemein charakteristisch
dafür, mit weloher Oberflächlichkeit die Frage der üsterreiohisohon
Thaler seit ihrem ersten Entstehen behandelt wurde. Die Haltung des
gesamten Reichstags ebenso.
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DIE Ö8TER. THALER IM DER DEUTSCHEM KÜM «REFORM. 57 *
zwungen, sie in Zahlung zu nehmen, und zwar zu dem
Werte der deutschen Thaler. Daran dass in Deutschland
der Thaler sich vermöge der Sperrung der Silborprägung
über seinen Silborwert erhoben hatte, war der österreichische
Thaler vollkommen unschuldig. Er musste schlechter-
dings mit dem deutschen Thaler steigen, so lange er mit
demselben gesetzlich verbunden war.
Wie sah os nun mit der Zukunft der österreichischen
Thaler aus? — Da ist der bereits erwähnte Artikel 14 g 1
eingreifend. Erbestimmt: nach Eintritt der Reichswährung
sind alle Zahlungen, welche bis dabin „in Münzen einer in-
ländischen Währung oder in landesgesetzlich den in-
ländischen Münzen gleichgesetzten ausländischen
Münzen“ zu leisten waren, in Ueichsmünzen zu leisten. —
Unter diese Bestimmung fallen ganz unbestreitbar
die österreichischen Thalor. Mit Eintritt der Reichs-
währung verlieren sie also ipso iure im deutschen Reich
ihre Geldoigenschaft. — Wer löst sie ein? — Niemand. —
Diu betreffenden Inhaber erleiden also an dem Stücke so
viel Verlust, als dessen Geldwert den Silberwert über-
schreitet.
Und bis zum Eintritt der Reichswährungi' — Bis dahin
bleibt der österreichische Thaler gesetzliches Zahlungsmittel,
das jedermann nehmen muss. Bis zur letzten Minute vor
Eintritt der Reichswährung kann mir ihn jedermann auf-
nötigen — zu seinem Geldwert; mit Eintritt der Reichs-
währung ist er dann plötzlich in meinen Händen von
seinem Geldwert auf seinem Stoffwert zusammenge
schmolzen.
Man sieht auf den ersten Blick, um was es sich
handelt. Die ganze Frage spielte zwischen dem Fiskus
des deutschen Reiches und den deutschen Staats-
angehörigen, die sich unglücklicherweise im Besitz von
österreichischen Thalern befanden. Man that aber, als spiele
die Frage zwischen Deutschland und Österreich;
man behauptete, und das allerdings mit vollem Recht, dass
Deutschland Österreich gegenüber zu einer einlösungslosen
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58
II. AR8CHKITT.
Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler berechtigt
sei. Daran war ja kein Zweifel, aber darum handelte
ea sich eben nicht. Dem Kaisertum Österreich
konnte es ja damals völlig gleichgiltig sein, was Deutsch-
land mit seinen österreichischen Thalern anting; nicht aber
den deutsche n, österreichische Tlmler besitzenden Staats-
bürgern.
Zum andern war es ebenso zweifellos, dass Österreich
Deutschland gegenüber erstens keino Verpflichtung
zur Einlösung seiner Thaler hatte ; dass zweitens Österreich
bei höchster I/iyalität sich niemals hiltte bewogen fühlen
können, seine Thaler zu einem höheren Satz als zu 1 '/-
Gulden einzulösen , denn das war der gesetzliche Geld-
wert des Thalers in Österreich.
Es gab damals in Österreich zwei Arten von Zahlungs-
mitteln: Silbergulden und Papiergulden. Also das Thaler-
stttck gegen IV* Papier- oder Silbergulden. Das erstero
kam überhaupt nicht in Betracht. Denn 1 •/* Gulden Papier
waren damals weniger wert als der Silbergehalt eines
Thalers. Aber l's Gulden Silber waren eben auch nur
gerade so viel, wie der Silberwert eines Thalers. — Eine
andere Einlösung konnte selbst der anspruchsvollste Mensch
von Österreich nicht verlangen. Denn dass Deutschland
auf Grund der Relation von 1 : 15,5 von der Silberwährung
zur Goldwährung Uhergegangen war, konnte doch Österreich
nicht verpflichten, seine Thaler auf Grund dieser Relation
in Gold einzulösen !
Schade, dass Österreich damals den Zwangskurs
hatte. So wird dus an sich vollständig klare Verhältnis
mit dem Pa pi e r ge I d verquickt, und das ist nur geeignet,
das ganze Bild zu verwirren. Bezüglich der österreichischen
Thaler wären genau dieselben Verhältnisse eingetreten,
wenn Österreich auf dem Boden der reinen Silberwährung
geblieben wäre. Ein Thaler wäre auch dann in Deutschland
Pfund Gold und in Österreich ‘/so Pfund Silber
gewesen, und sobald */i »05 Pfund Gold sich Uber den
Wert von '/to Pfund Silber erhoben hätten, wären trotz
aller Metall währuug in Österreich diu Thaler nach Deutsch-
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DIE Ö8TER. THALER IM DER DEUTSCHEM MCnZREFORH. 59
land hinübergeströmt und in Deutschland geblieben; be-
züglich ihrer Einlösung und Ausserkurssetzung hätten sich
dieselben Schwierigkeiten gezeigt. Für Deutschland war
eben mit der Einführung der Goldwährung der Wert des
Goldes das Unveränderliche geworden, mit dem man alle
Dinge misst; für Österreich wäre das Silber das Un-
veränderlich« geblieben. Auch dann wäre für Österreich
der Geldwert eines Thalors mit seinem Stoffwert zusammen
gefallen, der Thaler also eine vollwertige Münze gowesen;
in Deutschland dagegen eine unterwertige, vermöge der ge-
sperrten Prägung für Silber und seiner Tarifierung in Gold.
Auch dann hätto für Österreich keine Liquidationsfrage be-
standen, weil eine solche für vollwertige Münzen nicht be-
stehen kann. Für Österreich wäre also die Situation noch
dieselbe gewesen wie 1867, als beide Teile noch Silber-
währung hatten, und eine Liquidation infolge dessen voll-
ständig überflüssig und unmöglich erschien.
Aber darüber waren sich damals die wenigsten Köpfe
klar. Die meisten suchten den Grund der ganzen Frage in
der österreichischen Papierwährung, auch Delbrück
war fast ein Jahr später noch nicht ganz frei von dieser
Vorstellung ; 1 während doch offenbar der deutsche
Währungswechsel an der Verschiedenheit des deut-
schen und des österreichischen Geldwertes der Thaler schuld
war. Die Frage spielte durchaus nicht zwischen Metall
und Papier, sondern zwischen Gold und Silber. Alle
Vertröstungen auf eine Rückkehr Österreichs zur «Me-
ta 11 Währung“ waren also taub und leer.
Kurz zusammen gefasst war nach dem Münzgesetz
von 1873 die Stellung der österreichischen Thaler in Deuteh-
land die folgende:
Bis zumEintritt derlteichswährung waren
sie gesetzliches Zahlungsmittel gleich den deut-
schen Thalern. Mit Eintritt der Ueichswährung ver-
1 Sten. Ber. den deutschen Reichstags, 1874. Verhandlungen vom
11. April.
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60
II. ANSCHNITT.
lieren eie in Deutschland ihren Geldcharakter,
ohne dass sieeingelöstwerden. In Österreich
bleiben sie wohl in Kurs. Aber dort ist ihr Geld*
wert nur 1*/* Gulden, also nur gleich ihrem Stoff-
wert und niederer, als ihr Geldwert vorher in
Deutschland gewesen. — Nach dieser Situation
fällt also der endliche Verlust auf die zu-
fälligen Inhaber.
Die Unhaltbarkeit gerade dieser Lösung habe ich be-
reits oben besprochen. — Dass die Keichsregierung damals
wirklich diu Absicht hatte, dun uintretonden Verlust auf dun
zufälligen Inhabern sitzun zu lassun, erscheint mir nicht glaub-
lich. Klier ist mir denkbar, dass man sich Ubur diu Konse-
quenzen der Artikel 14 und 15 des Münzgesetzus nicht ganz
im Klaren war, was mir ziemlich deutlich aus der oben
wörtlich wiedergugubenun Itudo Du Ihr Ile ks am 25. April
187:1 im Ituichstagu, welche sich spielend Ober alle Schwierig-
keiten hinwegsetzt, hurvorzugehen scheint.
Auch im Publikum war man sieb durchaus nicht klar
darilber, sonst hätte es jedenfalls damals schon nicht an
heftigen Protesten gefehlt.
Sobald sich in den Köpfen Licht Uber die erzielte
Lösung verbreitete, war ihr Urteil gesprochen.
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III. ABSCHNITT.
DIE ÖSTERREICHISCHEN SILBERGULDEN
IN DEUTSCHLAND.
I. DIE SEPARAT-ARTIKEL VON 1867.
Ria jetzt habe ich nur von den Österreichischen
Thalern gesprochen, nicht von den österreichischen
Gulden. Ein unbefangener Mensch wird das auch ganz
natürlich finden. Denn was gehen uns die Gulden an? —
Wir wissen ja, der Münzvertrag von 1857 hat den Umlauf
der verschiedenen L a n d e s kurantmünzen vollständig auf
ihr Währungsgebiet beschränkt, die österreichischen
Gulden also auf Österreich — Lichtenstein nicht
zu vergessen! — Die Vereinsthaler dagegen waren,
welcher Staat sie auch geprägt, ein für das ganze Vertrags-
gebiet gemeinschaftliches Umlaufsmittel. Dass aus
einer solchen Gemeinschaftlichkeit Wirrungen entstehen,
das haben wir ja inzwischen auch beim lateinischen Münz-
bund erlebt, ist also durchaus nichts verwunderliches. —
Bezüglich der österreichischen Gulden bestand aber eine
solche Gemeinschaftlichkeit nicht, es konnten also über sie
auch keine derartig komplizierten Fragen erwachsen.
Nehmen wir den Vertrag vom 13. Juni 1867 zur Hand,
mit welchem Österreich aus dem Münzverein ausschied.
Natürlich spricht er nur von den Verein sthal er n. Was
soll er auch mit den österreichischen Gulden? — Da eine
Zulussungspflicht für diese seitens der anderen Staaten nicht
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62
III. ABSCHNITT.
vorhanden war, hatte man «ich Ober eine solche auch nicht
auseinander zu setzen. Hatten sich doch dio vertragenden
Staaten ausdrücklich das Hecht Vorbehalten, jederzeit den
Umluuf fremder Landesmünzen zu untersagen. 1 Ein Auf-
IfiHimgB vertrug hatte hier also von Gott und der Welt nichts
zu thun — sollte man denken! Wo nichts bindet, ist. nichts
zu Ibsen.
Jedoch gibt es neben den Gesetzen und Verträgen
auch eine thatsäch liehe Wirklichkeit, die manch-
mal etwas anders aussieht, als man nach den Gesetzbüchern
denken sollte. So geschah es denn auch — und das habe
ich bereits erzählt - dass die österreichischen Silber-
guldcn von dem Papiergeld ausser Landes getrieben wurden
und sich in Deutschland eine neue Heimat suchten, wo man
sie mit Freuden aufnahm, ohne nach ihrer Legitimation zu
fragen.
Ebenso gibt es hie und da neben den offenen Haupt-
verträgen sogenannte Sepurat-Artikel. Sie stehen nicht
in den Gesetzsammlungen und haben die Eigenschaft, dass
die wenigsten Menschen von ihrer Existenz etwas wissen.
Solche im Verborgenen blühende Separat-Artikel sind
nun Huch dem offenen Vertrage vom 13. Juni 1867 an-
gehängt; und es scheint, als ob, trotz ihres merkwürdigen
Inhalts, niemand sie bisher bemerkt hätte.
Sie sind abgedruckt in der Manzschen Gesetzausgabe,
»die österr. Gesetzgebung über Münze etc.“ von Ignaz
Grober, Wien 1886, und lauten;
»Boi Abschluss des Vertrages vom houtigen Tage,
betreffend das Ausscheiden des Kaisertums Österreich und
«los Fürstentums Liechtenstein aus dem deutschen Münz-
verein sind von den Unterzeichneten Bevollmächtigten noch
folgende besondere Artikel verabredet worden, welche die-
selbe Kraft und Giltigkeit wie der Hauptvertrag haben, und
durch die Ratifikation des Hauptvertrages als mitratifiziert
erachtet worden sollen.
1 Vergleiche den in Anmerkung 49 liticrtcn Brgleitvortrag der
wQittcnibcrgUclien Ucgiorung xum Müiixgencti.
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DIB Ö8TBR. BII.BERGUI.DEN Ul DKUTSCHLAKD.
63
.Art. I. Die vertragenden Regierungen werden den
Umlauf der von anderen Vereinsstaaten ausser den Vereins-
tlialern und Doppeltlinlern bis zum Schlüsse des Jahres 1867
nach den Bestimmungon des Vertrages vom 24. Jänner 1857
geprägten groben SilbermUnzon (Art. 6 am angeführten
Orte), soweit solcher im Privatverkehr gegenwärtig un-
behindert ist, bis zum Ablauf des Jahres 1870 nicht unter-
sagen , es sei denn, dass sie durch Änderung ihres Münz-
systemes oder durch Massnahmen der betreffenden Regier-
ungen in Bezug auf deren Münzverhältnisse dazu veranlasst
werden.
»Art. II. Im Falle des Übergangs zu einem andern
Münzsystem übernehmen die vertragenden Regierungen hin-
sichtlich der groben SilbermUnzon ihres Gepräges dieselben
Verpflichtungen, welche sie für diesen Fall in Art. 3 des
offenen Vertrags vom heutigen Tage hinsichtlich der Vereins-
thaler und Doppelthaler übernommen haben.
»Berlin, den 13. Juni 1867*.
Der Fall ist einzig in seiner Art! Man stelle sich
vor: Boi der Auflösung eines Vertrages wird gewährt,
was der Vertrag selbst versagt hatte. Die Hände,
welche man sich während des Vertrags selbst frei ge-
halten, lässt man sich bei dessen Lösung binden!
Natürlich handelte es sich bei diesen Separat-Artikeln
nur um die in Deutschland befindlichen österreichi-
schen Gulden. Denn deutsche Landesmüuzen
waren ja nicht in östereichischem Umlauf. Die
Stellung der österreichischen Gulden war nun durch den
Auflösungsvertrag von 1867 in den deutschen Staaten eine
bedeutend bessere geworden, als sie es nach dem Wiener
Münz vertrag von 1857 gewesen. Von 1867 bis 1870 konnte
der Umlauf des österreichischen Landeskurantes, wenigstens
des bis 1867 geprägten, in keinem der deutschen Zoll-
voroinsstaaten verboten werden, denn keiner hatte ihn bis-
hor untersagt. Die österreichischen Gulden waren also jetzt
in Deutschland von einem nur thatsilchlich geduldeten
zu eiuom vortragsinässig geduldeten Gehle avauzicrt.
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64
m. ABSCHNITT.
Immerhin waren sie damit noch nicht zu dem Range ihrer Halb-
brüder, der österreichischen Vereinsthaler, vorgerückt, denn
diese waren — zunächst bis zum Ablauf des Jahres 1870 — in
den deutschen Staaten auch jetzt noch Geld mit allen seinen
gesetzlichen Erfordernissen. Diese immer noch etwas mangel-
hafte gesetzliche Qualität that jodoch der Beliebtheit dos
österreichischen Guldens besonders in Süddeutschland keinen
Abbruch; und genau wie die Vereinsthaler österreichischen
Gepräges kraft vertragsmässiger Berechtigung kamen
die österreichischen Gulden kraft vertragsmässiger Duldung
zu uns herüber.
II. DIE ÖSTERREICHISCHEN GULDEN IN DER
DEUTSCHEN MÜNZREFORM.
Was von der Einwanderung der österreichischen Thaler
vor der deutschen Milnzreform gilt, das trifft auch für die
Gulden zu. So langt Deutschland bei der Silberwährung
blieb, ein deutscher Thaler also in seinem Geldwert gonau
seinem Silborwert entsprach, war auch der in Deutschland
*/■ Thaler geltende Gulden vollwertiges Geld; das in ihm
enthaltene Silber war an und für sich */a Thaler wert.
Ein Einströnren österreichischer Gulden konnte also unsern
Münzumlauf nicht in krankhafter Weise beschweren, sondern
höchstens dadurch, dass ihrer Zirkulation jeder Rechtsboden
fehlte, in Unordnung bringen.
Nachdem aber das deutsche Reich zur Goldwährung
Ubergegangen war, nachdem es seinen Thaler aus '/so Pfund
Silbor in 9 /is9r, Pfund Gold verwandelt hatte, nachdem das
Silber im Verhältnis zum Golde eine Wert Verringerung er-
fahren hatte, der Geldwert eines Thalers dadurch über seinen
Stoffwert gestiegen war, kam der Gulden vermöge seines
Silbergehaltes nur noch zwei Dritteln des S t o f f wertes, nicht
mehr des Geldwertes eines Thalers gleich.
Wie bei den Thalern eine zweite Einwanderung nach
der deutschen Münzreform zum offenbaren und direkten
Schaden Deutschlands erfolgte, so auch boi den Gulden.
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DIE ÖSTERREICH 1SCHEX OüLDEH tK DEÜTSCHLAlfD. 65
Während die zweite Thal er ein Wanderung, wie oben gezeigt,
direkt durch die Massregeln der deutschen Reichsregierung
veranlasst wurde, traf bei den Gulden die Schuld das
deutsche Publikum. Die österreichischen Thaler waren ja
während und nach der MUnzreform durch Landesgesetze der
einzelnen Staaten gesetzliches Zahlungsmittel, jeder-
mann musste sie zum Wert eines deutschen Thalers in
Zahlung nehmen; die österreichischen Gulden dagegen ge-
nossen — das muss immer wieder betont werden —
nirgends in Deutschland einen gesetzlichen Kurs,
wenn auch die deutschen Regierungen durch die erwähnten
Separatartikel von 1867 sich verpflichtet hatten, ihren Um-
lauf im Privatverkehr zu dulden. Nach 1870 hatten sie
jedoch die Freiheit, den österreichischen Gulden zu verbieten,
durch Ablauf der vertragsmässigen Frist zurück erlangt.
Gebrauch davon machten sie vorerst nicht. — Das Publikum
war also nicht gezwungen, österreichische Gulden zu irgend
einem Kurs in Zahlung zu nehmen; aber es hatte sie bisher
genommen, und nahm sie harmlos auch weiterhin. In ver-
zeihlicher Unkenntnis der Dinge begriff es nicht, dass der-
selbe Gulden, welcher immer an sich selbst gleich 2 /s Thaler
gewesen, nun auf einmal weniger wert sein sollte, da sich,
in seinen Augen wenigstens, der Thaler nicht verändert
hatte, und der Gulden ja auch in Wirklichkeit noch immer
derselbe Gulden war. Es ging eben damals nicht in die
Köpfe, dass wohl der Gulden Silbermünze und Silber-
geld geblieben, der Thaler aber nur Silbermünze ge-
blieben, seinem Wesen nach aber Goldgeld geworden
war. Man nahm also den Gulden nach wie vor zum Wert
von */8 Thaler.
Die notwendige Folge dieser Verhältnisse war, dass die
vorhandenen österreichischen Gulden in geradezu uner-
schöpflich scheinenden Strömen in Deutschland eindrangen,
zur grossen Bestürzung aller münzpolitisch Denkenden.
Sie zogen deren volle Aufmerksamkeit auf sich, während
die österreichischen Thaler damals so gut wie gar nicht
beachtet wurden. Und mit vollem Recht. Die von den
österreichischen Gulden drohende Gefahr war in der That
Hel ff «rieh, Dl« Folgen des deuUch-Saterr. Müaiverelnt von 1857. 5
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66
UL ABSCHNITT.
viel grösser, als die von seiten der Thaler. Da letztere
nicht mehr ausgeprägt wurden und nur etwas Uber 31
Millionen Thaler davon vorhanden waren, erschien die von
ihnen drohende Gefahr gewissermassen als kontingentiert.
Dio österreichischen Gulden dagegen fassten unsoro Gold«
wöhrung geradezu an der Wurzel. Jedermann konnte mit
deutschem Gold das billiger gewordene Silber kaufen, in
Wien in Guldenstöcke ausmönzen lassen und den Gulden
zu */» Thaler in Deutschland ausgeben. Solche Operationen
scheinen in der That in nicht unbedeutendem Masse aus-
geführt worden zu sein. Es war also in Deutschland eine
Zeit lang eine tlmtsilchliche Alternativ* Währung vorhanden,
bei welcher in Berlin das Gold, in Wien das Silber frei
nusprägbnr war; das musste uns binnen kurzer Zeit direkt
zur Silberwährung zuröckföhren.
Die deutschen Regierungen begriffen fürs erste die
Gemeingefährlichkeit des österreichischen Guldens nicht.
Da sie ihm keinen gesetzlichen Kurs gegeben hatten,
glaubten sie sich auch der Pflicht Uberhoben, hier einzu-
schreiten. Als eine gröbliche Fahrlässigkeit muss es nichts-
destoweniger bezeichnet werden, dass in Suddeutschland an
den öffentlichen Kassen, trotz der veränderten Sachlage
die österreichischen Gulden zu 1 fl. 10 kr. südd. — */s Thalor
in Zahlung genommen wurdon, und zwar so gut wie all-
gemein. Zum mindesten hätte man nach der Publikation
des Gesetzes vom 4. Dezember 1871 deren Annahme an den
öffentlichen Kassen verbieten mUsscn. Das geschah aber
zunächst noch nicht.
Indes wies die Filiale der preussischen Bank
zu Frankfurt am Main schon im Januar 1872 Zahlungen
in österreichischen Gulden zurUck, und alsbald verweigerte
dort auch der gesamte Handelsstand deren Annahme in
Zahlung. Ähnliches geschah bald darauf in Württem-
berg und Baden. Diese Massregeln bewirkten eine akute
Kompression der vorher über ganz Süddeutschland gleich-
mässig zerstreuten österreichischen Gulden im Königreich
Bay'ern. Das erregte bei der bayrischen Regierung denn
doch Bedenken, und am 13. März 1872 verweigerte die
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DIE ÖSTERREICHISCHEN GULDEN IN DEUTSCHLAND. 67
bayrische Zentralstaatskasse die Annahme einer
grösseren Summe in österreichischem Guldengeld. Das
schlug ein wie ein Blitz. Es entstand eine plötzliche Geld*
krisis von grossen Dimensionen. Jeder wollte seine Gulden
los werden, niemand wollte sie mehr nehmen. Am 16. März
beschloss der Münchener Handelsverein, dass vom
20. März an von seinen Mitgliedern keine Zahlungen in
österreichischen Gulden mehr acceptiert würden, und am
28. März erliess endlich auch die Regierung eine Verord-
nung, nach welcher die öffentlichen Käsen von nun an die
österreichischen Gulden zurückzuweisen hatten. 1
Eine Zeit lang war der österreichische Gulden nun
gefürchtet und gemieden. Jedermann hütete sich ängstlich
vor ihm. Aber der Eifer dauerte nicht lange. Nach ein
paar Monaten hatte sich die Erregung völlig gelegt. Es
mag dazu ein momentanes Steigen des Silberpreises bei-
getragen haben, welcher einmal sogar auf 61 l /s d. in London
stand, also Uber der deutschen Relation.
Diese günstige Silberpreisbewegung hielt jedoch nicht
vor, sondern verwandelte sich sehr bald in ihr Gegenteil.
Die Furcht vor den österreichischen Gulden hatte sich in-
dessen wieder völlig verloren. Sie liefen wieder ungestört
in ganz Deutschland um, mehr denn je zuvor.
1873 begann das Silber seinen grossen Preissturz. Es
sank zeitweise bis auf 59 V< d. in London. Jetzt wurden,
da sich ein Spielraum bis zu 2,7 Prozent ergab, für die Ar-
bitrage die oben bereits erwähnten Operationen, Ankauf
von Silber, Ausmünzung in Wien, und Ausgabe der so ver-
schafften Guldenstücke zu 2 /a Thaler in Deutschland erst
recht lohnend. Bamberger, einer der wenigen, welche
die Situation vollkommen erfassten, zog in Wien Infor-
mationen ein und teilte diese bei der Beratung des Münz-
gesetzes am 28. März 1873 im Reichstag mit. Danach
wurden folgende Operationen gemacht:
Erstens: „Die Nationalbank in Wien nimmt Gold auf,
welches infolge der ungarischen Anleihe aus fremden Ländern
1 Siehe über diese Vorgänge
t. «0. April 1872.
dos Bremer Hsudeleblstt
8 *
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68
111. AB8C11KITT.
kommt, legt das in ihre Depots, läset ihr Silber aus den
Depots heraus, und ihre Gulden oder Thaler gehen nach
Deutschland. Das ist auch eine Art Umpriigung“.
Zweitens: Es wurden Silberbarren direkt nach Öster-
reich geschickt, ausgeprägt, und als Guldenstücke nach
Deutschland zurückgebracht. 1
Diese letztere spekulationsweise Prägung wurde auch
von Delbrück bestätigt. 2 Sie geht auch ganz unzweifelhaft
aus der Statistik der österreichischen Ausmünzungen hervor.
Nach den »Tabellen zur Währungstatistik“ des k. k. Finanz-
Ministeriums wurden an 2 Gulden-, l Gulden- und V« Guldcn-
Rtücken geprägt:
1869: 1,846292 fl.
1870: 5,095 323 .
1871: 8,350831 .
1872: 8,377193 „
1873: 10,364 880 .
1874: 4,639763 „
Es scheint mir evident klar zu sein, dass die grosse
Ausmünzung im Jahre 1873 und die unvermittelt darauf
folgende geringe im Jahre 1874 auf der spekulationsweisen
Guldenprägung, welche in der zweiten Hälfte des Jahres
1873 unmöglich gemacht wurde, beruht.
Man sieht, es war eine ganz eigentümliche Lage, in
welcher sich damnls das deutsche Münzwesen befand, und
es erscheint heute verwunderlich, dass es in diese Lage hat
geraten können.
Die Schuld daran lag nicht darin, dass man die er-
wähnten Vorgänge nicht beachtet hätte. Im Gegenteil!
Alles beschäftigte sich damals mit den österreichischen
Gulden. Man nehme nur eine Zeitung aus jener Zeit, oder
noch besser die Keichstagsverhandlungen über das Münz-
gesetz zur Hand. Die Schuld liegt vielmehr in einer totalen
1 Bten. Ber. d. deutsch. Reichstag«, 1873. — 10. Sitzung, 28. Mürz
1873, 8. 124.
* 17. Sitzung, 22. April 1873. Sten. Bor., 8. 259.
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DIE ÖSTERREICHISCHEN DULDEN IN DEUTSCHLAND. 69
Begriffsverwirrung in Sachen des Geldwesens, welche
allgemein die Köpfe eingenommen hatte. Es ist nicht leicht,
vort der überall herrschenden Unklarheit in diesen Dingen
ein klares Bild zu geben. Ich wage nur ein Bild von dieser
Verwirrung zu zeichnen, wie sie sich in den Verhandlungen
des Reichstages offenbarte, welches also jedenfalls noch
eine Verfeinerung der im grossen Publikum herrschenden
Unklarheit darstellt.
Da waren denn zunächst einige wenige, welche die
Situation völlig klar überschauten, hauptsächlich Bam-
berger und Michaelis. Letzterer fasste in der Sitzung
vom 22. April 1873 den Kern der Sache mit folgenden
Worten treffend zusammen:
„Die Möglichkeit, die Goldwährung durchzuführen und
aufrecht zu erhalten, beruht einzig und allein darauf, dass
wir feste Hand auf unserem Silberumlauf haben, dass wir
die Möglichkeit haben, unsern Silberumlauf ausschliesslich
zu erhalten und fremde Silbermünzen auszuschliessen ; denn
sobald wir fremde Silbermünzen leicht zulassen, bekommen
wir ganz ohne Zweifel an Stelle der Goldwährung praktisch
die Doppelwährung.“ 1
Diese klaren Köpfe waren indes sehr in der Minderheit
Die zweite Kategorie war diejenige der Halbunklaren,
die zwar nicht in den Kern der Frage eingedrungen waren,
immerhin aber wenigstens noch logische Ansichten vom
Standpunkt irgend welcher vorgefassten, nicht geprüften
Meinung vorbrachten.
Dahin gehören einmal diejenigen, welche die fixe Idee
von der Unabänderlichkeit und Göttlichkeit der Relation 1 zu
15Vs nicht abstreifen konnten, denen auch für die Gold-
währung jede Silbermünze „vollwertig“ ausgeprägt war,
wenn sie es im Verhältnis von 1 : 15'/* war. So z. B.
Dr. M. Mohl, der Hauptverteidiger der Doppelwährung im
Reichstag, „Sie (die österr. Gulden) zirkulieren mit dem
preussischen Thalergeld in Einklang, mit welchem sie ganz
* Ston. Uor., 8. 235.
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70
UI. A.B8CH1UTT.
genau und vollwertig ausgeprägt sind.* 1 Auch folgendes:
.Deutschland verkehrt jetzt in sehr bedeutendem Umfange
mit Österreich-Ungarn; es bezieht dorther Getreide, Vieh;
es bezieht andere Gegenstände von Österreich und liefert
eine Masse von deutschen Gewerbeprodukten nach Österreich.
Daher, meine Herrn, und weil ein grosser Teil der Staats-
und anderer Österreichischer Wertpapiere in deutschen Händen
ist, hat Deutschland eine reiche Zirkulation an Österreichischen
Vereinsthalem und österreichischen Gulden Wie
würde es nun sein, wenn das Österreichische Silber in Deutsch-
land verboten würde? .... Wollen wir einen Nachbar von
36 Millionen in die Lage setzen, uns nicht bezahlen zu
können, und wollen Sie sein Silber zurückweisen, das er
vollwertig ausprägt, und das daher ein ganz gutes
Geld ist?* *
Hierher gehören ferner diejenigen, welche den öster-
reichischen Gulden wohl als etwas schädliches empfanden,
aber nicht begriffen, zu welchen ernsten Folgen seine Duldung
führen musste. So Reichensperger: ..... ich habe
im Grossen und Ganzen doch den Eindruck gewonnen, dass
man den Österreichischen Gulden viel zu tragisch genommen
hat ... Nun, meine Herrn, ich gebe vollkommen zu, dass
Übelstände damit verbunden sind, wenn der österreichische
Gulden auch fernerhin eine solche Rolle spielen sollte, wie
er sie bis jetzt gespielt haben mag, — ich weiss es nicht ....
Es mag auch sein, dass durch den österreichischen Guldeu
die Reichsgoldwährung beeinträchtigt würde; aber den Grad
der Benachteiligung unseres deutschen Reiches durch den
Gulden in der Höhe, wie es hier immer oder vielfach dar-
gestellt worden ist, vermag ich nicht zuzugeben.* 8
Andere sahen den Grund der Überschwemmung Deutsch-
lands mit österreichischen Gulden im österreichischen Papier-
geld, und glaubten, dass dieselbe durch eine baldige Wieder-
aufnahme der Baarzahlungen in Österreich ein Ende finden
1 29. Sitzung, 8. Hai 1873. Sten. Ber., S. 533.
• lü. Sitzung, 28. März 1873. Sten. Ber., 8. 131.
* 29. 8itzung, 8. Mai 1873. Sten. Ber., 8. 550.
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DIE Ö8ETRBEICHIS0HEN GOLDES I!t DEUT80HLAKD. 71
werde. Selbst der preussische Finanzminister Camphausen
war nicht ganz frei von diesem Irrtum. Am 6. Mai 1878.
sagte er im Reichstag: „Die Nachrichten darüber, in welchem
Masse gegenwärtig der österreichische Gulden in Deutsch-
land vordringt, steigern sich von Tage zu Tage. Das Ver-
hältnis ist ziemlich erklärlich. In Österreich ist man in
einem so ausgedehnten Umfang zur Papierwährung über-
gegangen, dass für die silbernen Guldenstücke eine Heimat
wirklich nicht mehr vorhanden ist.* — Allerdings fügte er
dann bei: „nach unsern Nachrichten tritt dazu, dass die
Industrie dazu übergegangen ist — was sie nach den in
Österreich geltenden Gesetzen kann — sich Guldenstücke
ausprägen zu lassen und sie zu Zahlungen nach Deutschland
zu verwenden.* 1 Grund und Tragweite dieser letzteren
Sache scheint aber Camphausen nicht ganz überblickt zu
haben.
Am prägnantesten fand der erwähnte Irrtum , die
Papierwährung Österreichs sei schuld an der Überflutung
Deutschlands mit österreichischen Gulden, in einer Rede
dos bekannten württembergischen Staatsmannes Freiherrn
von Varnbüler seinen Ausdruck, welche Rede mit der
zugehörigen Antwort Delbrücks ausserdem den Vorzug
hat, einen Blick auf die Unklarheit und Unwissenheit, in
welcher man sich auch bezüglich der österreichischen Vereins-
thalor befand, zu gestatten. Varnbüler sagte:
„Gegenwärtig dringt das österreichische Silber Uber
die Grenze Österreichs deshalb, weil es in Österreich nicht
ausgegoben werden kann, weil man in Österreich in Silber
nicht zahlt, weil in Österreich die Papierwährung ist, und
weil Österreich seine Schulden im Ausland mit Metall be-
zahlen muss. Das ist der Grund, warum das Metall, der
österreichische Gulden, Über die Grenze Österreichs zu uns
dringt, und nicht die Spekulation. Es ist doch anzunehmen,
dass mit der Zeit die Papierwährung in Österreich aufhören
wird. Sobald aber die Baarzahlung in Österreich aufgenommen
wird, so ist anzunehmen, dass Österreich sein Silber behält,
1 Sten. Ber., 8. 530.
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72
nL ABSCHNITT.
und dass dieses dann nicht mehr Ober die Grenzen Öster-
reichs dringt Wollte es aber geschehen zur Spekulation,
und worden wir die Österreichischen Gulden vertrieben haben,
dann, meine Herrn, stände für Österreich gar nichts im
Wege, alsdann statt des Guldens den Thaler zu prägen,
der jetzt Bchon in Österreich zirkuliert und noch jetzt dort
geprägt wird (! I !)* 1
Delbrück antwortete: »Handelte es sich blos darum,
dass Österreichische Gulden nach Deutschland gekommen
wären, weil Österreich die Papierzirkulation hat, so läge
die Sache anders. So liegt die Sache aber nicht. Es wird
jetzt spekulationsweise geprägt.
»Anders verhält es sich mit den Thalern. Ich kann
nach einer offiziellen Mitteilung anführen, dass Thaler in
Österreich überhaupt nicht mehr geprägt werden, weder für
Privatrechnung noch für Staatsrechnung. Der Thaler hat
mit dem Aufhören der Münzkonvention aufgehört, ferner
eine Österreichische Münze zu sein (sic!), er wird
nicht mehr geprägt.**
Zum Schlüsse dieser Blütenlese noch zwei Vertreter
des totalsten Unverständnisses für unsere Münzreform. Zu-
erst — die Namen will ich unterdrücken — : . wir
hoffen, dass Österreich von seiner Papierwährung zur Silber-
währung übergeht. Ich glaube doch unter allen Umständen,
dass dieses vollwertige Geldstück (der österr. Gulden) dann
dahin zurückfliessen wird, woher es gekommen ist, und
nicht pari mit unserm 18 Silbergroschenstück stehen wird ;
denn in der That ist das Zweimarkstück fortan nur 18
Silbergroschen realiter wert.“ *
Ganz ähnlich ein anderer Herr: »Sind wir erst ein-
mal über das erste Einführungsstadium hinweg, so kann
von einer Gefahr, dass der österreichische Gulden nebenbei
* 17. Sitzung, 22. April 1878. Sten. Ber., 8. 258/59.
1 Ebendort. Der letzte Setz ron Delbrflokz Antwort lautet im
Stenogramm : »e z wird nicht mehr geprägt.* Offenbar ein Druckfehler.
* 17. Sitzung, 22. Mai 1873. 8ten. Ber. 8. 252.
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DIS ÖSTERREICHISCHES GULDEN IS DEUTSCHLAS D. 78
bestehen bleibt, nicht mehr die Rede sein, denn der öster-
reichische Gulden ist 7*/» 0*?) und unser MarkstQck wird
1 1 V® Prozent unter dem wirklichen Wert ausgeprägt. Ausser -
dem wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass Österreich
noch einmal im Laufe der Zeit zur Silberwährung zurück-
kehren wird.* 1 *
Die geistigen Schlaohten, in welchen diese gewaltigen
Pfeile versandt wurden, schlug man um die Schaffung des
Zweimarkstückes und um den Art. 13, welcher dem Bundes-
rat das Recht gab, den Umlauf fremder Münzen zu unter-
sagen. — Bezüglich des Zweimarkstückes glaubten die einen,
es werde wegen seiner Ähnlichkeit mit dem österreichischen
Gulden diesem einen Unterschlupf gewähren, mindestens
aber dessen Austreibung erschweren, die andern, ein Zwei-
markstück sei eine Notwendigkeit; schaffe man es nicht
von Reichswegen, so werde sich der österreichische Gulden,
weil einem Bedürfnis entsprechend, unausrottbar an seiner
Stelle substituieren. — Der Verbotsparagraph richtete sich
eingestandenermassen in erster Linie gegen den öster-
reichischen Gulden. Man machte gegen ihn geltend „es
sei gegen das natürliche Gefühl , gegen alle national-
ökonomischen Grundsätze, gegen die Gesetze aller Nationen
und gegen die Bedürfnisse des Verkehrs, wenn die Gesetz-
gebung in das Vertragsrecht des Einzelnen so weit ein-
greife, dem Einzelnen zu sagen, er dürfe fremde Gold- und
Silbermünzen einem dritten gegenüber nicht anbieten noch
geben, wenn dieser dritte auch das Anerbieten annimmt.**
Solche Eingriffe waren aber eine Notwendigkeit, um die
neue Goldwährung im Werden zu schützen, und zur Besse-
rung der „demoralisierten Münznatur des deutschen Volkes,
das gewohnt ist, sich mit allem Janhagel von fremden
Münzsorten zu vertragen.* 3 Der Reichstag sah denn auch
1 28. Sitsung, 6. Mai 1873. Steo. Ber. 8. S34.
* 29. Sitsung, 8. Mai 1873. 8ten. Ber. 8. 547. Dr. M o h 1 sprach
diese Worte in Anlehnung an eine an den Reiohstag gerichteten ano-
nymen Petition, deren Standpunkt er rerfcoht.
1 Bamberger im Reichstag; IO. Sitsung, 28. Mftrt 1873. 8ten.
Ber. 8. 125.
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74
III. ABSCHNITT.
diese Notwendigkeit ein, und gab dem Verbotsparagraphen
seine Zustimmung. Damit war bei der im Bundesrat herr-
schenden Stimmung das Schicksal der österreichischen Silber-
gulden in Deutschland besiegelt.
UL DIE AUSTREIBUNG DER ÖSTERREICHISCHEN
SILBERGULDEN.
Während der Reichstagsverliandlungen Ober das Münz-
gesetz hatte sich der Umlauf österreichischer Sübergulden
in Deutschland immer mehr gesteigert. Selbst in Berlin
konnte man sich ihrer nicht mehr erwehren. Zahlreiche
Petitionen an den Bundesrat und an das Reichskanzleramt
baten um ein Verbot ihres Umlaufes.
Ein sofortiges Verbot hätte jedenfalls grosse Ver-
wirrung angerichtet. Man schätzte damals den deutschen
Umlauf an österreichischen Gulden und Thalern auf 130
Millionen Thaler, 1 also den Umlauf an Gulden allein auf
über 100 Millionen Thaler. Wo es sich um solche Summen
handelte, war ein allzuscharfes und allzuplötzliches Vor-
gehen nicht am Platz. Jedenfalls ist in solchen Erwägungen
der Beweggrund für die Massregeln des Bundesrates zu
suchen.
Am 8. Juli 1873, am Tage vor der Publikation des
Münzgesetzes, beschloss der Bundesrat „an die hohen
Regierungen das Ersuchen zu richten, die Annahme der
österreichischen Eingulden- und Zweiguldenstücke , sowie
auch der niederländischen Eingulden- und Zweieinhalbgulden-
stücke bei den Staats- und sonstigen öffentlichen Kassen,
soweit solches nicht bereits geschehen, sofort zu verbieten.* 2
Das war also noch kein Verbot des Umlaufes der
österreichischen Gulden, sondern nur ein Verbot der An-
1 Dr. Mohl im Reichstag; 29. Sitzung, 8. Mai 1875. Sten. Der,
8. 558.
* III. Denkschrift des deutsohett Reichskanzlers aber die Aus-
führung der Münzgesetsgebung.
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DIE ÖSTERREICHISCHEN GÜLDEN IN DEUTSCHLAND. 75
nähme an den öffentlichen Kassen. Aber das allein genOgte
schon, um das deutsche Reich von den ungebetenen Gästen
allmählich zu säubern. Dazu trug noch bei, dass der öster-
reichische Gulden allmählich in die Kurszettel aufgenommen
wurde. Im Verkehr erhielt er Bich nur mit schwankendem,
nicht überall gleichmässigem Disagio. Ohne Verlust ging
es dabei für das deutsche Publikum nicht ab. Es scheint auch,
als ob die Regierungen nicht überall ihre Pflicht, solche Ver-
luste möglichst zu verhüten, gethan hätten. Fürst Hohen-
lohe-Langenburg sagte am 24. März 1874 darüber im
Reichstag:
„Es ist mir bekannt, dass Finanzministerien die öffent-
lichen Kassen angewiesen haben, die österreichischen Gulden
und die Fünffrankenstücke möglichst rasch auszugeben,
wenige Tage, ehe von derselben Regierung die Ausserkurs-
setzung verordnet worden ist; ja es ist sogar geschehen,
dass den Beamten der Vierteljahrs-Gehalt in dieser Münz-
sorte ausgezahlt worden ist, drei Tage, ehe in dem Ver-
ordnungsblatt des betreffenden Staates die Ausserkurssetzung
gestanden hat.*
Diese Aufstellungen wurden nicht widerlegt. — Unter
„ Ausserkurssetzung * scheint der Fürst Hohenlohe das
Verbot der Annahme an den öffentlichen Kassen verstanden
zu haben, das in seiner Wirkung allerdings einer Ausser-
kurssestzung gleichkam. Dass er auch von den Fünf-
f rankenstücken spricht, scheint mir darauf hinzu-
weisen, dass er mit dem angegriffenen Finanzministerium
das württembergische meinte, denn in Württemberg
ist an die öffentlichen Kassen auch ein Verbot der Annahme
der Fünffrankenstücke ergangen. 1
Interessant ist das weitere Schicksal der öster-
reichischen Silbergulden. Nach Österreich konnten sie nicht
zurück. Dort hatte das Papier ihren Platz eingenommen.
Sie waren also nach ihrer Austreibung aus Deutschland
völlig heimatlos. — Die Spekulation bemächtigte sich ihrer,
1 Sten. Ber. de« deutschen Reiohstnges yon 1873. — 29. Sitiung,
8. Mai. — Seite 348.
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76
IU. ABSCHNITT.
warf sie nach Belgien und schloss mit der dortigen Münze
einen Vertrag auf deren Umprägung in FQnffrankenstücke,
und zwar für eine Summe von 25 Millionen Franken. Das
gelang noch gerade vor Thorschluss. Als die belgische
Regierung die Silberprägung kontingentierte, war der Ver-
trag gerade abgeschlossen. 1
Am 28. Januar 1874 erliess dann der deutsche Bundes-
rat, um einer erneuten Einwanderung von Gulden vorzu-
beugen, eine Verordnung, in welcher deren Umlauf verboten
wurde.
1 Hirlht .Annalen* 187-1 8. 5S8. — Deutschen llnmlclblatt vom
8 Januar 1874. 8. 22.
8
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IV. ABSCHNITT.
VERBESSERUNG DER STELLUNG DER ÖSTER-
REICHISCHEN THALER IN DEUTSCHLAND NACH
DER MÜNZREFORM.
I. DIE ÖSTERREICHISCHE THALERKRISIS UND DIE
INTERPELLATION DES FÜRSTEN HOHENLOHE.
Gebranntes Kind scheut das Feuer. Wer an den öster-
reichischen Gulden zu Schaden gekommen war, betrachtete'
jetzt auch die österreichischen Thaler mit einigem Miss-
trauen. 1 Allmählich begann man sich über das diesen be-
vorstehende Schicksal klar zu werden.
1 Unterm 19. Juni 1873, also nooh tot Erlass dos Münzgesetzes,
riohtete die Leipziger Handelskammer eine Petition an den
Bandosrat, welche für die damaligo Unklarheit bezüglich der Öster-
reichischen Oulden und Thaler sehr bezeichnend ist. Sie bittet den
Bundesrat, die österreichischen Oulden sofort und ohne Gestattung einer
Frist zwisohen der Bekanntmachung und dem Inkrafttreten der Ver-
ordnung zu verbieten. Dann fährt die Eingabe fort:
„Das Verbot wird übrigens unseres Dafürhaltens auoh auf die
Thaler und Doppelthaler österreichischen Oepräges zu
erstrecken sein, von denen, wenn gleioh die Ausprägung seit einer
Reihe von Jahren sistiert ist, immer noch etliche Millionen (sio!) in
Deutschland kursieren dürften, und welohe abgesehen von ihrer mit
unsorm bisherigen MUnzsysteme übereinstimmenden Stückelung mit dem
Oulden nuf gleicher 8tufo stehen. F,ino vertragsmässige Verpflichtung .
gegenüber dem österreichischen Kaiserstnnte »teilt, nachdem dieser ver-
möge Vertrages vom IS. Juni 1807 aus dem 1807 begründeten Münz-
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78
IT. AB8CHHITT,
Am frohesten natürlich die Banken. Es scheint,
dass sie sich in unauffälliger Weise ihrer Bestände an dieser
Geldsorte zu entledigen suchten und sie dem Kleinverkehr
zuschoben.
In den ersten Monaten des Jahres 1874 begannen die
Österreichischen Thaler die Öffentliche Meinung und die
Presse zu beschäftigen. Ihre Eigenschaft als gesetzliches
Zahlungsmittel wurde in Zweifel gezogen, und int Publikum
entstand bezüglich ihres Wertes und ihrer Zukunft grosse
Unsicherheit. Dieser Zustand steigerte sich in der ersten
Hälfte des März fast bis zur Panik. Es regnete Petitionen
und Anfragen an die Keichsregierung und die Landes-
regierungen seitens des Publikums und der Handelskammern. 1
verein nusgeschieden, und die in Art. 2 und 3 dieses Vertrage* vor-
behaltenen Übcrgnngsfristen llngst abgelaufen sind, dem frsgliohen
Verbot, welche* daxu beitragen wird, den gegenwSrtigen Silbervorat
auf dem deutschen Markte in wansehenswerter Weise zu verringern,
in keiner Weise entgegen.'
Es ist mir unbegreiflich, wie ein so angesehenes Institut, wie die
Leipziger Handelskammer, eine mit so wenig 8aohkenntnls verfasste
Petition dem Bundesrate vorlegen konnte. Allerdings bestand Öster-
reich gegenüber keine vertragsmassige Verpflichtung mehr bezüglich
der Österreichischen Thaler. Aber Österreichische Thaler und Öster-
reichische Oulden standen deshalb fOr das deutsche Reieh noch lange
nicht .auf gleicher Stufe“. Der Ouldon hatte in Doutsohland nie-
mals gesetzliche Zahlungskraft gehabt, niemand war dort je-
mals geswungen, ihn in Zahlung zu nehmen. Seinen Umlauf konnte
man also such verbieten. Die Österreichischen T h a 1 e r dagegen
waren immer noch unbestrittenes gesetzliches Zahlungs-
mittel Wie konnte der Staat, auf dessen Befehl jedermann dio Öster-
reichischen Thaler gleich den deutschen, und zwar jetzt zu einem ihren
Silberwert übersteigenden Werte in Zahlung nehmen musste, die Öster-
reichischen Thalor und zwar — wohlgemerkt — gleich den Oulden
ohne Gestattung einer Frist, verbieten?! —
Wir werden freiUoh spRter sehen, dass die Reichsregierung
selbst sich über diesen Punkt durchaus nicht klar war.
1 Hervorzuheben ist die an anderer Stelle bereits orwRhnte Petition
der Kölner Handelskamm er an das Reiohskanzleramt, welche weit-
aus die klarste und treffendste Darlegung der Stellung der OBterr.
Thaler im deutschen Münzwesen giebt — von allen, die mir za Augen
gekommen sind.
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D. ÖBTF.RR. THALER I. DEUTCHL. N. D. MÜNZREFORM. 79
Der Bundesrat selbst scheint vollständig unschlüssig
gewesen zu sein. Der bayrische Finanzminister erklärte
auf eine Anfrage im bayrischen Landtag, eine Einziehung
der österreichischen Thaler und Doppelthaler seitens des
Reiches und auf Rechnung des Reiches sei «sehr wahr-
scheinlich*. ln der Petionenkommission des Reichstags
dagegen erklärte der Regierungskommissar strikt und bündig:
Die Reichsregierung könne keine Verbindlichkeit betreffend
die Einlösung der österreichischen Thaler übernehmen.
Erst diese Erklärung scheint völliges Licht Uber die
Situation verbreitet zu haben. Offenbar hatte man bisher
immer noch gehofft, die Rcichsregierung werde schliesslich
doch die Einlösung übernehmen. Das hatte sie nun direkt
und in aller Form abgelehnt.
In Süddeutschem! kam es wieder zu einer Panik,
gerade wie zwei Jahre zuvor wegen der österreichischen
Gulden. Obwohl die bayi ischc Regierung auf eine Anfrage
des Augsburger Handelsvereins die Eigenschaft des öster-
reichischen Thalers als gesetzlichen Zahlungsmittels ausdrück-
lich bestätigt hatte, weigerte sich seit dem 17. März die
Königliche Bank in Nürnberg, die österreichischen
Thaler zu ihrem Nennwert anzunehmen. Sofort erliess auch
die Nürnberger Vereins bank ein Rundschreiben an
ihre Geschäftsfreunde, des Inhalts, dass sie von nun an die
Gutschrift von Zahlungen in österreichischen Vereinsthalern
nur mehr zum jeweiligen Kurse vornehmen werde. Da
offiziell nirgends ein Kurs für die österreichischen Thaler
notiert wurde, stellte sie sich darunter wohl den Kurs von
IV« österreichischen Silberguldeu vor. Die Folge dieser
Massregeln war, dass der österreichische Thaler anfing, ein
Disagio zu erhalten. Dieses wurde auch dadurch nicht
beseitigt, dass das Finanzministerium in München unver-
züglich die Königliche Bank in Nürnberg anwies, die öster-
reichischen Thaler zu ihrem Nennwert wieder anzunehmen.
Die Unsicherheit im Publikum bestand fort, da man Uber
die Entschlicssungen der Reichsregierung vollständig im
Unklaren war. Auch in Norddeutschland bekam der öster-
reichische Thaler ein Disagio, und hier und dort verweigerten
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80
IV. AB8CHXITT.
Öffentliche Kassen seine Annahme zum Nennwert, z. B. die
Kassen der schlesisch-mflrkischen und der thüringischen
Eisenbahn.
Am 21. M&rz beschloss der Münchener Handlungs-
verein, zur Wahrung der Interessen des Münchener Platzes
vom 22. März ab die Yereinsthaler österreichischen Gepräges
nicht zu geben und nicht zu nehmen, bis über deren Ausser-
kurssetzung oder Einlösung das Nähere vom Bundesrato
bestimmt sei. Dieser Beschluss brachte das Disagio des
österreichischen Thalers in Suddeutschland auf 6 bis 7
Kreuzer, also auf ungefähr 6 Prozent. Da von seiten der
Reichsregierung keine Massregel zu erwarten schien, inter-
pellierte nun Fürst Hohenlohe- Langenburg im
H eichstage: „ob von den verbündeten Regierungen beab-
sichtigt wird, die infolge des Münzvertrages vom 24. Januar
1857 als gesetzliches Zahlungsmittel geltenden Vereinsthaler
österreichischen Gepräges demnächst ausser Kurs zu setzen."
In Beantwortung dieser Interpellation, am 24. März,
stellte der Präsident des Reichskanzleramtes die Eigenschaft
der österreichischen Thaler als gesetzlichen Zahlungsmittels
völlig ausser Zweifel ; er konstatierte ferner, dass sich der
grösste Teil dieser Münzsorte nicht mehr in den Hündon
des Publikums, sondern in den Kassen des Reiches und der
Einzelstanten befinde, da diesen Kassen sofort beim Aus-
bruch der Panik empfohlen worden sei, die bei ihnen ein-
gehenden Stücke nicht wieder auszugeben, falls der Em-
pfänger deren Annuhmo verweigere. — Schliesslich versprach
er eine Vorlage, welche die Regelung der Frage in den Weg
der Gesetzgebung verweisen werde.'
Diese Antwort beruhigte die Gemüter, obwohl zunächst
nur die gesetzliche Zahlungskraft der österreichischen Thaler
konstatiert war; über ihre künftige Entfernung aus dem
Umlauf, ob Einlösung oder nicht, darüber verlautete noch
nichts. Die Zeitungen wussten zu melden, dass gerade
1 Relchstngavorliandlungen vom 34. M&rz 1874. — Sten. Ber,
Seite 580— 583. — Auf ilaz dort vorgebrachte Material stützt sioh zum
grossen Teil meine Darstellung der Thalerkrizi*.
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DIE ÖBTERR. THäLER I. DEÜT8CHL. X. D. MÜNZREFORM. 81
bezüglich dieser Frage im Bundesrat selbst grosse Meinungs-
verschiedenheit herrsche.
Vielleicht hatte die preussische Regierung, welche
hauptsächlich einer definitiven Entscheidung über den Modus
der künftigen Beseitigung der österreichischen Thaler wider-
strebte, ähnliche Gründe, wie sie Soetbeer im deutschen
Handelsblatt vom 16. April 1874 entwickelt. Soetbeer legt
dort sehr gut die Gleichheit der Stellung von deutschen
und österreichischen Thalern dar, wie sie ja auch die
Regierung durch Delbrück anerkannt hatte. Bezüglich ihrer
Einziehung ist er der Ansicht, zuerst die deutschen Thaler,
erat nach diesen die österreichischen einzuziehen. Vielleicht
kehrt Österreich inzwischen zur Metallwährung zurück,
nimmt vielleicht sogar die Goldwährung an. Dann ist der
Zeitpunkt gekommen, an welchem sich Deutschland, unter
Umständen ohne Verluste, seiner österreichischen Thaler
entledigen kann.
Einen ähnlichen Gedankengang lassen auch die Motive
des nunmehr dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwurfes
erkennen.
II. DAS GESETZ, BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG
DES ARTIKELS 15 DES MÜNZGESKTZES, VOM 20.
APRIL 1874.
Nur wenige Tage nach der Verhandlung über die
Interpellation des Fürsten Hohenlohe ging dem Reichstag
die von Delbrück in Aussicht gestellte Vorlage betreffend
die österreichischen Thaler zu. Ihre Motive führen aus:
Das Schicksal der österreichischen Thaler sei ein un-
sicheres geworden, da der Bundesrat durch ihre Ausserkurs-
setzung den Wert dieser Silbermünzen plötzlich auf ihren
Silberwert herabdrücken 1 und damit den zeitigen Inhabern
1 Diene Auffassung scheint mir damals total unzulässig gewesen
su sein. Xaoh Art. IS des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 hatte der
Bundesrat allerdings das Recht, „den Umlauf fremder MQnzon
Helfferich, Die Folgen de« deutsch. -üiterr. Münz verelm too 1Ä67. 6
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82
IV. ABSCHNITT.
mehr oder minder grosse Verluste bereiten könne. Schon
im Interesse der schleunigen und ordnungsmässigen Durch*
führung der deutschen Mönzreform bedurften die aus dieser
Unsicherheit entsprungenen Verkehrsstockungen der Abhilfe;
es könne nämlich eine Entscheidung Uber den Zeitpunkt
des Eintrittes der Keichsgoldwtthrung nicht ohne Nachteil
von der Rücksicht auf die gleichzeitig eintretende Ausser-
kurssetzung der österreichischen Thaler beherrscht werden.
Der vorliegende Gesetzentwurf wolle daher den österreichi-
schen Vereinsthalern ihre bisherige Stellung auch über den
Eintritt der Heichswährung hinaus gewährleisten, so
dass die gesetzgebenden Faktoren zu einem Zeitpunkt, bei
dessen Auswahl sie nur die derzeitige Lage der Verhältnisse
zu berücksichtigen hätteu, über dieselben befinden könnten.
Wenn der Entwurf Gesetz werde, könne also die Ausser-
kurssetzung der österreichischen Thaler nur noch im Wege
der Gesetzgebung herbeigeführt werden.' Bei diesem
günzlich zu unterlagen/ Dieses Recht konnte sioh jedoch offenbar
nur gegen fremde Münzen richten, welche innerhalb Deutschland* ge-
setzliche Zahlungskraft nicht genossen. Diese Auffassung er-
hellt anch ganz klar aus den Reichstagsrerhandlungen über den be-
treffenden Artikel. Also die Ssterreiohischen Dulden konnte
der Bundesrat Torbieten. Aber nicht die Thaler. Übrigens ist
zwischen Verbieten und Aus s c r ku rsse t z e n ein Unterschied.
Das Recht der Außerkurssetzung aber stand dem Bundcsrat nur
gegenüber den deutschen Landesmünzen zu, und zwar nur mit
der gleichzeitigen Verpflichtung, dieselben ein zulüsen. Zu
diesen deutschen Landes münzen gehörten die österreichischen
Thaler nicht. Auf keine Weise also konnte der Bundesrat für sich
das Recht einer „plötzllehen Ausserkurssetzung“ dor österr.
Thaler in Anspruch nehmen. — Auch Rootbeer ist in der «deutschen
Müiizvcrfnssung“ der Ansioht, die Reichsregierung habe vor dem Oesetz
vom ’.’O. April 1874 den Umlauf der österr. Thaler verbieten können.
Ich kann nur wiederholen, dass das Verbot einer in gesetzlichem
Kurs befindlichen Münze ein Unding ist.
* Diese Behauptung in den Motiven und in dor Rede Delbrücks
( s. 8. 84) entspricht zwar vollkommen den Tlmtsaohen, nloht
aber der eben besprochenen Auffassung, welohe übrigens auch in der
Rede Delbrücks zur Geltung kommt: der Bundesrat sei bis dato zu
einer „ plö tzl ich en Außerkurssetzung* der österreichischen
Thaler befugt gewesen. - An einer solchen Befugnis des Bundesrats
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DIE ÜSTERR. THALEU I. DEUTSCHE. M. D. MÜNZREFORM. 83
lediglich negativen Charakter des Gesetzes bleibe die Frage,
auf welchem Wege die österreichischen Thaler in Zukunft
aus dem deutschen Verkehr entfernt werden sollten, eine
offene. Für ihre Lösung könne erst die künftige Gestaltung
des Silbermarktes und die künftige Entwickelung der Münz-
gesetzgebung und der Valuta Verhältnisse Österreichs mass-
gebend sein.
Das Gesetz selbst lautet:
„Die Bestimmung in Art. 15 Ziffer 1 des Münzgesetzes
vom 9. Juli 1873 findet auch auf die in Österreich bis zum
Schlüsse des Jahres 1867 geprägten Vereinsthaler und Ver-
einsdoppelthaler Anwendung.“
Art. 15 Ziffer 1 des Münzgesotzes lautet, wie schon
oben mitgeteilt:
„An Stelle der Reichsmünzen sind bei allen Zahlungen
bis zur Ausserkurssetzung anzunchmen:
1) im gesamten Bundesgebiet an Stelle aller Reichs-
münzen die Ein- und Zweithalerstücke deutschen Gepräges
unter Berechnung des Thalers zu 3 Mark.“
hatte da« Gesetz vom 20. IV. 1874 auch nicht das geringste geSndert.
Das Gesetz bestimmte nur, dass bis zu ihrer Ausserkurssetzung
nuoli die österreiohischon Thaler, der Thaler zu 8 Mark gerechnet,
gesetzliches Zahlungsmittel sein sollten. Wieso war denn nach diesem
Gesetze nur noch eine Aussorkurssctzung der Österreichischen Thaler
ImWege der Gesetzgebung möglich ? Das ganze Gesetz berührte
und Änderte ja in k einer Weise irgend welche Befugnis zur Ausser-
kurssetzung. Hatte der Bundesrnt eine solche vorher gehabt, dann
hatte er sie auch jetzt nooh; der „Weg der Gesetzgebung“
war dann überflüssig. Allerdings, hatte der Bundesrat diese Befugnis
auch vorher nfeht, wie cs ja thatsBohlioh der Fall war, dann war
die Saotic gelindert. Wahrend nBmlich bisher nach Art. 14 des Münz-
gesotzes mit Eintrittt der KefchswBhrung der österreiohlsohe Thaler
ipso iure ausser Kurs gesetzt war, hatte er nung esetzliche Zahlungs-
kraft auf unbestimmte Zeit, auf Kündigung gewissermassen, ganz unab-
hängig vom Eintritt der Reiohswührung. Da ihm ferner die gesetzliche
Zahlungsktnft immer noch auf Grund der in GemBshoit des Wiener
Münzvertrages von 1857 erlassenen Landesgesetze zukam, dem Bundes-
rnt aber die Befugnis zur selbständigen Ausserkurssetzung nicht ge-
setzlich übertragen war, konnte die Ausserkurssetzung nur
nooh im Wege der Gesetzgebung erfolgen.
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IV. AB8CHMITT.
Man erinnert »ich, das» in Ziffer 1 die Worte »deut-
echen Gepräges* in der Regierungsvorlage gefehlt hatten,
dass »ie erst im Reichstag auf Antrag des Abgeordneten
Dr. Wolffson eingesetzt wurden, mit der klar ausgesprochenen
Absicht, die österreichischen Thaler von der Bestimmung
dieses Artikels auszuschliessen, dass Delbrück damals
diese Ausschliessung für so selbstverständlich erklärte, dass
ihm der beantragte Zusatz als überflüssig erschien. Jetzt
sollte der Artikel einen zweiten Zusatz erhalten, durch
welchen der erste Zusatz in Begründung und Wirkung auf-
gehoben wurde. Tempora mutantur!
Im Reichstag entspann sich bei der Beratung des
Gesetzes eine Debatte über die künftige Einlösungsverpflich-
tung des Reiches, ohne indes zu einer Klärung zu führen.
Ein Zusatzantrag des Abgeordneten für Esslingen, Dr. Lenz,
wollte die österreichischen Thaler auch hinsichtlich ihrer
künftigen Einlösung durch das Reich zu ihrem gesetzlichen
Wert von 3 Mark vollständig den deutschen Thalern gleich-
steilen. Delbrück erklärte sich jedoch im Namen der
verbündeten Regierungen energisch gegen diesen Antrag.
Einmal hielt er ihn für völlig überflüssig, weil das Gesetz
nur die Beunruhigung des Publikums beseitigen wolle ; diese
sei aber nur durch die Gefahr einer plötzlichen Ausserkurs-
setzung der österreichischen Thaler seitens des Bundes-
rates hervorgerufen worden. 1 Diese Möglichkeit sei durch
das vorgelegte Gesetz beseitigt. 2 Dann wies er auf die
Möglichkeit hin, Österreich werde seine Valutaverhältnisse
ordnen und die Thaler einlösen ; er nannte es mehr als vor-
eilig, wollte man die Verpflichtung übernehmen, Österreich
auf Kosten des deutschen Reiches von seinen Thalern zu
»befreien*.
Auch Bamberger sprach sich dagegen aus, »die öster-
reichischen Münzen ohne weiteres als deutsche Landesmünzen
zu erklären“. »Auf der andern .Seite“, sagte er, »bin ich
fest überzeugt, dass diese Vorlage, wie sie heute dasteht,
1 Siehe Aum. !. 8. 81.
' Siehe Antn. 1. 8. 82.
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DIE ÖSTERR. THALER I. DEUTSCH!,. V. D. MÜRZREFORM. 85
uns nimmer der Verpflichtung entheben wird, dieses Geld
zu seinem Vollwert einzulösen. Sie stellen mit einem Worte
die Volleinlösung unter die Garantie der Mitwirkung der
deutschen Gesetzgebung und des deutschen Reichstags.*
Man sieht aus diesen Sätzen: Bamberger war mit
sich selbst nicht ganz einig. Es widerstrebte ihm, eine
»Münze* mit fremdem Gepräge als eine deutsche
anzuerkennen; auf der andern Seite war er sich dennoch
ganz klar darüber, dass diese fremde Münze doch etwas
mehr war als fremdes »Gold*; dass das Reich ihr gegen-
über durch seine Gesetzgebung Verpflichtungen habe, deren
Anerkennung es zwar hinausschieben, aber nicht völlig
verlängnen könne.
Der Zusatzantrag Dr. Lenz wurde abgelehnt und das
Gesetz in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. 1
Damit war die Stellung der österreichischen Thaler
bedeutend gebessert. Während bisher der Bundesrat nach
seiner eigenen — allerdings irrigen — Auffassung sogar
befugt gewesen wäre, den Umlauf der österreichischen
Thaler als einer »fremden Münze“ gemäs Artikel 18 des
Münzgesetzes zu verbieten, sicher aber mit Eintritt der
Reichswährung die österreichischen Thaler ihre Eigenschaft
als gesetzliches Zahlungsmittel verlieren mussten, war ihnen
jetzt diese Eigenschaft bis auf weiteros zugestanden,
und eine Aufhebung derselben stand nicht mehr in der
Kompetonz des Bundesrates allein, sondern war unter Mit-
wirkung des gesamton gesetzgebenden Apparates gestellt.
Hein juristisch war also ihre Position jetzt, nach
dem Gesetze vom 20. April 1874, folgende:
Sie waren gesetzliches Zahlungsmittel auf unbestimmte
Zeit, in Österreich zu 1 'j Gulden, im deutschen Heich zu
3 Mark. Sowohl Österreich als das deutsche Reich konnten
sie auf dem Wege der Gesetzgebung vollständig souverän
und ohne Rücksicht aufeinander ausser Kurs setzen, mit
oder ohne Einlösung, ganz nach eigenem Belieben.
1 Siohv die Keichdtugssitzungcn vom II. und 18. April 1871.
8ten. Her. 8. 787—748; 917 und 918.
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IV. ABSCHNITT.
Dadurch dass ihre Ausserkurssetzung und die Moda-
litäten derselben im deutschen Reich nur auf dem Wege
der Gesetzgebung beschlossen werden konnten, unter-
schieden sie sich von ihren Brlldern, den deutschen Thalern
und allen andern noch vorhandenen deutschen Landes-
münzen. Den letzteren gegenüber hatte das Reich die
Verpflichtung übernommen, sie auf seine Rechnung einzu-
lösen ; der Bundesrat hatte die Befugnis, ihre
Ausserkurssetzung und Einlösung im Ver-
ordnungswege zu bestimmen. Bezüglich der öster-
reichischen Thaler hatte das Reich nicht die Verpflichtung
übernommen, sie auf seine Rechnung einzulösen. Sowohl ihre
Ausserkurssetzung als ihre etwaige Einlösung konnte
nur durch ein Gosetz angeordnet und geregelt werden-
Die österreichischen Thaler nehmen also von nun an juri-
stisch eine ganz exzeptionelle Stellung im deutschen Mtinz-
wesen ein. Sie unterstehen unmittelbar der gesamten
Gesetzgebung, wiihrend die deutschen Landesmünzen
in ihrer Zukunft nur vom Bundesrat abhängen.
Ihre th atsäch 1 i che Stellung: Dadurch dass ihre
Ausserkurssetzung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben
und .unter die Garantie des Reichstages“ gestellt war,
erschienen sie in den Augen des Publikums als völlig
rehabilitiert. Ihr Disagio verschwand. Sie liefen wieder
um mit einem Geldwert von drei Mark in Gold, welcher
ihren Materialwert um einige Prozente überstieg; und es
war die von der Regierung ausdrücklich anerkannte Ab-
sicht, sie zu diesem Wert im Umlauf zu erhalten.
Was folgte aus dieser juristischen und thatsächlichen
Stellung für ihre Zukunft!' — Dass eine Ausserkurssetzung
der österreichischen Thaler seitens des deutschen Reiches
in Zukunft nicht mehr möglich war, ohne deren Einlösung
zu drei Mark. Juristisch blieb eine solche Ausserkurs-
setzung allerdings immer noch unbenommen, so gut wie
heute auf dem normalen Wege der Gesetzgebung unsere
unterwertigen Reichssilbermünzen ohne Einlösung ausser
Kurs gesetzt werden könnten ; oder auch die Reichskassen-
scheine; das würde man allerdings einen Staatsbankerott
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DIE Ö8TERR. THALER I. DEDT8CHL. N. D. MONZREFORM. 87
nennen. — Politisch war von nun an die Ausserkurs-
setzung der österreichischen Thaler ohne Einlösung ausser-
halb des Denkbaren. Delbrttck selbst hatte ja am 11. April
1874 namens der Reichsregierung im Reichstage erklärt:
„dass cs eine harte Unbilligkeit sein würde, ihre (der
österreichischen Thaler) Besitzer der Gefahr auszusetzen,
welche mit einer plötzlichen Ausserkurssetzung verbunden
ist.“ Was heute harte Unbilligkeit ist, bleibt es auch
morgen. Die österreichischen Thaler konnten nicht auf
eine Weise aus dem Verkehr gezogen werden, auf welche
ihre zufälligen Inhaber geschädigt worden wären; das war
auch von der Reichsregierung definitiv anerkannt.
Nichsdestoweniger hatte es die Reichsregierung ab-
gelehnt, die Verpflichtung zur künftigen Einlösung der
österreichischen Thaler, welche sie thatsächlich schon
trug und thatsächlich auch in dem eben erwähnten Satze
anerkannt hatto, gesetzlich zu übernehmen; und zwar
unter Hinweis auf die Möglichkeit einer günstigeren
Gestaltung des Silbermarktes und der österreichi-
schen Valuta-Verhältnisse. Prüfen wir diese beiden
Aussichten !
Eine Besserung des Silbermarktes war nach den that-
sächlichen Verhältnissen nicht zu erwarten; sie trat auch
in der Folgezeit nicht ein, sondern ihr genaues Gegenteil.
- Setzen wir aber den Fall, sie wäre eingetreten, was der
deutschen lleichsregierung im Jahre 1874 ja immerhin als
möglich erscheinen konnte. Wäre das Silber in sein altes
Verhältnis zum Golde zurückgekehrt, zur Relation von
1 : 15,5, oder gar über diese Relation gestiegen, dann aller-
dings wäre durch eine Weigerung der Reichsregierung, die
österreichischen Thaler einzuziehen und zu 3 Mark das
Stück einzulösen, niemand geschädigt worden. Einlösung
oder Nichteinlösung wäre dann für die Thalerbesitzer völlig
gloiehgiltig gewesen, weil der Stoffwert des Thalers dann
wieder mit seinem Geldwert zusammengefallen wäre. Aber
aucli für die Reichsregierung hätte es für diesen Fall gar
keinen Sinn gehabt, die Einlösung der österreichischen
Thaler abzulehnen, da ihr ja aus einer Einlösung unter
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IV. AB8CHÄITT.
solchen Verhältnissen keine Verluste hätten erwachsen
können.
Besserte sich der Silbermarkt nicht bis zu diesem
Grade, so mussten bei der Ausserkurssetzung ohne Einlösung
die Verluste die einzelnen Inhaber treffen, eie wären nur
nicht mehr ganz so gross gewesen; die Sache hätte sich
also nur quantitativ, nicht qualitativ geändert, die .Unbillig-
keit* wäre etwas weniger .hart“ geworden, aber immerhin
eine Unbilligkeit geblieben.
Die künftige Gestaltung des Silbermarktes spielt auch
bei dem zweiten Argumente Delbrücks, der zu erwartenden
Rückkehr Österreichs zur Metallwährung, ausschlaggebend
mit. Kehrte Österreich unter sonst unveränderten Verhält-
nissen von seiner Papiervaluta zur thatsächlichen Silber-
währung zurück, so war zunächst für seine Thaler nichts
geändert. Der Thaler hätte auch dann in Österreich nur
soviel gegolten wie das in ihm enthaltene Silber, nach wie
vor IV* Silbergulden, nur ohne Agio gegen das Papier.
Das war aber so lange weniger als M Mark, als das Silber
auf dem Weltmarkt nicht wieder in das Wertverhältnis von
1 : 15,5 zum Golde zurückgekehrt war.
Ging aber Österreich zur Goldwährung über, dann
kam es ganz auf die Relation an, welche es bei diesem
Übergang wählte. War dieselbe für Silber ungünstiger als
die beim deutschen Währungswechsel angenommene, viel-
leicht 1 : 18 (und ungünstiger musste sie bei einer andauern-
den Depression des Silbermarktes werden), daun war den
deutschen Besitzern von österreichischen Thalern auch nicht
geholfen. In Österreich hätten sie dann bei der Einlösung
einen geringeren Wert erhalten, als der österreichische
Thaler in Deutschland gesetzlich besass. In Deutschland
galt der Thaler — -r— — — ft feines Gold, in öster-
<10 . 15,5
reich hätte er vielleicht nur ft feines Gold ge-
gölten, also statt * nur Gold. — Falls der
4 oo o4ü
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DIB Ö8TKRR. THALER t DEUTSCHL. V. D. MORZREFORM. 89
Österreichische Thaler nach einem solchen Übergang Öster-
reichs zur Goldwährung in Deutschland ohne Einlösung
ausser Kurs gesetzt wurde, wäre nach wie vor der Verlust
auf die deutschen Inhaber gefallen. — Also auch bei einem
Übergang Österreichs zu einer Metallwährung, ob Gold-
oder Silberwährung konnte der österreichische Thaler in
Österreich nur dann dessen Wert in Deutschland erreichen,
wenn das Silber zu seinem beim deutschen Währungs-
Wechsel zu gründe gelegten Verhältnis zum Gold zurück-
kehrte, bei einer österreichischen Silberwährung also sein
Silberwert wieder mit seinem deutschen Geldwert zusammen-
fiel, bei einem Übergang zur Goldwährung Österreich die
gleiche Relation wie Deutschland zugrunde hätte legen
können und zu gründe gelegt hätte.
Die Sache stand also folgendermassen : Das deutsche
Reich konnte für die Folgezeit billiger Weise nur dann die
Einlösung der österreichischen Thaler seinen Angehörigen
gegenüber ablehnen, wenn an der Einlösung selbst keine
Verluste zu erleiden waren; wenn man den Thaler als
Material auf dem Edelmetallmarkte zu drei Mark verkaufen
konnte, oder wenn Österreich den Thaler zu einem Werte
von drei Mark einlöste, bezw. der in Österreich noch Kurs
geniessende Thaler in österreichischer Valuta drei deutsche
Reichsmark wert war. So lange diese Verhältnisse nicht
eintraten, so lange an den Thalern also überhaupt noch
Verluste erlitten werden mussten, war das deutsche Reich
aus Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit seinen Unter-
thanen gegenüber gebunden, die österreichischen Thaler bei
einer Ausserkurssetzung zu 3 Mark das Stück einzulösen.
Die gesetzliche Übernahme dieser moralischen Verpflichtung
seitens des Reiches hätte deshalb schon mit dem Gesetz vom
20. April 1874 erfolgen können, weil das Reich für den Fall,
dass die günstigen Verhältnisse eintraten, in Hinblick auf
deren Möglichkeit es die Einlösungsverpflichtung ablehnte,
durch die Einlösung keinen Schaden erlitten hätte, für
alle andern Fälle aber die »harte Unbilligkeit* nicht be-
gehen konnte, den entstehenden Verlust auf den einzelnen
Inhabern sitzen zu lassen.
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IV. A BUCH KITT.
Österreich gegenüber hätte man durch die gesetz-
liche Übernahme der Einlösungsverpflichtung weder auf ein
liecht verzichtet, noch eine Verpflichtung übernommen
Seit Ablauf des Jahres 1870 herrschte ja bezüglich des ehe-
mals gemeinschaftlichen Umlaufsmittels völlige Vertrags-
losigkeit. Jeder Staat konnte über die Münzen seines Ge-
präges vollständig eigenmächtig befinden. Österreich hatte
das Hecht, die Thaler ohne irgend welche Einlösung ausser
Kurs zu setzen. Dem deutschen lleiche stand dem gegen-
über absolut kein Einspruchsrecht zu.
Noch viel weniger war Österreich verpflichtet, die
Thaler seines Gepräges einzulösen, ehe es sie ausser Kurs
setzte, und ganz haltlos wäre es gewesen , von Österreich
für den Thaler mehr als seinen in Österreich gesetzlichen
Wert von 1 Vs Gulden zu verlangen. Ganz abgesehen da-
von, dass eine Einlösung der österreichischen Thaler von
seiten des österreichischen Kaiserstaates nur dann für das
deutsche Keich gegenüber einer Veräusserung derselben als
blosses Material von nennenswertem Vorteil geworden wäre,
wenn Bich der Geldwert des Guldens, und damit auch des
Thalers, in Österreich über seinen Silberwert erhob —
welcher Fall völlig unerwarteter Weise 1870 wirklich ein-
trat — ganz davon abgesehen konnte das Keich dadurch,
dass es seinen Unterthanen gegenüber die Einlösung der
österreichischen Thaler zu ihrem deutschen Tarifierungs-
wert übernahm, schon deshalb nicht auf ein 1t e c h t Öster-
reich gegenüber verzichten, weil es gar kein Recht
besä ss, von Österreich eine Einlösung zu verlangen.
Wenn aber Österreich nicht aus juristischen Zwangsgründen,
sondern aus Gründen allgemeiner Billigkeit unter gegebenen
Verhältnissen die Einlösung seiner Thaler zu irgend einem
ihren Silberwert übersteigenden, den Wert von 3 Mark aber
nicht erreichenden Satze übernehmen wollte, so konnte es
das thun, ganz unabhängig davon, wie sich die deutsche
Ueichsregierung mit ihren Unterthanen in dieser Sache aus-
einandergesetzt. Also auch hier wäre nichts im Wege ge-
standen, die Verpflichtung des deutschen Reiches zur Ein-
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DIE Ö8TERR. THALER I. DEUT8CHL. V. D. MÜKZRKFORM. 91
lösung der österreichischen Thaler zu ihrem deutschen
Geldwert den deutschen Staatsangehörigen gegenüber offiziell
anzuerkennen und gesetzlich festzulegen.
Trotzdem das nicht geschah, herrschte im deutschen
Publikum nach der Beantwortung der Interpellation des
Fürsten Hohenlohe und nach dem Erlass des Gesetzes vom
20. April 1874 bezüglich des Schicksals der österreichischen
Thaler vollkommene Ruhe, und konnte vollkommene Ruhe
herrechen. Denn nach dem thatsächlichen Stand der Dinge
konnte es niemanden zweifelhaft sein, dass allenfalls bei der
Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler eintretende
Verluste, trotz allen Sträubens der Reichsregierung gegen
diese letzte Konsequenz, vom Reiche würden übernommen
werden ; dass dieses, wenn Österreich sich dazu herbeilassen
würde, sich höchstens nach gütlichem Übereinkommen mit
diesem in den Verlust würde teilen können. Die letztere
Möglichkeit konnte jedoch so lange überhaupt nicht in Be*
traclit kommen, als in Österreich selbst der Geldwert
von 1 Thaler oder 1 '/* Gulden nicht höher war als sein
Silberwert.
III. DAS GESETZ VOM 6. JANUAR 1876.
Im deutschen Iteiche trat an die Stelle der Beschäf-
tigung mit den österreichischen Thalern speziell in der Zeit
der ungünstigen Wochseikurse, der Goldausfuhr und des
hohen Berliner Goldpreises von Mitte 1874 bis Mitte 1875
die Beschäftigung mit den Thalern überhaupt. Ihnen schrieb
man die Hauptschuld an der deutschen Währungskrisis in
dieser Zoit zu. Alle ehemaligen Landes kurantmünzen waren
nach und nach eingezogen, die Drittelsthaler zunächst als
Scheidemünzen beibehalten worden, nur Thaler und Doppel-
thaler waren als Kurantgeld geblieben. Durch kaiserliche Ver-
ordnung vom 22. September 1875 wurde der Eintritt der Reichs-
währung im gesamten Bundesgebiete auf den 1. Januar 1876
festgesetzt, nachdem schon vorher die Mehrzahl der Bundes-
staaten von dem ihnen zustehenden Rechte Gebrauch ge-
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IV. ABSCHNITT.
macht, und die Reichswährung in ihrem Gebiet auf parti-
kularem Wege eingeführt hatten.
Obwohl die einzigen silbernen Kurantmünzen eine
eigentliche Gefahr für die deutsche Währung nach Über-
windung der Krisis von 1874 75 wohl kaum mehr dar-
stollten, trotz ihrer Unterwertigkeit — sie waren ja nur
in einer so beschränkten Summe, nach der höchsten Schätz-
ung von 500 Millionen Mark, vorhanden, auf welche herab
der deutsche Umlauf fast unmöglich sinken konnte — war
ihr blosses Vorhandensein manchen Leuten, welcho auf
Konsequenz und Harmonie auch in Münzangelegenheiten
etwas hielten — eine erfreuliche Erscheinung in Anbetracht
der früheren deutschen Münz Verlotterung, — ein Dorn im
Auge. Unter denjenigen, welche die Reiclisregiorung um
eine Änderung in dieser Sache ersuchten, war auch der
Verein für Sozialpolitik. 1
Die Reichsregierung gab scheinbar nach. Sie bracht«
einen Gesetzentwurf vor den Reichstag, durch welchen der
Buiidesrat ermächtigt werden sollte, zu verordnen, dass
die Einthalerstücke deutschen und österreichischen Gepräges
bis zu ihrer Ausserkurssetzung nur noch an Stelle dor
Reichssilbermünzen in Zahlung zu nehmen sind. — Ich
erwähne dieses Gesetz nur der Vollständigkeit halber.
Thatsächliche Tragweite hatte es nicht.
Seine Motive setzten sehr treffend auseinander, wie
wenig sich Silberkurantgeld mit dem Grundgedanken
des deutschen Münzwesens vertrage. Sie versprachen ausser-
dem die baldige Ausserkurssetzung der Doppelthaler, während
1 Er befcdiloit auf Antrag von Name, vorzusohlagon:
1) Dio Zahlungskraft der Thaler auf Betrüge bin xu 100 Mark
zu bezchrlnken, nie also zu einer Art höheren Scheidemünze zu muchen,
welcho gleich den Keiclixzilborinünxon an beitimmtun Kamen vom Rciohe
in Oold umgoweohaelt werden zollte.
2) Thaler bis zu einem die Hilfte ihre« Baarvorratez nioht übor-
•teigenden Betrage unter Garantie de« Reiohcz für einen gewisxon
Ooldwert der Keiehzbank zu übcrweUcn, alz vorlAuflgo gesetzliche Bnar-
deokung der Noten.
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DIR Ö8TERR. THALER t. DRÜT8CHL. H. 0. M0KZREFORM. 03
sie die Ausserkurssetzung der EinthalerstQcke in weite
Fernen rückten. Um aber den Übergang zur reinen Gold-
währung nach Möglichkeit zu beschleunigen, verlangten sie
für den Bundesrat die Befugnis, die Thaler zur Scheide-
münze degradieren zu dürfen.
Damit war nun auch der eifrigste Goldwährungs-
fanatiker zufrieden. Denn wenn jemand eine Befugnis ver-
langt, nimmt man doch an, dass er von ihr Gebrauch machen
will. Die Vorlage wurde unverändert Gesetz und unterm
6. Januar 1876 publiziert. — Der Bundesrat hat aber von
der ihm zustehenden Befugnis bis heute noch keinen Ge-
brauch gemacht, und die Gefahr, zur Scheidemünze degra-
diert zu werden, ist für die Thaler auch heute noch in
weiter Ferne.
IV. DIE BESEITIGUNG DEU Ö8TEHUEICHISCHEN
DOPPELTHALEU.
Die in den Motiven des eben besprochenen Gesetzes
in Aussicht gestellte Ausserkurssetzung der Doppelthaler
liess noch einige Zeit auf sich warten. Auf diese Ausser-
kurssetzung konnte man insofern gespannt sein, als man
erwarten durfte, die lteichsregierung werde sich nun bezüg-
lich der österreichischen Thaler zu irgend einem weiteren
Schritte entscheiden müssen. Wenn sie die Doppelthaler
ausser Kurs setzte, so konnte sie doch kaum die Ausser-
kurssetzung bloss auf die deutschen Doppelthaler be-
schränken, die österreichischen aber — ca. 25.500 Stück
waren von diesen geprägt — im Umlaufe belassen. Wollte
aber der Bundesrat mit den deutschen Doppelthalern auch
die österreichischen beseitigen, dann stand er unmittelbar
vor der' brennenden Frage: mit oder ohne Einlösung?
Und eben dieser Frage war man bisher mit aller Sorgfalt
aus dem Wege gegangen.
Seit dem Gesetz vom 20. April 1874 war der Bundes-
rat überhaupt nicht mehr berechtigt, die österreichischen
Thaler ausser Kurs zu setzen oder einzulösen. Dazu wäre
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1*. AB8CHK1TT.
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die Zustimmung des Reichstages notwendig gewesen. Der
Bundesrat hfttte also dem Reichstag ein Gesetz vorlegen
müssen, durch welches er die Berechtigung erhalten hätte,
die Österreichischen Doppelthaler ausser Kurs zu setzen
und auf Rechnung des Reiches zu 6 Mark das Stück einzu-
lOscn. Andrerseits hätte man ein solches Gesetz doch nicht
einseitig auf die Österreichischen Doppelthaler beschränken
können, sondern man hätte es notwendigerweise auch auf
die Österreichischen Einthalerstücke, welche ja genau
auf derselben Grundlage standen, ausdehnen müssen. Die
Einthalerstücke anders behandeln als die Doppelthaler, wäre
nicht angängig gewesen. Der Bundesrat war jedoch in sich
selbst über die ganze Frage nicht einig und wollte sich die
Entscheidung über Einlösung oder Nichteinlösung der Öster-
reichischen Thaler unter allen Umständen offen halten. Man
stand also vor einem bösen Dilemma. Aber man kam mit
grossem Geschick daran vorbei.
Am 2. November 1876 erfolgte die Bekanntmachung,
durch welche die Doppelthaler ausser Kurs gesetzt wurden.
Nach dieser Bekanntmachung erstreckte sich die Ausser-
kurcsetzung wirklich nur auf die Doppelthaler deutschen
Gepräges. Die grammatikalische Diktion ist zwar in § 1
etwas zweifelhaft. Es heisst dort:
»Die Zweithaler-(3'/* Gulden-)Stücke und die Drittel-
thalerstücke deutschen Gepräges gelten vom 15. November
1876 ab nicht ferner als gesetzliches Zahlungsmittel.“
Man konnte einen Augenblick im Zweifel sein, ob sich
die Worte »deutschen Gepräges“ vielleicht nur auf »Ein-
drittelthalerstücke“ beziehen; dass also unter den »Zwei-
thaler-(3V* Gulden-)Stüeken“ auch diejenigen österreichi-
schen Gepräges begriffen wären. Aber abgesehen davon,
dass diese Auslegung rechtlich nicht zulässig ist, weil die
Österreichischen Doppelthaler nur auf dem Wege der Ge-
setzgebung, nicht auf dem einfachen Verordnungs wege
ausser Kurs gesetzt werden konnten, ist in $ 2 auch die
grammatikalische Diktion vollständig klar. Es heisst dort :
»Zweithaler (3* ; Gulden-) und Eindrittelthalerstücke deut-
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t)IK ÖSTKRR. TMALER 1. DKUT8C1IL. N. 1). MÜKZREFORM. 95
sehen Gepräges*. — »Deutschen Gepräges* bezieht sich hier
auf „Stücke“, und Stücke sowohl auf „Eindrittelthaler-*
als auch auf »Zweithaler (3 1 /* Gulden.)*
Der Bundesrat setzte also thatsächlich die deutschen
Doppelthaler ausser Kurs, die österreichischen nicht,
formell wenigstens nicht. Thatsächlich jedoch beschloss
der Bundesrat in derselben Sitzung, in welcher die erwähnte
Bekanntmachung beschlossen wurde, „sich damit einver-
standen zu erklären, dass die Einlösungskassen
angewiesen werden, auch die zur Umwechselung
präsentierten österreichischen Doppelthaler anzu-
nehmen und gesondert abzuliefern.“ 1
Rechtlich hatte man sich damit nichts vergeben,
auch nichts bezüglich der Einthalerstücke österreichischen
Gepräges präjudiziert. Aber der Fiskus wechselte gewisser-
massen in seiner Eigenschaft als Privatmann aus Gefälligkeit,
ohne irgendwie dazu gezwungen zu sein, auch die öster-
reichischen Doppelthaler, welche gar nicht aufgerufen,
deren Ausserkurssetzung gar nicht ausgesprochen war, die
ihm ulso nur halb missverständlich zu den Einlösungskassen
gebracht worden konnten, mit einem zugedrückten Auge in
deutsche Reichsmünzen oder in Einthalerstücke um. Aller
Wahrscheinlichkeit nach wurden ihm ziemlich alle in Deutsch-
land umlaufenden österreichischen Doppelthaler gebracht.
Diese wurden nicht wieder ausgegeben, aber nicht etwa
demonetisiert: sie wurden gesondert aufbewahrt und be-
gannen in den Kellern der Reichsbank auf bessere Tage
für das Silber und auf eine Besserung der österreichischen
Valuta zu harren.
Ausser Kurs gesetzt sind diese Doppelthaler bis
heute noch nicht. 2 Der Bundesrat hat auch damals in
keiner Weise seine Kompetenz überschritten. Aber aus
1 Fünfte Denkschrift den Reichskanzlers über die Ausführung der
Münzgesetzgebung.
' R. Telsohow, der gesamte Geschäftsverkehr mit der Reichs-
bank, 0. Auflage, bearbeitet von A. S o h n o h t, kaiserl. Bankbuohhalter
ln Berlin (Relohshauptbank), bemerkt S. 114 in einer Anmerkung, die
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IV. ABSCHNITT.
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dem Umlauf beseitigt sind sie eben doch, so dass jetzt
eine Ausserkurssetzung derselben gegenstandslos wäre. Die
staatsrechtliche Frage: Einlösung der österreichischen
Thaler oder nicht? wurde also damals gewissermassen auf
privatrechtlichen) Wege umgangen und blieb, gemäss
den Intentionen des Bundesrates nach wie vor eine
offene. Für das Publikum erschien sie indes als that-
sächlich erledigt: umsomehr, als die österreichischen
Einthalerstücke selbst immer mehr aus dem Verkehr ver-
schwanden und sich in der lteichsbank ansammelten.
Von nun an blieb die Frage bis Ende des Jahres 1891
in Deutschland unverändert in demselben Stadium.
Österreichischen Doppelthaler «eien in Deutschland ausser Kurs
gesetst. Das ist naoh obigem ein Irrtum, jedenfalls dadurch horvor-
gerufen, dass die österr. Doppelthaler, welohe 1876 oingelCst wurden,
von der Reichsbank nicht ausgegebeu werden dürfen , und dass üsterr.
Doppelthaler thatsichlioh im Verkehr nicht mehr Vorkommen , der
Reiehsbank also auoh nicht in Zahlung angeboten worden können.
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V. AB8HITITT.
ÄNDERUNG DER STELLUNG DES
ÖSTERREICHISCHEN THALERS IN ÖSTERREICH.
I. DIE SOGENANNTE SELBSTREGULIERUNG DER
ÖSTERREICHISCHEN VALUTA.«
Von Österreich selbst, dom Heimatlande unserer
österreichischen Thaler habe ich bis jetzt sehr wenig er-
zählt, aus dem sehr einfachen Grunde, weil wenig von ihm
1 Für das nachfolgende sei auf die tahlreiohen gelegentlich der
Österreichischen Valutaregulierung erfolgten Veröffentlichungen hinge*
wiesen; insbesondere auf die im k. k. Finansminliterium verfassten
umfangreiohen Materialsammlungen .Statistische Tabellen tur Währungs-
frage* 1892, und .Tabellen zur Währungsstatistik“ 1893. — Fernerauf
Lexis .Papiergeld 1 ' im HandwOrterbuoh derStaatswissonsohaften, Bd.V.;
Lots, dleWährungsfrnge in Österreich Ungarn, in Schmollen Jahrbüchern
Bd. XIII. Heft 4, auch in Separatabdruok erschienen; Inatna Sternegg
die neue Währung»- und MUnzgesetsgebung in Österreioh-Ungarn, in der
Wiener Zeitschrift für Volkswirtschaft etc. 1892; Mataja, die Währung»*
enquOte, ebendort; Carl Menger, die Osterreiohisohe Valutaregulierung,
drei Artikel in Conrads Jahrbüohern, 1892; Ostersetzer, Währung»*
weohsel und Aufnahme der Barzahlungen, 1892, u. a. mehr.
Ich kann hier auf diese interessanten Dinge nicht näher ein-
gehen , da mich die Entwiokelung der Österreichischen Valuta nur so
weit zu interessieren hat, als sie auf das Verhältnis der Österreichischen
Thaler einen Einfluss ausübt. loh werde mich also in der Hauptsache
nur auf eine Darstellung des Thatsäohliohen beschränken, ohne
mloli in weit aussehende Erörterung übor dio Oründe diesor Entwioke-
lung elnzulnssen.
von tut. 7
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Helffertoh, Die Folgen lies ileul.ih-5.i err, Miln
Bayerische
Staatsbibliothek
UÜhCHll
08
v. Aiwctihirr.
zu erzählen war. Nach dem Anlauf zur Goldwährung im
Jahre 1867 prägte Österreich von 1870 ab ein nicht sehr
erhebliches Quantum von goldenen 8- und 4-Gulden- bzw.
20- und 10-Frankenstücken ohne indes einen einschneidenden
Entschluss zur Änderung seiner Geldverhältnisse zu treffen.
Die Noten der Nationalbank, neben ihnen die 1866 ge-
schaffenen Staatsnoten, hatten nach wie vor Zwangskurs,
und der Silbergulden genoss ein schwankendes Aufgeld.
Die erwähnten neugeschaffenen Goldmünzen hatten abgesehen
von Zollzahlungen 1 den Charakter von Handelsmünzen.
Seit 1873, mit welchem Jahr der Silberpreis auf dem
Weltmarkt stark zu sinken begann, trat in Österreich die
bekannte überraschende Erscheinung zu Tage, dass mit dem
Sinken des Silborwertes auch das Aufgeld des Silbcrguldens
gegen den Papiergulden fiel, während gleichzeitig die Wechsel-
kurse des österreichischen Papiergeldes gegen die Länder
mit Goldwährung ziemlich konstant blieben. Im Januar
1877 schwankte in Wien der Silberkurs, d. h. der Kurs des
österreichischen Silbcrguldens in österreichischen Papier-
gulden, noch zwischen 112,50 und 117,70; im April 1878
war er durchschnittlich 106,57; im Mai 105,33; im Juni
102,80; im Juli 100,92. Ende Juli war der Paristand mit
1 Nach dem Ocsetz vom 27. Juni 1878 linttcn in Österreich vom
1. Jen. 1679 eb die Zellzählungen in Gold zu erfolgen. Oie Tarifsätze
bezogen eich auf den erwähnten Goldgulden gleich 2,50 Frank; die
Zahlung konnte auch in SübermQnzen mit monatlich festgesetztem und
bekannt gemachtem Aufgeld erfolgen.
Durch Finanzministerial- Verordnung vom 27. Dezember 1878
wurde bestimmt,
in Art. 8) .Alle bisherigen Bestimmungen aber die Verwendbar-
keit ausländischer Silbermünzen zu Zollzahlungen werden hiermit ausser
Wirksamkeit gesetzt.“ — Das war eine partielle Ausserkurssetzung der
deutschen Thaler in Österreich, hatte indesa lediglich formale Be-
deutung. —
In Verzeichnis D. zu dieser Verordnung sind alle zur Zollzahlung
augelassenen SilbermOnzen aufgeführt; darunter die Ostcrr. F.in-Verelns-
thaler korrekt zu ihrem östorr. Geldwert von 1 '/» Gulden. — Die
Gsterr. Doppelthalor werden nioht erwähnt. Sie gnlten nlso für
Österreich offenbar als offiziell beseitigt.
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um ösmm. thalbr im östisrrbich. 99
100,15 nahezu, am 30. und 31. August war er thats&chlich
erreicht. 1
Es folgten von da ab nur noch ganz kleine Schwank-
ungen, denen ich hier nicht im einzelnen nachgehen kann.
Vom 1. Januar 1879 an kam kein Silberagio mehr zum
Vorschein. Da der Silberpreis immer noch zu fallon fort-
fuhr, die Wechselkurse des Auslandes auf Wien dieser
sinkenden Bewegung nicht im gleichen Schritte folgten,
rentierte es sich, Silber nach Wien zu schicken und aus-
prägen zu lassen. Die Arbitrage nutzte diese Konjunktur
voll aus. Die Silberprägung Österreichs stieg in unerhörtem
Masse. Die Zirkulation begann sich wieder mit Silber-
gulden zu fällen, allerdings nicht zur grossen Freude der
Österreicher, welche sich in den langen Jahren der Papier-
währung an die bequemeren Noten gewöhnt hatten.
So war denn ohne Zuthun der österreichischen Regie-
rung auf eine ganz unerwartete und damals sehr verschieden
erklärte Weise die Valuta Österreichs in dem Sinne wieder-
hergestellt, dass man für 100 Gulden Papier, wenn man
auch keinen gesetzlichen Anspruch auf deren Einlösung
seitens des Staates oder seitens der Bank hatte, doch über-
all thatsächlich 100 Silbergulden erhalten konnte.
Und die Folge für unsere österreichischen Thaler? —
Diese sind für Deutschland zunächst noch völlig belanglos.
Der Thaler galt in Österreich nach wie vor l l /t Silber-
gulden ; der Geldwert eines Silberguldens fiel auch jetzt noch
in Österreich mit seinem Silberwert zusammen, nur hatte
er sein Aufgeld gegen den Papiergulden verloren. Der
Thaler galt also auch jetzt in Österreich noch nicht mehr
als sein Stoffwert. Durch das Verschwinden des Agios war
nicht der Thaler in seinem Verhältnis zum Silber, sondern
nur das österreichische Papiergeld in seinem Verhältnis
zum Silbergeld berührt worden. Der gesetzliche Geldwert
dos Thalers in Österreich war zunächst immer noch an den
Wertgang des Silbers gebunden, nur der Wert des Papier-
geldes hatto sich zum Wert des Silbergeldes erhoben, oder
1 Ule Zahlen sind «Amtlich aus Menger eit. eutnommen.
7 *
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100
V. ABSCHNITT.
das Silber war, wenn man will, auf den Wert des Papier-
geldes gefallen. Die ganze interessante Selbstregulierung
der Österreichischen Valuta hatte also für unsem Thaler
keine Bedeutung.
Im übrigen fiel der Silberpreis mehr und mehr. London
notierte im Jahre 1879 für Silber durchschnittlich 51 l l* d.,
während das deutsche Reich auf Grund eines Silborpreises
von 60 T /» d. zur Goldwährung Ubergegangen war. Silber-
einziehungen und Silberverkäufe wären also für den deut-
schen Fiskus mit grossen Verlusten verbunden gewesen.
Im Mai 1879 stellte daher die Heichsregierung die Silber-
verkäufe und ebenso das Einziehen der Thaler ein. Ob das
ein Fehler war oder nicht, habe ich hier nicht zu beurteilen.
Durch diese Massregel waren die Thaler in unserm Münz-
system in Permanenz erklärt.
II. DER THALER WIRD AUCH IN ÖSTERREICH UNTER-
WERTIGES GELD. KONSEQENZEN DARAUS FÜR DIE
THALERFRAGE.
Mit der Wiederherstellung der effektiven Silberwäh-
rung in Österreich war das Schicksal des österreichischen
Geldes wieder eng an das Schicksal des Silbers geknüpft.
Da der Silberpreis stark fiel, musste auch der Wert des
österreichischen Guldens gegenüber dem Golde fallen.
Während bis zum Jahre 1878 die österreichischen Wechsel-
kurse in einem ziemlich festen Verhältnis zu den Valuten
der Goldwährungsländer sich gehalten hatten und von dem
Fallen des Silberpreises unberührt geblieben waren, mussten
sie von dem Augenblick an, in welchem der österreichische
Papiergulden das Pari mit dem Silbergulden erreicht hatte,
mit dem Silberpreis fallen. Niemand kaufte jetzt natürlich
einen Wechsel auf Wien zu einem merklich höheren Preise,
als ihn das in der betreffenden Summe gesetzlich enthaltene
Feinsilber zu stehen kam. Er konnte ja das Silber, da in
Österreich freies Prägerecht bestand, gegen l°/o Prägegebühr
jederzeit in Gulden ausmünzen lassen und damit seine Ver-
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DIE Ö8TERR. THALER IX ÖSTERREICH. 101
bindlichkeiten in Österreich begleichen. Soweit ging also
alles in den Geleisen einer gewöhnlichen Silberwfthrung.
Im Frühjahr 1879 trat die österreichische Valuta in
ein neues Stadium ein.
Das fortwährende Fallen des Silberwertes, verbunden
mit einer Überflutung des österreichischen Marktes mit
Silbergulden flng an, die österreichische Regierung ernst-
haft zu beunruhigen, sobald die österreichische Valuta selbst
dadurch direkt in Mitleidenschaft gezogen war. Was konnte
man thun, um die österreichische Valuta für die Zukunft
vom Fallen dos Silberpreisos unabhängig zu machen ? —
Man hob auf dem Verordnungswege die freie
Prägung für Privatrechnung auf.
Den Zustand eines Geldes mit gesperrter Prägung
habe ich gelegentlich der Einstellung der Silberkurantprägung
bei der deutschen Münzreform schon eingehend besprochen.
In Österreich wurde die Prägung freilich nicht völlig ge-
sperrt. Die Regierung behielt sich das Recht vor, für ihre
Rechnung auch fernerhin prägen zu lassen ; sie machte aber
davon nur einen mässigen Gebrauch.
Der Wort des österreichischen Geldes konnte sich jetzt
Uber den Materialwert seines gesetzlichen Silbergehaltes
erheben. Da man nicht mehr nach Bedürfnis das Pfund
) feinen Silbers in 45 Gulden verwandeln lassen konnte, war
die Möglichkeit gegeben, dass man im Bedarfsfälle das
Pfund Silber, wenn man gesetzliche Zahlungsmittel brauchte,
für weniger als 45 Gulden hingeben musste; etwa für 44,
43 oder 40.
Das war denn auch der thatsächliche Gang der Dinge.
Der Geldwert des Guldens erhob sich wirklich über den
Wert des gesetzlichen Silbergehaltes; und zwar zahlte man
1879 schon für '/« Pfund Silber, den gesetzlichen Silber-
gehalt eines Guldens, 96,85 Kreuzer ö. W. ; 1886 nur noch
91,95 kr.; 1891: 84,69 kr. Und heute, wo allerdings schon
der Übergang zur Goldwährung seine Schatten voraus werfen
mag, bei einem Kurs des österreichischen Guldens von
1,63 Mark und einem Silberpreis von 28 d. ist der Preis
von l /u Pfund Silber nur 50, 44 kr. ö. W.
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T. ABSCHNITT.
Also der Wert der gesetzlichen Zahlungsmittel stieg
Ober die Basis des Wertes des ursprünglichen Wllhrungs-
metalles; ganz wie in Deutschland der Wert des Thalers
sich nach gesperrter Prägung über den Wert von Pfund
Silber erhob, nur dass diesem durch die freie Vermobrbar-
keit der Goldmünzen in dem Wertgang des Goldes eino
obere Grenze gezogen war, bei welcher angekommen sein
Geldwert an das Gold geknüpft erschien. Eine solche obere
Grenze war dagegen dem Geldwerte des österreichischen
Guldens nicht gezogen.
So natürlich dieser ganze Vorgang ist, so mysteriös
wird er meistens aufgefasst; und zwar nur, weil hier in
Österreich Papiergeld mitspielt, und Papiergeld hat schon
seit den Tagen des John Law etwas sinnverwirrendes an
sich. Man behauptet: Der Papiergulden fing an, dem Silber-
gulden gegenüber ein Agio zu gemessen, nahm aber den
Silbergulden, weil dieser ihm, dem Papiergulden einmal
gesetzlich gleichgestellt war, gewissermassen widerwillig
mit sich in die Höhe. So behauptet L e x i s ', der Wert
des Silberguldens werde in Österreich durch seine Ver-
knüpfung mit dem Papiergulden Uber seinen
inneren Metallwert emporgehalten ; 1 und Lotz 8 , der Kurs
des Silberguldens werde — ähnlich wie in Deutschland der
Kurs des Thalers vom Golde — in Österreich vom Papier-
gulden durchgeschleppt ; 4 schliesslich In am a-Stern egg : 5
wie bei den Scheidemünzen folge der fiduziäre Wert
des Silberguldens der Wertbewegung des eigentlichen Wäh-
* Handwörterbuch der Btaatswissensohaften, Bd. V. 8. 99.
' Aber durch welche „V erk n Op tun g“ wird denn der Pap io r-
gulden Ober seinen innneren Papierwert emporhalten f
* Wahrungsfrage in Österreioh-Ungnrn. 8. 23.
( Dass ein unter wertiges Oeld — die Thaler — von einem
vollwertigen — dem deutschen Goldgeld — „durohgesohleppt"
werden kann, ist erklärlich. Dass aber der unterwertige Öster-
reichische Silborgulden von dem nooh viel unterwortigeren
Papier gülden durch gesohleppt werden soll, das heisst, dass ein
Einbeiniger sioh von einem Beinlosen spazieren tragen lasst.
* Die neue Wtlirungs- und MQnzgesetzgebung etc. olt. 8. 629.
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OIE Ö8TERR. THALER IH ÖSTERREICH.
108
rungsgeldes, der Note. 1 — Also bei allen Dreien die An-
sicht, dass nur durch seine glückliche Verbindung mit dem
Papiergulden der Silbergulden Uber seinen Silberwert empor-
gehalten wird. Als ob Papiergeld unbedingt nötig wäre,
um ein derartiges Phänomen zu erklären ! Hatte man doch
an dom holländischen Silbergelde, welches, nachdem seine
Prägung 1873 gesperrt worden, sich gleichfalls nicht un-
bedeutend über seinen Stoffwert erhoben hatte, genau das-
selbe Phänomen als Analogon, und zwar ohne dass Papier
in Frage stand!*
Ein Wunder liegt hier überhaupt nicht vor, am wenig-
sten ein solches, zu dessen Erklärung man der Metaphysik
des Papiergeldes benötigte. Es ging alles mit den natür-
lichsten Dingen zu. Der österreichische Staat hatte mit
der Aufhebung der freien Silberprägung das Monopol der
Silberguldenfabrikation ebenso in seine Hand genommen,
wie er das Monopol der Banknotenfabrikation von jeher in
der Hand gehabt hatte. Jetzt konnte er durch eine der
Nachfrage nicht entsprechende Fabrikation von gesetzlichen
Zahlungsmitteln den Wert derselben in die Höhe treiben,
und das that Österreich.* Das österreichische Geld geniesst
nun, was beim Papiergeld ja immer der Fall war, und nun
auch beim Silbergeld eintrat, einen viel höheren Wert als
der Stoff, aus dem es gefertigt. Warum soll der Staat dem
Papiergeld, zu dessen Einlösung er sich nicht verpflichtet,
einen Wert über dessen fast nicht vorhandenen Stoffwert
samt den Druckkosten verleihen können — einzig durch
beschränkte Ausgabe, und nicht durch eben dasselbe Mittel
der beschränkten Ausgabe den Wert eines Metallgeldes Uber
dessen Stoffwert halten können? Die Silber gülden waren
ja jetzt auf dieselben Existenzbedingungen gestellt, wie die
1 Und der nooh fiduzi&rere Wert der Note folgt der Wert-
bowogung wessen?
* Jetzt auoh an Indien.
* Bamberger, Reiohsgold 8. 111. „Zwizohen dem Prftgungs-
monopol und dor Goldpapierwirtsohaft besteht grunda&tzlioh kein Unter-
schied, boido legen es in die Iland des formgebenden Teiles, wie hoch
er sioh die gesetzliohe Form bezahlen lassen will.“ ff.
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104
▼. AB8CHXITT.
Goldennoten: sie waren Noten aus Silber; wie der
Staat die Notenpresse in der Hand hielt, so hielt er jetzt
auch die Prägemaschine. Aber der alte Mysticismus des
Papiergeldes traut eben dem Staate eher die Hexerei zu,
aus einem Nichts ein Etwas zu schaffen, als die weit
kleinere Fähigkeit, aus einem Etwas ein Etwas-Mehr
zu machen.
Kurz und gut: Es ist nicht richtig, dass der Papier-
gulden in Österreich ein Aufgeld gegenüber dem Silber-
gulden geniesst. Er geniesst ein »Agio“ gegen '/« Pfund
Silber, wenn ein Geld überhaupt ein Agio gegen eine Ware
gemessen kann. Aber */••' Pfund Silber ist eben noch nicht
ein Silbergulden, sondern nur eine Ware, die der Staat
allerdings, aber auch nur der Staat in einen Silber-
gulden verwandeln kann; und für diese Verwandlung kann
er kraft seines Monopols einen hohen Preis erzielen. — In
Österreich geniesst also nicht der Papiergulden gegen
den Silbergulden, auch nicht der Papiergulden
speziell gegen die Ware Silber ein Agio, sondern
der Wert der gesetzlichen Zahlungsmittel,
einerlei ob Papier- oder Silbergulden, hält
sich weit Uber dem Stoffwert des ursprünglichen
Währungsgeldes, der Wert des Guldens schlecht-
hin Uber dem Wert von */ 45 Pfund Silber.
Um nach dieser Abschweifung zu unsem österreichi-
schen Thal er n zurückzukehren :
Jetzt waren die Verhältnisse gegeben, von 1879 an,
nach welchen man, bei allenfallsiger Einlösung des Thalero
durch Österreich zu 1 */* Gulden, mehr bekommen konnte,
als seinen Stoffwert, also mehr, als sich bei einer Demo-
netisation der österreichischen Thaler und ihrem Verkaufe als
Material erzielen Hess. Jetzt waren ja die Thaler auch in
Österreich unterwertiges Geld. Der Überschuss ihres öster-
reichischen Geldwertes über ihren Materialwert wurde aller-
dings nie so gross, dass er den Wertrückgang des Silbers
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DIS Ö8TERR. THALER Ol ÖSTERREICH.
105
seit 1871 aufgewogen hätte. V/t österreichische Gulden
waren nun allerdings mehr wert, als */ao Pfund Silber, aber
nicht so viel wie # /'m Pfund Gold, der Geldwert des Thalers
in Deutschland; und diesen Wert erreichten 1*/* Gulden
auch in der Folgezeit nicht
Aus diesen Verhältnissen ergibt sich eine verschiedene
Stellung des Fiskus des deutschen Reiches und
der Privaten in Deutschland, welche österreichi-
sche Thaler besassen. Ein Privater wird seinen Thaler,
welcher in Deutschland 3 Mark gilt, naturgemäs nicht nach
Österreich tragen, wo er gesetzlich für 1*/* Gulden, d. i.
z. B. bei einem Kurs des österreichischen Guldens von
1,70 Mark 2,55 Mark, Geltung hat. Für ihn ist also, so
lange der Thaler in Deutschland zu 3 Mark gesetzliches
Zahlungsmittel ist, Österreich nicht vorhanden.
Anders liegt es für den Fiskus. Für ihn gewinnt
die Stellung Österreichs zu einer Einlösung seiner Thaler,
zu 1'/* Gulden das Stück, Interesse, da eine solche Ein-
lösung für ihn zwar immer noch verlustvoll, aber
doch vorteilhafter ist, als ein Verkauf der Thaler als
Material.
Jetzt wird die Frage erst praktisch, ob Österreich
seine Thaler einlösen wird, wenn sie ihm von der
deutschen Reichsregierung präsentiert werden. — Dass es
dem deutschen Reiche gegenüber rechtlich nicht zu einer
Einlösung verpflichtet war, habe ich bereits ausführlich
auseinander gesetzt. Es hing also eine Einigung völlig von
einem gütlichen Übereinkommen ab.
Hätte die deutsche Reichsregierung die österreichischen
Thaler nicht auch ohne Unterhandlungen mit der
österreichischen Regierung in den österreichischen Um-
lauf zu ihrem den Silberwert übersteigenden österreichischen
Geldwert zurückleiten können? — Rechtlich ohne Zweifel.
Einmal bestimmte Art. 87 der Statuten der österreichisch-
ungarischen Bank:
„Die Bank ist verpflichtet, gesetzliche Silbermünzen
in Banknoten bei ihren Hauptkassen in Wien und Budapest
auf Verlangen jeder Zeit einzulösen. “
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▼. ABSCHNITT.
Danach konnte also die deutsche Reichsregierung ihre
sämtlichen Österreichischen Thalor nach Wien oder Budapest
senden und sie an den Hauptkassen der österr.-ungarischen
Bank präsentieren. Für das Stück mussten diese 1 '/* Gulden
ö. W. in Noten zahlen. Denn die Thaler österr. Gepräges
waren in Österreich .gesetzliche Silbermünzen“, und ihr öster-
reichischer gesetzlicher Geldwert war V/t Gulden.
Ferner stand der deutschen Keichsregierung so gut
wie jedem Privaten in Österreich das Recht zu, in jedem
österreichischen Gelde, also auch in österreichischen Thalern
zu zahlen. Auf den ersten Blick sieht es also aus, als ob
die deutsche Reichsregierung lediglich auf privatrecht-
lichem Wege, ohne jedes Abkommen mit der österreichi-
schen Regierung, sich ihrer österreichischen Thaler auf dem
verhältnismässig weniger verlustbringenden Wege einer
Zurückführung in den österreichischen Umlauf hätte ent-
ledigen können.
Prüfen wir die praktische Ausführbarkeit dieses Ge-
dankens! — Auf alle Fülle mussten die österreichischen
Thaler vorher in Deutschland in aller Form ausser Kurs
gesetzt werden; auch dann, wenn es durch allmähliches
Zurückbehalten der an öffentlichen Kassen eingehenden
Stücke gelungen wäre, den ganzen Bestand in die Hände
der Reichsregierung zu bringen. Im deutschen Reich galt
eben bis zu seiner Ausserkurssetzung der österreichische
Thaler 3 Mark, in Österreich nur 1 '/* Gulden, und solange
IV* Gulden weniger waren als 3 Mark, und dem öster-
reichischen Thaler in Deutschland seine Geldeigenschaft nicht
entzogen war, mussten alle in den österreichischen Umlauf
gebrachten Thaler sofort nach Deutschland zurückströmen.
Die Massregeln der deutschen Reichsregierung hätten also
sein müssen : Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler,
mit kurzbemessener, eventuell 14-tägiger Einlösungsfrist;
diese Ausserkurssetzung war nur auf dem Wege der Gesetz-
gebung möglich. Dann etwa ein strenges Verbot, öster-
reichische Thaler im deutschen Reich wieder in Umlauf zu
bringen. Hierauf Verwendung der österreichischen Thaler
zu Zahlungen in Österreich.
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DIK ÖBTERR. THAI-ER IS ÖSTERREICH.
107
Dabei kam es aber ganz auf die Stellungnahme der
österreichischen Regierung an. Dieser wäre es jeden-
falls sehr unerwünscht gewesen, ungefähr 40 Millionen
Gulden jetzt auch in Österreich unterwertigen Geldes in den
Österreichischen Umlauf zurückströmen zu sehen, besonders
von dem Augenblick an, wo sie sich mit ernsthaften Gedanken
an einen Übergang zur Goldwährung trug. 1 Denn diese
immerhin nicht geringe Summe unterwertiger Thaler hätte
die bei einem Währungswechsel zu liquidierende schwebende
Schuld Österreichs nicht unbeträchtlich erhöht und so das
ganze Valutaregulicrungswerk erschwert.
Standen der österreichischen Regierung nun Mittel zu
Gebote, dio deutschen Operationen zu durchkreuzen? — Ein
sehr einfaches! Sie brauchte nur sofort nach der Ausser-
kurssetzung der österreichischen Thaler in Deutschland die
Ausserkurssetzung derselben auch für Österreich
auszusprechen, und zwar ohne Einlösung. Dazu war sie
unzweifelhaft vollkommen berechtigt.® Vor allem stand
Deutschland kein Einspruchsrecht zu. Sie konnte Deutsch-
land gegenüber ebensogut ihre österreichischen Thaler ausser
Kurs setzen, wie Deutschland ohne Einlösung die deutschen
Thaler, ohne dass Österreich dagegen hätte Einspruch
erheben können. Für Deutschland wären im normalon Falle
allerdings die Rücksichten auf seine Staatsangehörigen hin-
zugekommen, in Rücksicht auf welche es auch die öster-
reichischen Thaler nicht ohne Einlösung ausser Kurs setzen
konnte. Für Österreich wäre in diesem speziellen Falle eine
Rücksicht auf seine Unterthanen nicht ins Gewicht gefallen.
Es gab ja in Österreich so gut wie gar keine österreichi-
1 Siehe die Ausführung von Dr. Julius Landesberger in
Doms „Volkswirtschaftlicher Wochenschrift* v, 19. November 1891.
* „Vielmehr beruht heute die gesetzlioho Zahlkraft dieser Münzen
in Österreich auf Osterreiohisoh en Qesetien ... — niobt aber
auf internationalen Yerpfliohtungsakten. Jene einseitigen Bestimmungen
kann aber die heimisoho Staatsgewalt auoh einseitig ausser Kraft
setzen, ohne Tülkerreohtlioho Keohensohaft über den Modus der Ausser-
kurssetzung leisten zu müssen * Landesberger, a. a. 0., S. 411.
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T. ABSCHRITT.
sehen Thaler mehr, durch deren Nichteinlösung wäre also
kaum ein Österreicher geschädigt worden. 1
Die einfache privatrechtliche ZurQckleitung der öster-
reichischen Thaler in den österreichischen Umlauf war also
ein Weg, den die deutsche Heichsregierung zum mindesten
nicht gegen den Willen der österreichischen Regierung
beschreiten konnte. Die österreichische Regierung andrer-
seits hatte ein grosses Interesse daran, dass dieser Weg
nicht beschritten wurde. Die ganze Situation wies also
mehr denn je zuvor auf eine endgiltige Regelung der
österreichischen Thaler-Frage im Wege beider-
seitiger Verständigung hin.
1 ,Wm ihre eigenen Angehörigen betrifft, kßnnto die Monnrohie
eine Einlöaung völlig unterlaßen, denn ea befindet lieh hierzulando
wohl kein einziger Yeroin'thaler im Umlaufe.* - Landesbergor
a. a. 0., S. 410.
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VI. ABSCHNITT.
DIE LIQUIDATION.
I. DIE DEUTSCHE GESETZVORLAGE BETREFFEND DIE
VEREINSTHALER ÖSTERREICHISCHEN GEPRÄGES,
VOM 4. NOVEMBER 1891.
Im Jahre 1891 nahm die österreichisch- ungarsiche
Regierung mit etwas mehr Eifer als bisher Erwägungen
behufs Regulierung der Valuta in die Hand. Es war von
Anfang an kaum zweifelhaft, dass es sich bei den Mass-
nahmen der österreichisch-ungarischen Regierung um Vor-
bereitungen für den Übergang zur Goldwährung handelte.
Es war ferner zu erwarten, dass bei einer Neuordnung des
österreichischen Münzsystems die Ausserkurssetzung der
österreichischen Thaler in Österreich erfolgen würde.
Solche Erwägungen veranlassten die deutsche Reichs-
regierung, den ersten Schritt zur definitiven Lösung der
österreichischen Thaler-Frage zu thun.
Ende des Jahres 1891 war der thatsächliche Stand
folgender :
Von den ursprünglich geprägten Stücken im Betrag
von 31.115 849 Thaler = 93.347 547 Mark (ohne die 1868
nachträglich geprägten 168.304 Einthalerstücke — 504,912
Mark) herechnotc man als noch vorhanden, so gut wie aus-
schliesslich im deutschen Umlauf, ungefähr 78 Millionen
Mark. Von dieser Summe waren nach Soetbeer' nahezu
1 Literatur-NaohweU, Nachweis, Nachtrag 8. 306.
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110
TI. ABSCHNITT.
70 Millionen Mark in der deutschen Reichsbank angesammelt.
Genau wissen wir den Bestand der Reichsbank an öster-
reichischen Thalem am 10. Mai 1892 durch die »Tabellen
zur Wührungsstatistik“ des k. k. Finanzministeriums. Er
belief sich an diesem Tage auf 01.480 000 Mark. Am
1. April 1892 hatte Österreich schon 8.000 607 Mark in
österreichischen Thalem gemüss des später zu besprechenden
Abkommens übernommen.
Am 7. November 1891 legte nun der Reichskanzler
dem Reichstage einen Gesetzentwurf vor »betreffend die
Vereinsthaler österreichischen Gepräges*. Dieser Gesetz-
entwurf zog aus den vorhandenen Verhältnissen die letzte
Konsequenz, vor welcher sich die Reichsregierung bisher
gescheut hatte. Dass man die sich an den österreichischen
Thalern ergebenden Verluste auf den einzelnen Inhabern
sitzen lassen könne, dieses Gedankens wurde mit keinem
Worte mehr erwähnt; vielleicht schon deshalb nicht, weil
fast der ganze noch vorhandene Bestand von österreichischen
Thalem in der Reichsbank angesammelt wur. Die dem
Gesetzentwurf beigegebenen Motive betonten ausdrücklich,
es sei davon nuszugehen, »dass es nicht in Frage kommen
kann, diesseits die Thaler ohne gleichzeitige Einlösung zu
ihrem Nennwert (1 Thaler — 3 Mark) ausser Kurs zu setzen,
und hierdurch den gutgläubigen deutschen Inhabern einer
bisher als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannten Münze
einen erheblichen Verlust beizufügen*. Auch bei den Reichs-
tags verband hingen über die Vorlage schien der Stand-
punkt von 1874 völlig abgethan. Weder seitens der Regie-
rung noch seitens des Hauses kam man auf ihn zurück.
Der Gesetzentwurf selbst lautete:
,j$ 1. Der Buudesrat wird ermächtigt, die Ausser-
kurssetzuug der in Österreich bis zum Schluss des Jahres
1807 geprägten Vereinsthaler und Vereinsdoppeltlialer unter
Einlösung derselben auf Rechnung dos Reiches zu dem
Wertverhältnisse von 3 Mark gleich l Thaler anzuordnen,
und die hiefür erforderlichen Vorschriften fostzustellon“.
g 2 überweist die hierzu erforderlichen Mittel.
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IHK LIQUIDATION.
111
Das Gesetz erteilte also dem BundeBrat nur dieselbe
Befugnis, welche ihm bezüglich der Thaler deutschen Ge-
präges schon zustand, auch bezüglich der Thaler österreichi-
schen Gepräges, soweit sie bis zum Schlüsse des Jahres 1867
ausgemünzt sind. Dadurch wurden also diese österreichischen
Thaler völlig den Tiialern deutschen Gepräges gleich-
gestellt. Ein rechtlicher Unterschied war nach der An-
nahme dieses Gesetzentwurfes zwischen beiden Münzsorten
nicht mehr vorhanden. Nur in dem einen kleinen Neben-
umstande unterschieden sie sich noch, dass für die Thaler
deutschen Gepräges durch Artikel 8 des Münzgesetzes vom
9. Juli 1873 eine Einlösungsfrist von mindestens vier
Wochen, welche mindestens drei Monate vor ihrem Ab-
lauf bekannt zu machen ist, bestimmt, während bezüglich
der österreichischen Thaler die Bekanntgabe- und Einlösungs-
frist dum Befinden des Hundesrutes überlassen bleibt. Die
Motive begründeten das damit, dass die besonderen Ver-
hältnisse der österreichischen Thaler ein beschleunigtes
Verfahren allenfalls erfordern könnten.
Über die Art und Möglichkeit der Verwendung der
eingezogenen österreichischen Thaler sprechen sich die Motive
folgendermassen uns :
.Abgesehen von der Eventualität der Verwendung eines
Teilbetrages zur Herstellung von Heichssilbermünzen, Hesse
sieh diese Verwertung auf einem doppelten Wege bewirken;
einerseits durch Einschmelzung der Münzen und durch Ver-
üusserung derselben als Barrensilber, andererseits durch
ihre Zurückführung nach Österreich-Ungarn, woselbst die
Thaler bzw. Doppelthaler gemäss Art. 8 des Wiener Münz-
vertragos vom 24. Januar 1857 zum Werte von 1 V» bzw.
3 fl. österr. Währung gesetzliches Zahlungsmittel sind.
Welcher dieser Wege demnächst zu beschreiten sein
wird, hängt von der weiteren Entwickelung der Verhältnisse
ab und kann im Voraus nicht bestimmt werden. Zur Zeit
würde die Abschiebung der Münzen in ihre Heimat gegen-
über der Veräusserung als Barrensilber nicht unerhebliche
Vorteile bieten, welche in dem gegenwärtig den Silberwert
übersteigenden Stande der österreichischen Valuta und in
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112
VI. ABSCHNITT.
dem Wegfall des bei Einschmelzungen sich ergebenden,
erfahrungsgemäss auf 3,l°/oo zu schätzenden Verlustes in
folge von Abnutzung der MQnzen beruhen. Naturgemäss
wäre ein derartiger Verwertungsmodus ausgeschlossen, falls
die Thaler in Österreich selbst ausser Kurs gesetzt würden,
bevor die Ausserkurssetzung in Deutschland hätte erfolgen
können.*
Die Möglichkeit einer solchen — im unangenehmen
Sinne des Wortes — zuvorkommenden Ausserkurssetzung
der Thaler in der österreichisch -ungarischen Monarchie
wurde also auch von' Seiten der Reichsregierung ins Auge
gefasst; der deutschen Reichsregierung war es also auch
völlig klar, dass Österreich zu einer solchen Ausserkurs-
setzung unbedingt das Recht hatte, und dass sie dieser
Möglichkeit mit gebundenen Händen wehrlos gegenüberstand.
Die österreichisch-ungarische Regierung hätte uns also
ruhig auf ihren Thalern sitzen lassen können, und Deutsch-
land wäre nichts übrig geblieben, als sich darein zu finden,
oder „der Appell an die letzte Instanz, an die der Kanonen*
wie Bamberger 1 schreibt; also Entscheidung der Frage durch
die nackte Gewalt. Aber obwohl in Geldsachen die Ge-
mütlichkeit aufhört, lässt man doch nicht wegen einiger
Millionen ohne weiteres gegen seinen besten Bundesgenossen
Batterien autfahren!
Andererseits konnte Österreich gewissermassen aus
politischen Anstamlrücksichten sich gegenüber seinen Thalern
nicht völlig ablehnend verhalten. Diese Thaler trugen das
Bild des österreichischen Kaisers und den österreichischen
Doppeladler. Dies beweist allerdings nur, dass sie Münzen
österreichischen Ursprungs waren. Daneben waren
sie aber zweifellos auch österreichisches Geld; aller-
dings auch deutsches Geld und ganz im deutschen Umlauf.
Es erhob sich also die Frage: Kann Österreich eine seiner
Geldsorten ohne Einlösung ausser Kurs setzen? — Einen
solchen Schritt wollte Österreich, um sein Ansehen zu wahren,
nicht thun. Österreich hatte also nur das Interesse, dass
1 Silber, I. Teil, in der „Nation“ 1892, Nr. 29 — auch in Sonder-
abdruck erschienen.
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DIE LIQUIDATION.
113
sein guter Ruf nicht geschädigt werde durch Verkündung
der Thataacbe , dass es eine seiner Geldsorten ohne Ein-
lösung verrufe . 1 Diese Sorge machte Österreich geneigt,
ein Opfer zu bringen, wobei es zugleich die Stimmung
seines Bundesgenossen schonte — also nicht ein Rechts-
grund gegenüber dem deutschen Reich, sondern nur das
Interesse, vor der Welt sauber zu erscheinen.
Schliesslich hatte Österreich noch von den Zeiten des
deutschen Münzvereins her ein schlechtes Gewissen, mit
welchem belastet es Bich nicht so ganz auf seinem Schein
zu bestehen getraute. Es hatte, allerdings unter dem Drucke
der politischen Verhältnisse, trotz gegenteiliger Abmachungen
den Zwangskurs für sein Papiergeld beibehalten, und die
mitvertragenden Staaten waren rücksichtsvoll genug ge-
wesen, ihm diesen Vertragsbruch nachzusehen . 2
Das waren aber immerhin noch keine Gründe, welche
Österreich bestimmen konnten, den ganzen Betrag seiner
Thaler zurückzunehmen , die seit vielen Jahren aus seiner
Zirkulation verschwunden waren, deren Existenz und Um-
lauf also dem Interesse Österreichs in nichts gedient hatte.
Zudem waren sie seiner Zeit vollwertig ausgeprägt worden,
die deutschen Staaten hatten an dem vor der Münzreform
erfolgten Einströmen der österreichischen Thaler keinen
Schaden erlitten, höchstens einen nicht erheblichen Münz-
gewinn nicht gemacht — wenigstens ist das meine Ansicht,
und ich habe sie oben ausführlich entwickelt. — An dem
nach der Münzreform erfolgten Einströmen der österreichi-
schen Thaler nach Deutschland, welches uns schädigte, weil
damals die Thaler schon unterwertig waren, trug nicht der
Zwangskurs in Österreich die Schuld, sondern der durch
die deutschen Massnahmen herbeigeführte Überwert des
1 A. Ostersetser, Zur Geschichte der österreichischen Yereins-
thaler, Dorna „Volkswirtschaft!. 'Woohensohrift“ ». 19. Nor. 1891, 8.
409. „Geschehen muss, was Reohtens und unseres Staates würdig ist.*
* Die Frage ob duroh diesen Zwangskurs die deutsche Zirkulation
mit österr. Thalern Ob er füllt worden sei, habe ich bereits oben
erledigt.
H »1 ff« r 1 0 h , Dl« Folget, de« deutich -ö«t«rr. Münnereinl »OB 1867. 8
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114
TL ABSCHNITT.
Thalers über seinen Stoffwert im deutschen Reich, und
1 die Versäumnis einer rechtzeitigen Aussperrung der
| noch draussen befindlichen Stücke. Also im ersten Falle
überhaupt keine Schädigung Deutschlands, im zweiten Falle
allerdings eine Schädigung, aber durch die Schuld der deut-
schen Gesetzgebung selbst.
Für Österreich lag mithin absolut kein Anlass vor, die"
Unterwertigkeit seiner Thaler ganz auf sich zu nehmen.
Es war schon eine anerkennenswerte Konzession,
wenn es sich herbeiliess, einen Teil derselben zu tragen.
II. DAS ABKOMMEN ZWISCHEN DEM DEUTSCHEN
REICHE UND ÖSTERREICH.
Noch ehe die besprochene Gesetzvorlage im deutschen
Reichstage zur Beratung gelangte, traten Österreich
und das deutsche Reich Uber die e n d g i 1 1 i g e L i q u i-
dation der österreichischen Thaler mit einander
in Unterhandlungen. Es kam ein Vergleich zustande,
»den nach Herkommen wohl beide Teile schlecht finden,
aber doch besser als einen guten Prozess.“ (Bamberger). 1
Der Text des Abkommens ist bis heute nicht veröffentlicht
worden, jedoch ist sein Inhalt durch offizielle Mitteilungen
hinreichend bekannt.
Österreich fand sich bereit, von den in Deutschland
befindlichen österreichischen Thalern 8*/s Millionen Stück,
gleich 2G M illionen Mark, den Thaler zu 1 '/* Gulden ü. W.,
die Gesamtsumme nlso zu 18 Millionen Gulden, zu über-
nehmen. Man veranschlagte damals den noch vorhandenen
Gesamtbestand der österreichischen Thaler auf 78 Millionen
Mark. Österreich übernahm also davon ein Drittel.
Natürlich war Österreich verpflichtet, diese Thaler zu
demonetisieren oder einzusperren; denn sobald sie wieder
ausgegeben wurden, mussten sie nach Deutschland zurück-
strömen. Die Überführung des österreichischen Anteils
1 Silber. L Teil.
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DIE LIQUIDATION
115
sollte ratenweise geschehen und wurde auf eine längere
Periode verteilt. 1
Beide Teile nahmen die Ausserkurssetzung der öster-
reichischen Thaler in Aussicht. In Österreich erfolgte die-
selbe durch Verordnung des Finanzministers vom 12. April
1898 am 1. Juni 1898. Von diesem letzteren Tage an
bis zum 30. Juni löste die österreichische Regierung Vereins-
thaler und Doppelthaler ihres Gepräges zu l 1 /* bezw. 8
Gulden oin. Natürlich waren die Bestände der deutschen
lloichsbank und der deutschen Reichskassen von dieser
Einlösung ausgeschlossen, weil sonst das ganze Abkommen
aus dem Frühjahr 1892 illusorisch gewesen wäre. Für die
deutschen Privatleute aber wäre diese Einlösung unvor-
teilhaft gewesen. Sie war also nur wirksam für öster-
reichische Thalerbesitzer.
Nach vorläufigen Ausweisen sind zur Einlösung ge-
langt:
15.319 Einthalcrstücke, 1.590 DoppelthalerstUcke. 2
Die Summe ist zwar recht unbedeutend, aber merk-
würdig ist es doch, dass selbst dieser kleine Betrag in
Österreich zur Einlösung gelangen konnte, nachdem mehr
als zwei Jahrzehnte die gegen 20 Prozent höhere Bewer-
tung der Thaler in Deutschland unausgesetzt auf ÖsteiTeich
eingewirkt hatte. Einen Augenblick vermutete ich, es seien
das in der Hauptsacho vielleicht Thaler aus dem Jahre
1868. Für die 1.590 Doppelthalerstücke trifft das gewiss
nicht zu, weil 1868 nur Einthalcrstücke geprägt worden sind.
1 Staatssekretär des Reiohssohatzamtes Frhrr. ▼. Maltzahn im
deutsohen Reiohstag am 12. Febr. 1892. Sten. Ber., 8. 4131 u. 4132.
Band Vit
„Raoh den vorläufigen Verständigungen, welohe mit der k. k.
üsterroichisoh • ungarischen Regierung stattgefunden haben, besteht
die Absioht, diese Ausserkurssetzung frühestens dann vorzunehmen,
wenn die österreichisch-ungarische Regierung den von ihr zu über-
nehmenden Teil der Thaler übernommen hat, u n d diese Ob ern ahme
ist auf eine längere Periode verteilt."
' „Tabellen zur Währungsstatistik“ des k. k. Finanzministeriums.
1893, S. 189. Kr. 18 der Aktenstücke der Silberkommission zu Berlin
1894.
8 *
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116
VI. ABSCHNITT.
Im deutschen Reich ist die Ausserkurssetzung bis jetzt
noch nicht erfolgt, und damit haben wir die Eingangs er-
wähnte Merkwürdigkeit: Ein Geldstück, das von seinem
Heimatland verstossen, von einem fremden Staate
adoptiert ist.
Das Abkommen setzte Deutschland keinen Endtermin
für die Ausserkurssetzung 1 ; es verpflichtete die Reichs-
regierung nur, die Ausserkurssetzung nicht eher vorzu-
nehmen, als bis Österreich seinen Anteil an den Thalern
vollständig übernommen.* Die Befugnis zur Ausserkurs-
setzung steht durch das Gesetz vom 28. Februar 1892, den
unverändert angenommenen Entwurf vom 7. November 1891,
dem Bundesrat zu.
Von den 1868 geprägten österreichischen Vereinsthalern
scheint auch das Abkommen vom Frühjahr 1892 nicht zu
handeln.* Jedenfalls hat das deutsche Reich in diesem
Abkommen diese nachgeborenen Thaler nicht anerkannt
und deren Einlösung nicht übernommen. Denn auch das
Gesetz vom 28. Februar 1892, welches nach dem Ab-
kommen mit Österreich beraten und erlassen wurde,
berechtigt den Bundesrat nur zur Ausserkurssetzung
und Einlösung der .bis zum Schlüsse des Jahres
1867 in Österreich geprägten Vereinsthaler und
Vereins-Doppelthaler.“ — Andrerseits heisst es in den
.Tabellen zur Wahrungsstatiatik“ 1893, verfasst im k. k.
1 Nach einer Erklärung de* Staatssekretär* den RclohssohatzamteR
Graf t. Posadowskj in der Sitzung des Reichstags vom 6. April IS94.
* .Tabellen zur Währungsstatistik* des k. k. Finanzministeriums.
1893 . 8. 200. Im Widerspruch damit schreibt E. Schling, die Gesetz-
gebung des deutschen Reiches auf dem Gebiete des bürgerlichen und
sozialen Rechts, Leipzig 1894; 8. 85. Anm. 2.
.Die Ausserkurssetzung der österreiohisohen Vereinsthaler hat
bis zum 1. April 1894 zu erfolgen.“ — Nach welcher Abmachung oder
Bestimmung ist nicht gesagt. Offenbar liegt ein Missverständnis
vor, hervorgorufen dadurch, dass am 1. April 1894 die letzte Thalor-
abschiebung an Österreich zu erfolgen hatte. — Übrigens ist der zitierte
Sats bereits durch die Thatsaohen widerlogt, da der 1. April 1894 vorüber-
ging, ohne eine Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler zu bringen.
' Dass auoh die in der Silberkommission vorgelegten Akten nioht
von ihnen sprechen, bube ich oben bereits erwähnt.
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DIE LIQUIDATION.
117
Finanzministerium, deren Inhalt man amtlichen Charakter
beilegen darf, auf Seite 200 unter .Deutschland“:
.Nach diesem Abkommen wird sich der Vorrat Deutsch-
lands an diesen Thalem um den Betrag von 8 2 /s Millionen
Thaler verringern. Es werden von den im Gesamtbeträge
von 31.284157’ ausgeprägten Thalem nur 22.950824’/»
Thaler = 68.852 473 2 Mark in Deutschland zur Einlösung
gelangen können*.
Hier ist also unzweideutig angenommen, dass das
deutscho Reich die Einlösung aller österreichischen Thaler,
auch der 1868 geprägten, übernommen habe. Worauf
sich diese Annahme gründet ist mir unbekannt. — Jeden-
falls sind in Österreich seit dem 1. Juni 1893 alle öster-
reichischen Thaler ausser Kurs gesetzt, in Deutschland haben
stets nur die bis zum Schlüsse des Jahres 1867
geprägten österreichischen Verein sthaler gesetz-
lichen Kurs gehabt. Gegenwärtig schweben also die 168 304
im Jahre 1868 geprägten Stücke völlig in der Luft.
Es wäre interessant zu erfahren, ob sich in den Beständen
der deutschen Reichsbank, wo ja weitaus der grösste Teil
aller noch vorhandenen österreichischen Thaler sich Beit
Jahren befindet, sich zur Zeit des 1. Juni 1893 auch im
Jahre 1868 geprägte Stücke befanden, ob diese während der
Einlösungsfrist vom 1. Juni bis 30. Juni 1893 Österreich
präsentiert wurden, oder was gegenteiligen Falles dem
entgogengestanden.
Die relative Vorteilhaftigkeit des ganzen Abkommens
für das deutsche Reich musste natürlich ganz von den
Kursen der österreichischen Gulden bei jeder einzelnen Ab-
1 Bis ium Sohlusse de» Jahres 1867 waren nur 81 115849 Thaler
ausgeprägt. 1868 kamen nooh 188304 Staok dazu. Die Summe beider
Zahlen ist 81284 153. Dio Zahl 31284157 scheint also einen Druck-
fohler su enthalten.
* Auoh diese Zahlen sind etwas in Unordnung. 81 284 157 —
8*/s Millionen giebt 22 617 49 1 '/„ nicht 22 95082 4>/i Millionen. Dem
entsprechend ändert sioh auoh der dort berechnete Betrag in Mark.
Oberhaupt haben diese Zahlen keinen grossen Wert, da sie nioht die
Abgängu durch Einschmelzen und Verluste in Betraoht ziehen.
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118
TI. ABSCHNITT.
Schiebung und von den gleichzeitigen Silberpreisen auf dem
Weltmärkte abhängen. Bei einem Kurs des Österreichischen
Guldens von 1,70 M. und einem gleichzeitigen Londoner
Silberpreis von 30 d. würden wir von Österreich für die
8*/s Millionen Thaler 22.100000 Mark erhalten, also einen
rechnungsmässigen Verlust von 3.900000 Mark erlitten
haben; dagegen hätte uns der Verkauf der 8*/s Millionen
Thaler als Barrensilber, unter Abrechung des Einschmel-
zungsverlustes von 3,1 °/oo — nur 12.781.490 Mark gebracht;
es wäre das also ein Mehrverlust von 9.328.(533 Mark.
Mit welchem finanziellen Erfolge die Operationen er-
folgt sind, darüber liegt uns ein Bericht noch nicht vor. 1
ln Deutschland scheint eine nahe Ausserkurssetzung
der österreichischen Thaler auch heute noch nicht zu er-
warten sein. Es scheint, dass man die Vorräte allmählich
durch - Verwendung als Material für gelegentliche Iteichs-
silbermünzprägungen aufzehren will ; so soll wenigstens jetzt
für die beschlossene Neuprägung von 22 Millionen Mark
Silberschoideniünzcn das Materiul aus österreichischen Thalern
geliefert werden, wie der Staatssekretär des Iteichsschatz-
amtes in der Ueichstagsitzung vom 6. April 1894 orklärto.
Zur Prägung dieser 22 Millionen Mark Iteichssilbermünzen
würden 20 Millionen Mark in Thalern verbraucht werden,
da die Iteichssilbermünzen 10 Prozent leichter als die Thaler
geschlagen werden. Der uns nach der Abschiebung von
26 Millionen Mark an Thalern nach Österreich noch ver-
bliebene ltest von etwa 52 Millionen Mark* wird also durch
1 Aus den Akten der Silberkommission erfahren vir nur, dass
Österreich «einen Betrag an Saterreiohiaohen Thalern in 3 Raten au je
8666667 Mark Anfänge April 1892, 1893 und 1894 übernommen hat.
* In der Reiohabank lagen Ende April 1894 47 165000 Mark ln
Saterreiohiaohen Thalern. „Da die Stücke «eit Jahren ron der Reioha-
bank eorgfültig angeaammelt worden aind und daa wiederholt auf-
tauchende Qerüoht, die Auaaerkuraaetzung der Saterr. Thaler etehe un-
mittelbar bevor, geeignet war, dieae Ansammlung wirksamer zu unter-
stützen, lat kaum anzunehmen, dass mehr als 4 bis 5 Millionen Mark
sich nooh in Zirkulation befinden.“ (Akten der 8ilberkommisaion, Nr. 13.)
Danaoh wtren also dem doutaohen Reiche 51 bis 62 Millionen Mark in
Saterr. Thalern geblioben.
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DIB LIQUIDATION.
119
diese neubeschlossene Scheidemünzprftgung bis auf etwa
82 Millionen Mark vermindert werden. — Im Verkehr ist
ohnedies nur noch ganz selten ein österreichischer Thaler
anzutreffen, da weitaus der grösste Teil der noch vorhan-
denen in der Reichsbank angesammelt ist, welche schon seit
langer Zeit Anweisung hat, die bei ihr eingehenden StUcke
festzuhalten. 1 Mit ihrer förmlichen Außerkurssetzung und
damit der Beseitigung eines Zustandes, welchen schon die
Motive des Gesetzentwurfes vom 7. November 1891 als
»münzpolitisch nicht wohl angängig“ bezeichnen,* hat es
trotzdem vielleicht noch gute Weile.
1 Sitzung den Reichstags Tom 10. Februar 1892, 8ten. Ber. Band
VI. S. 4089-90. Dr. Bachem als Berichterstatter der Kommission:
»Schon seit Jahren ist die Reiohsbank angewiesen worden, diese
Thaler, wenn sie einliefen, festzuhalten und in den Kellern der Bank
zu thesaurieren.“
* »Eine Münze fremden Gepräges, welohe innerhalb ihres Heimat-
landes koine Giltigkeit mehr besitzt, nichtsdestoweniger in Deutschland
als gesetzliches Zahlungsmittel zu behalten, könnte münzpolitisoh nioht
wohl für angängig eraohtet werden.“
/ '
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SCHLUSS.
VERGLEICHUNG MIT DER LIQUIDATIONSFRAGE DES
LATEINISCHEN MÜNZBUNDES.
Wie bereits eingangs erwähnt: nicht weil den hier
besprochenen Fragen irgend welche grössore praktische
Bedeutung zukäme — es handelt sich ja nur um vergleichs-
weise geringfügige Summon — , habe ich die vorstehende
Untersuchung unternommen, sondern nur deshalb, weil diese
Fragen eine reiche Quelle theoretischer Erkenntnisse für
die Natur unseres modernen Geldwesens, und besonders
für die Natur der Münzvereine sind, in erster Linie, weil
es sich hier klar und deutlich zeigt, dass das Gepräge einer
Münze für deren Geldcharakter ohne alle Bedeutung
ist, dass für diesen lediglich rechtliche und vor allem
thatsächliche Verhältnisse in Frage kommen.
Wir haben gesehen : Unbestreitbar sind die österreichischen
Thaler österreichische Münzen; rechtlich sind sie
trotzdem deutsches, daneben auch österreichisches
Geld, nach den thatsächlichen Verhältnissen waren sie,
mindestens von 1872 an, nur deutsches Geld. 1 Öster-
reich hatte demnach weder eine rechtliche noch eine
moralische noch sonst eine Verpflichtung, den an den öster-
* Lan d eiberge r in Doms ,Volkiw. Woohensohrift“ y. 19. Noy.
1891, S. 411:
„Faktisohe QeldqualitAt haben dann auoh die Vereinathaler
wlhrend ihre* gansen Umlaufe» bloss im Reiohe genossen.*
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SCHLUSS.
121
reiohischen Thalem entstandenen Verlust mitzutragen.
Wenn es dennoch durch das Abkommen von 1892 einen
Teil desselben auf sich nahm, so geschah dies — wie schon
oben gezeigt — nur als ein Opfer an das in dem
Vorurteil des Gepräges befangene allgemeine
KechtsbewusBtsein, welches — wie Landesberger
sehr richtig sagt — »wegen der Kürze der Zeit noch nicht
Gelegenheit gefunden hat, sich mit den höchst eigentüm-
lichen Rechtsfragen der hinkenden Währung vertraut zu
machen“.*
Sehr oft wird die Frage der Liquidation des
lateinischen Münzbundes mit den hier besprochenen
Verhältnissen in Parallele gestellt. Mit einer gewissen
Berechtigung, obwohl zwischen beiden Fragen auch sehr
grosse Verschiedenheiten bestehen. Jedenfalls ist eine Ver-
gleichung beider sehr geeignet, die gewonnenen Erkenntnisse
in hohem Grade zu bestärken.
Die Liquidationsfrage des lateinischen Münzbundes ist
praktisch sehr viel wichtiger, als die Frage der österreichi-
schen Thaler. Es handelt sich hier um einige Hundert
Millionen Franken, und hauptsächlich für das kleine Belgien,
für welches Hundert Millionen fast so viel bedeuten, wie
für Deutschland eine Milliarde. Diese Liquidationsfrage
hat daher die öffentliche Aufmerksamkeit in weit höherem
1 Landesbergor, a. a. O., 8.411. — Der Ausdruck „Rechtsfragen
der hinkenden Währung“ scheint mir nioht sehr gldoklioh gewählt-
Das charakteristische liegt bei dieser und analogen Fragen in dem Zu-
sammentreffen dreier Umstände: erstens in dem Bestehen oder
Bostanden-habe n von Münsbilnden mit g o m ei ns oh af t -
Hohen Umlaufsmitteln, und gerade dieses Moment ist in dem Aus-
druok „Rechtsfragen der hinkenden Währung“ nioht enthalten; ureitens
in der Vornahme eines W ähr ungs w eoh s el s, ehe die Gemein-
schaftlichkeit des Umlaufsmittels gelöst ist; drittens in
dem duroh diesen Währungawoohsel swar nioht notwendiger Weise
verursachten, aber dooh bedingten Unterwertigwerden des ge-
meinsamen bisher vollwertigen Umlaufsmittels. Gerade
die völkerreohtliohe Verteilung des daduroh entstehenden Ver-
lustes ist der springende Punkt sowohl bei der österreichischen Thaler-
frage, als auch bei der Liquidation des lateinischen MQnsbundes.
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122
SCHLUSS.
Grade beschäftigt, als unsere deutschen MQnzvereinsfragen.
In Deutschland hat Bamberger ein ausgezeichnetes Buch
Ober .Die Schicksale des lateinischen Münz-
bund es* geschrieben, in welchem der Standpunkt des
Gepräges fast ganz verlassen ist. Die letzten Konsequenzen
hat aber selbst Bamberger nicht gezogen. Eine kurz-
umrissene Klarlegung der Frage in Parallele zu der oben
ausführlich behandelten durfte daher nicht nutzlos sein.
Im Dezember 18b5 ward der lateinische Münzbund
gegründet. Er umfusste Frankreich, Italien, Belgien und
die Schweiz. 18(>8 trat Griechenland bei. Letzteres kommt
für uns nicht in Betracht.
Während der deutsche Münzverein drei verschie-
dene Landeswährungen bestehen lioss und Uber
diesen ein gemeinschaftliches Umlaufsmittel an den
Vereinsthalern hatte, schuf der lateinische Münzbund eine
völlige Münzeinheit, sodass in allen beteiligten
Staaten dieselben Münzstücke nach denselben tech-
nischen Vorschriften geprägt wurden. Gesetzliche Zahlungs-
kraft im strengsten Sinne genossen in jedem Lande aller-
dings nur die eigenen Landesmünzen, diejenigen der mit-
vertragenden Staaten jedoch Kassenkurs, was einen that-
sächlich völlig gemeinschaftlichen Umlauf herbeiführte.
Ein charakteristischer und weit gehender Unterschied : wäh-
rend der deutsche Münzverein nur Kurantmünzen als
gemeinsames Umlaufsmittel kannte, Hessen die Staaten des
lateinischen Münzbundes auch die Scheidemünzen der
mitvertragenden Staaten zu. 1 Jeder Staat durfte indes nur
1 Vor dom Vertrag existierten in den betreffenden Ländern keine
unterwertig ausgeprägten Silber-SeheidemQnxen. Die SilberstUoko waren
alle vollwertig ausgeprägt, wie da* Fflnffrankenstilck.
Ala nun seit 1850 etwa auf dem Weltmarkt der Preis des Golde*
gegen den Silberpreis fiel und unter die in der lateiniaohen Doppel-
währung angenommene Relation herabaank, war die Folge, das* Gold
maasenhaft xu den MOmatätten gebraoht wurde, Silber ao gut wie gar
nicht; vielmehr strömte das Silbergeld bedenklich ab. Es entstand
Mangel an Frankenatilcken, */»* und 2 Frankenstdoken, ohne welche aioh
der Verkehr nicht behelfen konnte. Dieser Zustand war der eigentliche
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SCHLUSS.
123
6 Frank auf den Kopf Beiner Bevölkerung prägen, musste
seine Scheidemünzen auf Verlangen von Privaten oder eines
der mitvertragenden Staaten jederzeit in Beträgen von nicht
unter hundert Franken in Kurantgeld umwechseln und diese
Umwechselung auch noch eine bestimmte Zeit nach seinem
eventuellen Ausscheiden aus dem Münzbunde bethätigen.
Das war eine Liquidationsklausel, die schon im ursprüng-
lichen Vertrage stand und welche in der Natur der Scheide-
münzen bedingt war. An eine Liquidationsklausel für sil-
berne Fünffrankenstücke dachte damals niemand, konnte
damals überhaupt niemand denken. Fine solche konnte
erst unter den Verhältnissen, wie wir sie später kennen
lornon, in Frage kommen.
Der tiefgehendste Unterschied zwischen beiden Münz-
bünden war jedoch : Der lateinische Münzbund beruhte auf
der Doppelwährung, Gold und Silber waren frei aus-
prägbar und in dem bekannten Tarifierungsverhältnis ge-
setzliches Zahlungsmittel; im deutschen Münzverein dagegen
herrschte ein monometallisches System, die reine
Silberwährung.
So viel über die Verschiedenheit der Basis, auf
welcher beide Vereinigungen beruhten. Wir kommen nun
zu ihrer beiderseitigen Entwickelung.
Wie der normale Gang der Dinge im deutschen Münz-
verein durch die Papierwälirung in Österreich, so wurde er
im lateinischen Münzbund durch den Zwangskurs und die
Aufhebung der Baarzahlungen in Italien von 1866 — 1883,
und in Frankreich von 1870 — 1878 unterbrochen. Die
inneren Verschiebungen der Umlaufsmittel — dass z. B.
Anlass zur Gründung des lateinischen Münzbundes. Um sich das kleine
Silbergeld zu erhalten, verabredeten sioh die genannten Staaten, die
Sttioke von 2 Frank abwärts statt W0 / 10M fein nur ,M /iooo fein, aber im
gleiohen Sohrot wie bisher auszupr&gen. Ihre Zahlungskraft wurde
gemcinsohaftlioh auf 50 Frank beschränkt. Dio FünffrankenstUoke blieben
vollwertig. Der lateinische Münzbund war also von den beteiligten
Staaten geschlossen, um sioh ihr Silbergeld zu erhalten; die
Ironie des Sohioksala will es, dass bei seiner Auflösung jeder Staat
sioh so gut als möglich seines Silbers zu entledigon Bucht.
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SCHLUSS.
Deutschland fast alle österreichischen Thaler, Frankreich
sehr viel italienisches und, aus andern Gründen, auch bel-
gisches Geld — Gold- und Silbergeld — aufnahm, hatten
jedoch solange nichts nachteiliges, als nicht eine Verschiebung
der ursprünglichen Vertragsbasis, ein Währungswechsel
eintrat. £in solcher kam in beiden Münzvereinen. Zu
unterscheiden ist jedoch, dass der deutsche Währungs-
wechsel eintrat, als zwar ‘nach den Landesgesetzen
in Deutschland und Österreich die Gemeinschaftlichkeit
des Umlaufs an Vereinsthalern noch fortbostand, vor-
tragsmässige Abmachungen über das gemeinschaftliche
Umlaufsmittel jedoch nicht mehr existierten; dass im lateini-
schen Münzbund der Währungswochsei jedoch während
d e r D a u e r des vertragsmässigen Verhältnisses selbst voll-
zogen wurde. Ferner: Während im ehemaligen deutschen
Münzverein durch Deutschlands Übergang von der Silber-
währung zur Goldwährung, also durch einen einseitigen
Währungswechsel, das gesamte ursprünglich vollwertige
Kurantgeld nur in einem Teile des Münzvereins, nämlich
in Deutschland , unterwertig wurde , in dem andern da-
gegen, in Österreich in Folge der fortbestehenden Silbor-
währung, vollwertig blieb, ereignete es sich im lateini-
schen Münzbunde, dass durch den Übergang sämtlicher
Beteiligten von der Doppelwährung zur thutsächlichen Gold-
währung nur ein Teil des bisher vollwertigen Kurant-
geldes, nämlich das S i 1 b e r kurantgeld , unterwertig
wurde, und zwar gleich mässig in allen beteiligten
Staaten. — Beim deutschen Münzverein haben wir also
einen Staat , der die Unter Wertigkeit der gesamten,
ursprünglich gemeinsamen Umlaufsmittel empfindet, beim
lateinischen Münzbund ist es die Gesamtheit der Vertrags-
staaten, welche unter der Unterwertigkeit nur eines
Teiles der gemeinschaftlichen Umlaufsmittel leidet.—
Verluste ergeben sich in beiden Fällen. Wie sind diese bei
einer endgiltigen Regelung zu verteilen! 1
Juristisch ist in beiden Fällen eine Entscheidung
unmöglich. Im Falle der österreichischen Thaler existierte
kein völkerrechtlicher Vertrag mehr, auch alle subsidiären
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SCHLUSS.
125
Rechtsquellen versagten. Von irgend welchem Gewohnheits-
recht kann keine Rede sein, wo jeder Präcedenzfall fehlt.
— Im Falle der lateinischen Münzunion existierten wohl
noch die Verträge von 1865. Diese waren jedoch nur
auf vollwertiges Kurantgeld zugeschnitten und be-
stimmten eine Liquidationspflicht nur für die Scheide-
münzen. 1 Durch Einschränkung der freien Silberprägung
am 31. Januar 1874, und vollends durch Sperrung der Silber-
prägung überhaupt am 5. November 1878 war aber der
lateinische Münzbund de facto zu einer andern Währung
übergegangen von der Doppelwährung zur hinkenden
Goldwährung; und bei dieser grundsätzlichen Änderung
der Vertragsbasis hatte man versäumt, die Rechtsver-
hältnisse der neu angenommenen hinkenden Goldwährung
zu bestimmen. Trotz des Fortbestandes des lateinischen
MUnz-Vertrags-Verhältnisses zeigt sich hier also ein gleiches
rechtliches Vakuum, wie bei der Frage der österreichischen
Thaler.
Eine Entscheidung nach dem Standpunkt des Gepräges
ist naheliegend : Jeder Staat löst das sein Gepräge tragende
unterwertige Geld ein.
Vorerst wäre eine solche Entscheidung über die öster-
reichischen Thaler völlig undurchführbar gewesen, im Unter-
schied zu der Situation im lateinischen Münzbund. Hier
hatte jeder der vertragenden Staaten nach dem gemein-
samen Übergang zur Goldwährung das vollwertige
Goldgeld als einziges Hauptgeld, und daneben das
unterwertig gewordene Silbergeld. Unter-
wertig war das Silbergeld in allen beteiligten
Staaten gleichmässig ; G o 1 d ebenso in allen der gesetz-
liche Wertmesser. Durchführen Hesse sich hier also
dor Grundsatz: Jeder Staat löst das unterwortig
gowordono Silbe r g e 1 d seines Gepräges gegen
vollwertiges Goldgold ein. Durchführen Hesse
1 Die Unmöglichkeit einer Liquidation vollwertiger MUnien
habe ioh gelegentlich der Besprechung dee Vertrages vom 15. Juni 1867
ausführlich erörtert. S. 49-48.
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126
SCHLUSS.
sich das gewiss, einerlei ob es gerecht oder ungerecht
wäre. — Wie liegt es aber mit den Österreichischen
Thal er n? — Hier war das Silbergeld, so weit es früher
gemeinschaftliches Umlaufsmittel gewesen, n u r i n D e u t sch-
land unterwertig geworden, in Österreich da-
gegen vollwertig geblieben. Eine Liquidation nach
dein Gepräge verbot sich hier also von selbst. Denn
mehr kann kein Staat thun, als Münzen, die sein Gepräge
tragen, mit bei ihm geltendem vollwertigem Gelde
nach ihrem bei ihm gesetzlichen Nennwert einlösen. Der
gesetzliche Wert eines Thalers war aber — wie bekannt —
in Österreich nur 1 V* Gulden, und 1 V* Gulden waren nicht
mehr wert als der Stoff wert eines Thalers. Eine Ein-
lösung der österreichischen Tlmler von seiten Österreichs
hätte also für Deutschland keinen Zweck gehabt. — Freilich
erfuhren, wie oben gezeigt, diese Umstände eine Änderung
dadurch, dass durch die Beschränkung der Silberprägung
in Österreich im Jahre 1879 die Thaler auch in Österreich
u n te r w e r t i ges Geld 1 wurden, wenn auch nicht indem
Grade, wie sie es in Deutschland waren. Dadurch gewann
für den Fiskus des deutschen Reichs eine Einlösung der
österreichischen Thaler von seiten Österreichs einiges In-
teresse, die Lage wurde also derjenigen des lateinischen
Münzhundes ähnlicher.
Wie oben nachgewiesen, hätte heim deutschen Münz-
verein eine nachträgliche Liquidation mit Verteilung des
Verlustes nach dem Gepräge nicht der Billigkeit
entsprochen. Die österreichischen Thaler waren zum weit-
1 Unter „u n t e r w erti gern“ Oeld verstehe ioh immer solche«,
dessen Geldwert höher ist «Is sein 8 1 o f f w e r t , also i. B. die Thaler,
silberne Fünffrankenstücke und österreichische Gulden, ebenso alle
Scheidern Qnsen. — Nun nennen die Österreicher ihren Gulden seit 1879
öfters .überwertig“, eino Diktion, gegen die sich niohts einwenden
Hast, indem sie von der Anschauung ausgeht, dass der Geldwert eines
österr. Guldens höher ist als sein Silberwert. Dieses , überwertig“
sagt also — trotz des scheinbaren Gegensatzes — dasselbe wie mein
„unt er wertig.“ Die Österreicher sohauen eben vom Stoffwert zum
Geldwert empor, ioh vom Geldwert zum Stoffwert hinab.
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SCHLUSS.
127
aus grössten Teil als vollwertiges Geld nach Deutsch-
land gekommen, hatten viele Jahre lang bo gut wie aus-
schliesslich als deutsches Geld funktioniert, vomStand-
punkte der reinen Billigkeit wäre also auch
nichts gegen eine Übernahme des gesamten
Verlustes seitens des deutschen Reiches ein-
zuwenden gewesen. — Ähnlich liegt es beim lateini-
schen MOnzbund. Wir haben hier einen thatsächlich
durchaus gemeinschaftlichen Umlauf. Aus
welcher Münzstätte derselbe mit vollwertigem Gelde ge-
speist wurde, war völlig gleichgiltig. Das beste Beispiel
dafür ist die Schweiz', welche überhaupt fast kein Geld
1 Die Schwei* hat Oberhaupt nur 8 Millionen Fr*, silberne Fünf-
frankenstQoke nusmünzen lassen. Belgien dagegen vor 1865 sohon 145
Millionen Frs., während der Dauer der Union bis zur Beschränkung der
Silberprägung Ober 800 Millionen .Frs. in Fünffrankenthalern ; nioht
als ob die 8chweiz nur so wenig und Belgien soviel Oeld für den eigenen
Umlauf benStigt hätte; Belgien prägte vielmehr für den gesamten Münz-
bund und die Schweiz liesB vom gesamten MOnzbund fOr sioh prägen.
Franzosen und Schweizer brachten Silber, das sie in London gekauft
zur Brüsseler Münze, aus dem einfachen Qrund, weil sie mit belgischen
Stfloken in ihrer Heimat ebenso gut zahlen konnten, wie mit heimischen.
Während Frankreich jedooh wenigstens die Prägung für Private frei-
liess, also niemanden, der Barren besass und Manzen damit erwerben
wollte, nOtigte, in einem der mitvertragenden Staate ausmQnzen zu lassen,
hatte die Schweiz vor 1870 niemals die Prägung freigegeben, und auch
späterhin nur fOr Ooid. Sie zwang also ihre Angehörigen direkt, in
einem der andern MOnzbundstaaten für sioh prägen zu lassen. Pirmez
nannte dieses schweizerische Münzsystem in der belgisohen Kammer
einmal sehr treffend „Münzparasitismus.* (Sitzung des belgisohen Ab-
geordnetenhauses vom 11. August 1885.) — Während die Gesamtheit
der umlaufenden Fünffrankenstücke der Schweiz ebenso gute Dienste
geleistet hat, wie den andern 8tanten des MOnzbundes, verdankt die
Schweiz dem bezoichneten Systeme, dass sie bei Auflösung des Bundes und
Liquidation nach dem Gepräge an dem gemeinschaftlichen Verluste fast
niohts mitträgt, sondern im Gegenteil für die FOnffrankenstQoke, welohe
ihr die andorn Staaten gewissermassen nur leihweise aberlassen, bei
der Auflösung des Bundes goldene Zwanzigfrankenstücke in Eigentum
bekommt. — Toh bediene mich hier mit Absicht der Terminologie der
Verfeahter des Standpunktes des blossen Gepräges, um diese zu wider-
legen. loh glaube übrigens, dass diese ganzo Theorie des Gepräges
nur auf einem durch das partikulare Gepräge der einzelnen StOoke
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SCHLUSS.
prägte, sodass in Brüssel manchmal direkt fQr den Schweizer
Umlauf Geld ausgemünzt wurde. Da in Frankreich, Belgien
und Italien freies Prftgerecht für Silber und Gold bestand,
musste natürlich, bei der Gleichgiltigkeit des partikularen
Gepräges die am günstigsten gelegene und am promptesten
arbeitende Münzstätte bevorzugt werden. Die erBtero war
entschieden die Brüsseler Münze. Dafür kann doch aber
der betreffende Staat, welcher mit seinem Stempel nur für
die richtige Ausmünzung garantiert, nicht verantwortlich
gemacht werden ', zumal er selbst bei der Prägung keinen
hervorgerufenon eigentlich unrichtigen Sprachgebrauch beruht Wir
tagen „französische“, „belgische“, italienische" u. s. w. Fünffranken-
stücke, weil die einielne Münze Wappen und Namen de« Staates trügt,
auf dessen Münzstätte sie ausgemünzt wurde. Mit diesem Sprach-
gebrauch erzeugt sich der Begriff, dass diese Münzstücke Frankreich,
Belgien oder Italien .gehören“, eine oft gehörte aber sehr unklare
Vorstellung; dass infolgedessen die einzelnen Staaten für den an den
ihnen „gehörenden“ Stücken entstandenen Verlust aufkommen müssen.
IUtte der lateinische Münzbund Bundesmünzen mit gleichartigem
Gepräge, nur mit verschiedenen Münzzeichen geschlagen,
niemanden würe es eingefallen, von „französischen“ oder „belgischen“
FünffrankenstOckeii Zureden. Man hätte vielleicht von „lateinischen“
oder „Bundes münzen“ gesprochen, und damit auch den Begriff der
Gemeinsamkeit des Geldes in sich aufgenommen. Würe dann die
Liquidationsfrage aufgetauoht, so wäre zwar jedenfalls eine Liquidation
nach dem Münzzeiohen mindestens vorgeschlagen, vielleicht auch duroh-
gesetzt worden, im Volk selbst aber hätte diese Liquidation nioht das-
selbe Verständnis und in der allgemeinen Stimmung nicht denselben
Rückhalt gefunden, wie es unter den thatsächlichen Verhältnissen der
Full war, wo jeder Schusterjunge es natürlich fand, dass die „belgischen“
Fünffrankenstückc von Belgien eingelfist werden müssten.
1 Lexis, der den Standpunkt des Gepräges vertritt — in
Sachen des lateinischen Münzbundes — • siehe Handwörterbuoh der
Staatswissenschaften, IV. S. 1247, maoht allerdings geltend : Duroh die
Tarifierung des unterwertig gewordenen Geldes in vollwertigem und
durch Verleihung des Zwangskurscs, in Form gesetzlicher Zahlungs-
kraft, an das unterwertigo Gold habe der betreffende Staat „mindestens
die moralische Verpflichtung übernommen, diesen Wort auch aufreoht
zu erhalten“. Ganz abgesehen davon, dass Aufreohterhaltung
dieses Wertes nicht notwendigerweise in der direkten Einlösung
des präsentierten unterwertigen Geldes bestehen muss — Belgien
konnte sich z. B. sehr wohl weigern, Fünffrankeustücke seines Gepräges
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SCHLUSS.
129
Gewinn macht 1 und die mit seinem Stempel versehenen
Münzen kraft der Staatsverträge zu Bundesgeld werden.
naoh Auflösung des lateinischen MQnxbundes auf Präsentation in Gold
einxulOsen, ihre gesetzliche Zahlungskraft gleioh 5 Franken Gold
innerhalb seines Staatsgebietes aber dennooh anerkennen und aufrecht*
erhalton — ganz abgesehen davon ist festzuhalten : Die Tarifierung
der silbernen FQnffrankenstfloke war nioht partikular
du roh die einzelnen Staaten erfolgt, sondern von der Gesamt-
heit, dem Bunde, in dem Grundrertrag. Wenn auoh diese Tari-
fierung duroli Landesgesetze der einzelnen Staaten erst in kraft
treten konnten, so Bndert das an der Sache niohts. Der einzelne Staat
tarifierte ja nioht nur seine eigenen Fünf franken stfioke ,
sondern auoh die der Unionsstaaten, und wenn ein Fran-
zose ein belgisohos FünffrankenstQck annahm, dann nahm er es
nioht, weil er es in Br Ossel zu 5 Frank wieder ausgeben konnte,
sondern weil er es kraft französischen Gesetzes in Frankreich
bei jeder Öffentlichen Kasse zu seinem Nennwert anbringen konnte.
Daraus folgt gerade das Gegenteil der Lexis’sohen Ansicht. Weil
nicht Belgien allein, sondern auch Frankreich und die Schweiz
die belgischen FOnfTrankenstOcke tarifirt hatten, war nioht Belgien
allein, sondern waren auch die andern Unionsstaaten „mindestens
moralisch“ verpflichtet, diesen Wert auoh aufrecht zu erhalten. Ferner:
Unterwertig waren die FOnfTrankenstOoke niohtvon vornherein,
sondern sie wurden es erst durch BeschrSnkung und Einstellung
ihrer PrBgung, d. h. durch den Übergang zur thatsBoh-
liehen Goldwährung. Ware die SilberprBgung nicht eingestellt
worden, so hatte es im lateinischen MOnzbund Oberhaupt nie ein unter-
wertiges Kurantgeld gegeben. GemBs den allgemein anerkannten
Gesetzen der A 1 1 ern at i v -W 8h ru n g wäre der lateinische MOnzbund
auf direktem Wege zur t hat säch 1 ioh en S il be r w 8h r un g gelangt;
in diesem Fall wSren die silbernen FOnffrankenstOcke in der lateinischen
Union ebenso vollwertiges Geld geblieben, wie es die Thaler in Öster-
reich bis 1870 nooh waren. Die Beschränkung und Einstellung der
SilberprBgung, welche die Unterwertigkeit der FOnflrankenthaler im
Gefolge hatte, war aber ebenfalls keine partikulare Massregel,
sondern eine Massregel des Gesamtbundes. Also: Der Bund
hat die Tarifierung ausgesprochen, der Bund hat die Unter-
wertigkeit der FünffrankonstOcke veranlasst: ergo hat der Bund
als Boloher die Folgen zu tragen.
1 Das traf allerdings nur bis 1874 zu. Die AusmOnzungen nach
1874 waren AusmOnzungen eines bereits unterwertigen Geldes. Auf
Rcohnung von Privaten wurde diese Oberhaupt nioht mehr vorge-
nommen, sondern nur auf Rcohnung und zum Vorteil der Regierungen.
Ihrom Charakter nach unterschied sioh also von 1874 ab die Aua-
Iltlfforich, Dir Folffnn du* drutcch-Siterr. MQnzvtrelns Ton 1857. 9
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130
BCHLUB8.
Stellen eich bei einem zur Zeit seiner Ausprägung
vollwertigen Umlaufsmittel später durch gemeinsame Mass-
nahmen der vertragenden Staaten hervorgerufene Verluste
heraus, so muss billigerweise die Gesamtheit, welche
ja in Bezug auf ihr Münzwesen eine Einheit darstellt,
diese Verluste auf sich übernehmen. Auf die einzelnen
Glieder sind diese dann billigerweise so zu verteilen, dass
jeder Staat ein seinem Vorteil an dem gemeinschaftlichen
Umlaufsmittel entsprechenden Teil des Verlustes trägt, ob
man nun als Massstab dio Bevölkerung odor was sonst
annimmt . 1 Darüber wird man sich aber in Güte verstän-
digen müssen. Deutschland und Österreich haben das ge-
münzung tob silbernen Fünffrankenstüoken nur daduroh Ton der Aus-
münxung von Scheidemünzen, dass die Regierungen die Verpflichtung
hatten, ihre Scheidemünzen auf Verlangen in Kurantgeld einzulüsen,
bezüglich der Fünffrankenstüoke jedoch nur die Verpflichtung, sie zu
ihrem Nennwert an ihren Kassen anzunehmen. Bei einer Liquidation
würden demnach die Tom Jahre 1874 ab geprägten Fünffrankenstüoke
analog den Scheidemünzen zu behandeln sein.
1 Was die Verteilung des Verlustes auf die einzelnen Staaten
eines Münzbundes unter sich angeht, so wird hier keine unbedingte
Norm aufzustellen sein, wenigstens keine praktische. Den allgemeinen
Grundsatz kann man wohl aussprechen: Je nachdem ein Staat an dem
gemeinsamen Umlaufsmittel Nutzen gehabt hat, soll er auch an dem
an diesem entstandenen Verluste mittragen. Wie aber ist dieser
„Nutzen“ zu bemessen!' Weder Bevölkerungszahl noch Gobietsgrösse
gibt einen sicheren Anhaltspunkt, schon nioht unter normalen Geld-
Verhältnissen, noch viel weniger natürlich unter anormalen, z. B. bei
Zwangskurs für Papiergeld in einzelnen verbündeten Staaten. — Wie
wenig die Bevölkerung einen Massstab abgibt, sieht man sohon
daran, dass in verschiedenen Ländern ganz verschiedene Summen Metall-
geldes auf den Kopf der Bevölkerung kommen. Auoh die allgemeine
höhere wirtschaftliche Entwickelung involviert nicht allgemein ein ge-
steigertes Hass von Umlaufsmitteln; ihro Wirkung nach dieser Richtung
scheint durch die vermehrte Anwendung von Kredit- und Abreohnungs-
mitieln mehr als paralysiert werden zu können.
Nach O. Haupt, Gold, Silber und Währung, kamen anfang 1892
auf den Kopf der Bevölkerung an Umlaufsmitteln in
Frankreich . . . 212 Frank
Holland 143 ,
Nord-Amerika . . 128 „
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SCHLUSS.
131
tban; in der lateinischen Münzunion ist eine billige Ver-
ständigung nicht geglückt.
Dieser verschiedene Ausgang hat seinen Grund zum
mindesten teilweise in den verschiedenen Machtverhält-
nissen.
Wir haben gesehen : Österreich war Deutschland gegen-
über zu einer einlösungslosen Ausserkurssetzung seiner
Thaler berechtigt, ganz abgesehen davon, dass es zu einer
Einlösung, ehe es die Thaler ausser Kurs setzte, Deutsch-
land gegenüber nicht verpflichtet war. Ganz ebenso stand
Holgien noch einer Sprengung des lateinischen Münzbundes
gegenüber Frankreich und der Schweiz. Aber, und jetzt
kommt der entscheidende Unterschied: Österreich
konnte seine Thaler ohne Einlösung ausser
Kurs setzen, ohne auf seine eigenen Staats-
angehörigen Rücksicht nehmen zu müssen,
denn österreichische Vereinsthaler waren in Österreich nicht
mehr im Umlauf. Belgien konnte nicht so Vorgehen.
Durch eine einlösungsloseAusserkurssetzung
der belgischen Fünffrankenstücke hätte es
seine eigenen Angehörigen schwer geschä-
digt. Österreich war also im stände, auch einer
kommerziellen Kückleitung seiner Thaler wirksam
vorzubeugen, Belgien war nicht in dieser glücklichen
England .... 103 Frank
Deutschland ... 97 „
Italien 55 „
Russland .... 25 „
Also das Vereinigte Königreich, das industriell und kommerziell
am meisten entwickelte band, kommt hier erst an Werter Stelle.
Da die erwähnten Umstände nicht geeignet sind, einen sioheren
Massstnb zur Verteilung des an dem gemeinschaftlichen Umlaufsmittel
entstandenen Verlustes zu bilden, auoh die Schätzung des Münzumlaufes
der einzelnen Länder auf zu unsicherer Grundlage beruht, um hier ohne
weiteres als Kriterium dienen zu können, kann die Verteilung des
Verlustes nur naoh gütlicher Übereinkunft, esaeqno etbnno
erfolgen, oder: auf dem Wege der Gewalt, duroh den Gebrauoh von
Machtmitteln, auf welchem Wege die Liquidationsklauseln des lateini*
nisohen Münzbundes thatsächlioh zu stände gekommen sind.
9*
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132
8CHLU88.
Lage. Österreich war also nicht auf ein Über-
einkommen angewiesen ; kam ein solches nicht zu stände,
so konnte es seine Thaler verläugnon. Belgien dagegen
war mit gebundenen Händen ausgeliefert. In
Rücksicht auf das belgische Publikum musste es sein Ge«
präge anerkennen, dadurch die kommerzielle Rückleitung
seines Kurantsilbers gestatten; und die Bank von
Frankreich hatte sich für diesen Fall gewaffnet: Hun-
derte von Millionen Franken hatte sie in belgischem Silber
aufgespeichert. 1
Frankreich und die Schweiz haben, wie bekannt, diese
Zwangslage Belgiens für ihren Vorteil benutzt. Belgien
muss nach der Liquidationsklausel vom 6. November 1885
zwar nur die Hälfte seines in französischem Umlauf befind-
lichen Silberkurants und höchstens 6 Millionen Frank des
in der Schweiz umlaufenden in Baar (Gold oder silbernen
Fünffrankenstücken des empfangenden Staates) oder Wechseln
einlösen. Dagegen darf es während der auf die Auflösung
der Münzunion folgenden fünf Jahre seine Fünffranken-
thaler nicht ausser Kurs setzen, damit der Frankreich
und der Schweiz verbleibende Rest auf kommerziellem
Wege zurückgeleitet werden kann. Das ist jedoch
nur eine andere Art der Einlösung, — Ähnliche
Verpflichtungen musste auch Italien übernehmen.®
Hier hat also das Gepräge glänzend ge-
siegt. Ich hoffe, durch meine Auseinandersetzungen wenig-
1 Siehe Bamberger, Schicksale des lateinischen MQnzbundes,
8. 28:
„Die Machtfrage kommt in der Thatsaobe vorwiegend zum Aus-
druck, dass die französische Bank allm&hlioh die belgischen und italie-
sehen FQnlfrankenstaoke in Massen (hunderte von Millionen von Wert)
angehluft hat und damit droht, bei Niohterneuerung des Vertrages die
ganzen Vorräte den austretenden Hoimatländern Uber den Hals zu
soliioken“ u. s. f.
* Siehe das Detail bei Dezis, Der lateinische MUnzbund, Hand-
wörterbuch der Staatswissensciiaften, IV, 8. 1247.
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SCHLUSS.
133
stons so viel erreicht zu haben , dass für diese Lösung
niemand den Vorzug der Billigkeit in Anspruch nimmt. 1
Während so die Lösung im lateinischen Münzbunde
auf einer völligen Überschätzung des MQnzstempels,
auf einer totalen Verkennung des Wesens des Geldes und
der Mtlnzvereine mit gemeinschaftlichem Umlaufsmittel
beruht, hat man bei der Liquidation der österreichischen
Thaler im grossen und ganzen mit Recht nach deren Geld-
charakter, nicht nach ihrem M ü n z Charakter entschieden.
Ein kleines Opfer glaubte Österreich den herrschenden
falschen Anschauungen allerdings bringen zu müssen, durch
die Übernahme der 8 2 /s Millionen Thaler. Dafür aber nahm
das deutsche Reich den Verlust an dem Rest ganz allein
auf sich und gab jeden Anspruch auf, diesen im Wege des
gewöhnlichen Verkehrs nach Österreich zurückzuleiten. Die
der lateinischen Liquidationsklausel analoge Lösung der
Vereinsthalerfrage wäre folgende gewesen : Österreich über-
nimmt die Einlösung von 8 ! / a Millionen österreichischer
1 Es aei hier noohmala auf die bereite erwähnte Sohrift ron
Bamberger, Die Sohioksule dea lateiniaohen Münzbundes, 1886, hin-
gewiesen. — Bamberger hat aioh einigermaaaen von der Theorie
dea Gepräges emanzipiert. Er ist der Ansicht, Belgien könne
Frankreich und der Sohweiz gegenüber nie und nimmer zu einer
EinlSaung seiner Fünffrankenthaler verpflichtet Bein, und dieeen
Standpunkt verteidigt er glänzend. Seine Beweiamittel leitet er haupt-
aäolilioh daher, daaa gegen einen Staat aua der Auamünzung vollwertigen
Oeldea, besondere bei bestehendem Prägereoht für Private, kein Reohts-
anapruoh irgend welcher Art hergeleitet werden könne. — Dann aber
begeht er diejlnkonsequenz, den Satz aufzuatellen: Jeder Staat müsse
sein Gepräge anerkennen, welohen Satz er noch im Jahre 1891
in der Dorn’aohen „Volkswirtschaftlichen Woohensohrift“ vom 26. .No-
vember gegen Landesbergers erwähnten Aufsatz aufreoht erhielt. —
In der Wirkung kommt das auf dasselbe hinaus, wie eine
direkte Einlösung. Der Weg der kommerziellen Uückleitung
bleibt offen und wird naturgemäs benutzt werden, so dass am Ende
jeder 8taat, wie bei einer Einlösung, den ganzen Verlust, weloher
an den von ihm geprägten Münzen entstanden ist, trägt. Der Unter-
schied ist nur, dass bei einer Einlösung der Verlust den Fiskus
direkt trifft, bei einer kommerziellen RUokleitung nur
indirekt, in Form einer ihm erwachsenden sohwebenden Sohuld.
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134
SCHLUSS.
Vereinsthaler, vielleicht auch die Einlösung einer grosseren
Summe. Ferner verpflichtet es sich vor Ablauf einer be-
stimmten Zeit den Österreichischen Vereinsthaler nicht ausser
Kurs zu setzen, damit Deutschland den ihm verbleibenden
Rest auf kommerziellem Wege nach Österreich zurück-
führen kann.
Es ist ein erfreuliches Zeichen, dass eine solche Lösung
nicht zu stände gekommen, ein erfreuliches Zeichen be-
sonders dafür, dass man angefangen, über die Verschieden-
heit und gegenseitige Unabhängigkeit der Begriffe »Geld*
und »Münze* klar zu werden; allerdings scheint hier die
münzpolitische Praxis der Wissenschaft voran-
gegangen zu sein.
r- '
Bayerische
Staatsbibliothek
MOVCthJ
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