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Full text of "Das apostolische Symbol im Mittelalter eine Skizze"

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Das 




apostolische 
Symbol im 
Mittelalter 







Friedrich Lud wig _ 
Leonliard Wiegand 





Bought "witl-i money 

GIVBN BY 

THE SOCIETY 

FOR PROMOTING 

THBJOL^GICAL BiDUCATION 



Received ^io^w-. X( , 190 




^orträge der tbeologiacben Konferenz zu 6ie88en 



Das apodtoUdcbe d>^mbol 
im jMitteUlter 

6tne 6kizz€ 

von 

D. frudricb ^iegand 



X Rictier'eche Verlagsbuchbamltung 
(9lfred Cöpelmann) 0ie88en 1904 



.X^/VV Ittel y i'Cin-r<« 



Dnuk von a a. Rttder, LtipsiK. 21982. OA. 



d by Googl 



Die weitverzweigte Literatur, welche sich im 
19. Jahrhmidert mit dem apostolischen Symbole beschäf* 
tigt, geht in der Hauptsache entweder dem Probleme 
der Entstehung des Symbolteztes nach, oder de erörtert 
die piaktisohe Erage, mwieweit der alten Formel noch 
eine Bedentong fSr die iHrftTilirtlift Gtegenwart zukommt» 
Die alte Kirche und die Bedürfiusse von hente, sie 
sind unter diesem Gesichtspunkte gründlich durch- 
wühlt worden, und nur für die dazwischenliegenden 
Jahrhunderte, spezieU für das Mittelalter, hat es bisher 
an einem auch nur annähernden Interesse bei den 
Symbolforschem gefehlt. BloB gelegentHch hat man 
sich gefragt, welchen Zwecken jene auf weiten Um- 
wegen zustande gekommene Formel entsprach, ehe 
sie in den Katechismen des 16. Jahrhunderts einen 
festen Plates gefonden hat Eine eingehende Unter- 
sndmng über die Stellung des apostolischen Symbok 
im kirohlidien Leben des ICttelalters entbehrt daher 
nicht eines gewissen Beizes. Man stolpert nicht anf 
Schritt und Tritt über den Schutt der Meinimgen, 
sondern man darf noch als stiller Pfadfinder un- 
angefochten seine Straße ziehen. Freilich geht dieser 
Marsch bei dem Mangel an den nötigen Hilfsmitteln 
zugleich in sehr langsamem Tempo. Das spröde Hand- 
sdiriftenmatenal, das meist im2nxreiohend katalogisiert 



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m miseren Bibliotheken sehlunmLert, -will erst gesichtet 
sein, und das Resnltat entspxidht nidit immer der 
anfgewsAdten SSeit nnd Mühe. Als ich Ihre gütige 
Anffordenmg zum heotigen Vortrag erhielt^ ftente ich 
mich, endlich emmal mit Sammeln enfhöien nnd meinen 
ManuskiiptenwusL ordnen zu können. Aber ick merkte 
zugleich, daß bei dem mechanischen Absuchen viel 
Uberflüssiges sich aufgestapelt hatte, während rechts 
und hnks noch unangenehme Lücken klaffen. Meine 
Materialien reichen vorerst nur zu einem allgemeinen 
ÜberbUck, aber noch nicht zur abschließenden Dar- 
stellung einer besonderen Partie. Indessen tröste ich 
mich damit, daß ja auch die flüchtige Skizze ihr volles 
Beoht neben dem ansgeföhrten Bilde beanspraehen 
dar£ 

Schon zur Zeit Augustins besdiränkte sieh die 

katechetische Vorbereitung der Tanfkandidaten auf 
die dogmatischen Materien, während die Emiiihiung 
in die christliche Moral der seelsorgerlichen Tätigkeit 
nach der Taufe überlassen blieb. Auch dKute bereits 
jener dogmatischen Unterweisung da? apostolische 
Symbol als Leitfaden. Freilich nur seinem Gedanken- 
gange, nicht seinem Wortlaute nach. Denn die Formel 
selbst blieb für den Tftnfling ein Geheimnis bis zu 
einem der letzten Fastensonntage, an vraLchem sie ihm 
mit einer Ansprache feierlich übergeben wurde , nm 
einige Tage später ebenfaUs in solenner Weise von 
ihm zurückgegeben zn werden. Diese doppelte Ver- 
wendung, welche das Symbol im altkirchlichen Kate- 
chumenate gefunden hat, schuf zugleich eine zwiefache 
Literaturgattung: neben die längere Symbolkatechese 
tritt die knappe ^ymbolansprache. 



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An diesem Verhältnis hat die Kirche auch dann 
noch festgehalten, als sich mir Kinder als Tauf- 
kandidaten einstellten und damit eine oigentHche Tauf- 
vorbereitung hinfällig wurde. Die Hocihachtung vor 
altüberlieferten Formen führte zn einer Art Schein- 
kateohninenat, dessen Entwickelung schließlich in dem 
kunstvollen Aufbau der sieben Skratinienmessen ihren 
Höhepunkt «neidite. Diese Messen fÜUten die letzten 
drei bis vier Wochen vor Ostern ans nnd waren nichts 
anderes ab der anun Zeremoniell erstarrte Katechxunenat 
der alten Blirche. Gleichzeitig entschwand freihch mit 
dieser Umgestaltung das Bedürfnis nach einer de- 
taillierten Erkliimng des Symbols. Wir dürfen uns 
nicht wundern, wenn seit dem 6. Jahrhundert die 
Symbolerklärungen und iSymboIpredigten immer rarer 
werden und wenn die wenigen, die aus der folgenden 
Zeit auf uns gekommen sind, obendrein formell wie 
inhaltlich sehr dürftig sind. Wo keine Gelegenheit 
war sich zn betätigen, da bildeten sich andi keine 
exegetischen Talente. 

Das wnrde wieder anders seit den Tagen Karls 
des Großen. 

Bestimmungen über eine den römischen Vor- 
schriften entsprechende Taufe und Taufvorbereitung 
gehörten bereits zu den Vei handlungsgegenständen der 
bonifatischen Reformsynoden in den vierziger Jahren. 
Aber was man erzielte, war doch nicht etwa bloß eine 
glatte Herübemahme der Skrutinienmessen mit ihrem 
komplizierten Zeremoniell. Denn ELarl verstand es, 
diesen Prozeß einer Zentralisation anf liturgischem 
Gebiete in solche Wege zn leiten, welche neben der 
starken Betonung des Zeremoniellen noch genügenden 



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Raum for eine religiöse Eiziehimg des Volkes UeAen. 
Jener Bitos, der mit seinen Skratinienmessen bisher 
die ieteten Woehen yor Ostern in Ansprach genommen 

hatte, wurde nnmnehr zu einer Taufordnung zusammen- 
gezogen, die jetzt etwa ebensoviele Stunden benötigte, 
als man früher Tage gebraucht hatte. Was man 
damit an Zeit und Kraft gewann, kam einer wirk- 
lichen Taufvorbereitung durch belehrende Katechisa- 
tionen zu gute. Auf eine solche hatten die ohnstia- 
nisierten Völker des Südens und Westens eher ver- 
jdchten können; sie war angesichts der Ejndertanfe 
sogar znr Unmöglichkeit geworden. Anders aber lag 
die Erag^ auf dem jimgfir&nlichen Boden des Nordens« 
Überall -wo es sich nm eine IGssionskirche handelt» nm 
die Tanfe Erwachsener, um die religiöse Axtsbildung eines 
neuen Völkergeschlechtes, da tritt der der Taufe vorauf- 
gehende katechetisclie Unterricht wieder in sein Recht, 
da erscheint zugleich das apostolische Symbol als der 
geeignete Leitfaden. 

Diesen Grundsatz vertritt Alkuin mit Nachdruck 
bei der Slaven- und Avarenmission: das Unterrichten 
an der Hand des Symbols ist die Hauptsache, das 
Tanfen kommt erst in zweiter Linie. Anch Hrabanns 
Manms dirigiert ein hslbes Jahrhundert später den 
Missionar Reginbald in diesem Sinne. Die doppelte 
Bnrde der Kloeterverwaltong nnd der hohen Politik 
hinter nch werfend, saß der ehrwürdige Abt damals 
in Studien vcrliei't aui" düiti X^etersberge bei i^ulda, um 
aus den Erfahrungen der früheren Zeit Edelmetall zu 
schürfen , das als kuranto Münze für weitere Jalir- 
hunderte neue Gültigkeit gewinnen sollte. So ent- 
standen seine drei Bücher von der kirchlichen Dis- 



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ziplin, ein Hteraxisches Konglomerat, das fär die 
theologische Arbeit des 9. Jahrhunderts iypisdi ist^ 
Mit Augostins eigenen Worten veilangt er vom gaten 
Katedieten GrfindHofakeit, seelsorgerlichen Takt und 
jenes gjUlddiche Teznpenunent, das der individuellen 
Söhwierig'keiten Herr zn werden vorsteht. 

Aufs neue gewinnt damit die Praxis der alten 
Kirche, wie sie in Augustins Schrift De riidibus cate- 
chizandis ihren klassischen Ausdruck gefunden hat, 
die Oberhand. IMe Tauf kandidaten , sofern sie er- 
wachsen sind, nnd mit ihnen die Paten erhalten in 
den letzten Fastenwochen Unterricht im apostolischen 
Symbole und im Vaterunser. Noch fehlt freilich diesem 
üntemchte der persönliche Charakter xmd die Origi- 
nalität. Der Lehrer bewegt sich in althergebrachten 
GedankenTftfhen mid begnügt sich mit den fixierten 
Definitionen der firöbeFen Zeit. Aber das ist doch 
erreicht, daß man dem belehrenden Worte wieder vor 
dem liturgischen Apparat imd dem kirchiiciitin Zere- 
moniell den Vorzug gibt. 

In den Geist eines solchen Unterrichtes führt tms 
eine in Frage und Antwort gestellte Katechese ein, 
welche ausweislich der Handschriften noch in das 
9. Jahrhundert gehört. Der Schüler fragt und der 
Lehrer antwortet. Jene fragen sind aber einerseits 
dnrohans nicbt nnbe&ngen sohnlerbafb. An wen 
glaubst du? G-laubst du an Jesus Christus? Q-laubst 
du an den heiligen Geist? G-laubst du an die Ver- 
gebung der Sünden? Glaubst du an die Anfmtehung 
des Fleisches? Sie setzen also voraus, daß der Schüler 
bereits über die Existenz von dogmatischen Begrüien 
orientiert ist, über die er vom Lehrer Auskunft er- 



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bittet Oder sie sind reine Verlegenheitsfini^en. Was 
weiter? Was geschah dann?^) 

Aber auch innerhalb des TanfsseremoiueQs gewinnt 
das apostolische Symbol jetet eine erhöhte Bedeutung*). 
Der karolingische Taufordo verzichtet auf die mystische 
Farfoenprachtf mit welcher die Skrataniemnessen der 
Syinbolübergabe und der Symbolrückgabe ausgestattet 
■wai eii, aber nicht auf die Sache selbst. Aus der Über- 
gabe wird zwar nur eine einfache liturgische Rföi- 
tation des Symbols, hingegen verwandelt sich die 
iSymbolrüokgabe kmz vor dem Taufakte selbst in ein 

^) Incip.: Tsta susoipio. Sed quoniam siciit nosti. Hand- 
schriften de« Jahrh.: St. Gallen 40. 732; Orleans 116. Ab- 
gedruckt bei Mi^ne ser. lat. 101 p. 1130 — 1138. — Eine bei Migne 
direkt darauf folgende, 1. c. p. lliJ8 — 1143, Katechese ist anderen 
Bedürfnissen entsprechend viermal so umfangreich und mit ge- 
lehrten Zienten gesdhmüekt. 

*) Jn seineni belcaimteik Bnndacbreiben an die "ExsbiaehMib 
Tom Jahre 818 stellt Kaiser Karl die doppelte i'rage, einmal 
wie der Begriff Symbol von den Lateinern erklärt werde, und 
sodann, worin der Inhalt der einzelnen Symbolstücke bestehe. 
Dementsprechend bieten sowohl die Antwortschreiben der Erz- 
bischöfe wie fast alle Schriften, welche im 9 und 10 Jahr- 
hundert von der Taufe handeln, einen aJigemeinen \ind einen 
speziellen Abschnitt über das Symbol. Eine Auseinandersetzung 
über die Taufe, bei welcher diese iPaiagraphen fehlten, galt 
geradezu als uiTollBlAiidig und ergflnsangsbedfirf tig. VgL auAer 
den in meiner Sohxift: Enbiechof Odübert von Mailand über die 
!Daafe S. 9 Anm. 1 genannten iwOlf Arbeiten noeh 13) Cod. Yatie. 
Palatinus 486 aaec. IX. Abgedruckt von Albert Wenning* 
hoM im Neuen Archiv XXVII S. 578—580 und 11} Cod. Paris. 1012 
saec. IX. — Über Taufe und Ta\ifunterricht im fränkischen 
Reiche habe ich ausführlich gehandelt in meiner Schrift: Die 
Stellung des apostolischen Symbols im kirchlichen Leben dee 
Mittelalters. I. Symbol und Katechumenat. 1899, 



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räkliohes Eateohisiinuezaiiiaii der Tanfkandidaten 
oder, sofern diesdlben ntxsk Tmerwachsen waren, der 
Fatol. Denn yon beiden wollte die Kirdie wissen, 

ob sie in den Q-laubenswahrheiten hinreichend be- 
wandert seien. Nach den uns erhaltenen Richtlinien 
tür ein solches Patenexamen bauen sich Frage und 
Antwort knapp und kurz auf. Der Tauffoimel ent- 
sprechend ist auch das Symbol in die drei Artikel von 
Vater, Sohn und G^st gegliedert, aber jedes Textwort 
erfährt seine besondere nnd hinreichende Beräok- 
nchtigung. ^) 

Seitdem üben, vom mystischen Zanber des Zere- 
moniells befreit, Yateronser nnd Symbol anfs neoe 
ihre volle pädagogische Wirkung ans. Beide Hanpt- 
stncke sollten ein wirkliches Gkmeingnt des gesamten 
christlichen Volkes werden. Ein jeder fränkische 
Christ, ob hoch oder niedrig, sollte dieselben min- 
destens wörtlich auswendig wissen. Zu wünschen und 
zu erstreben aber blieb außerdem, daß es zu einem 
wirklichen inneren Verständnis der in ihnen enthalte- 
nen HeUswahrheiten kam. Das Symbol wird damit 
seit Karl zu einem wertvollen Mittel der religiösen 
Volkserziehting. 

Diese zu handhaben war aber aosschlieiUich die 
Sadie des Klerus. Jeder gewissenhafte Qeistliohe sah 
fortan in den beiden Hanptstücken das passende Mittel, 
jxm seine Gkmeindeg^eder leligiös dnidusnbildein xaid 

^> Ood. Sangall. 40 p. 880—849: Post istam abrenuntiatio- 
neiii oportet eum cateoime, quod latme dioitnr insbniere r%l 
adfirmare, et est graecum. Demnm enim intenrogaxe eum dabet 
sa4seidos his verbis: Credis in deam patr«m omnipotentem eresr 
tovea caeli et tenae? etc. 



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zu yertiefen. Und mit diesem katechetischen Unter" 
liokte niimiit zugleich die KateehiBmualiteratnr meia 
neuen AnfBchvung. 

Ihie ältesten zwebpiaohigen Muster, die söge* 
nannten Esteohismen yon Weiflenburg und St. GkUen, 
stammen noch aus der Zeit Karls selbst, aus dem Ende 
des 8. Jaliihunderts. Sie bieten nicht viel mehr als 
den Text, wie dies ebenso bei ihren Nachfolgern der 
Fall ist. iJenn auch die beiden den Namen Notker 
tragenden Arbeiten des 11. Jahrhunderts beschränken 
sich beim S3anbole auf eine bloße Übersetzung des 
lateinisohen Wortlautes^ bei den andern Hauptstüoken 
auf kurze Erläuterungen^). 

Dieser Mangel war indessen leicht zu ertragen. 
Denn zu jeder ordentlichen PfsrrerbibUotliek gehörte 
damals schon eine Erklärung von Symbol und Vater- 
unser aus der Feder eines orüiodozen Theologen. 10t 
ihrer Hilfe war der Geistliche in den Stand gesetzt, 
die beiden Hauptstücke den Taufkandidaten und Paten 
zu erklären, in der Fastenzeit eine Symbolpredigt zu 
haltt II und Fragen zu beantworten, die man ihm etwa 
in Bezug aui irgend eine Grundwahrheit des Christen- 
tums vorlegte. Neben den echten und unechten Ser- 
monen Augustins bheben speziell die Symbolreden des 
Maximus von Turin und des Niceta von Bemesiana 
in G^tung*). 

Malknhoff und Soherer, DenkmSler deutscher Poeeie 
und Prosa ans dem YHl—Xn. Jahrhundert No. 58. 57. 79 A. B. 

(8) I S. 204-209. 249—259. 

Die seit dem 9. Jahrhundert übUche Symbolrede schließt 
sich in der Form durchaus den alten Vorbildern an, indem sie 
in der Einleitung von Entstehung und Bedeutiuig des Symbols 



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Der a&ikanische Biscbof FalgentüiB yon Buspe 
hatte ernst in seiner Schrift gegen den Arianer Fabia- 

nus auch der Bespreclmng des apostoUschen Symbols 
ein Kapitel gewidmet. So wie dieser Abschnitt vor- 
lag, war er jetzt nicht zu gebrauchen. Aber ein &n- 



spriclit und im Hauptteile ähnlich der Ilomilie von Artikel zu 
Artikel ohne organischen Zusammenhang fortschreitet. Gute 
Beispiele hat A. E. Biim in der Zeitschrift für Kirchengeschickte 
abgedruckt, nämlich: 

a) Auscultate expositionem. A. a. 0. XIX S. 180 — 182. 
Die06 sehr beliebte und sicher sehen «os der ilterai frftnkisdlien 
Kirche stammoide Bede findet sich auch kombiniert mit dem 
Sezmon des Gaesarius von Arelate (Migne ser. lat. 89 p. S195 
nr. S. S). YgL auf Grund der Codd. Paris. 3848 B saee. IZ nnd 
2128 nr. 6 saec X bei Oaspati, Anecdota S. 283—289. 

b) Quicumque trans mare transire voluerit. A. a. 0. XTX 
S. 184, doch gibt Bum hier leider nur die Einleitung nach 
Cod. Sangall. 40. Vgl. deshalb noch die Handschriften: Mün- 
chen Olm 3909 (A\i^. eccl. 209) und Paris S. G«nevi6ve 2785. 

c) Dum de äjmbolo conferre volumus. A. a. 0. XIX 
S. 186--190. Hsadsciinften: Miknchen COm 14508 (Em. Fll) 
saee. X und Wolf enbflttel Cod. Weifienb. 91 saec X. 

d) Symbolnm graeca lingua didtur quod in latina. A. a. 0. 
XXI S. 129 — 182. Anfler den vom Bnin benntaten Handschriften; 
St. Gallen 732 saec. IX, Ytooid 73 saec. XI nnd Cod. Sessorian. 
52 saec. XII nenne ich noch Orl^s 116 saee. IX, Paris Bibl. 
Nat 1012 saec. IX und 2373 saec. XU. 

Mit der Zähigkeit der liturgischen Formel behaupten 
sich die Stücke des in das Meßbuch von Auxerre aufgenom- 
menen pseudo-augustinischen Sermon 242 (Migne ser. lat. 39 
p. 2191 — 2193): Quaeso vos fratres carissimi ut nobis reseran- 
tibns. ^ begegnen als beTorsugte Bestandteile in den Kon- 
f^knneraten des 9. — 11. Jahrhunderts, Ich nenne unter aadeien 
die Homilia 18 des Hraban (Uigne ser. lat. 110 p. 27—29), die 
Epistola de ritibus baptismi (1. c 98 p. 938 sq.) und die Hand- 
schriften: Paris Bibl. Nat. 2123 nr. 5; 2817 saeo. X; 3835 saeo. XI. 



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diger Kopf des 9. Jahdumderts wußte sich zu helfeiL 
Er verfolir nach berulimten zeitgenöBBisohen Mastern, 
etwa so wie wenn AlVniTi ans Augustinezoeipten einen 
neuen Kommentar zusanmienstellte. Er schnitt erst 

ans, was ihm überflüssig dünkte, und schob dann, wo 
es not tai, die Sätze eines ihm gerade vorliegenden 
Syniboitextes ein. So ward nur unter Benutzung 
emer Papierschere und eines Ellebetopfes aus einem 
antiahanischon Traktate des 6. Jahrhunderts eine Sym- 
bolpredigt des 9. Jahrhunderts^). 

Auoh legte sich der Pfarrer gern eine Sammlung 
von Exzerpten aus bewährten Symboltraktaten an. 
Diese herausgegriffenen Kraftfl&tose, die er sidi an den 
Band seines Symbdltextes notierte, boten ihm bei 
XJntemcht und Predigt einen wertvollen Anhalt und 
eine Norm iftr die eigenen Gedanken. Und mancher 
Pfarrer, dem kein wirklicher Autor zur Verfügung 
stand, war schon Iroii, das Exzerpt seines Nachbarn 
kopieren zu können. Tatsächlich schleppen sich diese 
Symbolglosseu durch die Jahrhunderte^). 



^) Über Fuigentius vgl. den Abdruck bei Migne ser. lat. 66 
p. 822—834 \m<\ Oa'^pari, QurllcTi TT 8 245—264. Die Bearbei- 
tung des n. ,T;ihrhun(lerts lie^t vor im Cod. Paris. 13208. Vgl. 
Caspari, Alte und neue Quellen iS. 2tK). 317. Hahn, Bibliothek 
der Symbole (3j S. ö2. 

*) Die von A. E. Bum auf Grund des Cod. Saugall. 27 
saec DL in d«r Zeitsehrift fOr EöxehengeaöUelite XTX 8. 184 
bis 160 abgedruckten Gloesm sind noch im IS. Jahrhundert 
kopiert woiden, wie ans dem Ifönohener Olm 14fi01 (Em. F. 4) 
hervorgeht. Sie zeigen Benutzung des Niceta und der peendo- 
angnstinischen Sermone 240 und 242. — Andere Glossen aus 
dem 11.— 14. Jahrhundert finden sich Cod. Ambros. M. 79 sup. 
saec. XI (A. K Born a. a. 0. XXI S. 185—187); München Clm. 



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Gleichzeitig greift indessen anch die selbständige 
Fkoduktion dem praktiscihea Geistlichen unter die 
Anne. Yenmiilich W9X es Bischof Haito von Basel, 
der f&r seine Klosterbrüder auf der Heichenan, die 
selbst keine literarischen Stadien machen konnten, eine 
theologische Qttintessenz in Form des Vaterunsers, des 
apostolischen Symbols und des Doppelgebotes der 
Liebe zusammenstellte, deren Zweck also diesmal nicht 
die Volksbelelirung, sondern die gelehrte Auseinander- 
setzung bildet. Die Bearbeitung ist höchst ungleich 
und entspricht wenig dem Programm. Denn das 
Vaternnser kommt nur sehr kurz weg, das Doppel- 
gebot der liebe wird überhaupt nur genannt, und die 
Symbolerklämng yerliert sich in weitläufige trinitori- 
söhe tind chxistologische Erörterungen, so daß das 
Ganze mehr einer Erklänmg des Athanasianmns als 
des Apostoliknms entspricht^). 

Auch besitzt dies© älteste Literatur bereits einen 
umfangreichen Traktat, der sich in auffallender Unab- 
hängigkeit von den übrigen Schriften der Zeit abhebt, 
den aber die Handschriften gleichwohl nicht später 
anznsetoen erlauben. Der vermutlich französische Ver- 
fasser gebt Yon dem Gedanken ans, daß ein richtiger 
Q-lanbe nach Erkenntnis veilangt, daß deshalb jeder 
rechte Christ das Symbol nicht nnr answendig wissen, 
sondern wirkHdi verstehen müsse* Unter den anzie- 
hend, wenngleich zum Schlosse etwas knapp und sche- 



14506 (Em. F 9) saec. XH; Olm. 16086 (S. Nie. 86) saec* XIII; 
Puis Bibl. Nat. 8447 saec. XIV. 

1) Abgedruckt von A t:. Bum a. a. 0. XXIII S.87— 97. 
Daselbst auch Vermutungen über den Yerfaaser. 



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matisch behandelten Artikeln fehlt noch die HdUen- 
ührt und die Gemeinde der Heiligen^). 

Bb in das 11. Jahrhimdert hinein and alle diese 
VerhSltnisse stahü geblieben. Die bxeite Masse des 
Volkes bildet dem Klerus gegenüber nach -wie vor 
das unmündige Erziehnngsobjekt. Die Zahl der 
Schulen wächst mit der Vermehrung der Bischofssitze, 
aber der Charakter der Bildungsstätten ändert sich 
damit nicht. Der Blick des Geistlichen bleibt auf 
dieselben Autoritäten gerichtet, denen schon die karo- 
lingischen Theologen huldigten. Ihre Formeln unauf- 
hörlich weiter zu tradieren , das schien die Angabe 
des theologisdien ScbxiftsteUers vrie des Lehrers. 

Bruno von Würzbnrg, den sein Vetter K&mg 
Konrad IL nicht ohne guten Grund zum Bischof er- 
nannt hatte, gehört zu den wenigen literarisch tätigen 
KirohenfSrsten seiner Zeit. Er hat sich besonders als 
Katechet einen N'amen gemacht; aber man war damals 
noch recht bescheiden. Denn was wenigstens Bruno 
als Erklärung von Vaterunser und Symbol hinausgehen 
ließ und was ihm bei Mit- und Nachwelt als Verdienst 
angerechnet wurde, war nichts anderes als die wort- 
getreue Abschrift jener alten Katechese mit den höl- 
zernen Schülei£ragen'). 



^) Incip.: Quaado beatam legimus Paolum aposttdum. Ab- 
gedruckt bei Angeb Hai, Seriptor. Teter. noTA ooUeeäo IX 
p. 384—395. Außer dem von A E. Bum (An introdnet&im to 
tbe Oreeds and to the Tedeum p. 165) erwähnten Cod. Vatic. 
Reg. 231 saec. IX — X nenne ich noch Troyes 804 saec. IX— X. 
Jüngeren Datums sind Troyes 1532; St. Omer 119. 694; Grenoble 
H72; London Brit. Mus. Addit. 24902 und Royal 7 C IT 

*) Vgl. oben S. 8 Anm. 1. Ein Codex Herbipoiensiä des 



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Ebenso wird man in den ElöBtem des 11. und 
12. Jahrhimderts nicht müde, die Symboltraktate der 
kaiolingisGiien Zeit immer und immer wieder ssn ko" 
pieren. Denn man konnte ihnen vorläufig nocb nichts 

Besseres zur Seite stellen. 

Und doch fing die MenschheiL allmaiiiicii an, neue 
Ansprüche zu machen. Daß in der Gestalt Berengars 
von Tonrs sich die Vernuni't der lier^^obrachten Auto- 
rität widersetzte, blieb auch auüerhaib Frankreichs für 
das geistige Leben nicht ohne Bedeutung. Der Kon- 
flikt Heinrichs IV. mit dem Papsttome kam Imum, 
tun eine Profong dee Uberlieferten auf seine aus- 
schließliche Gültigkeit hin zu veranlassen. Es schien 
mindestens erspriefllich den Erdis der Autoritäten zn 
erweitem, die alten Abschriften zn interpolieren tind 
um zeitgemäße Zutaten zu berachem. 

Der Textkritiker wird stets auf die Originale des 
9. Jahrhunderts yAirückgreifen, für den Historiker hin- 
gegen haben die Abschriften des 11. und 12. Jahr- 
hunderts eben um ihrer Wucherungen und Zusätze 
willen einen erhöhten Wert und ganz besonderen Heiz 
Denn sie repräsentieren die ersten schüchternen G-eh- 
versnche anf dem Wege znr Selbständigkeit Sie 

11. Jahrhunderts in Oxford Laud. lat. 96. Abgedruckt bei Migne 
ser. lat. 142 p. 550 — 561. Deutsche Übersetzung bei Probst, 
Geschichte der katholischen Katechese S. 89—94 Vgl. Baier, 
Der heSL Bruno Bischof Ton Waizbuxg als Katechet S. 117—188. 
BaUmaimy Deatschlttads kaUioIisehe Katechismen 8. 9 Amn. Sl. 

I) Ein Tortreffliches Beispiel bietet der oben 8. 11 Amn. 8d 
genamite Sennon: Symbolum graeca lingua dicitur quod in 
latina, wenn man die durch die Codd. St. Gallen 732, Orl6ans 116 
und Paris 1012 repräsentierte Rezension des 9. Jahrhunderts mit 
Cod. Paxis. 2873 saec. XII vergleicht. 



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zeigen, daü die geistige Arbeit am Symbole wieder 
vorwärts schreitet» Auch, daß man seine Bagabnng 
in der Metnk nunmehr am Symbole xmd Yatenmser 
ZQ, betätigen anfängt, ist ein Beweb dafOr, daß jene 
Generation sich nicht mehr bloß mit dem unbedingt 
Notwendigen begnügt und ausschließlich vom Her- 
kömmlichen zehrt 

Bald genug schon haben sich diese bescheidenGn 
Ansätze vuii entwickelt. Frankreich, ging mit raschen 



^) Tatenmser imd Symbol in Hexametern, letzteres be* 
ginnend : 

Confiteor domintim n\mc patrem cuiictipnreniem 
Caeli ac telluris plasmatoremque benignum 
und schlieiäeud: 

Tunc pellens reprobos in tanara Christus iniquos 
lustis et aetemae praestabit praemia vitae 
bereits in einer Handschrift des 11. Jahrb.: Paris S. Geuevi^ve 
8410 M. 120 und ISO^. Weitere Beispiele sind Httnehen Cbn. 
16096 saec. XU— XTTT foL 78v. 

Credo denm patrem oaeli terraeque satorem 
und London Brit Mos. Anmd. 41S foL 168: 

ArticuloB bomini da Septem, tot deitati. 
Simplex et trinus caehim vitam veniam dat, 
duistiis Qonoeptas satos passus petit ima 
Surgens ascemdit iudex in fine redibit 
Ein viertes Beispiel: 

Qnot sunt articuli fidei? Buodecim patent 
Articuli fidei. Qno ri sit trinus dcus unus, 
Christus homo factus natus passusque sepiiltus 

Descendat suro^at quod scandat jiidicet et, qiiod 
Prat'-mia det. snrp^nt omnes qui s:ura sacrumdent 

ist in verschiedenen Kezensionen vorhanden, aber immer un- 
vollständig. Vgl. London Brit Mus. Harl. 2406 fol. 10 Boyal 
5 F XV fol. 21 V, Royal 7 A IX fol. 8 u. and. 



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— 17 — 



Schlitten voran. Das Hecht der Individualität, die 
mit mutiger Hand den ererbten Sto£P selbständig ver- 
arbeitet, setzt tkHi durch. Nach Jahrhunderten be- 
gegnen endlieh wieder an Stelle der ewigen Kompila- 
tionen neue und originelle Arbeiten, welche den Na- 
men ihres Autors mit Fug und Recht an der Stime 
tragen. 

Nach wie vor fiel auf einen der letzten Fasten- 
sonntage die Symbolpredigt. Sie hatte früher die 
Taut'feieiüclikeiten der Osternacht einleiten helfen; 
aber sie behauptete sich auch noch, als man die be- 
stimmten Tauftermine aufgab j nur daß sie jetzt mit 
ihrer Rekapitulation der -wichtigsten Glaubenswahr- 
heiten die Gemeindeglieder für die österliche Beichte 
vorbereitete. Oft mußte noch immer 2su dieser Symbol- 
predigt die Homilie des Maximus von Turin herhalten, 
die einst Paulus Diakonus in das offiusielle Homüiar 
aufgenommen und hinter dem Sonntage Judika einge- 
ordnet hatte. Sie galt jetzt als stehende Lektion für 
den Sonntag Judika selbst. Denn das Geschlecht der 
predigteifrigen Bischöfe war ja bereits stark im Aus- 
sterben begriffen. Und doch fehlte es wenigstens in 
irankreich nicht ganz an Kirchenfürsten, welche der 
regimentlichen Tätigkeit so viel Zeit absparten, um 
einmal ^eder die Kanzel zu besteigen. 

So wissen wir es wenigstens von dem verständigen 
Ivo von CSiartres. Seine Symbolpredigt bewahrt man- 
. ches vom hergebrachten Sdiema^ Die lange Einleitung 
bringt bekannte Vergleidie samt der Entstehungs- 
legende und ermahnt die Erwachsenen , daß sie die 
einst von den Paten für sie abgelegte Formel nun- 
mehr selbst bekennen und icsilialton sollen. Die ein- 

Wiegand, Das apostoL Sytubol itu Mittelalter. ^ 



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— 18 — 



sebieii Sätee werden der Beihe nach mit dünen Glos* 
86n kommentiert. Der Wert des Symbols aber gipfelt 
naeb Ivos Ansiebt darin, daß es den InbegriiT des 
katholischen Glaubens im Gtegensatee zur Hftresie aus- 
macht. Hit seiner Hilfe können Paten, Eltern und 
Lehrmeister die ihnen anbefohlene Jugend vortrefflich 
vor dem Irrtum bewahren^). 

Auch der Erzbischof Hugo von E,ouen, ein Clunia- 
censer, der die E echte Tnnocenz II gegenüber Anakiet 
mit voller Hingabe vertrat, fand inmitten der kirchen- 
politischen Wirren seines Episkopates für theologische 
Schriftstellerei noch binreicbende Gelegenheit. Sein 
Traktat über den Glauben und das G^bet ist einem 
jüngeren IVeunde, dem Archidiakonen Egidius, ge- 
^widmeti dessen -wissensohaftliofaen Eifer er nach der 
religiösen Seite hin beeinflussen möchte. Dieser seel- 
sorgerlichen Tendenz verdankt die Schrift ebensowohl 
ihre warme Erbaulichkeit wie die Ungleiciilieit in der 
Ausführung. Mit dem vollen Behagen des Brief- 
schreibers verliert sich der Erzbischof in einen Ge- 
danken, um dann erschreckt über seine Breite auf- 
zulahren und die folgenden Materien um so kürzer 
abzutun^). 

Nicht minder eifrig und lebhaft wirft sich Joslen 
von Soissons in die Katechismusstücke. Denn der kriti- 
sche Geist AbSlards ging um im Lande. Joslen wußte 
davon zu erzählen. Er war selbst in Paris Doeent 
gewesen, freilich ein gat kirchlicher. Sonst w&re er 



Migne ser. lat. 162 p. 604—607. 
^1 Mi.f^ne ser. lat. 199 p 1898— 13?8. Über Hugo vgl. Tkonu 
Wxight, Biographia Britaimica iiteraria II p. 198 — 200. 



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— 19 — 



nicht Bischof geworden und liäLte nicht die Ehre ge- 
habt, Schulter an Schulter mit dem heiligen Bernhard 
zu Sens über Abalard und zu Rheims über Gilbert 
de la Porree abzuurteilen. Aber ganz kann er die 
alte Pariser Zeit deshalb doch nicht verleugnen. Ein 
starker Zug zur wissenschaftlichen Arbeit bleibt auch 
dem. KiroheuföistexL eigen. Dieser Bischof^ der seine 
Diözese mit PrSmonstratenser- und Obterolenserklö- 
stem geradezu übersoliwemmte, yerstand auch darin 
seine SZeit^ daß er dem Drange nadi Selbständigkeit 
des religiösen Denkens möglichst entgegenkam. Denn, 
wie er sich selbst ausdrückt, um das Niveau der Er- 
kenntnis bei den Gliedern seiner Diözese zu heben, 
erklärt er ihnen in Predigten das Symbol und das 
Vaterunser. Auch ist er gern bereit, was er da sagt, 
zusammenzufassen, um es einem Kollegen auf dessen 
Bitte zu übermitteboL Uberraschend wirken eine Beihe 
von neuen E>e£lexionen und von Antworten auf Fragen, 
die etwa im Kreise seiner nachdenkenden Gemeinde- 
glieder auftauchen könnten. Daß Joslen dabei seinen 
Kollegen Ivo yon Chartres gründlich ausgeschrieben 
hat, soll ihm nidit als Sunde angerechnet werden. 
Denn die Art, wie er die Ivoschan Sfttze in sein Ma- 
nuskript hineinarbeitet, spricht eher für ein sorgfälti- 
ges Studium der erreichbaren Literatur als für ein 
hilfloses Plagiat^). 

Aber freilich was ist das alles ^hqqii Abäiard 
selbst! Auch er predigt der Sitte gemäß acht Tage 
vor Ostern über das Symbol. Aber wie? Die Kirche 
hat seit Jahrhimderten mit allen Iditteln dafür gesorgt^ 



^ Ifigne ser. UL 186 p. 1479^1488. 



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— 20 — 



daß Symbol und YatenmseT dem Wortlaute nach, allen 
Ghemeindegliedem präsent sind. Beichte, Abendmahl 
und Patenschaft mußten dazu dienen, diese wörtlidie 
Bekanntschaft mit den beiden Hauptst&cken zu er- 
zwingen. Auch 'viele Konzflien — AbSlard bekundet 
hier eine detaillierte Geschichtskenntnis — haben den- 
selben Zweck verfolgt. Und die Kirche hat recht 
daran getan. Denn wer von den Heilstatsachen nichts 
weiÜ, der kann sie nicht glaubcnj und wer sie nicht 
glaubt, der kann nicht zum Heile kommen. Diese die 
Heilstatsachen zusammenfassende Symbolfoimel ent- 
spricht aber in ihrer Knappheit ebensowohl dem geisti- 
gen Niveau des Dummen und Ungebildeten, -wie sie 
in ihrer Falle einem jeden zur Erlangung des ewigen 
Hefles vollkommen genügt Auch deckt es sich ja mit 
der apostolischen Weisung, daß zum Glauben mit dem 
Herzen das Bekennen mit dem Munde treten muß. Aber 
wichtiger als Auswendigwissen und Bekennen ist doch 
nach Abäiards Meinung das Erkennen. Gewiß haben 
hundert andere vor ihm den Standpunkt vertreten, 
daß die wörthche Aneignung der Formel nur das 
MininmTn sei, dagegen das Eindringen in ihren Inhalt 
das eigentliche Ziel. Zweckten doch alle bisherigen 
Symbolerklärungen ausschließUcb auf ein inneres Ver- 
st&ndnis ab. Aber dieser GManke wurde immer nur 
so nebenbd ausgesprochen, so daß die Gk&hr nicht 
ausgeschlossen war, daß die große Masse auch der Ge- 
reifteren sich trotzdem in der Hauptsadie bei jenem 
Miuimum begnügte. Und daß dieser Zustand tat- 
sächlich herrschte, das ist bei Abälard zwischen den 
Zeilen zu lesen. Dieses ewige Herbeten der Formel, 
vor dreihundert Jahren eine gewaltige Errungenschaft, 



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^ 21 — 



an der mitgearbeitet zn haben selbst einem Kaiser 
Karl Ehre maidite, fing an peinlich zn werden. Ein 
Blöken nnd Mecdcem sei es, aber keine Seelennahmng ; 
ein sinnloses G^eränsch, das den Ohren wohltat, aber 

dem Herzen keinen Nutzen bringt. Abälard ist sich 
bewußt, liiit seiner vielleicht etwas kritischen Symbol- 
erklänmg der christlichen Gemeinde mehr zu bieten 
als die Masse der Beichtväter mit ihrem Einpauken 
und Repetieren. Tatsächlich blitzt die Kiitik an man- 
cher Stelle durch. Ein selbständiger und obendrein 
belesener Antor wird sich mit seiner Individnalit-it 
zn erkennen geben, anch wenn er wie hier Abälard 
es nnr mit den parvnli zu tan hat Ich wül nnr da- 
rauf hinweisen, daß Abfilard zwar gewissenhaft die 
Legende von der apostolischen Verfasserschaft regi- 
striert, aber nicht ohne ein energisches Fragezeichen 
daneben zu setzen. Das Symbolum ist ihm unbedingt 
noch eine Autorität, es entspricht einem Bedüi'fnis 
der christlichen G-emeinde und kommt aus der Hand 
der Kirche. Aber alles weitere gehört in das Gebiet 
des: Man sagt oder des: Es soll. Auch beim Durch- 
sprechen der einzelnen Artikel begegnet wohl öfters 
ein herkömmlicher Passus, aber den ganzen Stoff hat 
doch eine freiere Hand durcharbeitet. Jedenfalls ist 
die Ghiistologie für Abälard die Hauptsache, so sehr 
daß fiir die Lehre -von der Eirohe und ihren Sakra- 
menten kaum eine fltiöhtige Erwähnung übrig bleibt^). 

Ein Zeitgenosse Abälards war Honorius, den man 
in der Regel nach AatLiii benennt, obwohl seine 
Schriften ihn nach Österreich weisen. Auch seinen 



Migne ser. lat. 178 p. 617— 6d0. 



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— 22 — 



bisher ungedruckten SymbolkommentMr iUnd ich. in 
zwei Handschriften des Benediktineistü'ics Melk a. d. 
Donau. Derselbe interessierte mich weniger durch 
seinen Inhalt als durch den Platz, den er einnimmt. 
Im Anschluß au seinen Psalmenkomxnentar bespricht 
xiämlich Honorius die Psalmen des neuen Bundes, das 
Benediktas, Magnifikat, Nunc Dimittas, Pfttemoster, 
SymboluDL Diese Kantaka g^öien zusammen als 
Bestandteile der Liturgie, als Smnma der Belehrung 
und Erbanung &ac die Gemeinde. J£it seiner 3Sin» 
i^nng unter dieselben erweitert sich der Wirkungs- 
kreis des Symbols. Es ist nicht mehr attssoUießlich 
auf den Zutjammenliaiig mit Tauiliturgie und Jugend- 
erziehung angewiesen. Und in der Tat sollte es schon 
bald eine noch weiter gehende Verwendung finden^). 

Mit dem 4. Laterankonzil macht sich in der 
Kirche eine erhöhte Lebenstätigkeit und ein gesteiger- 
ter Drang nach Organisation geltend. Die siegreichen 
£impfe mit den Hohenstaufen, die plamnäßige Durch- 
fübrong der Oxientpolitlk, die tmaxisgesetKten Kon- 
flikte mit der H&resie fährten seit Innocens III dazn, 
alle geistlichen Kräfte straffer zusammenTnifassexL Eine 
lebhafte synodale Tätigkeit im 13. nnd 14. Jahrhnndert 
ist des Zeuge. 

^) Tiicip.: Huius fidei titulus est symbolum apostolorum. 
Handschriften: Melk 498 J 11 saec. XITT und 359 G 19 B&er XY. 
Migne gibt den Psalmenkommentar des Honorius im Auszuge, 
ser. lat. 172 p. 269 — 312, druckt aber die Kantika nicht ab. 
Die in Frage stehende Symbolerklärung ist übrigens nicht zu 
verwechseln mit dem. Oemeindesymbole im Specahm eodesiae 
desselben YerfasBers. Yf^ lÜgne ser. lat. 172 p. 828 sq. xmd 
Hahn, BibUothek der Symbole (8) S. 118 1 — Auch Cod. Uesar. 88 
saeo. Zn in Pteris reiht die Synibolerklftruiig unter die Kan t ika. 



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— 23 — 



Schon Ivo von Cliartres hatte das Symbol als den 
Inbegriff der reinen Lehre den Elt^ni, Paten und 
Lehrmeistern znr Abwehr jeglichen Irrtums bei ihren 
SchntBlingen anempfohleiL Unter Ivos Landsleaten 
li&t der Bretone Theobald, em Kanoniker von Tonra, 
diesen Ghedanken aufgegriffen. Er predigte in der 
Peterskirche zu Bologna über das Sjmbol, als die 
Ketzereien der Katharer die E[irche im Innersten be* 
droliten. Vielleicht war er als glänzender Redner zu 
dieser Leistung besonders nach Bologna berufen wor- 
den, denn es fehlt ihm jedenfaUs nicht der rhetorische 
Schwung, wenn er die kii'chliche Notlage in den all- 
gemeinen und doch nicht mißverständlichen Sätzen 
der Einleitung schildert. Hier ist er offenbar in seinem. 
Element. Schon hat der Feind den Bnbioo über- 
schritten, "RaTOiTii steht in QeSahrf nostra res agitnr, 
das NadLbarbans ^ülit in den Mammen. Die knappe 
Bespiechnng der einzelnen Artikel atmet dann fieilioli 
nnr dürre Gelehrsamkeit| der selbst die schlimmsten 
etymologischen Kunststücke nicht fehlen. Barch sie 
hat sich schwerlich ein Bulugnese vom Patareneilum 
abschrecken lassen^). 

Aber allerorten tauchen jetzt die antihäretischen 
Schriften und Reden an der Hand des Symbols au£ 
Denselben ist eins gemeinsam: sie nennen die zeitge- 
nössischen Gegner so got wie gar nicht, bloß einmal 
£nde ich die Waldenser erw&hnt und einmal den 
böhmischen Widifismos angiedeatet. Es fehlte diesen 
modernen häretischen Biehtongen gegenüber entschie- 



^) Incip. : Sapientia genita da m ihi sapientiam. Abgedruckt 
bei Caspari, Anecdota S. 292—300. 



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— 24 



den am dogmatisoheiL Schlagwort; sie büden meihr 
€0X16 Laiepkrankheit^ die man niolit anf eine theolo- 
giBohe Fonnel bringen kann. Deshalb riditet sich der 
Kampf ganz allgemein gegen die Häresie ab solche, 

gegen das Ungeheuer, das durch die Jahrhunderte 
scliieicht und dessen Bosheit dieselbe bleibt, wenn- 
gleich Namen und Angriffsformen wechseln. 

Typisch ist in dieser Hinsicht der Traktat des 
Thomas von Aquino über die Artikel des Glaubens 
nnd die Sakramente der Kirche. Die Schrift war be- 
stellte Arbeit; Erzbisohof Konrad von Palermo hatte 
den jnngen Dozenten darnm ersncht Thomas skizziert 
liier ganz kurz jeden Arfdkel, er nennt die altkirdi- 
liohen Häretiker, welche an demselben AnstoB ge- 
nommen haben, nnd stdlt jedem von ihnen wiedemm 
ein widerlegendes Bibelwort gegenüber, ünd da sich 
obendrein beim christlichen Glauben im Gegensatze 
zum häretischen Irrglauben alles um die Gottheit und 
Menschheit Christi dreht, so zerreißt Thomas die zwölf 
Artikel und gruppiert sie auf Grund jener Zweiteilung 
neu. Die ganze Arbeit ist also eigentlich nur ein mit 
Hilfe des apostolischen Symbols angelegter schemati- 
scher Ketzerkatalog. Der Umstand, daß das Nicännm 
wiederholt znr Hilfe herangezogen wird, verstitrkt nnr 
diesen Eindmck^). 

Ein anderes nicht nngeedhidktes Handbnoh der Po- 
lemik behandelt im ersten Tedle das Wesen des rech- 
ten G-lanbens, wShrend es im zweiten an der Hand je 



^) Incip.: Postulat a me vestra dilectio ut de articulis 
fidei. Thomas Aqu., Opufioola onmia theolog. et momli>. 
Parifiiis 1656 p. 47—54. 



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— 25 — 

eines der zwdlf Aitakel eine Keteeroi nach der anderen 
mit Hilfe von Sohriffc- oder Väterworten medersclilägt. 

Der erste Streich gilt den zeitgenössisclien Walden- 
sern, die das Alte Testament verwerfen und damit 
zugleich das Credere deo, das sich doch auf beide 
Testamente bezieht. Nicht viel geistreicher ist die 
Anseinaudersetsung mit den übrigen Häresieen. Aber 
die Beschränkung auf das Notw^dige zeigt doch, daß 
es dem Verfasser nicht an einem gewissen Foimtalent 
gefehlt hat^). 

Dem planmäßigen Kampfe gegen die KetBerei ent- 
spricht ein nm so größerer Eifer, die Schftflein bei der 
kirchlichen AnschaanngsweiBe festzuhalten. Ich maÜ 
hier leider darauf verzichten, die zahlreichen zn diesem 
Zwecke angewandten Mittel auch nur anzudeuten. 
Jedenfalls gründen sie alle in der Meinung, daß das 
Symbol nach Wortlaut und Inhalt das beste Präser- 
vativ sei. Nur eins darf ich nicht unerwähnt lassen. 
Seit dem 13. Jahrhundert geben die Synoden, wenn 
sie die Pflicht eines regelrechten Unterrichtes in den 
Katechismnsstücken einschärfen, den Geistlichen zn- 
gleidbi die Mittel an die Hand, wie sie dieser Pflicht 
gerecht werden können. Die Synode beauftragt einen 
t&chtigen Qelebrten mit der Abfassung einer passenden 
lElrklärung, sie empfiehlt eine bereits vorhandene als 
gutes Lehrbuch, sie bringt ein Werk der guten alten 
Zeit, das der Vergesseniieit anheimzuialiön droht, 
wieder in Erinnerung. Der Begiiff des großen Kate- 
chismus für die Pfarrer ist seit der Mitte des 13. Jahr- 



*) Licip.: danSA sunt myateri». Hanclsohxiflen: Melk 258 
E 44 saeo. XIV— XY imd MttiiolLen Cba, 8988 {Asp. 88) saeo. XV, 



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— 26 — 



hunderts im Abendlande dmchans geläufig und wird 
zugleich durch eine Beihe von unterschiedlichen Exem- 
plaren, die allerdings meist nur eme provinzielle Be- 
deutung gewonnen zu haben scheinen, zur Wirklichkeit. 

Aus dem bunten Allerlei greife ich bloB ein paar 
Beispiele heraus, die sich mir auf meiner letzten Reise 
in London und Oxford dargeboten haben. 

Der gelehrte Kanzler von Lincoln, Wilhelm von 
Leicester, hatte auf den hohen Schulen zu Oxford und 
Paris ein reiches Material gesammelt, von dem noch 
andere zehren konnten. Ein Anonymus exzerpierte 
daraus eine umfangreiclie Katt^ r Iiis ran serklänmg, der 
sogar die versus memoriales als Schmuck nicht fehlen*). 

Weit besser entspricht der gestellten Aufgabe die 
interessante Arbeit des Eremiten Hichard von Hampole 
über Yatenmser und Symbol. Sie ist übersichtlich 
und selbständig und ecfireut durch einen angenehmen 
Wechsel von gelehrten Anmerkungen und erbaulichen 
Betrachtungen 



Die Sache liegt etwas verwickelt und bedarf uoch der 
KlArvmg. Es handelt sich um den umfangreichen Traktat: Qui 
bene praesunt presbyteri duplici houore digni habeautur maxiine 
qui etc. m London Brit. Mus. Bojal 7 A IX saec. XTTT fol. 6 s^q. 
und Oxford Laud. misc 597 foL 55 sqq. (Braohstfloke Oxford 
Bawlinson C 504 fiol. 52, London Brit. Mus. Barl. 388 foL 80v 
und HorL 586 föL 171) und um sein YerhAltois mm Nunyeiale 
besw. der Sunin» des Wilhelm (f 1213). Über ihn vgt Thom. 
Wright, Biographia Britannica literaria II p. 463 sq. 

») Er starb nach Zedlers Universallexikon (KU S. 404 . 1349, 
während ihn die Bibliotheca Maxima Lugd. 26 p. 609 fälschlich in 
die Zeit um 1420 setzt. Vgl. auch Dictionary of Kat Biography 49 
p. 164 sqq. Der Kommentar handschriftlich in London Brit. Mus. 
HarL 2406 fol. 12—32. Abgedruckt in Bibl. Max. 26 p. 619-624. — 



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— 27 — 



Der überaus produktive Augustiner Jokannes 
Waldby brachte eine gute Oxforder Schulung auf 
den ersbischöflichen Stuhl von York und, als er diesen 
aus politischen Kücksichten aufgeben mußte, auf den 
▼on Dublin mit. Von ihn stanmit ein sehr ausfähr- 
lioiher KatediismuBtraktat, der auch das Ave Maxia 
mit einbegreifk^). 

Als TieLsffltiger Gelehrter und ausnehmend tüch- 
tiger Bibelexeget galt der Augustiner eremit Johannes 
Aquila in York. ISocli stärker muß aber der Drang 
zum Dichten m ihm gewesen sein. Denn er übertrug 
die ganze Bibel in le< >nmische Verse und seine Kate- 
chismuserklärung besteht aus zwei langen Gedichten 
über Vaterunser und Symbol in Distichen^. 



Worauf das Wort unioum im zweiten Artikel zu beziehen sei, 
war TOn jeher schwuikend gewesen; auch Hampole kann das 
Problem nicht lösen , aber er nimmt doch zu demselben, was 
seine Vorgänger selten getan hatten, Stellung. — Christus ist 

im Dezember geboren, denn er wollte die kalten Herzen mit 
der Glut der Liebe erfüllen Hände und Füße sind ihm am 
Kreuze durchbohrt, weii Vdam gesündigt hatte, indem er seine 
Schritte zum Baume lenkte und seine Hände nach der ver- 
botenen Frucht ausstreckte. Solche an sich naiven Betrach- 
tungen erscheinen gleichwohl demjenigen wertvoll, der bei dar 
Erkl&nmg des Symbols bisher nur mit den dogmatischen Befl- 
nitionen einer vergangenen Zeit abgespeist worden ist. 

loh kenne bis jetet vier Handschriften: London Brit. 
Mus. Royal 7 E II und 8 C I, Oxford Land. misc. 296 imd 
Morton College 68. Der Traktat scheint noch nicht gedruckt 
zu sein, Zedlers TJniversallezikon LII S. 1217 gibt als Titel: 
JSxpositiones morales in symbolum apostolorum. 

*) Handschrift: Oxford laivvlinson C 15 saec. XV in. Über 
Aquila v^l Job. Felix Ossiuger, BibUoth. Augustiniana. Ingol- 
stadt und Augsburg i7Wj p. ü09. 



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— 28 — 



Mögen mm derartige Sohiiften zu weitschweifig 
geraten oder ssu sehr mit scholastischer G-elehisamkeit 
durchtrSiikt gewesen sein: jedenfalls verlangt schon 
1281 die im Lambethpalast bei London zusammen- 
tretende Synode unter Erzbischof Johannes Peckham 
von Canterbury, daß der Pfarrer aDe drei Monate den 
Katechismus einfach und ohne jede gesuchte Aus- 
schmückung durchzunehmen habe, und sie veröffent- 
licht zugleich eine kurze übersichtliche Erklärung der 
Katechismusstücke, damit keia Pfarrer etwa Unkennt- 
nis oder geringe Begabung vorschützen könne. Damit 
tritt neben den großen Katechismus, das nm&ngreiohe 
Lehrbnöh, der kleine Katechismus, das übersiditliche 
Handbnch| das in wenig sdmieichelhafter Weise be- 
reits auf dem Titel an das katechetische Unvermögen 
der Pfarrer erinnert. Denn „die Unwissenheit der 
Priester stürzt das Volk in die Grube des liTlams, und 
Torheit und Roheit der Kleriker, denen doch die kano- 
nische Unterweisung der gläubigen Jugend obhegt, 
verursachen mehr Irrtum als Belehrung". Ob freihch 
Handbücher dieser Art imstande waren, der vorhande- 
nen Not zu steuern, läßt sich fügUch bezweifeln. 
Jedenfalls ist dieser Symboltraktat, der aus den Syno- 
dalakten in den praktischen Gebrauch überging, nn« 
^nblich mager nnd tmpersönlich; er schützt nur 
gegen nnrichtige Definitionen, aber nicht gegen die 
Gedankenarmut des Katecheten'). 

liicip.: Ignonatia saeevdoixim popiü^ Coof 
ciliain Lambeihense oap. 10: De infonnatione siinpliciam. HaoBi, 

Concil. collectio XXIV p. 410 — 413. Hefele, ConciliengescMehte 
(2) VI S. 220. Als selbständiger Traktat findet sich der Ab- 
schnitt im Oxforder Cod. Bawlinson C 18 saeo. XY. Nur 



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— 29 — 



Es war um die Mitte der föufziger Jahre des 
13. Jahrhunderts, als der junge Bominikaner Thomas 
von Aquino in Paris zu lesen anfing, nnd binnen 
koizem wußten Universität nnd Orden, was dieser 
noch nicht dreißigjährige Bakkalanreos für die Kirche 
zn bedeuten haben würde. Seine Lehrtätigkeit schlag 
sofort ein, seine literarische Prodnktionsfähigkeit war 
immens. In diese Anlängerzeit icilil auch, wenn ich 
so sagen darf^ der große Katechismus des Thomas. 
Er umfaßt vier getrennte Opuskula, die vom Symbol, 
dem Grebete des Herrn, dem Ave Maria, dem Dekalog 
und Doppelgebote der Liebe handeln. Denn drei Stücke 
sind dem Menschen zum Heile notwendig: die Kenntnis 
dessen, was er zu glauben, was er zu begehren und was 
er zu vollbringen hal Das erste wird im Ghlaubens- 
bekenntnis der Kirche, das zweite im [Gebete des 
Herrn, das dritte im Dekalog und im Doppelgebote 
der liebe gelehrt. Die Hauptsache aber ist der Glaube, 
denn er vereinigt die Seele mit Gott, er bietet einen 
Vorschmack des ewigen Lebens, er dirigiert die Sitt- 
lichkeit, er hilft über die Versuchungen des Teufels, 
der Welt und des Fleisches hinweg, indem er uns 
zum Gehorsam gegen Gott erzieht, uns den Blick in 
ein besseres Leben eräfifnet und uns die Bedeutung 
der Ewigkeit vor Augen fuhrt Manche werfen ein: 
Wie töricht zu gjlauben, was man nicht sieht. Aber 



streicht die Handschrift die von Mansi L c. p. 412 C— 4in B 
aufgezählten Ehehindemisse und Exkommunikationsandroh- 
nngen und setzt an ihre Stelle die Todstinden, Kardinaltugenden 
und Salvramente. Da diese Stücke zum Katechismus des Mittel- 
alters gehören, so gebührt dem Oxiorder Texte der Vorzug. 



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— 30 — 



dieser Vorwurf der Torheit fidit anf den Sprecher 

zurück. Denn die Unvollkommenheit des menscMich.en 
Verstandes nötigt uns dort zu glauben, wo wir nicht 
erkennen können, und Gott zum Lehrer zu nehmen, 
wo wir hilflose Schüler sind. Und wie die Bezie- 
hungen zwischen Mensch und Mensch auf Glauben 
basieren, so erst recht der Verkehr zwisohea Mensck 
Tind Gott, 

Das war mit einem Male eine andere Sprache. 
Von zweifelhaften Etymologien^ wn der trivialen Ent* 
stehnngslegende oder dem Apostelveizeichms ist nicht 
mehr die Itede nnd ebensowenig von einem media- 
nisohen Zerhacken des Symbols in seine Artikel, 
sondern mit innerer Notwendigkeit entwickelt sich 
ein Stück des Bekenniiiisses aus dem andern. An 
die Stelle der stereotypen Anlage nnd des gelehrten 
Mosaiks tritt die souveräne Beherrschung der patri- 
stischen Literatur, die auch eine Anleihe beim Juden 
Haimonides nicht scheut. Jedes Lehrstück wird aus 
seiner Eigentümlichkeit herans biblisch begründet, 
durch die Väter erklärt, dem gemeinen Menschen- 
verstände nshegebraoht, gegen die H&retiker yer- 
teidigt und zun Ausgangspunkte einer erbaulieh- 
paränetischen Nutzanwendung gemacht. Gerade in 
dieser Vereinigung von "Wissenschaft und Praxis 
scheint mir der Hauptroiz und zugleich der Vori- 
schiiit bei der Symbolerklärung des Thomas von 
Aqoino zu hegen 



Lücip.: Frimnni quod est neoessarium dmstisxio est fides 
sine qua nöllias. Thomas Aqn., Opaseula onmia theolog. et 
moxalia. Parisüs 1656 p. 80—46. Vgl. p. S06— 218. 240— S68. 



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— 31 — 



Aber Thomas war nicht der einzige Scholastiker, 
der zu dem in den Uxttelpunkt des allgemeinen Inter- 
esses geraclcten Symbolnm Stellung nahm. Wie vorher 
schon Hugo nnd Richard von St. Victor, so haben 

auch Alexander von Haies und Bonaventura mannig- 
fache Beiträge zu aeinein V^erständnisse geliefert. 

In diesem Zeitalter der systematisierenden Ge- 
lehrsamkeit spricht man ^ern von den drei 83^1- 
bolen der christlichen Kirche, dem apostolischen, dem 
nicänisch-konstantinopolitamschen und dem athana- 
sianischen, freilich nicht ohne sich des in dieser Zu- 
sammenstellnng liegenden Widerspmches bewnßt zn 
sein. Denn wenn die Synoden von Worcester 1240 
nnd Ezeter 1287 das athanasianische Symbol einen 
Psalm nennen, so heben sie es von den beiden an- 
deren dentlich ab. War es ja doch überhaupt nicht 
für die Gemeinde, sondern nur für die Priester be- 
stimmt, die es täglich in der Prim im Anschlüsse 
an die Psahnen singen und nebenher als trinitari- 
sches und christologisches Lehrbuch benutzen sollLen. 
Gleichwohl bürgerte sich diese Zusammenfassung der 
diei Symbole zu einem theologLschen Ganzen seit 
dem dreizehnten Jahrhundert allgemein ein und 
fiihrte sogleich znr Heransgabe eines dreigliedrigen 
Symbolkommentars, der in breiter Einleitung Ent- 
stehung und gegenwärtige praktische Bedeutung 
eines jeden der drei Symbole durchspricht, um 
dieselben dann nicht minder ausfuhrlich der Reihe 
nach durchzuexegesieren. Diese weitschichtigen ge- 
lehrten Werkü, die obendrein zum Teil noch direkt 
gern den Zusanomenhang mit einem hervorragenden 
Scholastiker betonen, bieten eigentlich nur eme neue 



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32 — 



Form für die theologische Forschung und haben mit 
den Bedürfnissen der Gemeinde nichts mehr zu tun*). 

Ein recht gelehrtes Klosterbuch des hohen Mittel- 
alters war auch der Symboltraktat, den ich mit zwei 
Müucheuer Handschriften einstweilen dem Hüdebrand 
von Toskandla zuBchreiben wOL Der Verfasser, ein 
itaJienisdher Domimkaoer, war jedenfalls ein Mann 
von allgemeiner Bildung, sein Buch ein Beweis daför, 
wie stark sich die antike Tradition während des gan* 
zen Mittelalters in Italien behauptet hat; es mutet 
geradezu als Vorschmack der Renaissance an. Von 
einer eigentlichen Gedankenentwickelung ist natürlich 
herzlich wenig die iiede, aber man staunt über die 
Freude am Zerghedern der Begriffe, über den wissen- 
schafblichen Eifer, mit welchem der Stoff in endlose 
Unterabteilungen zerlegt wird. Und doch dürfte den 
Leser noch mehr die bunte G-elehisamkeit gefesselt 
haben, welche mit vollen Händen über das dnire Ketz 
der sohematischen Spezialisierang ausgebreitet ist^ 
Noch keate liest man mit einem noveUistischen Inter- 
esse diese Pikanteiieen aus Menschen- und Tierwelt, diese 
Legenden, Anekdoten und Aussprüche von guten und 
bösen Leuten, vom Saladm, vom Könige von i'rank- 
reich, vorn Antipater: bald nur in kurzer Andeutung, 
weil die Sache dem Lesei kreide aus dem Physiologus, 
dem Speculum des Vincenz von Beauvais oder einem 
ähnüdLen Anekdotenschatze geläufig sein mochte, bald 
mit knappen Zusätzen, welche das minder bekannte 



*) Handschrifteu: Münclien Glm. 8349 (Moa. Aug. 49) saec. 
XIV— XY; Oxford Laud. misa 498 angeblich nach Hugo u. 
Biehaxd von St Victor; Land. mise. 12 nach Alexander von Haies. 



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Beispiel erläntem. Auch dienen neben der Bibel, den 
Apokiyphen des Neuen Testamenteft tind den Heiligen* 
leben noch die Aussprüche verschiedener Weisen, des 

Aiiritoteles und des grossen AleiLander, des Fastidius 
und des Seneca als Quelle^). 

Die theologische Arbeit des 12. und 13. Jahr- 
hunderts führte nachgerade zu einer solchen Über- 
produktion, daß einem strebsamen Anfänger der Kopf 
schwindelte, wenn er sich vor diese endlosen Folianten 
gestellt sah. Er brauchte ein Handlmch, welches ihm 
die von Q-laaben nnd Lehre der Kirche handehiden 
Katerien übersichtlich darbot. In der Tat hat noch 
am Ende des 13. Jahrhunderts ein älterer Klosterbmder, 
ans welchem Orden mag einstweilen dahingestellt 
bleiben, diesem "Wnnsche entsprochen. Für die jungen 
OrdensgenosseUj welche nicht in der Lage sind gleich 
eine ganze Reihe von woitschichtigen Werken durch- 
zuarbeiten, trägt er aus den Schriften anerkannter 
Meister ein Kompendium zusammen in dem beschei- 
denen Bewußtsein, eben nur kompiliert und nichts 



Incip.: Fimiculus triplex difficile rumpitiir. Handschriften: 
:Münc]ien Clm. 2956 (Altom. 26), 3597 (Aug. civ. 97), 5393 (Chiems. 
ep. 93), 7553 (Ind. 153), 8715 (Mon. Franc. 15), 8720 (Vion. Franc. 20), 
SÖ26 (Mon. Franc. 126), 8961 cMon. Franc. 2«1), 9810 (Ob. Alt. 310), 
14237 (Em. C 56), 16168 (S. Nie. 168), 18607 (Teg. 607), 18948 
<Teg. 948), 18957 (Teg. 957), 19535 (Teg. 1535), 22296 (Wind- 
berg 96). — Göttweig 312. 358. — Oxford Laud. misc. 41. 
498. — London Brit. Miu. Additw S9798. — Paris BibL Nat 
^86. 10783. 

Den Namen des Yerlassers geben die Künohener Hand> 
flcbriften 8715 und 8826 an. Vgl. nooh Jo. Alb. Fabrioiua, 
Biblioth. lat. med. et inf. aetatis 1754 I p. 55. Qaetilf-Eohaid, 
Bcriptozes ordinifl Fiaedicatorum 1719 I p. 527. 

Wlegand, Dm »postol. SyrntMl im UtMaltor. B 



— 34 — 



Eigenes hinzugefügt zu haben. Die Exzerpte sind 
nach den bekannten Kateohismnsstolfen — G-laubens- 

artikel, Gebote, Sakramente, sieben Tugenden, sieben 
Bitten, sieben Q-aben des heiligen Q-eistes, acht Selig- 
preisungen, Sünden, insbesondere sieben Hauptsünden — 
gegliedert und repräsentieren insgesamt fast mehr als 
ein Compendium. breve. Die Schrift ist, wenngleich 
unter Betonung ihrer Unechtheit, bereits von Geiler 
von Kaisersberg den Werken des Kanzlers Qeison an- 
gehängt worden und er&eat sich infolgedessen einer 
ziemlichen Bekanntheit^). 

Weniger glücklich im Ponkte der Unsterblichkeit 



*) Indp.: Syniboliim est omnimn credendoxom ad sahitem 
^ectantimn compendiosa coUeetio. Abgedruckt in Gtereonii opp. 

Antwerp. 1706 T p. 233—422. Vgl. Schwab, Johannes Gerson 
S. 780. Seeberg, Lehrbucli der Dogmengeschichte II S. 1731 
Geffcken, Bildercatechismus des fvinfzehnten Jahrhunderts S. 30. 
Gröbl, Geschichte der Katechese im Abendlande S. 288. Hand- 
schriften: Die Münchener Codices 3023. 5897. 15399. 18419 
habe ich noch nicht vergleichen könneu, wohl aber Oxford 
Land. misc. 2 und 897; London Biit Hns* Harl. 686, Royal 
9 A ZIV vmd Addit. 80506; Paxis BibL Nat. 14888. 14976. 
16412. Von ümen rathAlten mehrere die in den Bniek nicht 
Kolgenonunene Sinleitang, welehe die Tendenz des Vexfaeaera 
besser erkennen läfit, als es bisher möglich war: Ad in- 
Stmctionem iumoram quibus non vacat opusculorum variomm 
prolixitiitem perscrutari de dif^tis catholiconun magistrormn 
haec sequcntia compilata sunt. Ita etiam si vclit quisque quod 
suum est subtrahere, pars minima vidobitur esse compilantis. 
Summatim ergo ponetui- expositio articuiorum lidei et decem 
praeceptorum, Septem petitionum, Septem sacramentorum, Septem 
■virtatum, Septem donorom, ooto beatitudimim, septem Titiomm 
tarn natarae qaua yolimtatis. 

Cürca tractatum articulomm fidei; Quid dt symbolun et 
nnde dicatur? Quid articolas proat hic somitor? Qnailiter «rti- 



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— 35 — 



als jener namenlose Mönch war dagegen Bischof Ber- 
nard G-uido von Lodeve bei Montpellier. Von Hause aus 
DonuuLkaner und Inquisitor in Toulonse spii Ite er am 
Hofe von Avignon eine poHtische Rolle: Johann XXTT 
benatzte ihn gern zu diplomatischen Sendungen. £r 
dachte an die Bektoren und Knraten seiner Diözese, 
die angesichts der Waldensergefahr für den dogma« 
tischeai Unterricht in der Qemeinde doppelt gut ge- 
rostet sein mnßten, ak er ganz ähnlich wie jener 
andere Ordenamann die kirchlichen Hanptstnoke in 
einem libellns brevis et ntilis zusammenstellte, der 
nur, weil bisher nicht gedruckt, der Vergessenheit an- 
heimgefallen ist^). 

Diese Versuche, die Erträgnisse der theologischen 
Arbeit in die knappe Form des Katt chismus oder wohl 
gar nur des apostolischen Symbols zu bannen, fan- 
den reiche Nachahmung. In der jungen theologischen 

culi a se invicem distinguuntur et sin^nlonim expositio? Qttot 
sunt articuH secundum variam assignaliouein? 

Quid sit Symbol um? Symbolum e^t omnium credendorometo. 

Da mehrere der englischen und fraauEösisohen Handschriften 
noch dem 18. Jahrhundert angehören, so muß die Abfassung 
des Traktates aueh mindestens in dieses Jalirhimdert fallen. 

') Lidp. : Qaooiam ut ait apostolus ad Hebraeos ZI sine fide 
impossibile est. Handschrift: Oxford Rawlinson C 108 saeo. XV. 
Der Traktat schließt: Haec de articulis fidei, de sacraanentis 
ecclesiae, de praeceptis moralibus decalogi et quibusdam annexis 
in fine sub brevitate conscripsimus , ut faciliter possint haberi 
a sacerdotibus et memoriae commendari. Ad aliqualem autem 
intelligentiam plemorem libellum quendam specialem de prae- 
dictis articulis sacrameutis et praeceptis repeteudo ea altius 
dimmufl conscribendum. Über Leben und Schriften des Bischofs 
Bemard Quido Tgl. Qnetlf-Bdbaird, Scriptores ordinis Praadi- 
cafeomm 1719 I p. 67^-560. 

3» 



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— 36 — 



Fakultät zu Wien hat man geradezu regelmäßig über 
das Symbol gelesen und seine Dogmatik an die zwölf 
apostx)lischen Sentenzen angereiht. Schon der Or^2:a- 
niaator der Fakultät, unser hessischer Landsmann 
Heimioh von Langenstein, der im Schatten von Amöne- 
burg aufgewacbisen ist, hat diese Methode eingebürgert. 
Vielleiolit hat der tapfere Vertreter der konziliaren Idee 
dieselbe in Frankreich kennen gelernt nnd sie, als er 
nm seines unentwegten Festhalteiis an der Einheit 
und Remheit der Eirdie "willen mit andern f reisumigen 
Landflleaten von dort weichen mußte, von Paris nach 
Wien übertragen. Der Traktat ist seit dem Mittelalter 
nicht mehr gedruckt wurden. Doch ist dieses kein 
Fehler. Denn unser lieber Landsmann hat es verstan- 
den, sich in mehr als treuer "Weise an Thomas von 
Aquino anzuschließen. In einer Zeit, da die Drucker- 
presse noch nicht für rasche Verbreitung guter Litera- 
tur sorgte, erwarb sich selbst ein namhafter Geehrter 
in Paris und Wien den Dank von Tausenden, wenn er 
ein anerkanntes Werk mit einigen Ümstellungen, Aus- 
lassungen und Zusätzen seinen Zuhörern vom Katheder 
herunter in die Feder diktierte. Er galt deshalb eben- 
soweiiig als Plagiator wie Hus, der um dieselbe Zeit 
den Wiclif wörtUch ausschiiub^). 



^) Incip.: Primum quod est necessarium. Handschriften: 
München Clm. 5409 Tüiiems. ep. 109), 7547 (Ind. 147\ 7553 
(Ind. 153), 14563 (Y.m. F 164G3 (S. Zen. 63), 17247 (öcheftl. 
247). — Leipzig Univeraitatsbibl. 534. 961. — Paris Eibl. Nat. 1780 
nr. 5. Ausgaben: Hain, liepertorium bibliograpiiicum nr. 8390. 
8391. 8392. 8395, dazu Copinger, Supplement I S. S49. ÜVer 
Heinrich von Langenstein (f 1897) vgl. 0. Hartwig, Hsniiens 
d« I4ngeii8tiem didns de Quaia. Asdihach, Geschichte der 



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— 37 — 



Von anderen Wiener Professoren, welchr das Sym- 
bol in ihren Vorlesnngsturnus aufgenommen haben, 
nenne ich die Bayern Johannes Geuß') und Narcissus 
Hera"), sowie die Österreicher Thomas Ebendorfer von 
Haselbach'*) und Nikolaus von Graz. Dürfen wir von 
der Zahl der erhaltenen Nachschriften auf die Menge 
der Znhörer schließen, so maß speziell Nikolaus von 
Graz ein sehr beliebter Doeent gewesen sein. Denn 
seiner von Gtekhxsamkeit strotzenden nnd pedantisclL 
korrekten Symbolerkl&rang begegnet man in allen 
Handschriftensanunlimgen. Auch die üniversit&ta- 
bibliothek in Gießen besitzt ein Exemplar*). 



Wiener Universität I S. 366—402. Roth, Zur BibUographie des 
Henriciis Hembuche de Hassia dictus de Langen stein im Centrai- 
blatt für Bibliothekswesen, Beihefte II 2 S. 10 f. Kirchenlexi- 
kon (2) V S. 1712 1714. Realencyklopädie (3) VII S. 604—606. 

^) Über T >h:ijiues GeuQ (f 1440) vgl. Aschbach, Geschict^te 
der Wiener Universität I S. 452 f. 

■) Tncip.: Et quia »uper dictum est quid sit fides et quid 
sit articuius lidei et quot sint, similiter quid sit symbolum. 
Handschrift: München Chn. 5940 (Eb«nb. 140). Über Ifardania 
Herz (t 1442) vgl. Aschbaeh, Qeschiehte der Wiener üxiiTersitat 
I 8. 463—455. Eink, GesoMohte der kaaserl. TTxdyexsitat m 
Wien I 2 S. 67. 68. 86. 

Licip.: Ipsa lumina ecclesiae. Über Thomas Ebendoifer 
(t 1464) vgl. AschbMh a. 0. I S. 493—525. 

*) Incip.: Quiciimque homo habens usum lutionis vult venire. 
Handschriften: München Clin. 2509 (Ab. 9\ 3024 (And. 24), 3053 
(And. 53), 5325 (Chiems. ep. 25), 5604) Üiess. 104), 5607 (Diess. 
107), 5612 (Diess. 112), 5819 (Ebersb. 19), 7579 (Ind. 179) 
usw. — Göttweig 94. 301. 302. 850. — Gießen 721. Über Niko- 
laus von GnB (f 1444> vgl. ABehbach, Gesehiclite der Wiener 
üniTeimt&t I & 467—40». Eink, Geaehioihte der kaiaerl. üni- 
▼erntftt «i Wien 19 8. 57. 



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— 38 - 



In eigenartiger Weise tritt der Ertrag einer mehi^ 
jährigen akademisclien Lehrtätigkeit bei Johann von 

Mariunw erder zutage. Die Schüler Heinrichs von Oyta 
galten in Prag als besonders eifrig und produktiv. 
Auch Johann gehörte zu ihnen, als er in den achtziger 
Jahren das Katheder bestieg. Doch scheuchie schon 
1387 der Nationalitätenhader die deutsche Profefisoren- 
gnippe aus Böhmen fort. Johann kehrte in seine preußi- 
sche Heimat znräck und sah sich als Domdechant an 
der eben fertiggestellten Kathedrale seiner Vaterstadt 
Marienwerder vor eine FtQle von Problemen innerldrch* 
lidier Art gestellt, nnter denen die Seelenleitnng der 
mystischen Yisionärin Dorothea von Montan nicht das 
geringste war. Doch der böse Geist aus Böhmen 
heftete sich dem pomesanischen Domdechanten aufs 
neue an die Fersen, diesmal in Gestalt der böhmi- 
schen Ketzerei. Seit 1399 machte em zugewanderter 
Böhme im Lande viel von sich reden, der gegen 
den hohen und niederen Klerus rücksichtslos polemi- 
sierte. Daß seine dogmatische Auffassung irrig sei| 
war Johanns wohlberechtigte subjektive Meinung. 
Daß der Ketzer nebenbei noch ein bestialisches Leboi 
geführt habe, dürfen wir als landläufige Übertreibxmg 
streichen. Der Andersgläubige ist immer zugleidi 
auch ein böser Mensch. Aber der Mann kolportierte 
obendrein eine Schrift, ein aus Ketzereien zusanmien- 
gesetztes Symbolum. Diese Tatsache bot dem Dom- 
dechanten den Anlaß, seine alt^n Prager Kollegien- 
hefte, nachdem sie iilx r zwölf Jahre im Kasten geruht 
hatten, wieder hervorzuholen und sie zu einer in ihrer 
Art tüchtigen Symbolerklärung zusammenzuarbeiten. 
Weil die leichtfertigen Landsleute hinter dem fremden 



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— 39 — 



Verfiilirer herllinken, so ruft ihnen Johann pathetisch 
ins Ohr: Kommt, laßt uns wandehi im Uchte unseres 
Gottes. Werft Puch mit Eifer in das Studium der 
heiligen Schritt, ihr treuen Seelsorger, die ihr für den 
kathohschen Glauben eifert! Denn unter den Ursachen 
des Unglaubens steht die Unwissenheit an erster Stelle. 
Im Symbole aber erfaßt der Christ die Fülle der ihm 
zum Heile notwendigen Wahrheit; steht doch alles in 
dieser kurzen Formel, auch wenn es nidit besonders 
in Worte gekleidet ist wie die Lehre vom Abendmahles 
die man in den Artikeln vom Leiden Christi nnd von 
der Einheit der Kirche suchen muß. Doch nimmt 
Johann trotz des äußeren Anlasses nirgends auf die 
Irrlehren des l^xjlimen direkt Bezug. Er hält es viel- 
mehr mit jener Apologetik, welche den IiTenden 
keiner speziellen Widerlegung würdigt, sondern nur 
die gläubige Q-emeinde vor seinen bösen Einflüssen 
abzusperren sucht. So dienen denn auch die von 
Johann ans allen Jahrhunderten mit seltener Voll- 
ständigkeit zusammengetragenen Häresieen for den 
vorliegenden Fall nur als abschreckendes Beispiel. 
Alles in allem ist also bei Johann von Harienwerder 
die Summe von gelehrtem Wissen durch das Medium 
einer zwoLfjährigen intensiven seelsorgerlichen Praxis 
hindurchgegangen. Die letztere drängt sich dabei 
nirgends unangenehm auf. Die liomme liekluse wird 
nur einmal erwähnt, aber der pastorale Verkehr mit 
ihr ist an dem ehemaügen Professor ebensowenig wie 
seine kirchenregimentliche Tätigkeit spurlos vorüber- 
gegangen. In dieser Verschmelzung des scholastischen 
mit dem mystischen Elemente, der gelehrten Theorie 
mit der alltäglichen Prams liegt der besondere Beiz 



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— 40 — 



dieser Jahrselmte hmdurch in aUen TeUen Deutsch- 
Lands gebzauohten Symbolerldäning 

Abennale also sind die Kompüatoien an der Arbdt, 

die Epigonen einer großen Zeit. Nur daß es sich 
niclit mein- wie im 9. und 10. Jahrhundert um das 
Erbe der alten Kirche handelt, sondern diesmal um 
die Quintessenz der Geistesarbeit der Scholastik. Es 
wird emige Mühe kosten, die Namen und Lebensum- 
stände dieser kleinen Geister festzustellen. Einstweilen 
hüllen sich die meisten von ihnen noch in den dichten 
Schleier der Anonymität oder in den nicht viel lufti- 
geren des unbestimmten Elostemamens. loh greife 
daher vorerst nur einen heraus, den in den bayrischen 
Benediktlnerstiftem einst viel gelesenen regulierten 
Kanoniker Albert von Dießen am Ammersee, der seiner 
Erklärung der Artikel mit echter deutscher Gründlich- 
keit eine allgemeine und di'ei spezielle Einleitungen 
voraufgehen läßt**). 

Init.: Yenite ambiüemus in Inmine dei nostri. Hand- 
fichriften: München CUm. 2509 (Ab. % 3955 (Asj^. 55), 83U (Att. U\ 
7016 (FOxst 116X 7658 (Ind. 158), 8880 (Mon. Aug. 80), 8434 (Mon. 

Aug. 134), 11468 (Polling. 168), 12029 (Prüf. 29), 12032 (Prüf. 32), 
12263 (Raitenb. 63), 15610 (Bot 110), 18209 (Teg. 209), 18403 
(Tag. 402), 21062 (Thierh. 62). Cgm. 600. — Leipzig Univerai- 
tÄtsbibl. 326. ~ Melk 537 K 7. — Göttweig 264. 308. — Lon- 
don Brit. Mus. Egerton 878 und Addit. 1436. — Über Johann von 
Marienwerder (f 1117) vgl. F. Hipler, Meister Johannes Marien- 
werder, Professor der Theologie zu Prag, uud die Klausnerin 
Dorothea von Montau in der Zeitsdixift fOr die Oesoluohte und 
Alterlnunskunde Ennlands 1865. Eirchenlenkon (2) YI S. 1718 
bis 1716. 

*) Init.: Ccode creditur ad iustitiam, ore autem confessio 

fit ad salutem. Handschriften: München Clin. 5C68 (Diess. 168), 
8880 (Mon. Aug. 80), 8833 (Mon, Au«. 89), 12276 (Baitenb. 76), 



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— 41 — 



Im scharfen (iHcrensatze zu jener traditioneilen 
Erklärungsweise, wie sie sich ebensowohl in den offi- 
ziAUeu Katechismen des Kirchenregimentes wie in den 
Tmseiischaftlichen Werken der scholastischen Profes- 
soren naohweisen läßt, steht die Art, wie die Stülea 
Im Lande sioh. das Symbol zoreditlegeii imd es an- 
wenden. Auch in der katedketisoihen literator gleieht 
die Hystik seit dem 14. Jalurhnndert einen empfind- 
lichen Mangel ans. Denn sie firagt nidit: Was ist 
der GHanbe? sondern: Was wirket der GHanbe? Bis- 
her lernte der Christ, was die einzelnen Artikel zu 
bedeuten haben. Jetzt wird ihm gesagt, wozu er sie 
gebrauchen kann, wozu sie ihm helfen. „Nun meri^et, 
was der Glaube wuket in einer heiligen Seele, die 
sich oft in ihm übet.'^ 

Der erste Artikel von der Alhnadht des Schöpfers 
eizeagt kindliche Gk>ttesfarcht^ der zweite vom ein- 
geborenen Sohne liebe an Gk>tt, das EmpfSftngen vom 
heiligen Geiste wirket Scham nnd Oraosen vor Sünde, 
das Gaboren von der Jnngfran Keuschheit nnd emst- 
liche Tugendnbmig, das Gelitten ein williges Ertragen 
aller Widerwärtigkeit. Die Frage: Wie kommt Pontins 
Pilatus in das Symbol? hatte zahlreichen £rklärurn 
Kopfschmerzen verursacht. Man hatte auf ihn als die 
Spitze der Regierung im heiligen Lanrln hiiigu wiesen, 
hatte von seiner angeblichen Heimat Pontus ge- 

15324 rRogg. 24), 17931 (Bibl. eccl. Sukb. 1), 18367 (Teg. 367). 
Cgiii :i897. — Das verbreitetate Werk des Verfassers scheint 
ein Sp( ciiluni clericorum gewesen zu sein; eine der vielen Miln- 
cheuer Haudäciiiiften desselben, der Clm. 18387 (Teg. 387j, 
Stammt kob dem Jahre 1376 und ist vielleicht Alberts Oodeac 



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— 42 — 



sprochen und anderes mehr. Der l'romme des 15. Jahr- 
hunderts sieht von all dieser unfruchtbaren G^ehr- 
samkeit ab. Bei ihm heißt es einfach: Unter Fontios 
FilataB wket in uns den leohten G^honam gegen 
alle Menschen. Die histomdLe Noüz 'vnSi also nidits 
anderes besagen ab das Wort des Paulus: Jedermann 
sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. 
Die Kreuzigung ferner wirket bei uns Abkehr von der 
Welt und ihrer bösen Lust, der Tod Jesu, daß wir 
allen SiindeUj Untugenden und unserer eigenen ^Natur 
absterben. Sein G-rab bringt uns Frieden des Herzens 
ohne allen Streit, seine Höllenfahrt die rechte Bruru r- 
liebe, vermöge deren wir allen Menschen zu Hille 
kommen und in unserm Q-ebete der Seelen im Fege- 
feuer wie der Leute auf Erden fleißig gedenken. 
Ohriatna ist von den Toten auferstanden: so stehen 
-wir auf von allen böaen Gwohnheiten und den Ein- 
wirkungen der Gbstame und richten unsere drei 
Geisteskräfte auf Qott und auf nützliohe Dinge. Er 
fiohr zum Himmel xmd ermöglichte uns dadurch ein 
wahrhaft schauendes Leben. In der detaillierten 
Art, wie die fünf Grade der Schauung beschrieben 
werden, tritt das spezielle Interesse des Mystikers 
klar zutage. Der G-edanke an Christi Wiederkunft 
zum Gericht erzieht uns zur Gerechtigkeit. Dem Ar- 
tikel vom heiligen Qeiste verdanken wir eine Reinheit 
des Heizens, kraft deren wir nicht wieder schlecht 
werden noch werden können. Von einer heiligen katho- 
Hachen Eirohe, deren weltumspannende 3Cacht die son- 
stigen Erklfirer mit Vorliebe den begrenzten Konven- 
tikehi der Eetaer gegenüberstellten, weiß der Fromme 
nichts. Er kennt nur eine heilige Christenheit, deren 



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f 



— 43 — 

Güter darin bestehen, daß "wir Kinder Ckittes, Bräder 
Jesu Christi, Jünger des heiligen Geistes und Genossen 
der Apostel werden. Der Artikel vom ewigen Leben 
erfoUt uns mit Hoffiinng nnd Sehnsnciht nach dem 
Jenseits, bewahrt nns vor den Sorgen dieses Lebens 
nnd läßt nns willig von ihm scheiden. Hit dem Amen 
aber geben wir uns gelassen in Qt>ttes Willen, von 
uns aus das zu woUen, was er will. \) 

Es wird nicht schwer sein, alle diese Sätze aus 
Eckart oder anderen mystischen SchnftsteUem des 
14. Jahrhunderts zu belegen. 

Von derselben Tendenz, aber noch originelle ist 
eine Symbolerklärung, die sich in der zweiten Hälfte 
des 15. Jahrhunderts in Süddeutsdbland dner besonde- 
ren Beliebtheit erfreute. Ich fand sie zuerst in der 
Stadtbibliotliek zn Nürnberg, wohin sie aus dem dorti- 
gen Katharinen k] oster gelangt ist, dessen von den 
Patriziertöchtern der Stadt zusammengebrachte Biblio- 
thek noch heute von dem lebhaften Interesse der 
Eüosterfrauen für die mystischen Gedankengänge 
zeugt. Später habe ich dann noch fünf Absduiften 
in Munchener Sammelbänden konstatieren können. 
Amhrosins war wohl der erste und zugleich letzte 
gewesen, der das Symbol in drei Tetraden gegliedert 
hatte. Hier begegnet dieselbe Einteilung wieder, aber 
mit ganz neuer Motivierung. 

Drei Feinde haben wir aUe Zeit, die wider uns 
streiten und uns des Erbes berauben wollen, das uns 
Christus mit seinem anschuldigen Blute verschafft hat: 



Nürnberg Stadtbibliothek Cent. IV 37. 



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— 44 — 



den Teufel, die Welt, das eigene Fleisch. „0 weh Ver- 
nniifb, wie bin ich schwach gegen so starke Feinde, 
die so manohen stolzen Helden und kräftigen Biesen 
und kühnen Bitter ge&^t haben, daß sie sieglos ge- 
worden sind. M. Yenuinfb, gib mir etEohen Trost 
nnd Bat, laß mich nicht in so großen Sorgen yer- 
derben.'' nNnn, dann folge mir, Mensdi, so wird dir 
Bat. Achte anf die Schläge, halte den Schild deines 
G-lanbens vor imd fange die Schläge mit ganzer 
Hoiliiiiiig auf." Und nun beginnt der Kampl. Der 
erste Feind rückt heran, der Teufel. Er streitet gegen 
den Christen mit Furcht, Begehrlichkeit, falschem Rat 
und Unweisheit. Aber gegen die Furcht ist geschützt, 
wer auf den getreuen, allmächtigen, starken Vater ver- 
traut, der Himmelreich und Erdreich geschaffen hat; 
gegen die Gier nach dem Beichtum dieser Welt, wer 
dem gnten nnd reichen Jesus GhrUtus dient, der ihm 
gut zu lohnen vermag; gegen den fleischen Bat^ wer 
nicht allen G-eistem traut^ sondern den heiligen Geist 
Yom bösen Geeiste am unterscheiden weü3; gegen die 
Unweisheit, wer im Hinblick auf Christi Tod daran 
denktj daß er selber sterben muß. Der zweite Femd, 
die falsche Welt, verfügt über die vier Angriffs- 
waffen der unziemlichen I'reude. des eitelen xVuges, 
des falschen Gutes und des verworrenen G-eschäftes. 
Doch wer an die Höllenfahrt denkt, vergißt Kur- 
machen und Tanzen; wer sich das Sitzen zur Rechten 
Gottes vor Augen malt, den mahnt der Sturz des 
hoohmtitigen liozi&r zugldch znr Demut; wer an 
das zukünftige Gericht g^ubt^ der hütet sidi vor faL* 
schem Gute wie vor üppigem IGfibrauch setnes Besitzes 
und wird nicht den Possenreißern geben, was er den 



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Armen versagt; wer die Süßigkeit des heiligen Gastes 
aohmeekfc, der rncddet die nimütsen Ghedanken und If- 
disohen Interessen. Wenn dann noch als dritter 
Feind das eigene Heisch uns zu Falle bringen inll 
durch böse Gksellsohaft, Verzagtheit, Freude am Leben 
und Mangel an Sterbensbereitsöhaft, so entgehen wir 
diesen Anfechtungen, indem wir uns halten an die 
Gemeinschaft der Heiligen, an die Sündenvergebung, 
an die AufersUjhung des Fleisches — ein guter R-itter 
schont sein Ex)ß nicht, wenn es sich um die Ehre 
handelt, wie viel weniger der Christ sein Leben, wenn 
der Himmel in Aussicht steht — und an die Länge 
des ewigen Lebens^). 

Mt dieser Betrachtungsweise ist der Zwang der 
alten objektiven Form definitiv gesprengt. Man darf 

das Symbol erklären olinü pa Irls tische Q-elebi\samkeit, 
ohne Rücksicht auf die Kirche und ihre offizielle 
TheolrgiB. Man darf sich selbst, sein rehgiöses Em- 
pünden, sein persönliches Keilsbedürfois im Symbole 
wiederfinden. 

Tausend Jahre hindurch hat das Symbol für ein 
Werk der Apostel gegolten, nnd zwar nicht etwa bloA 
in dem sUgemeinen Sinne, daß es die vom apostoli- 
schen Zeitalter und speziell von den Zwölfen vertre- 
tenen Glaubenswaliiheiten in nuce enthielt. Vielmehr 
sollten die Zwölfe die Formel in kollegialer Wf^ise be- 
raten und direkt zusammengestellt, haben, als sie nach 
dem ersten Püngstfeste auseinandergingen. Und noch 



Nürnberg Stadtbibliothek Cent. VI 59. München Cgm. 
564 (a. 1455). 543 (a. 1469). 1141 (a. 1479). 638 u. 1121 (saec. XV), 



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lieber dachte man sich, den Vorgang in der Weise, 
daß jeder einzelne, vom heiligen Geiste inspiriert, einen 
der zwölf Sätze beigesteuert hätte. "Die Etymologie 
des Wortes Symbol mttßte diese VorsteUnng von alters 

her stützen ; regelmäßig wiederkehrende Allegorieen von 
den Picknicksmarken, die man vor dem gemeinsamen 
Mahle zusammenlegt, oder von den Beiträgen, die man 
vor dem Antritt der Reise zur gemeinsamen Reisekasse 
beisteuert, taten das Ihrige, um die Überzeugung zu 
befestigen, das Symbol sei wirklich glied- und stück- 
weise von den Aposteln komponiert worden. Gewiß 
hat es auch im Mittelalter krittsoh erleachtete Geister 
gegeben, welehe von einer solchen Aatoisdiaft nichts 
wissen wollten, sondern dieselbe nnr als eine landläu- 
fige Tradition weiterfahrten. Mit sicherem Takte be- 
zeichnet Abälard die Kirche als die Verfasserin des 
Symbols. Thomas von Aqumo hebt nachdrückUch 
hervor, daß man dasselbe ebensowohl in zweimal sieben 
als in zweimal sechs Artikel teilen könne; er legt also 
auf die Zwölfzahl keinen Wert. Und so lassen sich 
noch einige Beispiele bringen, daß ein vielleicht von 
Thomas abhängiger Erklärer von der Entstehungs- 
legende entweder ruhig absieht oder sie durch die 
Einteilung des Stoffes in vierzehn Sentenzen still- 
schweigend widerlegt Aber solche Fälle bilden die 
Ansnahme nnd sie verschwinden geradezu gegen Ende 
des Mittelalters. Im 15. Jahrhandert hat wohl jeder 
Theologe es für nötig gehalten, der Symbolerklärung 
jene Entstehungslegonde vorauszuschicken und die 
Artikel sorgfältig auf die einzelnen Apostel zu ver- 
teilen. Auch Thomas von Aquino erschien damals in 
verbesserter Auflage d. h. mit eingeschobenen Apostel- 



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nameu^). Ganz leieht war fireilicli die Sache nicht. 
Han war edoh dturohaixs nicht darüber einig, von wel- 
chem Verfasser jede einzelne Sentenz herstammte. Die 
Kataloge diilerieren zum Teil beträchtlich. Und man 
kann es einem Praktiker nicht übelnehmen, wenn er 
über diesen Qnisquilien die Geduld verlor und mit 
einem Non Liquet vor seine Schüler hintrat. So be- 
zeidmet der Pfarrer Surgant seinen Apostelkatalog 
als nur wahrscheinhch und tröstet den Leser damit, 
daß auf die Namen ja wenig ankomme, die Haapt- 
aabhe sei, daß der heilige G^Ut das Symbol inspiziert 
habe. Die Mehrzahl indessen hielt dafür, die Fest- 
stellnng dieses Katalogs sei des Schweißes der Edlen 
wert Mit der rührenden Gewissenhaftigkeit des deut- 
schen Professors erörtert Nikolaus von CIraz vor seinen 
Wiener Studenten bei jedem Artikel immer zuerst die 
Verfasserschaft. Niedergefahren zur Holle, am dritten 
Tage wieder auferstanden von den Toten, beigesteuert 



*) Das inteoressonte Beispiel dner solohea Bearbeitung des 
Thomas (De artieidis fidei et saetamentis eoolesiae, vgl. oben 
8. 24) am Ende des Mitfcelalteis bietet der Oxfotder Cod. Laud. 
misc. 296 saec. XY ex* Die Sohnft des Thomas scheint damals 

wieder in Mode gekommen zu sein, wenigstens verlangen die 
Provinzialsynodcn von ^"ainz 1451 und Cöln 1452, daß sie re^l- 
maßip: auf jeder Diözesansynode verlesen werde. YgL HefelOi 
Conciliengeschiclite VIII S. 51. 53. 

Auch in die Versus mernoriales (vgl. oben S. 16 Anm. 1) 
werden jetzt die Apostelnamen eingeschoben, so m eiaer Papier* 
haadschrift yoa 1400, Fans Bibl. Ka& 15159: 
Articuli fidei bis sex sunt corde tenendi, 
Qnos Ohristi sooii docaerant pneumate pleni. 
Credo deum patrem Petrus inquit cuncta cnantem, 
Andreas dixit; Ego credo deum fore Christum etc. 



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vom Apostel Thomas nach Ansicht des Bonaventura 
und des Richard, von Jakobus d. J. nach Meinung 
des Innocenz, während Alexander von Haies und 
Thomas von Aquino die eine Hälfte dem Philippus 
und nur die andere dem Thomas zusprechen. Wer 
aber nun recht hat, das kann Professor Nikol&us mit 
dem besten. Willen selbst mcht sagen. 

Ja man ging noch weiter. Nachdem für jeden 
Artikel der betreffende Apostel sdileoht und reckt fest- 
gelegt war, galt es far beide noch den alttestament- 
liehen Antitypns zu. konstruieren. Besonders das 
bflder&ohe 15. Jahrhundert ergötzte sich an derartigen 
btmten Blättern mit und ohne Miniaturen. In ihrer 
vollkommensten Form zeigen sie untereinander die 
zwölf Fakta des Symbols von der Schöpfung der Welt 
bis zum Bilde des ewigen Lebens, links davon je 
einen alttestamentlichen Propheten mit einem Worte 
der Weissagung, rechts einen Apostel mit der die Er- 
fällnng repräsentierenden Symbolsentenz. 



^) Die y»gleichuiig der swölf VerfEiaser des Symbols mit 
cwölf alttestunentliolLen Geetalton ist eine ttberaus hBufige 
Spielerei des IS. Jahrhanderts. Ich nenne u. a. folgende Bkad- 
sduciften: Mtknohen Clm. 611, 5439 (Chiems. ep. 139), 8826 (Monac 
Franc. 126), 14680 (Em. G 64); femer Cgm. 658. 660. 767. — 
Nürnberg Stadtbibl. Cent. TV 20. — Heidelberg Universitäts- 
bibl. Pal. germ. 567.— Göttweig 244. 258.318.— Oxford Canon. 686 
und Coli. Corp. Christi 155. 

In Form einer künstleriächen Tafel: Loudon Brit. Mus. 
Arundel 83 fol. 12 und fol. 128 und Arundel 507 foL 16. 

"Mit reichem Bildersclunudk in Fonn Ton zwölf Holzsohnitfe- 
taleln des 15. JalirlLimdeortiB in Mttnehea: GSm. 61« Xylogr. 4*. 
VgiL Symbolum Apostolioom oder „das apostolische Glaubens- 
bekenntniß" mit beigefügtem Texte der GUwibensartikel (Gredo). 



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Jedenfalls klammerte sich, das frommo Bewußtsein 
b€i Klerikern und Laien in steigendem Maße an die apo- 
stolisclie Verfasserschaft des Symbols. Man besaß eine 
Reihe von Lehrstücken, die seit Jahrhunderten mit 
aller Energie der Gemeinde eingeprägt waren; Vater- 
nnser, Ave Maria, Q^bote waren der Bibel entnommen; 
kein Wunder daß man auch für das Symbol eine 
historische Begründung verlangte. Denn die große 
Menge bedarf greifbarer Autoritäten; ihr scheint der 
Inhalt verloren, wenn die Porm zerbricht. Und der 
kecke Bursche bEeb nicht aus, dem dieses Zerbrechen 
der Form einen Spaß machte, Laurentius Valla ver- 
langte 1443 den wissenschaftlichen Beweis für die 
landläufige Behauptung, daß die Apostel das Symbol 
glied- und stückweise zusammen sresetzt hätten. Und 
da niemand in der Lage war, ihm diesen Beweis zu 
liefern, so erklärte er dasselbe für eine Zusammen- 
ziehung des Symbol™ von Nicäa, also für ein Produkt 
des drohen Mittelalters. Es ist bekannt, daß sich die 
Inquisition des Falles in optima forma bemächtigte 
und den fischen Zweifler zum Widerruf zwang. Aber 
gerade dieses letztere ist das Wichtige an der Sache. 
Denn es zeigt, wie tief der G^lanbe an den apostolischen 
Ursprung jenem Geschlechte eingeprägt war. Die Wert- 
schätzung des Symbols ist durch die Jahrhunderte die 
gleiche geblieben, aber die Begründung dieser Wert- 
schätzung hat sich dermaßen verschoben, daß, ich will 
nicht sagen bei allen und auch nicht o^iell, aber doch 

(XY. Jahrhundert.) 12 Holzschnitte mit dem Keiber gedruckt 
ia FoksuDÜe-Ileprodiiktton nadi dem eisodgon big jetat bekaont» 
Exemplar im Besite der Hof- und Staatsbibliothdc sa Mttneh e iL 
Statfcgaxt. J. Soh«ibl6*s Antiquariat. 

Wienand, Dm apiwtoL Bjmbol Im MlttolaUer. 4 



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bei der großen Hasse des hohen und niederen Klerus 
und bei dön Laien nicht mehr die Güte des Inhaltes, 
sondern die erdichtete Eigenart seines Ursprunges das 
Symbol empüehlt. 

Laurentius Valla saß im Schatten der Minoriten- 
kirche von Neapel und schüttelte sich innerUch vor 
Lachen, wenn der wackere Bruder Antonio bei der 
Katechisation in Hitze und Heiserkeit geriet, indem 
er die Kinder un Ghoms immerfort hersagen ließ: 
PetroB spradi: loh ^nbe an den Vater. Andreas 
sproch: Den aihnächtigen Schöpfer Bumnels und der 
Erde. Das scheint ja nun an imd fffar sich nicht all- 
zu schlimm. Denn wer wird an jede Kinderkatechese 
den Maßstab der kritischen Wissenschaft legen! Und 
doch hat der dem religiösen Leben entfremdete Literat 
instinktiv die ganze Tragik dieser Art von Unterricht 
empfunden. 

Li den Tagen der kirchlichen Reaktion, die auf 
das Scheitern der großen Konzihen folgte, steigert sich 
der Eifer for die religiöse Yolksbelehnmg ins Fabel- 
hafte. Man ertrinkt geradesa in den Titeln der Er- 
baunngsliterator. Und wen sein Unstern in eine Hand- 
schriftensammlung oder nnter die Xnktmabeln ftHurt^ 
der weiß sich vor diesem Überflnß an Katechismen 
und Beichtbüchern überhaupt nicht mehi- zu retten^). 
Growiß sind auch bessere Sachen darunter, wie die 
viel zitierte „Himmelsstraße" oder die „Erklärung der 
zwölf Artikel des christlichen G^laubens'^i ein stattlicher 



Auf die sltea Besiahiiiigeii des Symbols sa Beidite und 
Beitihtlitemtar lim ieh absiohtUcih nicht nfiher eingegangen, weil 
mioh beides sa weit gefOhrt h&tte. 



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Band, der seit 1483 wiederholt von Conrad Bmkmut 
in Ulm aujQgelegt woide und trotz seiner Breite sehr 
knizweilig zu lesen ist^ weü er von Anekdoten nnd 
allerlei Betrachtongen wimmelt. Aber die große Mehr- 
sahl ist von einer ersdireekenden Öde. Man kann 
Datzende von Btiohem dieeer Art dnioliblättem, ohne 
beim Symbol einen anderen Beitrag zu finden als einen 
apukiyphen Apostelkatalog. Diese Tatsache wirft ein 
licht auf die religiösen Zustände des ausgehenden 
Mittelalters. 

Luther versichert, in seiner Jugend den Katechis- 
mus gelemt| aber keinen Lehrer gehabt zu haben, der 
ihm denselben erklärt hätte. Man könnte diesen Aus- 
spruch beiseite legen. Mansfeld war eine kleine Stadt 
nnd vielleicht etwas anßer der Welt. Aber anoh der im 
kaltivierton Süden anfgewachsene MeLanchthon und 
Mathesius, den seine nnrnbigen Familienverhältnisse 
von Rochlitz über Nürnberg nnd Ingolstadt nach 
München geführt haben, konstatieren die gleiche Tat- 
sache. Man wird sich also nicht gut um dieselbe her- 
umdrücken können. Denn wie gesa^, man darf sich 
nicht durch die Fülle von Büchertiteln aus jener Zeit 
imponieren lassen. Man muß in die Bücher selbst 
hineinsehen und aus ihrem Lihalte auf die Art der 
reHgiösen Bedürfnisse jener Zeit schUeßen. Es hat 
eboi augenscheinlich in den letzten siebzig Jahren 
des Mittelalters mehr als einen Katecheten vom Schlage 
des übereifiigen Antonio von Keapel gegeben, der den 
Eatechismns zwar mit lauter Stimme einpankte, aber 
ganz vergaß andi seinen Inhalt dem Herzen der Ge- 
meinde nahezubringen. 

Lidessen ich will nicht mit diesem Mißklange 

4* 



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schließen. Die Beliandlung des apostolischen SymboU 
hat sich in don sieben Jahrhunderten seit Kaxl dem 
Ghx>ßeii nicht immer auf gleioJier Höhe gehalten und 
nicht immer halten können. Aber die l^ne, welche 
man dieser Formel geschenkt hat^ darf weder vergessen 
noch in ihren Wirkungen nnterschätzt werden. Bern 
an die einzelnen Sätze des apostolischen Symbols an- 
geknüpften Unterrichte verdankt es das Mittelalter 
doch in erster Linie, daß die christliche Gemeinde 
auch in den trübsten Zeiten mit einer Reihe von bib- 
lischen Tatsachen und christlichen Heilswahrhoiten be- 
kannt blieb, ohne deren Wüi-digung und Behauptung 
ein Fortbestand der christlichen Kirche nicht denk- 
bar ist. 



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