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Full text of "Die Folgen des deutsch-österreichischen Münz-Vereins von 1857 : Ein Beitr. zur Geld- u. Währungs-Theorie"

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0. Olt»’* Hof-BacMnukanl ia Dinalidl 


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HERRN 

PROFESSOR DR GEORG FRIEDRICH KNAPP 

GEWIDMET. 


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Meinem hochverehrten Lehrer Herrn Professor Dr. 
6. F. Knapp verdanke ich die Anregung zu dieser Arbeit, 
manchen guten Rat bei ihrer Durchführung und die teilweise 
neuen in ihr entwickelten Grundanschauungen. In Dank- 
barkeit lege ich ihm diese erste Frucht meiner Studien zu 
Füssen. 

Herr Professor Dr. Varrentrapp in Strassburg i. E. 
hat mich in der liebenswürdigsten Weise mit Material zur 
Vorgeschichte des deutschen Münzvereins unterstützt. Ich 
will nicht versäumen, auch ihm an dieser Stelle nochmals 
meinen wärmsten Dank auszusprechen. 

* * 

* 

Der erste Abschnitt der vorliegenden Abhandlung ist 
unter dem Titel .Der deutsche Münz verein von 1857 bis 
1871 * als Inaugural-Dissertation zur Erlangung der staats- 
wissenschaftlichen Doktorwürde gedruckt. 

Neustadt a. d. Haardt, Ende August 1894. 

Karl HeliFerich. 


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I 


INHALT. 

Einleitung 1 

I. AnacHitirr: DER DEÜT8CHE MÜNZVERRIN 1857-1867. 

I. Vorgeschichte 2 

IT. Der Wiener Mdnzrertrag vom 24. Januar 1857 . . 10 

III. Thntsllohlieho Entwiokelung der deutsehen MQni- 

verhRltnisse bis tum Ausscheiden Österreichs aus dem 
Mdnzverein 21 

IV. Dns Ausscheiden Österreichs aus dem deutschen Mflnt- 

verein ■ 27 

II. Abschnitt: DIE ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DER 
DEUTSCHEN MÜNZREFORM. 

I. Das Gesetz, betreffend die Ausprägung ron Reloha - 

goidmdnzen, vom 4, Dezember 1871 41 

II. Neugestaltung des Verhältnisses der Österreichischen 

Tlinier in Deutschland . , , , . i_i . . . • . 45 

III. Das Mflnzgesutz vom 9. Juli 1878 und seine Folgen 

für, die, MctreickUpjien Ihakt . . . • . « , , 53 

HI. Abschnitt : DIE ÖSTERREICHISCHEN S1LB ERDULDEN 
IN DEUTSCHLAND. 

I. Die Sepftrat-Artlkel ron 1807 ......... 61 

II. Die üstorreiciiisolion Ouldon in der deutsohen Mflnt - 

reform . , . ■ . . . ... 64 

III. Die Austreibung der Österreichischen Silbergulden 74 

IV. Abbcmhitt: VERBESSERUNG DER STELLUNG DER 

ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DEUTSCHLAND NACH 
DER MÜNZREFORM. 

I. Die Österreichische Thalorkrisis und die Interpellation 

des Fürsten Hohenlohe , , , . . , . , , . t 77 


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X 


INHALT. 


II. Du Geuts, betreffend die Ablederung des Artikels 15 


du Mflnmgeutses, voni 80. April 1874 ...... II 

IH Pu Oesets vom 8. Jsnusr 1876 . ■ . . , , , . »1 


IV. Die Beseitigung der Österreichischen Doppelthsler 93 

V. Amchktts ÄNDERUNG DER STELLUNG DES ÖSTER- 
REICHISCHEN THALER8 IN ÖSTERREICH. 

I. Die sogenennte 8elbstreguliernng der Österreichischen 

Veiute 97 

II. Der Thsler wird euch In Österreich nnterwertlges 

Geld, Konsequenien dsrnus für die Thalerfrage . . 100 

VL Abschnitt: DIE LIQUIDATION. 

I. Die deutsche Gesetzvorlage betreffend die Vereins- 
thnler Österreichischen Goprilges vom 4. November 

1891 109 

II. Des Abkommen swischen dem Deutsohun Reiche und 

Österreich , . . . . . , , . . . . . , . . IÜ 

SCHLUSS; Vergleichung mit der Liquidntionsfrnge des lntel- 

nisclicn Mflnxbundes . . . . . . . . . . . , 120 


I 


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DIR FOLGEN DES DEUTSCH-ÖSTERREICHISCHEN 
MÜNZVEREINS VON 1857. 

EINLEITUNG. 

Die in Österreich bis zum Schlüsse des Jahres 1867 
geprägten Vereinsthaler sind bekanntlich noch heute (1894) 
im Deutschen Reich den Thalem deutschen Gepräges voll- 
kommen gleichgestellt. Sie sind, der Thaler zu drei Mark 
gerechnet, gesetzliches Zahlungsmittel für jeden Betrag, also 
Kurantgeld wie die Reichsgoldmünzen. In Österreich selbst 
dagegen ist diesen MünzstUcken seit dem 1. Juni 1893 die 
Geldeigenschaft genommen. 1 Wir haben hier also den merk- 
würdigen Fall, dass eine Münze, welche in ihrem Heimat- 
land selbst keine Giltigkeit mehr hat, in dem Münzwesen 
eines fremden Staates Geldcharakter — im strengsten Sinne 
des Wortes — geniesst. Diese Merkwürdigkeit deutet auf inte- 
ressante Vorgänge, denen sie ihr Entstehen verdankt. Bei 
der Untersuchung derselben werden wir auf Fragen stossen, 
welche für die Theorie unseres modernen Geldwesens an Be- 
lehrungen und Erkenntnissen ungemein reich sind. Nur aus 
diesem theoretischen Interesse, nicht weil ich den in Frage 
stehenden Verhältnissen irgend eine hervorragende praktische 
Bedeutung beilege, bin ich an die nachfolgende Untersuchung 
herangetreten, welche sich nicht nur mit den österreichischen 
Thalorn, dem letzten sichtbaren Überrest des deutsch-öster- 
reichischen Münzvereins, sondern mit dessen münzpolitischen 
Folgen überhaupt, auch mit den heute bereits überwundenen 
und vergessenen, beschäftigt. 

1 Durch eine Verordnung des Finanzministers vom 12. April 1893, 
(gpmilft Ermächtigung durch § 2 des Gesetzes vom 24. MSr* 1893). 


Helfferloh, Der deutarhe Müuaverein von 1837 bla 1871. 


1 



L ABSCHNITT. 


DER DEUTSCHE MÜNZVEREIN 1857-1867. 


L VORGESCHICHTE. 

Da ich lediglich die Absicht habe, Ober die Folgen 
dea deutsch-österreichischen MUnzvereins zu sprechen, glaube 
ich dessen Vorgeschichte mit wenigen Worten erledigen 
zu können. Einige Hindeutungen auf den grossen politischen 
Zusammenhang werdon genügen. 

Bekannt sind Österreichs politische Bestrebungen in der 
Mitte unseres Jahrhunderts: .Grossdeutschland unter der 
Leitung Gesamtösterreichs“, * die grosse Idee des Fürsten 
Schwarzenberg. Nur als Mittel zu diesem Zweck sollte die 
hauptsächlich von dem genialen Minister Froiherrn von Bruck 
betriebene Zolleinigung sämtlicher deutscher Bundesstaaten, 
und später auch der deutsche Münzverein dienen. Bruck 
bekennt sich ausdrücklich zu diesem Gedanken in einer Denk- 
schrift an die provisorische Bundeskommission zu Frankfurt, 
vom :t0. Mai 1850, in welcher es heisst: 

.Als den wichtigsten Schritt zu der politischen Einigung 
Österreichs und Deutschlands, gebaut nicht auf der Ober- 
herrlichkeit dieses oder jenes Staates, sondern auf der or- 
ganischen Einheit der Interessen, als Bürgschaft für oine 
glückliche Lösung der Wirrnisse, sowie für eine geordnete 
Entwickelung der inneren Zustände, betrachtet jeder durch 
Sonderbelange nicht befangene Deutsche, wie jeder unbe- 
fangene Österreicher, die österreichisch-deutsche Zolloinigung. 

' H. v. Sy bei, dio Begründung de* Deutschen Reiohea durah 
Wilhelm I., 2. Ud. S. 0». 


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DER DEUTSCHE MÜNZVEREIS 1857 — 18B7. 


8 


Denn ein deutscher politischer Verein muss in unsrer Zeit 
auch zum Zollverein werden, und umgekehrt, oder das eine 
wie das andere bleibt eine Unwahrheit, eine Täuschung *. 1 

Hier ist die politische Tendenz der Österreichischen 
Zoll Vereinigungsbestrebung mit klaren Worten ausgesprochen. 
In der That hatte Österreich für die nächste Zeit wirt- 
schaftliche Vorteile von einer solchen nicht zu erwarten; 
im Gegenteil! Die deutsche Industrie war damals in den 
meisten Zweigen der österreichischen sehr Überlegen. Des- 
halb nahmen auch die österreichischen Industriellen, beson- 
ders die böhmischen, sehr entschieden Stellung gegen Brucks 
Pläne, welche das bisher bestehende Prohibitivsystem be- 
drohten . 2 

Einer zollpolitischen Vereinigung Gesamtdeutschlands 
stand der bestehende Zollverein sehr im Wege. Dort hatte 
Preussen die Führung. Wollte es keinen politischen Selbst- 
mord begehen, so musste es diese ausschliesslich behalten, 
durfte sie nicht mit Österreich teilen; mit andern Worten: 
es musste Österreich überhaupt vom Zollverein fernhalten. 
Dementsprechend verhielt es sich völlig ablehnend gegen 
alle diesbezüglichen österreichischen Vorschläge: zu einem 
Handelsvertrag war es bereit, zu einem Zollverein nie 
und nimmer. 

Da auf diesem Wege nichts zu erreichen war, blieb 
Österreich das einzige Mittel, den Zollverein zu zerschmet- 
tern, und aus den Trümraerstücken ein neues Gebilde zu 
formen, mit odor ohne Preussen. Das war die Politik des 
Fürsten Schwarzenberg . 3 

Der Zeitpunkt war gut gewählt. .Damals nämlich 
hatten sich im Zollverein bedenkliche Spaltungen gezeigt. 
Preussen neigte, nicht gorado zum Freihandel, aber doch 
zu Zollermässigungen und Verkehrserleichtorungen, während 
die süddeutschen Staaten im Interesse ihrer Fabrikanten auf 

1 Dr. Karl Mamroth, die Entwiokelung der Bsterreichisoh- 
deutselien Handelsbeziehungen eto., 1887. S. 19. 

* Mamroth, a. a. O., 8. 17 ff. 

' Siehe Uber die Vorgänge auf der Dreidendr Konferenz und 
den barrieoh • mloh*i>tohen Antrag anf Zolleinigung oller Bundezetaaten. 
S) b e I, n. ». ()., S. 81. 

1 * 


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4 


I. AIWCIIMTT. 


ein möglichst vollständiges Schutzzollsystem ausgingen, und 
sich damit dem handelspolitischen Standpunkt des befreun- 
deten Österreich annäherten*. 1 Dazu kam, dass die süd- 
deutschen Staaten sich für Preussen unentbehrlich glaubten. 
Sie bildeten den Zusammenhang zwischen der östlichen und 
westlichen Hälfte der Monarchie. Ihr aus dem Bewusstsein 
dieser Unentbehrlichkeit hervorgegangener Übermut hatte 
die gegenseitige Gereiztheit innerhalb des Zollvereins aufs 
höchste gesteigert. 

Unter diesen Verhältnissen seines Sieges gewiss, setzte 
Schwarzenberg am 10. Juli 1851 beim Bundestag die Bil- 
dung eines handelspolitischen Ausschusses durch — zur Vor- 
bereitung der Zoll Vereinigung. 2 Damit schien das Schicksal 
des preussischen Zollvereins besiegelt. 

Preussen jedoch antwortete mit einem vorzüglichen 
und völlig unerwarteten, nicht in den Kreis der süddeutschen 
und österreichischen Berechnungen gezogenen diplomatischen 
Streiche: cs Iwwog Hannover» und Oldenburg durch glän- 
zende Bedingungen 1 zum Eintritt in den Zollverein, nach 
sehr kurzen und völlig geheimen Unterhandlungen. 5 Damit 
war die Unentbehrlichkeit der süddeutschen Staaten ver- 
schwunden. Hannover, Oldenburg und beide preussischen 
Landeshälften bildeten eine grosse kompakte Masse. 

1 8ybel, a. «. O., 8. 155. 

« Sybel, n. «. O., 8. 141. 

* Hannover war damals zum Abschluss eines Zollvoreinsver- 
traget mit Preussen besonders willig, weil et in finanziellen Schwierig- 
keiten war. 8iehe 11 out li -Weber, der Zollverein seit seiner Er- 
weiterung durch den Stouerverein. 18eo. 8. XII. 

4 Preussen liest sich zu einer eturkon Herabsetzung der Zolle auf 
Thee, Kaffee, Wein, Ernnzbrnnntwcin herbei, gestand Hannover zoll- 
freie Einfuhr von Schienen für seine Eisenbahnen und ein Kevonden- 
prlcipuutn zu. — Siehe Sybel, a. a 0., S. 156. 

* Der Vertrag mit Hannover wurde nm 7. September untorzeich- 
net. Schnumburg-I.ippo trat mn 25. September bei, der Vortrag mit 
Oldenburg kam nni 1. Mürz 1852 zustande. — Siehe 11 o u t h- W obor, 
a. a. O., S. XIII. - Der Eintritt sAmtiioher Staaten in den Zollverein 
ward auf I. Januar 1854 festgesetzt. Preusson teilte den Abschluss 
des Vertrages mit Hannover um II. September 1851 den übrigen Re- 
gierungen des Zollvereins mit. 


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DER DEUTSCHE MÜNZVRItEIM 1857—1867. 5 

Im Bewusstsein seiner nunmehr gesicherten Stellung 
kündigte Preussen für den 1. Januar 1854 die Zollvereins- 
verträge 1 , mit dem Beifügen, dass es auf Grund des han- 
noverschen Vertrages zu einer Erneuerung derselben bereit 
sei. Es lud die Zollvereinsstaaten für den 1. April 1852 
zu Unterhandlungen nach Berlin ein. 2 * 

Obwohl Schwarzenberg, um Preussen zuvorzukommen, 
schon für den Januar eine Konferenz nach Wien berief, 
scheiterten seine Bemühungen.® Am 4. April beschlossen die 
süddeutschen Staaten zu Darmstadt, falls zwischen Preussen 
und Österreich keine Einigung erfolgte, einen eigenen Zoll- 
verein zu gründen, mit engem Anschluss an Österreich. 
Einen Zollverein mit Österreich wollten sie nicht mehr, da 
Österreich ihnen die bisherigen Zollrevenüen nicht garantieren 
wollte. 4 * * Dio thüringischen Staaten traten am 26. November 
1852 direkt dem preussischen Zollverein für 12 Jahre bei.® 

In Österreich war unterdessen Fürst Schwarzenberg 
gestorben. Bruck, welcher jetzt die Handelspolitik allein 
in seiner Hand hatte, erkannte die Unmöglichkeit, für die 
nächsten Jahre einen allgemeinen deutschen Zollverein durch- 
zusetzen. B Während die im April begonnenen preussisch-süd- 
deutschen Verhandlungen sich ergebnislos hinzogen 7 , erschien 
Bruck im Dezember selbst in Berlin. Auf seinen direkten 
Eingriff ist der Handelsvertrag zwischen Preussen und Öster- 
reich vom 19. Februar 1852 zurückzuführen. 

1 Duroh Cirkular-Depenche vom 11. November 1851. 

* S y bo I , a. n. O.. 8. ISO. 

* Preuaacn lehnto die Teilnnhmo au der Wiener Konfereni ub. 
— Siehe Mamroth. n. a. O., 8. 30. — Ober dio Wiener Verhand- 
lungen. Sybel, n. n. 0., S. 160 

* Mamroth, a. n. 0., 8. 81. — Sybel, 8. 161. 

' Houth-Webor, u. a. O., 8. 66. 

' Mamroth, n. a. O., 8. 41. 

7 Sieho Sybel, 8. 161 IT. — Der Hauptgrund der Ergebnislosig- 
keit der llorliuer Unterhandlungen war eine formale Differenz. „Preussen 
hohorrte auf »einem lugtaohen Satze : erat die Erneuerung de* Zollverein* 
und dann ein Vortrag dea Zollverein» mit einem Dritten — und die 
Süddeutschen atanden ebenso fest auf ihrer Forderung der gleichzeitigen 
Unterhandlung beider Gegenstände“. 


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6 


I. AB8CHXITT. 


Derselbe brachte bedeutende gegenseitige Zollermässig- 
ungen und die gegenseitige Meistbegünstigung. 1 * Art. 25 nahm 
für das Jahr 1860 weitere Verhandlungen über eine defini- 
tive Zolleinigung in Aussicht. 3 

Nun waren die süddeutschen Staaten völlig isoliert. 
Sie fügten sich schweren Horzens in das Unvenneidliche 
und traten durch den Vertrag vom 8. April 1853 dem neu- 
gestalteten Zollverein bei. 

Bruck hatte, wie wir aus dem oben erwähnten Art. 25 
sehen, die Hoffnung auf eine definitive vollständige Zolleinig- 
ung durchaus nicht aufgegeben. Es musste ihm also daran 
liegen, den deutschen Staaten bis zum Jahre 1860 die Vorteile 
einer Zolleinigung mit Österreich möglichst günstig erscheinen 
zu lassen. Nun bestand aber damals in Österreich die Papier- 
währung mit sehr beträchtlichen Schwankungen des Silber- 
agios. Das musste den gegenseitigen Verkehr stark beein- 
trächtigen und die gewährten Zollerleichterungen in ihrer 
Wirkung wenigstens teilweise auflieben. Hau schrieb schon 
1852, also vor Abschluss des Vertrages: .Ein unverkenn- 
bares Hindernis des lebhaften Verkehrs mit Österreich liegt 
in dem Silber und dem gesunkenen Papiergeld dieses Reiches“. 1 
— In dem Vertrag selbst waren baldige Verhandlungen über 
die einheitliche Gestaltung des deutschen und österreichischen 
Münzwesens aufgenommen. 4 

1 Sy bei, n. a. O., 8. 186. — Eingchcndo Besprechung den Ver- 
tragen bei M a m r o t h , a. a. O., 8. 53 (f. 

* Der Wortlaut des Art. 25 ist; .Es werde» im Jahre 1860 Koni- 
missarien der kontrahierenden Stauten susammentreten , um über dio 
Zolleinigung swisclion den beiden kontrahierenden Teilen und den ihrem 
Zollvorband alsdann angehörenden 8taaten oder, falls eino solche Einigung 
nooh nioht su»tando gebracht werden könnte, über weitergehende, als 
die am I. Januar 1854 eintretenden und durch die im Art. 3 erwähnten 
kommissarischen Verhandlungen nachtrBgtioh fostzustellenden Verkehrs- 
erleichtcrungcn und über möglichste Annäherung und Gleichstellung der 
beiderseitigen Zolltarife tu unterhandeln“. 

* Rau, Ober die Krisis des Zollvereins im 8ommer 1852, Rau 
und Hanssens Archiv, N F., 2. Bd., 2. Heft, 1852. 8. 16. 

* Art. 19. .Die kontrahierenden Staaten worden nooh im Laufe 
des Jahres 1853 über uino allgomoino Münskonvention in Unterhand- 
lung troten*. 


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DER DEUTSCHE MÜSZVEREIN 1857 — 1867 . 


7 


Wie notwendig eine Regulierung der österreichischen 
Valuta war, um die gewährten Verkehrserleichterungen in 
Wirksamkeit treten zu lassen, zeigen zahlreiche deutsche 
Handelskammerberichte für 1858 und die nächsten Jahre. 
So schreibt die Handelskammer zu Kottbus in ihrem Bericht 
für 1853: 

»Der Stand der österreichischen Valuta verbietet den 
dortigen Konsumenten zur Zeit fast jeden bedeutenden An- 
kauf im Zollvereine, weil die Waren, die durch den Unter- 
schied von mehr als 25°/o herbeigeführte Preissteigerung 
in der Regel nicht tragen können". Ähnlich äussem sich 
die Handelskammern zu Breslau, Landeshut i. Schl., Reichen- 
bach, Essen, Iserlohn, Mühlheim a. d. Ruhr, Solingen, Magde- 
burg, Altena, Krefeld, Elberfeld otc. Ich verweise auf die 
umfangreiche Sammlung solcher Klagen bei Mamroth, die 
Entwickelung der österreichisch -deutschen Handelsbezieh- 
ungen, Berlin 1887. 1 

Bruck sah sich durch diese misslichen Valuta Verhält- 
nisse um die Frucht seiner handelspolitischen Bemühungen 
gebracht. Konsequenter Weise musste er suchen, diese 
Störungen zu beseitigen, womöglich das österreichische Geld- 
wesen auf eine Grundlage mit dem deutschen zu stellen. 
Leider ist die Entstehungsgeschichte des Wiener Münz- 
vertrages von 1857 so gut wie unbekannt. In den grösseren 
geschichtlichen Werken findet der Münzvertrag überhaupt 
keino Beachtung, und auch in handelspolitischen Spezial- 
schriften, wie in dem erwähnten Werke von Mamroth, wird 
er kurz abgethan. Mamroth spricht nur von einer »wahr- 
scheinlichen* Einwirkung Brucks auf dessen Zustande- 
kommen. 1 


1 Mamroth, a. a. O., 8. 69; »Es wird durchweg von den Han- 
delskammern Preussens, abor auch von österreichischer Seite bestätigt, 
dass es die V e r s ohl e oh teru n g der österreichischen Valuta 
war, welohe die doutsohen Industriellen lun&ehst abhielt, den Absati 
in dae jenseitige Zollgebiet xu steigern*. — Folgt eine Reihe von Aus- 
zügen aus Handelskammerberiahten. S. 69—73. 

* 8. 08 n. n. 0. 


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8 


i. Aiwciixirr. 


Psychologisch erscheint mir nicht nur eine Einwirkung 
Brucks gewiss, sondern ich bin sicher, dass kein anderer 
als Bruck zur deutschen MUnzeinigung die Initiative er- 
griffen hat. Dass Österreich es war, welches auf den 
baldigen Beginn der in Artikel 19 des Zoll- und Handels- 
vertrages in Aussicht genommenen Unterhandlungen über 
die deutsche Münzeinigung drängte, während sich Prousscn 
auch hier sehr zurückhaltend zeigte, ist bekannt. Im 
Jahre 1854 trat die Münzkonferonz in Wien endlich zu- 
sammen. 

Inzwischen hatte Österreich mit aller Energie auf die 
Abschaffung des Zwangskurses hingearbeitet. Das grosse 
National- Anlehen von 1854 sollte zur Rückzahlung der 
Staatsschulden an die Nationalbank dienen und dieser die 
Wiederaufnahme der Barzahlungen ermöglichen. 1 — Dieser 
Zweck wurde durch den Ausbruch des Kritnkrieges ver- 
eitelt. Österreich war zur Mobilmachung gezwungen, dio 
Kosten derselben mussten teilweise durch neue Vorschüsse 
der Nationalbauk gedeckt weiden. 8 

Gleich bei Beginn der Verhandlungen der Münz- 
konferenz stellte Österreich den Antrag aut allgemeine Ein- 
führung der Goldwährung. Bisher hatte in den Zollvereins- 
staaten die reine .Silberwährung geherrscht. Um mit wenigen 
Worten die damalige deutsche Münzverfassung zu charakteri- 
sieren: 8 im Zollverein bestanden seit 1838 nurmehr zwei 
Münzsysteme, im Norden der 14 Thaler-Fuss, im Süden der 
24'/* fl.-Fuss. Münzgewicht war, wie auch im ganzen übrigen 
Deutschland, die Kölnische Mark gleich 233,855 Gramm. 
In den Staaten ausserhalb des Zollvereins bestanden oigono 
Münzsysteme von geringelter Bedeutung, bei allen war Silber 
die WährungsgrnndlHge, nur Bremen hatte eine Goldwährung. 

1 Denkschrift Uber das Piipiergeldwenon der ÖHtorreiohinoh-ungari- 
tchen Monurohio, verfasst im k. k. Finanzministerium, 1892. S. 6. 

* Kbendort 8. 8, 

* Ein sehr klares und Qbersinhtliohes liild der deutaohen Münz- 
zustlnde um das Jahr 1850 gibt Helforioh, Die Einheit im deutsohon 
MUnzwesen, Tübinger Zeitschrift, 1850. 


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DER DEUTSCHE MÜSZVEKKIR 1857 — 1867 . 0 

In Österreich bestand gesetzlich der Konventionsfuss oder 
20 Gulden-Fuss, gleichfalls eine Silberwährung. 

Wenn nun Österreich den Übergang zur Goldwährung 
vorschlug, so geschah das wohl hauptsächlich deshalb, weil 
seit der Entdeckung der kalifornischen Goldfelder im Jahre 
1848 das Gold gegenüber dem Silber bedeutend im Wert 
sank und man allgemein ein noch weiteres Sinken erwartete, 
für Österreich die Wiederaufnahme der Barzahlungen also 
bei Annahme der Goldwährung leichter gewesen wäre als 
bei einer Itückkohr zur Silborwährung. 

Es mag aber auch ein politisches Motiv mitgespielt ’ 
haben. Zwischen den Zollvereinsstaaten bestand schon seit 
1838 eine Art von Münzverein. Zwar hatte der Norden 
und der Süden jeder sein eigenes Münzsystem, aber als 
gemeinschaftliches Umlaufsmittel bestand das Doppelthaler- 
odor Dreioinhalb-Gulden-Stück. Nun mag Österreich be- 
fürchtet haben, dass dieses ursprünglich preussische und 
immer noch als proussisch geltende Münzstück oder ein 
anderes dieser Art als Vereinsmünze angenommen würde, 
für den Fall, dass man bei der Silberwährung beharrte, wie 
es später auch wirklich geschah ; dass aber Österreichs Stolz 
sich gegen dio Annahme des preussichen Münzfusses als 
Vereinsmünzfuss sträubte, vielleicht sogar darauf ausging, 
dem Verein ein unter der Ägide Österreichs geschaffenes 
neues Münzsystem zü geben. Das Hess sich allerdings am 
besten durch Annahme der Goldwährung erreichen. — Wie 
weit dieses Motiv mitspielte, ist mir jetzt noch unmöglich 
zu ergründen ; ich behalte es mir für später vorzunehmende 
Untersuchungen vor. 

Von seiten Preussens wurde der vorgeschlagenen Gold- 
währung der heftigste Widerstand entgegengesetzt. Eine 
Einigung Hess sich nicht erreichen, 1855 wurden daher die 
Verhandlungen abgebrochen. 

Erst 1856 konnten sie wieder aufgenommen werden, 
denn Österreich hatte sich zur Nachgiebigkeit entschlossen. 1 

1 Zur Aufklärung du» Gange« der Verhandlungen mag dienen: 
Bruok war rom Juni 1853 an Gesandter in Konstantinopel. Finans- 
minister in Österreich war damals von Baumgartner. Dieser führt von 


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10 


I. AB8CHK1TT. 


Auf Grundlage der auwhliesalichen Silberwahrung kam 
man nach Ende des Jahres 1856 über alle Punkte über- 
ein. Am 24. Januar 1857 wurde der Mttnzvertrag unter- 
zeichnet Er ist in allen Punkten ein Sieg der preussischen 
Politik. 


II. DER WIENER MÜNZVERTRAG VOM 
24. JANUAR 1857. 

Mit etwas überschwänglichem Enthusiasmus wurde die 
nach heissen Bemühungen erzielte Münzeinigung in Deutsch- 
land begrünst. Es fehlte jedoch schon damals nicht an 
Leuten, welche das erreichte Resultat etwas kritischer 
betrachteten;* und heute, nachdem lange Jahre Uber die 
Begründung des deutschen Münzvereins hingegangen sind, 
und man den Münzbündnissen infolge mancher Erfahrungen 
etwas skeptischer gegenüber steht als noch vor zwei bis 
drei Jahrzehnten, liegt kein Grund und keine Versuchung 
mehr vor, den Münzvertrag vom 24. Januar 1857 anders 
als ruhig und sachlich zu betrachten. 

Wie schon erwähnt gründete sich die neuguschaffene 
Münzverfassung vollstilndig auf die reine Silber Währung. s 

■oiten Österreich* die Verhandlungen Ober den Münzbund. Am 10. Mürz 
1855 wurde Bruck wieder Finanzministor. Die Wiederaufnahme der 
Verhandlungen und ihr Kciultat ist alle «ein Werk. Das Jahrbuch 
zum Konversationslexikon, Leipzig, F. A. Brookhaus, 1857, 1. Bd. 8.080 
bemerkt hierOber: 

»8chon unter Minister v. Baumgartner hatte man an cino Reform 
des MOnzwesons gedacht: man wOnsohtu damals der Goldwährung mög- 
lichst Vorschub zu leisten. Allein der Grundsatz des Herrn v. Bruok, in 
allen Dingen, dio auch Deutschland direkt berühren, mit diesem in ersprioas- 
lieber Übereinstimmung zu handeln, brnohte es mit sich, dass fortan 
nicht mehr von der Gold- oder Gold- und Silborwahrung die Rodo war. 
In Ausführung des § 19 des Fobruarvertrngs traten die Abgoordneton 
der meisten Staaten des Zollverein» und dio Österreichs zum zwoiton 
Mal im Jahre 1856 in Wien zusammen*. 

’ Z. B. SchSffle, Die Wiener Münzkonvention eto., Tübinger 
Zeitschrift, 1857. 

* Art. 2. .Mit Festhaltung der reinen SilberwShrung 

soll die Münzverfassung der Vortragenden ätaaten in der Art goordnot 
werden, dass etc.“ 


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DER DEUTSCHE MÜNZ VEREIN 1857-1887. 11 

Das Silber war als alleiniger Wertmesser und als aus- 
schliessliches Währungsmetall anerkannt. Jeder Gedanke 
an eine Doppelwährung oder gar Goldwährung war mit 
peinlicher Ängstlichkeit vermieden ; an manchen Stellen war 
förmlich demonstrativ das Festhalten an der .reinen Silber- 
währung“ betont, sodass der Leser sich unwillkQrlich an 
den abgelehnten österreichischen Goldwährungsantrag er- 
innert fühlt. 

Da Goldmünzen indes in Rücksicht auf den aus- 
wärtigen Handel überhaupt nicht zu entbehren waren, suchte 
der Vertrag deren Wirksamkeit wenigstens im inländischen 
Verkehr möglichst zu beschränken. 

Zunächst wurde die Prägung aller bisherigen Landes- 
goldmttnzen, der Friedrichsd’or, Pistolen, Dukaten u. s. w. 
eingestellt. 1 Die einzigen Goldmünzen, welche die ver- 
tragenden Staaten von nun an schlagen durften, waren die 
zwei Vereinsgoldmünzen: DinKrone und die halbe Krone, 
zu lü bezw. 5 gr. feinen Goldes. Diese Goldmünzen waren 
indes kein gesetzliches Zahlungsmittel, sondern nur 
.Vereinshandelsmünzen“, zur Erleichterung des Ver- 
kehrs mit dem Auslande. Ihr Wert in den gesetzlichen 
Silberwährungen wurde mit Absicht nicht fixiert, er sollte 
lediglich durch .Angebot und Nachfrage“ bestimmt 
werden. 2 * * Es blieb zwar den einzelnen Staaten unbenommen, 
dio Veroinsgoldmünzen an ihren Kassen zu einem bestimmten, 
öffentlich bekannt gemachtem Kurse anzunehmen. Aber die 
Dauer einor solchen Tarifierung war auf 6 Monate beschränkt, 
dann hatte sio von neuem zu erfolgen, und zwar war dieser 
amtliche Kurs nach dom Durchschnitt der amtlichen Börsen- 
kurse der vorausgegangenen 6 Monate zu bestimmen, welchen 
Durchschnittskurs er keinesfalls übersteigen durfte; auch 
innerhalb der 6 Monate konnte die amtliche Tarifierung 
jederzeit zurückgezogen oder geändert werden. 8 Von diesem 

1 Art. 18. — Nur Österreich behielt eloh Tor, „Dukaten in bis- 

heriger Weise bi« «um Schlüsse des Jahres 1885 auszuprägen*. 

* Art. 18. 

* Art. 2t u. 


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12 


I. AB8CHX1TT. 


lästigen Tarifloningsreclt machten in der Folge nur wenige 
Staaten Gebrauch . 1 Bei diesen hatte also die Goldkrone im 
Verhältnis zu dem eigentlichen Währungsgelde den Charakter 
eines Kassenscheins* von schwankender Geltung. 
Beim Publikum waren die neuen Goldmünzen sehr unbeliebt. 
Die meisten gingen ins Ausland oder wurden eingeschmolzen . 9 

Die vorhandenen Landesgoldmünzen, deren Prägung 
von nun an gesperrt war, wurden fast noch schlimmer be- 


1 Nach einer Angabe Delbrück« im Reichstag am 18. November 
1871 nur Hanncror, Oldenburg und Bremen. Für Bremen fand indes« 
eine Tarifierung in Bilbermünzen, wie sie im Vertrago vorgesehen isti 
nicht statt. Denn erstens stand Bremen ausserhalb dos Zollvereins, 
also auch ausserhalb des Münsvertrages, dann hatte Brcmon keino 
8ilber-, sondern eine Ooldwihrung. Orundgeid derselben war der 
Louisd’or, Münzeinheit der fünfte Teil dosseiben unter dem Nomon 
.Thaler in Gold*. Die neue Zollvereins-Krone wurde nun in Bremen 
offiziell auf 8* 4 Thaler Gold tarifiert, natürlich nicht von 6 zu 6 Monaten, 
sondern dauernd. 8ic bildete vou nun an dio eigentliche Grundlage der 
Bremer Ooldwihrung, und in der Bremer Bank sommolto idoh ein ziem- 
lich bedeutender Bestand von Goldkronen an. Daher kommt cs, dass 
dio Zollvereinskrone sohr oft auch .Bremer Krona* genannt wurde. 

* Das Wesen eines Kassenscheines ist' der Stunt verpflichtet 
sich zu dessen Annahme in Zahlung, nlolit aber zu seiner Kin- 
lösung auf Prisentation; das Publikum ist zu einer Annalimo in Zah- 
lung nicht gezwungen, Unsere deutsehon Roichskassenschclno führen 
eigentlich Ihren Namen zu unrecht, du dio Uclohslinupiknsse verpflichtet 
Ist, sic dem Überbringer in Kurantmünson etnsulOsen; slo sind nUo 
mehr als blosso Kassenscheine. 

* Bamberger in der Keichstagssitzung vom 11. Novomber 1871: 
.Meine Herrn, es ist vielleicht niemand unter Ihnen, der so viele Bremer 
Kronen goschon hat, wio loh. Abor ich habo sio nicht in Deutschland 
gesehen, sondern im Ausland, und nur in dem Moment, wo sie noch in 
ihrer jungfräulichen Reinheit glänzend in den 8chme!xtiegel wunderten“. 

Nach der IV. Denkschrift des Reichskanzlers zur Ausführung der 
Münzgesetzgebung, vom 30. Novomber 1875 Anlage 8 wurden an Gold- 
kronen in slmtliohen deutschen 8taaten überhaupt ausgepr&gt: 

I 086 757 8tück. 

Vor der Münzreform wurden von den einzelnen Landesregierungen 
davon Oberhaupt keine eingezogen. Nach ihrer Ausserkursaetzung durch 
das Reich wurden nur 3S209I Stück zur Einlösung prlsentiert. Mit- 
hin fehlt der Nachweis über 754666 Stüok, das ist über mehr als 
zwei Drittel der gesamten AuaiiiUnxuiig. 


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UKH DEUTSCI1K MO.NZVKItEIN 1857 — 1867. 


13 


handelt. Wenigstens nimmt es sich so aus, wenn man nur 
den Hauptvertrag ansieht. Die Separatartikel enthalten 
jedoch manche Konzession und Abschwächung. 

Den Charakter eines gesetzlichen Zahlungsmittels 
sollten die LandesgoldmUnzen so wenig besitzen, wie die 
Vereinsgoldmünzen. Auch enthält der Hauptvertrag die 
Bestimmung, dass fernerhin nur für Vereinsgoldmünzenein 
Kassenkurs festgesetzt werden dürfe. 1 Aber dieses Kassen- 
kursverbot wurde durch den Separatartikel XII. wesentlich 
eingeschränkt. Diejenigen Regierungen, welche ihren Landes- 
goldmUnzen bisher einen losten, unveränderlichen Kassenkurs 
beigelegt hatten , sollten nicht verpflichtet sein, diesen 
Kassenkurs sofort aufzuheben. Die betreffenden Regierungen 
sollten vielmehr darauf gedacht nehmen, das bestehende 
Verhältnis durch allmähliches Einziehen der Landesgold- 
mUnzen zu beseitigen. 2 — Diejenigen Regierungen, welche 
ihren LandesgoldmUnzen bisher einen veränderlichen Kassen- 
kurs boigelegt hatton, durften denselben bis 31. März 1862 
in dor bisherigen Weise regulieren. — Das waren also 
kleine Konzessionen au das Gold, wolcho indes nicht viel 
bedeuten. 

Ganz besonders charakteristisch tritt die Betonung des 
Silbergeldes als Geld xmt’ im Gegensatz zu den 

goldenen VereinshamlelsmUnzen darin zu Tage, dass die 
Vortragenden Htuuton die Kosten dor Abnutzung der Silber- 
münzen, also die Sorge für die Aufrechterhaltung des ge- 
setzlichen Münzfusses, auf sich übernahmen.® Abgenutzte 
KilbormUnzen, auch wenn das Gepräge undeutlich geworden 
war, nahmen sie stets zum vollen Wert bei ihren Kassen 
in Zahlung. 4 Unter das Passiergewicht abgenutzte Kronen 
dagegen nahmen sio nur mit einem der Abnutzung 


* Art. 21 b. 

* Unter diene Kntegorio flöten die preußischen Friedrtohsd’or. 
Mnn wird knum fehl gehen, wenn mnn annimmt, dann die in 8ep.-Art. XII 
entlinUene Konzession nn das Oold auf Wunsch Preußens zustande ge- 
kommen ist. 

* Art. 1». 

4 Art. 13. 


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14 


I. ABSCHNITT. 


zuzüglich der Kosten für die Neuprägung ent- 
sprechenden Wertabzuge, wobei erschwerend hinzu- 
kommt, dass das Passiergewicht und die untero Fehlergrenze 
im Schrot bei den Vereinsgoldmünzen zusammenfielen. 1 

So viel über die strikte Betonung der ausschliesslichen 
Silberwährung. 

Im übrigen schuf der Wiener Münzvertrag nicht et wa 
eine Münzeinheit im Sinne des lateinischen Münz- 
bundes, dass in sämtlichen vertragenden Staaten die 
gleichen Münzstücke geprägt worden wären, und diese, 
gleichgiltig welcher Staat sie geprägt, im ganzen 
Vertragsgebiet Geltung genossen hätten. Im Gegenteil! 
Der Wiener Münzvertrag schuf drei völlig verschiedene 
Münzsysteme und Währungsgebiete, jedoch alle drei 
auf Grundlage desselben Währungsmetalles; und als Binde- 
glied zwischen diesen verschiedenen Münzsystemon schuf 
er die Vereinsthaler. 

Im grossen Norden Deutschlands trat an Stelle 
des bisherigen 14 Thalerfusses (auf die kölnische Mark 
bezogen) der 80 Thalerfuss (auf das Pfund zu 500 
Gramm bezogen). In Süddeutsch 1 und ersetzte den bis- 
herigen 24' s Guldenfuss der 52 1 /-.’ Guldenfuss. 2 Öster- 

1 Art. 19 und 20. 

* Dor Dreissigthnlorfus* wurde eingeführt in: 

dem Königreich Proussen, mit Ausschluss von Hohenzoltem, in 
den Königreichen Snohscn und Hannover, im Kurfürstentum Hessen, im 
Grossherzogtum Sachsen , in den Herzogtümern Sachsen - Aitenburg, 
Sachsen-Gotha, Uraunsohwcig, Oldenburg mit Birkonfold, Anhalt- Dessau- 
KOthen und Anlinlt-Bornburg, in dem Fürstentums Sohwarzburg-Sonders- 
hauson und in dor Unterhorrsohaft des Fürstentums Schwarzburg-Kudol- 
stadt, in den Fürstentümern Wnldeok und Pyrmont, Iieuss filtere und 
jüngere Linie, Schaumburg- Lippe und Lippe; 

der Zweiundfünfzig- und-einhalb-Guldcnfuss in: 

den Königreichen Bayern und ‘Württemberg, den Grosshorzog- 
tümern Badon und Hessen, im Herzogtum Sachsen-Meiningen, im Fürsten, 
turne Snchsen-Koburg, in den Hohenzollernschen Landen, im Herzog- 
tums Nassau, in der Oberherrschaft des Fürstentums Sohwarzburg-Rudol- 
stadt, in der Landgrnfschaft Hessen-Homburg und in der freien Stadt 
Frankfurt. (Art. 8). 

Oie neuen Münzfüsse, der ÜOThnler- und 52'/t Guldenfuss, waren 
um 0,22 */„ leichter als die alten, der 14 Tlmler- und 24'/i Guldenfuss. 


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DKK DEUTSCHE MÜMZVKRKIN 1857 — 18ö7. 


15 


reich 1 führte statt seines bisher nominell fest gehaltenen, that* 
sächlich aber durch eine völlige Papierwährung verdrängten 
20 Gulden- oder Konventionsfusses den 45 GuldenfuBS 
ein.* Das Verhältnis der drei neuen Münzeinheiten zu 
einander war demnach: 

1 Thaler — l»/, Gulden südd. = 1’/* Gulden östr. 

Mit der inneren Ordnung der einzelnen Landes- 
währungen befasste sich der Vertrag nicht sehr eingehend. 
Nur bezüglich der Scheidemünzen stellte er eingreifende 
Bestimmungen auf. s Ausserdem schrieb er die Stückelung 
der Kurantmünzen vor. 4 Über die genaue vollhaltige Aus- 
münzung dagegen und ebenso über die Verpflichtung der 

1 Und Lichtenstein: 

* Gegen den Konventionsfuss wer das eine Münzversohleohterung 
um 5,22 •/»■ 

* Kontingentierung des Scheidomünzumlaufes auf * , Thlr., bezw, 
l*/ 4 fl. pro Kopf der Bevölkerung für die Staaten der ThalerwSh- 
rung und österreichischen Währung. (Sep.-Art. VIII.) — Die 8taaton 
dor süddeutschen Wahrung, welohe seit fast einem Jahrhundert an hoch- 
gradig übertriebenem Soheidemflnxumlauf krankten, behielten sich eine 
Vereinbarung über ein derartiges Maximum vor. .Schon jetzt aber, und 
bis sie eine andere Vereinbarung treffen werden, wollen die gedachten 
Staaten bei der Bestimmung des Gesamtbetrages, auf welohen ihre 
Scheidemünzen allm&hlioh zurüokzuführen sind, die für die beiden andern 
Münzsystcme festgostellte Maximalgrenze ebenfalls zu Grunde legen*. 
(Sop.-Art. VIII Absatz 2). 

1858 trufon dio süddoutsohen Stanton unter sioh eine Verein- 
barung Uber Einziehung hauptsächlich der schlechten Scheidemünzen 
aus dem Anfänge dieses Jahrhunderts. Es ging aber damit sehr lang- 
sam vorwärts. 

Ausserdem Fostsotzung oinor untern Minderwertigkeitsgrenze für 
die Scheidemünzen der drei Landeswährungen, und Beschränkung der 
Zahlkraft derselben bis zum Betrag des kleinsten Kurnntstüokes. (Art. 14.) 

4 Sep.-Art. III Ziffer 4 : 

a. für den 80 Thlr.-Fuss: 

ausser den Vereinsthalern das '/, Thlr.-Stüok und für 
Saohsen — auf dessen ausdrüokliohen Vorbehalt — auoh 
das '/» Thlr.-Stüok; 

b. für den 45 ft.-Fuss: 

das 2 fl.-, 1 fl.- und '/s fl.-Stüok ; 

o. für don 52‘/t fl.-Fuss : 

das 2 fl.-, 1 fl.-, •/, fl.- und •/« «.-Stüok. 

Das südd. '/« fl.-Stück gelangte so gut wie nicht zur Ausraünzung. 


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16 


L ABSCHNITT. 


einzelnen Staaten zur Einziehung ihrer stark abgenutzten 
Manzen erging sich der Vertrag nur in sehr allgemeinen 
und vagen Wendungen . 1 Weder Fehlergrenze noch Passier- 
gewicht setzte er ziffermassig fest 

Solche Bestimmungen waren im Grunde genommen 
auch überflüssig. Die Landesmünzen der einzelnen Staaten 
wurden ja nicht allgemein im ganzen Vertragsgebiet als 
Zahlungsmittel zugelassen. Ein Antrag auf allgemeine 
gegenseitige Zulassung der Landeskurantmünzen wenig- 
stens als gesetzliches Zahlungsmittel war bei den Verhand- 
lungen nicht durchgedrungen. Die einzelnen Staaten 
hatten sogar ausdrücklich abgelehnt, sich zu ver- 
pflichten, die Münzen der mitvertragenden Staaten 
in ihrem Gebiet zum mindesten nicht zu verbieten.* 
Die österreichischen Landesmünzen, der Gulden und 
seine Teilstüeke, waren also im heutigen deutschen Reich 
nirgends als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannt. 
Niemand war bei uns verpflichtet, österreichische Gulden 
in Zahlung zu nehmen ; wer es dennoch that, nahm sie aus 
eigenem Entschluss und unter eigner Verantwortung. Diese 


1 Zur ToHhaltigen Ausmünzung Art. 6 und Sep.-Art. IV.; zur 
Rinziehungsrcrpflichtung. Art 13. 

' Siehe Begleittortrag der wflrttembcrgisohen Regierung zum 
Münsgesetz 1857. Dort heisst ea: 

„Über die allgemeine gegenaeitige Zulaaaung auch der übrigen 
Kurantmünzen der »ertragenden Staaten («unser den Vereiuathalern) 
iat eine Vereinigung nicht erfolgt Dem von einigen Seiten gcatellten 
Anträge, daaa wenigatena die Verpflichtung eingegangon worden mOge, 
die Kuruntmünzon der andern Staaten weder im gemeinen Verkehr zu 
verbieten, noch für die etwa atattfindende Annahme bei den Otfeutliahon 
Kauen oder für den allgemeinen Umlauf auf einen geringeren Wort zu 
setzen, ala ihnen nach der im Münzvertrage ausgesprochenem Gleich- 
stellung der gegenseitigen Münzfüsse gebührt, wurde entgogegongohalten, 
daaa das letzteres Verlangen bei den süddeutschen Münzstüoken sioh ala 
unausführbar daratelle, da sich deren Tariflerungswert in Bruohteilen 
ausdrücke, wolche dureh dio vorhandenen kleinsten Münzstücko nioht 
vollständig ausgeglichen werden können (1 fl südd. *= ‘/, Thlr.). Andrer- 
seits wurde aber auch dem beschränkteren Antrag, dass wenigstens don 
Münzen gleichen Nennwertes, sowie denjenigen Münzen ungleicher Be- 
nennung, welche ohne Bruchteile aus dem einen in das nndoro Münz* 


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DER DEUTSCHE MÜHZVERRI!» 185V— 1867. 17 

Stellung des Österreichischen Guldens auf dem Gebiet des 
heutigen deutschen Keiches ist im Gegensatz zu der völlig 
verschiedenen des Österreichischen Thalers für den weiteren 
Verlauf der Dinge streng festzuhalten. 

Neben den auf ihr eigenes Münzgebiet völlig be- 
schränkten LandesmUnzen wurden als gemeinschaftliches 
Umlaufsmittel für das gesamte Vertragsterritorium zwei 
Vereinsmünzen geschaffen. Für dieselben hatte man 
ein allerdings halb missglücktes Vorbild an den seit 
der Dresdener Münzkonvention im Jahre 1888 geprägten 
Zwei-Vereinsthaler- oder Drei-einhalb-Guldenstücken , die 
wegen ihrer Grösse und Unhandlichkeit nicht sehr beliebt 
waren. 

Art. 8. Des Wiener Münzvertrages bestimmt: 

»Zur Vermittelung und Erleichterung des gegenseitigen 
Verkehrs unter den vertragenden Staaten sollen zwei, den 
in - Art. 2 gedachten Münzfüssen entsprechende Haupt- 
silbermünzen unter der Benennung Vereinsthaler ausgeprägt 
werden, nämlich: 

1) Das Ein-Vereinsthalorstück zu Vv> des Pfundes 
feinen Silbers mit dem Werte von bezw. 1 Thaler in Thaler- 
währung, V/i fl. österreichischer Währung und l 9 /< fl. Süd- 
deutscher Währung. 

2) Das Zwei-Vereinsthalerstück zu ’/i» des Pfundes 
feinen Silbers, mit dem Werte von bezw. 2 Thaler in Thaler- 
währung, 3 fl. österreichischer Währung und 8*/* fl. Süd- 
deutscher Währung. 

eyatem reduziert werden kOnnen, gegenseitig dieaelbe Geltung, wie den 
eigenen LandesmUnzen beigelegt werde, entgegnet, d&sa ea mit dem 
Prinzip voller Reoiprooität nicht Qbereinatimmen wilrde, die Gleichbe- 
rechtigung für die Münzen des 90-Thlr.- und des 45 fl.-Fusaea zu be- 
anapruohen, ohne sie ebenmfiaaig den Münzen dea 52‘/s fl.-Fuaaea zuge- 
stehen zu kOnnen*. 

Sch üffle , Die Wiener Münzkonrention eto., Tübinger Zeitaohrift 
1857, 8. 285, welcher die wiedergegebene Stelle zitiert, bemerkt zu dieaer 
Motivierung: dieae ErklArungsgründe haben nur eine Buasere Bedeutung. 
Der wahre Grund, warum eine allgemeine gegenaeitige Annahme der 
Kurantmünzen nloht beliebt werden konnte, iat der Umstand, daaa die 
gloiohmüaaige Reinerhaltung dea MOnzfuasea nioht zuvor geaiohert war. 

DU i'olftn de« dautachan MUnayaralna ton 1Ä57. 2 


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18 


I. ABSCHNITT. 


Diesen Vereinsmünzen wird zu dem angegebenen Werte 
im ganzen Umfange der vertragenden Staaten bei allen 
Staats-, Gemeinde-, Stiftung»- und andern Öffentlichen Kausen, 
sowie im Privatverkehr, namentlich auch bei Wechsol- 
zahlungen , unbeschränkte Gültigkeit gleich den eigenen 
Landesmünzen beigelegt. Ausserdem soll auch in dem Falle 
niemand deren Annahme zu dom vollen Worte in Zahlung 
verweigern können, wenn die Zusage der Zahlungsleistung 
auf eine bestimmte Münzsorte der eigenen Landeswährung 
lautet. Nicht minder soll es in den vertragenden Staaten 
jedermann gestattet sein, VcreinsmUnzen ausdrücklich und 
mit der Wirkung in Zahlung zu versprechen oder sich zu 
bedingen, dass in diesem Falle letztere lediglich in Vereins- 
thalern zu leisten ist*. 

ln diesem Artikel wurzelt die ganze Frage der öster- 
reichischen Vereinsthalcr. Ich habe ihn deshalb wörtlich 
und unverkürzt wiedergegeben. Die Vereinsthalcr 
waren also i in ganzen Vertragsgebiet, ganz ohno 
Ansehen des Staates, welcher sie geprägt, 
rechtlich den verschiedenen Landesmünzen 
nicht nur gleichgestellt, sondern ihr Charakter 
als gesetzliches Zahlungsmittel war sogar ein 
qualitativ höherer als derjenige der Landes- 
kurantmünzen. Der Unterschied zwischen Landes- 
münzen und Vereinsthalera wareinseitig zu Gunsten 
der letzteren aufgehoben. Verträge, auf bestimmte 
Landesmünzsorten lautend, konnten in Vereinstlialern er- 
füllt werden, nicht über auf Vereinsthaler luutendc Ver- 
träge in Landesmünzen. 

Während bezüglich der Ordnung ihrer Landesmünz- 
systemc den einzelnen Staaten ein ziemlich woiter Spielraum 
gelassen war, setzto der Vertrag bezüglich der Vereins- 
münzen alle Vorschriften bis ins kleinsto Detail fest: 
Legierung, Durchmesser der Stücke, Gepräge ; 1 bei den Ein- 
Vereinsthalcrn auch ein Minimum, zu dessen Ausprägung 


1 Art 10. 


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DER DEUTSCHE MÜHZVKRIIH 1857-1867. 19 

die einzelnen Staaten verpflichtet waren, während ein Präge- 
zwang für die Zwei-Vereinsthalerstücke nicht bestand. 1 * * 
Ebenso war die Fehlergrenze in Schrot und Kom vertrags- 
mässig festgelegt* und — ein erheblicher Fortschritt im 
deutschen Münzwesen — auch ein Passiergewicht. 8 

Die Ausmünzung an Vereinsthalern eines jeden der 
vertragenden Staaten stand unter der Kontrolle d e r Ge- 
s amt heit der kontrahierenden Regierungen. Ergab sich 
eine fehlerhafte Ausmünzung, so war die betreffende Re- 
gierung verpflichtet, den ganzen Jahrgang, welchem die 
fehlerhafte Ausmünzung angehörte, wieder einzuziehen. Für 
streitige Fälle war ein Schiedsgericht vorgesehen. 4 

Bezüglich des Passiergewichtes waren die vertragenden 
Staaten gehalten, bei ihren Kassen eingehende Stücke ihres 
Gepräges zu prüfen. Betrug die Abnutzung beim Ein- 
Vereinsthaler 2°/o, beim Doppelthaler 1 J /a °/o des Normal- 
gewichtes, so durften die Stücke nicht mehr ausgegeben 
worden. Ausserdem war jeder Staat verpflichtet, auf An- 
trag eines der mitvertragenden Staaten Vereinsmünzen 
seines Gepräges, welche die erwähnte Abnutzungsgrenze 
überschritten hatten , in Summen von nicht unter 1000 
Thalern in vollhaltige umzuwechseln, welches übrigens die 
einzige U m t au sch ver p f lic h tun g der Staaten be- 
züglich ihrer Vereinsmünzen war. 

• Nach diesen Bestimmungen bildeten also die V e r e i n s- 
thaler eine durchaus gemeinschaftliche Masse, 
bei welcher es auf das Gepräge der einzelnen Stücke nicht 
ankam. Nur die Ausmünzung und Aufrechterhaltung der 
Voll Wichtigkeit war Sache der einzelnen Staaten. Im üb- 
rigen war es für den G e 1 d Charakter eines Vereinsthaler- 
stückes ganz gleichgiltig, ob es in Berlin oder in Wien aus- 
gemünzt war. 

1 Art. 11. 

* Art. 10: Im Korn 3 Tausendtelle; im 8ohrot beim Einthaler- 
Htllok 4 Tausendteile; im Sohrot beim Zweithaleratflck 8 Tausendteile. 

• Sep.-Art. VIL 

4 Art. 12. — Sep.-Art. VI und VII. 

2 * 


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20 


I. ABSCHNITT. 


Der Wiener Münzvertrag begründete — um das Ganze 
zu überblicken — eine überaus merkwürdige Münzverfassung: 
Drei scharf abgegrenzte Münzgebiete mit ver- 
schiedenen Münzsystemen, welche nicht einmal ihre 
Kurantmünzen gegenseitig zulassen; also nichts weniger 
als eine Münzeinheit. Daneben ein allen gemein- • 
schaftlicher Umlauf einer bestimmten stark 
privilegierten Münzsorte. Der deutsche Münz- 
verein ist also ebenso einzig in seiner Art, und ebenso 
charakteristisch, wie die deutsche Bundesverfassung 
und der deutsche Zollverein. 

Vorbedingung für die Lebensfilhigkcit der neuen Münz- 
einigung war natürlich, dass Österreich seinen »mit den 
Prozenten des Silberagios wechselnden Banknotenfuss“ 
(Helferich) 1 verlicss und die Barzahlungen wieder auf- 
nahm. Das war denn auch im Vertrage vorgesehen. Art. 

22 bestimmte: 

»Keiner der vertragenden Staaten ist berechtigt, Pa- 
piergeld mit Zwangskurs nuszugeben oder nusgeben 
zu lassen, falls nicht Einrichtung getroffen ist, dass solches 
jederzeit gegen vollwertige Silbermünzen auf Verlangen der 
Inhaber umgewechselt werden könne.* Die in dieser Be- 
ziehung zur Zeit etwa bestehenden Ausnahmen sind läng- 
stens bis zum 1. Januar 1859 zur Abstellung zu bringen“. 

Das »Etwa* bezog sich auf Österreich. Wir werden 
sehen, wie es sich damit abfand. 

Zum Schlüsse noch die Bestimmungen über die Auf- 
lösung des Vertrages. Seine Dauer wurde zunächst bis zum 
Schlüsse des Jahres 1878 festgesetzt. Dann sollte er still- 
schweigend von fünf zu fünf Jahren weiterlaufen. Eine 
Kündigung musste mindestens zwei Jahre vor Ablauf der 
vorläufig festgesetzten oder stillschweigend verlängerten 


1 »Die Einheit im deutaohen Münzwcsen“, Tabingor Zeitschrift 
1850, 8. 4Ca 

* Danach wiro «lau der »corno lognle“, wie er houte in England 
fQr die Noten der linnk von England, in Frankreich für die Noton der 
Bank von Frankreich besieht, gestattet; nicht abor der „corno aforzono*. 


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DER DEUTSCHE MÜHZVERRIN 1857 — 1867. 


21 


Vertragsdauer stattfinden. 1 Bezüglich der allenfallsigen 
Auflösungsbedingungen enthielt der Vertrag keinerlei Normen. 
Über Auswechselung, Einlösung und Ausserkurssetzung der 
Vereinsthaler bestimmte er nichts. Nach erfolgter Kündigung 
seitens eines der vertragenden Staaten sollten sofort Ver- 
handlungen stattfinden „um die Veranlassung der erfolgten 
ltüektrittserklilrung und somit diese Erklärung selbst im 
Wege gemeinsamer Verständigung zur Erledigung bringen 
zu können“. 


III. TATSÄCHLICHE ENTWICKELUNG DER DEUT- 
SCHEN MÜNZVERIIÄLTNISSE BIS ZUM AUSSCHEIDEN 

Österreichs aus dem münzverein. 

Die erzielte Münzeinigung stand, was Österreich be- 
trifft, zunächst nur auf dem Papier, so lango Österreich den 
Zwangskurs für die Noten der Nationalbank nicht ab- 
geschafft hatte. Österreich traf alle Vorbereitungen zu 
dessen Aufhebung. Am 6. September 1858, also noch vor 
dem Termin, an welchem vertragsgemäss der Zwangskurs 
fallen musste, wurden in Wien die Barzahlungen auf- 
genommen. Österreich hatte wieder eine Metallwährung. 
Aber nicht für lange. Am 1. Januar 1859 hielt der Kaiser 
Napoleon III. seine bekannte Neujahrsredo. Für Österreich 
begann der italienische Krieg: Magenta und Solferino. Am 
21. April 1859 wurden die Barzahlungen von neuem ein- 
gestellt und trotz des Wiener Münzvertrages der Zwangs- 
kurs wieder oingeführt. Von den mitvertragenden 
Staaten erhob in richtiger Würdigung der schwierigen Lage 
Österreichs und in Anerkennung der vis major keiner Ein- 
spruch gegen diesen notgedrungenon Bruch dos Vertrages. 

In den sechziger Jahren wurde unter der geschickten 
Leitung P lener s ein zweiter Versuch in der erwähnten 
Richtung unternommen. Mit grosser Umsicht wurde die 
Wiederaufnahme der Barzahlungen vorbereitet. Alles stand 
aufs beste. Österreich war nahe am Ziel. Da setzte der 

* Art. *7. 


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22 


L ABSCHNITT. 


deutsche Krieg ein, verhängnisvoller noch wie vorher 
der italienische. Zu den Banknoten mit Zwangskurs kamen 
jetzt noch Staatsnoten hinzu, und bis auf den heutigen 
Tag ist Österreich die Rückkehr zu einer metallischen Va- 
luta nicht gelungen. 1 

Der deutsche Krieg hatte den Austritt Österreichs 
aus dem Münzvoroin zur Folge. Während der ganzen 
Vertragsdauer blieb also Österreich — ausgenommen die 
Zeit vom 6. September 1858 bis zum 21. April 1859 — in 
der Papierwährung stecken. Der Vertrag wurde also 
in Bezug auf Österreich niemals recht praktisch. Sein 
handelspolitischer Zweck, die Schwankungen im Ver- 
hältnis der beiderseitigen Zahlungsmittel zu beseitigen, war 
damit verfehlt. 

Nichtsdestoweniger prägte Österreich während der 
Dauer des Vertrages eine bedeutende Summe Metallgeld! 
nach den Tabellen zur Währungsstatistik, verfasst im k. k. 
Finanzministerium, von 1858—1867 (inkl.)an Landeskurant- 
geld 153958267,75 fl., an Vereinsmünzen — und diese inte- 
ressieren uns hier mehr — 

31060321 Thaler in Ein-Vereinsthalern 
55528 , „ Doppelthalern. 

Sa. 31 115 849 , = 46673233,5 11.* 


1 Siehe .Denkschrift über da* Papiergeldweson der Bstorreiohisoh- 
ungarisohcn Monarchie“ vorfasst im k. k. Finaniministerum. 1893. 

* Haupt gibt an (histoire raondtairo 8. 135) 48 842 935 fl. 

Die detaillierten Zahlen sind naoh den .Tabellen zur Währungs- 
statistik“ 1893, verfasst im k. k. Finanzministerium: 



Doppelthlr. 

Einfaohe Thlr. 

Hummo in Thlrn. 

1858 

1 644 

9 154 241 

9 157 529 

1859 

— 

4 948 703 

4 9 19 703 

1860 

— 

1 619 957 

1619 957 

1861 

— 

3 139 883 

3 139 883 

1862 

— 

998 292 

998 292 

1863 

— 

2 208 830 

2 208 830 

1884 

— 

2 635 798 

2 635 798 

1865 

7 425 

2 084 630 

2 099 480 

1868 

10 395 

2 589 405 

2 610195 

1867 

8 300 

1 680 582 

1 697 182 

imma: 

27 764 

31 060 321 

81 115 849. 


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DER DEUTSCHE MÜNZVERKIN 1867—1867. 


28 


In den Staaten des heutigen deutschen Reiches wurden 
von 1857—1871 geprägt: ca. 228,7 Millionen Thaler an 
Vereinsthalern und Doppelthalern, und nur gegen 6,3 Mil- 
lionen Thaler an anderem Kurantgeld und zwar in Landes- 
kurantgeld der Thalerwährung (’/s und V« Thalerstllcke) 
und in Kurantgeld der süddeutschen Währung zusammen- 
genommen.' 

Die naturgemässe Folge des Zwangskurses mit Agio 
in Österreich war — wie überall — dass das Papier- 
geld das Metallgeld ausser Landes trieb; zunächst 
natürlich die Vereinsthal er, welche ja in den benachbarten 
deutschen Staaten überall gleich den dortigen Vereinsthalern 
und den dortigen Landesmünzen in Zahlung genommen 
werden mussten. So kam es, dass bei der Aufhebung 
dos Münzvertrages im Jahre 1867 der grösste Teil der 
österreichischen Voreinsthaler sich im deutschen Umlaufe 
befand, während umgekehrt kaum irgend welche Thaler 
deutschen Gepräges in Österreich kursierten. 3 Man sah 
damals in diesem Zustand von deutscher Seite keinen Nach- 
teil ; und wenn man genau überlegt, so findet man vielleicht 
eher, dass auf die Dauer Österreich der benachteiligte Teil 
go wesen wäre. Bei der Ausmünzung von Vereinsthalern 
konnte die österreichische Regierung kaum einen nennens- 
werten Münzgowinn machen, weil sich überhaupt bei der 

1 Dio genauen Ziffern lind naoh der Statistik in Kummer 15 der 
Drucksachen des Heiohstag» von 1878: 

Ausmdnzung von 1857— 1871 : 

ln Zweithalerstdoken 18 077 994 Thlr. 

, EinthalcrstUekon 214 720 591 , 

Summa: 228 608 525 „ 

in VoreinzmUnzon. 

in '/i Thalurstdokon 429 434 Thlr. 20 Sgr. 

. Vs , 1 503 691 . 5 , 

, */i Guldenstdoken 214 072 „ 

, '/i - 2 225 408 , 17 , 1 Pf. 

. 7» . 1 914 286 „ 17 , 2 , 

Summa: 6 288 772 Thlr. 29 Sgr. 3 Pf. 
ln Lnndeskurantmdnzon. 

* Soetber, Denkschrift betreffend die deutsohe Mdnseinigung, 
1860; abgodruokt in Hirths „Annulon“ 1869. Siohe dort S. 785 ff. 


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24 


I. ABSCHHtTT. 


Ausmünzung von vollwertigem Kurnntgeld, besonders wenn 
die Prägung auf Privatrechnung gegen eino geringe Münz* 
gebühr gestattet ist, kein in Betracht kommender Münz- 
gewinn machen lässt. Wie es in Wien mit der freien Aus- 
prägung von Vereinsthalem stand, habe ich allerdings nicht 
in Erfahrung bringen können. Nach dem Finanzministerial- 
Erlass vom 8. Oktober 1858 waren Ein- und Zweigulden- 
stücke gegen 1 Prozent l’rägegobühr, Lovantinor-Thalor 
gegen l*/t Prozent Prägegebühr für Private frei auspräg- 
bar. 1 Von den Vereinsthalem spricht der Erlass nicht. 
Dagegen bestand in den deutschen Staaten, wenn auch nicht 
gesetzlich, so doch thatsilchlich, freies Prägerecht. In Berlin 
kaufte die Münze Silber zu regelmässig veröffentlichten 
wechselnden Preisen, je nach dem stärkeren oder schwächeren 
Angebote. 29 Thaler 23 Silbergroschen dürfte der durch- 
schnittliche Preis für das Pfund Feinsilber gewesen sein.'*’ 
Das entspricht einer Münzgebühr von 7 Silbergroschon auf 
30 Thaler oder V» Prozent. Diese beiden Umstände: die 
freie Ausprägung von Landeskurant in Österreich und die 
freie Ausprägung der Vereinsthaler in Deutschland, mussten 
natürlich, jeder an sich allein schon, verhindern, dass Öster- 
reich an den Vereinsthalem, auch wenn os sie nicht für 
Privatrechnung prägte, einen erwähnenswerten Gewinn er- 
zielen konnte. 

Andrerseits nützten sich die Thaler im Umlauf ab, 
und zwar die östei reichischen grösstenteils im deutschen 
Umlauf. Österreich trug also gemäss der Vertrags- 
bestimmungen über das Passiergewicht die Kosten der 
Aufrechterhaltung eines Umlaufsmittels, von welchem nicht 
ihm selbst, sondern den übrigen Staaten ein Vorteil erwuchs. 
Auf die Dauer wäre Österreich sicherlich durch dieses Ver- 
hältnis geschädigt worden. Der Vertrag währte indes nur 


1 Die Saterreichisohe Gesetzgebung aber Manien oto., von Ignaz 
G ruber; Manz'ache Geaetzauagabe, Wien 188«. 

* Siehe daa llremor Handelablatt vom 6. Januar 187K. 
„Mflnzpolitiaehe Aufeltze. L AuamQnzung für Privatreohnung* von 
•r (Soetbeer?) 


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DER DEUTSCHE MÜNZVERBIN 1857—1867. 25 

10 Jahre, und in dieser kurzen Zeit kann sich ein Thaler- 
stllck im gewöhnlichen Umlauf unmöglich um 2 Prozent 
abnutzen. Die Schädigung Österreichs trat also nicht ein. 

Den deutschen Staaten ging höchstens ein ganz kleiner 
fiskalischer Gewinn aus den PrägegebQhren verloren, weil 
auch Österreich einen Teil des deutschen Umlaufes versorgte. 
Daran ist festzuhalten, dass Österreich nicht ansehnlich 
mehr Thaler in unsern Umlauf einfllhren konnte, als dieser 
auch sonst an sich gezogen hätte. Das Bedürfnis nach 
Zahlungsmitteln, welches sonst durch Neuprägung an deut- 
schen Münzstätten Befriedigung gesucht hätte, konnte nun 
teilweise durch die einströmenden österreichischen Thaler 
befriedigt werden. 

Aber nicht bloss die österreichischen Thaler kamen 
zu uns herüber, sondern auch die österreichischen Gulden, 
Doppelgulden und Viertelgulden, obwohl diese gesetzlich 
bei uns nicht zugelassen waren. Sie wurden aber nichts 
desto weniger bereitwillig genommen, besonders in Süd- 
deutschland, wo dieselben nicht einmal von den öffentlichen 
Kassen zurückgewiesen wurden. Dort hatte mun eben da- 
mals noch keinen Sinn für ein geordnetes, reines Münzwesen. 
Man steckte noch tief in dem althergebrachten Münzwirr- 
wnr, so dass durch Zulassung auch der österreichischen 
Gulden nicht viel verschlimmert wurde. Im Gegenteil, diese 
Zulassung war nur eine Konsequenz des bestehenden süd- 
deutschen Münzzustandes. Dort waren in Umlauf, in gesetz- 
lichem sogar: Kronenthaler, 1 süddeutschen, österreichischen 
und brabanter Gepräges, süddeutsches und österreichisches 
Konventionsgeld, Münzen des 24'/*-Guldenfusses, jetzt auch 
die neuen des 52 1 /*-Guldenfusses; Thaler des 14 Thaler- 
fusses, jetzt auch des 30 Thalerfussos ; ferner wurden all- 
gemein genommen, auch bei den Staatskassen und in Frank- 

1 Die Prägung der Kronenthaler war seit 1837 gesperrt. 1843 
war ihre »allmähliche“ Einziehung auf der Mdnohener Münzkonfe- 
rens beschlossen worden. Trotsdem wurde nach ihrer Ausserkurssetzung 
am 1. April 1874 duroh das Reioh ron ihnen nooh ein Betrag im Wert 
von 7978749 Mark eingelOst. 


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26 


I. AB8CHKITT. 


furt auch bei Wechselzahlungen französisches Frankengeld, 
hauptsächlich dio Fünffrankenthaler ; auch niederländisches 
Quldengeld lief in nicht unerheblichen Mengen um. Wie 
hätte man da allein die neuen österreichischen Gulden des 
45 üuldenfusses ausschliessen können ? Warum die Öster- 
reicher, die doch einmal im deutschen Münzvorein waren, 
schlechter behandeln als die Holländer und Franzosen! 

In Norddeutschland allerdings hatte man mit preussi- 
schem Geiste stets etwas mehr auf Ordnung in eigenem 
Hause gehulten. 1 Die im Norden für den Geldverkehr mass- 
gobcndo l'reussische Bank weigerte sich auch jetzt, nach 
dem Wiener Münzvertrag, österreichische Landesmünzen in 
Zahlung zu nehmen. Den öffentlichen Kassen war zwar 
nicht deren Annahme, wohl aber deren Ablieferung an Vor- 
gesetzte Kassen verboten, was zur Folge hatte, dass auch 
jene grösstenteils die Annahme verweigerten. Das wirkte 
natürlich auch auf das Publikum zurück. Nichtsdestoweniger 
liefen auch im Norden österreichische Viertelguldenstücke, 
welche in ihrem Gehalt völlig mit den Seclisteltlinler- oder 
Fünfgroschenstücken Ubereinstinunten, in ziemlicher Menge 
um. Der Umlauf von Gulden und Doppelgulden beschränkte 
sich indess fast gänzlich auf den Grenzverkehr zwischen 
preussisch und österreichisch Schlesien. 

Obwohl dieser besonders in Süddeutschland sehr stark 
angeschwollene Umlauf von österreichischen Landesmünzen 
gar keine gesetzliche Grundlage hatte, empfand man ihn 
damals durchaus nicht als etwas Nachteiliges. Im Gegen- 
teil ! Noch bei den Reichstagsverhundlungen über das Gesetz 
betreffend die Ausprägung von HeichsgoldmUnzen sprach der 
Abgeordnete l)r. Buhl am 17. November 1871 für die Wahl 
des österreichischen Guldens als deutscher Münzeinheit an 
Stelle der Mark und begründete seinen Standpunkt mit der 
Sympathie des süddeutschen Volkes für das österreichische 
Guldengeld. „Durch die eigentümlichen Verhältnisse Öster- 


1 Mur polnische Drittelthaler oder Aohtgrosohenstüoke liefen auch 
hier in nioht unerheblichen Mengen um; da Polen nioht mehr bestand, 
völlig heimatlose Münzen! 


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DBB DEUTSCHE MÖNZVEREIN 1857 — 1867 . 


27 . 


reiche“, sagte er, .sind solche Ströme österreichischen Silbers 
zu uns gekommen, dass wir in den Jahren mit dem öster- 
reichischen Gulden so vertraut geworden sind, wie wir es 
mit dem süddeutschen Gulden waren; wir haben ihn ganz 
genau kennen gelernt, während die Teilstücke des Thalers 
weniger bei uns aufgetreten sind, und wo sie aufgetreten, 
mit entschiedenem Widerwillen zurückgewiesen worden sind“. 
— Man mag daraus ersehen, wie wenig noch am Ausgang 
dos Jahres 1871 die österreichischen Gulden in Deutschland 
als staatsgefährlich betrachtet wurden, dass sio sich im 
Gegenteil in weiten Kreisen einer deutlichen Zuneigung er- 
freuten. Die Gulden, welche nicht einmal gesetzlich zu- 
gelassen waren! Und noch am Ende des Jahres 1871! — 
Wie viel weniger Bedenken konnte man also in Deutschland 
gegen die gesetzlich anerkannten österreichischen Thal er 
haben! Dazu noch während der Dauer des Vertragsver- 
hältnisses ! 

Diese Auffassung von der Unschädlichkeit, vielleicht 
sogar Erspriesslichkeit des österreichischen Silbers im deut- 
schen Umlauf, zeigte sich denn auch deutlich in dem Über- 
einkommen über das Ausscheiden Österreichs aus dem Ver- 
tragsverhältnis. 


IV. DAS AUSSCHEIDEN ÖSTERREICHS AUS DEM 
DEUTSCHEN MÜNZVEREIN. 

Ich habe bereits erwähnt, dass der Münzbund ein vor- 
zeitiges Ende fand durch den Krieg von 1866. Im Art. XIII 
des Prager Friedens wurde die Lösung des Wiener Münz- 
vertragesbesonderen Verhandlungen Vorbehalten. Am 13. Juni 
1867 kam in Berlin der Auflösungsvertrag zustande. 

Nach demselben treten mit dem Ende des Jahres 1867 
die durch den Münzvertrag vom 24. Januar 1857 begrün- 
deten Rechte und Pflichten zwischen dem Kaisertum Öster- 
reich und dem Fürstentum Lichtenstein einerseits und den 
deutschon Zollvereinsstaaten andrerseits ausser Wirksamkeit 
bis auf folgende Ausnahmen. (Art. I.) 


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28 


I. ABSCHNITT. 


.Di« vertragenden Regierungen worden den bis «um 
Schlüsse des Jahres 1867 nach den Bestimmungen des Münz- 
Vertrages vom 24. Januar 1857 geprägten Vereinsthalern 
und Duppelthalern die ilinen in Art. 8 des eben genannten 
Vertrages beigelegte Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungs- 
mittels vor dem Ablauf des Jahres 1870 nicht entziehen, 
sofern sie nicht in der Zwischenzeit zu einem andern als 
dem jetzt bestehenden Milnzsystem übergehen.* (Art. II.) 

,Im Falle der Einführung eines andern Münzsystemes 
werden die betreffenden Regierungen den übrigen Teilneh- 
mern an dem gegenwärtigen Vertrage von dem Zeitpunkt 
der beabsichtigten Änderung drei Monate zuvor Kenntnis 
geben. Mit diesem Zeitpunkt erlischt die im Art. 2 über- 
nommene Verbindlichkeit in Bezug auf die ihr Münzsystem 
ändernden Regierungen. Dagegen werden die ebengedachten 
Regierungen alsdann die Einlösung der Vereinsthaler und 
Doppelthaler ihres Gepräges wenigstens noch bis zum 1. April 
1871 bewirken, ln Bezug auf die Einlösung sollen für diu 
Angehörigen der übrigen jetzt zum Münzverein gehörigen 
Staaten nicht ungünstigere Bedingungen gestellt werden, 
als für die Angehörigen desjenigen Staates, in welchem die 
Änderung des Münzsystemes erfolgt. Auch sollen, um den 
Angehörigen jener Staaten diu Einlösung zu erleichtern, in 
den bezüglichen Grenzdistrikten an geeigneten Orten Ein- 
lösungsstellen errichtet werden“. (Art. III.) 

Folgt noch ein vierter Artikel betreffend die unbe- 
schudcte Fortdauer des Münzkurtclls von 1853 über die 
gegenseitige Auslieferung u. s. w. von Münzverbrechern. 

Man sieht, der Hauptvertrug vom 13. Juni 1867 be- 
schränkt seine Bestimmungen nur auf die Vereinsthaler, das 
gemeinschaftliche Umlaufsmittel. Ganz mit Recht! Denn 
nur bezüglich dieser waron nach dem Wiener Münzvertrag 
Bestimmungen notwendig. Bezüglich des Landesmünz- 
wesens gewann Österreich mit dem Schlüsse des Jahres 1867 
naturgemäss die volle Freiheit des Handelns zurück. Alle 
auf Landeskurant- und Scheidemünzen, ebenso auf Papier- 
geld bezüglichen Vorschriften des Wiener Münzvertrages 
fielen für Österreich fort. 


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DER DEUTSCHE MÜNZ VEREIN 1857—1867. 29 

Bezüglich der Vereinsthaler brachte der Vertrag nun 
aber keine definitive Lösung. Sie waren nach wie vor 
in Deutschland und in Österreich gemeinschaftliches Um- 
laufsmittel. 

Mit dem Aufliören des Münzvertrages musste natürlich 
die Gemeinsamkeit dieses Umlaufsmittels irgend wann ein 
Ende nehmen. — Aber wann und wie? — Darüber ging 
man mit sehr grosser Sorglosigkeit hinweg. Nur für einen 
Fall, wenn nämlich einer der vertragenden Teile vor dem • 
Ablaufe des Jahres 1870 sein Münzsystem änderte, brachte 
der Vertrag von 1867 eine definitive Lösung. Dieser eine 
Fall trat aber nicht ein. 

Zunächst sollte man nun annehmen, dass die öster- 
reichisch-ungarische Monarchie nach ihrem Ausscheiden aus 
dem Münzverein keine Vereinsmünzen mehr geschlagen hätte. 
Wunderbarer Weise wurden aber noch im Jahre 1868 
168804 Einthalerstüeke auf der ungarischen Münze zu Karls- 
burg in Siebenbürgen geprägt. 1 Mit welchem Recht und 
zu welchem Zweck, darüber habe ich bis jetzt nichts näheres 
erfahren können. 

Diesen im Jahre 1868 in Kurlsburg geprägten Vereins- 
tlmlern stand die Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungs- 
mittels ausserhalb der österreichisch-ungarischen Monarchie 
nach dem Vertrage vom 18. Juni 1867 zweifellos nicht zu, 
ebensowenig wie den nach 1867 geprägten deutschen Ver- 
einsthalern in Österreich. Im Vertrage von 1867 heisst es 
ausdrücklich: die vertragenden Staaten werden den bis zum 
Schlüsse des Jahres 1867 geprägten Vereinsthalern die 
Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel nicht entziehen 
— ein Beweis dafür, dass niemand daran dachte, den später 
zur Ausprägung gelangenden diese Eigenschaft beizulegen. 
Mit der eben gedachten Ausnahme erloschen alle durch den 
Vertrag von 1857 begründeten gegenseitigen Rechte und 
Pflichten, also auch das Recht Österreichs, Münzen zu prägen, 
welche ausserhalb der Monarchie gesetzliche Zahlungskraft 


1 «Tabellen tur Währungistatietik* den k. k. Kinatiimiinnteriumi 
8. 44 und 58. 


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so 


I. ABSCHNITT. 


hatten, und die Pflicht der deutschen Staaten, solche Münzen 
als gesetzliches Zahlungsmittel anzuerkennen. 

Andrerseits darf die Stellung dieser nachgeborenen 
österreichischen Voreinsthaler im deutschen Münzwosen nicht 
nur nach den Hechten Österreichs gegen Deutschland und 
Deutschlands Pflichten gegen Österreich beurteilt werden. 
Für den deutschen Staatsbürger sind ja nicht völkerrecht- 
liche Vertrüge massgebend, sondern nur die in Gemässheit 
derselben erlassenen Landesgesetze. Und wie stand es be- 
züglich der österreichischen Thaler mit diesen? 

Nehmen wir z. B. Preussen. Nach Abschluss des 
Münzvertrages vom 24. Januar lH. r »7 erliess es das Münz- 
gesetz vom 4. Mai 18. r i7. In diesem letzteren heisst es 
betreffend die Vereinsthaler: 

.Art. 10. — Gleich den Landesmünzen sollen sowohl 
bei allen öffentlichen Kassen als auch im allgemeinen und 
Handelsverkehr nach ihrem vollen Wert angenommen und 
gegeben werden 

3) .Die in Geniässheit des Münzvertrages vom 24. Januar 
des Jahres und in der Eigenschaft als Vereinsmünzen aus- 
geprägten Thaler und Doppelthaler derjenigen Staaten, welche 
an diesem V ertrag teilgenonunen haben, oder demselben in 
Zukunft beitreten werden“. 

ln Geniässheit dieses Gesetzes nahm jeder Preusse an- 
standslos jeden österreichischen Thaler so gut wie einen 
preussisclien. 

Nun kommt das Ausscheiden Österreichs aus dem Münz- 
verein durch den Vertrag vom 13. Juni 18ü7. Der Vertrag 
steht wohl in der Gesetzsammlung, aber ein auf ihn erfolgtes 
Landesgesetz nicht. Im ganzen Zollverein existiert keine 
landesgesetzliche Bestimmung, welche ausdrücklich die Eigen- 
schaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels auf die bis 1867 
geprägten österreichischen Thaler beschränkte. Jedermann, 
der bisher österreichische Thaler genommen hatte, nahm sie 
auch weiterhin, ohne sich viel um die Jahreszahl zu küm- 
mern. Übrigens musste jedermann, der auch die 1868 
geprägten Stücke als .in Gemässheit des Münzvertrages 


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DBB DKÜT8CHK mümzverbih 1857 — 1867. 81 

vom 24. Januar 1857 und in der Eigenschaft als Vereins* 
münzen“ ausgeprägt ansah, ihnen gesetzliche Zahlungskraft 
zuerkennen. »In der Eigenschaft als Vereinsmünzen* mussten 
sie jedermann geprägt erscheinen ; trugen sie doch deutlich 
dio Inschrift »Ein Veroinsthalor*. Die Frage ist nur, ob 
Österreich das liecht hatte, Thnler in dieser Eigonschaft 
auch nach seinem Austritt aus dom Verein zu schlagen. 
Diese Frage ging indess nur dio deutschen llegierungeu an. 
Dem deutschen Staatsbürger konnte sie gleichgiltig sein. — 
»Als in Gemässheit des Münzvertrages vom 24. Januar 1857* 
ausgeprägt kann man die 1868 geprägten österreichischen 
Thnler wohl kaum gelten lassen. Denn wie kann Österreich 
in Gemässheit eines für Österreich nicht mehr geltenden 
Münzvertrages ausmünzen ? — Aber durften andrerseits die 
deutschen Regierungen dein schlichten Unterthanen verstände 
derartige staatsrechtliche Untersuchungen zumuten ? — Eine 
Versäumnis liegt hier zweifellos vor 1 — eine von den vielen, 
welche in der Frage der österreichischen Thaler begangen 
wurde». 

Thatsächlich kamen wohl diese Karlsburger Thaler so 
gut wie die andern rechtmässigen österreichischen auch in 
Deutschland in Umlauf. Verlautet ist bisher Uber dieselben 
nichts. — Von deutscher Seite wurden sie auch später ge- 
setzlich nicht anerkannt. Alle späteren die österreichischen 
Thaler betreffenden Reichsgesetze sprechen nur von den 


1 In einer Petition der KSlner Handelskammer an das Reichs- 
kanzlcramt gelegentlich der österreichischen Tlmlorkrisl* im März 1874 
heisst es bezüglich dieser Krage: 

»Ja solbst angenommen, es seien von Österreich nuch nooh nach 
dem Jahre 1807 Vereinsmünzen ausgeprägt und vermöge des gewöhn- 
liche» Handelsverkehrs in das Gebiet des deutschen Kelches ühergefQhrt 
worden“ — dass dieses thatsächlioh der Kali war, konnte die Kölner 
Handelskammer nioht wissen — »so würden unseres Erachtens nicht 
oinmal diese von der Einlösung gegen Gold ausgeschlossen werden 
können, weil die deutschen Regierungen os versäumt haben, die in den 
doutschen Münxgosetzen von 1867 bezüglich der österreichischen Vor- 
einsmünzon ihren Landesangehörigen auferlegten Verpflichtungen aus- 
drücklich zu widerrufen, odor letztere nur auf die bis zum Jahre 1867 
geprägten Stücke zu beschränken“. 


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82 L ABSCHNITT. 

.bi« su Sohluase de« Jahre« 1867 in Österreich geprägten 
V ereinsthalem ‘ , und diese sich stetig wiederholende Deut- 
lichkeit der Diktion ist für mich der einzige Umstand, aus 
welchem sich schliessen lässt, dass man in deutschen Kreisen 
Oberhaupt von der nachträglichen AusmQnzung etwas weiss, 
obwohl manches andere einen daran irre machen könnte. 1 

Gesetzlich sind die 1868er österreichischen Thaler 
nicht deutsches Geld. Wo sich dieselben aber thatsächlich 
befinden, und welches ihr thatsächliches Schicksal sein wird, 
darüber lässt sich jetzt noch nichts sagen. 

Doch kommen wir nach dieser Abschweifung zu den 
rechtmässigen Vereinsthalem zurück! 

Der Vertrag von 1867 verpflichtete die deutschen 
Staaten nur, dieselben vor Ablauf des Jahres 1870 nicht 
ausser Kurs zu setzen — vorausgesetzt, dass bei keinem 
der beiden Teile eine Änderung des Münzsystemes erfolgen 
würde, welcher Fall, weil er nicht eintrat, für uns bedeu- 
tungslos ist. — Und dann? — nach Ablauf des Jahres 1870? 
Dann hat jeder Teil dem andern gegenüber auch bezüglich 
der Vereinsthaler völlig freie Hand. Er kann alle Vereins- 


' Einen Bewein, das* die noch 1868 orfolgte AusmQnzung von Ver- 
einsthalern in Österreich noeh heute so gut wie unbekannt, vielleicht 
sogar noch gern unbekannt iet, gibt 8aling* Börsen - Jahrbuoh für 
1893/94, Berlin 1893. Dort heisst es Seite 1 und 2: 

„Die bis 1867 in Österreich gemünzten Thaler und Doppelthaler 
(später hat Österreich keine mehr geprägt) wurden eto.“ 

Ks scheint also, dass trotz der bereits 1892 vorliegenden Aus- 
weise in den „8tat. Tabellen zur Währungsfrage* des k. k. Finanz- 
ministeriums vou der naohtrlglioheii Ausinünzung keine Notiz ge- 
nommen wurde. 

Dazu kommt: Nummer 15 der Akten derSilberkommission, 
handelnd vom deutschen Th ale ruml a u f, gibt eine detaillierte Auf- 
stellung der Ausprägungen und Einziehungen von üstorreiohieohen Thalern, 
zowie der in Gemässheit des Abkoinmons von 1892 an Österreich er- 
folgten Abschiebungen, um den in Deutschlund nooh befindlichen Reet 
dieser MQnzsorte zu ermitteln. Auoh diese Aufstellung enthält nur die 
bis zum Sohlusse des Jahres 1867 geprägten 8ummen und sohweigt 
vOllig Ober die im Jahre 1868 geprägten 8tUcke. 


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DIR DEUTSCHE MÜRZ VEREIN 1857 — 1867 . 88 

thaler oder eine bestimmmte Sorte, Deutschland z. B. die 
Österreichischen oder Österreich die deutschen, ausser Kurs 
setzen, mit oder ohne Einlösung, ganz nach Belieben; er 
kann sie verrufen, kurz so schlecht behandeln wie er will, 
ohne dass der andere Teil irgend einen Einspruch dagegen 
orheben kann. — Wie hat man es so weit kommen lassen 
können, wird man heute sagen, wie haben insbesondere die 
deutschen Zollvereinsstaaten es damals so weit kommen lassen 
können? — In ihrem Umlauf befand sich der grösste Teil 
aller Österreichischen Vereinsthaler. Wie konnten sie sorglos 
alle und jede Sicherstellung für deren Zukunft vernach- 
lässigen? — Warum hat man damals, bei Auflösung des 
Wiener Münzvertrags , die Österreichischen Thaler nicht 
beseitigt? Warum hat man damals keine «Liquidation* 
vorgenommen ? — Liquidationen sind uns ja heute durch 
die lateinische Münzunion längst geläufig geworden. — Jetzt 
sind ungefähr 50 Millionen Mark in Österreichischen Thalem 
an uns hängen geblieben, von denen das Stück als Material 
nach don jetzigen Silberkursen nicht einmal 1,50 Mark wert 
ist. Wir erleiden also, wenn wir sie durch Goldmünzen er- 
setzen, an diesen österreichischen Thalem einen Verlust von 
mehr als 25 Millionen Mark. Dabei denkt man mit einem 
gewissen Neid an die berühmte lateinische Liquidations- 
klausel vom Jahre 1885, durch wolcho das kluge Frankreich 
für don Fall einor Auflösung des lateinischen Münzbundes 
einen Verlust von hunderten Millionen Franken von sich 
abgowendet. — Wollen wir die Sache untersuchen! 

Zu dem Behufe ist zwischen zwei Geldarten zu unter- 
scheiden: zwischen vollwertigem Geld, d. h. solchem, 
dessen Stoffwert mit seinem Geldwert zusammenfällt, 
und unterwertigem Geld, dessen Stoffwert geringer 
ist, als der ihm vom Staate durch Tarifierung oder andere 
Mässregeln verliehene Geldwert. Ich gebrauche hier den 
Ausdruck «unterwertiges Geld* mit Absicht an Stelle des 
üblicheren Ausdrucks «Kreditgeld*. Wenn man mit den 
Worten einen präzisen Sinn verbinden will, kann man 
Kroditgeld nur als eine Unterart des unterwertigen 
Geldes betrachten, nämlich als diejenige Unterart, deren 

llolfferloh, Die Folgen de* deutschen Mflnsverelns von 1&&7. 3 


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34 


L ABSCHNITT. 


Geldwert durch den Kredit des Staates Ober ihrem Stoff- 
wert gehalten wird. Hierher gehören z. B. unsere deutschen 
Kassenscheine, unsere Scheidemünzen etc., weil der Staat 
sich verpflichtet hat, sie an bestimmten Kassen jederzeit 
gegen vollwertiges Geld einzulOsen. Der Staat hat aber noch 
andere Mittel als seinen Kredit, um den Geldwert gewisser 
Geldsorten über ihrem Stoffwert zu erhalten: bloses Sperren 
der Prftgung; siehe die österreichischen Gulden, die indischen 
Rupien. Hier liegt nicht einmal eine Tarifierung in voll- 
wertigem Gelde und eino Verleihung des Zwangskurses 
gleich vollwertigem Gelde vor, weil überhaupt kein voll- 
wertiges Geld vorhanden ist. 

Damals waren die Thaler unbedingt vollwertiges 
Geld, wie es jedes Geld sein muss, das gesetzlich oder that- 
siichlich frei auspriigbar ist. Ein Thaler enthielt ’/m Pfund 
feines Silber, konnte also nie unter den Wert von '/so Pfund 
feinen Silbers herabsinken, höchstens uni den Betrag der 
Abnutzung. Jedermann konnte andrerseits gegen eine ge- 
ringe Gebühr für 1 Pfund feines Silber an der Münze JO 
Thaler erhalten. Also konnte der Geldwert eines Thalers 
niemals merklich über den Wert von '/so Pfund feinen 
Silbers steigen. Ich behaupte damit nicht, dass der Thaler 
damals absolut wertbeständig gewoseu sei im Ver- 
hältnis zu den andern Gütern; er war es nur im Verhältnis 
zum Silber, dem damaligen deutschen Währungsmetall. Ein 
absolut wertbeständiges Geld gibt es überhaupt nicht, weil 
es kein absolut wertbeständiges Gut gibt. Jedes frei 
ausprägbure Geld folgt, den Wertschwankungen seines Me- 
tallen. Die Staaten haben ihr Geld trotz seiner absoluten 
Wertschwankungen als Wertmesser angenommon, sie legen 
ihm und dem Währuugsmetallu eine fingierte Wertbestündig- 
keit bei, die in Wirklichkeit nicht vorhanden ist. Das Geld 
mit seinen absoluten Wertsehwankungen, nicht irgend bin 
unveränderlicher Wert ist für die Staaten Gegenstand aller 
Kontrakte. Die Staaten haben auch nicht die Pflicht, allen- 
falls eintretende absolute Wertschwankungen ihres Geldes 
zu k orrigieren , 1 schon deshalb nicht, weil solche absolute 

' E» «oll damit nicht genügt «ein, das« den Stauton der Wortgang 
ihres Oeldes duroluus gleiohglltlg sein darf. Ein in soinem Werte 


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DER DEUTSCHE MÜNZ VEREIN 1857—1887. 85 

Wertschwankungen mangels eines absolut wertbeständigen 
Wertmessers nicht mit irgend einer Genauigkeit zu ermitteln 
sind; ebensowenig wie wir die absoluten Bewegungen der 
Himmelskörper im Weltraum mangels eines absolut be- 
wegungslosen Beobachtungsstandpunktes zu erkennen ver- 
mögen. Wir sehen wohl, wie sich die Sterne im Verhältnis 
zur Erde bewegen, wie die Planeten im Verhältnis zur 
Sonne, aber welchen Weg Erde und Sonne selbst im Welt- 
raum durchwandern, das wissen wir nicht; ebenso sieht ein 
Land mit Silberwährung sehr wohl, wie sich der Wert aller 
anderen Güter zum Silber verändert, die Veränderungen 
dos Silberwertes selbst ist aber nicht festzustellen. — Eine 
Korrekturpflicht des Staates in dieser llichtung liegt also 
nicht vor, und wenn M. v. Schraut in seiner »Währungs- 
frage* meint, durch eine Wertverringerung seines Währungs- 
metalles und folglich seines frei ausprägbaren Hauptgeldes 
nehme der Staat eine schwebende Schuld auf sich, so halte 
ich das für eine sehr grosse Unklarheit. 1 Wenn mir heute 
jemand 100 Mark leiht für die Dauer von 20 Jahren, dann 
habe ich ihm nach 20 Jahren nicht den Wert zurück zu 


kontinuierlich steigende» oder fallende» Qeld hat für die ganze Volks- 
wirtschaft die grössten Unzuträgliohkeiten im Gefolge. Jeder Staat 
wird also im eigenen Interesse bestrebt sein, ein möglichst wert- 
beständiges Geld su besitzen. Dass der Stant, wenn er sich von der 
Unzuverlässigkeit der Basis seines Geldwesens überzeugt hat — wie 
jetzt t. B. Indien — das Heoht und die Pflicht habe, sein Geld- 
wesen auf eine andere Grundlage zu stellen, also zum Einstelien der 
Prägung oder zum Währungsweolisel , will ich natürlich nicht be- 
streiten. 

'S fl, a. a. 0. »Die Gesellschaft (der Staat) wird auf diese 
Weise Schuldnerin ihrer Glieder, sobald eine Wertminderung ihres 
Prilgemetnlles eintritt, und Gläubigerin derselben im Falle einer Wert- 
Steigerung, — ein Vorgang, weloher bei einer Veräusserung des 
gosumten MQnzTorrates deutlich zum Ausdruok gelangen müsste*. — 
Win sinh Schraut diesen Vorgang denkt, und wie er sich »eine Ver- 
ätisserung des gesamten Münzvorrates* vorstellt, ist mir nioht klar ge- 
worden. loh glaube, dass Schraut dabei das Spiegelbild vorsohwebt, 
welches eine Silberwährung bei sinkenden Silbeipreisen auf einer aus- 
wärtigen Goldwährung erzeugt. 


8 * 


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36 


l. ABSCHNITT. 


erstatten, welche die 100 Mark heute haben, sondern 100 
Mark, ob nun der Wert von 100 Mark, oder des in ihnen 
enthaltenen Ooldes, doppelt oder nur halb so gross ist wie 
heute. Im ersteren Fall wäre ich geschädigt, im letzteren 
mein Gläubiger, aber niemals hätte der Staat im letzteren 
Falle durch die Wertverringerung seines Geldes eino 
schwebende Schuld übernommen, so wenig wio im ersteren 
Falle ein Anlehen. — Die Vollwer tigkoit eines Geldes 
hängt übrigens mit dessen Wortschwankungen nicht zu- 
sammen. Vollwertig bleibt ein Geld, so lange sein Geld- 
wert und sein Stoffwert zusammenfnllen, d. h. so lange es 
seinen Wert, ganz einerlei, wie dieser sich ändert, in sich 
selbst trügt. 

Wenden wir das cbon gesagto auf eine Liquidation 
an! Bei den Thalorn fiel Geld- und Stoffwort zusammen. 
Ein österreichischer Thaler war ganz abgesehen von seinem 
gesetzlichen Geldcharakter so viel wert, wie ein deutscher 
Thaler. — Dadurch war eine .Liquidation“ von vornherein 
unnötig. Unter normalen Verhältnissen wird es sich bei 
der Auflösung von M ünz vereinen mit einem gemeinsamen 
vollwertigen, aber partikulares Gepräge tragenden Umlaufs- 
mittel gewiss empfehlen, wenn ein Staat die in seinem Um- 
laufe befindlichen Stücke fremden Gepräges bei den anderen 
Staaten gegen in deren Umlauf befindlichen Stücke seines 
eigenen Gepräges umtauscht, gewissermassen aus Ordnungs- 
sinn. Eine solche Operation verbot sich aber in unsonn 
speziellen Falle von selbst. Wohl waren nämlich die meisten 
österreichischen Thaler im deutschen Umlauf, aber kaum 
irgendwelche deutsche im österreichischen. Die öster- 
reichische Regierung hätte die ihr präsentierten öster- 
reichischen Thaler einfach deshalb nicht in deutsche um- 
wechseln können, weil sie von diesen keine hatte. Und in 
was sonst hätte sie ihre Thaler überhaupt Umtauschen 
| sollen? — Das höchste, was sich bei dem scharfsinnigst 
angelegten Vertrag hätte erreichen lassen, wäre gewesen: 
dass ein nach dem Austausch verbleibender Rest von 
vollwertigen Münzen von dem Staate, welcher sie ge- 
prägt, gegen dasjenige Quantum Währungsmetall umgewech- 


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DER DEUTSCHE MÜNZVEREIN 1857—1807. 87 

seit werden muss, welches dieser Rest enthalten sollte. 
Damit wäre der Verlust, welcher sich durch die Abnutzung 
der betreffenden fremden Stücke ergeben könnte, paralysiert. 
Eine Ausgleichung in einem anderen Metall als dem bis- 
herigen gemeinsamen Währungsmetall zu verlangen, in 
unserm besonderen Falle etwa in Gold, wäre ohne jeden 
Rechtsbodon und geradezu widersinnig. Ein Vertrag kann 
nur auf der Grundlage seiner selbst gelöst werden. Hat 
der Vertrag die Silberwährung als Basis, hat er damit das 
Silber als alleinigen Wertmesser angenommen, so müssen 
die vertragenden Teile auch bei seiner Auflösung die sich 
ergebenden Schulden und Forderungen mit Silber messen 
und ausgleichen. Das ist so sehr a priori einleuchtend, dass 
cs gar keiner näheren Erklärung bedarf. — Ist aber die 
oben besprochene Ausgleichung in ungemünztom Metall nicht 
vorgesehen, dann kann der Staat, welchem ein Rest fremder 
Münzen nach dem Austausch verbleibt, dieselben ganz nach 
Belieben in Umlauf lassen oder einziehen, als Material ver- 
kaufen oder umprägen. 

Anders steht diu Saclio natürlich bei Kreditgeld und 
unterwertigem in vollwertigem Golde tarifierten Gelde irgend 
welcher Art. Der ausgebende Staat hat ihm durch Tari- 
fierung einen seinen Stoffwurt überschreitenden Wert bei- 
gulegt. Der Inhaber einer Kreditmünzu hat also ausser 
deren Stoffwert gowissermassen noch ein Obligationsrecht 
gegen den Staat . 1 Falls nun in einem Münzbunde das Kredit- 
geld verschiedener Staaten in einander übergeht, ist natur- 
gemäss bei der Auflösung jeder Staat zur Einlösung seines I 
Kreditgoldes gegen vollwertiges Geld verpflichtet. Am ' 

1 .Die Hauptm(!nzen sind rein itofflioho Gegenstände, welche 
ihren Wertgang in sioh selbst tragen; der Inhaber hat an diesen 
schlechthin nur ein Eigentumsrecht, ein Aussohliessliohes sachliches 
Recht, wolohes die Juristen „iua in re“ nennen. Die SoheidemOnzen 
dagegen haben einen Kreditoharakter. 8ie geben dem Inhaber etwas 
mehr als das Metall, aus dem sie gemacht sind ; er hat ein Obligationen- 
rocht gegen den Staat, der sie ausgegeben hat: ius in personam“. — 
Pirmez in der Sitzung des belgisohen Abgeordnetenhauses vom lt. August 
1SS5, zitiert boi Bnmborger, Schicksale des lateinischen MQnzbundes, 1886. 


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88 


I. ABSCHNITT. 


schwierigsten wäre die Frage einer Liquidation bei einem 
MOnzbund mit durch blosse gesperrte Prägung unterwertigem 
Oelde, weil hier jeder durch Tarifierung in vollwertigem 
Oelde gegebene gesetzliche Massstab des Ausgleiches fehlt. 
FOr den deutschen MQnzverein kommt indes ein unter- 
wertiges Geld irgend welcher Art nicht in Frage. 

Es zeigt sich also, dass bei dem Austritt Österreichs 
r aus dem deutschen Münzverein eine Liquidation, da es sich 
\ nur um vollwertiges Geld handelte, einmal unnötig, dann 
auch unmöglich war, weil die Österreicher kein deutsches 
Geld hatten, das sie gegen die österreichischen Thaler hätten 
geben können. 

Ganz anders jedoch verhielt es sich mit der Frage: 
Sollen die österreichischen Thaler im deutschen Umlauf 
bleiben und wie lange? — Nach Ablauf des Jahres 1870 
musste in Deutschland bezüglich der österreichischen Thaler 
ein völlig vertragsloser, anarchischer Zustand eintreten. 
Wie kann eine Regierung die Verantwortung auf sich 
nehmen, ein mit andern Staaten gemeinschaftliches Umlaufs- 
mittel fortbestehen, die vertragsmässigen Abmachungen Uber 
dasselbe aber ablaufen zu lassen? — Gerade das that man. 
Statt auf irgend eine Weise Ordnung zu schaffen, Hessen 
die deutschen Regierungen ruhig und ohne Böses zu ahnen, 
den Zeitpunkt der Vertragslosigkeit über ihre Thaler herein- 
kommen, und als sich diu naturgumässen schlimmen Folgen 
dieser Unordentlichkeit späterhin zeigten, war man all- 
gemein sehr erstaunt. 

Im übrigen ist der Vertrag vom 13. Juni 1867 sicht- 
lich auf die damalige Lage zugeschnitten. Man sieht, es 
war darauf gerechnet, Österreich werde vor dem Ablauf 
des Jahres 1870 zu einem andern Mttnzsystem übergehen. 
Da Österreich keine Thaler deutschen Gepräges im Umlauf 
hatte, kam also die Frage nicht in Betracht : Was soll einer 
der beiden Teile bei einem Wechsel seines Münzsystemes 
mit den in seinem Umlaufe befindlichen fremdon Thalern 
anfangen? sondern nur: wie löst er seine draussen um- 
laufenden Thaler ein? 


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DKH DEUTSCHE MÜNZVEREIN 1857— 1867. 39 

Thatsächlich schloss Österreich am 31. Juli 1867 eine 
Präliminarkonvention mit Frankreich. Nach derselben er- 
hält Österreich den Gulden im genauen Wert von 2 1 /* 
Franken Gold als Münzeinheit und lässt künftig — vom 
1. Januar 1870 ab — Goldstücke nur in Gemässheit dieser 
Konvention, und zwar zu 4 Gulden = 10 Franken, zu 8 
Gulden = 20 Franken und zu 10 Gulden = 25 Franken 
prägen. Die Einziehung seiner bisherigen Silberkurant- 
münzcn will es nicht über den 1. Januar 1873 hinaus ver- 
schieben. Das endliche Ziel war nämlich nicht die Doppel- 
währung des lateinischen Münzbundes, welche Österreich 
nur als Übergangsstufe benutzen wollte, sondern die Gold- 
währung. Am 1. Januar 1870 hätte die Konvention in 
Wirksamkeit treten sollen. 

Das am 24. Dezember 1867 zwischen östeireich und 
Ungarn abgeschlossene Zoll- und Handelsbündnis nahm in 
Art. XII. in Aussicht, dass »den beiderseitigen Vertretungen 
baldigst gleichartige Vorlagen zur Einführung der Gold- 
währung gemacht werden“. Aber das Gesetz vom 9. März 
1870 ordnete nur die Ausprägung von 4- und 8 fl-Stücken 
in Gold an, deren Annahmo jedoch bis zur Einführung der 
in Aussicht genommenen Goldwährung dem freien Über- 
einkommen überlassen bleiben sollte. 1 — Aber dio »in Aus- 
sicht genommene Goldwährung“ kam nicht. Wäre sie ge- 
kommen, auf der geplanten Grundlage und vor dem Ablauf 
des Jahres 1870, dann wäre das für alle Besitzer öster- 
reichischer Thaler ein grosser Vorteil gewesen. Österreich 
hätte den Thaler zu 1 '/* Gulden Gold, d. h. zu 3 :1 /< Franken 
Gold einlösen müssen, während drei deutsche Reichsmark, 
der spätere deutsche Tari Her ungs wei t des Thalers nur 3 ,9 /27 
Franken sind, das ist etwa 4'/* Centimos weniger. Die dem 
geplanten österreichischen Währungswechsel zu Grunde ge- 
legte Relation 1 : 15,308 war für das Silber so günstig, 
dass binnen kurzer Zeit alle österreichischen Thaler nach 
Österreich zurückgekohrt wären und sich in Goldgeld ver- 

1 Denkschrift über den Gang der Wahrungsfrage, 1892; verfasst 
im k. k. Finanzministerium. 


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40 


i. ABftcmnrr. 


wandelt hätten. Österreich hätte sogar wahrscheinlich Mühe 
gehabt, sich die deutschen Thaler fern zu halten. Die ganze 
Thalerfrage hätte in ihr genaues Gegenteil Umschlagen 
können. 

Aber der Währungswechsel kam eben nicht. Das 
| Jahr 1870 lief ab, und nun herrschte zwischen den deut- 
schen Staaten und Österreich die geschilderte Anarchie. 
Da fUr Münzangelegenheiten auch jede völkerrechtliche 
Grundlage fehlt, hingen die österreichischen Thaler in Deutsch- 
land rechtlich vollkommen in der Luft. 

Das war für Deutschland immer noch kein Unglück, 
so lange die Thaler vollwertiges Geld waren, solange der 
Geldwert eines Thalers sich mit dem Stoffwert von '/so 
Pfund Silber deckte, d. h. so lange Silber das deutsche 
Währungsmetall blieb und das deutsche Geld an den 
Wertgang des Metalles Silber geknüpft war. Aber das 
sollte sich in Bälde ändern. 


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II. AB8HNITT. 


DIE- ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DER 
DEUTSCHEN MÜNZREFORM. 


I. DAS GESETZ, BETREFFEND DIE AUSPRÄGUNG VON 
REICHSGOLDMÜNZEN, VOM 4. XII. 1871. 

Die grossen Ereignisse des Jahres 1870 und 1871 
brachten die politische Einigung Deutschlands durch die 
Begründung des deutschen Reiches. Die von allen Seiten 
verlangte einheitliche deutsche MUnzreform Hess sich nun 
nicht länger hinausschieben, und andererseits war gerade 
durch die politische Einigung, da sie die Münzgesetzgebung 
der Kompetenz des Reiches unterstellte, die Möglichkeit 
einer einheitlichen MUnzreform gegeben. 

Die MUnzreform brachte dem neuon Reiche an Stelle 
seiner mannigfaltigen MünzsyBteme eine vollendet einheit- 
liche Münzverfassung, und dann — das ist für uns noch 
mehr von Bedeutung: ein anderes Währungsmetall. 
In ganz Deutschland, mit Ausnahme der freien Stadt 
Bremen, hatte bisher die reine Silberwährung ge- 
herrscht. Der neue Bundesstaat schickte sich nun an, zur 
Goldwährung Uberzugehen, d. h. die Geschicke seines 
Geldes von dem Wertgange des Metalles Silber abzulösen 
und sie mit dem Wertgange des Metalles Gold zu ver- 
knüpfen. Wollen wir sehen, wie die deutsche Gesetzgebung 
dies bewerkstelligte ! 

Der Währungs Wechsel in Deutschland vollzog sich in 
zwei grossen Schritten. Der erste Schritt war das Gesetz, 


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42 


II. ABSCHNITT. 


betreffend die Ausprägung von Reichsgold- 
münzen, vom 4. Dezember 1871. 

Dieses Gesetz griff in drei Punkten in die bisherigen 
MQnzverhältnisse ein. 

Einmal verordnet« es die Ausprägung zweier Sorten 
von Iteichsgoldmünzen, von Kronen und Doppel- 
kronen (von Zehnmarkstücken und Zwanzigmarkstücken), 
zu jo V las,* und V«V 5 Pfund feinen Goldes. Als neue 
Münzeinheit hatte man den Drittelsthaler unter dem Namen 
.Mark* angenommen. Vom Standpunkt der noch vor- 
handenen Silberwährung aus betrachtet stellt sich also diese 

Mark als rr— — - — ' w Pfund Silber dar. Nun handelte 
80 x 8 

es sich bei Schaffung der neuen Reichagoldmünzon darum, 
welches Quantum Gold an Wert diesem */»" Pfund Silber gleich 
kam, um die Relation. Bei Doppelwährungen ist diu 
Relation das immer bestehende Band, welches die 
beiden verschiedenmetallischen Münzsorten zu einem einheit- 
lichen System zusammenhält; bei einem Währungswechsel 
ist sie eine nur augenblicklich b o n ii t z t e Brück e, 
welcho den Wertgang des Geldes von dem einen Metall 
zum anderen hinüberleitet; einmal überschritten, kommt sie 
hier nicht mehr in Betracht. * — Nun fand es sich, dass 
seit Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Weltmark 1 Pfund 
Gold mit gcringun Abweichungen und Schwankungen stelB 
15*/* Pfund Silber gegolten hatte, dass die dauernde Relation 
in der Doppelwährung des lateinischen Münzbundes 1 ; 15'/* 
war, und schliesslich, dass in den Novembertagen des Jahres 
1871, an welchen der deutsche» Reichstag Uber das erste 
Münzgesetz beriet, auf dem Londoner Markte genau das 
Verhältnis von 1 : lb'/i herrschte. Ohne Zaudern legte auch 

1 Dio Relation int natürlich mich Thuniiohkuit «o au wählen, dun« 
di« Kaufkraft de« neuon Geldes mügliohnt diu gleioho bleibt, wlu diu 
Kaufkraft de* alten Geide« bi« tum Wältrungawcohacl. — Gelegentlich 
der üalerrcichUchen Valutaregulierung wurde die Frage der Uelatiou 
uuaacrurdcntlich gründlich erörtert. Kino «ehr guto Übersicht aller 
Relationatheoricti und- Vorachläge, weloho bei dieser Gelegenheit nuf- 
tauohten, bei ü»ter«etier, Wfthrungtweohtel und Aufnahmo der 
Barzahlungen. Wien 1092. 


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DIS ÖBTER. THALER IN DER DEUTSCHEN MÜNZRKFORM. 43 

das deutsche Reich diese Relation der Schaffung seiner 
neuen Goldmünzen zu Grunde. Das 10 Markstück erhielt 

also einen Feingehalt von ^ . . = */is9,s Pfund Gold. 

yu x io,ü 

Ferner bestimmte das Gesetz, dass alle Zahlungen, 
welche bisher gesetzlich in Silbermünzen der verschiedenen 
Landeswährungen zu leisten waren oder geleistet werden 
durften, von nun an in Reichsgoldmünzen geleistet werden 
könnten, und zwar dergestalt, dass gerechnet wird: 

Das 10-Markstück zum Wert von 3 l /a Thaler, das 20- 
Markstück zum Wert von 6 2 /s Thaler — natürlich waren 
dio neuen Goldmünzen auch in den Münzen der übrigen 
deutschen Landeswährungen tarifiert; diese Tarifierungen 
sind indes hier nicht von Bedeutung. — Man bemerke, dass 
in diesem Gesetze noch die Reichsgoldmünzen in den alten 
Landesmünzen tarifiert waren, nicht die Landesmünzen in 
Reichsgoldmünzen, dass also bis auf weiteres die alten 
Landessilbermünzen noch in Kurs blieben, und nur die 
neuen Reichsgoldmünzen nach einem festen Tarifierungs- 
verhältnis an Stelle der nlten Landesmünzen in Zahlung 
gegeben werden konnten. 

Diese Bestimmung konnte für die nächste Zeit nicht 
tief einschnoiden. Die wichtigste Vorbedingung für das 
Zahlen in Goldmünzen ist, dass man Goldmünzen hat. Und 
diese wurden ja erst noch geprägt, und zunächst ausschliess- 
lich für Rechnung des Staates. 

Die dritto wichtige Bestimmung des Gesetzes — eine 
Bestimmung, durch welche die Frage ob Gold-, ob Doppel- 
währung bereits entschieden wurde — war die Einstel- 
lung der Prägung von groben Silbermünzen, 
nicht bloss für Private, sondern auch für die Regierungen. 
Damit war die Verbindung zwischen dem Silber ge ld und 
dem Metall Silber zerschnitten. Der Wert des Silbers 
als Metall war jetzt nur noch die untere Wertgronzo für 
das Silber als Geld, nicht mohr zugleich dio obere. Während 
der Wert eines Pfundes Silber immer nur unmerklich über 
30 Thaler steigen konnte, da man ja im Stande war, sich 
durch Einschmelzen von 30 Thalerstücken jederzeit mit 


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44 


II. ABSCHNITT. 


geringen Kosten 1 Pfund Silber zu verschaffen, konnte 
andererseits der Wert von SO Thalern sich bedeutend Uber 
den Wert von 1 Pfund Silber erheben, da nicht mehr die 
direkte Möglichkeit vorhanden war, ein Pfund Silber gegen 
geringe Prilgekosten in 30 Thaler zu verwandeln. Es konnte 
nun der Fall eintreten, dass zwar das Angebot von Itoh- 
silber die Nachfrage weit überstieg, andrerseits die Nach- 
frage nach gesetzlichem Zahlungsmittel, nach gemünztem 
Silber, sehr stark war, ein Fall der bei freier Prägung nie 
Vorkommen kann , und welcher den Wert des Geldes über 
seinen Stoffwert heben muss. 1 Dieser Fall trat in die 
Augen springend in den Jahren 1873 bis 1875 im nieder- 
ländischen Geldwesen ein;* auch bei der Betrachtung der 
österreichischen Valuta Verhältnisse vom Jahre 1879 an 
werden wir uns an diese Thatsache erinnert fühlen. — In 
unserm gegenwärtigen Falle war also die Möglichkeit ge- 
geben, dass einer, der Silber besass und Thaler dafür er- 
werben wollte, im dringenden Bedarfsfälle mehr als 1 Pfund 
Silber für 30 Thaler gab, und dass der andere umgekehrt 
für 1 Thaler inehr als '/so Pfund Silber erhielt, also mehr 
als den Stoffwert eines Thalers. 

Hier ist jedoch zu bemerken: Ein freies, unein- 
geschränktes Erheben des Geldwertes einer bestimmten 
Münzsorte mit gesperrter Prägung über ihren Stoffwert 
kann nur dort statttinden, wo nicht eine andere Münzsorte, 
welche mit der ersteren durch gesetzliche Tarifierung ver- 
bunden ist oder sie wenigstens in ihrem Geldcharakter 
irgendwie vertreten kann, frei vermehrbar ist. Eine solche 
Münzsorte hatten wir nun an den neuen iteichsgoldmünzen. 
Deren freie Ausprägbarkeit vorausgesetzt, konnto der Geld- 
wert einer Krone niemals nennenswert Uber den Wert von 

1 Nasse: Diu Mdnzreform und die Weohsolkurse, Hirthe Annalen 
1875 8. 604 :„.... und er bekommt für I Pfund rohen Silbers nooh lango 
kein Pfund Silber in Silberthalern, weil die eingesohrftnkte Ausprägung 
der Thaler denselben eine Art von Monopolpreis vorsolinfTt, dor mit 
dom Preise de* rohen Silber« gar nicht« mehr au thun hat“. 

* Naue, a. a. 0., 8 . 604 und 605. — II ambergor, Rciohs- 
gold, 8. 145 IT. 


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DIB Ö8TER. THALER IM DER DEUTSCHEM MÜHZREFORM. 45 


*/t*M Pfund feinen Goldes steigen, also auch der Wert des 
Tlialers nicht über a l\m Pfund Gold, da ja jederman eine 
Krone an Stelle von 8 1 /» Thaler in Zahlung geben konnte. 
Die thatsächliche Entwickelung der Dinge hing nun davon 
ab, wie sich das Wertverhältnis von V 8 » Pfund Silber und 
*/i*5 Pfund Gold, welche Metallquanta das Gesetz vom 4. 
Dezember 1871 als gleichwertig angenommen hatte, in der 
folgenden Zeit auf dem Edelmetallmarkte gestaltete; ob es 
sich gleich blieb, ob es sich zu gunsten oder zu ungunsten 
dos Silbers veränderte. 

II. NEUGESTALTUNG DES VERHÄLTNISSES DER 
ÖSTERREICHISCHEN THALER IN DEUTSCHLAND. 

Schon im Dezember 1871 begann der Wert des Silbers 
im Verhältnis zum Golde zu fallen. Der Stoffwert eines 
Tlialers = 1 /ao Pfund Silber war nun nicht mehr gleich dem 
Stoffwert von 8 Mark — a /mr l Pfund Gold, sondern etwas 
geringer. Damit war die MUglichkeit gegeben , dass 
sich der Wert eines Tlialers über den Wert von '/w Pfund 
Silber erhoben konnte. Er musste das thun in dem Falle, 
dass ein gesteigertes Bedürfnis nach Zahlungsmitteln ein- 
trat, welchem der vorhandene Bestand an nicht vermehr- 
baren Silbermünzen und an den wenig vermehrbaren Papier- 
scheinen nicht mehr genügen konnte, zu dessen Befrie- 
digung man Goldgold brauchte. Naturgemäss konnte 
der Geldwert eines Thalers nur bis zu dem Werte von 8 /i 89 r. 
Pfund Gold steigen, sobald die Goldprägung für Private 
freigegeben war. Das war nun allerdings zunächst noch 
nicht der Fall, indes kam das von der Regierung befolgte 
System des Barrenankaufes in der Wirkung dem freien 
Prägerecht sehr nahe. 

Der thatsächliche Verlauf war, dass sich der Wert 
des Thalers bei dem Sinken des Silberwertes auf seinem 
ihm durch die gesetzliche Tarifierung der Reichsgoldmünzen 
boigologton Goldwerte erhielt. Seine Verwandelung in 
Goldgold war also gelungen, dor Übergang zur Goldwährung 
war geglückt. Auch eine nachträgliche, allerdings sehr 


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46 


n. ABSCHNITT. 


heftige Krisis in den Jahren 1874 und 1875, deren Ge- 
schichte uns hier nicht näher angeht, konnte den normalen 
Verlauf nur zeitweilig unterbrechen. 

Was bedeuteten nun diese Verhältnisse für unsere 
Österreichischen Thaler? Nach den Landesgesetzen, 
welche die einzelnen Zollvereinstaaten in Gemässheit des 
Vertrages vom 24. Januar 1857 erlassen hatten, waren die 
österreichischen Thaler den deutschen vollkommen gleich- 
gestellt. Durch Sperrung der Silberprägung erhielt also 
nicht nur der deutsche Thaler, sondern mit ihm auch der 
österreichische die Fälligkeit, sich über seinen Silberwert 
zu erheben. Dadurch, dass sich in Deutschland der Bedarf 
nach Zahlungsmitteln — wenn auch mit einer heftigen 
Unterbrechung — steigerte und nur durch die Ausprägung 
von neuen Goldmünzen befriedigt werden konnte, dadurch, 
dass die neuen Goldmünzen in Thalern eine unveränderliche 
Tarifierung erhalten hatten, und dass der Wert des Goldes 
über das bei dieser Tarifierung angenommene Wertverhältnis 
zum Silber stieg, wurde der Geldwert der Thalerschlecht- 
hin — auch der österreichischen — über ihren 
Stoffwert erhoben und an den Wertgang des Goldes ge- 
knüpft. 

Das mag zwar zunächst für die Besitzer von österreichi- 
schen Thalern sehr erfreulich gewesen sein. Aber wie sollte 
das später werden? — Jedermann nahm damals die öster- 
reichischen Thaler gutwillig in Zahlung zu einem Geldwert, 
der zunächst 3°/o höher war, als ihr Stoffwert ; später auch 
4,5 und 6 u /o höher, heute sogar mehr als 100 u /o höher ist. — 
Da konnte nun plötzlich die Regierung kommen und die 
österreichischen Thaler ausser Kurs setzen, ohne Einlösung. 
Was dann? — Damit wäre dem Besitzer nur der Stoff- 
wert des Thalers geblieben, der überschüssige Geldwert 
wäre einfach verschwunden. 

Ob die deutsche Regierung zu einer solchen Massregel 
berechtigt ist? — Völkerrechtlich gewiss ! Wodurch in 
aller Welt sollte sio verpflichtet soin, ein „fremdesGeld“ 
einzulösen? noch dazu zu einem Wert, der den Material- 
wert dieses Geldes weit übersteigt? 


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DIE Ö8TER. THALER IR DER DEUTSCHEN MÜNZRRFORM. 47 

Aber die Österreichische Regierung bleibt ja 
immer noch ! Diese kann ihr eigenes Geld doch unmöglich 
ohne Einlösung ausser Kurs setzen. Vertragsmässig 
ist sie Deutschland gegenüber allerdings nicht mehr gebunden, 
aber das versteht sich doch von selbst, dass ein Staat, der 
seine Münzen ausser Kurs setzt, sie auch einlöst. — Gewiss ! 

Aber wie steht es mit den österreichischen Thalern in Öster- 
reich selbst? — Dort ist der Tlialer gesetzlich gleich 1 '/* 
Silbergulden. Der Gulden enthält */»a Pfund Silber, ist nach 
wie vor frei ousprägbar, ruht also noch völlig auf seiner 
Silberbasis. Geldwert und Stoffwert fallen bei ihm zu- 
sammen; also auch beim Thaler. — Das ist eben der 
Unterschied ! Im deutschen Reich hatte man den 
Geldwert des Thalers an den Wertgang des 
Goldes geknüpft, in Österreich ist er auf der Basis \ 
des Silbers geblieben. Da sich der Wertgang des 
Goldes über den Wertgang des Silbers erhoben hatte, hatte 
der Thaler einen zusätzlichen Geldwert erhalten — nur in 
Deutschland, in Österreich aber n i c h t. 

Also in Deutschland war der Thaler unterwertiges , 
Geld , in Österreich aber vollwertiges; in Österreich 
fiel sein Geldwert mit seinem Stoffwort zusammen, in Deutsch- 
land war sein Geldwert höher als sein Stoffwert. 

Wenn nun die deutsche Ueichsregierung die öster- 
reichischen Thaler ohne Einlösung ausser Kura setzte, dann 
hatte es für die Besitzer solcher Thaler gar keine Bedeutung, 
dass Österreich das nicht tliat. In Österreich galt der 
Thaler nur nach dem in ihm enthaltenen Silber und um den 
zusätzlichen Wort weniger, den er in Deutschland deshalb 
genoss, weil er, bei gesperrter Prägung für Silberkurant, mit 
den Ueichsgoldmünzen durch eine feste Tarifierung ver- 
bunden war. 

Dieser Unterschied zwischen dem Thalerwert in Deutsch- . 
land und dem Thalerwert in Österreich hatte ausser der 
Gefahr, welche die Besitzer österreichischer Thaler in Deutsch- 
land für dio Zukunft bedrohte, eine sehr begreifliche Wirkung. 
Hatte schon vorlior das Papiergeld in Österreich den grössten 
Teil der Thaler und Silborgulden aus Österreich ausge- 
trieben, und zwar natürlich nach Deutschland, so wurde jetzt 


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48 


n. abschsitt. 


der noch draussen befindliche Rest wie durch einen Magnet 
nach Deutschland hineingezogen. Wer gibt in Österreich 
einen Thaler anstatt IV* Silbergulden oder 1*/* Papiergulden 
mit entsprechendem Agio aus, wenn er ihn in Deutschland 
eu 3 Mark ausgeben kann, und 3 Mark mehr sind als 
!*/• Silbergulden? — So strömten die Österreichischen Thaler 
alle bis auf verschwindende Ausnahmen zu uns herüber. 
Diese zweite Einwanderung ist wohl zu unterscheiden von 
der ersten, welche vor der Münzreform stattgefunden hatte. 
Diese letztere war veranlasst durch den Zwangskurs des 
österreichischen Papiergeldes, sie füllte unsere Zirkulation 
in ganz normaler Weiso mit vollwertigem Geld, das 
entweder auf der andern Seite vollwertiges deutsches Geld 
in den Schmelztiegel trieb, oder, wenn sie nur einem ge- 
steigerten Bedürfnis nach Zahlungsmitteln genügte, der 

deutschen Volkswirtschaft Präge und wenigstens während 

der Dauer des Vertrages — Unterhaltungskosten ersparte. 
Die zweite Einwanderung erfolgte durch die Übertarifierung 
jder Thaler, in gewissermassen künstlicher Weise. Sie füllte 
unsere Zirkulation mit einem bereits unter wertig ge- 
wordenen Oelde, und — wenn sie auch einem allonfallsigen 
Bedürfnis nach Zahlungsmitteln genügte — verhinderte sie 
doch die Ausprägung von vollwertigen Boichsgold- 
münzen. — Wie gross die Summe von Thalorn war, die 
auf solche Weise zu unsorm offenbaren Schaden künstlich 
hereingelockt wurden, wie gross die Summe, die vor der 
Münzreform auf völlig normale Weise und mit für uns in- 
differenter Wirkung hereingekommen waren, ist damals, 
weil niemand auf den Vorgang achtete, begreiflicherweise 
nicht ermittelt worden, und ist heute natürlich überhaupt 
nicht mehr auch nur ganz annäherungsweise zu schätzen. 
Indessen dürfte der grösste Teil der österreichischen Ver- 
einsthaler schon vor der Reform zu uns gelangt sein. 

Ferner ist zu konstatieren: dieses nachträgliche, zu 
unserm Schaden erfolgte Einströmen der österreichischen 
Thaler ist nicht durch die Schuld Österreichs er- 
folgt. Hier war es nicht der Zwangskurs für Papiergeld 
in Österreich, welcher austrieb, sondern der Zwangskur» für 


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DIB ÖBTKB. THAL.BR IN DER DEUTSCHEN MÜNZRKFORM. 49 

Pa pi e r g e ld 4 a Öst erreic h , welch e r au st riob , sondern der 
Zwangskurs für Silbergeld in Deutschland, welcher anzog. | 
Diese zweite Einwanderung ist durch die Massregeln der 
deutschen Regierung direkt veranlasst, soweit sie die 
T h a 1 e r betrifft ; denn die Landesgesetze, welche den öster- 
reichischen Thalem gesetzlichen Kurs gleich den eigenen 
Landesmünzen verliehen, also jedermann verpflichteten, einen 
österreichischen Thaler zu demselben Wert wie einen deut- 
schen anzunehmen, waren nirgends aufgehoben worden, auch 
nicht nach Ablauf des Jahres 1870. 

Es fragt sich nun : Hätte die Regierung in dem Gesetz 
vom 4. Dezember 1871, welches die Silberprägung aufhob 
und die Goldmünzen in Silber tarifierte, irgend etwas thun 
können, um die noch draussen befindlichen Thaler öster- 
reichischen Gepräges von der künstlichen Erhebung der 
Thaler über ihren Stoffwert auszuschliessen — vielleicht 
auch, wenn sie der Ansicht war, alle österreichischen Thaler 
seien fremdes Geld, alle österreichischen Thaler von der Wert- 
erhöhung auszuschliessen ; d. h. : hätte die Regierung Mass- 
regeln ergreifen können, durch welche die Thaler deutschen 
Gepräges an den Wertgang des Goldes angeknüpft worden, 
andrerseits die Thaler österreichischen Gepräges nach wie 
vor an dem Wertgang des Silbers festgehalten worden wären? 

An solche Erwägungen dachte damals niemand. Man 
hatte keine Ahnung davon, dass sich aus den österreichischen 
Thalern eine Frage entwickeln könne. Und so lange der 
Silberwert zum Goldwert wenigstens annähernd wie 1 : 15,5 
stand, zeigten sich auch thatsächlich keine Unzuträglichkeiten, 
welche geeignet gewesen wären, darauf aufmerksam zu 
machen. Bis zum 25. April 1873 habe ich weder in den 
dio Münzgesetzgebung betreffenden Reichstagsverhandlungen, 
noch in Zeitungen und Handelsblättern irgendwo einen Hin- 
weis auf die schiefe Stellung der österreichischen Thaler im 
neuen deutschen Münzwesen gefunden. 1 

1 Zu erwähnen ist nur, data Bremen und Hamburg, welche 
auf eigene Fauat aohon am 80. April, betw. 11. Norember 1872 mir 
Mnrkroohnung übergingen, nur dio Thalor d e u t a oh en Geprlgea, alao 

H «Iff« rieh, Die Koljfeu dea deutaoh-Oaterr. MUuivaralna tob 1857. 4 


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50 


U. ABSCHNITT. 


Und doch wRre damals vielleicht noch wenigstens die 
Aussperrung der noch draussen befindlichen Österreichischen 
Thaler möglich gewesen, ich meino gleichzeitig mit dem 
Gesetz vom 4. Dezember 1871. Man hiltte damals die Öster- 
reichischen Thaler mit kurz bemessener Eiiilösungsfrist, von 
vielleicht 14 Tagen, ausser Kurs setzen können unter Um- 
tausch gegen deutsche LandessilbermQnzen. Nach erfolgter 
Einlösung sofort Verbot ihres weiteren Umlaufes im deutschen 
lteicli. Die draussen befindlichen Thaler nach Deutschland 
zu bringen und gegen deutsches Silber umzutauschen, daran 
hätte niemand ein Interesse gehabt, da sie mit dem letzteren 
auf Grund ihres Silber wertes damals noch auf Pari standen. — 
So wäre es vielleicht gelungen, wenigstens diesen kleineren 
Teil österreichischer Thaler von Deutschland fern zu lullten. 

Dagegen wäre es wohl unmöglich gewesen, die in 
Deutschland selbst befindlichen Stücke ohne Verlust für 
deren Inhaber auszutreibon. Man hätte sie allerdings jeder- 
zeit ohne Einlösung ausser Kurs setzen können. Verpflich- 
tungen gegen Österreich standen dem nicht im Wego. — 
Aber was sollten die deutschen Inhaber dann mit ihnen 
anfangen ? Es ist ja bekannt, wie schwer es ist, Metall- 
geld in ein Land mit Papierwährung zurückzuleiteu. Das 
hat sich gerade in Bezug auf Österreich später drastisch 
an den aus Deutschland ausgetriebenen österreichischen 
Silbergulden gezeigt. Die einzige Möglichkeit wäre für die 
Besitzer von österreichischen Thalern in Deutschlund wohl 
deren Verwendung als Material gewesen. Sie hätten in- 
folge ihrer Ausserkurssetzung ein solches Disagio gegen die 
deutschen Thaler erhalten müssen, dass es sich für Edcl- 
metallhftndler gelohnt hätte, sie aufzukaufen, einzuschmelzen 
und eventuell in London bei, wie vorauszusehen, etwas ge- 
wichenen Silberpreisen auf den Markt zu bringen. Es handelte 

nicht auoh die österreiohisohen, fürderhin als Zahlungsmittel zu* 
Hessen. Oie deutschen Hansestädte konnten ohne weiteres so vorgehen. 
Der Wiener Münzrcrtrag hatte ja nur die deutschen Zollvereins- 
Staaten in sich begriffen, zu denen die Hansestädte nioht gehörten. 
Der Österreichische Thaler hatte also in Hamburg und Bromon über- 
haupt niemals gesetzliche Zahlungskraft besessen. 


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DIR ÖSTRR. THALRR IR DRR DRUTSOHRH XONZRRRORM. 51 

sieb dabei um eine Masse von ungefähr 800000 Pfund 
Silber. — Ich nehme an, dass sich von der Gesamtsumme 
der österr. Thaler 1871 mindestens zwei Drittel in Deutsch- 
land befanden, also etwa 24000000 Stück. — Damit, dass 
dieses grosse Angebot den Silberpreis drücken würde, hätten 
die Aufkäufer natürlich rechnen müssen. Das Disagio der 
österreichischen Thaler hätte also ein ziemlich bedeutendes 
werden können. 

Und die Wirkung dieser ganzen Massregel für den 
Fiskus? — Die 800000 Pfund Feinsilber hat er nun nicht 
mit Verlust von den deutschen Reichsangehörigen einzulösen. 
Den Verlust tragen diese selbst. Aber: dadurch dass diese 
800000 Pfund Silber von anderer Seite auf den Markt ge- 
bracht worden, iindot der deutsche Reichs-Fiskus, wenn er 
mit seinem Silberangebot auf den Markt kommt, bereits 
gedrückte Silberpreise vor. Er ist genötigt, seine Silber- 
bestftnde zu unvorteilhafteren Preisen zu verkaufen, als er 
sie sonst hätte veräussern können. Der Vorteil, richtiger 
der vermiedene Nachteil für den Fiskus wäre also nicht 
ganz so ungeschmälert, wie es auf den ersten Blick aussieht. 

Aber davon ganz abgesehen: Der Staat darf die zu- 
fälligen Inhaber der österreichischen Thaler zur Vermeidung 
fiskalischer Verluste den aus einer Ausserkurssetzung der 
österreichischen Thaler entstehenden Schaden nicht auf- 
bürden. Durch seine Gesetze hat er sie zu deren Annahme 
zum vollen Wert eines deutschen Thalers gezwungen, und 
wenn er ihnen nun die Geldeigenschaft entzieht, so muss ' 
er die daraus entstehenden Verluste auf die Gesamtheit 
übernehmen. 

Diese Unvermeidlichkeit könnte man als etwas wider- 
sinniges ansehen. Thatsächlich verschloss sich ihr gegen- 
über die deutsche Reichsregierung späterhin, so lange es 
irgend anging. — Wie kann das deutsche Reich verpflichtet 
sein, ein unterwertiges, fremdes Geld einzulösen und 
sich dadurch Verluste zuzuziehen? 

Der Widerspruch erscheint sofort als gelöst, wenn man 
die zur Zeit des Währungs Wechsels in Deutschland um- 

4 ' 


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52 


□. ABSCHNITT. 


laufenden Österreichischen Thaler auf ihren Charakter als 
fremdes Geld näher prüft. — Fremde Münzen waren 
sie unbestreitbar. Indess vergegenwärtige man sich nur 
einen Augenblick die Wechselwirkung, welche bei freier 
Prägung zwischen Münze und Metall stattfindet, wie sich 
fast automatisch bei eintretendem Bedarf nach gemünztem 
Geld die Barren in Münzen, bei Überfluss von Umlaufs- 
mitteln die Münzen in Barren verwandeln. Die Zirkulation 
füllt sich hier in vollständig dem Bedürfnis entsprechender 
Weise. Sobald das Bedürfnis nach Umlaufsmitteln den 
Wert des Geldes um mehr als die Prilgegebühr über den 
Metallwert erhöht, wird es vorteilhaft, Barren zur Münzo 
zu tragen. Sobald Zahlungsmittel im Übermass vorhanden 
sind, wird sich der Wert der Hauptmünzen immer mehr 
ihrem blossen Materialwert nähern. Es wird dann nicht 
nur niemand Barren ausprägen lassen, da er ja dieselben 
vorteilhafter auf dem Markt verkaufen kann, sondern es 
wird für Goldschmiede und für Exportzwecke gelegentlich 
vorteilhaft sein, Münzen als Material zu benutzen. Die 
Zirkulation zieht also bei freier Prägung genau so viel Um- 
laufsmittel an sich, wie sie braucht, nimmt andererseits 
höchstens vorübergehend solche Uber ihren Bedarf hinaus 
auf. Natürlich sind die Grenzen nicht scharf gezogen, 
sondern bis zu einem gewissen Grad elastisch. — Die zu 
uns vor der Münzreform eingewandorten österreichischen 
Thaler konnten also unseren Münzumlauf nicht in anor- 
maler Weise überfüllen. Die Sache stellt sich einfach 
so dar, dass die Münzstätten in Wien und Kremnitz — 
wie schon erwähnt — einen Teil der deutschen Zirku- 
lation versorgten. Hätten sie es nicht gethnn, dann 
wäre voraussichtlich an deutschen Münzstätten mehr ge- 
prägt worden; es wären dann beim Währungs Wechsel zwar 
weniger österreichische, dafür aber mehr deutsche 
Thaler, im Grunde wohl eine nicht viel geringere Gesamt- 
zahl von Thalcrn im deutschen Umlaufe gewesen. Die 
bei uns heimisch gewordenen österreichischen Thaler er- 
füllten also vollständig die Funktion deutschen Geldes, 
trotz des Doppeladlers auf ihrem Gepräge; deshalb durfte 


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DIE ÖBTER. THALER IN DER DEUTSCHEN MÜNZREFORM. 58 


und musste das deutsche Reich an ihnen dieselben Ver- 
luste erleiden, wie an seinen deutschen LandessilbermUnzen. 

Indess, wie bereits oben gesagt, es machte sich damals 
niemand Gedanken Ober die österreichischen Thaler. Der 
biedere Deutsche gab und nahm sie gleich seinen eigenen 
deutschen Thalern und machte sich keine Sorgen Uber ihre 
Zukunft. 


III. DAS MÜNZGESETZ VOM 9. JULI 1878 UND SEINE 
FOLGEN FÜR DIE ÖSTERREICHISCHEN THALER. 

Mit Beginn des Jahres 1878 wurde dem deutschen 
Reichstage das definitive MUnzgesetz vorgelegt, welches 
die deutsche Münzverfassungendgiltig ausgestaltete. Während 
des Frühjahres ward es im Reichstag beraten. 

Während man sich bisher immer noch halbwegs den 
Übergang zur Doppelwährung offen gehalten hatte, 1 erklärte 
der Artikel 1 dos neuen Gesetzes: 

„An Stelle der in Deutschland geltenden Landes- 
währungen tritt die Reichsgoldwährung*. 

Das Gesetz enthält dann alle nötigen Bestimmungen 
über den näheren Ausbau dos Systemes, gibt prinzipiell die 
Goldprägung, allerdings gegen die zu hohe Maximalgebühr 
von 7 Mark pro Pfund Foingold 2 und für die Zeit, wo die 
Münzstätten nicht mehr vollauf für die Regiorung beschäftigt 
sein würden, frei, regelt das Scheidemünzwesen u. s. w. 

Dann bestimmt es die Vorbereitungen, welche bis zum 
Eintritt der Reichsgoldwährung zu treffen sind. Der Zeit- 


1 Die Kntsohoidung über dio Frage ob Gold* ob DoppelwShrung 
war in oinor von dor Kogiorung nicht beabsichtigton Woiso schon ge- 
legentlich der Beratung Ober das Gesotz vom 4. Dezember 1871 ge- 
fallen. Aus dor Initlativo dos ltoiohstags heraus wurde dio Sperrung 
dor 8i 1 be r p r fl g u n g beschlossen. (Art. 11.) Mit diesem Beschluss 
war die Frage zu gunsten der Goldwährung entschieden. 

* Duroh Verordnung vom 8. Juni 1875 wurde die Prägung auf 
Privatrechnung gegen eine Prägegobllhr von 8 Mark pro Pfund Fein- 
gold freigegebon. Das Bankgesets verpflichtete die Roiclisbank, jeder- 
zeit Gold zu 1392 Mark das Pfund fein, anzukaufen. 


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54 


II. ABBCHKITT. 


punkt des Eintritt«8 der letzteren bleibt der Bestimmung 
durch kaiserliche Verordnung Vorbehalten. 

Die bis dorthin zu treffenden Vorbereitungen waren 
die Ausprägung einer hinreichenden Menge neuer Reichs- 
mQnzen und die Beseitigung der alten Landesmünzen. Dazu 
kamen einige Schutzmassregoln für die werdende Reichs- 
währung. Der Bundesrat erhielt das Recht, ausländische 
Münzen zu tarifieren oder ihren Umlauf gänzlich zu unter- 
sagen. — Ebenso wurden die Anordnungen betreff Ausser- 
kurssetzung und Einlösung der LandesmUnzen dem Bundes- 
rat übertragen. — Gehörten die österreichischen Thalei - zu 
diesen deutschen .Landesmünzen * ? Nein. Über ihre 
Ausserkurssetzung und Einlösung bestimmte das Gesetz 
nichts, wenigstens nicht direkt. 

Nach Eintritt der Reichswährung sind alle Zahlungen, 
welche bisher in Münzen einer inländischen Währung oder 
in landesgesetzlich den inländischen Münzen gleich- 
gestellten ausländischen Münzen zu leisten wuren, in 
Reichsmünzen zu leisten. Thalor, Gulden u. s. w. werden 
jetzt in Reichsmünzen tarifiert, während das Gesetz vom 4. 
Dezember 1H71 die Reichsmünzen in den Lundossilbermünzen 
tarifiert hatte. — Dann kommt der wichtige Artikol 15, 
welcher eine kleine Ausnahme von dem oben gesagten fest- 
setzt. Dieser Artikel 15 spielt in der Geschichte der öster- 
reichischen Thalcr eine grosse Rolle. Er lautut: 

.An Stelle der Reichsmünzen sind bei allen Zahlungen 
bis zur Ausserkurssetzung anzunehmen 

1) ini gesamten Bundesgebiet an Stelle aller Reichs- 
münzen die Ein- und Zweithalerstücke deutschen Gepräges 

unter Berechnung des Thalors zu 3 Mark“ 

.Diu Ein- und Zweithalerstücke deutschen Ge- 
präges!* — Dazu gehören die Ein- und Zweithalerstücke 
österreichischen Gepräges nicht. Wer daran zweifelt, 
mag sich nur etwas näher mit der Entstehungsgeschichte 
dieses Paragraphen beschäftigen, ln dem Regierungs- 
entwurf waren nämlich die Worte .deutschen Gepräges“ 
nicht enthalten. Auf Antrag des Reichstagsabgeordneten 
für Hamburg Dr. Wolffson brachte sie erst der Reichstag mit 


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die Oster, thaler in der deutschen mOnzreform. 55 


ausdrücklicher Spitze gegen die österreichischen 
Thalor in das Gesetz hinein, ln der betreffenden Sitzung 
entspann sich Uber diosu Angelegenheit folgendes Zwie- 
gespräch, welches die geringe Sachkenntnis, mit welcher 
man seitens der Regierung und seitens des Reichstages 
der österreichischen Thalerfrage gegonüberstand, ungemein 
treffend illustriert. Es war die schon erwähnte Reichtstags- 
sitzung vom 25. April 1873, in welcher die österreichische 
Thalerfrage zum ersten Mal offiziell auftauchte. Dem steno- 
graphischen Bericht entnehme ich das folgende: 

Präsident: Wir kommen zu Artikel 14‘. ZuNummer 
1 desselben hat der Abgeordnete Dr. Wolffson das Wort. 

Dr. Wolffson : Ich möchte mir an den Herrn Vertreter 
der Reichsregierung die Anfrage erlauben, ob durch die 

Fassung der Nummer 1 die österreichischen 

Thaler für die hier in Rede stehenden Verhältnisse 

den Thalern deutschen Gepräges gleichgestellt werden sollen, 
was ich kaum voraussetzen kann ; oder ob man es als selbst- 
verständlich erachtet hat, dass diese Bestimmungen sich 
nur auf die Thaler deutschen Gepräges beziehen. Ist das 
lotztore der Fall, dann würde mir die Einschaltung der 
Worte „Thaler deutschen Gepräges“ zweckmässig erscheinen. 
Es ist ja ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den 
Thalern deutschen und den Thalern nicht deutschen Ge- 
präges. Der Thaler deutschen Gepräges hat den Charakter, 
dass er eine Anweisung auf Goldmünze ist, und er hat einen 
gesetzlich festgestellten den augenblicklichen Wert über- 
schreitenden Wert im Verhältnis zur Goldmünze. Dasselbe 
trifft bei den Thalern nicht deutschen Gepräges, die das 
deutsche Reich einzulösen keine Veranlassung hat, nicht zu. 
Ich glaube also, dass, wenn es sich um die Tarifierung zu 
den Reichsgoldmünzen handelt, es zweckmässig sein würde, 
die Worte .deutschen Gepräges“ einzuschalten, und würde 
mir erlauben, einen solchen Antrag zu stellen, wenn ich 


1 Art. 14 der Vorlage. — Im Gesetz selbst ist er wegen 
Kilisoliiebung eines Artikels während dor Reiohstagsverhandlungen (des 
Artikels über du» goldouu PQufmorkstilck ) Art. 15 geworden. 


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5« 


II. AB8CHHITT. 


nicht erfahren würde, dass dem wesentliche QrUnde ent- 
gegenstehen. 

Staatsminister Delbrück antwortete sofort: Ich halte 
die ausdrückliche Hinzufügung der Worte .deutschen Ge- 
präges* nicht für nötig. Wenn durch eine Bestimmung, 
wie die hier vorliegende, bestimmten Münzen für bestimmte 
Zeit ein gesetzlicher Kurs gegeben wird, so glaube ich würde 
es der umgekehrten Bestimmung bedürfen, um die Vorschrift 
so zu verstehen, dass dieser gesetzliche Kurs sich uuch er- 
strecken soll auf Münzen, welche koinem der deutschen 
Staaten angehören. 1 — .Aber so gut wie ausschliesslich 
deutschen Staatsangehörigen* hätte man sofort ergänzen 
können. 

Dr. Wolffson stellte gleichwohl seinen Antrag auf 
Einfügung der Worte .deutschen Gepräges“ und der Antrag 
wurde ohne weitere Diskussion angenommen. 

Wie war jetzt die Stellung der österreichischen Thaler? 

Zunächst waren sie, kraft der verschiedenen in Ge- 
mäsheit des Wiener Münzvertrages erlassenen Landesgesetze, 
in allen ehemaligen deutschen Zollvereinsstaaten den Thalern 
deutschen Gepräges noch immer vollkommen gleichgestellt. 
Es handelte sich also gar nicht darum, dass, wie Delbrück 
sagte, .bestimmten Münzen für bestimmte Zeit ein gesetzlicher 
Kurs gegeben wird“; denn gesetzlichen Kure hatten ja 
die österreichischen Thaler im grössten Teile dos deutschen 
Reiches schon seit mehr als 15 Jahren. Es handelte sich 
vielmehr darum, wann und wie dieser gesetzliche Kursein 
Ende finden sollte. Aber gerade darüber setzte man sich 
leicht hinweg, indem man gerade davon überhaupt nicht 
sprach. 

Nach dem ergänzten Artikel 15 des Münzgesetzes, waren 
also die österreichischen Thaler im deutschen Reich immer 
noch gesetzliches Zahlungsmittel. Jedermann war ge- 

1 Die ganze Antwort Delbrücks ist ungemein charakteristisch 
dafür, mit weloher Oberflächlichkeit die Frage der üsterreiohisohon 
Thaler seit ihrem ersten Entstehen behandelt wurde. Die Haltung des 
gesamten Reichstags ebenso. 


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DIE Ö8TER. THALER IM DER DEUTSCHEM KÜM «REFORM. 57 * 

zwungen, sie in Zahlung zu nehmen, und zwar zu dem 
Werte der deutschen Thaler. Daran dass in Deutschland 
der Thaler sich vermöge der Sperrung der Silborprägung 
über seinen Silborwert erhoben hatte, war der österreichische 
Thaler vollkommen unschuldig. Er musste schlechter- 
dings mit dem deutschen Thaler steigen, so lange er mit 
demselben gesetzlich verbunden war. 

Wie sah os nun mit der Zukunft der österreichischen 
Thaler aus? — Da ist der bereits erwähnte Artikel 14 g 1 
eingreifend. Erbestimmt: nach Eintritt der Reichswährung 
sind alle Zahlungen, welche bis dabin „in Münzen einer in- 
ländischen Währung oder in landesgesetzlich den in- 
ländischen Münzen gleichgesetzten ausländischen 
Münzen“ zu leisten waren, in Ueichsmünzen zu leisten. — 

Unter diese Bestimmung fallen ganz unbestreitbar 
die österreichischen Thalor. Mit Eintritt der Reichs- 
währung verlieren sie also ipso iure im deutschen Reich 
ihre Geldoigenschaft. — Wer löst sie ein? — Niemand. — 
Diu betreffenden Inhaber erleiden also an dem Stücke so 
viel Verlust, als dessen Geldwert den Silberwert über- 
schreitet. 

Und bis zum Eintritt der Reichswährungi' — Bis dahin 
bleibt der österreichische Thaler gesetzliches Zahlungsmittel, 
das jedermann nehmen muss. Bis zur letzten Minute vor 
Eintritt der Reichswährung kann mir ihn jedermann auf- 
nötigen — zu seinem Geldwert; mit Eintritt der Reichs- 
währung ist er dann plötzlich in meinen Händen von 
seinem Geldwert auf seinem Stoffwert zusammenge 
schmolzen. 

Man sieht auf den ersten Blick, um was es sich 
handelt. Die ganze Frage spielte zwischen dem Fiskus 
des deutschen Reiches und den deutschen Staats- 
angehörigen, die sich unglücklicherweise im Besitz von 
österreichischen Thalern befanden. Man that aber, als spiele 
die Frage zwischen Deutschland und Österreich; 
man behauptete, und das allerdings mit vollem Recht, dass 
Deutschland Österreich gegenüber zu einer einlösungslosen 


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58 


II. AR8CHKITT. 


Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler berechtigt 
sei. Daran war ja kein Zweifel, aber darum handelte 
ea sich eben nicht. Dem Kaisertum Österreich 
konnte es ja damals völlig gleichgiltig sein, was Deutsch- 
land mit seinen österreichischen Thalern anting; nicht aber 
den deutsche n, österreichische Tlmler besitzenden Staats- 
bürgern. 

Zum andern war es ebenso zweifellos, dass Österreich 
Deutschland gegenüber erstens keino Verpflichtung 
zur Einlösung seiner Thaler hatte ; dass zweitens Österreich 
bei höchster I/iyalität sich niemals hiltte bewogen fühlen 
können, seine Thaler zu einem höheren Satz als zu 1 '/- 
Gulden einzulösen , denn das war der gesetzliche Geld- 
wert des Thalers in Österreich. 

Es gab damals in Österreich zwei Arten von Zahlungs- 
mitteln: Silbergulden und Papiergulden. Also das Thaler- 
stttck gegen IV* Papier- oder Silbergulden. Das erstero 
kam überhaupt nicht in Betracht. Denn 1 •/* Gulden Papier 
waren damals weniger wert als der Silbergehalt eines 
Thalers. Aber l's Gulden Silber waren eben auch nur 
gerade so viel, wie der Silberwert eines Thalers. — Eine 
andere Einlösung konnte selbst der anspruchsvollste Mensch 
von Österreich nicht verlangen. Denn dass Deutschland 
auf Grund der Relation von 1 : 15,5 von der Silberwährung 
zur Goldwährung Uhergegangen war, konnte doch Österreich 
nicht verpflichten, seine Thaler auf Grund dieser Relation 
in Gold einzulösen ! 

Schade, dass Österreich damals den Zwangskurs 
hatte. So wird dus an sich vollständig klare Verhältnis 
mit dem Pa pi e r ge I d verquickt, und das ist nur geeignet, 
das ganze Bild zu verwirren. Bezüglich der österreichischen 
Thaler wären genau dieselben Verhältnisse eingetreten, 
wenn Österreich auf dem Boden der reinen Silberwährung 
geblieben wäre. Ein Thaler wäre auch dann in Deutschland 
Pfund Gold und in Österreich ‘/so Pfund Silber 
gewesen, und sobald */i »05 Pfund Gold sich Uber den 
Wert von '/to Pfund Silber erhoben hätten, wären trotz 
aller Metall währuug in Österreich diu Thaler nach Deutsch- 


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DIE Ö8TER. THALER IM DER DEUTSCHEM MCnZREFORH. 59 


land hinübergeströmt und in Deutschland geblieben; be- 
züglich ihrer Einlösung und Ausserkurssetzung hätten sich 
dieselben Schwierigkeiten gezeigt. Für Deutschland war 
eben mit der Einführung der Goldwährung der Wert des 
Goldes das Unveränderliche geworden, mit dem man alle 
Dinge misst; für Österreich wäre das Silber das Un- 
veränderlich« geblieben. Auch dann wäre für Österreich 
der Geldwert eines Thalors mit seinem Stoffwert zusammen 
gefallen, der Thaler also eine vollwertige Münze gowesen; 
in Deutschland dagegen eine unterwertige, vermöge der ge- 
sperrten Prägung für Silber und seiner Tarifierung in Gold. 
Auch dann hätto für Österreich keine Liquidationsfrage be- 
standen, weil eine solche für vollwertige Münzen nicht be- 
stehen kann. Für Österreich wäre also die Situation noch 
dieselbe gewesen wie 1867, als beide Teile noch Silber- 
währung hatten, und eine Liquidation infolge dessen voll- 
ständig überflüssig und unmöglich erschien. 

Aber darüber waren sich damals die wenigsten Köpfe 
klar. Die meisten suchten den Grund der ganzen Frage in 
der österreichischen Papierwährung, auch Delbrück 
war fast ein Jahr später noch nicht ganz frei von dieser 
Vorstellung ; 1 während doch offenbar der deutsche 
Währungswechsel an der Verschiedenheit des deut- 
schen und des österreichischen Geldwertes der Thaler schuld 
war. Die Frage spielte durchaus nicht zwischen Metall 
und Papier, sondern zwischen Gold und Silber. Alle 
Vertröstungen auf eine Rückkehr Österreichs zur «Me- 
ta 11 Währung“ waren also taub und leer. 

Kurz zusammen gefasst war nach dem Münzgesetz 
von 1873 die Stellung der österreichischen Thaler in Deuteh- 
land die folgende: 

Bis zumEintritt derlteichswährung waren 
sie gesetzliches Zahlungsmittel gleich den deut- 
schen Thalern. Mit Eintritt der Ueichswährung ver- 


1 Sten. Ber. den deutschen Reichstags, 1874. Verhandlungen vom 
11. April. 


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60 


II. ANSCHNITT. 


lieren eie in Deutschland ihren Geldcharakter, 
ohne dass sieeingelöstwerden. In Österreich 
bleiben sie wohl in Kurs. Aber dort ist ihr Geld* 
wert nur 1*/* Gulden, also nur gleich ihrem Stoff- 
wert und niederer, als ihr Geldwert vorher in 
Deutschland gewesen. — Nach dieser Situation 
fällt also der endliche Verlust auf die zu- 
fälligen Inhaber. 

Die Unhaltbarkeit gerade dieser Lösung habe ich be- 
reits oben besprochen. — Dass die Keichsregierung damals 
wirklich diu Absicht hatte, dun uintretonden Verlust auf dun 
zufälligen Inhabern sitzun zu lassun, erscheint mir nicht glaub- 
lich. Klier ist mir denkbar, dass man sich Ubur diu Konse- 
quenzen der Artikel 14 und 15 des Münzgesetzus nicht ganz 
im Klaren war, was mir ziemlich deutlich aus der oben 
wörtlich wiedergugubenun Itudo Du Ihr Ile ks am 25. April 
187:1 im Ituichstagu, welche sich spielend Ober alle Schwierig- 
keiten hinwegsetzt, hurvorzugehen scheint. 

Auch im Publikum war man sieb durchaus nicht klar 
darilber, sonst hätte es jedenfalls damals schon nicht an 
heftigen Protesten gefehlt. 

Sobald sich in den Köpfen Licht Uber die erzielte 
Lösung verbreitete, war ihr Urteil gesprochen. 


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III. ABSCHNITT. 


DIE ÖSTERREICHISCHEN SILBERGULDEN 
IN DEUTSCHLAND. 


I. DIE SEPARAT-ARTIKEL VON 1867. 

Ria jetzt habe ich nur von den Österreichischen 
Thalern gesprochen, nicht von den österreichischen 
Gulden. Ein unbefangener Mensch wird das auch ganz 
natürlich finden. Denn was gehen uns die Gulden an? — 
Wir wissen ja, der Münzvertrag von 1857 hat den Umlauf 
der verschiedenen L a n d e s kurantmünzen vollständig auf 
ihr Währungsgebiet beschränkt, die österreichischen 
Gulden also auf Österreich — Lichtenstein nicht 
zu vergessen! — Die Vereinsthaler dagegen waren, 
welcher Staat sie auch geprägt, ein für das ganze Vertrags- 
gebiet gemeinschaftliches Umlaufsmittel. Dass aus 
einer solchen Gemeinschaftlichkeit Wirrungen entstehen, 
das haben wir ja inzwischen auch beim lateinischen Münz- 
bund erlebt, ist also durchaus nichts verwunderliches. — 
Bezüglich der österreichischen Gulden bestand aber eine 
solche Gemeinschaftlichkeit nicht, es konnten also über sie 
auch keine derartig komplizierten Fragen erwachsen. 

Nehmen wir den Vertrag vom 13. Juni 1867 zur Hand, 
mit welchem Österreich aus dem Münzverein ausschied. 
Natürlich spricht er nur von den Verein sthal er n. Was 
soll er auch mit den österreichischen Gulden? — Da eine 
Zulussungspflicht für diese seitens der anderen Staaten nicht 


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62 


III. ABSCHNITT. 


vorhanden war, hatte man «ich Ober eine solche auch nicht 
auseinander zu setzen. Hatten sich doch dio vertragenden 
Staaten ausdrücklich das Hecht Vorbehalten, jederzeit den 
Umluuf fremder Landesmünzen zu untersagen. 1 Ein Auf- 
IfiHimgB vertrug hatte hier also von Gott und der Welt nichts 
zu thun — sollte man denken! Wo nichts bindet, ist. nichts 
zu Ibsen. 

Jedoch gibt es neben den Gesetzen und Verträgen 
auch eine thatsäch liehe Wirklichkeit, die manch- 
mal etwas anders aussieht, als man nach den Gesetzbüchern 
denken sollte. So geschah es denn auch — und das habe 
ich bereits erzählt - dass die österreichischen Silber- 
guldcn von dem Papiergeld ausser Landes getrieben wurden 
und sich in Deutschland eine neue Heimat suchten, wo man 
sie mit Freuden aufnahm, ohne nach ihrer Legitimation zu 
fragen. 

Ebenso gibt es hie und da neben den offenen Haupt- 
verträgen sogenannte Sepurat-Artikel. Sie stehen nicht 
in den Gesetzsammlungen und haben die Eigenschaft, dass 
die wenigsten Menschen von ihrer Existenz etwas wissen. 

Solche im Verborgenen blühende Separat-Artikel sind 
nun Huch dem offenen Vertrage vom 13. Juni 1867 an- 
gehängt; und es scheint, als ob, trotz ihres merkwürdigen 
Inhalts, niemand sie bisher bemerkt hätte. 

Sie sind abgedruckt in der Manzschen Gesetzausgabe, 
»die österr. Gesetzgebung über Münze etc.“ von Ignaz 
Grober, Wien 1886, und lauten; 

»Boi Abschluss des Vertrages vom houtigen Tage, 
betreffend das Ausscheiden des Kaisertums Österreich und 
«los Fürstentums Liechtenstein aus dem deutschen Münz- 
verein sind von den Unterzeichneten Bevollmächtigten noch 
folgende besondere Artikel verabredet worden, welche die- 
selbe Kraft und Giltigkeit wie der Hauptvertrag haben, und 
durch die Ratifikation des Hauptvertrages als mitratifiziert 
erachtet worden sollen. 


1 Vergleiche den in Anmerkung 49 liticrtcn Brgleitvortrag der 
wQittcnibcrgUclien Ucgiorung xum Müiixgencti. 


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DIB Ö8TBR. BII.BERGUI.DEN Ul DKUTSCHLAKD. 


63 


.Art. I. Die vertragenden Regierungen werden den 
Umlauf der von anderen Vereinsstaaten ausser den Vereins- 
tlialern und Doppeltlinlern bis zum Schlüsse des Jahres 1867 
nach den Bestimmungon des Vertrages vom 24. Jänner 1857 
geprägten groben SilbermUnzon (Art. 6 am angeführten 
Orte), soweit solcher im Privatverkehr gegenwärtig un- 
behindert ist, bis zum Ablauf des Jahres 1870 nicht unter- 
sagen , es sei denn, dass sie durch Änderung ihres Münz- 
systemes oder durch Massnahmen der betreffenden Regier- 
ungen in Bezug auf deren Münzverhältnisse dazu veranlasst 
werden. 

»Art. II. Im Falle des Übergangs zu einem andern 
Münzsystem übernehmen die vertragenden Regierungen hin- 
sichtlich der groben SilbermUnzon ihres Gepräges dieselben 
Verpflichtungen, welche sie für diesen Fall in Art. 3 des 
offenen Vertrags vom heutigen Tage hinsichtlich der Vereins- 
thaler und Doppelthaler übernommen haben. 

»Berlin, den 13. Juni 1867*. 

Der Fall ist einzig in seiner Art! Man stelle sich 
vor: Boi der Auflösung eines Vertrages wird gewährt, 
was der Vertrag selbst versagt hatte. Die Hände, 
welche man sich während des Vertrags selbst frei ge- 
halten, lässt man sich bei dessen Lösung binden! 

Natürlich handelte es sich bei diesen Separat-Artikeln 
nur um die in Deutschland befindlichen österreichi- 
schen Gulden. Denn deutsche Landesmüuzen 
waren ja nicht in östereichischem Umlauf. Die 
Stellung der österreichischen Gulden war nun durch den 
Auflösungsvertrag von 1867 in den deutschen Staaten eine 
bedeutend bessere geworden, als sie es nach dem Wiener 
Münz vertrag von 1857 gewesen. Von 1867 bis 1870 konnte 
der Umlauf des österreichischen Landeskurantes, wenigstens 
des bis 1867 geprägten, in keinem der deutschen Zoll- 
voroinsstaaten verboten werden, denn keiner hatte ihn bis- 
hor untersagt. Die österreichischen Gulden waren also jetzt 
in Deutschland von einem nur thatsilchlich geduldeten 
zu eiuom vortragsinässig geduldeten Gehle avauzicrt. 


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64 


m. ABSCHNITT. 


Immerhin waren sie damit noch nicht zu dem Range ihrer Halb- 
brüder, der österreichischen Vereinsthaler, vorgerückt, denn 
diese waren — zunächst bis zum Ablauf des Jahres 1870 — in 
den deutschen Staaten auch jetzt noch Geld mit allen seinen 
gesetzlichen Erfordernissen. Diese immer noch etwas mangel- 
hafte gesetzliche Qualität that jodoch der Beliebtheit dos 
österreichischen Guldens besonders in Süddeutschland keinen 
Abbruch; und genau wie die Vereinsthaler österreichischen 
Gepräges kraft vertragsmässiger Berechtigung kamen 
die österreichischen Gulden kraft vertragsmässiger Duldung 
zu uns herüber. 


II. DIE ÖSTERREICHISCHEN GULDEN IN DER 
DEUTSCHEN MÜNZREFORM. 

Was von der Einwanderung der österreichischen Thaler 
vor der deutschen Milnzreform gilt, das trifft auch für die 
Gulden zu. So langt Deutschland bei der Silberwährung 
blieb, ein deutscher Thaler also in seinem Geldwert gonau 
seinem Silborwert entsprach, war auch der in Deutschland 
*/■ Thaler geltende Gulden vollwertiges Geld; das in ihm 
enthaltene Silber war an und für sich */a Thaler wert. 
Ein Einströnren österreichischer Gulden konnte also unsern 
Münzumlauf nicht in krankhafter Weise beschweren, sondern 
höchstens dadurch, dass ihrer Zirkulation jeder Rechtsboden 
fehlte, in Unordnung bringen. 

Nachdem aber das deutsche Reich zur Goldwährung 
Ubergegangen war, nachdem es seinen Thaler aus '/so Pfund 
Silbor in 9 /is9r, Pfund Gold verwandelt hatte, nachdem das 
Silber im Verhältnis zum Golde eine Wert Verringerung er- 
fahren hatte, der Geldwert eines Thalers dadurch über seinen 
Stoffwert gestiegen war, kam der Gulden vermöge seines 
Silbergehaltes nur noch zwei Dritteln des S t o f f wertes, nicht 
mehr des Geldwertes eines Thalers gleich. 

Wie bei den Thalern eine zweite Einwanderung nach 
der deutschen Münzreform zum offenbaren und direkten 
Schaden Deutschlands erfolgte, so auch boi den Gulden. 


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DIE ÖSTERREICH 1SCHEX OüLDEH tK DEÜTSCHLAlfD. 65 

Während die zweite Thal er ein Wanderung, wie oben gezeigt, 
direkt durch die Massregeln der deutschen Reichsregierung 
veranlasst wurde, traf bei den Gulden die Schuld das 
deutsche Publikum. Die österreichischen Thaler waren ja 
während und nach der MUnzreform durch Landesgesetze der 
einzelnen Staaten gesetzliches Zahlungsmittel, jeder- 
mann musste sie zum Wert eines deutschen Thalers in 
Zahlung nehmen; die österreichischen Gulden dagegen ge- 
nossen — das muss immer wieder betont werden — 
nirgends in Deutschland einen gesetzlichen Kurs, 
wenn auch die deutschen Regierungen durch die erwähnten 
Separatartikel von 1867 sich verpflichtet hatten, ihren Um- 
lauf im Privatverkehr zu dulden. Nach 1870 hatten sie 
jedoch die Freiheit, den österreichischen Gulden zu verbieten, 
durch Ablauf der vertragsmässigen Frist zurück erlangt. 
Gebrauch davon machten sie vorerst nicht. — Das Publikum 
war also nicht gezwungen, österreichische Gulden zu irgend 
einem Kurs in Zahlung zu nehmen; aber es hatte sie bisher 
genommen, und nahm sie harmlos auch weiterhin. In ver- 
zeihlicher Unkenntnis der Dinge begriff es nicht, dass der- 
selbe Gulden, welcher immer an sich selbst gleich 2 /s Thaler 
gewesen, nun auf einmal weniger wert sein sollte, da sich, 
in seinen Augen wenigstens, der Thaler nicht verändert 
hatte, und der Gulden ja auch in Wirklichkeit noch immer 
derselbe Gulden war. Es ging eben damals nicht in die 
Köpfe, dass wohl der Gulden Silbermünze und Silber- 
geld geblieben, der Thaler aber nur Silbermünze ge- 
blieben, seinem Wesen nach aber Goldgeld geworden 
war. Man nahm also den Gulden nach wie vor zum Wert 
von */8 Thaler. 

Die notwendige Folge dieser Verhältnisse war, dass die 
vorhandenen österreichischen Gulden in geradezu uner- 
schöpflich scheinenden Strömen in Deutschland eindrangen, 
zur grossen Bestürzung aller münzpolitisch Denkenden. 
Sie zogen deren volle Aufmerksamkeit auf sich, während 
die österreichischen Thaler damals so gut wie gar nicht 
beachtet wurden. Und mit vollem Recht. Die von den 
österreichischen Gulden drohende Gefahr war in der That 

Hel ff «rieh, Dl« Folgen des deuUch-Saterr. Müaiverelnt von 1857. 5 


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66 


UL ABSCHNITT. 


viel grösser, als die von seiten der Thaler. Da letztere 
nicht mehr ausgeprägt wurden und nur etwas Uber 31 
Millionen Thaler davon vorhanden waren, erschien die von 
ihnen drohende Gefahr gewissermassen als kontingentiert. 
Dio österreichischen Gulden dagegen fassten unsoro Gold« 
wöhrung geradezu an der Wurzel. Jedermann konnte mit 
deutschem Gold das billiger gewordene Silber kaufen, in 
Wien in Guldenstöcke ausmönzen lassen und den Gulden 
zu */» Thaler in Deutschland ausgeben. Solche Operationen 
scheinen in der That in nicht unbedeutendem Masse aus- 
geführt worden zu sein. Es war also in Deutschland eine 
Zeit lang eine tlmtsilchliche Alternativ* Währung vorhanden, 
bei welcher in Berlin das Gold, in Wien das Silber frei 
nusprägbnr war; das musste uns binnen kurzer Zeit direkt 
zur Silberwährung zuröckföhren. 

Die deutschen Regierungen begriffen fürs erste die 
Gemeingefährlichkeit des österreichischen Guldens nicht. 
Da sie ihm keinen gesetzlichen Kurs gegeben hatten, 
glaubten sie sich auch der Pflicht Uberhoben, hier einzu- 
schreiten. Als eine gröbliche Fahrlässigkeit muss es nichts- 
destoweniger bezeichnet werden, dass in Suddeutschland an 
den öffentlichen Kassen, trotz der veränderten Sachlage 
die österreichischen Gulden zu 1 fl. 10 kr. südd. — */s Thalor 
in Zahlung genommen wurdon, und zwar so gut wie all- 
gemein. Zum mindesten hätte man nach der Publikation 
des Gesetzes vom 4. Dezember 1871 deren Annahme an den 
öffentlichen Kassen verbieten mUsscn. Das geschah aber 
zunächst noch nicht. 

Indes wies die Filiale der preussischen Bank 
zu Frankfurt am Main schon im Januar 1872 Zahlungen 
in österreichischen Gulden zurUck, und alsbald verweigerte 
dort auch der gesamte Handelsstand deren Annahme in 
Zahlung. Ähnliches geschah bald darauf in Württem- 
berg und Baden. Diese Massregeln bewirkten eine akute 
Kompression der vorher über ganz Süddeutschland gleich- 
mässig zerstreuten österreichischen Gulden im Königreich 
Bay'ern. Das erregte bei der bayrischen Regierung denn 
doch Bedenken, und am 13. März 1872 verweigerte die 


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DIE ÖSTERREICHISCHEN GULDEN IN DEUTSCHLAND. 67 


bayrische Zentralstaatskasse die Annahme einer 
grösseren Summe in österreichischem Guldengeld. Das 
schlug ein wie ein Blitz. Es entstand eine plötzliche Geld* 
krisis von grossen Dimensionen. Jeder wollte seine Gulden 
los werden, niemand wollte sie mehr nehmen. Am 16. März 
beschloss der Münchener Handelsverein, dass vom 
20. März an von seinen Mitgliedern keine Zahlungen in 
österreichischen Gulden mehr acceptiert würden, und am 
28. März erliess endlich auch die Regierung eine Verord- 
nung, nach welcher die öffentlichen Käsen von nun an die 
österreichischen Gulden zurückzuweisen hatten. 1 

Eine Zeit lang war der österreichische Gulden nun 
gefürchtet und gemieden. Jedermann hütete sich ängstlich 
vor ihm. Aber der Eifer dauerte nicht lange. Nach ein 
paar Monaten hatte sich die Erregung völlig gelegt. Es 
mag dazu ein momentanes Steigen des Silberpreises bei- 
getragen haben, welcher einmal sogar auf 61 l /s d. in London 
stand, also Uber der deutschen Relation. 

Diese günstige Silberpreisbewegung hielt jedoch nicht 
vor, sondern verwandelte sich sehr bald in ihr Gegenteil. 
Die Furcht vor den österreichischen Gulden hatte sich in- 
dessen wieder völlig verloren. Sie liefen wieder ungestört 
in ganz Deutschland um, mehr denn je zuvor. 

1873 begann das Silber seinen grossen Preissturz. Es 
sank zeitweise bis auf 59 V< d. in London. Jetzt wurden, 
da sich ein Spielraum bis zu 2,7 Prozent ergab, für die Ar- 
bitrage die oben bereits erwähnten Operationen, Ankauf 
von Silber, Ausmünzung in Wien, und Ausgabe der so ver- 
schafften Guldenstücke zu 2 /a Thaler in Deutschland erst 
recht lohnend. Bamberger, einer der wenigen, welche 
die Situation vollkommen erfassten, zog in Wien Infor- 
mationen ein und teilte diese bei der Beratung des Münz- 
gesetzes am 28. März 1873 im Reichstag mit. Danach 
wurden folgende Operationen gemacht: 

Erstens: „Die Nationalbank in Wien nimmt Gold auf, 
welches infolge der ungarischen Anleihe aus fremden Ländern 


1 Siehe über diese Vorgänge 

t. «0. April 1872. 


dos Bremer Hsudeleblstt 
8 * 


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68 


111. AB8C11KITT. 


kommt, legt das in ihre Depots, läset ihr Silber aus den 
Depots heraus, und ihre Gulden oder Thaler gehen nach 
Deutschland. Das ist auch eine Art Umpriigung“. 

Zweitens: Es wurden Silberbarren direkt nach Öster- 
reich geschickt, ausgeprägt, und als Guldenstücke nach 
Deutschland zurückgebracht. 1 

Diese letztere spekulationsweise Prägung wurde auch 
von Delbrück bestätigt. 2 Sie geht auch ganz unzweifelhaft 
aus der Statistik der österreichischen Ausmünzungen hervor. 
Nach den »Tabellen zur Währungstatistik“ des k. k. Finanz- 
Ministeriums wurden an 2 Gulden-, l Gulden- und V« Guldcn- 
Rtücken geprägt: 

1869: 1,846292 fl. 

1870: 5,095 323 . 

1871: 8,350831 . 

1872: 8,377193 „ 

1873: 10,364 880 . 

1874: 4,639763 „ 

Es scheint mir evident klar zu sein, dass die grosse 
Ausmünzung im Jahre 1873 und die unvermittelt darauf 
folgende geringe im Jahre 1874 auf der spekulationsweisen 
Guldenprägung, welche in der zweiten Hälfte des Jahres 
1873 unmöglich gemacht wurde, beruht. 

Man sieht, es war eine ganz eigentümliche Lage, in 
welcher sich damnls das deutsche Münzwesen befand, und 
es erscheint heute verwunderlich, dass es in diese Lage hat 
geraten können. 

Die Schuld daran lag nicht darin, dass man die er- 
wähnten Vorgänge nicht beachtet hätte. Im Gegenteil! 
Alles beschäftigte sich damals mit den österreichischen 
Gulden. Man nehme nur eine Zeitung aus jener Zeit, oder 
noch besser die Keichstagsverhandlungen über das Münz- 
gesetz zur Hand. Die Schuld liegt vielmehr in einer totalen 


1 Bten. Ber. d. deutsch. Reichstag«, 1873. — 10. Sitzung, 28. Mürz 
1873, 8. 124. 

* 17. Sitzung, 22. April 1873. Sten. Bor., 8. 259. 


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DIE ÖSTERREICHISCHEN DULDEN IN DEUTSCHLAND. 69 

Begriffsverwirrung in Sachen des Geldwesens, welche 
allgemein die Köpfe eingenommen hatte. Es ist nicht leicht, 
vort der überall herrschenden Unklarheit in diesen Dingen 
ein klares Bild zu geben. Ich wage nur ein Bild von dieser 
Verwirrung zu zeichnen, wie sie sich in den Verhandlungen 
des Reichstages offenbarte, welches also jedenfalls noch 
eine Verfeinerung der im grossen Publikum herrschenden 
Unklarheit darstellt. 

Da waren denn zunächst einige wenige, welche die 
Situation völlig klar überschauten, hauptsächlich Bam- 
berger und Michaelis. Letzterer fasste in der Sitzung 
vom 22. April 1873 den Kern der Sache mit folgenden 
Worten treffend zusammen: 

„Die Möglichkeit, die Goldwährung durchzuführen und 
aufrecht zu erhalten, beruht einzig und allein darauf, dass 
wir feste Hand auf unserem Silberumlauf haben, dass wir 
die Möglichkeit haben, unsern Silberumlauf ausschliesslich 
zu erhalten und fremde Silbermünzen auszuschliessen ; denn 
sobald wir fremde Silbermünzen leicht zulassen, bekommen 
wir ganz ohne Zweifel an Stelle der Goldwährung praktisch 
die Doppelwährung.“ 1 

Diese klaren Köpfe waren indes sehr in der Minderheit 

Die zweite Kategorie war diejenige der Halbunklaren, 
die zwar nicht in den Kern der Frage eingedrungen waren, 
immerhin aber wenigstens noch logische Ansichten vom 
Standpunkt irgend welcher vorgefassten, nicht geprüften 
Meinung vorbrachten. 

Dahin gehören einmal diejenigen, welche die fixe Idee 
von der Unabänderlichkeit und Göttlichkeit der Relation 1 zu 
15Vs nicht abstreifen konnten, denen auch für die Gold- 
währung jede Silbermünze „vollwertig“ ausgeprägt war, 
wenn sie es im Verhältnis von 1 : 15'/* war. So z. B. 
Dr. M. Mohl, der Hauptverteidiger der Doppelwährung im 
Reichstag, „Sie (die österr. Gulden) zirkulieren mit dem 
preussischen Thalergeld in Einklang, mit welchem sie ganz 


* Ston. Uor., 8. 235. 


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70 


UI. A.B8CH1UTT. 


genau und vollwertig ausgeprägt sind.* 1 Auch folgendes: 
.Deutschland verkehrt jetzt in sehr bedeutendem Umfange 
mit Österreich-Ungarn; es bezieht dorther Getreide, Vieh; 
es bezieht andere Gegenstände von Österreich und liefert 
eine Masse von deutschen Gewerbeprodukten nach Österreich. 
Daher, meine Herrn, und weil ein grosser Teil der Staats- 
und anderer Österreichischer Wertpapiere in deutschen Händen 
ist, hat Deutschland eine reiche Zirkulation an Österreichischen 

Vereinsthalem und österreichischen Gulden Wie 

würde es nun sein, wenn das Österreichische Silber in Deutsch- 
land verboten würde? .... Wollen wir einen Nachbar von 
36 Millionen in die Lage setzen, uns nicht bezahlen zu 
können, und wollen Sie sein Silber zurückweisen, das er 
vollwertig ausprägt, und das daher ein ganz gutes 
Geld ist?* * 

Hierher gehören ferner diejenigen, welche den öster- 
reichischen Gulden wohl als etwas schädliches empfanden, 
aber nicht begriffen, zu welchen ernsten Folgen seine Duldung 
führen musste. So Reichensperger: ..... ich habe 
im Grossen und Ganzen doch den Eindruck gewonnen, dass 
man den Österreichischen Gulden viel zu tragisch genommen 
hat ... Nun, meine Herrn, ich gebe vollkommen zu, dass 
Übelstände damit verbunden sind, wenn der österreichische 
Gulden auch fernerhin eine solche Rolle spielen sollte, wie 
er sie bis jetzt gespielt haben mag, — ich weiss es nicht .... 
Es mag auch sein, dass durch den österreichischen Guldeu 
die Reichsgoldwährung beeinträchtigt würde; aber den Grad 
der Benachteiligung unseres deutschen Reiches durch den 
Gulden in der Höhe, wie es hier immer oder vielfach dar- 
gestellt worden ist, vermag ich nicht zuzugeben.* 8 

Andere sahen den Grund der Überschwemmung Deutsch- 
lands mit österreichischen Gulden im österreichischen Papier- 
geld, und glaubten, dass dieselbe durch eine baldige Wieder- 
aufnahme der Baarzahlungen in Österreich ein Ende finden 


1 29. Sitzung, 8. Hai 1873. Sten. Ber., S. 533. 

• lü. Sitzung, 28. März 1873. Sten. Ber., 8. 131. 

* 29. 8itzung, 8. Mai 1873. Sten. Ber., 8. 550. 


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DIE Ö8ETRBEICHIS0HEN GOLDES I!t DEUT80HLAKD. 71 

werde. Selbst der preussische Finanzminister Camphausen 
war nicht ganz frei von diesem Irrtum. Am 6. Mai 1878. 
sagte er im Reichstag: „Die Nachrichten darüber, in welchem 
Masse gegenwärtig der österreichische Gulden in Deutsch- 
land vordringt, steigern sich von Tage zu Tage. Das Ver- 
hältnis ist ziemlich erklärlich. In Österreich ist man in 
einem so ausgedehnten Umfang zur Papierwährung über- 
gegangen, dass für die silbernen Guldenstücke eine Heimat 
wirklich nicht mehr vorhanden ist.* — Allerdings fügte er 
dann bei: „nach unsern Nachrichten tritt dazu, dass die 
Industrie dazu übergegangen ist — was sie nach den in 
Österreich geltenden Gesetzen kann — sich Guldenstücke 
ausprägen zu lassen und sie zu Zahlungen nach Deutschland 
zu verwenden.* 1 Grund und Tragweite dieser letzteren 
Sache scheint aber Camphausen nicht ganz überblickt zu 
haben. 

Am prägnantesten fand der erwähnte Irrtum , die 
Papierwährung Österreichs sei schuld an der Überflutung 
Deutschlands mit österreichischen Gulden, in einer Rede 
dos bekannten württembergischen Staatsmannes Freiherrn 
von Varnbüler seinen Ausdruck, welche Rede mit der 
zugehörigen Antwort Delbrücks ausserdem den Vorzug 
hat, einen Blick auf die Unklarheit und Unwissenheit, in 
welcher man sich auch bezüglich der österreichischen Vereins- 
thalor befand, zu gestatten. Varnbüler sagte: 

„Gegenwärtig dringt das österreichische Silber Uber 
die Grenze Österreichs deshalb, weil es in Österreich nicht 
ausgegoben werden kann, weil man in Österreich in Silber 
nicht zahlt, weil in Österreich die Papierwährung ist, und 
weil Österreich seine Schulden im Ausland mit Metall be- 
zahlen muss. Das ist der Grund, warum das Metall, der 
österreichische Gulden, Über die Grenze Österreichs zu uns 
dringt, und nicht die Spekulation. Es ist doch anzunehmen, 
dass mit der Zeit die Papierwährung in Österreich aufhören 
wird. Sobald aber die Baarzahlung in Österreich aufgenommen 
wird, so ist anzunehmen, dass Österreich sein Silber behält, 


1 Sten. Ber., 8. 530. 


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72 


nL ABSCHNITT. 


und dass dieses dann nicht mehr Ober die Grenzen Öster- 
reichs dringt Wollte es aber geschehen zur Spekulation, 
und worden wir die Österreichischen Gulden vertrieben haben, 
dann, meine Herrn, stände für Österreich gar nichts im 
Wege, alsdann statt des Guldens den Thaler zu prägen, 
der jetzt Bchon in Österreich zirkuliert und noch jetzt dort 
geprägt wird (! I !)* 1 

Delbrück antwortete: »Handelte es sich blos darum, 
dass Österreichische Gulden nach Deutschland gekommen 
wären, weil Österreich die Papierzirkulation hat, so läge 
die Sache anders. So liegt die Sache aber nicht. Es wird 
jetzt spekulationsweise geprägt. 

»Anders verhält es sich mit den Thalern. Ich kann 
nach einer offiziellen Mitteilung anführen, dass Thaler in 
Österreich überhaupt nicht mehr geprägt werden, weder für 
Privatrechnung noch für Staatsrechnung. Der Thaler hat 
mit dem Aufhören der Münzkonvention aufgehört, ferner 
eine Österreichische Münze zu sein (sic!), er wird 
nicht mehr geprägt.** 

Zum Schlüsse dieser Blütenlese noch zwei Vertreter 
des totalsten Unverständnisses für unsere Münzreform. Zu- 
erst — die Namen will ich unterdrücken — : . wir 

hoffen, dass Österreich von seiner Papierwährung zur Silber- 
währung übergeht. Ich glaube doch unter allen Umständen, 
dass dieses vollwertige Geldstück (der österr. Gulden) dann 
dahin zurückfliessen wird, woher es gekommen ist, und 
nicht pari mit unserm 18 Silbergroschenstück stehen wird ; 
denn in der That ist das Zweimarkstück fortan nur 18 
Silbergroschen realiter wert.“ * 

Ganz ähnlich ein anderer Herr: »Sind wir erst ein- 
mal über das erste Einführungsstadium hinweg, so kann 
von einer Gefahr, dass der österreichische Gulden nebenbei 


* 17. Sitzung, 22. April 1878. Sten. Ber., 8. 258/59. 

1 Ebendort. Der letzte Setz ron Delbrflokz Antwort lautet im 
Stenogramm : »e z wird nicht mehr geprägt.* Offenbar ein Druckfehler. 

* 17. Sitzung, 22. Mai 1873. 8ten. Ber. 8. 252. 


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DIS ÖSTERREICHISCHES GULDEN IS DEUTSCHLAS D. 78 

bestehen bleibt, nicht mehr die Rede sein, denn der öster- 
reichische Gulden ist 7*/» 0*?) und unser MarkstQck wird 
1 1 V® Prozent unter dem wirklichen Wert ausgeprägt. Ausser - 
dem wollen wir die Hoffnung nicht aufgeben, dass Österreich 
noch einmal im Laufe der Zeit zur Silberwährung zurück- 
kehren wird.* 1 * 

Die geistigen Schlaohten, in welchen diese gewaltigen 
Pfeile versandt wurden, schlug man um die Schaffung des 
Zweimarkstückes und um den Art. 13, welcher dem Bundes- 
rat das Recht gab, den Umlauf fremder Münzen zu unter- 
sagen. — Bezüglich des Zweimarkstückes glaubten die einen, 
es werde wegen seiner Ähnlichkeit mit dem österreichischen 
Gulden diesem einen Unterschlupf gewähren, mindestens 
aber dessen Austreibung erschweren, die andern, ein Zwei- 
markstück sei eine Notwendigkeit; schaffe man es nicht 
von Reichswegen, so werde sich der österreichische Gulden, 
weil einem Bedürfnis entsprechend, unausrottbar an seiner 
Stelle substituieren. — Der Verbotsparagraph richtete sich 
eingestandenermassen in erster Linie gegen den öster- 
reichischen Gulden. Man machte gegen ihn geltend „es 
sei gegen das natürliche Gefühl , gegen alle national- 
ökonomischen Grundsätze, gegen die Gesetze aller Nationen 
und gegen die Bedürfnisse des Verkehrs, wenn die Gesetz- 
gebung in das Vertragsrecht des Einzelnen so weit ein- 
greife, dem Einzelnen zu sagen, er dürfe fremde Gold- und 
Silbermünzen einem dritten gegenüber nicht anbieten noch 
geben, wenn dieser dritte auch das Anerbieten annimmt.** 
Solche Eingriffe waren aber eine Notwendigkeit, um die 
neue Goldwährung im Werden zu schützen, und zur Besse- 
rung der „demoralisierten Münznatur des deutschen Volkes, 
das gewohnt ist, sich mit allem Janhagel von fremden 
Münzsorten zu vertragen.* 3 Der Reichstag sah denn auch 

1 28. Sitsung, 6. Mai 1873. Steo. Ber. 8. S34. 

* 29. Sitsung, 8. Mai 1873. 8ten. Ber. 8. 547. Dr. M o h 1 sprach 
diese Worte in Anlehnung an eine an den Reiohstag gerichteten ano- 
nymen Petition, deren Standpunkt er rerfcoht. 

1 Bamberger im Reichstag; IO. Sitsung, 28. Mftrt 1873. 8ten. 
Ber. 8. 125. 


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74 


III. ABSCHNITT. 


diese Notwendigkeit ein, und gab dem Verbotsparagraphen 
seine Zustimmung. Damit war bei der im Bundesrat herr- 
schenden Stimmung das Schicksal der österreichischen Silber- 
gulden in Deutschland besiegelt. 


UL DIE AUSTREIBUNG DER ÖSTERREICHISCHEN 
SILBERGULDEN. 

Während der Reichstagsverliandlungen Ober das Münz- 
gesetz hatte sich der Umlauf österreichischer Sübergulden 
in Deutschland immer mehr gesteigert. Selbst in Berlin 
konnte man sich ihrer nicht mehr erwehren. Zahlreiche 
Petitionen an den Bundesrat und an das Reichskanzleramt 
baten um ein Verbot ihres Umlaufes. 

Ein sofortiges Verbot hätte jedenfalls grosse Ver- 
wirrung angerichtet. Man schätzte damals den deutschen 
Umlauf an österreichischen Gulden und Thalern auf 130 
Millionen Thaler, 1 also den Umlauf an Gulden allein auf 
über 100 Millionen Thaler. Wo es sich um solche Summen 
handelte, war ein allzuscharfes und allzuplötzliches Vor- 
gehen nicht am Platz. Jedenfalls ist in solchen Erwägungen 
der Beweggrund für die Massregeln des Bundesrates zu 
suchen. 

Am 8. Juli 1873, am Tage vor der Publikation des 
Münzgesetzes, beschloss der Bundesrat „an die hohen 
Regierungen das Ersuchen zu richten, die Annahme der 
österreichischen Eingulden- und Zweiguldenstücke , sowie 
auch der niederländischen Eingulden- und Zweieinhalbgulden- 
stücke bei den Staats- und sonstigen öffentlichen Kassen, 
soweit solches nicht bereits geschehen, sofort zu verbieten.* 2 

Das war also noch kein Verbot des Umlaufes der 
österreichischen Gulden, sondern nur ein Verbot der An- 

1 Dr. Mohl im Reichstag; 29. Sitzung, 8. Mai 1875. Sten. Der, 

8. 558. 

* III. Denkschrift des deutsohett Reichskanzlers aber die Aus- 
führung der Münzgesetsgebung. 


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DIE ÖSTERREICHISCHEN GÜLDEN IN DEUTSCHLAND. 75 

nähme an den öffentlichen Kassen. Aber das allein genOgte 
schon, um das deutsche Reich von den ungebetenen Gästen 
allmählich zu säubern. Dazu trug noch bei, dass der öster- 
reichische Gulden allmählich in die Kurszettel aufgenommen 
wurde. Im Verkehr erhielt er Bich nur mit schwankendem, 
nicht überall gleichmässigem Disagio. Ohne Verlust ging 
es dabei für das deutsche Publikum nicht ab. Es scheint auch, 
als ob die Regierungen nicht überall ihre Pflicht, solche Ver- 
luste möglichst zu verhüten, gethan hätten. Fürst Hohen- 
lohe-Langenburg sagte am 24. März 1874 darüber im 
Reichstag: 

„Es ist mir bekannt, dass Finanzministerien die öffent- 
lichen Kassen angewiesen haben, die österreichischen Gulden 
und die Fünffrankenstücke möglichst rasch auszugeben, 
wenige Tage, ehe von derselben Regierung die Ausserkurs- 
setzung verordnet worden ist; ja es ist sogar geschehen, 
dass den Beamten der Vierteljahrs-Gehalt in dieser Münz- 
sorte ausgezahlt worden ist, drei Tage, ehe in dem Ver- 
ordnungsblatt des betreffenden Staates die Ausserkurssetzung 
gestanden hat.* 

Diese Aufstellungen wurden nicht widerlegt. — Unter 
„ Ausserkurssetzung * scheint der Fürst Hohenlohe das 
Verbot der Annahme an den öffentlichen Kassen verstanden 
zu haben, das in seiner Wirkung allerdings einer Ausser- 
kurssestzung gleichkam. Dass er auch von den Fünf- 
f rankenstücken spricht, scheint mir darauf hinzu- 
weisen, dass er mit dem angegriffenen Finanzministerium 
das württembergische meinte, denn in Württemberg 
ist an die öffentlichen Kassen auch ein Verbot der Annahme 
der Fünffrankenstücke ergangen. 1 

Interessant ist das weitere Schicksal der öster- 
reichischen Silbergulden. Nach Österreich konnten sie nicht 
zurück. Dort hatte das Papier ihren Platz eingenommen. 
Sie waren also nach ihrer Austreibung aus Deutschland 
völlig heimatlos. — Die Spekulation bemächtigte sich ihrer, 

1 Sten. Ber. de« deutschen Reiohstnges yon 1873. — 29. Sitiung, 
8. Mai. — Seite 348. 


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76 


IU. ABSCHNITT. 


warf sie nach Belgien und schloss mit der dortigen Münze 
einen Vertrag auf deren Umprägung in FQnffrankenstücke, 
und zwar für eine Summe von 25 Millionen Franken. Das 
gelang noch gerade vor Thorschluss. Als die belgische 
Regierung die Silberprägung kontingentierte, war der Ver- 
trag gerade abgeschlossen. 1 

Am 28. Januar 1874 erliess dann der deutsche Bundes- 
rat, um einer erneuten Einwanderung von Gulden vorzu- 
beugen, eine Verordnung, in welcher deren Umlauf verboten 
wurde. 


1 Hirlht .Annalen* 187-1 8. 5S8. — Deutschen llnmlclblatt vom 
8 Januar 1874. 8. 22. 


8 


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IV. ABSCHNITT. 


VERBESSERUNG DER STELLUNG DER ÖSTER- 
REICHISCHEN THALER IN DEUTSCHLAND NACH 
DER MÜNZREFORM. 


I. DIE ÖSTERREICHISCHE THALERKRISIS UND DIE 
INTERPELLATION DES FÜRSTEN HOHENLOHE. 

Gebranntes Kind scheut das Feuer. Wer an den öster- 
reichischen Gulden zu Schaden gekommen war, betrachtete' 
jetzt auch die österreichischen Thaler mit einigem Miss- 
trauen. 1 Allmählich begann man sich über das diesen be- 
vorstehende Schicksal klar zu werden. 


1 Unterm 19. Juni 1873, also nooh tot Erlass dos Münzgesetzes, 
riohtete die Leipziger Handelskammer eine Petition an den 
Bandosrat, welche für die damaligo Unklarheit bezüglich der Öster- 
reichischen Oulden und Thaler sehr bezeichnend ist. Sie bittet den 
Bundesrat, die österreichischen Oulden sofort und ohne Gestattung einer 
Frist zwisohen der Bekanntmachung und dem Inkrafttreten der Ver- 
ordnung zu verbieten. Dann fährt die Eingabe fort: 

„Das Verbot wird übrigens unseres Dafürhaltens auoh auf die 
Thaler und Doppelthaler österreichischen Oepräges zu 
erstrecken sein, von denen, wenn gleioh die Ausprägung seit einer 
Reihe von Jahren sistiert ist, immer noch etliche Millionen (sio!) in 
Deutschland kursieren dürften, und welohe abgesehen von ihrer mit 
unsorm bisherigen MUnzsysteme übereinstimmenden Stückelung mit dem 
Oulden nuf gleicher 8tufo stehen. F,ino vertragsmässige Verpflichtung . 
gegenüber dem österreichischen Kaiserstnnte »teilt, nachdem dieser ver- 
möge Vertrages vom IS. Juni 1807 aus dem 1807 begründeten Münz- 


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78 


IT. AB8CHHITT, 


Am frohesten natürlich die Banken. Es scheint, 
dass sie sich in unauffälliger Weise ihrer Bestände an dieser 
Geldsorte zu entledigen suchten und sie dem Kleinverkehr 
zuschoben. 

In den ersten Monaten des Jahres 1874 begannen die 
Österreichischen Thaler die Öffentliche Meinung und die 
Presse zu beschäftigen. Ihre Eigenschaft als gesetzliches 
Zahlungsmittel wurde in Zweifel gezogen, und int Publikum 
entstand bezüglich ihres Wertes und ihrer Zukunft grosse 
Unsicherheit. Dieser Zustand steigerte sich in der ersten 
Hälfte des März fast bis zur Panik. Es regnete Petitionen 
und Anfragen an die Keichsregierung und die Landes- 
regierungen seitens des Publikums und der Handelskammern. 1 

verein nusgeschieden, und die in Art. 2 und 3 dieses Vertrage* vor- 
behaltenen Übcrgnngsfristen llngst abgelaufen sind, dem frsgliohen 
Verbot, welche* daxu beitragen wird, den gegenwSrtigen Silbervorat 
auf dem deutschen Markte in wansehenswerter Weise zu verringern, 
in keiner Weise entgegen.' 

Es ist mir unbegreiflich, wie ein so angesehenes Institut, wie die 
Leipziger Handelskammer, eine mit so wenig 8aohkenntnls verfasste 
Petition dem Bundesrate vorlegen konnte. Allerdings bestand Öster- 
reich gegenüber keine vertragsmassige Verpflichtung mehr bezüglich 
der Österreichischen Thaler. Aber Österreichische Thaler und Öster- 
reichische Oulden standen deshalb fOr das deutsche Reieh noch lange 
nicht .auf gleicher Stufe“. Der Ouldon hatte in Doutsohland nie- 
mals gesetzliche Zahlungskraft gehabt, niemand war dort je- 
mals geswungen, ihn in Zahlung zu nehmen. Seinen Umlauf konnte 
man also such verbieten. Die Österreichischen T h a 1 e r dagegen 
waren immer noch unbestrittenes gesetzliches Zahlungs- 
mittel Wie konnte der Staat, auf dessen Befehl jedermann dio Öster- 
reichischen Thaler gleich den deutschen, und zwar jetzt zu einem ihren 
Silberwert übersteigenden Werte in Zahlung nehmen musste, die Öster- 
reichischen Thalor und zwar — wohlgemerkt — gleich den Oulden 
ohne Gestattung einer Frist, verbieten?! — 

Wir werden freiUoh spRter sehen, dass die Reichsregierung 
selbst sich über diesen Punkt durchaus nicht klar war. 

1 Hervorzuheben ist die an anderer Stelle bereits orwRhnte Petition 
der Kölner Handelskamm er an das Reiohskanzleramt, welche weit- 
aus die klarste und treffendste Darlegung der Stellung der OBterr. 
Thaler im deutschen Münzwesen giebt — von allen, die mir za Augen 
gekommen sind. 


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D. ÖBTF.RR. THALER I. DEUTCHL. N. D. MÜNZREFORM. 79 

Der Bundesrat selbst scheint vollständig unschlüssig 
gewesen zu sein. Der bayrische Finanzminister erklärte 
auf eine Anfrage im bayrischen Landtag, eine Einziehung 
der österreichischen Thaler und Doppelthaler seitens des 
Reiches und auf Rechnung des Reiches sei «sehr wahr- 
scheinlich*. ln der Petionenkommission des Reichstags 
dagegen erklärte der Regierungskommissar strikt und bündig: 
Die Reichsregierung könne keine Verbindlichkeit betreffend 
die Einlösung der österreichischen Thaler übernehmen. 

Erst diese Erklärung scheint völliges Licht Uber die 
Situation verbreitet zu haben. Offenbar hatte man bisher 
immer noch gehofft, die Rcichsregierung werde schliesslich 
doch die Einlösung übernehmen. Das hatte sie nun direkt 
und in aller Form abgelehnt. 

In Süddeutschem! kam es wieder zu einer Panik, 
gerade wie zwei Jahre zuvor wegen der österreichischen 
Gulden. Obwohl die bayi ischc Regierung auf eine Anfrage 
des Augsburger Handelsvereins die Eigenschaft des öster- 
reichischen Thalers als gesetzlichen Zahlungsmittels ausdrück- 
lich bestätigt hatte, weigerte sich seit dem 17. März die 
Königliche Bank in Nürnberg, die österreichischen 
Thaler zu ihrem Nennwert anzunehmen. Sofort erliess auch 
die Nürnberger Vereins bank ein Rundschreiben an 
ihre Geschäftsfreunde, des Inhalts, dass sie von nun an die 
Gutschrift von Zahlungen in österreichischen Vereinsthalern 
nur mehr zum jeweiligen Kurse vornehmen werde. Da 
offiziell nirgends ein Kurs für die österreichischen Thaler 
notiert wurde, stellte sie sich darunter wohl den Kurs von 
IV« österreichischen Silberguldeu vor. Die Folge dieser 
Massregeln war, dass der österreichische Thaler anfing, ein 
Disagio zu erhalten. Dieses wurde auch dadurch nicht 
beseitigt, dass das Finanzministerium in München unver- 
züglich die Königliche Bank in Nürnberg anwies, die öster- 
reichischen Thaler zu ihrem Nennwert wieder anzunehmen. 
Die Unsicherheit im Publikum bestand fort, da man Uber 
die Entschlicssungen der Reichsregierung vollständig im 
Unklaren war. Auch in Norddeutschland bekam der öster- 
reichische Thaler ein Disagio, und hier und dort verweigerten 


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80 


IV. AB8CHXITT. 


Öffentliche Kassen seine Annahme zum Nennwert, z. B. die 
Kassen der schlesisch-mflrkischen und der thüringischen 
Eisenbahn. 

Am 21. M&rz beschloss der Münchener Handlungs- 
verein, zur Wahrung der Interessen des Münchener Platzes 
vom 22. März ab die Yereinsthaler österreichischen Gepräges 
nicht zu geben und nicht zu nehmen, bis über deren Ausser- 
kurssetzung oder Einlösung das Nähere vom Bundesrato 
bestimmt sei. Dieser Beschluss brachte das Disagio des 
österreichischen Thalers in Suddeutschland auf 6 bis 7 
Kreuzer, also auf ungefähr 6 Prozent. Da von seiten der 
Reichsregierung keine Massregel zu erwarten schien, inter- 
pellierte nun Fürst Hohenlohe- Langenburg im 
H eichstage: „ob von den verbündeten Regierungen beab- 
sichtigt wird, die infolge des Münzvertrages vom 24. Januar 
1857 als gesetzliches Zahlungsmittel geltenden Vereinsthaler 
österreichischen Gepräges demnächst ausser Kurs zu setzen." 

In Beantwortung dieser Interpellation, am 24. März, 
stellte der Präsident des Reichskanzleramtes die Eigenschaft 
der österreichischen Thaler als gesetzlichen Zahlungsmittels 
völlig ausser Zweifel ; er konstatierte ferner, dass sich der 
grösste Teil dieser Münzsorte nicht mehr in den Hündon 
des Publikums, sondern in den Kassen des Reiches und der 
Einzelstanten befinde, da diesen Kassen sofort beim Aus- 
bruch der Panik empfohlen worden sei, die bei ihnen ein- 
gehenden Stücke nicht wieder auszugeben, falls der Em- 
pfänger deren Annuhmo verweigere. — Schliesslich versprach 
er eine Vorlage, welche die Regelung der Frage in den Weg 
der Gesetzgebung verweisen werde.' 

Diese Antwort beruhigte die Gemüter, obwohl zunächst 
nur die gesetzliche Zahlungskraft der österreichischen Thaler 
konstatiert war; über ihre künftige Entfernung aus dem 
Umlauf, ob Einlösung oder nicht, darüber verlautete noch 
nichts. Die Zeitungen wussten zu melden, dass gerade 


1 Relchstngavorliandlungen vom 34. M&rz 1874. — Sten. Ber, 
Seite 580— 583. — Auf ilaz dort vorgebrachte Material stützt sioh zum 
grossen Teil meine Darstellung der Thalerkrizi*. 


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DIE ÖBTERR. THäLER I. DEÜT8CHL. X. D. MÜNZREFORM. 81 

bezüglich dieser Frage im Bundesrat selbst grosse Meinungs- 
verschiedenheit herrsche. 

Vielleicht hatte die preussische Regierung, welche 
hauptsächlich einer definitiven Entscheidung über den Modus 
der künftigen Beseitigung der österreichischen Thaler wider- 
strebte, ähnliche Gründe, wie sie Soetbeer im deutschen 
Handelsblatt vom 16. April 1874 entwickelt. Soetbeer legt 
dort sehr gut die Gleichheit der Stellung von deutschen 
und österreichischen Thalern dar, wie sie ja auch die 
Regierung durch Delbrück anerkannt hatte. Bezüglich ihrer 
Einziehung ist er der Ansicht, zuerst die deutschen Thaler, 
erat nach diesen die österreichischen einzuziehen. Vielleicht 
kehrt Österreich inzwischen zur Metallwährung zurück, 
nimmt vielleicht sogar die Goldwährung an. Dann ist der 
Zeitpunkt gekommen, an welchem sich Deutschland, unter 
Umständen ohne Verluste, seiner österreichischen Thaler 
entledigen kann. 

Einen ähnlichen Gedankengang lassen auch die Motive 
des nunmehr dem Reichstage vorgelegten Gesetzentwurfes 
erkennen. 


II. DAS GESETZ, BETREFFEND DIE ABÄNDERUNG 
DES ARTIKELS 15 DES MÜNZGESKTZES, VOM 20. 

APRIL 1874. 

Nur wenige Tage nach der Verhandlung über die 
Interpellation des Fürsten Hohenlohe ging dem Reichstag 
die von Delbrück in Aussicht gestellte Vorlage betreffend 
die österreichischen Thaler zu. Ihre Motive führen aus: 
Das Schicksal der österreichischen Thaler sei ein un- 
sicheres geworden, da der Bundesrat durch ihre Ausserkurs- 
setzung den Wert dieser Silbermünzen plötzlich auf ihren 
Silberwert herabdrücken 1 und damit den zeitigen Inhabern 


1 Diene Auffassung scheint mir damals total unzulässig gewesen 
su sein. Xaoh Art. IS des Münzgesetzes vom 9. Juli 1873 hatte der 
Bundesrat allerdings das Recht, „den Umlauf fremder MQnzon 

Helfferich, Die Folgen de« deutsch. -üiterr. Münz verelm too 1Ä67. 6 


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82 


IV. ABSCHNITT. 


mehr oder minder grosse Verluste bereiten könne. Schon 
im Interesse der schleunigen und ordnungsmässigen Durch* 
führung der deutschen Mönzreform bedurften die aus dieser 
Unsicherheit entsprungenen Verkehrsstockungen der Abhilfe; 
es könne nämlich eine Entscheidung Uber den Zeitpunkt 
des Eintrittes der Keichsgoldwtthrung nicht ohne Nachteil 
von der Rücksicht auf die gleichzeitig eintretende Ausser- 
kurssetzung der österreichischen Thaler beherrscht werden. 
Der vorliegende Gesetzentwurf wolle daher den österreichi- 
schen Vereinsthalern ihre bisherige Stellung auch über den 
Eintritt der Heichswährung hinaus gewährleisten, so 
dass die gesetzgebenden Faktoren zu einem Zeitpunkt, bei 
dessen Auswahl sie nur die derzeitige Lage der Verhältnisse 
zu berücksichtigen hätteu, über dieselben befinden könnten. 
Wenn der Entwurf Gesetz werde, könne also die Ausser- 
kurssetzung der österreichischen Thaler nur noch im Wege 
der Gesetzgebung herbeigeführt werden.' Bei diesem 

günzlich zu unterlagen/ Dieses Recht konnte sioh jedoch offenbar 
nur gegen fremde Münzen richten, welche innerhalb Deutschland* ge- 
setzliche Zahlungskraft nicht genossen. Diese Auffassung er- 
hellt anch ganz klar aus den Reichstagsrerhandlungen über den be- 
treffenden Artikel. Also die Ssterreiohischen Dulden konnte 
der Bundesrat Torbieten. Aber nicht die Thaler. Übrigens ist 
zwischen Verbieten und Aus s c r ku rsse t z e n ein Unterschied. 
Das Recht der Außerkurssetzung aber stand dem Bundcsrat nur 
gegenüber den deutschen Landesmünzen zu, und zwar nur mit 
der gleichzeitigen Verpflichtung, dieselben ein zulüsen. Zu 
diesen deutschen Landes münzen gehörten die österreichischen 
Thaler nicht. Auf keine Weise also konnte der Bundesrat für sich 
das Recht einer „plötzllehen Ausserkurssetzung“ dor österr. 
Thaler in Anspruch nehmen. — Auch Rootbeer ist in der «deutschen 
Müiizvcrfnssung“ der Ansioht, die Reichsregierung habe vor dem Oesetz 
vom ’.’O. April 1874 den Umlauf der österr. Thaler verbieten können. 
Ich kann nur wiederholen, dass das Verbot einer in gesetzlichem 
Kurs befindlichen Münze ein Unding ist. 

* Diese Behauptung in den Motiven und in dor Rede Delbrücks 
( s. 8. 84) entspricht zwar vollkommen den Tlmtsaohen, nloht 
aber der eben besprochenen Auffassung, welohe übrigens auch in der 
Rede Delbrücks zur Geltung kommt: der Bundesrat sei bis dato zu 
einer „ plö tzl ich en Außerkurssetzung* der österreichischen 
Thaler befugt gewesen. - An einer solchen Befugnis des Bundesrats 


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DIE ÜSTERR. THALEU I. DEUTSCHE. M. D. MÜNZREFORM. 83 

lediglich negativen Charakter des Gesetzes bleibe die Frage, 
auf welchem Wege die österreichischen Thaler in Zukunft 
aus dem deutschen Verkehr entfernt werden sollten, eine 
offene. Für ihre Lösung könne erst die künftige Gestaltung 
des Silbermarktes und die künftige Entwickelung der Münz- 
gesetzgebung und der Valuta Verhältnisse Österreichs mass- 
gebend sein. 

Das Gesetz selbst lautet: 

„Die Bestimmung in Art. 15 Ziffer 1 des Münzgesetzes 
vom 9. Juli 1873 findet auch auf die in Österreich bis zum 
Schlüsse des Jahres 1867 geprägten Vereinsthaler und Ver- 
einsdoppelthaler Anwendung.“ 

Art. 15 Ziffer 1 des Münzgesotzes lautet, wie schon 
oben mitgeteilt: 

„An Stelle der Reichsmünzen sind bei allen Zahlungen 
bis zur Ausserkurssetzung anzunchmen: 

1) im gesamten Bundesgebiet an Stelle aller Reichs- 
münzen die Ein- und Zweithalerstücke deutschen Gepräges 
unter Berechnung des Thalers zu 3 Mark.“ 

hatte da« Gesetz vom 20. IV. 1874 auch nicht das geringste geSndert. 
Das Gesetz bestimmte nur, dass bis zu ihrer Ausserkurssetzung 
nuoli die österreiohischon Thaler, der Thaler zu 8 Mark gerechnet, 
gesetzliches Zahlungsmittel sein sollten. Wieso war denn nach diesem 
Gesetze nur noch eine Aussorkurssctzung der Österreichischen Thaler 
ImWege der Gesetzgebung möglich ? Das ganze Gesetz berührte 
und Änderte ja in k einer Weise irgend welche Befugnis zur Ausser- 
kurssetzung. Hatte der Bundesrnt eine solche vorher gehabt, dann 
hatte er sie auch jetzt nooh; der „Weg der Gesetzgebung“ 
war dann überflüssig. Allerdings, hatte der Bundesrat diese Befugnis 
auch vorher nfeht, wie cs ja thatsBohlioh der Fall war, dann war 
die Saotic gelindert. Wahrend nBmlich bisher nach Art. 14 des Münz- 
gesotzes mit Eintrittt der KefchswBhrung der österreiohlsohe Thaler 
ipso iure ausser Kurs gesetzt war, hatte er nung esetzliche Zahlungs- 
kraft auf unbestimmte Zeit, auf Kündigung gewissermassen, ganz unab- 
hängig vom Eintritt der Reiohswührung. Da ihm ferner die gesetzliche 
Zahlungsktnft immer noch auf Grund der in GemBshoit des Wiener 
Münzvertrages von 1857 erlassenen Landesgesetze zukam, dem Bundes- 
rnt aber die Befugnis zur selbständigen Ausserkurssetzung nicht ge- 
setzlich übertragen war, konnte die Ausserkurssetzung nur 
nooh im Wege der Gesetzgebung erfolgen. 

6* 


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84 


IV. AB8CHMITT. 


Man erinnert »ich, das» in Ziffer 1 die Worte »deut- 
echen Gepräges* in der Regierungsvorlage gefehlt hatten, 
dass »ie erst im Reichstag auf Antrag des Abgeordneten 
Dr. Wolffson eingesetzt wurden, mit der klar ausgesprochenen 
Absicht, die österreichischen Thaler von der Bestimmung 
dieses Artikels auszuschliessen, dass Delbrück damals 
diese Ausschliessung für so selbstverständlich erklärte, dass 
ihm der beantragte Zusatz als überflüssig erschien. Jetzt 
sollte der Artikel einen zweiten Zusatz erhalten, durch 
welchen der erste Zusatz in Begründung und Wirkung auf- 
gehoben wurde. Tempora mutantur! 

Im Reichstag entspann sich bei der Beratung des 
Gesetzes eine Debatte über die künftige Einlösungsverpflich- 
tung des Reiches, ohne indes zu einer Klärung zu führen. 
Ein Zusatzantrag des Abgeordneten für Esslingen, Dr. Lenz, 
wollte die österreichischen Thaler auch hinsichtlich ihrer 
künftigen Einlösung durch das Reich zu ihrem gesetzlichen 
Wert von 3 Mark vollständig den deutschen Thalern gleich- 
steilen. Delbrück erklärte sich jedoch im Namen der 
verbündeten Regierungen energisch gegen diesen Antrag. 
Einmal hielt er ihn für völlig überflüssig, weil das Gesetz 
nur die Beunruhigung des Publikums beseitigen wolle ; diese 
sei aber nur durch die Gefahr einer plötzlichen Ausserkurs- 
setzung der österreichischen Thaler seitens des Bundes- 
rates hervorgerufen worden. 1 Diese Möglichkeit sei durch 
das vorgelegte Gesetz beseitigt. 2 Dann wies er auf die 
Möglichkeit hin, Österreich werde seine Valutaverhältnisse 
ordnen und die Thaler einlösen ; er nannte es mehr als vor- 
eilig, wollte man die Verpflichtung übernehmen, Österreich 
auf Kosten des deutschen Reiches von seinen Thalern zu 
»befreien*. 

Auch Bamberger sprach sich dagegen aus, »die öster- 
reichischen Münzen ohne weiteres als deutsche Landesmünzen 
zu erklären“. »Auf der andern .Seite“, sagte er, »bin ich 
fest überzeugt, dass diese Vorlage, wie sie heute dasteht, 


1 Siehe Aum. !. 8. 81. 
' Siehe Antn. 1. 8. 82. 


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DIE ÖSTERR. THALER I. DEUTSCH!,. V. D. MÜRZREFORM. 85 

uns nimmer der Verpflichtung entheben wird, dieses Geld 
zu seinem Vollwert einzulösen. Sie stellen mit einem Worte 
die Volleinlösung unter die Garantie der Mitwirkung der 
deutschen Gesetzgebung und des deutschen Reichstags.* 

Man sieht aus diesen Sätzen: Bamberger war mit 
sich selbst nicht ganz einig. Es widerstrebte ihm, eine 
»Münze* mit fremdem Gepräge als eine deutsche 
anzuerkennen; auf der andern Seite war er sich dennoch 
ganz klar darüber, dass diese fremde Münze doch etwas 
mehr war als fremdes »Gold*; dass das Reich ihr gegen- 
über durch seine Gesetzgebung Verpflichtungen habe, deren 
Anerkennung es zwar hinausschieben, aber nicht völlig 
verlängnen könne. 

Der Zusatzantrag Dr. Lenz wurde abgelehnt und das 
Gesetz in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen. 1 

Damit war die Stellung der österreichischen Thaler 
bedeutend gebessert. Während bisher der Bundesrat nach 
seiner eigenen — allerdings irrigen — Auffassung sogar 
befugt gewesen wäre, den Umlauf der österreichischen 
Thaler als einer »fremden Münze“ gemäs Artikel 18 des 
Münzgesetzes zu verbieten, sicher aber mit Eintritt der 
Reichswährung die österreichischen Thaler ihre Eigenschaft 
als gesetzliches Zahlungsmittel verlieren mussten, war ihnen 
jetzt diese Eigenschaft bis auf weiteros zugestanden, 
und eine Aufhebung derselben stand nicht mehr in der 
Kompetonz des Bundesrates allein, sondern war unter Mit- 
wirkung des gesamton gesetzgebenden Apparates gestellt. 

Hein juristisch war also ihre Position jetzt, nach 
dem Gesetze vom 20. April 1874, folgende: 

Sie waren gesetzliches Zahlungsmittel auf unbestimmte 
Zeit, in Österreich zu 1 'j Gulden, im deutschen Heich zu 
3 Mark. Sowohl Österreich als das deutsche Reich konnten 
sie auf dem Wege der Gesetzgebung vollständig souverän 
und ohne Rücksicht aufeinander ausser Kurs setzen, mit 
oder ohne Einlösung, ganz nach eigenem Belieben. 

1 Siohv die Keichdtugssitzungcn vom II. und 18. April 1871. 
8ten. Her. 8. 787—748; 917 und 918. 


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86 


IV. ABSCHNITT. 


Dadurch dass ihre Ausserkurssetzung und die Moda- 
litäten derselben im deutschen Reich nur auf dem Wege 
der Gesetzgebung beschlossen werden konnten, unter- 
schieden sie sich von ihren Brlldern, den deutschen Thalern 
und allen andern noch vorhandenen deutschen Landes- 
münzen. Den letzteren gegenüber hatte das Reich die 
Verpflichtung übernommen, sie auf seine Rechnung einzu- 
lösen ; der Bundesrat hatte die Befugnis, ihre 
Ausserkurssetzung und Einlösung im Ver- 
ordnungswege zu bestimmen. Bezüglich der öster- 
reichischen Thaler hatte das Reich nicht die Verpflichtung 
übernommen, sie auf seine Rechnung einzulösen. Sowohl ihre 
Ausserkurssetzung als ihre etwaige Einlösung konnte 
nur durch ein Gosetz angeordnet und geregelt werden- 
Die österreichischen Thaler nehmen also von nun an juri- 
stisch eine ganz exzeptionelle Stellung im deutschen Mtinz- 
wesen ein. Sie unterstehen unmittelbar der gesamten 
Gesetzgebung, wiihrend die deutschen Landesmünzen 
in ihrer Zukunft nur vom Bundesrat abhängen. 

Ihre th atsäch 1 i che Stellung: Dadurch dass ihre 
Ausserkurssetzung auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben 
und .unter die Garantie des Reichstages“ gestellt war, 
erschienen sie in den Augen des Publikums als völlig 
rehabilitiert. Ihr Disagio verschwand. Sie liefen wieder 
um mit einem Geldwert von drei Mark in Gold, welcher 
ihren Materialwert um einige Prozente überstieg; und es 
war die von der Regierung ausdrücklich anerkannte Ab- 
sicht, sie zu diesem Wert im Umlauf zu erhalten. 

Was folgte aus dieser juristischen und thatsächlichen 
Stellung für ihre Zukunft!' — Dass eine Ausserkurssetzung 
der österreichischen Thaler seitens des deutschen Reiches 
in Zukunft nicht mehr möglich war, ohne deren Einlösung 
zu drei Mark. Juristisch blieb eine solche Ausserkurs- 
setzung allerdings immer noch unbenommen, so gut wie 
heute auf dem normalen Wege der Gesetzgebung unsere 
unterwertigen Reichssilbermünzen ohne Einlösung ausser 
Kurs gesetzt werden könnten ; oder auch die Reichskassen- 
scheine; das würde man allerdings einen Staatsbankerott 


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DIE Ö8TERR. THALER I. DEDT8CHL. N. D. MONZREFORM. 87 

nennen. — Politisch war von nun an die Ausserkurs- 
setzung der österreichischen Thaler ohne Einlösung ausser- 
halb des Denkbaren. Delbrttck selbst hatte ja am 11. April 
1874 namens der Reichsregierung im Reichstage erklärt: 
„dass cs eine harte Unbilligkeit sein würde, ihre (der 
österreichischen Thaler) Besitzer der Gefahr auszusetzen, 
welche mit einer plötzlichen Ausserkurssetzung verbunden 
ist.“ Was heute harte Unbilligkeit ist, bleibt es auch 
morgen. Die österreichischen Thaler konnten nicht auf 
eine Weise aus dem Verkehr gezogen werden, auf welche 
ihre zufälligen Inhaber geschädigt worden wären; das war 
auch von der Reichsregierung definitiv anerkannt. 

Nichsdestoweniger hatte es die Reichsregierung ab- 
gelehnt, die Verpflichtung zur künftigen Einlösung der 
österreichischen Thaler, welche sie thatsächlich schon 
trug und thatsächlich auch in dem eben erwähnten Satze 
anerkannt hatto, gesetzlich zu übernehmen; und zwar 
unter Hinweis auf die Möglichkeit einer günstigeren 
Gestaltung des Silbermarktes und der österreichi- 
schen Valuta-Verhältnisse. Prüfen wir diese beiden 
Aussichten ! 

Eine Besserung des Silbermarktes war nach den that- 
sächlichen Verhältnissen nicht zu erwarten; sie trat auch 
in der Folgezeit nicht ein, sondern ihr genaues Gegenteil. 
- Setzen wir aber den Fall, sie wäre eingetreten, was der 
deutschen lleichsregierung im Jahre 1874 ja immerhin als 
möglich erscheinen konnte. Wäre das Silber in sein altes 
Verhältnis zum Golde zurückgekehrt, zur Relation von 
1 : 15,5, oder gar über diese Relation gestiegen, dann aller- 
dings wäre durch eine Weigerung der Reichsregierung, die 
österreichischen Thaler einzuziehen und zu 3 Mark das 
Stück einzulösen, niemand geschädigt worden. Einlösung 
oder Nichteinlösung wäre dann für die Thalerbesitzer völlig 
gloiehgiltig gewesen, weil der Stoffwert des Thalers dann 
wieder mit seinem Geldwert zusammengefallen wäre. Aber 
aucli für die Reichsregierung hätte es für diesen Fall gar 
keinen Sinn gehabt, die Einlösung der österreichischen 
Thaler abzulehnen, da ihr ja aus einer Einlösung unter 


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88 


IV. AB8CHÄITT. 


solchen Verhältnissen keine Verluste hätten erwachsen 
können. 

Besserte sich der Silbermarkt nicht bis zu diesem 
Grade, so mussten bei der Ausserkurssetzung ohne Einlösung 
die Verluste die einzelnen Inhaber treffen, eie wären nur 
nicht mehr ganz so gross gewesen; die Sache hätte sich 
also nur quantitativ, nicht qualitativ geändert, die .Unbillig- 
keit* wäre etwas weniger .hart“ geworden, aber immerhin 
eine Unbilligkeit geblieben. 

Die künftige Gestaltung des Silbermarktes spielt auch 
bei dem zweiten Argumente Delbrücks, der zu erwartenden 
Rückkehr Österreichs zur Metallwährung, ausschlaggebend 
mit. Kehrte Österreich unter sonst unveränderten Verhält- 
nissen von seiner Papiervaluta zur thatsächlichen Silber- 
währung zurück, so war zunächst für seine Thaler nichts 
geändert. Der Thaler hätte auch dann in Österreich nur 
soviel gegolten wie das in ihm enthaltene Silber, nach wie 
vor IV* Silbergulden, nur ohne Agio gegen das Papier. 
Das war aber so lange weniger als M Mark, als das Silber 
auf dem Weltmarkt nicht wieder in das Wertverhältnis von 
1 : 15,5 zum Golde zurückgekehrt war. 

Ging aber Österreich zur Goldwährung über, dann 
kam es ganz auf die Relation an, welche es bei diesem 
Übergang wählte. War dieselbe für Silber ungünstiger als 
die beim deutschen Währungswechsel angenommene, viel- 
leicht 1 : 18 (und ungünstiger musste sie bei einer andauern- 
den Depression des Silbermarktes werden), daun war den 
deutschen Besitzern von österreichischen Thalern auch nicht 
geholfen. In Österreich hätten sie dann bei der Einlösung 
einen geringeren Wert erhalten, als der österreichische 
Thaler in Deutschland gesetzlich besass. In Deutschland 

galt der Thaler — -r— — — ft feines Gold, in öster- 
<10 . 15,5 

reich hätte er vielleicht nur ft feines Gold ge- 

gölten, also statt * nur Gold. — Falls der 

4 oo o4ü 


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DIB Ö8TKRR. THALER t DEUTSCHL. V. D. MORZREFORM. 89 

Österreichische Thaler nach einem solchen Übergang Öster- 
reichs zur Goldwährung in Deutschland ohne Einlösung 
ausser Kurs gesetzt wurde, wäre nach wie vor der Verlust 
auf die deutschen Inhaber gefallen. — Also auch bei einem 
Übergang Österreichs zu einer Metallwährung, ob Gold- 
oder Silberwährung konnte der österreichische Thaler in 
Österreich nur dann dessen Wert in Deutschland erreichen, 
wenn das Silber zu seinem beim deutschen Währungs- 
Wechsel zu gründe gelegten Verhältnis zum Gold zurück- 
kehrte, bei einer österreichischen Silberwährung also sein 
Silberwert wieder mit seinem deutschen Geldwert zusammen- 
fiel, bei einem Übergang zur Goldwährung Österreich die 
gleiche Relation wie Deutschland zugrunde hätte legen 
können und zu gründe gelegt hätte. 

Die Sache stand also folgendermassen : Das deutsche 
Reich konnte für die Folgezeit billiger Weise nur dann die 
Einlösung der österreichischen Thaler seinen Angehörigen 
gegenüber ablehnen, wenn an der Einlösung selbst keine 
Verluste zu erleiden waren; wenn man den Thaler als 
Material auf dem Edelmetallmarkte zu drei Mark verkaufen 
konnte, oder wenn Österreich den Thaler zu einem Werte 
von drei Mark einlöste, bezw. der in Österreich noch Kurs 
geniessende Thaler in österreichischer Valuta drei deutsche 
Reichsmark wert war. So lange diese Verhältnisse nicht 
eintraten, so lange an den Thalern also überhaupt noch 
Verluste erlitten werden mussten, war das deutsche Reich 
aus Gründen der Gerechtigkeit und Billigkeit seinen Unter- 
thanen gegenüber gebunden, die österreichischen Thaler bei 
einer Ausserkurssetzung zu 3 Mark das Stück einzulösen. 
Die gesetzliche Übernahme dieser moralischen Verpflichtung 
seitens des Reiches hätte deshalb schon mit dem Gesetz vom 
20. April 1874 erfolgen können, weil das Reich für den Fall, 
dass die günstigen Verhältnisse eintraten, in Hinblick auf 
deren Möglichkeit es die Einlösungsverpflichtung ablehnte, 
durch die Einlösung keinen Schaden erlitten hätte, für 
alle andern Fälle aber die »harte Unbilligkeit* nicht be- 
gehen konnte, den entstehenden Verlust auf den einzelnen 
Inhabern sitzen zu lassen. 


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90 


IV. A BUCH KITT. 


Österreich gegenüber hätte man durch die gesetz- 
liche Übernahme der Einlösungsverpflichtung weder auf ein 
liecht verzichtet, noch eine Verpflichtung übernommen 
Seit Ablauf des Jahres 1870 herrschte ja bezüglich des ehe- 
mals gemeinschaftlichen Umlaufsmittels völlige Vertrags- 
losigkeit. Jeder Staat konnte über die Münzen seines Ge- 
präges vollständig eigenmächtig befinden. Österreich hatte 
das Hecht, die Thaler ohne irgend welche Einlösung ausser 
Kurs zu setzen. Dem deutschen lleiche stand dem gegen- 
über absolut kein Einspruchsrecht zu. 

Noch viel weniger war Österreich verpflichtet, die 
Thaler seines Gepräges einzulösen, ehe es sie ausser Kurs 
setzte, und ganz haltlos wäre es gewesen , von Österreich 
für den Thaler mehr als seinen in Österreich gesetzlichen 
Wert von 1 Vs Gulden zu verlangen. Ganz abgesehen da- 
von, dass eine Einlösung der österreichischen Thaler von 
seiten des österreichischen Kaiserstaates nur dann für das 
deutsche Keich gegenüber einer Veräusserung derselben als 
blosses Material von nennenswertem Vorteil geworden wäre, 
wenn Bich der Geldwert des Guldens, und damit auch des 
Thalers, in Österreich über seinen Silberwert erhob — 
welcher Fall völlig unerwarteter Weise 1870 wirklich ein- 
trat — ganz davon abgesehen konnte das Keich dadurch, 
dass es seinen Unterthanen gegenüber die Einlösung der 
österreichischen Thaler zu ihrem deutschen Tarifierungs- 
wert übernahm, schon deshalb nicht auf ein 1t e c h t Öster- 
reich gegenüber verzichten, weil es gar kein Recht 
besä ss, von Österreich eine Einlösung zu verlangen. 
Wenn aber Österreich nicht aus juristischen Zwangsgründen, 
sondern aus Gründen allgemeiner Billigkeit unter gegebenen 
Verhältnissen die Einlösung seiner Thaler zu irgend einem 
ihren Silberwert übersteigenden, den Wert von 3 Mark aber 
nicht erreichenden Satze übernehmen wollte, so konnte es 
das thun, ganz unabhängig davon, wie sich die deutsche 
Ueichsregierung mit ihren Unterthanen in dieser Sache aus- 
einandergesetzt. Also auch hier wäre nichts im Wege ge- 
standen, die Verpflichtung des deutschen Reiches zur Ein- 


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DIE Ö8TERR. THALER I. DEUT8CHL. V. D. MÜKZRKFORM. 91 


lösung der österreichischen Thaler zu ihrem deutschen 
Geldwert den deutschen Staatsangehörigen gegenüber offiziell 
anzuerkennen und gesetzlich festzulegen. 

Trotzdem das nicht geschah, herrschte im deutschen 
Publikum nach der Beantwortung der Interpellation des 
Fürsten Hohenlohe und nach dem Erlass des Gesetzes vom 
20. April 1874 bezüglich des Schicksals der österreichischen 
Thaler vollkommene Ruhe, und konnte vollkommene Ruhe 
herrechen. Denn nach dem thatsächlichen Stand der Dinge 
konnte es niemanden zweifelhaft sein, dass allenfalls bei der 
Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler eintretende 
Verluste, trotz allen Sträubens der Reichsregierung gegen 
diese letzte Konsequenz, vom Reiche würden übernommen 
werden ; dass dieses, wenn Österreich sich dazu herbeilassen 
würde, sich höchstens nach gütlichem Übereinkommen mit 
diesem in den Verlust würde teilen können. Die letztere 
Möglichkeit konnte jedoch so lange überhaupt nicht in Be* 
traclit kommen, als in Österreich selbst der Geldwert 
von 1 Thaler oder 1 '/* Gulden nicht höher war als sein 
Silberwert. 


III. DAS GESETZ VOM 6. JANUAR 1876. 

Im deutschen Iteiche trat an die Stelle der Beschäf- 
tigung mit den österreichischen Thalern speziell in der Zeit 
der ungünstigen Wochseikurse, der Goldausfuhr und des 
hohen Berliner Goldpreises von Mitte 1874 bis Mitte 1875 
die Beschäftigung mit den Thalern überhaupt. Ihnen schrieb 
man die Hauptschuld an der deutschen Währungskrisis in 
dieser Zoit zu. Alle ehemaligen Landes kurantmünzen waren 
nach und nach eingezogen, die Drittelsthaler zunächst als 
Scheidemünzen beibehalten worden, nur Thaler und Doppel- 
thaler waren als Kurantgeld geblieben. Durch kaiserliche Ver- 
ordnung vom 22. September 1875 wurde der Eintritt der Reichs- 
währung im gesamten Bundesgebiete auf den 1. Januar 1876 
festgesetzt, nachdem schon vorher die Mehrzahl der Bundes- 
staaten von dem ihnen zustehenden Rechte Gebrauch ge- 


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92 


IV. ABSCHNITT. 


macht, und die Reichswährung in ihrem Gebiet auf parti- 
kularem Wege eingeführt hatten. 

Obwohl die einzigen silbernen Kurantmünzen eine 
eigentliche Gefahr für die deutsche Währung nach Über- 
windung der Krisis von 1874 75 wohl kaum mehr dar- 
stollten, trotz ihrer Unterwertigkeit — sie waren ja nur 
in einer so beschränkten Summe, nach der höchsten Schätz- 
ung von 500 Millionen Mark, vorhanden, auf welche herab 
der deutsche Umlauf fast unmöglich sinken konnte — war 
ihr blosses Vorhandensein manchen Leuten, welcho auf 
Konsequenz und Harmonie auch in Münzangelegenheiten 
etwas hielten — eine erfreuliche Erscheinung in Anbetracht 
der früheren deutschen Münz Verlotterung, — ein Dorn im 
Auge. Unter denjenigen, welche die Reiclisregiorung um 
eine Änderung in dieser Sache ersuchten, war auch der 
Verein für Sozialpolitik. 1 

Die Reichsregierung gab scheinbar nach. Sie bracht« 
einen Gesetzentwurf vor den Reichstag, durch welchen der 
Buiidesrat ermächtigt werden sollte, zu verordnen, dass 
die Einthalerstücke deutschen und österreichischen Gepräges 
bis zu ihrer Ausserkurssetzung nur noch an Stelle dor 
Reichssilbermünzen in Zahlung zu nehmen sind. — Ich 
erwähne dieses Gesetz nur der Vollständigkeit halber. 
Thatsächliche Tragweite hatte es nicht. 

Seine Motive setzten sehr treffend auseinander, wie 
wenig sich Silberkurantgeld mit dem Grundgedanken 
des deutschen Münzwesens vertrage. Sie versprachen ausser- 
dem die baldige Ausserkurssetzung der Doppelthaler, während 

1 Er befcdiloit auf Antrag von Name, vorzusohlagon: 

1) Dio Zahlungskraft der Thaler auf Betrüge bin xu 100 Mark 
zu bezchrlnken, nie also zu einer Art höheren Scheidemünze zu muchen, 
welcho gleich den Keiclixzilborinünxon an beitimmtun Kamen vom Rciohe 
in Oold umgoweohaelt werden zollte. 

2) Thaler bis zu einem die Hilfte ihre« Baarvorratez nioht übor- 
•teigenden Betrage unter Garantie de« Reiohcz für einen gewisxon 
Ooldwert der Keiehzbank zu übcrweUcn, alz vorlAuflgo gesetzliche Bnar- 
deokung der Noten. 


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DIR Ö8TERR. THALER t. DRÜT8CHL. H. 0. M0KZREFORM. 03 

sie die Ausserkurssetzung der EinthalerstQcke in weite 
Fernen rückten. Um aber den Übergang zur reinen Gold- 
währung nach Möglichkeit zu beschleunigen, verlangten sie 
für den Bundesrat die Befugnis, die Thaler zur Scheide- 
münze degradieren zu dürfen. 

Damit war nun auch der eifrigste Goldwährungs- 
fanatiker zufrieden. Denn wenn jemand eine Befugnis ver- 
langt, nimmt man doch an, dass er von ihr Gebrauch machen 
will. Die Vorlage wurde unverändert Gesetz und unterm 
6. Januar 1876 publiziert. — Der Bundesrat hat aber von 
der ihm zustehenden Befugnis bis heute noch keinen Ge- 
brauch gemacht, und die Gefahr, zur Scheidemünze degra- 
diert zu werden, ist für die Thaler auch heute noch in 
weiter Ferne. 


IV. DIE BESEITIGUNG DEU Ö8TEHUEICHISCHEN 
DOPPELTHALEU. 

Die in den Motiven des eben besprochenen Gesetzes 
in Aussicht gestellte Ausserkurssetzung der Doppelthaler 
liess noch einige Zeit auf sich warten. Auf diese Ausser- 
kurssetzung konnte man insofern gespannt sein, als man 
erwarten durfte, die lteichsregierung werde sich nun bezüg- 
lich der österreichischen Thaler zu irgend einem weiteren 
Schritte entscheiden müssen. Wenn sie die Doppelthaler 
ausser Kurs setzte, so konnte sie doch kaum die Ausser- 
kurssetzung bloss auf die deutschen Doppelthaler be- 
schränken, die österreichischen aber — ca. 25.500 Stück 
waren von diesen geprägt — im Umlaufe belassen. Wollte 
aber der Bundesrat mit den deutschen Doppelthalern auch 
die österreichischen beseitigen, dann stand er unmittelbar 
vor der' brennenden Frage: mit oder ohne Einlösung? 
Und eben dieser Frage war man bisher mit aller Sorgfalt 
aus dem Wege gegangen. 

Seit dem Gesetz vom 20. April 1874 war der Bundes- 
rat überhaupt nicht mehr berechtigt, die österreichischen 
Thaler ausser Kurs zu setzen oder einzulösen. Dazu wäre 


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1*. AB8CHK1TT. 


94 

die Zustimmung des Reichstages notwendig gewesen. Der 
Bundesrat hfttte also dem Reichstag ein Gesetz vorlegen 
müssen, durch welches er die Berechtigung erhalten hätte, 
die Österreichischen Doppelthaler ausser Kurs zu setzen 
und auf Rechnung des Reiches zu 6 Mark das Stück einzu- 
lOscn. Andrerseits hätte man ein solches Gesetz doch nicht 
einseitig auf die Österreichischen Doppelthaler beschränken 
können, sondern man hätte es notwendigerweise auch auf 
die Österreichischen Einthalerstücke, welche ja genau 
auf derselben Grundlage standen, ausdehnen müssen. Die 
Einthalerstücke anders behandeln als die Doppelthaler, wäre 
nicht angängig gewesen. Der Bundesrat war jedoch in sich 
selbst über die ganze Frage nicht einig und wollte sich die 
Entscheidung über Einlösung oder Nichteinlösung der Öster- 
reichischen Thaler unter allen Umständen offen halten. Man 
stand also vor einem bösen Dilemma. Aber man kam mit 
grossem Geschick daran vorbei. 

Am 2. November 1876 erfolgte die Bekanntmachung, 
durch welche die Doppelthaler ausser Kurs gesetzt wurden. 
Nach dieser Bekanntmachung erstreckte sich die Ausser- 
kurcsetzung wirklich nur auf die Doppelthaler deutschen 
Gepräges. Die grammatikalische Diktion ist zwar in § 1 
etwas zweifelhaft. Es heisst dort: 

»Die Zweithaler-(3'/* Gulden-)Stücke und die Drittel- 
thalerstücke deutschen Gepräges gelten vom 15. November 
1876 ab nicht ferner als gesetzliches Zahlungsmittel.“ 

Man konnte einen Augenblick im Zweifel sein, ob sich 
die Worte »deutschen Gepräges“ vielleicht nur auf »Ein- 
drittelthalerstücke“ beziehen; dass also unter den »Zwei- 
thaler-(3V* Gulden-)Stüeken“ auch diejenigen österreichi- 
schen Gepräges begriffen wären. Aber abgesehen davon, 
dass diese Auslegung rechtlich nicht zulässig ist, weil die 
Österreichischen Doppelthaler nur auf dem Wege der Ge- 
setzgebung, nicht auf dem einfachen Verordnungs wege 
ausser Kurs gesetzt werden konnten, ist in $ 2 auch die 
grammatikalische Diktion vollständig klar. Es heisst dort : 
»Zweithaler (3* ; Gulden-) und Eindrittelthalerstücke deut- 


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t)IK ÖSTKRR. TMALER 1. DKUT8C1IL. N. 1). MÜKZREFORM. 95 

sehen Gepräges*. — »Deutschen Gepräges* bezieht sich hier 
auf „Stücke“, und Stücke sowohl auf „Eindrittelthaler-* 
als auch auf »Zweithaler (3 1 /* Gulden.)* 

Der Bundesrat setzte also thatsächlich die deutschen 
Doppelthaler ausser Kurs, die österreichischen nicht, 
formell wenigstens nicht. Thatsächlich jedoch beschloss 
der Bundesrat in derselben Sitzung, in welcher die erwähnte 
Bekanntmachung beschlossen wurde, „sich damit einver- 
standen zu erklären, dass die Einlösungskassen 
angewiesen werden, auch die zur Umwechselung 
präsentierten österreichischen Doppelthaler anzu- 
nehmen und gesondert abzuliefern.“ 1 

Rechtlich hatte man sich damit nichts vergeben, 
auch nichts bezüglich der Einthalerstücke österreichischen 
Gepräges präjudiziert. Aber der Fiskus wechselte gewisser- 
massen in seiner Eigenschaft als Privatmann aus Gefälligkeit, 
ohne irgendwie dazu gezwungen zu sein, auch die öster- 
reichischen Doppelthaler, welche gar nicht aufgerufen, 
deren Ausserkurssetzung gar nicht ausgesprochen war, die 
ihm ulso nur halb missverständlich zu den Einlösungskassen 
gebracht worden konnten, mit einem zugedrückten Auge in 
deutsche Reichsmünzen oder in Einthalerstücke um. Aller 
Wahrscheinlichkeit nach wurden ihm ziemlich alle in Deutsch- 
land umlaufenden österreichischen Doppelthaler gebracht. 
Diese wurden nicht wieder ausgegeben, aber nicht etwa 
demonetisiert: sie wurden gesondert aufbewahrt und be- 
gannen in den Kellern der Reichsbank auf bessere Tage 
für das Silber und auf eine Besserung der österreichischen 
Valuta zu harren. 

Ausser Kurs gesetzt sind diese Doppelthaler bis 
heute noch nicht. 2 Der Bundesrat hat auch damals in 
keiner Weise seine Kompetenz überschritten. Aber aus 


1 Fünfte Denkschrift den Reichskanzlers über die Ausführung der 
Münzgesetzgebung. 

' R. Telsohow, der gesamte Geschäftsverkehr mit der Reichs- 
bank, 0. Auflage, bearbeitet von A. S o h n o h t, kaiserl. Bankbuohhalter 
ln Berlin (Relohshauptbank), bemerkt S. 114 in einer Anmerkung, die 


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IV. ABSCHNITT. 


96 

dem Umlauf beseitigt sind sie eben doch, so dass jetzt 
eine Ausserkurssetzung derselben gegenstandslos wäre. Die 
staatsrechtliche Frage: Einlösung der österreichischen 
Thaler oder nicht? wurde also damals gewissermassen auf 
privatrechtlichen) Wege umgangen und blieb, gemäss 
den Intentionen des Bundesrates nach wie vor eine 
offene. Für das Publikum erschien sie indes als that- 
sächlich erledigt: umsomehr, als die österreichischen 
Einthalerstücke selbst immer mehr aus dem Verkehr ver- 
schwanden und sich in der lteichsbank ansammelten. 

Von nun an blieb die Frage bis Ende des Jahres 1891 
in Deutschland unverändert in demselben Stadium. 


Österreichischen Doppelthaler «eien in Deutschland ausser Kurs 
gesetst. Das ist naoh obigem ein Irrtum, jedenfalls dadurch horvor- 
gerufen, dass die österr. Doppelthaler, welohe 1876 oingelCst wurden, 
von der Reichsbank nicht ausgegebeu werden dürfen , und dass üsterr. 
Doppelthaler thatsichlioh im Verkehr nicht mehr Vorkommen , der 
Reiehsbank also auoh nicht in Zahlung angeboten worden können. 


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V. AB8HITITT. 

ÄNDERUNG DER STELLUNG DES 
ÖSTERREICHISCHEN THALERS IN ÖSTERREICH. 


I. DIE SOGENANNTE SELBSTREGULIERUNG DER 
ÖSTERREICHISCHEN VALUTA.« 

Von Österreich selbst, dom Heimatlande unserer 
österreichischen Thaler habe ich bis jetzt sehr wenig er- 
zählt, aus dem sehr einfachen Grunde, weil wenig von ihm 

1 Für das nachfolgende sei auf die tahlreiohen gelegentlich der 
Österreichischen Valutaregulierung erfolgten Veröffentlichungen hinge* 
wiesen; insbesondere auf die im k. k. Finansminliterium verfassten 
umfangreiohen Materialsammlungen .Statistische Tabellen tur Währungs- 
frage* 1892, und .Tabellen zur Währungsstatistik“ 1893. — Fernerauf 
Lexis .Papiergeld 1 ' im HandwOrterbuoh derStaatswissonsohaften, Bd.V.; 
Lots, dleWährungsfrnge in Österreich Ungarn, in Schmollen Jahrbüchern 
Bd. XIII. Heft 4, auch in Separatabdruok erschienen; Inatna Sternegg 
die neue Währung»- und MUnzgesetsgebung in Österreioh-Ungarn, in der 
Wiener Zeitschrift für Volkswirtschaft etc. 1892; Mataja, die Währung»* 
enquOte, ebendort; Carl Menger, die Osterreiohisohe Valutaregulierung, 
drei Artikel in Conrads Jahrbüohern, 1892; Ostersetzer, Währung»* 
weohsel und Aufnahme der Barzahlungen, 1892, u. a. mehr. 

Ich kann hier auf diese interessanten Dinge nicht näher ein- 
gehen , da mich die Entwiokelung der Österreichischen Valuta nur so 
weit zu interessieren hat, als sie auf das Verhältnis der Österreichischen 
Thaler einen Einfluss ausübt. loh werde mich also in der Hauptsache 
nur auf eine Darstellung des Thatsäohliohen beschränken, ohne 
mloli in weit aussehende Erörterung übor dio Oründe diesor Entwioke- 
lung elnzulnssen. 

von tut. 7 


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Helffertoh, Die Folgen lies ileul.ih-5.i err, Miln 


Bayerische 

Staatsbibliothek 

UÜhCHll 



08 


v. Aiwctihirr. 


zu erzählen war. Nach dem Anlauf zur Goldwährung im 
Jahre 1867 prägte Österreich von 1870 ab ein nicht sehr 
erhebliches Quantum von goldenen 8- und 4-Gulden- bzw. 
20- und 10-Frankenstücken ohne indes einen einschneidenden 
Entschluss zur Änderung seiner Geldverhältnisse zu treffen. 
Die Noten der Nationalbank, neben ihnen die 1866 ge- 
schaffenen Staatsnoten, hatten nach wie vor Zwangskurs, 
und der Silbergulden genoss ein schwankendes Aufgeld. 
Die erwähnten neugeschaffenen Goldmünzen hatten abgesehen 
von Zollzahlungen 1 den Charakter von Handelsmünzen. 

Seit 1873, mit welchem Jahr der Silberpreis auf dem 
Weltmarkt stark zu sinken begann, trat in Österreich die 
bekannte überraschende Erscheinung zu Tage, dass mit dem 
Sinken des Silborwertes auch das Aufgeld des Silbcrguldens 
gegen den Papiergulden fiel, während gleichzeitig die Wechsel- 
kurse des österreichischen Papiergeldes gegen die Länder 
mit Goldwährung ziemlich konstant blieben. Im Januar 
1877 schwankte in Wien der Silberkurs, d. h. der Kurs des 
österreichischen Silbcrguldens in österreichischen Papier- 
gulden, noch zwischen 112,50 und 117,70; im April 1878 
war er durchschnittlich 106,57; im Mai 105,33; im Juni 
102,80; im Juli 100,92. Ende Juli war der Paristand mit 


1 Nach dem Ocsetz vom 27. Juni 1878 linttcn in Österreich vom 
1. Jen. 1679 eb die Zellzählungen in Gold zu erfolgen. Oie Tarifsätze 
bezogen eich auf den erwähnten Goldgulden gleich 2,50 Frank; die 
Zahlung konnte auch in SübermQnzen mit monatlich festgesetztem und 
bekannt gemachtem Aufgeld erfolgen. 

Durch Finanzministerial- Verordnung vom 27. Dezember 1878 
wurde bestimmt, 

in Art. 8) .Alle bisherigen Bestimmungen aber die Verwendbar- 
keit ausländischer Silbermünzen zu Zollzahlungen werden hiermit ausser 
Wirksamkeit gesetzt.“ — Das war eine partielle Ausserkurssetzung der 
deutschen Thaler in Österreich, hatte indesa lediglich formale Be- 
deutung. — 

In Verzeichnis D. zu dieser Verordnung sind alle zur Zollzahlung 
augelassenen SilbermOnzen aufgeführt; darunter die Ostcrr. F.in-Verelns- 
thaler korrekt zu ihrem östorr. Geldwert von 1 '/» Gulden. — Die 
Gsterr. Doppelthalor werden nioht erwähnt. Sie gnlten nlso für 
Österreich offenbar als offiziell beseitigt. 


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um ösmm. thalbr im östisrrbich. 99 

100,15 nahezu, am 30. und 31. August war er thats&chlich 
erreicht. 1 

Es folgten von da ab nur noch ganz kleine Schwank- 
ungen, denen ich hier nicht im einzelnen nachgehen kann. 
Vom 1. Januar 1879 an kam kein Silberagio mehr zum 
Vorschein. Da der Silberpreis immer noch zu fallon fort- 
fuhr, die Wechselkurse des Auslandes auf Wien dieser 
sinkenden Bewegung nicht im gleichen Schritte folgten, 
rentierte es sich, Silber nach Wien zu schicken und aus- 
prägen zu lassen. Die Arbitrage nutzte diese Konjunktur 
voll aus. Die Silberprägung Österreichs stieg in unerhörtem 
Masse. Die Zirkulation begann sich wieder mit Silber- 
gulden zu fällen, allerdings nicht zur grossen Freude der 
Österreicher, welche sich in den langen Jahren der Papier- 
währung an die bequemeren Noten gewöhnt hatten. 

So war denn ohne Zuthun der österreichischen Regie- 
rung auf eine ganz unerwartete und damals sehr verschieden 
erklärte Weise die Valuta Österreichs in dem Sinne wieder- 
hergestellt, dass man für 100 Gulden Papier, wenn man 
auch keinen gesetzlichen Anspruch auf deren Einlösung 
seitens des Staates oder seitens der Bank hatte, doch über- 
all thatsächlich 100 Silbergulden erhalten konnte. 

Und die Folge für unsere österreichischen Thaler? — 
Diese sind für Deutschland zunächst noch völlig belanglos. 
Der Thaler galt in Österreich nach wie vor l l /t Silber- 
gulden ; der Geldwert eines Silberguldens fiel auch jetzt noch 
in Österreich mit seinem Silberwert zusammen, nur hatte 
er sein Aufgeld gegen den Papiergulden verloren. Der 
Thaler galt also auch jetzt in Österreich noch nicht mehr 
als sein Stoffwert. Durch das Verschwinden des Agios war 
nicht der Thaler in seinem Verhältnis zum Silber, sondern 
nur das österreichische Papiergeld in seinem Verhältnis 
zum Silbergeld berührt worden. Der gesetzliche Geldwert 
dos Thalers in Österreich war zunächst immer noch an den 
Wertgang des Silbers gebunden, nur der Wert des Papier- 
geldes hatto sich zum Wert des Silbergeldes erhoben, oder 

1 Ule Zahlen sind «Amtlich aus Menger eit. eutnommen. 

7 * 


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100 


V. ABSCHNITT. 


das Silber war, wenn man will, auf den Wert des Papier- 
geldes gefallen. Die ganze interessante Selbstregulierung 
der Österreichischen Valuta hatte also für unsem Thaler 
keine Bedeutung. 

Im übrigen fiel der Silberpreis mehr und mehr. London 
notierte im Jahre 1879 für Silber durchschnittlich 51 l l* d., 
während das deutsche Reich auf Grund eines Silborpreises 
von 60 T /» d. zur Goldwährung Ubergegangen war. Silber- 
einziehungen und Silberverkäufe wären also für den deut- 
schen Fiskus mit grossen Verlusten verbunden gewesen. 
Im Mai 1879 stellte daher die Heichsregierung die Silber- 
verkäufe und ebenso das Einziehen der Thaler ein. Ob das 
ein Fehler war oder nicht, habe ich hier nicht zu beurteilen. 
Durch diese Massregel waren die Thaler in unserm Münz- 
system in Permanenz erklärt. 


II. DER THALER WIRD AUCH IN ÖSTERREICH UNTER- 
WERTIGES GELD. KONSEQENZEN DARAUS FÜR DIE 
THALERFRAGE. 

Mit der Wiederherstellung der effektiven Silberwäh- 
rung in Österreich war das Schicksal des österreichischen 
Geldes wieder eng an das Schicksal des Silbers geknüpft. 
Da der Silberpreis stark fiel, musste auch der Wert des 
österreichischen Guldens gegenüber dem Golde fallen. 
Während bis zum Jahre 1878 die österreichischen Wechsel- 
kurse in einem ziemlich festen Verhältnis zu den Valuten 
der Goldwährungsländer sich gehalten hatten und von dem 
Fallen des Silberpreises unberührt geblieben waren, mussten 
sie von dem Augenblick an, in welchem der österreichische 
Papiergulden das Pari mit dem Silbergulden erreicht hatte, 
mit dem Silberpreis fallen. Niemand kaufte jetzt natürlich 
einen Wechsel auf Wien zu einem merklich höheren Preise, 
als ihn das in der betreffenden Summe gesetzlich enthaltene 
Feinsilber zu stehen kam. Er konnte ja das Silber, da in 
Österreich freies Prägerecht bestand, gegen l°/o Prägegebühr 
jederzeit in Gulden ausmünzen lassen und damit seine Ver- 


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DIE Ö8TERR. THALER IX ÖSTERREICH. 101 

bindlichkeiten in Österreich begleichen. Soweit ging also 
alles in den Geleisen einer gewöhnlichen Silberwfthrung. 

Im Frühjahr 1879 trat die österreichische Valuta in 
ein neues Stadium ein. 

Das fortwährende Fallen des Silberwertes, verbunden 
mit einer Überflutung des österreichischen Marktes mit 
Silbergulden flng an, die österreichische Regierung ernst- 
haft zu beunruhigen, sobald die österreichische Valuta selbst 
dadurch direkt in Mitleidenschaft gezogen war. Was konnte 
man thun, um die österreichische Valuta für die Zukunft 
vom Fallen dos Silberpreisos unabhängig zu machen ? — 
Man hob auf dem Verordnungswege die freie 
Prägung für Privatrechnung auf. 

Den Zustand eines Geldes mit gesperrter Prägung 
habe ich gelegentlich der Einstellung der Silberkurantprägung 
bei der deutschen Münzreform schon eingehend besprochen. 
In Österreich wurde die Prägung freilich nicht völlig ge- 
sperrt. Die Regierung behielt sich das Recht vor, für ihre 
Rechnung auch fernerhin prägen zu lassen ; sie machte aber 
davon nur einen mässigen Gebrauch. 

Der Wort des österreichischen Geldes konnte sich jetzt 
Uber den Materialwert seines gesetzlichen Silbergehaltes 
erheben. Da man nicht mehr nach Bedürfnis das Pfund 
) feinen Silbers in 45 Gulden verwandeln lassen konnte, war 
die Möglichkeit gegeben, dass man im Bedarfsfälle das 
Pfund Silber, wenn man gesetzliche Zahlungsmittel brauchte, 
für weniger als 45 Gulden hingeben musste; etwa für 44, 
43 oder 40. 

Das war denn auch der thatsächliche Gang der Dinge. 
Der Geldwert des Guldens erhob sich wirklich über den 
Wert des gesetzlichen Silbergehaltes; und zwar zahlte man 
1879 schon für '/« Pfund Silber, den gesetzlichen Silber- 
gehalt eines Guldens, 96,85 Kreuzer ö. W. ; 1886 nur noch 
91,95 kr.; 1891: 84,69 kr. Und heute, wo allerdings schon 
der Übergang zur Goldwährung seine Schatten voraus werfen 
mag, bei einem Kurs des österreichischen Guldens von 
1,63 Mark und einem Silberpreis von 28 d. ist der Preis 
von l /u Pfund Silber nur 50, 44 kr. ö. W. 


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102 


T. ABSCHNITT. 


Also der Wert der gesetzlichen Zahlungsmittel stieg 
Ober die Basis des Wertes des ursprünglichen Wllhrungs- 
metalles; ganz wie in Deutschland der Wert des Thalers 
sich nach gesperrter Prägung über den Wert von Pfund 
Silber erhob, nur dass diesem durch die freie Vermobrbar- 
keit der Goldmünzen in dem Wertgang des Goldes eino 
obere Grenze gezogen war, bei welcher angekommen sein 
Geldwert an das Gold geknüpft erschien. Eine solche obere 
Grenze war dagegen dem Geldwerte des österreichischen 
Guldens nicht gezogen. 

So natürlich dieser ganze Vorgang ist, so mysteriös 
wird er meistens aufgefasst; und zwar nur, weil hier in 
Österreich Papiergeld mitspielt, und Papiergeld hat schon 
seit den Tagen des John Law etwas sinnverwirrendes an 
sich. Man behauptet: Der Papiergulden fing an, dem Silber- 
gulden gegenüber ein Agio zu gemessen, nahm aber den 
Silbergulden, weil dieser ihm, dem Papiergulden einmal 
gesetzlich gleichgestellt war, gewissermassen widerwillig 
mit sich in die Höhe. So behauptet L e x i s ', der Wert 
des Silberguldens werde in Österreich durch seine Ver- 
knüpfung mit dem Papiergulden Uber seinen 
inneren Metallwert emporgehalten ; 1 und Lotz 8 , der Kurs 
des Silberguldens werde — ähnlich wie in Deutschland der 
Kurs des Thalers vom Golde — in Österreich vom Papier- 
gulden durchgeschleppt ; 4 schliesslich In am a-Stern egg : 5 
wie bei den Scheidemünzen folge der fiduziäre Wert 
des Silberguldens der Wertbewegung des eigentlichen Wäh- 


* Handwörterbuch der Btaatswissensohaften, Bd. V. 8. 99. 

' Aber durch welche „V erk n Op tun g“ wird denn der Pap io r- 
gulden Ober seinen innneren Papierwert emporhalten f 

* Wahrungsfrage in Österreioh-Ungnrn. 8. 23. 

( Dass ein unter wertiges Oeld — die Thaler — von einem 
vollwertigen — dem deutschen Goldgeld — „durohgesohleppt" 
werden kann, ist erklärlich. Dass aber der unterwertige Öster- 
reichische Silborgulden von dem nooh viel unterwortigeren 
Papier gülden durch gesohleppt werden soll, das heisst, dass ein 
Einbeiniger sioh von einem Beinlosen spazieren tragen lasst. 

* Die neue Wtlirungs- und MQnzgesetzgebung etc. olt. 8. 629. 


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OIE Ö8TERR. THALER IH ÖSTERREICH. 


108 


rungsgeldes, der Note. 1 — Also bei allen Dreien die An- 
sicht, dass nur durch seine glückliche Verbindung mit dem 
Papiergulden der Silbergulden Uber seinen Silberwert empor- 
gehalten wird. Als ob Papiergeld unbedingt nötig wäre, 
um ein derartiges Phänomen zu erklären ! Hatte man doch 
an dom holländischen Silbergelde, welches, nachdem seine 
Prägung 1873 gesperrt worden, sich gleichfalls nicht un- 
bedeutend über seinen Stoffwert erhoben hatte, genau das- 
selbe Phänomen als Analogon, und zwar ohne dass Papier 
in Frage stand!* 

Ein Wunder liegt hier überhaupt nicht vor, am wenig- 
sten ein solches, zu dessen Erklärung man der Metaphysik 
des Papiergeldes benötigte. Es ging alles mit den natür- 
lichsten Dingen zu. Der österreichische Staat hatte mit 
der Aufhebung der freien Silberprägung das Monopol der 
Silberguldenfabrikation ebenso in seine Hand genommen, 
wie er das Monopol der Banknotenfabrikation von jeher in 
der Hand gehabt hatte. Jetzt konnte er durch eine der 
Nachfrage nicht entsprechende Fabrikation von gesetzlichen 
Zahlungsmitteln den Wert derselben in die Höhe treiben, 
und das that Österreich.* Das österreichische Geld geniesst 
nun, was beim Papiergeld ja immer der Fall war, und nun 
auch beim Silbergeld eintrat, einen viel höheren Wert als 
der Stoff, aus dem es gefertigt. Warum soll der Staat dem 
Papiergeld, zu dessen Einlösung er sich nicht verpflichtet, 
einen Wert über dessen fast nicht vorhandenen Stoffwert 
samt den Druckkosten verleihen können — einzig durch 
beschränkte Ausgabe, und nicht durch eben dasselbe Mittel 
der beschränkten Ausgabe den Wert eines Metallgeldes Uber 
dessen Stoffwert halten können? Die Silber gülden waren 
ja jetzt auf dieselben Existenzbedingungen gestellt, wie die 


1 Und der nooh fiduzi&rere Wert der Note folgt der Wert- 
bowogung wessen? 

* Jetzt auoh an Indien. 

* Bamberger, Reiohsgold 8. 111. „Zwizohen dem Prftgungs- 
monopol und dor Goldpapierwirtsohaft besteht grunda&tzlioh kein Unter- 
schied, boido legen es in die Iland des formgebenden Teiles, wie hoch 
er sioh die gesetzliohe Form bezahlen lassen will.“ ff. 


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104 


▼. AB8CHXITT. 


Goldennoten: sie waren Noten aus Silber; wie der 
Staat die Notenpresse in der Hand hielt, so hielt er jetzt 
auch die Prägemaschine. Aber der alte Mysticismus des 
Papiergeldes traut eben dem Staate eher die Hexerei zu, 
aus einem Nichts ein Etwas zu schaffen, als die weit 
kleinere Fähigkeit, aus einem Etwas ein Etwas-Mehr 
zu machen. 

Kurz und gut: Es ist nicht richtig, dass der Papier- 
gulden in Österreich ein Aufgeld gegenüber dem Silber- 
gulden geniesst. Er geniesst ein »Agio“ gegen '/« Pfund 
Silber, wenn ein Geld überhaupt ein Agio gegen eine Ware 
gemessen kann. Aber */••' Pfund Silber ist eben noch nicht 
ein Silbergulden, sondern nur eine Ware, die der Staat 
allerdings, aber auch nur der Staat in einen Silber- 
gulden verwandeln kann; und für diese Verwandlung kann 
er kraft seines Monopols einen hohen Preis erzielen. — In 
Österreich geniesst also nicht der Papiergulden gegen 
den Silbergulden, auch nicht der Papiergulden 
speziell gegen die Ware Silber ein Agio, sondern 
der Wert der gesetzlichen Zahlungsmittel, 
einerlei ob Papier- oder Silbergulden, hält 
sich weit Uber dem Stoffwert des ursprünglichen 
Währungsgeldes, der Wert des Guldens schlecht- 
hin Uber dem Wert von */ 45 Pfund Silber. 


Um nach dieser Abschweifung zu unsem österreichi- 
schen Thal er n zurückzukehren : 

Jetzt waren die Verhältnisse gegeben, von 1879 an, 
nach welchen man, bei allenfallsiger Einlösung des Thalero 
durch Österreich zu 1 */* Gulden, mehr bekommen konnte, 
als seinen Stoffwert, also mehr, als sich bei einer Demo- 
netisation der österreichischen Thaler und ihrem Verkaufe als 
Material erzielen Hess. Jetzt waren ja die Thaler auch in 
Österreich unterwertiges Geld. Der Überschuss ihres öster- 
reichischen Geldwertes über ihren Materialwert wurde aller- 
dings nie so gross, dass er den Wertrückgang des Silbers 


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DIS Ö8TERR. THALER Ol ÖSTERREICH. 


105 


seit 1871 aufgewogen hätte. V/t österreichische Gulden 
waren nun allerdings mehr wert, als */ao Pfund Silber, aber 
nicht so viel wie # /'m Pfund Gold, der Geldwert des Thalers 
in Deutschland; und diesen Wert erreichten 1*/* Gulden 
auch in der Folgezeit nicht 

Aus diesen Verhältnissen ergibt sich eine verschiedene 
Stellung des Fiskus des deutschen Reiches und 
der Privaten in Deutschland, welche österreichi- 
sche Thaler besassen. Ein Privater wird seinen Thaler, 
welcher in Deutschland 3 Mark gilt, naturgemäs nicht nach 
Österreich tragen, wo er gesetzlich für 1*/* Gulden, d. i. 
z. B. bei einem Kurs des österreichischen Guldens von 
1,70 Mark 2,55 Mark, Geltung hat. Für ihn ist also, so 
lange der Thaler in Deutschland zu 3 Mark gesetzliches 
Zahlungsmittel ist, Österreich nicht vorhanden. 

Anders liegt es für den Fiskus. Für ihn gewinnt 
die Stellung Österreichs zu einer Einlösung seiner Thaler, 
zu 1'/* Gulden das Stück, Interesse, da eine solche Ein- 
lösung für ihn zwar immer noch verlustvoll, aber 
doch vorteilhafter ist, als ein Verkauf der Thaler als 
Material. 

Jetzt wird die Frage erst praktisch, ob Österreich 
seine Thaler einlösen wird, wenn sie ihm von der 
deutschen Reichsregierung präsentiert werden. — Dass es 
dem deutschen Reiche gegenüber rechtlich nicht zu einer 
Einlösung verpflichtet war, habe ich bereits ausführlich 
auseinander gesetzt. Es hing also eine Einigung völlig von 
einem gütlichen Übereinkommen ab. 

Hätte die deutsche Reichsregierung die österreichischen 
Thaler nicht auch ohne Unterhandlungen mit der 
österreichischen Regierung in den österreichischen Um- 
lauf zu ihrem den Silberwert übersteigenden österreichischen 
Geldwert zurückleiten können? — Rechtlich ohne Zweifel. 
Einmal bestimmte Art. 87 der Statuten der österreichisch- 
ungarischen Bank: 

„Die Bank ist verpflichtet, gesetzliche Silbermünzen 
in Banknoten bei ihren Hauptkassen in Wien und Budapest 
auf Verlangen jeder Zeit einzulösen. “ 


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106 


▼. ABSCHNITT. 


Danach konnte also die deutsche Reichsregierung ihre 
sämtlichen Österreichischen Thalor nach Wien oder Budapest 
senden und sie an den Hauptkassen der österr.-ungarischen 
Bank präsentieren. Für das Stück mussten diese 1 '/* Gulden 
ö. W. in Noten zahlen. Denn die Thaler österr. Gepräges 
waren in Österreich .gesetzliche Silbermünzen“, und ihr öster- 
reichischer gesetzlicher Geldwert war V/t Gulden. 

Ferner stand der deutschen Keichsregierung so gut 
wie jedem Privaten in Österreich das Recht zu, in jedem 
österreichischen Gelde, also auch in österreichischen Thalern 
zu zahlen. Auf den ersten Blick sieht es also aus, als ob 
die deutsche Reichsregierung lediglich auf privatrecht- 
lichem Wege, ohne jedes Abkommen mit der österreichi- 
schen Regierung, sich ihrer österreichischen Thaler auf dem 
verhältnismässig weniger verlustbringenden Wege einer 
Zurückführung in den österreichischen Umlauf hätte ent- 
ledigen können. 

Prüfen wir die praktische Ausführbarkeit dieses Ge- 
dankens! — Auf alle Fülle mussten die österreichischen 
Thaler vorher in Deutschland in aller Form ausser Kurs 
gesetzt werden; auch dann, wenn es durch allmähliches 
Zurückbehalten der an öffentlichen Kassen eingehenden 
Stücke gelungen wäre, den ganzen Bestand in die Hände 
der Reichsregierung zu bringen. Im deutschen Reich galt 
eben bis zu seiner Ausserkurssetzung der österreichische 
Thaler 3 Mark, in Österreich nur 1 '/* Gulden, und solange 
IV* Gulden weniger waren als 3 Mark, und dem öster- 
reichischen Thaler in Deutschland seine Geldeigenschaft nicht 
entzogen war, mussten alle in den österreichischen Umlauf 
gebrachten Thaler sofort nach Deutschland zurückströmen. 
Die Massregeln der deutschen Reichsregierung hätten also 
sein müssen : Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler, 
mit kurzbemessener, eventuell 14-tägiger Einlösungsfrist; 
diese Ausserkurssetzung war nur auf dem Wege der Gesetz- 
gebung möglich. Dann etwa ein strenges Verbot, öster- 
reichische Thaler im deutschen Reich wieder in Umlauf zu 
bringen. Hierauf Verwendung der österreichischen Thaler 
zu Zahlungen in Österreich. 


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DIK ÖBTERR. THAI-ER IS ÖSTERREICH. 


107 


Dabei kam es aber ganz auf die Stellungnahme der 
österreichischen Regierung an. Dieser wäre es jeden- 
falls sehr unerwünscht gewesen, ungefähr 40 Millionen 
Gulden jetzt auch in Österreich unterwertigen Geldes in den 
Österreichischen Umlauf zurückströmen zu sehen, besonders 
von dem Augenblick an, wo sie sich mit ernsthaften Gedanken 
an einen Übergang zur Goldwährung trug. 1 Denn diese 
immerhin nicht geringe Summe unterwertiger Thaler hätte 
die bei einem Währungswechsel zu liquidierende schwebende 
Schuld Österreichs nicht unbeträchtlich erhöht und so das 
ganze Valutaregulicrungswerk erschwert. 

Standen der österreichischen Regierung nun Mittel zu 
Gebote, dio deutschen Operationen zu durchkreuzen? — Ein 
sehr einfaches! Sie brauchte nur sofort nach der Ausser- 
kurssetzung der österreichischen Thaler in Deutschland die 
Ausserkurssetzung derselben auch für Österreich 
auszusprechen, und zwar ohne Einlösung. Dazu war sie 
unzweifelhaft vollkommen berechtigt.® Vor allem stand 
Deutschland kein Einspruchsrecht zu. Sie konnte Deutsch- 
land gegenüber ebensogut ihre österreichischen Thaler ausser 
Kurs setzen, wie Deutschland ohne Einlösung die deutschen 
Thaler, ohne dass Österreich dagegen hätte Einspruch 
erheben können. Für Deutschland wären im normalon Falle 
allerdings die Rücksichten auf seine Staatsangehörigen hin- 
zugekommen, in Rücksicht auf welche es auch die öster- 
reichischen Thaler nicht ohne Einlösung ausser Kurs setzen 
konnte. Für Österreich wäre in diesem speziellen Falle eine 
Rücksicht auf seine Unterthanen nicht ins Gewicht gefallen. 
Es gab ja in Österreich so gut wie gar keine österreichi- 


1 Siehe die Ausführung von Dr. Julius Landesberger in 
Doms „Volkswirtschaftlicher Wochenschrift* v, 19. November 1891. 

* „Vielmehr beruht heute die gesetzlioho Zahlkraft dieser Münzen 
in Österreich auf Osterreiohisoh en Qesetien ... — niobt aber 
auf internationalen Yerpfliohtungsakten. Jene einseitigen Bestimmungen 
kann aber die heimisoho Staatsgewalt auoh einseitig ausser Kraft 
setzen, ohne Tülkerreohtlioho Keohensohaft über den Modus der Ausser- 
kurssetzung leisten zu müssen * Landesberger, a. a. 0., S. 411. 


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108 


T. ABSCHRITT. 


sehen Thaler mehr, durch deren Nichteinlösung wäre also 
kaum ein Österreicher geschädigt worden. 1 

Die einfache privatrechtliche ZurQckleitung der öster- 
reichischen Thaler in den österreichischen Umlauf war also 
ein Weg, den die deutsche Heichsregierung zum mindesten 
nicht gegen den Willen der österreichischen Regierung 
beschreiten konnte. Die österreichische Regierung andrer- 
seits hatte ein grosses Interesse daran, dass dieser Weg 
nicht beschritten wurde. Die ganze Situation wies also 
mehr denn je zuvor auf eine endgiltige Regelung der 
österreichischen Thaler-Frage im Wege beider- 
seitiger Verständigung hin. 

1 ,Wm ihre eigenen Angehörigen betrifft, kßnnto die Monnrohie 
eine Einlöaung völlig unterlaßen, denn ea befindet lieh hierzulando 
wohl kein einziger Yeroin'thaler im Umlaufe.* - Landesbergor 
a. a. 0., S. 410. 


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VI. ABSCHNITT. 


DIE LIQUIDATION. 


I. DIE DEUTSCHE GESETZVORLAGE BETREFFEND DIE 
VEREINSTHALER ÖSTERREICHISCHEN GEPRÄGES, 
VOM 4. NOVEMBER 1891. 

Im Jahre 1891 nahm die österreichisch- ungarsiche 
Regierung mit etwas mehr Eifer als bisher Erwägungen 
behufs Regulierung der Valuta in die Hand. Es war von 
Anfang an kaum zweifelhaft, dass es sich bei den Mass- 
nahmen der österreichisch-ungarischen Regierung um Vor- 
bereitungen für den Übergang zur Goldwährung handelte. 
Es war ferner zu erwarten, dass bei einer Neuordnung des 
österreichischen Münzsystems die Ausserkurssetzung der 
österreichischen Thaler in Österreich erfolgen würde. 

Solche Erwägungen veranlassten die deutsche Reichs- 
regierung, den ersten Schritt zur definitiven Lösung der 
österreichischen Thaler-Frage zu thun. 

Ende des Jahres 1891 war der thatsächliche Stand 
folgender : 

Von den ursprünglich geprägten Stücken im Betrag 
von 31.115 849 Thaler = 93.347 547 Mark (ohne die 1868 
nachträglich geprägten 168.304 Einthalerstücke — 504,912 
Mark) herechnotc man als noch vorhanden, so gut wie aus- 
schliesslich im deutschen Umlauf, ungefähr 78 Millionen 
Mark. Von dieser Summe waren nach Soetbeer' nahezu 

1 Literatur-NaohweU, Nachweis, Nachtrag 8. 306. 


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110 


TI. ABSCHNITT. 


70 Millionen Mark in der deutschen Reichsbank angesammelt. 
Genau wissen wir den Bestand der Reichsbank an öster- 
reichischen Thalem am 10. Mai 1892 durch die »Tabellen 
zur Wührungsstatistik“ des k. k. Finanzministeriums. Er 
belief sich an diesem Tage auf 01.480 000 Mark. Am 
1. April 1892 hatte Österreich schon 8.000 607 Mark in 
österreichischen Thalem gemüss des später zu besprechenden 
Abkommens übernommen. 

Am 7. November 1891 legte nun der Reichskanzler 
dem Reichstage einen Gesetzentwurf vor »betreffend die 
Vereinsthaler österreichischen Gepräges*. Dieser Gesetz- 
entwurf zog aus den vorhandenen Verhältnissen die letzte 
Konsequenz, vor welcher sich die Reichsregierung bisher 
gescheut hatte. Dass man die sich an den österreichischen 
Thalern ergebenden Verluste auf den einzelnen Inhabern 
sitzen lassen könne, dieses Gedankens wurde mit keinem 
Worte mehr erwähnt; vielleicht schon deshalb nicht, weil 
fast der ganze noch vorhandene Bestand von österreichischen 
Thalem in der Reichsbank angesammelt wur. Die dem 
Gesetzentwurf beigegebenen Motive betonten ausdrücklich, 
es sei davon nuszugehen, »dass es nicht in Frage kommen 
kann, diesseits die Thaler ohne gleichzeitige Einlösung zu 
ihrem Nennwert (1 Thaler — 3 Mark) ausser Kurs zu setzen, 
und hierdurch den gutgläubigen deutschen Inhabern einer 
bisher als gesetzliches Zahlungsmittel anerkannten Münze 
einen erheblichen Verlust beizufügen*. Auch bei den Reichs- 
tags verband hingen über die Vorlage schien der Stand- 
punkt von 1874 völlig abgethan. Weder seitens der Regie- 
rung noch seitens des Hauses kam man auf ihn zurück. 

Der Gesetzentwurf selbst lautete: 

,j$ 1. Der Buudesrat wird ermächtigt, die Ausser- 
kurssetzuug der in Österreich bis zum Schluss des Jahres 
1807 geprägten Vereinsthaler und Vereinsdoppeltlialer unter 
Einlösung derselben auf Rechnung dos Reiches zu dem 
Wertverhältnisse von 3 Mark gleich l Thaler anzuordnen, 
und die hiefür erforderlichen Vorschriften fostzustellon“. 

g 2 überweist die hierzu erforderlichen Mittel. 


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IHK LIQUIDATION. 


111 


Das Gesetz erteilte also dem BundeBrat nur dieselbe 
Befugnis, welche ihm bezüglich der Thaler deutschen Ge- 
präges schon zustand, auch bezüglich der Thaler österreichi- 
schen Gepräges, soweit sie bis zum Schlüsse des Jahres 1867 
ausgemünzt sind. Dadurch wurden also diese österreichischen 
Thaler völlig den Tiialern deutschen Gepräges gleich- 
gestellt. Ein rechtlicher Unterschied war nach der An- 
nahme dieses Gesetzentwurfes zwischen beiden Münzsorten 
nicht mehr vorhanden. Nur in dem einen kleinen Neben- 
umstande unterschieden sie sich noch, dass für die Thaler 
deutschen Gepräges durch Artikel 8 des Münzgesetzes vom 
9. Juli 1873 eine Einlösungsfrist von mindestens vier 
Wochen, welche mindestens drei Monate vor ihrem Ab- 
lauf bekannt zu machen ist, bestimmt, während bezüglich 
der österreichischen Thaler die Bekanntgabe- und Einlösungs- 
frist dum Befinden des Hundesrutes überlassen bleibt. Die 
Motive begründeten das damit, dass die besonderen Ver- 
hältnisse der österreichischen Thaler ein beschleunigtes 
Verfahren allenfalls erfordern könnten. 

Über die Art und Möglichkeit der Verwendung der 
eingezogenen österreichischen Thaler sprechen sich die Motive 
folgendermassen uns : 

.Abgesehen von der Eventualität der Verwendung eines 
Teilbetrages zur Herstellung von Heichssilbermünzen, Hesse 
sieh diese Verwertung auf einem doppelten Wege bewirken; 
einerseits durch Einschmelzung der Münzen und durch Ver- 
üusserung derselben als Barrensilber, andererseits durch 
ihre Zurückführung nach Österreich-Ungarn, woselbst die 
Thaler bzw. Doppelthaler gemäss Art. 8 des Wiener Münz- 
vertragos vom 24. Januar 1857 zum Werte von 1 V» bzw. 
3 fl. österr. Währung gesetzliches Zahlungsmittel sind. 

Welcher dieser Wege demnächst zu beschreiten sein 
wird, hängt von der weiteren Entwickelung der Verhältnisse 
ab und kann im Voraus nicht bestimmt werden. Zur Zeit 
würde die Abschiebung der Münzen in ihre Heimat gegen- 
über der Veräusserung als Barrensilber nicht unerhebliche 
Vorteile bieten, welche in dem gegenwärtig den Silberwert 
übersteigenden Stande der österreichischen Valuta und in 


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112 


VI. ABSCHNITT. 


dem Wegfall des bei Einschmelzungen sich ergebenden, 
erfahrungsgemäss auf 3,l°/oo zu schätzenden Verlustes in 
folge von Abnutzung der MQnzen beruhen. Naturgemäss 
wäre ein derartiger Verwertungsmodus ausgeschlossen, falls 
die Thaler in Österreich selbst ausser Kurs gesetzt würden, 
bevor die Ausserkurssetzung in Deutschland hätte erfolgen 
können.* 

Die Möglichkeit einer solchen — im unangenehmen 
Sinne des Wortes — zuvorkommenden Ausserkurssetzung 
der Thaler in der österreichisch -ungarischen Monarchie 
wurde also auch von' Seiten der Reichsregierung ins Auge 
gefasst; der deutschen Reichsregierung war es also auch 
völlig klar, dass Österreich zu einer solchen Ausserkurs- 
setzung unbedingt das Recht hatte, und dass sie dieser 
Möglichkeit mit gebundenen Händen wehrlos gegenüberstand. 

Die österreichisch-ungarische Regierung hätte uns also 
ruhig auf ihren Thalern sitzen lassen können, und Deutsch- 
land wäre nichts übrig geblieben, als sich darein zu finden, 
oder „der Appell an die letzte Instanz, an die der Kanonen* 
wie Bamberger 1 schreibt; also Entscheidung der Frage durch 
die nackte Gewalt. Aber obwohl in Geldsachen die Ge- 
mütlichkeit aufhört, lässt man doch nicht wegen einiger 
Millionen ohne weiteres gegen seinen besten Bundesgenossen 
Batterien autfahren! 

Andererseits konnte Österreich gewissermassen aus 
politischen Anstamlrücksichten sich gegenüber seinen Thalern 
nicht völlig ablehnend verhalten. Diese Thaler trugen das 
Bild des österreichischen Kaisers und den österreichischen 
Doppeladler. Dies beweist allerdings nur, dass sie Münzen 
österreichischen Ursprungs waren. Daneben waren 
sie aber zweifellos auch österreichisches Geld; aller- 
dings auch deutsches Geld und ganz im deutschen Umlauf. 
Es erhob sich also die Frage: Kann Österreich eine seiner 
Geldsorten ohne Einlösung ausser Kurs setzen? — Einen 
solchen Schritt wollte Österreich, um sein Ansehen zu wahren, 
nicht thun. Österreich hatte also nur das Interesse, dass 

1 Silber, I. Teil, in der „Nation“ 1892, Nr. 29 — auch in Sonder- 
abdruck erschienen. 


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DIE LIQUIDATION. 


113 


sein guter Ruf nicht geschädigt werde durch Verkündung 
der Thataacbe , dass es eine seiner Geldsorten ohne Ein- 
lösung verrufe . 1 Diese Sorge machte Österreich geneigt, 
ein Opfer zu bringen, wobei es zugleich die Stimmung 
seines Bundesgenossen schonte — also nicht ein Rechts- 
grund gegenüber dem deutschen Reich, sondern nur das 
Interesse, vor der Welt sauber zu erscheinen. 

Schliesslich hatte Österreich noch von den Zeiten des 
deutschen Münzvereins her ein schlechtes Gewissen, mit 
welchem belastet es Bich nicht so ganz auf seinem Schein 
zu bestehen getraute. Es hatte, allerdings unter dem Drucke 
der politischen Verhältnisse, trotz gegenteiliger Abmachungen 
den Zwangskurs für sein Papiergeld beibehalten, und die 
mitvertragenden Staaten waren rücksichtsvoll genug ge- 
wesen, ihm diesen Vertragsbruch nachzusehen . 2 

Das waren aber immerhin noch keine Gründe, welche 
Österreich bestimmen konnten, den ganzen Betrag seiner 
Thaler zurückzunehmen , die seit vielen Jahren aus seiner 
Zirkulation verschwunden waren, deren Existenz und Um- 
lauf also dem Interesse Österreichs in nichts gedient hatte. 
Zudem waren sie seiner Zeit vollwertig ausgeprägt worden, 
die deutschen Staaten hatten an dem vor der Münzreform 
erfolgten Einströmen der österreichischen Thaler keinen 
Schaden erlitten, höchstens einen nicht erheblichen Münz- 
gewinn nicht gemacht — wenigstens ist das meine Ansicht, 
und ich habe sie oben ausführlich entwickelt. — An dem 
nach der Münzreform erfolgten Einströmen der österreichi- 
schen Thaler nach Deutschland, welches uns schädigte, weil 
damals die Thaler schon unterwertig waren, trug nicht der 
Zwangskurs in Österreich die Schuld, sondern der durch 
die deutschen Massnahmen herbeigeführte Überwert des 

1 A. Ostersetser, Zur Geschichte der österreichischen Yereins- 
thaler, Dorna „Volkswirtschaft!. 'Woohensohrift“ ». 19. Nor. 1891, 8. 
409. „Geschehen muss, was Reohtens und unseres Staates würdig ist.* 

* Die Frage ob duroh diesen Zwangskurs die deutsche Zirkulation 
mit österr. Thalern Ob er füllt worden sei, habe ich bereits oben 
erledigt. 

H »1 ff« r 1 0 h , Dl« Folget, de« deutich -ö«t«rr. Münnereinl »OB 1867. 8 


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114 


TL ABSCHNITT. 


Thalers über seinen Stoffwert im deutschen Reich, und 
1 die Versäumnis einer rechtzeitigen Aussperrung der 
| noch draussen befindlichen Stücke. Also im ersten Falle 
überhaupt keine Schädigung Deutschlands, im zweiten Falle 
allerdings eine Schädigung, aber durch die Schuld der deut- 
schen Gesetzgebung selbst. 

Für Österreich lag mithin absolut kein Anlass vor, die" 
Unterwertigkeit seiner Thaler ganz auf sich zu nehmen. 
Es war schon eine anerkennenswerte Konzession, 
wenn es sich herbeiliess, einen Teil derselben zu tragen. 


II. DAS ABKOMMEN ZWISCHEN DEM DEUTSCHEN 
REICHE UND ÖSTERREICH. 

Noch ehe die besprochene Gesetzvorlage im deutschen 
Reichstage zur Beratung gelangte, traten Österreich 
und das deutsche Reich Uber die e n d g i 1 1 i g e L i q u i- 
dation der österreichischen Thaler mit einander 
in Unterhandlungen. Es kam ein Vergleich zustande, 
»den nach Herkommen wohl beide Teile schlecht finden, 
aber doch besser als einen guten Prozess.“ (Bamberger). 1 
Der Text des Abkommens ist bis heute nicht veröffentlicht 
worden, jedoch ist sein Inhalt durch offizielle Mitteilungen 
hinreichend bekannt. 

Österreich fand sich bereit, von den in Deutschland 
befindlichen österreichischen Thalern 8*/s Millionen Stück, 
gleich 2G M illionen Mark, den Thaler zu 1 '/* Gulden ü. W., 
die Gesamtsumme nlso zu 18 Millionen Gulden, zu über- 
nehmen. Man veranschlagte damals den noch vorhandenen 
Gesamtbestand der österreichischen Thaler auf 78 Millionen 
Mark. Österreich übernahm also davon ein Drittel. 

Natürlich war Österreich verpflichtet, diese Thaler zu 
demonetisieren oder einzusperren; denn sobald sie wieder 
ausgegeben wurden, mussten sie nach Deutschland zurück- 
strömen. Die Überführung des österreichischen Anteils 

1 Silber. L Teil. 


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DIE LIQUIDATION 


115 


sollte ratenweise geschehen und wurde auf eine längere 
Periode verteilt. 1 

Beide Teile nahmen die Ausserkurssetzung der öster- 
reichischen Thaler in Aussicht. In Österreich erfolgte die- 
selbe durch Verordnung des Finanzministers vom 12. April 
1898 am 1. Juni 1898. Von diesem letzteren Tage an 
bis zum 30. Juni löste die österreichische Regierung Vereins- 
thaler und Doppelthaler ihres Gepräges zu l 1 /* bezw. 8 
Gulden oin. Natürlich waren die Bestände der deutschen 
lloichsbank und der deutschen Reichskassen von dieser 
Einlösung ausgeschlossen, weil sonst das ganze Abkommen 
aus dem Frühjahr 1892 illusorisch gewesen wäre. Für die 
deutschen Privatleute aber wäre diese Einlösung unvor- 
teilhaft gewesen. Sie war also nur wirksam für öster- 
reichische Thalerbesitzer. 

Nach vorläufigen Ausweisen sind zur Einlösung ge- 
langt: 

15.319 Einthalcrstücke, 1.590 DoppelthalerstUcke. 2 

Die Summe ist zwar recht unbedeutend, aber merk- 
würdig ist es doch, dass selbst dieser kleine Betrag in 
Österreich zur Einlösung gelangen konnte, nachdem mehr 
als zwei Jahrzehnte die gegen 20 Prozent höhere Bewer- 
tung der Thaler in Deutschland unausgesetzt auf ÖsteiTeich 
eingewirkt hatte. Einen Augenblick vermutete ich, es seien 
das in der Hauptsacho vielleicht Thaler aus dem Jahre 
1868. Für die 1.590 Doppelthalerstücke trifft das gewiss 
nicht zu, weil 1868 nur Einthalcrstücke geprägt worden sind. 

1 Staatssekretär des Reiohssohatzamtes Frhrr. ▼. Maltzahn im 
deutsohen Reiohstag am 12. Febr. 1892. Sten. Ber., 8. 4131 u. 4132. 
Band Vit 

„Raoh den vorläufigen Verständigungen, welohe mit der k. k. 
üsterroichisoh • ungarischen Regierung stattgefunden haben, besteht 
die Absioht, diese Ausserkurssetzung frühestens dann vorzunehmen, 
wenn die österreichisch-ungarische Regierung den von ihr zu über- 
nehmenden Teil der Thaler übernommen hat, u n d diese Ob ern ahme 
ist auf eine längere Periode verteilt." 

' „Tabellen zur Währungsstatistik“ des k. k. Finanzministeriums. 

1893, S. 189. Kr. 18 der Aktenstücke der Silberkommission zu Berlin 

1894. 

8 * 


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116 


VI. ABSCHNITT. 


Im deutschen Reich ist die Ausserkurssetzung bis jetzt 
noch nicht erfolgt, und damit haben wir die Eingangs er- 
wähnte Merkwürdigkeit: Ein Geldstück, das von seinem 
Heimatland verstossen, von einem fremden Staate 
adoptiert ist. 

Das Abkommen setzte Deutschland keinen Endtermin 
für die Ausserkurssetzung 1 ; es verpflichtete die Reichs- 
regierung nur, die Ausserkurssetzung nicht eher vorzu- 
nehmen, als bis Österreich seinen Anteil an den Thalern 
vollständig übernommen.* Die Befugnis zur Ausserkurs- 
setzung steht durch das Gesetz vom 28. Februar 1892, den 
unverändert angenommenen Entwurf vom 7. November 1891, 
dem Bundesrat zu. 

Von den 1868 geprägten österreichischen Vereinsthalern 
scheint auch das Abkommen vom Frühjahr 1892 nicht zu 
handeln.* Jedenfalls hat das deutsche Reich in diesem 
Abkommen diese nachgeborenen Thaler nicht anerkannt 
und deren Einlösung nicht übernommen. Denn auch das 
Gesetz vom 28. Februar 1892, welches nach dem Ab- 
kommen mit Österreich beraten und erlassen wurde, 
berechtigt den Bundesrat nur zur Ausserkurssetzung 
und Einlösung der .bis zum Schlüsse des Jahres 
1867 in Österreich geprägten Vereinsthaler und 
Vereins-Doppelthaler.“ — Andrerseits heisst es in den 
.Tabellen zur Wahrungsstatiatik“ 1893, verfasst im k. k. 

1 Nach einer Erklärung de* Staatssekretär* den RclohssohatzamteR 
Graf t. Posadowskj in der Sitzung des Reichstags vom 6. April IS94. 

* .Tabellen zur Währungsstatistik* des k. k. Finanzministeriums. 
1893 . 8. 200. Im Widerspruch damit schreibt E. Schling, die Gesetz- 
gebung des deutschen Reiches auf dem Gebiete des bürgerlichen und 
sozialen Rechts, Leipzig 1894; 8. 85. Anm. 2. 

.Die Ausserkurssetzung der österreiohisohen Vereinsthaler hat 
bis zum 1. April 1894 zu erfolgen.“ — Nach welcher Abmachung oder 
Bestimmung ist nicht gesagt. Offenbar liegt ein Missverständnis 
vor, hervorgorufen dadurch, dass am 1. April 1894 die letzte Thalor- 
abschiebung an Österreich zu erfolgen hatte. — Übrigens ist der zitierte 
Sats bereits durch die Thatsaohen widerlogt, da der 1. April 1894 vorüber- 
ging, ohne eine Ausserkurssetzung der österreichischen Thaler zu bringen. 

' Dass auoh die in der Silberkommission vorgelegten Akten nioht 
von ihnen sprechen, bube ich oben bereits erwähnt. 


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DIE LIQUIDATION. 


117 


Finanzministerium, deren Inhalt man amtlichen Charakter 
beilegen darf, auf Seite 200 unter .Deutschland“: 

.Nach diesem Abkommen wird sich der Vorrat Deutsch- 
lands an diesen Thalem um den Betrag von 8 2 /s Millionen 
Thaler verringern. Es werden von den im Gesamtbeträge 
von 31.284157’ ausgeprägten Thalem nur 22.950824’/» 
Thaler = 68.852 473 2 Mark in Deutschland zur Einlösung 
gelangen können*. 

Hier ist also unzweideutig angenommen, dass das 
deutscho Reich die Einlösung aller österreichischen Thaler, 
auch der 1868 geprägten, übernommen habe. Worauf 
sich diese Annahme gründet ist mir unbekannt. — Jeden- 
falls sind in Österreich seit dem 1. Juni 1893 alle öster- 
reichischen Thaler ausser Kurs gesetzt, in Deutschland haben 
stets nur die bis zum Schlüsse des Jahres 1867 
geprägten österreichischen Verein sthaler gesetz- 
lichen Kurs gehabt. Gegenwärtig schweben also die 168 304 
im Jahre 1868 geprägten Stücke völlig in der Luft. 
Es wäre interessant zu erfahren, ob sich in den Beständen 
der deutschen Reichsbank, wo ja weitaus der grösste Teil 
aller noch vorhandenen österreichischen Thaler sich Beit 
Jahren befindet, sich zur Zeit des 1. Juni 1893 auch im 
Jahre 1868 geprägte Stücke befanden, ob diese während der 
Einlösungsfrist vom 1. Juni bis 30. Juni 1893 Österreich 
präsentiert wurden, oder was gegenteiligen Falles dem 
entgogengestanden. 

Die relative Vorteilhaftigkeit des ganzen Abkommens 
für das deutsche Reich musste natürlich ganz von den 
Kursen der österreichischen Gulden bei jeder einzelnen Ab- 

1 Bis ium Sohlusse de» Jahres 1867 waren nur 81 115849 Thaler 
ausgeprägt. 1868 kamen nooh 188304 Staok dazu. Die Summe beider 
Zahlen ist 81284 153. Dio Zahl 31284157 scheint also einen Druck- 
fohler su enthalten. 

* Auoh diese Zahlen sind etwas in Unordnung. 81 284 157 — 
8*/s Millionen giebt 22 617 49 1 '/„ nicht 22 95082 4>/i Millionen. Dem 
entsprechend ändert sioh auoh der dort berechnete Betrag in Mark. 
Oberhaupt haben diese Zahlen keinen grossen Wert, da sie nioht die 
Abgängu durch Einschmelzen und Verluste in Betraoht ziehen. 


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118 


TI. ABSCHNITT. 


Schiebung und von den gleichzeitigen Silberpreisen auf dem 
Weltmärkte abhängen. Bei einem Kurs des Österreichischen 
Guldens von 1,70 M. und einem gleichzeitigen Londoner 
Silberpreis von 30 d. würden wir von Österreich für die 
8*/s Millionen Thaler 22.100000 Mark erhalten, also einen 
rechnungsmässigen Verlust von 3.900000 Mark erlitten 
haben; dagegen hätte uns der Verkauf der 8*/s Millionen 
Thaler als Barrensilber, unter Abrechung des Einschmel- 
zungsverlustes von 3,1 °/oo — nur 12.781.490 Mark gebracht; 
es wäre das also ein Mehrverlust von 9.328.(533 Mark. 

Mit welchem finanziellen Erfolge die Operationen er- 
folgt sind, darüber liegt uns ein Bericht noch nicht vor. 1 

ln Deutschland scheint eine nahe Ausserkurssetzung 
der österreichischen Thaler auch heute noch nicht zu er- 
warten sein. Es scheint, dass man die Vorräte allmählich 
durch - Verwendung als Material für gelegentliche Iteichs- 
silbermünzprägungen aufzehren will ; so soll wenigstens jetzt 
für die beschlossene Neuprägung von 22 Millionen Mark 
Silberschoideniünzcn das Materiul aus österreichischen Thalern 
geliefert werden, wie der Staatssekretär des Iteichsschatz- 
amtes in der Ueichstagsitzung vom 6. April 1894 orklärto. 
Zur Prägung dieser 22 Millionen Mark Iteichssilbermünzen 
würden 20 Millionen Mark in Thalern verbraucht werden, 
da die Iteichssilbermünzen 10 Prozent leichter als die Thaler 
geschlagen werden. Der uns nach der Abschiebung von 
26 Millionen Mark an Thalern nach Österreich noch ver- 
bliebene ltest von etwa 52 Millionen Mark* wird also durch 

1 Aus den Akten der Silberkommission erfahren vir nur, dass 
Österreich «einen Betrag an Saterreiohiaohen Thalern in 3 Raten au je 
8666667 Mark Anfänge April 1892, 1893 und 1894 übernommen hat. 

* In der Reiohabank lagen Ende April 1894 47 165000 Mark ln 
Saterreiohiaohen Thalern. „Da die Stücke «eit Jahren ron der Reioha- 
bank eorgfültig angeaammelt worden aind und daa wiederholt auf- 
tauchende Qerüoht, die Auaaerkuraaetzung der Saterr. Thaler etehe un- 
mittelbar bevor, geeignet war, dieae Ansammlung wirksamer zu unter- 
stützen, lat kaum anzunehmen, dass mehr als 4 bis 5 Millionen Mark 
sich nooh in Zirkulation befinden.“ (Akten der 8ilberkommisaion, Nr. 13.) 
Danaoh wtren also dem doutaohen Reiche 51 bis 62 Millionen Mark in 
Saterr. Thalern geblioben. 


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DIB LIQUIDATION. 


119 


diese neubeschlossene Scheidemünzprftgung bis auf etwa 
82 Millionen Mark vermindert werden. — Im Verkehr ist 
ohnedies nur noch ganz selten ein österreichischer Thaler 
anzutreffen, da weitaus der grösste Teil der noch vorhan- 
denen in der Reichsbank angesammelt ist, welche schon seit 
langer Zeit Anweisung hat, die bei ihr eingehenden StUcke 
festzuhalten. 1 Mit ihrer förmlichen Außerkurssetzung und 
damit der Beseitigung eines Zustandes, welchen schon die 
Motive des Gesetzentwurfes vom 7. November 1891 als 
»münzpolitisch nicht wohl angängig“ bezeichnen,* hat es 
trotzdem vielleicht noch gute Weile. 


1 Sitzung den Reichstags Tom 10. Februar 1892, 8ten. Ber. Band 
VI. S. 4089-90. Dr. Bachem als Berichterstatter der Kommission: 
»Schon seit Jahren ist die Reiohsbank angewiesen worden, diese 
Thaler, wenn sie einliefen, festzuhalten und in den Kellern der Bank 
zu thesaurieren.“ 

* »Eine Münze fremden Gepräges, welohe innerhalb ihres Heimat- 
landes koine Giltigkeit mehr besitzt, nichtsdestoweniger in Deutschland 
als gesetzliches Zahlungsmittel zu behalten, könnte münzpolitisoh nioht 
wohl für angängig eraohtet werden.“ 


/ ' 


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SCHLUSS. 


VERGLEICHUNG MIT DER LIQUIDATIONSFRAGE DES 
LATEINISCHEN MÜNZBUNDES. 

Wie bereits eingangs erwähnt: nicht weil den hier 
besprochenen Fragen irgend welche grössore praktische 
Bedeutung zukäme — es handelt sich ja nur um vergleichs- 
weise geringfügige Summon — , habe ich die vorstehende 
Untersuchung unternommen, sondern nur deshalb, weil diese 
Fragen eine reiche Quelle theoretischer Erkenntnisse für 
die Natur unseres modernen Geldwesens, und besonders 
für die Natur der Münzvereine sind, in erster Linie, weil 
es sich hier klar und deutlich zeigt, dass das Gepräge einer 
Münze für deren Geldcharakter ohne alle Bedeutung 
ist, dass für diesen lediglich rechtliche und vor allem 
thatsächliche Verhältnisse in Frage kommen. 
Wir haben gesehen : Unbestreitbar sind die österreichischen 
Thaler österreichische Münzen; rechtlich sind sie 
trotzdem deutsches, daneben auch österreichisches 
Geld, nach den thatsächlichen Verhältnissen waren sie, 
mindestens von 1872 an, nur deutsches Geld. 1 Öster- 
reich hatte demnach weder eine rechtliche noch eine 
moralische noch sonst eine Verpflichtung, den an den öster- 


* Lan d eiberge r in Doms ,Volkiw. Woohensohrift“ y. 19. Noy. 
1891, S. 411: 

„Faktisohe QeldqualitAt haben dann auoh die Vereinathaler 
wlhrend ihre* gansen Umlaufe» bloss im Reiohe genossen.* 


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SCHLUSS. 


121 


reiohischen Thalem entstandenen Verlust mitzutragen. 
Wenn es dennoch durch das Abkommen von 1892 einen 
Teil desselben auf sich nahm, so geschah dies — wie schon 
oben gezeigt — nur als ein Opfer an das in dem 
Vorurteil des Gepräges befangene allgemeine 
KechtsbewusBtsein, welches — wie Landesberger 
sehr richtig sagt — »wegen der Kürze der Zeit noch nicht 
Gelegenheit gefunden hat, sich mit den höchst eigentüm- 
lichen Rechtsfragen der hinkenden Währung vertraut zu 
machen“.* 

Sehr oft wird die Frage der Liquidation des 
lateinischen Münzbundes mit den hier besprochenen 
Verhältnissen in Parallele gestellt. Mit einer gewissen 
Berechtigung, obwohl zwischen beiden Fragen auch sehr 
grosse Verschiedenheiten bestehen. Jedenfalls ist eine Ver- 
gleichung beider sehr geeignet, die gewonnenen Erkenntnisse 
in hohem Grade zu bestärken. 

Die Liquidationsfrage des lateinischen Münzbundes ist 
praktisch sehr viel wichtiger, als die Frage der österreichi- 
schen Thaler. Es handelt sich hier um einige Hundert 
Millionen Franken, und hauptsächlich für das kleine Belgien, 
für welches Hundert Millionen fast so viel bedeuten, wie 
für Deutschland eine Milliarde. Diese Liquidationsfrage 
hat daher die öffentliche Aufmerksamkeit in weit höherem 


1 Landesbergor, a. a. O., 8.411. — Der Ausdruck „Rechtsfragen 
der hinkenden Währung“ scheint mir nioht sehr gldoklioh gewählt- 
Das charakteristische liegt bei dieser und analogen Fragen in dem Zu- 
sammentreffen dreier Umstände: erstens in dem Bestehen oder 
Bostanden-habe n von Münsbilnden mit g o m ei ns oh af t - 
Hohen Umlaufsmitteln, und gerade dieses Moment ist in dem Aus- 
druok „Rechtsfragen der hinkenden Währung“ nioht enthalten; ureitens 
in der Vornahme eines W ähr ungs w eoh s el s, ehe die Gemein- 
schaftlichkeit des Umlaufsmittels gelöst ist; drittens in 
dem duroh diesen Währungawoohsel swar nioht notwendiger Weise 
verursachten, aber dooh bedingten Unterwertigwerden des ge- 
meinsamen bisher vollwertigen Umlaufsmittels. Gerade 
die völkerreohtliohe Verteilung des daduroh entstehenden Ver- 
lustes ist der springende Punkt sowohl bei der österreichischen Thaler- 
frage, als auch bei der Liquidation des lateinischen MQnsbundes. 


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122 


SCHLUSS. 


Grade beschäftigt, als unsere deutschen MQnzvereinsfragen. 
In Deutschland hat Bamberger ein ausgezeichnetes Buch 
Ober .Die Schicksale des lateinischen Münz- 
bund es* geschrieben, in welchem der Standpunkt des 
Gepräges fast ganz verlassen ist. Die letzten Konsequenzen 
hat aber selbst Bamberger nicht gezogen. Eine kurz- 
umrissene Klarlegung der Frage in Parallele zu der oben 
ausführlich behandelten durfte daher nicht nutzlos sein. 

Im Dezember 18b5 ward der lateinische Münzbund 
gegründet. Er umfusste Frankreich, Italien, Belgien und 
die Schweiz. 18(>8 trat Griechenland bei. Letzteres kommt 
für uns nicht in Betracht. 

Während der deutsche Münzverein drei verschie- 
dene Landeswährungen bestehen lioss und Uber 
diesen ein gemeinschaftliches Umlaufsmittel an den 
Vereinsthalern hatte, schuf der lateinische Münzbund eine 
völlige Münzeinheit, sodass in allen beteiligten 
Staaten dieselben Münzstücke nach denselben tech- 
nischen Vorschriften geprägt wurden. Gesetzliche Zahlungs- 
kraft im strengsten Sinne genossen in jedem Lande aller- 
dings nur die eigenen Landesmünzen, diejenigen der mit- 
vertragenden Staaten jedoch Kassenkurs, was einen that- 
sächlich völlig gemeinschaftlichen Umlauf herbeiführte. 
Ein charakteristischer und weit gehender Unterschied : wäh- 
rend der deutsche Münzverein nur Kurantmünzen als 
gemeinsames Umlaufsmittel kannte, Hessen die Staaten des 
lateinischen Münzbundes auch die Scheidemünzen der 
mitvertragenden Staaten zu. 1 Jeder Staat durfte indes nur 

1 Vor dom Vertrag existierten in den betreffenden Ländern keine 
unterwertig ausgeprägten Silber-SeheidemQnxen. Die SilberstUoko waren 
alle vollwertig ausgeprägt, wie da* Fflnffrankenstilck. 

Ala nun seit 1850 etwa auf dem Weltmarkt der Preis des Golde* 
gegen den Silberpreis fiel und unter die in der lateiniaohen Doppel- 
währung angenommene Relation herabaank, war die Folge, das* Gold 
maasenhaft xu den MOmatätten gebraoht wurde, Silber ao gut wie gar 
nicht; vielmehr strömte das Silbergeld bedenklich ab. Es entstand 
Mangel an Frankenatilcken, */»* und 2 Frankenstdoken, ohne welche aioh 
der Verkehr nicht behelfen konnte. Dieser Zustand war der eigentliche 


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SCHLUSS. 


123 


6 Frank auf den Kopf Beiner Bevölkerung prägen, musste 
seine Scheidemünzen auf Verlangen von Privaten oder eines 
der mitvertragenden Staaten jederzeit in Beträgen von nicht 
unter hundert Franken in Kurantgeld umwechseln und diese 
Umwechselung auch noch eine bestimmte Zeit nach seinem 
eventuellen Ausscheiden aus dem Münzbunde bethätigen. 
Das war eine Liquidationsklausel, die schon im ursprüng- 
lichen Vertrage stand und welche in der Natur der Scheide- 
münzen bedingt war. An eine Liquidationsklausel für sil- 
berne Fünffrankenstücke dachte damals niemand, konnte 
damals überhaupt niemand denken. Fine solche konnte 
erst unter den Verhältnissen, wie wir sie später kennen 
lornon, in Frage kommen. 

Der tiefgehendste Unterschied zwischen beiden Münz- 
bünden war jedoch : Der lateinische Münzbund beruhte auf 
der Doppelwährung, Gold und Silber waren frei aus- 
prägbar und in dem bekannten Tarifierungsverhältnis ge- 
setzliches Zahlungsmittel; im deutschen Münzverein dagegen 
herrschte ein monometallisches System, die reine 
Silberwährung. 

So viel über die Verschiedenheit der Basis, auf 
welcher beide Vereinigungen beruhten. Wir kommen nun 
zu ihrer beiderseitigen Entwickelung. 

Wie der normale Gang der Dinge im deutschen Münz- 
verein durch die Papierwälirung in Österreich, so wurde er 
im lateinischen Münzbund durch den Zwangskurs und die 
Aufhebung der Baarzahlungen in Italien von 1866 — 1883, 
und in Frankreich von 1870 — 1878 unterbrochen. Die 
inneren Verschiebungen der Umlaufsmittel — dass z. B. 


Anlass zur Gründung des lateinischen Münzbundes. Um sich das kleine 
Silbergeld zu erhalten, verabredeten sioh die genannten Staaten, die 
Sttioke von 2 Frank abwärts statt W0 / 10M fein nur ,M /iooo fein, aber im 
gleiohen Sohrot wie bisher auszupr&gen. Ihre Zahlungskraft wurde 
gemcinsohaftlioh auf 50 Frank beschränkt. Dio FünffrankenstUoke blieben 
vollwertig. Der lateinische Münzbund war also von den beteiligten 
Staaten geschlossen, um sioh ihr Silbergeld zu erhalten; die 
Ironie des Sohioksala will es, dass bei seiner Auflösung jeder Staat 
sioh so gut als möglich seines Silbers zu entledigon Bucht. 


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124 


SCHLUSS. 


Deutschland fast alle österreichischen Thaler, Frankreich 
sehr viel italienisches und, aus andern Gründen, auch bel- 
gisches Geld — Gold- und Silbergeld — aufnahm, hatten 
jedoch solange nichts nachteiliges, als nicht eine Verschiebung 
der ursprünglichen Vertragsbasis, ein Währungswechsel 
eintrat. £in solcher kam in beiden Münzvereinen. Zu 
unterscheiden ist jedoch, dass der deutsche Währungs- 
wechsel eintrat, als zwar ‘nach den Landesgesetzen 
in Deutschland und Österreich die Gemeinschaftlichkeit 
des Umlaufs an Vereinsthalern noch fortbostand, vor- 
tragsmässige Abmachungen über das gemeinschaftliche 
Umlaufsmittel jedoch nicht mehr existierten; dass im lateini- 
schen Münzbund der Währungswochsei jedoch während 
d e r D a u e r des vertragsmässigen Verhältnisses selbst voll- 
zogen wurde. Ferner: Während im ehemaligen deutschen 
Münzverein durch Deutschlands Übergang von der Silber- 
währung zur Goldwährung, also durch einen einseitigen 
Währungswechsel, das gesamte ursprünglich vollwertige 
Kurantgeld nur in einem Teile des Münzvereins, nämlich 
in Deutschland , unterwertig wurde , in dem andern da- 
gegen, in Österreich in Folge der fortbestehenden Silbor- 
währung, vollwertig blieb, ereignete es sich im lateini- 
schen Münzbunde, dass durch den Übergang sämtlicher 
Beteiligten von der Doppelwährung zur thutsächlichen Gold- 
währung nur ein Teil des bisher vollwertigen Kurant- 
geldes, nämlich das S i 1 b e r kurantgeld , unterwertig 
wurde, und zwar gleich mässig in allen beteiligten 
Staaten. — Beim deutschen Münzverein haben wir also 
einen Staat , der die Unter Wertigkeit der gesamten, 
ursprünglich gemeinsamen Umlaufsmittel empfindet, beim 
lateinischen Münzbund ist es die Gesamtheit der Vertrags- 
staaten, welche unter der Unterwertigkeit nur eines 
Teiles der gemeinschaftlichen Umlaufsmittel leidet.— 
Verluste ergeben sich in beiden Fällen. Wie sind diese bei 
einer endgiltigen Regelung zu verteilen! 1 

Juristisch ist in beiden Fällen eine Entscheidung 
unmöglich. Im Falle der österreichischen Thaler existierte 
kein völkerrechtlicher Vertrag mehr, auch alle subsidiären 


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SCHLUSS. 


125 


Rechtsquellen versagten. Von irgend welchem Gewohnheits- 
recht kann keine Rede sein, wo jeder Präcedenzfall fehlt. 
— Im Falle der lateinischen Münzunion existierten wohl 
noch die Verträge von 1865. Diese waren jedoch nur 
auf vollwertiges Kurantgeld zugeschnitten und be- 
stimmten eine Liquidationspflicht nur für die Scheide- 
münzen. 1 Durch Einschränkung der freien Silberprägung 
am 31. Januar 1874, und vollends durch Sperrung der Silber- 
prägung überhaupt am 5. November 1878 war aber der 
lateinische Münzbund de facto zu einer andern Währung 
übergegangen von der Doppelwährung zur hinkenden 
Goldwährung; und bei dieser grundsätzlichen Änderung 
der Vertragsbasis hatte man versäumt, die Rechtsver- 
hältnisse der neu angenommenen hinkenden Goldwährung 
zu bestimmen. Trotz des Fortbestandes des lateinischen 
MUnz-Vertrags-Verhältnisses zeigt sich hier also ein gleiches 
rechtliches Vakuum, wie bei der Frage der österreichischen 
Thaler. 

Eine Entscheidung nach dem Standpunkt des Gepräges 
ist naheliegend : Jeder Staat löst das sein Gepräge tragende 
unterwertige Geld ein. 

Vorerst wäre eine solche Entscheidung über die öster- 
reichischen Thaler völlig undurchführbar gewesen, im Unter- 
schied zu der Situation im lateinischen Münzbund. Hier 
hatte jeder der vertragenden Staaten nach dem gemein- 
samen Übergang zur Goldwährung das vollwertige 
Goldgeld als einziges Hauptgeld, und daneben das 
unterwertig gewordene Silbergeld. Unter- 
wertig war das Silbergeld in allen beteiligten 
Staaten gleichmässig ; G o 1 d ebenso in allen der gesetz- 
liche Wertmesser. Durchführen Hesse sich hier also 
dor Grundsatz: Jeder Staat löst das unterwortig 
gowordono Silbe r g e 1 d seines Gepräges gegen 
vollwertiges Goldgold ein. Durchführen Hesse 

1 Die Unmöglichkeit einer Liquidation vollwertiger MUnien 
habe ioh gelegentlich der Besprechung dee Vertrages vom 15. Juni 1867 
ausführlich erörtert. S. 49-48. 


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126 


SCHLUSS. 


sich das gewiss, einerlei ob es gerecht oder ungerecht 
wäre. — Wie liegt es aber mit den Österreichischen 
Thal er n? — Hier war das Silbergeld, so weit es früher 
gemeinschaftliches Umlaufsmittel gewesen, n u r i n D e u t sch- 
land unterwertig geworden, in Österreich da- 
gegen vollwertig geblieben. Eine Liquidation nach 
dein Gepräge verbot sich hier also von selbst. Denn 
mehr kann kein Staat thun, als Münzen, die sein Gepräge 
tragen, mit bei ihm geltendem vollwertigem Gelde 
nach ihrem bei ihm gesetzlichen Nennwert einlösen. Der 
gesetzliche Wert eines Thalers war aber — wie bekannt — 
in Österreich nur 1 V* Gulden, und 1 V* Gulden waren nicht 
mehr wert als der Stoff wert eines Thalers. Eine Ein- 
lösung der österreichischen Tlmler von seiten Österreichs 
hätte also für Deutschland keinen Zweck gehabt. — Freilich 
erfuhren, wie oben gezeigt, diese Umstände eine Änderung 
dadurch, dass durch die Beschränkung der Silberprägung 
in Österreich im Jahre 1879 die Thaler auch in Österreich 
u n te r w e r t i ges Geld 1 wurden, wenn auch nicht indem 
Grade, wie sie es in Deutschland waren. Dadurch gewann 
für den Fiskus des deutschen Reichs eine Einlösung der 
österreichischen Thaler von seiten Österreichs einiges In- 
teresse, die Lage wurde also derjenigen des lateinischen 
Münzhundes ähnlicher. 

Wie oben nachgewiesen, hätte heim deutschen Münz- 
verein eine nachträgliche Liquidation mit Verteilung des 
Verlustes nach dem Gepräge nicht der Billigkeit 
entsprochen. Die österreichischen Thaler waren zum weit- 


1 Unter „u n t e r w erti gern“ Oeld verstehe ioh immer solche«, 
dessen Geldwert höher ist «Is sein 8 1 o f f w e r t , also i. B. die Thaler, 
silberne Fünffrankenstücke und österreichische Gulden, ebenso alle 
Scheidern Qnsen. — Nun nennen die Österreicher ihren Gulden seit 1879 
öfters .überwertig“, eino Diktion, gegen die sich niohts einwenden 
Hast, indem sie von der Anschauung ausgeht, dass der Geldwert eines 
österr. Guldens höher ist als sein Silberwert. Dieses , überwertig“ 
sagt also — trotz des scheinbaren Gegensatzes — dasselbe wie mein 
„unt er wertig.“ Die Österreicher sohauen eben vom Stoffwert zum 
Geldwert empor, ioh vom Geldwert zum Stoffwert hinab. 


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SCHLUSS. 


127 


aus grössten Teil als vollwertiges Geld nach Deutsch- 
land gekommen, hatten viele Jahre lang bo gut wie aus- 
schliesslich als deutsches Geld funktioniert, vomStand- 
punkte der reinen Billigkeit wäre also auch 
nichts gegen eine Übernahme des gesamten 
Verlustes seitens des deutschen Reiches ein- 
zuwenden gewesen. — Ähnlich liegt es beim lateini- 
schen MOnzbund. Wir haben hier einen thatsächlich 
durchaus gemeinschaftlichen Umlauf. Aus 
welcher Münzstätte derselbe mit vollwertigem Gelde ge- 
speist wurde, war völlig gleichgiltig. Das beste Beispiel 
dafür ist die Schweiz', welche überhaupt fast kein Geld 


1 Die Schwei* hat Oberhaupt nur 8 Millionen Fr*, silberne Fünf- 
frankenstQoke nusmünzen lassen. Belgien dagegen vor 1865 sohon 145 
Millionen Frs., während der Dauer der Union bis zur Beschränkung der 
Silberprägung Ober 800 Millionen .Frs. in Fünffrankenthalern ; nioht 
als ob die 8chweiz nur so wenig und Belgien soviel Oeld für den eigenen 
Umlauf benStigt hätte; Belgien prägte vielmehr für den gesamten Münz- 
bund und die Schweiz liesB vom gesamten MOnzbund fOr sioh prägen. 
Franzosen und Schweizer brachten Silber, das sie in London gekauft 
zur Brüsseler Münze, aus dem einfachen Qrund, weil sie mit belgischen 
Stfloken in ihrer Heimat ebenso gut zahlen konnten, wie mit heimischen. 
Während Frankreich jedooh wenigstens die Prägung für Private frei- 
liess, also niemanden, der Barren besass und Manzen damit erwerben 
wollte, nOtigte, in einem der mitvertragenden Staate ausmQnzen zu lassen, 
hatte die Schweiz vor 1870 niemals die Prägung freigegeben, und auch 
späterhin nur fOr Ooid. Sie zwang also ihre Angehörigen direkt, in 
einem der andern MOnzbundstaaten für sioh prägen zu lassen. Pirmez 
nannte dieses schweizerische Münzsystem in der belgisohen Kammer 
einmal sehr treffend „Münzparasitismus.* (Sitzung des belgisohen Ab- 
geordnetenhauses vom 11. August 1885.) — Während die Gesamtheit 
der umlaufenden Fünffrankenstücke der Schweiz ebenso gute Dienste 
geleistet hat, wie den andern 8tanten des MOnzbundes, verdankt die 
Schweiz dem bezoichneten Systeme, dass sie bei Auflösung des Bundes und 
Liquidation nach dem Gepräge an dem gemeinschaftlichen Verluste fast 
niohts mitträgt, sondern im Gegenteil für die FOnffrankenstQoke, welohe 
ihr die andorn Staaten gewissermassen nur leihweise aberlassen, bei 
der Auflösung des Bundes goldene Zwanzigfrankenstücke in Eigentum 
bekommt. — Toh bediene mich hier mit Absicht der Terminologie der 
Verfeahter des Standpunktes des blossen Gepräges, um diese zu wider- 
legen. loh glaube übrigens, dass diese ganzo Theorie des Gepräges 
nur auf einem durch das partikulare Gepräge der einzelnen StOoke 


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128 


SCHLUSS. 


prägte, sodass in Brüssel manchmal direkt fQr den Schweizer 
Umlauf Geld ausgemünzt wurde. Da in Frankreich, Belgien 
und Italien freies Prftgerecht für Silber und Gold bestand, 
musste natürlich, bei der Gleichgiltigkeit des partikularen 
Gepräges die am günstigsten gelegene und am promptesten 
arbeitende Münzstätte bevorzugt werden. Die erBtero war 
entschieden die Brüsseler Münze. Dafür kann doch aber 
der betreffende Staat, welcher mit seinem Stempel nur für 
die richtige Ausmünzung garantiert, nicht verantwortlich 
gemacht werden ', zumal er selbst bei der Prägung keinen 

hervorgerufenon eigentlich unrichtigen Sprachgebrauch beruht Wir 
tagen „französische“, „belgische“, italienische" u. s. w. Fünffranken- 
stücke, weil die einielne Münze Wappen und Namen de« Staates trügt, 
auf dessen Münzstätte sie ausgemünzt wurde. Mit diesem Sprach- 
gebrauch erzeugt sich der Begriff, dass diese Münzstücke Frankreich, 
Belgien oder Italien .gehören“, eine oft gehörte aber sehr unklare 
Vorstellung; dass infolgedessen die einzelnen Staaten für den an den 
ihnen „gehörenden“ Stücken entstandenen Verlust aufkommen müssen. 
IUtte der lateinische Münzbund Bundesmünzen mit gleichartigem 
Gepräge, nur mit verschiedenen Münzzeichen geschlagen, 
niemanden würe es eingefallen, von „französischen“ oder „belgischen“ 
FünffrankenstOckeii Zureden. Man hätte vielleicht von „lateinischen“ 
oder „Bundes münzen“ gesprochen, und damit auch den Begriff der 
Gemeinsamkeit des Geldes in sich aufgenommen. Würe dann die 
Liquidationsfrage aufgetauoht, so wäre zwar jedenfalls eine Liquidation 
nach dem Münzzeiohen mindestens vorgeschlagen, vielleicht auch duroh- 
gesetzt worden, im Volk selbst aber hätte diese Liquidation nioht das- 
selbe Verständnis und in der allgemeinen Stimmung nicht denselben 
Rückhalt gefunden, wie es unter den thatsächlichen Verhältnissen der 
Full war, wo jeder Schusterjunge es natürlich fand, dass die „belgischen“ 
Fünffrankenstückc von Belgien eingelfist werden müssten. 

1 Lexis, der den Standpunkt des Gepräges vertritt — in 
Sachen des lateinischen Münzbundes — • siehe Handwörterbuoh der 
Staatswissenschaften, IV. S. 1247, maoht allerdings geltend : Duroh die 
Tarifierung des unterwertig gewordenen Geldes in vollwertigem und 
durch Verleihung des Zwangskurscs, in Form gesetzlicher Zahlungs- 
kraft, an das unterwertigo Gold habe der betreffende Staat „mindestens 
die moralische Verpflichtung übernommen, diesen Wort auch aufreoht 
zu erhalten“. Ganz abgesehen davon, dass Aufreohterhaltung 
dieses Wertes nicht notwendigerweise in der direkten Einlösung 
des präsentierten unterwertigen Geldes bestehen muss — Belgien 
konnte sich z. B. sehr wohl weigern, Fünffrankeustücke seines Gepräges 


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SCHLUSS. 


129 


Gewinn macht 1 und die mit seinem Stempel versehenen 
Münzen kraft der Staatsverträge zu Bundesgeld werden. 

naoh Auflösung des lateinischen MQnxbundes auf Präsentation in Gold 
einxulOsen, ihre gesetzliche Zahlungskraft gleioh 5 Franken Gold 
innerhalb seines Staatsgebietes aber dennooh anerkennen und aufrecht* 
erhalton — ganz abgesehen davon ist festzuhalten : Die Tarifierung 
der silbernen FQnffrankenstfloke war nioht partikular 
du roh die einzelnen Staaten erfolgt, sondern von der Gesamt- 
heit, dem Bunde, in dem Grundrertrag. Wenn auoh diese Tari- 
fierung duroli Landesgesetze der einzelnen Staaten erst in kraft 
treten konnten, so Bndert das an der Sache niohts. Der einzelne Staat 
tarifierte ja nioht nur seine eigenen Fünf franken stfioke , 
sondern auoh die der Unionsstaaten, und wenn ein Fran- 
zose ein belgisohos FünffrankenstQck annahm, dann nahm er es 
nioht, weil er es in Br Ossel zu 5 Frank wieder ausgeben konnte, 
sondern weil er es kraft französischen Gesetzes in Frankreich 
bei jeder Öffentlichen Kasse zu seinem Nennwert anbringen konnte. 
Daraus folgt gerade das Gegenteil der Lexis’sohen Ansicht. Weil 
nicht Belgien allein, sondern auch Frankreich und die Schweiz 
die belgischen FOnfTrankenstOcke tarifirt hatten, war nioht Belgien 
allein, sondern waren auch die andern Unionsstaaten „mindestens 
moralisch“ verpflichtet, diesen Wert auoh aufrecht zu erhalten. Ferner: 
Unterwertig waren die FOnfTrankenstOoke niohtvon vornherein, 
sondern sie wurden es erst durch BeschrSnkung und Einstellung 
ihrer PrBgung, d. h. durch den Übergang zur thatsBoh- 
liehen Goldwährung. Ware die SilberprBgung nicht eingestellt 
worden, so hatte es im lateinischen MOnzbund Oberhaupt nie ein unter- 
wertiges Kurantgeld gegeben. GemBs den allgemein anerkannten 
Gesetzen der A 1 1 ern at i v -W 8h ru n g wäre der lateinische MOnzbund 
auf direktem Wege zur t hat säch 1 ioh en S il be r w 8h r un g gelangt; 
in diesem Fall wSren die silbernen FOnffrankenstOcke in der lateinischen 
Union ebenso vollwertiges Geld geblieben, wie es die Thaler in Öster- 
reich bis 1870 nooh waren. Die Beschränkung und Einstellung der 
SilberprBgung, welche die Unterwertigkeit der FOnflrankenthaler im 
Gefolge hatte, war aber ebenfalls keine partikulare Massregel, 
sondern eine Massregel des Gesamtbundes. Also: Der Bund 
hat die Tarifierung ausgesprochen, der Bund hat die Unter- 
wertigkeit der FünffrankonstOcke veranlasst: ergo hat der Bund 
als Boloher die Folgen zu tragen. 

1 Das traf allerdings nur bis 1874 zu. Die AusmOnzungen nach 
1874 waren AusmOnzungen eines bereits unterwertigen Geldes. Auf 
Rcohnung von Privaten wurde diese Oberhaupt nioht mehr vorge- 
nommen, sondern nur auf Rcohnung und zum Vorteil der Regierungen. 
Ihrom Charakter nach unterschied sioh also von 1874 ab die Aua- 

Iltlfforich, Dir Folffnn du* drutcch-Siterr. MQnzvtrelns Ton 1857. 9 


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130 


BCHLUB8. 


Stellen eich bei einem zur Zeit seiner Ausprägung 
vollwertigen Umlaufsmittel später durch gemeinsame Mass- 
nahmen der vertragenden Staaten hervorgerufene Verluste 
heraus, so muss billigerweise die Gesamtheit, welche 
ja in Bezug auf ihr Münzwesen eine Einheit darstellt, 
diese Verluste auf sich übernehmen. Auf die einzelnen 
Glieder sind diese dann billigerweise so zu verteilen, dass 
jeder Staat ein seinem Vorteil an dem gemeinschaftlichen 
Umlaufsmittel entsprechenden Teil des Verlustes trägt, ob 
man nun als Massstab dio Bevölkerung odor was sonst 
annimmt . 1 Darüber wird man sich aber in Güte verstän- 
digen müssen. Deutschland und Österreich haben das ge- 

münzung tob silbernen Fünffrankenstüoken nur daduroh Ton der Aus- 
münxung von Scheidemünzen, dass die Regierungen die Verpflichtung 
hatten, ihre Scheidemünzen auf Verlangen in Kurantgeld einzulüsen, 
bezüglich der Fünffrankenstüoke jedoch nur die Verpflichtung, sie zu 
ihrem Nennwert an ihren Kassen anzunehmen. Bei einer Liquidation 
würden demnach die Tom Jahre 1874 ab geprägten Fünffrankenstüoke 
analog den Scheidemünzen zu behandeln sein. 

1 Was die Verteilung des Verlustes auf die einzelnen Staaten 
eines Münzbundes unter sich angeht, so wird hier keine unbedingte 
Norm aufzustellen sein, wenigstens keine praktische. Den allgemeinen 
Grundsatz kann man wohl aussprechen: Je nachdem ein Staat an dem 
gemeinsamen Umlaufsmittel Nutzen gehabt hat, soll er auch an dem 
an diesem entstandenen Verluste mittragen. Wie aber ist dieser 
„Nutzen“ zu bemessen!' Weder Bevölkerungszahl noch Gobietsgrösse 
gibt einen sicheren Anhaltspunkt, schon nioht unter normalen Geld- 
Verhältnissen, noch viel weniger natürlich unter anormalen, z. B. bei 
Zwangskurs für Papiergeld in einzelnen verbündeten Staaten. — Wie 
wenig die Bevölkerung einen Massstab abgibt, sieht man sohon 
daran, dass in verschiedenen Ländern ganz verschiedene Summen Metall- 
geldes auf den Kopf der Bevölkerung kommen. Auoh die allgemeine 
höhere wirtschaftliche Entwickelung involviert nicht allgemein ein ge- 
steigertes Hass von Umlaufsmitteln; ihro Wirkung nach dieser Richtung 
scheint durch die vermehrte Anwendung von Kredit- und Abreohnungs- 
mitieln mehr als paralysiert werden zu können. 

Nach O. Haupt, Gold, Silber und Währung, kamen anfang 1892 
auf den Kopf der Bevölkerung an Umlaufsmitteln in 

Frankreich . . . 212 Frank 

Holland 143 , 

Nord-Amerika . . 128 „ 


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SCHLUSS. 


131 


tban; in der lateinischen Münzunion ist eine billige Ver- 
ständigung nicht geglückt. 

Dieser verschiedene Ausgang hat seinen Grund zum 
mindesten teilweise in den verschiedenen Machtverhält- 
nissen. 

Wir haben gesehen : Österreich war Deutschland gegen- 
über zu einer einlösungslosen Ausserkurssetzung seiner 
Thaler berechtigt, ganz abgesehen davon, dass es zu einer 
Einlösung, ehe es die Thaler ausser Kurs setzte, Deutsch- 
land gegenüber nicht verpflichtet war. Ganz ebenso stand 
Holgien noch einer Sprengung des lateinischen Münzbundes 
gegenüber Frankreich und der Schweiz. Aber, und jetzt 
kommt der entscheidende Unterschied: Österreich 

konnte seine Thaler ohne Einlösung ausser 
Kurs setzen, ohne auf seine eigenen Staats- 
angehörigen Rücksicht nehmen zu müssen, 
denn österreichische Vereinsthaler waren in Österreich nicht 
mehr im Umlauf. Belgien konnte nicht so Vorgehen. 
Durch eine einlösungsloseAusserkurssetzung 
der belgischen Fünffrankenstücke hätte es 
seine eigenen Angehörigen schwer geschä- 
digt. Österreich war also im stände, auch einer 
kommerziellen Kückleitung seiner Thaler wirksam 
vorzubeugen, Belgien war nicht in dieser glücklichen 


England .... 103 Frank 

Deutschland ... 97 „ 

Italien 55 „ 

Russland .... 25 „ 

Also das Vereinigte Königreich, das industriell und kommerziell 
am meisten entwickelte band, kommt hier erst an Werter Stelle. 

Da die erwähnten Umstände nicht geeignet sind, einen sioheren 
Massstnb zur Verteilung des an dem gemeinschaftlichen Umlaufsmittel 
entstandenen Verlustes zu bilden, auoh die Schätzung des Münzumlaufes 
der einzelnen Länder auf zu unsicherer Grundlage beruht, um hier ohne 
weiteres als Kriterium dienen zu können, kann die Verteilung des 
Verlustes nur naoh gütlicher Übereinkunft, esaeqno etbnno 
erfolgen, oder: auf dem Wege der Gewalt, duroh den Gebrauoh von 
Machtmitteln, auf welchem Wege die Liquidationsklauseln des lateini* 
nisohen Münzbundes thatsächlioh zu stände gekommen sind. 

9* 


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132 


8CHLU88. 


Lage. Österreich war also nicht auf ein Über- 
einkommen angewiesen ; kam ein solches nicht zu stände, 
so konnte es seine Thaler verläugnon. Belgien dagegen 
war mit gebundenen Händen ausgeliefert. In 
Rücksicht auf das belgische Publikum musste es sein Ge« 
präge anerkennen, dadurch die kommerzielle Rückleitung 
seines Kurantsilbers gestatten; und die Bank von 
Frankreich hatte sich für diesen Fall gewaffnet: Hun- 
derte von Millionen Franken hatte sie in belgischem Silber 
aufgespeichert. 1 

Frankreich und die Schweiz haben, wie bekannt, diese 
Zwangslage Belgiens für ihren Vorteil benutzt. Belgien 
muss nach der Liquidationsklausel vom 6. November 1885 
zwar nur die Hälfte seines in französischem Umlauf befind- 
lichen Silberkurants und höchstens 6 Millionen Frank des 
in der Schweiz umlaufenden in Baar (Gold oder silbernen 
Fünffrankenstücken des empfangenden Staates) oder Wechseln 
einlösen. Dagegen darf es während der auf die Auflösung 
der Münzunion folgenden fünf Jahre seine Fünffranken- 
thaler nicht ausser Kurs setzen, damit der Frankreich 
und der Schweiz verbleibende Rest auf kommerziellem 
Wege zurückgeleitet werden kann. Das ist jedoch 
nur eine andere Art der Einlösung, — Ähnliche 
Verpflichtungen musste auch Italien übernehmen.® 

Hier hat also das Gepräge glänzend ge- 
siegt. Ich hoffe, durch meine Auseinandersetzungen wenig- 


1 Siehe Bamberger, Schicksale des lateinischen MQnzbundes, 

8. 28: 

„Die Machtfrage kommt in der Thatsaobe vorwiegend zum Aus- 
druck, dass die französische Bank allm&hlioh die belgischen und italie- 
sehen FQnlfrankenstaoke in Massen (hunderte von Millionen von Wert) 
angehluft hat und damit droht, bei Niohterneuerung des Vertrages die 
ganzen Vorräte den austretenden Hoimatländern Uber den Hals zu 
soliioken“ u. s. f. 

* Siehe das Detail bei Dezis, Der lateinische MUnzbund, Hand- 
wörterbuch der Staatswissensciiaften, IV, 8. 1247. 


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SCHLUSS. 


133 


stons so viel erreicht zu haben , dass für diese Lösung 
niemand den Vorzug der Billigkeit in Anspruch nimmt. 1 

Während so die Lösung im lateinischen Münzbunde 
auf einer völligen Überschätzung des MQnzstempels, 
auf einer totalen Verkennung des Wesens des Geldes und 
der Mtlnzvereine mit gemeinschaftlichem Umlaufsmittel 
beruht, hat man bei der Liquidation der österreichischen 
Thaler im grossen und ganzen mit Recht nach deren Geld- 
charakter, nicht nach ihrem M ü n z Charakter entschieden. 
Ein kleines Opfer glaubte Österreich den herrschenden 
falschen Anschauungen allerdings bringen zu müssen, durch 
die Übernahme der 8 2 /s Millionen Thaler. Dafür aber nahm 
das deutsche Reich den Verlust an dem Rest ganz allein 
auf sich und gab jeden Anspruch auf, diesen im Wege des 
gewöhnlichen Verkehrs nach Österreich zurückzuleiten. Die 
der lateinischen Liquidationsklausel analoge Lösung der 
Vereinsthalerfrage wäre folgende gewesen : Österreich über- 
nimmt die Einlösung von 8 ! / a Millionen österreichischer 

1 Es aei hier noohmala auf die bereite erwähnte Sohrift ron 
Bamberger, Die Sohioksule dea lateiniaohen Münzbundes, 1886, hin- 
gewiesen. — Bamberger hat aioh einigermaaaen von der Theorie 
dea Gepräges emanzipiert. Er ist der Ansicht, Belgien könne 
Frankreich und der Sohweiz gegenüber nie und nimmer zu einer 
EinlSaung seiner Fünffrankenthaler verpflichtet Bein, und dieeen 
Standpunkt verteidigt er glänzend. Seine Beweiamittel leitet er haupt- 
aäolilioh daher, daaa gegen einen Staat aua der Auamünzung vollwertigen 
Oeldea, besondere bei bestehendem Prägereoht für Private, kein Reohts- 
anapruoh irgend welcher Art hergeleitet werden könne. — Dann aber 
begeht er diejlnkonsequenz, den Satz aufzuatellen: Jeder Staat müsse 
sein Gepräge anerkennen, welohen Satz er noch im Jahre 1891 
in der Dorn’aohen „Volkswirtschaftlichen Woohensohrift“ vom 26. .No- 
vember gegen Landesbergers erwähnten Aufsatz aufreoht erhielt. — 

In der Wirkung kommt das auf dasselbe hinaus, wie eine 
direkte Einlösung. Der Weg der kommerziellen Uückleitung 
bleibt offen und wird naturgemäs benutzt werden, so dass am Ende 
jeder 8taat, wie bei einer Einlösung, den ganzen Verlust, weloher 
an den von ihm geprägten Münzen entstanden ist, trägt. Der Unter- 
schied ist nur, dass bei einer Einlösung der Verlust den Fiskus 
direkt trifft, bei einer kommerziellen RUokleitung nur 
indirekt, in Form einer ihm erwachsenden sohwebenden Sohuld. 


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134 


SCHLUSS. 


Vereinsthaler, vielleicht auch die Einlösung einer grosseren 
Summe. Ferner verpflichtet es sich vor Ablauf einer be- 
stimmten Zeit den Österreichischen Vereinsthaler nicht ausser 
Kurs zu setzen, damit Deutschland den ihm verbleibenden 
Rest auf kommerziellem Wege nach Österreich zurück- 
führen kann. 

Es ist ein erfreuliches Zeichen, dass eine solche Lösung 
nicht zu stände gekommen, ein erfreuliches Zeichen be- 
sonders dafür, dass man angefangen, über die Verschieden- 
heit und gegenseitige Unabhängigkeit der Begriffe »Geld* 
und »Münze* klar zu werden; allerdings scheint hier die 
münzpolitische Praxis der Wissenschaft voran- 
gegangen zu sein. 


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Bayerische 

Staatsbibliothek 

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