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Full text of "Annalen des Historischen Vereins für den Niederrhein inbesondere das Alte Erzbistum Köln"

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Annalen des 
Historischen 

Vereins für 
den 



Niederrhein 





Historischer Verein 
für den 

Niederrhein, ... 



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ANNALEN 



DES 



HISTORISCHEN VEREINS 



EÜR DEN NIEDERRHEIN, 



INSBESONDERE DIE ALTE ERZDIÖZESE KÖLN. 



IM AUFTRAGE DES VORSTANDES HERAUSGEGEBEN 

VON 

D R . AL. MEISTE!? 

PRIVATDOZENTEN DER GESCHICHTE IN BONN. 



DREI UN DSEO HSZ I OSTES H EFT. 

i 



KÖLN, 1890. 
J. & W. BOISSEREE'S BUCHHANDLUNG. 



(FRZ. THEOD. HELM KEN.) 

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Inhalt. 



Seite 

Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von CueB. Von Privat- 
dozent Dr. AI. Meister . . . . . . . . . . . . . 1 — 91 

lieber den Arnoldswald bei Jülich. Von Dr. Armin Tille . . 22— 26 

Der Exqrcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich 1B04 und 

IßOT). Von E. Pauls 27— 63 

Zur Geschichte der Suitbertus- und Willeicus-Reliquien in Kaisers- 

werth, Von E. Pauls »4- G2 

Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. Von Stadt- 
scnulrath Dr. Herrn. Kcussen sen. (f)- Herausgegeben von 
Archivassistent Dr. Hermann Keussen jr Ii2— 17G 

1. Das Volksschulwesen in der Grafschaft Mors gegen Schluss 

des vergangenen Jahrhunderts • • • ^ — 

2. Ein Lehrer - Berufsvertrag aus dem vergangenen Jahr- 
hundert 82— 84 

3. Präceptor Johannes CamphofT . . . . . . . . . . H. r ) — 94 

4. Crefeld in seinen Beziehungen 7>ur Duisburger Universität 94 — 111 

5. Zwei Hexenprozessc aus der Crefelder Gegend ♦ . . . 111 — 119 
fl. Kulturgeschichtliche Streifbilder vom Niederrhein auä~ 

der Zeit des dreissigjährigen Krieges . . . . . . . 120 — 15f) 

7. Ein Bild Rhciubergs aus der Zeit des dreissigjährigen 

Krieges 7 . " . 156—176 

Tauf-, Trau« und Sterberegister am Niederrhein. Von Dr. Armin 

Tille . . . « . . . . . . . . . . . . . . . . 1/7^~1 0G 

M i s c. e 1 1 o n. 

Zwei Balten Pius II. für die Kölner Klöster. Von Brnno Albers 197-203 

Aelterc Rechnungen über die Bearbeitung von Weinbergen in der 

Durener Gegend. Von K. Paula 203-208 



Litteratnr. 

Die histnrianhe Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. Von 

Kaspar Keller 209—237 

Rflrinht.e nnd Notizen. 

Bericht der Generalversammlung des hiat. Ver. f. d. Niederrhein 

sti Brauweiler 238—241 

Historische Ge sellscha ften und Vereine , . : . . . . . . . 241—244 

Perannalnachrichten . . . . . , , , , , « , . .. • • • 244—245 



492095 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von dies. 

Von 

Dr. AI. Meister. 



Der Bildungsgang des Nikolaus von Cues bis zu dessen ersten 
öffentlichen und sogleich Aufsehen erregenden Auftreten auf dem 
Konzil zu Basel ist noch wenig aufgehellt. Es sind uns nur ein 
paar trockene Daten überliefert, wir wissen, dass er in der Jugend 
die Schule der BrUder vom gemeinsamen Leben zu Deventer be- 
sucht hat, dann im Jahre 1415/16 *) die Universität Heidelberg 
und von etwa 1418— 1423 2 ) die Universität Padua bezogen hatte, 
dass er 1424 3 ) einmal in Rom anwesend und 1425 4 ) wieder in Köln 
immatrikulirt war ; aber da fast alle näheren Angaben fehlen, um 
dieses Zahlengerippe zu beleben, so waren wir bisher nicht in 
der Lage, uns ein lebendiges Bild von der geistigen Entwicklung 
des Mannes zu machen, der gleich mit seiner ersten Schrift als 
ein fertiger Gelehrter uns entgegentritt mit allen Anzeichen eines 
„geistigen Riesen w der Uebergangsperiode vom Mittelalter zur Neu- 
zeit. Wissen wir doch noch nicht einmal, wo er seine theologische 
Vorbildung genossen! Als Jurist geht er zur Universität, als 



1) Toepke, Die Matrikel der Universität Heidelberg I, 128. 

2) U ebinger, Zur Lebensgeschichte des Nikolaus Cusanus. Hist. 
Jahrb. 1893 XIV, 549. 

3) U ebinger, Die mathematischen Schriften des Nikolaus Cusanus. 
Philosoph. Jahrbuch 1895 VIII, 303, Anm. 4. 

4) Keussen, Die Matrikel der Universität Köln I, 213. 

Ajanalen des hist. Vereins LXIII. 1 



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2 



AI. Meister 



Laie J ) uoch beendigt er 1423 seine juristischen Studien mit der 
Promotion zum doctor decretorum — und vor dem Tode des Erz- 
bischofs Otto von Trier, also Ende 1429 oder Anfang 1430 2 ), ver- 
zichtete 3 ) er auf die Dechanei an der Kirche „zu unsrer lieben 
Frau" in Oberwesel, ist also spätestens seit diesem Jahre in geist- 
lichem Amt und Würde, erhält bald darauf die Dechanei von 
St. Florin in Coblenz und hält dort am Dreifaltigkeitstage des 
Jahres 1431 seine erste Predigt. 

Was er aber von seinem 23. bis 30. Lebensjahre, dieser für 
die geistige Richtung und wissenschaftliche Ausbildung eines 
Mannes so wichtigen und grundlegenden Zeit eigentlich gethan 
hat, wie er seine Kenntnisse verwerthet und weiter gebildet hat, 
darüber sind wir bisher noch ganz im Unklaren gewesen. Es ist 
nicht viel mehr als Phrase, jedenfalls nur ein Versuch, unsere 
Unkenntniss zu verschleiern, wenn Scharpff 4 ) sagt: ,In der 
Zwischenzeit aber von zurückgelegten Studien bis zum 30. Lebens- 
jahre folgte er, wie es scheint, ohne bestimmtes kirchliches Amt 
und Beruf nur dem inneren Berufe als Christ und Gelehrter, an 
der rüstigen Bekämpfung alles Schlechten und Unbrauchbaren die 
jugendliche Kraft zu messen und zu stählen." Und der andere 
Biograph des Cusauus Joh. Martin Düx hilft sich aus der Ver- 
legenheit mit der Behauptung 5 ): „Soviel machen die Zeugnisse 
wahrscheinlich, dass er die Bahn der Rechtspraxis betrat, die ihn 
wie zufällig in den geistlichen Stand hinüberzog.* Ein Form- 
fehler, der ihn sogleich seinen ersten Prozess verlieren Hess, soll 



1) Paul Joachimsohn, Gregor von Heimburg (Hist. Abhand- 
lungen aus dem Münchener Seminar, H. 1) sagt S. 4 mit Bezug auf Nikolaus 
von Cues, Johann von Lysura und Peter Knorr, h alle diese Männer waren 
Geistliche", um damit zu erklären, dass sie nicht den doctor utriusque iuris 
machten. In Bezug auf Cusa trifft dies nicht zu, da er erst um 1429 oder 
1430 in den geistlichen Stand eintrat. 

2) Otto von Trier starb 1430, Febr. 13. Vergl. Görz, Reg. d. Erzb. 
von Trier. 

3) Diese bisher unbekannte Notiz verdanke ich der Freundlichkeit des 
Herrn Prof. Uebinger. Vrgl. Cob lenz, Staatsarchiv; Kurfürstenthum Trier, 
A. Staatsarchiv, a. geheimes Kabinet. I. Personalien der Erzbischöfe. Nr. 5. 

4) F. A. Scharpff, Der Cardinal und Bischof Nikolaus von Cusa. Mainz, 
1843, Bd. 1, 23. 

5) Joh. Martin Düx, Der deutsche Cardinal Nikolaus von Cusa und 
die Kirche seiner Zeit. Regensburg 1847, Bd. 1, 105. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 



3 



so auf sein Gemüth eingewirkt baben, „dass er nicht länger einem 
Berufe dienen wollte, wo häutig weder innerer Rechtssinn, noch 
Gelehrsamkeit Stand halten können gegenüber dem verfänglichen 
Spiel des Buchstabens und wo das Gewissen täglichen Verwun- 
dungen ausgesetzt ist." So plausibel auch diese letzten Motive für Ni- 
kolaus von Cues an sich klingen, erwiesen ist diese Behauptung 
nicht und ausserdem darf ihre Erwähnung uns darüber nicht 
täuschen, dass dadurch die Lücke in dem Lebensgange des Cu- 
sanus erst recht fühlbar hervortritt, da er ja somit gleich nach 
seinem ersten Prozesse der juristischen Laufbahn den Rücken ge- 
wandt haben würde und nun verschollen bleibt, bis er 1430 als 
^Geistlicher wieder auftaucht. 

Feste Pole in dieser Zeit, in welcher er unserem Auge ent- 
schwindet, boten bislang allein seine Anwesenheit in Rom 1424 
und seine Immatrikulation in Köln 1425, und erst neuerdings hat 
Uebinger noch ein drittes Datum 1428 hinzugefügt 1 ), indem er 
darthut, dass Nikolaus in diesem Jahre damit beschäftigt war, 
„Schriften anderer für sich abzuschreiben." 

Gerade in dieses Dunkel der zwanziger Jahre soll unsere 
Untersuchung ein scharfes Schlaglicht werfen. 

Dass von meinen zahlreichen Vorgängern in der Erforschung 
der Lebensgeschichte des Cusanus kaum eine nennenswerthe Stelle 
übersehen worden w r ar, in welcher er als Nikolaus Chryffts, Krebs, 
Gancer, Nikolaus de Coesze, de Cues, de Cusa, Cusanus und ä. 
erscheint, das war von vornherein anzunehmen ; mit den bekannten 
Namen war also nichts Neues zu erreichen. Anders indessen 
stellte sich die Sachlage, sobald noch eine ähnliche neue Bezeich- 
nung auftauchte, die von den eigentlichen Cusa -Forschern bisher 
nicht beachtet worden ist, und eine solche liegt in der That vor 
in der Benennung Nikolaus Treverensis. 

Schon der bekannte Würzburger klassische Philologe Urlichs 

1) Uebinger, Die raathematischen Schriften des Nikolaus Cusanus. 
Philos. Jahrb. 1895, VIII, 305. Ob er sich gerade „eingehend" in diesem 
Jahre 1428 mit geometrischen Studien, besonders mit der Quadratur des 
Kreises beschäftigte (Uebinger 1. c. 306, 310), das dürfte wohl bezweifelt 
werden können; mir scheint in diesem Jahre seine Beschäftigung mit geo- 
metrischen Studien nicht viel über das Abschreiben geometrischer Werke 
hinausgegangen zu sein, zumal wir gleich sehen werden, dass er damals voll- 
auf mit noch anderen Arbeiten und in anderer Thätigkeit in Anspruch ge- 
nommen war. 



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AI. Meister 



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kam einmal auf diesen Gedanken und Sabbadini, der belesenste- 
Kenner der Humanisten-Literatur, schloss sich dieser Vermuthung 
Urlicbs an, indem er die Bemerkung hinzufügte, die Bezeichnung 
Treverensis erkläre sich leicht, da Cues in der Erzdiözese Trier 
lag. Dagegen lässt sich nichts einwenden und es ist unerfindlich» 
wie man dawider anführen kann 2 ), dass deutsche Urkunden ihn 
nur nach seiner Heimath Cues benannten; deutscher Brauch kommt 
nicht in Frage, zumal da die Bezeichnung Nikolaus Treverensis nur 
in Italien oder bei Italienern vorkommt Es ist klar: in Deutschland, 
in der Heimath, wäre Treverensis für Nikolaus von Cues ein viel zu 
verschwommener Begriff gewesen, da bedurfte man des Heimaths- 
ortes Cues zur näheren Bestimmung; im Ausland dagegen, jenseits 
der Alpen genügte zur Orientirung die Diözese, sie war dort allein 
bekannter Begriff, mit der Bezeichnung Cues hätte man nichts anzu- 
fangen gewusst. Dass später der Name Cusanus sich auch jenseits der 
Alpen einbürgerte, nachdem sein Träger Berühmtheit erlangt hatte, 
das kann hier nicht als Einwurf entgegengehalten werden. Die 
Möglichkeit der Benennung Treverensis für Cusanus ist also nicht 
zu leugnen, indessen damit ist noch kein Beweis geliefert, dass 
wir in ihr wirklich Nikolaus von Cues zu erblicken haben. Um 
diesen strikten Beweis zu erbringen, mögen hier zunächst alle 
diejenigen Quellenstellen Platz finden 8 ), in welchen, soweit mir 



1) Eos, Süddeutsche Zeitschrift für Philologie II (1865): Urlichs, 
Beiträge zur Handschriftenkunde. Urlichs war der Briefwechsel zwischen 
Poggio und Niccoli nicht zugängig, deshalb schrieb er S. 352, Anm. : Ich 
kann leider die Briefe nicht selbst benützen, also auch den Einfall nicht ver- 
folgen, dass jener Nikolaus Treverensis . . . kein anderer war, als der be- 
rühmte Cusanus. 

2) Voigt-Lehnert, Die Wiederbelebung des klassischen Alterthums. 
3. Aufl. 1893, Band I, 257, Anm. 1. 

3) Ich erachte den Abdruck nicht nur zur besseren Veranschaulichung 
meiner Beweisführung für nöthig; er ist vielmehr auch deshalb geboten, weil 
die Edition der Poggio-Briefe von Tonelli in Deutschland selten, Bd. II und 
III in deutschen Bibliotheken allem Anscheine nach überhaupt nicht aufzu- 
treiben sind. Der Direktor der Berliner Bibliothek Prof. H. Willmanns be- 
sitzt ein Privat-Exemplar davon; derselbe ist seit Jahren mit einer Neuaus- 
gabe der Poggio-Briefe beschäftigt, die sehnsüchtig erwartet wird. Auch 
Ho chart, Pauthenticite des annales de Tacite (Paris 1890) behalf sich in- 
zwischen für seine Zwecke mit einem theilweisen Wiederabdruck von ein- 
schlägigen Poggio-Briefen. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 5 

■ 

bekannt, die Bezeichnung Nikolaus Treverensis vorkommt oder auf 
ihn und seine Briefe Bezug genommen wird. 

Nr. 1. Poggio an Niccolo Niccoli 1 ). 

Rom [1427] Mai 17. 
.... De historia Plinii cum multa interrogarem Nicolaum 
hunc Treverensem, addidit ad ea, quae mihi dixerat se habere, 
volumen historiarum Plinii satis niagnum ; tum cum dicerem, vi- 
deret ne esset Historia Naturalis, respondit, se hunc quoque libruni 
vidisse legisseque, sed non esse illum, de quo loqueretur, in hoc 
enim bella Gerraaniae contineri. Quantum ei credendum sit, iu- 
dicabo, cum in lucem venerint, quae retulit de Republica Ciceronis 
et reliquis; adhuc neque despero, neque confido verbis suis, doctus 
est enim, et ut videtur, minirae verbosus aut fallax. Ut audio 
cito in patriam redibit, reversurus adCuriam; tunc omnia cognos- 
cemus apertius. Litterae sunt a quodam socio suo, cui librorum 
raittendorum curam delegavit, se misisse libros Francofordiam, ut 
«xinde Venetias deferreutur .... 

Nr. 2. Poggio an Niccoli 2 ). 

Rom [1427] Mai 31. 
.... Nicolaus Treverensis ita tractatur, ut et pudeat, et 
poeniteat ad Curiam venisse; nil enim obtinnit a Pontifice, ut 
iratus et nobis et libris recedat. Ita ferunt tempora ; tarnen roga- 
bitur, ut saltem Rempublicam restituat Italiae. Ego solus volui 
«liquem mittere in Germaniam, qui curaret libros huc afferri ; sed 
uolunt, qui nolle possunt, et deberent velle .... 

Nr. 3. Poggio an Niccoli 8 ). 

Rom [1427] September 27. 
.... Nicolaus Treverensis nondum recessit. De libris nil 
postea audivi. Heri cum ipsum hac de re interrogassem, dixit se 
nil certi habere .... 



1) Poggü eptstulae ed. coli. etc. Th. de Tonne Iiis, Vol. I, Florenz 
1832, lib. III, ep. 12. 

2) T o n n e 1 i , Poggii ep. I. c. ep. 13. 

3) T o n n e 1 1 i 1. c. ep. 14. 



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6 AI. Meiste r 



Nr. 4. Poggio an Niccoli 1 ). 

Rom [1428] September 21. 
.... Nicolaus Treverensis scribit se alias scripsisse latius der 
libris illis, sed litterae non vcnerunt; itaque incertiores sumus 
quam dudum. Hoc an dicat explicandae rei causa, an se extri- 
candi, nescio. Hoc corapertum habeo illum adfuturum nobis hac 
bieme, et ut opinor cum libris. Scriptum est enim sibi, ut mature 
redeat et libros afferat, quod si faciet liberabimur bac cura .... 

Nr. 5. Poggio an Niccoli 2 ). 

Rom [1428] October 2. 
.... Nicolaus Treverensis cito aderit nobis. 

Nr. 6. Poggio an Niccoli 3 ). 

Rom [1429] 4 ) Februar 26. 
.... Nicolaus ille Treverensis scripsit litteras cum inven- 
tario librorum, quos babet; in his sunt multa volumina, quae 
longum esset referre. Dicit se babere multorum operum Ciceronis, 
in quibus sunt Orationes de Lege Agraria, in Pisonem, de Legibus 
de Fato, et pluria alia ex fragmentatis, quae si essent integra r 
magnum esset lucrum. Item aliud volumen, in guo sunt XX 
opera Cypriani Carthaginiensis; item quod magni facio Agellium,. 
ut putat, integrum, et quo magis gaudeas Q. Curtium, in quo sit 
prirau8 über. De fine nil scribit, sed existimo, postquam prin- 
cipium est, non deesse reliqua; sed hoc parum est. Habet vo- 
lumen aliud, in quo sunt XX comoediae Plauti; hoc ingens est 
lucrum neque parvo aestimandura. Nomina autem comoediarum 
sunt haec cum principiis, si tarnen ipse non erravit; ita enim 
transcripsi ex sua epistula: Plauti in Ampbitruone; alia cui deest 
nomen; in Aulularia; in Euclione; in Captivis; in Baccbidibus; in 
Mustellaria; in Menaecbmis; in Milite; inMercatore; in Pseudolo; 
in Poenulo; in Persa; in Rudente; in Sticho ; in Truculento; in 
Trinummo; incipit: dum bellum gereret amanti argento filio etc. 



1) To n n e 1 1 i 1. c. ep. 19. 

2) T o n n e 1 1 i 1. c. ep. 21. 

3) T o n n e 1 1 i 1. c. ep. 29. 

4) Poggio schrieb 1428; Tonneiii erweist richtig p. 268, Anm. 2» 
dass 1429 gemeint ist. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 7 

Ponit harum comoediarum principia, quae omitto, quia non satis 
diu possum scribere propter lippitudinem oculorum, qui ab scri- 
bendo me impediunt. 

De Republica dicit se deceptum, et illum librum fuisse Ma- 
crobium super Somnio Scipionis; sed tarnen se non desperare, 
quin reperiatur. Ait enim quendam doctum virum dixisse sibi 
ubinam esset, et se quam primum eo profecturum. Inventarium 
caeterorum librorum mittam tibi, cum ocium erit, sunt enim aliqua 
non contemnenda. Verum, quod me torquet, hic non est nunc 
venturus ad Italiam, et interim multa possent accidere impedi- 
menta. Dixi cardinali, ut aliquem mitteret aptum ad portandum 
hos libros, cum non esset expectandus adventus illius; et nisi ita 
fiat, actum est. Ideo concalefacias tuis litteris cardinalem de Ur- 
sinis et ego quoque eum stimulabo. Difficultas sola erit pecu- 
niaria, nam hic homines multifariam frigent , propterea loquaris 
quibuscum tibi videtur. Si pecuniae adessent, modus esset ad 
mittendum aliquem non insulsum, qui sciret convenire bominem 
et libros deferre; tu modo ut placet .... 

Nr. 7. Poggio an Niccoli 1 ). 

Rom [1429 März]. 

.... Sollicito cardinalem, ut mittat pro libris; is missurum 
policitus est post Pascha .... 

Nr. 8. Poggio an Niccoli 2 ). 

Rom [1429] April 2. 
Tu forsitan existimas me negligentem in scribendo tibi notam. 
librorum, de quibus scripsit Nicolaus Treverensis; nihil minus; 
sed indignor aliquando eos, quibus me in rebus gravioribus fa- 
cillimum praesto reddere se mihi in leviusculis difficiliores. Ita 
stomachor persaepe et simulo me negligere ea, quorum sum cu- 
pidissimus. Cum ostenderentur mihi litlerae Nicolai, statim cum 
veni ad nomina Comoediarum Plauti, exclamavi lucrum ingens 
factum, statimque sumpto calamo celeri manu cedulam conscripsi, 
quam ad te mitto bis litteris insertam. Caeteri nihil aestimabant, 
sed a me admoniti, quod non advertebant, coeperunt, ut imperi- 

• 

1) Tonneiii 1. c. ep. 30. 

2) Tonneiii 1. c. ep. 31. 



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AI. Meister 



torura mos est, magni aestimare. Rogavi litteras, ut significarem 
tibi omnia diligentia;, negavit se daturum; iterum legi et praeter 
ea quae ad te scripsi, nil est quod magni faciam. Saepius petivi 
mihi fieri copiam litterarum, quamvis magis tibi quam mihi satis- 
faciendi causa petivi; adhuc non potui habere; procrastinando 
tenuit, aliam ex alia excusationem ferendo. Nicolaus tarnen 
paucos libros nominat, sed dicit se missurum inventariura; id cum 
venerit, scies. 

Nr. 9. Poggio an Niccoli 1 ). 

Rom [1429] Mai 6. 
.... Nescio si ita me levem adhuc vidisti in scribendo, ut 
coniecturare possis me ludendi tui gratia ad te de Plauto scrip- 

S1SSC • • • • 

Nr. 10. Poggio an Niccoli 2 ). 

Rom [1429] Juli 23. 
.... Spero tarnen ut pcrcepi ex litteris Nicolai Treverensis, 
ipsum venturum ad Urbem cum libris circa kalendas novembris, 
et ea fuit causa, cur cardinali non miserit eo unum ex suis 
prout decreverat. Ego autem non solum fui solicitus sed impor- 
tunus, ut ipse quemdam destinaret pro libris .... 

Nr. 11. Poggio an Niccoli 8 ). 

Rom [1429] December 27. 
.... Nicolaus Trevereusis huc venit afferens secum sex- 
decim Plauti comoedias in uno volumine, in quibus quatuor sunt 
ex iis quas babemus : scilicet Ampliitruo, Asinaria, Aulularia, Cap- 
tivi. Duodecim autem ex lucro; hae sunt: Baccbides, Mustellaria, 
Menaechmi, Miles Gloriosus, Mercator, Pseudolus, Poenolus Persa, 
Rudens, Stichus, Trinummus, Truculentus. Has nondum aliquis 
transcripsit neque enim earum copiam nobis facit cardinalis; tarnen 
adhuc nullus praeter me petiit. Liber est Ulis litteris antiquis 
corruptis, quales sunt Quintiliani et multa in multis deaunt. Non 
faciam transcribi, nisi prius illas legero atque emendavero; nam 



1) T o n n e 1 1 i 1. c. ep. 32. 

2) T o n n e 1 1 i 1. c. ep. 39. 

3) T o n n e 1 1 i 1. c. vol. I, lib. IV, ep. 4. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 9 

nibi viri eruditi manu seribantur, inanis erit labor. Verum decrevi 
expectare paulum, antequam amplius de bis loquar cardinali; cum 
enim iustigatur, tumescit; silentio res vilescet apud eum. De 
Agellio et Curtio ridicula quaedam attulit, Agellium scilicet truneum 
et nianeum, et cui finis sit pro prineipio; et unam cbartam quam 
credebat esse prineipium Curtii, rem insulsam, et ineptam; reliqua 
in spongiam abierunt. 

Nr. 12. Der Oameldulensergeneral Traversari *) 

an den päpstlichen Referendar Christoph ep. Cerviens. 

Basel [1435] Oktober 24. 
.... Nicolaus Treverensis homo studiosissimus et librorum 
copia insignis scripsit ad me multumque oravit, ut te interpellarem. 
Signatam sibi boc anno a pontifice praeposituram in ecclesia colle- 
giata adseverat, literasque expediendas plurimis ex familiaribus 
suis maodavi8se, qui se ad id ultro offerebant. Orat ut commen- 
dem dignationi tuae caussam ipsam, ut, si quid forte restat absol- 
vendum, per tuam operam et solertiam fiat. Et qnoniam, ut audio, 
homo est multum eruditus, te oro habeas caussam suam commen- 
datam, quia multum studiis nostris conferre potest eins, quam hic 
mihi literis comparavi, familiaritas. 

Aus diesen Briefen ergiebt sich zwar noch nicht viel für die 
Bestimmung der Persönlichkeit des Nikolaus Treverensis aber 
immerhin mehr, als man bis jetzt angenommen hat. Man hat 
nämlich in ihm einen Handschriftenhändler 1 ), einen Sachwalter 3 ) 
bei der Kurie oder einen Gewerbtreibenden 4 ) erblicken wollen, 



1) Traversari epistulae (ed. M e h u b) III, 48. 

2) L. Pastor, Geschichte der Päpste I, 207. 

3) G. Voigt, Wiederbelebung des klassischen Alterthums I. 257: „es 
ist leider noch dunkel, wer dieser Mann war; man möchte ihn für einen der 
zahlreichen Sachwalter oder Geschäftsträger halten, die immer an der Kurie 
ab und zu gingen. u 

4) P. Hachet, de l'authenticitc des annales et des histoires de Tacite. 
Paris, Thorin 1890, p. 291, Anm. 1: „sur ce personnage, qui entre en scene 
ici et qui doit fournir de si importants manuscrits, nous n'avons aueun 
renseignement ; on ne sait ce qu'il est ni ce qu'il vaut. On peut toutefois 
constater que c'est un industriel, quil a un associe qui demeure dans 
l'ombre, e qu'il est protege par Poggio. 



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AI. Meister 



aber alle drei Bezeichnungen entwerfen ein falsches Bild von ihm, 
die eines Industriellen ist ganz unrichtig, die eines Geschäftsträgers 
ist vorläufig nur Vermutung und unerwiesen — er scheint eher 
seine eigenen Angelegenheiten dort betrieben zu haben — und die 
eines Handschriftenhändlers stimmt nur insofern, als er gelegent- 
lich Handschriften mitbrachte, aber nicht in dem Handel mit solchen 
seinen Lebensberuf fand. Nur dem Kardinal Orsini hat er — ge- 
wiss aus persönlichen Motiven — von seinen Kodizes einige her- 
gegeben, wäre er ein Händler, hätten ihm Poggio und die andern 
sieber Bücher abgehandelt. 

Ich meine, aus der ganzen Art des Verkehrs, in welchem 
Poggio, damals der beste Kenner der lateinischen Klassiker, mit 
Nikolaus stand, aus den Epitheta, doctus, niinime verbosus aut 
fallax, die er ihm ertheilt, sodann aus der Thatsache, dass Nikolaus 
die Handschriften wirklich studirt und beurtheilt, über Inhalt und 
Verfasser urtheilen kann, geht soviel zur Genüge hervor, dass er 
kein blosser Händler, sondern ein gebildeter Literaturkenner ist. 
Dazu kommt dann der Brief Traversaris, worin er ein homo 
studiosissimus und ut audio multum eruditus genannt wird, der 
den Studien der italienischen Humanisten noch von Vortheil sein 
könnte; und schliesslich erfahren wir daraus noch, dass er im 
Jahre 1435 Propst an einer Kollegiatkirche war. 

Diese letzte Thatsache bietet den ersten greifbaren Anhalts- 
punkt, der sich weiter verfolgen Hesse; sehen wir einmal sogleich, 
wie die Lebensgeschichte des Nikolaus Cusanus dazu passt Bisher 
wussten wir zwar nur, dass er im Jahre 1436 zuerst als praepositus 
auftritt 1 ), indess das Propsteibuch von Münstermaifeld, jetzt im 
Staatsarchiv zu Cobleuz, trägt von Cusas eigner Hand die Bemer- 
kung: „Sciendum, quod ego Nicolaus de Koesa decretorum doctor 
anno praefato 1435 decanus et canonicus S. Florini Confl. ad prae- 
posituram monasteriensem electus ..." und darnach ist jeder 
Zweifel daran, dass er wie jener Nikolaus Treverensis in dem- 
selben Jahre 1435 Propst wurde, vollständig ausgeschlossen. 

Indessen, dieses Zusammentreffen ist zwar bemerkenswert!), 
es darf uns aber nicht genügen, es können immerhin zwei ver- 
schiedene Nikolaus der Trierer Erzdiözese in ein und demselben 
Jahre zur Propstvvürde erhoben worden sein. 

1) Birck, Nikolaus von Cusa auf dem Konzil zu Basel. Hist. Jahrb. 
1892, XIII, 779, Anm. 4. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 



11 



Da führt uns ein Brief des Humanisten Guarino 1 ) an Lamola 
einen Schritt weiter, wenn wir ihn mit den obenangeflihrten Brief- 
ausztlgen Poggios vergleichen: 

.... Audivisse debes, ut Cicero de Republica nuper inventus 
sit Coloniae, urbis Germaniae, in bibliotheca pulverulenta, ubi 
pervetusti Codices octingenti carceri mancipati videntur. Eum 
repperit, repertum transcripsit quidam secretarius cardinalis Ursini, 
qui legatus eas obiit regiones. Sic mihi ex Venetiis renunciant 
aliqui certissimni viri .... 

Hier ist Nikolaus Treverensis nicht genannt, die Erwähnung 
des angeblich gefundenen Cicero <le Republica ergiebt indessen 
durch Vergleich mit den obigen Briefen Nr. 1, 3 und 6 den Nach- 
weis, dass der Nikolaus Treverensis mit dem Sekretär des Kardinal 
Giordano Orsini identisch ist. Die Legation Orsini's 2 ) hatte den 
Reichstag in Nürnberg zum Ziel und galt der Bekämpfung der 
hussitischen Lehre, sie Hess ihn am 10. März 1426 von Rom 
abreisen, am 11. Mai in Nürnberg eintreffen 3 ) und dort bis Juli 
verweilen. Nikolaus wird also in diesen Monaten bei dem Kardinal 
beschäftigt gewesen sein; dass er gerade während dieser Zeit den 
Fund in Köln machte, ist nicht unbedingt aus dem Texte zu 
schliessen, sondern nur dass der Finder zur Zeit des Briefschreibers 
als Sekretär des Kardinals bezeichnet wird und ausserdem bietet 
der Brief Nachrichten aus dritter und vierter Hand, die schon so 
entstellt und vergrößert waren, dass man von 800 Codizes redete. 
Ich betone dies, weil Nikolaus von Cues bisher nicht 1426 in 
Köln nachgewiesen werden konnte, wohl aber einige Monate früher 
im Jahre 1425 — ein späterer Aufenthalt ist indessen nicht aus- 
geschlossen. 

Als Nikolaus Treverensis 1427 nach Rom kam, wird er von 
den Humanisten, die seine Ankunft schon gespannt erwartet hatten, 
eifrig über seinen Fund ausgefragt und bestürmt, Handschriften 
oder Abshriften daraus nach Italien zu bringen. Nikolaus ver- 
sprach es und brachte 1429 mehrere nach Rom, darunter den 
berühmten codex Plautinus. Er musste also 1428 in Deutschland 

1) Rem. Sabbadini, Guarino Veronese e gli archetipi di Celso e 
Plauto, p. 35. 

2) Seine Ernennung am 17. Februar 142«. Pastor, Gesch. d. Päpste I, 
208, Anm. 4. 

3) Deutsche Reichstagsakten VIII, 284. 



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12 



AI. Meister 



die Vorbereitungen dazu treffen, das Inventar der ihm zugängigen 
Bücher anfertigen und nach Italien schicken und die gewünschten 
Handschriften, soweit sie nicht in seinem Privatbesitz sich befandet), 
erwerben oder abschreiben. 

Und hier begegnen wir zum dritten Male den Spuren des 
Nikolaus von Cues, auch er ist im Jahre 1428 in seiner Heimath 
eifrig damit beschäftigt, Handschriften zu kopiren 1 ). 

Doch sind dies alles bisher nur Berührungspunkte, welche 
die Gleichheit der Personen wohl wahrscheinlich machen können, 
einen wirklichen Beweis können wir erst liefern, wenn wir unseren 
Nicolaus Treverensis in einem Schreiben des humanistischen 
Erzbischofs von Mailand Franz Pizolpassus als vir theutonicus 
wiedererkennen ! 

Franciscus Pizolpassus an Petrus Candidus Decembrio 2 ). 

[Basel Mai-Juni 1437.] 
.... De Ariopagita tarnen latius videbis per cedulara bis 
inclusam conscriptam ex viro graeco perito apud nos praesenti: 
concordat sententiae tuae. Quod autem nos scripseramus ad te 
aliquando fuisse locum bellicum seu ad concertationem animalium 
et sanguinem quia orio pagos dicitur belli deus etcetera ut in 
eedula, retinemus id habuisse dudum ab aurispa viro graece 
latineque perdocto. Habetur et in legendis sanctorum, ut Tiburtii 
et Valeriani, qui ducti fuerint occidi ad pagum. Habuimus etiam 
post responsionem tuam a viro bene perito etiam locum fuisse 
interdum nuncupatuni pestilentiae ut ad quem dudum epidemia 
infecti deferentur. Graecus vero ita respondet, ceu vides, cetera 
nihili faciens. Habet vir iste peritus theutonicus, de quo praemisi- 
mus, libros copiosos in graeco etiam cum latino et vocabulorum 
et omnis grammaticae seriosissime litteris vetustis descriptos. Is 
est a quo Donatum in Terentium tuleramus in patriam. Anhe- 

1) Von den 1428 geschriebenen Handschriften ist nicht nach Italien 
gewandert der jetzt noch in Cues befindliche Codex D. 26. Ein Versuch, 
diesen Codex nach Bonn geschickt zu erhalten, scheiterte. Auf eine Anfrage 
meinerseits und ein Schreiben der Bonner Universitätsbibliothek, alle Garan- 
tieen bietend für Aufbewahrung und Rücksendung des Codex, fühlte sich der 
zeitige Rektor des Cueser Nikolaus - Hospitals und Verwalter der dortigen 
Bibliothek nicht einmal veranlasst, zu antworten! 

2) Sabbadini, storia e critica di alcuni testi latini im Museo italiano 
di antichitä classica vol. III, 412, ep. III. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 13. 



lamus ad aliquorum vel saltem alicuius utilioris transcriptionem; 
sed nemo coniperitur hic idoneus. 

Der hier erwähnte Donatus-Kommentar war von dem Gräzisten 
des Florentiner Humanistenkreises Giovanni Aurispa in Mainz im 
Jahre 1433 entdeckt worden 1 ), und der vir iste peritus theutonicus 
hat demnach die Beschaffung des Codex nach Italien vermittelt 2 ). 
Nun aber verdanken wir dem unermüdlichen Sammeleifer Sabba- 
dinis noch einen zweiten Brief desselben Pizolpassus 8 ), der auf 
den Inhalt des obigen Briefes und den Donatus-Komentar zu 
Terenz Bezug nimmt und aus diesem geht klar hervor, dass dieser 
vir theutonicus niemand anders war als Nikolaus von Cues. 

Franciscus Pizzolpassus an Petrus Candidus Decembrio 4 ). 

[Basel 1437 Juni- Juli.] 
.... Abest autem Nicolaus noster de Cusa, ad quem spec- 
tabat codex Donati Terentiani, unde tu multa pervigilique lucubra- 



1) In queste iorne passate sono andato fino a Cologna et da Cologna 
ad una terra, la quäle se chiama Axi .... A Nicolai, lu quäle honorai et 
hebbe sempre per mio padre ve prego me accommendate prima, da poi 
dirrete che lu mio andare verso Cologna non e stato senza fructo, perö che 
io ho trovato in una bibliotheca a Magunza un codice in lu quäle si e un 
panegyrico de Plinio a Traiano de lu quäle non lesse mai piü suave cosa, 
et in eodem codice sunt : „panigyrici aliorum atftorum ad diversos Caesares." 
Ho trorato ancora un commento de Donato supra Terentio, lu quäle nullo 
erudito lesse mai sensa grande voluptate. In Cologna trovai io „Consulto 
de arte dicendi" rem quamdam singularem. Habemus hic Plinium cuius titulus 
est „Phisica Plinii" sed tractatus est in raedicinis .... Vergl. Sabbadini 
biographia di Aurispa p. 65. 

2) Die Bemerkung Sabbadinis, dass der Codex in Händen des Cusa 
blieb, der jetzt Gesandter Kaiser Sigismunds war und als solcher den Codex 
padroniren konnte, ist ein nicht bewiesener Erklärungsversuch ; es ist dabei 
nicht ersichtlich, welche Zeit er im Auge hat, 1433 war Cusa nicht kaiser- 
licher Gesandter. Vergl. Sabbadini in den Studii italiani classici IT, 16. 

3) Cusa hat demnach auf dem Baseler Konzile in regem Verkehr mit 
den dort anwesenden Humanisten gestanden. Pizzolpassus und der Bischof 
Alfonso von Burgos in Spanien konnten kein Griechisch; sie beschäftigten 
sich mehr mit philosophischen Untersuchungen und korrespondirten mit 
Bruni in Florenz, mit Poggio in Bologna und Ferrara und mit Candido 
Decembrio in Mailand. Vergl. Sabbadini, storia e critica di alcuni testi 
latini im Museo italiano, die antichitä classica vol. III, 407 f. 

4) 1. c. vol. III, 415, ep. IX. 



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14 AI. Meister 

tione Phormionem extorquisti, vir siquidem aliquando introductus 
graecae linguae, ceterum alias eruditissimus, universalis et magnae 
eapacitatis, infinitoruai voluminum studiosissimus et indigator con- 
tinuus dotatusque inter alia voluminibus graecis fecundissime et 
ex quibus, ut asserebat omnis vocabulorum veritas etiam declarata 
latine eisdem codicibas facile possit baberi .... 

Ich glaube, es kann nicht zweifelhaft sein, dass wir in dem 
vir theutonicus unseren Nicoiaus Treverensis wieder finden; er 
erscheint hier in derselben Eigenschaft, in denselben Beziehungen 
'zu den Humanisten, er wird mit Achtung von ihnen genannt, er 
besitzt wie jener eine reiche Bibliothek, und das ist zu der dama- 
ligen Zeit doch noch eine grosse Seltenheit. Der vir theutonicus 
ist aber Nikolaus von Cues und nun erinnere man sich noch ein- 
mal, dass die Daten des Nicolaus Treverensis vortrefflich zu 
Nikolaus von Cues passen; alles dies wird wohl genügen, um die 
Identität der beiden Personen zu erharten. 

Fragen wir uns noch kurz: was haben wir dadurch für 
Nikolaus von Cues gewonnen? 

Vor allem erscheint uns jetzt Nikolaus von Cues im Lichte 
des Humanismus. Es konnte ja auch gar nicht anders sein, als 
dass ein so heller Kopf wie Nikolaus sich später erwies, schon in 
der mehrjährigen italienischen Studentenzeit in Padua von dem 
frischen Hauche der Renaissance nicht unberührt geblieben war. 
In Padua hatte ja schon der Humanismus eine eingebürgerte 
Heimstätte. Das Mäzenat der Fürsten aus dem Hause Carrara 
hatte an der Universität Lehrkanzeln für die Alterthumswissen- 
schaften ins Leben gerufen; als die Carrara gestürzt waren, hatte 
Venedig mit der Uebernahme der Universität auch die Erbschaft 
iin Mäzenatenthume übernommen und durch literarisch gebildete 
Podesta die humanistische Strömung gefördert. In diese Zeit, ins 
Jahr 1413 fällt ja dort der bekannte Liviuskult, der das Volk, die 
Beamten und die Gelehrten ergriff. Man glaubte die Gebeine des 
Livius gefunden zu haben, Alles strömte zur Stätte, eine feierliche 
Translation erfolgte, bei welcher der Lorbeer nicht fehlen durfte, 
kurz „Padua nahm die heidnische Reliquie mit einem patriotischen 
Taumelauf" 1 ); — das ist so ganz Atmosphäre der Renaissance, 
die in diesem Vorgange zu Tage tritt. 

1) Vergl. darüber Voigt, Wiederbelebung des klassischen Alter- 
thums I, 437. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 



15 



Wir wissen nicht genau, wann Cusa nach Padua kam; 1416 
war er in Heidelberg immatrikulirt, 1423 hat er in Padua seine 
juristischen Studien mit dem doctor decretorum beschlossen, er mag 
von 1418—1423 dort studirt haben. Dann aber hatte er noch 
Gelegenheit gehabt den später so berühmten Pädagogen Vittorino 
da Feldre dort zu sehen, der noch 1422 in Padua einen Lehrstuhl 
für Rhetorik und Philosophie inne hatte; dann musste auch die 
Erinnerung noch wach sein an Gasparino Barzizza, an Guarino 
und Filelfo, die kurz vorher an dieser Universität gewirkt hatten. 

Und nun wissen wir 1 ), dass Cusa in Padua ein enges Freund- 
schaftsbündniss schloss mit Paolo del Pozzo Toscanelli, der später 
als humanistisch gebildeter Astronom von Florenz sich einen Namen 
machte — seine Neigungen dürften daher von denen des Freundes 
so verschieden nicht gewesen sein. Und Julian Cesarini lehrte 
klassische Literatur und Philosophie, und Cusa nennt ihn seinen 
Lehrer und hebt besonders an ihm hervor 2 ) seine Kenntniss in 
der römischen und griechischen Literatur — kein Zweifel: Cusas 
geistige Ausbildung stand in Padua unter dem Zeichen des 
Humanismus. 

Ein so reicher Geist wie er konnte sich nicht beschränken 
auf sein Fachstudium, die Vorliebe für klassische Literatur, und 
Mathematik fand Raum daneben, und so erklärt sich sein erster 
Bücherfund in Köln 1425 oder 1426; frühe humanistische Neigung 
und Befähigung lenkten seine Schritte. 

Er hat es denn auch später auf die Dauer bei der Juristerei 
nicht ausgehalten. Ob gerade der Verlust eines (ersten) Prozesses 3 ) 

1) Vergl. Uebinger, Die mathematischen Schriften des Nikolaus Cu- 
8anus im philos. Jahrb. 1895, VIII, 303. 

2) Vorrede der „docta ignorantia" des Nicolaus von Cues. 

3) Soviel ich sehe, geht diese in die Cusa-Literatur übergegangene 
Notiz zurück auf Jean de Muller, bistoire de la contederation suisse, 1840, 
tome IV, 3ii. J. v. Müller, stützt sich dabei auf die Invectiva Gregorii Heim- 
burg, aber in derselben steht nichts von einem „ersten" Prozess. Vergl. 
Freher, Scriptores rer. Germanicarum II, 255: Te vicit quandoquidem in 
Sede Moguntina expugnata haereditatis petitione directa ex testamento a 
parte tua instituta, tu ad legatum apostolicum concilio praesidentem appellasti 
ac inibi vigore scedulae codicillaris ac fideicommissariam convolasti, nescius 
quod alterius electione remedii tollitur alterum. A Gregorio repulsus ru- 
boreque confusus bellum perpetuum sacris legibus indixisti, cum desperasses 
in facultate Iuris a modo praelucerare posse, honestiorem causam desertioni 



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AI. Meister 



durch einen Formfehler den letzten Ausschlag gab, das mag dahin- 
gestellt bleiben; sicher war der Geist seiner juristischen Auffassung 
ein anderer, als derjenige der Mainzer Gerichtspfleger. Es würde 
eher zu verwundern sein, wenn er in der Jurisprudenz seiner Zeit 
volle Befriedigung gefunden hätte, die einen Wust von summae, 
glossae und lecturae mit sich schleppte x ) und im höchsten Maasse 
verknöchert war: 

Begreiflich ist es daher, dass er sich höhere Ziele steckte, 
dass er in die Weite strebte. 

Er ist 1424 in Rom und er wird wohl dort eine Beschäfti- 
gung, vielleicht eine der bei den Humanisten so beliebten Sekretär- 
stellen an der Kurie gesucht haben 2 ). Im folgenden Jahre ist er 
in Köln und hat dort Kunde von den daselbst vorhandenen Klas- 
sikerhandschriften erhalten. Die Verbindungen aber, die er in 
Rom angeknüpft hatte, riefen ihu schon 1426, als Kardinal Orsini 
nach Deutschland kam, in dessen Nähe. Ein Sekretariat bei 
einem Kardinal galt vielfach als Vorbereitung für eine Kurial- 
stelle; manch anderer hatte erst durch diese Vorstufe, nachdem 
er sich bewährt hatte, seinen Eingang in die päpstlichen Aemter 
gefunden ; auch Poggio, der Nestor der römischen Humanisten, war in 
früheren Jahren erst Privatsekretär eines Kardinals, des Erzbischofs 
Landulfo von Bari gewesen, ehe er päpstlicher Sekretär gewor- 
den war. 

Kardinal Giordano Orsini war nun aber ein eifriger Förderer 
aller humanistischen Bestrebungen: er war reich genug, um den 
Jüngern der Kunst und Wissenschaft ein Mäzen sein zu können 3 ). 
Kosten scheute er nicht, wenn es galt einen werthvollen Codex 
zu erwerben; wer sich bei ihm in Gunst setzen wollte, brauchte 

praetendens ad Theologiam confugisti, cuius factus abortivus, tandem mathe- 
maticis superstitionibus putas verae religionis saora demonstrare. Wenn die 
Appellation an den Konzilslegaten auf Wahrheit beruht, kann der Prozess 
nur während des Konzils oder kurz vorher stattgefunden haben, kann also 
kaum der erste sein, sofern Cusa 1423 in die Praxis eintrat. 

1) v. Schulte, Geschichte der Quellen und Literatur des kanon. 
Rechtes II, 473. 

2) Dies vermuthet auch Sabbadini, la scuola e gli studii di Guarino 
Guarini Veronese p. 103. 

3) P. de Nolhac la bibliotheque de Fulvio Orsini, bibl. de l'ecole 
des hautes etudes t. 74 nennt ihn einen bibliophil distingue und berichtet 
uns: il legua pur l'usage public ses livres estimes 8000 ducats. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cuee. 17 

ihm nur seltene Bücher zu beschaffen; bei seinem Tode hatte er 
so 254 zum Theil wichtige Handschriften zusammengebracht 1 ). 
Wir können immerhin das Körnchen Wahrheit herausschälen aus 
der panegyrischen Apostrophe, die Lapo da Castilioncho, der Schüler 
Filelfos, bei Ueberreichung seiner Plutarch-Biographie an Orsini 
richtete, wenn er darin sagt 2 ): Die Schätze der Wissenschaft, die 
Denkmale der Gelehrsamkeit, die überreiche Fülle der Schriften 
die unsre Vorfahren uns hinterlassen hatten, ist vernichtet und 
untergegangen ! Dürftigkeit und Lückenhaftigkeit trat an ihre 
Stelle. Ich will an die einzelnen nicht denken und erinnern; 
wo sind die Tragiker, Satyriker, wo die Lyriker und Elegiker, 
die allein deine Stadt hervorgebracht hat! wohin sind sie 
entschwunden ! Aber in dieser meiner grossen Betrübniss tröstet 
mich das Einzige noch, dass ich hoffen darf, Gott der Unsterbliche 
hat unserer Noth und Schwierigkeit endlich etwas abhelfen wollen, 
indem er dich uns gab. Kein Zufall ist deine Geburt, sondern 
von der Vorsehung für dieses Zeitalter bestimmt. Du hast arme 
Studirende mit Eifer und Mühe, mit Sorgfalt und deinem Vermögen 
unterstützt. Du bist seit vielen Jahrhunderten der Erste, der die 
lateinische Sprache nicht nur wieder aufzurichten sich bestrebt, 
sondern auch grossentheils schon wieder aufgerichtet hat. Du 
hast in deinem sinkenden Alter die theuersten und gefahrvollsten 
Reisen in die entferntesten Gegenden unternommen, um die ver- 
borgen liegenden Schätze des Alterthums aufzufinden. Du allein 
hast viele grosse Männer der Vorzeit der Vergessenheit entrissen 
und hast' nicht bloss unbekannte Werke von bekannten Autoren, 
sondern auch solche Schriften an den Tag gebracht, von deren 
Verfassern wir nicht einmal die Namen gelesen und gehört hatten. 
Du allein hast durch deine Bemühungen eine so grosse Menge 
von Schriften zusammengebracht, dass sie hinreichen, die Gelehrten 
von mehr als einer Stadt zu beschäftigen. 

Dieser humanistische Kardinal also nahm sich des jungen 
Cusa an; kein Wunder dass dieser da von selbst noch mehr in die 
Moderichtung der Renaissance-Bewegung gerieth. An der Kurie 

1) 'Dudik, iterRomanum I, 82, bemerkt, dass Orsini bei seinem Tode 
1438 der Basilica Sti Petri 254 Bände schenkte; er wurde so der Gründer 
der Bibliothek von St. Feter, die heute kaum 390 Nummern übersteigt. 

2) Mehus, Traversari ep. et vita vol. I, 397. Vergl. auch Pastor, 
Geschichte der Päpste I, 208. 

Annalen des bist. Verein* LX1II 2 



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18 AI. Meister 

wirkten ja schon zur Zeit seines Aufenthaltes in Rom die Huma- 
nisten Poggio, Loschi, Cenci und Bart, da Montepulciano. Da sah 
er wie von dem Kardinal und diesen Humanisten so grosser Werth 
auf die Gewinnung alter Handschriften gelegt wurde, da sah er 
lebhafte Schreiberthätigkeit im Kopiren und Entziffern alter Schrif- 
ten, da lernte er schätzen, welch ein Lebensnerv der Renaissance 
in der Ansammlung einer Bibliothek beruhte. 

Und so wird auch er zum humanistischen Sammler und zum 
Kenner der Klassiker, von dem ein hervorragendes Mitglied des 
Florentiner Humanistenkreises, Traversari, selbst schreibt, dass er 
ihren Studien noch Nutzen bringen könnte 1 ). Er hat sich ganz 
die Neigungen dieser Italiener zu eigen gemacht, er sucht jetzt in 
Deutschland nach Handschriften, wie er es in Italien gesehen hatte; 
möglich, dass er auch im direkten Auftrage Orsinis seine Nach- 
forschungen anstellte. Sein Kölner Handschriftenfund hatte die 
italienischen Humanisten in fieberhafte Aufregung versetzt, je 
weiter die Nachricht drang desto mehr wurde sie aufgebauscht, 
man sprach von 800 Codices und darunter ein Cicero de Republica! 

An der Seite des Kardinals Orsini auf dessen deutscher Ge- 
sandtschaftsreise wird er neue Anregungen erhalten haben. Wenn 
auf die Nachricht Werth zu legen ist, dass er den Kölner Fuud 
als Sekretär Orsinis machte, dann dürfte der Zusammenhang der 
sein: er hatte 1425 bei seiner Anwesenheit in Köln wohl schon 
etwas von einer unbekannten und vernachlässigten Bibliothek 
daselbst erfahren, nach Rücksprache mit dem Kardinal ging er 
noch während des Nürnberger Reichstages oder unmittelbar nachher 
— jedenfalls zu einer Zeit wo man ihn noch secretarius cardinalis 
nennen konnte — abermals nach Köln, dringt in diese Bibliothek 
ein und entdeckt dort die Klassikerhandschriften. 

Als er dann wieder in Rom anlangte 2 ), setzte sich Poggio 
sogleich mit ihm in Verbindung, Hess sich über seine Nachfor- 
schungen berichten und gelangte dabei zu dem Urtheil, dass Niko- 
laus ein wohlgelehrter Mann sei und durchaus zuverlässig. Man 
darf vielen Werth legen auf dieses Urtheil Poggios, er war damals 
der beste Kenner der lateinischen Klassiker; er war wiederholt 
von Leuten, die er für sich in Kontribution setzte, getäuscnt und 



1) Siehe den obigen Brief auszug Nr. 12. 

2) Er ist im Mai 1427 dort. Vergl. oben Nr. 1. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 19 

id die Irre geführt worden ; dadurch roisstrauisch gemacht sah er 
sich jetzt seine Leute genau an, ehe er ein Urtheil Uber sie fällte 
und sich mit ihnen in gemeinsame Nachforschungen einliess. Mit 
Nikolaus aber begann er sofort eingehende Unterhandlungen, er 
veranlasste ihn in Deutschland noch einmal nachzuprüfen, ob der 
Codex wirklich Ciceros De Republica enthalte und musste infolge- 
dessen allerdings später von ihm erfahren, dass diese Vermuthung 
auf Irrthum beruhte und dass die Handschrift sich als das Somnium 
Scipionis, wie ihn Macrob tiberlieferte, herausgestellt habe. Dafür 
aber eröffnete sich für Poggio eine neue Uberraschende Perspektive. 
Nikolaus von Cues glaubte damals ein umfassendes Geschichts- 
werk des Plinius zu kennen und als ihm Poggio entgegnete, es 
werde die Naturgeschichte des Plinius sein, verräth uns Nikolaus, 
dass er auch diese gelesen habe, dass er aber nicht sie sondern 
•eine andere Schrift meine, welche die germanischen Kriege enthalte. 
Poggio war lange in Spannung darüber, ob sich diese Hypothese 
bestätigen würde, das Resultat einer erneuten Untersuchung seitens 
des Cusanus erfahren wir indessen leider nicht, und heute nimmt 
man an 1 ), dass es die ersten Bücher der Annalen des Tacitus 
gewesen seien, die ja in Handschriften, ohne einen Namen zu 
tragen, gesondert von den kleinen Schriften des Tacitus existirten. 

Dafür aber entschädigte Nikolaus die römischen Humanisten 
durch eine andere Entdeckung, die bald das weiteste Aufsehen 
erregen sollte. 

Er war, ohne seinen, leider uns nicht völlig durchsichtigen, 
Zweck erreicht zu haben, wieder nach Deutschland zurückgekehrt; 
nach Poggios Bericht 2 ) soll er sehr verstimmt Uber seinen Miss- 
Erfolg gewesen sein, so dass Poggio glaubte befürchten zu müssen, 
dass er in seinem Grolle auch den humanistischen Bestrebungen 
jetzt sich unzugängiger zeigen wUrde. Er unterhandelte zwar vor 
seiner Abreise noch einmal mit ihm Uber die Handschriften in 
Deutschland und auch Orsini wird ihm wohl entsprechende Instruk- 
tionen mit auf den Weg gegeben haben, aber Poggio hielt es 
unter diesen Umständen doch für gerathener, dass ein besonderer 
Bote ihm nachgeschickt würde. Wiederholt drang er in den Kar- 
dinal Orsini und bat auch seinen Florentiner Freund Niccoli das- 



1) Voigt, Wiederbelebung I, 251/2. 

2) S. o. Nr. 2. 



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AI. Meister 



selbe zu thun und wirklieb verspricht auch Orsini endlich eine» 
solchen an Nikolaus von Cues nach Ostern 1429 abzusenden und 
nur die schliessliche Nachricht, dass Nikolaus wieder nach Rom 
komme, machte die Ausführung dieses Versprechens überflüssig. 

In der Heimath schrieb Nikolaus in der Zwischenzeit Hand- 
schritten ab 1 .), und fertigte ein Verzeichniss der Bücher an, die 
ihm entweder selbst gehörten, oder doch leicht zugänglich waren 2 ) 
und dieses sandte er nach Rom. Sogleich fiel darunter Poggio ein 
Codex mit 20 Komödien des Plautus auf; das ist ein grosser 
Gewinn, nicht gering anzuschlagen, ruft er aus; und diese Ent- 
deckung war so erstaunlich, dass Niccoli in Florenz glaubte Poggio 
habe sich durch diese Nachricht mit ihm einen Scherz erlauben 
wollen. 

Um die Weihnachtszeit 1429 kam dann Nikolaus von Cues 
wieder nach Rom und brachte neben anderen Handschriften den 
Plautuscodex mit 16 Komödien mit 8 ). Sogleich begann ein Sturm- 
laufen nach demselben, die namhaftesten Humanisten setzten ihre 
schreiblustigen Federn in Bewegung, um eine Abschrift der unbe- 
kannten Komödien zu erhalten. Aber lange waren alle Bemühungen 
umsonst, der Kardinal verweigerte die Herausgabe 4 ) ; er wollte selbst 
die Ehre beanspruchen, sie transcribirt zu haben 6 ). Selbst Fürsten 
bemühten sich vergebens darum. Erst als der gewaltige Lorenzo 
Medici nach Rom kam, da gelang es ihm auf kurze Zeit die Hand- 
schrift nach Florenz zu entleihen, wo sie Niccoli eiligst kopirte. Noch 



1) Manuskript D. 2ß in der Bibliothek des dieser Hospitals. 

2) Scripsit litteras cum inventario librorum, quos habet, schreibt 
Poggio; ich weiss uicht, ob man daraus schliessen darf, dass er sie selbst 
besass. S. o. Nr. 2. 

3) Den Plautusfund erzählt nach den Poggio-Briefen Ritsehl „über 
die Kritik des Plautus" (Rheinisches Museum für Philologie IV 183ü), an 
Nikolaus vou Cues dachte er noch nicht. 

4) Vergl. darüber Voigt, Wiederbelebung etc. I, 258. 

5) Tonneiii, Pogii ep. lib. IV, 11 und 17, besonders: transcribitur 
modo, donoque mittetur duci Mediolanensi (d. i. Philipp Maria Sforza) qui cum 
per literas postulavit. Marchio item Ferrariensis (d. i. Lionello Markgraf 
v. Este) petiit; dabitur Ulis sed ita corruptus, ut vere barbaris redire post 
liminis videatur. Cupit homo noster (d. i. Cardinal Orsini) tamquam triumphi 
honorem ex hoc libro, ac si ipse illum tuo studio aut impensa reperisset. 
Rogavit Autoniaem Cuscum (Loschi) ut in prineipio adderet aliquid, quo 
constaret tantae rei fama. 



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Die humanistischen Anfänge des Nikolaus von Cues. 



21 



foeute ist der von Nikolaus von Cues stammende Plautuscodex 
erhalten, es ist der von Ritsehl als D bezeichnete jetzige Cod. 
Vaticanus lat. 3870. 

Dass Nikolaus auch weiterbin mit den italienischen Huma- 
nisten in Verkehr blieb, das geht aus dem oben mitgetheilten l ) 
Briefe Traversaris vom Jahre 1435 hervor. Und daher stammt seine 
Vorliebe für die klassische Literatur 2 ), deren Studium er später 
wiederholt empfiehlt. 

Das humanistische Italien hatte also in diesen zwanziger 
Jahren den Löweuautheii an seiner geistigen Ausbildung gehabt. 



1) S. o. Nr. 12. 

2) Er betont sein Quellenstudium und Zurückgehen auf das Alterthura, 
z. B. in der Vorrede der „Concordantia catholica." 



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lieber den Arnoldswald bei Jülich. 

Von 

Dr. Armin Tille. 



Nur weniges ist bisher über Verfassung und Geschichte des 
grossen „Bürgenwaldes", der sich von Kerpen und Manheim bis 
Angelsdorf und Zier an der Grenze der heutigen Kreise Bergheint 
und Jülich hinstreckte, bekannt geworden. Ausser Dornbusch in 
seinem Aufsatze „Die Zievericher Burgen" 1 hat meines Wissens nur 
ArnoldSteffens in seinem interessanten Buche vom heiligen 
Arnoldus 2 darüber gehandelt. Zwanzig Dörfer sind an dem ge- 
nannten Walde berechtigt, und die mit der Person des heiligen 
Arnold innig verknüpfte Legende macht ihn zu einem Geschenke 
Karls des Grossen für die armen Gemeinden 3 . Die älteste Hand- 
schrift der Acta s. Arnoldi, welche aus Paderborn stammt, gehört 
erst dem 14. Jahrhundert an. Steifens kommt mit Rücksicht auf 
die Namensformen der erwähnten Dörfer zu dem Ergebniss, die 
Lebensgeschichte sei im Anfang des 12. Jahrhunderts verfasst 
(S. 58). Wir kennen jedoch schon eine urkundliche Stelle aus 
dem Jahre 922, welche aller Wahrscheinlichkeit nach von der Be- 
rechtigung der Gemeinde Niederzier am Btirgenwalde handelt, 
denn kein anderer kann den Verbältnissen nach unter der communis 
Silvas verstanden sein 4 . Zwei weitere Urkunden vom Anfang des 

1) Annalen des bist. Vereins Heft 31 (1877), S. 27. 

2) Steffens, Arnold „Der heilige Arnoldus von Arnoldsweiler". Aachen 
1887. 137 S. 8°. 

3) Vgl. Acta s. Arnoldi confessoris (saec. IX) in pago Arnswiler in agro 
Iuliacensi auetore anonyme — Acta sanetorum Bolland. Juli Bd. IV. (18. Juli) 
Antverpiae 1725. p. 449—152. Dazu Analecta Bollandiana, tom. IV (1885), S.350. 

4) Siehe Annalen d. hist. Vereins Heft 2B/27, S. 338. Die Urk. ist 
vom 11. Aug. und betrifft das Stift St. Ursula zu Köln und dessen Besitz 
daselbst. 



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Ueber den Arnoldsvvald bei Jülich. 



23 



14. Jahrhunderts erwähnen unseren Wald direkt: die erste vom 
10. Januar 1301 1 sagt .... silvam sitam ex una parte juxta silvam 
que dicitur Burgele et alia parte juxta Faffenvorst, die zweite vom 
1. September 1306 2 , welche deutsch abgefasst ist, nennt die Bur- 
gele und auch die hültzgenosen und spricht von der Vertheilung des 
gemeinsamen Holzes. Von den jüngeren Urkunden ist bisher nur 
die des Herzogs Wilhelm von Jülich vom 18. März 1360 (Steffens, 
S. 43 — 45) gedruckt; sie handelt von der alten Verpflichtung der 
Gemeinden zur Lieferung von Wachskerzen an die Kirche zu 
Arnolds weiler van der Bürgen, die wylne was genant der Schwarte- 
ivaldt. Die jüngeren Jülich'schen Privilegien und die Holzordnung, 
die in mehreren Copien des 16. und 17. Jahrhunderts vorhanden 
ist, sind hingegen noch nicht veröffentlicht worden. Material in 
dieser Richtung enthält das Ptarrarehiv zu Arnoldsweiler und das 
reiche Archiv der Freiherrlichen Familie von Bongart zu Schloss 
Paffendorf 3 bei Bergheim, sowie das Archiv des Freiherrn Franz 
von Bourscheidt zu Haus Rath bei Arnoldsweiler. Unter den 
ziemlich umfänglichen Akten über Buschangelegenheiten, die 1667 
einsetzen, findet sich zu Paffendorf ein Quartheft, welches 1605 
angefertigt ist und nach den Originalen der Schöffenkiste zu Paf- 
fendorf die Waldprivilegien von 1360, 1512, 1545, 1557, 1562 und 
1573 enthält. Ausserdem finden sich in anderen Abschriften Ord- 
nungen für den Bürgenwald von 1531 und 1657. 

Als Ergänzung unserer jetzigen Kenntniss über den Bürgen- 
wald wird unter diesen Umständen eine Aufzeichnung aus den 
Jahren 1712 — 1718 interessiren , welche sich in einem Rentver- 
zeichniss 4 des Pfarrarchivs zu Niederembt (Kreis Bergheim) vor- 
findet. Es ist anscheinend eine Privataufzeichnung des damaligen 
Pfarrers zu Niederembt, der zur Wahrung seiner Rechte vom Ver- 
lauf einiger Holzgedinge erzählt und uns darin über die Verfas- 
sung des Waldes mancherlei interessante Aufschlüsse giebt, welche 
in dieser Klarheit mit so viel Einzelheiten ausgestattet nur selten 
ein Weisthum zu geben vermag. Es mag deshalb der gesammte 
Eintrag, wie er sich auf S. 89 und 90 des genannten Registers 

1) Lacomblet, Urkundenb. III, S. 10—11. 

2) Ebenda III, S. 34/35. 

3) Vgl. Uebersicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rhein- 
provinz II (1897) Kreis Bergheim. 

4) 1 Heft, fol. Pap. in Perghs. als Umschlag, enthaltend Pfarreirenten, 
Anniversarien u. a. 17. u. 18. Jhhdts. 



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24 



Armin Tille 



findet, in seinem Wortlaute unten folgen. Zur allgemeinen Orien- 
tirung 6ollen hier nur noch die Namen der 20 Dörfer angegeben 
werden, wie sie der erwähnte Paderborncr Codex der Acta s. 
Arnoldi aufzählt. Es sind Arnoldsweiler — Wilrc, Ellen- -Ellin , 
Oberzier— Gyrin superior, Niederzier— Cyrin, Lieh — Ligch, Ober- 
embt — Embe superior, Niederembt — Embe, AngeUdorf—Angilsdorp, 
FAsdorf—Egilsdorp, Paffendorf— Baffindorf, Glesch— Glessin, Hep- 
pendorf— Eppindorp, S'wdort'—Sigendorp. Manheim— Manhem, Ker- 
pen — Kerpin, Blatzheim — Bladeshim, Golzheim — Godilshim, Buir— 
Burin, Morschenich— Moirsaean, Merzenich - Mcrccnnych. Steffens 
giebt S. 53 auch die Namensliste, aber in der Schreibweise, welche 
die Stockheimer Haudschrift der Acta s. Arn. (Abschrift der ver- 
schollenen aus Arnoldsweiler, welche 1832 dort noch vorhandeu 
war) aufweist. 

Verfolg von deren herrn pastoribus ihrer gerechtigkeit auf 

der Bürgen. 

Anno 1712 seind die brachten der Bürgen besessen worden 
zu Elstorff auf dem trepgen im octobri bis in den advent, wobei 
sich eingefunden beide holtzgräffen freiherr W.(?) von Bongardt 
von Paffendorff, ambtman, und her von Hochstäden, freiherr von 
Speess zu Raath, vorstmeister, herr von Schmidtberg von Stammelen, 
herr von Brachel von Bremeren, herr von Horst zu Laach, herr 
pastor Paulus Sültz in Niederembt, Matthias Müller, scheffen zu 
Verckerhoffen, ex parte Serenissimi Electoris, herr von Hompesch 
oberjagermeister, herr Schlosser, brttchtemeister, gerichtschrieber 
von Eschwieler, mit dem procuratore Goldtstein aus Düren. Den 
entfang deren brächten betten sollen haben einer von den erben 
und dan der keller von Hamich, wielen aber dieser den empfangen 
(ohne nachdenken allein gehabt), so seind von den brächten die 
dioeten nicht ausgeliffert: so in allem seind gewesen 400 gold- 
gulden, von denen uns versprochen alle tag dioeten von Ihro gnaden 
hem ambtman von Bongardt, aber nichts bekommen von 38 tag; 
die ursach ist: wielen die hem beerbten den empfang allein den 
keller zu Hambach vergönnet, widrigens werde sein erfolgt, wan 
einer von den beerbten darzu wurde sein verordnet zum empfang 
der brächten. 

Anno 1714 den 8. Septemb. (nach absterben des holtzgräffen 
freiherrn von Bongarth) bin mit zu der Bürgen gehörigen pastoribus 
vom förster eingeladen nach Elstorff zu der iuftherberg, umb den 



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lieber den Arnoldswald bei Jülich. 



25 



13. lauffenden monatz einen neuen holtzgräffen zu erwehlen : so 
seind stuhl und ein tisch umb zehn uhren gesetzt mitten auf die 
strass gegen der vogelsioden über, zugegen seind gewesen Ihr G. 
herr ambtman von Bercheimb, herr von Beveren, herr von Speess 
von Raath, vorstmeister, herr von Schmidtberg, herr von Brachel, 
herr von Forstz zu Bremer, herr pastor von Niderembt, Angels- 
tortf, Overembt, beisitzende pastores. So hat procurator Golstein 
von Düren gelesen die BUrgenordnung. Nachdeme hat herr von 
Schmidtberg die vota der herrn ritterburdgen durch brieff, wie 
aucli DD. Abbatum, Abbatissarum, fort Prioren und hoffen dem 
herrn Goldtstein zu protocolliren gezeigt, darbei dan absonderlich 
auf herrn von Schmidtberg anfrag ihme Ihro hochwürden unseren 
herrn abten sein stim, wie dan auch unseren herrn pastoren fort 
halffwinner wegen der hofe gegeben. Nachdeme hat der herr 
Statthalter vom herrn von Reuschenberg von Settrich durch unseren 
ambtman Serenissimi Electoris votum in scriptis cum recommen- 
datione an sambtliche beerbten mit vorbehält und ohne freier wähl 
hemmung zu beobachten vorgelesen. Respondit her von Schmidt- 
berg: wir nehmen an mit höchster unterthanigkeit und ehrbiet- 
zambkeit unsers gnädigsten herrn votum und recoramendation , in 
denen aber alles gegründet, als wan her von Settrich zu Reuschen- 
berg thate wohnen nechst in der Bürrig. Dahe er hingegen won- 
haft ist zu Settrich und ausserhalb der holtzgemarck, also unfähig 
des voti, so wollen wir Ihro Durchl. desen Information thuen und 
hier mit der wähl fortfahren. Demnegst ist herr von Schmidtberg 
unanimiter zum holtzgrafFen erwehlet und von Ihro Churf. Dhl. 
zu Dusseldorff, alwo diese sach abgemacht, confirmiret. 

Anno 1715, den 27. Jan., seind die herrn pastores vom forster 
«ingeladen an die alte raarck, umb den 4. Febr. einen neuen holtz- 
gräffen über die Bürg zuerwehlen, alwa der herr von Speess, forst- 
meister, die proposition gethan und nach Vorzeigung hochw. ihre 
vota, wie auch faccaliers, also von herrn pastoribus und sampt- 
lichen beerbten herr von Brachel zum holtzgräffen erwöhlet, welcher 
dieselbe herrn geistliche zu Overembt herlich tractirt. Es mögte 
«in unwissender geredt haben: „ihr geistlichen seit kein erben." 
Respondendum: die erben werden citirt etc. und die erben die 
besitzen die brächten, wie ich dan dich habe helffen brüchten zu 
Elstorff aufm träpgen bei Tilman Randerath, der objiciens aber 
ist gewesen Mattheis Kremer, scbeffen zu Verckeshoven, (anno 
1712 davor auf der brücht zu Hambach beim vorschrieber). 



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2<; 



Armin Tille: Uebcr den Arnoldswald bei Jülich. 



Anno 1718 den 6. Octb. seind eitirt die herrn pastores vom 
forster nach St. Arnoldtswieler mit erben, ahnerben umb 9 stund, 
dalie dan erschienend mit permission herrn von Brachel zn Over- 
emb, holtzgräffen, so durch herrn pastoren und dechanten zu Gülich 
ein Cburfl. befelch bekommen etc. (und herrn von Spiess zu Raath 
nach abgelesener Burgenordnung von anno 1360 etc. 1512, 1545, 
1555, 1560, in welchem iahr Wilhelmus hertzog zu Gülich und 
Bergh alle die specificirte mit der letzter approbirt, ratificirt und 
confirmirt) vor dem herrn Goltstein von Düren approbirten notario 
und procuratore dieses einhalts: nachdeme wir viele morgenzahl 
haben bei der Burgen gelegen, im Laach genant, und resolvirt 
seind, dass diese mögen verwexelt werden mit so viel morgen 
aus der Bürgen, zu dem end wollen die erben und ahnerben sich 
herzu auch resolviren. Darauf angefangen: item Hochwollgebohrne, 
fort erben und ahnerben, ihr werdet woll gehört haben, das hoch- 
seeligen andenckens Wilhelm hertzog und gnädiger landfurst und 
herr die Ordnungen von 1360 bis seines lebens 1560 alle confirmirt, 
wie er dan auch durch veraidete landmesser hat lassen abmessen 
den wald (in sich haltend in circuitu zwei meil und in der breite 
ein halb meil), so hat sich befunden in der mass 7975 morgen 45 
roden, sage siben tausend neun hundert sibenzig fünf morgen fünf 
und viertzig roden; wie obengemelter die Burg in vier quartalen 
neben dem abgetheilt, davon das erste quartel St. Arnoldtswieler 
mit seinen döiffer, das 2. Niderembt etc., das 3. Elstorff mit seinen 
etc., das 4. Manheim, Blotzheimb etc. Zu dem wissen wir erben 
und ahnerben, das von der zeit und in der zeit unsere voreiteren 
in keine verwexelung der Burgen niemalen haben eingewilliget, 
sonderen bestendig verblieben bei der uberlifferung des H. Arnoldi 
(dabei sein leben summarie beigebracht) und des hochseelichen 
andenckens Caroli Magni, welche uberlifferung des walds an die 
arme umbligende dörffer so speeificirt mit ausziehung seines rings 
vom finger in beiwesen seines hoffs dem heiligen Arnoldo uber- 
geben also billig wie der ring bedeut perpetuitatem, wir und alle 
mit mir einhellig wie unsere vorfahren sich bestendig verhalten, 
dieses bis an das end der weit mit der Burgen ohne verwexelung 
werdet bejahen, so alle bejahet, und die 4 quartier haben bekommen 
6 reichsthaler vor einen trunk, annebens Golstein hat den bericht 
abgelesen. 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich 
in den Jahren 1604 und 1Ö05 1 ). 

Von 
E. Pauls. 



Die Geschichte der Herzöge von Jülich kann für die Zeit 
von 1589 — 1609 als ein grosses Trauerspiel bezeichnet werden. 
Herzog Wilhelm III. (V.), bekannt durch seinen um den Besitz 
Gelderns gegen den übermächtigen Kaiser Karl V. geführten un- 
glücklichen Krieg, hatte bald nach dem Frieden von Venlo (1543) 
Maria, eine Nichte seines siegreichen Gegners, die Tochter Fer- 
dinands L, geheirathet (1546). In glücklicher Ehe schenkte die 
Königstochter ihrem Gemahl sechs Kinder, verfiel dann aber in 
Schwermutb, die zeitweise in Geistesstörung ausartete. Ihr sie- 
bentes Kind, der nachmalige Herzog Johann Wilhelm von Jülich, 
erblickte am 29. Mai 1562 das Licht der Welt 2 ). Johann Wilhelm, 
der ursprünglich zum geistlichen Stande bestimmt war und im 
Alter von zwölf Jahren zum Bischof von Münster gewählt wurde, 
entsagte nach dem unerwarteten Hinscheiden seines älteren Bru- 
ders der Aussicht auf hohe geistliche Würden und widmete sich 
am väterlichen Hofe den Regierungsgeschäften. Im Juni 1585 ver- 
mählte er sich mit der nachmals durch ihr unglückliches Geschick 
so berühmt gewordenen Markgräfin Jacobe von Baden, hatte indess 

1) Nach bisher unveröffentlichten Akten im Königl. Staatsarchiv zu 
Düsseldorf. 

2) Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins Bd. 23, S. 2 u. S. 186 ff. 
Zahlreiche Porträts von Mitgliedern der (Jülicher) herzoglichen Familie im 
historischen Museum der Stadt Düsseldorf; ein Bild Marias, der Tochter Fer- 
dinands I., im XI. Bande des Jahrbuchs des Düsseldorfer Geschichtsvereins. 



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E. Pauls 



schon in den ersten Jahren der Ehe mit grossen Widerwärtigkeiten 
zu kämpfen. Zwar schwanden nämlich die bereits im Jahre 1566 
-durch einen Schlaganfall gelähmten Kräfte seines Vaters unter 
dem Einfluss des Greisenalters zusehends, hartnäckig aber wies 
Wilhelm III. (V.) fast jede Mitwirkung des Jungherzogs an der 
Regierung zurück. War es Missrauth über die Zurücksetzung bei 
<ler Leitung der Staatsgeschäfte, war es Gram über die Kinder- 
losigkeit der Ehe, oder lag — was wahrscheinlich ist — eine erb- 
liche Belastung vor: der Jungherzog wurde zunächst schwerraüthig. 
•dann um Neujahr 1590 tobsüchtig. Eine grauenhafte Verwirrung, 
«in wildes Intriguen- Spiel gewannen nunmehr auf Jahre hinaus am 
Düsseldorfer Hofe die Oberband. Für den durch Alter und Kum- 
mer gebeugten Herzog Wilhelm (er starb 1592 j, für seinen wahn- 
sinnigen Sohn und dessen kluge, den Verhältnissen indess nicht 
recht gewachsene Gemahlin regierten die Räthe, deren Ränken 
Jacobe im September 1597 zum Opfer fiel 1 ). Im Befinden des 
Herzogs Johann Wilhelm war in den Jahren 1598/99 anscheinend eine 
Besserung eingetreten, während welcher er zur Vermählung mit 
Antoinette von Lothringen schritt (1599) 2 ). Als auch diese Ehe 
kinderlos blieb, als damit ein unübersehbarer Erbfolgestreit und 
namentlich auch das Uebergehen der Regierungsgewalt an ein pro- 
testantisches Herrscherhaus in Aussicht stand, da versuchte man 
unter dem Druck der Verhältnisse den Exorcismus gleichsam als 
letztes Heilmittel; durch ihn erhoffte man die Wiederherstellung der 
■Gesundheit des Herzogs und Kindersegen in der herzoglichen Fa- 
milie. Dies in grossen Zügen die Vorgeschichte des Exorcismus 
an Herzog Johann Wilhelm in den Jahren 1604 und 1605. Voll- 
ständig lässt sich das hier vorliegende Problem nicht lösen; zum 
grossen Theil dagegen erklärt es sich durch die Art des Wahn- 
sinns, die Gutachten der Aerzte und Theologen und die An- 



1) Dass Jacobe erdrosselt wurde, nehmen fast alle ihre Biographen an. 
{Vgl. Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins Bd. 13, S. 98 ff.). 

2) Das folgende Schema erleichtert die Uebersicht. 

Wilhelm III., Maria, , Johann Wilhelm, 

Herzog Tochter Kaiser i j§ Herzog z. Jülich, 

von Jülich, Ferdinands I., f £ geb. 1562 

geb. 1516 geb. 1531 / .§ verm. 1585 Jacobe v. Baden f 1597. 

verm. 1546 verm. 1546 V U „ 1599 Antoinette v. Lothringen 

starb 1592. starb 1581. < gest. 1609. t 1610. 



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Der Exorcismu8 an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 29- 

schauungen der Zeit Da lohnt sieh wohl ein etwas näheres 
Eingehen. 

Es rief in den weitesten Kreisen ungeheures Aufsehen her- 
vor, als die wahrscheinlich schon seit einigen Jahren 1 ) im Keime 
vorhandene Geisteskrankheit des Jungherzogs Johann Wilhelm um 
Neujahr 1590 in Tobsucht ausartete, so dass bald nachher der 
Krauke in Gewahrsam gebracht werden musste 2 ). Der Kaiser 
und die Kurfürsten, geistliche und weltliche Personen jedes Ranges 
boten ihren Beistand an, falls sie irgendwie helfen könnten. Alle 
Welt ahnte für das bedeutendste Gebiet am Niederrhein das Nahen 
einer neuen Zeit: das Erlöschen des herzoglichen Geschlechts im 
Mannesstamme und die Theilung der Herzogthümer. Zu spät setzte 
man am Düsseldorfer Hofe Himmel und Erde in Bewegung, um 
von einem schrecklichen Verhängniss befreit zu werden, zu dessen 
Abwehr in den ersten Zeiten der Entwicklung vielleicht zu wenig 
geschehen war. Nichts fruchtete. Die Aerzte sprachen von erb- 
licher Belastung (ex paterno semine et materno sanguine) 8 ), doch 

1) Spuren von geistiger Störung scheint der päpstliche Nuntius Frangi- 
pani in Köln schon im Sommer 1587 beim Jungherzog entdeckt zu haben. 
Frangipani bemerkt, der für ,,Vernunftgründe unzugängliche" Johann Wil- 
helm habe gelegentlich eines bedeutsamen Gesprächs staatsrechtlicher Art 
eine Menge haltloser und unverdauter Pläne ineinander gewirrt. (Zeitschrift 
des bergischen Geschichtsvereins Bd. 13, S. 13.) 

2) Kurz vor Neujahr 1590 glaubte der Jungherzog, sein Vater wolle 
ihn hinrichten lassen, weshalb er Tag und Nacht in voller Rüstung, um zur 
Vertheidigung bereit zu sein, zubrachte. Auch stand Johann Wilhelm damals 
zuweilen auf einem Beine vor dem Scbloss in Düsseldorf „und sähe hinein, 
als wenn er frembdt gewesen wäre". Dem im Düsseldorfer Staatsarchiv vor- 
handenen umfangreichen Aktenbündel „Krankheit des Jungherzogs Johann 
Wilhelm 1589—1590; Jülich-Bergische Familiensachen 106" entnehme ich 
noch, dass im Januar 1590 Johann Wilhelm gestiefelt und gespornt sich mit 
halbem Leibe lange über die Mauer an der Schlosszinne lehnte. Beim Zurück- 
kehren in das Scbloss setzte er sich den Dolch bald auf die rechte, bald auf 
die linke Brust; mit „blossen Wehren" und geladener Büchse ging er mit- 
unter auf seine Umgebung zu, seine Stiefel reinigte er im Bach. Weder 
kämmte er sich, noch ,,rieb er den Kopf ab". Es steht nicht genau fest, 
wie lange Johann Wilhelm in Gewahrsam gehalten worden ist und welcher 
Art die während der Haft ihm gestattete Freiheit war. Anscheinend konnte 
er Jahre hindurch nur unter Aufsicht und unbewaffnet in Hofkreisen ver- 
kehren. 

3) Die bemerkenswerthe Stelle des am 16. Oktober 1589 ausgestellten 
Gutachtens lautet: „Hochgemeiter her ist von naturen und complexion me- 



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30 



E. Pauls 



all' ihre Mtiheo, ihre alltäglichen Besprechungen und die bis ins 
Kleinste hinein geregelte Behandlung vermochten nicht, eine Heilung 
der tückischen Krankheit herbeizuführen. Immer drückender wurde 
die Lage, immer aussichtsloser der Kampf gegen den Wahnsinn. 
Da darf es bei der gänzlichen Ohnmacht der ärztlichen Kunst 
der damaligen Zeit nicht Wunder nehmen, dass Jacobe und die 
Räthe schon zu Ende Januar 1590 ihre Blicke auf kirchliche Heil- 
mittel richteten. Cornelius Ingenhoven, ein Priester in Köln, erbot 
sich, durch Exorcismen, gesegnetes Brot u. dergl. auf die Genesung 
des hohen Patienten hinzuwirken. Seine Vorschläge wurden meh- 
reren Theologen zur Begutachtung vorgelegt, fielen aber auf 
steinigtes Erdreich. „Einmüthig" gaben die Kleriker am 9. Februar 
1590 ein die Kur ablehnendes Gutachten ab, welches als ein inter- 
essantes Denkmal in der Geschichte des Exorcismus und der 
Wunderkuren an der Wende des 16. Jahrhunderts 8 ) dem wesent- 
lichen Inhalte nach hier wiedergegeben wird. Gefragt wurde, ob 
die Kur, welche Herr Cornelius Ingenhoven an dem Jungherzoge 



lancholich und swermutigh, welche complexion derselbigen, wie vur gesagt, 
angeboren, wie sulches abzunemen, das er ex paterno semine et materno 
sanguine hierzu naturirt und geneigt. Dan als er vom hern vatter gezuigt, 
ist der her vatter nach langwerenden febribus irst continua darnach quar- 
tana und scorbuto difficili noch swach gewesen und dohemeils eine geswherte 
miltzen gehat, (ut nihil amplius de materno sanguine hic addamus). Das 
aber alsulche dispositiones von den eidern auf die kinder erben, ist klair 
und am tagh, wie sulches alle medici genugsam zeugen.« (Kgl. Staatsarchiv 
zu Düsseldorf; Jülich-Bergische Familiensachen Nr. 106.) Die Geisteskrank- 
heit der Mutter wird also ziemlich offen angedeutet. P. B. Bergrath 
widmet der Geisteskrankeit der Herzöge Wilhelm III. (V.) und Johann Wil- 
helm eine interessante Abhandlung. Nach Bergrath, der übrigens das 
zur Krankheitsgeschichte der Herzöge im Düsseldorfer Staatsarchiv vorhandene 
Material nicht gekannt hat, war der Stamm, dem Wilhelm III. (V.) ent- 
spross, zu Beginn des 16. Jahrhunderts in einer fortschreitenden Entartung 
begriffen. In der Familie der Gemahlin Wilhelms III. (V.) aber war damals 
einzig die Groasmutter Marias geisteskrank gewesen. Marias 14 Geschwister 
blieben alle geistesgesund. (P. B. Bergrath, Zeitschrift für Psychiatrie 
Bd. X, 1853, S. 257, 258 und S. 271.) 

2) In A. H i r 8 c h 's Geschichte der medizinischen Wissenschaften in 
Deutschland, München und Leipzig 1893, S. 49, heiast es u. a., dass der 
Glaube an Hexen und geheime Künste niemals üppiger geblüht habe, als im 
16. Jahrhundert. Ein Beweis wird nicht gegeben ; die Behauptung ist etwas 
gewagt. 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 



Hl 



„ vorhat", der hl. Schrift und kirchlichen Lehre gemäss sei; ferner 
ob nicht einige „geistlichen Remedia" zur Heilung oder Linderung 
angegeben werden könnten. In der Antwort erklären die Theo- 
logen, dass Ingenhovens Kur mit Superstition und Aberglaube 
vermischt sei, also mit gutem Gewissen nicht gebraucht werden 
könue. Was zunächst die Urinprobe betreffe, so solle es ein Zei- 
chen von Bezauberung sein, wenn der Harn des Kranken, dem 
Feuer ausgesetzt, nicht überlaufe. Der Grund dieser Erkennung 
einer Krankheit ist aber, wie das Gutachten hervorhebt, gefähr- 
lich, unaufrichtig und abergläubisch; er rührt von Leuten her, die 
mit dem Teufel wenigstens einen geheimen Vertrag abgeschlossen 
haben (cum daemone . . . occultum pactum). Ob diese Harnprobe 
am Feuer thatsächlich besteht, dies zu untersuchen, so heisst es 
ferner, überlassen wir den Aerzten. Ferner sage Ingenhoven, dem 
Jungherzog sei vielleicht ein Spiritus Pythonicus 1 ), also eine Art 
Zauber (species maleticii) angezaubert; er (Ingenhoven) wolle, falls 
man seine Kur billige, untersuchen, ob dem so sei oder nicht. 
Bei einer so hohen Person, wie es der Jungherzog ist, halten wir 
aber, so fährt das Gutachten fort, eine solche Kur für ein „unfüg- 
lich Ding", fürchten auch, ohne der priesterlichen Ehre Ingen- 
hovens zu nahe treten zu wollen, der Erzfeind möge hierdurch 
mehr verbündet und angezogen, denn vertrieben werden. Drittens 
wolle Ingenhoven, der Beschreibung seiner Heilmethode nach zu 
schliessen, natürliche und übernatürliche Heilmittel ungebührlich 
mit einander verbinden. Dies widerstreitet indess den kirchlichen 
Bestimmungen (contra canones). Viertens laufe Ingenhovens Kur 
im dritten und vierten Punkt auf Aberglaube hinaus. Er beab- 
sichtige, gesegnetes Brot und Wasser anzuwenden, auf das Brot 
etliche Worte zu schreiben und dies dem Kranken als Speise zu 
geben 2 ). Hierbei liegt Aberglaube und Missbrauch des göttlichen 
Wortes vor. Ueber die von Ingenhoven vorgelegten Exorcismus- 



1) Dieses Wort kommt in den Quellenwerken zur Geschichte des Hexen- 
wahus zuweilen vor. Es findet sich schon zur Karolingerzeit und bedeutet 
unerlaubtes, wohl mit Zauberkünsten verbundenes Wahrsagen. Pythonizare 
(nach Ducange) =* pythonico spiritu agi. 

2) Erinnert lebhaft an die nach Weyer vorgekommene Behandlung von 
Personen, die ein toller Hund gebissen hatte, mit Apfelschnitzeln, auf welche 
die Worte Hax, pax, max, deus adimax geschrieben worden waren. (C. B i n z, 
Doctor Johann Weyer, Berlin 1896, S. 49.) 



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;*2 



E. Pauls 



formein verlieren wir, so etwa schliesseu die theologischen Sach- 
verständigen, keine Worte, da zur Zeit hieran nicht zu denken 
ist. Wir wollen sicherlich nicht die von der Kirche verordneten 
Exorcismen verwerfen oder verachten. Sollten sich untrügliche 
Zeichen einer Bezauberung (Spiritus pythonici) herausstellen, so 
sollen bewährte Exorcismen, nicht hin und wieder zusammenge- 
raffte Formeln, zur Anwendung kommen. Die weitere Kur des 
hohen Kranken empfehlen wir den Aerzten 1 ). 

Die frische, kernige Sprache des vorliegenden Gutachtens ist 
ein Beweis dafür, dass man am herzoglichen Hofe, diesmal im Sinne 
der Anschauungen der gelehrten Rathgeber zu Anfang der Regie- 
rungszeit des Herzogs, zwar die Lehre der Kirche bezüglich des 
Exorcismus hochhielt, aber anderseits durchaus nicht gewillt war, 
dem Aberglauben besondere Concessionen zu machen. Hatte man 
es doch einst, eben am Hofe Wiihelms III. (V.), als einen gott- 
losen Unfug bezeichnet, widrige Geschicke auf den Teufel zurück- 
zuführen oder zu glauben, sie seien von bösen Menschen durch 
Zaubern veranlasst 2 ). Und als im Jahre 1566 und später 
der Herzog in Folge eines Schlaganfalles unter seltsamen, den 
Aerzten schwer erklärlichen Krankheitserscheinungen zu leiden 
hatte, da sprach man nicht von Bezauberung, sondern betrachtete 
die Krankheit als eine Schickung Gottes 3 ). 

Nachdem Johann Wilhelm nach dem Ableben des Vaters (1592) 
unter den traurigsten Umständen 4 ) zur Regierung gelangt war, mag 

1) Das Gutachten (Düsseldorfer Staatsarchiv : Jülich-Bergische Familien» 
Sachen Nr. 106) ist unterzeichnet von Tli. ab Holthausen, colleg. b. Mar. 
virg. decanus; Casp. Ulenbcrgius Lippiensis canonicus et pastor sct. Cuniberti, 
Coloniae; Hub. Fronhovius, sacellanus illustr. prineipis; Winand. Thomasius, 
illustr. prineipis sacellanus; Christianus Muserus; Joannes Altroggius. 

2) Abusus est impius, quod afflictiones et cruces a diabolo putentur 
imponi, aut incantationibus a malis hominibus immitti. (Düsseldorfer Staats- 
archiv; Jülich-Berg. Geistliche Sachen Genernlia No. 11c. Reformations-Ver- 
handlungen und Kirchenordnungs-Entwürfe. 1545—1568 Fol. 11.) 

3) Indem die Aerzte dies hervorhoben, beriefen sie sich auf einen 
Spruch Galens: esse aliquos morbos, qui aliquid divini in se habeant. (Königl. 
Staatsarchiv zu Düsseldorf. Clevische Landstände. Chronik. Supplement Nr. 13.) 

4) Der Fürst geisteskrank, die Fürstin im Kampfe mit den Rathen, 
die Räthe unter sich uneins, das Land durch Kriegsschaaren und Lasten aller 
Art bedrängt: kann es in der Geschichte eines Staates ein unerfreulichere» 
Bild geben ? 



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Der Exorzismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 33 

seine Gemahlin mit richtigem Blick erkannt haben, dass eine 
günstige Wendung der Dinge hauptsächlich nur durch die Gene- 
sung des Herzogs eintreten könne. Jacobe griff zu Heilmitteln 
abergläubischer Art. Nicht consecrirte Hostien wurden mit gewissen 
Zeichen beschrieben und unter Austern dem Kranken als Gericht 
vorgesetzt ; auch liess die Herzogin einen Zettel, auf dem das Evan- 
gelium des hl. Johannes vermerkt stand, ihrem Gemahl ins Wamms 
nähen 1 ). Augenscheinlich nahm Jacobe ebenfalls an, dass Johann Wil- 
helm bezaubert sei, und ziemlich unzweifelhaft würde sie gegen den . 
vermeintlich vorhandenen bösen Zauber zum kirchlichen Heilmittel 
des Exorcismus gegriffen haben, hätte dies in ihrer Macht gelegen. 
Noch aber hielt man in den maassgebenden Kreisen, wahrschein- 
lich noch unter dem Eindrucke des Gutachtens der Theologen vom 
5. Februar 1590, am Düsseldorfer Hofe die Mittel der ärztlichen 
Kuust nicht für fruchtlos, und thatsächlicb scheint es, als ob durch 
die verschiedenen Curen 2 ), denen der Herzog im Laufe weniger 
Jahre sich unterzog, ein nur zu bald vorübergehender Erfolg er- 
zielt worden sei. Nach dem Tode Jacobes (1597) trat für längere 
Zeit eine lichte Zwischenpause im Befinden Johann Wilhelms zu 
Tage. Seine zweite Gemahlin, Antoinette von Lothringen, suchte 
den Herzog durch Zerstreuung aufzuheitern, vermochte es aber doch 
nicht abzuwenden, dass ihr Gemahl dem Blödsinn immer näher 
kam. „Er hielt sich still, und man befand bei ihm jetzt mehren- 
theils Simpelheit.' 4 So hiess es schon im Sommer 1600, und seit- 
dem, bis zum Tode des armen Geisteskranken, scheint man der 
„Simpelheit" mit Heilmitteln inedicinischer Art nicht mehr entge- 
gengetreten zu sein 8 ); man hielt eben, nach den so vielfach ge- 

1) Vergl. Beilage 1, S. 40. Ausdrücklich heisst es, die Hostien seien 
nicht consecrirt, wohl aber geweiht (?) gewesen. Einige Autoren nehmen 
an, Jacobe habe gewisse Mittel gegen ihren Gemahl, d. b. mit der Ab- 
sicht, ihm zu schaden, angewendet. Nach dem reichen von mir durchge- 
sehenen archivalischen Material zur Geschichte der unglücklichen Herzogin 
spricht hierfür kaum eine Wahrscheinlichkeit. Wenn der Herzog, nachdem 
er das Vorhandensein des Zettels in seiner Kleidung gemerkt hatte, sich da- 
hin äusserte, der Teufel sitze im Wamms, so erklärt sieh dies leicht durch 
die ängstliche Aufmerksamkeit der Irren, namentlich der Melancholischen 
und Wahnsinnigen. (Tgl. hierzu die Ausführungen bei Bergrath a. a. 0. 
S. 404 f.) 

2) Näheres bei Bergrath a. a. 0. S. 408 ff. 

3) P. B. B e r g r a t h a. a. 0. S. 413. 

Annalen de« hist. Verein« LXIU. 3 



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'M 



E. Pauls 



machten Erfahrungen, die Kunst der Aerzte für gescheitert. 
Nunmehr, da im Wesentlichen der Gesundheitszustand Johann 
Wilhelms ebenso ungünstig war wie vor zehn Jahren, und die von 
den Gottesgelehrten am Schluss ihres Gutachtens vom 5. Fe- 
bruar 1590 angerufene ärztliche Kunst alie auf sie gesetzte 
Hoffnungen nicht erfüllt hatte, lag es nahe, dass der sicher nie- 
mals völlig aufgegebene Gedanke, an dem Kranken den Exorcis- 
mus vornehmen zu lassen, aufs neue, und zwar diesmal, ohne auf 
. besondern Widerstand zu stossen, in den Vordergrund trat. Weun 
kirchliche Organe die Vornahme dieser Handlung an einem Kran- 
ken gestatteten, hinsichtlich dessen das Besessensein vom Teufel 
von Niemand behauptet wurde, so darf dies unter Berücksichti- 
gung der Anschauungen der damaligen Zeit nicht auffallen. Man 
glaubte eben nicht, dass der Herzog vom Teufel besessen sei, 
sondern nahm nur an, dass ein böser Dämon oder ein vom Teufel 
hierzu veranlasster Zauberer durch Bezaubern das herzogliche 
Ehepaar in die Unmöglichkeit versetzt habe, die Ehe mit Kindern 
gesegnet zu sehen. Der Aufhebung dieses Zaubers, über dessen 
Natur man selbstredend vollständig im Unklaren war, und der 
meist unter den allgemeinen Begriff „zauberischen Gebundenwer- 
dens *) (ligatura)" eingereiht wurde, galt der Exorcismus, dem sich 
das erlauchte Paar und namentlich der Herzog unterziehen sollte. 
Gelang dem Exorcisten die Beseitigung des den Eheleuten „auf 
den Leib gehexten Malefizs" 2 ), so war zum mindesten Kinder- 

1) Zauberei dieser Art sollte die Vornahme gewisser Handlungen un- 
möglich machen, deren Bestimmung vom Willen des Zauberers und der 
Zauberformel abhingen. Es gab also Ligaturen der verschiedensten Art. Der 
Glaube an Impotenz in Folge Bezauberung veranlasste zuweilen seltsame 
Taktlosigkeiten. So erzählt der bekannte Arzt Joh. Weyer (16. Jahrhundert) : 
Mulier . . . viro nupta hunc in initio comperit impotentem. Quare in ara 
D. "Antonio sacra Everfeldi in ducatu Montensi . . . ceream membri virilis 
effigiem suspendit. Sacrificus . . . priapumque illum cereum inopinato in- 
tuitus: Tollatur daemonium illud, acerbe inquit. (J. Wieri opera omnia 
Amstelodami 1660 p. 448.) Vergl. auch Corres, christliche Mystik Bd. 4 (1) 
1842, S. 57 ff. und Bd. 4 (2) 1842, S. 459 ff. 

2) Ein in der Geschichte des Hexenwahns überaus häufiger Ausdruck. 
Bezüglich derartiger Malefizien nahm man durchgehends nicht Besessensein, 
sondern eine gewisse Beihülfe des Teufels an. Dass diese Auffassung auch 
im vorliegenden Falle vorlag, beweist das Gutachten der Theologen vom 
16. August 1605. Vgl. Beilage 4: morbus per maleficia . . . eo pervenit, ut 



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Der Exorcismus an Herzog Jobann Wilhelm von Jülich. 35 

segen, und wahrscheinlich auch die Genesung Johann Wilhelms 
7ü erwarten. Der Glaube an das häufige Vorkommen eines dem 
-ehelichen Zusammenleben feindlichen Zaubers reicht in die Römer- 
zeit zurück und findet später für das christliche Abendland im 
kanonischen Recht sowie in vielen Diöcesan-Statuten, bis tief ins 
18. Jahrhundert hinein, Ausdruck. Zauberer raubten nach der 
Ansicht der Römer die Manneskraft, indem sie das aus Wachs 
geformte Bild eines Mannes mit einer Nadel durchstachen; Zau- 
berer konnten aber auch umgekehrt durch ihre Formeln die Her- 
stellung verlorener Zeugungskraft bewirken *). In den Nachträgen 
-{Novellen) zum salischen Gesetz werden diejenigen mit schweren 
Strafen bedroht, welche durch Bezauberung eines Weibes bewir- 
ken, dass die Ehe kinderlos bleibt *), und ähnliche Bestimmungen 
bietet das kanonische Recht unter Hinweis auf eine Stelle bei 
Hinkmar von Rheims 8 ) (9. Jahrhundert), indem es die Zulässigkeit 
von Heilversuchen durch Exorcismen andeutet. Und in der be- 
rühmten Bulle Innocenz VIII. vom Jahre 1484 4 ) Uber die Zunahme 
des Zauberwesens, sowie in zahlreichen tbeils früheren, theils späteren 
Diöcesan-Bestimraungen ist die Rede von bösen, dem Zwecke der 



assistentis etiam mali Spiritus . . . documenta etc. Die Kölner Diöcesan- 
Statuten (Max. Henric. 1667) erklären, es Hesse sich nicht klar feststellen, 
ob Jemand besessen oder behext sei. 

1) Die Belegstellen hierfür bei A. F o r b i g e r , Hellas und Rom, Rom 
im Zeitalter der Antoninen Bd. II, S. 214 und S. 215. 

2) Si quis mulier alteri mulieri maleficium fecerit, unde infantes non 
potuerit habere. (Vgl. Clement-Zoepfl, Forschungen über das Recht 
der salischen Franken. Berlin 1879, S. 354.) Hier erscheinen „maleficium 
und veneficium", wie aus der Fortsetzung hervorgeht, in gleichem Sinne : 
Zauberei, Hexengetränk, Giftmischerei. Vergl. über diese Verbindung H. 
Brunner, deutsche Rechtsgeschichte 1887—1892, Bd. 2, S. 679 ff. 

3) Corp. iur. canonic. Coloniae Munatianiae 1717. Decr. Gratian. sec. 
pars caus. XXXIII, quaest I, cap. IV; p. 1004: Si per sortiarias atque niale- 
ficas occulto sed nunquam iniusto dei iudicio permittente et diabolo prae- 
parante, coneubitus non sequitur . . . per exorcismos et caetera ecclesiasti- 
cae medicinae raunia . . . sanare procurent. Ferner p. 1002: Causa XXXIII: 
Quidam vir maleficiis impeditus, uxori debitum reddere non poterat. 

4) S u m mi 8 desiderantes affectibus . . . ac eosdem homines 
ne gignere, et raulieres ne coneipere, virosque ne uxoribus et muüerea ne 
viris actus couiugales reddere valeant, impedire 



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36 



E. Paula 



Ehe binderlichen Zauberkünsten *). In der Kölner Erzdiöcese 
galten schon im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts alle diejenigen* 
als excommunicirt, welche Maleficien zum Nacbtbeil einer Ehe in An- 
wendung brachten 2 ) ; sogar war dort zur Zeit Herzog Johann Wilhelms 
hinsichtlich solcher Maleficien der seltsame Aberglaube verbreitet, 
dass man derartige Bezauberungen dadurch wirkungslos machen zu 
können glaubte, dass die Eheleute im Wege gegenseitiger Verein- 
barung ihre kinderlose Ehe als gelöst erklärten, um bald nachher 
vor einem Priester unter Erneuerung der bei EheabschlUssen üb- 
lichen Versprechungen zum zweiten Male als Eheleute sich kirch- 
lich verbinden zu lassen. Ob jemals ein Priester zu einem solchen 
Mummenschanz mitgewirkt hat, muss dahin gestellt bleiben; jeden- 
falls hielt die erzbischöfliche Behörde es für angezeigt, den Aber- 
glauben öffentlich als solchen zu bezeichnen 3 ). 

1) Aus Hartzheim-Schanuat Concil. German, seien hier nur ge- 
nannt: Mainz (1310), Würzburg (1446), Tornay (1520), Köln (1279—1281) und 
1662, Kulm 1745. Die Zahl solcher Bestimmungen lässt sich leicht ver- 
mehren; namentlich auch in der Beicbtpraxis galt allenthalben maleficium 
omne . . , quo actus coniugalis inter coniuges impeditur ... als ein dem 
Bischof vorbehaltener Fall. 

2) Item praecipimus excommunicari omnes illos et illas, qui vel quae 
contra matrimonium iam contractum vel etiam contrahendum . . . maleficia 
faciunt, vel fieri procnrant. 

3) Aus der Agenda s. Coloniensis ecclesiae . . . Coloniae 1614 hier 
folgende Stellen ; p. 263 seq.: Fit interdum (Deo hominum vindicante sive in- 
fidelitatem sive libidinem) ut vir et mulier maleficio impediti, a matrimonii 
usu impediantur ... Es folgen (S. 263 — 266) Gebete u. a. um foecunditas 
und Befreiung ab omni ligamento, fascinamento et maleficio Satanae. Schliess- 
lich (p. 266) beisst es: Cavendus vero crassus ille error et rei sacrae mani- 
festus abusus, quo, tali maleficio vexatis succurri posse aliqui putant; si vir 
et mulier, priori matrimonio, legitime et in facie ecclesiae contracto, mutuo 
consensu renuntient et novura coram sacerdote contrahent. Cum enim nulla 
sit ratio, cur secundum matrimonium contra eiusmodi maleficia remedium 
efficacius esse possit, quam primum ; verisiraile est hoc procurari a daemone, 
oranium maleficiorum auctore, ut res sacras, hominibus ludibrio exponat. 
Deinde sacramento matrimonii gravis irrogatur iniuria : quod semel rite con- 
tractum, neque ecclesiae auotoritate, neque mutuo partium consensu, solvi 
potest. Dass der hier angedeutete Aberglaube allgemein am Niederrhein ver- 
breitet war, folgt auch aus dem seiner Zeit viel gebräuchlichen, 1678 zu 
Antwerpen erschienenen Manuale Exorcismorum . . . von Maxim, ab Eynatten 
p. 291 seq., wo von kirchlichen Heilmitteln gegen Maleficien in der Ehe die 
Rede ist. 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 37 

Im Juli 1G00 — ich kehre hiermit zu den Verhältnissen am 
Düsseldorfer Hofe zurück — machte man den ersten Versuch, 
^lurch kirchliche Heilmittel und Exorcismen die „Entzauberung" 
und Genesung des Herzogs Johann Wilhelm herbeizuführen. Hier- 
über und über die Wiederholung dieser Versuche im Jahre 1604 
schreibt Bergrath J ), meist unter wörtlicher Anführung des Berichtes 
eines Zeitgenossen (Lahr) 2 ) Folgendes: „Im Juli 1600 vermeinten 
etliche, Ihre F. G. möchten vielleicht, das jedoch gnädiglich ver- 
hütet, etwa einen folgenden Geist bei sich haben. Zu dem End 
kam ein Pfaff ans dem Land zu Cleve, der nahm sich an, wann 
er nur Ihre F. G. sehe, woll leichtlich sagen, ob Fürstlich Gnaden 
daran Mangel hätten oder nicht. Dies best zu erfahren, verreisten 
das ganze Hoflager vom Julio auf München-Gladbach und daselbst 
blieben Ihre F. G. über acht Tage liegen. Was nun der Pfaff an 
Ihre F. G. erfahren, ist folgendes bedeckt blieben, ich halts dafür, 
dass er nichts deshalb funden. Im Jahr 1603 erschien der Herzog 
noch auf einem Landtage zu Essen, jedoch wohl nur als stumme 
Figur, im Februar 1604 zu Hambach. Von hier zog er wieder 
nach Düsseldorf, und dahin sandte ihm der Herzog von Lothringen 
zwei Italiener, in der Meinung, dieselben sollten den Kranken ku- 
riren. Diese wurden nach der Mitte der Fastenzeit zur Kur zuge- 
lassen, gaben vor, beide fürstliche Personen wären bezaubert und 
hätten deshalb keine Erben gewinnen können. Zur selben Zeit 
brachte ein kaiserlicher Gesandter italienische Mönche an den 
Hof. Diese wollten (wie Lahr erzählt) mit Exorcisiren Ihre F. G. 
curiren, haben viel Gelds verdient, aber nichts ausgerichtet." 

Während Uber die bei Johann Wilhelm im Sommer 1600 an- 
gewandten kirchlichen Heilmittel alle anderen Nachrichten zu 
fehlen scheinen, liegt über den im Sommer 1604 sowohl am Her- 
zoge als auch an der Herzogin vorgenommenen Exorcismus ein 
vollständiges Tagebuch vor. Vom 19. März bis zum 13. August 
1604, so schreibt Wolf 3 ), befand sich der regierende Herzog nebst 

1) Bergrath a. a. O., S. 413 f. 

2) Die Berichte Lahrs finden sich meist in : Original-Denkwürdigkeiten 
-eines Zeitgenossen am Hofe Johann Wilhelms. Düsseldorf 1834. 

3) Pet. Ph. Wolf, Geschichte Maximilians I. und seiner Zeit. Mün- 
«hen 1807. Bd. II, S. 510 ff. Nach F. Stieve ruht dieser Bericht im 
Reichsarchiv München, Fürstensachen tom. 39, 66. (Zeitschrift des bergischen 
Geschichtsvereins Bd. 16, S. 31; desgl. über den Exorcismus an Johann Wil- 
helm dieselbe Zeitschrift Bd. 16, S. 4.) 

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38 



E. Pauls 



seiner Gemahlin Antonie, einer Prinzessin von Lothringen, unter 
den Händen eines Exorcisten. Die Auszüge, welche hieran an- 
schliessend Wolf aus dem Tagebuch gibt, lassen die ganze Hand- 
lung in einem ungünstigen Lichte erscheinen: manches erinnert 
an das Zeitalter des Hexenwahns mit all' seinen Seltsamkeiten. 
Mit einer stellenweise widerwärtig zu nennenden Ausführlichkeit 
erzählt uns das Tagebuch, wie man dem Kranken die Monstranz, 
mit dem Venerabile aufs Haupt setzte (cum adhibitis exorcismis 
et orationibus sacrosancta etiam Eucharistia capiti principis impo- 
neretur), wie ein anderes Mal beim blödsinnigen Herzog, der ein; 
starker Esser gewesen zu sein scheint, während der Beschwörungs- 
formeln Brechneigung sich einstellte, wie er gähnte, die Augen 
verdrehte, sich mit der Hand über das Gesicht und den Kopf fuhr,, 
und wie andere Erscheinungen auftraten, die anzuführen sich nicht 
recht schickt; dies und anderes Nebensächliche wird weitläufig 
genug dargestellt. Der Herzog liess gutwillig alles geschehen; auf 
ihm vorgelegte Fragen antwortete er in kindlich einfacher Weise 1 ). 
Aber es kam doch schon zu Anfang Mai so weit, dass Johann 
Wilhelm des Exorcisirens so überdrüssig wurde, dass er den Exor- 
cisten nicht mehr sehen mochte 2 ). Der Erfolg des Exorcismus 
bestand darin, dass die leitenden Theologen 3 ) ein Bezaubertseia 
des Herzogs als sehr wahrscheinlich hinstellten 4 ), ohne sich darüber 
zu äussern, ob eine Entzauberung eingetreten sei. Aehnlich be- 
züglich der Herzogin. Diese war der festen Ueberzeugung, es sei 



1) So z. B. auf dje Frage, was er während des Exorcisirens spüre, er- 
folgte einmal die Antwort „eine Alteration" ; das andere Mal: im Magen 
etwas, Dämpfe, Dämpfe. 

2) . . . princeps impatiens ita fuit exorcismorum, ut ferre non potuerit 
aepectum exorcistae. 

Ii) Nach Wolf a. a. 0. S. 519: Die lothringischen Jesuiten Jacob 
Comolet und Johann Gueret, der Propst Peter Ghigi zu Piazenza, die zwei 
Barnabiter-Mönche Zacharias Vicecomes und Salomon Pusteria zu Mailand. 
Beglaubigt ist der Bericht, von Anton Rousselleti, bischöflichem Official 
zu Metz. 

4) Das Gutachten (Wolf a. a. 0. S. 520) datirt vom 8. November 1604. 
Es heisst am Schlüsse: . . . legimus processum verbalem de exorcismis in 
persona dicti Serenissimi ducis factis scriptum, et ex contentis . . . iudicium 
facimus et unanimiter in eam sententiam imus, multo probabilius (Text pro- 
habilius !) nobis videri, ipsum serenissimum ducem realiter et cum effectu 
maleficÜ8 infectum esse. 



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Der Exoreismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. .*i9 



durch die kirchlichen Heilmittel das Vorhandensein eines in ihrem 
Innern schlummernden oder verborgenen Malefiziums entdeckt 
worden, und noch im folgenden Jahre hob sie die an sich selbst 
erprobte wohlthätige Wirkung des Exoreismus ausdrücklich her- 
vor J ). Nach dem von Wolf veröffentlichten Berichte hatte nämlich 
der Exorcist gelegentlich der Exorcisirung der Herzogin den bösen 
Geistern befohlen, falls ein Malefiz die Geisteskrankheit des Her- 
zogs oder die Unfruchtbarkeit der Ehe verschulde, dies durch ein 
Zeichen an der linken Hand zu erkennen zu geben. Alsbald ver- 
spürte die Herzogin im linken Arme und in der linken Hand eine 
ungewöhnliche Hitze, die auf den schliesslich wiederholten Be- 
fehl des Exorcisten aus dem Arme weichend, in der linken Hand 
sich ansammelte 2 ). 

Die Kunde von dem im Jahre 1604 am herzoglichen Paar 
in Düsseldorf vorgenommenen Exoreismus drang, jedenfalls auf 
Wunsch und Betreiben der Herzogin Antoinette 3 ), in die höchsten 
Kreise. Konnte doch die Herzogin bei ihrem festen Glauben an 
eine vorliegende Bezauberung keinen sehnlicheren Wunsch hegen, 
als die Fortsetzung einer Kur, die im Falle der Ergebnisslosigkeit 
nicht schadete, günstigen Falls aber, gleichsam wie mit einem 
Zauberschlage, die Sonne des Glücks über den dem Aussterben 
nahen Mannesstamm des jülichschen Herrscherhauses erstrahlen 
Hess. Antoinettens Einfluss ist es zuzuschreiben, dass im Winter 
1605 kein geringerer als Kaiser Rudolph II. von verschiedenen 4 ) 



1) Schreiben vom 18. Dezember 1G05 (vergl. Beilage 6) : Aiant en tant 
d'austre veu l'effect comme en moy mesme .... 

2) Wolf a. a. 0. S. 519: Cum exorcismos legeret exorcista super se- 
reniasiraa ducissa praeeiperetque spiritibus imraundis, ut si adesset aliquod 
maleficiura, quod causaret debilitatem in illustrissimo principe aut generatio- 
nem impediret, darent signnm in manu sinistra, venit paulo post calor in 
manu sinistra et brachio sinistro. Denique cum gravissime affligeretur eadem 
serenissima, praeeepit exorcista ut si esset aliquod malencium, quod causaret 
dementationem in principe aut suspenderet generationem, ostenderet signum 
in manu sinistra, sensit Serenissima omnes dolores descendere in manum 
sinistram. 

3) Folgt indirect aus späteren Schreiben und aus dem Drängen des 
Herzogs von Lothringen, eines nahen Verwandten Antoinettes, beim Kaiser. 
Auch ist später nie davon die Rede, Antoinettes Einwilligung zur Kur an 
ihrem Gemahl einzuholen. 

4) Vgl. (Beilage 2) das Schreiben vom 7. August 1005. 



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40 



E. Pauls 



fürstlichen Persönlichkeiten gebeten wurdg, eine Fortsetzung der 
Kur von 1604 zu vermitteln und zur Leitung derselben eine geeig- 
nete Persönlichkeit zu bestimmen. Es galt eineu letzten und 
Hauptversuch : die Theologen am Wiener Hofe erzielten vielleicht 
durch ihre Wahl bessere Ergebnisse, als sie den Exorcisten im 
verflossenen Jahre beschieden gewesen waren. Zu Ende Februar 
1605 schickte der Herzog von Lothringen einen eigenen Gesandten 
an den Wiener Hof im Interesse einer Sache, die für die katho- 
lische Religion und den jülichschen Stamm von grosser Bedeutung sei. 
Kurfürst Maximilian von Bayern befürwortete dringend dieses ,, hoch- 
wichtige und heilsame" Werk und bat den Kaiser um seine Zu- 
stimmung 1 ). Hierbei handelte es sich um die nochmalige Vor- 
nahme des Exorcismus am geisteskranken Herzog von Jülich. Ru- 
dolph II. willigte ein und bestimmte seinen Beichtvater, den Brcs- 
lauer Propst Dr. Johann Pistorius zum Leiter des Ganzen, soweit 
das kirchliche Gebiet in Betracht kam. Ueber die unzweifelhaft 
gleichzeitig geführten, wahrscheinlich kurzen Verhandlungen mit 
dem Erzbischof von Köln liegen Akten nicht vor; die Einwilligung 
der erzbischöflichen Behörde folgt indes schon daraus, dass später 
bei der Vornahme des Exorcismus am Herzog der Dechant von 
Jülich zugegen war. Pistorius traf am 24. Juni 1605 in Köln ein, 
wo er auf dem Kornmarkt im hl. Geist einkehrte. Aus welchen 
Gründen der Propst acht Wochen lang unthätig auf den Beginn 
der kirchlichen Handlung warten rausste, geht aus den Akten 
nicht mit Bestimmtheit hervor. Ein zur Vorsicht mahnendes 
Schreiben des Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg, des Vetters 
und Schwagers Johann Wilhelms, mag auf die Verzögerung nicht 
ganz ohne Einfluss geblieben sein 2 ) ; wahrscheinlich auch suchte der 
Kranke selbst, in Erinnerung an die vorigjährigen unangenehmen 
Erfahrungen, die ihm jedenfalls angedeutete Fortsetzung der im 
Jahre 1604 abgebrochenen Kur thunlichst lange hinauszuschieben. 
Endlich siegte indes die Rücksicht auf den Wunsch der Herzogiu 

1) F. Stieve in der Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins 
Bd. 1<>, S. 3ti. Für die katholische Sache, auf die der Herzog von Lothringen 
sich bezog, war Johann Wilhelms Genesung deshalb von Werth, weil bei 
kinderlosem Sterben der Uebergang der Fürstenthümer in protestantische 
Hände bevorstand. (Vergl. oben S. 23.) 

2) Vergl. hierüber, sowie über die Verhandlungen zwischen dem Kaiser, 
den Rathen und Pistorius, die Beilage 2. 



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Der Exorcismiw an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 



41 



und des Kaisers: Herzog Johann Wilhelm traf in der ersten 
Hälfte des August 1605 mit einem stattlichen Gefolge im Schlosse 
Hambach bei Jülich ein J ), in dessen Kapelle er sich der Exorci- 
sirung unterziehen sollte. Wenige Tage nach der Ankunft Johann 
Wilhelms in Hambach fanden zunächst längere Berathungen 
zwischen den herzoglichen Aerzten und den anwesenden Theologen 
statt. Die Aerzte gaben schriftlich ihr Gutachten 2 ) dahin ab, dass 
der Krankheit etwas Uebernatürliches zu Grunde zu liegen scheine 
und somit gegen die Anwendung von Heilmitteln kirchlicher Art 
nichts einzuwenden sei. Die Theologen äusserten sich nach drei- 
maliger Berathung einstimmig dahin 3 ), dass Anzeichen des Bezau- 
bertseins (signa maleficiorum) schon vor 15 Jahren beim Herzoge 
vielfach zu Tage getreten seien. Seit einigen Jahren hätten sich 
diese Anzeichen gemehrt und im vorigen Jahre wäre nach Aus- 
weis der vorhandenen schriftlichen Aufzeichnungen der Einfluss 
eines bösen Geistes (assistentia mali spiritus) klar festgestellt 
worden. Fleissig angewandte medicinische Heilmittel hätten keinen 
Erfolg gehabt, deshalb müsse zu kirchlichen Heilmitteln tiberge- 
gangen werden. Die alte Kirche habe zwar weniger bei Bezau- 
berten (maleticio affectae personae), als vielmehr bei Besessenen 
den Exorcismus angewandt. Es sei indess das von Christus 
(Lucas cap. 13) gegebene Beispiel zu beachten; bezüglich des Her- 
zogs Johann Wilhelm bliebe keine andere Wahl, als die Vornahme 
des Exorcismus, bei dieser aber müsse jedes Erbittern des Kranken 
vermieden werden. Die Exorcisten hätten sich der von der Kirche 
approbirten Exorcismus-Formeln zu bedienen und dann Schluss zu 
machen, wenn sie (die Aussteller des Gutachtens) dies anordnen 
würden. 

Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm nahm am 20. August 
1605 4 ) in der Hambacher Schlosskapelle seinen Anfang. Hiertiber 
besteht anscheinend nur e i n Bericht, der von kleineren Ungenauig- 



1) Wahrscheinlich hatte man Hambach gewählt, weil in der dortigen 
ländlichen Einsamkeit der Kranke sich behaglicher fühlte und die kirchliche 
Handlung mit geringerem Aufsehen vor sich gehen konnte, als in Düsseldorf 
oder Jülich. 

2) Vergl. Beilage 3. 

3) Vergl. Beilage 4. 

4) Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins Bd. XVI, S. 37. 



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42 



E. Pauls 



keiten nicht ganz frei ist 1 ). Dieselben bestehen hauptsächlich darin, 
das8 der Verfasser ohne Zeitangabe von einer Wallfahrt nach 
Scherpenhövel und dort ebenfalls vorgenommenen Exorcismen 
spricht, damit aber Ereignisse gleichsam als gleichzeitig hinstellt, 
die mindestens mehrere Monate zeitlich auseinanderliegen. Was der 
Verfasser dagegen Ober die Vornahme des Exorcismus in Hambach 
berichtet, dürfte im Wesentlichen der geschichtlichen Wahrheit ent- 
sprechen, weshalb hier ein kurzer Auszug folgt. 

Mehrere Tage nach der Ankunft 8 ) in Hambach baten die 
Geistlichen 3 ) den Herzog, sein Gebet mit dem ihrigen zu vereini- 
gen, um vom Himmel für die herzogliche Ehe die Gnade des 
Kindersegens zu erflehen. Gutmüthig ging der Kranke hierauf 
ein und kniete in der Schlosskapelle auf einem dem Betstuhle auf- 
gelegten Sammetkissen nieder. Nunmehr begannen längere Ge- 
bete, Litaneien, Segnungen und „exorcismi contra impedimenta 
actuum matrimonialem"; endlich forderte man den Teufel auf, von 
seiner Anwesenheit ein Zeichen an der rechten Hand des Herzogs 
zu geben 4 ). Alles erfolglos. Schliesslich wurde der Herzog so 

1) Der hier angedeutete Bericht findet sich nicht im Düsseldorfer 
Staatsarchiv, sondern in einem von Goebel nicht näher bezeichneten Kirchen- 
archiv in Düsseldorf. Er ist gedruckt in der Monatsschrift für die evan- 
gelische Kirche der Rheinprovinz und Westfalens, Jahrgang 1853, S. 20 ff. 
und in der Zeitschrift des bergischen Geachichtsvereins Bd. II, S. 201 ff. 

2) Wie abgeneigt der Herzog der Exorcisirung war, geht aus der An- 
gabe des Berichtes hervor, dass Johann Wilhelms Mienen sich verfinstert 
hätten, als er beim Einreiten in den Schlosshot' zu Hambach die von der 
Gallerie herab zuschauenden Geistlichen erblickte. Er fürchtete, man werde 
wiederum „wie dann auch zuvor geschehen, etwas Fremdes mit ihm an- 
fangen". 

3) Als anwesend bei der Exorcisirung nennt der Bericht ausser dem 
Propst Pistorius : Pater Zacharias und Pater Franciscus, Mediolanenses (Mai- 
länder) et ordini8 s. Ambrosii, tanquam magis principales; der Guardian von 
Düren; Pater Jacobus jesuita Mussipontanus (Pont ä Mousson) in Lotharingia ; 
decanus Juliacensis; der Guardian von Dortmund; Casparus Ulenbergius; 
Pater Leo jesuita Coloniensis, und Ihro Fürstl. Gn. beyde Caplans uti specta- 
tores actuum exorcisticorum. Die Herzogin erschien während der Handlung 
zuweilen in der Kapelle, wo auch einige jülichsche Räthe als Zuschauer an- 
wesend waren. 

4) Die Herzogin wollte bekanntlich an ihrer linken Hand Zeichen von 
Bezauberung gespürt haben. Vergl. oben S. 34. 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm vou Jülich. 



43 



unwillig, dass er dem Laien, der den Ausgang versperrte, mit den 
Worten „Ihr seid selbst Teufel oder vom Teufel besessen" *), eine 
Ohrfeige versetzte und das Weite suchte. Er rief die Wache 
gegen die „Verräther und Bösewichter* zu Hülfe, doch sie hatte 
sich zurückgezogen. Dann Hess der Kranke sich beruhigen, und die 
Beschwörung wurde am selben Tage, sowie anscheinend noch an 
vielen folgenden Tagen, ergebnisslos fortgesetzt. Und als eines 
Morgens der Herzog vom Kammerdiener erfuhr, die Mönche seien 
fort, um nicht mehr wiederzukehren, brach er in ein fröhliches 
Lachen aus. 

Wann die Exorcisten ihre Kur als beendigt ansahen und 
Pistorius heimkehrte, habe ich nicht ermittelt. Am 12. September 
1605 2 ) Hess Herzogin Antoinette in Düsseldorf eifrigst nach dem 
Zettel suchen, den man vor zehn Jahren ihrem Gemahl ins Wamms 
gesteckt und später wieder herausgenommen hatte 8 )» Der Zettel 
war aber nicht zu finden. Am 13. Oktober 1605 schrieb Rudolf II. 
den herzoglichen Käthen, dass er aus dem Berichte des Propstes 
Pistorius das Nähere Uber die vorgenommene Kur ersehen habe. 
Neue Aufträge seitens des Kaisers, denen sich die Räthe fügen 
möchten, seien an Pistorius abgegangen 4 ). Dieser war also damals 
noch im Jülicher Lande. Von Hambach aus schrieb die Herzogin 
am 18. September 1605 den Rathen in Düsseldorf, dass der Exor- 
cismus fruchtlos geblieben sei 5 ). Sehnlichst wünsche sie nunmehr, 
mit ihrem kranken Gemahl eine Wallfahrt nach Montaigu (Scher- 
penhövel) anzutreten. Nur ungern, und erst nachdem der eigens 
hierfür in die Niederlande geschickte Marschall Werner Huin von 
Amstenradt die Unzweckmässigkeit einer Wallfahrt durch stellen- 
weise mit ausländischen Kriegsschaaren besetzte Gegenden treffend 
nachgewiesen hatte, verschob die Herzogin die Reise. Anscheinend 
sollte im Februar 1606 Aachen an die Stelle des Marien -Wall- 
fahrtsorts Scherpenhövel treten; die Bürger verschlossen aber der 

♦ 

1) Angeblich lateinisch: Ipsi estis daemones, aut a daemonibus obsessi f 

2) Die folgenden Angaben bis zur Angabe über Johann Wilhelms Tod 
stammen sämmtlich aus dem gen. Aktenbiindel Nr. im Düsseldorfer 
Staatsarchiv. 

3) Vergl. Beilage 5. 

4) Näheres fehlt in den Akten und war nicht zu ermitteln. 

5) Vergl. Beilage 6. 



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44 



E. Pauls 



Herzogin die Thore der Stadt 1 }. Am 26. Februar 1606 theilte 
Antoinette von Hambach aus den Käthen in Düsseldorf mit, dass 
ihre Rückkehr unmittelbar bevorstehe. Man solle den vorausge- 
sandten Geistlichen alle Räume des Düsseldorfer Schlosses öffnen, 
damit dasselbe ausgesegnet werden könue 2 ). Die Akten schliessen 
mit dem an verschiedene Gotteshäuser in Köln zu Ende März 
1606 gerichteten Ersuchen, während der Charwoche zu beten, da- 
mit das Vorhaben 3 ) des Herzogs und seiner Gemahlin zum Segen 
des Landes gereicheu möge. Kinderlos starb Johann Wilhelm am 
25. März 1609 ; Herzogin Antoinette verschied kaum ein Jahr später, 
am 18. August 1610, in ihrer Vaterstadt Nancy. 

In der rheinischen Geschichte scheint die Exorcisirung einer 
fürstlichen Persönlichkeit sonst nur noch für einen hervorragenden 
Fall verzeichnet zu sein. Im Jahre 873 wurde Karl, der Sohn 
Ludwigs des Deutschen, bei einer Versammlung der Grossen des 
Reiches in Gegenwart seines kaiserlichen Vaters von Tobsucht- 
Anfällen befallen, die man dämonischem Besessensein zuschrieb 
und als Strafe für die Auflehnung gegen die väterliche Gewalt 
ansah. Man führte den Kranken zur Kirche, wo ihn die Bischöfe 
durch Gebete und Beschwörungen beruhigten*). 

1) K. F.Meyer, Aachener Geschichten 1781, Buch I, S. 539; F. 
Hangen, Geschichte Aachens 1874, Bd. II, S. 205. 

2) Vergl. Beilage 7. 

3) Gemeint ist jedenfalls die beabsichtigte Wallfahrt nach Scher- 
penhövel. 

4) Malignus spiritus . . . Karolum invasit, sed in eodem die suffragiis 
et coniurationibus diversorum sacerdotum eiectus est. (Annal. Xantenaes iu 
MG. SS. II, 235); . . . cumque (Karolus) duceretur ad aecclesiam, ut episcopi 
pro eius sanitate domino supplicarent . . . Karolus post sedatam infeatatlonem 
diaboli . m . (Annal. Fuldens. in MG. SS. I, 385); . . . comprehensus (Karo- 
lus) autem ab episcopis et ab aliis viris . . . ductus est in ecclesiam. Et 
Liutbertus archiepiscopus induens se sacerdotalibus vestibus, missam cantare 
coepit . . . (Hincraari Remens. Annal. ad annum 873. MG. SS. I.) 



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Per Kxorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 45 



Beilagen. 
1. 

Behandlung des geisteskranken Herzogs Johann Wilhelm von 
Jülich- Cleve-Berg mit Heilmitteln abergläubischer Art 

Königl. Staatsarchiv zu Düsseldorf. Jülich - Bergische Familiensaehen 
114. (Folioband Ms.) 

Aus den Anklagepunkten Sibillas gegen ihre Schwägerin Jacobe, die 
Gemahlin des Herzogs Johann Wilhelm (1595). 

(Fol. 30 und 31.) Wie dan in specie wahr, dass sie ungeverlich 
vor 3 jaren dem heren brueder allerhand eingeben, nemlich ihr Jacobe 
aigen blnet, krisum und andere dingh, welche aus Bayern durch ein 
cloisterjunfFer Elisabeth, die es von doctor Berlein bekommen, derer 
merckgrevin Jacobe zugestellt. Imgleichen het sich befunden, das dem 
heren brueder ins wammes ein brieflein mit allerhende seltzamen ca- 
racteren eingenehet, und wen S. D. solch wammes angehabt, grossen 
erbermlichen angst und jammer erlitten, auch S. D. selbst gesagt, der 
teufel ist im wammes. 

Dieser und folgender Ursachen halber ist vermuetlich, das unser 
her brueder in S. D. gerechter Unschuld mit einer schweren blödigkeit 
der sinnen leider umbfangen, darab uns und den getreuen dieser landen 
underthanen ain unaussaglichs hertzenweh, jamer, elend und mitleiden 
zugefallen . . . 

Antwort auf diese Beschwerde. 
(Fol. 324 des angegebenen Bandes.) Sagt zeugin, von bluet und 
crisam wüste sie gar nit; aber herzogin Jacobe hab etliche buchstaben 
von geweiheter aber nit consecrierter ostien zu austern gemacht und 
irem heren gemal eingeben, welche ire F. D. aus Bayren von articu- 
lirten junfferen Elizabeth ist gerothen worden, und soltte sulches irer 
F. D. dienen. Sagt darneben, als Jurgh von der Horst allhie zu 
Duisseldorf schwach gelegen, hab man beim pastoren zu Lenkh roths 
gefragt, und wie herzogin Jacobe solchs erfharen, hab sie durch den 
haubtman Blitterstorff gedachten pastoren leissen fragen, ob auch die 
melancholey des herzogen naturlich were. Darauf der pastor geant- 
wort, ime beduncke das niet, und also ain kleines brieflein mit etlichen 
buechstaben und creuzen, ires erachtens sei es evangelium sot. Johannis 
gewesen, gehn hof geschickt, welches sie zeugin aus bevelch herzogin 



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E. Pauls 



Jacobe, Johan Koppe cammerdiener behendet, welch selbigen zettul 
ins herzogen wamraes genahet. 

Im selbigen Bande, Fol. 360 : 
Sagt zeug, es hab der marschalck Schenkeren in beisein Bertrambs 
van Nesselraidt ime zeugen bevolhen, wan der herzog zu bette gelegt, 
sollte er irer F. G. wammes, welches halb canefass gewesen, heraus- 
bringen, wie zeug gethain. Darauf der marschalck bevolhen, er soltte 
das wammes besehen, ob er einig austrucken hette, das es an ainigem 
ort verendert, darauf zeug das wammes besichtiget und befunden, das es 
vor unden den knüpfen ain handbrait aufgewesen und wieder zuge- 
machet, und als er aus bevelch solchs ausgethan und hinain griffen, 
hab er an der rechten seiten zwischen baiden fuetteren ain papiren 
zetteln, ungevehr etwas lenger dan ain finger und aines fingers breit 
befunden, welchs er ausgezogen und dem marschalck behendiget und hab 
oft gehört, das der herzog gesprochen, der teufel were im wammes; 
hets bevolhen zu verbrennen, darnach wer das wammes hinweg ge- 
schafft. Doch mochten es ire F. (x. noch wol ain oder 2 maill lang x ) 
gehabt haben; hab darnach, das der teufel im wammes sein sollte, 
vom heren nit mehr gehört. 

2. 

Auszüge aus den Verhandlungen 2 ) zwischen Kaiser Rudolf II., 
den herzoglich jiäich-clevisch-bergischen Rathen und dem Breslauer 
Dompropst Pistorius. Schreiben des Pfalzgrafen Philipp Ludwig. 

Eönigl. Staatsarchiv zu Düsseldorf. Jülich - Bergische Familiensachen 
Nr. 63 T /2 ' Krankheit und Exorcismus. Herzog Johann Wilhelm : 1605 — 1600.) 

1. Rudolf II. theilt den fürstlich jülich-clevisch-bergischen Käthen 
mit, dass Johann Pistorius, der hl. Schrift Doctor, Kaiserlicher Eath 
und Hauptpropst des St. Johannesstifts in Breslau beauftragt sei, et- 
liche Sachen 3 ) bei ihnen anzubringen und zu verrichten, was sie von 
ihm vernehmen würden. Der Kaiser erwartet Entgegenkommen. 

Schloss Prag, 2. Mai 1605. 
(Papier ; Folio. Oblaten-Siegel und eigenhändige Unterschrift des Kaisers.) 

1) So der Text; lang wohl im Sinne von an. 

2) Unwesentliches lasse ich unberücksichtigt. 

3) Ausser der Exorcismus - Frage hatte Pistorius mit den Rathen zu 
verhandeln über kirchliche Angelegenheiten zu Dortmund und Hörde, sowie 
über Jurisdiktions-Sachen. Ich gehe hierauf nicht näher ein. 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 47 



In den Akten folgen einige Aufträge der Käthe an Amtmann 
Lulstorff betr. die bevorstehende Ankunft des Propstes Pistorius und 
ein ihm zu bewilligendes Ehrengeleit von Soldaten. 1605 Juni 25., 
wurde nach Düsseldorf von Köln aus gemeldet, dass Pistorius Tags 
vorher in Köln angelangt und auf dem Kornmarkt im heil. Geist ein- 
gekehrt sei. 

2. Pfalzgraf Philipp Ludwig schreibt den herzoglich jülichschen etc. 
Kathen, dass er von verschiedenen Seiten erfahren habe, dass mit seinem 
Vetter und Schwager, dem Herzog von Jülich, „eine sonderbare neue 
Kur durch exorcismos und Beschwörung angestellt werden solle", zu 
deren Leitung Dr. Johann Pistorius vom Kaiser bestellt sei. So sehr 
auch die Heilung des Herzogs durch gute und erspriessliche Mittel zu 
wünschen sei, so müsse man doch mit Kuren der angedeuteten Art 
etwas behutsam verfahren, und zweifle er nicht, dass die herzoglichen 
Räthe sorgen würden, dass ,,Ihrer Liebden Blödigkeit durch unbequeme 
media nicht mehr augirt als derselben remedirt und geholfen werde". 
Der Pfalzgraf erwartet nähere Berichte 1 ). 

Neuburg an der Donau, 1. Juli 1605. 

(Papier; eigenhändige Unterschrift Philipp Ludwigs.) 

3 a. Propst Dr. Pistorius beklagt sich bei den herzoglichen Käthen 
in Düsseldorf, dass er bereits sieben Wochen lang unthätig im Lande 
weile, und so des Kaisers und seine eigenen Geschäfte versäume. Der 
Kaiser sei doch von so vielen Kurfürsten und anderen Fürsten ersucht 
worden, ihn (Pistorius) eilends zur Leitung der Kur an Herzog Johann 
Wilhelm an den herzoglichen Hof zu entsenden. Jetzt wisse man 
nicht einmal, wann der Herzog Johann Wilhelm in Hambach ankommen 
werde und mit der Kur begonnen werden könne. Er bitte um Be- 
schleunigung der Angelegenheit, damit der Kaiser einsehe, nicht ver- 
gebens entgegengekommen zu sein. 

Hambach, 7. August 1605. 

3 b. Die herzoglichen Käthe antworten dem Propst Pistorius auf 
das Schreiben vom 7. August 1605, dass der Herzog binnen wenigen 
Tagen in Hambach eintreffen werde. »Wissen uns gleichwol dessen von 
Ew. Ehrwürden angezogenen schriftlicher eiferigen erpieten, so viel 

1) Ein solcher vom 18. August 1605 datirter längerer Bericht findet 
sich in den Akten; er ist unwesentlich. 



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E. Pauls 



diese comraisßion betrifft, nicht zu berichten, und hat der eingefallener 
verzug unsers theils nicht können verhuetet werden." 

Düsseldorf, 8. August 1605. 

(Papier; Folio. Concept.) 

4. Propst Pistorius theilt den herzoglich jülichschen Rathen mit, 
dass ihnen der Herzog von Lothringen vor länger als Jahresfrist ge- 
rathen habe, am Herzoge Johann Wilhelm eine Kur exorcistischer Art 
vornehmen zu lassen. Dies hätten sie am 26. Februar 1604 zur Kennt- 
niss des Kaisers gebracht, der nach Einholung eines theologischen Gut- 
achtens seine Genehmigung ertheilt habe. Die im vorigen Jahre ein- 
geleitete Kur sei zwar unterbrochen worden, doch hätten viele Fürsten 
beim Kaiser auf eine Fortsetzung gedrängt. Nach längerer Berathung 
mit seinen Käthen habe der Kaiser beschlossen, jemand abzusenden, 
der das Werk anordne, ihm bis zuletzt beiwohne und achtgebe, dass 
nichts wider die „christliche und fürstliche Gebühr besehene". Die 
Wahl sei auf ihn (Pistorius) gefallen; er weile seit acht Wochen im 
Lande und habe sich allenthalben gebührlich angekündigt. Es sei viel 
Zeit ohne* sein Verschulden verloren gegangen, doch wolle er dies nicht 
näher anregen. Die Kur solle demnächst beschleunigt werden, und 
mehrfach hätten bereits die Theologen und Aerzte über deren Vor- 
nahme berathen, wobei Einstimmigkeit erzielt worden sei. 

Concept oder Abschrift; undatirt. (Anscheinend : Hambach, 14. August l»»0ö.) 

5. Die herzoglich jülichschen Räthe antworten dem Propst Pi- 
storius, dass sie dem Kaiser für seine Sorge um den Herzog und das 
Land von Jülich zu Dank verpflichtet seien. Wäre auch die Kur im 
Jahre 1604 nicht nach Wunsch ausgefallen, so bliebe doch eine Fort- 
setzung sehr wünschenswerth. Zwar seien sie (die Räthe) von einem 
„sonderbar vornehmen Ort" 1 ) gewarnt worden, das Uebel nicht ärger 
zu machen, aber es handle sich doch um ein „christlich billig Werk*, 
weshalb sie sich dem Befehle des KaiserR und dem Gutachten der Theo- 
logen und Aerzte fügten. Nächst dem Wunsche ihrer Seligkeit hätten 
sie keinen höheren Wunsch als den, ihren Herzog gesund und seinen 
Stamm lange erhalten zu sehen. Sie hofften, dass Pistorius bei der 

1) Gemeint ist das vorstehend unter 2 angedeutete Schreiben des 
Pfalzgrafen Philipp Ludwig von Neuburg vom 1. Juli 1605. 



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Der Exorci9mu8 an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 



49 



Vornahme des Exorcismns zugegen sein werde, damit das geschehe, 
was sich passe und zur Erleichterung des hohen Kranken beitrage. 
Hambach, 17. August 1605. 

(Papier ; Concept oder Abschrift.) 

3. 

Die Hofärzte des Herzogs und der Herzogin von Jülich, Hein- 
tick Botter, Galenus Weier und Domin. Berthem bekunden, dass sie 
in einer gemeinschaftlichen Berathung den Theologen erklärt hätten, 
der Krankheit des Herzogs liege etwas UebernatürlicJies zu Grunde, 
sie hätten deshalb gegen die Anwendung von Heilmitteln kirchlicher 
Art nichts einzuwenden. 

Hambach, 16. Angast 1605. 

Nos inferiori loco asscripti illustrissimi Juliacensis principis et 
serenissimae ducissae aulici medici testamur praesenti Charta interfuisse 
nos institutae de celsitudinis suae curando morbo communi consultationi 
et inter dominos theologos nostram (ut medicorum) dixisse sententiam, 
nimirum, agnosci a nobis in isto morbo aliquid praeter et supra na- 
turam unde morbus foveatur, cuius ratio ad naturam vel huius causas 
reduci non possit. Ideoque merito contentos esse, ut pro suo iudicio 
de theologica cura cogitent domini theologi, officium interim nobis fac- 
turis nostrum. Sic sub fide nostra et manuum subscriptione testamur. 

Actum Hambachii, 16. Augusti 1605. 

Hen. Botterus D. M. Domin. Berthemius, serenissimi 

Gal. Weierus D. Lotharingiae Ducis med. doctor. 

Königl. Staats-Archiv Düsseldorf. Jülich-Bergische Familiensachen Nr. 
«3V 2 . Herzog Johann Wilhelm : Krankheit und Exorcismus 1605— 1606. Fol. 11. 

4. 

Theologisches Gutachten über den als Heilmittel gegen die 
Krankheit des Herzogs von Jülich an ihm vorzunehmenden Exor- 
cismus. 

Hambach, 16. August 1605. 
Nos infrascripti praesenti charta testamur et notum facimus om- 
hibus post accuratam considerationem tertioque repetitam consultationem 
con8entienter inter nos fuisse conclusum, Primo: morbum illustrissimi 
principis ao domini dorn. Joannis Wilhelmi ducis Juliacensis Clivensis et 
Montensis domini clementissimi nostri, tandem per maleficia, cuius signa 

Annalen des hl«t. Vereins LXIII. 4 



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60 



E. Pauls 



ab annis quindecim clarissirae animadversa plurima sunt, prorsus con- 
firmatum et multis accessionibus auctum, eo pervenisse, ut assistentis 
etiam mali Spiritus ab aliquot iam annis non obscura se documenta 
prodant, quod Universum ex libro, in quo superioris anni processus 
notatus fuit, nullo negotio probatur. Secundo: non solum medicinas 
naturales et consuetas, quae hactenus diligenter adhibitae nulluni usum 
praestiterunt, sed etiam supernaturalia ab ecclesiae concessa media ad 
curandum principein omnino postulari. Tertio: quamquam exorcismos 
magis ad obsessas quam ad maleficio affectas personas antiqua Christi 
ecclesia usurpavit, tarnen ex non adeo novo ecclesiae instituto et ex 
ipsius Christi exemplo Lucae 13 posse, et siquidem valetudinem illu- 
strissimi domini principis spectabimus, cum alia nobis non supersit 
ratio, omnino debere in principem institui exorcismos et huius quidem 
rei certum sine principis exacerbatione tenendum modum, in diesque 
quid usus ferat observandum. Quarto: in exoroismorum formnlis, 
quas reverendi domini exorcistae in impressis et ab ecclesia probatis 
libris praemonstrarunt, nihil a nobis posse desiderari, eoque libenter 
assentiri, ut in illis insistant, sed ut nihil nisi nobis consciis et pro- 
bantibus, mutent et cum nos tinera facere iubemus, desinant. Sic sub 
fide nostra ascripta, cuiusque maDU testamur. Acta sunt haec in arce 
Harabachia XVI. Augusti anno 1605. 

J. Pistoriu8 d. Vratislaviae cathedralis ecclesiae praepositus, sanc- 
tissimi domini nostri praelatus domesticus et caesareae maiestatis con- 
siliariu8 et legatua. Casparus Ulenbergius, Lippiensis 8. theologiae 
licentiatus subscripsi. Nicolaus Weiler, decanus Juliacensis. Joannes 
Pitopius s. theologiae doctor et serenissiraae ducissae confessarius. 
Joannes Jacobus Devaulx, eocietatis Jesu. F. Joannes Pelkingius s. 
theologiae doctor, guardianus Tremoniensis. F. Joannes Rensink, Dur- 
stensis, guardianus Marcoduranus. 

Königl. Staatsarchiv Düsseldorf ; Jülich-Bergische Familiensachen Xr. 
63 l / 2 - Herzog Johann Wilhelm: Krankheit und Exorcismus 1G05— 1606. Fol. 13. 

5. 

Antoinette, Gemahlin des Herzogs von Jülich etc., befiehlt den 
herzoglichen Rüthen in Düsseldorf, eifrigst nach einem Zettel suchen 
su lassen, der ehemals aus dem Wamms ihres Gemahls entfernt wurde 

Hambach, 12. September 1605. 

Messieurs. Ainay que ie ne souhayte. rien tant, que la sante de 
l'Altesse de monsieur mon marit; aussy cherche ie par toutes voyes 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 



51 



licites e possibles de la luy faire recouvrer. Et comme par cy devant 
il a este trouve dans le pourpoinct de sa dicte Altesse et tire dehors 
un billet, afin que la chose se passe plus secreteinent e sans brnit, 
j'envoye expres le Sr. de Frantz nostre conseiller poar en conferer 
avec vous et veoir de rae le rapporter. En quoy m'asseurant que ne 
voudrez mancquer de vostre coste pour le faire avoir et que voz 
volontez et desirs touchant la sant6 de Son Altesse ne sont pas diflfe- 
rents des miens, je supplye le Createur, messieurs, vous donner sante 
parfaicte. De Hambach le 1 2e de septembre 1601. (! 1601 statt 1605.) x ) 
Anthoniette 2 ) duchesses de Jullier Cleves et Bergue. 

C. Mesguin subscripsit. 
Seitlich von der Hand Antoinettes: 

Encore que ie sache que daustre fois ce dict billet nie este chercher, 
«y est ce que ie desire que cest fois il soit encore de rechieffe re- 
«hercher plus soigneusement et parmis tous les lieux ou il y a appa- 
rances qu'il pouvoit estre et ce faisant vous me feray Services agreable 8 ). 

EÖnigl. Staatsarchiv Düsseldorf. Jülich - Bergische Familiensachen Nr. 
63 Ys- Herzog Johann Wilhelm : Krankheit und Exorcismus 1605 — 1606. Fol. 37. 

6. 

Antoinette, Gemahlin des Herzogs von Jülich etc.* theilt den 
herzoglichen Bäthen in Düsseldorf mit, dass der Exorcismus bei 
ihrem Gemahl die erhoffte Wirkung nicht gehabt habe. Sie beab- 
sichtigt, mit dem Herzog eine Wallfahrt nach Montaigu (Scherpen- 
hövel) zu unternehmen und rechnet hierbei auf die Zustimmung der 
herzoglichen Bäthe 4 ). 

Hambach, 18. Dezember 1605. 
Messieurs, ie ne vous puis seller bien qu'a mon extreme regret 
ie ne voie l'avancement en la santc de son Altesse comme ie me le- 
ßtois promises ; aiant en tant d'austre veu l'effect comme en moy mesme, 
choses 4 ) qui rae fesoit esperer que Dieu permestroit, que son Altesse 

1) Dass 1605 zu lesen ist, folgt aus der vom 14. September 1605 da- 
tirten Antwort der Räthe. 

2) Hier und in anderen Briefen der Herzogin hinter Anthoniette ein gross 
geschriebener, schwer zu deutender Buchstabe. Vielleicht DC (Dei dementia). 

3) feray Services agreable entspricht genau dem auch an anderen 
Stellen fehlerhaften Texte. 

4) Dieser eigenhändige Brief Antoinettes ist augenscheinlich sehr 
flüchtig hingeworfen; namentlich fehlt bald „s" am Schluss eines Wortes, 
bald steht es überflüssig. 



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52 



E. Pauls 



pouroit recouvrer sa sante premiere par le moiens des exsorsism. Sy 
est ce neamoins que ses peres religieux par l'effect des lesorsiraes 
ont reconnus le malficea sy asseuresmant qu'ils ne peut douter, roais 
pour tout cela ils noses Rens proumestre la gerison veu les grandes 
difigulte que des le commancemant ils ont tous-iours faict paraitre y 
retrouver pour estre le sors tres grand e des plus dificille, e sod 
Altesse, personne de teile calite qu'ils nose y proseder comme ils feroit 
a un personne commune, de sorte que sela estant ils craigne comme 
prudant (?) que sa dict Altesse ne resoive par eux le fruit e sonlagement 
des exorsisme que tous austre dordinere font en semblable mal. Cest 
pour quoy voiant cela e desireuse de la sante de sa dict Altesse ie 
recours a laide divins e a cest effect ie desirerois le pouvoir mener 
a cest devotions de nostre dame du Monesgu *), ou iournellement taut 
de baux e grand miracle ce font e comme ce n'est loins dy cy, e quand 
trois ou quatre iours nous y pouvont estre ce seroit affere en dix ou 
douze jours pour le plus que nous pouvions y avoir faict nostre de- 
votions; e de moy ie ne vous selleray point que cest choses que ie 
desire infiniement dy mener son Altesse esperant par l'aide de la glo- 
rieuse mere de Dieu revoir l'Altesse de monsieur mon marit en son 
premier estat, choses que ie crois que souhaitez autant que moy veu 
lutilite qnils en reviendroit a lestat le quel ie ne mancqueray a vous 
represanter pour estre de sois (?) trop aparans, maie bien vous prierais-ie 
quand ce faict pour le quel ie vous escrict vous me fasiez paraistre 
par la prontitude que vous aporteray a lavancement de nostre voiage 
le desire qu'avez de revoir vostre prince en raeilleur estat, e a mon 
particulier me randu ce contentemant quand bref ie voie que nous 
puissions commancer se pelerinage; ce que me promestant de vous, ie 
prie Dieu qui vous aie en sa garde. De Hambac ce 18 desambre 
1605. Anthoniette ducbesses de Jullier Cleves e Bergue. Auf der 
Rückseite : A Messieurs les conseillers de nostre estat de Julliers ä Dussel- 
dorf. Ferner: Düsseldorf, 19. Decembris 1605. Serenissima domina, 
betr. das Ire F. D. zu Montagu zu füren. 

Königl. Staatsarchiv Düsseldorf. Jülich - Bergische Familiensachen Nr. 
637 2 . Herzog Johann Wilhelm : Krankheit und Exorcismus 1605—1606. Fol. 44. 



1) Montaigu in Brabant. Berühmter Wallfahrtsort, der deutsch „Scher- 
penhövel" genannt wurde. 



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Der Exorcismus an Herzog Johann Wilhelm von Jülich. 



53 



7. 

Antoinette, Gemahlin des Herzogs Johann Wilhelm von Jülich etc., 
•theilt den herzoglichen Rüthen ihre und ihres Gemahls bevorstehende 
Ankunft in Düsseldorf mit und befiehlt, den vorausgesandten Geist- 
lichen alle Räume des Schlosses zum Zwecke der Aussegnung zur 
Verfügung zu stellen. 

•Hambach, 26. Februar 1606. 
Messieurs. Comme son Altesse e moy sommes sur le poinct d'aller 
ä Düsseldorf, et la memoire des choses passees au preiudice de noz 
santez est encor fresche; j'ay iuge expedient, afin d'y pourvoir, en tant 
que faire se peut, que ces gents d'eglise gaignassent le devant, pour 
benir toutes les charabres e demeures du chasteau qu'il sera besoing. 
Occasion que ne ferez difficulte de leurs en faire ouvrir les portes et 
les recevoir. De quoy m'asseurant je prie Dieu vous avoir en sa pro- 
tection. De Hambach le 26 de Feburier 1606. 

Anthoinette duchesees de Jullier Cleves et Bergue. 
C. Mesguin subscripsit. 

Auf der Rückseite: A Messieurs les conseillers de noz estatz 
■de Jullieurs et Berg k Düsseldorf. 

Königl. Staatsarchiv Düsseldorf. Jülich - Bergische Familiensachen Nr. 
-63V 2 - Herzog Johann Wilhelm: Krankheit und Exorcismus 1605— 1606. Fol. 65. 



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Zur Geschichte der Suitbertus- und Willeicus-Reliquieir 

in Kaiserswerth. 



Von 
E. Pauls. 



Nur wenige Orte am Niederrhein können sich an geschicht- 
licher Bedeutung mit der etwa zehn Kilometer nordwestlich von 
Düsseldorf gelegenen Stadt Kaiserswerth messen. Welcher Ge- 
schichtsfreund wüsste nicht, dass dort ehemals eine Königspfalz 
als Stützpunkt der königlichen Macht bestand, während der Rheinzoll 
und ein berühmtes Kollegiatstift Kaiserswerth in ganz Deutschland 
zu einem der bekanntesten rheinischen Plätze machten ? Hier war 
es, wo vor fast 1200 Jahren der hl. Suitbert, einer der Genossen 
Willibrords, das Kreuz in die Erde schlug und ein nachmals sehr 
bedeutend gewordenes Kloster gründete. Suitbert fand in Kaisers- 
werth seine Ruhestätte; der zur Aufnahme seiner Ueberreste und 
derjenigen seines Gefährten (?) Willeicus bestimmte Schrein, ein 
herrliches Denkmal mittelalterlicher Kunst 1 ), wurde in der zweiten 
Hälfte des 13. Jahrhunderts vollendet. Eingeschlossen in eine ein- 
fache Kiste von Eichenholz, aber in Seide eingehüllt und durch 
mit Inschriften versehene Metalltäfelchen gekennzeichnet, ruhen die 
Reliquien der hll. Suitbertus und Willeicus in diesem Schreine. 
. Nach den Inschriften der Täfelchen zu schliessen, wurden die 



1) P. Clemen, Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz Bd. III, Düssel- 
dorf, S. 138: Der Suitbertusschrein in Kaiserswerth bildet den glänzenden 
Abschluss der durch die Tumba von Xanten eröffneten Reihe der nieder- 
rheinischen Schreine zu Aachen, Deutz, Köln, Siegburg. 



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Zur Geschichte der Suitbertus- und Willeicus-Reliquien in Kaiserswerth. 55 

ehrwürdigen Ueberreste der Glaubensapostel am 6. Juli 1264 in 
dem damals fertig gestellten Schreine nebst dem sie umschliessen- 
den Eichenholz-Sarge beigesetzt 1 ]. 

Wir wissen nicht, ob in der langen Zeit zwischen 1264 und 
16*26 jemals eine Eröffnung des wohlverschlossenen Kerns des Suit- 
bertusschreins stattgefunden hat. Sicher ist, dass im November 
1626 der bekannte Kölner Generalvikar Johann Gelenius nach 
eingeholter erzbischöflicher Erlaubniss den Sarg von Eichenholz er- 
öffnen und durch den kurfürstlichen Bonner Notar Johann Pesch 
(Frishemius) über den Hergang einen ausführlichen Bericht auf- 
zetzen Hess 2 ). Des umfangreichen Berichts geschiebt in der ge- 
schichtlichen Litterätur mehrfach Erwähnung 3 ); veröffentlicht ist 
er allem Anscheine nach bis jetzt nicht 4 ). Der» Hauptinhalt 
verdient aber schon deshalb veröffentlicht zu werden, weil es sich 
nicht nur um eine der berühmtesten Reliquien am Niederrhein 
handelt, sondern auch, weil derartige Berichte zu den grossen Sel- 
tenheiten gehören und über manche kirchlichen Gebräuche, sowie 
über die Behandlung hoch angesehener Reliquien in älterer Zeit 
willkommene Aufschlüsse zu bieten vermögen. Ich lasse dem Ab- 
druck einen auf das Wesentlichste beschränkten Auszug aus der 
Darstellung vorhergehen. 

In der Einleitung erklärt der Generalvikar Joh. Gelenius, 
dass er seitens des Erzbischofs Ferdinand am 18. November 1626 
einen dem Wortlaut nach mitgebrachten schriftlichen Auftrag er- 
halten habe. In diesem wörtlich dem Berichte einverleibten Auf- 



1) C 1 e m e n a. a. 0., sowie der in der Beilage folgende Bericht aus dem 
November 1626 geben folgende Inschriften der Bleitäfelchen: Istae sunt re- 
liquiae beati Swiberti confessoris quaruni facta est haec translatio a. d. 12*14 
in octava Apostolorum Petri et Pauli tempore Urbani papae quarti . . . Istae 
sunt reliquiae beati Willeici confessoris quae eodem tempore sunt translatae. 
Vgl. auch E. ausm Weerth, Kunstdenkmäler Bd. II, S. 43 ff. 

2) Vgl. die Beilage S. 59 ff. 

3) Clemen und ausm Weerth a. a. 0 ; Lacomblet, Archiv 
Bd. III, S. 112 und andere Quellen. Vgl. auch Act. SS. Bolland. ad diem 
1. März. 

4) Der grösste Theil der von Clemen a. a. 0. angeführten, ziemlich 
umfangreichen Litterätur über Kaiserswerth ist mir zugänglich geworden. 
Den Abdruck eines Auszuges oder des Wortlautes des gen. Berichts suchte 
ich vergebens; auch fehlt in den Verzeichnissen des Düsseldorfer Staatsarchivs 
jeder Vermerk, dass der Bericht irgendwo gedruckt sei. 



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E. Pauls 



trage wendet sich der Erzbischof an den Dechant und das Kapitel 
des Kollegiatstifts in Kaiserswerth. Nach einem Lobe auf die 
Verehrung der Reliquien im Allgemeinen und auf St. Suitbert, den 
Apostel des bergischen Landes und Westfalens im Besonderen, 
erklart Kurfürst Ferdinand, er ordne hiermit eine Untersuchung 
der in Kaiserswerth ruhenden Ueberreste des Heiligen an, mit 
deren Erledigung der Generalvikar Gelen betraut sei. Als Grund 
wird ausser der Pflicht des bischöflichen Hirtenamtes eine be- 
sondere Verehrung des Heiligen und der Wunsch angegeben, den 
Ruhm Suitberts zu mehren. Die Untersuchung sollte in Gegen- 
wart zuverlässiger, von Gelen zu bestimmender Zeugen vor sich 
gehen, und ausdrücklich wird das Stiftskapitel angewiesen, den 
Schrein (hierotbecam) zu öffnen, eine genaue Besichtigung und 
Beschreibung der Ueberreste zu gestatten, sowie ferner, etwa vor- 
handene Dokumente über Suitberts Leben und seine Reliquien dem 
Generalvikar vorzulegen und Abschriftnahme zu gestatten. Der 
Auftrag des Kurfürsten datirt: „Kloster Knechtsteden, den 18. No- 
vember 162G. U Wie aus der Fortsetzung des Berichts hervorgeht, 
begab sich Gelen, wohl von Knechtsteden aus, sofort am 18. No- 
vember nach Kaiserswerth 1 ), wo er den Stiftsdechant Anno von 
Salm von dem erhaltenen Auftrage in Kenntniss setzte, v. Salm 
berief am folgenden Tage (19. November) das Kapitel 2 ) zu einer 
Berathung, in welcher einstimmig beschlossen wurde, dem erz- 
bischöflichen Befehle gern Folge zu leisten. Man Hess von Neuss 
den Goldschmied Markus Heister kommen, der in Gegenwart Gelens. 
des Kapitels, des Notars und einiger Zeugen zunächst den mit 
silbernen und metallenen (aereis) Platten bekleideten Schrein öff- 
nete. Im Innern desselben befand sich eine etwa fünf Fuss lange 
Kiste von Eichenholz (cista quercina), welche oben mit fünf, unten 
mit drei, und an jeder Seite mit zwei eisernen Bändern verschlossen 
war. Die obere Eichenbohle (asser) lief in der Mitte etwas spitz 
zu und wies zwei eiserne Ringe auf, mittelst welcher der Schrein 
herausgehoben werden konnte; auch hatte der Deckel zwei durch 

1) Augenscheinlich lag ein lange vorher reiflich überlegter Plan vor. 
Hierauf deutet die überaus schnelle Erledigung des Auftrags und der Um- 
stand, dass der Neusser Goldschmied am 19. November sofort zur Stelle war. 

2) Als Stiftsherren werden ausser dem Dechant genannt: Heinrich von 
Vianden, Wilhelm Hewmar, Georg ab Horst, Winand a Pempelfurt, Georg 
Leo, Hermann Eilinck, Peter Lawenbergh. 



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Zur Geschichte der Suitbertas- und Willeicus-Reliquien in Kaiserswerth. 57 



bleierne Platten, in die eiserne Nägel eingeschlagen waren 1 ), ver- 
deckte Oeffnungen. Am oberen Theile der Kiste stand der Name 
Suitbertus, an der anderen Seite der Name Wileycus geschrieben. 
Im Innern war die Kiste durch eine in der Mitte angebrachte 
Eichenbohle in zwei Theile getheilt; zwei mit Inschriften versehene 
bleierne Täfelchen bezeichneten, entsprechend der Aufschrift auf 
dem Sargdeckel, die Ueberreste Suitberts bezw. des Willeicus. 
{Vgl. oben.) Die im Berichte sich anschliessende Beschreibung 
der Ueberreste, ihrer Umhüllung u. dgl. ist bemerkenswerth, doch 
fällt es auf, dass ein Arzt bei der Eröffnung des Schreins nicht 
zugezogen worden zu sein scheint. Vielleicht war damals ein Arzt 
in Kaiserswerth nicht ansässig, und verzichtete man, um Verzöge- 
rungen zu vermeiden, auf einen ärztlichen Sachverständigen aus 
Düsseldorf. Aus dem Schluss 2 ) des Berichtes sei noch hervorge- 
hoben, dass der ganze Vorgang in der Stiftskirche zu Kaiserswerth 
sich abspielte; Glockengeläute und ein Te Deum schlössen die 
Feier, zu deren Ende das Haupt St. Suitberts von der Geistlichkeit 
zum Küssen dargeboten wurde. 

Ausser diesem Berichte bewahrt das Königl. Staatsarchiv zu 
Düsseldorf ein Verzeichniss der im Hochaltar der Stiftskirche zu 
Kaiserswerth befindlichen Reliquien 8 ). Das Verzeichniss ist weder 
datirt, noch beglaubigt, dabei dem Alter nach schwer bestimmbar. 
Anscheinend gehört die Schrift dem 14. oder 15. Jahrhundert an; 
vielleicht aber auch liegt eine Fälschung aus etwas späterer Zeit 
vor. Unter den Reliquien wird nämlich neben Aechtem, so nament- 
lich den »Corpora ss. Switberti patroni et Willeici" manches ge- 
nannt, was auf Echtheit keinen Anspruch machen kann, z. B. : De 
patriarch is, Abraham, Daniele propheta, Elizeo propheta, virga 
Aaron u. dergl. 

Ein anderes, ebenfalls im Düsseldorfer Staatsarchive bernhen- 

1) Text: duo •foramina plumbeis operculis, ferreis clavis affixis tecta. 
Der Zweck dieser beiden Oeffnungen ist nicht recht klar. Vielleicht waren 
ursprünglich an Stelle der bleiernen Deckel Glasschieber vorhanden, die man 
später durch undurchsichtige Metallplatten ersetzte. 

2) Als Zeugen werden genannt: Joh. Konrad a Lyskirchen, Kanonikus 
zu St. Andreas in Köln, mehrere Zollbeamte, der Burggraf Kaspar Hanxleder 
und der Kölner Bürger Jakob de Solms. 

3) Stift Kaiserswerth Nr. 491; mit dem Berichte aus dem November 
1620 im selbigen Umschlag. 



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E. Pauls 



des kleines AktenbUndel (543,9): „Stifts- und Pfarrkirche zu Kai- 
serswerth* enthält für die Zeit von 1626—1767 verschiedene nicht 
ganz unwesentliche Angaben Uber spätere Eröffnungen des Suit- 
bertusschreins in den Jahren 1717 und 1767 x ); ferner Uber die 
kirchliche Feier dreier jährlicher Gedäcbtnisstage St. Suitberts, 
sowie Uber mehrere Verschenkungen kleinerer Partikel von den 
Ueberresten des Heiligen an hochgestellte Persönlichkeiten oder 
Kirchen. Ein näheres Eingehen auf den Inhalt dieses Aktenbündels 
mus8 ortsgeschichtlichen Forschungen Überlassen bleiben 2 ). 

Beim nachfolgenden Abdruck des Berichts aus dem November 
1626 blieben unwesentliche Stellen (Lob des Reliquiencultus, lange 
Titulaturen u. dergl.) theils weg, theils wurden sie in gekürzter 
Form gegeben. Stets aber sind Auslassungen und Kürzungen durch 
einige Punkte angedeutet, und sorgfältig bestrebte ich mich, We- 
sentliches nicht fortfallen zu lassen. 

Beilage. 

Bericht des Kölner Generalvikars Johann Gelen über die am 
19. November 1626 in der Stiftskirche zu Kaiserswerth erfolgte 
amtliche Eröffnung des Reliquienschreines der hll. Suitbertus und 
Willeicus. 

Kaiserswerth, 19. November 1626 8 ). 

„Ioannes Gelenius ss. theologiae doctor, metropolitanae et col- 
legiatae sanctorum Apostolorum ecclesiarum Coloniensium decanus 

1) 1717 fand in Kaiserswerth eine Milleniumsfeier zu Ehren St. Suit- 
berts statt; 50 Jahre später (1767) wieder eine Jubelfeier, zu welcher das 
Chronogramm „Dulcissimi pignoris clara revisio" gedichtet wurde. In den 
gen. Akten finden sich auch Notizen über zwei zinnerne, mit Inschriften ver- 
sehene Platten, die man zur Erinnerung an die 1717 erfolgte Eröffnung des 
Schreins neben die älteren Bleitäfelchen zu legen beabsichtigte. Gelegentlich 
einer nochmaligen Eröffnung des Schreins dürfte sich eine Untersuchung des 
Eichenholzes der Kiste empfehlen. (Vgl. Zeitschrift des Aachener Geschichts- 
vereins Bd. XVI, S. 109 und Bonner Jahrbücher Heft 77, S. 240 ff., sowie 
Heft 78, S. 272 ff.) 

2) Dabei würde namentlich auch das in den Bonner Jahrbüchern (Heft 
72, S. 129) abgedruckte Verzeichniss im 12. Jahrhundert vorhanden gewesenen 
Reliquien eingehend zu berücksichtigen sein. 

3) Wahrscheinlich ist der umfangreiche Bericht erst einige Tage nach 
dem 19. November 1G26 fertiggestellt und unterzeichnet worden. Ueber einen 



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Zur Geschichte der Suitbertus und Willeicus-Reliquien in Kaiserswerth. 59 

et respective presbyter canonicus capitularis . . . Ferdinandi archie- 
piscopi . . . vicarius in spiritualibus generalis, consiliarius et com- 
inissarius ad infrascripta peragenda specialiter deputatus . . . er- 
klärt, am Mittwoch den 18. November 1626 vom Erebischofe Ferdinand 
folgenden Auftrag erhalten zu .haben. „Ferdinandus . . . archiepis- 
copns Coloniensis . . . decano et capitulo eollegiatae ecclesiae 
s. Swiberti in Caesaris insula arcbidioeceseos nostrae Colo- 
niensis . . . salutera. (Folgt ein längeres Lob auf die Verehrung der 
Reliquien) . . . unde fit, ut inter pastoralis nostri officii munia 
unum esse ex maioribus sentiamus providere quam solertissime, ut 
venerandis iustorum reliquiis condignus habeatur honor . . . Sane 
s. Swibertus, magnus ille Saxoniae occidentalis, id est Montensium 
et Westphalorum apostolus, quäle quantumque divinae bonitatis in 
istis partibus tum in animarum conversione, tum in miraculorum 
patratione instrumentum in vita sua, quam sanctissime egit, fuerit 
et post beatam mortem in hunc usque diem existat, docent veterum 
monumenta et quotidiana experientia testatum facit. Illius vene- 
randa lipsana, cum in collegiata vestra . . . ecclesia asserventur, 
pro incumbentis nobis episcopalis munii ratione et pro quam sin- 
gulari affectu, quo beatum illuin prosequimur illiusque gloriam pro- 
pagare magis et magis studemus, visitanda esse duximus . . . Ve- 
nerabilem itaque . . . Ioannem Gelenium . . . nostrum . . . vicarium 
in spiritualibus generalem ... ad vos ablegavimus, vobis . . . man- 
dantes, ut ei in praesentia notarii et testium fide dignorum ab 
eodem vicario nostro assumendorum s. Swiberti hierothecam, in qua 
sanctissimae illius animae exuviae continentur aperiatis seu aperiri 
faciatis, inspectionem et accuratam designationem coucedatis, monu- 
menta quoque, quae apud vos seu in archiviis vestris ad vitam 
illius, res gestas et miracula custodiri contigerit, patefaciatis, coui- 
municetis et transcribi patiamini. Haec est enixa nostra voluntas t 
manu et sigillo nostro roborata. Datum ex monasterio Knechtsteden 
die decima octava Novembris, anno post millesimum sexcentesimo 
vigesimo sexto. Subscriptum: Ferdinandt. Io. Spiess. Loco 
sigilli." 

Nos igitur commissarius supradictus . . . eodem quo supra 



ähnlichen, ziemlich gleichzeitigen Bericht, der die Eröffnung des Grabes und 
Schreines eines Abtes in Stalslo betrifft, vergl. Bonner Jahrbücher Heft 4*5, 
S. 142 ff. 



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i>0 



E. Pauls 



die ad civitatem Caesaris Insulanum nos contulimus vocatoque ibi- 
dem ad nos admoduin rev. dorn. Annone a Salm insignis colle- 
giatae ecclesiae ibidem decano, eidem praefatam commissionem 
praesentavimus ac auctoritate . . . serenissinii principis . . . qua- 
tenus nobis hierothecam s. Swiberti exhiberent et ad examinandum 
risitandumque aperirent, mandavimus. Qui postero die s. Eliza- 
bethae sacro finitis matutinis precibus, indicto capitulo et capitu- 
laribus, scilicet Henrico a Vianden scholastico seniore, Wilbelmo 
Hevvmar granorum magistro, Georgio ab Horst canonico presbytero 
•et pro tempore thesaurario, domino Winando a Pempelfort, Georgio 
Leone cantore, Hermanno Eilinck iur. utr. licentiato canonico 
presbytero, Petro Lawenbergh canonico et pastore in loco consueto 
congregatis commissionem et mandatum . . . suae Serenitatis 
proposuit; reque diligenter ponderata unanimiter consentientibus 
praedictis dd. capituiaribus se mandato suae Serenitatis hu- 
millime obtemperare paratos esse declararunt. Qua propter pro- 
vidum virum Marcum Heister civem et aurifabrum Novesiensem 
^cccrsivimus, qui in nostra ac rev. . . . decani, dictorumque cano- 
nicorum, notarii et testium infrascriptorum praesentia tumbam ar- 
genteis et aereis laminis vestitam aperuit, in qua intrinsecus cista 
quercina quinque circiter pedum longitudinem habens reperta est, 
superius quinque ferreis vineulis, inferius tribus ad utrumque vero 
latus duobus firmata: superior asser quercinus nonnibil in medio 
^rat acuminatus cum duobus annulis ferreis, quibus e tumba prae- 
dicta cista elevari poterat, quae etiam supra babebat duo foramina 
plumbei8 operculis, ferreis clavis affixis tecta. Ab huius cistae su- 
periore parte scriptum erat nomen Suitbertus, ab altero latere Wi- 
leycus. Ipsa cista in medio quercino assere distinguebatur et ab 
•ea parte, qua scriptum erat nomen Suitbertus reperta est lamina 
plumbea in qua continebatur sequens literis uncialibus vetustis in- 
-cisa scriptura: Iste sunt reliquie beati Suitberti confessoris, qua- 
Tum facta est haec translatio anno domini MCCLXIIII in octavo 
apostolorum Petri ac Pauli tempore Urban i pape quarti. Deinde 
inventum est caput s. Suitberti integrum sine maxillis, involutum 
syndoni rubrae, caput a fronte ad oeeiput in cireuitu metiendo unius 
ulnae Coloniensis, ab una aure ad alteram trium quartalium ulnae 
et pollicis quantitatem continebat. Insuper inventa duo magna 
ossa coxendicum, foemoralia nuneupata, quodlibet tria ulnae Colo- 
niensis quartalia longum. Duo ossa a genibus usque ad talos, 



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Zur Geschichte der Suitbertus- und Willeicus-Reliquien in Kaiserswerth, ßl 



singula raediae ulnae Brabanticae longitudinem habentia, quae 
videbantur esse focilia maiora. Item quatuor ossa brachiorum, 
imumquodque quartale cum dimidio ulnae Coloniensis longum. 
Praeterea repertae duae costae, duu item alia ossa, quorum nos 
in humano corpore positionem nesciebamus. Duae scapulae unum 
quartalae ulnae Brabanticae latae, loogae verum unum quartale et 
pollicem. Adhaec spina dorsi cum decem vertebris; duo ossa 
cruris cum adhuc duobus ossibus parvis, quae videbantur circa 
calcem fuisse; duae rotulae genuum. Item una pars mandibulae 
ut apparebat inferioris cum duobus dentibus. Hae reliquiae 
omnes involutae erant panno variegato, exterius albi, interius 
caerulci coloris. Ab altero vere supradictac quercinae cistae 
latere, cui suprascriptum erat nomen Wileycus inventa sunt ossa 
coxendicuin duo, quorum unum trium quartalium, alterum fere 
semitrium quartalium unius ulnae Coloniensis longum erat. In- 
super inventa maxilla inferior cum tredecim dentibus. Duo 
ossa cruris a genibus usque ad talos, quorum unum semitrium 
quartalium et nonnibil ultra, alterum vero dimidiae ulnae Colo- 
niensis longitudinem continebat, sed binc inde parum attrita erant 
Item duo ossa eiusdem magnitudinis, servantia plantara pedis, quae 
videbantur fuisse metatarsi; una pars brachii ut apparebat semi- 
duorum quartalium ulnae Brabanticae longa. Item reperta pars 
gutturis nec non duo ossa parva instar sigmatis et duae vertebrae 
Spinae dorsi. Hae reliquiae omnes panno variegato involutae erant. 
Deinde inventa fuit syndon rubea, cui videbatur caput s. Wileyci 
involutum fuisse. Demum reperta est lamina plumbea, cui sequens 
scriptura insculpta erat: Istesunt reliquiae beati Wileyci confessoris, 
que eodem tempore sunt translate. 

His omnibus sie ut praemittitur repertis et peractis maximo 
cum gaudio campanis compulsatum fuit. Civibus plurimis ad ec- 
clesiam coniiuentibus s. Swiberti caput per nos ad osculandum 
exhibitum, ac demum Te Deum laudamus solemniter decantatum 
fuit. Acta sunt haec omnia in ecclesia collegiata s. Swiberti in 
Insula Caesaris, anno, mense et diebus praementionatis, praesenti- 
bus ibidem reverendo, nobilibus . . . dominis loanne Conrado a 
Lysskirchen ad s. Andream Coloniae canonico, Friderico a Vir- 
mundt locum tenente et telonario, Casparo Hanxleder burggravio, 
Gerhardo Rensingk telonii inspectore, Valentino Kurzrock telonii 
scriba et Iacobo de Solms cive Coloniense, testibus ad praemissa 



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<i2 E. P a u 1 8 : Zur Geschichte der Suitbertus- und Willeicus-Reliquien etc. 

specialiter requisitis. In quorum fidem, robur ac testimonium hasce 
literas, nostra ac notarii infrascripti in praedictis adhibiti, manu 
subscriptas consueto nostro sigillo communiri fecimus. 

Ioannes Gelenios mp. De mandato speciali Ioannes Pesch 
Frisheraius publicus et in electoraii cancellaria Bonnensi approbatus 
notarius subscripsi ra. p. 

Königl. Staatsarchiv zu Düsseldorf. Kaiserswerth Urkd. Nr. 491. Per- 
gament-Folio. Das Siegel Gelens (rother Siegellack) hängt, eingeschlossen 
in eine kleine Holzschachtel, an einem Pergamentstreifen an. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des 

Niederrheins. 

Von 

Hermann Keassen gen. (t) 



Bisher hat in dieser Zeitschrift die Geschiebte der Grafschaft 
Mörs und der mit ihr eng verbundenen Herrlichkeit Crefeld nur 
selten Erwähnung gefunden, so sehr auch die eigenartige Ver- 
gangenheit dieser seit fast 200 Jahren preussischen Gebietstheile 
sich von der der niederrheinischen Nachbarländer abhebt. Mein 
am 10. Dezember 1894 verstorbener Vater, der Stadtschulrath 
Dr. Hermann Keusseu in Crefeld, hat lange Jahre hindurch in 
emsigem Fleisse das Material zur Geschichte dieses Landstriches, 
man kann sagen, fast vollständig zusammengebracht. Vor allem 
hat er die bezüglichen Bestände des Düsseldorfer Staatsarchivs, 
das Stadtarchiv von Köln, zahlreiche Gemeinde-, Kirchen- und 
Privatarchive der engeren Heimath durchforscht und für seine um- 
fassenden Sammlungen verwerthet. Dieselben werden dem im 
nächsten Jahre zu eröffnenden Kaiser Wilhelm - Museum seiner 
Vaterstadt, dessen Gründung durch ihn angeregt worden ist, über- 
geben werden, damit späteren Forschern diese werthvollen Vor- 
arbeiten jederzeit zugänglich bleiben. Schon in seinen jüngeren 
Jahren hatte mein Vater die Geschichte der Stadt und Herrlich- 
keit Crefeld (Crefeld 1859—65) veröffentlicht, ein Werk, in wel- 
chem der Natur der Sache gemäss auch die Geschichte der Graf- 
schaft eine eingehende Berücksichtigung fand. Leider konnte er 
sich später nicht entschliessen, das Ergebniss seiner unermüdlichen 



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Hermann Keussen sen. 



Forschungsarbeit in einem grösseren darstellenden Werke zu- 
sammenzufassen. Wohl beschäftigte ihn weiterhin die Bearbeitung 
eines möglichst vollständigen Urkundenbuches der Grafschaft Mörs, 
dessen umfängliches Manuskript noch der Herausgabe harrt; er 
selbst konnte nicht zum Abschlüsse kommen, weil er immer wieder 
auf Vervollständigung des Materials hoffte. Auch zu Aufsätzen 
aus seinem Arbeitsgebiete gelangte er selten. Die „Annalen" 
weisen nur wenige Beiträge von ihm auf, so sehr er sonst auf 
Förderung der Vereinsinteressen bedacht war und an den Ver- 
sammlungen sich gerne und manchmal auch mit Vorträgen be- 
theiligte. Selbst zu der lokalgeschichtlichen Wochenschrift „Die 
Heimath", welche er in den Jahren 1875—78 herausgab, steuerte 
er nur wenige Artikel bei. Erst in seinen letzten Lebens- 
jahren veröffentlichte er von Zeit zu Zeit in der „Crefelder Zeitung* 
Skizzen aus der Geschichte der engeren und weiteren Heimath, 
welche aus seinen reichen Sammlungen schöpften. Vielfach sind 
die Quellen, welche der Darstellung zu Grunde liegen, deutlich zu 
erkennen, z. B. bei dem Aufsatze ^Kulturgeschichtliche Streif- 
bilder * die Stadtrechnun^en von Rheinberg, bei den Aufsätzen zur 
Schulgeschichte die entsprechenden Akten der Kirchen- und Schul- 
archive. Auch alle anderen Aufsätze sind streng quellenmässig 
gearbeitet auf Grund des weitschicbtigcn Materials, das ihm in 
langjähriger Arbeit vertraut geworden war. Es würde für einen 
anderen, der sich nicht völlig in den Stoff versenkt, nicht möglich 
sein, im Einzelnen die Angaben auf ihre Quellen zu prüfen. Aber 
die Einsicht in die Sammlungen erweist zur Genüge die Sorgfalt 
und Gewissenhaftigkeit, welche den Verstorbenen bei seinen Ar- 
beiten stets auszeichnete, und die er bei seiner Lieblingsbeschäfti- 
gung erst recht nicht vermissen Hess. Mehrfach knüpfen die 
Aufsätze an an lokale Begebenheiten und Dinge, welche er seinen 
Mitbürgern in ihrem geschichtlichen Zusammenhange vorführte; 
einzelne sind Ausarbeitungen von Vorträgen, welche er bei ver- 
schiedenen Gelegenheiten gehalten hat. Die Art ihrer Entstehung 
bringt es mit sich, dass ein feuilletonistischer Stil mit einer Bei- 
mischung von freundlichem Humor und liebevoller Kleinmalerei, 
wie sie dem Verfasser eigen waren, sich wohl mildern, aber nicht 
verwischen lässt, dass manches Thema in diesen Skizzen mehr- 
fach gestreift wird, und was dergleichen Unvollkommenheiten mehr 
sind. Hätte der Verstorbene selbst eine rein wissenschaftliche 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. l>5 

Arbeit mit diesen losen Blättern beabsichtigt, so würde er eine 
andere Weise der Darstellung gewählt haben. Nur eine erneute 
Durcharbeitung seiner hinterlassenen Sammlungen würde einen 
anderen hierzu befähigen; dazu ist aber vorderhand keine Aussicht 
vorhanden. So mögen denn diese Skizzen, welche in ihrer Ge- 
sammtheit eine Reihe von kulturgeschichtlichen Ansichten vom 
Niederrhein bilden, ihre Aufgabe erfüllen in dem Sinne, in wel- 
chem sie geschrieben sind: eine lebendige Anschauung der Ver- 
gangenheit, wie sie sich in engerem Rahmen gestaltet hat, einem 
weiteren Leserkreise nahezubringen. 
Köln. 

Herrn. Keussen jr. 



1. 

Das Volksschulwesen in der Grafschaft Mörs gegen Schluss 

des vergangenen Jahrhunderts. 

Nettesheim hat in seiner dankenswerthen Geschichte der Schu- 
len in dem alten Herzogthum Geldern auch manches interessante 
Streiflicht auf die Schulen der ehemaligen Grafschaft Mörs fallen 
lassen. Seine Mittheilungen, grösstentheils meinem gesammelten 
Material entnommen, sind indess, dem Zwecke der Arbeit ent- 
sprechend, knapp gehalten, sie sollten nur zum besseren Verständ- 
niss der Schulzustände im benachbarten Gelderland dienen. Eine 
weitere Vervollständigung dieser spärlichen Nachrichten dürfte um 
so willkommener sein, als sie bisher weiteren Kreisen nicht zu- 
gänglich waren. Die preussische Regierung Hess sich im Gegen- 
satz zu der früheren oranischen die Hebung des Volksschulwesens 
sehr angelegen sein. Namentlich hat sich König Friedrich Wilhelm I. 
unvergängliche Verdienste um dasselbe erworben. Seine Nach- 
folger blieben in dem Streben nicht zurück, und so drang Friedrich 
der Grosse mit starkem Nachdrucke darauf, dass die Pfarrer stets 
die Eltern belehren sollten, welche Vortheile ein guter Unterricht 
ihren Kindern bringen würde. Eine weitere Verordnung des 
grossen Königs befahl die Einführung der neuen Rochow'schen 
Lehrmethode mit dem 1. Januar 1778. Aber fast überall in der 
Grafschaft stiess man auf grosse Schwierigkeiten ; das Berliner Schul- 

An Halen den hist. Vereins LX1II. 5 



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6<; 



Hermann Kcussen sen. 



reglement wurde schroff zurückgewiesen. Auch der Mörser Stadt- 
schulmeister Johann Mathias von Spankeren scheint sich mit dem- 
selben nicht befreundet zu haben, denn er klagte, dass, seit er 
nach dem Berliner Reglement arbeite, die Schüler ihm wegliefen, 
und so legte er kurz nachher sein Schulamt nieder, das er über 
20 Jahre verwaltet hatte. Nach seinem Austritte verwaltete Johann 
Wilhelm vom Stein dasselbe auf zwei Jahre, um einer frischen, 
aufstrebenden Kraft, Johann Peter Zwengenberg, Platz zu machen. 
Neun Jahre hatte Zwengenberg, der ein Dreissigjähriger war, be- 
reits im Bergischen und in Mörmter im Schuldienste gestanden. 
Glaubte er in Mörs bessere Verhältnisse zu finden, als er sie in 
seiner bisherigen Stellung gehabt, so sollte er sich bald bitter ge- 
täuscht finden. Zunächst gab das Schulgebäude vollberechtigten 
Grund zu bitteren Klagen. Es befand sich nebst der nebenan lie- 
genden Lehrerwohnung in einem kläglichen Zustande, es lag in 
einer der engsten und schlechtesten Gassen der Stadt, so dass der 
Schulvisitator, der Prediger Engels, in seinem Berichte an die Re- 
gierung den Ausdruck gebrauchen durfte: Die Schule gleicht einem 
dumpfen Kerker, und es ist zu verwundern, dass Lehrer und 
Schüler nicht längst ihre Gesundheit eingebüsst haben. Dazu kam 
ein wenig ausreichendes Gehalt von 90 bis 95 Rthlrn., das aus 
der Kirchen-, Kämmerei- und Renteikasse, wie bereits vor 200 
Jahren bezahlt wurde. Das Schulgeld betrug für jeden Schüler 
pro Monat, je nach der Klasse, der er angehörte, 4, 5 oder 6 
Sttiber, der Rechenschüler zahlte 12 Stüber. Ausserdem hatte der 
Lehrer spärliche Einnahmen vom Beläuten und Kopulieren. Das 
Schulgeld wurde ihm noch mannigfach gekürzt durch die Winkel- 
und Abendschulen, welche gerade von den Schülern besucht wur- 
den, die am besten zahlen konnten. Zwengenberg wiederholte 
von Jahr zu Jahr seine Klagen, oft in bitterer und derber Sprache, 
vielleicht hier und da zu rücksichtslos. So heisst es in einem Be- 
richte vom Jahre 1789: Die Winkelschuleu der Lehrerinnen nähmen 
ihm die Schüler aus den besseren Familien, so die Ehefrauen 
Wolters, Perro und Jaussen und die Gertraud Nau, trotzdem sie 
meistens selbst elend unterrichtete Personen wären, die nach 
schlechten Methoden im Lesen und Schreiben unterrichteten und 
den Schülern falsche Begriffe beibrächten. Er erreichte es, dass 
die Regierung am 12. August 1790 verfügte, dass der Magistrat 
und die Prediger durch Deputirte die Winkelschulen revidiren und 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



«7 



alle Schüler, die älter als 6 Jahre wären, ausweisen sollten. Für 
jedes Kiud sollte 1 Rthlr. Strafe an die Armenkasse gezahlt wer- 
den. Katharina Perro, eine Soldatenfrau, bat in einer drolligen 
Eingabe die Regierung, die Verfügung zurückzunehmen; sie erhielt 
aber eine derbe Antwort: Die Eingabe beweise hinreichend, dass 
sie zum Unterrichten Ojähriger Kinder nicht befähigt sei, sie sei 
ausserdem taub und stupide. Im Jahre 1790 wiederholte Zwengen- 
berg seine Klage: Trotz dem Verbote der Regierung blühten die 
Winkel-, Klipp- und Heckschulen weiter fort: der Schuhmacher 
Friedrich Hoefter, der Küster Müller, Gerhard Achternbusch und 
noch andere hielten zu seinem grössten Nachtheile Abeudschulen 
und nähmen darin schulpflichtige Kinder auf. Mit Bezug auf 
Hoeffer machte er die bittere Bemerkung: Es sei nicht nöthig, dass 
die Jungen, wenn sie zur rechten Zeit von der Regierung zum 
Schulbesuch angehalten würden, in ihren männlichen Jahren (vom 
15. — 20. Jahre) bei einem alten Schuster Unterricht suchten, der 
möge bei seinem Leisten bleiben. Ueber den Küster Müller er- 
laubte er sich die Bemerkung: Wenn der Küster sich um das 
Glockenseil und um seine Mistkarre kümmere, so würden die 14 
neun- bis vierzehnjährigen Schüler da Unterricht suchen, wo sie ihn 
auch wirklich erhalten könnten. Die Ehefrau Wolters, bemerkte 
Zwengenberg in seiner Klageschrift weiter, habe augeblich nur 
eine Strickschule, es fänden sich aber bei ihr Kinder aus den vor- 
nehmsten Familien, wie vom Kriegsrath von Goldbeck, vom Re- 
gierungsrath KerkhotT, vom Kammersecretär Schölten, vom Bürger- 
meister Wesendouk, vom Salzfaktor Schmidt usw. ein, darunter 
auch Jungen unter 6 Jahren. Er hätte es mit Rücksicht auf die 
Personen zur Zeit für vernünftig gehalten, darüber zu schweigen, 
denn es sei eine solche Schule, die sich von ihm nicht ohne Hand- 
schuhe aufassen Hesse. Mit Bezug auf die Schule der Perro be- 
merkte er bissiger Weise, sie habe bei ihrem schwachen Gedächt- 
nisse leider alle Jungen über 6 Jahre anzugeben vergessen. Im 
übrigen würden anderwärts zur ordentlichen Schulzeit keine 
Strickschulen gestattet, als höchstens nur für solche, welche der 
Schule entwachsen wären. Hier (in Mörs) decke sich der eine 
Unfug mit dem andern. Vor dem sechsten Jahre können Kinder 
die Winkelschulen besuchen, und sobald sie 0 Jahre alt sind, heisst 
es, sie besuchen die Strickschulen,, folglich hat eine ordentliche 
Schule auf Kinder weiblichen Geschlechts gar keinen Anspruch. 



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08 Hermann Keus9en sen. 

80 spielen in Mörs alte Weiber den Spott mit den heilsamen könig- 
lichen Verordnungen, und das unmittelbar unter den Augen einer 
höchst weisen und gerechten Regierung. Wenn man vorschütze, 
das Schulhaus sei zu klein und für die Gesundheit der Kinder so 
gefährlich, so sei es Pflicht der Behörde, für ein bequemeres 
Schulhaus zu sorgen, wozu es an Gelegenheit nicht fehle. Der Pre- 
diger Diergardt bemerkte zu dieser Eingabe des Lehrers, er sei der 
letzte, der seine Kinder in solch' ein ungesundes Loch stecke. Trotz 
alledem trat eine Aenderung nicht ein. Im Jahre 1792 wieder- 
holen sich die alten Klagen. Auf die Frage: Wie viel Kinder 
überhaupt fleissig zur Schule kämen, antwortete Zwengeuberg : 
Fast keine, weil die meisten Eltern, besonders gemeinen Standes, 
befürchten, ihre Kinder möchten, wenn sie fleissig in die Schule 
gingen, klüger werden, als sie selber sind. Die Winkelschulen 
und die Weiberschulen entziehen der Stadtschule den grössten Theil 
derjenigen Schüler, welche am besten zahlen können. Sie nehmen 
dem Stadtschulmeister das Brot vor dem Munde weg, so dass er 
mit Nahrungssorgen zu kämpfen habe, und sein Eifer und sein 
Muth geschwächt werden. Das Schulgebäude zerfalle mehr und 
mehr, ohne dass sich der hochehrbare Magistrat darum kümmere. 
Die SchUlerzahl war bis auf 50 zusammengeschmolzen, von 
denen noch überdies ein Theil im Sommer aus dem Unterricht 
fernblieb. Die Prediger stimmen in diese Klagen ein und em- 
pfehlen der Regierung die königliche Verordnung Uber den Schul- 
besuch, wonach die Kinder vom 6.— 13. Lebensjahre zum Besuche 
der Schule verpflichtet wären, doch endlich zur Ausführung bringen 
zu lassen. Die Klagen verhallten ungehört. Hier und da schien 
die Regierung der Sache näher treten zu wollen, wenn sie neu- 
gierig in einer Verfügung die Frage aufwarf, die sie eigentlich 
sich selbst beantworten konnte, ob nicht eine Erweiterung der 
Schulfonds durch Vermächtnisse, Verschreibungen oder auf eine 
andere Art zu erwarten sei. Auch hier gab Zwengeuberg wiederum 
die treffende Antwort : Wenn bei einigen Mitbürgern die Neigung 
zur äusserlichen Verbesserung der Schule so stark ist, als das Ver- 
mögen es gestattet, so Hesse sich solches hoffen, nun aber nicht, 
weil die erste Eigenschaft in unserem aufgeklärten Zeitalter leider 
durchgängig fehlet. 

Man würde diese freimüthigen Aeusserungen des Lehrers nicht 
haben durchgehen lassen, wenn er in seinen Leistungen nicht be- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



«9 



friedigt hätte. Wöchentlich fanden vor den Predigern klassen weise 
in der Schule Prüfungen statt und einmal jährlich bei Gelegenheit 
der Schulvisitation vor dem Inspector ministerii. Ueber Zwengen- 
bergs Unterrichtsweise erfahren wir aus dessen eigenem Bericht 
Folgendes: Sobald die Schüler zur festgesetzten Zeit und Stunde 
versammelt sind, wird mit dem Gebet der Anfang gemacht. Die 
Schüler sind auf 5 Klassen vertheilt: a) ABC-Schüler, b) Buch- 
stabirschüler, c) Anfänger im Lesen, d) Geförderte Lese- und 
Schreibschüler und e) Rechenschüler. Die ABC-Schüler müssen 
zunächst die Buchstaben nach der Ordnung hersagen, dann werden 
sie geprüft, ob sie dieselben auch ausser der Ordnung kennen. 
Die ßuehstabirschüler kommen jetzt an die Reihe. Sie müssen 
zugleich buchstabiren, wobei der eine auf den andern Acht geben 
und denselben, wenn er fehlt, verbessern muss. Bald aber wird 
einer nach dem andern aufgefordert, dass er allein buchstabiren 
soll. So geht es auch mit dem Leseschüler usw. Unterdessen 
wird mit dem Gesang eines oder mehrerer Verse aus einem geist- 
lichen Liede fortgefahren, da denn bald der eine, bald der andere 
vorsingen muss, und demnächst mit dem Gebet geschlossen. 

In Kapellen war im Anschluss an das Berliner ABC-Buch 
eine eigentümliche Buchstabirmethode im Gange. Der Lehrer 
giebt jedem Buchstaben einen gewissen Beinamen, der aus dem 
Anschein desselben hergenommen ist, und woraus derselbe den 
Kindern sogleich kenntlich und begreiflich wird. Z. B. Frage: 
Wie heisst der Buchstabe mit dem dicken Bauch? Antwort: b. 
Frage: Wie der mit dem krummen Rücken? Antwort: d. Frage: 
Wie der mit dem Stippen ? Antwort : i. Frage : Wie heisst das 
halbe Möndchen ? Antwort: c. usw. 

Die besten Schulverhältnisse in der Grafschaft Mörs scheinen 
damals in Crefeld gewesen zu sein. Abgesehen davon, dass die 
Schulräume weit ansprechender und umfangreicher, als anderwärts 
waren, standen an der Spitze des Volksschulwesens 3 tüchtige 
Lehrer: Hammerstein, Höninghaus und Hohns. Ueber die beiden 
ersteren liegen Berichte aus der Zeit von 1787 — 1793 vor, die alle 
gleich günstig lauten. Der damalige Inspector Engels bezeugte, 
dass sich keine Mängel im Schulunterrichte vorgefunden hätten. 
Und dabei hatten die Lehrer in der einklassigen Schule mit 127 
bis 136 Schülern keine leichte Arbeit, zumal viele derselben wegen 
Erlernung fremder Sprachen oder des Nähens, Strickens usw. nur 



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Hermann Keuasen sen 



halbe Tage zum Unterricht kamen. Dem ersteren wurde der Unter- 
richt auch noch durch den Umstand erschwert, dass ein starke» 
Drittel der Schüler sich zu einer andern Confession bekannte. Bei 
Höninghaus gehörten die Schüler demselben Religionsbekenntnisse 
an. Im Jahre 1792 vertheilten sich seine 136 Schüler auf folgende 
Weise : 1—32 wurden in der Regel de Tri, in der Wechselrech- 
nung usw. unterrichtet, 1 — 50 schrieben Vorschriften im Deutschen 
und Holländischen in Zeilen, 1—36 lasen in der Bibel und in der 
Naturgeschichte, 50—86 schrieben Buchstaben und Wörter, 87—136 
lernen Buchstaben und Buchstabiren, 36—86 haben die kleinen 
biblischen Sprüche und Fragen gelernt, 1—36 Beweissprüche. Mit 
der ganzen Schule wurde der Heidelberger Katechismus und bib- 
lische Geschichte vorgenommen. Der Unterricht fiel in die Zeit von 
8—11 und von 1 — 4 Uhr. An Schulgeld wurde in den Crefelder 
Schulen bezahlt vom Leseschüler 4 Stüber, vom Schreibschtiler 
6 Stüber und von» Rechenschüler 12 Stüber für den Monat. Das 
Gesammtgehalt des Lehrers belief sich neben der freien Wohnung 
auf 181 Rthlr. 36 Stüber. Eine Aufbesserung dieser Gehälter wurde 
im Jahre 1792 von der Regierung aufs wärmste empfohlen. Im 
Jahre 1778 beabsichtigte man die Errichtung einer lutherischen 
Schule, und bald schritt man zur Ausführung des Planes. Man 
kaufte ein Haus für 1500 Rthlr. an und änderte es den Schulzweckea 
entsprechend mit einem Kostenaufwand von 100 Rthlrn. Der 
Lehrer erhielt ein Gehalt von 150 Rthlrn., das durch Kollekten 
aufgebracht wurde, und ausserdem für Orgelschlagen 25 Rthlr. 
Der erste lutherische Lehrer war Heinrich Wilhelm Corts aus 
Langerfeld. Als lutherischer Privatlehrer hatte bis zu dem ge- 
nannten Jahre Christian Passarin fungirt. 

Es war bereits im Jahre 1731 die Absicht gewesen, einen, 
dritten reformirten Lehrer in der Stadt Crefeld anzustellen, als 
der Lehrer Freund alt und gebrechlich sein Amt nicht mehr voll- 
auf zu verwalten vermochte. Zu dem Ende wollte man das ohne- 
hin knappe Gehalt Freunds kürzen. Als die Regierung dies er- 
fuhr, verbot sie unter dem 7. August des genannten Jahres, ohne 
ihr Zuthun und ihre Erlaubniss eine Aenderung vorzunehmen. Sei 
ein dritter Lehrer nothwendig, so sollte der Magistrat mit Zu- 
ziehung des Consistoriums darüber in Berathung treten und be- 
richten. Dies geschah denn auch am 14. August. Man war ein- 
stimmig der Ansicht, dass, wenn die katholische und mennonitische 



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71 



Nebenschule zufolge der königlichen Verordnung vom 28. Juli 
1730 abgeschafft würde, ein dritter Schulmeister angeordnet werden 
müsse. Das Salair könne man theils vom Vorsingen mit jährlich 
10 Rthlrn. nehmen (Freund sei dazu zu schwach und auch zu 
seinem Küsterdienst eigentlich nicht mehr gehörig im Stande), 
theils aus freiwilligen Gaben der Gemeindemitglieder zu beschaffen. 
Dazu käme dann noch donum gratuitum (Neujahrsgeld) und das 
Läutebrot aus der neuen Stadt-Auslage. Man könne dem dritten 
Scbullehrer daneben eine Exspektanz auf den Küsterdienst eröff- 
nen. Die Regierung erklärte sich am 21. September mit diesem 
Vorschlage einverstanden und ernannte den Johann von Bronkhorst 
„wegen dessen guter Hand im schreiben, rechenkunst uud sonstcn 
habender geschicklichkeit, auch guten Lobens und Wandels, zumal 
er vorhin als Assistenzschulmeister in Crefeld und nachgehends 
eine Zeit lang als Schul- und Rechenmeister in Duisburg gestan- 
den", zum dritten Schulmeister. Mit diesem Vorgehen war aber 
weder Magistrat noch Cousistorium einverstanden. Am 2. Oktober 
beschloss der Magistrat dem Consistorium davon Nachricht zu 
geben und abzuwarten, was dieses in der Sache thun werde, da- 
mit man einhellig vorgehen könne. Letzteres beschloss über ver- 
kürztes Wahlrecht sich zu beschweren, und in der That wandte sich 
am 8. Oktober das Presbyterium mit einer Eingabe au den König und 
klagte, dass wider Herkommen die Regierung, ohne einen Vorschlag 
abzuwarten, einen dritten Schulmeister ernannt habe. Der König 
möge es bei seinem alten Nominationsrecht schützen. Die Mörser Re- 
gierung fasste das Vorgehen des Presbyteriums und des Magistrats 
als Widersetzlichkeit und strafbare Rechthaberei auf und befahl 
am 2. November bei 100 Rthlr. Strafe, den von Bronkhorst sofort 
nach Berufung des Magistrats einzuführen, ein Protokoll darüber 
aufzunehmen und die Renitenten und Rädelsführer zur fiskalischen 
Ahndung anzuzeigen. Am selben Tage war aber von Berlin bei 
der Mörser Regierung eine zurechtweisende Verfügung eingetroffen, 
den Crefeldern in ihren kompetirenden Rechten nicht hinderlich 
zu sein. Am 20. November wurde gleichwohl Bronkhorst vom re- 
gierenden Bürgermeister Dr. Bruckmann und Gemeinsmann Wil- 
helm Schmeiters in sein Amt eingeführt, während er in der Kirche 
Niemand antraf. Am 23. November beschwerte sich das Pres- 
byterium abermals bei dem Könige über dieses Vorgehen. Die 
Regierung habe trotz der Verfügung vom 2. November durch Zu- 



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Hermann Keussen sen. 



thun des Kriegsratbs Müntz den Bürgermeister Bruckmann zu be- 
stimmen vermocht, den Bronkhorst einzuführen, trotzdem Magistrat 
und Consistorium Einer Ansicht gewesen. Jetzt habe ihnen der 
Bürgermeister ihr Recht verkürzt und den Bronkhorst eingeführt, 
ohne dass dieser ein Probestück seiner Befähigung vorgezeigt habe. 
Müntz habe allerdings, wie er sich entschuldige, reserviren wollen, 
dass die Crefelderfür die Zukunft bei ihrem Wahlrecht belassen wer- 
den sollten, man möge den Bronkhorst für diesesmal annehmen. 
Auf diese Klage ging keine Antwort ein. Am 10. Juni 1732 
wiederholte sie das Presbyterium und bat um Antwort. Am 27. 
kam sie und lautete dahin, dass die Mörser Regierung keinen Be- 
richt eingesandt habe. Unterdessen war der alte Lehrer Freund 
mit Tod abgegangen, und die Frage der Besetzung kam im Juni 
1732 im Consistorium zur Sprache. Hier waren die Meinungen 
getheilt. Gottfried Bruckmann und Heinrich Heymer waren der 
Ansicht, weil man über Bronkhorst nichts wie Lob gehört, und er 
auch mit einem hübschen Menschen zur Beihülfe versehen, femer 
auch Platz genug in der Schule sei, dass die Wahl eines Dritten 
nicht hoclmöthig sei, zumal zu einem capabeln Menschen kein hin- 
längliches Salarium, noch Ort und Platz zur Schule und Wohnung 
für den Schulmeister ohne Schaden der Gemeinde zu haben seien: 
man möge daher von der Wahl eines dritten Lehrers absehen. 
Am 18. Juli forderte die Regierung die Crefelder zu Vorschlägen 
auf. Das Presbyterium wandte sich wieder an den König und 
weigerte sich, vor Eintreffen der Antwort eine Wahl vorzunehmen. 
Am 15. August traf dieselbe ein, zugleich mit der Aufforderung, 
nunmehr zur Präsentation geeigneter Persönlichkeiten zu schreiten. 
Die Wahl unterblieb, und die dritte Lehrerstelle wurde nicht besetzt. 
Es scheint, dass eine erneute Vorstellung diesen Misserfolg zu Wege 
gebracht hat. Erst 30 Jahre später kam es zu der Schaffung einer 
bleibenden dritten Lehrerstelle. 

Die zweite Lehrerstelle am Inrath, seit 1715 ins Leben ge- 
rufen, hatte nach dem Ausscheiden des Johann Elskes im Jahre 
17(50 der Lehrer Gerhard Kuipers iune. Er war bisher in Htils- 
horst Lehrer gewesen und am 11. August 1760 von Bürgermeister, 
Schöffen, Rat, Consistorialen und Landesvorstehern gewählt worden. 
Bei seinem Tode am 20. Juni 1777 hatte man Johann Clemens 
Keusenhoff aus Repelen zu seinem Nachfolger gewählt. Die Wahl 
war aber auch keineswegs glatt verlaufen. 3 Caudidaten hatten 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



sieb gemeldet : Everhard Marcus aus Repelen, der spätere Lehrer 
von Utfort, der genannte Keusenhoff und Jobann Wilhelm Scheidt 
aus Kapellen. Das Consistorium wählte einseitig den Keusenhoff; 
die Landesvorsteher protestirten, weil sie zur Wahl nicht zuge- 
zogen, und schlugen den Marcus vor, der bereits 4 Monate den 
kranken Lehrer vertreten und sich bei den 50 Schülern bewährt 
habe. Das Consistorium remonstrirte gegen das Vorgehen des 
Landes, die Wahl sei rechtmässig unter Beistand der Berechtigten 
verlaufen. Gleichwohl verfügte die Regierung, dass Marcus so- 
wohl als Keusenhoff sich zum Examen am 22. September in Mörs 
stellen sollten. Hierauf wurde letzterer am 6. Oktober von der Re- 
gierung bestätigt. Beim Tode des Keusenhoff am 8. November 
1780 wurde Johann Clemens Wolffertz. der bereits als Unterschul- 
meister in der Stadt fungirt hatte, als Lehrer am Inrath gewählt. 
Er legte am 8. Oktober 1785 seine Stelle nieder, und nun wählte 
das Consistorium, ohne das Votum der übrigen Wahlberechtigten 
zu hören, zu dessen Nachfolger den Lehrer aus Oberwinter Christian 
Hasselbeck. Am 5. Deeember protestirtc der Magistrat gegen die 
Wahl, am 13. entschuldigte sich das Consistorium, die Wahl sei 
in keiner bösen Absicht geschehen, es würde solches nicht wieder 
vorkommen, worauf sich der Magistrat beruhigte und die Wahl 
nicht weiter beanstandete. Hasselbeck vertauschte seine Stellung 
mit der eines Vorstehers des Armenhauses bereits im Jahre 
1787. Zu seinem Nachfolger wurde Johann Peter Wilhelm 
Pongs gewählt, der seinen Vorgänger später auch im Armenhause 
ablöste. 

In Essenberg verwaltete um 1787 ein junger Lehrer, Namens 
Conrad Wülfing, das Schulamt. Die Vorbereitung für seinen Beruf 
hatte er bei seinem Vater empfangen, der Lehrer in Wanheim war. 
Er hatte 45 Schüler, darunter keine Rechenschüler. Sein Gehalt 
betrug 12 Rthlr., das Schulgeld brachte 15 Rthlr. auf. Asterlagen 
und Winkelhausen hatten eine gemeinschaftliche Schule, deren Ge- 
schicke ebenfalls ein junger Lehrer, Hermann Krachten, leitete. 
Seine Vorbildung hatte er beim Lehrer W insing in Duisburg er- 
halten. Sein Gehalt betrug 6 Rthlr., an Schulgeld nahm er 30 Rthlr. 
ein. Die Schule in Schwaef heim und Vinn wurde von dem Lehrer 
der Rumeln'schen Schule Johann Beestendonk zugleich mitver- 
waltet. Hier waren 70 Schüler, darunter keine Rechenschüler. 
Das fixirte Gehalt betrug 6 Rthlr., das Schulgeld 28 Rthlr. Ueber 



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74 Hermann Keussen sen. 

die Schulen in Asberg, Dong, Wardenberg und Hülsdonk stehen 
uns aus dieser Zeit nur noch die Namen der Lehrer zur Ver- 
fügung: Dietrich Gochs, Wilhelm Bosch, Johann Wardenberg und 
Hermann Bongarts. 

In Friemersheim, wo der Lehrer Friedrich vom Eyser zugleich 
als Küster und Vorsänger amtirte, zahlte man 5 Stüber Schulgeld. 
Das Bargehalt des Lehrers betrug 40 Rthlr. ; dann hatte er eine 
Fruchtrente, 4 — 500 Ostereier, und ausserdem erhielt er von Taufen 
2 Uthlr., Confirmation 1 Rthlr., von Copulationen 3 Rthlr., von 
Leichen 4 Rthlr. Von 75—80 Schülern erschienen im Winter 
etwa 50 regelmässig, die übrigen nur selten, im Sommer sank die 
Schülerzahl auf 32—40. Von der Geschicklichkeit des Lehrers 
war nicht viel Rühmliches zu sagen. Die Unterrichtszeit war die- 
selbe wie in Crefeld. In Kapellen waren die Schulzustände am 
günstigsten. Der Lehrer Johann Wilhelm Scheidt, von seinem Vater 
vorgebildet, war ein fleissiger und geschickter Lehrer, der mit 
ganzer Seele sich seinem Amte widmete. Auch er versah nebenbei 
den Küster- und Organistendienst und hatte trotzdem ein knappes 
Gehalt von 36 — 40 Rthlrn. neben dem Schulgeld von 5 Stüber 
von jedem Schüler. Die Schülerzahl betrug hier im Winter 106 
bis 120, im Sommer hingegen nur 40—50. Unter den Schülern 
gab es im Jahre 1791 sogar 14 Schüler, die im Alter von 15 — 16 
Jahreu standen. Schlimm waren die Schulverhältnisse in Vluyn. 
Der alte Schulmeister Keusenboff war ein verdrehter Kopf voll 
Schrullen und Verkehrtheiten, zuletzt schwachsinnig und zum Schul- 
halten ganz unfähig. Sein Sohn Peter, der ihn seit 1787 vertrat 
machte es in den ersten Jahren nicht besser. Erst nach und nach 
erwarb er sich die Zufriedenheit seiner Behörde. Das Gehalt war 
hier dasselbe wie in Kapellen. Von den 135 schulpflichtigen Kin- 
dern erschienen im Winter etwa 75—90 höchstens 2 Monate regel- 
mässig, im Sommer schrumpfte die Zahl auf 14—26 zusammen. 
Das Schulgebäude wird als ein unzweckmässiges und ungesundes 
geschildert. Auch Keusenboff versah den Küster- und Organisten- 
dienst. In Homberg war Rütger Teelen Lehrer, Küster und Or- 
ganist. Er war ein rechtschaffener Mann, der sich redlich bemühte. 
Im Winter wurde die Schule von 100—105 Schülern regelmässig 
besucht, im Sommer erschien kaum die Hälfte. Die Unterrichts- 
zeit war hier von 8—11 und von 12 — 3 Uhr festgesetzt. In Nieder- 
budberg waltete Hermann Diergarten des Schul-, Küster- und 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 75 



Organistenamtes. Ihm wird Geschicklichkeit nachgerühmt. Er 
selbst hatte allen Grund, über schlechten Schulbesuch zu klagen. 
Im Sommer musste er deu Unterricht vollständig aussetzen, aber 
auch im Wiuter gestalteten sich die Verhältnisse nicht viel besser. 
Im Jahre 1787 blieben von den 73 Schülern 25 gänzlich aus und 
8 erschienen nur ab und zu im Unterrichte, im Jahre darauf 
kamen nur 30 regelmässig zum Unterrichte, während 23 unregel- 
mässig erschienen und 25 gänzlich fernblieben. Kein Wunder, dass 
unter solchen Umständen sich der Ertrag des gesammten Schul- 
geldes nur auf IG Rthlr. belief. In der benachbarten Schule zu 
Eversaal waren die Schulverhältnisse etwas günstiger. An der 
Schule wirkte Johann Friedrich Scheidt, ein Bruder des Kapellener 
Lehrers und gleich diesem geschickt und fieissig. Von den 90— 100 
schulpflichtigen Kindern der Gemeinde erschienen im Winter 45 
bis 52, im Sommer beschränkte sich die Zahl auf 15 — 20. Auch 
hijer überstieg das gesammte Schulgeld nicht die Höhe von 25 Rthlrn. 
In Repelen waren hinwiederum die traurigsten Schulzustände. Der 
Lehrer Dietrich A ratzen, der zugleich den Küster- und Organisten- 
dienst versah, hatte trotz der grossen Schülerzahl auf dem Papier 
aus dem Schulgeld nur ein Einkommen von 35 Rthlrn. zu ver- 
zeichnen. Von den 130 Schulkindern erschienen im Winter 50 
regelmässig, 26 unregelmässig, während 54 gänzlich fernblieben. 
Im Sommer kamen im Ganzen 15—20 Schüler zur Schule, trotz- 
dem die Unterrichtszeit auf die Zeit von 9—11 beschränkt wurde. 
In Neukirchen verwaltete die Schule Cornelius Limburg, ein tüch- 
tiger und geweckter Lehrer. Auch hier Hess der Besuch der Schule 
vieles zu wünschen übrig. Von den 100 Schülern besuchten 3 Fünftel 
die Schule im Winter regelmässig, während der Rest unregelmässig 
erschien oder ganz fortblieb. Der Unterricht wurde im Winter 
von 9—12 und von 1—4 und im Sommer von 9—11 und von 1—3 
Uhr gegeben. Das Einkommen aus dem Schulgeld bezifferte sich 
hier auf 25-30 Rthlr. 

Die Schule in Rumeln zählte im Winter 50 Schüler, im Sommer 
15 — 20. Das Gehalt des Lehrers belief sich hier auf 6 Rthlr. 
30 Stbr., und an Accidentien erhielt er 25 Rthlr. Als Lehrer stand 
an dieser Schule Johann Beestendonk, Scheidts Schüler. Die Schule 
zu Hochemmericb zählte 103 schulfähige Kinder, von denen aber 
im Jahre 1788 75 regelmässig, 12 unregelmässig erschienen, wäh- 
rend 16 sich fernhielten. Im Sommer waren hier die Verhältnisse 



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Hermann Keussen sen. 



nicht ganz so ungünstig wie anderwärts, indem sich doch ungefähr die 
Hälfte einfand. Der Lehrer Johann Bernhard Otterbeck versah 
zugleich das Küsteramt. Sein Gesammtgehalt mit Schulgeld betrug 
145 Iithlr., neben Wohnung und Garten. Ueber die 3 Schulen in 
Baerl, Binsheim und Lohmühle wird summarisch berichtet. An der 
ersteren Schule wirkte Gottfried Lysen, der zugleich Küster und 
Vorsänger in der Kirche war. Er bezog an Schulgeld 15—18 Rthlr. 
Auch im Sommer, wo der Unterricht von 8—10 und von 1—3 ge- 
geben wurde, erschienen zu seinem Unterrichte 35—45 Schüler, 
während in Binsheim und LohmUhle im Sommer kein Unterricht 
zu Stande kam. Der Lehrer Susen in Lohmühle trieb auch Hand- 
arbeit, während dies vom Lehrer in Binsheim Johann Theodorissen 
nicht gesagt wird. Die 3 Schulen wurden in der Zeit vom Januar 
bis April von 135—140 Schülern besucht, dann aber verliefen sich 
dieselben allmählich, bis der Rest in Baerl noch aushielt. Diese 
Mittheilungen aus dem Schulleben sind wenig erfreulicher Natur, 
und der alte Prediger Jonas Heilmann in Crefeld hatte wohl Recht, 
wenn er in seinem Berichte an die Regierung sagte: So lange der 
Staat die Bildung der Jugend nicht zu seiner ersten und ernsten 
Angelegenheit macht, wird das Schulwesen sehr unvollkommen 
bleiben. 

Am 14. Oktober 1788 verordnete der bekannte Minister Wöllner, 
<lass die Mörser Regierung hinfort die Geschäfte eines Schul - 
Gollegiums für den Mörser Bezirk führen sollte. Falls im Collegium 
kein praktischer Schulmann Sitz und Stimme haben sollte, der bei 
den Prüfungen der Lehrer hinzugezogen werden könnte, so sei 
dazu eingeschickter und bewährter Mann in Vorschlag zu bringen. 
Der Regierung wurde die Bearbeitung der Schulsachen so wie bis- 
her, so auch für die Zukunft Ubertragen und ebenso die gewissen- 
hafte Besetzung aller freiwerdenden Küster- und Schulhalterstellen, 
deren tixirte Einnahmen unter 60 Rthlr. betrügen; bei solchen mit 
höherer Einnahme sollte die Approbation des Ober-Schulcollegiums 
in Berlin eingeholt werden. Der Regierung wurde eingeschärft, 
bei der Besetzung besonders solcher Stellen vorzüglich aufSubjecte 
aus den Königlichen Seminarien Rücksicht zu nehmen, insofern 
nicht schon geprüfte und als tüchtig befundene Invaliden vorhan- 
den wären. Wo die Magistrate im Besitze des Patronates wären, 
solle gleichwohl der Regierung die Prüfung der zu diesen Stellen 
berufenen Subjecte überlassen bleiben, und deshalb bei der Re- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. TT 

gierung die Präsentation erfolgen. Was die Prüfung anbeträfe, so 
könnte die Regierung zuvörderst eine Probelektion halten, dann 
einige schriftliche Prüfungsarbeiten anfertigen lassen und dieselben 
mit deren Gutachten auch über den Erfolg der Probelektion an 
das Ober - Schulcollegiuui zur weiteren Entschliessung einsenden. 
Mit Bezug auf die Königliche Cabinetsordre vom 27. September 

1788 hiess es in der Ministerial-Verfügung, dass nur solche Inva- 
liden als Lehrer angenommen werden sollten, die sich zum Unter- 
richt der Jugend schicken würden, die Untauglichen sollten zurück- 
gewiesen werden. Die Hauptsache wäre hier mehr die Verbesserung 
der Schulen, als die Versorgung eines Invaliden, der, wenn er nicht 
zum Schulmeister passt, nur Schaden anrichte. Die Mörser Re- 
gierung erhob gegen die Ausführung dieser Verfügung unter dem 
3. November ihre Bedenken, und so erfolgte denn bereits am 18. 
der Bescheid Woellners, dass es bei der Besetzung der Schulstellen 
in der Grafschaft Mörs bei der bisherigen Einrichtung verbleiben 
sollte. Hiernach wurden von dem Pfarrer und dem Kirchenrath 
in Gemeinschaft mit dem Magistrat 3 taugliche Personen der Re- 
gierung präsentirt, welche dann gewöhnlich der an erster Stelle 
genannten die Bestätigung ertheilte. 

Auf eine Aufforderung der Regierung an den Mörser Ma- 
gistrat, auf Mittel zu sinnen, wie das Schulwesen in Mörs gehoben 
werden könne, erwiderte dieser am 10. December 1787: Es sei 
sehr zu wünschen, dass die städtischen Lehranstalten mit zweck- 
mässigen Schulbüchern und einer Vorschrift Uber Einführung der 
besten Lehrmethode versehen würden. Die Regierung gal> sich 
Uberhaupt, wie es scheint, auf Anregung von Berlin aus, jetzt mehr 
Mühe, die Schulverhältnisse zu bessern und zu heben. Am 10. April 

1789 wurde den Predigern der Grafschaft vom Ministerium aua 
empfohlen, darüber nachzusinnen, wie man ein eigenes Seminarium 
mit einer der vorhandenen Schulen verbinden könne, und ent- 
sprechende Vorschläge zur Hebung des Schulwesens zu macheu. 
Die von den Predigern eingereichten Vorschläge über die Ver- 
besserung des Unterrichtswesens auf dem platten Lande sind zum 
Theil recht charakteristisch und lassen oft genug die Prediger 
selbst in einer merkwürdigen Beleuchtung erscheinen. So schreibt 
der Prediger Mische in Kapellen : Wenn ein Schullehrer auf dein 
Lande, der Organist, Vorsänger, Küster, Schulmann und Gemein- 
heitsschreiber ist, die Orgel gut schlägt, melodisch singt, gut schreibet, 



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7s Hermann KeuBsen sen. 

rechnet und fasslich unterweiset und dabei fleissig seine Schul- 
stunden beobachtet, so hat derselbe keine Lesebibliothek von Nöthen. 
Viele andere Bücher würden ihn verwirren, und wenn die Wahl 
nicht äusserst klug wäre, ihn verderben, und da es nach Voll- 
endung 6 mühsamer Schulstunden ihm an Lust (auch an Zeit) 
fehlen möchte, Vieles zu lesen, möchte er im Schulkatheder solche 
Bücher durchstöbern wollen und seinen sonst fleissigen Unterricht 
dabei vernachlässigen. Besser wäre es, wenn der Prediger, der 
ein nützliches Schulbuch bekommt, verbunden wäre, solches seinem 
wiss begierigen Schullehrer mitzutheilen. Zur Erhöhung der Schul- 
einnahme könne das im Lande übliche Brautbier, welches dem Vor- 
nehmen 6, dem Geringsten 2 1 /* Rthlr. zu stehen kommt, verboten 
und das Brautpaar angehalten werden, an dessen Stelle 1 Rthlr. 
zur Schulkasse zu geben. Die Erhöhung des Schulgeldes sei nicht 
rathsam, ebenso wenig die Errichtung von Abendschulen. Mit Be- 
zug auf das Verbot des Brautbieres macht Mische die Bemerkung : 
Das Brautpaar, welches sich weigert, das Brautbier zu geben, hat 
die Zerstörung des Gartens oder Brunnens zu erwarten. Das 
Brautgeld wird nachgehends in Liederlichkeit verzehrt, ganze 
Nächte wird geschwelgt und die Gesundheit vieler jungen Leute, 
die des Nachts auf dem Felde oder in Büschen liegen bleibeu, 
vernichtet. Ein Verbot sei also wohl angebracht. Damit die Schul- 
stelleu mit tüchtigen und geschickten Lehrern besetzt würden, em- 
pfehle er folgenden Besetzungsmodus: Alle Bewerber um eine 
Stelle müssen sich mit ihren Zeugnissen beim Praeses classis mel- 
den, dem es freisteht, bei jedem ein kursorisches präliminarisches 
Examen vorzunehmen und darüber ein Zeugniss auszustellen. Die 
Gemeinden hätten eine Dreizahl von Candidateu zu formireu ; 
keiner dürfte auf die Liste, der nicht ein Zeuguiss vom Präses 
hätte. So kämen die drei fähigsten auf die Liste, und über solche 
erginge ein examen rigorosutn, und der fähigste ginge ohue Rück- 
sicht auf die meisten oder wenigsten Stimmen von den Modera- 
toribus empfohlen an die Regierung zur Bestätigung. Ein neuer 
Lehrer pflege im Anfange seiner Amtsführung fleissig zu sein, 
nachgehends aber in seinem Eifer zu erkalten. Letzteres zu ver- 
hüten, sei die Pflicht des pastoris loci, doppelte Aufmerksamkeit 
auf den neuen Lehrer zu haben, ihn unablässig zu ermuntern und 
zu erwecken, seinen Fleiss zu loben, sich aller Härte gegen ihn 
zu enthalten, bis derselbe ein paar Jahre eifrig fuugirt habe. Daun 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



79 



ist es ihm in der Zeit zur Gewohnheit geworden, fleissig zu sein. 
Er bekommt allgemeinen Beifall und bleibt immer gut. Da die 
Schullehrer nicht studirt haben, so fährt Mische in seinem Gut- 
achten fort, und deshalb in der Orthographie und den Regeln der 
Sprachkunst nicht sonderlich geübt sind, so muss der Pastor solches 
spielend dem Schulmanne begreiflich zu machen suchen und ihm 
das, was in dem Berliner Unterweisungsbuch davon geschrieben, 
deutlich erklären und mit Exempeln erläutern. Alle vorhandenen 
Schullehrer, welche sich mehr mit Oekonomie als mit ihrem Haupt- 
werk beschäftigen, über deren Trägheit und Nachlässigkeit im 
Unterrichte selbst der gemeine Mann Klage führt, müssten bei der 
wöchentlichen Schulvisitation erweckt werden, mehr Fleiss auf die 
Jugend zu wenden, oder sie würden im andern Falle mit einem 
Drittel ihres Gehaltes zur Kuhe gebracht und als Invalide erklärt. 
Die ökonomische Sorgenlast d'en alten beweibten und mit zahl- 
reicher Familie versehenen Schullehrern zu erleichtern, müsste not- 
wendig auf die Vermehrung ihres Salarii Rücksicht genommen 
werden. Denn es sei wahrlich traurig, wenn man sähe, dass ein 
Schullehrer aus Maugel hinlänglicher Subsistenz frühmorgens von 
2—8 Uhr im Winter auf seiner Tenne dreschen, dann ermüdet 6 
Stunden Unterricht gebeu müsse, um nach vollendeter Schularbeit 
wiederum in die Scheune zu gehen, um die Frucht von der Spreu 
zu reinigen oder in seinem Garten oder auf seinem Felde mit der 
Grabschaufel zu arbeiten. Solches alles konnte gehoben werden, 
wenn unser grosser und gnädiger König zur Vermehrung des Ge- 
haltes der Laudschulmeister aus seinem reichen Schatze ein Ka- 
pital allergnädigst aussetzen möchte. Es hätten unsere Mörsisehen 
Schullehrer Bauernkinder so weit gebracht, dass solche auf den 
grössten Handels - Comptoiren als Bediente aufgenommen wären, 
und einige derselben selbst grosse Kaufleute geworden wären. 
Das sei doch alles Mögliche, was man von Landschulen erwar- 
ten könne. 

Der Repelner Pastor Faber äusserte sich zu den aufgeworfenen 
Fragen folgendermassen : Eine Vorbereitung im Seminar mag 
wünschenswerth sein, indess sei für die hiesige Provinz wegen 
Mangels an Mitteln keine Möglichkeit, ein solches zu errichten. 
Dagegen könnten einige Landschullehrer von Zeit zu Zeit in ein 
anderweitiges Seminar geschickt und zu den Kosten die Collecten 
für die Hallischen Freitische verwandt werden. Die Lehrer an 



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80 



Hermann Keussen sen. 



den Hauptschulen könnten bei Antretung ihrer Aemter zu dem Be- 
iuife 25 — 30 Rthlr. in schicklichen Terminen entrichten, und dies 
könnten sie umso eher, als sie selbst das Stipendium genossen 
hätten. Sie behelfen sich einige Zeit und lernen dadurch Spar- 
samkeit ! Es wäre einem angehenden jungen Schulmanne wohl 
zu rathen, dass er sich ein paar Jahre bei einem ordentlichen Bauer 
in die Kost legte und von demselben die ihm so nöthige Wirth- 
scüaft und Kenntnisse erlernte, che und bevor er sich selbst ein- 
richtete, und wollte er sich dann mit seines Wirtlies Kindern 
täglich eine Stunde abgeben, so käme er sicher wegen seiner Be- 
köstigung wohlfeil weg. Es empfehle sich, zu solchen Seminaristen 
vorzüglich die Söhne der Lehrer auf dem Lande zu erwählen, indem 
sie schon einigermaassen vorgebildet seien, mithin geschwinder und 
wohlfeiler als mancher andere fertig sein könnten. 

Der Prediger von Budberg Brünings windet sich au bestimmten 
Vorschlägen vorbei und schlägt eine ausserordentliche Versamm- 
lung der Landprediger mit Hinzuziehung der Aeltesten aus dem 
Consistorium und des Vorstehers der Gemeinde zur Berathung 
vor. Es würde der durch die Hinzuziehung zur Berathung 
sich geehrt fühlende Bauernstand denn auch lieber die offene Hand 
reichen! 

Der Prediger Kamp in Baerl ergeht sich in bedenklichen Ti- 
raden über den Lehrerstand, mit welchem Rechte, können wir nicht 
kontrolliren. Nach seinen Ansichten, so führt er aus, gehört vor 
der Hand vorzüglich die Frage hierhin: Wie soll man den Schul- 
halter ermuntern, um nur das zu thun, was er nach seinen Fähig- 
keiten thun kann, und wodurch soll dies geschehen? Durch er- 
höhtes Traktement? Nein, das möchte den trägen Mann noch 
träger machen, dass er sich noch weniger um die Schule be- 
kümmerte, als bisher. Wenn sich eine Art von Zwangsmitteln 
erfinden Hesse, wodurch die Eltern angehalten werden könnten, 
ihre Kinder ordentlicher und fleissiger zur Schule zu schicken, dies 
würde viel dazu beitragen, um manchen Mann zu ermuntern, seinem 
Amte nach Möglichkeit würdig vorzustehen, da ihm meist aller 
Mut entfällt, wenn er bei 6 oder 10 Kindern sitzen muss und mo- 
natlich 30—40 Stüber erhält, während er doch 3, 4 und noch mehr 
Rthlr. an Schulgeld haben könnte, wenn nur die Kinder geschickt 
würden. Die Schuld, dass so viele in Unwissenheit aufwachsen, 
liegt hauptsächlich an den Eltern. Der Prediger müsse den sehul- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins 



81 



Pflichtigen Kindern, wenn sie die Schule versäumten, bei den 
Leichenpredigten das Weissbrot entziehen. 

Die beiden Mörser Prediger Diergardt und Esch antworteten 
in einem gemeinsamen Bericht. Man suche zur Besoldung der 
Lehrer einen Fonds herbeizuschaffen, dass sie von ihrem Amte so 
gut leben können wie der Mittelbürger. So lange aber die Sehul- 
lehrer bei ihrer mühsamen Amtsverwaltuug so schlecht besoldet 
würden, wird sich wohl schwerlich ein junger Mensch von mittel- 
mäS8iger Fähigkeit in einem Seminar oder anderwärts zum Schul- 
meister bilden lassen, damit er nachgehends bei einem beschwer- 
lichen Dienst kümmerlich leben oder wohl gar uach Brot schmachten 
möge. Dass übrigens auch ohne Seminarbildung junge Leute auch 
in gemeinen Schulen zu geschickten Schullehrern gebildet werden, 
davon können unter andern die Schulmeister in Crefeld und vor- 
züglich der in unsern Klassikal-Akten so hochgerühmte Hammer- 
stein den Beweis führen. Manche der Laudschulmeister sind so 
schlecht besoldet, dass sie in ihren Nebenstunden mit Kopieren, 
Hausgeschäften und sogar mit Tagelöhner-Arbeiten zubringen müss- 
ten, wenn sie für sieb und die Ihrigen die nöthige Nahrung be- 
schaffen wollten. Wo sollte ihnen da noch Zeit zur Lektüre uud 
Weiterbildung bleiben ? Der Prediger Engels von Hochemmerich 
meint in seinem Gutachten, dass die meisten Landschullehrer längst 
an einen Schlendrian gewöhnt, ihr Amt nur handwerksraässig ver- 
richteten und wenig Lust und Trieb zur Weiterbildung zeigten. 
Es bleibe ihnen aber auch keine freie Zeit, da sie dieselbe zu 
ihren wirtschaftlichen und häuslichen Geschäften verwenden 
müssten. Er halte dafür, dass, weil die Kosten für ein Seminar 
zu hoch wären, die Lehrer ja bei solchen Schullehrern, die ihrer 
Geschicklichkeit wegen berühmt sind, wie z. B. bei denen in 
Crefeld ihren Unterricht empfangen könnten. 

Sämmtliche Gutachten stimmen in einem Punkte zusammen, 
dass die Schulen bei dem bösen Willen der Eltern nicht vorwärts 
kommen könnten. Die Schüler, die zur Confirmation kämen, seien 
im höchsten Grade unwissend wie ihre Eltern; sie wüssten nicht 
einmal die 5 Hauptstticke. Mit Recht hatte schon 10 Jahre früher 
der Prediger Esch bei Einreichung seiner Generaltabelle über den 
Zustand der reformirten deutschen Schulen in der Grafschaft Mörs 
es ausgesprochen: Was die Kinder im Winter erlernen, vergessen 
sie im Sommer wieder. Es würde zur Verbesserung des Schul- 

Annalen des bist. Vereins LXIII. (> 



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82 



Hermann Keussen sen. 



wesens gereichen, wenn die deshalb schon enianirten Edikte dahin 
erweitert und mit Nachdruck exequirt würden, dass die Eltern 
ihre Kinder wenigstens einige Jahre nacheinander regelmässig zur 
Schule schicken müssten. 

Das sind wenig erbauliche Bilder aus dem Schulleben des 
vergangenen Jahrhunderts, und sie beweisen uns, was ohne Schul- 
zwang unsere Schulen geblieben wären, wahre Jammerstätten für 
Lehrer und Schüler. Die durch das preussische Landrecht ge- 
schaffenen Neuerungen kamen leider in Folge der französischen 
Besitzergreifung am Niederrhein nicht zur Geltung. Die könig- 
liche Verfügung vom 16. September 1794, die eine Anweisung für 
die Schullehrer zur zweckmässigen Besorgung des Unterrichts der 
ihnen anvertrauten Jugend war, kam wohl noch zur Veröffent- 
lichung, aber nicht mehr zur Ausführung. 



2. 

Ein Lehrer- Bernfsvertrag ans dem vergangenen Jahrhundert. 

Nachdem im Jahre 1777 die lutherische Gemeinde in Crefeld 
für ihre Kirche sich eine Orgel beschafft hatte, beschloss sie am 
14. Januar 1778 zum Besten der lutherischen Jugend, ja zum 
Besten der Stadt, einen Schulmeister einzusetzen, zumal die andern 
Stadtschulen so sehr tiberhäufet, dass viele Eltern sowohl der 
lutherischen als anderer Religionen sich darüber beklaget; dann 
aber auch die im Bau begriffene Orgel einen Orgelschläger not- 
wendig mache, sich nach einem geschickten Subjekt umzusehen, 
das gut schreiben, rechnen und Musik zu machen verstehe und 
ebenso den Unterricht der Jugend. Am 1. März war der geeig- 
nete Mann in der Person des Lehrers Johann Wilhelm Corts aus 
Langerfeld gefunden 1 ). Er war mit guten Zeugnissen versehen und 
hatte die Probe im Unterrichten und Singen zur Zufriedenheit be- 
standen. Am 1. Mai wurde seine Wahl von der Mörser Regierung 
bestätigt, und so konnte denn seine Berufung und Einführung bald 
nachher vollzogen werden. Der Berufsvertrag, der mit Corts abge- 
schlossen wurde, hatte folgenden Inhalt : 

Nachdem ein hiesiges Ev. luth. Consistorium in Erwägung 

1) Vergl. oben S. 70. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



83 



gezogen, dass zu mehrerer Ordnung bei dem öffentlichen Gottes- 
dienst zum Vorsingen und Orgelschlagen, zum besseren Unterricht 
<ler Jugend unserer lieben Gemeine, die, weil die zwei reformirten 
Stadtschulen von Kindern tiberhäuft sind, viel leidet, ein Mann 
anzusetzen nöthig wäre, der Geschicklichkeit und Lust hätte, sich 
diesen Obliegenheiten zu unterziehen, so wurde nach eingezogenen 
Erkundigungen und vorhergegangner Prüfung einstimmig vom 
ganzen Consistorio beschlossen, den gewesenen Schulmeister zu 
Langerfeld Henrich Wilhelm Corts zu obigem Beruf anzusetzen und 
anzunehmen und zwar unter folgenden Bedingungen und obliegen- 
den Pflichten: 

I. Dass Er Henrich Wilhelm Corts, dessen einhelliger und 
von Ihm acceptirter Beruf, nunmehro von Ihro K. Majest. bestätiget 
worden, 1) sich anheischig mache, einen unserer unveränderten 
Augspurg. Confession gemässen Unterricht in den allerheiligsten 
Wahrheiten unserer Religion der Jugend bei unserer Gemeine zu 
«rtheilen, 2) wie es sich geziemet einen christlich sittsamen und 
stillen Wandel zu führen, den öffentlichen Gottesdienst zu jederzeit 
gehörig abzuwarten und bei demselben seine Pflichten als Vor- 
sänger und Organist treulich zu verrichten, 3) dass er überhaupt 
die Ihm anvertraute 1. Jugend im Christenthum, Buchstabiren und 
Lesen, Schreiben und Rechnen nach der in Königl. Pr. Landen 
von Sr. K. Majest. festgesetzten Schulordnung und zwar in den 
ordinairen Schultagen Vormittags von 8 — 11 und Nachmittags von 
1—4 gewissenhaft und ohne Partheilichkeit unterweisen wolle. Die 
übrigen Stunden werden demselben zu Privat- Stunden freigestellet. 
Wobei es sich von selbsten verstehet, dass Er die ordentlichen 
Schulstunden nicht ohne erhebliche Noth aussetzen werden und 
müsse. 4) Will und muss Er die ordinairen Schulkinder, so Er 
in seine Schule bekommt, vor das bei den hiesigen reformirten 
Stadtschulen übliche Schulgeld ohne Partheilichkeit den allgemeinen 
Unterricht ertheilen und zwarn 

a) vor blosses Lesen und Buchstabiren lernen, monath- 
lich 4 Stbr., 

b) vor Lesen und Schreiben, monathlich 6 Stbr., 

c) vor Rechnen, monathlich 24 Stbr. 

Uebrigens aber, wie gesagt, sich in Ansehung des Lichts, 
Brandts und aller dergleichen Notwendigkeiten nach den refor- 
mirten Stadt-Schulen sich richten. Sölten Armen in unserer Ge- 



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«4 



Hermann Keussen sen. 



meine das gewöhnliche Schulgeld nicht entrichten können, so solf 
ihm dieses von der Gemeine entrichtet werden, doch mit dem Be- 
ding, dass die Eltern derselben sich arm vor dem Consistorio er- 
klären und einen Schein von demselben bringen. 5) Muss er des 
Sooimers vor der Nachmittags - Predigt von 1 bis 2 die Jugend 
unserer 1. Gemeinde in der Kirche catechisiren. 6) Verstehet 
es sich von selbsten, dass Er das Consistorium vor sein Ober- 
haupt zu erkennen, sich den Verfügungen desselben zu unter- 
werfen, und fals er Klage habe, sie vor dasselbige zu bringen 
gehalten seye. 

Dagegen und unter Erfüllung obiger Bedingungen 
II. verspricht das Evang. Luth. Consistorium Ihm H. W. Corts 
l) eine freie Wonung, 2) ein jährliches Salarium von 25 Rthir. 
handelmässiger Münz, quartaliter ad 6V 4 Rthlr. auszuzahlen. Und 
ob zwarn das Consistorium versichert zu seyn glaubt, dass Er 
H. W. Corts seine Obliegenheiten in allen Stücken treu, fleissig 
und christlich erfüllen werde, so verspricht Ihm doch dasselbe zu 
mehrerer Aufmunterung in seinem Amte 3) einen Garten von 20 
bis 25 Rutben zu seiner Benutzung. Und fals die Gemeine und 
deren Einkünfte sich, wie wir hoffen und wünschen, verbessern 
solten, auch 4) Ihm sein jährliches Salarium zu erhöhen. — Kraft 
dieses berufen und ernennen, Wir Endts Unterschriebene Con- 
sistorialen Namens der ganzen Ev. Luth. Gemeine Ihn den H. Wilh. 
Corts zu unserm Schulmeister, Organisten und Vorsänger mit dem 
herzlichen Wunsch, dass Er dieses Amt, welches er den 1. Juni a. c. 
unter Gottes Beistand antreten und welchem termin auch das jähr- 
liche Salarium angerechnet wird, dergestalt verwalten werde, dass 
er nicht nur sich und die Seinigen selig machen, sondern auch in 
der Hand Gottes ein gesegnetes Werkzeug seyn möge, so durch 
seinen weisen Unterricht und tugendhaftes Beispiel sehr vieles zur 
Ausbreitung des Reiches Jesu Christi mit dem innigsten göttlichen 
Vergnügen beitragen werde. 

Gegeben Crefeld, den 16. May 1778. 

Evang. Luther. Consistorium hierselbst 

Joh. Henr. Nesselrath p. t. Pastor, 
von Stechow Kirchen • Aeltester, Albert Riedel Aeltester, 
Wilh. Lonecke Kirchmeister, Friedrich Horn, Andreas Müller, 

Görg Buhlmann. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



*5 



3. 

Präceptor Johannes Camp hoff. 

Jeder Mensch ist mehr oder minder ein Kind seiner Zeit, und 
in der Regel spiegelt sich die Welt, in der er lebte und wirkte, 
mit ihren Ideen und Anschauungen in ihm wieder. Jedes Jahr- 
hundert gebiert aber auch seine Sonderlinge, in denen es sich mit 
seinen Tugenden und Fehlern bis zum Uebermass abkonterfeit 
und karrikirt. Zu allen Zeiten gab und giebt es solcher Original- 
typen, für die eine spätere Zeit kaum ein Verständniss, vielleicht 
nur ein mitleidiges Lächeln hat. Einen solchen eigenthllmlichen, 
köstlichen Originalmenschen barg vor mehr als zwei Jahrhunderten 
auch unsere gute Vaterstadt in ihren Mauern. Es war der Prä- 
ceptor an der damaligen lateinischen Schule Johannes Camphoff, 
ein Mann, strotzend von Gelehrsamkeit und Gelehrtendünkel, der 
sich zu allem berufen hielt, dabei aber unpraktisch und eigenwillig, 
sodass ihm nur Weniges gelang, ein verschnörkelter Pedant, der 
rücksichtslos seinen Weg ging und doch hinwiederum eine klein- 
laute Natur, die gleich verzweifelte, trotz alledem aber ein so gut- 
müthiger Mensch, dass ihm Niemand grollen oder böse werden 
konnte. Er blieb zeitlebens Junggeselle, gleichwohl verschmähte 
er die Freuden eines Hochzeitsfestes oder eines Kindtaufschmauses 
nicht, und gerne folgte er der Einladung zu einem solchen Gelage, 
für welche er seinen Dank in einem wohlgesetzten schwulstigen 
Carmen dem Zeitgeist entsprechend abgetragen haben wird. In 
der Schule hatte er einen schweren Stand, und die bösen Rangen 
wus6ten ihm recht saure Tage zu machen ; ein Glück, dass er am 
Abend bei wohlbesetzter Tafel oft genug Gelegenheit gewann, dem 
Aerger andere Bahnen zu weisen. Kurz, Johannes Camphoff war 
eine interessante Persönlichkeit, die trotz allem Gespötte der Ju- 
gend sich der Gunst hoher Herren zu erfreuen hatte, und das 
spricht genug für ihn. 

Von Geburt war er ein biederer Markaner ; um das Jahr 
1630 wird er in irgend einem Städtlein auf der rothen Erde das 
Licht der Welt erblickt haben. Seine Studien machte er zunächst 
in Bremen, dann eilte er nach Duisburg, wo er am 5. Oktober 
1652 als einer der ersten Studenten seinen Namen in das Album 
<ier just gegründeten Universität eintragen Hess. Nicht lange 



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86 



Hermann Keussen sen. 



nachher begann er nun seine Lehrerlauf bahn, indem er am Duis- 
burger Gymnasium als Präceptor der fünften Klasse eintrat und 
den Schülern fünf Jahre lang die Anfänge der lateinischen Sprache 
beibrachte. Doch das genügte dem strebsamen Manne nicht, und 
dem Zuge der Zeit folgend lenkte er seine Schritte nach Holland, 
um in Leiden bei dem berühmten Philologen Gronovius seine 
weitere Ausbildung zu suchen. Nach Jahresfrist erhielt er in Folge der 
Empfehlung seines früheren Duisburger Rectors, des Prof. Friedrich 
Oelliu9, die Konrectorstelle an der lateinischen Schule zu Cleve. 
Bald sah er sich hier in seinen Hoffnungen bitter getäuscht, und 
froh war er, als ihm im Jahre 1660 die Präceptorstelle in Crefeld 
angeboten wurde, eine Stellung, die ihm um so annehmbarer erschien, 
da er hier als unbeschränkter Schulmonarch, wie es wenigstens 
den Anschein hatte, regieren und die junge Schule nach seinen 
Ideen gestalten konnte. Aber bald fand er auch hier kein Be- 
hagen, sodass er bereits am 14. April 1661 die einleitenden Schritte 
that, um von hier wieder fortzukommen. An der lateinischen 
Schule in Mörs war zur Zeit die Konrectorstelle frei geworden,, 
und dahin richtete sich sein begehrliches Auge. Ohne langes Be- 
sinnen setzte er sich hin und verfasste in elegantem Latein ein 
Bewerbungsschreiben, von dem er sich grosse Wirkung bei den. 
Kuratoren versprach. Zunächst fand er jedoch das Bedürfnis^,, 
sich den Herren gegenüber über den häufigen Stellenwechsel zu 
rechtfertigen. Er habe geglaubt, so schrieb er, als er in Cleve 
die Stelle aufgegeben, in Crefeld zu finden, was er dorten ver- 
misst, er habe sich aber geirrt, er sei leider nur der Charybdis 
entronnen, um hier in die Scylla zu gerathen. Er müsse sich bei 
einer so grossen Verschiedenheit der Anlagen, der Unterrichtspläne 
* und der Leistungen zurechtfinden in einer Schule, wo Knaben und 
Mägdlein zusammen unterrichtet würden, und in der er auf drei 
Religionen (die erste Mennoniteneinwanderung hatte schon statt- 
gefunden) Rücksicht zu nehmen habe. Unter solchen misslichen, 
Umständen habe er in Mörs die theologische Prüfung abgelegt, um 
vielleicht einmal zu einer Predigerstelle zu gelangen. 

Ganz unbegründet scheint die Klage nicht gewesen zu sein, 
denn es war ihm in Crefeld die eigenthümliche Aufgabe zugefallen, 
neben dem Unterrichte in der lateinischen und deutschen Sprache- 
auch die jungen ABC-Schützen in den Anfängen zu unterrichten. 
Unter seinen Schülern befanden sich sogar solche, für welche die; 



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Heiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



87 



Armenkasse das Schulgeld mit 10 oder 6 Sttibern monatlich be- 
zahlte. Mehrere Quittungen von Camphoffs kräftiger Hand liegen 
noch vor. Die Bewerbung in Mors blieb ohne Erfolg, und so 
musste Camphoff, so gut es ging, sich mit seiner Stellung in Cre- 
leld abfinden. 

Wenige Jahre später wurde abermals die Konrectorstelle in 
Mors frei, und Camphoff wagte sich zum zweiten Male mit einer 
Bewerbung hervor. Wenn schon die erste, in lateinischer Sprache 
abgefasst, wirkungslos geblieben war, diese zweite in grie- 
chischer Sprache konnte unmöglich des Eindrucks entrathen. Sie 
war rechtzeitig in Mörs eingegangen, schon bevor der bisherige 
Rector Seither sein Amt niedergelegt und dem Konrector seine 
Stelle eingeräumt hatte. Dass Camphoff sich der griechischen Sprache 
bei seiner Bewerbung bedient hatte, begründet er damit, dass er 
habe zeigen wollen, dass er auch in dieser Sprache bewandert sei, 
welche an den Gymnasien im Gebrauch sei. Gerichtet hatte er 
sie an den ansehnlichen und sehr verständigen Herrn Arnold 
von Goor, oranischen Rath und obersten Kurator des Mörser 
Gymnasiums. 

Gleichzeitig (22. April 1667) richtete er ein zweites Gesuch 
in wohlgesetzten Versen an den Landrentmeister Johann von Goor, 
d#s dazu bestimmt zu sein schien, denjenigen Herren vom Kura- 
torium seine Absichten zu klären, welche in der griechischen Sprache 
nicht hinreichend Umschau gehalten. Dasselbe, in langathmigen, 
zuweilen räthselhaften Reimen verfasst, lautete: 

Mein hochgeehrter Herr, gar leichte wird geboren 

Ein' gute Zuversicht, bald wiederum verloren: 

Weil dies und das, worauf die Hoffnung stehen muss, 

Oft stark geachtet wird und hat doch keinen Fuss. 

Was uns nur wohl ansteht, da thun wir bald nach denken, 

Da will sich unser Sinn bei Tag und Nacht mit kränken. 

Wir hoffen einer Sach, wenn's schon unmöglich war 

Die zu erobern: Hie fällt keine Müh zu schwer. 

Und wer uns nach dem Mund zu reden ist geflissen, 

Der macht den Muth so dick und spricht: Du kannst nicht wissen, 

Du bist dazu bequem, niemand Dir Meister ist, 

Von denen, die mit Dir die schöne Braut erkiest. 

Bald tritt ein And'rer auf, der Jenem ist gewogen, 

Der wandt das Blättlein um und sagt, es sei gelogen, 

Was eben ward geredt. Er weiss viel besser drum, 

Das Ei von solcher Henn sei wind und allzu krumm. 



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88 



Hermann Keussen seu. 



Ein Mann, qualificirt Secundam zu bedienen, 

Muss auch, wenn Unfall kommt, des Rectors grosse Bienen 

Zugleich mit nehmen wahr. Wer das nit leisten kann, 

Der mag Secundam auch wohl ungefreiet lahn. 

Meinst Du, dass dieser Mann jemals so hoch gestiegen, 

Dass er hierzu bequem? ei lass Dich nit betriegen; 

Was Tertiam betrifft, das mag er wohl verstehn, 

Sonst, glaub ich, kann er nit ein Note höher gehn. 

Das hört der Pöbel an mit ausgestreckten Ohren, 

Nit das geringste Wort bei ihnen geht verloren; 

Drum, wenn sie unter sich gern hätten gut Rapport, 

Thut sich bald einer vor und plappert solche Wort : 

Was dünkt euch von dem Knecht, soll er die Sach wohl treffen, 

Nein, sagt uns Nabermann, er trägt zu kleine Beffen, 

Er ist kein Losefus, Errater' ist er nicht, 

Er ist kein Fisikus und was ihm mehr gebricht, 

Sagt ihm Obbexion, er weiss nicht zu salffiereu 1 ), 

Er weiss kein ergement, er kan nit dispentieren. 

Mein Jung kam heut und sagt, dass so die Rede geh', 

Und dass er nit so viel, als aich's geziemt, versteh. 

Soll der dann (mit Verdruss bald einer sich lässt hören) 

Die Affen nehmen aus, uns allesamt bethören, 

Er sei der Hahn im ivorb? ei nit so weit ins Feld, 

Wir haben bei der Hand, der bass denn Du gefallt. 

Wenn so die Mäuler gehn, so gint 2 ) der Muth zu wanken, 

Die Hoffnung fleugt dahin und Zweifel in Gedanken 

Erhebet sich empor und machet mich so klein, 

Dass ich nit mehr bei Hof mag Fürst von Anhalt 3 ) sein. 

Jedoch so einer war, der mir zur Seiten ginge, 

Und alle Hindernis auf dieser Bahn durchdringe, 

So hielt ich noch einst an, doch niemand ist allhie, 

Der mir nach dieser Zeit ein nötig Wort verlieh. 

So ist nun dies mein Grund, auf dem ich nur kann fussen, 

Dass ich mich halt zu Gott und danach thue küssen 

J)ie Hand der Obrigkeit, die über uns gestalt, 

Was die nit schaffen will, des hat niemand Gewalt. 

Ein Glied aus diesem Stand bist Du, Herr Goor, erkoren 

Vom Fürsten dieses Lands, drum leih mir Deine Ohren, 



1) Offenbar Anspielung auf die vier Mitbewerber Jansonius, von Me- 
delen, Otterschlo und Spengler von Mörs. 

2; beginnt. Wahrscheinlich Anspielung auf die beiden letzten, die be- 
reits in den untern Klassen thätig waren. 

3) Wortspiel Anhalt = Bitte. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und de9 Niederrheins H9 



Dass ich, was mir anliegt, Dir tragen möge für 

Und also Gunst erwerb bei zweiter Klasse Thür. 

Will die nit offen gehn, weil das, so jetzt berühret, 

Nit all, gelegen sei (wie jener Jung verspüret), 

So lass ich doch nicht ab, weil König Salomou 

Dem, so wohl nichts verdient, noch giebt den meisten Lohn. 

Ob einer wohl zu Fuss und schnell ist wie die" Winde, 

Hilft doch sein Laufen nicht: Und ob man bei Dir finde 

Der Riesen grosse Kraft, so bist Du doch zum Streit 

Nit besser als ein Kind, das in der Wiegen schreit. 

Sagst Du, ich bin geschickt an allem Ort zu treiben 

Die Kaufmannschaft? Wohlan, wo thut die Nahrung bleiben, 

Die Du damit vorhast? Man sieht, Du würgest viel, 

Aber Dein Vetter Hans mit schlafen 'winnt das Spiel. 

Wo ist Dein Witz, mit dem Du kannst gross Gut erjagen, 

Was nützet Dir die Kunst, wenn Du nach Brot musst fragen 

Wie David in der Wüst? Doch schau den Nabal an, 

Welch Gut hat dieser Narr? Mehr als zehn weise Mann. 

In Summ, was hilft es Dir, dass Du die Sach verstehest? 

Du bist nit angenehm, schon ob Du weiter gehest, 

Als Plato je gethan: Es liegt doch an der Zeit, 

Und wer das Glücke hat, die Braut zur Kirchen leit't, 

So spricht der Klügeste von allen Potentaten, 

Drum ich von Jedermann noch nit will sein gerathen, 

Dass ich soll müssig gehn der Sorgen vorgedacht 

Und räumen andern ein bisher gehabte Wacht. 

Dies ist die Meinung nicht, ihr Herren und Gebrüder 1 ) 

Nach einer kurzen Weil leg ich die Sorge nieder, 

Wenn der gezogen kommt (Ich guck schon durch die Brill) 

Der allen Modischen verrücken wird das Ziel. 

Doch hiermit fahret wohl, ihr Herren Proponenten, 

Ich wünsch euch alles guts: der Meister von den Renten, 

Herr Goor steht an der Thür: drum komm ich nit vorbei, 

Ich mu88 ihm zeigen au, was mein Anliegen sei. 

Mein hochgeehrter Herr wird sich hiebei besinnen, 

Da ich hatt' Audienz. Ich hübe nämlich an, 

Zu werben um die Gunst, wie Leschen 2 ) auch gethan. 

Nichts mehr geschieht allhie, als nur, was vorgesonnen, 

Mög unvergessen sein. Darnach hab ich genommen 



1) Am Rande steht: Ad rivalea. 

2) Wahrscheinlich Theodor Leschenius aus Mörs, der im Jahre 1658 
die Duisburger Universität bezogen hatte und nun im Alter von 28 
Jahren stand. 



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90 



Hermann Keussen sen. 



Mit diesen Reimen vor, zu zeigen, ob an mir 

Die Tüchtigkeit ersitz, die mich zieh' andern für, 

Findt sich dann einer so, der allen gieht zu rathen, 

So kann ich desto bass mit meinen Kameraden 

Zufrieden sein und still, ja gönne diese Ehr 

Demjenigen, der sie verdienet hat, vielmehr. 

Hiemit hab ich' gethan, Herr Goor halt mir zum Besten, 

Wo was gefehlet sei. Aus Frankreich nach dem Westen 

Kömmt dieser Reimer her, da man nur findet feil, 

"Wie in dem Atlas steht, Schwarzbrot, Dünnbier, lang Meil, 

Zuletzt, Gott führe Dich, Rentmeister auf den Wegen : 

Er überschütte Dich mit seiner Gnaden Segen, 

Dass Weib, Kind, Knecht und Magd, Land, Stadt und Leut davon 

Gebessert sei: Dies ist mein Wunsch an Dich, Patron. 

So satzte 

Seinem hochgeehrten Herrn 
Herrn Johann von Goor 
Landrentmeister 
der unterdienstliche 
Johann Kamphoff 
Praeceptor in Crcyfelt 

den 22. April A° K567. 

Die Wahl muss bei den Patronatsherren doch noch grosse 
Schwierigkeiten gefunden haben. Denn auch die Mörser, gegen 
welche unser Camphoff in seinen Reimen gewitzelt, setzten alle 
Hebel in Bewegung, um den auswärtigen Bewerber sich fern zu 
halten. Es wurde ihm vorgehalten, dass er seine Stellung in Cre- 
leld bessern könnte, wenn er neben der Leitung der Schule an 
Stelle des zweiten Predigers, dessen Besoldung den Crefeldern 
schwer falle, allwöchentlich eine Predigt in der Kirche halten wolle. 
Unter dem 11. November erliess nun Camphoff wieder ein latei- 
nisches Anschreiben an seinen Gönner, den Rath von Goor. Er 
wies in demselben die ihm zugemuthete Bewerbung um eine 
Hülfspredigerstelle in Crefeld weit von der Hand, weil ihm hierzu 
zweierlei fehle: die oratorische Tiefe und die starken Lungen. 
Er würde der Last bald erliegen müssen. Seine einzige Be- 
rechnung sei auf die Konrectorwahl gerichtet, und nochmals bittet 
er in schwulstigen Worten, ihm seine wärmste Unterstützung 
zu leihen. 

Heutzutage würde wahrscheinlich eine derartig vorgebrachte 
Bewerbung das Kopfschütteln sämmtlicber Kuratoren erregen. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 91 

Anders urtheilten die Patrone des siebenzehnten Jahrhunderts in 
Mors; vielleicht hätten aber auch so unsere Altvorderen dem grossen 
Reimer und Gelehrten den Vorzug vor den Mitbewerbern gegeben, 
trotzdem diese auch akademische Bildung genossen, bei denen 
aber die Gelehrsamkeit mehr unter Verschluss geblieben war. Dass 
sie ihn später wieder mit offenen Armen empfingen, dürfte dies 
sattsam beweisen. Genug, unser wunderlicher Kauz siegte über 
seine fünf Mitbewerber ob. Er wurde am 12. Januar 1668 gewählt; 
den übrigen wurde der schwache Trost ins Protokoll getragen, 
„dass hinftlro Bürgerskinder, wo sie sich genugsam qualificirt 
haben würden, dem Fremden in dergleichen Sachen vorgezogen 
werden sollten." Das konnte vor der Hand Camphoff wenig an- 
fechten. Mit Ostern 1668 trat er mit frohem Muth sein neues 
Amt an. 

Kaum sechs Wochen hatte er indess demselben seine Kräfte 
gewidmet, da tiberkam ihn das Gefühl der Ohnmacht, dass seine 
gegenwärtige Stellung ihm noch weit weniger genehm sei als die 
früheren, und bald sehnte er sich nach den Fleischtöpfen und 
Schulbänken Crefelds zurück. Sein Posten daselbst hatte glück- 
licherweise noch keine Besetzung gefunden, und so mochte man 
hier gegen seine Rückkehr keine grossen Einwendungen machen. 
Dieselbe scheint kurz nach Pfingsten in aller Heimlichkeit geschehen 
zu sein. Denn von Crefeld datirt sein Entlassungsgesuch. 
Der Inhalt ist köstlich genug, sodass sich seine Mittheilung wohl 
verlohnt. 

„Gleichwie dem Petro das Spazieren auf dem Wasser so 
wohl anstund, dass er vor grosser Begier dem Herrn Christo 
anlag, er möchte solches herrliche Werk auch einmal ver- 
suchen : als er aber hierbei in grosse Versuchung geriet und 
Not und Tod vor Augen sah, da hat er bald mit seinem 
ängstlichen Schreien und blutigen Thränen die vorige Lust 
als ein leichtfertiges und unbesonnenes Ding vermaledeit und 
gebüsst und dergleichen halsbrechende Leichtfertigkeit scheuen 
lernen. Fast ein und dieselbe Gelegenheit hat es mit gegen- 
wärtigem Supplicanten, denn da mir vor etlicher Zeit hiesiger 
Konrectorat als ein herrliches Ding vorkam, Hess ich nit nach 
denselben emsig zu begehren. Nun ich aber durch hohe Be- 
förderung diese Ehrenstelle erstiegen, da finde ich jeder Zeit 
solche unerträgliche, unüberwindliche Beschwerlichkeit, dass 



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Hermann Keussen sen. 



ich endlich darunter erliegen raüsste (als der den Kräften 
Leibes und der Seele Gewalt anlegen muss) wo nit die ge- 
bietende Hand mir schleunige Rettung schaffte, der habenden 
Condition erlöste und leichtere Bürden zu tragen bewilligte, 
welches denn das einzige ist, so ich für diesmal unterdienst- 
lich und von Grund meiner Seele gesinneu thue, der getrosten 
Zuversicht lebend, es werden meine hochgedachten Herren 
nur die formalia dieser Bitte zu Herzen ziehen und solche 
samt der freiwilligen Begebung gehabter Gnade, Gunst, 
Ehren und Vorteils, wie auch samt der ungenötigten Re- 
solution mit der alten Credition fürlieb nehmen, omni ratione 
potiora erachten, auch deswegen die Einwilligung dieses in- 
brünstigen (wiewohl thörichten) Versuchs schleunigst, doch 
gnädig und grossgünstig ergehen lassen. Bitte demnegst 
unterdienstlich dieselben in Gnaden zu erwegen. In welchem 
Vertrauen ich schliesslich verbliebe Ew. Wolgeboren als auch 
Edlen, Grossachtbaren Herren Beamten unterdienstlicher 

Johannes Camphoff, 
hochbeschwerter Konrektor zu Meurs." 

Diesem Gesuche hatte er folgende Anlage zugefügt: 

Die Beschwerung, so mich veranlasst, meine gross und 
gebietenden Herren leider höchlich zu offendieren, besteht in 
folgenden terminis: 

1) Ich bin stets eines gelinden Regiments gewöhnt und 
solches zwar nach Erforderung gehabter Discipulen; diese Ge- 
wohnheit ist mir nunmehr natürlich und kann derselben nit 
zuwider handeln, es sei denn mit grossem Widerwillen, da 
man doch wohl schärpfer zu verfahren wichtige Motiven findet, 
damit dem unzeitigen Schwätzen, unverschämten Lügen und 
gepractisierten turbis gesteuert werde. 2) Extemporaneus bin 
ich gar nit, sondern allzu langsam so im Studieren als Insti- 
tuieren; aber hier ist die Jugend einer geschwinden und fertigen 
Institution gewöhnt, also das man bald hie und da, oben und 
unten, mit schlagen und klagen, mit schelten und vergelten in- 
formieren muss, und das ist nicht jedermanns Dinge. 3) Ich 
muss Abends und Morgens so viel Zeit auf die mir bishero 
fremden Autoren wenden, dass ich gar ermatteten und darum 
verdrosseneu Gemütes nach der Schulen gehe, welches auf 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



93- 



die Dauer unerträglich ist. 4) Ueberdies habe ich mit all 
meinem Fleiss noch nit so viel erworben, dass ich einigen 
Primanis hätte Satisfaktion geleistet in enucleatione Horatii r 
wie ich denn dieserhalb zur Rede gestellt ward. 5) Und weil 
ich dennoch gern mein Bestes daran strecken wollte, so habe 
ich in hospitio der Schulsorge so viel, dass ich nit wohl Zeit 
habe meiner zu pflegen, zu schweigen eines andern, dem man 
sonst Ehre und andere Dienste zu erweisen schuldig ist. 
6) Ob ich schon wohl zufrieden war, dass ich des Propo- 
nierens war entschlagen wegen der harten Pronuntiation, so 
habe ich darum keine Erleichterung empfangen, denn was ich 
wöchentlich einmal gescheut, das begegnet mir hie täglich 
mit solcher Erhebung der Stimme, dass ich im widrigen Fall 
etlich Male erinnert worden bin, meiner Pflicht besser wahr- 
zunehmen. 7) Und was mich am meisten kränkt, so wtisste 
keinen Rat, wenn die zwei Klassen (etwa bei dieser oder 
jener gottgefälligen Verhinderung) sollten conjungiert werden x > 
da dann bei einer so viel vorfällt, dass ich mich schwerlich 
auf beide sollte können gefasst machen . . . (eine Zeile ist 
im Text abgeschnitten) so hab ich nit besseres vorzunehmen 
gewusst, als dass ich meine Hoch- und gebietende Herren 
dieses Unvermögens zeitlich erinnerte, gnädige und nötige 
Verordnung zu thun, damit also fernerem Unheil möchte vor- 
gebaut werden. 

Und darum (wollen), meine hoch- und gebietenden Herren 
mir diese nachdenkliche Erinnerung nit zum ärgsten deuten, 
sondern in Betrachtung angeführter Schwachheit eine gnädige 
Relaxation und Wiederkehr nach der alten Stelle, auf welcher 
ich mit Gott bin nützlich gewesen, gestatten wollen. 

Johannes Camphoff 
Praeceptor si liceat 
Creveldensis scholae. 
Ob die Mörser ihn mit Bedauern scheiden sahen? Wir wissen 
es nicht, im Protokoll ist darüber nichts verzeichnet. In Crefeld 
nahm er seine Thätigkeit alsbald wieder auf. Die Unterbrechung 
derselben wird nur durch die ausnahmsweise doppelt geführte Be- 
rechnung der Schulgelder für die armen Schüler uns vor Augen 



1) Er meint wohl „des Rectors grosse Bienen. 44 



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Hermann Keussen sen. 



geführt. Im nachfolgenden Jahre demüthigte er sich so stark, dass 
er in einem Prozess, den die Kirchengemeinde für ihre Armen 
führte, sich zur Niederschrift der Akten verstand. Die Schuljugend 
wurde unterdessen 2 Tage lang — auch ein Zeichen der Zeit — 
von Johannes dem Glasmacher unterrichtet. Als Honorar empfing 
dieser einen Gulden aus der Armenkasse. Für Aktenpapier erhielt 
Camphoff 1 Blaumuser = 6 Albus 6 Heller. Bis zum Jahre 1680 
scheint Camphoff in Crefeld Stand gehalten zu haben. Sein mehr- 
fach wiederholter Versuch, wiederum in Mörs an der Schule eine 
Stelle zu finden, gelang ihm erst im Jahre 1680, nachdem der 
Rector Snethlage aus seinem Amte ausgeschieden war. Er hatte 
wahrscheinlich es diesem Manne zu danken, dass ihm im Jahre 
1668 sein Amt in Mörs so bald verleidet wurde. Bei seiner Rück- 
kehr, die im Jahre 1680 oder Anfangs 1681 erfolgt sein wird, be- 
gnügte er sich mit der Verwaltung der 3. Klasse und einem ge- 
ringeren Gehalte. Wodurch ihm die Crefelder Verhältnisse, die er 
volle 20 Jahre gekostet hatte, unbehaglich geworden, ist aus den 
Akten nicht ersichtlich. Wir verrauthen, dass er sich schwer ge- 
kränkt fühlte, als im Jahre 1678 für seinen Kollegen, den deutschen 
Schulmeister und Küster Vitus Quaad, ein neues Schulhaus erbaut 
worden war, und man ihn mit seinen Lateinschülern in dem alten, bau- 
fälligen Lokale zurtickliess. In Mörs docirte er nun fröhlich weiter, 
bis im Jahre 1699 seine Emeritirung herbeigeführt wurde. Ein 
kärgliches Ruhegehalt fristete ihm sein Leben bis zum Jahre 1706 
wo er am 30. Januar zur ewigen Ruhe einging. 

Sein Nachfolger im Crefelder Amte — und das spricht für 
die armseligen Verhältnisse in Crefeld ein scharfes Wort — wurde 
ein verlodderter Student, Timotheus Keilius, der Sohn des Mörser 
Gynmasialprofessors Paul Keilius. Er war am 21. Juli 1681 von 
der Duisburger Universität in nicht gerade ehrbarer Weise relegirt 
worden. In einem Alter von 23 Jahren übernahm er die Leituug 
der Crefelder lateinischen Schule. Seit dem Jahre 1685 hören wir 
nichts mehr von ihm. 

4. 

Crefeld in seinen Beziehungen zur Duisburger Universität 

Die Gründung der Duisburger Universität datirt vom 14. Ok- 
tober 1653. Die erste Immatrikulation fand sogar schon am 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds uDd des Niederrheins. 95 

8. Januar 1652 statt. Die Aufhebung erfolgte erst am 18. Oktober 
1818. Das folgende nicht unansehnliche Verzeichniss nennt die- 
jenigen Crefelder, welche bei der oben genannten alma mater ihre 
Bildung gesucht und wohl auch gefunden haben. Zum grössten 
Tbeile sind es Theologen, die mit Vorliebe auf der reformirten 
Hochschule sich für ihren Beruf vorbereiteten; einige wenige Me- 
diziner und Juristen schlössen sich an, den grösseren Theil dieser 
letzteren zog es mehr gegen Süden. Vor der Stiftung der Duis- 
burger Universität waren die Theologeu der Grafschaft Mörs schon 
allein ihrer zukünftigen Anstellung halber mehr auf die hollän- 
dischen Hochschulen angewiesen gewesen. Bei den Beziehungen 
des grossen Kurfürsten zu der oranischen Regierung fand man 
jetzt gegen den Besuch von Duisburg nichts zu erinnern, und es 
darf diese Verbindung der Grafschaft Mörs mit einer kurbranden- 
burgischen Lehranstalt als ein glücklicher Zufall gepriesen werden, 
da in der empfänglichen Jugendzeit diese Beziehungen nicht wenig 
dazu beigetragen haben, Sympathien für Brandenburg in hiesiger 
Gegend in einer Zeit schon zu erwecken, wo an die dereinstige 
Verschmelzung im Ernste noch nicht gedacht werden konnte. Ich 
habe das Verzeichniss nicht ausschliesslich auf die geborenen Cre- 
felder beschränkt, sondern ich glaubte auch diejenigen mit heran- 
ziehen zu dürfen, die in ihrem späteren Leben bleibend oder vor- 
übergehend eine amtliche Stellung in Crefeld gefunden haben. 
Diese Notizen sind der Natur der Sache nach etwas trocken ; ich 
habe, so viel es anging, sie zu beleben versucht, indem ich kleine 
biographische Bemerkungen oder Verbindungen mit bekannten hie- 
sigen Familien darin zu verflechten suchte. 

Dass sich vorzugsweise die Theologen nach Duisburg begaben, 
lag zum guten Theil wohl darin begründet, dass die theologische 
Fakultät gerade von vornherein tüchtige Kräfte aufzuweisen hatte. 
So wirkten dort Johann Clauberg, Samuel von Diest, Martin Hund, 
Christoph Friedrich Grell, Johann Hermann Hugenpoth, Johann 
Jakob Ganteswiler, Heinrich Hüls u. s. w. Einige von diesen stan- 
den in engen Familienverbindungen mit unserer Stadt, so nament- 
lich der zuerst genannte Jobann Clauberg aus Solingen. Ein 
Grossneffe dieses ersten Rectors der Universität zu Duisburg, Isaak 
Jakob Clauberg, Hess sich hier häuslich nieder und errichtete im 
Anfange des 18. Jahrhunderts die Apotheke „zum Adler" auf der 
Hochstrasse Im Jahre 1707 erwarb er sich das Bürgerrecht; es 



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Hermann Keussen sen. 



wurde ihm auf Anhalten der Junggesellen- Compagnie, weil er ihr 
eine Fahne verehrt hatte, taxfrei vom Magistrat verliehen. Er 
vermählte sich mit Sophia Catharina Plill, der Tochter des Cre- 
felder Bürgermeisters Paul Pull. Der Vater des Apothekers war 
Prediger in Frechen bei Köln. 

Den Reigen der Crefelder Akademiker müssen wir mit einem 
etwas sonderbaren Heiligen eröffnen. Zum Glück ist er kein ge- 
borener Crefelder, sondern ein Markaner, der hierorts eiue amtliche 
Stellung vorübergehend fand. Johannes Camphoff 1 ) hatte, ehe er 
sich im Alter von 2 P/2 Jahren in Duisburg am 5. Oktober 1652 
immatrikuliren Hess, die lateinische Schule in Bremen besucht. 
In Duisburg studirte er Philosophie und Philologie und, wie es 
scheint, mit besonderer Vorliebe die griechische Sprache, so dass 
er sogar im amtlichen Verkehr sich derselben in seinen Adressen 
nicht einmal entscblagen konnte, ja selbst unsere liebe Vaterstadt 
gräcisirte. 

Diesen Philohelienen finden wir im Jahre 1663 als Rector an 
der lateinischen Schule in Crefeld angestellt. Hier muss er sich 
behaglich genug gefunden haben. Häufig wurde er als Taufpathe 
herangezogen, fast sollte man daraus schliessen, dass er eine ge- 
sellige Natur gehabt haben müsse. Ostern 1667 folgte er gleich- 
wohl einem Rufe als Konrector nach Mörs. Hier fand er sich aber 
bald in seinen Erwartungen bitter getäuscht, sodass er bereits am 
21. Mai 1668 die Bitte an die Scholarchen der Schule richtete, 
ihn von dem hochbeschwerlichen Amte eines Konrectors wieder zu 
entbinden. Er sei, so begründete er das Gesuch, zu milde in der 
Disziplin, zu langsam im Studiren und lnstituiren, denn er müsse 
Abends und Morgens so viel Zeit auf die ihm fremden Autoren 
verwenden, dass er gar ermatte und darum verdrossenen Gemtithes 
nach der Schule gehe u. s. w. Er wolle lieber wieder nach der 
alten Stelle zurückkehren, auf welcher er nützlich gewesen sei. 
Bald nachher treffen wir in der That ihn wieder in Crefeld an. 
Bis 1680 scheint er hier ausgeharrt, dann aber wiederum seine 
Schritte nach Mörs gelenkt zu haben, wo er nunmehr als praeceptor 
tertiae classis und Vorleser der Gemeinde eintrat. Am 30. Januar 
1706 starb er daselbst als Emeritus. 

Camphoffs Vorgänger im Crefelder Amte war gleichfalls ein 



1) Vergl. über ihn oben Nr. 3. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



97 



Schüler der Duisburger Universität. Es war Johannes von der 
Lipp aus Duisburg. Er hatte bereits 9 Jahre hindurch die Rector- 
stelle in Crefeld bekleidet, als er, dem Drange des Herzens fol- 
gend, von Neuem die Universität aufsuchte, um sich dem Studium 
der Theologie zu widmen. Am 5. Juli 1655 wurde er in einem 
Alter von 28 Jahren in Duisburg inskribirt. In den Crefelder 
Akten lässt er sich vom Jahre 1647 ab bis zu dem angegebenen 
Zeitpunkte verfolgen. Ob er sein Ziel erreicht hat, habe ich nicht 
ermitteln können. 

Die ersten Crefelder Kinder, welche die Hochschule zu Duis- 
burg aufsuchten, waren Gabriel Saueis und Mathias Schelkens. 
Beide hatten ihre Vorbildung auf der Schule in Mörs gefunden 
und dieselbe mit dem Reifezeugniss verlassen. Am 20. Oktober 
1660 trugen sie ihren Namen in das Duisburger Album ein. Gabriel 
Saueis, ein Enkel des Crefelder Schöffen und Bürgermeisters Hie- 
ronymus Saueis, studirte Theologie und wurde nach beendigter 
Studienzeit am 16. November 1666 hierselbst als Prediger ange- 
stellt. Bis zu seinem Tode am 17. Oktober 1694 hat er diese 
Stelle verwaltet. Mathias Schelkens, der Sohn des Müllers und 
Bürgermeisters Christian Schelkens, widmete sich der Jurisprudenz 
und wurde später Schöffe und Bürgermeister. Mit Saueis war er 
verschwägert, beide hatten Töchter des Stadtsecretärs und rechts- 
kundigen Bürgermeisters Albert von Flodroff geheirathet. Schelkens 
starb im kräftigsten Mannesalter am 18. November 1680. 

Der nächste Crefelder an der Duisburger Universität war Ar- 
nold Loers. Am 12. Mai 1662 wurde er immatrikulirt. Er ent- 
stammte gleichfalls einer hiesigen Patrizicrfamilie. Sein Gross- 
vater, der mit ihm den gleichen Namen führte, war lange Jahre 
hindurch Schöffe und wiederholt regierender Bürgermeister, im 
Uebrigen ehrsamer Wirth und Brauer. Der junge Loers wollte 
sich dem Predigeramte widmen, und er fand auch in der 
That eine Anstellung als Prediger in Jülich, dann 1678—1685 in 
Rheydt und zuletzt in Sonsbeck, wo er im Jahre 1718 mit Tod 
abging. 

Von ihm stammt eine Sammlung geistlicher Lieder, die im 
Jahre 1704 zu Wesel unter dem Titel Geistliches Bündlein christ- 
licher Gesänge und Sionitischer Lieder" erschien. Im Jahre 1708 
kamen von ihm in Duisburg weiter noch „ Neue geistliche Gesäuge" 
heraus. 

Annalen des hist. Vereins LXII1. 7 



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9.s 



Hermann Keussen sen. 



Ini Jahre 1064 am 3. April bezog Johannes PUll aus der 
alten bekannten Crefelder Familie und ein Enkel des Bürger" 
meisters Goert Pull die Duisburger Universität. Der Grossvater, 
welcher am 30. Juli 1656 das Zeitliche segnete, hatte, wie eine 
durch den Notar Johann Görtz auf Veranlassung des Sohnes Jakob 
am 27. August aufgenommene Urkunde besagt, eine unruhige 
Sterbestunde. Er Hess zwei Freunde, den Bürgermeister Goert 
Kluck und den Kirchmeister Philipp in der Lohe, zu sieb ans 
Bett bitten, um diesen eine secrete Mittheilung zu machen. Diese 
bezeugen nun in der erwähnten Urkunde, dass ihnen Goert Püll 
in der Todesstunde anvertraut habe, dass Viecken Ulmuss (Sophie 
Olmissen) „ihr pfortenbladt (Thorrahmen) an der pfortzensteil 
hängen habe", der sein Eigenthum sei; er habe ihr dieses nur 
vergönnt. 

Den Studenten Johann Püll finden wir im Jahre 1678 als 
Kirchmeister in den Crefelder Akten wieder; weitere Ehrenämter 
scheint er nicht bekleidet zu haben. Aus seiner Ehe mit Sibilla 
Schmitz (Fabritius) gingen die beiden später zu erwähnenden Pre- 
diger Ahasverus und Jakob Püll hervor. 

Johannes Fabritius aus Crefeld Hess am 28. Januar 1670 
seinen Namen dem Universitätsalbum einverleiben, nachdem er 
auf dem Gymnasium zu Mörs sich das Zeugniss der Reife erwor- 
ben hatte. Ich vermuthe, dass dieser Fabritius, der Zeitmode 
folgend, seinen ehrlichen deutschen Namen Schmitz latinisirte und 
ein Schwager des Vorhergehenden war. Ich finde nicht, dass er 
in irgend einer Weise von den auf der Universität erworbenen 
geistigen Schätzen Gebrauch gemacht habe. 

Wilhelm Merkamp aus Duisburg, der 1687 als sacrosaneti 
ministerii candidatus nach Crefeld kam und hier die Leitung der 
lateinischen Schule übernahm, hatte in seiner Vaterstadt seine 
theologischen Studien gemacht. Er war am 8. April 1675 imnia- 
trikulirt worden. Kurz nach seiner Anstellung in Crefeld am 
22. Februar 1688 vermählte er sich mit Johanna, Roberts von der 
Linden Tochter, aus Mörs. Er starb nach gesegneter Wirksamkeit 
am 22. Oktober 1715. Sehr häufig wird er in den Akten als 
Dr. Merkamp angeführt; ob ihm dieser Titel gebührte, vermochte 
ich nicht zu ermitteln. 

Kurz vor Merkamp hatte au der lateinischen Schule hierselbst 
als Präceptor fungirt Timotheus Keil, eine etwas anrüchige Per- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 99 

«öulichkeit. Derselbe war in Mörs als Sohn des dortigen Pro- 
fessors Paul Keil und der Catbarina Goldenberg am 5. Februar 
1658 geboren Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt ab- 
solvirt, wurde er am 1. Mai 1077 in Duisburg immatiikulirt, Er 
muss ein lockerer Student gewesen sein, denn am 21. Juli 1681 
wurde er von der Universität „ob varia delicta et incorrigibilis 
vitae enorm itatetn" relegirt. Gleichwohl hat er kurz nachher an 
der biesigeu lateinischen Schule als Präceptor eine Anstellung ge- 
funden, die er freilich auch bereits im Jahre 1687 quittiren musste. 
Auf die Zustände an der hiesigen Schule wirft dies grade nicht 
-ein besonders günstiges Licht. 

Paul Püll, der Sohn des Bürgermeisters Jakob Püll aus Cre- 
feld, bezog am 11. Oktober 1678 die Duisburger Universität. Bei 
seiner Taufe im April des Jahres 1659 hatte der Prediger Mathias 
Kolhagen als Pathe gestandeu. Wie weit er seine Studien ver- 
folgt, ist nicht bekannt, in öffentlicher Stellung scheint er nicht 
gestanden zu haben. Vermählt war er seit 1686 mit Anna Schmitz 
(Fabritius). aus Mörs, wie es scheint, einer Schwester des Predigers 
Heinrich Fabritius in Vluyn. 

Der nächste Student an der Duisburger Hochschule aus der 
hiesigen Stadt war Gottfried Heiners, ein Sohn des Bürgermeisters 
Johann Heiners. Die Universität bezog er am 21. September 1680, 
um sich dem Studium der Theologie zu widmen. Er nahm als 
Predigtamts-Kandidat eine Professur an der Mörser Schule an und 
wurde daselbst Konreetor. Die Stelle behielt er bis zu seinem 
Tode am 26. November 1727. Zur Gemahlin hatte er Catharina 
Ottersloe aus Mörs. 

Heinrich Crato Bruckmann, ein Urenkel des ersten bekannten 
reformirten Crefelder Schuldieners Christian Bruckmann und ein 
Sohn des Arztes und Bürgermeisters Dr. Johann Bruckmann, der 
nebenbei bemerkt, die erste Crefelder Apotheke gegründet hat, 
und der Christine von Flodroff, bezog am 12. Oktober 1686 die 
Duisburger Universität, um sich gleich dem Vater der Heilkunde 
zu widmen. Nach der Rückkehr von der Universität Hess er sich 
in seiner Vaterstadt als Arzt nieder und erwarb sieb bald allge- 
meines Zutrauen. Wiederholt versah er die Stelle eines ersten 
Bürgermeisters und Scholarchen an der höheren Schule. Verhei- 
rathet war er seit 1700 mit Sibilla Margaretha Seyen, nach deren 
Tode (am 30. Januar 1703) er mit Anna Catharina Hercx aus 



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100 



Hermann Keussen aen. 



Mörs am 10. Mai 1707 in die zweite Ehe trat. Er starb am 15. No- 
vember 1739 im Alter von 70 Jahren, einen reichen Kranz von. 
Nachkommen hinterlassend. 

Am 8. September 1688 Hess sich Mathias Saueis, ein Sohn 
des oben genannten Predigers, als Theologe in Duisburg inskri- 
biren. Er war am 10. Juli 1671 geboren, stand also in dem 
jugendlichen Alter von 17 Jahren, als er die Mörser Schule mit 
dem Zeugniss der Reite verliess. Nach dem Tode des Vaters 
wurde er im Jahre 1691 in dessen Stelle berufen. Ein Jahr 
später verehelichte er sich mit Odilia Jansen aus Mörs. Nur 
wenige Jahre erfreute er sich seines Amtes. Am 26. Januar 
1698 stand die junge Wittwe mit einem zarten Sprossen an seinem 
Grabe. 

Heinrich Rahr aus Crefeld meldete sich am 19. September 
1690 als Student der Theologie in Duisburg an. Er war am 
27. Januar 1675 als der Sohn des Kaufmanns Dietrich Rahr und 
der Elisabeth von Lumm geboren und hatte seine weitere Vor- 
bildung auf dem Mörser Gymnasium unter dem Rector Crusius 
genossen. Das Studium der Theologie scheint er nicht weiter ver- 
folgt oder ausgenutzt zu haben. Er starb wenigstens am 22. Fe- 
bruar 1743 als ehrsamer Candidat derselben in Crefeld. Seit dem 
3. März 1715 war er mit Margaretha Sieben vermählt gewesen» 
Deren beide Brüder Mathias und Cornelius Sieben waren gleich- 
falls Studenten an der Duisburger Akademie. Nach Absolvirung 
des Mörser Gymnasiums waren sie am 26. September 1713 imma- 
trikulirt worden. Ueber ihre weiteren Lebensumstände habe ich 
nichts zu erfahren vermocht. 

Der hiesige Prediger Peter von der Emster ist ebenso wenig 
wie sein Amtsgenosse Johann Holderberg, den ich hier noch nach- 
trage, ein geborener Crefelder. Durch ihre Wirksamkeit gehören 
sie aber der hiesigen Stadt an. Johann Holderberg stammt aus 
Mors, wo er auch seine vorbereitenden Studien machte. Am 
7. Oktober 1655 bezog er als Philosoph die Duisburger Hoch- 
schule, dann ging er zum selben Zwecke nach Leyden, kehrte 
aber am 26. Mai 1660 nach Duisburg zurück, um hier seine Stu- 
dien als Theologe zu vollenden. Im Jahre 1668 wurde er in die 
hiesige zweite Predigerstelle berufen. Er starb am 7. Juni im 
Jahre 1684. 

Peter von der Emster, aus Ruhrort gebürtig, hatte auf dem 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 101 



Gymnasium zu Duisburg seine Vorbildung gewonnen. Die Uni- 
versität bezog er am 6. April 1691. Im Jahre 1696 wurde er in 
die lange unbesetzt gebliebene Stelle Holderbergs berufen. Er 
trat am 22. April 1698 mit Odelia Wolff aus Aldekerk in den 
Ehestand und starb am 6. Dezember 1706 in der Kraft seiner 
Jahre. 

Ahasverus Püll, ein Sohn des bereits genannten Kirchmeisters 
Job. Püll, war ein Crefelder Kind, das am 25. April 1677 geboren 
wurde. Am 30. September 1693 ward sein Name in die Duis- 
burger Matrikel eingetragen, und 5 Jahre später war er wohlbestallter 
Prediger in hiesiger Stadt in einem verhältnissmässig jugendliehen 
Alter. Ein früher Tod rief ihn am 25. September 1710 aus seinem 
Amte. Vermählt war er seit dem 18. August 1701 mit Margaretha 
Rahr. Sein Bruder und Nachfolger im Predigtamte war Jakob 
Füll, den ich hier gleich anschliessen will. Er war am 14. Januar 
1689 geboren und hatte sich seit dem 30. September 1706 den 
Universitätsstudien und zwar zunächst der Philosophie ge- 
widmet. Im Jahre 1711 Ubernahm er die durch den Tod seines 
Bruders verwaiste Predigerstelle. Seine beiden lateinischen 
Schriften, disputationes de variis circa intellectum divinum 
quaestionibus, praeeipue illa quae est dei deis rerum und de 
tonitru, fulgure et fulmine zeugen von seinem wissenschaftlichen 
Streben. Leider sind mir diese Schriften trotz eifrigem Bemühen 
nicht zn Gesicht gekommen. Jakub Püll starb unvermählt am 
19. Juli 1754. 

Hermann Vorstmann, in Orsoy im Jahre 1664 geboren, be- 
suchte zunächst das Mörser Gymnasium, und nach Absolvirung 
desselben bezog er am 19. Oktober 1696 die Universität, um sich 
den theologischen Studien zuzuwenden. Das Geschick verschlug 
ihn nach Crefeld, wo er am 24. April 1719 zum Präceptor der 
lateinischen Schule gewählt wurde. Als Reisegeld hatte ihm die 
-evangelische Gemeinde 4 Pistolen zugebilligt. Er verheirathete 
sich am 23. Februar 1721 mit Jenneken von Unna aus Mörs und 
nach deren frühem Tode am 19. April 1722 zum zweiten Male 
mit Anna Coenen von hier. Eine zahlreiche Nachkommenschaft 
-betrauerte am 28. Januar 1748 seinen Heimgang. Seine Studien 
in der Theologie kamen der Gemeinde zu Gute, indem er häufig 
zur Vertretung herangezogen wurde. Im Jahre 1730 hat er längere 
.Zeit während der Vakanz die Predigerstelle mit versehen, wofür 



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102 



Hermann Keussen sen. 



ihm eine Anerkennung von 8 Rthlr. aus dem städtischen Säckel 
gewährt wurde. 

Johann Adolf Bruckmann, ein Bruder des oben genannten 
Mediziners Heinrich Crato, war am 2. Februar 1680 geboren. Er 
war also volle 18 Jahre alt, als er am 28. September 1698 die 
Duisburger Universität aufsuchte, um Theologie und Philologie zu 
studiren. Vier Jahre später wurde er bereits Konrector an der 
lateinischen Schule zu Mörs. Am 15. September 1717 verheiratbete 
er sich mit Anna Maria Sonnenberg. Ein Jahr nachher wurde 
ihm ein ausserehelicher Sohn geboren, der seine Vornamen führen 
durfte. Er war ein Lebemann, der im engen Verkehr mit der 
damals in hohem Ansehen stehenden von Cloudt'schen Familie an 
manchen Jagdabenteuern redlichen Antheil nahm. Unter ihrem 
Schutze scheint ihm das lockere Leben nicht stark verübelt wor- 
den zu sein. Vielleicht hat auch die angesehene Stellung seines 
später noch zu nennenden jüngeren Bruders ihn Uber Wasser ge- 
halten. Ja, er durfte es sogar trotz alledem wagen, sich um die 
Rectorstelle zu bewerben. Das erste Mal im Jahre 1728 musste 
er freilich sich eine Abweisung gefallen lassen, gegen die er bei 
der Regierung vergeblich Beschwerde erhob, weil er glaubte, dieses 
Missgeschick sei ihm einzig und allein aus dem Grunde wider- 
fahren, weil seine Frau auf offener Strasse mit einem der Pre- 
diger sich gezankt hätte und dieser in Folge dessen sein Todfeind 
geworden wäre. Das zweite Mal im Jahre 1735 glückte sein Ver- 
such wahrscheinlich unter dem Einflüsse seines Bruders, der da- 
mals Bürgermeister in Mörs war. Im Jahre 1747 legte er die 
Rectorstelle nieder. Sein Todesjahr ist mir nicht bekannt. Der 
genannte Bruder 

Franz Theod. Bruckmann war am 24. Dezember 1681 zu 
Crefeld geboren. Er besuchte die Mörser Schule und trug am 
17. Oktober 1702 seinen Namen in das Duisburger Juristenalbum ein. 
Später Hess er sich in Mörs als Notar nieder, wurde um 1715 
rechtskundiger Schöffe und später mehrmals regierender Bürger- 
meister. Von der preussischen Regierung erhielt er den Titel 
eines Justizraths. Er war zweimal vermählt, zuerst am 20. Januar 

1720 mit Gertraud Mübling, der Tochter des Mörser Bürgermeisters 
Gotthard Mühling, und zum andern nach deren Tode am 11. April 

1721 mit Cornelia von Zelst. Er starb um 1754. 

Peter v. Harn. 1688 in Duisburg geboren, empfiug seine Vor- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niedcn heins. 



bildung auf dem Gymnasium zu Duisburg ; die dortige Universität 
bezog er am 18. September 1702. Später besuchte er noch die Hoch- 
schule in Leyden, um dann am 23. März 1711 die zweite Pre- 
digerstelle in Crefeld anzutreten. Diese Stelle vertauschte er am 
2. April 1723 mit derjenigen in Mörs. Hier starb er im Jahre 
1735. Seine Gemahlin Gertraud de With aus Wesel war die 
Tochter des Generalstabspredigers Wilhelm de With in Geldern. 
Von Sarn war ein sehr rühriger Mann, der sich als Dichter und 
Schriftsteller einen geachteten Namen erworben hat. Von seinen 
Schriften führe ich an: 1) Der wunderbare Jesus in seinen Werken 
und Gestalten aus den göttlichen Schriften auf eine dichterische 
Weise vorgestellet und mit Anmerkungen erläutert. Duisburg 1712. 
2) Gedichte. 1. Theil. Duisburg 1713. 3) Geistlicher Lobgesang 
von und zu dem gesalbten Heiland. Duisburg 1724. 4) Allerhand 
Hochzeits-, ßegräbniss-, Glückwunsch-, Namens- und Ehrengedichte 
bei verschiedenen Gelegenheiten. Eine Reihe lateinischer Abhand- 
lungen von ihm finden sich in den Observationes Bibliothecae 
Bremensi insertae Ao. 1720, 1721, 1723, 1724. Ausserdem schrieb 
er „de galeis veterum" Duisburg 1724, „de falcibus veterum* 1725, 
„de hastis veterum u 1726, „de securibus veterum" 1727, „de loricis 
veterum" 1728 und Observation um philologicarum tetras: de labro 
Mosis aenea ad Exod. 38.8, de lamentatione Davidis ad Sam. 
18.33, de alis venti ad Psalm. 18.11, de ambulatione navium ad 
Ps. 104.26. Duisburg 1729. Sein Sohn Peter, welcher am 8. No- 
vember 1720 zu Crefeld geboren wurde, besuchte gleichfalls die 
Duisburger Uuiversiiät und wurde am 17. September 1738 im- 
matrikulirt. 

Peter Sade\ ein Sohn des Kaufmanns und Bürgermeisters 
Melchior Sade zu Crefeld und der Catharina Cladders, war am 
22. März 1699 geboren. Er besuchte vor seinem Uebergange zur 
Duisburger Hochschule (am 22. Oktober 1717) das Gymnasium zu 
Duisburg. Ueber seine späteren Lebensverhältnisse habe ich nichts 
erfahren. 

Johann Peter Fabritius aus Crefeld unterwarf sich vor seiner 
Immatrikulation am 23. Februar 1718 einer besonderen Maturitäts- 
prüfung, wahrscheinlich weil er direkt von der hiesigen Schule 
zur Universität Ubergegangen war. Er war ein Sohn des Schöffen 
und Bürgermeisters Wilhelm Fabritius und der Elisabeth Cladders. 
Am 19. April 1731 wurde er als Prediger nach Crefeld berufen, 



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104 



Hermann Keussen sen. 



nachdem der Prediger Katerberg im Jahre 1730 einem Rufe nach 
Schüttorf gefolgt war. Er war seit dem 27. Februar 1730 vermählt 
mit Agnes Ricken aus Ruhrort. Am 12. Juli 1774 starb er im 
74. Lebensjahre. 

Johann Speck aus Urdenbach war 1711 geboren und besuchte 
das Gymnasium zu Düsseldorf. Er widmete sich nach seiner Im- 
matrikulation au der Duisburger Universität am 17. Oktober 1729 
dem Studium der Theologie, während sein Bruder Peter Wilhelm, 
der spätere Arzt und Bürgermeister in Goch (f 1793 5./11.) vier 
Jahre später an derselben Hochschule Heilkunde studirte. Joh. 
Speck war im Jahre 1739 Prediger in Crudenberg, 1742 in Ham- 
minkeln, Mehr und Haffen und endlich seit dem 28. Mai 1755 in 
Crefeld. Das Eint'Uhrungsesseu wurde beim Gastwirth und Wein- 
händler Johann Philipp de Greiff gehalten. Speck fungirte hier 
als zweiter Prediger bis zu seinem Tode am 24. September 1770. 
Aus seiner Ehe mit Hermine Henriette Ising entspross ein Sohn 
Koniad Wilhelm, der am 25. September 1774 im Alter von 
lb* Jahren die Universität zu Duisburg bezog. Im Alter vou 21 
Jahren war er bereits Prediger in Geldern, wo er im Jahre 
1783 starb. 

Johann Theodor Gotthard Bruckmann widmete sich seit dem 
29. September 1734 in Duisburg dem Studium der Theologie. Er 
war ein Sohn des früher genannten Arztes Dr. Heinrich Crato und 
am 24. Juli 1718 geboren. Von seinen Studien hat er keinen 
weiteren Gebrauch gemacht, trotzdem er seine Examina regelrecht 
abgelegt und candidatus approbatus geworden war. Er zog es 
vor, sich dem städtischen Dienste zu widmen, und so finden wir 
ihn in der Zeit von 1748—1760 als Stadtschüffen thätig. Sein 
Bruder Heinrich, am 30. Juli 1719 geboren, bezog nach Absol- 
virnng des Mörser Gymnasiums am 27. September 1735 zum Stu- 
dium der Theologie die Duisburger Akademie. Er wurde im 
Jahre 1747 zum Prediger in Hochemmerich bestellt; im Jahre 
1782 starb er daselbst. Vermählt war er seit dem Jahre 1757 
mit Catharina Hauser. Eine Tochter aus dieser Ehe, Petronella 
Sibilla, verheiratbete sich mit David Friedrich Montandon aus 
Crefeld. 

Der Rector der hiesigen lateinischen Schule Theodor Gott- 
fried Steinwegh verdankte seine Bildung ebenfalls der Duisburger 
Hochschule. Er war im Jahre 1718 zu Gladbach geboren, zur 



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lieiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 105 

• 

Universität kam er am 26. September 1736. Nach Beendigung 
«einer Studien ward er zunächst Rector der Schule in Rheydt, bis 
er am 11. Juni 1748 die Stelle in Crefeld übernahm. Im Jahre 
1747 am 5. Juni hatte man mit dem Neubau der lateinischen und 
deutschen Schule an der evangelischen Kirche begonnen und den- 
selben unter nicht geringen finanziellen Schwierigkeiten am 
3. Januar 1748 zu Ende geführt. Steinwegh war seit dem Februar 
1749 mit Catharina Orts vermählt. Er scheint in guten Verhält- 
nissen gelebt zu haben, wenn man dies daraus schliessen darf, 
<lass seine fünf Töchter insgesammt ein glückliches Fortkommen 
fanden. Er selbst starb eines frühzeitigen Todes am 16. No- 
vember 1758. 

Der Stadtsecretär Hermann Adrian Finmann, gleichalterig mit 
dem Vorhergehenden, stammte aus Flierich in der Mark. Am 
1. Oktober 1738 wurde er studiosus iuris an der Duisburger Uni- 
versität. Er kam im Jahre 1754 als Nachfolger des verstorbenen 
Stadtsecretärs Stempel nach Crefeld. Bei der Umgestaltung des 
bisherigen Schöffengerichts in ein Stadt- und Landgericht im Jahre 
1755 wurde er zugleich Aktuar an diesem. Bald darauf erhielt er 
den Titel eines Hofrathes. Im Jahre 1779 resignirte er auf seine 
Stelle; sein Tod erfolgte erst am 2. Oktober 1791. Seine Frau 
war Aletta van Erpers. 

Hermann Scheuten war der erste Crefelder Mennonit, welcher 
sich den Studien widmete. Er war ein Sohn von Johann Scheuten 
und Anna van Aacken und im Jahre 1726 geboren. Die Univer- 
sität bezog er am 30. September 1744. Er ging später nach Ost- 
indien, wo er im Juli 1751 einen frühen Tod fand. 

Heinrich Wilhelm Theodor Pagenstecher war am 19. Januar 
1731 zu Mors als Sohn des Gymnasialrectors Johann Bernhard 
Pagenstecher und der Maria Rappard aus Orsoy geboren worden. 
Mit seinem Bruder Johann bezog er am 14. April 1749 die Uni- 
versität Duisburg, anfänglich in der Absicht, Theologie zu studiren. 
Bald änderte er den Vorsatz und wandte sich der Rechtswissen- 
schaft zu. Er wurde Dr. iuris und 1755 erster Stadt- und Land- 
richter an dem hiesigen Gericht. Schon am 25. November 1763 
raffte ihn in jungen Jahren der Tod weg. 

An ihn reiht sich als nächster Schüler der Duisburger Hoch- 
schule ein Mann, dessen Name noch in der Erinnerung mancher 
älterer Mitbürger lebt. Es ist Johann Gotthard Lorenz von Pempel- 



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io<; 



Hermann Keussen sen. 



furt. Er war ein Sohn des Johann Werner von Pempelfort und 
der Theodora Maria von Hoeckelom und zu Duisburg iin Jahre 
1734 geboren. Nachdem er seine Gymnasialstudien in Cleve 
zurückgelegt, widmete er sich seit dem 2. Oktober 1751 dem Stu- 
dium der Heilkunde. Von 1760—1762 war er Arzt in Duisburg, 
nachdem er sich vorher mit der Dissertation : De diversa purgan- 
tium medicamentorum actione die medizinische Doctorwürde er- 
worben hatte. Im Herbste 1762 ging er nach Berlin, um noch 
nachträglich an dem anatomischen Kursus Theil zu nehmen, wozu 
er in Duisburg keine Gelegenheit gehabt hatte. Im Jahre 1763 
wurde er in Duisburg approbirt, und nun Hess er sich bleibend in 
Crefeld nieder, wo ihn am 23. Juni 1767 das Band der Ehe mit 
Gertrud Scheuten verband. Von den 2 Töchtern, die er erzielte, 
verheirathete sich die jüngere Margaretha Maria mit dem Tuch- 
fabrikanten C. Sohmann. Pempelfort war ein viel beschäftigter 
Arzt, gleichwohl fand er noch Zeit, sich ernstlich in der Wissen- 
schaft umzusehen, und namentlich interessirte ihn vor allem die 
Pädagogik. Mit den bedeutendsten Schulmännern, so mit Over- 
berg, Natorp, dem früheren Prior Hoogeu, stand er in Briefwechsel. 
Einen besonders engen Verkehr unterhielt er mit letzterem. Dieser 
hauchte bei einem Besuche in Crefeld in seinem Hause das Leben 
aus. Pempelfort war ein aufgeklärter Freund des Volkes und hatte 
ein warmes Herz für alles Gute und Edle. Er starb am 4. März 
1812. Die heiss ersehnte Befreiung seines Vaterlandes vom fran- 
zösischen Joch hat er nicht mehr erlebt. 

Johann Wilhelm Reche, ein Sohn des Bürgermeisters und 
Accisen-Inspectors Johann Georg Reche und der Catharina Preyers 
(Wittwe von Cornelius Floh), war um 1738 geboren. Die Univer- 
sität Duisburg bezog er am 22. Oktober 1755, um Medizin zu 
studiren. Wo er sich später niedergelassen, ist mir nicht bekannt. 
Sein Vater starb am 18. Juni 1766. 

Johann Carl Timotheus Althotf stammte aus Bielefeld und 
war im Jahre 1738 als der Sohn von Christopborus AlthofF und 
Magdalena Catharina Crüvell geboren. Er Hess sich am 27. Ok- 
tober 1763 als Jurist in Duisburg immatrikuliren und wurde nach 
zurückgelegtem Examen Justiz - Commissar und um 1775 erster 
Bürgermeister hierselbst, bis ihn im Jahre 1795 die Revolution aus 
seiner Stellung verdrängte. Mit seiner Gemahlin Margaretha Bruck- 
hau sen hatte er mehrere Söhne, unter andern einen Sohn Johann, 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds uucl des Niederrheins. 107 



der im Jahre 1804 als Huissier beim Civiltribunal starb und mit 
Luise Tascani vermählt war, und einen zweiten Jakob Heinrich» 
der 1S17 Lieutenant wurde und in unliebsame Affairen verstrickt 
gewesen sein soll. Althoff, der als Anwalt sein Leben dürftig 
fristete, starb am 14. Januar 1807. 

Johann Adam Kaibel, am 24. November 1754 geboren, war 
ein Sohn von Johann Carl Kaibel und der Christina von Bronk- 
horst. Er besuchte das Gymnasium zu Duisburg und seit dem 
27. November 1773 die Universität, um Vorlesungen in der Philo- 
sophie zu hören. Ueber seine späteren Lebensumstände ist mir 
nichts Näheres bekannt. 

Am 1. Oktober 1774 wurde Friedrich Kraft aus Crefeld in 
Duisburg immatrikulirt. Die Matrikel enthält den Vermerk, dass 
er ein Sohn des Kectors der lateinischen Schule Isaac Christian 
sei, der jetzt in Goch wohne. Lange war ich zweifelhaft, ob nicht 
unter Greyfeldensis, wie es in der Matrikel heisst, ein anderer 
Ort zu verstehen sei. Meine Zweifel wurden nicht gehoben, als 
ich in der „Allgemeinen deutschen Biographie" Uber diesen 
Rector Isaac Christian las, dass er im Jahre 1747 in Crefeld an 
der lateinischen Schule thätig gewesen sei. Erst die hiesigen Civil- 
standsregister brachten mir volle Gewissheit, dass ein bisher nicht 
bekannter Rector der lateinischen Schule glücklich aus dem Dunkel 
der Nacht herausgehoben sei. Isaac Christian Kraft, der es auch 
aus anderen Rücksichten verdient, unsere Aufmerksamkeit zu er- 
wecken, war am 5. Februar 1727 zu Büdingen geboren, wo sein 
Vater Johann Heinrich Konrector war. Er verlor denselben in 
jungen Jahren und war so schon frühe auf sich und seine eigene 
Kraft angewiesen. Der Rector Vorstmann (s. o.) war seit dem 
Jahre 1742 zur Verwaltung seines Amtes nicht mehr wohl im 
Stande, und es wurde seitens der Regierung darauf gedrungen, 
ihm einen Adjunkten zur Seite zu setzen, und eiu solcher wird 
Isaac Christian Kraft gewesen sein. Wir linden ihn von 1747—1759 
in Crefeld, wo er mit Gerhard Terstegen in Mülheim und Chevalier 
bekannt wurde und in einen näheren Verkehr trat. Dieser Um- 
gang scheint ihm bei der reformirten Gemeinde verdacht worden 
zu sein. Er wurde nach Vorstmanns Tode nicht zum Rector ge- 
wählt, sondern der früher genannte Steinwegh. Bis zum Jahre 
1759 lebte er hier wohl als Privatlehrer. Vermählt war er mit 
Anna Margaretha Fildius, die er am 7. Mai 1759 durch den Tod 



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10» 



He rmann Keussen sen. 



verlor. Er nahm hierauf eine Stelle als Lehrer im Jahre 1761 zu 
Orsoy an ; am 4. Mai des darauf folgenden Jahres wurde er Rector 
daselbst, 1763 in Goch, wo er am 16. August 1793 gestorben ist. 
Als Kirchenliederdichter hat er sich einen geachteten Namen er- 
worben. Seine Lieder erschienen in 3 Sammlungen im Jahre 1751, 
1771 und 1784. Die Nachricht in der erwähnten Biographie, dass 
«r im Jahre 1760 mit seinem Sohne die Universität Duisburg be- 
zogen habe, finde ich nicht allein nicht durch die Matrikel be- 
stätigt, sondern sie erregt auch sonst durch das Lebensalter des 
Sohnes grosse Bedenken. Der älteste Sohn konnte im Jahre 
1760 höchstens 12 Jahre alt sein. So weit ersichtlich ist, ver- 
liess Kraft nach dem Tode seines dritten Sohnes Christian am 
22. Januar 1760 Crcfeld. Der einzig Uberlebende Friedrich war 
noch im jugendlichen Alter, als er im Jahre 1774 die Uni- 
versität bezog. Dass er zugleich mit diesem immatrikulirt worden 
sei, erwähnt die Matrikel nicht. Von seinen weiteren Lebensschick- 
salen habe ich nichts erfahren; möglicher Weise lebte er beim 
Vater in Goch. 

Hermann Schultheis, der Sohn des aus Gelnhausen nach Cre- 
feld verzogenen Kaufmanns Johann Conrad und der Anna Elisabeth 
Vetter, war am 13. September 1759 geboren und bezog am 13. Ok- 
tober 1776 die Universität Duisburg zum Studium der Theologie. 
Im Jahre 1783 wurde er Prediger in Geldern, 1785 zu Goch, 1787 
zu Cleve, darauf Schulrath in Hamm und zuletzt Consistorialrath 
bei der Regierung zu Cleve. 

Ueber den nachfolgenden Crefelder an der Duisburger Hoch- 
schule Valentin Häusser oder Kauffer vermag ich nur die Nach- 
richt von der Matrikel beizubringen, dass er ein Sohn des Fabri- 
kanten Jakob Häusser gewesen ist und am 19. April 1779 imma- 
trikulirt wurde. 

Adam Riedel war ein Sohn des Chirurgen Albrecht Riedel, 
der aus Ulm hier eingewandert war und sich durch die Ver- 
mählung mit Catharina Sohmann, der Wittwe des Apothekers 
Johann Bruckmann, die älteste hiesige Apotheke (Hochstrasse 
und Poststrassen - Ecke) erheirathet hatte. Der genannte Sohn, 
geboren 1762, bezog am 18. Oktober 1780 die Duisburger Uni- 
versität, proraovirte als Arzt und Hess sich anfänglich zu Wesel, 
später in seiner Vaterstadt nieder, wo er die Apotheke seines 
Vaters übernahm. Er war mit Maria Catharina Elisabeth Laus- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 10^ 

* 



berg (f 1808 22./6.) vermählt. Dr. Adam Riedel starb am 
25. August 1824. 

Philipp Hermann de GreirT, ein Sohn des am 26. April 1785 
verstorbenen Weinhändlers Johann de Greiff und der Sara Helena 
Moog, war am 9. August 1767 geboren und begab sich am 
11. April 1783 zur Universität nach Duisburg, um Jurisprudenz zu 
studiren. Er trat als Referendar zur Regierung über, wurde Ke- 
gierungsrath, starb aber schon im Jahre 1801, ohne sich um einen 
Posten bei dem französischen Regime beworben zu haben. Er war 
ein fleissiger Sammler historischer Ueberreste. Eine kleine Anzahl 
wichtiger Urkunden hat er uns in Abschriften erhalten. 

Von Johann Balthasar Dercks, dem Sohn des Sigbert 
Dercks aus Crefeld, weiss ich nichts weiter zu berichten, als dass 
er in Köln und seit dem 9. Oktober 1784 in Duisburg Medizin 
studirte. 

Dahingegen ist der nachfolgende Student an der Duisburger 
Hochschule eine hierorts wohlbekannte Persönlichkeit. Christian 
Johann Jakob Schneider, ein Sohn des Oberforstinspectors Friedrich 
Samuel Schneider und der Margaretha Becker, war am 7. No- 
vember 1767 zu Dinslaken geboren. Der Gross vater Samuel 
Friedrich hatte nach Absolvirung des Mörser Gymnasiums am 
30. April 1732 die Universität Duisburg bezogen, um Mathematik 
zu studiren. Auch der Enkel begab sich am 1. Mai 1786 nach 
Duisburg und liess sich hier als Studiosus der Medizin immatri- 
kuliren. Von Duisburg ging er nach Göttingen, wo er im Jahre 
1790 als Doctor promovirte. Im Jahre 1791 wurde er Arzt in 
Crefeld, 1806 Arrondissementsarzt. Er zeichnete sich in den Jahren 
1809 und 1810 bei der Typhusepidemie rühmlich aus. Nach der 
Rückkehr der preussischen Herrschaft wurde er im November 1817 
KreisphysikuB. Im Jahre darauf verlieh ihm der König den Titel 
eines Hofraths. Allgemein betrauert starb er am 22. Januar 1837. 
Aus seiner ersten Ehe mit Maria Johanna Sara Scheidt aus Duis- 
burg stammte der in der Erinnerung aller noch lebende Dr. Johann 
Friedrich Gustav Schneider. Ein älterer Bruder des Hofrathes, 
Gisbert Johann Schneider, war gleichfalls ein Schüler der Duis- 
burger Universität. 

Gustav Franz von der Leyen wurde am 11. Juni 1792 in 
Duisburg als Jurist immatrikulirt. Er war am 22. August 1773 
geboren und ein Sohn des Geh. Commerzienraths Conrad von der 



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HO 



Hermann Keussen scn. 



Leyen und der Christine Elisabeth von der Nuell. Er starb als 
Sonderling und mit der halben Welt verfeindet im Jahre 1859 auf 
seinem Gute zu Palmersheim. 

Nicolaus Leonhard Heilmaun, an der Duisburger Universität 
am 21. April 1796 immatrikulirt, war ein Sohn des hiesigen Pre- 
digers Jonas Johann Heilmann aus dessen Ehe mit Petronella 
Catharina Margaretha Hoesch aus Mors und ein Enkel des Amts- 
schultheissen Nicolaus Heilmann zu Naumburg. Am 9. Dezember 
1776 erblickte er das Licht der Welt. Vermählt war er seit dem 
8. Juni 1805 mit Sibilla Margaretha Plonis, deren Vater einst mit 
seinem Vater bei der Predigerwahl in Crefeld konkurrirt hatte 
Heilmaun stand schon vor seiner Wahl zum Prediger seinem Vater 
als Adjunkt zur Seite. Ueber 50 Jahre lang war er der Gemeinde 
ein treuer Seelsorger und Berather. Gestorben ist er am 26. Mai 
1856. Von ihm erschienen im Jahre 1817 Gedichte und im Jahre 
1826 Vesperklänge. 

Georg Haertges, ein Sohn des Bäckers Arnold Haertges und 
der Elisabeth Sieben aus Crefeld, bezog die Duisburger Universität 
als Theologe am 7. Mai 1798. Im Jahre 1802 war er Prediger 
in Gruiten, 1812 zu Marienburg im Nassauischeu, wo er starb. 

Johann Carl Tendering, ein Sohn des Oekonomeu Hermann 
Wilhelm Tendering auf Haus Mehrum bei Wesel, bezog im Alter 
von 17 Jahren am 13. April 1811 die Akademie zu Duisburg, um 
sich dem Studium der Heilkunde zu widmen. Duisburg mag für 
ihn, abgesehen von der Nähe seiner Heimath, noch ein besonderes 
Interesse gehabt haben, da bereits mehrere Verwandte vor ihm 
dort ihre Ausbildung gesucht hatten, so Hermann Theodor Ten- 
dering, welcher nach Absolvirung des Weseler Gymnasiums am 
19. Oktober 1734 die Duisburger Universität bezog, und Hermann 
1 endering, gleichfalls aus Wesel, der 3 Jahre später ebenso 
die genannte Universität aufsuchte. Im Jahre 1817 Hess sich 
Dr. Carl Tendering in Crefeld nieder, wo er am 25. Oktober 1823 
sich mit Margaretha Adelheid Herstatt vermählte. Er starb vor 
längeren Jahren zu Linz. 

Die Universität Duisburg war in der letzten Zeit ihres Be- 
stehens immer mehr herabgesunken und schliesslich nichts weiter 
als eine medizinisch-chirurgische Lehranstalt mit bescheidenen Lehr- 
kräften. Die beiden letzten Crefelder, die dort ihre Ausbildung 
fanden, waren C. Putscher. Sohn des Chirurgen Conrad Putscher, 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



1U 



und Cornelius Zahner, Sohn des am 9. April 1816 verstorbenen 
Wundarztes Johann Conrad Zahner und der Margaretha ter 
Stegen. Beide wurden im Jahre 1816 in Duisburg immatrikulirt. 
Im Jahre 1823 Hess sich Cornelius Zahner als Wnndarzt und Ge- 
burtshelfer hier nieder. Er starb erst vor wenigen Jahren in 
hohem Alter. 

5. 

Zwei Hexeuprozesse ans der Crefelder Gegend. 

Der Wahnwitz des Hexenglaubens erreichte gegen den Schluss 
des 16. und den Beginn des 17. Jahrhunderts seinen Höhepunkt. 
Das deutsche Volk der damaligen Zeit, grossgezogen in Intoleranz 
und Aberglauben, roh und unwissend, da ihm durchgängig fast 
jede Schulbildung inangelte, aufgeregt und leidenschaftlich durch 
die erbitterten religiösen Kämpfe, verwildert und stumpf gemacht 
durch die Schrecken jahrelanger Kriege, war unempfänglich für 
eine ruhige und nüchterne Auffassung der Dinge, unzugänglich für 
eine verständige Beurtheilung dessen, was sich ereignete. Ueberall, 
wo ein Ereigniss eintrat, das über die Alltäglichkeit und Gewohn- 
heit hinausging, witterte es sofort eine schlimme Einwirkung des 
Teufels, der seine willigen Werkzeuge und gefügigen Diener zahl- 
reich unter den Menschen hatte. Jede Hagelschauer, die zerstörend 
über Garten und Feld dahcrfuhr, jede Krankheit, die Menschen 
und Thiere fortraffte, die Feuersbrunst, wie jeder andere Unglücks- 
fall, die Unfruchtbarkeit, wie die Fehlgeburt, es waren auch für 
die Frommen keine Strafen Gottes mehr, um das Volk zu züch- 
tigen und zu bessern, nein der leibhaftige Satanas hatte diese 
Dinge aus blinder Bosheit gegen die Menschen ins Werk gesetzt, 
seinem engen und intimen Verkehre mit gewissen Menschen wurde 
das Alles zugeschrieben. Hexerei war tiberall im Spiele, das liess 
sich nun einmal das Volk nicht ausreden, und diese oder jene alte 
Frau mit der Adlernase oder den trüben Augen hatte sich dem 
Teufel mit Leib und Seele verschrieben, und war dessen willen- 
loses Werkzeug geworden. Wer lauge schlief, hatte die Nacht bei 
den Hexenorgien zugebracht. Dieser hirnlose Glaube bildete sich 
allmählich zu einer Krankheit der Zeit aus, von der selbst der 
gebildetere Theil des Volkes mit ergriffen wurde. Die Vernunft 



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112 



Hermann Keussen sen. 



wurde machtlos, das Warnwort gefährlich, und der Widerspruch 
gegen das sittenlose Unwesen führte fast unfehlbar zum Scheiter- 
haufen. Die zahlreichen Hexenprozesse, — fast keine Gegend 
Deutschlands blieb davon gänzlich verschont — die aus dieser un- 
glücklichen Zeit sich erhalten haben, sind traurige Dokumente für 
die Verkommenheit und Versunkenheit des menschlichen Geistes, 
sie dienen der Nachwelt zum warnenden Exempel, in welchen sitt- 
lichen Abgruud Unwissenheit und Aberglauben ein von Haus 
aus so sittlich und geistig angelegtes Volk wie das deutsche führen 
köunen. 

Die niederrheinische Gegend hat im Vergleich zu anderen 
Thcilen Deutschlands lange Zeit für minderbetheiligt bei der Hexen- 
verfolgung gegolten, indess haben die letzten Jahrzehnte so viel 
Material auch für sie in dieser Hinsicht herbeigeschafft, dass wir 
Grund haben zu vernmthcn, dass unsere Vorfahren um kein Haar 
^escheidter und besser gewesen sind, als die Menschen anderwärts. 
Es ist das ein trauriges Zugeständniss, das die Wahrheit vom 
Historiker verlangt. Bis vor Kurzem noch war mir aus Crefeld 
und der nächsten Umgebung kein einziger Fall eines derartigen 
Prozesses vor Augen gekommen, und nun führt der Zufall inner- 
halb weniger Wochen mir zwei derselben auf einmal zu; ein 
dritter wird in den Papieren darüber noch weiter angedeutet. Be- 
ziehen sich dieselben auch nicht unmittelbar auf Crefeld, so spielen 
sie doch nahe genug, um vermuthen zu dürfen, dass deren Ein- 
wirkung auch für unsere Altvorderen nicht verloren gegangen sein 
kann. Der Flammenstoss auf der Titsches-Haide bei St. Hubert 
wird seinen grellen Widerschein auch auf unsere Fluren zurück- 
geworfen haben. Der Hexentanz auf dem Hülser Berge wird nicht 
ausschliesslich von kurkölnischen Hexen aufgeführt worden sein. 
Eigentümlich ist es, dass gerade an den Richtstätten, au die sich 
für das ungebildete Volk noch bis auf die heutige Stunde Geheim- 
nissvolles und Gespensterhaftes aller Art anknüpft, die Hexen ihr 
Unwesen getrieben haben sollen. 

Die uns vorliegenden Hexenprozesse spielen beide im Amte 
Kempen. Das gewöhnliche Schöffengericht mit dem kurfürstlichen 
Schultheiss an der Spitze spricht das Urtheil und lässt das- 
selbe vollstrecken. Seine Sitzungen hielt das Gericht in dem 
Herrenhause in der Stadt. Der Sehultheiss, der beide Male dem 
Gerichte vorsass, war Mathias von Hüls, ein Schwiegersohn seines 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 113 

Vorgängers im Amte, Theodor von Warenburg, eines Mannes, der 
sich um die Einführung der Reformation in Kempen unter dem 
Kurfürsten Gebhard Truchsess eifrig bemüht hatte. Der Vater 
des Hüls war der 1558 verstorbene Bürgermeister Adam von Hüls, 
der einer Seitenlinie des ritterlichen Geschlechts von Hüls ange- 
hörte. Mathias von Hüls war vor seiner Bestallung zum Schultlieiss 
als Notar oder Secretär am kurfürstlichen Hofe in Köln thätig ge- 
wesen. Das Schnltheissenamt bekleidete er von 1584—1607; aus 
dieser Zeitbestimmung wird uns erst die Präcisirung des zweiten 
Prozesses ermöglicht, da in demselben nur einfach , Saterstach, 
der 20. Oktober" genannt wird. Der 20. Oktober fiel aber wäh- 
rend dieser Zeit nur zweimal auf den Samstag, nämlich 1589 und 
1601. Wir entscheiden uns für das letztere Jahr, da das erstere 
kaum eine ordentliche Prozedur zuliess; die Bewohner des Amtes 
hatten sich fast verlaufen. Der erste Hexenprozess geht diesem 
um wenige Jahre voraus, da er nämlich 1595 geführt wurde. Da- 
zwischen fällt nun noch die Hinrichtung der Zauberin Sibilla Blex, 
von der als Verführerin nur gelegentlich im zweiten Prozesse die 
Kode ist. 

Ueber den ersten Prozess sind wir ebenfalls nicht weitläufig 
unterrichtet, wir erfahren nur rein zufällig von demselben in der 
Kellnerei-Rechnung vom Jahre 1595, welche der kurfürstliche 
Kellner Carl Huissgen über denselben führte, da er der kurfürst- 
lichen Kasse nicht unerhebliche Kosten verursachte. Ich fand die 
Rechnung im Düsseldorfer Provinzialarchiv und gebe den betreffen- 
den Passus daraus in der Sprache der heutigen Zeit wieder, da 
ich befürchten muss, dass derselbe sonst für das allgemeine Ver- 
ständniss unüberwindliche Schwierigkeiten darbieten könnte. 

„Demnach Catharinchen Hagh der Zauberei durch einen ge- 
wissen Meister Gerhard, der Schweinschneider genannt 1 ) angeklagt, 
gerichtlich darüber procedirt und zuletzt gefänglich eingezogen. 
Sie hat eine Zeit lang gesessen, und darüber haben wir den 
Scharfrichter Hans (Keisser, nennen ihn andere gleichzeitige Akten) 
aus Köln kommen lassen, welcher mit Errechnung von Her- und 
Hinreise 23 Tage beschäftigt war. (Rechnen wir 4 Tage für die 



1) Dieser Gerhard, der Schweineschneider, war auf dem Laude bei 
Kempen ansässig und zwar in der grossen Honschaft und nicht unvermögend, 
wie aus Urkunden hervorgeht. 

Annalen des hist. Vereins LX11I. H 



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114 



Hermann Keuegen sen. 



Reisen und 1 Tag für die Hinrichtung, so bleiben 18 Tage für 
die Folterung!) Er bat jeden Tag für seine Besoldung gefordert 
3 kölnische Gulden. Zweimal hat er die Zauberin auf das Wasser 
geworfen, für jede Wasserprobe 1 ) rechnete er 2 Thlr., und als sie 
mit dem Feuer hingerichtet, für solches Richten 2 l / 2 Thaler und 
8 Quart Wein, und für seinen Jungen erhielt er noch laut Quittung 
1 Ort Thaler. Daneben — rechnet der Kellner weiter — öfter, 
ehe und bevor sie zu inrem Bekenntniss gekommen, in Beisein 
des Schultheissen und der Schöffen dieselbe versucht (d. h. ge- 
foltert), und da es landbräuchlicb, dass diejenigen, welche bei sol- 
cher peinlichen Versuchung über- und anwesend sind (weil die 
Schöffen auf dem Lande wohnten) mit Kost und Trank versorgt 
werden, so ist ein Grosses draufgegangen, und obwohl die Regie- 
rung dem Kellner befohlen hatte, die beweglichen Güter der un- 
glücklichen Person zu verkaufen und zu den Gericbtskosteu zu 
verwenden und nur im Falle, wenn sie nicht hinreichten, aus den 
Gefällen der kurfürstlichen Kellnerei das Fehlende zu nehmen 
und zu verrechnen, so habe der Kellner 58 Gulden 12 Albus zu- 
legen müssen, da nach gerichtlicher Taxation der Güter — deren 
doch, fügt er klagend hinzu, gar wenig gewesen — und nach 
deren Verkauf die Unkosten sich beträchtlich höher erstreckt 
hätten. Für den geistlichen Beistand, den der damalige Pastor 
von St. Tönis P. Franciscus Scheen leistete, berechnete der Kell- 
ner dem Kurfürsten ein zweifaches: Für die Abnahme der Beichte 
1 Goldgulden (etwas weniger als ein Reichsthaler) und ausserdem 
den Nachttrunk, welchen der Geistliche in der Nacht vor der Hiu- 

1) Die doppelte Wasserprobe, welche bei der bedauernswerten Person 
nebeu der Folter zur Anwendung kam, ist uns ein Beweis dafür, wie scho- 
nungslos man gegen dieselbe vorging. Dies, sowie die Tage lange Folterung 
bezeugen die hartnäckige Standhaftigkeit, mit der die Unglückliche ihre Un- 
schuld betheuert haben mag. Die Wasserprobe diente zum Beweise der Schuld 
oder Unschuld; die der Hexerei Beschuldigte wurde an das Ufer eines Teiches 
oder Flusses geführt, dort ausgezogen und mit kreuzweis zusammengebun- 
denen Händen und Füssen ins Wasser geworfen. Sank sie unter, so war sie 
unschuldig, schwamm sie oben, so war es klar, dass das nur mit Beihülfe des 
Teufels geschehen konnte, der einst einer Hexe versprochen haben soll, ihr 
bei der Wasserprobe eine Eisenstange zu bringen, damit sie untersänke, aber 
statt der Stange eine Nadel gebracht habe. Das Meiste hing natürlich von 
dem Willen und der Gesclijcklichkeit des Henkers ab, der das Seil hand- 
habte, woran die Unglückliche gebunden war. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



115 



ricbtung empfing, als er bei der Unglücklichen geistlichen Trost 
und Zuspruch spendend verweilte. 

Aus diesen nur kurzen Notizen erfahren wir doch so viel, 
<lass wir die Zusammensetzung des Gerichts und die Gerichts- 
ordnung, die in der hiesigen Gegend beobachtet wurde, kennen 
lernen. Demnach wird dieselbe im Wesentlichen in Ueberein- 
stimmung gestanden haben mit dem allcrwärts beobachteteu Usus, 
wie er ja auch durch den Hexenhammer systematisch festgestellt 
-worden war. Zuerst leitete ein einfaches Inquisitionsverfahren, 
nachdem eine Denunciation eingelaufen war, den Prozess ein ; 
wurde geleugnet, so wurde die Einsperrung verfügt; machte diese 
nicht mürbe, so dass sie das Bekenntniss herbeiführte, so musste 
<lie Wasserprobe dem Gerichte den Beweis der Schuld oder Un- 
schuld erbringen, und nun endlich erzwang die Folterung das 
volle Geständniss, welches das Urtheil auf Hinrichtung durch das 
Feuer zur Folge hatte. Viele wurden schon durch die Inhaftirung 
zur Verzweiflung und damit zum Geständniss gebracht, denn die 
Kerker, feucht und dumpf, mit Kröten und Ratten angefüllt, 
waren, wenn die Haft auch nicht verschärft wurde, wohl dazu an- 
gethan, die ohnehin geängstigten Unglücklichen schwer- und klein- 
müthig zu machen. Nun aber erst, wenn die Schrecken der 
Folter zur Ausführung kamen, vermochte auch der empfindungs- 
loseste Starrgeist nicht auszuharren und an der Betheuerung der 
Unschuld festzuhalten. Da kam zuerst der Daumenstock in An- 
wendung, dann folgte die Beiuschraube, der sogen, spanische 
Stiefel, hierauf die Elevation mit dem gespickten Hasen, bei der 
dem Delinquenten die Arme verkehrt und verdreht über dem 
Kopfe standen u. s. w. Die Hexe sollte, so lautete die Vorschrift, 
so dünn gefoltert werden, dass die Sonne durch den Körper 
schiene. Solcher Grade der Tortur gab es mehr als ein Viertel 
Hundert. Kein Wunder, dass da Alles gestanden wurde, was man 
eben wollte, dass die Unglücklichen sich den Tod in jeder Gestalt 
herbeiwünschten. 

Catharina Hagh scheint also, wie die Rechnung ergiebt, lange 
mit dem Geständniss gezögert zu haben, endlich aber auch ge- 
brochen und kleinmüthig geworden zu sein. In dem zweiten 
Prozess, der uns weitläufiger in den Gang der Verhandlungen ein- 
weiht, ertrug ein Mädchen standhaft alle Schmerzen der Tortur, 
sodass die Richter rathlos wurden und sich an die kurfürstlichen 



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11« 



Hermann Keussen sen. 



Käthe in Köln wandten, um sich weitere Instructionen zu erbitten^ 
ob sie das Verfahren fortsetzen sollten oder nicht. Wir geben den- 
Inhalt des Aktenstückes, das sich im Kempener Stadtarchiv vor- 
fand, möglichst wortgetreu in Nachfolgendem wieder. 

Es ist zu wissen, dass ein Hausmann dieses Amtes Kempen 
mit Namen Sander Hon auf vorhergegangene richterliche Citation 
gegen eine Frauensperson genannt Beeil This, seine Nachbarin, 
vor uns an dem offenen Gericht, darin wir gespannener Bank zu 
Recht sassen 1 ), auf Samstag, den 20. Oktober jüngst vergangen 
rechtlich erschienen ist und durch seinen gebetenen Fürsprecher 
(Rechtsbeistand) die oben genannte Beeil verklagt habe, dass sie 
ihm an seinen Kindern, seinem Vieh und Hof geschädigt und dar- 
über von ihr ein Geständniss verlangt und eine Entschädigung 
von 100 Goldgulden oder, was wir Schöffen für recht weisen wür- 
den 2 ). Beschlossen wurde, auch die genannte Beeil gerichtlich zu 
vernehmen, und dieselbe liess durch ihren erlaubten Fürsprecher 
zur Antwort geben, dass sie gemeldeten Sander in keiner Weise 
weder um einen Heller noch Pfennig geschädigt habe und dafür 
Bürgschaft, Lauterkeit und Unschuld biete. Sander habe hiergegen ge- 
antwortet: Sie habe unlängst von ihm ein Stück Brot sich erbeten, 
sei zu den Pferden gegangen und habe sie besehend gesprochen: 
Wie stehen die Pferde? Die Pferde wären krank geworden und 
auch danach gestorben. Er verhoffe, dass sie dafür nicht bürgen 
solle, da er dafür Bürge werden wolle. Hierauf haben die Für- 
sprecher es für gut angesehen, dass beide Theile ihre Bestuudung 
(Aufschub) bis demnächst haben möchten, wofür sich auch die 
Schöffen ausgesprochen. Da ich, der Schultheiss, den Parteien 
gerne solchen Verlaub anstatt meines gnäd. Herrn geben möchte, 
wollte ich mich dessen aber nicht gerne allein annehmen, sondern 
erst wissen, wie solches mit Recht sich verhalten sollte. Hierauf 



1) Ein Ausdruck, der sich aus früherer Zeit, wo die Gerichtsatätte im 
Freien durch ein Seil oder dergleichen von dem Publikum abgespannt war, • 
auf die spätere Zeit vererbt hat und nichts weiter bedeutet, als in ordentlicher 
und vorschriftsmässiger Weise zu Gericht sitzen. Das alte Gericht wurde durch 
vier Bänke gebildet, auf welchen die Schöffen nnd der Schultheiss Platz 
nahmen. 

2) Der Hexenprozess war also hier seinem Ursprung nach nur eine Civil- 
entschädigungsklage und wurde vielleicht ohne Absicht des Klägers zu dem 
schlimmen Ausgang gebracht. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 117 

laben die Schöffen hierüber zu Recht befunden, der Beeil ihreu 
Bürgen zu stellen zu gebieten. Du ist aber Sander in die Ge- 
richtsbank getreten und hat seinen Fuss für den Bürgen zu setzen 
sich angeboten; Beeil verhoffte dagegen, dass Sander sie zu ihrer 
Bürgschaft kommen lasse oder mit Kunde dagegen thue. Da haben 
die Schöffen erkannt, so Sander keine Kunde habe und sein 
höchstes Pfand setze, so solle er damit den Bürgen abwehren. 
Gegen solches Urtheil habe Beeil appellirt und sich auf ihr Ober- 
haupt (den Laudesherrn) berufen, auch Appcllationes und Instru- 
mente davon geheischen, aber dem Notar keine Urkunde gegeben. 
Sander behauptete darauf, dass in solchen Sachen keine Appellation 
gestattet werden dürfe, worauf die Schöffen erklärten, dass es 
ihnen, nachdem Sander das höchste Pfand gesetzt, nicht kundig 
sei, ob die Appellation zugelassen werden solle oder nicht. Hier- 
nach fragte ich, Richter, wie ich mich denn mit beiden Parteien 
halten sollte. Die Schöffen erkannten nunmehr: Wer keinen Bür- 
gen hätte, dem solle der Herr Bürgen leihen. Also sind sie beide 
angetastet und getrennt von einander getanglich in den Thurm 
gesetzt worden, und hierauf sind die Nachbarn der ehegenannten 
Beeil nach allsolcher Fama jeder für sich examinirt worden, und 
von diesen insgemein hat man erfahren, dass sie seit langer Zeit 
mit der Fama der Zauberei berüchtigt (behaftet) wäre, ob aber 
das wahr oder nicht wahr sei, wäre ihnen unbewusst. Danach 
haben die Schöffen den obengenannten Sauder in Gegenwart der 
oft gemeldeten Beeil mit vielfältigen Worten gefragt, ob er bei 
seinem Vernehmen (Aussage) noch bleiben wolle, und als er dabei 
in Allem vollherzig geblieben, haben die Schöffen darauf die Frau 
peinlich versuchen lassen 1 ). Darum dann (sie!) sie allenthalben 
bekannt und gestanden hat, erstlich wie eine Frauensperson, ge- 
nannt Beeil Blex — ihre Nachbarin, welche vor kurzem gleichen 
Wesens willen verrechtfertigt, d. h. gerichtet, worden ist — 2 ) zu 
ihr gekommen sei und zu ihr gesagt habe, dass Sander Honn 
viele Schmähworte der Zauberei über sie an vielen Orten habe 
hören lassen, ob sie ihm dafür nicht gut thun könnte, und hätte 
ihr etwas langes Gras und darin etliche Mothery, d. h. Materie, ihr un- 
bekannt, (wie sie sagte) gegeben, was sie Sanders Pferden zu fressen 



1) Von einer Wasserprobe ist also hier keine Rede. 

2) Es ist dies der Eingangs erwähnte dritte Hexenprozess. 



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118 Hermann Keussen sen. 

geben sollte, sie würden alsdann fortan nicht viel mehr nutz 
(brauchbar) sein. Sie hätte der Meinung das Gras zu sich ge- 
nommen und Sanders Pferden, da sie in der Weiden gingen, vor- 
geworfen, und hiernach wären die Pferde, die das gefressen, krank, 
geworden und in der Folge gestorben. Zum zweiten hätte auch- 
die vorhin genannte Beeil Blex ihr ein Bläschen Papier gegeben^ 
darin etliche schwarze Körner waren, die wie Bronibeerkörner ge- 
staltet waren, und sie in Sanders Haus gestreut in der Meinung, 
dass Hass und Neid zwischen ihm und seiner Hausfrau erwachsen 
sollte. Zum dritten bekannte sie, dass Beeil Blex ihr ein kleines 
Scherbchen und etliche Motherye darin gemacht gegeben, welches 
sie genommen und an einem Sonntag des Morgens, während die 
Mägde zur Frühmesse gegangen wären, auf Sander Spegels Hof 
unter einem Mispelstrauch an dem Holzschoppen zur Thür hin un- 
gefähr zwei Finger breit in die Erde gescharrt habe und sie hätte 
das Scherbchen mit einem Leystein (Schiefer) zugedeckt. Es 
möchte aber vielleicht das Scherbeben durch die Schweine oder 
Hühner verkommen sein, und sie hätte solches gethan in der 
Meinung, dass Sander auf seinem Hof nicht viel Glück haben 
sollte. Zum vierten bekannte sie, dass Beeil Blex sie erst zu 
dieser Handlung gebracht hätte, indem sie sagte, sie solle eines 
Abends auf ihren Hof gehen, da würde ein Mann zu ihr kommen,, 
dem solle sie folgen. Und dies ist geschehen, darnach sie der 
Meinung auf den Hof gegangen, dass allda ein schwarzer Mann 
gekommen und sie bei den Kleidern aufgegriffen und bis auf die 
St. Huberts-Haide geführt habe. Da war ein Wagen mit zwei 
schwarzen Pferden davor, und auf dem Wagen sassen Beeil Blex, 
Metgen, ihre Tochter, Ursken Bleick, Anna Steinx, Ercken Kruis* 
Halfmanns Frau und nach allem ihrem Bedünken auch Anna Bleick,. 
und sie fuhren von da nach dem Hülser Berg, wie ihr bedtinkte, 
durch die Luft, und es waren viel mehr Frauen da, von denen sie 
jedoch keine Kunde hatte. Da spielte man und tanzte. Sie ward 
nun gefragt, ob sie auch mit getanzt hätte, worauf sie mit ja er- 
widerte. Ich sprang, sagte sie, dann und wann auch mit auf. 
Gefragt, wie ihr Buhle geheissen, sprach sie, sie hätte noch 
keinen, denn ihr wurde gesagt, wenn sie wiederkäme, alsdann 
sollte sie einen Buhlen haben und daran bestatet (verheirathet) 
werden. Desgleichen gefragt, wie oft sie auf dem Hülser Berg ge- 
wesen wäre, hat sie geantwortet : Nach ihrem Bedünken, zweimal,. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



119 



sie wäre noch nicht eine Meisterin, sondern hätte noch ihr Probe- 
jahr. Wieder gefragt, mit welcher Kühnheit sie sich hierzu hätte 
ergeben dürfen, antwortete sie, sie sagten, ilass die Andern keine 
Noth hätten, auch ungestraft blieben, sie vertraute, dass sie auch 
keine Noth haben sollte. Diese vorbeschriebenen Punkte hat die 
genannte Beeil mit bleibenden (denselben) Worten affirmirt und 
ist darauf gestorben, d. h. gerichtet worden. Derweil dann, fahrt 
der Schultheiss in seinem Berichte fort, genannte Beeil die vorhin 
gemeldeten 5 anderen Frauenspersonen also befamt (d. h. der 
Hexerei beschuldigt) und dieselben auch nach einem alten Gerücht 
als dieser Sachen pflichtig insgemein genannt worden sind, haben 
wir die genannte Anna Bleick, die in Sonderheit mit dieser Fama 
beladen ist, angreifen und in Haft setzen lassen, und ihre Nach- 
barn, um von ihrem Wesen, ihrer Fama und Gestalt etwas zu er- 
fahren, vor uns beschieden, und von diesen verstanden insgemein, 
dass dieselbe Anna einen alten schlechten Ruf gehabt hätte, aber 
ob sie dessen pflichtig, wäre ihnen nicht bewusst. Doch war eine 
Nachbarsfrau, die sich mit gemeldeter Anna bei den Haaren ge- 
rauft hatte, welche sagte, dass ihr bedünkt, sie sollte erstickt sein, 
und sie hätte darnach eine Zeit lang an einer Geschwulst ihres 
Hauptes gelitten, aber ob solches derohalben gekommen, wäre nicht 
ihres Wissens. So haben wir aus vorbenannten Ursachen dieselbe 
Anna peinlich antasten lassen, aber gar nichts von ihr vernehmen 
mögen. Wir sind deshalb nicht wenig bedrängt, und unerfahren, 
was wir mit derselben Anna und desgleichen mit den andern weiter 
anfangen sollen, und bitten um Auskunft, was wir in diesem Falle thun 
oder lassen sollen, wobei sich Niemand zu beklagen haben möge. 

Damit schliesst unser Aktenstück, und wir erfahren nicht 
weiter, ob die Stand haftigkeit der Anna Bleick schliesslich den 
Sieg davon getragen, und sie sich und ihre Mitangeklagten gerettet 
habe, oder ob noch anderweitige schärfere Prozeduren gegen die- 
selbe befohlen wurden. Merkwürdiger Weise sind diese Prozesse 
in den kurfürstlichen Kellnerei- Rechnungen nicht verrechnet, die 
Gerichteten scheinen also der besseren Klasse angehört zu haben, 
so dass aus ihrem Nachlass die Kosten des Verfahrens bestritten 
werden konnten. Die Angeklagten wohnten, so weit sich das 
jetzt noch ermitteln lässt, in der Broicher Honschaft (St. Hu- 
bert); wir finden dort den Spegelshof, den Bleickshof, Bleicken- 
hof u. s. w. 



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120 



Hermann Keussen sen. 



6. 

Kulturgeschichtliche Streifbilder vom Niederrhein aus der 

Zeit des 30jährigen Krieges. 

Im Yerbältniss zu andern Landestheilen Deutschlands war 
der Niederrhein im ersten Drittel des furchtbaren Krieges, der 
Deutschlands Fluren in eine Einöde verwandelte, noch glimpflich 
genug fortgekommen. Freilich waren auch hier die Spuren traurig 
genug, welche die Kriegszüge der Spanier unter Spinola und der 
Raubgesellen des tollen Christian von Braunschweig zurückgelassen 
hatten. Die Kroaten hatten bei ihren Einlagerungen in der Graf- 
schaft Mörs und am Niederrhein unmenschlich gehaust, mit Brennen 
und Morden hatten sie den Weg bezeichnet, den sie auf ihren 
Durchzügen genommen hatten. Die brach liegenden Fluren und 
die zerstörten oder abgebrannten Gehöfte in den Dörfern und 
Bauernschaften, welche von Menschen fast verlassen waren, gaben 
Kunde von den Schreckenstagen, welche die Bewohner dieser Ge- 
gend durchlebt hatten. Handel und Wandel waren gelähmt, die 
Landstrassen waren unsicher, Wegelagerer und Freibeuter lunger- 
ten herum und fielen gewissenlos Uber den ungeschützten Wan- 
derer her und raubten ihn aus. Nur in der Nähe der befestigten 
Städte wagte man es noch, die Feldmark zu bestellen. • Die Ein- 
bringung des Ertrages blieb freilich immerhin fraglich, es sei denn, 
dass der Gouverneur mit den Bürgern der Stadt auf gutem Fusse 
lebte und durch fleissige Streifzüge für die Erhaltung der Ernte 
sorgte. In den befestigten Städten war, sofern sie von befreun- 
deten Truppen besetzt waren und kein Feind sie mit Einschliessung 
bedrohte, das Leben der Bürger erträglich, wenn auch keineswegs 
behaglich, denn das Militär war verroht und rücksichtslos in seinen 
Forderungen. Einen recht belehrenden Einblick in die städtischen 
Zustände der damaligen Zeit gewähren uns die Stadtrechnungen, 
die sich von einzelnen Städten glücklicher Weise erhalten haben. 
Vor uns liegen solche aus den Jahren 1631 — 1033 aus einer kleinen, 
stark befestigten Stadt des Niederrheins, die bis zum Juni 1633 
sich im Besitze der Spanier befand und im genannten Zeitpunkte 
von den Niederländern unter dem Prinzen Friedrich Heinrich von 
Oranien erobert wurde. Die Stadt 1 ) war von stattlichen Mauern 

1) Rheinberg 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrhtins. 



121 



und breiten Doppelgräben umgeben, die vom Rheine gespeist wur- 
den. Durch drei Thore führte Uber Zugbrücken der Zugang zur 
Stadt. Zwischen Stadt und Rhein dehnte sich ein ansehnliches 
Barackenlager aus, das im Jahre 1631 nur schwach mit Truppen 
belegt war, da man die Einlagerung in der Stadt unter den gegen- 
wärtigen Umständen zuträglicher und angenehmer fand. Ein 
Gouverneur, namens v. Disstorf, wohnte auf dem kurfürstlichen 
Schlosse und hielt im allgemeinen gute Kriegszucht, so lange die 
Bürgerschaft ihm zu Willen war und reichliche Spenden ihm zu- 
kommen Hess. An der Spitze des Gemeinwesens der Stadt stand 
der Bürgermeister, dessen Regierung in diesen schweren Zeiten 
wahrlich keine beneidenswerthe war. Tag für Tag gab es schwere 
Arbeit, die eigenen Geschäfte musste er fremden Händen anver- 
trauen. Begleiten wir ihn in seinem Thun und Schaffen während 
meines Amtsjahres. Heute am Tage Pauli Bekehrung (25. Januar) 
wurden, nachdem die Rathsglocke dreimal das Zeichen gegeben, 
die Stadtthore geschlossen, und alle wahlberechtigten Vollbürger 
hatten sich in ihre Viertel begeben, um ihre Vertrauensmänner 
(die Vierter) zu wählen, welche in ihrem Namen die Wahl des 
Bürgermeisters mit den Herren vom Rath zu thätigen hatten. Doch 
bevor zu dieser Wahl geschritten wurde, wurde vom gesammten 
Rath unter Hinzutritt der Vierter die Stadtrechnung geprüft, und 
von den letzteren die Beschwerden der Bürgerschaft zur Kenntniss 
des achtbaren Rathes gebracht. Nach althergebrachtem Brauch 
wurde dabei die Kehle mit dem Rathswein angefeuchtet und der 
Hunger mit einem kleinen Imbiss gestillt. 37 Maass hat die ver- 
wittwete Frau Bürgermeisterin — denn heute musste die Raths- 
zeche bei ihr gehalten werden, da das Rathhaus mit Militär belegt 
war — heranholen müssen. Endlich war die Rechnung richtig 
befunden, nnd nun konnte die Wahl des Bürgermeisters vor sich 
gehen. Bald war sie gethätigt, und der Gewählte wurde in feier- 
lichem Zuge von den Leuchterträgern zu seiner Wohnung be- 
gleitet, wo sich unterdessen der Rath und der Schultheiss zur 
Beglückwünschung eingefunden hatten. 12 Kannen besiegelten 
die Aufrichtigkeit der Wünsche. Während die Herren vom Ratbe 
sich nach der anstrengenden Arbeit labten, durfte, wie billig, die 
Bürgerschaft nicht dürsten. Sie harrte schon ungeduldig in den 
Stadtviertelkneipen des Augenblicks, wo auch für sie die Labung 
fliessen sollte. Je zwei Tonnen Bier erhielt jedes Stadtviertel, und 



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122 



Hermann Keussen sen. 



überall ertönte des neuen Bürgermeisters Lob und Preis, wiewohl 
nicht dieser, sondern die Stadt des köstlichen Trankes Spenderin 
war. Am ersten Tage begann des Bürgermeisters ernste Arbeit. 
Von den Rathsherren begleitet, begab er sich zur Stadtvisitation 
nach den städtischen Mühlen, nach den Stadtthoren und Brücken» 
und überall Überzeugte er sich mit prüfendem Blicke, dass alles 
in bester Ordnung war. Nach dieser anstrengenden Morgenarbeit 
versammelten sich um den Bürgermeister zur stärkenden Mahlzeit 
der gesammte Rath, die Geistlichkeit und der Schultheiss nebst 
den Rathsdienern, im Ganzen 22 Personen, und begeisterten sich 
zu weiterem löblichen Thun. Das Bankett, bei dem 31 Maass 
Wein vertrunken wurden, verrechnete der Bürgermeister der Stadt 
mit 20 Thalern und 2 Stübern. Am nächsten Tage rückten 250 
Soldaten unter Kapitän Dülken ein und verlangten in der Stadt 
selbst ihre Quartiere. Der Bürgermeister berief den Rath und 
überlegte, wie man die Soldaten unterbringen sollte. Die Arbeit 
war bei der Ueberfüllung der Stadt mit Truppen keine angenehme. 
Man zog den wohlmeinenden Adjutanten des Gouverneurs ins Ver- 
trauen, und so wurde denn in 5 Tagen die Arbeit fertig gestellt, 
zu der man sich natürlich mit Speise und Trank in reichlicher 
Weise gestärkt hatte. Am 1. Februar erhielt der Bürgermeister 
vom Gouverneur den Befehl, „wegen der Pest und abscheulichen 
Krankheit 0 in Begleitung des Adjutanten die Baracken zu visi- 
eren, eine unliebsame Aufgabe, Uber welche nur ein kleiner An- 
biss mit einigen Quart Bier und Wein forthelfen konnte. Wenige 
Tage später erfolgte die Verpachtung der städtischen Accisen — 
der Wein-, Bier- und Branntweinaccise, der Fettwaaren- und Fleisch- 
accise, der Korn-, Malz- und Gewürzaccise. Sie brachte ein 
Trinkgelage für den durstigen Rath und ein paar Tonnen Bier 
für die Ansteigerer aus der Bürgerschaft. Am 18. Februar folgte 
der weitere Befehl, alle Häuser der Stadt zu untersuchen, und 
8ämmtliche Einwohner in Kammern nnd Kellern mit Vor- und 
Zunamen zu verzeichnen und alle Fremden, die nicht zu Bürgern 
auf- und angenommen werden konnten, aus der Stadt auszuweisen. 
Auch diese ausserordentliche Maassnahme ging ohne Inanspruch- 
nahme des städtischen Weinkellers nicht vor sich. Der Gouver- 
neur machte der Stadtregierung viel zu schaffen und seine For- 
derungen waren mitunter recht empfindlich für den städtischen 
Säckel. Heute erging der Befehl, die 9 Kamine im Pesthanse 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds uud des Niederrheins. 123 

sofort fegen zu lassen, morgen verlangte er, dass der Dreck aus 
der ganzen Stadt auf dem Markte zusammengeschafft und dann 
vor die Stadtthore hinausgefahren würde. Am 28. Februar erhielt 
der Bürgermeister den Befehl, am Rathhause 2 grosse Fenster an- 
bringen zu lassen, damit der Rauch und der Staub in der Fleisch- 
halle das Fleisch nicht ferner verderben könne. Der Bürgermeister 
war naiv und ehrlich genug, in der Stadtrechnung offen zu be- 
kennen, dass er bei solchen selbstverständlichen und gemeinnützigen 
Massregeln nur dem äusseren Drucke gefolgt sei. Unter den ob- 
waltenden Umständen, wo die Pest ihren Einzug in die Stadt ge- 
halten, hätte man erwarten dürfen, dass dieser Druck sich auch 
auf ein Verbot der Fastnachtsfeier erstreckt hätte. Aber weit ge- 
fehlt! Fastnacht wurde flott gefeiert, und den städtischen Mühlen- 
knechten und dem Rector der lateinischen Schule nebst seinen 
Chorsängern, die eine Comödie aufführten, wurden nach altem 
löblichen Brauche 2 Tonnen Bier gespendet. Die Fastenzeit war 
herangekommen, und da wurde es wohl auch dem Herrn Bürger- 
meister weich ums Herz, und reichlich flössen die Gaben aus der 
städtischen Kasse. Eine arme Frau aus Dorsten, welche „das 
heilige Werk am Haupte" hatte, empfing 1 / 2 Rthlr., ein armer 
Mann, der mit Frau und Kind bei Bergen gestrandet und wunder- 
barlicherweise durch Gottes Hand mit dem Leben davon gekommen, 
erhielt auf seiner Bettelfahrt 1 Tbaler 3 Stüber, und ein Edelmann, 
der eine Zeit lang in türkischer Gefangenschaft gewesen und nun 
mit kaiserlichem Fürschreiben im deutschen Reiche brandschatzen 
durfte, 2 Thlr. usw. Mitte März stellte der Gouverneur an die 
Stadt das Begehren, eine neue Rossmühle zu bauen, da die vor- • 
handenen Mühlenwerke die Bedürfnisse nicht mehr zu befriedigen 
vermochten. Der Bürgermeister berief die Rathsherren, die sich 
nicht wenig überrascht zeigten, aber in Gegenwart des Adjutanten 
keinen Einspruch wagten. Man beschloss, mit der Ausführung des 
Mühlenbaues sofort zu beginnen und zunächst die nöthigen Bau- 
hölzer zu beschaffen. Gleich am nächsten Morgen fuhren 2 Herren 
vom Rath mit dem Stadtzimmermann und dem Stadtboten auf 
einer Karre nach der Abtei Kamp, in deren Waldung man das 
geeignete Bauholz zu finden hoffte. Man hatte sich für die Reise 
gut vorgesehen: 7 Kannen Wein mit dem nöthigen Mundvorrath 
an Wecken, Käse und Bückingen wurden mitgeführt. Bei den 
Verhandlungen im Kloster und dem Kaufabschluss wird ein cr- 



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124 



Hermann Keussen sen. 



quiekender Labetrunk aus des Klosters Keller nicht gefehlt haben, 
so dass die Bemerkung in der Stadtrechnung verständlich wird: 
Bei der Rückkehr sind die Soldaten des Kapitäns Börners zu uns 
gekommen und haben uns muthwilliger Weise aufgehalten, so dass 
wir nicht zeitig genug zur Stadt zurückgekommen sind und ander- 
weitig die Nacht haben zubringen müssen. Die Herren waren wohl 
von den Soldaten gehänselt worden, weil sie zu tief in die Kanne 
geblickt. Wer weiss es? Der guten Stadt kostete dieses Aben- 
teuer noch extra 5 Thlr. 2 Stbr. an Fuhrlohn und Trinkgeld. Zum 
Glück konnten die zum Bau der Mühle benöthigten Unkelsteine 
aus den Trümmern eines kürzlich zusammengebrochenen Festungs- 
thurmes gegen massigen Entgelt beschafft werden. Der sog. Wein- 
kauf wurde dabei mit 7 l / 2 ^ ass berichtigt. Von Ende März ab 
begann der Bau der neuen Mühle. Das Holz wurde aus der 
Waldung durch Hand- und Spanndienste der Bürgerschaft herbei- 
geholt. Die Fuhrleute erhielten wie billig gleichwohl Atzung und 
Trank. Der Bürgermeister stellte dafür 68 Mahlzeiten, 8 Quart 
Wein und 49 Fahnen Bier in Rechnung. Der Bau der Mühle 
wurde erst gegen Ausgang des Sommers fertiggestellt und hatte 
der Stadt ganz erhebliche Kosten verursacht. Der Gouverneur 
kam gleichwohl mit neuen Forderungen: Er bedurfte zunächst, wie 
der Adjutant dem Bürgermeister gegenüber in zarter Weise durch- 
blicken Hess, einiger Baarmittel, das kleine Geld sei bei ihm alle 
geworden. Bürgermeister und Rath zeigten sich willig, auszu- 
helfen, wenn der Gouverneur sich zu dem Gegendienst verstehen 
wollte, die burgundischen Kriegs Völker, die in Bälde zu erwarten 
standen, draussen in den Baracken und nicht in der Stadt unter- 
zubringen. Soweit dies angängig, wurde dem Wunsche zu will- 
fahren versprochen. Die Sache kam freilich später anders. Vor 
der Hand hatte aber der Gouverneur die Freude, eine Verehrung 
von 60 Rthlr. einzustreichen, von denen der Rath 10 aus seiner 
eigenen Tasche gegeben hatte. Die Truppen langten bald an, und 
3 Wochen lang war es des Bürgermeisters Sorge, für die Billetirung 
der Soldaten die Listen zu führen. Selbst am Palmsonntage wurde 
ihm die Arbeit nicht erlassen. Der Stadtsecretär und der Rector 
der Schule halfen dabei nach besten Kräften, sie stärkten sich 
alltäglich, wenn sie zu erlahmen drohten, mit Trank und Speise. 
Der Ostertag brachte endlich die erwünschte Ruhe, und mit Be- 
hagen konnte der Bürgermeister mit dem Rath und den ständigen 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheine. 12f> 



Gästen des Rathhauses : dem Schultheissen, dem Pastor, den Kaplänen 
und Vikaren, dem Rector und den Chorsängern und dem Stadt- 
und Gerichtsboten, im Ganzen 23 Personen, sich zur Tafel setzen. 
Der Schultheiss und der Pastor hatten je 8 Mass Wein ins Ge- 
lage geschenkt, .und so kamen nur 38 Mass auf Rechnung der 
Stadt. Zu diesem Osterschmaus hatten sich auch 2 Mönche aus 
Kempen eingefunden, welche den Rath um eine Beisteuer für die 
zu erbauende Klosterkirche angingen. Sie hatten die Gelegenheit 
günstig gewählt, der Rath war freigebig und spendete 6 Rthlr. 

Im Mai gab es verhältnissmässig wenig Arbeit, und es schien 
mit dem Frühling die Zeit gekommen zu sein, wo man mit der 
guten Hausfrau an den Hausputz denken durfte. So Hess denn 
auch der Bürgermeister das Rathhaus, wo den Winter hindurch sich 
die Soldaten eingelagert hatten, einer gründlichen Säuberung unter- 
ziehen. Die Stadtrechnung erzählt uns in ungeschminkter Weise 
und rückhaltlos, dass 10 Büschel Stroh angekauft worden seien» 
um mit denselben — — — die Flöhe und das Ungeziefer zu ver- 
brennen. Die Putzfrauen, aus den Hospitalsjungfern genommen, 
hätten ein besonderes Douceur bekommen. Infolge starker Regen- 
güsse war der Wassergraben am Schlosse über seine Ufer getreten 
und hatte den Deich und die Schleuse zerstört. Der Gouverneur 
verlangte zur sofortigen Wiederherstellung 200 Rthlr. von der Stadt. 
Der Bürgermeister verhandelte mit ihm, und schliesslich liess er 
sich mit 150 genügen. Am Ptingstsonntage wurde nach altem Her- 
kommen geschmaust, diesmal aber in mässigem Umfange, indem 
die Mahlzeit pro Kopf nur Va Gulden kostete, und der Durst mit 
einer Kanne Weiu gestillt wurde. Auch diesmal hatten die beiden 
terminirenden Mönche aus Kempen Antheil am Schmause. Am 
14. Juni war der Herr Amtmann eingetroffen, der beim Schultheissen 
sein Absteigequartier genommen, weil seine eigene Wohnung auf 
dem Schlosse vom Gouverneur besetzt war. Der Bürgermeister 
wurde dorthin beschieden, und fürsorglich brachte er einen Ehren- 
trank von 12 Mass mit. Nicht ganz so erquicklich wie der Wein 
war das, was er hier zu hören bekam. Auf kurfürstlichen Befehl 
sollte durch den Rath eine Volksaufnahme stattfinden und dieselbe 
dem Schultheissen eingeliefert werden. Der hochmögende Rath faud 
sich darüber höchlich beschwert und erhob Gegenvorstellungen. 
Das wäre eine Neuerung, die sich mit den Stadtprivilegien nicht 
vertrüge. Man beschloss recht vorsichtig zu sein und in der 



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12ii 



Hermann Keussen sen. 



Nachbarschaft, etwa in Kempen, sich zu erkundigen, wie es dort 
mit der Anordnung gehalten würde. Der Bürgermeister reiste am 
nächsten Tage auf der Hufkarre dahin, er kehrte jedoch wenig 
getröstet von dort zurück. Nach seiner Zurückkunft am 16. Juni 
mus8te er mit dem Rath auf Befehl des Gouverneurs eine General- 
visitation in der ganzen Stadt halten. Morgens gab es dabei 
einen Anbiss und am Mittage eine Mahlzeit zn 12 Personen, wofür 
insgesammt der Stadt 12 Thlr. in Anrechnung gebracht wurden. 
Am 3. und 4. August gab's eine Besichtigung der Kanäle und 
Wasserläufe, wobei 15 Mass Wein vertrunken wurden. Am 
22. August wurde die Besichtigung fortgesetzt, und die Herren vom 
Rath nahmen vorsorglich, da der Weg sich weit ausdehnte, einen 
grossen Krug voll Wein mit. Unterwegs bot sich Gelegenheit, 
einen Frühschoppen mit dem üblichen Anbiss zunehmen, und nach 
des Tages Lasten fand man sich mit den Frauen zur Mahlzeit 
zusammen. Nach der geringen Höhe der Rechnung zu schliessen 
— dieselbe schloss mit 6 Thlrn. und 20 Sttibern ab — muss die 
Betheiliguug nicht tibergross gewesen sein, möglicher Weise hatte 
auch die Anwesenheit der Damen bescheidenere Leistungen her- 
vorgerufen. Am 6. August präsentirte sich der neue Pastor den 
Herren vom Rath. Sie tranken ihm in 16 Mass den Willkommen- 
gruss zu. Als 4 Tage später der neue Schulmeister aus Köln an- 
langte, beschränkte sich der Durst der Herren auf 2 1 / 2 Mass. Auf 
ihrer Rückreise vom Landtage hatten die Bürgermeister denselben 
in Köln ausfindig gemacht. Am 11. August wurde er in des Bür- 
germeisters Behausung examinirt, und die Herren Examinatoren 
feuchteten dabei ihre Kehlen mit 6 Quart Wein an. Am nächsten 
Tage wurde der Lehrer in Pflicht genommen und ihm dabei ein 
Mieth pfennig von 2 Lütticher Thalern gereicht. Die Einführung 
selbst fand, da die Ferien vor der Thüre standen, erst einen Mo- 
nat später statt. Es fanden sich zu derselben der Rath, die Geist- 
lichkeit und der Rector der lateinischen Schule ein. Am Tage 
vorher hatten die Herren die Schule visitirt und die Jungen exa- 
minirt. Nach altem Brauche konnte das nicht trocken geschehen, 
und man war daher gerne der Einladung des ältesten Kaplans 
gefolgt und hatte iu dessen Wohnung 8 Kannen Wein holen lassen. 
Der Rathskeller spendete natürlich dieselben. Mit dem neuen 
Schulmeister haperte es finanziell gewaltig. Die mitleidige Frau 
Bürgermeisterin hatte ihm Rock und Mantel ihres verstorbenen 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 127 

Mannes tiberlassen, und sie berechnete der Statft dafür 16 Thlr. 
22 Stüber 4 Deut. Ein neues Bett mit mehreren wollenen Decken 
lieferte ihm die Stadt im Gesammtwerthe von 11 Thlr. 28 Stüber. 
Das karge Gehalt des Lehrers belief sich auf 70 Thaler. Von 
diesem wurden ihm die genannten Auslagen abgezogen, sodass die 
Baarraittel vorab sehr beschränkt blieben. Freilich zahlten die 
Schüler ihm 4 Stüber Schulgeld im Monat, wenn sie den Besuch 
der Schule nicht aussetzten, und das geschah in einem Theile des 
Jahres ziemlich allgemein. 

Der neue Pastor war immer noch nicht eingetroffen, es fehlte 
ihm die Bestätigung des Kamper Abtes, deren er bedurfte, da 
dieser Kollator war. Der kriegerischen Verhältnisse wegen weilte 
der Abt in Neuss, und alle Erinnerungen, die Stelle wieder zu be- 
setzen, blieben fruchtlos. So reisten denn am 18. Oktober die 
Bürgermeister nach Xanten, um in der Angelegenheit mit dem 
Archidiakon zu verhandeln und den erwählten Kandidaten abzu- 
warten. 3 Tage lagen sie hier im Stockfisch still und verzehrten 
mit dem Fuhrmann 17 Thaler 6 Stüber. Sie waren aber so glück- 
lich, am 21. mit dem Manne ihrer Wahl heimkehren zu können. 
Nach kurzer Stärkung reisten sie, den Kaplan Andreas mitführend, 
noch am selben Tage nach Neuss, um sich die Zustimmung des 
Abtes zu erbitten. Es gelang, dieselbe zu erhalten, und so Hessen 
sich die Auslagen von 29 Thlr. 20 Stüber, welche die Reise ver- 
ursacht hatte, schon leichter verschmerzen. Ein Minoritenmönch, 
der des Pastors Funktionen bisher verseheu hatte, starb merk- 
würdiger Weise fast zu demselben Zeitpunkte, wo der neue Seel- 
sorger sein Amt antrat. Bei Gelegenheit seiner Beerdigung am 
25. November hatte der Kaplan Andreas die Bürgermeister, den 
Pastor und die übrige Geistlichkeit als Gäste zu sich ins Haus 
geladen. Das konnten die Bürgermeister aber ungelohnt nicht 
hinnehmen, sie schickten aus dem städtischen Keiler dem Kaplan 
17V 2 Quart Wein ins Haus, die wohl zur Aufrichtung der Betrübten 
hingereicht haben mögen. 

Im Laufe des Jahres hatte der Bürgermeister noch an man- 
cher Festlichkeit theilzunehuien, wenn er sich nicht des Zornes der 
Zünfte und Bruderschaften theilhaftig machen wollte. Am 16. Ja- 
nuar feierte die Schneiderzunft bei einer Tonne städtischen Bieres 
ihr Patronatsfest, die Bruderschaft St. Sebastianus folgte 4 Tage 
später, die St. Georgsgilde feierte am 23. April, und am St. Annen- 



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Hermann Keusaen aen. 



tage waren es die Weberarutsmeister, welche sich an der Tonne 
von der Stadt dargereichten Bieres ergötzten. Am 29. September, 
wo die SchUtzengilde ihren Patron, den Erzengel Michael feierte, 
spendete die Stadt abermals eine Tonne Bier. Am Crispinustage 
(25. Oktober) erhielt die Schuhmacherzunft von der Stadt die gleiche 
Verehrung. Zuletzt in der Reihe feierten die Schmiede, aber auch 
ihnen wurde am 10. Dezember in gleicher Weise die Tonne Bier 
verehrt Die Reihe der Festlichkeiten schloss wie billig der Rath 
selbst. Am Christabend erhielten der Bürgermeister, die Herren 
vom Rath, der Stadtsekretär und der Stadtbote den sogenannten 
Opferpfennig aus der Stadtkasse. Der Ausdruck darf aber nicht 
dahin gedeutet werden, als ob die genannten Herren ein Opfer 
zu bringen hatten, dies brachte vielmehr die stets freigebige Stadt. 
Der regierende Bürgermeister erhielt als Christgeschenk 2 Gold- 
gulden und 2 Rthlr., die übrigen Herren vom Rathe und der Stadt- 
sekretär je 1 Goldgulden und 1 Rthlr.; der Stadtbote musste sich 
mit 1 Rthlr. begnügen. Am Weihnachtstage selbst fanden sich 
der Rath, der Sehultheiss, der Pastor und die Geistlichkeit uebst 
Rector, dein Unterschulmeister, dem Küster und den Chorsängern 
und einigen geladenen Gästen zur fröhlichen Christfeier auf der 
Rathsstube zusammen. Die Zeche bezahlte natürlich die Stadt; 
Sehultheiss und Pastor gaben jedoch je 4 Mass Wein ins Gelage. 
Nun kam der Neujahrstag heran, der an den städtischen Säckel 
schwere Anforderungen stellte. Zunächst erhielt der Gouverneur 
ein Geschenk von 40 Rthlrn., der Major oder Wachtmeister ein 
solches von 15 Rthlrn., die 3 Adjutanten empfingen je 6 Rthlr. 
Den Trompetern, Trommelschlägern, den Regimentsspielieuten, den 
Constablern, den Kommisbäckern, den Nachtwächtern und dem 
Wächter auf dem Thurm, allen wurde je nach der Stellung eine 
mehr oder minder ansehnliche Gabe zu Theil. Auch die 3 
Pförtner an den Stadtthoren blieben nicht unbeschenkt. Gab es 
noch eine Veranlassung zu einer besonderen Dankbarkeit, wie am 
1. Januar 1633, so gab der Neujahrstag die Gelegenheit, diese zur 
klingenden Anerkennung zu bringen. Der Gouverneur hatte auf 
Bitten der Stadt dafür gesorgt, dass das kaiserliche Kriegsvolk, 
die Pappenheimer, sich einen anderen Rheinübergang als den an- 
fänglich bestimmten gewählt hatten. Mau spendete ihm dafür mit 
freigebiger Hand 590 Thlr. und seinen 3 Leibknechten ein Geschenk 
von 5 Thlr. 27 Stbr. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



129 



Das Amts jähr neigte sich seinem Ende entgegen, da hiess es 
die Jahresrechnung fein säuberlich und übersichtlich zusammenzu- 
stellen und die Belege in strenger Reihenfolge zu ordnen. Mit 
letzteren haperte es oft genug, da die Schreibkunst nicht jeder- 
manns Sache, mancher Ausgabeposten aber so kitzlicher Natur 
war, dass man nicht wohl eine Quittung vom Empfänger verlangen 
konnte. In diesem Jahre muss die Rechnung besondere Schwierig- 
keiten gemacht haben. Bereits am 9. Januar begann die Arbeit, 
der Abschluss wurde, trotzdem die Herren vom Rath von Tag zu 
Tag sich zur Klarstellung derselben zusammenfanden, erst am 
31. Januar fertiggestellt, sodass die Bürgerraeisterwahl bis zum 
1. Februar hinausgeschoben werden musste. Dass übrigens die 
Herren mit vollem Ernste bei der Arbeit gesessen, geht aus dem 
Umstände zur Genüge hervor, dass sie an einzelnen Tagen nicht 
einmal das Mittagsmahl zu Hause eingenommen hatten. Da sie 
des Morgens auch auf der Rathsstube die sogenannte Suppe ge- 
trunken und auch des Abends dort den Nachtschmaus gehalten, 
so könnte man fast auf die Vermuthung kommen, dass sie in den 
:* Wochen kaum das Bett gesehen hätten. An einzelnen Tagen 
wurde freilich so Erkleckliches aus dem kühlen Rathskeller in die 
elastische Schatzkammer des Magens gelordert, dass die geistige 
Spannkraft zur Erfassung der Zahlenbegriffe etwas nachgelassen 
haben mochte. Aber wie immer, so auch hier: Die alten Deutschen 
— auch wenn sie Rathsherren waren — tranken immer noch eins. 
Dass am letzten Tage eine Festmahlzeit der Verlesung der end- 
lich festgestellten Stadtrechnung folgte, darf nach den vielen auf- 
gewandten Mühen nicht auffallen; erklärlich war es vielleicht auch, 
dass an diesem Tage von den betheiligten Herren nur 27 Kannen 
Wein getrunken wurden; man musste sich für den nächsten Tag 
frisch erhalten, wo die Rathszeche nach uraltem Herkommen mit- 
zufeiern war. Dass aber trotz alledem 2 Jahre später der Bürger- 
meister mit einer Nachrechnung von einigen 20 Posten kam, die 
er „in der Eile" tbeils übersehen, theils weil der Geldkurs wäh- 
rend seines Amtsjahres ein anderer geworden, zu niedrig berechnet 
hatte, zeugt nicht dafür, dass die Herren mit besonderer Sorgfalt 
den städtischen Haushalt geführt hatten. 

Trotz dieser bedenklichen Umstände war die Wiederwahl 
des Bürgermeisters die Losung der Bürgerschaft. Man befürchtete 
vielleicht, dass ein neuer Bürgermeister zu grosse Schwierigkeiten 

Annaleu dea bist. Verein« LXJII. 9 



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130 



Hermann Keussen sen. 



in seinem Verhältniss zum Gouverneur finden könnte. Am 4. Februar 
rückte" der Kapitän Cleff mit 5 Fähnlein ein und verlangte ein 
Unterkommen in Bürgerquartieren, ein Verlangen, dessen Erfüllung 
nicht im Bereiche der Möglichkeit lag, da alle übers Mass hinaus 
besetzt waren. Eine Vorstellung beim Gouverneur blieb ohne Er- 
folg, er verweigerte sogar zweimal dem Bürgermeister die Audienz. 
Die Herren vom Rathe blieben den ganzen Tag zusammen und 
tiberlegten hin und her. Es blieb kein anderer Ausweg, als wie- 
derum das Rathhaus mit Mannschaften zu belegen. Schon im 
Laufe des Nachmittags kam der Befehl vom Gouverneur, innerhalb 
einer Stunde die 36 eingerückten Offiziere bei den Bürgern unter- 
zubringen. Der Bürgermeister erklärte dem Adjutanten, das Ver- 
langen wäre nicht ausführbar, und er müsste bitten, davon Abstand 
zu nehmen. Die Antwort, die darauf erfolgte, bestand darin, dass 
der Gouverneur die gesammte eingerückte Mannschaft mit Gewalt 
in die Häuser des Bürgermeisters und dreier Rathsherren mar- 
schiren Hess, wo diese nun den grössten Muthwillen trieb, Wein 
und Bier und alles Andere forderte. Der Bürgermeister war ganz 
rathlos und sass auf dem Rathhause von 4 Uhr ab bis zum hellen 
Morgen ohne Kost und Trank und musste Holz, Stroh uud Kerzen 
herbeischaffen und war dabei voller Angst, dass sie sein Haus da- 
mit anzünden möchten. Morgens um 7 Uhr wurde er endlich mit 
dem Rath und den Gemeinsleuten zum Gouverneur befohlen, der 
die sofortige Einlogirung sämnitlicher Soldaten verlangte. Kein 
Sträuben, keine Gegenvorstellung half, schlimme Drohungen waren 
die einzige Antwort. Die Herren gingen zur Rathsstube zurück 
und arbeiteten sonder Speise und Trank an der Billetirung. Gegen 
2 Uhr langte dann für die 18 Personen, die hier thätig gewesen, 
eiu stärkender Imbiss an, den die besorgte Bürgermeisterin ge- 
speudet. Am Abend empfingen von dieser noch 8 das Vesperbrot. 
Wir wollen dem Berichte des Bürgermeisters unsern Glauben nicht 
versagen, wonach die Arbeit bis zum Nachmittage nüchtern und 
trocken besorgt worden war, aber desto eifriger muss die Löschung 
des Durstes nachträglich vor sich gegangen sein. In der Rechnung 
figuriren dafür 33 Mass Wein, angeblich sollen der Adjutant und 
einige Offiziere an der Vertilgung des Stoffes nicht unbetheiligt 
geblieben sein. Am andern Tage musste man wegen der Billetirung 
nochmals zusammentreten, 96 Soldaten hatten nur ein provisorisches 
Unterkommen in der Herberge gefunden, wofür die Stadt pro Kopf 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



131 



«inen Blaumüser zahlen musste. So dauerte die Einlogirung noch 
-eine volle Woche, und der Stadtsecretär hatte mit dem Stadtboten 
■die Hände so voll Arbeit, dass sie in dieser Zeit Speise und Trank 
auf dem Rath hause einnehmen mussten. Am 11. Februar wurden 
die Accise und die Stadtwage öffentlich in üblicher Weise ver- 
pachtet, am 13. der Bürgerschaft endlich der Scbluss der Stadt- 
rechnung des Vorjahres vorgelegt, natürlich jedesmal unter Dar- 
reichung des althergebrachten Trunkes. Das Verhältniss zum 
■Gubernator trübte sich von Tag zu Tag. Er griff ohne Schonung 
in die Verwaltung ein uud verlangte für sein Militär tiberall uner- 
trägliche Ausnahmen sowohl hinsichtlich der Befreiung desselben 
von den städtischen Accisen, als auch in Bez<ug auf die Benutzung 
der städtischen Mühlen. Diese Ansprüche suchte er in einer Zu- 
schrift an den Bürgermeister weiter zu begründen. Der Rector 
-der lateinischen Schule erhielt als sprachgewandter Mann, der mit 
der Feder umzugehen wusste, den Auftrag, die Begründung der 
gouverntmientalen Ansprüche zu widerlegen. Als die Replik ohne 
Wirkung blieb, wurde ein rechtskundiger Richter aus der Nachbar- 
schaft herübergebeten, guten Rath zu ertheilen. Er übernahm es 
gegen billigen Entgelt, eine schriftliche Gegenvorstellung auszu- 
arbeiten, aber auch sie prallte an dem steinharten Herzen des 
Gouverneurs wirkungslos ab. Die Losung blieb: Dulden und lei- 
den. Das weit mildere Herz des Bürgermeisters war hingegen 
bei jeder Gelegenheit gerührt, und häufig griff er nach dem 
städtischen Beutel, um dieses zu bezeugen. Wegberg und Bocholt 
liessen Gaben zur Wiederherstellung ihrer Klöster erbitten. Der 
Bürgermeister Hess ihnen 3 Thlr. reichen. Zweier guten Leute 
Kinder, die in Köln studirten, waren von den Schweden gefangen 
und ausgeplündert worden, wer konnte ihnen, wie den übrigen 
Studenten der Kölner Hochschule, die mit ähnlichem Vorgeben im 
Laufe des Jahres erschienen, den Zehrpfennig verweigern? Im 
August baten 2 verdorbene (!) Schulmeister aus dem Paderborn- 
schen um eine milde Gabe, zwei Tage später 2 verbrannte t!) 
Frauen aus dem Clevischen gleichfalls, uud für alle diese hatte 
der mitleidige Bürgermeister eine offene Hand. 

Am 29. April rückten 21 Fähnlein Welsche und Wallonen ein. 
Ihre Unterbringung war mit unsäglichen Schwierigkeiten verknüpft. 
Bis zum 19. Mai hatte man vollauf Arbeit; bis Mitte Juni kamen 
noch immer einzelne Fähnlein und Kompagnieu nachgerückt., so 



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Hermann Keussen seu. 



dass die Kosten für Speise und Trank für die Billetschreiber ge- 
waltig anschwollen. Unter der Last der Arbeit war der Stadtbote 
erkrankt und bald nachher gestorben. Der neue Stadtbote musste 
eine Amtskleidung erhalten, die eiuen Aufwand von 34 Thlr. 18 
Stbr. nöthig machte. Derselbe erhielt einen Mantel, zu dem 4V 2 
Ellen fein couleurtes Tafellaken ä 2»/ 8 Rthlr., 4 Ellen Bau ä 5 
Schilling und Va Elle Kannefas erforderlich waren. Ein schwarzer 
Dreimaster, der nicht fehlen durfte, kostete 3Va Thlr- 

Dass auch in diesem Jahre trotz der gesteigerten Kriegsgefahr 
die Feste gefeiert wurden, wie sie kamen, war selbstverständ- 
lich, sie waren ja dem alten Herkommen entsprechend und durften 
in der Rechnung nicht vermisst werden. Die Quantitäten fallen 
allerdings mit Rücksicht auf die Zeitlage etwas dürftiger aus, aber 
immerhin hielt sich die Trinklust des Einzelnen in jedem beson- 
deren Falle bis zur Höhe von Mass. Dass die Zeitumstände 
misslicher und bedenklicher geworden waren, schlicssen wir auch 
aus der Massnahme, dass auf Befehl des Gouverneurs auf den 
Kirchthurm ein Wächter gesetzt wurde, der die Umgegend sorg- 
fältig beobachten und alles Verdächtige sofort melden sollte. Gegen 
frei umherlaufende Hunde ging man unbarmherzig vor, und die 
Stadt wurde sogar genöthigt, einen eigenen Hundefänger anzu- 
stellen. Da heisst es in der Stadtrechnung: Dem Hundeschläger für 
das Todtschlagen von 60 Hunden ä 1 Blaumüser, macht 7 Thlr. 
7 Stb. 2 Deut, ein Posten, der noch häufig, wenn auch nicht in 
gleicher Höhe wiederkehrt. Die Arbeit wurde später dem Kamin- 
feger im Nebenamt übertragen. Im Juli rückte endlich ein Theil 
der Garnison aus der überfüllten Stadt fort. Die Bürger hatten 
unter dem militärischen Druck unendlich viel gelitten. Hatten 
doch die Soldaten ihnen sogar die Decken vom Bette gezogen, 
so dass die Stadt für die ärmeren beim Deckenkrämer neue kaufen 
musste, um sie vor Kälte zu schützen. Je näher die Kriegsgefahr 
kam, desto schärfer wurden die Massregeln, die der Gouverneur 
ergreifen Hess. Die Ansprüche, welche an die Stadt gestellt wur- 
den, vergrößerten sich von Tag zu Tag und wurden fast uner- 
schwinglich. Schon im vergangenen Jahre hatte man zum Mtihlen- 
bau verschiedentlich Kapitalien aufnehmen müssen, ja im Drange 
der Zeit sogar vergessen, ein Vermächtniss eines verstorbenen 
Majors dem bestimmten Zwecke zuzuführen. Nachträglich stellte 
sich die Verwendung desselben zu städtischen Zwecken heraus. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 133 



Der Verbrauch von Stroh, Holz, Kerzen und Steinkohlen für die 
auf dem Rath hause einquartirten Soldaten war über die Massen 
gross. Die Beschaffung der Materialien wurde mit jedem Tage miss- 
Hcher, je näher die ßelageruugsarmee nach der Stadt hin vor- 
rückte. Gegen Ende August Hess der Gouverneur durch seinen 
Oberstwachtmeister dem Bürgermeister, melden, es sei hohe Zeit, 
die Früchte vom Felde zu schaffen, da zu befürchten stände, dass 
das Merodische Volk alles verderben würde. Diese Artigkeit 
niusste durch Gegendienst aufgewogen werden, und so Hess der 
Rath für die Frau des Gouverneurs, die sich beim Gemahl einge- 
funden hatte, eine neue Bettstelle machen, leise war auch wieder 
vom Adjutanten mit dem Zaunpfahl gewinkt worden. Empfindlicher 
als diese kleine Ausgabe war die Forderung einer neuen Tau- 
brücke an der Kasselpforte, die der Gouverneur stellte. 350 Thlr. 
musste der Rath in Baar erlegen, wohingegen der Gouverneur sich 
selbst zu deren Herstellung verstehen wollte. Eine Zeit lang hatte 
es den Anschein, als ob die staatischen Truppen ihre Absichten 
auf die Stadt aufgegeben, und das war wohl der Zeitpunkt, wo 
der Gouverneur seine Frau nachkommen liess. Bald aber trübten 
sich die Aussichten wieder, und er sah es deshalb nicht ungern, 
<lass die Stadt einen Versuch machte, sich durch den Kurfürsten 
von Köln Neutralität bei den Generalstaaten erwirken zu lassen. 
Man verständigte sich dahin, eine Deputation zu dem Kurfürsten 
zu entsenden, und bestimmte zu derselben deu Schultheiss, den 
Bürgermeister und einen Herrn vom Rath. Am 8. September ging 
die Reise los. Der Kutschwagen war mit 2 Pferden bespannt, und. 
ein Reiter des Gouverneurs gab bis Kaiserswerth das Geleite. In 
Mörs wurde zu Mittag gespeist und am Abeud zu Kaiserswerth 
Uber den Rhein gesetzt, denn dort war mit dem Amtmann, dessen 
Wohlwollen man durch eine Koppel (Kette) Rebhühner zu erringen 
glaubte, nähere Rücksprache zu nehmen. Zu Kaiserswerth wurden 
Abends und Morgens an Kost und Wein 15 Thlr. verzehrt. Man 
sah sich genöthigt, mit 2 Nachen überzusetzen, da die Ponte von 
Pappenheims Volk entführt war. Auf dem Brühl vor Neuss wurde 
zu Mittag gegessen und dann nach Neuss aufgebrochen. Hier 
mussten die Herren bis zum nächsten Tage verbleiben, da sie ge- 
warnt worden waren, dass böses Volk angekommen und die Heer- 
^trasse unsicher mache. Sie gewannen gleichwohl den Muth, am 
nächsten Tage die Reise weiter fortzusetzen. Unbehelligt kamen 



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134 



Hermann Keussen scn. 



sie nach Dormagen, wo sie das Mittagsmahl einnahmen. An» 
Abend erreichten sie zeitig Köln und kehrten im bunten Ochsen 
ein. Am 11. kamen sie an das Ziel ihrer Reise, nach Bonn, wo 
sie in der Herberge „zum grünen Wald" ein Unterkommen fanden. 
Hier blieben sie bis zum 13., an weichem Tage sie Audienz beim 
Kurfürsten erhielten. Sie hinterliessen beim Prokurator ihre Sup- 
plikation und verehrten ihm für deren prompte Besorgung 1 Rthlr. 
Dem Feldscherer, der dem Bürgermeister das böse Bein verbunden,, 
zahlten sie gleichfalls 1 Rthlr. Nachmittags um 2 Uhr brachen 
sie wieder auf und gelangten am Abend nach Köln zurück, wo 
sie übernachteten und für Verzehr und Nachtlager, Trinkgeld ein- 
geschlossen, 11 Thlr. 13 Stbr. auslegten. Am andern Tage ging 
es über Gnadenthal und Neuss nach der Fegetäsch bei Uerdingen. 
Hier wurden sie am Abend von staatischen Soldaten angehalten, 
und sie mussten sich mit 2 Thlr. 28 Stbr. loskaufen. Die Nacht 
verbrachten sie in Uerdingen. Ein Trommelschläger gab ihnen 
dann weiter das Geleit über Mörs bis in ihre Heimath. Der Stadt 
entstanden aus dieser Reise mehr als 100 Thlr. an Unkosten, von 
dem Gulden Diäten abgesehen, welche die Herren vom Rath für 
sich alltäglich noch berechneten. Am Abend trafen die Reisen- 
den die übrigen Rathsmitglieder in tiefer Berathung über neue 
Einquartirung. Eiue Freudenmahlzeit wurde veranstaltet, und von 
den 9 Tbeilnehmern dabei 137a Kannen Wein getrunken. Die- 
nächsten Tage vergingen wieder mit der Einquartirungsfrage. Am 
20. September wurde von sämmtlichen Rathsherren und den 4 Ge- 
meinsmännern eine Generalvisitation abgehalten, um zu ermitteln^ 
wie der Bürgerschaft etlichermassen Erleichterung verschafft wer- 
den könne. Vom Erfolg steht nichts verzeichnet, wohl aber die 
Mittagsmahlzeit, die sich die Herren mit dem obligaten Wein wohl 
schmecken Hessen. Im Oktober wurde eine Besichtigung der Ka- 
näle vorgenommen, deren Reinigung für dringend nothwendig be- 
funden wurde, wenn die Wassermühle nicht nächstens versagen» 
sollte. Am 19. Oktober war grosser Aufruhr und Tumult entstan- 
den, als einem Soldaten der Rock aus dem Quartier gestohlen 
worden war. Der Kriegskommissar, der vermittelnd dazwischen- 
trat, erhielt aus Dankbarkeit 4 Quart Wein verehrt, während dem 
Soldaten als Ersatz für den Rock 1 Thlr. 29 Stbr. gereicht wur- 
den. Am 16. November reisten die Bürgermeister mit dem Schult- 
heissen nach Kempen, weil sie vernommen hatten, dass der Prinz. 



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I 



Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 135 

von Oranien dorten beim Kurfürsten als Gast auf dem Schlosse 
verweile. Sie hofften die Neutralitätsfrage weiter in Fluss bringen 
zu können. Aber sie waren nicht wenig enttäuscht, als sie hier 
das Nest bereits wieder leer fanden. Beide Prinzen von Oranien, 
die vom Kurfürstengar köstlich bewirthet worden waren, hatten ihre 
Reise nach Vcnlo am Tage vorher fortgesetzt. Die Deputirten 
kehrten in trauriger Stimmung nach Hause zurück, und der Un- 
muth erreichte den höchsten Grad, als sie bei ihrer Rückkunft um 
6 Uhr Abends bereits die Stadtthore verschlossen fanden. Sie 
mussten in der bitteren Kälte zurück und auf Haus Eil in der 
Heide einen Unterschlupf suchen. Einen etwas drolligeren Verlauf 
hatte eine andere Reise, welche im Jahre 1634 die Bürgermeister 
•nach Wesel unternommen hatten. Während sie hier ihren Ge- 
schäften nachgingen, wurde frischer Kabeljau auf der Strasse zum 
Verkaufe angeboten. Hm, denkt der eine Bürgermeister, wäre das 
nicht etwas für die Herren Gubernator und Wachtmeister? Wer 
weiss, wir gewinnen durch eine solche Verehrung uns deren Gunst ! 
Und der zweite nickt Beifall, und flugs werden die beiden grössten 
Bolche im Gewichte von 37 Pfund angekauft und ins Gefähr ge- 
schleppt. Die Ueberfahrt über den Rhein war in Folge des starken 
Eisganges äusserst erschwert, und so gelangten die Herren erst in 
der Dunkelheit zur Stadt zurück. Aber vergeblich bitten sie am 
Stadtthore um Einlass, sie lassen beim Gouverneur die Bitte er- 
neuern, alles Flehen ist vergeblich, und nach 3 stündigem Warten 
in der bittersten Kälte müssen sie sich anderweit im nächsten 
Dorfe nach einer Nachtherberge umschauen. Aber da auf hartem 
Lager gebettet, brüten sie Rache. „Derweil aber — heisst es in 
der Stadtrechnung — der Gubernator und der Wachtmeister den 
Bürgermeister mit seiner Gesellschaft nicht einlassen wollten, da 
der grosse Eisgang verhindert, dass sie bei gebührender Zeit wieder 
eintreffen konnten, so haben sie des beschehenen Schimpfes halber 
von den Bolchen nichts erhalten, sondern es sind dieselben unter 
die sämmtlichen Herren vertheilt worden", denen sie jedenfalls 
nun doppelt wohl gemundet, nachdem sie so ihrer Ehre genug ge- 
than hatten. Die Rechnung verschweigt aber auch den Umstand 
nicht, dass die Stadt die Kosten des Racheaktes getragen hat. 
Aus dem Jahre 1631 haben wir noch ein Reiseerlebniss nachzu- 
tragen, das von weniger angenehmen Erfolgen begleitet war. Der 
Bürgermeister kehrte in Begleitung eines Rathsverwandten vom 



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136 Hermann Keussensen. 

Landtage zurück. Sie hatten sich nach einem guten Frühstück in 
Düsseldorf aufs Schiff begeben, um rheinabwärts zur Heimath zurück- 
zukehren. Hei hellem Sonnenschein wurde die Fahrt wohlgemuth 
zurückgelegt, als sie plötzlich in der Nähe des Duisburger Waldes 
von staatischen Soldaten angerufen und angehalten und dann aus- 
geplündert wurden. Sie wären weiter mit fortgeschleppt worden, 
wenn sich der Schiffsknecht ihrer nicht tapfer angenommen und 
mit dem Schiffe rasch vom Ufer gestossen wäre. Sie kamen den 
Abend noch glücklich an die Ruhr und gelangten am andern Tage 
Uber Orsoy mit heiler Haut nach Hause zurück. Dem Schiffer 
hatten sie aus Dankbarkeit 1 Thlr. 15 Stbr. verehrt. Aus einer 
über diesen Vorfall eingereichten Schadenrechnung erfahren wir, dass 
der Bürgermeister, als das Schiff vom Lande aus bedroht wurde,* 
vorerst 2 Rthlr. und Va Königsthaler als Trinkgeld ans Land ge- 
schickt hatte. Damit waren aber die Streufer nicht zufrieden ge- 
wesen, sie hatten sich des Schiffes bemächtigt und nun dem Bür- 
germeister, den Geldbeutel mit dem Baarbestand von 5 Thlr. 27 
Stbr. genommen und ausserdem ihm aus seiner Bagage 1 Hemd, 

2 Kragen, 2 Schlafmützen mit Kanten werk, 2 Taschentücher, ein 
Paar neue leinene Hosen und 1 Paar neue Socken geraubt Der 
Gesammtverlust war auf 26 Thlr. 20 Stbr. der Stadt verrechnet 
worden. Im April des Jahres 1633 erlitt ein Rathsherr das gleiche 
Missgeschick. Er wurde von schwedischen Soldaten in der Nähe 
der Stadt gefangen und fortgeschleppt. Wenige Tage später mel- 
dete der Schultheiss dem Bürgermeister, dass jene Soldaten wieder 
vor der Stadt im Busche lägen, und jetzt vielleicht Gelegenheit sei, 
sie zu Uberraschen und aufzuheben. Der Bürgermeister bot in 
aller Eile 80 bewaffnete Bürger auf und hiess sie eine Streifpartie 
nach jenem Wäldchen unternehmen. Ob sie von Erfolg gewesen, 
verschweigt die Stadtrechnung, wohl aber meldet sie, dass bei 
dieser Gelegenheit die Herren mit etlichen Bürgern einen Anbiss 
gethan und dabei 4 Quart Wein getrunken. Des Abends seien 
gleichfalls etliche wiedergekommen, hätten Mahlzeit gehalten und 

3 Quart Wein getrunken. Des Rathsherrn Gefangenschaft ist 
jedenfalls von keiner langen Dauer gewesen, denu bald erschien 
er wieder im Rathe. Das Opfergeld floss am Weihnachtsabend in 
alter Weise, nur hatte man durch den Tod eines der Rathsherren 
einen Ausfall; man war aber mit Rücksicht auf die eigene Zukunft 
so vorsichtig, der Wittwe das Opfergeld zuzuweisen. Am Weih- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 137 

nachtsfeste, wo die Rathszeche wie hergebracht abgehalten wurde, 
fanden sich auch wieder 2 Mönche aus Kempen als Gäste ein. 
Sie waren mit dem Kaplan in der Stadt umhergegangen und 
hatten für den Neubau ihrer Kirche eine Kollekte gehalten. Der 
Bürgermeister hatte auch diesmal den Beutel geöffnet und ihnen 
4 Rthlr. gereicht. 

Die üblen Erfahrungen des Vorjahres hatten zur Vorsicht ge- 
mahnt, und so fing der Stadtsekretär bereits am 22. Dezember an, 
die Stadtrechnung vorzubereiten. Am 18. Januar war sie so weit 
vorgerückt, dass die Herren vom Rath zusammentreten konnten, 
um sie einzustellen. Zu 12 Personen speiste man dabei zu Mittag 
und vertrank 15 Kannen Wein. Aber es stellte sich heraus, dass 
noch manche Lücken in der Rechnung waren, und so musste man 
am 19. und 21. abermals zu 13 bezw. 14 Personen sein Mittags- 
brot auf der Rathsstube einnehmen und dabei mit der Fertiir- 

CT' 

Stellung der Rechnung fortfahren. Aus demselben Grunde kam 
man auch am 27. und 28. zusammen. Am 29. war die Sache dann 
endlich so weit gediehen, dass vor der Btirgermeisterwahl die 
Rechnung offen gelegt werden konnte. Die Einstellung derselben 
hatte also 1 Monat und 1 Woche gedauert, und an Kost und 
Trank waren darüber aufgewandt worden 141 Thlr. 15 Stüber 
2 Deut. 

Am 30. Januar fand die Neuwahl des Bürgermeisters statt. 
Dieselbe fiel abermals auf den vorjährigen, der darüber in der 
Stadtrechnung lamentirte: Ist die Kur wiederum auf mich gefallen, 
wiewohl ich lange Zeit zuvor die Gemeinsleute und Vornehmsten 
von der Gemeinde oftmals gebeten, auch auf dem Rathhause, als 
die Stadtrechnung gethan wurde und vor der ganzen Gemeinde, 
sie sollten wegen meiner Unvermögenheit und Gebrechlichkeit doch 
einen andern kiesen, haben gleichwohl mich wiederum erwählet, 
welches ich mit schielenden (?) Augen und Bekümmerniss des 
Herzens habe annehmen müssen. 

Dass der Bürgermeister regierungsmüde war, dürfen wir ihm 
schon glauben, denn die Zeiten waren höchst kritisch und schwere 
Arbeit in nächster Aussicht. Das hinderte nun zunächst nicht, dass 
nach geschehener Kur der Schultheiss mit allen Rathsverwandten 
und den Laternenträgern den Bürgermeister nach Hause be- 
gleitete, „wo ihnen erstlich der Wein geschenkt und allerhand 
Bankett, Wecken und Kreckelinge mit Butter vorgesetzt wurde. 



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Hermann Keussen sen. 



Darnach wurde der Tisch gedeckt und mit allerhand Speisen be- 
kleidet." Der Bürgermeister rechnete der Stadt für Kost und 
Trank, die bei dieser Gelegenheit verthan wurden. 22 Thlr. 2 Stbr. 
2 Deut. 

Nach der Stadtvisitation am folgenden Tage versammelte sich 
der gesammte Rath mit seinen Frauen, der Schultheiss mit seiner 
Gemahlin nnd die Geistlichkeit zum Rathsessen. Im Ganzen waren 
zu demselben 27 Personen erschienen, die 52 Quart Wein ver- 
tranken. Einem Rathsherrn, der erkrankt zu Hause zurückge- 
blieben, wurde ein gesottenes Huhn und 2 Quart Wein ans Kranken- 
bett geschickt, die Wittwe des im Jahre verstorbenen Amtskollegen 
erhielt einen Lammbollen und 2 Quart Wein. Die Gesammtaus- 
gabe für dieses Essen belief sich auf 39 Thlr. und 27 Stbr. Vom 
22. Januar bis zum 1. Februar hatte das Rhein wasser rings alles 
überschwemmt und war sogar an mehreren Stellen in die Stadt 
gedrungen und hatte den Verkehr mannigfach gehemmt und unter- 
brochen. Die Taubrücke an der Lutpforte war abgetrieben wor- 
den. Viel Schlamm und Dreck hatte das Rheinwasser in der 
Stadt zurückgelassen. Dieser wurde erst gegen Mitte des Monats 
auf Befehl des Gouverneurs zusammengefahren und aus der Stadt 
weggebracht. Nach der Stadtrechnung hatten die Gasthausweiber 
dieses Geschäft besorgt und 49 Karren voll zusammengekehrt. Auf 
weiteren Befehl des Gouverneurs wurden alle Wege um die Stadt 
herum vom Rath und von den Gemeinsleuten besichtigt, eine mühe- 
volle Arbeit, die nicht ohne Mahlzeit und Labetrunk zu Stande 
kommen konnte. Das Ergebniss der Untersuchung war kein er- 
freuliches, überall mussten die Wege ausgebessert und mit Faschinen 
belegt werden. Fast 3 Wochen lang mussten die Rathsherren, in 
der Regel von den Gemeinsleuten begleitet, dem Wegebau ihre 
besondere Aufmerksamkeit schenken. Am 3. März hatte sie ein 
heftiger Regen dabei überrascht, so dass sie ganz durchnässt zum 
Rathhause zurückkehrten und an einem grossen Feuer ihre Kleider 
trocknen mussten. Die Mittags- und Abendmahlzeit musste unter 
solchen Umständen im tiefsten Neglige eingenommen werden. 

Kaum war der Gouverneur nach dieser Seite hin zufrieden- 
gestellt, so kam er mit neuen Forderungen. Er verlangte von der 
Stadt Ersatz der Hausraiethe und Servis und schickte den Auditor 
zur Verhandlung. Bei einem Trünke von 12 Quart gelaug es, 
dessen Forderungen auf ein bescheidenes Maass herabzumindern. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



139 



Dem Kapitän Laport, der zum Wachtmeister aufgerückt war, ver- 
ehrte man 10 Rthlr. und einen neuen Hut, „damit er der Stadt 
und der Bevölkerung desto besser bedienstig sein möchte." Auf 
Befehl des Gouverneurs wurde am 4. April vom Rath und von 
den Gemeinsleuten eine allgemeine Besichtigung der Bürgerhäuser 
vorgenommen und zwar diesmal in Gegenwart des Gouverneurs 
und der Quartiermeister. Dass demselben auf diesem Gange der 
Tageszeit entsprechend der Morgentrunk und die Mittags- und 
Abendmahlzeit gereicht werden musste, ist selbstverständlich. Der 
Stadt wurden dafür 14 Thlr. 13 Stbr. angesetzt. 

Die Ansprüche des Gouverneurs waren damit noch lange 
nicht befriedigt. Die angewandte Schmiere bei Wacht- und 
Quartiermeister verfehlte die erhoffte Wirkung, die dem zum Wacht- 
meister aufgerückten Kapitän Saly dargebrachte Verehrung Von 
10 Rthlr. gleichfalls. Auch der Osterweck, der dem Gouverneur 
1V 2J dem Wachtmeister 1 Malter und dem Adjutanten 3 Fass 
Weizen einbrachte, vermochte ebenso wenig, wie die dem Auditeur 
Odenhoven auf Befehl des Gouverneurs verehrten 15 Rthlr. eine mildere 
Stimmung hervorzurufen. Am 28. April trat der Gouverneur mit 
einer langen Reihe von neuen Forderungen an die Stadt heran. 
Er verlangte eine gründliche Reparatur der Brücken, Pforten und 
Wege, die Zahlung von Servisgeldern an die höheren Offiziere, die 
Einlogirung der Soldaten aus den Baracken, die Befreiung der- 
selben von den städtischen Accisen und wer weiss, was noch 
weiter. In 12 Artikeln waren die Forderungen zusammengestellt. 
Das war stark, und man bezeigte wenig Lust, auf dieselben ein- 
zugehen. Der rechtskundige Richter aus der Nachbarschaft Büchsen- 
schmidt erhielt den Auftrag, die 12 Artikel in Bezug auf ihre Be- 
rechtigung zu beleuchten und zu beantworten. Ihn) wurden wegen 
gehabter grosser Mühe und wegen des Schreibens der Antwort 
2 Thlr. 10 Stbr. verehrt. Da der Stadtsecretär erkrankt darnieder- 
lag, musste der Rector der lateinischen Schule denselben vertreten 
und die Privilegien der Stadt und die vom Erzherzog Albrecht 
(dem verstorbenen Statthalter der spanischen Niederlande) ver- 
liehene Gerechtigkeit und alle gegen den Gouverneur sprechenden 
Ordinantien säuberlich abschreiben. Drei Tage musste er auf 
diese Arbeit bei städtischer Kost verwenden, während die discipuli 
sich anderweitig vergnügten. Unterdessen mahnte der Gouverneur 
bereits, und 2 Tage später schickte er schon seine Oberoffiziere 



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Hermann Keuesen sen. 



■zum Bürgermeister und verlangte, dass sofort alle Gräben und 
Einfriedigungen, welche sich um die Ländereien und au den Wegen 
hinzogen, geschlichtet werden sollten. Diesmal versagte der be- 
schwichtigende Trunk, den man ihnen reichte. Sämmtliche Herren 
vom Rath mussten mit der ganzen Börgerschaft am 6. Mai aus- 
rücken, um die gefährliche Aufgabe auszuführen, denn jeden 
Augenblick drohte das Hochwasser weiter vorzudringen und die 
Arbeiter zu Uberraschen. Zum Glück hielt diese Gefahr eine 
andere, nämlich das Vordringen der Belagerungsarmee, die bereits 
in unmittelbarster Nähe der Stadt ihr Lager aufgeschlagen hatte, 
noch einige Tage zurück. Der Bürgermeister sandte inzwischen, 
weil er wohl ahnte, dass die Stadt mit ihren Vertheidigungsmitteln 
dem Feinde nicht gewachsen war, im Geheimen den Schneider 
Andreas, wahrscheinlich einen geriebenen Burschen, an den Kur- 
fürsten von Köln mit der dringenden Bitte, beim Prinzen Friedrich 
Heinrich von Oranien dahin zu wirken, dass die Stadt im Falle 
der Eroberung bei ihren Freiheiten und im Besitze der Kirchen 
verbleiben möchte. Am 10. Mai nahm die Belagerung ihren ernsten 
Anfang, just nachdem das Fallen des Wassers die Annäherung an 
die Stadt ermöglicht hatte. Der Bürgermeister und der Rath 
kamen nun nicht ausser Athem. An diesem Tage sassen die Herren 
bis zum späten Abend in ernster Berathung. Der Gouverneur gab 
ihnen Arbeit in Fülle. Er Hess dem Bürgermeister melden, er 
verlange bis zum nächsten Morgen Bescheid, ob man täglich für 
das Militär 20 Tonnen Bier liefern wolle oder nicht. Am selben 
Abend kam sodann der Befehl, da man der Bürgerschaft nicht 
recht traute, dieselbe habe am nächsten Morgen ihre sämmtlichen 
Waffen aufs Rathhaus zu liefern. Als man mit der Ausführung 
dieses Befehls zögerte, erfolgte die Drohung, man würde bei den 
Säumigen rücksichtslos sämmtliche Güter konfisziren. Weiter wurde 
sodann die sofortige Lieferung von 2000 Pfund Speck verlangt 
und trotz aller Gegenvorstellung auch durchgesetzt. Das einzige, 
was der Bürgermeister als Gegenleistung erreichte (denn Geld gab 
es nicht), war das Versprechen, dass die Stadt als Ersatz eine 
entsprechende Menge Korn erhalten sollte. So hatte denn die 
Bürgerschaft den Vollgeschmack des Krieges, an welchen die in 
die Stadt entsandten Kugeln der Feinde auch noch so nebenbei 
erinnerten. Nach 3 Tagen, am 28. Mai, wurde, trotzdem das ge- 
gebene Versprechen noch nicht eingelöst war, vom Gouverneur eine 



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Beiträge zur Gescbichte Crefelds und des Niederrheina. 



14f 



zweite Lieferung Speck von 2000 Pfund verlangt, die in aller Eile 
der Garnison zu liefern waren. Bevor indess dieser Befehl zur 
Ausführung gelangte, war es dem Prinzen von Oranien durch ein 
kurzes, aber wirksames Bombardement gelungen, die Uebergabe 
der Stadt zu erzwingen. Am 1. Juni erhielten die Spanier freien 
Abzug mit allen kriegerischen Ehren. Einige Kapitäns, Lieutenants 
und Fähnriche hielten es für angemessen, sich bei einem Wein- 
trunke vom Bürgermeister zu verabschieden, während der (iou- 
verneur und die Oberoffiziere diese Höflichkeitspflicht unterliessen ; 
das böse Gewissen Hess wohl eine Begegnung mit dem Stadtober- 
haupte nicht zu. 

Zwei Tage später begab sich der Schultheiss mit etlichen 
Herren vom Käthe — der Bürgermeister war in Folge der Ueber- 
anstrengnng erkrankt — zu dem Prinzen ins Lager, um sich dessen 
Gnade und Schonung für die schuldlose Stadt zu erbitten. Dieser 
hatte bereits einen strengen Befehl gegen das Abbrechen der Ba- 
racken, das, wie es scheint, von dem hungrigen Gesindel der 
Stadt besorgt wurde, erlassen. Er machte den Rath für die Er- 
haltung derselben bei Leibesstrafe verantwortlich. Da schien eine 
besondere Verehrung für den Prinzen wohl am Platze, um dessen 
Zorn zu beschwichtigen. Ein Fass Rheingauer von ungefähr 
7y 2 Ohm war beim Weinhändler noch auf Lager. Es wurde zu 
dem Preise von 240 Thlr. angekauft und ins Lager geschafft. Da 
der Prinz aber im Begriffe stand, ehestens von dort aufzubrechen, 
mussten die Fuhrleute den Wein an den Rhein bringen und dort 
verladen helfen. So entstanden für die Stadt noch weitere Kosten 
in der Höhe von 11 Thlr. 14 Stbr. Die Rathsherren, welche das 
Geschenk zum Lager begleiteten, hatten ausser einer Weinprobe 
auch einigen Mundvorrath mitgebracht. In der Rechnung finden 
sich unter andern Sachen auch 6 Schinken von 48 Pfund ä 1 
Schilling und 3 Kalkoensche Hühner (Kalkutta-Hühner) ä 4 Thlr. 
Die Weinprobe scheint zur Erdbeerbowle verwandt worden zu 
sein, denn der Prinz schickte seinen Hofmeister zur Stadt, um dort 
Erdbeeren beim Rath zu bestellen. Dieser benutzte die Zeit des 
Einsammelns, um dem Hofmeister ein kleines Bankett im Preise 
von 4 Thlr. 10 Stbr. zu verehren. Als die Herren aus dem Lager 
in froher Stimmung zurückkehrten, wurde den sie begleitenden 
Kapitänen und Wachtmeistern auch noch ein Labetrunk mit einem 
linbiss gereicht. Zwei Tage später rückten b* Kompagnien, an 



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142 



Hermann Keussen sen. 



ihrer Spitze der neue Gouverneur Weinberg und der Kriegskoni - 
missar und Artilleriegeneral van dem Boess in die Stadt ein. Auch 
deren Gunst und Wohlwollen musste man sich erwerben, und man 
versuchte es zunächst durch Bankette und kleine Wein Verehrungen. 
So erhielt der Gouverneur bei seiner Ankunft 6 Kannen Wein zum 
Willkomragruss dargeboten, welche aber nicht hinreichten, als noch 
viele durstige Kapitäne und vornehme Herren hinzukamen und 
eine Ergänzung verlangten. Dem Gouverneur sandte man ausser- 
dem 7 Malter Hafer ins Haus, dem Wachtmeister 4. Als das bei 
den Herren wenig verschlug, musste man sich zu weiteren und 
ansehnlicheren Geschenken versteigen. Am 13. Juni empfing der 
Gouverneur eine Zulast Rheingauer (A l / 2 Ohm zu je 20 Spezies- 
thaler) verehrt. Mit dem Fuhr- und Küferlohn kostete diese Ver- 
ehrung der Stadt 184 Thlr. 19 Stbr. Das weckte nun den Appetit 
bei den Übrigen vornehmen Offizieren. Am 15. kam der genannte 
Kriegskommissar mit anderen Offizieren aus dem Lager und 
brachte dem Bürgermeister die wenig erfreuliche Nachricht, dass 
ihnen die grosse Glocke vom Kirchthurm zugefallen sei, und sie 
seien gekommen, dieselbe aus dem Thurme zu winden und mitzu- 
nehmen. Da gab es denn ein grosses Lamento bei der Flasche, 
und man erreichte zunächst einen Ausstand. Dieser wurde dazu 
benutzt, den Kurfürsten und den Prinzen von Oranien zu be- 
schicken und dieselben um die Erwirkung der Neutralität zu bitten. 
Nach allen Seiten war man rührig, um die grosse Glocke der Stadt 
zu erhalten und die Neutralität zu erlangen. Der Schultheiss ging 
mit dem Bürgermeister und dem Kaplan wiederholt über den Rhein, 
um sich mit einem Herrn Ketzgen auf Haus Mehrum, dessen Bru- 
der als Rittmeister in niederländischen Diensten stand, zu berathen, 
dem Anscheine nach eine Persönlichkeit von weittragendem Ein- 
flösse. Auf dessen Rath wohl fuhren der Bürgermeister und zwei 
Rathsherren in das Lager der Generalstaaten, um hier mit dem 
Höchstkommandirenden eine Vereinbarung zu treffen. Unterwegs 
begegnete ihnen der Gouverneur, der sich bereit erklärte, mit dem 
General wegen der Glocke einen billigen Akkord zu schliessen. 
Es gelang ihm in der That, diesen zu bestimmen, gegen „eine 
aufrechte Zulast Wein von edler Sorte" auf die Glocke zu ver- 
zichten. Die nächste Person nach dem Prinzen müsse aber auch 
ein Fässlein erhalten. Die Rathsherren kehrten mit dem raths- 
freundlichen Gouverneur, der sogar bei der Auswahl der Weine 



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Beitrage zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



143 



seine geübte Zunge zur Verfügung stellte, nach der Stadt zurück. 
Die 3 Proben, welche ihm zugestellt wurden, entsprachen seinem 
feinen Geschmack nicht, und so sah man sich genöthigt, eiuen 
der Rathsherren nach Wesel zu senden, um dort den Einkauf des 
edlen Nasses besorgen zu lassen. Unterdessen suchte der andere 
Bürgermeister den Prinzen im Lager zu treffen. Er war aber be- 
reits abgezogen, und da auch der Artilleriegeneral zur höchsten 
Eile mahnte, so begab sich der Bürgermeister nach Wesel, um 
den Wein in aller Eile an den Rhein zu bestellen. Bei Drüpping 
in Wesel wurde der edle Tropfen gefunden, und zwei Fässer, die 
zusammen 6 Ohm und 16 Viertel enthielten, wurden eingekauft 
und an den Rhein gesandt. Die Stadt zahlte daftir 286 Thlr. 
29 Stbr. Der Bürgermeister kaufte, da sich gerade Gelegen- 
heit in Wesel dazu fand, für 3 Schillinge neue Heringe, um bei 
seiner Rückkehr dem Gouverneur eine Aufmerksamkeit zu er- 
zeigen. 

Jetzt konnten allmählich die gewöhnlichen Staatsgeschäfte 
wieder aufgenommen und die zahlreichen und grossen Schäden re- 
parirt werden, welche das Bombardement den öffentlichen Gebäu- 
den zugefügt hatte. Die Brücken und städtischen Gebäude waren 
stark mitgenommen worden, so dass die Zimmerleute und Maurer 
reiche Beschäftigung während des ganzen Monats Juni fanden. 
Obwohl eine gründliche Reparatur nicht vorgenommen werden 
konnte — denn dazu fehlten die Mittel und die Zeit — , so muss 
ten trotzdem 1215 Thlr. 3 Stbr. den genannten Handwerkern be- 
zahlt werden. Aber auch der Dachdeckermeister hatte die Hände 
voll Arbeit, um das Dach des Rathhauses, das arg zerschossen 
war, wieder in Stand zu setzen. An Kirchen und Schulen gabs 
gleichfalls vieles auszubessern. Sofort nach Uebergang der Stadt 
an die Niederländer wurde der Kaplan Andreas — nebenbei be- 
merkt ein Bürgermeisterssohn — mit einem Rathsherrn nach 
Bonn an den kurfürstlichen Hof gesandt, um die Neutralität zu 
erwirken und die Erhaltung der grossen Kirche für- die Katho- 
liken zu erstreben. Der Bürgermeister hatte ihnen vorsorglich 
12 Rthlr. Reisegeld mitgegeben; für die neuntägige Abwesenheit 
reichten sie nicht hin. Es mussten den Herren, die ein täg- 
liches Salarium von je 20 Stbr. für sich berechneten, noch 57 Thlr. 
10 Stbr. nachgezahlt werden. Erreicht hatten sie mit ihrer Reise 
leider nichts. Nicht glücklicher war auch der städtische Schweine- 



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Hermann Keussen sen. 



hirt, welcher gegen Ende des Monats Juni mit einem Sendschieibe» 
nach Bonn gesandt wurde. Nicht einmal eine Salvegarde für die 
Bürgerschaft war erlangt worden. Die Reise, welche von gleicher 
Dauer gewesen war, hatte den einen Vorzug, dass sie ungleich 
wohlfeiler gewesen, sie hatte nur 10 Thlr. 11 Stbr. beansprucht 
Am 7. Juli wurde nochmals ein Bote in der gleichen Angelegen- 
heit in der Person des Scherenschleifers mit einem Fürschreibeu 
Ketzgens nach Bonp geschickt. Eine andere Deputation ging kurz 
nachher wiederum zum Junker Ketzgen über den Rhein, weil 
dieser dem Vernehmen nach vom Kurfürsten näheren Bescheid 
erhalten haben sollte. Man kam von hier wie von dort ungetröstet 
zurück. Und so beschloss man denn, um endlich zu einem Ziele 
zu gelangen, eine Gesandtschaft zu benutzen, welche von Kempen 
aus nach Brüssel an den Marquis de Vrytona abgehen sollte. In 
mehreren Berathungen wurde der Text des Schreibens festgestellt, 
welches die beiden Kempeuer Öbservanteniuöncbe mitnehmen soll- 
ten. Man hoffte wenigstens das Gleiche zu erreichen, was man 
der Grafschaft Mörs zugestanden hatte, dass die Bürger durch einen 
Salvegardebrief geschützt frei und frank gehen und stehen könnten. 
Am 20. Juli erschienen die Mönche zur Reise gerüstet. Sie em- 
pfingen zunächst Mahlzeit und Trunk und 20 Thlr. baar für ihre 
Bemühungen uud ausserdem eingehende Instruktionen. Am Tage 
nachher, wo sie die Reise antraten, wurde ihnen nochmals ein 
Abschiedstrunk kredenzt. Bei ihrer Rückkehr nach 3 Wochen 
wurden sie wieder festlich bewirthet, trotzdem der Zweck der 
Reise ein verfehlter war. Man verlor eben auf städtische Kosten 
den Humor nicht. Der Gouverneur nutzte unterdess die Situation 
zu seinen Gunsten aus. Zunächst Hess er sich allerlei Küchen- 
geräthe, Bänke, Wandbretter und dergleichen mehr auf Kosten 
der Stadt anfertigen. Seine Wohuung verlegte er in den geräumigen 
Kamper Hof, kurz, er machte es sich so behaglich wie möglich 
nach dem alten Spruch : „Aus fremdem Leder ist gut Riemen 
schneiden." Er verlangte weiter alles das, was zu seinem Haus- 
halt gehörte, von der Stadt, oder ein entsprechendes Servis. Wie- 
wohl man nun des Glaubens war, dass die Stadt hierzu nicht 
verpflichtet, suchte man sich mit dem Gouverneur zu verständigen. 
Er erhielt monatlich 30 Rthlr. zugesagt. Wenige Tage später, am 
21. August, langten mehrere höhere Rathsherren aus dem Haag an 
und kehrten beim Gouverneur ein. Flugs war mau bei der Hand, 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrhein8. 



145 



denselben einen Willkommstrnnk anzubieten, um so Gelegenheit 
zu finden, über manche Stadtaffairen mit ihnen zu reden. Sie 
folgten mit dem Drosten von Mörs der freundlichen Einladung des 
Bürgermeisters zu einem Trunk in dessen Haus. Bei dieser Ge- 
legenheit wurde die .Kanne 26 mal geleert. An der kritischen 
Lage der Stadt änderten solche Freundlichkeiten und Besprechungen 
ebenso wenig, wie die Verehrung, welche man in der Gestalt einer 
Ohm rheinischen Weines dem Kommandeur Baron von Ketteier bei 
Gelegenheit eines Krakehls zwischen vornehmen Bürgern und Sol- 
daten für die Beschwichtigung desselben zukommen liess. Die 
Pfarrkirche und deren Einkünfte wurden den wenigen Reformirten 
zugewiesen, während die Katholiken sich mit einer der Kloster- 
kirchen begnügen mussten. Für die Unterhaltung des reformirten 
Predigers wurde die Abtei Kamp als Patronatsherrin in Anspruch 
genommen. Bald nachher wurde auch die Schule den Katholiken 
genommen und ein reform irter Schulmeister angestellt, dessen Be- 
soldung die Stadt zu übernehmen hatte. Der arme Rector, der 
vielfach mit Schreibereien für die Stadt mitunter ganze Tage be- 
schäftigt wurde, musste seine Wohnung dem reformirten Schul- 
meister tiberlassen und sich mit einem kleinen Häuschen begnügen, 
das Eigenthum der Abtei Kamp war. Ja, in diese engen Räume 
musste er sogar noch die ihm unterstellten Schulklassen verlegen. 
Kein Wunder, dass derselbe unter solchen Umständen nach der 
Stelle des Stadtsecretärs schielte. Gegen alle diese Massnahmen 
wehrte sich der Rath, so viel er konnte. Er schickte Deputattonen 
mit Bitten und Klagen nach allen Seiten hin. Am 30. August 
ging eine solche wiederum nach Bonn, um vor dem Kurfürsten 
über die traurigen Verhältnisse Klage zu führen. Volle 20 Tage 
blieb sie aus. Die Reise verursachte Kosten in der Höhe von 
120 Thlr. 3y 2 Stbr. neben den Diäten von 26 Thlr. 20 Stbr., welche 
die beiden Deputirten für sich beanspruchten. Das Einzige, was 
man hatte erreichen können, war dies, dass der Gouverneur die 
freie Einfuhr von holländischen und fremden Bieren seinen Offi- 
zieren und Soldaten untersagte. Eine andere Deputation, bestehend 
aus dem Bürgermeister und einem Rathsherrn, erhielt den Auftrag, 
direkt im Haag bei den hochmögenden Herren einen Versuch zu 
machen, eine schonendere Behandlung zu erlangen. Vor der Ab- 
reise, die am 2. September erfolgte, gab der Rath den Abgesandten 
einen Valettrunk, bei dem an Speise und Trank 7 Thlr. 21 Stbr. 

Annalen de« biet. Vereins LXIII. 10 



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Hermann Keussen sen. 



verthan wurden. Die Reise dauerte bis zum letzten Oktober und 
kostete an Fuhrlohn, Verzehr und sonstigen Unkosten 388 Thlr. 

9 Stbr. Ausserdem legte der Bürgermeister an Verehrungen aus: 
Erstlich an des Grafen von Culenborgs Rathsherrn und Diener, 
des Baron von Schwarzenberg, des Herrn von Sommerdyck und 
anderer Herren Diener, um desto besser zur Audienz zu kommen, 
20 Thlr., 2) an des kurfürstlichen Agenten von der Vercken Diener 

10 Thlr., 3) an den Secretär Huygens 10 Thlr. und an dessen 
Kopisten 2 Thlr., als er „das advys von den general Herren 
Staaten brachte", 2 Thlr., 4) an Muysch, den Secretär von den Ge- 
ueralstaaten, als er den Recess überlieferte, 20 Thlr. und dem Ko- 
pisten 4 Thlr. und 5) an des Kurfürsten Agenten von der Vercken, 
weilen er vor Dato und noch der Stadt gedienet und beigewohnt, 
300 Thlr. Ein lebhafter Depeschen- und Botenverkehr wurde mit 
dem Haag unterhalten; zweimal wurde der Stadtbote dorthin mit 
Briefen entsandt und 22 Thlr. Reisegeld dafür ausgelegt. Eine 
wesentliche Linderung der städtischen Drangsale hatte auch diese 
kostspielige Reise nicht zu Wege gebracht. Auf einem Bankett, 
das im Hause des Kaplans Andreas aus nicht näher bezeichneter 
Veranlassung abgehalten wurde, und zu dem der Abt von Kamp, 
der Amtmann und andere vornehme Gäste geladen waren, und des 
Bürgermeisters Weinkeller zur Verfügung stand, wurde beschlossen, 
weil günstige Nachrichten aus dem Haag nicht eingetroffen waren, 
den zweiten Bürgermeister mit einem Rathsherrn abermals an den 
Kurfürsten uach Bonn zu entsenden, um ihm die misslichen Ver- 
hältnisse der Stadt warm ans Herz legen zu lassen. Dem glück- 
lichen Erfolg hat man, nach dein starken Weinkonsum zu schliessen, 
etwas zu stark zugetrunken, so dass man sich nicht zu wundern 
braucht, „dass zwei schöne Krystallgläser, die man vom Bürger- 
meister geliehen hatte", dabei in Trümmer gingen. Am 30. Ok- 
tober, als der Rath nach beendigter, auf Befehl des Gouverneurs 
veranstalteter Generalvisitation wie gebräuchlich zum Abendschmaus 
zu8ammensass, erschien der eine Deputirte aus dem Haag zurück, 
und es wurde ihm wie billig ein Willkommen zugetrunken. Der 
Bürgermeister selbst kehrte erst am 16. November heim und hatte 
noch an Fuhrlohn 36 Thlr. 17 Stbr. zu berechnen. Der Gouver- 
neur hatte unterdess, da die Winterzeit nahte, von der Stadt für 
die beiden Schanzen das nbthige Licht und hinreichendes Brenn- 
material, die Ausbesserung der Cortegarden und anderes fordern 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 147 



lassen. Abermals gingen Klageschriften nach Wesel und dem 
Haag. Das waren trübe Tage für die Herren vom Rath, die nur 
zuweilen von lichten Augenblicken unterbrochen wurden. Am 
20. November feierte der Statthalter des Amtmannes, der Freiherr 
von Pallant auf Haus Eyl, seine Hochzeit. Er hatte den ge- 
sammten Rath zu derselben geladen. Ob dieser der Einladung 
gefolgt, erfahren wir nicht aus der Rechnung, wohl aber sagt sie 
uns, dass dem Herrn Baron ein Fässchen Wein von 23 Töten 
ix 11 Quart = 2 1 / 4 Ohm weniger 572 Quart, verehrt wurde. Das 
Minus von 5V2 Quart hatte der Küfermeister „mit den Beiwesenden" 
vertrunken. Der Stadt wurden für dieses Geschenk rund 82 Thlr. 
berechnet, 24 Thlr. hatte der Rath aus der eigenen Tasche zu- 
geschossen. Am 6. Dezember liess der Rath dem Amtmann zu 
Ehren ein Bankett anrichten. Als Gäste waren der Abt zu Kamp, 
der Pastor, der Gouverneur, der Wachtmeister, der Schultheiss usw., 
im Ganzen 16 Personen, geladen. Das Diner kostete pro Kopf 
ohne Wein 1 Thlr. An einer Nebentafel vergnügte sich mit einem 
zu 15 Stbr. verrechneten Schmaus die Dienerschaft (zwei Diener 
des Gouverneurs, einer des Wachtmeisters, zwei des Abtes und die 
beiden Stadtboten). Die Festlichkeit zog sich bis Abends 11 Uhr 
hin, und es wurde wacker dabei getrunken. Die Rechnung spricht 
von 49 Kannen. Am Schlüsse des Rechenpostens, der sich auf 
44 Thlr. 15 Stbr. belief, steht die charakteristische Bemerkung: 
NB. Der Amtmann ist nicht erschienen, wiewohl das Bankett seinet- 
halben angestellt worden ist. Dass man darob stark geweint hat, 
haben wir bereits vernommen. Die Rührung des Gouverneurs war 
übrigens nicht weit her, denn bald wurden gewaltsam die städtischen 
Accisen zu Gunsten der Garnison verpachtet und so die Stadt fast 
um alle ihre Einkünfte gebracht. Der Bürgermeister erhielt Auf- 
trag, im Namen der Stadt zum Kurfürsten nach Bonn zu reisen, 
um ein Fürschreiben an den Prinzen von Oranien, den General- 
statthalter und an den Staatsrath auszubringen. Der Wachtmeister 
war gefallig genug, vor Tagesanbruch der Deputation die Thore 
zu offnen. Ein sanfter Händedruck, von einem Rthlr. begleitet, be- 
kundete den Dank des Bürgermeisters. „Weil aber, heisst es in 
der Rechnung, der Weg dahin wegen der Kaiserlichen, Hessischen, 
Königs- und Statischen Partheien dermassen unfrei gewesen, dass 
es unmöglichen ungeschändet durchzukommen, deshalben der Bür- 
germeister wegen Leib- und Lebensgefahr zu Neuss wiederum 



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Hermann Keussen sen 



zurückkehren und alle Supplikationen und Briefe durch einen Ex- 
pressboten von Neuss auf Bonn senden müssen, macht deswegen 
die Verzehrung und, was sonst Weiteres der Parthei bat geben 
müssen, 1246 Thlr. Noch wegen der Reise und in zwei Tagen 
erlittener Kälte, auch weil es wegen Glattigkeit so bös fahren, dem 
Bürgermeister für Pein und Schmerzen berechnet, 2 Thlr. In Neuss 
einen Expressboten genannt Hollander nehmen müssen, um den- 
selben mit allen Briefen an ihre kurfürstliche Durchlaucht auf Bonn 
zu senden, demselben für die Reise 3 Rthlr. und, weil er allda (> 
Tage hat still liegen müssen, 1 Rthlr. = 8 Thlr. gegeben." Und die 
Früchte dieser Reise? Sie waren wenigstens vor der Hand nicht 
zu verspüren. Gleichwohl wurde nochmals der Versuch gemacht, 
in Wesel durch den Dr. von der Knippenburg etwas zu erreichen. 
Es war jene verunglückte Reise im Januar 1634, welche den Gou- 
verneur um den Kabeljau, die Bürgermeister aber um die Nacht- 
ruhe gebracht hatte. Das Jahr war zur Neige gegangen und der 
versöhnende Christabend erschienen. Die Herren vom Rath und 
die Stadtboten erhielten nach altem guten Brauch ihr Opfergeld. 
Am Neujahrstage verfuhr man trotz aller traurigen Erlebnisse 
äusserst splendid, indem man dem Gouverneur 100 Thlr. zum Neu- 
jahr verehrte, dem Wachtmeister 20, in des Gouverneurs Küche 
an Koch, Magd und Küchenjungen 4 und an dessen 4 Diener 
gross und klein 8 und den 3 Posten „von dem Herr Printz ge- 
neral, Herren Staten und Raden von Staten, die dem ehrbaren 
Rat Tafelbücher und Almanache zum neuwen jähr verehrt", 
8 Thaler. 

Die Gaben an durchziehende Bettler, die in der Ausgabe als 
propter deum bezeichnet werden, sind in diesem Jahre begreif- 
licher Weise sehr gering ausgefallen, sie erreichen kaum die Höhe 
von 38 Thlr. Meistens sind es arme Studenten, welche sich durch- 
fechten von Ort zu Ort; in diesem Jahre allein haben deren 37 
vorgesprochen, dreien hatten die Schweden die Kleider vom Leibe 
gezogen. Dann kamen wieder manche, welche in türkischer Ge- 
fangenschaft gewesen sein wollten. Der Frau des armen Sünders, 
der im Xantener Feld gerichtet worden war, wurden aus Mitleid 
10 Stbr. gereicht usw. Unter der Rubrik von den Ausgaben in 
diversis et extraordinariis stehen noch einzelne mittheilenswerthe 
Posten: „Am 18. Juni den Rectoren zu verschiedenen reisen (Malen) 
brauchen müssen, weil er die Brabantsche Handt schreiben konte,. 



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Beitrage zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 149 



-umb zu schreiben ahn Ihre Princeliche ExcelL auch an Ihre Churf. 
Durchl. und unseren Procuratoren daselbst, 3 Thlr. 18 3 / 4 Stbr." 
Nachdem durch das ganze Jahr viele böse Hunde auf den Strassen 
nebeu Ferkeln und andern Beesten todt gelegen, ist der Schorn- 
steinfeger dazu gebraucht worden, welcher an Austragen verdient 
8 Thlr. 10 Stbr. An Servisgeldern fUr den Gouverneur 584 Thlr. 
Für die Aufsicht über die Baracken au den Adjutanten und später 
an den Sergeanten gezahlt im Monat 10 bezw. 6 Thlr. Vom 4. 
bis 6. Juni hatten Colonel Boudewitz, Graf Heinrich von dem Berg, 
-Graf Ernst von Alansfeld, der Graf von Broich nebst Kapitänen, 
Lieutenants und Dienern sammt Hafer und Rauhfutter für die Pferde 
im Anker verthan 65 Thlr. 9 3 /4 Stbr. Als Graf Wilhelm von Nassau 
am 22. Juni mit seinem Hofmeister hier war, verthan 20 Thlr. 
27 3 / 4 Stbr. Am 8. Juni hat der Gouverneur mit einem Edelmann 
und Dienern und ebenso am 11. August mit Offizieren und Dienern 
im Anker verthan 53 Thlr. 19V2 Stbr. An Kerzen waren inner- 
halb des Jahres für 582 Thlr. 5 1 /* Stbr. auf städtische Kosten 
verbrannt worden. Ein eigenthtimlicher Posten war noch der 
folgende : Der Bürgermeisterin tür gelieferte Betttticher und Kissen 
30 Thaler. 

Es ist selbstredend, dass im gewöhnlichen Haushaltsetat für 
solche ausserordentliche und weitgehende Ausgaben, wie sie die 
kostspieligen Reisen und Geschenke erforderten, keine Mittel vor- 
handen sein konnten. Dieselben mussten durch Anleihen oder 
Vorschüsse seitens des regierenden Bürgermeisters herbeigeschafft 
werden, vorausgesetzt, dass dieser dazu im Stande war. Beim Ab- 
schlüsse des Jahres 1633 fand sich ein bedeutendes Defizit zu 
«Gunsten des Bürgermeisters vor. Die Gesammteinnahmen beliefeu 
sich trotz einer Anleihe von 1600 Thlr. nur auf 7563 Thlr. 16 l / 4 
Stbr., während die Ausgaben die Höhe von 12455 Thlr. 4 3 / 4 Stbr. 
-erreichten, so dass 4891 Thlr. 18 1 /* Stbr. die Stadt dem Bürger- 
meister verschuldete. Bei der Rechnungslegung erhob sich in der 
Bürgerschaft grosser Unwille, und man sträubte sich, die Richtig- 
keit derselben anzuerkennen. Eine Nachrevision der Rechnung 
«ergab denn auch bald eine Reihe von Verstössen, die der Stadt- 
secretär bei Aufstellung derselben theils zum Nachtheil der Stadt, 
theils zum Nachtheil des Bürgermeisters begangen hatte. Der 
Bürgermeister stellte nun dem entgegen ein Verzeichniss dessen, 
was er im Namen der Stadt berechnet und nicht verrechnet „und 



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Hermann Keussen eeu. 



durch allerhand Drangsale, Widerwärtigkeiten, Belagerung und 
Reisen halber vergessentlichen und unwissentlichen Verstössen und 
viele Sachen nicht in die Stadtrechnung gebracht, wie er sich 
solches eigentlichen vorbehalten zu allen Zeiten zu verbessern und 
auch was vergessen einzubringen." Nach diesem Verzeichniss 
hatte sich der Bürgermeister zunächst zu seinem Nachtheil um 
44 Thlr. 22 Stbr. 3 Ort verrechnet, während er 69 Thlr. 2 1 /* Stbr. 
in die Rechnung einzustellen vergessen hatte. Dagegen wurde 
ihm nachgerechnet, dass einzelne Posten doppelt angesetzt waren r 
bei anderen Verrechnungen stattgefunden, dass überhaupt die 
Stadt um 121 Thlr. 12 Stbr. 8 Ort zu kurz gekommen wäre. Die 
ganze Differenz belief sich indess nur auf die Kleinigkeit von 
7 Thlr. 20 Stbr. 5 Ort. Und darüber waren denn Weitläufigkeiten 
und Klatschereien entstanden, die den Bürgermeister nach seiner 
mühevollen Regierung nicht wenig empören mussten, und dass er 
erzürnt war, merkt man aus dem Anhang, welchen er am Fusse 
seines Verzeichnisses anklebt. Da heisst es: Nachdem das Rath- 
haus in meinen 3 regierenden Jahren benentlich A° 1631, 1632 r 
1633 mehrentheils mit Kriegsvolk belegt, deswegen allda die Raths- 
bank nicht besitzen können, bat derhalben mein Haus zum Rath- 
und Billethaus gebrauchen müssen, dardurch mir ein Merkliches 
entfremdet und abgestohlen worden ist, wie ich mich dessen auch 
gegen einen ehrbaren Rath oftmalen beklagt, gebühret mir des- 
wegen nicht weniger als anderen Bürgermeistern, die vor gewesen, 
besehenen ist, dass mir der dreijährige gethane Brand, Licht und 
Bier, auch deswegen aller erlittene Schaden, Unruh und grosse 
Mühe soll erstattet werden und nach Billigkeit schadlos gehalten 
und rekompensirt, wie solches dem Bürgermeister Barll als Statt- 
halter, da der Bürgermeister Bottermann während der Amtszeit 
abgestorben, beschehen und wegen 3 Monate Verwaltung und Ge- 
brauch seines Hauses 10 Thlr. zugelegt worden ist und so fort für 
Brand, Licht und Bier 25 Thlr., wie solches einem ganzen Rath 
und Secretär genugsam bewusst und mehr als kundig. Ist diesem 
allsolches für eine kleine Zeit beschehen, kann mir deswegen all- 
sothane Rekompens und Zulag nach Advenant der Zeit mit nichtea 
und von Rechtswegen abgeschlagen werden, meine rechtmässige 
Gebühr, wie von uralten Zeiten bräuchlichen gewesen, selbiges zu 
enthalten, sondern der dreyen Jahren Gebührnis mir gutzumachen 
schuldig und verpflichtet. Weiter heisst es dann: Item im Anfang 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



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von Junio ist meine Scheune voller Stadtziegelstein belegt worden, 
derweil die Stadt keinen gewissen Ort gehabt dieselbigen hinzu- 
legen, wodurch meine Scheunendiele mehrentheils mit den Steinen 
entzwei geworfen und verdorben, dass man darauf ungemacht nicht 
hat dreschen können. Darnach A° 1634 im August, da man die 
Früchte in selbiger Scheune sollte hinlegen, hat selbiges nicht ge- 
schehen können, man musste dann zuerst selbige Stein wiederum 
aus der Scheune austragen lassen und in 2 Kellern unter selbiger 
Scheune liegend einschleppen und packen lassen, welches durch 
Meister Johann den Metzeler und seine Knechte beschehen ist, 
demselben solches abzufragen ist. Darnach da selbige Scheune 
voller Korns gelegen und der Pütt (Brunnen) auf dem Markt ge- 
macht werden sollt, hat man wegen der einliegenden Kornfrtichte 
zu den Steinen nicht kommen können, deswegen notzwänglichen 
hinter der Scheune an dem hintersten Keller ein Loch durch ein 
zugemauertes Kellerfenster brechen müssen, dardurch die bemelten 
Ziegelstein, so viel deren zum Putz nöthig gewesen, ausgeführt 
worden sind. Nach Herauslegung der Stein ist selbiges Loch un- 
zugemacht offen bleiben stehen, wodurch mir grosser Schaden ent- 
standen, und deswegen ich bestohien bin worden. Nach geschehener 
That hat erst der Bürgermeister solches Loch wieder zumauern 
lassen. Der Rest solcher Steine ist im Keller bis A° 1(53(3 ver- 
blieben, da der Pulverturm durch das Donnerwetter zersprungen 
und selbige Scheune Uber den Haufen geworfen und ganz zer- 
schlagen wurde. Derweil dann nun erfindlich, dass beraelte Stein 
ins vierte Jahr in selbiger Scheune gelegen, gebührt mir erstlich 
Erstattung meines erlittenen Schadens, zum andern gebührliche 
Heur (Miethe), so lange selbige Stein in selbiger Scheune ge- 
legen haben. 

Die Stadt und mit ihr der Rath weigerten sich auch jetzt 
noch, die Rechnung und das Guthaben des Bürgermeisters anzu- 
erkennen. Während im gewöhnlichen solche Vorschüsse vom Bür- 
germeister des nächsten Jahres gleich beglichen und in der folgenden 
Rechnung als erster Ausgabeposten verzeichnet oder als Anleihe 
gebucht wurden, für welche man gebräuchliche Zinsen zahlte, 
geschah diesmal weder das eine noch das andere, und der Bür- 
germeister musste den langen Weg der Klage beschreiten, da man 
sich gütlich nicht einigen konnte. Da wurden so viele Posten be- 
kritelt, welche auf Verzehr, Reisen und Verehrungen Bezug hatten, 



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Hermann Keussen sen. 



dass sich der nächste Bürgermeister daraus die weise Lehre nahm, 
sich nicht in die zu weit geöffneten Karten blicken zu lassen. Er 
fasste die einzelnen Posten in Bausch und Bogen zusammen und 
trug einfach in die Rechnung ein: Durchs ganze Jahr bei viel- 
fältigen Beisammenkömmpsten der Herren als auch der Gemeins- 
leute über vielfältig gepflogener Kommunikation dieser Stadt Sachen, 
Akkord und Gedingen fort vor und nach verthan. Nur der ein- 
geweihte Mitsünder war im Stande zu beurtheilen, ob bei dem 
rührenden Fleiss der häufigen Zusammenkünfte und den wichtigen 
Verhandlungen des Guten zu viel geschehen war oder nicht, für 
die übrigen hatte der Posten jetzt einen äusserst nüchternen Ge- 
schäftston erhalten. Der poetische Hauch war entflogen. Das- 
selbe war in der Folge mit manchem andern Posten der Fall, so 
z. B. auch mit dem Wohlthätigkeitsposten. Jetzt lautet es unter 
Rubrik: Exposita propter deum (Ausgaben um Gotteswillen) ein- 
fach und nüchtern: in Januario 1 Thlr. 22 Stbr. usw. Die armen 
Jammervögel, welche die Gaben empfingen, tauchen nicht mehr 
vor unseren Blicken auf, sondern nur noch die abgeschabten 
und verbogenen Blaumüser und Stüber. Bei den Reisen und Ver- 
ehrungen heisst es jetzt immer vorsichtiger Weise: Ex mandato 
et ordinatione oder cum consensu senatus oder aus Last eines ehr- 
baren Rathes. Unter den aussergewöhnlichen Ausgaben kehren 
nun auch nicht einmal die interessanten Posten Uber fortgeschaffte 
Bestien, über Rattenpulver u. dergl. wieder, jetzt heisst es unver- 
ständlich kühl: Für Diverses, und wir können uns, da die Belege 
fehlen, dabei denken, was wir eben wollen. Jammerschade, dass 
der Bürgermeister des Jahres 1633 solche Rechenfehler machen 
rausste! Im Uebrigen dürfen wir verratheu, dass er lange hat 
zappeln müssen, ehe er mit Stadt und Bürgerschaft wieder auf 
guten Fuss kam. Es bedurfte da noch der Einwirkung der kur- 
fürstlichen Obrigkeit, und auch diese war zaghaft genug, mit voller 
Kraft für den armen Bürgermeister einzutreten, weil es so leicht 
den Anschein gewinnen konnte, als wollte sie an der Stadt hei- 
ligen Privilegien und Freiheiten rütteln. Gleichwohl richtete end- 
lich, nachdem wahrscheinlich der Bürgermeister wiederholte Be- 
schwerde beim Kurfürsten geführt, der Amtmann Wilhelm Christoph 
von Lintzenich ein ernstlich Gesinnen respective Befehl an den 
ehrbaren Rath und die Gemeinde der Stadt. Obwohl, hiess es 
darin, der Amtmann nicht ungeneigt einen ehrbaren Rath und Ge- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 153 

meinde in allem ihrem alten Brauch und Herkommen zu manu- 
teniren und sich darwider zu setzen durchaus nicht bedacht sei. 
Dieweil dannoch bei Regierung des Bürgermeisters Wilhelmen 
Herkenbusch seiner Stadtrechnung halber zwischen dem Rath und 
Gemeinde einige Streitigkeiten eingefallen, so leider landkundig 
und ungezweifelt nicht ohn merklichem Interesse der Gemeinde zu 
befahren, als wolle dem Amtmann im Namen und von wegen 
Ihrer Churf. Durchlaucht unsers gnädigsten Herrn mitnichten ge- 
bühren alsulches tacite zuzusehen und also vorbeigehen zu lassen. 
In Erwägung, der Streit nicht allein in 10, 20, 30 articulen kon- 
sistiren, sondern die Stadtrechnung in genere et in omnibus 
refutirt, bei der Gemeinde verworfen und im geringsten nicht an- 
genommen wird, daraus dann merklich zu schliessen, dass keine 
Richtigkeit dabei, sondern ein grosser abusus sei, so billig unaus- 
gestellt und an einer oder andern Seiten der Gebühr nach erwiesen 
und mit gutem Bescheid abgelehnt werden sollte. Dieweil nun 
solches bis anhero noch beim Rath noch bei der Gemeinde be- 
sehenen, viel weniger Reden (Gründe) vorgebracht worden seien, 
worauf diese Streitigkeit beruhe und nun mehr ein Jahr lang 
schier in Bestand kommen, sich auch nicht gebühren wolle, solches 
länger zu differiren und auszustellen, so ist im Namen Ihrer kur- 
fürstl. Durchlaucht des Amtmanns an ehrbaren Rath und Gemeinde 
ernstlich Gesinnen resp. und Befehl, dass selbige ihren schriftlichen 
Bericht wegen Streitigkeit der Stadtrechnung aufs förderlichst ihm 
zustellen sollen, um sich ferner darnach zu richten. So kam denn 
endlich eine Aussöhnung zu Stande. Zum Verständniss des Ganzen 
wird die Erinnerung am Platze sein, dass der Posten eines Bürger- 
meisters ein unbesoldetes Ehrenamt war. Ausser der Amtskleidung, 
die ihm in Form von 6 Ellen Tuch a vier Thaler geliefert wurde, 
empfing er noch für gehabte Mühe ein Pauschquantum von 50 
Thlr. und ausserdem wie auch die übrigen Rathsmitglieder an 
Präsenzgeldern 12 Thlr. Zu Ostern gab es einen Osterweck und 
-zu Weihnachten das bereits erwähnte Opfergeld. Unter solchen 
Umständen ist die ungenirte Willkür nicht weiter auffällig, mit 
welcher Bürgermeister und Rath verfuhren, wenn unter der Last 
der städtischen Arbeit der Magen anfing aufzubegehren oder gar 
zu knurren. Die Gelüste sind ja auch nicht bei allen die gleichen, 
und so mag denn auch an unseren Bürgermeister, zumal ihm 
recht schwere Arbeit zugemuthet werden musste, die Versuchung 



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Hermann Keussen sen. 



öfter herangetreten sein, auf öffentliche Kosten Atzung und Trank 
zu nehmen, als es altherkömmlich oder dem uralten Brauch ent- 
sprechend war. Da hatte es der Bürgermeister des Vorjahres, 
der Statthalter, bei weitem besser. Er empfing die gleiche Ent- 
schädigung für Kleidung und gehabte Mühe, hatte aber keine Ver- 
antwortlichkeit, wohl aber das Recht der Repräsentation, d. h. er 
durfte an den städtischen Gelagen, Nothtrtinken usw. sich bethei- 
ligen. Ebenso viel an Gehalt empfing auch der Stadtsecretär, für 
seine Kleidung wurde aber nur Tuch zu 2 Thaler die Elle ver- 
wandt. Er hatte noch manche Nebeneinnahme; so empfing er für 
das Schreiben der Stadtrechuung 6 Thlr., für die Anfertigung der 
Schöffenurkunden bei Verkäufen, Verpachtungen usw. flössen die 
Gebühren zum grössten Theile in seine Tasche. Der Stadtbote 
stand im Gehalt ihm nicht viel nach. Sein Salair betrug 42 Thlr., 
für das Stellen der Uhr auf dem Rathhaus erhielt er 10 Thlr. 
Jährlich empfing er für seine Kleidung 6 Ellen Tuch a 1 Thlr. 
und ausserdem einen neuen Hut von 2 Thlr. 27 Stbr. Der Rector 
der lateinischen Schule hatte ausser dem Schulgeld ein jährliches 
Gehalt von 125 Thlr. neben freier Wohnung. Seitens der Kirchen- 
kasse wurde ihm noch eine mässige Entschädigung für die Leitung 
des Chorgesanges, vorausgesetzt, dass er dazu befähigt war. Die 
Müllerknechte auf der städtischen Wassermühle und ebenso der 
Unterknecht auf der Windmühle waren ihm im Gehalte Uber, sie 
empfingen je 142 Thlr. 12 Stbr., der Oberknecht auf der letzteren 
sogar 166 Thlr. Ja, der Karrentreiber, welcher auf der Mühle be- 
schäftigt war, hatte neben seinem Gehalte von 142 Thlr. noch 2 
Paar Schuhe alljährlich von der Stadt zu fordern. Der reformirte 
Schulmeister, der seit dem Einrücken der Holländer in die Sadt 
von dieser angestellt und besoldet werden musste, erhielt ein Ge- 
halt von 120 Thlr., ausserdem für das Aufziehen und Stellen der 
Kirchenuhr 20 Thlr. Sein katholischer Vorgänger, der nur den 
Titel eines Unterschulmeisters geführt hatte, hatte sich mit einem 
Gehalte von 90 Thlr. begnügen müssen, während die Sportein für 
das Besorgen der Kirchenuhr dem Küster zugeflossen waren. Unter 
den städtischen Beamten, welche aus dem städtischen Budget ihre 
Besoldung empfingen, werden in den Rechnungen 3 Stadtpförtuer 
aufgeführt mit 21 bezw. 15 Thlr. Gehalt, der Hornbläser wegen 
des Hornblasens mit 7 Thlr., die Weise- oder Wehemutter (Heb- 
amme) mit 5 Thlr. Dann erhielt noch der Stadtzimmermann für 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



seine Kleidung jährlich 5 Thlr. In Summa betrug die Gesamrat- 
ausgabe für die Besoldung der städtischen Beamten 6—700 Thlr. 
Zu wundern braucht man sich da nicht, wenn diese anderweitig 
auf die Fettweide gingen oder bei jeder dargebotenen Gelegenheit 
nach der Kanne mit dem städtischen Wein griffen. Im Jahre 1662, 
wo das Salarium des Bürgermeisters auf 130 Thlr. gestiegen war, 
erscheinen die Ausgaben für Verzehr viel summarischer in der 
Rechnung : 

An Weinverzehr 734 Thlr. 27 Stbr. 4 Ort, 

An Bier 144 Thlr. 10 Stbr. 

Diese einfache Kunst der Verrechnung hatte der alte Bürgermeister 
nicht verstanden, und so musste er nun mit seinem grundehrlichen 
Durste dafür büssen. 

Der Bürgermeister Herkenbusch erlebte bald nach dem 
Rücktritte von seinem Amte die Freude, dass die aufgewandten 
Reisekosten nach dem Haag nicht ganz ohne Frucht geblieben. 
Am 11. Februar 1634 sandte der Gouverneur seinen Diener aufs 
Rathhaus mit der fröhlichen Zeitung, dass die Imposten abgeschafft 
seien, und dass mithin die Stadt wieder ihre Accisen verganten 
und verpachten konnte. Die Einnahmen, welche derselben aus 
den Accisen zuflössen, waren sehr beträchtlich, wie dies die fol- 
, gende Zusammenstellung ergiebt, welche der Kriegszeit entnommen 
ist: Die Wind-, Ross- und Wassermühlen brachten an Pacht auf 
2785 Thlr., die Weinaccise 1250 Thlr., die Bieraccise 4900 Thlr., 
die Branntweinaccise 200 Thlr., die Bürger- oder Fettwaarenaccise 
535 Thlr., die Fleischaccise 103 Thlr., die städtische Wage 196 
Thlr. usw. Man kann sich also denken, wie bitter der Ausfall 
eines grossen Theiles dieser Einuahmen empfunden werden musste, 
in einer Zeit, wo die Anforderungen an die Stadtkasse ohnehin 
alles Mass Uberschritten, und man durfte daher auch wohl mit 
Recht von der städtischen Obrigkeit erwarten, dass sie alle Aus- 
gaben auf das bescheidenste Maass beschränkte. Der genannte 
Bürgermeister hatte diese Hoffnung getäuscht, aber auch er war 
getäuscht worden durch Massnahmen des Eroberers, die er nicht 
erwartet hatte. 



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Hermann Keussen sen. 



7. 

Ein Bild Rheinbergs aus der Zeit des 30jährigen Krieges. 

Kaum die eine oder andere Stadt am Niederrhein dürfte für 
<iie innere Stadtgeschichte aus der jammervollen Zeit des 30 jährigen 
Krieges ein so reiches Material in ihrem Archive bergen, als Rhein- 
berg, und doch ist dieser Ort in keiner Weise von den Drangsalen 
und Widerwärtigkeiten dieses Krieges verschont geblieben, er hat 
im Gegentheil den Leidenskelch bis zur Hefe leeren müssen. Ein 
glücklicher Zufall hat da mitgespielt, dass hier trotz der vielfachen 
Belagerung und Eroberung, trotz der Besetzung des Rathhauses 
durch Soldaten, die in dessen Räumen sogar ihre Lagerstätte auf 
längere Zeit aufgeschlagen hatten, die städtischen Akten, nament- 
lich die Rathsprotokolle und Stadtrechnungen, fast unversehrt 
erhalten geblieben sind. Sie gewähren uns einen ziemlich klaren 
und umfassenden Einblick in die Vorgänge, die sich innerhalb der 
Stadt zu jener Zeit abgespielt haben; sie sind die treuen und zu- 
verlässigen Zeugen, die uns in so beredter und verständlicher 
Sprache verkünden, welche Fülle von Leiden und Mühseligkeiten 
eine Stadt von nur massigem Umfange durchzukosten hatte, wenn 
Uber sie jener verruchte Krieg unbarmherzig und guadenlos seine 
Geissei schwang. Wir wollen an der Hand der Stadtrechnungen 
es versuchen, ein wahrheitsgetreues Bild der Zustände Rheinbergs 
zu zeichnen, wie sie der Krieg vorfand oder selbst gestaltete. Wir 
berichten einfach und schlicht, ohne Schminke und prunkende 
Farben, wir befürchten gleichwohl nicht, dass es an grellen Schlag- 
lichtern fehlen wird. 

Rheinberg galt für den wichtigsten Platz im nördlichen Nie- 
derstift, auf dessen Ausrüstung und Erhaltung die Landesbehörde 
mit ängstlicher Sorgfalt Bedacht nehmen musste. Und das mit 
vollem Rechte! Die Lage der Stadt, die im Osten der Rhein 
leicht zugänglich machte, in der Mitte zweier fremden Gebiete, 
welche namentlich zu dieser Zeit keine freundlichen Beziehungeft 
zu einander hatten, machte eine solche Fürsorge dringend nbthig. 
Die Unterhaltung einer starken Besatzung unter einem kriegs- 
kundigen Kommandanten war durch die Verhältnisse dringend ge- 
boten; Aufgabe der bürgerlichen Gemeinde war es, sich mit dieser 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



157 



auf gutem Fusse zu halten, wollte sie sieb eine rücksichtsvolle Be- 
handlung sichern. Und das war namentlich in der Zeit doppelt 
nöthig, von der wir reden, wo die Kriegszucht den wenigsten 
Führern gelang, wo die Ansprüche des Soldaten jedes Mass Uber- 
stiegen. Aiif die Stadtregierung hatte die militärische Obrigkeit 
freilich keine berechtigte Einwirkung, aber wohl konnte letztere 
jener das Leben recht sauer und unerträglich machen, wenn sie 
die gerade Linie des Rechts und der Gewohnheit rücksichtslos 
innehalten wollte. Die Geschicke der Stadt ruhten in den Händen 
von schlichten Bürgern, welche sich die Stadtgemeinde selbst setzte. 
An reeller Macht gebrach es ihnen durchaus. Das städtische Re- 
giment führte der regierende Bürgermeister im Verein mit dem 
Rath, den Gemeinsmännern und Schöffen. Letzteren lag unter 
Vorsitz des vom Kurfürsten bestellten Schultheissen vornehm- 
lich die Rechtspflege ob, wiewohl sie auch in anderen städtischen- 
Angelegenheiten, wie z. B. in Betreff der Schule zu Rath gezogen 
wurden. Die anderen Gemeindebeamten theilten sich in die Ver- 
waltung der übrigen städtischen Angelegenheiten. Alle waren sie 
abwechselnd bei der Vereinnahmung der städtischen Accisen thätig. 
Die Steuer, deren Höhe und Vertheilung, setzten nach einem Vor- 
anschlage die in den Stadtvierteln von den mit Bürgerrecht ver- 
sehenen Einwohnern gewählten Gemeinsmänner alljährlich fest. 

Sehen wir uns zunächst nach dem Haupte der ganzen Ver- 
waltung, dem regierenden Bürgermeister, und dessen Befugnissen 
um. Alljährlich am Feste Pauli Bekehrung (am 25. Januar) oder 
am Sonntage nachher fand die feierliche Wahl desselben aus der 
Zahl der Rathsherren — dieselbe war keine stetige — statt, und 
zwar wurde dieselbe von den Bürgern auf folgende Weise gethätigt. 
Die stimmberechtigten, in das Bürgerbuch eingetragenen Bürger 
versammelten sich, wenn die Rathhausglocke sie zum feierlichen 
Akte geladen hatte und die Stadtthore mit dem Schlüsse des 
dritten Läutens geschlossen waren, auf dem Rathhause. Der Rath 
verfügte sich mit den vier Gemeinsleuten in die Rathsstube, wo 
zunächst der abtretende Bürgermeister die schon mehrere Tage 
vorher geprüfte Rechnung legte. War dies Geschäft glatt geord- 
net, so begaben sich die Vierer in die Bürgerversammlung und 
berichteten Uber das Ergebniss derselben, hörten deren Bedenken 
und Beschwerden und trugen dieselben nötigenfalls im Rathe vor. 
War eine Verständigung erzielt oder die Abstellung etwaiger Aus- 



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Hermann Keussen sen. 



stellangen glücklich erreicht oder zugesagt, so traten die Vierer 
zurück und sammelten die Stimmen der Bürger und überbrachten 
dem Rathe den Namen des Erkorenen. In der Regel wurde der 
regierende Bürgermeister wenigstens zweimal — in den kriegerischen 
Zeitläuften auch wohl noch öfter — wiedergewählt, wenn seine 
Amtsführung eine tadellose gewesen oder die Billigung der Bür- 
gerschaft gefunden hatte. Hierauf wurde der Gewählte in feier- 
lichem Zuge, begleitet von Leuchtenträgern, nach seiner Woh- 
nung geführt, wo er nun von allen Betheiligten beglückwünscht 
wurde. Der Schultheiss nahm ihn in Eid und Pflicht, und es be- 
gann hierauf das sogen. Bürgermeisteressen, an dem sich der Rath, 
die Schöffen, die Geistlichkeit, der Rector der lateinischen Schule, 
der kurfürstliche Schultheiss, der Kellner und der Zöllner, sowie 
auch sonstige Freunde betheiligten, und bei dem es oft hoch her- 
giug, natürlich auf städtische Kosten. Die Bürgerschaft versammelte 
sich gleichfalls in ihren Vierteln und verzehrte dort die 8 Tonnen 
Bier, welche der freigebige städtische Säckel spendete. So wurde 
im Jahre 1633 Wilhelm Berkenbusch, der in den Jahren 1611 und 
1612 als glücklicher Schütze sich die Königswürde errungen und 
schon vor 1600 in städtischen Aemtern thätig gewesen war und 
von 1613 — 1617 und später noch öfter das Amt eines ersten Bür- 
germeisters verwaltet hatte, wiederum zum regierenden Oberhaupte 
gewählt. Er sträubte sich, wiewohl vergeblich, die Würde und 
Bürde wieder zu übernehmen. Er hatte die Gemeinsmänner 
dringend gebeten, von seiner Wiederwahl abzusehen, nochmals 
hatte er seiner Unvermögenheit und Gebrechlichkeit halber die 
Bürgerschaft angefleht, statt seiner einen anderen zu kiesen. Er 
blieb der Erkorene und musste mit thränendem Auge und be- 
kümmertem Herzen, gegen seinen Willen, wie er selbst sagt, sich 
zur Annahme des Postens in der schweren Zeit, wo sich die Wol- 
ken für die Stadt aufs schlimmste verdüsterten, verstehen. Mit 
Bezug auf diese Wahl heisst es in der Rechnung vom Jahre 1633: 
Nachdem die Kur geschehen, bat der Schultheiss mit allen Raths- 
verwandten, wie bräuchlich, mich nach Hause begleitet. Denen 
erstlich den Wein geschenkt und allerhand Bankett, Wecken und 
Kreckelinge und Butter vorgesetzt, darnach den Tisch gedeckt 
und bekleidet mit allerhand Speise. Für Kost und Trank mit den 
Leuchtenträgern, wie von Alters her bräuchlich, bei einander ge- 
rechnet, beläuft sich auf 22 Thlr. 2 Stüber und 2 Denare. Das 



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159 



war massig genug, zu anderer, minder bedenklichen Zeit belief 
sich die Ausgabe bedeutend höher. 

Montags nach der Wahl wurde gleichfalls nach altem Brauche 
eine Visitation der Stadtmühlen, Pforten, Brücken u. 8. w. vorge- 
nommen, nach deren Beendigung sich der gesamrate Rath mit 
seinen Frauen, der Schultheis», die Geistlichkeit mit dem Bürger- 
meister zur gemeinsamen Mahlzeit zusammenfanden. In dem gen. 
Jahre 1633 waren 27 Personen erschienen. Die Berechnung stellte 
sich auf 12 Stüber pro Kopf; getrunken wurde den ganzen Tag, 
des Morgens bei der Visitation Branntwein und Bier, des Abends 
bei der Mahlzeit, wo auch die Leuchtenträger wieder anwesend 
waren — zu welchem Zwecke ist leicht zu errathen — 52 Quart 
Wein a 1 Reichsort. Dem erkrankten Rathsherrn Heinrich Classen 
wurde ein gesottenes Huhn nebst 2 Quart Wein ins Haus geschickt, 
der Wittwe des im Jahre 1632 verstorbenen, um Rheinberg hoch- 
verdienten Rathsverwandten Dietrich Lars eine Hammelskeule und 
2 Quart Wein. Der Stadt wurden für die Festlichkeit dieses Tages 
im Ganzen 39 Thlr. 27 Stbr. verrechnet, eine Summe, die im Ver- 
gleich zu anderen Jahren massig genannt werden muss. 

So konnte denn nun, nachdem die Inaugurationsfeierlichkeiten 
altem Brauche gemäss in löblicher Weise abgethan waren, der 
Bürgermeister seines Amtes in voller Würde walten. Noch oft 
genug wurde die ernste Arbeit, die im Uebrigen der Hauptsache 
nach der Stadtsecretär verrichtete oder wenigstens vorbereitete, 
durch heitere Festgelage im Jahre unterbrochen ; sie unterblieben 
selbst dann nicht, wenn die städtischen Finanzen stark ins Ge- 
dränge kamen. So brachte die nächste Gelegenheit zur fröhlichen 
Zusammenkunft Fastnachten. Die vom Adel, der Bürgermeister, 
der Rath und die Schöffen erhielten nach altem Herkommen aus 
der kurfürstlichen Kellnerei 24 Gulden zu einem Gelage verehrt, 
die Stadt schoss noch ein weiteres zu. Da durften denn auch die 
Chorsänger, Schulklerken nebst den Knechten der 3 städtischen 
Mühlen und den Pförtnern nicht leer ausgehen, und so spendete 
der städtische Beutel ihnen freigebig einige Thaler, damit sie bei 
ihrer Mummerei sich die Kehle etwas anfeuchten konnten. Zu 
Ostern fanden sich der ehrbare Rath, der Schultheiss, der Zöllner 
nebst der gesammten Geistlichkeit zu einem Souper zusammen; 
die Chorsänger nebst Rector, Organisten, Küster, Stadt- und Ge- 
richtsboten fanden, wie billig, nach den Anstrengungen der kirch- 



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Hermann Keussen Ben. 



liehen Feierlichkeiten sich gleichfalls ein und stärkten sich mit 
einem erquickenden Trünke. Schultheiss und Pastor gaben frei- 
gebiger Weise je 4 Quart Wein ins Gelage. Damit die Festfreude 
allgemein wurde, erhielten der Gouverneur, dessen Major und Ad- 
jutant den sogenannten Osterwecken, gewöhnlich nicht ausgebacken» 
sondern in Gestalt von iy 2 Malter Weizen, resp. 3 und 2 Fass. 
Auch zu Neujahr wurde diesen eine Spende, oft in Baar, mitunter 
auch in anderer Form verehrt. So erhielten im Jahre 1608 der 
Gouverneur ein Dutzend Krystallgläser und etliche Fische neben 
50 Philippsgulden, der Major einen schweren vergoldeten Pokal 
und 12 Pbilippsgulden, der Adjutant 1 / 2 Viertel (?) Krystallgläser 
und 4 Pbilippsgulden zum Geschenke. Diese Auslage erreichte im 
gen. Jahre die Höhe von mehr als 208 Thalern. Nun kam der 
erste Mai. Die Müllerknechte, zuweilen auch noch die Soldaten, 
fuhren in feierlichem Aufzuge den Maienbaum herum und pflanzten 
ihn vor der Thüre des Bürgermeisters auf. Das durfte natürlich 
ohne eine anerkennende Spende in Bier oder Wein nicht abgehen; 
das städtische Aerar war darauf berechnet, und der Bürgermeister 
durfte ohne Bedenken zu dem Zwecke zugreifen. Am Pfingsttage 
war nach uraltem Brauche wieder Festversammlung. Die Geist- 
lichkeit, der Rath, der Schultheiss, der Rector und die Chorsänger 
tafelten gemeinsam mit dem Bürgermeister; die beiden Stadtboten 
spielten dabei keine stumme Rolle, sondern halfen redlich mit, die 
Feststimmung zu erhöhen. Dasselbe geschah am Weihnachtsfeste 
und am Neujahrstage, so dass an den sogenannten 4 Hochzeits- 
festen des Herrn wirkliche Hochzeitsfeste für die Herren, welche 
das Stadtregiment führten, vorhanden waren. Auer es gab auch 
sonst im Laufe des Jahres noch manche Gelegenheit, wo sieb 
Bürgermeister und Rath für ihren amtlichen Beruf stärken und zu 
neuer Thatkraft erfrischen konnten. Bei jeder amtlichen Zu- 
sammenkunft, und galt es auch bloss den Brotpreis festzustellen, 
war ein kräftiger Trunk aus der mit dem Stadtwappen gezierten 
zinnernen Kanne selbstverständlich, und der Stadtbote versäumte 
niemals die Pflicht der Füllung, sobald Bürgermeister und Rath 
zur Berathung erschienen (ein Mass pro Kopf). Es ist ganz er- 
staunlich, welche Masse von Wein die Stadtobrigkeit in Jahres- 
frist zu sich nehmen konnte; zum Glück war der städtische Wein- 
keller stets gut gefüllt, so dass er auch schon stärkeren Angriffen 
gewachsen war. 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



ltfl 



Des Bürgermeisters vornehmste Pflicht war neben der Re- 
präsentation der Stadt nach aussen hin die Verwaltung der Ein- 
nahmen und Verrechnung der Ausgaben. Ein besonderer Stadt- 
rentmeister war in der damaligen Zeit noch nicht vorhanden. An 
Besoldung empfing der regierende Bürgermeister 50 Thlr. und zur 
Beschaffung seiner Amtskleidung, zu der 12 Ellen Tuch im Preise 
von 2 Thlrn. noth wendig waren, 24 Thlr. Ausserdem erhielt er 
gleich den übrigen Rathsherren sogenannte Präsenzgelder; dieselben 
waren in den einzelnen Jahren verschieden, denn es richtete sich 
deren Höhe nach der Zahl der in den Sitzungen anwesenden Mit- 
glieder. Neben dem Bürgermeister spielte die eigentliche Haupt- 
rolle der gewöhnlich rechtskundige Stadtsecretär. An Jahresgehalt 
stand er um die Hälfte dem Bürgermeister nach, während er in 
Bezug auf die Kleidung demselben gleichgehalten wurde ; später 
wurde freilich auch hierfür nur die Hälfte gewährt. Anscheinend 
sind diese Remunerationen, eigentliche Gehälter sollten es ja nicht 
sein, äusserst knapp und karg, indess ist dabei nicht zu über- 
sehen, dass auch daneben nicht unbeträchtliche Nebeneinnahmen 
liefen, die nicht zur Verrechnung kamen. Alle Verkäufe, Ver- 
pachtungen, Verträge und Gutstibertragungen u. s. w. wurden in 
die ScböffenbUcber getragen. Dies und die Ausstellung und Be- 
siegelung der Urkunden warfen ihre Sportein ab, die nach der 
Zahl der Urkunden aus einzelnen Jahren zu schliessen, nicht un- 
erheblich gewesen sein können. Daneben kamen noch kleine Ver- 
ehrungen aus den benachbarten Orten, um gute Freundschaft zu 
pflegen, u. dgl. mehr. 

Ehe wir über die übrigen städtischen Beamten uns ausführ- 
licher auslassen, wollen wir den Bürgermeister zu seiner Einnahme- 
quelle begleiten. Die reichste Einnahme floss der Stadt aus den 
Muhlengefällen; dieselbe stieg in der Zeit von 1600—1633 von 
2923 auf 3960 Thlr. Freilich gingen hiervon, auch abgesehen von 
den häufigen und mitunter kostspieligen Reparaturen manche 
Posten für die Besoldung des Mühlenmeisters und der Müller- 
knechte ab; dem kurfürstlichen Kellner musste an Pacht für die 
kurfürstliche Mühle jährlich 800 Thlr. gezahlt werden. Reiner 
waren die Einnahmen aus der Weinaccise, die während des Krieges, 
wo die durstigen Soldatenkehlen für einen reichen Konsum sorg- 
ten, beständig stiegen. Während im Jahre 1600 dieselben nur 
958 Thlr. 10 Sttiber aufbrachten, lieferte das Jahr 1634 eine Ein- 

Annaion des hfst. Verein» LXII1. 11 



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162 Hermann Keussen sen. 

nähme von 1250 Thlr. Aus den Nachweisen erhellt, dass man 
sieh mit dem Rebengewächse des Rheines schon nicht mehr be- 
gnügte, auch französische und spanische Weine wurden, wohl in 
Folge des Krieges, in nicht unbeträchtlicher Menge hier einge- 
führt und versteuert. Weitere Einnahmen ergaben daun noch die 
Bürger- oder Fettwaarenaccisen, deren Höhe sehr schwankte; in 
dem einen Jahre sanken die Erträge bis auf 150 Thlr., während 
sie in einem andern, z. B. 1631, sich bis auf 480 Thlr. hoben. 
Eine unsichere Einnahmequelle war die städtische Wage: Im 
Jahre 1608 brachte sie nur 35 Thlr., 1613 aber 250 Thlr., während 
sie bis zum Jahre 1627 wieder zurücksank auf 58 Thlr., indess 
1631 wiederum bis zur Höhe von 235 Thlr. emporstieg. Dahin- 
gegen consolidirten sich die Einnahmen, welche die Fleischaccise 
brachte: 1611 nur 80 Thlr., 1621 hingegen 193 und 1631 sogar 
413 Thlr. Im Jahre 1633, dem Jahre der Belagerung und Er- 
oberung der Stadt, vermochte indess der Anpächter Evert Keussen 
nicht einmal die geringe Pachtsumme von 120 Thlr. herauszu- 
schlagen. Die Branntweinaccise variirte in ihren Einnahmen auch 
sehr stark, in dem einen Jahre brachte sie 65 Thlr., während sie 
in einem anderen gerade die fünffache Einnahme zu verzeichnen 
hatte. Von den städtischen Weiden kamen, je nachdem der Vieh- 
stand stärker oder geringer war, 100—380 Thlr. auf. Im Jahre 
1633, wo die Benutzung der Weiden in Folge der Belagerung fast 
unmöglich war uud viel Vieh theils abgeschlachtet wurde, theils 
Krankheiten erlag, sank die ganze Einnahme auf 81 Thlr. 15 Stbr. 
An drei Thoren (das Rheinthor war ausgeschlossen) wurde Weg- 
geld erhoben, das im Ganzen stark 100 Thlr. jährlich einzubringen 
pflegte. Die Metzger zahlten für den Gebrauch der Fleischhalle 
anfänglich 4, später 12 Thlr. 15 Stbr., die Schuhmacher für die 
Lohbuden auf dem Walle an der Luetpforte nach und nach bis 
zu 24 Thlr. Der Eisenzins belief sich verschieden von 14 Tblr.' 
15 Stbr. bis zu 37 Thlr. 10 Stbr. im Jahre 1633. Der Krämer- 
zins schwankte wieder sehr stark und lässt uus die Einwirkung 
des Geschäftsganges sehr deutlich erkennen: 23 Thlr., 128 Thlr. 
und 68 Thlr. 16 1 /* Stbr., letzteres im Jahre 1633. Kleinere und 
unsichere, weil mehr zufällige Einnahmequellen bildeten die Bür- 
gergelder, welche von dem Neubürger bei der Aufnahme in die 
Bürgerschaft entrichtet, und ebeuso die Zuuftgelder, welche bei der 
Aufnahme neuer Zunftmeister an die Stadt abgeführt werden 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 163 

mussten. Den höchsten Satz von 2 Goldgulden = 4 Thlr. 20 Stbr. 
zahlten die Schuhmachermeister: der bei den .Schneidern und 
Schmieden aufgenommene Meister zahlte nur 1V 2 Goldgulden, wah- 
rend der Leinewebermeister noch etwas wohlfeiler wegkam. Da- 
mit haben wir die 4 Zlinfte oder Aemter genannt, welche im An- 
fange des 17. Jahrhunderts in Rheinberg vorhanden waren. Alle 
Handwerker, auch die ein ganz anderes Gewerbe ausübten, mnssten 
sich darin einordnen. Dass Lohgerber, Sattler und Kürschner 
sich mit dem verwandten Schusterhandwerk zusammengaben, ebenso 
die Gold-, Silber-, Blech- und Kupferschmiede mit den Eisen- 
schmieden, ist schon verständlicb, schwieriger ist es aber, die 
Schreiner und Zimmerleute, die Fassbinder und Maurer zunft- 
mässig unterzubringen. Wenn man aber bedenkt, dass noch heut- 
zutage die Professoren au der Universität Zürich sich in eine der 
-dortigen Zünfte eintragen lassen mUssen, so wird auch wohl hier 
der Gevatter Schneider liberal genug gewesen sein, dem einen oder 
andern Handwerksgenossen, z. B. dem Hutmacher, sein Zunfthaus 
zu öffnen. Alljährlich feierten diese Zünfte am Patronstage das 
Stiftungsfest, zu dem die Stadt jeder Zunft 1 — 1 l / a Tonne Bier 
ins Gelage verehrte. Man mag über die Zünfte und deren Be- 
deutung denken, was man will, man mag in mancher Bestimmung 
etwas Barockes und Lächerliches finden, sie waren gleichwohl ein 
treffliches Bindemittel, das die Bürgerschaft zusammenhielt und 
den Bürgersinn weckte und förderte. Ein Gleiches thaten auch 
die Gilden und Bruderschaften. Drei davon trugen mehr einen 
weltlichen Charakter und dienten dazu, die Waffen- und Schiess- 
fertigkeit der Bürger zu fördern, andere dienten rein kirchlichen 
Zwecken. Die ersteren waren die St. Sebastianus-, die St. Michaelis- 
und drittens die anscheinend vornehmere St. Georgsgilde. Die 
beiden erstgenannten hielten gemeinsam ihr Vogelschiessen am 
Christi- Himmelfahrtstage ab, während die St. Georgsbruderschaft 
in weniger regelmässigen Zwischenräumen dieses gesondert that. 
Die Stadt öffnete bei diesen Bürgerfesten, wie billig, ihren Bier- 
keller wieder und gab jeder Gilde 1 Tonne Bier ins Gelag; für 
die St. Georgs- Bruderschaft fiel indess durchgängig etwas mehr 
ab. Im Jahre 1610 schenkte der Bürgermeister Dietricli Lars der 
-St. Sebastianus -Bruderschaft eine Silberplatte mit den 3 Gilden- 
patronen und dem Rheinberger Stadtwappen. 

Die Gesammtheit der städtischen Einnahmen betrug durch- 



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Hermann Keussen sen. 



schnittlich im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts 5500 Thlr. Nicht 
selten war die Einnahme nicht ausreichend, die geforderten Be- 
dürfnisse zu befriedigen, namentlich in der Zeit, wo unerwartete 
Forderungen an die Stadt gestellt, Contributionen, starke Ein- 
quartirungen u. dgl. an dieselbe herantraten. Der Bürgermeister 
schloss mitunter mit einem beträchtlichen Defizit seine Rechnung, 
und nicht selten musste er eine lange Zeit warten, ehe er seinen 
Vorschuss zurückerhielt. Im Jahre 1610 betrug das Defizit 2055, 
im Jahre 1611 3159, 1629 3931, 1630 3774, im Jahre 1633 sogar 
4891 Thlr. Diese Ausfälle wurden selten bei der nächstjährigen 
Steuerverrechnung mit in Anrechnung gebracht, gewöhnlich durch 
Kapitalaufnahme gedeckt, die dann nach uud nach in günstigeren 
Jahren wieder abgetragen wurde, oft auch Jahrzehnte sich durch 
die Rechnungen schleppte, weil die Herleiher mit der pünktlichen 
Zinszahlung sich zufrieden gaben. Mitunter wurden, wenn die 
Noth drängte oder kein Geld zu beschaffen war. durch besondere 
Umlagen, die in den Vierteln durch die Gemeinsmänner vertheilt 
und erhoben wurden, die nöthigen Gelder herbeigeschafft. 

In den Ausgaben, die stets durch die Hand des Bürger- 
meisters gingen oder wenigstens auf dessen Anweisung hin er- 
folgten, sind mehrere Rubriken, die besonders unsere Aufmerksam- 
keit erregen. Die eine ist mit der Ueberschrift „Verehrungen" 
versehen; sie enthält viel Lehrreiches und Interessantes, indem in 
diesem Kapitel nur von Ehrengeschenken , Gastmählern und 
Spenden, über die der Rath mit dem regierenden Bürgermeister 
freie Hand hatte, die Rede ist. Wir hören darin zunächst von 
all den hohen Herren und vornehmen Besuchen, die sich zur Zeit 
hier einfanden und niemals unbeschenkt von hier fortgingen. 
Das erste, was den vornehmen Gästen entgegengebracht wurde, 
war der Ehrentrank, der durchgängig, namentlich je nach dem 
Ansehen der Persou, sehr reichlich ausfiel. Mitunter fiel neben der 
Weinspende auch noch manche kostspielige Verehrung ab. Wir 
wollen dazu einige Beispiele geben, wie sie sich gerade darbieten. 
So erhielt im Jahre 1609 der Gouverneur, als er den Rath der 
Stadt zu des Fähnrichs Hochzeit geladen, 1 Ohm Wein von 38- 
Thlr. 13 Stbr. verehrt. Dem hochwürdigen Herrn Koadjutor wurde 
im selben Jahre, als er auf Haus Eyll zum Besuche weilte, ein 
Fässlein Wein nebst 2 feisten Hämmeln im Werthe von 52 Thlr. 
ilbersandt. Im Jahre 1611 wurde dem neuen Gouverneur bei seiner 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



1*55 



Ankunft zum Willkomm ein Oxbeft französischen Weines und ein 
vergoldetes Trinkgeschirr verehrt; es kostete diese Verehrung 
der Stadt 118 Thlr. 3 Stbr. Der Koadjutor kam im August dieses 
Jahres wieder nach Haus Eyll ; es wurde ihm abermals ein Fäss- 
lein Wein zu 41 Thlr. und 7 Malter Hafer zu 24 Thlr. verehrt. 

- 

Da die Säcke nicht zurückkamen, so wurden dieselben noch mit 
7 Thlr. verrechnet. Aus der kurfürstlichen Kellnerei wurden dem 
Gaste noch 35 Hühner in die Küche geliefert. Als er bald nach- 
her am 24. August auf seiner Reise nach Recklinghausen Jdie Stadt 
passirte, wurde ihm und seinen Räthen ein Bankett gegeben, das 
sich die Stadt 39 Thlr. kosten liess. Der Weihbischof Theodor 
Riphahn, der acht Tage früher einen Altar in der Kirche weihte, 
erhielt damals an Wein und Geld 25 Thlr. 27 V 2 Stbr. gutgethan. 
In demselben Jahre wanderte eine andere Verehrung in der Ge- 
stalt von 51 Schinken nach Brüssel, wahrscheinlich um die dort 
anwesenden Rheinberger Rathsherren in ihren diplomatischen Ge- 
schäften zu unterstützen. So verging kein Jahr, wo nicht die 
städtische Kasse nach dieser Seite hin beträchtliche Auslagen zu 
machen hatte. Die vornehmeren Besuche hören namentlich zur 
Zeit des dreissigjährigen Krieges gar nicht auf, der eine löste den 
andern ab: heute war es der gewaltige spanische Kriegsoberst 
Marquis Spinola, morgen der Kurfürst von Brandenburg oder der 
Fürst von Neuburg, der sich von der Stadt bewirthen liess. Dann 
kam der Oberst de Velasco, der Kardinal Graf Hohenzollern oder 
der berühmte und geflirchtete Parteigänger Graf Heinrich von dem 
Berg oder der Graf Johann von Nassau oder der Kriegsoberst 
de Cordova, der seinen Einzug in Rheinberg hielt Die städtischen 
Rechnungen verzeichnen sehr gewissenhaft diese Besuche, von 
-denen es sehr zweifelhaft ist, ob sie der Stadt lieb und werth 
kamen. Einzelne interessante Notizen aus denselben wollen wir 
/hier noch anschliessen. So heisst es in der Rechnung vom Jahre 
1621 : Als der Kommandeur Nicolaus de Grandtallier aus dem 
"Gouvernement gekommen, hat man für ihn und seine Bagage in 
•der Herberge au Wein, Kost und Hafer 25 Thlr. 12 Stbr. zahlen 
und für denselben noch auf städtische Rechnung bestellen müssen : 
Teller, Schüsseln, Leuchter von Zinn, 59 Pfund schwer a 14 Stbr., 
und ausserdem noch 3 Leuchter für 30 Thlr. 15 Stbr. Ausserdem 
Terlangte er ein Tafeltuch und Servietten, wozu die Stadt 357* 
Ellen Gebild ä 19 Stbr. anschaffte. Mit Mach- und Waschlohn 



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Hermann Keussen sen. 



erforderte dies einen Betrag von- 25 Thlr. 24 Stbr. Im Jahre 1G23^ 
musste für den Kommandanten Caberniel gleichfalls Tisch- und 
Bettzeug beschafft werden, was eine Ausgabe von 26 Thlr. 20 
Stbr. erheischte. Dem Herrn Gerlingh Ruiss wurde, „damit der- 
selbe bei dem Gouverneur möchte bedienstlich und bei den Herren 
von der Finanz zu Brüssel beförderlich sein", ein goldener 
Pokal von 97 Thlr. und dessen Tochter 3 Thlr. verehrt. Im Mai 
1624 wurde dem Kommandeur abermals ein grosses Tafeltuch 
nebst 12 Servietten und 4 Handtüchern für 13 Thlr. 3 Stbr. ge- 
liefert; im November erhielt er nochmals neben einer neuen 
Schüssel 1 Dutzend Servietten zu 8 Thlr. und 2 Tafeltücher zu 
4 Thlr. Im Jahre 1627 präsentirt sich wieder eine Lieferung von 
15 Ellen Franzpellen für 12 Servietten a 11 Stbr. Im Jahre 1628 
liess die Stadt von Köln 6 neue Kannen, „mit welchen der Wein 
verehrt wurde", kommen; sie wogen 87 Pfund und kosteten mit 
Fracht 54 Thlr. 14 Stbr. 

Nicht selten zog man es vor, die Verehrung in baarem Gelde 
zu bezeugen. So erhielt im Jahre 1629 der Gouverneur Losano 
zum Willkommen 100 alte Rthlr. = 196 Thlr. 20 Stbr., der Audi- 
teur und Schreiber 14 alte Rthlr. = 27 Thlr. 16 Stbr., während 
der Fourier- Offizier sich mit einem Paar Hosen begnügte. Es 
Hessen sich diese Ausgabeposten in endloser Weise vermehren, 
aber es genügt wohl, um sich ein kleines zutreffendes Bild von 
den unverschämten Forderungen der Kriegsobersten jener Zeit zu 
machen. Die Opfer inussten gebracht werden, um wenigstens er- 
warten zu dürfen, dass jene nicht beide Augen vor den Ge- 
walttätigkeiten und Willkürlichkeiten ihrer Untergebenen ver- 
schlossen. Welchen schweren, wenig beneidenswerthen Stand der 
Bürgermeister und Rath in diesen kritischen Zeiten einnahmen, 
ist leicht zu errathen. Neben ihnen hatte der Stadtsecretär die 
Hände voll Arbeit, und es war nicht mehr wie billig, dass man 
ihm für seine ausserordentliche Bemühung eine besondere Re- 
muneration zuerkannte. Aber auch die übrigen städtischen Be- 
amten waren nicht wenig in Anspruch genommen, so der Stadt- 
bote, dessen Stellung überhaupt nicht unterschätzt werden darf. 
Im Jahre 1609 empfing er als Besoldung nur 9 Thlr., dazu t> 
Ellen Tuch a 1 Thlr. für seine Bekleidung und einen Hut zu 
1 Thlr. 28 Stbr. Aber nicht lange nachher wurde ihm für seine 
vielfältige Mühe eine bleibende Zulage von 33 Thlr. zugebilligt 



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Heiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



167 



An den Gastereien hatte er seinen reichen Antheil, und auch sonst 
mag noch manches für ihn abgefallen sein. Besoldet oder bekleidet 
wurden auch der Stadtzimmermann und die 3 Stadtpförtner; der 
am Xantener Thor erhielt, weil er den beschwerlichsten Posten 
inne hatte, 6 Thlr. mehr als die übrigen. Auch die Hebamme 
oder Wehemutter stand in der städtischeu Rechnung mit 8 kölnischen 
Gulden = 8 Thlr. 28 Stbr. angesetzt; leider wurde der Posten in 
manchem Jahre gestrichen, weil keine Hebamme vorhanden war. 

Aus der Stadtkasse bezahlt wurden, um das gleich hier bei 
den Gehaltsausgaben anzureihen, auch der Rector der lateinischen 
Schule und der deutsche Schulmeister, was als ein Beweis dafür 
gelten mag, dass diese Schulen nicht Kirchen-, sondern Gemeinde- 
schulen waren. Im Jahre 1608, wo ein neuer Rector, Herr An- 
dreas — vermuthlich der spätere Vikar Ten Bige — angestellt 
wurde, erhielt derselbe einen Miethpfennig von 1 Thlr. 27y 2 Stbr. 
und an Jahresgehalt 120 Thlr.; der im gleichen Jahre angenommene 
Unterschulmeister Petrus empfing den gleichen Miethpfennig, aber 
nur die Hälfte jenes Gehaltes. Die Stadt verstand sich auch dazu, 
dem Rector Andreas, der aus Essen herüberkam, den Fuhrlohn für 
seine Effekten mit 6 Thlr. 28 Stbr. zu bezahlen, wie sich das der- 
selbe wohlweislich ausbedangen hatte. Sehr lange haben die 
Lehrer hier selten ausgehalten; meistens zogen sie nach kurzer 
Zeit wieder ab. Worin das seinen Grund gehabt, lässt sich aus 
den Stadtrechnungen nicht mit voller Sicherheit erkennen. Ver- 
muthlich hat der Krieg daran seinen unheilvollen Antheil gehabt, 
möglicher Weise auch das knappe Gehalt, da dasselbe mehrfach 
abgeändert wurde. Namentlich wechselten die Rectoren häufig 
ihre Stellung. Im Jahre 1612 wurde ein neuer Rector, Meister 
Cornelius, angenommen, dessen Miethpfennig auf 3 Thlr. und das 
Gehalt auf 125 Thlr. erhöht wurde. Bei seiner Einführung gab 
der Rath einen reichlichen Weintrunk. Der treu ausharrende 
Unterschulmeister Peter erfreute sich gleichfalls der Erhöhung 
seines Gehaltes um das Doppelte. Im Jahre 1616 erhielt der 
Rector Cornelius eine Zulage und zwar für eine neue Kleidung, 
die ihm der damalige Bürgermeister Laers im Adler bei der Zeche 
in der Weinlaune zugesagt hatte. Die dafür ausgelegte Summe 
belief sich genau so hoch, wie diejenige, welche der Stadtbote 
alljährlich dafür erhielt. Im darauf folgenden Jahre empfing er 
eine weitere wöchentliche Zulage von 10 Stbr. Seit dem August 



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Hermann Keussen sen. 



des Jahres IG 15 stossen wir auch auf einen französischen Schul- 
meister, dem die Stadt freie Wohnung zugesichert hatte. Im Jahre 
1621 legte der Schulmeister Peter sein Amt nieder, nicht lange 
nachher auch der genannte Rector, so dass beide Stellen vakant 
waren. Es gelang aber bereits im Jahre 1622, beide wieder zu 
besetzen. Meister Gerhard wurde Rector mit dem alten Jahres- 
gehalt von 125 Tblr., während der Unterschulmeister Meister Hein- 
rich Bredenbach sich anfänglich mit 70, später mit 90 Thlr. be- 
gnügen musste. Dem Rector hatte man nun aber den Organisten - 
dienst ohne weitere Entschädigung mit aufgehalst. Lange hat er 
nicht ausgehalten, denn bereits im Jahre 1627 fungirte Bartholomäus 
Mortiers als Rector ; • sein Gehalt empfing er in vierteljährigen 
Raten, später monatlich. Er war verheirathet und wusste sich 
wegen seiner vielseitigen Kenntnisse bald unentbehrlich zu machen. 
Mit der brabantischen Sprache wohl vertraut, wurde er vielfach 
in den . städtischen Angelegenheiten benutzt. Als im Jahre 1633 
der Stadtsecretär Johann Wirichs aus Geldern gestorben war, 
wusste man in jenem kritischen Zeitpunkte keinen geeigneteren 
Nachfolger zu finden, als den gewandten Rector Mortiers. Das 
Stadtsecretariat hat er bis zum Jahre 1657 verwaltet. An die 
Steile des deutschen Schulmeisters Heinrich Bredenbach, der sich 
in jener eines Organisten behaglicher fühlte, wurde ein gewisser 
Meister Matthias berufen. Denselben hatten die Bürgermeister Wil- 
helm Herckenbusch und Jacob Goff bei ihrer Rückkehr vom Land- 
tage in Köln glücklich aufgefunden und engagirt. Am 10. August 
1631 kam er in Rheinberg an und wurde mit einem Weintrunk 
willkommen geheissen. Am Tage nachher wurde er in des Raths- 
herrn Laers Hause examinirt und hierauf der Kontrakt geschlossen. 
Er gab sich mit einem Monatsgehalt von 7y 2 Thlr. zufrieden. Mit 
seiner Kleidung scheint es nicht sonderlich bestellt gewesen zu 
sein, da ihn die Frau Bürgermeisterin gleich bei seinem Amts- 
autritte aus der Garderobe ihres Mannes mit einem Mantel und 
Rock versah und ihm dafür in seinen Gehaltsbezügen 16 Thlr. 
22 Stbr. 2 Deut berechnete. Im Dezember, als es kälter wurde, 
kaufte der Bürgermeister neue Decken für ihn, nachdem man bereits 
früher eine neue Bettstätte für ihn beschafft hatte. Es wurden 
ihm dafür zusammen 11 Thlr. 28 l / 2 Stbr. in Anrechnung gebracht. 
Nachdem am 12. September der Rath mit dem Kaplan und den 
beiden Vikaren die Schule visitirt uud die Jungen examinirt und 



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Beiträge ztir Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



KI9 



nachher einen kräftigen Schluck bei dem ehemaligen Rector, jetzigen 
Vikar Andreas Ten Biege gethan hatte, konnte endlich am Tage 
nachher die Einführung des Meisters Matthias vorgenommen wer- 
den. Sie geschah durch den Rath im Beisein des Rectors und 
der Geistlichkeit. Ein guter Trunk reihte sich natürlich an diese 
Festlichkeit. Bei seiner Anstellung kam ein neues Schulreglement 
zur Geltung. Meister Matthias wurde aber nicht sesshaft, bereits 
im Juli des nächsten Jahres quittirte er seine Stelle, die nun 
wieder Bredenbach zugleich mit der Organistenstelle gegen eine 
Zulage von 50 Thlr. verwaltete. Bis zum Jahre 1634 verblieb er 
in dieser doppelten Stellung mit einem Gehalte, wie es Meister 
Matthias bezogen. Das genannte Jahr brachte, da die Stadt sich 
in der Gewalt der Niederländer befand, für das städtische Schul- 
wesen eine verhängnissvolle Umwälzung. Jene verlangten, wie das 
schon im Jahre vorher versucht worden war, die Anstellung eines 
reformirten Schulmeisters auf städtische Kosten. Es blieb nichts 
anderes übrig, als zu gehorchen und die zweite Lehrerstelle, für 
welche ein Gehalt von 100 holländ. Gulden = 120 Thlr. verlangt 
wurde, einem Reformirten zu Übertragen. Für die Besorgung des 
Uhrwerkes auf der Kirche, die nun gleichfalls in die Hände der 
Reformirten überging, mussten weitere 20 Thlr. an den Lehrer 
aus dem städtischen Aerar bezahlt werden. Die katholische Schule 
fand ein vorläufiges Unterkommen auf dem Kamper Hofe, wofür 
der Abtei eine jährliche Miethe von 8 Thlr. zu entrichten war. 
Für den katholischen Lehrer findet sich in den nächsten Jahren 
keine Gehaltsposition im städtischen Etat verzeichnet. Als ersten 
reformirten Schulmeister nennen die Akten den Magister Johann 
Langenhoven. Schon früher war in der Zeit von 1601 — 1006, wo 
die Generalstaaten Rheinberg besetzt hielten, ein reformirter Lehrer 
angestellt worden, zu dessen Besoldung der Rath einen Zuschuss 
hatte leisten müssen. Jetzt war die Sache ernstlicher geworden, 
indem von Seiten der Generalstaaten gewaltsam das Schulhaus in 
Besitz genommen und dem reformirten Lehrer überwiesen wurde. 
Dieses lag auf der Marktstrasse und wurde im Jahre 1640, da es 
in Folge der Beschiessung der Stadt baufällig geworden war, 
einer gründlichen Reparatur unterworfen. In den Akten des Jahres 
1633 heisst es: Am 1. September wurde die Stadtschule vom Mi- 
litär mit Gewalt aufgeschlagen und in Besitz genommen. 

Ueber die kirchlichen Verhältnisse in jener Zeit erfahren 



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170 



Hermann Keussen sen. 



wir, wie das in der Natur der Sache liegt, aus den Stadtrech- 
uungen nur Weniges. Nur da, wo das städtische Regiment seinen 
berechtigten Einfluss geltend machte, wird auch ihrer, doch nur 
in spärlicher Weise, gedacht. So ergiebt sich aus denselben, dass 
auch hier, wie allerwärts am Niederrhein, der Thurm der Kirche 
Eigenthum der bürgerlichen Gemeinde war, da dieselbe für dessen 
Instandhaltung und für die der Thurmuhr und des Geläutes zu 
sorgen hatte. Im Jahre 1008 wurde der Thurm reparirt und die 
Anschaffung einer neuen Thurmuhr beschlossen. Einem nicht ge- 
nannten Meister von Goch wurde die Anfertigung übertragen. 
Leider fehlt die Rechnung vom Jahre 1610, in der die Verrech- 
nung derselben enthalten sein muss. Im Jahre 1611 stellte es 
sich heraus, dass die Glocken umgehängt werden mussten. Der 
beabsichtigte Zweck wurde aber nicht erreicht, und so niusste im 
Jahre 1612 auf Kosten der Stadt die mittlere Glocke umgegossen 
und im Jahre 1614 zwei neue Glocken, da die alten unbrauchbar 
und schadhaft waren, durch den Meister Heinrich Keldermann 
aus Köln angefertigt werden. Für die Lieferung einer weiteren 
Glocke hatten sich die Bruderschaften anheischig gemacht. Im 
Jahre 1627 wurden die Uhren auf dem Kirchthurm und am Rath- 
hause einer umfassenden Reparatur unterworfen und mit Schlag- 
werk versehen. Die Arbeit wurde einem Mörser Uhrmacher Uber- 
tragen, wahrscheinlich weil hier kein qualifizirter vorhanden war. 
Die Kosten trug die Stadt. Im Jahre 1612 schlug der Blitz in die 
Kirche und verursachte auch am Orgelwerk beträchtlichen Scha- 
den. Im Jahre 1622 war ein neuer Pfarrer eingesetzt worden, 
der im Jahre 1631 der „abscheulichen Plag", der Pest, erlag. 
(Name nicht genannt.) Im selben Jahre am 25. November starb 
auch der Rector des St. Barbaraklosters P. Vitus (?) an derselben 
Krankheit. Bei ihrem Begräbniss hatten die Herren geistlichen 
und weltlichen Standes auf Kosten der Stadt und mit tbränenden 
Augen 52 Thlr. 27 Stbr. beim Leicheuschmause verthan. Auch der 
Kaplan Jacob Lars wurde am 18. September desselben Jahres von 
der tückischen Krankheit weggerafft. Die Wiederbesetzung der 
erstereu und der letzten Stelle führte zu allerhand widerwärtigen 
Weitläufigkeiten. Am 6. August bereits wurde Herr Praest dem 
Rathe als Pastor präsentirt. Als er am 9. Dezember vom Pfarr- 
hause Besitz ergreifen wollte, erschien der Stadtsecretär Johann 
Wirichs in Begleitung von Johann Weyers, Friedrich Keussen uud 



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Beiträge zur Geschichte Crefelda und des Niederrheius. 



171 



des Stadtboten Bartels und stellte dem Pastor eine schriftliche 
Protestation zu, dass er uraltem Gebrauch zuwider sich der Pastorat 
bemächtigen wolle. Wahrscheinlich hatte er es unterlassen, die 
Einweisung durch den Rath nachzusuchen. Die Differenz scheint 
aber bald ausgeglichen worden zu sein, da er Weihnachten bereit» 
an dem Gelage der Rathsherren theilnahm. Wegen Anstellung eines 
neuen Kaplans wurden lange Verhandlungen gepflogen. Zu der 
Stelle hatte sich der Pastor von Sevenar Johann Brackelmann ge- 
meldet. An» 18., 19. und 20. Oktober waren die Bürgermeister 
nach Xanten gereist, um mit ihm zu verhandeln. Am 21. kam er 
in ihrer Begleitung nach Rheinberg und wurde freundlich bewill- 
kommnet. Noch am selben Tage, da er allgemein gefallen, reisten 
der Rathsherr Barll und der Vikar Ten Biege mit demselben zum 
Abte von Kamp nach Neuss, wo dieser damals, da Kamp gänz- 
lich zerstört war, residirte, um seine Zustimmung zu der Wahl 
zu erlangen. Am 25. Oktober kehrten die Herren zurück und 
präsentirten nun dem bestätigten neuen Kaplan den Ehrentrunk. 
Mit dem Kloster St. Barbara, das im August 1615 von einem 
starken Brande heimgesucht worden war, bei dem die Bürger- 
schaft sich durch treue Beihülfe hervorgethan, stand damals die 
Stadt nicht mehr auf sonderlich freundlichem Fusse. Der neue 
Rector P. Johann Kemnier hatte wider alles Recht und gegen die 
alten Privilegien der Stadt die Absicht, eine Rossmtihle inner- 
halb der Klosterräumlichkeiten zu erbauen. Der Gouverneur von 
Rheiuberg, von Diestorf, schien das Unternehmen zu begünstigen. 
Die Stadt protestirte aber auf das energischste und sandte Schrei- 
ben und Deputirten an den Kurfürsten und bat um dessen Hülfe. 
Aucb an den Gouverneur richtete dieselbe ernstliche Vorstellungen. 
Sie erreichte zunächst aber nur das, dass der Gouverneur nur 
dann sich gegen des Rectors Vorgehen aussprechen wolle, wenn 
die Stadt selbst, natürlich auf ihre Kosten, eine Rossmühle erbauen 
würde. Alle Gegenvorschläge prallten ab, und so musste die Stadt 
widerstrebenden Herzens unter den ungünstigsten finanziellen Ver- 
hältnissen sich zum schweren Opfer verstehen. Der Bau kostete 
derselben 2223 Thlr. 17 Stbr. In weit besserem Verhältniss stand 
die Stadt zu den Vikaren, die als Bttrgerkinder aufgewachsen, 
ihre Studien zu einem guten Theile aus den reichen städtischen 
Stiftungen bestritten hatten und vom Rathe selbst in ihre Pfründen 
berufen waren. So waren auch die Vikare, die zu dieser Zeit 



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172 



Hermann Keussen sen. 



iüngirten, Andreas Ten Biege und Friedrich Fehr, Söhne der 
Stadt. Sie nahmen den innigsten Antheil an dem Wohl und Wehe 
ihrer Mitbürger und waren gerne bereit, denselben ihre Dienste 
anzubieten. Namentlich tritt der erstere mannigfach hervor, ein 
dem Anscheine nach vielseitig gebildeter und umgänglicher Mann. 
Mehrmals Hess er sich im Auftrage der Stadt, und das nicht ohne Erfolg, 
zu diplomatischen Geschäften gebrauchen, bald um irgend ein Zuge- 
ständniss zu erwirken, bald um Schlimmes von der Stadt abzuwenden. 

Solche Reisen waren aber in den damaligen unruhigen Zeit- 
läuften, wo die Landstrassen von Wegelagerern und Freibeutern 
oder von streifenden Soldaten äusserst gefährdet waren, kein Ver- 
gnügen. Die Bürgermeister der Stadt Rheinberg haben das zu 
erfahren mehrmals die traurige Gelegenheit gehabt. Als am 
20. Mai 1613 der Bürgermeister Herckenbusch mit dem Rathsherrn 
Laers nach Brühl reiste, wurde er unterwegs, und wie es scheint, 
schon diesseits Mörs, von Räubern Uberfallen und mit den Waffen 
bedroht. Sie mussten ihr Geld und „alles nothwendige Gezeug", 
das sie bei sich hatten, herausgeben, wodurch die Reise unter Be- 
rechnung des Werthes der geraubten Gegenstände die erkleckliche 
Summe von 139 Thlr. 157 2 Stbr. kostete. Als der Sohn des Amt- 
manns die Nachricht nach der Stadt überbrachte und die Er- 
greifung der Räuber, die in der Nähe anzutreffen seien, in Aus- 
sicht stellte, setzte ihnen der Bürgermeister mit 8 Soldaten nach, 
aber weiteren Erfolg, als dass sich die städtische Rechnung um 
5 Thlr. 27 Stbr. für aufgewandte Zehrkosten erhöhte, hatte dies 
nicht. Noch ein zweites Mal kam derselbe Bürgermeister Hercken- 
busch, der ein grosser Pechvogel gewesen zu sein scheint, in die 
unliebsamste Berührung mit Freibeutern. Es war im Jahre 1631, 
als er mit dem Raths verwandten Goff vom Landtage heimkehrend 
den glücklichen Griff nach einem Schulmeister gethan; sie waren 
am 27. Juli nach einem guten Frühstück in Düsseldorf auf ein 
Schiff gegangen und fuhren wohlgemuth rheinabwärts. Als sie in 
die Nähe des Duisburger Waldes gekommen, wurden sie plötzlich 
und unerwartet von niederländischen Soldaten angehalten und aus- 
geplündert, und sie wären, wenn sich der Schiffsknecht nicht 
tapfer ihrer angenommen hätte, weiter fortgeschleppt worden. 
Sie kamen am Abend noch glücklich an die Ruhr und am andern 
Tage mit Thorschluss ohne weitere Abenteuer nach Rheinberg 
zurück. Dem Schiffer hatten sie aus Dankbarkeit l 1 /* Thlr. an 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und de9 Niederrheins. 



173 



Trinkgeld verehrt. Aus einer über diesen wenig erbauliehen 
Zwischenfall eingereichten Schadenrechnung erfahren wir noch, 
dass der Bürgermeister, als das Schiff vom Lande aus bedroht 
wurde, vorerst 2 Rthlr. und dann noch Va Königsthaler ans Land 
geschickt hatte." Damit hatten aber die Streifer sich ( nicht zu- 
frieden gegeben, sie hatten sich vielmehr des Schiffes bemächtigt 
und hierauf die Reisenden gründlich durchsucht. Sie nahmen dem 
Bürgermeister seinen Beutel ab mit 5 Thlr. 27 Stbr. und ausser- 
dem 1 Hemd, 2 Kragen, 2 Schlafmützen mit Kanten werk, 2 
Taschentücher, 1 Paar neue leinene Hosen und 1 Paar neue leinene 
Socken. Seinen Gesammtverlust berechnet er auf 26 Thlr. 20 
Sttiber. Ein gleiches Missgeschick hatte im April des Jahres 1633 
der Rathsherr Rutger von Laeck. Er wurde von schwedischen 
Soldaten gefangen genommen und fortgeschleppt. Als am 18. April 
der Schultheiss dem Bürgermeister die Nachricht brachte, dass 
jene Soldaten wiederum vor der Stadt im Busch lägen, wurden 
80 Bürger ausgesandt, um jene Streiferbande aufzuheben. Ob es 
gelungen ist, wird nicht weiter gemeldet. Ein anderesmal musste 
der Bürgermeister seine Reise zum Landtage unterbrechen und 
eiligst umkehren, da ihm in Neuss die Gefährlichkeit der Weiter- 
reise in wenig verlockenden Farben geschildert wurde. Lägen 
uns die Gerichtsakten aus jener Zeit vor, so würden uns jeden- 
falls weit bedenklichere Dinge Uber die Unsicherheit auf den Heer- 
strassen und über die Sittenverwilderung und Verrohung des 
Volkes gemeldet. Die Stadtrechnungen streifen diese Zustände 
nur gelegentlich. In den Kellnereirechnungen haben sich gleich- 
falls einige dürftige Nachrichten über Kriminalfälle aus der hie- 
sigen Gegend erhalten. Im Jahre 1608 wurde ein Verbrecher aus 
Rheinberg, den man in Orsoy eingefangen und zu Schiffe herüber- 
geschafft hatte, hier vor Gericht gestellt. Johann van Dunkeren, 
so hiess er, wurde am 29. September vom Scharfrichter aus Duis- 
burg peinlich verhört, das heisst gefoltert, und dann am 4. Oktober 
mit dem Schwerte hingerichtet. Sein Leichnam wurde aufs Rad 
geflochten. Ein zweiter Verbrecher, Kerstgen (Christian) von 
Alpen, oder wie er sich selber nannte, Pöttgen voller Teufel, war 
insofern glücklicher, als es ihm gelang, trotzdem er mit einer Kette 
um den Leib gefesselt und auch an Händen und Füssen hart ge- 
schlossen war, Eisen und Schloss zu zerbrechen und aus dem 
Kerker zu entkommen. Im Jahre 1610 war einer mit Namen 



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Hermann Keussen sen. 



Molstroe auf St. Jobannisabend ausgegangen, teuflische Kunst zu 
versuchen. Der Teufel hatte ihm aber bei dem unsauberen Ge- 
schäft den Hals gebrochen. Sein Leichnam wurde indess dem 
Gericht überliefert, das ihn mit einem Pferde aus der Stadt schlei- 
fen und vor dem Xantener Thor unter dem Galgen begraben Hess. 
Sein Beschwörungs- und Zauberbuch wurde auf Befehl des Kur- 
fürsten noch nachträglich am 9. Juli auf öffentlichem Markte ver- 
brannt. In demselben Jahre am 10. März wurden 3 Strassen- 
räuber von den Soldaten aufgegriffen, in die Stadt gebracht uud 
zum Tode verurtheilt. Ein Dieb, Nicolaus Schöffen aus dem 
Ltittich'schen, wurde am 4. September 1612 in Haft genommen 
und am 22. Dezember vom Scharfrichter mit Ruthen gestrichen. 
Im Jahre 1613 wurde einer wegen eines mutbwilligen Todschlages 
öffentlich hingerichtet. Aus den nächsten 20 Jahren fehlen uns 
für Rheinberg nähere Mittheilungen, man würde aber fehlgehen, 
wollte man glauben, dass es in jener Zeit besser geworden, im 
Gegentheil werden sich die Verbrechen in Folge des verderblichen 
Krieges und der daraus entspringenden Arbeits- und Zucbtlosig- 
keit und grossen Armuth eher vermehrt als vermindert haben. 
Die meisten Verbrecher barg die Armee in ihren Reihen; sie 
fanden durch Eintritt in dieselbe, der meistens unter falschem 
Namen erfolgte, Gelegenheit, sich den Händen der Gerechtigkeit 
zu entziehen. 

Eine eingehendere Darstellung der eigentlichen Kriegsleideu, 
der vielen unsagbaren Erpressungen und Quälereien, welche die 
verschiedenen Heere mit ihren Führern sich in der Stadt und an 
deren Bürgern erlaubten, haben wir bei einer anderen Gelegenheit 
(oben n. 6) gegeben. Es sei uns gestattet, noch Einiges hinzu- 
zufügen, welches, allerdings in unmittelbarster Verbindung mit 
dem unseligen Kriege stehend, doch nicht ausschliesslich auf 
dessen Rechnung gesetzt werden darf. Es ist jene furchtbare 
Krankheit, welche in mehrmaliger Wiederkehr die schon ohne- 
hin zur furchtbarsten Verzweiflung gehetzte Bevölkerung in der 
damaligen Zeit erleben musste. Die Pest fand sich zum 
Schrecken der geängstigten Bewohner hier ein und raffte viele 
derselben, manche mögen sie als eine Befreierin aus dem 
grossen Leid willkommen geheissen haben, in frühem Tode weg. 
Im Jahre 1615 trat sie zum ersten Male in der Nähe in ver- 
heerender Weise auf. Die Stadt traf aber alle möglichen Vor- 



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Beiträge zur Geschichte Crefelds und des Niederrheins. 



175 



sichtsmass-regeln, um die Geissei von sich fernzuhalten. Bei Ge- 
legenheit der Kirmes stellte der Rath Männer an die Thore, 
welche alle diejenigen von der Stadt vvegweisen sollten, welche 
aus Ortschaften kamen, wo die Pest herrschte. Er Hess Brunnen 
am Kloster, auf der Goltstrasse, auf der Weber- und Kasseler- 
strasse und an der Krone anlegen und alle todten Hunde und 
Bestien sofort von der Strasse bringen. Auf den öffentlichen 
Plätzen wurden Feuer angezündet, um die Luft zu reinigen. Kurz, 
die hohe Obrigkeit zeigte einen löblichen Eifer, den Gesundheits- 
zustand der Stadt rein zu erhalten. Gleichwohl hielt die Pest ein Jahr 
nachher ihren Einzug in die Stadt, wenn auch nur auf kurze Zeit. 
Sehr vorsichtig drückt sich der Bürgermeister darüber in seiner Rech- 
nung aus. Es heisst in derselben: Als etzliche hasslich und un- 
versehens abgestorben und die Vermuthung von Pest war, durch 
Zwang des Gouverneurs die Gestorbenen durch Meister Haussen 
und andere Feldscherer besichtigen lassen. Des Abends auf Peter 
und Paul wurde durch den Priester bei Ruemunds vor dem Hause 
ein Feuer angesteckt und eine Wache dabei gestellt, um die Luft 
von den bösen Dünsten zu reinigen. Ob das Erfolg hatte, wird 
nicht gesagt. Im Jahre 1623 wüthete die Pest über alle Massen 
in dem benachbarten Mörs. Seit dem 10. Juli starben hier bis 
zum 27. November 856 Personen. An einem Tage erlagen 12 der 
Krankheit. In einzelnen Familien räumte sie furchtbar auf, so 
dass 3 und mehr Personen fast zur selben Stunde ihr zum Opfer 
fielen. Erst gegen Schluss des Jahres Hess die Seuche wieder 
etwas nach. Von Rheinberg haben wir aus diesem Jahre keine 
Nachricht. Im Jahre 1631 kehrte die Pest wieder; dieses Mal 
richtete sie auch in Rheinberg grosse Verheerungen an. Wir 
hörten, dass 3 Geistliche in der Ausübung ihres Berufes von der- 
selben ergriffen und weggerafft wurden. Auch der Bürgermeister 
Bottermann scheint ein Opfer derselben geworden zu sein. Am 
1. Februar, heisst es in der Stadtrechnung, haben die Gemeins- 
leute, der Adjutant und der Sergeant Jacques wegen der Pest und 
abscheulichen Krankheit die Baracken visitirt, am 18. Februar 
sämmtliche Häuser der Stadt. Am 9. und 10. April wurde die 
Visitation wiederholt. Die Reinigung der Strassen wurde aufs 
eifrigste betrieben und, um dieselbe zu erleichtern und zu sichern, 
die Pflasterung eines grossen Theiles angeordnet. Dass solche 
Massregeln nöthig waren, wird noch einleuchtender, wenn man 



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i7<; 



Hermann Keussen sen. 



durch eine kleine, allerdings wenig schmackhafte, aber offenherzige 
Notiz in der Stadtrechnung vernimmt, dass man es im Punkte 
der Reinlichkeit bisher nicht gerade sehr genau genommen hatte. 
Am 17. Mai wurden, — sit salva venia verbo — um die Flöhe 
und das Ungeziefer auf dem Rathhause zu verbrennen, 10 Bündel 
Stroh geliefert, welche mit 15 Stbr. verrechnet sind. Wir dürfen 
wohl annehmen, dass diese fremdartige Einquartirung von den im 
Rathhause untergebrachten Soldaten — Italiener waren es — zu- 
rückgelassen worden war. 

Mit einer weiteren Notiz mehr heiteren Inhalts aus der Stadt- 
rechnung vom Jahre 1634 will ich dieses Bild vorläufig schliessen. 
Am 4. Januar des genannten Jahres, als die Stadt bereits im Be- 
sitze der Niederländer war, fuhren der Bürgermeister und der 
Rathsverwandte Johann Bayer nach Wesel zu Dr. v. der Knippen- 
burg, um durch dessen Vermittelung eine Erleichterung von der 
Einquartirungslast zu erlangen. Da präsentirt sich bei einem 
Fischhändler frisch angekommener Kabeljau. Gleich hat sich der 
Bürgermeister einen Plan zurechtgelegt. Er kauft 2 Stück im 
Gewicht von 37 Pfund ä 3 1 /* Stbr. Mit dem Geschenke denkt er 
den hartherzigen Gouverneur weicher zu stimmen, und seelenver- 
gnügt fahrt er durch die bittere Kälte mit Berten Schmitz und 
Friedrich Keussen, die er in Wesel angetroffen, nach Rheinberg 
zurück. Aber o weh! Als sie angekommen, sind die Thore schon 
geschlossen, und vergeblich begehren sie Einlass. Auch der Gou- 
verneur bleibt thörichter Weise harten Sinnes. Nachdem sie in 
der grimmigen Kälte lange genug auf eine günstige Antwort ge- 
wartet, mussten sie umkehren und sich in Ossenberg eine Nacht- 
herberge suchen. Aber da in der Nacht entsteht auch der furcht- 
bare Rachegedanke. Am nächsten Tage nach ihrer Rückkehr 
theilten sie sich mit den Rathsherren in den schönen Kabeljau, 
und der Gouverneur hatte nun nichts weiter wie das Nachsehen. 
Unverfroren theilt die Stadtrechnung uns diese Anekdote in der 
treuherzigsten Weise mit. Natürlich auch die Stadt hat das Nach- 
sehen gehabt, als sie den Posten in der Rechnung vorfand. 
Vortrag, gehalten im Verein von Geschichtsfreunden zu Rheinberg. 



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Tauf-. Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 

Von 

Dr. Armin Tille. 

Der ,Gesamnitverein der deutschen Geschichts- uud Alter- 
thtmisvereine" hat sich seit eiuem halben Jahrzehnt der dankens- 
werthen Arbeit unterzogen, eine Sammlung des Materials an „Kir- 
chenbüchern" in den verschiedensten Gegenden Deutschlands und 
seiner Nachbarländer zu veranlassen, namentlich um eine solide 
Grundlage für die genealogische Forschung zu gewinnen. Der 
43. Jahrgang des vom Gesammtverein herausgegebenen „Korre- 
spondenzblattes" (1895) gibt wie seine Vorgänger ausführlichen 
Bericht über diesen Quellenston 0 aus den Gebieten des ehemaligen 
Erzbisthums Bamberg 1 ), sowie aus den vormaligen Grafschaften 
Saarbrücken 2 ) und Saarwenden 8 ), lieber die Grenzen Deutsch- 
lands hinaus führt ein Aufsatz über die Kirchenbücher in Däne- 
mark 4 ). Daneben wird auch eine von R. K rieg verfasste Zu- 



1) S. 14. Aus dem Bereiche des ehemaligen Ebs. Bamberg sind die 
jeweils ältesten „Matrikeln" (= Tauf- u. s. w. Register) von 13 katholischen 
Pfarreien angegeben. Davon reichen 3 ins IB. Jahrhundert zurück (1573, 
1582, 1587). Aus 2 protestantischen Pfarreien liegen ebenfalls Berichte vor, 
da beginnen die Register 1595 und 1579. 

2) S. 130. In Saarbrücken ist die älteste Ordnung über den Gegen- 
stand von 1574 (gedruckt 1570). Gegenwärtig erhalten sind die Register bei 
den evangelischen Pfarreien seit 1624, bei den katholischen seit 1680. Zwischen 
1575 und 1680 gab es hier überhaupt keine Katholiken. 

3) S. 130. Von 7 evangelischen Pfarreien hat eine Register seit 1596, 
von 4 katholischen eine seit 1631. 

4) S. 88. In Dänemark stammt die älteste Verordnung über die Kir- 
chenbücher von 1646. iiier hat die Regierung eine allgemeine Sammlung 

Annalen des bist. Vereins LX1II, 12 



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178 



Armin Tille 



sammenstellung derjenigen deutschen Staaten und Provinzen mit- 
getheilt, aus welchen bisher Berichte und umfassende Arbeiten 
über Kirchenbücher vorliegen. Unter den Landestheileu, aus wel- 
chen angeblich noch keine Veröffentlichungen über Alter und Art 
der kirchlichen Register vorhanden sind 1 ), wird auch die Rhein- 
provinz genannt: dem Bearbeiter ist mithin die Arbeit von 



des Stoffes in die Hand genommen und theilweise veröffentlicht. Von 150 
Pfarreien haben nur 11 ältere Bücher : je eins beginnt 1<>22, 1G2G, 1G44 und 
acht 1045. Mit H.54G beginnen neun, zwischen 1647 und 1G70 vierzehn, der 
Rest ist jüngeren Datums. — Hierbei möchte ich auf die österreichischen 
Länder deutscher Zunge hinweisen. Die von E. v. Ottenthai und 0. Redlich 
bearbeiteten «Archiv-Berichte aus Tirol 44 11. Bd. Wien 1888. 2. Bd. noch 
nicht ganz vollständig] geben regelmässig auch das Alter der „Canonischen 
Bücher" an. Aus 23 Gerieht sbezirken Tirols liegen nunmehr schon die von 
den Herausgebern an Ort und Stelle aufgenommenen Verzeichnisse der Tauf-, 
Trau- und Sterberegister vor, deren älteste den letzten zwei Jahrzehnten des 
IG. Jahrhunderts angehören ; jedoch ist die Zahl aus dieser Zeit verhäitniss- 
mässig gross, sodass die Annahme einer allgemeinen Führung der Register 
berechtigt ist. Die Todtenbücher sind oft etwas jünger als die zwei anderen 
(z. B. in Mareit 15SG und 1588 II, S. 345). Aus Siebenbürgen ist heran- 
zuziehen die Arbeit von Gustav Seivert im „Archiv des Vereins für sieben- 
bürgische Landeskunde", X. Folge XI, S. 332, über das älteste Hermann - 
städter Kirchenbuch. Für Salzburg kommt in Betracht die „Tauf-, 
Trauungs- und Sterberegister im Herzogthum Salzburg" in den „Mittheilungen 
der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde" XXX (1890) 8.221 ff. — Auch 
eine ältere (181(5) statistische Ausbeutung von Kirchenbüchern möchte ich 
nicht unerwähnt lassen. Sie findet sich in der „Beschreibung der Herr- 
schaft und Stadt Gera" von Johann Christoph Klotz, Schleiz 181G, S. 95. 
Aus den Jahren 1700—1815 sind jedesmal in Gruppen von 10 Jahren Auf- 
gebotene, Getraute, Getaufte, Gestorbene und Kommunikanten zusammenge- 
faßt. — Dem oben genannten „Korrespondenzblatt" entnehme ich noch den 
Hinweis auf eine Arbeit von Jeze in der lievuc generale de droit, 1&94, livr. 5, 
welche von offiziellen Geburtslisten im römischen Kaiserreiche vom zweiten 
bis vierten Jahrhundert erzählt, während von Listen der Verehelichten und 
Gestorbenen nichts bekannt ist. 

1) Es fehlen Berichte aus den preußischen Provinzen : Posen, Ost- und 
Westpreussen, Brandenburg, Westfalen, Schleswig-Holstein, sowie aus Bayern, 
Württemberg, Elsass-Lothringen, Mecklenburg-Strelitz. Meiningen, Reuss j. L., 
Haniburg, Lübeck und Bremen. Bekannt war dem Verfasser der Zusammen- 
stellung jedenfalls die Arbeit von O. Schell, Die alten Kirchenbücher im 
Landgerichtsbezirk Elberfeld. Korrespondenzblatt des Gesammtvereins, 40. 
Jahrg. (1892), S. 102-1 OH. 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 179 

M. Schollen im 18. Bande der „Zeitschrift des Aachener Ge- 
schichtsvereins (1891), S. 191 — 212, sowie die Veröffentlichung in 
den „Mittheilungen aus dem Stadtarchiv von Köln", 9. Band (1894), 
8. 37—44, entgangen. Schollen gibt nach einer orientirenden 
Einleitung auf Grund der vom ersten Staatsanwalt durch Erlass 
vom 10. November 1886 eingeforderten Inventarien eine Ueber- 
sicht über den Bestand der Register in den Bürgermeisterämtern 
des Regierungsbezirks Aachen, während die „Mittheilungen" den 
Bestand des Kölner Stadtarchivs an Kirchenbüchern aus den ver- 
schiedenen Pfarreien angeben. 

Seit 1896 hat die Sammlung des Materials einen weiteren Zu- 
wachs erhalten in der von der „Gesellschaft für Rheinische Ge- 
scbichtsknnde" herausgegebenen und von mir bearbeiteten „Ueber- 
sicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz'' 1 ), 
welche alle auffindbaren Register aus der Zeit vor 1798 bezw. 
1809 autführt. Und zwar sind dabei in gleicher Weise Pfarr- und 
Bürgermeisterämter in Betracht gezogen, während in Sch ollen s 
Verzeichniss augenscheinlich nicht alle Pfarrämter berücksichtigt 
sind : ich finde nur die zu Bergstein, Kreuzau und Stockheim er- 
wähnt, während in den von mir bereisten Gegenden doch etwa 
ein Drittel der Pfarrämter noch ältere Register besitzt. Im Kreise 
Crefeld sind es von überhaupt elf katholischen Pfarreien, von 
denen eine (Traar) als jüngere Gründung ausscheidet, sogar fünf 
(Bockum, Fischeln, Lank, Linn, Willich), also die Hälfte, welche 
noch im Besitze solcher Register geblieben sind. Die regelmässi- 
gen Fundstätten dafür sind natürlich in Folge der am 1. Mai 1798 
(= 12. Floreal 6. Jahres) im Roerdepartement eingeführten Civil- 
standesämter die Bürgermeisterämter. Die Frage der heutigen 
Fundorte ist von Bedeutung, wenn man einen Maassstab für die 
Beurtheilung der französischen Handlungsweise bei der Einführung 
des Civilstandgesetzes gewinnen will. Die „Archiv- Uebersicuten" 
(vgl. im Kreise Köln: Esch und Junkersdorf, im Kreise Neuss: 
Gohr, Grefrath) geben genügende Beispiele dafür, dass durchweg 

1) Das 1. Heft (1SJ)G) enthält, die Uebersicht über die Kreise Knln- 
Land, Neuss, Crefeld und St. Goar. Das zweite im Druck befindliche Heft 
bringt die Kreise Gladbach, Grevenbroich, Bergheini und Düsseldorf. Es 
wird hierin auch für die Rheinprovinz allmählich ein Verzeichniss der Kir- 
chenbücher — allerdings wie in Tirol im Vereine mit den verschiedensten 
anderen Arehivalien — entstehen. 



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180 Armin Tille 

nur diejenigen Bücher beschlagnahmt 1 ) wurden, welche die Auf- 
zeichnungen flir die letzten Jahrzehnte enthielten. Das waren auf 
jeden Fall im Gebiete von Jülich die seit 1770 und im Gebiete 
des Kurfürstenthums Köln die seit 1779 neu angelegten Register. 
Da diese aber laut der unten zu besprechenden Erlasse sich in 
beglaubigten Abschriften auch bei den Gerichten vorfanden 2 ), so 
begnügte man sich bisweilen mit diesen, und die Pfarrei blieb 
dann im Besitze ihrer Bücher. Die an die 1770 bezw. 1779 be- 
gonnenen sich unmittelbar nach rückwärts anlehnenden Bücher 
wurden durchgängig mit konfiszirt, da sie für den täglichen Ge- 
brauch noch unbedingt nöthig waren. Aber die älteren Bücher 
wurden anscheinend als völlig werthlos betrachtet und verblieben 
den Pfarreien. Nur so, nicht durch eine Verheimlichung seitens 
der Pfarrer, wie vielfach angenommen wird, ist es zu erklären, 
dass sich gegenwärtig gerade ein grosser Tbeil der älteren Re- 
gister noch im Besitze der Pfarreien und nicht in dem der Bür- 
germeisterämter befindet. So liegt z. B. im katholischen Pfarramt 
zu Giesenkirchen (Kr. Gladbach) das Register der Getrauten 1047 
bis 1673, während im Bürgemieisteramte daselbst ein Band aufbe- 
wahrt wird, welcher die Getrauten von 1688 bis 1771 verzeichnet. 
Und in dem benachbarten Gladbach befinden sich im Pfarramt 
die Trauregistcr mit kleinen Unterbrechungen von Trinitatis 
1583 bis 1667, während die Register des Stadtarchivs mit 1668 
einsetzen. Auch in Kirchherten (Kr. Bergheim, S. 98) liegen die 
Listen der Getauften von 1624 bis 1715 im Pfarramt, von 1715 
an im Bürgermeisteramt. 

Im Titel dieses Aufsatzes ist die Bezeichnung „Kirchenbücher", 



1) Die dabei verwendete Formel lautet beispielsweise im Tauf- und 
Copulatiousbuch im Bürgermeisteramte zu Bockum (Kr. Crefeld) : Vü et arretc 
par moi President de radministration municipale du canton d'Urdingen, chef- 
lieu Crdingen, U 25. fruciidor an 6. de la Rep. france une et indivisible 
(=11. September 179*). J. R. Erlenwein, President. Meist geschab dies im 
September und October 1798. 

2) Beweis ebenfalls Bockum : Nach jedem Jahr findet sich die Beglau- 
bigung: Pro concordantia cum eeclesiae libro testor. J. B. Poll, Pastor (1789). 
Der Titel eines Buches zu Anrath (Bürgermeisteramt) lautet : Copulations 
Buch der Herrlichkeit Neersen und Anrath in dasige Gerichts -Kiste gehörig. 
Vgl. auch Esch (Kr. Bergheim, S. 87) und Oberaussem (S. 102 Nr. 10) im 
Vergleich mit Paffendorf, Bürgermeisteramt Xr. 2 (S. 103). 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 



181 



die auch Schollen in der erwähnten Zusammenstellung verwen- 
det, absichtlich vermieden worden, weil dieser Ausdruck am Nie- 
derrhein einen umfassenderen Sinn besitzt und in keinem einzigen, 
mir bisher bekannt gewordenen Falle ausschliesslich Tauf-, Trau- 
und Sterberegister bezeichnet. Im Gegentheil werden meist grössere 
Bücher, in denen Verzeichnisse der Pfarrenten, Anniversarien und 
dergl. eingeschrieben sind, mit dem Namen ^Kirchenbuch" belegt. 
So ist das im Pfarrarchiv zu Hackenbroich (Kr. Neuss) aufbe- 
wahrte Kirchenbuch der Herrlichkeit Hackenbroich begonnen 
1660, nichts anderes, als was landläufig mit „Lagerbuch" bezeich- 
net wird. Im katholischen Pfarrarchiv zu Calcum (Kr. Düsseldorf) 
wird in dem jüngeren Material das uralte Kirchenbuch von 1520 
erwähnt. Letzteres, noch im Original vorhanden, ist das Verzeich- 
niss der Pfarreinkünfte 2 ). Wenn im Kurfürstlich Köln'schen Er- 
lasse von 1779 im unteren Absatz das Wort „Kirchenbuch" ver- 
wendet wird, so widerspricht dies dem Vorgetragenen durchaus 
nicht, denn hier soll der" Gegensatz zu der im Besitze des Gerichts 
befindlichen beglaubigten Abschrift allein hervorgehoben werden. 
Ganz in derselben Weise wird in Bockum vom Uber ecclesiae ge- 
sprochen (s. S. 180, Anm. 2). 

Von Tauf-, Trau- und Sterberegistern im modernen Sinne, 
d. h. von Verzeichnissen, in welche alle innerhalb eines gewissen 
Bezirks vorfallende Taufen oder Geburten, Trauungen und Sterbe- 
fälle eingetragen werden, können wir erst seit dem ersten Viertel 
des 16. Jahrhunderts reden. Das überhaupt älteste Register, von 
welchem ich weiss, ist das Taufbuch von Nürnberg aus den Jahren 



1) Archiv-Uebersichten I, S. 21. 

2) Auch in Heerdt (Kr. Neuss), S. 22, ist vom „Kirchenbuch" im Sinne 
von Lagerbuch die Kede. Ganz ähnlich besitzt das evangel. Pfarramt zu 
Crefeld, S. 31, ein Crcifeldisch Kirchbuch (1820). Im Stadtarchiv zu Düren 
findet sich ein Kirchenboich, uffgericht anno dm. 1562. Auch die katholischen 
Pfarrämter zu Angelsdorf und Thorr (Kr. Bergheim) besitzen Kirchenbücher, 
ersteres von 1518, letzteres von 1683. Das evangelische Pfarramt Hilden 
(Kr. Düsseldorf) hat ein „Kirchenbnch", welches ausser Rentverzeichnissen 
auch Getaufte, Getraute und Konfirmirte 1649 ff. enthält. Im Kreise Berg- 
heim kommt „Kirchenbuch" im Sinne von Lagerbuch auch vor zu Nieder- 
embt von 1538 (S. 100), zu Niederaussem (S. 100), zu Kirchherten (S. 97), 
im Kreise Düsseldorf zu Derendorf (S. 108) und zu Eller (S. 110). 



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182 



Armin Tille 



1524 bis 1533 1 ). Dann folgen die Getauften der evangelischen: 
Gemeinde zu Zürich, deren Eintragung mit dem 3. Juli 1525 be- 
ginnt 2 ). Mit 1533 beginnen alle drei Register zu Creglingen in 
Brandenburg- Ansbach 3 ) und die der Stadt Frankfurt a. M. 4 ). Vom 
selben Jahre ist eine Verordnung des Rathes der Stadt Lindau, 
welche die Führung von Registern vorschreibt 5 ). Diese Listen 
sind, wie ähnliche Einrichtungen, nicht mit einem Male entstan- 
den, es gibt eine Menge Vorläufer auf diesem Gebiete in den 
Listen der Getauften in frühchristlicher Zeit, in den Martyrologien 
und Nekrologien 6 ), namentlich soweit sie zugleich Listen der Wohl- 
th'ater geistlicher Institute darstellen. An das letztere ist ganz 
offenbar zu denken, wenn es in einem Testamente vom Ende des 
15. Jahrhunderts in der Stadt Kempen heisst: . . . item presbiteris 
in ecclesia in die. exequiarum celebrantibus tres albo.% item pastori 
iinam mar cum pro intitiäatione in registro mortuorum, item 
cetera omnia bona sua legavit marito 1 ). 

Bei einer Erörterung Uber die Anfänge regelmässiger Register 
ist es erforderlich, die religiösen Bekenntnisse unter sich und von 
diesen wiederum die Anordnungen der weltlichen Behörden zu 
trennen. Der Zeitfolge nach sind die frühesten Anregungen und 
zugleich die ersten thatsächlich geführten Register bei den jungen 
evaugelischen Gemeinden zu suchen — man betrachte die Bei- 
spiele von Nürnberg und Zürich. Dann folgt auffälliger Weise die 
erste Regeluug durch eine politische Macht, die Verordnung des 
Rathes der Stadt Lindau, während innerhalb der katholischen 
Kirche die Sache erst durch die entsprechenden Beschlüsse in 
der 24. Session des Tridentinums in Fluss kam. Becker hat in 
seiner „Wissenschaftlichen Darstellung der Lehre von den Kirchen- 

1) Korrespondenzblatt des Gesammtvereins der deutschen Gesch.- u. A.- 
Vereine, 42. Jahrg. (1894), S. 143. 

2) Ebenda, 41. Jahrg. (1893), S. 54. 

3) Ebenda, 41. Jahrg. (1803), S. 150. 

4) Becker, Carl Christian: „Wissenschaftliche Darstellung der Lehre 
von den Kirchenbüchern'' (Frankfurt a. M. 1831) S. 2. Ich benutze von 
diesem seltenen Buche das Exemplar der Stadtbibliothek zu Frankfurt a. M. 

5) Korrespondenzblatt, 41. Jahrg. (1893), S. 151. 

•>) Vgl. Schollen in Zeitschr. d. Aachen. Geschichtsvereins" 13. Bd. 
(1891), S. 191 ff. und Uihlein „Ueber den Ursprung und die Beweiskraft 
der Pfarrbücher' 4 . Archiv für civilistische Praxis XV, S. 33. 

7) Stadtarchiv Kempen, Akten E. 1. 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 183 



büchern* diese Unterschiede kaum beachtet und damit die Ueber- 
sicbtlichkeit seines grundlegenden Buches schwer geschädigt. Eine 
Behandlung der Stoffes von diesem Gesichtspunkte aus giebt zu- 
gleich Ausschluss darüber, wie verschieden organisatorische Fragen 
innerhalb der Kirchen verschiedener Bekenntnisse behandelt wur- 
den, in welcher Weise die weltliche Obrigkeit kirchliche Institu- 
tionen beeinflusste und zu ihren Zwecken auszunutzen verstand. 

Die protestantische Bewegung war von Anfang an eng ver- 
knüpft mit der Entfaltung politisch-organisatorischer Macht seitens 
der Landesherren in den Territorien. Das Landesfürstenthum nahm 
den Protestantismus unter seine schützenden Fittiche und griff da- 
mit zugleich in eine Menge von Fragen ein, die an sich durchaus 
innerer Natur waren. Seit den dreissiger Jahren des IG. Jahr- 
hunderts entsteht fast für jedes Ländchen, wo Fürst oder Unter- 
thanen sich der neuen Lehre zuwandten, eine eigene „Kirchenord- 
nung" 1 ), bei deren Abfassung die Mitwirkung geistlicher Rivthgeber 
eine sehr verschiedene war. Schon in den frühesten dieser evan- 
gelischen Kirchenordnungen finden sich auch Bestimmungen über 
die Führung der Register, aber auffälliger Weise werden nur Ge- 
taufte und Getraute, nicht aber auch die Gestorbenen gebucht. 
Dies befiehlt schon die Brandenburg- Nürnberger Kirchenorduung 
von 1533 2 ), auch die Liegnitzer von 1534 8 ) und die Schweinfurter 
von 1543 4 ). Die „Kölnische Reformation" Hermanns von Wied 
von 1543 5 ) enthalt unter den rheinischen Quellen zuerst einen Hin- 
weis auf die Einführung solcher Register, aber da sie im Erzstift 
Uberhaupt nicht zur Durchführung gelangte, blieb auch der hierin 
niedergelegte Gedanke ohne praktische Bedeutung. 

Abgesehen von der „Kölnischen Reformation" und der 1567 
für Jülich entworfenen, aber thatsächlich nicht proklamirten Kir- 
chenordnung 0 ) kommen für den Niederrhein landesherrliche Kircheu- 
ordnungen im 16. Jahrhundert nicht in Betracht, da sich in den nieder- 



1) Neue Ausgabe von A. L. Richter „Die evangelischen Kirchenord- 
nungen des 1»». Jahrhunderts". Weimar 184<J. 2 Bde. 

2) Richter 1, S. 210. 
:'>) Richter I, S. 240. 

4) Richter II, S. 22. 

5) Richter II, S. 48. 

0) Vgl. K rafft, Die Stiftung der Bergischen Provinzialsynode (Elber- 
feld 1889), S. 17. 



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184 Armin Tille 

rheinischen Territorien die evangelische Bewegung selbständig ent- 
wickelte. Dennoch gab es eine Kodifizirung der kirchlichen Normen, 
die als allgemein anerkannte, wenn auch ohne landesherrliche A utorität 
durchgesetzte, Ordnung Geltung besass, nämlich die Weseler Artikel 1 ) 
von 1568. Im Kapitel De baptismo lautet der 5. Abschnitt: Nomina 
infantium, parmtum ac testium publicis tabttlis consignari tum ecele- 
siae tum reipublicae maxime conducere in confesso est. Quibus etiam 
seorsim eorum nomina adscribi poterunt, qui post editam in ecclesia 
conf'essioneni in Christo moriimtur 2 ). Und im Kapitel De matri- 
monio unter Nr. 2 wird verordnet: quo facto eorum nomina tabulis 
publicis consignabuntttr*). Scheint es hier, als ob die Buchung der 
Gestorbenen nur für den Fall vorgesehen ist, dass erst unmittelbar 
vor dem Tode die Ablegung des neuen Glaubensbekenntnisses er- 
folgt ist, so beschliesst die Synode von Dortrecht von 1574 am 
17. Juni neben der Führung von Tauf- und Trauregistern zum 
ersteumäle auch die Anlage regelmässiger Todtenlisten : Item wen 
sal een boeck in allm Ghemeijnten hebben, daer in mcn teijcJcenen 
sal de namen der linder, die gheborm ende ghedoopt worden, met 
den namen der ouderm ende ghetuijghm. Item dergheenen, die mm 
troivt ende diemen tot lidtmaten der Ghemeijnte op neemt. 

Ooch sal em iegheUck Dimaer opteijclcnm de namen der lidt- 
maten, die afsterven, ende die Oevericheiß bidden, datse den graef- 
maecheren ofte den gheenen, die last daer van hcbben f bevcelen boeck 
to houden van allen dm gheenen, die afsterven, op dat men altijds, als 
het noot doct, vereijsschen can } wie daer ghestorven is 4 ). 

Von den Niederlanden aus verpflanzte sich die evangelische 
Propoganda auch nach dem Niederrhein. Hatte schon die Kirehen- 
ordnung der Londoner Fremdlingssynode von 1550 im 13. Kapitel 
die Eintragung aller Taufen in ein Buch verlangt 5 ), so wird in 
dem Reglement für die Holländisch-reformirte Gemeinde zu Kblu 

1) Gedruckt in Werken der Marnix-Vcreeniging Serie II, I>ecl III. 
Utrecht 188!>. 

2) S. 28. 
.']) S. 31. 

4) Acta van de Nederlandschc synoden der zestiende, eemc, verzameld door 
F. L.Rutgers, Utrecht 188f>, S. 139. Werken der Marvix-Vereeniging, Serie II, 
Deel III. 

5) Richter II, S. lOti. Bei der Ehe fehlt eine ähnliche Bestimmung. 



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Taut-, Trau- und Sterberegister am Xiederrhein. 



185 



von 1587 ! ) der Gegenstand nebst Begründung ausführlich behan- 
delt. Es heisst da : . . . ten sij dat een ouderlynck, een yder in 
sijn quartier daer hy sij, welche des kyndts nacm, oock der rader 
ende moeder mei tsaemen der getuyghen (die grloovighe moetcn sijn) 
ende des Dimaers, die het doopt, oock het jaer ende dach, wanneer 
sulcks geschiedt is, sal opschrijvm ende met hem in Consisforio bren- 
ghenop dat dit alles te boecke gesteldt ende die kercke moghc acht 
op sulcke kynderen nemen 2 ). Die Aufzeichnung besorgt also hier 
der Aelteste, die Kontrolle Uber den Personenstand der Gemeinde 
tritt im Schlusssatze scharf als Zweck der Niederschrift in den 
Vordergrund. 

Die „Pfälzische Kirchen-Ordnung" von 1563 ist bereits durch 
die der Londoner Freindeusynode inhaltlich beeinflusst, sie hat bei 
dem Mangel einer territorialen Ordnung am Niederrhein immer- 
hin einen gewissen Einfluss gewonnen, wie schon die Thatsache 
beweisst, dass das evangelische Pfarrarchiv zu Düsseldorf diese Ord- 
nung in der Folioausgabe von 1570 sogar in zwei Exemplaren besitzt. 
Sie macht für Getaufte 3 ) und Getraute 4 ) die Eintragung in ein Buch 
zur Pflicht des Predigers, während die Behandlung des Begräb- 
nisses 5 ) eine entsprechende Anordnung fehlt. Während hier also 
unter dem Einflüsse der Holländer auf die Führung der Register 
erheblicher Werth gelegt wird, enthält die Zweibrücker Kirchen- 
Ordnung von 1557 nichts ähnliches. Ebenso steht es bei der Ord- 



1) Einige Ergänzungen sind von 1592. 

2) Brieven uit ander scheid ene kerkelijke archieven, rerzameld en aitge- 
gevendoor J. J.van Toorenenbergen, Utrecht 1 885, S. 114. Werken der Marnix- 
Vereenigung Serie III, Deel V. Das Kölner Stadtarchiv besitzt von der Holl.- 
ref. Gemeinde die Register bereits seit 1571, ein Beweis, dass es sich hierbei 
nicht um eine Neueinrichtung, sondern um reglementarische Fixirung eines 
schon gegebenen Zustandes handelt. Vgl. Mittheilungen aus dem Stadtarchiv 
von Köln. 9. Bd. (1894), S. 37 ff. 

3) Im Abschnitt Vom heiligen Tauft': Demnach, auff dass der Prediger 
den namen des vaters, der mutier, des kinds und gevattern ordenlich ein- 
schreibe in ein besonder buch, so bey jeder kirchen darzn gemacht werden und 
darbei bleiben soll. Richter, S. 258. 

4) Es sollen auch die namen der eheleuth und zeugen in ein besonder 
buch eingeschrieben werden, welches bei jeder kirchen bleiben soll. Richter, 
S. 270. 

5) R i c h t e r , S. 274 75. 



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im; 



Armin Tille 



nung für die lutherische Gemeinde zu Köln 1 ). Dagegen die deutsch- 
ref'ormirten Gemeinden zeichneten sich überhaupt durch eine Menge 
von Schreibwerk aus; in Köln führte man bei dieser Gemeinde 
schon zwischen 1572 und 1590 neben den Tauf-, Trau- und Sterbe- 
registern Verzeichnisse sämmtlicher Gemeindeglieder sowohl wie 
aller Eheleute, ein Verzeichniss der Kinder und eins über die, 
welche ihr Bekenntniss abgelegt haben, ein Verzeichniss der Kom- 
munikanten und eins über die Aeltesten und Diakone 2 ). 

Wenn wir für das 10. Jahrhundert das Ergebniss zusammen- 
fassen wollen, so ergibt sich für die evangelischen Gemeinden re- 
formirten Bekenntnisses ganz allgemein die Führung von Tauf- 
und Trauregistern, während die Sterberegister uoch eine Ausnahme 
bilden. Die Buchung selbst liegt nur z. T. in den Händen der 
Prediger, während in vielen Fällen die Aeltesten, also Laien, damit 
betraut sind. Wichtig ist vor allem die zwar ausserordentlich 
naheliegende, aber auch ausdrücklich in der Ordnung für die 
holländisch-reformirte Gemeinde zu Köln ausgesprochene Begrün- 
dung, eine Uebersicht über den Personenstand der Gemeinde be- 
sitzen zu wollen. So lange die ganze ortsanwesende Bevölkerung 
selbstverständlich einem allgemeinen Bekenntniss zugethan war, 
kounte zumal bei der Kleinheit der Verhältnisse und der persön- 
lichen Bekanntschaft aller Glieder eiuer Pfarrei eine besoudere 
Beurkundung der wichtigsten kirchlichen Handlungen uuuöthig 
erscheinen. Mit dem Aufkommen der neuen Lehre lag für die 
Führer der kleinen Herde nichts näher als durch fortdauernde 
Führung von Registern Uber jedes Glied sich auf dem Laufenden 
zu erhalten. Es wurden, wie bei der deutsch-reformirten Gemeinde 
zu Köln schon im 16. Jahrhundert bezeugt ist, später überall auch 
die, so ihr Bekenntniss gethau (Konfinnirte), in ein Buch einge- 
tragen. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gibt es dann 
auch am Niederrhein territoriale Kirchen- Ordnungen. Die Clevische 
und Märkische Kirchen-Ordnung von 16G2 3 ) verordnet im $ 75 : 
Ein jedes Consistorium soll seine absonderliche Bücher haben, neben 

1) Mittheilung des Herrn Prof. Ür. Simons zu Bonn. 

•J) Mittheilung des Herrn Prof. Dr. Simons zu Bonn. 

:i) Gegeben zu Kölln an der Spree, den 20. May Anno 1662 durch 
Fridruh Wilhelm. 40 SS. Im § 10S wird die Eintragung dem Geistlichen 
auferlegt. Vgl. „Kirchen-Ordnungen der Christlich Jleformirten Gemeinden in 
den 1 Andern Gutlich, Cleve, Berge und Mareks* Duisburg 1754. 4°. 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister an» Xiederrhein, 



IST 



demjenigen, was darinnen verhandelt worden, auch die. Xamen der 
Kinder , so getauff't werden, Htm derer, welche die Belcaentniss ihres 
Glaubens gethan. Im gleichen, die sich in den Stand der Ehe be- 
geben, und die durch den zeitlichen Tod abgegangen sind zuver- 
setchnen. Den gleichen Wortlaut hat der § 77 der Kirchen-Ord- 
dnung der Christlich- Beformirten Gemeinen in deti Laendern 
(ritelich und Berg 1 ), deren § 109 die Eintragung; in die Bücher 
durch den Geistlichen fordert 2 ). 

Soweit hatte die Entwicklung sich innerhalb der religiösen 
Gemeinschaft vollzogen, im 18. Jahrhundert dringt dagegen der 
Staat als autoritative Gewalt ohne Rücksicht auf das Bekenntnis« 
mit einer Neuordnung durch, welche unten näher besprochen wird, 
wenn wir die Entwickelung innerhalb der katholischen Kirche ver- 
folgt haben. 

Bereits oben 3 ) habe ich angedeutet, dass erst das Tridentiuer 
Konzil für die katholische Kirche die Führung von Registern an- 
regte, aber auch hier wächst der Gedanke aus der Behandlung 
innerer kirchlicher Fragen heraus. Man ist noch viel weiter von 
einer Ueberlegung im Sinne weltlicher Zweckmässigkeit entfernt 
als wir es in den evangelischeu Ordnungen beobachten konnten, 
die wenigstens in einem Falle den für den Staat aus der Führung 
der Listen entstehenden Vortheil betonen 4 ). In der 24. Session 5 ), 
am 11. November 1563 kam die Angelegenheit zur Verhandlung 
und zwar im Zusammenhange mit den ex baptismo aut confirma- 

1) Gedruckt als 2. Stück in der in voriger Ann», zitirten Sammlung 
der Kirchenordnungen für Jülich, Cleve, Berg, Marek. 

2} Thatsache ist, dass dort, wo evangelische Genieinden neben den ka- 
tholischen bestanden haben, bei weitem in den meisten Fällen die evange- 
lischen Register früher einsetzen und vollständiger sind, als die katholischen. 
Vgl. z. B. die Register in Köln: während die holl.-reformirte Gemeinde solche 
seit 1571 besitzt, sind nur aus <5 katholischen Pfarreien Register lt>. Jahr- 
hunderts vorhanden und zwar von St. Mauritius 151)1, von St. Cunibert 151)5, 
von St. Columba und St. Severin 1597 und St. Christoph und St. Martin 1500. 

3) S. 182. 

4) S. S. 183, Anm. 7. 

5) Der Titel lautet: Sessio XXIV, qnae est octaca sub Pio IV. pontif. 
max. Cölebrata die 11. Xovemb. 1563. Doctrina de saeramento matrimonii. 
A. L. Richter, Canones et decreta Concilii Tridentini (Lipsiae 1853), 
S. 210. 



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188 



Armin Tille 



Hone entstehenden E h e h i u d e r n i s s e n. Im ersten Kapitel *), 
Decrctum de reformatione matrimonii, beisst es unter ähnlichen Be- 
stimmungen ohne jede nähere Begründung: Habeat parochus Uhr um, 
in quo conjugum et testium nomina diemque et locum contracti ma- 
trimonii describat, quem diligenter apud se custodiat 1 ). Und im 
zweiten Kapitel, welches speciell von den Ehehindernissen handelt, 
wird dann die Anlage von Taufregistern hinzugefügt, offenbar zu 
dem ganz bestimmten Zwecke, vor allen Dingen die Taufpathen 
festzustellen, um für etwa später aus der geistlichen Verwandt- 
schaft hervorgebende Ehehindernisse eine Unterlage zu gewinnen. 
Die Stelle lautet: . . . inter quos ac baptizatum ipsum et Hirns 
patrem et matrem nec non inier baptizantem et baptizatum baptiza- 
tique patrem ac matrem tantum spiritualis cognatio contrahitur. 
Parochus, antequm ad baptismum conferendum accedat, diligenter 
ab iis, ad quos spectabit, sei seilet ur, quem vel quos elegerint, ut bap- 
tizatum de sacro fönte suseipiant, et cum vel eos tantum ad illum 
suserpundum admittat et in libro eorum nomina describat doceatque 
eos quam cognationem contraxerunt, ne ignorantia ulla excusari 
valeant 8 ). Becke r 3 ) bemerkt im Anschluß hieran ganz treffend : 
„Da die Synode gleich darauf auch der aus dem Sakramente der 
Firmelung hervorgehenden geistlichen Verwandtschaft gedenkt, so 
scheint sie ebenfalls ein Verzeichniss der Gefirmten und ihrer Fir- 
mungspathen beabsichtigt zu haben, ohne es jedoch ausdrücklich 
vorzuschreiben". Bei der Kürze, mit welcher uns die Verband- 
lungen mitgetheilt werden, ist dies durchaus anzunehmen. Aber 
auch die in den Ausgaben unberücksichtigte Debatte 4 ) bietet 
zu unserer Frage nichts. Wenn Becker im Anschluss an die 
eben angeführte Stelle meint: „Auf ähnliche Weise leiten andere 
dahin gehörige Verordnungen fast unmittelbar auf die Notwen- 
digkeit der Todten-Register", so kann ich ihm nicht zustimmen, 
da mir solche Verordnungen nicht bekannt geworden sind, aber 
auch aus dem ganzen Gedankengange heraus ganz fern liegen: 



1) Folgend auf die 12 canones über die Ehe, deren dritter von den 
Ehehindernissen handelt. 

2) Richter, Canones et decreta, S. 217. 

3) Ebenda, S. 218. 

4) Wissenschaftliche Darstellung S. 5/(3. 

5) Veröffentlicht in Acta Genuina SS. Oecumenici Concilii Tridentini ab 
Augusthto Theiner. Zagrabiae (in Croatia) tomus II (1874), S. 403— 501. 



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Taut-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 18!) 

auf welche Weise könnte denn durch einen Todestall ein neues 
Verwandtschaftsverhältniss begründet werden ? Und inau kann es 
doch kaum als Zufall auffassen, dass ganz übereinstimmend in 
den verschiedensten Gegenden unter den Registern des 16. Jahr- 
hunderts gerade die Sterberegister später einsetzen als die anderen 
beiden 1 ). So wenig wie aus diesen Erörterungen des Konzils, 
welche rein theoretischer Natur waren, die Anregung für Führung 
von Todtenbtichern gewonnen werden konnte, ebenso sehr führten 
die längst in Praxis bestehenden Martyrologien und Nekrologien 
nebst Anniversarien darauf hin, wie überhaupt die Praxis des täg- 
lichen geistlichen Dienstes eine Buchung auch der zur Erde Be- 
statteten an die Hand gab, wenn man einmal dazu überging, ge- 
mäss den Vorschriften des Konzils die Getauften, Getrauten und 
vielleicht auch die Gefirmteu getreulich zu buchen. Deshalb ist es 
nur natürlich, wenu die Augsburger Synode von 1567 und die zu 
Namur 1604 -) die ordnungsmässige Konsequenz für ihre Diöcesen 
ziehen und auch die Führung von Sterbebüchern den Geistlichen 
zur Pflicht machen. Zur allgemeinen Institution wird diese For- 
derung erst erhoben durch das Rituale Romanum, publicirt durch Breve 
vom 16. Juni 1614, welches ausserdem die Führung eines Uber confir- 
matoruM und eines Uber status animarutn vorschreibt. Von dem letz- 
teren ist in den meisten Pfarreien auch während des 16. und 17. 
Jahrhunderts keine Spur zu entdecken, nur ganz vereinzelt tiudet 
sich einmal diese Liste der Gemeindeglieder aus irgend einem Jahre. 
Aehnlich steht es mit den Listen der Kontirniirteu. Unter den frühesten 
Registern habe ich solche, welche auch die Gefirmten verzeichnet 
hätten, nicht gefunden, aber im 17. Jahrhundert schon bilden solche 
Bücher keine Seltenheit mehr. Es ist jedoch dabei zu bedenken, 
dass die nur zweimal im Jahrzehut vorgenommene Firmung die 
sorgfältige Namensuiederschrift erschwerte, da man ein besonderes 



1) Vgl. obenS. 178Anm.4 das über Tirol Gesagte. Zu Boppard (Kr. St. Goar) 
beginnen die Taufen 1572, in Bingen 1582, zu M. -Gladbach die Trauungen 
1583, zu Heinsberg (Kr. Heinsberg) die Trauungen 15*4 und die Taufen 15h5, 
zu Niederkrüchten (Kr. Erkelenz) beide 1597. Im Reg.-Bez. Aachen haben nur 
Immendorf (Kr. Geilenkirchen) und Kirchberg (Kr. Jülich) Register, die alle 
drei gleichzeitig noch im 16. Jahrhundert einsetzen, nämlich 1595 uud 1583. 
Nur in Stommeln (Landkreis Köln) beginnen die Gestorbenen 1599, während 
Getaufte und Getraute erst U>01 einsetzen. 

2) S. Schollen, Zeitschr. des Aachener Geschichtsvereins Bd. 9. 



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100 



Armin Tille 



Buch wohl kaum zur Verfügung hatte, man also das gemein- 
same Tauf-, Trau- und Sterbebuch benutzen musste. Interimistisch 
geführte Listen wurden wiederum offenbar nicht so sorgfaltig aufbe- 
wahrt wie die im täglichen Gebrauch befindlichen Bücher. Noch 
später ist es ganz häufig, dass nur die Firmlinge eines Jahres ver- 
zeichnet sind, während dasselbe Buch die Getauften u. s. w. von 
einem halben Jahrhundert enthält. So finden wir in Rommers- 
kirchen (Kr. Neuss) im ältesten 1616 einsetzenden Taufbuch auch 
die Gefilmten von 1726 verzeichnet J ). Gewissermaassen als Typus 
für das 17. Jahrhundert kann ein Quartband im Bürgermeisteramte 
zu Osterrath (Kr. Krefeld) betrachtet werden: er trägt den Titel Index 
et registrum nomina baptizatorum, confirmat-orum, matrimonio innctorum 
et dcfunctorum in se feliciter complectens. 1647. Der Inhalt entspricht 
diesem Titel durchaus nicht: Gefirmte sind überhaupt nicht darin 
zu linden, aber auch nur die Taufen beginnen 1647, Trauungen 
und Sterbefälle erst 1659. Die Taufen reichen bis 1728, wobei 
leyitimi und illegitimi getrennt gebucht sind, die Trauungen bis 
1705, die Sterbctalle bis 1706. Offenbar ist das Buch erst 1659 
angelegt, und die Taufen 1647— 1659 sind eine Abschrift aus einem 
älteren Register, dessen Seitenstücke gar nicht oder so schlecht 
geführt vorhanden waren, dass eine Abschrift in das neue Buch 
nicht recht angängig erschien. Eine eigentümliche Art der Buchung 
der Getauften findet sich in Kirchherten (Kr. Bergbeim). Von 16SO 
bis 1715 sind die Taufen nach dem Alphabet der Vornamen 
angeordnet, sodass alle Adolf, Anna u. s. w. getauften Kinder unter 
einer Rubrik stehen. Wo ein alphabetisches Orientiruugsregister 
dem Taufbuch beigefügt ist, bleibt im 17. und 18. Jahrhundert die 
Anordnung nach Vornamen selbstverständlich. 

Aus der Folgezeit habe ich vergeblich nach Erlassen für die 
Kölner Erzdiöcese gesucht, welche diese Materie betreffen. Und 
trotzdem möchte ich behaupten, dass etwa 1624 und kurz vor 
1650 eine Beeinflussung in diesem Sinne sich vollzogen hat. Es 
braucht dies ja nicht in Form eines der unzähligen Erlasse ge- 
schehen zu sein, vielmehr gaben die Visitationsreisen eine viel 
wirksamere Handhabe ab, um den allgemeinen Anordnungen Nacb- 

1) Archivübersicht, S. 2li. Ganz ähnlich sind in Fischeln (Kr. Cref'eld) 
im Taufbuch von 164!) bis 1733 die confirmati von Hiö2 zu finden, Archiv- 
übersicht, S. 29, und ebenso für das Ende des 18. Jahrhunderts in Linn, 
Archivübersicht, S. 32 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 



191 



druck zu versebaffen. Meiue Ansicht stützt sieb einfach auf die 
Thatsache, dass mit den genannten Jahren verbältnissniässig viele 
Bücher einsetzet!, was mir nur unter dieser Voraussetzung erklär- 
lich scheint. 

Eine entschiedene Wendung im Sinne staatlicher Eingriffe 
ohne Rücksicht auf die religiösen Bekenntnisse vollzieht sich in 
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Vom 18. November 
1769 ist der Erlass des Herzogs Carl Theodor für Jülich datirt, 
welcher in sieben Abschnitten eine detaillirte Ordnung Uber die 
mit dem 1. Januar 1770 zu beginnenden neuen Tauf-, Trau- und 
Sterbbücher trifft. Wesentlich ist darin neben dem strikten Gebot, 
drei besondere Bücher zu führen und n i c h t in einem Bande 
alle drei zu verzeichnen, namentlich die im 6. Abschnitt gebotene 
Abschrift der Amts-Registratur. Wenn auch den Geistlichen aus- 
drücklich vorbehalten bleibt, fernerbin alle Auszüge in Form von 
Zeugnissen nur auf Grund ihrer Originale herzustellen, so hat 
in den beglaubigten Abschriften doch zum ersten Male der Staat 
sich glaubwürdige Listen Uber die wichtigsten Lebensereignisse 
seiner Unterthanen zu verscharfen gewusst. Es ist ein Schritt in 
der Entwickelung in der Richtung nach den französischen Civil- 
standsregistern hin, welche übrigens innerhalb Frankreichs auch 
Vorläufer autzuweisen haben, insofern Königliche Ordonnanzen vom 
Jahre 1067 und 1736 die Führung kirchlicher Register unter staat- 
licher Kontrolle gestellt hatten *). Der Jülich'sche Erlass bestimmt, 
dass ein gedrucktes Exemplar jedem der Bücher vorgeheftet sein 
soll. Zu diesem Zwecke, dem man im allgemeinen auch entsprochen 
hat, sind offenbar besondere Abdrücke hergestellt worden, welchen 
im Gegensatz zu den Exemplaren des ersten Erlasses die Unter- 
schrift Graf von Goltstein fehlt -). 

Eine Parallelerscheinung ist der inhaltlich sich dem Jülich- 
scheu völlig anschliessende Kur-Kölnische Erlass vom 27. Hönning 
1779. Auch er ist eine rein landesherrliche Anordnung, welche 
nur für das Territorium Geltung gewonnen bat, wie am besten die 
Thatsache beweist, dass die beiden unter Dyck 'scher Herrschaft 
stehenden Pfarreien Hemmerden und Bedburdyck in keiner Weise 

1) Becker, S. l J. 

2) Auch gedruckt in: Scott i, Sammlung der Gesetze und Verord- 
nungen, welche in den ehemaligen Herzogtümern Jülich, Cleve und Berg 
ergangen sind. (Düsseldorf 1821). S. "m 1 — 77, Nr. 2040. 



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192 



Armin Tille 



Bezug auf die Verordnung nehmen, während alle umliegenden 
Pfarreien entweder infolge des Jülich'schen, soweit sie zu diesem 
Territorium gehören, oder infolge des Kur-Kölnischen Erlasses, 
soweit sie Kur-Kölnisch sind, neue Register begonnen haben. Die 
für Jülich im 3. Abschnitt geordnete Materie (Eintragung der Taufen 
unehelich Geborener) wird für Kur-Köln in einem besonderen 
Reskript vom 8. März 1779 in inhaltlich nicht abweichender Weise 
geregelt, nur ist dieses letztere in lateinischer Sprache abgefasst. 
Gleichzeitig geht, ebenfalls vom 27. Hornung 1779 datirt, ein kurzer 
Erlass an die weltlichen Behörden welcher diesen die ent- 
sprechenden Anweisungen bezüglicb der Gerichtsbücher ertheilt. 
Die Hauptverordnung 2 ), vielfach vereinigt mit den beiden Begleit- 
erlassen, findet sich in der Mehrzahl der erhaltenen Bücher in 
Druck oder Abschrift vor. Etwas anderer Natur ist der Erlass 
für das Erzbistum Trier vom 11. Dezember 1786 3 ), er trägt mehr 
den Charakter einer geistlichen Verordnung, was vor allem darin 
zum Ausdruck kommt, dass die Abschriften der kirchlichen Re- 
gister nicht an die Gerichte, sondern an das Generalvikariat einzu- 
senden sind. 

Mit der bereits oben erwähnten Civilstandsgesetzgebung unter 
französischer Herrschaft kommt für das linke Rheinufer die alte 
Entwicklung zum Abschluss. Im Grossherzogthum Berg folgt die 
entsprechende Maassnahme im Jahre 1809. In zahlreichen anderen 
mittel- und oberrheinischen Staaten folgen die entsprechenden Verord- 
nungen erst im Anfang des 19. Jahrhunderts und sind bei Becker 4 ) 
der Reihe nach verzeichnet oder als Beilagen auf 108 Seiten ab- 
gedruckt. Inhaltlich fügen sie zu dem Gesagten nichts hinzu, tiber- 
all tritt nur die staatliche Kontrolle über die Kirchenbuchführung 
hervor, welche sie zugleich ihren Zwecken nutzbar macht. Nament- 
lich dieneu die Geburtsregister zur Aufstellung der jährlichen Re- 
krutirungslisten. 

Damit soll die Erörterung abschliessen, aber als Anhang mögen 
noch im Paralleldruck der Jülich'sche und Kur-Kölnische Erlass 



1) Unseren Gerichten, mithin Schultheißen, Voigt, Scheffen und Gerichts- 
achreibcren. 

2) Scotti, Gesetze, welche iu Kur-Köln ergaugen sind, II, S. 990—93. 
.'}) Scotti, Gesetze, welche in Kur-Trier ergangen sind, III, S. 1458. 
4) S. 15/4« und S. 258 ff. 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 



193 



folgen, die für das Rheinland in dieser Frage so grosse Bedeutung 
gewonnen haben. 

Verordnung 

für 



Jülich. 1760, Nov. 18. 

Nachdeme Uns unterthanigst vor- 
getragen worden, dass die zur Erpro- 
bung begangener Ehen, ehelicher Ge- 
burt und Absterbens dienende, in den 
Pfarrkirchen aufbehalten - werdende 
Vereheligungs- Tauf- und Sterb - Bü- 
chere bis anher teils sehr nachlaessig 
gefüret, teils gar verloren worden ; 
Wir aber diesem Unweesen ferner zu- 
zusehen, gnädigst nicht gemeinet seynd ; 

Als verordnen zur steeten Richt- 
schnur gnädigst : 

1) Dass fürohin in jeder Pfarr, 
und Filial- Kirch, ohne Unterschied 
der Religion, für nun erwehnte Er- 
eignüssen drey besondere Büchere in 
Bogen - Form aus Kirchen- oder wo 
solche nicht hinreichen, aus gemeinen 
Mittelen unverzüglich angeschafet, und 
mit der Ueberschrift : Tauf- Copu- 
lations- und Sterb - Buch versehen 
werden sollen. Deren Pfarrer Oblie- 
genheit ist solchem nach 

2) die das Jahr hindurch sich er- 
gebende Vereheligungen, Tauf- und 
Trauer-Fälle in das dahin gewidmete 
Buch entweder mit eigener lessbaren 
oder anderer auf ihre Kosten zu be- 
sorgender Handschrift von Tag zu 
Tag entweder Latein, oder Teutsch 
umständlich einzutragen, als Z. E. 

In das Taufen Buch. 
Im Jahr . . den . . Tag des Mo- 
nats . . ist getauft worden Paulus 
ehelicher Sohn Petri N. und Anna N., 
welche sich vereheliget haben in der 
Pfarr . . Biscbtums . . Landes . . die 
Tauf Zeugen seynd gewesen N. N. 

Aoaaleo des hist. Vereins LXIII. 



Kur-Köln. 1779, Hornung 27. 

Demnach Uns mehrmalen hoechst 
missfällig vorgekommen, dass die Ver- 
eheligungs-, Tauf- und Sterbbücher 
an vielen orten oder vernachlaessiget 
oder durch Feuersbrunst und sonstig e 
Zufälle gar verloren worden, und 
dann dem gemeinen Wesen dadurch 
grosser Nachtheil zugewachsen, als 
haben um solchem Unwesen vorzu- 
beugen nöthig gefunden, in Gefolg 
tragenden Erzbischöflichen Amts hier- 
unter gemessene Vorsehung zuthuen 
und zu verordnen, Verordnen auch 
hiemit gnädichst. 

1 tens : In jeder Pfarr- und Filial- 
Kirche, wo der Tauf vorfindlich, sollen 
gleich nach Erhaltung dieses drey be- 
sondere Bücher in Bogenform aus 
Kirchen- und wo solche nicht hin- 
reichen, aus gemeinen Mitteln ange- 
schafft und mit der Ueberschrift : 
Tauf- Copulations- und Sterb- 
Buch versehen werden. 

2tens : Jeder Pastor solle die vor- 
fallende Vereheligungen, Tauf- und 
Sterbefälle in das dazu bestimmte 
Buch zur naemlichen Zeit der vor- 
gehender Taufe oder Copulation und 
in Gegenwart deren annoch anwesen- 
den Theilen, und nicht hernach, wie 
nicht weniger auch den Sterbtag zu 
Latein nach denen in Agenda Colo- 
niensi fol. 425 des Endes eigends vor- 
geschriebenen Formulen einschreiben 
und zwarn mit denen vom lten Ja- 
nuarii dieses laufenden 1779 ten Jahres 
vorgefallenen Ereignissen den Anfang 
machen und diese Verzeichniss sollen 

13 



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194 



Armin Tille 



In das Buch der Vereheligten. 
Im Jahr . . den . . Tag des Monats 
. . seynd ehelieh zusammen gegeben 
worden Paulus N. getauft in der 
Pfarr . . Bischthums . . Landes . . nnd 
Johanna N. getauft in der Pfarr . . 
Bischtums . . Landes . . in Gegenwart 
N. N. als Zeugen. 

In das Buch der Verstorbenen. 

Im Jahr . . den . . ist verstorben 
Martin N. (hiebey ist dessen Stand, 
oder Profession mit wenigen Worten 
zu erwehnen, zum E. ein Becker) und 
begraben worden den . . auf den 
Kirchhof, oder in der N .-Kirche; Als 
viel 

3) die Tauf - Einschreibung eines 
uneheligen Kindes betrift, ist Unser 
gnädigster Befehl, dass von dessen 
Vatter keine Meldung geschehe, und 
selbiger in gemeltes Register nicht 
eingeschrieben werde, als in folgenden 
dreyen Fällen. 

(A.) Wann einer von dem behö- 
renden Richter als Vatter erkläret 
vorden; Oder 

(B.) wann er sich selbst als Vatter 
bekennt, und dem Pfarrer erkläret; 
Oder aber 

(C.) wann derselbe abwesend durch 
eine authentische und bestandmässige 
Erklärung sich als Vatter des unehe- 
ligen Kindes bekennet hat. 

Ausser diesen Fällen soll aber nur 
die Mutter des unehelich gebohrnen 
angesetzet werden, wann diese durch 
Zeugnüss der Hebamme, oder anderer 
glaubwürdigen Personen bekannt ist; 
Solte sich 

4) zutragen, dass Vatter und Mutter 
des uneheligen Kindes dasselbe durch 
eine unter ihnen erfolgende Ehe ehr- 
licheten, so ist nicht nur die Ehe 
Verbindnüs8 in das Buch der Copu- 
lationen, sondern auch die Anerkänt- 



die Pastorn den letzten Dezember je- 
den Jahres mit ihrer eigenen Unter- 
schrift bestätigen. 

3 tens : Bey der Vereheligung sollen 
noch hinzugesetzt werden die Namen 
deren beeden Eltern, sowohl von Sei- 
ten der Braut als des Bräutigams. 

4 tens: Zu mehrerer Verhuetung 
aller bey itzt besagter Einschreibung 
dannach vorgehen könnender Nach- 
laessigkeit sollen die Kuestern, als 
welche bey allen diesen Vorfällen per- 
soenlich zugegen sind, die Getauften, 
Vereheligten- und Verstorbenen für 
sich besonders aufzeichnen, welche 
Aufzeichnung des Kuesters nachhero 
alljährlich bey haltender Conferenz 
von dem Praeses und uebrigen zur 
Conferenz gehoerigen Pastoren colla- 
tionirt werden solle, welchemnach 
dann der in den Pfarrbüchern sowohl 
als in denen des Kuesters Annotatio- 
nen vorfindender Abgang zu Unserm 
General- Vicariat zur gehoerigen Ahu- 
dung gleich einberichtet werden solle, 
wo ansonsten Praeses und uebrige da- 
für angesehen werden. 

5 tens: Bey Absterben eines Pa- 
storn sollen dessen Executores vorbe- 
ruehrte Buecher sowohl ais sonstige 
zur Pfarrey oder Kirche gehoerige 
Litteralien auf keinerley Art aus dem 
Pfarrhau8c hinwegbringen, sondern 
selbige sollen von den Landdechanten 
sofort nachgesehen und die vom Ver- 
storbenen nicht unterzeichnete Blaetter 
von selbigen unterschrieben, solchem- 
nach dem Deservitom eiugehaendiget 
werden, wovon waehrendem Nachjahre 
die Buecher richtig gefuehret, bey 
seinem Absänge unterschrieben, und 
dem antretenden Pastorn uebergeben 
werden muessen. 

6 tens: Alle alte Vereheligungs- 
Tauf- und Sterb- Buecher sollen, Fallö 



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Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 



tiüss, welche von den Eltern des nun- 
mehro ehelich gewordenen Kindes ge- 
schehen, einzuschreiben, mithin dessen 
<reburts-Tag, der Tag der empfange- 
nen H. Tauf, die Kirch, worin es ist 
getauft worden, und die Nahmen 
derer Tauf-Zeugen folgender Massen 
mit zu bemerken: 

Welche nunmehrige Eheleut N. N. 
ein vor der Ehe von ihnen gezieletes 
Kind N. für das ihrige anerkannt, 
und erkläret haben. Dieses Kind N. 
seye gebohren im Jahr . . den . . 
Monats . . und getauft in der Kirch 
zu . . Bischtums . . den . . Jahrs . . . 
dessen Taufzeugen seyen gewesen N.N. 
Diesemnaeh sollen 

5) alle alte Vereheligungs- Tauf- 
und Sterbe - Bücher mit Ende dieses 
Jahr geschlossen, und die neue mit 
dem 1 ten Jenner bevorstehenden Jahrs 
1770 angefangen, die künftige Ver- 
zeignus vom Pastorn den letzten De- 
zember jeden Jahrs mit Beysetzuug 
dessen eigenhändiger Unterschrift be- 
stätiget, so dann dass dieses ge- 
schehen im folgenden Jahr mit Vor- 
legung der Original-Bücher erwiesen 
werden; verstirbt der Pastor, so ist es 
des Land-Dechanten Schuldigkeit, die 
Bücher sofort nachzusehen, die vom 
Verstorbenen nicht unterzeichnete 
Blätter für ihn zu unterschreiben, 
und solche Anordnungen zu machen, 
dass währendem Nach-Jahr die Bücher 
richtig geführet, vom Deservitore 
beym Abgang unterschrieben, und 
dem Nachfolger bey dessen Einfuruug 
übergeben werden; Damit nun diese 
Nachrichten der Nachkommenschaft 
so gewisser bey behalten werden, 
so ist 

6) Unser fernerer gnädigster Befehl, 
•dass jedes Buch zweyfach gefüret, und 
-von jedem ein gleichlautendes Exem- 



195 

es noethig, aufs neu eingebunden und 
zu gesicherter Verwahrung zum Kir- 
chen-Archiv hingeleget werden, wel- 
ches zuverstehen von denjenigen alten 
Buechern, so zu Mittheilung der 
Attestaten und also zum taeglichen 
Gebrauche nicht nothwendig sind. 

7ten8: Damit nun diese Nach- 
richten der Nachkommenschaft desto 
sicherer aufbehalten bleiben und durch 
keine zufällige Weise verlustiget gehen 
moegen, so werden Wir ferner gnae- 
digst befehlen, dass vom Gerichte 
eines jeden Ortes aus gemeinen Mit- 
teln ebenfalls drey dergleichen Buecher 
angeschaffet, und im Jenner jeden 
Jahres den Pastorn zugestellt werden 
sollen, um in solche inner sechs Wo- 
chen Zeit die im nächstverflossenen 
Jahre vorgegangene Vereheligungs- 
Tauf- und Sterbfällen aus ihrem Ori- 
ginal-Buch einzutragen, welche nach 
geschehener Einschreibung mit den 
Original • Kirchenbüchern gleichlau- 
tend zu seyn, die Pastores attestiren 
sollen. 

8tens: Bey Rücklieferung dieser 
zum Gerichte gehoerigen Buechern, 
als welche durch vertraute Bothen 
geschehen muss, solle jeder Pastor 
seiue Originalien zugleich mitschicken, 
damit die Gerichtschreibern solche 
collationiren, und die zum Gerichte 
gehoerigen Bücher auch pro concor- 
dantia unterschreiben koennen. 

Btens: Die Pastoren allein sollen 
die Auszuege, oder Zeugnissen fuer die 
Gebuehr ertheilen, die Gerichtschrei- 
bere aber, wie Wir verordnen werden, 
niemalen, es waere denn das Kirchen- 
buch verkommen, welches alsdann 
dem Extract mit beyzusetzen ist. 

Diese unsere gnaedigste Verord- 
nung solle jedem deren anzuschaffen- 
den Buecheren beygeschrieben oder 



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196 Armin Tille: Tauf-, Trau- und Sterberegister am Niederrhein. 



plar in jeder Amts-Registratur aufbe- 
halten werde. Solchen Ends sollen 
Beamte 

(A.) für eine jede in dem anver- 
traueten Amt bestehende Pfarr- oder 
Filial Kirch drey dergleichen Büchere 
anschaffen, 

(B.) Diese jedes Jahr im Jenner 
denen Pastoren mit dem Auftrag zu- 
stellen, um inner vier Wochen Zeit 
in solche die Begebenheiten des nächst 
verflossenen Jahrs aus ihrem Original- 
Buch einzutragen; 

(C.) Bei Rucklieferung deren zur 
Amts-Registratur gewidmeten Bücher 
solle jeder Pastor seine Originalien 
mitbringen, und beyede mit dem Ge- 
richtsohreibern collationiren. Hier- 
nechst 

(D.) sollen Pastor und Gericht- 
schreiber die zur Amts Registratur 
gehörende Büchere, als gleichförmig 
mit den Kirchen-Bücheren bezeugen. 

(E.) Aus solchen sollen gleichwohl 
die Pfarrer allein die Auszüge, oder 
Zeugnüssen für die Gebühr erteilen, 
die Gericht8chreibere aber niemalen, 
es wäre dann das Kirchenbuch ver- 
kommen, welches alsdann dem Extract 
mit bey zusetzen; All obigem Innhalt 
haben im gleichen 

7) die Protestantische Prediger, 
und Inspectoren gehorsamst nachzu- 
leben, und damit keiner deren jetzig- 
und künftigen Pastoren, und Predi- 
geren sich mit der Unwissenheit ent- 
schuldigen möge, 

So befehlen gnädigst, dass diese 
unsere Verordnung jedem deren mit 
bevorstehendem neuen Jahr anzu- 
fangenden Bücher beygeschrieben, oder 
beygebunden werde. 



beygebunden und sämmtlichen Pa- 
storen zu beständiger Befolgung mit- 
getheilet werden. 



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Miscellen. 



Zwei Bullen Pius IL für Kölner Klöster. 

Vou 
Bruno Albers. 

1. Für die Abtei St. Pantaleon. 

Otto der Grosse hatte im Jahre 953 seinen Bruder Bruno zum 
Erzbischof der Kölner Kirche ernannt. Seineu Regierungsantritt 
bekundete Bruno mit der Restauration der St. Martinsabtei zu 
Köln; gegen Ende seines Lebens beschäftigte ihn die Gründung 
eines neuen Klosters in derselben Stadt. Abt Hadumar von Fulda 
hatte ihm im Jahre 955 mit dem Pallium Reliquien des Mär- 
tyrers Pantaleon als Geschenk des hl. Vaters aus Rom Uberbracht. 
Bruno's frommer Sinn dachte alsbald daran den Reliquien eine 
ihrer würdige Ruhestätte anzuweisen. Vor den Mauern seiner 
Bischofsstadt lag eine alte dem Heiligen geweihte Kirche, welche 
jedoch gänzlich verfallen war. Bruno Hess dieselbe aufs neue 
herstellen, tibertrug dorthin die Reliquien und verband später mit 
ihr eine Mönchsabtei. 964 fand die feierliche Einweihung des 
Klosters und der Kirche statt 1 . Woher der Erzbischof die ersten 
Mönche genommen, ist uns nicht Uberliefert. Wenn wir seine 
Freundschaft mit Abt Hadumar in Betracht ziehen, so wird die 
Konjectur Fulda günstig sein; wir dürfen aber nicht vergessen, 
<las8 Bruno .ebensowohl zu den Mönchen von St. Maximin in Trier, 
wie mit denen zu Lorsch* in den engsten Beziehungen stand. Als 
•erster Abt des Klosters wird Christian genannt. 

1) Die unechte Stiftungsurkunde Eß. Brunos bei Lacomblet, ÜB» 
-des Niederrh. I, 61 No. 106 und Pertz SS. XVII, 740 ad an. 964. 

2) EB. Bruno hatte der von ihm restaurirten Abtei St. Martin einen 
Mönch aus Lorsch zum Abte gegeben (Pertz, SS. II, 214 Chron. S. Martin 



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198 



Bruno Albers 



Im XI. Jahrhundert erneuerte der hl. Anno die Stiftung sei- 
nes Vorgängers, indem er Mönche aus Siegburg, welche die Ge- 
wohnheiten von Fructuaria (Cluny) beobachteten, in das St. Pan- 
taleonskloster einführte. 

Vier Jahrhunderte später war die Observanz und reguläre 
Disciplin wieder in Verfall gerathen. Die Abtei hatte sich zwar 
1450 1 der Bursfelder Congregation angeschlossen, ohne jedoch in 
Folge dieses Anschlusses mit Erfolg dem drohenden Ruine ent- 
gegentreten zu können. Da wandte sich der Abt von St. Panta- 
leon 2 zu Anfang des Jahres 1458 nach Rom. Niedergebeugt durch 
die Last der Jahre und von drohenden Sorgen für die Existenz- 
seines Klosters umringt, glaubte er sich der Leitung der Abtei 
nicht mehr gewachsen. Den Krummstab wollte er jüngeren Hän- 
den tibergeben, diese sollten die Interessen der Abtei wahren und 
den gänzlichen Verfall derselben hindern. Unter Darlegung der 
traurigen Verhältnisse, in welchen das St. Pantaleonskloster sich 
befand, wandte er sich nach Rom und bat, dass Pius II. dem Car- 
thäusermönche Johannes von Totichen 3 gestatten möge, das Kleid 
des hl. Bruno und die Satzungen des Carthäuserordens mit dem 
Kleide und der Regel St. Benedicta zu vertauschen. Dieser solle 
dann die Leitung des Klosters übernehmen und unterstützt von* 
einem zweiten Carthäuserpater und vier oder fünf Laienbrüdem 
desselben Ordens an der völligen Reformirung der Abtei arbeiten. 
Wie wohlwollend der Papst die Bitte aufnahm, zeigt uns die nach- 
stehende vom 8. März 1458 datirte Bulle Pius II. an den Erz- 
bisehof Theoderich von Köln 4 . Zur Wiederbelebung der regulärer* 

Colon.). Lorsch hatte er selbst reformirt (Pertz, SS. IV, 257/8. Ruotgeri 
Vita BrunoniB). Andere treten für die Abtei Corvey ein, ef. Mabillon annal. 
o. S. Bened. III, 494 und Annal. Corbej. apud Leibnitz SS. rer. Brunsvic. II,. 
301 ad an. 952. * 

1) Annal. f. d. Niederrh. XIX, 90. 

2) Johannes Veet von Soest, 1452 — 1459 (vgl. Thomas, Gesch. der 
Pfarre S. Mauritius zu Köln S. 87). Abt Johannes legte am 24. Jnni 1459- 
sein Amt nieder (Kölner Stadtarchiv, Geistl. Abth. Msc. 204 fol. 54). 

3) Johannes Schunde von Doetichem (Thomas 1. c. S. 87); er war 
von 1437 — 1458 Prior des Kölner Karthäuserklosters (Jost, Sancta Colonia 
S. 264). 

4) EB. Theoderich regierte von 1414—1463. Ueber ihn und seine Wirk- 
samkeit für die Klöster seines Sprengeis cf. Ennen, Gesch. der Stadt Kola 
III, 768 wo auch näheres über den Zustand der Abtei S. Pantaleon (pg. 769/ 70K 



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Zwei Bollen Pius II. für Kölner Klöster. 199 

Observanz und zum erbaulichen Beispiele der Nachwelt solle der 
Carthäuser Jobannes von Totichen, Magister der schönen Künste, 
den Kenntniss der hl. Schriften ebenso wie heiliges Leben und 
praktische Fürsorge in materiellen Dingen auszeichne, die Erlaub- 
niss haben, in den Benedictinerorden überzutreten. Mit ihm solle 
ein anderer Mönch als Cellerarius 1 und vier oder fünf Laienbrü- 
der gleichfalls sich in die 8t. Pantaleonsabtei begeben. Der Erz- 
bischof solle Sorge tragen, dass dieses geschehe, und so dem dro- 
henden Ruine des Klosters rechtzeitig gesteuert werde 2 . — 

Die zweite Bulle desselben Papstes ist unter dem Datum des 
16. Januar 1458 an die Aebte der Klöster St. Martin und St. Pan- 
taleon zu Köln, sowie an den Dekan des Collegiatstiftes an der 
St. Andreaskirche daselbst gerichtet. Erzbischof Theoderich hatte 
in Rom Klage geführt, dass manche Klöster und Convente unter 
dem Vorwande der Exemption jeden seiner Versuche durch eine 
Visitation das klösterliche Leben neu zu ordnen oder zu refor- 
miren ablehnten. Die obengenannten Aebte und der Dekan der 
St. Andreaskirche werden vom hl. Vater angewiesen, auf jedes 
Verlangen des Erzbischofes hin in jedem Kloster der ganzen Köl- 
ner Diöcese die canonischc Visitation vorzunehmen und erhalten 
hiefttr vom Papste jegliche nöthige Vollmacht. 

L 

Permittitur transferendi aliquot monachos ex monasterio Cartu- 
sianorum Coloniensi in monasterium S. Pantäleonis Colon, pro refor- 
matione dicti monasterii S. Pantäleonis. Reg. Vat. 499. fol. 291. 

Pius etc. Venerabiii fratri Archiepiscopo Coloniensi salutem 
etc. Ad ea, quae pro ecclesiarum et monasteriorum utilitatibus, 
illorumque provido regimine et restauratione necessaria fuerint seu 
alias quomodolibet oportuna in divini cultus et religionis augmen- 
tum paterne dirigimus considerationis intuitum et illa, quantum 
cum Deo possumus apostolicis favoribus confovemus. Sane pridem 

1) Wer die Wichtigkeit und den Einfluss des Cellerarius auf die Mönche 
erkennen will, lese das schöne Capitel in der Hegel des hl. Benedict über 
den Cellerar. (Regula S. Benedict! cap. XXXI De cellerario manasterii, qua- 
lis sit.) 

2) Johann von Doetichem wurde 1459 Abt von S. Pantaleon und be- 
kleidete diese Würde bis an seinen am 15. August 1464 erfolgten Tod (Köl- 
ner Stadtarchiv, Geistl. Abth. Msc. 204 fol. 56; T h o m a s 1. c; Jost 1. c. 
S. 264 giebt den 24. April 1465 als Todestag an). 



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200 



Bruno Albers 



pro parte dilecti filii abbatis monasterii sancti panthaleonis ordinis 
sancti benedicti, Coloniensis, nobis exposito, quod cum ipse esset 
adeo senio confractus, quod monasterium ipsum feliciter amplius 
regere illiusque jura defendere non posset commode per se ipsum, 
et propterea ex certis rationabilibus causis animum suum moven- 
tibus regimini et administratiooi monasterii hujusmodi sponte et 
libere cedere proponeret, ac tarn dictus abbas, quam etiam con- 
ventus praefati monasterii desiderantes, ut in dicto monasterio 
regularis vigeret observantia per cessionem hujusmodi, dilecto filio 
Johanni de Totichen, ordinis cartusiensis domus Coloniensis ma- 
gistro in artibus, ac in sancta pagina erudito, exemplaris vite et 
sanctimonie. in temporalibus provido ac in spiritualibus plurimum 
circumspecto, provideri mandassemus, volentes, quod ex tunc illum 
gestaret habitum, qui in eodem monasterio geritur et habetur, illius- 
que institutis regularibus se confirmaret prout in literis nostris 
desuper confectis, quarum tenorem praesentibus habemus pro ex- 
presso, latius continetnr. Cum autem sicut eadem peticio subjun- 
gebat dictum monasterium per incuriam ac inutilem administratio- 
nem predecessorum ere alieno gravatum ac in temporalibus et 
spiritualibus plurimum collapsum censeatur, et propterea tarn pro 
observancia regulari deinceps in dicto monasterio Deo auspice sta- 
bilieuda et continuanda exeraplariaque edificatione posterorum, 
quam pro gravibus oneribus dietim incumbentibus et ad observan- 
dum fidem promisionem obligationumque diversis creditoribus aliis- 
que personis factam pro prediis censibus et possessionibus ipsius 
monasterii plus solito vigilantiori cura colendis (?) gubernandis, recu- 
perandis ut uberiores exinde proventus et introitus temporis pro- 
gressu coiligi possint, sine quibus humane fragilitati non est diu 
insistendum, spiritualibus ante omnia quaerendis, ac pro duplici 
monasterii hujusmodi tarn spirituali, quam temporali reformatione 
plurimum monasterio hujusmodi profuturum foret ydoneum habere 
cellerarium sacerdotem ac quatuor vel quinque patres laicos dona- 
tos aut conversos dicte domus Cartusiensis, pro juvamine ac suf- 
fragio vigilantique assistentia, pro Dei gloria illic amplianda ex- 
pertos, ob etiam conformitatem morum et experientiam laborum 
et officiorum in eodem monasterio exercendorum cum pro prae- 
missorum executione potius fundati et instructi et imbuti ac ex 
una domo noti recipiendi et preferendi forent, quam ex pluribus 
vel aliunde imbuendos ac inexpertos recipere aut colligere ne sci- 



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I 

Zwei Bullen Pius II. für Kölner Klöster. 



201 



ücet in prestina incidatur inconvenientia et ex aliorum indotibi- 
lium (!) inoboedientia, deteriora subsequerentur, cum etiam in dicta 
domo Cartusiensi plures ad hoc sufficientes remanerent, plerique 
etiam ad praemissa apti illuc confluunt et confluere consueverunt 
pro parte dicti abbatis nobis fuit humiliter supplicatum quatenus 
praemissa perficiendi licenciam concedere ac alias ipsum monaste- 
rium pro ipsius stabilimento ut prefertur pro favore prosequi de 
benign itate apostolica dignaremus. Nos igitur, qui animarura pro- 
curamus salutem et religionis propagationem illiusque stabilimen- 
tum ferventibus desideriis nostris presertim temporibus prcsequen- 
tes de praemissis certam noticiam nostram habenteo, hujusmodi 
supplicationibus inclinati fraternitati tue per apostolica scripta 
committimus et mandamus, quatenus si ita est, super quo tuam 
conscientiam oneramus, dictorumque transferendorum ad id con- 
sensus accesserit ex tunc unum ex fratribus sacerdotibus pro cel- 
lerario et alios quatuor fratres donatos seu conversos dicte domus 
Cartusiensis pro praemissorum executione proficuos et necessarios 
ad dictum monasterium sancti panthaleonis auctoritate nostra trans- 
feras ac dictis tranferendis quod ex tunc illum gestent habitum, 
qui in eodem monasterio per professos sacerdotes et donatos seu 
conversos geritur et habetur ac illius institutis regularibus obser- 
vantia monastice se conforment plenam et liberam auctoritate apo- 
stolica licentiam largiaris, non obstantibus constitutiouibus et ordi- 
nationibus apostolicis et consuetudinibus monasterii domus sive 
ordinum praedictorum etiam juramento seu quamvis alia firmitate 
roboratis, ceterisque contrariis quibuscunque .... 

Datum Senis antto etc. millesimo quadringentesimo quinqua- 
gesimo octavo Idus Martii Pontificatus nostri anno primo. 

IL 

Reg. Vat. 499. fol. 322. 

Pius etc. Dilectis filiis sanctorum Panthaleonis et Martini 
Coloniensis monasteriorum abbatibus ac decano ecclesie sancti 
Andree Coloniensis salutem etc. 

Licet grave gerimus et molestum cum de ecciesiasticis per- 
sonis sinistra nobis proferantur in execibus (!) tarnen religiosarum 
personarum, quae mundanis abjectis illecebris sub regulari obser- 
vancia pre ceteris castius et honestius ex professionis voto vivere 
sunt astricte eo gravius provocamur, quo damnabilius earum culpe 



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202 



Bruno Albers 



et excessus permaneant incorrecti, cum id quod per eas male agi- 
tur, ab aliis trahatur facilius in exemplum. Cum itaque sicut ex- 
hibita nobis du per pro parte Venerabiiis fratris nostri, Theodorici 
archiepiscopi Coloniensis petitio continebat in plerisque mona- 
steriis aliisque regularibus locis conventualibus ordinum diversorum 
suarum civitatum et dioecesis Coloniensis, presertim quae exempta 
dicuntur, et in quibus idem archiepiscopus propterea jurisdictionis 
exerticio (!) hactenus non inhesit regularis depressa observancie 
norma ritus monasticus, divina quoque ministeria laxentur et ne- 
glectui commissa sint ipsorumque monasteriorum et locorum per- 
sone pie vite studio et suavi contemplacionis ingenio sepositis,. 
prosilientes ad vetita variis, et que nonnumquam impunita per- 
transeant, criminibus et excessibus se immergere et ea admittere 
detestabiliter non tremescunt in suarum salutein animarum dispen- 
dium, divinae majestatis offensam, et non sine scandalorum pre- 
cipitii8, in sacre religionis obprobrium, et pernitiosum plurimorum 
exemplum, unde monasteria et loca ipsa, ut excussis, que illorum 
offuscant decentiam, in continentiis acceptiores parturiant alump- 
nos tarn in capitibus, quam in membris in eisdem quoque spiri- 
tualibus et temporalibus visitacionis et reformationis presidium 
exposcunt salutare. Nos igitur, quorum interest nostras super hiis 
afferre vigilancie curas, etiam ipsius Theodorici archiepiscopi in hae 
parte supplicationibus inclinati, discretioni vestre, de qua in hiia 
et aliis specialem in domino fidutiam obtinuimus per apostolica 
scripta committimus et mandamus quatenus vos vel duo aut unua 
vestrum ad singula monasteria et conventualia loca hujusmodi quan- 
documque et quotienscumque presertim Theodoricum Archiepi- 
scopum Coloniensem 1 , quoad vixerit ad hoc fueritis requisiti etiam 
simul cum ipso archiepiscopo ac aliis religiosis personis, quas 
duxerint eligendas accedentes ac prae occulis habentes solura deum, 
in singulis monasteriis et locis ipsis tarn in spiritualibus quam in 
temporalibus, necnon capitibus et membris hujusmodi debite refor- 
macionis officium auctoritate apostolica impendere ac solicitiu» 
exercere curetis ac omnia debite reformationis inibi fulciatis amini- 
culo, que illo noveritis quomodolibet indigere; nos enim ut ex 
hujusmodi visitacionis et reforraacionis directione salubri fructus 



1) Scheint so im Text zu stehen und ein Schreibfehler für a Theoderico« 
Archiepiscopo Coloniensi. 



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Zwei Bullen Pius II. für Kölner Klöster. 



203- 



proveniant ampliores, tarn vobis, quam praefato Theodorico archi- 
episcopoomnnes et singulos monasteriis et conventualibus locis praesi- 
dentes, eisdem ipsorumque monasteriorum et conventualium locorum 
personas cujuscumque dignitatis, Status, gradus ordinis vel condi- 
ciouis fuerint insuper criminum et excessuum per eos quomodolibet 
perpetratorum qualitatem et exigeutiam sauctiouesque canonicas 
et regularia dictorum ordiuum constitutiones et instituta necnon 
presideDtium et personarum animaruni saluti monasteriorum quo- 
que et conventualium locorum eorundem statui et indemnitatibus 
congruere perspexeritis, eadem auctoritate corrigendi penisque de- 
bitis percellendi ac omnia alia et singula in premissis et circa 
ea quomodolibet necessaria et oportuna faciendi, statuendi, dispo- 
nendi, ordinandi et exequendi, contradictores quoque et rebellea 
per censuras ecclesiasticas et alia oportuna juris remedia appella- 
tione postposita compescendi plenam et liberam concedimus tenore 
presentium facultatem non obstautibus constitutionibus et ordina- 
tionibus apostolicis, necnon statutis et consuetudinibus monasterio- 
rum, conventualium locorum et ordinum eorundem jura confir- 
matione apostolica vel quamvis alia firmitate vallatorum etc. etc. 

Datum Romae apud sanctam mariam majornm anno incama- 
tionis dominice millesimo quadriugentesimo quinquagesimo octavo 
tertio decimo kal. Februarii pontificatus nostri anno primo. 



Aeltere Rechnungen über die Bearbeitung von Wein- 
bergen in der Dürener Gegend. 

(15. Jahrhundert.) 
Von 
£. Pavls. 



Der Weinbau an den Ufern der Roer in der Nähe Dürens ist 
mehrere Jahrhunderte alt, war aber, wie so vielfach anderweitig,, 
im Laufe der letzten Jahrzehnte erheblich zurückgegangen 1 ). Er- 
freulicher Weise hat jetzt eine auf Veranlassung des Königl. Land- 

1) Zeitschrift des Aachener Geschichtsvereins Bd. VII, S. 199 ff. und 
Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein Heft 62, S. 104 ff. 



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E. Pauls 



rathamtes zu Düren durch einen Weinbau • Sachverständigen im 
Sommer 1896 vorgenommene Untersuchung 1 ) der Weinberge in den 
Gemarkungen Winden, Maubach und Niedeggen ergeben, dass die 
Lage recht günstig ist, hundert- und mehrjährige Stöcke, sowie 
«in fast ganz verunkrauteter und verwachsener Boden an vielen 
Stellen indess Neuanlagen in Verbindung mit einer sorgfältigen 
Bodenbearbeitung nöthig machen. Eine Rechnung über die Be- 
arbeitung der Windener Weinberge im Jahre 1600 wurde bereits 
früher veröffentlicht 2 ). Um 166 Jahre ältere derartige Rechnungen 
aus Bürvenich, Pissenheim, Pimmenich und Winden bewahrt das 
Staatsarchiv zu Düsseldorf in den Kellnerei-Rechnungeu des Amtes 
Hambach. Wahrscheinlich sind die nachstehend zum ersten Mal 
veröffentlichten Aufstellungen in ihrer Art die ältesten zur Ge- 
schichte des Weinbaus an der Roer; ziemlich gleichalterige ähn- 
liche Rechnungen für die Moselgegend und Belgien 3 ) finden sich 
bei Lamprecht und Halkin, auch enthalten die von L. Korth 4 ) 
herausgegebenen ältesten Haushaltungs-Rechnungen der Burggrafen 
von Drachenfels manche Notiz zur Kultur der Weinberge bei Kö- 
nigswinter am Rhein zu Ende des 14. Jahrhunderts. 

Ich beschränke mich auf die Wiedergabe der Bürvenicher 
Rechnung und gebe Uber die andern Rechnungen, um Wieder- 
holungen zu vermeiden, ausser einer kurzen Uebersicht einige in 
der Aufstellung für Bürvenich nicht vorkommende Notizen kultur- 
geschichtlicher Art. 

Weinberg zu Bürvenich im Kreise Düren (vgl. Anlage). 

(14345).) 

Dass 15 Arbeitstage auf das Zusammenstellen der Körbe (liele) 
und das Einsammeln des Zehnten, 73 Arbeitstage auf das Tragen 



1) Kölnische Zeitung Nr. 529 vom 9. Juni 189G. 

2) Zeitschrift des Aachener Gcschichtsvereins Bd. VII, S. 261 ff. nach 
Akten des Stadtarchivs in Köln. 

3) K. Lamprecht, Deutsches Wirtschaftsleben II, Statistisches Ma- 
terial S. 535 f. für Kärlich zum Jahre 1432; J. Halkin, Etüde historique 
sur la culture de la Vigne en Belgique (Extrait du Bulletin de la Societe 
•d'art et d'histoire du diocese de Liege tom. IX) für Löwen (Louvain) zu den 
Jahren 1403 und 1404. 

4) Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein. 54. Heft. 

5) Die Rechnungen wurden im Jahre 1434 aufgestellt; die angeführten 
Auslagen fallen wohl in die Jahre 1432 und 1433. 



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Aeltere Rechnungen üb. d. Bearbeitung v. Weinbergen in d. Diirener Gegend. 205- 

von Mist in den Weinberg, 200 Arbeitstage auf den Transport von 
Pfählen und Schneidearbeiten (wyngerden gesneden) u. s. w. fallen, 
deutet auf eine eingehende Bewirtbschaftung und einen reichen. 
Herbst. Dem Ertrage steht die hohe Ausgabe von 328 Mark ge- 
genüber, von welcher indess hier wie bei den anderen Weinbergen 
wahrscheinlich ein Theil für Neuanlagen verausgabt wurde. Er- 
wähnt werden 17 Morgen Weinberg, nicht dagegen ein Kelterhaus; 
vielleicht kelterte man den Wein ausserhalb Bürvenichs. Nur 
Männerarbeit wird zum Tagelohn von 37 2 Schilling (einmal 
4 Schilling) verzeichnet. 

Weinberg zu Pissenheim im Kreise Düren. 

(1434.) 

Neun Morgen Weinberg; Gesammtkosten 166 Mark. Nur 
Mänrierarbeit: Tagelohn 3 1 / 2 , 4, 5 Schilling. Je ein Posten für 
den Weinberghüter (wynschutzen), sowie für Butter und Käse an. 
die Korbträger. Kelterhaus- Arbeiten werden erwähnt. 

Weinberg zu Ginnick im Kreise Düren. 

(1434.) 

21 Morgen Weinberg, Gesammtkosten 524 Mark. Männer- 
arbeit: Tagelohn 20 haller 1 ), 5 Schilling; Frauenarbeit: Tage- 
lohn 2 J / 2 Schilling. Kelterhaus erwähnt. Der Mist wurde im Hofe 
geladen und aus den Ställen getragen*). 

Weinberge zu Pimmenich 3 ) und Winden im Kreise Düren. 

(1434.) 

Je neun Morgen Weinberg; Gesammtkosten für diese 18 Mor- 
gen 429 Mark. Männerarbeit: Tagelohn 4, 5 Schillinge (bei 
4 sh. wiederholt ein Zusatz von Bier); Frauenarbeit: Tagelohn 
2 Schillinge. Bemerkenswertbe Posten: Reinigen (schoen machen) 
des Kelterhauses, Keltersmeer (wohl Oel u. dergl. zum Anfetteu 
der Schrauben), Häringe, Butter, Käse, Salz, Erbsen, Kerzen, Fass- 

1) Der hohe Satz von 5 Schillingen gilt für Arbeiten im Kelterhause r 
die auch in den anderen Rechnungen hoch angesetzt stehen. Dem Lohn von 
20 haller (nicht ganz 2 Schillingen) wurde wohl freie Kost beigefügt. Die 
Frauenarbeit bestand in weyden ind gerden raffen (zusammenlesen). 

2) In den hoeve geladen ind uyss den stellen gedragen. 

3) Pimmenich ist ein Weiler bei Lendersdorf. Weinberge in Pimme- 
nich finde ich sonst nicht verzeichnet. 



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1 



■so«; 



E. Pauls 



Binder (2 vassen zo byiiden), Wein zum Auffüllen (vulwyn) 1 ), 24 
Mark Jahre9lohn für den Weingärtner und 12 Mark für einen Rock 
desselben Gärtners. 

Anlage. 

Rechnung über die Bearbeitung des Weinbergs in Bür- 
venich kurz vor 1434. 
Dit is bewisonge van alsulchen costen ind wercken, as onss gne- 
diger heren wyngarden bynnen deser vurscr. zyt dat de rentmeister dat 
rentmeister ampte annam, hait gecost zo machen ind zu bereiden, as 
her na volgt. Ind zo wissen, dat plotzen ind heichten 2 ) voir des rent- 
meisters zyt voir geschiet was. In den nesten van den wyngerdeu zu 
Buruenich. 



Item so haint 5 manne in dem berste die liele 
ind den zienden by ein gedragen, mallich 3 dage, des 
dages 4 sh. valet 5 mr. ; item haint 12 manne myst 
in die wyngerden gedragen, onder yn allen 73 dage, 
des dages 3V2 sh., valet 21 mr. 3 sh. 6 hr. It ver- 
dinckt die wyngerden zo körten, dan af gegeven 
14 mr.; it. verdinckt eynen grave länx die wyn- 



mr. 


sh. 


5 

j ] 




21 


3 


14 





hr. 



1) In mehreren Wörterbüchern scheint dieser Ausdruck zu fehlen. Er 
findet sich im 9. Bande der Beiträge zur Geschichte des Niederrheins (Düssel- 
dorfer Geschichtsverein) S. 31; vergl. ferner Lacomblet Archiv Bd. II, S. 2G: 
vinum quod supplementum dicitur. 

2) Lamprechta. a. ö. S. 536 Anmerk. nennt folgende Weinbergs- 
arbeiten für die Moselgegend zum Jahre 1432: Hauen, Lauben, scindere et 
stipare, Gurten, slisen salices, Brachen, Nachpflanzen, Rotten und Umzäunen, 
Beugen, Lauben, Ruren, colligere, Kelterarbeit. In der vorliegenden Rech- 
nung (Bürvenich) entspricht die Mark 12 Schillingen, der Schilling 12 Hellern. 
Mark kürze ich in mr., Schilling in sh., Haller in hr., füge aber der Ueber- 
sichtlichkeit halber seitlich den Betrag in Colonnen nochmals an. Nach 
Lamprecht a. a. 0. entsprach in der Moselgegend damals ein Albus 1,28 
Gramm Silber. Ob dies auch für die Roergegend gilt, lässt sich ebenso wenig 
zur Zeit feststellen, als die Grösse eines Morgens im Dürener Bezirk im 
15. Jahrhundert. Es mangelt an den nöthigen Vorarbeiten. Plotzen = mit 
dem Messer beschneiden, wyngarts blader plottzen of afdoin ; höchten, höhen (?), 
d. h. die Rebenzweige nach oben hin anbinden, oder aber: hauen und be- 
schneiden im Weinberge. (Annalen des historischen Vereins für den Nieder- 
rhein, Heft 54, S. 89.) 



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Aeltcre Rechnungen üb. d. Bearbeitung v. Weinbargen in d. Dürener Gegend. 207 



mr. 



sh. 



hr. 



garden zo graven, dan af gegeven 5 mr., it. haint 
12 manne raeme up die wyden geschoret ind wyden 
gesneden, mallicb 2 dage, des (dages) 3Y 2 sh. valet 
7 rar. Item haint 12 manne raeme gewadt, under 
yn allen 36 dage, des dages 3V2 sh. valet 10 mr. 
6 sh.; it. haint 12 manne raeme in die wyngerden 
gedragen ind die wyngerden gesneden, onder yn 
allen 200 dage ad 3V2 sh. valet 58 mr - 4 sh. 
Summa huius lateris: 121 mr. 1 sh. 6 hr. 



Item haint 12 manne geprofft, mallich 2 dage, 
•des dages 3V2 sh. valet 7 mr.; it. om 120 schouve 1 ) 
gortwyden, den schouf voir 9 hr. valet 15 mr.; it. 
haint 12 manne gestickt, onder yn allen 91 dage, ad 
3V2 sn < valet 26 mr. 3 sh.; verdinkt 12 morgen 
wyngartz zu gorden, va nden morgen 3V2 mr * valet 
42 mr.; it. noch van 5 morgen wyngartz zo gorden, 
dan af gegeven 10 mr. 10 sh; it. verdingt 17 mor- 
gen wyngartz zo graven, van den morgen 5V 2 mr. 
valet 93 mr. 6 sh. Item den gesellen in der gracht 
5 tonnen biers, die tonne 2V2 mr « valet 12 mr. 6 sh. 

Summa huius 
Summa dis vurscr. wyngartz wercken zo Buruenich : 

328 mr. 2 sh. 6 hr. 



7 
10 



58 



121 


1 


6 


7 

15 






26 


3 




42 






10 


10 




93 


6 




12 


6 




207 






121 


1 


6 



| 328 , 2 | 6 



Nach Schluss dieses Aufsatzes meldeten gelegentlich der 
Besprechung des Ausfalls der Weinernte im Herbst 1896 verschie- 
dene Zeitungen, dass nicht nur mehrfach am Rhein und an der 
Mosel, sondern selbst an minder günstig gelegenen anderweitigen 
Stellen dem Weinbau seit einigen Jahren mehr Aufmerksamkeit 
gewidmet werde. Eine zu Ende 1896 in Löwen erschienene Schrift 
von F. Pirard empfiehlt unter Hinweis auf die seit Jahrhun- 



1) Schauf-Bündel; ähnlich wie in „schauf auflegen": Strohbündel für 
Dächer. 



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208 E. Paul 8: Aeltere Rechnungen über die Bearbeitung von Weinbergen etc. 

derten unveränderten klimatischen Verhältnisse eine den heutigen 
Anforderungen der Wissenschaft entsprechende sorgfältige Pflege 
der zur Zeit noch in Belgien vorhandenen Weinberge. Pirard 
theilt mit, dass ein vor etwa fünf Jahren bei Löwen in Belgien 
angelegter Weinberg von 13 Ares (ein halber preussischer Morgen) 
im Herbst 1896 einen Ernteertrag von 600 Liter Weiss wein aus 
völlig reif gewordenen Trauben aufzuweisen hatte. 



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Die historische Litteratur 1 ) des Niederrheins 
für das Jahr 1894. 

Von 
Kaspar Keller. 



A. Römische Zeit. 

1. A. Schulten. Die Roman isirung der Rheinlande. — Rhein- 
G. Bl. 1, S. 41-44 und 85-87. 

2. E. Ritterling. Statthalter von Germania Inferior. WZ. 13, 
S. 28-37. 

Ergänzungen zu Liebenams Listen der germanischen Statthalter. 

3. Museographie: 

a) J. Klein. Bonn. Provinzialmuseum. WZ. 13, S. 310—312. 

b) A. K i s a. Köln. Museum Wallraf - Richartz. WZ. 13, 
S. 312—315. 

c) A. K i s a. Museum Wallraf- Richartz in Köln. Die neue 
Aufstellung der römischen Alterthümer. KBWZ. 13, Sp. 

328—332. 

d) F. B e r n d t. Aachen. Städtisches Suermondt - Museum. 
WZ. 13, S. 315-316. 

e) Krefeld. Sammlung des Museumsvereins. WZ. 13, S. 
316-317. 



1) Die Herren Autoren und Verleger von Arbeiten auf dem Gebiete der 
Geschichte der Bheinprovinz werden gebeten, im Interesse der Vollständigkeit des 
Litteraturverzeichnisses die Anzeige-Exemplare möglichst frühzeitig an die Re- 
daktion der Anndien (Bonn, Agrippinenstrasse 5) einzusenden. 

Annalen des hist. Vereins LXIII. 14 



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210 



Kaspar Keller 



f) 0. Schell. Elberfeld. Sammlung des Bergischen Ge- 
schichtsvereins. WZ. 13, S. 316. 

4. H. D r e s 8 e 1. Aus dem Bonner Provinaialmuseum. Mit 1 
Tafel. JVARh. 95, S. 61-87. 

Beschreibt den Bropcebeschlag einer römischen Schwertscheide mit 
Bildniss und eine aus Spanien stammende Amphora. 

5. H. L. U r 1 i c h s. Römische Broncereliefs aus Köln. Mit 1 
Tafel. JVARh. 95, S. 90-101. 

6. A. BrUning. Die Kölner Aeneasgruppe. M. 1 Tafel. JVARh. 
95, S. 49—60. 

Diese 1892 gefundene Gruppe, welche Aeneas darstellt, wie er seinen 
Vater auf den Schultern trägt und den Askanius an der Hand führt, gleicht 
der früher gefundenen, im Litteraturbericht 1892 n. 16 beschriebenen 
Gruppe; der bei dieser fehlende Askanius ist inzwischen auch aufgefunden 
worden. Mit Rücksicht auf die Fundorte, vor der Römerstadt an Römer- 
strassen, nimmt Br. an, dass die beiden Gruppen den Abschluss von Grab- 
denkmälern gebildet haben. 

7. S t e u e r n a g e 1. Römische Funde zwischen Köln und Niehl. 
KBWZ. 13, S. 34-40. 

Bei Kanalisationsarbeiten wurden die Fundamente eiues kleinen römi- 
schen Gebäudes, sowie Blei- und Steinsärge blossgelegt. In letzteren fanden 
sich u. a. Broncegegenstände und Fläschchen. 

8. A. K i s a. Funde bei Hermülheim. KBWZ. 13, Sp. 206. 

In einer Braunkohlengrube wurden Glaskannen und -Näpfe, Thon- 
schüsseln und zahlreiche Bruchstücke von Urnen, Gefässen und Ziegeln ge- 
funden. 

9. A a c h e n. Alterthumsfunde. KBWZ. 13, Sp. 74—76. 

Zwei Meter unter der heutigen Strasse wurde ein Stück der von der 
Maas (Roermond) über Eupen nach Trier führenden Römerstrasse auf- 
gedeckt. 

10. C. Meurer. Aus der rheinischen Epigraphik des Jahres 1893. 
JVARh. 95, S. 185—220. 

Zusammenstellung der im Jahre 1893 im Rheinstromgebiet gemachten 
und publicirten epigraphischen Funde. 

11. C. B o n e. Römisch-mittelalterlicher Inschriftenstein zu Düssel- 
dorf (Derendorf). BGNiederrh. 8, S. 244—246. 

12. C. Koenen. Zum Verständniss der Blankenheimer Aus- 
grabungen. RheinGBU. 1, S. 227-229. 

Aus Anlass der Aufdeckung grossartiger römischer Bauanlagen in 
Blankenheim weist K. auf die Tradition hin, welche die ältesten Theile des 
Schlosses auf römischen Ursprung zurückführt und einen Graf Albinus als 



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Die historische Lifteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 211 



<}rüuder nennt. Albinus entspreche dem fränkischen Blanko = weis. Es seien 
manche Dynastensitze aus den Gütern römischer Grossgrundbesitzer hervor- 
gegangen. 

B. Mittelalter und Neuzeit. 

I. Quellen- und Quellenkunde. 

13. L. Weilaud. Fragmente einer niederrheinischen Papst- 
und Kaiserchronik aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts. — 
Nachrichten derK. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göttingen, 
1894, S. 375—383. 

Nachweis, dass die Chronik zwischen 130ß und 1308 am Niederrhein 
entstanden ist. Das Fragment, welches die Jahre 1293—1303 umfasst, ist 
werthvoll durch seine Nachrichten zur niederrheinischen Territorialge- 
achichte. 

14. J. Hansen. Nuntiaturberichte aus Deutschland 1572—1585. 
nebst ergänzenden Aktenstücken. Zweiter Band. Der Reichs- 
tag zu Regensburg 1576, der Pacificationstag zu Köln 1579, 
der Reichstag zu Augsburg 1582. Im Auftrag des K. Preussi- 
schen historischen Instituts in Rom bearbeitet. [A. u. d. T. 
Nuntiaturberichte aus Deutschland. Dritte Abtheilung 1572 
bis 1585. Herausgegeben durch das K. Preussische historische 
Institut in Rom und die K. Preussische Archivverwaltung.] 
Berlin, Bath. XCIII, 679 S. 

Die niederrheinischen Gebiete wurden durch den spanisch - niederlän- 
dischen Streit stark in Mitleidenschaft gezogen und hatten daher an den 
Kölner Friedensverhandlungen das grösste Interesse. Die Verhandlungen 
blieben erfolglos, sie hatten die ganzliche Trennung der holländischen Gebiete 
vom deutschen Reiche zur Folge. — Die auf Köln und den Niederrhein be- 
züglichen Nuntiaturberichte von den Reichstagen zu Regensburg und Augs- 
burg sind im ersten Band veröffentlicht. [Vgl. Litt.-Ber. 1892, n. 32.] In 
einem grösseren Anhange werden dann noch Nachträge zum 1. Bande, Akten 
zum Abfall des Erzbtschofs Gebhard Truchsess von der katholischen Kirche, 
mitgetheilt, die fast ausschliesslich dem durch das Königl. Preussische histo- 
rische Institut in Rom erworbenen Theile des Archivs der Familie Minucci 
entnommen sind. 

14a. J. Hansen. Zur Gegenreformation im Erzstift Köln. KBWZ. 
13, Sp. 172—173. 

' Eine Ergänzung zum 1. Band der Nuntiaturberichte: ein Brief des 
Elekten von Köln, Ernst von Bayern, an den Nuntius Bonomi, worin er um 



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212 



Kaspar Keller 



Unterstützung in seinen Bemühungen um die Restauration des Katholizismus 
im Erzstift bittet. 

15. H. Hoogeweg. Die Schriften des Kölner Domscbolasters, 
späteren Bischofs von Paderborn und Kardinalbischofs von S. 
Sabina, Oliverus. [A. u. d. T. Bibliothek des Litterarischen 
Vereins in Stuttgart Bd. 202.] Tübingen, Litterarischer Ver- 
ein in Stuttgart. CLXXX1II, 352 S. 

lti. W. Sauer. Bericht Uber die Entnahme des Betrages von 
2682 Gulden aus dem im Kammergewölbe zu Marburg hinter- 
legten Schatze des Erzbischofs Hermann von Köln und Zah- 
lung dieses Betrages an König Maximilian, 1486, Juni 17. 
KBWZ. 13, Sp. 130-132. 

17. H. K e 1 1 e t e r. Zur Geschichte des Kölner Kurfürsten Joseph 
Clemens. KBWZ. 13, Sp. 173—176. 

Mehrere Briefe von Joseph Clemens an Freiherrn von Notthaft, Gou- 
verneur von Bonn. 

18. W. Harle ss. Bericht des Kurkölnischen Raths Jacob Om- 
phalius vom Reichstag zu Speyer. ZBergGV. 30, S. 172—179. 

19. F. 8 c h r o e d e r. Die Chronik des Johannes Turck. Ann- 
HVNiederrh. 58, S. 1-175. 

20. Uebereinkunft des Herzogs Adolf von Cleve mit einem Apo- 
theker, welcher sich zu Cleve niederlassen soll. 1437, den 
6. Mai. ZBergGV. 30, S. 180. 

21. H. K e 1 1 e t e r. Die Erschlagung des Jülicher Grafen Wilhelm 
IV. zu Aachen am 16. März 1278. KBWZ. 13, Sp. 219—220. 

K. theilt eine in der Nähe Aachens und unter dem unmittelbaren 
Eindruck des Ereignisses entstandene Aufzeichnung aus einem Kollektar des 
Kölner Domstiftes mit. 

22. Meister Nicolaus Stock empfiehlt dem Herzog von Jülich-Berg 
den Licentiaten Heinrich Clodebok aus Schlesien für seinen 
Hofesdicust. Nürnberg, 1437, April 22. ZBergGV. 30, S. 
287—288. 

23. G. v o n B e 1 o w. Die Streitigkeiten zwischen Aachen und 
Jülich im Jahre 1558. ZAachenGV. 16, S. 1—11. 

v. B. theilt neue Urkunden über die Anlange des Aachener Kirchen- 
Streites im HJ. Jahrh. mit, aus welchen vor Allem hervorgeht, dass der Streit 
zwischen Aachen und Jülich nicht so sehr auf kirchliche Gegensätze zurück- 
zuführen ist, als vielmehr seinen Ausgang von dem Streit um die Hoheits- 
rechte nahm. 

24. G. von B e 1 o w. Hat Johann von Selbach bei der Belage- 



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Die historische Litteratur des Xiederrheins für das Jahr 1894. 213 

rung von Heinsberg im Jahre 1543 Verrath geübt? ZAachenGV. 
16, S. 171—174. 

v. B. theilt einige diese Angelegenheit betreffenden Aktenstücke mit 
u. a. auch ein Gutachten des Hofgerichts zu Wittenberg, in welchem auch 
ein Gutachten der Schöffen zu Leipzig erwähnt wird. 

25. G. von Below. Ueber die militärische Unterstützung des 
Herzogs von Jülich-Cleve durch Franz I. von Frankreich im 
Geldrischen Erbfolgestreite. ZBergGV. 30, S. 1—7. 

v. B. theilt drei Aktenstücke mit, welche über die durch Franz gewährte 
militärische Unterstützung Aufschluss geben. 

25a. G. von Below. Zur Geschichte der geistlichen Gerichts- 
barkeit am Ausgange des Mittelalters. Zeitschrift für Kirchen - 
recht. 3 Folge. Bd. 4. S. 121-128. 
15 Aktenstücke, welche ein Bild von der Beschränkung der geistlichen 

Gerichtsbarkeit in Jülich-Berg bezüglich des Bannes u. a. geben. 

26. G. von Below und J. Geich. Quellen zur Geschichte 
der Behördenorganisation in Jülich-Berg im 16. Jahrhundert. 
ZBergGV. 30, S. 8—168. 

Die mitgetheilten 25 Aktenstücke lassen vor allem die im Laufe des 
W. Jahrhunderts eingetretene Aenderung in der Verwaltungsorganisation 
erkennen. 

27. G. v o n B e 1 o w. Eine Denkschrift aus dem Jahre 1544 über 
die wirtschaftlichen Verhältnisse der Jülich-Clevischen Länder. 
BGNiederrh. 8, S. 249-250. 

Betrifft die Steuerregulirung, welche auf dem Wormser Reichstag 1544 
berathen werden sollte. 

28. G. v o n B e 1 o w. Zur Geschichte der indirekten Steuern und 
der Polizeigesetzgebung im Herzogthum Berg. BGNiederrh. 8. 
S. 250-253. 

Aufzeichnungen einer im Jahre 1555 eingesetzten Commission über die 
Landzölle und die Einführung einer zwölfjährigen Accise. 

29. A. Mörath. Ein Bergischer Zolltarif vom Jahre 1639. ZBergGV, 
30, S. 169-171. 

Aus dem Fürstlich-Schwarzenbergischen Archive mitgetheilt. 

30. F. Arens. Die Verfassung des kaiserlich-frei weltlichen Stiftes 
Essen, festgestellt in dem Landesgrundvergleich vom 14. Sep- 
tember 1794. BGEssen 15, S. 21—52. 

31. L. K o r t h. Das gräflich von Mirbach'sche Archiv zu Harff. 
Urkunden und Akten zur Geschichte rheinischer und nieder- 
ländischer Gebiete. Zweiter Band. 1431 — 1599. [Verzeichniss 
der Orts- und Personennamen.] AnnHVNiederrh. 57. 



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214 



Kaspar Keller 



32. Die Brüder des Templerhauses zu Niederbreisig verleihen dem 
Frauenconvent zu Merten einen Weinberg zu Oberdollendorf 
in Erbpacht. 1290, 20. Oktober. ZBergGV. 30, S. 200. 

33. H. Diera ar. Köln und das Reich. II, 1452-1474. MStadt- 
AKöln 25, S. 213-357. 

34. R. Hoen i g e r. Kölner Schreinsurkunden des 12. Jahrhunderts. 
Quellen zur Rechts- und Wirtschaftsgeschichte der Stadt 
Köln. 2. Band, 2. Hälfte. Mit einer Erläuterung der Deut- 
schen Wörter von Prof. Dr. F r a n c k und einer photolithogra- 
phischen Beilage. [A. u. d. T.: Publikationen der Gesellschaft 
für Rheinische Geschichtskunde. I. Kölner Schreinsurkunden 
des zwölften Jahrhunderts. Zweiter Band.] Bonn. Weber. 4°. 
VII, 320 S. 

Die Schlussabtheilung bringt Namenlisten des 12. Jahrhunderts, und 
zwar zunächst zwei Bürgerlisten und eine Gildeliste. Die beiden ersten sucht 
H. im Gegensatz zu Ennen als Listen der Grossbürger nachzuweisen; die 
Gildeliste, von welcher eine photolithographische Nachbildung beigegeben 
wird, ist als solche durch eine gleichzeitige Aufschrift bestimmt. H. sucht 
ferner über Anlage und Führung der Bürgerlisten, über das gegenseitige 
Verhältniss zwischen Bürgerlisten und Gildelisten, die seit der Zeit, wo nur 
Grossbürger in die Gilde aufgenommen wurden, vielfach in einander über- 
griffen, Aufechluss zu geben. Auch die Bürgerlisten der Theilgemeinden von 
St. Martin und St. Laurenz werden abgedruckt. Den grössten Theil des 
Bandes nehmen die Register ein: Eigennamen, Personenbezeichnungen nach 
Stand, Beruf. Herkunft und Beinamen, geistliche Institute und Personen, 
topographisches Register der Stadt Köln, Sach- und Wort-Register, und end- 
lich eine Erklärung der deutschen Wörter von Prof. Franck. 

35. K. Hummel. Die Erhebung der Hausgelder von den Kölner 
Kaufleuten in der Frankfurter Messe. RheinGBI. 1, S. 14 
bis 16, 177-186, 204—214. 

Im Jahre 1409 war zwischen Köln und Frankfurt ein Zwist entstanden 
wegen angeblicher gegenseitiger Ueberforderung ihrer Bürger bei Erhebung 
der Messgebühren. Das im Verlaufe des Streites vom Kölner Rath für die 
Kölner Kaufleute erlassene Verbot des Besuches der Frankfurter Messe nöthigte 
Frankfurt zum Nachgeben. H. theilt aus einer Frankfurter Handschrift den 
Briefwechsel zwischen Köln und Frankfurt nebst verschiedenen Klageschriften 
der Kaufleute und Tarifen mit. 

36. H. K e 1 1 e t e r. Gottfried Hagen und sein Buch von der 
Stadt Köln. WZ. 13, S. 150-218. 

Auch separat, Leipziger Dissertation. Trier, Lintz, 73 S. 
Die treffliche Arbeit ist dem Beweis gewidmet, dass das Buch nicht, 
wie es bis jetzt geschehen ist, zu den Reimchroniken zu zahlen ist, obschon 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 215 



es die äusseren Merkmale derselben an sich trägt, sondern zu der Klasse der 
im Mittelalter zahlreich vorkommenden Schutz- und Trutzschriften, der Me- 
moriale, gehört. Zu dem Zweck wird der Inhalt scharf zergliedert und cha- 
rakterisirt. Auch im zweiten Theil der Arbeit, welcher die Vita Hagens ent- 
hält, wird auf diesen Beweiszweck immer Bezug genommen. Gottfried 
entstammte der Familie Vetscolder; sein Vater Gerhard war Canonicus in 
Xanten, wo jener auch wahrscheinlich um das Jahr 1230 geboren ist. Seine 
Familie war mit den Overstolzen verwandt; dadurch war auch seine Stellung 
in den Parteikämpfen seiner Zeit, zwischen den Overstolzen einerseits und 
den Weisen und dem Erzbischof andererseits gegeben. Der Rechtfertigung 
seiner Partei und der „Warnung" für die kommenden Geschlechter dient auch 
sein Buch, dessen Abfassung, wie K. gegen Cardauns und andere erweist, in 
die Zeit von 1270, September 27, und 1271, April 20 fällt. Im Jahre 1270 
wurde Gottfried von der Overstolzenpartei zum Plarrer von St. Martin ge- 
wählt, wodurch er in einen langwierigen Streit mit der Aebtissin von Maria 
im Capitol gerieth, welche einen anderen Candidaten begünstigte. Später 
wurde Gottfried auch Propst von St. Georg. Zwischen 1288 und 1290 ist er 
nach K.'s Annahme aus dem diplomatischen Dienste der Stadt ausgeschie- 
den; am 4. Juli 1299 ist er gestorben. K.'s Charakteristik des Gottfried als 
Mensch und Staatsmann ist überaus günstig. 

37. H. Keussen. Die Rotuli IV, V und VI der Kölner Univer- 
sität. KBWZ. 13, S. 25-26. 

38. R. K n i p p i n g. Zu den Farragines des Gelenius. KBWZ. 
13, S. 9—10. 

K. beschreibt den lange verschollenen, jetzt für das Kölner Stadtarchiv 
wieder gewonnenen Band 12 dieser Sammlung. 

39. G. von B e 1 o w. Ein Bürgermeisterschmaus in Köln. Ann- 
HVNiederrh. 58, S. 207. 

40. G. Rauschen. Neue Untersuchungen Uber die Descriptio 
und ihre Bedeutung für die grossen Reliquien zu Aachen und 
St. Denis. Historisches Jahrbuch der Görresgesellschat't 15, S. 
257-278. 

R. weist nach, dass die Descriptio in St. Denis entstanden ist. Aus 
ihr ergiebt sich, dass schon gegen Ende des 11. Jahrhunderts in Aachen das 
Kleid der hl. Jungfrau und die Windeln des Herrn gezeigt wurden, und dass 
damals die Aachener Heiligthumsfahrt schon als eine althergebrachte Ein- 
richtung existirte. 

41. B. Kugler. Die deutscheu Codices Alberts von Aachen. 
Mit Tafel. Programm. Tübingen, Fues. 4°. 94 S. 

42. J. H a n 8 e n. Breven des Papstes Alexander VII aus Anlass 
des Aachener Stadtbrandes von 1656. ZAachenGV. 16, S. 
175-177. 



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2i<; 



Kaspar Keller 



43. E. Pauls. Auszüge aus der Chronik des Aachener Notars 
Johann Adam Weinandts. Mit einer Beilage. ZAachenGV. 
16, S. 163-171. 

44. E. Stefffenhagen. Der Einfluss der Buch'schen Glosse 
auf die späteren Deukmäler. I. Das Klevische Stadtrecht. 
Wien,Tempsky. 1893. 60 S. [Separat aus den Sitzungsberichten 
der Wiener Akademie. 129.] 

Nachweis, dass der Verfasser des unter Herzog Adolf von Cleve ent- 
standenen Clever Stadtrechts in den privatrechtlichen und prozessualen Par- 
tien neben dem Kalkarer Stadtrecht die Huch'sche Glosse und den Text des 
Sachsenspiegels benutzt hat. 

45. M. Scheins. Urkundliche Beiträge zur Geschichte der 
Stadt Münstereifel und ihrer nächsten Umgebung. 1. Band. 
Münstereifel, Selbstverlag. VI, 242 S. 

Sch. beabsichtigt ein umfangreiche» Quellenwerk herauszugeben. Die 
Materialien sollen nicht etwa in sachlicher oder chronologischer Ordnung 
veröffentlicht werden, sondern nach den Fundorten. Der vorliegende 1. Band 
bringt aus dem Stadtarchiv zu Münstereifel Original - Urkunden des 15. bis 
17. Jahrhunderts, sowie Auszüge aus dem Hospitalsbuch und Hospitalsrech- 
nungen von 1455 — 1793. Die Abdrücke schliessen sich buchstäblich dem 
Originale an, aus dem Hospitalsbuch und den Rechnungen werden die unbe- 
deutendsten Sachen vollständig abgedruckt. Vgl. die Recension Diemars in 
KBWZ, 13, Sp. 104-105. 

46. F. Schmitz. Die heisterbacher gründt zinsenn zue Bonn 
unnd iun der bürgcrschaftt 1625 — 1639. Rheinische Gesch. Bl. 
1, S. 16-10, 55-59, 123—128, 186-190, 217—227. 

47. A. Koernick e. Ordnung des Rather Oberhofs. BGNiederrh. 
8, S. 73-80. 

48. K. Heck. Ordnungen von Rath bei Düsseldorf. Monatsschrift 
des BergGV. 1, S. 60-62, 94-95, 108-110, 154-157. 

49. J. Hansen. Die Stadtarchive von Andernach, Duisburg und 
Linz. AnnHVNiederrh. Heft 59. VII, 268 S. 

50. F. Ritter. Katalog der Stadtbibliothek in Köln. Abtheilung 
Rh. Geschichte und Landeskunde der Rheinprovinz. Erster 
Band. [A. u. d. T.: Veröffentlichungen der Stadtbibliothek 
Köln. Herausgegeben von A. Keysser, Stadtbibliothekar.] 
Köln, Du Mont-Schauberg, XXVIII, 237 S. 

51. K. S c h u 1 1 e i s und W. F a b r i c i u s. Geschichlicher Atlas 
der Rheinprovinz. Im Auftrage des Provinzialverbandes be- 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 217 



arbeitet. Bl. 1—4. [A. u. d. T. Publikationen der Gesellschaft 
für Rheinische Geschichtskunde. XII.] Bonn, Behrendt. 4 Bl. 

52. A. Minjon und C. K o e n e n. Rheinische Geschichtsblätter. 
Zeitschrift für Geschichte, Sprache und Alterthlimer des Mittel - 
und Niederrheins. Bonn, Hanstein. [Abgekürzt citirt: Rhein- 
GBI1. 

53. 0. Schell. Monatsschrift des Bergischen Gesehichtsvereins. 
Elberfeld, Baedecker. [Abgekürzt citirt: MschrßergGY.l 

Zwei neue Zeitschriften, erstere als Ersatz für das eingegangene .,Üonner 
Archiv". 

II. Darstellende Arbeiten. 

1. Allgemeineren Inhalts. 

• 

54. C. Radermacher. Germanische Begräbnissstätten im 
Herzogthum Berg. MschrBergGV. 1, S. 52—50, 05-67, 81 
bis 84. 

55. C. Rad er m acher. Die germanischen Begräbnissstätten 
zwischen Sieg und Wupper. MschrBergGV. 1, S. 132—134, 
148—150, Fortsetzung folgt. 

56. 0. Raute rt. Germanische Funde und ein germanisches 
Gräberfeld in Düsseldorf. RheinGBll. 1, S. 00-09. 

Auch separat: Düsseldorf, Kinet. 15 S. 

57. A. Kisa. Germanische Gräber bei Rösrath. KBWZ. 13, 
Sp. 207-208. 

58. Ziegler. Die Frankengräber von Nettersheim. RheinGBll. 1, 
S. 193-198. 

In den Gräbern fanden eich vollständige Skelette, zwischen Steinplatten, 
ohne Sarg, meist auch Gegenstände: Waffen, Glasbecher und Münzen in den 
Männergräbern, Schmuckgegenstände und Urnen in den Frauengräbern. Die 
Begrabenen müssen einem grossen Menschenschlage angehört haben, da die 
Korperlänge bei den Männern von 1,80— 1,85 Meter, bei den Frauen bis zu 
1,80 beträgt, 

59. O. Schell. Eine alte Wallburg bei Mlingsten. KBWZ. 13, 
Sp. 72-74. 

Die Wallburg ist germanischen Ursprungs. 

60. C. Koenen. Die erste Spur des Menschen im Rbeinthal. 
RheinGBll. 1, S. 90—101, 154-103. 

Es handelt sich um den homo Neanderthalensis. 



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218 Kaspar Keller 



61. P. Vogt. Zur Geschichte der Westgernianen. RheinGßll. 1, 
S. 169-177. i 

Im Anschluss au Much, Deutsche Stammsitze untersucht V. die Schick- 
sale der germanischen Stämme am Niederrhein von ihrem Eintritt in die Ge- 
schichte zur Zeit Caesars bis zum Jahr 100 n. Chr., ihre Wanderungen und 
Gebietsveränderungen. 

62. L. Wils er. Der Frankenstamm. RheinGBll. 1, S. 105—123. 
W. behandelt die Frage nach der Entstehung des Frankenstammes. Er 

verwirft die Annahme, dass der Stamm ein politischer Verband gewesen sei; 
da9 Bindemittel sei vielmehr nur die Blutsverwandtschaft gewesen. Als 
Hauptstamm sieht W. die Marsen an, deren Name später ganz aus der Ge- 
schichte verschwunden sei, um dem Namen der Franken Platz zu machen. 
Aus sprachlichen Gründen rechnet W. alle die alten Völkerschaften, deren 
Namen mit Ch beginnt, zu den Franken, so also auch die Cherusker, und 
er identifizirt demzufolge auch den späteren sagenhaften Siegfried des Nibe- 
lungenliedes mit Arminius. 

63. A. Minjon. Thiot Frankono. RheinGBll. 1, S. 73—85. 
Kurze Uebersicht der Geschichte der Franken. 

64. K. P 1 a t h. Die Königspfalzen der Merowinger und Karolinger. 
I. Dispargum. JVARh. 95, S. 121—180. 

Auch separat unter gleichem Titel. Berlin, Siebert. 64 S. 
Als älteste fränkisch-merowingische Pfalz wird von Gregor von Tours 
Dispargum in fine Thoringorum genannt. PI. sucht in breiter Ausführung, 
unter Abweisung aller anderen Deutuugen des Namens (darunter auch Heins- 
berg) nachzuweisen, dass darunter nur Duisburg bei Düsseldorf verstanden 
werden könne. Das Reich der Thüringer habe sich früher bis zum Nieder- 
rhein erstreckt; auf dem ihnen entrissenen Gebiete sei in Duisburg die älteste 
Pfalz errichtet worden. 

64a. D. J. van Schevichaven. Dispargum. De Nederlandsche 
Spectator. 1894. n. 44. 

65. W. Busch. Chlodwigs Alemannenschlacht. 1. Theil. M.Glad- 
bach, Schellmann. 4°. 25 S. [Fortsetzung folgt] Programm 
des Gymnasiums zu M.Gladbach. 

66. E. P a u I 8. Zur Bestattung Karls des Grossen. ZAachenGV. 
26, S. 86—111. 

67. J. Kroeger. Niederlothringen im 12. Jahrhundert. Elber- 
feld, Druck von Martini u. Grüttefien. 4°. 60 S. Programm 
der Oberrealschule in Elberfeld. 

Kr. berücksichtigt hauptsächlich die belgischen Gebiete, d. h. die Her- 
zogthümer Brabant und Limburg, die Grafschaften Flandern, Hennegau und 
Namur, und die Bisthümer Lüttich und Cambrai, während die zwischen 
Rhein und Maas gelegenen Gebiete nur gelegentlich gestreift werden. 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 2H> 



68. C. Stedtfeld. Bonn, Münze des Erzbischofs Pilgrim. JVARh. 
95, S. 240. 

Durch diesen Fund wird bewiesen, dass Bonn auch noch anter den 
sächsischen Kaisern Münzstätte war. [Vgl. Litt.-Ber. 1893, n. 69 a.]. 

69. C. Stedtfeld. Köln, MUnzenfund. JVARh. 95, S. 240—244. 

Aus dem grossen, im J. 1893 auf dem Postgrundstück in Köln ge- 
machten Münzfunde kamen einige Stücke in das Wallraf-Richarz-Museum, 
welche von St. beschrieben werden. Es -sind dies Goldmünzen der Könige 
Eduard III. und Richard II. von England, und Philipps VI. und Karls V. von 
Frankreich, des Herzogs Wilhelm III. von Geldern und des Grafen Wil- 
helm V. von Holland. 

70. F. Lau. Die erzbisehöflicheu Beamten in der Stadt Köln 
während des 12. Jahrhunderts. KBWZ. 13, Sp. 236-240. 

Gegen die von Lau in seiner gleichlautenden Arbeit |vgl. Litt.-Ber. 
1891, B. II, n. 21] vertretene Auffassung über den Stadtvogt und Cntervogt 
hatte Varges in einer Besprechung Einwendungen gemacht, die von jenem 
als nnbegründet zurückgewiesen werden. 

7öa. W. Thümmel. Warum misslang der Reformationsversuch. des 
Erzbischofs Hermann von Wied? Vortrag. [Freundschaftliche 
Streitschriften n. 56.] Barmen, Wiemanu. 24 S. 

71. J. Hansen. Der niederländische Pacificationstag in Köln im 
Jahre 1579. WZ. 13, S. 227-272. 

H. giebt hauptsächlich die Vorgeschichte dieses Tages. Der Aufsatz ist 
zum grössten Theil wörtlich aus der Einleitung zu der Ausgabe der Nuntiatur- 
berichte dieses Tages herübergenommen. Vgl. oben n. 14. 

12. K. Unkel. Eine Episode aus der Geschichte der Kölner Nun- 
tiatur. Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft. 14. S. 
103-109. 

73. F. KUch. Die Lande Jülich und Berg während der Be- 
lagerung von Bonn 1588. ZBergGV. 30, S. 213-252. 

Jülich wurde hauptsächlich bei den Truppendurchzügeu von der Maas 
nach dem Rhein, Berg während der Belagerung der Beueler Schanze stark 
in Mitleidenschaft gezogen. Auf Grund der von den Amtleuten eingelaufenen 
Berichte und Beschwerdeschriften giebt Küch eine ausfuhrliche Schilderung 
von den Leiden der Bewohner, namentlich in der näheren und weiteren Um- 
gegend von Beuel. 

74. F. Stieve. Stralendorfs Stellung zur Jülicher Erbscbaftsfrage. 
Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft (Quidde), 11, 
S. 162-165. 

75. H. Hengstenberg. Die Aemter und die Hauptorte des Her- 



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Kaspar Keller 



zogsthuins Berg im 18. Jahrhundert. MschrBergGV. 1, S. 3—7, 
17—19, 30-40, 5t5— 58, 69-71, 84-^90, 97-99. 

76. A. Nebe. Die hohe Schule zu Her.bom in ihren Beziehungen 
zum Bergischen Lande. MschrBer&GV. 1, S. 33—36, 49—52, 
67—69. / 

77. Aeg. Müller. Beiträge zur Geschichte der Herrschaften Sayn- 
Hachenburg undSayn-Altekirc^jeu, sowie Geschichte des Klosters 
Marienthal. Wissen, Langend 55 S. 

78. F. Schröder. Zur Geschiohte Meinas von Oberstein. BGEssen, 
15, S. 87-110. 

Sehr, berichtet über den Streit Meinas mit der von der Minderheit 
gewählten Irmgard von Diepholz. In Folge der zweideutigen Stellung, 
welche die Stadt Essen einnahm, sah sich Meina schliesslich genöthigt. die 
Hülfe des Herzogs von Cleve nachzusuchen, die ihr auch gegen Verzicht auf 
die freie Wahl des Schirmvogts und Ernennung des Herzogs zum Erbvogt 
des Stiftes gewährt wurde. 

79. E. Pauls. Zur Geschichte der Burggrafen und Freiberrn von 
Hammerstein. AnnHVNiederrh. 58, S. 183—197. 

80. A. V. Scb o eller. Geschichte der Familie Schoeller. Als 
Manuseript gedruckt. Berlin, Eisenschmidt X, 412 S. 

81. O. Schell. Zur Geschichte von Schloss und Herrschaft 
Schoeller. MschrBergGV. 1, S. 10—13, 19-21, 73-76, 92 
bis 94. 

82. E. von Oidtman. Arnoldus Parvus, der Stammvater des 
Geschlechts von Palant. ZAachenGV. 16, S. 38-85. 

Arnoldus Parvus kommt urkundlich zuerst 1310 vor, und erscheint 
1312 als Ritter und als Vogt und Meier der Stadt Aachen. Seit 1327 nannte 
er sich Herr von Breidenbend, nach einer von den vielen durch ihn erwor- 
benen Besitzungen. Erst seine Söhne nennen sich nach der Burg Palant an 
der Inde Herren von Palant. Eine Verwandtschaft mit irgend einem anderen 
niederrheinischen Adelsgeschlechte vermag v. 0. nicht nachzuweisen. Im An- 
hang werden 122, Arnold und seine nächsten Nachkommen betreffende, meist 
unbekannte Urkunden verzeichnet, sowie eine kurze Geschichte der beiden 
Palant'schen Besitzungen Breidenbend und Palant und eine Beschreibung der 
ältesten Palant'schen Siegel und Wappen gegeben. 

83. Theo Sommerlad. Die Rheinzölle im Mittelalter. Halle, 
Kämmerer. VII, 175 S. 

Verf. verwirft die Herleitung des mittelalterlichen Zollwesens aus dem 
des römischen Reiches und erweist den Gebührencharakter der Rheinzölle 
als Gegenleistung für Instandhaltung der Fahrstrasse und Beseitigung der 
Verkehrshemmnisse. Seit dem 12. Jahrhundert schwindet dieser Charakter, 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 221 



und die Zölle werden zu einer ergiebigen Finanzquelle für die Inhaber der 
Zollstätten, welche auf verschiedene Weise in deren Besitz gekommen sind. 

84. F.Wächter. Errichtung einer regelmässigen direkten Danipf- 
schifffahrt zwischen Köln, Düsseldorf und London, resp. Ham- 
burg und Havre, 1838, BGNiederrh. 8, S. 149—210. 

85. H. Stupp. Das Weinschroten an der Ahr. KheinGBll. 1, S- 
201-204. 

86. H. Forst. Zur Geschichte des Handels mit Anderuacher Steinen. 
BGNiederrh. 8, S. 226—235. 

87. W. Schmitz. Die Misch-Mundart in den Kreisen Geldern, 
Kempen, Erkelenz, Heinsberg, Geilenkirchen, Aachen, Gladbach, 
Krefeld, Neuss und Düsseldorf, sowie noch mancherlei Volks- 
thümliches aus der Gegend. Dülken, Kugelmeier. 211 S. 

87a. J. Leithaeuser. Gallicismen in niederrheinischen Mund- 
arten 11. Programm des Realgymnasiums zu Barmen. Barmen, 
Druck von Steinborn. 4°. 25 S. 

88. Bethan y. Die Bedeutung des Caesarius von Heisterbach für 
Culturgeschichte und Litteratur. MschrBergGV. 1, S. 21—24, 
76-79. 

89. Bethany. Aus den Wundergesprächen des Cäsarius von Heister- 
bach. Aus dem lateinischen Original übersetzt. MschrBergGV. 
1, S. 110-111, 145-147. 

90. P. Joerres. Die deutschen und besonders rheinischen Orts- 
namen, welche die Elemeute „West" oder „Wüst" oder ähn- 
liche enthalten. RheinGBll. S. 20-30, 90-94, 133—135. 

J. nimmt an, dass das West in diesen Ortsnamen nicht die Himmels- 
richtung im Gegensatz zum Osten bezeichne, sondern „wüst" bedeute. 

91. A. Minjon. Zur Erklärung rheinischer Ortsnamen. Rhein- 
GBll. 1, S. 166—168. 

M. hält an der Bedeutung West als Himmelsrichtung fest. 

92. E. von Oidtman. Schutz den Grabsteinen. AnnHVNiederrh. 
58, S. 176-182. 

2. Lokalgeschichtliche Darstellungen. 

93. H. J. Schmitz. Gross - Siegelbewahrer Professor Dr. J. G. 
Kautfmaus und die Universität Köln während ihrer letzten 
fünfzig Jahre. Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft 14, 
S. 1-50. 

Kauffmans, 1708 auf dem Kauffmanshof bei Hüls geboren, kam auf die 
Kölner Universität, wurde 1725 Priester, später Professor der Philosophie 



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222 



Kaspar Keller 



und Theologie, Dekan der theologischen Fakultät und Rektor, Grosssiegelbe- 
wahrer und als solcher Büchercensor. Er erwarb sich grosse Verdienste um 
die kirchliche Orthodoxie in ihrem Kampfe gegen Rationalismus und Jan- 
senismus, und war ein entschiedener Vertheidiger der Unfehlbarkeit des 
Papstes. Die Kölner Universität war auch damals wieder, wie im 16. Jahr- 
hundert, eine Stütze der katholischen Orthodoxie. Im Uebrigen waren die 
Zustände an der Universität, wie sie uns Schmitz schildert, namentlich auch 
in materieller Beziehung sehr traurig; sie wurden nach Ausschliessung der 
Exjesuiten nach innen und nach Errichtung der kurfürstlichen Akademie 
nach aussen noch schlimmer, bis die Franzosen im Jahre 1794 der Anstalt 
ein Ende bereiteten. 

94. E. R. Daenell. Die Cölner Confoederation vom Jahre 1307 
und die schonischen Pfandschaften. Hansisch-Dänische Geschichte 
1367—1385. [A. u. d. T. Leipziger Studien auf dem Gebiete 
der Geschichte, I, 1] Leipzig, Duncker und Humbloth. XIII, 
174 S. 

95. F. Lau. Das Kölner Patriziat bis zum Jahre 1325. II. 
MStadtAKöln, 25, S. 358—381. 

Stammbäume der Familien Von der Aducht, Birclin (vom Hörne), 
Cleingedanc, Gir und Grin. 

96. R. Knipping. Das Schuldenwesen der Stadt Köln. WZ. 13, 
S. 340-397. 

Kn.'s treffliche Arbeit behandelt die Zeit von 1351, wo die erste finanz- 
geschichtliche Ueberlieferung für Köln einsetzt, bis zum Jahre 1513, wo mit 
der Verfassungsre vision durch den Transfixbrief auch eine Reorganisation 
der Finanzwirthschaft herbeigeführt wurde. Ihr Schwergewicht beruhte auf 
der indirekten Steuer (Verbrauchs- und Verkehrssteuer), welche sehr ausge- 
bildet war. Die Ergebnisse derselben reichten zur Deckung der regel- 
mässigen Ausgaben aus. Zur Deckung ausserordentlicher Bedürfnisse (bei 
Kriegen etc.) wurde nicht zur direkten Besteuerung gegriffen, welche über- 
haupt nur einmal für das Jahr 1371 nachgewiesen ist, sondern es wurden 
Anleihen aufgenommen. Die Anleihen scheiden sich in kurz- und lang- 
fristige; jene bildeten die schwebende Schuld, diese, in Form von Leib- und 
Erbrentenverkäufen, die fundirte Schuld. An der Hand der Rechnungs- 
bücher und zahlreicher Einzelurkunden untersucht Kn. die Entwicklung des 
Schuldenwesens unter der aristokratischen und der demokratischen Verwal- 
tung. In der ersten Periode suchte man die aussergewöhnlichen Ausgaben 
meist durch kurzfristige Anleihen zu bestreiten, die man bald wieder abstiess, 
mit möglichster Schonung der fundirten Schuld. Kapitalkräftige Mitglieder 
der Geschlechter sprangen in Zeiten der Noth mit grösseren Darlehen ein. 
Die Finanzwirthschaft war überhaupt eiue gesunde. Dies lässt sich auch von 
den ersten Jahrzehnten der demokratischen Verwaltung sagen. Doch än- 
derten sich die Verhältnisse bald zum Schlimmeren; es fand eine starke Ver- 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 223 



mehrung der fundirten Schuld statt, die ihren Höhepunkt nach dem Neusser 
Krieg erreichte. Für die Schulden- Verwaltung und -Tilgung war schon gegen 
Ausgang des 14. Jahrhunderts eine besondere Kammer, die Samstagsrent- 
kammer, eingerichtet wordeu. Die Anleihen suchte man nach Möglichkeit 
bei den Bürgern der Stadt selbst unterzubringen; war man einmal genöthigt, 
auswärts Geld aufzunehmen, so suchte man sich dieser Schuld bald zu ent- 
ledigen. Der Zinsfuss war je nach den verschiedenen Zeiten und nach der 
Art der Anleihen verschieden » hoch. Begreiflicher Weise wurden zahlreiche 
Vorschläge gemacht, ' wie die enorme Schuldenlast, welche die Stadt dem 
finanziellen Bankerott nahe brachte, vermindert und beseitigt werden könnte. 
Die Verfassungsrevision von 1513 brachte im Transfixbrief eine Reform, wie 
der städtischen Verwaltung überhaupt, so auch des städtischen Schuldenwesens. 

97. J. Dahmen. Beiträge zur Geschichte des Kölner Seidamtes. 
I. Theileß Fortsetzung. Köln, Druck der Kölner Verlagsanstalt 
4°. 7 S. Programm der höheren Töchterschule. 

D. untersucht Einfuhr, Ausfuhr und Fabrikate, Umfang des Amtes 
(Anzahl der Zunftmitglieder), Schutz der zünftigen Arbeit auf der einen und 
des Kaufmanns und der Konsumenten auf der anderen Seite. 

98. J. Hansen. Das Archiv der Stadt Köln. Festschrift zur 
23. Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins in 
Köln. S. 5—20. Köln, Du Mont-Schauberg. 4°. 

99. A. Keysser. Die Bibliothek der Stadt Köln. Festschrift zur 
23. Jahresversammlung des Hansischen Geschichtsvereins in 
Köln, S. 21—31. Köln, Du Mont-Schauberg. 4». 

100. Brandenberg. Beiträge zur Geschichte der Elementarschulen. 
A. Israelitische Schulen in Köln -Altstadt. Köln, Tonger. 16 S. 

101. Brandenberg. Beiträge zur Geschichte der Elementar- 
schulen. B. Die evangelischen Schulen in Köln-Altstadt. Köln, 
Tonger. 19 S. 

102. W. Schmitz. Die Feier des 25jährigen Bestehens der An- 
stalt. Programm des Kaiser- Wilhelm-Gymnasiums in Köln. 
Köln, Bachem. 4°. 13 S. 

103. Q. Blumschein, üeber die Kölner Mundart. RbeinGBU I, 
S. 137—149. 

104. W. Claus [pseudon. für W. Schneider]. Unsere Grosse, wie 
sie ward und war. Eine geschichtliche Skizze der Grossen 
Carnevalsgesellschaft zu Köln zu ihrem goldenen Jubeljahre. 
Mit Abbildungen. Köln, Schmitz. 64 S. 

105. F. Holtze. DerProzess gegen Fonk und juristische Mythen- 
bildung in Preussen. Forschungen zur Brandenburgischen 
und Preussischen Geschichte, 8, S. 127—139. 



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224 



Kaspar Keller 



106. J. Lebrke. Historische Kartensammlung von Mülheim am 
Rhein. 8 Tafeln. Malheim, Kamphoff. 4°. 

107. J. Buschmann. Zur Geschichte des Bonner Gymnasiums. 
3. Theil. Programm des Gymnasiums zu Bonn. Bonn, Han- 
stein. 4°. 49 S. 

Behandelt die Zeit vom Beginn der preussischen Herrschaft bis etwa 
Mitte des Jahrhunderts. 

108. F. Hauptmann. Der Bonner Bannbegang. Nach histori- 
schen Quellen geschildert. [A. u. d. T. Bilder aus der Ge- 
schichte von Bonn und seiner Umgebung. 8.] Bonn, Haupt- 
mann. 56 S. t 

109. A. Wiedemann. Das Hochkreuz bei Godesberg. JVARh. 
95, S. 244—945. 

HO. J. Kühl. Geschichte der Stadt Jülich, insbesondere des 
früheren Gymnasiums zu Jülich. III. Theil. 1742—1815. Jü- 
lich, Fischer. VIII, 345 S. 

K. führt zunächst die Geschichte der Stadt in Verbindung mit der all- 
gemeinen Geschichte vom Jahre 1742 bis zum definitiven Uebergang an 
Preussen. Das Gymnasium wurde von den Jesuiten bis zur Aufhebung des 
Ordens in der alten Weise fortgeführt ; mit der Aufhebung der Jülicher Re- 
sidenz der Jesuiten im J. 1774 ging auch das Gymnasium ein. Den rast- 
losen Bemühungen des Rathes gelang jedoch seine Wiederherstellung. Die 
Exjesuiten führten als Congregation die Schule fort, jedoch nicht mit dem 
alten Erfolg. Im Jahre 1799 ging die Anstalt klang- und sanglos zu Ende. 
Auch für diesen Zeitraum führt K. die Titel von Schuldramen auf, und theilt 
Prüfungsprogramme mit: es wurden öffentliche Prüfungen eingeführt, zum 
Theil direkt in der Absicht, den in etwa ausartenden Aufführungen Abbruch 
zu thun. 

111. H. J. Gross. Beiträge zur Geschichte des Aachener Reichs. 
Aachen, Cremer. IV, 237 S. Sonderabdruck aus Aachens 
Vorzeit. 

Das sog. Aachener Reich war der Ueberrest der früher zur Aachener 
Pfalz gehörigen Königshöfe. Gr. behandelt sehr ausführlich die äusseren 
Schicksale des Gebietes von der Römerzeit bis zur französischen Revolution: 
das Verhältniss zur Stadt Aachen, unter deren Oberhoheit es nachweislich 
seit Ausgang des 13. Jahrhunderts gestanden, die innere Verwaltung und 
die Gerichtsverhältnisse. Streitigkeiten mit Jülich waren häufig. In unser 
Gebiet will Gross auch das vielbestrittene Aduatuca Eburonum versetzen, den 
Namen Aduatuca findet er noch in dem Namen des Dorfes Vetschet wieder. 

112. C. Rhoen. Die Befestigungswerke der freien Reichsstadt 
Aachen. Mit 1 Plan und 1 Abbildung. Aachen, Creutzer. 
V, 217 S. 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1494. 225 



Rh. nimmt an, dass der durch Kaiser Friedrich I. im Jahre 1172 ver- 
anlasste Mauerbau die erste Befestigung Aachens gewesen sei. Er unter- 
sucht die ältesten Befestigungsanlagen, die späteren Erweiterungen und die 
in Folge der veränderten Kriegsführung (Aufkommen und Fortbildung der 
Feuerwaffen) nothwendigen Umbauten und Aenderungen, und schildert im 
Anschluss darau die damit verknüpften kriegerischen Ereignisse. 

113. E. Fromm. Dhe materiellen Wirkungen des Aachener Stadt- 
braudes vom Jahre 1656. ZAacbenGV. 16, S. 177-181. 

114. R. Pick. Aachener Sitten und Bräuche aus älterer Zeit. 
Aus handschriftlichen Quellen gesammelt. RheinGBll. 1, 
S. 8-13. 

114a. C. A. Witten haus. Die Entwicklung der höheren Lehr- 
anstalt zu Rheydt. Programm. Rheydt, Druck von Kirsch- 
baum. 4°. 20 S. 

115. G. Terwelp. Die Stadt Kempen im Rheinland. Festschrift 
zur 600jährigen Jubelfeier. Erster Theil. Mit einer Karte 
des Amtes und 18 Bildern. Kempen, Klöckner und Maus- 
berg. IV, 224 S. 

Im J. 1894 feierte Kempen die Erinnerung an die vor 600 Jahren er- 
folgte Erhebung Kempens zur Stadt. Aus diesem Anlasse erschien die vor- 
liegende Festschrift. Diese zerfällt in vier Theile. Im ersten Theile wird 
die Geschichte des Kempener Landes in der älteren Zeit gegeben. Der zweite 
Theil enthält eine Darstellung der äusseren Schicksale und der Verfassung . 
des Ortes Kempen, der am 3. November 1294 durch den Kölner Erzbischof 
Siegfried von Westerburg Stadtrechte erhielt, und ein Verzeichniss der Bür- 
germeister seit 1-J88. Dann folgt die Geschichte der Pfarre Kempen und der 
kirchlichen Verhältnisse der Stadt, mit einem Verzeichniss der Pfarrer. Der 
vierte Theil endlich enthält Biographien hervorragender Kempener Schrift- 
steller, so des Johannes Brugman (1506 — 1590), der Brüder Aegidius (1595 
bis 1656) und Johannes Gelen (1585—1631), und des grössten und bekann* 
testen Sohnes der Stadt, des Thomas [Hemerken] von Kempen. 

115a. J. Ni essen. Heimathkunde des Kreises Kempen. Mit einer 
Karte des Kreises. Crefeld, Hoffmann. 112 S. 

115b. J. A. Wolff. Geschichte der Stadt Calcar während ihrer 
Blüthe, mit Berücksichtigung der früheren und späteren Zeit. 
Nach zahlreichen nnedirten Quellen aus dem dortigen Stadt- 
archiv. Mit 1 Tafel. Frankfurt a. M., Fbsser. 4°. VIII, 
154 S. 

In dem Nachlasse des 1880 als Kaplan zu Calcar verstorbenen Verfassers 
fand sich eine auf 2 Bände berechnete Geschichte der Stadt vor, welche einen 
grossen urkundlichen Apparat und zahlreiche Abbildungen bringen sollte. 
Annalen des bist. Vereins LXIU. 15 



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Kaspar Keller 



Die Herausgeber haben den Umfang des Werkes stark eingeschränkt. W. be- 
handelt zunächst die äussere Geschichte der Stadt während ihrer vom 14. bis 
zur Mitte des 16. Jahrhunderts reichenden Blüthezeit, dann die Verfassungs- 
und Gerichtsverhältnisse, die Stellung zu den Landesherrn, den Grafen und 
Herzögen von Cleve, die häufig auf dem nahen Monreberge residirten, und 
die kirchlichen Verhaltnisse. Das Hauptgewicht und -Verdienst der Arbeit 
liegt in dem kunstgeschichtlichen Theil: Beschreibung der Pfarrkirche und 
ihrer Kunstschätze, namentlich der Schnitzarbeiten. Verf. vermag auf Grund 
der städtischen Archivalien für die meisten Stücke die Entstehungszeit und 
die ausführenden Meister zu bestimmen, von denen kurze Biographien ge- 
geben werden. Die Bildschnitzerei stand im 15. und 16. Jahrhundert hier 
in hoher Blüthe, die Calcarer Schule war die bedeutendste in Norddeutsch- 
land. Auch die Malerei blühte in Calcar; die bedeutendsten Künstler waren 
Johann Jost und Johann Stevens, ein Schüler Tizians, welcher u. a. auch 
die Zeichnungen zu dem anatomischen Werke seines Landsmannes, des be- 
rühmten Arztes Andreas Vesalius, lieferte. 

116. W. Grevel. Das Abteigebäude zu Essen und die Residenz 
der Fürstäbtissinnen. Mit Abbildung. BG Essen. 15, S.53— 74. 
G. weist nach, dass eine wirkliche Erneuerung der Abteigebäude von 

Grund aus seit dem Anfang des 14. Jahrh. nicht mehr stattgefunden hat und 
nur von Zeit zu Zeit die nothwendigsteu Reparaturen vorgenommen worden 
sind. Das Gebäude hat nur vorübergehend und aushülfsweise als Residenz 
gedient. Wenn die Aebtissinnen sich nicht ausserhalb des Stiftes aufhielten, 
residirten sie in Borbeck und später in Steele. 

117. G. Hu mann. Die ehemaligen Abteigebäude zu Essen. BGEssen. 
15, S. 75-85. 

Eine Würdigutig der ältesten Theile in kunstgeschichtlicher Beziehung. 

118. F. Arens. Das Wappen des Stiftes Essen. BGEssen. 15, 
S. 3-10. 

Ein eigentliches Stiftswappen kommt erst seit den letzten Dezennien 
des Kj. Jahrhunderts vor: ein quadrirter Schild mit den Wappen von Essen 
und den drei Nebenherrschaften Breisig, Rellinghausen und Huckerade. Bis 
dahin hatten die Aebtissinnen mit ihren Familienwappen gesiegelt. 

119. F. Arens. Die Siegel und die Wappen der Stadt Essen. 
Mit G Abbildungen und zwei Tafeln. BGEssen. 15, S. 11— 19. 

120. W. Grevel. Overdyck. Rheinisch -Westfal. Zeitung 1893. 
n. 300. 

121. K. vom Berg jr. Beiträge zur Geschichte der ehemals 
bergischen Hauptstadt Lennep. RheinGBl. 1, S. 233-240. 
Fortsetzung folgt. 

122. O. Schell. Das Heidenhaus im Sülzthal. RheinGBll. 1, 

S. 88—90. 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 227 



<> Sch. nimmt an, das» es ein im 12. oder 13. Jahrh. von den Kölner 
Erzbischöfen zum Schutz des Bergbaues im Lüderich angelegter Burg- 
bau sei. 

123. A. Werth. Das alte Bergische Residenzschloss zu Burg an 
der Wupper. Mit zwei Lichtdrucktafeln. BGNiederrh. 8, 
S. 44 — 54. 

124. A. Werth. Das alte Bergische Residenzschloss zu Burg an 
der Wupper. Festschrift zur Eröffnung des Bergischen 
Landes - Museums bei der Gelegenheit der Festfahrt des 
Bergischen Geschiehtsvereins am 1. Juli 1894. Elberfeld, 
Baedeker. 24 S. 

Nach Ueberlassung der ältesten Bergischen Residenz zu Altenberg an 
der Dhünn an die Cisterzienser wurde Burg an der Wupper Residenz. Diese 
wurde namentlich durch Erzbischof Fingelbert den Heiligen von Köln ver- 
größert und verschönert. Auch seitdem Düsseldorf nach der Worringer 
Schlacht zur Bergischen Hauptstadt erhoben war, diente Burg den Bergischen 
Fürsten doch noch häufig als Wohnsitz. Nach dem 30jährigen Krieg tritt 
der Verfall des Schlosses ein. Der in neuester Zeit wieder hergestellte Bau 
dient als Bergisches Landesmuseum. 

125. G. A. Fischer. Schloss Burg an der Wupper. Festschrift 
für die 34. Hauptversammlung des Vereins deutscher Inge- 
nieure, S. 153-158. 1893. 4». \ 

126. A. Weyersberg. Chronik der Familie Weyersberg in So- 
lingen. Mit einem Situationsplan der Kölner Strasse in So- 
lingen. Elberfeld. Druck von Friderichs. 1893. 4°. 46 S. 
Die Weyersbergs gehörten seit dem 17. Jahrhundert zu den bedeutend- 
sten Klingenfabrikanten und -Händlern Solingens. 

127. J. Ni essen. Aus der Vorzeit der Gemeinde Mettmann. 
MschrBergGV. I, S. 59-60, 71—73, 90-92, 99-101. 

128. K. Spannagel. Die Gründung der Lein weberzunft in Elber- 
feld und Barmen im Oktober 1738. ZBergGV. 30, S. 
181-199. 

Gegen das durch das Zunftprivileg verliehene Monopol wurde von zwei 
Seiten Einspruch erhoben, durch die einheimischen Kaufleute und durch die 
preussische Verwaltung in der benachbarten Mark, beides ohne Erfolg. Zum 
mindesten überflüssig sind die Bemerkungen gegen die Jesuiten auf S. 193. 

129. K. Krafft. Der Kampf des Magistrats von Elberfeld, der 
Bürgerschaft von Elberfeld und Barmen und der kirchlichen 
Konsistorien des Wupperthals gegen die Erbauung eines 
Theaters in Elberfeld im Jahre 1806. ZBergGV. 30, S. 
253—266. 



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228 



Kaspar Keller 



130. F. Wächter. Korrespondenz der Stadt Düsseldorf mit den* 
Prinzen Friedrich von Preusseu, betr. dessen Rückkehr nach< 
Düsseldorf (1848—1855). Aus den Akten der Stadt Düssel- 
dorf. BGNiederrh. 8, S. 211—225. 

131. [0. R.] R[edli]ch. Berieht des Hofgärtners M. F. Weyhe 
an die kurfürstliche Schulkomniission zu Düsseldorf über 
Einführung der Obstbaumzucht bei Schulanstalten (1805). 
BGNiederrh. 8, S. 256-258. 

132. [F.] K[üch]. Zur Entwicklungsgeschichte Düsseldorfs. 
BGNiederrh. 8, S. 246-248. 

133. F. Küch. Düsseldorf im Jahre 1715. Nach E. P. Plonnies 
herausgegeben vom Düsseldorfer Geschichtsverein zum 14. 
August 1894. Mit einer Kunstbeilage. Düsseldorf, Lintz. 8 S. 

134. H. Ferber. Die Calcumschen Fehden mit der Stadt Köln. 
BGNiederrh. 8, S. 55-72. 

Wegeu der Hinrichtung des Goswin von der Kemenaten, anders ge* 
nannt von Calcheym, des Schwagers des Hermann von Goch, gerieth die Stadt 
Köln mit den Verwandten Goswins, den verschiedenen Herren ?on Calcum. 
in Fehde, die mit Unterbrechungen von 1397—1409 dauerte. 

135. H. Ferber. Die Grevenhlthner im Amte Angermund. 
BGNiederrh. 8, S, 104—108. 

136. H. Faber. Die Steinkohlengruben im Amte Angermund (im 
J. 1656). BGNiederrh. 8, S. 253—254. 

137. H. Ferber. Die drei Höfe des adligen Stifts zu Vilich in 
Wittlaar, Himmelgeist und Verlo. BGNiederrh. 8, S. 81—103. 

Aus Anlass des Freiwerdens einer Hofpachtung liess die Aebtissin des 
Stiftes zu Vilich durch einen Bevoll mächtigteu unter Zuziehung eines Kotars 
eine genaue Beschreibung ihrer genannten Höfe mit ihren Besitzungen, Rechten 
und Lasten anfertigen. 

138. H. Averdunk. Geschichte der Stadt Duisburg bis zur end- 
gültigen Vereinigung mit dem Hause Hohenzollern. Mit einem 
alteu Stadtplan. 1. Abtheilung. Duisburg, Ewich. 343 S. 
Der Darstellung geht eine sehr dankenswerthe Uebersicht über die in 

Duisburg noch vorhandenen Archivalien voraus. Die Eintheilung des Buches 
ist nicht gerade übersichtlich uud glücklich zu nennen. Zunächst wird eine 
Schilderung des Königsforstes zwischen Rhein, Ruhr und Düssel gegeben; 
hier befand sich das berühmte Gestüt der wilden Pferde, dessen Geschichte 
in breitester Weise bis zur Auflösung zu Anfang unseres Jahrhunderts ver- 
folgt wird. Dann wird die Zugehörigkeit Duisburgs zum Ruhrgau, zum Her- 
zogthum Niederlothringen und zur lothringischen Pfalzgrafschaft behandelt» 
von welch letzterer es 1045 durch Heinrich III. getrennt und wieder als 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 229 



"Reichsgut zurückgenommen wurde. Weiter werden die Grenzen der Duis- 
burger Hundertschaft gegen die Nachbargebiete festgestellt; die Stadt lag 
früher dicht am Rhein, welcher sich zwischen 1270 und 1280 nach Westen 
ablenkte. Sehr ausführlich wird hierauf die Topographie der Stadt behau* 
delt und dabei die Geschichte einzelner Institute bis zur Neuzeit fortgeführt. 
Dann geht Verf. endlich zur Darstellung der Geschichte und Entwicklung der 
Stadt bis zur Reformation über und schildert ihre Schicksale unter den ver- 
schiedenen deutschen Kaiserhäusern und weiter unter den verschiedenen 
Pfandherren aus den Häusern Limburg, Berg, Dinslaken, Mark und Cleve, 
wobei in ausführlicher Weise auch die niederrheinisch-westfälische Territorial- 
geschichte behandelt wird. In Duisburg bestand eine alte fränkische Königs- 
pfalz; dass unter dem Dispargum des Gregor von Tours unser Duisburg zu 
verstehen sei (vergl. oben n. 64), will Verf. nicht gelten lassen. Wann und 
ob überhaupt speziell Stadtrechte an Duisburg verliehen worden sind, lässt 
«ich nicht mehr nachweisen; sicher ist jedoch, dass es am Ausgang des 12. 
Jahrhunderts im Besitz von Stadtrechten war, eigentümlicher Weise zu- 
sammen mit der ganzen Hundertschaft. Die Verwaltung stand ursprünglich 
<lem Schultheissen und den 12 Schöffen zu. Im letzten Viertel des 13. Jahr- 
hunderts treten der Rath und die Bürgermeister auf, in deren Händen fortan 
<lie Verwaltung lag. 

139. H. F. Graeber. Tausendjährige Geschichte von Meiderich, 
von 874—1874, fortgesetzt bis 1892, besonders in kirchlicher 
Beziehung. Zweite vermehrte Auflage. Mit vier Illustrationen. 
Rees, Bonert. 1892. 195 S. 

140. L. Henrichs. Die Bergische Schutzherrschaft über Emme- 
rich. Niederrhein. Zeitung, 1894, n. 29 u. 30. 

Die Schutzherrschaft über die Stadt und die umliegenden Besitzungen 
-des Kanonikerstiftes stand zu Beginn des 13. Jahrhunderts Heinrich von dem 
Berge zu. Die Stadtvogtei wurde ihm 1233 entzogen und an Otto von Gel- 
dern übertragen. 

141. L. Henrichs. Die Hengemunde bei Emmerich. Niederrh. 
Zeitung 1894, n. 24. 

Bischof Otto III. von Utrecht schenkt im Jahre 1292 den Novalzehnten 
-von der Hengemunde in den Dörfern Netterden, Vrasselt, Wikum und in der 
ganzen Tfarrei Emmerich dem Stiftskapitel in Emmerich. Verf. weist nach, 
dass unter Hengemunde das Gemeindeeigenthum zu verstehen sei, das ur- 
sprünglich aus Wald, später auch aus Wiese, Haide und Torf bestand. 

3. Kirchengeschichte. 

142. F. Görres. Die Einführung des Christenthums in den Rhein- 
landen. RheinGBll. 1, S. 4—8, 44-53. Schluss folgt. 



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230 



Kaspar Keller 



143. F. X. Kraus. Die christlichen Inschriften in den Rhein- 
landen. Zweiter Theil. Die christlichen Inschriften von der 
Mitte des achten bts zur Mitte des 13. Jahrhunderts. Zweite 
Abtheilung. Die Inschriften der Erzbisthümer Trier und Köln. 
Mit 9 Lichtdrucktafeln und zahlreichen in den Text gedruck- 
ten Abbildungen. Mit 2 Anhängen. Freiburg, Mohr. 4°. XII> 
218 S. [Die Paginirung zählt von 161-378.] 

Der Löwenantheil der Inschriften fällt naturgemäss auf die Städte 
Trier und Köln, woneben für unser Gebiet noch Aachen, Bonn, Xanten, Deutz, 
Siegburg und Essen in Betracht kommen. Kr. hat das Verdienst, dass er 
zuerst diesen Zweig der mittelalterlichen Epigraphik im Zusammenhang be- 
handelt und die vorher entweder ganz unbekannten oder an verschiedenen 
Stellen reproducirten Inschriften gesammelt und in mustergültiger Weise 
veröffentlicht hat. In zwei Anhängen werden die gefälschten und die aus- 
anderen Gegenden in dio Rheinlande eingeführten Inschriften mitgetheilt 
und dann Nachträge zu den sämmtlichen Abtheilungen gegeben. Ein sorg- 
fältiges, reich gegliedertes Register erleichtert die Benutzung in vorzüg- 
licher Weise. 

144. C. Koenen. Ueber christlich-römische Fundstücke im Rhein- 
lande und ein noch nicht veröffentlichtes Bonner römischem 
Bild des guten Hirten. RheinGBll. I, S. 32—39. 

145. H. Kelleter. Helenareliquien zu St. Gereon in Köln. KBWZ. 
13, S. 217-219. 

Aus einem Kollektar des Domarchivs theilt K. eine Notiz mit, aus wel- 
cher hervorgeht, dass die Stifter S. Cassius in Bonn und S. Gereon in Köln, 
erst nach dem Jahre 1135 in den Besitz von Reliquien der hl. Helena ge- 
kommen sind. 

146. J. Kleiner mann 8. Der hl. Evergislus, Bischof von Köln. 
Nach den Quellen dargestellt. Kölner Pastoralblatt 28, S. 
273—278. 

148. P. Norrenberg. Die heilige Irmgardis von Süchteln. Mit 
zwei Abbildungen. fA. u. d. T. Aus der rheinischeu Ge- 
schichte. XIXJ Bonn, Hanstein. VI, 64 S. 

149. C. Füssenich. Zur Geschichte der Pfarre Kaster. Erft- 
Bote (Bedburger Zeitung). 1893, n. 60-62; 1894, n. 1—23. 

150. P. Jacobs. Geschichte der Pfarreien im Gebiete des ehe- 
maligen Stiftes Werden a. d. Ruhr. Zweiter Theil. Düssel- 
dorf, Schwann. 244 S. 

Der zweite Theil enthält die Geschichte der Pfarrei Werden nach der 
Säkularisation dea Stiftes, sowie die Geschichte der neu errichteten, von der 
alten Pfarrei losgetrennten Pfarreien Kettwig (errichtet 1812), Heisingen (er- 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 231 



richtet 1813) und Bredeney (errichtet 1893) bis zur Gegenwart, und zwar 
zuerst die allgemeine Geschichte jeder Pfarrei, dann die der einzelnen kirch- 
lichen Institute. Im Anhang werden bisher ungedruckte Urkunden und 
Aktenstücke von 1103—1844 mitgetheilt; zu bedauern ist, dass dies nicht in 
chronologischer Reihenfolge geschieht und dass die Daten der mittelalter- 
lichen Urkunden nicht aufgelöst sind. 

151. G. H. Ch. Maas sen. Geschichte der Pfarreien des Dekanates 
Bonn. I. Tbeil. Stadt Bonn. [A. u. d. T. : Dumont, Geschichte 
der Pfarreien der Erzdiözese Köln. Nach den einzelnen De- 
kanaten geordnet. V. Dekanat Bonn. I. Tbeil. Stadt Bonn.] 
Köln, Bachem. XIV, 422 S. 

Nach einem kurzen Ueberblick über die äussere Geschichte der Stadt 
von "der Römerzeit an werden die einzelnen Pfarreien und kirchlichen In- 
stitute behandelt. Die älteste Kirche war die Stiftskirche der hl. Cassius 
und Florentius, deren Gründung auf die Kaiserin Helena zurückgeführt wird. 
Das Stift nahm in der Erzdiöcese Köln den ersten Rang nach dem Domstift 
ein; sein Propst war Archidiakon für die Christianitäten Ahr, Eifel, Zülpich 
und Siegburg. Die Immunität des Stiftes erstreckte sich über den grössten 
Theil der Stadt; ganz oder theilweise innerhalb derselben lagen die Bezirke 
der Pfarrkirchen St. Martin, die unmittelbar neben der Stiftskirche lag, 
St. Remigius und St. Gangolph. Die Zweitälteste Kirche war die Pfarrkirche 
zum hl. Petrus und Johannes in Dietkirchen, deren Bezirk ganz ausserhalb, 
der Stiftsimmunität und grösstentheils auch ausserhalb der Stadt lag. Bei 
dieser Kirche bestand ein Benedictinerinnenstift, das später in ein freiadliges 
Damenstift umgewandelt wurde. "Weiter wird die Geschichte der anderen 
Klöster, der Wohlthätigkeitsanstalten und Schulen mehr oder minder aus- 
führlich mitgetheilt. Das Buch ist Reissig, hier und da jedoch unkritisch ge- 
arbeitet, das ungedruckte urkundliche Material erscheint nicht hinlänglich 
verwerthet. 

152. H. Bechern. Geschichte der lauretanischen Kapelle in 
Düsseldorf- Bilk. Mit Titelbild. BGNiederrh. 8, S. 1—44. 
Auch separat: Düsseldorf, Deiters. III, 50 S. 

153. L. H. Grubenbecher. Die lauretanische Gnadenkapelle in 
der Pfarrkirche zur hl. Maria in der Kupfergasse (Köln). Fest- 
schrift zur sechsbundertjährigen Feier der Uebertragung des 
hl. Hauses nach Loreto (10. Dezember 1894). Köln, Bachem. 
128 S. 

154. J. B. D. Jost. Das Weiherkloster bei Köln. RheinGBll. 1. 
S. 93-95, 129— 132,* 149-153, 190—191, 240-255. 

Eine lose Aneinanderreihung von Urkundenregesten und einigen Aus- 
zügen aus Chroniken. 



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232 



Kaspar Keller 



155. 0. R. Redlich. Zur Geschichte des Klostors Bödingen im 
15. Jahrhundert. ZBergGV. 30, S. 289-293. 

Das Kloster war 1423 den Regulierherren von Windesheim übertragen 
worden. Sein Prior Wilhelm von Keppel wurde 1446 zum Prior von Marien- 
walde bei Nordhorn gewählt. Herzog Gerhard von Jülich-Berg suchte den 
tüchtigen Mann seinem Lande zu erhalten, wie aus seinem Schreiben an den 
Marienwalder Konvent vom 4. Juni 144<i hervorgeht. 

156. E. Simons. Eine altkölnische Seelsorgegemeinde als Vor- 
bild für die Gegenwart. Antrittsvorlesung, gehalten am 28. 
Oktober 1893. Berlin, Reuther und Reichard. 27 S. Separat 
aus: Halte, was du hast. Zeitschrift für Pastoraltheologie. 
XVII, 4. 

157. E. Simons. Die älteste evangelische Gemeindearmenpflege 
am Niederrhein und ihre Bedeutung für unsere Zeit. Bonn, 
Strauss. 166 S. 

S. will die niederrheinischen evangelischen Gemeinden des 16. und 17. 
Jahrhunderts als Vorbilder für die Gegenwart hinstellen. In der ersten Schrift 
schildert er die Thatigkeit der niederländisch-reformirten Gemeinde in Köln 
auf dem Gebiete der Seelsorge, die durch Diakonen ausgeübt wurde. Der 
Gegenstand der zweiten Schrift bildet die Armenpflege. Aus den Synodal- 
beschlüssen stellt S. zuerst die Grundlagen der Armenpflege fest und weist 
' dann nach, dass und wie diese Grundlagen in den einzelnen Gemeinden ihre 
Verwirklichung gefunden haben. Auch die Armenpflege wurde durch Dia- 
konen im Namen und im Auftrage der Gemeinden ausgeübt. Ein reiches 
kirchliches Leben blühte in diesen niederrheinischen Gemeinden, das durch 
den 30jährigen Krieg, wie so vieles, zu Grunde ging. 

158. A. H. Reben 8 bürg. Festschrift zur Einweihung der evan- 
gelischen Christuskirche in Köln a. Rhein am 1. Advents- 
sonntag den 2. Dezember 1894. Köln, Druck von Steven- 
V, 149 S. 

Die Festschrift enthält auch eine Darstellung der Reformationsbewegung 
in der Stadt Köln und die Geschichte der evangelischen Gemeinde bis zur 
Gegenwart. Voraus geht eine Uebersicht über die Geschichte der Stadt vor 
der Reformation, wobei fast nur die Schattenseiten hervorgehoben werden, 
damit für die Reformation der nöthige Hintergrund gegeben ist. 

159. F. Hunke. Geschichte der evangelischen Gemeinden Clas- 
wipper und Wipperfürth. Hückeswagen, Druck von Foerster 
und Welcke. 71 S. 

160. J. Pohl. Thomas von Kempen fet der Verfasser der Bücher 
De imitatione Christi. Programm des Gymnasiums zu Kem- 
pen. Kempen, Druck von Wefers. 4°. XXVIII, S. 



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Die historische Litteratur des Xiederrheins für das Jahr 1894. 233 

9 

P. sucht die schon Jahrhunderte lang ventilirte Frage nach d*»r Autor- 
schaft der Imitatio zu lösen. Wie schon die bestimmte Fassung des Titels 
ergiebt, hält er Thomas für den Verfasser, und er weiss seine Ansicht in 
überzeugender Weise zu begründen, hauptsächlich auf Grund einer Steile im 
Chronicon Windesheimense des Johannes Busch, deren Glaubwürdigkeit er 
beweist. 

161. J. Pohl. Ueber ein in Deutschland verschollenes Werk des 
Thomas von Kempen. Thomas a Keropis. Katholisches 
Sonntagsblatt, Jahrg. 7, n. 51, 1894, Dezember 23. 

162. F. X. Kraus. Thomas von Kempen, ADB. 38, S. 74-85. 

4. Kunstgeschichte. 

163. P. C lernen. Die Kunstdenkmäler der Stadt und des Kreises 
Düsseldorf. Im Auftrage des Provinzialverbandes der Rhein- 
provinz herausgegeben. Mit 8 Tafeln und 77 Abbildungen 
im Text. [A. u. d. T.: Die Kunstdenkmäler der Rheinpro- 
vinz, 3. Bd. I]. Düsseldorf, Schwann. VI, 172 S. 

164. P. Clemen. Die Kuustdenkmäler der Städte Barmen, Elber- 
feld und Remscheid und der Kreise Lennep, Mettmann und 
Solingen. Im Auftrage des Proviuzialverbandes der Rhein- 
provinz herausgegeben. Mit 5 Tafeln und 65 Abbildungen im 
Text. [A. u. d. T. Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. 
3. Bd. IL] Düsseldorf, Schwann. VI, 134 S. 

Der Düsseldorfer Bezirk ist reich an hervorragenden kirchlichen Bau- 
werken. In erster Linie sind da zu nennen die alten Stiftskirchen zu Kai- 
serswerth und Gerresheim, die Kirchen zu Ratingen und Hilden und eine 
Reihe kleinerer in romanischem oder Uebergangsstil erbauter Kirchen, meist 
von Kaiserswerth aus gegründet oder baugeschichtlich abhängig. In der 
Stadt Düsseldorf steht an erster Stelle die St. Lambertuskirche mit dem Grab- 
male des Herzogs Wilhelm I. von Berg, dem spätgothischen Sakramentshäus- 
chen, alten Wandmalereien des 14. und 15. Jahrhunderts; dann folgen die 
Jesuiten- und Franziskanerkirche. Von älteren Profanbauten sind vor allem 
zu nennen die Reste der Burg Friedrich Barbarossas zu Kaiserswerth. Auch 
aus der pfalzischen Zeit besitzen wir eine Anzahl herrorragender Profan- 
bauten, wie den Jägerhof in Pempelfort und Schloss Benrath. Aermer an 
Kunstwerken ist das im zweiten Hefte behandelte Gebiet, der grosse Industrie- 
bezirk im Bergischen Hinterlande und im Wupperthale, zugleich das Gebiet 
des jeder künstlerischen Ausschmückung der Kirchen abholden reformirten 
Kirchenthums. Von kirchlichen Bauwerken sind zu nennen die Kirchen zu 
Beyenburg und Gräfrath. Dann findet sich auch hier eine Anzahl kleiner 
frühromanischer Kirchen, die der vorher im Düsseldorfer Bezirke erwähnten 



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231 



Kaspar Keller 



Gruppe angehören. Unter den älteren hemerkenswerthen Profnnbauten steht 
im Vordergrunde des Interesses Schloss Burg an der Wupper, dessen Bauge- 
schichte ausführlich dargelegt ist. 

166. Claus. Zur Knnst- und Baugeschichte der Klöster. I. Die 
Kunstdenkmäler der Rheinprovinz. Studien und Mittheilungen 
aus dem Benedictiner- und Cistercienser-Ordcn. Jahrg. 1894, 
S. 646—651. 

166. Kölnische Ktlnstler in alter und neuer Zeit. Johann Jacobe 
Merlos neu bearbeitete und erweiterte Nachrichten von dem 
Leben und den Werken kölnischer Künstler. Herausgegeben 
von E. Firmenich-Richartz, unter Mitwirkung von H. Keussen. 
Mit zahlreichen bildlichen Beilagen. Lieferung 5—17. Düssel- 
dorf, Schwann. 4°. 

167. F. Th. Helmken. Der Dom zu Köln. Dritte durchgesehene 
und erweiterte Auflage. Ein Führer für die Besucher. Mit 
Abbildungen. Köln, Boisseree. 160 S. 

168. L. Arntz. Die Kaithause in Köln in baugeschichtlicher Hin- 
sicht. Mit 15 Abbildungen. ZChrK. 7, Sp. 9 -22. 

169. K. Rhoen. Zur Geschichte der älteren Baudenkmäler von 
Kornelimünster. Mit einer Tafel. ZAachenGV. 16, S. 112— 13k 
Auch separat : Aachen, Cremer. 26 S. 

170. K. Rhoen. Der sogenaunte karolingische Gang zu Aachen- 
Aachen, Cremer. 26 S. 

Rh. sucht nachzuweisen, das* das zwischen der Münsterkirche und denv 
Rathhause liegende Gewölbe nicht karolingischen Ursprungs sei. Vergl. 
Kelleter im KBWZ. 13, Sp. 160-161. 

171. V. Z u c cal m ag 1 i o. Der Dom zu Altenberg. Neu heraus- 
gegeben. Köln. Du Mont-Schauberg. 

172. St. Beissel. Flämische Altäre in der Rheinprovinz und in» 
Westphalen. Stimmen aus Maria Laach, 49, S. 11—24. 

173. C. Aldenhoven. Ueber die altkölniscke Malerschule. Nation,. 
11, S. 73-75, 89—92. 

174. Köln. Klarenaltar. KBWZ. 13, Sp. 119-124. 

Der Altar stammt aus dem Garenkloster und wurde durch die Gebrüder 
Boisseree der St. Johanniskapelle im Dom geschenkt; er ist ein Meisterwerk 
des 14. Jahrhunderts, das alle bekannten berühmten Werke übertrifft. 

175. F. C. Heimann. Köln. Funde in S. Caecilien. KBWZ. 13, 
Sp. 208-212. 

Unter den verschiedenen Schichten von Tünche, auf deren einer sich 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für das Jahr 1894. 235- 

Spuren von Malereien aus dem 16. Jahrhundert fanden, wurde ein ganzer 
Cyclus von frühmittelalterlichen Wandmalereien entdeckt. 

176. E. Firmenich-Ricbartz. Der Meister der Glorification 
Maria. Mit 2 Lichtdrucken. ZChrK. 7, S. 1-S. 

177. L. Scheibler. Ein Madonnenbild der Sammlung Nolles zu 
Köln. Mit Lichtdruck. ZChrK. 7, S. 33—36. 

178. E. Firmenich-Ricbartz. Die Flügelgemälde des Essener 
Altars. Mit Lichtdrucktafeln. ZChrK. 7, Sp. 225—230. 

Der Altar war ein Meisterwerk Barthel Bruyns, bestellt 1522, abge- 
liefert 1525. 

179. H. Der ix. Ein Glasgemälde des 16. Jahrhunderts im Dom 
zu Xanten. Mit Abbildung. ZChrK. 7, Sp. 39—42. 

180. F. Stummel. Alte Wandmalereien in der Heiligengeistkapelle 
zu Kempen a. Rh. Mit Abbildung. ZChrK. 7, Sp. 149—154. 

181. C. Justi. Die Goldschmiedefamilie der Arphe. Mit 4 Ab- 
bildungen. ZChrK. 7, Sp. 289-302, 333—346. 

Eine berühmte kastilianische Künstlerfamilie, die aus Deutschland und 
zwar sehr wahrscheinlich vom Niederrhein stammte, wo der Name Harve, 
Harff sehr verbreitet war und ist. Die drei bekannten Glieder waren be- 
rühmt als Verfertiger der sog. Custodien, und zwar repräsentirte Jeder eine 
Stilform, die Spätgothik, die sogen. Frührenaissance und das klassische 
Cinquecento. 

182. A. SchnUtgen. Zwei altkölnische Madonnenbildchen iu durch- 
sichtigem Email. Mit 2 Abbildungen. ZChrK. 7, Sp. 23-28. 

183. 0. R. Redlich. Die Schätze der herzoglichen Silberkammer 
zu Düsseldorf im 17. Jahrhundert. Nach den Akten des 
Düsseldorfer Staatsarchivs. BGNiederrh. 8, S. 109—139. 

R. theilt ein Inventar der Schätze mit, welches aus Anlass einer An- 
stellung eines neuen Silberkämmerlings im Jahre 1666 aufgestellt worden ist;: 
es lässt sich darnach vielfach die Provenienz der einzelnen Stücke (im Ganzen» 
2144) bestimmen. 

184. J. Tb. de Raadt. Bestellung von Brüsseler Kunstwirkereie» 
für das Düsseldorfer Schloss. BGNiederrh. 8, S. 139—148. 

185. A. SchnUtgen. Gesticktes Antipendium im Kölner Dom. 
Mit Lichtdruck. ZChrK. 7, S. 161—162. 

186. E. Zais. Frankenthaler Porzellan in Aachen. ZAachenGV. 
16, S. 161-162. 

Die knrpfälzische Porzellanfabrik zu Frankenthal errichtete im Jahre* 



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Kaspar Keller 



1776 in Aachen eine Niederlage, um dem üöchster, und vor allen Dingen 
Meissener Porzellan Concurrenz zu machen. Das finanzielle Ergebniss war 
«ehr ungünstig. 

5. Biographien und Aehnliches. 

187. F. Wächter. Briefe niederrheiuischer Humanisten an Eras- 
mus (1529—1536). ZBergGV. 30, S. 201—212. 

188. H. Keussen. Heinrich Suderraann, Dr. jur., Syndicus der 
Hansestädte. ADB. 37, S. 121—127. 

189. F. H. R e u s c h. Laurentius Surius, Garthauser. ADB. 37, 
S. 166. 

190. Gerhard Tersteegen, Mystiker und Dichter zahlreicher Lieder. 
ADB. 37, S. 576-579. 

191. W. Harless. Werner Teschenniacher. ADB. 37, S. 582—584: 

192. L. Keller. Thomas von Imbroich, Buchdrucker. ADB. 38, 
S. 73-74. 

Wiedertäufer, auch schriftstellerisch thätig, 1558 in Köln hingerichtet. 

193. L. Scheibe. Probe aus der Historica Narratio Caspari Si- 
beiii de curriculo totius vitae et peregrinationis suae. Fest- 
schrift zur Feier des 300 jährigen Bestehens des Gymnasiums 
zu Elberfeld. Elberfeld, Martini. 

194. K. K rafft. Einige Lebensumstände von J. C. Henke zu Duis- 
burg, von ihm selbst verfasst. ZBergGV. 30, S. 280—287. 

195. F. Oppenhoff. Die Beziehungen Friedrich Heinrich Ja- 
cobis und seiner Familie zu Aachen. ZAachenGV. 16, S. 
132-162. 

196. S. G. Schäffer. Adolf Kolping, der Gesellenvater. Ein Le- 
bensbild. Mit dem Bild und 1 Facsimile Kolpings. 3. Auf- 
lage. Paderborn, Schöning!). VIII, 336 S. 

197. D. Behrens. Friedrich Diez. Festrede zur Feier von Diez' 
100 stem Geburtstage gehalten. Mit 1 Porträt und bisher 
noch nicht veröffentlichtem biographischem Material. Giessen, 
v. Münchow. 41 S. 

198. H. Breymann. Fr. Diez. Sein Leben und Wirken. Leip- 
zig, Deichert. IX, 54 S. 

199. M. Foerster Friedrich Diez. Festrede, gehalten zur Feier 
des 100. Geburtstages den 3. März 1894 in der grossen Aula 



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Die historische Litteratur des Niederrheins für die Jahre 1804 und 1895. 237 

der Friedrich Wilhelms -Universität in Bonn. Bonn, Georgi. 
18 S. 

200. E. Stengel. Diezreliquien, aus Anlass des 100. Geburts- 
tages. [A. u. d. T. Ausgaben und Abbandlungen aus dem 
Gebiete der romanischen Philologie, Heft 91]. Marburg, El- 
wert, 48 S. 

201. A. Tob ler Briefwechsel zwischen M. Haupt und Fr, Diez. 
Sitzungsberichte der Köuigl. Preuss. Akademie der Wissen- 
schaften zu Berlin. Jahrg. 1894, S 139-156. 



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Berichte und Notizen 



In dieser Rubrik beabsichtigt die Redaktion einen Ucberblick über das 
-gesummte geschichtliche Leben und Forschen in der Rheinprovinz zu geben. Es 
ergeht daher an Alle die ergebenste Bitte, jede einschlägige Nachricht an die 
Adresse der Redaktion (Bonn, Agrippinenstrasse 5) gelangen lassen zu trollen ; 
insbesondere werden die Geschichtsvereine um regelmässige Einsendung ihrer 
Berichte gebeten. A. Meister. 



Die Generalversammlung des Historischen Vereins für den Nieder- 
rhein zu Brauweiler am 14. October 189(5. Schon auf dem Wege zum Ver- 
sammlungsort besichtigte ein Theil der Mitglieder unter Leitung des Prof. 
Dr. Klinkenberg das Römergrab in Weiden, dessen Erklärung an Ort 
und Stelle vorgenommen und später auf der Generalversammlung selbst ergänzt, 
wurde. Am Versammlungsorte in Brau weiler, woselbst die Häuser Flaggen- 
schmuck angelegt hatten, wurde der Verein begrüsst durch den Bürgermeister 
Schwengers, der gleichzeitig auf die historische Bedeutung der Abtei hin- 
wies. In Vertretung des Präsidenten Geheimraths Hüfter leitete Domkapitular 
Schnütgen die Versammlung. Zuerst wurde Düsseldorf als nächster 
Versammlungsort vereinbart, sodann erläuterte der Schatzmeister Helmken 
in einem Geschäftsbericht den Kaaser.bestand und forderte zu zahlreichem 
Beitritt zum Vereine auf. Der Vorsitzende berichtete darauf über den Stand 
der Arbeiten für die Annalen, wozu Dr. Tille ergänzend hinzufügte, dass das 
nächste Inventarverzeichniss die Kreise Grevenbroich, Bergheim, M. -Gladbach 
und Düsseldorf umfassen werde. 

Nachdem dann der Senior des Vereins Heinr. Lern per tz Mittheilung 
von einer von ihm angefertigten Zusammenstellung von „Goetheana" gemacht 
hatte, setzte Prof. Dr. Klinkenberg seine Erklärung des Römergrabes 
Weiden fort über die Auffindung desselben im Jahre 1.S43, die Bauart, die 
Bedeutung desselben in historischer und kunstgeschichtlicher Beziehung. Er 
hielt das Grab für die Begräbniasstätte eines vornehmen Landwirthea, das 
gegen 260 n. Chr. in Gebrauch genommen und gegen 340 ausser Benutzung 
gesetzt sei. 

Privatdozent Dr. C 1 e m e n gab einen Ueberblick über die bauge- 
schichtliche Entwickelung der Abteikirche von Brauweiler, der sich weniger 



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Berichte und Notizen. 



239 

* 



auf urkundliche Notizen, als auf die Formen des Bauwerks stützen müsse. 
Von der ursprunglichen Anlage aus den Jahren 1024 und 1028 sei nichts er- 
halten, erst um die Mitte des 11. Jahrhunderts sei der jetzige Bau begonnen, 
<ler damals in einer dreischiffigen, flachgedeckten Pfeilerbasilika mit Krypta 
bestand und 1061 seine Vollendung erfahren habe; charakteristisch seien für 
ihn namentlich die flache Nischen-Architektur mit den schlanken, durch ar- 
chaisireude Capitelle bekrönten Säulen. Um die Mitte des 12. Jahrhunderts 
erfolgten einschneidende Veränderungen, namentlich die Einwölbung zunächst 
des unteren Thurmgeschosses, die bereits 1141 vorgenommen sei und an 
welche dio des Mittelschiffes sofort sich angeschlossen habe mit den dadurch 
herbeigeführten wesentlichen Umbauten. Mancherlei Verwüstungen, zumal 
"wahrend der Kämpfe zwischen Philipp und Otto, hatten gleich nach 1200 
mancherlei Neugestaltungen zur Folge, namentlich den Umbau des Chors 
mit dem Unterbau der beiden Flankirthürme und des Querscbiffes, und gegen 
1220 ist aus der einfachen, flachgedeckten Pfeilerbasilika dem Wesen nach 
«las luftige, malerische, innerlich wiu äussernd» reich gegliederte Bauwerk 
geworden, als welche? noch jetzt die neuerdiugs restaurirte Kirche sich dar- 
stellt, ein bis jetzt litter^risch zu wenig beachtetes Monument, welches an 
•einem Sohne des Ortes, dem damals noch dem Kölner Seminar angehörigen 
Diakon L i n g n a u hoffentlich bald einen neuen Bearbeiter gewinnen werde. 
Nicht minder Beachtung wie die Architektur des Baues verdiene seine Aus- 
stattung mit Wandmalereien, die im Kapitelsaale von grosser kunsthistorischer 
Bedeutung seien, wohl gleich nach der Mitte des 12. Jahrhunderts, vielleicht 
•unter dem dort bestatteten Abte Aemilius entstanden, den längst bekannten 
Wandgemälden von Knechtsteden und den neu entdeckten von Steinfeld 
aus den Jahren 1130 bis 1135 gegenüber ein entschiedener Fortsehritt im 
Sinne grösserer Unbefangenheit und Freiheit, wohl die unmittelbaren Vor- 
läufer der merkwürdigen, schon lange restaurirten Malereien in Schwarz- 
rheindorf. 

Darauf hielt der Kölner Stadtarchivar Prof. Dr. J. Hansen einen 
fesselnden Vortrag über das Gutachten der Kölner theologischen Fakultät 
vom Jahre 14S7 über den Hexenhammer (malleus maleficarum). Die beiden 
Dominicaner Heinrich Institoris und Jacob Sprenger wussteu im December 
1484 von Papst Innocenz VIII. eine Bulle zu erlangen, um eine Hexenver- 
folgung zu insceniren, und Institoris versuchte dieselbe zunächst 1485 in 
Brixen und Innsbruck, fand aber keinen Anklang. Sie verfa9Sten daher, um 
für die Hexenprozesse eine packendere Unterlage zu gewinnen, den berüch- 
tigten Malleus, und um demselben von vornherein ein grösseres Ansehen zu ver- 
schallen, suchten beide ein Gutachten der Kölner theologischen Fakultät zu er- 
reichen. Diese notarielle, handschriftlich nicht mehr existirende Erklärung ver- 
öffentlichten sie mit der Bulle und dem Malleus, und bis heute hat sie neben 
dem Verfahren gegen Reuchlin einen tiefen Schatten auf die Fakultät ge- 
worfen. Ganz mit Unrecht, denn sie ist, was zunächst betont wurde, keine 
Meinungsäusserung der Fakultät, sondern nur ein privater Ausspruch von 
vier Fakultätsmitgliedern, welcher dazu sehr zurückhaltend uud verklausu- 



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240 



Berichte und Notizen. 



lirt ist. Weil dieser deswegen den beiden Dominikanern nicht genügte,, 
suchten sie ein zweites Gutachten mit Hülfe desselben Notars zu erlangen^ 
und dieses, die Inquisition vollständig billigende, ebenfalls handschriftlich, 
nicht mehr vorliegende Aktenstück stellt sich bei genauerer Prüfung als eine 
den beiden Verfassern de« Malleus zur Last fallende Fälschung heraus. Die 
Unterschriften der 8 Fakultäts-Professoren sind nicht beglaubigt, sie stützen 
sich allein auf das Zeugniss des altersschwachen Pedellen, der 1492 pensio- 
nirt wurde und am 2. Februar 1493 starb. Der erste datirte Druck ist von 
1494. In einer Ausgabe, die sich jetzt im Kölner Stadtarchiv befindet, steht 
eine Randbemerkung von der Hand Hartz heims, der 1759 Dekan der theo). 
Fakultät war, dass das Gutachten falsch sei und sich nicht in. dem ihm noch 
vorliegenden Dekanatsbuch befinde; der Pedell habe das ihm untergeschobene 
Zeugniss später widerrufen. 

Darauf sprach Dr. Kelle ter über die vielbehandelte Clematianische 
Inschrift zu St. Ursula in Köln. Er unterschied in der bisherigen Er- 
forschung der Inschrift eine theologisch - hagiologische und eine philologisch- 
archäologische Gruppe, jene vornehmlich durch Floss, Stein, Kessel und 
neuerdings durch Müller vertreten, an dem der Redner besondere Kritik 
übte, diese durch Düntzer und Klinkenberg. Wenn maD, so führte der 
Redner weiter aus, die wichtigen Worte „ex partibus orientis" auf die un- 
mittelbar vorhergehenden: „virginum imminentium" beziehe, so liege die 
Deutung nahe auf die an der Ostseite der Kirche bestatteten Jungfrauen,, 
zumal die Beisetzung gerade an der nach Osten gelegenen Stelle damals die 
allgemein übliche gewesen sei. Aber es empfehle sich vielmehr, die Worte 
„ex partibus orientis" auf die unmittelbar folgenden: „exhibitus pro voto 
Clematius" zu beziehen, und dann ergebe sich eine ganz neue, sehr befriedi- 
gende und manche Aufklärungen bietende Deutung. Wenn man nämlich 
unter „oriens" Byzanz verstehe und Clematius V. C. als Vir Consularis, als 
in Köln ansässigen und begüterten byzantinischen Beamten ansehe, so liege 
es nahe, an einen Auftrag zu denken, den er im Anschlüsse an das 3&»> er- 
lassene Dekret des Theodosius, der Reliquien-Verehrung mehr Beachtung zu 
schenkeu und ihre im Verfalle befindlichen Aufbewahrungsstätten wieder her- 
zustellen, erhalten habe, auf diesem Wege das Christeuthum am Rheine zu 
schützen. Diese amtlich an ihn ergangene Aufforderung, die ihm das Recht 
gegeben habe, die am Schlüsse der Inschrift angedrohten Strafen zu betonen, 
sei vielleicht 394, also um die Zeit erfolgt, in welche die Inschrift gesetzt 
werden müsse. — Der Vorsitzende hob dagegen hervor, dass diese auf die 
Autorität von Ritsehl und Rossi bislang festgehaltene Datirung in neuester 
Zeit Beanstandung erfahren habe und gab dem Bedauern Ausdruck, dass die 
fortgeschrittene Zeit keine Diskussion mehr gestatte über die interessante 
Frage, die hoffentlich auf die Tagesordnung der nächsten General- Versamm- 
lung gesetzt werden könne. 

Mit Bezug auf die im Saale ausgestellten, überaus merkwürdigen Be- 
sitzstücke der Abteikirche: die seidene, in ihrer ursprünglichen Form erhaltene 
Glockencasel, die von dem hl. Bernhard bei seinem Aufenthalt in Brauweiler 



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Berichte und Notizen. 



241 



1143 getragen worden sein kann, und den Skyphos St. Nicolai, der aus Maser- 
holz wohl im Anfange des 13. Jahrhunderts sehr kunstvoll geschnitten und 
mit vergoldeten Silborappliquen versehen, an die früher ohne Zweifel vor- 
handene Trinkschale des Hauptpatrons der Kirche anknüpft, musste der Vor- 
sitzende sich auf wenige archäologische Bemerkungen beschränken, damit 
wenigstens noch kurze Zeit für die Besichtigung der Kirche übrig blieb, in deren 
Vorhalle der übrige Kunstbesitz derselben ausgestellt war, namentlich die 
romanische Holzngur des hl. Nicolaus, das frühere Gnadenbild und die beiden 
spätgothischen Monstranzen. Dr. C lernen erklärte die architektonische Ge- 
staltung, der Vorsitzende die liturgische Ausstattung des Gotteshauses und 
nach einer vorübergehenden Besichtigung des uralten, leider dem Verfalle 
entgegengehenden Maulbeerbaumes wurde unter der Führung des Rendanten 
Wintz, der den durch die Verhandlungen der Gefängnissgesellschaft verhin- 
derten Direktor Schellmann vertrat, der Capitelsaal besucht, dessen Wand- 
gemälde Diakon Lingnau kurz erklärte. 

Erst um 4 Uhr konnte das Festessen beginnen, so lange Zeit hatten 
die ornsten uud ausserordentlich reichhaltigen wissenschaftlichen Erörterungen 
in Anspruch genommen, und um 6 Uhr begann schon zu Fuss und zu Wa- 
gen der Aufbruch zur Eisenbahnstation Lövenich. 



Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde, 15. Jahresbericht. 

(Auszug.) Veröffentlicht wurden 1) W. Stein, Akten zur Geschichte der 
Verwaltung der Stadt Köln im 14. und 15. Jahrh. Bd. II. 2) G. v. Bolow, 
Landtagsakten von Jülich-Berg 1400-1610, BcL I, 1400— 15G2. 3) K. Schul- 
te is, geschichtlicher Atlas der Rheinprovinz, a. die Rheinprovinz unter 
preussischer Verwaltung 1818, b. Erlauterungen zum geschichtlichen Atlas 
Bd. I., die Karten 1813 und 1818. 4) Scheibler und Aldenhoven, Ge- 
schichte der Kölner Malerschule. — Für die Ausgabe der Rheinischen 
Weisthümor unter Leitung von Geh. Rath Lörsch finden die letzten Er- 
mittelungen zur Vervollständigung des Materials statt ; dann kann der Druck 
beginnen. Für die Ausgabe der Aachener Stadtrechnungen hat Stadt- 
archivar A. Pick etwa 10 kleinere Bruchstücke aus dem 14. und 15. Jahrh. 
und die Rechnung des Etatsjahres 1394/95 abgeschrieben und bearbeitet. 
Für die Ausgabe der Rheinischen Urbare unter Leitung von Prof. 
Lamprecht hat Dr. Kelle ter ein grösseres Erläuterungsmaterial zu der 
Bearbeitung der Aachener Urbare herangezogen, wodurch die Herausgabe ver- 
zögert wurde; an Stelle des erkrankten Dr. Barth hat Dr. Tille die Bearbeitung 
der kleineren niederrheinischeu Urbarialien übernommen; die Bearbeitung der 
Urbarialien von St. Pantaleon in Köln durch Dr. Hil liger wird demnächst 
abgeschlossen vorliegen; Dr. Kötzchke arbeitete an dem Abschluss der 
Werdauer Urbarialien. Wie Prof. Ritter berichtet, konnten die Arbeiten 
zur Herausgabe der Jülich-Bergischen Landtagsakten durch Prof- 
v. Below wenig gefordert werden. Dr. Küch hat für die Akten der Jü- 
lich-Bergischen Land stände II. Reihe die Bergischen Akten bis 1648 

Annalen des bist. Vereins LX.11I. 16 



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Berichte und Notizen. 



bebandelt. Für den II. Band der Matrikel der Universität Köln hat 
Dr. Koussen die Register guten Theils fertiggestellt. Die Dekanatsbücher 
hat er zu Erläuterungszwecken bis 1485 ausgebeutet. Die Ausgabe der 
älteren rheinischen Urkunden ist bis 800 nahezu druckfertig, bis 900 
ist das Material gesammelt. Für die erzbischöflich Kölnischen Regesten 
hat Prof. Menzel den Stoff bis 1100 zusammengebracht, es bedarf nur noch 
einiger kritischer Nachprüfungen; in der zweiten Abtheilung 1100—1304 hat 
Dr. K nipp in g bis 1205 das Material verarbeitet; in der dritten Abtheilung 
1303—1414 hat Dr. Müller seine Sammlung auf 5000 Nummern gebracht. 
Vom geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz unter Leitung von 
Prof. Nissen hat Dr. Fabricius die Uebersichtskarte von 1789 und den 
Band Erläuterungen beendigt, der Druck hat begonnen. Unter Prof. Ritter 
hat Dr. Löwe für die Akten der Jülich-Clevischen Politik Kur- 
brandenburgs (1610 — 40) die Berliner Akten durchgearbeitet und die 
Düsseldorfer in Angriff genommen. Dr. Vouilleme hat seine Bibliographie 
über den Kölner Buchdruck im 15. Jabrh. auf 915 Nummern gebracht. 
Von der Geschichte der Kölner Malerschule von L. Schaibler und K. Al- 
denhoven steht Lieferung 3 in Aussicht. Die Herausgabe der Urkunden 
und Akten zur Geschichte des Handels und der Industrie in 
Rheinland und Westfalen, sowie die Ausgabe der Zunfturkunden 
der Stadt Köln, für welch letztere in Dr. Lau ein Hülfsarbeiter gewonnen 
wurde, konnte Prof. Gothein nicht erheblich fördern. Als neues Unter- 
nehmen wurden von Dr. Knipping in 2 Bänden die Kölner Stadtrech- 
nungen aus dem Mittelalter herausgegeben. Im Jahresbericht begann die 
Inventarisirung der kleineren Archive von Dr. Tille, welche auch 
in einem Supplementbande durch Beiheften zu den Annalen den Mitgliedern 
unseres Vereins zugestellt werden. 



Aachener Geschichtsvercln. Auf der Generalversammlung vom 21. Okt. 
1896 hielt der Aachener Hilfsarchivar Dr. Brüning einen Vortrag über 
Aachen während der Befreiungskriege. Oberlehrer Oppen hoff sprach über 
Dürener Geschichtsschreiber und Geschichtsquellen, besonders über den Fran- 
ziskaner Jakobus Polius, den Verfasser des Vindiciae antiquitatem Maroodwie; 
und der Bibliotheksvolontär Dr. Richel gab einen historischen Ueberblick 
über die bildlichen Darstellungen der Stadt Aachen und ihrer Bauwerke. — 
Inhalt des letzten Bandes der Zeitschrift des Vereins (XVIII, 1896): v. Be- 
low, Die Leistungen des Amtes Wassenberg zum Jülicher Festungsbau 1576. 
Pauls, der Bousberg bei Aachen. Th. Lindner, Zur Fabel von der Be- 
stattung Karls d. Gr. Veitmann, Aachener Prozesse am Reidkskamraer- 
gericht (II). Schoo p, Entwickelung der Dürener StadtverfaBsung vom Ver- 
bundbriefe 1467 — 1692. Roth, Briefsammlung des Propstes Ulrich von 
Steinfeld aus dem 12. Jahrh. Redlich, Zur Geschichte der St. Annen-Re- 
liquien in Düren. Oppenhoff, Nachtrag zur Aachener Sternzunft. Kleinere 
Mittheilungen: Beilesheim, Aachener Lehrer und Studenten an der Hoch- 



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Berichte und Notizen. 



243 



schule zu Paris im 14. und 15. Jahrhundert. Lau, Die Rechte der Abte 
Corneliraiinster und des Herzogs Jülich im Dorfe Kastenbolz. Loersch, 
Ein Stammbaum der Familie Mitz. Belleshem, Der päpstliche Nuntius 
Bouermi in Aachen 1585. Keassen, Aachen-Pilger in Köln. 



Bergischer GeschlchtsverelD. (Sitzung vom 9. Jan. 1897.) Dr. Nebe 
hielt einen Yortrag über Konrad von Heresbach, der am 2. August 1496 ge- 
boren, in Münster unter Johannes Murmellius in das Studium des klassischen 
Alterthums eingeführt, dann die Universität Köln besuchte, ganz in die 
Bahnen des Humanismus einlenkte. Nach einer längeren Studienreise kehrte 
er nach Köln zurück, wo zum ersten Male Erasmus entscheidend in sein 
Leben eingriff, indem er seine Uebersiedeluug nach Basel und dann nach Frei- 
burg vermittelte. Von dort ging er nach Ferrara, wurde daselbst zum Doktor 
ernannt, besuchte Padua und kehrte 1523 nach Freiburg zurück. Neben 
seiner Lehrthätigkeit an der Universität trat er auch als Schriftsteller her* 
vor. Im selben Jahre 1523 verschaffte ihm Erasmus die Stelle eines Er- 
ziehers des Erbprinzen am Hofe zu Cleve, woselbst sein Buch über Prinzen- 
erziehung entstand, das er als die Summe seiner Erfahrungen auf Melanch- 
thons Veranlassung verfasste und 1570 herausgab. — Herr Bethan y sprach 
sodann über „Aberglauben der Gelehrten", insbesondere über die vorgebliche 
Verpflichtung der Hörigen und Leibeigenen zur Brautabgabe an den Lehns- 
herrn. Der letzte Band der Zeitschrift des Berg. Gesch.-Vereins (Bd. 31, 
Halbband, 1896) enthält folgende Aufsätze: Morath, Beiträge zur Korre- 
spondenz des Kurprinzen Friedrich Wilhelm von Brandenburg mit dem 
Grafen Adam zu Schwarzenberg 1634 — 1640. — Breve Pauls V. in Betreff 
der religiösen Geltung des Pfalzgrafen Wolfgang Wilhelm von Neuburg 1612 
Oct. 22. Harles s, Bericht über die Heimfahrt des Kurprinzen Georg Wil- 
helm von Brandenburg nebst Gemahlin nach Cleve 1616. — Privilegienbe- 
b tätigung für die Stadt Werden 1648 April 4. — Fried länder, Rechnungen 
des Cistercienserklosters Mariawald aus dem Ende des 15. Jahrhunderts- 
J. Wolters, Chronologie des Theaters der Reichsstadt Köln. — SchadloB- 
brief Üerzogs Gerhard von Jülich -Berg für seinen Rath Rabad Stael von 
Holstein 1457 Juli 14. E. Pauls, Kulturgeschichtliches (Fortsetzung). — 
Herzog Wilhelm II. von Jülich-Berg ernennt Mathias von Düren zu seinem 
Leibarzt 1509. Redlioh, Frankreichs Rheingelüste im Jahre 1492. W. Har- 
les s, Ungedruckte Clevische Urkunden. — Bestellung für Hans Klingenetein 
als Herold 1423. Harless, Ein Gedicht auf die Gründung des Kreuz- 
Bruderklosters zu Düsseldorf. Nebe, Vereinsnachrichten. Schell, Die Samm- 
lungen des Vereins. 



Düsseldorfer Geschichtsverein. Im letzten Jahrbuche des Vereins ver- 
öffentlicht Hassenkamp ein Lebensbild von Karl Immermann, der 
in Düsseldorf 13 Jahre gewirkt hatte und auch daselbst begraben ist. Der 
Konservator F. Schaarschmidt giebt Nachricht über fürstliche Por- 



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Berichte und Notizen. 



trat 8 in der Gemäldesammlung der Kgl. Kunstakademie, darunter ein 
authoiitisches Porträt der unglücklichen Jakobe von Baden, Gemahlin des 
Herzogs Johann Wilhelm von Jülich. F. Kirsch bietet wichtige Beiträge 
zur Kunstgeschichte Düsseldorfs; er erweist, dass der Schöpfer des 
Grabdenkmals Wilhelms III. in der Lambertuskirche der Bildhauer Gerhard 
Scheeben aus Köln ist, der 1599 das Denkmal vollendete; ferner verbreitet 
er sich über die Baugeschichte der Andreas- und Jesuitenkirche. P. Ms. de 
Loe, ord. praed., giebt einen werthvollen Beitrag über Reformation s- 
vcrsuche im Dominikanerkloster zu Wesel. Viermal hatten die Or- 
densbrüder trotz der Beihülfe des Herzogs die Reformversuche abgewehrt, 
bis endlich 1464 der Ordensmeister Konrad von Asti die Reform durchsetzte. 
1806 wurde das Kloster aufgehoben (die Klosterkirche ist heute die katho- 
lische Marienpfarrkirche, die anderen Klostergebäude dienen als Kaserne). 
0. Redlich giebt eingehende Mittheilungen über die französische 
Vermittlungspolitik am Niederrheiu im Anfang des 16. Jahr- 
hunderts. E. Pauls bringt als Miszelle Tauf- und Heirathsur- 
kunden mehrerer dem Hofe des Kurfürsten Johann Wilhelm nahestehender 
Persönlichkeiten. 

Historischer Verein für Stadt und Stift Essen. (Bericht vom 1. Ok- 
tober 1896. Auszug.) Der Verein beabsichtigt ausser der Fortsetzung der 
Geschichte des Essener Gymnasiums die Essener Reformation«- und Kirchen- 
geschichte von Heinrich Kauffmann 1561 — 1667 und die Chronik des kath. 
Pfarrers Jos. Andermahr 1774—96 herauszugeben, ausserdem wird geplant 
für ein historisches Album alle Abbildungen aus dem alten Essen zu sammeln. 
Das vom Vereine herausgegebene 17. Heft der Beiträge zur Geschichte von 
Stadt und Stift Essen enthält folgende Aufsätze: F. Schröder, Aus dem 
mittelalterlichen Essen, S. 5 — 33. W. Grevel, Die Steeler und Schellen- 
berger Glashütten, ein Beitrag zur Industriegeschichte des Niederrheins, S. 
37-73. F. Arena, Das Hospital zum hl. Geist in Essen, S. 77—128 (mit 
Plan und Abbildung). F. Arens, Die Essener Armenordnung von 1581, S. 
130-136. F. Arens, Die Statuten des gräflichen Damen-Kapitels des Stiftes 
Essen, S. 139-148. 

Kölner Stadtarchiv. Dem Stadtarchivar Dr. J. Hansen (Vor- 
standsmitglied unseres Vereins) ist der Titel Professor verliehen worden. Von 
den bisherigen Volontären ist Dr. Lau von dem Verwaltungsausschuse des 
Böhmer'schen Nachlasses mit der Neubearbeitung des Frankfurter Urkunden- 
buchs beauftragt worden; er ist nach Frankfurt übergesiedelt. Dr. Knipping 
wurde in den staatlichen Archivdienst übernommen und dem K. Staatsarchiv 
zu Wiesbaden zugetheilt. Neu traten als Volontäre ein Dr. Bettgen- 
häuser und Referendar a. D. von Loesch. 



Mevissen Stiftung. Der Preis für die Lösung der zweiten Preis- 
aufgabe (Entwicklung der communalen Verfassung und Verwaltung Kölns 



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Berichte und Notizen. 



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von ihren Anfängen bis zum Jahre 1396) ist durch Beachluss vom 19. Juli 
1896 Herrn Dr. Friedrich Lau zuerkannt worden. Preisrichter waren die 
Herren Prof. v. Below, Prof. Gothcin und Geh. Rath Prof. Lörsch. 



Der für die Geschichte des Niederrheins, besonders für die Erforschung 
der Geschichte " der Jülicher Lande hochverdiente Prof. G. von Below in 
Münster hat einen Ruf an die Universität Marburg erhalten und angenommen ; 
sein Nachfolger im Ordinariate in Münster wurde der dortige bisherige ausser- 
ordentliche Prof. H. Finke, dessen Nachfolger im Extraordinariate Privat- 
docent Dr. Spannagel aus Berlin. 



Am 10. Mai starb zu Bonn im 62. Lebensjahre der Universitätspro- 
fessor für Geschichte und geschiehtl. Hülfswissenschaften Dr. Karl Menzel, 
ein langjähriges Mitglied unseres Vereins. Vierundzwanzig Jahre hatte er 
der rhcin. Hochschule als ord. Professor angehört, nachdem er vorher von 
1866—7:1 in Weimar im Archivdienste thätig gewesen war. Für die rheinische 
Geschichte bethätigte er sich durch die Bearbeitung des paläographischen 
Theilcs der Trierer Ada-Handschrift, sowio durch die Leitung der Heraus- 
gabe der älteren rheinischen Urkunden und der Bearbeitung der erzbischöf- 
lich Kölnischen Regesten. Leider sind die beiden letzten Unternehmungen 
nicht bis zur Veröffentlichung gelangt. 



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UnivereitütB-Bucbdruckeret von Carl Georg! in Bodo. 



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