HARVARD COLLEGE |
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KONRAD VON MAVRER |
OF MVNICH
THE GIFT OF
ARCHIBALD CARYCOOUDGE |
— CLASS OF 1887 —
ASSISTANT PROFESSOR OF HISTORY |
1904 1
I
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0
Die Insel
Reisebeschreibung und Touristenführer.
a
Von % .
Th. Stromer.
(Mit 1 Karte und 5 Illustrationen.)
Berlin 1877.
E. Bichteler & Co.
Hofbuchhandlung,
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\ 8.01- 3
Harvard College Library
Von Maurer Collectioi»
Gilt ot A. C. Cooüdge
Da» Recht der Ueberaetzung wird vorbehalten.
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■
Inhalt.
Seite
1—8
Einleitung
Hinreise: — Von SwinemUnde nach Kopenhagen. — Kopen-
hagen. — Von Kopenhagen nach Rönne .... 9—21
Bornholm.
I. Rönne. — Erster Eindruck. — Bomholmer Miliz. — Civü-
Verwaltung
II. Von RÖnne nach Allinge.— Sandfliigten.— R u n e n s t e i n. —
Hasle. — Bergwerk. — Brandstellen. — Ruths-
tit .in Kirche. _ Schwedische Pietisten 25—29
III. Allinge. — Die Jons-Kapelle. — Sandvig. — Hammersee.
Hammer. — Ruinen von Hammershuus. —
Vang nq
IV. Im nassen Ofen. — Das Paradiesthal . ! 39— 4G
V. Hammershuus. — Sage und Geschichte („Die schwedische
Vesper") 4ß_ fi o
VI. Einige Bornholmer Bräuche. - „Das Scheuerfest«.*-
Heirathen. — Ehescheidungen . . . 59— «4
VII. Von Allinge über Gudhjem nach Svanike.— Dynd'alen
(Amtmandssteen). — Helligdommen. — Rö-
Kirche — Ein Sage. — Ertholmene (Christiansholm,
* redenksholm, Graesholm). — „Randklöveakaa-
na. svan.f - »4 u !!l u Ärtl nlt ei„: -
Komische Anekdote. — Helvedesbakkerne. — Para-
diisbakkerne. — Gamleborg. — Rokkesteen. —
„Gryet". — Erederikssteinbruch bei Nexö. — Ein
Blatt Geschichte. — Snogebsek. — Rettungs- Apparat.
- Die Südküste. — Die Pouls- und die Peders-
Kirchen — Der Rispebjerg. — Bonavede (Sage).
— Eine Bekanntschaft. — Die Aakirche mit
n- .i . »»^»Merkwürdigkeiten 78—87
IX. Almindingen. — Der „Luisenbaum u . — Gamlebor*
und die Sage von den „drei Ritterjungfrauen-. -
„Ekkodalen"._„Ritterknregt".-„Kon-
gemindet«.- C h r i s t i a n s h ö h o nebst Denk-
v ™« mal - ~ Em Abenteuer 87 »o
X. Rönne. (SchW)-Nykirke.- Eine Te^kc'ot'ten:
Ti* l\ - Archäologische Funde —
.7 £ ö ? n . er » Fned »«'- - Bericht über ein See-
gefecht bei Rönne i J. 1563. _ Rückreise . . 93 -»7
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IV
Seit«
Tonristenführer 100—109
Sprachführer
Illustrationen: .... 43
Der nasse Ofen ü7
Helligdommen 32
Partie des Hammerberges
Randklöveskaaret H ' 3
SchlosBruine Hammershuus
Karte von Bornholm.
Orts- und Sachregister.
Aakirke ....
Aakirkeby .
Allings . . . •
Almiudingen
Amtmaudssteen .
Bautasteine . . .
Bergwerk . • •
Bonavede . . •
Bomholm . •
Bornholm's Name
Brandstellen . -
Christiaushöi . .
Christiansholm
Civilverwaltung .
Dannergrotte . •
Dyndalen . . •
Ekkodalen • • •
Krtholmene . • •
Frederiksholm . .
Frederiksstein-
bruch • • -
Gamleborg . • •
Geschichtliches .
Graesholm . . .
Gryet
Gudhjem ....
Hammer . . • •
Hammershuus . .
Hammersee . . .
Hasle
Helligdommen . .
Hellige Kilde . .
Helvedesbakkerne
Seite
86
84
29
25 u. 87
65
75 U. 81
26
83
22
4
27
SM
71
25
89
65
89
71
71
81
81 u. 88
48—58. 82 u. 96
71
81
70
34
34. 46
34
26
66
68
81
Jons-Kapelle . .
Kongemindet . .
Kopenhagen . .
Luiseubaum . .
Luiselund . . .
Militärverwaltung
Nexö
Nykirke ....
Ofen (Höhlen) . ..
Oles-Kirche ...
Ostermarienkirche
Paradiisbakkerne
ParadieBthal . .
Pederskircho . .
Poulskirche . . .
Randklöveskaaret
RettungB- Apparat
Rispebjerg . . .
Ritterkmegt . .
Rokkesteine . .
Runensteine . .
Ruthskirche . .
Sagen .....
Sandflugten . . .
SchwedischeVcsper
Snogebwk . . .
Südküste der Insel
Svanike . . • •
Terracotten-Fabri-
kcn . . • ♦
Vang
Ystadt
Seite
37
89
15
87
75
24
81
93
36. 42. 68
65
88
81
36. 41
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83
72
83
83
89
81. 89
26. 79. 87. 94
27
5. 48. 70. 84. 88
26
50
83
83
78
93. 98
37
20
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Einleitung.
Das vorliegende Buch enthält die Beschreibung einer
Reise nach Bornholra, welche ich im Monat August vori-
gen Jahres gemacht habe.
Die Veröffentlichung hat einen doppelten Zweck:
einerseits ist sie bestimmt, die Aufmerksamkeit der Leser
auf eine in Deutschland bisher wenig mehr als dem Na-
men nach bekannte, aber für Naturfreunde, Künstler und
Gelehrte gleichwohl höchst interessante Insel zu lenken;
andererseits soll sie den Reisenden als Führer dienen.
Was die Darstellung betrifft, so wählte ich die erzäh-
lende Form, weil ich manche der erhalteneu Eindrücke
mit ihren Consequenzen der Mittheilung nicht unwerth
hielt und das Gesehene und Erlebte möglichst lebendig
zu schildern wünschte. Ob und in wie weit es mir ge-
lungen, dieser meiner Aufgabe gerecht zu werden, möge
der geneigte Leser aus der Folge beurtheilen. —
Wie in Deutschland so hat auch in Dänemark das
Dichterwort :
„Was willst Du in die Ferne schweifen?
Sieh', das Gute liegt so nah!"
seine volle Berechtigung. Noch bis in die neueste Zeit
hinein wurden hauptsächlich Schweden und Norwegen
von den dänischen Vergnügungsreisenden besucht, wäh-
rend das nahe liegende, an Naturschönheiten und archäo-
logischen Merkwürdigkeiten so reiche Bornholm fast un-
beachtet blieb. Erst in den letzten Jahren hat man das
Gute im eigenen Hause entdeckt und beginnt, freilich
«twas spät, seinen Werth zu schätzen.
Bornholm, eine dänische Insel von 10 3 / 5 Quadratmeilen
Grösse, liegt zwischen 55<>17'30" und 54<>59'15" nördlicher
Stromer, Die Insel Bornholm. 1
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♦
2 Einleitung.
Breite und 2° 08' und 2° 35' östlicher Länse — 24 Meilen
südöstlich von Kopenhagen, 18 Meilen nördlich von Swine-
münde und ca. 12 Meilen nordwestlich von Kolberg. Der
Gestalt nach eine Rhomboide , deren Langseiten von
WNW. nach OSO. streichen, unterscheidet sich diese
Insel vom übrigen Dänemark besonders durch ihre geono-
mische Beschaffenheit, denn ihrer Bauart nach gehört sie
zu Skandinavien, während Dänemark gewissermassen den
nördlichen Ausläufer der mitteleuropäischen Ebene bildet.
Bornholm ist ein Felsplateau, das im Süden aus Sand-
stein- und Schieferschichten, im Norden aus Granitlagern
mit Grünsteingängen besteht. Von Süden nach Norden
allmälig emporsteigend, fällt dasselbe auf der nördlichen
Hälfte fast überall senkrecht in's Meer und bildet hier
viele pittoreske Punkte, von denen die J o n s - K a p e 1 1 e ,
die Ringebakker, der Hammer, „Helligdom-
men" bei Rö und „Randklöveskaaret" die interessan-
testen sind. Weniger malerisch ist die südliche Hälfte,
die von den Reisenden nur selten besucht wird. Fast
Alle wenden sich sofort den „Höilyngen" (dem Hochlande)
zu und machen vom Hafenort Rönne aus die Rundtour
über Hasle, Allinge, Gudhjem, Svanike, Nexö
Aakirkeby, mit einem Abstecher nach dem schönen
Walde „Almindingen", oder umgekehrt. Durch diese
Namen sind bereits die sechs Städte der Insel angeführt,
welche, mit Ausnahme von Aakirkeby, sämmtlich an der
Küste liegen. Im Innern des Landes stehen, in weiten
Entfernungen zerstreut, Gehöfte und einzelne Bauern-
häuser, deren Besitzer Landbau und Viehzucht treiben.
— Die Gesammtbevölkerung Bornholms besteht aus
ca. 33,000 Seelen.
Der höchste Punkt von Bornholm, der „Rytter-
knaegt", liegt fast im Centrum der Insel und ist 496 Fuss
hoch. Dann folgt Ruths-Kirkebakke mit 436 Fuss Höhe
und die nördliche Küste, deren Höhenmasse zwischen
300 und 100 Fuss variiren. Die Vegetation hängt natur-
gemäss ganz von der Bodenbeschaffenheit ab. Auf den
nur mit einer leichten Erdkrume bedeckten Felsmassen
wächst dürres Haidekraut; wo der Humus compacter
wechseln grüne Gelände mit fruchtbarem Ackerland
und schönen Waldpartien. Bornholm ist das Land der
Contraste: meilenweit sieht man nichts als öde Haide
und plötzlich steht man vor einem schattigen Hain,
inmitten eines Rosengartens oder vor einem gross-
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Einleitung.
8
artigen Felspanorama. Im Allgemeinen ist der Natur-
charakter der Insel mehr streng als anmuthig, obschon
es auch an idyllischen Landschafts-Scenerien nicht fehlt.
Das Klima und die Witterungsverhältnisse weichen von
denjenigen der anderen dänischen Ostsee-Inseln nur wenig
ab. Einem kurzen Frühling folgt ein nicht zu heisser
Sommer, diesem ein langer schöner Herbst und der AVinter
ist im Durchschnitt weniger streng als in Norddeutschland.
Die höchste hier beobachtete Wärme war 28 Grad, die
grös8te Kälte 18 Grad. Die Mitteltemperatur des Winters
wird auf 4 Grad angegeben. Die westlichen Winde ver-
halten sich zu den östlichen wie 18 : 10. Die Beschaffen-
heit des Wetters hängt wesentlich vom Winde ab und
daher richtet sich auf den dänischen Inseln die Strenge
oder Milde des Winters darnach, ob der Wind von Osten
oder von Westen weht. Bemerkenswerth ist, dass Born-
holms Ostküste eine acht bis zehn Tage frühere Früh-
lings-Vegetation hat als die Westküste, weil der zwischen
beiden liegende Höhenzug die kalten Nordwestwinde
abschwächt. Die durchschnittliche Grundwärme des
Landes beträgt nach Oerstedt und Esmarch 6% Grad
Reaumur.
Bornholms Pflanzenwelt ist ziemlich reichhaltig,
wenn auch nicht so üppig, wie auf Seeland. Wir finden
hier Eichen , Buchen , Fichten , besonders viele Birken,
Ulmen, Linden, Espen, Eschen und Weiden und die
sonst nur im Norden vorkommenden Achselbeerbäume
mit fingerbreiten Blättern und röthlichen Beeren, ferner
die wilde Mispel, Haselnuss- und Fliedersträucher , ver-
schiedene Dornenarten und Wachholder. Die Obstgattungen
sind vertreten durch Kirschen, Birnen, Aepfel und Pflau-
men. An Feldfrüchten producirt die Insel alle in Deutsch-
land bekannten Arten, die indess fast sämmtlich von den
Bewohnern selbst consumirt werden. Grosser Ueberfluss
herrscht dagegen an Farbekräutern und pharmaceutischen
Pflanzen, unter denen (nach der Behauptung eines däni-
schen Botanikers) viele gefunden werden, welche sonst
nur auf den Schweizer Alpen und im Kaplande wachsen.
Das Thierreich auf Bornholm ist, mit Ausnahme
der Vögel und der Fische, ungefähr dasselbe wie in Nord-
deutschland. Ausser den bei uns vorkommenden Vogel-
arten sind der Tolk, eine Krähen-Species , die Cormoran-
Scharbe ( grosser schwarzer Wasservogel), die Taerner (kleine
Wasserschwalben) und die Schwarzköpfe (Svaarthaetter)
1*
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4
Einleitung.
auf Bornholm heimisch. Auch Eidergänse, Eisenten
(Haugadisse) und Horsegöge (Pferdekukuk) besuchen die
Insel und halten sich hier periodisch auf. Sehr zahl eich
sind die Möven, die gross und klein, in Schaaren den
Strand beleben. — Von Fischen werden besonders Heringe,
Lachse, Flundern, Steinbutten, Markrelen, Horn- und
Weissfische gefangen und als Handelsartikel zum grössten
Theil in's Ausland gesandt. Auch Dorsche kommen häufig
vor und sind so beliebt, das man diesen Fisch fast in
jedem Haushalt stets vorräthig findet. Flundern werden
wenig geschätzt , Heringe aber in grossen Quantitäten
verbraucht. — Wie Qn^hl in spjpe™Biiphp ^Aus Däne-
rnark " ^behauptet, giebt es auf Bornholm viele ^ScETangen
'und giftige Würmer, von denen ich auf meinen Wande-
rungen indess nichts bemerkt habe. Darin hat er jedoch
Recht, dass die Insulaner zu ihrem und ihrer Gäste Heil
Wanzen und anderes Ungeziefer bis jetzt nicht kennen,
es sei denn, sie hätten diese Bekanntschaft auf Reisen
im Auslande gemacht.
Ueber den Ursprung des Namens „Bornholm"
differiren die Ansichten. In's Deutsche übersetzt würde
Bornholm „Quelleninsel" heissen. Diese einfache Er-
klärung wäre allerdings motivirt durch die vielen Quellen,
die sich auf der Insel, oft in unmittelbarer Nähe des
Meeres, befinden; aber sie ist gleichwohl nicht richtig.
Nach einer anderen Auslegung entstand der Name aus
der Zusammenziehung und späteren Verkürzung dreier
Wörter, nämlich aus „Borg under Holmen" (Burg auf der
Insel). Auch diese Variante hat Manches für sich. Eine
dritte Erklärung, und meines Erachtens die richtige, ist
diejenige von „bur-gund-ar-ul-ma", d. h. Wasser-burg-land
(auch Insel), woraus später Burgunder Holmur, Borgunder-
Holmur, Burgunderholm, Boringholm, Borndholm und
endlich Bornholm entstanden. Dieser Etymologie zufolge
ist der Name keltischen Ursprunges. Ob die Ureinwohner
der Insel wirklich Burgunder gewesen sind, wie hier und
da angenommen wird, muss ich dahingestellt sein lassen.
Jedenfalls aber lassen sich sowohl bei manchen Denk-
mälern wie auch in der Sprache keltische Spuren nach-
weisen. Für die vorstehende Ableitung des Namens
spricht ferner eine Stelle in der isländischen „Knytlinga-
Saga", die nach Quehl wie folgt lautet:
„Borgunder - Holmur liggaeur austur i Hafed fra
Scaney pat er mykid rike och liggur under Erkibys-
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Einleitung.
5
kopsstolm i Lunedi par eru XII. Konungsbu oc XIV.
kirkur." *)
Endlich seien noch erwähnt zwei Sagen, welche die
Entstehung des Namens behandeln. Nach der einen gab
ein hunnisches Weib, Borgundar, der Insel den Namen,
nach der anderen stammt derselbe von einem gewissen
Beor ab. der um das Jahr 2264 nach Erschaffung der
AVeit, mit Thielsar, dem Sohne des siebenten cimbrischen
Richters oder Königs, Guthis, nach der Insel gekommen
sein und Gudhjem gegründet haben soll.
Wie die Erklärung des Namens, so bietet auch die
heutige Sprache der Bornliolmer dem Linguisten Ge-
legenheit zu interessanten Studien. Dieselbe ist ein Ge-
misch von Schwedisch, Dänisch, Deutsch und Norwegisch
und, von bornliolmer Bauern gesprochen, selbst den
Dänen unverständlich.**) In den Städten spricht man
ausser Bornholmisch selbstverständlich aucn Dänisch,
Deutsch jedoch seltener als allgemein geglaubt wird. So
lernte ich während meines Aufenthaltes auf der Insel nur
sehr wenige Leute kennen, die der deutschen Sprache
hinreichend mächtig waren, um darin eine Unterhaltung
führen zu können. Auf Grund dieser Wahrnehmung habe
ich diesen Blättern eine kleine Sammlung bornholmer
Ausdrücke angehängt, die zur Verständigung über das
Notwendigste ausreichen dürften.
Schon oben wurde darauf hingewiesen, dass sich auf
Bornholm besonders viele archäologische Merk-
würdigkeiten befinden. Der Alterthumsforscher be-
tritt hier ein für sein Fach ausserordentlich fruchtbares,
bisher wenig kultivirtes Gebiet. Zahlreiche Hünengräber
sind noch unerforscht, Bauta- und Runensteine, letztere
mit gut erhaltenen Inschriften, harren, theils in Hainen,
theils am Wege oder in Kirchen stehend, der Deutung,
mehrere Ruinen, u. a. diejenige von Hammerhuus, und
*) Borgunderholm liegt östlich im Meere bei Schonen; das ist
sehr mächtig und liegt unter dem Erzbischofsstuhl von Lund. Dort
sind 12 Königshöfe und 14 Kirchen.
**) Ein Beispiel möge den grossen Unterschied zwischen dem
Bornholmer Idiom und der dänischen Sprache zeigen:
Bornholmisch: „Horrinj pusada mej reite."
Dänisch: „Drengen spillede mig et slemt Puds. u
Deutsch: „Der Knabe spielte mir einen schlimmen Streich."
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Einleitung.
vier sehr alte im Rundbogenstil erbaute Kirchen, die
früher als Befestigungen gedient haben, bieten dem
Studium ein reiches Material. Kurz, sowohl der Archäo-
loge, wie der Naturforscher, und nicht am wenigsten
der Naturfreund — und als solchen betrachte ich aucli
den Landschaftsmaler — dürfte von den Resultaten
einer Reise nach Bornholm in jeder Hinsicht befriedigt
werden.
Aber auch allen Denjenigen ist der Besuch dieser
interessanten Insel zu empfehlen, welchen für eine Er-
holungsreise nur geringe Mittel zu Gebote stehen. Die
Bornholmer sind ein biederer Menschenschlag, der die
hohen Preise unserer Seebäder und klimatischen Kurorte
noch nicht kennt. Gleichwohl ist ihnen der Comfort
nicht ganz fremd; sie verstehen recht gut zu leben, aber
auch Ändere leben zu lassen. Die Hotels in den Städten
sind durchweg gut, die Zimmer und Betten sehr sauber
und die Speisen und Getränke lassen bei mässigen An-
sprüchen kaum etwas zu wünschen übrig. Als Durch-
schnittspreis pro Tag für Logis und Kost kann man
3 Kronen*) ansetzen. Dafür erhält man ein freundliches
Zimmer mit Bett , erstes und zweites Frühstück (Kaffee,
feines Gebäck und Butter, belegte Brote und eine Flasche
Ale), zu Mittag Suppe, mehrere Braten nebst Gemüse und
Dessert, sowie Bier, dann Kaffee und kaltes oder warmes
Abendessen, Alles ä Discretion. Servisgelder sind unbe-
kannt; mit diesen drei Kronen ist Alles bezahlt. Da
giebt es keine lackirten Kellner; Wirth oder Wirthin
selbst empfangen die Gäste und sorgen für deren Wohl.
Auf dem Lande herrscht grosse Gastlichkeit. Bei jedem
Bauer kann man eintreten und als Erfrischung Milch,
Brot und Butter bekommen. Nur äusserst selten wird
der Eigner eine Bezahlung annehmen, er freut sich, wenn
der „Besuch" vorlieb nimmt. Auf meiner Rundreise habe
ich diese Gastfreundschaft wiederholentlich genossen und
als Vergütigung den Kindern der betreffenden Familien
kleine Geschenke gemacht , freilich stets gegen Wider-
spruch der Eltern. Nun vergleiche man diese Zustände
und den oben genannten Betrag für den Unterhalt mit
den Preisen von Heringsdorf und Misdroy , oder in den
*) 1 Krone = 1 Mk. 12,5 Pfgc.
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Einleitung
7
Kurorten im Harz und in Schlesien, und man wird einen
gewaltigen Unterschied finden, ganz abgesehen von den
verschiedenartigen Nebenausgaben, die dem Reisenden
fast überall erwachsen. Auen die Reise nach Byrnholm
Bornholm bisher nicht, aber es ist zu hoffen, dass sie
über kurz oder lang hergestellt werden wird. Der Rei-
sende ist also genöthigt, sei es von Stralsund oder von
Stettin (resp. Swinemünde) aus, zunächst nach Kopen-
hagen zu fahren. Hier findet er fast stets Anschluss nach
Rönne, dem Haupthafen von Bornholm. Von Stettiu
fährt der Postdampfer „Titania" im Sommer wöchentlich
zweimal, jeden Mittwoch und Sonnabend Nachmittags
l 1 2 Uhr nach Kopenhagen und von Kopenhagen jeden
Montag und Donnerstag Nachmittags 2 Uhr zurück nach
Stettin. Die Ueberfahrt dauert 14 Stunden und kostet
hin uud zurück (Retourbillets auf 30 Tage gültig) 1. Ka-
jüte 30, 2. Kajüte 20 Mark. Von Kopenhagen vermitteln
die Dampfer „Skandia" und „Heimdal" ebenfalls zweimal
wöchentlich die Verbindung mit Rönne, derart, dass der
deutsche Reisende in Kopenhagen einen Ruhetag hat,
und diesen zu einer flüchtigen Besichtigung der dänischen
Residenzstadt benutzen kann. Die Ueberfahrt währt,
wenn das Dampfschiff bei Ystadt in Schonen anläuft,
12, bei directer Tour ca. 10 Stunden und kostet (hin
und zurück): 1. Kajüte 17 Kronen oder ca. 21 Mark,
2. Kajüte 9 Kronen oder ca. 11 Mark. Die gesammten
Reisekosten betragen also 51 Mark für Passagiere L Ka-
jüte und 31 Mark für Passagiere 2. Kajüte. —
Obschon die verschiedenen Partien der Insel in den
nachstehenden Schilderungen beschrieben werden, dürfte
es doch nicht überflüssig sein, schon hier zu bemerken,
dass im Hinblick auf Natur-Scenerien wohl jeder Ge-
schmack auf ßornholm seine Befriedigung findet. Wer
den Norden liebt mit seinen wildzerrissenen Felsen,
gegen welche die brandende See anstürmt, der gehe
nach Allinge oder Gudhjem, wer ein Freund der thü-
ringischen vVälder ist, wird sich in Almindingen ange-
thal mit seinem klaren Bächlein nur ungern wieder
trennen.
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8
Einleitung.
Nach dem Vorangeschickten beginne ich die Be-
schreibung meiner Reise mit dem Wunsche, dass die
Leetüre recht viele meiner Leser anregen möge, die
Insel Bornholm zu besuchen, um dort durch eigene An-
schauung kennen zu lernen, was die Schilderung immer-
hin nur mangelhaft darzustellen vermag.
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Hinreise,
Von Swinemünde nach Kopenhagen.
Vor mehreren Jahren machte ich die Bekanntschaft
eines alten Schiffscapitains, der mir viel von seinen Reisen
erzählte und hei dieser Gelegenheit, die dänische Insel
Bornholm als eines der schönsten Eilande des Nordens
schilderte.
Seine Mittheilungen hatten in mir den "Wunsch er-
weckt, dieses meerumgürtete Eldorado durch persönliche
Anschauung kennen zu lernen. War ich auch genöthigt,
die Erfüllung desselben von Jahr zu Jahr zu verschieben,
so gab ich gleichwohl den einmal gefassten Plan nicht
auf und wartete auf eine günstige Gelegenheit für die
Ausführung. Diese bot sich mir im Sommer vorigen
Jahres, als ich meine Ferien theils in Misdroy, theils in
Heringsdorf verlebte. Allwöchentlich zweimal sah ich
den stattlichen Postdampfer „Titania" aus dem Hafen
von Swinemünde hinaussteuern in die offene See und
seinen Cours nordwärts nehmen, und jedesmal blickte
ich ihm sehnsüchtig nach, bis er als ein winziger Punkt
in der Ferne verschwand.
Das andauernd günstige Wetter bestimmte mich, einen
schnellen Entschluss zu fassen. So löste ich denn ein
Retourbillet nach Kopenhagen und begab mich, mit dem
Nothwendigen ausgerüstet, am Nachmittag des 2. August,
als das von Stettin kommende Schiff am Bollwerk in
Swinemünde anlegte, an Bord. Noch im letzten Moment
hatte ein Reisegefährte, der mich begleiten wollte, sich
daran erinnert, „dass das Wasser eigentlich keine Balken
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10
Hinreise.
habe" und der projectirten Tour sein dolce far niente in
Heringsdorf vorgezogen. Obschon dieser plötzliche Sinnes-
wechsel mich unangenehm überraschte, machte ich mich
doch bald vertraut mit dem Gedanken, allein zu reisen.
Auf der „Titania", die ihren Namen nicht mit Un-
recht führt, herrschte ein reges Treiben. Die neu ange-
kommenen Passagiere suchten, nachdem ihr Gepäck unter-
gebracht, möglichst gute Plätze zu erlangen und brachten
so Bewegung in die auf dem Verdeck stehenden Grup-
pen; vom Lande her wurden Frachtgüter verladen und
zwischen dem Rufen, Poltern und Rasseln vernahm man
das scharfe Zischen des den Ventilen entweichenden
Dampfes. Endlich waren die letzten Ballen verpackt,
die das Schifl' am Bollwerk festhaltenden Taue gelöst
und der schrille Ton der Dampfpfeife gab das Signal zur
Abfahrt. Zuerst langsam , dann allmälig schneller , glitt
der Coloss dem Ausgang des Hafens zu. Schon nach
wenigen Minuten lag Swinemünde hinter uns. Am Leucht-
thurm vorüberfahrend, passirten wir die Molen und be-
fanden uns bald auf hoher See.
Das Wetter war köstlich. Kein Wölkchen trübte
die Bläue des Himmels, kein Windhauch die Glätte des
Meeresspiegels. Hoch auf rauschte das Wasser am Bug-
sprit und an den Flanken des Schiffes, als sei es empört,
dass Menschenmacht es in seiner Ruhe störe, und lange
dauerte es, bevor die vom Dampfer gezogene Furche sich
wieder ebnete.
So lange die Küste sichtbar blieb, betrachtete ich
diese. Bot doch der weite Halbkreis, welcher die Bucht
im Hintergrunde begrenzt, einen ungemein anziehenden
Anblick. Im Südosten leuchteten die hellen Häuser
und der weisse Strand von Misdroy, mehr nach Süden
zieht sich ein Kiefernwald längs dem Ufer hin, dann
folgt der Leuchtthurm, als der am längsten sichtbare
Punkt von Swinemünde, die Hafeneinfahrt, weiter nach
West en da« „Wilhelmsbad", Waldung, das Dorf Aalbeck und
endlich im Südwesten das lauschig im Grün der Bäume
versteckte Heringsdorf mit seiner freundlichen kleinen
Kirche. Damen und Herren lustwandelten am Strande,
einige wehten mit lichten Tüchern den Reisenden Scheide-
grüsse nach. So verging etwa eine halbe Stunde. Da
wurden die Contouren undeutlicher, Strand, Wald und
Häuser verschwammen in einander und bildeten eine
bläuliche Linie.
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Hinreise.
11
Jetzt wandte ich mich meiner näheren Umgebung
zu. Das Schiff war mit Passagieren überfüllt. Hunderte
von Personen sassen oder standen auf dem Verdeck, theils
in Unterhaltung begriffen, theils der Betrachtung des
Meeres sich hingebend, manche auch essend und trinkend.
Noch waren die Kajüten nicht angewiesen und die Billets
nicht controllirt. Unter den Anwesenden fiel mir zunächst
eine zahlreiche Gesellschaft von Damen auf, die auf dem
Hinterdeck Platz genommen hatte. Einige Gesichter
kamen mir bekannt vor, aber ich wusste im ersten Mo-
ment nicht recht, „wo ich sie hinbringen sollte". Ich
sann und sann und endlich hatte ich's gefunden: im
„Berliner Stadtpark" hatte ich sie gesehen, als Mitglieder
der Damen-Kapelle der Frau Amann- Weinlich aus Wien.
Dort waren sie in weissen Mullkleidern erschienen, hier
dagegen sahen sie in ihren Alltags-Kostümen recht pro-
saisch aus. Wie ich später erfuhr, war die Gesellschaft
nach Kopenhagen engagirt worden und machte dort bril-
lante Geschäfte.
Etwas abseits von diesen weiblichen Musikern sass
eine junge Dame, die -ein ältlicher Herr umfasst hielt.
Die Dame verhüllte ihr Gesicht mit einem dunklen Tuche
und blickte nur hin und wieder mit ihren schwarzen
Augen schelmisch hervor, während der Herr französisch
zu ihr sprach. Ich hielt sie für eine Südländerin, den
Herrn an ihrer Seite für ihren Vater. Wie man sich
doch täuschen kann! Eine Südländerin war sie allerdings,
und zwar eine Römerin, ebenfalls ein Mitglied der Damen-
Kapelle, und der Herr zu ihrer Rechten ihr — Lieb-
haber, ein russischer Baron, der sich für sie ruinirt hatte
und ihr auf allen Reisen folgt. Wie Fama in Person
eines dänischen Agenten ferner berichtete, hatte von die-
sen Damen übrigens fast „jede ihren Jeden", wahrschein-
lich ad majorem musicae gloriam!
„Haben... Sie..." fragte mich ein korpulenter Herr.
Er konnte den Satz nicht Deenden, denn der Steuermann
forderte die Billets.
„Haben Sie..." setzte er wieder an und schnitt eine
Grimasse, dass ich, in der Befürchtung, er bekomme die
Seekrankheit, besorgt einige Schritte zurück trat.
„Ja, meine Herren," hörte ich hinter mir eine Nasal-
stimme , „Se mögen'8 mer glauben oder nicht , wahr ist
es doch. Ich will nicht gesund stehen vor Ihnen, wenn
ich rede die Unwahrheit."
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12
Hinreise.
„Was ist wahr?" erkundigte sich ein hinzutretender
Herr.
„Aaron heisV ich," hob der Sprecher wieder an,
,,und aus Königsberg bin ich. Fahre jährlich einmal
nach Kopenhagen, zu besuchen die Muschpoche von
meiner Frau, müssen Se wissen. Als ich fuhr, vor 'nem
Jahr, müssen Se wissen, hatte ich bei mer die alte Kist*
— dort steht se (und er zeigte auf einen alten Kasten) —
mit Wäsche und getragenen Kleidern, müssen Se wissen,
und die Herren Zollbeamten in Kopenhagen fragten,
was drin ist. Was soll's sein, sagte ich, alte Sachen.
Wollen die Herren sehen selbst? Und ich machte auf
den Deckel. Die Herren Beamten aber traten zurück,
müssen Se wissen , und rührten nicht an den Inhalt.
Nun wie heisst , war nischt Unkoscheres drin , nur alte
Hemden, Hosen und Strümpfe. Ich nahm also mein
Kofferche unter'm Arm und machte den Herren einen
Bückling. Aaron, sagte ich mir draussen, Du hast ver-
dient zwei lebedicke Thaler, oder sechs Mark, müssen Se
wissen. Denn unter den alten Sachen, im doppelten
Boden versteckt waren extrafeine Seidenwaaren , die ich
für die Muschpoche steuerfrei aus Deutschland „impro-
visirte"."
„ . . . schon . . . eine . . .* Ka ... ka . . . j üte ?" vervoll-
ständigte der dicke stotternde Herr jetzt plötzlich den
vorhin angefangenen Satz. Er hatte mich nicht aus den
Augen verloren, und schien mich als Schlafgenossen er-
sehen zu haben. Nun waren aber bereits alle Kajüten
von den Damen besetzt und viele Passagiere mit Billets
erster Klasse mussten auf ihre Rechte verzichten. Zu
letzteren gehörte auch ich. Mir fiel es nicht schwer,
denn die Nacht versprach schön zu werden, und eine
warme Mondnacht auf Deck zu verbringen, ist ja der
Uebel grösstes eben nicht. Ich bedeutete Sr. „Korpu-
lenz" also, dass ich bedauerte etc. etc., und er suente
sich einen anderen Kajütenmann, den er schliesslich
auch fand.
„Rügen in Sicht!"
Dieser Ruf lenkte Aller Blicke der eben aus dem
Meere auftauchenden Insel zu, deren Umrisse sich nach
und nach deutlicher zeigten. Zugleich wurden auch die
Bewegungen des Schilfes stärker und die ersten Symp-
tome der Seekrankheit machten sich hier und dort be-
merkbar: bei den Herren durch eine gewisse Unruhe
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Hinreise.
13
und Fortwerfen der brennenden Cigarren, bei den Damen
durch eine leichte Blässe, lebhaftes GHänzen der Augen,
Entfärben der Lippen und Zucken der Mundwinkel.
Dieser und jene -Reisende entfernten sich, angeblich „um
einmal nach den Sachen zu sehen" ; ein alter Herr fluchte
und schimpfte über Alles , was ihm in den Weg kam ;
Dieser fand das Geräusch der arbeitenden Maschine un-
erträglich, Jener nannte den Steewart einen Giftmischer
und behauptete, von dem Bier unwohl geworden zu sein,
und noch ein Anderer , der sich kaum auf den Beinen
zu halten vermochte, wollte den Capitain „über den ver-
änderten Cours" zur Rede stellen, kurz jeder der Be-
treffenden hatte plötzlich über irgend Etwas zu klagen.
Immer mehr lichteten sich die Reihen der auf dem Ver-
deck Anwesenden. Arme Opfer der Seekrankheit! Mit
bleichen Gesichtern und schlotternden Knieen schlichen
sie davon, verborgenen Winkeln zu, um dort Neptun er-
zwungene Opfer darzubringen. Vorhin noch so munter
und zu allerlei Scherzen aufgelegt, fühlten sie sich jetzt
unsäglich, elend. Manche glaubten bereits mit dem Tode
zu ringen. Frau Amann -Weinlich dachte gewiss an
nichts weniger als an den Dirigentenstab, aber sie diri-
girte doch fast ihre ganze Damen-Kapelle auf Steuerbord,
wo — horribile dictu est — ein Concert ohne Instrumente
executirt wurde. Dort stand auch der korpulente Herr
und stotterte das Meer an, während etwas abseits der
Handelsmann Aaron aus Königsberg in seinem Halse
„ein Härchen" suchte, das er natürlich aus Versehen ver-
schluckt hatte. —
Woher war es nur so plötzlich gekommen, jenes
körperlose Ungeheuer, das so Vielen die See verleidet?
Bisher hatten sich Alle, selbst die Aengstlichen, wohl be-
funden, und nun trat bei mehr als vierzig Personen zu-
gleich, ohne Uebergang ein Zustand ein, von dem es
heisst, dass er schlimmer sei als die schlimmste Krank-
heit. Da half kein Mittel als das Unabwendbare mit Ge-
duld ertragen und in der Mitte des Schiffes , wo die Be-
wegung am schwächsten ist, eine möglichst horizontale
Lage einnehmen. Merkwürdiger Weise blieben manche
solcher Passagiere verschont, die sich vorher am meisten
vor der Seekrankheit gefürchtet hatten, so unter anderen
mehrere sehr schwächliche Damen. Uebrigens ging der
Anfall ziemlich schnell vorüber und schon nach einer
Stunde waren fast Alle wieder wohlauf. Einige moquirten
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Hinreise.
sich über sich selbst, was, wie man sagt, ein probates
Mittel ist, den Spott der Anderen zu entwaffnen.
Bei anbrechender Dunkelheit begab ich mich in den
Innenraum. Aber o weh, „dort unten war's fürchter-
lich !" Eine schwüle, drückende Luft erschwerte das
Athmen, in den Centren der Gänge standen Kisten und
Koffer, und zwischen diesen hockten und lagen Zwischen-
deckspassagiere , welche sich bereits Ruhestätten für die
Nacht zubereitet hatten. Unter ihnen befand sich eine
Gesellschaft arabischer Akrobaten , ein alter Graukopf
und mehrere jüngere Afrikaner. Auch sie waren nach
Kopenhagen engagirt worden von einem Agenten, der
sich mir am Abend unter seinem , in halb Europa be-
kannten Spitznamen „Sklavenhändler" vorstellte. Letzterer
hat, nach seinen Erzählungen zu urtheilen, ein höchst
abenteuerreiches Leben geführt, das Stoff zu einem mehr-
bändigen Roman liefern würde. Was und wo wollte der
Mann nicht überall gewesen sein, bis ihn das Schicksal
nach Kopenhagen verschlug! Von dort aus vermittelt
er Engagements von Schauspielern, Balleteusen, Sänger-
innen, Akrobaten etc. etc. nach aller Herren Länder.
Sein Beiname ist also so ganz unmotivirt nicht.
Die übermässige Hitze trieb mich wieder in's Freie.
Hier sah ich einen prachtvollen Mondaufgang. So eben
stieg Lima empor und sandte ihr bleiches Licht über die
weite Wasserfläche, dass sie erglänzte wie flüssiges Silber.
Wie funkelten die Schaumperlen an den Längsseiten des
Schiffes, wie leuchtete die unabsehbar lange Furche
hinter uns ! Eine schnurgerade Strasse inmitten der Wasser-
wüste! Der Anblick war über alle Beschreibung schön.
Köstlich war auch die Nacht , die jetzt ihren Sternen-
baldachin über uns deckte, unter welchem die „Titania"
friedlich dahin fuhr, die Spitze stetig nach Nordwesten
gerichtet. Ich verbrachte sie träumend mit offenen Augen.
Erst als der Mond untergegangen war und ein kühler
Wind über das Schiff strich, suchte und fand ich einige
Stunden Schlaf.
Ein Sonnenaufgang auf See ist schon so oft, aber
immer so mangelhalt beschrieben worden, dass ich nicht
wasre, die Zahl dieser Schilderungen noch um eine zu
vermehren. So bescheide ich mich denn mit der Be-
hauptung, dass dieses Schauspiel überhaupt nicht zu be-
schreiben ist, dass auch der reichsten Sprache Wörter-
schatz nicht hinreicht, auszudrücken, was der Beschauer
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Hinreise.
15
bei diesem Anblick empfindet. Vielleicht ist's ein stum-
mes Gebet, das selbst der Ungläubigste dem Schöpfer der
Welten in seinem Herzen darbringt, und — die innigsten
Gebete haben ja keine Worte.
Von der Morgensonne beschienen zeigte sich in der
Ferne die dänische Küste: links die Insel Amager,
„Kopenhagens Küchengarten"; vor uns als ein Chaos von
Häusern und Kirchen Kopenhagen und, daran sich an-
schliessend, dicht an den Strand herantretende Waldungen
oder Parkanlagen. Je näher wir kamen, desto anziehen-
der wurde das Panorama. Schärfer hoben sich einzelne
Punkte vom lichten Untergrunde ab, zuerst die vier den
Hafen dominirenden Seeforts, dann die Kirchen und ganze
Stadtheile mit all' ihren Details. Bei der Einfahrt in den
schönen Hafen sahen wir viele vor Anker liegende Orlo^s-
schiffe, u. a. auch den berühmten „Rolf Krake" und eine
ganze Flotille Kauffahrer aller Grössen. Nicht ohne Mühe
wurde die „Titania" durch diese „schwimmende Stadt"
zum Landungsplatz dirigirt. Manche Schwenkung musste
ausgeführt werden, bevor die ungeduldig harrenden Rei-
senden die terra firma betreten konnten. Endlich, gegen
5 Uhr, überschritten wir die Landungsbrücke. Noch ein
kurzer Aufenthalt im Zollhause und die Reisegesellschaft
zerstreute sich nach allen Richtungen. Als ich die Douane
verliess, hörte ich hinter mir die Worte : „Nur alte Klei-
der, müssen Se wissen"; der Leser erräth, wer sie sprach.
Dann durchwanderte ich das Hafen-Quartier und liess
mich von einem Dienstmann (Bybud) in das mir empfoh-
lene Hotel Aalborg führen.
Kopenhagen.
Klein nur, aber für die Behaglichkeit der Reisenden
eingerichtet und mehr von Dänen als von Fremden be-
sucht, ist das Hotel, in welchem ich ein hübsches Zimmer
„samt reel og billig Betjening" — wie auf der Karte
steht ■ — erhalten hatte. Der Besitzer, Herr L. Koefoed
aus Bornholm, ist ein alter Schiffs-Capitain , der nach
einem bewegten Seemannsleben sich mit seinen Erspar-
nissen zur Ruhe gesetzt und dieses Hotel etablirt hat.
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Hinreise.
Wie war der brave Mann doch bemüht, mir den Auf-
enthalt in seinem Hause angenehm zu machen! Er er-
zählte von seinen Reisen, bald dänisch, bald deutsch,
trieb die Bedienung- an, brachte die neuesten Zeitungen .
herbei und beschrieb mir die kürzesten Wege nach allen
Sehenswürdigkeiten der Residenz. Diese Zuvorkommen-
heit aber hatte ihren Grund nicht etwa in der gewohn-
heitsmässigen Pflichterfüllung des Gastwirthes, sondern
in dem gutmüthigen Herzen des biederen Menschen.
Und solch' freundliches Entgegenkommen wie bei
Herrn Koefoed wurde mir von vielen Kopenhagenern
zu Theil. Trotz der Anweisungen meines Wirthes war
ich auf meiner Wanderung durch die Stadt doch oft ge-
nöthigt, nach dem Wege zu fragen und stets gab man
mir in höflichster Weise die gewünschte Auskunft.
Mehrmals führten mich die Gefragten, ihren Gang unter-
brechend und umkehrend, ganze Strecken, bis sie mit
Sicherheit annehmen konnten, dass ich nicht mehr fehl
gehen würde. Auch in Läden, in die ich trat, um diesen
oder jenen Gegenstand zu kaufen, fiel mir eine Artigkeit
auf, die man in Berliner Geschäften nicht selten vermisst.
— Nach meinen in Kopenhagen gemachten Erfahrungen
möchte ich die Dänen, was Höflichkeit anbelangt, die
Franzosen des Nordens nennen. Schade, dass unser Arndt
in seinem „Lied vom Schill" durch die Verse:
„Es schleichet vom Meer
Der Däne, die tückische Schlange daher,"
deren sich gewiss Jeder erinnert, bei uns gegen die Dänen
überhaupt ein Vorurtheil erweckt hat, das eben so wenig
berechtigt wie schwer auszurotten ist. Ohne Zweifel giebt
es auch in Dänemark „tückische Schlangen", ob aber
mehr als in irgend einer anderen Nation, — das zu be-
antworten wäre Arndt gewiss nicht im Stande gewesen. Der
Wahrheit gemäss gestehe ich gern, dass ich von dieser
sogenannten National-Eigenthümlichkeit absolut nichts be-
merkt habe und vermuthe, dass sie weniger eine dichte-
rische Wahrheit als eine dem Rhythmus gemachte Con-
cession ist.
In einem Tage vermag man von Kopenhagen nicht
viel zu sehen. So beschränkte ich mich denn auf eine
Umschau aus der Vogelperspective und einen Besuch der
hochinteressanten Museen. Erstere gewährt in ganz vor-
züglicher Weise die Plateform des „Runden Thurm es"
an der Ecke von Store Kjöbmagergade und Landemaerket.
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Hinreise.
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Die Aussicht ist prachtvoll: man überblickt die ganze
Stadt, ihre schöne landschaftliche Umgebung, den Hafen
mit seinem Mastenwald und einen Theil von Amager.
Schon bei dieser Umschau macht die Stadt den günstig-
sten Eindruck, der sich bei der näheren Betrachtung der
Einzelnheiten noch verstärkt. Es ist ein an Abwechslung
reiches Bild, das sich dem Blicke hier darbietet. Nichts
fehlt darin, was einer landschaftlichen Scenerie Reiz ver-
leiht. Wasser, Wald und Wiesen umgeben die Stadt
und bilden zu den ca. 8000 Gebäuden derselben eine
malerische Folie.
Nach dieser Thurmbesteigung besuchte ich zunächst
das Thorwaldsen-Muscum , auf welches die Dänen mit
Recht stolz sein dürfen. Das Gebäude ist im modernisirten
griechischen Stil nach den von Thorwaldsen gebilligten
Entwürfen des Architekten Bindesböll aufgeführt und
enthält von Thorwaldsen's Hand 80 Statuen, 130 Büsten,
3 lange Bilderreihen in erhabener Arbeit und 220 andere
Reliefs, darunter auch den berühmten Alexanderzug, welchen
der Künstler in unverhältnissmässig kurzer Zeit für den
Empfang Napoleons I. in Rom ausgeführt hatte. Um-
geben von seinen Werken ruht Thorwaldsen in einer
Gruft inmitten des Hofes. — Die kostbaren Schätze der
Skulptur bewundernd, durchschritt ich die beiden Etagen
dieses Musentempels, in welchem der Genius klassischer
Kunst auf und nieder schwebt und dem Besucher eine
Welt der Ideale erschliesst. Sodann begab ich mich in
das „Museum nordischer Alterthümer". Dasselbe besteht
aus drei Stockwerken und umfasst in eben so vielen Ab-
theilungen Erzeugnisse des Steinalters, des Bronzealters,
und des Eisenalters, ferner Raritäten aus der früh-
christlichen bis auf die neuere Zeit. „Es hat die Auf-
gabe, die erste Lebensweise des Menschen im Norden
und die erste namentlich Dänemark eigentümliche
Civilisation aufzuklären 44 und erfüllt dieselbe in so hohem
Grade, dass es Weltruf besitzt. Eine Wanderung durch
die 19 Säle resp. Zimmer, ist eben so lehrreich wie
interessant: kein Reisender sollte unterlassen, diese ausser-
ordentlich reichhaltige Sammlung, wenn auch nur flüchtig,
zu besichtigen.
Flüchtig freilich konnte auch meine Betrachtung all'
der verschiedenartigen Gegenstände nur sein, aber ich
empfing doch einen Eindruck, der mich mit Hochachtung
für die dänische Alterthumsforschung erfüllte. Gern hätte
Stromer, Die Insel Bornholm. 2
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Hinreise.
ich Manches eingehender studirt, indess die beiden Be-
suchsstunden -waren schnell verflossen und die Gemächer
wurden verschlossen.
Am Nachmittag machte ich einen Spaziergang durch
die Stadt und besuchte „Tivoli", ein Vergnügungslocal
im mehrfach vergrösserten Massstabe des KrolPschen
Etablissements zu Berlin. Hier bietet sich dem Fremden
Gelegenheit, das einheimische Volksleben aus nächster
Nähe zu beobachten. „Tivoli" ist ein Lieblingsort der
Kopenhagener und ein neutrales Gebiet für alle Stände,
die hier mit dem Gefühl der Gleichberechtigung unter
einander verkehren und Fremde, ohne Rücksicht auf
deren Nationalität, als willkommene „Gäste" behandeln.
Bald war ich mit zwei älteren Herren, Professor M. und
Buchhändler B. aus Kopenhagen, bekannt geworden.
Sie zogen mich in ihre Unterhaltung und führten mich
durch den grossen parkähnlichen Garten, in welchem all-
abendlich Theater- und Kunstreiter-Vorstellungen, sowie
mehrere vortreffliche Musik- Aufführungen stattfinden. Die
für geringen Eintrittspreis in „Tivoli" gebotenen Genüsse
sind so zahlreich, dass der Besucher damit förmlich über-
schüttet wird. Kaum ist hier ein Concert zu Ende , so
beginnt dort ein anderes, oder eine theatralische oder
gymnastische Production. Auch Speisen und Getränke
sind gut und ausserordentlich billig. — Schon am ersten
Tage meines Aufenthaltes in Dänemark lernte ich als
charakteristische Züge des Volkes sein scharf ausgeprägtes
Nationalgefühl, seine Gastlichkeit und sein heiteres, für
Vergnügungen empfängliches Temperament durch eigene
Anschauung kennen. Als ich, ziemlich spät, in mein
dänisches ,Jnome" zurückgekehrt war, da konnte ich mei-
nem liebenswürdigen Wirth auf seine Frage: „Wie ge-
fällt Ihnen Kopenhagen?" aus vollster Ueberzeugung
antworten: „Sehr gut. Ich bedauere nur, nicht länger
bleiben zu können."
Von Kopenhagen nach Rönne.
An Bord der „Skandia", eines kleinen Dampfers,
der die Ueberfahrt nach Rönne vermittelt, verliess ich
am folgenden Morgen 7 Uhr den Hafen von Kopenhagen.
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Hinreise.
19
Das AVetter war schön und ein günstiger "Wind ver-
anlasste den Capitain, Segel aufsetzen zu lassen. Dadurch
wurde die Fahrgeschwindigkeit des Schiffes zwar um ein
Bedeutendes erhöht, aber auch seine, zuerst nur leichten
Schwankungen nahmen bald in dem Grade zu, dass es
schwer fiel, auf dem Verdeck zu gehen, ohne sich an der
Brüstung festzuhalten.
Meine Reisegefährten bestanden aus Dänen und Schwe-
den. Mit einem der ersteren, Hrn. Lehrer Holm aus
Allinge auf Bornholm gebürtig und in Nykjöbing ange-
stellt, wurde ich beim Frühstück bekannt. Er machte
eine Ferienreise, um seine in Allinge lebende alte Mutter
zu besuchen. Hatten mich schon sein intelligentes Ge-
sicht und seine männliche Haltung angezogen, so lernte
ich ihn jetzt als einen vielseitig gebildeten Mann kennen,
der über verschiedene Themata recht interessant zu plau-
dern weiss. Auch der Capitain betheiligte sich an der
Unterhaltung. Seinen Namen habe ich leider vergessen,
seine gedrungene, markige Gestalt aber mit dem von der
Sonne aller Zonen gebräunten Gesicht, aus welchem zwei
klare muntere Augen blitzen, schwebt mir noch deutlich
vor. Er hatte uns eingeladen, ihm auf dem Commando-
deck Gesellschaft zu leisten. Dort setzten wir das im
Speise-Salon begonnene Gespräch fort , welches nur hin
und wieder unterbrochen wurde durch, für den Steuer-
mann bestimmte, die Leitung des Schiffes betreffende,
Befehle, die dieser, als verstanden, stets wörtlich wieder-
holte. Noch zwei Personen fielen mir auf. Sie gehören
zur Schiffsbedienung. Die eine ist eine hübsche junge
Norwegerin mit blonden Haaren und blauen Augen,
welche flink und geräuschlos bald am Büffet, bald in der
Küche schaltete, die andere, ein rothhaariger Bursche
von vielleicht zwölf Jahren," ihr Sohn. Letzterer brachte
uns auf des Capitains Geheiss wiederholt kleine „Herz-
stärkungen" und bewegte sich mit einer solchen Sicher-
heit und Behendigkeit, dass trotz des Rollens und Stampfens
des Fahrzeuges aus den uns auf einem Teller präsentirten
Oläsern auch nicht ein Tropfen verloren ging. Der Junge
verspricht dereinst ein Musterkellner zu werden, wozu
freilich gehört, dass er sein bescheidenes Wesen sich auch
in Zukunft bewahrt. Hier möge erwähnt sein, dass auf
der „Skandia" die grösste Sauberkeit herrscht und dass
Speisen und Getränke bei vorzüglicher Qualität sehr
billig sind.
2*
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Hinreise.
Ab und zu machte der Capitain uns auf vorüber-
fahrende Schifte aufmerksam. „Das dort ist ein „Russe",
der von Riga kommt." sagte er, ostwärts zeigend, , jener
ein „Schwede", mit Kohlen beladen, und der schwere
Kasten auf der Leeseite ein ausrangirter „Däne", welcher
nur noch zum Holztransport taugt. Der geht nie unter,
die Ladung hält ihn über Wasser, auch wenn er total
leck wird." —
Am Nachmittag erblickten wir die flache schwedische
Küste. Das rastlos vorwärts strebende Schiff näherte sich
dem Hafen von Ystadt. Dort w r urden Güter aus- und
andere eingeladen, auch einige neue Passagiere kamen
an Bord und nahmen die Plätze der uns verlassenden
Schweden ein. Die etwa fünf 31inuten vom Hafen ent-
fernt liegende Stadt sah ich nur als Gebäude-Complex,
doch schien sie mir sammt ihrer Umgebung wenig an-
ziehend. Zollbeamte, Kaufleute, einige schwedische
Studenten und Obst zum Verkauf anbietende Kinder
standen am Strande. In zwanzig Minuten war das Ver-
laden beendigt. Wir setzten unsere Fahrt nach Born-
holm fort.
Mittlerweile hatte sich der Himmel mit Wolken be-
deckt und die See eine schwarzgraue Färbung angenom-
men. Die vorher langgestreckten Wogen wurden kürzer
und wuchsen zu mächtigen Wellenbergen heran, auf denen
die jetzt nur noch unter Dampf gehende „Skandia" wie
eine Nussschale tanzte. Plötzlich strich ein Windstoss
über das Schiff. Ein zweiter, noch stärkerer, folgte. In
der Tiefe gährte und kochte es und ein unheimliches
Sausen Hess sich vernehmen. Der Capitain kommandirte,
der Steuermann drehte am Rade, das Schiff machte eine
AVendung. Mehrere der auf dem Verdeck stehenden
Passagiere stürzten, durch den Wogenstoss das Gleich-
gewicht verlierend, zu Boden. Auch ich musste mich
auf meinem erhöhten Standpunkt neben dem Capitain
mit aller Kraft an den Tauen festhalten, um nicht zu
fallen. Fast schien es, als berühre die Spitze des Schorn-
steins das AVasser, so schief stand einen Moment das
Fahrzeug.
Im Nordosten hatte sich der Horizont ganz in Nacht
gehüllt, die zu dem Sonnenlicht im Westen schroff con-
trastirte. Nun schwand auch dieses. Immer heftiger
wurden die Windstösse, einer jagte gleichsam den andern.
Vom Sturm gepackt, wurde das kleine Fahrzeug hin und
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Hinreise.
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her geschleudert, aber es widerstand wacker dem auf-
geregten Element. Bald hob eine Welle es empor, bald
glitt es zwischen zwei Wasserbergen dahin. An ein Ver-
ständigen durch Worte war nicht mehr zu denken; das
Getöse um uns her übertönte Alles. Eine Handbewegung
des Capitains lenkte meinen Blick nach Osten. Dort sah
ich, düster und dräuend, eine wild zerrissene Felsenküste,
gegen welche die brandende See mit Titanengewalt an-
stürmte. Ein Niedergleiten des Schiffes entzog mir den
Anblick für einen Moment. Dann sah ich vom Kamm
einer Woge aus sie wieder , im Norden hoch und bergig,
nach Süden zu allmälig abfallend. Es war Bornholm.
Auf der Strandlinie zeigten sich zwei Häusermassen ; die
ungefähr in der Mitte liegende ist das Städtchen Hasle,
diejenige im Süden der Hafenort Rönne. Auf letzteren
war der Cours der „Skandia" gerichtet. Nach Verlauf
einer Stunde hatten wir , wiewohl mit grösster Mühe,
die Einfahrt erreicht und betraten, nachdem das Schiff
vor Anker gegangen war, am Abend um 6 Uhr unter
Sturm und liegen das Land. Da ich die Nacht in Rönne
zu bleiben beabsichtigte, Hr. Holm aber mit der Post
sofort weiter fahren wollte, nahmen wir hier Abschied,
mit dem Versprechen, am folgenden Tage gemeinschaft-
lich eine Partie von Allinge nach den interessantesten
Punkten seiner Umgebung zu machen.
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Bornholm.
I. Rönne.
Der erste Eindruck, den Rönne auf mich machte,
war so deprimirend, dass ich bedauerte, die Reise nach
Bornholm unternommen zu haben und ernstlich daran
dachte, mit der „Skandia" unverzüglich nach Kopenhagen
zurückzukehren.
Vom Landungsplatz aus betrachtet, erscheint das Bild,
welches die Stadt dem Auge des Beschauers darbietet,
monoton und keineswegs anziehend, besonders wenn, wie
an jenem Tage, ein Regenhimmel als Rahmen dasselbe
umspannt. Auf einer leichten Bodenerhebung, land-
einwärts allmälig emporsteigend , breitet sich Rönne mit
seinen 1260 Gebäuden auf einem ziemlich grossen Flächen-
raum aus. Die Häuser sind mit wenigen Ausnahmen
einstöckig und bilden 90 schlecht gepflasterte Strassen
und Gassen, deren Bezeichnungen an viele gleichnamige
Stadttheile Kopenhagens erinnern. Die einzige Kirche
des Ortes ist klein und enthält nichts archäologisch Merk-
würdiges. Im Nordwesten tritt die Stadt dicht an den
mit Felsgeröll bedeckten Strand heran, im Südwesten
liegt der Hafen, neben welchem ein Bassin ausgegraben
resp. gesprengt worden ist, und jenseits dieser neuen An-
lage, die später den Hafen erweitern soll, erblickt man
auf der flachen Küste eine Badeanstalt, hinter dieser,
mehr nach Süden den Friedhof und in der Nähe des
letzteren das Arsenal und das sogenannte Castell, das als
Pulverthurm benutzt wird. Noch ist zu erwähnen das
am Hafen befindliche Leuchtfeuer, welches die während
der Nacht vorüberfahrenden Schifte vor der gefährlichen
klippenreichen Küste warnt. Kein Baum, kein Strauch
schmückt den öden Strand, kaum einige grüne Halme^
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I. Rönne.
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vermögen auf dem steinigen Boden ihr Dasein zu fristen.
Nach Süden, Westen und Norden begrenzt die hier fast
immer bewegte See den Horizont.
Menschenleer und wie ausgestorben erschienen mir
die Strassen, als ich nach dieser Umschau unter Führung
eines Einwohners dem mir empfohlenen „Hotel Rönne 44
zuschritt. Hier erfuhr ich, dass bereits alle Zimmer be-
setzt seien — ein Fall, der übrigens äusserst selten vorkommt
— und war so genöthigt, anderweit ein Unterkommen zu
suchen. Dieses fand ich denn im „Hotel Dams", wo
ich nicht nur ein gutes Logis, sondern auch eine so vor-
treffliche Beköstigung erhielt, dass ich mit dem unfrei-
willigen Tausch wohl zufrieden sein durfte.
Den Rest des Tages benutzte ich, um Bornholms
Hauptstadt näher zu besichtigen. Die Rönner Miliz zog
soeben mit Musik durch die Strassen, hinter ihr her
natürlich die Generation der Zukunft. Vor dem Hause
des Commandanten nahm das Bataillon Aufstellung, ein
Tusch ertönte und die Mannschaften wurden in die
Quartiere entlassen. Mit ihnen zugleich verschwand auch
ihre jugendliche Begleitung. Wenige Minuten später
waren die Strassen wieder so still und einsam wie zuvor.
Ein Gefühl der Kälte überkam mich und ich gestand
mir im Stillen, dass ich um Alles in der Welt nicht in
einer so wenig heimischen Stadt wie Rönne meinen dauern-
den Wohnsitz haben möchte. Der Reisende fühlt sich
hier losgelöst von der Aussenwelt, er vergleicht sich un-
willkürlich mit einem Schiffbrüchigen, den ein Sturm
auf dieses Eiland verschlagen hat. Möglich, ja sogar
wahrscheinlich, dass man bei näherer Kenntniss der Ver-
hältnisse dem Leben in Rönne manche Lichtseiten ab-
gewinnt; aber man wird doch Vieles vermissen, was
deutschen Provinzialstädten ihren eigenthümlichen Reiz
verleiht, so u. a. die kleinen Gärten vor den Häusern,
Schatten spendende Bäume in den Strassen, eine bergige
Umgebung und Originalität der Bauart. Hier sind fast
sämmtliche Häuser wie nach einer Schablone zum grossen
Theil aus Fachwerk errichtet: vier nackte, mit Kalk be-
worfene, oder aus gebrannten Steinen errichtete, Wände,
darüber das Dach. Der geringe Verkehr in den Strassen
und auf den beiden Plätzen der Stadt kann freilich nicht
überraschen, wenn man bedenkt, dass die aus ca. 5500
Seelen bestehende Bevölkerung sich auf 1260 Häuser
repartirt.
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24
Bornholm
Mein Spaziergang führte mich an der Wohnung des
deutschen Consuls vorüber. Da letzterer einen Laden
hält, der noch geöffnet war, so konnte ich als Käufer
sans ceremonial die Bekanntschaft unseres Repräsentanten
auf Bornholm machen. Ich hoffte, von ihm Auskunft zu
erhalten über Sehenswürdigkeiten auf der Insel, aber
was er mir mittheilte, wusste ich bereits durch in Kopen-
hagen eingezogene Informationen und so verliess ich denn
sein Haus bald, wieder, ohne durch die gepflogene Unter-
haltung meinen Horizont erweitert zu haben. Gleichwohl
will ich die Bereitwilligkeit dieses "Würdenträgers, mir
gefällig zu sein, hier gern dankend anerkennen.
Auch anderen Einwohnern von Rönne muss ich ihr
zuvorkommendes Wesen nachrühmen. Wo ich fragte,
erhielt ich stets eine freundliche-höfliche Antwort. Wie
schon in Kopenhagen, fiel mir in Rönne das Grüssen auf.
Erwachsene und Kinder ziehen vor dem Fremden mit
tiefer Verbeugung ihre Mützen, ja selbst Frauen und
Mädchen neigen, wo es immer sei, zuerst das Haupt zum
Grusse. Das scheint hier eben so Sitte zu sein und be-
rührt jedenfalls nicht unangenehm.
Um mich noch ein wenig im Orte zu orientiren, bat
ich einen am Hafen sitzenden Soldaten mich zu führen,
was er, nachdem ich ihm eine Cigarre offerirt hatte, gern
that. Sah ich auch auf unserer Wanderung kreuz und
quer durch die Stadt nichts besonders Bemerkenswerthes,
so interessirten mich doch die Mittheilungen meines Be-
gleiters über die Militairverfassung der Insel in hohem
Grade. Bornholm hat seine eigene, aus Artillerie, Infanterie
und Cavallerie bestehende Besatzung, welche eine in ihrer
Art einzige „Landwehr" bildet und von einem Oberst -
lieutenant commandirt wird. Diesem zur Seite stehen
ein sogenannter Exercir-Major und ein Adjutant , die,
ebenso wie der Commandant, in der dänischen Armee
rangiren. Alle übrigen Offiziere sind Eingeborene. Sie
werden vom Oberbefehlshaber designirt und vom Könige
zu Offizieren ernannt. Wie ihre Kameraden in der däni-
schen Armee sind sie durch die Beförderung zugleich
geadelt und haben das Recht , das Wörtchen „von" vor
ihren Namen zu setzen. Jeder Bornholmer, mit Ausnahme
der Prediger, Lehrer und Beamten, ist militairpflichtig,
aber er kann in Folge alter Privilegien nicht gezwungen
werden, ausserhalb der Insel zu dienen. Die Dienstzeit
dauert vom 17. bis zum 60. Lebensjahre. Die jungen „Land-
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II. Von Rönne nach Allinge.
25
wehrmänner" werden in wenigen Wochen „einexereirt"
und dann entlassen mit der Verpflichtung, sich alljährlich
zu einer grösseren Truppenübung zu gesteilen. Für die
ziemlich einfachen Uniformen haben Offiziere und Mann-
schaften selbst zu sorgen, der Staat liefert nur die Watten.
— An der Spitze der Civil- Verwaltung steht der Amt-
mann, dessen Stellung ungefähr derjenigen eines preussi-
schen Landraths entspricht. Bei Ausübung seiner Dienst-
obliegenheiten wird er unterstützt vom Amtsrath , der
sich aus Deputirten der Städte und des Landes zusammen-
setzt und über die Vertheilung der Steuern etc. etc. be-
stimmt. Unter dem Amtmann stehen vier „Herredsfogde"
oder Districtsvorsteher, unter diesen fünfzehn Schulzen
(Sannemanner) für eben so viele Gemeinden. Ferner sind
als Beamte zu nennen: ein Oberförster, ein Inspector der
Leuchtfeuer, ein Zoll-Inspector mit mehreren Zoll-Con-
trolleuren und vier Strandungs-Commisaare. Letztere
haben bei Schiffbrüchen für die Bergung des Strandgutes
und die Unterbringung und Verpflegung der Geretteten
Sorge zu tragen. Ihr Dienst ist Kein leichter , denn ' im
Herbst und Frühling gehen an Bornholms Küsten nicht
selten Hunderte von Schiffen zu Grunde.
Da es mittlerweile Nacht geworden war, konnte ich
den beabsichtigten Besuch der berühmten Terracotten-
fabrik des Herrn L. Hjorth nicht mehr ausführen. Ich
verabschiedete mich von meinem gefälligen Begleiter und
betrat das Hotel mit dem Vorsatze, am folgenden Tage
nach Allinge zu marschiren und, sollte ich auch dort
eine Enttäuschung erfahren, sofort die Rückreise anzutreten.
* *
II. Von Rönne nach Allinge.
Die Bornholm besuchenden Vergnügungs-Reisenden
machen vor Beginn ihrer Tour gewöhnlich eine Excursion
nach Alm in dingen, einem schönen Walde, der 1 3 4 Mei-
len östlich von Rönne, fast im Mittelpunkte der Insel
liegt. Aber sie verursachen sich dadurch einen Zeitverlust,
den sie vermeiden können, wenn sie den Besuch dieser
Partie auf den letzten Tag ihrer Rundreise verschieben
und, von Nexö nach Rönne zurückkehrend, von Aakirkeby
aus (auf halbem Wege) den Abstecher nach Almindingen
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Bornholm.
machen. Diese Bemerkung gilt selbstverständlich nur
solchen Touristen, die in kürzester Zeit alle interessanten
Punkte Bornholms sehen wollen, wozu fünf Tage voll-
ständig hinreichen. —
Am Morgen des 5. August verliess ich Rönne. Der
nach Norden führenden, übrigens gut unterhaltenen Strasse
folgend, gelangte ich bald an ein liebliches Birkenwäld-
chen („Sandflugten") das sich links neben der Chaussee
fast bis Hasle hinzieht. Durch dieses G-ehölz, in welchem
sich zwei Vergnügungslokale „Villa-Nova" und „ S o m -
merlyst" befinden, die von den Rönnern an schönen
Sommertagen gern besucht werden, schlängelt sich ein
lauschiger Pfad, von welchem aus man den Fahrweg im-
mer im Auge behält und hin und wieder die See erblickt.
Rechts neben der Chaussee liegen flache Felder, die zum
Theil bereits abgeerntet waren.
Das Wetter hatte sich während der Nacht gebessert.
Ein weicher Südwind spielte mit den Blättern der noch
jungen Bäume, im Laubwerk stimmten die gefiederten
Sänger ihre Morgenhymnen an und hier und dort zeigte
sich ein Landmann, der seinen Acker bestellte.
Ungefähr eine Meile von Rönne gelangt man , Ange-
sichts eines rechts liegenden grossen Hügels, an eine
Brücke („Brogaardsbrücke") , neben welcher links ein
schöner Runenstein steht. Derselbe hat die Form einer
Stele, ist ca. 12 Fuss hoch und gegen 4 Fuss breit. Die
zwischen mehreren parallel laufenden Ellipsen eingehauene
Inschrift ist gut erhalten und berichtet, uass ein gewisser
Herr Svenk vor nun 1000 Jahren diesen Stein zum An-
denken an seinen Vater, seinen Bruder und seine Mutter
errichten Hess. Der Mutter wird zuletzt Erwähnung ge-
than, was freilich von keiner besonderen Galanterie gegen
die Damen bei den „blonden Vorfahren" der Bornholmer
zeugt. Zu beiden Seiten des Runensteines liegen be-
hauene Grranitblöcke , auf denen der Wanderer sich aus-
ruhen und, falls er Neigung verspürt, den selig Entschlafe-
nen des Hrn. Svenk eine „Zähre der Rührung" weihen
kann. Noch eine kurze Strecke und man erreicht:
Hasle
ein Städtchen von 1000 Einwohnern, in dessen unmittel-
barer Nähe sich ein Kohlenbergwerk befindet, das zu
besuchen ich leider unterliess. Leider, denn wie ich
später erfuhr, sind daselbst viele interessante Petrefacten
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II. Von Rönne nach Allinge. 27
gefunden worden, welche der Director den Reisenden
bereitwillig zeigt, Auch die Besichtigung der Grube
selbst wird auf wünsch gern gestattet und soll wohl der
Mühe lohnen. Die Bergleute sind in der Mehrzahl Aus-
länder, Schweden und Deutsche. Früher arbeiteten dort
viele Bornholmer, aber ihr Aberglaube legte dem Betrieb
mancherlei Hindernisse in den Weg. So weigerten sie
sich z. B. einmal, einen Stollen weiter zu treiben, weil
sich, ihrer Meinung nach, hinter der zu durchbrechenden
Schicht zur Zeit gerade die „Unterirdischen" aufhielten,
deren Hämmern und Pochen sie gehört haben wollten.
Sie waren nicht zu bewegen, die Arbeit fortzuführen und
mussten durch andere Kräfte ersetzt werden. Bei Hasle,
südöstlich und nordwestlich, liegen ferner mehrere Grab-
hügel aus dem Eisenalter und ein alter Begräbnissplatz
mit „Brandstellen".*)
Hinter Hasle macht die Strasse eine Krümmung nach
Nordosten und steigt allmälig bergan. Als ich, nach kur-
zer Rast in Hartz r Gasthof, meinen Marsch fortsetzte,
zogen am südlichen Horizont dunkle Wolkenmassen herauf,
die nichts Gutes verhiessen. Auch der Wind war stärker
geworden. Eine halbe Stunde später begann es zu regnen,
leise aber „nachdrücklich", so dass ich bald total durch-
nässt war. Da erblickte ich vor mir, links dicht an der
Strasse, eine einsam stehende Kirche, die aus einiger Ent-
fernung betrachtet , eine gewisse Aehnlichkeit zeigt mit
einem kleinen Festungswerk. Es ist die 1 2 Meile von
Hasle entfernte Ruths-Kirche, welche, im Rundbogen-
stil erbaut, auf einem 436' hohen Hügel steht. In frühe-
ren Zeiten mag sie wohl als Vertheidigungswerk gedient
haben. Dafür sprechen die mächtigen Mauern, sowie
die ganze Anlage. Jedenfalls ist sie sehr alt. Ein
kleiner Friedhof umgiebt sie. Trotz des Regens nahm
ich mir doch die Zeit, einige Grabinschriften zu lesen.
Unter ihnen fiel mir besonders die folgende auf:
,.Da skal i eder fryde
Og i Jer Fryd fortryde
At i for mig har greedt;
I det som Gud mon ville
Jer overgever stille
O saa gjör han vist Hjertet let M
die, wenn auch nicht dem Wortlaut, so doch dem Sinn
*) Schwarze Flecke mit verbrannten Gebeinen aus der älteren
Eisenzeit.
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28
Bornholm
nach, mit unserm schönen Liede „Was Gott thut, das
ist wohl gethan" übereinstimmt.
Lange vermochte mich der Ort unter diesen Witterungs-
verhältnissen nicht zu fesseln. Noch einen Blick auf die
in der Ferne wild wogende See werfend und das düstere
Bild meinem Gedächtniss einprägend, verliess ich die
an den Tod gemahnende Stätte und betrat nun, etwa
hundert Schritte weiter, einen links von der Chaussee ab-
zweigenden Feldweg, der durch das sogen. „Kaempedal"
direct nach der viel gerühmten „Jons-Kapelle" füh-
ren sollte.
Die Gegend , welche ich während der ersten halben
Stunde durchschritt, ist flach und ohne landschaftliche
Reize. Es sind Felder, deren dünne Ackerkrume das
darunter liegende Gestein an vielen Stellen durchblicken
lässt. Zwischen ihnen zieht sich der Weg hin, lang, un-
absehbar. In weiten Entfernungen liegen Gehöfte zer-
streut, jedes für sich eine abgeschlossene Welt bildend.
Auch am Wege steht ein solches. Ich trat ein und bat
um ein Glas Milch. Eine Bauerfrau nöthigte mich in die
schmucklose Stube und brachte mir das verlangte. Ich
fragte, wie weit es noch bis zur „ Jons-Kapelle" sei. Sie schüt-
telte lächelnd den Kopf und präsentirte mir, als ich die
Frage wiederholte, ein zweites Glas. Darauf holte sie
Brot und Butter herbei. Nochmals fragte ich, zuerst
dänisch, dann so gut es ging bornholmisch. Die Frau
antwortete in einer Sprache , die ich nicht verstand.
Plötzlich schien ihr eine Eingebung gekommen zu sein.
Sie nahm ein auf der Kommode liegendes Buch, schlug
es auf und zeigte es mir. Es war eine Schrift für Pie-
tisten in schwedischer Sprache. Die Frau war also
eine Schwedin und eine Pietistin zugleich. „Pietista?"
fragte ich. „Ju väl, I oeksä ?" entgegnete sie. Ich nickte,
obschon ich nichts weniger als Pietist bin. Da ergriff"
die Frau meine beiden Hände und drückte sie herzlich.
Bezahlung für die Erfrischung wollte sie nicht anneh-
men. So schied ich denn mit einem „Jag betackar mig!"
Nach und nach verlor das Land sein uniformes Aus-
sehen. Die Gehöfte lagen näher an einander und hin
und wieder zeigten sich Obstgärten. Dann lotete eine
Strecke Wald, diesem ein Felsbruch und endlich wurde
die Chaussee wieder sichtbar. Ich hatte den richtigen
AVeg also verfehlt , meinen Marsch aber gleichwohl um
eine beträchtliche Strecke abgekürzt, denn das alterthüm-
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III. Allinge. — Die Jons-Kapelle
29
liehe Gebäude, rechts an der Strasse, konnte nur die un-
weit von Allinge stehende „St. Oles-Kirche" sein.
Ich hatte mich nicht getäuscht und schritt erwartungs-
voll dem Ziele meines ersten Tagemarsches entgegen. In
Allinge sollte es sich ja entscheiden, ob ich die Reise
nach Bornholm umsonst gemacht.
III. Allinge. — Die Jons-Kapelle.
Gegen Mittag erreichte ich A 1 1 i n g e , ein Städtchen
von ca. 800 Einwohnern, welches auf der Nordspitze der
Insel, am Fusse des Felsplateau, unmittelbar an der
steinigen Küste liegt und mit dem nur zehn Minuten ent-
fernten Ort Sandvig eine Commune bildet.
Da es noch immer regnete, beeilte ich mich, ein
Unterkommen zu suchen. Nach Grove's „Reisehandbuch
für Dänemark" und Woldt's Notizen über Bornholm soll
Allinge zwei Hotels, „Skandia" und „Hammerhuus", be-
sitzen, von denen das erstere mit Angabe der Preise
besonders empfohlen wird. Aber vergeblich fragte ich
die Leute auf der Strasse nach dem einen und dem
anderen dieser Gasthäuser ; sie schüttelten die Köpfe und
wussten mir keine Auskunft zu geben. Missmuthi^ durch-
wanderte ich die Stadt, überall spähend, allem ohne
Erfolg. Entweder existirten die Hotels überhaupt nicht,
oder sie waren inzwischen eingegangen. Die letztere
Annahme wurde mir übrigens später bestätigt. Von neu-
gierigen Blicken verfolgt, trat ich endlich in einen Kram-
laden in der Nähe des Hafens und wiederholte hier meine
Frage wohl zum zehnten Mal. Der Zufall war mir gün-
stig: er hatte mich an die rechte Stelle geführt, nämlich
in das Gasthaus selbst, das einzige im Orte, welches ein
Herr M a r c h e r hält.
So war ich denn für den Moment geborgen und
besser, als ich es erwartet hatte. Das mir angewiesene
Zimmer war sauber und freundlich, das schnell zube-
reitete „Middesmäd" vortrefflich. Auch in der Folge
durfte ich mit der Bewirthung wohl zufrieden sein. Der
biedere Besitzer des Hauses gab sich alle Mühe, mir den
Aufenthalt in demselben so angenehm wie möglich zu
machen. Nach Tische offerirte ich ihm eine Berliner
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Bornholm.
Cigarre und er Hess zwei Glas Bornholmer Grog kommen.
Da sassen wir nun und plauderten, wahrend der Regen
gegen die Fenster prasselte und die See schwere Wogen
mit donnerndem Geräusch gegen den klippenreichen
Strand rollte. Das abscheuliche Wetter erhöhte nur die
Behaglichkeit des Zimmers. Von hier aus überblickt
man den kleinen, zum Theil im Granit ausgehauenen,
Hafen, an welchem die Commune nun schon seit mehr
als einem Decennium mit unermüdlicher Ausdauer baut.
Ein ansehnlicher Damm , aus Quadersteinen aufgeführt,
schützt denselben gegen die See , über deren schaum-
gekrönte Wellenberge Schaaren von Möven mit unheim-
lichem Kreischen pfeilschnell dahinflogen. Das Bild,
welches sich meinem Auge darbot, war ungemein düster
und ich konnte mich einer gewissen Bedrückung nicht
erwehren. Mein Wirth, der diesen Eindruck bemerkt
hatte und, wie alle Bornholmer, sich auf das Wetter ver-
steht, versicherte mir, dass der Regen nicht lange andauern
und Allinge sich bald in einer freundlicheren Beleuchtung
zeigen werde. Und er hatte recht, denn schon nach
einer Stunde hatte Gott Pluvius sein Füllhorn anschei-
nend erschöpft; freilich nur für kurze Zeit, aber es war
gleichwohl eine Wendung zum Besseren.
Den Moment benutzend, begab ich mich an den
Strand, um zunächst eine kleine Umschau zu halten.
Was ich hier sah, übertraf alle meine Erwartungen. Er-
scheint die Umgebung des Ortes, von der aus der Höhe
niedersteigenden Chaussee her betrachtet, monoton und
wenig anziehend, so zeigt sich dieselbe jetzt so verändert,
dass man sie kaum wieder erkennt. Der Grund für diese
Metamorphose liegt darin, dass man vom Plateau aus
nur eine kleine Strecke des Strandes zu übersehen ver-
mag, da die Felsen rechts und links von Allinge bis
dicht an die See heran treten und nun plötzlich fast
perpendiculär abfallen. Gegen diese Felsmassen hat das
Meer seit vielen Jahrhunderten angekämpft und tiefe
Risse und Schluchten hineingewaschen. Verloren die
isolirten Felspartien nun ihre Stützpunkte, so stürzten
sie, dem Anprall der Wogen nachgebend, zusammen und
bildeten die bizarrsten Formen, welche besonders nach
Osten hin ausserordentlich mannigfaltig erscheinen.
Die Bestandtheile dieser Felsen sind Granit mit röth-
lichem Feldspath, schwarzgrüner Glimmer und weisser
Teinkörniger Quarz, der auch Granaten enthält. Chaotisch
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III Allinge. — Die Jons-Kapelle.
31
liefen Blöcke in allen Grössen am Ufer hingestreut, zu-
weilen überdeckt von Seetang, in welchem Legionen von
Insecten ihre Brutstätten haben. Die Flora ist hier, wie
in der ganzen Umgebung des Ortes, höchst dürftig und
die Fauna sah ich nur durch einige Strandvögel, nament-
lich Möven, vertreten. Richtet man den Blick südwärts,
so zeigt sich Allinge mit seinem kleinen Kirchthurme
terrassenförmig am Abhänge aufgebaut. Mitten vor der
Stadtfront vertieft sich das Felsl>assin, künstlich erwei-
tert, zum Hafen, in welchem eine Flotille von Fischer-
booten vor Anker liegt, mehr westwärts, rechts neben dem
Hafen springt eine kleine Landzunge vor, auf welcher
sich dem Auge des Besuchers ein schreckenerregender
Anblick bietet. Hier liegen nämlich zahlreiche Trümmer
gestrandeter Schiffe: mächtige Anker, Ketten, Maschinen,
Balken, ganze Cabinen und Masten und erinnern daran,
dass man sich auf einem der für Seefahrer gefähr-
lichsten Punkte des Felseneilandes befindet. Düster wie
das Bild selbst war auch der Rahmen, der es umfasste;
schwarzgraue Wolken hingen im weiten Kreise herab,
gleich einem ungeheueren Trauerflor. Ein entsetzliches
Sausen und Brausen betäubt das Ohr und der Mensch
fühlt sich unendlich klein inmitten der wilden Scenerie.
Und doch ist dies nur der erste Act der grossartigen
Naturtragödie, die sich nun nach und nach vor den Augen
des Reisenden abspielt.
Nach dieser Umschau suchte ich meinen Reisegefähr-
ten Holm auf. Er war sofort bereit, die verabredete
Tour nach der Jons-Kapelle mit mir zu machen, wenn
ich — wie er bemerkte — von dem Vormittagsmarsche
nicht zu ermüdet wäre. Das war nun nicht der Fall und
im Hinblick darauf, dass am folgenden Tage das Wetter
noch ungünstiger sein und die Partie thatsächlich „ver-
wässern" könnte, nahm ich sein freundliches Aner-
bieten an.
Um vier Uhr begannen wir unsere Wanderung, die
uns auf der Chaussee zunächst nach Sandvig führte.
In diesem Appendix von Allinge, der ca. 225 Seelen zählt,
war mein Begleiter längere Zeit Lehrer gewesen und
wünschte nun, das kleine Schulhaus und seine ihm so
wohlbekannten Räume einmal wieder zu sehen. Auf dem
Wege dahin wurde er oft angesprochen, denn alle Welt
kannte ihn und hatte ihn augenscheinlich gern, vom
ältesten Mütterchen herab bis zu den kleinen Jungen in
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Bornholm.
Pumphosen. Das war ein Begrüssen und Fragen im rein-
sten Bornholmer Patois, von dem ich nur einige Brocken
verstand, und ein Händedrücken, bei welchem auch ich
nicht leer ausging. So manche schwielige »Seemannshand
schüttelte da die meine, manchmal so stark, dass die Ge-
lenke knackten und ich einen Ausruf des Schmerzes nicht
.unterdrücken konnte. Ja, ja, lachten die herkulischen
Männer dann, das ist so Bornholmer Art. Im Lehrer-
hause empfing uns der Amtsnachfolger des Herrn Holm, ein
intelligenter junger Mann, der uns die reinlich gehaltene
Schulstube zeigte und uns dann eine Strecke begleitete.
Partie des Hammerberges.
Hinter Sandvig biegt die Fahrstrasse links ab und
steigt bergauf. Wir verliessen dieselbe und folgten einem
Pfade, der uns in der Richtung nach Südwest bald an
den Hammersee führte. Dieser See ist das grösste
und zugleich tiefste Binnengewässer der Insel. Er liegt
nur fünf Minuten vom Meere entfernt und würde, mit
diesem durch einen Kanal verbunden, den schönsten Hafen
der AVeit bilden. Wie ich hörte, hat man an die Aus-
führung eines solchen Projectes bereits gedacht, aber die
Schwierigkeiten des Durch'bruches sind 90 gross und kost-
spielig, dass man wieder davon Abstand nehmen musste.
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34
Bornholm.
Man hätte nämlich diesen Kanal durch eine mächtige
Granitschicht zu sprengen, und was das sagen will, wissen
die Einwohner von Allinge durch langjährige Erfahrungen.
Der Ausbau ihres kleinen Hafens hat ihnen schon schweres
Geld gekostet und dürfte bis zu seiner Fertigstellung
noch bedeutende Summen verschlingen. Freilich würde
ein Hafen an dieser Stelle den übrigen Häfen der Insel
erfolgreiche Concurrenz machen und alljährlich Hunderte
von Schiffen vor dem sicheren Untergang retten. — Der
Hammersee ist auf der Landseite von Bergen umgeben.
Der grosseste dieser letzteren heisst der Hammer oder
der „Steilebjerg". Er besteht aus übereinander gethürm-
ten Granitfelsen, steigt als eine Art Vorgebirge senkrecht
aus dem Meere ca. 300 Fuss hoch empor und trägt auf
seiner Kuppe einen Leuchtthurm, aessen Feuer einen
weiten Horizont, das ganze sogenannte Hammermeer,
beherrscht. Von hier aus kann man bei hellem Wetter
die sechs deutsche Meilen entfernte schwedische Küste
sehen.
Südlich von Hammer erhebt sich ein anderer Felsen-
berg, der nach den Ruinen auf seinem Rücken Hammers-
huus, von den Bornholmern auch „Slotted" (das Schloss)
genannt wird. Er war das nächste Ziel unserer "Wan-
derung. Um dasselbe auf dem kürzesten Wege zu er-
reichen, mussten wir in eine ziemlich tiefe Schlucht hinab-
klettern, welche zwischen dem Hammer und dem Ruinen-
berg eine kleine nach Westen zu offene Meeresbucht
bildet. Nicht ohne einige gefährliche Rutschpartien,
zweimal dicht am Rande schauerlicher Abgründe vorbei,
gemacht zu haben, gelangten wir in die Tiefe. Hier
brauste und dröhnte es, als wollte die Insel jeden Augen-
blick bersten. Schlüpfriges, von der See bespültes Ge-
stein bedeckt den Boden, Felsen, starre Felsen umgeben
die Schlucht auf allen Seiten. Kein Baum, kein Strauch
belebt diese Einöde, wohin der Blick fällt, überall zeigt
sich , starr und kalt , der verwitterte Granit , gegen den
die brandende See Woge auf Woge schleudert. Selbst
den Höven mag diese Stätte ungastlich scheinen, denn
wir bemerkten daselbst keinen einzigen dieser auf Born-
holm fast überall heimischen Vögel. Nach kurzer Rast
verliessen wir den unheimlichen Ort und stiegen wieder
bergan. Langsam nur kamen wir vorwärts, da der glatte
Boden das Gehen ungemein erschwerte. Endlich er-
klommen wir den letzten Höhepunkt. Da lagen sie vor
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III. Allingo. — Die Jone-Kapelle,
35
uns, die Ruinen von Hammer shuus, welche als die
schönsten und interessantesten in Dänemark mit Recht
gerühmt und durch Grösse und Umfang schwerlich von
irgend einer Burgruine des Auslandes übertroffen werden.
Es mu8s ein gar gewaltiger Bau gewesen sein, der sich
einst hier erhob, eine trutzige Veste, mit Türmen, Ring-
mauern und einer starken Besatzung. Wie sie sich jetzt
dem Besucher zeigt, ist sie ein Bild gefallener Grösse,
aber einer Grösse, die, selbst nach dem Sturz noch, Ach-
tung gebietet. Ernst und düster erschienen uns diese
Ruinen. Wolken huschten darüber hin, vom Nordwind
Gepeitscht, der in dem alten Gemäuer pfiff und stöhnte.
>er Horizont war begrenzt : wir vermochten nur einen
kleinen Umkreis zu überblicken und kaum noch den
Leuchtthurm auf dem Hammer zu erkennen. Auf der
Westseite schäumte die wogende See, im Süden thürmen
sich Felsen auf Felsen, und nach Südosten gehen die
Höhen in coupirtes Terrain über
Nähert man sich der Burg von Osten, also auf dem
directen Weee von Allinge, so gelangt man an eine Stein-
brücke, welche über den Wallgraben in einen geräumigen
Vorhof führt. Eine (nach J. P. Trap*) ca. 1200 Ellen
lange äussere Ringmauer umgiebt denselben und steht
in Verbindung mit einer inneren Ringmauer, die ein
Polygon bildet und auf der Südwestseite zwei Rundthürme
trug. Innerhalb dieser zweiten 3Iauer erhob sich das
eigentliche Schloss als ein mächtiger Gebäudecomplex,
der noch heute die einstige Bestimmung der Räume ohne
Mühe erkennen lässt. Dem Grundrisse nach ein ver-
schobenes Viereck, bestand dasselbe aus einem sechs Stock
hohen Mantelthurme, der Schlosskirche, den Herrschafts-
wohnungen und den Räumen für das Dienstpersonal.
Das Souterrain enthält ein Burgverliess und mehrere
Keller. Diesen Colossalbau umgaben längs der Mauer
Wartthürme, Kasernen und Magazine. Noch bemerkt
man in der nordöstlichen Ecke des Vorhofes die Ueber-
reste eines Gebäudes, welches der Besatzung bei Aus-
fällen als Versammlungs- und Zufluchtsort gedient haben
mag. Das Ganze macht den Eindruck einer kleinen, aber
zur Zeit, als das Schiesspulver noch nicht erfunden war,
*) Statist; ek-topographiek Beskrivelee af Kongeriget Danmark.
Kopenhagen. 1872. Das beste derartige Werk über Dänemark.
3*
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36 Bornholm.
uneinnehmbaren Festung. Aufgeführt ist dieselbe zum
grossen Theil aus Felssteinen. Zu späteren Anbauten
und Reparaturen sind Mauersteine verwandt. Ueberall
ist der Mörtel so fest, dass es schwer fällt, zu Boden ge-
stürzte Mauerstücke zu zerschlagen.
Im Wallgraben und zwischen den Ruinen wuchern
Brombeersträucher, Schlinggewächse aller Art und wilde —
Rosen, von denen mehrere in vollster Blüthe standen.
„De smukke Blomsker" — wie der Bornholmer sagt —
boten uns ein freundliches Willkommen und Hessen uns
. der Dornen nicht achten, die hämisch hin und wieder
die Haut ritzten. Sträusse pflückend, wanden wir uns
durch Hecken und Gebüsche, kletterten über Geröll und
Mauern, stiegen hinab in die Keller und traten dann
durch eine Schlupfpforte wieder in's Freie, wo uns ein
feiner Sprühregen empfing und zu einer Berathung zwang,
ob wir die Tour fortsetzen, oder nach Allinge zurück-
kehren sollten. Wir entschieden uns für das erstere, ich
mit dem Vorsatze, am folgenden Tage die Ruinen von
Hammershuus noch einmal und zugleich das am Fusse des
Berges liegende „Paradiesthal" zu besuchen, das uns
heute leider verschlossen blieb. Auch auf die Besichtigung
zweier Höhlen mussten wir verzichten. Sie führen von
der Seeseite in die Felsmassen. Die kleinere von beiden,
„den törre Ovn" (der trockene Ofen) benannt, kann
man zu Fuss erreichen, wenn man die Felsen hinab
klettert, was indess nur schwindelfreien Personen zu
rathen ist. An jenem Tage war das Gestein so schlüpfrig,
dass schon ein Versuch lebensgefährlich gewesen sein
würde. In die zweite, grossere und bei Weitem interessan-
tere, Höhle „den vaade Ovn" (der nasse Ofen) kann
man bei günstigem Winde nur mittelst Boot gelangen.
An eine solche Fahrt war natürlich nicht zu denken.
Kein Fischer der ganzen Insel würde während des an-
haltenden Sturmes das Wagstück unternommen haben. —
Wieder stiegen wir bergan. Immer wilder, gross-
artiger zeigt sich das Felsenpanorama. Wir passiren
„Slotslyngen" (die Schlosshaide) und schreiten in
schwindelnder Höhe auf einem schmalen Pfade dahin.
Er führt uns bergauf, bergab, über zackiges Gestein und
durch Schluchten, stets an der brandenden See entlang.
Braunes Haidekraut wächst links am Wege, rechts hän-
gen Epheuranken über zerbröckelnde Felswände. Hin
und wieder hat auch eine wilde Rose Wurzeln gefasst
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III. Allinge. — Die Jons-Kapellc.
37
und Knospen und Blüthen getrieben, die unbeachtet ver-
welken oder vom Sturm zerzaust werden. Noch ein
halbstündiger Marsch, und wir sehen, rechts in der Tiefe,
das kleine Fischerdorf Vang, welches seinen Namen
(Aue) durch nichts rechtfertigt. Abgeschlossen von der
Welt liegt es da, am Fusse der Felsen, ein Ultima Thüle.
Seine Bewohner sind Fischer, rauhe, durch den Kampf
mit den Elementen abgehärtete Männer, die „Europens
übertünchte Höflichkeit nicht kennen und ein Herz, wie
Gott es ihnen gegeben, von Cultur noch frei, im Busen
fühlen". Von vang aus erreicht man, die See immer
rechts behaltend, in etwa 3 / 4 Stunde eine 252 F. hohe,
jäh in's Meer fallende, Klippenwand, die sogenannten
„Ringebakker", in deren Nahe die „Jons-Kapelle"
sich befindet. Letztere entzieht sich dem Blicke so
lange, bis der Wanderer vor dem Felsspalt steht, welcher
den Zugang vom Lande ermöglicht.
Der sich hier darbietende Anblick wirkt unmittel-
bar, überwältigend. Zwischen zwei senkrechten Granit-
wänden, die zuerst allmälig, dann kreisförmig auseinander
treten und einen nach dem Meere zu offenen Felskessel
umschliessen , führt eine steile Treppe von 110 Stufen
hinab in die Tiefe, in welcher aus chaotisch umherliegen-
dem Geröll ein Felsblock wohl vierzig Fuss hoch empor-
ragt und eine natürliche Kanzel bildet, während hinter
demselben andere Klippen scheerenförmig in die See
treten, die, grollend und schäumend, in ohnmächtiger
Wuth Welle auf Welle in die Rotunde schleudert. Hier
hat der Sage zufolge in alten Zeiten Jon , der erste
Missionar auf der Insel, den Einwohnern gepredigt und
er hätte in der That keinen passenderen Ort wählen
können, denn dieses Felsenthal bildet einen Dom, so hehr
und feierlich, dass heilige Schauer die Seele des Besuchers
beschleichen und sie eindrucksfähig machen dem, was
das Buch der Bücher lehrt. Vervollständigen wir das
Bild und denken uns den ehrwürdigen Missionar auf der
Kanzel, umgeben von Zuhörern, die in rauhe Felle ge-
kleidet, auf den Steinen rings umher sitzen, schweigend,
erwartungsvoll, lieber der Halle wölbt sich der Himmel,
vor derselben rauscht geheimnissvoll das Meer. Da öffnet
der Priester das Buch und begingt:
-Und die Erde war wüste und leer,
Und t-B war finster auf der Tiefe,
Und der Geist GotteB schwebte auf dem Wasser 1 *
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Bornholm.
Und in den Felsen hallt es wieder und von der See her
weht ein Hauch über und durch die Versammlung. Der
Redner aber fährt fort :
„Da machte Gott die Veste und schied das Wasser unter
der Veste von dem Wasser über der Veste. 44
Zu welchen Excursen bot dieser Ort nicht willkommene
Gelegenheit! "Wüste und leer waren die Felsen im An-
fang aller Dinge. Dann streute das Machtwort: „Es
werde!" Keime des Lebens in ihre Spalten und hervor
sprossten grüne Blätter und immer fort wachsende Ran-
ken. Es war der Epheu, das Symbol des Glaubens und
der Hoffnung. Nach dem Epheu erschien die Rose als
Sinnbild der Liebe. Immer hat sie mit jenem gute
Nachbarschaft gehalten und noch heute findet man beide
hier und an vielen Punkten der Insel in inniger Um-
armung. —
Lange standen wir am Eingang und betrachteten
schweigend das unbeschreiblich grossartige Panorama. So-
dann stiegen wir in die Halle hinab, erkletterten die
„Kanzel und suchten nach Höhlen, deren ich vier von
verschiedener Grösse entdeckte. Alle Müdigkeit war ver-
? essen und kaum achteten wir darauf, dass das matte
'ageslicht allmälig in ein nebelerfülltes Düster überging.
Endlich aber mussten wir doch an den Rückweg denken,
der im Finstern reich an Gefahren ist.
Die Nacht brach an, als wir den Ort verliessen. Drei
Stunden hatten wir bis Allinge zu marschiren, im Regen
und in der Dunkelheit. Oft glitten wir aus und stürzten
in Vertiefungen, aus denen wir uns nur mühsam und mit
zerschundenen Gliedern empor zu arbeiten vermochten.
So auf dem schmalen Felsgrat vorwärts strebend, er-
reichten wir gegen 9 Uhr \ ang. Dort traten wir, da es
an einem Gasthaus fehlt, in eine Fischerhütte, in welcher
man uns auf unsere Bitte bereitwillig einige Erfrischungen
vorsetzte. Letztere bestanden aus frischer Milch, Brot,
Butter und grünen Heringen, wofür wir den ausser-
ordentlich geringen Preis von 40 Oere (ca. 45 Pfge.) zu
bezahlen hatten. Durch das frugale Mahl gekräftigt, setz-
ten wir unsern beschwerlichen Marsch fort und gelangten,
müde zum Hinsinken, um 11 Uhr nach Allinge. Mein
Wirth hatte mich erwartet, nicht ohne Befürchtung, dass
uns auf der Tour ein Unfall zugestossen sei. Er wollte
seinen Ohren nicht trauen, als ich ihm sagte, dass wir
die Jons- Kapelle besucht hätten. Freilich war dieser
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IV. Im nassen Ofen.
39
Marsch einer der anstrengendsten, die ich je gemacht,
denn ich hatte an jenem Tage etwa sieben Meilen zurück-
im höchsten Grade befriedigt und konnte, wie Graf
Pückler von den Adersbacher Felsen , so mit Recht von
der Strandpartie zwischen Hammershuus und Jons-Kapelle*)
sagen, „dass dieselbe eine Reise von 500 Meilen
reichlich lohne."
Als ich am folgenden Tage erwachte, durchfluthete
heller Morgensonnenschein das Zimmer. Vor den Fen-
stern zwitscherten die Schwalben und im Hause wurden
Stimmen und Schritte laut. Ein Blick auf die Uhr machte
mich emporfahren, denn ich wollte den Vormittag nicht
unbenutzt vorübergehen lassen.
Nachdem ich gefrühstückt und mit meinem freund-
lichen Wirthe einige Minuten geplaudert hatte, sichtete
ich die botanische und mineralische Ausbeute des vori-
gen Tages und schrieb einige „Brevkorter", die ich so-
dann zur Post trug. Hier lernte ich in Herrn Post-
meister Marckmann, einen ebenso vielseitig gebildeten
wie liebenswürdigen Mann kennen, welcher die vier wich-
tigsten Aemter der Stadt verwaltet : er ist nämlich Bürger-
meister, Zollcontrolleur , Telegraphen-Director und Post-
vorsteher in einer Person. Zuerst hielt er mich für
einen Engländer, war aber nicht unangenehm enttäuscht,
als ich mich ihm als Deutscher zu erkennen gab. Da er
selbst ein wenig „Tyscht" spricht, so mochte ihm die gewiss
seltene Gelegenheit, mit einem Deutschen über deutsche
*) "Wie schon bemerkt, führt auch ein Feldweg, der sich von der
Chaussee zwischen Hasle und Allinge, hinter der Ruths-Kirche links
abzweigt, nach dem Strande und zur Jons-Kapelle. Da der Tourist
Jedoch der Eventualität ausgesetzt ist, Umwege zu machen und lange
zu suchen, so empfiehlt es sich, zuerst nach Allinge zu gehen und von
hier die Partie zu unternehmen.
IV. Im nassen Ofen.
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Bornholm.
Verhältnisse zu sprechen , vielleicht willkommen sein^
Er stellte mich seiner Familie vor und lud mich zn
Abend ein.
Angenehm berührt durch dieses herzliche Entgegen-
kommen, schritt ich dem Strande zu, um an demselben
entlang noch einmal nach Hammershuus zu wandern. Mein
Weg führte mich am Friedhof vorüber, auf welchem die
kleine Kirche des Ortes steht. Letztere stammt aus dem
16. Jahrhundert , gleicht in ihrem Aeusseren etwa einer
deutschen Dorfkirche und enthält nichts besonders Merk-
würdiges. Auf dem Gottesacker liegen mehrere alte
Grabsteine aus der Zeit der Lübecker Herrschaft über
Bornholm, u. a. einer (in der Vorhalle), der den Namen
des ehemaligen Hauptmanns von Hammershuus, Blasius
von Wikede (-j* 1547) trägt. In den Strassen herrschte
wenig Leben ; nur hin und wieder zeigten sich Passanten
in ihrem Sonntagsstaat, die Männer mit Holzschuhen auf
Stelzen, die im ersten Moment seltsam erscheinen, auf
den ungepflasterten Wegen sich aber wohl praktisch er-
weisen mögen.
Am Strande war es recht einsam. Man hörte nichts
als das leise Plätschern der Wellen, sah nur das nackte
Gestein und die weite azurblaue Wasserfläche, in welcher
die Sonne sich spiegelte. Hier und dort sprang ein Fisch
auf, während in den Lachen am Ufer träge Quallen sich
sonnten. Wie hatte das Bild sich doch plötzlich ver-
ändert ! Gestern wogte und brauste das Meer, vom Sturm
aufgewühlt, heute lag ein hehrer Friede darüber ausge-
breitet ; Wind und Wellen ruhten , die Natur feierte
Sabbath. Unwillkürlich dachte ich da an ein anderes
Bild, das ich jüngst in Berlin gesehen hatte, an Böcklin's
wunderbare „Meeres-Idylle". Nur wer das Meer kennt
mit seinen Schrecken und mit seinen Reizen, wer es ge-
sehen in seiner entfesselten Kraft und in seiner stillen
Grösse, wer seine Geheimnisse belauscht hat, vermag
jenes Bild ganz zu verstehen. Der Künstler könnte das
äusserliche Motiv sehr wohl der Umgebung von Allinge
entlehnt haben. Ragt doch in einiger Entfernung von
der Küste eine bräunliche Klippe aus der Tiefe. Dort
zeigt sich bei stürmischem Wetter ein dunkelfarbiges
Ungeheuer, welches, halb Fisch, halb Mensch, Tod dro-
hend in die Ferne schaut, Wehe dem Schiffe, das in
seine Nähe kommt; es ist dem Verderben geweiht. An
sonnigen Tagen aber ruht auf dieser Klippe ein ideal
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IV. Im naBscn Ofen.
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schönes Weib. Wer es gesehen, den erfasst unnennbare
Sehnsucht, er muss hinaus auf die See und kann sie nim-
mer lassen, denn sie selbst ist ja jenes Weib, das ihn
ganz besitzen, ihn auch im Tode noch sein nennen will.
Dann nimmt die Meeresbraut ihn in ihren Krystallpalast,
legt sein Haupt an ihren Busen und singt ihm süsse
Schlummerlieder. Auch ich meinte, die Herrliche zu
sehen, so wie sie Böcklin's Pinsel auf die Leinwand ge-
zaubert. Hold lächelte sie mich an und doch gewann
ieh's über mich, zu gehen. Sie aber folgte mir und
schwebte wie ein Phantom dahin über die asser. Als
ich den Strand verliess und hinter Allinge mich land-
wärts wandte, da blitzten ihre Vergissmeinnichtaugen noch
einmal auf; dann war sie verschwunden.
Der Strasse folgend, Hess ich heute, nachdem ich
Sandvig passirt, den im Sonnenschein wie Silber schim-
mernden „Hammer" rechts und gelangte nach etwa einer
halben Stunde an ein einzelnes Gehöft, in welchem Schank-
wirthschaft betrieben wird und auf Bestellung auch Zim-
mer (ä 1 Krone) zu haben sind. Von hier aus erreicht
man in wenigen Minuten das am Fusse des Ruinenberges
liegende „Paradiestha 1", das seinen Namen wahrlich mit
Recht führt. Aus der kahlen, starren Felsenwelt tritt
der Wanderer plötzlich, ohne Uebergang, in eine bewal-
dete Schlucht, deren üppige Vegetation in Erstaunen
setzt. Und mitten durch dieses Thal, um den Fuss des
Berges herum, nach der See zu, [zieht sich ein Promenaden-
weg, wie ich ihn auf allen meinen Reisen nie schöner
fesehen habe. Auf beiden Seiten desselben stehen in
ichten Hecken Rosen und Hollunderbüsche , die sich,
etwas über Manneshöhe, über den Weg neigen und so
einen natürlichen gewölbten Gang bilden, der mit Wohl-
gerüchen erfüllt und selbst bei der grossesten Hitze
stets kühl und schattig ist. Durch diesen Gang schritt
ich, mich ganz dem Naturgenusse hingebend, thatsächlich
auf Rosen daher, deren Blätter den Boden bedeckten.
Im Dickicht sangen die Vögel und zirpten die Grillen
und vor mir flatterte ein Schmetterling, der mit den hier
und dort durch das grüne Laubdach blitzenden Sonnen-
strahlen zu spielen schien. Allmälig erweitert sich der
Weg. Ein schwellender Rasenteppich, mit einigen Bäu-
men bestanden, liegt zur Linken, während rechts hohe
Farren träumerisch ihre Fächer wiegen. Noch eine kurze
Strecke durch dieses Eden und der Wanderer bleibt
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Bornhofen.
überrascht, entzückt stehen, denn vor ihm liegt die See,
tiefblau, wie ein mächtiger Stahlspiegel. Ein frischer
Wind weht herüber und kräuselt kleine Wellen , die
flockigen Schaum aufwerfend, muthwillig gegen die am
Ufer liegenden Felsblöcke springen. Ich stieg hinab, um
dem anziehenden Schauspiel ein Weilchen zuzusehen.
Rechts neben der Mündung des Thaies führt ein
Pfad hinauf zur Burg und von dort auf die Nordseite
des Berges, wo sich der „Nasse Ofen" befindet. Diesen
zu sehen, war eigentlich der Zweck meiner Morgen-
wanderung, welche ich nach kurzer Rast in der bezeich-
neten Richtung fortsetzte. Nun hatte ich über die stets
wechselnden Eindrücke der Gegend ganz vergessen, dass
man in der unmittelbaren Nähe der Hohle kein Boot findet
und ein solches entweder in Sandvig oder in Vang
miethon muss. Nach Sandvig zurückzukehren hatte ich
keine Lust, Vang lag mir zu weit entfernt, den „Nassen
Ofen" wollte ich aber gleichwohl sehen. Da war denn
guter Rath theuer. Ich sann vergeblich auf ein Mittel,
bis mir endlich einfiel, dass ich ein Boot vielleicht ent-
behren und die Höhle durch Schwimmen erreichen könnte.
Das Wasser war lau und ein Seebad mit diesem Zwecke
ungemein verführerisch. Rasch machte ich den Gedanken
zur That und befand mich bald zwischen den Klippen
im Wasser.
Da ich im Schwimmen nicht ohne Uebung bin, so
hielt ich die Ausführung meines Projectes für leicht,
sah jedoch bald ein, dass ich mich darin getäuscht hatte.
Der Wellenschlag war stärker als ich gedacht und mehr-
mals wurde ich recht unsanft gegen aie vorspringenden
Felsen gestossen, um nicht zu sagen geschleudert. Aber
ich wollte die Höhle nun einmal sehen, da galt es denn
ausdauern. Audacem fortuna juvat! vorwärts also! Immer
schwieriger wurde es gegen die Springwellen anzukämpfen
und je weiter ich kam, desto fühlbarer machte sich ihr
stossartig wirkender Druck. Schon sah ich die düstere
Wölbung, noch eine letzte Anstrengung und eine heran-
rollende Woge trug mich hinein in den gähnenden
Schlund.
Der Strömung folgend , gelangte ich etwa fünfzehn
bis zwanzig Schritte weit in's Innere der Höhle. Hier
wurde das Wasser merklich kälter und ein trübes Dämmer-
licht, das nach der Tiefe zu in vollständige Finsterniss
überging, lies9 die Umgebung im ersten Moment nur un-
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Der nasse Ofen.
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Itornholm.
deutlich erkennen. Vergeblich sah ich mich nach einem
Punkte um, auf welchem ich ein wenig ausruhen
konnte. Ich war ermattet und vermochte kaum noch die
Arme zu bewegen. Aber nirgends, wohin ich auch blickte,
zeigte sich eine zum Rasten geeignete Stelle. Tief unter
mir lag der Meeresgrund und zu beiden Seiten ragten
selrwarzgraue Granitwände empor, die, vielfach zerrissen,
sich in der Höhe zu einem Spitzbogen vereinigen. Eisig
kalte Tropfen rieseln an ihren Flächen herab und machten
mich durch ihre Berührung erschauern. Tastend und
suchend schwamm ich längs der Wände, bald rechts,
bald links, immer vorwärts. Endlich stiess ich mit dem
Fusse auf einen harten Gegenstand. Es war ein unter
dem Wasserspiegel verborgenes Rift*. Halb erstarrt hob
ich mich mit Aufbietung aller Kräfte auf seine Oberfläche.
Da sass ich nun, vollständig erschöpft und dachte mit
Grauen an den Rückweg. Würde icn aus dieser Höhle
wieder heraus kommen, oder sollte ich hier meines Lebens
Ziel erreicht haben ? Ich verwünschte meine Unvorsichtig-
keit, aber die Reue kam als hinkender Bote. Kaum hatte
ich einen Blick für meine Umgebung, die zu betrachten
ich doch kurz zuvor selbst Geiahren nicht scheute. Jetzt
beschäftigte mich nur der Gedanke, den Ort so schnell als
möglich zu verlassen. Alles gemahnte hier an das Grab.
Und an diesen Gedanken, der immer bedrückender wurde,
hing sich mit Centnerlast die physische Abspannung. Zu-
weilen seinen es mir, als ziehe eine dämonische Gewalt
mich in die Tiefe, als müsste ich vom Felsen hinab-
gleiten und könnte mich nicht mehr halten. Dann machte
dass ich meine Glieder noch in meiner Macht hatte.
Die Distanz zu messen blickte ich auf den Eingang.
Geblendet musste ich die Augen schliessen. War, was
ich so eben gesehen, Wirklichkeit oder ein berückendes
Traumbild? Aber ich wachte ja, hörte das Rauschen und
Klatschen des Wassers in meiner Nähe, fühlte den eisigen
Luftstrom aus dem Hintergrunde der Höhle. Und doch
war das meinen Blicken sich darbietende Naturschauspiel
fast zu schön, um wahr zu sein.
In der Ferne blitzte die von der Sonne beschienene
See wie flüssiges Silber, im Schatten der Felsen war sie
tiefblau. Diese Bläue spiegelte sich wieder in der Wöl-
bung der Höhle, so dass die Granitmassen aussahen wie
Saphir. Selbst ihre Dichtigkeit schienen sie verloren zu
ich unwillkürlich eine B
icl
üb
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IV. Im naasön Ofen.
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haben, denn der Ton war so duftig und lichterfüllt, dass
auch die Felsen transparent erschienen. Etwas weiter
nach dem Innern zu wich das Blau einem leuchtenden
Grün, welchem ein helles Roth folgte. Letzteres ging
dann über zuerst in ein warmes Braun und endlich in
tiefes Schwarz. Blau, grün und rosa schimmerten auch
die aufsprühenden Wassertropfen, während aus den
Seitenwänden hervortretende Quarzstücke durchsichtigen
Edelsteinen aller Farben glichen. Es war ein Anblick,
den keine Feder zu beschreiben, kein Pinsel wiederzugeben
vermag, eine Variation des Farbenspiels aus der „blauen
Grotte" von Capri. —
In Betrachtung versunken, hatte ich meine Lage
ganz vergessen. Da' schwang Merlin seinen Zauberstab
in Gestalt einer emporzüngelnden Welle, die mich rück-
wärts in's Wasser stürzte. V erschwunden war das wunder-
bare Bild, ich sah nur noch die weite Höhle mit all'
ihren Schrecken. Diesen so schnell wie möglich zu ent-
rinnen, schwamm ich dem Ausgang zu. Schon war ich
in der blauen Region, nahe der Mündung, angelangt, als
eine neue W T elle mich wieder zurückdrängte. Ein zwei-
ter, ein dritter Versuch hatten denselben Misserfog. Meine
Situation wurde immer ernster und ich gestehe gern,
dass ich nahe daran war, an meiner Rettung zu ver-
zweifeln. In solchen Momenten erscheint Alles düster.
Schatten huschen an unserm Blick vorbei, wir hören
Stimmen, kämpfen mit Phantomen. — Lasciate ogni
speranza! glaubte ich beständig zu vernehmen, überall
in Lapidarschrift zu sehen. Entsetzen packte mich,
Angstschweiss trat mir auf die Stirn, ich schwamm um
mein Leben. Dicht vor dem Ausgangspunkte schmiegte
ich mich gegen die Wand und hielt mich krampfhaft am
Gestein fest, bis die eben eingedrungene Woge vorüber-
gerollt. Meine Hände bluteten , Arme und Schultern
waren zerschunden, aber ich achtete nicht darauf. Jetzt
war die Oeffnung frei eine Minute später befand ich
mich vor der Höhle, ich war gerettet. Wohl wurde es
mir schwer, zwischen den Klippen hindurch an das Ufer
zu gelangen, indess, das Schlimmste hatte ich überstan-
den. Als ich den Strand betrat, da brach ich fast ohn-
mächtig zusammen und konnte längere Zeit kein Glied
rühren. Ich war nach meiner Uhr nahe an zwei Stunden
im Wasser gewesen.
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Bornholm.
Und wieder entfaltete das Meer alle seine Reize.
Sonnig und blau lag es da, verführerisch lächelnd und
doch eine Sphinx, unergründlich, voller Geheimnisse*) . . .
V. Hammershnus.
Den Nachmittag verbrachte ich auf einem schattigen
Plätzchen zwischen den Ruinen von Hammershuus, wo ich
nach einigen Chroniken die Geschichte der alten Veste
und zugleich diejenige von Bornholm studirte.
Die Luft war warm und gewürzt durch den Duft
des abblühenden Hollunders, der am Fusse der Mauer-
reste in dichten Büschen steht. Sommerfäden schwebten
in anmuthiger Wellenbewegung dem Meere zu, auf wel-
chem in weiter Ferne mehrere Dreimaster majestätisch
dahin zogen. Am äussersten Horizont zeigten sich die
bläulichen Contouren der schwedischen Küste.
Stille herrschte rings umher; die Natur schien, in
sich versunken, zu träumen. Und traumumfangen blickten
auch die grauen Burgruinen auf mich herab und erinner-
ten mich an Vergänglichkeit und Vergangenheit. Ich
ruhte auf historischem Boden. Hier hatten die alten
Bornholmer gekämpft gegen fremde Usurpatoren, hier
hatten sie die Treue gegen ihr angestammtes Königshaus
mit ihrem Blute besiegelt und dadurch sich und späteren
Generationen Privilegien erworben, die noch heute be-
stehen als ein theures Vermächtniss dankbarer Regenten.
Bornholmer, ihr dürft stolz sein auf diese Stätte, sie muss
euch heilig sein! Denn über ihr schwebt mit leisem
Flügelschlag der Genius der Liebe und der Treue zwischen
*) Die Höhle ist 60' lang, ca. 20' breit und 15 — 18' hoch. Ihre
Benennung „Ovn w rührt wohl von der Aehnlichkeit ihre» Einganges
mit demjenigen eines Backofens her. Um sie zu besichtigen, hat der
Reisende entweder in Sandvig oder in Vang ein Fischerboot (2—3 Kron.>
zu miethen.
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V. HammerBhuup
euch und eurem Köni^. Hier singt auch ferner die schö-
nen Lieder, die ihr mit euren dänischen Brüdern gemein-
sam habt, und gedenket der sinnigen Verse aus dem
„Danevang" :
„Hil dig Drot og hil dig Land!
Ved den blanke Vove,
Blomsteröer, grönne Strand!
Lyse Bögeskove !
Her er Troskabsfuglen graae
Faedres Höie grönne!
Vennen trofast, Himlen blaae,
Stettens Möer Bkjonne!
zu Deutsch :
„Heil dir König, heil dir Land,
Mit der Silberwelle!
Blumeneiland, grüner Strand,
Buchenwaldes Helle!
Hier Bind: Treue altersgrau,
Hünengräber immer-grün,
Freunde treu, der Himmel blau
Und der Mädchen Wangen bltthn!"
Der Chronik („Bornholm's Saga") zufolge wurde
Bornholm in ältester Zeit von eigenen Königen regiert,
die sich durch Seeräuberei weithin gefürchtet machten.
Das bestätigt auch der alte Seefahrer Wulfs tan
(880 n. Chr.), der die Insel Bornholm von Dänemark
unterscheidet, weil sie ihren eigenenKönighab e.*)
Ferner spricht der König Alfred**) von zwei Reichen
der Dänen, einem südlichen und einem nördlichen
(worunter jedoch das östliche und das westliche zu ver-
stehen sind), und dem Reiche Bornholm. Zuweilen
herrschten hier zwei und mehrere Könige zugleich, deren
Machtgebiete indess begreiflicherweise eine sehr geringe
Ausdehnung hatten. Wo aber die Geschichte beginnt —
übersetzt Quehl diese Chronik im Auszuge — da findet
sich auch Bornholm unter der Herrschaft und dem Schutze
der Könige Dänemarks, die mit geringen Unterbrechungen
durch Statthalter regierten. Erst um die Mitte des
11. Jahrhunderts war das Christenthum durch den Scho-
nischen Bischof Eginus nach Bornholm gebracht worden.
Es hatte eine willige Aufnahme gefunden und die alten
*) „Geschichte von Dänemark" von F.C.Dahlmann, Bd. I, pag. 66.
**) EbendaB.
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Bornholm.
nordischen Götzen waren überall der Vernichtung an-
heimgegeben. Da begab es sich, hundert Jahre später,
dass der dänische König Sueno Grathe mit dem Erz-
bischof von Lund in Streit gerieth und den alten Prälaten
in einem Korbe unter der Wölbung des Domes in Lund
aufhissen Hess. Sei es, dass die erzbischöflichen Truppen
sich anschickten, diesen Schimpf zu rächen, sei es, aass
König Sueno später Gewissensbisse empfand, genug, er
gab demselben Erzbischof zur Sühne und Entschädigung
für die erlittene Unbill die drei grössten Theile Born-
holms — das nördliche, südliche und östliche Herred —
die für alle Zeiten und mit allen ihren Einwohnern unter
den erzbischöflichen Stuhl von Lund gehören sollten.
TJm diese Zeit etwa oder wenige Jahre später wurde das
Scilloss Hammershuus *) erbaut, jene gewaltige Veste, deren
Ruinen noch heute von ihrer einstigen Grösse zeugen.
Die erzbischöfliche Herrschaft, das sogenannte „Guldalder"
oder „hellige Tidslöb", dauerte 373 Jahre, Oft kam es
während dieser Zeit zwischen den Königen von Dänemark
und den Erzbischöfen von Lund zu Streitigkeiten. Zu
einer derselben rief man auch den Fürsten Jarimarus von
Rügen zur Hülfe herbei, der nach glänzenden Siegen auf
Seeland wie Bornholm da, wo er sich am allersichersten
glaubte, bei seinen geistlichen Freunden in Lund selbst,
seinen Tod von der Hand eines Weibes fand, das ihn —
man weiss nicht, ob aus Vaterlandsliebe, Eifersucht, oder in
Vertheidiguug ihrer Ehre — mit einem 3Iesser durch-
bohrte. Aber, wie oft sich auch das Glück der Waffen
für die Königlichen entschied: die geistlichen Herren
gingen doch in der Regel aus dem Streite schliesslich
als Sieger hervor und so findet auch noch der Krieg, der
1522 zwischen Dänemarck und Schweden ausbrach, das
ganze Bornholm als ein Lehen des Erzbischofs von Lund.
3lit dem 1523 folgenden Frieden wurde das Land auf ein
halbes Jahrhundert an die Lübecker abgetreten, die den
Schweden beigestanden hatten. Der Erzbischof von Lund
erhielt als Entschädigung; ein Lehen in Schonen und die
Lübecker saugten während jener fünfzig Jahre das Land
nach Kräften aus. Die Einwohner, die in den bis-
herigen Kämpfen eine ziemlich passive Rolle gespielt,
sich im Uebrigen aber unter der milden Herrschaft
*) Wahrscheinlich in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts.
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V. Hammershuus.
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des Krummstabes sehr wohl gefühlt zu haben schei-
nen, empfanden die Lübeck'sche Habsucht sehr bitter.
Aber vergeblich beklagten sie sich ,.over de Lübske
Vampyrer" beim König von Dänemark, der sich die
höchste Entscheidung in weltlichen Dingen und die
Landesoberhoheit vorbehalten hatte. Sie möchten sich
selbst helfen, lautete die Antwort. Die Bornholmer
liessen sich das nicht zweimal sagen, griffen 1538 zu den
Waffen und würden vielleicht die Lübecker verjagt haben,
wenn sie — wie es in der Beschreibung des Probstes
Jens Pedersen sehr naiv heisst — schon damals das
Schiessen hätten vertragen können. Der Erhebung folgte
ein noch grausameres Regiment, durch welches Wohl-
stand, Landbau und Handel so zurückgingen, dass eine
f rosse Anzahl von Bauerhöfen gänzlich verfiel, die Ge-
äude einstürzten und auch die von den Bischöfen ge-
gründeten Kaufstädte einen gar traurigen Anblick boten.
Wohin dieser Zustand führen würde, war nicht abzusehen,
da Christian HI. den Lübeckern für erlittenen Ausfall
noch einen vierzehnjährigen längeren Besitz der Insel
zugestanden hatte. Da machte ein Zwischenfall dem-
selben ein Ende. Bei einem Besuche nämlich, den
Friedrich II. der Stadt Lübeck abstattete, tanzte er mit
der eitelen Gemahlin des dortigen Bürgermeisters, die
sich für die hohe Ehre, „at danse med Kong Frederik den
Anden", dadurch erkenntlich zeigte, dass sie des Gatten
Wohlweisheit vermochte, Bornholm beim bevorstehenden
Ablauf der fünfzig Jahre wieder abzutreten. — Seitdem
existirt die in Lübeck, Dänemark und auf Bornholm
wohlbekannte Redensart: „Bornholm vertanzen"*)
Man pflegt damit Leichtsinn und Unüberlegtheit in allen
Lebensverhältnissen zu bezeichnen und will so von vorn-
herein auT die Folgen hinweisen.
Während der nun folgenden siebzig Jahre — von
1572 — 1642 — erholte sich das Land afimälig. Als die
wichtigsten Ereignisse aus jener Zeit führt die Chronik
an: die 1602 auf Bornholm ausgebrochene Pest („den
sorte Dod") und ein Blutbad (1619) bei Nexö, von wel-
chem später die Rede sein soll. Mit grosser Ausführlich-
*) Im Lübecker Rathhaust findet sich ein grosser silberner Becher
mit der Inschrift: „dar danzet Bornholm hen" (da tanzt Born-
holm hin).
Stromer, Die Insel Bornholm. 4
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Bornholm.
keit ist sodann die Vertreibung der Schweden von Born-
holm, oder „Die schwedische Vesper" beschrieben,
eine historisch denkwürdige Begebenheit, deren Schilde-
rung auch Quehl in sein Buch „Aus Dänemark" über-
nommen hat. Ich lasse dieselbe mit einigen Zusätzen
und einem Briefe Friedrich III. an die Bornholmer hier
folgen.
Nach dem schwächlichen Lehnsherrn Holger Rosen-
kranz war einer der ersten dänischen Grossen, Ebbe
Ulfeld, der Schwiegersohn des Königs, Lehnsherr ge-
worden. Aber in dem damals in Dänemark zwischen der
Monarchie und der Aristokratie entbrannten Kampfe er-
griff Ebbe Ulfeld die Partei seines Bruders, des Korfits
Ulfeld und flüchtete nach dem Falle und der Flucht
dieses mächtigen Günstlings wie dieser nach Schweden,
wo beide am Hofe die freundlichste Aufnahme fanden.
Korfits wurde schwedischer General und trug nicht
wenig dazu bei, den Schwedenkönig Karl Gustav bei
dem Siegeszuge gegen Dänemark zu unterstützen, der in
kurzer Zeit fast das ganze Land eroberte und am 26. Februar
1658 zu dem für Dänemark so unglücklichen Frieden von
Roeskilde beitrug. Durch diesen Frieden ward auch mit
der ganzen Provinz Schonen Bornholm von Neuem an
Schweden abgetreten. Am 29. April nahmen bereits die
ersten schwedischen Truppen unter Anführung eines
Obersten Johann Prinz en s kj old von dem Lande
Besitz und schlugen ihr Hauptquartier in Hammers-
h u u 8 auf.
Gleichviel, ob der damals sechsundvierzigjährige Oberst
früher als simpler Reiter, oder als Adjutant des Prinzen
von Zweibrücken in Deutschland und Polen gekämpft
hat : er war durch seine körperliche Stärke und Gewandt-
heit, seine Unerschrokenheit und das Glück, das ihn in
allen Schlachten gegen Wunden und Tod geschützt hatte,
eine grosse militairische Notabilität geworden, hatte von
Karl Gustav den Namen Prinzenskjold (Fürstenschild}
erhalten und schien seinem Könige wie dazu geschaffen,
um mit einer kleinen Macht aus einem neu erworbenen
Lande so viel Steuern zu erpressen wie nur möglich, und
es dabei doch in Ordnung und Gehorsam zu erhalten.
Beide Theile dieser Aufgabe hatten freilich ihre Schwierig-
keiten. Denn Bornholm, das sich von den früheren Un-
ruhen noch nicht ganz erholt hatte, war erst kürzlich
von einer furchtbaren Pest heimgesucht, welche die ohne-
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V. Hammershuus.
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hin schwache Bevölkerung gelichtet hatte. Häufiger Miss-
wachs und Viehseuchen waren gefolgt und hatten zum gänz-
lichen Verfall vieler Höfe beigetragen, unter denen ohne-
hin die Vornede gaarde — d. h. Höfe, die Eigenthum
des Königs und von Bauern gefaestet waren — sehr
schlecht bewirtschaftet wurden. Also die Kuh, die ge-
melkt werden sollte, war dürr und mager — man kann
freilich sagen, auch kraftlos, um sich gegen allzu grosse
Ansprüche zu wehren. Auch sorgte Prinzenskjold bald
nach seiner Ankunft dafür, dass von der ohnehin nur
geringen Zahl der waffenfähigen Männer über die
Hälfte theils als Soldaten nach Stettin und Riga, theils
als Matrosen auf die schwedische Flotte gebracht wurde.
Aber dieser Statthalter hatte in seinem eigenen Charak-
ter eine Schwierigkeit, an der sein Werk scheitern musste.
Wie rauh, streng, unerbittlich die wahren Haudegen und
die Soldaten vom Kopf bis zum Fusse auch sein mögen,
sie pflegen immer gerecht zu sein. Sie sind nicht geneigt
Unterschiede der Geburt und Stellung gegenüber der
Pflichterfüllung anzuerkennen, und das Bewusstsein ihrer
Kraft lässt sie immer die Regel vernachlässigen: Divide
et impera ! (Theile und herrsche.) Hätte sich Frinzenskjold
mit dem Adel, der Geistlichkeit und den Beamten gegen
den Bürger, Kaufmann und Fischer verbunden, sein
Regiment würde länger gedauert und keinenfalls das
tragische Ende genommen haben, dem es nunmehr ent-
gegen ging. Aber er vernichtete die Steuerfreiheit der
bis danin Privilegirten , Hess gleich nach dem An-
tritte seines Amtes das ganze Land genau vermessen,
die Bewohner nach Vermögen und Einkommen ab-
schätzen , hiernach die Steuern vertheilen , und rührte
sogar an die Zehnten der in diesem Punkte besonders
empfindlichen" Geistlichkeit. Ohne Zweifel würden die-
selben Massnahmen, wenn sie zu anderen Zeiten und
von der nationalen Regierung ausgegangen wären,
in den mittleren und unteren Ständen eine grosse Zu-
friedenheit erzeugt und die Regierung befestigt haben.
Aber Prinzenskjold war der Vertreter eines verhass-
ten Eroberers, die Zeiten waren ohnehin drückend
und der ganze Steuerbetrag erhöht. So konnten die
mittleren und unteren Classen weder eine Erleichterung
ihrer Lasten noch eine Entschädigung für dieselben in
dem Gefühle nationaler Selbstständigkeit und Ehre er-
warten, und so musste der erbitterte Hass des Adels
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Bornholm.
und der Geistlichkeit auch bei ihnen eine geneigte. Auf-
nahme und bereite Hand finden. Dazu kam, dass der
dänische König Friedrich III., nachdem Schweden den
kaum geschlossenen Frieden wieder durch den Einfall in
Seeland gebrochen, unter dem 8. November 1658 die
Bornholmer aufforderte ,. sich , wenn irgend möglich , der
schwedischen Herrschaft zu entledigen.
Das königliche Schreiben*) lautet in wortgetreuer
Uebersetzung :
„Friedrich III. grüsst Euch Alle und Jeden, Geist-
lichkeit, Bürgermeister und Gemeindeleute , die Ihr von
jeher mit Gott und durch Unsere Gnade einmüthiglich
auf Bornholm wohnet, — Wie Euch wohl bekannt ist, sind
Wir vom König von Schweden, trotz abgeschlossener
Contracte und Unseres guten Einvernehmens mit sei-
nem hiesigen Gesandten, unvermuthet mit Kriegsmacht
hier in Unserem Lande Seeland überfallen und in Unserer
Residenz - Stadt Kopenhagen zu Wasser und zu Lande
Gottes gnädigen Beistand und der Holländer ansehnlichen
Succurs, so weit gekommen sind, dass Wir, dank
Gottes Hülfe, des Feindes Flotte nicht mehr zu furchten
brauchen, da der Feind sein Belagerungswerk hier vor
der Stadt verlassen hat , so wollen Wir , im Vertrauen
auf Eure Treue und gute Affection gegen Uns und
Euer Vaterland, Euch sämmtlich ermahnt und erinnert
haben, dass Ihr unablässig auf Mittel und Wege bedacht
sein müsst , durch welche Ihr Euch vom Schwedischen
Joche befreien, wie Ihr im Besonderen die Garnison
auf demSchlosseHammershuus, wennmöglich
vollständig, vernichten und, dieweil Inr die Schwe-
dische Flotte nicht mehr zu fürchten habt , das Land
wieder unter Eure Defensive stellen könnt.
Wir wollen Eure Treue, die Ihr Uns in dieser Zeit
beweist, in allen Gnaden anerkennen , sobald Gott fried-
liche Zustände giebt und ausserdem (wenn Ihr Euch gut-
willig unter Unsere Regierung stellt) Euch ferner mit
*) „Bornholms Saga", pag. 54 u. 56.
belagert worden. Nachdem
durch
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V. HammerBhuue.
53
solchen Privilegien und Begnadigungen versehen, von
denen Ihr Nutzen und Gutes haben könnt.
Gegeben auf Unserem Schlosse in Kopenhagen,
den 8. November 1658.
Unter Unserer Hand und Siegel.
Friedrich R."
(L. S.)
Dieser Brief fiel wie ein Funke in ein Pulverfass.
Aus der allgemeinen Gährung heraus bildete sich unter
der Leitung der Geistlichen und der Vornehmsten so-
wohl in den Städten wie auf dem Lande eine grosse
Verschwörung, die sich zuerst mehr passiv, dann aber
plötzlich activ äusserte. Die schwedischen Soldaten —
und Prinzenskjold hatte damals ein Commando von
1500 Mann zu seiner Verfügung auf Hammershuus — die
sich einzeln sehen Hessen, wurden misshandelt oder ver-
schwanden. Hier und dort wurden Steuern verweigert,
und die Abgesandten des schwedischen Statthalters mit
Hohn nach Hause geschickt. Prinzenskjold wollte diesen
Excessen mit einem Schlage ein Ende machen und die
Schuldigen bestrafen, aber das Mittel, das er hierzu er-
griff, war gerade dasjenige, auf welches die Bornholmer
gerechnet und den Plan der Vernichtung der schwedischen
Herrschaft gebaut hatten. Er verbreitete nämlich 1000
Mann seiner Truppen über das ganze Land, die sich auf
die einzelnen Hofe vertheilen und die rückständigen
Steuern eintreiben sollten. Zwar waren sie vorsichtig
genug, immer nur in kleinen Trupps und niemals
einzeln auf den Höfen Quartier zu nehmen , aber die
scheinbare Ruhe, mit der die einzelnen Bauern und ihre
Familien die soldatischen Brutalitäten ertrugen, machte
sie bald so sicher, dass sie trotz jener Vorsicht ihrem
Verderben entgegen eilten. Während sie nämlich am
Tage ihrer traurigen Beschäftigung der Steuereintreibung
una Pfändung eimg oblagen, entschädigten sie sich des
Abends durch Trinkgelage und gingen niemals anders
als sinnlos betrunken zu Bett. So sollte nach dem Plane
der Bornholmer auch die Zeit des ersten Rausch-Schlafes
die Zeit der Rache und des Todes werden, und über das
ganze Land war die Verabredung getroffen, dass am
9. December keiner der einquartierten Schweden „weder
den Mond noch die Sonne mehr aufgehen sehen solle"^
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Bornholm.
Prinzenskjold selbst trug wider seinen Willen dazu
bei, dass dieser Plan auch allseitig pünktlich ausgeführt
wurde. Als tüchtiger Commandant wollte er sich mit
eigenen Augen überzeugen, dass Alles nach seinem Willen
vorwärts ginge, und seine Soldaten ihre Schuldigkeit
thäten. Er ritt daher am 8. December gleich nach Mittag
auf seinem prächtigen Hengst „Skjold", nur von einem
Secretair und zwei Reitknechten begleitet, von Hammers-
huus. Snep, sein treuer Hund, folgte dem Statthalter,
der zuerst seinen Weg nach Hasle nahm, dort an des
Bürgermeisters Haus hielt, den Herrn Bürgermeister, in
dessen Wohnung eben eine Anzahl Verschworener tagte,
herauskommen Hess, um ihm zu erkennen zu geben, dass
auch Hasle nächstens Einquartierung zu erwarten habe,
wenn es sich ferner in der Steuerzahlung säumig zeigen
sollte, und dann unbesorgt seinen Weg nach Rönne fort-
setzte. Ein vortrefflicher Reiter, traf Prinzenskjold dort
bei guter Zeit ein, stieg bei dem Bürgermeister ab und
begab sich in das Besuchszimmer, wo er hinter einem
grossen Tische Platz nahm, dessen schwere steinerne
Platte auf einem kolossalen Fusse von Eichenholz ruhte.
Die Verschworenen aus Hasle waren ihm nachgeeilt, und
während Einige von ihnen die Rönner allarmirten und
vermochten, dass sie keinen der wenigen in Rönne selbst
liegenden schwedischen Soldaten mehr aus der Wohnung
Hessen, wurden Andere an die Hausthüre des Bürger-
meisters als Wache gestellt, und nur gegen zwölf Mann,
von Kopf bis zu Füssen bewaffnet, traten in den Saal ein.
Sie fanden den Statthalter und den Bürgermeister be-
reits in lebhaftem Wortwechsel. Der letztere hatte er-
klärt, dass die Bürger keine Steuern an Schweden mehr
zahlen würden. Prinzenskjold erging sich in Flüchen und
Drohuno-en. Auch die drohenden Mienen und höhnischen
Worte der Eintretenden Hessen noch keine Furcht in
ihm aufkommen. Als aber einer von seinen Reitknechten
athemlos mit der Meldung hereinstürzte , dass sich auf
der Strasse bewaffnete Männer zusammenrotteten, fasste er
einen schnellen Entschluss. Mit seiner riesigen Kraft
wirft er den grossen Tisch , vor dem die Verschworenen
und hinter dem er selbst stand, um, gewinnt unter der
Betäubung der Erschrockenen die Thür und eilt nach
dem Stalle, um sein Pferd zu holen. Aber er findet die
Stallthür von innen verriegelt. Vergeblich ruft er sein
Pferd, vergeblich schreit das treue Thier zur Antwort
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V. Hammershuus.
55
und sucht sein Gefängniss zu zerstossen. Da beschliesst
Prinzenskjold, zu Fuss zu entfliehen. Er schlägt mit ge-
waltigen. Hieben die beiden Wachen nieder, die sich ihm
in den Weg stellen und gewinnt die Strasse. Von meh-
reren Seiten wird er erkannt und auf ihn gefeuert. Er
bleibt unversehrt. „Gegen Blei ist er sicher, mit Silber
muss er geschossen werden," ruft ein ehrsamer Bürger
vom sicheren Fenster aus, schneidet die schweren silber-
nen Knöpfe von seiner Festjacke, ladet sie in die Büchse
und — Prinzenskjold liegt, sogleich zu Tode getroffen,
am Boden. Alles stürzt auf die Leiche zu, aber noch
vertheidigt sie der treue Snep , bis er selbst , von vielen
Kugeln durchbohrt , auf ihr niedersinkt und die Leiche
seines Herrn, von einigen herbeigeeilten Leitern des Auf-
standes gegen Plünderung und Misshandlungen geschützt,
nach dem Rathhause getragen wird. Die Begleiter
Prinzenskold's waren schon vorher auf der Strasse ermordet.
Die anderen schwedischen Soldaten in der Stadt hatten
kein besseres Schicksal, sobald sich die Nachricht von
dem Tode des gefürchteten Anführers verbreitete, und das
geschah mit Blitzesschnelle. Jens Kofod, einer der
eifrigsten Leiter des Aufstandes, sandte eben so rasch
Boten über das ganze Land mit der Mahnung, mit dem
„Schweineschlachten" nicht zu zögern und nach seiner
Beendigung an den vorher verabredeten Orten in der
Nähe von Hammershuus sich zu sammeln.
So brach die verhängnissvolle Nacht vom 8. zum
9. December herein. Um Mitternacht begann das Blut-
bad unter dem Geläute der Kirchengloclcen , denn die
Schweden sollten nicht wie Heiden sterben, sondern
christlich zum Himmel fahren — offenbar eime Anordnung
der geistlichen Herren , die sie für ihre Mit Wissenschaft
und Betheiligung vor Gott und Menschen rechtfertigen
sollte. Herren und Knechte, Greise und Knaben, Frauen
und Jungfrauen — Alles vereinigte sich zum blutigen
Werke. Nur zwölf Schweden fanden die erbetene Gnade,
aber 965 wurden zum allergrössten Theil im Schlafe er-
mordet, später aber auf der Nordseite der Kirchhöfe
„christlich" begraben.
Jens Kofod hatte sich inzwischen an der Spitze einer
kleinen Schaar aus Rönne und Hasle in der Nähe von
Hammershuus in einen Hinterhalt gelegt. Er ritt den
Hengst „Skjold" und trug des gefallenen Statthalters
Hut, Pistolen und Schlachtschwert. Mehrere Patrouillen
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56
Bornholm.
und Boten, die man während der Nacht und beim Tages-
grauen vom Schlosse entsandt, wurden überfallen und
ermordet, so dass man in Hammershuus keine Nachricht
von den schrecklichen Ereignissen der Nacht haben und
erhalten konnte. Der Gemahlin des Statthalters, die mit
dem näch8tcommandirenden Offizier in des Gemahls Ab-
wesenheit das Commando getheilt zu haben scheint, fiel
es freilich schwer auf das Herz, dass ihr Eheherr am
Abend den versprochenen Boten nicht gesandt, und dass
keiner von denjenigen zurückkehrte, die sie während der
Nacht ausgeschickt hatte. Es wurde daher am Morgen
eine grössere Truppenabtheilung , einen Adjutanten
Prinzenskjold's an der Spitze, nach Rönne geschickt —
aber auch sie fiel in die Hände Jens Kofod's, der in-
zwischen bedeutende Verstärkungen erhalten , und nach
furchtbarer Metzelei kehrte der Anführer, selbst schwer
verwundet, allein nach Hammershuus zurück mit der
schrecklichen Botschaft der Ereignisse des vorigen Tages
und der vergangenen Nacht. Bald sah man auch auf
den Höhen die Schaaren der Bornholmer sich ausbreiten,
die von allen Seiten hinzuströmten. Aber diese Heeres-
macht war doch nichts weniger als furchtbar. Sie zählte
nur eine kleine Zahl waffenfähiger Männer, der grösste
Theil bestand aus Krüppeln, Greisen und „Schürzenreitern 4 '
wie die Bornholmer Jungfrauen (die sonntäglich zur
Kirche zu reiten pflegten) zu Pferde genannt wurden.
Ein muthiger Ausfall vom Schlosse mit der ganzen Mann-
schaft hätte unzweifelhaft diese Masse vernichtet, und da
das Schloss mit Nahrungsmitteln gut versorgt war, hätte
es sich wohl halten können, bis Verstärkung aus Schweden
herbei kam.
Aber Jens Kofod und Genossen wussten wohl, dass
sie in der belagerten Burg einen mächtigen Bundes-
fenossen — in den Truppen selbst — hatten. Prinzenskjold
atte nämlich circa 500 Soldaten aus der neuen schwe-
dischen Provinz Schonen, und da er sie für weniger zu-
verlässig hielt und mit den Landesbewohnern, ihren
früheren Landsleuten, nicht in Berührung kommen lassen
wollte, hatte er gerade die zuverlässigen Schweden über
das Land verbreitet und die Schonen zurückgelassen.
Sobald diese Truppen nun hörten, dass ihre Kameraden
vernichtet, der Statthalter ermordet, und die Bornholmer
Herren des Landes geworden seien, verweigerten sie den
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V. Hammerehuus.
57
Gehorsam und nöthigten die Gemahlin Prinzenskjold's,
gegen Sicherung des Lebens und freien Abzug , das un-
einnehmbare Schloss den Bornholmern zu übergeben.
Jens Kofod wurde zeitweiliger Commandant, und seiner
Schlauheit gelang es, die ganze Besatzung eines,
einige Wochen später mit Verstärkung anlangenden
schwedischen Transportschiffes gefangen zu nehmen und
das Schiff in den Hafen von Könne bringen zu lassen.
Ein zweiter Versuch einem anderen Schiff gegenüber
missglückte ihm freilich. Der Commandant desselben
merkte Unrath und Hess in den Booten, die der falsche
Prinzenskjold ihm sandte, Niemanden an das Land
gehen. Vergeblich ritt Jens Kofod auf dem bekannten
K088 des Ermordeten und mit seiner ganzen Kleidung
und seinen Waffen geschmückt am Ufer hin und her,
winkte und drohte. „Des Löwen Haut sehe ich wohl,"
sagte der Schiffs-Commandant , „aber sie bedeckt keinen
Löwen" — und er nahm die Bootsführer gefangen und
kehrte um nach Schweden.
Bald nachher sandten die Bornholmer eine Depu-
tation an König Friedrich IH. nach Kopenhagen mit
einem Gabe-Brief, der dem Könige Friedrich III. von
Dänemark persönlich, für sich und seine Nachkommen,
Bornholm zu ew'gem Erb' und Eigenthum schenkte.
König Friedrich III. antwortete unter dem 29. De-
cember der Deputation mit einem Briefe, in dem er zum
Lohne ihrer Treue den Bornholmern solche Privilegien
versprach, wie sie dem Aufkommen des Landes nur för-
derlich sein könnten. Ausserdem versprach der König
auf eine Zuschrift des Bornholmer Adels vom 19. Januar
1659 unter dem 3. Mai dieses Jahres noch ausdrücklich
und feierlich, Bornholm niemals wieder den Schweden
zu übergeben. Beide Zusagen sind gehalten worden.
Auch wurde das Land in jeder Hinsicht mit Vorrechten
bedacht, die zum Theil noch heute existiren. „Seit jener
Zeit hat keines Feindes Fuss Bornholms Klippenstrand
ungestraft betreten. Das Land aber blühte auf und be-
fand sich glücklich unter Friedrich III. väterlicher .
Regierung". Damit schliesst die Chronik. Bemerkens-
werth ist darin noch das sogenannte Prinzens kjold-
Lied, welches, eine Parodie auf Prinzenskjold's Nieder-
lage, in witziger Weise die vergeblichen Bemühungen dea
schwedischen Statthalters, sich zu retten, schildert. —
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Bornholm.
Die Geschichte des Schlosses während der letzten
beiden Jahrhunderte bietet wenig Interessantes. Vom
Juli 1660 bis zum December 1661 wurden Corfitz Ulfeid
und seine Gemahlin Leonora Christine auf Hammershuus
gefangen gehalten. Später Hess man das Schloss als
Festung eingehen und so fiel es denn, da Reparaturen
daran nicht mehr ausgeführt wurden, allmälig in Trüm-
mer. Uebrigens tru^ auch die umwohnende Bevölkerung
das Ihrige dazu bei, das Zerstörungswerk zu beschleu-
nigen, indem sie Steine abbrach und zu anderweiten
Bauten verwandte. Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts
stürzten nach Grove die Gewölbe des Schlosses ein und
erst durch königliche Resolution von 1822 wurden die
damals noch übrigen Ruinen vor fernerer Zerstörung be-
wahrt. Jetzt wuchert Gestrüpp und Unkraut zwischen
den Mauerresten und der Wanderer gedenkt beim An-
blicke der verfallenen Veste wohl der Worte Zephanja's
über Ninive :
„Wie ist sie so wüste geworden u
Ja, wüste ist sie in der That, diese einst so belebte
Stätte, wüste und unheimlich , wenn der Sturmwind sich
in dem alten Gemäuer fängt und darin ächzt und stöhnt,
wie zu Tode Gemarterte, wenn der Regen gegen die
Wände prasselt , das Meer Woge auf Woge dröhnend
gegen den Fuss des Berges rollt und ein wolkenbedeckter
Himmel als Rahmen das Ganze umspannt; — wüste,
wenn falbe Blitze die Scenerie momentan erhellen, wenn
des Mondes Silberlicht zitternd die Trümmer streift ;
wüste, auch wenn freundlicher Sonnenschein den Ort be-
leuchtet, wenn kein Hauch die Gräser bewegt und die
azurne See in der Tiefe melodisch murmelt, wüste, ein-
sam und doch unbeschreiblich schön! Vergangenes wird
hier wieder gegenwärtig, poetisch verklärt, und Bilder
auf Bilder entstehen und reihen sich aneinander zu einem
Panorama, in welchem Dichtung und Wahrheit, Natur
und Geschichte sich harmonisch vereinigen.
Stunden waren vergangen, seit ich die Lecture be-
gonnen und mich in die Betrachtung meiner Umgebung
vertieft hatte. Schon wurden die Schatten, welche die
Gebäudefragmente warfen, länger und die Sonne sank
tiefer und tiefer, als ich mit einem Scheideblick auf die
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VI. Einige Bornholmer Bräuche.
59
gefallene Grösse den Heimweg antrat. "Wie verschieden
war doch der Eindruck, den ich heute empfangen, von
dem gestrigen! Und doch möchte ich auch den letzteren
nicht missen.
VI. Einige Bornholmer Bräuche.
Unweit der Brücke, welche über den Wallgraben zu
der verfallenen Burg führt, sass in einer natürlichen
Laube eine Gesellschaft von mehreren Damen und einem
Herrn beim — Kaffee. Ohne auf die einzelnen Personen
zu achten, wollte ich grüssend vorbeigehen als ich beim
Namen gerufen wurde. Ich wandte mich um und er-
kannte, näher tretend, den Bürgermeister Marckmann
und in den Damen meine würdige Wirthin und deren
Verwandte aus Rönne, die eine Spazierfahrt nach Allinge
gemacht und hier oben Kaffee geKocht hatten.
„Drik en Kop Kaffe med os!" redete Herr Marck-
mann mich an, während die Damen auf der roh gezim-
merten Bank näher an einander rückten, um für mich
Platz zu schaffen. Und dieser Einladung mehr Nach-
druck gebend, nahm er mich beim Arm und zwang mich,
trotz dankender Ablehnung meinerseits , ihm zu folgen.
Gleichzeitig hatte auch Frau Dams die Kaffeekanne aus
einer w T ollenen Umhüllung- befreit und mir eine Tasse
eingeschenkt, neben welche eine andere Dame schönes
weisses Gebäck legte. Nun half kein Widerstreben mehr
und ich ergab mich nicht ungern der Uebermacht.
Die Unterhaltung, in die ich sofort hinein gezogen
wurde, als sei ich ein alter Bekannter, drehte sich um
den nahe bevorstehenden Besuch des Königs auf Born-
holm, den als Fest zu feiern bereits jetzt überall Vor-
bereitungen getroffen wurden. Dann ging das Gespräch
über auf Volksfeste überhaupt und auf das alte Born-
holmer „Scheuerfest" im Besonderen. Letzteres ist
originell genug, um hier in Kürze erwähnt zu werden.
Als Hammershuus noch Gouvernementssitz war, mussten
die Bauern dorthin die Steuern in Geld und Naturalien
bringen und wurden dann jedesmal mit Bier und Brannt-
wein bewirthet. Später blieb diese Bewirthung aus. Als
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Bornholra.
Ersatz dafür erhielt jede Gemeinde ein steuerfreies Grund-
stück, dessen Ertrag zur Bestreitung der Kosten für ein
jährlich zweimal stattfindendes Volksfest bestimmt war.
findungsgabe hatten die Bornholmer Frauen in diesem
Privileg eine Anerkennung ihrer Reinlichkeit zu erblicken
geglaubt und nannten das Fest „Skuregilde" oder Scheuer-
fest. J ede Gemeinde hatte ihren Präsidenten (Oldermand),
welchem der „Skraaherre" (Richter), zwei Stuhlbrüder
und ein Feuermann zur Seite standen. Wurde während
des Gelages der Tumult zu gross , so schlug der Vor-
sitzende mit seinem Stocke auf den Tisch, worauf Schwei-
gen eintrat und alle Anwesenden ihre Hüte abnahmen.
Pflicht des Feuermannes war es, dafür zu sorgen, dass
den Rauchern die Pfeifen nicht ausgingen. Im Jahre 1739
wurde dieser Brauch abgeschafft und der Ertrag der
steuerfreien Gemeindeländereien durch eine königliche
Verordnung zur Errichtung von Volksschulen verwendet.
— Noch eine Stunde sassen wir so plaudernd beisammen
und traten dann, als die Sonne unterging und Meer und
Insel mit ihren letzten Strahlen in eine Purpuratmosphäre
hüllte, gemeinschaftlich den Heimweg an. vor dem klei-
nen Wirthshause in der Nähe des Ruinenberges erwartete
uns der bereits angespannte Wagen der Frau Dams.
Wir stiegen ein, der Bürgermeister auf den Bock — ob-
schon ich ihn bat, den mir angewiesenen Platz im Fond
zu nehmen — und fuhren in raschem Trabe nach Allinge.
Hier verabschiedeten wir uns von den Damen, welche
die Fahrt nach Rönne fortsetzten.
Der schon am Morgen erhaltenen Einladung zufolge
begleitete ich Herrn Marckmann in seine Wohnung, wo
ich von der Familie — seiner Mutter, seiner Gattin und
zwei blühenden Töchtern — auf das Freundlichste
empfangen wurde. Bald sassen wir in gemüthlicher
Tafelrunde und plauderten über nationale Eigentümlich-
keiten, zu denen eine mir vorgesetzte Lieblingsspeise der
Dänen, „röd Gröd", welche aus Grütze, Himbeersaft und
anderen Ingredienzen bereitet wird und eben so wohl-
schmeckend wie erfrischend ist, die sachliche Veranlassung
bot. Ich will versuchen, einige Details aus unserm Ge-
spräch, insoweit dieselben das Leben der Insulaner be-
treffen, aneinander gereiht, hier wieder zu geben.
Die Bevölkerung Bornholms besteht im Wesentlichen
aus Seeleuten und Ackerbauern. Wer am Strande wohnt,
Geschlecht eierenthümlichen Er-
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VI Einige Bornholmer Bräuche.
61
ist Fischer oder Schiffer, wer im Lande lebt, Landmann.
So war's in alten Zeiten und so ist's noch heute. Die
Söhne der Fischer werden Fischer und diejenigen der
Bauern übernehmen den Besitz ihrer Väter, um ihn
später ihren Kindern zu vererben. Alle Strandbewohner
gelten für tüchtige Seeleute. Sie saugen das Seeleben
gleichsam mit der Muttermilch ein, haben das Meer immer
vor Augen, begleiten schon als Kinder ihre Väter, wenn
diese auf den Fischfang ausziehen und hören deren kriti-
sirende Bemerkungen über vorbeisegelnde Schiffe. Spricht
ein solcher Seemann von irgend einem Punkt der Insel,
50 sagt er nicht, er liegt rechts oder links von diesem
oder jenem Ort, sondern er nennt genau die Himmels-
oder Windrichtung, die er anzugeben weiss, auch wenn
man ihn mit verbundenen Augen mehrmals im Kreise
herumgedreht hat ; fragt man ihn z. B. : „wo wohnt Ihre
Braut," so antwortet er: „ost-süd-ost," oder: „west-süd-
west eine Stunde von hier," oder gar: „eine halbe Meile
leewärts." *) Auffällig bei beiden Klassen der Bevölkerung
ist das viele Branntweintrinken. Der Arbeiter beginnt
und beschliesst sein Tagewerk mit einem „Sy" (Schnaps)
deren er täglich fünf zu sich nimmt. Man hat berechnet,
dass jeder Bornholmer pro Jahr ca. 75 Quart Spirituosen
zu ihren Brotherren soll auf dem Lande ein vorwiegend
patriarchalisches sein. Sie essen und trinken am Tische
ihrer Herrschaft und betrachten deren Interessen als die
ihren. Die Hauptbestandteile der Mahlzeiten sind Fische,
die , wie die Bauern sagen f im Magen revoltiren , wenn
sie nicht im Branntwein schwimmen können. Fast jeder
Bornholmer hat sein eigenes Haus. Will ein Bonde
(Bauer) sein Gut an einen Fremden verkaufen, so muss
er es zuvor für die stipulirte Summe einem seiner Ver-
wandten anbieten und hat dann erst das Recht den Kauf
abzuschliessen. War der von Verwandten, geforderte
Preis höher als der vom Käufer gezahlte Betrag, so hat
der frühere Besitzer seinen Verwandten die ganze Summe
als Strafe zu zahlen. Ueber die Art und Weise, wie auf
Bornholm Heirathen zu Stande kommen, giebt Panum**)
*) Unter dem Winde.
**) Welchen auch Quehl in seinem Werke „Aus Danemark"
anzieht.
consumirt.
der Knechte und Mägde
Bornholm.
■
folgende Beschreibung, die ich dieser Charakteristik an-
schliesse.
„Wer ein heirathsfähiges Kind, Sohn oder Tochter,
besitzt und eine passende Partie für dasselbe ersehen hat,
wendet sich an einen oder den anderen Mann, von dem
man weiss, dass er sich mit solchen „Arrangements" be-
schäftigt. Dieser Makler zieht nun über Vermögen, Mit-
gift etc. der betreffenden Person Erkundigungen ein und
empfangt für seine verschiedenen Bemühungen eine Kuh,
einen Ochsen oder auch 100 bis 200 Thaler. — „Alles
nach Vermögen der Betheiligten." Oft geht es so weit,
dass ein Mädchen die Person nicht einmal von Ansehen
kennt, mit der sie durch Hülfe des Maklers verbunden
werden soll und erst, wenn die „Partie geschlossen", die
Mitgift bestimmt, ja auch der dem Madchen einst als
Erbe zukommende Hof an den Bräutigam verkauft ist,
bekommt sie ihn zu sehen. Gefällt er ihr dann durch-
aus nicht, so hat sie doch keine Wahl mehr, als sich ent-
weder mit einem Manne, den sie nicht leiden kann, zu
verbinden oder ihm um sehr geringen Preis den Hof zu
überlassen. Man muss sich darüber wundern, dass die
Sache noch oft so gut geht und Scheidungen und un-
glückliche Ehen so selten sind. Doch fehlt es nicht an
Beispielen, dass Mädchen, welche glückliche Frauen und
tüchtige Hausmütter geworden wären, wenn sie nach ihrer
Neigung sich hätten vermählen dürfen, durch Gram und
Schmerz über die unglückliche Ehe frühzeitig in das Grab
gebracht wurden. Aber weit allgemeiner ist es, dass sich
diese Frauen mit bewundernswertner Geduld in ihr Schick-
sal ergeben und die Launen eines alten, geizigen, oft auch
dem Trünke ergebenen Gatten ertragen und mit Unver-
drossenheit seiner Haushaltung vorstehen. Eine Partie
zwischen einem reichen Manne und armen Mädchen oder
umgekehrt, ist nicht häufig, und man muss sich hierbei
oft über die Hartnäckigkeit sonst vernünftiger Eltern ver-
wundern. Die erste Frage, vor deren Erledigung die
Eltern nie die „Partie abschliessen" lassen, ist immer:
Wie viel Schulden sind auf dem Hofe u. s. w.? Macht
man den Eltern Vorwürfe, ihre Tochter an einen reichen
Geizhals oder Trunkenbold weggegeben zu haben, ant-
worten sie gleichgültig: „Ja, er lebt wohl nicht lange,
dann kann sie ja nehmen, wen sie will." Letzteres ge-
schieht auch, denn zum zweiten Male wählen die Frauen
selbst, wen sie lieb haben. Indessen kommen auch manche
VI. Einige Bornholmer Bräuche.
„Inklinations-Heirathen" vor; jedoch bliebe zu wünschen,
dass die oben erwähnte Sitte weniger allgemein wäre als
sie ist, denn gute Ehen gehen selten genug aus ihr
hervor. Die vorstehende Betrachtung schliesst mit einer
Anekdote, als Beweis, „wie man bei solchen Freiereien
zuweilen einig werde". „Eine wohlhabende Bauers-
frau hatte eine sehr hässliche Tochter. Indessen fand
sich doch ein Bewerber ein. Er hatte sich genau nach
der Mitgift erkundigt. Man kam mit allem Anderen ziem-
lich gut in das Reine. Da verlangte der Freier durch-
aus noch eine Partie „Hjulfiel", nämlich Holz zu den
Ringen der Wagenräder. Die 3Iutter antwortet : Er solle
sie wohl gerne bekommen, aber sie hätte in diesem
Augenblicke selbst keine „Hjulfielne". Er blieb bei seiner
Forderung, sie bei ihrer Weigerung. Endlich sagt er:
„Er müsse durchaus „Hjulfielne" haben, denn die Tochter
— sei doch gar zu hässlich". Das war zu stark, die Eitel-
keit der Frauen fühlte sich verletzt und so schnell, wie
man eine Hand umwendet, ergriffen Mutter und Tochter
den Freier und warfen ihn vor die Thüre!"
Wie schon bemerkt, kommen Ehescheidungen äusserst
selten vor. Tritt ein solcher Fall ein, so muss der An-
trag dem Amtmann eingereicht werden. Sodann wird ein
Sühneversuch durch den Geistlichen gemacht. Bleibt
dieser fruchtlos, so müssen die Eheleute drei Jahre warten
und sich nach Ablauf dieser Zeit zu einem zweiten
Sühne-Termin stellen. Ist auch letzterer ohne Erfolg,
so werden sie sofort geschieden, wobei jeder der beiden
Theile die Hälfte des Vermögens erhält, wenn er sonst
nicht des Ehebruchs überführt worden ist. —
Ausser Fischfang und Ackerbau werden auf der Insel
noch einige industrielle Gebiete cultivitirt, so u. a. der
Schiffbau, die Uhrmacherei, das Schleifen von Halb-
früher in Dänemark sehr beliebt waren, und die Terra-
cotten-Fabrikation, durch welche Rönne gewissermassen
Weltruf besitzt, denn die dort, in der Anstalt des Herrn
L. Hjorth, gefertigten Waaren werden nicht nur nach
fast allen Ländern Europas, sondern auch nach Amerika,
ja selbst nach Ostindien versandt. — Der Name Rönne
erinnert mich übrigens daran, dass auch Bornholm
seine „Müller" und „Schulzen" hat, die hier aber „Rönne"
und „Kofod" heissen und in allen Orten zu Dutzenden zu
finden sind.
Bornholmer Diamanten, die
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Bornholm.
An diese en resume zusammengefassten Mitthei-
lungen knüpfte sich ein Gespräch über religiöse und
philosophische Fragen, das ich indess, als nicht zum
Gegenstande meiner Darstellung gehörig, übergehe. Da-
egen kann ich nicht unterlassen hervorzuheben, dass ich
urch die gepflogene Unterhaltung eine Familie näher
kennen gelernt habe, deren Herzens- und Geistesbildung
sie wohl eines besseren Schicksals werth macht, als auf
Bornholms zwar grossartig schönem, aber von der civili-
sirten Welt abgeschlossenem Felsenstrand ein isolirtes
Dasein zu führen. Es mochte nahe an Mitternacht sein,
als ich sie verliess mit dem hoffnungsvollen Grusse : „Auf
Wiedersehn !"
VII. Von Allinge über Gudhjera nach Svanike.
Wenn der Leser auf der Karte die Entfernung misst,
die zwischen Allinge und Svanike liegt und „netto" 5
Meilen, „brutto", d. h. mit Abstechern nach links und
nach rechts, aber noch mejjr beträgt , so dürfte er wohl
geneigt sein zu glauben, dass ich von einem Vergnügungs-
reisenden zu viel verlange, indem ich ihm zumuthe, diese
Tour an ein^m Tage zu machen. Indess, ich erwarte das
keinesfalls, rathe dem Touristen vielmehr, die Route zu
halbiren und als Ziel des ersten Tagemarsches Gudhjem
in Aussicht zu nehmen. Wenn ich selbst diesen Weg an
einem Tage zurücklegte, so bewoo; mich dazu der Wunsch,
meine Wanderung, uoer Nexö hinaus , auch auf die Süd-
küste auszudehnen und den durch einen Parforce-Marsch
gewonnenen Tag darauf zu verwenden. Schon jetzt aber
will ich gestehen, dass nach dem, was ich vom Süden
Bornholms gesehen und von Bewohnern dieses Striches
darüber gehört habe, der Besuch desselben nicht der Mühe
lohnt, es sei denn , er werde zum Zwecke geognostischer
Studien gemacht. —
Herr Holm, der den Sonntag zu einer kleinen Reise
nach dem Innern der Insel benutzt, hatte versprochen,
mich am Montag eine Strecke zu begleiten. Er erschien
zur verabredeten Stunde im Hotel. Nachdem ich meine,
für Logis und Beköstigung auf zwei Tage im Ganzen
VII. Von Allingc über Gudhjem nach Svanike.
65
kaum 5 Mark betragende Rechnung bezahlt und vom biederen
Wirth Abschied genommen hatte, begannen wir, vom
schönsten Wetter begünstigt , unsern Marsch , welcher
uns in östlicher Richtung zunächst nach Rö führen sollte.
In einiger Entfernung von der Stadt verliessen wir die
landeinwärts biegende Chaussee und betraten einen Vici-
nalweg, der sich längs dem zerklüfteten Strande hinzieht
und beim Dorfe Teign Fiskerlei in die Allinge mit
Gudhjem verbindende Strasse mündet. Da man auf die-
ser Wanderung die St. Oles-Kirche fortwährend zur
Rechten und die See zur Linken erblickt, so ist der Weg
nicht zu verfehlen. Wir folgten ihm, bis wir, nach ca.
l l / 9 Stunde auf der Chaussee angelangt, die St. Oles-
Kirche ungefähr einen Büchsenschuss weit, direct hinter
uns, also gerade im Westen, sahen und schritten nun auf
der Strasse dahin. Letztere ist an beiden Seiten durch
Getreidefelder begrenzt, die rechts hin und wieder mit
entfernt liegenden Gebüschen abwechseln , während das
Land links allmälig zu Felsen erstarrt, welche als Strand
viele pittoreske Punkte aufweisen, hinter denen die azur-
blaue See den ganzen nördlichen Horizont bildet. Nach
Verlauf einer halben Stunde erreicht man einen rechts
zum Strande hinabsteigenden Pfad, den wir einschlugen.
Er schlängelt sich zwischen Gärten hindurch und führt
in ein bewaldetes Thal. Vor dem Eintritt in dasselbe
bat mich mein Begleiter, auf wenige Minuten die Augen
zu schliessen und mich von ihm an der Hand führen zu
lassen. Ich folgte dieser Weisung in Erwartung des
Schauspiels, das sich bald darauf meinen Blicken zeigen
sollte. Nachdem wir so etwa zwei Minuten halb neben,
halb hinter einander, gegangen waren, stand mein Führer
still und sagte: Wenn Sie jetzt die Augen öffnen, so
sehen Sie:
Dyndalen.
Vor mir lag ein paradiesisches Waldthal, welches
sich muldenförmig von Süden nach Norden hinzieht und
dort bis dicht fcn die See herantritt. Wir standen am
westlichen Rande auf einem Felsvorsprung, dem soge-
nannten „Amtmandss teen", von dem man die
schönste Aussicht über diese in ihrer Art einzige Wald-
landschaft hat. Der Anblick wirkte auf mich so über-
raschend, dass ich im ersten Moment kaum meinen Augen
zu trauen wagte und fürchtete, das liebliche Gebilde
Stromer, Die Insel Bornholm. 5
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Bornholm.
würde plötzlich in Dunst zerrinnen. Nimmer hatte ich
geglaubt, dass Bornholm inmitten seiner strengen Fels-
Formation so anmuthige Punkte als köstliche Perlen berge.
Stumm, bewundernd, stand ich da, keines Wortes mäch-
tig. Auch mein Begleiter überliess sich ganz dem Ein-
drucke, welchen das ihm längst bekannte Dyndal jetzt
wiederholt auf ihn machte. Zu unseren Füssen in der
Tiefe murmelte ein Bächlein, vor uns, zu beiden Seiten
desselben, erhoben sich dichtbewaldete Böschungen, deren
frisches Grün dem Au^e ungemein wohlthut. Die ver-
schiedenartigsten Laubhölzer stehen hier dicht bei ein-
ander und zeigen in ihrem Blätterschmuck so schöne
Nuancirungen, als habe ein Künstler dieselben zusammen-
gestellt. Welche Harmonie der Farben! Vom Dunkel
einen stufenweisen Uebergang mit so feiner Abtönung,
dass wir kaum zu erkennen vermögen, wo die eine Farbe
aufhört und wo die andere beginnt. Ueber das duft-
umwobene Waldthal hinwegschauend, erblicken wir links
die See und in weiter Ferne, nach Osten zu, die Insel-
gruppe Ertholmene. Das ist ein Motiv für Landschafts-
maler, ein Motiv, das keiner Idealisirung bedarf.
Vom „Amtmandssteen" führt ein Pfad hinab in die
Tiefe und an den Strand. Folgt man demselben, so sieht
man links schroff abfallende Granitwände, an welchen
Epheu und Flechten emporklettern, sowie einen aus der
Höhe herabstürzenden Wasserfall, — rechts dagegen, auf
dem weniger steilen Abhang üppiges Laubholz und fast
undurchdringliches Gebüsch. Dann gelangt man, nahe
dem Strande, an eine kleine Brücke und, wenn man diese
überschritten und den nun bergan steigenden Weg noch
ungefähr fünf Minuten lang fortgesetzt hat, auf den Vor-
platz von ,,H elligdomsgaard", eines Bauerngutes, in
welchem der Reisende Logis und ländliche Bewirthung
erhalten kann. Wir begnügten uns mit der letzteren und
begaben uns nach kurzer Rast wieder an den Strand, der
hier einen so wildromantischen Charakter zeigt, dass man
sich plötzlich in eine fremde Welt versetzt wähnt. Ver-
schwunden ist die anmuthige Waldlandschaft von Dyndalen
und eine strenge, aber grossartig schöne Fels-Scenerie :
fesselt den Blick. Zerklüftete Granitmassen ragen aus
dem Meere empor, hier als senkrechte Wände, dort als
er Blutbuche bis
zum
Helligdommen
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Bornholm.
freistehende thurmhohe Klippen. Sie umschliessen eine
kleine Bucht, in die wir mit einiger Mühe hinabkletterten,
um die seltsam gestalteten Steingebilde mehr in der
Nähe zu betrachten. Dem felsigen Grunde entspringt
die „hellige Kilde", eine Quelle, welche schon den Urein-
wohnern der Insel als heilig galt und dem Orte seinen
Namen (Heiligthum) gegeben hat. Weht der Wind von
Norden, also von der Seeseite, so liegt dieselbe unter dem
Meeresspiegel und ist nur durch einen kaum wahrnehm-
baren Strudel zu erkennen; bei entgegengesetzter Wind-
richtung tritt sie zu Tage als ein kleiner Born, der sein
krystallKlares Wasser in die See ergiesst. Obschon fast
Windstille herrschte, sahen wir doch nur den Strudel
und die Oeffnung in einer Tiefe von Stockes Länge. Vor
uns, zwischen zwei Scheeren, befindet sich ein hübscher
Landungsplatz, links erhebt sich ein mächtiger Granit-
block, welcher auf seinem Gipfel einige Bäume trägt,
rechts steht ein ca. 70 Fuss hoher Felskegel , neben ihm
liegen die Trümmer eines andern, der vor fünfzig Jahren
umgestürzt ist, ein Schicksal, das auch dem noch erhal-
tenen Klippengebilde über kurz oder lang bevorsteht,
denn es ist bereits stark verwittert und vermag dem
Wogenanprall bei Nordstürmen schwerlich noch grossen
Widerstand zu leisten. Ihrer Form wegen wurden beide
Klippen „Lysene" oder die Lichter genannt. Ein
dritter isolirt dastehender Steinkoloss heisst die „Gans "
(Gaasen), aus welchem Grunde, sei dahingestellt, da selbst
eine lebhafte Phantasie eine Aehnlichkeit zwischen ihm
und der Gestalt einer Gans kaum entdecken würde. Noch
sind als bemerkenswerth zu nennen zwei grosse Höhlen,
die eben so wie diejenigen unter Hammerhuus „der
trokene und der nasse Ofen" heissen. Der erstere ist
75' lang, 6—8' breit und 10—12' hoch, der letztere 60'
lang, 20' breit und 16' hoch. Beide sollen mit einer
Tropfsteinschicht bedeckt sein, von welcher ich im
„trockenen Ofen", den man zu Fuss erreichen kann, jedoch
nur einen embryonischen Ansatz bemerkt habe. Auf die
Besichtigung der anderen Höhle verzichtete ich, weil ein
Boot nicht in der Nahe war und ich in Folge der Tags
zuvor gemachten Erfahrungen zu einer zweiten Schwimm-
Nachdem wir noch eine halbe Stunde lang auf den
Felsen umhergeklettert waren und die nach Osten zu sich
fortsetzende, eigentümliche Klippenbildung genugsam
partie durchaus keine Nei
ȟrte.
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VII. Von Allinge über Gudhjem nach S^anike.
69
betrachtet hatten, verliessen wir diesen überaus pittoresken
Ort und folgten einem schmalen Pfade, der an „Hellig-
domsgaard" vorüber, direct nach Süden zur Chaussee
führt. Hier nahmen wir von einander Abschied; Herr
Holm kehrte nach Allinge zurück, mein Ziel lag ostwärts.
Noch ein „farvel" und mein Begleiter war an einer Krüm-
mung des Weges verschwunden.
Nach kurzer Wanderung erblickte ich die links neben
der Chaussee stehende, von Gebüsch umgebene RÖ-
Kirche, welche der Sage zufolge von einem Bauer
Rö und seinen zwölf Söhnen erbaut sein soll. Sie ist
klein und einfach und besitzt als einzige Merkwürdigkeit'
einen silbernen Kelch, der angeblich von einem 1678 ge-
strandeten schwedischen Transportschiff herrührt und fol-
gende deutsche Inschrift trägt : „Diesen Kelk und Patent
hat der Oberster Lieutenant Stahl machen lassen vor dem
Uplandischen Regiment zu Fuss. Es haben Officir und
Soldaten dazu geben ; gehöret also dem Regiment, Got gebe
seine Genat und Segen durch Jesum Christum ! Ao. 1664.
Stettin 23. April." Eine zweite Inschrift ebenfalls in
deutscher Sprache, die sich hier auf zwei Grabsteinen
von weissem Marmor findet, lautet: „Hinrich G. Jehan:
disse Sten und Stede gehöret M. S. Jehan und sine
Ervenn," woraus man schliessen darf, dass in der Rö-
Gemeinde früher deutsche Ansiedler lebten, die vielleicht
vom Sturm nach Bornholm verschlagen waren. Weniger
anspruchslos als ihre Kirche ist die umwohnende Bevöl-
kerung, welche sich Roer nennt, „röisch" spricht und auf
die anderen Einwohner Bornholms geringschätzig herab-
blickt. Sie hält ihr Idiom mindestens für gleichberech-
tigt mit der dänischen oder- der deutschen Sprache und
unterscheidet das „Röische" bei jeder Gelegenheit vom
„Bornholmischen", von dem es im Grunde genommen
nur eine Mundart ist.
Vor der Rö-Kirche macht die Strasse eine Biegung
nach links und läuft dann etwa 3 / 4 Stunde parallel mit
der Strandlinie bis zu einer Brücke, die über die durch
ein bewaldetes Thal fliessende Bobbeaa führt. Von
diesem Punkte aus erreicht man, sich bald wieder nach
Nordosten wendend, in einer Stunde Gudhjem. Auf hal-
bem Wege zwischen Rö und dem letztgenannten Orte
rillte sich zu mir ein Wanderer, der mich um Feuer
seine irdene Pfeife bat und darauf ein Gespräch an-
knüpfte, aus welchem hervorging, dass er ein in Gudhjem
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Boraholm.
wohnender Fischer sei. Den Weg gemeinschaftlich fort-
setzend, plauderten wir über die Gegend und zuletzt auch
über die im Munde des Volkes umlaufenden Sagen. Da
hörte ich denn zu meiner Ueberraschung die Variation
einer Legende, die mir vor Jahren einmal ein Appen-
zeller über seine Heimath erzählt hatte. Sie scheint mir
interessant genug, um hier angeführt zu werden. Vor
alten Zeiten — so begann mein Gewährsmann — hatte
unser Herrgott noch hier und dort ein Plätzchen auf
Erden, wo er von der Wochenarbeit ausruhte und sich
heimisch fühlte. Ein solches Plätzchen war auch Gudhjem
oder „ Gottesheim". Damals grünte und blühte dort Alles
und die Vöglein zwitscherten in den Zweigen der Bäume
das ganze Jahr hindurch. Nun begab es sich eines
Tages, dass der „Ruhelose" mit einem Sack voller Steine
von Schweden her über die See gerade auf Gudhjem zu-
gepflogen kam. Da ergrimmte unser Herrgott und warf
mit einem Steine nach dem Bosen, den er so traf, dass
der Sack platzte und sein Inhalt auf die Küste , gerade
da, wo jetzt Gudhjem steht, herabfiel. Seitdem ist das
so geblieben, aber unser Herrgott hat gleichwohl Gudhjem
nicht verlassen. Nur ist er unsichtbar geworden und hat
uns statt der Garten- und Feldfrüchte seinen Fischsegen
gegeben, der übrigens auch seinen Mann ernährt. Doch,
da sehen Sie den Ort selbst!
Gudhjem
das grösste Fischerdorf der Insel, besteht aus ca. 85 Ge-
bäuden und einer kleinen Kirche. Aus einiger Entfer-
nung betrachtet, gleichen die terrassenförmig vom Strand
aufsteigenden Häuser Schwalbennestern , die frei und
keck gegen die Felsen geklebt sind und in ihrer Ge-
sammtheit einen höchst malerischen Anblick bieten. Die
Strassen sind eng und den Bodenverhältnissen entspre-
chend uneben. Man steigt bald bergauf, bald bergab.
Längs der Häuser und nicht selten quer über die Strassen
sind Schnüre gezogen , an denen lange Reihen von He-
ringen zum Trocknen hängen. Ueberall merkt man den
Fischgeruch, der indess nicht gerade unangenehm wird.
Die Kirche steht inmitten des Friedhofes, rechts neben
der Strasse. Vor der Stadt liegt, zwischen Scheeren ge-
schützt, ein kleiner Hafen mit einer beträchtlichen An-
zahl von Booten. Rechts und links neben Gudhjem ist
die Küste mit zerrissenen Granitmassen bedeckt, die, an
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VII. Von Allinge über Gudhjem nach Svanike.
71
vielen Stellen, in die See hinaustretend, allerdings den
Gedanken erwecken, sie seien in chaotischer Unordnung
aus der Höhe auf diesen Landfleck herabgestürzt. Wer
den Norden bereist hat, wird hier lebhaft an gewisse
norwegische Küstenpunkte erinnert. Richtet man den
Blick seewärts, so sieht man in einer Distanz von etwas
über zwei Meilen die bereits genannte Inselgruppe
„Ertholmene" — Christiansholm (2200' lang und
1240' breit), Frederiksholm (1400' lang und 400'
breit) und Graes ho Im (1400' lang und 700' breit) —
welche bei günstigem Winde von Gudhjem aus in weni-
gen Stunden zu erreichen ist. Auch findet sich oft Ge-
legenheit zur Ueberfahrt. In früheren Zeiten waren diese
Felseninseln als Sitz von Seeräubern verrufen. Angeb-
lich, um dem Kaubwesen ein Ende zu machen, in Wahr-
heit aber um Ertholmene für Schweden zu erobern,
rüstete Karl XI. eine Expedition aus, die indess, als sie
vor den Inseln anlangte, auf Christiansholm bereits die
dänische Flagge wehen sah. Ein Hund soll die Veran-
lassung gewesen sein, dass der Plan des Schwedenkönigs
an Dänemark verrathen wurde. Die Dänen kamen zuerst
und mahlten zuerst, wie es im Sprichwort heisst. Um
nun die Inseln vor einem feindlichen Ueberfall zu schützen,
Hessen Christian V. und seine Nachfolger Ertholmene
befestigen und daselbst eine Schicht Erde aufschütten,
die mit vieler Mühe von Kopenhagen und von Bornholm
aber auch ihre Fruchtbarkeit, denn es gedeihen auf ihnen
nicht nur Küchengewächse, sondern auch Erdbeeren,
Weintrauben und selbst Feigen und Melonen. Die
Festung ist in neuerer Zeit aufgenoben, ebenso das früher
auf Frederiksholm erbaute Staatsgefängniss. Dagegen
steht jetzt auf Christiansholm ein aus Granit aufgeführter
• Leuchthurm mit Lootsenstation. Die Einwohner treiben
Fischfang. Für Ornithologen besonders interessant ist
die unbewohnte Insel Graesholm. Dorthin kommen wäh-
rend des Frühjahrs und Sommers grosse Schaaren von
Eidergänsen, die ihre Brütezeit halten und im Herbst
wieder abziehen. Dann aber finden sich andere Seevögel
ein, welche daselbst überwintern.
Die Sonne hatte den Zenith längst überschritten, als
ich nach eingenommenem „Middesmad" im kleinen Gast-
hofe Gudhjem verliess und nun einem längs dem klippen-
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72
Bornholm.
reichen Strande sich hinziehenden Fusswege folgte , der
durch mehrere kleine Fischerdörfer in etwa l*/ a Stunde
nach der Felspartie:
Randklöveskaaret
führt. Gern hätte ich zuvor eine Bootfahrt nach Ert-
holmene unternommen, aber sowohl der conträre Wind,
wie Mangel an Zeit verhinderten mich, diesen Wunsch
auszuführen. So begnügte ich mich denn mit dem An-
blick aus der Ferne. Bei Randklöveskaaret stehen meh-
rere Bauernhäuser, deren Bewohner auf ihren Feldern
mit der Ernte beschäftigt waren. Alle Thüren standen
offen, ein Beweis, dass hier Verwechslungen von „Mein"
und „Dein" nicht vorkommen. Vor einem der Häuser
wetzte ein alter Landmann seine Sense. Ich bat ihn um
ein Glas Wasser. Er ersuchte mich, ihm in seine Woh-
nung zu folgen , wo er mir einen Krug Bier und ein
Kästchen voll Tabak vorsetzte mit der Einladung, mir
eine Pfeife zu stopfen. Alsdann begleitete er mich eine
Strecke und machte mich auf die Gefahren aufmerksam,
welchen der Besucher von Randklöveskaaret ausgesetzt
ist. Diese Warnung war nicht überflüssig und noch
heute fühle ich mich dem braven Mann dafür zu Dank
verpflichtet.
Wenn ich mir das Bild vergegenwärtige, welches ich
damals als Strandlandschaft vor Augen hatte, so werden
auch die Eindrücke wieder lebendig, die es im Moment
der Betrachtung auf mich ausübte. Als ich Randklöve-
skaaret erblickte, war ich zuerst erstaunt ob seiner wilden
Schönheit. Dann, näher tretend und vorsichtig an einer
Granitwand hinab kletternd, empfand ich ein Grauen und
fühlte, wie mich ein kalter Schauer überlief, so dass ich
einen Moment nahe daran war, schwindelnd in die Tiefe
zu stürzen. Endlich, glücklich auf dem Grunde ange-
langt, vermochte ich nur noch zu bewundern all' die
phantastischen Felsgebilde, die mich umgaben. Randklöve-
skaaret ist , wie schon der Name iSkaaret: die Scharte)
ankündigt, ein Spalt, der ca. 40' tief in eine fast überall
von senkrechten Felswänden umgebene Schlucht hinab-
reicht, letztere ist nach allgemeiner Schätzung ungefähr
200' lang und 100' tief. Die vielfach zerklüfteten Wände
zeigen in ihren einzelnen Partien bald die Form mäch-
tiger Thurmruinen, bald diejenige colossaler Pfeiler,
während der mit Granitblöcken bedeckte Grund an das
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74
Bornholm.
Innere einer verfallenen Ritterburg erinnert. Am Süd-
ende dieser nach der Seeseite zu offenen Schlucht soll
sich eine, jetzt nicht mehr zugängliche, Höhle befinden,
in welcher, der Sage zufolge, in alten Zeiten ein Gatten-
mord verübt worden ist. Auch ohne diese legendarische
Zugabe ist der Ort unheimlich, besonders wenn man
allein dort weilt und, beim Rauschen der Wogen und,
Angesichts der an den Felswänden auf und ab huschen-
den Schatten der vorüberziehenden Wolken, der Phan-
tasie freien Spielraum lässt. Für die Wanderung am
Rande der Schlucht ist die grösste Vorsicht zu empfehlen,
da einige schmale Spalten mit Moos und Schlingpflanzen
bedeckt und unsichtbar sind. Ein Fehltritt kann den
Tod durch den Sturz in die Tiefe zur Folge haben. Man
thut also wohl daran , einen Führer aus der Umgegend
zu nehmen. Randklöveskaaret ist gewissermassen der
Knotenpunkt der bei Allinge beginnenden über Gudhjem
bis Svanike sich fortsetzenden und hinter Nexö endenden
Klippentyldung , die nirgends einen so grossartigen, im-
ponirenden Charakter zeigt wie an dieser Stelle. Hier
scheint eine aus dem Innern der Erde heraus wirkende
Gewalt ihre höchste und letzte Anstrengung gemacht
und dann an Kraft allmälig abgenommen zu haben, denn,
je weiter man nach Südosten kommt, desto mehr verliert
sich das scharfe Gepräge des specifisch Wilden.
Von Randklöveskaaret führt ein anmuthiger Pfad längs
der Küste nach Svanike. Diesen Weg beschritt ich
jedoch nicht, obschon er der kürzeste ist, denn ich wollte
meinen Tagesmarsch nicht beenden, ohne den an der
Landstrasse liegenden Hain Luiselund besucht zu haben.
Mich wieder landeinwärts wendend, folgte ich einem
Steige, der sich zwischen Getreidefeldern hinzieht und in
der Nähe eines grossen Gehöftes die Chaussee kreuzt.
Auf der letzteren meine Wanderung nach Osten zu fort-
setzend, musste ich an dem Hain vorüberkommen. Um
meiner Sache gewiss zu sein, fragte ich einen am Wege
stehenden Mann, den ich seiner Kleidung nach für einen
Knecht auf dem links neben der Strasse liegenden Gute
hielt, wie weit es noch bis Luiselund sei. „In etwa einer
Stunde," antwortete er mir, „werden Sie rechts von der
Strasse ein Gehölz und aus demselben eine Flaggenstange
hervorragen sehen; das ist der Hain." Als der Land-
mann darauf einige Schritte neben mir herging, forschte
ich weiter: „Sie dienen wohl auf jenem Hofe dort?" —
VII. Von Allinge über Gudhjem nach Svanike. 75
„Nein, Herr," erwiederte er, „ich bin der Besitzer." Ich
war natürlich nicht wenig überrascht und stotterte eine
Entschuldigung. Wer hätte auch errathen können, dass
der mit Jacke, Zwillichhose und Holzschuhen beklei-
dete Mann der Eigner eines Gutes sei, dessen Werth
vielleicht 300,000 Mark übersteigt! So findet man auf
Bornholm Wohlhabenheit mit Einfachheit oft beisammen
und darf gewärtig sein, dass ein hinter dem Pfluge ein-
herschreitender Bauer sich im nächsten Moment als kö-
niglich dänischer Lieutenant oder gar Hauptmann der
Bornholm er Miliz vorstellt.
Die Gegend, durch welche die Strasse als schnur-
gerade Linie sich hinzieht, ist monoton. Der Blick sucht
nach einem Haftpunkt und kann ihn nicht finden.
Dämmerung sank herab, immer enger ward der Horizont,
und die noch sichtbaren Gegenstände zeigten sich in
jenem Halblicht, das ein bestimmtes Erkennen nicht mehr
zulässt. In einiger Entfernung taucht eine dunkle Masse
auf. Es ist ein links neben der Chaussee stehendes
„Bondegaard". Rechts soll der Hain liegen. Und in der
That zweigt sich hier ein Feldweg ab, der in die Niede-
rung führt. Aus dieser steigen leichte Nebel empor und
treiben mit dem Winde dahin. Zwischen ihnen markiren
sich tiefe Schatten, Baumgruppen werden sichtbar, auch
die Flaggenstange fehlt nicht; es ist
Luiselund.
Eine Mauer umfriedet den Hain. Die kleine Pforte
stand offen, ich trete ein. Ermüdet zwar vom langen
Tagesmarsche will ich ihn doch näher kennen lernen.
Links am Eingang ragt ein Bautastein. Er ist dreieckig
und ungefähr acht Fuss hoch, nach oben zu sich ver-
jüngend. Man möchte ihn für einen versteinerten Wächter
halten. Ein Steig führt in den schönen Laubwald, ein
anderer zieht sich längs dem Steinwall hin. Ich folge
dem letzteren, um mich zuerst ein wenig zu orientiren.
Wie einsam es hier ist ! Ich höre nichts als das Knirschen
des Sandes unter den Füssen und das Wispern der Blät-
ter über mir. Die gefiederten Bewohner dieses „Hellig-
doms" scheinen bereits zu schlafen. Ein Geraschel lässt
mich einen Moment stille stehen. Es ist eine Eidechse,
die sich verspätet hat und jetzt zu ihrem Schlupfwinkel
zurückkehrt. Während ich noch auf sie achte, sehe ich
plötzlich im Grün der Gebüsche etwas Leuchtendes.
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76
Bornholra.
Einige Schritte weiter glimmt ebenfalls ein Funke, dort
noch einer und so zähle ich solcher Feuerpunkte einige
zwanzig. Der abergläubische Bornholmer würde sie für
die Augen der „Unterirdischen" halten und sofort den
Ort verlassen. Alle diese Funken sind harmlose Glüh-
würmchen. Aber, was steht dort, halb hinter einer Buche
versteckt? Der Gestalt nach könnte es wohl ein Mensch
sein, der den einsamen Wanderer belauert. Vorsichtig
trete ich näher und rufe, da sich nichts regt: „Hvem
er der ?" Keine Antwort. Jetzt taste ich mit dem Stocke,
der einen harten Gegenstand, einen — Bautastein, be-
rührt. Meine Wanderung fortsetzend, erkenne ich nach
und nach mehrere derartige primitive Denkmäler und
erinnere mich unwillkürlich des „Hävämal" der Edda, in
dem es heisst:
„Bautasteine stehn am Wege selten,
Wenn sie der Freund dem Freund nicht setzt.*
Von mehr als zwanzig Freundschaften giebt dieser
Hain Kunde. Die Freunde sind längst gestorben, ihre
Namen und Thaten vergessen, ihre Freundschaften aber
sind in Stein verewigt. Stumm und geheimnissvoll stehen
sie da, diese uralten Gedenkzeichen, das eine nach rechts,
das andere nach links geneigt, wie wenn die Last vieler
Jahrhunderte sie zur Erde beugte. Könnten sie doch
reden und erzählen von den alten Vickingen, die einst
die Insel bewohnten und die See beherrschten! Aber sie
schweigen, sie sind ja die Sphynxe des Nordens. —
Etwa eine halbe Stunde ist verflossen. Wieder stehe
ich vor der Pforte. Hinter mir rauscht es wie gewaltiger
Flügelschlag. Die Bäume neigen ihre Wipfel im Abend-
winae. Tiefer sinken die Schatten der Nacht und mahnen
zum Aufbruch. Und doch vermag ich den Ort noch
nicht zu verlassen. Was fesselt mich nur, Waldeszauber,
Sagenpoesie ? Ich weiss es nicht. . . . Horch ! . . . Welch
süsser Ton, so voller Liebes-Lust und Klage? Ist's eine
Sirene, die sich hier verborgen hält? ... Er verstummt
Da hör' ich ihn wieder Das kann nurPhilomele sein,
die Sängerin der Nacht! Immer schmelzender, verführe-
rischerwird der Gesang. Wie er lockt! Lauschend folge
ich der Klangrichtung und befinde mich nach wenigen
Schritten unter dem dunklen Laubdach schlank gewach-
sener Buchen. Rechts und links am Wege stehen Bänke.
Ich gehe weiter, einer kleinen Lichtung zu, die ein Rondel
bildet. Auch liier laden Ruheplätze zum Verweilen ein.
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VII. Von Allinge über Gudhjem nach Svanike.
77
Vor einer Gruppe von Bautasteinen mache ich Halt. Ein
Stein liegt am Boden, er soll mir als Bank dienen.
Die gefiederte Sängerin schliesst so eben mit einem
Tremolo. Im Osten erhellt sich der Horizont : M a n i ,
Mundilfori's Sohn, beginnt seine Wanderung durch das
All. Wie eine silberne Fluth ergiesst sein Licht sich
über den Hain, der jetzt einen wahrhaft magischen An-
blick gewährt und als ein Bild hehren Friedens dem Ge-
dächtniss sich einprägt für alle Zeit. — Nicht ohne Gefahr
für den phantasievollen Besucher ist der Aufenthalt in
Luiselund um diese Stunde, denn der Ort ist wie ge-
schaffen, um aus dem altnordischen Mythos, der ja auch
auf Bornholm eine heimische Stätte hat, eine sinn-
berückende Fata Morgana entstehen zu lassen. Soll
doch vor wenigen Jahren ein reisender Engländer von
hier in jähem Entsetzen geflohen sein und später in
Svanike behauptet haben, Asen seien ihm erschienen und
hätten um ihn her einen lautlosen Reigen aufgeführt.
Sodann habe er ein dumpfes Brausen und dazwischen
die Worte gehört:
„ Ich bin Odin's Sohn,
Meili'8 Bruder und Magni's Vater.
Du kannst mit Thor sprechen.
Ich frage Dich nun: wie heisscst Du? u
Plötzlich wäre es dunkel geworden. Da habe er es nicht
länger aushalten können und sei „über Hals über Kopf
geflohen. Hut und Schirm, die er im Schrecken ver-
gessen, waren am folgenden Tage verschwunden.
Für diese Vision giebt es nur zwei Erklärungen :
entweder war die Phantasie des Reisenden überreizt und
die am Nachmittag gelesene Edda spukte ihm im Kopfe,
so dass er Phantome sah und seine eigenen Gedanken
als Stimme hörte — was ja bei grosser Nervosität vor-
zukommen pflegt; oder ein Spassvogel, gleichviel ob ein
Bornholmer oder ein fremder, hatte ihm einen Streich
gespielt, der leicht schlimme Folgen hätte haben können.
Für Hut und Schirm mochte sich am andern Morgen
wohl ein neuer Besitzer aus der Umgegend gefunden
haben. Wie dem auch sein mag, der eine „Thor" oder
der andere war in der Edda wohl belesen, denn die
angeführte Stelle findet sich fast wörtlich im „Harbardhs-
liodh" (9).
Solche Hallucinationen beängstigten mich nun nicht,
obschon die Phantasie ein wenig zu vagabondiren ver-
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78 Bornholm.
suchte. Directen Anlass dazu boten die vor mir stehenden
Bautasteine, auf deren Flächen das Mondlicht spielte und
so dem Auge von Zeit zu Zeit neue Prospecte vorführte.
Als Palliativmittel gegen diese Versuchung lenkte ich
meine Gedanken aui den Ursprung der mysteriösen Ge-
denkzeichen, konnte indess ein befriedigendes Resultat
des Nachdenkens nicht erlangen. Ohne Zweifel ent-
stammt die Benennung einer keltischen Wurzel, und zwar
dem Worte bod, baidh (fiubaidh), Heerführer, Held, aber
das, mit einem Hinweis auf die allerdings unzureichende
Erklärung der Edda, ist auch so ziemlich Alles, was sich
darüber sagen lässt. Ich habe später viele Werke über
nordische Alterthümer durchforscht, nach dieser Richtung
hin leider erfolglos. Was nun diese Bezeichnung „Luise-
lund" anbetrifft , so ist dieselbe verhältnissmässig neuen
Datums und dem Orte zu Ehren der Gräfin Luise von
Danner, welche den Hain während ihrer Anwesenheit
auf Bornholm stets mit Vorliebe besuchte, gegeben
worden.
Es war bereits spät, als ich das schöne Wäldchen
verliess. Ich hatte gefunden, was ich gesucht: ein Stünd-
chen ungestörter Ruhe. Mit einem „Farvel Luiselund!"
trat ich meinen Marsch wieder an, der mich auf der
Chaussee in 8 / 4 Stunde nach Svanike führte.
VIII. Svanike. — Nexö. — Aakirkeby.
Svanike
ein betriebsames Städtchen von ca. 300 Häusern mit
1200 Einwohnern, leitet seinen Namen von den vielen
Schwänen ab, die sich früher in dieser Gegend gezeigt
haben sollen. Es liegt auf dem östlichsten Punkte der
Insel auf drei Felshügeln, die ein mit geringen Kosten
zu unterhaltendes, allerdings wenig ebenes, Strassen-
pflaster hergeben, und ist der Geburtsort des berühmten
Philologen Prof. Joh. Nie. Madwig. Wie bei Allinge
so ist auch hier der 12 — 15 Fuss tiefe Hafen theils von
der Natur gebildet, theils aus dem Granit gesprengt.
Vor der Einfahrt, oder vielmehr inmitten derselben ragt
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VIII. Svanike. — Nexö. — Aakirkeby.
79
eine Klippe aus dem Meere, welche wegen ihrer eigen-
thümlichen Form „Jomfruen" oder die Jungfrau heisst.
In der, auf einem der Hügel stehenden, an sich wenig
interessanten, Kirche befinden sich mehrere Grabsteine
noch aus der Zeit der Lübecker Herrschaft und ein
schöner Runenstein mit der Inschrift: „Bufi Hess (diesen
Stein) ritzen zum Andenken an seinen guten Vater Aukil.
Christ helfe seiner Seele."*) Auch die Glocke trägt eine
Inschrift (in dänischer Sprache), welche besagt, dass der
„eherne Mund" unter Bischof Bornemand und Probst
Morsing umgegossen wurde.
Als ich am Abend gegen 10 Uhr Svanike erreicht
hatte, waren die Strassen finster und menschenleer. Auf
gut Glück vorwärts schreitend, erblickte ich endlich eine
Frau, die ich fragte : „Hvor er den bedste Gjaestgivergaard
i Svanike?" Sie zeigte auf ein wenig einladendes Haus,
aus welchem mir lautes Rufen entgegen schallte. Das
konnte unmöglich der beste Gasthof des Ortes sein!
Zweifelnd ging ich weiter, bis ich einen Burschen traf,
der mir indess dieselbe Anwort gab. „En Hotel !" wieder-
holte ich. „A, ju Herre," entgegnete er, sich besinnend,
„vaer saa god, og folg mig." Und nun führte er mich
durch mehrere Strassen und Gassen an den Hafen, wo
ich vor einem Hause ein grosses Schild hängen sah. Es
war Hotel Oestersen. Inzwischen hatte ich die
Schlussfolgerung gezogen, dass man in Svanike, wie auch
in anderen Städten Bornholms , unter „Gasthof" etwas
ganz Anderes versteht als unter „Hotel". Der erstere
ist eine Schenke, das letztere einLogirhaus für Reisende.
Während ich im Fremdenzimmer auf das bestellte
Abendessen wartete und die nicht mehr ganz neuen
Kopenhagener Zeitungen durchblätterte , wurde meine
Aufmerksamkeit durch einen Herrn angezogen , der , die
Hände auf die Hüften gestützt und eine Melodie pfeifend,
tänzelnden Schrittes im Räume auf und ab ging. „Hau
er en Dandsmester," raunte mein Nachbar zur Rechten,
ein alter Schiffs-Capitain , mir zu und bemerkte weiter,
als der Herr ein „balance" ausführte und dabei die Dau-
men in die Westenärmellöcher steckte: „for et Mandfolk
er det meget latterligt!" Er hatte Recht, der Mann
machte sich allerdings recht lächerlich mit seinen ver-
schiedenen Posen, die er als Tanzlehrer der Jugend von
*) Nach dem Runenkenner Lehrer L. Petersen auf Bornholm.
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80
Bornholm.
Svanike einzuüben beabsichtigte. Nach einiger Zeit setzte
er sich zu uns an den Tisch und zeigte sich hier als ein
so aufdringlicher Patron, dass ich ihn kurz abfallen liess.
Sein Jargon erinnerte übrigens sofort an die hebräische
Satz-Construetion.
An der Wand hing ein Bild , welches den heiligen
Geist, in Gestalt einer Taube herabschwebend, darstellte.
Als ich dasselbe, halb unwillkürlich, einen Moment be-
trachtete, rückte der alte Seemann seinen Stuhl näher an
den meinigen und fragte: „Hat man Ihnen in Gudhjem
nichts von einem solchen Bilde erzählt? 4 ' Ich verneinte
und bat ihn um die Geschichte , denn ich merkte wohl,
dass er etwas derartiges auf dem Herzen hatte. „Kam
vor Jahren einmal ein Franzos nach Gudhjem und wollte
dort eine gebratene Taube essen," begann der Capitain
sein „Gespinnst" abzuwickeln. „Verstand aber nicht
Bornholmisch und der Wirth in Gudhjem noch weniger
Franzmännisch. War guter Rath also theuer. Der Franzos
verlangte immer „pigeon roti", der Wirth schüttelte den
Kopf. Da sieht der Fremde ein solches Bild an der
Wand hängen. Hvod er det? fragte er, mit dem Finger
darauf zeigend. Den hellig Geist! antwortete der Wirth.
Steg mig den hellig Geist ! (braten Sie mir den heiligen
Geist!) rief der Franzose. Der entsetzte Wirth lief hin-
aus und holte seine Frau und einige Nachbarn herbei.
Steg mig den hellig Geist, tout de suite! schrie der
Fremde noch einmal, dass das ganze Haus erdröhnte.
Man hielt den Reisenden für verrückt und er musste sich
beeilen, den Ort zu verlassen," schloss mein Nachbar seine
komische Erzählung.
Inzwischen war mein Abendessen servirt worden, das
weniger zu wünschen übrig liess als die Solidität der
Stühle, deren einer unter mir zusammenbrach, so dass
ich in ziemlich unangenehmer Weise mit dem Fussboden
Bekanntschaft machte. Nach beendigtem Mahl begab ich
mich in das mir angewiesene Zimmer, wo ich die Nacht
hindurch von Thor, Odin. und gebratenen Geistern träumte,
die der Tanzlehrer verspeiste.
Der folgende Morgen war trübe und nebelig. Im
Hafen, der unmittelbar vor den Fenstern liegt, begann
ein reger Verkehr. Fischerboote fuhren aus und ein,
Händler feilschten um den Nachtfang und ein englischer
Kutter machte sich segelfertig. In Erwartung des Früh-
stücks durchwanderte ich die kleine Stadt, besuchte die
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VIII. Svanike. — Nexö. — Aakirkeby.
81
nördlich von Svanike stehenden, durch ihre eigenthüm-
liche Form bemerkenswerthen „Tempelklippen" und
kehrte dann in's Hotel zurück. Unterwegs machte ich
die auch anderen Reisenden nicht entgangene Wahr-
nehmung, dass, wenn drei oder vier Svanikerinnen bei-
sammen sind, alle drei oder vier zugleich über fast eben
so viele Abwesende sprechen, was man vulgär „klatschen"
nennt. Fama behauptet sogar, dass von sieben zu einem
Oirkelchen versammelten Damen gewöhnlich sechs das
Bedürfniss fühlen, ihre Stimmen unisono zu hören. Doch
das ist gewiss eine Uebertreibung.
Die Entfernung zwischen Svanike und Nexö beträgt
V l4 Meilen. Der Weg führt jetzt nach Süden und zieht
sich längs dem Strande hin, der, zwar noch reich an
Klippen und nicht gerade arm an malerischen Punkten,
ailmälig an Grossartigkeit der Felsformation abnimmt und
nach und nach flacher wird. Rechts von der Strasse da-
gegen erhebt sich das Hochplateau, „Höilingen" mit
vielen schönen Aussichten, sou. a. „Helvedesbakkerne"
und „Klintebakken", welche man ohne grossen Zeit-
verlust auf dem Marsche besuchen kann. Andere inter-
essante Punkte sind „Paradiisbakkerne", mehrere
wilde Felsschluchten und die „Gamleborg", eine Burg-
ruine, deren Geschichte sich in die Sage verliert. Ferner
sei hier genannt der „Rokkesteen", einer jener merk-
würdigen Steine, die so auf ihrem Schwerpunkte ruhen,
dass trotz ihres bedeutenden Gewichtes*) ein einzelner
Mann sie in eine schaukelnde Bewegung versetzen kann.
Endlich verdient noch Beachtung „Gryet", ein Gehölz mit
mehreren schönen Bautasteinen. Dieser Hain ist jedoch
viel kleiner als Luiselund und vermag nicht den Wanderer
lange zu fesseln.
Nach dreistündigem Marsche erreichte ich
Nexö
ein freundlich gelegenes Städtchen, das auf der Landseite
von flachen Feldern umgeben ist, einen inneren und einen
äusseren Hafen besitzt und aus ca. 385 zum grössten
Theil einstöckigen Häusern mit 1600 Einwohnern besteht.
Vor der Stadt liegt der „Frederikssteinbruch", in welchem
hin und wieder schöne Versteinerungen gefunden werden.
*) Der grösste wiegt ca. 4000 Centner.
Stromer, Die Insel Bornholm. 6
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82
Bornholm.
Früher auf Staatskosten betrieben, ist dieses Unterneh-
men in neuerer Zeit in Privatbesitz übergegangen. Man
bricht dort einen vortrefflichen Sandstein, ist aber nicht
im Stande, ihn genügend zu verwerthen, da die geringe
Tiefe des von Sandbänken umgebenen Hafens den Export
des Materials durch Schilfe unmöglich macht. So treten
denn nicht selten Betriebsstockungen ein.
Nexö selbst ist weniger interessant als ein Blatt sei-
ner Geschichte. Im Sommer des Jahres 1645 war dieser
Ort der Schauplatz blutiger Ereignisse. Zu jener Zeit er-
schien hier der schwedische Admirai Wrang el mit 29 Schiffen
und bombardirte die Stadt, während 500 Mann nordöstlich
bei dem Strudel „Malqvärn u landeten. Nexö wurde genom-
men und von den Schweden geplündert. Als die Soldaten
am Strande ihr wüstes Gelage hielten und den Raub unter
sich vertheilten , versuchte Albert Wulften , ein Bürger-
sohn aus Svanike, mit einer Schaar junger Männer einen
Ueberfall, der auch gelungen wäre, wenn die Nexöer ihm
Hülfe geleistet hätten. Aber die Einwohner waren voll-
ständig entmuthigt und Hessen es geschehen, dass die
kleine Truppe heldenmüthiger Kämpfer der Üebermacht
unterlag und vor ihren Augen massacrirt wurde, indess,
nicht ohne zuvor eine grosse Zahl schwedischer Soldaten
erschlagen zu haben. Wohl zog die Bornholmer Miliz
heran, bereit, mit Einsetzung ihres Lebens den Feind zu
verdrängen, aber ihre Führer, der Statthalter Holger
Rosenkranz an der Spitze und die bornholmischen Edel-
leute Sivert Gagge, Just Nicolai und Christian Makkabäus,
die zu den reichsten Familien des Landes gehörten, waren
von den Schweden gewonnen und hatten Bornholm an die
Feinde verkauft. Durch den Frieden von Brömsebru,
der im folgenden Jahre geschlossen wurde, gelangte Born-
holm wieder in dänischen Besitz ; die Verräther erhielten
jedoch nicht die verdiente Strafe, sondern kamen durch
Vermittelung des schwedischen Hofes mit einer geringen
Geldbusse davon. Seitdem ist Nexö von keinem anderen
Feinde heimgesucht worden als von Seestürmen, die
allerdings ziemlich arge Verwüstungen angerichtet haben,
zuletzt derjenige im Herbst 1872.
Wie schon bemerkt verändert sich der Charakter des
Landes nicht nur durch allmälige Verflachung der Küste,
sondern auch durch die Beschaffenheit des Bodens. Wäh-
rend im Nordwesten und Nordosten der Insel die Fels-
massen fast ausschliesslich aus Granit bestehen, treten im
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VIII. Svanike. — Nexö. — Aakirkeby.
83
Süden vorwiegend Sandstein- und Schieferschichten der
Silurformation zu Tage, die eine, nach dem Meere zu leicht
geneigte, mil Flugsand bedeckte, Ebene bilden. Durch
diese im Allgemeinen wenig interessante Gegend setzte
ich meine Wanderung so lange fort, bis ich mich durch
den Augenschein überzeugt hatte, dass eine Tour um die
Südküste Bornholms nicht der Mühe lohne, und kehrte
dann zum Fischerdorfe Snogeboek (Schlangenbach) zu-
rück, wo die Strasse eine Biegung nach Westen macht.
Snogebeek ist eine für Schifte verhängnissvolle Stelle.
Hier erstreckt sich eine Sandbank fast eine Meile weit
in die See und viele Fahrzeuge gehen alljährlich auf
dieser Untiefe zu Grunde. Seit 1854 besitzt Snogebaek
einen R e 1 1 u n g s - A p p a r a t für Schiffbrüchige und zwar
ein Boot mit nur sechs Zoll Tiefgang, das weder um-
schlagen noch untergehen kann und im Gebrauchsfalle
von 6 — 8 Mann bestiegen wird. Dasselbe ist mit einer
Korkbekleidung und mit Ventilen zum Ablaufen des
Wassers versehen und steht beständig auf einem langen
Wagen in einem Schuppen am Strande. Die Bemannung
trägt Schwimmgürtel, welche am Boote befestigt sind,
damit Niemand über Bord gespült werden kann. Macht
ein zu hoher Seegang das Auslaufen des Fahrzeuges un-
möglich, so schiesst man auf Entfernungen von 1000 Schritt
nach den gestrandeten Schiffen mit Raketen, die eine
starke Schnur nach sich ziehen und durch letztere die
gefährdeten Seeleute in den Stand setzen, ein langes Tau
an^uholen und an diesem dann mittelst Fahrstuhl die
Landung zu bewerkstelligen. Snogebaek ist ferner da-
durch bemerkenswerth, dass in seiner Nähe das russische
Telegraphen -Kabel in's Meer gesenkt ist.
Der nach Rönne, resp. nach Aakirkeby führenden
Strasse folgend, kam ich in Intervallen von je einer
Stunde an zwei Kirchen, der Pouls- und der Peders-
K irche, vorbei. Unweit der ersteren, die aus schwarzem
Kalk- oder Cementstein aufgeführt ist, erhebt sich ein
ca. 200 Fuss hoher Hügel, der „Rispeb j erg" (Riesen-
berg), auf welchem in alten Zeiten die jetzt nur noch durch
einige Ruinen angedeutete „Ring bürg" gestanden hat.
Dieser Hügel soll, wie die Sage berichtet, früher von
Riesen und Zwergen bewohnt gewesen sein. Einer der
Riesen hicss Bonavede. Er ist gewissermassen der
Stammvater der Bornholnier und . seiner Charakteristik
nach zu urtheilen, der Urtypus der Insulaner. Bonavede's
6*
84
Bornholm.
Vater war ein Bonde (Bauer), seine Mutter eine Vaette
(Meerfrau). Zieht man diese Benennungen zusammen, so
entsteht Bondevaette, woraus sich später . Bondevedde,
Bondevede und Bonavede gebildet haben mögen. Bona-
vede war eben so gutmüthig wie schlau. Wollten die
Puslinge oder „Unterirdischen" ihm einen Streich spielen,
so kam er ihnen zuvor, denn er war ,.synsk u , d. h. er
konnte sehen, was Andere nicht sahen. So wusste er
auch , dass die Berggeister ihn eines Tages betrunken
machen und dann tödten wollten. Gleichwohl nahm er
den ihm von den Zwergen dargereichten Becher an,
schwang sich aber damit rasch auf sein Pferd und sprengte
davon. Den Pokal schenkte er als guter Christ später
der Peders-Kirche, wo derselbe noch heute zu sehen sein
soll. Nach einer anderen Legende war die Insel im An-
fang aller Dinge von guten und von bösen Geistern be-
wohnt. Bonavede hiess der Anführer der guten, Ulfson
derjenige der bösen Geister. Beide Theile bekämpften
sich fortwährend und führten endlich bei Hammershuus
eine Entscheidungsschlacht. Bonavede und die Seinigen
gingen als Sieger hervor und trieben Ulfson mit seiner
Schaar über das Meer nach Schweden. Seit jener Zeit,
also von jeher, kam aus Schweden nichts Gutes herüber.
Das ist die Rache der bösen Geister.
Hinter der Pederskirche zweigt sich rechts von der
Strasse der Weg nach
Aakirkeby
ab. Die Entfernung zwischen beiden Punkten beträgt
ca. eine Meile. Schon von Weitem erblickt man den auf
einer felsigen Höhe (280') liegenden Ort, der nicht nur
die einzige Stadt im Innern des Landes, sondern auch
die älteste der Insel ist. Als Zeit ihrer Gründung wird
allgemein die Mitte des 12. Jahrhunderts angenommen :
doch ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Erzbischof
Eskild, welcher 1149 den grössten Theil von Bornholin
als Lehen erhielt, hier bereits eine Ansiedelung vorfand.
Als ich am Nachmittag in Aakirkeby anlangte, war
ich so ermüdet und — warum soll ieh's verschweigen?
— so hungrig, dass sich meine Localstudien vorläufig
darauf beschränkten, das Aushängeschild eines Gasthofes
zu entdecken, in welchem ich zunächst die Bedürfnisse
des physischen Menschen befriedigen konnte. Bald hatte
ich gefunden, was ich, rechts und links blickend, gesucht,
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VIII. Svanike. — Nexö. — Aakirkeby.
85
und widmete mich nun der passiv- activen Beschäftigung
der Ruhe und der körperlichen „Erbauung" bei einem
schnell zubereiteten frugalen Mahl. Beim Eintritt in das
Local hatte ich einen Herrn bemerkt, der ebenfalls ein
Reisender zu sein schien. Er mochte einen Kostenüber-
schlag machen ; darauf Hessen die vor ihm auf dem Tische
ausgebreiteten Rechnungen und Bankscheine wenigstens
schliessen. Nachdem er die Papiere zusammengerafft und
an sich genommen, trat er zu mir heran und sagte auf
deutsch :
„Sie gestatten mir wohl, Sie zu fragen, ob Sie ein
Deutscher sind?"
„Das bin ich!" erwiederte ich, „und Sie sind, Ihrem
Accent nach zu urtheilen, aus Schlesien."
Der Fremde lächelte. „Sie haben's errathen," fuhr
er fort, „ich bin aus Breslau und lebe jetzt seit zwanzig
Jahren in Dänemark.'' Und er stellte sich mir vor als
Kaufmann A. Buhl, in Horsens auf Jütland ansässig. Wir
wechselten einen Händedruck. Dann erzählte mir Hr.
Buhl, dass er viele Jahre in Rönne gewohnt und dort ein
Vermögen erworben habe. „Jetzt befinde ich mich auf
einer Geschäftsreise." fügte er hinzu; „in etwa einer
Stunde fahre ich nach Rönne zurück. Wollen Sie mein
Begleiter sein, so soll's mich herzlich freuen. Wir können
die Tour über Almindingen machen und dort zu Abend
essen."
Obschon dieses freundliche Anerbieten sehr verlockend
war, wollte ich doch nicht sofort zusagen, denn meinem
Reiseplan gemäss beabsichtigte ich , die Nacht in Aakir-
keby zu bleiben und erst am folgenden Tage über Almin-
dingen nach Rönne zu gehen. Mein neuer Bekannter
bat mich jedoch so dringend, ihn zu begleiten, und unter-
stützte seine Offerte durch so gute Gründe, dass ich ihm
bedingungsweise meine Zustimmung gab. „Aakirkeby
besitzt nichts Bemerkenswerthes als seine Kirche ," sagte
er unter Anderem „und diese können Sie in Zeit von einer
Stunde eingehend besichtigt haben. Ist das geschehen,
so werden Sie sich langweilen und in dem hiesigen Hotel
weniger gut schlafen als in Rönne. Für Almindingen
bleibt uns der Rest des Tages. Ich lasse inzwischen an-
spannen, wir fahren scharf zu, und dort angelangt, führe
ich Sie, wohin Sie wollen. Ob wir dann um zehn, um
elf oder um zwölf Uhr Nachts in Rönne eintreffen , ist
mir gleichgültig. Alles steht in Ihrem Belieben."
86
Boruholm.
Gegen solche Motivirung Hess sich freilich nichts ein-
wenden. Ich gab meine Reisetasche dem Wirth zur Auf-
bewahrung und versprach in spätestens l 1 2 Stunde zurück
zu kehren. Auf der Promenade durch die Stadt sah ich
nun selbst , dass Hr. Buhl mit seiner Beauptung Recht
gehabt hatte. Aakirkeby als Stadt vermag keinen Be-
sucher zu fesseln. Die Häuser sind klein und einfach:
sie lassen weder einen bestimmten Baustil noch Schönheits-
sinn ihrer Besitzer erkennen. Jedes Gebäude erfüllt eben
nur seinen Zweck als Behausung, voilä tout! Der An-
blick ist recht prosaisch, denn man sieht nichts als
das absolut Xothwendige. Bei Weitem interessanter ist
die Kirche mit dem sie umgebenden Friedhof. Auf letz-
terem befinden sich viele schöne Monumente aus Marmor
und Sandstein, die zum Theil sehr kunstvoll gearbeitet
sind. Unter ihnen fiel mir besonders auf ein Grabstein
aus weissem Marmor, auf welchem in Medaillonform die
Bibelstelle: „Lasset die Kindlein zu mir kommen!" bild-
lich dargestellt ist. Die Ausführung ist meisterhaft und
macht ihrem I rheber alle Ehre. Schade , dass ein so
ungewöhnliches Talent sich hier vor der AVeit verbirgt !
Die Aakirche stammt aus der letzten Hälfte des 12.
oder aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Sie ist aus
schwarzem Cementstein aufgeführt und besteht aus einem
Langbau mit Chor und Chorrunduug und einem mäch-
tigen viereckigen Thurm, der ursprünglich als Befestigungs-
werk zur Verteidigung gedient haben mag. Der Lang-
bau ist durch fünf viereckige Pfeiler in zwei gleich grosse
Schiffe getheilt, an deren Seitenwänden ebenfalls Pfeiler
stehen, die durch Rundbogen vereinigt sind. Der Thurm
hat vier Stockwerke, von denen die ersten drei durch
Tonnenwölbungen von einander geschieden sind, während
die oberste Abtheilung ein zweitheiliges, am First ge-
zacktes Dach mit vier eckigen Ausläufern trägt. \on
dem Bilderschmuck in der Kirche sind besonders be-
merkenswerth die aus der Zeit der Lübecker herrühren-
den Fresken an den Wänden, ein Altarbild (Christi
Kreuzigung) und ein auf Holz gemaltes Wappen mit der
Jahreszahl 1623. An die Herrschaft der Lübecker auf
Bornholm erinnert ferner ein im Vorbau aufgestellter
Grabstein, auf welchem der Landvoigt Sveder Ketting
und seine beiden Frauen in ganzer Figur abgebildet sind,
lieber und neben den drei Gestalten befindet sich eine
altdeutsche Inschrift, unter ihnen sind drei Wappen-
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IX. Almindingen.
87
scbilder in den Stein gemeisselt. Die reich mit Schnitze-
reien verzierte Kanzel ist wahrscheinlich hundert Jahre
älter als dieser Stein. Der interessanteste und archäolo-
gisch werthvollste Gegenstand der Aakirche aber ist ein
Taufbecken aus weissgrauem Sandstein, dessen Alter sich
schwer bestimmen lässt. Es hat die Form eines mächtigen
Pokals und zeigt auf seiner äusseren Wölbung einige
3Iomente aus der Leidensgeschichte Christi in erhabener
Arbeit dargestellt. Die Reliefs sind in Fehler eingetheilt,
über welchen die Erklärung der Bildwerke in Runen-
schrift steht. Aus dem Fusse treten vier Thierköpfe her-
vor, um welche sich Schlangen und Arabesken winden.
Endlich verdienen noch Beachtung zwei gut erhaltene
Runensteine, die sich in der Vorhalle, neben der Grab-
tafel des Landvoigtes befinden.
Nach der Besichtigung dieser Antiquitäten kehrte
ich zum Gasthof zurück, vor welchem ein mit zwei kräf-
tigen Pferden bespannter Wagen mich bereits erwartete.
Wenige Minuten darauf lag Aakirkeby, zu deutsch Bach-
kirchendorf, mit seinen 180 Gebäuden hinter uns. In
sclinellem Trabe auf der nach Norden führenden Strasse
dahinfahrend , erreichten wir in etwa einer Stunde den
Saum des schönen, ca. eine Quadratmeile grossen Staats-
waldes, welchen die Bornholmer
Almindingen
d. h. Gemeinfeld oder „Unser Aller Eigenthum", nennen.
Hier verliessen wir den Wagen, der voraus fahren sollte,
und besuchten nun, bald diesem, bald jenem lauschigen
Pfade folgend, viele pittoreske Punkte, die ein Tourist
ohne Führer nur schwer und mit grossem Zeitverlust finden
würde. Mein freundlicher Cicerone kannte sie alle und
schien es förmlich darauf abgesehen zu haben, mich fort-
während zu überraschen. Zuerst zeigte er mir als ein
merkwürdiges Naturspiel den „Luisenbaum". Eine
Eiche und eine Buche sind wenige Fuss über der Erde
zusammengewachsen und haben ihr Laubwerk derart ver-
mischt, dass man an den Zweigen Eichen- und Buchen-
blätter dicht beisammen findet, Da, wo die Stämme sich
vereinigen, sieht man die Namenszüge F.VII. LD., zur
Erinnerung an einen Besuch, welchen Friedrich VII. und
seine Gemahlin, die Gräfin Luise von Dauner, Almindingen
am 13. August 1851 gemacht haben. Dann erblickten wir
den grossen schilfbewachsenen Teich „P y k k e k u 1 1 e k j a? r"
88
Bornholm
und, unsere Wanderung unter dem grünen Laubdach fort-
setzend, einen kleineren Waldsee „K o h u 1 1 e t u , in welchem
sich die an den steilen Ufern stehenden Birken spiegeln.
Kohullet gleicht einem leuchtenden Smaragd in reizen-
der Fassung. Poesievolle Stille herrscht rings umher,
Alles scheint hier zu ruhen und zu träumen. Von diesem
schönen Punkte führt der Weg durch ein anmuthiges,
mit Laubholz, Brombeersträuchern, Wachholder und wil-
den Rosen bewachsenes Thal zum „Ro kkesteen", der
15' lang, 4' breit, 5' hoch und, wie derjenige zwischen
Svanike und Nexö, beweglich ist. Unser nächstes Ziel
war die „Kolde Kilde'\ eine nahe der, Almindingen
von Osten nach Westen quer durchschneidenden, Chaussee
aus dem Boden hervorsprudelnde Quelle. Von hier folgten
wir der Landstrasse eine kurze Strecke und beschritten
dann einen Pfad, der in den Wald und, an dem kleinen
„Borresee" vorüber, zur „Lillcborg" führt. Letztere
scheint, dem Umfange der auf einem Hügel stehenden
Ruinen nach zu urtheilen, früher eine ziemlich bedeutende
Burg gewesen zu sein, obschon der Name sie als klein
bezeichnet. Man erkennt noch das Fundament einest
starken Thurmes mit Burgverliess und eines grösseren
Gebäudes. Aus den auf Lilleborg gefundenen alten
Waffenstücken und Münzen lässt sich schliessen, dass die
Burg schon zu Anfang des 13. Jahrhunderts existirt habe.
Unweit von Lilleborg, in südlicher Richtung, stand in
alten Zeiten eine andere Burg „Ga m le -B org u ,*) deren
Trümmer jetzt unter Gesträuch und Unkraut begraben
liegen. Wie die Sage berichtet, hatte der letzte der Burg-
herren drei Söhne und drei Töchter. Die Söhne zogen
hinaus in ferne Lande, als die Schwestern noch klein
waren, und kehrten erst zurück nach vielen Jahren, um
Eltern und Schwestern zu besuchen. Nahe dem Vater-
hause sahen sie auf dem Lyng drei schöne Jungfrauen,
welche im Begriff waren, nach der Oestermarien-Kirche
(1 Meile westlich von Svanike) zu gehen. Von Begierde
erfasst, wollen sie den Mädchen Gewalt anthun. Diese
wehren sich und werden von den Rittern erschlagen. Als
die Gräuelthat verübt, erkennen die drei Brüder in den
Gemordeten ihre Schwestern. Ein Steinhaufen, „ V a r p e r n u ,
*) Nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Burg zwischen
Svanike und Nexö.
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IX. Almindingen.
m
dicht am Wege zwischen der Oestermarien- und der
Bodils-Kirche, bezeichnet die Stelle, an welcher die Jung-
frauen begraben sein sollen, und ein kleiner Platz in der
Nähe, „Ridderj omfruerne", wird für den Ort des Ver-
brechens gehalten. — Almindingens schönster Punkt ist
„Ekkodalen" (das Echothal). Steigt man von der
„Gamle-Borg," am südlichen Bergabhan^, hinab in eine
Schlucht und folgt dieser Richtung noch eine kurze Strecke,
so bemerkt man ein kleines Felsplateau, von welchem aus
der Blick eine schöne Landschalt, „Römersdal", umfasst.
Wald, Wiesen und Felder vereinigen sich hier zu einem
harmonischen Ensemble, das sich uns, als wir die Granit-
platte betraten, von der Abendsonne zauberhaft beleuchtet
zeigte. Das Echo ist kaum weniger stark als dasjenige
bei der Rosstrappe. Ich hatte meinen Revolver mitge-
bracht und liess meinen Begleiter, der eine solche Schuss-
waffe nie gesehen, die im Thal verborgene Nymphe durch
wiederholtes Feuern wecken. Sie antwortete bei jeder
Detonation wohl sechs bis acht mal. Minuten lan«- dauerte
der Widerhall, der endlich als leiser Weheruf in der
Ferne erstarb. Das Echothal verlassend, statteten wir
der „D anner-Grotte" einer kleinen Felshöhle — welche
der Gräfin Danner zu Ehren diesen Namen führt — noch
einen flüchtigen Besuch ab und stiegen wieder bergan.
Nach einiger Zeit gelangten wir auf den Gipfel des
„Rit t erknregt", des höchsten Berges (496') der Insel,
wo ein 40' hoher viereckiger Thurm, „Kongemindet"
(Königsdenkmal) steht, welcher 1855 56 zum Andenken
an einen Besuch Friedrich VII. aus Felssteinen erbaut
worden ist. Eine Treppe von 68 Stufen führt auf die
Plateform. Von dieser Höhe aus überschauten wir die
ganze Insel. Soeben tauchte die Sonne in's Meer und
von ihren letzten Strahlen beschienen erglühten die Fels-
partien des Nordens in rosigem Licht, während die Süd-
küste sich in einen transparent-violetten Schleier hüllte.
Es war ein entzückender Anblick, von dem wir uns kaum
zu trennen vermochten. Aber die herabsinkende Nacht
gemahnte an den Aufbruch. Wir passirten ein Thal und
erreichten nach einer Wanderung von ca. 20 Minuten
,.C h r i 8 1 i a n s h ö i". Hier erhebt sich inmitten eines freien
Rondels ebenfalls ein von der Bevölkerung (dem König
Christian VII.) errichtetes Denkmal in Form eines Obe-
lisken, der 20' hoch ist und auf seinen vier Seitenflächen
folgende Inschriften trägt:
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Bornholm.
Auf der westlichen Seite:
For
Christian Frederik
Prinds af Danmark
Kongens og Folkets Yen
indviede
Almeen Borgerand
dette
Kjaerligheds Minde
og
Haedrede Stedet
Med Kavne
Christiaushüi.
Für
Christian Friedrich
Prinzen von Dänemark
des Königs und des Volkes Freund
weihete
Gemeinsamer Bürgersinn
dieses
Liebeadenkmal
und
Ehrte die Stätte
mit Namen
Christianshöhe.
Auf der südlichen Seite:
Aar 1824
Den 21. Juli
samlede
Prinds Christian
her
Bornholmerne
til en
Folkefest
Og dettog med
Mildhed og Naade
i
Folkets Jubel.
Jahr 1824
Am 21. Juli
versammelte
Prinz Christian
hier
die Bornholmer
zu einem
Volksfeste
Und nahm Theil mit
Milde und Gnade
am
Jubel des Volkes.
Auf der östlichen Seite
Under
Folkets Fryderaab
og
Enighed i Aand
Udtaledes her
Dannerfolkets Oensker
for
Landets Fader
Frederik den VI.
af
Kongens Fraende
Danmarks Christian.
Unter
dem Freudengeschrei des Volkes
und
Einigen Sinnes
Wurden hier ausgesprochen
des Dänenvolkes Wünsche
für
den Laudes-Vater
Friedrich deu VI.
von
Verwandten des Königs
Dänemarks Christian.
Auf der nördlichen Seite:
Prinds Christian
glaedede
Landets Indvaauerne
med
Sin Hoie Naervaerelse
fra
12. til 25. Juli
MDCCCXXIV.
Naar fyrsten glaede finder
I folkets kjaerlighed
I hjerterne han vinder
Et varigt mindestedt.
Prinz Christian
erfreute
des Landes Bewohner
mit
Seiner hohen Gegenwart
vom
12. bis zum 25. Juli
1824.
Wenn Fürsten Freude finden
An der Liebe des Volkes
So errichten sie sich in seinem
Herzen
Ein dauerndes Denkmal.
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IX. Almindingen.
91
In der Nähe dieses Obelisken steht ein Pavillon, in
welchem man Logis (1 Krone) und gute Bewirthung
findet. Wir liessen uns ein Abendessen geben und be-
stiegen dann den Wagen, der uns vor dem Hause er-
wartet hatte. Es war inzwischen so finster geworden,
dass wir den vor uns sitzenden Kutscher kaum noch er-
kennen konnten.
Als wir ungefähr eine halbe Stunde lang gefahren
waren, begann es zu regnen. Der Wind hatte sich ge-
dreht und ein nasser Schauer rieselte auf uns herab. „Da
müssen wir schon ein homöopathisches Mittel gebrauchen,"
sagte mein humoristischer Begleiter und rief dann dem
Kutscher einige Worte auf Bornholmisch zu, welche dieser
mit: „Jau Herre!" beantwortete. Bald darauf hielt der
Wagen vor einem Bauernhause. „Hier giebt's ein Glas
guten Sherry," erklärte Herr Buhl, indem er ausstieg
und an die Thür klopfte. Die Bewohner schienen bereits
zu schlafen, denn es dauerte geraume Zeit, bevor geöffnet
wurde. Während mein Begleiter eintrat, ging ich einige
Schritte abseits, um zu prüfen, ob mein Revolver, den
ich im Zimmer abtrocknen wollte, entladen war. Ich
Hess den Hahn wohl zwölfmal anschlagen: die Watte
schien keinen Schuss mehr zu enthalten. Jetzt begab ich
mich ebenfalls in's Haus. Mein Reisegefährte sass hinter
einem Tische, auf welchem eine Lampe und zwei gefüllte
Gläser standen. Näher tretend, war ich eben im Begriff,
den Revolver aus der Hand zu legen und mein Glas zu
ergreifen, als ich plötzlich einen Ruck fühlte und gleich-
zeitig einen Knall hörte. Die Lampe war erloschen, im
Zimmer herrschte Todtenstille. Ich war vor Schreck
einen Moment vollständig gelähmt. Dann rief ich, von
Entsetzen gepackt: „Herr Buhl! Herr Buhl!" - Keine
Antwort. — „Du hast ihn erschossen!" flüsterte eine
Stimme in meinem Innern. Aber, es war ja nicht mög-
lich ! Die Watte, welche ich in zwei Kriegen gründlich
kennen gelernt zu haben glaubte , hatte nie versagt und
konnte, nach der doppelten Probe vor dem Hause zu ur-
theilen, nicht geladen gewesen sein. Und doch zeugte
die Thatsache für das Gegentheil. Am ganzen Körper
zitternd und kaum im Stande, mich aufrecht zu halten,
rief ich noch einmal: „Herr Buhl! Sind Sie verwundet? 44
— Nichts regte sich. Da Öffnete sich eine Thür und
der Hausbesitzer trat mit einem Licht in die Stube, hinter
ihm her seine Frau, beide kreidebleich. Sie hatten den
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Schuss natürlich gehört, waren dadurch aber so erschreckt,
dass sie fast eine Minute lang weder Hand noch Fuss
rühren konnten. Diese Minute war für mich zur Ewig-
keit geworden. Jetzt, beim falben Licht der Kerze, fiel
mein erster Blick auf das Sopha, mir gegenüber. Dort
lag mein Begleiter lang hingestreckt, anscheinend leblos.
31 ir schwindelte der Kopf, ich musste mich am Tisch
festhalten, um nicht zu fallen. Der Bauer und seine Frau
traten an den Todten oder Verwundeten — noch war
der Unterschied nicht zu erkennen — heran und rüttelten
ihn. Vergeblich. Dann holte die Frau ein Glas Wasser
herbei und besprengte das Gesicht. Da zuckten die Augen-
lider, der Mund öffnete sich und der Körper machte eine Be-
wegung. Ich athmete auf. Das Schlimmste war also nicht
geschehen. Eine Centnerlast wich von meiner Brust.
„Fühlen Sie etwas?" fragte ich den allmälig zum Be-
wusstsein Zurückkehrenden. Er sah mich gross an, er-
hob sich, betastete seine Arme und Beine und erwiderte :
..Ich . . . glau . . . be . . . nicht. Nein ... ich bin . . .
unversehrt. 4 * — Wie doch das Komische neben dem Hoch-
tragischen einhergeht ! Unter anderen Umständen würde
ich über das drollige Tasten nach etwa empfangenen
Wunden gewiss herzlich gelacht haben, in diesem Falle
blieb jedoch die Nachwirkung des Entsetzens vorherr-
schend. Ich war froh, mit der Angst davon gekommen
zu sein. Eine Strafe, mehr materieller Natur, wurde mir
indess noch nachträglich auferlegt. Als ich nämlich
Herrn Buhl, der vor Schreck ohnmächtig geworden war
und sich rasch erholte, den Hergang erzählte und ihn
um Entschuldigung gebeten hatte, suchte ich an der
Wand nach der Stelle, welche der Schuss getroffen haben
konnte. Ich entdeckte nichts, weder ein Loch, noch einen
Kugelabdruck. Zum Tisch zurückkehrend, auf welchem
die vorher durch den Luftdruck ausgelöschte Lampe jetzt
wieder angezündet stand, bemerkte ich, wie von dem-
selben eine dünne Rauchsäule emporstieg. In der Mitte
der Decke war ein grosser, noch glimmender Brandtleck,
und gerade unter letzterem sass, zwischen Splittern ver-
steckt, die Kugel, deren Spitze aus der unteren Fläche
der fast einen Zoll starken rlatte hervorragte. Das Ge-
schoss war genau in der Richtung auf Herrn Buhl in
den Tisch gedrungen und würde unzweifelhaft verderben-
bringend gewesen sein, wenn ich die perfide Waffe im
verhängnissvollen Moment um wenige Linien höher ge-
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X. Rönne. (Schluss.)
93
halten hätte. Nach dieser Entdeckung, die mir noch ein-
mal den schrecklichen Vorfall mit seinen möglichen Con-
sequenzen vor die Seele führte, fühlte ich mich dem
Hausbesitzer zu einer Entschädigung verpflichtet. Ich gab
ihm auf sein Verlangen 16 Kronen, womit meines Er-
achtens nicht nur die zerschossene Tischplatte, sondern
auch sein und seiner Frau Schreck mit bezahlt war. Ob
wir unsern Sherry getrunken oder stehen gelassen haben,
vermag ich nicht zu sagen, wohl aber erinnere ich mich,
dass wir unsere Fahrt nach Rönne bald fortsetzten und
auf den anhaltenden Regen kaum noch achteten. Wie
ich von Herrn Buhl erfuhr, ist das Haus, in welchem
die Begebenheit sich zutrug, das Selveiergaard (Selbst-
eignerhof) No. 59. Der Besitzer heisst P. Hansen. Zum
Schluss dieser Episode will ich noch erwähnen, dass Herr
Buhl keinen einzigen Vorwurf gegen mich laut werden
liess, sich vielmehr bemühte, dem Ereigniss eine humo-
ristische Seite abzugewinnen. „Sie haben — scherzte er
unter Anderem — der Gesellschaft, bei welcher mein
Leben versichert ist, 5000 Thaler gerettet. Darf Ihnen
diese dankbar sein, so bin ich's nicht minder, denn ich
weiss jetzt, was es heisst, im Feuer gestanden, oder rich-
tiger gesessen zu haben." Obschon ich nach dem eben
Erlebten auf solche Witzeleien nicht eingehen mochte,
wusste ich ihm doch Dank um der guten Absicht willen.
So kamen wir endlich gegen Mitternacht nach Rönne,
wo wir uns bis zum folgenden Tage von einander ver-
abschiedeten.
X. Rönne. (Schluss.)
Den letzten Tag meines Aufenthalts auf Bornholm
benutzte ich zu einer Excursion nach der N y k i r k e und
zu einem Besuch der T erracottenfabri k von L.
Hj orth in Rönne.
Nykirke (Neukirche), eine der vier Rundkirchen*
*) Oleskirke, Nylarskirke, Oesterlarskirke und Nykirke.
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94 Boraholm.
der Insel, steht 3 1 Meile nordöstlich von Rönne. Dem
Namen nach ist sie neueren Ursprungs, in Wirklichkeit
aber wahrscheinlich das älteste Gebäude Bornholms. Die
Nykirche ist aus Granit aufgeführt und erscheint, von
aussen betrachtet, als ein starker zweistöckiger Thurm
mit mehreren kleinen Anbauten. Der Thurm zeigt den
rohen, altnordischen Baustil und dürfte aus dem 11., spä-
testens aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts stammen.
Er war, wie die Thürme der anderen Rundkirchen, ur-
sprünglich ein Festungswerk, wofür nicht nur die mäch-
tigen Mauern, sondern auch die noch vorhandenen Schiess-
scharten zeugen, und wurde anscheinend erst später zum
Gottesdienst benutzt. Im Innern dieser Kirche, das aus
einer Rotunde und einer Chorrundung besteht, befinden
sich viele alte geschmacklose Malereien, u. a. ein Bild,
welches Christum als Prediger darstellt, zu dessen Füssen
ein Schwein und ein Hund liegen, während im Hinter-
grund der Teufel in Gestalt einer Schlange mehrere ge-
nutzte Menschen zu verschlingen sucht. Die Erklärung
dieser seltsamen Composition geben die darunter stehenden
Verse :
Selv Jesus ordet för n Jesus selbst führt das Wort,
En deel det glad annammer Welches ein Theil fröhlich an-
nimmt,
Som hund <>g Soen gjör Wie es Hunde und Säue thun,
En deel dog pra>gtig braramer. Während ein (anderer) Theil sich
eitel aufblüht.
Ungleich interessanter sind eine alte Kirchenthür mit
Schnitzwerk und ein im Anbau, dem sogenannten Wappen-
hause, befindlicher Runenstein, auf welchem zu lesen ist:
,, — Enke setzte diesen Stein seinem Sohne Svend , der
ein guter Junge war. Christ helfe seiner Seele!" — —
Am Nachmittag besuchte ich in Begleitung des Herrn
Buhl, der den Schreck des vorigen Abends verschlafen
hatte, die oben genannte Terracottenfabrik. Der Besitzer,
ein noch junger Mann, führte uns durch die Räume, zu-
erst in das Waarenlager, dann in die Werkstätten,
und erklärte uns in zuvorkommender Weise die Aus-
führung der verschiedenen Arbeiten. Wir sahen schon
geformte Vasen aller Grössen mit kunstvollen Malereien,
Statuetten und Medaillons nach Modellen berühmter Bild-
ner, namentlich von Thorwaldsen, köstliche Fruchtschalen,
Blumentöpfe und viele allerliebste Nippessachen. In den
Ateliers wurde geformt , gedreht und gemalt. Ein Ar-
beiter nahm auf Geheiss des Hrn. Hjorth einen Klumpen
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X. Könne. (Schluss.) 95
Thon, knetete ihn, bestieg damit die Drehbank und Hess
nun vor unseren Augen eine zierliche Vase entstehen, an
welche ein anderer Arbeiter die inzwischen gefertigten
Henkel setzte. Alles geschah schnell und geräuschlos.
Man hörte nur das Schnurren der Räder und das Schlei-
fen des geschmeidigen Materials. Letzteres wird bei Rönne
in grossen Massen gefunden. Der Besuch dieser Fabrik,
die ihre Erzeugnisse in alle Welttheile versendet, ist Jedem
gestattet und den Reisenden mit Recht zu empfehlen.
Uebri^ens sind die Terracotten ausserordentlich billig
und eignen sich als Specialität der Rönner Kunstindustrie
besonders zu „Souvenirs" an Bornholm.
Mein Aufenthalt auf der Insel ging zu Ende. Um 10
Uhr Abends gedachte ich mit der bereits im Hafen lie-
genden „Skandia" die Rückreise anzutreten. Gern hätte
ich zuvor noch die Bekanntschaft eines in Dänemark viel
genannten Alterthumsforschers, des Amtmann Vcdel
gemacht, der sich zur Zeit ebenfalls auf Bornholm befand ;
aber Niemand konnte mir sagen, wo dieser Herr sich im
Moment aufhielt. Wie ich später erfuhr, hatte der um
die nordische Archäologie hoch verdiente Gelehrte in
jenen Tagen wieder mehrere Hünengräber blossgelegt und
darin mancherlei Geräthe aus der Broncezeit gefunden.
Mein Gewährsmann, Hr. "War r er in Kopenhagen, wollte
einer solchen Excavation, unweit der Oesterlarskirche,
beigewohnt haben. Nach seinen Angaben begann man
die Ausgrabung im Nordwesten des Hügels und stiess
hier nach einiger Zeit auf gebrannte Knochen, in deren
Nähe eine Broche, ein schlangenförmiges Armband, beide
aus Bronce, und ein Kranz Perlen lagen. Die letzteren,
aus Glasmasse, Porcellan und gebranntem Thon gefertigt,
waren zu einem Halsband an einander gereiht. Vier die-
ser uralten Perlen wurden mir von dem Genannten ge-
schenkt. Sie sind linsenförmig, in der Mitte durchbohrt
und messen \ 2 Centimeter im Radius. Beiläufig bemerkt,
ist Jeder gesetzlieh verpflichtet, die im dänischen Staate
gefundenen Antiquitäten , mit Ausnahme kleinerer, oft
vorkommender Gegenstände wie Perlen etc. , gegen eine
entsprechende Remuneration an die Direction der Museen
in Kopenhagen abzuliefern, eine Massregel, die nicht nur
Anerkennung verdient, sondern auch gern und gewissen-
haft befolgt wird.
Ein letzter Spaziergang galt dem Rönner Friedhof,
welcher, wie bereits erwähnt, südlich von der Stadt, hoch
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Boraholm.
am Strande liegt. Mein Weg führte mich am Hafen vor-
über. Hier hatte sich während meiner Wanderung um
die Insel ein beklagenswerther Unfall ereignet. Der
Damm der neuen Hafenanlage war von der See durch-
brochen und das mit vieler Mühe und grossen Kosten
geschaffene Bassin stand vollständig unter Wasser. Vom
Friedhofe aus hat man nach Westen hin einen weiten
See-Horizont, Die Stätte selbst erinnert an Vergäng-
liches und Vergangenes, u. a. auch an eine historische
Begebenheit, die sich am 30. Mai 1563 in einiger Ent-
fernung von derselben auf der See zutrug. An jenem
Tage fand nämlich, Angesichts der Küste, ein Marine-
Gefecht statt zwischen einer schwedischen und einer
dänischen Flotille , die wohl durch Missverständniss in
Kampf gerathen waren, denn zwischen den beiden Mächten
herrschte damals Friede. In dem Bericht eines Augen-
zeugen*), der dieses Gefecht beschreibt, lautet eine Stelle
wie folgt: „Dieser Scharmützel bei Bornholden hatt ge-
veret vber drei grosse Stunden von zweien schlagen an
bis nach funffen, vnd sein vf beiden Seiten vber die tau-
sent schusse gescheen, seint auch auf irer seiten vil per-
sonell todt bliben vnd ersoffen auch vber 900 gefangenen,
darunter ir Amirall Jacob Bruckenhaussen vnd andere
haubtleut vnd von Adell laut beiliegendes verzeichniss.
— Es seint auf dem „Hercules" allein 220 stück vf reder
gestanden; one was vf den andern beiden Schiffen von
Geschütz gewesen , welches wir nicht gehabt haben , ist
aber nicht onder 300 stücken vf denselben zweien Schiffen
gewesen, das also vf den dreien Schiffen bis ca. 500 stück
vnd vil Kenult vud Lott erobert wurden. Letztlich haben
auch die vnderthanen vf Bornholm, so denemerkisch ist,
vnd ihr die von Lübeck pfandtsweise inhoben, sich be-
fürcht, wir würden Inen in das Land fallen vnd sie etwa
brennen. Derwegen vns eine Summe gelts, nemlich sechs
tausend thaler gebotten. Es hat aber vnser Amirai vud
der von Gerau sambt den andern Gesandten, one weitern
beuelich Kon. W. zu Schweden, nichts annehmen wollen,
dieweil inen von iren Konig so hart beuolen ist gewesen,
gegen niemand was vindtfiches vorzuuemen." — Viele
Augenzeugen dieser Begebenheit schlummern auf dem
*) Der damalige Kurhessische Gesandte am Sehwedischen Hofe.
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X. Rönne. (Schluss.) 97
•
Rönner Friedhot' dem Auferstehungstage entgegen. Unter
ihnen, am Strande, rauscht das Meer, ewig ruhelos. —
Nachdem ich von meinen Bekannten Abschied ge-
nommen, begab ich mich an Bord, in hohem Grade be-
friedigt durch eine Reise , auf welcher ich in wenigen
Tagen viel gesehen und erlebt hatte. Mit grossen Er-
wartungen war ich nach Rönne gekommen, aber diese
waren, nach der ersten Enttäuschung, noch übertroffeu
worden. Die Rückfahrt nach Kopenhagen und von dort
nach Swinemünde verlief ganz nach Wunsch und bot
nichts Bemerkenswerthes. So nehme ich denn Abschied
auch von dem Leser, der mich bis hierher begleitet, und
danke ihm für das freundliche Interesse, welches er
meinen Aufzeichnungen vielleicht geschenkt hat. Zum
Schluss möchte ich allen Naturfreunden zurufen: AVer
Grossartiges sehen will und auf einige Bequem-
lichkeiten verzichten kann, der besuche Born-
li o 1 m !
Stromer, Die Insel Kornholm.
7
Touristenführer.
Reisezeit. Als geeignetste Zeit für eine Reise nach Bornholm
lind die Monate Juli und August zu empfehlen, da während der-
selben die Witterung auf der Insel andauernd günstig zu sein pflegt
und die Felspartien sich dann in ihrer vorteilhaftesten Beleuchtung
zeigen.
Ausrüstung:. Pass nicht nothwendig, Legitimationskarte indess
empfehlenswerth, falls der Reisende Werthsendungen erwartet. — Geld :
deutsche Goldmünzen, die überall vollwerthig, oder doch gegen einen
Verlust von nur wenigen Pfennigen, angenommen resp. umgewechselt
werden. — In ganz Dänemark rechnet man nach Kronen und Ören ;
1 Krone 100 Qre l deutsche Reichsmark 12,5 Pfge. — Für die
Bekleidung sind die körperlichen und Bequemlichkeitsbedürfnisse des
Reisenden, sowie die Dauer seines Aufenthalts auf der Insel, mass-
gebend. Der Tourist wolle sieh so wenig wie möglich beschweren:
leichter, haltbarer Anzug, solide Stiefeln oder Schuhe, Paletot, Wäsche
zum Wechseln, Schirm, Reisetasche zum Umhängen, Compass. — Raxtchern
sei die Mitnahme von Cigarren empfohlen.
Transport. In Ermangelung einer directen Dampfschifffahrt
zwischen Deutschland und Bornholm ist der deutsche Reisende genöthigt,
den Umweg über Kopenhagen zu machen, der ihm Gelegenheit bietet,
die Hauptstadt Dänemarks eu passant zu besichtigen. Schiffskurse
und Fahrpreise sind auf 7 Seite angegeben.
Aufenthaltsorte für längere Zeit : Almin dingen (resp. Rönne)
— Helligdomsgaard bei Rö — Allingc. Durchschnittspreis
pro Tag für Logis und vollständige Beköstigung 3 Kronen. In allen
Städten (Rönne, Hasle, Allinge, Svanike, Nexö, Aakirkeby) sind Wagen
zu haben. Fuhrlohn nach Vereinbarung.
Touren und Routen. Ein rüstiger Fussgänger vermag die schön-
sten Punkte der Insel in fünf Tagen zu besuchen.
Erste Tour: Von Rönne nach Allinge (3> 2 Meilen). Rönne.
Hötels: „Hötel Rönne", „Dam's Hötel", „Hötel Bornholm u (am Hafen).
— Des Besuches werth : Arsenal, Kastell, Friedhof, Hafenanlagen; die
Terracottenfabriken von L. Hjorth, Ed. Fr. Sonne, N. Th. Sommer;
die Kunsthandlungen von Colberg, L. F. Bjerg, G. Stöckel, Th. Spelling
(wo photographische Ansichten aller pittoresken Punkte der Insel
käuflich zu haben sind). — Wagen bei Richard Funck, Storegade. —
Von Rönne führt eine gut unterhaltene Strasse in nördlicher Richtung
nach Allinge. Längs derselben zieht sich (links) ein anmuthiger Pfad
durch das Gehölz „Sandflugten", in welchem sich die Vergnügungs-
Locale „Villa-Nova" und „Soinmerlyst" befinden, fast bis
zum Städtchen Hasle. Am Wege dahin, ca. \ t Meile vor Hasle,
neben der „Brogaardsbrucke", ein schöner Runenstein. Bei Hasle
ein Kohlenbergwerk. — In der Stadt Hartz» Gasthof. — Eine
halbe Meile nordöstlich von Hasle steht auf einer Anhöhe, hart an der
Strasse, die „Ruths-Kirche" (schöne Aussicht auf die See) ; ca.
100 Schritte weiter zweigt sich linkB ein Vicinalweg ab. Folgt man
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99
demselben eine Strecke und beschreitet min eiuen 1. nach dem Strande
hinableitenden Pfad (den Verfasser verfehlte), so gelangt man zur
„Jons-Kapelle" und von dort, die Wanderung am Strande nach
Norden zu fortsetzend, zuerst nach V a n g (Fischerdorf), dann nacli
„Hammershuus", dem Hammerberg, Sandvig und endlich
nach A 1 1 i n g e. (Hat der Reisende über mehr als fünf Tage zu ver-
fügen, so möge er Bich von Rönne direct nach Allinge begeben und
von dort aus die höchst lohnende Partie nach der Jons-Kapelle als
zweite Tour machen.)
Zweite Tour. Von Allinge nach Gudhjem (2'/.j Meilen). Der
Weg führt längs dem klippenreichen Strande nach Osten. Nach ca.
zweistündigem Marsche erreicht man das reizende Waldthal „ D y n d a 1 -
( Aussichtspunkt „Amtmandssteen"), sodann, bergan steigend, das Ge-
höft „Helligdomsgaard" (Logis, Beköstigung) und befindet sieh
nun in der unmittelbaren Nähe von „Helligdoinmen", einer gross-
artig schönen Felspartie. Von Helligdomsgaard führt ein Pfad in süd-
licher Richtung zur Chauss6e, auf welcher man, an der Rö-Kirch c
vorbei , in wieder zwei Stunden das Fischerdorf G udhjem erreicht.
(Koch's Gasthaus.) Vou Gudhjem Abstecher nach der Inselgruppe
„Ertholmeue". Ueberfahrt billig, oft Gelegenheit.
Dritte Tour. Von Gudhjem nach Svanike (21. . Meilen). Strand-
weg bis zur Felspartie „Randklöveskaaret" (dort Führer aus
einem der in der Nähe stehenden Bauernhäuser), dann Chaussee. —
Ca. 1 . Meile vor Svanike, rechts neben der Strasse „Luiselund w ,
ein schöner Hain mit vielen Bautasteinen. In Svanike sehenswert h:
der Hafen, die Kirche mit Runenstein, nördlich von der Stadt die
„Tempelklippen**. — („Hötel Oestersen", „Carlsen's GasthauB**.)
Vierte Tour. Von Svanike über Nexö nach Aakirkeby (3 Meilen).
Iiis Nexö l 1 /* Meilen Strandweg. Rechts neben der Strasse die Aus-
sichtspunkte „Helvedesbakkerne**, Paradiisbakkerue" und „Klinte-
hakken", ferner ein Rokkcsteen, die „Gammelborg-Ruine* 1 und,
links bei Nexö, „Frederikssteinbruch". (In Noxö „Korup's
Gasthaus".) Statt jetzt der landeinwärts führenden Strasse zu folgen,
gehe man noch ca. 3 4 Stunde an der Küste entlang bis zum Fischer-
dorfe Snogeba>k (Rettungs-Station) und beschreite nun die Chaussee.
Rechts neben derselben, in Intervallen von je einer Stunde, die P o u 1 s -
und die P e d e r b - K i r c h e u (aus schwarzem Kalkstein aufgeführt,
hei der ersteren der „Rispebjerg". Hinter der Pederskirche rechts
Nebenweg nach Aakirkeby (dort „Pederaen's Gasthof*). Des Besuches
werth die alte Kirche (2 Runensteine, Taufbecken, Grab-
stein des Lübecker Hauptmanns Sveder Ketting und seiner beiden
Frauen, Altarbilder).
Fünfte Tour. Von Aakirkeby über Almindingen nach Rönne
<2' t Meilen). Strasse bis Almindingen in nördlicher Richtung. Zum
Besuche aller interessanten Punkte in Almindingen bedarf man meh-
rerer Stunden. Führer zu nehmen räthlich. Sehenswerth: „L u isen-
hau m u , der „Rokkesteen", die Ruinen von „Lille- und Gamle-
l'urg", „Ekkodalen", die „Dannergrotte", „Kongemiudet"
und das Denkmal auf Friedrichshöhe. In der Nähe des letzteren steht
ein Pavillon, in welchem man Logis (auch für längere Zeit) und
gute Bewirthung findet. Die Entfernung zwischen Almindingen und
Rönne (westlich) beträgt l'/a Meilen. —
Da in der vorstehenden Schilderung sowohl die Märsche wie die
einzelnen Punkte bereits beschrieben worden sind, so glaubte ich an
dieser Stelle mich nur auf kurze Notizen beschränken zu dürfen.
7*
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Sprachführer.
Aussprache.
Aa vor t, dt, tt wie o im Worte sonst wie ein langes o. Ae und
A wie a in Jahr, a? wie ä in Ahre. — Steht a vor einem v, dem
ein anderer Consonant folgt, so klingt av wie au. z. B. Xavued (Name i
oaun ed.
<i>, das «leutache ö, ist zwischen zwei Consonanten kurz, wie in
Rönne, spr. Rönne, am Anfang und am Ende einer Silbe gedehnt; vor
f, 1, st, t und x klingt es fast wie ein kurzes ü — Ou (dänisch ov)
lautet wie au, z. B. Voun (Wagen) spr. Waun.
Y wie ü, z. B. Tyacht (deutsch) tuscht.
G und k vor j werden respect. wie d und t ausgesprochen, z. B.
gjerna (gern) spr. djerna, kjöra (fahren) spr. tjöra.
H vor j und v stumm, z. B. hva (wie) spr. va.
Anmerkung: ©inj wie: e-iuj.
Grammatikalisches.
a> Der bestimmte Artikel: inj der,*em die, et das (Plural: na(a>,
er, en) wird dem Substantiv augehangt, z. B. Steninj, Stejen,
HuHtd (Plur. Steuana, Steierna, Husen), der unbestimmte (einj
ein, en eine et ein) ilim vorangestellt, wie „einj Pias", ein Platz.
Der Genitiv wird gebildet, indem man den Substantiven ein 8 anhängt:
z. B. Hnseds — Alle anderen Casus bleiben unverändert.
b) Pronomina personalia: jä ich, mej mir, du du, dej dir
dich, hainj er, inj oder hannem ihn ihm, sej sich, hon sie, heinje
oder na ihr, deinj, ded es, vi wir, vos uns, .1 ihr, jer euch, di sie,
dorn ihnen, sej sich. — Pronomina possessiv a: min, mit, mina
mein, diu, dit, dina dein, sin, sit, sina sein, vor, vort, vora unser, jer,
jert, jera euer. — Pronomina demoustrati va: masc. und fem.:
deinj oder deinja (Gen. dfcinjs, deds) derjenige, diejenige, ded dasjenige;
di. desse diejenigen, dorres derjenigen, dorn denjenigen, m. und f. dein-
jaher oder dciujhersen, n. deher, deher8en,((ienitiv : deinherscns), Plur.:
dihersen(s), dieser, diese, dieses, deinjder, deiujdersen (s, di-s) jener, jene,
deder, dedersen (s, di-s) jenes. — Pronomina relativa: hvikkinj,
hvikken, hvikked (Plur. hvikkena), welcher, welche, welches. — Pro-
nomina interrogativa: hvikking, hvaforeinj, hvaforeu, hvaforet,
Plur. hvaf' rnaana was für ein u. s. w. und hvem(8).
c) Einige unregelmässige Comparative : go, here, best gut, besser,
am besten; gammel, »Ire, adst alt, älter, am ältesten; laang, laengre,
beugst lang, länger, am längsten ; lidinj (en, cd), minjre, minjst klein,
kleiner, am kleinsten; on, onara, onast (oder unregelmässig: on, varre,
varHt) böse, böser, am bösesten: stor, storre, störst gross, grösser, am
grossesten; ong, yngre, yngst jung, jünger, am jüngsten.
d) Einige Adverbien: alti, e-mmcr immer, alt schon, alri nie,
saa, derette nachher, ette nah, inu noch, einjgaang einmal, naar wenn,
nu nun, jetzt, uuistan beinahe, ida heute, igaar gestern, imärra morgen,
iforregaars vorgestern, ommentrennt ungefähr, retnu, Btraijs sogleich,
snärt, paa Stuinjen bald, tit oft, uinjetiden zuweilen, isa?r besonders,
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101
ilja schlecht, omsonst vergeblich, aaasom als, knapt, noue kaum, nöje
trenau, som wie, vel wohl, hvorfor warum, hvöddau wie, inte nicht,
kainjsje, maasje vielleicht, monne ob, ou auch, aa saa vidre und so
weiter.
e) Konjunctionen: aa, ou und, ou, auch, vel zwar, raen aber,
livel doch, nm, dersom wenn, naar, hvis wenn, fost zuerst, aasaa wor-
auf, naar wann, da, als, mens, imens während, boiu wie, als.
f. Zahlen
1 £n, et
2 to
8 tre
4 tira
*> fem
0 sex
7 «ju
8 aata
«i ni
10 ti
11 eiljua
12 täl
13 trettan
fjourtan
femtan
sejstan
syttan
attan
nyttan
14
15
10
17
18
in
20 tjyve, tjive
21 en aa tjyve
30 treddua
40 förre
r>0 haltrös
60 trös
70 halfjers
80 Ars
90 halfems
100 hunrede
1000 tuBen
1. deinj fossta
8. deinj aatene
2.
»
anra
n
S.
n
tridde
10.
r>
4.
n
fjere
20.
5
n
femte
21.
»
6.
rt
sjette
30.
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7.
n
sjuene
40.
n
nieno
tiene
tjyvene
vn aa tjyvene
treddute
förrene
50. deinj haltrösene
00.
70.
80.
90.
100.
1000.
n
»
n
n
n
tröaene
halvfjersene
hrsene
halfemsene
hunredene
tuaene
g. Einige Hilfszeitwörter und Zeitwörter :
Ich habe, du hast, er, sie hat, wir
haben, ihr habt, sie haben.
Ich hatte, du hattest, er, sie hatte,
wir hatten, ihr hattet, sie hatten.
Ich werde haben, du wirst haben,
er, sie wird haben, wir werden
haben, ihr werdet haben, sie
werden haben, — gehabt.
Ich bin, du bist, er ist, sie ist, wir
sind, ihr seid, sie sind.
Ich war, du warst, er, sie war, wir
waren, ihr wäret, sie waren.
Ich werde Bein, du wirst sein, er,
sie wird sein, wir werden sein,
ihr werdet sein, sie werden sein,
— gewesen sein.
Ich muss, wir müssen, ich musste,
wir mussten, — gemusst.
Ich mag, wir mögen, ich möchte,
wir mochten, — gemocht.
Ich kann, wir können, ich konnte,
wir konnten, — gekonnt.
Jft har, duh&r, hainj har, hon har,
vi ha, J hä, di ha.
Ja hadde, du hadde, hainj hadde,
hon hadde, vi hadde, J hadde,
di hadde.
Ja ska (vil) h&, du ska hA, hainj
ska hä, hon ska hä, vi ska hä,
J Bka hä, di ska hä, — hat.
Jä e, du e, hainj e, hon e, vi e
J e, di e.
Jä va, du vä, hainj va, hon va,
vi va, J va, di va.
Jä ska varra, du ska varra, hainj,
hon ska varra, vi ska varra, J
ska varra, di ska varra, — hä
vad.
Jä bör(maa), vibör(maa), jä bore
(maatte), vi bore (maatte), —
borad (maattad).
Jä gjider. vi gjida, jä gad, vi gad,
— goddad.
Jä kainj, vi kainj, jä kuinje, vi
kuinje, — kuinjad.
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103
Ich lasse, wir labst n, ich liess,
wir Ii essen, — gelassen.
Ich darf, wir dürfen, ich durfte,
wir durften, — gedurft.
Ich will, wir wollen, ich wollte,
wir wollten, — gewollt.
Ich fahre, ich fuhr, — gefahren.
Ich bitte, ich bat, — gebeten.
Ich befehle, ich befahl, — befohlen.
Ich trinke, ich trank, — getrunken.
Ich sehe, ich sah, — gesehen. .
Ich sage, ich sagte, — gesagt.
Ja lar, vi lar, ja lo, vi lo, — lad .
Ja torr, vi torr, ja tore, vi tore,
— torad.
Ja vil, vi vil, ja vilje, vi vilje,
— villad.
Ja äger, ja agte, — äged.
Ja ber, ja ba, — bed.
Ja befäler, ja befalde, — befält.
Ja drikker, ja drak, — drukked.
Ja ser, ja saa, — set.
Ja sejer, ja sä, — sajt.
Vocabeln.
Abend
Abendbrot
Abfahrt
Abreisen
Abschied
Allein
Andenken
Bauer
Bauerngut
Bett
Bier
Boot
Brief
Brot
Buch
Caffee
da
Däne
danken
Dienstag
Donnerstag
Essen
Felsen
Feuer
Fisch, Fischer
Frau, Fräulein
Freitag
Führer
Fuhrlohn
Fuss
gehen
Geld
Glas
gross
Hafen
Hammelbraten
Autan, masc.
Autansmäd, m.
Bortresa, Vtt-
krejsa, fem.
resa, rejsa
Afsje, f.
ena
Aaminjelse, f.
Bone, m.
Bonagaar, in.
Seinj, f.
Öl, neutr.
Baad, m.
Brev, n.
Brö, n.
Bog. f.
Karle, f.
der
dansk, dansker,
danskt
takka
Tirsda
Torsda
M6d, m.
Hailjen,Klyppa,
Fyr, f.
Fisk, Fiskara, m.
Konna, Fru,
Fröken, f.
Freda
Vejvisara, m.
Vounleja, f.
Fod, m.
gaa
Peinja (nur im
Plural gebr.)
Glas, n.
stor
Haun, f.
Lammastej, f.
heiss
Herr
hoch
hören
Hotel
hübsch
in
Junge, Knabe
Jungfrau
kalt
Käse
keine, kein
krank
kurz
Lachs
Mahl
Meer
miethen
mit
Mittwoch
Montag
Nacht (gute
Nacht!)
nass
nicht, nichts
Ort
Osten
Post
rasch
Rinderbraten
(Beefsteak)
Runenstein
Sonnabend
Sonntag
Stiefel
Stube
Wasser
Weg
woher, wohin
Zimmer
hed
Herre, m.
höj
höra
Hotel, n.
smokk
i
Horra, m.
Jomfru, f.
koilj
Ost, m.
injinj, injed
»jög
kort
Lajs, m.
Maal, n.
Sjö, r«, Hav, n.
leja
me, v6r
Onsda
Manda
Nat, f. (goNat!)
vaad
ikje, injed
Stä, m.
Ost
Post, m.
rask, hortijhouse
Oxastej, f.
Runesten, m.
Lourda
Sönda
Stevla, m.
Stoua, f.
Van, n.
Vej, m. (Vejinj)
hvorfraa, hvor-
hen, hvorte
Kammers, n.
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103
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Bei E. Bichteler & Co., Hofbuchhandlung in Berlin,
sind ferner erschienen und durch alle Buchhandlungen zu
beziehen :
lllustrirtes Reise- und Skizzenbuch
für Schweden
von
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Königl. Dänischem Wirkl. Kammerrath.
Zweite vollständig umgearbeitete und vermehrte Auflage
mit 9 Karten und Plänen und 20 Illustrationen. Elegant
gebunden. Preis 8 Mark.
Für die Vorzüglichkeit des Buches bürgen die vielen
von der gesammten Presse erfolgten anerkennenden Ur-
theile; wir lassen hier nur das des „Magazin für Litera-
tur des Auslandes" (So. 8 des Jahrgangs 1875) folgen:
„Das illustrirte Reise- und Skizzenbuch für Schweden
von E. J. Jonas darf mit zu dem Besten gezählt
werden, was in Bezug auf Reiseliteratur die letzten
Jahre gezeitigt haben. Typisch ausserordentlich sorg-
fältig ausgestattet , bringt es eine Reihe hübscher und
geschickt ausgewählter Illustrationen und trennt die be-
schreibende Abtheilung des Skizzenbuches auf eine jeden-
falls der Einheitlichkeit der Darstellung sehr zweckent-
sprechende Weise von den materiellen Angaben zum Zweck
der Bequemlichkeit und Sparsamkeit der Reisenden."
Ebenso günstige Besprechungen sind eingegangen über
das in demselben Verlage erschienene:
Illustrirte
Reise- nnd Skizzenbuch für Norwegen.
Von Emil J. Jonas,
Kttnigl. Dänischem Wirkl. Kammerrath.
Mit 14 Karten und 32 Illustrationen. Elegant gebunden.
Preis 8 Mark.
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Verlag von E. Bichteler.Ä Co., Hofbuchhandlung in
Berlin, Linkstrasse 15:
SCHWEDEN
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Ein Beitrag zur Statistik
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Ein Beitrag zur Statistik
von
Eiiiii J. Jonas.
8. Brochirt. Preis : 75 Pf.
pro
Heft
1 Mark.
In demselben Verlage erscheint allmonatlich:
Titti Ftutti.
Humoristische
Illustrirte Feuilleton-Bibliothek
Herausgegeben
12 Hefte
von
Siegmey, 10 Mrk j
Der freimüthige Ton, der humoristische Inhalt, die Beliebtheit
der Mitarbeiter, die Reichhaltigkeit den Gebotenen, die originellen
Illustrationen und die geschmak volle Ausstattung dieser Monatsschrift
haben die Anerkennung der PreBse und die freundlichste Aufnahme
beim deutschen und ausländischen Publikum gefunden.
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Verlag von E. Bichteler & Co., Hofbuchhandlung in
Berlin, Linkstrasse 15:
Der SeisterseSier*
Bilder aus Nordland (Norwegen)
von Jonas Lie.
Im Ben itorroeairdjen ütofcW, mit ^armort unö $üjp?i)ic
Mtfeljeit
von Emil J. Jonas.
Autorisirte Uebersetzung. — Mit dem Bildniss des Verfassers.
8. Eleg. gebunden 3,50 Mk. Sauber broeh. 2,50 Mk.
Mit dieser höchst spannenden Novelle, welche ungemeines Auf-
sehen machte, und in wenig Zeit in dem ihm zu Gehote stehenden
kleinen Sprachgebiete, da» nur Dänemark und Norwegen umfasste,
fünf Auflagen erlebte, eroberte sich Lie mit einem Schlage einen
ehrenvollen Platz unter den besten Namen der jungen
norwegischen Literatur, wie überhaupt in ganz Skandinavien.
Bis heute steht diese Novelle als das Frischeste und Beste unter den
Erscheinungen der skandinavischen Literatur der Neuzeit unerreicht
da, und ist Lie durch dieselbe in ganz Skandinavien populair ge-
worden und mit vollem Rechte.
Sich selbst im Wege.
Ein Stimmungsbild
von
Maximilian Bern,
Verlasser von : „Auf s c h w ankern Gr r u n d e" .
6 Bogen Octav. Eleganteste Ausstattung.
In Pergament-Umschlag. Preis: 1 Mark 50 Pf.
Maximilian Bern hat sich mit seiner ersten Erzählung „Auf
schwankem Grundo", welche die gesammte Presse veranlasst hat,
den jungen Autor in den Vordergrund der zeitgenössischen
Novellisten zu stellen, einen so geachteten Namen errungen, dass
jede neue Dichtung von ihm beim Publikum wie bei der Kritik
dem lebhaftesten Tnteresse begegnet.
Die soeben erscheinende Novelle „Sich selbst im Wege", die
zum Theil in Theater kreisen spielt, ist mit so viel poetischem und
geistigem Gehalt erfüllt, so reich an sinnigen Natur- und Stimmungs-
bildern, so farbenprächtig im Colorit und dabei so originell in der
Erfindung und der streng logischen Entwicklung, dass sie nicht nur
alle zerstreuungssüchtigen Leser ungemein fesseln, son-
dern auch vornehmere Geister sehr ansprechen dürfte, die für die
Tiefe eines Problems, sowie für die feine psychologische
Detailmalerei Sinn und Verständniss haben.
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AIb Unterhaltungslectüre , zur Reise und für die
Bäder bestens empfohlen :
Touristen-Fahrten.
Reisebilder
von It. Ii # Stab.
(Berlin, Denicke's Verlag [Georg Hemke].)
Paul Lindau sagt über dies Buch in der „Gegen-
wart" u. A. :
„Diese Reiseskizzen sind durchaus anspruchslos, sie
wollen dem Leser nichts Neues lehren, sie wollen ihm
nur sagen: „so habe ich, ein fahrender Zeitungsschreiber,
die Sachen gesehen, und vielleicht macht es Euch Ver-
gnügen, meinem Geplauder zuzuhören. Kennt Ihr die
Dinge nicht, von denen ich spreche, so wird's Euch viel-
leicht intcressiren , darüber etwas von einem Menschsen
zu hören, der sieh schmeicheln darf, einiges Talent
zum Reisen zu besitzen ; und kennt Ihr sie, so werden
Euch die Erinnerungen, die ich wachrufe, Freude be-
reiten." — Die Darstellung ist gewandt, ungekünstelt
und lebendig; es ist nicht eintönige Schilderung und
Beschreibung; durch den Dialog, den unser Ver-
gnügungsziigler häufig anwendet, durch Rede und
Gegenrede kommt Bewegung und Lebendigkeit hinein.
Es ist ein liebenswürdiges, munteres Buch."
G 1 a s b r e n n e r's „Montags-Zeitung" schreibt :
„Wir empfehlen das Werk mit aller Wärme und
rathen sogar dem gebildeten deutschen Publikum,
es sich zu kaufen!"
Die „N a tional -Zeitung" schreibt:
„Ein vielbeschäftiger Journalist, der mit seinen
Mussestunden ökonomisch haushalten niuss, beherzigt
Stab das carpe dient des Horaz und giebt diesen Rath
allen, die, wie er, nur eine kurze Spanne Zeit erübrigen
können und diese zu einer Erholungsreise benutzen
wollen."
Die „Düsseldorfer Volksztg." bemerkt:
„R. L. Stab hat es vortrefflich verstanden, seinen
Skizzen ein anregendes, originelles Gepräge zu ver-
leihen."
In ähnlicher Weise sprechen sich sämmtliche darüber
erschienenen Kritiken aus.
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3$.($J1 aS»^Ji clWj: s&ßJi <i/<jdr» ii^äji
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